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Full text of "Zeitschrift für Volkskunde"

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für  Volkskunde  1901. 


Taf.  V. 


Dr.  Karl  WeinhoM 


ZEITSCHRIFT 


Vereins  für  Volkskunde 


Neue    Folge  der  Zeitschrift  für   1 

begründet  von   M.   Lazarus  und   H.   St 


Im  Auftrage  des  Vereins 


heran 


Karl  WVinliohl. 


Elfter  Jahrgang. 


M  "'   T'x;- 


BERLIN. 
Verlag  v     n  A.  As  her  &  Co 


i 


Inhalt 


Abhandlungen  und  grössere  Mitteilungen. 

die  Bedeutung  des  Haselstrauchs  im  altgermanischen  Koitus  und  Zaul 

wesen.    Von  K.  Weinhold l       IG 

Die  Heise  der  Seele  ins  Jenseits.    Von  Julius  von  Negelein     I.  AI  i 

Seele.    II.  Reiseweg  der  +>•<■]<■.     IM.  Versucht    di<    Seele  an  der  Rückkehr 

zu  verhindern)  

Von    dem    deutschen  Grenzposten  Lasern    im    wälschen  Sadtirol 

Von  J.  Bacher   (II.  Geschichten    in    Luserner  Mundart    No.  16    88.     Ili. 

Meinungen,  Bräuche  und  Sprüche  1     66).       .28    37.169—180.290    296.      u 

Geschichten  aus  Bamberg.  1—6.    Mitgeteilt  von  Helene  Raff 

Der  Ort  der  Hochzeit  auf  [sland  zur  Sagazeit.     Von  Bernhard  Kahle    ...    - 
Zwei  alte  Gerichtsstätten  in  den  Bheinlanden.     Von  0.  Schell    L.  Feldkirchen 

bei   Neuwied;    2.   Kyllburg  in  der  Eifel;    3.    Elemlingrade  im  B  i 

4.  Wildb'erg  im  Bergischen).     Tat.  I   und  IV 17—4 

Die  Verwendung  >ler  Pflanzen  durch  die  Kinder  in  Deutschböhmen  und  Ni< 

Österreich.     Von  E.  K.  Blüm  ml  und  A.  J.  Rott 19 

sereime  aus  Anhalt.    Gesammelt  von  0.  Härtung 

Sagen  aus  Nordthüringen.    Im  Volk''  gesammeil  von  I;.  l:.  icbhardt    I.  Bann 

sagen.    II.  Hezensagen.    III.  Schatzsagen 

Braunschweigische  Volksreime.     Mitgeteill  von  0.  Schütte 
Die  Eiserkuchen  der  Zerhster  Gegend.     Von  I  .  I 

Die  altnordischen  Rätsel.    Von  Andreas  Heusler 

Ruthenische  Hochzeitgebräuche  in  der  Bukowina.    Mitgeteill  von  tt.  F.  Kaindl 

■ 

Über  einige  Votivgaben  im  Salzburger  Flai  bgau. 

Zu  Goethes  Parialegende.     Von  Theodor  Zai 

Sankt  Michaelsbrot    Von  Max  Höfler.    . 

Der  Wassermann  im  schlesischen  Volksglauben.      Von  1'    Dre<  l 

St  Hubertus-Schlüssel.    Von  Max  Höflei  ... 

Beiträge  zur  Flora  der  Friedhöfe  in  Nieder-Österreich      Von  E.  K.  Blümml 

Die  Frau  im  Islam.     Von  Martin  Hart  mann 

Ein  dänisches  Märchen  von  Petrus  und  dem  I 

J.  Bolte 

Abergläubische  Gebräuche  aus  dem  Mittelalter.     Von  G.  Mi      I.    .    . 
Das  deutsche  Spottlied  auf  die  Flucht  d  Heinrich  \ 

geteilt  von  Adolf  Hauffen 

Zu  dem  Volksliede  von  der  Tochter  des  Kommandanten  zn  i 

Karl  Reissenberger 

Der  böse  Blick  in  nordischer  Überlieferung.     Von  H.  F.  Feilb 

Beilagen 


IV  Inhalt 

halten   am  25.  Oktober  L901  im  Verein  für 

Volks!  1    rlin  *   d  Mai  Roedi  ger 353 

\      teichnis  dei  Schriften  Weinholds.     Von  Mai    Roediger.   .     364    376 
Von  Jol  rone    Bolte   l.  Verbreitung 
and   Inhaltsübersicht;    II.    Die  ftltesl  Pa  [II.    Die  portu- 

1  .i .-im.      1\.    Die   italienische  I  V.    Die  Deutungen  der 

Zahlcnreih«    1     12 376—406 

im  Seelenglauben  und   rotcnkult.    I.     Von  Julius  von  Negelein    .     I"*'.-  120 
Von  de  l.i  Martinieres  Reise  nach  dem  Morden.    Von  Bernhard  Kahle.   .    .    .     431—443 

;.  Ilerrecht.    Mitgeteilt  von  Hans  Schukowitz 152—455 

Die  Hedwig-Sohlen.     Von  Max  Böfler.     Mit  Tafel  VI 455-458 


Kleine  Mitteilungen. 

Ein    hochdeutscher  Augensegen   in   einer  Cambridger  Handschrift  des  L2.  Jahr- 
hunderts      Herausgegeben  von  K.  Weinhold 79—82.    "226 

Ipfer-Bärmutter  als  Stachelkugel.     Von  M.  Höfler 82 

Zur  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  X.  100.    Von  C.  F.  Seybold.    .    .  82—  83 

Blau  als  Trauerfarbe.     Von  K.  Weinhold 83 

Ein  Viehsegen  aus  Mecklenburg  gegen  die  neunerley  Elven.   Von  R.  Wossidlo  83 —  84 

aus  Preussisch-Litauen.     Von  V.  Jahn  hinterlassen 84 

Alt-Münchener  Festgebäck.     Von  Helene  Raff 84 —  87 

Ein  Brauch  in  der  Krossener  Gegend.     Von  R.  Mielke 87—  88 

Karl  Julius  Schröer  f.     Von  K.  Weinhold 213— 214 

Der  Palmbusch  in  den  Niederlanden.     Von  K.  \V 215 — 216 

I>a-  Notfeuer  im  Braunschweigischen.    Von  0.  Schütte 216—217 

Weiteres  zu  den  Zanberpuppen.     Von  R.  Mielke 217 — 218 

Bäuerliche  Kraftspiele  am  Ahersi       Salzburg).    Von  G  Zcller 218—219 

Volksmeinungen  von  der  bayerisch-österreichischen  Grenze.    Von  Helene  Raff  219—221 

Sterbende  werden  auf  die  Erde  gelegt.     Von  K.  \V 221 

las  echte  Tirolerlied  (nach  Zangerle  .     Von  K.  VY 222 

Wochenzettel  für  den  kärntischen  Bauerntisch.     Von  K.  \Y 222 — 223 

Das  Hutzahaus  im  Egerland.     Von  Jos.  Köhler 223 — 224 

Schwi  i   Blümml    und  Rot'.    Verwendung    der  Pflanzen.     Von 

Augusl   Vetter     224—226 

Zu  dem  Cambridger  Augensegen.    Von  K.  W 226 

trag  zum  Traum  vom  Schatz,  auf  der  Brücke.     Von  A.  Hauff en    ....  226—227 

enn  der  Himmel  war  Papier.     Von  Th.  Zachariae 331 

]>a-  Hän  ein  im  Braunschweigischen.     Von  0.  Schütte 332 

Der  Nikolausabend  am  Abersee  im  Salzburgischen.    Von  <!.  Zeller 334 — 335 

Sagen  vom  Rübezahl 336—337 

Braunschweigische  Sagen.    Von  0:  Schütte   Geister;  Hexen;  Unruhe  im"  Grabe; 

Spuken                   Kreuzstein.    Schöppenstedter  Streiche 333 — 340 

Kröte  als  Gebäckmodel.     Von  M.  Höfler 340-341 

ickermärkischer  Brauch  bei  der  Brautwäsche.    Von  R.  Pet'sch.' 341 

Zum  Hubertusschlüssel.     Von  0.  Schell 342 

Zwei  Volkslieder  aus  dem  Geiselthal  bei  Merseburg.    Von  M.  Adler 459 — 461 

Braunschweigische  Abzählverse.    Von  0.  Schütte 461 

Drohung  und  Verspottung  beim  Versagen  einer  Bitte.     Von  0.  Schütte  .   .   .  462 

Erziehung  zur  Aufmerksamkeit     Von  0.  Schütte 462 

Das  Vogelnest  im  Aberglauben.     Von  H.  Lewy 462—46:5 

Volkstümliches  aus  Jonathan  Swift.     Von  1".  Ilwof 463 — 464 

Zu  Heinrich  Kaufring   i      \    o  K.  Euling 464 — 465 

Alexander  Treichel  f.     Von  E.  Lemke 465—466 


Bücheranzeigen. 


Archiv   ti'u  Religionswissen  i  haft,  bei  1 1 1         i 

vmi  K    Weinhold) 

Bass,  A.:  Deutsche  Sprachinseln  in  Südtirol  am 
Bernsl  ein,  J.:  Catalogue  des  livrej  pari  mi 

de  J.   B.    A.   11  rück  ner) 

ßiunck,  A.    Volkskundliches  aus  Garzigar. 

Dähnhardt,  <>.:  Heimatklänj  lauen  I  (K    Weinhold 

Drechsler,  P.:  Das  Verhältnis  des  Schli 

K    Weinhold; 

Farsetti,    K.:     Quattro    bruscelli    senesi.    —     Befanati     di 

(A.  Toblcr) 

er,  M.:    Osterlandsagen.    Sagen,    Bilder   and  Geschieh! 

burger  Ostkreise  (K.  W.) 

Hager,  <;.:    Die  Weihnachtskrippe,   ein    Beitrag    zur  Volkskunde    ai 

bii  bti     R.  Mielki 

Herrmann,  Max:  Jahrmarktsfesl  zu  Plundersweili                 hungs- und  Buhnen- 
geschichte (R.  M.  Meyer) 

Hoffmann  von  Fallersleben:   Unsere  volkstümlichen  r.ieder,   1.  Aufl.  bi 

von  K.  II.  Prahl    J.  Bolte 

John.  A.:  Unser  Egerland   IV    K.  \\ 

Justi,  I'.:  Hessisches  Trachtenbuch  II    K    Weinl  

Kallas,  0.:  Achtzig  Märchen  der  Ljutziner  Esten    J.  Bolte 

Köhler,  R.:  Kleinere  Schriften  herausg.  von  J.  Bolti    II     III    K.  Weinhold 
Maclagan,  R.  Craig:  The  Games  and  Divei  Irgyleshire    \    Zupil 

Meyer,  Heinrich:  Die  Sprache  der  Buren    K.  V\ 

Deutsche  Mundarten,  herausg.  von  J.  W.  Nag]  I.  I 

[Natesa  Sastri   ,  Tales  of  Tennalirama    Rieh.  Schmidt         l"l 

Politis,  N.  G.:  noQoiftku  I     II    K.  Di(  terich 

Gebräuche  und  Sprichwörter  des  Allgäus,  Heft  11    19   K.Vt 
Rumpe,  R.:  Wie  das  Volk  denkt.    Allerlei  Anschauungen  5  Iheil  und 

Kranksein    M.  Bartels) 

Schönbach,  A.  E.:  Studien  zur  Geschichte  der  altdeul  ch  d  Predi  'II     l 

uisse  Bertholds  von  Regensburg  zur  Volkskunde    M.  Roedij    t 
Schrader,    0.:     Reallexikon    der    indogermanischen    Altertumskundi     1       II 

E.  Zupitza) 

Schweizerisches    Idiotikon.     Wörterbuch    dei  I  ^ 

K.  Weinhold      

Sebillol .  1'.:  Contes  des  Lan  '    u 

Derselbe:  Le  Polklon  beurs    K.  W.     , 

Stieda,  L.:    Anatomisch  -  archäologisch    Studien  I:    D 

II:  Altitalische  Weihgeschenki     M.  Bartelf 
Tiffaud:    L'exercice  illegal   de  La  mede<  ine  dan         Bas-1 

Vogt,  Fr.:  Die  Bchlesischen  Weihnachtspieh     J.  1  

Wichmann,  Y.:  Wotjakische  Sprachproben  I     II    K.  W. 

Aus  den  Sitzungs-Protokollen                  as  für  Volkskunde.     V  n  M.  B 
und  .1.  Bolte    ...it  Tal    II  -III) 109  -116.  21 


Keeister 


(her  die  Bedeutung  d(>>  Haselstrauchs 
im  altgermauischen  Kultus  und  Zauberwesen. 

Von  K.  Weinhold. 


Die    mythologische    Botanik    ist    ein    Ausschnitt    der    Mythologie    von 
mannigfachem   K<iz.    der    durch   zahlreiche  Fasern  mit  <\<'\\  andern    IVih-n 
verbunden  ist.     Das   Leben,  das  alle  Natur  erfüllt,  durchdringt  das  kleinste 
Gras,    wie    den    mächtigen    weitschattenden    Baum.     I>i"    geheimnisvollen, 
Heil  uii'l  Vernichtung  bringenden  Kräfte,  welche  der  Mensch  in  unschein- 
baren  Kräutern  durch  die  Erfahrung  an  Beinern  Leibe  erkannt  hatte,  I 
ihn    darin    eine    übermenschliche  Kraft    fürchten  und  verehren.     Göttliche 
oder    halbgöttliche  Gestalten    glaubte    man    in   den  Bäumen  wohnend  und 
wirkend    und  widmete   ihnen  ehrfürchtigen   Dienst  mit  Gebet  and  Opl 
Dazu  kam  die  phantastische  Übertragung  der  Baumgestalt  auf  baumai 
Wolkengebilde,    in    denen    sich    die    gewaltigen    Naturerscheinungen    von 
Wind    und  Wetter    vollzogen   und  die  Macht  der  grossen  Götter  sich 
fühlbar  offenbarte.     So  war  Grund  genug,  Pflanzen,  Sträucher  und  Bäume 
zu  der  dämonischen  und  mystischen  Welt  in  Beziehung  zu  setzen  und  mit 
dem  Kultus  in  all  seinen   Verzweigungen  zu  verbinden.     Nicht  gerade  für 
alle  lässt  Bich  «las  noch  wahrnehmen,  wohl  aber  dir  eine  gewählte  kleinere 
S.har.     Ich    sehe   hin-  von  den  Kräutern  ah  und  babe  Bäume  und  baum- 
artige   Sträucher    im  Auge.     Da    ich    auf   meinem  Grund    und    Boden    zu 
bleiben  begehre,    nenne  ich  nur  deutsche:    Mi-   Esche  und  Eben  dir 

Buche  und  Eiche,  die  Weide,  dann  den  Elxen-  oder  Elaenberbaum  (prunua 
padus),    den  Weissdorn  (Crataegus  .    den   11   lunder  (sambucus),  den  Wach- 
older (juniperus)    und    die  Hasel.     Ober    letztere    will  ich  mich  biei 
breiten,    weil    alter  Gläobe,    deT    im  -        Aberglauben  fortwirkt,    ihr 

eine  nuz  besondere  Bedeutung  und  deshalb  auch  Verehrung  zuerkannt  hat. 


Die  Hasel  war  ein    dem  Gewittergott  geweihter  baumaxi 

Als  die  Dänen  im  Jahre  851  Dublin  eroberten,  macht.  a  zum  Mit! 

punkt  der  nordmännischen  Macht.     Das  dort  herrschende  Geschlecht  I 

Zeii^chr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    19ul. 


Weinbold : 

Thonars-  (Tomairs-)  Geschlecht;  ein  grosser,  dem  Thonar  geweihter  Wald, 

oder  Thöra-Hain  (caill  Tomair,  Irisch)  breitete    sich    weithin 

N(1I,  der  Stadt  längs  der  Küste  des  Liffeyflod  aus.     Derselbe  bestund  Dach 

den  irisc    in  Quellen  aus  Haseln.     Als  der  christliche  Irenkönig  Brian  von 

Munster    im    Jahre  998    Dublin    erstürmte    and    verwüstete,    liess    er    den 

Thonars-Hain  niederhauen  and  verbrennen.    (.loh.  Steenstrup,  Normannerne 

;.  359,  w,,  bewiesen  wird,  dass  Toraair  der  nordische  Thonar  ist:  3,350). 

1>;.'  Heidengötter  wurden  von  den  christlichen  Bekehrern  zu  Unholden 

o   Dämonen  .    zu    Teufeln    und   Hexen    herabgesetzt.     Wenn    es    mm 

Doch  jetzl  in  Luzern  heisst,  dass  der  Teufel  den  Hexen  unter  Haselstauden 

oe    Schweiz,   [diotikon  11.   1675)    mnl   im  Oldenburgischen,    dass  der 

Teufel    alle    Bäume    einmal    in    Haseln    verwandeln    werde    (Strackerjan, 

Aberglauben    und  Sagen    aus  Oldenburg,  §349),    so    hört    man    darin   die 

Nachklänge    von    dem  Glauben    1.    an   den   Verkehr  des  Heidengottes  mit 

seinen  Priesterinnen  im   Haselbuschj  und  2.  des  Glaubens  alter  verstockter 

Heiden,  ihr  Gott  weide  einst  seine   Heiligtümer  wieder  aufrichten. 

Leider  sind  wir  bei  der  Forschung  in  unsern  Altertümern  mehr  als 
gut  auf  Tradition  verwiesen,  auf  von  alters  überlieferte,  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht  vererbte  und  natürlich  oft  entstellte  Zeugnisse.  Lassen  sich 
dieselben  aber  auf  gesicherten  Grund  zurückführen,  so  dürfen  sie  ver- 
wertet  werden.     So  steht  es  auch   mit  dem   folgenden. 

Zweig ler  Stauden    der  Hasel    waren    wie    der  ganze    in  kräftigen 

Stämmchen  aufschiessende,  heim  Nahen  des  Lenzes  blühende  Strauch 
»eweiht  und  im  Kultus  verwendet.  So  als  Opfergaben.  In  den 
Schweizer  Urkantonen  glaubt  man.  wenn  ein  Kranker  für  sein  Weh  in 
die  Kapelle  von  Bertischwi]  wallfahrte  und  dort  einen  Haselzweig  opfere, 
so  werde  er  geheilt  (Lütolf,  Sagen.  Bräuche,  Legenden  aus  den  fünf  Orten, 
S.  255).  Ferner:  wer  den  einjährigen  Schoss  einer  Haselstaude,  der  auch 
anderwärts  als  besonders  kräftig  gilt,  breche  und  hinter  den  Altar  der 
Bertisrhwiler  Kapelle  lege,  wo  ein  alter  Rosengarten  (d.  i.  alter  Kirchhof) 
i>t.  der  könne  ganz  besondere  Gnaden  von  Gott  für  die  Verstorbenen  er- 
bitten   ebenda  S.  371). 

Dann  bei  alten  K  ul  t  us  ha  n  d  1  u  n  ge  n.  Bei  dem  uralten  Frühlings- 
feuerfest des  Scheibenschlagens  am  Sonntag  nach  Fastnacht  werden  im 
nördlichen  Breisgau  die  glühenden  Holzschejben,  die  Symbole  der  wieder 
aufwärts  ßteigenden  Sonne,  mit  Haselstecken  geschlagen  (Heilig  in  Ztschr. 
d.   Vereins  f.  Volkskunde   IX.  350  . 

Zu  dem  am  Karsamstag  neu  zu  entzündenden  Feuer,  einem  von  der 
Kirche  angenommenen  alten  Brauche,  nimmt  man  in  Oberösterreich  als 
Weihlmlz  vorzüglich  Holzstücke  der  Hasel  (A.  Baumgarten,  Aus  der 
Heimat    1.    i. 

In  den  Umzügen  zu.  alten  Festzeiten  des  Jahres  leben  verkümmerte 
Reste    heidnischer  Ku|tprozessi<  nen    fort.     Nicht    selten    linden  wir   dabei 


Haselstäbe    getragen.     Haselgerten    werden    in   llolzbeim  in  Bchwa 
den   ii-miii  Knaben  geführt,   die  an  den  drei  Sonnl  I"       ten  anter 

Hersaguug    eines  Spruches    von   Haus   zu   Haus  gehen     r  -  In 

deu  Orten  um  Gmünd  trag!  zur  Fastnacht  der  in  Stroh  gehüllte  Butzeumann 
eine  Haselrute  in  der  Hand    Birlinger,   Volkstümliches 
Bei  der  Kirchweih  zu  Alten  muh r  in  Mittelfranken  am  ersten  Born 
Jakobi    geht  eine  Haselrute  von  Tänzer  zu  Tänzer.     Wer  di<  rade 

hat,    während    eine  von   der  Tanzlinde  hängende  brennende  Lunte  h< 
fallt,   bekommt  einen  der  am   Baum  bangenden  Preise  (Panzer    B 
Sagen  und  Bräuche  2,  243).     Die   Pranger-  oder  Reife  die  im  - 

burgischen  vom  Juni  bis  zum  Erntefest  bei  den  feierlichen  l  ingäng<  n  um 
Felder  und  Wiesen  zu  ihrem  Gedeihen  und  Schutz  getragen  werden,  be- 
stehen aus  einer  geschälten  Fichten-  oder  Tannenstange,  um  welche  eine 
Haselrinde  herumläuft,  in  die  abwechselnd  Bergblumen  uud  grüne  Blätter 
gebundeu  sind     .M.   Eysn  in  Zeitschr.  d.   Vereins  f.  Volkskunde   \ 

Eine  besondere  Stärkung  gewinnt  die  alte  religiöse  Bedeutuug  des 
Haselstrauchs  bei  den  Germanen  aus  rinn-  altschwedischen  Runenschrift 
auf  einem  Grabsteine  von  Rök  in  Ostergötland,  der  in  den  Anfang 
10.  Jahrhunderts  gesetzt  wird,  worauf  die  Worte  ynd  göauar  liosli  stehen, 
die  zu  «Ich  Worten  und  jarctar  hgslu  in  einem  Gedicht  des  isländischen 
Skalden  Hallvarctr  Häreksblesi  um  1030  stimmen.  Nach  übereinstimmender 
Deutung  von  Konrad  Gislason  und  Sophus  Bugge1  wird  hier  'Ii''  II 
als  Weltbaum  bezeichnet  an  Stelle  der  gewohnten   Esche. 

Doch  bedeutenderes  ooeh  lässt  sich  l'iir  die  sakrale  Bedeutung  der 
Hasel  anführen,  [hre  Stauden  haben  in  <  1  < •  1 1  altgermanischen  Gerichts- 
versammlungen und  in  den  Kampfordnungen  eine  wichtige  Ver- 
wendung zur  Dmhegung  des  unter  göttlichen  Schutz  gestellten 
auf  dem  das  Recht,  sei  es  durch  Urteil,  -«ei  es  durch  die  Watten,  gefunden 
werden  sollte.  Der  Gott  über  Kampf  und  Recht  war  bekanntlich  in 
ältester  erkennbarer  Zeit  der  allgebietende  Himmelsgotl  Hu«.  Ihm  mush 
die  Hasel    ursprüglich    geweiht    gewesen    Bein;    ihre  Übei  auf  den 

Donnergott   Thonar-ThörT    ist    bei    der  Abz1  »puderen 

wittergottes  und  bei  'lern  Zurücktreten  des  Tiut   g<  schehen. 

Genaue  Schilderungen  der    Haselui  Dingstatt   bieten  die  alt- 

nordischen Sagas.  Die  Egilsäaga  beischreibt  Kap.: 56.  ^  l-  die  Einrichtung 
der  Gerichtstätte  auf  der  Insel  Gula  in  Nordhordajand  für  den  Rechte- 
verband des  Gulathing.  Auf  einem  ebenen  Felde  vollr  slettr  war  ein 
Kreis    durch    I la-elstaimen   (heslis  kt,    die    von    aussen    mit 

Schnuren  umzogen  waren,  die  man  heilige  Bänder  (veb  -     fa  d 

Ringe  sassen  36  Richter,    12  aus  jedem  der  drei   vereinig! 


-    ;     1-   S.  Bti-i?.-.    Studieö    übte*  ■■-  ' 

deutsch  von  Krenner.     S.  530;     M 


I  Weinhold: 

i  i .  in    Jansen  Gerichtsfelde    [ringvollr)  lag  eine  besondere 

Hril  .  die  Dach  der  Grägas  von  dem  Goden  am  Vorabend 

^gesprochen    ward.     Besonders    geheiligt    war    der  abgegrenzte 

pingmark),    den    die   Elaselstangen    mit    den    heiligen   Bändern  um- 

achlossen '). 

Von  der  Umhegung  der  Dingstätten  durch  Seile  oder  Schnuren  and 
Stangen  oder  Pfahle  wissen  wir  auch  aus  Deutschland'),  nur  wird  die 
Hasel  nicht  ausdrücklich  dabei  genannt.  Doch  heissl  es  in  einer  Züricher 
Öffnung  von  L412  Schweiz.  Idiotikon  2,  L675)  und  in  dem  Weistum  von 
Borsikon  (Grimm,  Weistümer  1.  49  :  Gericht  solle  man  unter  der  Basel- 
staude halten.  Der  Stab  des  Richters  ferner,  auf  den  die  Eide  abgelegt 
wurden,  war  in  alter  Zeit  eine  Haselgerte,  eine  hasla,  wie  <<  in  der  lex 
liilmaria  67,  •'»  heisst.  Ich  trete  wenigstens  Heinr.  Brunner  (Deutsche 
Rechtsgeschichte  "2.  429)  bei  dm-  Deutung-  der  Worte  der  betreffenden 
Stillt'  in  circnlo  et  in  hasla  (var.  in  collore)  id  est  in  ramo  auf  den 
Ridring  und  den  Stall  des  Richters  durchaus  bei. 

Bin   Rechtssymbol    ist  die  Hasel  in  «mimt  Aargauer  Öffnung  von  1456 

Schweiz.  Idiotikon  2,   L675),    wonach    der    Eigentümer    eines    vom    Maier 

gepfändeten   Viehs,    wenn  derselbe  es  nicht  um  ein  bescheidenes  Lösegeld 

freigeben    will,    es    dadurch    Lösen    darf,    dass  er  einen  einjährigen  Ha>ei- 

sclm>s  in  das  Dach  des  Maierhauses  steckt.3) 

Dir  Zweikampf  und  noch  mehr  die  Yolksschlacht  galten  den  Germanen 
als  eine  religiöse,  inner  der  Gegenwart  des  Kriegsgottes  stellende  und  von 
ihm  geleitete  Handlung,  die  mit  Gelübde,  Gebet  und  Opfer  verbunden 
war.  Der  angreifende  Heerkönig  wie  der  zum  Zweikampf  fordernde 
Manu  bestimmte  die  Stelle  dr>  Treffens  und  wie  nordgermanische  Quellen 
aussagen,  haselte  der  FordereT  den  Platz,  d.  h.  Hess  ihn  mit  Haselstecken 
marken.  Darüber  habe  ich  in  meinen  Beiträgen  zu  den  deutschen  Kriegs- 
altertümern S.  '-'f.  (Sitzungsberichte  der  Preuss.  Akademie  d.  Wissensch. 
L891,  S.  5.")lf.)  gehandelt. 

Das  hasla  voll  ist  bei  grösseren  Scharen  der  Kämpfer  nicht  buch- 
stäblich   zu    nehmen,    sondern  bedeutet  dann  nur  das  Walfeld  bestimmen. 

Zweikämpfen  war  es  Brauch,  den  Platz  mit  drei  Furchen  zu  umziehen 
und  in  die  vier  Ecken  je  eine  Stange  (hoslur)  zu  stecken:  patt  er  vollr 
hasladr,  er  Bva  er  gert,  dann  ist  das  Feld  genäselt,  wenn  so  geschehen 
i>r.  Kormakssaga  c.  ]<». 


1  \  _1.  auch  Kour.  Maurer,  Die  Bekehrung  des  norwegischen  Stammes,  II,  219.  — 
Auf  Island,  wo  keine  Hasristraucher  wachsen,  ward  das  Wort  beibehalten,  die  Hascl- 
stangen  aber  durch  andere  Holzstälie  ersetzt. 

2)  J.  Grimm,  Rechtsaltertümer,  S.  810  (4.  Ausgabe,  II,  434).  Meine  Beiträge  zn  den 
deutschen  Kri>  igsaltertümero,  11  f. 

8)  Vgl.  auch  die  von  Brunner  a.  a.  0.  Anm.  81  erwähnte  Verwendung  einer  virga 
corilina  als  l'estuca  in  einer  französischen  Urkunde  von  868. 


Sicher    ah  Zeugnis,    dass    dieses  Haseln   auch   in    Deutachlai 
gewesen    ist,    können    wir    die  örtlich   in  Schwaben  erhalten«    l 
anziehen,    beim   Wettringen     dem    Hosenlupf)    den   Pinta    mit   IIa 
abzustecken     Birlinger,    Volkstümliches  aus  Schwabei 
innerung    an    die  Haselung    schwebte   wohl  auch   Konrad   eon   R< 
dem   Dichter    der  Kaiserchronik  7130  f.    vor,    als    er   nach   dei   fabeil 
Schlacht   des  Baiernherzogs    ide\{  n   die  Römer  b< 

König  Severus  fällt,  den  Biegreichen  Herzog  Beinen  Ger  bei  dem  I 
brunnen  als  Marke  der  Eroberung  in  den  Boden  Btossen   IS 

Dem    grossen   Himmelsgotte    geweiht,    der    über    den  Segen    und    <li<- 
Wetter  der  Wolken,   über  Sturm   und  Streif  unter  <l<ni  Menschen 
in  seinem  Kultus  verwendet,  müssen  der  Hasel  ausgezeichnete  wunderbare 
Kräfte  innewohnen.    Der  beim  Nahen  des  Lenzes  schon  blühende,  Bommer- 
verkündende,    im   Herbst    fruchtreiche  Strauch    ward   zum  leitenden   M 
des  göttlichen   Kraftstromes. 

Schutz  des  Friedens  und  heiliger  Ruhe  haben  wir  bereits  von   ilu 
gehen  sehen.     Weiter  verfolgen  wir  ihre  Wirkungen   in  der  Abwehr  <!••> 
schädlichen  und  feindlichen,  in  der  Erhaltung  und  Spendung  des  ll<-il- 
Weit  verbreitet  im  bajuwarischen  Gebiete1)   ist  der  Glaube,  dass  der 
Blitz  in    keinen   Haselnussstraucb   schlage  und  dass  die   Haselzweige,   be- 
sonders  die   belaubten,    das  Haus,    an  das  Bie  angesteckt  Bind,   "<I<t  auch 
den   Menschen,    der  Bie  an   sich   trägt,    vor  Blitzgefahr  Benutzen.     In  dem 
Palmbuschen  isr  der  Stecken  gewöhnlich  ein  geschälter  Haselstab,   _•■■   hält, 
damit  uicht  die   Hexen    zwischen   Rinde   und   Holz  schliefen  und  die  I. 
des  Holzes  hemmen   ^Leoprechting   L69).     Er  würde  schon  allein  den  I 
abwehren,    ist   aber  durch  die   blühenden   Weidenzweige   und  die  and« 
kräftigen  Zuthaten,  <li<-  den  priesterlichei    3  ?or  dem  Altar  nm  Palm- 

sonntage  erhielten,    noch    von  — * « •  i  t  <  -   der  Kirche   gestärkt. 
Hasel    gehört   nach    herrschender  Meinung    neben    der  Weide  durchaus  in 
den   Palmbusch  (Zeitschr.  f.  Volkskunde  8,  226  .    In»1  eich  werden 

in    den   Buschen    drei   Haselzweige    im   Dreieck    eingebunden    und    in   die 
Mitte    des  Ganzen   ein    kleines,    nur  aus    Ha*  -        chtes  Bund 

gesteckt  (Baumgarten   1.   135).  . 

Aber  nicht  Mos-*  der  Palmbusch,  auch  d  II 

zweige  schützen  gegen  das  Gewitter.    9  len  entweder  in 

gitter  geflochten     Schönwerth,  Aus  i  ilx:    Baumgarten   1. 

135    oder  zwischen   die  Dachbalk«  chon,    wenn  man 

drei  Stifte  aus  Haselholz  in  das  G  -<-:     Panzer  2 

Em  Dorfe   Oberinn    im    nur.  kthale    gegen    d< 

Bammeln    sie  zu  Mariae   Heimsu«  -; 

1)  Pan/.er  2,  200.     Leoprechtü  e 
Heimat  1,  135.    Zeitschrift  d.  V  Volkskuu 

Sagen  aus  Tirol,  S.  793. 


Weinhold: 

zweige  and   bewahren   Bie   im   Hause,    um  es  gegen  den    runder  (Donner) 
und  bösen  Zauber  zu  schützen  (Hey]  8.  7 

In  der  Oberpfalz  soll  der  Haselstrauch  als  Gewitterschutz  in  den 
Gärten  der  Bauernhöfe  gepflanzt  werden     Wuttke,   Volksaberglaube  §  142). 

Die  liegende  leitet  die  blitzableitende  Eigenschaft  der  Hasel  davon, 
die  li.  Maria  während  eines  Gewitters  anter  einem  Haselstrauch 
Schutz  gefunden  habe1).  Örtlicher  and  anbestimmter  geben  die  Ober- 
inner dem  Haselzweig  jene  Kraft,  weil  Maria  einst  über  den  Bergrücken 
ob  ihrem  Dorfe,  den  8am,  gegangen  and  unter  einem  Haselstrauche 
rastet  habe  Hey!  793  .  A.ber  die  h.  Maria  vertritt  hier  nur  einen  Heiden- 
gott, den  germanischen  Thonar,  der  nicht  rastete  and  Zuflucht  suchte. 
Bondern   der    -einer   geweihten  Staude  mich  im   Donnerwetter  Friede  hält. 

Wenn  der  Haselstab  gegen  das  Wildfeuer,  den  Blitz,  solche  Kraft 
hat,  bo  ist  Beine  Hilfe  gegen  gewöhnliches  Feuer  noch  begreiflicher. 
lün  Schweizer  Peuersegen  wird  gesprochen,  nachdem  mit  einem  Hasel- 
stocke  ein  Kreis  gezogen  and  in  denselben  Kreuze  und  zwei  Merzen  ge- 
zeichnet sind  (Vernaleken,  Alpensagen,  4-Mi).  Im  Badischen  ist  ein  Hasel- 
zweig  ein  wesentliches  Stück  in  dem  Krauter-  und  Blumenbusch,  der  zu 
.Marin  Himmelfahrt  in  <\f\\  Kirchen  geweiht  wird  und  den  Brand  löscht: 
die  l-'eiiersltrnnsr  wie  die  Brand  genannte  hitzige  Krankheit  (B.  II.  Meyer, 
Badisches  Volksleben,  S.  106). 

Auch  gegen  den  Wind  schützt  die  Hasel.  Die  Windsbraut  kann 
dem  zum  Rösten  auf  ein  Linnen  gestreuten  Flachs  nichts  anhaben,  wenn 
das  Leintuch  mit  drei  oder  Bieben  oder  neun  Haselzweigen  ansperlt  (an- 
gepflockt    ist  (Baumgarten   1.   1<>.  L-5.")). 

Der  Wind  ist  ein  dämonisches  Wesen,  das  der  verschiedensten  Ge- 
staltung fähig  ist.  Die  wilde  oder  Nachtjagd,  die  Teufelsjagd,  wird  durch 
Haselzweige,  die  ins  Kren/  gelegt  und  dadurch  für  den  Christenmenschen 
verstärkt  wurden,  zur  Umkehr  gezwungen  (Baumgarten  1,  136).  In  Grau- 
bünden und  in  Vorarlberg  heisst  es.  ein  Hasel-  und  ein  Holunderzweig 
kreuzweise  gebunden  schütze  vor  dem  Wüetenheer  (Vonbun,  Beiträge  zur 
deutschen  Mythol  -  3.  127,  Chur  1862).  Wenn  unserem  Strauche  solche 
Macht  vor  einer  ganzen  Schar  von  Dämonen  beigemessen  wird,  darf  man 
sich  nicht  wundern,  dass  er  überhaupt  verdächtiger  oder  böser  Geister 
Herr  wi  r<  1 . 

W  er  zur  Nachtzeit  an  verrufene  Orte  gehen  muss,  nehme  einen  Hasel- 
Btab  mit,  denn  er  schützt  nach  bayerischer  Meinung  gegen  alles  Böse 
(weil  die  Hasel  von  der  .Mutter  (iottes  begnadet  wurde.  Meine  Zeitschr.2) 
B,  "-'.»6). 

1)  Baumgarton  1.  135.     Looprechting  S.  98.    Alpenburg,  Mythen  und  Sagen  aus  Tirol, 

2)  Der  Kürze  w  _  die  von  mir  herausgegebene  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volks- 
kunde so  citiert 


Mit  Haselgerten   trieben   einmal   zwei   IV  en  in  dei    MOlilimatte 

zu  A;ir;iu    umgehenden  Geisl    von   da   auf  den  I  liubel   am   Rorabn 

wohin    sie    ihn    bannten    (Rochholz,    Sch^  ''   •■ 

Nr.  104).    AimIi  die  feurigen  Männer  werden  durcl    -  i] 

rute  vertrieben  oder  ganz  rernichtel   (Schweiz,  [diotik 
die  Haselblüte   verjagt  den    bösen  Geist  aus  dem  Behexten, 
Sonnenaufgang    gesammelt    ward.     Nach   Sonnenaufgai 
sie  die  Hexerei     Bartsch,  Sagen  aus  Mecklenburg  2, 

Verzauberungen    werden    durch    die  Hasel    gelöst.     Wird   die  zur 
Schlange    verwandelte    weisse  Frau    mit   einer  einjährigen    II 
rührt,    so  ist  sie  erlöst,    die  Wiege  ihres  Befreiers   -"II  aus  Haselhoh 
macht  sein1).     So   unscheinbar    dieser  Satz   lautet,    eine   bo  alte  mythis 
Vorstellung    liegt    darin:    die    verwünschte    weisse   Frau   isl    die    ober  den 
Winter    gefangene    sommerliche  Wolkengöttin,    die    durch   das   Früh! 
gewitter    befreit   wird.     Der  Haselstab   i>r  .las   Symbol   des   Blitz«  • 
Ger  oder  Speer  sind  allbekannte  Waffen  des  Hiramelsgottes. 

In  einer  englischen,  aus  dem   17.  Jahrhundert  stammenden  Anweisung 
Feen  zn  fangen,  werden  die  dreijährigen  Haselruten  zur  Citation  der  Feen 
verwendet   (meine  Zeitschr.  5,  26).     Nach   den   Akten   des   Hexenpn 
gegen    windische    Weiber    aus    Marburg    a.   d.    Drau    1546    befreiten    die 
Schläge    mir    drei   Haselgerten   den    durch   Frauenhaare  Iten  Teufel 

(meint-  Zeitschr.  7.   189). 

In    ganz  anderem  Sinne   als   in   der  Sage  von  der  weissen  Frai 
die    Haselrute    den    Schlangen    gegenüber,    in    der    weit    verbreiteten 
Meinung,    dass    sie   «las   Gewürm   abwehre    und    banne.     Die   Legende 
zählt,  dass  ein  Haselstrauch  die  h.  Maria  gegen  eine  aufspringende  Schlang 

schützte,  als   sie    im   Walde  Brdl ren   für  das  Jesuskind    pflückte 

Dank    habe    die  Jungfrau    dem  Strauche    die    Kraft    verliehen,    alles  Vo 

g ,„    Ottern    und    anderes    kriechendes    Gewürm    zu    behüten      Vonbun, 

Volkssagen  aus  Vorarlberg,  Wien   ls.7.  S.  7").     Die  Legende  ist  natürlich 
jünger  als   der  Glaube   an    die  Kraft  der  II  S  «.    die 

erklären   will. 

Mir    der    einjährigen    Haselgerte    kam.    man    die  n    eil 

damit  gezogenen   Kreis  bannen,  worin  si«    sterben  müssen     W.  Hertz    Die 
Sage  vom  Giftmädchen,  S.   17.  Ann,  PKniui     I 

55)  berichtet,  dass  die  Betonica  Schlangen   in  einen  damil  n  Kreis 

Launen    könne,    worin    sie   sich    sei    .1  '"  Süddeutschi. 

verbreitet,  dass  drei  Streiche  mit  der  Haselrute,  auch  *ofal  eil 
Nattern    töten    (Zingerle,   Sittei  Baumgarten   1, 

1     EhTe  schleiche  Sag«    h  '    \)      ' 

Gottschee  9H,  eine  Kreier    Säbci  bürg,  Mythe« 

2)    Von   hier    in    die  Grimmschen  Kinder-    und  B 
andere  Sammlungen  ül               -    n- 


Weinhold: 

bcIk  aber  Dach  Schweizer  Bericht  dreijährig  und  ganz  gerade  sein 

weiz.   [diotikon  _.   1' 

In    einem    \"n   Fr.  Panzer     Bayer.   Sagen   and   Bräuche  1,    191)    mit- 

Märchen    schlägt    der    Frankfurter    Kaufmannssohn    «Ich    sieben- 

köpfigen    Drachen*  mit    einer    Haselgerte    einen    Kopf   mich    dem    andern 

dreimal    ab.     Der   schwedische  Aberglaube    vrerfährt    milder   und   lässt  der 

Schlange    durch    Berührung    mii    der    Haselgerte    nur    das    Gift    nehmen 

Dybek   Etuna   L848,   - 

Wenn  an  die  abwehrende  und  schützende  Kraft  der  Hasel  gegen  ge- 
fährliche  Wesen  so  fest  geglaubi  ward,  lau-  die  Ausdehnung  auf  ihre  Macht 
-•  -ii  drohenden  Schaden  überhaupt  nahe  Die  argen  Verwüstungen 
des  Wildes  jagdlustiger  Herren  in  den  Saatfeldern  <\i>\'  Bauern,  wogegen 
die  Leibeigenen  hilflos  waren,  konnten  wohl  ihre  Gedanken  auf  mystische 
Schutzmittel  leiten,  und  so  gab  es  in  Pommern  dieses  Rezept:  Brich  am 
Karfreitag  vnr  Sonnenaufgang  stillschweigend  eine  Rute  vom  Haselstrauch, 
die  in  einem  Jahre  aufgeschossen  ist.  Mache  davon  einen  Ring  und  leg-e 
diesen  am  den  Arm.  mir  welchem  Du  das  Getraide  aussäest,  so  wird  das 
Wild  die  Säten  nicht  berühren  (U.Jahn.  Hexenwesen  und  Zauberei  in 
Pommern.  Stettin  1886,  Nr.  720).  Hiernach  wird  die  frühere  Umzäunung 
der  Felder  mit  Haselsträuchern  wohl  den  Zweck  <\fs  Schutzes  gegen 
schädigende  Tiere  gehabt  haben;  in  Oberösterreich  bestunden  die  Gehäge 
der  Feldmarken  grösstenteils  aus  Haselstauden,  jetzt  sind  sie  ausgerottet 
(Baumgarten  1.  135).  Im  Berner  Oberland  machte  man  die  Hage  eben- 
falls aus  Haselsträuchern  (Schweiz,  [diotikon  2,  1676).  Salis-Seewis  und 
Matthisson  gedenken  der  Haselhecken  und  -Zaune  in  ihren  Gedichten 
mm,   I).  Wörterb.  2,  531.  534). 

Fremdes  Vieh  darf  man  in  der  Schweiz  nicht  mit  jedem  Stecken, 
sondern  nur  mir  einjährigem  Haselschoss  aus  seinem  Felde  treiben  (Schweiz. 
Idiotikon  •_'.  1675  .  Die  beim  Gericht  verwendete  Hasel  bezeugt  das  Recht 
des  Eigentümers,  seinen  Besitz  zu  schützen.  Kein  aus  der  schützenden 
und.  wie  wir  sehen  werden,  segnenden  Kraft  der  Hasel  ist  abzuleiten,  dass 
der  Hirtenstab  von  Haselholz  sein  muss.  Er  darf  nie  leichtsinnig  weg- 
»rfen  weiden,  sondern  der  Hirt  muss.  wenn  er  einen  neuen  nehmen 
uil1-  den  alten  in  drei  Stücke  zerbrechen  (Wuttke,  Volksaberglaube,  §  684). 
In  jedem  oberösterreichischen  stall  steckt  ein  Haselzweig,  damit  Glück 
und  Segen  drin  bleibe  (Baumgarten  1.  135).  Drei  Kreuze,  aus  sechs 
Haselzweigen  gemacht,  legt  man.  ehe  das  Einführen  des  Viehes  von  der 
Weide  in  den  Stall  beginnt,  auf  den  Boden  jedes  Barn.  Ebendort  schneidet 
man  das  innere,  nur  aus  Haselzweigen  bestehende  Büschel  im  grossen 
Palmbuschen  nach  der  Segnung  ganz  klein  und  giebt  es  dem  Vieh  zwischen 
zwei  Broten,  oder  1  nickt  es  in  die  „Viehstöri". 

Mischt  man    de,,   Kühen    gedörrte   männliche  Hasenkätzclien  unter  das 
Salz,  80  geben  sie  reichlich  Milch  (Schweiz.  Idiotikon  2,  1676).    Wenn  es 


..im  Stall  fehlt",  d.  Ii.   wenn  die  Kflhe  zu  weni«»  Milch  f?obi»n,   | 

im   Lechrain  die   ßiedende   Milch  mit  zwei  einj  iten,    'Ii-'  am 

Palmsonntag    geweiht   wurden     Leoprechl 

einer  Schweizer  litterarischen  Quelle  von   L646       -  K 

Anken   wird    entwandt^    da    ist    d  ine   Wei  nnt»n  un 

bauren,    dass    Bie   drei   Haselschoss   vor   Sonuenaul  ■' 

die    ueue    Milch    zum    Feuer    wird    gesetzt    und    mit    dem    Haselhoh 

Schwüngen    und    verletzt,    'Im-  Hexiu    \v « ■  1 1  zu  thun,    dass   siel 

Schweiz.   Idiotikon  •_'.   1671  h  jetzt   isl   Luzerner  Brauch,  den 

Rahm,    wenn    er    nicht   buttern   will,    mit    drei   Haselzweigen    zu  Bchla 
ebenda  . 

Im  Lechrain  streicht  man  der  Kuh  beim  ersten  Austrieb  im  Frühjahr 
mit  einem  Haselstecken  über  den  Rücken,  in  der  Meinung,  damit  fremden 
Kühen  zu  Gunsten  der  seinen  die  Mihi,  zu  nehmen  Leoprechting  9  I." 
Hier  i.sr  <\<t  alte  segnende  und  weihende  Hirtenbrauch,  das  Vieh  beim 
ersten  Austrieb  im  Leu/  mir  dem  Stabe  zu  berühren,  /um  neidischen 
I  [exenbrauch  entartet1). 

Auch    auf  die   Rosse   wirkt    das   wundersame  Holz.     Im   Kanten   ; 
hieb    man   an    einem  heiligen  Sonntag  während  dem   Kirchengeläute  i 
wärts  gewandt  «'inen  Haselstock   in  den  heiligen  drei  Namen  aus  dem  I 
um  de,,   Hafer  der  Pferde  damit  umzurühren  (Schweiz.  Idiotikon  2 
Nimm  von  Haselstauden  die  Kätzchen,  gieb  sie  dem  Rosse  m  itter, 

so  wird   es   fest   und  mutig  (Bartsch,    Mecklenb.  Sagen  2,   154),   Im. .et  ein 
Mecklenburger  Rezept. 

Ami:    ,h,.    Getreide    in    der    Scheune    Bteht    unter    de,,,    segnenden 
Einflüsse  de.  Strauches.    In  Ostpreussen  schneidet  man  im   Frühlir, 
grünen  Haselstock  und   beim  ersten  Gewitter  macht  man  damit  Qb« 
reidehaufen    ein   Kreuz,    dann  halte,,    9ich  die  Körner  jalirela 

dorben   (Wuttke  §  662  .     Di"   uralte   Beziel a    de,-  Hasel    /um  Gewitter 

tritt  hier  wieder  hervor. 

h,  den  Weingegenden  der  Schweiz  braucht   man  die   H  auch 

zut  Frischhaltung  de.  Wein,  im   Fasse    Schweiz    I 

So  ist   e.  wohl  verständlich,  da.,  die  W  Stallgeräte  mit 

Vorliebe    aus  Haselholz    gefertigt    wurde,,.  Obei  h   bis 

neue  Zeit  geschah  '  Baumgarten   1.    I 

Nicht  minder  begreiflich  ist  die  II .    Ifc  Iche  die  H 

brechen,  Krankheiten   und  Wunden  de.   menschlichen   Leibe* 

Will    man    das   Fieber    los    werden,    so    kaufe   man    eine,,   Hasel 

l^msüdslavisehenBi  nenza* 

den  Honiu-  zu  nehmen  d 

2)  Ganz  vereinzelt  und  allen, 
•   die  Mitteilung  ans  Wälschnoven     I 
und  Eschenheiz  alles  schwinde, 


im  Weinhold: 

ohne  zn  handeln,  oder  breche  ihn  vor  Bonnenaufgang  im  Walde,  gehe  mir 
ihm  in  die  Kirche  und  lege  ihn  in  eine  Ecke,  bete  drei  Vaterunser  und 
Avemaria  und  gehe  Fort.  Wer  den  Stab  an  >i<h  nimmt,  bekommt  das 
Fieber  und  wird  es  nur  los,  wenn  er  den  Stab  in  drei  Stücke  bricht  und 
verbrennt     Grohmann,  Aberglaube  aus  Böhmen,  Nt  117!;  Wuttke  §  183 

Unter    den    neun    vor  Tagesanbruch   geschnittenen   Hölzern,    die  man 
das  Schwinden    oder  Abmagern    in   einem  Säckchen  bei  sich  trägt, 
darf  Haselholz  nicht  fehlen   [Voubun,  Beiträge  zur  Mythologie,  126). 

Wer  eine   Haselgerte  bei  Bich  hat,    ist  schwindelfrei  (Grohmann  l 

In  <lrr  Nacht  ;uii'  Peter  Paul  (29.  Juni)  schneidet  mau  in  Mecklen- 
burg stillschweigend  Haselruten  and  zwar  von  unten  nach  oben.  Hat  nun 
jemand  eine  Schnittwunde,  so  betupft  man  die  Ruten  mit  dem  Blute,  um- 
wickelt Bie  mir  einem  Lappen  von  einem  Mannshemde  und  trägt  sie  an 
seinem  Leibe  bis  zur  Heilung  der  richtig  verbundenen  Wunde  <\i-<  Ver- 
letzten. Legt  man  Bie  früher  ul».  s<>  bricht  die  Wunde  wieder  auf  (Bartsch, 
"_'.  293.  .">71).  Eine  Wunde  im  Hein  durch  einen  Beilhieb  geschlagen, 
hört  durch  Bestreichen  mit  dem  kleinen  Stück  eines  Haselzweiges  sofort 
zu  hinten  auf  uud  heilt  gut  (Strackerjan,  Aberglaube  aus  Oldenburg,  1,80). 

Nicht  bloss  Heilung  bringt  der  wundersame  Strauch;  auch  zu  dem 
Lehen  Belbst,  zu  Liebe  und  Fruchtbarkeit  steht  er  in  enger  Beziehung. 
Als  aphrodisiacum  dient  Haselholzrinde  in  einem  Rezept  aus  dem  1~>.  Jahrb. 
(Weimar.  Hs.  0.  565,  Bl.  L51):  Wenn  einer  nit  mynnen  mag,  item  wenn 
ein  fraw  einem  thet,  «las  er  nicht  möcht  mynnen.  der  nein  jung  hasel- 
Btaudenrinden,  da  sich  ein  ast  an  den  andern  reicht;  dieselben  rinden  nym 
und  prenn  sie  zu  pulver.     dasselb  pulver  nym  und  trincks  in  wasser  etlich 

.venu  du  wilt.  so  Bchaffstu  mit  einer  frawen  nach  deinem  willen. 
D  -  Mittel  hilft  also  nicht  bloss  gegen  gewöhnliche  Impotenz,  sondern 
bricht  auch  den  Zauber,  der  Bie  erzeugt  hat. 

Aus  dem  Blühen  der  Hasel  im  Vorfrühling  deutet  man  grosse  oder 
geringe  Fruchtbarkeit  des  Jahres  (Schweiz.  Idiotikon  2,  1676).  Viel  Hasel- 
nüsse,  viel  Kinder  und  besonders  viel  uneheliche  (Baumgarten  1.  136. 
Grohmann,  Aberglauben,  1.00).  Der  Westfale  sagt:  Wann  et  viel  Nüete 
giet,  dar  giet  et  6k  viel   Heäurenblägen     Woeste  in  Zs.  f.  Mythol.  2,  96). 

In  der  Mettennacht  (Christnacht)  werden  beiratshalber  die  Haselstauden 

lüttelt     Baumgarten   1,   136). 

Ein  alter  westfälischer  Bauer  erzählte  von  seiner  Freite,  dass  er  lange 
nicht  zu  Strii  31  äike)  kommen  kennte,  bis  er  die  Dieme,  die  er  gut 

leiden  mochte,  unter  einem  Haselstrauch  traf.  Da  hatte  er  sofort  das 
Jawort  (Kuhn,  Westfäl.  Sagen,  2,  45).  Bin  westfälisches  Liedchen  lautet: 
Aiiien  Busk  met  Haselnüeten  stäit  an  uesem  Deike;  bai  de  Dochter  friggen 
well,     maut    de    Meäuer    streiken    (ebenda).      In     die    Haselnüsse    gehen, 


1    Mitgel  ilt  von  Dr.  R.  Petsch. 


bedeutet    in    volksmassigen   Liedchen  '     das, 

Lyriker    bluonjen     rösen     an    der    h<  ,   n«nuen.     I 

bei    Herder  (Volkslieder    1.   109.     Li  i 

Mädchen    Rosen    brechen    gehn     Wohl    in   «li.-   grüne   ;i 

sie  da  am   Wege  stehn?     Ein   Hase]  die 

Die  westfälische  Redensart:   die  Krähe  bringt  m 
in  Z8.  f.  Mvtli.  _'.  96)   bedeutet:    ich   bekomme  einen  Manu,    und 
<lcm  eben  Abgeführten  in  enger  Beziehung,  während 
breitete  Bewerfen    und    Beschütten    der  Braut    mit  Getreide-    and    I 
kernen,    auch    Nüssen,    nur    die    Übertragung    der    Fruchtbarkeit    aul 
bedeutet      Meine    Deutschen   Frauen    im  .M.i  and    die    Haseln  um 

hier  keinen  eigenen  Sinn  hat. 

Durch    keine    andere   Verwendung    ist    die   Hasel  volkstümlich 

geworden,    denn   als  Wünschelrute*),    d.  i.   als  Quellen-  und  Schatz- 
finderin.    Es    wäre    nur  W  iederholung    des    längst  über  die   ^  Irute 
Geschriebenen,    wollte    ich    mich    hier    ausführlich    über    Bie  verbreiten  ' 
Für    uns   ist  'Ins  wichtigste,    dass  die  beste  Wünschelrute  nach  deute 
Volksglauben    vom   Haselstrauch,    namentlich    der  Weisshasel    zu    hei 
Zeit  (Dreikönig,    Fastnacht,  Karfreitagnacht,  Johannisnacht,  Mariae  Heim- 
suchung)   anter   besonderen  Gebräuchen  und  Sprüchen  geschnitten  w 

Sie  ist  gewöhnlich  ein  sich  oben  gabelnder  zwieselichter  Zweig,  Bell 
ein  einfacher  kurzer  Stab;  der  einjährige  junge  Schoss  ist  auch  hierzu  am 
tauglichsten. 

Zwei  Werte  sucht  und  findet  sie:  Wasser  und  Gold,  beides  hängt  eng 
zusammen,    denn    die  Haselzwiesel    ist    <hi>   irdische  Bild  des  himmlischen 
zackichten  Blitzes,  der  das   Wasser  der  Wolken  und  damit  auch  der   l 
weckt,  und  in  dem  and  durch  den  das  goldene  Gewitterfeuer  flammt 
als  Gold    in    <lic  Erde    aufgenommen,    durch    das  Blitzsymbol  wieder  ent- 
deckt wird 


',    Mannhardt   in  der  Zeitschrift  f.  d.  Mythologie  !  llerlei    durcheil] 

gemischt  wird. 

2)  Besser  ist  der  Anfang  in  Wolf-.  Schmeltz     i  14:  1      wo]\ 

zum  Tantze  gan,  Sucht   Rosen  auf  der  II 

3    I  ranz    baguette  divinatoir« .  engl,  forked 
auch  Zeigrnte  genannt:    Alpenburg,  Sagen,  ■ 
Volkskunde  2,  158. 

4)  Vgl.  namentlich  W.  Schwartz  in  m< 

5)  Wuttke,  Aberglaube,  §  1  13.     I  in  l'omnv  i 

t  Kunde  deutscher  Vorzeit  18       :  3      thal  19— 21    Kahla 

EL  Meier,  Schwab.  Sagen,  244.    Pan     i  Alpenbui 

Beiträge.    127.     Schweizer.  Archiv   f.  Volks* 

—  Andr.  Gryph.  Leo  Aimenius  IV,  2:    Die    Ruthe    die    ich    necl 
Nacht  !  üie   gleiche  Sonnen  stund,    aus  vielen  Haselsiräucl 

—  Sam.  Butschky,    Wohlbebanter  Nürnberg 
Etoehteutsche  Cancelley,  Bresslan                     B  f. 


1 


Weinhold: 


rte    ist    der    ganze    Strauch    gesetzt,    wenn    nach    ucker- 

nKirk  uiit.-r    einem  Haselstrauche  am  Wellberge  bei   Blanken- 

,1,.,-  l-.:  ,  dem  im   Berge  verborgenen  Schatz  sein  soll  (Kulm 

and  Schwarte,  Nordd.  Sagen,  So    v-l  ,   oder  nach  badischer  Sage  an  einer 

Istande  die  Schlüssel  zu  dem  versunkenen  Schloss  von  Burgstadel 
hangen  (Baader,  Volksa.  a.  Baden,  No.  1£ 

An  Stelle    «l-'s  Schal  iheint    die   gleichbedeutende  Glücksblnme 

in   einer  Salzburger  Sage     Vernaleken,  Alpensagen,  S.   156),    wonach    eine 

ron    einem    neunsprossigen   Haselstrauch   in  der  Neujahrsnacht  ge- 

Bchnitten,    in    der   Walpurgisnacht    zu    der    Grlücksblume    auf   dem    hohen 

Groll  weist. 

Unter  alten  grossen  Haselsträuchen  wohnen  geheimnisvolle  Wesen, 
der  Haselwurm  und  die  Alraune. 

Der  Glaube  an  den  Haselwurm  lebt  besonders  in  Tirol.1)  Er  wird 
meist  als  weisse  Schlange  gedacht,  zuweilen  dick  wie  <'in  A\  ickelkind,  oft 
auch  als  solches  erscheinend,  zuweilen  auch  buntglänzend.  Wem  es  glückt 
einen  Haselwurm  zu  fangen  und  der  ein  Stück  von  ihm  is>r.  versteht  die 
Sprache  der  Vögel  and  Tiere,  der  Kräuter  und  Blumen,  kann  sich  un- 
Bichtbar  machen,  sieht  alle  verborgenen  Schätze  und  wird  unermesslich 
reich.  Aber  es  gelingt  wenigen  ihn  zu  fangen.  Schon  dass  er  nur  unter 
II  sein  wohnt,  auf  denen  eine  Mistel  wächst,  beweist  seine  Seltenheit.9) 
Übrigens  sei  bemerkt,  dass  auch  die  Serben  nach  Afanassjew  glauben, 
unter  eiu.T  Hasel,  worauf  eine  Mistel  wächst,  wohne  stets  eine  Schlange 
mit  einem  Edelstein  auf  dem  Kopfe  Fr.  Th.  Koppen,  Geograph.  Yerbreit. 
d.  Holzgewächse  des  europ.   Russlands  und  des  Kaukasus.     St.  Petersburg 

In  den  Schweizer  Urkantonen  sind  die  Alraunen  an  Stelle  der  Hasel- 
würmer  getreten,  teuflische  Wesen  in  Kindsgestalt,  oft  einem  Fisch  ähnelnd. 
die  ihrem  Besitzer  das  (leid  vermehren;  aber  «1er  dritte,  der  sie  hat,  ver- 
fällt dem  Teufel  (Lütolf,  Sagen  der  fünf  Orte.  s.  192).  Auch  hier  ist  die 
!  auf  weisser  Haselstaude  das  Anzeichen  für  den  Fund  (Schweiz. 
Idi-.tiken   1.    17  1.    2,   1676). 

Fhe    wir    an-    zu  der  Haselstaude  als  Zaubermittel  wenden,    sei  noch 
len   Kraft  gedacht,    die  übrigens  schon  in  der  Weisung 
von  Quellen  und  Schätzen  sieh  äussert. 


1    Alpenburg,  Myl  Ztschr.  !'.  österr.  Volkskunde  2.  lös.  —  Leöprechting  98 

ii  Bäumen  gewordenen  Haselstanden  die  seltenen  weissen 
Bchlan)  in  der  .Mitte  haben. 

"-'    N  M  ru  Prof.  Englers  haben  weder  er  noch  Prof.  Ascherson 

Miste]    auf  der  11..  E    Boltz,    Über  die  Flora  Südrusslands    Mitteil.  d. 

natiir.  \  1863/64,    S.  82— 97),    fand    im  Kreise    Umea    die 

nur    auf  einer  einzigen  Hasel  die  Mistel.     C.  G. 
.  Chloris  borus«  -  i     Mistel  aufCorylus  an,  aber  ohne  Fundort. 


Nach     den     Prozessakten    einer    1587    a  t*n     Mecklenburg' 

(Jerdrut  Schwarte,  brauchte  dieselbe  zwei  Haselruten,  um  beiden  Kranken 
zu  erkunden,  ob  es  eine  böse  oder  eine  gute  Stunde  sei  'Bartsch,  Meckl. 
-  Bin  wegen  Zauberei  eingi  zogen«  i  Mecklenburger  bekannte 

L586,    dass  man  erfahren  könne,    "l»  ein  Mädchen  noch  Jungfi  venu 

man    einen    mit    Hasenblut    bestrichenen    Haselstock    ihm    vor    di<     I 
werfe.     Dann    müsste    sich    derselbe    emporrichten,    wo  es  unehrlich 
ebenda  32). 

Wenn  man  von  einer  Haselstaude  einen  sich  gabelnden  Zweig  nachts, 
während  es  zwölfe  schlägt,  abschneidet  und  denselben  zwischen  12     i   auf 
drei  Streiche  in  eine  angebohrte  Birke  treibt,  so  kann  man  nach  All. 
Meinung    herausbringen,    ob    mau    eine  gute  Ehe   haben  werde  oder  nicht 
(Reiser,  Sagen,  Gebräuche  u.  Sprichwörter  des  A.llgäus,  II.    I •"■  l 

Nach  norwegischem    Aberglauben  bedeuten  rote  Blüten  an  den  II 
sträuchern  Krieg  (Liebrecht,  Zur  Volkskunde,  S.  329 

Eine    alte    irische  Sage    sei    hier  angefügt.     Sinned,    'Im  Tochtei 
Lodan  Lucharglan,   dem  Sohne  von   Ler,  au-  dem  Lande  der  Verheissung, 
ging  va\  Oonnlas  Quelle,    die  unter  dem   Meere  i>t.    um  sie  zu  sehen.      \ 
dieser   Quelle    stehen    die  Haselstauden    der  Weisheit     Wissenschaft)    und 
der    Begeisterung   (Poesie).     In    'Im-    gleichen    Stunde    brechen    au    ihnen 
Früchte,  Blüten  und  Blätter  hervor,  und  dann  fallen  zugleich  Regenschauer 
auf   die  Quelle    und    eine    purpurne  Woge    erhebt   Bich.     Sinned   ging  «im 
Haselstamlr  «Iit  Begeisterung  suchen,  aber  'Im  Quelle  überdeckte  sie,  und 
als  Sinned    ans  Land  wieder  gekommen   war,    starb  sie.    (The  V< 
Bran  at  the  land  of  the  Living,  edit.  by  Kuno  Meyer  I.  214.    London  \% 


Als  voraussichtige  Warnerin  vor  leichtsinniger  Hingabe  erscheint  Frau 
Hasel  in  dem  verbreiteten  alten  Volksliede1)  vom  Mädchen  und  der  Ha 
Sie    mahnt    die  zum  Tanz  oder  zum  Buhlen  gehende  Magd,    ihre   Ehre  zu 
hüten;  nach  den  meisten  Texten  kommt  die  Warnung  zu  spät. 

Auch  das  alte  Lied  vom  ülinger  kennt  die  Hasel,  welche  'las  vom 
mordlustigen  Liebsten  in  den  Wald  entführte  Mädchen  geheimnisvoll  warm. 
In  den  Texten  der  Gruppe,  welche  den  Mordplan  durch  die  rettenden 
Brüder  vereiteln    lässt,    ist    eine  Turteltaube   der  Hasel    beigegebi  In 


1)  ühland,  Alte  Volkslieder,  No.  25.    Herder,  Volkslieder,  1.  109 
Liederhort,  No.  174  a—i.    Hoffmann  u.  Richter,  Bcbles.  Volkslieder,  No.  100-102.    M 

Volkslieder  a.  d.  Kuhländchen,    S.  29-31.     In    d  i  m    der   Saar  (Kohl 

Volkslieder,  No.  7,  dazu  S.  86»),  in  den  sehen  (Röcke!  No.  IS)  and  dem  N  i 

Text  (Wolfram  No.  59)   hat   d*r  Lorbeerbaum    die   Rase!    verdrängt!    in    dem  Lii 

Nordfranken  (Schleicher.  Volkstüml.  aus  Sonneberg,  S   113)  der  Sadelbaom. 

2)  Erk-Böhme,   Liederhort,   No.  41,  a-e.  g    i      l>aa  Uottscheer  Lied  bei  A.   ti 
Gottschee,    No.  70  kennt  nur  die  Taube  ohne  Hasel.   70b  nur  die  sich  verneigei 

70  a  Taube  und  Tanne  (statt  der  Hasel). 


Weinhold: 


der  zweiten  Gruppe  mit  tragischem  Ausgange  ward  der  alte  Zug  vergessen; 
["2b  be  Erk-Böhme  heissl  es  nur:  Bie  gingen  miteinander  fort,  sie 
kamen  an  eine  Hasel  dort. 

Die  ältesten  Zeugnisse  für  die  Hasel  als  Zaubermittel  bietet  die 
norwegisch-isländische  Sitte  des  treniö*,  d.  i.  der  Errichtung  einer  Schimpf- 
stange  nidstong  .  die  zut  Verhöhnung  und  8chädigung  eines  Feindes  auf- 
kr  ward.  Man  nahm  eine  Haselstaude  heslistong)  *),  schnitt  ein 
Spottbild  des  Gegners  hinein  Bamt  der  Schadeformel  (nid),  steckte  auch 
zuweilen  noch  einen   Rossschädel  darauf  and  richtete  die  Stange  nach  der 

;id  des  Feindes.  So  that  Bgill  Skallagrims  Sohn,  als  er  Norwegen 
geächtet  verlassen  mu  igen  König  Erich  Blutaxt  und  dessen  Gemahlin 

Gunnhild.  Er  sprach  dabei  diesen  Spruch  (formali):  „Hier  stelle  ich  auf 
die  Schimpfstange  und  wende  diesen  Hohn  gegen  König  Erich  und  die 
Königin  Gunnhild";  dabei  drehte  er  die  Stange  landeinwärts;  „ich  wende 
diesen  Schimpf  gegen  die  Lancteeister,  welche  dieses  Land  bewohnen,  so 
dass  alle  wild  herumfahren  sollen  und  keiner  das  Seine  finde,  bis  sie 
nicht  den  König  und  die  Königin  aus  dem  Lande  getrieben  haben!" 
Dann  kehrte  er  auch  den  Pferdeschädel  in  das  Land  hin  und  ritzte  die 
Runen  des  Spruchs  in  die  Stange     Egilssaga  c.  57,  ^  55f.).2) 

Das  früher  besprochene  Inihaseln  eines  Kampfplatzes  findet  einiger* 
massen  Entsprechendes  in  der  Umhaselung  eines  Ortes  zum  Zauberschutze 

■I  Feinde.  Von  einem  voigtländischen  Schnapphahn  aus  der  Z<  it  des 
dreissigjährigen  Krieges,  namens  Kresse,  wird  erzählt,  derselbe  habe  einmal 

Dorf  Staiz,  als  feindlich  Volk  anzog,  mit  Haselruten  umsteckt,  welche 
jenes  für  lauter  Musketiere  ansah  und  deshalb  stille  abzog.  Wenn  auf 
en  wurde,  fing  er  die  kleinen  Kugeln  in  seineu  Hemd- 
ärmeln auf,  die  grösseren  wehrte  er  mit  einer  Haselgerte  von  sieh  ab 
E    Köhler,   Volksbrauch  im   Voigtlahde.     Leipzig    L867,  S.  549).     Hier  ist 

srer  Gaukel-  und  Zauberspuk  auf  die  uralte  Grundlage  heidnischer 
Sitte  ü.    durch   Umfriedung    eines  Ortes   mit   der  Hasel    denselben 

unter  deu  Schutz  des  Kriegsgottes  zu  stellen. 

Uralt  ist  auch  der  Regenzauber,  der  bei  grosser  und  langer.  Dürre 
mit  einei-  Kute  öder  einem  Stalle  vollzogen  wird,  die  man  in  ein  Wasser 
schlägt.  Sofort  Bteigen  Wolken  auf  und  entladen  sich  (meine  Abhandlung 
zur  Geschichte  des  heidnischen  Ritus,  S.23:  Abhandlungen  d.  Berlin  Akad. 
der  Wissenschaften  1896).  Dass  dabei  die  Haselrute  gebraucht  wurde. 
sich  an  sich  vermuten,  ist  aber  aus  der  Schweiz  durch  Hexen'prozress- 
akten  von  1625  belegt,  wonach  der  Teufel  einer  Hexe  einen  Haselitab 
überreichte,  den  sie  in  fliessendes  Wasser  schlagen  niusste.  worauf  ein 
Platzregen  niederging  (Schweiz,  [diotikon  2.   1  *  '<  7  . 

1    Auf  Island  nmsste  ein  anderes  H<>lz  die  Hasel  vertreten. 

Sri  Fimi:ir  J'öntsons  Anmcrk!   in    seiner  Ausgäbe  und  oamchtiieh  Konr.  Äiaurer: 
ir,  i\  64  f 


Über  die 

Die  Haselgerte  ist  auch  der  Zauberstab  bei   vvuuderl  ten 

Im    Dallenwyl,    im    II  nannt    «li«-  Tablete,    stellt 

Heuens  ein  Bergmännchen    Zwei  _     ein,  das  g   i 

wenn  Regen  oder  Gewitter  das   Heu  zu  verderben  drohte.     Dam  \  et 

zwei  Haselzwicken  (Zwieselruten  .  stellte  &ich  in  <lie  <•  lilug 

gewaltig    um    sich,    worauf  das   Heu    vom   Boden  sich  erhub,    aufwirb« 
nach  dem  Gaden  sich  hinbewegte  uud  zu  allen  Offnungen  d< 
Bog,    während    das  Mandli    fortwährend   gegen   das  einfliegende   !!• 
losschlug    (Lütolf,    Sagen   aus   den    fünf  Orten,    lv         ' 
vmi  einem   Knecht  erzählt,  der  im  Grosshaus  zu  Uurtnellen  diente  und 
schwersten  Arbeiten    spielend    verrichtete.     Gleich   dem   Bergmännlein  aui 
der  Tableten  jagte  er  mir  einer  Haselrute  bei  drohendem  Regen 
draussen  liegende  Heu  in  den  Gaden  hinein  (ebenda  2  I 

Bei  dem  Zauber,  einen  Dieb  zu  zwingen,  das  Gestohlene  zurückzu- 
bringen, fehlt  die  Hasel  nicht.  \n>  dem  1 7.  Jahrhundert  167-1 
Schweizer  Akten  (Schweiz,  [diotikon  2,  1676  .  dass  manche  ein  Feuer  aus 
lauter  häslenem  Holz  anmachen,  darüber  «-in  Gefäss  mit  Wasser  stellen, 
drei  Eier  von  einer  ganz  schwarzen  Henne  hineinwerfeu  und  das  siedende 
Wasser  schlagen.  Die  Schläge  treffen  den  Dieb,  der  mm  Bchleunigsi 
Gestohlene  au  seinen  Ort  zurückbringt. 

Ebenso  wirkt  die  Haselrute  uach  böhmischem  Aberglauben  (Grohmann 
Nr.  975)  züchtigend  in  die  Ferne,  wenn  eine  Kuli  verhext  ist.    Man  kocht 
die  Milch,   legt  einige  Schwanzhaare  .Im-  Kuli  hineiu   und   peitscht  dei 
mit  einer  frischen  einjährigen   Haselgerte.     Alsbald    kommt  d 
brüht    und    mir    blauen  Striemen    am   Leibe    und    bittet    ihr    ein   Brot    zu 
borgen.     Wird  es  verweigert,  bo  um--  Bie  sterben. 

Nach  Thüringer   Meinung    kann    man    v<  Mi   isi  :  i 

heilen,  wenn  mau  mit  einem  am  Karfreitag ler  eil  i 

vor    Sonnenaufgang    vom    Haselstrauch    geschnitteuei     -  man 

schweigend   bis  zum   Gebrauch   verborgen  hielt,   dreimal  um  deu 

Menschen    oder    das  Vieh    in    den  drei   höchst  »on  herumgi 

-einen    Nur    abnimmt    und    auf    diesen    Losp 

Unholden  getroffen  und   lassen  den  Men      •  > 

Sagen  und  Gebräuche  aus  Thüringen,  •_'.   - 

Der  Aberglaube  ist  weil   verbreite  man  eh        I  "  'lurch 

prügeln    könne,    wenn    man    auf    ein    K  PPcn 

indem  man  an  den  Gemeinten  d<  inen   Namen   nennt, 

einjährigen   Haselgerte    schlägt.     P  ■    indem    man    n 

schaut    und    die    drei    höchst«  ten    bei   den  drei  Schnitten  i 

bestimmten  Zeiten   geschnitt«  n:    am   Karfreit   ; 

E.   Meier.    Sagen  aus  Schwaben,    3.  245),    in    der  Johannisi 
§  396)      am    Neuinmnl.     ■  '      Dienstag    fällt       R< 

Jauer  Bese-nnngen  in  der  Z  '   für  de 


j(l  vuii  N  egolein: 

S|.i-u.  -  bönwerth,     \u>    der    Oberpfalz,    •"-.  201.     Kuhn,    Westfälische 

Wunderlich,' aus  dickem  Aberglauben  hervorgekommeu,  mit  sehr  altem 
Staube  bedeckt  and  dadurch  verkrüppelt  and  entstellt,  erscheint  das  meiste, 
das  sich  in  der  Volksmeinung  und  Überlieferung  an  den  schönen  Basel- 
Btrauch  haftet  Aber  wir  können  « I **n  Stauh  wegfegen  uml  «las  Entstellte 
mehr  oder  minder  auf  das  ursprüngliche  zurückbringen.  Wir  sind  von 
der  nachweislichen  Verwendung  der  Hasel  im  altgermanischen  Kultus  aus- 
gi  i  Sie  diente  darin  als  heiliges  Werkzeug,  denn  sie  wajr  ein 
heiliges  Symbol.  Der  Baselstab  galt  als  Waffe  des  Himmelgottes,  und  so 
wohnte  eine  beilige  Kraft  in  ihm,  die  zum  Nutzen  der  Menschen  nach 
den  verschiedensten   Richtungen  ausströmte. 

D  -  Wort  llasrl.  alnl.  hasala,  das  mir  zufälliger  Ausnahme  des  Gotischen, 
allen  germanischen  Dialekten  gehört,  entspricht  dem  lateinischen  corylus 
und  wohl  auch  dem  altirischen  coli  (aus  cosl).  Die  Bedeutung  des  zu 
Grunde  liegenden  Stammes  ist  noch  nicht  festgestellt. 


Die  Reise  der  Seele  ins  Jenseits. 

Von  Julius  von  Negelein. 

I.   Abreise  der  Seele. 

Während  im  allgemeinen  die  geistige  Entwicklung  der  Völker  eine 
stete  [deenveränderung  zu  Gunsten  eines  intellectuellen  Fortschritts  er- 
kennen  lässt,  zeigt  sich  auf  dem  Gebiete  des  Seelenglaubens  ein  anderes 
Phänomen.  Die  Quellen,  aus  denen  er  seit  Urzeiten  fliesst,  weisen  mit  zu 
unerbittlicher  Notwendigkeit  auf  die  Rückkehr  zu  denselben  Ausgangs- 
punkten hin,  als  dass  eine  derselben  jemals  für  uns  zu  versiechen  beginnen 
könnte.  Stets  wird  die  Furcht  vor  dem  Toten  mit  der  Liebe  zu  dem 
Toten,  die  Hoffnung,  ihn  in  einer  anderen  Welt  wiederzusehen,  mit  der 
schauerlichen  Gewissheit  seines  Befangenseins  von  einer  undurchbrech- 
lichen  Grabesruhe  streiten.  So  muss  jeder  einzelne  Todesfall  dem  gegen 
die  Bindrücke  des  Naturlebens  noch  unabgestumpften  Sinne  des  gesund 
empfindenden  Menschen  ein  reiches  Feld  widerstrebenden  Fühlens,  Denkens 


1)  Vgl.  auch  Baumgarten,  Aus  der  Heimat,  1,  136.  2,  14.  In  Bayern  wird  statt  des 
Haselstecken  eine  Wacholdergerte  in  gleicher  Art  zum  selben  Zwecke  gehraucht:  Höfler, 
Wald-  und  Baumkult,  S.  110. 


and  Handelns  werden,  Btets  abei   werden  die  VIol  •  ■    der  in  d<     I 
der  Völker    und    Zeiten    sich    so    überaus    ms  eilenden 

Bcheinangen    des  Seelenglaubens    Bich    als    dieselben    überall    notwendi 
und  deshalb  überall  vorhandenen  erweisen.     Die  überraschende  Gleichheit 
der  hierher  gehörigen  Sitten  and  Gebräuche  uul  den  verschiedenen  Konen 
des  Erdballs  entspringt  den  naturgesetzlich  notwendigen  u 
tionen  auf  die  immer  gleichbleibenden  Erscheinungen  von  Tod  und  Sterben. 
Nicht  die  einzelne   Kasse,   nicht  der  ein/.,  lue  Stamm  hat  den  Glaub«*! 
runden,    dass    der  Tote   vielleicht  noch   der  Speise   bedürft  nein, 

jeder  einzelne  Todesfall  erschafft  diese  Vorstellung  von  neuem.  I  >••- 1 im 1 1» 
isl  es  unmöglich,  eine  Geschichte  des  Seelenglaubens  anter  Zugrunde- 
legung der  landesüblichen  Stammeseinteilungen  zu  schreiben  \  I  die 
Rasse,  sondern  das  psychologische  Motn  in  -einer  räumlichen  und  zeit- 
lichen Begrenztheit  kann  hier  die  Einheit  sein.  Nie  musa  die  Philo!» 
strenger  naturwissenschaftlich  verfahren,  als  da,  wo  Bie  eine  Analyst 
Seelen  vor  Stellungen  zu  liefern  versucht 

Die    folgende  Darstellung    geht    von    der  Überzeugung  aus,    dass  die 
Paradoxie  zwischen  der  handgreiflichen  Thatsache,    da—  der  Tote  als  ein 
noch    mit    eventuellem   Leben    begabtes   Wesen    aufzufassen   Bei,    und    der 
verhältnismässig    modernen   Lehre    von    dem    völligen   Verlust   des  G 
anmittelbar  nach   Eintritt  des  Todes,  das  menschliche  Gemül  stets  überall 
zunächst  zu  dem  Glauben  getrieben  hat,   der  regungslose  Körper  be* 
noch   Latent   die  ihn  aoeh  vor  kurzem  offensichtlich  belebende  Seele.     W   i 
wulh-n  dabei  grundsätzlich  auf  alle  Spekulationen  verzichten,  ja  uns  Belbst 
der  Betonung  der  Analogie  zwischen  Schlaf  und  Ted  enthalten1  .  viel] 
Lediglich  ans  zahlenmässigem   Material,    das   Bich   natürlich  bis  ins  l  nend- 
liche  vermehren    liesse,    den   Nachweis    versuchen,    dass    die    -             mch 
oach   dem  Tode    noch   in  Verbindung  mit   dem  Körper'*'    Btehe,    da« 
sich    „zunächst,    doch   auf  sehr   verschieden   bemessene  Zeit,    noch  in  der 
Nähe  des  Körpers  aufhalte"8)  und  dass  dem  Letzt 
nicht  verwest   ist,    ein  potenzielles   Lehen  zugeschrieben  wird,    .1 
Lebhafter    ventiliert    wird,    je    weniger    der    Leichenverfall    f<              ritten 
i-r4  .    Die  Stationen  des  zunehmenden  Verwesungsprozesses  gelten  in  dem 
schematisierenden    Aberglauben    der    Völkei              jennassen    an 
Tage   geknüpft,    die  jene    markieren    -dien:    vor  allem  gilt   dies  v lern 

1  Am   besten   zeigt   wohJ  Caspari,    I      •     bichte    der  Menschh 
früheste  Mensch    mit   kindlich    naiyer  Anschamu 

haltendem  Schlaf  versunkene  indiffen 

2  Lazarus  und  Steinthal,  Zeitechr.  ychologie  XII 

3  Lippert,  Seelendaube.  IT.    VgL  auch  Lexikon  unh   1 
18.  Jahrhunderts)   unter:    Blut    der    ents.    Iten    Körper:     „Nacl 
welche  einen  Astralgeist  annehmen,  soll  sieh  die  Seele  nach  den    I 
Körper  aufhalten." 

4)    Vgl.  Wuttke,  Aberglauben,  43!». 

ZeitM-br.  (i.  Vereins  f.  Volkskunde. 


Lein ; 

:;..  :..  9.  und  H).  Tage1)  --  Zahlen,  die  ohnedies  überall  als  heilig  gelten 
iin.l  infolgedessen  meisi  formelhafl  angewendet  werden.  Ferner  spielt 
stete  der  Begr&bnistag  eine  grosse  Rolle.  Die  in  der  ihm  voransgehenden 
Nacht  Qberall  am  Bärge  angezündeten  Kerzen  sind  «1er  beste  Beweis  dafür. 
man  erst  nach  erfolgtem  Begräbnisse  die  Gfrabesnacht  angebrochen 
n  wollte.9)  In  Bayern  werden  drei  Seelenämter  abgehalten:  am  1.. 
7  and  30.  Tage  nach  dem  Tode.3)  Als  besondere  Gedächtnistage  hebt 
man  daselbst  hervor  den  7..  30.  und  den  Jahrestag  des  Todes.4)  In  ganz 
Bayern  i>i  es  gemeinsame  Sitte,  dass  sich  die  Nachbarn,  so  lauge  die 
Leiche  im  Hause  liegt,  anderwärts  selbst  bis  zum  30.  Tage,  im  Todes- 
hause  versammeln,  um  bei  der  Leiche  mehrere  Stunden  lang  zu  wachen 
und  Rosenkränze  7.11  beten.5)  Man  erwäge,  dass  diese  Gebete  vernunft- 
gem&ss  nur  der  verscheidenden,  nicht  der  verschiedenen,  bereits  im  Jen- 
seits befindlichen  Seele  gelten  können,  wie  die  auf  die  Gräber  gesetzten 
Speisen  die  materielle  Anwesenheit  des  noch  nicht  völlig  Verschiedenen 
voraussetzen.  In  Bayern  hat  der  Hochzeitslader  am  Grabe  des  Ver- 
storbenen am  7.  und  30.  Tage  nicht  nur  einen  eigenen  Abdankungsspruch 
feierlich  abzuhalten,  sondern  es  trägt  auch  nach  dem  Gottesdienste,  bei 
welchem  im  Opfergange  durch  die  drei  nächstverwandten  Frauen  Kerzen, 
ein  zinnerner  Krug  mit  Geld  zum  Wein  und  für  vier  Kreuzer  Semmel 
am  Altar  niedergelegt  werden,  die  Totenfrau  zwei  Lichter  auf  das  Grab6): 
und  in  der  Gegend  von  Fronau  i.  B.  gilt  oder  galt  die  Sitte,  dass  man 
sieben  Taue  nach  der  Beerdigung  kleine  Brotlaibchen,  die  man  „Spende" 
(d.  h.  Totenspende)  nannte,  uuter  die  Armen  verteilte7).  Nach  dem  Glauben 
meiner  ostpreussischen  Heimat  bleibt  die  Seele  bis  zum  Begräbnis  in  der 
Leiche8),  beim  Begräbnis  setzt  sie  sich  auf  den  Sargrand,  wie  in  der 
Pfalz9)  «»der  aber  sie  legt  sich  erst  auf  halbem  Wege  in  die  Truhe  hinein. 
die  dann  erst  schwer  wird.  Sie  bleibt  im  Hause,  bis  man  sie  hinauswirft. 
indem  man  Stuhle  und  Tische  umkehrt,  wenn  der  Kondukt  auf  halbem 
^  ege   ist   und   den   Strohhaufen  erreicht  hat,   auf  dem  sie  sodann  noch  die 


1  Vgl.  Lippert,  Christentum,  414,    der   besonders  Zahl  3  hervorhebt,    die  9  und  40 
ungerechtfertigterweise  auf  das  Voigtland  und  Ostpreussen  einschränkt. 

2  \)ir  Wach-  und  Bet-Abend,  der  dem  Begräbnistage  vorausgeht,  wird  in  Deutsch- 
land wohl  überall  inne  gehalten.  Die  Sitte,  Kerzen  an  den  Sarg  zu  stellen,  ist  ebenso 
allgemein  Die  Kerzen  haben  im  Aberglauben  mystische  Eigenschaften:  sie  erlöschen  bis- 
weilen von  selbsl  und  dürfen  nicht  ausgepustet  werden,  d.  h.  sie  sind  Symbole  des  von 
»elbsl  erlöschenden  Lebenslichtes. 

3  Bavaria,  Zeitschrift  für  bayerische  Volkskunde,  186f>,  S.  983. 

4)  Ebenda  L860,  S.  413. 

5)  Ebenda  1860,  S.  411. 

6)  Lbenda  1860,  S.  993. 

7)  Ebenda  1863,  S.  324. 

B     Vgl.  auch  u.  a.  Wnttke,  Abergl.,  429;  Toppen  108. 
9)    Bastian,  Verbleibsorte  der  abgeschiedenen  Seele,  20. 


Die  B  8 

letzte    irdische  Rast    halten    kann.1).     Damit   steh!   in  einem  Widerspruch, 
der  nur  durch  die  früher  allgemein  gewesene  Sitte  der  Leichenmahlzeiten 
auf  Gräbern  erklärlich  ist,  die  Einladung  des  Toten  zum  Sitzen,  damit  er 
seine  eigenen  Leichenfeierlicbkeiten  mit  ansehen   könne,    die  Spi 
die    ihm    namentlich    auch   in    titanischen  Gegenden    unter  d 
worfen  werden,   der  Stuhl,   der  bei  der  Rückkehr  vom  Begräbnis  für  den 
Toten  an  der  Thür  und  alsdann  heim  Leichenmahl  am  Tisch  für  ihn  leer 
steht.     A.uch    am  A.bend    des  Sterbetages    wird    ein   Stuhl    für    den    l 
bereit  gestellt;   ein  solcher  steht   bei  der  Leiche  bis  zum  Begrabe 
sagt    dann    bei    uns:     „Er   (d.  h.  der  Tote,   dessen   Namen   man   niemals 
nennt)    setzt    sich    darauf."'      Die  Sitte,    das  Begräbnis  am   dritten    I 
nach   Eintritt  des  Todes   zu  veranstalten,  spricht  '»Im.. hin  dafür,  dass  man 
bis  dahin   den  Körper    mit    einem    gewissen   Leben    begabt   glaubt.     Anch 
die  Zeit,    in  der   man   das  „Wiederkommen"  des  Toten  für  möglich  hielt, 
ist  hier  wichtig:    oft  sind  es  die   ersten   drei    i  in  Ostpreussen  aber 

/.  B.  die  ersten  40  Tage*).  Die  Zahlen  schwanken  auch  hier  zwischen 
den  angegebenen  Grenzen.8)  Ja,  man  hat  dieselben  BOgar  religiös  zu 
sanktionieren  versucht:  4<>  Tage  lang  nach  dem  Tode,  wie  Christus  nach 
der  Auferstehung,  muss  jeder  Gestorbene  noch  auf  Erden  wände 
Den  bayerischen  Gebräuchen  entsprechen  diejenigen  anderer  katholischer 
Gegenden:  stets  hebt  sich  in  der  Trauerzeit  der  ;;..  7.  und  30  Tag  als 
kirchlich  begangener  Festtag  hervor.7)  An  diesen  Tagen  werden  Trauer- 
mahlzeiten abgehalten,  bei  *\^v  dritten  Mahlzeit  (am  30.  Tage  weiden  die 
Kleider  i\<'^  Verstorbenen  verschenkt  und  zugleich  geht  hier  die  Aus- 
scheidung ilr^  Erbes  vor  sich8),  d.  h.  bis  zu  dieser  Zeit  glaubte  mau  den 
Toten  noch  im  Anrecht  auf  den  Besitz  Beiner  Habe  befindlich.  In  Schwaben 
wird  vier  Wochen  (30  Tage  lang  jeden  Abend  zu  Hanse  ein  Rosenkranz 
gebetet;  das  weibliche  Geschlecht  brennt  fiir  den  angehörigen  Verstorbenen 
sogar  ein  Jahr   lang   heim  Gottesdienst  den   V\  Das  Jahr   bat, 

wie    wir    sehen    werden,    im  Totenkult  ebenfalls  eil inschneidende 

deutung.     Im    alten   Deutschland    wurde    das   Erl  -    oder   Seel-Bier   in    der 


1)    Bekannter  Gebrauch  in  <  I  inch  i   B. 

fange  der  Kultur.  •_'.  26. 

2;   Siehe  auch  Toppen  111.  Anm.  3 

3)  So  z.H.  nach  oldenbnrgischem  Gl  and  liäui 

4)  Siehe  im  folgenden;  auch  private   I 

5)  Im  Voigtland    sprichl    man    /..  B. 
Köliler.  Voigtland.  443. 

6)  Wuttke  441. 

7)  Rochholz.  Deutsch,  r  G\a< 

8)  Rochholz,    S.  302.     Hier  t 

dass    die  Leichen    der   französischen  Könige    nach   ihrem  Tode  T  resp.  4'1  ] 
Tische  bedient  wurden:  Bastian,  Verbh  Anm.  1. 

9)  [Rochholz  -203].  Birlinger,  S 


von  \ 

am  7.  oder  30.  Tage  nach  dem  Tode  getrunken1)  and  an  den- 
selben Tagen  Schmausereien  mit  Spenden  aus  der  ßrbschaftsmasse  ge- 
geben -)     Im  alten  Preusaen   hielten  die  Verwandten   ihre  Totenmahle  am 

und  40  Tage.*)    Bea Lera  bedeutsam  ist  es,  dass,  wenn  sich  die 

Seele  aue  dem  Leibe  scheidet,  sie  nach  deutschem  Aberglauben  in  der 
ersten  Nacht  bei  St.  Gertrud,  der  zweiten  bei  St.  Michael,  der  dritten  da, 
sie  verdient  hat,  weilt*),  die  Reise  ins  Jenseits  also  am  dritten  Tage 
nach  täglichen  Stationen  zurückgelegt  hat5),  ein  schon  den  Aveatatexten 
bekannter  Zug. 

Noch  deutlicher  als  bei  den  germanischen  Völkern  zeigt  sich  dieselbe 
[deengruppe  bei  den  Slaven.  Hier  ist  die  Thatsache,  dass  man  dem 
Körper,  wenn  die  Seele  ihn  eben  verlassen,  noch  ein  gewisse-  Leben  zu- 
schrieb*), dass  man  den  Toten  mit  den  Lebenden  noch  halb  und  halb  in 
Verkehr  dachte7),  und  dieser  Verkehr  erst  mit  der  vollendeten  Verwesung 
erlosch,  bereits  häufig  erkannt.8)  Bei  den  Knssen  wiederholt  sich  das 
Totenmahl  am  9.,  20.  und  40.  Tage  nach  «lern  Tode.9)  Als  der  Serben- 
fürst Milosch  Obrem. witsch  I.  im  Jahre  1860  gestorben  war.  stand  auf 
-  ii  leerem  Bette  ein  Öllicht,  das  40  Tage  lang  fortzubrehnen  hatte.10) 
Hier  ist  'las  Öllicht,  wie  viele  Analogien  beweisen,  ein  direktes  Substitut 
für    den  Teten.  Nun  den  Bulgaren   berichtet  A.  Strausz,    das>  bei  der 

Leichenklage  /um  Tuten  wie  zu  einem  Lebenden  gesprochen  wird.11; 
.Man  giebt  ihm  Auftrage  für  die  vorausgegangenen  Angehörigen  ins  Jen- 
seits mit  u.  s.  w.  Bis  zum  Morgen  nach  ihn-  Beerdigung  scheint  dem 
Leichnam  sogar  das  Gehör  geblieben  zu  sein:  er  kehrt  nach  Hau>e  zurück, 
wenn  in  'lieser  Zeit  am  Grabe  geweint  »»der  geredet  wird.12)  Drei  Tage 
nach  dem  Leichenbegängnis  gehen  täglich  in  der  Frühe  3—  5  Weiber  zum 
(jrabe,  zünden  Licht  an  und  setzen  Wein  und  Wasser  auf  das  Grab.18) 
Doch  stellt  man  auch  in  der  Stube,  wo  der  Tote  verstorben  ist.  drei  Tage 
lau-   Butter   und   Wein   für   die  noch  immer  im  Hause  herumirrende  Seele 

1     Weinhold,  Altnordisches  Leben,  501. 
2;    Ebenda,  Anm.  5. 

l  ippen  111,  Anm.  3.  und  diu  dort  citierten  Quellen. 
4)    Grimm,  Mvthol.4,  2,  699. 

Vgl.  auch  Grohmann.  Mäuse,  34;  Simrock,  Mythol..  40:!. 

Bei  den  Sudslaven  bezeugt:  Zeitschr.  f.  Volkskunde  1,  180.    Vgl.  auch  Grohmann, 
■glaube,  188. 
T    Grobmann  a.  a.  O.  187. 

be  Erek,  EinL  in  die  slav.  Litt.-Gesch.,  418.    Grohmann,  Abergl.,  190.    Derselbe 
meint  ebenda  191,  dass  die  Thatsache  (??!),  dass  dem  Toten  Haare  und  Nägel  im  Grabe 
weiter    wüchsen,    die  L'rsache    zu    der  materialistischen  Vorstellung  von  dem  Weiterleben 
i  oten  im  Grabe  sei. 

10)  Rochholz  a.  a.  O.  196. 

11  Strausz,  Die  Bulgaren.    Leipzig  1898.    S.  427. 

12)  Ebenda  4531'. 

13,  Ebenda  451. 


Die  ] 

auf.1)     Ebenso    lange,    in  mancher   Häusern  abei   auch    I"    I         hindurch, 
wird  früh  and  abends  an  die  Stätte,    wo  der    I 
gelegt    und    darauf   eine    brennende    Kerze    angezündet 
nämlich  ooch    tOTage  lang  nach  dem  Tode  Im  Hause  verweil« 
an  manchen  Orten  zwölf  Monate  hindurch  wird  am  • 
40.  Tages  „prinos"  gemacht,  wobei  man  einen  Widdei 

Nach  9  Tagen    erscheinen   die  Geister  von  ungetaufl  gestorbenen   Kindern 
als  Vampyre,    Bogen.    I  strel,    wieder.*)     Die    Seele    'I"--   Erwachsenen    im 
aber  40  Tage  lang  auf  Erden  herum,  dann  erst  zieh!  sie  ins  Jensei ts  ein.*) 
Diesen  Tag    friert    man,    indem  ''in  Weib  mir  einem   Priester  zum  Grabe 
geht  und  ein  Gebäck,  etwas   Bolivo  and  eine  Flasche  Wein  auf  den  II 
stellt.     Der  Geistliche    bete!    und  räuchert,    ebnet  das  Grab,    worauf  er  in 
dasselbe  «'in   Loch  gräbt  und   in  dieses  Wasser  nnd  etwas  von  den  Speisen 
einscharrt.6)  —  Bezüglich   der  specifisch  slawischen   Vorstellung,    nach  der 
die  Seelen    von   Verstorbenen    !>i-    zu    ihrem  endgiltigen  Tode  um   Bäume 
flattern,  verweise  ich  auf  meine  Notiz  im  Globus.7)     Ober  Totengebräuche 
in  Bosnien    und    «Im-  Herzegowina    sind   wir  seit  einiger  Zeil  durch   Lilok 
gut  nnterrichtet. 8)    Dort  werden  die  Totenmahlzeiten  in  manchen  Gegenden 
am  7..  4C  Tage,    nach    einem    halben  Jahre    oder    einem  Jahre   geha 
In  anderen  Gegenden  gehen  die  überlebenden  am  dritten  Tage  nach  dem 
Begräbnis    mit  Brut.    Käse  u.  s.  w..   Branntwein   zum  Grabe.     Am   7     I 
nehmen  sie  auch  Opferwein   mit,  um  das  Grab  zu  begiessen.*)     [n  Sarajewo 
geht   man   am  3.,  7..  40.  Tage,    7«  .lalir    und   am  Jahrestage  nach  der  B 
erdigung  auf  den   Kirchhof,    zündet  am  Grabe  eine  Kerze  an,    räuchert  es 
und    betet    für  die  Seele    des  Verstorbenen.10      Dieselben  Zeiten    für  den 
Totenkultus  werden  bei  den  muslimischen  Bosnjaken  eingehalten 
der  Meinung  mancher  Bosnjaken   hält  sich  die  Seele  des  Verstorbenen  im 
Sterbehause  auf  und  schwebt  besonders  um  seine  Kleider  6     7  l'.-i_ 
Doch    glauben    die   orientalisch-orthodoxen  Leute  dii         I  dass  die 

Seele    des  Verstorbenen    nicht    sofort   in   den  Himmel  fahre,    Bondern  Bich 
nach  der  Trennung  vom   Leibe  noch    i"    !'..-•  nifhalto  und  acht 

gebe,  dass  ihrem  einstmaligen  Leibe  kein  Li  •  •■      Deshalb  brennt 

man  (v-1.  Anni.  ■_'.  S.  21)  in  Trebrinje  im  Ha  torbenen    10   I 

Lang    nach    dem  Tode    eine  Kerz ler  Lampe      Man   zündet  auch  nachts 

eine  Kerze    am  Grabe    an.     In  Saraji  kl    man    durch   \0  Tage   je 

eine  Kerze  und  einen  Teller  gekochten   Weizens  in  die  Kirch ler  stellt 

den  Weizen  an  die  Stelle,  wo  der  T  gen  hat.13     Auch  die  bosnischen 

und  herzegowinischen  Muslems  -  -  di<    Seele  bis  zum    I 


1)  Strausz  a.  a.  0.  446.    -   2)  1  31,  453.    - 

194.   -   5)  Ebenda  458.  -  <:  Globus,  J 

8)  Lilek  in  dem  S.Bande  der  ethnolog.  Mitteüungei 

9}  Ebenda  409.    -    10)  Ebenda  411.  -   11    Ebenda  420.  -  12]  Ebenda  4 
a.  a.  O.  408. 


22  v""  Nfogelein: 

oach    der   Beerdigung    in    das  Baue    zurückkehren    könne.1)     Wir   sehen: 
Vorstellung    ist   echl  Blavisch  und  deshalb  auf  deutschem  Boden  nur 
in  «Iimii  von  Slaven  beeinflussteD  Ostpreussen  zu  finden. 

Gehen  wir  quo  zu  den  asiatischen  [ndogermanen  über,  so  finden  wir 
natürlich  auch  bei  ihnen  den  universellen  Gedanken,  dass  «1er  Tote  sich 
in  der  Nähe  des  Grabes  aufhalte.  Dies  ist  z.  15.  bei  den  Armeniern  be- 
zeugt.1  Dieselben  kennen  als  Tage  der  Kultushandlungen  für  den  ein- 
zelnen  Toten  zunächst  den  Tag  nach  dein  Begräbnis,  sodann  den  .siebenten 
Tag.")  Davon  sind  die  Pesttage  des  Ahnenkults,  der  auf  ganz  anderer 
Basis  erwächst,  natürlich  streng  zu  scheiden.  Nach  einer  Woche  ist  der 
Tote  zur  Stätte  des  Gerichtes  gekommen,  seine  Wanderung  vorbei.*)  Eine 
ander.-  [deenreihe  aber  konnte  sich  damit  nicht  begnügen,  den  'roten 
dorthin  zu  verfolgen.  Sie  heftete  sich  enger  an  den  nach  7  Tagen  noch 
kaum  in  der  Verwesung  begriffenen  Leichnam  und  liess  die  Seelenpflege 
ersl  nach  einem  Jahre  aufhören.*)  Dann  ist  der  Tote  wirklich  tot,  bereits 
iüs  Jenseits  eingegangen.  Wie  die  stets  im  Frühling  sich  erneuernde 
Wiedergeburt  der  Natur,  wie  ihr  stets  sich  im  Herbst  wiederholendes 
Absterben  auch  den  .Menschen  in  den  Kreislauf  des  ewigen  Werdens  und 
Vergehens  mit  hineinreisst,  so  vernichtet  der  erste  Donnerschlag  des 
Lenzes  alle  Geister  des  verflossenen  Jahres  und  giebt  dem  Lebendigen 
dem  Toten  gegenüber  sein  Recht.*)  Ein  volles  Jahr  lang  also  kann  der 
Tote  zur  Umgebung  Beiner  Wohnung  zurückkehren.6)  Nach  dem  Glauben 
der  Tscherkessen  kann  der  Tote  acht  Tage  nach  dem  Begräbnis  zum 
Gastmahl  im  Verwandtenkreise  zurückkehren,  weshalb  man  nach  Ablauf 
der  ersten  Woche  das  aufgezäumte  Schlachtross  des  Verstorbenen  vor  sein 
Grab  führt  und  ihn  zum  Schmause  einlädt.7)  Wenn  ein  reicher  Kirgise 
stirbt,  so  wird  ebenfalls  am  7.  Tage  das  Volk  versammelt  und  ein  Gast- 
mahl gegeben.8)  Nach  der  Lehre  der  altpersischen  Avestatexte  hält  sich 
die  Seele  drei  Tage  lang  in  der  Nähe  des  Kopfes  auf:  das  gilt  von  den 
guten  und  bösen  Seelen,  doch  empfinden  schon  in  dieser  Zeit  dieselben 
einen  Vorgeschmack  der  Belohnung  oder  Strafe,  die  ihrer  wartet.9)  Nach 
Ablauf  dieser  Zeit  verbleibt  die  Seele  des  Guten  am  Orte  der  Erlösung, 
unter  Bäumen  and  in  Düften  weilend9),  die  des  Bösen  aber  besucht  nach 
jüngerer  Leine  ihre  Verwandten  an  den  fünf  Schalttagen,  die  auf  die 
Besuchstage  der  Seligen  folgen.10)  Nach  mittelpersischer  Überlieferung 
hält  sieh  die  Seele  drei  Tage  lang  da  auf,  wo  der  Kopf  lag.11)  Man  ver- 
gleiche damit  die  Substituierung  des  Körpers  durch  einen  Stein  (s.  oben). 
Nach  der  Leine  der  vedischen  Ritualbücher  bleibt  die  Seele  des  Ver- 

1)    Lilek  a.  a.  0.  419.    —    2)   Abeghian  a.  a.  0.  18  und  24.    —    3)  Ebenda  22f.    — 
enda  18.    —    5)  Strausz  a.  a.  0.  454.    —   6)  Ebenda  18  und  23.  —  7)  Bastian,  Vor- 
stellungen von  der  Seele,  13.  —  8)  Zeitschr   f.  Ethnologie  3,  307.  —  9)  Yasht  22:  Geiger, 
Altiranisches  Leben,  263.  —  10)  Bastian,  Vorstellungen  u.  s.  w.,  35.  —  11)  Mainyo-i-Rharad 
Cap.  2. 


Btorbenen    mit    dem   Körper  eine  Zeil    !  irendd«  - 

wird    die   Ceremonie    der    ekkodistaQraddhS    vollzogen,    nach    einem    •'• 
(oder  drei  .Monaten)    erfolgt    mit    Aufnahme    in    den  Kreis  dei    Manei 
Bapindakarana,  zuletzt  erst  das  eigentliche   Manenopfer,  das  pitrmedha 
verhindern  soll   „neues  Unheil  zu  stiften" . *)    l  ber  die  B  remonien 

im  modernen   Indien  sind  wir  Behr  ausführlich  z.  B.  durch  Di 
richtet,     [ch  hebe  folgende   Einzelheiten  hervor:  Während  de»   Wege«    eur 
Stätte    der  Verbrennung    hält   man  dreimal  an,    öffnet  jedesmal  den   Mund 
des  Töten   und  wirft    in  denselben  ein  wenig  feuchten,  rohen   Reis  bim 
damit    der  Tote    zugleich    essen    und  trinken    könne.     Di< 
begründet,    dass    der  Scheintote  dadurch  ins  Leben  zurückgerufen  werden 
könnte    und    der    wirklich  Tute    wieder    auflebe,    wenn  die  Todesgottheif 
sich  vielleicht   in  ihm  vergriffen  und  aus  Versehen  einen  Falschen  abgeholt 
hätte.*)     Am    zweiten   Tage    der  Begräbnisfeierlichkeiten    giebt    der  I 
einem  Brahmanen   Reis,   Erbsen   und  Gemüse,  die  er  in  ein  angebrauchtes 
Linnengewand    wickelt    und  dies  zwar  zu  Gunsten  des  Toten,    in  dei 
Wartung,  dass  der  Keis.  das  Öl,  die  Erbsen  und  das  Wasser,  welches  man 
ihm    bereits   dargebracht  hat,    nicht  ausreichen,    seinen  Durst  und  Hm 
zu  befriedigen  und  er  in  der  anderen  Welt   keine  Gelegenheit  mehr  haben 
werde,  seine  Blosse  zu  bedecken.'J     Vom  Ablauf  des  dritten    raget 
zum  neunten  Taue  wiederholen  sich  dieselben  Gebräuche  and  bezwecken, 
es    zu    verhindern,    dass    der  Tote  Hunger    und   Durst    erleide  "der  nackt 
bleibe  und  wollen  ihm  eine  schnelle  Wiedergeburt  ermöglichen. 

Bei  den  semitischen  Völkern  tritt  der  Totenkultus  zurück.  Bekanntlich 
hat  Frey  ihn  bei  den  Hebräern  äberhanpt  geleugnet.  Die  Völkerpsych« 
verwirft  mit  Entschiedenheit  diesen  Versuch,  den  einzelnen  Stamm  an- 
der geistigen  Gemeinschaft  der  Völker  herauszureissen  and  ihn  vom  Zwange 
unumstösslicher  Naturgesetee  zu  befreien.  Denn  in  dem  Bestreben,  dem 
im  scheinbaren  Schlummer  befindlichen   Körper  bo  lange  die  Attribut« 

Lebens    zuzuerteilen,    bis    der    scheinbare  Schlaf  von  den  Sympt« n  der 

Verwesung-   abgelöst  wird,    manifestiert    sich   nicht-   anderes  als  das    I 
heitsprineip  des  menschlichen  Geistes.     So  lange  die  in  Bewegung 

Kugel    ihres  Weges    rollt,    bis    die  Keil ■    sie  zum  8tehen  bringt,    wird 

der  menschliche  Geist  sich  von  der  tröstlichen  Selbsttäuschung  eines  Weiter- 
lebens des  schon  erkalteten  Körpers  nicht  ganz  befreien  können  Di« 
Beduinen  der  vorislamischen  Zeit  nahmen  in  ihren  Gedichten  häufig  einen 
jedes  Fortleben  nach  dem  Tod.-  negierenden  Standpunkt  ein.     In  dm.  alten 

1)  Hillebrandt,  Rituallitterarur,  90  Umenkult,  --'2.     Ol 
Veda,  555. 

2)  Hillebrandt  a.  a.  0.  90. 

3)  Moeurs  des  peuples  de  Finde. 

4)  Ebenda  206. 

5)  Ebenda  211. 


■  >  j  von  Negelein: 

Liedern  wird  der  Gedanke  nach  allen  Riebtungen  hin  variiert,  dass  mit 
dem  Tode  alles  ms  Bei'  Doch  war  diese  [dee  mehr  dem  aufgeklärten 
lalismus  einiger  Sänger  ;.l>  dem  Gemül  der  grossen  Menge  eigen, 
stehen  wir  es,  dass,  trotz  dieses  religiösen  Nihilismus,  Gebräuche 
existierten,  nach  denen  /.  B.  Freunde  am  Grabe  eine-  Mannes  zu  seiner 
Erinnerung  tranken  und  etwa  den  Rest  des  Bechers  auf  sein  Grab  aus- 
schütteten.*) Hierin  eeigen  sich  Kote  der  Anschauung,  dass  der  Tote  als 
Doch  nirlit  ganz  verschieden,  noch  nicht  aus  der  Gemeinschaft  der  Lebende» 
Man  giebt  deshalb  dem  Toten  seinen  Anteil  weiter. 
Ihm  den  Hebräern  von  der  Speise,  bei  den  Arabern  von  dem  Tranke. 
Noch  in  anderer  Weise  Betzen  die  Verwandten  und  Freunde  die  Gemein- 
schaft mit  dem  Verstorbenen  fort.  Sic  besuchen  sein  (irab  und  halten 
Bich  daselbst  Lange  auf.  Bie  lassen  ein  Zelt  über  dasselbe  schlagen  und 
können  sich  nicht  von  «1er  Stelle  losreissen.  Wer  am  Grabe  eines  Be- 
kannten vorüberkommt,  ruft  ihn  beim  Namen  und  grüsst  ihn.  Der  Tote 
hört  sein  ynh,i  und  antwortet:  ..x<u  avu.  Ja,  man  schwört  bei  des  Toten 
Leben  und  -las  vor  einer  Zeit,  in  der  der  Gedanke  eines  wirklichen  zweiten 
Lebens,  wie  der  Koran  es  beweist,  den  Mekkanern  als  der  reine  Aber- 
witz erschien.2;  Als  Analogie  zu  der  bulgarischen  Auffassung  (S.  20.  Anm.  1'-') 
im  es  bemerkenswert,  dass  der  Verstorbene,  wenn  er  zu  Grabe  getragen 
wird.  Äusserungen  thut,  die  alle  Tiere  vernehmen,  nur  der  Mensch  nicht. 
Er  hört  das  Klappen  der  Schuhe  des  Gefolges  und  versteht,  was  man  ihm 
zuruft  Er  hat  zu  leiden  unter  dem  Wehgeschrei  der  Seinigen.4)  Die 
muslimische  Doctrin  älterer  und  jüngerer  Zeit  entsagt  ebenso  wenig  wie 
die  talmudische  der  Vorstellung,  dass  die  Seele  sich  nicht  früher  ganz  von 
ihrem  Leibe  und  dem  Irdischen  befreien  kann,  als  bis  dieser  der  völligen 
Vernichtung  anheimgefallen  ist.6)  Wie  im  slavischen  Aberglauben  sitzt 
im  muslimischen  der  Verstorbene  auf  seinem  auf  den  allgemeinen  Be- 
gräbnisplatz getragenen  Sarge,  oder  es  folgt  sein  Geist  der  Leiche  bis 
zum  Grabe.6)  In  der  vorausgehenden  Zeit  der  Begräbnisvorbereitungen 
fühlt  derselbe  alle  Schrecken  des  Grabes  voraus,  er  hat  schwer  unter  der 
rohen  Behandlung  seiner  irdischen  Sülle  zu  leiden  und  bittet  deshalb  die 
Überlebenden,  Beine  Kleider  Langsam  und  vorsichtig  auszuziehen,  das 
Leichenwasser  nicht  zu  warm  und  nicht  zu  kalt  zu  machen,  ihm  das  Ge- 
Bicht  nicht  zu  verbinden  u.  b.  w.  Er  klagt  über  die  ewige  Trennung  von 
den   Verwandten    und  weint  über  das  Scheiden  aus  dem  Leben.7)     Ist  der 

L)  Wellhausen,  Rest<   arabischen  Heidentums,  185. 

Ebenda  183,  vgL  Bussen  3.  164. 
3)  Vgl.  Wellhausen,  Skizzen,  3,  162. 
I     Wellhausen  a.  a.  0.  186. 
5    Wolf,  Muslimische  Eschatologie,  8.  78,  Anm.  117.    Bastian,  Vorst..  27. 

6)  EbemL 

7)  Ebenda  41  ff. 


I  >i.-  Reise  der  Seele  ras  Jenseits.  25 

' I ' . » r .  einmal  gebettet,  bo  besacht  sein  Geist  den  abgestorbenen  Leib  am 
3.,  .">.  and  7.  Tage  and  weint  aber  den  zunehmenden  Leichenverfall.1) 
Alan  sagt  auch:  der  Gläubige  erleide  die  Strafe  im  Grabe  7  Tage,  der 
Ungläubige  1"  Tage  lang,  d.  Ii  eine  so  lange  Zeit  nimmt  die  Wanderung 
der  8eele  ins  Jenseits  in  Anspruch.")  Ein  volles  Jahr  aber  dauert  der 
konnex  zwischen  dem  <  i fisr  and  dem  im  Grabe  geborgenen  Leib.  Der 
Tote  sieht,  wer  für  ihn  betet  and  um  ihn  trauert.3)  Als  interessante  V<  r- 
mittlung  zwischen  den  verschiedenen  Auffassungen,  nach  denen  die  Seele 
in  der  Nähe  des  Leibes  Bitzen  und  doch  zu  Gott  eingehen  muss,  findet  sich 
auch  die  Angabe,  «Ii«'  Engel  machten  zu  Bäupten  des  Toten  ein  Fenster 
and  zeigten  ihm  den  für  ihn  bestimmten  Ort  im  Paradiese.*)  Der  Talmud 
steht  diesen  Vorstellungen  des  arabischen  Semitentums  nicht  fern.  In 
einei-  viel  citierten  Stelle  erklärt  er  die  Gebeine  des  Toten  für  ehrwürdig, 
weil  nach  dem  Begräbnis  <li«'  Eabal  «I«'  garmin,  der  Manch  der  Knochen, 
um  das  Grab  schwebe.6)  Die  Seele  hält  sich  beim  Grabe  noch  30  Tage 
lang  auf.  indem  sie  hofft,  sie  kehre  wieder  zum  Körper  zurück.6)  Bier 
zeigt  Bich  «li«-  [dee  des  Leichnams  als  eines  noch  mit  potentiellem  Lehen 
I  _  toten  Körpers  besonders  klar  lebendig.  Dem  entspricht,  dass  man 
die  Toten,  obgleich  der  jüdische  Ritus  bekanntlich  das  sofortige  Begräbnis 
vorschreibt,  doch  in  den  drei  ersten  Tagen  nach  Eintritt  des  Todes  unter- 
suchen darf,  «1.  h.  man  ihres  wirklichen  und  definitiven  Ablebens  nicht 
sicher  ist.7) 

Nur  anhangsweise  Beien  «Ii«'  klassischen  Volker  erwähnt,  über  deren 
religiöse  Gebräuche  uns  eine  grosse  und  leicht  zugängliche  Litteratur  zur 
Verfügung  Bteht.  Nach  Ciceros  Ausspruche  glaubte  man  im  Volke,  dass 
die  Toten  unter  der  Erde  den  Rest  des  (im  Diesseits  nicht  ausgelebten) 
Lebens  verbrächten.8)  Dem  entspricht  die  Auffassung  des  Schattens  und 
der  Manen.  Dass  die  Sitte  der  Verbrennung  ihm  nicht  widerstreitet,  _■  in 
u.  a.  daran-  hervor,  dass  z.B.  die  Leiche  <les  Achilleus  17  Tage  über  der 
Erde  blieb,  die  des  Bector  9  Tage9),  und  die  Leichenspiele  «Ii«-  /«dt  bis 
zur  Bestattung  ausfüllten,  man  also  dem  verfallenden  Körper  bo  lange  als 
mösrlrch  irdische  Freuden  zukommen  lassen  wollte.  Auch  das  Blutopfer 
des  Odysseus,  durch  das  dieser  den  Geistern  «Im  Sprache  wiederverleiht, 
gehört  als  Rest  eines  alten  Kuhn-,  der  Tier-  und  Meiis<  lieimpfer  zu  Ehren 
der  Manen  kannte,  hierher. 


I)  Wulf  a.  a.  0    76  f. 
•2    Ebenda  65. 

3)  Ebenda  78. 

4)  Ebenda  59. 

5)  Vgl.  z.  B.  Rochholz.  Glaube  und  Brauch,  220. 

6)  Bereschith  rabba  c.  100  bei  Frey  a.  a.  0.  2CMi,  Anni.  -->.  vgl.  120,  Anm.  6. 

7)  Zeitschr.  f.  Geschichte  d.  Judentums  3,  216  f. 

8)  „Sub  terra  censebant  reliquam  vitam  agi  mortuorum,  Cicero-  bei  Bastian,  Eiern.  26. 

9)  Homer  eo  63,  Q  664.     Buchholz,  Realien  zu  Homer  II.  2,  296. 


ron  N  egelein: 

Die  verstände«-  und  gefühllosen  Schatten  Homere  erhalten  bei  Voll- 
ziehung des  atavistischen  Gebrauchs  blutiger  Opfer  die  ihnen  von  Alters 
lirr  zustehende  Gabe  der  Rede  wieder.1)  Die  klassische  Zeil  kannte 
Grabraahlzeiten  am  3 .  9.  and  30.  Tage  nach  erfolgtem  Begräbnis.*)  Nach 
Ablauf  der  dreitägigen  Fastenzeit  wurde  das  Totenmahl  vorgenommen. 
Am  dritten  Tage  wurde  an  dem  mir  Eppich  bekränzten  Grabe  ein  Toten- 
opfer dargebracht,  das  Hauptopfer  aber  fand  am  9.  Tage  statt,  wenn  nicht 
der  10.  dazu  genommen  wurde,  wie  es  uns  einmal  berichtet  wird.3;  Endlich 
fand  eine  mit  Opfer  und  Totenmahl  verbundene  Feierlichkeit  am  30.  Tage 
Dach  dem  Begräbnis  statt.4)  In  (  alymnos  findet  die  Seele  des  'Föten  erst 
am  ■!<>.  Tage  Ruhe. 

Die  vorausgehend  verwerteten  Materialsammlungen,  die  sich  leicht 
verzehnfältigen  liessen,  werden  bereits  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  zum  Er- 
weis  der  Behauptung  ausreichen,  dass  alle  indogermanischen  sowohl,  wie 
die  semitischen  Völker  mit  überraschender  Konkordanz  <len  Seelensitz 
muh  Eintritt  des  Todes  für  eine  bestimmte  und  beschränkte  Zeit  in  den 
Körper  verlegten,  und  dass  der  Monismus  von  Geist  und  Materie  um  bo 
strikter  aufreiht  erhalten  wird,  je  weniger  die  fortschreitenden  Anzeichen 
des  Leichenverfalls  die  Frage  nahe  legten:  Wohin  ist  das  Leben,  das  der 
zerfallenden  Hülle  nicht  mehr  eigen  sein  kann,  entwichen?  Wohin  hat  es 
die  Heise  angetreten?  Die  irdische  Sorgfalt,  die  den  ewigen  Schlummer 
durch  keinen  Lärm  und  kein  Weinen,  die  ewige  Nacht  durch  kein  Licht, 
die  Apathie  des  Todes  durch  keine  Lockspeise  zu  durchbrechen  vermag, 
'hat  sich  dem  Verhängnis  gegenüber  als  unzureichend  erwiesen  ■  die 
Seele  ist  verreist.  Ehe  wir  ihre  Spuren  ins  Jenseits  zu  verfolgen  ver- 
suchen wollen,  sei  es  vergönnt,  die  entwickelte  Idee  des  Aufbruchs  zur 
Reise  bei  niederstehenden  Völkern  zu  erkunden,  um  dieselbe  so  als  eth- 
nischen Elementargedanken  zu  erweisen.  Wir  können  hier  den  reichen 
und  zuverlässigen  Materialsammlungen  Bastians  unbedingt  folgen.  Die  in 
der  Nähe  des  Grabes  verbleibende  Seele  des  Irokesen  irrt  zum  Leichen- 
feste umher.'')  Dann  tritt  sie  bei  den  Algonkin  eine  viertägige  Reise 
an.  )  in  Efate  musste  die  Seele  sechs  Daseinsstufen  passieren,,  .unter 
welchen  sie  überhaupt  erst  starb.7)  Bei  den  Khands  werden  die  Toten 
ohne  weiteres  verbrannt,  alter  nach  zehn  Tagen  versammeln  sich  die 
Verwandten  und  Freunde  und  trösten  sich  mit  einem  gemeinschaftlichen 
Mahle  und  massigem  Trinken  (Totenschmaus !).  In  Borneo  weilt  der 
(;,1>I    Vlr|'    Tage    im   Hause    und    erhält  Reis  gestreut,    wird  dann   aber 

ifegt,  unter  Zerbrechen  eines  Gefässes.")  Bei  einer  Gelegenheit  er- 
klärten die  eingeborenen  Tonganesen  einem  Europäer,  ein  vor  mehreren 

1  Vgl.  in  meiner  Anzeige  von  Abeghians  Arbeit  im  Globus  den  Abschnitt  über 
Totenopfer.  —  2  Müller,  Bandbnch  der  klassischen  Altertumskunde,  219.  Vgl.  Schümann, 
Griech.  Altertümer«,  II,  572.  -  3)  ß  665.  —  4  Müller,  ebenda,  223,  —  5)  Bastian, 
Elem.,  26.  —  6)  Ebenda  19.  —  7)  Ebenda  23.  —  8)  Bastian,  Vorst.,  34. 


IM.'  Reise  der  Seele  ins  Jenseits.  j , 

Monaten  begrabener  Mensch  lebe  Doch.1)  I>«t  Leichnam  des  jflngsl 
Verstorbenen  wird  bei  den  Ureinwohnern  von  Pormosa  drei  Tage  laug 
unter  dem  Bette  aufbewahrt,  dann  ersi  begraben.*)  Nach  der  Vor- 
stellung der  (welcher?)  Indianer  treibt  sich  die  Seele  noch  ein  Jahr 
Lang  in  der  Nähe  des  Körpers  umher  und  will  durch  Feste  versöhn!  sein  ' 
l>ie  Eskimos  glauben,  der  Tupilak,  der  Geist  des  Verstorbenen,  um- 
Bchwebe  noch  drei  Taue  nach  dem  Hinscheiden  den  entseelten  Körper.* 
In  Holontalo  pflegen  die  reichen  Leute  die  ersten  vierzig  Tage  lang 
denselben  mit  Blumen  und  Geld  zu  bestreuen.8  Auf  Neu- Guinea  uimmt 
man  zunächst  einen  kurzen  Aufenthalt  des  Teten  unter  der  Erde,  dann 
erst  den  Aufbruch  zur  Heise  zum  allgemeinen  Versammlungsorte  der 
Abgeschiedenen  an.8)  Nach  der  Ansicht  der  Huronen  verweilt  ein  Teil 
der  Seele  beim  Grabe7);  ähnliches  glaubt  man  auf  Madagaskar8),  in 
Finnland9)  und  sonst  vielfach10),  so  z.  B.  bei  den  Dacotah,  bei  denen 
eine  der  vier  Seelen  neben  der  Leiche  verweilt:  und  bei  den  Ghond,  wo 
ebenfalls  eine  Seide  beim  Körper  bleibt,  um  allmählich  zu  verwesen.11) 
Der  Versuch,  die  Scheinexistenz  des  schlummernden  Leibes  durch  Zu- 
führung von  Nahrung  zu  verlängern,  hat  bei  einzelnen  Völkern  dazu  ge- 
führt, Speisen  und  (ietränke  dem  'Toten  direkt  einzutrichtern.18  Ich 
erinnere  an  das  parallele  Einflössen  von  Nektar  und  Ambrosia  in  der 
griechischen  Mythe.  Bekannt  ist  es.  dass  dem  'Toten  am  Bonnj  Schnaps 
zugeführt  wird13;  und  dass  man  ihm  Speisen  und  (ietränke  durch  eine  am 
Kopfende  i\cs  Grabes  gelassene  Öffnung  hinabschüttet."  Die  Tschuwaschen 
thun  das  Gleiche  am  Gedenktage  der  Seelen.10)  Bei  den  Sioux  wird  in 
jedem  Sarg  die  Öffnung  gelassen  und  aus  gleichem  Zweck  mögen  sich 
die  runden  Löcher  erklären,  die  man  an  den  Steinplatten  der  Dolmen  in 
Indien,  Gallien,  im  Kaukasus  u.  s.  w.  findet.16)  Die  'Toten  der  Tangale 
werden  in  sitzender  Stellung  (vgl.  die  prähistorischen  Gräber!)  bis  an 
den  Kopf  eingegraben.  Die  Bube  bestatten  ihre  'Toten  in  sitzender 
St. dlun-'.  und  zwar  so.  dass  der  Kopf  aus  der  Erde  herausschaut.17)  Odentes, 
eines  verkümmerten  Sonnengottes  der  Goldküste,  Wohnort  wird  so  her- 
gestellt, dass  ein  Knabe  getötet  wird:  er  wird  stehend  bestattet,  so  dass 
der  Kopf  hervorsieht.  Auf  Anietyum  wurden  die  Vornehmen  in  >\<-v  Erde 
begraben,  so  dass  nur  der  Kopf  heraussteckte.  Auf  den  Gilberts- Inseln 
herrschte  der  gleiche  Brauch.17)  Sicherlich  ist  hier  immer  das  Bestreben, 
dem  Toten  möglichst  direkt  Nahrung  zuzuführen,  für  die  Art  der  Toten- 
bestattung massgebend  gewesen. 

1)  Tylor  1,424.  -  2  Zeitschrift  für  Ethnologie  25, 334.  —  3)  Lippert,  Seelonglauben, 
30.  —  4)  Zeitschrift  für  Ethnologie  IT.  Kl.  -  5)  Archiv  für  Religionswissenschaften  2, 
207.  —  6)  Bastian,  Eleur,  75.  —  7)  Bastian,  Vorst.  17.  —  8)  Ebenda  13,  Eiern.  84.  — 
d)  Tylor  2,  80.  -  In)  Ebenda  -j,  27 ff.  —  11)  Bastian,  VoiM..  1*.  -  12)  Bastian,  Eiern.,  80. 
—  13)  Zeitschrift  für  Ethnologie  2»,  122.  —  14)  Bastian.  Vorst,  34.  —  15]  Ebenda  35.  - 
16)  Ebenda  13.  —  17)  Frobenius,  Ursprung  der  Kultur  I,  331. 


Bacher: 


Die  weitverbreitete  Sitte  des  Mfamifizierens  deT  Leichen,  die  «loch 
auch  nur  den  Zweck  gehabt  haben  konnte,  das  im  Körper  befindliche 
Leben  mögliche!  lange  zn  erhalten,  wollen  wir  grundsätzlich  übergehen, 
weil  die  Zeit,  die  hier  der  Totenreise  vorausgehen  Bollte,  eine  unabsehbar 
Bein  mus8te.  Auch  der  Glaube  an  die  Auferstehung  von  den  Toten 
setzt  in  der  Darstellung  des  Ezechiel  die  Erhaltung  von  deren  Knochen 
voraus.  Dem  entspricht  aufs  vollkommenste  die  moderne  Volksanschauung.1) 
Doch  haben  wir  es  hier  bereits  mir  einem  Monismus  von  Kraft  und  Stoff 
/u  timn.  der,  mehr  spekulativ  als  empirisch  begründet,  eine  endlos.« 
\  ereinigung  beider  Elemente  voraussetzt  und  deshalb  die  uns  hier  be- 
Bchäftigende  Frage  nach  dem  .Momente  der  Trennung  von  Seele  und 
Leib  nicht  aufwirft.  Wir  haben  die  menschliche  Seele  bis  zu  dem 
Punkte  in>  Au--  gefasst.  der  ihre  Scheidung  vom  Körper  als  vollendet 
bezeichnen  h'is>r.  und  fragen  nun:  in  welche  mythischen  Gebilde  kleidet 
sich  die  [dee  dieses  Scheidens?  Können  wir  den  Geist,  den  wir,  da  er 
Beine   Bulle  verliess,  abreisen  sahen,  noch  auf  der  Reise  verfolgen? 

Ko  u  i  gsberg  i.  Pr. 

Fortsetzung  folgt.) 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lusern  im  wälschen 

Südtirol. 

Vom  Karaten  Josef  Bacher  in  Unterfennberg  bei  Margreid  in  Südtirol. 
(Fortsetzung  von  Bd.  X,  S.  417.) 


16.    Da  n  < ven/.rat  <  von  strlan. 

1)'    kmd ■>]■   sain   g«?Wfsl    se'm   al.'  bdn- 

and*ron  dar  bdrba  Tita  hat-m  auggonturt 
.i    -tori'b    on  's    muom   Bärbd»  is  se'm 
-t  ls  ö  .  .  .  .  on  e>t  bil-a-mar  nein-m 
insel  dUrmfia  zo  köda-'s-aa  aü\: 

In    an    stroax    oidar  gga  Lfva  l's-da 

d    alta  waih'  on  hat  g;nump  a 

kin    vi)   siin  sun  on  is  gant  ;ius  az  velt 


l(i.    Die  von  den  Hexen  Übrig- 
gelassene. 

Die  Kinder  waren  dort  alle  beieinander 
und  der  Vetter  Johannes  (Baptist)  erzählte 
ihnen  ein  Geschichtchen  und  die  Base 
Bärbele  war  auch  dort  ....  und  jetzt  will 
ich   mich  bemühen,    es  euch  zu  sagen: 

Einmal  war  drunten  in  Leve  ein  altes 
Weib  und  nahm  ein  Kind  ihres  Sohnes 
und  ging  hinaus  auf  das  Feld,  zu  holen 


1  [eh  verweise  auf  Schiller,  Räuber  V,  I:  „Das  nackte  Gefilde  begann  zu  kreissen 
and  aufzuwerfen  Schädeln,  Rippen  und  Kinnbacken  und  Beine,  die  sieb  zusammenzogen 
in  menschliche  Leiber  und  daberströmten  unüberseblicb,  ein  lebendiger  Strom."  Vgl.  aueb 
die  bildlichen  Darstellungen  der  italienischen  und  niederländischen  Meister. 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lnsern  im  «fälschen  Sudtirol. 


29 


bo  nema  a  di*ai  t$gn,  on  bäl-'a  ia  gaw^st 
aus  az  velt  diza  waib  .    hat-  a  - 
kin  se'ro  af  a  zail  vö   patatn  on  is  gant 
in  pa  akar  zo  nema  äbs  d-  tfgn.    Bala- 
män  (h)at-s     gahgarl   an   sr^a,    on  sl  is 
kein  bahems    bavem  <)  /.'  s$ga  von  kint 
on    \  int    nem#ar  's    kint    af   kuana  sait. 
AlÖra  d  rwisl  >■   »n  wfga  on  ge'al  hfiani 
mrarai'    loat    bäs    I »Mi t  -    ro    srak  on   küt 
Bain  siiii.   bäs-da  is  gasfgat.     On  er  hat 
darwist    in    w§ga  on  is  gant    a  ggaman 
zo    pita,    as-s-  d    gf'm    helf   zo   giana 
zo  stia\a  's  kin.     'n   to  momento  al  >  da 
laut  vd  Lv\>  Bain  gaw^st  ümar  zo  süaxa: 
a    tnal    sain    gant    pa    veldar,    a  töa!  pa 
wäldar,    on    a    töal    sain  gant   in   pa  sca 
zo    visa;    ma    al<    hä'm    gamöxt    kearn 
bidrüm    ana  kin.     In  tä'  darnS  sain-sa 
wui  r    gant    zu    siia.\a-'s:    ma    niamat 
liat-'s  net  g ■■vunt't.     Drai  tag»  hä'm-s'-as 
g'sfia\t    on   balaman   (h)ä'm-sa  g^saug^t 
an    Mi    Front'   un   hä'm-'s  g-'sögg  in-an-a 
saülana  stfl;  ma  zo  giana  in  zo  nema-'s 
säin-sa    net   u'west   gäat.     AlÖra  sain-sa 
kent    äba    gga    Lfva    un    hä'm    ganump 
kübln    on    sain    gant    ;iu   Öbar  disa  stnl 
un     hä'm    ä_häi)n    an     man    on   hä'm-an 
abamolart,    on    er  hat  g<mump  's  kin    m 
arm    on    dena   hat-ar  ge't  an  zuk  an  da 
kühl     on     il  sohl,     bo-da    sain    gaw§st  an 
al'  da   5bar  sait.    ha'm-n   ;iugv<zög4.      On 
bal-dar  an  is  gewtjst,  hä'm-sa  gavörst  's 
kin.    /."   s$ga,    ber-d'as    bat    vörtgatragg, 
on  's  kin  hat  köt:    „Da  is  kent  a  -nana 
\ -rau    on    hat-m-'  gamüdlt   in  sn  a  süana 
dek  oii  hät-ma  g^tragg  ;iu  an  dasei  stfl, 
bfj-dar-ma  hat  gavuntat"   .   .   .  on  da  laut 
ha'm-'s    g^vorst    z'    sega.    bäs-"s-'n    hat 
ge't  z'  esa,   on  's  kin  hat  köt:    „Sa  hat- 
mar  ge't  gi'ilas  pryat  on  öpfl.'*    On  älöra 
hä'm-sa    darwist    »n    weg'   on  sain  kent 
huam    betn    kin.     On    d  -    laut    hä'm-an 
ab  pensärt,    ke   da  hä'm-'s  vörtgahat  da 
strian,    on   vö  dansel  tags  ha'm-s  -ar  ala 
köt  da  gavenzrata  von  strian. 


Bich  einige  I  isolen  httlsen  .  und  als  sie, 
dieses  Weib,  draussen  auf  dem  Felde  w  ar, 
[i  gte  sie  das  Kind  dort  auf  eine  Erd- 
äpfelzeile und  ging  hinein  bei  Acker,  die 
Fisolen  zu  pflücken.  Da  hörte  Bie  einen 
Schrei,  und  sm  kam  behende,  nachzu- 
schauen vom  Rinde  und  findel  aichl  mehr 
das  Kmd  nirgends.  Dann  macht  Bie  Bich 
auf  den  Weg  und  gehl  heim,  mehr  tot 
als  lebend  vor  Schrecken  and  Bagt  ihrem 
Sohne,  was  geschehen  ist.  und  er  machte 
sieh  auf  <\rn  Weg  und  ging  in  die  <  h  - 
meinde(kanzlei)  zu  bitten,  dass  Bie  dun 
Bilfe  geben  zu  gehen,  |  um  das  Kmd  zu 
suchen.  In  einem  Augenblick  waren  alle 
Leute  von  I.eve  herum  zu  suchen:  ein 
Teil  ging  aber  die  Felder,  ein  Teil  aber 
Widder  und  ein  Ted  ging  (ruderte    über 

den    See,    (um)  (auf  ZUÖSCben :   allein  alle 

mussten  wieder  umkehren  ohne  Kmd. 
Am  folgenden  Tage  gingen  sie  wieder, 
es  zu  suchen;  jedoch  niemand  fand  i  - 
Drei  Tage  suchten  sie  es,  und  dann 
schauten  sie  hinauf  zum  (Berg  Fronte 
und  sahen  ^s  drinnen  in  einer  grausi{ 
Felswand,  allein  hineinzugehen,  es  zu 
holen,  waren  sie  nicht  imstande.  Dann 
kamen  sie  hinunter  nachLeve  und  nahmen 
Seile  und  gingen  hinauf  ober  diese  Fels- 
wand und  hängten  einen  Mann  an  und 
Messen  ihn  herab,  und  er  nahm  das  Kind 
in  den  Arm  und  dann  gab  er  einen  Zuck 
in  das  Seil,  und  die.  welche  droben  auf 
der  Oberseite  waren,  zogen  ihn  hinauf, 
und  sowie  er  hinauf  war,  fragten  sie  das 
Kind  (um  zu  sehen  .  wer  es  fortgetragen 

habe,  und  das  Kmd  sagte:  „Es  kam  eine 
schöne  Frau  und  wickelte  mich  ein  in 
eine  schöne  Decke  und  trug  mich  hinauf 
in  jene  Felswand,  wo  ihr  mich  gefunden 
habt"  .  .  .  und  die  Leute  fragten  es.  um 
zu  erfahren)  was  sie  ihm  zu  essen  gegeben 
habe,  und  das  Kmd  Bagte:  „Sie  gab  mir 
-  Brot  und  Äpfel."  Lud  dann 
nahmen  sie  den  Weg  und  kamen  heim 
mit  dem  Kinde.  Und  die  Leute  dachten 
sich  alle,  die  Hexen  hatten  es  fortgehabt, 
und  von  diesem  Tage  an  hiessen  sie  sie 
alle  die  von  den   Hexen  Übriggelassene. 


Bacher: 


17.    's    -  n.iiilarl 

is   gant  a  püabl  -  von 
dB  poval.     Bäl-  - 
-(  m  afn  Ggosbdsi  säin-?n  zünganl 

.    man-n   (»ii   hä'm-'a   gyvörst  z     - 
ast,   bö-da  is  il  -  Rögga  Dampf, 
od    diza    ptkabb    hat  köl     nJ     ja,    iiaba 

niilll'     DiaiMl.     i     l>öas-<s     hol:     kein    l>t 

iniar.  i  zt>.i'-s*-;is  (i  lim-»  -as  ~  On  alöra 
diu  /wn.i  man  n  sain  gaot  betn  püabD, 
on  bdl-sa  Bain  g<w£st  Dämp  dar  rögga, 
h&'m-sa  _  hijari  als  a  g-dürna.  äs-'s-n 
bä'm  g'DQÖXt  sopm  d<  öarn  zöa  n<;t  zo 
ktina  ~-ind.it.  On  bäl-da  na-hat-g-dat  's 
rna,  ha'm-sa  köt  dj  mann:  „Gea 
»;>t.  sndidarl-',  gea  poranahi,  od  zöag-as 
de  rögga  r-rt".  on  's  püabD  is  gant 
\<  ran  on  is  gant  in  pa  rögga,  on  da 
nian^n  sain-  n  nagant.  Bäl-sa  sain  g  - 
wifßt  in  af  d'  mit  dar  rögga,  sain-sa 
neroear  g  -  _uat  zo  gmna  vürsn-.i. 
ombröm  af  d*>  mit  hä'm-sa  g-vunt-t  an 
haof  slaggn,  on  alöra  dis'  man-n  hä'm 
k<it    ggan    püabl?:    „Ben    snäidarD,    est 

g  nfia,  wetar  in  gea-bar  net;  fst 
nim-dar  äu  da  dar  disan  slaggn!"  On 
's  püabb  hat  ägjva&n  zo  läxa  on  bat 
köt:  .< )  nemp-s'-as  nor  iar-ändr ■>  da  knotn; 
i  bil  küaiK  i  gea  est",  on  alöra  d> 
man  n  hä'm  r>n  ge't  a  swanzjga  on  vümf 
ggn  on  hä'm  köt:  „Ben  gda  gst,  »näi- 
darl»!u  on  alöra  's  püabla  hat-s'  n<>  g- 
rörst  /.'  B$ga,  ombröm  sa  kö'n-an  „snai- 
darL>tt,    on    d^    man  <n    hä'm   köt:    „Gga 

do  barst  kern  n  a  snaidarD."  On 
alöra  's  pftabb  is  duvarkeni  vö  dar 
_i  im  is  gant  durx  hi'ntar  a  vaü\t 
za  -;iu_.i  zfia  ■/.'  sega.  bas-da  ttian  d-» 
man  n.  on  se'm  hat-'s  g«segg,  ke  sa 
ha'm  äug-mump  an  sak  vol  slaggn  vor 
uaii    od    sain    gant.    Alora  's    ptiabb  is 

hnani  is  ö.  Bäl-'s  is  gawest  htiam, 
hat-'s  äuvarg-nump  d<  »laggn  zo  zpaga 
sain  laut,  on  im    ,  >,ii na  slaggn 

sain-'s  g</w§st  vümf  I  \Ur. 


Dena  säin-da  higant  a  drai.  vlar  jär, 
un    güat-<    laut    hä'm    g^holft   ,m    püabl-' 


17.    Das  Schneiderle. 

Einmal  ist  ein  Bübchen  von  den  (Fa- 
milien iMuzüberdieAlmen  hineingegangen 
um  Zieger.  Als  es  drinnen  im  Costegin 
war.  gingen  ihm  zwei  Männer  zu  und 
fragten  es  (um  zu  erfahren),  ob  es  wisse, 
wo  die  Rocca  Dampf  wäre,  und  dieses 
Büblein  sagte:  „Ja,  ja,  meine  lieben 
Männer,  ich  weiss  es  wohl,  kommt  mit 
mir,    ich    zeige    sie    euch."     Und    dann 

en  diese  zwei  Männer  mit  dem  Büb- 
lein. und  als  sie  nahe  der  Höhle  waren, 
hörten  sie  lauter  Geheule,  (so)  dass  sie 
sich  mussten  verstopfen  die  Ohren,  um 
nicht  taub  zu  werden.  Und  als  das  Ge- 
brülle nachgelassen  hat  te),  sagten  die 
Männer:  -Geh  jetzt.  Schneiderle,  geh  vor- 
aus und  zeig  uns  die  (Fels-;  Höhle  jetzt-, 
und  das  Büblein  ging  voran  und  ging  bei 
der  Höhle  hinein,  und  die  Männer  gingen 
ihm  nach.  Als  sie  in  der  Mitte  der  Höhle 
waren,  waren  sie  nicht  mehr  imstande, 
vorwärts  zu  gehen,  denn  in  der  Mitte 
fanden  sie  einen  Haufen  Schlacken,  und 
dann  sagten  diese  Männer  zum  Büblein: 
„Wohlan,  Schneiderle,  nun  ist's  genug, 
weiter  hinein  gehen  wir  nicht;  jetzt  nimm 
dir  auf  da  von  diesen  Schlacken!"  Und 
das  Büblein  begann  zu  lachen  und  sagte: 
„0,  nehmt  (sie)  euch  nur  ihr  die  Steine; 
ich  will  keine,  ich  geh  jetzt",  und  dann 
gaben  ihm  die  Männer  einen  Zwanziger 
(.^ö  Kr.)  und  fünf  Schlacken  und  sagten: 
..Gut,  geh  jetzt  Schneiderle!"  Und  dann 
fragte  sie  das  Büblein  noch  (um  zu  er- 
fahren}, warum  sie  (zu)  ihm  „Schneiderle" 
sagen,  und  die  Männer  sagten:  „Geh,  geh, 
du  wirst  werden  ein  Schneiderlein."  Und 
dann  kam  das  Büblein  heraus  von  der 
Höhle  und  ging  hinüber  hinter  eineFichte, 
zuzuschauen  (um  zu  sehen),  was  die 
Männer  thun,  und  dort  sah  es,  dass  sie 
einen  Sack  voll  Schlacken  jeder  aufnahmen 
und  gingen.  Dann  ging  das  Büblein  heim 
(es)  auch.  Sobald  es  war  daheim,  nahm 
es  die  Schlacken  heraus,  den  Seinigen 
zu  zeigen,  und  anstatt  Schlacken  (zu  sein) 
waren  es  fünf  Thaler. 

Dann  vergingen  bei  drei,  vier  Jahre, 
und  gute  Leute  halfen  dem  Büblein  mit 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lasern  im  wüschen  s iult i r« >1  :;| 

bei  an  pisb  -vlt,    011  alöra  's  pttablj  is  etwas  Geld   aas),  und  da  ging  dasBttblein 

gant   zo    lirna    zo  m&Xfi    »  snaicUr,    <»n  zu  lernen  (den)  Schneider  (zu  machen), 

vu    se'ni    aain  -da    äuvarkent    d<    „snai-  und  von  dorther  rühren  die  „Scbneidarla8 

darla*,   bo-da  nö  aain   >n  tä'  vö  haut  az  (-Familien),  die  noch  heutzutage  in Luse^ni 

Lasern,  sind. 

B<  merk.:  »'s  snäidarb":  I)a  es  in  Bus. tu  nur  drei  eigentliche  Schreibnamen  [riebt: 
Nicolussi,  Gasperi  und  Pedrazza,  so  fing  mau  schon  frühe  an,  durch  Zunamen  die  einzelnen 
Familien  zu  unterscheiden  und  zwar  so,  dass  die  eigentlichen  ßchreibnamen  im  gewöhn- 
lichen Verkehr  der  Laserner  untereinander  gar  nicht  mehr  genannt  werden.  Am  meisten 
Bind  die  Zunamen  notwendig  beim  Schreibnamen  Nicolussi,  da  über  160  Familien  den 
Schreibnamen  Nicolussi  haben.  Solche  Zunamen  sind  z.  B.  Castellan,  Leck,  Blnz  u.  s.  w. 
Officiell  werden  dann  die  Familien  oder  einzelne  Personen  nach  Folgendem  Beispiel  be- 
zeichnet: Nicolusai-Leck,  Peter  Nicolussi-Castellan  ....  Bald  aber  genügte  auch  der 
eini'aclie  Zuname  nicht  mehr;  so  zweigte  sieh  z.  B  der  Zuname  Castellan  aus  in  Paul&z, 
Weiss  u.  s.  w.;  in  unserem  Falle  ist  es  der  Zuname  Mnz.  der  durch  die  Familien  Schneider 
eine  Aufzweigung  erhielt,  also  Nicolussi-Muz-Schneider.  Audi  der  Schreibname  Gasperi. 
den  ungefähr  25  Familien  führen,  muss  mit  Zunamen  versehen  werden  der  deutlichen 
Unterscheidung  halber,  z.  B.  Gasperi-  Canaru,  Gasperi -Knüpple  oder  Knapp),  Gasperi 
Pecher,  Gasperi  -  Dreizehne.  —  Vor  Einführung  der  deutschen  Schule  in  Lasfrn  waren 
diese  Zunamen  möglichst  italianisiert,  z.  B.  Caneppele  statt  Knappte,  Baiz  statt  Weiss, 
Moz  (spr.  Mos)  statt  Muz  u.  s.  w  ;  weniger  gelang  dies  bei  Pecher  die  Luserner  spreel  i  o 
ganz  genau  Be-c.r.  während  von  ital.  Beamten,  z.  B.  bei  Gericht,  IVkr  ausgesprochen 
wird;   und  Dreizehne,    welch  letzteres  Draizene  geschrieben  wurde.  Bei    dem  Schreib- 

aamen  Pedrazza,  den  nur  etwa  sechs  Familien  führen,  ist  bisher  ein  unterscheidender 
Zuname  nicht  gebraucht  worden  —  Wie  schon  erwähnt  gebraucht  die  Bevölkerung  beinahe 
ausschliesslich  nur  den  Zunamen.  Sic  sagen  z.  B.  di  Kastila  die  Familien  Castellan: 
di  Lekro       die  aus  der  Familie  Beck:  di  mgntsan       die  Familien  Mensch;   di  Müz       die 

von  der  (oder  dem  Familie(n)  Mutz  u.  s.  w. „is  gant <)  n§  poväi":  die  Kinder 

von  Lnsfrn  gehen  zur  Sommerszeit,  wenn  die  Almwirtschaft  in  Betrieb  ist,  täglich  in  die 
näher  gelegenen  Almhütten,  am  frischen  Zieger  zu  erhalten,  der  dann  eine  beliebte  Zu- 
speise zur  .pult"  (Bolenta)  abgiebt.  Wird  dieser  Zieger  Borgsam  zubereitet,  so  schmeckt 
er  ähnlich  wie  Maibutter.  -  Ggostedsi  (ital.  Costegino)  ist  eine  Ahne  neben  dem  B 
und  in  ihr  befindet  sich  „Rdgga  Dampf",  von  den  Italienern  „la  rocca  damf  genannt, 
eine  Höhle,   „worin  hundert  Schafe   Baum  hätten-'. 

18.    Dar  orgg.  18.    Der  (N)org 

Vor    an    ♦.'•  1 1 ; i  jär  pan  sumar  sdin-da  Vor  etlichen  Jahren  im  Sommer  waren 

g  >wfst  vmr  man 'ii  in  an  BisaU    \Vi>d<  vier    Männer   (Irinnen    im  Wiesele,    das 

zo  mana  's  hew  ».  Heu  zu  mähen. 

Balamff,    m    gian^n   äin^  d^  sun,    sn  Allmählich  bei  Sonnenuntergang  nah- 

drai  hä'm  g^nump  d^  s$JD?st  af  d<>  aggsl  men  zu  dreien  die  Sense  auf  die  Achsel 

on   sain   kent  auvar  hüam.     Vör-sa  sain  und  kamen  heraus  heim.    Bevor  sie  fort- 

pamrt    zo    kema,    ba'm-sa    gartiaft   »n  gingen     am  heraus-)  zukommen,    riefen 

ändar    on    hä'm  gjvörst  z'  sega,    be-dar  sie  dem  andern  und  fragten  (um  zu  er- 

kmt.    on    er    hat    köt:    „Na,    nouet,    am  Iah  rem.    ob    er    komme,    und    er   sagte: 

garstn   biU   rivan",    on  d;  andarn  altfra  „Nein,    noch    nicht,    zuerst   will  ich  be- 

hä'm  darwist  m  wega  on  sain  kent.  endigen",  und  die  andern  dann  machten 

sich  auf  den   Weg  und  kamen     heraus  . 

Dar    ändar    hat    garift    her    spat    on  Der  andere  beendigte  spät  (dieArbeit, 

bäl-dar   is    g^west    vert>,    hat-ar  a  pisU  und  als  er  fertig  war,  rastete  er  ein  biss- 

g^rast/t  on  dena  is-ar  partfrt  on  is  kent  chen    und    dann   brach   er  auf  und  kam 

er  Ö;    ma  's    is    aromäi  g^west    spät  pa  (heraus)  er  auch;  allein  es  war  nunmehr 


Bacher 


dar    na\t    on  st  tunkl,    as-ar-da 

m\i   hat  I  'n  dfsar  man  is  kent 

_..n\  in  .    mh    bal-dar  i-  g  wfet  gga  dar 

hüll.'  \on  kraiiz.  hät-ar  -  \  mit  t  m  orgg, 
on  darsei  hat-n  nvt  gawölt  läsan  pasarn 
im  alöra  «lar  man  hat  auvargannmp  sai 
iiir-sar  um  hat-n  -vi  b  in  >ti\  9H  orgg 
ml  dena  hat-ar  ganump  da  kear  äu  z(ia 
ihn  grfsat  termar  on  is  hfiam  garift 
-iar  t^at  \<i  Srak.  Iluam  as-ar  is  g  - 
w$st    hat-ar    köt   sain  laut,    bäs-d'-an  is 

In    tä'  darnS    hä'm    augavaiMD  a  drai 

maii'H  on  sain  gant  z"  st;ga,  be-'a  is 
bär,  gg»  dar  hat  ab^g/sto.\t  ?n  orgg;  ma 
bal-sa  Bain  gaw?st  gga  dar  hülb</  von 
kraiiz.  haVm-s'-an  gamörf  halte  m  pau\ 
zo  la\a.  umbrüm  dar  man  hat  gvhat 
Bi'm  sti.\  "ii  an  grisate  knot,  on  vo 
dansel  täga  an  ansei  man  hii'm-s'-an  herta 
köt:  dar  orgg. 


m  der  Nacht  und  dunkel,  bo  daes 
er  nichts  sah.  Und  dieser  Mann  kam 
tastend,  und  als  er  war  bei  der  Wasser- 
grobe  am  Kreuze,  stiess  er  auf  den  Orgg, 
und  derselbe  wollte  ihn  nicht  vorüber- 
lassen und  da  nahm  der  Mann  sein 
Messer  heraus  und  gab  (ihm)  sieben 
Stiche  dem  Orgg  und  dann  wendete  er 
sich  hinauf  gegen  den  grauen  Grenzstein 
und  langte  daheim  an  beinahe  tot  vor 
Schrecken.  Heim  gekommen  sagte  er 
den  Seinigen,  was  ihm  begegnet  ist. 

Am  nächsten  Tage  machten  sich  einige 
Männer  auf  und  gingen  zu  sehen,  ob's 
wahr  ist,  dass  er  den  Orgg  erstochen  hat; 
allein  als  sie  dort  bei  der  Wassergrube 
am  Kreuze  waren,  mussten  sie  sich  den 
Bauch  halten  vor  Lachen,  denn  der  Mann 
hatte  sieben  Stiche  versetzt  einem  grauen 
Steine,  und  von  jenem  Tage  an  haben 
sie  (hat  man)  diesem  Manne  stets  gesagt: 
der  Orgg. 


19.    Dar  wil  man  on  das 

wil   waib-'. 

In  an  ströa\  i's-da  g'west  a  man 
un  a  waib?,  bo-da  hä'm  g-mat  zwr}a 
kindar.  a  püabla  on  a  diarnla.  Balamäio 
's  waiba  is  gastorbat  on  dar  man  is  ga- 
keart  zo  borata-s^.  Das  naüg^  waiba  is 
— t  güat  betn  kindar  a  ganzas  jär. 
Dena  hät-s'-ar  g'kyaft  si  ö  das  a  kin 
on  dena  hat  sa  Sgava»»  zo  saina  zni\t 
betn  zwoa  ändarn  kindar  on  hat  herta 
köt  ggan  man.  as-ar  s<  vörttraiba  da 
zwya  kindar.  Ma  dar  man  hät-ar  nia 
lt  volgn,  ombröm  da  kindar  hät-ar- 
s-'  g^halt  -t  gearn. 

In  an  taga  dar  man  is  gant  an  äldar 
vrüa  aus  az  velt,  on  vort  äs-ar  is  ga- 
w  ■_■  - 1-  hat-sa  ge't  a  säkla  äs  vor-nan  an 
kind-T  on  hat  köt:  „Ge.it  est  in  pa  walt 
na  bolz,  ma  5  on  dena 

an  kearn  bidräm  kent  herta  na  dar  äsa, 
on  asd  ha"m-sa  gatänt  da  kindar.  Da 
stiafmüatar  hat  gasikt  da  kindar  in  pa 
walt.  zoa  ;is-da-sa  vres  epar  a  gawilt, 
on    invez  i   da  kindar  sain  gant  on  kent. 


19.    Der  wilde  Mann  und  das 
wilde  Weib. 

Einmal  war  ein  Mann  und  ein  Weib, 
welche  zwei  Kinder  hatten,  einen  Knaben 
und  ein  Mädchen.  Mit  der  Zeit  starb 
das  Weib  und  der  Mann  hat  sich  wieder 
verheiratet.  Das  neue  Weib  war  gut  mit 
dvn  Kindern  ein  ganzes  Jahr.  Dann  hat 
sie  sich  gekauft  (sie)  auch  (eins)  ein 
Kind  und  dann  hat  sie  angefangen  bös  zu 
sein  mit  den  zwei  andern  Kindern  und 
hat  stets  gesagt  zum  Mann,  dass  er  sie 
fortjage  die  zwei  Kinder.  Allein  der  Mann 
hat  ihr  nie  folgen  wollen,  denn  die  Kinder 
bat  er  (sie)  gehabt  gerne. 

Eines  Tages  ging  der  Mann  in  aller 
Frühe  hinaus  aufs  Feld,  und  als  er  fort 
war.  gab  sie  den  Kindern  je  ein  Säcklein 
Asche  und  sagte:  „Geht  jetzt  hinein  in 
den  Wald  um  Holz,  aber  gehet  säend  die 
Asche,  und  dann  bei  der  Rückkehr  gehet 
immer  den  Aschenspuren  nachw:  und  so 
haben  (sie)  gethan  die  Kinder.  Die  Stief- 
mutter hat'te)  geschickt  die  Kinder  hinein 
in  den  Wald,  damit  sie  fresse  etwa  ein 
wildes  Tier,  und  statt  (dessen)  sind  die 
Kinder   gegangen  und  gekommen.     Und 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lnsern  im  w&lschen  Südtirol. 


On    &bas,    bäl-da    Bain    hdam    g^rift    ds 

kmd  r.    ia-s  ->  •    darzürnt    on    bat-s 
maxt  gian  /."  slfiva  Bna 

In  t;V  darnS  dar  vatar  is  widar  ganl 
az   vrlt.    on  dis.i  /ni\t  stiafmüatar  bat- 
n  nSge't  a  säkla  salz  ?n  kindar  on  bat- 
sa    widar   u-ikt    nä    holz.      D<    kindar 
Bain  Man-  's    salz    on  sain  ganl 

in  wait  in  pa  walt  on  bal-sa  hä'm 
hat  yvnua  holz,  ha'm-sa  nemear  _  - 
vuntt  ii  weg*  zo  keara  bidrum,  om- 
bröm  's  is  gaw§st  nas  von  tau  on  's 
salz  •  _  -  (g*w6st  zorgänt.  Alöra 
d'  arm  Mi  kindar  hä'm  oemear  gawist, 
bo  zo  giana  on  Lnvfza  bas  zo  kema 
/.fm  hfiamat,  säin-sa  gan(  wetar  in  pa 
walt 

Balaman  bä'm-sa  gasegg  a  baüsl  >  on 
sain  zliagant  on  hä'm  gamägg  t  (ga- 
meggat  .  on  dena  is  auvarkent  das  wil 
waiba  on  hat  köt:  „0  haha  maina  kin- 
dar, wo  mäi  säit-ar  kent!  äs-da  hüara 
kint  dar  wil  man.  mst-ar-as."  On  d> 
arm. ui  kind  r  hä'm  köt:  As-da  sai,  I 
da  ^ot  dar  hear  bil;  wiar  liaint.  as'-ar- 
as  dalat.  pläi'-bar  da."  „Beß",  hat-'s 
köt  das  wil  waiba,  _i  balt-as  da,  ma 
iar-ändf  mo\t  gian  in  untai  's  pet  on 
stian  stila  on  swaign."  „Ja  ja",  bä'm- 
Ba  köt  d-  kindar:  dena  das  wil  waiba 
bat-an  ge't  epas  /.'  esa,  on  dena  hät- 
-  -a    _  maxi  gian  in  dntar  da  lot^r. 

Balaman  is  kent  dar  wil  man  on  hat 
_  smekt:  „mf  mf,  da  -tinkt-'s  na  kristna 
elais,  da  simkt-'s  na  kristna  vlais;  wem 
häst-(d)o  an  bans,  waiba?"  „Niamat", 
hat's  köt  das  wil  waiba,  „swaiga,  is  on 
trink,  on.  dena  gea  z'  slava!"  Ma  dar 
wil  man  hat-'s  net  gawölt  gl^a'm  on 
hat  widar  ägavaJDffl  zu  smeka,  on  alöra 
das  wil  waiba  hat -an  ziiau  -trit-t  on 
hat-an  gamaxt  gian  z    slava. 

Ma  dar  wil  man  is  net  gawfsl 
i.  slava  on  hat  gavörst  das  wil  waiba 
on  hat  köt:  -Kil-mar  waiba,  bas- 
stinkt  na  kristna  vlai-."  „Ja",  bat-'s 
köt  das  wil  waib?,  _i  ktl-dar-s  a>-do- 
mar  vorhöa-t  ni.\t  zo  tüana."  -Ja". 
hat-ar  köt  dar  wil  man,  _i  vorhöas-dar-'s. 

Zeitschr    d.  Vereins  t.  Volkskunde.     1901. 


abends,    Ale    die    Kinder    heim    kan 
ward.'  sii  iml  machte  sie  bcW 

gehen  ohne  Abendet 

Am    nächstei  di  i    Vater 

wieder  aufs  Feld,  and  3tief- 

mutterhat  ihnen,  den  Rindern,  mitgegeben 
ein  Säcklein  Salz  und  hat  sie  wieder  um 
Bolz  geschickt     In.'  Kimm.  das 

Salz  säend  und  gingen  weit  hinein  in  den 
Wald,     und    wie    -  Holz   hatten, 

landen  sie  nicht  mehr  den  \\  , •_  zurück 
zukehren,  denn  es  war  nass  vom  Tan 
und  das  s.dz  ist  war  zergangen.  Nun 
WUSSten  die  armen  Kinder  nicht  mehr. 
wohin  zu  gehen,  und  statt  heimwärts  zu 
kommen,  r  in  den  Wald 

hinein. 

Endlich  sahen  sie  ein  Häuschen  und 
sie  gingen  hinzu  und  klopften,  und  dann 
kam  heraus  das  wilde  Weih  und  3: 
J)  meine  lieben  Kinder,  wohin  seid  ihr 
nur  gekommen!  wenn  heim  kommt  <lrv 
wilde  Mann,  l'risst  er  euch."  Und  die 
armen  Kinder  sagten:  ..  Ks  sei.  was  Gott 
will:  wenn  Ihr  uns  hier  lasset,  so)  bleiben 
wir  heute    abend-    da."    „Gut",  sagte  das 

wilde  Weib,  „ich  behalte  euch  da,  aber 
ihr  müsset  gehen  hinein  unter  das  Bett 
und  stiM  bleiben  und  schweifen."  ..I  i 
ja-,  sagten  die  Kinder;  dann  gab  ihnen 
das  wilde  Weih  etwas  zu  essen,  und 
dann  machte  sie  sie  hineingehen  unter 
die  Bettstatt 

Mit  der  Zeil  kam  der  wilde  Mann  und 
roch:  „mf  mf,  da  riecht's  nach  Christen- 
lleiseh.  da  riecht's  nach  ( 'hnstenlleiseh : 
wen  hast  du  da  im  Hause.  Weib?"  .Nie- 
mand-, sagte  das  wilde  Weih,  .schweige, 
iss  und  trink,  und  dann  geh  schlafe 
Allem  der  wilde  Mann  wollte  es  mein 
en  und  fing  wieder  an  zu  riechen, 
und  dann  verwies  es  ihm  das  wilde 
and  machte  ihn  schlafen  gehen. 

Jedoch  der  wilde  Mann  konnte  nicht 
schlafen  und  fragte  das  wilde  Weib  und 
nir,  Weih,  was  da  so  riecht 
nach  Christenfleisch."  „Ja",  sagte  (es) 
das  wilde  Weih,  _ ich  sau  dir's.  wenn 
du  mir  vcrheissest,  nichts  zu  thun."  „Ja", 

■■  der  wilde  Mann.  ..ich  verheisse  d 


34 


Bach«  r: 


p.,\i-.  on  ;il"i.i  das  « il  waibj  bat- 

köt     „Jdato    _i.-M-.    hät-ar    köt, 

dar  wil  man,    .. 's  diarnb  halt-bar-'s  ror 

maserl  •    on    b    pflabl  •   vor  temporal  l  •". 

b  ■  ii  at;    's    dfarn]  i   hat 

ilfl    d  m  \\  il  uailf   m  dar  arbal  von 

hau>.  OD  's  piiab|.  ha 'm-s'-as  g'legg  'il 
Btal  zo  mv§ta 

In    an  tagj   hat-ar   köt  <lar  wil  man: 
„Est    waib     möxt-mä   gfan  z"  s$ga,    be- 

da  a  tciiij.ii!' I  I  •  is  \(i;i-i  ganüa",  on 
's  diarnl  •   bat-  rl   on    is   -ant    vor- 

ana    nidar     mi    ^tal    on     hät-"s-<n    köt  <m 
pHabls    "ii    lai    h;ii-'s-.'n    ge't  a  sprüs  l 
on    hat    köt:    „Rek-an   auvar  's  sprüs^b 
n    wil     man",    on    asÖ    hat-'s    ^tänt  an 
c'-tlm  i.iiahl'.   bal-da  is  gant  dar 

wil  man  /.'  S$ga,  be->  is  vüast:  in\  «//..< 
bäs  zo  ivka-n-'D  auvar  's  1'inaH'  vin- 
arl'.  hat-">-n  auvargarekt  's  sprüsata. 

Balamao  hat-'s  vorlört  's  sprüsafc,  on 
bal-da  is  gant  dar  wil  man.  hat-Vm 
auvarg<*moxt  rekan  's  rimrl*  on  alöra 
dar  wil  man  hat  köt:  .,0.  as<1  bol.  est 
pist-(d)o  vua>t  u-Mnia".  on  is  gant  äu 
dan  wil  waib»,  on  bat  köt:  _Est 
waib  -  temporebb  is  vöast  ganua; 
morgn  gea-d-s  zo  neraa  's  ga'vaterlaüt, 
on  du,  intanti  rt  pin,  ma\  öbar- 

l>;_n  n  kesl  vol  h  t  was-r  on  boröat 
■  !•  prüa;  mar  auvarkenwn  's  temporeUala 
zo  bäka  an  's  holz  " 

On  asd  ha'm-sa  gatant.     Bal-'s  auvar 

Ar-t  's  tempore  1^1»,  hat-s'  n  ge't  di 

hak    on    h.»t-  n  g<?z$ag4  d*  e>t  (äst)  on 

hat    köt,  äohak  kluä  kluä;    ma 

's     tempore!   I,     hat    .-ha!    kilan    bäkstok, 

on    alöra   hat-'s   köt  gga  d»n  wil  waib»: 

la.     wfa     tiian     ana     bäkstok?" 

on    das    wil    waibs    is    gant  on    is-s*-s<* 

nidarg-pükt    zo    lirna  -  's,    on   's    püabl 

bät-ar   hTg^hakt    n   köpf  on  dena  hat-'s 

laib    on    bat-»n    g  :  ■_•_     ai 

kesl    zo    siada    on    »n    kopl    bal  ■  '•  -   n 

-    .--      n    pet     on     hat  -  an    züagadekt 

'.n      dena     d      zw$a      kindar 


ich  Ihue  nichts",  und  dann  sagte  es  ihm 
das  wilde  Weib.  „Gerade  recht",  sagte 
der  wilde  Mann,  ..das  Mädchen  behalten 
wir  als  Magd  und  das  Hüblein  als  Masi- 
Bttlck",  und  SO  thaten  sie;  das  Mädchen 
half  dem  wilden  Weibe  bei  der  Arbeit 
des  Hauses,  und  das  Hüblein  thaten  sie 
in  den  Stall  zu   mästen 

Eines  'laues  sagte  der  wilde  Mann: 
„Jetzt  Weib,  muss  man  gehen  zu  sehen, 
ob  das  Maststückchen  fett  genug  sei", 
und  das  Mädchen  horte  es  und  ging  vor- 
aus hinunter  in  den  Stall  und  sagte  es 
dem  Hüblein  und  zugleich  gab  es  ihm  ein 
dünnes)  Holzstäbchen  und  sagte:  -Recke 
(ihm)  heraus  das  Stäbchen  dem  wilden 
Mann",  und  so  that  das  Hüblein  etliche 
Tage,  wenn  der  wilde  Mann  ging  zu  sehen. 
ob  es  fett  sei:  anstatt  ihm  das  Fingerlein 
herauszurecken,  hat  es  hervorgereckt  das 
Stäbchen. 

Allmählich  verlor  es  das  Stäbchen, 
und  als  der  wilde  Mann  kam.  musste  es 
ihm  herausrecken  das  Fingerlein  und  dann 
sagte  der  wilde  Mann:  .,0,  so  wohl,  jetzt 
bist  du  fett  genug",  und  ging  hinauf  zu 
dem  wilden  Weibe,  und  sagte:  -Jetzt. 
Weib,  ist  das  Maststückchen  fett  genug; 
morgen  geh  ich  zu  holen  die  Gevattern, 
und  du.  während  ich  fort  bin,  lasse  über- 
setzen (über  das  Feuer)  den  Kessel  voll 
mit  Wasser  und  bereite  die  Brühe;  mach 
heraufkommen  das  Maststückchen,  (um) 
das  Holz  aufzuhacken. 

Und  so  thaten  sie.  Als  das  Mast- 
stückchen herauf  war.  gab  sie  ihm  die 
Hacke  (Axt)  und  zeigte  ihm  die  Aste  und 

e,  dass  es  sie  aufspalte  klein  klein; 
aber  das  Maststückchen  hatte  keinen  Hack- 
stock, und  (dann)  sagte  (es)  zum  wilden 
Weibe:  „Schauet  daher,  wie  (soll  ich) 
thun  ohne  Hackstock'?"  und  das  wilde 
Weib  ist  gekommen  und  hat  sich  nieder- 

ückt,  es  zu  lehren  (zeigen),  und  das 
ßüblein  hat  ihr  abgeschlagen  den  Kopf 
und  dann  hats  genommen  den  Leib 
(Rumpf)  und  hat  ihn  gelegt  in  den  Kessel 
zum  Sieden  und  den  Kopf  hats  (ihn)  ge- 
legt ins  Bett  und  hat  ihn  zugedeckt 
ordentlich,    und    dann    die   zwei  Kinder 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lasern  im  wüschen  Südtirol. 


35 


hä'm-an    gauump    a    pisls    gell    on    sain 
\  oDiiant. 

A  pish  spntai'  Is  zöagant  dar  wil 
man  un  's  g<»vatarlaüt  on  hä'm  nfamat 
gavuntal  m  haus  on  hä'm  g^sögg,  gge  's 
vjais  Mi  kesl  is  gasötat,  on  sc  hä'm 
uui  zo  esa  on  hä'm  ge8t  das  wil 
waib»  ana  zo  wi'sa  (zo  wöasai.  was-sa 
esan.  Balaman  is-an  äuvarkent  a  bant 
i'n  betn  ü-viUrat  on  alöra  hä'm-sa  gas^ 

-sa  hä'm  gest 

Dar  wil  man  is  darsrakt  on  lai  dar- 
zürnt on  hat  gawölt  naloavan  an  ki'ndar. 
ma  d'  andarn  hä'm-an  net  g-dat  gian. 

[ntanto  da  kindar  sain  gant  hriam 
on  hä'm  gavnntat  toat  on  bogräbat  da 
stiafmuatar  on  aldra  sain-sa  gastant  se'm 
bet  sain   \  .aar. 

On  dar  wil  man  on  's  yvatarlai.it 
hä'm  g  gatill  das  wil  waib?,  on  dena 
hä'm-sa  bogräb^t  dan  köpf,  on  dena  's 
g'rätarlaül  is  gant  huam  on  dar  wil 
man  is  n>'  herta  in  sn  walt,  ma  dar  is 
kent  güat  on  vrist  küan-andra  kindar. 


haben  ihnen  sich  genommen  cm  biss- 
chen Geld  und  Bind  entgangen. 

Ein   iiissi  ihen  später  kam  herbei  der 

wilde  .Mann  und  die  ( ie\attern  und  landen 
niemand  im  Hause  und  sahen,  dass  das 
Fleisch  im  Kessel  gesotten  sei,   und  sie 

fingen   an   zu   essen   und   assen   das  wilde 

Weib  ohne  zu  wissen,  was  sie  essen. 

Allmählieh  kam  ihnen  (beim Schöpfen) 
eine  Hand  mit  dem  Pingerringe  daran 
heraus,  und  dann  sahen  sie,  was  ii< 
gegessen  hatten. 

Der  wilde  Mann  erschrak  und  wurde 
zugleich  zornig  und  wollte  den  Rindern 
nachlaufen,  aber  die  anderen  liessen  ihn 
nicht  gehen. 

Inzwischen  sind  (waren)  die  Kinder 
heimgegangen  und  hatten  die  Stiefmutter 
tot  und  begraben  gefunden  und  dann 
blieben   sie  dort  bei  (mit)  ihrem   Vater. 

Und  der  wilde  Mann  and  die  ße- 
vattern  beweinten  das  wilde  Weib,  und 
begruben  dann  den  Kopf,  und  dann  gingen 
die  Gevatterleute  beim  und  der  wilde 
Mann  ist  noch  immer  drinnen  im  Walde, 
aber  er  ist  gut  geworden  und  frissl 
keine  Kinder  mehr. 


20.    Dar  alt  striü. 

In  an  stroay  is-da  gawfst  a  man 
on  a  waiba,  bö-da  hä'm  gahat  a  diarnla. 
Dis'  drai  laut  sain  galfbat  batnandar 
HS-be  drai  esl.  Dena  dar  man  isgastorbat 
on  hat  hintargalat  da  witova  bet-(d)ar 
to\tar.  Disa  zwöa  laiit  sain  ö  g  h/h  I 
as-be  da  griatn  laut 

In  an  mal  is-an  züagant  a  saüladar 
losgatar  ältar  man  on  hat-an  gavörst  da 
herbaga  dfsan  zwya  laut.  .,•);'".  hä'm-sa 
köt  disa  zwöa  laut,  „bar  bartn-as  legn 
epr-af-ana  sait";  dena  hä'm-s'-an  ge't 
epas  /.'  esa  on  dena  hä'm-s'-an  galegg 
au  an  a  kamar  z"  släva.  In  fcä'  darna 
dar  man  is  äugastant  un  is  gant  ümar 
pa  wäldar  zo  lesa  au  g<gra-.  on  hiil-s 
is  gawöst  pala  naxt,  is-ar  wular  kent  z" 
slava  ggan  zwöa  wäibarlaüt,  on 
hät-ar  jjatänt  an  etlan  tä^a. 


20.    Der  alte  Hexenmeister. 

Einmal  war  ein  Mann  und  ein  Weib, 
welche  ein  Mädchen  hatten.  Diese  drei 
Leute   Lebten  miteinander  wie  drei  Engel. 

Dann  starb  der  Mann  und  hinteiiiess 
die  Witwe  mit  der  Tochter.  Dn>e 
zwei    Leute    lebten    auch    wie   die  <:uten 

Leute. 

Lines  Abends  kam  (ihnen,  herzu  ein 
abscheulicher,  schielender,  alter  Mann 
and  bat  (sie)  um  (die)  Berberge  diese 
zwei  Leute.  ...Ia".  sagten  sie.  diese  zwei 
Leute.  _wir  werden  Laich,  unterbringen 
etwa  an  einem  Orte":  dann  gaben  sie 
ihm  etwas  zu  essen  und  dann  wiesen 
sie  ihm  (dr)oben  eine  Kammer  an  zum 
Schlafen.  Am  nächsten  Tage  stand  der 
Mann  auf  und  ging  bei  (in  den)  Wäldern 
umher,  zu  sammeln  Kräuter,  und  als  es 
beinahe  (bald)  Nacht  war,  kam  er  wieder 
zu  Schlafen  zu  diesen  zwei  Krauen,  und 
so  that  er  etliche  Tage. 


\  in  deutschen  Qransposteo  Lusorn  im  wüschen  Südtirol. 


Bali  '  -  iii   kenl  Btüfo 

DD  disan  all  man.  OD  -n  an 
mal  bat-sa  köt  d<  mu.ttar  gga  dfsan 
man:  ..  Est  mal  Munt-   mö)  t-ar-as 

in    antlarn   gg  uaiti.in..     uinbriim    da 

kämar   nüa-  On    alöra    dar 

man   hat    köt:    „Be»,   $st  |.i n-  -   vcrt-   i   ö; 

a    \  ort,    ort    \"i-'l-  ■    gSa    ktt-mar, 

B     .    illla   vor  disa  zait.     bö-do- 

mar  hast   ge't  /'  släva."     ...\'i\r.    hat-'s 

köt    's    waiba,    _uil-<    net.a      On    alöra 

dar  man    hat   k<H:    „Ben,    gpas   mö\;-.-dar 

hät-ar  ge'1  a  kreadas 

nl  U   im    hat    köt:    „Sea   diza   4l?la,    on 

bäl-do  wil,  as-da  herkem  a  saüla  wetar, 

mm    an    äisran    löfl  <>n  mis  nid-r  ra  da 

ula  on  Uli: 


Unlo   bi-< int«i 


Söto  tera  sggonto; 


Varda  di  noii  toggar 

Ne  di  Lr_ua  (qua    ne  di  la 

Prrr  äu  pa  käm<\  .  .  .  .  ~ 

on    lai    dtsar    man     is    gant    pa    kam  >\ 
an  <»n  ha'm  -  an  nini  r  mear  andarsl  - 

Dj    fcoxtar    intanto    ;is-da    is    gasegat 

diza  is-sa  vörtgaw^st,    on  bäl  -  sa  zila  is 

kein,   da   mualar  hat-'s-ar  köt.     D^  diarn 

is    dar>rakt   zo   Ivaia  aso,    ma  da  alt  is 

-.  ala  lusta  zo  haba  da  lila. 

A  drai  jär  sp$tar  da  diarn  is  bo- 
na t  on  hat  g  -numj)  ^n  sun  von  an 
w :  ri 

In  an  täg^  disa  Bptisa  is  gaw^st 
Be'm  ggan  beart  bat-sa  gakoxt  *n  v,)1'- 
mas.  Balaman  is  se'm  garift  a  rösnar 
bat  an  tsötatn  ros  on  hät-ar  gavörst  zo 
trinka.  on  dena  hat-ar  köt.  dar  is  Sta6 
darsrakt,  ombrum  bäl-dar  is  gasest  an 
da  lest  stikl  zo  rfva  n  wega,  hat-ar 
gahyart  höggn  äu  ?□  air  on  kö'n:  -Ho 
man  I»  ■{  »nsal  bohenkata  ros,  kü  -  dar 
dö'm  darsei  süan   sptisa  »n  lant,  ggf  d-v 

toat     n  Hag."      1)  •  g 
is  kent   bais  a  be-da  inaur.    umbröm  d^ 
Piza-Päz  »st  Bai  muatar,    on  hat 


Allmählich  wurden  die  beiden  Leute 
überdrüssig,     diesen   alten   Mann   dort  zu 

haben,  und  eines  Abends  sagte  die  Mutter 

zu  diesem  Mann:    „Jetzt,  mein  Mensch, 

mÜ88l    Ihr    Euch    ein    anderes    Quartier 

suchen,    denn    die   Kammer    brauche  ich 

(sie)  selber."    l'nd  dann  sagte  der  Mann: 

_(iut.  jetzt  bin    ich)  fertig  ich  auch;  ich 

gehe  fort,    und  bevor  ich  gehe  sag  mir. 

was  ich  dir  schulde  für  diese  Zeit,  wo  du 

mir  hast  zu  schlafen  gegeben."    ..Nicht-". 

Bagte  das  Weib,  „will  ich  (nicht). u    Und 

dann  sagte  der  Mann:  ..Nun.  etwas  rnuss 

ich    dir    doch   geben"    und  gab   ihr  ein 

irdenes  (kreidenes)  Häfchen    und  sagte: 

„Da  (hast  du,  nimm)  dieses  Häflein  und 

wenn    du   willst,    dass  herankomme  ein 

schreckliches     Gewitter,      nimm     einen 

eisernen  Löffel  und  rühre  hinein  in  den 

Hafen  und  sag: 

Onto  bisonto  Onto  bisonto 

Sotto  terra  sconto:  Unter  der  Erde  versteckt: 

Varda   di  non  toccar        Hüte  dich  zu  berühren 

Ne  di  qua  ne  di  lä  —  "Weder  hier  noch  dort  — 

Prr  hinauf  zum  Rauchfang  .  .  .  .  " 


und  dabei  ging  dieser  Mann  (durch)  den 
Schornstein  hinauf  und  (sie)  haben  ihn 
nimmer  mehr  (anders)  gesehen. 

Die  Tochter  ist,  während  dies  geschah. 
fort  gewesen,  und  als  sie  herzu  kam. 
sagte  es  ihr  die  Mutter.  Das  Mädchen 
erschrak,  solches  zu  hören,  allein  die  Alte 
war  ganz  vergnügt,  den  Hafen  zu  besitzen. 

Etwa  drei  Jahre  später  hat  sich  das 
Mädchen  verheiratet  und  hat  den  Sohn 
eines   Wirtes  genommen. 

Eines  Tages  war  diese  Gattin  dort  am 
Herde  hat  sie  gekocht  das  Mittagessen. 
Da  kam  dort  an  ein  Fuhrmann  mit  einem 
hinkenden  Rosse  und  verlangte  (von)  ihr 
zu  trinken,  und  dann  sagte  er,  er  sei  so 
erschrocken,  denn  als  er  in  der  letzten 
Steilung  war  zu  beendigen  den  Weg,  habe 
er  gehört  schreien  (dr)oben  in  der  Luft 
und  sagen:  „Ho  Mann  mit  jenem  hinken- 
den Rosse,  sag  (ihr)  droben  jener  schönen 
Gattin  im  Dorfe,  dass  die  Piza-Paza  tot 
(ist)  im  Hag  (liegt).-  Die  Frau  wurde 
weiss  wie  die  Mauer,  denn  die  Piza-Paza 
war  ihre  Mutter,  und  (sie)  wechselte  ge- 


Raff:  Geschichten  ans  Bamti  ;'>( 

l.ii    g<*weggsl<    "s    vurta    im    is    gani    /.'      schwind  die  Schürze  and  ging  zn  sehen. 
be-da  sai  müatar  is  dahüam.     Ma      ob  ihre  Mutter  daheim  sei.  Allein  sie  fand 

3j     h;,t     -  -\nnt  l    's     hau-     ler    OH    da    lila       das    Haus    leer   und    den    Hafen    des  Alten 
\   ,     t\,n     all    hat-s  -s     gJVUUt't   al'n    luart.        fand    sie     ihn)   auf  dem  Herde,    und  unlen 

on    nular   na    dar    ula   is-da  g-*wfst  dar  heim  Hafen  war  der  eiserne  Löffel,  und 

äisra    löfl,    on  se'm  hat-s  <  darkent,    gge  so    erkannte    sie.    dass  die  Mutter  beim 

d'    müatar    i-    gant    pa  Uüi»<\  au.     On  Rauchfang  hinaufgefahren  sei.     Und  sie 

si    hat    audarwisl    on    is   gant    »n    Bäg,  machte    sieh  auf  und  ging  in  den  Hag, 

on    se'm     liat-s<-da    gavuntel    d<    müatar  und    dort    fand   sie  die    Mutter  tot:    und 

tuat:    im    dasei    is    _  we-t    dar    gawin,  dies  war  der  Gewinn,  den  sie  hatten,  den 

bö-sa    bä'm    g<?hat    zo    ggba   de  berhagj  alten,    schielenden,    hässlichen  .Mann  zu 

d<n  all   lösgat'   saüla  man:    ombrüm    in-  beherbergen;    denn  anstatt   ein   Mann  zu 

veZJ    bas    ZO    saina    a    man   as-b»  ala  d)  sein,   wie  alle  andern,   war  es  ein  Hexen- 

andara  is-'s  g*w§st  a  striu.  meister. 

Bemerk.:    „Häg     oder  Lanzf)"    wird    ein   Teil    des    Bergabhanges  zwischen  l.avräü 

(Lavarone)  und  Ggaln6ts   Caldonazzo)  genannt.  —  cU  sposa  is  gswl  -     i  'm  ggan  heart 

hat-s?  gakoxt ...  "  dieser  eigentümlich  gebaute  Satz  müsste  vollständig  Lauten:  da 

sposa  is  g  w?s1  ggan  leart  ou  se'm  hat-sa  gakox<  •  ••";  ähnlichen  Sätzen  werden  wir  noch 
begegnen.  Auch  anderweitig  unvollständige  Sätze  sind  bisher  bereits  vorgekommen,  z.  B. 
in  „'s  lo\  von  gelt":  _  .  .  .  .  on  se  sem  zo  büata"  ....  „on  vort".  Auf  solche  Weise 
die  Luserner  ihren  Erzählungen  eine  lebendige,  anschaulicbe  Darstellung.  —  spdsa  wird 
gewöhnlich  für  „Gattin-  gebraucht,  während  „Braut"  oder  „Verlobte-  noviza  heisst;  sie 
bat  sich  verlobt  =  se  is-sa-s-?  gamaxt  noviza. 


Geschichten  aus  Bamberg. 

Mitgeteilt  von  Helene  Raff. 


1.    Die   lächelnde   Mutter  Gottes. 

Wie  in  <len  siebziger  Jahren  die  Cholera  so  arg  in  München  war  und 
es  kamen  auch  sonst  in  Bayern,  ganz  besonders  zwischen  München  und 
Bamberg,  häufig  Cholerafälle  vor  —  da  hatten  die  Bamberger  schreckliche 
Angst,  sie  könnte  zn  ihnen  kommen.     Es  ging  mancher  von  Grund  aus  in 

sieh,  und  viele  verlobten  sieh  zur  .Mutter  Gottes  von  der  oberen  Pf'arr". 
die  ein  wunderthätiges  Gnadenbild  ist.  damit  sie  die  Krankheit  fernhalte. 
Zum  gleichen  linde  that  auch  der  damalige  Pfarrer  von  der  oberen  Pfarr', 
ein  recht  christlicher  Herr,  alle  Tag  ein  Gebet  -  und  einmal  am  Sonntag 
ist  er  ganz  beglückt  und  zuversichtlich  auf  die  Kanzel  gestiegen  und  hat 
äagt:  ..Kinder,  thut's  Euch  nicht  fürchten,  die  Cholera  kommt  nicht, 
denn  heute,  als  ich  um  Abwendung  gebetet  habe,  hat  unsre  liebe  Frau 
mir  zugelächelt."  Das  wollten  nun  viele  nicht  glauben,  aber  doch  gii 
richtig  hinaus,  denn  eine  Stunde  vor  Bamberg  waren  die  letzten  Cholera- 
fälle, zur  Stadt  hinein  ist  sie  nicht  gekommen. 


Raff: 

2.    Der  nächtliche  Ruf. 
Der  Bürgermeister  7on  Bamberg  war  ein  kernfester  Mensch;  er  stellte 
•  cht    einen  Mann  vor  und  war  auch  noch  nicht  alr.     Einmal  hatte  er 
Ebenda    noch   eine  Besprechung  in  Gemeindesachen  gehabt,    und  dar- 
nach   musste    natürlich    auch    ein  Schoppen  getrunken  werden  —  darüber 
war  es  späte  Nacht  geworden.     Der  Bürgermeister  wohnte  hinter'm  Dom- 
platz,    wo   jedes  Band    weiss,    dass   es  bei  Nacht  nicht  richtig  ist:    wie  er 
nun    «las  Dombergl    hinaufgeht,    hört    er    sieh   von  rückwärts  dreimal  laut 
Keim  Namen    rufen.     Er  schaut  -ich  überall  um  und  sucht,    aber  niemand 
war    zu    sehen   und  alles  wieder  still.     Da  ist  er  sehr  ernst  heimgegangen 
und   hat  seinen   Leuten   gesagt:    „Passt   auf,   das  bedeutet  mir  was"   —   und 
richtig  i>r  er  drei  Tage  drauf  am  Schlagfluss  uestorben. 

3.    Die  Erscheinung  im  Bischofspalast. 

I".-  ist  sehun  lange  her.  da  haben  die  Bamberger  einen  Fürstbischof 
gehabt,  der  war  nicht  eben  unrecht,  aber  nicht  gar  so  fromm  wie  ein 
Bischof  sein  soll  und  mehr  aufs  Trinken  aus  als  aufs  Fasten.  Sein  Vater 
—  manche  sagen,  der  war  der  nämliche,  manche  sagen,  er  war  frommer 
wie  sein  Sohn  und  nicht  immer  zufrieden  mit  seinen  Sachen  —  hat  auch 
noch  gelebt  und  war  recht  rüstig.  Da  giebt  der  Bischof  eines  Abends 
ein  grosses  Essen,  bei  dem"s  denn  am  Wein  nicht  gefehlt  hat.  Es  war 
schon  Mitternacht,  da  schickt  der  Bischof  einen  Diener  ins  Vorzimmer, 
um  Karten  zu  holen,  und  nach  einer  Minute  kommt  der  Diener  ganz  ver- 
dattert und  schlohweiss  zurück  und  sagt:  „Ach,  Bischöflich«'  Gnaden, 
draussen  auf  dem  Stuhl  sitzt  Ihr  Herr  Vater,  der  hat  ein  langes  Hemde 
an  und  ganz  starre  Augen."  —  Der  Bischof  hat  recht  mit  dem  Diener 
geschimpft  und  ist  dann  selbst  zur  Thür  gegangen  —  da  sieht  er  draussen 
im  Vorzimmer  seinen  Vater,  ganz  wie's  der  Diener  beschrieben  hat:  aber 
gleich  darauf  war  nichts  mehr  da.  —  Am  nächsten  Tage  ist  dem  Bischof 
angesagt  worden,  dass  sein  Vater  in  der  Nacht,  eben  um  die  Stunde,  wo 
er  sich  im  Palast  selten  liess,  gestorben  war;  darnach  ist  dann  der  Bischof 
mehr  in  sich  gekehrt  und  viel  geistlicher  geworden  als  vorher. 

4.    Die  beiden  Schi  Id  wachen. 

Am  Dom  zu  Bamberg  ist  tun  steinernes  Juugfraueubild  mit  einer 
wirklichen  Leinenbinde  um  die  Augen;  das  hat  sieben  Dachziegel  in  der 
Hand  und  heisst  die  blinde  Gerechtigkeit.  Das  Bild  soll  zum  Andenken 
gemacht  sein,  weil  einmal  eine  schöne  Jungfrau  unschuldig  zum  Tode 
verurteilt  war  und.  da  man  sie  am  Dom  vorbei  zur  Hinrichtung  führte, 
niederkniete  und  bat.  unser  Herr  möge  sie  zum  Zeichen  ihrer  Unschuld 
lieber  hiei-  zur  Stelle  sterben  lassen  als  von  Henkers  Hand.  Da  fielen 
die  Ziegel  vom  Dach  und  erschlugen  sie;  so  kam  ihre  Schuldlosigkeit  an 
den    Tau.      -    Aber  geheuer  ist  es  dort  herum  nicht,    denn  wenn  dem  Bild 


Geschichten  aus  Bamberg.  :;:t 

die  Binde  vor  den  Augen  verfault  ist,  so  hört  man  Dachte  ein  Weinen 
uii'l  Wimmern,  bis  eine  neue  Binde  hergeschafft  wird,  and  die  Schild- 
wachen an  der  Residenz  haben  dann  keine  Ruh'.  So  stehn  einmal  ihrer 
zwei  bei  Nacht  auf  Posten  und  hören  allerhand  Gewinsel  und  spukhaftes 
Gethu';  zuletzt  säur  der  eine:  „Horch',  Kamerad,  so  kläglich  thm  sie  um 
ihr  Bindlein;  magst  Du  hier  einen  Augenblick  allein  sein,  so  will  ich 
schauen,    <las>    ich    ihr    eins   bring'."  ..<>  du  Narr",    sagte  der  andere, 

„von  mir  aus  plärrt  sie  wie  sie  mag;  was  geht's  uns  an?"  —  Wie  er  kaum 
ausgeredet  hatte,  kriegte  er  eine  Watschen,  so  dass  er  hintüber  fiel  und 
\<>i-  Schreck  fast  die  Fraisen  bekam.  In  Zukunft  hat  keiner  sich  dort 
mehr  bo  grobe  Keilen  zu  führen  getraut. 

5.  Der  Dombaumeister. 
Den  Dom  halten  zwei  Baumeister  gebaut,  und  der  eine  ist  dem  andern 
dadurch  Herr  worden,  dass  er  mit  dem  Teufel  einen  Pakt  gemacht  hat, 
und  da  sind  alle  Nacht  zwei  Kröten  gekommen,  die  zerstörten,  uns  dm- 
andre  geschafft  hatte.  Der  dem  Teufel  Ergebene  kam  so  natürlich  zu 
leichtem  Sieg  und  vollenden'  den  Dem.  aber  wie  das  geschehen  war,  stand 
der  Teufel  da  und  wollte  seinen  Lohn;  der  Baumeister  sprang  verzweiflungs- 
voll  vom  Dach  herab:  da  fuhr  der  Teufel  hinterdrein  und  schlug  ihn  an 
eine  Hausmauer  gegenüber,  dass  das  Hirn  aus  dem  Schädel  spritzte.  An 
dem  Haus,  wo  das  geschah,  ist  eine  breite  Stelle  zu  sehn,  wo  der  Bewurf 
rötlich  und  breiartig  ausschaut  —  das  soll  des  Baumeisters  Gehirn  sein. 

6.  D  ie  K  u  tsche  i  m  Renta  m  t. 
AU  das  Bamberger  Rentamt  nach  Hallstatt  überführt  wurde,  sagten 
die  Bamberger  dem  Rentamtmann  gleich  zuvor,  dort  könnte  er  sich  genug 
sehen  und  hören,  denn  es  spuke  im  Hallstatter  Amtsgebäude.  Aber  er 
gab  nichts  darauf.  —  Nun.  wie  es  halt  sein  will,  einmal  bei  der  Nacht 
wachen  alle  Einwohner  im  Rentamt  auf,  weil  die  Stadelthür  aufgemacht 
wird  und  die  grosse  alte  Amtskutsche  fährt  im  schnellsten  Trab  heran-. 
nach  Bamberg  zu.  Dann  war  wieder  Ruhe,  aber  über  eine  Weile  kommt 
die  Kutsche  zurück  und  rumpelt  ins  Haus,  und  in  der  Küche  fängt  ein 
Rennen  und  Laufen  an,  als  ob  Feuer  gemacht  und  Wasser  zugesetzt 
würde  Da  steht  der  Amtmann  mir  ein  paar  Leuten  auf,  um  nachzu- 
schauen, ahei  im  Stall  war  alles  am  Platze,  und  der  Knecht  verschwor 
sich,  dass  nicht  ans  Pferd  noch  an  die  Kutsche  sei  gerührt  worden ;  ebenso 
war  die  Küche  dunkel  und  leer,  und  der  Herd  war  kalt.  —  In  der 
nächsten  Nacht  ist  plötzlich  eins  von  den  Kindern  schwer  krank  worden, 
da  hat  man  mit  der  Kutsche  den  Doktor  von  Bamberg  müssen  holen  und 
nachher  in  der  Küche  Thee  und  Arzneien  kochen  —  ganz  um  die  gleiche 
Zeit,  wo  in  voriger  Nacht  der  kann  war.  Da  hat  man  freilich  gesehen, 
dass  es  sich  angezeigt  hat. 


pi  Kahle: 

Der  Orl  der  Hochzeil  auf  Island  zur  Sagazeit. 

Von  Bernhard  Kahle. 


In  dieser  Zeitschrift  Bd.  \.  S.  L65  schreibt  0.  Schell  in  seinem  Auf- 
satz Bergische  Hochzeitsgebräuche:  „Die  Hochzeit  wurde  im  Haust-  des 
Bräutigams  begangen;  das  ist  beachtenswert  und  schon  von  Weinhold, 
eutgegen  Engeltofts  Meinung,  festgelegt  worden  als  allgemein  -  deutscher 
Gebrauch.  Denn  nur  unter  dieser  Voraussetzung  kann  von  einer  Heim- 
holung, von  einem  Brautzug  oder  Brautlauf  nach  altgermanischer  Aus- 
drucksweise die  \in\e  sein."  Es  interessierte  mich  nun.  zu  sehen,  inwie- 
weit dieser  Satz  zu  den  altisländischen  Verhältnissen  stimmt;  ich  sage 
ausdrücklich  altisländisch,  nicht  altnordisch  oder  altwestnordisch,  da  wir 
über  das  altnorwegische  Familienleben  nur  dürftig  unterrichtet  siud,  wäh- 
rend uns  für  das  altisländische  die  Quellen  um  so  reichlicher  in  den 
Prosaerzählungen  rliessen.  Das  Resultat  meiner  Untersuchung  lege  ich 
hier  in   Kürze  vor. 

über  den  Vorgang  bei  der  Hochzeit  äussert  sich  Weinhold.  Altnord. 
Leben,  246,  folgendermassen:  „Die  Festlichkeit  hat  die  volle  Übergabe 
der  Braut  und  ihren  Eintritt  in  das  Haus  des  Mannes  zum  Zweck.  Daher 
bilden  die  Fahrt  zum  Brauthause,  der  Zug  (Lauf)  mit  der  Braut  zum 
Hofe  des  Bräutigams,  die  Einführung  hierin  und  die  Bewirtung  die  Be- 
standteil.' der  altnordischen  und  überhaupt  der  germanischen  Heiratsfeier." 
Und  ebenda:  „Zwischen  Bräutigam  und  Brautvater  entstand  ein  "Wettstreit, 
wer  diese  Hochzeit  ausrichten  solle.  Der  Sache  nach  kam  es  dem  jungen 
Manne  zu.  der  seine  Häuslichkeit  damit  einweihte  und  zu  dem  notwendig 
di>-  Heimführung  geschehen  musste.  Aber  reichere  (ieschlechter  be- 
trachteten  dies  allgemach  wie  eine  \  erkürzung  ihres  Rechtes  und  wie  ein 
Zugeständnis  von  Armut:  sie  hielten  deshalb  darauf,  dass  man  den  Braut- 
laut'  bei  ihnen  trinke.  Es  bedurfte  also  einer  besonderen  Bedingung  vom 
Bräutigam,  dass  der  Hochzeitsschmaus  in  seinem  Hofe  gehalten  werde, 
und  die  Bewilligung  ward  vom  Brautvater  nur  als  nachgeben  in  einem 
Rechte  und  als  besondere  (.anist  und  Ehre  gegen  den  Bräutigam  dar- 
gestellt." 

Wir  wollen  nun  zunächst  die  Frage  untersuchen,  wo  auf  Island  die 
Hochzeit  stattfand.  Dass  dies  gewöhnlich  im  Hause  der  Brauteltern  der 
Fall  war.  führt  Kahind1,-  au.  während  Hildebrand  sagt,  dass  die  Hochzeit 
entweder  vom  Vater  der  Braut  oder  vom  Bräutigam  ausgerichtet  wurde, 
ohne    sich    weiter  darüber  zu  äussern,    was  das  gewöhnliche  war.2)     Die 

I     Aarb.  f.  nurd.  oldk.  og  hist.  187« i,  S.  307  u.  Pauls  Grdr.1  II-,  S.  219. 
2)   Lifvet  pl  Island  ander  sagotiden,  S.  ;»7. 


Der  •  »rt  der  Eochzeit  aal  [sland  zur  Sagazeit.  II 

vini   Lehmann    angeführten1)   Schriften    von  Thorlacius')   und    Engelsl 
(so   und   nicht  Engeltoft,    wie  Schell  a.  a.  0.  schreibt,    lantet    der  Name), 
sind  mir  Leider  hier  nicht  zugänglich. 

[ch  gebe  nun  im  folgenden  eine  Übersicht  über  <lir  mir  bekannten 
Fälle,  in  denen  der  Ort  der  Hochzeil  ausdrücklich  angegeben  ist.  Diese 
Znsammenstellung  erhebt  nicht  den  Anspruch  auf  absolute  Vollständigkeit, 
wird  aber,  denke  ich,  genügen,  um  die  Frage  zu  entscheiden,  welche«  die 
gewöhnliche  Sitte  auf  [sland  war. 

1.     ,i      Die  Hochzeit  findet  im   Hause  der  Brauteltern  statt. 

pörpr  1  n  gunna  rsnii  mit  Guprün  Osuifrsdöttir  Laxdela  35.  1<>1*)-. 
Bolli  porleikss.  mit  derselben  ebenda  43,  135;  Bolli  Bollas.  mir 
pördis  Snorrad.  ebenda  70,  211.  Glümr  Oleifss.  mit  Hallg< 
Hoskuldsd.  Njäl.  13,64.  Morpr  Valgarpss.  mit  pörkatla  Gissurard. 
ebenda  65,  300;  Hrütr  Heriolfss.  mit  Dunr  Marpard.  ebenda  2,  5; 
porvaldr  Ösuifrss.  mit  Hallgerpr  Hoskuldsd.  ebenda  10,  t5.  Skald- 
Hrafn  mit  Helga  porsteinsd,  Gunnlaugs.  (ed.  Mogk)  8,  19.  porvaldr 
porgilss.  mit  Sigripr  Klakka-Ormsd.  Vatnsdala  44.  71  (in  Fornsögur  ; 
porgrimr  mit  porbiorg  Skipad.  ebenda  323  52.  porgils  pörparsson 
mit  Helga  pöroddsd.  Flöam.  s.  (Forns.)  31,  156.  porkell  Geitiss.  mit 
Jörunn  Einarsd.  Liösvetn.  s.  (Reykjav.  L896)  L2,  34;  Finnbogi  mit 
Hallfripr  Eyiolfsd.  (Reykjav.  L897)  29,  •"»•"».  ülugi  Hrolfss.  mit  puripr 
Grimkelsd.  Harpars.  og  Holmveria  (Reykjav.  185)1)  11,  20;  Indripi  pör- 
raldss.  mir  porbiorg  Grimkelsd.  ebenda  19,  42.  Helgi  Äsbiarnars. 
mir  porlaug  Bessa<l.  Fliötdola  («'.I.  Kälund)  ."»•',>;  derselbe  mit  pordis 
Biarnard.  ebenda  s.  35;  Eyvindr  Calfss.  mit  pörarna  Eyiulfad.  pörpar 
s.  Hrepn  (ed.  Vigfi'isson)  8,  L01;  porgils  A^rason  Vigastyrs.  21,  334 
(Islend.  II'2):  Barpi  Gupmundars.  mir  Aupr  Snorrad.  ebenda  I".  392; 
Uni  Andripars.  mit  Helga  porgrimsd.  Kjalnesinga  b  17.  l."»l  (Islend. 
II2).  porkell  Gunnvaldss.  mit  Helga  porgeirsd.  Landn.  II.  4,  72 
[slend.  [").  Gullpörir  mit  [ngibiorg  Gilsd.  Gullpöriss.  (ed.  Kälund) 
ü.  20.  porvaldr  vipforli  mitVigdis  Ölafsd.  Bisk.  sog.  1.41t'.  Bersi 
mit  Steingerpr  porkelsd.  Kormakss.  7.  14.  Ölafr  mir  Helga  ^  1 1  _i  1 1  i  1  - 
dard.  Sturlunga  II.  s.  16;  Sturla  pörpars.  um  [ngibiorg  porgeirsd. 
ebenda  t3;  Klsengr  Kleppiarnss.  mit  Guprün  porvarpsd.  ebenda  132; 
porfinnr  Onündars.  mit  Ingibiorg  Gupmundard.  eben« In  143;  Gizurr 
porvaldss.    mit    Ingibiorg    Snorrad,    ebenda    265f.;    porvaldr  Vatz- 


1)  Verlobung  und  Hochzeil  nach  den  uordgermanischen  Rechten  des  früheren  Mittel 

alters,  S.  3. 

2)  Borealium  veterum  matrimonia  cum  Komanonini   [nstitutis  collata  1784. 

3)  Forsög    til    en    Skildring    af   ^uiiKl-k jönnets    huusligc    og    borgerlige    kaar    hos 
Skandinaveina. 

4)  Die    in    der    altnordischen  Sagabibliothek    enthaltenen  Ausgaben   citi.-re  ich  nach 
diesen.     Die  erste  Zahl  giebt  hier,  wie  auch  sonst,  das  Kapitel,  die  zweite  die  Seite  an. 


\->  Kahle: 

firpingr  mit  pördia  Snorrad.  ebenda  264  und  266.  Kolbeinn  uugi 
Arnörss.  mit  Hallbera  Snorrad.  ebenda  279;  Hrafn  Oddzson  mit 
|'..in,r  Sturlad.  Bturl.  II.  s.  66;  Oddr  pörarinss  mit  Rand&linn 
Philippusd.  ebenda  <v  1 .  Helgi  porbiarnars.  mir  pöra  Hafsteinsd. 
Vemundars.   14.  269ff.  (islend.   II1). 

Wahrscheinlich  gehört  hierher  auch  die  Hochzeit  des  Üläfr  Hos-i 
kuldss.  mit  porgerpr  Egilsd.;  wenn  auch  nicht  ausdrücklich  gesagt 
wird,  dass  sie  bei  Egill  stattfand,  so  ueissi  es  «loch  gleich,  nachdem  er- 
zählt worden  ist.  dass  porgerpr  mit  ihm  vermählt  wurde  „fuhr  sie  zur 
Wohnung  mit  ihm  nach  HiarparhoJt",  Egilss.  78.  255.  Die  drei  Hoch- 
zeiten des  Viglundr  mit  Ketilripr  Hölmkelsd.,  des  Sigurpr  spaki 
mit  Helga  porgrimsd.  und  des  Gunnlaugr  ofliiti  mit  Ragnhildr 
Helgad.  wurden  zusammen  gefeiert.  D->r  Ort  wird  nicht  genannt,  doch 
ist  es  jedenfalls  nicht  das  Haus  eines  der  Bräutigame  gewesen,  da  es 
ueissi  ..darauf  fuhr  jeder  heim  zu  seiner  Wohnstätte",  Viglundars.  (ed. 
380U  21,91.  Ks  wird  also  gemeint  sein,  dass  die  Hochzeit  im  Hause 
der  Eltern  einer  der  Bräute  war.  Da  jedoch  die  ganze  Saga  unhistorisch 
zu  sein  scheint,  kann  man  diese  Fälle  überhaupt  übergehen.  Ebensowenig 
dürfen  Fälle  gerechnet  werden,  bei  denen  der  Bräutigam  ein  Ausländer 
war.  wie  der  Norweger  Geirmundr  gnyr,  der  sich  mit  puripr  Olafsd. 
verheirate  Laxd.  29,  84.  oder  wenn  er.  erst  ins  Land  gekommen,  überhaupt 
noch  keine  Besitzung  hatte,  wie  Geirr  Ivetilss.,  dem  Skallagrimr  erst 
nach  desseu  Hochzeit  mit  seiner  Tochter  pörunn  Land  anweist.  Egilss. 
39,    114. 

1»)    Die  Hochzeit  findet  bei  dem  Vormund  der  Braut  statt. 

pöroddr  skattkaupandi  mit  der  verwitweten  puripr,  beim  Bruder. 
dem  Goden  Snorri,  Eyrb.  29,  1<»4  Hoskuldr  prainss  mit  Hildigunnr 
Starkapard.,  beim  Oheim.  Xjal.  97,  007.  Suertingr  Hafr-B i arnars. 
mir  Hüngerpr  pöroddzd.,  bei  einem  Verwandten  der  Braut,  Gunnl.  11,  19. 
Herst  ein  n  Blundketilss.  mit  puripT  <i  unnarsd.,  auf  Wunsch  des  Vaters 
bei  seinem  Schwager  und  Pflegevater  seiner  Tochter.  Hßnsnapöriss.  (ed. 
Heusler]  11,  17.  Porbiorn  piöpreks.  mit  porgerpr  Oddleifsd.,  beim 
Bruder,  Hävarpars.  (Reykjav.  1896)  4,  13.  porsteinn  mit  Guprün.  bei 
einem  Verwandten  der  Braut,  bei  dem  sie  früher  Wirtschafterin  war, 
Liösvetn.  (ßeykjav.  1896)  13,  38.  Grimr  mit  der  Nichte  der  Ingimunds- 
söhne  in  deren  Hause  Finnb.  34,  65.  Griss  mit  Sigripr  Snäkollsd., 
beim  Oheim,  Suarfd.  15,  150  (Islend.  II1).  präinn  Sigfüss.  mit  por- 
gerpr Hallgerpard.,  bei  ihrem  Stiefvater,  auf  dessen  Hochzeit  mit  ihrer 
Mutter.  Xjal.  :;».  l:).if.  Sighuatr  Sturlus.  mit  Halldöra  Tümas.:  der 
Vormmid  der  Kraut  richtet  die  Hochzeit  im  Hause  eines  anderen  aus, 
weil  den  Sturlusöhnen  der  Weg  in  seine  Wohnung  zu  beschwerlich  war, 
Sturl.  I.  200;  Grimr  Suertingss.  mit  pördis  pörolfsd.,  bei  ihrem 
Oheim.   Egilss.  77,  254f.5  ürsekia  Snorras.  mit  Arnbiorg  Arnörsd,  bei 


Der  oh  der  Bochzeit  auf  [stand  zur  Sagazeit.  1:, 

ihrem  Bruder,  ebenda  314.  porgeirr  biskupss.  mit  Guprün  por- 
varpsd.;  die  Hochzeit  finde!  a  Halsi  >i:nt.  Sturl.  I.  95,  wo  der  Wohnsitz 
ihres  Vaters  war,  ebenda  99.1) 

Hierher  zu  stellen  sind  wohl  auch: 

porgrimr  porsteinss.  mit  pordis  Sürsd.,  wahrscheinlich  im  Hause 
der  Brüder  der  Braut,  wenn  es  auch  nicht  ausdrücklich  gesagt  wird,  <  J i >  1 ; i 
s.  SiiiNs.  I.  lo  (ed.  Gislason).  Sturla  Sighuatss.  mit  Bolveig  Ssemun- 
dard., bei  porvaldr  Gizurars.,  dem  die  Brau!  and  ihre  Mutter  dieVer- 
waltung  ihres  Vermögens  übertragen   hatten.  Muri.   i.  262. 

c)    Die  Brau!   richte!  selbst  die  Hochzeit  aus. 

Dir>  i>r  Qatürlich  nur  ausnahmsweise  der  Fall:  porkell  Eyiolfss. 
mit  der  Witwe  Guprün  Osuifrsd.  Obwohl  Snorri  gopi,  ein  Verwandter 
der  Braut,  sich  bereit  erklärt  hatte,  die  Hochzeit  auszurichten,  schlägt  die 
stolze  and  reiche  Witwe  sein  Anerbieten  mit  der  Begründung  aus,  es  ver- 
schlage ihr  nichts,  die  Hosten  dafür  aufzubringen,  sie  welle  weder  die 
Mühe  ihres  Bräutigams  ooeh  irgend  eines  anderen  in  Anspruch  nehmen. 
D  38  dies  Vorgehen  etwas  ganz  Ungewöhnliches  war.  erhellt  aus  der  Ant- 
wort Snorris:  ..Oft  zeigst  du  das  Guprün,  dass  du  eine  ganz  hervor- 
ragende Frau  (kuennskorungr)  bist.  Laxd.  68,  205.  Selbst  scheint 
auch  Guprün  pörpard.  ihre  Hochzeit  mit  Sinmun  porvarpss.  aus- 
gerichtet zu  haben.  Sie  war  eine  selbständige  Erbtochter,  and  es  wird 
wenigstens  kein  Vormund  genannt.  Auch  scheint  die  Hochzeit  bei  ihr 
stattgefunden  zu  haben,  wenigstens  wird  nur  kurz  berichtet,  dass,  nachdem 
die  Ehe  geschlossen,  för  Simun  i  bü  mep  henni,  was  wohl  soviel  heissl 
wie:  er  trat  in  ihre  Wirtschaft  ein,  d.  h.  er  nahm  bei  ihr  Wohnung.  Hätte 
ilie  Hochzeit  bei  ihm  stattgefunden,  so  wäre  «lies  sicherlich  erwähnt  worden, 
ebenso  wie  alsdann  angeführt  worden  wäre,  dass  er  mit  seiner  Frau  7on 
da  in  deren  Besitztum  abergesiedelt  wäre.  Dass  er  seil. st  eine  Besitzung 
gehabt  habe,  wird  nirgends  berichtet,  ist  auch  nicht  wahrscheinlich.  Sein 
Vater,  porvarpr  kamphundr,  war  Dienstmann  (hüskarl)  in  Laufas, 
also  war  er  überhaupt  eigentlich  keine  seiner  Frau  ebenbürtige  Partie, 
was  auch  ausdrücklich  hervorgehoben  wird,  wenn  es  von  ihm  heisst:  „Er 
hatte  zahlreiche  Freunde  (vinssell  mapr)  und  das  schien  eine  gleiche 
Partie  mit  ihr.--  Was  ihm  also  an  Vermögen  und  Stand  abging,  ersetzte 
er  durch  seine  Freundschaften.     Sturl.  I.   L34f.,  vgl.   1.   171. 

[in  folgenden  setze  ich.  soweit  Gründe  angegeben  werden  oder  er- 
kenntlich sind,  weshalb  die  Hochzeil  nicht  im  Hause  der  Braut  u.  s.  w. 
stattfindet,  diese  möglichst  kurz  hinzu. 

1)  Im  Text  steht  fälschlich  Guprün  porgeirsd.  Dass  aber  die  Tochter  des  por- 
varpr, des  Sohnes  des  porgeirr  Hallason,  es  war.  die  -ich  mit  porgeirr,  dem 
Bisehofssohn  verheiratete,  wird  Sturl.  I,  8s  ausdrücklich  gesagt.  Der  Index  II.  SturL  II. 
431  und  das  Geschlechtsregister  des  Bischöfe  Gupmundr,  ebenda  493,  geben  denn  auch 
das  Richtige  an.  Ob  ein  Fehler  in  der  Handschrift  oder  ein  Versehen  des  Herausgebers 
vorliegt,  entzieht  sich  meiner  Kenntnis 


Kahle: 

2.     a)    Die   Hochzeil  findel  im   Hause  der  Eltern  des  Bräutigams  statt. 

Oläfr  feilan  mit    Ufdfs  Konälsd.,  im   Hause  seiner  Grossmutter 
sein   S'ater  \v;u-  tut  — .  die,  eine  Königswitwe,  die  ganze  Gegend  in  Besitz 
genommen    hatte,    also    die    mächtigste    Persönlichkeit    war,    Laxd.  2.   12. 
Oläfr  päe  mit   £>orgerpr  Egilsd.,  Laxd.  23,67.     Hier  wird  ausdrücklich 

»eben,  dass  besonders  verabredet  wird,  dass  die  Hochzeit  bei  den 
Kl  rem  des  Bräatigame  Bein  sollte,  „die  Hausfrau  sollte  man  ihnen  ins 
Haus  führen0  und  das  wird  als  eine  ehrenvolle  Bedingung  bezeichnet,  vgl. 
die  Anmerkung  Kälunds.  porgrimr  Helgas,  mit  Arndis  pörpars., 
Kialn.  ■_'.  4<»<»  (Islend.  II'J).  Hallr  Gizurarson  mit  [ngibiprg  Sturlad., 
Smrl.  II.   154 f. 

b)    l>i<'  Hochzeit  findet  im   Hause  des  Bräutigams  statt. 

porvaldr  Halldörss.  mit  Guprün  ösuifrsd.,  der  Bräutigam  ist  der 
Sohn  eine»  Goden,  und  der  Sdiwiep'rvarer  sagt  selbst,  <lass  sie  nicht  gleich 
vornehm  wären.  Laxd.  24,  98.  Kiarran.  von  mütterlicher  Seit-'  aus 
irischem  Königsgeschlecht  stammend  and  Dienstmann  Olafs  Tryggva- 
sons,  mir  Hrefna  Asgeirsd.,  aus  gutem  bäuerlichem  Geschlecht,  «las 
sich  aber  mit  dem  Kiartans  nicht  messen  konnte.  „Nicht  lässt  Kiartan 
sichs  anders  gefallen,  als  dass  die  Hochzeit  in  Hiarparholt  seinem 
Wohnsitz)  sei".  Laxd.  t5,  142.  Gunnarr  v.  Hliparendi  mir  der  ver- 
witweten Hallgerpr.  Er  galt  als  der  tapferste  Mann  Islands  und  war 
sein-  angesehen.  Njäl.  33,  12*.  Grimkell  mit  Signy  Valbrandsd.,  der 
Bräutigam  ist  (Jude.  Harpars.  og  Holmv.  3,  4:  derselbe  mir  Sigripr  por- 
biarnard.,  ebenda  10,  20.  porir  Hrafnkelss.  mit  der  verwitweten 
porgerpr,  er  i>r  Sohn  eines  Goden.  Pliötsd;  s.  2.  Hpskuldr  Dala- 
Kollss.  mir  Jörunn  Biarnard.,  Laxd.  18,  18.  Biorn  wird  zwar  ein 
Mann  von  hoher  Abkunft  (störättapr)  und  reich  (aupigr  at  fe)  genannt, 
und  seine  Tochter  war  die  beste  Partie  in  den  Westfjorden,  aber  Hos- 
kuldr  war  Gefolgsmann  des  Königs  Häkon  Apalsteinsföstri  und  wurde 
auf  Island  ein  grossei  Häuptling.  Gunnarr  mir  Rannveig.  Über  ihre 
beiderseitige  Herkunft  wird  weiter  nichts  mitgeteilt,  auch  der  Ort,  wo  die 
Hochzeil  stattfindet,  nicht,  jedenfalls  gründet  das  neue  Ehepaar  erst  nach 
der  Verheiratung    sich    eine  Wohnstätte,    aber    es    wird    gesagt,    dass   der 

itigam  das  Gastmahl  ausrichtet  (liyr  hann  pä  veizlu),  Fliötd.  28  ff. 
Hallstein  mit  der  verwitweten  Droplau<r.  ebenda  K)5f.  Sturla  i 
Huammi  mir  Gupnj  Bopvarsd.,  Sturl.  [,52.  pörpr  Sturlus.  mit  Val- 
gerpr  Arnad..  die  er  schon  vorher  in  sein  Haus  genommen  hatte.  Ähnlich 
harre  auch  porgrimr  Ottarss.  die  Pflegetochter  Skiiris,  nach  dessen 
Ermordung  schon  verlier  in  sein  Haus  genommen,  und  rer  verheiratete 
sich  alsdann  mir  ihr",  also  fand  wahrscheinlich  die  Hochzeit  in  seinem 
Hause  Btatt,  Vemundars.  30,319  (Islend.  II1).  pörir  tott  Arnpörss.  mir 
Herdis  Einarsd..  Smrl.  11.  179.  Seine  Hochzeit  mit  der  Gröa  Älfsd.  scheint 
Gizurr  porväldss.    selbst    bei   sich  ausgerichter  zu  haben,   Srurl.  II,  102, 


Der  '  'r;  der  Hochzeit  auf  Island  zur  S  |."> 

und  die  Hochzeit,  zu  der  Bischof  Magnus  Kinarss.  Dach  Bkälholl 
einladet,  i>t  doch  wohl  auch  seine  eigene  gewesen,  wenn  es  auch  nicht 
ausdrücklich  gesagt  wird,   Bp.   I.  77. 

Di.'  Hochzeit    findet    bei   einem   Verwandten  des  Bräutigams  sutr. 

Aiiiori'  r.in  |«>k  i  n  u  r  mir  pordis  Gizurard.,  im  Hause  seines  Vetters 
Glümr,  auf  dessen  Veranlassung,  Vigagl.  c  11  (Islend.  n1,  351  .  Asbiorn 
Hrafnkelss.  mit  Oddbiorg  Glümsd.,  wahrscheinlich,  woferu  die  in  den 
Text  aufgenommene  Lesart  das  richtige  hat.  im  Man-''  Beines  Bruders, 
zugleich  mit  dessen  Hochzeit,  Fliötsd.  s.  4.  Helgi  Arngrimss.  mit  Olof 
Hol  lad.,  im  Hause  des  Oheims  des  Bräutigams,  zugleich  mit  der  Hochzeit 
von  dessen  Tochter,  Kialn.  c.  17  (Islend.  II '"'.  454).  Snorri  Sturlus.  mir 
Herdis  Bersad.,  bei  seinem  Bruder  Sighuatr,  Sturl.   I.  11<'  und  202. 

<l)  Die  Hochzeit  findet  bei  einem  Freund  oder  Beschützer  desMannes  statt. 

porkell  Sigurpss.  mir  pöra  porgrimsd.,  im  Hause  Finnbogis, 
der  den  Freiwerber  gemacht  hatte;  jedoch  werden  'li.-  zur  Hochzeit  uötigen 
Vorräte  vorher  aus  dem  Gehöft  des  Bräutigams  geholt,  Finnb.  s.  30,  ."»7 
(Reykjav.  L897).  Griss  Ssemingss.  mit  Holfinna  Waldad.,  bei  Mär, 
einem  Freunde  des  Griss,  'Im'  gleichfalls  Preiwerber  gewesen  war  und 
die  Partie  ausgesucht  hatte,  Hallfr.  I.  89  Porns.).  Hrafn  Brandss.  mir 
Guprün  ßörpard.,  hei  Grimr  Snorras.,  dem(  refolgsherrn  des  Bräutigams, 
Sturl.  i.  135.  \udripr  mir  puripr,  der  Schwester  des  pormöpr,  bei 
Helgi  biöla,  dem  Herrn  der  Gegend,  der  ihm  Land  angewiesen  und  auf 
Beinen  Wunsch  auch  die  Prau  ausgesucht  hatte.  Mit  den  Söhnen  Helgis 
hatte  Andripr  Bundesbrüderschaft  geschlossen,   Kialn.  c.  2  (Islend.  II'-',  I«1" 

Scheidet  man  die  ganz  zweifelhaften  Fälle  aus.  so  ergeben  sich  folgende 
Zahlen  für  die  einzelnen  Gruppen:  la  :;7.  1»)  15,  <•;  •_'.  zusammen  54; 
2a)  :>.  1»)  13,  c)  -1.  d)  -1.  zusammen  24.  Die  Hochzeit  wird  also  von  der 
Verwandtschaft  dw  Braut  in  etwas  mehr  als  doppelr  >•>  vielen  Fällen  als  \"i. 
seiten  des  Bräutigams  oder  dessen  Verwandtschafl  "dm-  Freundschaft  aus- 
gerichtet. Dies  Verhältnis  würde  allein  sehen  genügen,  um  die  Sitte,  dass 
die  Hochzeit  im  Hause  der  Brauteltern  stattfand,  als  die  herrschende  zu 
erweisen.  Dazu  kommt,  dass  in  diesem  Falle  meist  nur  die  einfache  That- 
Bache  berichtet  wird,  während  wir  sahen,  dass,  wenn  von  dieser  Sitte  ab- 
gewichen wurde,  sehr  häufig  ein  besonderer  Grund  angeführt  wird  oder 
doch  ersichtlich  i>r.  wie  dass  vornehmere  Geburt  und  Stand  oder  auch  wohl 
_  sserer  Reichtum  die  Veranlassung  gegeben  haben;  oder  aber  es  t'ühlr 
derjenige,  der  für  einen  andern,  der  etwa  sein  Ding-  oder  Gefolgsmann 
war.  den  Freiwerber  machre.  die  Verpflichtung,  nun  auch  für  die  Aus- 
richtung der  Hochzeit  zu  sorgen.  In  einigen  Fällen  mag  auch  der  Um- 
stand mitgesprochen  haben,  dass  es  Bich  um  eine  Witwe  handelte.  \\  ir 
werden  also  annehmen  dürfen,  dass  in  der  weitaus  grössten  Menge  >\>'\ 
Fälle,  in  denen  uns  nur  die  Thatsache  des  Schliessens  einer  Heirat  be- 
richtet wird,  die  Hochzeit  im  Hause  der  Brauteltern  stattgefunden  hat. 


Kahle:  Der  Ort  '1<t  Hochseil  auf  Island  zur  Sagazeit. 

Bestandteile!]  der  altnordischen  Hochzeit  führt  Weinhold 
a.a.O.  auch  auf,  nach  der  Fahrt  zum  Brauthause,  den  Zug  zürn  Hause  des 
Bräutigams  und  die  feierliche  Einführung  der  Braut  in  dieses. 

Davon  finden  wir  in  der  isländischen  Sagalitteratur,  so  weit  ich  sehe 
keine  spur.  Hatte  die  Hochzeit  im  Hause  der  Brauteltern  u.  s.  w.  statt- 
gefunden, dann  begab  sich  das  junge  Paar  nach  Schiusa  der  Festlichkeiten 
in  das  Gehöfl  des  jungen  Eh< 'iuii ii i tes .  und  zwar  <duie  dass  jemals  irgend 
«>in  besonderes  Gefolge  erwähnt,  oder  dass  von  einer  besonderen  feier- 
lichen Einführung  der  jungen  Fran  in  ihre  Stellung  berichtet  wird. 
Der  Bericht  lautet  in  der  Regel  in  aller  Kurze:  „Nach  der  Hochzeit  fuhr 
sie  (die  junge  Frau)  heim  mit  ihm  dem  jungen  Ehemann)."  So  oder 
ähnlich  Xjal.  II,  4.r».  14.  64.  65,  300;  pörp.  s.  Hrepu  8,  101;  Kialn.  17. 
455  (Isl.  LI8);  Bgilss.  77.  255.  78.  2f>5:  Sturl.  I.  43.  132.  143.  262.  279. 
Oder  der  Erlann  fuhr  mit  seiner  Frau  heim:  Gunnl.  11.  Ii);  Liösvetn.  12,36; 
Finnb.  2'.  55;  Fliötsd.  :i">:  Plöam.  31,  156;  Gullpöriss.  9,  20.  Als  einmal 
drei  Hochzeiten  zu  gleicher  Zeit  gefeiert  worden  waren,  heisst  es:  „Und 
es  begab  sich  jeder  nach  seiner  Wohnung,"  Viglund.  '21,  91.  Auf  ein  fest- 
liches  Geleit  darf  man  nicht  etwa  aus  Xjal.  34.  133  f.  schliessen  wollen, 
wenn  es  da  heisst,  dass  nach  der  Hochzeit  der  Brautvater  westwärts  und 
die  Rangseingar,  zu  denen  der  junge  Ehemann  Gunnarr  gehörte,  zu 
ihren  Wohnungen  ritten.  Hier  hatte  das  junge  Ehepaar  einfach  denselben 
Weg  wie  ein  Teil  der  geladenen  Gäste.  Ebenso  wenig  ist  daran  zu 
denken,  wenn  erzählt  wird,  dass  porgils  Arason  angeritten  kommt  von 
seiner  Hochzeit,  und  dass  der  Gode  Snorri  mit  ihm  war,  insgesamt  zu 
80  Mann,  Viga-Styr  ok  Heiparv.  33,  378  (lsl.  II2). 

Zuweilen  bleibt  das  junge  Paar  zunächst  bei  den  Schwiegereltern, 
meistens  den  Winter  ober,  denn  die  Hochzeiten  fanden  ja  mit  Vorliebe 
im  Herbst  -tatt:  so  z.  15.  ebenda  l<>.  393;  Laxd.  43.  135:  70,  211.  In 
einem  solchen  Fall  würde  die  feierliche  Überführung  der  jungen  Frau  in 
das  Haus  ihres  Gatten  überhaupt  keinen  rechten  Sinn  mehr  gehabt  haben. 

\\  ir  ersehen  als«)  aus  allem,  dass  ein  feierliches  Geleit,  eine  Über- 
führung der  Braut  in  ihre  neue  Wohnstätte,  woselbst  sie  dem  ihrer 
harrenden  jungen  Ehemanne  in  förmlicher  Weise  überliefert  worden  wäre. 
nach  dem  Zeugnis  der  Sagas  nicht  stattgefunden  zu  haben  scheint.  Dass 
diese  Sitte,  die  wir  ja  nach  den  Ausführungen  Weinholds  als  eine  ur- 
sprünglich zur  germanischen  Hochzeit  gehörige  betrachten  dürfen,  auf  Is- 
land nicht  geübt  wurde,  lag  in  den  Verhältnissen  des  Landes  begründet. 
Bei  den  weit,  oft  eine  "der  gar  mehrere  Tagesreisen  voneinander  entfernt 

aden  Höfen  der  die  Ehe  eingehenden  Parteien,  verbot  sich  ein  feier- 
liches Geleit  von  einer  Wohnung  zur  andern  von  selbst. 

i  I  eidelberg. 


Schell:  Zwei  alte  Gerichtsstätten  in  den  Rheinlanden.  |, 

Zwei  alte  Gerichtsstatten  in  den  Rheinlanden. 

Von  0.  Schell. 
Mn  Tafel  I. 

1.    Feldkirchen  hei  Neuwied. 

In  Nu.  lo  der  Monatsschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereine  schreibt 
Walther  Lindner:  »Die  Gemeinde  Feldkircb  am  Nordrande  des  Neuwieder 
Backens  nmfassi  fünf  Ortschaften  mit  evangelischer  Bevölkerung.  Die 
alt«-,  gemeinschaftliche  Kirche  Liegt  bei  dem  Orte  Wallendorf,  und  vor 
dem  idyllisch  gelegenen  Pfarrhause  steh!  eine  uralte  Gerichtslinde,  von 
einer  halbkreisförmigen  Steinmauer  eingeschlossen.  An  dei  offenen  Seite 
dieser  Blauer,  vor  der  Linde,  befindet  sich  der  noch  wohlerhaltene  steinerne 
Tisch,  auf  drei  Seiten  von  Steinbalken  umgeben.  Daneben  erheb!  sich 
der  gleichfalls  aus  Steinen  hergestellte  Pranger,  dessen  Flalseisen  die 
älteren  Einwohner  noch  in  Fahrfeldkirch  gesehen  haben,  und  zwar  im 
dortigen  „Backes",  «lern  früheren  Gemeinde-Backhaus,  .j<'tzt  noch  Versamm- 
lungshaus der  Gemeinderäte.0 

Diesen  Mitteilungen  Läset  sich  noch  einiges  hinzufügen,  was  von  nicht 
unerheblicher  Bedeutung  ist.  Zunächst  einige  Massangaben.  Die  Bank, 
welche  den  Tisch  umgiebt,  ist  ungefähr  2  m  lang  und  besteht,  wie  auch 
der  Pranger,  ans  Basalt,  während  der  Tisch  aufgemauert  und  oben  mit 
einer  Platte  versehen  ist.  Letztere  ist  quadratisch  und  hat  einen  Durch- 
messer von  75  cm.  Auf  dem  Pranger  ist  ein  etwas  verwittertes  Wappen 
(rechtsschreitender  Hahn  zu  sehen.  Der  Pranger  hat  am  oberen  Ende 
einen  Einschnitt,  welcher  in  der  Halshöhe  eines  Mannes  wie  mir  ein 
Bauer  demonstrierte]  angebracht  ist.  und  welcher  zur  Fesselung  des  armen 
Sünders  diente. 

Noch  wird  jährlich  einmal  unter  dieser  lande  eine  Versammlung  aller 
Männer  der  Ortschaften  Fahr,  Wollendorf,  Gönnersdorf  und  Hüllenberg 
abgehalten.  Feldkirchen  (nicht  Feldkirch,  wie  es  in  der  Monatsschrift  des 
B.  G.-V.  heisst;  man  vergl.  Paul  Vogt,  Die  Ortsnamen  im  ßngersgau, 
Neuwied  L890,  S.  36.  49)  seihst  kommt  als  Ortschaft  nicht  in  Betracht,  da 
hier  nur  die  Kirche  mit  einem  Pfarrhause  steht.  An  der  Spitze  dieser 
Volksversammlung  steht  ein  Achterausschuss,  kurzweg  die  Achte  genannt, 
wozu  jede  Ortschaft  zwei  Glieder  stellt.  Jährlich  wird  die  Eälfte  der 
Achter  neu  gewählt.  Diesen  acht  Männern  liegt  die  Aufsicht  über  die 
Gemeindewaldungen  ob.  Nach  den  Mitteilungen  dortiger  Bauern  nahm 
einst  der  Richter,  später  noch  der  Bürgermeister  an  diesen  Sitzungen  teil. 
Seit  etwa  5 — 6  Jahren  hat  sieh  auch  >\w  Bürgermeister  von  diesen  Ver- 
sammlungen zurücko-ezoffen. 


'.:  /.w.  i  .  ■.  ii  in  den  Bheinlaaden. 

•  kurzen  Mitteilungen  Bind  vollkommen  hinreichend,  uns  einen 
Hinblick  in  diese  Einrichtung,  welche  in  der  jetzigen  Verfassung  nur  ein 
sehr  verblasster  Überrest  alter  Rechtsinstitutionen  ist.  zu  gewähren.  Wir 
hall. -ii  in  dieser  Linde  mit  'lein  Steintisch,  den  Bänken  and  dem  Pranger 

offenbar  eine  alte  Gerichtsstätte  vor  uns:  und  /.war  niuss  liier  einst  ein 
Markengericht  gehegl  worden  sein,  welches  « 1  i « *  Markgenossen  zu  bestimmten 
Zeiten  (meist  mehrmals  im  Jahre)  vereinigte,  um  über  «las  gemeinsame 
Gut,  den  Gemarkenwald,  und  die  Anrechte  der  einzelnen  an  denselben, 
zu  heraten.  Ausgeschlossen  ist  keineswegs,  ilass  an  derselben  Stelle  auch 
ein  Gericht  mit  weitergehender  Kompetenz  abgehalten  wurde,  wie  es  bei- 
spielsweise in  Elberfeld  'Im-  Fall  war.  wo  unter  der  Gerichtslinde  «las 
Markengericht  sowohl  als  das  Landgericht  abgehalten  wurde. 

Oft  führte  ein  Adlicher  oder  -ein  Vertreter  den  Vorsitz  in  den  Ver- 
sammlungen der  Markengenossen,  beraten  von  einer  bestimmten  Anzahl 
von  Schöffen.  In  diesen  Versammlungen  wurden  neu  eingetretene  Marken- 
genossen aufgenommen  und  vereidigt,  wie  auch  die  zu  entrichtende  Kur- 
mut festgesetzt.  Ausserdem  wurden  Waldfrevel  zur  Anzeige  gebracht,  mit 
den  gebührenden  Strafen  belegt,  und  andere  <  iemarkensachen  erledigt. 
Diese  ( ierichtshefugnisse  sind  allmählich  aus  deu  Händen  der  einfachen 
Bauern  in  die  rechtskundiger  Juristen  gelangt,  und  man  hat  jenen  nur 
noch  Aufseherrechte  über  den  gemeinsamen  Wald  belassen.  Aber  die  alte 
Gerichtsstätte  ist  noch  immer,  wie  in  früheren  Zeiten,  der  Schauplatz  der 
Wahl  der  Aufseher,  welche,  wie  die  alten  Schöffen,  hochgeachtet  in  ihren 
( Ortschaften  sind. 

Bezüglich  der  rechtlichen  Festsetzungen  im  alten  Engersgau,  wozu 
unsere  Ortschaften  gehören,  sei  auf  J.  Grimm,  Deutsche  Rechtsaltertümer, 
II.  '.'.V.i.  Günther  5,  Xu.  113  verwiesen;  hinsichtlich  des  Alters  der  Ort- 
schaft Feldkirchen  auf  Beyer  IL  '218  und  P.  Vogt,  Die  Ortsnamen  im 
Engersgau,   Neuwied.   1890.) 

2.   Kyllburg  in  der  Eifel. 

Wenn  man  durch  das  langgezogene  Städtchen  Kyllburg  den  schmalen 
nicken  weiter  hinansteigt,  gewahrt  man  zwischen  den  Resten  der 
alten  Burg  und  der  bautechnisch  bedeutsamen  Stiftskirche  rechts  am  Wege 
eine  ummauerte  Erhöhung  mit  steinernem  Thoreiugang,  während  vou  der 
anderen  Seite  eine  kleine  Steintreppe  neben  einer  alten  Steinbank  auf 
diesen  Platz  hinaufführt.  Der  Platz  bildet  ein  stumpfes  Dreieck  vou  30, 
.')i>  und  ."•<>  Schritt.  Vier  stattliche  Linden  beschatten  denselben.  Unter 
ihnen  erhebt  -ich  eine  runde  Steinsäule  von  etwa  3  m  Höhe,  welche  mit 
einem  steinernen  Kreuz  gekrönt  ist.  Auf  dem  Schaft  der  Säule  liest  mau: 
Renovatum  1786.  Darunter  befindet  sich  ein  verschnörkelter  Namenszug 
und  an  dem  Kreuz  eine  Bausmarke  (-£).  Ein  kleiner  oblouger  Steintisch 
steht  vor  der  Saide. 


Blünniil  und  Rott:  Die  Verwendung  der  Pflaosen  durch  die  Kinder.  4«) 

Die  Vermutung,  welch»'  sich  bei  einer  genaueren  Prüfung  des  Platze» 
sofort  aufdrängt,  ea  hier  mit  einer  alten  Gerichtestätte  zu  thun  zn  haben, 
bestätigt  die  \  olkstradition. 

In  Verbindung  mit  dieser  Gerichtsstätte  darf  man  drei  eingemauerte 
Steinbilder  unterhalb  derselben  bringen.  Auf  dem  ersten  erblickt  man 
•  ■inen  Adler:  auf  dem  /weiten  liest  man:  „Stifts  Kiwheif  und  ist  auf 
demselben  eine  Schwurhand  eingehauen.  Der  dritte  Stein  weist  ein 
Wappen  auf. 

Kl  Werfe M. 


Die  Verwendung  der  Pflanzen  durch  die  Kinder 
in  Deutschbölimen  und  Niederösterreich. 

Von  E.  K.  Blümnil  und  A.  J.  Rott. 


In  dem  folgenden  Aufsatz  soll  ein  Ausschnitt  aus  dem  Leiten  und 
Treiben  der  Kinder  vorgelegt  werden,  nämlich  die  Art  und  ^  eise,  wie 
sie  verschiedene  Pflanzen  zu  ihrer  Unterhaltung  und  namentlich  in  ihren 
Spielen  verwenden.  Es  ist  darauf  bisher  sehr  wenig  geachtet,  mindestem 
sehr  wenig  darüber  aufgezeichnet  worden:  was  darin  geschah,  stellen  wir 
gleich  nachher  zusammen  und  vermehren  das  Vorhandene  im  folgenden 
durch  Sammlungen  aus  Deutschböhmen  und  durch  Nachträge  zu  dem  für 
Niederösterreich  früher  geleisteten.  Vergleichungen  mit  dem  aus  anderen 
österreichischen  Kronländern  uns  Bekannten  sind  beigefügt.  Die  mit 
Abkürzuugssiglen  augeführte  Litteratur  ist  dii  -• 

B.  H.    E.  K.  Blümml  und  Fr.  Höfer,  Die  Beziehungen  der  Pflanzen  zu  den  Kinderspielen 

in  Niederösterreich.    Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde.    V.  Jahrgang.    Wien 

1899.    S.  132—135  (für  Niederösterreich). 
1).  T.    K.W.  von  Dalla  Torre,  Die  volkstümlichen  Pflanzennamen  in  Tirol  und  Vorarlberg 

nebst   folkloristischen  Bemerkungen    zur  Flora  des  Land...     Innsbruck    A.  Fdlinger) 

1895.    8*.    76  S.  (für  Tirol  und  Vorarlberg). 
Pf.     A.  Pfeiffer,  Einige  oberösterreichische  Trivialnamen  der  Pflanzen.    V-rhandl.  der  k.  k. 

zoologisch-botanischen  Gesellschaft   in  Wien.     XLIV.  Jahr-.     Wien  1894.     8.  35-48 

(für  Oberösterreich). 
Seh.    A.  Schott,   Über  Pflanzen- Volksnamen  im   Böhmerwalde.    IV.    Deutsche  botanische 

Monatsschrift.     XVII.  Jahrg.     Arnstadt  1899.     S.  4(»-42,  73— Tti. 
Sehr.    H.  Schreiber,   Wiesen   der   Randgebirge  Böhmens    and   ihre  Verbesserung.    Staab 

(Selbstverlag)  1898.    gr.  8.    VII  u.  251  S. 
Tsch.     Er.  Tschernich,    Deutsche  Volksnamen    der  Pflanzen    aus  dem  nördlichen  Böhmen. 

Beilage   zum   Programm    des  k.  k.  akademischen  Gymnasiums  in  Wien  (I.  Bez.)  für 

das  Schuljahr  1896/97.     Wien  1897.     gr.  8°.    32  S. 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.     1901. 


;,i ,  Bli'unml  und  Etotl  : 

Willi.  Fr.  Willi. •Im.  Volkstümliche  Pfiansennamei  im  südlichen  Hange  und  Fusse  des 
mittleren  Ersgebirgt  I  tgebirgs-Zeitung  XIX.  Jahrg.  1898.  8.73  77,108  105, 
121—124,  L50     158,  172     L74,  200  -202,  228    225,  247—249  (alle  für  Böhmen). 

Die  andere  noch  zum  Vergl  »iche  angezogene  Litteratnr  wird  bei  den  einzelnen  Nummern 
aiiL.--  g<  ben. 

lieh  der  eintelnen  Abkürzungen  auf  Verbreitung  «rtee  zu  bemerken,  dass  „allgemein* 
mir  für  Deutechböhmen  and  aicht  für  Niederöaterreich,  letzteres  wird  stets  durcb  X.-ö. 
gekürzt,  gilt,  wahrend  15.       Böhmerwald,  PL       Pilsener,  PI.       Planer.  Eg.  =  Egerer 
ml,  Erz.       Erzgebirge,  Et        Riesengebirge  und  N.       Nordböhmcu  bedeutet. 

1.  Ahorn  (Acer  spec).  Di»-  Früchte,  hauptsächlich  von  Acer  plata- 
aoides  L.  und  A.  pseudoplatanus  L.  und  /.war  sowohl  im  grünen  als  auch 
reifen  Zustande,  werden  gespalten  und  als  „Nasenzwicker"  (B..  Pi.,  PI.. 
I  Erz.)  oder  als  ..Xasenstiefl"  (Wien)  auf  die  Nase  gesetzt,  während 
sie  im  reifen  Zustande  auch  gerne  in  dm  Eöhe  geworfen  werden  (B..  Pi., 
PL,  \l  j  da  Bie  »ich  beim  Berabfallen  fortwährend  drehen,  so  dass  sie  den 
Namen  „Schmetterling"  (Pi..  Et.)  erhielten.  Aus  den  Blättern  werden 
Körbchen  gefertigt  (B.). 

2.  Akazie  (Robinia  Pseudacacia  L.).  Die  Stacheln  dienen  als  Nägel 
and  zum  Aneinanderheften  der  Blätter  (N.-Ö.  Oberhollabrunner  Bezirk). 

3.  Apfel  (Pirus  malus  L.).  Derselbe  wird  durch  Zickzackschnitte 
quer  in  zwei  Eälften  geteilt  (B.,  PI..  Eg.,  Erz.),  und  wird  ein  so  zer- 
Bchnittener  Apfel  „Schnupftabaksdose"  genannt  (B.).  Die  Kerne  dienen 
zum  Schnellen  (allgemein).  Die  Schale  eines  ganzen  Apfels  wird  nach 
rückwärts  über  den  Kopf  geworfen,  wobei  sie  Figuren  bildet,  die  mit 
Buchstaben  Ahnlicheit  haben,  aus  denen  verschiedenes  (welches  Mädchen 
ein  Knabe  gern  hat  u.  a.)  erraten  wird  (Eg.  selten,  und  Frischbier:  Am 
Urquell  III.  2-17.  wonach  der  Name  des  ersehnten  Geliebten  aus  der 
Figur  der  Schale  erraten  wird.  Ein  anderes  Apfelorakel  teilt  Wilh.  S.  201 
mir:  Am  hl.  Abende  zerschneidet  jedes  Familienmitglied  einen  Apfel  und 
aus  d<T  Zahl  der  mitzerschnittenen  Kerne  wird  auf  die  Zahl  der  noch  zu 
lebenden  Jahre  geschlossen). 

4.  Arnika  (Arnica  mputana  L.).  Die  Blüten  werden  in  die  Fenster 
gegeben,  damit  kein  Blitz  einschlägt  (Eg.),  doch  müssen  sie  am  Vorabende 
vor  Johannia  (24.  Juni)  gesammelt  werden  (Westböhmen,  Sehr.  S.  126), 
denn  ihre  Blütezeit  fällt  um  den  24.  Juni  (..Hannstag-  im  Böhmerwalde), 
daher  auch  ihr  Volksname  im  Böhmerwalde  „Hannslblume"  lautet  (Seh. 
S.  74).     Vgl.  auch   Ehrenpreis  (Veronica  chamaedrys  L.). 

5.  Bärlapp  (Lycopodium  clavatum  L.).  Zu  Kränzen  (|B.]:  auch 
Sehr.  S.  1  lö  gieht  an.  dass  die  beschuppten  Stengel  allgemein  zu  Kränzen, 
Pussdecken  u.  s.  \\.  verwendet  werden,  während  Louis  Keller  [Beiträge 
zur  Flora  von  Kärnten.  Verhandl.  der  k.  k.  zoologisch  -  botanischen  Ge- 
sellschaft in  Wien.  XL1X.  Bd.  Wien  18!>9.  S.  363— 386]  S.  366  mitteilt 
dass  in  Kärnten  |  im  Drauthale|  ein  anderer  Bärlapp  [Lycopodium  compla- 
natum  L.|  zu   Allerseelen  als  grüner  Aufputz  zu  Grabkränzen  Verwendung 


Die  Verwendung  der  Pflansen  <iur«-h  die  Kinder.  .'il 

findet).     Die   Keimkörner    Sporen)  Drudl lil   (nach  Sehr.    8.   1  t">  im 

Böhmerwalde  Hexenmehl  oder  Hexenstaub,  im  Riesengebirge  Pimperlin- 
pulver)  genannt  (PI.)  —  wurden,  als  noch  Bolz  als  Beleuchtungsmateria] 
diente,  in  die  Flammen  geworfen  (IM.). 

6.  Bartflechte  (Usnea  barbata   I..).     Zu  Barten  (B.,  IM..  R.). 

7.  Binsen  (Juncus  Bpec.)  Dienen  zum  Flechten  füi  N.-<».  B.  II. 
>.  133,  No.  3),  zum  Verfertigen  von  Sesseln,  Körbchen  für  \.-<>.  B.  II. 
*>  133,  No.  .">.  für  Böhmen  [Erzgebirge]  Willi.  S.  17.">:  Junge  Hädchen 
flechten  Körbchen  daraus)  und  Hüten  (allgemein;  auch  Sehr.  S.  88  bemerkt, 
dass  die  Binsen  in  den  Randgebirgen  Böhmens  zu  Geflechten,  and  das 
Mark  der  Halme  zu  „Kirmeskränzen"   benutzt  werden). 

v  Birke  (Betula  alba  L.).  Der  Stamm  wird  angebohrt,  damil  der 
Saft  heransfliesse,  der  getrunken   wird  (PL,  X). 

9.  Bittersüss  Solanum  dulcamara  L.).  Die  Stengel  werden  gekaut 
(PL,  PL). 

10.  Blasenstrauch  (Colutea  arborescens  L.  .  I>i"  Früchte  dienen 
zum  Klatschen  (allgemein,  für  N.-Ö.  vgl.   B.  II.  8.  133,   No.  5). 

11.  Bohne  (Phaseolus  vulgaris  L.).  .1«'  nach  der  Gattung  haben  die 
Bohnen  verschiedene  Werte  und  Benennungen,  so:  Kaiser  oder  Türk, 
Bummerl,  Peterkappl  allgemein);  Fleischhacker  (rot  und  weiss-.  Schwefl- 
küchal  (gelb  und  genau  eiförmig),  weisse  Bunn,  Tscheckla  (Erzgebirge, 
Büdliches  und  mittleres,  nach  Wilh.  S.  2dl):  kleine  Bunn,  Pfärebunn, 
Kaulärsche  (nördliches  Böhmen  nach  Tsch.  S.  28),  Sträusselbohne  (länglich, 
wri>>  oder  gefärbt  mit  roten  oder  gelben  Sprenkeln  um  die  Haftnarbe), 
Fasanein  (braune  oder  iure,  gelbgesprenkelte),  Kaularsch. -In  [rund  kirschen- 
ähnlich. Teplitz  nach  G.  Laube,  Volkstümliche  Überlieferungen  aus  Teplitz 
und  Umgebung  (Beiträge  zur  deutschböhmischen  Volkskunde.  I.  Band, 
2.  Heft.  Prag  1896.  gr.  8°.  .  S.  70].  Nur  in  einzelnen,  von  Wäldern 
umschlossenen  Dörfern  wird  die  Bohne  wenig  oder  gar  nicht  /um  Spielen 
benutzt.  Solche  Bohnenspiele  sind:  1.  Grad  und  üngräd,  wobei  --raten 
wird,  ob  ein  Kind  eine  gerade  oder  ungerade  Zahl  von  Bohnen  in  der 
Hand  hat:  dieses  Spiel,  im  Cechischen  „Suda  licha",  wovon  der  Name 
„Soda  licha"  (N.)  stammt,  erlernten  die  deutschen  Kinder  ursprünglich 
von  den  cechischen,  wenigstens  war  es  in  Nordböhmen  so,  worauf  -1er 
dortige  ähnliche  Name  hindeutet.  (Ähnlich  unserem  Spiele  ist  das  bei 
G.  Laube  a.  a.  0.  S.  71  unter  No.  7:  Schutnroten  mitgeteilte  Spiel,  welches 
jedoch  grüne  Erbsenhülsen  mit  den  grünen  Samen  verwendet.)  2.  „Mäusl, 
Bauer,  König",  wobei  eine  Bohne  gespalten  und  geworfen  wird.  (Im  R. 
wird  statt  der  Bohne  ein  rundes  Holzstückchen  der  Länge  nach  gespalten 
und  damit  geworfen  und  heisst  das  betreffende  Spiel:  „Richter,  Gerichts- 
diener und  Angeklagter).  •">.  Andere  Bohnenspiele  sind  noch:  „Ins  Löchl", 
„StreiNas-  von  streifen  und  ..Hei.  h das"  von  hoch,  höher.  (Vgl.  auch 
G.  Laube  a.  a  0.  S.  70,  No.  4:  „Bunnschuppeln"  und  No.  .V.  ..Bunnsehieben\ 


Blfimml  uii'i  Koti : 
auch  Willi    8.201   atreift  das  Spiel  „Bunnä8chie[b]mu,  in  Elbogen  „TscbS- 

16188611.) 

l;'.  r,..\i>i  Bovists  spec.  Lycoperdon  spec.)'.  Die  jungen  Boviste 
■i   „Hexeneier"  (PK),    Haseneier  (Eg.),    Quarksäcke  (Erz.),   die  alten 

aksbeutl"  (PI.,  in  Tirol  [Lienz]  Dach  D.  T.  8.  11  „Blasbalg").  Aus 
den  letzteren  werden  die  Sporen,  die  des  „Teufels  Schnupftabak"  (Pi., 
auch  N.-<>..  nach  Pf.  S.  II  auch  hier  und  da  in  Oberösterreich  so,  nach 
1).  T.  S.  11  in  Tirol  Judentabak  heissen,  ausgestäubt  (allgemein),  kommt 
einem  jedoch  solcher  Sporenstaub  in  die  Vugen,  so  kann  man  blind  worden 
B     PL,   R    . 

13.  BrunnenkreBse  (bitteres  Schaumkraut,  Cardamine  amara  L.). 
Wird  I'.   Eg.,  K.:  auch  Sehr.  S.  112  sagt,  dass  C.  a.  «lern  Menschen 

Bchon  im  Winter  and  zeitlich  im  Frühjahre  einen  Salat  und  ein  Suppen- 
kraut  liefere). 

11.  Buche  (Fagus  sylvattöa  L.).  Die  Buchein  werden  gegessen  (ß.. 
PL,  N.-Ö.).  Das  faule  phosphoreszierende  Holz  wird  an  einen  dunklen 
Ort  gegeben,  um  in  der  Nacht  jemanden  zu  erschrecken  (ß..  PI.). 

15.  Distel  'Carduus  spec,  Cirsium  spec).  Mit  den  Dornen  wird 
auf  Blätter  gestochen  und  geschrieben  (PI..  Erz.,  für  X.-O.  vgl.  B.  H. 
s.   133,  No.  8). 

16.  Distel,  nickende  (Carduus  nutans  L.).  Böse  Knaben  stechen 
mir  den  Blütenköpfen  — ■  Pudlhunde  genannt  --  andere  Kinder  (PL),  oder 
sie  binden  dieselben  Bullenbeister  —  an  eine  Schnur  und  schwingen 
sie  gegen  andere  Kinder  (Kg.). 

17.  Dorsche  (Brassica  napus  L.  var.  esculenta  D.  ('.).  Dieselbe  wird 
ausgehöhlt,  ein  Gesicht  ausgeschnitten  und  abends,  mit  einem  Lichte  im 
Innern  versehen  als  ein  Totenkopf  aufgestellt  (B.,  PL,  Eg.,  Erz.,  für  N.-O. 
Vgl  B.  II.  S.  l-'il.  No.  29  unter  Cucumis  [soll  dort  richtig  Cucurbita  und 
nicht  Cucumis  heissen]  Pepo  L.). 

18.  Dotterblume  (Caltlia  palustris  L.).     Beliebt    zu    Sträussen   (all- 
in).     Wird    auch    wie    die    Hahnenfassarten    (Ranunculus  spec.  s.  d.) 

unter  d;i<  Kinn  gehalten,  damit  man  sieht,  ob  jemand  viel  Butter  oder 
Schmalz  gegessen  hat  (PL,  PL  Erz.,  N.:  nach  Willi.  S.  248  unter  Trollius 
europaeus  L.  .  schliessen  Kinder  im  Erzgebirge  nach  dem  mehr  oder  weniger 
gelblichten  Schein,  den  eine  unter  das  Kinn  gehaltene  Blüte  dieser  Art 
(Tr.  europaeus  L.)  hervorbringt,  auf  die  Zahl  der  „Pfunde  Butteru,  die 
jemand  schön  genossen,  oder,  dass  man  sieht  ..wie  fett  einer  ist"  (B.). 

19.  Eberwurz  (Carlina  acaulis  L.).      Die    Blütenboden    werden    ge- 
n  (R.,  auch  Sehr.  S.  101  führt  dies  für  die  Kinder  an), 

'20.  Ehrenpreis  (Veronica  chamaedrvs  L.).  (!e^yitterblümel  (nach 
Sehr.  s.  76  Donnerblümla  [R.],  Wetterblüml  [B.]  und  blaues  Gewitter- 
blümel  [B.,  K.|.  nach  Willi.  S.  248  führt  Veronica  arvensis  L.  und  Lobelia 
Krimis  L.  im  Erzgebirge  den  Namen  Donner-  und  Gewitterblume,  während 


Dil    Verwendung  dor  Pflan^eo  facch  <\\<-  Kinder. 

Tsch.  s.  .".l.i  den  Name«  Gewitterblum  für  Noxdböhmen  anführt,  der  Bioh 
[Gewitterbleaml]  aueb  in  N.-<>.  [Kodetschlag]  findet).  Eteissi  mau  solch 
tili  Blümchen  ab,  so  kommt  ein  Gewitter  1!..  während  nach  Karl  L.  Petters 
[Mitteilunger  < i<*s  nordböhmischen  Exkursionsklubs.  11.  Jahrg  Leipa  I 
S.  802]  bei  einem  Hau-«'  kein  Ehrenpreis  abgepflücki  werden  boII,  da 
Bonst  der  Blitz  einschlagt). 

21.  Eiche  (Quercus  spec).  Eicheln  and  Schüsselchen  (Fruchtbech( 
dienen  zum  Spielen,  letztere  besonders  den  Mädchen  zum  Kochen  (allg.). 
Aus  den  ausgehöhlten  Eicheln  und  Kastanien  (Aesculus  hippocastanum  L. 
s.  dort)  werden  verschiedene  dürre  Blätter  geraucht  (Pi  ).  Die  Blätter 
werden  mir  Fichten-  und  Kiefernadeln  zu  Kränzen  zusammengesteckt  P 
N.),  trockene  auch  mit  Bürsten  geschlagen,  damit  man  das  Blattgerippe 
erhält,  «las  man  in  Bücher  legi  (Eg.,  Erz.,  PI.)  oder  auf  das  man  auch 
öfter  Bildchen  klebt  (Eg-,  Erz.,  für  N.-ö.  B.  II.  8.  133,  tfo.  10). 

22.  Eisenhut  (Aconitum  napellns  L.).  Aus  der  Blüte  werden  die 
zwei  kleinen  Blumenblätter  herausgebogen  und  das  Bind  die  Pferdchen  an 
der  Kutsche  all-. Murin),  daher  ihr  Dialektname  „Kutschapfädlä  (IM. 
Kutschpferdchen;  nach  Seh.  s.  7:>  heissen  im  B.  alle  Aconitum -Arten 
ffcössln,  nach  Sehr.  S.  141  heissen  die  Blüten  von  A.c.  nap.  im  R.  and  Eg 
„Kutschir.  im  I!.  und  B.  „Kalessn",  im  Eg.,  I">.  und  R.  „Rössl",  im  I!. 
auch  „Pferdlein",  nach  Tsch.  S.  8  in  N.  „Pfärreiter"  Pferdereiter  und 
..Kutschl".  in  N.-Ö.  „Kalesswägn" ;  alle  dies.-  Namen  entstanden  aus  dem 
umstände,  dass  [nach  Tsch.]  „die  Blüten,  besonders  nach  Entfernung  des 
helmartigen  Blattes  an  eine  mit  zweiPferden  bespannte  Kutsche  erinnern".) 

23.  Engelsüss  (Polypodium  vulgare  L).  Der  süsse  Wurzelstock 
wird  gekaut  (X..  R.). 

•_'4.    Erbse  (Pisum  sativum  L.).    Wird  mittels  eines  gespaltenen  Holzes 

fortgeschnellt  ( Erz.  . 

25.  Erdapfel  (Solanum  tuberosum  L.).  Die  in  Scheiben  zerschnittenen 
Knollen  sehen  eine  Ladung  für  Knallbüchsen,  die  aus  Federkielen  bestehen, 
ab  (allgemein,  für  N.-Ö.  15.  H.  S.  133,  No.  L3),  dienen  auch  zu  Spinnrädern 

(Pi..  X.)  und  zu  ..Fledermäusen-,  wobei  eine  Feder  in  den  Erdapfel  ge- 
steckt und  als  Fledermaus  in  die  Höhe  geworfen  wird  PL,  Erz.  Die 
Beeren  dienen  zum  Schleudern,  indem  sie  an  zugespitzte  hölzerne  Sp 

eckt   und  mittels  derselben  weil   weggeschleudert  werden  (B.,  IM..   I .. 
N.)3  in  X.  heisst  diese.  Spiel  „Schnetteln".     Die  trockenen  Blätter  werden 
in  Pfeifen  aus  Holunderästen  gerauchl     PL,   Eg.). 

26.  Erdt re   (Fragaria  vesca   L.  .     Kid-    and    Heidelbeeren    (s,  d.) 

werden  an  Schmielen  gesteckt  allgemein).  Eine  Beere,  die  dem  Kinde 
beim  Pflücken  entfällt,  gehört  den  arme,,  Seelen  und  wird  nicht  mehr 
aufgehoben  (ß..  R):  gehen  die  Kinder  mit  Beeren  an  einem  Kreuze  o<ter 
einer  Kapelle  vorbei,  so  opfert  jede,  drei  Beeren  (PL,  Eg.  doch  nur  an 
einigen  Orten). 


|  Maninil  und   Bott: 


_  i 


Feuerlilie  (Liliam   bulbiferum   L.  .      Mundartlich    „Feuabloma" 

PL,  in  N.  iiiich  Tscb.  S.  -J4  „Feuernilge",  nach  Willi,  s.  174  am  Passe 
des  I Ire.  „Feuernölg",  im  Erz.  „Feuerblum").  Mit  dem  Blütenstäube 
machen  »ich  die  Kinder  «Im-  Nasen  gelb  (allgemein). 

Pichte  (Picea  vulgaris  Link  =  A l)i<-s  excelsa  I).  C).  Das  Hulz 
findet  zu  verschiedenen  Schnitzereien,  zu  Pfeilen  (Pfitsch'pfal  PL),  Schindel- 
flinten, Säbeln,  Wasserrädern  u.  a.  (allgemein,  auch  in  N.-O.  ß.  H.  S.  133. 
N  it.  zu  Stangen  zum  Stelzengehen  (B.,  Pi.,  PI.  Erz.)  und  zu  den 
ken"  der  Spiele  Verwendung.  Solche  Steckenspiele'sind  «las  „Schekern", 
i  auf  ein  aufgestelltes  Stückehen  Holz  (Schek'r05  Sau)  geworfen  wird 
(B.,  PL);  das  ..S;iu  ins  Loch  treiben",  wobei  mit  Stocken  ein  beiderseits 
zugespitztes  Holz  in  ein  Luch  getrieben  wird  (B..  PL,  beide  Spiele  werden 
immer  Beltener)  nnd  das  „Schpacek-Spiel",  wobei  ein  Stück  Holz  weiter- 
geschlageu  wird  (allgemein:  dazu  vgl.  G.  Laube  a.  a.  0.  S.  70  unter  Xo.  6: 
Patschet  oder  Spatzek  für  Teplitz,  B.  H.  S.  133  Xo.  16  und  Anmerkung 
und  R.  Weissenhofer,  Jugend-  und  STolksspiele  in  Niederöeterreich.  Zeit- 
schrift für  österreichische  Volkskunde.  Y.  Jahr-..  1899  |S.  49—56.  113 
bis  119],  S.  50  für  X. -(').).  Letzteres  Spiel  heisst  im  R.  ..Titschkerl-Spiel" 
(wie  in  N.-Ö.  vgl.  B.  II.  S.  133,  Anm.).  in  N.-Ö.  nebst  „Flohspiel"  und 
„Titschkerlspiel"  (B.  H.  s.  oben),  auch  ..Rädnschlägir  (Oberhollabrunner 
Bezirk)  und  ..Schnackspiel"  (Retz.  R  Weissenhofer  a.  a.  O.  S.  50).  Das  iü 
Engelform  an  der  Kinde  gefundene  Harz  wird  gekaut,  weil  man  davon 
weisse  Zähne  bekommt  und  ..Käupech"  genannt  (B..  PL),  auch  wird  das- 
selbe in  warmes  Wasser  gegeben  und  daraus,  wenn  es  weich  geworden  ist, 
verschiedene  Tiere  geformt  (PL). 

29.  Pingerhut  (Digitalis  spec).  Die  Blüten  werden  an  die  Finger 
gesteckt  (PL). 

30.  Flieder  (Syringa  vulgaris  L.).  Die  Blüten  werden  im  Daumen  - 
gelenk  aufgestellt  (allgemein,  auch  in  N  -Ö.  vgl.  B.  H.  8.  133.  No.  15), 
die  int'inandergesteckten  Blüten  in  Büchern  gepresst  (allgemein).  Die 
Blätter  werden  mit  Fichten-  und  Kiefernadeln  zu  Bändern  und  Kränzen 
zusammengesteckt  (PL,  PL  [teilweise].  Lg..  Erz.,  s.  auch  Eiche)  und  dienen 
auch  zum  Klatschen  (Pi..  Eg.)  und  Pfeifen  (Wien  und  Umgebung);  letzteres 
wird  dadurch  erreicht,  dass  ein  Blatt  mit  beiden  Händen  vor  den  Mund 
gehalten  und  dann  Luft  darauf  geblasen  wird,  wodurch  ein  eigentümlich 
schriller  Ton  erzeugt  wird,  der  so  lange  anhält,  bis  das  Blatt  durchreisst. 
Die  Kindo  (der  Bast)  wird  (N.-Ö.)  im  Frühjahre  beim  „in  den  Saft  gehen" 
als  besonders  leicht  abgehend  von  den  Knaben  zu  Pfeiferin  abgeklopft 
(vgl.  auch  \\  eide  und  Vogelbeerbaum),  wobei  verschiedene  Sprüchlein 
hergesagt  werden  (auch  Wilh.  S.  225  teilt  dies  für  das  südliche  Erz- 
gebirge mit). 

31.  Föhre  (Pinus  silvestris  L.).  Aus  der  Rinde  werden  Schiffchen, 
Tiere  u.  a.  geschnitzt  (allgemein,   auch  N.-Ö.  vgl.  B.  H.  S    133,    No.  16). 


I»i'   Verwendung  der  Pflanzen  durch  üi'    Kinder.  55 

32.  Frauenmantel  [Alchemilla  vulgaris  I..  Die  Blätter  stellen 
Bauernweiber  dar    Li.  . 

33.  Gerste  (Hordeum  vulgare  L.).  Eine  in  den  Ärmel  gesteckte 
Ähre  wird  nach  oben  geschoben  l'i  .  Y.  IL;  in  O.-Ö.  wird  dazu  die  Ihre 
von  Seeale  cereale  L.  verwendet,  die  auch  dort  al>  und  zu  „Schliafhansl", 
in  N.-O.  ist  der  „Schliafhansl"  die  Ahn-  von  Sordeum  murinura  L.  |  IL  II. 
s.   i:;i.  Nu.  35],  aeisst  [Pf.  S.  47]). 

34.  Getreide  (Seeale  cereale  L.  und  Triticum  vulgare  Vill.).  Die 
Halme  zum  Pfeifen,  zum  Trinken  and  zum  Erzeugen  von  Seifenblasen 
(allgemein,  N.-(b).  wobei  dieselben  an  einem  Ende  kreuzweise  eingeschnitten 
uml  ausgebogen  werden,  die  dann  beim  Aufziehen  des  Seifenschaumes  in 
das  Röhrchen  eine  grössere  Oberfläche  zum  Saften  der  Blase  bieten.  Auch 
wird  mit  Strohhalmen  ins  Wasser  geblasen,  damit  dasselbe  sprudeil  I '._ 
Die  Blätter  werden  zum   Pfeifen  verwendet  (allgemein). 

35.  Glockenblume  (Gampanula  spec,  besonders  C.  rotundifolia  Lj. 
Die  Blüte  zum  Klatschen  (allgemein,  daher  besitzt  C.  rot.  auch  die  Volks- 
namen Knockblume  [KnackblumeJ  und  Knollblume  [KnallblumeJ,  beide 
im  K.  nach  Sehr.  S.  62  . 

36.  Goldregen  (Cytisus  Laburnum  L.).  Die  Hinten  werden  zum 
Aussaugen  des  süssen  Saftes  uns  der  Blumenröhre  hier  und  da  (so  in 
Wien,  ehemalige  Gemeinde  Weinhaus  u  s.  w.)  benutzt  (vgl-  auch  B.  II. 
S.  132.   No.  1    unter  Akazie  u.  s   w.). 

.'17.  Grashalme.  Zum  Zusammenbinden  von  Blumensträussen  (allg.), 
auch  werden  dieselben  den  Bremsen  (Tabanus  spec.)  in  den  Sinterleib 
gesteckt  und  dieselben  dann  damit  fliegen  gelassen  (allgemein). 

38.  Hafer  (Avena  sativa  L.).  .Mit  den  abgestreiften  A  Indien  bewerfen 
sich  die  Kinder  gegenseitig,  so  viele  davon  hängen  bleiben,  so  viele  Kinder 
bekommt  der  Böworfene  oder  so  viele  Sünden  hat  er  (Kg.)- 

39.  Sahnenfuse  (Kanuneulus  spec).  Ist  die  eigentliche  Schmalz- 
oder Butterblume,  s.   Dotterblume  (Caltha  palustris   L.). 

40.  Hainsimse  (Luzula  campestris  D.  C),  mundartlich  „KonäsbräQta 
(PI.,  nach  Sehr.  S.  77  im  Erz.  „Khannesbra[u]tu,  nach  Willi.  S.  174  fährt 
im  südl.  Erz.  Luzula  pilosa  L.  den  Namen  Johannesbrot  und  zwar  wegen 
ihres  johannesbrotfarbigen  Blütenstandes),  von  den  Dobrzaner  Kindern 
auch  „Rauehfangkehrer"  genannt  und  zwar  der  dunklen  Ahrenfarbo  und 
der  Ähnlichkeit  der  Ähre  mit  einem  Rauchfangkehrerbesen  wegen  (nach 
Seh.  S.  41  heisst  im  B.  Phyteuma  nigrum  Schm.  wegen  ihrer  dunkel- 
violetten Ähren  so,  dasselbe  gilt  auch  in  N.-<>.  fflj  Poterium  Smi-nisorba 
Scop..  das  in  Braunsdorf  [V.  ü.  M.  B.  Gerichtsbezirk  Oberhollabrunn] 
wegen  der  dunkelbraunen  Blütenähren  so  genannt  wird).  Ist  zu  den  ersten 
Sträussen  im  Frühlinge  sehr  beliebt  (PL,  PL). 

41.  Haselstaude  (Corylus  avellana  L.).  Die  Nnssschale  dient  zu 
Pfeifchen  (PL).,  die  Zweige  zu  Angelruten  und  Spazierstöckchen  (allgemein)- 


Dlüiiiini  und  B 

l-_v  Heidelbeere  0  accinumMyrtillus  I.    b.  Erdbeere  Pragaria  resea  L.). 

13.  Herbstzeitlose  (Colchicum  autumnale  !-.)•  Die  Samenkapseln 
sind  Schiffchen  (Erz.). 

U.  Herzblnine  Dielytra  spectabilia  D.C.).  Nachdem  man  die 
beiden  grossen  Blumenblätter  weggenommen  hat,  erhält  man  eine  mensch« 
liohe  eine  Tänzerin,   \l). 

15.  Hirschstreuling  (Elaphomyces  granulatus  [Nees|  Fries)  vulgö 
Hirschbrunst"  (PL).  In  die  trockenen  Schwämme  wird  ein  Loch  gemacht, 
die  Sporen    werden    herausgegeben   and   man  bat  dann  «'in  Pfeifchen  (PI., 

das  „M§ia-Pfeiflau  (Moospfeifchen)  genannt  wird  (Bg.). 

16.  Um  In  im in-  (Sambucus  oigra  L.).  Die  Äste  zu  Wasserspritzen 
^allgemein  für  N.-Ö:,  vgl.  B.  H.  S.  133,  No.  19).  zu  Knallbüchsen  (B.,  Pi., 
mich  N.-»».  B.  II.  s.  133,  No.  L9,  die  in  Tirol  nach  1).  T.  S.  S2  „H»ler- 
lniclis-  und  „H61erspritzu,  in  Siebenbürgen  [Nösnerland]  nach  G.  Kisch, 
KTösner  WörteT  and  Wendungen.  Beilage  zum  Programm  des  evang.  Ober- 
gymnasiums A.  B.  in  Bistritz  [Siebenbürgen],  Bistritz  1900  |178S.|.  S.  89 
..kn«»U-  heissen),  und  «las  Mark  zu  Stehaufmännchen  (allgemein,  für  N.-O. 
B.  II.  S.  133,  No  19),  welch  letztere  durch  Einstecken  eines  Zweckend 
erreicht  werden  >ü<ll.  Erz.  Wilh.  S.  224).  Aus  den  Ästen  werden  auch 
Pfeifen  gemacht,  aus  denen  grössere  Knaben  Erdäpfel-,  Königskerzen-  und 
Rosenblätter  rauchen  (PI.,  Eg.).  Drei  Kreuzlein  aus  Holunderzweigen 
werden  am  Walpurgis-Abend  in  den  Rasen,  der  vor  die  Stallthüre  gelegt 
wink  gesteckt,  damit  keine  Hexe  in  den  Stall  komme  (PI.,  etwas  Ähnliches 
findet  sich  zu  Gottschee,  nur  werden  dort  aus  den  zu  Ostern  geweihten 
Palmruten  [von  Salix  spec]  kleine  Kreuzlein  geschnitten  und  dann  auf 
Thüren  gegen  Hexenspuk  angenagelt,  s.  Job.  Satter.  Volkstümliche  Ptianzen- 
oamen  aus  Gottschee.  Beilage  zum  Programm  des  k.  k.  Staats  -  Unter- 
gymnasiums   zu  Gottschee    für    das  Schuljahr   1897/98.     gr.  8°.     Gottschee 

!_'l  s. ;.  S.   18).     In    diesen   Käsen    können    aber    auch  Zweige  ver- 
schiedener anderer  Bäume  gesteckt  werden  (B. 

47.  Käsepappel  (Malva  spec).  Die  Früehte  zum  Essen  (nach  Sehr. 
s.  74  liefern  auch  die  jungen  Blätter  für  Crosse  ein  Gemüse)  und  Spielen 
(allgemein,  für  N.-Ö.  vgl.  B.  H.  S.  133,  No.  21). 

Kalnius  (Acorus  Calamus  L.).    Die  inneren  /arten  Blätter  werden 
£ern<  ssen     PI.,   K«.:  am  Pusse  des  mittleren   und  am  südlichen  Hange 

des  Erzgebirges  werden  die  Wurzeln  von  den  Kindern  gern  ..ausgeknatscht". 

wilh.  s.  12: 

l'.t.  Katzenpfötchen  (Gnaphalium  dioecum  L.).  Beliebt  zn  Sträussen 
£  allgemein). 

50.  Kirsche  Prunus  cerasus  L.  et  Pr.  avium  \..).  Die  Früchte  als 
Ohrgehänge    und    die  Kerne   zum  Schnellen1)  (allgemein,  für  N.-G.  B.  H. 

1)  Auch  in  Franz  Freiherr  Gaudys  „Schülerliebe"'  spielt  ein  von  der  Hand  des 
Fräuleins  Minna  Grasmeier,  aus  Nebra  uebürtiir.  preschnellter  Kirschenkern  die  Hauptrolle. 


Die  Verwendung  <l«-r  Pflanzen  durch  die  Kinder.  .'x 

s.   i:;t.    N - > .  23).     Das  Kirschgummi     Niklas-  oder  Katzenpech.)    wird 
gessen,    nachdem   es  zuvor  „gesponnen",    d.  Ii.  in  feine  Fäden  ausgezogen 
wurde  (allgemein,  b.  auch  Pflaumenbaum,   Prunus  domestica  L.). 

51.  Bulette  (Lappa  officinalis  MI.  Die  Blütenköpfe  zum  Bewerfen 
(allgemein,  für  N.-Ö.  Ii.  II.  8.  134,  No.  27),  zu  Körbchen  für  N.-<">.  B.  II. 
S.  134,  No.  27).  Teppichen  und  Kreuzlein  IM..  Pi.,  Erz.)-  die  Blätter  zu 
Schirmen  (Erz.,  für  N.-Ö.  vgl.  B.  II.  8.  L34,   No 

52.  Knöterich,  bitterer  (Polygonum  persicariaL.  et  lapathifolium  L.). 
-    Sauerampfer  (Rumex  acetosa   L.  . 

53.  Königskerze  (Verbascum  spec.  .  Die  Blätter  werden  geraucht 
(PI.,  Eg.),  s.  Holunder    Sambucus  nigra   L. 

54.  Kohl  (Brassica  oleracea  L.  var.  capitata  I..).  Die  Blattstiele 
geben  „Kühe"  ab  (B..  PI.,  Eg.),  die  Stengel  dienen  als  Wassereimer  and 
Trompeten     B.3  PI.,  Pi.,   Eg.). 

55.  Kornblume  (Centaurea  cyanus  L.).  Zu  Sträussen  and  Kränzen 
(allgemein,  für  N.-Ö.  vgl.   B.  IL  S.  L34,  No:  25  i. 

56.  Kornrade  (Agroeterama  githago  L.).  Durch  Zusammendrücken 
des  Kelches  drehen  sich  die  Blumenblätter  und  es  entsteh!  eine  „Uhr" 
(R,  teilweise  auch  PI.).  Die  Samen  werden  gegessen  (R.,  B.).  obwohl 
derselbe  giftig  sein  soll,  doch  auch  Sehr.,  der  ans  dem  B.  stammt,  teilt 
S.  81   mit,  "dass  er  als   Kind  die  Samen  oft  ohne   Nachteil  ass 

.".7.  Krausemünze  (Mentha  crispa  L.).  Wird  gerne  in  die  Bücher 
gelegt  und  in  die  Kirche  mitgenommen  (PI.),  s.  auch  Stabwurz  (Artemisia 
abrotanum  L.). 

58.  Kürbis  (Cucurbita  Pepo  L.  .  Die  Früchte  geben  Totenköpfe 
(Pi.    N..    N.-Ö)    ab.    >.    auch    Dorsche    (Brassica   oapus  !..    var.   esculenta 

D.U.). 

59.  Lärche  (Larix  deeidua  M i  11  L.  europaea  D.C.  Mit  den 
Langen    dünnen  Zweigen    bekränzen    sich  die  Knaben  gerne  die  Hüte     B., 

PI..  B. 

60  Löwenzahn  (Taraxacum  officinale  Wigg  .  Die  Schäfte  zu  Ketten 
(allgemein,  für  N.-Ö.  vgl.  B.  II.  S.  134,  No.  32,  für  Tirol,  in  welchem 
Lande  die  Pflanze  der  Ringel  wegen  [s.  ...  „Ringelblüml«  ...,d  m  Würtem- 
berg  „Kettenblume«  heisst,  D.  T.  S.  «IT),  wobei  die  hohlen  Stengel  zuerst 
ineinander  gesteckt,  wodurch  ein  Ringel  (Sehr.  S.  L24,  D  I  -  67)  ent- 
steht, und  dann  diese  Ringe  zn  Ketten  ineinander  geflochten  werden. 
Hauptsächlich  beschäftigt  dieses  Spiel  die  Mädchen,  während  die  Knaben 
die  holden  Stengel  zu  Brummern  allgemein)  und  Parzern  (Erz.  nach 
Wilh  S  ->47  nach  D.  T.  S.  <iT  auch  in  Tirol  und  in  der  Schweiz,  E.  L. 
Rochholz.    Alemannisches    Kinderspiel    und    Kinderlied    aus    der   Schweiz. 


der   später   die    Relegier**   des    Friedrich    Gotthelf  Fistel    voi  Scholpforta    und   & 

Lebensabenteucr  veranlasste. 


Blüininl   mitl   li'nit . 

Leipzig  1857,  8.  171.  No.  288.  Die  Kinder  blasen  nämlich  in  den  hohlen 
Stengel  und  erzeugen  einen  trompetenartigen  Ton,  daher  die  ganze  Pflanze 
Im  Defereggenthale  [Tirol,  D.  T.  8.67]  Pfegg,  dim  Pfeggl  [Wind]  heisst) 
verwenden.  Auch  Spiralen  I'..  PI,  Eg.,  Erz.,  R.,  für  N.-<">.  vgl.  B.  H. 
S.  134,  No.  32  .  „Leinwandstösse"  (B.)  genannt,  werden  daraus  verfertigt. 
Der  Fruchtstand  nach  Tsch.  8.37  in  X.  ..Laterne",  nach  Sehr.  S.  128  im 
B.  „Laterne",  im  Nordgau  „Lambl"  [auch  in  Gottschee  nach  Satter  S.  1!»: 
nLämp< •■•  wird  abgeblasen,  was  „Lichtausblasen"  heisst  (allgemein,  Sehr. 
s.  L24,  für  \.-<>.  B.  II.  8.  134,  No.  32,  für  Vorarlberg,  wo  der  Fruchtstand 
„Todtenliechtle"  heisst,  D.  T.  8.67).  So  viel  Früchtchen  an  den  Kleidern 
des  Angeblasenen  hängen  bleiben,  so  viele  Sünden  hat  er  (Eg-..  vgl.  auch 
Hafer  .  So  oft  man  auf  «Ins  abg<  blühte  Körbchen  (Laterr)  blasen  muss, 
um  alle  Früchtchen  beseitigt  zn  haben,  so  viel  Uhr  ist  es  (Wilh.  S.  247 
für  da-*  mittlere  und  südliche  Erzgebirge).  Mit  den  hohlen  Schäften  wird 
auch  in  das  Wasser  geblasen,  damit  es  sprudelt  (Eg.).  vgl.  auch  Getreide 
and   Pferdekümmel. 

61.  M  a ss I  ie liehen  (Bellis  perennis  L.).  Gänkblemla.  —  Dieselben 
werden  im  Frühlinge  an  Fäden  zu  Kränzen  aneinander  gereiht  (PL.  Erz.) 
oder  es  werden  aus  den  Stielen  mit  den  Blüten  kleine  Kränzchen  geflochten 
(Wien),  auch  werden  sie  öfter  als  Orakelblume  benutzt  (dasselbe  geschieht 
auch  in  O.-Ü..  Pf.  S  38  und  in  der  Schweiz,  E.  L.  Kochholz  a.  a.  O. 
s.  172—173,  Nb.  280),  s.  auch  Wucherblume  (Leucanthemum). 

S2.  Mehl  beere  (Sorbus  aria  Crtz.).  In  N.-Ö.  (Oberhollabrunner 
Bezirk)  werden  die  Beeren  als  „Mälbe'dl"  (Mehlbeerl)  gegessen. 

63.  Milchstern  (Ornithogalum  umbellatum  L.).  Die  Blüte  wird 
gegessen  (R.). 

64.  Mohn  (Papaver  somniferum  L.).  Die  Narben  der  Kapsel  dienen 
als  Stern  zum  Spielen  (Erz.). 

65.  Moos  (Musci).  Zur  Ausstattung  von  Krippen  (allgemein,  für 
N.-O.  vgl  B.  H.  S.  134,  No.  36).  Bei  ärmeren  Leuten  wird  es  über  Winter 
in  die  Fenster  gegeben,  und  legen  die  Kinder  dann  als  Schmuck  Vogel- 
oder Schneebeeren  darauf  (allgemein). 

66.  Mutterkorn  (Claviceps  purp  Urea  Tul.).  Wird  manchmal  von 
den  Kindern  gegessen  (Eg.,  PL.  R.). 

67.  Xarcisse  (Xarcissus  poeticus  L.).  Wird  gerne  in  die  Kirche 
mitgenommen  (PI.). 

Nessel  (Urtica  dioeca  L.  et  urens  L.).  Wird  von  schlimmen 
Kindern  in  Blnmensträussen  versteckt,  damit  sich  derjenige,  der  daran 
riecht,  brenne  (B..  PI.  und  a.  0.).  Böse  Knaben  schlagen  mit  Nesseln 
sogar  anderen  Kindern  in  das  Gesicht. 

69.  Nussb  an  m  ( Juglans  regia  L.).  Die  Schalen  liefern  Nusshämmerchen 
(allgemein),    die    im  R.  „Pinkerinke*'  heissen.     Von    den  Blättern,    die  in 


Die  Verwendung  ilcr  Pflanzen  durch  die  Kinder.  59 

X.-n.  ancli  geraucht  werden,  werden  die  I v i | •  ( » < •  t i  l>l<>s-  gelegt,  doch  bo, 
dass  der  Blattumfang  nicht  verletzt  wird,  was  als  eine  Kunst  gilt  (Erz.). 

Tu.  Pestwurz  (Petasites  albus  Gärtn.  et  officinalie  Mönch.).  Die 
grossen  Blätter  dienen  zu  Schirmen  (R.),  s.  auch   Kirn«'  (Lappa 

71.  Pfaffenkäppchen  (Evonymus  europaeus  L  .  Die  Früchte  werden 
zu  Kränzen  aneinander  gereiht  (B.). 

72.  Pferdekümmel  (Anthricua  sylvestris  Hofim.  .  Die  Stengel  za 
Pfeifchen  (IM..  Eg.,  Erz.).  Blasrohren  (K.)-  ,mi'  /uni  Hineinblasen  in  das 
Wasser,  damit  es  sprudelt  (Eg.),  s.  auch  Getreide  and   Löwenzahn. 

7:;.  Pfingstrose  (Paeouia  officinalis  I..;.  im  Dialekte  „Popplrä^sn" 
(Tl..  in  ( ).-(">.  nach  Pf.  S.  45  „Boberrosn«,  in  Tirol  nach  D.  T.  S.  16 
„Pfingstpappel",  in  N.-().  „Bäblrosn",  in  N.  nach  Tsch.  S.  27  llinl.  Hänl, 
wegen    dieses    Namens    vgl.    das    folgende).  Nach   dem    ^breissen   der 

Blumenblätter  bleiben  „Häuerl  and  Hennerl"  (Hähnchen  und  Hennchen) 
stehen  (PI.,  Kr/...  X.).  Die  Blumenblätter  werden  zum  Pfeifen  und  Klatschen 
verwendet  (allgemein),  sowie  auch  gerne  in   Bücher  gelegt    allgemein  . 

74.  Pflaumenbaum  (Prunus  domestica  K.).  Die  Missbildungen  ver- 
ursacht durch  Exoascus  pruni  Fuck.)  von  Früchten  (mundartlich  „Sausäck 
[Dobrzan|.  Wassersäck  [B.],  Bettlmann"  [PJ.|)  werden  gegessen  (allgemein). 
Auch  das  Harz,  sogenanntes  Niklas-  oder  Katzenpech,  wird,  nachdem  es 
zuerst  in  feine  Fäden  ausgezogen  (gesponnen  wurde,  gegessen  (allgemein, 
s.  auch  Kirsche).  In  die  Früchte  werden  Pflöckchen  gesteckt  und  man 
bildet  so  Tiere  nach  (Pi.). 

75.  Preisseibeere  (Vaccinium  vitis  idaea  L.)  s.  Weide  (Salix  spec). 

76.  Reiherschnabel  (Erodium  cicutarium  L'Herit.).  Die  Früchte 
Bind  Uhrzeiger  (N..  vgl.  auch  für  N.-Ö.  B.  H    S.  L34,  No.  41). 

77.  Rohrkolben  (Typha  latifolia  L.).     Die  Kolben  werden  geraucht 

(PI.)- 

7s.    Rohrschilf   (Phragmites    communis    Trin. ).      Zu    Pfeifchen,    in 

welche  hinein  gebrummt  oder  gesungen  wird  (Pi  .   X..   R.). 

79.  Rohr,  spanisches  (Arundo  Donax  L.).  Zu  Pfeilbogen  und  zum 
Rauchen  als   Pfeifenrohre  (allgemein,  für  N.-Ö.   vgl.   B.  H.   S.  l.ll.    N...  42). 

80.  Rose  (Rosa  spec).     Die  Plätter  werden  geraucht  (PI..   Eg 

81.  Rosskastanie  (Aesculus  hippocastanum  L.).  Die  Früchte  zum 
Spielen  (allgemein),  zu  Spinnrädern  (PL  s.  auch  Eiche)  und  zum  Hinein- 
werfen ins  Feuer  (Pi.),  da  sie  darin  knallen.  Aus  den  ausgehöhlten 
Kastanien  wird  geraucht  (Pi ,  s.  Eiche),  während  die  Blätter  zum  Rauchen 
(Wien  und  Umgebung)  dienen,  auch  werden  die  Blattrippen  bloss  gelegt 
(R.,  s.  auch  Eiche  und  Nussbaum). 

82.  Sauerampfer  (Rumex  acetosa  L.).  Wird  gekaut  (allgemein, 
besonders  häufig  im  R.,  auch  in  Schlesien,  vgl.  Gerhart  Hauptmann.  Die 
versunkene  Glocke  [ein  deutsches  Märchendrama,  35.  Aufl.  Berlin  1897.] 
I.  Akt,  S.  8,  Z.  8.  wo  der  Waldschrat  sagt:  ..Kaue  ein  Stückchen  Sauerlump*). 


liluinml   und    B 

Blattei    eu    Brei    geklopft     geben    das  „Ampferbrot"  (PL).     Manchen 
Kindern  wird  bitterer  Knöterich  (Polygonum  persicaria  L.  et  lapathifolium 
um  Kauen  gegeben,    indem  mau  Bagt,  der  Bei  aoch  besser  als  Sauer- 
ampfer.     Lasst  es  Bioh  anführen,  so  wird  es  rech!  ausgelacht  (B.). 

Sauerklee  (Oxalis  acetosella  I..)-  Wird  gegessen  (allgemein, 
nach  Sehr  s.  HO  dient  er  beim  Volke  In  den  Randgebirgen  Böhmen«, 
/.um  Stillen  des  Durst  m  Appetitlosigkeit  and  als  Gemüse). 

B4.  Schierling  (Aethusa  oynapium  L.).  Ein  Stengel  mit  aufgetriebener 
Blattscheide  gilt  als  Pistole    PI.  . 

Schlehe    (Prunus    spinosa   L.\      Die    Früchte    werden    gegessen 
\  -i ».    <  Iberhollabrunner  Bezirk). 

Schöllkraut  (Chelidonium  majus  L.).  Der  Saft  wird  zum  Ver- 
treiben  der  Warzen  (R.),  besonders  der  Pingerwarzen  (südlicher  Hang  und 
Pubs  des  mittleren  Erzgebirges  Dach  Willi.  S.  153,  wo  diese  Pflanze  auch 
znkraut  neisst  benutzt  (auch  in  O.-Ö..  Pf.  S.  40:  in  Tirol  wird  nach 
D.  T.  >.  64  dazu  nebst  Euphorbia  spec.  [s.  Wolfsmilch]  auch  Sedum  acre 
L.  verwendet,  welches  dort  den  Namen  Warzenkraut,  im  Drauthale: 
Warzengras  führt). 

87.  Seidelbast  (Daphne  piezereum  L.).  Wer  an  den  Blüten  riecht. 
bekommt  eine  grosse  Nase  i  PI.  . 

38     Sonnenblume    (Helianthus    annuus    L.).      Die    Früchte    werden 

i  (IM.  N  .  i ; 

Stabwurz.  Wermut  (Artemisia  abrotanum  L.).  Wird  gerne  in 
die  Bücher  gelegt  and,  wie  Krauseminze  (s.  d.),  in  die  Kirche  mitge- 
Dommen     PL). 

.    Stachelbeere  (Ribes  grossularia   L.)  s.  Weide  (Salix  spec). 

91.  Taubnessel    (Lamium   spec).      Die    Blüten    werden    ausgesaugt 
allgemein,    für    N.-O.    vgl.  B.   II.  S.  L32,  No.  1)    und    die    zerschnittenen 

igelstücke  zu   Kränzen  aneinander  gereiht  (B.). 

92.  Traubenkirsche  (Prunus  Padus  L).  Die  Zweige  schmücken 
am  Palmsonntage  die  Palmbüachel.  Zu  diesem  Behufe  werden  dieselben 
Bchon  einige  Wochen  zuvor  abgeschnitten  und  zu  Hause  ins  Wasser  gesteckt, 
damit  sie  bis  Palmsonntag  ausschlagen  (\\..   I'i..  PL). 

ismeinnicht  Myosotie palustris  With.).  Beliebt  zu  Sträussen 
(allgemein;  Sein-.  S.  75  sagt:  wie  überall,  so  gilt  sie  auch  in  unserem  Ge- 
biete  [Randgebirge  Böhmens]  als  Sinnbild  der 'Treue  und  wird  zu  Kränzen 
verwendet  oder  abgeschnitten,  auf  Teller  im  Zimmer  aufgestellt). 

94.  Vogelbeerbaum  (Sorbus  auenparia  L.).  Die  Früchte  an  Fäden 
!_r«'r«il,r.  gelten  als  Halsketten  und  Armbänder  (B..  teilweise  PL,  Erz..  R.), 
im  ausgefrorenen  Zustande  werden  sie  gegessen  (B..  PI).  Aus  den 
Zweigen  werden  Pfeifchen  und  Brummer  gemacht  (allgemein  s.  auch 
Flieder  und  Weide)  and,  damit  die  Rinde  besser  abgeht,  wird  sie  zuvor 
geklopft,    wobei    verschiedene,    oft    derbe  Sprüchlein    gesagt  werden  (all- 


Die  Verwendung  der  Pflanzen  durch  die  Kinder.  ß] 

gemein1  ;  auch  in  N.-»>  .  w,,  jedoch  die  Pfeiferin  aus  Flieder  [Syringa 
Tulgaris  I.  8.  oben]  und  Weide  [Salix  spec.  B.  II.  B.  135  Nb.  51]  gemacht 
werden.  Bind  solche  Spräche  in  Anwendung,  vgl.  diesbezüglich  II  Klose: 
Kinderreime  beim  „Pfeiferlmachen*  im  n.-ö.  Schneeberggebiete.  Zeitschrift 
für  österreichische  Volkskunde.  II.  Jahrg.  1896,  S.  77—78;  auch  Böhmen 
besitzt  Sammlungen  solcher  Reime,  bo:  .1.  Böhm,  Bastlösereime  [aus 
Trautenau],  Am  Urquell,  •'!.  Bd.,  S.  254;  I".  Eübler,  Bastlösereime  ans  «lern 
Gebiete  des  Jeschken-  und  [sergebirges,  Jahrbuch  <\r^  deutschen  Gebires- 
Vereins  für  das  Jeschken-  und  tsergebirge,  \  I.  Bd.  1896,  s.  I_  50;  eine 
umfangreiche  Sammlung  stell!  II.  Ankert.  Bastlösereime  aus  Deutsch- 
böhmen, Mitteilungen  des  uordböhmischen  Exkursionsklubs,  L9.  Jahrg1., 
Leipa  1896,  S.  :;i  42  und  20.  Jahrg.,  Leipa  1897,  S.  164—169  vor.). 
Solche  Sprüche  sind: 

I.    Pfeif »'1,  Pfeif "'I  gäih  o. 
Zeich  da  Kätzn  d'  Haut  o 
Bis  am  Schwoaz,  bis  am  Schweiz, 
Blei  iu;i  Peif 'I  gau"  gonz. 

(B..  teilweise  PI.  H.  Ankert  teilt  a.a.O.  19.  Jahrg.,  S.  38  und  20.  Jahrg. 
S.  16(J  folgende  ähnliche  Sprüche  unter  No.  52 — 55  und  No.  KU   mit: 

1.  Piepe,  Piepe,  malo  [langsam].  3.    Pfifo,  pfifo,  zui  ma  da  Rozen  d'  Haut  o, 
Zieh'  der  Ratzen  's  Fahl  o,  Bis  an  Schwonz,  las  im  Schwonz, 
Zieh'  ser  übern  Schwanz,  Bleibt  ma  Pfeif'rl  dennerst  gonz. 
Piepe,  Piepe,  bleibe  ganz!  [Eisenstein  im  B.  No.  54.] 
[Drum,  Neder,  Höflitz  (B.),  No.  52.]  4     pfWfV,rl    pfeiferlj  pfifo? 

2.  Pfeifl,  Pfeifl,  Pfiff  —  o!  Zuig  mr  dr  Kotz  d'  Haut  o 
Zö  ich  da[n]  Ratza  Haut  o  —  Übrn  Ropf  un   übrn  Schwonz 
Bis  am  Schwaa[n]z,  Wird  mei  Pfeiferl  wiedr  gonz. 
Bleibt  ma[n]  Pfeifl  [Stubenbach  im  B.  No.  55.J 
Dennaht  gaa[n]z.       [Plan,  No.  ")3.] 

5.   Pfeifrl,  Pfeifrl,  pfif  o, 

Zoich'n  Stoia  [Stier]  d'  Haut  o, 
Bis  am  Schwonz,  bis  am  Schwonz. 
Bleibt  ma  Pfeifrl  derma  wida  ganz. 

[Neugramatin  bei  Bischofteinitz,  No.  104. J, 

II.    Pfiffer],  Pfeiferl,  gäih  o'a 
Rreigst  an  raudn  Thäla. 
Wenst  ma  niat  o'a  göihst, 
Schmeiss  i  di  am  Mist. 

(Eg.     Ankert  teilt  a.  a.  O.  keinen  ähnlichen  Vers  mit.) 

III.    Neu1;  gung  Hund  onta  da  Strich. 

Wann  da  ul  scheisst,  wiad  da  ona  scheich. 

(PI.    Ankert  teilt  a.  a.  O.  '20.  Jahrg  ,  S.  1H6  unter  No. 99  etwa-  Ähnliches  mit: 


1)   Vgl.    unsre  Zeitschrift  IV.  T  t — TG     mit   Literaturnachweis),   VI,  99— 101.    295£, 
VII,  62—66. 


Blfimml  Mini  Bott : 

Neu  n    janga  Bond  anta  da  Stöicb, 

Da    alt  dazou  ia  a    a  Voicb.     (Planer  Gegend.]) 

[V.    Biala,  Biala,  Pfeifla. 

<;.  In  da  Hund  BcheUsa.      PI.  . 

(Ankert  hat  a.  a.  O.   XX.  Jahrg.  8.  lfifi  unter  No.  101  einen  Vers,   dessen 
ngszeilen  unserem  Sprache  ähnlich  lauten: 

ßiera,  biera,  Pfeifen  — 

s  Boitaa  Hund  gäiht  scheissen.) 

>.i5.  Wegerich  Plantago  spec).  Die  Blätter  werden  von  den  Blatt- 
stielen abgerissen  und  zeigen  die  nun  herausstellenden  Fäden  (Gefäss- 
bündel)  der  Blattrippen  an.  wie  viele  Mädchen  ein  Knabe  gern  hat  (B.. 
Pi.;  I».  T.  8.52  giebt  für  Tirol  bei  Plantago  major  I.  an:  „Man  pflegt 
aus  der  Zahl  der  beim  Zerreissen  des  Blattes  heraushängenden  „Fäden" 
[Fibrovasal stränge]  die  Zahl  der  Lägen  |wohl  des  betreffenden  Tages?) 
zu  erschliessei 

i)B.  Weide  (Salix  Bpec).  Die  Zweige  von  Salix  caprea  L.  (Palm- 
weide  werden  am  Palmsonntage  geweiht  (allgemein),  wobei  in  die  Palm- 
büschel  auch  grüne  Zweige  von  Traubenkirsche  Prunus  Padus  L.),  Stachel- 
beere  Ribes  grossnlaria  L.),  Preisseibeere  (Vaccinium  vitis  idaea  L.)  u.  s.  w. 
gesteckl  werden  (15..  Pi..  PI.,  dazu  vgl.  auch  R.  v.  Enderes.  Der  Palm- 
Btrauss.  Wiener  Pamilienjournal  [Beilage  zum  Wiener  Tageblatt]  1894. 
No.  7v  v  316).  Geweihte  Knospen  werden  auch  hier  und  da  noch  ver- 
schluckt, um  vor  Halsschmerzen  gesichert  zu  sein  (für  N-O.  vgl.  B.  H. 
S.  13."».  No.  .">1 ;  für  das  Ganze1)  A.  Ritter  v.  Perger  [Über  den  Gebrauch 
unserer  heimischen  Pflanzen  bei  kirchlichen  und  weltlichen  Festen.  Ver- 
handlungen der  k.  k.  zoologisch-botanischen  Gesellschaft  in  Wien.  Bd.  XI. 
1861,  S.  279  -284],  S.  282).  Dort,  wo  der  Vogelbeerbaum  (Sorbus  aucu- 
paria  I..  selten  ist  oder  fehlt,  werden  aus  den  Zweigen  Pfeifchen  und 
Brummer  gemacht    (für  N.-Ö.  vgl.  B.  H.  S.  135,    No.  51;    s.  auch  Vogel- 

1 rbaum   und  Flieder),    auch    dienen  dieselben   zu  Pfeilbogen  (allgemein) 

oder  zur  Herstellung  einer  Art  Sehlitten  ("Wiedlwäge.  Heuwäge.  B..  Pi, 
teilweise  auch  PL,  Erz.,  N.).  In  einen  gespaltenen  Zweig  giebt  man  unten 
einen  Stein  und  lässt  denselben  dann  als  .. Wassermann!  •  schwimmen 
(Pi..   Erz    . 

97.  Weinrebe  (Vitis  vinifera  L.).  Die  frischen,  grünen  und  saftigen 
Ranken  der  Reben,  sogen.  „Granckerl"  werden  in  den  n.-ö.  Weingegenden 
von  den  Kindern  wegen  ihres  sauren  Geschmackes  ausgesaugt.  Die  Blätter 
werden  geraucht  (N.-l 

Weissdorn  (Crataegus  oxyacantha  L.).    Die  Früchte  (Mehlfasserln) 
werden   g<  _:>'ssen  (allgemein). 


1    Vgl  auch  M.  Eyra  in  ansrer  /eitsclirift  VIII,  226. 


Die  Verwendung  der  Pfiaoseii  durch  die  Kinder.  <;.; 

99.    Weizen  (Triticum  vulgare  L  l.     Zwei   Hai werden    zu   einem 

Bändchen  zusammengeflochten,  das  dann  auf  dem  Hute  getragen  wird    B 
PL,  PL),  vgl.  auch  Getreide. 

L00.    Wiesenbocksbart  (Tragopogou  pratensis  I.   .     I>i<-  Stengel 
Zuckerstenge]  —  werden  wegen   ihres    süssen  Geschmackes    gerne    gekaut 
(PL,  in  Tirol  nach  D.  T.  S.  68  essen  die  Kinder  den  Baftigen  Blütenboden 
wie  Artischocken  . 

101.  Wiesenfuchsschwanz  (Alopecurus  pratensis  L.)  Nach  dem 
Abstreifen  der  Ahrchen  wird  die  Blütenspindel  zum  Andrehen  der  Haare 
benutzt  (allgemein). 

102.  Wiesenklee  (Trifolium  pratense  L  ).  Die  Blüten  werden  aus- 
gesaugt (allgemein,  für  N.-(>.  vgl.  B.  II.  s.  132,  No.  1). 

103.  Wilde  Kose  (Rosa  canina  L.).  Die  von  den  Samen  befreiten 
Früchte,  besonders  die  gefrorenen,  werden  im  Winter  gegessen  (allgemein) 
oder  ausgesuzzelt  (N. -<">.).  Die  Blätter  werden  geraucht  (l'l  .  Bg.,  b.  auch 
Rose). 

1<»4.  Wolfsmilch  Euphorbia  spec).  Der  Saft  soll  die  Warzen  ver- 
treiben (allgemein  und  \. -()..  auch  Willi.  S.  247  und  in  der  Schweiz, 
E.  L.  Rochholz  a.  a.  0.  S.  18<>.  No.  305;  daher  führt  nach  I).  T.  s.  :;i 
Euphorbia  cyparissias  L.  im  Drauthale  den  Namen  „WaTzengras").  Vgl. 
auch  Schöllkraut. 

10").  Wucherblume  (Chrysanthemum  Leucanthemum  L.).  Gilt  all- 
gemein als  Orakelblume.  Beim  Ausreissen  der  Randblüten  werden  ver- 
schiedene  Sprüchlein    gesaut,   so. 

„Sie  (er)  liebt  mich  vom  Herzen,    mit  Schmerzen,   ein  wenig  oder  gar  nicht." 

(Allgemein) 

„Sie  (er)  liebt  mich  vom  Herzen,  mit  Schmerzen,  über  alle  Blassen,  kann  von 
mir  nicht  lassen,  ein  wenig  oder  gar  nicht." 

(B.,  Erz.,  für  letzteres  auch  Wilh.  B   L73. 

..Sir  (er)  liebt  mich  von  Herzen,  mit  Schmerzen,  insgeheim,  ganz  allem,  cm 
wenig  oder  gar  nicht.-  Et.,  für  das  Erz.  Wilh    -    17  . 

„Edelmann,  Betlmann.  Kaiser.  König,  Jungfrau,  Drecksau."  (PI 

(Nach  diesen  Anfangsworten,  die  auch  das  folgende  Sprüchlein  enthält, 
heisst  unsere  Pflanze  in  N.  „Edelmönblume"  [nach  bTnothe,  Wörterbuch 
der  schlesischen  Mundart  in  Nordböhmen  (Hohenelbe  L888  .  8.  200]. 
ebenso  in  O.-ö.  nach  den  Anfangsworten  eines  Spruches  [s.  nächsten],  den 
Kinder,  um  ihren  künftigen  Beruf  zu  erforschen,  heim  Zerzupfen  >\c\-  Blüte 
herabsahen  [nach  Pf.  S.  4  1] 

„Kaiser,  Konig.  Edelmann. 

Bürger,  Bauer,  Bettimann. 

Schuster,  Schneider,  Leinwandweber. 

Kaufmann.  Doktor.  Totengräber.-  (Eg.,  Erz.i 


ü\  Haltung: 

(Aach     M.    Kronfeld,    Zauberpflanzen    and    Amulette,    Wien    1898,    führt 

!'ur  Grosse    ähnliche  Reime  an,    die  über  den  Beruf  des   Bräutigaüfl 

beiden,  bo:   „Edelmann,  Bettelmann,  Bur  [Bauer]  .  .  .        „Edelmann, 

Major    .    "  H.  b   w  N- 

„Liebst  du  mich,  liebst  du  mich  nicht"     rPi.) 

„Soll  ich,  soll  ich  nicht.-     (Eg 
-     werden  von  den  Bändern  in   Wien  auch  die  Westenknöpfe  gefragt.) 

..Ja.   nein."     (Allgemein.) 
Die  Blüten  werden  von  dem   Blütenboden  abgelöst,  in  die  Höhe  geworfen 
und    auf   dem   Handrücken    aufgefangen.     So   viele  Blüten  (Zungenblüten) 
nun    auf  diesem   liegen   bleiben,    so  viele   Kinder  bekommt  man  einst  (B., 
PL,   Erz.,   X..  R.)  "der  so  viele   Läuse  hat  man  (Pi.). 

10«5.  Zittergras  (Briza  media  L.).  Kleine  Kinder  schlottern  (klappern) 
damit  (PI.),  daher  die  Pflanze  auch  „Schlodala"  heisst  (PI.,  Sehr.  S.  55  führt 
als  \ 'olksiiamen  für  den  Böhmerwald:  Schlodala,  Schlapperl,  Schlatterl, 
für  Ostböhmen  und  Böhmerwald:  Scbepperln  [Schebala  B.,  Scheterla  Ost- 
böhmen]  an,  auch  in  Schwaben  nach  Schmid,  Schwäbisches  Wörterbuch 
[Stuttgart  1831],  S.  548  „Zitterle";  auch  eine  Apfelart  [Schlattereppl]  giebt 
es,  deren  Kerne  nach  dem  Reifwerden  im  Innern  der  Kapsel  klappern 
[echlattern]  s.  Willi.  S.  201). 

Wien   und  Pilsen. 


Bastlösereime  aus  Anhalt.1) 

Gesammelt  von  Oskar  Härtung. 


Pipe,  willst  du  nicht  geraten,  Pfeifchen,  willst  du  nicht  geraten, 

Schmeiss  ich  dich  in  unsern  Garten;  Schmeiss  ich  dich  in  Schinders  Garten; 

Kommt  die  Kuh,  Kommen  Schinders  Raben, 

dich  zu;  Stecken  dich  in'n  Graben; 

Kommt  die  Maus,  Kommen  Schinders  Hunde, 

Knsst  dich  aus;  Beissen  dich  zu  Grunde.  Cöthen. 

Kommt  der  Storch,  Päppert,  Päppert,  werde  was! 

(ll('h  'lor(h:  Sonst  kommst  du  in  den  Graben, 

Kommt  das  Kalb,  Da  fressen  dich  die  Raben, 

Frisst  dich  halb:  Da  fressen  dich  die  Müllermücken, 

Kommt  das  Schwein.  Die  in  deinem  WaQste  stecken> 

Prisst  dich  über  und  düber  'nein.  Schab  ab>  schab  ab?  >nen  Löffel  voll  Saft. 


Cöthen.  Radegast. 


lj    Vgl.   Fiedler,    Volksreime   und  Volkslieder   aus   Anhalt  -  Dessau.     Dessau  1847. 
S.  97  ff.    R.  Andr^e,  Braunschweiger  Volkskunde.    Braunschweig  1896.     S.  330 ff. 


Bastlösereime  am   Anhalb. 


Dadel-Dndelsäckchen,  bist  du  bald 

Bist  da  nicht  geraten, 

Schmeiss  ich  dich  in  Schinders  Garten. 

Komm!  Schinders  Band, 

Bei8St  dich    w  und  : 

Komm!  Schinders  Kalb. 

Prisst  dich  halb; 

Kommt  Schinders  Kuh. 

Prisst  dich  ganz  dazu 

Aken  und  Trebbicban. 

Sippe,  sappe,  söpe, 

Ich  mach  mir  eine  Flöte 

Von  Thymian  und  Majoran. 

Dnd  willst  du  nicht  vom  Baste  gähn, 

Dann  schmeiss  ich  dich  in'n  Graben, 

Da  fressen  dich  die  Raben.     Wörbzig. 

Pfeifchen.  Pfeifchen,  willst  da  ab! 
Sonst  schmeiss  ich  dich  in  Schinger 

Kommt  die  Kuh,  [Schäfers  Garten. 

Scharrt  dich  zu: 

lvimmt   das   KaJb, 

In -st  dich  halb; 

Kninmt  die  Gans. 

Frisst  dich  ganz.  Löbnitz. 

Pfeifchen,  willst  du  nicht  geraten, 

Schmeiss  ich  dich  in  Schinders  Galten. 

Kummen  Sehingers  Knechte, 

Hauen  dich  zurechte; 

Kommen  Schingers  Mägde, 

Harken  dich  zurechte; 

Kommt  Herr  Schinger  selber 

Mit  seine  jungen  Kälber. 

Pfeif  lein,  zieh'  ab!     Pfeiflein,  zieh  ab! 

Einen  ganzen  Kessel  voll  Salt! 

Oster-Nienborg. 

Päpert,  Päpert,  du  musst  raten, 

Sonst  schmeiss  ich  dich  in  Pfeifers 

Kommt  die  Kuh,  [Garten. 

Frisst  dich  ruh; 

Kommt  das  Schwein, 

Frisst  dich  "rein. 

Päpert,  du  musst  fertig  sein!      Wulfen. 

Pfeifehen,  Pfeifchen,  willst  du  ab! 
Sonst  schmeiss  ich  dich  in'n  Graben. 
Kommt  Sehinders  Hund, 
Der  beisst  dich  in'n  Mund; 
Kommt  Schinders  Karnickelbock, 
Der  sa^t:  Ich  habe  'n  neuen  Rock. 


Zieh  ab.  zieh  abl 

Bin  Theeköpfchen  voll  Salt!      Trinnm. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  willst  du  nicht 

aten, 
Werf  ich  dich  in  Schinderschabers  Garten. 
Kommen  die  Haben. 
Werfen  dich  in'n  Graben; 
Kommen  du'  Mücken, 
Stecken  dich  in'n  Rücken: 
Kommen  die  Schwalben, 
Büngi  i  dich  an  den  allerhöchsten  ( ra 
Rathmannsdoi  f. 

Tippe,  tape,  Flöte, 

Mache  mir  'ne   Plöte. 

Wenn   du    mir   keine   machen   willst. 

Schmeiss  ich  dich  in'n  Graben, 

Da    Kummen   dann   die   Raben; 

Klimmt    das   Kalb. 

Krisst   dich    hall»: 

Kommt   die   Kuh. 

Rollt  dich  zu.  Würflau. 

Pfeifchen,  geh  ab! 
Pfeifchen,  geh  ab, 

Sonst  schmeiss  ich  dich  in  I:  iben. 

Kommt  die  ( [ans, 

Frisst  dich  ganz: 

Kommt   das    Kalb. 

Fris>t   dich   halb: 

Kommt    die   /.icke. 

Bist  du  Qicke. 

SchÖpp   ab!      SchÖpp   ab!     'mm    Löffel    voll 

Salt!  Piethen. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  geh  doch  ab! 

Wenn   du    nicht    willst   ab-ehn. 
Schmeiss   ich   dich    in   Müllers   Graben. 
Da   Iressen  dich  die   Raben; 
Kommen   Müllers  Tauben, 

Die  fressen  ilieh  in'n  Gaumen; 

Kommt   Müllers   Kalb, 

Frisst  dich    halb: 

Kommt   Müllers    Kuh, 

Die  scharrt  dich  zu.  Maasdorf. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  ich  klopfe  dich. 
Wenn  du  mich  liebst,  dann  ziehst  du  dich. 
Wenn  du  dich  nicht  ziehen  thust, 

Schmeiss  ich  dich   in'n  Graben, 

Da  fressen  dich  die  Raben.     Maasdorf. 


Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1SOI. 


Härtung: 


hen,  Pfeifchen,  lau  «lu  raten, 
Schmeiss  ich  «lieh  in  Bfttllera  Garten, 
Kommt  das  Kalb 
Und  friasl  dich  halb; 
ixmnmi  die  Biene 
und  stirbt  dich 
Tüchtig,  tüchtig.  Maasdorf. 

hen,  Pfeifchen,  willst  da  raten, 
Schmeiss  ich  dich  in  Webers  Garten, 
Kommen  Webers  Bunde, 
Pressen  dich  zn  Grande; 
Kumint  Webers  Kuh. 

dich  halb  zum  Tode  zu.    .Maasdorf. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  willst  du  ab, 

Sonst  schmeiss  ich  dich  in  das  Grab. 

Kommt  der  Schinder  Bock, 

Beisst  dich  in  den  Rock; 

Kommt  die  Schinder  Schmidten, 

Die  beisst  dich  in  den  Rücken.  Dohndorf. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  platze  nicht. 
Sonst  wirst  du  meine  Pate  nicht. 
Schmeiss  ich  dich  in'n  Graben 
Bei  die  alten  Raben: 
Kressen  dich  die  Müllermücken. 
Die  dich  hinten  und  vorne  zwicken. 

Zehmitz. 

Pelle,  pelle,  Weide. 

Wenn  du  dich  nicht  pellen  willst. 

Komm'n  die  tollen  Hunde, 

Geissen  dich  zu  Grunde; 

Kommt  das  Kalb, 

Beisst  dich  halb: 

Kommt  die  Kuh. 

rrt  dich  zu.  Elsdorf. 

Holde,  holde  Weide, 

Gieb  mir  Saft  und  Seide, 

Gieb  mir  Saft  und  süssen  Dreck, 

Schipp  es  mit  der  Schippe  weg! 

Schab  ab!     Schab  ab! 

Drei  Löffel  voll  Salt! 

Wenn   du   das   nicht  thust, 
Schmeiss  ich  diHi  in'n  Graben, 
Fressen  dich  die  Raben. 

en  dich  die  Müllerwecken, 
Die  in  deinem  Bette  stecken.       Sporen. 

Schrab,  Bchrab, 

Käsenapp! 

Will   mein   Pfeifchen  noch  nicht  ab. 


ich  dich  in'n  Graben, 
1  n  ssen   dich  die   Uaben; 
Komm'n  die  kleinen  Schweinichen, 
Fressen  dich  allcinichen. 
Schrab  ab,  schrab  ab.  'nen  Löffel  voll  Saft! 

Trinum. 

Klopfe,  klopfe,  Pfeifchen! 
Willst  du  nicht  geraten. 
Schmeiss  ich  dich  in'n  Dorn. 
Zieh  ich  dir  ein  Beinchen  aus, 
Da  mach'  ich  mir  ein  Pfeifchen  draus. 
Neudorf,  Kr.  Ballenstedt. 

Päpe,  Päpe,  lass  dir  raten, 

Komm    mit  in  den  Müllergarten, 

Kommt  die  Kuh, 

Nickt  dir  zu; 

Kommt  die  alte  Midiermücke, 

Frisst  sich  hinten  und  vorne  dicke. 

Sandersleben. 

Huppert,  Huppert,  lass  dir  raten, 

Geh  doch  nicht  in  Schäfers  Garten, 

Kommt  die  Kuh, 

Frisst  dich  zu: 

Kommt  das  Kalb, 

Frisst  dich  halb: 

Kommt  der  Hans, 

Frisst  dich  ganz.  Nienburg  a.  S. 

Hoppe,  hoppe,  Pipe, 
Wennehr  werste  (wirst  du)  ripe? 
Morgen,  morgen  Abend. 
Wenn  du  denn  nich  ripe  werst. 
Schnitten  mer  dek  in'n  Graben, 
Fräten  dek  de  Mücken  un  de  Maden. 
Frose,  Kr.  Ballenstedt. 

Hoppe,  hoppe,  Pipe, 
Wennehr  werste  ripe? 
Hüte  oder  morgen? 
Morgen  um  Sechse 
Kömmt  de  öle  Hexe, 
Schmit  dek  in'n  Graben, 
Da  fräten  dek  de  Mücken  un  de  Maden. 

Frose. 

Pipe,  Pipe,  Bastian, 
Lät  minen  Brummer  gähn! 
Wenn  de  den  nich  gähen  lätst  (lässt), 
Schmit  ek  dek  in'n  Graben, 
Fräten  dek  de  Mücken  un  de  Maden. 

Frose. 


Bastlösereime  ans  Anhalt. 


Pfeifchen,  Pfeifchen,  lass  dir  raten, 
«i.'h  ja  nicht  in  Müllers  Garten. 
nicht  in  den  Hof  hinein, 
bekommst  da  Angst  und  Pein. 
\\  erben. 

Pfeifchen,  Pfeifchen,  willst  dn  raten, 
Dann  bekommst  dn  Gänsebraten. 
Schöpp  ab,  schöpp  ab! 

Einen  ganzen  Kessel  voll  Saft!    Wulfen. 

Pipchen.  Papchen,  schäle  dich, 

!■  ich  werd  ärgerlich.  Cöthen. 

Schah  ab,  schab  ab, 

i   Teilet-   voll   Salt. 
Minen  Teller  voll  Pflanzen, 
Der  Schneider,  der  Schneider  mnss 

tanzen.  Drosa. 

Schab  ab.  schab  ab. 
Drei  Kessel  voll  Satt. 
Drei  Kessel  voll  Rüben. 
Mein  Pfeifchen,  mein  Pfeifchen  mnss 
stieben.  Trebbiehau. 

Päper,  geh  ab! 

Eine  Schüssel  voll  Satt. 

Eine  Schüssel  voll  Wanzen, 

So  mnss  der  Päper  tanzen.         Cöthen. 

Holle,  holle  Weide, 

S..tt.  Salt,  Seide! 

_    ein  Männchen  auf  den  Berg, 


Hatte  grüne  Höschen  an. 
Als  . >s  u ied(  r  'ruatei  Kam. 
Hau'  Höschen  an. 

Schal>   ab,    -'hall   ab, 

Drei  Löffel  roll  Saft! 


Salt.   Saft,   Sc, de! 

Hohle,  hohle  Weide! 
Ging  ein   Mann   den   Berg  hinan, 
w  ic  er  \\  ieder  'runterkam, 
War  da-  Pfeifchen  anfgethan. 

Nienburg  a 

Hänschen  ging  zum    Berg  hinan. 
Hat  ein  rotes  Höschen  an. 
AU   er  wieder    runter  kam, 
Mus-  das  Pfeifchen   lixen-,   (ixen-,   fixen- 
fertig  sein.      WnJfingerode. 

Zapf,  zapf,  Pfeife, 
Auf  dem  Miihlenteiche 

Da  steht  ein  Mann. 
Der  heisst  Johann. 
Der  hat  so  rote  Strümpfe  an.     Cöthen. 

9,  Xiclös, 
Mache  mir  mein   Pfeifchen   los! 
Hans,  Hans, 

Lass  mein  Pfeifchen  ganz! 
Axmagret,  Annagret, 
Muhe,  dass  mein  Pfeifchen  geht! 

Cöthen. 


In  Zeundorf   nehmen   die  Knaben  die  abgeschnittene   Weidenrute  in 

die  Hand  und  sagen: 

Schmied,  Schmied,  mein  Pferd  ist  lahm. 
Wie  viel  Nägel  soll   es  haben'/ 

Darauf  nennen  sie  irgend  eine  Zahl,  etwa  fünf,  sechs,  Bieben,  oder 
irgend  eine  andere  und  klopfen  dann  ebenso  oft  auf  die  Kitte.  Lässt  sich 
die  Schale  dieser  nach  >\rr  genannten  Zahl  von  Schlägen  noch  nicht  ab- 
zielten, so  wiederholen  sie  den  Spruch  und   das  Klopfen. 

Dessau. 


Beicbhardl  i 


Sagen  aus  Nordthüringen. 

Im  Volke  gesammelt  von  K.  Reichhardt. 


I.   Bannsagen. 

1.  Wenn  man  bannen  will,  bo  mnss  man  sich  einen  Zaunpfahl  zu  ver- 
schaffen suchen,  welchen  ein  „Seheidemann",  also  .'in  geschiedener  Ehe- 
mann, in  den  Zaun  gesetzt  hat.  WeDn  diesen  Zaunpfahl  ein  Hirt  in 
seinen  Eürdenzaun,  ein  Gärtner  in  seinen  Gartenzaun  u.  s.  w.  setzt,  so 
bannen  sie  damit  die  Spitzbuben,  welche  in  ihre  Besitzung  eindringen 
wollen. 

2.  Der  gebannte  Spitzbube.  Der  alte,  längst  verstorbene  Förster 
in  Königsthal  verstand  das  Bannen.  Sobald  er  einen  Spitzbuben"  auf  seinen 
Diensrlämlereieii  sali,  ging  er  um  denselben  im  Kreise  herum.  Wenn  der 
Kreis  geschlossen  war.  murmelte  er  einen  Spruch,  und  dann  konnte  sich 
der  Dieb  nicht  von  der  Stelle  bewegen.  So  blieb  ihm  denn  nichts  übrig. 
als  den  herzukommenden  Förster  flehentlichst  zu  bitten,  ihn  frei  zu  lassen. 
Der  Frnstei-  hielt  den  Gebannten  jedesmal  erst  eine  tüchtige  Strafrede 
und    Hess  sie  wieder  frei,    indem  er  um  sie  den  Kreis  wieder  zurückging. 

3.  Die  gebannte  Hexe.  In  Immenrode  lebte  ein  Mann,  welcher 
bannen  konnte.  Dieser  bannte  eine  Frau,  welche  als  Hexe  verschrieen 
war.  in  einen  Dorneiizaun.  Sie  musste  so  lange  darinnen  bleiben,  wobei 
sie  Bich  schrecklich  zurichtete,  bis  er  sie  durch  seine  Sprüche  wieder  löste. 

■4.  Der  Schäfer.  Ein  alter  Schäfer  in  Steigerthal  konnte  bannen. 
\\  enn  er  des  Nachts  in  seiner  Schafbucht  bei  den  Schafen  lag.  so  bannte 
er  die  Spitzbuben,  welche  Schafe  hatten  stehlen  wollen.  Am  anderen 
Morgen  sassen  die  Diebe  denn  auf  der  Umzäunung  fest,  die  gestohlenen 
Schafe  auf  dem  Rücken,  ohne  dass  sie  sich  von  der  Stelle  zu  bewegen 
vermochten.  Erst  auf  ihre  flehentlichen  Bitten  wurden  sie  vom  Schäfer 
wieder  befreit. 

5.  Der  Zwiebeldieb.  In  Ilfeld  lebte  ein  Mann,  welcher  einst  in 
der  Nacht  ans  seinen  Büchern  ersah,  dass  ihm  ein  Dieb  auf  seinem  Acker 
Zwiebeln    stahl.     Er    sprach    seinen  Spruch,    und    alsobald    war    der  Dieb 

rantj  so  dass  er  nicht  von  der  Stelle  konnte.  Am  anderen  Morgen 
ging  der  Mann  auf  das  Feld.  Schon  von  weitem  bat  ihn  der  Dieb,  er 
möge  ihn  doch  von  seiner  Qual  erlösen.  Das  that  dieser  auch  und  da 
ihn  der  Mann  dauerte,  so  liess  er  ihm  die  Zwiebeln,  ja  er  gab  ihm  noch 
Geld  dazu,  warnte  ihn  aber  davor,  je  wieder  auf  Stehlen  auszugehen,  da 
es  ihm  snn>t  Bchlimmer  ergehen  würde. 


-     'ii  aue  Nordthärinj 

6.  Der  Kohldieb.  Ein  alter  Lehrer  in  Obersachswerfen  verstand 
•  las  Bannen.     Einstmals    war    ihm    in    der  Nacht   Kohl    gestohlen    worden. 

\U  er  das  am  anderen  Morgen  merkte,  ging  er  in  den  Garten. und  nahm 
das  .Mass  der  Fusstapfen  des  Diebes,  indem  er  sie  in  Papier  anaschnitt. 
Dann  sprach  er  seinen  Spruch  darüber.  Kaum  war  dies  geschehen,  so 
kam  seine  Magd  atemlos  ans  dein  Dorfe  zu  ihm  gelaufen  und  erzählte 
ihm,  dass  das  Bein  ihres  Vaters  zu  schwellen  anfange.  Da  Bagte  ihr  'I<t 
Lehrer:  „Ich  will  Deinem  Vater  helfen,  wenn  er  zu  mir  kommt  und  zn- 
giebt,  'lass  er  den  Kohl  gestohlen  hat."  Das  Mädchen  sagte  das  seinem 
Vater,  und  so  schwer  es  diesem  wurde,  er  musste  Bich  dazu  entschliessen, 
zum  Lehrer  hinken  und  ihm  alles  gestehen.  Darauf'  mnrmelte  dieser 
-einen  Spruch  und  die  Schwellung  des  Beines  verschwand. 

7.  Der  gebannte  Wagen.  Ein  .Mann  fuhr  mit  seinem  Wagen  ruhig 
des  Weges,  Ins  er  in  die  Nähe  von  Gudersleben  kam.  Dort  blieb  der 
Wagen  plötzlich  halten,  es  hatte  ihn  jemand  gebannt.  Er  Btieg  vom 
Wagen,  versuchte  die  Räder  zu  lockern  nml  den  Weg,  welcher  tiefe 
Gleise  hatte,  zu  ebnen.  Alter  alles  half  nichts,  die  Pferde  zogen  nicht 
an  und  der  Wagen  kam  nicht  vorwärts.  Da  wurde  der  .Mann  wütend  und 
schlng  auf  die  Pferde  los.  Mit  einem  Male  brachen  einige  Speichen,  die 
Pferde  zogen  an,  und  das  Geschirr  vermochte  sich  wieder  von  der  Stelle 
zu  bewegen. 

8.  Die  gebannte  Diingerfuhre.  [n  Stöckey  lebte  ein  Bauer,  welcher 
das  Bannen  verstand.  Vor  seinem  Tode  lehrte  er  seinen  Sohn  diese 
Kunst,  dann  starb  er.  Der  Sohn  machte  jedoch  keinen  Gebrauch  davon. 
Nun  sah  er  einstmals  einen  Knecht  eine  Fuhre  Dünger  mit  vier  Pferden 
auf  der  Landstrasse  fahren.  Da  kam  ihm  plötzlich  die  Neigung,  einmal 
zu  erprohen,  was  es  mit  dem  Bannen  für  eine  Bewandtnis  habe.  Er  sprach 
seinen  Spruch  und  alsobald  standen  die  Pferde;  es  war  keine  Möglichkeit 
vorhanden,  sie  von  der  Stelle  zu  bringen.  Der  Hauer  erschrak  selbst  voi 
dem.  was  er  angerichtet  hatte.  Er  nahm  die  Peitsche,  ging  damit  im  Kreise 
um  das  Geschirr  herum  und  murmelte  seinen  Spruch  dazu.  AJsobald  zogen 
die  Pferde  wieder  an.  Das  Bannen  hat  der  Bauer  nicht  wieder  geübt  und 
auch  seine  Sohne  nicht  darin  unterwiesen,  denn  er  hatte  genug  von  dem 
einen  Male,  wo  er  die  Wirkung  des  Bannes  kennen  gelernt  hatte. 

II.   Hexensagen.1) 

9.  Das  liehexen  des  Viehes.  Bin  altes  Weil,  darf  nicht  in  einen 
fremden  Viehstall  kommen.  Geschieht  dies  dennoch,  so  muss  die  Alte 
das  Vieh  schlecht  machen,  also  etwa  sagen:  ..Ist  das  aber  ein  erbärmliches 
Meli!"    Lobt  sie  es  dagegen,  so  wird  es  dadurch  behext  und   wird  krank. 


1)  Vgl.  auch  meinen  Artikel  „Die  Drostin  von  HaiWungen",  Bd.  VI,  S.  78— 82  dieser 

Zeitschrift. 


7o  Reichhardt: 

10.  Die  K.it/.'.  Ein  Bauer  in  Mauderode  hatte  eine  Kuh.  von 
welcher  er  keine  Milch  bekam.  Das  kam  ihm  sonderbar  vor.  und  er  be* 
BchloBs,  dem  Grande  nachzuspüren.  Deshalb  stellte  er  sich  in  der  nächsten 
N ; u •  1 1 1  auf  die  Lauer.  Da  sah  er,  wie  eine  schwarze  Katze  in  den  Stall 
kam  and  der  Kuh  am  Euter  die  Milch  aussog.  Am  folgenden  Morgen 
erkundigte  er  sich  bei  Leuten,  welche  das  wussten,  danach,  was  er  dagegen 
zu  thuu  habe.  Da  erhielt  er  den  Kar.  er  solle  aus  sieben  Wählern  der 
Grafschaft  Eohenstein  Eichenstöcke  schneiden  and  die  Katze  damit  schlagen. 
1 1  -  that  der  .Mann  denn  auch  und  sehlug  mit  den  sieben  Stöcken  in  der 
nächsten  Nacht  so  auf  die  Katze  los.  dass  sie  wie  tot  <la  lag.  Darauf 
wart'  er  sie  zum  Stalle  hinaus.  Am  nächsten  Taue  starb  eine  alte  Frau 
im  Dorfe,  vod  welcher  man  sich  erzählte,  dass  sie  eine  alte  He\e  sei. 

11.  Der  Ziegenbock.  Eines  Tages  kam  eine  Frau  zu  einem  Hauern 
in  Liebenrode,  um  sich  von  diesem  einen  Scheffel  Korn  zu  kaufen.  Sie 
hatte  aber  kein  Geld  und  wollte  dieses  später  bringen.  Der  Bauer 
hatte  alier  keine  Neigung,  auf  das  Geschäft  einzugehen,  denn  er  glaubte, 
er  werde  doch  kein  Geld  bekommen,  deshalb  sagte  er,  er  habe  schon 
alles  verkauft.  Die  Frau  musste  also  wieder  gehen,  alter  kaum  hatte  sie 
.las  Gehöft  verlassen,  so  begann  der  Ziegenbock,  welcher  bisher  immer 
munter  auf  dem  Hofe  umhergesprungen  war.  ängstlich  zu  meckern  und 
dann  hin  und  her  zu  taumeln.  Der  Bauer  ahnte  nichts  Gutes,  als  er  das 
sah:  er  wusste  gleich,  dass  das  mit  der  Frau  zusammenhing,  welche  er 
abgewiesen  hatte.  Deshalb  schickte  er  sofort  nach  ihr  und  liess  sie  zurück- 
kommen. Das  that  die  Prau,  und  nun  sagte  der  Bauer,  es  habe  sich  ge- 
zeigt, 'lass  ei  noch  Kern  habe,  er  wolle  ihr  welches  ablassen.  Dann  sagte 
er  der  Frau  auch:  ..Seht  nur  einmal  meinen  Ziegenbock  an,  wie  kläglich 
der  thut."  Die  Frau  ging  auf  den  Bock  zu.  fasste  ihn  beim  Barte  und 
sprach:  „Ei,  du  dummer  Bock,  was  machst  du  denn  für  Dummheiten." 
Kaum  hatte  die  Prau  diese  AYorte  gesprochen,  so  war  der  Bock  wieder 
gesund. 

12.  Die  melkende  Hexe.  In  AYiedigshof  lebte  eine  Frau,  von  der 
man   -ich  erzählte,    dass  sie  eine  Hexe  sei.     Sie  stand  auch  im  Verdachte, 

sie  die  Kühe  einer  Bäuerin  heimlich  melkte;  es  war  alter  noch  nicht 
gelungen,  sie  dabei  zu  erwischen.  Sie  verstand  es.  sich  unsichtbar  zu 
machen.  Ihre  Macht  ober  das  Vieh  hatte  sie  dadurch  erlangt,  dass  sie  je 
dreimal  an  einem  Montag  und  Freitag  von  dem  Bauer  etwas  geborgt  hatte. 
Da  alle  Bemühungen  des  letzteren  fruchtlos  gewesen  waren,  so  liess  er 
sich  endlich  einen  Mann  kommen,  welcher  das  Bannen  verstand.  Dieser 
lies-  sich  von  dem  Bauer  einen  Sack  geben,  sprach  über  denselben  unter 
Nennung  des  Namens  der  Hexe  seinen  Spruch,  dann  band  er  ihn  mit  drei 
Knoten  zusammen.  Darauf  forderte  er  den  Bauern  auf.  den  Sack  mit 
einem  Stocke    zu    bearbeiten.     Dieser    liess    sich    das    nicht    lange   gesagt 


•  n  aus  Nordthüringen.  7  1 

sein  im 1 1  schlug  mit  dem  Stocke  wacker  auf  den  Sack  los.  Alsobald  hörte 
er,  dass  jene  Frau,  welche  eine  Hexe  war.  krank  darniederläge  and  furcht- 
bare Schmerzen  auszustehen  hätte. 

13.  Die  Hexe  von  Salza.  In  Salza  lebte  eine  Frau.  die  alte  Apeln, 
welche  als  Hexe  verschrieen  war.     Sie  lebte  von  dem  Bande)  mii  Geflfl 

>ic  kaufte  auf  den  Dörfern  Hühner,  Gänse  and  Tauben  auf,  brachte  Bie 
zur  Stadt  und  verkaufte  sie  dorl  wieder.  Die  Kinder  aeckten  die  alte 
Frau  dadurch,  dass  sie  die  Stimmen  der  von  ihr  geführten  Tiere  oach- 
ahmten.  Die  Alte  ärgerte  sich  darüber,  dass  Bie,  wie  die  Sage  geht,  die 
Kinder  behexte.  Die  Gewalt,  die  Kinder  zu  behexen,  bekam  Bie  dadurch 
aber  diese,  dass  Bie  sie  freundlich  anredete^  ihnen  auch  wohl  Geld  gab 
und  so  an  sich  lockte.  Alsdann  stellte  sie  drei  Prägen  und  richtete  Bie 
sm  ein,  dass  die  Kinder  auf  jede  Präge  mit  „Ja"  antworten  mus 
Hatten  die  Kinder  das  gethan,  so  hatte  die  alte  Apeln  die  Mach!  der 
Übertragung  einer  Krankheit  auf  die  Kinder.  Eines  Tages  fand  man  die 
Alte  erschlagen  im  Sethebache  bei  Salza  liegen.  Der  Mörder  isi  oichl 
ermittelt  worden. 

14.  Der  Schmiedegesell.  Eines  Tages  ging  ein  wundernder 
Schmiedegesel]  seines  Weges  mit  wundgelaufenen  Füssen.  Da  kam  ein 
Wagen    gefahren,    und    der  Schmiedegesel!    bat    den   Fuhrmann,    er   d 

ihn  mitfahren  lassen.  Der  Fuhrmann  aber  antwortete  aicht  einmal  auf 
die  lütte.  Im  oächsten  Gasthofe  hielt  der  Fuhrmann  an.  und  auch  i\>-v 
Schmiedegesel]  kehrte  dort  ein.  Wiederum  hat  er  den  Fuhrmann,  ihn 
mitzunehmen,  alier  auch  jetzt  ging  dieser  auf  die  lütte  nicht  ein.  Da 
trat  der  Schmiedegesel]  an  <\-,[*  Fenster  und  sah  scharfen  Flick»-  auf  die 
Pferde.  Als  nach  einer  Weile  der  Fuhrmann  weiter  fahren  wollte,  begann 
eines  von  den  Pferden  zu  lahmen.  Das  Fein  desselben  schwoll  bald  so 
an,  dass  es  getötet  werden  musste.  Der  Schmiedegesel]  hatte  das  {'i'r^l 
behext. 

15.  Der  Scharfrichter.     In   [mmenrode   waren   eins!   einem   Bauern 
200  Thaler  gestohlen  worden.    So  eifrig  man  auch  nach  dem  Diebe  forschte, 
man   bekam  ihn  aicht  heraus.     Da  wandte  Bich  der  Bauer  an  den  Scharf- 
richter von  Ellrich,  welcher  Zahn  hiess  and  von  dem  man  wusste,  das 
hexen  konnte.     Derselbe  kam  auch,    liess  -ich  alles  erzählen,    dann   nahm 
er    ein  Blatt  Papier    und    machte  Zeichen   darauf,    die  aber  niemand  ver- 
stehen   konnte.     Darauf   zog    er    eine    kleine  Gabel  aus  der  Tasche.     .Mir 
dieser  Gabel  stiess  er  fortwährend  auf  das  Papier  los.   welches  er  an  eine 
Ecke  des  Tisches  gelegt  hatte.    Kaum  war  dies  geschehen,  als  sich  dran 
vor    dem    Hause    eine    Stimme    vernehmen    liess.    indem    ein    Mann    rief: 
..Xachbar.    Nachbar    helft   mir.    ich  sterbe."     Aber  der  Scharfrichter  hörte 
auf    das  Geschrei    nicht,    sondern   stach  immer  schneller  mit  Beiner  G 
auf  das  Papier  los.     Da  riss  der  Bauer  das   Fenster  auf  und  sah,   wie 


~-j  Reichhardt:  Sagen  rua  Nordthüringen. 

••in  Mann  vor  Schmerzen  an  deT  Erde  wälzte.  Da  ri<'t'  er  ihm  zu:  „Warte 
nur.  nun  kenne  ich  Dich,  l)u  Spitzbube!"  Nun  hörte  der  Scharrrichter 
auf,  mit  seiner  Gabel  auf  das  Papier  loszustechen.  Der  .Mann  vor  dem 
Fenster  aber  gestand  seinen  Diebstahl  "'in. 

III.   Schatzsagen. 

16.  Das  Licht.  Auf  der  Feldmark  bei  Bodenrode  an  der  Nixeier 
Chaussee  siebt  man  des  Nachts  häufig  ein  Licht  brennen,  denn  es  liegt 
dort  «'in  Schatz  der  Nikolaikirche  <les  wüsten  Dorfes  Bodenrode  vergraben. 

17.  Der  alte  Weidenstumpf.  Im  Setheborn  bei  Liebenrode  war 
ein  alter  Weidenstumpfj  auf  dem  es  brannte.  Nun  wusste  mau,  dass  dort 
ein  Schatz  zu  heben  sei.  Zwei  .Mädchen  Hessen  sich  den  Spruch  zur 
Hebung  desselben  sagen  und  machten  sich  in  der  nächsten  Nacht  schweigend 
auf.  Das  eine  Mädchen  versteckte  sich,  als  sie  zur  Stelle  waren,  hinter 
den  Weiden,  die  dort  standen,  das  andere  trat  hinzu  und  sagte  den  Spruch. 
Assobald  begann  ein  eiserner  Topf  sich  aus  der  Erde  zu  heben.  In  dem- 
selben Augenblicke  erschien  aber  auch  ein  grosser  Hund  mit  feurigen 
Augen.  Das  Mädchen,  welches  sich  versteckt  hatte,  schrie  vor  Schreck 
bei  dem  Anblicke  laut  auf,  augenblicklich  aber  verschwand  Hund  und 
Sehatz. 

18.  Der  Knecht  als  Schatzgräber.  In  der  Nähe  von  Wiedigshof 
lieg!  an  einer  bestimmten  Stelle  ein  Schatz  vergraben.  Eines  Nachts 
hörte  ein  Knecht,  welcher  Hans  Rumpf  hiess,  eine  Stimme,  die  ihm  zurief: 
..Hans  Rumpf,  geh'  dorthin,  wo  der  Schatz  vergraben  liegt,  es  soll  Dein 
Glück  sein."  Der  Knecht  dachte  nicht  weiter  daran,  was  ihm  in  der 
Nacht  geschehen  war.  Aber  auch  in  der  nächsten  Nacht  hörte  er  dieselbe 
Stimme  und  dieselben  Worte  wieder.  Am  nächsten  Morgen  erzählte  er 
dem  Hofmeister  sein  Erlebnis.  Dieser  machte  ihm  Mut,  der  Stimme  zu 
folgen  and  in  der  nächsten  Nacht  nach  dem  Orte  zu  gehen,  von  welchem 
die  Stimme  gesprochen  hatte.  Das  that  denn  auch  der  Knecht.  Als  er 
an  < >rr  und  Stelle  war.  gewahrte  er  vor  sich  eine  Thür,  an  welcher  ein 
Schloss  hing.  Als  er  im  Begriff  war.  mit  einer  mitgeführten  Rodehacke 
das  Schloss  zu  erbrechen,  sah  er  sich  zur  Seite  plötzlich  eine  Gestalt 
auftauchen,  welche  eine  Flinte  auf  ihn  anlegte.  Da  konnte  er  sich  nicht 
halten  und  stiess  Laute  des  Schreckens  aus.  \n  demselben  Augenblicke 
verschwand  die  Thür  vor  seinen  Augen. 

19.  Der  Schatz  bei  Trebra.  In  der  Nähe  von  Trebra  war  ein 
Schatz  vergraben.  .Man  hatte  davon  gehört  und  es  war  auch  mittels  einer 
Wünschelrute  gelungen,  den  Platz  zu  ermitteln,  wo  der  Schatz  lag.  So 
machte  man  sich  denn  eines  Nachts  daran,  den  Schatz  zu  heben.  Yon 
den  Schatzgräbern  war  bei  der  Arbeit  kein  Wort  gesprochen  worden,  und 


Schütte:  Braunschweigische  Volksreime. 

bo    war    denn    alles    im   besten  Zuge,   als  plötzlich  ein  Wagen  angefahren 
kam,  welchen  ein  Kutscher  ohne  Kopf  lenkte.     In  demselben   Augenblick, 
wo    der    Wagen    nahe    herangekommen    war,    erhob    sich    ein  .gewall 
Wind,  die  Laterne  verlosch  und  die  Schatzgräber  liefen  entsetz!  davon. 
Rntta  bei   Kemberer. 


Braunscliweigische  Volksreime. 

Mit_.'t«  ih  von  Otto  Schütte. 


Es  giebt  unzählige  Volksreime1]  Teilweise  eignen  sie  sich  für  das 
Kindesalter  und  werden  von  den  Kindern  auf  «Iit  Strasse  gerufen,  wenn 
si<>    zusammenstehen    und    sich   unterhalten,    sei   es   d  egnet,    sei  ea 

dass  die  Sonne  scheint,  sei  es  dass  die  Früchte  reiten.  Blanche  der  Reime 
schliessen  sich  an  Vor-  und  Nachnamen  an,  die  meisten  aber  enthalten 
Wahrheiten,  die  auf  einerlangen  Lebenserfahrung  beruhen.  Blanche  haben 
auch  ihren  (irmnl  in  »1er  Reimlust  <\(^   Volkes  allein. 


Beileberen,  Heileberen 

Et1  ik  geren, 

Et'  ik  alle  Dage  geren. 

AVer  will  mik  denn  dal  verweren, 

Dat  ik  raupe  Heileberen. 

<  rele  (sc.  Birne) 

Fade  mik    in  de   Kehle. 

Bannenregen,  mak  mik  nich  uatt, 
Mak  de  ölen  Wiwer  natt, 
Aber  mine  Grossmutter  nich. 

Ei<  genblatt,  mak   mik  nich   natt. 
Mak  alle  bösen  Kinder  natt. 

Et  langet  an  tau  renen, 

1)'    Voss  hat  wat  in  en  Tänen. 

Et  langet  an  tau  snien. 

De  Voss  hat  wat  in  en  Knieen. 

Et  fanget  an  tau  sloten, 

De  Voss  hat  wat  in  en  Knoken. 

Et  fanget  an  tau  dauen. 

De  Voss  hat  wat  in  en  Klauen. 

Sechs  mal  sechs  ist  36, 

Und  der  Mann  ist  noch  so  fleissig. 


Und  die   Frau   will    Kailee   kochen. 
Hat  der  Mann  das  Geld    versoffen. 

Sechs  mal  sechs  ist  36, 

lud    ilry   Mann    ist   noch   so   ilc  i ~ 

Und  die  Frau  ist  ärgerlich, 

Haut  den  kleinen  Friederich 

.Mit  dem  Besen   in  den   Nacken. 

Dass   ihm   gleich   die   Glieder   knacken 

Wihnachtsmann.  du  güe  Gast, 

Wenn   de   wat   im   Sacke   hfl 
Baste    wat.    denn    seit   dik    nedder. 
Haste    nist.    denn    pack    dik    weddei. 

Segg  eraal:  Pensterschiwe. 

Dine   .Mutier   hat   en    Kind    im    LiwP 

emal :  Kerkenslöttel. 
Bit  op  en  Werken köttel. 

Fünf  Bücher  Mose, 

Flicke  mine  Ho 

Das   Buch  der  Richter, 

.Mak  s'  en  betten  dichter. 

Das  Buch  Ruth. 

Is  se  all  wedder  kaputt. 


1)  R.  Andree,  Braunschweiger  Volkskunde.     Brannschweig  1896.     S.  317  ff.  341  ff. 


Schatte:  Braunschweigische  Volksri 


Alle  Menschen  müs  beo, 

Nur  der  kleine  David  Dicht, 
i !         i  ben, 
Wenn  sie  ganz  zerrissen  ist 

Alle  Menschen  müssen  sterben, 
Nur  der  K.tni  i    Rü£  emeier  Dicht, 
Wer  will  Beinen  Klnnzfoss  erben, 
\\  er  ihn  kennt,  der  nimmt  ihn  nicht. 

Köpken  glatt  an  Fäutjen  glatt, 
Dat  is  de  halbe  Brntschatt. 

Snei  an  ea  Wannen, 

Prn  K.  hat  witte  Lennen.1) 

Kort  im  dick 

Hat  kein  Geschick, 

_  un  snar 
Dat  let  rar, 

Aber  en  Mäken  von  mine  Mate 
Ziert  de  ganze  Rosmarienstrate. 

Ein  hübsches  Mädchen  sehn 
lud  nicht  dürfen  küssen 
lleisst  an  der  Quelle  stehn 
Und  dann  noch  dürsten  müssen.-') 

Hübsch  mnss  er  sein. 

Kein  mnss  er  Bein, 

'  reld  mnss  er  haben, 

Sporen  muss  er  tragen, 

Dann   kann  er  nach  mir  fragen. 

Allnagrade  tritt  Hans 

In    't   Wams 

Un  Gretjen  in  't  Lifstücke. 

En  Barsch  in  Swae8) 

In  en  Mäken  im  Bae 

Kann  immer  noch  en  Paar  weren. 

Täneweidage 

Is  keine  Plage, 

Aber  en  Schatz  hebben  un  den  nich 

seihn  alle  Dage, 
Dat  is  ne  Plage. 
Ole  I  stet  nich, 

!)<•  nie  halt  de  Düwel  nich. 


Kole  Hanne  —    warme  Liebe, 
Warme   Hanne  —  Liebe  ohne  Enne. 

Wie  Bchön  lacht  üscli  de  Morgensteren '), 
Lütje  Biäkens  friet  geren, 

<  rrote   noch   vel   leiwer. 

Lütje  Flöhe,  grote  Flöhe 
Bücket  op  en  Lennen. 

Krieg'  ik  se  mit  den  Tauen   nich, 
Su  krieg'  ik  sc  mit  ^\e\\  Hannen. 
Denn   slag"   ik  se  up  de  Kuppe, 
Denn   knacket  se   wie  de  Nötte. 

Aleke"'    von  Dörpe, 
Wat  kost  iüe  Gans? 
..Narr  ut  der  Stadt. 
Licl:  en  Buren  et  Gat.'" 

Anna         Kapanna.6) 

Anneken    ■-  Panneken  Postpapier. 

Einmele  —  Semmele. 

Hanne  —  Slapanne 
Slöpt  geren  bim  Manne, 
Hat  hundert  Saldaten, 
Kann  "t  lachen  nich  laten. 

Edeward  —  de  Zicke  blarrt, 
Gii"  se  wat  tau  freten. 
Gifst  se  nist.  sau  wetste  wat, 
Sau  deit  se  dik  wat  bläken. 

Edeward  —  de  Zicke  blarrt, 
Gif  se  wat  tau  supen, 
Da  kann  se  gut  na  pupen. 
Ewald  —  de  Hose  knallt. 
Fritze    —  mit  der  Mütze. 
Fritze  —  schit  in  de  Mütze, 
Schit  in  en  Sack, 
Dann  ward  't  Tabak. 

Fritze  —  schit  in  de  Mütze, 
Smit    t  in  de  Luft, 
Dat  't  gut  bufft, 
Drägt  "t  na  Linken, 
Dat  et  gut  stinket. 


1     Wurde  früher  (vor  60  Jahren)  spottweise  in  Schöningen  zu  Sylvester  umgesungen. 
•_'    Froher  Inschrift  an  einem  Topfofen  zu  Hohenbüchen. 

rwaden:    ein  Gras  oder  Getreide  mähender  Bursch.  —   Im  Bade:    ein  eben 
Mädchen. 

4)  VgL  bei  Andree  a.  a.  0.  342  den  mit  Nun  ruhen  alle  Wälder  anfangenden  Reim. 

5)  Ak-ke,  Alke  =  Adelheid,  alter  Spottname  niederdeutscher  Bäuerinnen. 

6)  K.  Andree  a.  a.  0.  S.  3321'. 


Loose:  Die  Eiserkv  nd. 

Heinrich  —  von  Scheinig  Brand        Bchitl  in    t  Land, 

ll.it  Snurtjen  am  Beine,  bitt  ap    t  Blech, 

Hat  einen  verloren,  Barns  i>    t  w 

Kriegt  klapps  einen  hinder  de  Ohren.       Kumml  Dackstein, 

,,  ,D     .;  Wollt    t  ok  mal  Beihn. 

Hennig  —  twei  rennig, 

Kartuffelnsalat,  der        Gand 

Haste  kein  Geld,  so  licke  mit  im  Ars.     I'"°"'  ™r  en  Marse  witt? 

Jakob        sperr  'n  Ars  op. 


I  i;i  iis   —    ist   nicht   zu    Hau-. 

Hanne        schitt  in  de  Paune. 


Julias        Bteig  u|>  en  Busch, 

..,,,„",  Kelbe  —  8i  hm  m  »1«'  Elbe. 

Da  brok  de  Husch, 

Da  fei  de  leiwe  Jalias  Kasten  -     haste  keinen  Gasten? 

Mit  'n  Marse  in  en  Dorenbusch,  Haste  keinen  Weiten, 

Da  brok  e  sik  de  Nase  af,  Kannste  Kasten  nich  heiten, 

Da  kreg  he  'n  summen  Hacken.  Kruse     -  is  nich  tau  Hu 

Krischan        sehnt  in  de  Dischlan.         Kuthe        ''"  Danz  is  Jetz  ute' 

Hei  stickt  et  Geld  in  e   Tute 

Kunrat  allunderlat  ,-      ,  „.  -,     ,      ,,    , 

l  n  kriegt  wecke  mit  de  Rute 
Schitt  en  Hucken  in    t   \  eriatt.  .       .     c 

An  de  Snute. 

Kunrat    -  allunderlat  Meier        hat  en  Ding  un  tw< 

Schitt  en  Pott  vull  Pekedraht,  Osterloh  -      den  bitt  de  Floh. 

Ga  er  m!dde  m    "  Winkel>  Sitt  mit  en  Arae  im  Hawerstrob. 

W  o  et   nich   stinket.  ... 

Schütte    -  sehnt  m  de  Hütte, 

Behme  —  sitt  mit  'n  Ärse  im  Lehme.     Schilt  bitau        schitt  in  en  Schauh. 
Kugel  —  Bengel  Bohnenstengel.  Tappe  —  frit  ut  en  Nappe. 

Bra  unschw  eis:. 


Die  Eiserkuchen  der  Zerbster  Gegend. 

Von   K.  Loose. 

!u  Zerbsl  und  seiner  Umgegend  werden  Waffelkuchen  gebacken,  denen 
anstatt  des  Gitters  oder  in  Verbindung  mit  demselben  vielerlei  anderer 
Bilderschmuck  aufgeprägt  ist  und  welch.'  dort  zu  Lande  Eiserkuchen  all- 
gemein genannt  werden.  Ihr  Verbreitungsgebiet  ist  im  Westen  und  Süden 
von  der  Elbe  scharf  begrenzt;  es  schliesst  Dörfer  bei  Coswig  a.  E.,  Nedlitz, 
Wiesenburg  und  Ortschaften  bei  Beizig  ein,  ohne  dass  mit  dieser  Angabe 
die  Grenzen  nach  Osten  und  Norden  genau  bezeichnet  sein  Bollen,  un- 
bekannt sind  diese  Kuchen  mir  ihrer  mannigfaltigen  Zeichnung  im  übrigen 
Anhalt  und  -  nach  allerdings  nur  gelegentlichen  Erkundigungen  —  in 
der  Magdeburger  Gegend,  der  Altmark,  Mark  Brandenburg  und  in  anderen 
deutschen  Gauen,  so  dass  es  den  Anschein  hat,  als  wären  sie  jetzt  auf  das 
beschriebene  Gebiet  ausschliesslich  beschränkt.1) 


1)  [über  die  westfälischen  tserkauken:  Woeste,  Wörterbuch  der  westfäl.  Mundart,  8.118;] 


I 

Ererbter  Sitte  gemäss  wurden  sie  zu  Neujahr  und  Fastnächten,  sonst 
aber  im  Laufe  des  Jahres  nur  zu  dem  Zwecke  gebacken,  Schwerkranken 
iiml  Wöchnerinnen  des  Dorfes  ein  Freundschaftszeichen  damit  zu  ver- 
ehren. Zu  Neujahr  wurden,  wie  aus  einem  Orte  sicher  bezeugt  ist,  aus 
jedem  Gehöft  7  Eiserkuchen  dem  Kantor  geschickt,  welche  zu  dessen 
Dienstbezügen  gehörten.  An  die  Hirten  wurden  Eiserkuchen  geschenk- 
weise ui'Iim  anderen  Gaben  verabreicht,  wenn  sie  Neujahr  den  Bauern 
ihre  Wünsche  für  das  Gedeihen  des  Viehes  darbrachten.  Desgleichen  er- 
hielten die  Kinder,  welche  zu  dieser  Zeit  bis  zu  ihrem  7.  Lebensjahre  von 
ihren  Paten  einen  mit  Zuckerzeug,  Äpfeln.  Strümpfen  <><\cr  Handschuhen 
gefüllten  „Bündel"  sich  zu  luden  pflegten,  mit  diesem  zugleich  Eiserkuchen 
_e.rh.Mikt.  Zu  Fastnachten  wurden  in  Dörfern  bei  Rosslau  die  Bauern. 
welche  vom  Hause  des  Schulzen  aus  in  jedes  Gehöft  unter  Vorantritt  der 
Musikanten  zogen,  überall,  auch  in  den  Häusern  der  Ärmeren,  ausser  mit 
Wurst  und  Schinken,  Hier  und  Branntwein  mit  Eiser-  und  anderen  Kuchen 
bewirtet  (vgl.  0.  Härtung  über  ackerbauliche  Altertümer  in  den  Mitteilungen 
Ai's  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  und  Altertumskunde,  VII.  Band). 

Nicht  nur  weil  diese  bäuerlichen  Sitten  allgemach  schwanden,  sondern 
auch  weil  das  Backen  <\*'\-  gar  dünnen  Kuchen  für  die  Hausfrauen  recht 
mühsam  ist.  gehört  jetzt  nicht  mehr  wie  ehedem  eine  Eiserkuehenform 
zum  Geräte  jeder  Wirtschaft.  Immerhin  ist  ihr  Vorhandensein  und  Ge- 
brauch  noch  keine  Seltenheit.  Aus  14  Ortschaften  (Zerbst  einbegriffen) 
wurden  bisher  Abdrücke  von  69  Kucheneisen  gesammelt,  von  denen  etwa 
zwei  Dritte]  eine  Jahreszahl  haben.  Das  älteste  derselben,  von  dessen 
Vorder-  und  Rückseite  ein  Bild  in  verkleinertem  .Mass  gegeben  ist  (Fig.  a,  b), 
wurde  1571,  das  Dächst  älteste  L679,  das  jüngste  1863  angefertigt.  Der 
Zeitangabe  ist  häufig  »du  Familienname  beigefügt.  Mehrere  Eisen  zeigen 
deutlichere  oder  undeutlichere  Spuren  der  Umarbeitung,  bei  welcher  reich- 
haltigere Musterungen  in  der  Kegel  durch  einfachere  ersetzt  oder  Namen 
getilgt  wurden.  Man  wird  annehmen  dürfen,  dass  die  Umformung  geschah, 
wenn  Haus  und  Huf  nicht  auf  ein  Kind  vererbt,  sondern  an  einen  Fremden 
verkauft  war.  während  die  leiblichen  Erben  Ae^  Hofes  das  überkommene 
I.  -  ii  unverändert  weiter  benutzten. 

Die  ein/einen  Höfe  oder  Häuser  unterschieden  sich  voneinander  durch 
die  Musterung  der  Kuchen  und  es  sind  weder  in  einem  Dorfe  noch  in 
benachbarten  Dörfern,  es  sind  überhaupt  noch  nicht  zwei  gleiche  Kuchen- 
eisen gefunden  worden.  Zwar  kehren  gewisse  Zeichen  immer  wieder, 
wie  Kren/,  Baum  Busch),  Blume,  Kugel,  doch  ist  ihre  Gruppierung  überall 
«•ine  verschiedene. 

efertigt  wurden  die  Formen  vom  Schmied,  welcher  auf  die  Wahl 
der  Zeichen  und  Bilder  den  grössten  Einfluss  gehabt  halten  wird.  Am 
häufigsten  verwandte  er  das  Kreuz,  welches  äusserst  selten  fehlt.  Es  hat 
die  Grundgestalt        oder  -f-  und   ist  aus    einfachen   Linien,    aus  Schnüren. 


l»i>    Eiserkuchen  di  r  /•  •  od.  ( 7 

uns  Gabel  und  Strich,  aus  gekreuzten  Schwertern,  welche  an  die  Bächsischen 
Kurschwerter  erinnern,  oder  aus  gekreuzten  Säbeln  gebildet,  wenn  nicht 
«11«-  letzteren  etwa  eine  Schere  darstellen  sollen.  Über  die  Mitte  mancher 
Kreuze  ist  ein  Querstrich,  eine  Gabel  oder  «'in  /.weites  Kren/,  eine  Kugel 
oder  Blume  gelegt,  In  Einzelfällen  gehl  ein  Strich  von  der  .M i 1 1 . ■  nur 
nach    einer  Richtung    aus.    "der   ist  er  Deben  das  Kreuz  gezeichnet      Bis- 


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h    Rückseite. 


weil. Mi  sind  die  Kreuzwinkel  all ler  nur  einige,  auf  gleiche  "der  ver- 
schiedene Weise  mit  Kugeln  und  Blumen  gefällt.  Am  Ende  der  Kreuz- 
arme  findet  man  oft  eine  Blume,  Kugel,  Eichel,  ein  Herz.  Viereck  oder 
Sechseck,  oder  einen  angelegten  Haken.  Ein  vollständiges  Hakenkreuz 
bietet  keiner  der  vorliegenden  Abdrucke.  Hin  und  wieder  ist  ein  Kren/. 
mit  Kreis,  Oval.  Herz  oder  Schild  umrandet.  Unterbrochen  ist  solche 
l'mranduno;  nur  auf  einem  Kuchen. 


Loose:  Die  Euerknchen  der  Zerbster  Gegend. 

Baum,    ii.idist    dem    Kreuz    das    beliebteste    Ornament,    ist   auf 
mannigfache  Weise  gezeichnet:    die  Emden  der  Zweige  laufen  in  Eicheln. 

Blumen,    Kugeln,  Sechseck ler  Ureuze  ans;    ein  and  derselbe  Baum  ist 

öfters  mit  verschiedenen  Bolchen  Figuren  ausgestattet;  dann  und  wann  ist 

Stamm  durchkreuzt,  die  Spitze  gegabelt,  sitzen  Vögel  in  den  Zweigen; 
in  einem  Fall  ist  der  Baumstamm  wie  von  einer  doppelköpfigen  Schlangt' 
nmw  unden. 

Andere  Zeichen  und  Bilder  sind  der  Drudenfuss  (auf  3  Kuchen),  das 
Dreieck,  Viereck,  Sechseck,  Achteck,  der  Haken,  die  Gabel,  der  einfache 
Strich,  die  Schnur,  die  Rose,  der  Ball,  die  geschlängelte  Linie  unseres 
Paragraphenzeichens,  das  Schaf,  die  Sichel  (Mond?),  das  Hufeisen  (?), 
•  -  Birund,  die  Mandorlaform,  das  Herz,  «'in  mit  Stacheln  besetzter  Kreis 
(Sonne?),  das  Mühlenbrot,  die  in  der  Zerbster  Gegend  „buntes  Tuch*1 
genannte  Figur,  der  Rost,  das  Gitter,  dessen  Felder  in  der  Regel  mit 
Kugeln,  Blumen  oder  dergl.  ausgefüllt  sind,  der  Schützenvogel. 

Kleinere  Figuren  wie  Blumen,  Kügelchen  finden  sich  auf  vielen 
Kuchen,  sowohl  im  Innern  als  im  Rande,  in  grossen  Mengen:  ihre  An- 
ordnung  und  die  Teilbarkeit  ihrer  Gesamtzahl  durch  3,  5  oder  7  macht 
deutlich,  dass  dem  betreffenden  Schmied  diese  Zahlen  bedeutsam  waren. 
Das  Muster  von  l.">71  hat  auf  der  einen  Seite  5.  auf  der  anderen  3  ver- 
einzelte Blumen. 

Grössere  Figuren,  wie  der  Baum  besonders,  sind,  wenn  sie  paarweise 
angetroffen  werden,  nicht  immer  gleichmässig  gestaltet.  Die  beiden 
korrespondierenden  Kuchenränder  sind  häufig,  die  beiden  Kuchenflächen 
durchweg  voneinander  verschieden.  In  Xamen  ist  ein  Minuskel-  unter 
Majuskelbuchstaben ,  in  Zahlen  eine  verkehrt  gestellte  Ziffer  keine 
Seltenheit. 

An  etlichen  Kuchenrändern  ist  eine  offen  gelassene  Stelle  oder  ein 
quer  durchgelegter  Strich,  der  zum  sonstigen  Randmuster  nicht  passt,  auf- 
fällig, an  anderen  weist  die  Behandlung  der  Ecken  Unregelmässigkeiten 
auf.  sei  es  dass  drei  Ecken  mit  Zeichen  gefüllt  wurden,  während  die  vierte 
leer  blieb,  oder  dass  das  Umgekehrte  der  Fall  ist.     Einige  Kuchen  haben 

erhalb  des   Randes  noch  kleine  Kreuze  oder  Blumen. 

Die  Inschrift:  „Dieser  Kuchen  schmeckt  gut  zum  Trunk"  ist  mehrmals, 
.Zum  Andenken"  und  ..Soli  deo  gloria"  nur  einmal  gefunden  worden. 

Grossmühlingen,  Kr.  Bernburg. 


Weinhold:  Kleine  Ifitteil 


Kleine  Mitteilungen. 

Ein  hochdeutscher  Angensegen 
in  einer  Cambridger  Handschrift  des  L2.  Jahrhunderts. 

Berausgegeben  von  Karl  Weinhold. 

M.  El.  James  beschreibt  in  seinem  Descriptive  Catalogne  of  the  Mannscripts  in 
the  Library  of  Peterhouse,  Cambridge  1899,  S.  158  unter  Nb.  130  ein  lateinis 
Bomiliarinm  aus  dem  12.  Jahrhundert  Auf  fol.  CCXIX1  zwischen  einer  F 
Martyram  und  einer  auf  der  folgenden  Seite  beginnenden  Bomilienfolge  ist  ein 
deutscher  Segen  eingetragen,  mit  der  Überschrift  Nbtum  sii  omnibus  in  Christo 
ßdelibus;  Überschrift  und  Segen  von  verschiedenen,  abernochdem  12.  Jahrhundert 
angehörenden  Händen.  M.  James  hat  den  deutschen  Segen  abgedruckt,  aber  eine 
neue  Vergleichung  der  Handschriften  erschien  wünschenswert,  und  mein  verehrter 
Kollege,  Herr  Prof.  Dr.  Alois  Brandl.  der  mich  auf  das  Ganze  aufmerksam  machte, 
vermittelte  sie  mir  bei  Herrn  Prof.  Dr.  Karl  Breul  in  Cambridge.  Derselbe 
schickte  mir  eine  sorgsame  Kopie,  die  ich  hier  zum  Abdruck  bringe,  und  für  die 
ich  ihm  schönsten  Dank  ausspreche.     Der  Segen  ist  in  elf  Zeilen  geschrieben: 

1.  Ich  befwer  hivte  dinr  hir  bi  dem  hailigen  ipe  der  Geh  zemartervnne  gap 

•_'.  durch  alle  man  kvnne  per  fanetam  mariam  matrem  dom'ni  ün  iefu  xpi 

3.  vnde  bi  dem  hailigen  blvte  daz  vz  vuferf  herren  Bten  ran  vnde  bi  der 

I.  hailigen  gebvrte  vnde  bi  der  hailigen  vfferte  vnd  bi  dem  hailigen  irrabe 

.">.  vnd  bi  d>'in  vrtailichem  tage  daz  vel  vnd  die  liir  vnd  die  suzblatrun 

6.  div  wazer  blater  vnd  der  herbrate  vnd  allez  daz  gefuhte.  N.  daz  in 

7.  dinem  avgen  l'i  daz  hivte  Beb  winnende  fi  und  daz  rehte  gefvne 

8.  drinne  wahfende  l'i  fecüdum  uoluntate  tuam  dne.  In  nomine  dnl 
'.>.  im  ihv  x]n  difiv  worl  Ben  dir  war  vnde  vefte  vnd  figehaft  def 

10.  helfe  mir  div  hailige  gotef  craft  def  helfe  mir  div  wihe  minfrawe 

11.  sanete  marie.  amen. 

Dieser  in  Oberdeutschland  im  12.  Jahrhundert  auf  eine  leere  Sudle  des  spätei 
nach  Cambridge  geratenen  lateinischen  Homiliars  eingeschriebene  Segen  g 
kranke  Augen  ist  der  älteste  deutsche  Augensegen,  der  meines  Wissens  erhalten 
ist.  Er  steht  mit  anderen  jüngeren  in  näherer  oder  fernerer  Verwandtschaft,  wie 
die  Anmerkungen  im  einzelnen  beweisen  sollen,  und  beruht  auf  einer  geistlichen 
lateinischen  Formel,  die  ich  hier  nicht  genauer  verfolgen  will.  Es  kann  an  dieser 
Stelle  genügen  auf  folgende  Fassungen,  die  man  mit  unserer  deutschen  vergleichen 
wolle,  zu  verweisen: 

Conjuro  te  et  omnem  oculorum  dolorem  per  corpus  et  sanguinera  domini  nostri 
Jhesu  Christi  et  per  quinque  vulnera  ejus,  per  mortem  quam  in  patibulo  crucia 
passus  est  ut  recedas  ab  oculis  X.  famuli  dei 

(Gothaer  Hs..  Germania  XXXII.  4.'>5.) 

Oremus.  Salva  domine  Jhesu  Criste  oculos  famuli  tui.  X.  et  expella  maculain 
et  omnem  dolorem  oculorum  per  sanetum  corpus  et  sanguinem  tuum  et  preciosum 
Signum  S.  crucis  in  quo  suspensus  fuisti  pro  nobis  miseris  peccatoribus. 

(ebenda  S.  456.) 


4. 

5. 

grabe  :  ta 

6. 

herbrate  :  gelohte 

9. 

10. 

Bgehaft  :  craft 

0. 

11. 

wihe  :   Marie. 

Weinhold: 

Die  Beschwörung    ist    in  Pi  alten;    aber  besondere  im  Anfang  brechen 

■  ■  durch: 

i.  2.  martermne  ;  mankynne 

2.  domini  :  chrifti 

:'•.  blvte  :  fiten 

l.  gebvrte  :  vfferte 

Es  ist  also  wdlil  bei  der  Beschwörungsformel  im  Anfang  ein  Gedicht  benutzt 
worden,  ebenso  wie  am  Bchlnss  gereimte  Formeln  aus  anderen  geistlichen  Ge- 
dichten verwendet  wurden. 

Einzelne  Anmerkungen: 

1.  Di  isl  auf  eine  einzelne  Person,  deren  bestimmter  Name  in  Z.  6 
Beine  Stelle  durch  X.  angedeutet  erhält,  formuliert;  so  auch  in  den  lateinischen 
Beschwörungsformeln. 

hir  f.  dem  dolor  der  lat.  Formeln  entsprechend.  In  Wund-  und  anderen 
Segen  gebraucht,  wie  die  Stellen  bei  Schindler,  B.  Wb.  1 -.  1155  zeigen.  Aus  der 
litterarischen  Sprache  nur  durch  Lohengrin  7<>58  von  der  helle  hir  belegt.  Ahd, 
bei  Notker  hirlich,  vehemens;  hirlichi  vehementia.  Das  ablaut.  Zw.  hern,  schmerzen, 
erscheint  im  Prät.  gehar  in  einem  Wundsegen,  Haupt,  Zs.  f.  d.  A.  VI,  4n7. 

Krist  sieh  ze  martermne  gap  Spervogel,  M.  Frühl.  30,  13. 

2.  Lies  allez,  oder  beim  Versuch  den  alten  Vers  herzustellen  mit  Streichung 
des  alle:  gap  durch  manehvnne,  vgl.  Vorauer  Ged.  5,  6  unde  er  manchvnne  an 
sine  Btat  gewunne,  96,  II  vur  mankunni. 

•'>.  Nach  den  schwachen  Dativen  in  3.  4.  sollte  man  auch  hier  vrtailichen  er- 
warten; indessen  ist  die  starke  Dativform  nach  bestimmtem  Artikel  genug  belegt. 
Mhd.  Gr.  §525.  —  dem  vrtailichem  tage,  als  am  Tage  des  jüngsten  Gerichts,  ist 
nicht  häutig:  Wolfr.  Wilh.  454,  25  (dagegen  13,  4.  134,  23.  424,  25  Entscheidungstag). 
Georg  352.  1772  (hier  nur  in  INI). 

daz  vel.  entsprechend  der  peius  oder  peius  injusta  der  lat.  Segen,  Häutchen 
über  der  Pupille,  Star:  so  daz  vel  von  der  sehun  kome.  Frz.  Pfeiffer.  Arzneib  I,  34 
Wiener  Sitz.-Ber.  1863,  S.  127).  swem  daz  vel  si  für  daz  onge  gegangen  II,  7(' 
(ebenda  S.  139).  die  vertreibent  daz  vel  in  den  äugen,  Megenberg  368,  15.  daz 
benimt  den  äugen  daz  vel  und  die  vinsternüss  373.  IG.  Das  Wort  dauert  in  gleicher 
Bedeutung  in  den  folgenden  Jahrhunderten  fürt:  vel  der  äugen  Z.  d.  V.  I'.  Volksk. 
!.  323.  die  feil  in  oder  an  denen  Augen  Germ.  26,  236.  augenfel  Diefenb.  Gl.  141. 
augfel  Germ.  26,  235.  feil  und  pladern  German.  17,  76.  für  bladern  und  feilen 
26,  235.     Auch  im  sogen.  Albertus  Magnusbuche  findet  sich  noch  Fell  der  Augen. 

Gleichbedeutend  mit  vel  mag  das  gevvib  sein,  das  S.  Maria  nach  dem  S. 
Blasier  Augensegen  von  1617  der  hl.  Ottilia  versegnetc  mit  dem  hürbraten,  den 
weissen  und  roten  Mailen  und  Flecken,  allem  getrib  und  allem  ungefüeg,  was  dir 
so  wehe  in  deinen  äugen  tuot  (Mone,  Anzeiger  VI,  46-'!).  Angelsächsisches  gevif 
iinden  wir  im  Rezept  einer  Augensalbe,  die  helfen  soll  vip  fleän  on  eägan  (weisse 
Flecken  im  Auge)  and  vip  gevif,  and  vip  mist  (Xebel)  and  vip  ter  (Thränenllussj, 
and  vip  vvrmas  Würmer)  and  vip  dead  flaesc  (totes  Fleisch),  vgl.  Frz.  Dietrich 
bei  IL.upt  Z.  f.  d.  A.  XIII.  202f. 

vel  und  bläter  werden,  wie  unter  vel  schon  belegt  ist,  als  Augenleiden  öfter 
nebeneinander  genannt:  in  Z.  5.  6  sind  die  suzblatrun  und  die  wazerblater  hinter- 
einander aufgeführt,  blätera  blutete  bläter  bedeutet  dasselbe  wie  Blase,  hier  ein 
auf  dem  Auge  entstandenes  Bläschen.  In  einer  niederösterreichischen  Besegnung 
(German.  26,  235)  heisst  es:  Windblader  und  Steinblader,  Augenblatter  gehe  aus 
dem  Aug  in  Baum,    aus  dem  Baum  in  Ast,    aus  den  Ast  in  den  Giepfel,   aus  den 


Kleine  Mitteilungen.  S| 

Giepfel  in  eine  willde  ramarey  in  die  wilde  Römerie),  wo  kein  Mann  Math  mal 
mäht),    kam  Bann  grätb  (ki  Buzblatrun    kann    ich  sonst  nicht  nachwi 

Fielleicht  wäre  bluotbhitrun  zu  mutraasaen. 

Bin  schwäbischer  Augensegen  kennt  noch  die  Blattern: 

tts  sein  Atem 
Vertreib!  dir  dein  Blattern, 
l  Qsers  Herrgott    sein  Blul 
[s1  für  die  Augen  gut. 
E.  Meier,    Deutsche  Sagen,  Sitten  find  Gebräuche  an-  Schwaben,  Stuttgarl   1862,  S.  515.) 

/wischen  5  und  <>  ändert  sich  die  Satzbeziehung.  Vorher  war  von  dem  ein- 
leitenden ich  befwer  direkt  das  Objekt  abhängig:  daz  \el.  die  bir,  die  Buzblatrun. 
Das  Folgende  ist  /.war  auch  von  befwer  abhängig,  aber  das  Objekt  ist  durch  einen 
daz-Satz  ausgedrückt,  dessen  Subjekte  im  Nominativ   vorausgestellt  sind. 

6.  der  herbrate.  Dasselbe  Wort  auf  ein  Augenleiden  verwendet,  giebl  dei 
St.  Blasier  Augensegen  (Mone,  Anzeiger  AT.  4<>3:  .Maria  versegnel  Bani  Ottiiia  ihre 
Augen   und    hürbraten,    dm   weissen   und   den   roten,    den    Mail     II-     Nagel)   und   den 

Flecken.  Entstelltes  Herbran  für  Augenschmerzen  hat  eine  Mecklenburger  Be- 
schwörung: Ketelhaken,  ik  klag  di,  De  Heerebran  dei  plagen  mi,  Sei  plagen  mi 
wol  Nacht  un  Dag,  Dat  ik  ni  ruhen  mag.  Im  Namen  Gottes  neunmal  mit  dem 
Kesselhaken   über  dorn   schlimmen   Auge  gekreuzt. 

Berebran  ist  entstellt  aus  Herbrand,  ein  niederdeutscher  Name  des  Drachen. 
mittelniederdeutsch  bei  Schiller-Lübben  2,  "244;  aus  neuerer  Zeil  für  den  Feuer- 
drachen des  Aberglauben  bekannt:  in  Westfalen  biärbrand:  Woeste,  Volksüber- 
lieferungen aus  der  Grafschaft  Mark,  S.  40.  A.  Kuhn,  Westfäl.  Sagen,  2,  26.  heär- 
brand,  Jahrb.  d.  Vereins  f.  niederd.  Sprachforschung,  Jahrg    1877,  S.  129. 

Unter  den  ethischen  Geistern  des  Münchener  Nachtsegens  erscheinen  neben- 
einander herbrote  und  berbrant,  die  aufgeforderl  werden,  in  ein  anderes  Land  zu 
fahren:  Herbrote  unde  Herbrant  vart  uz  in  ein  andir  laut!  Schwerlich  kann  man 
die  beiden  Namen  anders  als  llerbraht  und  Herbrant  deuten,  den  sunufatarongOS 
des  Hildebrandsliedes  Hiltibraht  joh  Hadubrant  oder  Hadubrahl  und  Biltibrant, 
wie  die  Namen  wechseln,  vergleichbar.  Es  sind  Heroennamen,  die  auf  mythische 
Geister  übertragen  sind,  auf  Krankheitsdämonen,  wie  im  Nachtsegen  und  in  unserer 
Augenbeschwörung,  oder  wie  im  westfälischen  Aberglauben  auf  vorbedeutende  und 
feurige  Erscheinungen.  Beachtenswert  ist,  dass  in  einem  voigtländischen  S 
gegen  hitzige  und  blöde  Augen  der  Drache  als  Vertreter  des  Dämons  dieser 
Krankheit  erscheint:  Die  Rose  und  der  Drache  die  zogen  miteinander  zu  Bache, 
Drache  Drache  Drache  im  Namen  Gottes,  E.  Kohler.  Volksbrauch  im  Voigtlande, 
Leipzig  1867,  S.  408.  Heribrand,  der  westfälische  Feuerdrache,  der  Herddämon, 
den  im  mecklenburgischen  Segen  der  gesegnete  Kesselhaken  vertreibt,  dickt  sich 
mit  dem  Herbracht,  herbrat,  der  in  Oberdeutschland  den  Augen  feindlich  ist. 

7.  Die  Überlieferung  ist  unter  dem  Einfluss  der  veränderten  Konstruktion  ge- 
stört. Ich  vermute  es  ist  zu  lesen:  daz  ez  hiute  fwinende  fi.  Vgl.  was  dir  so 
wehe  in  deinen  äugen  tuot,  das  soll  aus  dir  zerechwinen  und  vergohn.  als  die 
seind  zerschwinen  und  zergangen  die  got  den  berren  band  gebunden  und  gelangen: 
S.  Blasier  Segen,  Mone,  Anzeiger  6,  463. 

Der  formelhafte  Gegensatz  von  swinen  und  wahsen  ist  bekannt. 

9.  diu  wort  sin  mir  geweere  als  unserm  herren  wäre.  Müllenb.  Scher.,  Denk- 
mäler XLVII.  3,  37.  daz  diu  wort  müessint  sin  als  war  als  das  wort  das  got 
selber  sprach,  do  er  himel  und  erd  an  Bach,  und  und  diu  wort  sigent  an  die  wasser 
also  vest  alsdas  paternoster  ist  in  der  mess,  Mone,  Anzeiger  3,  285.     diu  wort  sin 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskuude.    1901.  6 


Hflfler: 
und  eeste  als  daz  heiig  paternoster  daz  der  priester  in  der  stillmessen  sprach, 

(i.Miiian.   90,   410.      disi     wort    miie/zen    heut   sein   als   statch   als  die   vi I   beylig  gotz 

chraft,  diai  worl  Bein  beul  also  res!  sicut  Banctus  paternoster,    Zs.  f.  d.  A.  24,  72. 

10.   11.  des  helfe  diu  wihe  min  fronwe  sant  Marie,  Den  km.  XLV11.  4,91.  92 

a  belf  mii  die  weis  mein  fraw  Band  Marei,  Z.  f.  d.  A.  24,  20«. 

diu  schirm  bi  diu  frie  min  fronwe  Banl  Marie.  Tobiassegen  71.  72.     beschirm  uns 

hint  diu  frie,  min  frow  sant  Marie,  Johannisminne  3.  1  (Uhland,  Alte  Volkslieder, 


Die  Opfer-Bännutter  als  Stachelkugel. 

Unter  obiger  Überschrift  brachte  im  10.  Jahrg.  dieser  Zeitschrift  (1900)  S.  420 
Ben  Dr.  W  Hein  eine  ganz  lehrreiche  Abhandlung  über  ein  Gebärmutter-Votiv 
in  Gestalt  eines  sogen.  Igels  oder  Kastanie,  das  nur  im  Gebiete  des  Kastanien- 
baumes auf  deutschsprechendem  Boden  vorkommt  Dass  die  Kastanie  (Igel)  dem 
opfernden  Volke  als  Vorbild  für  das  Opferbild  der  Gebärmutter  gedient  hat,  ist 
ganz  sicher  aus  Namen.  Form  und  Verbreitung  des  Votivs  zu  entnehmen.  Warum 
aber  hat  das  Südtiroler  Volk  nun  geiade  die  stachelige  Kastanienfrucht  dazu  her- 
genommen? Einesteils  spielt  Volksetymologie  herein  (Igel  =  Egel),  andernteils 
sucht  das  Volk  bei  seinem  notorischen  Mangel  an  anatomischen  Kenntnissen  innerer, 
menschlicher  Organe  tastend  bald  da  bald  dort  nach  dem  Bilde  eines  solchen 
Organs.  Findet  es  in  den  alten  medizinischen  Kräuter-  und  Heilbüchern  kein 
Vorbild,  um  ein  Organ votiv  darnach  herstellen  zu  können,  so  greift  es  auf  die  ihm 
bekannteren  inneren  Organe  der  schlachtbaren  Haustiere  über  und  entlehnt  sich 
aus  der  Anatomia  culinaris  oder  aus  der  Veterinärmedizin  seine  Vorbilder.  Über 
diese  Quelle  der  populären  deutschen  Krankheitsnamen  hat  der  Unterzeichnete 
bereits  1894  auf  der  Naturforscher- Versammlung  zu  Wien  aufmerksam  gemacht. 
Desselben  ..Deutsches  Krankheitsnamenbuch",  das  trotz  aller  Gunst  der  kompetenten 
Kritik  gerade  in  medizinischen  Kreisen  die  ihm  gebührende  Beachtung  nicht  er- 
fährt, giebt  uns  auch  den  Aufschluss  S.  254 b,  warum  Igel  =  Gebärmutter  ist: 

„Die  bei  der  Umstülpung  des  entbundenen  und  vorgefallenen  Tragsackes  der 
Kuh  sichtbare  frucht-  (kalb-)  ähnliche  Geschwulst,  die  mit  blumenkohlartigen, 
gestielten,  leichtblutenden  Warzen  (Rosen  =  Decidua  serotina),  wie  mit  Blutegeln 
besetzt  ist.  heissi  [gelkalb." 

Igel  =  Egel,  „einen  Igel  stechen"  =  coire  (ebenda  S.  250).  Das  Muttersiech- 
tum, wegen  dessen  also  ein  Igel  (Kastanie)  als  Votivgabe  geopfert  wird,  ist  dem- 
nach der  Mutter-Vorfall  (Uterus  prolapsus),  und  wegen  dieses  leidenden  Organ- 
zustandes, der  mit  dem  „Egelkalb"  bei  dem  Uterus  prolapsus  der  Kuh  verglichen 
wird,  greift  die  Volksetymologie  zum  Kästen  -  »Igel",  um  die  Krankheit  abbilden 
zu  können. 

Bad  Tölz.  M.  Höfler. 


Zur  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde. 

Bd.  X.  S.  100  (1900). 

Die    von   Herrn  Dr.  G    Jacob    mitgeteilte    und    von    ihm  nach  den  Specimens 
riture    arabe    wohl    als    neueren  Datums    angesehene  arabische  Erzählung 
von    den    zwei  poesiekundiiren  Töchtern,    die  durch  Ergänzung  eines  zuge- 
hörigen Halbverses    zu  Rächern    ihres  Vaters    werden,    findet    sich  schon   in  dem 


Kleine  Mitteilungen. 

i  miii  (|  ||  1400  11.  Chr.  von  dem  Agyptei  ^bschihi  verfassten  Allerwelts- 
udabbuch  Mostatraf.  dem  seither  verbreitetsten  Kompendiana  leinerei  muslimischer 
Bildung,  am  SchlusB  des  8.  Kapitels  in  dem  Abschnitt  über  die  Beredsamkeit  der 
Flauen:  Arab.  Text,  Ausgabe  Kairo  1308,  I.  S.  52;  »nders  auch  die  franzöa 

Obersetzung  von  Rat  1899,  I.  S.  177  (welche  über  hau  pl  (Im  ganzen  Bildungs-  und 
Anekdotenschatz  allgemein  zugänglich  macht  .  Auch  Härder  hat  diese  Anekdote 
in  seine  „Arabische  Konversations-Grammatik",  Heidelberg  1898,  S.  390  aufge- 
nommen (im  Schlüssel  S.  68  übersetzt).  Ein  früherer  Beleg  ist  mir  für  diese  wohl 
viel  ältere  I  Seschichte  nicht   bekunnt. 

Tübingen.  « '•  P.  Seybold. 


Blau  als  Trauerfarbe. 

Als  \or  längerer  Zeit  ein  Kollege  bei  mir  anfragte,  ob  ich  zu  dvr  in  der 
Schwalm  (Hessen  Üblichen  blauen  Trauerfarbe  Entsprechendes  kenne,  musste  ich 
mein  Nichtwissen  gestehen.  Inzwischen  habe  ich  mich  etwas  verbessert.  Vor- 
nehmlich ist  auf  Blau  als  kirchliche  Trauerfarbe  zu  verweisen,  die  in  der  Passions- 
zeit und  in  der  Karwoche  in  der  Alt, ir-  und  Kanzelbekleidung  vor  aller  Augen  trat 
und  eine  Rückwirkung  auf  ausserkirchliche  Trauerzeichen  haben  musste. 

In  dem  handschriftlichen  Ueldtschen  Trachtenbuch  (Nürnberg  1560— 80,  in 
der  v  Lipperh eideschen  Bibliothek  giebt  Bl.  118  das  Bild  einer  Witwe  „in  der 
andern  veränderten  kleidung".  Sie  trägt  einen  blauen  Rock  mit  langen  pelz- 
gefütterten Hängeärmeln,  gelbliche  (Jnterärmel,  gelblichen  schmalen  Gürtel  und 
ein    weisses    Schleiertuch.  Das    Si  einsehe   Museum    in  Salzburg    besitzt    zwei 

Trachtenbildchen  aus  dem  18./19.  Jahrh.:  eine  Pinzgauerin  in  der  Hauptklag,  eine 
Bäuerin  bei  Weilen  im  Pongau  in  der  Hauptklag:  jede  trägt  einen  faltenreichen 
blauen  Rock  und  ein  grosses  weisses  Umschlagetuch  Mitteil,  von  Frl.  M.  I 
in  Salzburg).  —  In  der  ganzen  Oberpfalz  schliesst  den  Begräbniszug  eine  alte 
Krau  im  blauen  Schur/.  Das  ist  dann  auf  die  Umgänge  um  die  Saatfelder  und 
auf  Wallfahrten  übertragen  worden,  bei  denen  ebenfalls  das  Letzte  im  Zuge  ein 
blaues  Fürtuch  sein  miiss  Schönwerth.  Aus  der  Oberpfalz,  1,  255.  3,  L76). 
Im  Herzogtum  Sachsen-Altenburg  hatten  die  Weiher  bei  Begräbnissen  und  beim 
Abendmahlgang  Kopf  und  Kinn  mit  einem  seht  blau  gestärkten  Schleier  um- 
wickelt (Priese,  Historische  Nachricht  von  den  merkwürdigen  Ceremonien  der 
Altenburgischen   Bauern   1703.     Neudruck,  Schmölln   188'     - 

Wenn  die  Braut  oder  der  Bräutigam  Trauer  hat,  so  ersetzen  bei  den  deutschen 
Bauern  an  der  ungrisch-steirischen  Grenze,  den  Heanzen,  die  Burschen  Bochzeit- 
knechte  das  rote  Band  ihrer  mit  einem  Rosmarinzweig  geschmückten  Astrachan- 
mütze durch  ein  blaues    Bunker  in  unsrer  Zeitschrift  X.  299  . 

K.  Weinhold. 


Ein  Vieksegen  aus  Mecklenburg  gegen  die  neunerlei   Elven. 

Auf  dem    Hausgute    Gross  -  Schuresow    bei  Bützow    in  Mecklenburg    war    im 

Jahre  1891  das  alte  Viehhaus  abgebrochen  worden.  Als  im  November  1892  das 
beim  Abbruch  gewonnene  Holz  von  Gutstagelöhnern  zu  Brennhol/  zerschlagen 
wurde,  fiel  aus  einem  d('V  Balken  ein  Papierzettel  heraus,  der  dann  bald  darauf 
durch  Vermittlung  meines  Vetters  *  i'ull.  der  auf  dem  Gute  als  Volontär  sieb  auf- 


Raff: 
hielt,    in    meine    Uände   gelangte      \ui    diesem    Zettel    steht    in  7  Kolumnen    der 

n: 

Neunerlei  Elvcu  die  saugen  sich  zusammen  sie  sprachen  wir 
wollen  in  Hanf  chrichtian  Sinlo  >-in  bofstedi  gehen  In  das  vieh 
bans  and  Baugen  'las  vi<-h  Ihr  Mut  und  Heisch  aus  und  I •  h  gehre 
che  Sir  Ihre  gebeine  nnd  ich  wil  sie  ihr  bertz  brechen  Es  sprach  aber 
im-,  r  lieber  ben  Jesus  < 'lui-t m-  das  soll   ihr  Nicht  thun  N  <•  tz 
d  ■•  11  -   V  •/      ii'  I       ii'  i  Jesus  christus 
II    I  in   I  1   I  n. 

Wann.  R.    WoSSidlo. 


Segen  aus  Prcussiscli-Litauen. 

Gegen  die  Schmerzen. 

t  kern  i-  röte!  Mannke:  Hat  e  f6de  Böskcs. 

Hat  e  rodel   Södke,  Wat  will  dat  rode  Bfannke? 

Hat  e  rodel    Crächke,  Es  will  die  Schmerzen  von  N.  N. 

rödel   Rockke  nu^treiben. 

Hat  «•  rodet  Westke,  So  lät  se  gäne 

Hat  «■  rodet  Hemdke,  Von  de  Plütz  bis  an  de  Lewer, 

Häl  e  rode  Schokes,  Von  de  Lewer  liis  an  de  gröte  Te. 

Hat  e  rüde  Strümpkes,  Im  Namen  (Joffes  des  Vaters  f  u.s.  w. 

Gegen  die  Pogg. 

-  die  Schmerzen  rausgehen  aus  N.  N. 
U'nser  Herr  .lesus  Christus  ging  auch  aus  seiner  Krippe  raus, 
Lass  die  Schmerzen  gehen  in  das  rote  atlantische  Meer. 
Es  ruscht, 
Es  brüscht. 
Poggr,  Pogg,  Pogg! 
Im  Namen  Gottes  des  Vaters  r  u.  ■-.  w. 

Von  l*.  Jahn  hinterlassen. 


AltOliiuckeiier  Festgebiick. 

Von  Helene  Raff. 

Man  kann  mitunter  die  Rede  hören,  dass,  wer  keinen  Kalender  hat,  in  die 
Küche  schauen  solk'.  um  zu  wissen,  was  für  ein  Tag  sei;  wenn  man  statt  „Küche" 
genauer  bezeichnend  „Backofen"  sagt,  so  hat  der  Saiz  insofern  Recht,  als  der 
Eackolm  mit  Sicherheit  die  hohen  Festtage  anzeigt.  In  Bayern  sind,  wie  durch- 
gehends  im  deutschen  Süden.  Mehlspeisen  und  Gebackenes  überhaupt  beliebt;  der 
ade  trifft  gewöhnlich  jeden  Sonntag  ein  Gericht  „Strudel-  oder  „Spritzstrauben* 
-  eine  Brandteiomasse.  welche  durch  eine  hölzerne  Butterspritze  gedrückt  wird  — 
auf  dem  Küchenzettel.  Die  Kirehweihsonntage  werden  mit  Kirchweihnudeln,  runden 
in  Schmalz  gebackenen  Krapfen,  gefeiert,  welche  ebensowenig  wie  die  mit  Ein- 
gemachtem gefüllten  Faschmgskrapfen  (in  Norddeutschland  Pfannkuchen  genannt) 
besondere  Eigentümlichkeiten  der  Form  oder  des  Geschmacks  aufweisen.  Nur  zu 
einigen  der  christlichen  Hauptfeste  hat  die  Sitte  bestimmter,  nicht  allgemeiner 
Gebäckarten  sich  erhalten. 


Kleine  Mitteil 


An  Ostern  werden  den  Kleinen  neben  der  Fülle  von  kunstreichen  Rauchen 
und  Lämmchen,  welche  der  Zuckerbäcker  feilhält,  noch  zwei  trotz  ihrer  Einfachheit 
hüelist  beliebte  Gebäcke  beschert,  das  „Ostermandl"  und  der  „Osterhas"  Ersterer, 
ans  Befenteig  gefertigt,  hat  die  ungefähre  Form  eines  Menschen,  <ler.  mit  beiden 
Händen  sich  ein  gefärbtes  Hühnerei  vor  den  Leib  ball  Fig.  i  .  der  Osterhas  ist 
gleichfalls  ;uis  Hefenteig,  sieht  aber  nur  in  der  oberen  Hälfte  annähernd  hasen- 
massig aus.  während  sein  Unterteil  mehr  dem  einer  Henne  gleicht,  die  ihr  Nestaui 
dem  Schwänze  trägt.     In  dies  Nesl  isl  ebenfalls  ein  Hühner«  i  e 

Fig.  I.  Fig.  2. 


Weder  zu  Pfingsten  noch  zu  Johannis  oder  einem  der  Marientage  herrsch!  der 
Brauch,  etwas  anderes  als  Kuchen  und  Nudeln  zu  hacken:  dagegen  bring!  Aller- 
heiligen und  Allerseelen,  das  ernste  Totenfest,  eins  der  merkwürdigsten  Gebäcke, 
den  sogen.  „Seelenzopf".  In  allen  Grössen,  Preislagen  und  Teigarten  ziert  er  die 
Schaufenster:  seine  bescheidenste  Gestalt  ist  die  geflochtene  Zopfform,  während  er 
in  verkünsteltem  Zustande  einen  ovalen  Kranz  mit  Querbalken  darstellt.  Dann 
besteht  er  aus  feinem  Hisquit-  oder  Makronenteig,  dick  belegt  mit  kandierten 
Früchten    und  Zuckergnss;    seinen   Hauptschmuck    aber    bilden    bunte,    auf   Draht 


Baff: 

kte  Papierblumen,  ganz  gleich  denen,  «reiche  am  Allerseelenfeste  die  Gräber 
l\  ist  Brauch,  dass  die  Paten  ihren  Patenkindern  einen  solchen  Seelenzopf 
zum  Geschenk  machen.    Fig.  3  zeigt  einen  einfachen  and  Fig.  -l  einen  verkünstelten 
■  nzopf. 

AI-  Vorläufer  des  Christfestes  erscheint  Bank!  Nikolaus,  der  von  den  Kindern 
Ersehnte  und  Gefürchtete.  Sein  Abbild  als  heiliger  Bischof  mit  dem  Krummstab, 
und  da-  des  Pelzmärtels  mit  Sack  und  Rate  ist  nun  der  Mittelpunkt  der  Zucker- 
bäckerei,  gewöhnlich  in  Lebkuchen-  oder  Marzipanmasse.  Für  den  Beiligen  selbst 
ist  die  Darstellungsweise  eine  geradezu  künstlerische,  da  die  ersten  Vertreter  der 
Bäckergilde  sich  neue  Können  nach  (\cn  prächtigen  alten  des  Nationalmuseums 
haben  machen  lassen.  —  Pig.  .r>  zeigt  einen  solchen  Nikolaus  aus  der  Bäckerei 
von  Anton  Seidl,  dem  nunmehr  verstorbenen  Bruder  Gabriel  von  Seidls,  der  uns 
das  neue  National museum  erbaute.  — -  Die  Pelzmärtel  dagegen  pflegen  derbe  groteske 
Figuren  zu  Bein,  denen  durch  aufgetropften  Zackerguss  einige  Zeichnung  verliehen 
wird  [Pig.  6).  —  Ausserdem  fertigt  man  noch  Teufel,  Bauern  und  seit  neuester  Zeit 
„Bergfex'n"  als  Xiklogebäck.  doch  sind  dies  moderne  Zu thaten,  die  mit  dem  Feste 
nichts  zu  thun  haben. 


Piff.  7. 


Fig.  9. 


Von  den  /.ahllosen  Weihnachtsgebäcken  am  volkstümlichsten  ist  das  Kietzen- 
brot, das  äusserlich  wie  wirkliche  kleine  runde  oder  längliche  Brotlaibe  aussieht; 
inwendig  mit  getrocknetem  Obst,  Rosinen.  Mandeln  u.  a.  gefüllt  ist.  —  Die  feineren 
Süssigkeiten  aber,  Honigkuchen  und  Marzipane  insbesondere,  weisen  wieder  die 
kunstreichen  Überlieferten  Formen  auf,  wie  deren  das  bayerische  Nationalmuseum 
eine  grosse  Fülle  umschliesst.  Zwei  davon,  die  „Edeldame"  und  der  „Reiter" 
V  und  8  sind,  vorzüglich  nachgebildet,  vom  Hof-Wachszieher  und  Lebküchler 
M  Ebenböck  aufs  neue  in  den  Handel  gebracht  worden.  Mindestens  1/2  Dutzend 
solcher  Fdeldamen  und  Reiter  finden  sich  in  dem  betr.  Schranke  des  Museums, 
alle  in  Kostümen  des  17  und  1*.  Jahrhunderts;  desgleichen  stattliche  Herren  zu 
Fuss,  Herren  und  Damen  nebeneinander,  sowie  martialisch  dreinschauende  Kriegs- 
männer (Fig.  9).  Ein  Adelndes  Musikantenpaar,  ja  selbst  ein  Kaiser  ist  in  der 
Sammlung:    daneben    sieht    man  Fische,    schön   ausgeführte  Wappen,    Herzen  und 


Kleine  Min.  ilungen. 


87 


Vierecke  mit  eierlichera  Ornamentschmuck.     Eine  häufig  wiederkehrende 
die  des  Wickelkindes,  eines  allein  oder  gleich  wiederholt,  wie  aal  Fi 
minder   oft    begegnen    wir    religiösen  Darstellungen:    dei   Matter  Gottes 
Kinde  (Fig.  11).  der  drei  heiligen  Frauen,    der  Geburt  Christi   odei 


1  '<  i  m  i>t 
Nicht 

mit    drm 
Anbi 


Fig.  LI. 


Fig.  LO. 


dar  Birten.     Fig.  12.  welche  das  letztere  Motu   darstellt,  ist  nach  einer  Marzipan- 
form aus  Privatbesitz  aufgenommen,  doch  sieht  man  in  der  Sammlung  des  Museums 

ganz  ähnliche.  —  So  greifen  Altes  und  Neues  ineinander,  Zeugnis  dafürfablegend, 
dass    auch    auf   dem    kleinsten  Gebiete  was    der  Gestaltungskraft    des 

Volkes  entstammt,  auf  Umwegen  immer  wieder  zu  diesem  zurückkehrt. 


Ein  Brauch  in  der  JKrossener  liegend. 

Ie  einzelnen  Dörfern  bei  Krossen  (Rädnitz,  Leitersdorf,  Blumberg)  sah  ich 
vor  mehreren  Jahren  zur  Osterzeit  die  Dorfstrasse  in  einer  recht  freundlichen 
Weise  ausgeschmückt.  Die  breiten,  zwischen  dem  Damm  und  den  Häusern 
gelegenen  Fusswege    waren    durch    weissen  Sand,    Asche  oder  zerstampfte  Ziegel- 


88 


Mirlk.-:  Kleine  Mitteilungen. 


abfalle  mit  geometrischen  Zeichnungen  bedeckt,  die  besonders  reich  vor  den 
Wohnhäusern  ausgestaltet  waren.  Der  Haupteingang  hob  sieh  dabei  durch  wirkungs- 
volle Zeichnungen  noch  weiter  hervor  (Fig.  1  und  2).  An  Ort  und  Stelle  konnte 
ich  mir  in  Erfahrung  bringen,  dasa  diese  Verzierung  in  den  nördlich  der  Oder 
ewischen  (Crossen  und  Züllichau  gelegenen  Dörfern  eine  alte  Überlieferung  war, 
dass  aber  den  Zweck  und  die  weitere  Verbreitung  niemand  anzugeben  vermochte. 
Später  fand  ich  >ivn  Brauch  \or  einem  Hause  in  dem  bei  Werder  a.  H.  gelegenen 
Dorfe  Kemnitz  an  einem  Septem ber-Sonn tag  ganz    vereinzelt   wieder,    hier  aber  zu 

Fig    1.     Leitersdorf. 


Fig.  2.    Leitersdorf. 


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LlMMMhMllll>miiyill|ll    IIHi'UltMNMM^UjMIII'f    "j"'! 


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Fig.  3.    Kemnitz. 


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i ! J  Ua  a  a  a  a  a 


D  eines  eben  eingezogenen  jungen  Paares  (Fig.  3).  Von  Herrn  Lehrer  Gander 
in  Guben  erfuhr  ich  denn  weiterhin,  dass  dieser  den  Brauch  aus  dem  Munde 
eines  aus  der  Krossener  Gegend  stammenden  Dienstmädchens  kennen  gelernt 
aber  mit  Verlegung  auf  die  Pfingstzeit.  Da  also  weder  Zweck,  Heimat, 
Ausdehnung  noch  zeitliche  Anwendung  feststeht,  noch  auch  meines  Wissens  dar- 
über litterarische  Hinweise  vorhanden  sind,  so  bringe  ich  den  Brauch  hier  in  der 
Hoffnung  zur  Kenntnis,  dass  von  anderen  Seiten  ergänzende  Mitteilungen  gemacht 
werden. 

Berlin-  Robert  Mielke. 


Znpitza:  Bacheranz«  i| 


Bücheranzeigen. 


0.  Schrader,  Reallexikon  der  indogermanischen    Altertumskunde 
Grundzüge    einer    Kultur-    and    Völkergeschichte    Alteuropas.      Erster 
Ealbband     Aal         musikalische    [hstrumente).      Strassburg,    Trübner, 
1901.     560  s.     gr.  8°. 

Die  harmlosen  Zeiten  der  linguistischen  Paläontologie  sind  vorbei.     Spät,  aber 
nachdrücklich,  ist  uns  die  Erkenntnis  gekommen,  dass  nie  und  nirgends  die  Kultur 

eines  Volkes  aus  seiner  Sprache  allem  sich  ermitteln  liisst.  Am  wenigsten  die 
der  Indogermanen,  denn  bei  diesen  kommt  noch  eine  b<  sondi  re  Schwierigkeit 
hinzu:  vom  Wortschatz  des  Indogermanischen  wird  immer  der  am  wenigsten  wissen, 
der  das  Problem  seiner  Rekonstruktion  am  schärfsten  erfasst.  rVer  für  die  indo- 
germanische Altertumskunde  alles  Heil  von  der  Prähistorie  erwartet,  übersieht  die 
ganz  eigenartige  Lage,  in  der  sich  diese  Wissenschuft  befindet  Sie  hat  Material 
in  Hülle  und  Fülle,  die  Sammlungen  Buropas  beherbergen  reiche  Überreste  der 
materiellen  Kultur  verflossener  Jahrtausende,  und  täglich  fordert  i\rr  Spaten  neue 
Schätze  zu  Tage.  Allein  diese  Zeugen  uralter  Vergangenheil  sind  stumm,  die 
Beile  und  Schwerter  verraten  nicht,  wer  sie  geschwungen,  die  Thongefüsse  nicht. 
wer  in  ihnen  gekocht,  aus  ihnen  getrunken  hat.  Eine  Altertumskunde  auf  Grund 
der  vorgeschichtlichen  Funde  wird  in  den  meisten  Fällen  namenlos  bleiben  müssen 
In  die  indogermanische  Urzeit  dringen  wir  auf  diesem  Wege  nicht  ein.  Das 
Unglück  ist  aber  nicht  allzu  gross,  denn  über  die  Seiten  der  Kultur  eines 
Volkes,  die  uns  im  Grunde  am  meisten  interessieren,  belehren  uns  die  Fundobjekte 
ja  überhaupt  nicht  Hin  einsichtiger  Historiker,  Ed.  Meyer,  ist  von  jeher  für  die 
Auffassung  eingetreten,  dass  die  Erschliessung  der  ältesten  Kulturzustände  und 
Wohnsitze  der  historisch  bezeugten  Einzelvölker  die  wichtigste  und  dankbarste 
Aufgabe  auch  für  den  sei.  der  eigentlich  darüber  hinaus  will.  Im  vorliegenden 
Buche  kommt  diese  Anschauung  vollauf  zur  Geltung.  Was  über  die  ältesten  Zu- 
stände der  Inder.  Griechen.  Römer  u.  B.  W.  verlautet,  wird  unter  geeigneten  Btich- 
wörtern  zusammengestellt,  verglichen  und,  wo  es  angeht,  aus  geraeinsamer  "Wurzel 
abgeleitet.  Letzteres  ist  zweifelsohne  ein  plenura  opus  aleac,  denn  auf  diesem  Ge- 
biete ist  noch  viel  weniger  als  auf  dem  rem  sprachliche,,  gemeinindogermaniBch 
gleichwertig  mit  urindogermanisch.  In  extremen  Fallen,  also  wenn  ganz  singulare 
oder  andererseits  bei  allen  primitiven  Völkern  vorkommende  Sitten.  Gebräuche 
und  dergl.  bei  sämtlichen  oder  den  meisten  tndogermanen  bezeugt  Bind,  darf  die 
Zurückfuhrung  auf  die  Urzeit  einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  bean- 
spruchen. In  die  erste  Kategorie  gehören  etwa  die  Hochzeitsbräuche  S.  353ff), 
in  die  zweite  der  Brautkauf,  die  Blutrache.  In  der  Mehrzahl  der  Falle  ist  eine 
Entscheidung  der  Frage,  ob  spätere  Entlehnung,  zufällige  Übereinstimmung  oder 
Urverwandtschaft  vorliegt,  vorläufig  mindestens  ganz  unmöglich.  Auch  hier  ist 
das  Unglück  zu  verschmerzen,  denn  der  Schwerpunkt  der  Forschung  hegt  in  den 
Einzelvölkern,  und  für  deren  Kulturentwicklung  in  späterer,  historischer  Zci 
kommt  es  auf  eins  heraus,  ob  einige  ihrer  ältesten  Gerätschaften  und  Wallen. 
sittlichen  und  religiösen  Anschauungen  nun  auch  wirklich  aus  der  Urzeit  stammen 
oder  nicht. 


Xii|>ilz;i: 

Bin  ausserordentlich  reiches  Material  ist  in  dem  Bchraderschen  Buche  auf- 
li  Dan  alle  Artikel  würdigen  and  beurteilen  zu  tonnen,  müsste  man  Indo- 
germanist nnd  Semitist,  Botaniker,  Zoologe,  Anthropologe,  Prähistoriker  und  Ethno- 
in  einer  Person  Bein.  Di«'  Specialisten  werden  zweifellos  imstande  sein,  so 
mancherlei  zu  ergänzen  oder  auch  zu  berichtigen,  hoffentlich  lockt  gerade  das 
Schradersche  Buch  kleinere  und  _i —  n  Monographien  über  diesen  oder  jenen 
strittigen  1  *u n k t  hervor  Die  verschiedenen  indogermanischen  Einzelvölker  sind 
verschieden  bedacht  Der  Bauptanteil  fällt  naturgemäss  denen  zu.  über  die  wir 
am  besten  unterrichtet  sind,  bezw.  für  die  am  meisten  vorgearbeitet  ist.  also  den 
Griechen,  Römern,  Indern  und  Germanen.  Die  übrigen  treten  gegen  diese  zurück. 
man«  hmal  mehr  als  erwünscht  und  auch  nötig  ist.  Die  vorgetragenen  Wort- 
deutungen  und  Gleichungen  Bind  nicht  immer  ganz  auf  der  Höhe  (so  sollte  die 
Verknüpfung  von  Baar  mit  aisl  haddr  eigentlich  abgethan  sein,  dürfte  Hose  [380] 
nicht  zu  bulg.  kus  gestellt  weiden  .  auch  werden  gelegentlich  Wörter  angeführt, 
die  nicht  existieren  ae.  ced  'Boot'278)  oder  doch  sehr  unsicher  sind  (z.B.  ir. 
ong  'Herd').  Im  übrigen  gehe  ich  auf  die  rein  sprachliche  Seite  nicht  naher  ein 
und  lasse  einige  /wanglose  Bemerkungen  zu  einzelnen  Artikeln  folgen. 

S.  .'Hill'.     Alle   Leute.     Der  Brauch,  sich  alter  Leute  durch  Tötung  oder  Aus- 
setzung zu  entledigen,    mag  zum  Teil  in  abergläubischen  Vorstellungen  begründet 
sein.     Die  afrikanischen  Bongo  behaupten,    dass  alte  Leute  die  Wälder  nachts  als 
Teufel  durchstreifen,    dass  sie   mit   hosen  Geistern  Rats  pflegen,    um  den  jüngeren 
Tod  und  Verderben  zu   bereiten.     An  plötzlichen  Todesfällen  sind  die  Alten  schuld, 
Vgl.  Schweinfurth,    Im    Heizen   von   Afrika,    I,  336.     Ein   Beleg   für   viele.  —  45  ff. 
Arzt.     Es   hätte  erwähnt  werden  sollen,  dass  die  Trepanation  ein  der  europäischen 
Vorzeit    wohlbekannter    chirurgischer    Eingriff   gewesen    ist.     Analogien    (bei    den 
beutigen   Bewohnern    von  Montenegro,    Albanien    und  der  Herzegowina,    sowie  bei 
verschiedenen  'Naturvölkern')    lassen    darauf  seh  Hessen,    dass  die  Trepanation  bei 
Geistes-    und    Nervenkrankheiten,    sowie    bei    Schädel  Verletzungen    vorgenommen 
wurde,  vgl.  z.  B.   Korrespondenzbl   iL  deutschen  Ges.  f.  Anthropologie  XXXI  (1900). 
18  ff.    wo  zahlreiche  Litteraturangaben  zu  linden  sind.     Die  diesbezüglichen  Funde 
auf  deutschem  Beden  behandelt  R.  Lehmann-Xitsche  in  einer  Münchener  Dissertation 
vom  Jahre   1898,  die  den  Titel  führt:  "Beiträge  zur  prähistorischen  Chirurgie  nach 
Funden  aus  deutscher  Vorzeit'.    —  öl  ff.     Aussetzungsrecht.    Für  die  baltischen 
Verhältnisse  kommen  besonders  zwei  Bullen  de-  Pabstes  Honorius  III.  vom  15.  Mai 
und   15.  Juni  121m  in  Betracht.     In  der  ersten  heisst  es:    •  .  .  inter  alia  enormitatis 
facinora,  que  perpetrant,  femini  sexus  soboles.   quoteunque  mater  pariat.  inhumana 
immanitate    perimunt,    preter    unam,    tanquam    propagationi   velint   humani  generis 
obviare,    vgl.  Mierzyriski,  Mythologiae  Lituanicae  Monumenta  IL  14  ff.,  wo  weitere 
sje.     Die  Sitte  der  Kinderaussetzung    spielt  hinein  in  eine  galindische  Legende 
bei   Petrus  Dusburg.,    Cronica  Terre  Prussice,  III.  c.  4),    die   um  so  interessanter 
ist.    je  weniger  wir  ihr  an  die  Seite  setzen  können.     Die  von   Brückner.    Archiv  f. 
slav.   Phil.  XXL  22  IL  behandelte  Legende  berichtet  folgendes.     Die  Galinden  (die 
V'j.i.. ■  -  ■>    des  Ptolemaeus,  vgl   Müllenhoff  D.  A.  II,  19)  hatten  sich  so  stark  vermehrt, 
dass  ihr  Land  sie  nicht  mehr  ernähren  konnte.    Man  gebot  daher,  alle  Xeugeborenen 
weiblichen  Geschlechts  zu  töten.     Das  half  aber  nichts,  denn  die  Mütter  umgingen 
das  Gebot.     Nunmehr  wurden  auf  Grund  einmütigen  Beschlusses  allen  Frauen  die 
Brüste  abgeschnitten,  damit  sie  nicht  mehr  nähren  könnten.     Die  Frauen   wandten 
sich  in  ihrer  Not  an  eine    heilige    und    im  Ruf   einer    'prophetissa'    stehende  Ge- 
schlechtsgenossin.    Diese    verkündete    den  Galinden.    die  Götter  wollten,    dass  sie 
alle    ohne  Wallen    in    den  Krieg    gegen    die  Christen    zögen.     Das    geschah.     Die 


Bücheran  ■>  \\  en.  ;i  | 

Galraden  machten  reiche  Beute,  wurden  aber  auf  der  Rückkehr  »amtlich  erschl 
da  ihre  Waffen  losigkeit    ruchbar    geworden    war.     Brückner    ha!  a        man 

-.■Stute  mir  die  kleine  Abschweifung  .  das  3  in  dei  Legende  das  wahre  Moth 
der  Verstümmelung  der  Frauen  verkannt  und.  Das  Abschneiden  der  milch- 
spendenden    Brüste    ist    ein    symbolischer  Zaubei  rsnol    und  Dürre. 

Ich  möchte  hier  darauf  hinweisen,  dass  die  Notii  des  Paradoxographua  Vatic. 
Rohdii  *2.>:    <>.   k  /.ra  cra.;v  >]    ityopia        /..■ 

::  '.t.:>.:  rü)p  ■/.'.■/.<■■  auf  dieselbe  Anschauung  führt.  56 ff.  Bad.  Wenn  es  eines 
Beweises  bedarf,  dass  auch  die  Slaven  das  Baden  in  Flüssen  liebten,  wird  er 
durch  die  bekannte  Stelle  der  Vita  Sturm i  erbracht,  wonach  man  am  144  aul  der 
Strasse  von  Thüringen  nach  .Mainz  an  der  Fulda  badende  Slavenhaufen  traf. 
60.  Bar.  Es  konnte  angeführt  werden,  dass  die  Arkadei  sich  von  einer  Kann 
herleiteten  Zur  Sage  von  Callisto  vgl.  Röscher,  Mytholog.  Lexikon  s.  v,  wo  die 
Versetzung  an  i\<'n  Himmel  meines  Erachtens  mit  Unrecht  als  junger  V.u. 
wird.  —  7G ff.  Bestattung.  Ans  den  Angaben  über  die  Bestattungsweise  der 
Kelten  und  Germanen  (78-  könnte  man  den  Eindruck  gewinnen,  als  sei  bei  den 
ersteren  nicht  wie  bei  den  letzteren  der  Periode  des  Leichenbrandes  eine  solche 
der  Beerdigung  vorausgegangen.  Aber  3  I  Jahrhunderte  vor  Cäsar,  als  die  später 
verschwundenen  Streitwagen  noch  m  vollem  Gebrauch  waren,  begrub  man  in  der 
Champagne  die  Tuten  (vgl.  Revue  Celtique  XX.  119).  Das  'premier  äge  de  In 
nach  der  französischen  Bezeichnung  ist  durch  Bestattungsgräber  /.  B.  Annoisin- 
Chatelans)  neben  Brandgräbern  vertreten  Chantre,  Premier  äge  du  fer,  II  .  In 
der  Bronzezeit  überwog  das  Verbrennen,  doch  ist  das  aus  der-  Steinzeil  her  be- 
kannte Begraben  nie  ganz  erloschen.  —  98  ff.  Blutrache.  Die  Blutrache  war, 
wie  zu  erwarten,  auch  den  alten  Preussen  wohlbekannt.  Petrus  Dusb.  III.  •'•:  Si 
homieidium  committitur  inter  eos,  nulla  potesl  eomposicio  intervenire,  nisi  priua 
ille  horaieida  vel  propinquus  ejus  ab  occisi  parentibus  oeeidatur.  —  106  ff  Bohne. 
Sehr,  giebt  an.  dass  bei  den  Ägyptern  die  Bohne  aus  religiösen  Gründen  nicht 
gegessen  werden  durfte.  Bekanntlich  galt  dasselbe  Verbot  für  die  Pythagoräer 
und  Orphiker.  Pythagoras  fand  nach  der  Sage  äeinen  Tod,  weil  er  ein  Bobnenfeld 
nicht  zu  überschreiten  wagte  und  daher  von  seinen  Verfolgern  eingeholl  wurde. 
In  Rom  durfte  der  Flamen  diaÜS  die  Bohne  weder  essen  noch  nennen.  Alles 
dies  gehört  in  C\vn  Kreis  der  totem  istischen  Vorstellungen  vgl.  ■  B  S.  Reinach, 
Rev.Celt.XXF,  278ff.,  der  weite,,.  Litteratur  angiebt).  -  109  ff.  ßrautkauf. 
Für  die  Preussen  bezeugt  durch  Petrus  Dusb.  III.  ö  uxorea  suas  emunt  pro  certa 
summa  peeunie.  —  116  ff.  Buche.  Zu  <|><v:  fagus  buohha  gesellt  seh  nunmehr 
kurd.  Im/,  'Art  Ulme'.  Meiner  Ansicht  nach  müssen  wir  ehrlich  zugeben,  dass 
auch  dieses  Wort  in  der  Frage  nach  der  Urheimat  völlig  wertlos  ist.  da  wir  seine 
ursprüngliche  Bedeutung  auf  keine  Weise  ermitteln  können.  165  ff.  Eid.  Sehr 
interessant  ist  die  Schilderung  des  Eides,  >\c\\  der  litauische  Fürat  Kiejstu!  1361 
vor  Ludwig  von  Ungarn  ablegte,  Mierz.  11.  76ff.  79  ff.  K.  liess  einen  roten  Ochsen 
kommen  und  öffnete  ihm  die  Halsader.  Das  Blut  echoss  nei.oi.:  em  gutes  Zeichen. 
Nunmehr  wurde  das  Tier  enthauptet,  und  zwischen  Kopf  and  Rumpf  hindurch- 
schreitend, also  in  dem  Blute  watend,  schwor  der  Fürst,  so  sollte  es  ihm  ergehen, 
wenn  er  sein  Wort  bräche.  Er  brach  es  übrigens  doch.  Heinrich  <U-i  Lette  be- 
richtet: Livones  et  Lettin  inter  se  conjurarunt  et  gladiorum  calcatione  conjurationem 
Buam  paganorum  more  confinnarunt.  Wie  leblose  Gegenstände,  /.  B  Sei, werter. 
Aussagen  kontrollieren  können,  geht  recht  deutlich  hervor  aus  einer  Stelle  am 
Anfang  der  mittelirischen  Erzählung  'Das  Krankenlager  Cuchulinns'.  Die  Ulster- 
leute  hielten  jährlich  am  Sommerende  ein  Fest  in  Mag  Murthemni  ab.    An  di 


Zii|ii)/.a: 

Helden  wetteifernd  ihre  Thuten  im  vergangenen  Jahre  zu  preisen  und 
die  Zungen  der  erschlagenen  Feinde  vorzulegen  (die  Kelten  waren  Kopfjäger  so 
_iii  wie  die  Dayaks,    (loch  man    sieh    in   Irland  später  mit  den  Zungen). 

Ea  lag  mihe,  zur  Erhöhung  der  Zahl  ein  paar  Rindszungen  i  inzuschmuggeln     Daher 

war  eine  Kontrolle  nötig.  Diese  übten  die  Schwerter  aus.  'denn  sie  wendeten  sich 
i  sie  (ihre  Herren  .  wenn  sie  betrogen  Es  sprachen  nämlich  Dämonen  aus 
ihren  Wallen  ZU  ihnen  und  diese  wäre:»  somit  Bürgen  für  sie1.  —  204.  Erziehung. 
Ich  vermisse  eine  Erwähnung  der  aus  dem  german.  Norden  wohlbekannten  Sitte 
vornehmer  Familien,  die  Kinder  frühzeitig  zur  Erziehung  aus  dem  Hause  zu  geben, 
i  is  bei  Indern  (vgl.  z.  15.  Zs.  f.  Rsw.  V,  417),  Iren.  Kymren  (Rhys  und 

Brynmor  Jones,  The  Welsh  Peoplc,  8.  206f  .  vgl.  auch  Post,  Entwicklungsgesch. 
d.  Familienrechts,  37,  Grundr.  d.  ethnol.  Jurispr.  I.  (.»7.  —  255 ff.  Freund  und 
Feind.  Die  Sitte  der  Blutsverbrüderung  wird  hier  nur  für  die  Germanen 
belegt.  Sic  wird  auch  von  den  Skythen  berichtet,  vgl.  Lucian  Toxaris,  37.  Die 
Skythen  sehneiden  sieh  in  ^\cn  Finger,  fangen  das  rinnende  Blut  in  einem  Gelasse 
auf.  tauchen  die  Spitzen  der  Schwerter  hinein  und  trinken  zu  gleicher  Zeit  daraus, 
Auch  hei  den  Kelten  rauss  die  Sitte  bestanden  haben.  Im  Ausgang  der  Republik 
und  später  führen  Aeduer  und  Arvcrner  den  ganz  singulären  Titel  'Fratres  et  con- 
sanguinei  populi  Homani'.  Dieser  wird  verständlich  als  Konzession  der  Römer  an 
die  gallische  Nationalste  der  Blutsverbrüderung  (vgl.  Hirschfeld,  Sitzungsber  pr. 
Akad.  1897,  1106  ff).  In  der  mittelirischen  Sage  'Der  Rinderdiebstahl  von  Cuailnge' 
sind  Cuchulinn  und  Per  Diad  Blutsbrüder,  wodurch  die  Tragik  ihres  gewaltigen 
Zweikampfes  noch  erhöht  wird.  vgl.  Zimmer,  KZ.  XXVIII.  463  ff.,  El.  Hüll,  The 
Cuchullin  Saga.  1*6  ff.  Angesichts  der  gallischen  Sitte  braucht  man  nicht  mit 
Zimmer,  Zs.  f.  d  A.  XXXII,  306  in  dieser  Episode  den  Einfluss  der  Vikinger  zu 
suchen.  Über  Blutsbrüderschaft  bei  aussereuropäischen  Völkern  z.  B  Kohler,  Zs. 
gl.  Rechtsw.  V.  434ff.  XI,  424.  —  269  ff.  Gastfreundschaft.  Hochberühmt 
war  im  Mittelalter  die  Gastfreundlichkeit  der  heidnischen  Preussen.  —  -304  f. 
Gottesurteil.  Die  recht  interessanten  irischen  Ordale  findet  man  bequem  in  den 
irischen  Texten  von  Stokes  und  Windisch  III,  1*3  ff.,  in  den  Anmerkungen  werden 
namentlich  auch  kymrische  Parallelen  beigebracht.  -  332  ff.  Häring.  Scadinavia 
wird  auf  Grund  von  ir.  scatan,  kymr  ysgadan  'Häring',  ac.  sceadd,  nc.  shad 
' Maifisch '  als  'Häringsinsel'  gefasst.  Sehr  hübsch,  nur  stimmen  die  Laute  nicht 
recht.  \v.  scatan  und  kymr.  ysgadan  können  sich  nun  und  nimmermehr  verhalten 
wie  cretim  und  credu  'glauben',  denn  letztere  sind  durch  späte  Zusammenrückung 
zweier  Worte  entstanden.  Ich  verfolge  diesen  Punkt  hier  nicht  weiter.  Auffallend, 
ja  geradezu  unbegreiflich  ist  Schraders  fragender  Ansatz  *  Scodanus  für  Codanus 
smus.  Wie  der  Name  der  Stadt  Danzig,  in  ältester  Form  Gyddanizc  beweist, 
ist  lür  Codanus  von  einem  *Küdan-  auszugehen,  vgl.  Kossinna  IF.  V-II,  2s 7  ff. 
-  335.  Hase.  Der  Hase  spielte  auch  im  Aberglauben  der  Litauer  eine  Rolle. 
In  der  russ.  Bypatiuschronik  findet  sich  zum  Jahre  1252  die  Notiz,  dass  der  nur 
scheinbar  zum  Ciiristentum  bekehrte  Litauerfürst  Mindog  nach  der  Begegnung  mit 
einem  Hasen  nichts  weiteres  unternahm  (so  offenbar  zu  ergänzen,  vgl.  Mierz.  I. 
L'iH  und  151).  Die  Litauer  scheinen  einen  Gott  in  Hasengestalt  verehrt  zu  haben. 
336 ff.  Haus.  Dass  die  gallischen  Häuser  floXo :i6eiq  waren,  also  Rundbauten, 
bestätigt  die  Archäologie.  In  Frankreich  haben  das  alte  Bibracte,  sowie  das 
einstige  gallische  oppidum  Mareens  zahreiche  Proben  des  Rundbaues  geliefert,  in 
Spanien  Citania  und  Sabroso  (Hübner,  Rom.  Herrschaft  in  Westeuropa,  S.  232  ff.). 
Vgl.  auch  die  runde  Hütte  mit  Strohdach,  die  die  gall.  Göttin  Nantosvelta  (aus 
Saarburg)    in  der  Hand  hält  (Jb.  d.  Ges.  f.  lothr.  Gesch.  VII,  155  f.).     Für  Wales 


Bücheranzeigen. 

ist    der  Rundbau  noch  im  späteren  Mittelalter  durch  Giraldus  in  seiner  Descriptio 
Carabriae  I.  c. .10  und  IT  bezeug!  (vgl    Rhys  and   l>    Brynmor  Jones,  The  Welsh 
People,  S.  200),  zum  irischen  Hause  vgl  O'Gurrj  Mannen  and  Customs  L,  CCXCVII. 
Bin  Seitenstück    zu    den    rechteckigen  Häusern  der  Pfuhlbauer  bildel  jetzt  di< 
Heilbronn  te  Wohn  statte  aus  neolithischer  Zeit,  vgl.  Schliz,  Korrespbl.  1900, 

S.  23  und  desselben  Abhandlung  'Eine  neolithische  Wohnstätte  bei  Heilbroni 
aus    Fundber.    aus  Schwaben  VII  (1899).     Die  Verschiedenheit    der   11 
ethnisch    deuten    zu    wollen,    wäre  verfehlt.     Gerade  die  ältesten  deutschen  Haus- 
urnen    scheinen    viereckig    zn    sein,    vgl     Globus  l.\l.   111  - > 4 T     II.  bamme. 

Die  Sitte  des  Männerkindbelts  klingt  vielleicht  in  einem  seltsamen  Zuge  der  irischen 
nach  Angeblich  infolge  eines  Fluches  werden  die  Ulsterleute  periodisch  von 
einer  unüberwindlichen  Schwäche  befallen  cess  nöiden),  von  der  Weiber  und 
Kinder  verschont  bleiben.  Vgl.  E  Hüll,  Cuch.  Saga,  292  und  Sitzungsber  - 
Ges.  d.  Wissensch ,  phil.-hist.  Kl.  1884,  336  ff.  Übrigens  kann  man  noch  heute 
jemandem  anwünschen,  er  solle  so  schwach  werden,  wie  ein  Weib  in  Kii 
vgl.   Larminie,    West-lrish  Folktales,    S.  101  f.  353  ff.    Heirat.     Bei    den    ver- 

schiedensten Völkern  der  Erde  isl  der  Verkehr  des  jungvermählten  Paares  in  den 
erstem  Jahren  gewissen  Beschränkungen  unterworfen.     Mann  und  Krau  dürfen  sich 
nicht  bei  Tage  sehen  oder  sprechen,   der  Name  darf  nicht  genannt  werden  u.  dgl. 
Auch  bei  *\vn  [ndogermanen  sind  Spuren  derartiger  Gebräuche  erhalten,     [n  Sparta 
durfte    der  junge  Ehemann    nur  heimlich  zur  Nachtzeit  zu  seiner  Frau  schleichen 
(Plutarch  Lykurg  1.0).     In  der  altindischen  Legende  von  Pururavas  und  der  A] 
ürvaei  (schon  im  Rigveda,    die   Prosaerzäblung  im  Catapathabrähm.)    ist    das  B  - 
stehen  der  Ehe  an  die  Bedingung  geknüpft,  dass  Urv.  ihren  Mann  nicht  unbekleidet 
sieht,    'denn   dies   ist   die  Sitte  der  Frauen'.     Die  Erzählung  gehört  ja  bekanntlich 
in  einen  grossen  Zusammenhang,  vgl.  z.  B.  A.  Lang,  Custom  and  Myth'.  J.  Ki 
Melusinensage.       -    367  ff.    Herd.     Die  litauische  'Göttin  des  brennenden  Herd»-' 
Polengabia  (Matergabial   ist  jetzt  durch  Brückner,  Archiv  f.  slav.  Phil,  XXII.  i'Tl 
aus   der  Well    geschafft   worden      Diese  Gabia  ist  nicht  anderes  als  die  russ 
Gapka  Gafija,  d.  i.  die  heilige  Agathe,  von  der  das  polnische  Sprichwort  zu  - 
weiss:  chleb  s"wi<;tyAgaty  od  ognia  strzeze  chaty.    -  370f.    Himmel  nden. 

Die  Rolle,  die  der  Osten  in  der  Orientierung  spielt,  hätte  vielleicht  etwas  aus- 
führlicher dargelegt  werden  können.  Für  die  Brahmanen  besteht  die  Vorschrift, 
beim  Essen  das  Gesicht  nach  Osten  zu  wenden  Baudh.  II.  ~.  12.  1.  im  Ritual  tritt 
der  Osten  sehr  stark  hervor  .Einiges  bei  I.eist.  tue  Gentium,  153).  Für  die  Ger- 
manen vgl.  Grimm.  DRA  .  MIT.  813,  Myth.  28  (Beten  nach  Osten,  doch  auch  nach 
Norden,  E.  H.  Meyer.  Myth..  187).  Bei  den  [nselkelten  bedeutet  'rechts'  zugleich 
;südlich".  Damit  darf  man  in  Verbindung  bringen,  dass  bei  den  kontinentalen 
Galliern  die  Toten  noch  in  römischer  Zeit  mit  dem  Gesicht  nach  Osten  bestattet 
wurden  (vgl.  Sablon.  Jahrb.  d  Ges.  f.  Gesch.  Lothr.,  VII.  195).  Übrig*  -  ist  die- 
selbe Orientierung  auch  sonst  bezeugt,  z.  B.  auf  dem  Glasinac,  Korrespbl.  XXV  94 
133,  in  Pommern,  Mecklenburg,  Posen  u.  s.  w.  aus  slavischer  Zeit  Zs.  f  Ethn. 
Verh.  XXX  [1898],  8.  95).  Gelegentlich  mischen  sich  zwei  Orientierungsweisen, 
z.  B.  nach  O.  und  N.,  wie  bei  Buchheim,  Amt  Messkirch,  Baden  Hallstattzeit  ,  vgl 
Centralbl.  III,  141.  Dass  Männer  in  anderer  Richtung  bestattet  wurden  als  Frauen, 
ist  meines  Wissens  in  Europa  noch  nicht  beobachtet  worden,  doch  könnte  ein 
solcher  Brauch  uns  nicht  überraschen.  Er  existiert  thatsächlich  in  Afrika,  bei  den 
Bongo  und  Niamniam  (Schweinfurth,  im  Herzen  Afrikas,   i.  332,   II  412 ff. 

Katze.     Die   Hauskatze    ist    in  Indien    schon    zur  Zeit    des  Atharvaveda    bekannt 
gewesen,    vgl.    Geldner.    Ved.    Stud.   I,  313.    -       454  ff.    Kopfbedeckung.      Die 


m|  Wemhold: 

ntümlichen  'Jesuiterhüte'  der  Situlenkunst  hätten  wohl  mit  einem  Wort  erwähnt 
frerdeo    können.  '  tl.    Körperbeschaffenheit.     Bei    allen  Völkern    indo- 

anischer  Zunge  können  wir  in  historischer  Zeit  eine  Verdrängung  des  Monden 
(and  langschädligen)  Typus  durch  den  brünetten  (kurzschädligen)  konstatieren, 
Problem  Bcheint  einheitlich,  kann  aber  in  Wahrheil  nur  dadurch  der  Lösung 
geführt  werden,  dass  die  speciellen  Verhältnisse  jedes  einzelnen  Landes 
für  sieh  untersucht  werden.  Eine  der  frappantesten  Thatsachen  ist.  wie  bekannt, 
das  Verschwinden  des  blonden,  blauäugigen  Typus  bei  den  Kelten  Cd.  i.  den 
Trägern  eines  keltischen  Idioms).  Bei  den  Bewohnern  von  Wales  steht  die  Sache 
ja  nicht  so  schlimm,  man  wird  da  immer  auf  die  Angabe  des  Tacitus,  Agricola  11. 
zurückgreifen:  Silurum  colorati  vultus.  torti  plerumque  crines  et  posita  contra 
Hispania  Qiberos  veteres  traiecisse  easqne  sedes  occupasse  fidem  faeiuat  Es  ist 
keineswegs  undenkbar,  dass  die  Siluren  (zum  Namen  vgl.  den  spanischen  Silurus. 
Avien  433,  die  heutige  Sierra  de  Tejeda,  s.  Unger,  Philologus  Suppl.  IV,  1882, 
B)  wirklich  Iberer  waren,  und  dass  mit  ihnen  die  sogen.  Schwertstäbe  aus 
Spanien  gekommen  sind  (M.  Äluch.  Kupferzeit,  133  ff.).  Hier  wäre  man  also  sicherer 
i  des  dunklen  Typus  habhaft  geworden.  Aber  die  grosse  Masse  der  vor- 
keltischen  Bewohner  Britanniens  gehörte  einer  ganz  anderen  Menschenart  an. 
Tacitus  berichtet:  rutilae  Caledoniam  habitantium  comae,  magni  artus  Germanicam 
originem  adseverant.  Diese  Bewohner  Caledoniens  sind  natürlich  die  sogen.  Pikten, 
die  einst  die  ganze  Insel  innehatten  und  von  den  Kelten  allmählich  in  den  nörd- 
lichen Teil  zurückgedrängt  worden  sind  (man  vgl.  auch  die  ursprüngliche  Aus- 
dehnung des  Namens  SXß'uuv  mit  der  späteren,  Alba  —  Schottland).  Die  Pikten 
waren  auch  die  Ureinwohner  Irlands  (Zimmer.  Zs.  d.  Savigny-Stift.  f.  Rechtsgeseh. 
Rom.  Abt.,  XV,  '214).  Die  irischen  Kelten  waren  vermutlich  von  Haus  aus  wie 
ihre  britischen  und  kontinentalen  Verwandten  blond  und  blauäugig,  wir  erleben 
es  hier  also,  dass  aus  der  Vermischung  zweier  blonder  Rassen  eine  dunkle  her- 
vorgeht. Immer  wieder  kommt  hier  der  Laie  auf  die  Vermutung,  dass  es  eine 
spontane  Änderung  des  Typus  giebt.  dass  dieser  eben  nicht  konstant  ist.  Erwähnt 
sei  noch,  dass  in  der  mittelirischen  Sage  das  Haar  besonders  von  schönen  Frauen 
buide  'blond'  genannt  wird,  so  bei  Etain,  Emer.  Derdriu.  Cuchulinn  wird  im  all- 
gemeinen schwarz  gedacht,  doch  giebt  es  auch  ganz  abweichende  Schilderungen 
von  ihm. 

Ich  schliesse  mit  dem  Wunsche,  dass  das  Buch  Schraders  recht  viele  Benutzer 
finden  möge.  Niemand  wird  es  aus  der  Hand  legen,  ohne  reiche  Belehrung 
empfangen  zu  haben.  E.  Zupitza. 


Archiv  für  Religionswissenschaft,  herausgeg.  von  Prof.  Dr.  Th.  Achelis. 
Dritter  Land.  Heft  :i.  1.  Tübingen,  Freiburg  i.  B.,  und  Leipzig.  .!.  ( '. 
L.   Mohr  (P.  Siebeck  .   L900. 

Dil  beiden  ersten  Hefte  des  '6.  Bandes  des  Archivs  sind  in  unserer  Zeitschr.  X, 
348  f.  angezeigt  worden  Aus  dem  Inhalt  von  Heft  3.  i  hoben  wir  hervor:  Die 
Allgemeine  Einleitung  in  die  .Mythologie  aus  dem  Nachlasse  des  würdigen  H. 
Stemthal  von  R.  M.  Meyer  herausgegeben.  Prof.  Meyer  macht  mit  Recht  darauf 
aufmerksam,  dass  in  dieser  fragmentarischen  Studie  ein  letzter  klassischer  Aus- 
druck der  philosophisch-vergleichenden  Schule  in  der  wissenschaftlichen  Mythologie 
vorliege  und  dass  sie  schon  deshalb  historischen  Wert  habe.  —  Unter  dem  Titel 
Buchreligion  und  Schriftauslegung  erörtert  Prof.  H.  Holtzmann  in  Strassbur«-  das 


Bücheranzeigen. 

wechselnde  Verhältnis  der  Schriftansiegang  zu  der  heiligen  Litteratur  der  Vorzeit, 
insbesondere  zn  den  heiligen  Büchern  des  späteren  Judentums  und  des  Urchristen- 
tums. —  Prof.  R.  .Müller  behandelt  auf  Grand  neuer  buddhistischer  and  tibe- 
tanischer Quellen  die  von  ihm  schon  einmal  berührt  -  on  Uppalavanpä  im 
Zusammenhange  mit  dem  ganzen  Material,  zu  dem  die  Albanus-  und  Gregorius- 
legende  gehören.  Von  tl^-i  kleineren  Beiträgen  seien  die  umfänglicheren  genannt: 
II.  Schukowitz,  Über  die  Rosengärten,  d.  i.  alte  Friedhöfe  wie  er  fälschlich  zu 
meinen  scheint  nur  der  kleinen  Kinder  :  auch  sonsl  ist  manches  anfechtbar,  da« 
er  hier  schreibt.  Dasselbe  muss  ich  über  die  Mythologischen  Studien  im  Gebiete 
des    Baidermythus    von    Fr.  Losch    arteilen,    die    an    desselben  Verfassers   Buch: 

Halder  und  der  weisse  Hirseh  (Stuttgart  1892)  sich  anlehnen,  das  bei  manchem 
Anzuerkennenden  doch  unmethodisch  und  ohne  Beherrschung  dvs  Stoffes  geschrieben 
ist.  Jetzt  zieht  Herr  Losch  auch  das  Spiel mannsgedichi  von  König  Oswalt  zu  dem 
Baiderkreise,  wegen  des  Hirsches  und  der  Quellener  weckung!       K.  Weinhold. 


Kleinere  Schriften  von  Reinhold  Köhler.  H.  Band.  Kleinere  Schriften 
zur  erzählenden  Dichtung  des  Mittelalters.  Herausgegeben  von 
Johannes  Holte.  .Mit  einem  Bildnis  Köhlers  und  zwei  Abbildungen. 
Berlin.    E.   Felber,    L900.     S.  XII.    700.     8°.  III.  Band.     Kleinere 

Schriften  zur  neueren  Literaturgeschichte.  Volkskunde  und 
Wortforschung.  Herausgegeben  von  Johannes  Holte.  Mit  drei 
Abbildungen.     Heidin.  E.  Felber,   1900.     S.  KV.    659.     8°. 

Dem  ersten  Bande  der  Kleineren  Schriften  von  Reinbold  Köhler,  den  wir  in 
unsrer  Zeitschrift  IX.  L02  anzeigten,  sind  verhältnismässig  rasch  der  zweite  and 
dritte  gefolgt,  mit  denen  die  Sammlung  schliesst.  Es  braucht  nur  an  die  hervor- 
ragende, oder  lieber  einzige  Stellung  im  Gebiete  der  Stoffkunde  aller  erzählenden 
Dichtung  erinnert  zu  werden,  die  It.  Köhler  erreicht  hatte,  an  seine  umfassende 
Kenntnis  alles  volkstümlichen  Lehens,  um  die  grosse  Bedeutung  dieser  Sammlung 
der  zerstreuten  kleinen  Aufsätze  des  Weimarschen  Doktor  Ulwissend  zu  bezeichnen. 
Dazu  kommt,  dass  .Johannes  Holte  der  Herausgeber  ist.  der  dem  Verstorbenen 
sehr  erfolgreich  nacheifert  und  der  ausser  der  sorgsamen  Behandlung  der  Köblerechen 
Drucke  und  Handschriften  Ergänzungen  aus  offener  Hand  spendete.  So  besitzen 
wir  in  diesen  drei  Bänden  ein  unentbehrliches  Hand-  und  Nachschlageöuch  für 
alle  oben  bezeichnete  Forschungsgebiete,  das  Köhlers  Andenken  Behr  lange  erhalten 
und  dem  trefflichen  Sammler  und  Herausgeber  viel   Dank   verdienen  wird. 

In  dem  zweiten  Hände  bilden  den  Gegenstand  der  Köhlerschen  Forschungen 
meist  ..einzelne  Erzählungsstoffe,  Motive,  poetische  Formeln,  denen  ei  durch  alle 
Länder  und  Jahrhunderte  nachspürt,  am  sie  miteinander  zu  vergleichen". 

Der  dritte  Hand  zerfallt  in  vier  Abteilungen:  1.  Zur  neueren  Litteraturgeschichte, 
2.  Zur  Volksdichtung  (Lied.  Spruch.  Rätsel,  Sprichwort  .  3.  Zum  Aberglauben  and 
Volksbrauch,  4.  Zur  Wortforschung.  Hier  vor  allem  tritt  die  weilumfassende  Be- 
lesenheit und  Sachkunde  R.  Köhlers  hervor,  seine  fiberall  einsetzende  Forschung 
im  einzelnen,  zugleich  seine  strenge  Sachlichkeit     Wenn  di  nmlung  im 

übrigen  nur  bereits  Gedrucktes,  alter  Ergänztes  und  Nachgeprüftes  bietet,  so  ent- 
halt der  dritte  Band  auch  bisher  Ungedrucktes  (No.  25.  29.  59.  63).  Das  un- 
qualifizierbare  Verhalten  des  Prof.  Dr.  Anton  Herrmann  in  Budapest,  der  1892  vor 


Holt,  : 

Köhlers  Schwestern  ein  Manuskript  entlehnte  und  es  hartnäckig  zurückbehält,    hat 
den  Abdruck  dieser  Reliquie  hier  unmöglich  gemacht 

Erinnert  sei  zum  Schiusa  an  die  durch  .)  Bolte  und  ESrich  Schmidt  aus  dem 
Nachhisse  herausgegebenen  Aufsätze  K.  Köhlers  Über  Märchen  und  Volks- 
lieder Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,  1894,  vgl.  nnsre  Zeitschrift  IV,  1)8), 
die  mit  den  Kleineren  Schriften  innerlich  zusammenhangen.         K.  Weinhold. 


Friedrich  Vogt,  Die  Schlesischen  Weihnachtspiele.  .Mir  Buch- 
schmuck von  W.  \\  islicenus,  sowie  -I  Gruppenbildern  der  Batzdorfer 
Weihnachtspiele.  Leipzig,  15.  G.  Teubner,  1901.  S.  XVI.  500.  8°. 
.Mit  •_'  Tafeln.  (Schlesiens  volkstümliche  Überlieferungen,  Sammlungen 
und  Studien  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  Volkskunde,  heraus- 
a  geben  von   Friedrich   Vogt,  Band  1.) 

In  reicher   geschmackvoller  Ausstattung  tritt  die  erste  grössere  Veröffentlichung 

der  vor  sechs  Jahren  begründeten  schlesischen  Gesellschaft  für  Volkskunde  am 
Jahrhundertendc  vor  i\vn  Kreis  der  Freunde  deutschen  Volkstums.  Dass  wir  von 
Vogt  eine  wohldurchdachte,  sorgsame  Arbeit  erhalten  würden,  stand  zu  erwarten. 
Er  hat  sich  jedoch  keineswegs  auf  eine  saubere  Edition  der  zahlreichen,  durch  die 
Mitglieder  der  Gesellschaft  zusammengebrachten  Texte  beschränkt,  sondern  zugleich 
eine  Rekonstruktion  und  Entwicklungsgeschichte  geliefert,  die  wir  geradezu  als 
musterhaft  bezeichnen  dürfen.  Hatte  K.  Weinhold  1853  in  seinem  grundlegenden 
_  Weihnacht-Spiele  und  -Lieder  in  Süddeutschland  und  Schlesien'-  von  dem 
germanischen  Feste  der  Wintersonnenwende  ausgehend  die  Weihnachtsfeier  der 
christlichen  Kirche  des  Mittelalters  geschildert,  um  dann  unter  Einflechtung  zahl- 
reicher unedierter  Texte  die  volksmässigen  Weihnachtspiele  des  16. — 19.  Jahrb. 
durchzugehen  und  auch  die  Entwicklung  des  Weihnachtsliedes  zu  skizzieren,  so 
disponiert  Vogt  sein  Buch  nach  den  drei  Klassen  der 'schlesischen  Weihnacht- 
spiele: 1.  Adventspiele.  2.  Spiele  von  Christi  Geburt  und  o.  Herodesdramen  und 
Sternsingerspiele.  Von  diesen  drei  Arten  wird  nur  die  erste  und  dritte  auch  für 
sieh  allein  aufgeführt,  die  Geburt  Christi  aber  stets  entweder  mit  dem  Advents- 
besuche des  Christkindes  oder  mit  dem  Dreikönigspiele  vereinigt.  Wahrend  die 
beiden  letzten  Stücke  naturgemäss  auf  die  Erzählung  der  Evangelien  zurückgehen, 
ans  in  den  Adventspielen  ein  Stück  germanischen  Heidentums  in  christlicher 
Vermummung  vor.  Hier  tritt  ein  bekränztes  und  verschleiertes  Mädchen,  welches 
bristkind  vorstellt,  in  die  Häuser,  um  nach  dem  Fleisse  und  der  Frömmigkeit 
der  Kinder. zu  fragen,  wobei  ihm  seine  Begleiter,  die  Engel  Gabriel  und  Immanuel, 
Petrus  und  Ruprecht  (auch  Duprick  oder  Josef  geheissen),  Auskunft  erteilen,  und 
die  guten  Kinder  mit  Gaben  aus  seinem  goldenen  Wagen  belohnen.  Klar  zeigt 
nachdem  er  die  verschiedenen  Fassungen  der  schlesischen  und  der  übrigen 
deutsehen  Adventspiele  besprochen,  dass  diese  nicht  aus  den  von  gelehrten  Schul- 
männern in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  bearbeiteten  Adventspielen 
in-  Altenburg,  Görlitz.  Nürnberg,  Zittau  u.  s.  w.)  erwachsen  sein  können,  sondern 
nach  Form  und  Charakter  ins  16.  Jahrhundert  zurückreichen.  Dies  Kinderexamen 
durch  den  heiligen  Christ  aber  ist  wiederum  eine  protestantische  Umgestaltung  der 
mittelalterlichen  Nikolausspiele,  in  denen  der  Schutzpatron  der  Schüler  an  seinem 
Gedenktage  durch  Umzüge  und  Dramatisierung  der  auf  ihn  bezüglichen  Legenden 
gefeiert    wurde.     Neben  der  Gestalt  des  kinderfreundlichen  Bischofs  Nikolaus  lebt 


Bücberani  97 

nun    in    den  Volksspielen    von  Christkinde^  Einkehr   auch   die  Erinnerung  an  « i ■ « - 
Erscheinung  einer  heidnischen  Schicksalsgöttin,  die  in  Südd<  atschland  Frau  Ben 
in  Mitteldeutschland  Krau  Bulda  oder  Holle  heisst,  und  die  Sitte  der  Um    I 
mummter  Gesellen  zur  Weihnachtszeil  (Perchtenlaufen    fort     An  jene  mahnt  noch 
die  w<  deierte  Krau   der  Adventspiele  and  ihr  goldener  Wagen;    der  N> 

ihres  zottigen  Begleiters  Ruprecht  wird  nicht  mit  Grimm  als  Hruodpei  hl  Ruhm- 
glänzender,  ==  Wuotan),  sondern  als  Rühpert,  der  rauhe  Bercht  entsprechend  dem 
nd.  Rükläs  =  rauher  Nikolaus  gedeutet.  —  In  den  Kapiteln,  welche  den  Bchlesischen 
Christigeburt-    und  Berodesdramen    g  sind,    geht   Vogl    die   älteren    I 

beitungen  dieser  Stolle  durch  und  zeigt,  wie  in  den  eingelegten  Liedern  und  ein- 
zelnen Zügen  die  mittelalterliche  Tradition  und  das  Vorbild  des  Hans  Bachs  und 
anderer  Dramatiker  seiner  Zeit  sich  bis  auf  den  beutigen  Tau  lebendig 
Aus  Cochems  Leben  Jesu  von  1680  stammt,  wie  Bchon  Ammann  erkannte,  die 
Scene  des  Prozesses  wider  den  gefallenen  Menschen  und  das  Gesprüch  /wischen 
dem  Pilger  und  dem  getreuen  Hirten.  Auch  in  diesen  Abschnitten  i-t  die  Unter- 
suchung mit  Vermeidung   alles  überflüssigen  Ballastes  knapp  und  tasslich  geführt. 

Unter  den   in  die  Abhandlung  eingestreuten  Texten   sind   neben  verschiei 
Adventspielen    und  Sternsingerliedern  das   Batzd orfer  Weihnachtspiel  (S.  247),    ein 
in  neun  Varianten  vorhandenes  Sternsingerspiel    S.  317).  ein  Schmiedeberger  Drei- 
königsspiel   s   33:2)    und    drei    Berodesdramen    aus  Breslau,    von    der  Beuscheuer 
und  aus  Friedersdorf  (S.  340)  hervorzuheben.    Wo  die  Melodien  der  Liedereinl 
zu    erlangen    waren,    sind    sie   jedesmal   mitgeteilt.     Die  Darsteller  des  Batzdorfei 
Weihnachtspieles     werden     uns     nach     photographischen    Aufnahmen    vorgeführt. 
interessant    ist   der  S.  33ü   geführte  Nachweis,    das-  ein  Batzdorfer  Dreikönigslied 
wörtlich  aus  einem  tschechischen  Liede  übersetzt  ist.  das  seinerseits  freilich  wieder 
auf   ein    deutsches  Original    zurückgeht.     Da    aber  Vogt  die  Volksüberliefern 
nicht    bloss    für    die  Wissenschaft,    sondern    auch    für  das  Leben  nutzbar  machen 
wollte,    hat    er    drei  Stücke    beigegeben,    die    er    für  Aufrührungen  bearbeitet  und 
1899  selber  in  Breslau  zur  Aufführung  gebracht  hat:    1.  ein  aus  dvn  verschiedenen 
Riesengebirgsfassungen  zusammengestelltes  Adventspiel  (S.  122),  2.  ein  schon  durch 
Yolkmer    bekannt   gemachtes    Glatzer   (Lichtenwalder)    Christkindelspiel    (S.  257  . 
3.  einen  Glatzer  Herodes,    den   schon  Pfarrer  Scholz    aus    den  Friedersdorfer   und 
Reinerzkroner  Aufzeichnungen  mosaikartig  gewonnen  hatte  (S.  I-         S   rgfäll 
merkungen  legen  über  die  benutzten  Vorlagen  im  ein/einen   Rechenschaft  ab. 

Berlin.  Johannes  Bolte. 


Max  Herrmauii,    Jahrmarktsfest  zu  Plundersweilern.     Entsteho 
und    Bühnengeschichte.     Nebsl    einer    kritischen   Ausgabe    des    Spiele 
und  angedruckten  Versen  Goethes,    sowie  Bildern  und  Notenbeilagen. 
Berlin.  Weidmannsche  Buchhandlung,   1900.     292  8.    8°. 

Die  vortreffliche  und  methodisch  sehr  interessante  Untersuchung  Berrmanns 
hat  insofern  noch  besondere  Bedeutung,  als  sie  an  einem  glücklichen  Einzelfall 
die  nahen  Berührungen  von  Volkskunde  und  Literaturgeschichte  an  den  Tag  legt. 
Wohl  geht  sie  in  erster  Linie  literarhistorischen  Problemen  nach,  indem  sie 
Goethes  geniales  Scherzspiel  in  dem  ganzen  Verlauf  seines  litterarischen  Lebens 
verfolgt,  von  dem  ersten  Auftauchen  der  Konzeption  bis  zu  den  letzten  Ausl 
seines  theatralischen  Nachlebens.   Weil  aber  das  „Jahrmarktsfest«  derjenigen  Periode 

Zeitschr    d.  Verein*  f.  Volkskunde.     1901. 


Meyer: 

a  Leben  angehört,  in  dei   er  zu  «Irr  volkstümlichen  Dichtung  die  engsten 
hangen    unterhielt,    so    führt    Herrmanna    eingehendes    Quellenstudium   ohne 
n    interessante  Gebiete  der  Volkskunde  ein.    Das  wirkliche  Jahrmarkts- 
ine    volkstümliche  Schaustellung,    die    stets   auf  die   erregte  Teilnahme 
reise  rechnen  kann.     Daraus  geht  dann  bald  eine  Übersetzung  dieses 
bunten  Treibens  aus  dem   Markt  auf  die  Bühne  hervor:    die  Gebildeten   sollen    — 
bei  Goethe  der  Anschauung    dieses  Volkslebens    teilhaftig  werden,    ohne 

sieb  selbst  mitdrängen  und  Btossen  lassen  zu  müssen.  Mit  glücklichem  Eifer  hat 
rierrmann  Bühnenspiule  zu  diesem  Typus  aus  verschiedenen  Litteraturen  gesammelt. 
Und  ferner:  einzelne  Gestalten  aus  dem  Jahrmarktstreiben  werden  gewissermaseen 
von  der  Strasse  in  die  Stube  beraufgerufen.  Die  mannigfaltigen  „Ausrufe"  werden 
in  einer  besonderen  Litteratur  gesammelt:  die  stehenden  Ankündigungsrufe  von 
Milchmädchen  und  Kohlenmann  —  wieder  ein  von  Goethe  benutzter  volkstümlicher 
Typus  Endlich  lebt  aber  schon  inmitten  des  Jahrmarktstreibens  selbst  ein  drama- 
tischer  Ansatz:  der  Guckkastenmann  führt  gleichsam  Ausstattungsstücke,  der 
Schattenspiel  mann  Pantomimen  in  kleinem  Massstabe  vor,  während  neben  ihnen 
das  Affentheater  die  eigentliche  Bühne  verkleinert  wiederholt.  (Ein  hübsches 
Dichterspiel  der  verdienten  Frau  Elise  Mcntzel  hat  kürzlieh  den  jungen  Goethe  in 
der  Mitte  dieser  volkstümlichen  Marktscenen  dargestellt.)  So  entwickeln  sich  auch, 
zwischen  -Volk"  und  „Gebildeten"  schwebend,  Volkslieder,  die  an  das  Jahrmarkts- 
treiben symbolisch  oder  realistisch  anknüpfen  und  ganz  direkt  auf  den  Dichter 
von  Plundersweilern  gewirkt  haben.  Eine  ganze  neue  Welt  von  volkstümlicher 
Halbkunst  wird  in  Herrmanns  Buch  uns  wie  in  den  kleinen,  aber  deutlich  um- 
rissenen  Bildern  des  Guckkastenmanns  sichtbar,  und  ein  vortreffliches  Register  ge- 
stattet uns  obendrein,  die  sonst  schnell  verschwindenden  Schattenrisse  festzuhalten 
and  wieder  aufzufinden.  Auch  geschickt  ausgewählte  Bilder  verdeutlichen,  was 
Goethe  vorfand;  scheinen  doch  auch  die  typischen  Darstellungen  der  bildenden 
Kunst  auf  die  Figuren  seines  Jahrmarktsfestes  gewirkt  zu  haben.  So  erhalten 
auch  die  Freunde  der  Volkskunde  reiche  Belehrung  aus  diesem  wichtigen  Beitrag 
zur  „Goethe-Philologie",  dem  nicht  unverdient  das  Glück  zu  teil  ward,  noch  un- 
gedruckte  Couplets  von  Goethe  bringen  zu  dürfen! 

Berlin.  Richard  M.  Meyer. 


Oskar  Kallas,  Achtzig  Märchen  der  Ljutziner  Esten,  gesammelt.  (Ver- 
handlungen der  Gelehrten  Estnischen  Gesellschaft.  20.  Bd.,  2.  Heft.) 
Jurjew  (Dorpat),  Schnakenburg  1900.  (Leipzig,  K.  F.  Koehler). 
s.  83—405.     8°. 

Im  russischen  Gouvernement  Witebsk  nahe  bei  der  Stadt  Ljutzin  leben  mitten 
in  die  lettische  Bevölkerung  eingesprengt  einige  Tausend  katholischer  Esten,  deren 

essante  Kultur.  Bräuche,  Lieder,  Rätsel  und  Märchen  0.  Kallas  1893  im  Auf- 
trage der  finnischen  Litteraturgesell Schaft  genauer  erforscht  hat.  Nach  ihren  eigenen 
Überlieferungen  sind  ihre  Vorväter  „vor  4 — <>  Geschlechtern"  aus  dem  „Lande  der 
Schweden"  infolge  der  Drangsale  der  Leibeigenschaft  und  des  Krieges  nach  Polen 
ausgewandert,  ein  Ereignis,  das  in  der  zweiten  Bälfte  des  17.  Jahrh.  stattgefunden 
haben  muss,  da  Livland  1710  russisch  wurde.  Ihr  lutherisches  Bekenntnis  haben 
sie  in  der  Fremde  mit  dem  katholischen  vertauscht;  auch  ist  ihnen  das  Bewusst- 
sein,  dass  es  ausser  ihnen  noch  andere  estnisch  redende  Stammesgenossen  gebe, 
abhanden    gekommen.      Mit    Staunen    und    Freude    wurden    daher    die    estnischen 


Bücherai  99 

Zeitungen    und   das  Neue  Testament   in  da«  ihnen  K 

nommen. 

Die  Überlieferungen    dieser    lange    isolierten  Gemeinden    mil    denen    dei 
nischen   Heimat    zu    vergleichen,    bal    natürlich    1  deree 

Interesse.     Denn  wenn  die  Ljutziner  Esti  n  auch  manche  Lieder  und  M 
ihren  lettischen  und  russischen  Nachbarn  übernommen  haben,    bo    darf  man  doch 
als    ziemlich    sicher   annehmen,    dass  was    mit    der  Volksdichtui  s 

übrigen  Esten  übereinstimmt,  schon  vor  mehr  als  2UO  Jahren  von  den  Auswandrern 
bracht    wurde;    di'nn    als    auch    hier  dii    I  jede 

Verbindung  mit  dem  Mutterlande  auf.  In  der  vorliegenden  Arbeil  [riebt  nun 
Kallas  ausser  einer  gut  orientierenden  ethnographischen  Einleitung  die  80  Märchen, 
die  er  aufzeichnen  konnte,  im  Originaltext    S.  und  in  einer  Verdeutschung 

;S.  115  202),  die  bei  L 2  Stücken  vollständig  ist,  bei  den  übrigen  aber  ßich  auf 
eine  kürzende  Inhal tswiederg  rankt.   Wenn  auch  vergleichende  Anmerk 

fehlen,  so  zeugt  doch  die  Zusammenordnung  der  verwandten  Nummern  von  der 
Umsicht  und  Sorgfalt  des  Herausgebers.  Neben  vielen  in  ganz  Europa  und  weiterhin 
verbreiteten  Märchen-  und  Schwanktypen  finden  wir  auch  eigentümliche  Stücke, 
wie  21.  25.  43 — 19.  52.  55:  gut  erzählt  sind  besonders  die  Fuchsmärchen. 

Zur  ersten  Orientierung  über  die  wertvolle  Sammlung,  die  wir  hiermit  allen 
Märchen  forschem  bestens  empfehlen,  mögen  noch  einige  Verweise  auf  bekanntere 
Parallelen  folgen:  Xo.  1   'Der  Schützli  Steinkönigs':  vgl.  zum  Anfange  Grimm, 

KHM.  Xo.  136    Eisenhans),  zu  den  ausgeschnittenen  Drachenzungen  Köhler,  Kleinere 
Schriften  1,  399.  430.        No.  2     6  'Domka  und  Adamka':  vgl.  Grimm  No.  60  'Die 
zwei  Brüder'.    —    No.  7   -Der  entflohene  Königssohu':   Köhler  1.  388  und  330. 
Xu.  9  'Erbsenheld,  Eicbenbieger  und  Bergewalzer':  Köhler  1.  437.  543.  No.  11 

•daun  der  Königssohn':    Köhler  l,  418.  553    (Tierschwä^  No.  12    'Jaan  der 

Königssohn':  Köhler  1,  161  (vergessene  Braut);  der  Eingang  kehrt  in  No.  34  ander. 

—  Xo.  13  -14  'Der  Retter  der  Königstochter':  Köhler  l,  145.  432  Traum  von 
künftiger  Erhöhung  und  330  (Grindkopf).  —  Xo.  lö  17  'Die  klugen  Brüder  und 
der  einfältige  Bruder':  Köhler  1.  55.  551.  —  Xo.  18  'Die  klugen  Brüder  und  der 
einfältige  Bruder':  Köhler  1,  539;  zum  Eingange  Gonzenbach,  Sicilianische  Märchen 
No.  64.  Xo.   19—20  -Der  in  eine  Sehlange  verwandelte  Mann':   Köhler   ! 

zur  Aufgabe  'nicht  nackt,  nicht  bedeckt'  ebenda  1,  -117.  —  Xo.  22     23  'Die  K gin 

und    ihre    zwölf   Söhne':    Gonzenbach    Xo.  ö    (Gespräch    der  Schwestern     ui 
verleumdete  Frau);  zum  Schlüsse  S.  148,  Gonzenbach  Xu.  25   und  Köhli 

—  Xo.  ^4  -Die  kämpfenden  Brüder':  Grimm  No.  25  'Die  si  ben  Rabei  .  eigen- 
tümlich umgestaltet.  —  No.  2ü  'Der  Däumling':  Grimm  Der 
Mann  und  der  Wind':  Grimm  Xo.  36  (Tischleindeckdich  a  s.  w.  .  —  No.  2 
•Gottes  Sinn,  des  Hechtes  Zunge':  Köhler  1.  405.  onto  No.  30  31 
•Bruder.  Schwester,  des  Bruders  Knechte':  Köhler  1,304  (treulose  Schwester,  treue 
Hunde).  —  No.  32— 33  'Der  Wunderring':  Köhler  1,440.  Xo.  ■  Schwarzen 
Lehrling':  Grimm  Xo.  68.  Köhler  1.  138.  '  'Der  Bettelknabe  bekommt 
des  Kaufmanns  Habe':  Köhler  1'.  357.  679.  No.  37  'Der  Aschenkönig':  Köhler 
1,  556  (der  gestiefelte  Kater).  -  No.  38  'Die  VVirtstochter  und  da  imädchcn 
heizen  die  Badestube':  Staufe  Xo.  48  in  dieser  Zeitschrifl  No.  39  'Die 
Wirtstochter  und  das  Waisenmädchen  in  der  Unterwelt':  Grimm  Xo.  24  Frau 
Holle).  —  Xo.  40—42  -Der  Bösen  Tochter  und  die  Waise':  eine  Verbind  _ 
Märchen  von  Aschenputtel  und  der  vertauschten  Braut,  s.  Köhler  I  1  der 
Wunderkuh  und  dem  aus  ihren  Eingeweiden  entsprossenen  Apfelbaume  s.  Montanus, 
Schwankbücher  1899,  S.  592.  —  No.  50  Die  ermordete  Schwester":  Köhler.  Auf- 


|IH> 


Wi-inliold: 


slieder  1894,  S.  T'>  die  Ballade  von  der  sprechenden  Harfe).  —  No.  56 
Bruder  und  der  arme  Bruder':  a)  Köhler,  Aufsätze  S.  99;  b)  Köhler. 
Kl  Schriften  1,409.  -  N  •  58  'Der  Sohn  tötet  den  Vater':  zum  Biegen  der  jungen 
Birke  *gl.  Köhler  3,  42  No.  59  'Ein  Mann  sucht  des  Lebens  Ungemach':  Bolte- 
Seelmann,  VI.  Schauspiele  L895,  S.  42.  Montanus  S.  626.  658  (Buhler  als  Teufel 
Poren).  —  No.  60  "Der  schlechte  Sohn':  Pauli.  Schimpf  und  Ernst  No.  326 
[Geld  im  Brote).  —  No.61  'Der  gute  Sohn'  (tötet  bei  Hungersnot  den  Vater  nicht): 
Köhli  ;    —   No.  62  'Hans  der  Dieb':  verschiedene  Streiche  aus  den  Märchen 

vom  Meisterdieb  Köhler  1.  210.  307.  415.  447)  und  dem  Volksbuch  Salomon  und 
Marl.oir  \.  d.  Hauen.  Narrenbuch  1811,  S.  249.  264.  506).  —  No.  63  'Das  einfältige 
Weib':  Frey,  Gartengesellschaft  No.  1.  Köhler  1,71.341.  —  No.  64  'Gott  und  der 
Grimm  No.  198  und  diese  Zeitschrift  8,  21.  —  No.  6?  'Des  Weibes  List': 
Bolte,  Ztschr.  f.  vgl.  Littgesch.  7.  456  No.  4.  11,70  (Teufel  kastriert).  —  No.  70 
■i),!  Gehörnte  und  der  Bär':  Köhler  1,  72  (Schrate!  und  Wasserbär).  —  No.  .2 
'Der  Fuchs  als  Gänsehirt':  Köhler  1,  106.  —  No.  73  'Des  Fuchses  Stücklein': 
Köhler  I,  71.   107.   197. 

Berlin.  Johannes  Bolte. 


Osterlaudsagen.  Sagen.  Bilder  und  Geschichten  aus  dem  Altenburger 
Ostkreise.  Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  M.  Geyer.  Altenburg.  A. 
Tittels  Verlag,  1901.     S.  XVI.    211.     8°. 

Das  Landgebiet,  dem  die  Sagen  und  Geschichten  dieses  Buches  angehören, 
ist  der  Ostkreis  des  Herzogtums  Sachsen- Alten  bürg  oder  die  Altenburger  Pflege 
mit  der  Hauptstadt.  Mythische  Sagen  sind  nur  zum  kleineren  Teil  hier  gegeben, 
überwiegend  sind  es  geschichtliche  Überlieferungen,  die  dann  auch  meist  schrift- 
lichen Quellen  entnommen  sind,  so  den  Kollektaneen  des  Monstaber  Pfarrer  Tauch- 
witz (f  1633),  den  Nachrichten  und  dem  Tagebuch  des  P.  M.  Sagittarius  (1660 — 70), 
der  Kirchengalerie  des  Hofprediger  Sachse  (Dresden  1841  f.)  u.  a.  Der  Herausgeber 
hat  den  einzelnen  Stücken  erläuternde  Anmerkungen  beigegeben.  Wir  glauben 
gern,  dass  die  Altenburger  in  dem  Büchlein,  das  die  Geschichten  einfach  und 
schlicht  wiedergiebt,  gern  lesen  werden.  Für  mythologische  Forschung  bietet  es 
wenig:.  K-  ^  • 


Paul  Sebillot,  Contes  des  Landes  et  des  Greves  (le  I.  vol.  de  la  biblio- 
theque  du  glaneur  breton).  Rennes,  Hyac.  Cailliere.  1900.  S.  XL  306.  8°. 
Les   coquillages  de  Mer.     Paris,  J.  Maisonneuve,   1900.     S.V. 
109.     kl.  8°. 

Das  erste  dieser  beiden  neuen  Bücher  des  unermüdlichen  Herrn  P.  Sebillot 
bringt  Geschichten  aus  dem  französisch  sprechenden  Teil  der  Cötes-du-Nord  und 
aus  der  Ille-et-Vilaine.  Alle  sind  nach  1882  gesammelt,  und  daher  ist  keine  in 
den  drei  Bünden  der  Contes  populaires  de  la  Haute-Bretagne  gedruckt,  wohl  aber 
wurden  die  meisten  in  einer  ganzen  Anzahl  von  Zeitschriften  hier  und  da  verstreut 
veröffentlicht.  Aus  der  Ille-et-Vilaine  wurden  nur  10  der  41  Erzählungen  gewählt, 
weil  die  dort  erzählten  Geschichten  weniger  eigentümlich  und  originell  sind  als 
die  der  Cötes-du-Nord.  Die  interessantesten  sind  die  Sagen  von  den  Höhlen  an 
der  Meeresküste,    die    in    der  Bai    von  Saint-Malo  und  der  von  Saint-Brieuc    sich 


Bficheranseig  KM 

finden.         Hingewiesen  sei  auf  nur  Variante  der  weil  verbreiteten  Polyphein 
(No.  20,  le  geant  qui  n'avait  qu'un  oeil  S.  I98f.  .  dann  No.  30  die  Geschichte  vom 
Gevatter  Tod  (le  compere  la  Blort,  wo  also  der  Tod  nicht  weiblichen  Geschlechts 
ist.  wie  sonst  im  französischen,  sondern  männlichen,  gleich  dem  niederbretonischen 
Anku  :  No.  31   la  Morl  el  le  bonhomme,  eine  Variante  des  Schmidts  von  Jütei 
Nu.  28   l'homme  qui  vendit  sa  peau  an  diable,   wo  der  Teufel  durch  den  pri< 
liehen  Sohn  des  dem  Teufel  verschriebenen  nm  Beine  Beute  geprellt  wird.    -  Den 
Schluss    machen  zehn  komische  Geschichten,    ziemlich    /ahme,    da  P.  Sebillot  die 
bedenklichen  hier  ausschloss.     Die  Basse-Bretagne  kennt  sie  nicht,   wohl  aber  die 
Haute-Bretagne  und  noch  mehr  die  111  e-et-V ilaine.    Auch  anter  jenen  zehn 
wir  mehr  oder  minder  verbreiteten  Motiven. 

Les  coquillages  de  Bier  sind  der  Beginn  einer  Reihe  volkskundlicher 
Monographien,  die  unter  dem  Titel  Melanges  traditionnistes  von  dvn  Herren  P. 
Sebillot  und  Julien  Vinson  in  Aussicht  stehen.  In  dem  vorliegenden  Büchlein 
werden  im  1.  Abschnitt  die  lebenden  Schaltiere  nach  Namen.  Sprichwörtern,  Rätseln, 
Sagen  und  Aberglauben  medizinischer  Verwendung  behandelt  Im  2.  Kapitel  er- 
scheinen  die  Muscheln    und  Gehäuse    nach    gleichen  Richtungen.     Es    ist    die  er- 

irte  Passung   eines    in    der  Revue  d'Ethnographie  1886  erschienenen  Artikels 

K.   W. 


Tales    of  Tennalirama    (The    famous    court   jester   of   Southern    [ndia). 

Madras  1900.     S.  VI.   16.     8°. 

Pandit  S.  M  Natesa  Sastri,  ein  südindischer  Gelehrte!-,  der  weiteren  Kreisen 
bisher   wohl    nur   durch    seine    Veröffentlichungen    im    [ndian    Antiquary    bekannt 

■  n  ist.  hat  im  vergangenen  .Iahte  eine  Sammlung  von  17.  bezw.  16  Eulen- 
spiegelstreichen unter  dem  Titel  „Tales  ol  Tennalirama-  herausgegeben,  die  für 
die  Folkloristen  immerhin  von  Interesse  ist.  zumal  ja  derartige  Anekdoten  gerade 
in  Indien  nicht  allzu  häufig  zu  einem  Ganzen  vereinig!  n,  so  beliebt  Witz 

und  allerlei  Schwanke  sonst  auch  in  Indien  stets  gewesen  sind.    Im  ECatbäsarite 
wiire  auf  Buch  61   zu  verweisen:  hrner  muss  hier  der  Sukasaptati  gedacht  weiden. 
wenn  auch  die  hier  beliebten  Scherze,  dem  Grundgedanken  des  Buches  entsprechend, 
sehr  eintönig  sind.     Der  Held  ist  der  Hofnarr  eines  Königs  Rrsnadeva  Räya,    der 

las  XVI.  Jahrhundert  gehört;  seine  Streiche  sind  noch  heute  m  Südindien 
wohlbekannt,  und  seine  Witze  gehen  dort  jetzt  noch  von  .Mund  zu  Mund.  Nach 
unserem  Geschmacke  smd  die  mitgeteilten  Schwanke  freilieb  recht  albern  -  der 
Übersetzer    macht    in    der  Vorrede    selbst   darauf  aufmerksam  aber  sie  Bollen 

auch  gar  nicht  etwa  ästhetisches  Wohlgefallen  erwecken,  sondern  vielmehr  dem 
Folkloristen  bei  seinen  Untersuchungen  willkommene  I  en  bieten  und  neue 

chtspunkte  eröffnen;  ausserdem  gewährt  uns  das  Buch  «'inen  tiefen  Einblick  in 
das  Treiben  an  indischen  Königshöfen.  Der  beschränkte,  despotische  und  launen- 
hafte Herrscher:  der  lüsterne  Hauspriester;  die  geldgierigen  Brahmanen;  die  Hol- 
dichter und  -gelehrten,  die  so  häufig  in  Angst  und  Sorge  sind,  es  könnte  ihnen 
durch    einen    fremden   Nebenbuhler    ihre    einträgliche   Pfründe    mit   I  treitig 

gemacht  werden  -  das  alles  sind  Typen,  die  für  die  indische  Welt  so  charakte- 
ristisch sind:  sie  begegnen  uns  in  der  L.ttcratur  auf  Schritt  und  Tritt,  z.  B.  auch 
im  Bhojaprabandha,  und  sind  für  den  Kulturhistoriker  über  allen  Zweifel  sicher 
bezeugt.  Auf  dem  Gebiete  der  vergleichenden  Märchenkunde  wird  der  Kenner 
gewiss  auch  manchen  alten  Bekannten  wiedererkennen:  und  was  den  Finger-  und 
Zeichensprachen-Scherz  S.  37  anlangt,    so  wäre   dazu  etwa  nachzulesen,    was  Vat 


](>•_>  Bolte: 

na  im  Kämasütra  S.  33  und  Yasodbara  S.  39  darüber  bemerkt;    übrigens   er- 
innert die  Stelle  auf  das  lebhafteste  an  ein  Kapitel   im  Rabelais!     Prof.  Zachariäe 
oich   auf  Köhler,    Kleine  Schriften,    [,  513  und   II.   179  ff.     -    Als  Probe 
7:    „When    the    mother  of  the  Räyar  (das  ist  der  König)  was  about  to 

jhe  wanted  a  mango  fruit  to  eat:  bat  before  it  was  brought  she  expired.  The 
Räyar  was  yery  sorrj  that  he  was  not  able  to  fnlfil  the  last  wishes  of  his  mother, 
and  Bending  for  some  Brähmans  he  said  to  them:  —  „My  mother  set  her  heart 
on  a  mango  fruit,  but  died  before  it  was  given  her.  By  what  means  can  I  appease 
her  soul?"  To  this  theyreplied:  —  „If  you  make  mango  fruits  of  gold  and  present 
them  as  gifts  to  Brähmans  on  the  occasion  of  the  annual  ceremony  of  yonr  mother 
her  soul  will  be  paeified."  The  Räyar  believed  it  and  made  the  gifts  aecordingly. 
Next  day  Tennäliräma  invited  to  his  bouse  all  those  Brähmans  who  had  reeeived 
Bach  gifts  saying  that  the  annual  ceremony  of  his  mother  was  taking  place  in  his 
house.  There  he  heated  the  handle  of  an  iron  ladle  and  cauterized  each  guest  in 
two  places.  They  all  went  away  weeping  and  reported  the  matter  to  the  Räyar. 
The  Räyar  sent  for  Tennäliräma  and  said.  ..Why  did  you  do  this  outrageous  aet?" 
Be  said:  „My  mother  in  her  last  moments  was  suffering  from  convulsions  in  her 
band  and  feet.  Cauterizing  was  recommended.  But  before  the  hot  handle  of  the 
iron  ladle  could  be  brought  she  expired.  To  appease  her  soul,  I  acted  in  this 
manner.'*  On  hearing  this  explanation  the  Räyar  laughed  long  and  loud.u  —  Auf 
v.  37  sind  die  Anmerkungen  zu  streichen.  Zu  beziehen  ist  das  Buch  durch  Otto 
Harrassowitz,  Leipzig. 

Halle  a.  d.  S.  Richard  Schmidt. 


HLoftniaim  von  Fallersleben,  Unsere  volkstümlichen  Lieder.  Vierte  Auf  läge, 
herausgegeben  und  neu  bearbeitet  von  Karl  Hermann  Prahl.  Leipzig. 
W.   Bngelmann,  1900.     S.  Till.  349.     8°. 

Mehr  als  dreissig  Jahre  sind  seit  dem  Erscheinen  der  3.  Auflage  von  Hoff  man  r.s 
trefflichem  Verzeichnis  volkstümlicher  Lieder  verstrichen,  und  die  Liederforschung 
hat  seitdem  nicht  gerastet,  sondern  manchen  Schritt  vorwärts  gethan.  Von  vielen 
namenlos  umlaufenden  Texten  und  Weisen  ist  durch  tüchtige  Gelehrte,  wie  Max 
Friedländer,  John  Meier,  Arthur  Kopp  u.  a.,  Urheber  und  Entstehungszeit  aufgedeckt 
und  sicher  gestellt  worden.  Insbesondere  hat  Meier  für  eine  grosse  Anzahl  von 
m.  die  von  Volksliedersammlern  aus  dem  Munde  des  Volkes  aufgezeichnet 
und  als  dessen  Erzeugnisse  betrachtet  worden  waren,  die  Herkunft  aus  dem  Kreise 
der  Kunstdichter  erwiesen  und  darauf  seine  Theorie  gegründet,  dass  zwischen 
Kunstlied  und  Volkslied  überhaupt  kein  organischer  Unterschied  bestehe,  sondern 
das  Wesen  des  letzteren  im  Anempfmden  und  Zurechtstutzen  des  zuvor  von  einem 
Einzelnen  Geschaffenen  liege.  Durch  solche  Einzelarbeiten  ermutigt,  hat  sich  Prahl 
entschlossen,  ihren  Ertrag  in  einer  umgestalteten  Ausgabe  des  Hoffmannschen 
Werkes  zusammenzufassen,  und  wir  dürfen  uns  dessen  freuen. 

Mit  anerkennenswertem  Fleisse  hat  er  nicht  allein  die  gedruckte  Litteratur 
studiert,  sondern  auch  den  hsl.  Nachlass  Hermann  K estners  und  Hoffmanns  von 
Fallersleben  verwertet  und  ist  auf  ihren  Pfaden  selbständig  weiter  geschritten. 
Ausgeschieden  hat  er  Hoffmanns  einleitende  Charakteristik  neuerer  Sammlungen 
und  eine  Reihe  von  Liedern,  die  heut  nicht  mehr  als  Volkslieder  zu  betrachten 
sind,  dafür  aber  so  viele  neue  Lieder  eingesetzt,  dass  ihre  Zahl  bis  auf  1350  Nummern 
(einige  nachträgliche  Einschaltungen  ungerechnet)  angewachsen  ist.    Eine  praktische 


Bücheranzi  igen.  H  >."> 

Neuerung  ist   ferner  die  Vereinigung  der  biographi  ■  ichrichten  über  Dichtei 

and  Komponisten  mit  dem  Namensverzeichi  lern  der  Vorrede  angehii 

chronologisch«'  Liederregister  ist  an  den  Schiusa  pesteilt. 

Leider    wird   unser  Wohlgefallen  an  dem  stattlichen  und  im  ganzen  recht  zu- 
verlässigen Werke,  das  weiteren  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete  als  willkoran 
Grundlage  dienen  wird,  einigermassen  getrübt  durch  da     I  tändnis  des  Verf.s, 

er    nicht  Musiker    sei    und    daher    die  Melodiennachweise  aus    zweiter  Hand 
schöpfen    müsse.     So    sind    in    der  That    manche  Kompositionen    libergangen,    die 
angeführt  werden  mussten;    Georg  Försters    Frische  Liedlein  sollen   1665  ged 
sein:  Lindpaintner  heisst  konsequent  Lindpaitner,  Carl  Loewe,  dw  überhaupt 
stiefmütterlich    behandelt    wird,    erscheint    stets  als  Karl  Löwe,    Chr.  Kalkbrennei 
als  Kaltbrenner,    T.   H.  Baylj    als  Bagly  u.  s.  w.  Manche    [nkonsequen: 

ferner    die  Datierung    der  Lieder.     No.  751    'Jetzund    kömpt  die  Nacht   herbey', 
eine    Dichtung    des    L639    verstorbenen    Opitz,    führt    die    Dberschrift    -vor  164F 
während    sie    doch    schon  in  Opitz'  Teutschen  Poemata  1624,    S.  92,  gedruckl 
Über  die  Geschichte  dieses  Stückes  vgl.  Holte.  Zs.  f.  dtsch.  Phil   25,34;  Serapeum 
1870,   154;    Bäumker,    Das    kathol.   deutsche   Kirchenlied  2,  254   und  Musica 
1896,  No.  24;  eine  schwedische  Übersetzung  von  Joh.  Paulini  bei  Banselli,  Samlade 
Vitterhetsarbeter  6,  259  (1863).     No.  9£8  'Sassa  geschmauset'  soll  seil  155*4 
druckt  17.37)    existieren,    weil   damals  Schildo  den   verbreiteten  lateinischen   ! 
meter  -Fde  bibe  lüde,  post  mortem  nulla  voluptas'  citiert.     Das  trochäisch  gebaute 
Lied  'Gestern  Abend    ging    ich    aus'  (No.  493)    soll    aus   dem   16.  Jahrh.  stammen. 
weil  llusemann  1575    eine    gereimte   lateinische  Hasenklage  aufgezeichnet  (warum 
wird  da  nicht  lieber  z.  B.  Hans  Sachs,  Fabeln  und  Schwanke  ed.  Goetze  No   165 
genannt?):    der    gleichen   Zeit    soll    die  No.  412    'Es  ritten  drei  Leite,-  zum  Thore 
hinaus'  angehören,    deren    zweite    Strophe    damals   in    anderen  Liedern  vorkommt. 
No.436  -Ls  wollt  ein  Ktiferle  wandern'  erhält  gar  das  Zeugnis  'seit  dem   13.  Jahr- 
hundert'.    In    all    diesen   Füllen    ist    aber    nicht    scharf   geschieden   zwischen  dem 
.Motiv  und  seiner  vorliegenden  Ausgestaltung;  gelang  es  nicht,  letztere  zu  datieren. 
so    musste    eben    das  Datum    in    der  Überschrift    fortbleiben.     Hingegen    konnten 
Uhlands  Lieder  leicht  mit  Hilfe  der  kritischen  Ausgabe  von  Bartmann  und  E.  Schmi.it 
noch  genauer  datiert  werden.  -     Mehrfach  hatte,  auch  die  litterarischen  Hirn 
auf  neuere,  in  Zeitschriften  verstreute  Liederforschungen  reichlicher  bemess« 
dürfen:  Böhmes  Sammlungen,  so  wenig  sie  strengeren  Ansprüchen  genügen,  sollten 
z.  B.  bei  No.  332,  817,  849  n.  a.  angeführt  weiden. 

Ein    paar   anspruchslose  Nachträge    mögen    folgen.     No.  68    'An  einem  Mü- 
der rauschend  schoss'  steht  dänisch  bei  J.  Madsen,  Folkeminder  fra  Hanved 
ved  Plensborg  1S70,    S.  133.  No.  317    'Ein  Beiz,    das  sieh   mit  Sorgen  quält 

vgl.  Altpreuss.  Monatschr.  31,  689  No.  '  No.  332    'Ein  niedliches  Madchen. 

vgl.  Köhler-Meier,  Volkslieder  von   der  Mosel  No.  200,  No.   127    'Es   wai 

junges  Mädchen',    vgl.    die  Bearbeitungen    von  Weisse    Die  Liebe  auf  dem  Landi 
1768)  und  Löwen  (Romanzen  der  Deutschen  "2,  178.   177?  No.  441   'Ee 

drei   Bursche',    vgl.    meine  Bemerkung    über  Uhlands  Vorbild    in  Runzes  A 
von  Loewes  Werken   10,  VII  (1901).    -       No.  590   'Ich  bin  der  Doktor  Eisenhart 
vgl.  A.  Kopp  in  der  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte   FMK».  No.  840  Mag  auch 

die    Liebe    weinen',    vgl.  Krummacher.    Pestbüchlein  1,  136  (2.  Auflage  1810). 
No.  1105  'Über  die  Beschwerden  dieses  Lebens',  vgl   Stieglitz  in  Steglitz    A.  Kopp). 
Die  Friedenspfeife  1893,  S.  41.    -  -   No.   117'..  'Was  bracht  me  i  dm-  Schwyz 
auf   ein  Lied    des  17.  Jahrh.  zurück:    vgl.  Bolte,    Der  Bauer    im    deutschen  Liede 
1890,  No.  7  (Acta  germanica  1,  2U7). 


|n4  Weinhold: 

Die  Präge,  <il>  antei  die  Schar  der  ron  Prahl  aufgenommenen,  heute  volks- 
tttmlichen  Lieder  nichl  dies  oder  jenes  fehlende  Stück  aufgenommen  zu  werden 
nte,  will  ich  nicht  erörtern;  hier  wird  der  persönliche  Geschmack  meist 
verschieden  arteilen.  Nur  auf  den  Ursprung  eines  bekannten  Liedes  möchte  ich 
noch  kiuv  hinweisen.  Bei  Ditfnrth  (Fränkische  Volkslieder  2,  129  \o.  173.  1855) 
steht  folgender  in  Bamberg  aufgezeichneter  Text: 

Schwarzbraunes  Mädchen,  du  hast  ein  Bchönen  Kopf,  juhe! 

1  schöne  Kopf  ist  deine, 
Das  Beizen  dran  i-t  meine, 
Schwarzbraunes  Mädchen,  du  hast  ein  schönen  Kopf.     4  Str. 

ähnlich  im  Leipziger  Commersbucb  1869,  8.  174.  Das  Urbild  dazu  ist  ein 
<  redicht  'Susannchen'  in  der  von  Wilhelm  Müller  herausgegebenen  'Askania.  Zeitschrift 
für  Leben.  Litteratur  und  Kunst'  1,  4G9  (Dessau  1820),  auf  das  ich  durch  eine  in 
Reinbold  Köhlers  Nachlass  vorgefundene  Notiz  von  K.  Elze  aus  dem  Jahre  1873 
aufmerksam  wurde.  Der  Verfasser,  der  sich  hinter  dem  Initialen  L.  birgt,  ist 
vielleicht  Otto  Heinrich  Graf  von  Loben,  der  an  der  Askania  mitarbeitete: 

1.  Susannchen,  Susannchen.  :'>.    Susannchen.  Susannchen, 
Mit  deinem  Schwanenhals;  Dein  Aug"  ist  himmelblau: 
Der  Hals  der  ist  zwar  deine,  Das  Aug"  das  ist  zwar  deine, 
Das  Hälseu  doch  ist  meine,  Das  Angeln   doch  ist  meine, 
So  hüls"  ich  dich  die  ganze  Zeit  So  äugeln  wir  die  ganze  Zeit 

In  lauter  trauter  Lieb'  und  Freud".  In  lauter  trauter  Lieb'  und  Freud*. 

2.  Susannchen,  Susannchen,  4.    Susannchen,  Susauncheii. 
Du  bist  mein  liebes  Herz;                                   Im  stillen  kleinen  Haus! 

Das  Herz  das  ist  zwar  deine.  Das  Haus  das  i-t  zwar  deine, 

Das  Herzen  doch  ist  meine.  Das  Hausen  drin  ist  meine, 

So  herz'  ich  dich  die  ganze  Zeit  So  hausen  wir  die  ganze  Zeit 

In  lauter  trauter  Lieb"  und  Freud".  In  lauter  trauter  Lieb'  und  Freud".     L. 

Berlin.  Johannes  Holte. 


Heimatkläuge  aus  deutschen  Gauen.  Ausgewählt  von  Oskar  Dähnhardt. 
T.  Aus  Marsch  und  J leide.  Mit  Buchschmuck  von  Robert  Engels* 
Leipzig.   15.  (I.  Teubner,  1901.     S.  XIX.    170.     8°. 

Dr.  O.  Dähnhardt,  Gymnasiallehrer  in  Leipzig, .  ist  uns  schon  durch  die  zwei 
Bändehen  Volkstümliches  aus  dem  Königreich  Sachsen  (1898)  und  seine  Natur- 
geschichtlichen  Volksmärchen  (1898)  als  eifriger  Freund  der  Volksüberlieferungen 
und  für  seinen  Beruf  begeisterter  Lehrer  bekannt.     Derselbe  Zug  geht  auch  durch 

eue  Buch,  eine  fein  ausgewählte  Chrestomathie  plattdeutscher  Dichtungen  in 
Heim  und  schlichter  Rede,  in  denen  sich  das  innere  Leben,  das  Denken  und 
1  üblen  der  niedersächsischen  Stämme  trefflich  ausspricht.  Es  liegt  dem  Heraus- 
geber am  Heizen,  ein  Buch  für  die  Jugend  und  ihre  Lehrer  herzustellen,  ein  Stück 
\  olkskunde,  die  der  kleinere  Schüler  mit  Freuden  ins  Herz  schliesst  und  aus  der 
ere  sein  Vaterland  verstehen  lernt.    In  der  richtigen  Hand  wird  das  Buch 

sreich  auf  die  jungen  Seelen  wirken:  aber  auch  ältere  werden  gern  und  mit 
Gewinn  diesen  Beimatklängen  lauschen,  die  in  wohlgestimmtem  volltönigem  Geläut 
aus  Marsch  und  Heide  uns  erfreuen  und  erheben. 

In  zwei  weiteren  Bändchen  werden  die  mittel-  und  oberdeutschen  Gaue  vor 
uns  vorüberziehen.  K.  Wein  hold. 


Hü  10;") 

A.    /  '.   //(»/./  t  0  Vi    1 1 <i  QOl  ii  m  i.       TdfXOC,      I      .:•■<    /.'  '■      .      \l, ,,„,,./,       .■,,iihi. 

68  -71;     110—113.)      7-.Y    'A&rjvatg,    n  L899. 

I.WYIII  und  600  S.     699  S.     gi 

Unter  dem  bescheidenen  Titel  „Sprichwörter"  verbirg!  Bich  h  R    i 

in  der  europäischen  Sprichwörterforschung  eine  Epoche  bilden  wird,  Bowohl  durch 
Beinen  Ornfang  wie  durch  seinen  Inhalt.  Es  will  zwar  nur  eine  möglichst  \oll- 
Btändige  Sammlung  neugriechischer  Sprichwörter  Bein,  indessen  Bchon  die  eine 
Thatsm  luv  dass  die  ersten  beiden  vorliegenden  Bände  nur  den  Buchstaben  A,  d.  h. 
Sprichwörter  enthalten,  deren  Hauptstichwort  mit  \  beginnt,  zeigt  mein 
nur.  dass  wir  es  hier  mit  einem  gross  angelegten  Sprichwörterlexikon  zu  tliun 
haben,    sondern  auch,  dass  dabei  aoeh  etwas  Anderes  im  Spiele  sein  mus 

der  grosse  Reichtum  der  beutigen  Griechen  an  den  Erzeugnissen  d<  r  Spruch- 
weisheit würde  nicht  hinreichen,  am  etwa  zehn  starke  Bände  ZU  lullen 
auf  30  viel  dürfte  das  Werk  voraussichtlich  anwachsen.  Aber  es« entspricht  auch 
gar  nicht  einem  bloss  registrierenden  Wörterbuch;  eher  liesse  es  sich  als  ein  ver- 
gleichendes Wörterbuch  der  neugriechischen  Sprichwörter  bezeichnen, 
indem  nach  dem  Muster  der  sprachvergleichenden  Methode  zu  jedem  neugriechie 
Sprichwort  alle  seine  europäischen,  zum  Teil  auch  aussereuropäischen  Verwandten, 
und  /.war  in  der  Ursprache  nebst  griech.  Übersetzung,  aufgeführt  werden,  wie 
auch  die  griechischen  dialektischen  Varianten  eines  jeden.  Diese  gewallige  Arbeit 
konnte  dem  Verf.  nur  möglich  sein  bei  einer  vollständigen  Beherrschung  d< 
samten  Sprichwörterlitteratur.  Er  hat  in  der  Einleitung  des  1.  Bandes  Belbst 
Rechenschaft  über  seine  Quellen  abgelegt,  und  wir  entnehmen  daraus,  dass  er  von 
fremden  Sammlungen  benutzt  bat:  2  polyglotte,  N  italienische,  14  französische, 
4  spanische.  3  rumänische,  4  keltische.  7  albanesische,  1  holländische,  6  deutsche, 
l'  bulgarische.  1  serbische.  2  russische,  je  1  litauische  und  armenische,  5  asiatische, 
3  arabische,  7  türkische  und  je  1  hebräische,  lappische  und  japanische  Dazu  ist 
in  den  zahlreichen,  oft  ganze  Abhandlungen  bildenden  Erläuterungen  zu  einzelnen 
Prägen  (vgl.  z.  B.  !.  436 ff.  über  „Brot  und  Salz  essen™:  562ff.  .Wer  andern  eine 
Grube  gräbt  u.  s.w.";  II.  (3041V.  über  das  goldne  Ei;  643ff.  ober  das  Ohrensummen; 
226ff.  über  die  Zwölfzabl  des  Gefolges;  621  ff.  über  den  Einfluss  bestimmter  Monate 
auf  das  Wetter  u.  s.  w.)  fast  die  ganze  folkloristische  Litteratur  herangezogen  worden, 
bo  dass  man  ein  Werk  deutschen  Gelehrtenfleisses  vor  sich  zu  haben  glaubt, 
jedenfalls  ein  solches,  auf  das  die  junge  griechische  Wissenschaft  mit  Stolz 
blicken  kann. 

Denn  dass  in  erster  Linie  die  griechische  Lokallitteratur  nach  gedruckten  und 
ungedruckten  Quellen  in  reichlichstem  Masse  ausgebeutet  ist,  braucht  kaum  bemerkt 
zu    werden.     Allein    139    gedruckte    Sammlungen    standen    dem   Verf.    zu    Gebote, 
wozu  noch  zahlreiche  handschriftliche  aus  den  verschiedensten  Gegenden   griechi- 
scher Zunge   kommen,    die  sich  auf   etwa    18000  Nummern    belaufen,    BO  dw 
ganze  Werk  etwa  25000  Sprichwörter  enthalten  wird.    Dm  einen  Begriff  zu  s 
von  der  Fülle  des  Stoffes,  der  hier  aufgehäuft  ist,    führe  ich  einige  der  hau 
Stichworte    an.    nach    denen    das  Ganze    angeordnet  ist.     Unter  „Liebe",    „lieben" 
(xyxny,  «.yxnSi)   sind  70  Nummern  vereinigt    nur  die  griechischen  Sprichwörter 
werden    gezählt);     unter    „kaufen"    (a-,:,:*»    26,    unter    Schwester    und    Bruder 
02&p<f>o's  -r)  43,    unter    „Luft"  ■■    unter    „Blut"  {tu/u     25,    ante«    ..trüget 

„Trägheit«  44,    unter  „hören"  (dxovw)  73,   unter  „Fuchs"  ((ftejrov)  50;  „Wahrheit" 
umfasst  59  Nummern;    -Mann-  (&Jp*s)  81;  »Mensch"  72;  „Der  Adl  - 
48;    ,Geld«   (otVffpa)  40;    rEiu  («5-yO     7;    -,)hr"  C*™)  49  Nummern.      Dabei    ist 


rieh: 

allerdings    zu    bedenken,    dasfi    viele    davon   nur  Varianten  sind,    deren  jeder  eine 
immer  angewiesen  ist.     Das    isi    aber    ein  offenbarer  Mangel  der  Anlage 
und  zugleich  ein  Grnnd  für  die  Breil  Ganzen.    Wären  alle  diese  unter  einer 

Iforra  znsaromengezogen,  bo  wäre  nicht  nur  viel  Raum  gespart  worden,  sondern 
auch  die  Übersichtlichkeit  hätte  dadurch  gewonnen,  zumal  jetzt  die  zusammengehörigen 
Stüekr  oft  an  ganz  verschiedene  Stellen  eines  Stichwortes  zerstreut  sind  und  nur 
durch  ein  etwas  unpraktisches  System  von  Verweisungen  zusammengehalten  werden. 
In  dieser  Beziehung  hätte  das  .Material  einer  stärkeren  „Durchknetung"  bedurft. 

Jedenfalls  wird  das  Werk,  wenn  es  sich  auch  etwas  in  die  Länge  ziehen  wird 

zeitlich  und  räumlich  — ,  eine  unschätzbare  Leistung  darstellen  und  für  die 
'•ich ende  Volkskunde  eine  unerschöpfliche  Fundgrube  bilden  eben  durch 
die  Heranziehung  des  gesamten  nichtgriechischen  Sprichwörtermaterials.  Man  darf 
dalur  gespannt  sein  auf  die  Ergebnisse,  die  der  Herausgeber  im  letzten  Bande 
zusammenzufassen  gedenkt.  Da  jedoch  darüber  noch  Jahre  hingehen  werden,  die 
beiden  vorliegenden  Bände  aber  schon  genug  Stoff  in  sich  bergen,  um  einen  vor- 
läufigen Einblick  in  die  Verteilung  desselben  zu  erlauben,  konnte  es  sich  Ref.  nicht 
jjen,  dem  Herrn  Herausgeber  vorzugreifen  und  die  zwei  Bände  daraufhin 
durchzuarbeiten,  wieviel  und  welche  Sprichwörter  darin  allgemein  europäisch,  welche 
nur  osteuropäisch,  bezw.  „balkarisch",   und  welche  ausschliesslich  griechisch  sind. 

Die  erste  Gruppe,  welche  die  meisten  Sprichwörter  umfasst,  interessiert  uns 
am  wenigsten.  Ks  sind  meist  alte  Bekannte  mit  wenig  veränderten  Zügen.  Um 
so  anziehender  ist  die  zwar  nur  kleine  zweite,  osteuropäische,  bezw.  Balkangruppe, 
denn  ich  zählte  von  ihr  nur  etwa  134  Nummern  unter  35  Stichworten.  Da  die 
meisten  davon  für  osteuropäische  Auffassung  bezeichnend  sind,  führe  ich  einige 
daraus  an,  wobei  ich  mich  auf  die  in  mehr  als  zwei  Sprachen  verbreiteten  be- 
schränke: ..Die  ungeladene  Pistole  erschreckt  zwei"  (afaiavoc,  A:  griech.,  serb..  russ.). 
-Ich  sprach  und  ich  hörte"  (axoi/cu  35:  griech.,  rum.,  tlirk.).  —  „Wo  man  von 
viel  Kirschen  (Trauben,  Birnen)  spricht,  nimm  ein  kleines  Körbchen  mit  (axtniw 
47  55:  griech.,  alban.,  serb..  rum.);  entspricht  dem  Sinne  nach  unserm:  „Viel 
Geschrei  und  wenig  Wolle".  —  r^ir  haben  Salz  und  Brot  gegessen"  (ahtc  7: 
griech..  alban.,  türk.,  arab.,  russ.).  Dazu  giebt  Politis  eine  lehrreiche  Studie  über 
die  Sitte.  ..Klopfe    nicht    an    andrer  Thüre,    dass  man  nicht  an  deine  klopfe" 

'/./.:;  L56:  griech.,  türk.,  russ.).  —  »Wer  um  andre  Thränen  vergiesst,  dem  ver- 
siegen seine  Augen"  y././.z:  166:  griech.,  rum..  türk..  doch  auch  deutsch).  —  „Hier 
reibsl   du  mich  und  dort  juckt  es  mich"  :■/./.:>  22  und  50:    »riech.,  alban.,  rum.). 

„Der  Mensch  ist  stärker  als  Eisen  und  schwächer  als  Glas-  [avbptvnoq  45); 
türk.  „  .  .  .  schwächer  als  eine  Rose";  russ.  „Der  Mensch  ist  stärker  als  Stein  und 
schwächer  als  Wasser*.  -  „An  der  Unvermählten  Thüre  stehen  hundert,  und 
einer  ist  der  Esel-  (d.  h.  der  sie  bekommt):  griech.,  rum.,  russ.  (avvnctvopog  5,  6). 
Ein  echt  osteuropäisches  Sprichwort  —  wenigstens  der  Form  nach  —  ist  äritpa 
31,  37,  3!*:     S|  weisses    Geld    für    schwarze    Tage    (griech..   alban.,  serb., 

rum..  türk.,  russ.  und  venetianisch;  in  letzteres  offenbar  erst  eingeführt).  — 
„Weiss  ist  auch  der  Schnee,  doch  —  ihn  die  Hunde"  (io-npez  11—13:  griech.. 
alban..  rum.:  von  schönen,  aber  verdorbenen  Menschen).  —  -Der  scharfe  Essig 
BChadet  seinem  Gefäss-  (d-i-L:  griech.,  alban.,  serb..  türk..  armen.). 

W  enn  ich  nur  die  in  -wenigstens  drei  Sprachen  verbreiteten  Sprichwörter 
herausgehoben  habe,  so  geschah  dies  vor  allem  darum,  weil  es  mir  zweifelhaft 
erscheint,  dass  so  viele  sich  nur  in  zwei  Sprachen  finden  sollen,  zumal,  wie 
meistens,  in  so  weit  auseinander  gelegenen  wie  das  Griechische  und  Rumänische 
oder  das  Griechische  und  Russische.     Hier  fehlen  —  davon  bin  ich  fest  überzeugt 


II  1 1 1, 

die  verbindenden  Mittelglieder  des  Südslawischen.     Geradi    die  Sttdslavi 
.loch    im  Mittelalter   die    byzantinische  Kultur    und   damit  a  \ 

.ms  erster  Band  erbalten,  und  erst  durch  sie  kam  sie  zu  dei 

diese    offenbare  Lückenhaftigkeit    i i    nicht   auf  mai 

Boadern    auf  unzulänglicher  Ausschöpfung  der  Quellen  beruht,    -  ■  auf 

i,i-   Verzeichnis    dieser;    denn  es  geht  daraus  hervor,    dass  Pol 
Südslavische    und    auch    für    das  All 

bekannt  geblieben  sind,    auf  die  schon  G.  Meyer,  i  hr    III.  398  f.  hin- 

gewiesen hat.  z.B,  för  das  Südslavische  Kreks  Einleitung  in  Uur- 

geschichb  -'  788ff.,    sowie    die  Sammlung  in  dun  Sbornik  des  Bulgar.  Unterrichl 
roinisteriums  I.  218f.,  III.  246ff.,   IV.   I94ff.,  V.  •         HIT.,  VIII,  231  ff., 

IX,  187 ff.     Für    das  Albanesische  vermisst  man  die  allei  r  schwer  zu  • 

langendi     S  ■    kurra  von  Mitkos,  sowie  die  eine  Anzahl  Sprichwörtei   ent- 

haltenden   Grammatiken    von    Rossi      Rom    1866)    und    Jarnik     Leipzig 
Durch  die  Benutzung  dieser  Quellen  würden  sieher  wesentliche  Züge  für  das  Bild 
des  osteuropäischen  Sprichworts  gewonnen  werden. 

Durch  Politis'  Sammlung  werden  wir  nun  auch  in  den  Stand  gesetzt, 
dritte  Gruppe  dw  spec.  griechischen  Sprichwörter  festzustellen,  was  für  die  Er- 
kenntnis des  griechischen  Volkscharakters  natürlich  höchsl  wichtig  ist.  Die  Zahl 
rselben  ist  ziemlich  gross  und  beweist,  dass  die  Griechen  einen  wertvollen  Schatz 
von  Spruch  Weisheit  ihr  einen  nennen  können.  Einige  charakteristische  und  zugleich 
häufige  Proben    davon   seien    noch   h  riffen:    ..Wen  du  liebst,    den  Bcbimpl 

auch  mal.  und  wen  du  hassest,  grüsse"      -,  •  -  ■  •  „Ein  müssigei  Mönch  s 

auf  die  Fliegenjagd"     x<  .*-•::  3     l<  „Die  Schwester  schätzl  den  Bruder  . 

einem  goldnen  Kreuz,  und  der  Bruder  die  Schwester  gleich  einem  Sack  voll  Stroh4, 
(a&X<f»j  2).    —    Giebt    es    Galle    unter  Gatten,  Kämpfe    unter  Brüdern? 

0>j--/..|,::   11).  —  Ebenso  bezeichnend  als  häufig  ist:  ..In  einem  Land,  das  nicht  viel 
abwirft,    lass  dich  ja  nicht   lange  nieder"    -^..ok.  r:.  „Ich  hörte  es  und 

Schweiss  brach  mir  aus.  ich  sah  es,  da  trat  er  wieder  zurück"  F.»  ■_ 

„Der  Geizhals  glaubt,  er  gewinnt  und  merkt  nicht,  wie  er  verliert*  '  ■ 

-   „Des  Geizigen  Hain,    kommt    in  Verschwenders   Hände"     ebenda  21 
„Kommt    nur    in   die  Mühle.    Hunde,    braucht   kein  Mahlgeld   zu  bezahlen" 
4—11:  von  Leuten,  die  ihr  Eigentum  den  Zerstörern  preisgeben;  die  Hunde  fress 
gern   dim   Müllern    das  Mehl    auf).    -       Weit   verbreitet   ist   auch:    „Der  Fuchs   hatte 
Arbeitsleute    gemietet    und   ging  dann  auf  den  Heuschreckenfai  ■   !1     l3: 

von  Leuten,  die  ihre  Arbeit  Fremden  überlassen  und  ihrem  Vergnügen  nachgehen). 
—  „Was  hat  der  Fuchs  im  Bazar  zu  suchen?"  [ebenda  M  -47).  -  „Wahrheit 
ohne  Lügen    ist    wie  Speise  ohne  Salz"  a    s.w.  .  ..Sprich  die 

Wahrheit  und  du  hast  Gott  zum  Heller-  ebenda  16  -  „Manolis  war  ein  andrer 
worden,  d.  h.  er  trug  die  Kleider  ander--  2  -4).  -     „Hier  ist  der  Mönch 

und  dort  seine  Kutte"     iXkov   12,   L5,   18,  ..Kauf  dir  im  Mai  kein 

Pferd  und  nimm  zu  Ostern  keine  Frau"  (•'/.:-,:■    I.  3,    I.  20:   weil  nämlich   i 
die  Pferde    am    besten    gefüttert    und   zu  Ostern   di<    Mädchen  am  meisten  geputzt 
sind).    —  .,Des  Bauers  Arbeit  zeigt  sich  erst  auf  der  Tenne"  («Xii 
der  Sünder  Lande  ist  der  Ungerechte  Richter"  (*/**P™  /.:'-  7,  8).  -     „Der  Weinstock 
braucht  einen  Weinbauer  und  das  Schiff  Matrosen" 

sollst  du  sterben,  Mann,  oder  ich  will  Witwe  werden"    [ävtp*s  2a,  40a,  45:  charak- 
terisiert   mit    falscher  Antithese    solche,    die    anscheinend   den  Ansprüchen   andrer 
nachgeben,  in  Wahrheit  aber  alles  für  sich  beanspruchen).  —  „Dir  ward  ein  b 
Schicksal,  Mann;   alle  sind  ertrunken  und  du  bist  entkommen'-  (ebenda  50, 


Bnohoranseigen. 

prichl  etwa  dem  deutschen:    Unkraai  vergeh!  nicht).  »Das  Land   hilft  dir, 

da  80  tapfer  scheinst8  I     5:    von  solchen,    die  einen  Zweck  er- 

ben, weil  ihnen  die  On  ad).  „Gott  macht  wohl  Verwaiste, 

doch    ir  macht    auch   ihr  Geschick"  „Gott  behüte  dich  vor 

einem  neugebackenen  Reichen  und  vor  einem  stolzen  Armen"  («.p^ovras  3,  33,  37, 
„Es  Seien  di<    Sterne  herab  and  es  Prassen  .sie  die  Schweine"  (am-po  5,  (!, 
8,   11:  von  Vornehmen,    die  ins  Unglück  geraten  sind  und  deren  Reichtum  in  ge- 
meine Hände  füllt  .  „Er  hat  Eier  und  Körbe   verloren"  (av^o  39,  47,  G5:    von 
einem  grossen,  anerwarteten   Verlust  .         »Eier  sind  nicht  zum  Einsalzen,  sondern 
/um  Sieden"    ebenda  31,  44a,  82,  82a  :    so    sagt    der  liebenswürdige  Gastfreund, 
wenn  er  sieht,  dass  die  Gäste  allzu  ängstlich  im  Zugreifen  sind).    -      Doch  damit 
mu88    es    genug    sein.     Auf    viele    andere  anziehende  Probleme,    zu  deren  Lüsung 
Politis'  Werk-  erheblich  beitragen  wird,  als  z.  B.  ist  der  Ursprung-  der  Sprichwörter, 
ob    sie    auf   altgriechische,    auf  Fabeln,    Märchen  oder  auf  die  Bibel  zurückgehen 
Letzterer  scheinen   besonders  viele   zu   sein),    wie    ihre    geographische  Verbreitung 
sich    verhält    zu    dem   Vorkommen    in    fremden    Sprachen    (die    nur    in    einzelnen 
tden    vorkommenden    scheinen    am    wenigsten    aussergriechische  Reflexe    zu 
haben  .    alles    dies    wird    uns   der  Herr  Verfasser  am  besten  selbst  sagen  können, 
wenn  er  die  Summe  aus  seinem  Werke  ziehen  wird.     Möge  es  ihm  vergönnt  sein, 
'  188    es    recht    bald    geschehe!     Der  Dank  aller  Freunde  der  Volkskunde  ist  ihm 
schon    jetzt    sicher.     Denn    sein  Werk   ist  von  internationaler  Bedeutung  und  ver- 
dient   internationale  Verbreitung.     Der    billige  Preis  (6  Frc.  der  Band)   wird    auch 
dazu  beitragen. 

-München.  Karl  Dieterich. 


Wie  (las  Volk  denkt.  Allerlei  Anschauungen  über  Gesundheit  und  Krank- 
sein. Vom  Standpunkte  des  Arztes  beleuchtet  von  Dr.  med.  Robert 
Etumpe.  Braunschweig  (Friedrich  Vieweg  &  Sohn)  1900.  VIII  und 
131  S.     kl.  8°. 

Der  Verfasser  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  die  Ansichten  und  Meinungen  des 
Volkes  -  und  nicht  immer  nur  der  untersten  Schichten  desselben  —  über  die 
Krankheiten  und  über  die  Gesundheitspflege,  wie  sie  dem  praktischen  Arzte  so 
häufig  entgegentreten,  nach  dem  heutigen  Standpunkte  der  medizinischen  Wissen- 
schaft daraufhin  zu  prüfen,  ob  sie  auf  einem  berechtigten  Untergrunde  ruhen,  oder 
ob  sie  unberechtigt  und  vielleicht  sogar  auch  schädlich  sind.  Um  seinen  reich- 
haltigen Gegenstand  in  übersichtlicher  Weise  anzuordnen,  spricht  er  die  haupt- 
sächlichsten Abschnitte  der  menschlichen  Entwicklung  und  des  menschlichen 
Lebens  der  Reihe  nach  durch:    die  ersten  Lebenstage,    die  Zahnung,  die  Pubertät, 

Ehe,  das  Wochenbett,  das  Säugen,  das  Altern  und  das  Sterben,  und  fügt  darauf 
noch  eine  Besprechung  der  im  Volke  bekanntesten  Krankheiten  an.  Er  ist  be- 
müht, dasjenige,  was  bei  diesen  Dingen  im  Körper  vorgeht,  in  populärer  Dar- 
stellung einem  weiten  Leserkreise  begreiflich  zu  machen.  Dann  nimmt  er  bei 
jedem  einzelnen  Abschnitt  die  kritische  Beleuchtung  der  hierher  gehörigen  An- 
schauungen der  Volksmedizin  und  der  Volksgesundheitslehre  durch.  Wer  sich 
also  von  den  Volkskundeforschern  für  diese  letzteren  interessiert,  der  findet  sie  in 
diesem  Buche  in  systematischer  Beziehung  zusammengestellt. 

Ref.  möchte  hier  aber  darauf  aufmerksam  machen,  dass  alles,  was  in  das 
Bereich  der  Volksmedizin  im  weiteren  Sinne  hineingehört,  nicht  ohne  weiteres 
als  ein  unmittelbarer  und  ursprünglicher  Ausdruck  der  Regungen  und  Äusserungen 


ii.-.  109 

übt   Volksseele    angesprochen    werden    darf.     Nicht    « 
welche  heutigen  Tagea  das  Volk  auf  dies« 

vergangenen  Zeiten,    auch  die  Meinung  di  schaftlichen  und  gelehrten    \r/t.- 

gewesen.  So  isl  es  also  ofl  veraltete  Magistralmedizin,  welche  im  Volke  noch 
unerschüttert    ihr  Dasein    fristet     Lai  dauert  haben,    bis 

diese  Lehren  so  tief  in  das  Volk  eil  n  waren,  ihm  allmählich  in 

Fleisch    and  Blut    übergegangen    sind.     War  aber  id  einmal  ern 

dann  vermochten  auch  die  Jahrhunderte  nicht  diese  Ansichten  wieder  dem  Voll  e 
zu    rauben,    obgleich    die    gelehrten  Medizinei  issen  und  ver- 

worfen  hatten.  Aus  den  untersten  Schichten  de-«  Volkes  drangen  Bie  dann  schritt- 
weise auch  in  die  gebildeten  Kreise  hinein,  auf  dem  für  derartige  I1  wohn- 
lichen Wege,  d.  h.  durch  die  Wochen-  und  Kinderstuben.  Nun  haften  Bie  natürlich 
auch  hier:  denn  Belten  wohl  wird  es  einem  Arzte  gelingen  eine  Neuerang  in  dem 
Krankenzimmer  durchzuführen,  wenn  eine  erfahrene  weibliche  Verwandte  oder 
Vertrauensperson  eine  gegenteilige  Meinung  vertreten  sollte. 

Der  Verfasser  bringt   für  das  soeben  Erörterte,  wahrscheinlich  unbeabsi 
einige   treffende  Belege,    indem    er   zeigt,    dass    die  gleiche  Anschauung,    wie  das 
Volk    sie    verteidigt,    auch    schon    der   alte  Hippokrates  gehabt  habe.     Nun  i 
aber  keineswegs  notwendig,    anzunehmen,    dass  in  dem   Volke  noch  aus  vorchrist- 
licher Zeit  diese  Anschauungen  haften  geblieben  Bind,    denn  wir  dürfen  nicht 
geasen,    dass    die  Lehren   des  Hippokrates  noch  bis  in  das   17.  Jahrhundert  hinein 
die  wissenschaftliche  Medizin  sämtlicher  Kulturvölker  Europas  beherrschten.     Also 
nur    vor    wenigen  Jahrhunderten    brauchen  derartige  Meinungen  in  unserem   Volke 
sich  festgesetzt  zu  haben,    und  das  ist  ja  in  der  Volkskunde  keine  ungewöhnliche 
Erscheinung.     Die    von    dem  Verf.  getroffene  Anordnung,    alle   die  volkstümlichen 
Ansichten,    welche  er  bespricht,    durch  gesperrten  Druck  besonders  augenfäll 
machen,    wird  dem  Volkskundeforseher,    der  das  Buch  zu  benutzen  gedenkt,    di< 
Übersicht  wesentlich  erleichtern.  ^1;IX   Bartels, 


Aus   den 

Sitzung-Protokollen  des  Vereins  für  Volkskunde. 


Freitag,  den  23.  November  1900.    Berr  Geheimrat  Dr.  Mas   Bartels  sprach 

über  den  Schmied  und  erläuterte  seinen  Vortrag  durch  mehr  als  50  Projektions- 
bilder.    Er    ging    diesem   Künstler   und   Handwerker  durch  alle  Zeiten   und   L 
nach,    behandelte    seine    Gerate,    ihre    Ausbildung    und    Anwend  »wie    Beine 

Leistungen  nach  allen  Seiten,  wobei  auch  der  Kurschmiede  und  berühmter  Schmiede 
aus  Sage   und  Legende    gedacht    und   des  heiligen  Eligius.    des  Schutzpatroi 
Schmiede,  nicht  vergessen  wurde.    Dem  überaus  inhaltreichen  Vortrag  im  einzelnen 
hier  zu  folgen,  ist  ausgeschlossen. 

Freitag,    den  28.  Dezember  1900.     Herr    Geheimrat    Weinhold    legt 
Schweizer  Trachtenwerk  vor,    von  dem  Z.  VIII,  358  gehandelt  serdem 

Abgüsse  von  eisernen  Formen,  in  denen  zu  Neujahr  und  Fasnacht,  auch  für  Kranke 
und  Wöchnerinnen  Eiserkuchen  gebacken  wurden.     Sie   sind  zum  Teil  mit  Gnu. 
menten  versehen,  die  der  Kunstfertigkeit  der  die  Formen  liefernden  Dorfschmied< 


lln  liger: 

ausstellen.  Die  Formen  stammten  sämtlich  aus  dem  An- 
haltischen und  gehörten  in  die  Jahre  1571  18(  Sodann  berichtete  Herr  Ober- 
Richard  Wossidlo  aus  Wann  liber  Sammelfahrten,  deren  Ei- 
.:iiii  Teil  in  den  beiden  Bänden  der  Mecklenburgischen  Volksüberliefe- 
I.  deren  oben  S.  104f.  Dnd  im  7.  Bande  unsrer  Zeitschrift 
s.  213  f.  rühmend  gedacht  ist.  Angeregt  zu  seinen  Bestrebungen  wurde  er  durch 
den  um  die  nii  tsche  Sprach-  und  Geschichtsforschung  hochverdienten,  1893 
verstorbenen  Gymnasialdirektor  Karl  Ernst  Herrn.  Krause  in  Rostock  noch  ani 
dem  Gymnasium.  Dem  Studenten  spendete  ein  alter  Lehrer  in  der  Rostocker 
die  ersten  Beiträge;  ein  Rademacher  erzählte  ihm  tagelang  und  Mitglieder 
der  Familie  desselben  ergänzten  diese  Mitteilungen.     Bei  dem  von  nun  an  eifriger 

benen  Sammeln  unterstützte  ihn  Max  Dreyer,  der  Verfasser  des  Probekandi- 
daten, und  als  der  Vortragende  nach  Wismar  and  Waren  übersiedelte,  begannen 
».eine  systematischen  Sammelfahrten,  mit  denen  ihn  später  der  Verein  für  mecklen- 
burgische Geschichte  und  Altertumskunde  beauftragte  und  wofür  die  mecklen- 
burgischen  Regierungen  und  Landstände  als  erste  in  Deutsehland  Mittel  anwiesen. 
Berr  Wossidlo  ^i:i^  nun  näher  auf  die  Technik  seines  Verfahrens  ein.  Er  rühmte 
Unterstützung  seiner  Arbeiten  nicht  nur  durch  viele  Lehrer,  sondern 
auch  durch  einfache  Leute,  einen  Büdnersohn  in  der  Hagenower  Heide,  eine 
Fischerfrau  u.  8.  w.  Es  ist  nicht  leicht,  den  Leuten  das  Gewollte  begreiflich  zu 
machen  und  sie  zum  Reden  zu  bringen.  Mit  Segen  u.  dgl.  halten  sie  oft  zurück, 
ms  Furcht  vor  dem  Pastor,  denken  auch  mitunter,  dass  der  Sammler  mit  der 
Steuerbehörde  in  Verbindung  stehe.  Für  einen  Klennermaker  (Kalendermacher; 
sieht  man  ihn  an.  einen  Dichter,  weil  er  updik teert  (nach  Diktat  aufschreibt),  für 
einen  Naturforscher,  und  nicht  selten  wird  er  bedauert  und  ihm  geraten,  sein  Ge- 
schäft, das  keinen  Tagelohn  bringt,  an  den  X;igel  zu  hängen,  oder  man  hält  ihn 
gar  für  verrückt.  Im  allgemeinen  ist  das  Volk  aber  offen  und  zutraulich,  nur 
muss  der  Frager  die  Mundart  beherrschen.  Altes  Sprachgut  hat  sich  am  besten 
im  Südwesten  Schwerins    gehalten.     Schwer   zu    sammeln    sind    Reime.     Einzelne 

men  offenbarten  eine  erstaunliche  Gedächtniskraft  und  nicht  selten  kommt 
über  die  Zuhörer  der  Erzählungen  eine  weihevolle  Stimmung.  Am  Schluss  der 
Sitzung  wurde  der  Vorstand  durch  Zuruf  wiedergewählt. 

ü»;.  Januar  1901  beging  der  Verein  die  Feier  seines  zehnjährigen  Be- 
stehens.    Um    ihre    Einrichtung    hat    sich    Herr    Fabrikant   Sökeland    in    unver- 

ner  Arbeit  die  grössten  Verdienste  erworben  und  gütige  Spender  nahmen 
der  Kasse  die  Kosten  ab.  Zu  allgemeiner  Betrübnis  war  es  dem  verehrten  Vor- 
sitzenden. Herrn  Geheimrat  Weinbold,  der  den  Verein  von  Anbeginn  geleitet 
und  liebevoll  gehegt  hat,  um  einer  Erkrankung  willen  nicht  möglich,  dem  Fest- 
abend vorzustehen,  und  der  anwesende-zweite  Vorsitzende,  Berr  Geheimrat  Virchow, 
Übertrag    dies  Geschäft  dem   ersten  Schriftführer  Prof.  Dr.  Roediger.     Er  verlas 

den  Bericht: 

Bericht  über  den  Verein  für  Volkskunde. 
1891-1900. 

Von  Karl  Weinhold. 

Am  23.  Januar  1891  versammelte  sich  in  der  Aula  des  K.  Wilhelmsgymnasium 
zu  Berlin  eine  stattliche  Anzahl  älterer  und  jüngerer  Männer,  auch  an  Frauen 
fehlte  es  nicht:  es  war  die  erste  Sitzung  des  Vereins  für  Volkskunde,  der  damit 
in    die  Öffentlichkeit  trat.     Im  Sommer  1890  waren  rege  Verhandlungen  zwischen 


Protokolle.  111 

Mitgliedern    des    Vereins    für    Anthropologie,    Ethnologie    und    Urgeschi 
Leitern  der  Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  und  Sprachwi  fi  und  ai 

Freunden  der  Volkskunde  über  die  Bildung  des  neuen  Vereins  worden; 

ursprüngliche  Absicht,    mir  eine   neue  Abteilung  des  anthropoli  infzu- 

thun,  war  an  Statutenbestiramungen  gescheitert,  und  1890 

in  einer  grösseren  Versammlung  der  Verein  für  Volkskunde   qi  m  Namen 

gebildet,  die  Batzungen  waren  entworfen  und  die  Berausg  ibe  einer  Vereinsz«  itschrift 
an  Stelle  der  Laaarus-Steinthalschen  Zeitschrift,  welche  die  Herausgeber  and  di<  \    • 
aufgaben,  beschlossen  worden.    Die  Bestätigung  und  Bestallung  sollte  nun  die 
Sitzung  bringen.    In  derselben  entwarf  zuerst  Prof.  K.  W 
hold    die  Aufgaben  der  Volkskunde  und  bezeichnete  die  Z 
Rat  Dr.  A.  Meitzen  sprach  über  Land  und  Leute  der  enden,    in  dem 

die  älteste  feste  Beimatderin  Europa  einwandernden  Germanen  erblickte.  Gymnasial- 
lehrer Dr.  Ulrich  Jahn  stellte  sodann  sechs  Personen  in  .•(•hier  Vierländer  Tracht 
vor,    deren  Schmuck    und  Stickereien    er    eingehend    beschrieb.     Stadtrath   Priedel 

endlich    die  Nächbildung   einer   schwedischen  Stickerei  aus.  die  ein  Mi 
darstellt.     Hierauf    wurden    der  Vorstand    und    der    Ausschuss    durch    Stimmzettel 

ihlt  und  der  Verein  war  nun  mit  143  Mitgliedern  ins  Lehen  getreten. 
Vorstand  bildeten  die  Herren  Weinhold,  Virchow,  D.  Jahn,  Minden,  Alexander 
Meyer  Colin.  \V.  Schwanz  und  A.  Meitzen.  Zum  Obmann  des  Ausschusses  wurde 
IC.  Friede!  gewählt.  An  die  Sülle  von  ü.  Jahn  ist  dann  als  erster  Schrift- 
führer zuerst  Herr  Alexander  Brückner,  dam,  Herr  Max  Etoediger  eingetreten  Die 
übrigen  genannten  haben  durch  Wiederwahl  ihre  Stellen  noch  inne,  mil  Ausnahme 
des  1«99  von  uns  durch  den  Tod  geschiedenen  Herrn  Wilh.  Schwanz,  als  di 
Nachfolger  Herr  Sökeland  eintrat. 

Der  Grundriss  der  ersten  Sitzung  ist  für  alle  übrigen  beibehalten  worden. 
Zwar    war    es    mein    möglich,    sie    an  Vorlagen    und  Vorführungen  licher 

ustände  so  reich  auszustatten  als  die  erste,  zumal  unser  Verein  grundsätzlich, 
mit  Rücksicht  auch  auf  das  Museum  deutscher  Volkstrachten  und  Hausgeräte,  aul 
eigene  Sammlungen    verziehtet    hatte.     Aber    wenn    auch  zeitweise  es  nach  d 

spärlicher  zuging    als    der  Vorstand    wünscht-,    ganz    unterbrochen   wurden 
Aus-  und  Vorstellungen    nicht    und    seil    einiger  Zeit    suchen    wir    jedesmal 
etwas  Interessantes  in  Bild  oder  Sachen  auszulegen. 

Den  Schwerpunkt  gründen  wir  freilich  in  die  Vorträge,  die  in  grosser  Fülle 
die  verschiedensten  Punkte  des  weiten  Gebietes  der  Volkskunde  berührten  und 
verhandelten,  und  an  die  sich,  wenn  die  knappe  Zeit  i  ■  mehr  oder  minder 

fördernde  Unterredungen  angeschlossen  halten.  Danken  müssen  wir  allen,  welche 
diese  Vorträge  übernommen  haben,  denn  gerade  in  Berlin,  wo  an  jeden  einzelnen 
die  vielseitigsten  Ansprüche  sich  andrängen  und  wo  nein  nnmer  in  den  Hunderten 
•am  Vereinen    auf   eine    lohnend    zahlreiche  Zuhörerschaft    gerechnet  werden  darl 

n    der    Konkurrenz    dei    Sitzungen,    Beratung  ellschalten,    bringen   die 

Vortragenden    ganz    andre  Opfer  als  in  kleinenn  0  Crotzdem  haben  sn 

bereit  gefunden,  grössere  Mitteilungen  zu  gi  ben,  darunter  nicht  wenige  zu  mehreren, 
ja  bis  zu  zwölf  Malen.     Ihnen  allen  inkt! 

Wenn  die  Vorträge  nur  den  Berliner  Mitgliedern  des  Vereins  zu  gute  kommen 
können,    bietet    die    Zeitschrift  des  Vereins,    im  Auftrage    heia:: 
Karl  Weinhold,    die  Mittel  auch    den  Auswärtigen  die  Arbeiten  im  Diet 
Sache    zur  Kenntnis    zu    bringen:   ja    um    ganz  Deutschland,    sowie   alles  Ausland 
über    das.    was  wir   bringen  und  leisten,    zu  unterrichten.     Durch  unsre   Z 
sind  wir  für  Deutschland  in  den  Wettstreit  mit  England,  Skandinavien,  Niederland, 


1  [•)  Roedig"  r: 

merika,  Prankreich,  Italien  und  den  Blavischeo  Ländern  in  Bezug  auf  den 
Ausbau  der  Volkskunde,  dea  Folklore,  der  Traditions  populaires  eingetreten.  Die 
Zahl  nn8rer  Mitarbeiter  an  den  abgeschlossenen  zehn  Bänden  belauft  sich  auf  199. 
die  rerstreul  sind  von  Island  bis  Neapel,  von  Nordamerika  bis  Bulgarien. 

Der  Kern    freilich   isi  und  bleibt  Deutschland.     Die  deutsche  Volkskunde  roi 

allem  zu  (Ordern,    haben  wir  von  Anfang  uns  vorgesetzt,  die  deutsche  im  vollsten 

Arndtschen  Umfang  dieses  Wortes,  und  so  freuen  wir  uns  .sehr,  dass  die  Deutschen 

terreich  ganz  besonders  treue  Mitarbeiter  an  nnsrer  Zeitschrift  geworden  sind. 

Die  Gründung  nnsers  Vereins  bat  in  den  einzelnen  Ländern  des  Reichs  Nach- 
folge gefunden,  und  darüber  hinaus  entstanden  in  Wien  für  ganz  Österreich,  in 
Zürich  für  die  ganze  dreisprachige  Schweiz  Gesellschaften  für  Volkskunde  mit 
litterarischen    Organen.     In    Breslau,    Dresden.    Prag    und  Eger,    in  Würzburg,    in 

jen  haben  sich  Vereine  gebildet,  teils  für  ganze  deutsche  Staaten,  wie  die 
Königreiche  Bayern  und  Sachsen,  für  Deutsch  -  Böhmen,  teils  iur  einzelne  alte 
Länder,  wie  Schlesien,  das  Egerland,  für  Oberhessen,  die  rüstig  sammeln  und  in 
kleineren  Zeitheften  wie  zusammenfassend  in  Büchern  ihr  fruchtreiches  Leben  er- 
freulieh betbätigen.  Anderwärts  thaten  sich  ohne  Vereinsbildung  Freunde  des 
Volkslebens  und  seiner  Geschichte  zusammen,  wie  in  Freiburg  im  Breisgau.  die 
durch  Umfragen,  mündlich  und  schriftlich  gethan,  bienengleich  den  Stoff  zusammen- 
trugen, und  den  verarbeiteten  in  stattlichen  Büchern  ausgestellt  haben.  So  besitzen 
wir  die  Braunschweiger  Volkskunde  von  Richard  Ar.dree  (1896),  die  Sächsische 
Volkskunde  von  Robert  Wuttke  (1900.  2.  A.  1901),  das  Badische  Volksleben  im 
19.  Jahrhundert  von  Elard  Hugo  Meyer  (1900).  Grossartig  angelegt  ist  die  Sammlung 
der  Mecklenburgischen  Volksüberlieferungen,  die  im  Auftrage  des  Mecklenburgischen 
Geschichts-  und  Altertumsvereins  und  mit  Unterstützung  der  Mecklenburgischen 
Regierungen  und  Stände  Riehard  Wossidlo  mit  wunderbarem  Erfolge  ausführt. 
Und  als  eine  Anleitung  und  eine  unterrichtende  Übersicht  über  den  ganzen  weiten 
Volksplan  dient  das  gute  Werk:  Deutsche  Volkskunde  (1898)  von  E.  Hugo  Meyer. 

Es  wird  nicht  anmasslich  erscheinen,  wenn  wir  dieses  fast  plötzliche  Auf- 
flammen der  lange  schon  glimmenden  Feuerbrände  dem  frischen  Hauche  zuteilen, 
der  von  der  Gründung  unsers  Berliner,  für  ganz  Deutschland  bestimmten  Vereins 
für  Volkskunde  ausgegangen  ist.  Schon  die  Chronologie  der  Vereinsstiftungen 
bezeugt  es.  Und  schon  darum  dürfen  wir  von  der  Gründung  unsers  Vereins  als 
einer  bedeutenden,  für  die  wissenschaftliche  Volksforschung  folgenreichen  That 
reden,  deren  heute  in  festlicher  Versammlung  zu  gedenken  wir  das  Recht  erworben 
haben.  Wir  wissen  sehr  wohl,  dass  alles  menschliches  Thun  ein  Stückwerk  bleibt. 
wir  kennen  die  Hemmungen  unsers  guten  Willen,  wir  müssen  uns  in  vielem  be- 
scheiden: aber  wir  wollen  auch  die  Zuversicht  nicht  sinken  lassen,  dass  der  Verein 
für  Volkskunde  in  Berlin  in  seiner  zweiten  Dekade  nicht  bloss  seinen  guten  Namen 
behaupten,  sondern  lebenskräftig  aufstreben  werde,  als  ein  thätiges  nützliches  Wesen 
zur  Erkenntnis  des  deutschen  Volkes,  eine  Verbindung  deutscher  Männer  und 
Flauen  zu  Ehren  des  grossen  Vaterlandes! 

Darauf  hielt  Herr  Prof.  Dr.  Heusler  einen  Vortrag  übet  altnordische 
Rätsel,  den  unsre  Leser  umgestaltet  im  nächsten  Hefte  der  Zeitschrift  finden 
werden.  Sodann  führten  Damen  und  Herren  aus  Malchin,  denen  wir  ebenso 
wie  ihrem  Führer,  Herrn  Oberlehrer  Richard  Wossidlo  für  ihre  uneigennützige. 
gütige  Hilfe  zu  herzlichstem  Danke  verpflichtet  sind,  eine  von  Herrn  Wossidlo 
zusammengestellte  Scene  .Winterabend  in  einem  mecklenburgischen  Bauernhause1" 
auf.  die  Herr  Sökeland,  von  dem  auch  der  folgende  Bericht  über  diese  Aufführung 
herrührt,    durch    erläuternde  Worte    einleitete.     Das  Lebensbild  sollte  zeigen,    wie 


'He.  I  13 

zu  früheren  Zeiten  in  einem  wohlhabenden  Bauernhause  wohl  der  Abend  verbracht 
wurde.  Um  die  Darstellung  in  jedei  Hinsicht  stilgerechl  zw  machen,  hatte  das 
Museum    für   die  deutschen  Volkstrachten  u\u\  Ei 

Bühne  aus  seinen  Beständen  niii  schönen  alten  geschnitzten  Stühlen,  einem  Tisch, 
wertvollem  Bss-  and  Trinkgeschirr,    einer  Kredenz  a.  s.w.  auch   di 

alten  Trachten  waren  zum  Teil  seinen  Beständen  entnommen,  zum  anderen  Teile 
stellte  sie  Herr  Rohde  in  Retina  zur  Verfügung.  Wir  sehen  die  alte  Bauern- 

stube, inmitten  derselben  den  grossen  Tisch;  am  ihn  sitzl  der  Bauer  mil  Famili« 
und  Gesinde  beim  Abendessen.  Der  Lmbiss  ist  beendet,  es  wird  abgeräumt,  and 
nun  gruppieren  sich  sämtliche  Insassen  des  Hau-'--,  im  ganzen  zehn  Personen 
alle  in  farbenfrohen  Trachten  des  Schweriner  Landes,  im  Zimmer  zur  F<  ierabend- 
beschäftigung.  Diesen  Moment  stellt  unser  erstes  Bild  dar.  Vorn  rechts  befinden 
sich  die  beiden  Mägde  beim  Spinnrade,  dann  kommen  die  Töchter  mil  Bandarl 
beschäftigt.  Im  Hintergrunde  die  Bäuerin,  „Vadders"  Weste  flickend,  neben  ihr 
der  Bauer  mit  .-einer  Pfeife.  Links  eorn  schnitzt  der  Hütejunge  an  einer  Kelle; 
dann  folgt  Yadder  Behrens,  der  Kuh  fütterer,  mil  einem  Korbe  beschäftigt;  Jochen, 
der  Grossknecht,  mit  seiner  Peitsche,  und  Grossmutting  im  Lehnstuhl  am  warmen 
Ofen.  Ein  stimmungsvolles  Bild,  welche-  allgemein  fesselte.  Draussen  heult  dei 
Sturm,  wie  der  Hausherr  feststellt,  und  Grossmutting  fürchtet,  dass  ..iiwer  Nacht 
dei  willJagd  kümmt".  Nun  wird  sie  von  den  Töchtern  und  den  Mägden  bestürmt, 
etwas  von  der  wilden  Jagd  zu  erzählen.  Sie  erzählt  aber  nicht  von  der  wilden 
sondern  vom  Nibelungenlande.  AI-  jemand  in  alten  Zeiten  einmal  dorthin 
Kam.  seien  da  an  einer  Stelle  lauter  Zwerge  gewesen,  und  die  hätten  Särge  gebaut. 
Jedesmal,  wenn  dann  ein  Sari:  fertig  geworden,  sei  ein  Name  darauf  geschrieben 
worden  und  dann  sei  der  Mensch,  dessen  Namen  dei-  Sarg  trug,  gestorben.  Al- 
nun  wieder  ein  neuer  Sarg  kam.  habe  der  Jemand  gefragt:  »Kür  wen  ist  denn 
dieser  bestimmt?"    und   die  Antwort   erhalten:    ..Dat   is  sin  S;n_  Nun  mu 

Vadder  Behrens  etwas  „Grugliches"  erzählen.  Er  berichtet  sehr  anschaulich  von 
zwei  verwaisten  Kindern,  die  von  der  Mutter  allerhand  Zaubi  rkünste  erlernten,  bis 
der  Oheim  dahinter  kam.  Aul'  seine  Veranlassung  urteilte  <l  .-•  Gericht  sie  ab  und 
bestrafte  sie  mit  dem  Tode.  Bald  darauf  erschienen  dem  Oheim  zwei  schwarze 
Raben,  aus  deren  Gekrächz  er  deutlich  hören  konnte:  „Einmal  geaworen, 
verloren".  —  Bei  den  Insassen  der  Bauernstube  hat  die  grauliche  Stimmung  nun 
ihren  Höhepunkt  erreicht,  deshalb  muss  auf  „Muttings"  Wunsch  zu  Heiter«  m 
übergegangen  werden.  Es  kommen  Rätsel  an  die  Reihe.  Aus  deren  grosser  Anzahl, 
die  Schlag  auf  Schlag  folgten  und  auf  die  nicht  nur  die  Insassen  des  II 
aufmerksam  achteten,    wollen   wir  nur  zwei  vom  Kuh  fütterer  .  ae  heraus- 

greifen. 1.  Wat  is  dat  Beste  an  de  Flöh?  Dat  se  keene  Hufeisen  bebben;  Bus 
brekens  us  de  Ribbcn  kort  im  kleen.  2.  Welches  sind  die  beiden  dümmsten 
Kreaturen'.-1  Die  Ziege  und  eine  Mutter  mit  ihrem  Kinde.  Denn  wenn  die  5 
auch  die  ganze  Raufe  voll  Futter  hat.  ruft  sie  doch  immer  noch:  „Miähr,  miähr. 
und  trotzdem  die  Mutter  ihr  Kind  auf  dem  Arme  hat  und  deutlich  sieht,  fra_ 
immer:  „Wo  bit  de  denn,  min  lütt  Kinding?  Wo  bit  de  denn,  min  lütt?"  Zu 
dem  nun  losbrechenden  Jubel  erklärt  aber  Mutting:  „De  Mannslüd  weern  to  drist! 
Annmarick,  stud  dat  mal  un  Bing  uns  dat  schöne  Lied  von  de  twee  Königskinner!" 
Annmariek  lässt  sich  auch  nicht  nötigen  und  Bingt  mit  weicher,  wohllautender 
Stimme  alle  Verse  dieses  weit  bekannten  wehmütigen  Sanges.  Reicher  Beifall 
bei  offener  Scene  lohnte  dafür.  Als  Hochzeitsbitter  angezogen  trug  nun  Jochen, 
der  Grossknecht,  seinen  Spruch  vor.  In  langer  launiger  Rede  lud  er  alle  An- 
wesenden zur  bevorstehenden  Hochzeit  ein.  Die  zu  erwartenden  kulinarischen 
Genüsse  wurden  sehr  ausführlich  geschildert: 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


1  I  I  ''"'  l: 

.20  forte  Och  en  an  20  fette  Bwin  l H  de  lüttste  1  i-k  auf  den  Grand 

in  40  l'i  il'n  •null  dabei  du;  schon  100  rund-  u.  b,  \\. 

Darauf  kamen  die  früher  bei  Hochzeiten  allgemein  üblichen  Leberreime,  während  ein 
mit  Grün  und  Blumen  gezierter  Teller  von  Band  zu  Hand  ging.   Grossmutting  begann: 

„T>ie  Leber  i>t  vom  Eecht  und  niclit  \on  einem  Lamm. 

Unser  Ben  Christus  ist  mein  Bräutigam." 

Dass  es  bei  dem  jungen  Volke  an  gegenseitigen  Hieben  und  Neckereien  nicht 
fehlte,   lässl  sich  denken.     Von  der  einen  Magd  hörte  man: 

„Wenn  Junggesellen  küssen  un  hebben  keeu  Boart. 

Dann  hei  dal  Küssen  irar  keen  Oart- 

und  der  Kuhfütterer  meinte:  _(»  warn  alle  Berge  doch  von  Butter,  und  möchten 
die  Thäler  gefüllt  mit  Grütze  sein.  Wenn  dann  die  liebe  Sonne  schien,  dann 
llöss  die  Butter  in  die  Grütz  hinein,  dat  mot  een  schönes  Freten  sin."  Nun  musste 
Grossmutting  etwas  singen.     Sie  sang: 

„Wie  grüu,  wie  grüu  sind  doch  die  Tann." 

Auf  Ermunterung  durch  den  Bauern  sang  darauf  Thriendört,  die  zweite  Tochter, 
mit  Jochen,  dem  Grossknecht,  zweistimmig: 

„Hans  hatte  grossen  Durst,  Bist  ja  mein  liebster  Kerl. 

Da>  macht  die  Leberwurst.  Bist  ja  mein  Hans." 

Dann  folgte  die  erste  Magd  mit  dem  lustigen: 

..Uli  Mann  wili  riden,  an  het  kecu  Pierd." 

Zum  Schluss  soll  nun  auch  Vadder  Behrens  singen,  er  erklärt  aber:  „Een  Hals 
tom  Slingen  heb  ick  woll,  aber  keen  tom  Singen":  statt  dessen  wolle  er  etwas 
anderes,  auch  so  ein  Stück  aus  der  alten  Zeit  zum  besten  geben,  nämlich  einen 
Schäl'ergruss.  Jochen  und  er  ziehen  sich  als  Schäfer  an  und  tragen  den  ausser- 
ordentlich humoristisch  wirkenden  Schäfergruss  vor,  der  Kuhfütterer  als  Schaf- 
meister, der  andere  als  Geselle.  Der  Gruss  beginnt  mit  der  Frage  des  Schafmeisters 
an  den  zugereisten  Gesellen:  .Wo  kürnmst  du  her?''  Dieser  antwortet:  „Von  der 
Oberresidenz",  und  nun  beginnt  ein  Examen,  in  dessen  Verlauf  der  Geselle  zeigen 
mu88,  ob  er  etwas  lernte  und  ob  sein  Hund  etwas  versteht.  _Wie  heet  din  Hund?" 
..Min  Hund  heet  Fix."  „Fix?  Fix  is  nix!"  „Min  Hund  heet  Guillaume."  „Dat 
is  en  Name."  Zum  Schluss  des  Examens  erklärt  der  Schafmeister:  -Wenn  din 
Hund  keene  Hündin  un  wenn  er  en  beeten  gröter  un  wenn  er  nich  so  bunt  war. 
dann  war  et  en  Staatshund."  Nach  der  Ansicht  Berufener  ist  der  Schäfergruss 
die  schönste  Stelle  im  ganzen  Stück.  Hier  in  Berlin  brachte  er  seine  volle  Wirkung 
nicht  hervor,  weil  gerade  hierbei  leider  das  Plattdeutsche  nicht  voll  verstanden 
wurde.  Piek,  die  erste  Magd,  brachte  nun  den  Erntekranzspruch,  häufig  von 
Beifall  unterbrochen,  zum  Vortrag.  In  der  Einleitung  bittet  sie  um  Nachsicht, 
wenn  sie  nicht  alles  glatt  aufsagen  könnte,  denn: 

^Gestern  Abend  wollt  ich  studeeren, 

Da  kam  mein  Peiusliebster  anzumarscheeren. 

Da  hat  er  dann  bei  mir  gesessen 

Und  da  hab  ich  das  Studeeren  vergessen." 

Im  weiteren  Verlauf  wünscht  sie  mit  vielen  Knixen  der  gesamten  Familie  des 
Gutsherrn  so  viel  Glück,  „so  viel  Tropfen  vom  Himmel  regnen".  Die  Mamsell 
und  der  Entspekter  kommen  auch  noch  einigermassen  gut  davon,  weniger  erbaut 
werden  aber  die  Mägde  von  den  ihnen  gewidmeten  Wünschen  gewesen  sein.  Zum 
Schluss  ruft  sie: 

-Spielet  auf  Musikanten!" 


Protokolle.  1 1  5 

und    während    diese    einige    l     I     einer    lasti  i    hören  laset  irl  die 

Rednerin  tanzend : 

..In  mir    l  anzi  d  äoll  ei  gähn, 

Dal  im-  die  Röcke  öberslahn." 

Hierdurch  ist  die  Lust  zum  Tanzen  bei  Herrschaft  und  Gesinde  geweckt.  Als  der 
Bauer  auf  seine  Frage,  oh  man  nicht  noch  etwas  tanzen  wolle,  allerseits  Freudig) 
Zustimmung  findet,  schickt  er  den  Hütejungen  mit  der  von  Mutting  angezündeten 
alten  Laterne  zum  Nachbarsohne:  „sie  wollten  mich  en  Beeten  mit  de  Been  speelen". 
Nach  kurzer  Zeit  traf  dieser  ein  und  nun  begannen  in  der  rasch  ausgeräumten 
Stube  eine  Keihc  interessanter  Volkstänze.  Die  .Mitwirkenden  hatten  in  bunter 
Reihe  einen  Kreis  geschlossen,  and  während  alle  unter  Begleitung  der  Musil. 
..Freut  euch  des  Lebens"  sangen,  tanzte  Gr088mutting.  Dann  folgte  der  Hauer  mit 
Mutting.     Sie  sangen: 

„Mann  knmm  her.  will'n  danzen!  Manu,  dal  geiht  np  Böcken, 

l'ru,  ick  hem  kein  Schau!  —  Mau  immer  Instig  tan!" 

Hieraul'  die  älteste  Tochter.  -Mutter  Witsch"  singend,  dann  die  zweite.  \on  der 
man  hörte: 

„Zwei  Ochsen,  zwei  Kälber,  eine  schwarzbunte  Kuli. 

Die  schenkt  mir  mein  Vater,  wenn  ich  heiraten  t Im"   u.  -.  w. 

Der  Nachbarsohn,  der  Grossknecht,  die  beiden  schmucken  Mägde,  der  Kuhfüttert  r 
und  der  Hütejunge,  jeder  musste  einen  Solotanz  zum  besten  geben,  während  die 
übrigen  seinen  Tanzreim  mitsangen.     Beim  Hütejungen  tanz  sang  man: 

..Lütt  Mann   is  de   lenk  entwei. 

Vadder.soll  t  Geld  ut'n  Büdel  Bäuk'n 

Un  lütt  Mann  'n  Röcking  köpen" 

und  beim  Kuhfütterer,  dessen  Sprünge  die  grösste  Heiterkeit  hervorriefen: 

„Ich  und  mein  altes  Weih  Sie  mit  (hui   Bettclsack, 

Können  schön  tanzen,  bli  mit   dem   Käuzen-   U.S.W. 

•letzt  folgten  auf  Mahnung  des  Bauern  Gruppentänze;  zuerst  der  alte,  jetzt  mir  noch 
wenig  bekannte  Kiekebusch,  ein  Tanz  von  schöner  Wirkung,  zu  dem  alle  sai 

„Kiekebusch,  ick  seihe  di!  — 

Dat  du  mi  seihst,  dal  freu*  I  mi." 

Dann,  durch  Grossmutting  veranlasst  der  Schustertanz.     Während  gesungen  wird: 
..Du  kleiner  Schuster  du,  Ine  Schuh  die  sind  entzwei, 

Du  flickst  mir  meine  Schuh.  Der  Schuster  i-i  dabei", 

kniet  jeder  Tänzer  vor  seiner  Tänzerin.  Diese  stellt  ihren  Fuss  auf  >L^  vor- 
gebogene  linke  Knie  des  Tänzers,  der  mit  A^n  Armen  die  Bewegungen 
Schusters  macht.  Xach  Schluss  obigen  Vierzeilers  sinnigen  alle  Tänzer  rasch 
auf,  umfassen  ihre  Mädchen  und  tanzen  einige  Takte  mit  ihnen;  dann  knieen  sie 
nieder  und  das  Spiel  beginnt  von  vorn.  Unser  Bild  zeigt  die-,  Bcene  sehr  an- 
schaulich. Nachdem  aller  Augen  sich  eine  Zeit  hin-  an  dem  wunderhübschen 
Tanz  mit  seiner  Gruppierung  erfreut,  bittet  Grossmutting,  nun  auch  noch  ihren 
liebsten  Tanz  _,Gah  von  mi"  zum  besten  zu  geben.  Auch  hier  lassen  sieh  die 
Tänzer  nicht  lange  zureden.     Unter  Singen  des  Text"-. 

„Gab  von  mi,  gab  von  rai, 

Ick  mag  di  nich  >eilm", 

zur  eigenen  Dame,  mit  ganzer  Wendung  zur  fremden: 

,Komm  to  mi,  komm  tu  mi, 
Du  bist  ja  so  schön" 

- 


I  | ,;  Ro»  digi  i :  Protokolle. 

wird    auch    diese]    schöne  Tun/  anter  mehrfacher  Wiederholung  zn  Ende  geführt, 

und  damit  isl  auch  «las  hochinter«  Bsaote,    lehrreiche  und    vergnügliche  Stück   au.-. 

Brausender  Beifall    lohnte   den  Darstellern.     Es  war.    wie  allgemein  anerkannt 

wurde,  ganz  ausgezeichnet  gespielt  worden.  Man  sah  aber  auch  den  Mitwirkenden 
an.  mit  welchem  Eifer  Bie  sich  in  ihre  Rollen  vertief!  hatten  und  welche  Freude 
es  ihnen  machte,  in  Berlin  v.w\  vor  einem  so  empfänglichen  Publikum  aufzutreten. 
Interessant  war  uns  u.  a.  auch,  die  verschiedene  Wirkung  zu  beobachten,  die  das 

Stück  in  Malchin  und  in  Berlin  hervorrief.  Während  in  Mecklenburg  besonders 
die  rein  plattdeutschen  Stellen  wirkten,  waren  in  der  Reichshauptstadt  die  hoch- 
deutschen die  wirksameren:  die  plattdeutschen  Partien  verstand  man  hier  nicht  so 
gut,  wie  schon  oben  beim  Schäfergruss  angedeutet  wurde.  Im  ganzen  überstieg 
aber  der  Erfolg  weit  alle  Erwartungen.  Herr  Wossidlo  hat  sich  mit  diesem  Stück 
und  seiner  Binstudierung  ein  grosses  Verdienst  erworben.  Wir  haben  auf  diese 
Weise  wieder  einmal  kennen  gelernt,  wie  viel  Schätze  noch  in  unserem  Volkstum 
stecken  und  wie  verhältnismässig  leicht  gute  und  gediegene  Unterhaltung  zu  be- 
schallen ist.  wenn  sich  nur  mehr  Leute  linden  wollten,  um  Bestrebungen,  wie  sie 
das  Museum  für  die  deutschen  Volkstrachten  und  Erzeugnisse  des  Hausgewerbes 
and  der  Verein  i'i'w  Volkskunde  betreiben,  zu  unterstützen.  Beide  Vereine  geben 
sich  redliche  Mühe,  aber  beide  würden  weit  mehr  leisten  können,  wenn  die  Mit- 
guederzahl  sich  steigerte.  Unserer  Ansicht  nach  ist  nichts  geeigneter,  dem  ver- 
derblichen und  öden  Unwesen  der  vielen  Specialitäten-  und  Varietetheater  Abbruch 
zu  thun.  als  derartige  gut  geleitete  Volksuntcrhaltungen.  Viele  im  Volke  haben 
Freude  an  solcher  gesunden  Zerstreuung.  Vielleicht  finden  sich  auch  noch  andere 
Dichter,  die  nach  der  Übersättigung  mit  den  stark  nach  französischen  Vorbildern 
duftenden  Erzeugnissen  einmal  unser  eigenes  Volk  mehr  studieren  und  zum 
Ausgangspunkt  nehmen.  Wie  das  von  Herrn  Prof.  Hamdorf  in  Malchin  gegebene 
Beispiel  zeigt,  bei  dessen  volkstümlichen  Unterhaltungsabenden  unser  Stück  zuerst 
aufgeführt  worden  ist,  hätte  auf  diese  Weise  jede  kleine  Stadt,  ja  selbst  manches 
Dorf  die  Möglichkeit,  für  gute  Unterhaltung  zu  sorgen.  Als  Gewinn  nebenbei 
winden  Darsteller  und  Zuschauer  ihr  eigenes  Volksleben  von  früher  und  jetzt 
kennen  lernen,  und  da  mit  der  besseren  Kenntnis  desselben  auch  die  Liebe  zu 
ihm  und  zur  Heimat  wachsen  muss,  so  ist  es  in  letzter  Linie  die  Vaterlandsliebe, 
die  Nutzen  von  diesen  Bestrebungen  haben  würde.     [H.  Sökeland.] 

Beim  gemeinsamen  Abendessen  dankte  Herr  Geheimrat  Dr.  Virchow  den 
zahlreichen  Gästen  für  ihr  Erscheinen,  insbesondere  aber  den  Malchiner  Herr- 
schaften. Herr  Geheimrat  Dr.  Johannes  Schmidt  trank  auf  den  Verein  und 
seinen  ersten  Vorsitzenden,  Herr  Syndikus  Dr.  Minden  auf  die  Damen.  Einen 
hohen  Genuss  bereitete  Herr  Privatdocent  Dr.  Max  Friedländer  der  Gesellschaft 
durch  den  Vortrag  mehrerer  Lieder,  und  Herr  Prof.  Marelle  steigerte  die  fröhliche 
Stimmung  durch  ein  in  wirksamer  Weise  halb  gesungenes,  halb  gesprochenes 
französisches  Scherzgedicht.  Nach  der  Tafel  machte  eine  liebenswürdige  Freundin 
des  Vereins  durch  ihr  Klavierspiel  ein  Tänzchen  möglich,  das  früher  ein  Ende 
nahm,  als  die  angeregten  Gespräche,  denen  erst  der  nahende  Morgen  ein  Ziel 
setzte.  Wir  wurden  durch  unerwartet  reichen  Besuch  erfreut,  denn  der  grosse 
Saal  des  Architektenhauses  vermochte  nicht  sämtliche  Speisende  zu  fassen.  Dass 
unsere  Gäste  sich  wohl  bei  uns  gefühlt  haben  mögen  und  samt  den  Mitgliedern 
befriedigt  waren,  ist  der  Wunsch  und  die  Hoffnung  des  Vorstandes. 

Max  Roediger.     [H.  Sökeland.] 


rifl  des  Vereins  für  Volkskunde  1901. 


Alte  Gerichtstätte  zu  Feldkirchen  bei  Neuwied. 


Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.     1Ü01. 


]],S  1 1.  il  -Li  . 

folgen  1893),  beschäftigt  sich  hauptsächlich  mit  den  drei  Fragen: 
midi  dem  Wert  der  beiden  handschriftlichen  Redaktionen;  nach  dem  ur- 
sprünglichen Bestand  und  der  Ordnung  der  Rätselkette;  nach  Alter  und 
Heimat  der  Strophen. 

Der  grössere  Teil  der  Bervarar  saga  und  mit  ihm  die  Rätsel  sind  in 
zw.-i  Passungen  auf  uns  gekommen.1)  Beide  haben  aus  selbständiger 
mündlicher  Oberlieferung  geschöpft  (vgl.  Heinzel  S.  !».  21.  F.  Jönsson, 
Haukshök  S.  KCULLff.).  Ob  daneben  auch  eint'  gemeinsame  schriftliche 
Quelle  benutzt  wurde,  ist  fraglich:  Die  Gedichte  der  Saga  scheinen  in 
der  That  ein  Beispiel  für  das  ./ersingen'  eines  poetischen  Textes  zu  ge- 
währen, ein  in  der  eddischen  Überlieferung  sehr  seltener  Fall.  In  den 
Gatur  zeigt  sich  die  Abweichung  der  beiden  Redaktionen  am  stärksten  in 
der  Reihenfolge  der  Rätsel  und  im  Wortlaut  der  prosaischen  Auflösungen 
(sieli  unten  S.  135.  137).  Weniger  stark  in  dem  Bestände  der  Reihe:  der 
Text  H  bringt  35  Rätsel  (die  Schlussfrage  abgerechnet),  der  Text  R  29, 
wovon  nur  eines  in  der  längeren  Reihe  fehlt,  so  dass  H  sieben,  R  eine 
Plusstrophe  besitzt  und  die  Summe  36  beträgt.  Zahlreich,  aber  im  ganzen 
nicht  tiefgreifend  sind  die  Unterschiede  der  beiden  Fassungen  im  poetischen 
Wortlaut:  eine  sehr  lange  getrennte  Überlieferung  hat  hinter  den  beiden 
ersten  Aufzeichnungen  offenbar  nicht  gestanden. 

Wir  stellen  die  zuletzt  genannten  Abweichungen,  die  in  den  Rätsel- 
strophen selbst,  hier  zusammen.  Die  Rätsel  werden  gezählt  nach  der 
Reihenfolge  in  H. 

H  hat  die  vermutlich  ursprünglichere  Lesart  in  diesen  24  Fällen2): 

H  R 

1,  2.    (er)  ek  haffVti  i  gaer.  (pat)  i  gaer  haföa. 
Der  Keimstab  ist  h. 

2,  2.    ...  gerffak.  .  .  .  geröa. 

2,  4.    vegr  var  undir.  var  peim  vegr  undir. 

3,  4.    mioör  ne  mungat.  ne  enn  heldr  mungat. 

3,  6.    po  gekk  ek  .  .  .  ok  gekk  ek  .  .  . 

4,  3.    ok  hefir  hann  paar  fyrr  of  farit.  ok  hefir  hann  fyrrurn  um  farit. 
6,  5.    en  viö"  Mord"  [lies  iprd"]  sakask.         ok  iortf  sakask. 

9,  4.    ökyrrir  tveir.  ökvikvir  tveir. 

16,  0.    skialli  hvitara.  skildi  hvitara. 

17,  5.    vara  pat  .  .  .  ei  var  pat  .  .  . 

1*,  4.  5.    maer  viiT  meyiu  myg  of  getr.         par  til  er  mog  um  getr. 
19,  2.  3.    er  um  sinn  dröttin  väpnalausar     er  sinn  dröttin  vapnlausan  vega. 
vega  [lies  besser  vegask]. 

1)  In  der  Hauksbtfk,  um  1325,  und  in  der  Hs.  2845  4°  der  alten  kgl.  Sammlung  in 
Kopenhagen,  15.  Jahrh.  Die  alte  Hauksbok  selbst  bricht  in  der  Auflösung  des  zweiten 
Rätsels  ab  und  wird  für  das  Folgende  durch  zwei  Papierabschriften  vertreten  (hl  uud  h2 
in  Bugges  Ausgabe).    Wir  bezeichnen  die  erste  Fassung  mit  H,  die  andere  mit  R  (cod.  regius). 

2)  Die  abweichenden  Worte,  die  neutral  oder  in  R  ursprünglicher  sind,  stehen  in 
runden  Klammern. 


1  >i<-  altnordischen  B 


119 


21, 
•21, 
21, 
23. 


23, 
24, 
25, 

28, 

31, 
32, 
32, 


2.    er  ganga  Byrgiandi  er  ganga  raargar  Byrgiandi. 

5.  .  .  .  enar  hvitfoldnu.  .  .  .  enar  hvitfoldnoa. 

6.  ok  eigu  i  vindi  at  vaka.  <>k  eigu  f»r  i  rindi  vaka. 
2.    er  ganga  brimserkium  f.                     er  ganga  i  brimskerom. 

F.  Jönsson  a.  a.  0.  S.  513  zieht  brimskerinm  ,Brandung8klippen'  vor, 
da  brimserkium  ,Brandungshemden'  das  l.'atsel  zu  durchsichtig  mache. 
Aber  der  Felsengrund,  worüber  die  Wogen  rollen,  wird  in  Zeile  1  all 
das  , harte  Bett1  der  Frauen  vorgeführt;  wäre  >t  schon  vorher  als  ihr 
Pfad  genannt,  so  würde  die  Anschauung  gestört 

5.  .  .  .  enar  hvitfoldnu.  .  .  .  enar  hvitfolduilu  konur. 

6.  iör  (er  andarvani).  pa  iör  (var  andarvanr). 

6.    ok  rennr  sem  hann  mä  [1.  wahrsch.     ok  fylgia  ])vi  margir  miok. 
mit  Bugge:  ok  rennr  er  renna  mä]. 


6.    gefr  lif  sumum. 

firnm  steht  schon  in  Zeile  4. 
6.    ok  optast  (öhreinn). 
3.    ok  eru  sextan  saman. 

2.  sölbiorgum  i. 

3.  vertfunjr  vaka. 


gefr  lif  firum. 

ok  iafnan  heldr  (saurugr). 
siittir  allir  saman. 
sölbiorg  of  ä. 
ba<3"  ek  vel  lifa. 


1, 
5, 

6, 

8, 
16, 

17, 

18, 
19, 
19, 
20, 
22, 
22, 
24, 
26, 
28, 


Umgekehrt  darf  R  als  ursprünglicher  gelten  an  folgenden  21   Stellen: 

H  R 

1.    hafa  ek  pat  vilda.  hafa  vildak. 

3.    konungr,  gettu  .  .  .  vittu  .  .  . 

v  ist  Keimstab:  konungr  könnte  nicht  stablos  vorausgehen,  auch  ist 
die  Anrede  des  Königs  gegen  den  Stil  der  Kätscl  (unten  S.  132). 

ok  orila  tefill.  orefa  tefill. 

.  .  .  votn  ok  veisur.  .  .  .  votn  ok  vi??. 

Der  Versbau  verbietet  den  Schluss  L  -  . 
hoUVum  [I.  oldum]  hann  bergr.  holöum  [I.  oldum]  bergr. 

fyrir  Doglings  dumm.  fyrir  Dellings  durum. 

7.    skapti  rettara,  (skialli)  hvitara.      (skildi)  hvi'tara,  skapti  rettara. 


8.    pä  er  fyrir  eyiar  ütan 
yriVigr  sa  er  ker  geröl. 
6.  22,  0.  ok  eigupaerpessvaroaratvera. 

5.  alla  daga. 

6.  en  hinar  fegri  fryia. 

5.  pser  a  vetrum  viff  siou  bera. 
2.    er  margar  ganga  saman. 

4.  5.    myrgum  hafa  manni  paer  .  .  . 

6.  iör  er  (andarvani). 
8.    lif  sitt  gumi. 

1.  2.    fiörir  ganga,  fiörir  hanga. 


])ö  var  fyrir  eyiar  utan 

yrtfigr,  s;i  er  gonVi. 

ok  eigut  pa>r  (par)  varder  vera. 

um  alla  daga. 

en  hinar  fegri  fara. 

paer  um  vetr  bera. 

er  ganga  margar  saman. 

myrgum  mynnum   hafa  paer  .  . 

(pä)  iör  var  (andar  vanr  . 

lik  sitt  gumi. 

fiörir  hanga,  fiörir  ganga. 


Die  meisten  der  vielen  auswärtigen  Gegenstücke  stellen  das  ,hängen' 
dem  ,gehn'  voraus. 
28,  6.    (ok  optast)  öhreinn.  (ok  iafnan  heldr)  saurugr. 

öhreinn  ergäbe  überschüssigen  Keimstab. 
34,  1.    sat  ek  a  segl.  sat  ek  ä  segli. 

36,  5.    i  eyra  Baldrs.  i  eyra  Baldri. 

36,  6.    äö'r  hann  var  .  .  .  äör  hann  vseri  .  .  . 

9* 


|-J(I  II'-llil-T. 


1)  So  nach  B  berichtigt;  H    d.h.  die  beiden  Papierabschrifteii,h  1  und  h  2)  hat  einen 
verderbten  Text. 

'-'    Dass  i:  hier  ein  margar  einschiebt,  ist  ein  zweifelloser  versüberladender  Fehler. 


Daran  sohliessl  sieh  der  ejuzjge  Fall,  wo  eine  Vermischung  zweier 
oder  dreier  Strophen  stattgefunden  hat.  Di«'  beiden  ersten  Wellenrätsel. 
\      '1.  22,  orrlnen  ihre  zweiten   Halbstrophen  in   !l  anders  ;ils  in  R: 

II  R 

badda  bleika  rporgurn  nionnum 

hafa  |  a-r  (.'nur  hvitfuhlnu  hal'a  psdt  at  nieini  onbt. 

ok  eigU   i   vindi  at   vaka.  rid   pat  nuinu   f>ser  sinn  aide  ala. 

mprgtrrn  hftia  manni  hadda  blcikii 

\<;iv  al    nieini   komit.  hal'a   paer  enar  hvi'tfolduöu, 

ok  eigxrl  j>ar  |>ar  i/aröer  Vera;1)         ok  cigut  paer  |>ar  vartfer  vera. 

Die  Schlusszeile  der  ersten  Strophe  in  II  (ok  eigu  i  vindi  at  vaka) 
kehrt  in  R  wieder  als  Schluss  eines  dritten,  in  II  nicht  vertretenen  Welleu- 
rätsels  (Strophe  _1   in  R). 

Es  hi^st  Bich  zeigen,  dass  die  Zusammenfügüng  dieser  Bausteine  in Ü 
besser  ist  als  in  H.  Die  Zeile  niorgum  hafa  manni  nimmt  sich  in  H 
hinter  der  Halbstrophe: 

hveriar  rd  \<xr  meyiar, 
er  margar  ganga  saman 
at  forvitni  foihir 

wegen  des  wiederholten  m-argr  weniger  gut  aus  als  hinter  dem  Helming: 

hveriar  rd  |'ier  snötir, 
er  ganga2)  syrgiandi 
at  forvitni  fpöbr. 

Der  Schlnssvers: 

ok  eigut  paar  |mr  variier  vera 

gehört  hinter  paer  enar  hvitfoldftu  (-folduSu),  wie  in  R:  der  Gedanke  ist: 
die  Frauen  haben  keine  Männer,  obwohl  sie  den  Kopfputz,  den  Weissen 
faldr  der  Verheirateten  tragen.  ländlich  schliesst  sich  auch  der  erste 
Strophenschluss  in  Et: 

rid  pat  mnnu  paer  sinn  aldr  ala 

an  den  Gedanken  ..Manchen  haben  sie  Verderben  gebracht'  passender  an 
als   die   /eile   in    II: 

ok  eigu  i  vindi  at  vaka. 

Somit  hat  der  Text  R  diese  beiden  Wellenrätse]  in  anscheinend  ur- 
sprünglicherer Ordnung  bewahrt. 

An  den  folgenden  Stellen  ist  eine  Entscheidung,  ob  H  oder  R  den 
Vorzug  habe,  nicht  */.n  treffen: 


Dil    altnordischen  l  I  _' '. 

ii  i; 

l.  .r>.  B.    ok  hefir  munna  tva,  er  heftf  mumm  kvd 

s.i  er  a  gulli  einn  gengr.  ok  ii  gulli  einu  ■- 

").  _'.    it  ferr  mold  ylir.  er  liör  moW  yftr. 

3,  .').    visar  helin    l.  heliar]  til.  visar  a  helrq 

12,   7.    ferr  hart  sü    v;ctr.  I'ram   liör  BU    vaetr. 

1-4.  6.    berr  ßat  ofar  .  .  .  ok  berr  ofar  .  . 

Ursprünglich  wohl:  berr  ofarr  kne  en  kviö. 

17.  6.    ne  hamri  klappat.  ne  harari  al  klappat. 

19,   l.    enar  iorpsku  [1.  iorpu]  hh'fa.  enar  iärpari  lilila. 

22,  5.    .  .  .  at  meini  komit.  .  .  .  ;tl   raeini  ortfif. 

28,  4.    tveir  bundum  veriask  [1.  veria  .  tveir  hundum  varöa. 

•_'9,  2.    er  sefr  i  oskugnia.  er  sefr  i  psgrüa. 

"29,  3.    ok  er  af  griöti  rinn  gorr.  ok  af  griöti  einu  gorr 

32,  7.  8.    en  oepandi  olker  stööu.  en  oepanda  olker  stob'. 

Die  erst.-  Lesart  ist  metarisch  korrekter,  sachlich  weniger  antreffend. 

35,   l.    en  einn  hala.  ok  cinn  Inda. 

Dazu  kommen  noch  eine  Anzahl  äusserlicher  Schreibversehen.  Es 
sind  in  II  etwa  doppelt  so  viel  wie  in  R;  dies  beruht  ohne  Frage  darauf, 
dass  der  grösste  Teil  von  II  nur  in  den  jungen  Abschriften  bewahrt  ist. 

Sehen  wir  von  diesen  oberflächlichen   Fehlem  ab,    s usseu  wir  die 

beiden  Texte  H  und  R,  was  den  poetischen  Wortlaut  der  Rätsel  betrifft, 
als  ziemlich  gleichwertig  anerkennen. 

Besonder.-  Aufmerksamkeit  verdienen  die  gemeinsamen  Fehler  der 
beiden   Fassungen.     Wir  rechnen  folgendes  hierher: 

1.  Unebenheiten  der  Form,  die  vermutlich  von  Anfang  an  den  Yersen 
anhafteten,  nicht  auf  späterer  Verderbnis  beruhen; 

S,   ti.    en   lotuni  til   solar  snvr: 

das  stablos  vorangestellte  Nomen  fötum  ist  hart. 

20,  4.  5.  hvitan  skiold  paer  um  vetr  ä  veteum  II  bera; 
um  den  Stabreim  zu  gewinnen,  hat  eine  Papierhandschrift  haust,  eine 
and. -tr  havetr  an  Stelle  von  vetr  eingesetzt  (vgl.  Bugges  Ausgabe  S.  250  . 
Aber  im  Blick  auf  den  folgenden  Vera  en  svartan  um  sumar  musa  man 
das  einfache  vetr  unbedingt  beibehalten,  bo  dass  der  fragwürdige  Reim 
hv:  v  vorliegt. 

2.  Schreibfehler,  worin  zwei  Handschriften  unabhängig  zusammen- 
treffen konnten: 

6,    I.    hpläum  statt  dos  durch  den  Stabreim  geforderten  oldum  (Bugge  . 

19.  Ii  2.    Hveriar  ro  1  aer  brdöirj 

er  um  sinn  dröttin: 

8er  Stabreim  fehlt,  vermutlich  ist  l.rudir  (das  auch  in  der  Anfangszeile 
von  Rätsel  17  und  23  steht)  für  ein  anderes  Wort  eingetreten:  die  An- 
gaben setzen  drösir  ein:  da  aber  die   Rätsel  sonst  nirgends  den  Haaptstab 


122  Header; 

in    <lic  Schlussbebung   «1fr  Langzeile  verlegen,    müsste  man  mit  Ettmflller 
(Lesebuch  B.  38)  umstellen: 

er  um  dröttin  sinn, 
und    dies   ist  nicht  rätlich,    da  stabendes  Pronomen  vor  seinem  Substantiv 
beliebi  ist  (vgl.  Ih.v.   KU,  5.    \  af.  7,  2.    Grimn.  52,  5.    Lok.  12, %  40,2); 
man  hat  also  snütir  anzunehmen  (wie  in   Rätsel  21). 

22,  6  (=  R  "20,  (i)  ist  auf  beiden  Seiten  die  Negation  in  eigut  aus- 
gelassen. 

34,  3.  blods  hold  statt  blods  hol  (=  asdr,  Ader).  Ein  Missverständnis 
des  Wortspiels  schon  in  der  mündlichen  Überlieferung  ist  hier  schwerlich 
anzunehmen. 

•"-.    Entstellungen,    die    zwar    den  Sinn  antasten,    aber  doch  schon  der 
mündlichen  Überlieferung  zuzutrauen  sind: 
Kätsel  17  (das  Ei  der  Schwäne)  lautet: 

baru  brü'Vir 

bleikhaddatfar, 

ambättir  tvaer, 

ol  til  skemmu; 

vara  pat  hondum  horfit 

ne  hamri  at  (f.  H)  klappat, 

H:  pä  er  fyrir  eyiar  ütan  R:  po  var  fyrir  eyiar  ütan 

orftigr  s.i  er  ker  goröi.  or<Tigr  sä  er  gorcfi. 

Nach  der  Lesart  von  R  müsste  man  die  ganze  zweite  Halbstrophe  auf 
ol  beziehen,  was  keinen  Sinn  giebt:  das  weder  mit  Häuden  noch  mit  dem 
Hammer  behandelte  ist  das  Biergefäss,  die  Eierschale.  Den  Text  von  H 
könnte  man  mit  geringer  Änderung  logisch  machen,  z.  ß.  mit  Bugge: 

pä  er  fyrir  eyiar  ütan 

orffigr  ker  gorcTi, 

oder  noch  besser  mit  Beibehaltung  des  doppelt  überlieferten  sä  er  und 
näherem  Anschluss  an  R: 

pö  var  fyr  eyiar  ütan 

orcfigr,  sä  er  ker  gorcH. 

Diese  Lesart  würde  nicht  unbedingt  verwehren,  das  pat  in  Z.  5  auf  das 
ker  in  Z.  8  zu  beziehen;  aber  der  Satzbau  wäre  für  unsere  Rätsel  be- 
fremdend künstlich;  da  jenem  pat  in  der  Zeile  unmittelbar  vorher  das 
Neutrum  ol  vorangeht,  würde  sich  die  Anknüpfung  des  pat  an  ol  fast  un- 
vermeidlich einstellen.    Als  ursprüngliche  Form  möchte  ich  vermuten  in  Z.  4: 

ylker  til  skemmu, 
alles  übrige  nach  R.  Diese  Änderung,  wobei  der  gewünschte  Sinn  ein- 
wandsfrei  herauskommt,  ist  nicht  gewaltsam;  metrisch  gerechtfertigt  wird 
sie  durch  die  schweren  Füllungen  der  zweiten  Halbstrophe.  Schon  in  der 
mündlichen  Überlieferung  mag  das  ker  aus  Z.  4  in  den  Schlussvers  geraten 
sein  (wie  in  H). 


Die  altnordischen  Et  I  23 

"24,  3.    ä  sat  \vd<h  ;i  n&i, 

so  auch  im  cod.  Worin,  der  8.  gramm.  Abb.  (Isl.  gramm.  Litt.  2,  31).  Das 
Richtige  ist  ä  sat  nar  ;i  näi,  wie  die  genannte  gramm.  Abb.  in  der  Beehr. 
AM.  748  I  4°  hat.  Das  die  Lösung  vorwegnehmende  oadr  branohi  nicht 
durch  ein  Sehreibversehen  hereingekommen  zu  sein:  auch  mündlich  um- 
laufende Rätsel  enthalten  Verderbnisse,  w i •  ■  man  ans  den  Varianten  der 
Rätselsainnilungeii  ersehen  kann. 

Ob  nicht  auch  in  der  ersten  Zeile  des  Wortspielrätsels  No.  :14  eine 
Entstellung  vorliegt?     Sie  lautet: 

sat  ek  a  segli  (segl  H). 
Eine    sichere  Deutung    ist    mir  nicht  bekannt  (vgl.   Bugges  Ausg.  S.  361); 
als  Auflösung  bringt  II:  far  saztu  ä  \egg,  R:  par  saztu  ä  veg.    Statt  segli 
erwartet  man  ein  mit  d  anlautendes  Stabwort:  der  2.  Vers  lautet: 

sa  ek  daurta  meiin ; 
ich  habe  an  sat  ek  a  digli  gedacht:  ,auf  dem  Tiegel,  Kessel';  ä  digli  =  ä 
velli    (zu    vellir,    fervefaciens)  =  ä   velli   (zu  vollr,    Feld).     Doch    würden 
dann    die    beiden    Homonyma    nur    in    einem    Casus  obliquus    zusammen- 
stimmen (velli)! 

4.  Zwei  Fälle,  wo  man  kaum  umhin  kann,  einen  Fehler  in  einer  ge- 
meinsamen schriftlichen  Vorlage  anzunehmen.  Es  handelt  sich  um  stablose 
Zeilen,  deren  Form  nicht  wohl  unabhängig  durch  zwei  Aufzeichner  oder 
Abschreiber  entstanden  sein  kann. 

27,    1.  2.    Miok   var  fonkun 
nosgäs  vaxin; 

vor  fordum  schiebt  h2  fyrre  ein.  Um  den  Stabreim  zu  erhalten,  setzt  eine 
Papierhandschrift  n»r  statt  miok,  eine  andere  nög;  Bugge  schreibt  varp 
für  var  und  erblickt  darin  ein  Reimwort  zu  vaxin.  Aber  nosgas  inuss 
Stabträger  sein,  und  das  verlorene  Wort  mit  dem  n-anlaut  wird  an  der 
Stelle  von  forSum  zu  suchen  sein.  Schwerlich  miok  var  oaestum  (nuper). 
Im  Hinblick  auf  neuisländisches  sa  eg  fyrir  sunnan  svartan  köttinn  vaga 
(Jon  Arnason  No.  962,  vgl.  No.  942.  944),  mecklenburgisches  keem'n  diert 
ut  nuurden  (Wossidlo  No.  424a),  wo  eine  Himmelsgegend  ohne  inneren 
Bezug  auf  den  Gegenstand  aufgeführt  wird1),  möchte  man  vermuten: 

miok  var  fyr  nori'an. 
Die  zweite  Stelle  gehört  der  Schlussfr;i^i'  an: 

3<i,  3.    a<Tr  hann  va>ri  (var  H)  ä  bäl  huf^r. 
Die  den  Stabreim  herbeischaffende  Besserung  der  Papierhandschriften  .  .  .  ä 
bäl  um  borinn  (vgl.  Vegtamskvida  11,  7)    ist    wohl    die    einzig    mögliche. 


1)  Vgl.  auch  Svend  Vonved  C  4:'».  44  (Gnmdtvig  1,  244)  die  Rätsel lösung: 
for  «sten  stod  den  fisk  i  llod, 
for  vesten  staar  de  foler  i  stod, 
for  norden  blaescr  den  haarde  vind. 


Die  Entstellung  dieser  einfachen  Form  kann  man  «reder  der  mündlichen 
lieferung  noch  swei  selbständigen  Abzeichnungen  zutrauen; 
Die  Frage,  oh  hinter  den  beiden  Redaktionen  II  und  R  eine  gemein- 
Bchaftliche  Aufzeichnung  stehe,  könnte  jedoch  nur  auf  Grund  des  ganzen 
Sagatextes  beantwortet  werden.  Di«-  Rätselstrophen  für  sich  geben  durch 
ihr«-  gemeinsamen  Fehler,  wie  wir  Bähen,  nur  unsicheren  Anhalt  zur  Be- 
jahung der  Frage 


Die  Rätselreihe  ist  in  die  Handlung  der  Saga  hineingestellt.  Das 
Wesentliche  an  der  Rahmenerzählung  ist  dies: 

Bin  Schuldiger  soll  sich  frei  kaufen  können  dadurch,  dass  er  Rätsel 
Btellt,  die  der  König  lleidrek  nicht  zu  lösen  vermag.1)  In  der  Gestalt 
.Irs  Schuldigen  Gestumblindi  aber  erscheint  Odin,  der  wahre  Gestumblindi. 
und  nachdem  alle  seine  Rätsel  geraten  sind,  stellt  er  eine  letzte  Frage, 
dir  der  König  nicht  beantworten  kann,  und  an  der  er  den  Gast  erkennt: 
er  hat  das  Spiel  verloren,  und  da  er  sich  an  dem  Gotte  vergriffen  hat,  ist 
im-  einem  baldigen   ruhmlosen   Tode  verfallen. 

Zwei  voneinander  trennbare  Vorstellungen  sind  hier  vervvoben:  das 
Halslösungsmotiv,  und  zwar  in  der  häufigeren  Form,  dass  der  Straffällige 
nicht  durch  Rätselraten,  sondern  durch  Stellen  einer  unlösbaren  Frage 
sein  Leben  erwirkt.  Sodann  das  Motiv:  der  weise  König  hat  sich  auch 
einmal  mit  dem  weisesten  der  Götter  gemessen,  und  ihm  unterliegt  er. 
Odin  ist  nicht  nur  der  grosse  Zauber-  und  Runenkünstler,  und  der  Kenner 
der  forn  s]>ioll  fira:  auch  Rätsel  weiss  er  aufzugeben  wie  kein  Zweiter. 
Als  odins  n-ätur.  Odinsrätsel,  geben  sich  thatsächlich  die  Fragen  der 
Hervarar  saga. 

Für  die  Personen  der  Erzählung  ist  daher  das  episch  -  dramatische 
Im  fresse  an  dem  Auftritt,  ein  anderes  als  für  den  eingeweihten  Hörer  der 
Saga:  jene  sehen  den  Befreiungsversuch  des  Verbrechers,  dieser  den  Wett- 
kampf zwischen  dem  Gott  und   dem   König; 

I);is  zweite  der  genannten  Motive  gehört  echt  nordischer  Anschauung 
an:  es  stellt  sich  neben  die  geistigen  Siege  Odins  in  den  Grimuismäl. 
Vafßrüctnismal,  auch  dem  zweiten  Odinsbeispiel.  Das  erste  Motiv,  das 
der  Ealslösung,  ist  mehr  internationaler  Art;  vgl.  Petsch  S.  15ff.  Aber 
bei  «Ion  Bonstigen  Baislösungen  pflegt  ein  Rätsel  gestellt  zu  werden,  das 
der  Beantwortung  spultet  und  sogleich  die  Befreiung  herbeiführt.  In 
unserem  Falle  haben  wir  einen  langen  Dialog,  einen  Wettkampf  ohne 
Wechsel  der  Rollen,  dieselbe  äussere  Form,  die  in  den  Alvissmäl-und  den 
Fiolsvinnsmäl  angewendet  ist. 


1    Der  Text  II  lüut  das  überladende  Motiv  bei:  er  soll  die  Königstochter  bekommen, 
•wenn  er  Sieger  bleibt. 


Die  altnordischen  Rätsel.  !*_'."• 

Die  beiden  letztgenannte!]  Gredichte  nebst  den  VTnftrüdnisiuäl  hat  maii 
1 1 ; i 1 1 1 i la"  :''s  weitere  Rätselstücke  neben  die  Heidreks  gätur  gestellt.  A.ber 
offenbar  mit  Unrecht  Denn  sie  prüfen  nicht  die  Ratekunst,  Bondern  die 
Gelehrsamkeit;  es  sind  Wisseusproben,  [seine  Rätsel.  Zwar  ist  die  Grenze 
zwischen  diesen  zwei  Dingen  flüssig:  die  Wissensfrage  kann  sich  in  die 
verhüllende  Sprache  des  Rätsele  kleiden.  So  sehen  wir  es  in  manchen 
Strophen  des  Rigvedaliedes  I.  164,  das  Haug,  Sitzungsberichte  der  bayr. 
Akademie  1875,  2,  457ff.,  erläutert   hat1  ;  z.  B.  Strophe  44: 

„Drei  Behaarte    erscheinen,    (jeder    zu    sein.!'    Zeit;    einer  von  ihnen 
mäht  während  des  Jahres  ab;  einer  beRchaut  das  All  durch  (seine)  Hilfe- 
leistung (es  beschützend):    von  einem   sieht  man  den   Lauf,  aber  nicht   die 
Gestalt«; 
nach   Haug:    A.gni    in    verschiedenen  Gestalten    und   Regionen.     AI-    reine 
Prüfung  der  Kenntnis  würde  die  Frage  vom  umgekehrten  Ende  angefasst, 
etwa    so:    in    welchen    drei   Handlungen    erscheint  Agni?     Allein    die    be- 
treffenden   Eddalieder,    im    besondern    die    Vafprüänismäl,    legen    in    ihre 
Praxen  keinerlei   Versteckspiel   und  sondern  sich  dadurch  von  dev  Rätsel- 
gattung  aufs  deutlichste  ab: 

Dies  führt  ans  auf  jene  Strophe  der  Heidreks  gätur,  die  den  drama- 
tischen A.bschluss  <\<-<  Dialogs  Lüdet.  Die  Frage  na. dt  Odins  letzten 
\\«.rten  an  Baldr.  Es  ist  klar,  dies  ist  kein  Rätsel,  sondern  eine  Wissens- 
probe. Als  solche  steht  sie  stillos  am  Ende  unserer  Scene,  dagegen  ist 
sie  —  inhaltlich  übereinstimmend,  im  Wortlaut  verschieden  —  der  ange- 
messene Schlnss  <\f*  Kataloggedichtes  Vafprüdnismal. 

Es    sieht    wie    ein    wunderliches  Spiel    des  Zufalls    aus,    dass  auf  >\<'v 

einen  Seite  die  Rätselkette  mit  einer  Wissensprol adigt,  auf  der  andern 

Seite  eine  Reihe  von  mythologischen  Wissensfragen  in  ein  Rätsel  ausläuft. 
Dies  ist  nämlich  der  Fall  in  der  Vegtamskvidä.     Die  Halbstrophe    12: 

hveriar  rö  E>ser  raeyiar, 

er  at  muni  grata 

ok  a  himin  verpa 

balsa  skautum? 
isl  nach  Anlage  und  Ausdruck  der  nächste  Verwandte  anserer  Gatur,  im 
besondern  der Wellenrätsel.8)  Nun  hat  man  mit  Rech!  bemerkt  Fiunur 
Jönsson,  Litt.  bist.  1,  147.  Niedner,  Ztschr.  f.  d.  Altert  41,  310),  dass 
Odins  Abschiedsworte  an  Baldr  dasjenige  wären,  was  man  als  Schlnss  der 
Vegtamskvida  fast  notwendig  erwartete:  auch  das  Kenntlichwerden  Odins 
vor  der  Seherin  würde  durch  diese  Frage  weit  besser  begründet  als  durch 
die    vorliegenden   Rätselzeilen.     So    wie    die  Vegtamskvida   aberliefert  ist. 

1  Die  kurzen  Charakteristik.,,  der  Götter  Kigveda  8,  29  (übers  bei  Geldnei  «nid 
Kägi,  Siebenzig  Lieder,  No.  53)  erheben  kaum  den  Anspruch  Rätsel  zu  Bein,  da  sie  den 
Verstand  nicht  auf  Umwege  führen. 

2)  Bugge,  Studien  S.  263ff.,  Wimmer,  Lsesebog4  S.  156  deuten  die  Balbstrophe  auf 
die  Wellen.  Unland,  Schriften  3,  187  auf  die  Wolken. 


126  Bender: 

kann  der  poetische  Sinn,  wie  mir  scheint,  nur  der  sein:  «II«*  Frage  ,wer 
wird  Baldr  beweinen?'  wird  von  Odin  nicht  mehr,  wie  die  vorausgehenden 

an,  direkt  gestellt,  Bondern  in  ein  Rätsel  verkleidet;  an  der  geheimnis- 
vollen Unlösbarkeil  erkennt  die  Vplva  den  Gott.  Dem  Dichter  muss  dieses 
absichtlich  dunkel  gehaltene  liütsel  als  ebenso  anratbar  gegolten  haben, 
wie  auch  die  letzten  Werte  an  Baldr  niemand  wnsste  und  wissen  durfte, 
und  wer  >ich  heute  um  die  Antwort  bemüht,  der  geht  über  die  dichterische 
Intention  dieser  Abschlussfragen  hinaus. 

.Man  wird  natürlich  nicht .annehmen,  dass  Heidreks  gätur  und  Yegtams- 
k\ida  dnrch  einen  seltsamen  unerklärlichen  Tausch  zu  ihren  jetzigen 
Schlussfragen  gelangt  seien!  Aber  auch  den  Gedanken,  dass  die  Rätsel- 
scene  einst  einen  anderen,  stilvolleren  Ausgang  hatte  und  erst  nach  dessen 
Verlast  <lie  Anleihe  bei  den  Vafprüdnismäl  machte,  werden  wir  verwerfen. 
Das  Thema  .Odins  AVorte  an  den  toten  Baldr1  war  traditionell,  als  die 
anlösbare  Frage  par  excellence:  es  konnte  auch  als  dramatische  Spitze 
eines  Rätselwettkampfes  zur  Not  gebraucht  werden,  zumal  es  die  erforder- 
liche Eigenschaft  hatte,  Odins  Maske  zu  lüften. 

Dass  die  Heidreks  gätur  einfach  aus  den  Vafprüdnismäl  entlehnt 
hätten,  dagegen  spricht  der  stark  abweichende  Wortlaut: 

HeiiTr.  36  Vafpr.  54 

hvat  mselti  Oftinn  hvat  madti  Oefinn, 

i  eyra  Baldri,  ädr  ii  bäl  stigi, 

äffr  hann  vaeri  a  btil  haför.  sialfr  i  eyra  syni. 

Der  Helming  links  ist,  sobald  man  die  schlagende  Emendation  .  .  .  ä 
bäl  um  borinn  (oben  S.  123)  einführt,  tadellos.  Die  andere  Fassung  hat 
zwei  störende  Formhärten:  das  stabende  ädr  (statt  bäl)  und  das  stablose 
eyra  (dem  folgenden  Nomen  untergeordnet).1) 

Die  Sage  von  König  HeicErek  bot  also  einen  episch  -  dramatischen 
Rahmen  dar  für  eine  Folge  von  Rätseln.  An  diesen  Rätseln  selbst  haben 
wir  dreierlei  zu  unterscheiden:  ihren  Inhalt,  ihre  dichterische  Ausgestaltung, 
ihn-  Verbindung  zur  Rätselreihe. 

Nach  ihrem  Inhalt  haben  die  Rätsel  Verwandte  in  fremden  Litera- 
turen bezw.  Volksüberlieferungen,  wie  Müllenhoff,  Zeitschr.  für  deutsche 
Mythologie  3,  1  ff .  (1855)  zuerst  im  einzelnen  gezeigt  hat  (vgl  auch 
öhland,  Schriften  3,  184 ff.  6,  260fr.).  Die  Rätselstoffe  gehörten,  wie 
die  Sprichwörter,   wie  die  Märchen  und  Novellen,   zu  den  Wandermotiven, 

1)  Es  sieht  so  aus,  als  sei  der  Text  der  Vafpr.  ursprünglich  für  episches  Versmass 
geprägt  worden: 

hvat  madti  Baldri, 
ädr  ä  bal  stigi, 
Odinn  i  eyra 


Die  altnordischen  Bitsei.  127 

die  sich  schon  vor  den  Zeiten  ütterarischen  Austausches  über  <\\<-  Völker 
rerbreiteten.  Blosse  Übereinstimmung  im  ( i  egenstande  der  Präge  genügt 
nicht,  um  Verwandtschaft  aufzustellen;  z.  B.  haben  die  beiden  .Brücken- 
rätsel, «las  neuisländische  bei  Jon  Arnason  Nb.  270: 

För  eg  yfir  fjüriHnn  snar, 

ii  faknum  tres  övönduno, 

fjerar  vorn  i  fjalirnar, 

ilatar  ;i  baöum  löndnm 

und  das  unserer  Saga   N«>.  _: 

sä  ek  a  veg  ?cga. 
vegr  var  undir 
ok  vegr  yfir 
ok  vegr  ä  alla  vega 

keine  Berührung  miteinander.  Erforderlich  ist,  dass  derselbe  Zug  zur 
Kennzeichnung  des  Gegenstandes  gewählt  werde;  Übereinstimmung  im 
Motiv.  So  kann  auch  bei  ungleichem  (Jegenstande  Motivähnlichkeit  und 
unter  Umständen  thatsächlicher  Zusammenhang  vorhanden  sein  (mehrere 
Beispiele  im  folgenden). 

Wenn  wir  uns  demnach  auf  entschiedene  Motivähnlichkeit  beschränken, 
so  finden  wir  unter  alten  und  neuen  Rätseln  auffallend  wenig  Gegenstücke 
zu  den  36  Heidreks  gatur.  Diese  nehmen,  im  ganzen  betrachtet,  eine 
abgesonderte,  einsame  Stellung  ein.  Selbst  die  färöische  Ballade  Gätu 
Rima,  der  eben  unsere  Sagascene  zu  Grunde  liegt,  hat  bis  auf  zwei  oder 
drei  Fälle,  Str.  22ff.1),  neue   llätselinhalte  eingeführt. 

Aus  den  etwa  90  altenglischen  Rätseln  des  8.  Jahrh.  (in  Grein- 
Wülkers  Bibliothek  3,  183 ff.)  lassen  sich  wohl  nur  die  folgenden  Stücke 
vergleichen: 

No.  17  der  Anker: 

oft  ic  sceal  wip  waege  winnan         and  wip  winde  feohtan, 
somod  wip  pam  saecce,  ponne  ic  secan  gewite 

eorpan  ypum  peaht 


Ic  him  paet  forstonde,  gif  min  steort  polap 

and  mec  stipne  wip  stanas  moton 

fasste  gehabban: 

neben  unserer  Gata  No.  (!: 

Hverr  er  sa  hinn  mikh, 

er  morgu  ra  W- 

ok  horfir  til  heliar  halfr? 

oldum  hann  bergr, 

en  vi«5"  iord"  sakask, 

ef  hann  hefir  ser  veltraustan  vin. 

1)    Da  hier  nur  die  Antwortstrophen  bewahrt  sind,   bleibt  die  Form  der  Fragen  und 
ihre  Übereinstimmung  mit  den  alten  Gätur  zweifelhaft. 


I  2^  11'  neler; 

No.  -.7  das  Blatterschwein,  neben  der  Gäia   No.  1*J:   vgl.  unten  S.  142. 
No.  58  die  Hagelkörner1): 

ßeoa  lyl'i  byreö  lytlo  wihtc 

ofer  beorghleopa,         ßa  sind  blace  swipe, 

Bwearte,  aalopade         —   -         —  — ; 

neben  unserem   Rätsel  No.  1<>: 

bvitir  Qiugendr  • 

liellu  liösta. 

en  Bvartir  i  sand  grafask. 

l>ie  Ähnlichkeit  ist  überall  nur  eine  sehr  entfernte,  ein  (mittelbarer) 
Entstehungszusammenhaug  kann  nur  bei  dein  Rätsel  vom  Mutterschwein 
in  Betracht  kommen.  Noch  geringfügiger  ist  der  Anklang  des  Rätsels 
No.  51,  »las  Feuer,  an  Gäta  No.  ^9.  Die  zehn  bis  zwölf  übrigen  Rätsel. 
die  vielleicht  (oft  ist  ja  die  Deutung  ganz  unsicher)  im  Gegenstande  mit 
den  nordischen  Fragen  übereinstimmen,  zeigen  keine  Motivverwandtschaft. 

Die  Bechs  Reichenauer  Rätsel  (10.  Jahrb.,  MSI).  No.  VII)  bieten  keine 
Parallele,  ebensowenig  das  Traugemundslied  (um  1200,  MSD.  No.  XL VIII). 
die  Rätselsammlung  der  Weimarer  Hschr.  (15.  Jahrb.,  Köhler,  Kl.  Sehr. 
3,  499  ff.)  und  das  Strassburger  Rätselbuch  (von  1505,  herausg.  von  Butsch 
Strassburg  1876). 

Unter  den  neueren  Sammlungen  von  Volksrätseln  stellt  sich  die  islän- 
dische von  Jon  Arnason  (Islenzkar  Gätur.  Kph.  1887),  mit  ihrer  statt- 
lichen Zahl  von  1194  Nummern,  abseits  vou  den  übrigen.  Einige  dieser 
Rätsel  nämlich  verraten  deutlich  eine  unmittelbare,  litterarische  P^inwirkung 
der  alten  HeiSreks  gätur,  die  seit  dem  17.  Jahrb.  auf  Island  wieder  bekannt 
waren  und  mit  der  anderen  Eddadichtung  abgeschrieben  wurden.  Die 
klarsten  Fälle  sind  diese: 

Die  beiden  Eirätsel,   No.  764: 

i  hverju  bäru  meyarnar 
mjü'Vina  til  skemmunnar? 
paff  var  hvorki  meÖ"  höndum  gert 
ne  hamri  slegid 

and   Ne    L038:  (der  Anfang  abweichend,  dann)  päd  var  hvorki  meS  höndum 
gerl  e.la  med   hamri  smidad.     Vgl.  Gata  No.  17  oben  S.  122. 
Das   Rätsel  von  der  .Mühle  No.  814  hat  seinen  Schluss: 

maer  hvar  elur  meyu  vifl 
mög  n  reginfjalli 

unserem   Angelikarätsel   No.  18    entlehnt    (...  a  reginfialli,    elr    viel  kvän 
kona,  mal-  vid   meyiu  mog  of  getr). 

Ausserdem  halte  man  No.  1099  die  Sonne  (  .  .  .  en  vom  nii  vargar 
tveir    med    henni)    neben  Strophe  15    (  .  .  .    ok    keppask    um    pat    vargar 

■    nach  Trauhnanns  Deutung:    nacli   Dietrich    die  Schwalben    oder  Staare    oder 
.Mücken! 


Die  altnordischen  Rätsel.  L29 

avullt)1.;  X<>.  684  die  Wellen  bverjar  eru  breinar  meyar  bvitfaldaSar, 
aldrei  nema  i  viudi  vaka  aeben  Strophe  21,  oben  S<  120?  No.  683  die 
Schneehühner  (bverjar  em  avalH  a  hvi'tum  Ula-dum  a  vetram  an  dokkvuni 
a  suinrin)  neben  Strophe  20  (hvitan  skjold  pees  ä  Metrum  bera,  en  svartan 
um  siiuiar). 

Bei  dieser  Sachlage  können  wir  kein  einziges  der  neuisländischen 
Rätsel  mit  Sicherheit  als  unabhängiges  Gegenstück  der  Heidreks  gätur 
hinnehmen;  die  Ähnlichkeit  kann  immer  auf  Nachbildung  der  litterarisch 
überlieferten  alten  Strophen  beruhen. 

In  anderen  Sammlungen  linde  ich  an  bemerkenswerten  Gegenstü 
zu  unseren  G;itiir  folgendes. 

In  erster  Linie  das  ehrwürdige  Kuhrätsel  (No.  28),  das  von  den  Alpen 
bis    zum  Polarmeer  vielleicht  nirgends  fehlt.     Der  altnordischen   Passung: 

ßörir  hanga, 
lidrir  ganga, 
tveir  veg  \isa. 
tveir  h  und  um   var.'a. 
einn  eptir  drallar 
ok  optast  saurugr 

kommt,  so  viel  ich  sehe;  die  dänische  am  nächsten     bei  Grundtvig,  Garn] 
danske  minder.  2.  Aus;;..    1.  223): 

Fir    hengen,    fir    sprengen,    tow    viser  Vaej,    tow    virjer    fir  e  Hun,    se 
gammel  Man  kommer  slonten  aebag  aetter. 

Die  übrigen  zahllosen  Varianten  bauen  von  den  Leiden  Zügen  des 
Wegweisens    und    des  Hundeabwehrens    zum    mindesten    den    einen  fallen 

ii.  Die  gemütliche  Schlusswendung  (cd;  optast  saurugr)  kehrj  nirgends 
wieder.  Vgl.  Müllenhoff  a.  a.  O.  S.  4 f.  Landstad  S.  807.  Faerosk  Antho- 
logi  1.  324,  No.  35.  Svenska  Landsmälen  VII.  1.  No.  125.  Jon  Arnason 
No.  254.  255!  Rochholz,  Kinderlied  S.  221.  Wossidlo  S.  80.  Renk  in 
diesei    Zeitschrift  5,  151.     Kehler.    Kl.  Sehr.    1.  267.  Jedenfalls   haben 

wir  hier  nicht  blosse  Motivgemeinschaft  vor  uns,  sondern  eine  poetisch 
geprägte  Urform  liegt  zu  Grunde.  Es  frag!  sich,  ob  wir  sie  uns  stabreimend 
oder  endreimend  zu  denken  haben.  In  den  altisländ.  Versen  isl  sozusagen 
der  Schein  des  Stabreims  gewahrt:  die  beiden  ersten  Langzeilen  erzielen 
die  Stäbe  nur  durch  Wiederholung  der  Zahlwörter,  die  erste  hat  daneben 
den  ohrenfälligen,  zweifellos  ursprünglichen  Endreim,  die  zweite  übertönt 
den  Stab  t  durch  die  Binnenallitteration  veg:  v  isa  J  ;  in  der  tadellos  stabenden 


1)  Allerdings   ist   die  Vorstellung   von  den  Sonnenwölfen  auf  Island  noch  lebendig, 
Jon  Arnason,  pjödsögur  1,  658 f.  2,  549. 

2)  Man  darf  nicht  in  veg:  visa:  Tarda  die  drei  Stäbe  der  Langzeile  erblicken; 

dein  Hauptstab    könnte  nicht  hunchun  stablos  vorangeschickt  sein.     Auch  in  >lrr  Sammel- 
frage,  No.  7,  kommt  die  Betonung  der  be  ten  Verse: 

hverr  byggir  ha"  fioÜ, 

hverr  fellr  i  diüpa  dali 
besser  zu  ihrem  Recht,  wenn  man  Binnenstabreim  annimmt  (h:  h,  d:  d). 


130  Bender: 

dritten  Langzeile   ist  der  letzte  Kurzver.-  vermutlich  Zugabe.     Die  Grund- 
ir    möchte    ein  Gemisch    von    Bndreim    and  Binnenstabreim    gewesen 

sein  ');    Vgl    unten    S.   1  33. 

Die  Ähnlichkeit  geht  in  keinem  zweiten  Falle  so  weit,  dass  ein  ge- 
meinsamer Wortlaut  als  Grundlage  zu  erschliessen  wäre;  ausgenommen 
etwa   die  zwei   einfachen  Zeilen   in    No.  7: 

hverr  andalauss  lifir, 
hverr  aeva  pegir 

Beben  den  Versen  des  norwegischen  Rätselgedichts  (Landstad  S.  370  Str.  4): 
hot  er  de<V,  som  tyt  og  aldri  ü'ger  .  .  . 
og  hot  er  ded',  som  andelaust  liver; 

Antwort:  Wasserfall  und  Fisch. 

Dei-  Heiter  zu  Pferd  wird  in  den  Volksrätseln  häufig  durch  die  Zahl 
der  summierten  Glieder  gezeichnet,  z.  B.  bei  Wossidlo  No.  424a: 

keem  'n  diert  ut  nuurden,  hadd  vier  uhren, 

hadd  söss  fööt,  hadd'n  langen  start. 

Indem  der  heidnische  oder  wenigstens  mythenkundige  Nordmann  hier 
seinen  einäugigen  Göttervater  und  dessen  achtbeiniges  Ross  einsetzte, 
gelangte  er  erst  zu  der  richtigen  Pointe,  einem  überraschenden  Zahlen- 
verhältnis, ohne  dass  dabei  der  schlichte  sprachliche  Ausdruck  im  mindesten 
gesteigert  wurde: 

No.  35.    Hverir  rö  peir  tveir, 
er  tiu  hafa  foetr, 
augu  priu, 
en  einn  hala? 

Zu  der  toten  Schlange,  die  auf  der  Eisscholle  treibt  (Strophe  24),  hat 
Bugge  S.  358  seiner  Ausgabe  neunorwegische  Rätsel  gleichen  Gegenstandes, 
doch  weit  einfacherer  Form  angeführt.  Mit  den  verschiedenen  Eirätseln, 
die  den  Inhalt  dem  Bier,  die  Schale  einem  absonderlich  gezimmerten 
Gefäss  vergleichen,  hat  die  malerisch  reich  ausgestattete  Str.  17  (oben  S.  122) 
nur  eben  diese  beiden  Grundmotive  gemein.  Die  im  Schädel  nistende 
Ente  (Str.  27)  berührt  sich  auch  nur  dem  allgemeinen  Umriss  nach  mit 
den   Rätseln  vom  .Lebendigen  im  Toten'  (unten  S.  141). 

Geringfügige  Anklänge,  wie  die  Vergleichung  des  Mistkäfers  mit  der 
Sau  (Str.  1 1 :  Dybeck  Runa  1850,  No.  33.  Svenska  Landsmälen  VII.  4. 
No.  102*]),  das  ,Kopf  unten,  Wurzel  oben',  hier  auf  den  Lauch,  dort  auf 
den    Eiszapfen    oder   die  Oberzähne  angewandt  (Str.  8:    Gätu  Rima  y.  16. 


1)  Vergleichbar  die  altdeutschen  Segenssprüche  MSD.  1,  16— IS  und  in  andrer  Weise 
das  Sprüchlein  der  Sturlunga  saga  1,  249: 

Loptr  er  i  Eyium,  hitr  lundabeiu, 

Saemundr  er  ä  heidum,      etr  berin  ein. 
2    Die   Spinn.nrätsel    bei  Jon  Ärnason   No.  219.  942.  944    verbinden    den    schwarzen 
Eber  der  Strophe  11  mit  einem  Motiv  aus  Strophe  14. 


Die  altnordischen  Et&tael.  13 1 

Landsted  EL  372,  No.  14.  S.  809,  Nr.  22.  Jon  Ärnason  N'o.  574),  würden 
sich  noch  weiterhin  anreihen  lassen,  und  ausgebreiteten  Beleeenheit  könnte 
wohl  noch  die  eine  und  andere  Parallele  beifügen.  Aber  soviel  wird,  wie 
ich  glaube,  in  Geltimg  bleiben:    moderne  Rätselsammlungen  wie  etwa  die 

von  Wossidlo  und  von  Jon  Ärnaaon  erscheinen  sowohl  unter  sich  wie  auch 
mit  Sammlungen  der  Reformationszeil  nah  verwandt,  dagegen  von  der 
Rätselreihe  der  Hervarar  saga  durch  einen  grossen  abstand  getrennt 
Es  ist  zu  bemerken,  dass  auch  die  Menge  der  altnordischen  Sprichwörter 
in  dem  modernen  Gnomenschatze  befremdlich  wonig  \' erwandte  hat.  In- 
dessen wird  man  doch  nicht  annehmen,  dasa  fttnf  Sechstel  der  Beidreka 
gatur  auch  ihrer  inneren  Form  nach  dem  Auslande  gefehlt  hätten,  auf 
Island  bodenständig  waren.  Das  Material  an  angelehrten  Rätseln,  das  uns 
das  Mittelalter  zur  Vergleichung  darbietet,  ist  zu  dürftig,  unmittelbar  auf 
nordische  oder  gar  isländische  Heimat  weisen  nur  ein  paar  unsrer  Gatur 
hin  (unten  S.  140). 

Die  zwei  Vorgänge:  die  poetische  Ausgestaltung  der  Rätsel  und 
ihre  Verbindung  zur  Reihe  könnten  an  und  für  sich  zusammenfallen; 
d.  h.  der  Mann,  der  den  Wettkampf  König  lleidreks  darstellen  wollte, 
hätte  die  Rätselmotive  in  Prosa  oder  in  einer  ihm  nicht  zusagenden  Vers- 
form angetroffen,  und  er  selbst  hätte  dann  die  uns  vorliegenden  Strophen 
gebaut:  die  von  ihm  gedichtete  Reihe  könnte  später  durch  Zuthaten  ver- 
mehrt worden  sein.  Von  dieser  Voraussetzung  geht  F.  Jönsson  a.  a.  0.  aus. 
Ebensowohl  möglich  ist  aber,  dass  der  Hersteller  der  ( Jestumblindi-Scene 
einzeln  umlaufende,  fertigt*  Rätselstrophen  zusammentrug;  dass  er  also  im 
wesentlichen  Sammler  war.1)  Das  Vorhandensein  stabreimender  Binzel- 
rätsel  im  Island  des  12.  Jahrhunderts  kann  nicht  befremden;  die  Annahme 
wäre  selbst  dann  kaum  zu  entbehren,  wenn  man  den  Grundstock  unserer 
Strophen  einem  Dichter  zuschreibt,  denn  dieser  hätte  doch  wohl  Vorbilder 
haben  müssen,  und  die  späteren  Zuthaten  würden  dem  Schatze  der  Einzel- 
rätsel entstammen. 2) 

Für  die  erste  Auffassung,  die  Hand  eines  Dichters,  spricht,  soviel  ich 
sehe,  kein  Umstand:  die  andere  Auffassung  kann  sich  auf  folgende  vier 
Thatsachen  berufen. 

1)  Diese  Auffassung  deutet  Müllenhoii  an,  a.  a.  O.  S.  5.  Heinzel  S.  89  drückt  sich 
unbestimmter  aus:  „auch  die  Gesamtheit  der  Rätsel,  welche  Gcstumblindi-Odin  dem  König 
Heidrek  vorlegt,  wird  nicht  gleichzeitig  mit  der  Geschichte  von  dem  Konflikt  zwischen 
Heiflrekr  und  Gestumblindi  entstanden  sein/ 

2)  Wenn  Olafs  grammatische  Allhandlung  (verfasst  um  1250),  nachdem  sie  die  erste 
Hälfte  des  Eisschollenrätsels  angeführt  hat,  fortfährt:  pesskonar  ffgüru  kylluin  ver  gätu, 
ok  er  hon  iafnan  sett  i  skäldskap,  so  bedeutet  dies  wohl  nicht,  Rätsel  in  Versform  seien 
häufig  gewesen,  sondern  Umschreibungen,  die  dem  Rätsel  innerlich  verwandt  sind,  pflege 
man  in  der  Dichtung  anzuwenden.  Die  Stelle  steht  Islands  gramm.  Litt.  2,  114.  Ähnlich 
in  der  Laufäss  Edda  SnE.  2,  633. 


Häusler: 

Zuerst  ein  Punkt,  der  allein  genommen  nichts  zu  beweieen  vermöchte! 
Die   Rätsel    selbst    enthalten    nirgends    eine  Anspielung    auf  die  Personen 

Uesprächs  oder  auf  den  sagenhaften  Zusammenhang  —  wobei  von  den 
Kehrreimen,  der  Zuthat  des  Ordners,  natürlich  abzusehen  ist.  Ein  paar 
scheinbare  Widersprüche  Bollen  rasch  berührt  werden: 

1.  3  Liest  der  Texi  II  i 

koDoogr,  getta  hvai  f>at  rar, 

:uii  Anrede  des  Königs.     Die  Zeile  isl   verderbt,  das  Richtige  hat  die 

Hachr.   R: 

\iim  hvat  pat  rar; 

-nililosr  Substantiv  zu  Anfang  ist  fehlerhafter  Einscbub. 
In  dem  Eingangsrahmen  (Str.  stf.): 

bvat  er  pat  undra, 

er  ek  üti  sä 

fyrir  Dellings  durum 

liest  II  doglings  statt  Dellings,  und  Bugge  8.  356  ist  geneigt,  dies  für  das 
Richtige  /.u  halten:  doglingr  wäre  HeiSrekr  also  eine  Anspielung  auf 
die  Sagascene.  Alter  ryr  Dellings  durum  ist  »loch  sicher  die  alte  Formel 
mit  geheimnisvollem  Anklang,  dieselbe  wie  in  den  Hävamäl  160.  o,  und 
auch  bei  der  Schreibung  Dpglings  hat  der  mythische  Eigenname  vorge- 
schwebt, der  auch  in  den  Handschriften  der  Snorra  Edda  in  diesen  beiden 
Formen  auftritt  (vgl.  3Iouk.   ßeitr.  <!.  525). 

Das  nur  in   II    überlieferte  Pfeilrätsel  No.  13  lautet: 

ovarlega  (1.  ofarlega)  flygr, 

armlod  (I.   arnhlio.V? ;  gcllr, 
bardar  ein  hillm: 

Die  entstellte  Schlusszeile  wird   von  Bugge  ergänzt  zu: 

haröar  rö,  hilmir!  greipr: 

durch  diese  Konjektur  würde  eine  Anrede  an  den  König  geschaffen,  die 
je  -eil ist  als  bedenklich  bezeichnet.  Vorzuziehen  wäre  da  wohl  der 
Dativ  liiliui:  „gefährlich  sind  dein  Fürsten  die  Klauen."  Aber  auch  dies 
befriedigt  uicht;  denn  da  die  vorausgehenden  Verse  auf  den  leibhaftigen 
Adler  zutreffen,  mu>>  die  Schlusszeile  ein  klares  einschränkendes  Element 
bringen,  das  die  Deutung  auf  den  Pfeil  hinlenkt;  ein  solches  läge  z.  B.  in: 

haröar  ro  hiälmum  greipr, 
man    vergleiche    bryngag]    ,yoluQris  loricae*    als    Umschreibung   für  Pfeil: 
hlifum  statt  hiälmum   läge  weiter  von  der  handschriftlichen  Lesart  ab.1) 

Demnach  ist  nirgends  eine  Hindeutung  auf  König  lleidrek  anzuerkennen; 
lie    Rätsel   sind   neutral,    setzen   keine  bestimmte  epische  Situation  voraus. 

1    AK  Vera  _  vermute  ich:  aridiod  gelr  ,.•■.-    das  fliegende  Weser    singt  ein  (zaube- 
Adleriied",    vgl.   vargliod  UHu.  I.   42,  3,    auch  Darradarliüd  10  (Niala  c.  157)    ist 
gewiss  sigrliöda,  geirliöda  zu  lesen.     l>as  Verbau  gala  würde  gut  in  das  Bild  vom  Vogel 
passen. 


1 1      altnorriiscl 

Zweitens  i>r  mir  der  Annahme  des  rätselsammelnden  Ordners  leichter 
vereinbar    die    Ungleichheit    des  Strophen masses:    zwei   Diirt.'i    der   Rätsel 

-iml   im  anomischen  Masse  (Liödahättr),    ein  Drittel  i pischen     Fornyr- 

dislag)  v erfasst.  Nun  hat  allerdings  I'.  Jonsson  in  Beiner  Abhandlung  <li'' 
Sir(i]ilicii  epischer  Form  zu  den  nachträglichen  Erweiterungen  der  Reihe 
gerechnet.  Allein,  die  Ausscheidung  dieses  Drittels  wird  weder  durch  die 
äussere  Überlieferung  noch  durch  Reihenfolge,  Inhalt  oder  Stil  der  Rätsel 
nahe  gelegt;  Bie  findet  ihre  Begründung  nur  in  der  Annahme,  die  wir  hier 
auch  vnii  anderen  Seiten  zu  widerlegen  suchen,  in  der  Voraussetzung  des 
einheitlichen  Dichters,  und  selbst  anter  dieser  Voraussetzung  zögert  man. 
die  metrische  Zwiespältigkeit  als  etwas  Unursprüngliches  anzusehen,  (lab 
...  doch  in  der  isländischen  Überlieferung  des  L 2.  Jahrhunderts  diesen 
Zeitraum  nimmt  auch  F.  Jonsson  an  Gedichte  genug,  skaldische  und 
eddische,  die  <lm  beiden  Masse  mischten,  gleichviel  ob  die  Mischung  ur- 
sprünglich war  oder  erst  durch  Zersingen  bewirkt.  -  Im  besondern  spricht 
die  Beseitigung  der  epischen  Strophen  das  Rätsel  von  Odin  auf 
Sleipnir,  das  im  epischen  Masse  gehalten  isr:  es  steht  in  beiden  Texten 
vor  der  mythologischen  Schlussfrage  und  soll  offenbar  die  Überleitung 
dazu  bilden,  [ch  finde  es  wahrscheinlicher,  dass  dieser  Gedanke  auf  den 
Ordner,  als  dass  er  auf  einen  [nterpolator  zurückgeht.  Darauf  möchte  ich 
kein  Gewicht  legen,  dass  Rätsel  1.  eine  gnomische  Strophe,  die  zweifellos 
zum  ursprünglichen  Bestände  gehört,  Ausweichungen  der  Form  zeigt,  die 
an    das    beim   Kuhrätsel    1 bachtete    erinnern   (oben  S.  L29):    der   zweite 

Helming 

lyrta  lemill, 

r  hi  tefill 

ok  orrfa  upphefill 

hat  durchgehenden  Bndreim  bezw.  Assonanz,  dagegen  Lückenhaften  oder 
abnorm  gestellten  Stabreim.  Nach  einem  blossen  Schreiberverderbnie  etwa 
l\tta  statt  yta)  sieht  es  nicht  ans. 

Sobald    wir    in    der    Rätselscene    eine  Sammlung    schon    vorhandener 
Strophen  erblicken,  kann  die  metrische  Uneinheitlichkeit  nicht  befremden. 

i,  _,.,,  den  einen  Dichter  der  Rätsel  zeugt  drittens  die  grosse  l  q- 
gleichheit  des  Stils.  Sir  erstreckt  sich  ebenso  auf  die  innere  wie  auf  die 
äussere  Form.  Manche  Rätsel  sind  von  primitiver  Einfachheit  der  An- 
schauung, manche  gefallen  sich  in  malerischem  Beiwerk  oder  in  kühn 
phantasievoller  Ausdeutung  der  Wirklichkeit.  Die  einen  entfernen  sich  in 
Wortschatz  und  -Stellung-  kaum  von  der  Prosa,  die  anderen  greifen  zu 
gesteigerten  dichterischen  Ausdrncksmitteln.  Die  ganz  verschiedene  G 
der  Eingänge,  der  Rahmenelemente  fällt  besonders  in  die  Ohren.  Dm 
einen  halbwegs  gleichartigen  Grundstock  übrig  zu  behalten,  müsste  man 
in  der  Ausscheidung  sehr  schonungslos  vorgehen. 

Xeitvclir.  d.  VereiDS  f.  Volkskunde.    I 


i:;i 


Hcueli  i : 


l>a-  viert«  \r-iini.Mii  liegl  darin,  dass  aur  die  Rätselfragen  in  Versen, 
die  Auflösungen  in  Prosa  gehalten  Bind.  Schon  ein  isländischer  Schreiber 
des  17.  Jahrhunderts  hielt  dies  für  eine  Verderbnis  and  setzte  die  Ant- 
worten ebenfalls  in  Verse  am  —  wobei  denn  freilich  Stil  and  Versbau 
auf  Schritt  and  Tritt  das  junge  Machwerk  verraten.  In  dieser  anechten 
tfestalt  wurde  die  Rätselreihe,  nach  einer  seither  verlorenen  Bandschrift, 
,,n  Stephanus  Biörnonis  gedruckt  Hervararsaga  ok  Beidreks kongs.  Hafhiae 
178;»,  und  darnach  in  den  späteren  Ausgaben  (vgl.  besonders  Fornaldar 
.,,_m  i.  \\\|  bis  Bugge  die  echten  alten  Texte  vorlegte.  Aber  auch 
Biuree  ooch     \'r   .  S'.  241.  263.  370}  nahm  an,  dass  die  Prosa  -    wenigstens 

DO  '  y 

teilweise         Verse   ersetze,    and    Beinzel  S.  29    rechnet    „Prosa    statt    der 
Verse  in  der  Auflösung  der  Rätsel"  zu  den  Abweichungen  vom  Ursprung-' 
liehen.     .Mir   V.  Jönsson  a.  a.  0.   S.  514    können    wir    diese  Ansicht    nicht 
teilen.     Ks    wäre    anerklärbar.    'Ins-    die    poetische  Form  nur  in  den  Ant- 
worten durchgängig  zerstört,  in  den  Prägen  im  ganzen  wohl  bewahrt  worden 
wäre.      Vielmehr    haben    wir    in    dieser    Verbindung    von    Rätselvers    und 
Lösungsprosa    einen    ursprünglichen  Zug    zu    erkennen:    die    einzeln    um- 
laufenden Rätsel,  die  der  Summier  vorfand,  hatten  Versform,  ihre  Lösungen 
nicht  —    das  normale   Verhältnis  in  der   Rätselgattung,   wie  jedes  Sammel- 
werk zeigen   kann1,:  verlangt  man  doch  von  dem  Ratenden  nicht,  dass  er 
Verse  improvisiere  oder  gar  eine  schon   geprägte  Lösung-  auswendig  wisse. 
Diesen  Stand    der  Dinge    behielt    der  Sammler  einfach  hei.     Hätte  er  als 
Dichter  eine   Rätselkette  aeu  gedichtet,  dann  wäre  allerdings  zu  erwarten. 
dass    er    zugleich   auch  die   Lösungen    in  Verse  gebracht,    dass  er  also  ein 
wirkliche-  Rät'selgedicht  hergestellt  hätte.    Aber  ein  Rätselgedicht-    wie 
das  Traugemundslied,  wie  das  norwegische  Volkslied  Pä  grönaliötheicti  (Land- 
-rad  s.  369ff.  .  diefäröische  Gätu  Rima,  das  Kranzsingen  (Unland, Volkslieder 
1.  7  ff.),  neuere  Wechselstrophen  zwischen  Jungling  und  Mädchen  (z.B.  bei 
Wossidlo  S.  I23ff.)  —  wellen  die  Beidreks  gätur  nicht  sein:  sie  sind  eine 
durch  äusserliche  Ilafreu  verbundene  Rätselsammlung,  and  einer  solchen 
gebührt  die  ursprüngliche,  prosaische  Form  der   Auflösungen. 

Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  das-  der  Sammler  zu  einzelnen  seiner 
Rätsel  ein.-  versifizierte  Lesung  vorfand:  er  musste  die  dann  naturgemäss. 
wollte  er  seinen  eigenen  Plan  nicht  durchkreuzen,  in  Prosa  umsetzen. 
Spuren  von  poetischer  Fassung  zeigt,  wie  ich  glaube,  nur  die  Lösung  der 
-  tmmelfrage,   No.  7     bloss  in  H  überliefert): 

hrafn    byggir   iafnan  ä  häm  liollum,    en  dogg  i'ellr  iafnan  i  diiipa  dali, 
fiskr  lifir  andalauss,  en  piötandi  l'ors  pegir  aldregi; 

man    beachte    besonders    das    stallende    Epitheton   ornans  piötandi.      Dass 
auch  die   Antwort  auf  die  mythologische  Schlussfrage  unserem  Sammler  in 

1  l  nter  den  1194  Nummern  der  neuisländischen  Sammlung  sind  etwa  acht  Neuntel 
der  Rätsel  in  Versen,  poetische  Auflösungen  finden  sich  nur  fünl. 


Di<    iltnordischen  r  135 

gebundener  Bede  vorlag,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Aber  die  allenfalls  her- 
zustellenden  \  erse  dürfen  wir  nicht  in  den  Text  dei  ne  einsetzen, 

•  l;i  König  Eeidrek  nicht  zu  guter  Letzt  aus  der  Rolle  fallen  und  eine 
Strophe  improvisieren   kann! 

Von  der  hier  begründeten  Auffassung  aus  halten  wir  es  für  aussichtslos, 
einen  IVil  der  Strophen  zu  entfernen,  um  < •  i n « •  1 1  möglichst  einheitlichen 
Kern  übrig  zu  behalten.  Denn  an  eine  zusammengetragene  Reihe  ron 
Strophen  dürfen  wir  nichl  den  Massstab  anlegen  wie  an  ein  individuell 
geformtes  Spruchgedicht  von  der  Art  der  rlävamäl  Teil  I.  Und  über  die 
l  ngleichartigkeit  im  Stil  kämen  wir,  wie  schon  bemerkt,  doch  nicht 
liinv, 

Was  die  Zahl  der  Rätsel  anlangt,  so  mag  immerhin  die  Absicht  der 
Erzähler  und  später  der  Abschreiber  im  ganzen  auf  Vermehrung  gegangen 
sein.  Aber  um  gerade  die  Plusstrophen  der  beiden  Passungen  als  \n- 
wüchse  zu  erweisen,  fehlt  es  an  bestimmtem  Anhalt.  Bei  der  obscönen 
Präge  X<>.  30  /..  I!..  einem  Plusrätsel  von  II.  sind  die  beiden  Möglichkeiten 

•  lass  der  erste  Ordner  sie  des  Gottes  nicht  würdig  fand  (Heinzel  S.  39  , 
und  dass  ein  späterer  Schreiber  Anstoss  an  ihr  nahm,  doch  wohl  gleich- 
wertig. Die  Behandlung  desselben  Gegenstandes  in  mehreren  Rätseln 
inuss  nicht  notwendig  der  ursprünglichen  Anlage  abgesprochen  werden. 
Finden  wir  doch  sogar  in  einem  echten  einheitlichen  Rätselgedicht,  dem 
norwegischen  Pa  grönalidheidi,  zweimalige  Vorführung  der  Sonne  in 
Str.  16.   1 7  und  20.  21   . 

Wenn  die  Reihenfolge  der  Rätsel  in  den  beiden  Texten  so  stark 
abweicht,  so  ist  daraus  wühl  weniger  auf  Willkür  der  Abschreiber  zu 
schliessen  als  auf  die  Freiheit,  die  dein  mündlichen  Vortrag  in  diesem 
Punkte  zustand.  Ihre  feste  Stelle  hatten  die  drei  ersten  Rätsel:  siegeben 
sich  als  neuliche  Erlebnisse  des  Rätselstellers  und  bilden  dadurch  eine 
\n  Einführung  (F.  Jönsson  a.  a.  0.  S.  517),  ohne  dass  sie  irgendwie  auf 
das  Schicksal  Gestumblindis  und  die  besonderen  Umstände  bei  seinem 
Gang  zum  Königshofe  Bezug  nähmen.  Die  Erwähnung  des  gestern  ge- 
trunkenen Bieres,  des  Weges  über  die  Brücke,  des  unterweg  genen 
Taues  erinnert  an  die  ebenfalls  persönlicher  gehaltenen  Eingangsfi 
des  Trangemundsliedes : 

w;i  laege  du  hinaht? 

oder  wä  mite  wsere  du  bedaht? 

oder  in  welre  hande  w  ise 

bejageste  kleider  "der  spis 

Ferner  hat  das  letzte  Rätsel,  das  von  dem  reitenden  Odin,  seine  wohl- 
begründete  Stellung  vor  der  unlösbaren  Odin-Baldr-Frage    oben  S.  1- 

In  der  Anordnung  der  übrigen  Rätsel  scheint  die  Fassung  R  stellen- 
weise ein  Streben  nach  Verbindung  des  stofflich  Verwandten  zu  verraten: 
Blasebalg  hinter  Goldschmiedehammer  ;>'«■.  I.  5),  saugende  Ferkel,  trächtige 

in* 


11. .,-]..  ■ 

Sau,  Kuh  beisammen  (No.  25  27  .  Doch  geht  dies  nicht  über  einzelne 
Anläufe  hinaus.  Dagegen  wirkt  in  dem  Texte  II  unverkennbar  der Orond- 
Batz,  den  man  als  den  näher  liegenden  gelten  lassen  muss:  die  Räte!  mit 
gleichen  Hingängen  gehören  zusammen.  Vor  allem  stehen  die  neun  Strophen 
mit  dem  breiten  Etahmenelemenl  hvat  er  [>at  undra  .  .  .  (oben  S.  132)  ge- 
schlossen hintereinander  No.  8-  L6);  ebenso  die  sechs  Strophen  mit  dem 
Anfang  hveriar  i-"  No.  L8  23).  Von  den  vier  Prägen  mit  hverr  er  sä 
hinn  (No.  4 — <'».  29),  von  den  fünfen  mit  ek  sa  oder  sa  ek  (Xo.  21.  ■"><>. 
32  34)  halten  bloss  je  dreie  zusammen.  Dir  beiden  Eingänge  hvat  er 
|.at  dyra  (No.  25.  26)  folgen  einander  dies  auch  in  I!  No.  L6.  17,.  die 
beiden  hverir  rö  peir  stehen  getrennt  (No.  31.  -':">).  Folgerichtig  ist  daher 
auch  dieser  Gesichtspunkt  nicht  durchgeführt. 

Worauf  sich  die  ursprüngliche  Anordnung  begründet  haben  mag,  ist 
nicht   /.u  entscheiden.1) 

Die  Thätigkeit  des  Sammlers  äussert  sich  in  <\vn  Kehrreimen,  <1  i« - 
er    den    Rätseln    anhängte.     Den    mündlichen   Einzelrätseln    kann    die    be- 

schliessende   Langzeile: 

Heiörekr  konungr, 
hyggöu  at  g-ätu 

noch  nicht  angehört  haben.  Auch  in  den  beiden  Fällen,  wo  sie  die  Acht- 
zahl  'Im-  Kurzverse  auffüllt  (No.  28.  30  .  kann  man  sie  nicht  als  not- 
wendigen Bestandteil*  der  Fornyröüslagstrophe  bezeichnen  (Heinzel  S.  39) : 
hier  liegen  eben  sechsversige  Gruppen  vor,  neben  den  achtversigen  und 
den  vierversigen,  wie  auch  in  so  manchen  Eddaliedern;  bei  Xu.  2s.  dem 
berühmten  Kuhrätsel,  kann  kein  Zweifel  sein.  da>s  es  einmal  unabhängig 
von  König  Heictrek  bestand.  Allgemeinere  Aufforderungen  zum  Raten 
kennen  wir  aus  den  altenglischen  Rätseln:  ned,  hwset  ic  marne!  rece,  gif 
|,ii  cunne!  u.  ähnl.  Neuere  Formeln  Ihm  Petsch  S.  ')Xi\. 
Der  wiederkehrende  Satz,  der  die   Lösungen  einleitet, 

er  gata  |nn.  Gestumblindi,  getit  er  [>eirar  (|>essar  R) 

wird  von  den  Herausgebern  als  Gruppe  von  drei  Kurzversen  aufgefasst, 
während  I-1.  Jöusson  a.  a.  0.  S.  514  den  Verscharakter  bezweifelt.  Bugge 
Ausg.  S.  235  denkt  daran,  das  dritte  Stück   halte  einst   gelautet: 

getit  er  gatu  [>eirar; 

dann    wäre    das  Ganze    ein   LiöSahatthelming.     Wahrscheinlicher    ist    mir. 

dass  das  blosse: 

gÖÖ  er  gata   |>in.  getit  er  |>eirar, 

eine  regelmässige  Langzeile,  als  formelhafte  Einleitung  von  Rätsellösungen 

1)  Die  IT  Rätsel,  die  F.  Jönsson  als  ursprünglich  heraushebt,  stehen  nach  a.  0. 
S.  516f.  in  dieser  Reihe:  1.  Bier,  2.  Brücke,  :>.  Tau,  4.  Goldschmiedehammer,  5.  Blasebalg, 
»;.  Spinn--.  7.  Lauch.  S.  Angelika,  i'.  Eisscholle,  10.  Bretspiel,  11.  Bretspiel,  12.  Feuer, 
13.  >iebe).  II.  Bretspiel.  15.  Schneehütmer,  L6.  Anker,  17.  Wellen.  Eine  Ordnung  nach 
dem  Gegenstande  wäre  jedenfalls  auch  hier  nur  in  sehr  loser  Weise  befolgt. 


Itnordisch 

vorlag;    indem  der  Ordner  den   Namen  der  S  Gcstumbliudi,   ein- 

schob,   gelangte   er  zu  der  ungewöhnlichen  dreigliedi  Stabroimgruppe 

Die  Auflösungen  selbst  hatten  keine  Qberlieferte  fest  Form:  ihre 
Stilisierung  war  'lern  jeweiligen  Erzähler  anheimgestellt,  und  unsere  beiden 
Sagatexte  gehen  in  diesem  Punkte  am  weitesten  auseinander.  Darüber 
ausführlich  F.  Jönsson  s.  514 f.  Die  sachlich  treffendere  Deutung 
Rätsels  findet  sich  ungefähr  ebenso  ofj  in  II  wie  in  1!:  manche  Fälle  sind 
neutral.  II  neigt  zu  breiterem  Ausdruck,  nur  in  vier  Fällen  So.  I.  '' 
20.  31  ist  i;  wortreicher.  Vor  allem  aber  lieb!  '■>  II.  die  epische  Situation 
in  lebendige  Erinnerung  /.u  bringen,  die  beiden  Rätselkämpfer  aus  ihrer 
Rolle  heraus  sprechen  zu  lassen:  IJ  tlmr  dies  nur  in  2  Fällen,  II  in  II. 
Die  Frage,  was  da-  .1  rsprünglichere*  sei.  wird  man  hier  nicht  aufwerfen 
wollen:  Bchon  dem  allerersten  Erzähler  dieser  Rätselscene  stand  der  eine 
\\  eg  so  um   offen  wie  '1er  andere. 

I  >ass  /.um  Teil  Missverständnisse  in  den  Lösungen  stecken,  haben 
Bugge  und  F.  Jönsson  gezeigt.  .Mir  Bugge  S.  ■"'•'>7  bin  ich  der  Meinung, 
■  lass  dir  Auflösung  von  Rätsel  No.  17  (oben  S.  12*2)  in  'lern  Texte  II  nur 
scheinbar  einen  phantastischen   Irrtum  enthält.     Sie  lautet: 

]>at  eru  aeöar  tvaer,  paer  er  eggium  verpa;  eggin  era  eigi  gor  me<1  hamri 
ne  hondam,  en  piönusturaeyiar  biiru  du  i  eggskurninni: 

nachdem  der  betreffende  Schreiber  bis  zu  ne  hondum  gekommen   ist,  fällt 
ihm    ein,    dass   der  Ausdruck  ambättir  bäru     I    noch    eine   Erläuterung   be- 
dürfe,   und    die    giebt    er    mir    den   Worten:    „die  (von  dir  so  genannten 
.Mägde'  trugen  das  .liier  in  der   Eierschale". 

anderseits  glaube  ich  in  zwei  weiteren  Lösungen  ein  bisher  nicht 
bemerktes  Missverständnis  zu  erkennen. 

Rätsel   No.  2  bezeichnet  die  Brücke  als  ,~Weg  der  Wege'1  : 

v<  ur  var   andir 

ok  vegr  yfir 

ok  vegr  .i  alla  vi 

Die   Auflösung  besagt,    in   II   und    R  sachlich  übereiustii ;nd:    unter 

dir    hattest    dn    den   Fluss,    über    dir    und   zu  beiden  Seiten  flogen   \ 
,das  war  deren   Weg';    sie  bezieht  also  den  Schlussvers  auch  noch  auf  die 
Luft.     In  Wirklichkeit  muss  er  auf  den  Erdweg,  die  Erde  schlechthin     den 
foldvegr)  -«dien:    denn  es  ist   klar,    dass  die  drei  Zeilen  drei  verschiei 
.Wege'  meinen,   Fluss,   Luft,   Erde. 

Rätsel  No.  10,  nur  in   II   überliefert,   lautet: 

hvi'tir  fliügendr 

hello  h' 

en  svartir  i  sand  grafa 

Die  Prosa  erklärt  dies  für  Hage]  und   Regen.     Das  Richtige  ist 
Hage]    allein.     Man    übersetze:    „als   weisse   fliegende  schlagen  sie  auf  die 

1)  s;i  ek  ä  veg  vega,  speetavi  in  viam  viarum,  nichl  aspexi  in  via  i 


Bender: 

Felsplatte  auf,  aber  als  schwarze  [wenn  sie  geschmolzen  und  durchsichtig 
geworden  sind]  graben  Bie  sich  in  den  Sand."  Wir  haben  somit  hier 
keine  Sammelfrage;  die  Schlusszeile  würde  auch  nicht  genügen,  um  die 
Regentropfen  zu  kennzeichnen. 

AU  Entstehungszeil  der  Rätselscene  wird  man  das  12.  Jahrhunderi 
annehmen  dürfen:  in  diesem  Zeiträume  traten  die  sogen.  Fornaldar  sogur 
in  Blüte,  in  deren  Kreise  die  Hervarar  saga  zu  den  altertümlicheren  ge- 
hört.  .Mir  der  Saga  kann  auch  der  Rätselkampf  nur  auf  Island,  der 
Heimat  der  Pornaldar  sogur,  die  Rundung,  die  kunstmässige  Gestaltung 
erlangt  haben.  I>i''  Rätselkette  im  ganzen  wirkt  nicht  als  eine  Sammlung, 
die  in  gelehrter,  litterarischer  Absicht  unternommen  wurde.1)  .Mir  den 
mancherlei  wissenschaftlichen,  philologischen  Bestrebungen,  die  in  dem 
Island  des  12713.  Jahrhunderts  in  so  merkwürdiger  Weise  auftreten  und 
in  dem  Skaldenlehrbuch  Snorris  ihre  bedeutendste  Schöpfung  hervorbringen, 
kann  man  sie  nicht  in  Zusammenhang  setzen.  Sic  will  keine  .jungen 
Skalden'  belehren,  wie  sie  ja  auch  nicht  als  Excerpt  aus  litterarischen 
Denkmälern  entstanden  ist.  sie  giebt  sich  durchaus  als  Unterhaltungs- 
litteratur. 

Das  Alter  <\e\-  einzelnen  Rätselstrophen  -  am  dies  hier  gleich  anzu- 
schliessen  entzieht  sich  der  Bestimmung.  F.  Jönsson  a.  a.  O.  S.  520 
bemerkt,  dass  in   Rätsel  No.  25  die   Liödahättvollzeile: 

ok  er  iärni  kringt  utan 
ein  utan   mir  Kürze  verlangt,  eine  Form,  die  erst  mir  <lvni   12.  Jahrhundert 
auftritt.     War  also  die  Strophe  älter,  so  wird  es  einst: 

ok  er  iärni  ütan  kringt 
gelautet  haken  (so  druckte  Ettmüller  in  seinem  Lesebuch  .  Über  die 
Heimat  der  Rätselinhalte  vgl.  oben  S.  \-2Vi'.  Wie  viele  der  Bätsei- 
strophen als  originale  westnordische  Dichtung  entstanden,  wissen  wir 
nicht;  den  Anteil  von  .Mutterland  und  Insel  zu  sondern,  kann  man  nur  in 
ein  paar  Fällen  wagen:  ausser  dem  Obsidianrätsel  (unten  S.  140)  möchte 
ich  für  eigenartig;  isländisch  halten:  das  überkünstliche  Homonymenrätsel 
unten  s.  ]  12f.),  die  kenninggewürzte  Strophe  27  von  der  Fnte  im  Schädel 
[unten  S.  141  und  wohl  auch  das  humorvoll  übermütige  liärsel  von  den 
saugenden   Ferkeln   No.  32    unten  S.  14ti). 


Es  bleibi  uns  übrig,  die  Rärsel  unabhängig  von  ihrer  Umrahmung, 
als   Kulturzeugnisse    und    dichterische  Gebilde,    nach    ihren   bezeichnenden 

nschaften  zu  betrachten. 

Die  Stoffe  sind  zu  zwei  Dritteln  der  Natur  entnommen:  während  das 
Steinreich    einen   Vertreter  hat  (Xo.  16  Obsidian).    das  Pflanzenreich   zwei 


1    Eine  andere  Ansicht  spricht  F.  Jönsson  aus  a.  a.  0.  S.  519f.     Litt.  hist.  2,  162. 


I  >ie     Itnoi  tischen  ]  1  ;;m 

N « . .  8   Lauch.    N".  L8  Angelika),    giobi    das   Tierreich    zwöl!    Präge« 
wobei  das  Fehlen  der  heimischen   Raubtiere   Fuchs,   Wolf,    Bär,    ^dler   be- 
merkt  werden    mag.     Die   Elemente  und   meteorischen    Bruchei nungen  sind 
sehr  reichlich,  mir  elf  Rätseln   bedacht. 

Das    übrige    Drittel    bring!    Erzeugnis  menschlichen  Gewei 

darunter  Dicht  weniger  als  drei   verschiedene  Bretspielarten. 

Sein  Gepräge  erhall  das  Stoffgebiet,  verglichen  einerseits  mit  mehr 
gelehrten  Rätseln  wie  deu  altenglischen,  anderseits  mil  neueren  Rätsel- 
massen, vor  allem  durch  diese  negativen  Züge: 

es  fehlt  alles  Fremdländische,  alles,  was  nicht  dem  Beobachtungsfelde 
des   Nordländers,  ja  sogar  des  Isländers  auf  der  eigenen  [usel  angehörte 

es  fehlen  gewisse  modernere  Kulturgegenstände,  mil  denen  sich  sonsl 
das  Volksrätsel  gern  abgiebt,  wie  die  Geige,  der  Spiegel,  der  Wetterhahn : 
: 1 1 1 < •  s  mir  der  Schreibekunst  Zusammenhängende:  Tintenfass,  Feder,  die 
24  Buchstaben.  Den  weitverbreiteten  Fragen  aus  der  volkstümlichen  Tier- 
kunde des  Mittelalters1)  gehört  nur  der  Fisch  als  der  ohne  A-tem  lebende 
an  (Xo.  7): 

es  fehlt  alles  Biblische,  das  in  der  späteren  echt  volksmässigen  Rätsel- 
litteratur  so  beliebt  ist:  auch  die  Gegenstände  des  Gottesdienstes  wie  die 
Glocke,  die  Hostie; 

es  fehlt  endlich,  wie  nicht  anders  zu  erwarten,  'las  Ritterliche.  Ro- 
mantische, 'las  dem  altdeutschen  Traugemundsliede  schon  ein  paar  be- 
zeichnende  Farben  leiht. 

So  erscheint  die  Welt,  die  sich  in  den  Heidreks  gätur  spiegelt,  als 
eine  nordische,  vorlitterarische,  vorchristliche,  vorritterliche.  Deragemäss 
darf  man  wohl  sagen:  es  ist  die  Vikingzeit,  deren  Kultur  in  unseren 
Rätseln  lebt.  Nicht  als  ob  damit  über  das  Uter  der  Motive  oder  der 
Verse  ausgesagt  würde!  Halten  doch  die  grossen  neuen  Kulturmächte, 
das  Christentum  am  'las  Jahr  1000,  das  litterarische  Schreiben  vier 
.Menschcnalter  später,  das  Lehen  auf  Island  nicht  so  tief  durchdrungen, 
dass  eine  beschränkte  Ä.uslese  von  Rätselstrophen  ihre  Spuren  tragen 
müsste.  Den  Stempel  der  Vikingzeit  führen  die  Gätur  insofern,  als  keine 
Zeile  in  ihnen  das  Neue  der  späteren  Epochen  voraussetzt.  Es  ist  auch 
nicht  vorzugsweise  der  Gedankenkreis  des  Seeräubers  and  Eroberers,  in 
den  uns  die  Rätsel  einführen.2  Kriegerische  Gesinnung  äussert  sich  in 
der  Wahl  der  Stoffe  nur  zweimal:  tfo.  13  der  Pfeil,  No.  26  der  Schild; 
niul  vnll  ,1,.,,  so  beliebten  Tieren  des  germanischen  Schlachtfeldes  streift 
uns  nur  der  Rabe  und  zwar  als  Bewohner  der  hohen  Berge  (No.  7).  A.ber 
mindestens  ebenso  bemerkenswert,  wenn  wir  andere  Sammlungen  daneben 
halten,    erseheint    das  Felden   aller  Fragen    aus   >\>>v  eigentlich  bäuerlichen 

1    Der  Vogel  ohne  Zunge  u.  ähnl.;  vgl.  besonders  Köhler,  Kl.  Sehr.  3,  519ff. 
_'    Vgl.  F.  Jönsson  a.  a.  0.  S.  519. 


1  |i  i  Heu 

Wirtschai  I  genstände  wie  Pflug,  Rechen,  Butterfass.  Mühlstein,  Back- 
ofen l  ii'l  in  der  poetischen  Ausmalung  drängt  sich  doch  die  Freude 
aiu  Kampfe  mehrmals  unverkennbar  vor:  der  Inker  „schirmt  die  Menschen 
und  verfehdet  Bich  mit  der  Erde"  No.  6);  der  Blasebalg  .. si<« j<*r  den 
Wundeulauch*,  d.h.  das  Schwert  (No.  9  ;  *  1  i « -  Bretsteine  „erschlagen  ein- 
ander waffenlos  ti\v  ihren  Herrn"  (No.  1!'  ;  die  Schneehühner  sind  Ge- 
fährtinnen,  die  mir  weissem  min-  schwarzem  Schild  die  Lande  dnrchzieheu 

So.  20  .  \iicli  das  eigenartigste  aller  Rätsel,  das  von  dem  Schwein  mit 
den  Ferkeln  No.  32  .  entführt  uns  durch  seine  Einkleidung  aus  der  fried- 
lichen Enge  des  isländischen  Bauernhofes  an  den  Fürstenhof  mit  seinem 
streit-  und  trinkbaren   Herrengefolge. 

Ein  paar  ausgesprochen  nordische  Züge  fehlen  dem  Gesamtbilde 
nicht:  die  von  den  mythischen  Wölfen  verfolgte  Sonne  (No.  15  und  Odin 
auf  seinem  Rosse  Sleipnir  (No.  35  .  dies  die  beiden  einzigen  aus  dem 
Mythus  schöpfenden  Rätsel,  denn  wenn  die  Wellen  in  den  Prosaäuflösungen 
die  .Töchter  /Egirs'  genannt  werden,  so  ist  diese  Anspielung  in  den  Strophen 
selbst  nicht  gegeben:  die  Vergleichung  mit  Frauen  war  auch  ohne  den 
sagenhaften  Hintergrund  hier  ebensowohl  möglich  wie  bei  den  Kohlen, 
den  Bretsteinen  und  anderen  Gegenständen.  Als  nordisch  darf  man  auch 
ansprechen  die  Pflanze  Angelika  auf  dem  Gebirg  (No.  18)  und  die  in  die 
felsige  Bucht    rollenden   Meereswogen   ,  No.  23);    dazu    das   Wortspielrätsel 

No.  --I  .  das  auf  dem  norrönen  Sprachschatz  fusst. 

ausschliesslich  isländisch,  dem  Inhalte  nach,  ist  das  Rätsel  No.  16, 
das    die    auffallenden    Eigenschaften    des    vulkanischen    Gesteins   Obsidian 

schildert1): 

„Härter  als   Hörn, 
schwärzer  als  ein   Kalte. 
weisser  als  ein  Eihäutchen. 
stracker  als  ein  Schaft." 

Nach  ihrer  inneren  Anlage  sondern  sich  drei  Rätsel  ab:  sie  enthalten 
«•ine  zwar  nicht  \'ür  den  sagenhaften  König,  aber  doch  für  den  natür- 
lichen Menschenverstand  —  unratbare  Aufgabe;  sie  bringen  nicht  eine 
beliebig  zu  wiederholende  Beobachtung,  sondern  ein  zufälliges,  sehr  indi- 
viduelles Erlebnis.  Dadurch  stellen  sie  sich  in  die  Gruppe  der  sogen. 
Halslösungsfragen,  zu  deren   Wesen  die  Unratbarkeit  gehört. 

R  tsel  Nu.  27.  die  Ente,  die  zwischen  Kinnladen  und  Gaumendach 
eines  Rinderschädels  ihr  Nest  gebaut  hat,  ist  ein  deutlicher  Vertreter  der 
Gattung.     Das    allgemeine  Motiv    gebendes  Getier,    das   in  einem  Gerippe 

1    Wie  venig  die  frohere  Forschung   geneigt  war,    der  in  isländischer  Sprache  uber- 

Dichtung    isländisches   Ursprung    einzuräumen,    mag    diese  Bemerkung-   aus   den 

Antiquites    Busses   I,   113    1850     zeigen:    l'existence   de  cette  enigme  nous  renvoie  princi- 

palemenl  am  contrees  de-  Carpathes,  qui  sont  ...  le  seul  lieu  ou  Ton  rencontre  Fobsi- 

dienne  au  nord  des  Alpes  en  Europe. 


l>ie  altn  ■  14  1 

haust'   kehr!    in   mannigfachen  Spielarten   wieder:    bald    ist  ps  eine   Vog 
bald  eine   Rattenfamilie,  bald  ein  Stock   Bienen  <"l<-r  ein   Fliegenschwarm : 
der  Aufenthaltsort    meist    ein   Pferdeschädel    <»<|«.r  -Skelett         9tatt    d< 
aber  auch  der  Leichnam  eines  Erhängten  oder  endlich  auch  ein  abgestorbene] 
Baumstamm    oder    ein   Kornbehälter;    der  Gegensatz    des   Lebendigen  zum 
Toten    wird    häufig    betont.     Vgl.   Wossidlo   No.  967    mit    den   Nachweisen 
S.  323,    dazu   Antiquar.   Tidsskrifl    1849     51,    s.  315ff.   No.  55    (färöisch). 
Svenska    Landsmälen   VII.    I.    No.   131.     Jon  Arnason    N o    298      S03 
<lm>    ausdrücklich  als   Halslösungsfrage  bezeichnet  .     In  der  dichterischen 
Ausführung  entfernt  sich   unsere  Gäta  sehr  weit  von  diesen  Gegenstücken: 
>ir  führ!  das  nistende  Tier  anschaulich   vor  und  legt  den  Nachdruck  darauf, 
die  ungewöhnliche  l  mgebung  des  Nestes  durch  skaldische  Umschreibungen 
noch    rätselhafter   zn    machen;    ja  man  kann  sagen,    zum  ,Rätsel*  wird  die 
Strophe  überhaupt  nur  durch  diese   Umschreibungen: 

„gar  sehr  war  vor  Zeiten ' 

die  Nasengans  (Ente    herangewachsen, 

die  kindergierige,  die  trug 

Zimmerholz  zusammen    baute  ihr  Nesl  ; 
schirmten  sie 

dii    strohbeissenden  Schwerter    Rief 

dazu  lag  des  Trankes 

Dröhnfelsen    Gaumendach  oder  Schädel  im  allgem.    darüber."' 

Ebenfalls   jenseits    der    Lösbarkeit    liegt    das    Eisschollenrätsel   No.  _' t 
vgl.  oben  S.  130),   worin  wieder  der  Gegensatz  von  Leben   und  Tod. 
auch  in  anderer  Weise,  eine   Rolle  spielt. 

Und  drittens  darf  man  zu  den   unratbaren   Prägen  rechnen   No.  12: 
„zehn   hat  es  Zun. 
zwanzig  Augen, 
vierzig   Beine, 
rasch  bewegt  sich  das   W  i 
(nach  R:  vorwärts  schreitet  das  Wesen  ~: 

dass  dies  gerade  eine  San  mir  nenn  Jungen  im  Leibe  s<  i,  war-'  aus  dem 
Wortlaut  nicht  zu  entnehmen.  Zwei  ueuisländische  Rätsel  Jöu  Arnason 
tfo.  147.  448  bestätigen,  dass  man  ebenso  gut  an  eine  entsprechend  g<  - 
segnete  Hündin  oder  Katze  denken  kann.  Es  tritt  hier  ein  besondere! 
Umstand  herzu.  Der  Rätselsteller  hat  das  Tier  -Iran—.,,  gesehen  also 
wieder  -las  zufällige  einmalige  Erlebnis  ,  und  nun  lässt  der  König  die 
San  schlachten,  und  es  zeigt  sich,  dass  die  Zahl  der  Jungen  richtig  geschätzt 
war.  Die  Prosasätze,  die  dies  erzählen,  sind  nicht  müssige  Zugabe,  sondern 
gehören  notwendig  zum  Verständnis  des  Ganzen.  Bugge  hat  Studien 
s.  163)  daraufhingewiesen,  dass  dieses  Motiv  schon  in  der  antiken  Dichtung 
vorkommt.     Vgl.    noch    Ohlert.    Rätsel    und    Gesellschaftsspiele    der    alten 


1)  Zu  dieser  verderbten  Zeile  vgl.  oben  S.  123. 


Eleu 

i n-ii  Berlin  1886)  S.  36ff.  Immisch  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  t'i'ir 
Philol.  Suppl.-Band  17.  160.  Das  alte  Gedicht  ,Melampodie',  das 
einige  dem  Hesiod  zuschrieben,  erzählt  einen  Wettstreit  zwischen  den 
Sehern  Kalchas  and  Mopsos  in  Kolophon.  Vfopsos  errät,  dass  ein  eben 
vorübergehendes  Mutterschwein  mir  zehn  nach  einem  anderen  Excerpt 
um  drei)  Jungen  trächtig  gehe,  darunter  ein  männliches  (bezw.  ein  weib- 
liches). Wie  die-  zutrifft,  stirbt  Kalchas  aus  Gram.  Man  sieht,  es  handelt 
sich  hier  wie  auch  bei  den  übrigen  Fragen  des  Seherwettkampfes  — 
nicht  um  ein  wirkliches  Rätsel,  sondern  um  eine  Scharfsinnsprobe.  Dei 
Zug  steht  im  Zusammenhang  mit  einer  anübersehbaren  Reihe  von  Anekdoten 
orientalischen  Ursprungs,  worin  eine  verwickelte  Naturerscheinung  mit 
wunderbarem  Spürsinn  erfasst  wird.1)  In  unserer  Saga  ist  die  Frage  zwar 
als  Rätsel  stilisiert;  aber  sie  hat  sich  von  dem  begleitenden  äusseren  Vor~ 
gang  and  von  der  erfolgreichen  Bewährung  des  Scharfblicks  noch  nicht 
-_  döst.  Es  L8i  «'ine  mittlere  Stufe.  Einen  Schritt  weiter  thut  das  Rätsel 
Aldhelms     Scti  Aldhelmi  opera  ed.  (üles  p.  266:  De  scrofa  praegnante): 

Nunc  mihi  sunt  oculi  bis  seni  in  corpore  solo 
Bis  ternumque  Caput,  sed  caetera  membra  gubernat. 
Nam  gradior  pedibus  suö'ultus  l)is  duodenis, 
Sed  oovies  deni  sunt  et  sex  corporis  ungues. 
Synzygias  nurnero  pariter  simulabo  pedestres. 
Populus  et  taxus.   viridi  quoque  fronde  salicta 
Sunt  invisa  mihi,  sed  fagos  glandibus  uncas, 
Fructiferas  itidem  üorenti  vertice  quercus 
Diligo.  sie  numeros-u  simul   min  spernitur  ilex. 

Hier  isl  die  für  das  wahre  Rätsel  notwendige  Eindeutigkeit  vorhanden. 
Die  thätliche  Spürsinnsprobe  fällt  weg:  das  Kätsel  ist  selbständig  geworden. 
Das  altenglische  Rätsel  Xo.  H7  hat  mit  dem  Aldhelms  sehr  wenig  geniein: 
>■-  ist  in  seinem  mittleren  Stück  dunkel,  aber  auf  eine  kenntliche  Be- 
schreibung  der  Tierart  scheint  es  ebenfalls  auszugehen  —  im  Gegensatze 
zu  dej'  Heidreks  gäta. 

Die  aneigentlichen  kfitsel.  die  auf  einem  Wortspiel  beruhen,  haben 
einen  Vertreter  in  unserer  Reihe,  No.  34.  Es  liegt  hier  nicht  blosse  Ver- 
tauschung  von  Homonyma  vor.  wie  sie  auch  den  neueren  Volksrätseln 
geläufig  ist  l'etsch  S.  28  ff.);  sondern  das  Homonymum  wird  weiterhin 
durch  ein  Synonymum  ersetzt.  Der  Gedanke  valr  bar  a-di  ..ein  Falke 
trug  eine  Eidergans"  wird  demnach  verkleidet  in:  däuetir  nieiin  bäru 
blödshol   ..tut.'  .Männer  trugen  eine  Bluthöhle":  denn: 

I  Falke 

\   Schlachtfeldleichen  =  tote  Männer, 


1>  Vgl.  z.B.  in  dieser  Zeitschrift  4.  347  11.  Reiche  Zusammenstellungen  giebt  Bolte 
zu  Wetzeis  Reisen  der  Söhn.-  Giaffers  S.  198  ff',  von  der  Leyen,  Das  Märchen  in  den 
Göttersagen  der  EiM;:  S.  74. 


Die  all  1  I : ; 

|    Eiderg 
•'  '"'      |   Ader       Bluthöhh 

Schon    die  Griechen    wandten   genau  dieselbe    \n   doppelter  Wortvei 
tauschung    an;    /..   B.  ■>:>■  xaradiafiov    i-t    /.u   deuten    als     I 

utövos    iihu:.     weil    yrjg         atas        Aiag    und    xai  >■•/■ 

Tekafx(bvog\  sieh  Ohlert  a.a.O.  s.  L6*2.  In  der  altisländischen  Litteratur 
tritt  das  Spielen  mit  Homonymen  besonders  häufig  hervor;  ja  es  wird  von 
den  Skalden  geradezu  zum  System  ausgebildet:  manche  tenningar  beruhen 
darauf,  wenigstens  oach  der  von  Snorri  gegebenen  Erklärung  (Sn.  Edda, 
herausg.  v.  F.  Jönsson  S/80.  33.  95  113),  und  für  gewisse  Spielarten  in 
Snorris  Liste  der  Versraasse  ist  die  Homonymenvertauschung  wesentlich 
(ebenda  S.  156);  vgl.  auch  Olafs  gramm.  Abhandlung  c.  II  tsl  gramm. 
Litt.  •_'.  66f.)-*)  Die  Hauptstelleu  in  der  Sagalitteratur  sind  Kröka-Refg 
aaga  S.  :>4  ti\  und  Eiriks  saga  mälspaka  bei  Saxo  Grammaticus  j 
Auch  in  der  neuisländischen  Zeit  wird  das  künstliche  Wortspielrätsel  viel 
gepflegt,  vgl.  die  Strophen  der  Laufäss  Edda  (Sn.  Edda,  herausg.  von  Sv. 
Egilsson  s.  239)  und  zahlreiche   Rätsel   in  Jon  Arnasons  Sammlung. 

Die  sämtlichen  übrigen  Strophen  sind  richtige  Sachenrätsel.  Die  Rat- 
barkeit,  das  erforderliche  Mass  von  Deutlichkeit  kann  man  ihnen  bei  nicht 
zu  strengen  Ansprüchen  wühl  allen  zuerkennen,  ausgenommen  die  kurzen 
Fragen  des  Sammelrätsels. 

Jede  Strophe  behandelt  einen  --  unter  Umständeu  zusammengesetzten 
—  Gegenstand,  mit  einziger  Ausnahme  von  No.  7.  einem  Plusrätsel  von 
II:  dies  ist  eine  ,Samnielfrage'  von  genau  demselben  Bau,  wie  er  die 
Strophen  des  Traugemundsliedes,  die  Schlussgruppe  ausgenommen,  beherrsch! 
und  auch  schon  in  einigen  der  vedischen  Ratestrophen  erscheint  (Haug 
a.a.O.  S.  171.  1:97.  Wilmanns  Zeitschrift  f.  d.  Altertum  20,250  :  in  viel 
Zeilen  je  eine  stofflich  und  sprachlich  unabhängige   Frage3): 

„wer  bewohnt  die  hohen  Berg 

wer  lallt  in  die  tiefen  Thäler? 

wer  lebt  ohne  Atem? 

wer  schweigt  niemals 

Antwort:    der  Rabe,    der    Tan.    der  Fisch,    der  Wasserfall.  Diese 

Form    haben    auch    zwei    Strophen    im    Hattalykill    Rognvalds      N 

wobei   die  Antworten   den  /.weiten   Helming  füllen;    die  eine  der  Strophen 

lautet: 

li  Zu  der  ersten  Zeüe  des  Rätsels  vgl.  oben  S.  123.  Auch  die  vierte  Zeile  wurde 
schon  von  den  alten  Schreibern  ungleich  aufgefasst  und  hat  bei  den  Herausgebern  sehr 
verschiedene  Deutung  gefunden. 

2)  Das  raffinierteste  in  dieser  Richtung  leistet  eine  Stelle  der  Laufäss  I  SnE.  ed. 
Arnam.  2,  632  f.,  womit  zu  vergleichen  ebenda  3,  548. 

3)  Zweigliedrige  Sammelfragen  begegnen  häufig;    eine  fünfgliedrige  äieh  in  dies» 
Zeitschrift  7,  387,  V.  82— 86,  sie  geht  auf  eine  viergHedrige  zurück,  bei  Kühler.  Kl.  Sehr. 
3,  473. 


]||  H.  u-l. - 

hverr  ryd'r  hvassar  •  ■__ 
tuen'  bryüar  mal  varg  i 
hverr  gorir  bialma  äkürir? 
breri  styriar? 

Haraldr  rauä  hvassai   •  sjgiar 
herr  brytiar  mal  vargi; 
hiälmskür  g0rir  Bogni: 
Biarrandi  reo  gunni. 

Dagegen  Str  4<»  in  Snorris  llattaml  ist  anders  geartet:  die  vier  Prägen 
gehen  auf  ein  und  denselben  Gegenstand,  so  wie  die  Fragen  in  der  Scbluss- 
gnippe  <lr>  Traugemundsliedes.  Vgl.  auch  < I i« •  achtgliedrige  Fragenreihe 
ritualen   Inhalt-   Hävamäl   144. 

Dir  von  ans  hervorgehobene  Ongleicbartigkeit  des  Srils  zeigt  sich 
schon  im  Blick  auf  die  Rahmenelemente1).  Etwas  mehr  wie  die  Hälfte 
der  Strophen  behilft  sich  ohne  diesen  Bestandteil.  In  den  übrigen  treffen 
wir  die  sechs  Arten  ron  Rahmen:  einfaches  ,ich  salr  (ek  sa  öder  sack)  in 
.V>.  "_'4.  30.  :;•_'.  33;  das  breit  entfaltete  archaisierende  hvat  er  |>at  nndra  .  .  . 
oben  S.  132  neunmal,  in  No.  8  H'>:  sodann  die  persönlicher  gehaltenen 
Wendungen  ,icb   >ass  .  .  .   ich  salr  in   No.  34,   .von  Hause  zog  ich  aus.  von 

Hause  brach   ich  auf,   ich  sali  .  .  .  ■  in  No.  2 ich  trank  .  .  .  •  in  No.  •">. 

.halten   möcht  ich,  was  ich  gestern  hatte:  merke,  was  das  war-  in   No.  1. 

Der  Kern  der  Rätsel  zeigt  als  beherrschendes  .Motiv  ausnehmend  oft 
die  Belebung  des  Leblosen:  den  22  Belegen  dafür  stehen  nur  vier  Strophen 
gegenüber,  die  den  toten  Gegenstand  als  solchen  aufführen:  No.  2  die 
Brücke,  No.  3  >\*'r  Tau.  No.  16  der  Obsidian,  auch  No.  17  das  Ei  (denn 
die  Eierschale,  der  eigentliche  Gegenstand  des  Rätsels,  wird  mit  dem 
.Biergefäss'  verglichen).  Auch  Lebendiges  wird  ebenso  oft  in  ein  anderes 
Lebewesen  verkleide!  (No.  11  der  .Mistkäfer  als  Klier.  No.  20  die  Schnee- 
hühner als  kriegerische  Jungfrauen,  No.  24  der  Wurm  als  blinder  Beitender, 
No.  32  die  Ferkel  als  Hofgefolge,  No.  34  der  Falke  als  , tote  Männer'), 
wie  es  ohne  eine  solche  Umwandlung  vorgebracht  wird  (No.  12  die  Sau. 
N>"-  I  I  die  Spinne,  No.  27  die  Ente,  No.  28  die  Kuli.  No.  35  Odin  auf 
Sleipnir).  Die  Personifikation  wird  meist  mit  äusserst  lebendiger  An- 
schauung festgehalten  —  ..der  mythischen  Belebung  sein-  nahe"  nennt  sie 
1  hland  3,    ls<!  — .    sie  unterwirft  sieh  alle   die  Einzelheiten,    die  von  dem 

ustande  ausgesagt  werden:  man  vergleiche  beispielsweise  die  intensive 
Belebung  in  dem  Rätsel  vom  Anker  No.  6  «dien  S.  127).  Das  Angelika- 
rätsel  No.  ks  (oben  S  128)  verdankt  sein  ganzes  Motiv,  das  Zeugen  des 
Weibes  mit  dem  Weibe,  der  doch  mehr  oder  weniger  zufälligen  Ein- 
kleidung der  Engelwurzstauden  in  weibliche  Wesen.1) 

1  Diesen  Ausdruck  gebraucht  Petsch  in  der  mehrmals  angeführten  Schrift,  der  ich 
mancherlei  Anregung  verdanke.  Für  die  stilistische  Betrachtung  schienen  mir  in  dem  vor- 
liegenden Falle    andere  Einteilungslinien  nützlicher  als  die  von  Petsch  S.  83£f.  gezogenen. 

2)  Der  Weinstock  als  kindergehäreude  Jnugfrau  findet  sich  in  der  Anthologia  graeca 
und  bei  Symphosius.     Ohlert  a.  a.  0.  S.  152. 


1  >ic  altnordischen  l  [45 

Dagegen  fehlen  ganz  die  Jchrätsel'  (worin  der  zu  ratende  Gegenstand 
sich  in  <1it  ersten  Person  einfuhrt),  diese  schon  bei  den  Griechen,  bei 
Symphosius,  Aldhelm,  in  der  altengli sehen  Sammlung  und  im- lebenden 
\  olkarätsel  so  beliebte   Form. 

Die  Belebung  ist  überwiegend  um  einer  Benennung  verknüpft,  die 
zu  Anfang  steht  und  dem  Phantasiebild  von  vornherein  den  bestimmteren 
l  mris-  giebt:  ..wer  sind  die  Gespielinnen  .  .  ?"  No.  25.  26;  und  specieller: 
„ein  Pferd  sali  ich..."  No.  30;  auch  die  substantivierten  Ldjektiva  zu 
Anfang  Bind  als  Benennungen  zu  bedachten:  „wer  isl  der  schallende..?" 
No.  I  ii.  ähnl.  Wo  die  Benennung  fehlt,  da  behält  die  Belebung  etwas 
Allgemeineres,  Farbloseres  [No.  8  der  Lauch,  No.  9  der  Blasebalg,  No.  1" 
der  Hagel,  No.  L">  die  Sonne),  wenn  nicht  die  spätere  Beschreibung  be- 
zeichnende Linien  nachträgt,  wie  in  dem  Pfeilrätsel  No.  13  (oben  S.  L32), 
wo  wir  das  adlerhafte  Wesen  vor  uns  sehen,  oder  auch  in  dem  Eeuer- 
rätsel   N...  29 

Benennung  findet  sich  auch  zweimal  ohne  Belebung:  bei  der  Brücke 
No.  •_'.  die  als  ,Weg  der  Wege',  und  bei  dem  Tau  No.  ■">.  der  als  .Trank- 
gleich  zu  Anfang  benannt  wird. 

Die  ausser  der  Benennung  (a)  in  unsern  Gätur  angewandten  Mittel 
der  Beschreibung  unterscheiden  wir  folgendermassen :  es  werden  angegeben 
b)  Eigenschaften  (Farbe,  Form,  Zahl:  innere  Eigenschaften);  c)  Handlungen, 
d)  begleitende  Umstände,  Umgebung,  e)  ,hemmende  Elemente'  d.  h.  Züge, 
die  einer  naheliegenden  falschen   Deutung  vorbeugen. 

Diese  viererlei  Angaben  zusammen  mit  der  Benennung  treten  in  -ehr 
ungleicher  Mischung  auf.  \h'\-  Versuch,  die  sämtlichen  Heidreks-Bätsel 
in  die  hierdurch  bestimmten  Abteilungen  zu  gruppieren,  führte  zu  einem 
wenig  anschaulichen  Gesamtbilde;  ich  begnüge  mich  deshalb  hier,  eine 
Auswahl  von  ausgeprägten  Stiltypen  gegeneinander  zu  stellen. 

I.  Lanier  Benennung:  No.  1   'las  Bier:  . 

..der  Leute  Lähmer, 
der  Wune  Binderer 
und  der  Worte  Anreger"; 

mir  der  letzten  Zeile  vergleiche  man  den  Ausdruck  mäls  heilsa  für  ,Met' 
im  llartatal  Str.  25.  Das  Rätsel  bat  trotz  seiner  einfachen  Anlage  etwas 
Künstliches,  weil  es  seinen  Gegenstand  ganz  abstrakt  kennzeichnet.  Ein 
nichtig  volkstümliches  Bierrätsel  /..  B.  bei   Landsrad  8.  812  No.  17. 

II.  Lauter  Eigenschaften:  hierher  die  drei  Rätsel  vom  Obsidian  No.lt; 
(oben  s.  Ut>).  der  Kuh  No.  28  (oben  S.  129),  den.  reitenden  Odin  No.  35 
(oben  S.  130):  sie  gehören  stilistisch  /.u  den  einfachsten  und  volksmässigsten. 

III.  Benennung  4-  Handlung:   No.  5  der  Nebel: 

„wer  ist  der  Gewaltige, 

der  über  die  Erde  hin  zieht? 

er  verschlingt  Seen   und   Wald: 


1  |»,  Ueuslei . 

den  Windzug  fürchtet  er, 

aber  Männer  nicht, 

und  rerttbl  Feindschaft  wider  die  Sonne." 

\inli  die  übrigen  Rätsel  dieser  Form  geben  ••in«-  ganze  Reihe  von 
Handlungen:  No.  20  die  Schneehühner,  No.  30  der  Webstuhl;  die  beiden 
Wellenrätsel  in  dem  Texi  R   No.  19.  21, 

l\.    Benennung         hemmendes   Element:   No.  3  der  Tau: 
„was  für  ein  Trank  ist  das. 
den   ich  gestern  trank? 
es  war  weder  Wein  noch   Wass 

weder  Met   noch   Bier 

noch  irgendwelche  Speise. 

doch  ginn  ich  durstlos  von  dannen." 

V.  Eigenschaft  -f-   Eandlung:   No.  1-4  die  Spinne: 

..Beine   bat  es  achte. 

aber  vier  Augen, 

trägt  die  Knie  höher  als  den  Bauch  :" 

Ferner  hierher  No  9  der  Blasebalg,  No.  H>  die  Hagelkörner  (oben 
S.  137).  No.  12  die  trächtige  Sau  (oben  S.  141).  No.  13  der  Pfeil  (oben 
s.  132).     Auch  dies  einer  der  einfachen  Rätseltypen. 

VI.  Benennung  (a)  -j-  Eigenschaft  (b)  -f-  Handlung  (c):  Xo.  19  die 
Bretsteine: 

..wer  sind   die   Frauen   (a). 
die  um   ihren   Herrn 
waffenlos  (b)  sich  erschlagen  (c)? 
Die  braunen- (b)  stehn  zur  Abwehr 
Tag  aus.  Tag  ein  (c). 
ilier  die  leuchtenderen  (b)  rücken  aus  (c).H 

Auch  die  beiden  anderen  Bretspielrätsel  N<>.  25.  31)  kann  man  hierher 
stellen,  ausserdem  No.  4  der  Goldschmiedehammer,    Xu.  24  die  Eisscholle. 

VII.  Benennung  (a)  --  Eigenschaft (b  Handlung(c)  -f  Umstand(d): 
Nu.  32  die  saugenden   Ferkel: 

„ich   sah   im   Sommer  es   tranken   die  Jarle  (a) 

beim  Niedergang  der  Sonne  (d)  schweigend  (b)  das  Bier  (c), 

die  Bofmannschaft  (a)  wachen    c  .  aber  schreiend  stand 

gar  nicht  vergnügt  (b):  das  Biergeiass  (d)." 

Hier  isi  auch  ein  einleitender  Rahmen  vorhanden  (Zeile  1),  es  ist  die 
reichste  Form  innerhalb  der  Heidreks  gätur.  Zu  derselben  Gruppe  nocli 
Nu.  20  m   1!   und    Nu.  •_':;  die  Wellen.   Nu.  26  der  Schild. 

VIII.  Benennung  (a)  -  Eigenschaft  (b)  -  Handlung  (c)  -f  hemmendes 
Element  (e):  Nu.  n    der  Mistkäfer: 

-einen  schwarzen  (b)  Eber  (a) 
sah  ich  im  Kote  schreiten  (c). 
und  keine  Borste  erhob  sich  ihm  auf  dem  Rücken  (e)." 


Di<    altnordischen  I;  117 

Das  Rätsel  vereinigt  auf  engstem   Räume  einen  grossen  Reichtum  von 
Zügen,    ohne   sich  doch  vmi  der  Haltung  eines  guten   VolksrätseU  zu 
fernen. 

Unter  den  Eigenschaften  der  Gegenstände  wird  verhältnismässig  oft 
die  Farbe  aufgegriffen;  auch  ein  bezeichnendes  Zahlen  Verhältnis;  auf- 
fallend selten  dagegen  die   Form  in  anmittelbarer  Benennung. 

Die  Handlungen  des  Gegenstandes  werden   mit   mehr  Liebe  gezeichi 
als  im  modernen   Volksrätsel,  auf  den  Verba  in  den  Gätur  liegt   viel  Nach- 
druck.    Darauf    beruht    in    erster  Linie  das  reichere  poetische   Leben,    das 
diesen  altnordischen   Rätseln  eignet. 

.Man    hat    die   Landschaftsmalerei    der  Heidreks  gätur   gelobt.     In  der 
Thal    erstreck!    sich    «Im    scharfe.    feine  Ueobachtungsgabe,    wovon    unsere 
Strophen  Zeugnis    ablegen,    auch    auf  den   Naturschauplatz.     Aber  was  die 
Verse  selbst   uns  vorzaubern,  enthält   sehr  wenig  an  landschaftlichen  Zügen. 
Die   Meereswogen,    die  A.ngelikapflanzen    auf   dem  Gebirge   standen   ihren 
Dichtem    gewiss    recht    lebhaft   vor  dem   A.uge;    aber  die  sprachliche   Dar- 
stellung   personifiziert    so    durchgreifend,    dass    von    dem    landschaftlichen 
Stoffe    fast    nichts   äbrig  bleibt:    in  'lern   Wellenrätsel   No.  23  nur  der  eine 
Satz  „es  geht  ihr  Zug  der  Bucht  entlang",  in  «lern   Engelkrauträtsel   No.  18 
nur  ihs  Wort   „ä   reginfialli" :    alles  Andere  muss  sich  erst  der   Rätsellöser 
zum  Naturgemälde  wandeln.    Die  altenglischen  Rätsel  vom  Sturm    No.  2— 4) 
bieten    ein    lehrreiches    Gegenstück:    wenn    sie    unvergleichlich    farbigere 
Landschaftsbilder    malen,    so    liegt    das,    abgesehen    von   der  grossen   Aus- 
führlichkeit,   daran,    dass    die   Phantasie    des  Dichters    weit    mehr  an  «lern 
Naturvorgange    selber    haften    bleibt.     So    steckt    auch    innerhalb    unserer 
Gätur  am  meisten  direkte   Landschaftsanschauung  in  zwei  Strophen,  deren 
Verpersönlichung  unbestimmter  gehalten  ist:    No.  5  der  Nebel,    No.  10  die 
Hagelkörner.     Sehr  selten  auch  fügt  der  Dichter  einen  entbehrlichen,    die 
Scenerie  malenden   Nebenumstand    bei:    ..vor  den  Inseln  draussen"  in  'lern 
Birätsel   No.   17.    „bei  Sonnenuntergang"    in   dem   Rätsel   von   den   Ferkeln 
No.  32. 

Anderwärts  finden  wir  das  umgekehrte  Verfahren:  'las  landschaftliche 
Bild  bringt  erst  der  Dichter  des  Rätsels  zu  dem  Gegenstand  hinzu.  So 
bei  Wossidh»  No.  31  e  das   Ei: 

.,in  einem  weissen   Berg   blüht  eine  gelbe  Blume  .  .  .  ": 

So.  33a  der  Brief: 

„auf  einem  weiss 

da  steht  eine  Rose  rot  ..."-. 

Nicht  wenige  der  Rätsel  haben  eine  entschieden  gehobene  Stimmung, 
was  schon  in  dem  ausseralltäglichen  Wortschatz,  bei  No.  8— 16  auch  in 
dem    mythisch    anklingenden  Rahmen    begründet   ist.     Einigemale  erreicht 

es  eine  geradezu  heroische  Haltung,  verwandt  mit  dem  Tone  altgermanischer 


II.  ii-!.  r:  Die  altnord  Rätsel. 

Ileldenuo«  in   So.  ö   NTebel.   So.  6  Anker,   No.  13  Pfeil,  Nu.  19  Bret- 

steine  \  26  Schild.  \nf  der  anderen  Sein-  --| »i< ■  1  r  «'in  gemütlicher  Humor 
in  <l«'n  Rätseln  vom  Biere  und  von  der  Kuh  (No.  1  und  28  .  und  die 
witzige  Ironie,  womit  Strophe  3"2  die  Ferkel  in  adelige  Krieger  verkleidet, 
gemahnt  uns  an  die  Laune  des  ersten  Odinsbeispiels  und  der  Härbarzliöd. 

Dasa  Bich  ein  anständiger  Rätselstoff  in  obscöner  Hülle  birgt,  erweisi 
-ich  durch  umfassende,  unbeschnittene  Sammlungen  wie  zumal  die  von 
V\  "!.ll<>  als  das  eigentliche  Lebenselemenl  neuerer  volkstümlicher  Kätsel- 
kunst,  und  schon  der  sogen.  Cynewulf  kann  sich  darin  nicht  Leicht  genug 
thun.  Daneben  nimmt  sich  «las  einzige  Beispiel  in  unserer  Saga,  No.  :>(| 
'das  Weben  mii  dem  Bespringen  einer  Stute  verglichen),  massvoll  und 
uidüstern  aus.  Di«'  Zurückhaltung  nach  dieser  Seite  erscheint  bezeichnend 
für  das  altnordische  Schrifttum,  diese  vermutlich  decenteste  'Im-  mittel- 
alterlichen  Litteraturen. 

Überblicken  wir  die  Gätur  im  ganzen,    so  stellen  sie  sich  ohne  Fr 
zu    den  allerbesten   Erzeugnissen  der   Rätseldichtung.     Sic  haben  einerseits 
mehr  Fülle  um!  Bewegung,    stellen   -ich  die  poetische  Aufgabe  weit  höher 
;ils    ilie    meisten   Volksrätsel  der  letzten  Jahrhunderte;     Anderseits  wahren 

loch  einen  echten  Rätselstil,  sie  zerfliessen  nicht  zu  epischer  Breite 
und  Weichheit:  davor  schützt  sie  sehen  das  strophische  Band.  Sie  behalten 
immer  noch  das  Gepräge  <\i'r  Spruchdichtung,  die  zugespitzte  Schärfe  und 
straffe  <  rliederung. 

Fragen  wir.  wieweit  diese  Rätsel  volkstümlich  waren,  so  müssen  wil- 
den besonderen  gesellschaftlichen  Verhältnissen  Islands  Rechnung  tragen, 
und  dann  kann  die  Antwort  nur  lauten:  sie  waren  durchaus  volkstümlich, 
d.  h.  dem  Verständnis  '\>-v  weltlichen  Bevölkerung,  der  Bauern  und  Fischer, 
zugänglich,  ebenso  wie  die  grosse  Menge  der  eddischen  und  skaldischen 
Gedichte  und  der  Sagawerke.  Einen  gelehrten,  buchmässigen  Charakter 
hat  keine  der  Gätur;  nirgends  eine  Anspielung,  die  etwas  von  klerklig  list, 
lateinischer  Bildung  voraussetzte.  Das  Wahrscheinliche  ist.  dass  die  Rätsel 
sämtlich  für  die  mündliche  Weitergabe,  nichi  mit  der  Feder  in  der  Hand 
gedichtet  wurden.  Etwas  anderes  i>r  die  Frage,  wiefern  den  Strophen 
das  zukomme,  was  wir  im  Blick  auf  neuere  Produkte  volksmässigen 
1:  tselstil  nennen  würden.  Ohne  subjektive  Abschätzung  kommt  man  liier 
nicht  ans.  weil  innere  wie  äussere  Eigenschaften  <\rv  Gatur  auf  die  Wage 
v.w  legen  sind,  und  weil  in  der  modernen  Volksänigmatik  so  vielerlei 
zusammenströmt. 1) 

ungefähr  ein  Drittel  der  Heidreksrätsel  darf  mau  wohl  als  richtige 
Volksrätsel  in  dem  angedeuteten  Sinne  bezeichnen:  No.  '■>  der  Tau.  No.  7 
die  Sammelfrage,   No.  8  der  Lauch,  Xo.  1<>  der  Hagel,  No.  1  1  der  Mistkäfer, 


1     Von    der   nenisländischen  Sammlung    kann    man    den  Massstab   nicht  hernehmen^ 
da  sie  S'*hr  viele  entschieden  kunstvolle,  uneinfache  Gebilde  umfasst. 


von  Ncgelcin:  I lic  Reise  dei  1  |;i 

\u.  ]•>  das  trächtige  Schwein,  So.  II  die  Spinne,  No  l">  die  Sonne,  No.  16 
der  Obsidian,  Nb.  28  die  Kuh,  Nb.  35  der  Reiter.  Man  könnte  sich  diese 
Strophen  ohne  weiteres  in  eine  deutsche  Mundarl  übertragen  denken.  Am 
wenigsten  primitiv,  dem  Volksrätsel  am  fernsten  stellend,  erscheinen  etwa 
Nb.  I  das  Bier,  No.  6  der  Anker,  Nb.  17  das  Ei,  No.  27  die  Eute  im  Schädel, 
Nb.  32  die  Ferkel,  Nb.  34  die  Homonymenfrage.  Di«-  übrigen  nehmen 
eine  mittlere  Stufe  der  Kunstmässigkeil  ein. 


Die  Reise  der  Seele  ins  Jenseits. 

Von  Julius  von  Negelein. 
(Fortsetzung  von  S 


II.   Reiseweg  der  Seele. 

Es  miiss  auffallen,  dass  die  Zahl  der  Tage,  die  der  Tote  zur  völligen 
Trennung  von  allem  [rdischen  braucht,  stets,  wie  wir  sahen,  von  dem  Be- 
gräbnis-, aicht  vmi  dem  Todestage  an  gerechnet  wird.  Das  isi  wichtig 
Nicht  der  Todestag  ist  es,  der  den  noch  den  vollen  Schein  des  Lebens 
bewahrenden  Körper1  uns  für  immer  entreisst,  sondern  der  Moment,  in 
dem  die  irdisch.-  Hülle  von  uns  durch  die  schwere  Deck.'  der  Grabeserde 
getrennt  wird.  Die  Liebeserweisungen,  die  der  unbestatteten  Leiche  gelten 
konnten  -  «las  in  ihre  Hand  gelegte  brennende  Licht,  mit  dem  man  die 
Grabesnächt  erhellen  wollte  das  ihr  aufs  Herz  gesetzte  Brot,  das  sie  er- 
nähren sollte9)  —  hörmi  damit  auf,  'lem  Toten  zu  nützen,  und  langsam, 
aher  unabweislich,  drängt  sich  eine  mehr  spiritualistische  Anschauung  in 
.las  Gebiet  der  Seelenvorstellungen  ein.  Erst  da,  wo  der  Leichnam  .lern 
körperlichen  Auge  si.h  zu  entziehen  beginnt,  können  Spekulation  oder 
Phantasie  ihn  mit  frischem  Leben  ausstatten.  Sicherlich  war  nichts  der 
Förderung  eines  speeifischen  Seelenbegriffs  so  hinderlich,  als  das  uralte 
Aussetzen  des  Toten.  Mag  -las  zähe  Festhalten  an  der  Materie  selbst 
noch  Opfer  am  Grabe.  Brennen  von  Lichtern  u.  s.  w.  als  Liebesdienste 
für    die    persönlich    und    räumlich    vorhanden    geglaubt    Anwesenheit  des 

abenen  auf  beschränkte  Zeit  zulassen  --  sicherlich  setzt  mit  derVer- 
schleierung  des  schauerlichen   Bildes  der  Verwesung  eine  diesem   Proz 

1)  Lonau,  Albigenser,  sagt  treffüch  den  Sinn  dieses  Gedankens  wiedergebend,  von 
dem  Leichnam,  er  sei  ..das  tote  Nichts,  das  starr  und  still  noch  immer  das  Verlorene 
scheinen  will." 

2)  Armenischer  Brauch  bei  Abeghian  a.  a.  0.  '.». 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    191  1. 


150  \"n  Ncgelein: 

zwar  parallel  gehende,  ihn  aber  ideell  verschönernde  [deengruppe  ein. 
Zum  erstenmale  beginnt  der  Tote  ;ils  ein  ganzes,  als  begriffliche  Ein-r 
heil  gefassf  zu  werden.  Deshalb  handelt  es  sich  jetzt  oicht  mehr  um 
die  Pflege  Beines   Leibes;    nicht  mehr  darum,  <lm  etwa  verwesenden  Teile 

es  Körpers  durch  Frische  zu  ersetzen1)  --  wie  das  der  strikt  durch- 
geführte Materialismus  fordern  müsste  .  Bondern  darum,  den  jeder  Pflege 
Entzogenen  Beinen  anheimlichen  Weg  in>  Jenseits  ungehindert  gehen  zu 
lassen  und  ihn  an  einer  eventuellen.  <lie  Oberlebenden  schädigenden  Rück- 
kehr zu  verhindern.  Es  entfernt  sich  der  Tote  von  uns  begrifflich  immer 
mehr,  je  länger  ihn  der  Käsen  deckt.  Diese  begriffliche  Entfernung  wird 
anter  dem  Bilde  eines  räumlichen  Weiterrückens,  einer  Reise  dargestellt. 
So  kommt  die  Sage  von  dem  Totenwege  auf.  Damit  ist  al>er  auch 
zugleich  der  Charakter  dieser  Sage  gegeben.  Wie  der  Totenweg  selbst 
nichts  anderes  als  die  objektivierte  Empfindung  der  ideellen,  sich  immer 
mehr  vergrößernden  Spaltung  zwischen  Diesseits  und  Jenseits,  zwischen 
Tod  und  Leben  ist.  so  wird  der  ihn  betretende  Tote  zum  Träger  der 
Empfindungen  der  Überlebenden.  Daher  die  überall  wiederkehrende  Sage 
von  der  Trauer  des  Toten  auf  seinem  düsteren  Wege.2)  Wir  wollen  uns 
jedoch  im  engen  Rahmen  dieser  Darstellung  jeder  Beschreibung  des 'Toten- 
pfades enthalten  und  uns  beschränken,  seine  ideelle  Existenz  zu  erweisen 
und  den  Spuren  des  Toten  zu  folgen,  bis  sie  unserem  Auge  entschwinden. 

unser  Volksmund  braucht  unter  den  zahlreichen  Wendungen  für 
..sterben"  häufig  Ausdrücke  wie:    einpacken,    abspazieren,    losziehen,    sich 


1)  Die  Auferweckung  von  den  Toten  hat  (vgl.  Anm.  1.  S.  28)  stets  diese  Voraussetzung. 
Vcrgl.  da-  Märchen  von  der  Auferweckung  eines  Toten  durch  Petrus,  der  dessen  Knochen 
erst  in  der  richtigen  Weise  zusammenstellen  mnss,  um  seine  Zauberformel  wirksam  zu 
machen,  und  siehe  das  Einsetzen  der  künstlichen  Schulter  l>ci  Pelops  u.  s.  w.  Siehe  auch 
Rochholz,  Deutscher  Glaube  und  Brauch,  Kapitel  über  Knochenkultus.  Die  alten  Gesichts- 
masken der  Felsengräber  hatten  wohl  den  Zweck,  das  verfallende  Antlitz  durch  ein  unver- 
wesliches  zu  substituieren.  Man  vergleiche  auch  ein  hässlichen  Versuch  Ottos  IT.,  Karls  d.  G. 
Leichnam  dadurch  wiederherzustellen,  dass  man  ihm  eine  goldene  Nase  an  Stelle  der  ver- 
ansetzte. 

2  Hier  kehren  mit  grosspr  Hartnäckigkeit  immer  dieselben  Vorstellungen  von  dem 
mit  Nadeln  oder  spitzen  Messern  gepflasterten  Totenwege  wieder:  im  deutschen  Märchen 
liüt  die  Seele  über  eine  Schwertbrück«  zu  laufen.  Tundalus  hat  eine  mit  Messcm  und 
Stacheln  besetzte  Brücke  über  den  Höllengrund  zu  passieren  (Bastian,  Verbleibsorte,  l3f.): 
nach  deutscher  Auffassung  ist  der  Weg  zur  Unterwelt  mit  scharfen  und  spitzigen  Scheer- 
messern  besetzt  (Bastian.  Eiern.,  \\  .  die  brittischen  Barden  haben  den  Höllenweg  ähnlich 
geschildert:  Grimm,  Myth.4,  2,  696,  und  die  slavische  Vorstellung  entspricht  dem  genau: 
Grohmann,  Ahcrgl.,  194f.  Manchmal  schliessl  sich  da<  .Motiv  an.  dass  der  Tote,  wenn  er 
als  Gespenst  die  ].,  benden  besuchen  will,  die  spitzen  Nägel,  welche  auf  dem  Wege  ein- 
geschlagcn  sind,  zählen  mu<>  (so  ist  z.  B.  der  Weg  zum  Grabe  in  Klein-Russland  mit 
Mohnkörnern    bestreut,   welche    der  Vampyr    aufzulesen  hat,    ehe  er  wiederkommen  kann: 

i.r.  f.  Etbnol  21.  143).  Damit  hängen  unzweifelhaft  wieder  alle  diejenigen  Sagen 
zusammen,  die  von  Elfen,  Zwergen  und  Heinzelmännchen  berichten,  dass  dieselben  vor 
Küekkchr  zu  menschlichen  Wohnungen  hingepflanzte  oder  gestreute  Grashalme, 
Erbsen  u.  s  w.  zählen  müssen.     J'.lben  und  Zwerge  sind  Toten<reistcr. 


I  >ic  Reise  der  Seele  in  1  ."i  1 

;mt'  die  Wanderschaft  begeben,  ins  ferne  Land  gehen,  in  die  bessere  Well 
wandern  u.  s.  w.1  Dem  entsprechen  die  mythischen  Auffassungen  der 
verschiedensten  Völker.  Die  Rfiris,  ein  bengalischer  Stamm,  rüsten  i  1 1 1*«  • 
Toten  beim  Begräbnisse  so  ;ms.  ;ils  ob  Bie  eine  lange  Reise  vorhätten. 
Vollständig  angekleidet,  bewaffnet,  mil  Kappe  and  Fouragesack  versehen, 
liegt  der  Körper  in  einem  tiefen  Grabe,  dessen  Seiten  durch  eingerammte 
Pfahle  gestützt  werden,  damit  die  Erde  Dicht  auf  den  Toten  falle.')  Nach 
Ansicht  der  Indianer  Nordamerikas  müssen  die  Toten  Monate  lang  wandern, 
um  <l;is  im  Westen  gelegene  Land  zu  erreichen.8)  Die  Schatten  der  Odjib- 
wäer  verfolgten  einen  weiten  und  betretenen  Pfad,  der  nach  Westen  führt.' 
Den  Minna-  und  Blandass  steht  ein  langer  Weg  bevor,  bis  sie  zu  ihren 
Fruchtinseln  gelangen.6)  Bei  den  Kowzas  winde  der  Tote  mit  ßlokassim 
begraben,  wie  auch  in  Kalifornien,  um  für  die  lange  Reise  durch  Schuhe 
gerüstet  zu  sein:  Schuhe  fand  man  auch  in  schwäbischen  Gräbern.6  Be- 
sonders aber  ist  Begriff  und  Ausdruck:  ..weite  Wege  wandeln"  für  „sterben" 
urgermanisch.  Der  Tod  wird  häufig  „der  lange  Gang"  genannt,  [n  der 
Edda  heissl  es:  „Sie  (Brunhild)  Hess  sich  nicht  verleiden  den  langen  Gaug." 1 
Zinn  Totenreich  der  Zwerge  führt  im  Märchen  stets  ein  weiter  Weg.  Die 
heidnische  Hellja  lag  tief  unten  uach  Norden  d.  h.  nach  Mitternacht)  hin. 
\1>  Hermoär  zu  Baldr  gesandt  wurde,  ritt  er  nenn  Nächte  lang  durch 
dunkle,  tiefe  Thäler.8)  Zu  dieser  weiten  Wanderung  ins  Totenreich, 
welche  die  meisten  zu  Fuss  machten,  bedurften  sie  guter  und  festgebundener 
Schuhe  .  .  .  Dies  war  ein  Gebrauch,  der  bei  sächsischen  und  hochdeutschen 
Stämmen  ebenfalls  bestand.  [n  den  Alemannengräbern  am  Lupfen  fanden 
sich  als  Grabmitgaben  ausser  Früchten  und  Trinkgefässen,  worin  ursprünglich 
gewiss  ein  Getränk  gegossen  war.  Lichtstöcke,  ein  Wanderstab  und  Schuhe.8 
Bei  der  auch  in  Deutschland  herrschenden  Meinung  von  >\f\-  weiten 

Wanderung    des  Verstorbenen    dürfen    wir  annel n,    dass  ihm  neue 

und  derbe  Schuhe  auch  zur  Zeit  der  Hügelbestattuug  mitgegeben  ward. 
Eine  lanjre,  enge  Gasse  führte  in  die  Hölle  der  heiligen  Theresia.11}  Dem- 
zufolge  heisst  die  dem  Sterbenden  gereichte  Kommunion  „Wegzehrung" 
oder  „viaticum".19)  Aber  selbst  der  Islam  sagt  in  einer  arabischen  Schrift, 
auf  den  Toten  bezüglich:  Du  gehst  einen  weiten  Weg  und  Dir  fehlt  die 
Reisekost.18)  In  Griechenland  war  neben  der  Hadesvorstellung  and  wohl 
älter    als    diese    die  Idee    von   dem    Entrücktwerden   durch  die  Schicksals- 

1)   Köhler.   Voigtland    386,    berichtet,    dass    das    voigtländische    „gehen"    ebenfalls 
„sterben"  bedeute.    Vgl.  in  dem  bekannten  Volks-  und  Studcntcnlied:  „Ein  Sträu 
am  Hute-  den  Vers:  ..Nun  hat  er  verlassen  die  Irdische  Bahn,  da  tritt  er  die  bimml 
Wanderschaft  an."  -  2i  Zeitschr.  f.  Ethnol.  5.  200f.        H    Buchholz,  BomeriBche  Realten 
i.  1,  32.    —    4)  Tylor  2,  76.    —    5)  Bastian,  Elem.,  78.  6     /.HNchr.  !'.  Ethnol.  I 

Hier  verweise  ich  auf  Sartoris  Arbeit  über  die  Bedeutung  des  Schuhes  im  Volksglauben 
im  4.  Bande  der  Zeitschr.  f.  Volkskunde.  —  7)  Sigurdarkvida  3,  12.  -  Grimm,  Myth.*, 
2,  669.  —  9)  Weinhold.  Altnord.  Leben.  494.  10)  Weinheld,  Totenbestattung,  Anm.  1. 
—  11)  Bastian.  Elem  ,  23.  —  12    Rochholz  a.  a.  0.  191.  —  13)  Wolf  a.  a.  0.  38. 

11 


I  ;,•_<  \"ii  V  gcleiii  : 

Göttinnen,  die  Keren,  lebendig.  Zum  psychologischen  Verständnis  der  Idee 
vom  Totenweg  dringen  wir  am  sichersten  vor,  wenn  wir  hören,  dass  nach 
der  Anschauung  der  Westatexte  mich  die  Seele,  die  ins  Paradies  gelangen 
soll,  diesen  (dreitägigen  Weg  zurückzulegen  hat.  Ahuramazda  verbietet 
i  Erforschung  der  Wanderung  zum  Paradiese  mir  den  Worten:  „Fragel 
lie  ine  Paradies  gegangene  Seele)  nicht;  sie  kommt  auf  dem  grauen- 
rollen Wege  der  Trennung  de-  Leibes  und  der  Seele."1)  Hier  wird 
also  ganz  klar  die  dem  Totenpfade  zu  Grunde  liegende  Idee  der  Scheidung 
\«»n  Leib  und  Seele,  <\<-±  materialistischen  und  animistischen  Princips,  als 
solche  angegeben.  her  Beweis  dafür,  duss  die  Konservierung  des  Körpers 
jedem  eigentlichen  Seelenglauben  im  Wege  steht,  liegt  auch  darin,  dass 
/  !'»  auf  Bali  der  Tote  mittels  der  Verbrennung  sogleich  in  Indraloka 
eingeht,  während  ihm  sonst  ein  langer  Wanderweg  bevorsteht.2) 

Wir  halien  die  [dee  des  Totenweges  bei  den  verschiedensten  Völkern 
wiedergefunden.  Wir  wollen  jetzt  versuchen,  die  Eigenart  dieses  finsteren 
Pfades  zu  ergründen,  soweit  dies  zur  Konstatierung  seiner  gesonderten 
Existenz  notwendig  ist.  Abgesehen  davon,  dass  er  überall  als  beschwerlich 
und  finster  gilt3),  ist  er  namentlich  auch  der  gerade  Weg,  der  keine 
Kurven  und  hin-  und  herführende  Schlingungen  kennt  —  so  gerade,  so 
unabweislich  in  ein  unbekanntes  Land  führend,  wie  der  Tod  selbst.  Dafür 
einige  Belege: 

Das  wütende  lirer  in  Hossdorf  durchzieht  die  Häuser  geradeaus. 
Im  Würtembergischen  zu  Neubrunn  durchzog  das  wütende  Heer  immer 
drei  Häuser,  in  welchen  drei  Thüren  gerade  hintereinander  waren  und 
ebenso  «las  Nachtvolk  auf  dem  Klaeslefeld. *)  Ganz  unbezweifelbar  hängt 
damit  der  noch  heute  seihst  in  gebildeten  Kreisen  vorhandene  Aberglaube 
zusammen,  dass  der  Blitz  da  einschlägt,  wo  zwei  hintereinanderstehende 
Thüren  offen  sind;  denn  der  wilde  Jäger  mit  seinem  wütenden  Heer  ist 
ein  seelenentführender  Sturm-  und  Grewitterdämon.  ■  Das  zwischen  dem 
litauischen  und  deutschen  Kirchhof  gebaute  Haus  in  Kagnit  stürzte  zu- 
sammen, weil  es  den  Geistern  der  Verstorbenen  im  Wege  stand.  Die 
Scheune  in  Oberkainsbach  mnss  stets  offen  stehen,  sonst  wird  sie  von 
einem  durchfahrenden  Geisterzug  des  Rodensteiner  zertrümmert.4)  Man 
vergleiche  nun  den  Rat.  den  der  wilde  Jäger  im  Mecklenburgischen  häufig 
giebt:  ..Halt  dm  Mittelweg*,  d.  h.:  „Kreuze  mir  nicht  den  Pfad.1'6)  Er 
zerreisst  diejenigen,  welche  sich  ihm  in  den  Weg  stellen.  So  verbietet 
auch  ein  ostpreussischer  Aberglauben,  den  Weg  zu  kreuzen,  den  eine 
Leiche  gefahren  ist.  Eine  Analogie  dazu  bietet  die  alte  Idee  von  dem 
Totmi-    oder   Eelwege,    der.    wenn    kein  Unglück  geschehen  soll,    lediglich 

1  Geiger,  Altiran.  Leben,  281.  —  2)  Bastian,  Zeitschr.  f.  Ethnol.  21,  123.  —  8)  Vgl. 
Anm.  2  auf  S.  150  und  den  vorausgegangenen  Hinweis  auf  die  stereotype  Mitgabe  von 
Lichtern  (Lämpchen  in  das  Grab.  —  4)  Bastian,  Ztschr.  f.  Ethnol.,  21,  149.  —  5)  Partsch, 
Mecklenburgische  Sagen,  I.  1  iL 


1 1 1 .  •    1 1 

für  Leichenzüge  reservier!  bleiben  muss1)  und  ferner  gehört  die  über- 
raschende Thatsache  hierher,  dass  die  Häuser  der  Nordinsel  Neu-Seelanda 
längsrichtig  gebaut  waren,  um  den  Serien  das  Durchstreifen  zu  ermöglichen.*) 
Audi  der  V^eg  der  Krankheitsdämonen  komml  hier  in  Betracht,  denn  Bie 
sind  den  Seelen  der  Verstorbenen  ihrer  Nanu-  Dach  nahe  verwandt,  ja 
vielfach   aus   diesen  entstanden,   oder  ihre    rräger.  Der  Weg   der  Pest 

ist   nach  der  Anschauung  der  Balkanvölker  gerade;  ihr  Weg  isl  die  breite 
Landstrasse,  sie  liebt  die  Steige  and   Pfade  mein   and  meidet  die  von  Ge- 
strüpp  und   Dornen  besetzten   Wege.8      Das  Gleiche   gilt  von  den   Mahren. 
In    den    zahllosen  Sagen,    die    von   ihnen  berichten,    heissi  ee  gewöhnlich, 
dass  sie  verschwinden,    wenn   man  ihnen  die  Öffnung  zeigt,    durch  die  sie 
einwanderten.*)     „"Wo  wir  hinein,    da  müssen  wir  heraus",    sag!   Mephisto- 
pheles  in  Goethes  Faust.    Wenn  dem  so  ist,  so  ist  es  Sache  der  Lebenden, 
dein  Toten    den  Weg    ins  Jenseits  zu  eröffnen,    indem  man  Beine  Schritte 
derartig  zu  beeinflussen  versucht,  dasg  Bie  ihn  geradeaus  und  natürlich  von 
den  Lebenden  hinweg  führen.    I)as  ist   um  so  wichtiger,  als  man  dem  Vor- 
wärts- uml  Rückwärtsgehen  mystische  Bedeutung  zuschrieb.5)  Bier  greift  schon 
der  Glaube  an  die  Wichtigkeit  der  Pussspur  ein.    Ihr  adhäriert  die  Wesenheit 
des  .Menschen;    wer    meine  Spur   ergriffen    hat,    hat   mich  ergriffen.6)     Das 
vedische  Gebet  bei  der  Totenbestattung  bittet  den  Toten,  Beine  Strasse  zu 
ziehen    für    sich    allein,    geschieden  von  dem   Wege  der  .Menschen.';     Im 
dieses    zu    erreichen,    trägt   mau   den  Toten  überall  mit  den   Füssen   nach 
vorn    aus    dem    Hause    heraus.      Wuttke    bezeichnet    dies    als    allgemein- 
deutsqhe  Sitte8  .    und   Etochholz    führt   eine  Anzahl   hierher  gehöriger  Be  - 
spi.de  an.*)    Mau  kann  den  Gebrauch  z.  B.  aus  Pommern10),  Ostpreussen "  . 
der  Oberpfalz18),    Braunschweig18),    Mecklenburg1*),  den  .Marschen   an  der 
Dnterweser15)    und  Tirol1*)    belegen.     Doch    reicht    derselbe    auch   bis  zu 
anderen  Völkern  und  seihst  bis  nach  Armenien  hin.")     Er  linder  Bich  bei 
den  Pehuenches"),  im  ältesten1";,  wie  im  alten1''')  und  aeuen80)  Griechen^ 
land:  ebenso  in   Kein21).     .Man   scheint  selbst  das  zurückgehende  Gespenst 

eines    Tieres   zu   furchten.     Wenn  ein   Haustier  Btirbt,    so  vergräbt   m; - 

au  der  Thür  und  zwar  so,  dass  der  Kopf  nach  dem  Ausgang  zu  gerichtet  ist. 
Dann  stirbt   kein  anderes  Haustier  ihm  nach."8)  -     Eine  Konsequenz 


1)  Weinhold,  Totenbestattung,  88.  —  2    Bastian,  Verbleibsorte,  78:  —  3    Zeitschr.  f. 
Volkskunde  9,  200.    -    1    Laistner,  Rätsel  der  Sphinx.   1  ti.    —   5    Zeitschr.  f.  Etbnol.  15, 
H3ff.  _  6)  Vgl.  Sartori  a.  a.  0.  42ff.  —  7)  Vgl.  Schröder,  Indische  Litt.  u.  Kult    Kap.  I. 
Goldner  und  Kaegi,  70  Lieder  des  Rigveda.  —8)  Wuttke,  Aberglauben,  434.  —  9    I 
holz,  Glaube  und  Brauch,  1cj7.    -    10)  Bastian.  Verbleibsorte,  56.   —   11    Toppen  1< 
12)  Bavaria  1863,  S.  322.  —  13'  Andree,  Braunschweig.  Volkskunde,  292.  —  11    Alpenburg 
a.  a.  0.  2G7.  -  15)  Zeitschr.  f.  Volkskunde  9,  54.  -     L6    Privatmitteilung  eines  Armi 
—    17)  Bastian,  Eiern.,  G7.    —    18)  Iwan  von  Müller,  Handbuch  d.  klass.  Altertumskunde, 
2U  weist  auf  Homer  T  212  hin.    —    11»    Schoemann,  Griechische  Altertümer*,  II.  567.  - 
20)  Schwartz,  Ztscbr.  f.  Ethnol.  9,  284         21    Buchholz  a.  a.  0.  II,  2,  294.  -  22)  Wuttke 
a.  a.  0.  407.     Ganz    eigentümlich    ist    die    entgegengesetzte  jüdische  Sitte,    den   Leichnam 


i;,l  von  Negelein: 

diese)  Anschauung  zeigt  Bich  /..  B.  in  «Irin  Aberglauben,  dass  der  räufling 
der  Slovaken,  wenn  man  ihn  zufallig  mit  den  Füssen  der  Thüre  zuge- 
wendet hingelegt  hat,  Bterben  muss. l)  Wenn  das  bulgarische  Kind  zu 
gehen  beginnt,  bo  darf  es  beim  ersten  Ausgang  aus  dem  Hause  nicht 
rückwärts  hinausschreiten.')  Die  Murava.  die  wendische  Mahr,  der  Geist 
Updrückens,  entweicht,  wenn  man  die  Schuhe  nicht  mit  den  Spitzen 
nach  dem  Bett,  aondern  abgewendet  hinstellt  oder  an  die  Thür  einen 
Pantoffel  legt  mit  dem  Schnabel  nach  aussen.  Ähnliches  findet  sich  in 
Mecklenburg  und  Tirol.3)  Man  sieht,  wie  der  Dänion  durch  die  irre- 
leitende Pussspur  getäuscht  werden  soll.  Häufig  findet  man  ein  Umdrehen 
von  Gegenständen  zu  gleichem  Zweck:  man  dreht  seinen  Pantoffel,  sein 
Hemd,  einen  Dachziegel,  den  Satte]  des  Reitpferdes*)  um.  Besonder- 
interessant  aber  ist  folgende  Einzelheit:  Nach  der  indischen  Sage  der  Urans 
wird  unter  den  Gespenstern  besonders  der  Tschorail  gefürchtet:  das  ist 
der  Geist  einer  im  Wochenbett  verstorbenen  Frau,  welcher  auf  Grabsteinen 
sit/.t  und  umgekehrte  Ftisse  hat.5)  Wir  sehen,  dass  die  Idee,  der  Tote 
könne  nur  geradeaus  seines  Weges  gehen,  so  konsequent  durchgeführt  ist. 
dass  man  seine  Rückkehr  nur  unter  der  Annahme  verstehen  konnte,  seine 
Füsse  seien  plötzlich  umgebogen  worden.  War  es  nun  dem  Menschen 
versagt,  das  Reiseziel  zu  kennen  -  die  Heise  führt  ebeu  zu  einem  schritt- 
weisen objektiven  und  subjektiven  Verschwinden  des  Reisenden  —  so  war 
doch  der  Trieb,  in  das  Totenland  einen  Einblick  zu  erhalten,  im  Menschen 
zu  mächtig,  als  dass  er  auf  jede  Hoffnung,  von  dem  Toten  Kuude  zu  er- 
halten, ganz  hätte  verzichten  wollen.  Wohin  der  Weg  führte,  das  wusste 
niemand  überall  hören  wir  von  dem  Hause  des  Todes  als  der  Region 
des  Kummers,  der  Finsternis,  <\v<.  Schweigens  sprechen6)  -  so  bemühte 
man  sich  wenigstens,  den  Reiseweg  der  Seele  zu  beobachten  und  ihr  den 
gefährdenden  Rückzug  abzuschneiden.  Beides  aber  geschah,  indem  man 
ihre  Spur  verfolgte  und  diese  eventuell  vernichtete.  Ein  solches  Verfahren 
ums-  uralt  sein.  Es  führt  über  die  Aera  des  selbstbewussten  Willenlebens 
der  .Menschheit  hinaus  bis  zu  dem  Zeitalter  des  Vorwaltens  tierischer 
Instinkte.  Der  Indianer  verehrt,  ja  vergöttlicht  den  Hund,  er  benennt  sich 
mit  llundenanien  und  nimmt  dieses  Tier  als  Vorfahr  in  seinen  Stammbaum 
auf,    weil  er  ihn  in  der  Kunst  überlegen  weiss,   die  Fährte  des  Wildes  zu 

mit    dem  Kopf   voran    hinaus  zu  tragen.     Dies  geschieht  offenbar,  weil  im  Kopf  die  Seele 
lokalisiert  gedacht  wird:  Zeitschr.  d.  deutschen  Palästina-Vereins  6,  l£8f. 

1  Ethnolog.  Mitteilungen  aus  Ungarn  5,  30. 

2  Strausz,  Bulgaren,  298 
3)  Alpenburg  a.  a  0.  -2G7. 

I    Letzteres  ist  Sitte  bei  den  Kirgisen:  Zeitschr.  f.  Ethnologie  III.  307. 

5)  Zeitschr.  f.  Ethnologie  (,;,  344. 

ypisch  für  diesen  Vorstellungskreis  ist  die  hebräische  Scheöl- Auffassung,  die  ich 
bei  anderer  Gelegenheit  mit  den  entsprechenden  indogermanischen  Mythengebilden  ver- 
gleichen zu  können  hoffe. 


I>i>-  Reise  der  S  1  55 

erkunden.  Spürnase  zu  Bein  und  zu  heisseu  war  ihm  eiii  Ideal.  Die 
Wüste  Arabiens   wäre   für  den   Beduinen  jeder  Poesie  bat  n.    wenn 

nicht  die  Spur  seines  Kamels  and  des  abgebrochenen  Zeltes  seiner  Ge- 
liebten sich  dem  gelben  Sande  aufgedrückt  hätte.1  Deshalb  isi  die  Er- 
kenntnis der  Fussabdrücke  bei  den  alten  Arabern  Ins  auf  den  heutigen 
Tag  zu  einer  völlig  selbständigen  Kunst  geworden.*)  Doch  noch  ein 
anderes  Element  spielt  in  die  Völkersitte  mir  hinein,  [ch  hoffe,  es  bei 
anderer  Gelegenheit  darthun  zu  können,  was  ich  bereits  an  einem  Beispiel 
gezeigt  habe8),  dass  der  Begriff  des  Eigentums  dem  Gefühl  der  leiblichen 
und  lebendigen  Zugehörigkeii  des  betreffenden  Gegenstandes  zum  Menschen 
erwuchs.  Die  Kraft  der  Riesen  and  Zwerge  unserer  Sagen  knüpft  sich 
gewöhnlich  an  die  unmittelbare  Berührung  ihres  Leibes  mir  einem  kon- 
kreten Besitztum,  das,  abgelegt,  den  Träger  seiner  magischen  Macht  beraubt. 
Im  Aberglauben  ist  die  Vorbedingung  für  die  Wirksamkeil  eines  Zaubers 
stets  in  der  Berührung  des  die  Zauberwirkung  vermittelnden  Dinges  auf 
blossem  Leibe  gegeben.  Die  subjektive  Eigenart  der  lebenden  Person 
ri'ilr  sich  dem  in  unmittelbarem  Kontakt  mir  ihr  stehenden  Gegenstande 
gewissermassen  durch  Überströmen  eines  geistigen  Pluidums  derartig  mir. 
dass  Besitzer  und  Besessenes  zu  einer  begrifflichen  Einheit  verschmelzen. 
Wenden  wir  diese  Idee  auf  die  Pussspur  an,  so  erkennen  wir,  dass  auch 
sie,  and  sie  in  erster  Linie,  die  Trägerin  der  ganzen  menschlichen  Sub- 
jektivität Bein  muss.  Die  Spur  des  Töten  muss  bei  ihrer  Berührung  den 
Lebenden  töten,  wie  /..  B.  die  zweier  einander  beissender  Hunde  Zank 
verursachen  muss.*)  Daher  die  in  manchen  Gegenden  Bayerns,  bo  namentlich 
am  rechten  Ufer  des  [nnthales,  von  den  Einzelhöfen  b erabführenden 
Totenwege,  die  ausschliesslich  nur  mir  Leichen  befahren  werden6),  sowie 
mannigfache  Zaubergebräuche  der  Gegenwart.  In  Bulgarien  nimmt  die 
Hebeamme  am  Tage  nach  der  Geburt  «las  Kind  auf  den  Ann  und  halt 
ein  Sieb,  in  das  sie  die  Pusslappen  des  \  aters  hineingelegt  hat,  über  das 
Kind,  damit  es  wenn  es  ein  Knabe  ist  —  dereinst  auch  Vater  werde.6) 
Ganz  offenbar  zeigt  sich  hier  das  Bestreben,  die  I Eigentümlichkeit  der 
Vaterschaft  auf  das  Kind  durch  die  hier  offensichtlich  aus  den  Pusslappen 
herausdestillierte  Eigenart  ihres  Trägers  zu  übermitteln.  Zahllos  sind  die 
Getränke,  vermöge  derer  man  Heilungen  auszuführen  versucht,  indem  man 
dem  Patienten  den  Abdruck  seiner  eigenen  Pussspur  eingiebt.  Demi  die 
Volksmedizin    heilt    Gleiches    mir  Gleichem.     Die    Spur    als    Krankheits- 


1)  Vgl.  Jacob,  Leben  der  vorislamischen  Beduinen  unter  dein  Kapitel:  Kamel. 

2)  Ich  verweise  hier  abermals  auf  P.  Sartoris  Arbeit  im  I.  Bande  der  Zeitschr.  f.  Volk 
künde.    Im  folgenden  sind  selten  Belege  gegeben,  die  sich  dort  bereits  finden. 

3)  Globus  a.  a.  0. 

4)  Wuttke  a,  a.  0.  253. 

5)  Bavaria  I.  S.  412.     München  Im.". 

6)  Strausz  a.  a.  0.  294. 


]  ",c  von  Ni  gelein : 

_  ■riii  musa  auch  das  angestiftete  l  nheil  gutmachen. *)  So  ist  denn 
auch  die  Pussspur  des  Toten  vom  höchsten  diagnostischen  Wert  für  den 
l  beigebenden  und  deshalb  die  Bemühung  verständlich,  etwa  Staub  oder 
;iu  die  Stelle  zu  streuen,  die  uns  Bein  Wiedererscheinen  hoffen  oder 
befürchten  lässt.  Überaus  instinktiv  i.st  in  dieser  Beziehung  der  Beriebt 
Nottrotts  über  die  Erfolge  der  Gossnerschen  Mission  unter  den  Kolhs, 
einer  indischen  Völkerschaft. *)  Der  Tote,  dessen  Körper  man  eben  ver- 
branni  hat,  wird  von  dem  Pahan  [Oberpriester),  dem  Teufelspriester  und 
den  Gästen  nach  vollendetem  Leichenschmaus  auf  einem  Felde,  «las  ihm 
angehört  hatte,  gesucht:  „Wo  bist  du  jetzt?  JJist  du  in  der  Chatu  (einem 
tufgestellten  Wassergefäss  oder  bisl  du  unter  dem  Dornstrauch?"  Da 
keine  Antwort  erfolgt,  wendet  sich  der  Teufelspriester  zu  den  Umsitzenden, 
die  gemütlich  ihr  Sukull  rauchen:  „Nun  was  weiss  ich,  wo  er  ist!1'  Jetzt. 
wendet  sich  der  Zug  zu  <lem  Bauernhause,  «las  der  Familie  des  Gestorbenen 
angehört  hatte,  zurück.  Sie  finden  es  verschlossen ;  mit  dem  Stocke  schlägt 
der  Pahan  dreimal  auf  das  niedrige  Dach  und  fragt,  wer  drinnen  ist.  Er 
will  erforschen,  ob  der  Verstorbene  sicdi  in  seinem  Hause  aufhalte.  Und 
richtig,  eine  Stimme  antwortet  aus  demselben:  „Ich  bin  hier,  was  bringst 
du  da  draussen,  bringst  du  Freude  oder  Schmerz?"  Die  Antwort  lautet: 
„Für  Trauer  bringe  ich  Freude"  und  sofort  öffnet  sich  die  Thür  und  ein 
Mann,  der  sich  vorher  heimlich  hinter  dieselbe  gestellt  hatte.  trij;t  heraus. 
Alle,  der  Pahan  an  der  Spitze,  blicken  nun  in  das  Haus,  um  zu  sehen. 
ob    in    der    fingerdick    auf    dem  Erdboden    gestreuten  Asche  noch  weitere 


I  Bier  seien  ein  paar  besonders  typische  Erscheinungen  des  Volksglaubens  erwähnt; 
In  Bulgarien  holt  die  Heilkünstlerin  gewöhnlich  von  den  Orten,  wo  der  Kranke  in  letzter 
Zeit  gegangen  etwas  Erde;  ferner  Wasser  ;ms  den  Quellen,  aus  denen  er  getrunken. 
Wasser   and  Erde    mengt  sie  zusammen,   hält  den  Brei  über  den  Ranch  gewisser  Kräuter 

und  wäscht  dann  damit  den  Kranken.  Den  Rest  gicsst  sie  über  den  Ort,  den  der  Kranke 
in  letzter  Zeit  betreten  hat:  Strausz  a.  a.  0.  42o.  Bei  einer  ungenannten  Kinderkrankheit 
wird  das  Blut  aus  der  Ferse  des  Kindes  diesem  zu  trinken  gegeben:  ebenda  407.  Di<- 
Heilkünstlerin  legt  auch  bei  gewissen  Fällen  von  dem  Herde  Asche  auf  die  Erde  und 
den  Kranken  blosslüssig  in  die  Asche  treten:  dann  nimmt  sie,  von  neun  bis-  eins 
nach  rückwärts  zählend,  aus  der  Fussspur  etwas  Asche,  giebt  dem  Kranken  davon  zu 
trinken,  den  Iiesl  aber  gicsst  sie  an  einen  Raum  oder  auf  einen  Stein.  (Das  letztere  Ver- 
fahren gründet  sieh  auf  den  so  weil  verbreiteten  Aberglauben,  dass  man  Krankheiten  in 
Bäume  bannen  könne).  Oder  sie  legt  Asche  vor  den  Herd,  und  auf  dieselbe  eine  Schaufel. 
mit  der  das  Brot  in  den  Ofen  geschoben  wird.  Nun  treibt  sie  den  Kranken  mit  dem 
Besen  über  die  Schaufel  hinweg  und  während  sie  ihm  den  Kücken  mit  dem  Besen  schlägt. 
spricht  rfc  eine  Zauberformel.  Dann  geht  der  Kranke  noch  i  inmal  über  die  Schaufel 
hinweg.  Nun  wird  die  Schaufel  weggenommen  und  die  Asche  untersucht:  wenn  sich 
etwas,  etwa  eine  hoble,  darin  lindet,  so  gilt  da-  als  die  Krankheit:  ebenda  390.  Der 
letztere  Gebrauch  beabsichtigt  offenbar,  mit  der  Brotschaufel,  einem  geweihten  Instru- 
—  das  Brot  und  alles,  was  zu  .-einer  Bereitung  dient,  ist  immer  heilig  — ,  den 
Krankheitsdämon  aus  dem  Körper  des  Leidenden  in  der  "Weise  zu  vertreiben,  dass  man 
ihn  au<  der  Ferse  des  Patienten  nia>  Unglück  heftet  sich  an  die  Ferse  l  in  die  Asche 
bannt,  wo  er  sich  irgendwie  bemerkbar  machen  muss. 
•_'    Vgl.  Sonntag,  Toten  bestattung,  37  ff. 


\)ie  Itcisc  der  - 

Spuren  enthalten  seien,  als  die  an  der  Thür  von  dem  Manne  herrührenden. 
Man    isl    befriedigt,    als    mar    nichts   entdeckt.     »Auf  seinem   Felde  ist  er 
nicht",    sagt  einer,    ..in  seinem   Hause  auch  nicht,    wer  weiss,    wo  er  ist?** 
..<>!>  er  aber  in  der  Nacht  nicht  wieder  in  sein   Haus  kommt?"    meint  ein 
anderer;    „wo    -"11    er    schlafen,    weun    er    kein"    Stätte    gefuuden    hat?" 
„Gewiss,    er    kann    noch    kommen"*,    bestätigt    ein    anderer     der    Pahan  . 
„darum    macht    die  Asche    glatt    und    bindet  die  Thüre  zu,    dass  niemand 
hineinkomme.-     Nach  dieser  Weisung  wendet  sich  der  Mann  seinem  Hause 
zu,  und  auch  die  übrigen  Gäste  zerstreuen  sich.     Kaum  graut  der  Morgen, 
als    sich   auch  schon  vor  dem  Hause  eine  ziemliche  Menge  Menschen  ver- 
sammelt   hat.    die    nur    auf   den  Teufelspriester    wartet,    um   das  Hau-  zu 
untersuchen.     Die    nächsten   Angehörigen    des  Verstorbenen  sind   natürlich 
am  ersten  auf  dem  Platze:  geht  es  sie  doch  am  nächsten  an.  ob  ihr  Haus 
künftig  '1er  Tummelplatz  eines  Geistes,  vielleicht  eines  bösen  ßonga,  sein 
werde,    oder    ob    sie  weiter  in   Frieden  unter  dem    Dache  wohnen  können. 
Da  tritt  der  unheimlich  aussehende  Mann  auch  schon   in  den    lief  und  .  .  . 
nun  untersucht  der  Pahan  genau  die  auf  den  Boden  gestreute  Asche.    Aber 
><»    sorgsam    er   auch  bis  in  den  äussersten   Winkel  >]n'irt.    er  findet   nichts 
und    erklärt    heraustretend,    <ler  Verstorbene    müsse    wohl    hei  Singbonga,- 
dem  guten  »iotte...  einen  Wohnort    gefunden   haben,    auf  «1er  Erde  gehe 
er  nicht  umher.     Die   Freude  der  Angehörigen  ist  gross,  und  sofort  gehen 
sie  daran,    das  Haus    von    der  Asche   zu  reinigen   und  wieder  wohnlich  zu 
machen."         Deutlicher  als  hier  können  wir  die  Idee  der  Furcht  vor  dem 
Teten  und  der  .Mittel,  die  Einwirkung  des  (leiste-  eines  Verstorbenen  aus 
dem  Auftreten  von  dessen  Fussspuren  zu  erkennen,  nicht  zu  linden  wünschen. 
Ein  schöner  Beweis  für  den  spontanen  Parallelismus  in  der  Verkörperung 
ethnischer  Elementargedanken   liegt   nun  aber  in  der  Thatsache,    da>s  wir 

in    einem    ostpreussischen  Braue] in  ganz  entsprechendes  Mittel  linden. 

der  Geister  der  Verstorbenen  gewissermassen  ansichtig  zu  werden.  Am 
tfeujahrstage  wird  nämlich  in  meiner  Heimat  die  Ofenbank  für  die  Seiden 
freigehalten,  das  Feuer  im  Herd.-  oder  im  Ofen  angezündet  und  auch  in 
manchen  Gegenden  ein  Licht  die  Nacht  hindurch  brennen  gelassen; 
sodann  Sand  vom  Ofen  bis  zur  Thüre  (oder  auf  der  kuhrischen  Nehrung 
rings  um  den  Tisch  herum1])  gestreut.  .Man  erwartet  dann  ich  habe 
diese  Erwartung  mehrmals  aussprechen  hören  — .  dass  die  Teten,  welche 
ja  in  den  Zwölften  erscheinen,  ihre  Spuren  im  Sande  zurücklassen  werden. 
Ganz  unzweifelhaft  verfolgt  das  Streuen  von  Saud  vor  der  Thür  eines 
Totenlmuses    denselben    /weck,     denn     man    erzählt    hei    uns    Sagen    von 

1)    Gerade   im   litauischen    and   lettischeu  Aberglauben    spiell    der  Familientisch  als 

Opferherd  für  den  Ahnendienst  noch  eine  -  -  Rolle:  das  auf  dem  'lieh.-  liegende 
Brot  darf  nicht  durch  Verletzung  mit  sebarfen  Instrumenten  entheiligt  werden  („das 
thut  den  Seelen  weh").  Brotkrumen  werden  stillschweigend  den  Ahnen  auf  die  Erde 
geworfen  u.  s.  w. 


Kaindl : 

Gespenstern,  deren  Zurückkommen  man  an  den  Pusseindrücken  in  diesem 
Sande  erkannt  hätte.  So  fügt  Bich  alles  zusammen,  am  den  Beweis  dafür 
zu  liefern,  dass  man  auf  das  Vorhandensein  and  die  Bpecifische  verderben- 
bringende Eigentümlichkeit  der  Geister  Verschiedener  vorzüglich  aus  dem 
auftreten  von  ihrer  Pussspur  schloss.  Es  fragt  sich  nun:  wie  vernichtet 
man  die  Pussspur  and  damit  « l< >n  Geist  selbst?  wie  verhindert  man  die 
Rückkehr  desjenigen,  dessen  Abreise  man  nun  einmal  zu  verzögern  sich 
ohnmächtig  fohlte? 


Ki'i  nigsberg  i.  Pr. 


Schluss  folgt.) 


Rutheniscke  Hochzeitgebräuche  in  der  Bukowina. 

Mitgeteilt  von  Dr.  K.  Fr.  Kaindl. 


Die  ruthenischen  Hochzeitgebräuche  zeichnen  sich  durch  ihre  Mannig- 
faltigkeit, die  zahlreichen  Lieder,  endlich  durch  Spuren  althergebrachter 
Rechtsgebräuche  (Kauf  der  Braut,  Botmässigkeit  des  Weibes)  aus.  .Mit 
der    Gegend  Vorgebirge,    Gebirge  (Karpaten).    Flachland   —  wechseln 

auch  einzelne  der  Gebräuche,  wenn  auch  der  Hauptverlauf'  der  Feier  der- 
selbe  bleibt.1  Wir  beginnen  mit  der  Schilderung  der  Hochzeit  bei  den 
nithenischen  Vorgebirglern  (Pidhirjany)  zwischen  Wiznitz  und  Ber- 
liniiiet  am  Sereth. 

I. 

Kinder  werden  in  ihrer  Unmündigkeit  niemals  verlobt.  Der  junge 
.Mann  heirarer  erst  nach  erreichter  Grossjährigkeit  und  nachdem  er  der 
Militärpflicht  Genüge  geleistet  hat.  d.  i.  nach  dem  zurückgelegten  24.  Lebens- 
jahre. Da-  .Mädchen  dagegen  heiratet,  entsprechend  ihrer  körperlichen 
Bntwickelung,  zumeist  vom  18.  Jahre  angefangen,  ausnahmsweise  wohl 
auch  früher. 

Nur  sehr  selten  werden  im  Volke  Ehen  nach  der  Eingebung  des 
Herzens  geschlossen.  Im  allgemeinen  sind  es  Konvenienzehen ,  welche 
durch  Vermittlung  der  Werber  (starosty)  zu  stände  gebracht  werden,  wobei 
die  beiderseitigen  Eltern  (swaty)  bestimmend  einwirken.  Ihnen  fügen  sich 
die  Brautleute  ziemlich  willenlos.     Die  Werbung  (swatanie)  besorgen  stets 


li  Tür  das  Zustandekommen  der  im  folgenden  mitgeteilten  Sammlung  von  Hocbzeit- 
gebräuchen  bin  ich  dem  Herrn  Konsistorialrat  A.  Manastyrski,  ferner  den  Herren  Pfarrern 
Gramatowicz  und  Kozariszczuk  zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 


Ruthenische  Hochzcitgebräucho  in  der  Bukowina. 

die  Freunde  des  Vaters  des  Bräutigams  oder  <  i  i « *  Freunde  des  letzteren, 
wenn  dessen  Vater  nicht  mehr  lebt.  Bevor  mau  zur  Werbung  achreitet, 
findet  zumeist  erst  ein   Familienrat  statt. 

Die  Werbung  findet  gewöhnlich  im  Herbste  nach  der  Ernte  statt. 
Zu  diesem  Zwecke  kommen  die  Werber  in  das  elterliche  Haus  der  in 
Aussicht  genommenen  Braut  zur  Abendzeit  und  bringen  daselbst  ihre  Ab- 
sicht zum  ausdrucke.  Die  Eltern  des  Bräutigams  und  dieser  selbst  Bind 
nicht  zugegen,  um  sich  nicht  der  etwaigen  Absage  persönlich  auszusetzen. 
]);i-  Mädchen  wird  höchstens  der  Hof  lichkeii  wegen  um  ihre  Einwilligung 
befragt.  Nachdem  die  Werber  von  den  Eltern  des  Mädchens  die  Zustimmung 
erhalten  haben,  wird  dem  von  den  Werbern  mitgebrachten  Branntweine 
zur  Bekräftigung  des  Jawortes  (stowo)  fröhlich  zugesprochen,  ohne  die 
Bewilligung:  der  Eltern  kommt  selten  eine  Ehe  zu  stände;  das  Volk  hält 
eine  solche  Verbindung  für  unzulässig  und  unglücklich.  Nur  wenn  die 
Eltern  tot  sind,  verfügen  die  grossjährigen  Kinder  frei  über  ihre  Hand. 
während  die  minderjährigen  durch  die  Vormundschaft  beschränkt  werden. 
Gewöhnlich  heirater  der  älteste  Sohn  und  die  älteste  Tochter  zuvor:  nur 
wenn  die  älteren  heiratsunfähig  sind,  gehen  ihnen  die  jüngeren  voran. 
Dagegen  ist  die  Heirat  der  männlichen  Geschwister  durch  jene  der  weib- 
lichen und  umgekehrt  nicht  behindert.  Zumeist  heiraten  junge  Leute  aus 
demselben  Orte,  die  demselben  Bekenntnisse  und  derselben  Nationalität 
angehören.  Unter  Blutsverwandten  ist  gemeiniglich  die  Ehe  erst  im  6.  Grade 
gestattet,  auch  Gevatterschaften  gelten  als  kanonische  Hindernisse,  die  auch 
vom  Volke  streu-  beobachtet  winden.  Eine  Verlobung  wird  nur  in  den 
zwingendsten  Fällen,  etwa  bei  Krankheit,  unsittlichem  Lebenswandel  und 
dergl.  rückgängig  gemacht.  I  >t  ein  Teil  an  der  Lösung  des  Verlöbnisses 
schuldig,  su  leistet  er  dem  anderen  Teile  für  die  etwa  bereits  aufgelaufenen 
Kosten   Ersatz. 

Schon  heim  Trinken  <]>■>  Slowo  wird  auch  über  die  Aussteuer  der 
Braut  (drestra  und  Mitgift  (wind)  der  Brautleute  verhandelt.  Die  end- 
gültigen Verabredungen  darüber  werden  vor  'lem  Hochzeittage  durch  du- 
beiderseitigen  Schwiegereltern  getroffen.  .Mitunter  wird  ein  schriftliche] 
Heiratsvertrag  geschlossen.  Das  Mädchen  erhält  gewöhnlich  die  häusliche 
Ausstattung,  Kleider,  Wäsche.  Bettzeug,  eine  Truhe  (sb-ynia),  Geld  und 
Viehstücke;  nur  äusserst  selten  werden  Grundstücke  dem  Mädchen  als 
Heiratsgut  gegeben,  weil  diese  in  der  Regel  den  männlichen  Erben  zu- 
gedacht sind. 

Zwischen  der  Werbung  und  >\>v  Hochzeit  wisilu  verstreicht  gewöhnlich 
ein  Zeitraum  von  sechs  Wochen,  während  welcher  die  Vorbereitungen 
getroffen  werden.  Durch  den  Ertrag  der  Fruchtfechsung  ist  der  Landmann 
um  diese  Zeit  im  stände,  die  nötigen  Auslagen  zu  bestreiten.  Natürlich 
sind  die  Vorbereitungen  nach  den  Vermögensverhältnissen  sehr  verschieden. 
In  jedem  Falle  sucht  man  aber  das  Möglichste  zu  leisten.     Im   Hause  der 


l(j(j  Kaindl: 

Braut  wird  für  diese  die  längs!  vorbereitete  Aussteuer  vollendet;  der 
Bräutigam  besorgl  sich  neue  Pestkleider.  Hierzu  kommt  die  Vorbereitung 
der  Geschenke.  Der  Bräutigam  (rnoiodej  beschenkt  das  Mädchen  mit 
gelben  neuen  Stiefeln  (zouti  czobotu  und  mit  einem  weissen  Kopftuche 
(vokrywalo\  'las  am  zweiten  Hochzeittag  den  Kopf  der  Kraut  bedeckt 
Die  Braut  {»m/n,/,!)  dagegen  beschenkt  ihren  Bräutigam  mit  einem  neuen 
Hemde  und  einem  Halstuche,  ausserdem  muss  «Im  Braut,  wenn  sie  in 
■  las  Haus  des  Bräutigams  eingeführt  wird,  für  den  Schwiegervater,  die, 
Schwiegermutter  und  die  Anverwandten  des  Bräutigams  beliebige  Geschenke 
mitbringen.  Für  die  Hochzeit  werden  ferner  «-in  oder  auch  mehrere 
Schweine,  Bowie  Geflügel  gefüttert  and  geschlachtet.  In  der  Mühle  wird 
Getreide  gemahlen.  Dann  wird  mit  dem  Priester  verhandelt.  Audi  ver- 
gisst  man  nicht,  rechtzeitig  mit  den  Musikanten  einig  zu  werden,  denn 
ohne  diese  ist  eine  rechte  Bauernhochzeit  undenkbar.  Bemerkt  muss  noch 
werden,  dass  diese  Vorbereitungen  sowohl  im  Hause  der  Eltern  des  Bräutigams 
als  der  Braut  vor  sich  gehen,  weil  die  Hochzeitfeier  in  beiden  stattfindet, 
Schliesslich  gehört  zu  den  Vorbereitungen  auch  die  Wahl  der  Trauzeugen, 
d.  i.  des  Brautvaters  (butko)  und  der  Brautmutter  (matkä)',  ferner  die  der 
Brautjungfern  (diitzki),  welche  die  Braut,  und  die  der  Brautführer  (druzby), 
welche  den  Bräutigam  zur  Trauung  begleiten.  Druzki  und  druzby  bedienen 
auch  die  Gäste  beim  Hochzeitmahle.  Schliesslich  gehören  zum  Hochzeit- 
zuge der  Braut  und  des  Bräutigams  einige  junge  Bursche,  welche  Bojaren 
beissen. 

Am  Vortage  der  Hochzeit  sind  bereits  alle  Vorbereitungen  getroffen. 
Im  Mause  der  Braut  wird  an  diesem  Taue  gegen  2  Uhr  nachmittags 
der  Tisch  in  die  Mitte  des  Zimmers  gestellt,  mit  einem  weissen  Tischtuche 
gedeckt  und  darauf  zwei  Brote  oder  ein  paar  Kolatschen1)  mit  einem 
Stössel  Salz,  daneben  eine  irdene  Schüssel  voll  schönen  Immergrüns  gestellt. 
Die  Braut,  auf  das  Schönste  gekleidet,  erwartet  ihre  Kranzeljungfem. 
svelche  bald  im  Sonntagsstaate  erscheinen  und  nach  der  üblichen  herzlichen 
Begrüssung,  die  Braut  in  ihre  Mitte  nehmend,  sich  zum  Tische  setzen. 
Hierauf  wird  das  auf  dem  Tische  befindliche  Immergrün,  welches  zum 
Brautkränze  bestimmt    ist,  ausgewählt,  sortiert   und  sorgfältig  geputzt. 

Nachdem  dies  geschehen  ist.  erscheint  die  Mutter  der  Braut  im  Zimmer, 
setzt  sich  nieder  und  legt  ein  Polster  auf  ihren  Schoss.  Über  demselben 
beginnt  sie  dann  die  geputzten  Blätter  auf  ein  rotes,  wollenes  Band,  politekß 
genannt,   aufzunähen.      Hierbei   wird  gesungen: 

Oj  zelenenkij  barwinku,  0  grünes  Immergrün, 

Kupuwalam  tia    na  rynku,  Ich  kaufte  dich  am  Kingplatz, 

Zamykalam  tia  u  skrynku,  Verwahrte  dich  im  Schrank. 

A  leper  tia  ruszu  Jetzt  taste  ich  dich  an 

Ta|  zaplakaty  muszu.  Und  muss  weinen. 


1)  Das  sind  kranzförmig  geflochtene  Kuchen  aus  Weizenmehl. 


Ruthenische  Hochzeitgcbräuch»1  in  der  Bukowina.  161 

Bierauf    übergiebt   die  Mutter  die  Arbeit  ihren  nächsten   Freundinnen 

zur  Fortführung.     Diese  singen  hierbei: 

Daj  mamko  holku  Gieb  Mütterchen  die  Nadel 

Taj  nytku  /.  szouku,  und  den  Seiden  faden, 

Zaczenaty  winoezok  Anzufangen  das  Kränzlein 

Motodi  na  holouku.  Der  Braut  fürs  Köpriein. 

Der  Kran/,  wird  mit  Flittergold  verziert;  ist  er  schliesslich  fertig,  so 
wird  gesungen: 

De  se  dila.  NN  o  ist  denn, 

Ta  de  se  podila  Ja  wo  ist 

Moiodoji  nanty;  Die  Mutter  der  Braut? 

Czomu  ne  prystupyt  Warum  kommt  sie  nicht 

Taj  ne  wikupyt  Und  kauft  nicht 

Winoezok  wid  swaszoezok.  Das  Kränzlein  von  den  Nähterinnen ? 

Die  Mutter,  welche  inzwischen  ihren  Hausfrauenpflichten  nachging, 
erscheint  nun  wieder  und  muss  den  Krau/,  von  den  Angehörigen  gegen 
.■ine  kleine  Gabe  auslösen,  wobei  gesungen  wird: 

üj  my  winky  szyfy  0  wir  haben  Kränze  genäht 

Taj  holoezky  polomyly,  Und  die  Nädelchen  zerbrochen; 

Treba   natu    hroszi   daty.  Man   muss   uns  Geld  geben. 

Szoby  holky  pokupuwaty.  Damit  wir  uns  Nadeln  kaufen. 

Hierauf    wird    die    Braut    von    der    Mutter    frisiert-,    inzwischen    wird 

g    sungen: 

Stawajko  ridna  mamko  na  stilczyk  Steige  Mütterchen  auf  den  Schemel 

Taj  dosiahny  iz  swotoka  hrebinczyk,         Und  reiche  vom  Deckbalken  den 

Kamm  herab, 
Zaczesaty  rosu  kosu  pid  vvinezyk.  Zu  kämmen  den  blonden  Zopi'  für 

den  Brautschmuck. 
Eudy  moja  rosa  kosa  majaty,  Mein  blonder  Zopi'  wird  glänzen, 

Ty  budysz  ridna  maty  plakaty,  Du  Mütterchen  wirst  weinen. 

Bo  ne  budy  komu  rano  wstawaty,  Denn  niemand  wird  zum   Frtth- 

aufstehen  da 
Na  horodi  zilieezko  potywaty,  Im  Garten  die  Pflanzen  zu  I 

Budysz  nmmko  polywaty  samaja  Du  selbst  Mütterchen  wirst  begiessen 

To  piznymy  taj  ranymy  zoriaray  Am  Abend  und  am  Morgen 

Taj  bustymy  i  dribnymy  slozamy.  Mit  dichten  kleinen  Thränen. 

Dabei  wird  der  Kranz  von  Vater  und  Mutter  auf  den  Kopf  der  Drauf 
gelegt  und  der  Braut  Glück,  Gesundheit  und  langes  Leben  gewünscht. 
Hier  wird  gesungen : 

Czomu  motodenka  ne  tuzysz?  Warum  trauerst  du  Bräutchen  nicht? 

Üze  bilsze  diwoezkou  ne  budysz.  Du  wirst  nicht  mehr  Mägdelein 

Uze  weezirne  milianieezko  zabudys  Die  Abendunterhaltung  wirst  du  ver- 

gessen, 
Z  parubkamy  na  rozmowi  ne  budysz.         Mit  den  Burschen  wirst  du  nicht  mehr 

plaudern. 


]i;-_<  Kaindl: 

Schliesslich  \n  i  r<  l  der  Braut  and  den  Kraazelmädchen  je  ein  Kolatschen 
an  den  rechten  Arm  gebunden,  Ist  dies  alles  geschehen,  so  werden  Braut 
and  Kran zel Jungfern  ins  Dorf  ausgeschickt,  um  die  Huchzeitgäste  persönlich 
einzuladen,  sie  sin«!  hierbei  von  Musikanten  begleitet;  auch  Branntwein 
iiiul  Kolatschen  werden  mitgetragen.  Bei  den  Vornehmsten  wird  der 
Vnfang  gemacht;  gewöhnlich  geht  man  zum  Pfarrer  zuerst,  weil  er  in  der 
Gemeinde  der  Angesehenst  ist.  Nachdem  die  Gäste  geladen  sind,  ver- 
Bammeln sich  alle  und  setzen  sich  zum  Nachtmahle;  während  der  Mahlzeit 
werden  Geschenke  zwischen   Braut  und   Bräutigam  ausgetauscht. 

Inzwischen  hat  sich  im  Hause  der  Eltern  des  Bräutigams  ganz  Ahn- 
liches zugetragen,  wie  im  Hause  der  Braut.  Auch  der  Bräutigam  hat  mit 
seinen  Brautführern  die  Gäste  geladen,  die  sich  am  Abend  in  seiner  Eltern 
Hause  versammeln.  Nun  schickt  die  Braut  dein  Bräutigam  durch  ihre 
Bojaren  ein  Hemd  und  ein  zu  diesem  Zwecke  eigens  ausgenähtes  Tüchel 
icnkd).     Beim   Empfange  dieser  Sachen  wird  gesungen: 

Nasza  soroczka  iz  samoho  terra.  Unser  Hemd  ist  aus  reinem  Flachs. 

Xaszi  czoboty  iz  safijanu,  Unsere  Stiefeln  aus  Safianleder. 

Nasza  soroczka  iz  ceroczkamy,  Unser  Hemd  ist  mit  Stickereien. 

Xaszi  czobitky  iz  pidkiukamy:  Unsere  Stiefel   sind    eisenbcschlagen: 

Xaszu  soroczka  swaszoczky  szyly.  Unser  Hemd  nähten  die  Nähterinnen, 

X'aszi  czobitky  szewczeki  szyly.  Unsere  Stiefel  die  Schuster. 

Der  Bräutigam  übernimmt  diese  Gaben  und  als  Gegengeschenk  über- 
mittelt er  der  Braut  ein  Paar  gelbe  Stiefel  und  ein  weisses  Tuch  (pokri/waio). 
Während  die  Braut  diese  vom  Bräutigam  geschickten  Gaben  empfängt. 
wird  gesungen: 

Taj  rychtuj  sc.  moloda,  rychtuj  se.  0  richte  dich,  richte  dich.  Braut, 

Tai  w  ^outi  czoboty  uzuj  se.  Ziehe  die  gelben  Stiefel  an, 

Taj  wozmy  wsi  worohy  pid  nohy.  Nimm  alle  Feinde  unter  die  Füsse. 

Szobj    sc  wstupyly  z  dorohy.  Damit  sie  aus  dem  Wege  weichen. 

In  diesem  Austausche  der  Geschenke  bestellt  die  ganze  Wechsel- 
beziehung zwischen  dem  Bräutigam  und  der  Braut  an  diesem  Tage.  Darauf 
wird  in  beiden  Häusern  getrennt  die  ganze  Nacht  getanzt,  gescherzt  und 
gelacht.  Dieser  Polterabend  wird  ruthenisch  nzawodenya  genannt.  Er 
tindet  gewöhnlich  an  einem  Samstag  statt. 

Am  nächsten  Morgen,  zumeist  einein  Sonntag,  wird  früh  der  Feiertags- 
staat angelegt  Im  Hause  der  Braut  und  des  Bräutigams  finden  sich  ge- 
trennt die  Gäste  und  die  Würdenträger  bei  der  Hochzeit  ein.  Letztere 
erhalten  kleine  Sträusschen  aus  [mmergrünblättern  mit  Schaumgold  ver- 
ziert (kwitkie).  Hierauf  werden  Anstalten  getroffen,  um  in  die  Kirche  zur 
Trauung  zu  -eben.  Zu  diesem  wichtigen  Gange  erbittet  sich  die  Braut 
durch  einen  eigens  dazu  bestellten  Redner  den  Segen  der  Eltern.  Dieser 
wird  folgendermassen  erteilt.  Die  Eltern  setzen  sich  auf  eine  Bank,  auf 
dem  Schosse  Brot  und  Salz  haltend;  die  Braut  kniet  vor  ihnen  nieder, 
während  der  dazu  bestimmte  Kedner  folgendermassen  spricht: 


Ruthenischc  Hochzcitgebräucln    in  der  Bukowina. 


16.J 


kniet  eure  Tochter  vor  •  lott,  \  or 
Vater  and  .Minier,  and  bittet  um  dei 
Segen;  vielleicht  bat  sie  euch  einmal 
beleidigt,  erzürnt,  «Mich  nicht  gehorch! 
oder  euch  nicht  <  renüge  gethan;  des- 
halb bittet  sie  euch,  ihr  zu  verzeihen 
und  sie  zu  segnen. 


Prykliakajy  donika  wasza  pered 
Bohom,  pered  oteem  i  matereu,  i 
prosyt  o  blahoslowenie;  raoze  oiiii 
was   koly  ukoryla.    hniwala.    ne    sta- 

chala     abo      ne     dohodyla.     to     prosyt 

was.    ati\si\    proszczaly   i  jiji  biaho- 
slowyty. 

Nach  dieser  Anrede  segnen  tue  Eltern  die  Braut,  indem  >ie  Ihren 
Kopf  mit  Brot  und  Salz  berühren,  sie  küssend  und  umarmend.  Nach 
diesem  nimmt  die  Mutter  die  Braut  bei  der  Hand  und  umgeht  den  in  der 
.Mitte  des  Zimmers  stehenden  Tisch  dreimal,  dieselbe  mit  Weihwasser 
besprengend  und  ihr  Weizen  unter  die  Püsse  streuend.  Darauf  nimmt 
die  Braut  Abschied,  indem  sie  den  Eltern  die  Hände  küsst,  und  schickt 
sich  zum  Gange  zur  Kirche  (d.  i.  zur  Trauung)  an.    Hierbei  wird  gesungen: 

Stupyla  moloderika  iz  poroha:  Das  Bräutchen  trat  von  der  Schwelle: 

Buwaj  meni  moja  mamko  zdorowa.  Lebe  wohl  mir  mein  Mütterchen. 

Taj  perszyj  raz,  molodenka,  perszyj  raz 
Poktony  sia  mojij  mamei  do  sto  raz, 


Ho  bohato  twoja  mamka  kieltuwala, 
Doky  sych  pokloniu  sia  doczekala. 
Diakuja  tobi  moja  mamko  za  twij  chlib, 
Szos"  mene  wyhoduwala   na  sej  swit. 

Nun    erfolgt    die  Abfahrt    zur    Kirche.     Di 
Kranzelmädchen  und  der  Brautmutter  die  für  s 


Vor  allein,    mein  Brüutehen.  vor  allem 
Neige  dich  dem  Mütterchen  hundertmal, 

Weil    es  viel  dem  Mütterchen  gekostet 
Bis  es  diesen  Dank  erlebte.  hat, 

Ich  danke  dir  Mütterchen  Wir  dies  Brot, 
Dass  du  mich  aufgezogen  hast. 

Braut    besteigt    mit    den 
bestimmten   Wagen;   die 


altere  der  Brautführerinuen  trägt  ein  mit  Federn,  Bändern  und  Blumen 
geschmücktes  Tannenbäumchen.  Die  anwesenden  Frauen  werfen  der  Braut 
in  den  Busen  Zucker,  Brot,  Salz.  Knoblauch  und  Geld:  Zucker,  damit  ihr 
das  Leben  süss  sei;  Brot  und  Salz,  damit  der  Hausfrau  es  nie  daran  fehle; 
Knoblauch  als  Schutz  gegen  Zauber;  endlich  das  Geld  als  Wahrzeichen 
künftigen   Reichtums. 

Auf  dem  Wege  zur  Trauung  \\ 


A  u  nediliu  rano 
More  se  rozihrato; 
A  ne  more  toto  braje, 
Ale  sonce  se  kupajc: 
To  ne  sonce  se  kupajc, 
To  molodyj  potopaje 
Ta  na  moledu  pokrykaje: 
„Molodyczko,  holuboczko, 
Ratuj  mene  z  moria!" 
,,„Ta  ne  moja  tota  wola. 
Ratuwaty  tebe  z  moria, 
Ani  czouna,  ani  wesla, 


gesungen : 

Am  Sonntag-Morgen 
Wogte  das  Meer: 
Nicht  das  M<  er  wogt, 

ndern  es  badet  die  Sonne; 

Es   badet   nicht   die  Sonne. 
Es  sinkt  der  Bräutigam  anter 
Und  ruft  der  Braut  zu: 
„Bräutchen,  Täubchen, 

Kette  mn  h  aus  dem  Meere!" 
„„Es  hängt  nicht  von  mir  ab, 
Dich  zu  retten  aus  dem  M< 
Ich  habe  weder  Schiff,  noch  Ruder, 
Alles   hat  der  Sturm  entführt. uu 


Usc  buria  taj  widnesla." 

Also    singend    gelangt   man   bis  zur  Kirche.     Hier  wird   Halt  gemacht 

und  auf  das  Erscheinen  des  Bräutigams  gewartet,  wenn  er  nicht  schon  da 


i.;i 


Kai., 


igt;  denn  auch  dieser  hat  sich  inzwischen,  begleitet  von  den  Seinen,  aus 
dem  elterlichen  Hause  zur  Kirche  aufgemacht.  Sind  Bräutigam  und  Braut 
erschienen,  bo  gehen  beide  in  die  Kirche,  wo  sie  das  Sakrament  der  Ehe 
empfangen.  Nach  der  Trauung  begiebi  sich  die  Braut  (wieder  ohne 
Bräutigam,  der  mit  den  Seinen  zunächst  ins  elterliche  Haus  zurückkehrt) 
mit  ihren  Angehörigen  in  die  Wohnung  ihrer  Eltern  zurück.  Auf  dem 
Heimwege  wird  gesungen: 


Oj   niy  u  cerkwi   luily. 
Szczos-  my  tarn  wydiJy? 
Dwa  winci  na  stiuei, 
Molodym  na  liolouci. 
A  |  ope,  pope",  batko  nasz, 
A  pope  jich  i  zwinezau, 
Dwojc  dity  /.  mezy  nas, 
Odno  dctialko  X.  N  . 
Druha  X.  X. 

A  diakujem  popoezkowy, 
Swomu  batiezkowy, 
Szo  nas  ne  zabawyu 
Xe  bohato  u  nas  prawyu, 
Lesz  zoutoho  czerwonoho 
Will  pana  molodoho. 


()  wir  waren  in  der  Kirche, 

\Vras  haben  wir  dort  gesehen? 

Zwei   Kranze  am  Tischchen. 

Den  Brautleuten   am   Kopfe. 

0  Pope,  Pope,  Väterchen. 

Du  hast  sie  getraut, 

Zwei  von  unseren  Kindein. 

Ein  Kindchen  N.  X., 

Das  andre  X.  X. 

Wir  danken  dem  Pfarrerlein, 

Unserem  Väterlein, 

Dass  er  uns  nicht  aufhielt 

Und  von  uns  nicht  viel  forderte, 

Xur  einen  Dukaten 

Vom  Herrn  Bräutigam. 


Die  Braut  wird  von  ihren  Eltern  am  Eingange  des  Hauses  mit  Brot 
und  Salz  empfangen,  worauf  .sie  zwischen  ihren  Eranzelmädchen  nebst 
den  übrigen  Angehörigen  zum  Tische  sich  setzt.  Auf  diesen  wird  auch  der 
Hochzeitbaum  gestellt.  Während  gespeist  wird,  kommt  der  Bräutigam 
mit  seinen  Angehörigen  in  den  Hofraum  des  Hauses.  Sobald  man  hei 
der  Tafel  der  Braut  hiervon   Kunde  erhalten   hat.    wird  daselbst  gesungen: 

Oj  stij  ziatiu  za  woroty  Steh,  o  Schwiegersohn,  hinter  dem 

Xa  zeleni  paporoty!  Am  grünen  Farnkraut!  [Thorc 

Taj  naj  na  tia  snizok  ide,  Mag  auf  dich  Schnee  fallen, 

Taj  naj   na  tia  inetil   mete  Mag  Schneesturm   dich  umwehen 

Ta  na  koni   woroniji  Lad  die  schwatzen  Pferde 

Taj  na  druzby   molodiji.  Und  die  jungen  Brautführer. 

Während  das  Lied  gesungen  wird,  schickt  der  im  Hofraum  wartende 
Bräutigam  seine  Bojaren  mit  seinem  Kolatschen,  den  er  am  rechten  Arm 
getragen  hat.  zur  Braut,  welche  ihn  gegen  den  ihren  austauscht.  Darauf 
rieten    die   Brautführer    ins  Zimmer    ein    und    kaufen  die  Kranzelmädchen 

in  kleine  Beträge  aus.  d.  h.  sie  bewegen  die  Kranzelmädchen  von  der 
Seite  der  Braut  zu  weisdien.  Andererseits  erhalten  die  Brautführer  von 
den  Brautmädchen  ebenfalls  kleine  Geschenke.  Bei  diesem  Auskaufen 
wird  folgendes  gesungen: 

U  nas  druzba  krasnyj  Unser  Brautführer  ist  schön 

Jak  raisiad  jasnyj,  Wie  der  helle  Mond, 

Posiahne  w  kyszeniu  Er  greift  in  die  Tasche 


Ruthenischc  Uochz«  •  in  der  Bukowina.  1»'.;. 

Ta  wytiahne  hroszyj  zmeniu,  und  zieht  eine  Handvoll  Geld  bereue 

Ta  ne  mnoho,  druzbo,  ne  mnolio,  Nicht  u.-l.   Brautführer,  nicht  \nl 

l.w.  odnoho  czerwonoho!  Id<>-  ten! 

Hierauf  verabschieden  sieh  die  Krauzeljungfern  von  der  Braut,  wobei 
gesunken  wird: 

Zaplakala  druzeczka,  Das  Brautmädchen  brach  inThräneo 

Zaphikaly  obi:  Beide   Brautmädchen  weinten: 

„Cy  ne  zal  se  widdawaty  .Tluu  dir  nicht  leid  zu  heiraten 

Towaryszko  tobi?"  Gefährtin?" 

_..()j  cy  zal,  cy  ne  zal,  „nO  i  thut  oder  nicht. 

Ne  budu  kazaty,  Ich  werde  es  nicht  sag 

Jak  sc  budesz  widdawaty,  Wenn  du  dich  verehelichen  wirst, 

Tohdy  budesz  zuaty.""  Dann  wirst  du  es  wissen."" 

Endlich  verlassen  Brautführer  und  Kranzelniädchen  das  Zimmer.  An 
die  Stelle  der  Kranzelmädchen  setzt  sich  nun  der  jüngste  Bruder  >\>'\- 
Braut,  oder,  wenn  ein  solcher  nicht  da  ist.  der  nächste  jüngste  männliche 
Verwandte.  Ist  dies  geschehen,  so  tritt  der  Bräutigam  mit  seinen  Gästen 
ins  Zimmer  ein,  nähert  sich  dem  Tische  und  kauft  von  dein  eben  erwähnten 
Anverwandten  der  Braut  diese  für  einen  geringen  Betrag.  Hierauf  wird 
gesungen : 

Oj  tatar,  bratezyk,  fcatar  0,  ein  Tatar.   Brüderchen,  ein  Tatar 

Prodau  sestru  za  talar,  Verkaufte  dieSchwester  für  einen  Thaler, 

Rosu  kosu  za  szustak,  Den  blonden  Zopf  für  ein  Sechs 

Rumniane  lyezko  taki  tak.  Dasrosige  Gesichtchen  geradezu  umsonst 

Sodann  stehen  alle  vom  Tische  auf,  nur  die  Brautmutter  mit  der 
Braut  bleiben  sitzen.  Letztere  verschleiert  ihre  Augen  und  beugt  das 
Haupt  über  ihren  Kolatschen.  Eines  der  angesehensten  Familienglieder 
nimmt  sodann  das  auf  dem  Tische  stehende  Hochzeitbäumchen  in  eine  Hand 
und  reicht  die  andere  dem  Bräutigam;  dieser  ergreift  die  Hand  eines 
dritten  u.  s.  w.,  bis  alle  Hochzeitgäste  eine  Kette  bilden.  Nun  umgehen 
Bie  den  Tisch  dreimal,  wobei  gesungen  wird: 

Na  kalynoczei  dwi  jahidozki.  AufderSchneeballstaudesindzweiBeeren. 

Rozszyriaj  swatu  chatu  Erweitere  Vater  deine  Hütte 

Taj  kalynowi  stiny,  und  deine  Wände  aus  Schneeballholz, 

Szoby  bojary  sity;  Damit  die  Bojaren  niedersitzen; 

Sily  bojary  süy,  Es  sich  die  Bojaren, 

Az  se  zdrehnuly  stiny.  Dass  die  Wände  zitterten. 

Beim  umgehen  des  Tisches  berührt  der  Bräutigam,  während  er  bei 
der  Braut  die  zwei  ersten  Male  vorbeigeht,  den  Schleier  derselben.  Beim 
drittenmale  hebt  er  den  Schleier  auf  und  setzt  sich  neben  seine  Braut. 
Nun  wird  gesungen: 

Oj  zietiu,  zietiu  emberiu  (?)  0  Schwiegersohn.  Schwiegersohn 

Wiwywaj  rantuch  z  paperrä,  Wickle  aus  dem  Papiere  das  Handtuch, 

Ta  pokryj  swoju  druzynu  Bedecke  deine  Gefährtin 

l  rozwesery  rodynu.  und   erheitere  die  Familie. 

12 

Zeitsclir.  ü.  Vereins  f.  Volkskunde.     19U1. 


Kaindl: 

Während  dieses  Lied  gesungen  wird,  wickelt  der  Bräutigam  em  Stück 
weisse  Leinwand,  welche  er  mitgebracht  bat,  auseinander  and  übergiebt 
dem  jüngsten  Bruder  der  Braut,  ron  welchem  er  diese  vorher  gekauft 
hatte.  Dieser  breitet  sodann  die  Leinwand  auf  zwei  einjährige  Schosse 
\.in  einem  Weidenbaum,  hebt  sie  mittels  der  Stöckchen  in  die  Höhe, 
schwenkt  Bie  liin  and  her  and  bedeckt  zuletzt  mit  der  Leinwand  den 
Kopf  der  Braut.  Die  Weidenbaumschosse  werden  gleich  in  kleine  Stücke 
zerbrochen.  Hierauf  wird  gegessen,  getrunken,  gespasst  and  gelacht. 
Schliesslich  wird  gesnngen: 

„Oj   l'lysnula  koliasoczka  na  mosti.  ..Aul'  der   Brücke  wurde  ein  Wäglein 

sichtbar, 

A  bzczoz  toto  moja  mamko  za  hosti?fc  Was  für  Gäste  sind  das  Mütterchen?fc 

„„Oj  do  tobe.  111  i j  synoczku,  do  tebe,  _..<)  zu  dir,  mein  Söhnchen1),  zu  dir, 

Cboczut  tebe  wzietv   wid  mono."  Sie  wollen  dich  von  mir  nehmen."" 

„Cy  ja  tobi  mamko  ne  detyna,  „Bin  ich  nicht  dein  Kind.  Mütterchen, 

Cy  ja  tobi  po  szczyrosty  ne  robyla,  Habe  ich  dir  nicht  redlich  gearbeitet. 

Szo  ty  mene  dajysz  priczki  Dass  du  mich  weg  giebst 

Protyu  niczki."  Da  die  Nacht  naht?u 

Während  dieses  Gesanges  schickt  sich  der  Bräutigam  an,  mit  der  Braut 
in  das  Haus  seiner  Kitern  zu  ziehen.  Auch  die  Aussteuer  der  Braut  wird 
auf  dem  Wagen,  den  die  Brautleute  benutzen,  mitgenommen.  Die  Braut 
nimmt  Abschied  von  ihren  Eltern,  von  welchen  sie  mit  gebratenen  Hühnern. 
Kolatschen,  Brot  und  Schnaps  versehen  wird,  damit  sie  nicht  mit  leeren 
Händen  zu  den  Schwiegereltern  komme. 

Beim  Weggehen  wird  gesungen: 

Ne  phicz  moja  mamko  za  mnoju,  Weine  nicht.  Mütterchen,  um  mich. 

Ta  ne  wse  ja  zaberaju  z  soboju,  Ich  nehme  nicht  alles  mit  mir, 

Lyszaju  dribni  slozv  po  stohi  Ich  lasse  kleine  Thränen  beim  Tische 

A  husti  slidy  p<>  dworiu.  Und  zahlreiche  Spuren  im  Hofe. 

So  zieht  die  Braut  unter  San-  und  Klang  mit  dem  Bräutigam  und 
begleitet  von  allen  ihren  Hochzeitgästen  mit  Ausnahme  ihrer  Eltern,  welche 
zu  Hause  bleiben,  bei  den  Schwiegereltern  ein.  Vor  der  Eingangsthüre 
wird   folgendes  gesungen: 

Dtwory  mamko  nowyj  dwir,  Öffne,  Mütterchen,  das  neue  Thor, 

Weiienm  tobi   newistoezku  w  twij  Wir  führen  das  Schwiegertöchterchen 

dim,  in  dein  Haus. 

l.'twory  mamko  wikonce,  Öffne.  Mütterchen,  die  Fenster, 

Wederao  tobi  newistoezku  jak  sonce.       Wir  führen  dir  das  Töchterchen  wie 

eine  Sonne. 

Die  Eltern  des  Bräutigams  kommen  entgegen,  empfangen  ihre  Schwieger- 
tochter mit  Brot  und  Salz  und  laden  sie  mit  den  übrigen  angelangten 
(lasten  ins  Zimmer  und  zugleich  auch  zum  Tische  ein.  an  dem  die  früheren 


1)  Darutfter  i>t  die  Braut  zu  verstehen. 


Rutbenische  Sochzeitgebräuche  in  der  Bukowina.  lt'.T 

schon    sitzen.     Ee    wird   sodann  lustig  •  r,  und  gezecht.     Dazwischen 

wird,    wie   übrigens  auch  schon  im   Hause  der  Braut,    getanzt.     Der  Tanz 

findet    auf   dem    Hof ler         bei    schlechtem   Wetter        im   geräumig 

Vorhause  statt,  denn  die  Stube  bietel  hierfür  keinen  Raum.  Es  Bei  auch 
uoch  erwähnt,  dass  Braut  und  Bräutigam  stets  auf  dem  Ehrenplatze  bei 
Tische  sitzen,  also  unter  der  Ostwand  des  Hauses,  an  welcher  auch  die 
1  leiligenbilder  hängen. 

Nach  Mitternacht  oder  auch  erst  gegen  Tagesanbruch  geleitet  die 
Brautmutter  die  Brautleute  in  eine  eigens  hierzu  vorbereitete  Schlafkammer. 
Beim  Auskleiden  isr  der  Bräutigam  der  Braul  behilflich,  worauf  diese 
zuerst  das  Bett  besteigt.  Am  nächsten  Morgen  dürfen  die  Brautleuti 
lange  die  Schlafkammer  nicht  verlassen,  als  bis  sie  von  der  Brautmutter 
wieder  abgeholt  werden.  Nachdem  das  junge  Ehepaar  sich  in  die  Kammer 
zurückgezogen  hat,  begeben  sieh  die  Graste,  auch  die  Brautmutter,  nach 
Hause 

Am  nächsten  Morgen  gehen  die  Brautführer  zur  Brautmutter,    am  sie 
in  das  Hochzeitshaus  zu  geleiten.     A.uf  dem   Wege  singen  sie: 

Szczaslywa  bodyna  hodynoezka  nastaia      Das  glückliche  Stündchen  ist  gekommen, 
fiiotoderika  za  matkon  pisl.ila.  Die  junge  Frau  hat  um  die  Mutter  geschickt, 

Pislala  cztery  koni,  pietej  wiz,  Sic  schickte  vier  Pferde,  als   fünften  den 

Wagen, 
A  szestoho  ßrmaneczka,  szoby  matku       Als  sechsten  den  Fuhrmann,  damit  er  die 
prewiz.  Mutter  bringe. 

Z  namy  mntoczko,  z  namy  Mit  uns  Mütterchen,  mit  uns 

Na  kalynowi  sany,  Auf  den  Schlitten  aus  Schneeballholz, 

Na  kedrowi  mosty,  Über  die  Brücke  aus  Cedernholz, 

Du   swoieh   finiu   u   hosti.  Zu   deinen    Kindern   ZU   Gast. 

Die  Brautmutter  wird  bei  ihrer  Ankunft  auf  das  Freundlichste  em- 
pfangen und  begiebt  sich  allsogleich  zu  den  Brautleuten  in  die  Schlaf- 
kammer. Nun  erfolgt  durch  die  Brautmutter,  oder  auch  durch  die  sie 
begleitenden  Weiber,  die  Feststellung  >\>'\-  bis  zur  Brautnaeht  bewahrten 
Jungfräulichkeit  der  jungen  Ehefrau.  Ist  diese  festgestellt,  so  wird  im 
Il..fe  des  Hauses  eine  r<>te  Fahne  aufgepflanzt.  Dies  geschieht  auch,  wenn 
der  Bräutigam  selbst  schon  früher  die  Blume  gepflückt  hat:  er  verrät  eben 
dann  den  .Manuel  der  Braut  nicht.  Findet  dagegen  der  Bräutigam  sich 
getäuscht,  so  wird  zwar  die  Gültigkeit  ^l^-v  Ehe  nicht  bestritten,  wohl  wird 
a'her  das  junge  Weib  häufig  allgemeinem  Spotte  preisgegeben.  So  schiebt 
man  ihm  bei  der  folgenden  Festtafel  einen  Löffel  mit  einem  Loche  unter. 
singt  Spottlieder  u.  dgl. 

Wenn  die  jungen  Eheleute  unter  Leitung  der  Brautmutter  die  Schlaf- 
kammer verlassen,  wird  gesungen: 

Wichody  molodenka  iz  komory,  Komm,  o  junge  Frau,  aus  der  Kammer, 

Pokazy  swoje  lyczko  rodowy.  Zeige  dein  Gesichtehen  der  Familie. 

l-J 


1158 


l\ aindl :  Ruthenische  Bochzeitgebr&uche, 


Hierauf  werden  sie  in  das  Gastzimmer  gebracht.  Hier  wird  die  Frau 
ihres  jungfräulichen  Kopfschmuckes,  giordane  genannt,  entledigt,  von  der 
Brautmutter  frisiert  und  ihr  Kopf  nach  Weiberari  mit  einem  Handtuche 
eingewickelt.     Dann  setzt  man  sich  zu  Tisch. 

\uf  dmu  Tische  Bind  aeben  anderen  Ess-  und  Trinkvorräten  zwei  mit 
roten  Bändern  aneinander  gebundene  Flaschen,  parowi  szepe*)  genannt, 
nebst  zwei  Schnapsgläsern  aufgestellt.  Nim  werden  die  Kolatschen,  welche 
Bräutigam  und  Braut  während  der  Hochzeit  am  rechten  Arm  getragen 
haben,  in  kleine  Stückchen  zerbrochen,  auf  einen  Teller  gelegt  und  mit 
Honig  übergössen.  Sodann  wird  ein  zweiter  Teller  mit  Weizenkörnem 
gefüllt  und  inmitten  derselben  jene  zwei  Schnapsgläschen  aufgestellt.  Die 
Braut  giesst  nun  aus  den  zwei  mit  roten  Bändern  verbundenen  Flaschen 
in  die  Gläser  den  Schnaps  ein,  und  bewirtet  die  Gäste  nach  der  Reihen- 
folge ihrer  Würde.  Jeder  muss  beide  Gläser  leeren,  dem  jungen  Ehepaare 
hierbei  Glück   wünschend;  sodann  legt  jeder  eine  kleine  Gabe  in  Geld  für 

Ibe  nieder.  Die  anwesenden  Frauen  spenden  auch  Flachs,  Leinwand, 
Kopftücher  u.  dgl.  Diese  Gaben  heissen  pounecia,  und  der  ganze  Vorgang 
wird  propij  genannt. 

[st  diese  Ceremonie  zu  Ende,  so  wird  wieder  gezecht  und  gegessen. 
Schliesslich  begeben  sich  alle  GJäste  nach  Hause. 

Am  dritten  Tage  gehen  die  Brautleute  mit  Kolatschen  und  Salz  zum 
Pfarrer,  um  durch  rituell  vorgeschriebene  Gebete  sich  Gottes  Segen  zu 
erflehen.     So  endigt  die  Hochzeit. 

Nun  bringt  die  junge  Frau  die  nächsten  Tage  mit  den  häuslichen 
Beschäftigungen  zu.  Sie  ordnet  ihre  Wirtschaft.  Ihren  Mädchenschmuck 
und  ihren  Brautkranz  bewahrt  sie  als  teures  Vermächtnis  für  ihre  Nach- 
kommen auf.  Erst  am  Sonntag  werden  dann  gewöhnlich  die  ersten 
Besuche  gemacht  und  zwar  zuerst  bei  den  Eltern  des  Mannes,  dann 
beim  Brautvater  und  bei  der  Brautmutter,  endlich  bei  den  Eltern  der 
Frau.  Bei  diesen  Besuchen  bringt  das  junge  Ehepaar  Brot,  Salz  und 
Branntwein  zum  Geschenk.  Dass  diese  Besuche  mit  Belustigungen  und 
Selnnausereien  verbunden  sind,  ist  selbstverständlich.  Diese  Sitte  heisst 
mieiny9). 

Das  Vermögen  ist  unter  den  Eheleuten  gemeinsam  und  wird  „unser 
Gut  (nasse  dobro  "  genannt.  Die  Frau  beansprucht  als  ihr  freiverfügbares 
Taschengeld  etwa  den  Erlös  von  Geflügel,  Eiern,  den  Verdienst  vom 
Spinnen.  Weben  und  Nähen.  In  ihre  häuslichen  Geschäfte  darf  sich  der 
.Mann  nicht  meugen.  Die  Ehe  (malzenstwo)  gilt  dem  Volke  für  unauf- 
löslich.    Ehebruch  wird  zumeist  verheimlicht.  — 


1)  Die  gepaarten  Flaschen    rumänisch  säpu  =  Flasche  . 

2)  Diese  Bezeichnung  dürfte  doch  mit  zmieniety  =  wechseln,    also  hier  Gegenbesuch 
erstatten,  zusammenhängen. 


Bacher:  Von  dem  deutschen  Grei  Luscm  im  wälschen  Südtirol. 


169 


Am  Schlüsse  mag  noch  bemerkt  werden,  das9  in  den  Hochzeitgebräuchen 
eine  Änderung  eintritt,  weuu  die  Mutter  der  Braut  tot  ist.  In  diesem 
Falle  wird  statt  der  ersten   fünf  Lieder  folgendes  gesungen: 


Dibrowa  welekaja, 

Szo  u  tobi  pniu  ranoho, 

Zelenoho  ni  odnoho. 

Hej  moloda  molodenka, 

Szo  11  tebc  mamiu  mnoho. 

Ridnenkoji  ni  odnoji. 

Twoja  maty  w  hrobi  lezyt, 

Na  ehrest  ruki  der/vt. 

0   Boha  se  prosyt: 

.. l'usty  tnene,  Boze,  domiu, 

Swoje  ditie  sporidety 

Taj  na  posah  poradety." 

Oj  tarn  Imly.  ae  tatary, 

Uze  twoje  ditia  ubraly, 

Ubraly  jeji  jak  kwitoczku 

Posadyiy  seritoezku. 

Oj  ne  uwes  tut  rid. 

Ne  wsia  tut  rodenoezka, 


Piszliu  woronu  w  czuzu  storonu 
Po  ridnu  rodynoezku, 
Piszliu  seneciu  w  seru  zemrieciu 
Po  iidnonku  sestrecia. 

Czernowitz  in  der  Bukowina  (Osterreich) 

(Schluss  folgt. 


r  Eichenwald, 

In  dir  sind  viric  Stämme, 

Keiner  ist  aber  grün. 

Bei  du  junges  Bräutchen, 

Viele  Mütter  sind  hier  versammelt, 

Aber  nicht  deine  leibliche. 

I  >.-!■  i    Mutter  lieg!  im  ( rral 

Halt  die  Hände  übers  Kreuz  geschlagen 

Und  bittet  Gott: 

„Lass  mich.  Gott,  inich  Hause, 

Mein  Kind  in  Ordnung  zu  bringen 

Und  dasselbe  auszustatto 

().  dort  sind  Menschen,  nicht  Tatar« 

Sie  haben  schon  dem  Kind  angekleidet, 

Sie  schmückten   es   wie  ein    Blümchen 

und  Hessen  die  Waise  sich  niedersetzen. 

0   hier  ist   nicht   dry  ganze  Stamm. 

Nicht  die  ganze  Kamill  . 

Ich  werde  die  Krähe  in  die  Fremde  3ch 

Nach  der  leiblichen  Familie, 

Ich  werde  dieMeise  in  die  kalte  Erde  senden 

Nach  dem  leiblichen  Schwesterchen. 


Yon  dem  deutschen  Grenzposten  Lnsern  im  wälschen 

Südtirol. 


Vom  Karaten  Josef  Bacher. 
etzung  von  Zeitschrift   XI.  :.T. 


•_M.    Di  alt  un  di  juio  stria. 

Tor  hündart  jär  is  da  g  »wfst  an  älta 
on  al->  hä'm  köt,  ke  s'  is  a  stria.  In 
sal  haus  fs-si-da  g^west  aluä  on  nidar 
na  d-m  sal  haus  is-da  gJwfst  's  haus 
vö  sain  sun.  Disar  sun  hat  gvhat  a 
yinas  diarnla,  on  di'za  diaml<  is  herta 
gant  z'  släva  bet-dar  nona. 


•_M.    Die  alte  und  d  ie  j  u  ng  e  Hexe. 

Vor  hundert  .Jahren  war  eine  Alte, 
von  der  alle  sagten,  sie  sei  eine  Hexe. 
In  ihrem  Hause  wohnte  sie  allein  und 
unterhalb  bei  ihrem  Hause  befand  sieh 
ihres  Sohnes.  Dieser  Sohn  hatte  ein  junges 
Töchterchen,  und  dieses  Mädchen  kam 
stets,  um  bei  der  Grossmatter  zu  schlafen. 


17c 


BalamuB  ^n  a  mal  's  diarnl 
warnt,    gge    d  ■  nöna  ie  I   an   is 

ans     11    haue    on  dena   is  herkeni 
•  i] .  on  bal-da  na-hat-iHat 
säüla  wetar,   di  nöna  is  ganl  h«lrum  m 
li    -;   .'   .    "ii    ;imi       -  j       ,i-n 

•  •tla  mal. 

n    .in     -ü",!-,      g    diainL    hat-si 
will..'  rl    äustian    im  's  diarnl 

staut    is    ■•    on    is-ar    nS-gant   aus     n 
}   "ii  se  in  bat-  -  _  -    -  m  üntar 

-n  heart  is-da  a  lo\.  on  in  -n  diza  lo\ 
sain-da  g?w§st  :i  kiita  ilMa.  an  di  nöna 
-int  on  (h  at  g^mist  bet-an  äisran 
lötl  nular  >n  a  ü\4>  on  lai  bat-S  -8  -  - 
hmirt  rpas   bruntl(n),    on  dena  hat-s 

.  sf'gg.  Un  is  is  gant  on  (h  at 
_nump  n  äisra  löll  on  hat  gymist 
nular  «?n  üUl->.  bö-da  hat  g<?mist  di  nöna 
on  dena  is-'s  lai  gdieft  on  is  gant  pa 
ki'ni'x  au  »n  d  ■  wolkn^n.  Dena  is  h€r- 
kcnt  a  säüla  wetar,  on  bäl-da  na-hat- 
_  i.u  's  wetar  hat-'s  g<?vunt<t  d->  nöna 
on  dena  säin-sa  gakeart  b-druni  p<>t- 
nandu-  on  sain  gant  pa  lü'iu-'v  nidar. 
>  diarnl  i  hat-s  -  g-^segg  Ipad«?  tu  haba 
_  t  int  asÖ,  un  di  imna  hat-'s  hi-g^- 
swöagjt,  on  dena  hat-s'-as  g-dirnt  to 
mäva  di  strfa. 

In  an  tagd  "ii  vatar  von  diarnD  l's- 
•n  darkränkt  a-n  oggs,  on  er  hat  g*rüaft 

n  vetronarjo  on  a  pär  man<n.  bo-da- 
sa-n-an  yorstian  nS  n  vix,  un  knand->r 
hat  nei  darkcnt,  bas-vor-an  beata-da 
hat  dar  Oggs.  ün  disar  man,  il-r  vatar. 
hat-'s-  n  köt  an  diarnl  .  on  's  duirnU- 
bat  köt:  ..I.  lasel  is  ni^t,  i  pesr'-  n  bol 
i  i  ..  -  •  >ii  is  kent  äu  n  hau-  vö 
dar  Unna  on  di  ggs  is  lai  g<?w§st  g.*- 
sunt.  ün  alöra  ihr  vatar  hat-'s  gavörst 
/.'     s.;y.i.     hia-'s     hat    grftänt     to    pesra  -m 

gg8,  oii  's  diarnl <  hat-'s-  <n  köt,  bia-'s 
hat   g-tant.    on   d  r  vatar  is  darsräkt  un 

-    gant    <»n    [Ji  at-'s    köt     m    i'af  on    hat 

köt,     dar    sPgat-'s    liahar    töat    sai     kin. 

-   to   wisa.    gge  's-is  a   stria,    un   alöra 

hat-ar   köt   dar  tat':    ..Ja.    a  säüla  sävan 

is-'s  bol.   un   as-do-'s  wil  mä-van  ster'm 


Da  eiues  Abends  merkte  das  Mädchen, 
dir  Grossmutter  aufgestanden  und 
m  die  Küche  hinausgegangen  war,  worauf 
dann    ein    schreckliches  Gewitter  heran- 
ah dann  dies  schreckliche  Gewitter 
nachgelassen  hatte,  kam  die  Grossmntter 
wieder  in  die  Stube  zurück.    So  geschah 
aige  Abende. 

Einmal  hörte  das  Mädchen  sie  wieder 
aufstehen,  und  auch  das  Mädchen  stand 
auf  und  ging  ihr  nach  hinaus  in  die 
Küche  und  sah  dort,  wie  unter  dem 
Herde  ein  Loch  war.  und  in  diesem 
Loche  befanden  sich  eine  Menge  Häflein. 
und  die  Grossmutter  ging  hin  und  rührte 
mir  einem  eisernen  Löffel  drin  in  einem 
Häflein.  und  zugleich  hörte  es  sie  etwas 
brummen,  und  dann  sah  es  sie  nicht 
mehr.  Und  es  (das  Mädchen;  ging  hin, 
nahm  den  eisernen  Löffel  und  rührte  im 
Häflein  drinnen,  in  welchem  die  Gross- 
mutter gerührt  hatte,  und  schwebte  dann 
empor  znm  Schornstein  hinaus  und  fuhr 
hinauf  in  die  Wolken.  Darauf  brach 
ein  abscheuliches  Unwetter  herein,  und 
als  es  nachgelassen  hatte,  fand  das  Mäd- 
chen die  Grossmuter  und  beide  kehrten 
mitsammen  zurück  zum  Schornstein  hin- 
unter. Das  Mädchen  reute  es,  solches 
gethan  zu  haben,  aber  die  Grossmuttcr 
beruhigte  es  und  lehrte  es  die  Hexenkunst. 

Eines  Tages  erkrankte  dem  ATater  des 
Mädchens  ein  Ochse.  Er  rief  den  Tier- 
arzt und  einige  Männer,  die  beim  Vieh 
etwas  verstehen,  und  keiner  erkannte, 
was  für  eine  Krankheit  der  Ochs  habe. 
Dieser  Mann,  der  Vater,  sagte  es  dem 
Töchterchen.  und  das  Mädchen  sprach: 
_()h.  das  macht  nichts,  ich  heile  den 
Ochsen  schon"  und  ging  hinauf  in  das 
Haus  der  Grossmutter  und  der  Ochs  war 
sofort  gesund.  Der  Vater  fragte  es  dann, 
wie  es  gethan  habe,  den  Ochsen  zu  heilen, 
und  das  Mädchen  erklärte  es  ihm,  wie 
es  gethan  habe,  und  der  Vater  erschrak 
und  ging  hin  und  sagte  es  dem  Priester 
und  bemerkte,  er  sähe  sein  Kind  lieber 
tot,  als  zu  wissen,  es  sei  eine  Hexe.  Da 
sagte  der  Priester:  ..Ja.  eine  missliche 
Sache  ist  das  allerdings,    und  wenn  du 


Von  dem  deutschen  1 1  -  ädtirol. 


171 


lirn--il'    i.    Ina    du   hast  zo  ttiana: 

k 1 111  -  -     i     to    pai\la-'s    im    zo     hori\la-'s 

im  ilü  sntänto  borget  g  läb<d  (g<>würmp 

..-I    wäsar,    on    dena    hak-bar- 
pislJ     'ii    an    zSarn,     on     dena    h~;  -  bar- 
's    tmiar    m    das    lal>.    wäsar,    on    se'm 

Stirb  ^t-'s     bet-an     stiasan     luat.       l'n 

ha'ni  -  s,t    g  -laut .     on     's    diarnl 

störtet1 

Dena    sain-sa    gant    /.     s?ga    vo   dar 

i,    on    hä'm-sd    ne(d  mear    g«?vunt4, 

__-     a   stal,    an   aimar- 

m€ar-ändarst    hä'ra-su   net    s  "  di 

tiöna,  n$    !i  ■■__-. 


um  Sterben  bringen  willst,  lehre  iob 
dich,  wie  du  zu  thun  hast:  Jetzt  geh  ich 
hin,  es  Beicht  zu  hören  und  zu  versehen, 
und  du  bereite  indes 
lauea  Wasser,  dann  schneiden  wir  ihm 
ein   bisschen    in    eine    Zehe    und    l<  , 

lann  in  das  laue  Wasser  hinein,  und 
dort  stirbt  es  dann  eines  sanften  Todes. 
So  thaten  ßie,  and  das  Mädchen  Btarb. 

Dann  gii  um  bei  der  <  I 

mutter  Nachschau  zu  hallen,  und  fanden 
weder   sie    noch    den  Ochsen   im  Stall, 
und  nimmer  mehr  haben  sie  die  Gr< 
imitier,  oder  i\»-n  <  Ichsen  gesehen. 


D<?r  man.  bö-da  hat   vorkoaft         22.    Der  Mann,   welcher  die  Seele 
di  seal  9n  taüvl.  dem  Teufel  verkauft  hat. 


In  an  >trua\  is-da  g<?w§st  a  ji'mar 
man,  bö-da  net  hat  i;  hat  Lust  zo  ärbata, 
on  zo  giana  zo  petla  hat-ar-sa  _  semp. 
On  \"  d-nsed  hat-ar  net  g-'Wist.  bia  zo 
tuana,  zo  gvwina-'n-an  /.'  esa.  On  er 
<*n  an  mal  hät-ar  grüatt  »n  taüvl,  as- 
ar- n  pren  gelt.  On  dar  tai'n  1  is  kein 
on  hat- -ii  -'pivni.  an  sak  vol  gelt  on 
hat  köt:  ,,Da  han-9-dar-san  gapreBB  an 
sak  vol  gelt,  ma  oma  diza  gelt  wil-a 
hä'm  dai  seal  on  las-d-'  aö  da  zwoanz-dc 
j;ir,  on  dena  kirn--  to  nema-s<».a  Disar 
arm  man  hat  agmump  's  gelt  von  taüvl 
un  is  g9west  äldar  luste  zo  bäba-'s. 

Bal-da  pah  sain  ausg^wf st  di  zwgan- 

z  k  jär,  dar  man  hat  %  lieft  tu  vorta-s* 
von  taüvl,  un  alura  hat-ar  fi^vium  zu 
lüana  g-revt. 

In    an    mal  l's-ar  gant  sn  di  kirx  an 

-  r  Liaba  Vrau,    as-s'-  >n 

helf.     Dena    is-ar   gant  liuam.     Bal-dar 

-    2  >west  hr.am.   ls-m  züagant   dar  taüvl 


Einmal  war  ein  junger  .Mann,  welcher 
keine  Lust  zu  arbeiten  hatte,  und  betteln 
zu  gehen  schämte  i  r  sich.    Daher  wu 

ei   nicht,   wie  er  sieh  das  Essen  verdienen 

könnte.  Er  rief  nun  eines  Abends  den 
Teufel,  auf  dass  er  ihm  Geld  bringe.  Der 
Teufel  kam  (wirklich  und  brachte  ihm 
einen  Sack  voll  Gold  und  sagte:  „Da  bab' 
ich    dir  einen  Sack  voll  Geld  gebracht, 

■  um  dieses  l  leid  w  ill  ich  deine  Seele 
haben  und  ich;  lasse  dich  noch  zwanzig 
Jahre  hin-;  dann  aber  komme  ich  sie  zu 
holen."  Diesei  arme  Mann  nahm  das 
Geld  vom  Teufel  an  und  war  ganz  fröh- 
lich, es  zu  besitzen. 

Wie  die  zwanzig  Jahre  bald  am  waren. 
fing  der  Mann  an.  sich  zu  fürchten  vor 
dem  Teufel  und  begann  dann  recht- 
schaffen zu  leben. 

Eines  Abends  ging  er  in  die  Kirche 

und  bat  ansere  liebe  Krau,  dass  sie  ihm 

helfe.    Sodann  ging  er  heim.    Zu  Banse 

kommen  'ring  ihm  der  Teufel  zu  und 


1)  Diese   höchst    sonderbare  Ansicht   über  die  Gewall  eines  Vaters  and  Mitwirkung 
Pri  stersj  d  ren  Übereifer  das  Kind  in  vorliegender  Sage  zum  Opfer  fiel,  wird  heut- 
zutage  von   niemand   mehr   festgehalten,   was  aber  nicht   ausschliesst,   dass  di 
geschichtliche  Thatsache  geglaubt  wird  von  so  manchen,  besonders  älteren  Frauenspersonen. 

Es   dürfte  bei  dieser  Sage  wohl  die  Erinnerung  an  die  Heienprozesse  vergangener  / 
einigermassen  sich  noch  erhalten  haben.    Mit  der  Erwähnung  der  B<  ichte    und  Kommunion 

im  gegenwärtigen  Stücke  dürfte  auch  die  Drohung,  oder  mitunter  blosse  Neckerei,  zu- 
sammenhängen, womit  häufig  kleine  Kinder  geschreckt  werden:  „Pait.  i  m;i\-di  pai.xtn 
T.m  faf!"  =  Warte,  ich  lasse  den  Priester  kommen,  um  dich  Beicht  zu  hören! 


172 


Bacher: 


im    li  )al  köt :    ,1  si  -  >  ke    -  tüat-dar  ant 

•i  iba-mar  rork$afl  dai  B^al,    ma  lti- 

san,    's    is-da   nö    aas,    bö-da-dar  mög 

helvan:    i   las-dar  ii"  /an  Bi'm  täga,    on 

dena  kim-<.    on  as-do  wöast.  wfavl  «c- 

-da    Bdin-da     n    main    gärt,    senk-a- 

dar  als-'s  gelt,    bö-d'-»-dar  hau  ge't,    on 

las-dar    dal    se'al    Ö."     Dar    man    is   -  - 

\N'.'V'     Äldar    läßt*     In    liuaia   aso.     on    hat 

imp  's  wori  ron  tattvl. 

Bal-da    \'Ht    gain    ^hi-i    drai 

dar    man     hat     widar    a->h</ft    zu    vörta- 

-  .  ambrdm  dar  hat  net  gawist,  bia  zo 
tüana  u>  giana    n  gärt  vmi  taüvl  zo  zelq 

(1-    Wff 

Balamao  ts-ar  gan<  pa  wega  von  laut 
aus,  im  !i:at  bokent  an  alts  wailc  On 
dfsa  alt  hat-'-  n  ägakent,  ke  dar  hat 
epas,  bä-d'-  ii  geal  lez,  on  Bi  hat-  n  gv- 
vörst  z'  sr-a.  was-ar  hat.  im  dar  mar. 
hat-'s-ar  köt.  „Bern  heu".  hat-s<  köi  di 
ah.  ..h;il-do  ni\t  ändarst  hast  zo  saina 
traur/.  du  vört-'d  <  niyt.  an  las-ma  tüan 
iin    to   zi;la   di    \\v. 

Dena  dar  man  is  gant  hiiam  on  da 
alt  is  ü  gant,  bo-8J  hat  gabat  to  giana, 

Bal-'s  is  _  wr-t  aha-  an  kernen  4? 
ii;iyt-  da  ah  is  -ant  to  köava-n-ar  a  pisla 
pigl  on  dena  is-sa  -ant  huam  an  (h)at 
ob  gatrent  di  zfax  von  pet  un  dena  is- 
boplglt  vö  z"  iintr  st  z'  Öbrast,  on 
dena  ls-sj  gabeglt  (gaweglt)  in-an  ch 
v.d'rn  von  pet.  Bal-sa  is  auvarkent 
von  yfdarn,  hät-ma  net  darkent.  be-'s-is 
a  rögl  6dar  bas-vor-a  vi_\  's-is,  un 
a-M  fs-SJ  gant  in-an  gärt  von  taüvl. 

A  waila  spetar  is  -  ar  ziiagant  dar 
taüvl  un  b)at  ägasmekt  diza  dink  un 
h  at  köt:  ..In  main  gärt  säin-da  naün- 
ii  aiinz  k  weg  da  on  i  pin  gant  hintar 
un  vtir  vd  vart,  ma  a  sola  säüla  dink 
hau- --da    ma    g>segga,    on    dena    is-ar- 

-  .  k<  lart  im  hat  köt  ggan  gartnar: 
..Sau-  -da  diza  dink  bil-a  net.  as-do- 
mar-'s  Srfiarst;  las-as  gian  bintar  on  vür, 
bö's  bil.  on  tfia-d"--n  net  lezas!"  on  dena 
dar  taüvl  is  gant  na  saina  weg'  on  dar 
gartnar  is  -ant  tu  arbata. 


..  Ich   soh's.    dass   es   dir   leid   thut 

mir  deine  Seele  verkauft  zu  haben:   je- 
doch hön  bi  nueh  ein  Ding,   das 

dir  hellen  kann:  ich  lass  dir  noch  si' 
I  ige  Zeit  und  dann  komm'  ich,  und  wenn 
du  wcisst,  wie  vieh  Weglein  in  meinem 
Garten  Bind,  schenk"  ich  dir  das  ganze 
Geld,  welches  ich  dir  gegeben  habe,  und 
lasse  dir  auch  deine  Seele."  Der  Mann 
war  ganz  fröhlich,  solcb.es  zu  hören  und 
ging  auf  das  Wort  des  Teufels  ein. 

Als  drei  Tage  vorbei  waren,  fing  der 
Mann  wiederum  an  sich  zu  fürchten, 
denn  er  wusste  nicht,  wie  er  in  den  Garten 
des  Teufels  gelangen  könnte,  um  die 
Wege  zu  zählen. 

Nun  ging  er  durch  die  Strassen  des 
Dorfes  und  begegnete  ein  altes  Weib. 
Diese  Alte  sah  es  ihm  an,  dass  er  etwas 
habe,  was  für  ihn  misslich  sei.  und  fragte 
ihn.  was  er  habe,  und  der  Mann  teilte  es 
ihr  mit.  „Nun  nun",  sagte  die  Alte,  ..wenn 
du  nichts  anderes  hast,  traurig  zu  sein, 
so  fürchte  dich  nicht  und  lass  mich 
machen,  die  Wege  zu  zählen." 

Alsdann  ging  der  Mann  heim,  und 
auch  die  Alte  ging  ihre  Wege. 

Sobald  es  Abend  war  bei  Anbruch  der 
Nacht,  ging  die  Alte  sich  ein  bisschen 
Harz  zu  kaufen,  und  dann  ging  sie  heim, 
trennte  den  Bettüberzug  auf  und  bestrich 
sich  (mit  Pech;  von  zu  unterst  bis  zu 
oberst  und  wälzte  sich  dann  in  den  Bett- 
federn.  Wie  sie  von  den  Federn  heraus- 
kam, konnte  man  nicht  erkennen,  ob  das 
ein  Vogel,  oder  was  für  ein  Tier  es  sei. 
und  so  ging  sie  in  den  Teufels- 
garten hinein. 

Kine  Weile  später  ging  ihr  der  Teufel 
zu.  roch  dieses  Ding  an  und  sagte:  „In 
meinem  Garten  sind  neunundneunzig 
Weglein,  und  ich  bin  (darauf)  für  und 
um  gegangen  vielmals,  aber  so  ein  ab- 
scheuliches Ding  hab'  ich  nie  gesehen.* 
Dann  wendete  er  sich  und  sagte  zum 
Gärtner:  „Schau  da  dieses  Ding  will  ich 
nicht,  dass  du  mir's  anrührst;  lass  es  für 
und  um  gehen,  wo  es  will  und  thu  ihm 
nichts  zu  leide!"  Dann  gingderTeufelseine 
Wege,  und  der  Gärtner  ging  zu  arbeiten. 


Von  dem  deutschen  Greni  im  wfilschen  Südtirol. 


Bäl-sa    vort    sain    g^wgst    al 
da    alt    i-    gant   kräblan  >  fit  itar 

von  gärt  on  denn  ls-bj  angestaut  an  is 
häam.  Dahüam  hat-s  -da  g^vuntd 
.Mi  man  zu  päita1),  /.'  s^ga,  be-s^  £pas 
hat  getaut.  Od  si  alöra  hat-  n  köt.  v. 
da  hat  köt  dar  taüvl.  ()n  er  is  hüain- 
gant  aldar  1  n~i  . 

Bäl-da  aus  sain  g  wesl  di  si'm 
dar  taü\  I  is  kent  on  hat-  n  g  \  i  »rst  /' 
be-dar-'s  w^ast,  wiav]  weg«*  da 
säin-da  »n  sain  gärt,  an  dar  man  hat-'s 
_  .\  ist  g  w  "a>l  im  li  at-'s-  n  köt.  Un 
alöra  dar  taüvl  is  darzürnt2  an  h  ai 
vorvlüaxt  »n  man  an  das  saüla  (link. 
bo-da  is  -  >\\  §st  n  sain  gäi  t.  ma  s 
hai-n  ni.\t  mear  g<?holft,  orabrüm  dar 
man    hat -'s-  »n    ki  i  .    blavl    w  gg  ■ 

sain-da  m  gärt. 

I  )n   dar   taüvl  is  vörtgant  Itirnan  >  an 

li  at-s  i  m'mar  g  lat  segn  von  man.     ( )n 

dar  man   hat  guiüzt  's  gelt,    bo-d'-ar  oö 

hat    g  -hat.    un     h  al  g  taut  g 're\t  an     h  al 

olft  dar  ahn  un  is  auvarkent  a  s 

tar   lnavatar   man. 


Als  beide  Fort  waren,  kroch  die  Ute 
Ins  zum  (  ritter  d( 

auf  und   ging  heim.     Zu  Haus.'  tral 
den  .Mann,  der  wartete,  um  zu  erfahr 
ob    sie    etwas    gethan    habe,      und 
teilte    ihm    dann    mit.    was    der  Teufel 

_t     hatte.      I  heim     IVol 

Mutes. 

Als    die    sieben  Tage    vorbei    w 
kam    der  Teufel   und    fragte  ihn,    ob  er 

.\  isse,    wie   viel   Wege  es   in  seinem 
( iarten    gäbe,    und   der  Mann  w  assti 
und  sagte  i  s  ihm.    Da  wurde  der  Teufel 
zornig  und  verfluchte  den  Mann  und  das 

heuliche  Ding,  das  in  seinem  <  Iarten 
gewesen    war.    allein    es  hat  ihm  nichts 
mehr   genützt,    denn    der  Mann   Bagti 
ihm    recht,    w  ie    \  iele  W  ege   im  <  Iarten 
wären. 

Der  Teufel  ging  heulend  rorl  ai  I 
Hess  sieh  nicht  mehr  sehen  vom  Manne. 
Der  Mann  aber  hat  das  Geld  verwendet, 
welches  er  noch  hatte,  bat  rechtscl 

hülfen   und    ist   ein 
guter,  braver  Mann  gew orden. 


23.    Di  trüt. 

In  an  >lroa\  is-da  g«»w§st  a  jimas 
näügas  pär  spdsan,  un  an  an  mal  sain- 
sa  gant  /.'  slava,  un  »n  pet  as-sa  sain 
gnvgst,  ha'm-sa  gdioart  gian  laisa  laisa 
pa  stüb'  in,  un  als  a  slr<Jax  dar  sp 

d  mear  gewest  göat  tu  niara-s>.  ne 
zo  reda  un  (h)at  <£g ■  vaim  za  kraista,  un 
alöra  di  spösa  hat-san  gewarnt  un  (h)at- 

ge't  an  supf  un  alöra  er  Imt-s '  widar 
_  mögg  rtiarn  un  (h)at  widar  gm 
r<;"n  un  (h)at  köt,  gga  bäl-sa  ha'm  _  - 
hoart  g-fan  pa  stüb«*  in,  als  n  str^ax 
is-  »n  gaspruioio  epas  afn  laib  on  dena 
is-ar  nemear  gawest  guat  ne  tu  rüara- 
Sa,  ne  to  reda.  on  bal-s"- -n  si  hat  ge't 
an    supf.    is    widar    vörtgant  dasei  swer 


23.    Die  Trute. 

Einmal  war  ein  ju  i  eues  Ehe- 
paar, und  eines  Abends  gingen  sie 
schlafen,     und     als     sie     im    Bette   waren. 

horten   sie  ganz  leise  zur  Stube  hen 

n.  und  auf  einmal  war  der  Gemahl 
nicht  mehr  im  stände  sich  zu  rühren, 
noch  zu  reden  und  hat  angefangen  zu 
stöhnen,  und  dann)  die  Frau  mi 
dies  und  gab  ihm  eil  :  ■  worauf 
er  wieder  Bich  rühren  und  reden  konnte 
und  sagte,  dass,  sobald  sie  zur  Stube 
hin.  ;  i    hatten,   ihm   auf  ein- 

mal   etwas    auf    den    Leih    gesprui  - 
und    er    sodann    nicht    mehr    im  stände 
sieb    zu    rühren,    oder   zu 
en,  und  als  sie  ihn  schupfte,  sei  di 


1)  Zu  ergänzen  etwa:  bo-da  is  gawgsl   sc'm  zu  päita. 

2)  Man    erwartet   hier   einn    rückbezügliche  (reflexive)  Wendung  des 

taüvl  is-sa-sa   darzürnt.    Um    jedoch   de..  Zustand   zu  bezeichnen,   wird  die  obenstehende 
Form  angewandt;   ähnlich  auch:    's  is  I  &  verrostet,   's  is  darrist 

zerrissen:    dar  krank  ist   äugadekt       der  Kranke  ist  zugedeckt  -  dar  krank  Es-sa-sa 
dekt  =  der  Kranke  hat  sich  zugedeckt. 


171 


Bacher: 


to-dar    i';it  gshai  afu  laib.     Die 

-  üt    un  (li  |at   niäjDi 
g  u ist,    i  dasei.     In    tä1    dai n8 

sain  .    stanl    dis <    zw  na    laut    on 

dena    bä'm-sa-'s-ar    k « »t  dar  raüatar  um 

-.     im    si     hat    ag-<\ann     tu     la\a     un 
b  .it  köt,  gg<  's  is  di  trüt.    Äbas  bal-sa 
sain  gant  z'  slava  is-'s  wid  _  i  a- 

be   "s   mä]   in   tä'  vorft,    un  asd  is-'s  _  - 
i  an  etlan  t  -  .  on  dar  spüs  is  herta 
kent    lezar.    umhrüni    di    trüt   hat-   □    s   - 
tutsK  's  plüat. 

In  an  mal  dar  spüs  invezj  \\ 
_iai:a  /.'  -lava  is  -  ar  -  -  a  :_  lüant  na 
dar  tür  vo  dar  stüba  bet  n  ggaviz  von 
n  d  hänt.  an  cl i  spüsa  is  gant  »n 
pet.  Balaraau  hät-ar-s  •  g  h'>art  er  gian 
di  trat  pa  stiagj  au.  im  Cm-,  bal-s?  is  gj- 
\\  r>t  af  d'  tür,  hät-ar-ar  vürgalegg  's 
ggaviz,  on  d'  trüt  is  gant  <m  ggavi'z  un 
is  kent  a  ro>.  Un  alöra  dar  spüs  is  gant 
to  rüava  ?n  smit  tu  boslaga  d>  vtias  von 
ros  >-  zo  lega  d<?  aisandar  an  ros).  Dar 
smit  is  augastaat  von  pet  un  is  gant  on 
h)at-"s  boslagg,  on  dena  is-ar  wldar 
gant  hüam  un  (h)at  gavuntat  sal  waib 
'ii  pet1)  hat-'s  g/\vcal)/t  vo  beata,  om- 
brüm  s'-is  g^west  si  di  trüt:  on  lai  as 
be-dar  hat  g:hät  ii>-mägg4  di  negl  in  d,' 


Bchwerc  Ding  wieder  gewichen,  das  er 
auf  dem  Leib  gehabt  hatte.  Die  Ge- 
mahlin horchte,  und  auch  sie  wusste 
nicht,  was  dies  sei.  Am  nächsten  Tage 
Standen   dies«'  zwei  Leute  auf  und  sagten 

ler  Matter  des  Ehemannes,  und  sie 
ling  an  zu  lachen  und  sagte,  dies  sei  die 
Träte.    . abends,  als  sie  schlafen  gingen, 

bah  i ■>  wieder,  wie  am  Abend  zuvor, 
und  so  ging  es  einige  Tage  lang  fort, 
und  der  Gemahl  wurde  stets  schwächer. 
da  ihm  dieTrute  (das)  Blut  gesaugt  hatte. 

Eines  Abends  lehnte  sich  der  Gemahl 
nahe  der  Thür  der  Stube  mit  einem 
Rossgebiss  in  den  Händen  auf.  anstatt 
schlafen  zu  gehen,  und  die  Frau  ging 
zu  Bette.  Da  hörte  er  die  Trute  die 
Stiege  heraufgehen,  und  er  legte  ihr. 
als  sie  an  der  Thür  war.  den  Zaum  vor. 
und  die  Trut  ging  ins  Gebiss  und  wurde 
ein  Ross.  Dann  ging  der  Gemahl  (hin), 
den  Schmied  zu  rufen,  um  das  Ross  zu 
beschlagen.  Der  Schmied  stand  vom 
Bette  auf,  ging  und  beschlug  es  und  ging 
dann  wieder  heim  und  fand  (da)  sein 
AVeib  im  Bette,  wie  es  ächzte  vor  Schmer- 
zen, denn  sie  war  die  Trute;  und  gerade 
so,  wie  er  die  Nägel  in  die  Hufe  des 
Rosses    eingeschlagen   hatte,    waren  die 


vtias  von  ros,   säin-da  g  wr-t  i'jwruäggat  Nägel    in    die  Hände    und  Füsse  seines 

di  negl  in  da  hänt  on  in  da  vtias  vö  sain  Weibes  eingeschlagen.  Wie  der  Schmied 

waiba.    Bal-d'-ar  hat  gasegg  asö  dar  smit,  solches    sah,    kehrte    er  wiederum    zum 

is-ar  gakeart  bdrüm  ggan  spüs  un  (h)at-  Gemahl  zurück  und  bat  ihn,  dass  er  ihn 

an  g^pit't.   äs-ar-an  las  auszlagn  di  negl  die  Nägel  vom  Rosse  herausziehen  lasse, 

von  ros,    umbrüm  sa-nö  sal  waib'  niö.\t  denn  sonst  müsse  sein  Weib  sterben  vor 


ster  m  vö  weata  in  cü  hänt  on  in  d'  vüas. 
Un  alöra  hä'm-sa  darkent,  bela  Vis  di 
trüt,  on  dar  smit  hat-an  gmiüxt  vorhöasn 
n  spüs  za  straita  zuar  sain  waib',  un 
as-'s  nemear  gea  zo  tütsla  -  n  -  n  's 
plüat. 

Un  dena  hät-ar- <n  äus-g  lat-ziagn  di 
negl  von  ro>  un  ;h  at-ar  vorzaigat,  on  dar 
smit  is  gant  hüam  un  hat  ingamäggat  an 
nag]   in  d>  maur  un  (h)at  köt  ggan  waiba, 


Schmerzen  in  den  Händen  und  Füssen. 
Da  erkannten  sie,  welche)  wer  die  Trute 
sei.  und  der  Schmied  musste  dem  Gemahl 
verheissen,  seinem  Weibe  einen  Verweis 
zu  geben,  und  sie  solle  nicht  mehr  ihm 
Blut  auszusaugen  gehen. 

Sodann  liesser  ihn  die  Nägel  vom  Rosse 
herausziehen  und  verzieh  ihr,  und  der 
Schmied  ging  heim  und  schlugeinen  Nagel 
in  die  Mauer  hinein  und  sagte  zum  Weibe, 


hat  lu>t  zo  tütsla  an  da  laut,    as-  sobald  sieLust  habe,  an  den  Leuten  zu  sau- 

-     gi  ,i  zo  tütsla  an  nägl,    un  aso  hat-sa  gen,sollcsiehingehen,andemNageIzusau- 

gatant  un  is  nimar  niear  andarst  gant  zu  gen,  und  so  hat  sie  gethan  und  ist  niemehr 

tütsla    n  spüs.  gegangen  vom  (jungem  Gemahl  zu  saugen. 


1    Eine  bei  Gesprächen  manchmal  mitunterlaufende  Zusammenzielmug. 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Luscro  im  wälschen  Südtirol. 


24.    A   diarn,   bo-da   LS  g  *w  fsi  a  t  rm. 

In  an  strfjax  sain-da  gant  zw^a 
iliarnm  von  an  perga  nldar  zn  giana  n 
.1  tfil  ggan  ar  mül  zo  nema-n-^n  a  ggargj 
mel.  Bäl-sa  sain  gaw§st  gga  dar  mül, 
bä'm-sa  gakgaft  's  mel,  un  dena  ha'ni- 
--,1-  auganump  un  sain  g-*keari   badrum. 

Bäl-sa  sain  gawfst  af  lial'ni  weg  , 
bä'm-sa  nidargalegg  tu  rasta,  un  uana  is 
»ntsläft,  un  lai  is  -  ar  kent  a  bubu  pa 
maul  äuvar,  on  dena  is-SJ  se'm  g  stant 
sovl  as-be  a  töata.  Da  andar  dfarn,  bal- 
s  i  hat  .  -  _ .  .  is-s'  darsrakt  un  (h  at 
inii  tu  sutla  un  tu  rüava  dar  -nl- 
slävatn;  ma  di  sntslävata  [s-s^-sa  net  ga- 
rüart,  ombröm  sa  hat  ni\t  gah^art.  A 
pisla  spetar  iV-ar  widar  gant  dar  bübu 
n  maul  im  pa  hals  nldar,  im  dena  is->< 
darwekt.  Alfira  da  andar  diarn  hat-s<? 
gavörst  /.'  sega,  bas-vor-an  beate  si  bat, 
5-sa  se'm  is  g'West  a  Solana  waila 
as-be  a  töata.  im  dasei,  bo  -  da  is  - 
west  »ntsläft,  bat  köt:  -Ben  i  kn-dar-  s, 
ma  i  pit-  d  .  ku  gga  niamat  nixt:  i 
pin  a  trut.  on  pal-d'-<  pin  gaw§st  ant- 
släft,  pin-'  vörtgawest  za  tutsla  plüat 
von-an  man  au  n  üsar  laut."  D  andar 
bat-ar  vorhnast  to  küda  nixt  gga  nia- 
mat. on  dena  säin-sa  kent  fiuam. 


A  drai  jär  sp^tar  di><  zw$a  diarnan 
hä'm  gahat  epas  to  köda  (=  zo  straita) 
b-tnändar  un  alöra  bat-sa-'s-ar  köt  se'm, 
bo-da  sain  gawest  a  küta  laut,  un  (h)at 
köt:  „Swaiga  du  on  kü  net  au  d<n  an- 
dar, ombrüm  äs-ma  bil  ko'n  as-be-'s-is: 
du  pist  a  trat."  Un  alöra  da  andar  is 
vörtgakeart  gäülana  im  (h)at  nimar  _  - 
-tnt  i   b  t  niamat. 


24.    Ein  Made  bcn  als  Trute. 

Einmal    gingen    zwei    Mädchen    von 
einem  Berge  hinab  in  das  Thal  zu  einer 
Mühle,    um    eine  Bürde  Mehl  zu  holen. 
Als    sie    bei   der  Mühle  waren,    kauften 
das  Mehl,    nabmei  lann    auf 

und  kehrten  wieder  zurück. 

IIa  sie  die  Eälfte  Weges  zui 
bauen,  stellten  sie  nieder  um  zu  rasten, 
und    eine    schlief   ein,    und   es  kam  ihr 
dabei  eine  Bummel  zum  .Munde  heraus, 
und  sie  blieb  dann  dort  los  .  vt ie 

eine  Tute.  Das  andere  Mädchen,  als 
solches  sah,  erschrak  und  ftng  an  die 
Eingeschlafene  zu  schütteln  und  zu  rufen; 
allnn  die  Eingeschlafene  rührte  sieb  nicht, 
denn  sie  borte  nichts.  Ein  bisschen  später 
ging  ihr  die  Bummel  wieder  in  ^Im  Mund 
(zurück)  und  zum  Hals  hinunter,  und 
dann  wachte  sie  auf.  Alsdann  fragte  das 
andere  Mädchen    sie,    um    zu    erfahren, 

was  für  eine  Krankheit  sie  habe,  dass 
sie  dagelegen  ist  eine  solche  Weile,  wie 
eine  Tote,  und  die,  welche  eingeschlafen 
war.  saute:  „Wohlan,  ich  sag's  dir,  aber 
ich  bitte  dich,  sage  zu  niemand  etwas: 
ich  bin  eine  Trute,  und  als  ich  einge- 
schlafen war.  bin  ich  fort  gewesen.  Blut 
zu  saugen  von  einem  Manne  droben  in 
unserem  Dorfe."  Die  andere  verhii  ss 
ihr,  ZU  niemand  etwas  zu  sagen,  und 
dann  gingen  sie   heim  wärts). 

Etwa  drei  Jahre  später  hatten  diese 
zwei  Mädchen  miteinander  zu  zanken, 
und  da  bat  sie  es  ihr  vorgehalten  dort, 
wo  eine  Menge  Leute  waren  und  sagte: 
_Du  schweig  und  schimpfe  nicht  andere 
aus.  denn  will  man  sagen,  wie  e>  ist:  du 
bis!  eine  Trute."  Und  dann  machte  sich 
die  andere  weinend  fori  und  hat  nimmer 
mit  jemand  gestritten. 


25.    Di   ptial an    —   a  trat. 

In  an  >tma.\  i's-da  gawest  a  pua 
un  a  dfarn,  zwöa  ptiallaüt.  Disa  zwoa 
laut  hä'm-sa  gdialt  t  gearn  anänd  <r. 

Balamän  dar  pua  hat  UgavanuD  tu 
giana  urnanandar  bet'n  tseln  an  da  an- 
darn    haüsar,    un   an    an    mal    t's-ar  gant 


Die  Gel  iebte  —  ei  ne  Trute 

Einmal    waren   ein  Barsche   und  ein 

Mädchen,    zwei   Verliebte.      Diese    zwei 
Leute   hatten  sich  einander  gern. 

Allmählich  fing  der  Bursche  an.  her- 
umzugehen  mit  den  Kameraden   in   (die 
andere(n)  Häuser,  und  eines  Abends  ging 


Bacher: 


a    bans,    on    Be'm    bä'm-s'-Jti    auköl 
v\\   \{  dar  ptial  n.    im  .ii  i:>' 

dam  i    to  vena  dfsa  dfarn, 

<m     il i sa     diarn     hat-  i;     _    vörst     /     9i 

bö-d'-ar    is    g'w§s1   äla  dfsa  zait,    bö-d'- 

nc-niear    is    _  »w^sl    to    vena       Dil 

dar   pua    hät-s-ar   köt,    on    lai   hat-ar   köt, 

bainl  is-'a  das  lest  mal,    bo-d'-ar-8J 

tu  vena,  ombrüm    r  bil-s  >  net.    Un 

im    diarn    bat  -'s-ar   am    -  -taut,    un 

(h  at     agnann    tu    gaüla     un    (hat    köt: 

„Ben    g£a,    i   bart-dar-'s  zäln.ft     In  dar 

-  angjstant  un  is  gant  vort. 


In  t:V  damfi  daz  äbas  dar  pi  ■;  1- 
gant  /.'  släva  au-af-a  tets,  un  balaman 
hat-ar  gdn'iart  gian  pa  häntstäagj  au  un 
pa  tet-  in.  un  als  a  str^ax  is-ar  nemear 
_  »wesl  guat  tu  ruara-s>.  un  asö  is-.ro 
an  etla  rnäl,  l'i'n  as-da  disar 
püa  nemear  is  g^west  guat  to  giana 
üniar  vo  lez,  bö-d'-ar  is  g«/west. 

En  a  mal  is-'ii  kent  in  sint,  k<  's- 
möx  Silin  ch  trat,  bö-d'-^n  geat  za  tüt- 
sla  's  pluat,  un  er  ?n  t;V  darnS  hat-ar- 
9i\  g-nump  an  hamar  un  is  gant  au-af- 
d'  tets  an  is-s<?-s<?  äug^lüant  na-dar  tür. 
Balaman  hat-ar  gdiöart  gian  pa  stiaga 
au  lais<?  lai-',  un  er  hat  g^sangst  un 
(l^at  gasegg,  ggj  's-i's-a  kaz.  ün  er. 
bal-sa  is  gawest  z'  jjbivst,  hat-ar-ar  ge't 
an  ströax  afn  köpf  petn  hamar.  un  disa 
kaz  hat  ge't  an  saülan  sniäuBElar1)  un 
alt  Öbar  d  •  stiag.»  ab». 

En    tu'    darna    dar    piia    is    kent    vo 

dar  tets  äta  un  (h)at  bokent  sal  püalan 

betn    köpf  ängapunt^t,    un    alora   hat-ar 

■  a    8-is  d  -  trut,    un  hat-'s  g»- 

-   am,    äs-ar-ar    hat    g^hat    ge't 

(oder:  as-ar-ar  hat  g'hät  ge't)  di  züa. 

26.    Di  drai  Mariala. 

In  an  strüax  säin-da  gvwest  drai  swes- 
tarla.  bo-da  hä'm  u  diattöatvatarunmiiatar, 
un  (h>Vm  gahat  vd  suln,  bö-d'-  n  hi'ntar- 
ha'm-g^lat  sain^  laut,  bal-sa  sain  g^storbst. 


er  in  ein  Haus,  und  dort  erzählte  man 
ihm  viel  Übles  über  seine  Geliebt",  und 
dar. ml'  dieses  Mädchen  zu 
besuchen,  und  3  Mädchen  fragte  ihn. 

wo  er  diese  ganze  Zeit  hindurch  gewesen 
sei,  in  welcher  er  nicht  mehr  sie  zu  be- 
suchen  gekommen  war.  Und  der  Bursche 
ihr  und  fügte  hinzu,  heute  sei 
es  der  letzte  Abend,  au  welchem  er  >.u 
ihr  auf  Besuch  komme,  denn  er  wolle  sie 
nicht  (mehr).  Und  dieses  Mädchen  bat 
es  geschmerzt,  und  sie)  fing  an  zu  weinen 
und  sagte:  „Gut,  gehe,  ich  werde  dir's 
zahlen."  Und  der  Bursche  stand  auf 
und  ging  fort. 

Am  nächsten  Taue  abends  ging  der 
Bursche  schlafen  hinauf  auf  den  Dach- 
boden, und  allmählich  hörte  er  (etwas) 
zur  Leiter  hei  auf  und  über  dcnDachboden 
hineingehen,  und  auf  einmal  war  er  nicht 
mehr  im  stände  sich  zu  rühren,  und  so 
geschah  ihm  etliche  Abende,  bis  dass 
dieser  Bursche  nicht  mehr  im  stände  war. 
herumzugehen  vor  Schwäche. 

Eines  Abends  fiel  ihm  ein,  es  müsse 
dies  die  Trute  sein,  die  komme  Blut  zu 
saunen,  und  er  nahm  sich  tags  darnach 
einen  Hammer,  ging  auf  den  Dachboden 
und  lehnte  sich  neben  der  Thür  auf.  Nun 
hörte  er  sie  die  Stiege  heraufgehen  ganz 
leise,  und  er  schaute  und  sah,  dass  es 
eine  Katze  (ist)  war.  Und  er  gab  ihr.  als 
sie  zu  oberst  war,  einen  Schlag  auf  den 
Kopf  mit  dem  Hammer,  und  die  Katze 
gab  einen  abscheulichen  Schrei  von  sich 
und  fiel  über  die  Stiege  hinab. 

Am  folgenden  Tage  kam  der  Bursche 
vom  Dachboden  herunter  und  begegnete 
seine  Geliebte  mit  verbundenem  Kopfe, 
und  alsdann  erkannte  er,  wer  die  Trute 
ist,    und    er    war   froh,    dass  er  ihr  den 


26.    Die  drei  Marielein. 

Einmal  waren  drei  Schwesterlein,  die 
Vater  und  Mutter  (tot)  verloren  und  viele 
Schulden  hatten  als  Hinterlassenschaft 
nach  dem  Tode  der  Ihrigen  (ihrer  Eltern). 


■  läuimln      miauen:   davon  werden  die  Hauptwörter:   sniaurawlar  (Katzenlaut)  und 
süi.iuimlarin  oder  sniäoBBlaran  =  beharrliche  Hervorbringerin  dieses  Katzenlautes  gebildet. 


Von  dem  deutschen  Grenzpo  teu  Lusern  im  wälschen  Südtirol. 


1 


Balaroäo  diseln,  bö-da  hä'm  g  hui  tu 
bäba  s  gelt,  hä'm-'a  g  wölt  bä'ra,  un  di 
.Hin  Mi  kindar  ^v\t  hä'm-sa  kuäs  g^hat, 
on  a '  bä'm  g  hat  a  pisl  i  g^plätra  \  on 
haus  un 's  haus,  bö-sa  dfin  sain  g  w§st, 
un  (h)ä'm  Mi  ge'l  dasei  n  -ulman  n. 
Dena  bä'm-sa  köt  disj  arm<?n  kindar: 
„Bia  bärt  -  bar  tüan  est  ana  haus?" 
„Vör't-bar-as  ni\i-,  hat-'s  köt  das  eltai 
_got    dar  hear  bart-as  hei  van;    gst  gSa- 

ibar  d  weit  to  süaxa-n-as  an  plaz 
tu  giana  /.'  stiana",  —  un  (h  ä'm  andar- 
wi-t  on  sain  gant.  In  kern  an  di  naxt 
sain-ScJ  _ rd'i  in  an  walt,  an  mi  disan 
walt  sain-Srf  gant  zo  vorlur  un  h)ä'm 
nemear  g*wist  af  w£la  sait  zo  giana 
im  aldra  hä'm-sa  köt:  »Beo,  est  stea- 
bar  da   im   maxan-as  iU1   ;l  haüsk",    an 

hä'm-sa  g«rtant.  Sa  hä'm  ztiag  tragg 
räisar  im  (h)ä'm-an  augamaxt  a  haüsl?, 
im    dena    hä'm-s'-»n   hYg<?hakt  's   här  un 

m  a  ni.iii  drai  wait-  zöpf  (drai  zöpf 
vö  vll  straiaan)    un    petn   zöpf  hä'm-s'-  8 

kt  's  liaii-l'.  Dena  is  ingant  das 
eltarsto  swestarl^  z'  sfga,  be-'s  is  grQas 
uMiiia  's  haihh  vor  ah  drai.  un  bal-'s 
m  is  gvwest,  hat-'s  züag^sperl  's  tttrla 
un  (h)at-s^  not  ing-dat  d-'  andarn.  un  s-? 
hä'm  äudarwist  im  sain  gant  pa  walt  in 
gaülan?. 

Balamaa  hä'm-sa  bokent  an  man  an 
bet-ana  purd ■>  vlekan  un  darsei  hat-s^ 
_  vörst  /.'  sf'ga.  bas-sa  hä'm,  äs-sa 
gaül(n).  un  so  ha'm-'s-  n  köt.  „Eben", 
bat-ar  köt  dar  man.  „dasei  is  ni\t:  vor 
uas  raax-3-'s  an  i  's  haüsl?,  un  vor  das 
an  dar  bart  ttian  got  dar  hear",  on  lai 
dlsar  man  hat  agavaßE)  to  maxa-'s  au. 
im  (h)at-'s  gadekt  bet  vlekan,  un  dena 
is  ingant  das  mitar  diarnb  un  (h)at  gs>- 
spert  's  türb  un  alora  das  jtbaarste  is 
se'm  g^stant  alua  un  is  hat  äudarwist 
un  is  gant  pa  walt  in  gaülana. 

Bal-'s  is  g^we.-t  an  tyggo  vür,  hat-  s 
bokent  an  man  an  pet-anar  purd'  äisan 
un  dlsar  man  hat-'s  g^vörst  z'  - 
bäs-,;>s  hat,  un  is  hät-"s-<<n  köt,  bas-d'- 
<>n  hä'm  g^tänt  di  zwga  swestarla.  „E 
be»",  hat-ar  köt  dar  man,  „swaiga  un 
gaül  net!  i  max-dar  1  au  n.is  a  haüsl.?", 


Mit  der  Zeit  wollten  di< 
haben,  und  die  armen  K  dien 

keines,  sie  hatten   nun  ein  bi  ö 

te  und  das  Baus,  worin  sie  wohl 
und  gaben  dasselbe  den  <  rläu bigern.  Dar- 
auf sprachen  diese  armen  Kinder:  _  w 
werden  wir   mm  anfangen  ohne  Bau 
in  wir  nicht  verzagt  (fürchten  wir 
nicht  las  älti  sie.  „<  Sott  der  II 

wird  uns  helfen;  jetzt  gehen  wir  in  die 
Welt   hinaus,    um  uns  einen  Dienstplatz 
/u  suchen",        und  sie  machten  sich 
und  gingen.   Bei  Anbruch  der  Nacht  I 
ten  sie  in  einem  Walde  an  und  verirrten 
sich  in  diesem  Wald  und  wussten  nicht 
mehr,  nach  welcher  Ricbtui 
sollten,    und    sprachen  dann:    „Wohlan, 
bleiben  wir  da  und  erbauen  wir  uns  ein 
Häuschen",  und  so  thaten  Bic  Siebrachten 
Reiser   herzu   und  bauten  ein  Baus« 
auf.  und  schnitten  sich  dann  das  Haai 
und  machten  drei  breite  Zöpfe  drei  Zöpf 
aus  vielen  Baarstrangen)    und    mit    i\vn 
Zöpfen  deckten  sie  das  Häuschen.   Dann 

das    älteste   Schwesterchen    hinein, 

um  zu  sehen, ob  das  Häuschen  gross  genug 
sei  für  alle  drei,  und  als  es  drinnen  war. 
sperrte  es  das  Thürlein  zu  und  liesE 
andern  nicht  hinein,  und  sie  machten  sich 
auf  und  gingen  weinend  den  Wald  hinein. 
Nach  einer  Weile  begegneten  sie  einem 
Manne  beladen  mit  einer  Bürde  Bretter 
und  derselbe  fragte  sie,  was  sie  hätten, 
dass  sie  bo  weinten,  und  sie  sagten's  ihm. 
„Ei  nun"  der  Mann,   „das  macht 

nichts:  für  eines  mache  ich  das  Bäuschen 
(auf,,    und   für  das  andere  wird  Gott 
gen",  und  Bogleich  linv,  dieser  Mann  an. 

,i  bauen,  und  deckte  es  mit  Brettern, 
und  dann  ging  das  mittlere  Mädchen  hin- 
ein und  schloss  das  Thürlein,  und  das 
jüngste  stand  nun  allein  da  und  machte 
sich  auf  und  ging  weinend  den  Wald  hinein. 
Als    es    ein   Stück    vorwärts   war.     be- 

iete  ihm  ein  Mann,  beladen  mit  einer 
Bürde  Bisen  und  dieser  Mann  fragt« 
was  ihm  fehle,  und  es  sagte  es  ihm.  was 
ihm  die  zwei  Schwesterlein  getban  hätten. 
..hi  nun",  sagte  der  Mann,  „schweig  und 
weine  nicht!   ich  baue  dir  ein  Häuschen", 


178 


im  l.ii  hät-ar-         ._  maxi      aisrn  haüsl  • 

im  b  .  »dekl  bet  disran  platn,   un 

i  hät-ar-  n  g  maxi  drai  äisran  • 

um     h  at    köl     „£  _  I,    im 

in-  n   haüsl '  un  sper  di  ttlr  an 

oiamat   of*,    an  as-da  «.-par  llls  xv'l 

m  Mi     per     t'niz;i.    glüan    « i i    n$gl    un 

pk-m  aus  <l  »>t'l  n.  ke  5a  stfan  lai  tö^at." 

ün  dena  dar  man  is  mint. 

In  d^nsel  wart,  bo-da  sain  g?west  di 
drai  diarnla,  is-da  g^wfst  an  altar  pfr, 
bo-da    herta    (härta     hat    g'W^ast    als, 

bas-  -  t   in  dmsel  walt,    im  Gr  is 

partlrt  un  is  gant  tu  stiaYa  das  rarst 
haüsl '  un  (h  at  -  's  grünt  t.  un  alora 
hät-ar- <n  g  riiai't  un  (h)at  köt:  „Hö  Ma- 
naD,  töa-mar  ofe!"  an  's  <liarnl<  hat  köt: 
_.\u-na.  i  tüa-dar  net  of«1",  un  alora  bat-ar 
köt  dar  pär:  -Ben.  as-do-mar  net  ofctüast 
b  in  gäatn,  tua>t-idio-mar  ofr  bi't'nzniv.tn". 
un  lai  l's-ar  gant  au  als  dax  un  (h)at  of<» 
g  proxt  's  dax  un  is  nfdar  gant  un  (h)at-'s 
g^vrest,  un  dena  is-arg  keart  b-drum. 

's  mal  darna  i's-ar  wular  gant  to  sea\a 
das  ändar  haüsl  >  un  hat-'s  g-»vunt  t  un 
hat  g-riiaft-m  diarnla  un  (h)at  köt:  „Hö 
Maria!-,  ai  i  .  tna-mar  of  !"  _Na".  hat- 
's köt  's  diarnl  .  ..i  tüa-dar  nivt  of-»." 
-Ben",  hät-ar  köt,  „as-to-mar  net  of* 
ttiast  betn  guatn,  tüast-*(d  o-mar  ofe  betn 
zni\t".  un  is  gant  als  day  un  (h)at  augw- 
zcrt  d'  rlekan  un  is  nfdargant  un  h 
st  an  dena  is-ur  gant  bMrum. 

In  t;V  darna  i's-ar  gant  to  süa\a  's 
haü>D  vu  d  Mi  jünaiM  -  swestarU  un  (b)at- 

s  vunt-t.  im  bäl-d'-ar  hatgasegg.  gg 
1  sola  starb  s.  i's-ar  darsräkt,  un  dena 
bat-ar  g^ruaft  m  dfarnD  un  1  h)at  köt: 
„Hö  .Manal'.  ai  1  tua-mar  ofe!"  _Xa-na". 
hat-'s  köt  's  diarnl'/,  ..i  ttia  mamut  ofo.'- 
„Ben",  hät-ar  köt  dar  par,  _i  bgas  an 
akar  pöan;  äi  I  .  bar  gian-SJ  tu  nema!" 
_Nä".  hat-'s  köt  's  diarnl?,  haut  kinw 
net,  ma  morgn  kirn-'.-  „Beo",  hät-ar 
köt  dar  par,  „morgn  gea-bar."  „Ma  \\> 
vrtia  gea-bar?"  hat-'s  köt  's  diarnl?. 
..Di  a>  t".  hät-ar  köt  dar  par.  „Un  bo 
is    dar    akar?"    hat-'s    köt    's    dfarnb. 


und  sofort  machte  er  ihm  ein  eisernes 
Bäuschen  und  deckte  es  mit  eisernen 
Blatten,  und  dann  machte  er  ihm  drei 
eisei  undsagte:  ..Da  hast  du  drei 

2  I.  und  jetzt  geh  hinein  ins  Häuschen 
und  schliess  die  Thür,  und  thu  niemand 
auf,  und  wenn  etwa  jemand  mit  Gewalt 
hinein  will,  glühe  die  Nagel  und  recke 
ihnen  dieselben  hinaus,  sie  bleiben  (dann 
gleich    tot."     Und    dann  ging  der  .Mann. 

In  demselben  Walde,  wo  die  drei 
Mädchen  waren,  hauste  ein  alter  Bär. 
welcher  stets  alles  wusste,  was  im  Walde 
rorgehe,  und  er  machte  sich  auf  und  ging, 
das  erste  Häuschen  zu  suchen,  und  fand 
i  s,  und  dann  rief  er  ihm  (dem  Mädchen 
und  sagte:  ..Ho  Mariele,  mach  mir  auf!" 
und  das  Mädchen  sagte:  -Nein,  nein,  ich 
mache  dir  nicht  auf",  und  dann  sagte  der 
Bär:  -Gut.  wenn  du  mir  nicht  aufmachst 
mit  Gutem,  machst  du  mir  auf  mit  Bösem", 
und  dabei  ging  er  hinauf  aufs  Dach,  riss 
es  auf  und  stieg  hinunter  und  frass  es. 
und  kehrte  dann   wieder  zurück. 

Am  nächsten  Abend  ging  er  wieder. 
das  zweite  Häuslern  zu  suchen  und  fand 
es  und  rief  dem  Mädchen  und  sagte:  -Ho 
Mariele,  komm,  mach  mir  auf."  -Nein". 
das  Mädchen,  ich  mach  dir  nicht 
auf."  „Gut",  s?gte  er,  ..thust  du  mir  nicht 
auf  mit  Gutem,  thust  du's  mir  mit  Bösem". 
und  stieg  aufs  Dach  und  riss  die  Bretter 
auf  und  stieg  hinunter  und  frass  es  und 
kehrte  dann  zurück. 

Tags  daraufging  er  das  Häuschen  des 
jüngsten  Scbwesterlein  zu  suchen  und 
fand  es,  und  sobald  er  gesehen  hatte. 
dass  es  ein  so  starkes  sei,  erschrak  er. 
und  rief  sodann  dem  Mädchen  und  sagte: 
-Ho  Mariele.  komm,  thu  mir  auf!"  ..Nein, 
nein",  sagte  das  Mädchen,  -ich  thue 
niemandem  auf."  -Gut",  sagte  der  Bär. 
-ich  weiss  einen  Acker  (voll)  Bohnen: 
komm,  wir  gehen,  sie  zu  holen!"  -Nein". 
sagte  das  Mädchen,  „heute  komme  ich 
nicht,  aber  morgen  komm"  ich."  ..Gut", 
sagte  der  Bär.  -morgen  gehen  wir." 
..Aber  wie  früh  gehen  wir?"  sagte  (fragte) 
das  Mädchen.  „Um  acht  Uhr",  sagte  der 
Bär."    -Und  wo  ist  der  Acker?"  sagte  das 


Von  dem  deutschen  G  im  wälschen  Südtirol. 


17:' 


„Se'm    so   im   asö",    hut-ar  köt  dar  pär, 
im  hat-  n  köt,  bo-da  is  dar  akar.    „B 

-t".   hat's   köl  's  «1  iainl '.   ..im  morgn 
di  a\t<  ai  1  !-     Un  dar  pär  is  gant. 

In  tä  darnä  's  diarnl  >  is  aug  stant 
di  seggs»  im  i-  gant  tu  nema  di  pöan, 
un  bäl-da  is  gant  d  »r  pär  za  rüava-n- 
m,  hat-'s  m  ausgvlaxt  un  (h  at  köt:  „Gea 

du  pär,  i  pin  da  is-  -s  i  i  di  puan 
[In  dar  pur  alöra  hat  köt:  „Ben,  i 
an    akar    rä'm;    ai  I),    bar    gian  -  sa    zo 
nema!"     ..Na    haut    net",    hat-'s    köt    's 
diarnl».    „ma    morgn   gea-bar."     „Bi 
hat-ar  köt   dar  pär,    bar  gian  di  slban  > 
morgn."     »Ja",    hat-'s    köt    's    diarnl«», 
..ma     kii  -  mar.     bö-d'-ar    is    dar    akar." 
„Se'm   asö   im  aso".    hat-ar  köt  dar  par. 
un     h  at  -  ?n    köt,    bo  -  da    is   dar  akar. 
..Ihm.-,    hat-'s  köt  's  diarnl»,    „im  morgn 
di    siban  i    ai  1  ."      In     alo'ra    dar    par   is 

- 

In  tä'  dama  "s  diarnl'  is  angestaut 
di  vümv»  an  is  gant  tu  nema  di  rä'm, 
un  net  böl  as-'s  is  g»west  bdrum  betn 
rä'm,  13  gant  dar  par  un  h  at- n  g<- 
rüal't  Mi  diarnl».  „llahä".  hat-'s  köl  's 
diarnl»,  ..du  pist  wu!  kent  vri'ia.  ma  du 
pist  kent  haut  ö  gar  za  spat.  i  pin  da 
siad--s<  i  di  ra'm."  Alma  dar  par  hat 
köt:  ..lim..  i  lnia>  an  akar  fcsüggn;  äi  I  . 
b«ir  gian-sa  to  nema!"  „Xa-nä".  hat-'s 
köt  's  diarnh.  haut  net,  morgn  kirn-»; 
ma  du  moxst-mar  kü'n,  bo-d'-ar  is  disar 
akar.  „Nt-nä",  hat-ar  köt  dar  par,  „i 
kü-dar-'s  net."  „Ben",  hat-'s  köt  's 
köt  "s  diarnl»,  ombrüm  du  w^ast  kqana 
tsüggn."  „Ja",  hat-ar  köt  dar  par. 
sain  sein  aso  im  asö",  un  hat-s'-'ii  g->- 
lirnt.  -im  morgn".  hat-ar  köt  dar  par, 
„stea-bar  au  •  n  aldar  vrua  im  gia 
zu  nema."  ..•la-.  hat-'s  köt  's  diarnl», 
..    :  gst,  un  morgn  ai  1)!" 

In  tä"  darna  's  diarnl'  is  äug»stant 
vör'n  tag-*  un  is  gant  zo  nema  di  tsüg 
un  dar  par  is  ö  äug  stant  <n  äldar  vrtia 
un  is  gant  ggan  häusl»  un  i  h)at-»n  ge- 
rauft un  (h)at  köt:  „Hö  Marial»,  ai  1  . 
bar  gfan  zo  nema  ti  tsüggn!"  Ma  s 
Marlal»  is  no  net  g»w§st  b»drum.  rll" 
haut  pal*  vin-»-d'".    hat-ar   köt  dar  par, 


hen.  ..  I  >orl  so  und  dei  I  täi . 

und  sagte  ihm.  wo  der  Acker  ist  »Gut 
jetzt"  Mädchen,  -und  m<" 

um  acht  Ihr  komm!"    Und  der  Bär  - 

Am  nächsten  I  agi   sta  id  das  Mädchi  n 
um  sechs  Uhr  auf  und  ging,  die  Bol 
zu   holen,    und  als  der  Bär  kan 
rufen,  lachte  es  ihn  aus  and  sagte:  -' 
geh,  da  Bär,  ich  bin  da    und    es 
die  Bohnen  "    Und  der  Bär  sagte  dann : 
..  Wohlan,  ich  weiss  einen  Acker  Ku 
kimnn.  wir  gehen  sie  zu  holen!"    .. \ 
heute  nicht",  sagte  da>  Mädchen,  „a 
morgen  gehen  wir."  „Gut",  sagte  der  Bär, 
„morgen  gehen  wir  um  sieben  Uhr."  „Ja 
sagt.'  das  Mädchen,  -jedoch  sag  nur.  wu 
der  Acker  sich  befindet."    ..1  )orl  so  un  1 
sagte  der  Bär,   und  sagte  ihm,   wo 
der  Acker  sei.    ..<  int",  sagte  das  M   d 
-und    morgen    um    sieben  Uhr  komm!" 
Und   dann  ging  der  liiir. 

Am  nächsten  Tage  stand  das  Mädchi  n 
um  fünf  Uhr  auf  und  ging  die  Rüben  zu 
holen,  und  kaum  dass  es  mit  den  Rüben 
wieder  zurück  war.  kam  der  Bär  und  riet 
dem  Mädchen.  „Haha",  sagte  das  .Mad- 
ehen. _du  bist  wohl  früh  gekommen,  aber 
doch  Inst  du  auch  heute  zu  spät,  ich  bin 
da  und,  siede  ich  die  Rüben."  Da  sagte 
der  Bär:  -'  rut,  ich  weiss  einen  Acker 
Kürbisse:  komm,  w  ir  gehen  sie  zu  holen!" 
..  \-  ,n  nein-,  sagte  das  Mädchen,  -heute 
nicht,  morgen  komm  ich;  allem  du  musst 
mir  sagen,  wo  dii  r  ist"    »Neil 

nein",  sagte  der  Bär,  „ich  sag  dir's  nicht  " 
„Recht",  sagte  das  .Madchen.  ..denn  du 
weist  keine  Kürbisse."  „Ja",  sagte  der 
Bär,  „sie  sind  dort  so  und  so",  und  be- 
zeichm  tc  sie  ihr,  „und  morgen", 
der  Bär,  ..Mehen  wir  auf  m  aller  Frühe 
und  gehen,  sie  za  luden."  „Ja",  sagte  das 
Mädchen,  „geh  jetzt,  and  morgen  komm!" 
I  ags  darauf  stand  das  Mädchen  vor 
Tagesanbruch  auf  and  -  Kürbisse 

zu  holen,  und  der  Bär  stand  auch  in  aller 
Frühe  auf  und  ging  zum  Häuschen,  rief 
ihm  und  sagte:  „Bo  Mariele,  komm,  wir 
gehen  die  Kürbisse  zu  luden!"  Allem 
das  Mariele  war  noch  nicht  zurück.  _Ilo 
heute   linde  ich  dich  bald",  sagte  der  Bär 


\  Grenzposten  Lasern  im  falschen  Südtirol. 


-   ganl   ,iu-   .na    i)  dkar.     Bal-d'-ar 
-;    11  akar,    s  dlarnl  i  hat-  >n 
rnt,  im  LS  hat  ausg  !i"li  da  grpasarsi 
9  i  an  i-  \  orporg  *t  in  drin 
I  >ar  pSr  is  gant  an  hat-'s  i 
ikar  im  er  is  gant  un  (h)at  aug<»nump 
. :  -"iisiir-t  i  tsügga  un  isg  k'arl  b  drum 
haüsU    an   is  gant   an  als  tax  im 
il    köt:  „Disa  \ .ni  vo»»ea8t-(d)o-inar 
ambröm    bal-do   kinst  zo  gfana  m 
•u    haüsD,    spriB-a    aldar    an    \;u >- tl  ."" 
Un  dena   is-ar-s<   aidarg<degg  an  is  mt- 
släft. 

's  iliarni'  ntanto  is  ao  berta  g-»wesj 
in  an  (.U  tsügga,  un  bal-sa  bat  g<*höart  sn 
par  snarxln  is-'s  kern  laisJ  laiss  \>>  dar 
tsügga  auvar  un  is  kent  äba  »n  haüsD 
un   (h  at   _  -lost  di  ttir  un   -n  siösan  d> 


und  ging  hinaus  dem  Acker  zu.  Wie  er 
bald  am  Acker  war.  gewahrte  ihn  das 
Mädchen,  höhlte  den  grössten  Kürbis 
aus  und  verbarg  -ich  darin. 

Der  Bär  kam  und  sah  es  nicht  im 
Acker  and  ging  hinzu)  und  nahm  den 
-im  Kürbis  auf  und  kehrte  zum 
Hauschon  zurück  und  stieg  auf  das  Dach 
hinauf  und  sagte:  ..Diesmal  entgehst  du 
mir  nicht,  denn  sobald  du  kommst,  um 
ins  Häuschen  zu  gehen,  springe  ich  hin- 
unter und  fange  dich."  und  dann  li  _ 
er  sich  nieder  und  schlief  ein. 

Das  Mädchen  war  indessen  noch  immer 
drinnen  im  Kürbis,  und  sobald  sie  den 
Bären  schnarchen  hörte,  kam  es  leise 
leise  aus  dem  Kürbis  heraus  und  kam 
hinab  in  das  Häuschen   und  schloss  die 


ttir  dar  par  is  d<?rwekt  un  (h)at  g^höart  Thür  und  beim  Schliessen  der  Thür  er- 
s  diarnla  i'n  »r\  haüsD  an  er  is-s  -s 
darzürnt,  „'s  is  nixt,  be-do  ajoma  pist 
in;  du  barst  äuvar  kernen  ö  —  —  i 
hän-da  a  süana  tsügga  z'esa"  —  un  lai 
hat-ar  g^köart  umanüm  di  tsügga  un 
h)at  g«*segg  :s  lox,  un  alora  hat  -  ar 
darkent  gge  's  diarnl*  hät-ar-'s  hüam- 
.  j'itMni  er. 


Intanto  's  diarnl-  hat  Sg^zünfot  's 
vaür  un  (h)at  g<?gltiant  di  negl  un  dena 
hat-s^-s?  g"st<;kt  pa  tax  au  un  bat-sa 
gamaxt  gian  g9räd<?  in  pa  pau\  '<n  par. 
un  dar  par  hat  ge"t  a  drai  lürnar  un  is 
_  \ alt  \on  tax  äb>  un  is  ggrepait. 

Un  's  dfarnU  is  auvarkent  von  haüsD 
un  hat-  n  abo^zögat  di  haut  Ja  par  un 
dena  is-"s  gant  in  d<  stat  tu  vorkgava-s  >. 
Na-di  weg-;  hat-'s  bokent  an  man,  bo- 
d -m  hat  aug^ma^t  's  haüsD,  an  darsei 
hat-'s  g  Vi  rst  /'  s?ga,  bo-'s  geat,  un  is 
hat-  s-  n    köt,    un    dar   man   is  gant  betn 


wachte  der  Bär  und  hörte  das  Mädchen 
im  Häuschen  drin  und  er  wurde  zornig. 
..Es  macht  nichts,  wenn  du  auch  drinnen 

bist:  du   wirst  herauskommen  auch 

ich  habe  da  einen  schönen  Kürbis  zu 
essen"  —  und  dabei  wendete  er  den 
Kürbis  um  und  um  und  sah  das  Loch 
und  erkannte  dann,  dass  er  das  Mädchen 
heimgebracht  hatte. 

Inzwischen  machte  das  Mädchen  das 
Feuer  an  und  glühte  die  Nägel  und  steckte 
sie  durchs  Dach  hinauf  und  liess  siegerade 
hineingehen  in  den  Hauch  des  Bären, 
und  der  Bär  stiess  einige  Schreie  aus. 
fiel   vom  Dache  herab  und  verendete. 

Das  Mädchen  kam  aus  dem  Häuschen 
heraus,  zog  dem  Bären  die  Haut  ab  und 
ging  dann  in  die  Stadt  um  sie  zu  verkaufen. 
Auf  dem  Wege  begegnete  es  den  Mann. 
der  ihm  das  Häuschen  aufgebaut  hatte, 
und  dieser  fragte  es,  wohin  es  gehe,  und 
es  sagte  es  ihm,  und  der  Mann  ging  mit 


dlarnl*    un     h  at- n   g«?holft  tu  vorköava  dem  Mädchen  und  half  ihm  die  Haut  ver- 

di  haut  un  dena  hat-ar's  gjvüartan  rext  kaufen,   und  dann  führte  er  es  zu  Gericht 

un  sem  bä'm-s'  -n  ge't  an  häuf  gelt  an  und  dort  gab  man  ihm  eine  Menge  Geldes 

ggiinto,  as-'s  hat  _  tot  t    n  par,  un  dena  dafür,    dass   es  den  Bären  getötet,    und 

is-'s  gaot  bet'n  man  un  is  herta  gdplltet  dann    ging  es  mit  dem  Mann  und  blieb 

bet  ?nsel  (in  as-'s  is  gastorbat  stets  bei  demselben,  bis  es  starb. 

ünterfennberg  bei  Margreid  (Südtirol). 

Fortsetzung  folgt.) 


Eysn:  über  einige  Votivgaben  im  Salzbi  ibgau. 


81 


Über  einige  Votivgaben  im  Salzburger  Flachgau. 


Von  Marie  Eysn. 


Unter  den  mannigfachen  Weihgeschenken  an  den  kleinen  Wallfahrts- 
orten um  Salzburg  findet  man  einige,  die  in  neuerer  Zeit  nur  noch  selten, 
andere,  die  gar  nicht  mehr  dargebracht  werden.  Zu  letzteren  gehören 
jene  Thongefässe,  welche  die  Form  eines  menschlichen  Kopfes 
haben.  Sir  sind  auf  der  Töpferscheibe  gemacht,  hell,  schwach  gebrannt, 
Augen,  Augenbrauen,  Nase  und  Ohren  Bind  im  Relief  aufgesetzt,  doch 
fehlen  letztere,  sowie  die  Augenbrauen  oft  gänzlich  oder  sind  nur  mit 
schwarzer  Farbe  aufgemalt.  Sir  sind  oben  offen  und  Btehen  auf  flachen 
Boden,    wie   Fig.  1   aus  St.  Alban    bei    Lamprechtshausen.     Neben    dii 


Fig.  l 


und  weit  zahlreicher  kommen  andere  Köpfe  vor,  welche  oben  konvex,  unten 
aber  offen  sind  und  meist  «dnru  längeren  Hals  haben.  Wendet  man  sie 
um.  so  dass  die  Halsöffnung  nach  oben  kommt,  um  Bie  mir  irgend  etwas 
zu  füllen,  su  bleiben  sie  durch  ihre  kugelig  abgerundete  Form  uicht  stehen, 
auch  isr  das  Gesicht  dann  verkehrt:  Fig.  2  aus  St.  Valentinshaft  im  obersten 
Mattigthal.  Sir  sind  durchschnittlich  12— 16cm  hoch  und  haben  12  I8cw 
im  Umfang;  kleinere  sind  selten,  und  nur  einmal  kam  ausnahmsweise  ein 
gut  modellierter  weiblicher  Kopf  vor,  dessen  Rückseite  eingeritzte  Linien 
zeigt,  die  aufgestecktes  Haar  andeuten  (Fig.  3). 

.Man  hat  hier  für  beide  Formen  keinen  Namen  nirhr.  und  nur  an 
einem  einzigen  Ort  ihres  Vorkommens  wusste  man  noch  aus  Überlieferung, 
dass    die   „Köpft"    mit  Getreide   gefüllt  geopfert  wurden,    doch  nicht  mehr 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.     1901. 


Bjbü: 

ii  welchem  Zweck.  Jedoch  verwendet  man  diese  einstmals  dargebrachten 
„Köpft"  heute  noch  gegen  Kopfleiden  and  findet  Bie  in  den  betr.  Kirchen 
meist  auf  einem  an  dt  r  Mauer  aeben  oder  hinter  dem  Altar  angebrachten 
Brette  stehen,  von  <  1  < ■  1 1 1  der  Leidende  einen  herunternimmt,  auf  seinen 
Kopf  stellt,  damit  dreimal  den  Altar  umschreitet  and  ihn  dann  wieder  auf 
den  früheren  Platz  zurückgiebt.  Durch  diese  Art  der  Benutzung  verringert 
sich  ihre  Zahl  allmählich,  denn  hält  der  Träger  sich  nicht  sein-  stramm, 
so  gleitet  der  Thonkopf  leicht  ab,  fällt  zu  Heilen,  und  er  wird  durch 
keinen  neuen   mehr  ersetzt. 

Auch  Nachbildungen  von  Beiligenköpfen  lässt  man  sich  in  Salzburg 
und  im  angrenzenden  Bayern  gegen  Kopfschmerz  aufsetzen.  Das  kleine 
Museum  \mii  Reichenhall  besitzt  zwei  aus  Holz  geschnitzte  „St.  Johanns*- 
köpfe",  welche  jenem  Zwecke  in  dem  Kirchlein  auf  dem  St.  Johannshögel 
gedient  haben;  und  in  <\rv  alten  gotischen  Klosterkirche  auf  «lern  Nonn- 
berge zu  Salzburg  wird  am  '>•>.  Juni,  dem  Todestage  der  hl.  Erentraut 
(  Aiindrud  VIII.  saec),  sowie  am  [.  September,  dem  Übertragungstage  ihrer 
Reliquien,  der  aus  Silber  getriebene  und  vergoldete  Kopf  der  Heiligen 
aus  dem  Jahre  1316  den  Gläubigen  auf  das  Haupt  gesetzt  als  Hilfe  gegen 
Kopfweh.  Im  Salzburgischen  kommen  diese  „hohlen  Köpfe"  selten  und 
nur  im  nördlichen  Teile  des  Flachgaues  vor  (ebenso  auch  noch  in  dem 
angrenzenden  Ober-Österreich),  in  Wallfahrtskirchen,  wo  sich  Bild  oder 
Figur  des  hl.  Koloman  befinden,  oder  in  Kirchen,  welche  Heiligen  geweiht 
sind,  denen  das  Eaupt  abgeschlagen  wurde,  wie  St.  Alban,  St.  Johannes. 
St.    Valentin. 

Am  linken  Ufer  der  Salzach,  im  bayrischen  Gebiet,  wo  derselbe  Volks- 
-rainm  wohnt  wie  am  rechten  österreichischen  Ufer,  wurden  diese  Thon- 
fcöpfe  wiederholt  gefunden,  so  in  der  Kolomanskirche  bei  Lebenau1),  zu 
St.  Koloman  bei  Pridolfing2),  Taubenbach  bei  Simbach  und  Haselbach 
nächst  Braunau8).  In  der  Kolomanskapelle  zu  Hochstatt  am  Chiemsee 
fand  J.  Arnold    ganz    ähnliche    hölzerne  Votivköpfe,    die    ihm    als  .,Opfer 

n  Kopfweh  und  für  das  Heiraten"  bezeichnet  wurden;  zu  Langwinkel 
alter  fand  derselbe  Forscher  solche  aus  Thon,  und  hier  wurden  sie  „bei 
Kopfschmerz  und  von  Heiratslustigen  und  Schwangeren  mit  dreierlei  Ge- 
treide   überschüttet  und  gefüllt  dargebracht"*).     31.  Höfler  erklärt,    dass 


1    .1.  Würdinger,  Oberbayr.  Archiv,  Bd  XXXIV,  S.  335  (1874-75). 

2)  M.  Höfler,  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns,  Bd.  IX,  S.  134. 

3)  Nach  briefl.  Mitteilung  von  H.  v.  Preen,  von  dem  in  den  Mitteil.  d.  Anthrop.  Ges. 
in  Wien,  IM.  XXXI  -X.  F.  XXI),  Heft  2  gleichzeitig  ein  eingehender  Bericht  über  dieselben 
erscheinen  soll. 

4)  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns,  Bd.  VIII,  S.  40  (1888). 
M.  Hüüer,  Über  Votivgaben  und  Bd.  IX,  S.  31  Votivgaben  beim  St,  Leonhardskult  in  Ober- 
bayern.  —  W.  v.  Schulenburg,  Zeitschrift  für  Ethnologie  1888,  S.  157.  —  In  der  Bavaria, 
Landes-  und  Volkskunde  des  Königreichs  Bayern,  I,  1001  (München  18G0)  berichtet  F.  Dahn 
von  der  Kirche  des  hl.  Hermann  bei  Bischofmais  im  Bayrischen  Wald:    „Auch  findet  man 


I  ber  einige  \  otivgabon  im  Salzbai 


die    Kopfdreier    (so    heissen    Bie  in  Oberbayern     durch    den  „Dreyer     ein 

Gemenge    \ Ireierlei  Getreidearten,    welches   im  Oberland  angebaut  /.u 

werden  pflegt"1  .  den  Namen  erhalten  haben.  J.  Undsel  weist  auf  ihre 
grosso  Ähnlichkeit  mir  den  italischen  Gesichtsurnen  hin"),  wie  das  auch 
W.  \.  Schulenburg  nicht  entgangen  ist.  W.  .M.  Schmidt  bringt  noch  den 
weiterer  Namen  „kedere  Köpfl"  für  sie  bei,  berichtet  aber  ihr  Vorkommen 
im  Nils-  mid  Rotthal,  and  in  der  Bildlichen  Oberpfalz  und  dass  sie  „von 
ledigen  Personen  am  die  Neigung  einer  gewissen  Person  des  anderen  G 
schlechtes,  von  Eheleuten  aber,  am  Kindersegen  zu  erhalten,  mit  dreierlei 
geschenktem 8)  Getreide  gefüllt  geopfert  wurden.' 

Bindemittel    zwischen   diesen  Rüddeutschen  Votivgefässen  in   Kopfform 

and  den  italischen  Gesichtsurnen  können  die  in   Wien  h uster  Zeit 

fundenen,    aus    römischer    Zeit    stammenden    Urnen    bilde»,    über    welche 
Fr.  Kenner    berichtet    hat    (Geschichte   der  Stadt   Wien,  I.  S.  L35,   Fi 
und  Pr.  Kenner,   Berichte  über  römische   Punde  in   Wien,   1901,  S.  59,  72. 
Pig.  54.  75). 

Gleichwie  diese  modernen  Gesichtsurnen  im  Verschwinden  begriffen 
sind,  ebenso  sind  es  jene  Holzschnitzwerke,  welche  bei  Erkrankung 
innerer  Organe  geopfert  wurden  und  an  deren 
Stelle  jetzt  kleine  Nachbildungen  aus  Wachs  getreten 
sind. 

Diese  einfachen,  von  den  Dorftischlern  hergestellten 
Schnitzwerke,  Lungin  genannt,  sind  35  -5b  cm  lang 
und  bestehen  zumeist  aus  Luftröhre,  Lunge,  Herz  und 
Leber  und  der  schwach  angedeuteten  Wirbelsäule  (Fig.  1). 
Die  ornamental  behandelten  Lungenflügel,  sowie  das 
Herz  sind  stets  rot,  die  gleichgrossen  Leberlappen 
hi-auu.  die  Trachea,  deren  Knorpelringe  durch  eine 
Schraubenwindung  dargestellt  sind,  Qebst  den  übrigen 
Teilen  hell  bemalt  oder  in  Holzfarbe  belassen.  Oft- 
mals   sind    obigen   noch   das  ein ler  andere  Organ 

beigefügt,  wie  Magen,  Blase  u.  a.,  dann  aber  meist 
unverhältnismässig  vergrössert,  als  sollte  es  als  eigent- 
licher Sitz  der  Krankheit  besonders  hervorgehoben 
werden  (Fig.  5,  6  und  7).     Die  glatte   Rückseite  trägt 


i/i 


4t 


UU- 


dort  häufig  die  rohen  Köpfe  von  gebranntem  Thon,  in  denen  Gerstenkörner  eingescbJ 
sind:  man  opfert  sie  wegen  chronischen  Kopfleiden." 

1)  Schmeller  1'.  561. 

2)  Zeitschr.  f.  Ehnologie,  Bd.  XXII,  S.  390):  J.  ündset,  I  ber  italische  G< 
urnen.    L.  Lindenschmit,  Die  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit,  Bd.  I,  Heft  VI,  r.VL 
Fig.  8.  10.  13.    Mainz  1858. 

3)  „In  Almosen  ersamblet"  (1511  . 

4)  Oberbavr.  Archiv,  Bd.  49,  Heft  2  (1896):    \Y.  M.  Sehmidt,  Moderne  Gesichtsurnen. 

13 


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st  der  Jahreszahl  meisl  Namen  und  Wohnort  des  Opfernden, 
der  jüngsten  Bteht:  »Crescenzia  Brandstätter  ans  Thalgau   L850.a 

Fie:.  (?. 


Auf  einex 


Fig.  5. 


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IT) 


Fiff.  T. 


/. 


Fig.  8. 


A    $ 


Neben  diesen  Gebilden  finden  sich  noch  solche,  die  dem  Beschauer 
unverständlich  sein  würden,  kämen  sie  nicht  an  den  gleichen  Orten  vor 
wie  jene,  aus  deren  Formen  sie  zusammengeschrumpft 
sind.  Fig.  8  zeigt  eine  solche  dreilappige  Figur,  die 
rotbraun  angestrichen  ist  und  um  deren  emporstehendes 
rundes  Holzstück  eine  spiralförmige  weisse  Linie  läuft. 
Der  gut  erhaltene  Anstrich  zeigt,  dass  es  eine  Votiv- 
gabe  aus  neuerer  Zeit  ist.  Diese  verschiedenen  Schnitz  - 
werke  liudet  man  in  kleinen  Wallfahrtskirchen  (Etten- 
berg,  St.  Pankratz  bei  Weitwörth),  in  Waldkapellen 
bei  als  heilsam  gerühmten  Quellen  (Augenbründl  bei 
Friedburg),  am  häufigsten  aber  vor  dem  Bilde  oder 
der  Statue  des  hl.  Leonhard.  wie  in  Heiligenstatt,  wo 
sie  ueben  zahlreichen  Yotivtafeln  aufgehängt  sind, 
zwischen  Ketten,  Fesseln,  weiten  Eisenringen,  Sensen.  Bruchbändern, 
Pessarien.  roten  Seidenfäden,  Eisennägeln,  menschlichen  Zähnen  und  Haar- 
zöpfen,  wächsernen  Körperteilen  und  Tierfiguren,  unter  welchen  Krücken 
und  schwere,    rohe,    zur  Sühne  herbeigeschleppte  Holzkreuze  liegen.     Die 


-8—  -> 


l  ber  einige  Votivgaben  im  Saltburger  Flacbgau. 

Bilder  auf  den  Täfelchen,  die  einen  Zeitraum  von  zwei  Jahrhunderten 
umfassen,  and  die  Weihgeschenke  daneben  zeigen,  dass  der  hl.  Leonhard 
weit  öfter  bei  menschlicher  Krankheil  and  Not,  denn  ;ils  Patron  für  Rosse 
and  Rinder  angerufen  wird.  So  stellt  auch  das  Altarbild  in  der  Kirche 
von  St.  Leonhard  bei  Grödig  am  Untersberg  eine  Gruppe  leidender  Menschen 
dar,  und  darunter  findet  man  kleine,  *  -10cm  langt  Weihgeschenke  aus 
dünnem  Wachs,  der  moderne  Ersatz  für  die  oben  beschriebenen  aus  Holz, 
bei  denen  sieh  aber  nur  noch  Trachea  and  Herz  zwischen  kleinen  form- 
losen  Wülsten  erkennen  hissen. 

unverändert  aber  haben  sich  an  einigen  Orten  im  Herz«. -nun  Salzburg 
die  „lebendigen  Opfer"  erhalten,  wenn  mich  ihre  Zahl  in  letzter  Zeil  sehr 
zurückgegangen  ist 

In  der  Marienkirche  zu  Grossgmain,  dem  alten  Qduona  and  einst  viel- 
besuchten Wallfahrtsort,  hängen  an  den  beiden  [nnenwänden  der  Turmhalle 
zwei  mächtige  Votivtafeln  mit  vielen  einzelnen  Darstellungen  von  Unglücks- 
falle^ daranter  immer  die  Angabe  des  Motivs  der  Opfernden,  dieWunder- 
thätigkeit  and  das  gelobte  Opfer.  Die  Mehrzahl  der  Bilder  ist  durch 
atmosphärische  Einflüsse  fast  verloscht  und  die  Schrift  anleserlich  geworden. 
Am  Rande  einer  der  Tafeln  liest  man  aoch:  renovirt   1535,   1687,   1778. 

Nachstehend  -ehe  ich  einige  der  noch  lesbaren  Angaben  von  dieser 
Tafeln. 

Ein  Kind  war  ertrunken  in  einein  Bade,  da  das  die  muetter  vernam 
mit  betriebten  Herzen,  hat  sie  das  Kind  her  verlobt  mir  einem  lebendigen 
Opfer  und  ward  wider  lebendig. 

Bans  Schnell  hat  sich  verlobt  mir  einem  lebendigen  Opfer  in  einem 
schiffpruch  zu  Venedig,  von  stunden  ist  er  erledigt  worden. 

Ein  saw  hat  ein  Kind  das  häupl  gar  erpissen  und  zerissen  und  ward 
hm-  versprochen  mit  einem  lebendigen  Opfer  und  ward  gesundt. 

Ein  Mägdlein  hat  sich  erhenkel  an  einer  zerissenen  Pfaid,  die  da  hangi 
für  ein  Handtuch,  die  Muetter  erschroken  verlobte  das  Kind  mit  einem 
lebendigen  Opfer  and  ward  wieder  lebendig. 

Ein  ehrbarer  Burger  zu  Reichenhall  war  übet  ••in  Wasserdurchlass 
abgefallen,  in  solchem  Fall  verlobte  er  sich  zu  V.  I..  F.  auf  die  Gmain 
mit  einem  lebendigen  Opfer  und  wind   erlöst. 

Ein  Kind  von  einer  todt  muetter  gebracht  ist  zur  tauff  komen,  alspald 
der  Vater  sich  verlobt  hat  mit  einem   lebendigen   opfer. 

Es  lässt  sich  aus  den  Inschriften  nicht  entnehmen,  woraus  das  „lebendige 
Opfer-  bestund,  aber  der  lebende  Hahn  und  die  lebende  schwarze  Herne 
sind  nebst  Tauben  heute  noch  das  gebräuchliche   Weihgeschenk. 

Vor  etwa  25  Jahren  stund  in  der  Apsis  der  Kirche  zu  Orossgmain 
noch  ein  hölzerner  Hühnerstall,  in  welchen  die  Opfernden  die  Tiere  ein- 
schlössen, nachdem  sie  dieselben  während  der  .Messe  dreimal  um  den 
Altar  ffetras-en  hatten.     Letzteres  geschieht  noch  jetzt,  doch  wird  das  Huhn 


|  m;  Zachariae: 

dann  gleich  in  den  Pfarrhof  gebracht,  von  wo  dafür  ein  geringes  Entgelt 
an  die  Kirche  abzufahren  ist.  Viel  zahlreicher  sind  solche  Opfer  in  dem 
nahen  Marzoll,  dessen  Kirche  dem  hl.  Valentin,  dem  Helfergegen  Epilepsie, 
geweibl  and  wo  auch  seine  Statue  ist .  zu  der  die  Frauen  gern  ihre  Vm- 
Hucht  nehmen,  «leren  Kinder  an  Eclampsie  erkrankt  sind  Die  Rückseite 
et  Utares  i-t  durch  zwei  kleine  Gitterthürchen  unterbrochen,  durch  welche 
der  Opferude  die  Tiere  nach  dreimaliger  I  mkreisung  des  Altars  während 
des  Gottesdienstes  einläS8t.  Noch  werden  jährlich  in  50  Hühner  und 
70 — 80Tauben  dargebracht,  doch  soll  vor  50  Jahren  die  Zahl  der  Opfer  dag 
Zehnfache  erreicht  halten.    Äusserst  selten  bringt  man  ein  junges  Lamm  dar. 

Ebenso  werden  dem  hl.  Veit  Vitus),  der  bei  Veitstanz,  wie  bei  allen 
epileptischen  und  hysterischen  Krämpfen  angerufen  wird,  zu  St.  Veit  bei 
Goldegg,  wo  auch  eine  Statue  <\r>  hl.  Valentin  ist,  lebende  Hühner  gebracht.1) 
In  y\{'\-  Kirche  zu  (Jntereching  mit  der  Holzskulptur  des  hl.  Veit,  sowie  zu 
St.  Koloman  bei  Lebenau  dienen  hohe  Drahtgitter  hinter  dem  Altare  zur 
Aufnahme  der  lebenden  Opfer,  und  ein  Hühnerstall  in  dem  kleinen  Wall- 
fahrtsort von   Valentinshaft  verrät  genügend  die  Art  der  Weihgeschenke. 

Die  Mirakelbücher  von  Imhenhofen  und  die  „Wunderzeichen  des  hl. 
Wolfgang  am  Abersee"  erwähnen  wiederholt  der  ..lebendigen  Opfer",  dar- 
unter auch  des   Huhns. 

l'm  Eching,  Ibm.  Eggeisberg  war  es  vor  nicht  langer  Zeit  noch  Brauch. 
bei  Erkrankung  eines  Familiengliedes  eine  schwarze  Henne  in  die  Herd- 
grube zu  vermauern,  und  im  Salzburgischen  hört  man  nicht  selten  jemand, 
der  schon  lange  erwartet,  wird  und  endlich  kommt,  mit  den  Worten  be- 
grüssen:  „Jetzt  hätt"  i  bald  a  schwarze  Henn'  verlobt." 

Salzburg. 


Zu  Goethes  Parialegeiide. 

Von  Theodor  Zachariae. 

(Vcrgl.  unsre  Zeitschrift  II,   IG  ff.) 


Im  ersten  Bande  seiner  Zeitschrift  Orient  und  Occident  (1862)  S.  719 

bis  732    hat    Benfey    eine    Abhandlung    über   (ioethes   Gedicht:    Legende 

Werke  1 8-10.    I.   200)  und  dessen  Indisches  Vorbild  veröffentlicht.    Erzeigt 

1)  In  dem  Präget  Dom  auf  dem  Hradschin.  der  dem  hl.  Veit  geweiht  ist,  steht  die 
Bildsäule  dieses  Landespatrons  Böhmens  mit  einem  schwarzen  Hahn,  Grohmann,  Aber- 
glauben aus  Böhmen,  S.  74,  Anm.  Am  Veitstage  (15.  Juni)  wallfahrteten  früher  viele 
Böhmen  zu  den  Eibquellen  und  opferten  dort  schwarze  Hühner,  'Weinhold,  Quellen- 
verehrung, S.  4-k  Auch  im  Elsass  wurden  dem  hl.  Veit  auf  seinen  Altar  schwarze  Hühner 
geopfert.  Stöber,  Sagen  des  Elsass,  S.  25y.     1.  A. 


Zu  '  roethi     Parialegende.  I  «7 

darin,  dass  Goethe  den  Stoff  zu  seinem  Gedichte  aus  0.  D;i|»|> 
[Nürnberg  1681)  entlehn!  hat.  Die  Dappersche  Darstellung  geht  mittelbar 
—  zurück  auf  eine  alte  indische  Legende,  deren  wahrscheinlich  älteete 
Gestalt  im  ßffahäbhärata  vorliegt.  Benfej  teilt  die  BiahSbhäratalegende  in 
deutscher  Übersetzung  mit1)  and  bemerkt,  dass  Bich  mehr  oder  minder 
ausgeführte    Darstellungen    der    Legende    auch    in    anderen    sanskritischen 

Werken,  lies lera  in  den  sogen.  Puränas,  vorfinden.     IM-'  Darstellung  im 

Cilikäpuräna  weicht  von  der  im  Mahäbhärata  fast  gar  Dicht  ab;  die  Passung 
der  Legende  im  Bhägavatapuräna  wird,  da  sie  in  einem  Punkte  mit  der 
Dapperschen  und  Goethischen  Passung  übereinstimmt,  in  deutscher  Über- 
setzung gegeben.  Benfej  wendet  sich  jetzt  zu  der  Darstellung  der  Legende, 
wie  sir  sich  bei  Dapper  findet,  und  teilt  sie  im  vollen  Wortlaut  mit.8 
An-  einer  Vergleichung  dieser  Darstellung  mit  Goethes  wunderbare! 
Schöpfung  ergiebt  sich,  d;i>>  zwischen  beiden  «•in.,  breite  Kluft  liegt.  In 
einem  -'du-  wesentlichen  Punkte  schliesst  sich  Goethe  eng  an  die  alt.' 
indische  Legende  an.  Auf  den  ersten  Anblick  könnte  man  daher  glauben, 
dass  eine  undere  treuere  Quelle,  als  die  I  dappersche  Darstellung  der  Legende, 
die  Grundlage  des  Goethischen  Gedichtes  bilden  müsse.  Allein  Benfe) 
bat  die  Schriften  über  Indien,  von  denen  sich  annehmen  lässt,  dass  Goethe 
sie  gelesen,  vergebens  durchforscht.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterlit 
dass  Goethen  die  Legende  nur  durch  Dappers  A.sia  bekannt  geworden  ist. 
Dafür  spricht  auch  der  Umstand,  da>>  Goethe  seihst  in  Wahrheit  und 
Dichtung  bemerkt,  er  habe  die  Indischen  Pabeln  aus  Dappers  Reisen 
zuerst  kennen  gelernt  und  gleichfalls  mit  grosser  Lust  in  -einen  Märchen- 
vorrat  hineingezogen.  Die  Abweichungen  der  Goethischen  Legende  von 
der  Dapperschen  Passung  erklären  sich  aus  Goethes  wunderbarer  dichte- 
rischer Gestaltungsfähigkeit.  .Mit  einer  Ausnahme.  Am  auffallendsten  ist 
bei  Goethe  die  Vertauschung  der  Köpfe,  die  sich  weder  bei  Dapper  Doch 
in  «1er  alten  indischen  Legende  findet,  während  sie  doch  ebenfalls  indischen 


1'  früher  schon  mitgeteilt  von  Wilson  in  s einet  englischen  I  bersetznng  des  \  isnu- 
puräna,  London  1840,  S.  401  f.       Wilson,  Works  IX  (1868),  19ff. 

2)  (ianz  dieselbe  Darstellung  bei  Philipp  Baldaeas,  Wahrhaftige  Ausführliche 
Beschreibung  der  Berühmten  Ost-Indischen  Küsten  Malabar  und  Coromandel,  als  auch  der 
Insel  Zeylon,  Amsterdam  1672,  S.  4!)1  ff.  Heide  Darstellungen  stimmen  meist  fast  wörtlich 
überein;  der  Hauptunterschied  zwischen  Dapper  und  Baldaeus  besteht  darin,  dass 
letzterer  Vistnum  (d.  h.  Visnu]  statt  Mahadeu  gebraucht.  80  beginnt  die  Erzählung  hei 
Baldaeus:  '»Seine  (des  Prassaram  Mutter  Reneca  hatte  durch  ihre  Gottesfürchtigkeit  von 
Vistnum  ein  Tuch  überkommen,  welches  Wasser  hielt,  so  dass  es  nicht  durchlief 
tropfte,  in  welch  Tuch  sie  täglich  aus  dem  Fluss  Ganges  Wasser  höhlt..'  Woher  es  kommt, 
dass  Dapper  und  Baldaeus  so  genau  übereinstimmen,  habe  ich  hier  nicht  zu  untersuchen. 
Über  Baldaeus  vgl.  Bhode,  Über  religiöse  Bildung,  Mythologie  und  Philosophie  der  Hindus 
(Leipzig  1827),  I,  150.  Benfey  scheint  das  hochinteressante  Werk  des  Holländers  Baldaeus 
gar  nicht  gekannt  zu  haben,  sonst  würde  er  nicht  >agen,  dass  die  falsche  Schreibweise 
'Altar'  für  Avatüra,  deren  sich  Goethe  in  Wahrheit  und  Dichtung  bedient,  nur  bei  Dapper 
vorkomme  (Or.  u.  Occ.  I,  728).     Baldaeus  gebraucht  die  Form  'Altar"  beständig. 


]  >v  Zai  b  irii 

l  rsprungs  ist  Daa  indische  Märchen,  worin  die  Vertauschuog  der  Köpfe 
die  Hauptrolle  spielt,  isl  die  Bechste  Erzählung  der  Sammlung  Vetäla- 
pancariinsatikä.  Von  hier  gelangte  die  Erzählung  in  die  persischen 
Bearbeitungen  der  Sukasaptati,  in  die  Bücher,  die  den  Titel  Tu ti  Nameh 
führen.  Eine  dieser  Bearbeitungen,  die  des  Qädiri,  wurde  von  [kei 
nach  einer  englischen  Übertragung  ins  Deutsche  übersetzt  (Stuttgardt  1822). 
Goethe  Lernte  diese  Obersetzung  bereits  im  Jahre  1820  können.1)  Hier 
—  in  der  24.  Erzählung  des  Qädiri  -  fand  Goethe  das  Motiv  von  der 
Vertauschung  der  Köpfe  vor. 

Soweit  Benfey.  Seine  Behauptung,  dass  Goethe  die  Vertauschung  der 
Kippte  aus  [kons  l  bersetzung  des  Tuti  Nameh  entlehnt  habe,  ist  gläubig 
Dachgeschrieben  worden  von  Oesterley  in  seiner  Übersetzung  der  Baitäl 
Pachisi  (Bibliothek  orientalischer  Märchen  and  Erzählungen,  1.  Bändchen. 
Leipzig  1873),  S.  L96.  An  Oesterley  schliesst  ßich  Tawney  an  in  seiner 
Übersetzung  des  Kathäsaritsägara,  vol.  II.  p.  264,  Note.  Auch  der  verehrte 
Herausgeber  dieser  Zeitschrift  (siehe  II.  47  f.)  steht  augenscheinlich  noch 
unter  dem  Banne  der  Benfeyschen  Ausführungen.  Weinhold  meint.  Goethe 
habe  das  .Motiv  von  der  Vertauschung  der  Köpfe  in  Ikens  Buch  gefunden: 
und  weiter:  die  herrliche  Beziehung  der  Legende  auf  die  Parias  sei  Goethes 
volles  Eigentum. 

Aber  Benfey  befand  sich  im  Irrtum.  Drei  Jahre  vor  dem  Erscheinen 
von  Benfeys  Abhandlung  hatte  Düntzer  in  seinen  Erläuterungen  zu  Goethes 
lyrischen  Gedichten  die  Quelle  der  Goethischen  Legende  nachgewiesen. 
Nicht  Dappers  Asia  in  Verbindung  mit  Ikens  Übersetzung  des  Tuti  Nameh 
i-i  Goethes  Quelle,  sondern  die  Geschichte  von  der  Mariatale,  der  Frau 
des  Büssers  Schamadagini  und  der  Mutter  des  Parassurama,  in  Sonne rats 
Reise  nach  Ostindien  und  China  (Deutsch  Zürich  1783),  I.  S.  205 ff.  In 
einer  Berichtigung  (Orient  und  Occident  II,  97)  hat  Benfey  seinen  Irrtum 
eingestanden;  bei  Sonnerat  ist.  bemerkt  er  hier,  die  Legende  ganz  so 
mitgeteilt,  wie  sie  Goethe  nachgedichtet  hat.  Später  hat  Benfey  seinen 
Freunden  gegenüber  die  Abhandlung  über  Goethes  Gedicht  "Legende'  als 
die  missratenste  aller  seiner  Arbeiten  bezeichnet  (siehe  Bezzenberger  in 
den  Beiträgen  zur  Kunde  der  indogermanistdien  Sprachen,  VIII.  241).  Ks 
ist  allerdings  unbegreiflich,  wie  Benfey.  der  doch  Sonnerats  Keise  aus- 
drücklich unter  den  Büchern  nennt,  die  er  nach  Goethes  Quelle  dnrch- 
forscht   habe     <  >r.   und  Occ.  T,  72S).    die  Geschichte   von  der  Mariatale  bei 


1  Auf  S.  154 — 155  seines  Buches  berichtet  Iken,  dass  er  [vor  der  Drucklegung  des 
Buches]  einige  Erzählungen  als  Proben  eines  noch  unbekannten  Originals  Sr.  Excellenz 
dem  Herrn  Geh.  Rat  von  (Juetlie  zur  Beurteilung  übersandt  habe,  und  dass  sich  diese 
Proben  einer  günstigen  Aufnahme  zu  erfreuen  das  Glück  hatten.  Weiterhin  teilt  Iken 
mit,  dass  i  inige  Bruchstücke  seiner  Übersetzung  im  Dezemberheft  des  (mir  nicht  zugäng- 
lichen) Morgenblattes  von  1821  erschienen  sind.  (Diese  Angaben  fehlen  bei  Benfey,  Orient 
und  Occident  I,  729.) 


Zu  ' 

Sonnerat   ganz   hat    übersehen    können.     Ein    a [erbarer    Zufall    ist    es 

um  Benfeys  eignen  Ausdruck  zu  gebrauchen  -■  der  ihn  zum  Besten 
hatte. 

Obwohl  nun  Düntzer1)  in  der  zweiten  Auflage  seiner  Erläuterungen 
11.  4.">lf.  den  Sachverhalt  bereits  klargelegt  hat.  bo  habe  ich  ea  doch  für 
nötig  »ehalten,  auch  in  dieser  Zeitschrift  Doch  einmal  darauf  hinzuweisen, 
dass  sich  Benfey  zwar  geirrt,  seinen  Irrtum  aber  bald  Dach  dem  Erscheinen 
seines  Aufsatzes  aber  Goethes  Legende  berichtigl  hat.  Zugleich  möchte 
ich  eine  Präge  aufwerfen,  eine  Frage,  die  allerdings  für  den  Goetheforscher 
von    untergeordneter  Bedeutung,    für  den  indischen   Philologen  jedoch  von 

eicht  geringem  Interesse  ist.   —  die  Präge  nach  der  Herkunft  der  S< irat- 

schen  Legende.  Wie,  wann  und  wo  vollzog  sich  die  Umwandlung  der 
alten  indischen  Legende  zur  Parialegende?  Ich  will  versuchen,  diese  Präge 
zu  beantworten,  so  weit  es  mein  Material  gestattet. 

Mariatale  —  bei  Baldaeus  S.  456 ff.  heisst  sie  Patragali")  •  i-i 
eine  südindische  Volksgöttin,  die  grosse  Göttin  der  Parias  (Sonnerat  I.  206  ; 
nie  i>t  die  Göttin  der  Blattern,  die  Göttin,  die  <li<'  Blattern  erweckt  und 
hinwegnimmt  (Baldaeus  459  .  Als  Göttin  der  Blattern  entspricht  sie  der 
nordindischen  Sitalä,  über  die  man  sich  am  besten  in  dem  vortrefflichen 
Buche  von  Crooke,  An  introduction  tu  the  populär  religion  and  folklore 
of  Northern  tndia,  Allahabad  1894,  p.  7sff.  unterrichten  kann.  Von  der 
Ifariatale  sagt  Sonnerat:  'Die  [ndier  bezeugen  vor  dieser  Göttin  viele 
Purcht  und  richten  ihr  in  allen  Flecken  Tempel  auf:  Aber  man  -teilt 
bloss  ihr  Haupt  in  das  innere  Heiligtum,  und  die  [ndier  an-  den  echten 
Stämmen  verehren  auch  nur  dieses;  ihr  übriger  Körper  wird  an  die  Thüre 
des  Tempels  gestellt  und  daselbst  von  den  Parias  angebetet.'  I  m  diese 
merkwürdige  Sitte  zu  erklären,  oder  auch,  um  die  halb  göttliche,  hall» 
unreine  Natur  der  Mariatale  verständlich  zu  machen'',  hat  man,  so  scheint 


1)  Düntzer  teilt  auch  die  Sonneratsche  Legende  im  WorÜaul  mit:  danach  bei 
H.  Baumgart,  Goethes* 'Geheimnisse'  und  seine  'Indische-  Legenden',  Stuttgart  1896, 
B.87f.  Dieselbe  Legende  im  Auszug  l>>-i  Rhode,  I  ber  religiöse  Bildung  der  Hindus,  II. 
257  (vgl  154 f.}.  Hatte  Benfej  das  Buch  tron  Rhode  (das  die  ältere,  jetzt  fast  verg< 
Litteratur  über  indische  Mythologie  getreulich  verzeichnet  benutzt,  so  wäre  ihm  vermutlich 
weder  die  Sonncrat  che  Legende,  noch  da    M  von  dem,  was  ich  in  dieser  Abhandlung 

vorzubringen    vermag,   entgangen.    —    übrigens  irrt   Düntzer,    «renn  ei    II    452  schreibt, 
dass  die  Vertauschung  der  Köpfe  im  indischen  Märchen  des  Pantschatantra  1,-1  erscheine. 
Bent'ey  im  Or.  u.  Occ.  I.  729   sagt    nur,    dass    man    wegen   der  Vetälapaucavimsati 
i'bers.-tzung  des]  Pantschatantra  I.  "_'l  vergleichen  möge. 

2    Siehe  auch  Rhode  a.  a.  0.  II,  254. 

:»)  Ähnlich  Rhode  II.  -_'.">7.    Nachdem   er   'Im  Sonneratsche  Legende   mitgeteilt  bat, 
fährt    er   fort:    'Der  Sinn  dieser  Zusammensetzung  des  Körpers  der  Mariatale  scheint  die 
Zusammenschmelzung  einer  Göttin  der  l'rbewohner,   der  Pareas.   mit  der  Kali  der  Hindns 
darzustellen.'    Vgl.  dazu  namentlich  Crooke  p.  78:  As  she  FSifalä]  comes  to  be  pr<  i 
into  soine  form  of  Kall  or  Dcvl,  shc  is  provided  with  a  regulär  fane. 


190  Zacharia 

es,  die  Ifariatale  an  die  Stelle  der  Etenukä  in  der  alteu  Legende  gesetzt1) 
und  zugleich  das  Motn    von  der  KopfvertauBchung  hineingebracht 

Wann  die  l  mwandlung  der  alten  Legende  zur  Parialegende  statt- 
gefunden bat,  dürfte  Bchwer  festzustellen  Bein.  Die  Heimat  der  Paria- 
legende Im  aber  ohne  Zweifel  die  Gegend  Indiens,  die  Sonnerat  haupt- 
sächlich bereiste,  die  Gegend,  \\<»  er  die  'Nachrichten'  gewann,  die  er  in 
-einem  Buche  vorträgt:  das  Land  der  'Tamuler',  die  Koromandelküste 
Sonnerat  I.  L65.  1 7 _' .  177  .  oder  allgemeiner,  Südindien.  Sonnerat  gieb< 
die  Quelle,  der  er  seine  Parialegende  entnommen  hat,  nicht  an.  Er  musa 
jedoch  einen  guten  Gewährsmann  dafür  gehabt  haben,  — ■  denselben  viel- 
leicht, dem  er  die  'Fabeln  deT  Indier'  verdankt,  die  er  1.  117  ff.  mitteilt 
and  mit  den  bemerkenswerten  Worten  einleitet:  'Die  Indier  haben  mora- 
lische Fabeln,  deren  hohes  Alter  beweist,  dass  wir  diese  Art  von  Sitten- 
lehre keinem  ainleren  als  diesem  Volke  zu  «hinken  hahen.2;  Die  hier 
folgenden,  welche  ganz  wörtlich  and  ungeschminkt  übersetzt  sind,  werden 
sehr  deutlich  beweisen,  das-  die  meisten  Fabeldichter  aus  dieser  Quelle 
geschöpft    halten."  Es    ist    meines  Eraehtens  sehr  wahrscheinlich,    dass 

sich    die  Sonneratsche   Legende    in    irgend  einem  Werke  vorfindet,    das  in 
einer  südindischen  Sprache,  im  Tamil  oder  etwa  im  Telugu,  abgefasst  ist. 

Jetzt  steht  Sonnerat  mit.  seiner  eigentümlichen  Parialegende  nicht 
mehr  allein  da.  In  dem  Jahre,  wo  Benfey  seinen  Aufsatz  über  Goethjea 
Legende  veröffentlichte  (1862),  erschien  in  Madras  der  dritte  Band  von 
William  Taylors  Oatalogue  Raisonnee  of  Oriental  Alannscripts.3)  Auf 
S.  207 — 211  analysiert  Taylor  ein  Telugnwerk  Namens  Parasurämavijaya.*) 
Da  die  Handschrift  lückenhaft  ist.   so  ist  die  Analyse  anvollständig.     Das, 


1  Dass  es  gerade  eine  Legende  von  Parasuräina  ist.  <1 1 ■  -  zur  Parialegende  umgeformt 

wurde,  beruht  gewiss  nicht  auf  Zufall.  J'ara-uräma  hat  für  Südindien  —  wo  Sunnerat  die 
Legende  kennen  lernte  —  eine  ganz  besondere  Bedeutung;  wird  doch  die  Enstehung  des 
Landes  Malcalon  (-  Malayälam),  'welches  wir  die  Küste  Malabar  nennen',  dem  Para>urüma 
trieben:  Sonnerat  I,  141  (vgl.  :'>1).  Vgl.  ferner  die  Auszüge  aus  Baldaeus  u.  a.  bei 
Rhode  I,  192ff.;  Graul.  Reise  nach  Ostindien.  III,  226.  332  (Anm.  75);  Taylor,  A 
Catalogue  Raisonnee  of  Oriental  Manuscripts  I,  1621'.  667:  Wilson.  Works  IX,  24.  Die 
alten  Legenden  von  Parasuräma  zusammengestellt  bei  Muir,  Original  Sanskrit  Texts,  I2, 
11211'.  Zufolge  der  Tamulischen  Tradition,  berichtet  Sonnerat  I,  141,  lebt  dieser  Gott 
[Parasuräma]  noch  auf  der  Küste  Malabar,  wo  man  ihn  unter  einer  schrecklichen  und 
widrigen  Gestalt  abbildet.  Dafür  malt  man  ihn  auf  Koromandel  grün,  mit  einem  viel 
sani'tereu  Gesicht  und  giebt  ihm  in  eine  Hand  eine  Axt  und  in  die  andere  einen  Fächer 
aus  Palmenblättern. 

2  Wie  man  sieht,  i>t  die  Benfeysche  Theorie  von  dem  Ursprung  und  der  Wanderung 
der  Fälteln  und  Märchen  mindestens  so  alt  wie  Sonnerat. 

3)  Pischel  i  Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  des  Rudrata  und  Puiyyaka  S.  9)  bezeichnet 
diesen  Katalog  als  'curiously  unscieutilie,  but  not  at  all  useless'.  Ich  selbst  habe  eine 
Variante  zu  der  Geschichte  Canis  (in  der  Historia  Septem  Sapientum)  aus  Taylors  F.uch 
mitgeteilt  in  den  Göttingischen  Gelehrten  Anzeigen  von  1892,  S.  649,  Anm.  1. 

I  Nach  Wilson,  The  Maekenzie  Collection2  (Madras  1882)  p.  290  heisst  der  Verfasse* 
des  Werkes:  Bhavaerna. 


Zu  i  loeth«  -  P  1  ;i  I 

was  uacb  Taylors  Meinung  fehlt,   ergänzt  er  'aus  anderen  Quellen'.      \ 
S.  210  heisst  es: 

Towards    r h» ■   close  of  the  poem,  tbe  Brahmam  remind   /'  fi 

of  the  fault,  concerning  bis  mother,  which  is  rather  equivocallj  expressed; 
luit  ntusr  probably  alludes  to  the  following  circumstauce : 

Jamadagni's    wife,    the    mother  of  Pdrasu   Unna,    was    uai I   Renuca; 

and  one  daj   for  a  mental  transgressi f  strict  conjugal  fidelity,  the  father 

in  anger  told  Pdrasu  Rdma,  to  take  Ins  axe,  and  cur  off"  her  head.  He 
obeyed,  and  cut  off  tbe  bead  of  his  mother,  near  a  parclieri,  or  harnl« 
outcast  people;  as  well  as  the  heads  of  some  of  those  persons,  ou  their 
opposing  bis  design.  The  father,  approving  his  proceeding,  asked  whal 
reward  he  required;  when  he  requested,  that  bis  mothers  bodj  might  be 
re-animated.  The  father  consented  to  bis  request,  having  at  the  same  time 
power  to  t'ultil  it:  and  gave  directions  to  his  son,  as  tu  the  mode  in  which 
the  head  and  body  should  In'  joined  together,  promising  bim  to  re-unite, 
and  re-animate  them.  In  the  burry  "t'  the  moment,  instead  of  Ins  mother's 
head,  Pdrasu  Rdma  applied  the  bead  of  an  outcast  woman,  u<  his  mothers 
lifeless  trank:  when  the  whole  became  re-animated.  Ir  is  stated,  thal  on 
rhis  legend  the  Pariars  (or  outcasts)  fonnd  their  worship  of  various  local 
nurnina,  being  none  other  than  ideal  forms  ->t'  the  wife  of  Jamadagni,  con- 
sidered  to  In-  divine,  as  having  given  birtb  to  an  alleged  incarnation  of 
the   ilivinitv.1) 

Bier  haben  wir  also  die  Sonneratsche  Legende  mit  der  Kopfvertauschung 
und  der  Beziehung  auf  die  Parias:  mir  wird  bei  Taylor  dm-  Kopf  einer 
Verworfenen  auf  den  leblosen  Rumpf  der  .Mutter  gesetzt,  und  diese  li«-i->r 
Renukä,  nicht  .Mariatale.  Seine  Quelle  giebt  Taylor  ebensowenig  an  wie 
Sonnerat. 

Noch  eins.  Wenn  Benfej  meinte  Orient  und  Occident  I.  728f.),  dass 
Goethe  kraft  seiner  wunderbaren  dichterischen  Gestaltungsfähigkeit  an  die 
Stelle  des  Tuches,  worin  Renukä  bei  Dapper  das  Wasser  heimträgt,  das 
freiwillige  Hallen    des  Wassers    zu   einer  krystallenen  Kugel  gesetzt  habe, 


1     Erst  nachdem  ich  diese  arbeit  abgeschlossen  hau.',    sah  ich,   dass  Taylor  bereits 
im  zweiten  Bande  seines  Catalogue  Baisonnee,    Madras  L860,    tntroduetion  p.  I.\\I\ 
Parialegcnde    gegeben    hat.     Ich   teile   auch    diese  Fa    ung  im  Wortlaut  mit.    da    i 
Anfang  der  Fassung  bei  Taylor  III,  210  in  Willkomm. ihr  V.  tort:    Jamadogni  was 

h rigid  or  sage;  who  with  his  wife  Renuca  and  his  son  Kamn,  live.l  in  a  Bort  ofhern 
in  some  place  north  of  India  The  wives  of  such  sages  wero  pati  vrüta,  pre-(  minentlj 
(haste:  and  so  cold,  that  ice  did  not  melt  when  held  by  their  fingers.  [f  it  did,  that  was 
proof  positive  of  libidinous  thought  at  least,  if  not  more.  One  day  Jamadngni  -Mit  his 
wife  to  a  river  to  fetch  a  block  of  ice;  and,  on  her  bringing  it,  it  was  fonnd  to  be  partiallj 
dissolved  in  her  hands.  In  great  wrath  the  sage  commanded  his  son  to  Btrike  off  her  head. 
which  he  did  with  (pdrasu)  an  axe.  Some  women  of  the  villagers  parat]  interposed,  and 
Rdma  Struck  off  their  heads  likewise.  The  sage,  repenting  his  rashness,  propos<  'i  to  r< 
his  dead  wife;  but,  in  the  hurry  of  the  monrnnt  joined  her  head  t<>  a  pariah's  body,  and 
the  head  of  another  para  to  hör  body.     Hencc  the  Pariahs  worhip  Renuca  as  a  goddess. 


[i)2  Zachariao:  Zu  Goethes  Parialegende. 

...  wissen  wir  ja  jetzt  durch  Düntzer,  dass  Sonnerats  Reise  Goethes 
Quelle  war.  Vbej  gerade  der  von  Benfey  berührte  Zug:  Die  schöne  Frau 
des  hohen  Braraen  bedarf  beim  Wasserholen  keines  Kruges,  keines 
Eimers; 

Seligem  Herzen,  Frommen  Händen 

Ballt  sich  die  bewegte  Welle 

Herrlich  zu  krystallner  Kugel 

!■  Zug  lässt  sich  auch  Doch  anderwärts  nachweisen.  In  Paris  erschien  178* 
ein  Buch  unter  »lern  Titel:  Bagavadam  ou  döetrine  divine,  ouvrage  Indien; 
cauonique;  sur  l'etre  Bupreme,  les  dieux,  les  geans,  les  bommes,  les  diverses 
parties  de  l'univers,  etc.  Dieses  Buch  ist  die  französische  Übersetzung 
eines  tamulischen  Werkes,  das  eine  Umarbeitung  und  zugleich  eine 
Abkürzung  des  alten  Bhägavatapuräna  repräsentiert.  Es  ist.  wenn  ich  nicht 
irre,  identisch  mit  dein  Werke,  das  Taylor.  (  atalngue  Haisonnee  III,  94ff.. 
zum  Teil  analysiert  hat.  Näheres  bei  Rhode,  Über  religiöse  Bildung. 
Mythologie  and  Philosophie  der  Hindus  I,  112ff.  und  bei  Gildemeister. 
Bibliothecae  Sanskritae  Specimen  (Bonnae  ad  Rh..  1847)  p.  56  n.  Eine 
deutsche  Übersetzung  des  Bagavadam  ist  in  der  mir  nicht  zugänglichen 
Sammlung  Asiatischer  Originalschriften  I.  Zürich  1791.  enthalten.  Im 
französischen  Original  wird  die  Geschichte  von  der  Tötung  und  Wieder- 
belebung der  ßenukä  wie  folgt  erzählt  (S.  267f.): 

Bcnougueij  femnie  d'  Yemadacny,  alla  un  jour  chercher  de  l'eau  a  la 
foutaine;  eile  vif  un  ange  Guetidarver  qui  passoit  en  l'air,  et  il  etoit  d'une 
rare  beaute,  eile  le  considera  avec  trop  de  complaisance  pendant  quelques 
nioments.  Bientöt  eile  reprit  courage,  et  rejeta  un  mouvement  d'amour 
qu'elle  avoit  senti.  Cependant  lorsquelle  voulut  prendre  de  leau  ä  son 
ordinaire  sans  vase  ni  cruche,  en  la  ramassant  comme  une  boule. 
cela  lui  fut  impossible.  La  purete  de  Tarne  qu'elle  avoit  perdue,  lavoit 
t'ait  decheoir  de  Ce  privilege.  Son  epoux  ayant  ainsi  reconnu  sa  flaute, 
ordonna  ä  ses  enfants  de  la  tuer.  Parasramen  seul  deferant  it  la  parole 
de  son  pere.  la  tua.  et  aussi  ses  freres  rebelies  it  ses  ordres.  Tont  le 
monde  desapprouvoit  cette  cruaute;  mais  Yemadacny  satisfait  de  l'obeissance 
de  Parasramen  lui  demanda  ce  qu'il  souhaitoit  de  lui.  Celui-ci  -demanda 
la  vie  de  sa  mere  et  de  ses  frerfes.  Le  Patriarche  lui  remit  sa  Baguette 
et  il  les  ressuscila.' 

II  alle  a.  d.  Saale. 


Eföfler:  Sankt  Michaelsbrot.  [93 

Sankt  Michaelsbrot. 

Vor,  Dr.  Max  Höfler. 

Die  beutigen  deutschen  Gebildbrote  erscheinen  als  sogen,  Kultgebäcke 
zu  bestimmten  Zeiten  und  zwar  an  christlichen  Pesttagen,  sowie  an  weltlichen 
oder  Familienfeiertagen;  erstere  sind  hauptsächlich  Neujahr,  Weihnachten, 
Ostern,  Pfingsten,  Lastenzeit  (Fassnacht),  Allerseelen.  Martini,  Nikolaus; 
letztere  sind  die  Sippen-  und  [nnungsfeste  (Schützenfeste  /..  B.  .   Bochzeiten, 

Wochenbett,  Taufe  u.  s.  w.     Dass   diese   Gebäckfor 0    niclrl    arsprünglich 

den  christlichen  Festen  ihre  Existenz  verdanken  können,  ergiebl  - i « ■  h  aus 
den  frühzeitigen,  diesbezüglichen  Verboten  <\i'v  Kirche,  die  so  und  >o  ofr 
wiederholt  wurden,  und  weiterhin  ;ms  der  Thatsache,  dass  die  Gebräuche 
ilvs  Volkslebens  aus  verschieden-zeitlichen  Entwickelungsstufen  der  Kultur- 
epochen sich  gebildet  haben.  Wie  die  Volksgebräuche  Glieder  einer  langen 
kulturgeschichtlichen  Kette  sind,  an  der  jedes  Glied  seihst  wieder  aus  ver- 
schiedenem, altem  und  jüngerem  Materiale  oder  Schichten  gebildet  ist,  so 
entsprechen  auch  die  heutigen  Kultgebäcke  vom  einfachsten  und  ältesten 
Brei  bis  zu  dem  feinsten  modernen  Tortengebäcke  den  verschiedenen  Zeit- 
epochen des  deutschen  Volkstums:  Die  Hauptkultzeiten  des  germanischen 
Jahres  sind  nach  dem  für  die  Volkswirtschaft  ausschliesslich  massgebenden 
Sonnenstande    die   mit  dem   Frohnfasten  verbunden  gewesenen  vier  Zeiten 

(quatuor    tempora,    Quatember,    Frohnfasten):    die    Sommer-Soi nwende 

(Sommer -Weihnachten),  die  Winter -Sonnenwende  (Winter -Weihnachten  . 
die  Frühlings-Tag-  und  Nachtgleiche,  die  Herbst-Tag-  und  Nachtgleiche; 
jede  war  wahrscheinlich  mit  einer  L— 2 wöchentlichen  Vor-  und  Nachfeier 
verbunden.  Mit  dem  Abschlüsse  der  landschaftlich  verschieden  langdauerndeu 
Weidezeit  begann  für  den  wirtschaftlich  thätigen  Germanen  <\<>\-  Winter, 
und  mit  dem  Winter  begann  das  germanische  Neujahr.  Die  Verwechselung 
dieses  germanischen  Neujahrs  mit  dem  später  kirchlich  eingeführten  und 
auf  verschiedene  Zeiten  festgesetzten  christlichen  Neujahre  erklärt  auch 
die  Verwirrung  in  der  Deutung  der  verschiedenen  Volksgebräuche,  die 
sich  an  verschiedenen  Festtagen  des  Jahres  bis  auf  die  Neuzeit  erhalten 
haben.      In     die   Zeit    drs   germanischen    Neujahr-    fällt    nun    auch    das   Sankt 

.Michaelsfest  der  christlichen  Kin-he.  Mit  dem  Zeitpunkte  der  herbstlichen 
Tag-  und  Nachtgleiche  begannen  die  Tage  der  A.ussenarbeif  kürzer  zu 
werden;  das  Abend-  oder  Lichtwirken.  die  Ahendarbeü  wurde  länger;  das 
Niedergehen  des  Sonnenrades  gab  das  Zeichen,  dass  auch  die  elbischen  Nacht- 
gestalten thätiger  zu  werden  anfingen;  die  Geistereinflüsse  wurden  stärker. 
In  der  Versöhnung  dieser  heim  niedersten  Sonnenstande  am  meisten  thäl 
Marengestalten,  d.  li.  in  der  Totenfeier  liegt  nun  vor  allein  der  Grund  zu 
den  mit  einer  festgesetzten  Speiseordnung  (Fasten  =  „festgebundene  Speise- 


l.i.j  Höfler: 

Ordnung)  einhergehenden  grossen  Volksopfern,  die  nicht  nur  den  Göttern, 
sondern  oocb  mehr  den  gefürchteten  Seelen  .Minen)  der  abgestorbenen 
Sippengenossen  galten.  Das  Speiseopfer  ist  ursprünglich  nur  ein  Seelen» 
opfer.  Den  zur  Zeit  des  höchsten,  namentlich  aber  des  niedersten  Sonnen- 
standes am  häufigsten  wiederkehrenden  Geistern  der  Ahnen  mussten  be- 
stimmte,   sie    günstig  stimmende  Lieblingsspeisen  vorgesetzt  werden;    ins- 

aders  galt  dies  beim  Beginn  eines  neuen  Jahres,  dessen  kommende 
Fruchtbarkeit  im  ganzen  von  der  Gunst  und  dem  Wohlwollen  der  elbischen 
Geister  wesentlich  abhing.  Wer  eine  andere  als  die  so  durch  Brauch  und 
Herkommen  üblich  gewordene  Speise  an  einem  solchen  Tage  der  Wieder«* 
kehr  der  GeisteT  zu  sich  nahm,  dem  schnitten  diese  nach  der  Volkssage 
den  Bauch  auf  und  füllten  ihn  mit  Häckerling,  oder  er  wurde  von  ihnen 
im  Alptraume  zur  Rachequal  getreten. 

Diese  zeitweise  nur  erschei in mden  Geister  (Totenvolk  und  dessen 
Anführer)  leben  nun  in  der  Volkssage  unter  verschiedenen  Namen  (Wode. 
Perchta,  llulda  Helle.  Schimmelreiter,  wilder  Jäger,  wildes  Gejaid,  Tyrann. 
alter  Landrichter.  Spinnerin.  Frohnfastenmütterli  u.  s.  w.)  fort.  Ihre  Tage1 
dos  Wiederkehrens  sind  also  eigentlich  Totenfeste.  Da  von  der  Gunst 
dieser  Geister  auch  der  glückliche  Ausfall  der  kommenden  oder  erfolgten 
Ernte  abhing,  so  konnten  Toten-  und  Erntefeier  sogar  zusammenfallen: 
daher  erklärt  sich  auch,  dass  die  Totenfeier  der  alten  Marsen  beim  Tempel 
der  nahrungverleihenden  und  erntespendenden  Göttin  Tanfana,  der  Gemahlin 
des  Tins.  in  diese  Zeit  um  Oktoberanfang  fiel;  dies  war  die  Zeit  der 
blutigen  und  unblutigen  Dankopfer  für  die  erhaltene  Erntefülle,  aber  auch 
die  Zeit  der  Versöhnung  der  Toteugeister,  der  Sühneopfer  für  die  Ver- 
storbenen,  von  deren  Gunst  die  Fidle  der  Ernte  abhing.  Bei  den  Angel- 
Sachsen  und  Schweden  hiess  darum  der  Oktober  und  November  Blötmönath 
schwed.  blotmänad)  =  Opfermonat;  bei  den  Niedersachsen,  Niederländern. 
Friesen  und  Dänen  Schlacht-  oder  Ochsenmonat;  bei  den  alten  Isländern 
gormänactr  (Schlachtmonat);  bei  den  Deutschen  ist  seit  dem  13.  Jahrh. 
landschaftlich  Fulinänt,  Fülmönet,  volle  man  für  den  September  in  der 
Regel,  sehen  für  den  November  belegt  (Weinhold,  Die  deutschen  Monate 
namen,  Halle   1869,  S.  59). 

Solche  Totenfeste  lebten  auch  im  Christentum e  fort  und  scheinen  als 
solche  im  christlichen  Allerseelentag  vereinigt  worden  zu  sein.  Mit  diesem 
germanischen  Totenfeste  unmittelbar  nach  der  Erntezeit  oder  im  Beginn 
des  "Winters,  am  germanischen  Neujahre  erklären  sich  auch  die  verschiedenen* 
auf  den  St.  Michaelstag  fallenden  Volksgebräuche,  die  jetzt  noch  zum  Teil 
üblich  sind  und  deren  hier  erst  Erwähnung  gemacht  worden  muss.  ehe  wir 
auf  da.-  eigentliche  Thema,  das  Michelbrot,  eingehen  können,  wobei  daran  zu 
erinnern  ist.  dass  St.  .Michaelstag.  St.  Nikolaustag,  Weihnachten  und  Neujahr 
als  Schimmelreitertage  mit  Geschenkspenden  im  Volksbrauche  identisch  sind. 
was  sich  eben  nur  durch  das  germanische  „Neujahr"  erklären  lässt. 


Sankt    Michael  I1'.' 


St.  Michael,  der  sacer  Mars  Christianorum  and  praepositus  paradisi. 
dessen  Kirche  zu  Rom  am  29.  September  t93  eingeweiht  wurde,  und 
dessen  Bildnis  auf  dem  frühereu  deutschen  Reichsbanner  Btand,  isr  der 
Führer  der  Seelen  vor  Gottes  Gericht,  die  er  mit  der  Wage  bemisst  am 
jüngsten  Tage,  Patron  der  sterbenden  und  der  verstorbenen  Seelen,  mit 
dessen  l\nlt  die  ersten  christlichen  Missionare  bestrebt  waren,  die  volks- 
wirtschaftlich so  wichtigen  germanisch-heidnischen  Totenfeste  zu  ersetzen 
Die  ältesten   Kirchen  Süddeutschlands  sind  darum  die  St.  Michaelskirchen. 

In  deT  Schweiz  sind  St.  Michael  namentlich  häufig  die  Friedhofkapellen 
geweiht.  Am  Sonntag  nach  Michaelis  wird  noch  die  Missa  aurea  pro  de- 
fanetis  in  katholischen  Kirchen  gelesen;  lauter  deutliche  Zeichen  dafür, 
dass  ehemals  auf  diesen  Tag  eine  Totenfeier  fiel.  St.  Michaelsschlaf  is1 
darum  der  ewige  Schlaf  oder  der  Tod.  Der  Freitag  ror  St.  Michaelis 
heisst  in  ünterfranken  der  Eelltag  (Hella  =  Todesgöttin).  Die  in  den 
Lüften  nnd  mit  den  Winden  einherziehenden  Seelengeister,  an  deren  Spitze 
Woden  mit  seinem  Geisterheere  umzog,  flogen  in  dieser  Zeit  nach  der 
herbstlichen  Tag-  und  Nachtgleiche  mit  den  Äquinoctalstürmen  durch  die 
Länder.  Von  der  Gunst  dieser  Seelengeister  hing,  wie  schon  gesagt,  die 
zukünftige  Erntefülle  ab;  daher  hal  der  Micheliswind,  wie  der  Allerseelen- 
oder Neujahrswind,  das  ganze  Jahr  «Ins  Vorrecht;  daher  isr  St.  Michael 
Wetterpatron.  „Donuert  der  Michel  viel  Arbeil  die  Sichel"  (d.  h.  im 
neuen  Jahre);  darum  sind  auch  die  Galläpfel  am  St.  Michaelstage  nach 
ihrem  [nhalte  ein  Prognostikon  für  die  Fruchtbarkeil  des  kommenden 
Wirtschaftsjahres.  Ein  altes  Lied  (Scheible  IX.  243)  lautet:  „Ayns  zyts 
nach  sant  michelstag,  da  der  summer  endes  pflag,  alle  die  feld  beröbei 
Bind  und  das  lob  der  kalte  wind  zerfüret  und  zerströbet."  Auch  die  am 
St.  Michaelstage  volksüblichen  Verbote  des  Kornsäens  (Herbstsaat),  der 
Feldarbeit,  A(^  Spinnens  hängen  mit  dem  gefürchteten  bösen  Einflüsse 
der  Seelengeister  auf  die  Saal  nnd  Frucht  nnd  mit  der  früheren  Stellung 
des  Heiligentages  als  Eohe  Zeit  oder  Hochfesl  zusammen,  dessen  Erinnerung 
sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  so  erhalten  hatte. 

.Mit  dieser  höchst  bedeutsamen  germanischen  Totenfeier  war  der  Ge- 
dächtnistrank, der  Minnetrunk  verbunden,  der  in  nordischen  Sagas  als 
„Michaelsminni"  erwähnl  ist:  darum  ist  „auf  Michaelis  Kirchweih  im 
Himmel  und  auf  Erden"  (Oberbayern  .  d.  h.  sowohl  die  Verstorbenen  im 
Himmel,  deren  Minne  getrunken  wird,  als  die  ilberlebenden  Sippegenossen 
auf  Erden,  die  Gemeinde,  haben  ihren  mit  Opfertrunk  verbundenen  Fest- 
tag, mit  dem  die  (südd.  Meinwoche  (Gemeinwoche  .  (niederd.  hillige 
men-weke)  begann,  in  der  die  Sippegenossen  nach  uraltem  Brauche  zum 
gemeinsamen  Totenfeste  sich  vereinigten,  daher  St.  Michaelstag  im  Eng- 
lischen ganging-day  (Grangtag^   heisst. 

Noch  heute  ziehen  ohne  geistliches  Begleite  die  Bauern  dv>  Isarwinkels 
auf  6— 8  Stunden  Entfernung    als  Sippen   zur  hochgelegenen  St.  Michaels- 


196  Höfler: 

kirche  in  Gaissaoh,  wo  ein  rHellwegu  üdcI  «'in  „heiliger  Acker",  sowie 
zahlreiche  Kohlenreste  und  Steinkreise  nnter  Gräberhügeln,  ein  „um* 
gehender-  Landrichter  ohne  Kopf  u.  s.  w.  auf  das  frühere  Vorhandenseil 
einer  heidnisch-bajuwarischen  Toten-Kultstätte  deutlich  genug  hinweisen. 

An    die    mii    diesem  Tage    zusammenhängenden  Opfer   erinnern  auch 

*  1  i  *  *  nach  demselben  benannten  Blumen,  mit  welchen  vermutlich  die  Opfer» 

geschmückt  wurde:    Colchicum  autumnale  (Michelblume),  Hypericum 

perforatum    'Jage -Michel  nd.),    Chrysanthemum    tanacetum    (Michelkraut). 

Gerichtstage  und  Opfertage  fallen  im  germanischen  Kalender  zusammen. 

Sr.  Michaelstag,  als  ehemaliger  germanischer  Festtag,  erscheint  aucli 
als  herbstlicher  Zins-  und  Dingtag.  Ein  Volksding'  mit  Märkten  (Messen), 
Schlichtung  von  Streithändeln  and  Erlegung  der  Zehenten  war  mit  jedem 
solchen  Volksfeste  verbunden;  daher  war  die  heute  noch  übliche  „Galli- 
Sriff  unmittelbar  nach  Michaelis,  in  der  Galli- Woche,  als  Zeit  der  Ge- 
meindeabgaben  festgesetzt:  darum  heisst  „Michel"  in  der  Schweiz  auch  die 
letzte  Garbe;  daher  ist  der  „Michel-Hahn"  ein  Zinshahn.  d.  h.  eine  das 
ursprüngliche  Huhnopfer  ersetzende  oder  ablösende  Abgabe,  an  die  auch 
die  englische  „Michaelis-Gans"  (Kulm  und  Schwartz,  Nordd.  Sagen,  S.  517) 
erinnert.  Auch  die  Volkssage  (ebenda  172),  dass  Ochsen  oder  Pferde 
immer  dann  fielen,  so  oft  die  Bildsäule  <\^-^  hl.  Michael  im  frühereu  Kloster 
Michaelstein  hei  Blankenburg  a.  H.  am  Amtshause  von  ihrer  Stelle  genommen 
wurde,  ist  ein  Hinweis  auf  das  frühere  Tieropfer,  das  am  St.  Michaelistage 
gebräuchlich  war  und  dessen  Unterlassung  Tierseuchen  zur  Folge  haben  sollte. 

Da<>  mit  Sr.  Michaelstag  ein  neues  Wirtschaftsjahr,  das  Neujahr,  be- 
gann, erhellt  nicht  nur  aus  dem  Vorrechte  des  Michaeliwindes  fürs  ganze 
Jahr,  sondern  auch  aus  dem  Yolksbrauche,  dass  in  Aichach  (Oberbayern) 
-ler  Gemeindehirte  von  Michaelis  bis  wieder  auf  Michaelis  gedungen  wurde? 
denn  das  war  ein  ganzes  Jahr  mit  Anfang  und  Ende;  auch  im  Havellande 
-ehr  zu  Michaelis  die  Dienstzeit  der  bäuerlichen  .Mägde  um  (Kuhn  und 
Schwartz,  Nordd.  Sagen,  S.  401). 

Die  gabenspendenden  und  opferempfangenden  Dämonen  zogen  am 
Beginne  des  neuen  Jahres  durch  die  Gaue:  darum  ist  in  «ler  Schweiz  St. 
Michael    als    personifizierter  Kalendertag  des  germanischen  Neujahrs,    wie 

■  ttristkind  oder  St.  Nikolaus,  ein  Gabenspender  (und  Gabenempfänger): 
St.  .Michael  fliegt  dort  während  der  Vesper  als  Erzengel  in  den  Häusern 
umher,  um  braven  Kindern  zu  bescheren  (Einsiedler  Kalender  1851).  Darum 
..hinter  es  auch,  nach  dem  Schweizer  Yolksausdrucke.  am  St.  Michaelstage 
dem  Klaus  aus  dem  Himmel",  d.  h.  St.  Michael  und  St.  Nikolaus  haben 
Anspruch  auf  die  deiche  Kultzeit;  darum  treten  sowohl  St.  Michael  als 
St.  Nikolaus  als  Schimmelreiter,  d.h.  als  Seelenführer,  die  lebenspendend 
und  geschenkeempfangend  erscheinen,  auf. 

Das  Opfer,  welches  die  Totengeister  erhielten,  war  am  St.  Michaels- 
ein von  den   Sippegenossen  zusammengetragenes  Speiseopfer,    das  zur 


Sankt  Michaelsbrot. 


1!»' 


Zeit  des  Beginns  des  Abend-  oder  Lichtwirkens  dargebracht  wurde.  Ein 
Oberbleibse]  dieses  Kultopfers  ist  der  Dimer  Lichterschmaus,  der  sächsische, 
hannoversche,  Würzburger  und  schwäbische  Lichtbraten,  der  niedersächaische 
Krüselbraden  u.  s.  w.  Im  Münsterlande  werden  am  St.  Michaelstage  Heringe 
als  Fastenspeise  am  Vorabende  zum  gemeinsamen  Sippe-)  Essen .,  wie 
ehemals  die  BLultspeisen  zum  Opfermahle,  gesammelt  oder  zusammen- 
getragen. Aus  der  Masse  des  zusammengetragenen,  vegetabilischen  Ma- 
terials, der  „Samtregede",  ergab  sich  das  lokal  verschiedene  Michelsbrot, 
»las  zwar  ursprünglich  ein  Brei  gewesen  sein  wird,  das  aber  später  am 
häufigsten  Weckenform  angenommen  hatte.  Zeitliche  Vorläufer  dieses 
Kultbrotes  waren  die  in  der  unglücklichen  Saatwoche,  in  der  die  Seelen 
besonders  rührig  Bind,  in  der  sogen.  Burkartswoche,  im  Hennebergschen 
üblichen  Borkeiswecken  (Fig.  I),  welche  «'inen  ungemein  langen  schmalen 


nun  i  ■  ■  ■/      liiUii 


Keil  oder  Zwick  mit  sein  vielen  Teilfurchen  «Hier  Querrissen,  also  ein 
deutliches  Sippe  -  Opferbrot  darstellen.  Dasselbe  wird  in  Würzburg  am 
St  Nikolaustage  gebacken;  wieder  ein  Beweis,  dass  auch  St.  Nikolaustag 
einen  Teil  des  germanischen  Neujahrs  übernommen  hatte.  Sonst  war  der 
Borkeis-  oder  Burkartswecken  am  Burkartsmarkte  am  Dienstag  nach 
St.  Burkart  als  Patenbrot  geschenkt  wurden.  In  einem  uiederdeutschen 
Kinderliedchen  tieisst  es  darum:  „Buckäucken  vom  Haiverstadt,  bring1 
nun  klen'  Kindiken  wat!"  d.  h.  tauen  Burkartsweck  vom  Krammarkte. 
„Beim  Feste  der  Goldenen  .Messe  zu  Hildesheim,  die  zum  Schlüsse 
der  sogen.  Gemeinwoche,  14  Tage  nach  Michaelis,  begangen  wurde,  hatte 
das  Hildesheimer  Stift  alle  herbeigekommenen  Gäste  und  Fremden  nach 
altbestimmter  Nenn  zu  bewirten.  Aher  das  dabei  allen  gleichraässig 
Zukommende  war  ein  grosses  Zweckbrot.  Als  der  Kloster-Reformator 
Bruschius  eben  zur  Zeit  dieses  Festes  das  Stift  besuchte,  erhielt  er  neben 
den  übrigen  aatzungsmässigen  Gerichten,  dem  bestimmten  Quantum  Tafel- 
wein und  den  vorgeschriebenen  vier  Schillingen  Zehrgeld  ein  ,weis 
Weckenbrot  von  solchem  Umfange  vorgesetzt,  dass  nach  seiner  Versicherung 
alle  damaligen  Tischgenossen  zusammen  daran  genug  gehabt  hätten"  Roch- 
holz, Deutscher  Glaube  und  Brauch,  I.  310).  Hier  lag  sicher  eine  alte, 
früher  von  den  Sippengenossen  unterhaltene.  Bpäter  auf  das  Stift  über- 
tragene Totenopferspende  vor.  wofür  auch  schon  die  weisse  "au  das  Toten- 
mehl erinnernde)  Farbe  >\c>  Weckens  und  dessen  zur  Verteilung  geeignete 
I  rrösse  spricht. 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


Uöfler: 

\in  Tage  oacfa  St  Michael,  am  1.  Oktober  (Remigius),  fand  zu  Her- 
ford Reg.-Bez.  Minden),  -las  heut.'  ooch  durch  seine  Zuckerwaren  bekannt 
ist,  die  altsächsische  Weckings-  (Wittekinds-)  Spende,  d.  h.  die  Verteilung 
der  TLmpensemmeln  an  die  Schüler  statt,  um  das  Angedenken  des  am 
Nordhofe  bei  Enger  begrabenen  Sachsenherzogs  Widukind  zu  feiern.  Die 
benachbarten  Höfe  und  Dörfer  steuerten  nach  ihrer  besonderen  Pflichtigkeit 
bei:  das  ganze  Kirchspiel  schmauste  mit"  (Rochholz  a.  a.  0.  I,  313). 
D  3es  aus  Semmelmehl  hergestellte  Gebäck  muss  nach  seinem  Namen 
ein  eckiges  (mnd.  die  timpe,  westfäl.  der  timpen,  Zipfel),  vielleicht  ein 
•  ivi/.i|>!lirli.'s  Brot  gewesen  -  <  •  i  1 1 .  das  der  Timpendreher  (mnd.  timpendreier) 
ii.  a.  zum  Timpkenfeste  herstellte  und  das  auch  zum  honigsüssen  Timpen- 
brei  verwendel  wurde1):  es  wird  identisch  sein  mit  dein  Salz  ufeler  Timpen- 
stuten. 

In   Westfalen    erhielt    früher    das  Gesinde  auf  Michaelis  (die  Zeit  des 
wirtschaftlichen  Jahresanfangs)    eine   Tonne  Bier    und    Stutenbrei,    d.  h. 
eine    mit    Stutweckenbrot    eingeschnittene  Milchsuppe  (Schiller-Lübben, 
Mnd.  Wörterbuch,  4,  455).   Diese  Stutwecken,  die  der  Stütner  (1520  stutenär) 
herstellte    und    die   als  ..Stutenbrot"  jetzt  noch  bei  ostfriesischen  Leichen- 
begängnissen   verteilt  werden,    haben   ihren  Namen  von  ihrer  Gestalt,    die 
wie  der  obersächsische  Stollen   und  hamburgische  Kloben  die  Vereinigung 
des    stangenförmigen   Weckens  mit   dem   weibliehen  aidotov  darstellt.     Das 
Stützel    ist    das    Deminutiv    zu    Stute    und    hat    deutlich    die  (  unnusforrn: 
dabei-    muss  Stuten    als  Backwerk    in    seiner  Etymologie    dem  sächsischeil 
Stellen  oder  bayerischen  Stützen  entsprechen  «»der  dem  Frankfurter Weck- 
stotzen.     Als  „Stute"  (ndl.  stuite,  mnd.  1631  stoete,  stuyte  =  panis  triticeus 
quadratus,  uropygium)  gehört  das  Wort  dem  nd.  Sprachgebiete  an  und  hat 
te   Verbreitung  von   Holland   und  Schleswig  an  bis  Köln  und  Halle. 
Die  rundkonvexen  Bauernstuten  im  Bergischen    mit   einer  deutlieh  an 
die  Rima  vulvae   erinnernden  tüchtigen  oberen   Kerbe  oder  Kluft  sind  die 
wahren    typischen  Stuten.     Audi    die  Quedlinburger  Mutzstützel  haben  die 
gleiche  Cumiusform    wie    die    Maultasche    oder  Maulschellen  (Mutschellen, 
Mutzelen);    kurzum    etymologisch   und  nach  der  Form  haben  wir  es  dabei 
mit    einem    beute    als    obscön    geltenden  Gebildbrote    zu   thun.    wie   beim 
Spaltgebäcke  des  Stollens. 

1329  legte  der  Bischof  Heinrich  zu  Naumburg  dem  Bäckergewerbfl 
daselbst  als  Entgelt  für  das  erteilte  [nnungs-Privilegium  auf.  g-leichmässig 
an  dem  (älteren  Neujahrstage)  St.  Michaelstage,  und  am  Geburtstage 
('hrisri  der  auch  einmal  Neujahrstag  war)  12  Gulden  .Meissner  und  zwei 
lange  Weizenbrote,  Stollen  genannt,  zur  bischöflichen  Hofstatt  zu  ent- 
richten (Lepsius,    Kl.  Schriften,  1.  253).     Diese  Stellen  (Fig.  2)   sind,    wie 

1)    Nach   '  Wörterbuch    der    westfäl.    Mundart,    Norden   18S2,    S.  271    ist    der 

Timpenbri  'ine  Kaltschale  au-  Branntwein,  Zucker  und  Pffefferkuchen,  die  auf  Hochzeiten 
gereicht  wird. 


Sankt   Michaclsbrot 


2  3agt,  verlängerte  Kloben  oder  weckenlange,  pfostenartige  Spaltgebäcke, 
<lie  die  phallische  Wecken-  oder  Keilform  mit  der  des  (hani burgischen ] 
Klöwen  (zu  klieben  =  spalten)  (Fig.  3)  and  des  thüringischen  Schiedchens 
(zu  scheiden  spalten)  (Fig.  4)  vereinigen.  Charakteristisch  für  diese 
drei  Gebäckformen    ist    der   obere   Längsspalt   und  die  keilförmig«    I 

1  Wecken  and  der  Längsgespaltene  Stollen  Bind  eben  Fruchtbarkeits- 
symbole, die  als  frühere  Opferbrote  den  <li<'  Fruchtbarkeit  beeinflussenden 
Seelengeistern  oder  Gottheiten  beim  Beginn  eines  ueuen  Jahres  dargebracht 
wurden.  1>it  obersächsische  Stollen  ist  also  durchaus  nicht  ein  specielles 
Weihnachtsgebäck  (man  wollte  sogar  ein  Wickelkind  in  seiner  Form 
licken). 


Fig.  2. 


' 


Fijr.   I. 


In   Flandern  bäckt  man  zum  Michaelistage  eine  Art   Weissbrot,  Voti- 
erte -.mannt,  die  man  den   Kindern  des  Nachts  heimlich  unter  das  Kopf- 
äsen   steckt,    damit    sie    dieselben    am    Morgen     des  früheren  Neujahrs) 
beim   Erwachen    ümlmi.    ähnlich    den  Ostereiern,    die    man   muH,  im   Bette 
versteckt.1) 

Dass  die  Zeit  von  St.  Michaelis  eine  germanische  Kultzeit  war,  erhellt 
auch  aus  dem  englischen  Brauche  der  Michaelskuchen.  „Die  protestan- 
tischen Einwohner  der  im  Westen  von  Schottland  liegenden  [nsel  Skye 
haben  auf  Michaelistag  einen  Aufzug  zu  Pferde  in  jeder  Pfarre.  Ei 
Familien  backen  dazu  St.  Michaelscakes,  welche  auch  St.  Michaelsbannok 
(Hafer-    oder  Erbsenmehlkuchen)    heissen.     Ebenso   halten  die   Einwohner 


1)    Nach   Schuermans,    Algeraeen  Vlaamscb   Idioticon,  Leuveu  1S65-70, 
Tolard,   vollaerd   ein   langer  Kuchen,    der   zu  Weihnachten  und  Neujahr  in  Uestflandern 

eken  wird. 

14* 


•Jini  Höfler:  Sankt  Ifichselsbrot. 

des  Dorfefl  Kilbar  in  derselben  Gegend  auf  St.  Michaelia  einen  gros 
umritt  and  ziehen  dabei  um  die  Kirche.  Sobald  diese  Feier  vorbei  ist. 
eilt  jede  Familie  nach  alter  Gewohnheit  den  Michaeliskuchen  zu  backen, 
von  welchem  an  diesem  Tage  alle  Familienglieder  and  mich  die  Fremden 
essen.  Za  St.  Kilda  war  es  bis  kürzlich  unter  den  Insulanern  allgemeine 
Sitte,  in  jeder  Familie  auf  St.  Michaelistag  einen  Laib  Brot  oder  einen 
Kuchen  von  Brot  zu  hacken,  angeheuer  gross  und  von  verschiedenen  lb- 
standteilen  am  den  Segen  für  alle  diese  Feldfrüchte  zu  erlangen).  Dieser 
Kuchen  gehörte  dem  Erzengel  Michael  (<1.  h.  dem  Totenführer)  und  heissi 
nach  ihm.  Ein  jeder  in  der  Familie.  Fremder  wie  Dienstbote,  bekam 
seinen  Teil  von  diesem  Schaubrote  und  hatte  somit  Anrecht  auf  die 
Freundschaft  und  den  Schutz  dieses  Heiligen"  (Jahn,  Opfergebräuche,  'J4'.»). 
Au  anderen  Orten  erhält  dieses  Michaelbrot  der  Pfarrherr  an  St.  Michaels- 
kirchen, z.  B.  in  dem  schon  oben  erwähnten  Pfarrorte  Gaissach  bei  Tölz, 
wohin  der  ganze  Ismwinkel  die  runden  Altarlaibe  am  Kirchweihtage 
(St.  Michaeltag)  aus  uralter  Gepflogenheit  brachte  und  am  Kirchenaltar 
opferte.  Dieser  Brauch  gab  sogar  Anlass,  dass  in  unmittelbarer  Nähe  von 
Gaissach  unterm  „Heimweg1)  eine  Ortschaft  „Pfistern"  (pistrina)  entstand. 
in  der  die  Bäckerei,  die  doch  sonst  nur  eine  Hausarbeit,  wenigstens  in 
den  dortigen  bäuerlichen  Kreisen  war  und  noch  ist.  schon  sehr  früh  als 
ein  eigenes  Dorfgewerbe  ausgeübt  werden  konnte  infolge  des  Concursus 
populi  zur  uralten  Sepultur  daselbst. 

Auch  die  Schweizer  haben  ein  eigenes  St.  Michaelsbrödli. 

Die  erste  Woche  nach  St.  Michael  war  die  heilige  Mein-  oder  Gemein- 
woche.  ad.  Meneweke,  die  Woche  der  goldenen  Messe,  missa  aurea  pro 
defunetis  in  Niedersachsen,  von  der  die  „drei  goldenen  Samstagnächte- 
iliren Namen  halten,  die  in  die  drei  Wochen  nach  Michaelis  fallen.  Auch 
an  diesen  mit  dem  Totenkulte  zusammenhängenden  Tagen  fanden  (nach 
Höfer  1.  306)  Wallfahrten  mit  Semmelopfergaben  statt,  und  es  wurden 
für  die  Verstorbenen  der  ganzen   Gemeine  Messen  gelesen. 

Eine  zeitlich  etwas  hinausgeschobene  Gebäckspende,  die  aber  ebenfalls 
mit  dem  Totenkulte  der  Herbst-Tag-  und  Nachtgleiche  Zusammenhang  hat. 
bilden  die  Bchlesischen  Gebäcke  am  St.  Hedwigstage  (17.  Oktober),  über 
welche  künftig  berichtet  werden  soll. 

Aus  obiger  Zusammenstellung  der  Michaelsbrote  mit  den  am  St.  Michaels-» 
tage  volksüblichen  Gebräuchen  ergiebt  sich  zur  Genüge,  dass  das  germa- 
nische Neujahr  mit  einer  ganz  ausgesprochenen  Totenfeier  und  einem 
Erntefeste  verbunden  war. 

Erklärlich  und  selbstverständlich  ist  es,  dass  sich  nun  im  Laufe  der 
Jahrhunderte  von  diesem  germanischen   Neujahre  verschiedene  Gebildbrote 

li  In  den  Niederlanden  heisst  dieser  Totenweg  likweg  Leichenweg),  uoo<l-weg,  ree-weg 
(vgl.  Be-B 


Drechsler:  Der  Wassermann  im  schlesischen  Volksglauben.  20J 

auf  andere  Neujahrstage,  8t.  Nikolaus,  Weihnachten  und  das  moderne 
Neujahr  übertragen  haben  müssen,  nachdem  der  Jahresbeginn  durch  <li<' 
rerschiedenen  Kalender  der  christlichen  Kirche  einmal  vom  St.  JAichaels- 
taga  verschoben  worden  war.  Eis  ist  sogar  zu  erwarten,  dass  durch  den 
Einflusa  der  Kirche  an  den  christlichen  NeujahrB tagen  die  ehemal 
heidnischen  Gebildbrote  sich  noch  mehr  häufen.  Dadurch  erklär!  es  sich 
auch,  dass  am  St.  Michaelstage  die  Zopfgebäcke,  das  typische  germanische 
Totenbrot,  fehlen,  da  sie  ganz  and  gar  entweder  auf  'las  moderne  Neujahr 
oder  auf  den  christlichen  Totenfesttag  Allerseelen  übertragen  wurden, 
während  die  Erntefeier-  oder  Fruchtbarkeitsgebäcke  inniger  am  wirtschaft- 
lichen Neujahrs-  oder  dem  St.   Michaelstag  haften  geblieben  waren. 

Bad  Tölz. 


Der  Wassermann  im  schlesischen  Volksglauben. 

Von  Dr.  Paul  Drechsler. 


Nach  altem  Glauben  sind  Quellen  und  Brunnen,  Bäche  und  Flüsse, 
Seen  und  Teiche  belebt,  aus  ihnen  kommen  die  Kinder,  hierher  kehren 
ihre  Seelen  nach  dein  Tode.  Aus  diesem  Seelenglauben  erklärt  sich  die 
Verehrung  des  Wassers  bei  allen  Völkern;  vgl.  Mogk  im  Grundriss  der 
german.  Philologie,  IM.  S.  296.  Ins  Wasser  darf  man  weder  spucken 
ooeh  harnen.  Letzteres  gilt  auch  nach  christlicher  Umdeutung  für  einen 
Frevel,  der  nichts  anderes  bedeute!  als  dem  liehen  Gott  ins  Angesicht 
harnen,  und  wer  ins  Wasser  spuckt,  spuckt  nach  lebendigem  Glauben  in 
Oberschlesien  und  der  Grafschaft  Glatz  der  Mutter  Gottes  ins  Antlitz. 
Andererseits  spuckt  man  im  polnischen  Oberschlesien  Beuthen  <  >  .-S.,  Zabrze) 
ins  Wasser,  wenn  man  die  Pferde  in  die  Schwemme  reitet  oder  sie  im 
Wasser  tränkt,  um  durch  das  Spucken  böse  Wirkungen,  hier  Bauchschmerzen 
der  Pferde,  abzuwenden,  denn  Geistern  ist  das  A.usspeien  der  Menschen 
zuwider:  Grimm,  Mythologie,  S.  481.  565. 

Auf  den  alten  Seelenglauben  geht  mich  die  Wunderkraft  mancher 
Quellen  und  Brunnen  zurück,  und  allenthalben  <riebt  es  muh  in  Schlesien 
Wunderbrünnel  und  wunderkräftige  Heilquellen,  so  die  vielen  Hedwigs- 
brunnen,  der  Mirakelbrunnen  bei  Liegnitz  (Schles.  Proyinzialblätter  L864, 
S.  336)  u.  v.  a. 

In  Brunnen  und  Teichen  wohnen  elbische  Wesen,  wohnt  Frau  Holle1  , 


1)  Mar  ihr   der  Hollenberg   bei  Striegan   geweiht,    auf  dem  früher  ein  Wunder- 
brünnel floss? 


■jii-_>  Drechsler: 

.in  deren  Stelle  Bpäter  rielerorten  die  Jungfrau  Maria  tritt,  und  wohnt 
iders  der  Wassermann  oder  Wassernix  Bunzlauer  Monatschrifl 
1791,  S.  106  mir  seinem  Weibe,  der  \\  assernixe,  Wasserlisse,  Wassi  - 
lixe  oder  Wassermannin  (Mitteil,  der  Schles.  Gesellschaft,  1.  S.  1  r>N  und 
seinen  Töchtern,  den  Nixen.  Letztere  Btecken  in  der  Klodnitz  und  in 
den  Teichen  um  Zabrze  in  den  dorl  häufigen  grossen  Wasserlilien  ihre 
K ■  •{ »t« •  herror.  In  Niederschlesien  bis  aber  Breslau  hinauf,  hier  and  da 
im  Gebirge,  Reichenbach,  an  der  Neisse,  der  Oder,  in  der  Gegend  von 
Löwen  und  Brieg  herrscht  die  weibliche  Gestalt  und  Namensform  "Was s 
lisse  vor:  wo  polnisches  Sprachgebiet  anfängt,  tritt  scharf  umrissen  der 
Wassermann  (wodne  chlup,  Topielec  oder  Utopletz)  auf. 

Wie  der  Wassermann,  wenn  auch  nicht  die  kleinen  Rinder,  sc»  docjb 
wenigstens  «las  neugeborene  Vieh  bringt  (Glatzer  Vierteljahrsschrift,  III. 
S.  1  tO),  so  zieht  er  die  lebenden  Wesen,  besonders  die  Kinder,  wenn  sie 
an  seinem  Ufer  spielen,  an  einem  unsichtbaren  Stricke  in  die  Tiefe.  Für 
diesen  (Hauben  bringt  W.  .Müller  in  Geschichte  und  System  der  altdeutschen 
Religion,  Göttingen  1844,  S.  .".7.")  Anm.  4  ein  älteres  Zeugnis  aus  der  vita 
S.  Sulpicii  bituricensis  (-}- 614)  in  act.  Beued.  sec.  2,  p.  172  bei:  „si  aliquis 
causa  qualibet  ingrederetur  eundem  (sc  gurgitem),  repente  funibus  daemo* 
niacis  circumplexus  amittebat  crudeliter  vitam."  Statt  eines  Strickes  bedient 
sich  der  Wassermann  auch,  wie  die  nordische  Meeresgöttin  Ran,  eines 
Netzes,  vgl.  Kuhn.  Mark.  Sagen.  S.  371,  oder,  in  Miedersachsen,  aber  auch 
in  Mittel-  und  Oberdeutschland,  eines  Ifakens,  daher  Hakemann  genannt 
(Mogk  a.  a.  0.  S.  297).  Seine  älteste  Natur  ist  wild  und  menschenfeindlich, 
entsprechend  der  unheimlichen,  oft  verderblichen  Gewalt  der  tiefen  Wasser: 
Y-l.  Weinhold,  Beitrag  zur  Nixenkunde  auf  Grund  schlesischer  Sauen  in 
der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde.  V,  S.  122.  Eigentümlich  is! 
dem  Wassermann  das  unheimliche  Kichern  und  Lachen,  eine  lautliche 
Malerei  des  plätschernden,  ans  Ufer  klatschend  anschlagenden  Wassers. 
Ähnlich  bedeutet  im  Griechischen  y.ay ■/'/.< uo  ..laut  lachen"  und  „plätschern, 
sprudeln".  („Sprudeln"  gebraucht  man  im  Schlesischen  auch  gern  für  «las 
„Kirmeln"  (Lustäusserung)  und  Lachen  kleiner  Kinder.";  Auch  hört  mau 
ihn  im  Wasser  oft  glucksen1)  (Katscher,  Beuthen  O.-S.). 

Besonders  hasst  der  Wassermann  die  Müller,  weil  die  .Mühlräder  den 
freien  Fluss  des  Wassers  hemmen,  sich  dienstbar  machen  und  in  den 
.Machtbereich  des  Wassergeistes  gleichsam  störend  eingreifen.  Daher  geht 
zur  Julzeit  das  mächtigste  schwedische  Wasserwesen,  dcv  Neck,  aus  seinem 
stillen  Wasser    in    alle  Ströme    und  zerbricht  die  nicht  gehemmten  Mühl- 


l)  Bekanntlich  fahrt  man  auf  diesen  Gluckton  und  seine  ursprünglich  niederdeutsche 
Bezeichnung  kielen  das  Wort  Kielkropf  zurück  ((irimin,  D.  Wb.,  5,  (581).  Diese  Er- 
klärung kennt  auch  Fischer  in  seinem  Buche  vom  Aberglauben  1791,  S.  57:  „ —  Kielkropf 
(so  heissen  die  Nickertskinder,  weil  es  in  ihrem  Kropf  stets  kiehlt  oder  kluchzet)." 


1 1)  r  Wassermann  im 

räder:  B.  II.  Meyer,  German.   Mythologie,  S    131.    Von  der  Feindschaft  des 
Wassermanns  gegen  den  Müller  weiss  das  Volk  viel  zu  erzählen. 

Der  Wassermann    stritt   sich   oft  mit  einem  Müller  herum,    der  gegen 
ihn    rücksichtslos    war  and   seiner  Macht  spottete.     Eines  Tages  hatte  der 
Müller    am  Mühlrade   etwas  zu  thun  und  musste  ins  Wasser.     l>.i  stieg  es 
plötzlich  höher  und  höher,    umflutete  ihn  von  allen  Seiten  und  drohte  ihn 
zu  ersticken.     Da  merkte  der  Müller  die  Nähe  des  Wassermanns,  beschwor 
ihn.    sein   Leben  zu   schonen,    und   versprach,    ihm   dafür  Bieben   Leben  zu 
opfern.1)     Sofort   fiel    »las  Wasser,    und   der  Müller  konnte  sein  Rad  aus- 
bessern   und   den  Bach   verlassen.     Kurz  darauf  warf  Beine  Hündin  Bieben 
Junge.     Er    trug    diese    zum  Mühlbach    und  warf   Bie   mit  den  Bpöttischen 
Worten  hinein:    „Hier,  Wassermann,    hast  du  die  Bieben   Versprocher, 
Nicht    lange   darauf  fiel  ein   Kind  des  Müllers  in  den  Mühlgraben  und  er- 
trank.    Ihm    folgte    bald    das    zweite    und   dritte   in  den   nassen  Tod.     Da 
wurde    es    »lern  Müller    nur    zu    klar,    dass  sich  der  Wassermann  die 
sprochenen  Opfer    hole.     So    sehr    sich    auch   die   zwei  letzten  Kinder  der 
Müllersleute  vor  dem  Wasser  in  acht  nahmen  und  von  den  anderen  bewacht 
wurden,  bald  zog  man  sie  als  Leichen  ans  Ufer.     Ah  mau  das  fünfte  Kind 
aus  dem  Wasser  hob,  glitt  die  Müllerin  aus.  fiel  in  den  Graben  und  ertrank. 
Voller  Verzweiflung    stürzte   sich    der  Müller  jetzt  selber  ins   Wasser,    und 
der  Wassermann    hatte    die    sieben    versprochenen    Lehen   (Beuthen  O.-S., 
Tarnowitz,   Rybuik,  Sorau). 

Tritt  in  dieser  verbreiteten  Sage  die  Leibliche  Erscheinung  des  Was 
manns  hinter  seinem  Elemente  ganz  zurück,  so  zeigen  ihn  andere  Sagen 
in  verschiedenen  Gestalten.  Oft  erscheint  er  in  Oberschlesien  als  lisch. 
der  am  Dfer  auf-  und  niederschnellt,  um  Vorübergehende  anzulocken,  ihn 
fangen  zu  wollen;  vgl.  dazu  Weinhold  a.a.O.  S.  123,  wo  reichliche,  aber 
nur  norddeutsche  Litteraturaugaben  verzeichnet  sind.  Ein  anderes  Wasser- 
tier, dessen  Gestalt  dm-  Nix  annimmt,  ist  die  Gans  Beuthen  O.-S.).  Die 
Vogelgestalt  bezeugt  auch  folgende  Erzählung  eine.  Gewährsmannes  aus 
der  Umgegend  von  Beuthen  1900):  „Vor  30  Jahren,  als  ich  noch  ein  Kind 
war,  wateten  wir  zu  unserem  Vergnügen  in  den  Dorfteich.  Plötzlicherhob 
sich  aus  dem  Wasser  eine  Gestalt,  das  war  der  Wassermann.  Er  sah  aus 
wie  ein  grosser  Adler,  hatte  auf  dem  Kopfe  eine  rote  Zipfelmütze  und 
stand  auf  den  Beinen.  Er  flatterte  mit  den  Flügeln  und  schlug  um  sich. 
und  als  wir  flüchteten,  verschwand  er  lachend  im   Wasser," 

Um  Beuthen,    Tarnowitz   und   Lublinitz  stellt  sich  die  Einbildung  des 
Volkes  den  Wassermann   auch  als  Hund  vor,    in  <\>'v  Gegend  um  Ratibor 
als  schwarzen  Pudel.     Mir  wurde  voriges  Jahr  erzählt:    Vater.   Mutter  und 
Tochter    gingen    an    einem    Sommerabende  (d.  h.  nach  dem    Lbendläuten 
an    der  Bäche  spazieren.     Da  erblickten  >ie  im  Wasser  den   Wassermann, 


1)  Vgl.  zu  diesem  Zuge  Grimm,  Kindn-  und  Hausm&rehen,  X-.  181. 


•_'ol  Drechsler: 

ii  .in-  wie  ein  1 1 ni)*l.  Er  schwamm  aber  nicht,  wie  es  ein  Hund  zu 
thun  pflegt,  -'>nd. tu  watete  in  dem  Bache  hin  wie  »du  Mensch,  auf  den 
Hinterbeinen  aufrecht  stehend.  Was  aber  d;is  Merkwürdigste  war.  er  er- 
schien jeder  Person  in  anderer  Grösse  und  Farbe.  Auch  der  schottische 
waterkelpie  erscheint  als  Seebund,  vgl.  E;  H.  Meyer  a.  a.  O.  8.  131.  öfters 
ii iTiim r  der  Wassermann  die  Gestalt  eines  Pferdes  an.  So  heisst  er  im 
schottischen  Hochland  geradezu  riverhorse,  und  auch  auf  Island  hat  der  in 
Elossgestalt  erscheinende  nykur  den  Namen  „Wasserpferd"  (vatnahestr). 
Mogk,  Grundriss,  111.  S.  296;  vgl.  auch   Liebrecht,  Gervasius,  S.  133. 

Aiuli  dazu  stimm!  der  schlesische  Glaube.  Im  polnistdien  Oberschlesieti 
wird  folgendes  gern  erzählt:  Ein  .Manu  ging  über  Land;  sein  Weg  fahrte 
an  einem  Bache  hin.  Da  sah  er  am  Ufer  im  Sande  einen  grossen  Fisch 
auf-  und  abschnellen.  Er  eilte  hinzu,  packte  geschwind  den  Fisch  und 
steckte  ihn  in  seinen  Brotsack,  den  er  umgehängt  hatte.  Als  er  erfreut 
weiterschritt,  wurde  ihm  der  Sack  immer  schwerer.  Plötzlich  hörte  er 
aus  dem  Wasser  eine  Stimme  fragen:  ..Mann,  wo  steckst  du  denn?"  — 
..S.-it  einer  halben  Stunde  hier  im  Sacke!"  antwortete  es  an  seiner  Seite. 
Da  winde  es  dem  .Manne  grauerlich;  auch  war  die  Last  nicht  mehr  zu 
ertragen.  Er  warf  den  vermeintlichen  Fisch  hin  und  sieh  da!  ein  kleine- 
nacktes Männlein  sprang  lachend  zu  seinem  Weibe  ins  Wasser:  es  war 
der  Wassermann. 

Nach  geraumer  Zeit  ging  der  nämliche  Mann  wieder  über  Land. 
Auch  diesmal  führte  ihn  der  Weg  an  einem  Wasser  hin.  über  eine  Wiese. 
Da  sah  er  ein  gesatteltes  Pferd  in  seiner  Nähe  grasen,  und  weit  und 
breit  war  kein  Mensch  zu  sehen,  dem  es  hätte  gehören  können.  Behutsam 
näherte  er  sich  dem  schönen  Pferde  und  ergriff  seine  Zügel.  Gewiss  ist 
•  -  aus  dem  Dorfe  fortgelaufen,  dachte  er  bei   sich:  ich  will  es  mitnehmen. 

I  m  bequemer  fortzukommen,  schwang  er  sich  in  den  Sattel  und  ritt 
auf  dem  mutigen  aber  willigen  Posse  dem  nahen  Dorfe  zu.  Kurz  vor 
seinem  Ziele  lag  der  Dorfteich.  Bei  ihm  hielt  das  Pferd  an,  der  Mann 
stand  plötzlich  auf  der  Erde  und  vor  ihm  der  Wassermann  und  sagte: 
..Neulich  hast  du  mich  getragen,  heute  habe  ich  dich  getragen:  wir  sind 
quitt."  Lachend  verschwand  er  im  Wasser.  —  Dieser  neckische  Zug  am 
W  assermann  begegnet  in  Sagen  sehr  oft.  Auch  zeigt  diese  Sage,  dass  der 
Nix  einen  ihm  geleisteten  Dienst  mit  gleicher  Münze  zurückzahlt:  vgl. 
W  .   Midier.    Gesch     II.    System  u.  8.  W.,    S.  374f. 

In  Zabrze  wurde  mir  vor  kurzem  erzählt:  Ein  .Müller  hatte  in  der 
Nähe  seiner  Mühle  eine  Wiese.  Jedesmal,  wenn  er  das  Gras  abgemäht 
hatte  und  zum  Trocknen  liegen  liess.  kam  in  der  Nacht  ein  fremdes 
schwarzes  Pferd  und  frass  ihm  eine  ..Kappe"  Heu.  Der  Müller  wusste 
sich  keinen  Kat  und  erzählte  es  schliesslich  dem  Pfarrer.  Dieser  riet 
ihm:  ..Nimm  einen  geweihten  Strick,  geh  um  Mitternacht  auf  die  Wiese 
und  fang  das  Pferd  ein.    Aber  hüte  dich,  ihm  jemals  Wasser  zu  geben!" 


Der  Wassermann  im  schlesisehcn  Volksglauben.  20f) 

Der  Müller  befolgte  den  Rat  und  fing  das  Pferd,  das  ihm  bei  der  fielen 
Arbeit    zu    statten    kam.     Einmal  war  er  in  die  8  gangen  and  hatte 

seinem  K 'hte  hinterlassen,  er  Bolle  das  Pferd  futtern.     !>••!•  Knecht  iliai 

bemerkte,  dass  das  Pferd  sehr  mager  war  und  sprach  halblaut  voi 
Bich  hin:  Wie  kommt's  nur.  dass  der  Gaul  bei  dem  Pntter  ao  mager  ist? 
Da  hörte  er  zu  seinem  Erstaunen  das  Pferd  reden  and  Bagen:  <Üel>  mir 
etwas  Wasser!  Der  Knecht  brachte  'las  Verlangte.  Da  bat  ihn  das  Pferd, 
er  möchte  ihm  doch  ein  bisschen  den  Strick  abnehmen.  Der  Knecht  that 
auch  'las.  Kaum  war  'las  Pferd  frei,  so  war  es  im  Wasser  verschwunden. 
Der  Knecht  hörte  nur  noch  eine  Stimme,  die  ihm  zurief:  Sag  deinem 
Herrn,  dass  ich  ihn  dafür,  dass  er  mich  gefangen  hat,  ertränken  werde! 
\  -  der  Müller  nach  seiner  Rückkehr  alles  erfuhr,  erschrak  er  sehr  und 
hütete  sich  vor  dem  Mühlgraben.  Später  kam  er  einmal  an  einen  Fluss: 
<la  sprang  ein  kleiner  Mann  heraus  und  zog  ihn  in  die  Tiefe. 

Diese  Verwandlungsfähigkeit  stellt  den  Wassermann  neben  den  be- 
kannten griechischen  Meergreis  Proteus,  der  sich  in  alle  möglichen  Ge- 
stalten zu  wandeln  vermochte;  durch  die  Annahme  der  Rossgestalt  tritt 
er  zu  dem  Meerbeherrscher  Poseidon,  der  auch  als  Ross  erscheint.  Bei 
allem  handelt  es  sich  um  Veranschaulichungen  des  in  rasch  wechselnder 
Mannigfaltigkeit  dahinflutendcn   Wassei  s. 

Nicht  immer  rauscht  das  Wasser  verderbenbringend.  Sein  sanft  an- 
schlagendes und  in  regelmässigem  Wechsel  zurücksinkendes  Wellenspiel 
bestrickt  das  Gemüt  mir  übermächtigem  Zauber,  dem  es  sich  willig  hin- 
giebt,  ohne  sich  jedoch  des  Granens  vor  der  geheimnisvoll  dämonischen 
Macht  des  Wassers  ganz  erwehren  zu  können.  Wie  dieser  Steigerung  des 
Naturgefühls  die  duftigsten  Blüten  der  Dichtkunst  entspriessen  (man  denke 
an  Goethes  „Fischer"),  so  entspringt  ihr  im  Volksglauben  die  Auffassung 
der  Wassergeister  als  lach-  und  tanzlustiger,  frohsinniger  Wesen,  die 
besonders  den  vertrauten  Verkehr  mit  warmfühlenden  Menschenkindern 
suchen,  für  die  die  Verbindung  allerdings  zuletzt  zumeist  mit  Leid  endet. 
Hier  finden  zahlreiche  scblesische  Sagen  ihre  Beleuchtung  und  Erklärung. 
Idi  berücksichtige  nur  solche  vom   Wassermann. 

Bei  Dombrowa,  in  der  Nähe  von  Beuthen,  ist  ein  Teich.  An  Beinern 
Ufer  hüteten  drei  Mägde  die  Kühe.  Da  sprang  auf  dem  Wasser  auf  einmal 
ein  kleiner  Instiger  Mann  herum  und  lockte  die  Mädchen  zum  Tanze. 
Schon  wollten  sie  herangehen,  da  kam  ein  Jäger  aus  dem  Walde  und 
warnte  sie.  dem  Männlein  zu  folgen:  es  sei  der  Wassermann;  er  würde  sie 
packen  und  in  die  Tiefe  ziehen.  Doch  die  eine  von  den  Mägden  ging 
nahe  heran,  und  da  ihr  das  Männlein  rufe  Bändet  und  Schmuck  zuwarf. 
folgte  sie  ihm  aufs  Wasser,  und  sie  tanzten  zusammen.  Da  liess  Bich 
auch  die  zweite  verlocken  und  tanzte  mit  ihm.  Jetzt  wellt.-  er  sich  auch 
mit  der  dritten  Magd  benecken.  Di.'  aber  sprach:  „Komm  nur.  du  kleiner 
Schwindler!"     Weil    sie    sresegnetes   Brot    bei    sich    hatte,    warf  sie  ihn 


206  l1  echsler:  Der  Wassermann  im  schlesischen  Volksglauben. 

damit,  packte  ihn  dann  und  Bchlug  ihn  mit  der  linken  Hand,  so  dass  er 
sich  nicht  zu  helfen  wusste.  Endlich  Hess  sie  ihn  los,  und  er  verschwand 
mit  den  beiden  Mägden  in  die  Tiefe.         Ähnliches  erzählt  man  vielerorten. 

Prägen  wir  nach  der  leiblichen  Erscheinung-,  durcli  die  er  sich  der 
menschlichen  Bildung  annähert,  bo  hören  wir  in  Schlesien: 

Der  Wassermann  ist  ein  kleines  ältliches  Männlein  von  Kindergestalt. 
Er  hat  grüne  Zähne,  langes  zottiges  Haar,  zuweilen  mit  grünen  Wasser- 
pflanzen durchflochten,  trägi  eine  rote  Kappe  und  rote1)  Strümpfe;  sein 
Gesicht  ist  greisalt  mit  Glotz-  oder  Fischaugen.  Wegen  der  roten  Kleidung 
erscheint  der  Wassermann  in  oberschlesischen  Sagen  auch  als  roter  Husar 
Beuthen  0;-S.,  Zabrze).  Auf  die  roten  Strümpfe  zielt  auch  ein  schlesisches 
Kinderspiel,  «las  Wassermannspiel.  Ein  Kind  steht  in  einer  Vertiefung, 
die  oVn  Wassergraben  vorstellt,  die  anderen  Kinder  springen  am  Ufer 
herum  und  singen  spottend  dabei: 

„Wassermannel,  zieh  mich  rei(n)! 
Ich  hö-'n  rüt'n  Strnmp  verlorn. 
Ich  möcht'n  garne  wieder  hon." 

(Kreis  Leobschütz  und  Kreis  Brieg.) 

Der  Wassermann  hascht  nach  den  Kindern  und  sucht  eines  von  ihnen 
in  die  Tiefe  zu  ziehen;  vgl.  Weinhold,  Zeitschr.  Y.  54. 

Ähnlich  tanzen  an  der  Tauber  die  Kinder  am  Ufer  herum  und  rufen: 
Wasserfrale,  Wasserfrale,  zieh  mi  nei  di  Tauber!"  E.  H.  Meyer,  Badisches 
Volksleben,  1900,  S.  .31f.  -  Im  polnischen  Oberschlesien,  wo  der  Wasser- 
mann noch  heute  eine  grosse  Holle  spielt,  beschreibt  man  ihn  als  ein 
nacktes  graues  .Männlein,  das  mau  im  Wasser  glucksen  höre  oder  in  mond- 
hellen Nächten  auf  dem  Dfer  oder  auf  «lern  Flusswehre  sitzen  sehe.  Oft 
läuft  es  aus  einem  Wasser  ins  andere;  dann  trägt  es  ein  rotes  Gewand 
oder  rote  flatternde  Bänder,  die  es  auch  am  Ufer  hinbreitet,  um  Kinder 
damit  anzulocken,  (lern  zieht  der  Wassermann  auch  Jünglinge  in  die 
Tiefe  und  verheiratet  sie  in  seinen  prachtvollen  Wohnungen  (vgl.  Wolf, 
Beiträge,  2,290)  mit  seinen  Töchtern  oder  behält  sie  zu  seiner  Bedienung: 
Lompa  in  Schles.  Provinzalbl.  1862,  S.  395;  vgl.  Liebrecht.  Zur  Volkskunde. 
S.  357.  Vor  dem  Palaste  des  Wassermanns  liegt  auch  nach  schlesischen 
Sagen  eine  Wiese;  über  sie  müssen  die  (wohl  ursprünglich  nur  vom  Wasser- 
mann hinuntergezogenen)  Toten.  So  erscheint  der  Wassermann  als  Todes- 
theit  wie  die  Ran.  Dies  meint  auch  ein  hierzulande  geläufiges  polnisches 
Sprichwort:  ..Der  kann's  noch  weit  bringen  oder:  der  wird  schon  fort- 
kommen, wenn  ihn  die  Liska  nicht  aussaugt",  d.  h.  nicht  ins  Wasser 
zieht  und  durch  Aussaugen  des  Blutes  (Lebens)  tötet.  Vgl.  zu  der  Redensart 
..der  Nix  hat  sie  gesogen"  Wolf,  Beiträge,  2,  292.  Vielleicht  hängt  mit 
diesem   Worte  Liska    die   schlesische  Form  Lisse,  Wasserlisse  zusammen. 

1)  Vgl.  Wolf,  Beiträge,  :.'.  282:  Liebrecht,  Gcrvasius,  S.  121. 


Höfler:  >t.  Hubertus  S<  hlüss<  I.  -jul 

Sie  begegnet   bei  Gryphius  im  Peter  Squenz:  die  Wasser-Lüss,  bei  Rössler, 
wir  der  Schnabel  gewachsen,  s.  LCJ5: 

iinse  Uder-Lissc 
Treibt  och  ihre  Kniff  und  Riss 

los  zu  Johannis  fordert  der  Wassermann  jährlich  drei  Opfer  Benthen 
O.-SV.  in  der  Gegend  am  Liegnitz,  Leobschütz,  Katscher  begnügt  er  sich 
mit  einem.     Wer  abends  badet,  fällt   ihm  gewöhnlich  zum  Opfer. 

Der  Wassermann  ist  1). 'sonders  in  ganz  Oberschlesien  zti  Hause.  Doch 
findet  er  sich  auch  in  der  Grafschaft,  wo  er  einen  Sack  auf  dem  Rücken 
trägt,  an  der  Neisse  und  an  der  Oder  an  mehreren  Stellen;  wer  die  betritt, 
muss  sofort  versinken.  Um  Wohlau  lockt  er  mir  dem  Rufen:  „Hol  über!" 
die  Menschen  ins  Verderben. 

Wer  geweihtes  Brot  bei  sich  trägt  oder  sich  neunmal  geweihtes 
Johannisbrot  (vgl.  oben  Johannistag)  in  die  Kleider  näht  oder  zweimal 
gebähtes  Brot  isst,  über  >\>-n  hat  der  Wassermann  keinen  Fug;  vgl.  Mitteil, 
der  S.ddes.  Gesellschaft  für  Volkskunde,  1.  S.  26.  Auch  mit  einem  _ 
weihten  Stricke  ist  er  zu  fangen,  mir  der  linken  Hund  zu  bewältigen, 
oben  204.  -206. 

Zabrze  O.-S. 


St.  Hubertus-Schlüssel. 

Von  Dr.  Max  Softer. 


Umstehende  Abbildung  giebt  zwei  St  Hubertus-Schlüssel  wieder. 
welche  mir  durch  Vermittelüng  des  Herrn  Reuling  an-  dem  Besitze  des 
Herrn  Weber,  Porstmeister  im  Spessart,  überlassen  wurden.  Dieselben 
waren  begleitet  von  einer  gedruckten  Gebrauchsanweisung,  die  auf  ihrer 
Aussenseite  beschrieben  ist.  Diese  sogen.  „Schlüssel"  sind  aus  lasen 
gefertigte,  12  bezw.  5  cm  lange  Nägel,  deren  Kopfe  petschaftartig  ver- 
breitert und  flach  sind.  Diese  Fläche  dient  als  Brandmarke  und  soll  ein 
Jägerhorn  darstellen,  welches  an  einer  SchKuge  hängt.  Nach  der  er- 
wähnten, nachstehend  abgedruckten  Gebrauchsanweisung  wird  dieser  Nagel 
an  dieser  Fläche  glühend  gemacht  und  hei  der  Hundswut  der  Tiere 
entweder  auf  «lie  Bissstelle  oder  was  ganz  wichtig  ist  —  auf  die  Srirn 
des  wütenden  Tieres  bis  zur  schmerzauslösenden  Nervenschicht  ^\^v  Haut 
aufgedrückt,  ersteres  als  Cauterium  der  Bissstelle,  letzteres  als  Brandmarke 
auf  der  Stelle  der  Hirn-  und  Nervengeister.  Es  würde  den  verfügbaren 
Raum  weit  überschreiten.,  wölke  ich  hier  Alter.  Zweck  und  Ursprung 
dieses  Huhertuskultes  und  der  volksmedizinischer  Behandlung  der  Hundswut 


Hüll. 


eingehender  besprechen;  ich  erlaube  mir  diesbezüglich  auf  die  beste  Mon<£ 
graphie  zu  verweisen:  La  rage  ei  8t.  Hubert  (Paris,  A.  Picard  1887)  von 
Henri  Gaidoz,  der  das  Thema  gründlich  und  meisterhaft  behandelte.  Hier 
möge  nur  kurz  erwähnt  sein,  dass  «! i<>  ursprüngliche  und  älteste  Legende 
des  Sr.  Hubert  nichts  von  dessen  Jäger-  und  Hunde-Patron at  weiss,  dass 
sein  Kuh  im  wildreicheu  Hochwalde  der  Ardennen  entstand,  von  wo  et 
sich  durch  Prankreich  uud  Deutschland  namentlich  unter  den  Jägern  und 
Porstleuten,  welche  die  Gefahr  wütender  Wölfe  und  Hunde  kannten,  aus- 
breitete; dass  dieser  hörn  tragende  Nage]  unter  Beibehaltung  des  Namens 
„St.  Hubertus-Schlüssel"  den  eigentlichen  „goldenen"  Schlüssel  verdrängte. 
welchen    nach   der  späteren  Legende   St.  Hubert  vom  heil.  Petrus,    bezw. 

von  einem  seiner  Nachfolger, 
erhielt,  der  aber  verschwunden 
sein  soll  und  durch  einen  in 
Sainte  Crojx  de  Liege  aufbe- 
wahrten ..kupfernen"  Schlüsse] 
aus  dem  IX.dahrh.  ersetzt  worden 
war.  Solche  bei  der  Hundswut 
der  Tiere  und  des  Menschen 
benutzte  Bogen.  Schlüssel  gab  es 
auch  in  Deutschland  und  seinen 
Nachbarländern  mehrere,  so  gab 
es  einen  St.  H  ubertusschlüssel 
in  Wappendorf,  sowie  in  Gro- 
ningen (Würtemberg),  der  hohl- 
eisenartig  war  und  mit  dem  der 
Schmied  die  gebissenen  Personen 
unter  dem  linken  Daumenballen 
brannte:  einen  St.  Peters- 
Schlüssel  (hauptsächlich  in 
Frankreich  und  Italien,  ausserdem  im  Maestricht);  St.  Martins-Schlüssel 
im  Bordeaux -Lande;  St.  Dionys-Schlüssel  in  Rozieres  im  Jura.  St. 
Ullrichs-Schlüssel  in  Augsburg  und  (1829)  in  Wessobrunn  in  Ober- 
bayern.  Auch  mit  «lern  Aldinger  Schlüssel  von  Aldingen  bei  Tübingen 
brannte  man  (1756)  die  bei  Menschen  gesetzten  Wunden,  die  vom  Bisse 
wütender  Tiere  herstammten;  auch  holte  man  sich  diesen  Schlüssel  von 
Aldingen  zu  diesem  Zwecke.  Über  St.  Ruprecht-Schlüssel  (1879)  zu 
Westhausen  bei  Ellwangen  schreibt  A.  Birlinger  (Aus  Schwaben,  I,  106). 
\ber  oicht  bloss  der  Heilige  wechselte,  auch  die  Form  dieser  „Schlüssel1' 
war  wechselnd:  hornartig,  kreuzförmig,  ringgestaltig  u.  s.  w.,  kurzum,  aus 
dem  Wechsel  der  F'-rm  <\vs  Schlüssels  und  des  Heiligen  lässt  sich  schliessen, 
dass   es  sich   bei  dieser  volksmedizinischen  Behandlung  der  Hundswut  um 


31    Hubertus  S<  hlü 

eine  je  nach  der  Lokalität  verschiedene  Ausübung  einer  älteren,  von  einer 
Kultperson  vollzogenen  Schädel  -  Kauterisationsmetbode  bandelt.  Diese 
schloss  sich  wahrscheinlich  an  die  uralte  Trepanation  des  Schädels  der 
Besessenen  an  oder  wird  sich  vielmehr  von  dieser  ableiten.  Man  wollte 
ehemals  wohl  den  im  Schädel  sitzenden  Dämon  durch  eine  künstliche 
Öffnung  desselben  herausbefördern  oder  vertreiben;  vielleicht  ist  das 
Brennen  der  Stirn  bei  wütenden  Menschen,  Pferden,  Hunden  und  bei 
dreh wurmkran ken  Schafen  !)  nur  das  Überbleibsel  der  früheren  eig 
liehen  Trepanation,  «leren  Ausführung  oder  Technik  nur  wenigen  eigen 
war  und  die  dann  allmählich  vom  Stirnschnitte  und  von  der  Brandmarke 
ersetzt  wurde.  Doch  ist  dies,  wie  gesagt,  nur  eine  hier  ausgesprochene 
Vermutung. 

Ks    folgt   nunmehr  zum  Schlüsse  die  dem  St.   Hubertus-Schlüssel   bei- 
gegebene ( rebrauchsanweisung. 

( i  ründli  eher  Bericht 
Zum   Brauch  der  Schlüsseleu  des  Heilig 
Huberti. 

Die  eisene  Schlüsselen  oder  Hörner  |  so  die  Heilige  Stol  des  Heiligen  Huberti 
berührt  |  und  unter  gewöhnlichem  Gebet!  worden     haben  die  Krallt     das 

Vieh     so  damit  bezeichnet     von  allem  Wüten  zu  beschützen     das  Vieh     al 

mit  rasender  Sucht  oder  Zufall  behaut  |  also  gleich  zu   heilen:  oder  wenn  es  stirbt 
nachdem  es  damit  bezeichnet  \  geschehet   solches  ohne  Schaden. 

Folget  wie  man  sich  dieses  Schlüssels 
S  e  b  rauchen   soll. 

Sobald    als    man    spuret,    daß    einiges   Vieh    von    einem    anderen    so   wül 
gebissen  worden  j  muss  der  Schlüssel   glüend  gemacht  werden     und  so  es  füglich 
geschehen   mag  auff  den  Schaden      so  aber  nicht  |  aulf  der  Stirn  |  biß  zum  lebhaften 
Fleisch  gedruckt  werden. 

Nachmahlen  aber  fünft  oder  neun  Tag  lang  nach  ewrer  Andacht  betten  fünft* 
Vatter- Unser  und  Englische  Gruß  |  zu  der  Ehren  Gottes  seiner  glorwürdigen 
Mutter  |  und  des  Heiligen  Huberti,  und  in  wahrenden  fünft  oder  neun  Tagen  dem 
gebissenen  Viehe  täglich  vor  allem  anderen  Essen  ein  Stück  gesegneten  Bn 
oder  aber  gesegnete  Haber  langen.  Es  muß  also  gleich  geschehen  ,  dennn  die 
Erfarnuß  lernet     daß  es  gefährlich  soye     lang  zu  wai 

Es  wird  auch  gar  nützlich  se\n  daß  das  beschädigte  Viele'  inwahrenden 
neun  Tagen  eingeschlossen  werde  |  aulf  daß  das  Gifft  nicht  durch  unmäßige  Be- 
wegung au!)  gebreitet  werde. 

Hierneben  wird  auch  angezeigt  |  daß  Kein  bessere  Artzney  oder  Muni  zu 
linden  !  ^v^vn  allem  rasenden  Zufall  i  als  daß  man  sich  bey  zeit  in  die  Bruder- 
schafft des  Heiligen  Huberti  einschreil.cn  lasse  |  und  weffen  ihres  Viehes 
jahrlichen  Zinß  nach  ihrem  Belieben  und  Andacht  außrichte  |  gleichwie  in  i 
Orten  zu  geschehen  pfleget  welche  deßwegen  befreyet  worden  seynd  und  täglich 
befreyet  werden:  daß  aber  solches  geschehe  |  Gott  dem  Herrn  die  Ehre  und  dem 
Heiligen  Huberte 


210  Blümml: 

Solche  Wirckung  angesehen  im  gnugsamb  kundbahr  |  in  welcher  Ehr  der 
gemelte  Schlüssel  gehalten  werden  soll  |  wird  auch  hierneben  angezeigt  |  daß  nichts 
anders  damit  zu  brennen  als  allerley  Vieh,  da  zu  selbiger  Schlüssel  allein  ist  ver- 
ordinirel  worden. 

(Auf  der  Rückseite  mit  Tinte  geschrieben) 

tXeceu  de  Mr.  Devver  poenitent.  de  S:  Hubert1)  le  4juilliet  1757. 

Bad  Tölz. 


Beiträge  zur  Flora  der  Friedhöfe  in  Xiederösterreicli. 

Aon  E.  K.  Blüinml. 


Geradeso  wie  die  Flora  der  Bauern  gärten  dem  Gebiete  der  Volkskunde 
angehört,  ebenso  gehört  auch  die  Flora  der  Friedhöfe  am  Lande  dem 
Forschungskreise  dieser  Wissenschaft  zu.  Leider  ist  jedoch  über  diesen 
Gegenstand  noch  wenig  veröffentlicht  worden  und  sind  dem  Verfasser  dieses 
nur  drei  diesbezügliche  Arbeiten  bekannt  und  zwar:  1.  Franz  ünger,  Die 
Pflanze  als  Todtenschmuck  und  Gräberzier,  Wien  1867,  27  S.;  2,  Franz 
Woenig,  Die  Pusztenflora  der  grossen  ungarischen  Tiefebene,  Leipzig  1900, 
worin  als  5.  Kapitel  „Ein  Blick  in  die  Pasztengärten  und  Friedhöfe" 
(S.  39 — 43)  und  .'S.  nieine  Anzeige  dieses  Buches  in  den  „Mitteilungen  dei 
Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien-',  XXX.  Band,  Wien  1900,  S.  157 
bis  l.")8.    die    einige  diesbezügliche  Angaben  über  Niederösterreich  bringt. 

Verfasser  dieses  ist  es  nun  gelungen,  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit 
50  solcher-Friedhofspflanzen,  deren  Aufzählung  unten  folgt,  in  nur  wenigen 
Friedhöfen  aufzufinden.  Zunächst  möge  auf  eine  Äusserung  Ungers  (a.  a.  ( ). 
S.  22)  hingewiesen  werden:  „Ausser  diesen  (Cupressus,  Hedera,  Tinea, 
Buxu8;  Sedum,  Saxifraga.  Rosa  canina,  Dlmus,  Populus,  Monis,  Calendula 
und  Eucalyptus)  halten  sieh  wohl  noch  viele  andere  Pflanzen  gleichfalls 
auf  die  Gräber  begeben  oder  sonst,  wie  bei  Leichenceremonien  ein- 
gedrängt, sie  sind  jedoch  kaum  als  Charakterpflanzen  zu  betrachten. 
indem  sie  den  Sinn,  den  mau  ursprünglich  in  die  Grabespflanzen  legte, 
keineswegs  verraten."  Dazu  wäre  zu  bemerken,  dass  es  doch  noch  einige 
Charakterpflanzen  giebt,  die  oben  nicht  angeführt  wurden  und  zwar  1.  der 
Rittersporn  (Delphinium  consolida  L.).    der  schon  den  alten  Griechen  ge- 


1)    Uuter    „poenitent  de  S.  Hubert"    versteht    sich  hierbei   ein  zu  St.  Hubert  (ein  in 

den    belgischen  Ardennen    zwischen  Namur   und  Luxemburg   gelegenes,    ehemals  Andage 

oderAndain  genanntes  Städtchen,  wohin  man  825  den  Leichnam  des  hl.  Hubertus  gebracht 

mi!    dem    St.  Hubertus  -  Schlüsse]    oder   mit    dem  Stirnschnitte    behandelter  Mann 

[Mr.  Weber?),  welcher  daselbst  seine  Beicht    penitence)  oder  Busse  abgelegt  hatte. 


Beiträge  ixu  Flora  der  Friedhof*  in  Niederösterreich.  211 

meinsam  mit  Delphinium  Ajacia  L.  als  Trauerblume  galt,  2.  Lilium  candidum 
L.  (weisse  Lilie),  die  dem  Volksglauben  nach  der  Sitz  der  Seele  des  \  i  ; 
Btorbenen  ist  (man  vgl.  M.  E.  Marriage,  Poetische  Beziehungen  dea  Menscher 
/.ur   Pflanzen-    und    Tierwelt    im    heutigen    Volkslied    auf    hochdeutschem 
Boden.     Alemannia,  KXVI.  Jahrg.,  Bonn   L898,  S.  127     135    und    die  dort 

führte  Litteratur  über  diesen  Gegenstand)  und  '■'<.  Salix  babylonica  I 
(Trauerweide).  In  der  unten  folgenden  Aufzählung  wurdeu  die  Charakter- 
prlanzen  mit  einem  bezeichnet,  während  jene  Pflanzen,  die  auf  daa 
Capitulare  „De  villi»  imperatoris"  Karls  des  Grossen  zurückgehen  gut  er- 
läutert wurde  dasselbe  durch  Kurt  Sprengel,  Geschichte  der  Botanik, 
I.Band,  Altenburg  und  Leipzig  L817,  S.  194  198  und  Anton  Kerner,  Flom 
der  Bauerngärten  in  Deutschland.  Verhandlungen  des  zoologisch-botanischen 
Vereins  in  Wien,  V.  Bd.,  1855,  S.  787  ff.)  und  daher  mit  denen  der  Bauern- 
gärteu  übereinstimmen,  mit  *~.  und  jene  Pflanzen,  die  später  ala  Zierpflanzen 
verwendet  wurden    und   daher  auch   Eingang  in  die   Friedhöfe  fauden,    mit 

bezeichnet  werden. 

Wichtig  erschien  es  dem  Verfasser,  bi  i  jeder  Pflanze  auch  den  Fried- 
wo  er  dieselbe  fand,  mitzuteilen,  um  dadurch  gleichzeitig  einer  Be- 
arbeitung der  Friedhofspflanzen  nach  geographischen  Gesichtspunkten  vor- 
zuarbeiten. Bei  jenen  Pflanzen,  die  sich  in  allen  diesbezüglich  durch- 
suchten Friedhöfen  landen,  wurde  von  einer  Mitteilung  der  Fundorte 
abstand  genommen.  Die  auf  Friedhofspflanzen  durchsuchten  uiederöster- 
reichischen  Friedhöfe  sind  nun  folgende:  F.  Egelsee  (V.  0.  AI.  I'... 
Bezirkshauptmannschaft  und  Bezirksgericht  Krem-  .  R.  Roseidorf,  Br. 
Braunsdorf,   G.  =  Goggendorf  und  Si.        Sitzendorf  (alle  im   V.  U.  M.   B., 

Bezirkshauptmannschaft  und  Gerichtsbezirk  <  Iber-Hollabrunn  .  Fr.      Fr; n- 

dorf   und   X.-S.  =  Nieder-Schleinz  (V.  F.  M.  B.,    Bezirkshauptmannschaft 
I  »ber-Hollabrunn,  Gerichtsbezirk  Unter-Ravelsbach)  und  B.      Burgschleunitz 
V.  0.  M.  B.,  Bezirkshauptmannschaft   Hörn,  Gerichtsbezirk   Eggenburg). 

*++     1.  Antirrhinura  majua  L.,  Löwenmaul.    Si  (für  Ungarn  Woenig  a.  a.  < ».  s  40 

•_'.  Aster  bellidiflorus   Willd.,  Aster.     Si.   (für  N.-Ö.  Blüraml  a.  a    0.  8.  L57). 

3.  Aster  chinensis  L.  und 

I.  Aster  Tripolium  L.,    Aster.     Si.,    G.,    Br.,    R.,    B.,    N.-S.,    Fr.     lur  N.-Ö. 
Blümml  a.  a.  0.  S.  151  , 

5.  Begonia  boliviensia  U.C.   I  '•■  ..  Si. 

6.  Borago  officinalis  F,  Boretsch.     Si. 

+     7.    Buxus  sempervirens  L,  Buchs.     F..  Si.    für  Ungarn  Wi  0.  S.  41 

und  Unger  a.  a.  0.  S.  20  führt  diese  PQanze  ala  eine  in  Europa  beliebte 
Grabespflahze  an). 
+    8.    Calendula   officinalia    F..    Totenblume.     Allgemein     für   N.-Ö.    G.    I 

Ritter  von  Managetta,    Flora  von  Nieder  -  Österreich,    II.  Bd.,   Wien   1893, 
S.  1223;    für  Ungarn  Woenig  a.  a.  0.  S.  39;    für  Süddeutschland    im  all- 
gemeinen Unger  a.  a.  0.  S.  20). 
9.    Canna  indica  L.     F. 
*TT   10.    Cheiranthus  Cheiri  F.,  Goldlack.     Si. 


17. 
18, 

L9. 

20 

+  +  + 


Blfimml:  l  tax  Plön  der  Friedhof«  in  Niederösterreich. 

11.  Chrysanthemum  coronarium  I...  Goldblume.    Si. 

12.  Delphinium  consolida  I...  Rittersporn.     Hr.,  Fr.,  Si. 
Dianthua  barbatua  1...  Bartnelkc.     E.,  Fr.,  G. 

II.    Qianthus  caryophyllus  I...  Nelke.     K.  Si. 

15.  Bupaterium  cannabinura  I..  Wasserdost.     F. 

16.  Gladiolua  communis  L.,  Schwertlilie.     Br.,  G..  Si.,  Fr,  N.-8.,  B.,  B. 
üedera  helix  I..,  Bphen.    1!  .  F..  Si.    Unger  a.  a.  0.  S.  "21  für  Griechenland}. 
FJelianthus  tuberosus  L.,  Topinambur.     <i. 

Hyssopus  officinalis  L,  Hyssop.    Fi-.,  Si.  (für  Ungarn  Woenig  a.  a.  0.  S.  40  . 
[beria  atnbellata  I..  Bauernsenf.    G. 

21.  Irapatiens  balsamina  I...  Balsamine.     Br.,  G.,  Si. 

22.  Lactuca  muralis  Gärtn.,  Mauersalat.  <j.  (dürfte  wild  und  nicht  angepflanzt 
sein). 

'23.    Lilium  candidum  L.,   Weisse  Lilie.     Si. 

"24.    Linum  usitatissimum  L,  Flachs.     Fr.,  G.,  Si. 

2.">.    Malva  Alcea  L,  Pappelrose.    Si. 

20.    Matthiola  annua  Sweet.,   Blauer  Feigel.     Br..  G.,  R,  Si. 

27.    Nigella  damascena  L.,  Gretchen  im  Busch.    Fr.,  G.,  Si.  (für  Ungarn  Woenig 

a.  a.  0.  S.  40). 
2H.    Paeonia  officinalis  L.,  Pfingstrose.     Fr..  G..  Si. 

29.  Papaver  somniferum  L  ,  Mohn.     Br.,  Si. 

30.  Pelargonium  zonale  Ait ,  Pelargonie.  -  Br ,  B..  F..  Fr..  N.-S.,  R,,  Si. 

31.  Khcum  australe  Don.,  Rhabarber.     Si. 

32.  Robinia  pseudacacia  L,  Akazie.     Fr. 

33.  Rosa  canina  L  ,  Hundsrose.  Fr.,  G.,  Si.  Nach  Unger  a.  a.  0.  S.  18 — 1" 
war  die  Hundsrose  auch  im  alten  Griechenland  eine  Grabespflanze,  wie 
aus  interessanten  Stelen  von  Kypros  hervorgeht.  Die  Früchte  dieser 
Pflanze  werden  gleichzeitig  mit  denen  von  Symphoricarpus  racemosa  Mchx. 

s.  No.  II  und  denen  von  Ligustrum  vulgare  L.  (in  Wien)  zu  Allerheiligen 
zum  Verfertigen  von  auf  den  Gräbern  eingelegten  Kreuzen  und  Kränzen 
verwendet  (allgemein). 

34.  Rosa  centifolia  L.,   Böse.     Br ,  G..  Si. 

'■''■).    Salix   babylonica  L.,    Trauerweide.     F.,   Si.    (für  Ungarn   Woenig  a.  a.  0. 

S.  40.   für  X.-Ü.   Bliimml  a.  a.  0.  S.  157). 
36.    Saponaria  officinalis  L.,  Seifenkraut.     Br.,  B.,  Fr.,  G.,  Si.  (für  X.-Ü.  Bliimml 

a.  a.  ( ).  S    157;  war  ehemals  eine  Gartenpflanze,  und  schon  Carus  Sterne, 

Herbst-  und   Winterblumen,   Prag  1886,  S.  368  weist  darauf  hin,    dass  sie 

sich  in  Friedhöfen  findet). 
•'17.    Satureja  hortensis  L.,  Sadarei.     G. 

Sedum  albuni  F..  Mauerpfeffer.     Si. 

39.  Sedum  japonicum  Sieb.  Fr.,  G.,  Si.  (Unger  a.  a.  0.  S.  22  führt  für  die 
österreichischen  und  bayerischen  Gebirgsländer  Sedum  sexangulare  L.  und 
S.  Tclephium  L.  au  . 

40.  Silene  otites  Sm.,  Leimkraut.     Si. 

4  1.  Symphoricarpus  racemosa  Mchx.,  Schneebeerstrauch.  R.,  Si.  Der  Strauch 
heisst  „Schneeball",  die  Früchte  „Todtnbiär"  und  werden  letztere  zu  Aller- 
heiligen in  Form  von  Kreuzen  auf  die  Gräber  gelegt  (Oberhollabrunner 
Bezirk  allgemein).  Diese  beiden  Volksnamen  finden  sich  bei  P.  Höfer  und 
M.  Kronfeld,  Die  Yolksnamen  der  niederösterreichischen  Pflanzen,  Wien 
L889,  nicht. 


Weinhold:  K  Leine  Mitti  ilnnj  •_'  L3 

f++  42.    Tagetes  patula  I...  Studentenblume.     Fr. 

■     43.    Tanacetum  vulgare  L.  (Chrysanthemum  vulj  h   ,  Katzenschwanz.   I. 

11.    Thuja  occidentalia  I..     Br.,    B.,   E.,   I'r..  N.-S..  i;..  Bi.    für  X.-o.  «;.  Beck 
a.a.O.  I.  Bd.,  Wien   1890,  S.  1»'.     Nach  ünger  a.  ...<).  S.  1  ■•  i/i 

diese  Pflanze  im  kalten  Klima  Cupressus  fastigiata  D.C. 
h++  45.    Typhoides    arundinacea    Mönch.    (Phalaris    arundinacea   I..     ?ar.  picta  L., 
Bandgras.     E.,  Si. 
46.    Verbascum  thapsiforme  Schrad.,   Königskerze.     Fr.   (wohl  wild  and  oicht 
angepflanzt). 
**+  47.    Verbena  chamaedryfolia  Juss.,  Eisenkraut     Bi. 

48.    Vinca  minor  L.,  Singrün.    E.,  Fr.,  G.,  Si.    War  ehemals  bei  Bestattungen 
9ehr  beliebt,  und  im  18.  Jahrhundert  durften  weder  Jungfrauen  noch  Jüng- 
linge   bestattet    werden,    deren   Leichen    nicht    mit    einem    Kran/.«-    dieses 
Krautes  geschmückt  waren  (s.  Unger  a.  a.  0.  S.  20—21  I. 
*"**  49.    Viola  tricolor  L.,  Dreifaltigkeitsblurae.     Br.,  Gr.,  Si. 

•0.  Viola  odorata  L.,  Veilchen.  Si.  Vielleicht  konnte  auch  das  Veilchen  als 
Charakterpflanze  aufgeführt  werden,  es  möge  dabei  an  Shakespeare.  Hamlet, 
V.  Aufzug,  1.  Scene  (Shakespeares  dramatische  Werke,  aerausg.  durch  die 
deutsche  Shakespeare-Gesellschaft,  VI.  Bd.,  Berlin  1869,  S.  146)  erinnert 
werden,  wo  Laertes  in  Bezug  auf  seine  Schwester  OpheL 

Legt  sie  in  den  Grund, 
Und  ihrer  schönen  unbefleckten  Hülle 
Entspriessen  Veilchen! 

Soweit  reicheD  die  Ergebnisse  der  bisherigeu  Erforschung  der  Fried- 
hofsflora in  Nieder-Österreich,  die  gewiss  noch  eine  Erweiterung  und  Ver- 
tiefung zulassen  werden,  was  auch  vmi  Seite  des  Verfassers  angestrebl  wird. 

Wien. 


Kleine  Mitteilungen. 


Karl  Julius  Schröer  f. 

Am  16.  Dezember  1900 [starb  zu  Wien  K.  J.  Schröer,  emer.  ord.  Professor  der 

deutschen  Litteratur  an  der  technischen  Hochschule,  der  auch  an  ousrer  Zeitschrift 
mitgearbeitet  und  die  Wissenschalt  der  Volkskunde  in  verschiedenen  Zweigen 
gefördert  hat.     Wir  widmen  ihm  ein  Wort  der  Erinnerung. 

K.  J.  Schröer  war  ein  Deutschungar.  Die  Eltern  waren  Tobias  I  Gottfried  Schröer, 
Professor  am  Presburger  evangelischen  Lveeum,  unter  dem  Namen  Christi  n  Oeser 
als  Verfasser  eines  litterargeschichtlich-ästhetischen  Lehrbuches  bekannt,  und  Eleonore 
Theresia  Langwieser,  jene  geistvolle  Frau,  mit  der  K.  v.  Iloltei  in  langem  Brief- 
wechsel gestanden.  In  Presburg  ward  diesem  Paare  der  Sohn  Karl  Julius  am 
11.  Januar  1825  geboren.  Er  erhielt  seine  Bildung  auf  dem  evang.  Lyceum  seiner 
Vaterstadt  von  18-43-46,  besuchte  dann  die  Universitäten  Leipzig,  Halle  und  Berlin 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


•jl  |  Weinhold: 

und  trat  darauf  als  Suppleni  Beines  Vaters  bei  dem  Presburger  Lyceum  ein.  Im 
Sommer  1849  Behickte  ihn  der  Statthalter  ron  Ungarn,  Baron  Geringer,  unerwartet 
mit  wichtigen  Briefen  in  das  österreichische  Hauptquartier  zum  Höchstkomman- 
dierenden,  Peldzeugmeister  v.  Haynau,  und  dieser  behielt  ihn  als  seinen  Sekretär 
bei  sich.  Erat  im  September  gelang  es  ihm,  davon  enthoben  zu  werden.  Er 
ward  dann  zum  supplir.  Professor  für  deutsche  Litteratur  an  der  Pester  Universität 
ernannt  Seine  definitive  Anstellung,  die  der  Universitätssenat  im  Oktober  1851  in 
Wien  beantragte,  scheiterte  aber  bei  Graf  Thun  an  seinem  protestantischen  Be- 
kenntnis. So  nahm  er  denn  Anfang  1852  die  Professur  der  deutschen  Sprache 
und  Litteratur  an  der  Presbarger  Oberrealschule  an,  in  der  er  bis  1861  blieb,  wo 
ihm  das  beginnende  Anstürmen  dr<  Magyarentums  gegen  alles  Deutsche  seine 
Stellung  verleidete.  Er  bewarb  sich  um  das  ausgeschriebene  Direktorat  der  ver- 
einigten evangelischen  Schulen  in  Wien  und  erhielt  es  Anfang  1861.  Nach  fünf 
Jahren  gab  er  dieses  Amt  auf  und  trat  1866  als  Docent  für  deutsche  Litteratur  an 
die  technische  Hochschule  über.  Im  November  18G7  erhielt  er  eine  ausserordentliche 
Professur,  1891  das  Ordinariat.  Nach  Vollendung  des  70.  Jahres  trat  Sehr,  be- 
stimmungsgemäss  in  den  Ruhestand,  Dezember  1895.  Leider  waren  seine  letzten 
Lebensjahre  durch  schwere  Krankheit  heimgesucht,  in  der  die  Liebe  seiner  treff- 
lichen Gattin,  Frau  Hermine  von  Kohänyi,  und  seiner  Kinder  sein  Trost  und  Licht 
waren.  An  dem  Tage  nach  der  Enthüllung  des  Wiener  Goethedenkmals,  für  das 
er  jahrelang  eifrig  gewirkt  und  gekämpft,  schloss  er  seine  Augen.  — 

Schröer  ist  litterarisch  sehr  thätig  gewesen:  besonders  hat  er  sich  mit  Goethe 
beschäftigt    und    in    seinen  Vorlesungen    wie    in  Büchern    davon   Kunde    gegeben. 
Seine  sechsbändige  Ausgabe  von  Goethes  Dramen  in  Kürschners  Nationallitteratur. 
dann    der    in    drei  Auflauen    verbreitete    kommentierte  Faust   seien  nur  angeführt. 
Wir    müssen    uns    hier    auf   seine  Beteiligung   an    den  Arbeiten   für  Kenntnis  der 
Sprache  und  des  geistigsittlichen  Lebens  des  Volkes  beschränken.     Als  Presburger 
Schulprogramm    erschien  1855    sein  Beitrag    zur  Mythologie    und  Sittenkunde    aus 
dem  Volksleben  der  Deutschen  in  Ungarn.    Durch  mein  Buch:  Deutsche  Weihnacht- 
spiele und  -Lieder  aus  Süddeutschland  und  Schlesien  (Graz  1853)  angeregt,  forschte 
er    in    deutschen  Gegenden  Ungarns  nach  entsprechendem,    und  die  Frucht  waren 
die  wichtigen  „Deutsche  Weihnachtspiele  aus  Ungarn"  (Wien  1858,  dazu  ein  Nach- 
in    einem  Presburger  Programm,    Presburg  1<S58.    4°).     Im    selben  Jahre   er- 
schienen die  Ergebnisse  einer  Forschungsreise  in  die  Zips,  um  die  dortige  deutsche 
Mundart  nach  Laut-  und  Wortbestand  aufzunehmen:  Beitrag  zu  einem  Wörterbuche 
der   deutschen  Mundarten  des  ungrischen  Berglandes,    Wien  1858    (dazu  Nachtrag 
im    selben   Jahre).     Dazu    gehören    als  Fortsetzungen:    Versuch    einer  Darstellung 
der  deutschen  Mundarten  des  ungrischen  Berglandes,  Wien  1864.     Die  Laute  der 
deutschen  Mundarten    des    ungrischen  Berglandes  1864   (sämtlich  in  den  Sitzungs- 
berichten   der  Wiener  Akademie).     Später    besuchte  Schröer  die  deutsche  Sprach- 
insel   von  Gottschee    in  Krain  zu  gleichem  Zweck.     Was  er  gewannen,    gab  er  in 
seinem  Ausflug  nach  Gottschee,  Beitrag  zur  Erforschung  der  Gottschewer  Mundart 
(Wien  1869)    und    Weitere  Mitteilungen    über    die  Mundart    von  Gottschee  (Wien 
1870).     Es  sind  das  Arbeiten,  besonders  die  über  das  ungrische  Bergland  und  die 
deutschungrischen  Weihnachtspiele,  die  ihren  Wert  behalten  werden;  sie  sind  von 
jener  warmen   Liebe  zu  dem  Deutschtum  mitten  in  fremder  gefährlicher  Umringung 
getragen,    die    Schröer    erfüllte.     Warmherzigkeit    und  Begeisterung    für  das  Gute 
und  Schöne  waren  hervorstechende  Charakterzüge  des  Vielen  lieben  Mannes. 

K.  Weinhold. 


Kleine  Mitteilungen.  -jl.'> 

Der  Piilmhusck  in  den  Niederlanden. 

Wir  haben  in  nnsrer  Zeitschrift  wiederholt  Mitteilungen  über  den  Palmbusch 
in  Tirol,  Steiermark.  Österreich  and  Salzburg,  sowie  in  Oberbayern  erhalten  III.  M 
und  Tafel  1.  VI II.  226.  445.  \.  227).  Der  oberrheinische  Palmen  ist  jüngst  7on 
E.  H.  Meyer  in  seinem  Badischen  Volksleben  Strassburg  1900  S  92  f.  genau 
beschrieben  worden.  So  wird  es  denn  auch  nicht  aninteressant  sein,  von  dem 
Palmpaasch  in  den  Niederlanden  das  zu  vernehmen,  was  in  der  Volksku 
Tijdschrift  vuor  Xederlandsche  Folklore  (Gent,  Deventer  XII.  229.  XIII,  52.  81.  104 
berichtet  worden  ist. 

Der  Palmpaasch  ist  in  Nord-Niederland,  namentlich  im  Osten,  sehr  bekannt. 
Kr  besteht   aus  einem  Stock,    der  mit  Bachsbaumzweigen    buxus  Bempervirena  I. 
und  allerlei  Leckereien  umgeben  ist  und   wird   am  Palmsonntag  von  Kindern  in  den 
Oiten  herumgetragen,  indem  sie  singen: 

Palm,  palmpaschen!  hei,  koerei! 

Nog-  maar  eene  zondag,  dan  krijgen  wij  een  i -\'. 

Meli  ei  is  geen  ei.  Twee  ei  een  half  ei, 

Drie  ei  een  Paaschei! 

Aber  es  giebt  auch  verschiedene  Formen  des  Palmpaasch,    worüber  \erv 
wird  auf  Ter  Gouw,  Yolkvermaken  (1871),  S.  202  — 2(>.">.  für  die  gesungenen  Liedchen 
auf  Nederl.  Baker-en  Kinderrijmen  4.  A.   (1894),  S.  71.   72   und  auf  Boekcnoogen. 
Onze  Rijmen  in  der  Zeitschrift  De  Gids  1894,  S.  290. 

Herr  Dr  A.  Beets  in  Leiden,  der  die  Präge  aach  dem  Osterpalm  in  der  Volks- 
kunde anregte,  beschreibt  daselbst  XII.  230  einen  sehr  grossen  Palmpaasch,  den 
er  am  Palmsonnabend  1900  aus  Kampen  in  Overyssel  erhielt.  Das  Hauptstück 
daran  war  ein  35  cm  hoher  Schwan  aus  Brotteig  mit  14  kleinen  Schwänchen  in 
zwei  Reihen  auf  dem  Rücken  und  einer  Schwanfrau  auf  dem  Kopf,  alles  mit  Bux- 
Eweigen  und  Fähnchen  besteckt  und  mit  Schnüren  von  kleinem  Gebäck,  Fi 
und  Rosinen  behangen.  Das  Ganze  war  auf  einen  Dreizack  aus  Weidenzwi 
gesetzt,  in  dessen  Mitte  eine  Apfelsine  lag.     Alles  zusammen  war  80  <  n*   hoch. 

Im  Anschluss  hieran  beschrieb  (Volkskunde  XL11.  52)  Herr  L.  Knapper!  in 
Assen  (Drenthe)  einen  Palmpaasch,  den  er  Ostern  Kss'.i  in  Purmerend  kaufte 
An  einem  6U  cm  langen  Stock  waren  von  unten  an  gerechnet  befestigt  ein  Apfel, 
eine  Feige,  ein  ausgeblasenes  Ei,  eine  Apfelsine,  wieder  ein  leeres  Ei.  ein  Kormten- 
brötchen,  dann  noch  ein  Apfel  und  eine  Feige,  und  an  dem  linde  ein  Schwänchen 
aus  Kuchenteig.  Ausserdem  zierten  den  Palm  in  dem  untersten  Apfel  zwei  Papier- 
fiihnchen,  links  blau,  rechts  orange,  und  zwei  Stechpalmzweige.  Im  nächsten  Apfel 
stak  an  Kupferdraht  ein  aus  Papier  geschnittenes  Pferd  mit  zwei  Stechpalmzwi  • 
ebenso  war  das  Korintenbrötchen  mit  zwei  Fähnchen,  einem  papiernen  Pferde  und 
mit  zwei  Stechpalmzweiyen  besteckt,  die  das  Schwänehen   beschatteten. 

In  Dockum  in  Friesland  kannte  man  den  Palmpaasch  vor  einigen  Jahren 
noch;  der  Teigvogel  hiess  aber  hier  eine  Ente. 

In  Deventer  (Volkskunde  XIII.  81)  hat  der  Palmpaasch  den  alten  Namen 
verloren  und  den  neuen  Krekelink  bekommen.  Ein  Weissbrotgebäck  in  Rad  form 
ist  das  Hauptstück.  Die  Felgen  sind  dick,  die  Speichen  dünn.  In  die  Felgen 
sind  in  gewissen  Abständen  Hölzchen  gesteckt,  die  durch  Guirlanden  aus  Drähten 
verbunden  sind,  worauf  Rosinen  oder  Korinten  gezogen  wurden.  In  den  Speichen 
stecken  hier  und  da  Hölzchen  mit  Rosinen,  Fähnlein  aus  buntem  Papier  und  kleine 
Schwänchen  mit  einem  Palmzweiglein  auf  dem  Kopf.  Ganz  kleine  Schwänchen 
sind  zwischen  die  Speichen  eingebacken.    Mitten  auf  dem  Rade  sitzt  eine  Apfelsine 

15* 


216  Wriniiold: 

an  einem  Stöckchen.  Das  Ganze  isl  ziemlich  dicht  mit  Palmzweigchen  besetzt 
und  auf  einem  horizontal  liegenden  hölzernen  Andreaskreuz  befestigt,  das  auf 
einem  mit  buntem  Papier  beklebten  Tragstocke  ruht.  Wenn  die  Kinder  mit  ihrem 
Krekelink  bei  den  Bauern  herumgehen,  singen  sie: 

Pallem,  Pallempaosen,  ei  koerei,  ei  koerei! 

Dan  houwo       hebben  we)  no^  ieene  zündag,  <lan  bouwe'n  ei. 

[een  ei,  < l-i t  is  gien  ei, 

Maar  twiee  ei,  dat  is'n  pallempaos-ei. 

Im  Limburgschen  werden  nach  der  Beschreibung  von  Dr.  J.  Schrijnen 
Volkskunde  XIII,  106  f.)  die  Palmhoutjes  oder  Palmbessems  nicht  mit  einem 
Schwan,  sondern  einem  Hahn  gekrönt.  Auch  in  Amsterdam  finden  wir  diesen 
Vogel:  v.  Reinsberg-Düringsfeld  beschreibt  die  dortigen  Palmpaschen  als  Kränze 
oder  Brezeln  aus  Brotteig,  in  denen  ein  Kreuz  liegt,  das  an  einen  schön  verzierten 
Stab  gebunden  wird.  Zwischen  Kreuz  und  Kranz  in  den  vier  Winkeln  liegen 
kleine  gebackene  Hähnchen,  ebenso  auf  dem  Kranz;  oben  auf  dem  Stock  sitzt  ein 
etwas  grösserer  Hahn  von  Teig.  Der  ganze  Palm  ist  mit  Buchsbaum  geschmückt 
(Das  festliche  Jahr  S.  124). 

Am  Palmsaterdag  wird  in  Roermond  und  Venlo  und  anderen  limburgischen 
Orten  ein  Markt  mit  Gestellen  für  den  Palmpaasch  gehalten,  die  aus  einem  Dreizack 
von  Weidenzweigen  mit  vielen  Palmruten  daran  bestehen.  Diese  Gestelle  werden 
aufgeputzt,  und  in  der  Nacht  bringen  dann  die  Engel  die  Palmhoutjes  den  Kindern. 

Diesem  niederländischen  Palmpaasch  ist  in  der  Herstellung  und  Ausstattung 
der  oberrheinische  Palmen  verwandt,  der  eine  10 — 12  Fuss  lange  Gerte  oder  Stange 
von  verschiedenem  Holz  zum  Halt  hat,  an  deren  Spitze  eine  Krone  sitzt,  von  der 
bunte  Seiden-  oder  Papierbänder.  Äpfel  und  bekränzte  Heiligenbilder  herabhängen; 
unter  der  Krone  ist  ein  quirl  förmiger  Büschel  von  Wacholder  oder  Buchs  befestigt. 
Aber  der  oberrheinische  Palmen  wird  in  der  Kirche  geweiht  und  seine  Bestandteile 
haben  die  Kraft  geweihter  Dinge.  Das  ist  bei  dem  niederländischen  Palmpaasch 
vergessen,  da  die  Orte,  von  denen  er  geschildert  ist,  auf  protestantischem  Boden 
liegen.  Aber  im  katholischen  Venloo  tragen  die  Kinder  ihre  Palmhoutjes  in  die 
Kirche  und  lassen  sie  gleich  den  Palmtakjes  und  Palmbundeis  der  gläubigen 
Menge  weihen  (Volkskunde  XIII,  107). 

In  seiner  einfachsten  Gestalt,  als  buchsbaumgeschmückter  Stock,  ist  der  Palm 
gleich  den  schlesischen  „Sommern"  nur  die  Verkündigung  des  Frühjahrs  in  der 
Hand  gabenheischender  Kinder  und  hat  mit  den  kirchlichen  „Palmen"  gar  nichts 
gemein.  Auch  die  Äpfel  gehören  nicht  hierzu,  sondern  zu  den  Bäumchen  und 
Zweigen  der  Frühjahrszeichen.  Das  Gebäck,  das  eine  Gabe  für  die  Kinder  ist, 
welche  die  Lenzbotschaft  bringen,  hat  sich  in  dem  niederländischen  Palmpaasch 
fast  zur  Hauptsache  entwickelt.  Die  Schwangestalt  ist  charakteristisch  für  das 
Wasserreiche  Land,  in  dem  sich  auch  die  Schwansagc  eine  Heimat  gesucht  hatte. 

K.  W. 


Das  Notfeuer  im  Brauuschweigischeu. x) 

So  viele  Orte  ich  auch  auf  meinen  häufigen  Fusswanderungen  und  Radfahrten 
in  unserem  Herzogtum  berührte,  fast  überall  wussten  mir  die  alten  Leute  vom 
„wilden  Feuer"  zu  erzählen,  sei  es  aus  eigener  Anschauung,  sei  es  aus  Mitteilungen 
ihrer  Eltern,    mochte    es    nun    im    eigenen    oder  in  einem  naheliegenden  fremden 


1)  Vgl.  R.  Andree,  Braunschweiger  Volkskunde,  S.  312— 31(5. 


Kleine  Mitteilungen.  21  7 

Dort'e    entfacht    sein.     Aber    der    anbestimmten  .V  man  habi 

dem  Rotläufe    der  Schweine    durch    ein  Stück  Bolz    ein  Loch    gebohrt   und  ■ 
Flachsstrick    so   lange  hindurchgezogen,    ins  es  Feuer  gegeben  habe,    und  d< 
wenig  sichereren,  man  habe  in  Schöningen  etwa   1840  in  einem  Hohlwege  bei  der 
Saline    ein  Feuer    angezündet    und    die   kranken  Schafe   hindurchgetrieben,    sl 
folgende  vier  bestimmteren  Angaben: 

In  Rennau.  hart  an  unserer  Greuze,  war  im  Jahre  1820  eine  Schwi 
Da    rieben    zwei  Brüder    nach  Sonnenuntergang    zwei  Bölzer  so  lange,    bis  sie  in 
Brand   gerieten.     Es    wurde    dann  Feuer  in   einem  Hohlwege  entfacht,    an  di 
beiden  Seiten  eine  Hecke  war,  und  die  leidenden  Schweine  hindurcl  und 

zwar  mit  bestem  Erfolge. 

In  Nfordsteimke  war  1830  eine  Schweineseuche  ausgebrochen.  Da  ent- 
zündeten zwei  Brüder  dadurch  Feuer,  dass  sie  ein  dünnes  Brett  in  einem  Loche 
im  Eckständer  rieben,  bis  es  in  Brand  kam.  Das  Feuer  wurde  mit  Zunder  auf- 
gefangen und  in  einem  Hohlwege  mit  Stroh,  Holzschuhen  und  Schuhschiarmen 
alten,  zerrissenen  Schuhen)  genährt.  Dreimal  wurden  die  Schweine  hindurch- 
getrieben. 

In  Papenrode  wurde  1850  ein  Notfeuer  entzündet.  Zwei  Brüder  setzten  an 
der  Drehbank  des  Stellmachers  zwei  Hölzer  in  Brand,  fingen  das  Feuer  mit  Zunder 
auf  und  trugen  es  nach  einem  Hohlwege,  der  von  Hecken  eingefasst  war.  Durch 
diesen  wurden  die  kranken  Schweine  hindurchgetrieben. 

In  Xaensen  wurde  das  letzte  Notfeuer  Mitte  der  fünfziger  Jahre  des  10.  Jahr- 
hunderts angezündet.  Hier  rieb  der  Drechsler  ein  Stück  Holz  trocken  mit  einem 
stumpfen  Eisen,  bis  Feuer  kam.  Dann  wurde  von  jedem  Besitzer  Stroh  gebracht, 
und  der  Hirt  ging  mit  den  Schweinen  durch  das  Feuer  hindurch.  Einen  Teil  der 
Asche  nahm  sich  jeder  mit  und  gab  sie  den  Schweinen   ins   Futter. 

Braunschweig.  Otto  Schutt.. 


Weiteres  zu  den  Zauberpuppen. 

Die  von  Feilberg  (Zeitschrift  X,  S.  420)  gegebene  und  von  R.  Andrer  IX. 
S.  33ö)  angedeutete  Erklärung  der  Zauberpuppen  als  Dragednkker  bezw.  IL 
männchen  findet  eine  geradezu  entscheidende  Bestätigung  in  einer  merkwürd 
Erzählung  aus  Herzhorn  (Holstein),  die  von  dem  dort  lebenden  Diakonus  Hieronymua 
Saucke  (1694—1739)  in  seiner  „Stormaria  oder  Hardes-Hörnischen  Chronica-  auf- 
gezeichnet ist  und  sich  handschriftlich  in  dem  dortigen  Pfarrarchive  befindet, 
liüllenhoff  hat  in  seinen  Sagen  (S.  2» »9)  nur  den  Anfang,  D.  Detlefsen  in  seinei 
Geschichte  der  holsteinischen  Eibmarschen  die  ganze  Erzählung  abgedruckt  (Bd.  II. 
S.  427),  der  die  folgende  Inhaltsangabe  entnommen  ist. 

Diese  Erzählung,  die  bei  Saucke  unter  dem  Titel  „Von  der  sogenannten 
Teuffels  Poppe  Mönöloke,  welche  die  Leute  vormals,  umb  reich  zu  werden,  h 
in  ihren  Kisten  sitzen  gehabt,  auch  Von  den  guten  Johann"  steht,  beginnt  mit  den 
bezeichnenden  Worten:  „Es  hat  kurz  vor  den  keyserlichen  Kriege  sich  allhie,  ja 
durchgehens  im  lande  begeben,  dass  ein  Gespräch  unter  den  Leuten  auskommen. 
so  dass,  wenn  einer  Stillschweigens  reich  geworden,  man  von  ihm  gesaget,  es 
sehet  ihm  die  Mönöloke  aus  dem  Schubsack.-  Er  berichtet  dann,  dass  diese 
Mönöloke  eine  Teufelspuppe  aus  weissem  Wachs  gewesen  und  erzählt  mit  Namen- 
nennung aller  Beteiligten,  wie  ein  Mann  zu  einer  Nachbarin  geht,  um  sich  einen 
Kornsack  zu  leihen,    wie   er  die  Frau  nicht  antrifft  und  von  der  Tochter  an  einen 


218  Zell«: 

Kasten  gewiesen  wird  and  dort  die  mit  Rillen  an  den  Füssen  versehene  Puppe 
findet.  Aul'  seine  Präge  erklärt  das  Kind:  „Wenn  meine  Mutter  Säcke  nähet,  so 
wachse!  sie  den  Zwirn  damit,  welches  sehr  gut."  Nun  bricht  sich  der  Nachbar 
einen  Uhus  ah  und  nimmt  ihn  mit.  um  auch  etwas  von  dem  Zauber  zu  haben. 
Als  die  Mutter  heimkehrt  und  dvn  Sachverhalt  erfahrt,  geht  sie  zu  dem  Nachbar 
und  fordert  den  Fuss  zurück.  Die  Sache  wird  aber  ruchbar  und  gelangt  durch 
den  Verwalter,  der  die  Puppe  einzieht,  an  den  Landdrosten.  Der  Nachbar  muss 
L 00  Thaler,  die  alte  Frau  eine  nicht  genannte  Busse  zahlen.  Saucke  fügt  dann 
weiter  hinzu,  dass  der  Schwager  des  Verwalters,  bei  dem  die  Puppe  deponiert 
blieb,  sich  dieser  mehrfach  bemächtigte  und  dadurch  reichen  Ertrag  auf  Fisch- 
und  Jagdzügen  hatte.  Schliesslich  ist  die  Zauberpuppe  von  Soldaten  aus  einer 
„kleinen  Lade"  geraubt  und  fortgeschleppt  werden. 

Don  seltsamen  Namen  Mönöloke  bringt  Detlefsen  a.  a.  Ü.  mit  dem  gotischen 
manleika,  dem  althochdeutschen  mannalihho  =  Menschenbild,  Mannesgleich,  zu- 
sammen. R.  Mielke. 


Bäuerliche  Kraftspiele  am  Abersee  (Salzburg). 

An  den  Ufern  des  Abersees  (S.  Wolfgangssee  im  Salzburgischen)  besonders 
in  der  vom  Verkehrswege  ziemlich  abseits  gelegenen  Ortschaft  Ried  am  Fusse 
des  Schafberges  haben  sich  in  der  Bevölkerung  zwei  höchst  originelle  Kraftspiele 
erhalten,  die  zu  gelungener  Durchführung  eine  ganz  riesige  Muskelstärke  er- 
fordern. 

Die  robuste  Art  dieser  beiden  Spiele  ist  so  eigenartig,  dass  man  mit  Recht  der 
Vermutung  Raum  geben  darf,  sie  stammen  in  ihrer  Urwüchsigkeit  aus  längst  ver- 
flossenen Zeitläufen  und  haben  sich  in  einer  Gebirgsgegend  erhalten,  welche  durch 
ihre  noch  bis  vor  wenigen  Jahrzehnten  bestandenen  Weltabgeschiedenheit  einen 
günstigen  Boden  für  derartige  Volkseigentümlichkeiten  bot. 

Hier  in  kurzen  Zügen  eine  Beschreibung  jener  beiden  Spiele,  welche,  wenn 
auch  selten,  so  doch  ab  und  zu  bei  besonderen  Festlichkeiten  oder  Anlässen  unter 
freiem  Himmel,  meist  auf  einer  Wiese,  vor  versammelten  Zuschauern  von  den 
kräftigsten  Bauernburschen  der  Umgebung  ausgeführt  werden. 

1.    Das  Morschen  oder  Modern. 

Auf  die  Schultern  eines  aufrechtstehenden  Mannes  (A)  setzt  sich  ein  zweiter 
(B)  derart,  dass  dieser  seinem  Partner  den  Rücken  kehrt.  A  umklammert  Füsse 
und  Schenkel  des  auf  ihm  Sitzenden,  diesen  so  auf  Schultern  und  Nacken  fest- 
haltend. 

B  lässt  nunmehr  seinen  Oberkörper  bei  hochgestreckten  Armen  über  des  A 
Rücken  herabfallen  und  schlägt  mit  geballten  Fäusten  wuchtig  in  die  beiden  Knie- 
kehlen des  aufrechtstehenden  A  in  der  Absicht,  diesen  zu  Fall  zu  bringen.  Trotz 
der  auf  ihm  ruhenden  Körperlast  und  trotz  der  Verschiebung  des  Gleichgewichtes, 
welche  B  durch  das  Fallenlassen  seines  Oberkörpers  hervorbringt,  ist  hingegen  A 
bestrebt,  seine  Kniesehnen  möglichst  straff  anzuspannen,  um  so  dem  dawider  ge- 
führten Sehlage  zu  begegnen.  Gelingt  dem  A  dieser  Widerstand  nicht,  knickt  er 
er  mit  den  Knieen  ein,  oder  kommt  derselbe  gar  zum  Sturze,  so  sind  seine 
Muskeln  und  Sehnen  ..morsch"  oder  „moderig",  und  daher  der  Name  des  Spieles. 


Kleine  Mitteilungen.  •_' ] '.) 

■1.    Das  Stock k 1 1 eben  mlcr  Holzspalten. 

Zur  Durchführung  dieses  Kraftspieles  sind  sechs  Männer  erforderlich,  die  Bicb 

m  zwei  gleich  starke  Parteien  sondern. 

I.  Partei.     Zwei  Bauernburschen  (A  und  B     liegen    mit   troll  ausgestrecktem 

Körper  neben-,  besser  gesagt  aufeinander  am  Boden,  30  das-  die  l'u 
dem  Kopfe  des  B  gegenüber  sind.  Mit  Armen  und  Hunden  umklammert  jeder  die 
Püsse  seines  Partners  und  presst  sie  mit  voller  Kraft  an  Bich.  Zwischen  ihren 
Körpern,  womit  sie  gleichsam  einen  Baumstamm  oder  Holzblock  darstellen,  lieg! 
ein  dritter  Bursche  (C),  welcher  einen  in  den  Block  eingedrungenen  Keil  bildet, 
Sein  zwischen  A  und  B  eingeklemmter  Körper  ist  möglichst  spitzwinke]  ogen, 

so    zwar,    dass  Kopf,    Arme    und'Füsse    auf  der  einen  Seite  des  „Baumstammes" 
vorstehen,  während  sein  Gesüss  auf  der  entgi  etzten  hinausragt. 

II.  Partei.      Weitere    zwei  Männer  (D   und  E)    fassen    nunmehr   den   sechsten 
Mitspielenden  (F)    derart,    dass    sie   je    einen  Ann    und    Fuss    des  !•'    hochziehen, 
wodurch    auch    dessen  Körper,    ähnlich    jenem  des  C   in  einen  spitzen    Wmki 
bracht  wird. 

Nach  diesen  Vorbereitungen  beginnt  das  eigentliche  Spiel,  indem  I)  und  E 
den  von  ihnen  gehaltenen  Körper  des  F  in  schwingende  Bewegung  setzen,  die 
gesteigert  wird,  bis  der  Unaussprechliche  Ars  F  mit  voller  Wuehi  auf  das  Hinter- 
teil des  C  stösst,  welcher  dadurch  aus  seiner  Umklammerung  durch  A  und  P> 
geschleudert  werden  soll. 

Die    grösste    Muskelkraft    haben    bei    diesem  Volksspiele    die    den    Holzblock 
bildenden  A   und  B   aufzubieten,    um    ungeachtet  des  heftigen  Stosses,    welchen  C 
durch  F  empfängt,    diesen   zwischen  ihren  Körpern  festzuhalten,    die  Spaltung 
Holzes  durch  den  Keil  gleichsam  verhindernd,  während  ('  und  P  im  wählen  Sinne 
des  Wortes  eine  leidende  Rolle  spielen  müssen. 

Ohne    zerrissene    Kleider,    Verletzungen,    ja   selbst  Blutvergiessen   geht 
diesem  Kraftspiele  wohl  selten  ab. 

Salzburg".  Gustav  /eller. 


Yolksineiiiungeii  von  der  bayerisch-österreichischen  Grenze. 

1.    Die   Hallthurmer  Pestungswerke. 

Wia  noch  koa  Weg  durch'n  Wald  herauf  war  im  die  rieln  Handel  zwischen 
die  Boarischen  herüb'n  und  den  Bischöflich  Salzburgischen  drüb'n  gwen  san.  wor 
die  ganzi  Passhöh  so  vermauert,  dass  koa  Murmentel  net  durch  hol  scblieff'n 
könna.  Da  is  aaf'n  gross'n  Thurn,  der  wo  noch  bei  der  Bahnstation  sieht,  a  Wächter 
gestanden,  der  jed'smal,  wenn  er  von  Weiten  was  bot  orucka  sehg'n  oder  nur  vom 
Hören  gespannt  hot,  zu  die  andern  Wächter  bot  nüberschrein  müss'n;  die  harn 
nachher  zruckgeschrie'n  und  im  ganz'n  Wald  hot's  gehallt  -  dessweg'n  hoasst  ä 
da  heunt  noch  bei'n  Hallthurn.  Es  wären  auch  die  Festungsmauern  uet  zu'n  d«-r- 
zwingen  g'wen,  wenn  net  oamöl  Oaner  aus'n  Feindlichen  Haufen  den  hoamlichen 
Gang  ausgründen  hätt',  der  von  die  Untersberger  Manndl'n  gegraben  is  und  mitten 
in    die   Festung    führt,    da  wo's  Nixloch  liegt.1)     Daraufhin  is  d    Festung  zu  Fall 


1)  Das  zwischen  den  Besten  der  sehr  ansehnlichen  Hallthurmer  Festungsmauern 
gelegene  sogen.  Nixloch  führt  thatsächlich  in  einen  unterirdischen  Gang,  durch  den  ein 
Erwachsener  sich  nur  mühsam  hindurchzwängen  kann:  doch  ist  derselbe  jetzt  teilweise 
verschüttet. 


220  Baff: 

kcmma,  aber  die  .Manen)  siech;  ma  noch  Btundenweil  im  Wald,  dö  a  Trumm  an 
dort  a  Trumm;  an  bei  der  Nacht  thuat'a  oft  noch  an  langgezognen  Schroa,  wie 
wenn  die  Wachtersleut'  einand  rufen  thaten 

"2.    Das  Bedauern. 

heim  Fuchswirt  in  Ballthurm  war  Schlachttag;  eine  der  Dirnen,  die  Lisi. 
stand  draussen  vor  der  Thür  und  gab  aaf  die  Frage,  warum  sie  nicht  hineingehe. 
zur  Antwort:  ..Weil  drin  a  Fäckl  abgstochen  werd,  un  dös  derbarmt  mi  so  viel. 
an  damit  das  Vieh  net  so  arg  leid'n  muss,  geh'  i  aussi."  —  Da  sie  nicht  gleich 
verstanden  ward,    erklärte  sie  sich  näher:  -Wenn  Dans  in  der  Stub'n  is.    das 

gar  /'  viel  Bedauern  mit  der  Kreatur  hat,  ko  dös  Schlachtvieh  net  versterb'n. 
sondern  muss  si  umanandquälen,  bis  dasjenige,  wo  also  barmherzi  is,  aus'n  Haus 
-cht.  Mei'  Vata  war  a  Metzger,  un  wenn  dem  amöl  a  Kaibl  net  glei  auf's  Erst' 
hi  worn  is.  hat  er  laut  gefragt,  wen  von  die  Hausleut  dös  Thierl  gar  a  so  der- 
barmt? der  soll  si  schleimen,  dass  er  ausser  kimrat,  denn  ehnder  wird  dös  arme 
Viech  net  hin,  wenn  aa  :s  Herz  eam  mittendurch  gestochen  waar.  Mit  die  Christen- 
leut  is's  sehiei-  net  viel  anders  —  die  leiden  aa  länger  un  versterben  härter,  bald 
zu  ein  grosser  Jammer  is.  Die  alt'  Wirtin  hot:s  sehn  verzählt,  dass  sie  net  hat 
heim  bleib'n  derf'n  bei  an  Todesfall  von  ihre  Leut',  weil  sie  si  so  bekümmert 
hot,  dass  in  ihren  Beisein  das  Sterbende  net  hat  verscheid'n  könna." 

3.  Vom  Auskehren. 
Die  Wirtin  zu  Melleck  hot  erst  a  Magd  gehabt,  dös  war  eine  Schlampen  un 
eine  Raffel.  Die  Stub'n  hot  s'  net  alli  Tag'  ausgefegt,  blos  vor'n  Sonntag,  un 
nachher  bot  s'  die  Thür  aufgesperrt,  an  Reiserbes'n  g'numma  un  Alles,  was  in'n 
Weg  war.  hinum  herum  bei  der  Thür  ausser  gekehrt.  Wer  aber  so  thut,  der 
kehrt's  Gute  mit'n  Bös'n  aus'n  Haus;  ordentliche  Leut'  nehmen  a  Schauferl  her, 
laden  dös  Sach  bedachtsam  drauf  un  stauben  's  bei'n  Fenster  naus.  Dessweg'n 
hot  aa  d'  Frau  die  Magd  net  g'halten;  sie  hot  alleweil  geforchten.  die  kunnt'  ihr 
z'letzt  noch  "s  Glück  ausserfeg'n. 

4.  Überschätzter  Wert. 
Im  Österreichischen  drüb'n  war  a  alt's  Wei",  was  sie  mühsam  mit  der  Milli 
von  ihre  zwoa  Geiss'n  ernährt  hot.  Amol  so  sitzt  s'  an  der  Strass'n  un  strickt  un 
lasst  die  Geiss'n  gros  n,  nachher  kimmt  a  hocher  Herr  daher,  der  auf  Sommer- 
frisch' in  der  Gegend  war.  un  fangt  mit  ihr's  Reden  an.  Wia  er's  gespannt  hot, 
dass  die  Alt'  so  arm  dran  is,  hot  er  ihr  well'n  a  Geiss  abkaufen;  sie  aber  hot  si 
einbildt',  er  macht  grad  an  G'spass,  un  zur  Antwort  geb'n:  sie  losst  si'  net  der- 
bleck'n.  Jetz  hot  er's  ihr  auseinand  g'setzt,  dass  's  eam  Ernst  is,  aber  sie  hot 
net  mög'n  un  gesagt,  koane  Geiss  ko  sie  nit  herlass'n,  sie  muass  dervö  leb'n. 
Darauf  thut  der  Herr  in  sein'  Eifer  ihr  recht  a  hoch's  Gebot  auf  die  eine  Geiss 
—  da  hebt  das  alt'  Wei"  zu'n  Weinen  an  un  sagt:  TJetz  höbt's  Ös  derzwung'n, 
denn  jetz  muss  i's  geben,  ob  ich  schon  net  will,  Üs  höbt's  die  Geiss  überboten. 
dös  is  gerad  so  wia  wenn  sie  war  beschrieen  word'n  —  ich  hätt'  nia  mehr  a 
Glück  dermit.  also  muss  i'  s'  jetz  verkaufen."  Un  sie  höt's  Geld  mit  Weinen 
ang'numma  un  die  Geiss  dem  Herrn  nach  Haus  trieben. 

5.    Die  Gcdenkladen.1) 

Auf  dem  ganzen  Weg  von  Schnaizlreut  bis  Lofer  sind  an  den  Häusern  dunkle 
Holzbretter,  mit  und  ohne  Bemalung,  angenagelt;   es  ist  immer  das  mittelste  Brett 

1)  Über  die  Toten-  oder  Rgbretter  vgl.  unsre  Zeitschrift  IV,  403.  VIII,  205—209.  346. 


Kleine  Mitteilu  "_'"_' 1 

von  denen,  worauf  ein  Toter  aufgebahrt  _  I    achrifl  „Gedenk- 

laden des  ehrengeachteten  V  X."  oder  „Christliches  Andenken  an  di<  tugendsame 
\.  X.a  —  nebst  dem  Datum  des  Todes  und  einem  frommen  Spruch.  Manche 
Bauswand  ist  völlig  von  solchen  Brettern  bedeckl  and  trägt  die  Totenliste 
ganzen  Familie.  Ein  Mann  aus  Unken,  wegen  der  düstern  Bitte  befragt,  antwortete 
mit  der  Gegenfrage:  „Soll  eines  Menschen  Andenken  denn  in  seinem  Hau-  nicht 
zurückbleiben?"  —  und  fügte  hinzu:  ein  solches  Brett  aus  Mutwillen  oder  Ei 
nutz  zu  entfernen,  sei  schwere  Sünde,  wofür  die  Seele  des  verunehrten  Gestorbenen 
dem  Thäter  keine  Hube  lassen  werde. 

München.  Helene  Raff. 


Sterbende  werden  auf  die  Erde  gelegt. 

In    der  Vita   Bennonis    episcopi   Osnabrugensis  cap.    -      Monumenta  German. 
bist.  Script.  KU  81),    die    im   11.  Jahrh.   vom  Abt  Norbert  von   [bürg   geschrii 
ist1),    wird    erzählt,    dass    der  Bischof  Benno,    als   er   im  Sterben  liegt,    unter  dm 

les  Abts    und    der  Mönche  aus  dem  Bett  auf  eine  Decke  am  Pussbi 
gelegt  wird  (in  tapetico  deponitur)  und  dort  verscheidet. 

Der  Brauch.  Sterbende  aus  dem  Bett  zu  heben  und  auf  Stroh  auf  den  Hoden 
zu  legen,  ist  noch  heute  aus  mehreren  deutsehen  Landschaften  nachweisbar 
(A.  Wuttke.  Der  deutsche  Volksaberglaube  der  Gegenwart,  §  724  und  gehört  zu 
den  mancherlei  Volksmitteln,  den  Todeskampf  zu  beschleunigen   und  zu  erleichtern. 

In  Ostpreussen  wird  der  Sterbende  zuweilen,  wenn  er  zu  schwer  stirbt,  an- 
dern Bett  gehoben  und  auf  Stroh  oder  ein  Kissen  auf  die  Erde  gelegt  (E.  Lemke. 
Volkstümliches  in  Ostpreussen,  1,  56.  Mohrungen  1884  .  Um  einem  Sterbenden 
den  Tod  zu  erleichtern,  bettet  man  ihn  in  Schlesien  (Bunzlauer  Gegend  auf  Stroh 
auf  den  Wechsel,  d.  i.  auf  die  Stelle,  wo  die  Enden  der  Stubendiele  mit  der 
Querdiele  zusammenstossen  (Mitteil.  d.  Schles.  Gesellschaft  f.  Volkskunde  VIII.  14). 
In  sächsischen  Dörfern  Siebenbürgens  legt  man.  wenn  anderes  nicht  hilft,  den 
schwer  Sterbenden  vom  Federbett  weg  auf  Erbsstroh,  denn  unter  den  Federn 
könnten  Taubenfedern  sein,  auf  denen  ein  Mensch  nicht  ersterben  kann.  S«hw er- 
sterbende Kinder  legt  man  samt  dem  Bette  auf  die  Stelle,  wo  sonst  der  Tisch 
steht,    also    auf   den    Passboden  (G.  Schuller,    Volkstümlicher  Glaube  und  Brauch 

Tod  und  Begräbnis  im  Siebenbürger  Sachsenlande.  Schässburg  L863,  S.  40  . 

In  der  Oberpfalz  legt  man  den  Kranken,  der  nicht  ersterben  kann,  auf  den 
Fussboden  auf  Stroh  (Bavaria   II.   1.  S.  322 

Ein  eigentümliches  Missverständnis  hat  den  Brauch  im  Vogtlande,  wo  er  bis 
ins  19.  Jahrb.  bekannt  war.  verändert:  wenn  einem  Sie,  Lenden  der  Tod  BChwer 
wurde,  stieg  jemand  auf  den  Hausboden  und  drehte  eine  Schind. d  im  Dache  am. 
An    die  Stelle    des  Fussbodens    der  Stube    ward    hier  der  Dachbodi  t  and 

und    dann    ein   Sympathiemittel    für  Erreichung    des  Zwecks    erfunden  (Witzt 
Sagen,  Sitten  und  Gebräuche  in  Thüringen.  S.  261.     Wien  1878  K.   W 

1)   Scheffer -Boiehorst,    Norberts  Vita    Bennonis    eine    Fälschung?    in    den    Berliner 

Sitzungs- Berichten  1.  132ff.     1901. 


-_'•_'•_>  Weinhold: 

Über  das  echte  Tirolerlied. 

In  den  Ennsbrucker  Nachrichten  vom  13.  14.  März  L901.  No.  60.  < » 1  unter 
dem  Strich    hat  sich  Berr  Bans  Zangerle  ober  die  Pflege  des  echten  deutschen 

sliedea  in  Tirol  und  tlber  die  Bedrängnis  und  Gefährdung  desselben  mit 
voller  Kenntnis    der  Verhältnisse    ausgesprochen.     Die   Feinde    sind    die    gewerbs- 

B  m  grossen  Mengen  erzeugten  „Salon-Tiroler",  die  von  den  meist  unter 
falscher  Flagge  segelnden,  in  irgend  einer  imitierten  Tiroler  Tracht  in  der  Welt 
herumreisenden  „Tiroler  National  -  Sängergesellschaften"  mit  allerlei  Faxen  auf- 
getischt werden.  Dann  die  abgeschmackten  und  nichtsnutzigen,  nicht  selten  zoten- 
haften Wiener  Bänkellieder,  die  von  den  Soldaten  der  seit  mehreren  Jahren  in 
Wien  und  Linz  stehenden  Tiroler  Kaiserjäyer-Regimenter  bei  ihrer  Heimkehr 
mitgebracht  werden.  Dem  echten  Tirolerliede  entgegen  wirken  vielfach  auch  die 
zahlreichen  deutschen  Gesangvereine  im  Lande,  welche  die  angeblichen  Kärntner-, 
Steirer-  und  Oberösterreicher  Lieder  von  Koschat,  Gauby,  Blümel  u.  a.  mit  Vor- 
liebe pflegen  und  künstlichen  Ersatz  dem  echten  Liede  vorziehen,  das  durch  seine 
natürliche  Lebensfreudigkeit  sich  scharf  unterscheidet  von  der  Empfindelei  und 
Süsslichkeit  des  sogen.  Liedes  im  Volkston.  Herr  Zangerle  verweist  als  auf  eine 
Mustersammlung  des  wahren  Tiroler  Volksgesangs  auf  die  „Echten  Tiroler  Lieder. 
Unter  Mitwirkung  mehrerer  Freunde  herausgegeben  von  Franz  Friedrich  Kohl. 
Wien  1899",  die  unsre  Zeitschrift  bereits  im  10.  Bande,  S.  109  gebührend  em- 
pfohlen hat. 

Wir  wollen  über  den  Vortrag  des  Tirolerlieds  noch  einiges  aus  Hrn.  Zangcrles 
Aufsatz  herausheben. 

Der  Tiroler  singt  sein  Lied  auf  den  Bergen  ohne  Instrumentbegleitung,  im 
Thal  zur  „Quitarre";  im  Unterinnthal  und  seinen  Seitenthälern  zur  Zither.  Hack- 
brett und  Maultrommeln  sind  fast  verschwunden.  Am  häufigsten  wird  der  ein- 
stimmige, wie  der  meist  zweistimmige  weibliche  Gesang  von  Zither  und  Laute 
begleitet, 

Die  Männergesänge  hört  man  meist  vierstimmig.  Träger  der  Melodie  ist  der 
erste  Tenor  oder  zuweilen  ein  kräftiger  Bariton.  Die  hohen  Töne  der  beiden 
Tenore,  manchmal  auch  des  ersten  Basses  (e  f  g)  werden  fast  ausschliesslich  mit 
Fistelstimme  gesungen.  Der  erste  Bass,  im  Volke  der  Grade  oder  der  Aushalter 
genannt,  singt,  soweit  die  Harmonie  es  gestattet,  fast  durchaus  die  Quinte  zur 
Melodie.     Der  zweite  Bass  singt  ganz  schlicht  den  Grundton. 

Der  Jodler  scheint  früher  in  Tirol  durchaus  nicht  so  häufig  gewesen,  als 
heute,  wo  er  selbst  im  Schnaderhüpfl  manchmal  jedem  Strophenverse  zugefügt 
wird.  Ja  es  werden  in  Tirol  selbst  Jodler,  ohne  sich  einem  Liede  mit  Worten 
anzuschliessen,  ein-,  zwei-  und  auch  drei-  und  vierstimmig  gesungen.  Trotz  aller 
Vorliebe  der  heutigen  Tiroler  für  den  Jodler  ist  derselbe  nach  dem  Urteil  von 
Hrn.  Z.  nicht  so  reich  entwickelt  als  in  Steiermark.  K.  W. 


Wochenzettel  für  den  kärntischen  Uauerntisch. 
Aus  der  Gemeinde  Stockenboj. 

Erstes  Frühstück  (Fruastik)  bei  Tagesanbruch,  Sommers  um  4—5  Uhr. 

Plentern  d.  i.  schmarrenartige  Polenta  aus  Mais(Türken  oder  Kukurutz)- 
töehl,  mit  abgekochter  (gsottner)  süsser  Milch. 


Kleine  Slitteilun  223 

Zweites  Frühstück  (Vorjauaen  oder  Halbmittag)  um  9     10  Uhr. 

ächwarzbrol  (Roggenbrot)  mit  saurer  Milch  oder  mit  Käse  K  -  oder 
mit  Gselchtm  Räucherfleiscb)  oder  um  Speck  und  mit  Schnaps,  d.  L 
echtem  Obst-  oder  Beerenbranntwein,  der  leider  irom  Kärntner  Landvolk 
übermässig  genossen  wird. 

Mittagessen    Jansen,  slnvenisch  jnshina,  Ableitung  von  jug,  Süd,  Mittag). 

Tägliches  Vorriclu  oder  Vormahl  i-t  im  Sommer  Salat  mil  selbst- 
gemachtem Essig  and  saurem  Rahm  oder  Leinöl.  Das  eigentliche  Mahl 
besteht 

Sonntags  aus  Grerstbrein,  d.  i.  Brei  oder  Mus  aus  enthülster  Gerste  g'rolltem 
Gerschtl),  gekocht  in  der  Brühe  von  gselchtem  Schwein-  oder  Rindfleisch, 
welches  in  Würfel  geschnitten,  eingelegt  wird.  Dazu  im  Sommer  grüner 
Kopfsalat  oder  frische  Gurken  (Murkn),  im  Herbst  Krautsalat  Köpflsalatl 
mit   Kartoffeln  (Grundhirn.    Flötzhirn)  oder  Konen     roten  Kühen)   und  Brot 

Montags:  Störzerknödel,  d.  s.  Knödel  aus  Mehl  und  gesottenem  oder  geselchtem 
Fleisch   in  der  Fleischbrühe,   mit  Sauerkraut  oder  Salat. 

Dienstags  (Erchtigs):  Plenten  mit  Schmalz  (zerlassener  Butter)  oder  Speck  und 
saure  Milch. 

Mittwochs  (Mittigs):  Nudeln,  d.s.  Nocken  gefüllt  meisl  mit  Schotten  oder  Topfen 
(weichem  Molkenkäse),  gemischt  mit  Brei  aus  Hirse  oder  Pfenich  (Kolben- 
hirse, panicum)  nnd  Kerbelkraut,  oder  gefüllt  mit  Klötznmöl  (zerriebenen 
gedörrten  Birnen)  und  Kartoffelhrei.  oder  mit  Mohn  (mägn)  oder  Obst- 
gehäcksel. 

Donnerstags  (Pfinztigs),  wie  Sonnl 

Freitags,  wie  Mittwochs. 

Samstags,  wie  Dienstags,  oder Mehlbrein  .Mus  aus  Maismehl)  gemischt  mit  Hirse. 
Wiid  statt  des  gewöhnlichen  Hirses  Fenich  genommen,  so  heisst  es 
Kleinbrein. 

VespeTbrot  (Schpätjausn)  um  3—4  Uhr:  Schwarzbrot  mit  saurer  Milch  oder  mit 
Branntwein  oder  mit  Obst. 

Nachtmahl  um  7 — 8  Uhr,  gewöhnlich  Hirsebrei  in  Wasser  gekocht  mit  Speck; 
dazu  saure  Milch  oder  Milchsuppe  mit  Brotschnitten,  oder  Farferln  (d.  i. 
zerriebene  Teigbrocken)  mit  Speck  in  Wasser  oder  ohne  Speck  in  Milch 
gekocht.     Ei  wird  selten  den  Farferln  beigemischt. 

Samstagsabend  werden  PlatÜen  (tellerförmige  Kuchen),  oder  Germnudeln  mit  Salat 
(im  Sommer)  gegessen:  darnach  Milch  mit  eingebrockten  Nocken  oder 
Plattlern 

An  den  grossen  Feiertagen,  den  Kirchtagen,  Kindlmalen  (Taufschmausen),  Hoch- 
zeiten, Bestattungen  (Begräbnissen)  giebt  es  eine  Menge  anderer  Speisen. 
worüber  man  sehe  E.  Schatzmayr,  Deutschlands  Norden  und  Süden, 
Braunschweig  1870,  S.  28— 31.  K.  W. 


Das  Hutzaliaus  im  Egerland. 

Sowie  die  Mädchen  des  Egerlandcs  zur  Winterszeit  ihre  Rockenstuben  hatten, 
so  sammelten  sich  die  jungen  Burschen  in  den  rHutzahüusenr\  um  die  langen 
Winternächte  in  Geselligkeit  zu  verbringen.  Hutzen  gehen  heisst  auf  Besuch  gehen, 
Schmeller,  B.  Wb.  1-,  1195;  Hutzenhäuser  sind  also  Häuser,  in  denen  man  auf 
Besuche  eingerichtet  ist. 


224  Kolli-     \ 

Die  Besitzer  dieser  Bntzahäuser  waren  keine  Bauersleute,  sondern  Bäusler 
mit  ein  wenig  Feldbau  und  einer  oder  zwei  Kühen.  Sie  lebten  meist  in  Dürftig- 
keit, aber  wegen  ihres  sicheren  and  dreisten  Auftretens  hei  der  bäuer- 
lichen Bevölkerung  ein  gewisses  Ansehen,  wenn  auch  nicht  bei  den  Alten,  so 
doch  bei  den  Jungi  -  waren  die  in  alle  Verhältnisse  des  Dorfes  und  der 
i  inzelnen  Familien  ihten  und  somit  oft  wichtige  Vertrauenspersonen,  als 
welche  sie  dann  jedi  hcit  in  .schlauer  Weise  für  sich  und  ihre 
/.wecke  ausnützten.  Doch  mussten  >ie  dabei  viel  Unannehmlichkeiten  mit  hin- 
nehmen: 80  eine  jeden  Winterabend  von  Neugierigen  überfüllte,  qualmende  Stube, 
welche  den  nächsten  Morgen  einer  gründliehen  Reinigung  bedurfte,  manche  un- 
ruhige schlaflose  Nacht,  manch  derbes  Wort.  Der  Vorteile  halber  aber  nahmen 
sie  diese  und  noch  andere   Widerwärtigkeiten  gern   in  den  Kauf. 

Die  Unterhaltung  im  Butzahaus  war  verschieden.  War  „Geld  beim  Zeug", 
dann  füllte  ein  „Färbl"  oder  „Einundzwanzig-Spiel" ')  die  Zeit  des  Abends  aus: 
kam  einmal  der  gewandte  und  gewohnte  Erzähler  der  Räuber-  und  Schauer- 
geschichten herein,  dann  lauschte  alles  in  atemloser  Stille  diesem;  sollte  der 
„Nikles"  irgendwo  seinen  Unfug  treiben,  von  hieraus  wurde  er  geschickt;  wollte 
man  einem  Missliebigen  im  Dorfe  einen  Schabernack  anthun,  z.B.  den  Wirtschafts- 
auf das  Dach  stellen,  hier  wurde  es  ausgetüpfelt:  konnte  man  zu  Zeiten 
durch  „Spiessrecken" 2)  einen  guten  Bissen  erlangen,  von  hier  aus  gingen  die 
Töpfe:  kam  die  Zeit  des  Schweineschlachtens,  des  Pökelfleisches,  des  geräucherten 
Fleisches,  dann  wurde  Lug  und  Trag  getrieben,  um  Fleisch  aus  der  Speisekammer, 
aus  dem  Fasse  oder  aus  dem  Hauch  fange  der  Besitzer  —  oft  der  eigenen  Eltern  — 
zu  bekommen:  im  Butzahause  war  der  Schmaus.  Zuweilen  fing  man  die  Gänse 
und  Enten  in  der  Nacht  aus  dem  Teiche  oder  aus  dem  Stalle,  um  sie  in  Gemein- 
schaft zu  verzehren.  Hier  trieb  man  auch  das  „Tischlrucken"3)  und  das  „Sieb- 
laufen"4). 

Der  Jlutzavota"  und  die  „Butzamouta"  aber  gingen  bei  all  diesem  Treiben 
nie  leer  aus.  Wer  keinen  Teil  an  all  dem  daselbst  hatte,  das  war  die  „Wawa* 
(Grossmutter  im  Hause,  die  jeden  Abend  ihr  Spinnrad  drehte  und  allen  Vorgängen 
gegenüber  blind  und  taub  und  stumm  zu  sein  schien.  Und  -hinta  da  Höllu 
'hinterm  Ofen)  sassen  zuweilen  zwei  Liebende,  gleichfalls  für  ihre  Umgebung 
teilnahmslos,  denn  obwohl  hierzulande  gewöhnlich  nur  aus  praktischen  Rücksichten 
geheiratet  wurde,  so  schlich  sich  doch  auch  nicht  selten  die  echte  Liebe  in  die 
Herzen  zweier  Egerländer  ein. 

-Mühlessen  bei  Eger.  Jos.  Köhler. 


Schwäbische  Beiträge  zu  Blümini  und  Kott,  Verwendung  der  Pflauzeu. 

(Oben  S.  4'.i  ff. 

ide  wie  die  Taubnessel  (No.  Ol)  giebt  die  Akelei  (Akelei,  Aquilegium 
nilgare)  in  ihren  spornähnlichen  Blumenblättern  den  „g'schlürigen"  Knaben  und 
Mädchen  einen  süssen  Trunk. 

1  -Färbl-  und  _Einundz\\;<nzi:_'--S]delu,  letzteres  gewöhnlich  „Hoppen"  genannt,  zwei 
in  früheren  Zeiten  hier  sehr  gebräuchliche  Hazardspiele. 

i'  Iieim  „Spiessrecken"  schickte  man  in  die  Häuser,  wo  Kindtaut'-  oder  Hoehzeits- 
schinause  abgehalten  wurden,  Töpfe,  um  Kücheln,  Fleisch,  Knödeln  u.  a.  zu  erhalten. 

3)  Das  „Tischlrucken"  bestand  darin,  dass  mau  von  einem  in  Bewegung  gesetzten 
Tischlein  Auskunft  über  die  Zukunft  verlangte. 

4)  Das  „Sieblaufeir.  ein  abergläubisches  Mittel,  um  Diebstähle  zu  erkundschaften. 


Kleine  Biitteilui  j-j;, 

Die    Früchte   der    Essig  Berberis  i  ien    Bich   bei  unserer 

Jugend  einer  sehr  grossen  1'.'  liebtheit.  Diese  Beeren  bilden  stets  in  dem  faventar 
der  Hosentasche  eines  Buben  aus  den  Leebauen  einen  Hauptbestani 

Zu  ll.    Buche.     Die  jungen  Blatttriebe  werden  mit  besonderer  Vorlii 

Zu  25.     Die  Früchte  der  Kartoffel  heissen  im  Ries,    Gegend   um  Nördlinj 
im    bayerischen  Nordschwaben,    Stucka    und    werden    dort    von  den  Kindern  als 
Wurfgescb     -  intzt,    indem    man    sie    an    spitzige  Holzstäbe   spiesst   und   l'ort- 

Bchleudert. 

Das  „Hasaschättele"  Aegopodium  podagraria  liefert  in  seinen  jungen  Trieben 
schon  um  Ostern  herum  Material  zu  Nesteben  für  die  Osterhaseneier;  auch  werden 
die  Blättchen  dieses  Krautes  zum  Bemustern  der  mit  einem  Abend  von  Zwiebel- 
schalen braun  gefärbten  Ostereier  sehr  häufig  benutzt. 

Zu  4:;.  Herbstzeitlose.  Im  Ries  nennt  man  die  Früchte  dieser  Giftpflanze 
„Heemutschla",  man  steckt  vier  kleine  kurze  Hölzchen  darein,  und  das  Kind  bildet 
sich  dann  eine  kleine  Viehherde  als  Spielzeug. 

Das  Hietatäschla  (Hirtentäschchen,  capsella  bursa  pastoris  liefert  den  Gärtner 
spielenden  Kindern  in  seinen  Früchtchen  das  für  den  Einkauf  nötige  Geld. 

Zu  4<i.  Holunder.  Aus  etwa  30— 35  cm  langen  und  ungefähr  3  cm  starken 
Aststücken  wird  das  Mark  herausgenommen.  In  die  dadurch  entstandene  Röhre 
wird  mittels  eines  Stöpsels,  welcher  leicht  in  dieser  Röhre  sich  auf-  und  nieder- 
bewegen lässt  und  unten  einen  verdickten  Handgriff  hat.  aus  gewöhnlich  mit 
Speichel  angefeuchtetem  Wergstück  ein  Pfropfen  gebildet  und  mittels  jenes  Stöpsels 
bis  an  die  vordere  Öffnung  der  Röhre  geschoben.  Dann  wird  ein  zweitt 
Wergstück  angefertigt  und  mit  kräftigem  Stosse  in  die  Röhre  hineingetrieben,  so 
dass  ein  lauter  Knall  entsteht  und  die  zuerst  hineingestossene  Wergkugel  hinaus- 
getrieben wird.  Dieses  Spielzeug  wird  „Holderknalle"  geheissen  und  erfreut  sich 
bei  der  Rieser  Jugend  der  grössten  Beliebtheit. 

Der  „türkische  Holder"  (Syringa  vulgaris)  liefert  „de  schwäbische  Mädla" 
einen  sehr  billigen,  schönen  und  zugleich  wohlriechenden  Schmuck.  Die  Blüten- 
kelche werden  ineinander  gesteckt,  bis  ein  Ring  oder  eine  Kette  entstein.  Solcher 
Schmuck  gilt  als  was  besonders  Feines,  es  gehört  aber  Kunstfertigkeit  da/u. 

Die  Frucht  des  Löwenzahns  gilt  kleinen  Kindern  als  Laterne  und  wird,  wo 
sie  nur  zu  erhaschen  ist,  gierig  ausgeblasen  und  mit  den  Fingern  nach  dem 
davonlliegenden  Samen  gehascht. 

Zu  61.  Massliebchen  (Bellis  perennis).  Die  kleinen,  auf  dem  dicken  Frucht- 
boden aufsitzenden  Blütchen  werden  abgelöst,  in  die  Höhe  geworfen  und  mit  dem 
Handrücken  aufgefangen.  Wieviel  nun  solcher  Blütchen  auf  dem  Handrücken  zu 
fallen  kommen,  soviel  Kinder  wird  man  dereinst  erhalten.  (Haunstetten,  6  km 
südlich  von  Augsburg.) 

Papaver  Rhoeas,  Mohn.    Die  kleinen  Mädchen  machen  ..Docken",  d.  1.  Puppen, 
indem    sie    die  Blumenblätter  zurückbiegen;    die  Samenkapsel  mit  den  Staub! 
bildet  das  Köpfchen  und  die  Blumenblätter  das  Kleid. 

Zu  81.  Die  Früchte  Rosskastanie  werden  durchlöchert  an  Schnüre  gefasst 
und  von  kleinen  Kindern  als  Halsschmuck  getragen. 

Saponaria  officinalis,  das  Seifenkraut,  liefert  im  Sommer  badenden  Knaben 
und  Mädchen  billiges  SeifenmateriaL  denn  aus  dem  Kraut  und  hauptsächlich  aus 
der  Wurzel  wird  ein  seifenartiger  Schaum  gepresst,  der  die  der  Seife  bedürftigen 
jugendlichen  Körper  säubern  soll. 


\\  ■  inholjd:  Kleine  Mitteilungen. 

Di.  W';i  ssei  -nisfii  (nuphar  luteum)  soll  man  nicht  I)  rechen,  denn  wo  sie 
wachsen,  hat  das  Wetter  im  Wasser  geschlagen.  Aber  man  reisst  sie  doch  hier 
und  da  heraus  und  macht  aus  den  der  Reife  nahen  Fruchtknoten  -  Butterbitpia " 
und  „ölkrfigia". 

Zu  95.  Die  Wegerichblüte  wird  in  Oberschwaben  von  den  Kindern  als 
_  Butterbrötle"  gegessen. 

Zu  LOOl  Der  Wiesenbocksbart  heisst  im  Ries:  Guggl  und  auch  Met.  und 
wird  meistens  von  den  Kindern  ganz  und  gar  verzehrt:  in  der  Gegend  gegen  das 
AI  Lau  zu   nennt  man   ihn  auch   ..Purzenstengel". 

Augsburg.  A  umist  Vetter. 


Zu  dem  Cambridger  Augensegen. 

Zeitschrift  XI,  79.) 

Z.  5  für  suzblatrun  ist  zu  lesen  scuzblatran,  wie  zu  lernen  ist  aus  dem  Deutschen 
Krankheitsnamenbuch  von  M.  Höfler,  München  1899,  S.  5"2.  877. 

Zu  G  wäre  zu  verweisen  gewesen  zunächst  auf  die  Althochdeutschen  Glossen 
von  Steinmeyer  und  Sievers  III,  476,  30 — 34:  ordiolus  est  parnissima  et  purulenta 
collectio  in  pilis  palpebrarum  constituta  in  medio  lata,  ex  utroque  condueta,  ordei 
grannro  simulans  hertprat,  wozu  Steinmeyer  anmerkt:  bisher  unbekannter  Name 
des  Gerstenkorns.  Er  deutete  das  Wort,  und  hält  noch  jetzt  daran  fest,  als  rhartes 
Fleisch".  Auch  hier  hätte  von  mir  auf  Höflers  Deutsches  Krankheitsnamenbuch 
verwiesen  werden  sollen.  S.  879,  der  die  Bedeutung  Gerstenkorn  betont  und 
schriftlich  den  weissen  und  den  roten  hürbraten  des  St.  Blasier  Augensegen  daraus 
erklärt,  dass  das  Gerstenkorn  unreif  rot  ist  und  durch  die  Eiterung  weiss  wird. 
HÖfler  verweist  auch  auf  weitere  Wortbelege  in  der  Zeitschrift  Alemannia,  die  ich 
genauer  und  durch  andere  vermehrt  hier  geben  will. 

Aus  cod.  palat.  genn.  "_,44 :  Alemannia  XXV,  2G4  ich  segen  dir  aus  deinen 
äugen  das  weis  und  das  rodt  und  den  frischen  herbroten  und  das  flos  und  das 
feil  --  S.  265.  du  seiest  bloter,  du  seiest  male,  du  seiest  fliech  —  du  seiest  rüde 
oder  du  seiest  laider  her  brate. 

Ebendaher:  Alemannia  XXVI I.  108  bistu  feil  oder  augenfeil,  prafell,  aug- 
geschwer,  vngenant  giht,  schus,  wetter,  der  herbrant,  der  nagell,  das  hippischert, 
das  maslaid.  —  S.  110.  das  das  feil  noch  der  nebel  noch  der  nagel  noch  der 
herbrodt  noch  der  zinck  noch  der  zamse  noch  das  geschos  noch  das  gehilb  noch 
das  rberbluet  noch  die  bloter  noch  das  dobent  gesuecht  nicht  mer  in  den  äugen 
zunemen. 

In  dem  Segen  gegen  Fleck  im  Auge,  den  H.Zahler,  Die  Krankheit  im  Volks- 
glauben des  Simmenthals  (Bern  1898),  S.  106  mitteilt,  heisst  es:  was  hest  in  deinen 
äugen  den  nagel  oder  den  fläcken  den  weissen  oder  den  rotten  oder  den  bluts- 
rodten  oder  den  heirbratden  und  die  siben  und  sibentziger  lei  gesucht. 

K.  W. 


Nachtrag  zum  Traum  vom  Schatz  auf  der  Brücke. 

Zu  Zeitschrift  X,  432.) 

In  den  „Blättern  für  pommersche  Volkskunde"  9,  S.  49f.   teilt  nun  A.  Brunk 
eine    sehr   interessante  Passung    dieser  Sage    aus  Garzigar  in  Hinterpommern  mit. 


Bartels:  Büchcranzi  227 

Da--    Ergebnis    spielt    sich    hier   auf  der    „grünen  Brücke"    in  Berlin  ab.     I 
werde   ich   erst  jetzt   darauf  aufmerksam  gemacht,    dass  V.    rille  in   Veckenstedta 
Zeitschrift  für  Volkskunde  3,  B   132 — 136   noch    ei    _        echische  \ 
bringt    und  auf  ein  verwandtes  Motiv  in  1001  Nacht    ed.  Weil.  1890,  IV    - 
hinweist.  A.   Banffen. 


Bücheranzeigen. 


L.  Stieda,  Anatomisch-archäologische  Studien.  1.  über  die  alt« 
bildlichen  Darstellungen  der  Leber.  .Mir  5  Abbildungen  auf  Tafel  i. 
II.  Anatomisches  aber  alt-italische  Weihgeschenke  (Donaria).  Mit 
28  Abbildungen  auf  den  Tafeln  II.  III  und  1\.  V.  Sonderabdruck 
ans  Bonnet-Merkels  Anatomischen  Hefter  (Band  15.  16).  Wiesbaden, 
Verlag  von  J.  F.  Bergmann.     131  S.     gr.  8°. 

Die  Sitte,  Nachbildungen  menschlicher  Körperteile,  wie  wir  sie  aus  o 
deutschen  Alpenländern  und  durch  Heinrich  Heines  bekanntes  Gedicht  aus  der 
Wallfahrtskirche  in  Kevelaar  kennen,  ist,  wie  zahlreiche  archäologische  Fände 
beweisen,  auch  im  heidnischen  Altertum  gebräuchlich  gewesen.  Allerdings  waren. 
soviel  wir  wissen,  diese  antiken  Votivgaben  nicht  aus  Wachs  gefertigt  worden, 
wenigstens  sind  uns  keine  solchen  erhalten  geblieben;  was  davon  auf  uns  ge- 
kommen  ist.  das  besteht  aberwiegend  aus  gebranntem  Thon;  einige  wenige  Stücke 
sind  auch  aus  Marmor.  Der  Verfasser  behandelt  nur  die  in  Italien  gefundenen 
Douaria,  deren  er  eine  sehr  grosse  aus  eigenem  Augenschein  kennen  gelernt  hat. 
Die  Mehrzahl  derselben  stammt  aus  dem  alten  Tempel  des  Äskulap  auf  der  1 
insel  in  Rom.  dessen  Cella  vor  vielen  Jahrhunderten  unterspült  und  in  den  Tiber 
hinabgestürzt  war.  und  dessen  in  dieser  Cella  niedergelegten  Votivgaben  frommer 
Stifter    bei    den   Baggerarbeiten    der  Tiber  -  Regulierang    im    Jahre  loben 

wurden;  ferner  aus  Veji,  Civita  Lavinia,  Civita  Castellana  u.  s.  w.  und  endlich 
auch  aus  einem  Heiligtum  der  Diana  in  Nemi,  welche  Göttin  als  Geburtshelferin 
verehrt  und  hierdurch  auch  wohl  zur  Helferin  in  allerlei  anderen  Leiden  des 
Körpers  wurde.  Aber  auch  bei  anderen  Ausgrabungen  hat  man  solche  römischen 
Exvntis  gefunden.  Über  die  Häufigkeit  derselben,  von  denen  sich  viele  Stücke 
in  den  verschiedensten  Museen  Europas  linden,  erhalten  wir  eine  Vorstellung, 
wenn  wir  hören,  dass  in  dem  Museo  nationale  in  Rom  von  der  Nachbildung 
eines  einzigen  Körperteils  (eines  Unterleibsorgans  der  Frauen)  102  Exemplare  vor- 
handen sind.  Diese  Votivgaben  sind  gewöhnlich  aus  einem  rötlichen  Thon«'  her- 
gestellt, und  bei  vielen  Stücken  vermag  man  noch  die  deutlichen  Spuren  einer 
Bemalung  zu  erkennen. 

Es  handelt  sich  um  ganze  oder  halbe  Köpfe.  Augen.  Ohren,  Nasen,  Lippen, 
Hände,  Füsse.  Brüste  und  Unterleibsorgane,  und  dann  noch  um  eine  sehr  merk- 
würdige Gruppe,  welche  aufgeschnittene  Bäuche  darstellt.  Für  die  plastische 
Wiedergabe  von  Krankheitssymptomen  bieten  diese  Donaria  keinen  Anhalt:  denn 
es   handelt    sich    hier    in    allen  Fällen    um  gesunde  Körperteile.     Das   ist  für  uns 


■_»•>  Bartels: 

vollkommen  begreiflich,  denn  der  Kranke  erbittet  durch  die  Weihgabe  ja 
natürlicherweise  nicht  ein  krankes,  sondern  ein  völlig  gesundes  Glied.  Würde  er 
ein  krankes  Glied  opfern,  dann  könnte  sich  die  Gottheit  ja  dieses  als  Beispiel  für 
sein  Gnadengeschenk  wählen.  Über  den  Zeitpunkt,  wann  die  Kranken  oder  deren 
je  derartige  Exyotis  in  den  Tempeln  niedergelegt  haben,  ist  man  ver- 
schiedener  Ansicht  gewesen.  Die  einen  meinten,  dass  es  bei  der  Erkrankung,  die 
alliieren,  dass  es  naeli  der  glücklich  erfolgten  Heilung  stattgefunden  habe.  Wahr- 
scheinlich  ist  beides  vorgekommen,  doch  das  erstere  war  gewiss  das  bei  weitem 
häufigere. 

Übrigens  haben  auch  wohl  nicht  alle  diese  Nachbildungen  von  menschlichen 
Körperteilen  mit  Erkrankungen  etwas  zu  thun.  Hände  mit  den  ausgestreckten 
drei  ersten  und  dem  eingeschlagenen  vierten  und  fünften  Finger,  sogen.  Schwur- 
hände, sind  vielleicht  das  sichtbare  Zeichen  eines  abgelegten  Gelübdes  gewesen, 
während  Küsse,  und  namentlich  solche  mit  angeschnürter  Sandale,  vermutlich  das 
Weihgeschenk  entweder  für  eine  bevorstehende  oder  für  eine  glücklich  vollendete 
Reise  gewesen  sind. 

Noch  nicht  hinreichend  sicher  erklärt  in  ihrer  anatomischen  Bedeutung  sind 
die  oben  erwähnten  Gebilde,  die  in  so  auffallend  grosser  Menge  sich  gefunden 
haben.  Übereinstimmung  über  sie  herrscht  nur  darin,  dass  sie  nach  der  allge- 
meinen Annahme  bei  Beschwerden  des  weiblichen  Körpers  geopfert  worden  sind. 
Schwer  verständlich,  auch  in  anatomischer  Beziehung,  sind  die  Darstellungen  des 
geöffneten  Unterleibs.  Der  Verfasser  weist  überzeugend  nach,  dass  sie  keinen 
(Gegenbeweis  gegen  die  allgemeine,  wissenschaftliche  Anschauung  liefern,  dass  den 
alten  Römern  die  Anatomie  des  menschlichen  Körpers  durch  die  Anschauung 
geöffneter  Leichen  unbekannt  gewesen  sei.  Denn  wir  haben  hier  nicht  den  Aus- 
druck wissenschaftlicher  Kenntnisse  auf  dem  Gebinde  der  menschlichen  Zer- 
gliederungskunst, sondern  nur  die  schematischen  Darstellungen  von  unwissenden 
Handwerkern  vor  uns,  welche  ihre  Anschauungen  von  geschlachteten  Tieren  her- 
genommen haben.  Unter  welchen  Umständen  oder  bei  welchen  Erkrankungen 
Stücke  geopfert  wurden,  das  ist  bisher  noch  unaufgeklärt. 

\  orangestellt  hat  der  Verfasser  die  Beschreibung  von  drei  Altertumsfunden, 
welche  untereinander  eine  grosse  Übereinstimmung  besitzen.  Es  sind  flache  Ge- 
bilde mit  abgerundeten  Ecken,  aus  deren  oberer,  konvexer  Fläche  sich  eigentümlich 
gestaltete,  kegelförmige  Portsätze  erheben.  Das  eine  Stück,  aus  Bronze  gefertigt, 
wurde  bei  Piacenza  gefunden.  Es  ist  von  den  Archäologen  erst  für  ein  Acker- 
gerät, dann  für  das  Modell  eines  etruskischen  Tempels  und  endlich  für  die  Dar- 
slellung  einer  Leber  gehalten  worden.  Ein  anderes,  um  vieles  älteres  Stück,  aus 
.Marmor,  fand  sich  in  Babylonien,  und  das  dritte  Exemplar  hat  die  Marmorfigur 
eines  Mannes  in  der  Hand,  die  den  Deckel  einer  etruskischen  Aschenurne  in  dem 
Museum  von  Yolterra  bildet.  Der  Verfasser  tritt  dafür  ein,  dass  es  sich  hier  bei 
allen  drei  Stücken  um  die  Darstellung  von  Schafslebern  handele,  und  er  weist 
durch  anatomische  Untersuchungen  nach,  dass  von  allen  Haustieren  das  Schaf  die 
in  ihrer  Gestalt  und  Form  am  meisten  Variationen  bietende  Leber  besitze,  und 
dass  dieselbe  aus  diesem  Grunde  in  ganz  hervorragender  Weise  geeignet  sei,  den 
Opferbeschauern  als  günstige  Grundlage  für  ihre  Orakelsprüche  zu  dienen.  Die 
beiden  Stücke  aus  Piacenza  und  Babylonien  hält  er  für  Lehrmodelle  für  die 
Priesterschüler  der  Haruspices;  dafür  spricht  bei  der  babylonischen  Leber  eine 
Einteilung  der  Oberfläche  in  kleine  Quadrate.  In  der  Figur  des  Verstorbenen  in 
"\  olterra  muss  man  dann  einen  einstmaligen  Opferpriester  erkennen. 


Bücheran 

sehr  gute  Abbildungen  auf  5  Tafeln,    die  zum  grössten  Teile  in  Autotypie 
ausgeführt  worden  sind,  hat  der  Verfasser  zum  besseren  Verständnis  seinem  Werke 

igeben.     Eine  Portsetzung   dieser  Untersuchungen,    für    welche    der  Verl 
als  Professor   der  Anatomie   ganz  besonders  berufen  ist,    hat  derselbe  in  Aussicht 
eilt.     Es    muss    hier,    wie    wir   gesehen    haben,    noch    manche  volkskundliche 
Präge  ihrer  endgültigen  Lösung  entgegengeführl  werden.  \\.w  Bartels. 


Studien  zur  Geschichte  der  altdeutschen  Predigt.  Von  Am  n  E.  Schön- 
bach. 2.  Stück:  Zeugnisse  Bertholds  von  Regensburg  zur 
Volkskunde.  Aus  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie. 
philos.-hist.  Klasse,  Bd.  CXLII,  tfo.  VII.  Wien,  Gerolds  Sohn,  L900. 
L56S.     8°. 

Soweit  als  man  die  Predigten  des  grossen  Minoriten  Berthold  für  die  Kultur- 
gi  schichte  ausnutzte,  hielt  man  sieh  an  die  deutschen,  da  von  den  lateinischen 
nicht  (dien  viele  gedruckt  sind.  Um  so  dankenswerter  ist.  dass  Schönbach  hei 
Beinen  umfänglichen  und  eindringenden  Studien  über  die  mittelalterliche  l'i 
in  Deutschland  unter  Benutzung  der  gedruckten  Heden  und  von  sechs  oder  sieben 
handschriftlichen  Sammlungen  gerade  die  lateinischen  Aufzeichnungen  ausgebeutet 
hat.  und  zwar  im  besonderen  für  die  Volkskunde.  I)a>s  er  diesen  Begriff  meld 
zu  eng  fasste  und  allerlei  heranzog,  was  sich  mit  der  Gelehrsamkeit  des  Mittel- 
alters berührt,  war  wohlgethan.  So  linden  wir  gleich  zu  Anfang  einen  Hinweis 
auf  Ansätze  zum  Seelenglauben  in  der  kirchlichen  Lehre  und  mit  der  Legende 
von  der  heil.  Ai'ra  dürfte  es  zusammenhängen,  wenn  in  Augsburg  Venus  Ver- 
ehrung genossen  haben  soll.  Parallel  dazu  Astaroth  in  Baiern.  Nur  sehr  vor- 
sichtig deutet  Sch.  hierbei  auf  die  nicht  unangefochtene  Göttin  Ostara.  hätte  aber 
die  Personen-  und  Ortsnamen  mit  üstar  als  erstem  Teil  lieber  nicht  heranziehen 
sollen,  da  Ostar  in  ihnen,  wie  entsprechende  Bildungen  mit  West,  Süd,  Nord 
lehren,  nur  Lage  oder  Herkunft  in  oder  von  Osten  bezeichnet  und  ihr  häufigeres 
Vorkommen  im  deutschen  Osten  nicht  erstaunen  kann.  Gelehrten  Anstrich  hat 
auch  noch  Bertholds  Deutung  der  deutschen  Namen  der  Wochentage,  wobei  Dienstag 
-  natürlich  als  dies  servitii  gefasst  —  einen  merkwürdig  frühen  Beleg  für  das 
Eindringen  dieser  Bezeichnung  in  Bayern  an  Stelle  <\r<  heute  noch  dort  üblichen 
Eri-  Er-  Erchtag  liefert.  Aul  eine  nicht  ganz  sichere  Stelle  über  Wassergeister 
folgt  eine,  tue  Sch.  auf  gespenstische  Rosse  beziehen  möchte.  Es  imi^  aber  in 
dem  Worte  demonum  der  Verbindung  equi  demonum  umbratici  ein  Fehler  stecken, 
nicht  sowohl  deswegen,  weil  in  den  verwandten  Stellen  hei  equi  umbratici,  equi 
umbratiles  das  demonum  fehlt,  als  deswegen,  weil  man  sich  gespenstische  Rosse 
kaum  als  scheu  und  furchtsam  denken  wird  und  der  Zusammenhang  lehrt,  dass 
hier  leibhaftige  Pferde  verglichen  werden.  Vielleicht  im  statt  demonü  zu  lesen 
dementes.  Umbraticus,  um!>ni/<l>  aber  isl  cm  Pferd,  wenn  es  an  der  umbra,  mhd. 
scheme,  nhd.  Schemen  leidet,  einer  Augenkrankheit,  die  es  am  deutlichen  Sehen 
hindert:    vgl.  Lexer  2,  698.     I).  Wl  No.  5.      Di-    Konjektur    zu    Ulrich 

von  Lichtenstein  kann  ich  gerade  wegen  der  von  Seh.  citierten  Verse  aus  der 
Virginal  nicht  annehmen.)  An  anderen  Stellen  aber  ist  wirklieh  vom  nächtlichen 
Reiten  der  Dämonen  und  Hexen  die   Rede. 

Da  die  Termini  technici  in  den  Predigten  gern  deutsch  gegeben  weiden,  kann 
uns  Sch.  aus  ihnen  den  bis  jetzt  ältesten  mhd.  Beleg  für  Werwolf  liefern.  Eis 
folgen  Angaben  über  die  Tauf-  und  Sterbekerze,  über  Wahrsagerinnen  und  Wahr- 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901 


merkwürdig   die  Enthauptung    als  Strafe!    —    und  andere  Gauner,   über 

allerhand  ans  Heidentum  gemahnende  in  stisi  he  Wesen:  Holden  und  Un- 

holden,  Bilwisse,  Nachtfahren  und  Nachtfrauen,  Maren,  Traten  Alpe;.  Die  saugen 
Fräulein  werden  als  felices  dommm  hier  zum  erstenmale  ausdrücklich  genannt;  man 
rüstet  ihnen  zur  Nacht  einen  Tisch  mit  Speisen.  Verschiedene  Arten  von  Zauber 
und  Aberglauben  stellen  mit  religiösen  Oarimonien  und  Anschauungen  in  Verbindung: 
Zauber  mit  der  Hostie.  Parodien  der  Taufe,  das  Tutbeten  (tnortbeten)  u.  s.  w.  Zum 
Zauber  mit  Wachsbildern  wäre  noch  auf  unsre  Zeitschrift  '.',  332  f.  zu  verweisen. 
Behufs  der  Weissagung  werden  Fingernagel,  Schwerter,  Wasser,  Knochen  beschaut: 
ein  Verfahren  mit  Schafschädeln  wird  nicht  klar.  An  der  Stelle,  die  vom  Eisatz 
des  herausgenommenen  Herzens  durch  Stroh  handelt,  scheint  mir  noch  ein  zweites 
erwähnt  zu  sein,  das  Seh.  nicht  heraushebt:  de  palea  pro  corde,  quod  puer  sit  mutatus 
—  das  Verwechseln  der  Kinder,  worauf  auch  eine  später  erwähnte  Äusserung 
führen  dürfte.  Sie  bleibt  leider,  wie  so  manche  andere,  dunkel,  weil  diese  Predigten 
nicht  völlig  ausgearbeitet  sind,  sondern  nur  Anhaltspunkte  für  das  Gedächtnis 
geben  und  sich  nicht  selten  mit  Stichworten  begnügen.  Neben  das  Niederwerfen 
des  Handgeldes,  des  ersten  Erlöses,  durch  den  Verkäufer  stellt  sich  das  nicht  er- 
wähnte Bespeien.  Über  den  Angang  sagt  Berthold  u.  a.:  Si  •  ccurrit  sanctus  sacerdos, 
timet  malum;  si  canis  immundus,  scabiosus,  sperat  Immun.  —  similiter,  si  lupus  et 
lepos.  Seh.  hält  den  unreinen,  räudigen  Hund  für  identisch  mit  dem  Wolf,  wo- 
gegen sich  doch  similiter  sträubt. 

Eine  höchst  lehrreiche  und  anziehende  Erörterung  von  15  Seiten  wird  den 
Namen  der  Betonica  offtcinalis  und  ihrer  Rolle  im  Aberglauben  gewidmet.  Sie 
ergiebt,  dass  im  Grunde  nichts  volkstümlich  Deutsches  daran  ist,  was  Seh.  denen 
warnend  vorhält,  die  den  Aberglauben  zur  Grundlage  der  Mythologie  machen 
möchten.  Der  Glaube  an  die  Wirkungen  der  Betonica  wurzelt  in  der  antiken 
Gelehrsamkeit.  Ähnlich  stehts  mit  dem  Glauben  an  die  Kräfte  von  Steinen,  deren 
Berthold  ebenfalls  gedenkt.  Hier  hätten  S.  (.>8  die  Steinbücher  herangezogen  werden 
können,  was  nur  S.  53 f.  geschehen  ist.  Merkwürdig  ist  der  stählerne  Schild  im 
Weinberg  als  Abwehr  von  Unwetter. 

Zu  den  litterarischen  Gebieten  leiten  uns  andere  Excerpte  hinüber.  Im  An- 
schluss  an  sie  sind  S.  5H — 89  die  Klassen  der  Spielleute  und  ihre  Bezeichnungen 
sorgsam  untersucht  worden.  Von  einigen  Bedenken,  die  ich  hege,  erwähne  ich 
nur.  dass  in  ahd.  scern  das  n  nicht  wurzelhaft  sein  kann,  weil  das  Verbum  scerfy 
und  scherzen,  scherz,  schätz  davon  abzutrennen  wirklich  kein  Grund  vorliegt  und 
wir  an  lat.  scurra.  griech.  maipui  und  xdpba.%,  skr.  kürdati  unzweifelhafte  Verwandte 
besitzen  (E.  Zupitza,  Die  german.  Gutturale  155).  Sie  führen  aber  alle  auf  die 
Grundbedeutung  Springer,  Tänzer,  nicht  Karrikierer,  antardri,  wozu  stimmt,  dass 
in  den  ältesten  Stellen  scirno  als  Glosse  für  scurra  dient,  das  zugleich  durch 
tümdri  wiedergegeben  wird,  d.  h.  eben  Springer,  Tänzer.  Vgl.  auch  thymelicut 
scirno.  Ferner  kommen  zur  Sprache  Volkslied  und  Volksepos,  —  Crimhilt. 
Chreimhilda,  mit  dem  treffenden  Beiwort  amara,  in  der  milderen  Auffassung  der 
späteren  Zeit;  mit  dem  rumor  de  Ditrico,  der  nur  aus  aliquibus  verbis  besteht, 
kann  schwerlich  Eckenlied  oder  Laurin  gemeint  sein,  sondern  nur  eine  kürzere 
Ballade  — ,  der  starke  Boppe  (wichtig!),  märchenhafte  Züge,  Sprichwörter  und 
Redensarten,  die  der  Tierfabel  nahe  stehen,  und  andere.  Qui  amant  bella,  moriuntur 
gladio  verdiente  als  Sprichwort  bezeichnet  zu  werden:  es  specialisiert  den  Spruch 
„Wer  sich  in  Gefahr  begiebt.  kommt  darin  um-.  Adolescens  arbor  o  prineipio  in 
aliam  partem  flexa  vix  unquam  in  c  mtrarium  flecti  potest  hat  nicht  den  Sinn  „Was 
ein  Häkchen  werden  will,    krümmt  sich  bei  Zeiten'',    sondern  von  „Jung  gewohnt 


Bü(  In  i.'    '•  igen. 

,ih  gethan".  „Ein  X  für  ein  U  machen"  finde!  hier  eine  neue  und  beachtena 
Beleuchtung.  Hocbzeitsbräuche,  die  Krönung  der  Maikönigin  warum  denn  gerade 
ein  Bauermädchen?  Der  rusticua  vorher  hat  ja  damit  nichts  zu  schaffen!  reihen 
sich  an.  Xu  grübeln  giebt  das  Abziehen  des  pil(l)eus  fiospitalis.  Strafen  für  ver- 
brecherische Tiere  und  Menschen,  das  Bahrrecht  berührt  Berthold.  Die  drei 
ictus  mortis  halte  ich  aber  nicht  im-  Todesstrafen,  sondern  für  drei  Angriff«  des 
Todes  auf  den  Menschen,  drei  Stadien  des  Absterbens.  Beim  Stigmatisieren  der 
Verbrecher  und  dem  französischen  T.  I'.  ihr  Bagnosträflinge  fiel  mir  Andersens 
Human  0.  'I'.  ein:  mit  diesen  Buchstaben  zeichnete  das  Zuchthaus  tugthuus]  von 
Odense  seine  fnsassen.  An  der  eigenartigen  Einsetzung  des  kärntischen  Hei 
Bind  auch  die  Rechtsaltertümer  2,  353  ff.  nicht  vofübergi     i 

In  den  Beigaben  teilt  Seh.  aus  der  Fülle  seiner  Sammlungen  noch  eine  - 
Zahl  von  Segen  und  Beschwörungen  mit  und  liefert  Zusätze  zum  Hauptteil.  Meine 
Angaben  konnten  seinen  Inhalt  ganz  und  gar  nicht  ausschöpfen,  auch  von  den 
umsichtigen  Erörterungen  der  einzelnen  Stellen  und  der  Masse  der  literarischen 
Nachweise  keinen  Begriff  geben.  Aber  hindeuten  muss  ich  noch  auf  die  metho- 
dischen Winke  für  die  Ausnutzung  derartiges  .Materials  und  auf  die  ruhige  Ab- 
schätzung seines  Wertes  für  die  Volkskunde,  wobei  im  besondern  die  Segen 
klassifiziert  und  gewürdigt  werden.  Die  Mahnung,  die  mittelalterlichen  Hand- 
schriften auszubeuten,  möge  Gehör  linden  und  ebenso  reiche  Erträge  hervorrufen, 
wie  diese  vorbildliehe  Arbeit  uns  bietet. 

Berlin.  Max  Roediger. 


Knisella  Farsetti,   Quattro  bruscelli   senrsi   preceduti   da   iino  Studio 
sul  bniscello  in  genere.     Pirenze,  Seeber,  1899.     XI..    Is  8.     8° 

Wie  der  Begriff  der  volkstümlichen  Dichtungsart  zu  bestimmen  sei,  die  man 
in  Toskana  bruscello  nennt,  ist  nicht  leicht  zu  sagen.  Dass  das  Volk  selbst  die 
verschiedenen  Namen,  mit  denen  es  seine  im  Freien  sieh  vollziehenden  Aufführungen 
%  oii  Unterredungen  in  strophischer  Form  zwischen  mehreren  Personen  bezeichnet, 
so  sorgfältig  voneinander  scheide,  wie  es  für  den  wissenschaftlichen  Beobachter 
bequem    sein  würde,    scheint   mir  nicht  gewiss.     Die  Bevoi  ler  Oktave  als 

Form  d.r  dichterischen  Rede,  die  Verknüpfung  der  Oktaven  untereinander  durch 
Reim  zwischen  dem  Schluss  der  einen  und  dem  Beginn  der  anderen,  daneben 
Verwendung  kürzerer  Strophen  für  die  Scenenschlüsse  sind  wohl  den  meisten 
bruscelli  eigen.  Daneben  aber  geht  die  grösste  Ungleichheit  in  Bezug  auf  die 
Gebiete  einher,  denen  die  Stoffe  entnommen  sind:  ist  hier  die  Götterwelt  der 
Alten,  dort  die  antike  Heldensage  die  Quelle,  aus  der  geschöpft  wird,  so  sieht 
anderwärts  der  Zuschauer  sich  vorgeführt,  was  in  -einer  Umgebung  sich  täglich 
vollziehen  kann,  oder  hat  er  Gelegenheit,  lächerliches  Gebahren  seiner  Zeitgenossen 
in  lustiger  Verzerrung  dargestellt  zu  finden. 

Ist  manchmal  eine  kleine,  einfache  Handlung  er  auch  eine  lä 

Reihe  von  Begebenheiten  in  wenige  Strophen  von  Heden  und  Gegenreden  zu- 
Bammengefasst,  so  ist  anderswo  über  das  blosse  Auftreten  und  Sichselbstvorstellen 
göttlicher  Persönlichkeiten  kaum  hin;  -   n.    Natürlich  ist  auch  «las  gestaltende 

Vermögen  der  (zum  Teil  bekannten)  Urheber  solcher  Spiele  sehr  ungleich:  manche 
sind  Lesens  und  Schreibens  kaum  mächtig  und  nicht  immer  sicher,  das  Mass  des 
elfsilbigen  Verses  richtig  zu  treffen,  andere  versuchen  höher  gehenden  Anforderungen 
zu  genügen.    Die  Verfasserin  giebt  über  die  heute  noch  nicht  seltenen  Aufführungen 

16 


Pobler: 

der  i'iiisivlh.  über  rrüherc  Versuche,  die  Gattung  auch  akademisch  zu  verfeinern, 
über  die  Weise  des  musikalischen  Vortrags  dankenswerte  Auskunft,  die  man  zu 
dem  von  D'Ancona  und  von  ßiannini  Gesagten  gern  hinzunehmen  wird:  versuch! 
dann  festzustellen,  wie  der  bruscello  vom  muggio  sich  unterscheide  (beide  sind 
nach  dem  als  Mittelpunkt  des  Schauplatz..-  aufgepflanzten  Bäumchen  benannt)  und 
teilt  endlich  vier  in  ihrer  Ungleichartigkeii  gui  gewählte  Proben  der  Gattung  mit. 

Kurz  nach  Ai^v  besprochenen  Schult  hat  die  Verfasserin  im  nämlichen  Verlag 
eine  zweite  erscheinen   lassen: 

Befanate  del  contado  toscano  edita  con  im"  introduzione.    L900.    XXXIN. 
36  s.     8°. 

Sie  handelt  in  der  Einleitung  von  dem  Aufkommen  der  kirchlichen  Feier 
des  Tages  der  heil,  drei  Könige  und  dem  Zusammenhang  solcher  Feier  mit 
den  Anfängen  des  geistlichen  Schauspiels  und  andererseits  mit  den  sehr  wenig 
erbaulich  gewordenen  Weisen,  den  Vorabend  der  epifania  in  den  Gassen  der 
Städte  und  auf  dem  Lande  mit  Lärm  und  Herumfahren  eines  weiblichen  Popanzes 
zu  begehen,  dessen  Name  befana  (aus  epifania,  mit  Anlehnung  an  beffa)  zum  In- 
begriff lächerlicher  Hässlichkeit  in  Wcibesgestalt  geworden  ist.  Sie  kommt  dann 
auf  die  Bräuche  zu  sprechen,  die  heute  mit  dem  Herumfahren  der  Befana  sich 
verbinden,  das  Singen  von  Liedern,  in  denen  milde  Gaben  erbeten  werden,  und 
die  mannigfachen  Weisen  diesen  Zweck  mit  dem  Singen  von  der  Befana  zu  ver- 
binden. Eine  längere  geistliche  und  durchaus  nicht  volksmässige,  sechs  kürzere 
weltliche  und  endlich  eine  noch  vor  zwei  Jahren  zur  Aufführung  gekommene 
dramatische  (gleichfalls  durchaus  weltliehe)  Befanata  reihen  sich  an,  in  welcher 
letzteren  das  eigentlich  fremde  Element  des  Entzweisägens  einer  Alten  und  das- 
jenige komischer  Testamente  mit  aufgenommen  sind  oder  vielmehr  das  der  eigent- 
lichen Befana  völlig  verdrängt  haben,  so  dass  man  sich  fragen  darf,  ob  diese  an 
sich  ganz  bemerkenswerte  Probe  etwas  roher  Bauerndichtung  in  den  Kreis  der 
Befanate  zu  ziehen  ausreichender  Grund  vorhanden  ist.  Adolf  Tobler. 


Sagen,  Gebräuche  und  Sprichwörter  des  Allgäus.  Aus  dem  Munde  des 
Volkes  gesammelt  von  Di'.  Karl  Heiser.  Kempten,  Köselsche  Buch- 
handlung.    Heft  17.   IS.   19  (Bd.  IL  449— (540).     8°. 

Von  diesem  wichtigen  Werke  für  das  Volkstum  des  Allgäus,  das  wir  von 
Anfang  an  mit  Teilnahme  begleiteten  (zuletzt  X,  10G),  liegen  wieder  drei  Hefte 
vor.  Das  17.  und  der  grösste  Teil  des  18.  Heftes  enthält  eine  Darstellung  der 
.Mundart  des  Allgäus  oder  genauer  dessen  Mundarten,  da  das  Allgäu  teils  dem 
alemannischen,  teils  dem  schwäbischen  Dialekt  angehört  und  diese  sich  wieder 
spalten.  Dr.  Reiser  ist  nicht  bloss  ein  geborener  Allgäuer,  sondern  auch  germa- 
nistisch geschult  und  mit  der  neueren  Mundartenforschung  vertraut.  So  erhalten 
wir  denn  hier  eine  sehr  beachtenswerte  wissenschaftliche  Übersicht  über  die  Volks- 
sprache des  schönen  Alpengaus.  Die  Lautlehre  erhält,  wie  die  Sachen  zur  Zeit 
liegen,  den  Hauptraum.  Indessen  sind  auch  für  Deklination  und  Konjugation  die 
charakteristischen  Verhältnisse  klar  und  übersichtlich  vorgetragen. 

Dieser  grammatische  Abschnitt  leitet  den  dritten  Teil  des  ganzen  Werkes  ein, 
der    ausserdem    die  Sprichwörter,    Redensarten,    Volksreime    und    den  Wortschatz 


Bü<  In  rai 

des  Allans    bringen    wird.     Der  l!>  -i  des    18.  und  da  •    Hefl  enthält  die 
Sprichwörter,  die  alphabetisch  nach  Schlagwörtern   in  Grup| 

Bind  in  mundartliche  Form  gefasst,    das  Ganzi  wertvoller  Beitrag  zur 

deutschen  Sprichwörterkunde.  K    W . 


Drechsler,  Paul,  Das  Verhältnis  des  Schlesiers  zu  seinen  Haus- 
tieren und  Bäumen.  Ein  Beitrag  zur  deutschen  Volkskunde.  Beilage 
zum  Jahresbericht  des  Progymnasiums  zu  Zaborze,   L001.    Zabrze  1901. 

S.    ls.     4°. 

Das  erste  Osterprograram  des  im  oberschlesischen  Kohlen-  und  Büttenbezirk 
neu  entstandenen  Progymnasium  in  Zaborze-Zabrzc  bringt  eine  Abhandln 
Direktors,  Dr.  Paul  Drechsler,  der  den  Lesern  unsrer  Zeitschrift  bereits  näher 
bekannt  ist.  Unter  den  Lehrern  unsrer  Mittelschulen  gewinnt  die  Erkenntnis  immer 
mehr  Boden,  da—  es  nützlich  sei,  die  Schüler  auf  das  hinzulenken,  das  sie  im 
eigenen  Volke  als  ureigene  Art  und  Sitte  umgiebt.  Und  so  hat  denn  auch  Dr.  P.  Dr. 
sieh  für  das  Programm  ein  seinen  Schülern,  aber  auch  allen  Freunden  der  Volks- 
kunde anziehendes  Thema  gewählt,  die  Darstellung,  wie  sich  der  Schlesier  zu 
Beiner  nächsten  Umgebung  in  Haus  und  Hof,  den  Tieren  und  zu  den  Bäumen  des 
Gartens  verhält.  Der  Verfasser  hat  seit  lange  in  den  verschiedensten  Gegenden 
Schlesiens  lleissig  gesammelt  und  auch  seine  früheren  Schüler  an  anderen  Schulen 
des  Landes  als  Quellen  benutzt.  So  verwertet  er  nun  ein  reiches  Material.  Die 
Namen. >el>un<j'  der  Tiere,  das  Verhältnis  zu  den  Kühen,  zu  dem  Hunde,  die  Bräuche 

DD  " 

zum  Schutz  des  Stalles.  Lei  Aus-  und  Eintrieb,  hei  den  Pesten  des  Jahres 
Parailienereignissen  treten  namentlich  hervor,  und  damit  wird  das  verbunden,  das 
die  Obstbäume  aL  fast  belebte  Zugehörige  zum  Leben  des  Bauses  erscheinen 
lässt.  Die  Abhandlung  steht  in  naher  Beziehung  zu  einer  umfassenden  Darstellung 
von  Sitte,  Brauch  und  Volksglauben  der  Schlesier,  die  Dr.  P.  Drechsler  als  zweiter 
Band  der  von  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  Volkskunde  ausgehenden  -Volks- 
tümlichen Überlieferungen  Schlesiens"  im  Teubnerschen  Verlage  in  Leipzig  bald 
herauso-eben  wird.  K-   Weinhold. 


Hessisches  Trachten  buch  von  Ferdinand  Justi.     Zweite  Lieferung  mit 
8  Trachtenbildern.     Marburg,    Elwertsche  Verlagsbuchhandlung,    1901. 

(S.  15— 42  Text.)     fol. 

Die  erste  Lieferung  dieses  für  die  deutsche  Trachtenkunde  wichtigen  Werkes 
haben  wir  in  unrer  Zeitschrift  Bd.  X.  S.  LH  angezeigt.  Wir  freue,,  uns  der  zweiten, 
die  acht  neue  Bildtafeln  (5  ganze  Gestalten.  3  einzelne  Kleidungsstücke  und  den 
Anfang  der  Beschreibung  der  Trachten  der  einzelnen  Bezirke  bringt  Der  Herr 
Verfasser  erinnert  zunächst  noch  einmal  kurz  an  die  Entstehung  der  Volkstrachten, 
wie  er  sie  in  der  ersten  Lieferung  dargelhan:  eine  ungeschickte  Nachahmung  der 
vornehmen  und  reichen  Tracht,  mit  einzelnen  selbständigen  Veränderungen,  vor 
allem  mit  der  nötigen  Anpassung  an  die  Bedürfnisse  des  Landlebens;  die  Tracht 
bleibt  aber  schon  wegen  der  dauerhaften  Stoffe  hinter  der  städtisch  mehr 

und  mear  zurück;  manche  Teile  der  Kleidung  werden  zäher  restgehalten  als  dir. 
anderen,  manche  rascher  der  vornehmen  Mode  nachgebildet.  Die  Volkstracht  ist 
also  aus  zeitlich  verschiedenen  Teilen  zusammengesetzt  und  Aufgabe  der  Trachten- 


Weinhold :  Büchoranzcigen. 

künde  i»t-  Aller  und  Herkunft  der  einzelnen  Stücke  zu  bestimmen,  was  nur  bei 
der  Beschränkung  auf  kleine  Gebiete  möglich  wird. 

Prof.  I'Vrd.  .1.  behandelt  nun  zuerst  die  Tracht  im  Bieidonbacher  Grunde  oder 
dem  Perfgau  (pagus  Pernaffe),  der  sich  in  das  Ober-  und  in  das  Untergericht  teilt 
Er  stellt  gleich  an  die  Spitze  den  grossen  Unterschied  zwischen  der  Männer-  und 
Frauentracht.  Die  erstere  schliesst  sith  der  städtischen  möglichst  an  und  ist  sehr 
anscheinbar:  bei  einem  Pfingstreigen,  dem  Hr.  -I.  I«'.'1.'  hinter  Steinperf  zusah, 
schien  ihm  als  ob  Edelfräulein  mit  ihren  Knechten  tanzten.  Er  stellt  die  Männer- 
tracht also  zunächst  ganz  in  den  Hintergrund  und  beschäftigt  sich  allein  mit  der 
weiblichen,  indem  er  die  einzelnen  Stücke  sehr  eingehend  beschreibt  Die  ganze 
Kleidung  besteht  aus  dem  langärmlichen  Leinenhemd,  dann  dem  sogen.  Büffel, 
einem  ärmellosen  anschliessenden  wollenen  grünen  Kleide,  über  dem  ein  Armel- 
leibchen  oder  ein  feines  Oberhemd  liegt.  Das  Überkleid  teilt  sich  in  ein  weites 
offenes  Mieder  (Saratbrust,  oder  Brust),  das  mit  schmalem  geblümtem  Bande  ver- 
schnürt wird.  Diese  Verschnürung  hält  auch  das  darunter  liegende  gestickte 
Brusttuch  fest,  das  eigentliche  Zierstück  der  hessischen  Frauentracht.  Hr.  J.  handelt 
hier  im  besonderen  über  die  hessische  Stickerei,  die  mit  Vorliebe  Rose,  Tulpe 
und  Grasblumc  (Nelke]  zur  Darstellung  wählt.  Den  zweiten  Teil  des  Oberkleides 
giebt  der  Rock  oder  Kittel.  Hiernach  werden  Schürze,  Strümpfe,  Schuhe  be- 
schrieben, sowie  die  Haartracht  (Zöpfe)  und  die  Mütze.  Letztere  ist  im  Perfgau 
eine  den  um  den  Kopf  gelegten  Zopf  bedeckende  und  für  den  Hinterkopf  aus- 
geschnittene kegelartige  Röhre,  die  aus  steifem  Papier  gemacht  wird,  das  mit 
Tuch  überzogen  ist.  Herr  J.  weist  (S.  24.  25)  nach,  dass  sich  hierin  die  mittel- 
alterliche brabantische  Mütze  erhalten  hat,  die  mit  der  Herzogin  Sophie  von  Brabant, 
der  Tochter  der  hl.  Elisabeth,  1248  nach  Hessen  gekommen  ist. 

Im  Untergericht  des  Perfgaus  ist  die  weibliche  Kleidung  im  wesentlichsten 
dieselbe.  Leider  kommt  das  Brusttuch  in  der  Gegenwart  hier  ab  und  wird  durch 
das  sourcn.  Tuch,  das  ihm  auch  im  Obergericht  schon  hinderlich  ist,  ein  baum- 
wollenes Halstuch,  verdrängt.  Die  Mütze,  die  den  elliptisch  hinten  aufgesteckten 
Zopf  bedeckt,  heisst  Stülpchen  und  ist  von  der  brabantischen  Mütze  des  Ober- 
gerichts verschieden.  Das  Stülpchen  besieht  aus  einer  am  Hinterkopf  sitzenden, 
13  cm  hohen  Röhre,  die  unten  an  den  Seiten  Ohrlappen  mit  kleinen  Schuppen  hat, 
und  aus  der  eigentlichen  Mütze,  deren  Boden  eine  flache  runde  Scheibe  bildet. 
Gotische  gestickte  Ornamente  bedecken  die  Röhre  wie  die  Scheibe.  Herr  Justi 
weist  diese  Kopfbedeckung  auf  Bildwerken  des  ausgehenden  15.  und  des  IG.  Jahr- 
hunderts nach.  Jedenfalls  ist  das  dem  Obergericht  im  Perfgau  eigentümliche 
Stülpchen  sehr  alt.  Beim  schwarzen  Traueranzuge  und  in  der  Kirche  ist  es  weiss. 
Die  weissen  Abendmahlstülpchen  sind  mit  sehr  schöner  weisser  und  schwarzer 
verschiedenartiger  Stickerei  geschmückt. 

Unter  No.  II  wird  die  Frauentracht  westlich  der  Lahn  beschrieben.  Vor  liegt 
als  erstes  Stück  der  Kreis  Marburg.  Die  Teile  der  Kleidung  sind  dieselben,  aber 
mit  Besonderheiten.  So  wird  über  dem  Büffel  ein  weissleinenes  knappes  Mieder 
getragen,  das  Kimmctche  oder  Halstuch,  mit  weiten  glockenförmigen  Ärmeln,  die 
bis  an  den  Ellbogen  reichen  und  die  Hemdärmel  bedecken.  Herr  J.  macht  über 
diese  Ärmel  eine'  lehrreiche  geschichtliche  Ausführung  (S.  32 — 34).  Über  das 
Oberkleid  samt  dem  oft  prächtig  gesticktem  Brusttuch  wird  noch  ein  zweites 
ivimmetche  (das  schwarze  oder  obere;  getragen,  das  indessen  jetzt  von  dem  Motzen, 
einer  schwarzen  vorn  zugehakten  Oberjacke,  verdrängt  ist.  Schwarz  ist  überhaupt 
die  Farbe  der  ganzen  Kleidung  bis  auf  die  weissen  Strümpfe,  und  eine  solche 
Kirchgemeinde  macht  einen  ungemein  ernsten  feierlichen  Eindruck.  Die  jetzige 
Jugend  stellt  sich  leider  in   Gegensatz  hierzu   und  nimmt  bunte  Tracht  an. 


Boed 


Der  Berr  \  erfasser  bandelt  dann  von  der  Bchwarztucbenen  Mutze,  der  Schneppe- 
kapp,  und  ihrem  etwaigen  Alter;  dann  über  den  Trauermantel  und  den  Bchwarzen 
Schleier,  die  beide  arsprünglich  zur  feierlichen  Tracht  tiberhau]  I  .  keines- 

nur  bei  Begräbnissen.  Im  Kreis  Eschwege  heissl  der  Mantel  „der  Hauken*4, 
dasselbe  Wort  wie  die  Heuke  der  Limburger  Chronik  zn  1349.  1351.  Herr  J. 
spricht  nun  über  diese  im  Nordwesten  und  besonders  in  den  Niederlandi  n  bekannten 
Heuken,  deren  Namen  (wie  arsprünglich  die  Sache  aus  dem  spanischen  Arabien 
stanmii  (arab.  haik). 

Das  hier  Mitgeteilte  wird  die  Bedeutung  des  Justischen  Werk«  b  für  die  deutsche 
rrachtenkunde  erraten  lassen.  Bemerken  will  ich  noch,  dasa  die  technische  Aus- 
führung der  Bildtafeln  mir  gegen  das  erste  Hefl  im  Portschritt  begriffen  erscheint. 

K.  Wem  ho  Id. 


\ns    den 

Sitzung-Protokollen  des  Vereins  für  Volkskunde. 


Freitag,  den  22.  Februar  1901.  Herr  Geheimrat  Friede!  sprach  über 
Fischereigeräte  und  legte  dahin  gehörige  Gegenstände  aus  dem  Märkischen 
Provinzial-Museum  vor,  die  aus  der  ältesten  bis  in  die  Neuzeit  reichten.  Denn 
die  Spuren  der  Fischerei  gehen  sehr  weit  zurück,  obwohl  die  gemeiniglich  an- 
genommenen Etappen  der  menschlichen  Entwickelung:  Jagd  and  Fischerei,  Hirten- 
leben, Ackerhau  keineswegs  allgemeine  Gültigkeit  halten.  Ergiebige  Fischerei  ist 
ohne  Werkzeuge  unmöglich.  Sie  setzt  alter,  wie  paläolithische  Funde  in  Frankreich 
und  Belgien  beweisen,  schon  frühzeitig  ein,  auch  in  Amerika.  Die  beste  Übersicht 
liefert  das  Werk  von  Rau,  Prehistoric  fishing  in  Europe  and  North-America,  her- 
ausgegeben vom  Smithsonian  Institute  1884.  Der  Vortragende  wies  nach,  dass 
die  Geräte  sowohl  für  die  stille,  wie  für  die  bewegte  Fischerei  eine  merkwürdige 
Übereinstimmung  und  Dauer  der  Formen  erkennen  las»  '   bei  komplizierten 

Stricknadeln  für  Netze  oder  bei  Otterfallen.  Statt  des  Eisens  wendet  man  noch 
jetzt  gern  Stein  und  Knochen  an.  Von  hervorragender  Schönheit  war  eine  neo- 
lithische  Harpune.     Es    wurden    auch  Stücke  jt,    die    in    junger  Zeit  beim 

Fischhandel  dienten,    z.B.   ein  Masshecht.  Darauf  verlas  Herr  Sökeland  den 

Kassenbericht  des  Schatzmeisters  für  L900,  wobei  der  wiederum  bewilligte  und 
so  notwendige  Beitrag  des  hohen  Ministeriums  mit  ehrerbietigem  Danke  zn  er- 
wähnen war.  Da  die  Aufstellung  für  richtig  befunden  war,  erhielt  der  Hen 
Schatzmeister  Entlastung.  In  den  Ausschuss  wurden  -.wählt  Fräul.  Lemke  und 
die  Herren  Friede],  Bartels.  Mielke,  Bastian.  Brich  Schmidt.  Bolte,  Marelle,  Voss, 
Brandl,  Heusler,  Moebius.  Schliesslich  erörterte  Herr  Prof.  Dr.  Martin  Hartmann 
die  Stellung  der  Frau  im  Islam  in  einen.  Vortrag,  der  in  der  Zeitschrift  weiter 
ausgeführt  erscheinen  wird. 

Freitag,  den  22.  März  1901.    Herr  Fabrikant  Sökeland  führte  Wünschel- 
ruten   in    Thätigkeit    vor    und    erklärte    ihre   Bewegungen    aus    der  Art.    wie    sie 
gehalten  werden,    bei    gewolltem  oder  unwillkürlichem  Anstoss  durch  den  Ti 
Das    dazu  prädestinierte  Holz   ist  die  Hasel    oben  S.  11),    doch  benutzt  man  auch 


Roedigi  i:  Protokolle. 

anderes  Bolz,  auch  .Metall,  überhaupt  alles,  \\a^  m  der  Hand  federn  kann.  Die 
/.fit  des  Schneidens  und  die  Sprüche  dabei  wechseln.  Gewöhnlich  ist  es  eil 
gabeliger  Zweig;  wird  er  zerstört,  so  arbeiten  die  einzelnen  Stücke.    Der  Gebrauch 

Einte  ging  vom  Wasser-  und  Schatzsnchen  aus,  gewann  aber  immer  weiteren 
Umfang.  Znersl  in  Prankreich,  dann  auch  in  Deutschland  bediente  sich  ihrer  die 
Justiz  zur  Entdeckung  von  Dbelthätern;  denn  die  Rute  zeigt,  so  behauptete  man. 
die  leinen  Atome  an,  die  aus  dem  Körper  des  Verbrechers  ausdämpfen.  Auch 
die  Cntrene  der  Frauen  sollte  sie  anzeigen,  verborgene  Reliquien:  Wahrsager 
benutzten  sie.  Dass  Satan  dabei  die  Hand  im  Spiele  habe,  wurde  behauptet  und 
bestritten.  Man  suchte  auch  das  Perpetuum  mobile  und  Flugmaschinen  aus 
Wünschelruten  zusammenzusetzen.  Dieses  Treiben,  worüber  man  sich  aus  Zeidlers 
Pantnmvsteriuni  unterrichten  kann,  währte  bis  in  den  Anfang  des  19.  Jahrhunderts; 
der  Quellen  findenden  Wünschelrute  erstand  sogar  noch  ein  Verteidiger  unter  den 
Zuhörern.  Das  sogen,  side tische  Pendel,  das  Herr  Sökeland  noch  spielen 
liess,  nimmt  seine  Richtung  unter  dem  ungewollten  Einflüsse  des  Haltenden.  — 
Über  Shakespeares  Hexen  sprach  sodann  Herr  Prof.  Dr.  Brandl.  Am  wichtigsten 
sind  die  Hexen  im  Macbeth.  Sic  sind  dort  Symbole,  verkörpern  die  Schicksals- 
mächte, denen  der  Held  sich  nicht  entziehen  kann.  Es  wird  dadurch  seiner  Gestalt 
eine  unheimliche  Grösse  gegeben  und  zugleich  Mitleid  mit  ihm  erweckt.  Erfunden 
bat  sie  Shakespeare  nicht,  sondern  fand  sie  schon  in  seiner  Quelle  Holinshed,  der 
ein  Freund  von  Sagen  war.  Hier  sehen  wir  bei  der  ersten  Begegnung  Nornen, 
bei  der  zweiten  eine  Hexe.  Holinshed  wieder  entnahm  die  übermenschlichen 
Wesen  dem  älteren  Chronisten  Winthoun.  Germanisches,  Antikes,  Biblisches 
mischt  sich  in  ihrer  Ausgestaltung  bei  Shakespeare.  Bei  der  ersten,  unerwarteten 
Begegnung  im  Sturm  und  Regen  auf  der  Heide  sind  sie  noch  deutlich  germanische 
Windgöttinnen,  denen  aber  das  Wissen  der  Xornen  und  die  Bosheit  der  ebenfalls 
germanischen  Hexen  anhaftet.  Stellt  Hekate  sie  zur  Rede,  so  ist  das  antike  Bei- 
mischung Das  zweite  Mal  werden  die  Hexen  aufgesucht.  Wieder  spielt  Hekate 
hinein,  aber  auch  von  germanischen  Elfen  ist  die  Rede  und  dazu  lassen  sie  Er- 
scheinungen auftreten,  wie  die  Hexe  von  Endor  1.  Sam.  28;  und  wie  diese  den 
erschrockenen  Sau!  erquickt,  heitern  die  Hexen  Macbeth  durch  Musik  und  Tanz 
auf.  Beim  Publikum  machten  diese  Scenen  einen  ungeheuren  Eindruck  und 
weckten  Nachahmungen:  es  sei  nur  an  Byron  und  Goethe  erinnert.  Hexengläubig 
war  Shakespeare  nicht,  so  wenig  wie  die  Mehrzahl  seiner  Zeitgenossen,  wenn- 
gleich  Rückfälle  in  den  alten  Wahn  selbst  der  englischen  Justiz  nicht  erspart 
blieben.  Hätte  der  Dichter  an  Hexen  geglaubt,  so  würde  er  sich  gescheut  haben, 
sie  als  poetisches  Mittel  zu  verwenden.  —  Zum  Obmann  des  Ausschusses  wurde 
Herr  Fr i edel  gewählt. 

Dienstag,  den  2.  April  1901,  hatte  Herr  Geheimrat  Friedel  unter  Beistand 
des  Herrn  Kustos  Buch  holz  die  Güte,  den  Mitgliedern  des  Vereins  und  ihren 
Angehörigen  die  neu  geordneten  Sammlungen  des  ihm  unterstellten  Märkischen 
Provinzial-Museums  zu  erklären.  Er  beschenkte  bei  dieser  Gelegenheit  unsre 
Bibliothek  mit  der  reich  ausgestatteten  Festschrift  der  Museums-Direktion  beim 
25jahrigcn  Bestehen  des  Museums,  die  über  die  Geschichte  und  Leistungen  der 
Anstalt  unterrichtet  und  eine  Abhandlung  des  Herrn  Friedel  über  das  einzig  da- 
stehende Rönigsgrab  von  Seddin  in  der  Westpriegnitz  enthält,  der  sechs  Tafeln 
Abbildungen  beigegeben  sind.    Die  Funde  ruhen  im  Museum. 

Max  Roediger. 


Die  Frau  im  Islam 

Von  Martin  Bartmann. 


„Ich  kenne  in  der  ganzen  Weltgeschichte  keinen  handgreiflicheren 
Beweis  für  den  vielangefochtenen  Satz  von  den  kleinen  Ursachen  und 
grossen  Wirkungen,  als  dass  noch  im  L9.  Jahrhundert  uher  200  Millionen 
Menschen  von  jedem  sittlichen  Emfluss  edleren  weihlichen  Wesens  aus- 
geschlossen sind  and  immer  ausgeschlossen  bleiben  müssen  weil  im 
Jahre  625  ein  fahriges  vierzehnjähriges  Ding  von  Araberin  ein  Baisband 
im  Werte  von  ein  paar  Mark  verloren  hatte." 

Mit  diesen  Worten  schliesst  A.ugusi  Müller  den  Abschnitt  seiner  Ge- 
Bchichte  des  [slams,  in  dem  er  den  Zwischenfall  mit  der  „Mutter  der 
Gläubigen",  der  Lieblingsfrau  des  Propheten, 'Ä'ischa,  behandelt  (8.  133 f.). 
Der  Fall  "Ä'ischa,  an  sich  anbedeutend,  ist  in  der  That  für  die  äussere 
und  innere  Entwicklung  <!«'>  islamischen  Orients  von  hoher  Bedeutung 
ereworden.  \us  den  Berichten,  die  vorliegen,  lässt  sich  mit  einiger  Sicher- 
heit  folgendes   Bild   gewinnen.8) 

'Ä'ischä  war  vom  Propheten  auf  einen  Beutezug  mitgenommen  worden 
(im  vierten  Jahre  nach  der  Obersiedlung  von  .Mekka  nach  Medina).  Bei 
äer  Rückkehr,  nicht  weit  von  Medina,  verlor  die  vierzehnjährige  junge 
Frau  die  Fühlung  mir  der  Karawane:  sie  vermisste  eine  Muschelhalsschnur, 
und  während  sie  danach  suchte,  war  man  aufgebrochen  mit  ihrer  Sänfte, 
in  der  man  sie  sitzend  wähnte.  Es  war  Nacht,  und  der  Armen  blieb 
nichts  übrig  als  am  Lagerorte  auszuharren,  bis  mau  sie  holte,  sie  schlief 
ein.  Am  Morgen  kam  ein  Mann  vorüber,  der  sie  früher  gesehen.  Er  er- 
kannte   sie    wieder.     Sie    warf    ihr  Kopftuch    über.     Er   Hess   sie  auf  sein 

1)  Erweiterter  Abdruck  des  am  22.  Febr.  1901  im  Verein  für  Volkskunde  von  P  I 
Dr.  M.  Hartmann  gehaltenen  Vortrags. 

2)  Der  Hauptbericht  liegt  vor  im  hadit  al'ufk  Buchäri     ed.  Kairo,    .Main» .    1309 
25;  nach  ihm  gieht  die  Erzählung  der  'A'ischa  Sprenger,  der  sie  »von  ihren  B<  wu: 

verbessert  (?)  und  von  Zohry  redigiert"  nennt,  Leben  und  Lehre  des  Moharam 
In   der  Kette    bei  Buchäri  a.  a.  0.    isl    Zolin    nicht    erwähnt:    dort    isi    ■■■  r  i    daktor  Ibn 
Bchihäb,  der  eingestanden  die  Brocken  von  vier  ungleichwertigen  Gewährsmannern    Trwa 
b.Azzubair,  Sa'id  b.  Almusaijab,  'Alqama  b.Waqqäg  und  Tbaidalläh  b. 'Abdallah  b. 
b.  Mas'üd)  zusammengeschwei-st  hat. 

Zeitschr.  d.  Vereius  f.  Volkskunde.     1901. 


238  Bartmann: 

Kamel  steigen,  das  er  führte.  Am  Mittag  holten  Bie  das  Beer  ein.  Die 
Zungen    waren    geschäftig.      Der    Prophet    selbst   zweifelte.     Zwei 

anensmänner  hat  er  um  Rat,  darunter  seinen  Vetter  and  Schwieger- 
sohn 'All.  "Ali  riet  ihm.  gegen  die  verdächtige  Gattin  die  Scheidung  aus- 
zusprechen, eine  Stellungnahme,  die  ihm  den  unauslöschlichen  Hass  der 
Gekränkten  eintrug  und  damit  schweres  Unheil  über  die  Muslims  brachte.1) 
Mohammed  folgte  nicht.-)  Sein  Einlenken  —  er  hatte  die  Verdächtige, 
die  vor  Erregung  ernstlich  erkrankt  war.  etwa  einen  Monat  lang  vernach- 
lässigt —  kleidete  sich  in  die  Form  einer  Offenbarung.  Ks  wird  nirgend 
im  Islam  bestritten,  dass  die  Verse  im  Anfang  der  24.  Sure,  die  von  der 
untreuen  Frau  handeln,  sich  auf  den  Fall  'Ä'ischa  beziehen.  Gott  ver- 
kündete (Vers  11  — 19)8).:  „Die  da  mit  Lügen  kommen,  |  Ein  Trupp  von 
euch:  o  haltet  dies  |  Nicht  für  ein  grosses  Übel;  |  Es  ist  für  euch  nur 
besser.  1  Denn  jedem  Mann  von  ihnen  bleibt  |  Was  er  gewirkt  von  Sünde: 
|  Dnd  wer  davon  beging  das  schwerste,  |  Dem  wird  auch  grosse  Strafe. 
(1*J)  Wenn  aber  ihr  dergleichen  höret,  j  O  möchten  gläubige  Männer  oder 
Frauen  j  Dann  bei  sich  selbst  das  beste  denken  |  Und  sagen:  Das  ist 
offenbare  Lüge.  (13)  0  möchten  sie  darüber  doch  j  Tier  Zeugen  bringen, 
oder  wenn  |  Sie  keine  Zeugen  bringen,  |  So  sind  vor  Gott  sie  Lügner. 
(14)  Und  wäre  nicht  die  Gnade  Gottes  über  euch  |  Und  sein  Erbarmen  j 
Hienieden  und  in  jener  "Welt,  j  Euch  hätte  längst  betroffen  j  In  dem,  worin 
ihr  euch  ergiesset,  schwere  Strafe,  |  Wenn  ihr's  mit  euern  Zungen  auf- 
nehmt, |  Und  sagt  mit  euern  Mündern  |  Wovon  ihr  doch  kein  Wissen 
habt,  |  Und  haltet's  für  gering,  doch  ist's  bei  Gott  ein  Grosses.  (15)  0 
miichtet  ihr.  wenn  ihr  es  höret,  sprechen:  |  Uns  steht  nicht  zu,  davon  zu 
reden,  Behüte!  das  ist  arger  Lug.  (16)  Gott  malmet  euch,  dass  ihr  nie 
wieder  solches  thut,  ,  Wenn  ihr  wollt  Gläubige  heissen.  (17)  Gott  offen- 
baret euch  die  Zeichen,  |  Und  Gott  ist  weis'  und  kundig.  (18j  Die  so  da 
wünschen,  dass  auskomme  Schmähliches  |  Über  die,  so  da  glauben,  |  Der- 
selben wartet  Strafe  peinvoll  (19)  In  dieser  Welt  und  in  der  andern;  | 
und  Gott  weiss,  und  ihr  wisset  nicht." 

Drin  peinlichen  Geklatsch  war  durch  die  göttliche  Bestimmung.  Un- 
treue der  Gattin  kann  nur  durch  vier  Zeugen  erwiesen  werden,  ein  Ende 
gemacht.  Aber  es  sollte  den  bösen  Zungen  zugleich  eine  scharfe  Lektion 
erteilt  werden,  und  so  wurde  ferner  verkündet  (V.  4):  „Doch  die  be- 
schmitzen    züchtige  Frauen  |  Und   dann   nicht  kommen  mit  vier  Zeugen,  | 


1)  Die  spätere  Geschichtsfälschung  lässt  die  Mutter  der  Gläubigen  über  ihr  Verhalten 
gegeu  'Ali  Reue  empfinden  und  die  faule  Ausrede  des  qadar  maqdür,  des  Verhängnisses, 
gebrauchen,  s.  Albaihaql,  kitäb  almahasin  walmasäwi  ed.  Schwall}'  322f. 

2)  Sprenger  a.  a.  0.  nimmt  an,  ' A'ischa  sei  in  der  That  auf  den  Rat  'Alis  von 
Mohammed  Verstössen  worden. 

3)  Ich  folge  bei  dieser  und  den  andern  hier  mitgeteilten  Qur'änstellen  der  form- 
vollendeten Übersetzung  Rückerts.  Von  denen,  die  bei  Rückert  fehlen,  gebe  ich  eigne 
Übersetzung. 


Die  Frau  im  [slam. 

So  streichet  ihnen  achtzig  Streiche,  '  Und  aehmel  nie  mehr  Zeugnis  an 
rön  iliiMMi.  |  Dieselben  Bind  A.htrünnige."  Zwei  der  Hauptankläger  Hessen 
siofa  als  aufrichtige  Gläubige  die  Strafe  gefallen.1) 

Die  Geschichte  ist  unerfreulich.  Sie  widerl  ans  geradezu  an,  weil 
hier  um  einer  Bifersuchtregung  willen  der  Apparai  der  göttlichen  [nspiration 
in  Bewegung  gesetzt  wird.  Aber  roil  welchem  Rechl  arteill  Müller,  der 
Islam  von  heute  sei  von  jedem  sittlichen  Einfluss  edleren  weiblichen 
\\ «  -.'iis  ausgeschlossen  und  müsse  es  immer  bleiben,  weil  vor  1300  Jahren 
die  14 jährige  'Ä'ischa  ein  Halsband  verlor?  Müller  deduziert:  es  sei  doch 
klar,  dass  einem  Manne,  der  zur  Erhärtung  der  Untreue  Beiner  Frau  vier 
Augenzeugen  braucht,  nichts  übrig  bleibt,  als  sie  einzusperren.  Sonderbare 
Logik!  Als  ob  die  Araber  nicht  ebenso  gut  wie  alle  andern  Völker  des 
Orients  and  Occidents  gewusst  hätten,  was  in  allen  Volksbüchern  von 
dem  Vorbild  des  Pantschatantra  bis  in  die  neuesten  Heftchen  „gedruckt 
in  diesem  Jahr"  zu  lesen  ist,  dass  der  Eifersüchtige,  der  die  Gattin  hinter 
Bchloss  and  Riegel  hält,  erst  recht  genarrt  wird!  I>ie  Schwierigkeit,  den 
Schuldbeweis  zu  erbfingen,  konnte  höchstens  Anlas-  für  Heu  Muslim 
werden,  bei  dem  geringsten  Verdacht  das  ihm  gesetzlich  zustehende  Recht 
der  Scheidung  auszuüben.  Müller  behauptet  auch,  das  angebliche  Schleier- 
gebot sei  eine  Folge  des  Falles  'Ä'ischa.  Das  ist  ein  Irrtum.  Die  Stelle 
des  Qur'äns,  die  allein  in  Betracht  kommt2),  gehört  in  die  Zeit  nach  dem 
Abenteuer  der  Lieblingsfrau  des  Propheten.  Die  Hauptsache  ist  aber, 
«lass  sich  bei  näherem  Betrachten  dieser  Stelle  das  ganze  Gerede  von  dem 
Verschleierungsverbot  in  eitel  Dunst  auflöst.  Ks  heisst  Sure  33,59:  „Du, 
o  Prophete.  sprich  zu  «leinen  Frauen,  |  Zu  deinen  Töchtern  und  den 
Weibern  j  Der  Gläubigen,  sie  sollen  senken  |  Auf  sich  ein  Teil  von  ihren 
riienvürfen.  |  So  ist's  geschickter,  dass  man  sie  erkenne,  doch  [richtiger: 
und  infolgedessen]  nicht  kränke."  Wenn  die  meisten  Exegeten  und  Rechts- 
lehrer ans  dieser  Stelle  folgern,    dass  die  Muslime  (Muhammedanerin)  das 

1)  Mistah  und  Hamna,  die  Tochter  des  Dschahsch,  s.  Sprenger  3,  <>7. 

2  Müller  sagt  nur  allgemein  a.  a.  0.  „Ferner  wurde  ihnen  und  den  andern  Weibern 
der  Gläubigen  vorgeschrieben,  sich  in  Gegenwart  von  Fremden  zu  verschleiern."  Damit 
kann  nur  die  gleich  zu  besprechende  Stelle  Sure  I  mi  int   sein,  denn  nur  in  ihr  isl 

von  einem  allgemeinen  Gebot  die  Bede.  Gewiss  war  Müller  irregeleitel  durch  Sprenger, 
der  3.  G4  ' Ä'ischa  erzählen  lässt:  „Es  war  damals  schon  da-  Gebot,  dass  die  Frauen  rieb 
verschleiern  müssen,  geoffenbart  worden."  Bei  Buchäri  beissi  es  ba'da  mu  unzil- 
alhidschäbu;  diese  Worte  können  sich  allein  auf  die  einzige  Stelle  deB  Qur'äns  beziehen, 
in  welcher  das  Wort  hidschäb  in  Bezug  auf  Frauen  vorkommt,  Sure  33,  53.  Dort  bandeil 
es  sich  aber  nur  um  die  Frauen  des  Propheten,  und  selbst  in  Bezug  auf  rie  ist  die  Vor- 
schrift so  gefasst,  dass  sich  die  gut  bezeugte  Thatsache,  da--  Frauen  des  Propheten  in 
Gegenwart  männlicher  Besucher  unverschleiert  waren  (vgl.  auch  'Ä'ischa  in  der  Kamel- 
schlacht), sehr  wohl  mit  ihr  vereinigen  lässt;  es  heisst  in  der  angeführten  Qur'änstelle: 
„Und  wenn  ihr  seine  Frauen  bittet  um  Gerät,  |  So  bittet  so,  dass  zwischen  sei  ein  Vor- 
hang. |  Das  ist  euch  unverzüglicher  für  eure  Herzen  und  für  ihre  Herzen,  |  Und  nicht  zu 
kommt  es  euch  zu  kränken  |  Den  Abgesandten  Gottes,  |  Noch  zu  heiraten  seine  Frauen  je 
nach  ihm;  |  Denn  das  war  euch  bei  Gott  ein  grosses." 

17* 


_'  (ii  Hai  tmann: 

iit  zu  verhüllen  habe,  bo  isi  das  ein  wichtiges  Beispiel  dafür,  wie 
iv  Sitte  die  Auslegung  der  heiligen  Bücher  und  die  Aufstellung 
religiöser  und  rechtlicher  Satzungen  beeinflusst.  Auch  ist  von  Bedeutung, 
da.ss  in  einem  bestimmten  Fall  der  Frau  ausdrücklich  die  Nichtverhüllung 
des  Gesichtes  zugestanden  wird,  nämlich  heim  Gebet,  wenn  auch  zuzugeben 
ist,  dass  diese  Bestimmung  jene  andere  von  der  Gesichtverhüllung  vor 
nicht  blutsverwandten  Männern  nach  islamischer  Rechtsansohauung  nicht 
ausschliessen  würde. 

Doch  viel  wichtiger  als  die  Frage:  Sind  die  theoretischen  Klügeleien 
der  Rechtsgelehrten  gerechtfertigt?  ist  <lie  andere  nach  den  Thatsachen, 
die  wir  aus  d^w  besten  historischen  Quellen  entnehmen.  Da  zeigt  sich,  es 
geht  aus  unzähligen  Berichten  hervor,  dass  bis  ins  zweite  Jahrhundert 
nach  der  Flucht,  also  bi>  etwa  750  u.  Z.  die  Frau  in  reger  Weise  am 
geselligen  und  öffentlichen  Leben  teilnahm.  Das  ist  sehr  unwahrscheinlich, 
wären  schon  damals  die  Frauen  zur  Gesichtverhüllung  verurteilt  gewesen. 

Dass  diese  auch  vor  dem  Islam  nicht  bestand,  wenigstens  nicht  obli- 
gatorisch  war.  dürfen  wir  annehmen.  Freilich  wissen  wir  über  die  Stellung 
der  Frau  in  Arabien  vor  dem  Islam  nicht  viel  Sicheres.  Eines  ist  gewiss. 
dass  die  vorislamische  Araberin  gleich  beim  Eintritt  ins  Leben  mit  dem 
Leben  Bchwer  zu  kämpfen  hatte.  „(60)  Wird  ihrer  einem  angesagt  ein 
Mädchen,  |  So  wird  sein  Antlitz  dunkel,  |  Und  Ärger  würget  ihn.  (Gl)  Er 
birgt  sich  vor  den  Leuten  ob  |  Der  Schmach  des  Angesagten;  |  Wird  er  's 
behalten  mit  Verachtung?  j  Oder  verscharrt  er  es  im  Staub?  |  Wie  übel  ist 
ihr  Urteil!"  So  lässt  sich  (iott  in  der  16.  Sure  vernehmen.  Und  an  zahl- 
reichen andern  Stellen  werden  die  Araber  ermahnt,  nicht  ihre  Kinder  zu 
töten.  Dass  die  Mädchen  vorzugsweise  von  diesem  Schicksal  betroffen 
wurden.  wissen  wir  auch  aus  andern  Berichten.  Ihnen  war  mit  Vorliebe 
das  L'is  des  lebendig  Begrabenwerdens  zugedacht.  Im  Gegensatz  zu  dem, 
was  heut  als  im  Orient  allgemein  üblich  gilt,  ermahnt  der  Prophet  die 
Gläubigen,  die  Kinder  beider  Geschlechter  mit  gleicher  Freude  zu  begrüssen. 

Die  Hauptsorge  Muhammeds  war.  die  Stellung  der  Frau  in  der  Ehe 
zu  regeln.  Unter  seinen  Landsleuten  fand  er  in  diesen  Dingen  eine  grosse 
Willkür.  Das  ist  «las  Kennzeichen  des  vorislamischen  Arabiens,  dass  seine 
Bewohner  nicht  einer  Gleichartigkeit  in  der  Lebensführung  sich  erfreuten. 
Vom  beduinischen  Standpunkte  aus  war  das  ein  Vorzug,  denn  der  Beduine 
liasst  den  Zwang.  Aber  Arabien  besass  zu  Muhammeds  Zeit  auch  eine 
nicht  unbeträchtliche  Menge  von  sesshaften  Bewohnern,  eine  Anzahl  grösserer 
Verkehrscentren.  Die  verschiedenen  Institutionen,  die  sich  fanden,  mit- 
einander zu  vergleichen  und  ein  System  daraus  zu  machen,  wäre  eine 
höchst  schwierige  Arbeit  gewesen.  Die  Aufgabe  Hess  sich  leichter  lösen: 
unter    den  Arabern    lebten    zahlreiche  Juden1),    und    die    hatten  das,    was 

1)  Über  sie  s.  meinen  Vortrag  „Muhammed  und  die  Juden"  in:    Allgemeine  Zeitung 
identums  1891,  No.  6 — 9. 


I  lie   Frau   im   [slam.  ■_'  |  1 

jenen  fehlte:  era  ausgebildetes  Gesetz.  Die  BefruchtuugeD,  die  Muhammed 
\,,ii  Beinen  jüdischen  Landsleuten  erhielt,  Bind  bekannt.  Die  Form,  anter 
welcher  die  Legenden  von  den  Bogen.  Erzvätern  and  andere  biblische 
Stoffe  im  Qur'än  erscheinen,  deckt  Bich  auffallend  mit  der  der  legenden- 
haften jüdischen  Litteratur.  In  Bezug  auf  die  Frau  isl  ihm  Beine  Ver- 
trautheit mit  «lem  jüdischen  Wesen  besonders  aützlich  geworden.  Die 
Bestimmungen  des  jüdischen  Gesetzes  sind  nachweislich  zum  Teil  von  ihm 
übernommen  worden.     Das  Eauptsächlichste  ist   folgendes: 

Der  Mann  darf  bis  vier  Frauen  heiraten  (Surr  1.  3).1)  Die  Wald  ist 
nicht  an  den  Glauben  gebunden,  wenigstens  nicht  in  Bezug  auf  Frauen, 
die  zu  den  Buchbesitzern  (ahl  kitäb,  d.h.  Christen  and  .luden)  gehören; 
denn  wenn  es  auch  Sure  2,  •_)_<»  beisst:  „Und  heiratet  nicht  die  Viel- 
götterinnen,  bis  sie  glauben,  und  fürwahr,  eine  gläubige  Sklavin  isl  bi 
als  eine  (freie)  Vielgötterin,  mag  sie  auch  gefallen",  so  wird  diese  Be- 
stimmung durch  den  Vers  Sure  5,  7  eingeschränkt:  „Erlaubt  Bind  euch 
die  Züchtigen  von  den  Gläubigen  und  die  Züchtigen  ron  denen,  die  vor 
euch  das  Buch  erhalten  haben,  wenn  ihr  ihnen  ihren  Lohn  [ihre  Mitgift] 
gebt.1'  Zu  bemerken  ist  dazu,  dass  andrerseits  die  in  der  ersten  der  beiden 
Stellen  (Sure  2,  220)  gegebene  weitere  Vorschrift  „Verheiratet  nicht  au 
Vielgötterer,  bis  sie  glauben,  fürwahr,  ein  gläubiger  Sklave  ist  besser  als 
ein  (freier)  Vielgötterer,  mag  er  euch  auch  gefallen"  bedingungslos  ist, 
dass  also  eine  Muslime  unter  keinen  Umständen  einen  Nichtmuslim  heiraten 
darf.2)  Besonders  sympathisch  berührt  uns  die  Aufforderung,  sich  nicht 
durch  Rücksieht  auf  Vermögen  leiten  zu  lassen  und  die  Ehe  auch  bei 
Armut  beider  Teile  im  Vertrauen  auf  Gott  einzugehen  (Sure  24,  32 
„Verheiratet  die  Gattenlosen  unter  euch,  i  Die  Frommen  mich  von  euren 
Knechten  |  Und  euern  Mägden!  wenn  sie  arm  sind.  |  Gott  wird  sie  machen 
reich  von  seiner  Gnade,  |  Und  Gott  ist  weit  umfassend,  kundig."  Aber 
andererseits  soll  der  junge  Muslim  nicht  blind  drauf  los  heiraten  und  wo- 
möglich deich  von  der  Erlaubnis  der  Vierzahl  der  Krauen  Gebrauch  machen. 


1)  Die  Talmudistcn  setzten   fest,   dass  kein  Jude  über  4  Weibei   zugleich,    ein   I 
höchstens  18  haben  sollte.    Bei  den  Aschkenazim  isl  seit  etwa  1450  die  Einehe  die  I 

bei  den  Sel'ardiin  scheint  das  nicht  der  Fall  zu  sein:  we  war  es  in  Beirut  um  1880 

stadtkundig,  dass  ein  dort  wohnhafter  angesehener  jüdischer  Kaufmann  zwei  Frauen  hatte. 

2)  Die  ratio  ist  klar:    Heiratet  die  Muslime  einen  Fremden,    so  RUH  Bie  ab,    di 
meinde  wird  kleiner:  auch  wird  in  der  ersten  Zeit   di  ä  Islams  in  Arabien  Mangel  an  Krauen 
geherrscht   haben,   obwohl   man   bei   den  besseren  wirtschaftlichen  Verhältnissen,   die  der 
beutemachende  Islam  mit  sich  brachte,  nicht  mehr  nötig  hatte,  die  Töcht(  r,  das  fri 
unproduktive  Kapital,    aus   der  Welt   zu    schaffen,     übrigens   wurde  es  mit  der  rigo 
Vorschrift  nicht  immer  streng  genommen,  namentlich  wenn  die  Staatsraison  oder  die  Gewalt 
ein  Wörtlein  mitsprach.    Jedenfalls  befand  sich  die  kasehgarische  Muslime,   die  nach  der 
Eroberung   von  Kaschgar    im  Jahre  1759    in    den   Harem    d  K'ien-long 
aufgenommen  wurde,   und  der  zu  Ehren  der  Fürst  'ine  Moschee  nahe  dem  Paläste  bauen 
liess,  sehr  wohl  dabei,  und  aueb  ihre  Glaubensgenossen  nahmen,  ächeint  es,  keinen  Ar 
daran  (s.  Deveria  in  Journal  Asiatique  18i)7,  II,  44 ?). 


242  Hartmann: 

Darum  Btehj  Sure  I.  3  der  Weisung:  „Spendet  gern  deu  Fraueu  ilire 
Mitgift,  und  wenn  sie  euch  gutwillig  etwas  davon  erlassen,  so  verzehrt  es 
mir  Behagen"  die  Ermahnung  gegenüber:  „Wenn  ihr  aber  fürchtet,  dass 
ihr  nulit  gerecht  seid5  bo  heiratet  nur  eine  Frau  oder  was  eure  Pechte 
hält"  (eine  Sklavin).  Ferner  heisst  es  Sure  24,  33:  „Enthalten  aber  sollen 
sie  sich,  |  Die  keine  Heirat  finden^  |  Bis  Gott  sie  machet  reich  von  seiner 
Gnade."  Die  Konkubinenwirtschaft,  die  im  Islam  später  so  allgemein 
wurde,  und  die  so  grosse  Verheerungen  angerichtet  hat,  ist  im  Qur'an 
durchaus  gemissbilligt.  Nur  die  Unfähigkeit,  für  eine  rechtmässige  Gattin 
die  Mitgift  zu  zahlen  und  sie  angemessen  zu  unterhalten,  giebt  ein  Anrecht 
auf  das  Halten  einer  Sklavin.  Wer  eine  oder  mehr  rechtmässige  Frauen 
hat.  soll  mit  ihnen  leben  ..züchtig,  nicht  Unzucht  Treibend  und  nicht 
Konkubinen  nehmend"  (Sure  5,  7). 

An  zahlreichen  Stellen  spricht  der  Qur'an  von  Mann  und  Frau  neben- 
einander, denen  in  gleicher  Weise  gute  und  schlechte  Handlungen  ver- 
golten werden:  „Ich  lasse  nicht  verloren  gelm  eine  Handlung  irgend  eines 
unter  euch.  Mann  oder  Frau"  (Sure  3,  193);  „Wer  aber  Gutes  thut,  von 
Männern  oder  Fraun,  |  Und  ist  dabei  ein  Gläubiger,  |  Dieselben  führen 
wir  zum  Garten,  |  Sie  werden  nicht  verkürzt  um  eine  Faser"  (Sure  4,  123). 
Die  frommen  Ehegatten  werden  auch  im  Paradiese  vereint  sein:  „Ja  die 
Genossen  |  Des  "Wonnegartens  heute  sind  |  Beschäftigt  froh,  Sie  selbst 
und  ihre  Frauen,  |  Im  Schatten  auf  Kuhbetten  hingelehnet"  (Sure  36,  55. 
56);  ferner:  „Die  da  geglaubt  an  unsre  Zeichen,  |  Und  waren  Gottergebne, 
Geht  ein  zum  Garten,  ihr  und  eure  Fraun,  durchwonnet!"  (Sure  43,  69.  70). 
Ebenso  schuldig  wie  die  Männer  sind  die  Frauen,  wenn  sie  die  Botschaft, 
mit  der  Gott  den  letzten  aller  Propheten  und  ihren  Schlussstein  gesandt, 
nicht  annehmen:  ..AI »er  strafe  die  Heuchler  und  Heuchlerinnen,  |  Götzen- 
diener und  ( iötzendienerinnen,  |  Die  meinen  über  Gott  die  schlimme 
Meinung,  [  über  sie  die  Umkreisung  |  Des  Schlimmen,  Gott  zürnt  über 
sie  |  Und  fluchet  ihnen  und  bereitet  ihnen  |  Die  Hölle,  schlimm  ist  sie  zur 
Einkehr"  (Sure  48,  6).  Die  angeführten  Stellen  stehen  freilich  nicht  ganz 
in  Einklang  mit  einer  Ansicht  von  der  Frau,  die  Muhammed  dem  Judentum 
entnommen  hat.  Es  ist  bekannt,  wie  das  Alte  Testament  von  der  Frau 
spricht,    und    dass    es  nur  der  natürliche  Ausfluss  jener  alttestamentlichen 

Stellungen  i>t.  wenn  der  «lüde  im  täglichen  Gebete  Gott  dafür  dankt, 
dass  er  ihn  als  Mann,  nicht  als  Weib,  erschaffen.  Ähnlich  rohe  An- 
schauungen finden  sich  auch  im  Qur'an:  Die  Frauen  werden  bezeichnet 
Sure  4.'!.  17  als  ..die  aufwachsen  im  Putz  und  ohne  Vernunft  streiten." 
Der  Mann  hat  zu  befehlen,  die  Frau  hat  zu  gehorchen,  und  ist  sie  un- 
gehorsam, so  wird  sie  geprügelt.  Es  heisst  Sure  4,  38:  „Die  Männer 
-elieii  vor  den  Weibern,  |  Weil  Gott  gab  Gnadenvorzug  einem  vor  dem 
andern.  ;  Und  auch  weil  sie  aufwenden  ihr  Vermögen.  |  Ehrbare  Frauen 
aber  sind  j  Gehorsam   and  bewahren  das  Geheimnis,  weil  sie  Gott  bewahrt. 


Die  Frau  im  rslam.  ■•  \.\ 

|  Doch  deren  Widerspenstigkeit  Ihr  fürchtet,  Dieselbigen  vermahn  el  und 
Bcheidet  ench  von  ihrem  Lager,  Und  schlaget  ßie!  doch  wenn  sie  euch 
gehorchen,  Suchet  gegen  sie  keinen  Weg!  Denn  Gott  ist  hoch  und 
mächtig." 

Freilich,  gleich  darauf  folgt  ein  Spruch,  der  diese  harte  Bestimmung 
erheblich  mildert.  Es  kommt  nämlich  nur  darauf  an,  ob  Bich  die  Frau 
eine  gemeine,  rohe  Behandlung  gefallen  lässt,  ob  sie  in  das  Hineinwerfen 
in  <lie  Rolle  eines  Tiers  willigt.  Muhammed  h.it  sich  sehr  weisi 
jede  Frau  hat  den  Mann,  den  sie  verdient,  und  lässt  Bich  eiue  die  Miss- 
handlungen eines  rohen  Patrons  gefallen,  so  verdient  sie  ihn.  Lässi  sie 
Bich  sie  nicht  gefallen,  so  giebt  ihr  Gott  selbst  das  Mittel  an  die  Eand, 
dem  unwürdigen  Zustande  abzuhelfen  (Sure  4,  39):  „Befürchtet  ihr  Zer- 
würfnis eines  Ehebundes,  ■  So  bringt  zur  Stelle  einen  i  Schiedsrichter  von 
des  .Mannes  Seite,  |  Und  einen  von  i\i-^  Weibes  Seite.  |  Und  wenn  die 
beiden  sich  vertragen,  j  So  wird  Oiott  ihren  Bund  befestigen,  Denn  Gott 
ist  weis"  und  kundig'."1)  Vertragen  sie  sich  aber  nicht,  so  erfolgt  die 
Trennung,  die  auch  vom  Richter  festgesetzt  werden  kann.  Es  sind  (dien 
dem  Missbrauch    der  Kochte,    die  der  rslam  dem  Mann  zu   Ungunsten  <\<'V 


1)  Von  ehelichem  Zwist  handeln  noch  die  Sprüche  Sure  1,  127  und  129:  „Fürchtet 
eine  Frau  von  ihrem  Gatten  Ungerechtigkeit  oder  Vernachlässigung,  bo  ist's  keine  Schande 
für  sie  beide,  dass  >ie  Frieden  zwischen  sich  schaffen,  denn  der  Friede  ist  besser;  Bind 
doch  die  Seelen  der  Menschen  selbstsüchtig  erschaffen;  seid  ihr  aber  gütig  und  meidet 
Ungerechtigkeit,  so  weiss  Gott,  was  ihr  thut.  (129)  Und  trennen  sich  die  Gatten,  so  hilft 
Gott  jedem  darüber  fort  aus  Fülle  seiner  Macht,  und  Gott  ist  weitumfassend,  kundig." 
Das  Einzelne  haben  dann  die  Rechtsgelehrbn  später  i'<>t ir«  1.  14-1 ,  "der  vielmehr:  in  der 
islamischen  Gemeinde  haben  sich  für  das  Verhalten  in  ehelichen  Zwistigkeiten  feste  Nonnen 
gebildet,  und  diese  sind  dann  von  den  grossen  Rechtslehren]  bei  Ausbau  de  Sj 
wandt  worden.  Dass  dann  die  einmal  in  Rechtsbüchern  festgelegten  Arten  der  Behandlung 
solcher  Fälle  völlig  in  das  Bewusstsein  des  Volkes  übergingen  und  30  wiederum  die 
gelehrte  Forschung  die  Volkssitte  beeinilusste,  darf  kaum  erwähnt  werden.  Eis  muss  aber 
auf  die  gewöhnlich  nicht  genügend  beachtete  Seile  des  islamischen  Rechtes  hinge? 
werden,  dass  es  ausserordentlich  biegsam  ist,  und  dass  es,  soweit  Qur'än  und  Sunna  nicht 
scharf  ausgesprochene  Einzelvorschriften  enthalten  (und  das  ist  selten  der  Fall  .  der  Rück- 
sicht auf  den  bestehenden  Brauch  ('urf)  und  der  Verwendung  der  menschlichen  G< 
thätigkeit  zur  Auffindung  des  Angemessensten  einen  weiten  Spielraum  lässt.  Das  ist  auch 
gerade  im  Eherecht  der  Fall.  Nach  den  Sitten  der  verschiedenen  islamischen  Länder  und 
nach   dem   persönlichen  Standpunkt    der  Rechtslehrer    gestalten   sich  auch  in  Dingen  der 

setzgebung  und  in  Fragen  der  Behandlung  der  Frau  nach  allen  Richtungen  die 
Einzelvorschriften  recht  mannigfaltig.  Dass  diese  sich  in  den  Rechtsbüchern  zu  einer  nna 
oft  wunderlich  erscheinenden  Kasuistik  auswachsen,  und  dass  diese  Kasuistik  mit  Vorliebe 
in  der  Erörterung  aller  möglichen  und  oft  unmöglich  scheinenden  physiologischen  Zustände 
förmlich  schwelgt,  wird  dem  nicht  wunderbar  erscheinen,  der  die  Arbeitart  der  mittel- 
alterlichen Theologen  kennt.  Die  islamische  Rechtsforschung  steht  ja  noch  heut  auf  dem 
Standpunkte  der  Scholastik,  ebenso  wie  die  pseudowissenschaftliche  Forschung  ein 
Teiles  der  christlichen  Theologie  es  noch  heut  thut.  Frappante  Analogien  in  di  1 
angedeuteten  Hinsicht,  d.  h.  in  der  weitschweifigen  Erörterung  physiol  gischer  Zustände, 
die  vielmehr  in  den  Bereich  des  Mediziners  und  Psychologen  als  in  den  des  Theologen, 
d.  h.  im  Islam  Rechtsforschers  gehören,  finden  sich  in  den  Werken  über  die  Theologia 
Moralis,  die  in  der  römischen  Kirche  Geltung  halten,  auch  in  den  neuesten. 


244  Hartmann: 

Frau  gewährt,  Grenzen  gezogen.  -Man  nimmt  bei  uns  gewöhnlich  an.  das 
islamische  Recht  gestatte  dem  Manne,  die  Frau  mit  einem  schweren 
Schimpfwort  aus  dem  Hause  zu  jagen,  weil  sie  die  Suppe  hat  anbrennen 
lassen.  Es  ist  richtig,  dass  der  Muslim  die  Gattin  Portschicken  kann,  ohne 
ihr  oder  irgend  jemandem  einen  andern  Grund  angeben  zu  müssen  als 
„Sic  vul«)  vir  Julien--,  und  das  ist  unzweifelhaft  eine  Härte,  die,  so  nackt 
und  Bchroff  hingestellt,  uns  «las  tiefste  Mitleid  mit  der  islamischen  Frau 
fühlen  lässt,  freilich  kaum  grösseres  als  mit  der  Frau  i\ri  Frankenwelt, 
die  auch  in  Kulturstaaten  ersten  Ranges  bis  in  die  neueste  Zeit  durch 
den  geschlossenen  Bund  an  einen  verachtungs-  und  hassenswerten  .Mann 
mit  unlösbaren  Fesseln  gebunden  war  und  selbst  dem  Zwange  der  täglichen 
Lebensgemeinschaft,  dem  Unterworfensein  unter  Rohheiten  und  Nichts- 
würdigkeiten nur  mit  Aufbietung  eines  grossen  Apparates  entgehen  konnte. 
Im  Islam  scheint  das  Gegenteil  der  Fall  zu  seit),  die  Verbindung  so  lose. 
das>  t\w  .Mann  jeden  Augenblick  die  Trennung  aussprechen  kann,  die 
Frau,  wenn  sie  nur  einigermassen  geschickt  ist,  den  Mann  zum  Aussprechen 
der  Trennung  veranlassen,  und  wenn  er  das  durchaus  nicht  will,  leicht 
durch  richterliche  Einmischung  eine  Befreiung  erlangen  kann.  Man  weiss 
aber  nicht,  dass  die  Trennung  an  eine  Anzahl  wirtschaftlicher  Bedingungen 
geknüpft  ist,  dass  sie  für  den  sie  äusserlich  herbeiführenden  Teil  nicht 
unerhebliche  materielle  Opfer  mit  sich  bringt.  Nun  muss  man  zugeben. 
dass  der  Begüterte  durch  das  Abfindungsprinzip,  das  in  weitem  Umfange 
das  Eherecht  des  Islams  beherrscht,  zu  Übergriffen  geradezu  verleitet 
wird,  und  da>>  die  Frau,  die  vermögenslos  und  zu  selbständigem  Erwerb 
unfähig  in  die  Ehe  tritt,  das  grösste  Interesse  hat,  sich  wenigstens  den 
befristeten  Teil  der  Mitgift  zu  sichern,  und  sich  dem  Verlust  nicht  aus- 
setzen wird,  den  sie  erleidet,  wenn  sie  loskommen  will.  Das  Leben  sorgt. 
wie  schon  bemerkt,  dafür,  dass  der  Bund  nicht  zu  lose  ist,  und  die  meisten 
Muslims  überlegen  es  sich  sehr  wohl,  ehe  sie  das  Band,  das  sie  übrigens 
in  der  Kegel  nur  mit  einer  und  nicht  selten  zärtlich  geliebten  Frau  ver- 
bindet, durch  ein  heftiges  Wort  zerschneiden. 

Es  giebt  von  der  Scheidung  ein  zweimaliges  Zurück  ohne  weitere 
Formalitäten,  und  sogar  ein  drittes,  das  freilich  an  die  Zwischenehe  der 
Frau  mit  einem  andern  Mann  gebunden  ist.  Ebenso  kann  der  Mann  die 
Wirkung  der  besonderen  Art  von  Trennung,  die  durch  das  AVort  „du 
sollst  für  mich  sein  wie  meine  Mutter"  herbeigeführt  wird,  aufhebeu, 
indem  er  einen  Sklaven  befreit;  eine  Bestimmung,  die  des  Humors  nicht 
entbehrt:  ein  Sklave  wird  frei,  ein  andrer  spannt  sich  erst  recht  fest  in 
das  .loch,  dem  er  ungestüm  entlaufen  wollte.  So  hängt  denn  wirkliche 
dauernde  Trennung  an  tausend  Fäden,  und  die  Zahl  verstossener  und  ver- 
lassener Ehefrauen  wird  in  den  Frankenländern  eher  grösser  sei»  als  im 
Islam.  Dem  gegenüber  ist  freilich  im  gesamten  Islam  nur  in  ganz  ver- 
einzelten Fällen    die    erhabene  Form    der  Ehe    zu    finden,    die    in  unsern 


Die  Frau  im  [slam. 

innerlich  am  meisten  vorgeschrittenen  Kulturländern,  wenn  Dicht  die  Rezel, 
bo  doch  recht  häufig  ist,  die  innige  Lebensgemeinschaft,  die  auf  liebe- 
vollem Sichineinanderfinden  and  dem  Sichausgleichen  zu  Bchöner  Harmonie 
beruht.  Im  Orieni  ist  vorwiegend  die  Ehe  ein  Ausserliches,  bo  Bim 
auch  die  Konflikte,  and  so  ist  es  auch  die  Beilegung  dieser.  In  den 
Kulturländern  ist  ja  mir  dem  innerlichen  ausreifen  der  Prau  notwendig 
auch  die  Erscheinung  verbunden,  dass  tiefere  Wesens^  erschiedenheii  zwischen 
Ehegatten  zu  der  innem  Trennung  führt,  für  welche  die  äussere  dann  nur 
hoch  eine  gleichgültige   Erscheinungsform  ist. 

Ist    in    der  Ehe    die  Prau    nach    dem  Wortlauf    des  l  -    an  den 

Willen  des  Mannes  gebunden,  bo  ist  sie  ausser  der  Ehe  vollständig  frei, 
und  niemand  hat  das  Hecht,  einen  Zwang  auf  sie  auszuüben.  Nur  in 
zwei  Punkten  teilt  sie  nicht  vollständig  die  Rechte  des  Mannes:  sie  gilt 
in  Nachlasssachen  und  heim  Zeugnisablegen  vor  dem  Richter  nur  als  ein 
halber  .Mensch.  Das  erscheint  uns  als  eine  Barte,  wir  werden  es  milder 
beurteilen,  wenn  wir  bedenken,  dass  bei  den  heidnischen  Arabern  und 
nach  dem  jüdischen  Gesetz  die  Prau  in  Nachlasssachen  und  in  Zeugnis- 
Bachen  noch  viel  schlechter  gestellt  ist:  die  Tochter  ist  bei  Vorhandensein 
von  Söhnen  völlig  ausgeschlossen  vom  Erbe,  und  vor  dem  israelitischen 
Richter  gilt  nur  der  freie  Israelit  als  Zeuge,  nicht  die  Prau.  Dass  Mu- 
bammed  der  Prau  so  viel  Hecht  erkämpfte,  muss  hoch  anerkannt  werden. 
Oh  und  in  welcher  Weise  seine  Bestimmungen  ßich  mit  den  heute  geltenden 
Anschauungen  der  Kulturvölker  werden  in  Einklang  bringen  lassen,  muss 
hier  unerörtert  bleiben.  Mir  ist  unzweifelhaft.  da->s  sich  ein  Ausgleich 
finden  wird,  der  auch  den  Muslims  Btrengerer  Observanz  annehmbar  i-i. 
Erste  Bedingung  ist.  dass  der  Islam  ßich  freimacht  von  dem  überwuchernden 
Beiwerk,  das  die  Theoretiker  um  die  einfache  Lehre  de-  Propheten 
schlungen  haben,  und  das  zwischen  ihr  und  dem  fränkischen  Empfinden 
eine  schier  unüberbrückbar  scheinende  Kluft  geschaffen. 

Ganz  konnte  die  Theorie  nie  das  volle  reiche  Leben  unter  ihren 
grauen  Zwang  beugen.  Wundersam  ist  es  gemischt  und  bleibt  es,  m 
auch  die  feinsten  Systematiker  die  strammsten  Schablonen  ersinnen,  all 
seine  tausend  Regungen  hineinzuzwängen.  Gewiss,  unheilvoll,  höchst  un- 
heilvoll war  die  Wirkung,  die  das  Spinthisieren  der  islamischen  Juristen 
ober  möglicherweise  sich  ergebende  Rechtsfalle  übte,  unheilvoller  noch, 
das-  diese  Spinthisierereien  weltfremder  Grübler  zur  Lebensregel  wurden. 
In  Fesseln  geschlagen  wurde  die  Entwicklung  der  Völker,  die  unter  dem 
Banne  dieser  ( iesetzesmache  standen,  und  ihre  Rache  war.  dass  sie  der 
Rechtsbildung  keine  neuen  >:,i\'\^  und  Kniffe  zuführten.  Nur  ein  Element 
der  islamischen  Gesellschaft  ist  fast  ganz  von  diesem  Prozess  verschont 
geblieben,  das  Element,  aus  dem  der  junge  Islam  seine  Hauptkraft 
und  das  in  den  ersten  Jahrhunderten  seines  Bestehens  noch  mächtig  und 
glücklich    in    ihm   wirkte,    die  Beduinen.     In  dem  vorislamischen   Arabien 


Hart  mann: 

w.w  dieses  Element  das  herrschende.  Es  war  ein  physisch  und  moralisch 
gesundes  Volk,  diese  Söhne  und  Töchter  der  Steppe  und  vor  allem  besasseij 
sie  das,  was  das  höchste  Gut  des  Menschen  ist:  Persönlichkeit.  Dass 
Muhammed  und  seine  Nachfolger,  auch  noch  die  Staatshäupter  und  Staats- 
männer der  ersten  zwei  Jahrhunderte  des  Islams,  vor  diesem  Besten 
Respekt  hatten,  das  die  Araber  in  den  neuen  Glauben  mitbrachten,  ist 
das  Geheimnis  des  wunderbaren  Erfolges,  mit  welchem  ein  bis  dahin  fast 
unbekanntes  Volk  über  die  Welt  dahinfegte,  das  eine  der  beiden  Reiche] 
die  sich  in  die  Macht  teilten,  völlig  zertrümmernd,  dem  andern  die  besten 
Stücke  abreissend. 

Persönlichkeit  —  in  den  mächtigen  Reichen  ausserhalb  Arabiens  war 
dieses  Höchste  des  Individuums  mit  Füssen  getreten  worden.  In  Bvzanz 
und  in  Ktesiphon  sass  der  Wurm,  der  die  Macht  der  beiden  Weltreiche 
zerfrass:  das  war  die  kleine  Schaar,  die  jeden  Einzelwillen  unbarmherzig 
brach,  wenn  persönliches  Interesse  oder  Laune  es  gebot,  sich  versteckend 
hinter  dem  mit  der  Maske  der  Göttlichkeit  versehenen  Fürsten,  soweit 
dieser  nicht  selbst  zu  herrschen  sich  anschickte,  statt  nur  unter  der  Herr- 
schaft der  Höflinge  zu  regieren,  wobei  es  dann  manchmal  noch  schlimmer 
zuging.  Muhammed  stellte  in  Bezug  auf  das  Verhalten  der  Menschen 
gegen  Gott  grosse  Anforderungen:  hier  wurde  unbedingtes  Sichfügen  ver- 
langt, und  obwohl  die  Bewegungfreiheit  des  Einzelnen  dadurch  nicht 
unerheblich  behindert,  ihm  ein  höchst  lästiger  Zwang  auferlegt  wurde, 
hierbei  gewöhnten  alle  Araber  sich  schnell,  ein  Opfer  zu  bringen.  Aber 
für  das  Verhalten  gegen  Menschen  wurden  ihnen  keine  Zumutungen  ge- 
macht. Der  ersten  Zeit  des  Islams  sind  alle  Beschränkungen  der  Persön- 
lichkeit, die  ausserhalb  der  Rechtsordnung  liegen,  völlig  fremd,  und  diese 
Rechtsordnung  vermeidet  es  ängstlich,  mehr  festzulegen,  als  für  ein  ge- 
ordnetes Zusammenleben  dringend  nötig  ist.  In  allem  spricht  sich  der 
Grundsatz  aus:  alle  Muslims  sind  einander  gleich,  es  giebt  keinen  Unter- 
schied der  Abstammung  nach  Familie  oder  Volk;  Führer  soll  sein,  wer 
am   besten  die  Interessen  der  islamischen  Gemeinde  wahrzunehmen  weiss. 

Mit  diesem  Prinzip  wurde  gebrochen,  und  der  Verfall  bereitete  sich 
vor,  als  der  Chalifenhof  vom  Persertum1)  verseucht  wurde,  und  als  damit 
eine  Richtung  in  dem  religiösen  und  zugleich  in  dem  sozialen  Leben  zur 
Herrschaft    gelangte,    die    dem  Geiste    des  Religionsstifters  völlig  zuwider 


1)  Die  Perser,  mit  denen  die  Araber  bei  ihrem  Eintreten  in  die  Geschichte  bekannt 
und  von  denen  sie  alsbald  beeinilusst  wurden,  hatten  eine  fertige,  uralte  Kultur.  Die 
Frage  nacb  deren  Ursprung  sei  hier  nur  gestreift.  Wie  -weit  sind  Erscheinungen  der  alt- 
persischen  Kultur  und  Sitte  der  Berührung  mit  dem  äussersten  Osten,  China,  zuzuschreiben? 
Stammt  nicht  dorther  die  persisch,.  Haremswirtschaft?  Für  die  Vergleichung  liefert  China 
gutes  Material:  „in  d  n  Encyclopädie  t'u-su-tsi-  c'öng  sind  58  chinesische  Bände 

ipön)    lediglich  dem  Leben  des  Weibes  in  allen  seinen  Phasen  gewidmet"    (Hirth,    Zur 
Kulturgeschichte  der  Chinesen,  München  1S9S,  S.  7  [S.-A.  aus  Beil.  Allg.  Ztg.]). 


I  üe  I  r.tn  Im  Islam.  ■_'  1 7 

war:  die   Fesselung  des  Individuums  in  den  Schranken  kleinlicher  Einzel- 
bestimmungen «It'S    l(eclit> 

Auf  die  Stellung  der  Frau  hatte  das  Eindringen  des  Persertuma  den 
Bchwerstwiegenden  Einfluss.  Nicht  mir  Unrecht  gelten  die  Bewohner 
Persiens  seit  den  ältesten  Zeiten  als  in  hohem  Grade  der  Lüge  zuneigend. 
Durch  und  durch  anehrlich  war  das  Verhältnis  zwischen  Fürs!  and  Volk, 
denn  dem  Volke  wurde  vorgemacht,  der  dem  gemeinen  A.uge  Bich  ver- 
bergende Fürst  sei  etwas  Gottähnliches,  and  das  Volk  gab  Bich  den  Schein, 
als  glaube  es  das,  die  Wissenden  aber,  'li'-  Haruspices,  kicherten.  1  n- 
redlich  war  auch  das  Verhältnis  von  Mann  und  Weih.  Scheinbar  i-t  «1<t 
.Mann  der  unumschränkte  Herr  im  Hause,  in  Wirklichkeil  ist  er  der  Sklave 
nicht  der  rechtmässigen  Gattin,  Bondern  der  Nebenfrau,  die  in  den  per- 
sischen Harems  in  zahlreichen  und  schlimm  ausgewachsenen  Exemplaren 
vertreten  war.  \U  die  Araber  b<  die  Geschichte  eintraten,  herrschte  d 
Treiben  im  Sasanidenreiche  genau  so  wie  vor  ihm  in  «lein  der  Ajrsaciden 
und  der  Acliäineniden.  und  von  Persien  aus  hatte  es  sich  die  Welt  voll- 
kommen unterworfen,  die  den  damaligen  Kulturlümme]  züchtete.  In  Byzanz 
ging  es  nicht  anders  zn  als  in  Ktesiphon,  und  wie  hier  hatte  die  Sitte  des 
Hofes  den  verderblichen  Einfluss  auf  das  ganze  Land  geübt.  Man  glaube 
nicht,  dass  das  oströmische  Reich  als  ein  christliches  sich  in  Bezug  auf 
wüstes  Treiben  von  dem  persischen  wesentlich  unterschied.  Namentlich 
über  die  Stellung  der  Frau  herrschten  hier  dieselben  Vorurteile  wie  in 
dem  feindlichen  Reiche,  mit  dem  man  sich  in  die  Weltmacht  teilte. 
Die  Frauen  Bässen  hei  öffentlichen  Anlässen  hinter  dem  Gitter  wie  in  der 
übrigen  Welt  >\i>-<  Orients,  und  wie  es  noch  heut  üblich  ist.  bewacht  von 
den  unglücklichen  Kreaturen,  die  das  Verbrechen,  das  die  Menschheit  an 
ihnen  beging,  noch  immer  mit  den  Plagen  gerächt  haben,  die  sie  aber 
die  beiden  Geschlechter  brachten,  von  denen  sie-  keinem  ganz  an- 
gehören: die  freien  und  würdigen  Frauen  zu  Sklaven  herabwürdigend 
halfen  die  Eunuchen  den  unfreien  und  unwürdigen  hei  allen  Abscheulich- 
keiten, und  wieder  mit  deren  Hilfe  beherrschten  sie  nicht  selten  voll- 
kommen die.  die  sich  Herrscher  in  Haus  und  Reich  wähnten.  Es  ist 
nun  höchst  beachtenswert,  dass  sich  Arabien  vor  dem  Main  und  auch  in  der 

ersten  Zeit  nach  dem  Islam  von  der  allgemeine ientalischen  Kohkubinen- 

und  Eunuchenwirtschaft    völlig    frei    -ehalten     hat.      Man   wende    nicht   ein. 
dass  ja  im  Qur'an  selbst  von  Nebenweibern  die   Rede  ist;  die  Art.  wie  es 

hiebt,  zeigt  jedem,  der  sehen  will,  da-  es  Bich  dabei  nur  um  ein  nicht 
gerade  empfohlenes  Auskunftmittel  handelt  (vgl.  die  oben  S.  242  angeführten 
Stellen).1)     Iu    keinem    Falle    dürfen    wir    den    Main    \ur    die    unwürdige 


1:  Von  Eunuchen    wird    selbst    in  den  grösseren  Y.rk.'hr-cenrren  Arabiens  wenig  zu 
sehen  gewesen,  sie  werden  kaum  mehr  als  dem  Namen  nach  bekannt  .  in.    Nicht 

mit    Sicherheit   ist   die   Erwähnung   der   nichtswürdigen  Verstümmelung    im  Qnr'än    fest- 
zustellen, doch  mag  zugegeben  werden.  aders  an  sie  der  Prophet  in  dem  nurün- 


Bartmann: 

Stellung  der  Frau  im  Orient  verantwortlich  machen,  sie  war  da,  ehe  er  da 
war.  in i i  Ausnahme  des  kleinen  Stückes  Arabien,  und  dieses  hat  sich 
tapfer  gegen  die  Verseuchung  mir  dem  ihm  fremden  Wesen  gewehrt.  Man 
könnte  vielleicht  sauen,  der  Islam  hätte  die  zerfressene  alte  Welt  durch* 
Bäuern,  einen  neuen  bessern  Zustand  herbeiführen  sollen.  Jedenfalls  darf 
nicht  das  christliche  Prankenland  aus  Nichterfüllung  solcher  Forderung 
einen  Vorwurf  herleiten,  denn  mit  Recht  würde  der  Islam  fragen:  wie 
sah  es  denn  nach  vierzehn  Jahrhunderten  der  Herrschaft  der  christlichen 
Lehre  am  Hofe  des  aUerchristlichsten  Königs  und  in  den  edelsten  Familien 
seines  Landes  an-0 

Es  ist  ein  trübes  Bild,  das  der  islamische  Orient  zeigt,  seitdem  die 
Kraft  der  jugendfrischen  ersten  Träger  des  Islams,  der  Araber,  gebrochen 
ist.  Selbst  der  schlimmste  Verfall  konnte  aber  nicht  ganz  gewisse  Rechte 
ans  den  Gesetzbüchern  verbannen,  die  der  Frau  in  den  Quellen  zugesichert 
waren.  Da  half  man  sich  durch  eine  Perfidie:  man  versetzte  die  Frau 
von  vornherein  in  eine  schiefe  Lage,  in  eine  Lage,  die  ihr  die  Ausübung 
jener  von  Gott  selbst  ihr  verbürgten  Rechte  geradezu  unmöglich  machte. 
Man  trat  frech  mit  der  Scheinvorstellung  auf:  1.  die  Frau  dürfe  vor 
niemandem  als  den  nächsten  Blutsverwandten  ihr  Gesicht  zeigen,  2.  der 
Frau  sei  jeglicher  gesellige  Verkehr  mit  andern  als  jenen  untersagt. 
Damit  war  ihr  das  Todesurteil  gesprochen.  Der  Gesichtsschleier  ist  ja 
nur  der  Exponent  der  wunderlichen  Vorstellung,  dass  die  Frau  an  sieh 
etwas  Anstössiges  sei,  er  stellt  aber  ausserdem  das  Prinzip  der  völligen 
Trennung  der  Geschlechter  dar.  Das  Verbot  des  geselligen  Verkehrs  mit 
nicht  blutsverwandten  Männern  bedeutet  für  die  Frau  die  Unmöglichkeit, 
von  Leben  und  Welt  mehr  zu  sehen,  als  ihre  nächste  Umgebung  sie 
sehen  zu  lassen  fähig  oder  gewillt  ist.  Die  Frau  soll  nicht  lernen,  sie 
soll  sich  nicht  unterrichten,  sie  soll  vor  allen  Dingen  um  Gotteswillen 
nicht  ihre  Rechte  kennen  lernen,  damit  man  sie  nach  Laune  und  Willkür 
wie  eine  Sache  behandeln  kann.  Aber  auch  die  Ledige  und  selbst  das 
Kind  soll  nicht  lernen.  Für  das  Mädchen  ist  keine  Schule  da.  Ist  es 
bessern  Standes,  so  bringt  man  ihm  wohl  die  Anfangsgründe  des  Lesens 
und  Schreibens  bei.  dafür  wird  ihm  dann  aber  erst  recht  jede  Ausbildung 
in  gewerblichen  Fertigkeiten  vorenthalten  als  unschicklich  und  nur  be- 
stimmt  \'i\v  die.  die  damit  sich  das  Brot  verdienen  müssen.  Worauf  das 
alles  hinaus  will,  liegt  klar  zu  Tage,  und  ganz  offen  wird  es  ausgesprochen 
in  einer  kulturhistorisch  nicht  unwichtigen  Thatsache,  die  bisher  nicht 
gewürdigt  scheint:  in  Egypten  wird  die  Frau,  ob  alt  ob  jung,  wenn  sie 
nicht  reiche  Kleider  anhat,  und  man  ihr  deshalb  mit  dem  Titel  „Madame" 

verse  4,  118  gedacht  hat:  ..Dem  [Satan]  fluchte  Gott,  er  aber  sprach:  |  Ich  will  von  deinen 
Knechten  nehmen  |  Den  mir  beschiednen  Teil,  und  will  sie  irreleiten,  |  Will  sie  zu  Wunsch 
und  Wahn  verführen,  |  Will  ihnen  heissen,  dass  sie  sollen  |  Des  Viehes  Ohren  stutzen,  |  Will 
ihnen  heissen,  dass  sie  sollen  |  Verstümmeln  Gottes  Schulung." 


1  >ie   Iran   im    Islam.  _'  |'.t 


u>    es 


(ja  sitr)  schmeichelt,  angerufen:  ja  nlije,  d.h.  o  Unmündige.  Di< 
anwenden,  sind  sich  dabei  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  Wortes  kaum 
bewusst,  aber  'las  ist  es  eben:  gedankenlos  werden  dem  rechtlosen  weib- 
lichen Geschlecht  « 1  i  *  *  schwersten  Beleidigungen  ins  Gesichl  geschleudert, 
gedankenlos  werden  Bie  von  ihm  hingenommen:  „es  war  ja  immer  boj 
iinsere  Mütter  and  Grossmütter  waren  ja  glücklich  dabei." 

Man  wende  nicht  ein,  dass  es  bedeutende  Frauen  in  Politik,  Poesie 
und  Wissenschaft  auch  im  dekadenten  Islam  gegeben  habe.  Diese  Frauen 
harten  nichts  weniger  im  Sinn,  als  das  Los  ihrer  Schwestern  zu  bessern, 
den  Stand  des  weiblichen  Geschlechts  zu  heben. 

Muss  es  ewig  so  bleiben?  ist  keine  Hoffnung,  dass  eine  ÄJiderung  des 
Zustandes  eintritt,  der  das  tiefe  Mitgefühl  jedes  wahrhaften  Menschen- 
freundes erwecken  muss?  Keine  Frage  ist,  dass  die,  die  unter  diesem 
Zustande  leiden,  das  Beste  thun  müssen.  An  ihnen  ist  es,  zu  zeigen,  dass 
sie  die  Unwürdigkeit  ihrer  Lage  empfinden,  und  dass  sie  eine  Änderung 
herbeizuführen  entschlossen  sind,  an  ihnen  ist  es,  die  ganze  Kraft  ^\t^ 
Geistes  und  Willens  für  das  hohe  Ziel  einzusetzen.  Die  Schwierigkeiten, 
die  sie  zu  überwinden  haben,  sind  ungeheure.  Auch  im  Frankenlande 
fielen,  als  die  Frauenbewegung  begann,  die  seichtesten  Köpfe  mit  albernen 
Witzen  über  die  Heldinnen  her,  die  oft  unter  Entbehrungen  und  Bitter- 
nissen einen  Kampf  kämpften,  dessen  Bedeutung  die  meisten  ihrer  Gegner 
auch  nicht  einmal  ahnten,  während  auf  der  anderen  Seite  die  „Ernsten" 
etwas  vim  falscher  Kultur  <>der  gar  von  Untergrabung  <\<t  Familie  und 
der  Gesellschaft  faselten.  Die  Frauen  des  Islams,  die  für  die  Frauensache 
ernst  arbeiten,  müssen  darauf  gefassi  sein,  nicht  bloss  Spott  von  Witzlern 
lud  Anzweifelung  von  den  Stützen  der  Gesellschaft  zu  ernten,  nein,  sie 
müssen  auf  Gefährdung  von  Leib  und  Leben  gefasst  -"in.  Wenigstens  in 
den  Ländern  mit  islamischer  Regierung.  Denn  in  ihnen  allen  i>r  die 
Macht  in  den  Händen  von  Personen,  die.  wenn  nicht  selbst  allen  wirk- 
lichen Portschritt  im  tiefsten  Innern  grimmig  hassend,  die  Dunkelmänner 
gewähren  lassen  müssen,  denen  nichts  heiliger  ist  als  das  Forterben  der 
Iwigen  Krankheit  ..Gesetz,  und  Sitte." 

Sonderbar!  Nicht  unter  islamischer  Herrschaft,  sondern  unter  un- 
gläubiger, winkt  dem  Islam  Hoffnung  auf  Erneurung,  die  mit  Hebung  ^\^v 
trau  beginnt.     In  Egypten,  wo  der  islamische  Kürst   nur  noch  eine  Schein- 

rung  führt  und  die  Ungläubigen  die  wahren  Herren  sind,  hat  eine 
Bewegung  von  unabsehbaren  Folgen  eingesetzt.  Ihre  Bedeutung  liegt 
nicht. darin,  dass  sie  mit  einer  gradezu  elementaren  Gewalt,  mit  einer  in 
dem  schlaffen  und  trägen,  im  Traditionsdusel  verkommenden  Orient  ganz 
ausserordentlichen  Macht  aufgetreten  ist.  Denn  nichts  bürgt  dafür,  dass 
morgen    anderes    die  Geister  packt  und  die  Frage  von  der    i  Inung 

verschwindet.     Aber    das    ist    sicher,    dass    sie   sich    nicht  mein-  völlig  aus 
der  Welt  schaffen  lässt.    Dazu  hat  sie  in  der  öffentlichen  Meinung  Egyptens 


250  Hartmann: 

denn  eine  Bolche  giebt  ea  auch  dort  —  zu  tief  Wurzel  gefasst.  Ein 
ödere  glücklicher  Umstand  har  der  Bewegung  sofort  den  grossen 
Charakter  gegeben,  dessen  sie  bedurfte,  um  auf  die  schwerfällige  Masse 
zu  wirken,  nicht  auf  einen  kleinen  Kreis  von  social -organisatorischen 
Ejcperimentlem  und  philosophierenden  Feinschmeckern  beschränkt  zu 
bleiben.  Frauen  härten  nichts  ausgerichtet,  selbst  mit  Begabung  und 
starkem  Willen:  denn  noch  haben  sie  in  Egypten  keine  Stimme,  und  noch 
isr  die  Schar  der  Kämpferinnen  an  Zahl  und  Schulung  zu  unbedeutend. 
Auch  nicht  ein  besitz-  und  titelloser  Habenichts  trat  für  die  neue  Idee 
ein.  Die  Rechte  der  Frau  hatten  in  Egypten  das  Glück,  einen  männlichen 
Vertreter  zu  finden,  der  mit  lebhaftem  Geist  und  guten  Fähigkeiten  und 
Kenntnissen  den  Besitz  reichlicher  Mittel  und  eine  angesehene  Stellung 
verbindet,  und  allenthalben  als  ein  Mann  von  durchaus  ehrlicher  Gesinnung 
und  besten  Absichten  geschätzt  wird.  Kasim  Bey  Amin  [qäsim  aminj. 
Hat  am  einheimischen  Berufungsgericht  in  Kairo,  hat  mit  wachem  Auge 
die  socialen  Verhältnisse  seines  Heimatlandes  beobachtet  und  auch  die  der 
Frankenländer  sorgfältig  studiert.  Er  hat  sich  davon  überzeugt,  dass  die 
erste  Bedingung  zu  einer  Wiederbelebung  seines  islamischen  Heimatlandes 
und  zur  Beseitigung  der  Fremdherrschaft,  die  natürlich  allen  Egyptern 
verhasst  ist.  die  Hebung  des  weiblichen  Geschlechts  ist.  und  er  hat  dieser 
Überzeugung  in  packender  Weise  zuerst  in  seinem  Buche  tahrir  almar'a 
d.  h.  die  Befreiung  der  Frau,  erschienen  in  Kairo  1899,  Ausdruck  gegeben. 
Das  Buch  erregte  einen  wahren  Sturm.  Die  gesamte  Presse  Egyptens. 
die  nicht  unbeträchtlich  ist,  beschäftigte  sich  damit.  Durchschlagend  für 
seinen  Erfolg  war.  dass  der  äusserst  fähige  und  weitsichtige  Herausgeher 
der  grössten  Kairenser  Tageszeitung,  des  in  allen  Teilen  der  islamischen 
Welt  verbreiteten  Blattes  Almu'aijad,  Herr  'Ali  Jüsuf,  der  sich  in  der 
Hauptsache  auf  Seite  des  Verfassers  stellte,  Monate  hindurch  Zuschriften 
über  das  umstürzlerische  Buch  von  freundlicher  und  feindlicher  Seite  auf- 
nahm. Vor  wenigen  Wochen  nun  ist  ein  neues  Buch  des  Kasim  Bey  Amin 
erschienen  unter  dem  Titel  almar'a  algadida  d.  h.  die  neue  Frau,  und 
wieder  hat  es  einen  Sturm  in  den  Geistern  entfacht. J)  Uuter  den  Stimmen, 
die  bisher  darüber  laut  geworden  sind,  wiegt  am  schwersten  die  des 
egyptischen  .Ministers  des  Innern  Mustafa  Fehmi  Pascha.  In  der  Nummer 
des  Almu'aijad  vom  29.  Januar  d.  J.  ist  ein  Brief  von  ihm  an  Kasim  Bey 
Amin  abgedruckt,  in  welchem  er  seine  volle  Zustimmung  zu  den  in  der 
„Neuen  Frau"  vertretenen  Ansichten  ausspricht.  Bedingungslos  tritt  er 
für  die  Notwendigkeit  einer  gründlichen  Erziehung  des  weiblichen  Ge- 
schlechtes   ein,    auf    der  allein  das  Glück  der  Familie  und  der  Fortschritt 


1)  Einige  Mitteilungen  über  dieses  Buch  und  im  Anschluss  daran  über  freiere 
Regungen  im  modernen  I^laD  E<:yptens  machte  Dr.  Ernst  Härder  in  dem  Artikel  rDie 
,neue  Frau'  im  Orient",  Tägl.  Rundschau,  Unterhaltungsbeilage  No.  42  vom  19.  Febr.  1901. 


I  lii     f  "r;iu   im    [slam.  •_',',  \ 

der  menschlichen  Gesellschaft  beruhe;  zugleich  erkennt  er  an,  dass  eine 
solch«1  gründliche  Erziehung  and  Bildung  dea  weiblichen  Geschlechts  nicht 
piöglich  sei  mit  der  bisherigen  Schleierwirtschaft. 

Wie  sich  die  zu  der  neuen  Bewegung  verhalten,  die  sie  zunächst  an- 
geht, die  islamisch. mi  Frauen  selbst,  Lässt  sich  noch  nicht  sagen.  Es 
scheinen  bemerkenswerte  Äusserungen  aus  ihrer  Mitte  noch  nicht  vorzu- 
liegen. Doch  hat  seit  längerer  Zeit  die  Frau  energisch  die  Partei  des 
fielangefochtenen  Kasino  Bey  ergriffen,  die  man  in-. .fern  als  an  der  Spitze 
per  Frauenbewegung  im  arabischen  Orient  stehend  betrachten  kann,  als 
ne  .las  einzige  arabische  Blatt  herausgiebt,  das  sich  selbst  als  Frauenblatt 
bezeichnet  und  von  einer  Frau  geleitet  ist.  die  Zeitschrift  Anis  algalis 
d.  h.  der  Vertraute  des  Freundes.  Frau  Alexandra  Avierino,  <ler  griechisch 
brthodoxen  Familie  Churi  in  Beirut  in  Syrien  entsprossen,  bringt  in  der 
letzten  Nummer  ihres  Monatsblattes  vom  31.  Januar  d.  .1.  einen  längeren 
Artikel  filier  die  „Neue  Frau"  und  tritt  t'iir  .li.-  Anschauungen  de-  Verfas 
ein.  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Denn  die  mutige  und  geschickte 
Frau  hat  bereits  mehrfach  in  ihrer  Zeitschrift  in  sympathischer  Weise 
über  die  fränkische  Frauenbewegung  berichtet  und  hat  auch  selh-t  8chon 
unabhängig  von  Kasim  Amin  für  die  Hebung  des  Unterrichts  ihrer  Landes- 
jgenossinnen  das  Wort  ergriffen.  Als  Christin  durfte  sie  natürlich  an  die 
religiösen  Vorstellungen  der  islamischen  Bevölkeruni;  nicht  rühren.  Sie 
harte  dadurch  Misstrauen  erweckt  und  der  Sache  nur  geschadet.  Jetzt, 
wi.  von  den  angesehensten  Muslims  des  Lande-  das  angebliche  Schleier- 
gebot als  eine  Erfindung  der  Theologen  gebrandmarkt  ist.  darf  sie  freier 
sprechen.  Sie  wird  nicht  allein  bleiben.  Immer  fester  wird  -ich  in  die 
Köpfe  und  Herzen  auch  der  islamischen  Frauen  der  Gedanke  graben:  Nur 
der  gewinnt  sich  Freiheit  wie  das  Leben,  der  täglich  sie  erobern  muss. 

Ein  schrmer  Anfang  ist  gemacht.  Freilich  noch  lange  werden  die 
Strenggläubigen  widersprechen  und  sich  immer  von  neuem  darauf  berufen, 
das  Prinzip  sei  nun  einmal  durch  Gottes  Gebot  geheiligt:  die  Frau 
muss  gehorchen  und  muss  auch  die  übelste  Behandlung  des  .Mannes  ohne 
zu  murren  wie  ein  Hund  über  sich  ergehen  lassen.  Gehorchen!  wie  sagt 
Iphigenie? 

Von  Jugend  auf  hab  ich  gelernt  gehorchen 

Erst  meinen  Eltern  und  dann  einer  Gottheit. 

Und  folgsam  fühlt  ich  immer  meine  Seele 

Am  schönsten  frei. 

Freiheit  im  Gehorsam,  durch  den  Gehorsam,  Gehorsam  in  der  Freiheit 

und  durch  die  Freiheit.  Lasst,  ihr  Muslims,  eure  Frauen  sich  frei  ent- 
wickeln, gebt  ihrem  Empfinden,  ihrem  Denken  Nahrung,  opfert  ihnen  vor 
allem  einen  Teil  eures  Selbst,  eures  Eigensinns,  eurer  Eigensucht,  dann 
werdet  ihr  sie  nicht  ungehorsam  linden.  Dann  werden  sie  euch  dienen, 
nicht  weil  das  Gesetz  es  verlangt,  sondern  weil  ihr  Herz  danach  verlangt, 


.'•>•_' 


Bolte: 


dann  werden  sie  ench  Dicht  durch  Launen  and  Ränke  kränken,  durch 
kindischen  Trotz  zu  heftigem  Wort  oder  gar  zu  sie  and  euch  entwürdigender 
thätlicher  Züchtigung  euch  reizen;  sie  hebend  werdet  ihr  von  ihnen  ge- 
hoben, hinausgehoben  aber  den  Islam,  wie  ihr  zumeist  ihn  heut  versteht. 
zu  dem  Islam,  den  eure  Boten  bekannt,  zu  dem  auch  wir  uns  bekennen, 
zur  liebenden  Ergebung,  zur  ergebenden  Liebe,  die  in  der  Vernichtung 
-   Ich  das  [ch  befreit. 

Denn  wo  die  Liebe  waltet,  stirbt 
Das  Ich,  der  finstere  Despot. 
So  lasst  ihn  sterben  in  der  Nacht 
Und  atmet  frei  im  Morgenrot. 


Ein  dänisches  Märchen  von  Petrus  und  dem  Ursprünge 

der  bösen  Weiber. 

Von  Johannes  Bolte. 


Vor  zwanzig  Jahren  gab  Viggo  Säby  zu  Kopenhagen  einen  merkwürdigen 
dänischen  Prosaschwank  des  17.  Jahrhunderts  in  sauberem  Neudrucke  heraus. 
A^v  in  Deutsehland  kaum  Beachtung  gefunden  zu  haben  scheint: 

En  Lystig  Tractat  Om  S.  Peders  Trende  Duttre,  Deris  Herkonist  oc  Giftermaal, 
saa  oc  hvor  fra  de  onde  Qvinder  haffver  deris  Oprindelse  saare  kortvillig  at  lsese 
J  Nu  Nyligen  til  Trycken  Fordansket  Äff  N.  H.  C.  R.    Prentet  Aar  1667.  4  Bl.  b°. 

Da  der  dänische  Anonymus  N.  H.  C.  K.  sich  nur  als  Übersetzer  be- 
zeichnet und  sich,  wie  Säby  bemerkt.  Germanismen  zu  schulden  kommen 
lässt,  wird  man  dem  letzteren  beipflichten  müssen,  wenn  er  in  dem  Büchlein 
eine  Reproduktion  einer  bisher  unbekannten  deutschen  Flugschrift  sieht. 
Zur  Ermittlung  dieses  Originals  mochte  ich  auffordern,  indem  ich  die 
neiden  den  Kern  des  Traktats  bildenden  Märchen  hier  in  deutscher  Sprache 
wiedergebe. 


Zur  Zeit  da  unser  Herr  und  Sankt  Petrus  in  der  Welt  wanderten, 
kehrten  sie  in  einem  Schmiedekrug  ein,  wo  sie  gut  aufgenommen  wurden. 
Und  im  Rausche  verlobte  Petrus  einem  Schmiedegesellen  seine  Tochter 
Petronella.  Bald  darauf  kam  ein  andrer  und  bat  auch  um  sie.  Petrus 
hatte  die  erste  Zusage  vergessen  und  versprach  sie  ihm  auch.  Eine  Stunde 
oder  zwei  danach  kam  der  dritte  Schmiedegesell  zu  ihm  und  sagte:  „Guter 
alter  Vater,  ich  habe  erfahren,  dass  Ihr  eine  schmucke  Tochter  habt;  kann 


1  -i ti  dänisches  Märchen  von  dem  Ursprung)    dei 

ich    nicht    mit   Euch    handelseins    aber    ßie    werden?"     Petrus  auch 

diesem  Gesellen  seine  Tochter  zu. 

Ä.ber  als  am  andern  Morgen  Petrus  erwachte  and  bedachte,  das 
drei  Töchter  verlobt  hatte  and  <  1< >«*! i  aur  eine  daheim  hatte,  rerdn 
um  seine  Zusagen,  and  er  bat  den  Herrn,  ihm  ein  paar  Töchter  zu  schaffen, 
damit  er  seinem  Versprechen  nachkommen  könne  and  die  Schmiedegesellen 
nicht  ärgerlich  würden  and  ihm  seine  Stirn  zerschlügen.  Darauf  böII  der 
Herr  erwidert  haben:  „Petrus,  du  hast  ja  eine  Tochter,  die  schöne  und 
fromme  Petronella1);  die  beiden  andern  will  ich  dir  verschaffen.  Zu  der 
ersten  Kroatin-,  die  diT  morgen  früh  an  '1er  Thür  begegnet,  wenn  du 
v.un  llert  aufstehst,  seilst  du  sagen:  (inten  Morgen,  meine  Tochter! 
Dann  wird  sie  zu  einem  schmucken  Mädchen  werden.  Und  übermorgen 
ebenso." 

Was  geschah?  Am  ersten  Morgen  traf  er  eine  San.  Petrus  - 
..(inten  Morgen,  meine  Tochter!"  und  alsbald  ward  sie  ein  schmuckes 
Mädchen.  Am  zweiten  Morgen  traf  er  an  der  Thür  eine  Gans.  Petrus 
jagte:  ..(inten  Morgen,  meine  Tochter!"  und  flugs  verwandelte  sie  sich 
und  ward  ein  schönes  Mädchen  und  Bagte:  Keg  geg,  lieber  Vater,  hier 
hin  ich."     So  hatte  Petrus  drei  Töchter  für  seine  drei  Schwiegersöhne. 

Bald  darauf  wurden  die  Hochzeiten  festgesetzt  auf  denen  jeder  seine 
Braut  heimführte.  Was  geschah?  Eine  Woche  später  oder  zwei  rüstete 
Petrus  ein  .Mahl  und  lud  -eine  drei  Schwiegersöhne  dazu,  und  als  das 
Mahl  vorüber  war.  fragte  Petrus  den  ersten:  „Lieber  Sohn,  wie  gefälll 
ineine  Tochter,  wie  stellt  sie  sieh  an?"  Er  aufwertete:  „Väterchen,  sie 
[st  wohl  hübsch,  tüchtig  und  schön;  aber  sie  ist  sehr  schweinisch  und 
schmutzig."  „Ja",  sprach  Petrus.  „Söhnchen,  du  mussl  mit  ihr  zufrieden 
sein:    denn    ihre  .Mutter    war  ebenso  beschaffen."  Damit  redete   Petrus 

den  zweiten  an:  ..Und  wie  gefallt  dir  nieine  Tochter?"  Er  antwortete: 
„Dass  sie  schmutzig  ist.  kann  ich  nicht  behaupten;  aber  sie  i>t  -ehr  ein- 
fältig und  gänsedumm."  Petrus  antwortete:  ..Ihre  Mutter  war  ebenso,  und 
ein  Sprichwort  tieisst:   Die  Tochter  tanzt  in  il^v  Mutter  Hemde.-  Dann 

sprach  er  /.um  dritten:  „Und  wie  gefällt  dir  meine  Tochter?"  Er  ant- 
wortete: „Vater,  ich  habe  ein  ehrlich.-,  frommes,  züchtiges,  bäusHches 
und  gutes  Weib,  sie  ist  auswendig  und  inwendig  fromm,  und  wird  kein 
Gebrechen  oder  Mangel  an  ihr  erfunden."  Petrus  antwortete:  „Ja,  Bie 
ichlägt  nach  ihrer  Art:  denn   ihre  Mutter  war  ebenso." 

Die  Schwiegersühne  verwunderten  sich  aber  -'ine   Worte  und  wollten 

wissen,    wie    das  zusammenhinge,    bis  Petrus   ihnen  erzählen  musste,    wie 

-ich  mit  diesen  drei  Töchtern  verhielt.     Von   diesen  drei  Töchtern  >\>-> 

hl.  Petrus    haben,    wie    einige    meinen,    verschiedene   Frauen  in  de,-  Web 

ihren  Ursprung  genommen. 


1)  Petronilla  erscheint  auch  sonst  in  deT  Legende  ab  Tochter  des  Petrus. 

1 8 

Zeitschr.  <i.  Vereins  f.   Volkskunde.     1901. 


-),.]  Bol'>' 

11. 

\1>  unser  Herr  und  Petrus  einstmals  durch  einen  Wald  wanderten, 
sah  Petrus  den  Teufel  anter  einer  Linde  bei  einer  hübschen  Jungfrau 
stehen,  sie  küssen  und  liebkosen.  Darüber  ward  Petrus  zornig  und  sprach: 
„8chöpfer,  siehst  du,  wie  der  Bösewicht  das  junge  Blut  verführt?  Soll 
man  so  die  Jugend  erziehen?"  Darauf  soll  der  Herr  -(-antwortet  haben: 
„Lass  ihn.  Petrus!  Denn  der  Teufel  ist  von  jeher  ein  Schalk."  Petrus 
sprach:  „Willst  du,  Herr,  so  schlage  ich  ihm  den  Kopf  ab."  Darauf  soll 
der  Herr  geantwortet  haben:  ..Petrus,  wenn  dein  Fischermesser  nicht 
scharf  ist.  so  lass  es  bleiben!  Denn  den  Teufel  erschlägt  man  nicht  wie 
Hornvieh."  Petrus  aber  schlich  sich  sacht  von  hinten  heran  und  hieb  so 
kräftig  zu.  dass  beiden,  dem  Teufel  und  dem  Mädchen,  von  dem  einen 
Schlage  das  Haupt  abfiel. 

Petrus  warf  die  Wehr  von  sich,  fiel  auf  seine  Knie  und  rief:  „Schöpfer, 
Schöpfer,  ich  habe  übel  gethan,  dass  ich  die  schöne  Jungfrau  enthauptete. 
Gieb  ihr  das  Leben  wieder,  da  du  alle  Dinge  vermagst!"  Der  Herr  ant- 
wortete: „Petrus,  das  Blut  ist  noch  warm;  setz,  ihr  rasch  den  Kopf  auf, 
so  wird  sie  lebendig."  Petrus  ward  von  Herzen  froh,  lief  hin  und  vergriff 
sich;  denn  er  ergriff  den  Teufelskopf  und  setzte  ihn  dem  Mädchen  auf. 
Da  ward  sie  lebendig,  sprang  auf,  fluchte  und  keifte,  schlug  ihn  mit  den 
Fäusten  und  schalt  ihn  wegen  seines  doppelten  Missgriffes.  Petrus  wollte 
ihr  nun  den  Kopf  wieder  abhauen,  damit  sie  ihren  eignen  Kopf  wieder 
bekäme;  aber  das  ward  ihm  nicht  erlaubt. 

Von  diesem  Weibe  sollen,  wie  einige  meinen,  alle  bösen  Weiber 
ihren  Ursprung  haben,  da  viele  Frauen  schöne  und  stattliche  Venustöchter 
sind  und  doch  einen  Teufelskopf  oder  Mund  haben. 


Man  erkennt  leicht,  dass  diesen  beiden  Märchen  die  satirische  Absicht 
innewohnt,  zu  zeigen,  dass  auf  vier  Weiber  nur  ein  gutes  kommt;  ^ie 
übrigen  gleichen  der  Gaus,  dem  Schweine  oder  dem  Teufel.  Bevor  wir 
jedoch  der  Quellenfrage  nähertreten,  und  uns  nach  parallelen  Erzählungen 
Hinsehen,  müssen  wir  bemerken,  dass  in  Dänemark  mehrere  jüngere  Varianten 
existieren,  die  vermutlich  aus  dem  Volksbuche  von  1607  abstammen  und 
für  dessen  Beliebtheit  Zeugnis  ablegen.  So  erwähnt  Feder  Syv,  der  be- 
kannte Sprachforscher  und  Volksliedersammler  (1631 — 170*2),  ein  Lied 
über  die  drei  Töchter  Sankt  Peters;  Svend  Grundtvig  besass  ein  in 
Vendsyssel  aufgezeichnetes  Volksmärchen,  das  allerdings  verschiedentlich 
vom  Volksbuche  abwich1);  und  gedruckt  liegen  uns  vor  zwei  im  wesent- 
lichen übereinstimmende  jütische  Volksschwänke  bei  Kristensen,  JyskeFolke- 
minder  4.  336,  No.  430  und  Danske  Skamitesagn  1900,  S.  105,  No.  50. 


1)  Diese  beiden  Nachweise  liefert  Sabv  in  seiner  Vorrede. 


Bio  dänisches  Märchen  ?on  dem  l  reprunge  der  bö  en  Weiber.  255 

Dagegen  möchte  ea  schwer  fallen,  eine  dem  ersten  Märchen  des  Volks- 
buches entsprechende  balgarische  Erzählung1),  in  der  nur  Btatf  Petras 
Noah,  statt  Sau  und  Gans  aber  Katze  und  Esel  genannt  werden,  gleichfalls 
aus  dem  dänischen  Drucke  abzuleiten.  Wir  werden  eher  eine  Verbindung 
mit  dem  deutschen  Originale  des  letzteren  annehmen,  wenn  wir  die  folgende 
böhmische  Sage2)  betrachten,  in  der  Jesu-  ganz  an  die  Stelle  seines 
Jüngers  Petrus  getreten  ist  uml  letzterer  nur  als  stummer  Zuschauer  dem 
Wunder  beiwohnt. 

Jesus  kam  auf  seinen  Wanderungen  in  ein  Dorf,  in  dem  die  Männer 
strickend,  spinnend  und  waschend  vor  der  Thür  Bässen.  Er  fragte  den 
ersten,  warum  er  eine  Arbeit  verrichte,  die  nur  Weibern  gezieme.  Der 
Mann  antwortete:  „Ich  habe  kein  Weib."  Darauf  verhiess  ihm  der  Herr 
eiu  Weib  zu  senden.  Und  ebenso  that  er  bei  den  übrigen  Bewohnern 
des  Dorfes,  die  er  mit  Weiberarbeiten  beschäftigt  antraf.  Als  er  dann 
mit  Petrus  weiterzog,  begegnete  ihnen  nach  einer^Veile  auf  der  Landstrasse 
eine  Gans.  Jesus  verwandelte  sie  in  ein  Weib  und  sandte  sie  BOgleich  in 
das  Haus  des  ersten  Mannes.  Ebenso  that  er  mit  einem  Pfau,  den  er  als 
Weib  zu  dem  zweiten  Mann  gehen  hiess,  mit  einer  Katze.  Taube,  Schlange, 
Elster,    Biene,  Ricke,  Krähe,  Eule,  einem    Fisch   und   einer  Sau.  Nach 

Jahr  und  Tag  kehrte  der  Herr  wiederum  in  dem  Dorfe  ein  und  fragte 
den  ersten  Hauswirt,  wie  er  mit  seinem  Weibe  zufrieden  sei.  ..Ach.  Neu-. 
seufzte  der  Mann,  ..mein  Weib  ist  gar  einfältig  und  schnattert  den  ganzen 
Tag  wie  eine  Gans."  „Sie  verleugnet  ihren  Ursprung  nicht",  meinte 
Jesus  lächelnd  und  schritt  weiter.  Und  so  hörte  er  auch  in  den  an. lein 
Häusern  meist  Schlechtes  von  den  Weibern;  sie  waren  stolz  wie  ein  Pfau, 
naschhaft  wie  eine  Katze,  falsch  wie  eine  Schlange,  geizig  wie  eine  Elster, 
hässlich  wie  eine  Eule,  unsauber  wie  eine  Sau.  Einige  aber  waren  zärtlich 
wie  eine  Taube,  sanft  wie  ein  Reh  und  fleissig  wie  eine  Biene.  Die 
Weiber  besassen  eben  die  Eigenschaften  der  Tiere,  aus  denen  sie  ent- 
standen waren.  Darum  giebt  es  noch  heutzutage  bo  verschiedene  Arten 
von  Weibern. 

Offenbar  reihen  sich  diese  drei  engverwandten  Schwanke,  der  dänische, 
der  bulgarische  und  der  tschechisch.',  den  zahlreichen  ungalanten  Satiren 
•  •in.  die  einzelne  Eigenschaften  der  Frauen  mit  bestimmten  Tieren  in 
Verbindung  bringen  und  deshalb  diese  Krauen  v.»n  den  entsprechenden 
Tieren  abstammen  lassen.  So  berichtet  eine  rabbinisebe  Tradition,  die 
Hans  Sachs  1557  in  einem  Sprachgedichte  „Der  Hundschwanz"  behandelte 
und  spätere  Erzähler  mit  Behagen  variieren8),    wie  Gott  eine  Gehilfin  für 


1)  Strauss,  Die  Bulgaren,  1898,  S.  U. 

21  YValdau  in  den  von  A.  Luksic  herausgegebenen  Slavischen  Blättern  1,  241  (1865): 
„Die  Weiber  im  Dorfe." 

3)  H.  Sachs,  Folioausgabe  2,  4,  Ttb  =  Fabeln  und  Schwanke  ed.  Goetee  1,  522, 
No.  182;    vgl.  2,  XVII.    Zincgref -Weidner,   Apophthegmata  4,  414  (1655)    citiert  als  Ge- 


lb" 


256  ]J"- 

Adam    erschaffen   wollte  und  < hin  Schlafenden  eine  Rippe  aus  dem  Leibe 

nahm,  habe  ein  llmnl  «Ich  Knochen  gepackt,  am  damit  zu  entlaufen.    Abe* 

der  Herr    erwischte    ihn,    schnitt    ihm    den  Schwanz  ab  und  schuf  daraus 

1  Nach    weit    älteren   Datums   sind   zwei  yon  Stobaios  aufbewahrte 

griechische  Gedichte    des  Simonides  von  Amorgos  und  lies  Phokylides 

von   Mih't1).    die    wohl    beide  einen  alten   Yolksspruch  reproduzieren.     Sie 

stimmen  darin  zu  dem  dänischen  Schwanke,  dass  sie  mehrere  Tiere  namhaft 

machen,    während    ihnen    eine    scherzhafte  Motivierung  dieses  Ursprunges 

der  Weiber,    wie    sie    sowohl    das   dänische  Volksbuch  wie  die  angebliche 

rabbinische  Überlieferung    bietet,    durchaus    mangelt.     Nüchtern  und  kühl 

erzählt  Simonides,  Gott  habe  des  Weibes  Sinnesart  verschieden  geschaffen, 

teils  von  der  Sau.   teils  vom  Fuchse.   Hunde,  von  der  Erde,  vom  Meere,  vom 

Esel,  Wiesel,  von  der  Stute,  vom  Affen  oder  von  der  Biene: 

Xcogig  ywatxog  &sog  srtoitjosv  vöov 

Tu  TigcÖza'  T)tr  fiev  §]•  vos  tolvvtqixog  <jtc. 

Von  den  neun  Typen  böser  Weiber  des  Simonideischen  Frauenspiegels 
erscheinen  bei  dem  um  ein  Jahrhundert  jüngeren  Phokylides  nur  drei 
wieder,  nämlich  die  von  der  Stute,  der  Sau  und  der  Hündin  herstammenden; 
die  vierte  Art.  die  der  guten  Frauen,  leitet  er.  wie  sein  Vorgänger  die 
zehnte,  von  der  Biene  ab.  Beide  Gedichte  wurden  im  Zeitalter  der 
Renaissance  bewundert  und  nachgebildet:  das  des  Phokylides  15(5*2  durch 
Hans  Sachs2),  der  Frölichs  elf  Jahre  zuvor  erschienene  Verdeutschung  des 
Stobäus  benutzte,  das  des  Simonides  durch  ßnchanan  und  Taubmann  in 
lateinischen  Versen,  sowie  durch  Fitz.  Kachel  und  Henrici  in  deutschen 
Reimen.8)      Am    freisten    verfährt    dabei    der    Leipziger    Gelegenheitspoet 


wäfrrsmann  einen  Doktor  Langenberg;  vgl.  Stiefel  in  der  Nürnberger  Festschrift  Hans 
Sachs-Forschungen  1894,  S.  U'>S.  De  Geest  van  Jan  Tamboer  1664,  p.  210  =  Der  Geist 
von  Jan  Tambaur  (um  1690)  S.  190  =  Mancherley  artige  annehmliche  Historien,  Augspurg 
Bl.  1)  7a:  ..AVeiber  sind  von  einem  Hundsschwantz  gemacht"  (Männer  von  eiuem 
Katzonrücken).  Tho.  Moore,  Works  182G,  p.  467:  'The  rabbinical  origin  of  women.'  Vgl. 
Birch,  Notes  and  Qneries  6.  Ser.  4,  302  (1881).  De  Gubernatis,  Die  Tiere  in  der  indogerm. 
Mythologie  1874,  S.  369*.  De  Mont  en  de  Cock,  Vlaamsche  vertelsels  1898,  S.  448: 
-De  oorsprong  der  vroinv.  Gaster,  Magazin  f.  d.  Litt,  des  Auslandes  1879,  59G  (nach 
[spirescu,  Snöve  sau  Povesti  populäre  1875,  p.  92).  A.  Strauss,  Die  Bulgaren  1898,  S.  45 
■Hunds-  oder  Tenfelsschwanz).  L.  Schischmanoff,  Legendes  religieuscs  bulgares  189G,  p.  33 
Tenfelflschwanz  .  Krauss,  Sitte  und  Sage  der  Südslaveu  1885,  S.  184.  Leite  de  Yascon- 
cellos,  Tradic<~es  po]».  portnguezes  1832,  p.  200  (Hunds-  oder  Katzenschwanz).  Marelle, 
Eva,  Affenschwantz,  Quene-d'chat  1888,  p.  9  =  Herrigs  Archiv  76,  233. 

1)  Poetae  lyrici  Graeci  ed.  Bergk  2,  446  No.  7  und  G9  No.  3  (1882). 

2)  Folioausgabe  5,  3,  372b  =  Fabeln  ed.  Goetze  2,  634  No.  385:  vgl.  S.  XXIII. 

3)  Buchanan,  Poemata  1665.  p.  401  (Iamhon  lib.  1).  Taubmann,  Melodaesia  1615, 
p.570:  .Gynaeceum  poeticum".  Titz,  Gedichte  hsg.  von  Fischer  1888,  S.  113:  „Poetisches 
Frauenzimmer-.  Kachel,  Teutsche  Satyrische  Gedichte  1664,  No.  1.  [Chr.  Fr.  Henrici], 
Picanders  Gedichte  5,  185  (1751).  In  Prosa  giebt  Joh.  Sommer,  Ethographia  mundi  2,  62 
(1610)  die  Erzählung  des  Simonides  wieder.  —  Die  Gedichte  von  Buchanan,  Taubmann 
und  Titz    hat    Klenz    in    seiner    fleissigen  Dissertation   (Die  Quellen  von  J.  Rachels  erster 


Kin  dänisches  Märchen  von  dein  i  i    Weiber.  ■_'."(, 

Henrici  mir  der  Fabel  des  Simonidee,  die  er  gleich  Tanbmaom  and  Titz 
zum  Schmucke  einer  Bochzeitsgratulation  ausnutzt.  Bin  „Tausendkünstler" 
Gfispinus,  erzählt  er,  hatte  Bieben  Söhne,  <li«'  gern  freien  wollten  tmd 
ihrem  Vater  die  erkorenen  Bräute  vorstellten.  Dieser  lobte  «lie  Schönheil 
der  Jungfrauen,  griff  dann  jedoch  nach  seinem  Zauberstabe,  um  auch  ihre 
Herzen  zu  prüfen. 

Die  erste  halte  schwarze  Augen, 
Durchdringend  und  verschmitzt  and  fr 
und  was  am  meisten  konnte  taugen, 

So  war  auch  Freundlichkeit  dabey. 
Der  Alte  streckte  mit  dem  Stabe 
Die  Hand   nach   ihrem   Herzen  aus. 
Und  sieh!  es  sprang  im  vollen  Trabe 
Ein  rasend  Tygerthier  heraus. 

Nicht  hesser  erirtdits  den  andern  Schönen;  bei  ihnen  zeigt  sich  eiae 
Schlange,  ein  Alle,  eine  Grans,  ein  Schwein,  ein  Sperling  und  ein  Krokodil. 
Hier  bricht  llenrici  die  Erzählung  ab,  um  dem  Hochzeitspaar  zu  versichern, 
das>  bei  ihnen  Gleiches  nicht  zu  befürchten  sei.  Die  Frage  nach  der 
Herkunft  dieser  inneren  Verwandtschaft  zwischen  Weib  und  Tier  berührt 
er  gar  nicht. 

Parallel  liehen  diesen  Nachahmungen  des  Simonides  geh*  eine  Gruppe 
von  Erzählungen  einher,  die  man  zuweilen  fälschlich  in  direkte  Äibhängigkeil 
von  dem  griechischen  [ambographen  hat  bringen  wollen.1;  Johannes 
Agricola-;  erläutert  1529  das  Sprichwort  -Die  Weiber  haben  drei  Häute" 
in  folgender  WeiBe:  ..Die  Weiber  haben  erstlich  ein  hundshaut;  da-  ist, 
wann  man  Bie  schilt  «.der  straffet,  so  bellen  sie  hinwider  wie  ein  hund: 
Biff  hilf.  Die  ander  haut  ist  ein  sawhaut;  da  muß  man  scharf  hawen,  sol 
man  hindiiirhhawen:  wirf  sie  aber  getroffen,  die  >;iwli;mi.  bo  kreiBse<  sie: 
Och  och,  wie  ein  saw.  Die  dritt  haut  isi  die  menschenhaut;  wer  die  trifft, 
,1er  hört  «'in  Bolche  stimm:  Ach  hertzlieber  mann.  Ich  wil  alles  thun,  was 
dir  ijeD  !>r.»  _  Hier  ist  als«,  nicht  von  mehreren  Frauen  die  Rede,  die 
jede  einem  andern  Tier  verglichen  werden,  sondern  «•in  und  dasselbe  Weib 
hat    verschiedene    tierische  Laster,    «lie    nur  durch  die  beliebte   Prügelkur 


-  itire  Freiburg  L.  11.  1899)  mit  Rachels  Satire  verglichen,  dabei  aber  auch  Scheffers  gleich 
zu  erwähnende  lateinische  Dichtung  hineingezogen,  ohne  ihre  Abhängigkeit  von  Bans  Sachs 
zu  erkennen. 

1)  Vgl.  darüber  Stiefel  in  dieser  Zeitschrift  8,  163. 

9)  Sprichwörter  (1534)  No.  414.  -  Danach  u.  a.  Fischart,  Ehzuchfcbüchlein  1&78 
(Werke  heransg.  von  Hauffen  3,  265).  Sommer,  Ethographia  mumh  2,  63  1610  A.nhr. 
Metzger,  Meisterlied  vom  21.  Juli  1626  (Göttänger  cod.  mscr.  philol.  L96,  S.  418).  \. 
Wossidlo,  Mecklenburgische  VolksüberÜefernngen  1,  154,  No.  568  (drei  Arten  Frauen: 
Hühner-,  Gans-  und  Schweinsart).  --  Für  das  Alte-  dieser  Vergleiche  verdient  die  von 
Klenz  S.  25  citierte  Stelle  aus  Joa.  Nevisanus,  Sylva  nupbalis  lo22  Bl.  87a  angefahrt  zu 
zu  werden:  „Septem  mulierum  proprietates,  sanetas  in  ecclesia,  angelos  in  accessn,  daomones 
in  domo,  bubones  in  fenestra,  picas  in  porta,  capras  in  horto,  fetorem  in  lecto.  Vgl. 
Scheffer  bei  Sommer,  Ethographia  mnndi  2,  71  (1610). 


25g  Bolte: 

vertrieben  werden  können.  Die  Zahl  der  Haute  erscheint  dann  in  einem 
1539  gedichteten  Spruche  des  Hans  Sachs1)  auf  das  dreifache  gesteigert: 
nenn  Häute  hat  ein  einziges  böses  AAT«'ib,  nämlich  von  Stockfisch,  Bär, 
Gans,  Hund.  Hase,  Pferd,  Katze,  Sau  und  endlich  Mensch,  und  auch  hier 
meint  ein  Freund  des  Dichters  jede  Haut  besonders  durchbläuen  zu  müssen; 
allein  der  wackre  .Meister  entgegnet  ihm,  solches  zieme  einem  Bieder- 
mann  nicht: 

Man   inus  mit  krieg  nicht  halten  haus, 

Sunder  mit  frid  und  freuntschaft  mer. 

Das  zweite  Märchen  des  dänischen  Volksbuchleins,  zu  dessen  Be- 
trachtung wir  uns  nunmehr  wenden,  erhebt  noch  schärfere  Anklagen  wider 
die  bösen  Weiber,  indem  es  sie  nicht  der  Abstammung  von  Tieren,  sondern 
vom  Teufel  selbst  beschuldigt.  Es  erfreut  sich  keiner  geringeren  Verbreitung 
als  das  erste;  doch  vermag  ich  kein  älteres  Zeugnis  beizubringen  als  eine 
Stelle  aus  der  1672  (also  fünf  Jahre  nach  dem  dänischen  Drucke)  er- 
schienenen deutschen  Bearbeitung  von  Shakespeares  'Taming  of  the  Shrew': 
„Kunst  über  alle  Künste  Ein  bös  Weib  gut  zu  machen."2)  Hier  bedauert 
der  als  Vorredner  auftretende  geduldige  Hiob,  dass  der  Bändiger  der 
bösen  Katharina  nicht  schon  zu  seiner  Zeit  gelebt  habe:  „Ich  hätte  bei 
ihm  wollen  lernen,  einem  bösen  Weibe  den  Irrthum  auss  dem  eigensinnigen 
Gehirn  zu  treiben  oder  den  Teufelskopf,  welchen  sie  ihrem  eigenen 
Bekäntnüss  nach  aufsetzen,  bei  sich  liegen  zu  lassen."  Es  scheint  nach 
dem  Wortlaut  allerdings,  als  ob  der  Autor  hier  nicht  auf  die  Enthauptung 
durch  Petrus  und  dessen  Vertauschung  der  Köpfe,  sondern  eine  abweichende 
Erzählung  anspiele. 

Fast  völlig  stimmt  dagegen  ein  1719  im  Druck  veröffentlichtes  Gedicht 
von  Christoph  Frieder ici8)  mit  dem  dänischen  Schwanke  überein: 


1)  Folioausgabe  1,  5,  5l9b  =  Fabeln  ed.  Goetze  1,  164,  No.  54;  vgl.  2,  XIII.  4,  132. 
-  Danach  z.  B.  Schades  Wissenschaftl.  Monatsblätter  1878,  173.    Huberinus,  Spiegel  der 

Hauszuclit  1565  (W.  Kawerau,  Die  Reformation  und  die  Ehe  1892,  S.  49).  Seb.  Scheffer, 
Poemata  1572  Bl.  193  =  Melander,  loci  atque  seria  1603  No.  485  =  Ellinger,  Deutsche 
Lyriker  des  16.  Jahrh.  1893  S.  45  =  Klenz  1899  S.  22  =  Sommer,  Ethographia  mundi  2,  67 
(1610.  Mit  deutscher  Übertragung).  Seelmann,  Mnd.  Fastnachtspiele  1885,  S.  78  (v.  J- 
1641).  Zwei  Folioblätter  des  17.  Jahrh.  in  Berlin  und  Nürnberg  (Weller,  Annalen  2,  485 
u.  487,  No.  1035  u.  1052).  Der  visierliche  Exorcist  S.  18  (an  dem  Alamodisch  -  techno- 
logischen Interim  1675).  Riederer,  Das  Poetische  Schertz-Cabinet  1713,  Bl.  D3a,  No.  63. 
Stranitzky,  Ollapatrida  des  durchgetriebenen  Fuchsmundi  1711,  S.  225  =  1886,  S.  168. 
Gregander,  Leben  F.  W.  v.  Kyau  3,  20  (1751).  Berliner  Ms.  germ.  qu.  616,  No.  191. 
Wiener  Hs.  14914,  S.  1024,  No.  162. 

2)  Herausgegeben  von  R.  Köhler  1864,  S.  6. 

3)  Christophorus  Friederici,  Oel  und  Wein,  gegossen  auf  die  Wunden  der  Lebendig- 
Toden,  oder  Curieuser  Zeit  -  Vertreiber  ...  In  deutlichen  Teutschen  Versen  Monathlich 
herfür  gebracht,  Zweite  Spendage.  Anno  1719.  Franckfurt,  zu  finden  in  der  Buch-Gassen 
(Berlin  Yk  1741),  S.  49—59. 


Ein  dänisches  Märchen  von  dem  Ursprünge  d<  Weibi  r. 


259 


Die  ausfündig  gemachte  JTeuffels-Köpfe. 


l. 

Ich  hab  mich  hin  und  her  befraget, 
Wie  und  woher  es  immer  komm, 
Was  man  von  denen  Weibern  saget, 
Daß  deren  wären  wenig  fromm. 
Und  daß  (wer  sucht  es  zu  vergraben? 
Sie  alle  Teuffels-Köpfe  haben. 


Ich  kunte  nirgends  Nachricht  kriegen, 
Ein  Jeder  wollt,  dass  mans  verbürg. 
Doch  musst  sich  eines  Tages  fügen, 
Daß  ich  in  die  CathoFsche  Kirch 
In  einer  Reichs-Stadt  bin  gekommen. 
Wo  ich  es  ohngefehr  vernommen. 

3. 

Ein  lust'ger  Pater,  den  ich  kennte, 
Hielt  eben  damahls  die  Sermon: 
Der  klatschte  gleichsam  in  die  Hände 
Und  discurrirte  nett  davon. 
Ich  hoffe  niemand  zu  verstören, 
Wann  wir  Ihn  selber  reden  hören: 

4. 

Wie  unser  Heiland  noch  auf  Erden 
In  Tagen  seines  Fleisches  war 
Und  seine  Jünger  offt  begehrten, 
Daß  er  einmahl  spatzieren  fahr, 
Und  wo  nicht  fahr,  doch  etwan  gienge, 
Damit  er  frischen  Athem  fienge, 


So  hat  der  Herr  sich  überwunden 
Auf  Ihrer  Aller  grosse  Bitt 
Und  nahm  zu  Fuß  auf  etlich  Stunden 
Den  lieben  Jünger  Petrum  mit, 
Der  gern  sich  (wie  der  Pfaff  gedachte) 
Zu  unserm  lieben  Herren  machte. 

6. 

Sie  giengen  über  Feld  und  Lande 
Bald  dahin  und  bald  dort  herum. 
Der  Petrus  hatte  Anverwandte 
Nächst  bey  der  Stadt  Capernaum; 
Drum  wollten  sie  auch  diese  Strassen 
Sich  ihre  Füsse  trag-en  lassen. 


Kaum  giengen   si>-  dreylnindert  Schritte 
So  sah'n  sie  einen  grossen  Streit 
Der  Jünger  gieng  auf  JEsti  Bitte 
Hinzu  und  fragt,  was  das  bedeut, 
Was  das  vor  eine  neue  Mähre 
Und  vor  ein  toll  Gefechte  w 

8. 

Allein  wie  man  Ihm  ohne  Zweiffei 
Nicht  gleich  Bericht  gab,  wie  es  passt, 
So  sah  Er  selber,  wie  der  Teuffel 
Ein  altes  Weib  beym  Kopf  gefast, 
Und  wie  Sie,  ob  er  gleich  nicht  siegte, 
Von  ihm  viel  hundert  Dachteln  kriegte. 

9. 
Gestalt  das  Weib  auch  ausdermassen 
War  hitzig,  rasend,  wild  und  toll, 
Ihn  suchte  sie  beim  Halß  zu  fassen. 
Und  wann  ich  nichts  verschweigen  soll, 
Sie  hätt  ihm  bald,    wie   man  gesehwatzet, 
Die  Augen  aus  dem  Kopff  gekratzet. 

10. 

Hat  er  zwo  Kopf-Nüß  ihr  versetzt  t. 
Gab  sie  ihm  deren  wieder  vier: 
Hat  Er  Ihr  Arm  und  Hein  verletzet, 
Erdrosselt  Sie  den  Teuffel  schier, 
Weil  das  Gefechte  lange  währt'' 
Und  keines  abzusteh'n  begehrte. 

11. 

Warum  Sie  sich  also  ■/<  rschlagen, 
Darum  befragt  man   Haus  vor  Haus; 
Doch  Niemand  kunt  die  Ursach  sagen, 
/war  endlich  brach  der  Handel  aus, 
Daß  Sie  sich  beederseits  besoffen 
Und  es  zwei  Batzen  angetroffen. 

12. 

Der  Teuffel  blieb  so  viel  dem  Weibe 
Als  Debitor  vor  Pension. 
Drum  käme  Sie  Ihm  so  zu  Leibe 
Und  fordert  den  verdienten  Lohn, 
Daß  leichtlich  unter  diesen  Tollen 
Ein  Mord  hätt  draus  entstehen  sollen. 


260 


Bolte: 


L3. 

Der  Petrus  Bähe  lang  den  Hamid 
Mit  grimmigen  I reberden  zu. 

Ablegt   Er  eilig  seinen   Mantel  [dn  - 

Und  sprach:  "Was,  Teullel,  machst  doch 

dn  im  Frieden  nicht  zu  Leben? 
Gleich  will  ich  dir  dein  Tranck-Geld 

ben-1 
14. 

Der  Teuffel  sah  sich  um  und  stutzte 
Und  fuhr  heraus:  'Herr  Petre,  meyn, 
Wie  sieht  Er  aus  so  gar  verdutzte! 
Er  laß  sein  Eiffersüehtig-seyn !' 
Doch  hinterrücks  hat  es  geheissen: 
'Dem  Kahl-Kopf  will  ich  Feigen  weisen.' 

15. 

Damit  zuckt  Petrus  seinen  Degen, 
Den  er  trug  heimlich  an  dem  Leib 
Zumahl  auf  seiner  Reise  wegen, 
Und  haut  dem  Teuffel  und  dem  Weib 
Auf  einem  Streich  und  trefflich  munter 
Die  zwey  verfluchte  Köpff  herunter. 

16. 

Indem  kommt  Er  zum  Heyland  wieder; 
Doch  der  war  nicht  damit  content, 
Er  sprach :  'Thun  das  auch  andre  Brüder? 
Verdammt  sind  deine  Mörder-Händ. 
Du  sollst  mit  deinen  grauen  Haaren 
Hinunter  in  die  Grube  fahren. 

17. 

Du  alter  Gecke  bist  so  hitzig. 
Lern  doch  die  Sanfftmuth  einst  von  mir! 
Der  Eiffer  macht  dich  aberwitzig. 
Gleich  geh  und  packe  dich  von  hier! 
Du  sollst  nicht  mehr  wie  andre  Frommen 
An  meine  grüne  Seite  kommen.' 

18. 

Den  Petrum  fleng  es  an  zu  reuen, 
Er  bat  den  Rabbi  gleich  um  Gnad; 
Er  soll  Ihm  dasmahl  nur  verzevhen, 
Weil  Er  es  ja  nicht  gerne  that; 
Der  Eiffer  hab  Ihn  überloffen. 
Daß  er  Sie  durch  die  Bälß  getroffen. 


19. 

Mcm   ileyland  gab  mit  dem  Bedinge 
Dem  Petro  ungesäumt  Pardon, 
Daß  Er  hin  zu  den  Toden  gienge, 
So  trag  Er  doch  das  Lob  davon, 
1'm  Ihnen  statt  des  Degen-Wetzen 
Die  Köpll'e  wieder  auffzusetzen. 

20. 

Sanct  Peter  durfft  'Ich  mag  nicht'  sagen; 
Er  that.  was  Ihm  sein  Meister  schafft, 
Er  wills  in  seinem  Nahmen  wagen 
Und  in  desselben  Wunder-Krafft, 
Wiewohl  er  (weiß  nicht,  ob  aus  Possen) 
Darbey  hat  einen  Bock  geschossen. 

21. 

Dann  da  die  Köpffe  lagen  drunten 
Und  er  Sie  nicht  mehr  recht  erkennt, 
Auch  das  war  in  den  Abend-Stunden, 
Da  schon  der  Tag  lieff  meist  zu  End, 
Gleich  da,  wie  sich  die  Sonn  verkrochen. 
Die  Demmerung  ist  angebrochen. 

22. 

So  krieget  er  des  Teuffels  Kopffe 
In  seine  Hände  ohngefehr, 
Den  setzt  Er  auf  des  Weibes  Schopffe 
In  Meynung,  daß  er  Ihrer  war, 
Wie  Gegentheils  dem  Teuffel  dorten 
Des  Weibs  Kopf  aufgesetzt  ist  worden. 

23. 

Seytdem  (rieff  drauf  gantz  laut  der  Pfaffe) 
Hängte  unsern  Weibern  immer  an. 
Der  Teuffel  wurd  der  Menschen  Affe, 
Und  wann  Ihn  niemand  bänd'gen  kan, 
Kan  Ihn  doch  ein  alt  Weib  betäuben 
Und  leichtlich  in  ein  Bocks-Horn  treiben. 

24. 
Woraus  ich  dann  den  Ursprung  schopffe, 
Die  alte  Weiber  nicht  allein, 
Sie  haben  Alle  Teuffels-Röpffe, 
Sie  mögen  noch  so  junge  seyn. 
So  wirds  im  Reden  und  im  Schreiben 
Bey  lauter  Teuffels-Köpfen  bleiben. 


Die    weiteren  Scheltreden   des  Dichters  wider  die  bösen  Weiber,    die 
noch  19  Strophen    einnehmen,    übergehen    wir    und  lassen  es  auch  dahin- 


I 


Em  dänisches  Märchen  von  dem  l  rspronge  der  bösen  Weiler.  261 

gestellt,  ab  seine  Quellenangabe,  er  habe  die  Geschichte  von  einem  Amts- 
bruder Abrahams  a  St.  Clara  als  Predigtmärlein  vernommen,  aufWahrheit 
beruhe.  Verweilen  wir  nur  noch  einen  Augenblick  bei  der  wichtigsten 
Abweichung  von  der  dänischen  Erzählung!  Jene  berichtet,  Petrus  sei 
aber  die  Liebkosungen  entrüstet  gewesen,  mit  denen  der  Teufel  ein  junges 
Mädchen  bethörte;  bei  Friedend  dagegen  aueht  er  den  erbitterten  Streit 
zu  schlichten,  den  ein  altes  Weib  mit  dem  Teufel  ausficht.  Die  meisten 
späteren  Versionen  stimmen  hierin  zu  Friederici,  und  tn  der  Thai  scheint 
dieser  die  ursprüngliche  Tradition  bewahrt  zu  haben,  die  uns  an  den  auf 
Bilderbogen  des  17.  Jahrhunderts  erscheinenden  Kampf  zwischen  Weib 
und  Teufel1),  an  die  ältere  Novelle  von  Belfegor9)  oder  die  von  der  Alten, 
die  schlimmer  ist  als  der  Teufel8),  gemahnt. 

Eine  entstellte  Passung  im  Vade  Mecum  für  lustige  Leute  7.  22, 
[Jo.  35  („Wodurch  die  bösen  Weiber  in  die  Welt  gekommen."  Berlin, 
A.  Myüus  1777  setzt  an  die  Stelle  des  rasch  zufahrenden  Apostels  einen 
beliebigen  Reiter,  der  den  Teufel  Notzucht  verüben  sieht;  nachher  heiraten 
der  Teufel  und  das  Mädchen  einander,  und  von  ihnen  stammen  die  argen 
Frauen  ab.  Ferner  gehören  hierhei  «'in  siebenbürgisches  Gedicht 
„Die  böse  Frau"  bei  Firmenich,  Germaniens  Völkerstimmen  2,  826,  ein 
pommerscher  Volksschwank  „Warum  die  Weiber  den  Teufel  im  Kopfe 
haben"  (Blätter  f.  pommersche  Volkskunde  1,  166.  1893),  zwei  vlämische 
JHärchen  bei  A.  Joos  (Vertelsels  van  het  vlaamsche  Volk  3,  74:  „Van  het 
Wijf  «m  h.-r  Serpeot."  1891)  und  I\  de  .Munt  en  A.  de  Cock  (Vlaamsche 
Vertelsels  1898,  S.  341:  „Waarom  de  Vrouw  iets  duivelachtigs  heeft"), 
mehrere  französische  Erzählungen  (Wallonia  1.  171:  „La  femme  et  le 
jiiable."  Thuriet,  Traditions  populaires  de  la  Haute-Saöne  L892,  p.  169: 
fcPourquoi  les  femmes  ont  la  tete  du  diable."  Revue  des  traditions  pop. 
•_>.  62  und  10,  661),  zwei  italienische  (De  Nmo,  üsi  e  costumi  abruzzesi 
4.  68.  1887:  ..San  Pietro  rappiccica  le  teste."  Pitre,  üsi  e  costumi  del 
popolo  siciliano  4.  84.  188^:  Christus  und  Paulus;,  eine  catalanische 
(A.  Mestres,  Tradiciöns  catalanas  =  Folklore  catala  L,  59,  No.25:  „L'equi- 
vocaciö  de  Sant  Pere."  1895),  zwei  portugiesische  [Leite  de  Vasconcellos, 
Tradicöes  populars  portuguezes  1882,  p.  200f.  Braga,  Contos  trad.  do  povo 
portuguez  1883,  2,  158)  und  eine  litauische  Variante  Veckenstedt,  .Muhen 
der  Zamaiten  1883,  1,  283,   No.  75).4) 

1)  Lübecker  Spiele  von  1462  und  1170  (Goedeke,  I  frundriss'  1.  177).  B.  v.  Lichten- 
berg, Über  den  Humor  bei  den  deutschen  Kupferstechern  L897,  8.  52,  Taf.  11.  Bolte, 
Zeitschr.  f.  Volkskunde  8,  24  und  Archiv  f.  neuere  Sprachen  102,  253.  Kunst  über  alle 
Künste  1864,  S.  39,  9. 

2)  Dunlop- Liebrecht,  Prosadichtungen  S.  27:1..  Bcnfey,  Pantschatantra  1,  519—534. 
H.  Sachs,  Fabeln  1,  502,  No.  177  u.  s.  w.  Eine  ausführlich.-  Untersuchung  bereitet  Adolf 
Gerber  vor. 

3)  Oesterlev  zu  Kirchhofs  Wendunmut  1,  366.     R.  Köhler.  Kleinere  Schriften  3,  12. 

4)  Ich  vervollständige  hier  einige  Ztschr.  8,465  zu  p.  341)  gegebene  Notizen,  indem 
ich   zugleich    dankbar   von    einigen    Citaten    B.  Köhlers    und  Feilbergs  Gebrauch    mache. 


Bolte:  Ein  d&nisohes  M Irenen  von  dem  Ursprünge  der  bösen  Weiber. 


Die  Verwechslung,  deren  sich  Petras  beim  Wiederaufsetzen  der  ab- 
tlagenerj  Köpfe  Bcbuldig  macht,  wird  schon  manchem  Leser  Goethes 
wundervolle  Legende  vom  Paria  ins  Gedächtnis  gerufen  haben,  in  der  der 
Sohn  des  Brahmanen  das  Haupt  der  Mutter  auf  den  Leib  der  gleichfalls 
enthaupteten  Verbrecherin  fügt.  Goethe  fand  diesen  Zug  in  der  ihm  aus 
Bonnerats  Reise  nach  Ostindien  1,  205  (1783)  bekannten  Geschichte  der 
Mariatale  vor,  während  Benfey1)  irri,^  eine  Entlehnung  aus  den  25  Er- 
zählungen eines  Dämons  vermutete,  in  denen  eine  Frau  die  Köpfe  ihres 
(Jatten  und  seines  Freundes  vertauscht.  Ob  nun  die  letztgenannte  alt- 
indisfhe,  öfter  nacherzählte  Geschichte2)  auf  unsern  Schwank  eingewirkt 
hat.  möchte  ich  vorläufig  weder  behaupten  noch  in  Abrede  stellen.  Das 
Abnehmen  und  Vertauschen  oder  Umschmieden  von  Weiberköpfen  wird 
aber  seit  1650  öfter  auf  französischen  und  deutschen  Bilderbogen  dar- 
gestellt und  in  Gedichten  erläutert.8)  Ein  solcher  Holzschnittbogen  könnte 
auch  die  deutsche  Vorlage  des  besprochenen  dänischen  Traktätchens  ge- 
wesen sein. 


Nicht  identifizieren  kann  ich  folgende  Verweisung  Köhlers:  „Wigström,  Skämtssägner  frän 
Skäne  No.  7." 

1)  Orient  und  Occident  1,  729;  vgl.  2,  97.  Weinhold  in  dieser  Zeitschrift  2,  47. 
Zachariae  diese  Zeitschrift  11,  191. 

2)  Katha  Sarit  Sagara  transl.  by  Tawney  2,  264.  R.  F.  Burton,  Vikram  and  the 
Vampire,  Tales  of  Hindu  devilrj  1893.  Oesterley,  Baital  Pachisi  1873,  S.  195,  No.  6. 
Iken,  Touti  Nameh  1822,  S.  104,  No.  24;  vgl.  Pertsch,  Zs.  der  d.  morgenl.  Ges.  21,  530. 
De  Guberuatis,  Die  Tiere,  1874,  S.  235.  Kosen,  Tuti  Nameh  2,  1G9.  D.  Lescallier,  Le 
trönc  enchante,  contes  indiens  trad.  du  persan  1808,  1,  194.  Wieland,  Dschinnistan  = 
Werke  :><>,  115  ed.  Hempel:  nach  H.  Pajon,  Histoire  des  trois  fils  d'Ali  Bassa  (Cah.  des  ft'-es 
34,  206).  In  einem  altrussischen  Märchen  setzt,  wie  Viehoff  (Goethes  Gedichte  1869,  1,  282) 
bemerkt,  der  Erzengel  Raphael  aus  Versehen  des  Teufels  Kopf  auf  den  Rumpf  eines  Ge- 
richtsschreibers. —  Vielleicht  darf  ich  dabei  noch  an  die  Schwanke  erinnern,  in  denen  ein 
abgeschlagener  Kopf  nicht  vertauscht,  sondern  verkehrt  aufgesetzt  wird.  So  sucht  in 
einem  teilweise  auf  italienischen  Quellen  beruhenden  picaresken  Romane  „Das  Teutsche 
Gespenst  Aufbore  Casparo  Lolivetta*  Leipzig  1684,  S.  219—237)  Flaminio  Veraldo  den 
Tod,  -wird  aber  von  einer  alten  Frau,  dem  Leben,  geheilt;  sie  haut  ihm  nämlich  den  Kopf 
ab  und  setzt  ihn  dann  verkehrt  auf,  bringt  ihn  aber  nach  zwei  Stunden  wieder  in  Ordnung. 
Bei  Schonwerth,  Aus  der  Oberpfalz  3,  303  (1859)  schlägt  Petrus  bei  einer  Rauferei  einem 
Burschen  das  Haupt  ab,  setzt  es  dann  verkehrt  auf  und  entschuldigt  sich  bei  Jesus,  der 
Kerl  sei  ein  Seiler,  der  bei  der  Arbeit  ohnehin  immer  rückwärts  gehe.  Vgl.  R.  Sigismund, 
Was  das  Schwarzburger  Land  erzählt  S.  23  und  F.  Müller,  Siebenbürgische  Sagen  No.  172 
=  2.  Aufl.  No.  232.  Bei  Abraliam  a  St.  Clara  (Etwas  für  Alle  3,  229.  1711  =  Werke,  Passauer 
Ausgabe  14,  352)  ist  Mars  an  Stelle  des  jähzornigen  Petrus  getreten :  den  Kopf  setzt  Vulcac 
auf  Jupiters  Befehl  wieder  auf. 

3)  Vgl.  meine  Zusammenstellung  über  den  Meister  Lustucru  und  Moscheroschs  Köpf- 
kram im  Jahrbuch  f.  Gesch.  Elsass-Lothringens  13,  165:  dazu  noch  Poirters,  Het  masker 
van  de  wereldt  afgetrocken  1741,  S.  343—351. 


von  Negelein:  Die  I  263 

Die  Reise  der  Seele  ins  Jenseits. 

Von  Julius  von  Negelein. 

(Schluss  von  S.  158. 


III.    Versuche,  die  Seele  an  der  Rückkehr  zu  verhindern. 

Dass  Gespenster  und  Krankheitsdämonen  ineinander  Gibergehen,  i>t 
bereits  hervorgehoben  worden.  Ks  ist  deshalb  wichtig  festzustellen,  dass 
man  sich  letzterer  ebenso  wie  ersterer  zugleich  mit  der  Vernichtung  ihrer 
Spur  zu  entledigen  versuchte  und  dass  der  heutige  Volksbrauch  ebenfalls 
entsprechende  Verfahren    kennt.  Auf  Rügen    legi    mau.    um    sich   vor 

dem  Mahrreiten  zu  schützen,  einen  abgefegten,  stumpfen  Besen  unter  das 
Bett,  damit  die  Hexe  keine  Macht  mehr  daran  habe  und  ihn  nicht  zum 
Reiten  benutzen  könne.1)  Der  Besen  ist  wie  das  Sieb  ein  Sitz  der  weib- 
lichen Krankheitsdämonen,  die  eine  späte  Zeit  Hexen  genannt  bat,  wie 
alle  heidnischen  Gottheiten  gleichen  Geschlechts.  Es  liegt  hier  die  sehr 
richtige  hygienische  Idee  zu  Grunde,  dass  der  Staub  der  Wohnungen  der 
wichtigste  Infektionsträger  ist.2)  Deshalb  sind  alle  Reinigungsinstrumente 
Attribute  von  Krankheitsdämonen.  Die  Zugehörigkeit  einer  ideellen  oder 
wirklichen  Persönlichkeit  zu  einem  Tier  oder  Gegenstand  wird  aber  in 
Sage  und  Mythe  stets  dadurcli  ausgedrückt,  dass  man  erstere  auf  letzteren 
stehen  oder  reiten  lässt.  Deshalb  reiten  die  Hexen  auf  Sieben.  Schaufeln 
und  Besen.3)  Der  Alp,  der  den  Kranken  besuchen  will,  benutzt  also 
in  dem  obigen  Falle  den  Besen  als  Reitinstrument,  erkennt  ihn  aber  als 
ungeeignet  und  hört  auf,  den  Kranken  zu  quälen.  Man  erwäge,  dass  das 
Alpdrücken  gewöhnlich  als  der  Flug  einer  dämonischen  Seele  aus  ihrem 
eignen  Leibe  zum  Zweck  des  Besuches  des  Patienten  gedacht  wurde. 

Es  liegt  mithin  der  Mystik,  die  sich  selbst  am  den  Besen  herum 
spinnt  der  Gedanke  zu  Gfrunde,  dass  man  die  Spur  der  Dämonen  in  dem- 
selben gefangen  hält.  Ihr  Dasein  ist  s<>  unauflöslich  an  das  die  Quint- 
essenz ihrer  Wesenheit,  den  Staub,  beherbergende  Instrument  (den  Besen, 
die  Schaufel  u.  s.  w.)  gebunden,  dass  selbst  die  lokalen  Verschiebungen 
des  einzelnen  Dämons  nur  unter  Vermittlung  jenes  Prägers  ihre-  Wesens 
gedacht  werden  konnten.     Unter  diesem  Gesichtspunkt  erklären  sich  viele 


1)  Zeitschrift  für  Ethnologie  23,  454. 

2)  Ich  verweise  auf  den  vortrefflichen  Aufsatz  von  Höfler  über  Krankheitsdämonen 
im  2.  Baude  des  Archivs  für  Religionswissenschaft. 

3)  Vgl.  das  allgemein-mythische  Reiten  von  Göttern  auf  Tieren,  die  ihre  Wesenheit 
symbolisieren  oder  ältere  Formen  derselben  darstellen:  die  Sonnengötter  der  Indogermanen 
reiten  auf  Rossen  oder  lassen  sich  von  denselben  fahren,  die  semitischen  Licht- 
götter reiten  auf  den  Sonnenvögeln,  die  babylonischen  stehen  vielfach  auf  attributären 
Tieren. 


•_»t;  j  von  Nogelein: 

Volksbräuche.  —  .Man  darf  die  Füsse  eines  Menschen  nicht  „anfegenaj 
eonsl  wird  er  krank.1)  In  Slavonien  sägt  man:  Willst  «lu  «lieh  jemandes 
für  immer  entledigen,  so  lade  ihn  zu  dir  ein,  bewirte  ihn  und  sobald  er 
fort  ist.  kehre  die  Stube  hinter  ihm  aus.2)  An  dem  Tage,  an  welchem 
der  Bausvater  verreist,  darf  man  die  Stube  nicht  kehren,  sonst  kommt  ei 
Dicht  zurück  oder  es  trifft  ihn  ein  Unglück.3)  Am  Marthatage  (ersten 
März,  der  für  Frühlingsanfang  gilt4)  fegt  man  in  Bulgarien  das  Haus 
sehr  sauber  aus,  um  es  vor  den  vielen  bösen  Geistern  das  Jahr  hindurch 
zu  Benutzen.*)  Nach  Sonnenuntergang  soll  man  daselbst  den  Schafstall 
nieln  fegen,  sonst  erkranken  die  Tiere,  d.  h.  ihre  Spur  wird  zugleich  mit 
dem  Mist  den  Nachtdämönen  überliefert6):  nach  Berliner  Aberglauben 
bindet  man  einen  Besen  an  den  Puss  und  zieht  ihn  so  um  den  ganzen 
Garten  herum.1)  Hier  ist  die  rationalistische  Erklärung,  dass  es  sich  um 
ein  einfaches  Ausfegen  von  Raupen  handele,  nicht  angebracht.  Die  Insekten 
sind  für  den  Volksglauben  stets  Geister,  Eiben,  die  man  bespricht,  be- 
schwört, wie  Menschen  und  Almen  mit  Milch  und  Butter  speist  und  sogat 
enthauptet.8)  So  will  man  hier  ihre  Spuren,  nicht  sie  selbst  vernichten. 
Zugleich  spielt  das  Ziehen  eines  geweihten  Kreises  die  landesübliche 
Rolle. 

Genau  analog  ist  die  Behandlung  des  Toten.  In  meiner  ostpreussischen 
Heimat  wird,  wenn  der  Tote  „auf  halbem  Wege"  ist,  das  Haus  sorgfältig 
gereinigt  und  der  Kehricht  weggetragen;  auf  halbem  Wege  sucht  man  ja, 
wie  erwähnt,  die  Entfernung  des  Toten  auf  jede  mögliche  Weise  zu  er- 
reichen. —  Wenn  nach  beendigter  Totenmahlzeit  der  altslavische  Priester 
die  Geister  der  Verstorbenen  aus  dem  Hause  treiben  will,  so  fegt  er  das 
Haus  aus.9)  Auf  Glasinar  und  in  Gacko  wird  das  Haus  gekehrt,  sobald 
der  Tote  zur  Bestattung  gehoben  worden  ist.  Der  betreffende  Besen  wird 
verbrannt.10)  Es  ist  in  Bulgarien  verboten,  die  Thürschwelle  zu  kehren: 
sonst  werden  dem  Mädchen,  dass  dies  Gebot  übertritt,  die  Brüste  gross, 
was  als  unschön  gilt.11)  Die  Thürschwelle  ist  sehr  häufig  der  Wohnsitz 
der  Seelen,  die  unter  dem  Eingang  zum  Hause  gedacht  werden  —  von 
Indien  bis  Deutschland  hin.12)  Am  Tage  nach  dem  Tode  eines  Familien- 
angehörigen  wird  in  Bulgarien  das  Haus  gefegt  und  gereinigt,  „damit  das 
Glück  von  neuem  einziehe".18)  Nach  abgehaltenem  Totenmahl  fegt  in 
Samogitien  der  Priester  die  Stube,  um  die  vorher  gesättigte  Seele  zu  ent- 


1  Mecklenburgischer  Aberglaube  (Privatinformation).  —  2)  Unsre  Zeitschr.  f.  Volks- 
kunde 1,  152.  —  3)  Strausz,  Bulgaren,  2;-2.  —  4)  Also  wieder  der  Zusammenhang  der 
i  mit  dem  Jahreskreislauf!  Siehe  im  vorigen.  —  5)  Strausz  335.  —  6)  Ebenda  2883 
—  7)  Ztschr.  f.  EthnoL  15,  93.  —  8)  Bezüglich  des  letzteren  i.-t  der  mir  bekannte  aber 
glänbische  Gebrauch  interessant,  dreimal  mit  der  Sichel  über  das  Kornfeld  zu  schlagen. 
um  Raupen  eu  vertreiben.  Hier  sollen  offensichtlich  die  Geister  der  Raupen,  die 
menschenähnlich  gedachten  Dämonen,  enthauptet  werden.  —  9)  Tylor  2.  39.  —  10)  Lilek 
a.  a.  0.  407.  —  11)  Strausz  299.  —  12)  Die  Belege  hierfür  werden  in  einem  späteren  Aufsatz 
folgen.  —  !•".,  Strausz  451. 


Die  Reise  der  See]  285 

fernen.1)  Auf  Borneo  wird  der  Geis!  eines  Verstorbenen,  den  man  tier 
lang  mir  Reis  bewirtet  hat,  naehher  ausgefegt  und  dabei  seine  Speiße- 
_•  'fasse  zerbrochen.9)  Die  Tonquine&en  vermeiden  die  Reinigung  des 
Hauses  während  des  Festes.  \\<>  die  Serien  der  Verstorbenen  zur  Neu- 
jahrsvjsite  in  ihre  alten  Häuser  zurückkehrten.8)  In  Kongo  wird  das 
Bterbehaus    ein  Jahr    hindurch    nicht  [„damit  nicht  der  Staub  den 

Empfindlichen  Geisterleib  verletze"??].*)  In  Koni  war  das  Recht,  die 
Leichenhäuser  zu  reinigen,  auf  die  ßverriatores  beschränkt  Der  /.u- 
lammengefegte  Kehricht  wird  wohl  überall  bei  Seite  geschafft  sein,  1 1  i  <  *  r 
und  da  wir«!  er  auf  den  Kirchhof  getragen.')  Mir  Betsohuanenstämme 
sollen  ihre  Häuptlinge  innerhalb  ihrer  Hürden  begraben  und  dann  das 
Vieh  ein  paar  Stunden  lang  an  der  Stelle  herumtreiben^  um  alle  Spuren 
des  Toten  zu  verwischen..*) 

Andere  Bandlungen  versuchten  der  Pussspur  auf  direkterem  Wege  zu 
Leihe  zu  gehen:  man  lässt  das  Rasenstück,  auf  dem  der  Feind  gestanden, 
im  Rauch  vertrocknen7),  man  vergräbt  die  Spur  des  Gegners  in  einem 
Grabe8),  man  nagelt  sie  mir  einem  Sargnagel  fest'')  [wodurch  man  schon 
zu  Plinius  Zeit10)  Pferde  zum  Lahmen  brachte,  wie  noch  heute].11)  Daher 
die  Furcht  wendischer  Hauern,  den  Mi-t  von  der  Stelle  zu  geben,  auf  der 
das  Vieh  gestanden.12)  Man  versucht  sogar  Geister  festzunageln,  wenn 
man  bei  den  Bulgaren  und  Altserbeh,  sobald  man  die  Leiche  emporgehoben, 
in  die  Aufbahrangsstelle  einen  Nagel  hineintreibt,  um  die  Todesfrau  an 
jene  Steile  zu  bannen."  Bei  den  alten  Arabern  wurde  bisweilen  die 
Ergreifung  eines  Räubers  dadurch  moglieh  gemacht,  dass  man  seine  Spur 
in  einer  darüber  geworfenen   Schüssel  anffing.1*) 

Wir  haben  diese  .Mittel  zur  Vernichtung  der  Fu>>s]>ur  erwähnt,  weil 
sie  sämtlich  der  Vertilgung  von  Totengeistern  ihrer  Natur  nach  hätten 
dienen  können;  wir  haben  sie  so  kurz  wie  möglich  skizziert  weil  wir 
nicht  zu  erweisen  imstande  sind,  dass  sie  diesem  Zwecke  wirklich  jemals 
-••dient  haben.  Die  jetzt  zur  Besprechung  kommenden,  den  gleichen 
Zweck  verfolgenden  Mittel  waren  hingegen  nachweislich  direkt  zur  l'n- 
Bchädlichmachung  des  Toten  bestimmt  und  zwar  in  der  Weise,  dass  man 
entweder  die  Spur  als  solche  vernichtete  oder  dem  rii«  kk.direnden  Geist 
den  Weg  verbaute  oder  den  Ausmarsch  ins  Jenseits  ihm  unmöglich  zu 
Aachen  versuchte. 


1)  Zeitschr.  f.  Ethnol.  21,121.  —  2    Bastian,  ryloi  1.  14s.    B 

Verbleibsorte,  34.  —  l  Bastian,  Vorst.,  34,  Verbleibeorte,  34.  tjlor  1,44s.  _  5  B; 
Verbleibsorte,  56.  —  6)  Livingstone,  Südafrika  and  Madagaskar",  •">:>.  —  7)  Sartori  a.  a  ' ». 
Wuttke  a.a.O.  173.  Grimm,  Myth.4,  2, 915.  Andree,  Braunscnw,  Volkskunde,  307.  P< 
Deutsche  Pflanzensagen,  89.  —  8)  Litterator  bei  Sartori  a.  a.  0.  Bezzenberger,  Litauische 
Forschungen,  69.  —  9)  Wuttke  389.  Bartsch  a.  a.  O.  235  f.  -  10]  Pliniua  28,  10  bei 
Grimm.  Mytb.4,  2,  943.  —  11)  Aberglaube  aus  Ostpreussen,  vgl.  Sartori  a.  a.  0.,  Grimm, 
Mytb.4,  2.915  u.a.  —  12)  Schulenburg,  Wendische  Sagen,  160.  —  13  Unere  Zeitschrift 
für  Volkskunde  1.  157.  —  14 1  Wellhausen,  Skizzen,  :'.,  152. 


von  Negelein : 

Den  li.irt'iissiiicn  Kongobewohnern  wurde  das  Umgehen  ihres  Gespenstes 
durch  Dornenbeetreuung  „gelegt",  die  vom  Grabe  aus  den  Totenpfad  ent- 
führte1);  die  Da\ak  umgeben  die  Grabstätten  mit  spitzen  Pfählen2); 
«•ix'iiso  die  Bewohner  von  Borneo.3)  .Mehrfach  wird  der  Weg,  auf  welchem 
die  Leiche  aus  dein  Banse  nach  dem  Grabe  geschafft  ist,  mit  Bambu 
versperrt,  damit  das  Gespenst  nichr  zum  Krankmachen  zurückkehren 
kann*),  oder  das  Grab  anderswie  eingehegt6);  oder  man  sperrt  die 
Hütte  des  Toten  ab.6)  Domenumzäunung  fand  Livingstone  auf  seiner 
Reise  Dach  Südafrika  und  Madagaskar. 7)  Sie  zeigt  sich  aber  auch  sonst 
bisweilen.  Auf   die  Versuche,    Eiben,    Heinzelmännchen,   Zwerge    und 

Yampvre  durch  Streuen  von  Mohnkörnern,  Erbsen  u.  s.  w.  zu  ver- 
scheuchen, machten  wir  bereits  aufmerksam.  Was  zeigt  sich  in  diesen 
Sagengebilden  im  letzten  Grunde  anderes  als  der  Versuch,  durch  hin- 
gestreute Reiser,  Brotkrumen  u.  s.  w.  den  verschlungenen  Weg  ins  Todes- 
dickicht entweder  zu  zeigen  oder  durch  entsprechende  Mittel  ihn  zu  ver- 
bauen? —  Die  Hexen  kommen  nicht  in  ein  Gehöfte,  wenn  man  ver- 
schiedenes Kraut  auf  die  Fusssteige  gestreut  hat.8)  Hexen,  Nymphen 
und  Geister  haben  eine  Idiosynkrasie  gegen  gewisse  Kräuter  und  zweifellos, 
wenn  auch  für  mich  einstweilen  noch  nicht  nachweisbar,  sind  magisch 
wirkende  Kräuter,  wie  Weihrauch,  namentlich  als  Austreibungsmittel  gegen 
Dämonen  bekannt  gewesen. 

Bisweilen  bindet  man  die  Füsse  des  Toten  zusammen,  ihn  an  der 
Wiederkehr  zu  verhindern.  Dies  geschah  im  ältesten  Indien.9)  Bei  den 
Tupis  in  Südamerika  werden  dem  Leichnam  alle  Glieder  fest  zusammen- 
gebunden, damit  der  Tote  seine  Freunde  nicht  mit  seinem  Besuche  be- 
unruhigen könnte.10)  In  Fidschi  geschah  das  Gleiche  zu  gleichem  Zweck.11) 
Die  ägyptischen  Troglodyten  begruben  ihre  Toten,  indem  sie  ihnen  mit 
Wegdornruten  den  Hals  gegen  die  Beine  banden.12)  Die  Bewohner  von 
Dahome  binden  die  Füsse  des  Toten  fest  zusammen.13)  Doch  selbst  in 
Armenien  fesselt  man  die  Zehen  der  Leiche  mit  einem  Faden  aneinander, 
um  ihre  Wiederkehr  zu  verhindern. u)  —  Nicht  selten  verwischt  man  die 
Totenspur  durch  Ausgiessen  von  Wasser.  Dies  ist  z.  B.  auch  noch  in  Ost- 
preussen  Sitte.  Früher  (kaum  irgendwo  noch  heute)  wurde  bei  uns  das 
zum  Waschen    der  Leiche    gebrauchte  Wasser    vor  der  Thür  ausgegossen, 


1)  Bastian,  Elem.,  18,  Verbleibsorte,  14,  Vorst.,  30.  —  2)  Bastian,  Verbleibsorte,  14. 
—  3)  Ebenda  40.  —  4)  Ztschr.  f.  Ethnol.  21,  147.  —  5)  Ebenda  6,  359.  —  6)  Livingstone 
a.  a.  0.  336  f.  —  7)  Zeitschi-,  i'.  Ethnol.  6,  359  berichtet  dies  von  dem  indischen  Volk  der 
Maler.  —  8)  Schulenburg,  Wendische  Sagen,  161.  —  9)  Der  wedische  Gebrauch  der  „den 
Schritt  verwischenden  Fussfessel"  bedarf  einer  speciellen  Untersuchung  und  hat  sie  ge- 
funden: Roth,  Festgruss  an  Boethling,  98.  Bloomfield,  American  Journal  of  Philology, 
Vol.  XI,  JSo.  3,  S.  355.  Ebenda  XII,  No.  4,  Artikel:  The  meening  of  the  root  yup.  — 
10)  Lippert,  Kulturgeschichte  d.  Menschheit  I,  113  f.  Sartori  a.  a.  0.  423.  —  11)  Zeitschr. 
f.  Ethnol.  21,  144.  —  12)  Strabo  16,  17.  —  13)  Bastian,  Verbleibsorte,  40.  —  14)  Abeghian 
a.  a.  0.  12. 


Die  Reise  der  Seele  ins  Jenseits. 

und  das  sollte  bedeuten:  wenn  der  Tote  zurückkommen  will,  so  ist  das 
für  ihn  ein  See  und  er  kommt  nicht  hiuüber.1)    Der  ausgetragenen  Leiche 

wird  in  Franken  Wasser  Dachgegossen.9)  Dasselbe  ist  z.  r>  auch  aus 
Bayern  bezeugt,  wo  noch  die  richtige  Begründung  für  den  Brauch  angegeben 

wird3)  and  ebenfalls  vom  Leohrain*)  and  sonst  mehrfach.*)  Bei  den 
muslimischen  Bosniaken  wird  «las  Zimmer  oder  der  Ort,  wo  der  Tote 
relegen  hat,  mit  Wasser  besprengt,  damit  er  Dicht  wiederkehre.6) 

Sehr  weit  verbreitet  ist  die  Sitte,  heim  Tode  eines  Familienmitgliedes 
das  Fenster  zu  öffnen.  Auch  darin  liegt  eine  indirekte  A.bwehr  gegen 
Ben  Toten:  er  soll  daran  verhindert  werden,  auf  dem  gewöhnlichen  Wege 
ins  Zimmer  zurückzukommen.  Der  Brauch  ist  in  ganz  Deutschland  ver- 
breitet.') Er  findet  sich  in  Mecklenburg8),  Brauuschweig"),  Bayern10), 
im  Voigtlande11),  wo  man  schon  vor  dem  Tode  der  Seele  den  Austritt 
auf  diese  Weise  gestatten  will,  bei  den  Böhmen,  die  dem  in  die  Höhe 
strebenden  Geiste  vorzugsweise  die  obersten  Fenster  öffnen1*),  ja  selbst 
in  Armenien115),  bisweilen  mit  der  interessanten  Modifikation,  dass  man 
die  Fenster  nur  einen  Augenblick  offen  lässt14):  man  fürchtet  die  Rück- 
kehr des  Geistes  auf  demselben  Wege. 

Die  Thür  des  Totenhauses,  durch  welche  die  Leiche  zum  Kirchhof 
getragen  wurde,  ist  damit  zum  Ausgangspunkt  des  unheimlichen  Toten- 
pfades geworden.  Man  meidet  sie,  wie  man  das  erste  Betreten  einer 
Brücke,  eines  Hauses  meidet:  die  Gottheit  will  ihr  Opfer  haben.  .Man 
sehliesst  deshalb  die  Thür,  wenn  jemand  gestorben.  Vergisst  man  dies. 
so  stirbt  der  erste  der  durch  dieselbe  Hineingehenden  dem  Toten  nach.1") 
Oder:  man  macht  nach  eingetretenem  Todesfall  sofort  die  Haust  hure  zu. 
Die  zuerst  ins  Haus  kommende  Person  zeigt  dann,  von  welchem  Geschlecht 
die  nächststerbende  sein  wird.16)  In  der  Lika  schliesst  man  gleich  Dach 
dem  Hinaustragen  des  Verstorbenen  die  Hausthüre  ab,  damit  niemand 
hinauskönne.  So  verhindert  man,  dass  nicht  bald  jemand  im  selben  Haus 
dem  Toten  nachfolge  oder  nachgehe.17)  Die  Alfaren  schliessen  die  Thür 
bei  der  Geburt  eines  Kindes,  damit  dessen  Seele  nicht  herauskönne1'1). 
dagegen  machen  die  Bulgaren  bei  gleicher  Gelegenheit  Thür  und  Fenster 
auf.19)  Rs  scheint  also,  als  ob  verschiedene  Theorien  über  die  Inkarnationen 
der  Seele  entgegengesetzte  Handlungsweisen  verursacht  hätten:  während 
die  einen  das  Neugeborene  mit  einem  Leben  begabt  glauben,  das.  nur 
flüchtig    an    den    zarten  Leib    geheftet,    vor  dem   Entschlüpfen  durch   Ein- 


1)  Toppen  a.  a.  0.  108.  —  2)  Bastian,  Eiern.,  67.  —  :'.)  Bavaria  1865,  S.  988  und  1868, 
S.  323.  —  4)  Bastian,  Eiern.,  60.  —  5)  Bastian,  Vorst.,  30.  —  6)  Lilck  a,  a.  0.  41!».  — 
7)  Wuttke429,  vgl.  444.  —  S)  Bartsch  a.  a.  0.  237.  —  9  Andree,  Braunschw.  Volksk  .  224, 
266.   —    10)  Bavaria  1867,    S.  407  und  1803,    S.  322.     Zeitschr.  f.  Volkskunde  8,  397.    — 

—  11)  Koehlera  a.  0.  251  und  440.  —  12)  Grohmann  a.  a,  O.  193.  —  13)  Mitteilung  eines 
Armeniers.  —  14)  Rochholz,  Glaube  und  Brauch,  171.  —  15  Wuttke  435.  -  16)  Ebenda 
430.   —   17)  Unsre  Zeitschrift  für  Volkskunde  1.  157.  -  18)  Bastian,  Elem.  II,  Vorw.  31. 

—  19)  Strausz  a.  a.  O.  293. 


von  Negelein: 

Sperrung  bewahrt  werden  muss.  nehmen  die  anderen  —  dies  ist  das  völker- 
psychologisoh  Gewöhnliche  die  Beseelung  des  Kindes  im  Momente  der 
Gehurt  an  und  wollen  deshalb  dein  eintretenden  Geist  Thür  und  Thor 
öffnen.  Nur  andeutungsweise  Bei  hier  erwähnt,  dass  es  also  derselbe' 
Geisterweg  ist,  auf  dem  die  den  alten  Körper  verlassende  und  den  neuen 
aufsuchende  Beele  wandelt  Wer  könnte  die  Identifizierung  beider  unter- 
38  i  und  hier  nicht  die  überall  auftretende  Lehre  ron  den  sich  stets  neu 
inkarnier enden  Ahnengeistern  wiederfinden?  —  Häufig  wird  die  Thür 
«Irin  Fenster  gleich  gesetzt  —  verrichtet  sie  doch  im  primitiven  Hanse 
beinahe  dieselbe  Funktion  —  und.  wie  dieses,  nach  dem  Tode  eines  Haus- 
genossen geöffnet.1)  Da  aber  das  Fenster  stets  geschlossen  gehalten 
werden  kann,  so  eignet  es  sich  zum  Ausgangspunkt  des  Totenpfades  mehr 
als  die  Thüre,  durch  die  schon  mancher  Lebende  dem  Toten  nach  ins 
Schattenreich  gewandelt  sein  mag:  deshalb  Verfielen  verzweifelte  Eltern 
in  Ostpreussen  sowohl  w7ie  in  Bulgarien  darauf,  den  Rest  ihrer  Kinder 
sich  dadurch  zu  erhalten,  dass  man  das  letzte  der  schnell  hintereinander 
Verstorbenen  zum  Fenster  hinausreichte:  die  Sitte  ist  mehrfach  bezeugt.') 
Dem  entsprechend  will  man  die  junge  Frau  eines  Mannes,  der  schon 
mehrmals  AVitwer  geworden,  dadurch  erhalten,  dass  man  sie  nicht  durch 
die  Thür.  sondern  durch  das  Fenster  ins  Haus  einziehen  lässt8)  und  einem 
Kinde  den  Eintritt  in  das  (eigentliche,  d.  h.  christliche)  Leben  (bei  der 
Taufe)  dadurch  sichern,  dass  man  den  Täufling  beim  (lange  nach  der 
Kirche  wie  bei  der  Rückkehr  durch  das  Fenster  reicht.4)  In  Grönland 
scheint  der  Brauch,  den  Toten  durch  das  Fenster  hindurch  fortzuschaffen, 
allgemein  üblich  zu  sein.5)  Doch  selbst  in  Ostpreussen  ist  er  beobachtet, 
wie  auch  in  Thüringen,  wo  man  die  Leiche  eines  Selbstmörders  zum 
Fenster  hinaustransportiert  hat.  Selbstmörder  pflegen  ohnedies  immer 
..spuken  zu  gehen".6)  —  Besonders  interessant  sind  die  häufig  vorkommenden 
Fälle,  in  denen  man  besondere,  meist  bald  wieder  zu  verschliessende 
Öffnungen  in  der  Mauer  des  Sterbehauses  schafft,  um  durch  diese  den 
Körper  hindurchzuziehen.  Die  Leiche  des  Siamesen  wird  durch  ein  in  die 
Wand  gebrochenes  Loch,  die  Fasse  voran,  und  dann  dreimal  in  schnellem 
Kaufe  um  das  Haus  getragen,  damit  sie  den  Eingang  vergesse  und  keinen 
Spuk  treibe.7)  Den  gleichen  Brauch  befolgt  der  Grönländer,  wenn  er  im 
Sommerzelt  ein  eignes  Loch  zum  Herausbefördern  des  Toten  macht.8) 
Südafrikanische  Wilde  handeln  ebenso.9)  Die  Ojibway  begraben  den  Ver- 
storbenen eiligst,  damit  er  nicht  andere  nachziehe  und  bringen  ihn  nicht 
zur   Thür,    «ondern    zu    einem    an    der  Seite    gebrochenen  Loch    aus   dem 

1)  Grimm,  Aberglaube,  b64,  vgl.  auch  z.  B.  Toppen  108.  —  2)  Bastian,  Eiern.,  67. 
Wuttke  367  und  737.  Toppen  112.  —  3)  Wuttke  350.  —  4)  Ebenda  367.  —  5)  Rochholz, 
Glaube  und  Brauch,  197.  Tylor  2,  26.  —  6)  Lippert,  Christentum,  391  f.  Wuttke  444. 
—  7)  Lippert,  Kulturgesch.  d.  Menschheit  I,  113f.  Sartori,  Zeitschr.  f.  Volkskunde  4,  442f. 
Tylor  2,  26.  —  8)  Rochholz,  Gl.  u.  Br.,  197.  —  9)  Lippert,  Christentum,  391  f. 


Heise  der  Seele  ins  Jen  269 

Haust..1:     Die  üuskolgee  begraben  den   Verstorbenen  in  einem  Loche  des 
Hause*.*')     Bei    den  AUuukin    wurde    der    Tote    durch    eine  Öffnung   der 
Bütte,    der  Thfir   gegenüber,    hinausgetragen,    unter  klopfendem   Lärm 
durch  den  man  die Totengeister  verscheuchen  wollte).8)     l>ie  Hottentotten 
bandeis  ebenso.4)     Die  Samojeden  hüten  sich,    die  Toten  durch  die  Thür 
ihrer   fürte    hinauszutragen,     sie    machen    zu    diesem    Zweck    eine    eigne 
Öffnung,    die    sie    nachher    wieder    sorgfältig    verkleben,    in   <l.-r  Meinung, 
dass  der  irrende  Geist  nun  den  Rückweg  nicht  mehr  finden  werde.8)    Der 
König  -von    Somo-Somo    auf   den    Pidschi -Inseln    lies-    Beinen    sterbenden 
Körper  durch  ein  Loch,  das  man  in  die  Wand  der  Bütte  machte,   heraus- 
lietVirdem.    während    die  zu  seiner  Begleitung  getöteten   Weiber  durch  die 
Thür    herausgetragen    wurden.6)     Weiber    wie    Kinder    und   Sklaven    sind 
-  •  -■  1  en  1 1  s.  deshalb  bedarf  es  hei   ihren  Leichen  einer  besonderen  Prophy- 
e  nicht.      -  Doch  auch  in  Indien  darf  unter  gewissen,   ungünstigen  Kon- 
- ■■  ■'! lutiuiien    die  Leiche    weder    durch    die  Thür,    noch   durch   das   Fenster 
zum  Sauce  herausgetragen  werden.     Es  ist  absolut  notwendig,    zu   diesem 
Zwecke    eine   Öffnung    in    der  Mauer    zu    schaffen.7)     Bei    den   Wakikuyu 
darf  der  Bestatter,  d.  h.  derjenige,  welcher  den  Leichenweg  bahnt,  beim 
Rückwege    nach  Hause   nicht  durch  das   Dorfthor  schreiten,    sondern  inuss 
sich    einen  Weg  durch  den   Dorfzaun  brechen.8)     Sollten  wir  in  dem  nor- 
dischen Urlauben,  dass  /..  I!.  der  Nisk  zu  Owschlag  in   einein   Loche  in  der 
Wand  wohnt«-9},    nicht    einen  Nachklang   derselben  Sirte  zu  sehen  haben? 
Durfte   doch    nach    altnordischem  liitus  der  Tote  nicht  zur  Thüre  heraus, 
zu    welcher    die  Lebenden    ein-    und    ausgingen.     .Man    legte    also    in  der 
Wand,    welche    hinter  dein  Kopf  lag,    ein  Stück   nieder  und   trug  ihn  hier 
rückwärts    hinaus;    oder   man   grub  unter  dem  eirund  der  südlichen   Wand 
.■in   Loch,    durch    welches    der  Leichnam  gezogen  ward.     Das   scheint1  all- 
gemein germanisch  zu  sein,  denn  wir  finden  Gleiches  in  Ober-  und  Nieder- 
Deutschland    bei    den   Leichen   von  Missethätern  und  Selbstmördern  beob- 
achtet,   die    nicht    zur  Thür,    sondern    unter   der  Schwelle  oder  der  Wand 
hinausgeschleppt  wurden.10) 

Der  letzte  derWege,  den  die  irdische  Bulle  v Sause  der  Lebenden 

ausgehend  zu  wandeln  gezwungen  werden  kann,  um  nie  mehr  zurück- 
zukehren, geht  durch  das  Dach.  ..Hier  ist  das  Fenster,  dort  die  Thüre. 
ein  Rauchfang  ist  dir  auch  gewiss"  —  damit  bezeichnet  Goethes  Paust 
dem  Mephistopheles    die  Wege,    die    ein   ööllengeist    wandeln    kann,     oft 


1)    Gerland  und  Waitz,  Anthropologie,  3,  I'.''.'.  2]  Bastian,  Zeitschr.  f.  Kthnol.,  6, 

304.   —    3)  Bastian,  Verbleibsorte,  20    vgl.  40.         -1    Tylor  2,  26.    -  5)  E.  Sim 
d   Gl.  d.  Völker  au  eine  Fortdauer  d.  Seele,  S.  268.  —  6    Sonntag  a.a.O.  88,  vgl.  Chri  t- 
riiann  und  Oberländer,  Oceanicn,  die  Inseln  der  Südsee,  32.  —  1)  DuKoi's   S  25.  — 

8    Zeitscbr.  f.  Etbuologie  10,  404.  —  9;  Müllenhoff,  Sagen,  322.  —  10)  Weinhold,  Altuord. 
Leben,  476. 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.     1901.  I'1 


■_>7<  I  roo  Nogelein: 

rohen  Teufel  durch  den  Rauchfang,  wie  in  der  Odyssee  Athene  als  Schwalbe 
sich  dieses  Weges  bedient.  Die  Bexen  des  Mittelalters  wählen  den  gleichen 
fang.  Geister  gehen  nach  wendischem  Aberglauben  gern  durch  eine 
Dachöffnung  des  Hauses1);  offenbar  hat  durch  den  Rauchfang  ein  regez 
Seelenverkehr  stattgefunden.  In  einem  Landhause  bei  Zürich  darf  eine 
Öffnung  im  Dache  uie  zugelegt  werden,  weil  da  immer  ein  Geist  ins  Haus 
kommt.2)  Eine  Seele,  die  umgehen  soll,  reisst  heim  Abseheiden  ein  Loch 
in  das  Dach,  so  glaubt  man  im  Aargau.8)  Der  nordische  Niss,  ein  Haus- 
geist, ist  in  den  Giebelluken  zu  sehen  oder  in  Schleswig  in  dem  Eichen» 
balken  des  Hauses.4}  Diesem  Glauben  entsprechend,  deckt  man  hier  und 
da  beim  Tode  eines  .Menschen  das  Dach  ab.  um  der  Seele  den  Austritt 
zu  erleichtern6),  oder  man  nimmt  einen  Dachziegel  ans  dem  Hause0). 
derer  in  älterer  Zeit  sogar  drei7),  oder  mehrere8),  dreht  auch  wohl  eine 
Schindel  einfach  um,  dem  Sterbenden  den  Todeskampf  zu  verkürzen9), 
oder  bemühte  sieh  etwa  auch,  die  entwichene  Seele  in  einem  Loche  auf- 
zufangen, das  man  an  der  Decke  der  Hütte  gemacht  hatte,  um  die  so 
Eingefangene  dann  dem  Toten  wieder  einzuhauchen.  Dieser  Brauch  ist 
ans  Madagaskar  bezeugt.10)  Zum  Verständnis  des  Parallelismus  zwischen 
Fenster  und  Dachluke  in  dieser  Volkssitte  sei  bemerkt,  dass  man  z.  B.  in 
Ostpreussen,  aber  auch  wohl  in  anderen  deutschen  Provinzen  gläserne 
Ziegel  als  ein  Mittelding  zwischen  Dachbedeckung  und  Fenster  auf  den 
Häusern  sieht;  dass  ferner  im  alten  Deutschland  die  sogen.  Tungkeller 
ihr  Oberlicht  durch  eine  Dachluke  bekamen  und  in  Island  der  Brauch 
herrschte,  mit  der  Eihaut  eines  Kalbes  Dachluken  zu  überziehen.11)  Die 
Chinesen  machen  ein  Loch  in  der  Wand,  um  beim  Tode  die  Seele  heraus- 
zulassen.12) In  Indien  ist  es  eine  rituelle  Pflicht  von  der  höchsten  "Wichtig^ 
keit.  dass  man  dem  Toten  am  Todestage  in  seine  Wohnung  ein  kleines 
Wassergefäss  hinstellt,  über  das  man  vom  Dache  aus  einen  Faden  herab- 
hängen lässt.  Diese  Vorrichtung  nmss  der  armen  Seele  des  jüngst  Ter- 
Btorbenen  zu  gute  kommen,  da  diese  die  ersten  zehn  Tage  hindurch  längs 
dem  Faden  herabsteigt,  um  das  Wasser  zu  trinken.  Weil  sie  aber  nieln 
trinken  kann,  ohne  zu  essen,  setzt  man  auch  einen  Reisnapf  hinzu.13) 
Deutlicher  als  hier  kann  sich  die  Auffassung  nicht  zeigen,  dass  der  Pfad 
der  Seide  von  oben  herab  auf  die  Erde  zurückführt.  Von  oben  kommt 
das  Leben  und  seht  nach  oben  wieder  zurück. 


1)  Schulenburg,  Wendische  Sagen,  164.  —  2)  Wuttkc  444.  —  3)  Bastian,  Verbleibs- 
orte, 60.  —  l)  Müllenboff,  Sagen,  332.  337.  —  5)  Bastian  a.  a.  0.  10,  vgl.  39.  — 
6)  Wuttke  4-29.  —  7)  Grimm,  Myth.4,  2,  988.  —  8)  Bavaria  1865.  S.  365.  —  9)  Wuttke  429. 
Grimm  a.  a  0.  —  10)  Sonntag  a.  a.  0.  117.  Siehe  die  dort  citierte  Litteratur.  —  11)  Zeit- 
schrift für  Ethnologie  29,  599.  —  12)  Tylur  1,  447,  vgl.  Bastian,  Verbleibsorte,  20.  — 
131  Dubois  a.  a.  0.  209. 


Die  Reise  der  fci  I  •_'  ]  \ 

Wir    sind    um  Schlüsse  angelangt,     unsere  Untersuchung  lehrte,    dass 
die   Seelenvorstellung    gerade    da,    wo    Bie    am    volkstümlichsten    war,    wo 
sie    am    unmittelbarsten    sich    dem    menschlichen  <  J < •  1 1 1 1 i t . •    aufdrängte    — 
denn    wo    musste   dies    mehr  der  Fall   Bein   als  bei  der  Wegschaffung  des 
Toten?   —    einen    absoluten    Monismus    von    Seele    upd    von    Leib,    Geis! 
und   Körper    darstellt;    dass    marj    das    Bild    des    Lebens,    die    im    schein- 
baren Schlummer  befangene    Leiche,    noch  mir  Leben  ausgestattet  glaubte 
im,!    die    Bedürfnisse    desselben    ihr    um    bo    unbedingter    zugestand,    je 
täuschender  der  Schein  des  Lebens  auf  ihr  lag.     Je  grösser  die  räumliche 
und    begriffliche   Trennung    zwischen   Tod    und    Leben    in  Begräbnis    und 
Leichen  verfall    wurde,    um    so    mehr    Hess  die  Sorgfalt   der  Überlebenden 
nach,  die  jetzt  die  begriffliche  Scheidung  unter  dem  parallel  laufenden 
Vorstellungsbilde  einer  Reise  sich  zum  Bewusstsein  brachten.    Der  Antritt 
der  Reise    ist    meist    mit    dem   Begräbnis  als  dem  Akte  gegeben,    der  die 
erste    undürchbrechliche  räumliche  und  damit  auch  ideelle  Scheidung  ver- 
anlasst;   die  Stationen  derselben,    rein  temporäre   Elemente,  heften  sich  an 
traditionell  geheiligte,  hier  also  bestimmte  Entwicklungsphasen  darstellende 
Zahlen,  ihr  Abschluss  aber  naturgemäss  an  den  Augenblick,  mit  dem  man 
die  Verwesung  einerseits  und  den  absoluten   Mangel  jeder  Verbindung  mit 
der  Welt    des  Lebens    andererseits   als   vollkommen  hinstellt,     umgekehrt 
wird    jede    Wiederaufnahme    >\i'r    metaphysischen    Beziehungen    zwischen 
Toten    und   Lebenden,    wie    Bie    sieh  räumlich  namentlich  durch  den   Weg 
Brgiebt,  auf  welchem  die  Leiche  fortgeschafft  wurde,  und  wie  sie  überhaupt 
durch  jedes  sich  aufdrängende  Erinnerungsmoment  an  den  Toten  zu  Btande 
kommen    mnss.    als    eine    Rückkehr    von    der    Reise  ein    Geister- 

besuch u.s.  w.  appereipiert  und  daher  eine  Vernichtung  dieser  Erinnerungs- 
knale  —  der  wirklichen  sowohl  (durch  Zerstörung  der  Wohnung  des  Ver- 
storbenen u.s.w.)  wie  auch  der  rein  ideellen  (durch  Verwischen  einer 
aus  der  Reisevorstellung  sich  ergebenden  imaginären  Fussspur)  -  -  an- 
gestrebt. Das  Beharrungsvermögen  hauen  wir  als  den  psychologisch 
leitenden  Faktor  für  die  Konstruktion  der  Vorstellung  von  dem  Toten 
und  den  Selbsterhaltungstrieb  als  die  entsprechende  Grundbasis  für  die 
j&erstörungsversuche  des  letzteren  kennen  gelernt.  Damit  Bind  aber  zwei 
der  leitenden  Instinkte  der  Menschennatur  als  völkergeschichtlich  vorhanden 
und  mythologisch  bildungsfähig  erwiesen. 
Königsberg  i.  Pr. 


19* 


Hertel: 


Abergläubische  Gebräuche  aus  dem  Mittelalter. 

Von  Prof.  Dr.  <;.  Hertel. 


In  der  Bibliothek  des  Domgymnasiums  in  Magdeburg  befinden  >\>-\\ 
zwei  Handschriften1),  welche  ausser  Werken  meisl  theologischen  Inhalts 
auch  interessante  Mitteilungen  aber  Aberglauben  enthalten.  In  dem  ersten 
Codex  (No.  113)  steht  auf  Blatt  350 v— 377:  Johannis  Wuschilburgfc 
s.  theologie  professoris  necnon  iuris  canonici  licentiati  tractatus  de  super- 
Btitionibus  ei  miraculis.  Der  Traktat  ist  wahrscheinlich -wie  die  ganze 
Handschrift  in  Erfurt  entstanden,  obwohl  sich  der  Verfasser  in  der  Erfurter 
1  niversitäts-Matrikel  nicht  findet.  Die  Zeit  der  Entstehung  ist  das  15.  Jahr- 
hundert, wie  aus  der  mehrmaligen  Erwähnung  der  Hussiten  hervorgeht 
N-m1i  genauer  iässt  sich  die  Zeit  dadurch  bestimmen,  dass  der  vom  Ver- 
fasser  <>ft  citierte  Traktat  des  Wilhelm  von  Paris  1469  gedruckt  ist.  Man 
darf  wohl  annehmen,  dass  dieser  ihm  gedruckt  und  nicht  handschriftlich 
vorgelegen  hat,  zumal  er  auch  von  dem  Verfasser  des  andern  Codex  benutzt 
ist.  1483  ist  die  Handschrift  mit  Wuschilburgks  Traktat  schon  im  Besitz 
eines  Magdeburger  Klerikers  gewesen,  so  dass  er  also  in  den  siebziger 
Jahren  entstanden  sein  muss. 

Der  Hauptinhalt  des  lateinisch  geschriebenen  Traktates  ist  natürlich 
theologischen  Inhalts.  Mit  vieler  Gelehrsamkeit  wird  der  Aberglaube  als 
Irrlehre  und  Götzendienst  (ydolatria)  nachgewiesen,  wozu  nicht  nur  zahl- 
reiche Stellen  aus  der  heiligen  Schrift,  aus  den  Legenden  und  den  Kirchen- 
vätern, sundern  auch  aus  den  Werken  mehrerer  theologischen  Schrift- 
steller herangezogen  werden.  Die  ganze  Ausführung  hat  wenig  wissen- 
schaftlichen Wert,  dagegen  sind  die  an  mehreren  Stellen  eingefügten 
Mitteilungen  über  abergläubische  Gebräuche  der  Zeit  höchst  interessant 
und  beachtenswert. 

Die  zweite  Handschrift  (Cod.  Xo.  193)  enthält  auf  Blatt  345v—  dbfy 
gleichfalls  lateinische  Praecepta  quaedam  propter  superstitiones. 
Auch  in  diesen  ist  die  Tendenz  die,  dass  der  Aberglaube  als  Sünde  nach- 
gewiesen wird.  Die  hier  angeführten  abergläubischen  Gebräuche  finden 
sich  nun  zum  Teil  auch  in  der  ersten  Handschrift,  manchmal  sogar  ziemlich 
abereinstimmend  im  Ausdruck.  Demnach  haben  beide  Verfasser  dieselbe 
Quelle  benutzt,  und  dieses  ist  der  schon  oben  genannte  Tractatus  de  fide 
et  legibus  Wilhelmi  episcopi  Lugdunensis  eximiique  sacre  pagine  doctoris 
Parisiensis").     Näheres  über  Wilhelmus  Parisiensis  —  so  wird  er  immer 

1  Eine  Beschreibung  der  Handschriften  und  eine  kurze  Inhaltsangabe  hat  Dr.  Hermann 
Dittmar  in  dem  Programm  des  Domgymnasiums  von  1880  gegeben. 

2)  In  der  Inkunabel  der  Königl.  Bibliothek  in  Berlin  ist  als  Jahr  des  Druckes  1460 
angegeben.  In  dem  Exemplar  in  der  Bibliothek  des  Königl.  Domgymuasiums  hier  habe 
ich  eine  Angabe  des  Jahres  nicht  linden  können. 


abergläubische  Gebräu*  Mittelalter.  273 

citiert  —  vermag  ich  nicht  anzugeben.  I  >a  nun  beide  Verfasser  diesen 
Traktat  benutzt  haben,  so  müssen  auch  die  Praecepta  propter  Buperstitiom  - 
am  Ende  des  L 5.  Jahrhunderts  entstanden  Bein.  Auf  diese  Zeit  weistauch 
der  Charakter  der  Handschrift  in  beiden  Cod 

Der  Traktat  Wilhelms  von  Paris  ist  ein  ziemlich  umfangreiches  Werk, 
welches  auch  sehr  gelehrt  aioh  über  Glauben  nnd  Unglauben  verbreitet 
and  besonders  eingehend  aber  das  jüdische  Gesetz  und  seine  Eigentümlich- 
keiten handelt.  Da  sind  dann  auch  gelegentlich  interessante  Nachrichten 
über  alte  Gebräuche  eingestreut,  von  denen  in  unseren  Codices  einzelne 
Abschnitte  aufgenommen  Bind.  Aber  dooh  finden  Bich  in  diesen  noch  eine 
Menge  selbständiger  Mitteilungen,  auch  eigene  Frlehnisse,  wie  z.  B.  die 
Erzählung    von  dem  Kreuz  in  der  Bamberger  Diöcese,   bei  Wuschilburgk 

Was  von  eigentlichen  abergläubischen  Gebräuchen  hier  erzählt  wird, 
soll  im  folgendes  in  der  Hauptsache  mitgeteilt  werden;  was  an-  Wilhelm 
von  Paris  entlehnt  ist.  wird  besonders  bemerkt  werden.  Die  Handschriften, 
die  schon  an  und  für  sich  schwer  lesbar  sind,  sind  zudem  nicht  ohne 
Fehler,  besonders  die  zweite.  In  dieser  linden  sich  aber  mehrere  Glos 
die  einigere  seltenere  Worte  in  deutscher  Form  wiedergeben.  Der  Schluss 
von  Wuschilburgks  Traktat  lautet:  et  sie  terminatur  ista  inhabilis  köcke- 
lerev  (Gaukelei,  Possenzeug). 

Aus  dem  Cod.  No.'113  teile  ich  folgendes  mit: 

Geweihte   Dinge    werden  angewendet,    um  Gesundheit  zu  erwerbei 
oder    Krankheiten    zu    beseitigen    bei    Menschen    wie    bei   nnvernünfti 
Vieh,   Fruchtbarkeit  der  Bäume  und  Äcker  herbeizuführen,  gegen  Donner 
und  Hagel;  z.B.  Weihwasser,  Besprengungen  mit  Wachs  von  Osterkerzen 
oiler    anderen    geweihten   Kerzen.    Palmen.    Kräuter,    ein    aus    Palmenholz 
gemachtes  Kreuz. 

Auch  nicht  geweihte  Dinge  verwendet  man.  Bäder  zu  \\  eih- 
nachten  und  Aschermittwoch  schützen  gegen  Fieber.  Zahnschmerz  n.  a. 
Wer  am  Aschermittwoch  badet  oder  den  Kopf  wäscht,  hat  in  dem  Jahre 
keine  Rückenschmerzen,  und  in  demselben  Jahre  boII  man  nicht  am 
Dienstag  baden.  Fett,  welches  übrig  ist  von  den  Kuchen  (paetillis)  am 
Aschermittwoch,  hebt  man  auf  als  Salbe  für  gewisse  Gebrechen,  besonders 
wenn  man  mit  dem  Fusse  in  einen  eisernen  Nagel  getreten  ist.  Fand- 
leute, welche  die  Kälber  absetzen  (ablactare)  wollen,  fangen  damit  an  an 
dem  Tage,  auf  welchen  Weihnachten  gefallen  ist  (tali  die,  qualis  fuit 
nativitas  domini). 

.Man  sagt,  in  welchem  Hause  in  der  Weihnachtsnaoht  ein  Ton 
gehört  wird,  in  dem  stirbt  in  demselben  Jahre  jemand.  Ferner,  wer  am 
Weihnachtstage  auf  dem  Wege  zur  oder  von  der  Kirche  hinfallt,  stirbt  in 
dem  Jahre.  —  Am  Aschermittwoch  prüfen  sie  die  Sonne:  wenn  dies« 
morgens  schnell  erglänzt,  soll  es  gut  sein,  frühmorgens  Lein  zu  säen.  - 
Am  Abend  vor  Johannis  Baptistae  reissen  sie  einen  Feuerbrand  aus  dem 


274  Herte! 

dann  angezündeten  Feuer  und  tragen  ihn  in  den  Garten,  damit  nicht  die 
Würmer    das  Gemüse    verderben   und   zernagen.  \ni   Donnerstag  in 

den  Quatembern  essen  manche  kein  Fleisch,  um  damit  das  FiebeT  in 
dem  Jahre  abzuhalten.  Andere  fasten  und  thun  Gelübde  gegen  das  Fieber 
und  andere  Krankheiten  oder  um  Reichtümer  und  Ehren  zu  erlangen; 
besonders  berühmt  sind  die,  welche  nach  Aachen  wallfahrten  und  auf 
den  Gräbern  dort  beichten,  um  der  Armut  zu  entgehen  und  Reichtümer 
zu  erwerben. 

Gegen  «!i  ■  fallende  Sucht  wird  ein  Aberglaube  beobachtet  lud  dein 
heiligen  Valentin  mit  dem  Ziehen  von  Lichtern  (observatur  aput  S.  Valen- 
tiiinm  cum  extraccione  candelarum?):  —  Knaben  und  Greise  werden  mit 
Roggen  gewogen  (ponderaciones  puerorum  vel  senum  ad  equalitatem  sili- 
uinis).  —  Weih  oder  Wasser  giesst  man  auf  Lebensholz  (lignum  vite)  und 
giebt  es  zu  trinken  gegen  das  Fieber.  Andere  nehmen  einen  Nagel,  von 
dem  es  lieisst.  dass  er  die  Hand  des  Erlösers  durchstochen  habe,  durch- 
bohren damit  Groschen  und  geben  davon  (!)  zu  trinken  gegen  das  Fieber 
und  andere  Krankheiten.  Andere  verwenden  Oblaten,  die  bei  der  Messe 
z.  B.  der  heil,  drei  Könige  am  Altar  am  Tage  SS.  Fabiani  et  Sebastiani 
gereicht  sind,  oder  vom  Brot,  welches  über  dem  Kruzifix  am  Karfreitag 
gereicht  ist.  Geistliche  reichen  dem  Vieh  Weihwasser  gegen  den  Biss 
der  Wölfe.  Hirten  segnen  die  Herde,  dass  kein  wildes  Tier.  Wolf  oder 
Bär  sie  verletze;  dies  thun  sie  vor  Sonnenaufgang.  Oder  am  Sonntage 
gehen  sie  um  die  Herde  herum,  indem  sie  Worte  sprechen,  die  von  der 
Kinhe  verboten  sind.  Andere  Hirten  nehmen  die  ihnen  gereichte  Hostie 
mit  oder  kaufen  eine  von  den  Chorknaben  (campanatoribus)  und  verwahren 
sie  in  ihren  Stäben  oder  in  ihren  Kleidern  gegen  den  Raub  der  "Wölfe. 
Andere  räuchern  sich  mit  geweihten  Kräutern  und  Palmen,  schliessen  sich 
mit  Kreisen  ein  beim  Geltären  (in  puerperio).  schneiden  mit  .Messern  in 
die  Schwellen,  verbrennen  Haare  und  Nägel  (ungues).  Andere  schreiben 
auf  das  Evangelium:  Lutum  fecit  ex  sputo,  andere:  Jesus  transiens  per 
medium  illorum  ibat:  andere  schreiben  gegen  das  Fieber  oder  Zahn- 
schmerz auf  einen  Apfel,  Oblate.  Blei  oder  Lorbeer  (lauribacca);  andere 

rechen  die  Pferde,  die  Würmer  haben.  Andere  machen  Zaubermittel 
(malificia)  zur   Liebe  oder  zum   Hass. 

Wenn  jemand  Kückenschmerzen  hat,  soll  er  sich  treten  (calcari)  lassen 
von  einem  Weibe,  welches  Zwillinge  geboren  hat.  dann  wird  er  gesund. 
Wenn  ein  Junges  (vitulus)  Zahnschmerzen  (!)  hat,  soll  mau  es  mit 
der  Hose  eines  .Mannes  oder  Weibes  (braca  virili  sive  feminali)  reiben, 
dann  weicht  der  Schmerz.  --  Bauernfrauen  heften,  wenn  eine  Kuh  des 
Nachts  auf  dem  Felde  geblieben  ist.  eine  Sichel  in  die  Schwelle  (subli- 
minare),  damit  das  Tier  vor  den  Wölfen  sicher  sei. 

Kohlsamen,  in  Weihwasser  angefeuchtet,  ist  vor  den  Erdflöhen 
sicher. 


\     rgläubische  G«  br&u<  n  Mittelalter. 

Wenn  ein  Knabe  nach  der  Taufe  innerhalb  von  acht  Tagen  Btirbt, 
nehmen  abergläubische  Weiber  ein  Band  oder  ein  Stück  Holz  von  der 
Länge  des  verstorbenen  Knaben,  aberziehen  es  mit  Wachs  .für  einen 
Pfennig  and  beten  mil  gebeugten  Knien  vor  dem  Kruzifix,  bis  das  Holz 
verbrannt  ist     Was  Bie  dann  von  Gotl  erbitten,  erlangen  sie. 

Wenn  ein  Kind  (puer)  krank  ist,  legen  Bie  ea  auf  die  Schwelle 
des  Hauses  sjegen  die  Sonne  und  gehen  dreimal  herum  (faciunl  trea  ■  ircuitus  . 
indem  Bie  den   \  ers  sprechen: 

Du  bist  raeyn  Qeisch  and  meyn  Mut. 
Das  sey  dir  ?or  den  rechen  gut. 

Ferner,    einen    mit    einer    bestimmten    Krankheil    behafteten    Kuaben 

trauen  sie  zu  einer  sprudelnden  Quelle  und  baden  ihn  darin  (ex  hoc)  an 

drei  Tagen    vor  Sonnenaufgang    und    nehmen  von   dein   Wasser   etwas  mit 

und  tragen  den   Knaben  in  eine  Pferdekrippe,    die  sie  mit  dem   Wasser 

->en.  indem  sie  den   Keim  sprechen: 

Loß  dich  hing'  und  Ieber  von  dem  ripp, 
als  das   l'uiir  von   der  cripp. 

Ferner  Kinder,  die  häufiges  Erbrechen  haben,  legen  sie  auf  einen 
Zaun  (super  sepem)  und  lassen  die  ausgeltrorhene  Ma>se  von  den  Vögeln 
fressen:  dann   wird  das   Kind   gesund. 

Wenn  ein  Todkranker  kurz  vor  seinem  Ende  einen  Apfel  isst,  kann 
er  das  heil.  Abendmahl  nicht  aehmen  und  wird  verdammt. 

Wenn  jemand  in  einem  Hause  Btirbt,  so  taugi  <\>'v  Lein,  der  in  dem 
Hause  ist.  nicht  zum  Samen,  es  sei  denn,  dass  man  für  ein  Ei  anderen 
Lein  kauft  und  liinzutliut:  auch  tragen  sie  den  Lein  oicht  durch  die  Thür 
des  Gestorbenen,  sondern  durch  die  Hinterthür,  wenn  Bie  ihn  auf  den 
Acker  bringen  wollen. 

Worten  und  Schriften  wohnt  vieler  Aberglaube  inne.  Wenn  diese 
nach  Art  von  Segenswünschen,  Gebeten  oder  Beschwörungen  vorgebracht 
werden,  legen  ihnen  manche  Zauberer  Bolche  Krafl  bei,  dass  Menschen 
und  Tiere  dadurch  sterben.     So  heissl  es  von  einem  jüdischen  Zauberer1) 

im  Leben  des  heil.  Silvester,  dass  er  durch  das  blosse  .Mm In  von  Worten 

Stiere  getötet  habe,  indem  er  hinzufügte,  da»  kein  Mensch  jene  Worte 
hören  oder  jene  Schriften  sehen  könnte,  ohne  sofort  zu  sterben.  Deshalb 
habe  er  jene  Worte  lernen  müssen,  indem  sie  in  Weihwasser  geschrieben 
wurden,  wo  die  Buchstaben  beim  Entstehen  auch  gleich  wieder  vergii 
Einige  murmeln  diese  Worte  den  Pferden  in  die  Ohren  oder  hängen  sie 
ihnen  an  den  Hals,  um  die  Würmer  zu  töten. 

Sünde  ist  es,  wenn  Priester  den  Leih  Christi  um  ein  brennendes 
Haus  tragen.  —  Ein  Hufnagel  oder  ein  anderer  in  die  Wand  geschlagener 
Xa-el    oder    einer    unter    dem   Hufe    eines    schlecht    beschlagenen  Pferdes 


1)  Wilhelm  von  Paris,  Pars  IX,  Kap.  14. 


276  Hertel: 

wird    gebraucht,    um   Fäulnis  (putredinein,   Eiter)    hervorzurufen    "der   enfl 

e  auszuschlagen. 

Manche  glauben,  wenn  sie  Worte  des  heil.  Evangeliums  gesehriebet 
bei  Bich  tragen,  könne  ihnen  kein  Übel  zustossen,  sie  könnten  nicht  ge- 
fangen oder  verwundet  werden  oder  ertrinken.  .Mir  diesen  Worten  dürfen 
aber  keine  anderen  Zeichen  nls  höchstens  ein  Kreuz  aufgezeichnet  werden. 
—  Beim  Sammeln  von  Heilkräutern  sollen  keine  Besprechungen  oder 
Gebräuche  angewendet,  sondern  nur  d;is  Hebet  des  Herrn  gesprochen 
werden.  -  (her  Kinder  und  Kranke  darf  man  singen  (carrainare),  aber 
nichts  abergläubisches,  sondern  Heiliges;  denn  es  kommt  vor,  dass  aber 
einen  Apfel  oder  Gürtel  (lebete  gesprochen  werden. 

Einige  glauben,  dass  durch  15  Paternoster  15  Sünder  bekehrt  und 
15  aus  dem  Fegefeuer  erlöst  und  15  Gerechte  in  der  Gerechtigkeit  bestärkt 
werden.  Dem  heil.  Gregor  wird  zugeschrieben,  dass  in  jeder  Messe  eine 
Seele  aus  dem  Fegefeuer  befreit  und  ein  Sünder  bekehrt  wird. 

Mit  gewissen  Worten  und  Gebeten,  die  nicht  den  Vorschriften  Gottes 
entsprechen,  wird  eiu  Trank  geweiht,  der  haustus  sancti  Johann is 
heisst.  In  manchen  Gegenden  finden  bei  der  Hochzeitsmesse  Weihungen 
des  Weines  statt  und  Trinkgelage  (bibiciones)  in  der  Kirche,  als  ob  man 
im  Gasthause  wäre. 

Die  verschiedenen  Zeiten,  Jahre.  Monate,  Tage  werden  sorgfältig 
beobachtet:  die  einen  gelten  für  glückbringend,  andere  für  unglücklich, 
und  ebenso  wird  den  Namen  der  Tage  und  Monate  eiue  gewisse  Kraft 
beigemessen.  So  wird  der  Name  des  Tages,  an  dem  man  den  Donner 
zuerst  gehört  hat,  an  die  Wand  der  Häuser  geschrieben  zum  Schutze 
gegen  Blitzschlag.  Auch  Tag  und  Stunde  eines  Kampfes  (duelli)  wird 
angemerkt,  um  daraus  den  Ausgang  zu  erkennen.  Manche  Tage  sind 
günstig,  manche  ungünstig  für  den  Beginn  eines  Unternehmens,  mögen 
es  nun  die  sogen,  ägyptischen  Ta^e1)  sein  oder  andere,  wie  der  1.  Januar. 
Die  ägyptischen  Tage  gelten  für  unglücklich,  weil  an  ihnen  die  Ägypter 
mit  den  Plagen  heimgesucht  wurden.  Ebenso  gilt  der  Tag  der  un- 
schuldigen Kinder  (28.  Dezember),  ja  sogar  jeder  Wochentag,  auf 
welchen  jener  in  dem  Jahre  fällt,  für  unglücklich. 

Vorbedeutend  für  das  Glück  oder  Unglück  eines  Tages,  Monats  oder 
Jahres  sind  die  Handlungen,  die  jemand  zuerst  thut2),  z.  B.  wenn 
einer  beim  Aufstehen  aus  dem  Bette  zuerst  den  linken  Teil  oder  Fuss 
bewegt,  oder  den  linken  Schuh  eher  als  den  rechten  erfasst,  oder  das 
Kleidungsstück,  welches  er  zuerst  anziehen  muss.  verkehrt  und  nicht  richtig 
anfasst;  solche  Anfänge  eines  Zeitabschnittes  gelten  für  unglücklich. 


1)  Wilhelm  von  Paris,  Pars  IX,  Kap.  15. 
enda  Kap.  16. 


Abergläubische  Gebräuche  au     lem  Mittelalter.  277 

Wenn  einer  ein  NTest1)  findel  mir  dem  brütenden  Weibchen  oder  mit 
Jungen  und  es  bei  sich  verwahrt,  von  dessen  Hause  wird  Fruchtbarkeit 
und  0bertlus8  niemals  weichen.  AJte  Weiber  glauben,  dass  das  Finden 
eines  kleinen  Stückchen  Eisens  besser  sei  als  eines  grossen  Stückes 
Goldes  oder  eines  Hellers  als  einer  grossen  Münze  (obolus-nummus). 
Unglück  bringt  es,  wenn  man  auf  einen  Stier  oder  ein  Schaf  stösst, 
(ilück  dagegen,  wenn  man  einen  Wolf  oder  eine  Schlange  Dracher 
oder  Kröte  trifft.  Die  Barbaren  gehen  in  diesem  Unsinn  sogar  ».weit. 
dass  sie  jedes  Wesen,  welches  sie  an  einem  Tage  zuerst  treffen,  anb 
mag  es  auch  ein  Schwein  oder  ein  lluml  sein. 

Ein  aus  drei  gelegentlich  gefundenen  Nägeln  hergestellter  eiserner 
Ring  wird  mit   Erfolg  gegen  Krankheiten  getragen. 

In  einer  Stadl  <ler  Bamberger  Diözese  sah  der  Verfasser  ein  an  einer 
Bildsäule  hängendes  Kren/,  welches  die  Bewohner  der  Stadt  und  Um- 
gegend wegen  seines  Alters  allgemein  den  heiligen  Geist  nannten,  denn 
sie  glauben,  dass  mehr  Göttliches  (plus  nnminis)  in  alten,  als  in  neuen 
Bildern  sei.  Darum  sagen  alte  Weiber,  dass  Bilder  erst  60  Jahre  nach 
ihrer  Herstellung  Kraft  erhielten.  Darum  wurden  jenem  alten  Holzkreuz 
wegen  seines  hohen  Alters  viele  Wunder  zugeschrieben,  andrerseits  stand 
das  Sakrament  des  Abendmahls  nur  in  geringer  Ehre.  Sie  hatten  es  mit 
9  Überzügen  (Röcken,  tunicis)  bekleidet,  von  denen  6  aus  Seide  und  ."» 
aus  feinem  Leinen  (byssus)  waren:  diese  konnten  nur  unter  grosser  Gefahr 
weggenommen  werden. 

Nicht  minder  interessant  sind  die  in  der  andern  Handschrift  angeführten 
abergläubischen  Gebräuche. 

Manche  wollen  die  Zukunft  verkünden  aus  dem  Schwatzen  (garritus 
der  Vögel,  dem  Finge  oder  anderen  Bewegungen  derselben.  Diese  heissen 
auguria  (!),  zu  deutsch  wogelwicken2).  ■  Ander«-  sprechen  bei  den 
Götzenaltären  nichtswürdige  Gebete  und  bringen  unheilvolle  (funesta)  Opfer 
dar  (.der  erhalten  durch  Gebräuche  und  Feierlichkeiten  die  Antworten  der 
Dämonen:    diese  heissen  arioli,    zu  deutsch  alterwicken.  Andere  ans 

gewissen  Beschaffenheiten  und  Zuständen  von  Leichen  (ex  quibusdam  dis- 
posicionibus  et  habitudinibus)  in  Farbe,  Gestall  und  Lage  der  Glieder; 
diese  heissen  nigromantici,  deutsch  swertekunsten.  Andere  versuchen 
die  Zukunft  vorherzusagen  ans  dem  Niesen  und  dem  Springen  (?  saltu 
der  Glieder:  diese  heissen  salisatores.  deutsch  sprinckunsten.  Wenn 
nämlich  irgend  ein  Teil  der  Glieder  sieh  Bpringend  bewegt  hat  (salierit  . 
sagen  sie.  dass  irgend  etwas  besonders  Glückliches  oder  Trauriges  geschieht. 
—  Andere  prophezeihen  auB  Losen  (sortibus)  und  heissen  Bortilegi,  deutsch 
gheluckekunsten.  —  Wenn  mau  ein  Buch  öffnet,  glauben  sie  die  Zukunft 


1)  "Wilhelm  von  Paris,  Pars  IX.  Kap.  IT. 

2)  nd.  wicken,  zaubern,  wahrsagen,    wogelwicken  -  Vogelwicken. 


lern,  worauf  'las  Auge  zuersl  fällt,  zu  erkennen.  —  oder  wenn  ein 
Schuh  geworfen  and  gefragi  wird,  ob  der  Werfende  in  dem  Jahre  zu 
Hause  bleiben  oder  nach  auswärts  kommen  werde.  —  Andere,  die  aus 
den  Linien  der  Hand  wahrsagen,  heissen  ciromantici,  deutsch  hantwicken. 
andere  aus  dem  Knistern  (sonitu)  und  der  Gestalt  des  Feuers;  diese 
ii  piromantici,  deutsch  wuerwicken.  —  Andere  wollen  die  Zukunft 
erkennen  aus  dem  Beschauen  eines  Spiegels  (speculi)  oder  eines  Schwertes 
(spate)  oder  eines   Fingernagels. 

Manche  wenden  zqr  Abwehr  von  Krankheiten  gewisse  Sprüche  (vocalei 
prolaciones)  an  oder  Schriften  von  unbekannten  Worten  oder  von  bekannten 
Zeichen  (caracteribus),  die  sie  an  den  Mals  binden,  oder  Aufschriften  auf 
Äpfel,  oder  sie  stossen  einen  Hufnagel  (gunfum,  teutonice  hoefnagel)  durch 
eiuen  Zettel  gegen  den  Zahnschmerz. 

Bin  Überbleibsel  des  Götzendienstes  ist  die  göttliche  Verehrung  des 
Feuers.1)  Dahin  gehören:  Krleuchtungen  (illustrationes)  durch  Feuer 
oder  angezündete  Lichter,  das  Springen  durch  das  Feuer  oder  das  Hin- 
durchtragen der  Kinder  zum  Zweck  der  Gesundheit  u.  a.  Oder  sie  ver- 
brennen  Haare  und  Nägel   und  üben  andere  Gebräuche  mit  dem  Feuer. 

Besondere  Kraft  wird  den  Feuern  zugeschrieben,  die  am  Abend  vor 
Johannis  Baptistae  angezündet  zu  werden  pflegen.  Auch  hier  springen  und 
tragen  sie  hindurch  oder  gehen  um  das  Feuer  herum,  weil  sie  das  Feuer 
wie  *  i  ort  verehren. 

Zufällige  Begegnungen  werden  sorgfältig  in  acht  genommen. 
Wenn,  einein  auf  «lern  Wege  ein  Hase  oder  Schaf  begegnet,  so  gilt  das 
für  da-  Zeichen  eines  Unglücks,  glückbringend  dagegen  ist  es,  wenn  man 
einen   Wolf  oder  eine  Schlange  trifft. 

Wer  beim   Wandern  anstösst,  soll  nach  Hause  umkehren. 

Wem   Mäuse  das  Gewand   zernagen,  wird   Unglück  haben. 

Die,  welche  solche  Beobachtungen  anstellen,  heissen  augures,  deutsch 
wedderwi  cken. 

Die  einzelnen  Zeiten  sind  für  ein  Unternehmen  teils  glückbringend, 
reil>  unheilvoll.  Wenn  man  zu  einer  bestimmten  Stunde  zu  einem  Kriege 
oder  einer  Seefahrt  auszieht,  so  gerät  es  wohl,  zu  einer  andern,  so  missrät 
es.  Der  Montag  ist  Für  >l^\\  Anfang  eines  Unternehmens  unglücklich. 
Wenn  einem  am  .Montag  von  einem  Gläubiger  Geld  abgefordert  wird,  so 
zahlt  es  der  Schuldner  nicht,  weil  er  es  übelnimmt. 

Die  ägyptischen  Tage  gelten  bei  vielen  wegen  der  Plagen  für  unheilvoll. 

Auch  die  Anfangshandlungeh8)  gelten  für  bedeutsam. 

Kauf  leute  und  Gastwirte  und  andere  legen  dem  Preise,  den  sie  zuerst 
erhalten,    eine   besondere  Bedeutung  für  einen  günstigen  oder  ungünstigen 


1)  Wilhelm  von  Paris,  Pars  IX.  Kap.  :'>. 

2 :  Dieser  Abschnitt  stimmt  mit  dem  oben  S.  276  mitgeteilten  überein. 


abergläubische  Gebr Suche  aus  dem  Mittelalter.  279 

Verkauf    ihrer  Waren    bei;    auch    kommt    ea   auf  die   Person   des  Käufers 
dabei  an. 

Manche    verehren    den  Neumond,    indem    sie    sprechen    dieses    oder 

ähnliches: 

Biß  gud  welchome,  nuwer  maen,  bolder  aere, 
Mach  mir  myaes  gudes  raere. 

Dabei  zeigen  sie  ihm  die  offenen  Börsen  (bursa)  and  ihr  Geld,  oder 
schütteln  und  bewegen  es,  indem  sie  dadurch  Glück  für  den  Monat  zu 
erlangen  glauben  und  Vermehrung  ihrer  Reichtümer.  Den  Blond  nennen 
jene  Himmelskönig  (celi  regina  . 

Auch  gefundene  Sachen  haben  abergläubische  Bedeutung,  z.  B.  ein 
Vogelnest1).  Wenn  mau  ein  Vogelnest  findet,  die  Mutter  wegfliegen 
lässt,  die  Jungen  aber  behält,  so  bringt  dies  Glück  und  ein  solcher  wird 
lange  leben.  —  Ebenso  ist  der  Fund  von  einem  Eisenstückchen  verheissungs- 
voller  als  der  von  einem  grossen  Stück  (leides.  Besonders  der  Fund  einer 
N  ade  |  i>t  glückbringend. 

Manche  bewahren  in  ihren  Schränken  [?  servitiis)  einen  toten  Eis- 
I  (amiculam),  eingewickelt  in  seidene  Tücher  (pannis)  und  mit  goldenen 
Ringen  um  den  Hals,  weil  sie  glauben,  «iass  es  ihnen,  bo  lange  sie  diesen 
aufbewahren,  nicht  am  Unterhalt  (temporalia)  fehlen  wird,  und  das>  sie 
an  Wohlstand  und  Ehren  zunehmen.  Manchmal  wird  ein  solcher  toter 
Vogel  auch  unter  den  Altai'  gelegt,  wenn   Me^s,.  gelesen  wird. 

Auch  mit  dem  Kopfe  eine-  toten  Hundes  treiben  einige  Unfug 
zur  Erlangung  der  Gesundheit  oder  zu  anderen  Zwecken. 

Wieder  andere  glauben,  dass  gewisse  Geister  (numina  quedam)  die 
Sauser  besuchen  und  die  Gefässe,  die  sie  offen  oder  schlecht  zugedeckt 
gefunden  halten,  austrinken  und  essen,  und  sie  dann  wieder  füllen.  Wenn 
sie  aber  die  Gefässe  zugedeckt  und  für  sich  verschlossen  finden,  werden  sie 
beleidigt  und  es  droht  daher  dem  Haus.'  Unglück,  her  Verfasser  leitet 
den  Ursprung  dieses  Aberglaubens  davon  ab.  dass  die  Ungläubigen  ihre 
Gefässe  offen  halten  wollten  und  keine  Deckel  darauf  legten,  damit  sie 
zum  Götzendienst  geeignet  seien  und  damit  sich  Reptilien  (!)  wie  Mäuse, 
Wiesel  und  Eidechsen  darin  fingen,  weil  solche  den  bösen  Geistern  an- 
genehmer wären,  als  andere. 

Dies  sind  etwa  die  in  beiden  Handschriften  enthaltenen  abergläubischen 
Gebräuche.  Viele  von  ihnen  haben  sich  Ins  auf  unsere  Zeit  erhalten  und 
geben  dadurch  den  Beweis,  wie  fest  jene  uralten  Anschauungen  und  Ge- 
bräuche mit  dem  Leben  eines  Volkes  verwachsen  sind,  und  dass  es  keine 
Gewalt  giebt,  sie  auszurotten,  und  sollt.'  es  selbst  eine  so  grosse  sein,  wie 
sie  der  christlichen  Kirche  und  der   Wissenschaft  zu  Gebote  steht. 


1)  Wie  oben  S.  277. 
Mas;debur2;. 


• 


Kahn!!: 


Ruthenische  Hochzeitgebräuche  in  der  Bukowina. 


Mitgeteilt  von  Dr.  R.  Fr.  Kain<ll. 

(Vgl.  oben  S.  169.) 


II. 

Einen  ähnlichen  Verlauf  nimmt  die  Hochzeitfeier  bei  den  Ruthenen 
im  Flachland.  Man  vergleiche  Kaindl,  Die  Ruthenen  in  der  Bukowina.  L 
(Czernowitz  1881»).  Hier  mögen  daher  nur  die  meist  abweichenden  Lieder- 
texte mitgeteilt  werden,  welche  am  citierten  Orte  weder  im  Urtext  mit- 
geteilt noch  vollständig  angeführt  sind.  Sie  rühren  her  aus  dem  rusniakischen 
Dorfe  Slobodzia  Banilla  am  unteren  Czeremosz.  Ihre  Yergleichung  mit 
den  im  vorhergehenden  Abschnitte  mitgeteilten  ist  interessant. 

Beim  Nähen  des  Brautkranzes: 


„Podaj  inamko  holku 

Taj  nytoczku  z  szouku, 

Näj  pryszyju  try  lystoczki  barwinoczki 

Molodenky  na  holouku." 

„;,Oj  winczyku,  barwinczyku. 
Kupuwalam  tia  u  rynku, 
Zamykalam  tia  u  skrynku, 
Teper  tia  ruszu. 
Zaplakaty  nruszu."" 


-Müttereben  reich  die  Nadel 

Und  den  Seidenfaden, 

Dass  ich  drei  Blätter  Immergrün 

Dem  Bräutchen  näh  zum  Kopf  kränz.1" 

„„Ach,  du  Kranz  aus  Immergrün, 
In  der  Stadt  kauft  ich  dich, 
In  der  Truhe  barg  ich  dich, 
Jetzt  muss  ich  dich  räumen, 
Und  mein  Leid  beweinen."" 


Beim  Nähen  der  Hochzeitzier  für  den  Bräutigam: 


Czertene  more  hralo, 
Sonce  sia  kupalo, 
Molodyj  potopaje, 
Za  molodenkou  zahybaje. 

Dvva  pauny  zemliu  stoczyly. 
Dwa  bratezyky  u  misto  chodyly. 
Taj  szouczyku  nakupyly. 
Taj  winoezok  nakupyly. 

Dwa  kaezury  zemliu  stoczyly, 
Dwi  sestryci  u  misto  chodyly, 
Taj  pozlitky  nakupyly, 


Das  rote  Meer  tönet  (braust), 
Die  Sonne  badet  sich; 
Bräutigam  vergeht  vor  Sehnen 
Nach  der  Braut,  der  schönen. 

Zwei  Pfaue  stampften  die  Erde, 
Zwei  Brüderchen  gingen  nach  der  Stadt, 
Kauften  dort  Seide. 
Kauften  Immergrün. 

Zwei  Entriche  stampften  die  Erde, 
Zwei  Brüder  gingen  nach  der  Stadt, 
Kauften  das  Flittergold, 
Vergoldeten  den  Kranz. 


I  winoezok  nazlotyly. 

Wenn    dem    Bräutigam    das    Hemd    und   Schnupftuch    gebracht    wird, 
wird  am  Wege  dahin  gesungen: 


Oj  iszla,  iszla,  neutomyla  sy, 
Sita  pid  duba,  zaholyla  sy, 

Sila  pid  duba,  taj  chechechocze, 

Do  mene  chiopei,  bo  my  sia  eboczy, 


0  sie  ging,  ging,  ermüdete  nicht, 
Setzte  sich  unter  den  Eichenbaum  und 

entblösste  sich, 
Setzte   sich  unter  den  Eichenbaum  und 

kicherte: 
Zu  mir  Bursche,  weil  ich  Besehren  habe. 


Ruthenische  Hochzeitgebräuche  in  der  Bukowina. 


Oj  icha,  icha  Pentelyicha, 
Chepenke.  prypinke,  bida  z  horicha, 
Dajty  my  micha  ne  dirawoho, 
Zrobiu  warn  chlopcia  kuczerawoho. 


[ick  aus  der  S 
erlöcherten  Back, 

So  mache  ich  euch  einen  lockigen  Knahen. 


Beim  Bräutigam  angekommen,  wird  gesungen: 


Oj  czy  wy  swaty  w  lisi  rosiy, 
Bzczo  wy  ne  zuajete,  czo  my  pryjszly, 
Oj  my  ne  pryjszly,  tut  noezuwaty, 
Lysz  my  pryjszly,  tut  pohuliaty. 
Oj  prosym  my  was.   ne   barite  nas, 
Szczo  nasze  diio,  widradite  nas. 

Auf  dem  Wege  in  die  Kirche: 

Kuda  my  sia  wyradzajem, 
Czy  w  lis,  czy  \v  dibrowu, 
Ani  w  lis.  ani  w  dibrowu, 
Lysz  do  Bczoho  domu. 

( )j  ne  more  toto  hraje, 

Mnlndenka  potopaje. 

Taj  na  diediu  pokiykaje: 

..Oj  neriku,  ty  mij  neiiku, 

Ratuj  mene  z  moria." 

_..To  ne  moja,  synku,  wolia; 

Ale  toho  synku.  pana, 

Szczo  z  nym  budesz  sliubok  brala."" 

Auf  dem  Wege  aus  der  Kirche 

Hej  my  w  cerkwi  buh', 
Bohu  sia  moJyiy, 
Taj  Bohowy  nebesnomu; 
I  popowy  napastnomu, 
A  diakowy  bezczasnomu, 
Palamarewy  smarkaczewy. 

Hej  my  w  cerkwi  buly, 
Szczos  my  tarn  wydily 
Dwa  winoczki  na  prystoli, 
Moloderikym  na  holowi. 

Bei  Ankunft  der  Braut  vor  ihr« 

: :  Wyjde  nene  protyu  mene  : : 
Z  pleczenymy  kolaczamy 
I  z  dobrymy  wolyczkamy. 
Czomu  nene  ne  wychodysz, 
Czomu  mia  sia  ne  pytajesz, 
Czy  daleko  my  chodyly, 
Czy  harazd  tarn  my  hostyly? 
Harazd,  nenko,  harazd, 
Daly  slubok  zaraz. 


Seid  ihr,  Vater,  im  Wald  aufgewachsen, 
Dass  dir  nicht  u  isset,  warum  \\  ir  kau 

( )   wir   kamen   nicht,    hier  /u   nachten. 

Sondern  wir  kamen,  uns  zu  unterhalten. 
O  wir  bitten  euch,  haltet  uns  nicht  auf, 
Lassei  uns  unser  Vorhaben  ausführen. 


Wohin  geht  die  Kei.se  heut. 
In  den  Wald  and  Hain  so  weit? 
Nicht  zum  Hain  und   Wald  ihr  Leute, 
In   die    Kirche   ziehn   wir   heute. 

Ach,  es  tiint  das  Meer  nicht  so, 
Das  Bräutchen   weint   vielmehr. 
Ruft  den   Vater  an  im  Schmerz: 
„Liebes  trautes  Vaterherz, 
Rette  mich  aus  diesem  Meere." 
...Wenn  dies.    Kind,   mir  möglich   wäre; 
Das   häng!   ab    V  OH    jenem   Herrn. 

Der  dich  wird  zur  Frau  begehren."" 


Aus  der  Kirch"  wir  wiederkehren, 
Beteten  zu  Gott,  dem  Herren. 
Zu    dem   Herrn,   der   uns   erschallen: 
Dankten  unserm  schlimmen  Pfaffen, 
Auch  dem  Kirchensänger  trotzig, 
Und  dem  Kirchendiener  rol 

Aus  der   Kirch'    u  ir  gehen, 

Haben  dort  gesehen 

Kränze  zwei  auf  dem  Altare, 

Dann  aufgesetzt  dem  jungen  Paare. 

r  Eltern    Hause: 

::  Komm  lieb  Mutter  mir  entgegen  :: 
Mit  Kolatschen  schön  geflochten 
Und  mit  gutem  Willen. 
Willst  du  mich  denn  nicht  begi 
Willst  von  mir  du  gar  nichts  wi 
Ob  von  ferne  wir  gelangen, 
Wie  es  uns  dort  ist  ergangen? 
Trefflich,  Glück  hab  ich  erschauet, 
Gleich  hat  man  mich  angetrauet. 


Kaindl: 

Beim   Einziehen  in  das  Haus: 
Nasza  moioda  wid  Slubn  pryjszfa,  Jetzt  kommt  die  Braut  von  der  Trauung 

K  stolowy  nawertaje:  Und  wendet  sich  zum  Tische: 

„llrj  stoie,  Btote,  rozhiko  moja,  „Tischehen,  Tischchen  mein,  es  onus 

geschieden  sein. 
Meni,  neneczko,  z  tobou."  Von  dem  Mütterchen  mein.': 

Oj  /.ilv.  Äitv.  barwinkom  wije,  Ach  ein  grosses  Leid  zieht  durchs  Immer- 

grün, 

Ne  kalynka  sia  tomyt,  Nicht  die  Schneeballstaude  knickt, 

Molodenka  Bia  kionyt,  Den  Abschiedsgrass  nickt  vielmehr  die 

Braut. 
Witcewy,  matyronci.  Denn  sie  zieht  vom  Vater,  von  der  Mutter. 

Beim  Auflegen  des  Handtuches  auf  den  Kopf  der  Braut: 

P.ile  pokrywaio,  Weiss  ist  die  Umhüllung  dein, 

Wicznc  zawywaio;  Ewig  wird  sie  sein: 

Oj  budesz  ho  zawywaty,  Wirst  damit  dich  stets  umgeben. 

I  nikoty  ne  skydaty.  Immerdar  durchs  ganze  Leben. 

Heim  Abschied    der  Braut    von    ihren  Eltern  vor  dem  Weggeben  mit 

dein    Bräutigam: 

Oj  ne  tuzy  moja  mamko  za  mnoju,       Traure  nicht  nach  mir,  lieb"  Mütterchen, 

heute. 
Ta  ne  wse  ja  zaberaju  z  soboju:  Denn  nicht  alles  schaff  mit  mir  ich   bei 

Seite: 
Lyszaja  ty  dribni  slozy  po  stoiu,  Lasse  zum  Danke  heisse  Zähren  im  Hause. 

Szcze  dribnijszi.  zalibnijszi  po  dworu.     Noch  heissere  Thränen  aber  da  draussen. 

Beim   Eintreffen  der  Braut  vor  dem  Hause  der  Schwiegereltern: 
Oj  ntwory  mylyj  swaty  wikonce,  Öffne  Heber  Swat  das  Fenster  vor  Wonne 

Wedemo  ty  newistoezku  jak  sonce;       Denn  wir  bringen  die  junge  Frau  gleich 

einer  Sonne: 
Oj  ntwory  myla  nenko  worota,  Lass  liebe  Mutter  das  Thor  öffnen  der 

Holden, 
\\ 'ezemo  ty  newistoezku  jak  z  zlota.      Ihr,  die  wir  bringen,  der  Goldnen. 
Oj  ntwory  mylyj  swaty  siu  chatu,  Schnell  die  Riegel  vom  Hause  entfernet. 

Wezemo  ty  newistku  rohatu.  Denn  wir  bringen  die  junge  Frau  euch 

gehörnet  (!). 

Beim    Einzug   in  das  Haus: 

Hopa.  hopa,   hop;i-  Hopp,  hopp,  hopp, 

Ne  zahubjt  kodasza,  Verliert  nicht  den  Kodasch1), 

Ro  nasz  kodasz  ne  welyczkyj.  Denn  unser  Kodasch  ist  nicht  gross. 

Ta  wsadyu  sia  do  mebiyczky.  Doch  drängt  er  sich  zur  Müllerin, 

A  melneczka  dobra  bula.  Diese  war  aber  gut, 

Koho  liubyt,  wse  zabula.  Wen  sie  liebt,  sie  vergisst's. 

1)    Aus    dem    Rumänischen    (von  cauda)  =  der  Letzte.    Dämlich    der   letzte,   jüngste 
Burseh  im  Zuire. 


Ruthenische  II  brauche  in  der  Bukowina. 


Am  dritten  Hochzeitstage  singen  die  Gäste  vor  Erscheinen  des  jungen 
Ehepaares: 
Zu  wse  nam  dobre,  rysz  odno  hydno,     Alles  war  gut,  nur  eins  ans  verdrii 


Bzo  molodial  tutk\   De  wydno. 
Dem  Brautführer: 

Oj  u  pole,  pole  staweszczy, 
Z.iuia/atv  druzbu  wuzyszczem. 

Ta  za  szczo  joho  zwiaznly? 
Szczo  wzian  X.  X.  will  raamy. 

l'ni  die  junge   Frau  zu   necken: 
Poncciilczyku.  zradczyku, 
Zradyu-jes*  nam  diwoezku, 
Wczera  bula  u  winoezku, 
A  sehodnia  w  rantuszoezku. 


Vor  der  Einladung  zum   I 

Oj  stawleno,  postawleno, 
Lyszeri  nas  ne  proszeno, 
Szczoby  my  jily,  pyly, 
Brecznu  woliu  robyly. 
Sej  dim  weselyly  .... 

Byjte  kotoezke  u  labky, 
Do  zapicznoji  babky, 

Szczoby  sia  dohadaia. 
Nam  peezeni  data  .... 


ijssen: 


man  ila-  junge  Pürchcn  verrais 

Im  Feld  ist  ein  Teich. 

Man  fesselte  den   Brautführer  mit  einem 

Rutenbund. 
Wofür  hat  man  ihn  gebunden? 
Weil  er  die  X.  \.  von  der  Mutter  nahm. 

( >  Montag  '  .  du  Verräter, 
Hast  uns  das  Mädchen  verraten; 
1  restern   war  es   im   Kranz. 
Beute  sclmn   im    Handtuch. 


Speis  und  Trank  ist  hingestellt, 

Doch  es  an  der  Bitte  fehlt, 

Dass  wir  Durst  und  Bunger  stillen, 

Und  bezeugen  nnsern  Willen. 

Dieses  Haus  mit  Freud  erfüllen  u.  s.  w. 

Schlag!  dem  Katzchen  auf  die  Pfötchen, 
ünserm  alten  Küchenmädchen, 
Dass  sie  sich  doch   mög  erbarmen. 
Braten   reichen  uns  den  Annen  u.  s.  w. 


III. 

Auch  die  Hochzeit  bei  den  Gebirgsruthenen  Huzulen)  nimmt 
in  den  Hauptzügen  denselben  Verlauf.  .Mau  vergleiche  Kai  ndl.  Die 
Huzulen  (Wien  1893).  Hervorzuheben  ist,  dass  bei  diesen  Ruthenen  keine 
bestimmten  Hochzeitlieder  gesungen   werden. 

Hier  folgen  zunächst  Hochzeitgebräuche  aus  dem  Huzulendorfe  Ploska 
am  Putillabache. 

Zur  Brautschau  (obzorynie)  geht  der  Vater,  der  Sohn  und  ein  Freund. 
Haben  diese,  nachdem  sie  in  ein  Haus  gekommen  sind,  ihre  Absicht  merken 
lassen,  so  schenken  sie  von  dem  mitgebrachten  Branntwein  ein  und  bieten 
das  Gläschen  den  Eltern,  dann  dem  Mädchen  an.  Trinken  diese,  so  gilt 
dies  als  Zeichen  der  angenommenen  Werbung.  Hierauf  wird  sogleich  das 
..Jawort"  getrunken  (slon:<>  zapywaty). 

Die  Vorbereitungen  zur  Hochzeit  geschehen  wie  anderwärts.  Sie 
rinden  in  beiden  Häusern  statt,  nur  bei  Armen  wird  sie  in  einer 
Wohnung:  zusammen   abgehalten.     Als  Trauzeugen  werden  °;ern  die  Tauf- 


1)  Die  Hrautnacht  findet  zumeist  \         :  statt. 


•_'s  |  Kaindl: 

paten  der  Brautleute  gewählt  l>i<-  Einladungsformel  für  die  Gäste  lautet: 
,Es  verneigen  sich  euch  (grüssen  euch)  der  Vater  und  dio  Mutter  der 
Braut  {kniahynia  moiodqja,  d.  h.  junge  Fürstin),  auch  wir  verneigen  uns 
und  bitten,  dass  Ihr  nicht  verschmäht,  zur  Hochzeit  zu  uns  zu  kommen." 
Die  (iästf  bringen  Geschenke,  and  /.war  Butter,  Speck,  eine  Schussel  voll 
Getreidekörnern,  zwei  geflochtene  Kolatschen,  Tücher  und  Handtücher  für 
die  Braut.  All«-  diese  Gesehenke  zusammen  heissen  kolacz,  wahrscheinlich 
weil  das  Wichtigste  derselben  der  Brotkuchen  ist.  Deshalb  sagen  die 
Gäste  beim  überreichen  der  Geschenke:  „Wir  bitten  auf  Kolatschen"; 
und  die  Antwort  «larauf  lautet:  „Wir  danken  schön:  möget  Ihr  so  prächtig 
und  ansehnlich  Bein,  wie  Eure  Kolatschen." 

Am  Vortage  der  Hochzeit  wird  der  Kranz  genäht.  Jede  anwesende  Frau 
näht  ein  bis  zwei  Blätter.  Ist  er  fertig,  so  wird  die  Braut  auf  folgende 
Weise  zum  Empfange  desselben  eingeladen:  „Wir  bitten  Söhnchen  (!) 
anter  den  Kranz;  von  uns  klein,  von  Gott  berühmt  und  gross.1'  Dabei 
wird  zunächst  der  Kopf  dreimal  mit  dem  Kranze  berührt,  und  dann  dieser 
erst  aufgesetzt.  Der  Braut  pflegt  man  auch  das  Gesicht  mit  Honig  zu 
bestreichen,  damit  ihre  Zukunft  süss  sei.  Nach  der  Aufsetzung  des  Kranzes 
bewirtet  die  Braut  die  Gäste  mit  Schnaps  und  wird  von  ihnen  beglück- 
wünscht. Dann  gehen  alle  in  den  Hof  und  tanzen  dort.  Hierauf  begeben 
sich  wieder  alle,  die  Braut  mit  sich  führend,  ins  Haus.  Hiervon  hat  diese 
Sitte  den  Namen  zawodyui,  Heimführung  (za/codyty  =  hineinführen).  Beim 
Bräutigam  findet  die  Feier  ganz  ähnlich  statt.  Auch  ihm  wird  ein  Kranz 
auf  die  .Mütze  gesetzt.  Diese  mit  dem  Kranze  gezierte  Mütze  nimmt  er 
vor  niemandem  ab  und  behält  sie  auch  bei  Tische  auf;  denn  er  ist  nun 
kniaz  (Fürst).  Der  Bräutigam  schickt  an  diesem  Abende  zur  Braut  und 
diese  zu  ihm  eine  Botschaft,  ohne  dass  diese  Geschenke  an  Kleidungs- 
stücken  überbrächten.  Ebenso  sind  ähnliche  Geschenke  au  die  Anver- 
wandten hier  nicht  Regel.  Die  Hochzeitbäumchen  werden  dagegen  auch 
liier  für  die  Braut  und  den  Bräutigam  geschmückt.  Man  schneidet  sie 
vormittags  in  glücklicher  Stunde,  damit  Gott  das  junge  Paar  vor  bösen 
<  reistern  schütze. 

Die  Trauung  findet  am  Donnerstag  oder  Sonntag  statt,  und  zwar 
immer  am  Vormittag  zur  glückbringenden  Zeit,  zum  Schutz  gegen  böse 
Geister  and  Zauber.  Wenn  die  Braut  das  Haus  verlässt,  um  zur  Kirche 
zu  reiten,  giesst  sie  hinter  sich  ein  Glas  Wasser  aus,  damit  das  Glück  wie 
sser  komme.  Die  Brautleute  haben  an  ihrer  rechten  Hand  kleine,  aus 
getrocknetem  zähem  Käse  gemachte  Ringe  befestigt  (Kolatschen);  ausser- 
dem hängen  ihnen  um  den  Hals  gewöhnliche  Brotkolatschen  über  den 
Mantel  herab.  Die  Braut  bindet  diesen  mit  dem  Handtuch  um,  das  am 
nächsten  Tage  dazu  dient,  ihren  Kopf  nach  Weiberart  zu  umwickeln.  Auf 
dem  Ritte  zur  Kirche  beobachtet  man  allerlei  Vorzeichen.  Schlechtes 
AVetter    deutet    auf    böses  Schicksal:    entweder   stirbt  einer  der  Ehegatten 


Rathenischc  11  rauche  in  <  1  <  i-  Bukowina. 

bald   oder  das   Eheglück  \\ iri  1  auf  eine  andei  tört.     Manche  - 

.  dass  auch  die  Kinder,    Enkel   und  Urenkel  unglücklich  würden  und 
die  Nachkommenschaft  das  siebente  Glied  nichi  erreichen  werde.    ßb< 
weissag!    man  Unglück,    wenn    der  Braut  der  Kolatsohen,    welchen  sie  am 
Tuche    um    den    Hals    befestig!     trägt,    herunterfällt    oder    gar    zerbricht 
Während    des    ganzen    Rittes    muss    sie    schweigen.     Sobald    sie    bei    < !«-r 
Kirche    den    Bräutigam    erblickt,    begrüsst    sie    ihn,    mit    dem   Kolatschen 
winkend.     Er  gieb!  ihr  einen  leichten  Schlag  mit  der  Peitsche,  zum  Zeichen, 
dass  er  nun  die  Herrschaf!   über  sie  ergreift.    Welches  von  den  Brautleuten 
früher  die  Kirchenschwelle  überschreitet,  wird  im  Hause  die  Oberherrschaft 
führen;  ebenso  welches  zunächs!  den  Teppich  vor  dem  Altar  betritt      Die 
Braut  soll  bei  der  Trauung  (vrinczanjt     ein  Stück  Zucker  im  Busen  tra 
damit    ihr    immer    süss    sei.     Beugt    die  Kraut   bei  der  Trauhandlung  den 
Kopf  unter  das  Evangelienbuch  und  fällt  ihr  hierbei  der  Kranz  herab,    so 
ist    dies    ein    Unglück    verheissendes  Vorzeichen.      Dasselbe    bedeutet    die 
Begegnung  eines  Leichenzuges  bei  der  Kirche.     Der  Verlust  des  Trauri 
zeigt  den  nahen  Ted  an.     Nachdem  die  jungen  Leute  die  Kirche  verl 
halten,    giebt    der  Bräutigam    der  Braut  wieder  einen  Schlag.     Nun  bitten 
beide    ihre  Gäste    zum   Besuche    und    verteilen    an    diese   sogleich  die  am 
Halse  hängenden  Kolatschen. 

Die  Braut  eilt  zunächst  nach  Hause,  wo  sie  von  ihrer  Mutter  und 
ihrem  Vater  empfangen  wird.  Jene  gieb!  ihr  Eonig  zu  kosten;  diesei 
reicht  ihr  Brot  und  Salz.  Der  Bräutigam  kommt  etwas  später,  ohne  zuvor 
sein  Elternhaus  aufgesucht  zu  haben.  Jetzt  findet  der  Austausch  der  K 
kolatschen  statt:  Der  Bräutigam  bindet  den  von  der  Braut  erhaltenen  an 
Beine  Hand,  sie  den  von  ihm  bekommenen  an  die  ihre.  Der  Bräutigam 
A<'\\  Uruder  der  Braut  von  «leren  Seite  mit  der  Peitsche  weg  und 
giebt  ihr  zum  drittenmale  einen  Schlag.  Bei  Tische  trinken  die  Brautleute 
einander  zu:  dann  küssen  sie  -ich  dreimal,  und  die  Braut  gieb!  dem 
Bräutigam  Speise  in  den  .Mund. 

Der  Bräutigam  bringt  sein  Hochzeitbäumchen  mit.  So  lange  er  im 
Bause  der  Braut  weilt,  stehen  beide  Bäumchen  auf  dem  Tische. 

Die  weiteren  Vorgänge  sind  den  oben  S.  L65 ff.  beschriebenen  in  den 
Hauptzügen  gleich. 

Am  Schlüsse  noch  einige  Bemerkungen  über  hierher  gehörige  Gebräuche 
ans  der  Ortschaft  Saden  im  Suczawathal.  Wenn  der  Zug  der  Braut  zum 
Hause  ihrer  Eitern  gekommen  ist,  bleiben  die  Gäste  vor  dem  Hausestehen, 
werden  hier  mit  Getränken  bewirtet  und  tanzen  wohl  auch.  Sodann  wird 
jedem  geehrten  Gaste  ein  Kolatschen,  >\>r  an  einem  Handtuche  hängt  und 
an    dem    überdies    ein    buntes  Tüchlein   mit  einer  Bchöm  a  S  1  ge- 

heftet ist.  mit  dem  Handtuche  um  den  Hals  .     Indem  'dann 

alle  die  Hände  reichen,  begeben  sie  sich  ins   Ihm-. 

21  > 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde,     lyul. 


II  UitVrll: 

Nach  der  Verehelichung  i>r  das  Weib  anrein,  „weil  Blut  floss".  Sic 
nniss  sich  daher  in  die  Kirche  zum  sogen.  „tavioidu  begeben.  Die  Frau 
n  diesem  Zweck«1  aber  ihr  Kopftuch  den  Brautkranz;  der  Mann 
kommt  in  der  mir  einem  Sträusslein  geschmückten  Pelzmütze,  die  er  als 
Bräutigam  trug.  Vor  der  Kirchenthür  beten  sie  bis  der  Priester  kommt 
and  sie  hineinführt,  um  über  ihnen  zu  liefen  und  sie  mit  Weihwasser  zu 
besprengen. 

Ebenso  ist  das  Weib  nach  dem  Kindbette  unrein  und  wird  erst  durch 
•  ■ine  ähnliche  kirchliche  Ceremonie  aus  diesem   Zustande  befreit. 

Schliesslich  halten  sich  die  huzulischen  Weiber  auch  während  de* 
menses  für  unrein  und  glauben,  während  dieser  Zeit  in  die  Kirche  nicht 
gehen  zu  dürfen.  So  erzählte  dem  Berichterstatter  ein  Pfarrer  folgenden 
Fall.  In  der  Georgskirche  zu  Suczawa  liegt  bekanntlich  die  Mumie  des 
Landespatrons  der  Bukowina,  des  hl.  Johannes  Novi.  Zu  derselben  strömen 
fast  das  ganze  Jahr  hindurch  fromme  Pilger,  besonders  ist  dies  aber  am 
Johannestage  (14.  Juni),  an  welchem  der  grosse  Ablass  stattfindet,  der 
Fall.  Aus  weiter  Ferne  kommen  an  diesem  Feste  die  Wallfahrer,  um  am 
Grabe  des  Heiligen  zu  beten.  Unter  diesen  befand  sich  vor  einigen  Jahren 
eine  Huzulin,  welche  aus  ihrem  fernen  heimatlichen  Dorfe  kommend,  von 
der  Krankheit  überrascht  worden  war.  Da  sie  es  für  eine  Sünde  hielt,  in 
diesem  Zustande  in  die  Kirche  zu  gehen,  so  wandte  sie  sich  in  ihrer  Ver- 
zweiflung an  den  Geistlichen,  um  ihn  um  Rat  zu  fragen.  Diesem  gelang 
es  erst  dadurch  sie  zu  bewegen,  in  die  Kirche  zu  gehen,  dass  er  ihr  er- 
klärte, die  Sünde,  welche  sie  dadurch  begehen  würde,  solle  auf  ihn  fallen. 

Czernowitz  in  der  Bukowina  (Osterreich). 


Das  deutsche  Spottlied  auf  die  Flucht  des  Königs 
Heinrich  von  Polen.     1574. 

Mitgeteilt  von  Adolf  Hauifen. 


Als  der  letzte  jagelionische  König  von  Polen  Sigismund  II.  August  am 
7.  August  1572  gestorben  war.  musste  der  polnische  Adel  das  bis  dahin  nur 
theoretische  Recht  der  Königswahl  nun  thatsächlich  ausüben.  Verschiedene 
Bewerber  bemühten  sich  um  die  frei  gewordene  polnische  Königskrone. 
Endlich  wurde  am  15.  Mai  1573  Heinrich  von  Anjou,  der  zweite  Sohn  der 
Königinmutter  von  Frankreich  Katharina  von  Medicis  zum  König  von  Polen 
gewählt.  Diese  Wahl  erregte  in  Deutschland  namentlich  in  protestantischen 
Kreisen  Erbitterung    und  Spott,    weil  Heinrich    hier   wegen  seines  Anteils 


Das  deutsche  Spottlied  auf  die  Fluchl  des  König    *on  Polen. 

an    den  Greueln    der    Pariser  Bartholomäusnacht  157"_'    allgemein    verhasst 
war.     So  wurde  Bchorj  auf  die  Wahl   Heinrichs  ein  Bpottlied  gedichtet: 
.. Dass  die  Pollacken  Narren  Beindt 
Erweis!  ihr  jüngste  Wahl  gar  fein"  u.  s.  w. 
(24  Reimpaare  abgedruckt  im  Anzeiger  des  germanischen  Nationalmuseum 

Heinrich  kam  am  26.  Januar  1574  nach  Krakau,  beschwor  die  Pacta 
conventa  und  wurde  am  L5.  Februar  gekrönt.  Er  fühlte  Bich  in  Polen 
Behr  unglücklich,  wie  in  der  Verbannung,  and  sehnte  sich  glühend  nach 
Paris  zurück.  Schon  nach  wenigen  Monaten,  am  13.  Juni,  erhielt  er  die 
Nachricht,  dass  sein  Bruder  König  Karl  IX.  am  30.  Mai  gestorben  und 
dass  ihm  hierdurch  die  Krone  Prankreichs  zugefallen  Bei.  Nun  dachte 
Heinrich  nur  noch  an  die  Heimreise.  Seine  Umgebung  Buchte  ihn  zu 
halten,  er  müsse  noch  die  Verhältnisse  ordnen,  noch  Beinern  jüngeren 
Bruder  Franz  von  Alencon  die  Nachfolge  auf  dem  polnischen  Thron  sichern 
u.s.w.  Heinrich  hörte  nicht  darauf.  In  der  Nacht  v..m  16.  auf  den 
17.  Juni  floh  er,  nachdem  er  Bich  kostbare  Juwelen  des  Kronschatzes  mit- 
genommen, wie  ein  tjbelthäter  aus  dem  Schlosse  zu  Krakau  und  beeilte 
Bich,  da  er  verfolgt  wurde,  die  österreichische  Grenze  zu  erreichen.  Da 
er  das  Jahr  vorher  bei  den  deutschen  Fürsten  die  Zeichen  einer  feind- 
seligen Stimmung  deutlich  bemerkt  hatte,  wählte  er  jetzt  den  Weg  über 
Wien  und  Oberitalien  nach  Frankreich,  wo  er  erst  im  September  ankam.1) 

Die  im  höchsten  Grade  würdelose  Flucht  Heinrichs  aus  Polen  erregte 
natürlich  allgemeines  Missfallen  und  laute  Schadenfreude,  die  am  kräfti 
in  einem  deutschen  Spottlied  zum  Ausdruck  kam. 

Wir  kennen  dieses  Spottlied  bereits  in  einer  jüngeren  Fassung,  in 
dem  sogen.  Ambraser  Liederbuch  1582  Bibliothek  >\<^  litterarischen  Vereins 
Bd.  12,  No.  152).  Ich  halie  nun  die  ältere  und  vollständigere  Fassung  in 
einem  Flugblatte  gefunden,  da-  in  einem  Mischbande  der  Münchener  Hof- 
und  Staatsl.ildhdh.de  (4°.  L.  eleg.  m.  7:-}o)  mit  dem  „Oflfenlichen  Aus- 
schreiben", dem  deutschen  Keveille  matin  und  anderen  Schriften  der  Jahre 
1574  und  1575  zusammengebunden  ist.  Das  Flugblatt  Belbsl  i>t  ohne 
Datum,  aber  sicher  bald  nach  dem  behandelten  Ereignis,  also  wahr- 
scheinlich m>ch  157  1  gedruckt  wm-den.  Da-  dieses  von  einem  unbekannten 
Verfasser  herrührende  Lied  viel  gesungen  und  rasch  volkstümlich  geworden  ist. 
ergiebt  sich  daraus,  dass  die  um  acht  Jahre  jüngere  Fassung  des  Ambraser 
Liederbuches  um  zwei  Strophen  weniger  und  zahlreiche  grössere  und 
kleinere  Änderungen  aufweist  Da-  Münchener  Flugblatt  hat  Druckfehler 
und  Versehen,  so  dass  einige  der  Ambraser  Lesarten  vorzuziehen  sind. 
Die  Melodie,  nach  «1er  das  Spottlied  gesungen  wurde:  ..Was  wollen  wir 
auf  den  Abend  thun"  war  sehr  beliebt;  und  ihres  parodistischen  Charakters 
wegen  dem  Texte  gut  angepa 

1)  Vgl.  u.  a.  H.  Martin,  Histoire  de  France 

•2)  Vgl.  Erk-Böhme,  Deutscher  Liederhort  3,  So.  1120. 


Hauffe.n: 


Die  Anfangsworte:  Pomey,  Pomey  Bind  vielleicht  eine  Verballhornung 
des  polnischen:  Pomagaj  Hilf!  Es  pflegen  ja  auch  sonst  deutsche  historische 
Lieder  mit  dem  Ausruf  „Hilf"  odei   „Helft«  anzuheben. 

Ich  gebe  oun  den  Münchener  Text  mit  den  wichtigeren  Varianten  der 
Ajnbraser  Passung.  Das  Münchener  Plugblatt  hat  nur  zwei  Blätter  in  Quart: 
La 


vom  grollen  lob 


Ein  Bchftn  New 
zierlich  Lied 
vnd  rühm  der  Polen  |  wie  sie  jren 
weit  vnnd  hochberümptcn  König 
erwöhlt  ;  vnd  wie  er  das  König- 
reich  widerumb  verlassen   hat. 
(Bildnis  Heinrichs 
Im  Thon. 
Was  wollen  wir  auf!  den  Abend  thun  | 
schlaffen  wollen  |  K. 


[lb] 


1. 


Pomey,  Pomey  ihr  Polen. 

Gott  grüß  euch  allzugleich, 

Ewern  Konig  l'ollt  jhr  holen, 

So  fern  in  Franckenreich, 

Darumb  ruft  dich  fein 

Yerkaufft  den  Ochsen,  behalt  die  Schwein. 

.luch  hoi'cha  hobo  dey! 


Die  Raut  die  war  euch  bitter,  ' 

Der  adler  dir  gram, 

Darumb  fchickt  jr  auß  ewer  Ritter 

Vnd  manchen  Edelman 

Mitt  grol'l'em  pracht  vnd  prallen 

Eweren  Konig  in  zu  hollen. 

Juch  .  .  . 


Darumb  laß  dichs  nicht  verdrießen 

Und  mach  dich  auff  die  fart, 

Ir  werts  wol  geniefl'en 

Bey  euwers  König  zart. 

Kr  il't  gar  mild  vnd  lobenswert, 

Gab  euch  ein  Elel  für  ein  Pferd 

Juch  hofcha  hobo  dey. 


Wie  il't  euch  nun  gerahten 

Der  junge  Königes  Mann. 

Der  lb  vil  Ritterlichen  thaten 

Zu  Pariß  hat  gethan. 

Danek  habt  jr  ftoltzen  Polil'chen  Knaben. 

Ein  folchen  König  wolt  jr  haben 

Juch  .  .  . 


Il't  das  nicht  groffe  l'ehande. 
Euch  Polen  allzugleich, 
Das  jhr  in  difen  Landen, 
Darzu  im  Römifchen  Reich, 
Nicht  wußten  einen  Herren 
Der  ewer  König  l'olt  werden 
Juch  .  .  . 


Ewer  König  leßt  euch  bitten 

Zu  einem  abendt  tantz 

Vnd  thut  euch  freundtlich  l'chicken 

Von  Lügen  einen  krantz, 

Daran  l'olt  jr  Polen  riechen, 

Ewer  König  thut  lieh  bald  kriechen 

Juch  .  .   . 


Anin-rk.:  Di-  Zahlen  über  den  Strophen  und  die  Interpunktion  rühren  von  mir  her. 
\uth  sind  im  Original  die  Verse  nicht  abgesetzt.  Amb.  hat  1,  4f.  .ruft  euch  zu,  fchmiert 
die  fclmh,  |  verkannt  den  ochfen,  behalt  die  kuh.«  In  1,5;  2,  lf.  steht  oben,  wie  mir 
scheint,  mir  irrtümlich  die  -2.  Pers.  Sing.:  Amb.  bat  hier  überall  richtig:  euch.  V.  4,  2 
adler  nach  Amb.:  im  Manch.  Flugblatt  steht  irrtümlich  alter.  Gemeint  sind  hier  die 
Wappenbilder  der  übrigen  Bewerber,  die  durch  die  Lilie  Frankreichs  (V.  6,  4)  verdrängt 
wurden.  Mit  dem  Adler  spielt  das  Lied  auf  den  Kaiser  Maximilian  II.  an,  der  den  poln. 
rn  für  seinen  Sohn  Erzherzog  Ernst  erworben  hätte.  V.  5,  3 f.  Anspielung 
auf  di-  Parisex  Bluthoclueit,  August  1572. 


1  las  deul  sehe  Sp  ittlied  auf  >li     I  von  Polen. 


7. 
Nun  tanzt  ihr  Polnifchen  knaben 
Zu  Crackaw  aulT  der  \ 
Den  König  wollt  jhr  haben, 
Der  war  der  aller  beft. 
Drumb  baben  mit  acht,  balt  gute  wacht, 
Das  euch  der  König  nicht  entweich 
Ihr  miiit  jetzt  dien  brey  für  fiibh) 
Juch  .  .  . 

2a 
\\ rie  fchmecken  euch  die  Braten, 
Darzn  der  küle  Wein? 
Sind  das   nicht   lanie  zotten, 
Ihr  feind  gefchlaffen  ein! 
Darüber  ii't  ewer  König  entrannen, 
Die  Polifche  Krön  mit  lieh  genommen 
Juch   .  .   . 


Ein  fprichwort  bey  den  alten 

Hat  man  geredt  auffa  best, 

Für  ein  fauler  Vogel  wirdt  der  gehalten. 

Der  befcheißt  fein  eigen  Neft, 

Alfo  hat  ewer  König  gethon, 

Ein  gut  lob  hat  er  nach  gelan. 

Juch  .  .  . 

10. 

Darum b   rath   ich   euch  Polen, 
Euch   allzusamen  gleich, 
Thut  ewern  König-  holen. 
Ziecht  mit  in  Franckreicb, 

Waget  leib  vnnd  darzu  Gut, 
Wehret  ewerm  König  fein  vbermuth 
Juch  .  .  . 


Darumb  thut  euch  Gefeilen 
All  bey  den  Teutfchen  bau  ff, 
Thut  euch  zufammenftellen 
Vnnd  ziehet  mit  hinnauff. 
Da  iit  fo  mancher  redlicher  Mann. 

Der    Leib    \  ml 
Juch    .   .   . 

L2. 
Wer  boI  euch  nun  bekla 
w  ei  I  der  liebe  <  rott, 
[r  müßt  euer  lebenlang  trag 
Den  Bon  vnd  auch  den  fpott 
Di«    Polen  haben  iich  volgefoffen, 
Darüber  ii't  jr  König  entloffen 
Juch   .   .   . 

13. 
Ewer  König  beut  euch  ein  gute  nacht. 
[r  Polen  allzugleich, 
Hat  lieh  bey  zeit  daruon  gemacht, 
llt  wider  in  Franckreich, 
Die  Polifche  Krön   mit  lieh  genommen. 
Ein  Schaubhut  folt  ir  wider  bekommen 
Juch  .  .  . 

1  I. 
Der  \  ns  das  Liedlid  erftmal  fai 
Fein  will  gelungen  bat, 
In  Sachfen  ii't  er  wol  bekant 
In  einer  freyen  Statt. 
Die  Polen  feind  I 
Der  Vogel  ift  ja  entpfl 
Juch  hol'cha  hobo  dey. 
Ende. 

Aninerk.:   V.  7,  7   ist  überschüssig.     In  Ami»,    laute!  Strophe    überhaupt  fasl 

Kau/,  anders.    Strophe  8  u.  9  fehlen  in  Amb.  ganz.    V.  8,  6  Anspielung  darauf,  dass  Heinrich 
Edelsteine    der  Krone    mitgenommen    hat.    V.  13  ibhul    in  Amb.  fchaftshut,    wa 

falsch  ist.    Der  Schaubhut,  der  schlichte  Strohhut,  als  Kopfbedeckung  der  einfachen  I 
•wird  zur  Krone  in  Gegensatz  gestellt. 

Werlins  Liederhandschrift  vom  Jahre  1646  (München  bring!  mir  einer 
abweichenden  Melodie  nochmals  die  erste  Strophe  unsere.  Spottliedes 
wieder  mit  neuen  Lesarten  (V.  5  f.  Nun  ruft  dich  bald  und  fchmiert  die 
Schuh,  verkauft  den  Ochfen  und  die  Kuh).  Vgl.  Erk-^öhme,  Deutscher 
Liederhort  2,  No.  299. 

Prae. 


290 


Bach 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lnsern  im  wälschen 

Südtirol. 


Vom  Karaten  Josef  Bacher 
Vgl  oben  XI.  180.) 


-1.    Dar  Peatar  Supf. 

In  an  >tröa\;  säin-da  gawest  zwna 
puabla  vo  Ggalnets,  bö-da  hä'm  y -hat 
töat  di  müatar.  un  dar  vätar  is  g*ki;art 
zo  boräta.  Di  stiafmüatar  is  gawest  a 
z'nixta  un  hat  g-tänt  vil  ]</z^s  <>n  kindar. 

In  an  tägy  dls-^  kindar  sain  vonnänt 
un  sain  kent  pa  Las  äuvar,  un  bäl-sa 
sain  gawfst  /.'  iJbrost,  ha'm-sa  g<?vunt<?t 
a  tiav.^s  lox,  un  nidar  na  dlsan  lo\  is- 
da  g-'wrst  a  °;rpasar  ler\.  un  sf1  sain-s<? 
gwgit  in  untar  dfsan  ler\  un  sain  se'm 
g^stant  drai  tüga. 

Balamän  hä'm  -  sa  g,?hat  an  saülan 
hünar.  iis-sa  nemcar  hä'm  g-nnögg.  „Ben". 
h<vm-sa  köt  disa  kindar,  's-is  pösar,  as- 
bar  ster'm  vo  hünar,  bas  zo  giana  hüam." 
Ma  dar  hünar  is  herta  kent  mearar,  un 
das  jun  hat  köt:  ..'s-is  pesar,  as-bar  spriio^n 
nidar  da.  bas  zo  sterha  vo  hünar."  „Ja", 
hat-'s  köt  das  alt.  „sprio-bar  nidar:  ma 
spris  du  vorS,  ombrtim  sa-no  du  sprisst 
not."  -Ben".  hat-*s  köt  das  jun.  ..i  han- 
da  a  suaD:  §st  hän-bar-as  a  ppadd  b/t- 
nandar,  un  du  sprißst  vora  un  zi:- 
m-  na  mi  ö.a  Un  asÖ  ha'm-sa  gatant, 
un  bal-'s  s  -t  zu  spriioa,  hat-'s  köt 
das  ah:  „Peatar  supf!"  un  das  jun  hat 
g^spert  di  gagn  un  hat  ge't  an  supf  an 
prüadarl^.  un  .sain  gasprußß  pöad'  l>.t- 
nand.r  pa  lox  nidar:  ma  tpat  sain  -  sj 
net  gestaut. 

ßal-da   di  Ggalnets  r    hä'm   gewarnt, 

gge  da  veln  di  kindar  sain-sa-s^  gant  to 
süuxa  un   hä'm-sa  gavuntat  z'  üntwst  m 

lox,  un  se'm  di  kindar  hä'm-an  köt,  bäs- 
sa  hä'm  köt.    un  dena  sain-s^  g^storb4. 

Un  vö  dansei  tag»  an  ansei  lox  hä'ni- 
s'-an  härta  köt:   Dar  Peatar  Supf. 


•_'7.    Peter  Schupf. 

Einmal  waren  zwei  Küblein  von  Cal- 
donazzo,  die  ihre  Mutter  tot  hatten,  und 
der  Vater  hatte  sich  wieder  verheiratet 
Die  Stiefmutter  war  bös  und  that  den 
Kindern  viel   Übles. 

Eines  Tages  entgingen  diese  Kinder 
und  kamen  (über)  den  Las  herauf,  und 
als  sie  zu  ober^t  waren,  fanden  sie  eine 
tiefe  Schlucht,  und  drunten  bei  dieser 
Schlucht  war  ein  grosser  Lärchenbaum, 
und  sie  begaben  sich  unter  diese  Lärche 
hinein  und  blieben  dort  drei  Tage. 

Mit  der  Zeit  hatten  sie  einen  schreck- 
lichen Hunger,  (so)  dass  sie  (es)  nicht 
mehr  (aushalten)  konnten.  ,, Wohlan-, 
sagten  diese  Kinder,  .,es  ist  besser,  dass 
wir  sterben  vorHunger,  als  heimzugehen:- 
Allein  der  Hunger  wurde  immer  grösser, 
und  das  junge  (Büblein)  saute:  -Es  ist 
besser,  da  hinabzuspringen,  als  vor  Hunger 
zu  sterben."  -Ja",  sagte  dasalte.  „springen 
wir  hinab:  aber  springe  du  voran,  denn 
sonst  springst  du  nicht."  -Gut",  sagte  das 
juntje.  ..ich  habe  da  ein  Seilchen;  jetzt 
hängen  wir  uns  beide  miteinander  an,  und 
du  springst  voran  und  ziehest  mich  auch 
nach."  Und  so  thaten  sie,  und  als  das  alte 
zu  springen  (bereit)  war,  sagte  es:  -Peter 
schupf!^  und  das  junge  schloss  die  Augen 
und  gab  dem  Brüderlein  einen  Schupf,  und 
sie  sprangen  beide  miteinander  in  die 
Schlucht  hinab :  j  edoch  tot  blieben  sie  nicht. 

Als  die  Bewohner  von  Caldonazzo  be- 
merkten, dass  die  Kinder  abgängig  seien, 
gingen  sie  zu  suchen  und  fanden  sie  zu 
unterst  in  der  Schlucht,  and  dort  sagten 
ihnen  die  Kinder  alles,  was  sie  gethan  und 
gesagt  hatten,  und  darauf  starben  sie. 

Von  jenem  Tage  an  nannte  man  jene(s) 
(Loch)  Schlucht  stets:  Peter  Schupf. 


Von  dem  doul  tirol.  291 

Bemerk.:  Anlass  zu  die  er  Sage  gab  -  reiche  aal 

zwischen  Caldonazzo    and  Monter  vere    lo  ch    dein    ■ 

ahnenden  Wanderer  ;.  •      v  Schluchl    wen    fühl 

N am >  11  „öggsnwEga"    Ochsenweg     und    man    gelang!    durch   einen  ^  nach    dem 

schon    erwähnten  Montaruf   and    hat    dann    den    beschwerlichen    \  '■■■ 

überwunden.     Moni  ruf  isl  ein  gern  besachtes  einfaches,  landliches  Gasthaus,    von  wo  aus 
man  bequem  auf  ebener  Strasse  in  5        das  Dorf  Luslrn  erreich! 


28.    Das  arm  Nöb^l  . 

In    an    -tröav    sain  -  da  g<\\  gst 
müatar.    lY>ad  <  hä'm  gahal  a  kiita  kindar, 
un  an  an  sünta  ha'm-sa  galat  dahüam  di 
/.«na  £ltarstn  diarnla  ggan  kindar,  wo-sa 
hä'm  gahat  in  da  wiag  .  an  sf  sain  _ 
gga  mis. 

OD 

Di  diarnla,  inveza  bäs  zo  stlana  se  m 
ggan  kindar,  sain-sa  gant  aus  af'n  w 
z    spila.     Un  se'm  nämp   »n  w§g 
hä'm  gasptlt,  is-da  gawest  a  venstar  vön- 
ar  stuba  vön-ar  andarn  famildsa,  on  disa 
diarnla    sain    gant    an    sain  g  kräblt  pa 
äisandar  von  venstar  au  un  hä'm  _ 
in  <m  da  stüba. 

Balamäfi)  ha'm-sa  s 
lata  mänl  >  betn  här  gga  p<  rg  •  an  bet-ar 
kurzan  prüax  un  bei  waisan  hosan  an 
hrt-an  loatn  ggorpetla  an  hei -an  haspl 
in  da  liiint  gian  nidar  an  an  pa  sti  I".  un 
bal-'a  is  gawfst  nämp  n  venstar  hat-  - 
ag  •lavt  di  kindar.  Un  disa  kindar  hä'm 
ztiagasäug  t  an  mänl'.  fin-as-da  pala  sain 
kent  di  müatar  vo  mis.  Balamaia  sain-  n 
kint  ,'ii  sint  di  kindar.  un  sa  sain  gant 
hü  am. 

In    bal-da    sain    kein    di  müatar  v<> 
mis,  hä'm-s'an  köt,    bas-sa  hä'm   . 
un  di  müatar  hä'm-'s  köt  -  n  andarn  laut, 
un  di  andarn  hä'm  köt,  ggi  wesl 

das  arm  Nöbala,  ombröm  bal-'s  is  g  w§si 
ti'.at.  is-'s  g  »wesl  \  -  i  so. 

Di  laut,  bo-da  sain  g,  stant  an  hau-. 
-  sa  hä'm  gasegg  's  Nöbala,  hä  m-  s 
not  gawölt  gl^a'm.  On  an  an  mal  \±- 
-  -sa  nidarg  legg  /.'  sliava  a  töxtar  von 
patru  un  a  spüsa.  Un  di  tö\tar  is  lai 
antslaft,  un  di  spüsa  hat  ga] 

Balamaia  hat-sa  gahgart  gian  p    - 

au  an  man,   un  sT  hat  gasaug  t  un  (hat 
gasejjg    si    ö    di'za    mänla,    un    si    hat-ar 


I '  le. 

Einmal  waren  zwei  Mütter.  Beidehatten 

eine  Schar  Kinder,   und  an  ein«  m  Boni 

Hessen    sie    zu  Bause  die  zwei  ältesten 

Mädchen     bei     den    Kindein.     weicht 

in   der  Wiege   hatten,    und   si  zur 

Mess 

Die  Mädchen,   anstatt  bi  i  den  Kindern 
zu  bleiben,  gingen  hinaus  auf  den  \R 
zu  spielen      Und  dort  nahe  dei      ' 
wo  sie  spielten,    war  ein  Fenster  einer 
Stube,  (die  einer  andern  Familie 
und  diese  Mädchen  gingen    hm    und  kro- 
chen an  den  Eisenstangen  des  Fensl 
hinauf  und   schauten   in  die  Stube  hinein. 

Nach  einiger  Zeil  sahen  sie  ein  kleines 
hinkendes  Männlein  mit  gesträubten  Haa- 
ren in  kurzer  Böse  und  weissen  Strümpfen 
und  rotem  Gilet  und  mit  einem  Haspel  in 
Ai'i]  Händen  auf-  und  abgehen  in  derSti 
und  als  e.s  nah«  d<  m  Fensti  i  war.  lachte  .  ä 
die  Kinder  an.  Und  diese  Kinderschauten 
dem  Männlein  zu.  ■ 

von  der  Messe  kamen.    Da  endlich  kamen 
ihnen   die  Kinder   in  den  Sinn,    and 
n    heim. 
Und     als    die    Mütter    kamen    von   der 

M,...  die  Kinder  .   wa 

hen  hätten,  and  die  M  ten's 

den  andern  Leuten,  und  die  andi  ! 

las  versti 
denn   als  es  tot   v 

|  );.      1..    Ute,    dil      IUI    llalis.      Wohnten.    Wo 

de-     Kr  ä  ■  In  " 

hatten,    wollten    es    nicht  glauben. 

gten     sich    ein. 
{\c<   Hau  und    eine  Gattil 

schlafen.     Und  die  Tochter  schliel 
ein.  und  die  Gattin   bi  ;■ 

Da  hörte  sie  einen  Mann  in 
auf;  [und  ah;  gehen,    und    sie 
und  auch  sie  sah  dieses  Männlein,  un 


l</kt     ii   köpf,   un  's  nianl-   is  gant  Uli 
ti  .it-.n     gazögai     pari     l;iil<\ar   uu    Bi    hat 

ii'i    n  v&tar  vm  sain  >|)ü-.  as-ar 

•  in  is.  an  dar  v&tar  is 
gant  ji  ga  an  bal-d'ar  is  g  w$st  af  »Ii 
im  vö  dar  stüba,  's  Nöbala  is  gaspruBB 
Öbar  's  p- t  bi  un  (h)ai  g  vaxm  an  köpf 
vö  dar  to\tar  un  bat-sa  gazögai  ctbar  's 
p<;t  nidar.  Un  di  diarn  hat  ge't  an  sr^a, 
un  's  Nobala  is  lai  vorswüntat. 


deckte  sich  den  Kopf  zu,  und  das  Männ- 
lein ging  bin)  und  zog  (ihr)  an  den  Lein- 
tüchern, und  sie  rief  dem  Vater  ihres  Ge- 
mahls, dass  er  komme,  um  nachzusehen, 
wer  dort  sei,  und  der  Vater  kam  und  als 
er  an  der  Stubenthür  war,  sprang  das 
Nöbele  über  das  Bett  hin  und  fasste  den 
Kopf  der  Tochter  und  zog  sie  über  das  1  Jen 
hinunter.  Und  das  Mädchen  that  einen 
Schrei,  und  das  Nöbele  verschwand  sofort. 


Aus  züa  Mi  lan98  dar  patrü  von  haus 
is  gant  zo  perga  an  Bisala  er  un  ala  saina 
laut  ;ius  vö  dar  töxtar  an  vö  dar  spüsa. 
Balamau  ^n  an  mal  hä'm-sa  widar  ga- 
höart  gian  pa  stüba  au  un  se  hä'm  ga- 
saugat  un  (b)am  widar  gasegg  s  Nob4a, 
un  sa  hä'm-an  untargadekt  an  köpf,  un 
altfra  's  NSbala  hat  ge't  drai  nistln  betn 
haspl  dar  spüsa,  un  dena  is-'s  gant. 

In  tä'  darna  säin-sa  augastant  disa 
zwya  laut  un  di  spüsa  hat  darwist  an 
wega  un  is  gant  zo  perga  un  hat-'s-ar 
köt  säindar  swigar,  un  sal  swigar  hat-'s- 
'ii  köt-an  patrfl,  un  er  hat  gavaiaw  an 
wfga  un  is  kent  an  lant  un  is  gant  ggan 
faf  un  hat-'s-m  köt  als,  bas-da  is  ga- 
segat  sain  laut,  un  lai  hat-ar  g^saft  drai 
misan  vor  's  Nöbala,  on  vo  dansei  mal 
aus  hä'm-sa-'s  nemear  gasegg. 


Gegen  den  Frühling  zu  ging  der  Haus- 
herr auf  die  Ahne  ins  „Wieseleu  und  alle 
seine  Leute  ausser  der  Tochter  und  der 
Gattin.  Da  eines  Abends  hörten  sie  wieder 
über  die  Stube  gehen  und  schauten  und 
sahen  wieder  das  Nöbele,  und  sie  deckten 
sich  den  Kopf  zu,  und  da  gab  das  Nöbele 
drei  Streiche  mit  dem  Haspel  der  Gattin. 
und  dann  ging  es. 

Am  folgenden  Tage  standen  diese  zwei 
Leute  auf,  und  die  Gattin  machte  sich 
auf  den  Weg  und  ging  auf  die  Ahne  und 
sagte  es  ihrer  Schwiegermutter,  und  ihre 
Schwiegermutter  sagte  es  dem  Haus- 
besitzer, und  er  machte  sich  auf  den  Weg 
und  kam  (heraus)  ins  Dorf  und  ging  zum 
Priester  und  sagte  ihm  alles,  was  seinen 
Leuten  geschehen,  und  zugleichordnete  er 
dreiMessen  fürs  Nöbele  an,  und  seit  jenem 
Abende   hat  man's    nicht  mehr  gesehen. 


29.    's  k  i  n  on  dar  wurm. 

En  an  strö^ax  is-da  gawest  a  müatar 
hrt-an  kin  VÖ  zwöa  jär  nidar  >n  da  ro- 
völt  von  Pöläz. 

Un  an  an  mal  bat-s'an  ge't  a  hülza 
süsala  drin  b<d  pult  un  milx  disan  kin 
un  hat-'s  g  »legg  aus  afn  wega  z'  esä 
diza  kin.  Un  balamam  di  müatar  hat-'s 
art  re'n  's  kin.  un  si  hat  galüsant 
un  hat  gahöart  disa  wört:  „Papäuggnö- 
Lla  ö,  net  äla  mila!u  an  lai  hat-'s  ga- 
jukt  betn  löfl  afn  köpf  von  wurm. 


L'n  di  müatar  hat  gasaugat  un  is  dar- 
sräkt  un  is  gant  un  hat  g^nump  's  kin 
un  (h)at-'s  nemear  gasozt  afn  wega  z'  esa. 


29.    Das  Kind  und  die  Schlange. 

Einmal  war  eine  Mutter  mit  einem 
Kinde  von  zwei  Jahren  drunten  in  t\cn 
Gewölben  der  (Familien)  Pauläz. 

Und  (einmal)  eines  Nachmittags  gab  sie 
(ihm)  dem  Kinde  ein  hölzernes  Schüssel- 
chen, worin  Pult  und  Milch,  und  setzte 
(es)  das  Kind  hinaus  auf  den  Weg,  um 
(dort)  zu  essen.  Nach  einiger  Zeit  hörte 
die  Mutter  das  Kind  reden,  und  sie  horchte 
und  hörte  diese  Worte:  „Iss  auch  Knöll- 
chen  (Bröcklein)  auf,  nicht  bloss  Milch!" 
und  dabei  schlug  es  mit  dem  Löffel  auf 
den  Kopf  der  Schlange. 

Und  die  Mutter  schaute  und  erschrak 
und  ging  und  nahm  das  Kind  und  hat  es 
nicht  mehr  an  den  Weg  gesetzt  zu  essen. 


Ymi  dem  deutschen  Grenzposten  Lu  ern  im  -  Südtirol. 


30,      -  -  lal  -   k  in.  ' 

Be'ra  in  '  laut  i's-ila  gaw$st  a  waibla, 
wn-ila  is  gant  Mi  an  tag-  aus  az  velt  to 
ärbata  an  hat  nag  nump-ar  das  jü  Barste 

kin.     WO    8 1     lial    g  hat.     lai    in   d  •   w  ■ 
an  (h)at  agdieft   to  arbata.     Sa  is  herta 

gant    \  iiisn  'U    ,i:-l»atant'    un   |  li  al    nemcar 

umgasaugat,  wäs-da  tfiat  s  kin.  Bai  b«j 
hat  -'hat  garift  is  sa  gant  widrüm  (b<>- 
drum)    un    (h)at  _  von  km.     Ma 

dar    srak,     WO    s-     hat    g-vaim     is    _ 
is,    ambro m    sai    kin    is  nemcar 
west  dasei,    ambröm  das  sai  kin  is 
wfst    aas    dar    stianarstn    von    laut,    un 
das-sel,  wo  sa  hat  gavuntat  an  da  w 
is    gawfst     a     saülas,     's     hat-   n     ii'äuna 
mear  g-dixt;    ma  liiiam  hat-sa-as  gamöxt 
träg'n    als    u.is.     Mn    la   pasiön  is  herta 
kent    urnasar,    ombrüm    si     hat    darkont. 
(gge)  's  kin    is   plint.     Un    si  un  ala  di 
laut    hä*m  gagl^abat  un  glya'm   ii"   haut. 
gge   da    hat-'s-ar   argataust    a  stria  aus 
az  velt. 


Da       ■  1 1 au -i  hte  K  i od. 

Dorfe  war  ein   v- 
lein,  das  eim  nufs  Feld  hh 

2  zu  arbeiten,  und  ßie  nahm  da 
Rind,  das  sm  hatte,  nur  so  in  di  r  Wiege 
mit    sich.     Als   sie  aaf  dem  Acker  war, 
setzte  sie  die  Wii  r  und  i'n .„ 

zu  arbeiten,  sie  ging  stets  weiter  bei 
der  Arbeit  und  sah  sich  nicht  mein-  am, 
was  das  Kind  mache.     Sobald  sie  fertig 

orden  war, ging  sie  zurück  und  sei 
vom  Kinde  nach.    Jedoch  der  Schrecken, 

den  sie  erhielt,  war  gr088,  da  ihr  Kind 
nicht  mehr  dasselbe  war.  denn  ihr  Kind 
war  eine.s  der  schönsten  des  Dorfes,  und 
jene-,  das  sie  in  der  Wiege  vorfand,  war 
ein  hässliches,  es  hat  ihm  nicht  einmal 
mein-  gleichgesehen;  jedoch  heimtra 
musste  sie  es  dessenungeachtet.  Aber  das 
Leid  wurde  immer  grösser,  denn  sie  er- 
kannte (entdeckte  .  dass  d  is  Kmd  blind 
sei.  Und  sie  und  alle  Leute  glaubten 
und  glauben  noch  heute,  eine  Bexe  habe 
es  ihr  auf  dem  Felde  draussen  vertauscht. 


31.    a  striarats  kin. 

Ma  hat  g  gl^abat  un  gl^abat  aö  haut 
von  an  waiba,  wo-da  is  gant  tu  pötla, 
gge  to  lasa-'s  rörtgian  äna  ggaril 
epas  lezas  an  haus.  A  sd  epas  l's-da 
vörkent  in  a  haus  un  di  laut  ggontarn- 
s  nö  haut;  das-sel  is  gawfst  a  so: 

In  an  sunta  antanto  dar  -röasan 
mis2)  is  gant  diza  waiba  -<n  a  haus  un 
(h)ät-da  g-wuntt  a  waiba  pet-an  Julian 
km.     Se  hat  gavörst  epas,  a~we  si  herta 


31.    Bin   verhextes  Kind. 

Man    hat    geglaubl   und  glaub!   noch 
heute  von  einem  Weibe,  das  betteln 

gangen     i8t,    dass.     wenn     man    es    ohne 

Alumnen  fortgehen  lässt,  etwas  Übles  im 
Hause  sich  ereigne  So  etwas  kam  vor 
in  einem  Bause,  und  die  Leute  erzähl» 

mich  heut'':  das  war 

An  einen;  Sonata-  während  de-  I  ! 

amtes  ging  dieses  Weib  in  ein  Haus  und 
fand  da  ein  Weib  mit  einem  kleinenKinde. 

Sic    bat    um    etwas,    wie    sie  stets  that; 


1)  Die  Nummern  30  bis  einschliesslich  33,    dann  die  Melodien  in   IM    Kinderiieder 
und -Sprüche)  2,  3,  5,  7,  ferner  einige  Nummern  in  IV  (Meinungen,  Brauche  and  Spi 
venhmke  ich  dem  Luserner  Mädchen  Josefa  Gasperi,  einer  nahen  Verwandten  der  zn  Be- 
ginn  der  Luserner  Geschichten   erwähnten  Ursula  Gasperi,   welche   den  weiten 

Anteil  an  dem  Zustandekommen  der  vorliegenden  Sammlung  hat.     Einige  Sprüi 
besonders  No.  2(55    der  Abteilung  IV    vermittelte    mir  jenkommender  V 

Oberlehrer  an  der  deutschen  Staats-Volksschule  in  Trient,  Namens  Matthäus  Nicolussi  aus 
lius&n,  welcher  einst  dem  unvergesslichen  Dr.  [gn.  Zingerie  als  junger  Schüler  bei  An- 
fertigung des  Lus.  Wörterbuches  behilflich  war.  Eine  Lehrerin  in  DeutechtiroL  Mana 
Gasperi,  Schwester  der  Ursula,  hat  für  die  Abteilung  IV  auch  dankenswerte  Beiträge 
geliefert. 

2)  grg'asa  mis  =  gesungene  Messe,  auch  Amt  oder  Hochamt  genannt 


._,,,, 


Bacher: 


bat    gatant;    ma    's    waibj    hät-ar    ni\t 

ombröm    saüw    swlgam 

swfg  arlaüt    bä'm  vörtgahat  ala  di  -liisl- 

ilar1  .    Bal-sa-'a  ar  hat  köl  disarn,    i's-sa 

ganl  7.on\ '  un  is  gant  mürmlan  >  aus  pa  tür. 

Vort  as->  i-  g'??t  hat  a^-lirft  to 
,sräiga  's  kin  un  to  ridla  sa  aus 
wöata.  D'  arm  müatar  hat-s-  pr^pio 
gas§gg  Inail-.  si  is  nemear  gawest  gÄat 
t<>  swoaga-'s  In.  Si  bat-sa  provart  aL3), 
ma  als  hat  n i  v t  g 'helft. 

's  kin  is  dena  an  a  pär  täga  gastorbat, 
an  si  hä'ra  ge't  di  sult  an  waiba  un  kö'n, 
ä   >\<  :t  a  stria. 

Un  dnpo  äs-da  is  gasegat  d^rsel  ggäso, 
we-s->  ;'iiuia  kemat  hündart  vert  af-an  tag?, 
ab  di  hündart  vert  göbatn-s'-ar,  bäs-sa 
vörst,  umbriim  im-ii  andarn  nimp-'s-an 
niamat  aus  von  köpf,  ke:s  kin  is  gastorbat 
pegn  dar  stria. 


allein  das  Weib  konnte  ihr  nichts  geben, 
weil  ihre  Schwiegereltern  alle  Schlüssel 
fort  hatten.  Als  sie  es  dieser  sagte, 
wurde  sie  zornig  und  ging  murmelnd 
zur  Thiir  hinaus. 

Als  sie  fort  war,  fing  das  Kind  an  zu 
schreien  und  sich  zu  winden  vor  Schmer- 
zen. Die  arme  Mutter  wusste  sich  gar 
nicht  zu  helfen,  sie  war  nicht  mehr  im- 
stande, das  Kind  zu  beruhigen.  Sie  ver- 
suchte alles,  alter  alles  half  nichts. 

Das  Kind  starb  dann  in  ein  paarTagen, 
und  sie  gaben  die  Schuld  dem  Weibe 
und  sagen,  es  sei  eine  Hexe  gewesen. 

Und  seit  diesem  Vorfalle,  wenn  sie 
auch  hundertmal  im  Tage  käme,  aile 
hundertmal  gäben  sie  ihr,  was  sie  ver- 
langt, denn  ihnen  redet  es  niemand  aus, 
dass  das  Kind  wegen  der  Hexe  gestorben 
sei. 


32.    Di  pöa(d)n  d^ggän;. 

Dar  daggäno  vö  Leva  is  gant  an  an 
str^ax  tu  vena  an  daggäno  vö  Persan. 
St/m  bä'm-sa  garedat  von  wetar,  un  dar 
daggäno  vö  Leva  hat  köt,  d'-ar  is  gdat 
to  maxa  herkeiuan  a  säüla  wetar  un 
darsei  vii  Persan  hat  köt,  gge  er,  äs-ar 
bil,  is-ar  guat  tu  mäxa-'s  saurn  als  an 
sain  hol-4).  D^r  d'ggäno  vö  Leva  hat-'s 
net  gawölt  glpa'm  un  is  gant  hüam.  Dar 
daggäno  vö  Persn6)  hat  köt  dena  ggan 
mesnar:  „Sau6),  das  earst  wölkanla, 
bo-du  sl'st,  ai-mar  to  rtiava  subito!" 


32.    Die  beiden  Dekane. 

Der  Dekan  von  Leviko  ging  einmal 
den  Dekan  von  Pergine  zu  besuchen. 
Dort  redeten  sie  vom  Wetter,  und  der 
Dekan  von  Leviko  sagte,  er  sei  imstande 
ein  schreckliches  Gewitter  heranziehen  zu 
machen,  und  jener  von  Pergine  sagte,  er, 
wenn  er  wolle,  sei  imstande,  den  ganzen 
Bagel  in  seinen  Hof  (Platz  vor  dem  Hause) 
kommen  zu  machen.  Der  Dekan  von 
Leviko  wollte  es  nicht  glauben  und  ging 
heim.  Der  Dekan  von  Pergine  sagte  dann 
zum  Mesner  (Küster):  „Schau,  sobald  du 
das  erste  Wölklein  siehst,  komm,  mich  zu 
rufen  sogleich!" 


1)  Das  Weib  konnte  also  die  Kästen  und  Truhen,  worin  die  Speisevorräte  verwahrt 
waren,  nicht  öffnen,  um  davon  der  Bettlerin  etwas  zu  geben. 

2  Der  Ausdruck:  's  kin  ridlt-sa  äu  vo  wiata,  oder:  dar  w.'ata  ridlt-'s  au  's 
kin  wird  besonders  von  den  Erscheinungen  der  Krampfanfälle  bei  Kindern  und  Erwachsenen 
gebraucht . 

:;  Diese  Redensart  wird  stets  so,  also  mit  Auslassung  des  Hauptwortes  gebraucht  in 
der  Bedeutung  alle  Mittel,  oder  alles  anwenden.  Ähnlich  ist  auch:  i  hän-ar  provärt 
ganoa  =  ich  genug  ausgehalten,  zu  erdulden,  zu  ertragen  gehabt. 

4  d.  h.  i  r  si  i  imstande  v.n  bewirken,  dass  der  Hagel  nur  auf  den  Platz  beim  Pfarr- 
hause niederfalle  und  nicht  die  umliegenden  Felder  verheere. 

ut  Persan  hört  man  häutiger  Pers  mi,  wobei  dann  das  e  gedehnt  klingt. 

6  Mit  dem  Worte  „sau"  beginnt  ■wieder  einmal  ein  eigentümlicher  Satzbau,  wie  solche 
in    anderer  Form    schon    mehrfach   in  den  bisher  mitgeteilten  Sprachproben  (Geschichten) 

kommen  sind. 


Von  dem  deutschen  <  !r<  n. 


Kur/'  zail  iIh|iu  is  gant  dar  ra^snar 
to  ruava-'n-'ii.  ombrura  's  hat  Sgah^fl 
zo  g  ahilba-s  >.  I).i!'  il  ggano  is  gant  az 
v£nstar  pet-'n  libar  in  il  >  liäni  an  h  ;it 
n  iiiniu  a  saüla  wetar.  Aldra 
h;it-ar-  mi  limg  legg  di  stdla  im  (h)at 
eft  zu  waiga  's  wetar.  A  f^rza  tu 
waiga  hät-ar  g  swizt  as  wia  an  (Ja.  Dar 
säur  is  kent,  's  hat  parfrt,  gge-da  bil 
valn  di  weit,  an  bal-'s  n8-hat-g'hät  g>- 
lat.  hat  ar  gasikt  »n  ra^snar  /.'  s^ga,  bo- 
da  is  g  'v;ili  dar  säur. 

Dar  m$snar  hat  u  \  unl  i  n  säur  aln 
mi  hof,  un  drin  at  di  mit  an  daggano  wo 
Leva  i'»ai. 


Kurze  Zeit  darnach  ging  di  r Küster,  ihn 
zu  rufen,  denn  es  hatte  begonnen  wolkig 
zu  werden  sich,  zu  umwölken  Der  Dekan 
ging  zum  Fenster  mit  dem  Buche  in  der 

Hand  und  sah  in  \  schreckliches 

Wetter.  Da  legte  er  die  Stola  am  und  Bng 
an    /.u  segnen  das   Wetter.     Vor  lauter 

nen  schwitzte  er  wie  ein  Ei  Der  Hagel 
kam.  es  Bchien,  als  wolle  das  Weltall 
stürzen,  und  als  es  nachgelassen  hatte, 
schickte  er  dm  Küster,  am  nachzusehen, 
wohin  der  Ilaurl  gefallen  sei. 

Der  Küster  fand  den  ganzen  Hagel  im 
Platze,  und  inmitti  n  di  n  I  >ekan 

von  Leviko  tot. 


33.     Sambinelo. 

in  an  täga  is-da  gawest  dik  dar  n§bl. 
A  v. ail"  is  gant  nä  holz  an  sei  täga  in 
an    d-    Li  jamaüwalt).      Üi    laut 

hä'm-'s-an  köt  vör-'s  is  gant,  as-'s  net 
haut  is-da  dar  nebl  an  da  earda 
un  mä's  glan  zu  vorlur.  Ma  is  hat  m'a- 
mat  ausgalüsant  un  is  gant  als  aas.  In 
as-'s  is  g'est  mi  walt.  hat-'s-'ii  gamaxt 
's    holz    un    dena    hat -'s    anganump    di 

Als    a    -iniii'     hat-  ._         mänla 

_  rüstat    ruat    rora    im  n.    bö-d'-an    hat 

.\t  muKi  as-s'-an  nagea  iman.  's 
waibla  is-an  herta  nSgant  un  's  mänla 
anv^za  tu  vüara-'s  g*rada,  bat-s'-as  ga- 
vüart  herta  tiavar  in  pa  walt,  fin-as-da 
's  waiba  hat  nemear  gawist,  bö-'s-is, 
un  a  so  hat  s'-as  limargavtiart  vlaron- 
zw^anzak  ürn  herta  pet-dar  jgarg  äf-an 
ruggn. 

In    täga    darna    sain   gant   di  laut  zo 
Büaxa-'s,    un    hä'm-'s    gavuntat    in   ._ 
trögla    von  Predsöndo    (an   ggamaüwalt 
herta  pet-dar  ggarga  afn  ruggn. 

Alöra    hat    s'-an    ggontart    il    g 
un  di  laut  hä'm  köt: 

..Ja    alora    pist-du    gawest   in  d<>  trit 

von  sambinelo." 


33.    (Irr  nebel. 

Eines  Tages  war  dichter  Nebel.  Ein 
Weib  ging  denselben  Tag  am  Holz  hinein 
in  die  Löcher  <  remeindewald  I  lii  Leute 
hatten  sie  gewarnt  vor  ihrem  Weggehen, 
sie  solle  nicht  gehen,  heute  krieche  der 
Nebel  auf  der  Knie,  and  sie  könne  sieh 
verirren.  Allem  es  das  Weib  horchte  auf 
niemand  und  ging  dennoch.  Als  es  drinnen 
war  im  Walde,  sammelte  sie  das  Holz  und 
nahm  dann  die  Bürde  auf  (dieSchulti 

Auf  einmal  sah   es  ein  Männlein,   rot 
angezogen,  vor  sich,  welches  ihr  winkte. 
da--  ne  ihm  nachgehe.  Das  Weiblein  s 
ihm  immerfort  nach,  und  das  Männlein, 
anstatt  sie  direkt  zu  führen,    führte 
immer  tiefer  in  den  Wald  hinein,   bis 
Weih   nicht   mehr  WU8Ste,   WO  es  Bei,    und 
so  führt«  ierundzwanzig  Stunden 

immer    mit    der   Bürde  auf  dein    Kücken 
herum. 

-  darauf  gingen  die  Leute,  i 
suchen,    und  fanden  es  drinnen  bei  den 
Tröglein  von  Predsöndo  (im  <  remeinde- 
wald    immerfort  mit  der  Bürde  auf  dem 
Rück' 

Nun   erzählte   sie  ihnen  dt'U  Kall,   und 

die  Leute  sagten: 

„Ja  dann  bist  du  in  den  Tritten  von 
Sambinelo  gewesen." 


Vor   a  vüxza  sexza  jär  is  gasegat  a  Vor  fünfzehn,  sechzehn  Jahrenge 

so    „i    an   man  ö  vö  Lusem.     Darsei  is      so  auch  einem  Manne  aus  Lusern.    Der- 


296  Schell: 

;   . i  i-  arm  \<>k.     D<?rse]  ie  gant  m  Belbe  war  der  verstorbene  Nok.    Dieser 

11  (1     Fratn  von  Ggamp  ?nä  swäm.    Da-  ging   in   die  Pratn  dos  Camp  hinein  um 

liuaiii     lia'm-s'-ii    g'pu-t    äbas,    ma    dar  I'ilze.  Daheim  erwarteten  sie  ihn  abends, 

is    oiraar  g^rlfl    häam.     Saina  laut  hä'm  allein  er  kam  nimmer  heim.  Seine  Leute 

pensärt,    gge    dar    bart    in-sain-g  keari  dachten  (dann),  er  werde  etwa  irgendwo 

^par-af-ana  sait.    In  tä  dypo  is-ar  widar  eingekehrt  sein.  Am  folgenden  Tage  kam 

ni\t  kent  un  aliua  h;Vm-s>  ^'ina\t  laiitn  er  noch  nicht,    und  dann  Hess  man  alle 

al<    di    ggloggn    zöa-as-da  glan  vil  laut  Glocken    lauten,    auf   dass    viele    Leute 

zo  BÜaxa-'n-an.  gehen,  ihn  zu  suchen. 

S<    hä'm-an    g*vunt-<t    äu    »n    Gaso  Sie  landen  ihn  droben  im  Gaso  nahe 

namp-»n-ar    hülbs    aln    ansemanirl.     On  an  einer  Pfütze  ganz  verwirrt.    Und  die- 

d^sel    liülb/  tragg  nö  haut  »n  näm:    „di  selbe  Pfütze  trägt  noch  heute  den  Namen: 

hülb=»  von  Nok",    on    d>   laut  kü'n,    gge  „Die  Hülbe    von  Nok';,    und    die  Leute 

d<>rsel    ii    is   gawest    ?n  da  trit  vö  sam-  sagen,   derselbe  sei  auch  in  den  Tritten 

binelo.  von  Sombinelo  gewesen. 

Unterfennberg  bei  Margreid  (Sudtirol). 

(Fortsetzung  folgt.) 


Zwei  alte  Gerichtsstätten  in  den  Rheinlanden.1; 

Von  0.  Schell. 
(Mit  Tafel  IV.) 


1.   Remlingrade  im  Bergischen. 

Unweit  des  Kir%hdorfes  Remlingrade,  an  einem  Kreuzwege,  erhebt 
sich  eine  alte  Linde,  im  Volksmunde  „Vehmlinde"  genannt.  Eine  genauere 
Untersuchung  des  Baunies  ergiebt,  dass  es  eigentlich  nur  ein  starker  Ast 
ist,  der  aus  einem  im  Boden  fast  verborgenen,  knorrigen  Stammende  all- 
jährlich neues  Leben  treibt. 

Nach  dem  Remlingrader  Weistum  (Hofesrolle),  welches  Herr  Woeste 
im  9.  Bande  der  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins.  (S.  39  ff.) 
veröffentlicht  hat,  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  Wir  unter 
dieser  Linde  die  alte  Dingstätte  dieser  Gegend,  welch  erstere  dank  der 
Pietät  der  dortigen  Bevölkerung  erhalten  blieb,  zu  suchen  haben.  Der 
Name  „Vehmlinde"  giebt  nur  eine  festere  Unterlage  für  diese  Auffassung^ 
denn  dieselbe  Bezeichnung  kommt  bei  Wildberg  vor.  Beide  Orte  liegen 
aber  hart  an  der  Grenze  von  Westfalen,  dem  klassischen  Boden  der  Vehme, 
so  dass.  eine  Übertragung  dieses  Namens  leicht  möglich  war,  namentlich 
in  einer  Zeit,  in  welcher  die  alten  Rechtsinstitutionen  den  Lebenden  fremd 
geworden  waren. 


1    Man  vergleiche  S.  47 ff.  dieses  Bandes  der  Zeitschrift. 


Zwei  alte  <  ■• :  ich!  jsl  Lttet  it 

Die  betreffende  Stelle  im  Remlingrader  Weistum  hal  folgenden  Wort- 
laut: „Werl  sacke,  dal  eimand  dat  liff  verbori  bette,  den  Bai  men  Deinen 
v 1 1 . 1  foren  an  dat  craitze  vnder  die  linde  \  n<  1  richten  dan  darouer,  wai 
recht  is,  dan  van  der  linden  mir  an  di  vnd  doin  eme  dair  syn  recht." 

Wir  begegnen  also  in  Remlingrade  wie  in  Kyllburg  (diese  Zeitschrift, 
Band  XI.  S.  48)  einem  Kreuze  unter  der  Gerichtslinde,  wodurch  mau 
offenbar  die  Heiligkeit  des  Ortes  erhöhen  wollte,  was  im  Hinblick  auf  das 
Recht  des  dortigen  Hofesgerichts,  Todesurteile  zu  fällen  (dat  liff  verborl  . 
leicht  begreiflich  erscheint. 

Der  Hof  zu  Remlingrade  gehörte  demselben  Weistum  zufolge  zu  den 
äusserst  seltenen  Freihöfen  des  ehemaligeu  bergischen  Landes,  «Imm  ■■- 
lautet    dort:    „duse    vorss.   hoff  is  so  fry,    wert  sacke    dal  eymand  dat  liil 

rerbort  bedde  vnd  quei ff  disen  hoff,  die  is  yar  vnd  dach  fry,  vnd  wan 

rar  vnd  dach  vmbe  wer  vnd  queme  dan  ses  schride  van  der  fryet,  vnd 
weider  angefangen  oder  gebunden  off  den  hoff  oder  fryet,  so  Bai  he]  ouer 
yar  vnd  dach  fry  syn." 

2.   Wildberg  im  Bergischen. 

Harr  an  der  ehemaligen  Grenze  von  Berg  and  .Mark,  wo  sich  nun 
Rheinland  und  Westfalen  scheiden,  wo  sich  die  Wasserscheide  zwischen 
&ieg  und  Ruhr  hinzieht,  liegt  das  alte  Wildberg,  eins!  Woleberg  oder 
[Wolberg  genannt.  Sehr  alte  Silbergruben  befinden  sich  dort,  welche  auch 
heute  noch  reiche  Erträge  bringen.  Hier  ist  die  älteste  Münzstätte  des 
Bergischen  Landes  zu  suchen,  welche  aber  Graf  Adolf  im  Jahre  1275  mit 
Genehmigung  König  Rudolfs  in  «las  befestigte  Wipperfürth  verlegte.  W  ild- 
berg  ist  demnach  eine  der  ältesten  Siedelungsstätten  der  einstigen  Graf- 
schaft Berg  in  dem  Ins  zur  Gegenwart  herab  wenig  erschlossenen  Hinter- 
lande desselben.  Dort  muss  schon  früh,  durch  die  oben  angedeuteten 
umstände  dringend  geboten,  ein  Gericht  (wahrscheinlich  mit  weitgehenden 
Befugnissen)  eingesetzt  worden  sein. 

Auf  einer  Anhöhe  bei  Wildberg  liegt  an  einem  kleinen  Waldvorsprung 
der  sogen.  Fronberg,  ein  seil  Jahren  im  Rückgange  begriffenes  Gehöft, 
an  dem  auch  verschiedene  Sagen  haften.  Nur  wenige  Schritte  von  diesem 
feehöfte  entfernt,  am  Waldrande,  von  wo  aus  man  die  ganze  Umgegend 
überschauen    kann,    steht   eine  mach-  im  Umfang  haltende  Linde, 

in  der  ganzen  Umgegend  unter  dem  Namen  „Vehmlinde"  bekannt.  Diese 
Linde  ist  noeli  anscheinend  von  einer  gemauerten,  fast  kreisförmigen  Er- 
höhung umgeben,  welche  aber  heute  von  Strauchwerk  und  Rasen  uber- 
deckr  ist. 

Dass  auch  diese  Linde  den  Namen  „Vehmlinde"  trägt,  kann  nach  den 
Ausführungen  über  die  Gerichtslinde  von  Remlingrade  leicht  erklärt  weiden. 
Vielleicht  tragen  aber  (man  vergleiche  die  obigen  Mitteilungen  übel  Rem! 


rade),  nur  Bolche  Gerichtslinden  diesen  Namen,  unter  denen  auch  üb« 
Leib  und  Leben  gerichtet  wurde.  Leider  ist  eine  zu  geringe  Anzahl 
all.-r  Dingstätten  heute  nachweisbar,  um  solche  Schlüsse  mit  Sicherheit 
ziehen  zu  können. 

Elberfeld. 


Zu  dem  Volksliede 
von  der  Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein. 

Aon  Karl  Reissenberger. 


Das  Volkslied  von  der  Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein, 
das  durch  „Des  Knaben  Wunderhorn"  (I,  64,  1806)  unter  dem  Titel  „Die 
Eile  der  Zeit  in  Gott"  zur  allgemeinen  Kenntnis  gebracht  wurde,  ist  uns 
auch  in  anderen  Fassungen  bekannt  geworden,  die  Bolte  in  der  Zeitschrift  für 
deutsches  Altertum  34,  18.  36,  95  übersichtlich  zusammengestellt  hat.  Einen 
Nachtrag  brachte  er  in  dem  zweiten  Baude  der  von  ihm  herausgegebenen 
Kleineren  Schriften  Reinhold  Köhlers1)  S.  226.  Doch  kommen  zu  den  von 
ihm  gebotenen  Belegen  noch  zwei  Versionen  aus  dem  siebenbürgischea 
Sachsenlande,  die  von  A.  Schullerus  in  dem  Korrespondenzblatt  des  Verein! 
für  siebenbürgische  Landeskunde  XVI.  S.  129  f.  und  XIX,  S.  120  f.  mit- 
geteilt wurden.  Das  von  Stöber  (Sagen  des  Elsasses  S.  23)  und  nachher 
von  anderen  citierte  Gedicht  von  A.  Nodnagel  (Sieben  Bücher  deutscher 
Sagen  und  Legenden,  Darmstadt  1839,  S.  132  f.)  wird  von  Bolte  erwähnt, 
alier  mit  der  Bemerkung,  er  habe  es  nicht  gesehen.  Ich  habe  es  gelesen, 
jedoch  die  Überzeugung  gewonnen,  dass  es  gar  nicht  in  diese  Zusammen- 
stellung gehört,  da  es  eine  freie  Gestaltung  des  Stoffes  durch  Nodnagel  ist. 
Über  das  Verhältnis  der  volkstümlich  überlieferten  Fassungen  unseres 
Liedes  zu  einander  soll  hier  weiter  nicht  gehandelt  werden,  wohl  aber 
über  die  Herkunft  i\es  in  denselben  enthaltenen  Stoffes. 

In  seinem  Buche  über  die  Siebenschläferlegende  (Leipzig  1883)  S.  40  ff. 
hat  .1.  Koch  unter  Berufung  auf  Stöber  a.  a.  0.  und  Hertz  (Deutsche  Sage 
im  Elsass  S.  263 ff.)  das  Lied  in  den  weiteren  Kreis  dieser  Art  von  Legenden 
einbezogen  und  im  besonderen  neben  C.  W.  Müllers  „Der  Mönch  von 
Eeisterbach"  gesetzt.  An  letztere  Dichtung  erinnert  bei  unserem  Volks- 
liede auch  R.  Boxberger  in  seiner  Ausgabe  von  „Des  Knaben  Wunderhorni 
(I,  166fl*.  der  Eempelschen  Bibliothek)  und  Gustav  Heinrich  (Ung.  Kevue 
1886.  S.  818ff.).     Für  ..sehr  ähnlich"  der  mittelhochdeutschen  Legende  von 


1     Vgl.  meine  Besprechung  in  der  Zeitschrift  für  das  .Realschurwesen  XXVI,  S.  35811, 


Zu  dem  Volksliede  von  der  Tochter  des  Kommandanten.  299 

dem  Mönche  Felix  erklärt  W.  Grimm  gelegentlich  des  Abdruckes  derselben 
aus  der  Gothaer  Handschrift  (Altd.  Wälder  II.  8.  71  f  .las  Lied  von  der 
Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein  and  ebenso  bringt  Franz 
Pfeiffer  in  den  Münchener  gelehrten  Anzeigen  L851,  8.  735  ff.  dieses  Volks- 
lied mit  dem  mittelhochdeutschen  Felix  in  Verbindung.  Während  alle 
Vorhergehenden  'las  Volkslied  von  der  Tochter  des  Kommandanten  zu 
Grosswardein  ohne  weitere  Beschränkung  zu  jenen  l  berlieferungen  in 
Verwandtschaft  setzen,  denen  stofflich  „Der  Mönch  von  Heisterbach"  oder, 
was  dasselbe  besagt,  die  mittelhochdeutsche  Legende  von  'lern  Mönche 
Felix  (vgl.  auch  v.  d.  Hagen,  Gesamtabenteuer  III.  613ff.)  angehört,  sieht 
Bolte  (Ztschr.  f.  d.  Altertum  34,  28 ff.)  in  anserem  Volksliede  eineVariante 
einer  in  der  Volkspoesie  Deutschlands,  Hollands,  Skandinaviens  häufig 
behandelten  Legende,  die  man  etwa  die  Entführung  einer  heidnischen 
Jungfrau  durch  Christus  nennen  könnte  and  deren  verschiedene  Gestaltungen 
Bolte  in  drei  Gruppen  teilt:  A)  den  Blümelmacher,  P>)  die  Sultanstochter, 
1  die  Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein.  Allerdings  lenkt 
auch  noch  Bolte  der  /.weite  Teil  des  Liedes  in  die  Legende  von  dem 
Brutler  Felix  über.  ..Als  Theresia  (die  Tochter  des  Kommandanten^  nach 
zwei  Stunden  heimkehrt,  erkennt  sie  niemand  in  der  Stadt,  denn  inzwischen 
sind  120  Jahre  vergangen,  man  schlägt  in  alten  Chroniken  nach  und  bringt 
ihr  Speise,  sie  aber  verlangt  nach  dein  Sakrament  und  verscheidet,  nach- 
dem sie  es  erhalten."  Bei  Erk-Böhme,  Deutscher  Liederhort  III.  s.  si:;iV. 
steht  das  Volkslied  von  der  Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein 
zwar  auch  unmittelbar  hinter  den  Fassungen  des  „Blümelmachers"  und  der 
„Sultanstochter",  aber  eine  Ansicht  über  die  Herkunft  und  Zugehörigkeif 
unseres   Volksliedes  ist  dort  nicht  ausgesprochen. 

.Mich  dünkt,  dass  unser  Volkslied  auch  in  seinem  ersten  Teile  aus  der 
Legende  von  dem  Bruder  Felix  stammt  und  nicht  aus  der  von  dem  Blümel- 
macher  herzuleiten  ist.  Daran!'  weisen  Bchon  die  Unterschiede  zwischen 
der  letzteren  und  «lern  Volksliede  von  der  Tochter  des  Kommandanten. 
Wie  Bolte  selber  hervorhebt,  verlegen  die  im  Bänkelsängertone  gehaltenen 
Reimereien  der  Gruppe  C  die  Handlung  auf  christliches  Gebiel  und 
übergehen  demgemäss  die  Sehnsuchf  der  Jungfrau  nach  dem  Meister  der 
Blumen  ganz.  Sodann  wird  die  Jungfrau  in  der  Gruppe  C  nicht  in  ein 
Kloster  oder  vor  die  Himmelspforte  geführt,  sondern  in  den  freudenreichen 
himmlischen  Garten.  Was  aber  in  dem  Volksliede  von  >\<-f  Tochter  des 
Kommandanten  zu  <  rrosswardein  Motiven  in  den  hei  den  anderen  Gestaltungen 
ähnlich  ist.  das  kann  aus  der  Mönchslegende  und  ihren  Varianten  erklärt 
werden. 

Bevor  ich  dies  weiter  ausführe,  halte  ich  es  für  notwendig,  die  Über- 
lieferungen,   in  deren  Kreis   die  Felixlegende  gehört  (nach  Bolte,  Köhlers 
Kleinere  Schriften  II,  S.  239  ..von  dem  verzückten  .Mönche,  den  ein  \ 
ius  Paradies    leitet")    näher    ins  Auge    zu    fassen    und    wenigstens    im  all- 


ReisseDberger: 

gemeinen1)  zu  gruppieren,  lS<i  solcher  Sichtung  ergebeD  sich  mir  zwei 
Gruppen:  die  eine  wird  durch  die  Felixlegende  selbst,  die  andere  durch 
die  von  Schwarzer  in  der  Ztschr.  f.  d.  Philol.  NIM.  S.  338  f.  mitgeteilte  lat. 
„Visionslegende" *)  vertreten.  Obwohl  nun  die  letztere  uns  in  einer  Hand- 
schrift aus  dem  L3.  Jahrhundert  erhalten  ist,  das  mittelhochdeutsche  Gedicht 
erst  in  Handschriften  des  IL  and  L 5.  Jahrhunderts,  und  obwohl  wir  dieses 
Beiner  Entstehung  nach  nicht  vor  die  zweite  Hälfte  '\f<,  13.  Jahrhunderts 
setzen  können,  so  ist  die  Gestalt  der  Sage,  wie  sie  in  der  Felixlegende 
vorliegt,  entschieden  altertümlicher  und  orsprünglicher  als  in  der  Visions- 
ade.  Die  Felixlegende  steht  zweifellos  der  Urform  näher,  aus  der 
beide  Fassungen  geflossen  sein  müssen.  In  der  Felixlegende  ist  auch  die 
Mönchslegende  konsequent  durchgeführt.  Der  über  die  himmlische  Selig- 
keit nachgrübelnde  Mönch  wird  durch  den  süssen  Gesang-  eines  Vögleins 
verleitet,  ihm  zu  folgen.  Durch  die  wonnevollen  Töne  glaubt  er  sich  der 
Erde  entrückt  (110  ff.  er  hete  gesworn,  daz  das  himelisch  paradis  waere 
da  in  allen  wis).  Darüber  vergehen  hundert  Jahre,  während  er  nur  wenige 
Stunden  verflossen  nieint.  Er  kehrt  zum  Kloster  zurück,  man  kennt  ihn 
jedoch  dort  nicht,  und  erst  durch  die  Auskunft  eines  alten  siechen  Mönches 
and  das  Totenbuch  des  Klosters  wird  festgestellt,  dass  er  der  vor  hundert 
Jahren  verschwundene  Mönch  Felix  sei.  In  der  Visionslegende  ist  dieser 
Stoff  umgestaltet  und  erweitert.  An  die  Stelle  des  Mönches  ist  ein  gottes- 
förchtiger,  keuscher  Herzogssohn  getreten.  Dieser  wird  von  seinen  Eltern 
genötigt,  sich  zu  verheiraten.  Alles  ist  zur  Hochzeit  bereit.  Vorher  reitet 
der  fromme  Jüngling  zu  einer  Kirche,  um  zu  beten.  Auf  dem  Rückwege 
trifft  er  einen  Engel  in  Gestalt  eines  Greises  auf  einem  weissen  Maultier, 
den  er  zu  seiner  Hochzeit  einladet.  Der  Gast  erscheint,  ersucht  jedoch 
den  jungen  Mann  bei  seinem  Scheiden,  nach  drei  Tagen  den  Besuch  zu 
erwidern.  Auf  dem  beigestellten  Maultiere  gelangt  sodann  der  Jüngling 
in  das  Land  der  Seligen,  das  mit  den  lebhaftesten  Farben  geschildert  wird. 
Er  glaubt  sich  drei  Stunden  verweilt  zu  haben,  statt  deren  sind  dreihundert 
Jahre  vergangen,  als  er  heimkehrt.  Unterdes  ist  aus  dem  Schlosse  ein 
Kloster  geworden,  das  seine  Eltern  schmerzerfüllt  über  sein  Verschwinden 
gegründet  haben.  Der  Abt,  hocherfreut  über  die  wunderbare  Rückkehr 
des  verloren  Geglaubten,  lässt  ein  Mahl  anrichten,  doch  der  Herzog  altert 
und  stirbt,  sobald  er  irdische  Speise  berührt. 

Den  hier  in  allgemeinen  Zügen  skizzierten  Inhalt  der  Visionslegende 
geben  später  einige  Varianten  mit  mehr  oder  weniger  grossen  Abweichungen 
wieder:    eine  mitteldeutsche   Fassung,  die  1811  Vulpius  in  seinen  Kuriosi- 


1)  Genaueres  hoffe  ich  in  einer  Specialuntersuchung  über  das  Gedicht  von  dem 
Mönche  Felix  zu  geben. 

2)  Ich  behalte  diesen  von  Schwarzer  eingeführten  Titel  der  Kürze  halber  bei,  obwohl 
ich  soust  dem  von  Köhler,  Ztschr.  f.  d.  Philol.  XIV,  S.  96  ff.  gebrauchten  Titel  ^Legende 
vom  italienischen  jungen  Herzog  im  Paradiese"  den  Vorzug  geben  möchte. 


Zu  dem  Volksliede  von  der  Tochter  de    Kommandanten.  ;;m| 

täten,  1.  s.  179 — 189   in   lerriisierter  Sprache   und  mit  manchen  kleinen 

Auslassungen  und  jüngst  Bolte  in  Köhlers  Kleineren  Schriften  II.  S.  228f. 
korrekt  und  vollständig  herausgegeben  hat,  eine  lat.  Legende,  die  Mustaüa 
in  den  Wiener  Sitzungsberichten,  Bd.  48  skizziert  hat,  die  Geschichte  von 
der  Hochzeit  des  LOringue  in  Korners  Chronik,  das  schweizerische  Märchen 
Ni».  1.")  bei  Sutermeister  und  das  kärntnische  ..Der  KönigBsohn  im  Paradiese" 
in  der  Catinthia  (1866,  S.  48f.)3  sowie  das  tschechische  Lied  von  Theophilus 
bei  Peifalik  (Wiener  Sitzungsberichte,  Bd.  39).  Di«'  X u ^; 1 1 1 1 1 n •  •  1 1 •_ •  •  1 1 < ■  r- i ir In « ■  i t 
aller  dieser  Versionen1)  und  ihr  Verhältnis  zur  Visionslegende  hal  bereits 
Eteinhold  Köhler  in  der  Zeitschr.  1'.  deutsche  Philologie  XIV.  8.  96f.8)  mit 
<len  Worten  festgestellt:  „Es  sind  dies  alles  verschiedene  Passungen  einer 
und  derselben  Legende,  die  man  bezeichnen  kann  als  dir  Legende  von 
dem  jungen  Herren  oder  Pursten,  bei  dessen  Hochzeil  ein  Enge]  gegen« 
wärtig  ist  und  der  bald  nach  seiner  Hochzeit  den  Engel  im  Paradiese 
besucht  und  dort  nur  Stunden  verweilt  zn  haben  glaubt,  in  der  r li.it  aber 
Jahrhunderte  verweilt  hat  und  bei  seiner  Rückkehr  an  der  Stelle  Beines 
Schlosses  ein  von  seinen   Hinterbliebenen  gegründetes  Kloster  findek"*) 

Aus  der  mündlich  fortgepflanzten  und  vielfach  geänderten  Überlieferung 
■dieses  Stoffes  ist.  wie  ich  glaube,  auch  hervorgegangen,  was  nicht  bloss 
den  zweiten,  sondern  auch  den  ersten  Teil  des  Volksliedes  von  der  Tochter 
des  Kommandanten  zu  Grosswardein  ausmacht.  Ks  ist  wohl  einer  der 
letzten  Ausläufer  der  Visionslegende,  den  wir  da  vor  uns  haben.  Ans  dem 
verlorenen  Bräutigam  ist  in  der  Überlieferung  und  Dichtung  des  Volkes 
eine  verlorene  Braut  geworden,  an  deren  Seite  der  weltliche  Bräutigam4) 
ganz  selbstverständlich  ist.  Aber  auch  «ler  Umstand  braucht  uns  nicht  zu 
wundern,  dass  einer  Jungfrau  gegenüber  der  himmlische  Freund  oder 
Gefährte  zu  einem  Bräutigam  wird,  der  zur  Besiegelung  der  Verlobung 
ihr  ein  Ringlein  giebt  und  von  ihr  Kosen  empfangt.  Das  entwickelt  sieh 
alles  ganz  konsequent.  Der  huhe  Stand  wie  die  grosse  Frömmigkeit  der 
Hauptperson  ist  wie  in  der  Visionslegende,  ebenso  sind  die  Motive 
blieben,  dass  sieh  jene  infolge  ihrer  Religiosität  Bchwer  zur  Ehe  versteht; 
von  den  Eltern  dazu  gedrängt  wird  und  sich  nach  einer  überirdischen 
Person  sehnt.  Dass  diese  in  unserem  Volksliede  Jesus  ist  wie  in  den 
Versionen    vom    Blümelmacher    und    von    der   Sultanstoohter,    weist    nicht 

1)  Zu  welchen  Bolte  (Köhlers  Kl.  Sein-.  II.  S.  225)  Doch  ein  Märchen  aus  M&hren 
bei  Vernaleken,  Osten-.  Kinder-  und  Haosmärchen,  No.  oO,  Anm.  hinzufügt, 

2)  Nun  auch  Kl.  Sehr.  II,  S.  225. 

3)  Leider  hat  R.  Köhler  die  hier  versprochene  Monographie  über  diesen  Gegenstand 
nicht  mehr  geliefert.  Doch  hat  Bolte  bei  dem  Wiederabdrucke  der  oben  genannton  Ab- 
handlung einige  Ergänzungen  gebracht,  für  die  wir  ihm  sehr  dankbar  sein  müssen. 

4)  Der  weltliche  Bräutigam,  welcher  von  den  Eltern  der  Jungfrau  aufgedrängt  wird, 
fehlt  übrigens  sonst  in  der  Gruppe  A  und  B  und  findet  sich  nur  in  der  fnzigkofener 
Fassung.  Diese,  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  überliefert,  aber  nach  Bolte  erheblich 
früher  entstanden,  stellt  die  älteste  Gestalt  der  Legende  von  dem  Blümelmacher  dar. 

21 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


302  Reissenberger: 

notwendig  auf  diese  Dichtungen  als  Quelle  hin.  Entführt  doch  in  der 
[nzigkofener  Legende,  also  der  ältesten  Fassung  des  Blümelmacher,  auch 
nicht  Jesus,  Bondern  ein  Engel  die  Jungfrau.  Und  so  kann  denn  auch. 
bei  dein  Übergänge  von  dem  Stoffe  der  Visionslegende  zu  dem  des  Volks- 
liedes aus  dem  Engel  Jesus  geworden  sein.  Dass  die  Braut,  um  ihr  Herz 
zu  erleichtern,  ins  Freie,  in  den  Harten  geht,  dort  Jesuin  anruft  und  mit 
ihm  zusammenkommt,  ist  in  der  Visionslegende  und  ihren  Varianten  auch 
bereits  vorgebildet.  Hier  begiebt  sich  der  Jüngling  heimlich  von  der 
Eochzeit  hinweg  zu  einer  Kirche,  die  am  Fusse  des  Berges  liegt,  um  dort 
zu  beten.  Bei  dieser  Gelegenheit  trifft  er  mit  dem  Engel  zusammen. 
Deutlicher  treten  die  Beziehungen  des  Volksliedes  zu  der  Visionslegende 
jedoch  darin  hervor,  dass  die  Braut  von  dem  Bräutigam  in  den  himmlischen 
Garten  geführt  wird,  der  von  Blumen  und  Früchten,  von  Musik  und  Gesang 
erfüllt  ist,  und  in  welchem  silberweisse  Bächlein  klar  und  rein  fliessen. 
Dadurch  wird  man  lebhaft  an  die  Schilderungen  erinnert,  wie  sie  in  der 
Visionslegende  und  in  deren  Varianten  gegeben  werden.  In  der  Visions- 
legende heisst  es  (Zeitschr.  f.  d.  Philol.  XIII,  S.  342)  von  dem  Herzogs- 
sohne unter  No.  10:  „Superatis  angustiis  venitur  ad  planiora,  pulchris 
pulchriora  succedunt  et  postremo  pulcherrima  terra  se  offert,  cui  nunquam 
ille  similem  conspexisset.  Aer  lenis  et  lucidus,  campi  lati  planique  pre 
oculis  omnes  illi  spectandi  prebuere  delicias.  Lilia  rose  violeque  per  campos, 
sed  et  onmis  florum  nobilitas  solum  obtexerat  et  tanquam  purpura  distincta 
eoloribus  pulcra  varietate  vernabat.  Arbores  hinc  florifere  illinc  pomifere 
spargebantur  diverse  generibus  statuque  diverse,  ut  sui  decoris  plenitudinem 
ostentarent  et  terre  de  suo  nichil  aufferrent.  Aves  in  arboribus  rare  speciebus 
et  vocibus  clare.  auditu  visuque  amabiles,  uullam  ignobilium  ac  quicquid 
est  corvini  generis  admittentes,  sed  lete  ac  mansuete  omnes,  siquidem 
maledictio  spinarum  et  veprium  ibi  non  est,  tribulus,  Urtica,  cardus  aut 
cicuta  non  apparet,  omne  postremo  arborum  vel  herbarum  genus  ignobile 
ibi  non  germinat,  nil  denique  nisi  quod  tactu,  quod  olfactu,  quod  visu 
similiter  et  usu  complaceat."  In  der  md.  Legende  (Kl.  Sehr.  II,  S.  232) 
wird  erzählt:  „Vnd  als  balde  do  quam  er  vff  eyn  wiet  schön  feit,  des  er  keyn 
ende  gesehin  konde;  vnde  da  was  sulcher  grossser  lust,  das  er  nicht  anders 
wolt  wenen,  dan  es  were  das  paradiss.  Da  waren  schone  beürae  myt  allirley 
Busssen  vnd  edelu  fruchten.  Etliche  hatten  ire  czittigen  fruchte,  etliche 
stunden  yn  der  bluth.  Da  was  eyn  liplicher  boden  myt  gras  vnd  myt 
blumen  alles  von  edelm  geroche.  Da  waren  schone  vnde  luter  flussse, 
dar  vss  BCheyn  das  golt  vnd  allirley  edelgesteyne.  Do  was  dye  sussest 
melodye  von  allirley  fogel  gesang,  als  ab  es  engel  weren.  Da  was  sulcher 
grossser  lust  vnde  freude,  das  es  keyn  totlicher  mensch  nort  gedencken 
mocht.  das  der  jungeinig  meynete,  das  nichtes  lustigers  noch  freydenrichers 
geseyn  mocht  yn  hymel  vnd  vff  erden."  In  der  von  Mussafia  skizzierten 
Erzählung  der  Wiener  Hofbibliothek  kommt  der  Jüngling  „in  eine  wunder- 


Zu  dem  Volkslied«  tob  der   rochter  d<     Kommandanten.  303 

liebliche  Gegend".  Die  Luft  ist  hell  und  milde,  lachende  Fluren,  blumige 
Wiesen,  Bäume  mit  Blüten  und  Früchten  empfangen  ihn,  überall  Dufl  and 
Glanz.  Die  Vögel  begrüssen  mit  süssem  Gesänge  seine  Ankunft.  Körners 
Erzählung  von  der  Hochzeit  des  Loringus  (Germ.  IX  5.  267)  erwähnt  nur 
ene  wunnelike  wise.  Aber  in  dem  kärntnischen  Märchen  gelangt  der  junge 
König  nacheinander  in  drei  Gärten,  die  Leute  sind  alle  freundlich  gegen 
ihn  und  geben  ihm  Obst  und  Blumen.  Und  in  drm  schweizerischen  Märchen 
in.;  Sutermeister  S.  .">!•  stehen  der  junge  Herzog  und  sein  Begleiter  mit 
einem  .Mali'  auf  einer  grünen  Heidr.  welche  ganz  mit  Rosen  und  Rosmarin 
bewachsen  ist.  und  die  Luft  ist  allenthalben  voll  Balsamduft. 

In  dem  Volksliode  von  dm-  Tochter  des  Kommandanten  zu  Grosswardein 
fordert  Jesus  die  Braut  nach  einigem  Verweilen  in  Beinern  himmlischen 
Garten  auf,  min  zurückzukehren:  „Meinen  Garten  habt  Ihr  nun  beschaut; 
icdi  will  Euch  geben  das  Geleit  in  Euer  Land,  es  ist  nun  Zeit."  Ähnlich 
lautet  es  in  der  md.  Legende  (Kl.  Sehr.  II.  S.  235):  ..Nu.  über  bruder, 
du  hast  eyns  teyls  gesehin,  das  dyn  hercz  begert  hat.  Szo  ist  es  im 
czit;  das  du  von  hynnenn  scheiden  salt;  dan  du  magst  auch  zu  disssen 
cziten  nicht  bey  uns  bleibin."  Bei  Korner  ruft  der  himmlisch»'  Freund 
Loringus  zu:  „de  tid  is  dat  du  seist,  wo  id  to  hüs  Behauen  is".  und  auch  in 
dem  kärntnischen  Märchen  wird  der  Jüngling  darangemahnt,  daes  er  heim- 
kehren solle. 

Näher  der  Visionslegende  und  ihren  Varianten,  als  der  bisher  be- 
sprochen«' Teil  do>  Volksliedes,  steht  dessen  /.weiter,  wie  das  Bohon  oben 
angedeutet  wurde.  Die  Veränderungen,  die  mit  den  Örtlichkeiten  vor- 
gegangen sind,  fehlen  allerdings  im  Liede.  Die  Braut  kommt  heimkehrend 
vor  die  Stadt  und  hegehrt,  als  Tochter  des  Kommandanten.  Linlass.  Der 
habe  keine  Tochter,  wird  ihr  erwidert.  Doch  wird  an  ihrer  Kleidung  ihr 
hoher  Stand  erkannt,  und  sie  wird  vor  die  Herren  der  Stadt  geführt,  aus 
der  sie  vor  zwei  Stunden  gegangen  zu  sein  behauptet.  „Die  alte  Schritt" 
bringt  auch  hier,  wie  schon  in  der  Felixlegende  und  in  den  meisten  anderen 
Fassungen  dieses  Stoffes,  die  Lösung.  Die  Jungfrau  ist  unverändert,  doch 
bei  der  Berührung  irdischer  Speise  naht  der  Tod,  und  sie  empfängt  aber 
ihr  Verlangen  noch  das  Sakrament  wie  in  der  Visionslegende. 

Was  den  zweiten  Teil  des  Liedes  betrifft,  so  kann  demnach  kein 
Zweifel  sein,  dass  dieser  auf  die  Visionslegende  und  ihren  Variantenkreis 
zurückgeht.  Aber  auch  der  erste  lässt  sich  daraus  herleiten,  wie  ich 
meine,  ohne  dass  es  nötig  wäre,  zwei  nach  ihrer  Herkunft  verschiedene 
Bestandteile  des  Volksliedes  anzunehmen.  Allerdings  sind  die  Verände- 
rungen, welche  der  erste  Teil  erfahren  hat.  grösser  als  die  des  zweiten. 
Aber  welche  Arerdunkelungen  und  Verstümmelungen,  Erweiterungen  und 
anderweitigen  Umgestaltungen  nehmen  wir  sonst  in  dm,  Überlieferungen 
wahr,  die  sich  im  .Munde  des  Volkes  von  Geschlecht  zu  Geschlecht,  von 
Land    zu  Land    fortpflanzen!     lud    so    kann  wohl  auch  das  Volkslied  von 

21 


304  Feüberg; 

der  Tochter  des  Kommandanten  au  Grrosswardein  in  seinem  ganzen  Um- 
fange als  Ankömmling  ödes,  um  die  ol>en  gebrauchte  Bezeichnung  zu 
wiederholen*  ak  einer  der  Letzten  Ausläufer  der  Visionslegende  angesehen 

werden. 

Bielitz.  Österreich.  Schlesien. 


Der  böse  Blick  in  nordischer  Überlieferung. 

Von  Dr.  H.  F.  Feilberg.1) 


Im  grossen  Reiche  <les  Aberglaubens  kann  man  einzelne  ziemlich  wob] 
begrenzte  Provinzen,  wenn  man  genauer  zusieht,  entdecken;  eine  solche 
ist  die.  worin  das  böse  Auge  oder  der  böse  Blick  regiert.  Unter  Natur- 
völkern nimmt  das  menschliche  Auge  einen  besonderen  Platz  ein,  wovon 
sich  etwas  unter  uns  civilisierten  Völkern  in  den  „Resten"  wiederfindet. 
die  wie  Stücke  zertrümmerter  Gebäude  aus  der  Zeiten  Schutt  noch  immer 
hervorragen.  In  der  mittelalterlichen  skandinavischen  Überlieferung  findet 
man  wie  anderswo  Erzählungen  von  Menschen,  die  sich  in  Tiere  ver- 
wandeln und  dadurch  unkenntlich  werden,  wenn  sie  sich  nicht  durch  un- 
menschliches Auge  verraten:  am  Auge  wird  der  Mensch  (selbst  der  Gott) 
in  der  tierischen  Verhüllung  erkannt. 

Mit  dem  Blicke  eines  Mensehen  ist  es  eine  eigene  Sache.  Etliche 
Menschen  sind  geistersichtig,  sie  haben  irgendwie  diese  Fähigkeit  erwürben: 
andere,  gewöhnliche  Menschen  sind  es  nicht,  können  aber  unter  besonderen 
Umständen  geistersichtig  („synske")  werden,  wenn  sie  durch  ein  natürliches 
oder  ein  künstlich  hervorgebrachtes  Loch  hindurchschauen.  Wenn  Fuhr- 
mann oder  Reiter  bei  Nacht  von  geisterhaften  Wesen  aufgehalten  werden 
und  nicht  aus  der  Stelle  kommen  können,  gucken  Kutscher  oder  Reiter 
durch  das  Loch,  das  durch  Zusammenhalten  der  Ohren  eines  Pferdes  oder 
eines  Hundes  gebildet  wird.  Man  sieht  dadurch,  wie  durch  ein  Schlüssel- 
loch in  ein  verschlossenes  Zimmer,  in  die  verborgene  AVeit  der  Geister 
hinein,  entdeckt,  wer  das  Pferd  aufhält,  ob  es  ein  Spukgeist,  ein  Teufel, 
ein  Y\  ichtel   i-r.     So  erkläre  ich  mir  wenigstens  die  Sache. 

Der  Versuch  kann  auf  mannigfache  Art  variiert  werden.  Man  guckt 
durch  die  Halfter,  das  Zaumzeug,  das  Pferdegebiss,  die  Halskoppel,  das 
Geschirr  des  Pferdes  oder  unter  dessen  Bauch,  durchs  Loch  von  einem 
Lederstück  aus  einem  Sarge,    durch  ein  Stück  Papier,    durch  ein  Astloch, 

1)    Abkürzungen:  (D.)  Dänemark,  (N.)  Norwegen,  (S.)  Schweden. 


D(  i   b<  -•    Blick  in  nordi 

durch  eius  der  Löcher  eines  Melkstahls,  durch  «-in  Loch  an  einem  Toten- 
kopfe, durch  die  Kehle  eines  Wolfes,  durch  einen  natürlich  durchlöcherten 
Stein,  durch  eine  Öse  von  drei  Haaren  einer  Wichtelfran  erebildet,  durch 
eine  Egge,  einen  Hemdärmel,  ein  Sieb,  durch  die  Hohn'  eines  Webstuhles, 
eine  Haarlocke,  ein  Tuch,  durch  den  eigenen  Arm  oder  den  eines  anderen, 
immer  aber  durch  ein   Loch. 

Hierzu  kommt  noch  der  Blick  aber  die  rechte  oder  linke  Schulter 
oder  durch  die  Beine  hindurch. 

Auf  diese  Weise  wird  dem  Menschenauge  eine  magische  Kraft  ver- 
liehen. So  lange  mau  durchs  Loch  hineinguckt,  schau!  mau  das  verborgene 
Land  und  Beine  Bewohner,  wer  sie  auch  sein  mögen:  mau  wird  geister- 
sichtig. 

1.  Das  böse  Aul;«'  ist  von  Natur  magisch,  ist  oftmals  ohne  das  Wissen 
oder  den  Willen  des  Besitzers  giftig,  and  (so  kann  es  wohl  in  aller  Kürze 
ausgedrückt  werden)  es  verderbt,  macht  krank,  tötet  durch  sein  (übt  alles 
was  sein   Blick  troffen   mau. 

Im  Dänischen  hat  das  Volk  verschiedene  Ausdrücke  für  die  anheil- 
bringende Wirksamkeit  des  bösen  Auges;  ..ar  forse"  wird  wühl  am  nächsten 
durch  „versehen"  wiedergegeben  werden  können;  „ildese",  „slemse"  ist: 
übel  "der  schlimm  ansehen;  „overse"  entspricht  dem  englischen  „to  over- 
loök",  übersehen,  etwas  starr  ansehen,  so  dass  mau  alle  Einzelheiten  über- 
sieht.*) Allgemein  wird  von  einem  gesagt,  er  habe  „ei  ondl  öjeu,  „ei 
ondt  öjesyn",  d.  h.  ein  Krisen  Anne,  einen  bösen  Blick,  oder  auch  «et  slemt 
oje",  ein  schlimmes  Auge.  Aus  dem  Schwedischen  habe  ich  mir  die  Ab- 
drucke angemerkt:  „ha  skarnsk  auga"  (Gotland),  „ha  fiil  ögfäl"  (Väster- 
botten),  und  in  der  schwedischen  Reiohssprache:  „ha  nn.hr-  oder  „elaka 
ögon"  alles  dasselbe:  böse  Augen  haben. 

Noch  giebi  es  zwei  besondere  Ausdrücke:  „skagese"  ist  der  eine,  er 
lässt  sich  wohl  am  leichtesten  durch  „hurensehen"  übertragen,  indem  mau 
den  Blick  eines  anzüchtigen  Weibes  als  unheilbringend  betrachtet  hat, 
wenigstens  wenn  er  ein  nacktes,  neugeborenes  Kindlein  oder  die  entblösste 
Brust  einer  säugenden  .Mutter  traf.  Dot  andere  ist  „uglese",  einen  wie 
die  Eule  anblicken,  oder  ..ulvese--.  einen  wie  ein  Wolf  anblicken.  Beide 
Formen  und  Deutungen  der  Dialektwörter  sind  möglich  und  lassen  Bich 
verteidigen.  Ober  „ulvese-  später;  die  Eule  hat  auch  betreffend  ihren 
tötenden  Blick  einen  hr.sen  Ruf.  sieh  z.  B.  Gaidoz,  Melusine  IV.  IM  aus 
Italien. 

2.  Wie   verhält  es  sich  nun  aber  hiermit?     Ist  also  die   Wirk  im. 
bösen  Auges  dem   Willen  des  Besitzer-  unterworfen   oder  nicht? 

Ans  Italien,    dem  Lande    des   mal'occhio,    wird  von    dem   verstorbenen 


1)  Vgl.  verschieren,  beswögen,  Möllenhoff,  Sagen,  560a,  Schütz--.  Holst.  Idiot.  IV,  43. 


Feilberg: 

Pabste    l'i"    Nono    erzählt,    dasa    die   lu'iiiicr   vom  Mittelstand)'  den    FinHuss 

Beines    bösen  Blickes    tni    hohen  Grade  fürchteten.     Die  Fremden  sind  et 

aen,  welche  Spalier  Längs  seinem  Wege  bildeten.    Sobald  die  römischen 

Dam. mi  ihn  von  Ferne  entdeckten,  eilten  sie  in  Seitengassen  oder  kehrten 
sieh  mn.  damit  sie  nicht  seinem  l.licke  ausgesetzt  würden;  die  Männer 
Buchteten  in  Bntiken  oder  Alleen;  die  Weiher  ans  der  Campagna  machten 
knieend  das  Fioa-Zeichen  tinter  ihren  Schürzen,  und  die  Bewohner  der 
ewigen  Stadt  scheuten  gewöhnlich  die  St.  Peters-Kirche  an  den  grossen 
Festtagen.1)  Nim  kann  doch  kein  vernünftiger  Mensch  annehmen,  dasa 
das  Oberhaupt  der  katholischen  Kirche  mit  Wissen  und  Willen  Böses 
thne  und  seinem  eignen  Volke  Schaden  zufügen  wolle,  sobald  er  seine 
Hand  über  dasselbe  segnend  ausstrecke.  Giebt  es  böse  Menschen,  deren 
Gift  durch  böse  Augen  ausstrahlt,  so  giebt  es  andere,  denen  ein  böses 
Auo-e  ein  unheilvolles  unglückbringendes  Vermächtnis  ist.  dessen  Macht 
sie  auf  keine  Weise  zu  entgehen  vermögen,  und  das  ihr  Leben  unglücklich 
macht.  Besser  versteht  man,  dass  König  Victor  Emmanuel  bei  Solferino 
auf  einer  Anhöhe  gegen  die  Österreicher  das  Fica-Zeichen  machte  oder 
dass  Crispi,  um  nicht  durch  die  bösen  Augen  der  Opposition  zu  leiden, 
sich  mit  roten  Korallen  wappnete.8)  Hier  ist  der  Wille  zu  schaden  un- 
zweifelhaft. 

Fs  ist  nun  ganz  eigentümlich,  dass  in  nordischer  Überlieferung  das 
böse  Auge  öfters  als  eine  unheilvolle  Naturgabe,  unter  welcher  der  Besitzer 
seufzt,  hervortritt.  Einige  Menschen,  so  heisst  es,  haben  böse  Augen  ohne 
es  zu  wollen.  Eine  Witwe,  Bodil  Mikkelsdatter,  war  deswegen  bekannt; 
wenn  man  mit  Brauen  beschäftigt  war,  wo  sie  hinkam,  wurde  eilig  das 
Bier  verhüllt;  niemand  wurde  doch  auf  sie  zornig,  sie  konnte  nicht 
dafür.  Anderswo  wird  erzählt,  dass  eine  Bettlerin,  die  von  einer  Bauern- 
frau einen  Krug  Milch  erhielt,  dieselbe  bat,  ein  Kreuz  über  den  Krug  zu 
machen:  „Ich  habe,  weisst  du  ja,  ein  böses  Auge!" 3)  Ähnliches  trifft  man 
auch  in  Deutschland  an.  Strackerjan  (Aberglaube  aus  Oldenburg  I,  "2t>9. 
210.  II,  116.  419)  sagt:  „Der  böse  Blick  ist  nicht  immer  freiwilliger 
Zauber,  sondern  mitunter  auch  eine  unselige  Eigenschaft  guter  Menschen. 
Die  Hexen  aber  üben  das  ,Entseheir  oder  ,Schiereir  absichtlich."  Von 
der  Insel  Man  heisst  es,  dass  das  böse  Auge  in  gewissen  Familien  erblich 
sei  und  dass  auch  gute  und  wohlwollende  Menschen  mit  der  furchtbaren 
Gabe  des  „overlooking"  gequält  sein  können.4) 

1)  Melusine  IV,  419. 

2)  Melusine  VIII,  108.     Ons  Volksleven  VII,  159. 

:',    Jydske  Sainl.  I3,  59.     Kristensen,  Sagn  VII.  212.  737.     Anholt  <i3.  135. 

4)  Folklore  II,  511;  „the  evil  eye"  war  in  gewissen  Familien  erblich  und  uurde 
bewusst  gegen  Unfreunde  angewandt.  Walt.  Gregor,  Folklore  of  N.  East  of  Scott.,  p.  34; 
vgl.  Urquell  VI.  273.  232  bei  galizischen  Judeu. 


Der  böss  Blick  in  nordi  rlieferong.  .'<n7 

3.  Man  kann  sich  doch  auch  den  bösen  Blick  erwerben.  Unbewusst 
geschieht  es,  «renn  ein  entwöhntes  Kind  abermals  an  die  mütterliche  Brosl 
gelegt  und  gesäugt  wird.  Bin  solches  nenn!  man  „Tvädäggling"  (S.), 
Zwiegesäugtes,  es  erhält  böse  Augen  und  wird  unglücklich  in  allen  unter- 
nehmen.1) Mit  Wissen  und  Willen  kann  sich  der  erwachsene  Mann  diese 
böse  Marin  verschaffen,  wenn  er  sich  von  einem  Weibe  Bäugen  Lässt;  fchut 
er  solches,  heisst  ea  weiter,  müssen  alle  lebendigen  Schöpfungen,  den 
Menschen  ausgenommen,  vor  seinem  Blicke  Bterben.  Dasselbe  gilt  doch 
wohl  auch  von  Frauen  (X.).")  Eine  englische  Anweisung*),  etwas  Ähn- 
liches zu  erreichen.  Bcheint  mir  nicht  gah.2  klar.  Der  Mitteiler  hat  in 
Yorkshire  ein  altes  Weih,  das  an  das  böse  Auge  glaubte,  angetroffen. 
Sie  erzählte  von  einem  jungen  Mädchen,  das  von  dem  bösen  Blickt 
troffen,  von  langsam  zehrender  Krankheit  ergriffen  wird  und  stirbt,  niemand 
weiss,  wovon.  Er  fügt  dann  hinzu,  dass  er  der  Alten  das  Geheimnis,  wie 
man  das  böse  Auge  erhalten  könne,  entlockte.  Man  soll  alle  Nächte  an- 
sehen, his  man  neun  Kröten  gefunden  habe;  die  sollten  an  eine  Schnur 
gebunden  miteinander  in  ein  Loch  in  der  Erde  begraben  werden  and  so 
wie  die  Kröten  unter  der  Erde  hinsterben,  so  verzehrt  sich  das  Leben 
der  Person,  die  du  mit  bösem  Auge  angeblickt  hast  und  sie  Btirbt  ohne 
irgend  eine  Krankheit.  Dieses  scheint  mir  eher  ein  sympathetisches 
Mittel,  wodurch  man  einem  Menschen  ein  Leiden  zufügt  als  die  Wirkung 
des  bösen  Auges. 

In  einer  dänischen  Sage  wird  noch  erzählt,  wie  ein  Prediger,  nachdem 
er  einen  Spukgeist  gebannt  hat,  sich  die  Augen  volle  neun  Tage  zubinden 
lässt.  Erklärung  wird  nicht  gegeben.*)  Möglich  wäre  immer,  dass  mau 
durch  Anblick  eines  höllischen  Geistes  das  böse  Auge  erwerben  könne. 
Ich  bin  jedoch  nicht  in  Besitz  von  Hinweisen,  welche  hier  Licht  bringen 
könnten;  die  Erzählung  mag  ein  loser  Vogel  sein. 

4.  Unter  denen,  die  das  böse  Auge  haben,  nehmen  in  <)t<v  Neuzeit 
•die  Hexen  den  eisten  Platz  ein,  ich  dürfte  vielleicht  sagen,  den  einzigsten; 
Huren  und  Verbrecher,  geheime  sowohl  als  offene,  müssen  gewiss  dazu 
gerechnet  werden,  treten  jedoch  im  Vergleich  mir  den  Hexen  sehr  In  den 
Schatten.  Meistens  offenbaren  sie  bei  den  täglichen  häuslichen  Arbeiten, 
wenn  sie  beim  Buttern.  Backen  zusehen,  ihre  Bosheit,  ohne  jetzt  hierauf 
einzugehen,  will  ich  eine  Reihe  von  Beispielen  der  Macht  ihrer  bösen 
Augen  anführen. 

So  wird  irgendwo  in  Pühnen  erzählt,  dass  auf  einer  Bauernhufe  ein 
alter  Mann    starb,    und    der  Zufall    wollte,    dass    der  Sarg    nicht    bei    dem 


1)  Rääf,  Ytre  Hiirad  I,  129. 

2)  Folkevennen  XI,  475.  87. 

3)  Choice  Notes,  Folklore  129. 

4)  Kristensen,  Sagn  IV,  162.  .">i;!>. 


Feül 

Sohne  der  Hexe,  welcher  Zimmermann  war.  bestellt  wurde.  Was  geschah? 
l>s  war  vun  dein  Tage  an  unmöglich  zu  buttern.  Der  Hausvater  suchte 
bei  •  * i 1 1 * ' 1 1 1  Klugen  Uats.  er  biess  Niels,  wurde  gewöhnlich  der  kluge  Niels 
genannt.  Das  erste  Mal  wurde  ihm  jedoch  nicht  geholfen,  weil  die  Hexe 
den  Hufner  auf  dem  Wege  zum  Klugen  gesehen  hatte.  Dreimal  wurde 
noch  der  Weg  vergeblich  versucht,  es  gelang  der  Hexe  jedesmal,  den 
wandernden  .Mann  zu  sehen,  und  er  musste  unverrichteter  Sache  wieder 
nach  Hause  kehren.  Erst  das  vierte  Mal  kam  er  ungesehen  an  der  Hexe 
vorüber  und   nun  konnte  die  Hausmutter  wieder  Butter  erlangen.1) 

Hier  eine  andere  Geschichte  vom  nördlichen  Jütland.  wo  eine  gewisse 
Lisa  Mette  eine  berüchtigte  Hexe  war.  Ihr  Sohn  war  bei  einem  Bauern 
im  Dienst  und  zog  sich  eines  Tages  von  dessen  Viehknecht  eine  ernstliche 
Ohrfeige  zu.  Hin  paar  Tage  später  kam  der  Yiehknecht  an  Lisas  Wohnung 
vorüber,  wurde  von  ihr  angesprochen,  bald  darnach  erkrankte  er.  wurde 
kränker  und  kränker.  Ins  er  gar  nicht  weiter  konnte.  Nun  Avurde  ihm 
gesagt,  er  solle  die  sehr  berühmte  kluge  Frau  in  Vindbläs,  deren  Wirk- 
samkeit noch  nach  ihrem  Tode  bis  auf  den  heutigen  Tag  von  Wunder 
umgeben  ist.  um  Hilfe  ansprechen.  Sie  gab  dem  kranken  Viehknecht  ein 
Rezept  für  die  Apotheke,  aber  mit  der  bestimmten  Warnung,  Lisa  Mette 
dürfe  ihn  nicht  in  den  ersten  drei  Tagen  sehen.  Gelänge  ihr  das.  so 
wäre  er  rettungslos  verloren.  Seine  Frau  war  den  ganzen  ersten  Tag  auf 
Wache  uud  hielt  die  umherschleichende  Lisa  Mette  weg,  ebenso  am  zweiten 
Tage.  Wie  es  aber  geschah,  wusste  niemand  zu  erklären,  auf  einmal 
stand  die  Hexe  in  der  Stube,  ging  an  das  Bett  des  Kranken,  und  brach, 
da  sie  an  der  verzweifelten  Frau  vorüberging,  in  ein  schallendes  Gelächter 
ans.  Eine  Zeit  lang  lag  der  Viehknecht  noch  schwer  krank,  dann  starb 
er  unter  grossen  Schmerzen.  ..Hätte  die  Frau  doch  irgend  etwas  in  die 
Hand  genommen  und  damit  die  Hexe  blutig  geschlagen,  so  würde  der 
Zauber  alle  Macht  verloren  haben!"  so  schloss  die  Erzählerin.8) 

Sieht  eine  Hexe  Messer  oder  Schere,  womit  jemand  seine  Nägel  ge- 
schnitten hat.  so  kann  sie  dem  Manne  ein  Leides  anthun.  Man  entgeht 
dem  Übel,  wenn  man  gleich  nach  dem  Gebrauche  in  ein  Stück  Holz 
schneidet.3)  Und  gelingt  es  der  Hexe,  irgend  ein  Stück  von  den  Gerät- 
schaften, die  zum  1  bittern  gehören,  anzublicken,  kann  sie  alles  verzaubern 
und  man  muss  das  Ganze  von  neuem  wieder  machen   lassen.4) 

Verschiedene  Vorsichtsmassregeln  müssen,  wenn  die  Hexen  am  St. 
Johannisabehd  zum  Blockberg  reisen,  in  acht  genommen  werden.  Sie 
fahren  in  grossen  Scharen  auf  Besenstielen  durch  die  Luft;  sehen  sie  das 
grasende  Vieh    des  Bauern,    dann    wird    es    krank.     Darum    wird    in    der 


1)  Skattegravercn  IX,  79.  254. 

2)  Kristensen,  Sagn  VII,  235. 

3)  Kristensen,  Folkeminder  IV,  399.  572. 

4)  J.  Kamp.  Folkeminder.  211.  187. 


l><r  böse  Blick  in  nordische]   i  berlieferung. 

Johannisnacht    alles  Vieh    in    den  Ställen    eil  Und    ihr   bl 

Blick  li.it  M;icht  nicht  nur  über  Vieh,  sondern  auch  ober  die  Saaten  des 
Bauern.  Er  setzt  längs  jedem  Flachsfelde  Weidenreiser,  damit  «•>  nicht 
unter  den  sengenden  Augen  der  bösen   Weiber  wo] 

Kin  Beispiel  aus  Schwelen  ist  folgendes  Noch  immer,  wenigstens 
zu  unserer  Zeit  um  1881,  wurde  allgemein  von  solchen  bösen  Hexen- 
künsten geredet.  Ein  böses  Weib  war  es.  immer  drehte  sie  sich  bo  in 
der  Kirehenfhiir.  dass  sie  rücklings  eintrat,  und  es  gelang  ihr  immer  auf 
dieselbe  Weise  in  private  Häuser  einzugehen.  Eines  Tages  passte  sie 
einem  Dienstjungen  auf.  Er  kam  mit  einem  Sacke  voll  flachsenen  Ga 
«las  zum  Bleichen  geschickt  wurde.  Der  Junge  oiusste  an  ihrem  Hause 
vorbei  passieren,  and  da  sie  in  der  Thüre  stand,  wünschte  sie  das  Garn 
zu  sehen,  was  er  ihr  nicht  auszuschlagen  wagte.  Der  Sack  wurde  ge- 
öffnet, nur  einen  Augenblick  rupfte  sie  ein  wenig  hin  und  her  in  den 
Fitzen,  alier  ;ils  das  Garn  gewoben  werden  sollte,  versuchte  es  die  Haus- 
mutter  ein  Mal  nach  «lein  anderen,  immer  vergeblich,  die  Röhre  „legte 
sich".  So  wurde  ihr  geraten,  ausgeliehene  Röhren  zu  benutzen,  es  ging 
auf  keine  Weise  anders,  es  ist  wahr,  was  ich  Ihnen  erzähle;  am  Ende 
wurde  ein  neugeborenes,  blindes  Kätzchen  dreimal  durch  die  Scheide 
geführt.  Das  half  wenigstens  soviel,  dass  das  angefangene  Stück  Leine- 
wand fertig  gewoben  werden  konnte,  das  übrig  gebliebene  Garn  tnusste 
sie  als  Einschlag  verwenden.-) 

In  Norwegen,  so  scheint  mir  es  wenigstens,  sind  sehr  altertümliche 
Züge  dieses  Aberglaubens  bewahrt.  Eine  gewisse  Maren  wurde,  als  sie 
mit  ihren  Zauberschwestern,  die  bei  des  Teufels  „Osterspiel"  gewesen 
waren- und  in  grossen  Haufen  auf  Besenstielen  vorüber  ritten,  von  einem 
Schützen  erkannt:  er  rief  ihren  Namen  und  augenblicklich  war  ihre  Luft- 
fahrt zu  Ende,  >ie  fiel  herunter  und  brach  ihr  Hein,  wurde  gefänglich 
pingezogen  und  zum  Feuertode  verurteilt.  Als  sie  auf  den  Scheiterhaufen 
geführt  wurde,  erbat  sie  als  eine  Gnade,  dass  ihr  die  Binde  von  den 
Augen  ein  wenig  weggenommen  werden  möge.  Es  wurde  ihr  bewilligt, 
man  war  aber  so  vorsichtig,  sie  mit  dem  Gesichte  gegen  die  Felsen  und 
nicht  gegen  Felder  und  Wiesen  zu  kehren,  und  wo  ihr  Blick  traf,  welkte 
alles,  die  fernen  Wälder  standen,  als  ob  sie  vom  Feuer  versengt  waren.*) 
Ich  nenne  diesen  Zug  altertümlich,  weil  man  in  der  Sagalitteratur  Ent- 
sprechendes antreffen  kann.  In  der  Laxdaela  Kap.  '■'<!  i>t  ein  Bericht  von 
einem  der  auf  Island  häufigen  Farailienfehden.  Halbjörn  Schleifsteins 
wird  von  seinen  Feinden  ergriffen,  ein  Balg  über  Beinen  Kopf  gez 
von  Hrut  und  seinen  Söhnen  auf  die  -  führt;  erst  dort  wurde  er  vom 

Balge    befreit,    während  sie  ihm  einen  Stein   um  den   Hals  knüpften.     .Mit 

,    1)  Kristensen,  Sagn  VII,  108.  38»;,    103.  355. 

2)  Wigström,  Folkdiktniug  II,  350. 

3)  Asbjörnsen,  Norske  Huldre-Eveutyr3.   HC 


310  Feilt 

schielenden  Augen  schaute  Halbjörn  nach  dem  Lande.  „Ks  war  ein 
Onglückstag",  sprach  er,  „da  wir  bei  Camsnäs  anlangten  und  mit  Thorleik 
-zu  fluni  bekamen,  und  das  wünsche  ich,  dass  Thorleik  hinfort  keine  guten 
Tage  erlebe  und  dass  alle,  welche  sich  in  seinem  Hause  setzen,  einen 
schweren  Sitz  erhalten!"  So  geschah  es  auch  teilweise.  Darauf  ertränkten 
Bie  ihn  and  ruderten  zurück.  Was  liier  nicht  deutlich  ausgesprochen  wird. 
die  Macht  Beines  bösen  Auges,  wird  im  nächsten  Kapitel  (38)  von  seinem 
Bruder  Stigande  erzählt.  Er  wurde  durch  die  List  eines  Weibes  gefangen 
genommen.  Sie  zogen  auch  ihm  schlafend  einen  Balg  über  den  Kopf. 
Stigande  erwachte,  da  sie  aber  viele  um  einen  waren,  widersetzte  er  sich 
nicht.  Nun  fand  sich  aber  am  Balg  ein  Loch,  wodurch  es  Stigande  zu 
blicken  möglich  wurde.  An  der  Seite  der  Berghalde  war  ein  schönes 
Stück  Land  mit  reichem  Graswuchse.  Da  es  aber  von  seinem  Auge  ge- 
troffen wurde,  war  es.  als  ob  ein  Wirbelsturm  darüber  hinfuhr,  und  von 
der  Zeit  an  wuchs  dort  kein  Gras  mehr.  Die  Stelle  wurde  Brenna  (die 
verbrannte)  genannt. 

Hierher  ziehe  ich  noch  einen  Bericht  aus  der  Landnama  II] .  Kap.  4.  Ein 
Überfall  ist  geplant  und  gelingt;  da  erscheint  die  alte  Hexe  Ljöt,  rücklings 
gehend,  vorüber  gebeugt,  den  Kopf  zwischen  den  Füssen,  ihre  Kleider 
auf  ihrem  Kücken.  Jökul  hieb  Hrolleifs  Kopf  ab  und  warf  ihn  in  das 
Gesicht  der  Ljöt,  da  sprach  sie,  dass  sie  zu  spät  gekommen  wäre,  „oder 
die  Erde  würde  sich  vor  meinen  Augen  umgekehrt  haben  und  Ihr  wTürdet 
alle  wahnsinnig  geworden  sein.'-  In  Yatnsthela  Kap.  26,  wo  derselbe  Auf- 
tritt erzählt  wird,  fügt  der  Verfasser  noch  hinzu,  dass  ihr  Blick  abscheulich 
war,  und  dass  sie.  hätte  sie  ihre  Feinde  gesehen,  ehe  sie  von  ihnen  ge- 
sehen würde,  sie  toll  geworden  und  auf  dem  Wege  wie  verwilderte  Tiere 
umhergesprungen  wären.1) 

Indem  ich  die  besonderen  Fälle,  wo  das  böse  Weib  durch  die  Beine 
rücklings  sieht,  verlasse,  ziehe  ich  ein  paar  andere  Beispiele  an.  Aus 
Island  wird  von  einem  Zauberweibe  erzählt,  dem  ein  Schafknecht,  da  es 
bei  einem  Geräusche  aufblickte,  in  die  Augen  sah.  Er  wurde  sogleich 
ohnmächtig,  und  es  dauerte  Lange,  ehe  er  wieder  zu  Besinnung  kam.  Ein 
anderes  Zauberweib,  -larngerdur.  hatte  so  böse  Augen,  dass  alles  Lebendige. 
wae  sie  sterbend  ansah,  gleich  verfaulte.  Es  wird  durch  den  Anfall 
eines  Hundes  getötet;  sterbend  starrte  es  den  Hund  an,  welcher  in  Staub 
aufgelöst  wurde:  sie  starben   beide,  sowohl  das  Weib  als  der  Hund.2) 

Von  Svanhild  giebt  es  zwei  Berichte:  der  alte  Soraner  Mönch  Saxo 
redet  von  der  schotten  Frau  ritterlich,  sagt«  dass  es  verlautete,  ihre  Schön- 
heit wäre  s<>  wunderbar,  dass  selbst  den  Pferden  grauete.  ihre  reizende 
Glieder  durch    ihre  schmutzigen  Hufe  zu  zertreten.     Erst  als  Svanhild  auf 


1    Sieh  Beilage  IV. 

2)  Arnason.  Thjodsügur  II,  91.    I,  250—51. 


Der  böse  Blick  in  nordischer  l  t > •  ■  r  1  i •  •  f •  •  r 1 1 n ^  ;;il 

»las  Gesicht  gelegt  war.  traten  sie  < U «*  Pferde  nieder.  Es  Bebeint  ••in. mm 
diese  ganze  Darstellung  fremd  und  der  Bericht  in  der  Völsunga-I* 
(Kaj».  40)  wahrscheinlicher:  ds  Svanhild  ihre  Angen  aufschlug,  wagten  die 
Pferde  ea  nicht,  sie  /.u  zertreten,  ein  Balg  wurde  über  ihren  Kopt  gez< 
und  nun  Liese  sie  ihr  Leben.1)  So  versteht  ea  das  Volk.  \  <.n  einer 
anderen  Person  Saxoa  dürfte  ea  auch  gelten,  dass  sie,  wenigstens  \sie  wir 
dir  Sache  jetzt  ausdrücken  würden,  ein  böses  A.uge  gehabt  habe,  Dämlich 
Olr.  welcher  so  scharfe  A.ugen  hatte,  dass,  \\a>  andere  durch  Waffen  ihren 
Feinden  gegenüber  ausrichteten,  das  vermochte  er  durch  seine  A.ugen,  die 
auch  wohl  den  Stärksten  erschreckten.  Ein  Mädchen,  das  er  ansieht, 
wird  beinahe  vor  Furcht  ohnmächtig,  und  bei  einer  Gelegenheit  Bchloss 
er  die  Augenlider,  um  die  Anwesenden  nicht  zu  verscheuchen.8)  Noi 
ein  Beispiel  aus  0.  Tryggvesons  Saga  Kap.  208)  teile  ich  mit.  Der 
König,  so  heis>r  es.  bestimmte,  dass  Sigurd  von  Hunden  zerrissen  werden 
sollte.  Nackt  ausgezogen  war  er  und  an  den  1  landen  gebunden.  Kein 
Hund  alier  -ritt  ihn  an.  denn  Sigurda  A.Uge  war  SO  scharf,  dass  sie  sich  alle 
weg  von  ihm  kehlten.  Am  Ende  zerriss  ihn  der  Hund  des  Königs,  Vige. 
Bier  oiusa  doch  die  Bemerkung  eingeschoben  werden,  dass  ein  scharfer, 
durchdringender  Blick  oft  den  Helden  als  Zier  beigelegt  wird.  So  hm^st 
es  von  dem  norwegischen  König  Olaf  dem  Heiligen,  er  habe  sehr  schöne, 
funkelnde  Angen,  die  alle,  die  ihn.  wenn  er  zürnte,  anblickten,  erschreckten 
(Saga  Ol.  II..  Kap.  25,  Snorre  151,  287,  Biunchs  Übersetzung). 

So  in  den  Zeiten  Längst  vergangen.  Von  den  [nseln  Ösel,  Mon,  Dago, 
an  der  russischen  Ostseeküste,  von  Schweden  bewohnt,  wird  berichtet,  .las 
es  dort  .Menschen  gebe,  deren  Augen  «-ine  magische  Kraft  besitzen,  einen 
bösen  Einflusa  auf  Menschen,  Tiere,  Gegenstände,  teilweise  von  ihrem 
Willen  unabhängig,  ausüben.")  In  den  Winkeln  aller  Länder  durften 
entsprechende  Vorstellungen  zu  finden  sein.  In  der  etwa.-  korrigierten 
schwedischen  Übersetzung  von  dem  Werke  eine-  Engländers  über  Sitten 
in  Schweden,  schreibt  der  Verfasser,  was  mir  auch  aus  mündlicher  .Mit- 
teilung sonst  bekannt  ist,  dass  das  Volk  plötzliche  Krankheitsfälle  dem 
Kinfluss  des  bösen  Blickes  zuschreibt,  das  Pferd  verliert  den  .Mut  („blir 
modstulen"),  und  Zauberweiber  können  schon  durch  ihren  Blick  töten.*) 
Aus  dem  Volksglauben  eines  [ridianerstammes  Nordamerikas  kann  hier 
der  Vergleichung  wegen  angeführt  werden,  dass,  wenn  ihr  Volksheld  aus- 
ging und  die  Bergziegen  anblickte,  fielen  sie  tot  um.  und  -eine  Augen 
töteten  alle   und  alles,   das  er  ansah.  ' 


1)  Müller-Saxo  414.  4. 

2)  Müller-Saxo  368,  4.    371,  5.  20. 

3)  Melusine  III.  108.     Holzmayer.  Verh.  d  -lUdiait  VII.  78,  Porpal 

Ein   solches  Auge   nennt    der  Esthe:    böses,   neidisches,    tückisches  Auge,    die  Wirkungen 
sind  unzählig. 

4^  Lloyd,  Svenska  Almogens  Plägseder  (1871  .  S.  0<>. 

5)  Journal  of  Am.  Folki.  IX,  258.     Tsetsaut-Indianer 


.,1-j  Feilberg: 

.">  Ich  lasse  hiermit,  vorläufig  wenigstens,  Zauberer  and  Zauberinnen 
fahren,  um  eine  andere  Gruppe  zu  betrachten.  So  wirds  von  « l«-n  Alten 
hier  in  Jütland  gesagt,  dass,  wenn  jemand  fastend  von  einem  Weibe  oder 
einer  Katze  li» ■  s « ■  1 1 » ■  1 1  wird,  er  erkrankt,  doch  mit  dem  bestimmtet]  Vor- 
behalt,  dass  er  zuevsl  von  ihnen,  ehe  <t  Bie  entdeckte,  gesehen  wurde.1) 
So  heisst  es  ganz  im  allgemeine]}.  Di«'  Weiber  scheinen  allerdings,  so 
wie  man  die  Sache  zu  unsrer  Zeit  versteht,  am  meisten  bösangig  zu  sein. 
doch  u'ilt  «las  nicht  von  guten,  jungen,  Bchönen  Frauen;  dagegen  sind  un- 
keusche,  besonders  ältere  Weiber  mir  triefenden  Augen,  wenn  sie  geheim 
Unzucht  treiben,  gefährlich.  Man  hat  das  Wort  „skögese",  um  dies  aus- 
zudrucken, gebildet;  wenn  eine  im  geheimen  unzüchtige  Frau  („Lönhore*} 
ein  schwangeres  Weib  oder  ein  neugeborenes  Kind  oder  die  blosse  Brust 
einer  säugenden  Mutter  sieht,  so  folgt  darnach  notwendig  Krankheit  für 
Mutter  oder  Kind.8)  Ja,  die  Sache  ist  im  Grunde  noch  ernstlicher,  denn 
nach  südschwedischem  Volksglauben  braucht  nur  ein  unzüchtiges  Weib, 
während  das  Kind  noch  ungetauft  daliegt,  über  die  Schwelle  zu  treten, 
oder  die  Mutter  von  eiuer  solchen  während  ihrer  Schwangerschaft  Besuch 
zu  erhalten8),  und  die  bösen  Folgen  treten  ein.  Noch  ist  eine  Sitte  in 
Schonen  erinnerlich,  eine  Sitte,  deren  Aufhören  noch  in  unseren  Tagen 
von  alten  Weibern  bedauert  wird,  dass  alle  Dienstmädchen  des  Kirchspiels 
von  den  Frauen  untersucht  wurden  und  die  in  Verdacht  von  geheimer 
Schwangerschaft  stehenden  mussten  sich  das  Umbinden  eines  Tuches  um 
den  Kopf  gefallen  lassen.  Es  könnte  diese  Sitte  als  ein  Ausbruch  des 
Sirtlichkeitsgefühls  der  verheirateten  Frauen  betrachtet  werden,  und  es 
mag  vielleicht  ein  solcher  gewesen  sein:  doch  ist  es  nicht  das  allein. 
sondern  zugleich  eine  Vorsichtsmassregel,  denn  wenn  ein  solches  Mädchen 
von  einer  schwangeren  Frau  barhaupt  gesehen  wurde  oder  sie  träte  in 
das  Haus  einer  solchen,  erkrankte  das  noch  ungeborene  Kind  am  Huren- 
übel („Horeskäver",  d.  h.  an  Skropheln.  durch  den  Blick  einer  Hure  ver- 
ursacht).*) 

Mir  den  schlechten  Frauenzimmern  werden  schlechte  Menschen,  Per- 
soneu,  welche  Schlechtes  gethan  ohne  dafür  zu  leiden,  Mörder,  Misse- 
thäter  zusammengestellt.  So  heisst  es  aus  Schweden:  Wenn  eine  geheime 
Hure  oder  Diebe,  Mörder,  Missethäter  die  entldössteJBrust  einer  schwangeren 
Frau  oder  eines  neugeborenen  Kindes  sieht,  bekommt  das  Kind  Skropheln.6) 
Wenn  ein  Verbrecher,  dessen  Schuld  nicht  ans  Licht  gebracht  ist,  besonders 
ein  unzüchtiges  Weil»,  dessen  Schuld  niemand  kennt,  eine  entblösste  Stelle 

1)  Kristeusen,  Folkeminder  VIIF,  275,  66. 

2)  J.  Kamp.  Fnlkemindcr  211,  187.     Jydske  Saml.  IV,  239. 

3)  Wigström,  FMkdiktning  IT,  219. 

4)  Wigström,  Allmogeseder.  S.  51:  sieh  Beilage  I. 

5)  Cavall.,  Wärend  f.  37S. 


Der  böse  Blick  in  nordischer  l  bcrlieferung.  ;;i:; 

am  Leibe  eines  Kindes  sieht,  wird  das  Kind  krank.1)  Geschieh!  es,  das« 
Bohlechte  Menschen  die  entblösste  Brust  einer  Bangenden  Fraa  Behen,  ver- 
liert sie  die  Milch;  darum  verhüllet  sie  immer  ihre  Brust.  Bin  Kind 
kann  von  einem   Bösewichte  „übersehen"  werden   und  wird  dann  krank.') 

6.  Zunächst  bemerke  ich,  das*  man  in  der  Sagazeil  sorgfältig  einem 
Blicke  von  dem  noch  geöffneten  Auge  eines  Toten  auswich.  In  der  Eyr- 
byggja  Kap.  .'i.'j  erschein!  es  am  deutlichsten.  Thorolf  war  gestorben,  da 
ging  Ainkell  in  «las  Saus,  nahete  sich  Thorolf  von  hinten  und  bat  jeder- 
mann, sich  zu  hüten  ihm  von  vorn  oahe  zu  treten,  so  lange  dem  Toten 
nicht  „nabjargir"  geleistet  war.  Darnach  hüllte  er  ein  Tuch  um  den  Kopf 
Thorolfs  und  verfuhr  mir  ihm  nach  Gewohnheit.  Zu  „näbjargiru,  Leichen- 
hilfe, gehörte,  dass  man  Augen  and  Lippen  des  Toten  schloss  Eine, 
soweit  mir  bekannt,  einzelstehende  Erzählung  kann  hier  angezogen  werden. 
Der  Wiedergänger,  welcher  die  Bauerntochter  verfolgt,  will  sich  mit  ihrem 
Anblick  begnügen.  Arnthorr,  welcher  das  durchgesetzt  hat,  hüllt  ein  gro 
Tuch  um  ilmi  Kopf  des  Mädchens,  dass  sie  weder  sehen  Doch  hören  kann. 
Da  Ragt  der  Draus:,  wäre  sie  nicht  auf  die  Weise  verhüllt  gewesen,  würde 
er  sie  wahnsinnig  gemacht  halten.4)  Hierher,  scheint  mir,  gehörl  auch 
die  Erzählung  von  Grettes  Kampf  mit  dem  Wiedergänger  (Hain, 
stark  auch  Gretter  war.  er  musste  seine  letzten  Kräfte,  um  Gläni  zu  fallen, 
anwenden.  Da  sie  so  auf  der  Knie  ringend  lauen,  zogen  die  Wolken  von 
dem  Munde,  da  öffnete  Glam  die  Augen  weit,  und  Gretter  hat  selber 
gesagt,  dass  dieser  Anblick  <\cv  einzigste  war.  der  ihm  je  Furcht  ein- 
geflösst  habe.6)  Von  der  Zeit  an  fürchtete  sich  Gretter  immer,  wenn  es 
zu  dunkeln  anfing.  Es  ist  in  diesen  Berichten  des  Toten  \im-.  dass  die 
Lebendigen  fasciniert;  so  ist  es  im  Mittelalter  Volksglaube  gewesen;  wahr- 
scheinlich sind  noch  dunkle  Spuren  davon  in  neueren  Spukerzählungen 
überliefert,  wenn  es  heisst,  das-  Menschen,  denen  allerlei  Spukgeister  oder 
Wiedergäneer  heiiegrnet  sind,  wunderlich  oder  grar  wahnsinnig  werden. 
Da  die  Elfen  im  nordischen  und  keltischen  Volksglauben  wohl  ohne 
Zweifel  ursprünglich  Seelen  der  Toten  öind,  könnte,  was  in  einem  eng- 
lischen Bericht  sich  vorfindet,  auch  hier  angeführt  werden:  wenn  jemand 
von  dem  Auge  eines  Elfen  (fairy)  getroffen  würde,  müsste  er  Bein  Kel.cn 
lang  deswegen  leiden.6) 

Ich  kann  mit  mythischen  Wesen  fortfahren.    Im  dänischen  Aberglauben 
sind    die    sogen.  Bergleute  („Bjärgmänd"     diejenigen,    die    mau  wohl    am 


1)  Jonsson,  Folktro  i  Möre  3 

2)  Kristeusen,  Sagn  VII,  '274:   dess.  Folkeminder  VT,  i  1».      rg]    '.blander 
Wässbo  Härad  S.  29  (S.):  Melusine  V.  161.    VII.  251.    VIII.   134;  Pitre  l   i   [V,  243. 

3)  Weinhold,  Altaord.  Lehen.  S.  474.  vgl.  Egil  Skallegrimfi  8.  Kap.51,  vgL  !ii.rS.3m. 

4)  Arnason  I,  299. 

5)  Grettes  S.  Kap.  35. 

6)  Denham,  Tracts  I,  116. 


314  Feilberg: 

häufigsten  antrifft.  Sie  wohnen  in  den  Hünengräbern  und  unterhalten' 
Behr  oft  allerlei  Verhältnisse  mit  «lein  ansässigen  Bauern.  So  hatte  einst 
ein  „Bergmann"  während  eines  Gewitters  Obdach  in  der  Wohnstube  des 
Bauern  gesucht  und  sich  ganz  rahig  neben  den  Ofen  gesetzt,  alle  aber 
im  Hause  fürchteten  sich  vor  ihm.  Sie  hatten  einen  sehr  starken  Dienst- 
kiieclit  damals,  der  griff  den  Fremden  an  und  es  gelang  ihm,  ihn  auf- 
zuheben und  fortzuschleppen.  Nun  geschah  es  aber,  dass  der  „Bergmann" 
im  Ringkampfe  um  sich  griff  und  den  Bettumhang  zerriss;  im  Bette  aber 
lagen,  wie  es  in  früheren  Zeiten  ganz  allgemein  war,  die  eben  gebackenen 
Brote,  um  langsamer  abgekühlt  zu  werden:  der  „Bergmann"  aber  sali  das 
Brot,  ehe  er  zur  Thür  hinausgeworfen  wurde.  Alle  waren  froh,  da  sie 
seiner  los  wurden;  als  aber  das  Brot  angeschnitten  wTurde,  wrar  es  un- 
geniessbar,  sie  waren  gezwungen,  den  Ofen  für  ein  neues  Gebäck  zu 
heizen.1) 

Mit  den  Bergleuten  sind  die  „Trolle"  verwandt,  sie  gehören  vielleicht 
mehr  Norwegen  und  Schweden  als  Dänemark  an.  Da  sass  einmal  ein 
Troll  am  Abhänge  des  Berges  und  der  Bauer  kam  an  ihm  vorübergegangen. 
„Du  sitzt  hier?"  sprach  der  Bauer.  „Das  thue  ich",  antwortete  der  Troll. 
..Wonach  siehst  du?"  „Ich  sehe  die  Knechte  an,  die  dort  unten  pflügen, 
es  wäre  drollig,  ihnen  einen  Streich  zu  spielen."  „Wie  das?"  fragte  der 
Bauer.  „Ich  möchte  sie  alle  verwildern,  dass  sie  kreuz  und  quer  pflügen." 
..Das  kannst  du  nicht!"  „Das  kann  ich!"  sprach  der  Troll  und  fing  an, 
den  Acker  und  die  Leute,  die  unten  pflügten,  anzustarren.  Nur  einen 
Augenblick  dauerte  es,  so  fingen  die  Knechte  nach  allen  Seiten,  kreuz 
und  quer,  aufwärts  und  abwärts  zu  pflügen  an,  nur  einer  verblieb  in  der 
Furche.  „Siehst  du?"  sprach  der  Troll.  ..Jawohl",  antwortete  der  Bauer. 
..woher  kommt  es  aber,  dass  der  eine  ruhig  seine  Arbeit  fortsetzt,  während 
alle  die  anderen  irregehen?"  ..Das  Pferd  ist  erstgeboren,  der  Knecht  ist 
erstgeboren  und  er  hat  „Flogrogn"  (Eberesche  au  einem  anderen  Baume 
gewachsen)  im  Pfluge.2) 

Der  Troll  ist  hier,  wie  oftmals  in  der  Yolkssage,  ganz  gutmütig  und 
kann  mit  der  Macht  seiner  xVugen  scherzen.  In  der  Edda  sind  alle  Ge- 
stalten  wilder  und  unheimlicher.  Thor  besuchte  den  Riesen  Hymir,  der 
Bpät  abends  heim  von  der  Jagd  kam.  ..ihm  war.  als  er  kam,  der  Kinn- 
wald gefroren." 

„Heil  dir,  Hymir,  sei  hohes  Muths, 

der  Sohn  ist  gekommen  in  deinen  Saal, 

den  wir  erwartet  vom  langen  Wege. 

Ihm  folgt  hierher  der  Freund  der  Menschen, 

unser  Widersacher  Weor  genannt. 

li  Kristensen,  Folkeminder  VIII,  27.  54.     Skattegraveren  I,  9,  7. 
2)  Aasen,    Pröver  af  Landsmaalct  i  Norge   (1853),    S.  4,    vgl.  Melusine  V,  300,    das 
böse  Auge  bringt  Leute  zum  Irregehen  (Albanesen\ 


Der  böse  Klick  in  nordischer  l  berlieferong. 

Du  siehst  sie  sitzen  an  des  Ende, 

so  bangen  sie,  dass  die  Säule  sie  ' 
Die  Säule  zersprang  \<>n  des  Riesen  Sehe, 
entzweigebrochen  sah  man  den  Ball 

Mit    den    mythischen  Gestalten   des   nordischen   Volksglaubeos  bin  ich 

jetzt  fertig,  ob  die  vielen  anderen  auch  in  Besitz  des  Pascinierenden   k.ugee 

sind,  ist  wahrscheinlich,  mir  sind  aber  keim-  Aufzeichnungen  darüber 
bekannt. 

7.  Ein  paar  Völker  giebt  es,  die  wegen  ihrer  Zauberkunst  und  der 
Macht  ihrer  Augen  bekannt  sind.  Zuerst  die  Pinnen,  die,  welche  wir 
jetzt  gewöhnlich  Lappländer  nennen.  Es  heisst  von  ihnen,  dass,  wenn  sie 
ergrimmen,  die  Erde  sich  vor  ihrem  Angesichte  umkehre,  und  erscheint 
vor  ihren  Augen  ein  lebendiges  Wesen,  srfir/.t  es  gleich  tot  nieder.  Om 
dieser  unheilbringenden  .Macht  ihrer  Augen  zu  entgehen,  verbirgt  sich  vor 
ihnen  der  norwegische  König  Erik  in  ihrer  „Gamme",  und  da  sie  ein- 
schlafen sind,  zieht  er  durch  die  Hilfe  der  wunderschönen  Gunild  einen 
Balg  über  ihre  Köpfe,  und  so  wurden  sie  \mi  den  Begleitern  des  Königs 
getötet. ") 

Mir  den  Lappländern  verwandt  sind  wohl  die  Bjarmer  und  Amadoxer, 
die  von  Olaus  Magnus  in  seiner  llistoria  de  gentibus  septentrionalibns 
besprochen  werden.  Die  Bjarmländer  wohnten  östlich  von  „Gandvig", 
der  Zauberbucht,  dem  jetzigen  Weissen  Meere,  und  oft  wird  in  den  Sagas 
von  den  abenteuerlichen  Fahrten  der  Nordländer  nach  ihrer  Heimat  er- 
zählt. Die  Bjarmer  und  Amadoxen,  sagt  Olaus.  können  Menschen  sowohl 
durch  ihren  giftigen  Blick  als  durch  Zauberworte  und  andere  Greuel 
binden.  Der  Mensch  verliert  dadurch  «las  Bewus8tsein,  alle  Freiheit  und 
wird  besinnungslos. *) 

8.  Hiermit  verlasse  ich  vorläufig  die  Menschen,  um  mich  zu  ver- 
schiedenen Tieren  zu  wenden.  Es  wird  von  Marder  und  llri>  erzShlt, 
dass  sie  bei  Nacht  auf  dem  Rücken  liegend  Hühner  anstarren,  bis  sie 
verzaubert  herunterfallen  (D.).  Gegen  den  Fuchs  wird  dieselbe  Be- 
schuldigung vorgebracht  (X.).     Sollte  der  Wolf  einen   Manu  sehen,  el r 

von  ihm  entdeckt  wurde,  wird  er  heiser.  Das  Mittel,  wodurch  der  Mensch 
seine  Stimme  wieder  zurückerhalten  kann,  ist,  dass  er  dreimal  in  einen 
Ofen  oder  in  eine  Rübengrube:  „Gieb  mir  den  Gebrauch  meiner  Stimme 
zurück!"  ruft.*)  Dieser  Aberglaube  scheint  sich  in  weiten  Kreisen  vor- 
zufinden, in  Deutschland,  Prankreich  und  als  antiker  Aberglaube  in  [talii 

1)  Hymiskvida  11,  Simrocks  Übersetzung. 

2)  Olaf  Tryggvesens  S.  Kap.:'..     Munoh,  Snorre.  S.  52:  sieh  Beilage  III 

3)  Melusine  III,  107,  Citat  von  Olans  Magnus,  Antwerpen  1561,  1  verso,  dessen  Buch 
mir  nicht  zugänglich  gewesen  ist:  sieh  Beüage  II. 

4)  Gaslander  S.  49.     Cavall.,  Wärend  I,  339    8. 

5)  Wnttke  Kap.  271.     Rolland,  Faune  popul.  I.  117.     I'linins,  Hisr.  nat  VIII 


316  l.'ill.-r-: 

Sieht  der  Wolf  den  Jäger  an,  gehl  sein  Scham  nicht  los.1)  In  Norwegen 
wird  dem  Wolfe  eine  besondere  Macht  zum  Binden  zugesprochen.  Sieht 
ein  Eirte  den  Wolf,  ehe  er  von  ihm  gesehen  ist,  bo  muss  er  ihm  gleich: 
..klums  naai!"  entgegenrufen,  dadurch  wird  der  Wolf  „geklumst"  (bezaubert), 
so  dass,  wenn  er  mit  offenem  Rachen  kommt,  er  ihn  nicht  wieder1  zumachen 
kann  und  umgekehrt,  und  dieser  Zustand  dauert  so  lange,  bis  man  ihn 
aus  dem  (iesiclit  verliert.  Während  dieser  Zeit  kann  er  nichts  rauben, 
und  wenn  er  in  die  Schafherde  fällt,  so  Bchlägt  er  nach  den  Schafen  mit 
dem  Schwanz  und  die  Getroffenen  folgen  ihm  nach,  um  von  ihm  zerrissen 
zu  werden,  wenn  Beine  Bezauberung  vorüber  ist.  Sieht  dagegen  der  Wolf 
den  Hirten  zuerst,  so  wird  dieser  bezaubert  uud  sprachlos,  in  welchem 
Falle  es  gut  ist,  wenn  er  in  den  Rockkragen  oder  Handschuh,  kurz  in 
etwas  Wollenes,  oder  auch  über  die  beiden  Gelenke  des  Daumens  beisst, 
oder  endlich  sich  so  viel  wie  möglich  bückt:  thut  er  dies,  dann  geht  die 
Bezauberung  über."') 

Von  solchen  bösen  Tieren,  wie  die  oben  genannten,  versteht  man. 
dass  ihr  Blick  Unheil  stiften  kann;  wie  aber  des  Menschen  Freund,  das 
Pferd,  dazu  kommt  Böses  zu  thun,  verstehe  ich  nicht.  Es  wird  bestimmt 
und  von  einem  sehr  kundigen  Forscher,  dem  längst  verstorbenen  norwegischen 
VolksBchullehrer  Storaker,  in  einem  Aufsatze  über  das  Pferd  in  der  Xorske 
trist.  Tidskrift  ausdrücklich  gesagt:  man  muss  sieh  hüten  seinen  Milcheimer 
so  zu  tragen,  dass  das  Pferd  hineinsehen  kann.  Geschieht  es,  so  wird  die 
.Milch  unbrauchbar.  Meines  Wissens  steht  dieser  Zug  ganz  vereinzelt  da. 
es  ist  nicht  leicht  etwas  darüber  zu  sagen.3) 

Dass  Schlangen  die  Zauberkraft  des  bösen  Blicks  besitzen,  ist  wohl 
allgemeiner  Volksglaube.  Die  Schlange  hat  eine  solche  Macht  in  ihren 
Augen,  dass  sie  durch  ihren  blossen  Blick  Vögel  anziehen  kann.  Viele 
haben  es  gesehen  und  erfahren,  dass  die  Schlange  mit  offenem  Rachen 
liegt,  während  der  Vogel  in  immer  kleineren  Kreisen  um  sie  fliegt,  bis  er 
am  Ende  jämmerlich  schreiend  in  den  Schlund  der  Schlange  hineinfliegt, 
da.  einige  wollen  wissen,  dass  der  Vogel  gleich  zu  singen  angefangen  habe, 
als  die  Schlange  getötet  wurde.*) 

Ob  die  strahlenden  Augen  an  den  Schwanzfedern  des  Pfauhalms  im 
nordischen  Volksglauben  wie  anderswo6)  Unheil  mit  sich  führen,  ist  mir 
unbekannt. 

Ich  gehe  jetzt  auf  eine  Gruppe  ganz  fabelhafter  Tiere  über,  unter 
denen    der  Basilisk,    durch    die    allgemeine  Verbreitung  der  Sagen  über 


1)  Nyland  IV,  88  (Finnland). 

•2)  Folkeveimen  XI,  4.">4.  265.   Liebrecht,  Volkskunde,  334.  180.    Aasen  erklärt  „klumsa" 
von  Menschen:  sprachlos  machen,  von  Tieren,  ein  solches  am  Beissen  hindern. 

3)  S.  19  im  Sonderdrucke,  Kristiania  1871. 

4)  Folkevennen  XI,  474.  479  (N.}. 

5)  Vgl.  Revue  de  trad.  pop.  I,  47.    II,  195.    VI.  473. 


Der  böse  Blick  in  nordi  :;i , 

ihn.  obenan  steht.  In  einer  Mettonne  oder  ans  einem  Eiahnenei  entstanden, 
tötet  er  alle,  die  er  anblickt.  Sieht  einem  ein  Basilisk  in  die  Augen, 
wird  man  gebunden,  kann  sich  nicht  fortbeweg  ei    Hand  aocb   Puss 

rühren,  darum  inuss  man  sich  dem  Tiere  immei  von  hinten  nähern,  Oder 
es  heisst  gar:  sobald  der  Basilisk  eine  Person  ansieht,  fallt  big  augen- 
blicklich um;  oftmals  wohnt  das  Tier  im  Brunnen,  m  dass 
die  Frau  beim  Wasserschöpfen  hinunterblickt  und  vom  Basilisl  gesehen 
wird,  sinkt  sie  tot  nieder,  sieht  er  aber  sein  eigenes  Bild,  in  einem 
Spiegel  /..  B.,  sn  mnss  er  sterben,  darum  i-i  es  immer  das  sicherste,  dass 
der  Brunnenreiniger,  ehe  er  hinabsteigt,  sich  mir  Spiegeln  umhäi 
Aus  Schonen  wird  ähnliches  berichtet.8) 

Zn  der  greulichen  Sippe  dieses  Ungetüms  gehören  noch  ein  paar 
wundersame  Gestalten  aus  Island.  Zuerst  nenne  ich  den  Sk  off  in,  welcher 
wohl  am  nächsten  dem  Basilisk  entspricht.  Nach  einigen  i-t  er  aus  dem 
Hahnenei  entstanden,  nach  anderen,  wie  mir  vor  einigen  Tagen  ein  blander 
erklärte,  ein  Bastard  von  einem  Kater  nnd  einer  Füchsin.  Alles  was  dieses 
Untier  anblickt,  sinkt  tut  um.  So  geschah  es  einmal  auf  Island:  der  Kirchen- 
dienst war  vorüber  und  die  Versammelten  gingen  auseinander,  aber  alle,  die 
zur  Thür  hinaustraten,  Helen  toi  um.  Der  Pastor  wusste  Rat.  Nachdem  er 
einen  Spiegel  an  eine  lange  Stange  festgemacht  hatte,  streckte  i  r,  selber 
innen  stehend,  die  Stange  mit  dem  Spiegel  aufwärts,  damit  der  oben  im 
Kirchturme  sitzende  Skoffin  sein  eignes  Bild  sehen  möchte  und  sterben. 
So  wurden  die  Menschen  gerettet.  Sein  nächster  Verwandter  i-t  Sku 
baldnr.  Bastard  eines  Fuchses  und  einer  Katze,  auch  ein  scheussliches 
Ungetüm  („skrymsli",  „meinvaettur"),  das  alles  Lebendige  durch  -einen 
Blick  tötet.  Der  dritte  ans  diesem  Geschlechte  i-t  der  Drctarköttur, 
der  mit  einer  Leiche  auf  «lern  Kirchhofe  begraben,  dort  drei  Jahre  unter 
der  Erde  zugebracht  hat:  sein  Auge  isi  auch  so  i>r>se.  da--  niemand  weder 

Mensch  noch  sprachloses  Tier  -einen  Blich  'dme  zu  sterben  aushalten  kann. 
Die  Leiden  letzten  Untiere  können  nur  mit  Silberknöpfen  erschossen  werden.*) 
unter  den  fabelhaften  Tieren  sei  noch  der  Lintwurm  genannt;  alles 
was  er  anblickte,  stark4)  Aus  dem  nördlichen  Norwegen  i-t  der  Weiss- 
wurm („Hvidorm-)  wegen  seines  bösen  Blickes  berüchtigt,  d.  h.  wenn  er 
eine  Person  ansieht,  ehe  dieselbe  von  dem  Wasser,  worin  der  Wurm   lebt, 

1)  Kristensen,    Sagn  II.   226.  214.  216;    Folkeminder  III,    81.  HS.     IV.    ».1. 
Thiele,  Folkesa-n  II,  300:  vgl.  Pitrd  Usi  IV.   171.  86;  Pliniu  .  Bist,  nat  VIII.  83;  Melusine 
IV.  571.    V,  16. 

2)  Hazelius  VI,  27. 

3)  Arnason.    Thjodsögur  I.  013;    Urdarköttur  soll  sonst  der  Nai 

felis  catus,   sein!   SkuggabaMur  ist  von  dem  isl.  Dichter  Matth.  Jochnmsen  ab   S 
Teufels   benutzt.    Zu   dieser  Sippe   dürften    ans  Prankreich    ein  D  dragon    in 

Meertier,    halb  Pferd,   halb  Schaf   gehören  (Bosquet,  Normandie 
Catoblepas  des  Plinius  (Hist.  nat.  VIII.  32),   welche   alle   durch    .1-.,    Blick    ihrer 
Pnheil  anrichten. 

4)  Kristensen,  Sagn  II,  17'.».  11. 

Zcitscbr.  d.  Verein-  f.  Volkskund  . 


318  Feflberg: 

getrunken  hat;  man  wird  dann  wahnsinnig.  Hat  man  aber  aus  dem  Wasses 
getrunken,  ist  er  machtlos.1)  In  Schweden  Bagt  man  von  einem  Menschen, 
dei  wegen  eines  bösen  Angei  verdächtig  ist:  ..lian  glor  som  an  amma!"") 
otzt  wie  eine  Omme).  Es  ist  schwer  bestimmt  zu  sagen,  welches 
Ker  die  Omme  ist;  mir  ist  vor  Jahren  die  Larve  einer  Stinx  Ligustri 
mit  Furcht  und  Beben  gezeigt.  Andere  zeigen  als  solche  verschiedene 
/ottige  Larven.  In  Schweden  fürchtet  man  ihren  Blick,  doch  auch  wie 
bei  uns  ihren  Hauch.  Der  „Bläseorni",  der  Wurm,  welcher  bläst,  vermag 
Gift  durch  sieben  Kirchenmauem  zu  blasen,  nicht  aber  durch  ein  einzelnes 
Paar  von  gestrickten  Strümpfen.3) 

9.  Also  die,  welche  das  böse  Auge  haben,  Menschen,  phantastische 
Gestalten  des  Volksaberglaubens,  Tiere,  stören,  verderben,  töten;  niemand 
entgeht  dem  unheilvollen  Einflüsse  ihrer  Blicke;  am  meisten  werden  Kinder 
und  junge  Tiere  davon  angegriffen,  doch  auch  dann  und  wann  ältere.  Sa 
wird  von  einem  hartherzigen  Gutsbesitzer  erzählt,  dass  er  bei  einem  armen 
Manne  Auspfändung  veranstaltete.  Das  alte  Weib  im  Hause  bat,  dass  sie 
zum  Eenster  getragen  werden  möge,  damit  sie  den  Gutsbesitzer  sehe. 
K>  geschah,  und  sobald  er  von  ihrem  Blicke  getroffen  war,  rief  er  zu  seinem 
Knecht:  „Meine  Beine  sind  gebrochen,  setze  mich  in  den  ^Vageu!"*) 
Auch  werden  Braut  und  Bräutigam  vermahnt,  vor  dem  Altar  dicht  neben- 
einander zu  stehen,  damit  nicht  böse  Augen  zwischen  ihnen  sehen  mögen 
und  Zwietracht  verursachen.5)  80  wird  auch  in  Schweden  gesagt:  wenn 
böse  Augen  oder  eine  schwangere  Frau  (!)  eine  AVunde  ansehen,  könne 
dieselbe  nimmer  geheilt  werden.6)  In  Verbindung  hiermit  führe  ich  an, 
dass  der  Schmerz  geschlachteter  Tiere  durch  das  böse  Auge  verlängert 
wird.  Auf  einem  (lehöfte  waren  die  Leute  mit  dem  Schlachten  einer 
Kuh  beschäftigt,  das  Tier  lag  gebunden  auf  der  Erde,  die  Hausfrau  hatte 
«las  Messer  in  ihrer  Hand  bereit  zum  Stechen,  als  die  alte  Hexe  hinzutrat. 
Die  Frau  stach  ein  Mal  nach  dem  andern,  aber  kein  Blut  kam,  und  sie 
war  wegen  der  Leiden  des  Tieres  ganz  unglücklich.  Eben  als  die  Hexe 
wegging,  kam  ein  alter  Bettler  zur  Thür  herein  und  da  er  hörte,  was  los 
war.  nahm  er  das  Messer,  wetzte  es  ein  paar  Mal,  und  als  die  Frau 
wiederum  stach,  strömte  das  Blut  wie  aus  einer  Schleuse  hervor.  Der 
Bettler  wurde  durch  Butterbrot  und  Schnaps  für  seine  Hilfe  belohnt.7) 

1)  Hagemann,  Blandt  Lapper  og  Bumänd,  S.  57. 

2)  Cavall.,  Wärend  I,  336  (S.). 

3)  Mein  Jütisches  Wörterbuch  unter  bläseorni  und  omme:  vgl.  Pomm.  Volkskunde  VII, 
164.  Die  Kreuzotter  rühmte  sich:  „Ich  beisse  durch  Eisen  und  Stahl!"  Gott  aber  sagte  zu 
ihr:  „Du  sollst  nicht  einmal  durch  einen  Wollfaden  beissen!":  sieh  unsre  Zeitschrift  IX,  212. 

4)  Kristensen,  Sagn  IV,  201.  678. 
5    Nyland  IV,  24  (Finnland). 

6)  Annnson  VIII,  109  (S.);  sieht  ein  Mensch  mit  bösem  Blicke  eine  offene  Wunde, 
heilt  sie  nimmer.  Cavall..  Wärend  I,  376  (S.). 

7)  Aminson  V,  103.     Kristenseu,  Folkeminder  III,  25S.  340. 


I».  r  böse  Blick  in  nordi  rung.  M\\ 

Wenn  mau  aus  Beinern  Bette  aufsteht,  aiusa  man  genau  aufpassen,  data 
die  Bettdecke  aber  die  Lagerstätte  gelegt  ist.  damit  Bie  kein  Bchieleadea 
Aul:.'  sehen  möge.     Kinst  kam  eine  alte  bösi  u  Besuoh.     Eis  wurde 

bemerkt,  dass  sie  an  das  Bett  tretend,  die  Decke  hob  and  hineinsah. 
Niemand  wagte,  sich  in  «las  Bett  zu  Legen  Da  kam  es  einem  ein,  die 
Katze  zu  nehmen  and  Bie  ins  Bett  zu  legen.  Gleich  wurde  die  Katze 
krank,  schlich  >ich  einige  Zeit  elend  herum  and  starb.1) 

Ahm',  wie  schon  früher  bemerkt,  Kinder  and  junge  Tiere  sind  für  die 
.Macht  des  bösen  Blicks  besonders  empfänglich.  Wird  ein  band  .  aber- 
se!ieir\  erkrankt  es  an  den  Skropheln;  wird  es  anruhig,  so  hat  ein  Weil» 
mit  bösen  Augen  «iie  entblösste  Brust  der  Bangenden  .Mut;  en.     Von 

einer  alten  Frau  wird  gar  gesagt,  <lass  alle  neugeborene  Kinder,  dii 
ansieht,  in  kurzem  sterben.  Ein  Kind,  <las  von  bösen  Angen  verzaubert 
war.  konnte  gar  nicht  geheilt  werden,  weil  es  ah  genug  war,  um  ein 
Vaterunser  hersagen  zu  können.  Am  sichersten  ist.  den  Fremden,  der 
zufällig  in  eine  Stube  tritt,  wo  sich  ein  Kind  aufhält,  zu  bitten,  das  Kind 
anzurühren,    damit    es    nicht  von  seinem   Blicke  an  Skropheln  erkranl 

In  meinen  ersten  Predigerjahren,  in  den  Fünfzigern  des  L 9.  Jahrhunderts, 
geschah  es  einmal,  was  zu  der  Zeit  keine  Seltenheit  war.  dass  es  uns  un- 
möglich war.  zu  buttern.  Alle  Mittel  wurden  versucht,  alles  vergebena 
So  kam  eines  Abends  der  Grossknecht  zu  mir.    um  sich   Erlaubnis,    einen 

„klugen   Mann"   zu   holen,     zu   erbitten.      Im   Gespräcl rfuhr  ich,    dae 

Men>. dien  gebe,  welchen  die  Bauern  nimmer  ihres  bösen  Blicks  wegen  in 
ihre   Ställe    zu     treten     erlauben.      In     späteren   Jahren     habe     ich    dasselbe 

mehr  als  einmal  bei  Nachfragen  erfahren.  Wenn  Bolche  Personen  in  den 
Stall  hineinkommen,  die  Kühe  ansehen  oder  gar  befühlen*),  werfen  die 
Kühe  ihre  Kälber  oder  verlieren  ihre  Milch,  oder  es  wird  anmöglich  zu 
buttern.  Beispielsweise  kann  erzählt  werden,  dass  eine  Bettlerin  vor  Jahren 
in  ein  Gehöft  hineintrat.  Missvergnügt  mit  ihrem  Almosen,  Bah  Bie  im 
Weggehen  in  den  Stall  hinein,  am  oächsten  Tage  war  jedes  Tier  krank.*; 


1)  Thiele,  Overtru  No.  L92.     Kristensen,  Sagn  VII,  366.   I 

2    Kristensen,  Sagn  VI,  27G.    VII.  138.  483.  "_'T  I :  Folkemii  Stmdblad, 

Gammeldags  Seder  och  Bruk-,   3S2.     Vgl.  Müllenhoffj  212,    .klein«  Kinder   hütet 

man    vor   ihrem  (der  Hexen)  Blicke*.     Henderson,    Notes    on  the   Folklore,    1ST.    _wlien  a 
child  pines  or  wastes  away  the  cau^e  i<  commonly  looked  forin  witchcraft  orthi 
vgl.  Ous  Volksleven  IV,  9.  16:  wenn  Personen  mit  schwarzen  Augen  oder  ein  Schärft 
ungetaufte  Kinder  oder  Jungvieh  anblicken,  v  der  krank,  Urquell  VI.... 

(Pommern). 

3)  Kristensen,  Folkeminder  IV,  398.  562;  vgL  P.  de  Hont,  A.  ie  Cock,  Volkskunde 
VII,  7,  „men  wachte  zieh  wel  het  vee  aan  verdachte  lieden  te  toonen  .  .  .  vooral  op 
kinderen,  varkens  en  rundvee  hebben  zy  het  gennint". 

4)  Feilberg,  Fra  Heden,  S.  50.  Kristensen,  8agn  VII.  212.  732.  743:  „wenn  'ine  gut 
milchende  Kuh  plötzlich  aufhört  Milch  zu  geben,  so  ist  sie  .  .  .  verhi  v  lurch 
den  bösen  Blick  einer  ungünstigen  Nachbarin",  Blätter  f.  Pomin.  Volkskunde  VII,  -_'4.  15. 
21:  „some  persons  eies  are  very  offensive  ....   'Twas  reported  of  one  in  N.  W.  tliat  he 


Feill 

Wenn  «las  alte  Weib  auch  nicht  gerade  Unheil  anstiften  will,  so  verniag 
es  'loch  durch  Beinen  Blick  allerlei  Schabernack  zu  thun.  Von  einem 
Bolohen  wird  erzählt,  dass  es  Kühe  auch  mitten  im  Winter  durchgehen 
machen  konnte.  Viele  Bähen,  als  «las  Weib  einst  eine  Kuh  anblickte,  dass 
ihren  Schwanz  erhob  und  weglief.  Einst  kamen  ein  paar  Männer 
mir  Ochsen  gefahren  and  traten  hei  der  Alten  ein,  sie  waren  etwas  besoffen 
und  mögen  grob  mit  ihr  gescherzt  haben.  Auf  einmal  trat  sie  zum  Fenster: 
..Was  ist  mit  Buren  Ochsen  los?  sie  laufen  ja  über  alle  Felder!"  So  war 
es,  und  die  beiden  Männer  hatten  vollauf  zu  thun,,  die  Ochsen  wieder  ein*- 
zufangen.1)  Hier  führe  ich  an.  was  von  den  Uebriden  erzählt  wird,  dass 
eine  Person  im  Besitz  des  bösen  Auges  so  scharf  die  Pferde  eines 
pflügenden  .Mannes  anstarrte,  dass  sie  ganz  machtlos  stehen  blieben  und 
umfielen,  ohne  imstande  zu  sein,  sich  wieder  aufzurichten.2) 

Die  Ferkel  sind  durch  das  Auge  übelwollender  Menschen  allerlei 
Krankheiten  ausgesetzt.  „Wir  hatten  einst  das  schönste  Ferkel  und  die 
Frau  bemerkte  eben:  „Käme  die  Hexe  doch  nicht  es  anzusehen!"  Sie 
kam  aber  am  nächsten  Sonntage,  süss  und  kriechend  in  ihren  Worten,  wie 
gewöhnlich.  Das  Ferkel  stand  aussen  im  Hofe,  und  sobald  es  von  ihr 
entdeckt  wurde,  trat  sie  zu  ihm  hin,  strich  es  längs  dem  Rücken:  ..Wie 
ist  das  Ferkel  doch  gross  und  fett!"  Von  dem  Tage  an  stand  das  Ferkel 
auf  seinen  Beinen  nicht  mehr,  liegend  frass  es,  und  wir  mussten  es  bald 
schlachten."3)  Es  giebt  mehr  solche  Geschichten.  Ein  Bauer  hatte  auf 
dem  Markte  zu  Viborg  ein  Ferkel  gekauft.  Nach  Hause  gekommen,  zog 
er  es  aus  dem  Sacke,  das  Ferkel  war  aber  ganz  toll,  wollte  immer  auf- 
wärts, ja,  gar  auf  den  Boden  hinauf.  Eine  „kluge  Frau'-  wurde  um  Kar 
angegangen,  sie  sagte  gleich,  dass  jemand  das  Tier  mit  bösen  Augen  an- 
gesehen hatte.  Das  war  richtig;  ein  Mann  auf  dem  Markte  hatte  in  den 
Sack  hineingeblickt.  Dem  Ferkel  wurde  etwas  eingegeben  und  es  wurde 
wieder  gesund.*)  in  Farsö  ist  ein  „kluger  Mann",  der  ein  grosses  Ver- 
trauen unter  dem  Volke  besitzt,  er  ist  ein  ganz  ausgezeichneter  Helfer, 
wenn  jemandes  Ferkel  ..übersehen"  worden  sind.  Ist  das  der  Fall,  so 
stehen    ihre  Haare    verkehrt,    sie    schreien    ohne  Unterlass.    können  alles. 


had  such  urentes  oculos,  that  he  bewitched  his  owne  cattel,  sit  ftdes  pene",  Aubrey,  Re- 
maines  of  Gentilisme  (1881),  S.  80;  „in  the  Highlands  if  a  strauger  looks  at  a  cow,  the 
common  neople  think  that  the  animal  will  waste  away  froin  the  evil  eye",  Ch.  Notes, 
Folklore,  S.  257:  „some  are  of  so  venomous  a  Constitution  .  .  .  that  they  pierce  and  kill 
.  .  .  what»ver  creature  they  first  set  theyr  eye  on  in  the  morning:  so  was  it  with  Walter 
Grahame,  who  killed  his  own  cow  .  .  .  and  shot  a  hair  with  his  eyes  .  .  .  such  was  the  in- 
fection  of  ane  evill  eyeu,  Kirk,  Commonwealth  of  Elves  (1893),  S.  54:  „the  evil  eye  is  still 
cast  upon  horses  and  cattle  and  even  upon  childreu ",  J.  of  Amer.  Folkl.  VI.  66  (Isle  of 
Man),  vgl.  Henderson,  Folklore,  189. 

1)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  179.  24S. 

2)  Folklore  IX,  90. 

3)  Wigström,  Folkminnen  I,  142  (S.)- 

4)  Kristensen,  Sagn  VII,  213.  739  (JD.). 


Der  b(  ■•■  Blici  in  nordi  rlieferung.  321 

was    man    ihnen    rorgiesst,    auffressen    und    werden    «loch    nie    sau.      I> 
Kluge    Bchreibt    ein    Rezept,    häng!    dem    kranken    riere    einen  Zettel    in 
einem  kleinen  ledernen  Beute]  am  den  Bals  und  Bie  genesen.1} 

Ein  j>aar  Bemerkungen  noch  und  ich  bin  mir  den  Tieren  fertig.  Der 
Bettler  Betet  seinen  Stab  vorwärts  and  glotzt  des  Bauers  Hund  mit  grossen 
Augen  an  and  er  geht  unberührt  am  Tiere  vorüber.*)  Sofern  die  Gänse 
in  der  Begattungszeil  durch  böse  Lugen  angesehen  werden  („slems» 
steckt  man  in  einen  Federkiel  des  Gänseflügels  eine  Nähnadel  und  alles 
wird  wiederum  gut.8) 

10.    Ich  komme  jetzt  auf  verschiedene  Arbeiten,    die  in  des  B 
Heimat  häufig  vorfallen.     Ganz  im  allgemeinen  kann  gesagt  werden, 
wenn    einer   von    denen,    die    den   bösen  Blick  liai.cn.    irgend  eine  Arbeil 
ansieht,  sie  missraten  wird.*) 

Zuerst  «las  Brotbacken.  Nimmer  muss  man  einem  Fremden  in  den 
Ofen  zu  sehen  erlauben,  so  lange  der  ..schwarze  .Mann-  nic'm  ausgejagt 
ist,  d.  1).  so  lange  der  Ofen  nicht  zu  glühen  angefangen  hat.  Geschieht 
solches,  wird  das' Brot  missraten.6)  Es  sollte  einst  auf  einem  Gehöfte  im 
Kirchspiel  Linie  (D.)  für  die  vorstehende  Beerdigungsfeier  gebacken  werden. 
Alles  ging  schön  in  Ordnung,  der  Teig  war  gegoren  und  die  Brote  Bollten 
eben  in  den  Ofen  gesetzt  werden,  als  ein  altes  Weib  zur  Thür  hereintrat 
Sie  sah  die  Brote  an,  strich  mit  ihrer  Hand  über  sie  hin.  ..nun  wünsche 
ich  Euch  Glück",  sprach  sie,  „zu  der  Arbeit!"  und  die  Leute  meinten,  sie 
halte  dadurch  die  Brote  ..versehen".  Gewiss  ist.  dass  die  Brote  Bchön 
aussahen;  als  sie  aber  aus  dem  Ofen  genommen  wurden,  waren  sie  ganz 
klitschig  und  ungeniessbar;  sie  mnssten  ein  neues  Gebäck  versuchen,  und 
da  die  Alte  sich  wieder  einstellte,  wurde  vor  ihr  die  Thür  geschlossen.*) 
Es  ist  jet/.t  zu  verstehen,  dass  man  nimmer  ein  Brot  mit  dem  angeschnittenen 
Ende  gegen  die  Ausgangsthür  liegen  lassen  darf:  es  könnte  von  bösen 
Augen  gesehen  werden,  wodurch  das  Gebäck  -einen  Nahrungswert  ver- 
lieren würde. 7) 

So  darf  auch  kein  Fremder  in  die  Küche,  wenn  die  Hausfrau  mit 
Bierbrauen  beschäftigt  ist.  zugelassen  werden.  Es  ist  geschehen,  dass 
eine  Hexe  bei  dieser  Arbeit  eingetreten   ist.  da-  Bier  wurde  von  Ungeziefer 


1)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  15'.'.  226  D.  olklore  VIII.  118:  »people  seid, 
she  had  the  evil  eye  and  if  she  looked  evilly  al  somebody's  pigs,  then  tbe  piga  would  fall 
ill  and  die-*  (Suffolk). 

2)  Kristensen,  Sagn  VI,  345.  955. 

3)  Thiele  III,  No.  289. 

4)  Cavall.,  Wärend  I,  :'.TG  ;S.J. 

5)  Thiele  III,  No.  233.     Kristensen,  Folkeminder  VI,  294  413.    J.  Kamp  171. 

6)  Kristensen,  Folkeminder  VIII,  292.  502;  Sagn  VII,  212,  736.  rgl  Blätter 
f.  Pomm.  Volkskunde  III,  185:  -rührt  eine  Frau  den  Kuchen  ein,  so  darf  niemand  dabei 
zusehen,  sonst  gerät  der  Kuchen  nicht." 

7)  Thiele  III,  No.  184. 


322  F,il: 

erfüllt,  lief  in  der  Bierkufe  umher  und  war  ganz  ungeniessbar.  Y\  o  man 
das  böse  Auge  fürchtete,  wurde  die  Kufe  sorgfältig  mit  einer  Decke  ver- 
hüllt: da  war  das  Bier  geborgen;  sonst  konnte  das  Bier,  so  wird  bestimmt 
versichert,  obenans  überkochen.1) 

Ganz  besonders  scheint  das  böse  A.uge  dem  Buttern  und  allem,  was 
dazu  geh&rt,  gefährlich.  „Niemand  darf  in  den  Milcheimer  in  der  Zeil 
zwischen  dem  Melken  und  dem  Seihen  der  Milch  der  bösen  Augen  wegen 
sehen.  Meine  Mutter  erlaubte  niemand  in  die  Gelte  zu  blicken",  erzählte 
eine  Bauernfrau.  Ausserdem  wird  behauptet,  man  müsse  genau  darauf 
achten,  wenn  eine  Kuh.  die  eben  gekalbt  hat,  das  erste  Mal  gemolken 
werden  soll,  dass  man  geschwind  eine  Schürze  über  den  Eimer  wirft, 
damit  böse  Augen  das  erste  Mass  Milch  nicht  sehen,  die  Zitzen  der  Kuh 
werden  sich  dami  gesund  halten.  Im  grossen  Ganzen  kann  gesagt  werden, 
dass  man  keinem  Fremden  erlaube  in  den  Milchkübel  zu  blicken  und  bei 
Melken,  Seihen,  Buttern  anwesend  zu  sein.2)  Dem  Angeführten  entsprechend 
heisst  es  aus  Norwegen,  dass,  wenn  der  Kübel  über  den  Hofraum  getragen 
wird,  deckt  man  ihn  mit  einer  Decke  zu  oder  mit  einein  männlichen 
Kleidungsstücke,  Kittel,  Hose,  Schurzfell  u.  s.  w.8) 

Wo  es  dennoch  geschieht,  dass  jemand  unversehens,  wo  gebuttert 
wird,  eintritt,  muss  er  über  die  Thürschwelle  hineinspringen,  damit  er  die 
Butter  nicht  wegnehme.4)  Im  Kirchspiel  Kjermind  (D.)  war  eine  alte 
Frau,  Kok-Stine  genannt,  die  so  ungewöhnlich  dick  war,  dass  man  sie 
leichter  rollte  als  schob.  Sie  ging  überall  hin  Milch  betteln,  und  niemand 
durfte  ihr  Milch-  oder  Buttergefäss  anzublicken  erlauben.  „So  stand  ich", 
erzählte  die  Bäuerin,  „eines  Tages  mit  Buttern  beschäftigt,  da  die  Mutter 
ausrief:  „Da  kommt  ein  böses  Weib,  achte  darauf,  dass  es  nicht  ins  Butter- 
gefäss hineinblicke!"  Ich  hatte  mich  doch  nimmer  um  solches  gekümmert 
und  blieb  ganz  ruhig  bei  meiner  Arbeit.  Die  Alte  trat  ein,  erhielt  ein 
bisschen  Milch,  stand  einen  Augenblick  uns  anblickend  da;  am  Ende  trat 
sie  ans  Buttergefäss  hin:  „Ich  muss  wohl  ein  wenig  das  Gefäss  anfassen, 
dass  ich  nicht,  wie  du  wohl  fürchtest,  deine  Butter  wegnehme!"  Sie 
wusste  ja  genau,  was  mau  von  ihr  glaubte,  stampfte  ein  paar  Mal  mit  dem 
Butterstiele,  womit  sie  die  Butter  von  sich  schob  und  konnte  uns  nichts 
nehmen.     Ich  erhielt  auch  Butter  augenblicklich."6) 

1)  Kristensen,  Sagn  VII,  74,  No.  '246;   212,  No.  735.  737:    Folkeminder  IX,  73.  773. 

2)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  291.  376:  Sagn  VII,  3<>2.  1145.  J.  Kamp  212,  188? 
vgl.  Gr.  Myth.  III4  451.  503:    zum  KuhmclkeH  lasse  mau  niemand  Fremdes  in  den  Stall. 

3)  Liebrecht,  Volkskunde  318,  45,  vgl.  "Wuttke,  Aberglaube,  No.  706:  Tragi  man  ein 
Milch-  oder  Buttergefäss,  leer  oder  gefüllt,  über  die  Strasse,  so  bindet  man  eine  Schürze 
darüber  oder  bedeckt  sie  sonstwie,  weil  sonst  böse  Leute  hineinsehend  es  behexen  oder 
der  Kuh  die  Milch  nehmen  könuen;  No.  709:  Die  Butter  darf  man  nur  verdeckt  über  die 
Strasse  tragen,  sonst  kann  ihr  etwas  angethan  werden. 

4)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  291.  377. 

5)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  181.  251;  Sagn  VII,  212,  736:  vgl.  Bartsch,  Sagen  II, 
136.  599:    Wer  schielt,  „kein  gut  Auge  hat*-,   darf  nicht  beim  Buttern  zugegen  sein,  sonst 


Der  I  ■-•    Blick  in  oordi  rliefernng. 

Elfl    folgt   hieraus  auch,    dasa  all«    l  chatten,    die  zum  Buttern 

hören,  wenn  Bie  nicht  benutzt  werden,  so  hingestellt  werden  müssen,  dasa 
sie  niemand  sieht,  denn  alles  kann  durch  Hexen  verzaubert  werden, 
gegen  man  nichts  vermag,  ohne  alles  von  neuem  wieder  anzuschaffen.1) 
Natürlich  kann  mau  sich,  wenn  mau  solches  versteht,  an  der  Hexe  rächen: 
ist  es  anmöglich  vom  Rahme  Butter  zu  erhalten,  wird  eine  Tasse  voll 
Etber  das  Feuer  gesetzt,  darin  entdeckt  man  das  Bild  der  Hexe,  die  mit 
bösen  Angen  den  Rahm  ansah.2)  Kennt  man  den  Ubelthäter,  bo  hat  man 
Mitte]  genug  ihn  zu  strafen. 

Es  giebt  auch  andere  häusliche  Arbeiten,  die  durch  das  böse  ^.uge 
vernichtet  oder  wenigstens  gestört  werden  können.  In  alten  Zeiten 
ist  mir  solches  aus  der  Kindheit  erinnerlich)  benutzte  man  kleine  eiserne 
oder  thönerne  Lampen  mir  Dnschlitt  oder  Thran  gefüllt  nnd  mit  Ducht 
vom  Marke  einer  Binsenart  (Juncus  conglomeratus  oder  erfusus),  die  von 
•  lein  Boden    herabhängen.     Bei    festlichen  Gelegenheiten   wurden   Lichter 

ssen.  So  geschah  es  einmal,  dass  sie  in  Dagbjärg  I»  mit  dieser 
Arbeit  beschäftigt  waren,  die  Mutter  hatte  ein  kleines,  thönernes  Butter- 
fass,  das  aber  zum  Lichtergiessen  nicht  zu  brauchen  war,  dazu  war  immer 
ein  hölzernes  Butterfass,  «las  nachher  rein  gemacht  werden  kennte,  nötig. 
So  waren  denn  die  Leute  mit  dieser  Arbeit  im  vollen  Gange,  der  ge- 
schmolzene Talg  im  Butterfass,  in  welchen  die  Dochte  getaucht  winden. 
und  der  Talg  hatte  begonnen  die  Dochte  wohl  anzufassen,  da  trat  ein 
Mann  aus  Engedal  hinein,  sah  die  Arbeit  an  und  verliess  uns  wieder. 
Jetzt  war  es  ai>er  mit  dem   Lichtergiessen  vorüber,    der  Talg  Bammelte 

sich   in   Klumpen   an    den    Dochten,     nichts    war   zu    thiin.     wir   mussten   alles 
wieder    abkratzen     und    von    vorn     anfangen,    dann    erst   wurden   wir  damit 

fertig.8) 

Dass  Hexen  durch  ihren  bösen  Blick  ein  Gewebe  in  Unordnung 
bringen  können,  ist  schon  besprochen  worden.4) 

Im  Jägeraberglauben  hat  das  Auge  auch  eine  Rolle  gespielt;  bei  uns 
ist  davon  nur  wenig  aufgezeichnet  worden.  Wollten  die  Jäger  ohne  den 
alten  Schützen  auf  die  Jagd  gehen,  war  es  ihm  immer  genug,  ehe  sieden 
Edelhof  verliessen.  sie  anzusehen,  Bie  wurden  dann  höchstens  einen  einzigen 
Fuchs  den  ganzen  Tag  schiessen  können.')  Ein  Jagdgewehr  kann  „gebunden" 


bekommt  man  keine  Butter:    sieh  noch  YVuttk.-  No.  708.     Folklore  Journal  VII.     - 
cast    a   quick  glance  on  the  churn  and  without  Bpeaking  another  word,   rashed  l'roin  the 
house.    The    cream    was    churned  all   that    daj    into    night  and  all  the  neil  day,    but  n<> 
butter  was  got  (Skotl.);   Melusine  V,  295  aus  Schottland,   Frankreich,    I  Black', 

Folk  Mediciue,  22  (Schott  1   . 

1)  J.  Kamp  211.  137. 

2)  Skartegr.  X,  28.  61. 

3)  Kristensen,  Folkeminder  VIII.  291.  409. 

4)  Vgl.  Äminspn  VIII,  110. 

5)  Kristensen,  Sagn  VI,  245.  724    D.\  vgl  Folklore  II,  244   [Finnland  . 


;;_'.}  Feilberg: 

len,  wenn  jemand,  mit  der  Hand  Beine  Geschlechtsteile  anfassend,  < l;i^ 
Gewehr,    womit    ein    anderer   zieh,    starr   anblickt,    dann  geht  der  Sehnst 

nicht    los.1)     Auf    ähnliche  Weise    verhält    es    sich    mit  dem  Fischfang; 
sieht  ein  böses  Auge  das  Netz,  wird  nichts  gefangen.9) 

und  Hexen  können  noch  mehr  Böses  ausrichten.  Ks  war  die  Nacht 
Helgesen,  die  nach  Island  bestimmt  schon  mehrere  Tage  fertig  zur  Abreise 
lag.  .Jeden  Morgen  kam  al>er  ein  altes  Weib,  das  man  als  Hexe  ansah, 
aus  ihrer  Thür  und  betrachtete  eine  Weile  das  Schiff,  was  ja  genug  war. 
um  Unglück  über  dasselbe  zu  bringen.  Das  Schiff  musste  am  Ende  fort, 
obschon  das  Weib  auch  am  Tage  der  Abfahrt  es  mit  ihren  bösen  Augen 
angestarrt  hatte.  Nimmer  wurde  von  ihm  später  gehört,  es  ging,  wie  man 
sagt,  mit  Mann  und  Maus  unter.8) 

11.  Auch  an  leblosen  Gegenständen  vermag  das  böse  Auge  seine 
Marke  zu  hinterlassen.  Ein  AVeib,  das  im  Verdacht  eines  bösen  Auges 
war,  kam  einst  zu  dem  „Klugen",  Christen  Spielmann.  Einer  Hexe  kann 
auch  etwas  übel  geraten.  Um  sicher  zu  gehen,  brachte  er  sie  dazu,  in 
einen  Spiegel  zu  sehen.  Da  sie  wieder  ihre  Augen  wegkehrte,  fanden 
sich  an  der  Oberfläche  zwei  dunkle  Flecke,  die  mau  vergeblich  wieder 
abzuputzen  versuchte.4) 

Ein  ergötzliches  Beispiel  der  Macht  des  bösen  Auges  aus  der  Heimat 
unserer  alten  Stammgenossen  in  Yorkshire  muss  mir  erlaubt  sein,  mit- 
zunehmen. Im  19.  Jahrhundert  wurde  ein  Yorkshire-Farmer  als  schuldig 
am  Absterben  eines  Birnbaumes  angesehen.  „Sieh  mal,  Herr!"  sagte  der 
Erzähler,  „sieh  mal  den  Birnbaum  dort!  Vor  wenigen  Jahren  war  es  ein 
grüner,  fruchtbarer  Baum.  Es  ist  aber  die  Sitte  des  Besitzers,  dass  er 
jeden  Morgen,  sobald  er  seine  Thür  öffnet,  den  Baum  dort  ansieht,  damit 
er  keinen  vorübergehenden  Fremden  anblicke,  und  jetzt,  sehen  Sie,  der 
Baum  ist  gestorben."5) 

Ja.  sonderbar  genug!  während  in  Dänemark  der  Glaube  an  den  bösen 
Blick  auch  in  den  finstersten  Winkeln  kaum  zu  finden  sein  möchte,  wird 
aus  England  behauptet,  dass  derselbe  bis  über  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts aucJi  unter  Gebildeten  sich  erhalten  habe.  Geschah  es  doch,  dass 
wenn  Mr.  Hawker,  ein  Geistlicher,  einem  Menschen  mit  einer  besonderen 
Pupille,  zu  einer  Zeit  licht  und  hell,  zu  anderer  durch  ein  Häutchen  ver- 


1)  Kristensen,  Folkeminder  IX,  75.  703. 

2)  Säve,  Hafvets  Sagor,  '20. 

3    Kristensen,  Sagn  VII,  213.  742. 

4)  Kristensen,  Sagn  VII,  213.  740—41  (D.). 

5)  Black,  Folkmedicine,  22.  Haiti,  u.  Wilkinson,  Folklore,  <J9:  vgl.  Folklore  VIII,  11: 
„If  you  plant  a  tree  or  trees,  and  you  are  very  anxious  that  they  should  thrive  .  .  .  you 
must  not  look  out  of  the  window  at  them  on  an  empty  stomach.  There  is  a  blasting 
mfluence  in  your  eye  .  .  .  the  explanation  is:  a  hungry  man  looking  on  the  trees,  they 
thereby  become  syrnpathetically  starved. 


I  U  i    I Blick    in   i 

dunkelt,  oder  mit  einer  doppelten  Pupille  mit  zwei   R  riuged  t  v. 

oder  mir  dem  linken  Auge  grosser  als  dem  rechten,  begegnete,  er  oimmer 
vergass,    den  Daumen   in  die  bekannte  Stellung  ben  dem  Zeige-  und 

Langfinger,  um  dem  Übel  abzuwehren,  zu  Betzen.1]  [ch  kann  mir  auch  nicht 
eine  Mitteilung  aus  Schottland  versagen:  viele  Personen,  besonders  rothaarige 
Weiber  haben  den  bösen  Blick;  alle  Tiere,  die  Else!  ausgenommen,  ja 
srllist  Rinder  werden  dadurch  geschädigt  (blinked  :  sie  zehren  hin  and 
sterben;*) 

12.  Wie  entgeht  man  der  Einwirkung  des  bösen  Auges?  All 
wehrenden  Mittel  siml  gewiss  den  heilenden  vorzuziehen.  -Man  deckt  ent- 
blösste  Stellen  Beines  Körpers  zu.  ..Dem  bösen  Auge  entgehl  man  am 
besten,  wenn  man  seinen  Hals  mit  einem  Tuche,  zudeckt."  Tritt  eine 
verdächtige  Person  zur  Thür  herein,  wirft  man  geschwind  ein  Tuch  über 
«las  Kindlein  oder  man  bedeckt  Bein  Lager. *)  Es  entspricht  dieses  der 
pommerBchen  Sitte:  man  stelle  die  Wiege  nie  so,  dass  die  Blicke  der  in 
das  Zimmer  tretenden  Personen  direkt  an)'  das  Kind  fallen  können.4)  Wie 
man  sieh  durch  die  Decke  gegen  das  böse  Auge  wehrt,  so  kann  eine 
Decke  über  die  schädigende  Person  geworfen  (wovon  schon  ein  paar 
Beispiele  gegeben  sind),  der  bösen  Wirkung  steuern. 

Wo  man  abeT  den  bösen. Blick  fürchtet,  wehrt  man  sich  auf  ver- 
schiedene Weise.  Das  südeuropäische  „Ficaa-  oder  „Hörner"  -  Zeichen 
könne  ich  aus  dem  Norden  durchweg  nicht,  ich  habe  wenigstens  niemand 
angetroffen,  der  etwas  davon  wusste.  Dagegen  schein!  man  die  rote  Farbe 
als  abwehrende  zu  kennen.  Ganz  deutlich  sind  die  Mitteilungen  jedoch 
nicht  Einer  Bauernfrau,  die  sehr  Bezauberung  fürchtete,  wurde  von  der 
vielberühmten  „klugen"  Windbläsfrau  der  Rat  erteilt,  Bie  solle  eine  Brille, 
von  welcher  ein  roter  Faden  hänge,  tragen  (1).).  Aus  Schonen  heissl  es, 
dass,  wenn  eine  Kuh  durch  das  böse  Auge  bezaubert  Bei,  müsse  man 
weisse  und  rote  Korallen  samt  „Höllensamen"  unter  das  Pflaster  des 
Standes  im  Stalle  hinlegen:  dann  werde  das  Tier  wie. Irr  gesund.')  Hoch 
wird  gesagt,  dass,  wenn  eine  geheime  Hure  die  entblösste  Brust  einer 
schwangeren  Frau  oder  eines  neugeborenen  Kindes  Behe,  erhalte  das  Kind 
„Höre  -  Skerfvan"  (Huren  -  Skropheln  ;  darum  tragen  alle  verheicai 
Frauen    nach    alter  Sitte  Halsketten,    wie  man  um  den   Hals  eines  Kindes 


1)  Black  22. 

2)  Folklore  VIII,  1<5  (Inuislinven). 

3)  Skattegr.  VII,  Ol,  IN«.     Kristensen,  Sagn  IV.  61fi,   18. 

4)  Urquell  VI,  173. 

5)  Kristensen,  Sagn  VII,  229,  882-83.    Wigström,  Folkminnen  I,  142,  \-\.  n  I 
was    among    the  Romans,    as    amoiig  ourselves,   tied  round  the  ueck  of  inlaiits  to  pi 
them   from    the   evil   eye  .  .  .     A  piece  of  red,   worsted  thread  round  the  cows'  tails      .  . 
secured  the  cattle  from  the  evil  eye,  Black,  Folk-Medicine,  S.  22.  112. 


Peilberg: 

immer  einen  wollenen  Faden  bindet.1)     Es  fehlt  hier,    wie  man  sieht.  die 
genauere  Beschreibung  des  Anmiete  and  der  Farbe. 

In  der  roten  Farbe  hat  man  seit  dem  Mittelalter  oder  wohl  gar  früher 
Hilfe  gegen  Krankheit  und  Schinerz  gesucht;  sie  ist  ja  übrigens,  sonderbar 
genug,  durch  Finsens  Entdeckung  des  heilenden  roten  Lichtes  bei  Kinder** 
blättern  zo  Ehren  gekommen.  Mit  dieser  Farbe  mag  auch  das  Holz  der 
Eberesche  in  Verbindung  stehen,  und  so  erzählte  ein  alter  Mann  aus  Jüt- 
landj  dass  sein  Vater  immer  ein  Stück  Holz  von  einer  wilden  Eberesche 
aus  Furcht  vor  den  bösen  Augen  seiner  Nachbarfrau  in  der  Binde  seiner 
Hosen  eingenäht  hatte.2)  Ein  sicheres  Mittel  ist  auch  der  Hexe  das  Blut 
ablassen.  Muss  ich  annehmen,  dass  jemand  den  bösen  Blick  habe,  so 
fliue  ich  am  besten,  wenn  er  mir  auf  meinem  Felde  entgegentritt,  ihn  zu 
schlagen  bis  er  blute.*5) 

Unter  die  Abwehrmittel  gehört  auch  das  Feuer.  Eine  Bettlerin,  die 
mit  der  empfangenen  Gabe  unzufrieden  war,  kam  am  Stalle  des  Gehöftes 
vorüber,  öffnete  die  Thür  und  starrte  mit  bösen  Augen  das  Vieh  an.  Am 
nächsten  Tage  war  jedes  Stück  Vieh  krank.  Da  der  Bauer  gleich  begriff. 
woran  die  Schuld  lag,  setzte  er  der  Hexe  nach  und  bewog  sie  für  schönes 
Geld  mit  ihm  zurückzukehren.  Wieder  am  Hause  angelangt,  ergriff  sie  eine 
Feuerschaufel  mit  glühenden  Kohlen  angefüllt  und  stiess  dieselbe  mit 
solcher  Gewalt  im  die  Mäuler  der  Tiere,  dass  das  Blut  floss,  wonach  sie 
gleich  wieder  gesund  wurden.  Ist  ein  Mensch  von  bösen  Augen  versehen, 
so  schlägt  man  mit  Stahl  und  Stein  Feuer  über  ihn.  Ist  ein  Besuchender 
des  bösen  Auges  verdächtig,  kann  es  geschehen,  dass  man  dem  Weggehenden 
Feuer  nachwirft  (S.).4) 

Damit  ein  Kind  auf  keine  Weise  vom  bösen  Blicke  versehen  werden 
könne,  muss  man  eine  Katze  über  der  Wiege  schwingen,  was  so  geschieht. 
Man  erfasst  die  Katze  au  den  Beinen,  darnach  schwingt  man  sie  hin  und 
her,  bis  man  sie  gewaltsam  auf  den  Platz  des  Kindes  in  der  Wiege  hinab- 
wirft.  Es  ist  nämlich  unmöglich  auf  andere  Weise  sie  dort  einige  Augen- 
blicke ruhig  zu  erhalten;  das  Kind  ist  dann  sicher.5) 

Ist  das  Kind  von  einer  Hure  versehen  worden  und  hat  Skropheln 
bekommen,  so  wird  es  gesund,  wenn  man  die  erste  beste  Gelegenheit 
benutzt,  ihr  den  Hintern  des  Kindes  zu  zeigen.  Hiervon  kann  eine  Ge- 
schichte  erzählt  werden.  Ein  Erwachsener  kann  vom  Wolfsblick  getroffen 
werden  (..blive  ulveset").  ein  Kind  vom  Hurenblicke  („blive  skjögeset"). 
wenn  die  Hure  des  Kindes  entblössten  Kopf  oder  die  Sohlen  seiner  Füsse 
oder    die    nackte    Brust    der  Mutter    sah.     Am    besten    ist.    wenn    man    in 


1)  Cavall.,  Wärend  I,  378. 

2)  Kristensen,  Folkeminder  VIII,  2G5.  451. 

3)  Kristensen,  Folkeminder  IX,  18.  116. 

4^  Kristensen,  Sagn  VII,  214,  743.  733.     Hazelius  V.  37. 

5)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  255,  31. 


I  '    :    ;  Blick    in   B    - 

lolcheni    Falle    der   Sure    den    blossen   Hintern    des  Kindi  en    kann. 

Bin  betrogenes  Mädchen  wohnte  mir  vrin.Mn  Kinde  in  einem  Dörfchen 
Jütlands,  and  mir  dem  Wickeln  des  Kindes  beschäftigt,  entdeckte  sie 
ausserhalb  des  Fensters  ein  berüchtigtes,  etwas  loses  Weib.  »Ach,  was 
ist  jetzt  zu  thun?"  sagte  das  Mädchen.  Die  alte  Frau,  < li« •  innen  am 
Webstuhl  sass,  antwortete:  „Gieb  mir  geschwind  dein  Kind!a  Dem  ein- 
tretenden Weibe  hielt  Bie  den  Hintern  des  Kindes  entgegen:  „Schau  ihm 
mal  zuerst  in  den  blanken  Arsch,  nachher  kannsl  du  Bein  anderes  Knde 
anseilen !"  1) 

13.  -letzt  komme  ich  zu  den  Heilungen,  die  auf  verschiedene  \^ 
herbeigeführt  werden  können.  Eine  Anweisung  lautet:  ist  ein  Kind  „skjö- 
geset",  so  muss  man.  w<>  möglich,  sich  das  Manns-  oder  Frauenhemd  des 
Obelthäters  ohne  sein  Wissen  verschaffen,  in  diesem  Hemde  muss  das 
Kind  schlafen  and  wird  dann  wieder  heil.-)  Auch  ist  mir  bekannt,  dass 
ein  solches  krankes  Kind  mir  der  Hand  eine-  Toten  gestrichen  werden  ist 

Demnächst  bespreche  ich  eine   Reihe  Mittel,   die  wohl  unter  die 
Stellung  von  einer  bildlichen  Wiedergeburl  zusammengefasst  werden  können, 
obwohl   auch  der  Gedanke  au  Abstreifen  oder  Überführung  de.  Übels  auf 

andere  Gegenstände  die  Vorstellung  mit  I influssl  haben  mag.    Ein  Mittel, 

das  mit  kranken  Kindern  auch  anter  solchen  umständen  benutzt  wird, 
ist.  das  Kind  lebendig  zu  begraben  and  wieder  aus  dem  Grabe  auf- 
zunehmen, wodurch  doch  wohl  ohne  Zweifel  ein  Absterben  und  eine  Auf- 
erstehung bezeichnet  wird.  Bin  Paar  von  den  ausführlichsten  Gebräuchen 
führe  ich  an.  Ist  (du  Kind  durch  den  Blick  einer  Hure  getroffen,  schneidel 
man  aus  einem  neuen  Grabe  drei  Rasenstücke,  stellt  zwei  lotrecht,  das  eine 
waserecht  aber  die  beiden  lotrechten,  so,  das  ein  Lech  gebildet  wird:  Fl 
Das  kranke  Kind  wird  gewöhnlich  oach  Sonnenuntergang  oder  vor  Sonnen- 
aufgang nackt,  den  Kopf  voran,  mit  der  Senne,  schweigend,  durch  dies 
Loch  dreimal  gezogen.  [st  dies  vorüber,  nimmt  die  Mutter  ihr  Kind, 
es  dreimal  um  die  Kirche,  die  Kirchenthür  jedesmal  anrührend.  Nach 
Hause  gehend  darf  sie  nicht  durch  das  Pförtchen  de,  Friedhofs  -ehm. 
sendem  muss  mit  ihrem  Kinde  über  die  ümwallung  klettern  und  zu  Hause 
gekommen  nicht  durch  die  Thür  gehen,  sondern  das  Kind  durch  das  Fenster 
hineinbringen.  Ein  einzelnes  Rasenstück  mir  Loch  an  einer  Kreuzscheide, 
wo  die  Felder  von  vier  Eigentümern  zusammenstossen,  gegraben,  Kann 
auch  ,uute  Dienste  thun.8)  Andere  äquivalente  Mittel  sind:  das  Kind  durch 
ein  Messgewand  oder  ein  Kumtkissen  zu  ziehen.  In  einer  Erzählung 
der  Kranke,  dass  er  fühlte,  als  er  durch  das  Kissen  gezogen  wurde,  wie 
das  Übel  „unten  aus  ihm  wegglitt",  und  er  wurde  gleich  gesund. *) 

1)  Kristensen,  Folkeminder  VIII.  328.  558.     Thiele  III.  BTo.  492. 

2)  Jvilske  Saml.  III,  94. 

3)  Jydske  Saml.  P,  55.   III,  94.    Kristensen,  Sagn  IV, 

4)  Skattegr.VII,39,90.  Kristens  .  Folkem.  VIII,  328;  vgl.  unsre  Ztechr.  II.  81.  MI.  1- 


IVilberg: 

Noch  andere  Heilmethoden  geben  auf  Getränke,  die  der  versehene 
Mensch  einnehmen  muss,  Anweisung.  Ist  jemand  vom  bösen  Blicke  gec 
troffen,  muss  er  zu  einer  Brücke,  aber  welche  gute  und  böse  Menschen 
schreiten,  hingehen  und  drei  Taut'  nacheinander  von  dem  Messenden 
i  anter  der  Brücke  trinken.1)  Das  lässt  sich  hören,  schwieriger 
aber  scheint  das  andere  Mittel  für  gewöhnliche  Menschen  zu  benutzen. 
Ist  ein  Kind  von  einem  bösen  Menschen  versehen  wurden,  pisst  die  Mutter 
in  ihren  rechten  Schuh  und  lässt  ihr  Kind  am  Morgen  dreier  Donnerstage 
daraus  trinken,  so  wird  es  gesund.*)  In  Schweden  muss  der  linke  Schuh 
der  heimlichen  Hure  herbeigebracht  werden,  woraus  das  Kind  trinken 
muss.*)  Eine  ausführliche  Anweisung  ist  aulgezeichnet  worden  und  lautet: 
..Ist  das  Kind  vom  Blicke  einer  Hure  getroffen,  so  nimm  einen  Fingerhut 
voll  Milch  und  mische  einen  Tropfen  von  deinem  eiguen  Wasser  darunter. 
Du  musst  dir  demnächst  den  rechten  Schuh  dessen,  welcher  dir  verdächtig 
ist,  zu  verschaffen  suchen,  gieb  dem  Kinde  daraus  au  einem  Sonntag-  oder 
Dontoerstagmorgen  zu  trinken,  aber  vor  dem  Aufgang  der  Sonne.  Du 
musst  zugleich  das  Kind  an  diesen  drei  (!)  Morgen  in  einem  langen  weissen 
Tuche  wägen.  Ist  das  ausgerichtet,  so  knüpfe  drei  Knoten  in  ein  Tuch 
und  wirf  es  vor  den  Hund,  nimm  es  wieder  fort  und  lege  es,  wie  es  ist, 
unter  die  Füsse  des  Kindes,  bis  es  am  anderen  Morgen  wieder  benutzt 
wird.  In  selbigem  Kleide  musst  du  den  Hund  an  denselben  Tagen  wägen." 
Hier  ist  die  Aufschrift  dunkel,  die  Fortsetzung  ist  wohl  auch  ziemlich 
überflüssig,  nur  sei  bemerkt,  dass  die  Brust  des  Kindes  zuletzt  mit  Pflaumen 
gerieben  werden  muss  und  mit  einem  Stück  Papier  von  einem  Zuckerhute 
gedeckt. 4) 

Man  kann  auch  von  elbischen  Wesen  Hilfe  erwarten,  wenn  man  die 
Sache  versteht.  Hat  ein  loses  Weib  das  Haus  besucht  und  muss  man 
Krankheit  (Skropheln)  fürchten,  so  geht  man  an  die  See  und  spricht  dreimal 
zu  der  Seefrau  (ihr  Ruf  ist  ja  eben  nicht  der  beste):  „Ich  bitte  um  Wasser 
für  mein  krankes  Kind  als  Heilmittel  gegen  Magenskropheln  („Magskäver"), 
Gliederskropheln  („Ledskäver")  und  alle  Arten  von  Skropheln  („Skäver"). 
Der  Seefrau,  verstehst  du  ja  wohl,  darf  man  nichts  sagen,  das  anzüglich 
sein  könnte.6)  Hat  man  seinen  Eimer  gefüllt,  so  dankt  man  der  Seefrau 
und  badet  das  Kind  im  heimgetragenen  Wasser;  auch  kann  man  ihm 
davon  9  Tropfen  eingeben,  weiss  man  nicht  gewiss,  an  welcher  Art  Skropheln 
das  Kind  leidet. 


1)  Vgl.  Folklore  VIII,  92:  draw  water  between  sunset  aDd  sunrise  from  a  strearo 
crossing  a  public  road,  which  has  been  passed  over  by  the  living  and  the  dead  (Schottl.), 
Mittel  gegen  dasselbe  Übel. 

2)  Kristensen,  Folkeminder  VI,  364,  100  (D.). 

3)  Jonsson,  Möre  7.     Cavall.,  Wärend  I,  402. 

4)  J.  Kamp  366,  1119. 

5    .Man  nennt  darum  nicht  -Hurenskrophelu". 


Der  böse  Blick  in  n  ., 

Hat    man    nicht    voraus    versacht,    das  Kind  die  flblen  Folgen 

ron  loser  Weiber  Besuch  zu  Benutzen,  indem  man  ein  Loch  in  »'in  Dielen- 
brett in  der  Nähe  der  Thürschwelle  gebohrt,  mit  Wasser  von  der  Seefrnu 
erbettelt,  gefüllt  hatte,  bo  maes  man  Bolches  thun,  wenn  man  das  letzte 
Mal  Wasser  gegen  Skropheln  bettelt.  Man  bewahrt  in  diesem  Bohrloch 
so  viel  v.»n  dem  Wasser  auf,  dass  man  dem  Kinde  davon  dreimal  9  Tropfen 
eingeben  kann.1) 

(riebt  es  inwendige  Mittel,  so  giebt  es  auch  auswendige,  um  die  M 
des  bösen   A.uges  zu   lähmen:   man  muse  nm   12  Uhr  auf  einem   Kreuz 
drei  Messerspitzen   voll   Erde  aufsammeln,   dieselben  in  einen   Lappen  ein- 
genäht um  den  Hals  des  Kindes  binden  und  es  damit  schlafen  lassen, 
fährt  auch  «las  Kind  in  der  Mitternachtsstunde  in  die  Kirche  and  bindet  ihm 
Band,  dort  vor  dem  Altar  aufgesammelt,  in  einem  Säckchen  um  den  Hals.*) 

\   chträglich    füge    ich    noch    hinzu,    dass    in  Schottland    eine    kleine, 
herzförmige  lirosche  nicht  ungewöhnlich  an  einem  der  Unterröcke,  me  - 
hinten,    zur  Abwehr    des    bösen   Auges    getragen  wurde.     Leidet  ein   Kind 
an  einer  zehrenden   Krankheit,   so   winl   das   Übe]   oft   der  Macht   i 
Auges    angerechnet.     Vor  Sonnenaufgang    wird    es  zn  einem  GTobsehmied 
von  der  7.  Generation    gebracht    und    nackt   auf  den  Audi"--  gelegt.     Dei 
Schmied  erhebt  seinen  Hammer,  als  ob  er  auf  das  glühende  Eisen  schlagen 
wollte,  führt  ihn  aber  ganz   leise  über  den   Körper  des   Kindes  herab,     l-t 
dies    dreimal  gethan,    wird   das  Kind   von  der  Stunde  an  gesund.     In  dem 
nordwestlichen  Schottland  benutzt  man  unter  solchen   umständen  ßilb< 
und  goldenes  Wasser.     Ein  Schilling  und  ein  Sovereign  werden  insWj 
womit   das  Kind  bespritzt  wird,    geworfen.*)     Die   .Marin  des  bösen    iuges 
bei    einem  Menschen    wird,    wenn    man  ihm  nüchtern  dreimal  ins  Gesicht 
spuckt,   vernichtet.4) 

Eine  vereinzelte  Bemerkung,    mit  welcher   ich  nichts  anzufangen  ver- 
Hiag,   Bei  endlich  hinzugefügt.    Es  wird  von  Kristensen  erwähnt,  dass  man. 
wenn    eine  Kuh    eben  gekalbt  hat  und  das  erste  Mal  gemolken  wird 
schwind    eine  Schürze    über   den   Eimer  werfen   muss,    damit   weder  Sonne 
noch    anderes   Licht,    noch    hr»se  Menschenaugen  es  treffen  mögen.*)     Wie 
das  aufzufassen  ist,  weiss  ich  nicht,     [st   die  Sonne  als  Auge  eines  G 
aufgefasst?     Vgl.  Grimm,    Muh.-  665,    Tylor,    Auf.  d.  Civilis.  I.  345      [st 
dieser  Fall  damit  zusammenzustellen,  dass  >\<'\-  Troll  vom   luge  der  Sonne 
getroffen    in  Stein    verwandelt    wird,    ein  Motiv,    das   in  nordischen  v 
und  Märchen  überaus  häufig  vorkommt? 


1)  Wigström,  Folktro  och  Sägner,  135,  440. 

2  Kristensen,  Sagn  IV,  580,  09.     Sk  VII.:; 

3  W.  Gregor,  Folklore  of  the  N.  ]  3cot        ,  S.  8.    B  Folklore 
X.  Countries,  187. 

4)  Black,  Folk-Medicine,  184. 

5)  Kristensen,  Sagn  VII,  302,  1145. 


Peilberg:  Der  böse  Blick  in  nordischer  Überlieferung. 

fadem  ich  hiermit  Bchliesse,  bleibt  die  Präge  zurück:  ist  hier  alles 
Phantasie  und  Einbildung,  oder  sollte  eine  Wirklichkeit,  eine  Realität 
dieser  Vorstellung  zn  Grunde  liegen?  Einer  meiner  Universitätslehrer, 
der  längst  verstorbene  Professor  Forchhammer  in  Kopenhagen,  trug-  in 
filier  seiner  Vorlesungen  den  Satz,  vor,  das  Volk  nimmt  richtig  wahr, 
deutet  aber  die  gemachte  Wahrnehmung  sehr  oft  phantastisch.  Ist  das 
wahr,  wie  ich  glaube.  -<>  dürfte  unter  diesem  Aberglauben  eine  wirkliche 
Observation  von  der  Gewalt  des  Bcharfen  Blicks  eines  Auges  sich  bergen. 
Bekannt  genug  ist  es  ja,  dass  man  den  bissigen  Hund  durch  festes  An- 
blicken fern   von  sich  halten  kann. 

Ks  scheint  ebenso  eine  allgemeine  Wahrnehmung,  dass  Raubtiere  und 
Schlangen  eine  gewisse  Macht  durch  ihren  Blick  auf  ihre  Beute  besitzen. 
Auch    sind    in    den    letzten  Jahren    unter    den  vielen  Versuchen,    die  sich 
mit    der  Ergründung    von  Suggestion   und  Hypnotismus  beschäftigt  haben. 
Verhältnisse  sehr  sonderbarer  Art  entdeckt  worden,   die  einigermassen  er- 
klären oder  doch  begreiflich  machen  können,    wie  das  Volk  eine  Theorie 
wie    die    von   dem  bösen  Blicke  ausbilden  konnte.     Ist  einmal  ein  solches 
Motiv  heimisch  im  Volksglauben  geworden,  so  wird  es  immerfort  wuchern 
und    neue  Sprossen    treiben.     Das  Schauspiel    des    norwegischen    Dichters 
IL  Ibsen,    „Fruen  fra  Havet"    wird    allen  bekannt  sein.     Sie  ist  glücklich 
verheiratet,  —  auf  einmal  erscheint  ein  Fremder,  sein  Wesen,  seine  Stimme, 
besonders  aber  sein  Blick  lähmt,  bezaubert  sie,  wie  der  Blick  der  Schlange 
das    erschrockene  Vögelein.     Es  dürfte  von  ärztlicher  Seite  mehr  als  eine 
Schrift,    die  Fascinationen   dieser  Art  schildern,    vorliegen;    ich  kann  hier 
auf    einen  ähnlichen  Fall,    von  Prof.  Preyer  in  seinem  Buche:  Ein  merk- 
würdiger Fall  von  Fascination  (1895)  geschildert,  hinweisen.     Seine  Heldin 
heisst,    wie  Ibsens,    Ellida,    die    mit    einem    braven  Manne  verheiratet  ist. 
Hier   erscheint  auch  ein  Fremder,    der  sie  mittels  Drohungen,    Heftigkeit, 
Stimme,    besonders    aber   durch  seinen  Blick,    deu  „Tigerblick"  bezwingt. 
So    oft    sie    dieser  Blick    traf,    wurde  sie,    obschon  völlig  wach,    Automat, 
fahl,  blass,  ihre  Gesichtzüge  erstarrten,  ihre  Hände  wurden  kalt,  das  Reden 
wurde    ihr    schwierig.     Mit    eingedrückten  Ellenbogen  und  vorgestreckten 
Händen    folgte    sie    ihm  wider   ihren  Willen  —  und  doch  liebte  sie  ihren 
.Mann   und  ihr  Kind. 

Sollten  nicht  ähnliche  Fälle,  die  einst  wahrgenommen  worden  sind, 
bei  primitiven  Völkern  den  (Hauben  an  den  Zauber  des  bösen  Blicke 
haben  entstehen   lassen? 

Askov  bei  Vejen,  Jütland. 

(Die  Beilagen  folgen  im  4.  Heft.) 


Zachariae:  K 

Kleine  Mitteilungen. 

I  iid  wenn  der  Himmel  war  Papier. 

Reinhold    Köhler   hat    in    zwei    Aufsätzen     wiederholt  in  Beinen  Klei 
Schriften  [II,  293—318)    die    dichterische    Formel    „Und    wei      der   Bimmel    war 
Papier"    in  verschiedenen  Gestaltungen  and  Anwendungen  durch  eii  Zahl 

von  Litteraturen    hindurch    verfolgt.     Ich  gestatte  mir  hier  einen  I.  •  Nachtrag 

zu  geben,  auf  die  Gefahr  hin,  'las«,  das.  was  ich  anzuführen  habe,  anter  den  Nach- 
trägen Köhlers  vorkommt,  die  sich  seit  dem  Jahre  1892  in  Budapesi  befinden  and 
von  dort  nicht  zarückzuerlangen  sind  (s.  diese  Zeitschr.  XI,  S.  95  f.  . 

Philipp  Baldaeus    behandelt    in    seinem  Buche    über  Indien  (Beschri 
der   Ost  -  Indischen    Küsten  Malabar    und  Coromandel  u.  b.  \\..    Amsterdam  1672 
S.  4G7  ff.    die    zehn  Verwandlungen    oder  Altare    (skr.  avatara)    <\<-±  Gottes   Vi-.nu. 
Seinen  Bericht    über    den    achten  Altar,    d.  h.   die  Verwandlang  des  Yimui  in  den 
Krsna,  schliesst  er  auf  S.  550  mit  folgenden  Worten: 

„Die  Heyden  bezeugen  einhälliglich  wann  schon  das  gantze  Meer  Dinten 
wäre  j  die  gantze  Erde  Papier  |  und  alle  Einwohner  in  hundert  tausend  Jahren 
nichts  anders  tähten  dann  schreiben  |  tag  und  nacht  so  wäre  es  nicht  möglich  ) 
alle  Wundertahten  Kisna  in  Schriften  zu  verfassen  I  die  er  allein  in  Zeit  von 
hundert  Jahren  verrichtet  hat  |  in  der  dritten  Weltzeit  '  Duapersinge  genanl  welche 
gewähret  hat  acht  hundert  vier  und  sechzig  tausend  Jahr." 

Man  beachte,  dass  bei  Baldaeus  nicht  der  Himmel,  sondern  die  Erde  als 
Papier  gedacht  wird.     Vgl.  dazu  Köhler  a.  a.  0.  S.  29«.  303f. 

Die  hundert  tausend  Jahre  bei  Baldaeus  erinnern  an  die  rausende  von  Welt- 
altern in  der  Väsavadattä  des  Subandhu:  sieh  Benfey  bei  Kohler  8. 306 f.; 
eine  metrische  Fassung  der  Väsavadattästelle  habe  ich  mitgeteilt  in  der  Guru- 
püjäkaumud!  (Festgabe  zum  fünfzigjährigen  Doktorjubiläum  Albrechl  Weber  dar- 
gebracht von  seinen  Freunden  und  Schülern.  Leipzig    1896)  S. 

Zu  der  aus  Baldaeus  angeführten  Stelle  findet  sich  auf  S.  550a  folgende  Rand- 
bemerkung: „Desgleichen  wird  von  Christo  Jesu  auch  bezeuget  Job  21:  35.  von 
welchem  also  diese  Heyden  ohne  zweifei  etwas  müssen  gehöret  haben." 

Die  Stelle  im  Evangelium  Johannis  21,  25  lautet:  „Es  Bind  auch  viele  andere 
Dinge,    die  Jesus   gethan    hat,    welche,    so    sie    Bollten  eins  nach  dem  andei 
schrieben  werden,    achte  ich,    die  Welt  würde  die  Bücher  mein  begreifen,    die  zu 
beschreiben  wären." 

Wie  Baldaeus,  so  giebt  auch  ü.  Dapper  in  seinem  Bache:  Asia  Oder:  Lus- 
führliche  Beschreibung  Des  Reichs  des  Grossen  Afogols  Und  i  ii  rheila 

Von  Indien  |  Nürnberg  1681,  S.  58ff.  eine  Darstellung  der  Verwandlungen 
leiblichen  Erscheinungen  des  Visou.  Diese  Darstelluni;  ist,  wenn  ich  rech! 
zu  einem  grossen  Teile  aus  Baldaeus  abgeschrieben.  Den  aus  Baldaeus  - 
angeführten  Worten  entspricht  folgende  Stelle  bei   Dapper  8.  102  ziemlich  genau: 

„Und    obgleich  |  wie    die   Brahminen    bezeugen      alle   Seelen   zu    Dinten     der 
ganze  Erdboden  zu  Papier  ,  und  alle  lnnwohner  100000.  Jahr  Tag  und  Xadu  un- 
ausgesetzt schreiben  würden  |  so  wäre   es  doch  unmöglich     alle   Wunderwerk' 
Kisnas  |  die  er  in  der  Zeit  seiner  Regierun-  von   100.  Jahren  auf  El  richtet 

i  zu  beschreiben." 

„Seelen"  bei  Dapper  Druckfehler  für  „Seeen"  (?). 

Halle  a.  d.  S.  Theodor  Zachariae. 


;.};;._)  Srliiittr: 

\h\>  Häuseln  Im  Braunschweiglschen.1) 


Seitdem    die  Gesangvereine    sich  auf  dem  Lande  gebildet  haben,    hat  man  in 

den  meisten  Ortschaften  von  der  alten  Sitte  des  Hanseins  abgelassen  und  giebt 
nur  etwas  zum  besten,  wenn  man  in  einen  Verein  eintritt.  Wo  aber  das  Hänseln 
ooeb  stattfindet,  sind  meist  die  früheren  Bräuche  aufgegeben,  man  begnügt  sich 
mit  Trinken  und  dem  Gesänge  von  Soldatenliedern.  Das  war  früher  anders. 
Man  muss  sich  wundern,  welch  -rosse  Fülle  studentischer  Lieder  auf  den  Dörfern 
bekannt  gewesen  ist: 

Ich  nehm'  mein  Glaschen  in  die  Hand.  (Der  erste  Vers  dieses  Liedes, 
das  in  den  ßreslauer  Burschenliedern  steht,  fehlt  auch  im  all- 
gemeinen deutschen  Kommersbuche).2) 

Lasset  die  feurigen  Bomben  erschallen. 

So  leben  wir. 

Der  Papst,  der  fahrt  nach  Rom.  (Eine  Umwandlung  des  bekannten 
Liedes  vom  Abt  von  Philippsbrunn.) 

Ihr  Brüder,  wenn  ich  nicht  mehr  trinke. 

Trinkt.   Brüder,  trinkt. 

Ein  lustiger  Bruder  weiss  immer  noch  Rat. 

Bald  tanz'  ich. 

Europa  hat  Ruh'. 

Sind  wir  nicht  zur  Herrlichkeit  geboren? 

In    einigen  Ortschaften    sang  man  besondere  Lieder.     In  Volkmarsdorf  be- 
kamen vor  dreissig  Jahren  die  Enken  beim  Hänseln,    für  das  auch  die  Ausdrücke 
„Einkaufen,    Bengeln  und  Hulligen"  gebraucht  wurden,    einen  Hut  aufgestülpt,  ein 
Glas  Bier  in  die  Hand,  und  dann  sang  man  im  Anklänge  an  den  Landesvater: 
„Der  tolle  Hut,  Ein  Hundsfott,  der  uns  schimpfen  tlmt. 

Der  steht  dir  gut,  Die  Hasen,  die  da  laufen, 

Den  thu  ich  dir  aufsetzen  Hie  Burschen,  die  da  saufen, 

Und  mich  daran  ergötzen.  Die  Mädchen,  die  da  haben  das  Geld, 

Mein  Bruder,  sauf  nur  zu!  Die  brauchen  wir  auf  dieser  Welt." 

Darauf  redete  der  Altknecht  den  Enken  an:  „Mein  Sohn,  wenn  du  auf  Wache 
kommandiert  wirst,  musst  du  aussehen  wie  ein  Bär,  Rotz  von  der  Backe,  Haare 
unter  dem  Tschako,  und  als  wenn  du  zehn  Teufel  gefressen  hast  zum  vi  zum 
vallera.     Nun,  mein  Sohn,  setz  an!     Aus,  aus,  aus!" 

In  Lamme  ging  man,  nachdem  in  der  Wirtsstube  getrunken  war,  auf  die 
Däle,  auf  die  der  Schlachtetisch  gesetzt  war.  Auf  diesen  mussten  sich  die  Enken 
einer  nach  dem  andern  mit  dem  Leibe  legen,  der  Kopf  wurde  niedergehalten  und 
sie  kriegten  die  „ Blitze  Bratze".  Vorher  aber  begann  der  Altknecht  zu  singen 
und  alle  stimmten  ein,  indem  sie  die  Mützen  abnahmen: 

„'rein,  'rein,  'rein!  Dafür  soll  er  die  Pritsche  hän 

Es  fehlt  der  letzte  Mann,  Vom  Hacken  in  den  Nacken, 

Der  hat  uns  was  zu  Leide  gethan,  Dat  Avschlock  sali  ne  smacken!" 

Wer    sofort    nach  dem  Gesänge  die  Mütze  nicht  wieder  aufsetzte,    bekam  die 
Pritsche  wieder. 


1)  Vgl.  R.  Andree,  Braunschw.  Volkskunde,  S.  236  und  Braunschw.  Magazin  189$ 
S.  197  und  1899,  S.  31. 

2  Vgl.  Hoffmann  v.  Fallersieben.  Unsere  volkstüml.  Lieder.  4.  Auflage  von  Prahl. 
Leipzig  1900.     S.  139.] 


Kleine  Mitt<  düngen. 

In  Gross-Dah [um,  wo  das  Hänseln  in  früherer  Zeit  an  dem  6.  bitt- 

fand, Bang  man  neben  dem  Fürsten  von  Thoren  auch: 
„Hin-  Mtz.'ii  die  drei  Könige  mil  ihr 
Si.-  fressen  and  Baafen,  bezahlen  nichl 

o<  eh<  Uje  Quadrille, 
Charmante  Margret, 
Schöne  Spielewerke 
l'ihl  schöne  Rarität." 

In  Harvesse,    wo    man    auch   heute  noch  häufig  gleich  auf  dem  Felde  beim 

Roggenmähen  hänselt,  indem  man  beim  .Malun  an  dem  zu  Hänselnden  vorbei  und 

um    ihn    herum    mäht,    so    dass    er    wie  ein  begossener  Pudel  in  der  Mitte  Bteht, 

Bingt  man: 

„Ins  versoffene  Lager  ziehen  wir. 

Da  giebt  es  hübsche  Mädchen,  Wein  oder  Bier 

l'nsre  ganze  Gesellschaft,  die  soll  leben. 
Das  geschieht  dem  H<rrn  zu  Ehren. 
Der  Berr  soll  leben  vivat  hoch." 

Wenn  der  Bnke  sein  (ilas  Schnaps,  den  er  selbst  hatte  holen  müssen,  aus- 
getrunken   oder    einen    grossen  Schluck    aus    der  Flasche    genommen    hatte 

der  Chor: 

„Das-  du,  mein  Bruder,  gut  saufen  kannst. 

Das  sieht  man  dir  an  der  Nase  an, 

Du  hast  einen  guten  Meister  gehabt, 
Der  dir  das  Saufen  geleimt   hat." 

In  Rautheim,  wo  sich  der  Gehänselte  am  Schlüsse  mit  den  Worten  bedankte: 

„Ik  bedanke  mik   for  de  ganze  Gesellschaft   un   den   guen  Willen",    stimmte    man 
dreimal  hintereinander  das  Lied  an: 

„Prost,  Bruder,  prost ! 

Morgen  komml  der  Trost. 

Morgen  kommt  der  Mann  ron  Celle, 

Bringt  den  Beutel  mit  dem  Gelle, 

Prost,  Bruder,  prost!" 

In  Engeln  stech    sang    man    in    der  Weise    des    kirchlichen  Absingens    beim 
Hanseln  einen  Wechselgesang.     Der  Altknecht  fing  an  und  ein  anderer  antwortete: 
„a)   Peiter  Christian,  bist  du  nicht  mein  getreuer  Kn 
b)   Was  bin  ich  schuldig  für  den  B 

a)  Geh  hin  zu  den  Bauern  und  sag',  sie  möchten  ans  schicken  ein  \ 

b)  Ja,  die  Bauern  haben  sich%ganz  and.  rs  bedacht  und  haben  uns  einen  Pfennig 
mitgebracht,   einen   Pfennig,   einen  kling  Man-  Glori  \ 

(Ob  vollständig? 

Wurden    die  Enken    mancherwärts    zuletzt    durch    einen  Pfuhl   -eineben  oder 
mussten  sie  durch  eine  Kiepe  oder  ein  offenes   Fass  ohne  Boden   kriechen,    wobei 
es  anSchlägen  nicht  fehlte,  so  mussten  sie  in  Söllingen  durch  cm  „Hängbimme" 
(Hemd  ohne  Ärmel)  schlüpfen,    in   Wahrstedt    aber  BChlug    man   sie   beim   S] 
vom  Stuhle,  auf  den  sie  sich  hatten  setzen   müssen,   mit  der  Schaufel   vor  da 
säss.    Milder  war  man  in  Flechtorf.     Dort  zogei  -  der  älteste  hiess 

der  Heerbengel  —  den  zu  Bengelnden   über  ein  Bierfaes,    und  es  wurde  mit  dem 
Dreschflegel  nicht  der  Enke,  sondern  das  Fass  geschlagen    das* 

Wie  die  Enken,  so  wurden  auch  die  Mädchen  gehänselt,  und  auch  heute  noch 
geschieht  es,  z.  B.  in  Eischott  und  Delligsen.  Weitere  Kunde  habe  ich  nicht  er- 
langen können.    Wie  sie  aber  vor  vierzig  Jahren  etwa  in  Dibbesdorf  eingeweiht 

93 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


:;:;  I  Zeller: 

wurden,  wenn  sie  zum  erstenmale  zum  Melken  auf  die  Weide  kamen,  so  wird  es 
auch  anderswo  gewesen  sein.  Hier  fasste  Bie  ein  Mädchen  unter  die  Arme  und 
ein  paar  andere  an  die  Beine,  und  dann  wurden  sie  mit  dem  Gesasse  auf  die 
Erde  gestoppt.  In  Eischott  behandelt  man  sie  zarter.  Dort  zieht  man  die 
Mädchen  bei  der  [Lindtaufe,  wenn  sie  zum  erstenmale  Gevatter  stehen,  über  den 
Tisch  oder  setzt  sie  auch  nur  sanft  darauf.  In  Delligsen  aber  beschränkt  man 
sich  darauf,  von  den  Mädchen,  die  erstmalig  bei  der  Roggenernte  thätig  sind,  ein 
..Einstandsgeld"  zu  nehmen,  das  25 — 40  Pfennige  beträgt,  wofür  Bier  oder  süsser 
Schnaps  gekauft  wird. 

In  dem  letztgenannten  Orte  werden  auch  die  Frauen  gehänselt.  Wenn  nämlich 
eine  junge  Frau  zum  erstenmale  nach  ihrer  Verheiratung  Kuchen  oder  Brot  backt, 
so  muss  sie  im  Backhause  den  anwesenden  Flauen  eine  Flasche  Kirschschnaps 
zum  besten  geben. 

Braunschweig.  Otto  Schütte. 


Der  Nikolausabend  am  Abersee  im  Salzburgiscken. 

In  dem  Thale,  welches  den  Aber-  oder  St.  Wolfgang-See  umschliesst,  sind 
mehrere  kleine  Gemeinden,  deren  Häuser  ziemlich  weit  verstreut  liegen.  In  diesen 
Gemeinden  findet  sich  eine  uralte  Sitte,  den  Abend  des  Nikolaus-Tages  (6.  Dezember) 
durch  einen  Mummenschanz  zu  feiern. 

Sobald  es  Xacht  geworden  ist,  versammeln  sich  die  Burschen  einer  Gemeinde 
bei  einem  aus  ihrer  Mitte,  jeder  bringt  sich  seine  Vermummungsstücke  mit,  und 
unter  Singen  und  Spässen  wird  das  Ankleiden  bewerkstelligt.  Alte  Pelzjacken 
werden  umgekehrt,  dass  die  rauhe  Innenseite  nach  aussen  kommt,  andere  hüllen 
sich  in  langhaarige  Bock-  oder  Ziegenfelle,  um  sich  selbst  zum  zottigen  Untier  zu 
machen,  wieder  andere  binden  vorn  und  hinten  lange,  mit  Russ  geschwärzte 
Schürzen  um;  dann  werden  Tiermasken  aufgesetzt  von  den  verschiedensten  Sorten, 
ein  Hirschgrind,  ein  Ochsenkopf,  Gemskopf,  Bock,  Fuchs,  Bär  —  alles  muss  Dienste 
thun,  und  je  hässlicher,  desto  besser  — ,  je  scheusslicher  der  Kopfschmuck  aus- 
sieht (den  Perchten-Masken  ähnlich),  um  so  schöner  wird  er  befunden.  Um  den 
Leib  werden  Stricke  oder  Ketten  befestigt,  daran  bei  dem  einen  oder  anderen  eine 
grosse  Kuhglocke  oder  alte  ungeheuere  Schellen-Rollen  hängen:  die  Hände  werden 
geschwärzt,  auch  in  umgekehrte  Pelz-Fäustlinge  gesteckt  und  auf  solche  und  ähn- 
liche Weise  der  Grossteil  der  Versammelten  ausstaffiert.  Diese  bilden  den  Chorus 
oder  Tross.  *> 

Der  unvermeidliche  Klaubauf  ist  ganz  in  schwarze  Bockfelle  gehüllt,  hat  eine 
Teufels-  oder  gehörnte  Tiermaske  auf  dem  Kopfe  und  trägt  die  schwersten  Ketten, 
um  recht  rasseln  zu  können,  in  den  Händen.  Stöcke,  Besenstiele,  Mistgabeln  oder 
dergleichen  sind  weitere  Beigaben  beim  Chor. 

Nun  kommt  die  Hauptperson,  der  heil.  Nikolaus.  Dieser  kleidet  sich  in  lange, 
weisse  Tücher  nach  Art  des  Priestergewandes,  hat  Inful  und  Stab  gleich  einem 
Bischöfe.  Das  Gesicht  ist  durch  eine  ordentliche,  anständige  Larve  gedeckt.  Der 
heil.  Nikolaus  bekommt  einen,  manchmal  auch  zwei  Begleiter  in  Gestalt  von 
Hirten  mit  Zistel  oder  Tragkorb  versehen,  worin  sich  die  Geschenke  befinden, 
welche  er.  mit  seinem  Gefolge  umherziehend,  an  die  „Braven"  austeilt. 

Eine  Art  Soldat  oder  Nachtwächter  mit  Hellebarde  bewehrt,  ist  der  Anführer 
des  Zuges  und  zugleich  derjenige,  welcher  Ordnung  macht  und  Ruhe  gebietet, 
wenn  der  Zug  bei  einem  Hause  ankommt. 


Klrii; 

Sobald   daa  Ankleiden  und  Vermummen  rollend  uze 

Schar,  denn  es  sind  ihrer  meist  über  15     20  l  I  der 

Zug,  der  durch  einen  Höllenlärm,  durch  Singen,  Ju  breien,  PI  iten, 

Schellen,  Rasseln,  weithin,  ja  durchs  ganze  Thal  vernehmbar  ist  Licht  wird 
nicht  mitgenommen. 

.Mit    solchem   Lärm    und   Gepolter    wird    nun   von    Hau-   zn   II  l    mir  m 

der  eigenen  Gemeinde,  gezogen  and  vor  dem  Hanse,  wo  Kinder  smd.  Halt  gemacht; 
bei  allen  Fenstern  hineingebrüllt  und  hineingesungen,  bis  endlit  h  der  Anführer 
Ruhe    gebeut.     Di<  iser  stellt  sich  nun  zur  Hausthüre,    pocht  einigemale  tücht  . 

und    spricht:    „Vater   öffne    uns   dein    Haus,    es    kinnnit    zu  <  ia-t  Herr  Nikol 
Hierauf  geht  der  Hausvater  zur  Hausthüre  und  antwortet  den  draussen  Befindlichen: 
„Seid  ihr  brav  und  fein,  lass  ich  euch  herein-  und  öffnet  von  innen  di< 

In    der  Stube    hatte    sich    längst,    sobald    man   den   Zug  näher   kommen   bö 
Gross  und  Klein.   Alt  und  Jung  versammelt   und  im  Kreise  um  den  grossen    i 
enge  aneinander  gedrückt,  insbesondere  die  Kinder,  denen  man  den  ruhigere]   I 
winkel    einräumt.     Aber   auch  die  erwachsenen  Töchter,    Dirnen  oder  Dienstboten 
weihlichen  Geschlechtes  suchen  sich  hier  Plätze  zn  erobern,    um  rückenfrei,  d.  h. 
rückensicher  zu  sein,  weil  sie  sich  vor  dem  „Gestohlenwerden"  zu  fürchten  haben. 
Jetzt    wälzt    sich    der    wilde  Chor  in   die  Stube,    wo  der  Kann  nochmals  von 
neuem  ertönt,   Ins  der  Anführer  Ruhe  schallt. 

Da  tritt  der  Herr  Nikolaus  (Nigla  hervor  and  an  den  Tisch,  schaut  nach  den 
Kindern  und  fragt  diese  der  Reihe  nach  aus.  Die  kleineren  lässt  er  das  heil. 
Kreuz  machen,  andere  das  Vaterunser  beten,  oder  er  stellt  Prägen  au-  dem  Kate- 
chismus u.  s.  w.  Ist  dies  vorbei,,  so  werden  die  Kinder  von  Beiner  Hand  mit 
Nüssen,  Äpfeln,  Lebkuchen,  gedörrten  Zwetschken  und  dergl.  beschenkt,  dann 
wünscht  er  Glück  und  Segen  dem  Hause  und  friedlich  gute  Nacht  und  wendet 
sich  zum  Gehen. 

Ist  der  Herr  Nikolaus  zur  Stubenthüre  hinaus  und  sind  junge  Dirnen  da.  dann 
hält  der  Chorus  seine  Jagd  und  sucht  die  eine  oder  andere  zu  baschen.  Daa 
giebt  nun  ein  Gelächter  und  eine  Schadenfreude,  wenn  eine  richtig  erfassl  und 
fortgeschleppt  wird.  Es  geschieht  der  „Gestohlenen"  auch  nichts,  als  da 
einige  Minuten  von  den  wilden  Gesellen  die  lauter  Bekannte  sind  mit.. 
und  dann  wieder  freigelassen  wird:  aber  bis  dieses  geschieht,  wenn  es  auch  nur 
Augenblicke  dauert,  ist  doch  die  Gestohlene  schon  überall  berusst  und  wärzt, 

kommt  also  wie   ein  Mohr  in  den  Kreis  ihrer  Leute  zurück,    von  de:,-!)  si< 
mals  recht  ausgelacht  wird,  dass  sie  sich  „nicht  besser  hat  wehren  n  Weht! 

sich  aber  eine  Dirne  recht  tapfer,  am  besten  durcl  ! 

so  dass  sie  nicht  von  dem  Kreise  getrennt  und  zur  Stube  hinausgebracht  wird. 
dann  wird  das  wilde  Heer  tüchtig  verlacht  und  verhöhnt.  Audi  lässt  der  Anführer 
nicht  lange  Zeit  zum  Raube,  sondern  drängt  zum  Abz 

Draussen  wird  das  Hausthor  wieder  geschlossen  und  der  Zug  johlt  und  jan 
schreit   und   lärmt    fort  in  die  dunkle  Nacht  hinein  /um   nächsten  Hau»,    w 
Besuch    beabsichtigt    und    bis  die  Runde  gemacht  ist.     Dann  gehen  die  Bm 
lustig  auseinander,  und  am  nächsten  Sonntage  unterhalten  sie  sich  in  der  Schenke 
bei    einem  Kruge  Bier    über    den  Nikolaus-Abend    und   die   dal 
■teuer. 

Cii  /.'Her. 

Salzburg. 


Jahn: 

Silben  vom  Rübezahl. 

Die  nachfolgenden  Sagen  wurden  1882  von  dem  damaligen  Breslauer  Studenten- 
Dlrich  Jahn  auf  einer  Fnsswanderung  aus  dem  Munde  der  Erzähler  aufgezeichnet 
und  mir  übergeben.     [K.  W.] 

Rübenzal. 

Ein  Gebirgsbauer  erzählte:  Rübenzal1)  oder  Eulenspiegel  nennen  ihn  die  Leute: 
sein  eigentlicher  Name  aber  ist  der  Berggeist.  Ruft  man  ihn  Rübenzal,  was  gleich 
Rübenschwanz  ist,  so  hört  er  allerdings  sofort;  doch  fühlt  er  sich  schwer  beleidigt 
und  spielt  dem  Spötter  die  grössten  Possen. 

Gar  oft  hat  er  schon  derartige  Leute,  die  ihn  im  Gebirge  geärgert  haben, 
durch  Wind  auf  entfernte  Berge  geblasen;  und  wenn  die  Ärmsten  dann  trostlos  in 
der  Irre  umherliefen,  so  war  ihm  das  eine  wahre  Herzensfreude.  Das  hat  ihm 
dafür  aber  auch  den  Namen  Eulenspiegel  eingebracht. 

(Mündlich  aus  Raspenau  und  Mildenau  in  der  Herrschaft  Friedland  in  Böhmen.) 

Rübenzal  schenkt  Laub. 
Einer  Frau,  welche  für  ihre  Ziegen  Futter  holen  wollte,  schenkte  der  Rübenzal 
einst  einen  ganzen  Sack  voll  Laub.     Wie  das  Weib  nun  im  Stalle  den  Tieren  das 
Futter  reichte,  schwollen  denselben  die  Leiber  gewaltig  an,    und  nach  kurzer  Zeit 
fielen  sie  tot  hin. 

Nachdem  sich  der  Berggeist  an  der  Angst  und  dem  Jammer  der  armen  Frau: 
genug  geweidet  hatte,  machte  er  das  Vieh  wiederum  lebendig. 

(Mündlich  aus  Raspenau  und  Mildenau,  Herrschaft  Friedland.) 

Rübenzal  auf  Hochzeiten. 
Rübenzal    oder    der  Berggeist   ging    ehemals   oft  auf  die  Bauernhochzeiten  in 
Rengersdorf.    Dort  tanzte  er  mit  den  Mädchen;  für  gewöhnlich  aber  trieb  er  aller- 
hand Unfug.     Trotz    alledem    sah    man    sein  Kommen  gern,    denn  er  brachte  den 
Hochzeitleuten  regelmässig  die  reichsten  Geschenke  mit. 

.  (Mündlich  aus  Rengersdorf  bei  Marklissa,  Kr.  Lauban.) 

Rübenzal  und  Rengersdorfer  Bauern. 
Rübenzal  traf  einst  Rengersdorfer  Bauern,  die  sich  im  Gebirge  verirrt  hatten. 
Diensteifrig  erbot  er  sich  sie  zurecht  zu  weisen  und  führte  sie  nun  bis  in  die  tiefe 
Nacht  hinein  auf  Kreuz-  und  Querwegen  herum.  Als  es  endlich  so  dunkel  ge- 
worden war,  dass  man  die  Hand  nicht  mehr  vor  dem  Auge  erkennen  konnte, 
verschwand  er  plötzlich,  und  die  armen  geprellten  Bauern  mussten  die  Nacht  über 
in  der  Wildnis  zubringen. 

(Mündlich  aus  Rengersdorf  bei  Marklissa,  Kr.  Lauban.) 

Rübenzal  beschenkt  eine  arme  Frau. 
Einst    traf  der  Rübenzal  im  Walde  eine  arme  Frau  beim  Holzlesen.     Er  half 
dem  Weibe  bei  ihrer  mühsamen  Arbeit,    und  als  sie  damit  fertig  war,    gab  er  ihr 
noch    obendrein    ein   paar  Reiser  mit  dem  Bemerken,    sie  solle  dieselben  ja  recht 
sorgfältig  aufbewahren. 


1)  Zu  dem  Namen  Rübenzal  (ruobenzagel)  sei  auf  das  siebenbürgisch  -  sächsische 
Ropenzügel,  Roppenzuogel  (J.  C.  Schuller,  Beiträge  zu  einem  Wörterbuche  der  siebenbürg.  - 
sächs.  Mundart,  S.  51.  Prag  1865)  aufmerksam  gemacht,  womit  jetzt  ein  verhütteter  Mensch 
bezeichnet  wird,  das  ursprünglich  aber  einen  Zwerg  oder  Kobold  benannt  hat.  Kobold- 
sagen bilden  einen  grossen  Teil  der  Rübezahlsagen.     K.  W. 


Klein      M 

Anfangs    wollte   die  Frau   die  unscheinbaren  Hölzchen  Fortwerfen,    behielt  sie 

aber  doch  schliesslich  hei  sich.     Wie  sie  aber  zu  Banse  die  Reisei  wiedei   ; 
hatten  sie  sich  in  reines  Gold  verwandelt 

(Mündlich  aus  Elengersdorf  bei  Marklissa,  Kr.  Lauban.) 

Rübenzal  spieli  die  Fiedel. 

Der  Rübenzal    oder   der  Berggeist  wohnt  eigentlich  in  der  Schneekoppe      Bi 
hat    früher   noch    andere  Berggeister   gegeben,    die   man  „Ganner"   nannl 
machten    einem    diese  nur  ..blauen  Dunst"  vor;    eigentliche  Mach!  hat  immer  nur 
der  Rübenzal  gehabt. 

Er  versteht  die  Menschen  auf  alle  mögliche  Weise  zu  ärgern.  So  führt  er 
Leute,  die  ihn  verspottet  haben,  auf  Irrwege  and  macht  ans  dem  Bchönsten  Wetter 
die  gräulichsten  Gewitter.  Man  nennt  ihn  auch  den  Geigen  friede)  oder  den  Fiedel- 
fritze, weil  er  so  gern  fiedelt. 

Sitzt  er  mal  auf  einem  Felsen,  und  kommt  da  allerlei  [astiges  \  olk  an,  die 
rufen:  „Fiedelfritze,  Fiedel fritzo."  Da  ward  der  Rübenzal  böse  und  fing  an  zu 
geigen;  und  wie  er  geigte,  mussten  alle  tanzen  und  konnten  nicht  eher  ausruhen, 
bis  sie  ihm  die  schönsten  Worte  gegeben  hatten,  er  möge  doch  nur  mit  dem 
Fiedeln  wieder  aufhören. 

Überhaupt  liebte  er  die  Eulenspiegeleien,  weshalb  mau  ihn  auch  oft  Eulen- 
spiegel nannte.  Wer  aber  ehrbar  war  und  ihn  nicht  ärgerte,  dein  hat  der  Rübenzal 
nie  etwas  gethan.  Ja  er  half  den  Verirrten  oft  wieder  auf  den  richtigen  Weg  und 
erwies  sich  in  jeder  Beziehung  als  ein  durchaus  mitleidiger  Geselle. 

(Von  einem  alten,  80jährigen,  Leinweber  ans  Liebwerda,  Berrschafl  Friedland 
in  Böhmen,  wie  er  es  von  Grossvater  und  Urgrossvater  oft  gehört  bat. 

Die  Prinzessin  vom  Kynast  und  der  Fiedelfritze. 

Auf  der  Burg  Kynast  lebte  einmal  eine  Prinzessin,  die  war  schwang 
Tages  ritt  sie  aus  und   kam  in  eine  öde   Waldgegend,   wo  der  Fiedelfritz  sass  und 
geigte.    Spöttisch  rief  sie  ihm  zu:  „Fiedelfritze,  Fiedelfritze  1" 

Wie    sie    nun   bald  darauf  über  einen  Bach  kam.    lag  drinnen  ein  Totenkopf. 
welcher  die  Prinzessin  so  recht  angrinste.     Voller  Schreck  ritt  dieselbe  jetzt  nach 
Hause  und  genas  eines  Knäbleins,  welches  in  allen  Stücken  aussah   wie  ein  a 
Menschenkind,  nur  statt  des  Kopfes  hatte  es  einen  abscheulichen  Totenschädel. 

A'iele  Ärzte    suchten    das  Kind    zu    heilen,    abei    keinem   mochl  ingen. 

Da  ritt  die  Prinzessin  ganz  traurig  in  den  Wald   und    begegnete  einem  allen  Manne, 
welcher  ihr  sagte,  er  wisse  wohl  einen  guten  Doktor,  der  dem  Kinde  helfen  könne. 
Und    als    die  Prinzessin    sehr  bat,    versprach  der  Alte,    den  Arzt  am  andern    I 
auf  das  Schloss  senden  zu  wollen. 

Wirklich  kam  derselbe  auch  am  folgenden  Morgen  an;  und  nach  einiger  Zeit 
bekam  das  Kind  Fleisch  auf  dem  Schädel  und  noch  ein  bisschen,  da  war  es  wie 
ein  anderer  Mensch. 

Hocherfreut  wollte  die  Prinzessin  den   Arzt  reichlich   belohnen,  doch  di 
nur:  „Ärgert  künftig  den  Fiedelfritz  nicht  mehr-  und  verschwand. 
(Mündlich  von  einem  «Ojähr.  Leinweber  aus  Liebwerda,  Bi  i 


Schütte: 

Br&unschweigische  Sa^en. 

I.  Geister. 

a)  Spukgeist. 
Einst  ging  ein  Mann  von  Vechelde  bei  Braunschweig  nach  Wiertne.  Als  er 
nach  dem  Busche  Kam,  schien  es  ihm,  als  stände  da  jemand.  Er  sagte  guten 
Abend,  bekam  aber  keine  Antwort.  Ua  sagte  er:  „Ik  segge  noch  einmal  guden 
Abend",  erhielt  aher  wieder  keine  Antwort.  Das  dritte  Mal  wollte  er  zufassen. 
Da  kriegte  er  aber  einen  Schlag  an  den  Kopf,  dass  ihm  gleich  der  Hut  so  weit 
wegflog,  dass  er  ihn  nicht  wiederfand.  Der  Schlagende  aber  war  ein  Geist  ge- 
wesen. 

b)    Mann  ohne  Kopf. 

Im  Ochsenbruche  bei  Sophienthal,  unweit  Braunschweig,  war  es  nicht  richtig. 
Einst  gingen  zwei  Männer  dahin,  um  Weiden  zu  holen.  Da  sahen  sie  einen  Mann 
ohne  Kopf  dastehen,  sodass  sie  es  nicht  wagten,  Weiden  zu  stehlen. 

II.  Hexen. 

a)  In  Schöningen  legt  eine  Frau  noch  heutigen  Tages,  wenn  eine  Käsefrau 
kommt,  die,  wie  sie  glaubt,  ihrer  Enkelin  etwas  angethan  hat,  einen  Reisbesen 
vor  die  Thür.     Denn  über  ihn  können  Hexen  nicht  gehen,  sondern  müssen  zurück. 

b)  Auf  Lodahls  Hofe  in  Gross-Dahlum  bei  Schöningen  starb  vor  vierzig  Jahren 
immer  viel  Vieh.  Da  sagte  jemand,  es  sei  behext.  Der  Besitzer  solle  einmal  ein 
Stück  Knäuel  kochen.  Sobald  dies  ins  Kochen  käme,  würde  es  klopfen.  Aber  er 
solle  vorher  Fenster  und  Thüren  schliessen  und  niemanden  einlassen.  Wer  dann 
klopfe,  behexe  das  Vieh.  Es  dauerte  auch  nicht  lange,  da  kam  die  Nachbarin, 
eine  alte  Frau,  und  klopfte,  aber  es  wurde  nicht  aufgemacht.  Darauf  rodete  man 
das  Knäuel  unter  der  Schwelle  des  Pferdestalles  ein,  und  von  da  ab  starb  kein 
Vieh  mehr. 

III.   Unruhe  im  Grabe. 

a)  Auf  dem  Amte  in  Gross  -  Dahlum  geht  allnächtlich  um  zwölf  Uhr  eine 
Mamsell  mit  einem  Bunde  Schlüssel  umher. 

b)  Ein  junges  Mädchen,  das  bei  Kahmanns  in  Gross-Dahlum  diente,  war 
plötzlich  gestorben,  ohne  25  Pfennig,  die  sie  sich  geborgt  hatte,  zurückgegeben  zu 
haben.  Das  Hess  ihr  im  Grabe  keine  Ruhe.  Sie  erschien  jeden  Mittag  um  12  Uhr 
beim  Essen  in  der  Stube.  Endlich  schickte  man  zum  Pfarrer,  und  der  fragte  sieT 
was  sie  hätte.  Da  antwortete  sie,  sie  hätte  von  ihrer  Mitmagd  25  Pfennige  geborgt, 
aber  vor  ihrem  Tode  nicht  zurückgegeben.  Das  Hesse  ihr  keine  Ruhe,  denn  ihre 
frühere  Mitmagd  verfluche  sie.  Da  sprach  der  Pfarrer,  ihre  Schuld  sei  vergeben,, 
und  der  lebenden  Magd  redete  er  zu,  die  Gestorbene  nicht  mehr  zu  verfluchen. 
Nnn  fand  sie  Ruhe  im  Grabe  und  kam  nicht  wieder. 

IV.   Spukende  Tiere. 

1.   Welthund.1) 
a)  Vor  dem  Thore  Alversdorfs  bei  Schöningen  sass  der  Welthund  auf  einem' 
Steine.     Er    lief  auch  in  den  Gassen  des  Dorfes  umher  und  hatte  Augen  so  gross 
wie  eine  Butterschwarbe. 


1)    Th.  Voges,    Sagen  aus  dem  Lande  Braunschweig.    Braunsehweig  1895.    No.  112. 
114.  118.  119.  120.  121. 


Klein» 

b    Aul'  dem  w    _  ibke  nach  Warberj  -  h  der 

Welthund,    t  hat    aber    niemanden]    etwas,    der    ihn  zufrieden  lieas.     Eines  \ 
nach   eingetretener  Dunkelheil    ging    dort    ein  Mann    und  wollte 
Pfeife   anstecken.    Schon    hatte    er  Pinkeschwamm  als  er  am  1 

Feuer  sali.     Da  dachte  er,  dann  Bollst  du  dir  gleich  was  aufnehmen,  griff  ab< 
die   feurigen  Augen    eines   grossen  Hundes,    der    ihm   sofort  an  die  Kehl 
Von  dem  Schrecken  wurde  der  Mann  so  krank,  dasa  er  bald 

-.    Der  blaue  Kater. 
Up  dem   Etysbarge  (Rii  -lutter)  hat  it  sik.  as  d< 

ofte  seihn  laten        de  blaue  Kater  —  an  hat  de  Lüde  vorferi     D 
(Joh.  von  Scheppau  [+  L667  .  3.  Osterpredigl  B.  I 

3.    Der  eiserne  Bulle. 
Ein    eiserner  Bulle  geht  bei  Alversdorf  im  Nackenthale  auf  einer  Wiese,    die 
rings  von  Bergen  umgeben  ist. 

4.    Pferd  mit  einem  Strohschwanze. 

In  Ingeleben  bei  Schöningen  ging  ein  Pferd  mit  einem  strohernen  Schwänze. 
Kinos  Abends  kam  jemand  in  Kimekes  Stube  und  sagte,  ihr  Pullen  stände  \oi 
dem  Hofe.  Da  sagte  der  Vater  zu  seinen  Söhnen:  BHe  je  wedder  en  Stall  open- 
elaten?  Halt  et  rin!"  Als  sie  es  aber  in  den  Stall  brachten,  sahen  sie.  das 
einen  Strohschwanz  hatte.  Da  Hessen  sie  es  schnell  wieder  hinaus.  Eine  -imune 
aber  erscholl,  für  diesmal  sollten  sie  keine  Strafe  haben,  aber  in  Zukunft  sollten 
sie  stehen  lassen,  was  ihnen  nicht  gehorte. 

V.   Kreuzstein. 
Bei  Wahrstedt,    unweit  Öbisfelde,    stand   früher  ein  Kreuzstein,    der  sich  jede 
Nacht  um   12  Uhr  herumdrehte. 

VI.  Schöppenstedter  Streiche. 
1.  Ziege  auslauten. 
In  Wangelnstedt  bei  Stadtoldendorf  erkrankte  die  alte  Krau  eines  Landwirtes, 
der  dicht  bei  der  Schule  wohnte,  gefährlich.  Demselben  Landwirte  war  aber  auch 
eine  Ziege  krank  geworden  und  gestorben.  Sein  Nachbar,  der  von  der  Bchlimmen 
Krankheit  der  Ziege  gewusst  hatte,  fragte  ihn:  „Is  Be  daute?"  -da",  sagte  der 
Mann.  Das  hörte  der  Schulmeister  und  läutete  sofort  die  Ziege  aus.  denn  er 
hatte  gedacht,  die  Krau  wäre  gestorben. 

2.    Ehrung  des  Bullen. 
In   Lenne    bei    Stadtoldendorf   war  Sommermusik.     Aul    dem  Platze    bei    der 
Kirche    war    ein  Zelt  aufgeschlagen  und  alles  in  vollem  Schwünge.     Als  aber  der 
Hirt  zurückkehrte,  wollte  der  Bulle  sein  Recht  behaupten  und  auf  dem  gewohnten 
Wege  in  seinen  Stall  zurückkehren.    Da  fand  er  den  Weg  durch  das  Zell 
und    brüllte:    „Wat  is  denn  düt?"     Der  Vorsteher,    der    da    meinte, 
Vorgesetzter,    antwortete:    „Gnädiger  Herr,  es  ist  Ball."     D  ler  Bulle:  BNa 

nu,  na  nu!~ 

3.    Grabschrift  in   Kenne. 
In  demselben  Kenne  soll  auf  dem  Kirchhof  ein  Grabstein  liegen  mit  folgender 
Inschrift: 

„Hier  unter  diesem  Leichenstein  Dass  ei  ein  Ochse  werden  sollt', 

Da  liegt  des  Tischlers  Ochsen  Söhnelein.        Drum  nahm  er  ihn  aus  dieser 
Der  liebe  Gott  hat  nicht  gewollt,  Wohl  in  sein  liebes  Himmelszelt." 


340 


Höfler: 


Ich  habe  aber  den  Sinn  trotz  mehrfachen  eifrigen  Suchens  nicht  finden  können, 
wiewohl  mehrere  Leute  in  benachbarten  Dörfern  ihn  gesehen  haben  wollten  und 
mir  sogar  die  Stelle  genau  bezeichneten,  wo  er  läge. 

4.    Tanzlust  in  Lcnne. 
Bei  einer  Beerdigung  war  gerade  Tanzvergnügen  in  der  Wirtschaft.     Als  man 
mit  der  Leiche  vor  dem  Wirtshanse  angekommen  war,  machte  man  Halt  und  ging 
hinein,  um  erst  einmal  zu  trinken.    Dabei  kamen  die  Leidtragenden  in  Geschmack, 
fingen  an  zu  tanzen  und  vergassen  ganz  den  Sarg,  der  auf  der  Strasse  stand. 

5.  Mainzholzen  wird  verkauft. 
Dem  Dorfe  Mainzholzen  bei  Stadtoldendorf  wurde  einst  vom  Staate  eine  Steuer- 
last von  achtzehn  Thalern  jährlich  auferlegt.  Die  glaubte  der  Gemeinderat  nicht 
aufbringen  zu  können.  Er  richtete  daher  an  das  Staatsministerium  ein  Schreiben, 
dass  die  Gemeinde  bereit  sei,  lieber  ihren  ganzen  Besitz  für  achtzehn  Thaler  zu 
verkaufen. 

Braunschweig.  Otto  Schütte. 


Kröte  als  Gebäckmodel. 

Das  Münchener  neue  Xational-Museum  birgt  gegenwärtig  (Mai  1001)  in  seinen 
Nebenräumen  eine  Sonderausstellung  „München  im  XVIII.  Jahrhundert".  Unter 
den  vielen  für  Volkskunde  höchst  wichtigen  Ausstellungsgegenständen  (vor  allem 
u.  a.    der   geradezu    einzige  Leinwandschrank)    fiel  darin  dem  Unterzeichneten  als 

bisher  ihm  Neues  auf  das  aus  Kupfer  ge- 
triebene Model  einer  hierorts  sonst  bloss 
in  Eisen  oder  Wachs  hergestellten  Votiv- 
kröte,  deren  Abbildung  anbei  steht.  Das 
Model  hat  die  gewöhnliche  Grösse  und 
Form  eines  sogen.  Gugelhupfs  oder  Napf- 
kuchens, d.  h.  es  ist  ein  in  Kupfer  ge- 
triebener Hohl-Model  für  ein  etwa  15  cm 
hohes  Hefegebäck,  welches  sonst  meist 
einen  Fisch  (Karpfen),  eine  Melone,  Traube, 
Muschel1),  Schnecke,  Krebs,  also  frutti 
dimare  darstellt.  Der  Venediger  Kupfer- 
handel brachte  wohl  auch  die  Kupfer-Model 
für  solches  Gebäck  nach  Süddeutschland 
und  in  die  besseren  bürgerlichen  Küchen 
Das  betreffende  Kröten-Model  stammt  aus 
der  bayerischen  Hofküche  der  Münchener 
Residenz  und  stellt  eine  Schildkröte  dar, 
genau  so  wie  sie  in  Wachs  an  verschiedenen 
Wallfahrtsorten  und  zu  verschiedenen  Zeiten 
geopfert  wird  (s.  Beiträge  zur  Anthropologie 
Bayerns  IX,  1891,  109.  Abbild.  16  u.  20);  in  bürgerlichen  Küchen  war  dies  Model 
dem  Unterzeichneten  bis  jetzt  unbekannt.  Viele  solcher  Gebäck-Model  mögen 
wohl  auch  als  Sulzformen  verwendet  worden  sein;  ursprünglich  aber  waren  sie 
für  Teigformen    bestimmt.     Dieses  Küchengebilde,    das  von  der  Küste  des  Mittel- 


1)  Auch  das  Fastengebäck  im  Beiram  zu  Kairo  hat  Muschelform. 


Kleine  Mitteilt 

nteeres  kam,  erklärt  vielleicht  auch,  warum  an  deutschen  Knitorten  die  „Schild- 
kröte", die  doch  nie  in  Süddeutschland  (auss<  beimisch  war, 
in  Wachs  geopfert  wird.  Der  Künstler  fWachszieher,  I  nach 
der  Form  des  kupfernen  Küchen-Models   her,    w<  I 

darstellt.    Die    vom  Eisenschmied    hergestellten  Votivkröten    aber    sind    fast    aus« 
schliesslich  nur  einheimische  Kröten  (Krotten,  Brotzen,  Böppin,  Mets     Rana  buffo  ; 
d.  h.  das  Schildkröten-Yotiv  ist  importiert,    das  Kröten-Votn 
einheimisch. 

Ein  anderes  Napfkuchen-Model  dieser  Sammlung  aus  der  bayerischen  BofkUche 
zeigt  auf  seinem  Grunde  auch  eine  Weiberfratze;    es  ist  dies  vermutlich  dii 
Bäbe,  Baba,  oder  das  dieser  exogenen  Dämonin  dargebrachte  Kuchenopl 
Baba  siehe  Schöppner,  Sagenbuch  1,  200.    Ztscbr.  t.  österr.  Volkskunde  L896, 
Spiess,  Idiotikon,  18.     Weinhold,   Schles.  Wörterbuch,  7.     Schmeller  I.   190      l  r- 
quell  IL  149.    Archiv  f.  Religionswissenschaft  1900.     Bavaria  III.  295.    8ch< 
Kloster  IX,  70.    Verhandl.  d.  Berliner  Anthropolog.  Gesellschaft   189 

M    Böfler. 


Eiii  uckermärkischer  Brauch  bei  der  Brautwäsche. 

In  Joachimsthal  in  der  Uckermark  herrscht  noch  folgender  Brauch:  Wenn  die 
Brautwäsche  für  ein  junges  Paar  gewaschen  ist,  so  wird  der  Trockenplatz  reich 
mit  Kränzen  und  Gewinden  geschmückt,  ehe  das  erste  Stück  Wäsche  über  die 
Leine  gehängt  wird.  Später  tritt  dann  die  älteste  Waschfran  auf  die  Brant  zn 
und  spricht: 

Ich  habe  vernomm*  n. 

Dass  die  Jungfer  Brant  ist  gekommen. 

Wir  haben  der  Jungfer  Braut  ihre  Wasche  gehangi  Q 

Sie  wird  sie  empfangen, 

Und  wird   sie  so  erhalten, 

Wie  sie  ihre  Mutter  hat  gehalten. 

Nehmen  Sie  mir  es  übel, 

So  nehme  ichs  Ihnen  gern  wieder  vom  Stiebel. 

Uie  Jungfer  Braut  soll  leben 

Und  der  Herr  Bräutigam  daneben! 
Vivat  hoch,  hoch,  hoch! 

Dann  geht  alles  im  langen  Zuge  um  den  Trockenplatz  herum;  roran  die  Braut 

mit  ihrer  Familie,  dann  die  Waschfrauen  und  wer  etwa  Bonsi  bei  derW 
hilflich  gewesen  ist.    Dabei  wird  nach  den  Klängen  einer  Ziehharmonika  _•  bub 

Schürt  den  Ketel  nt, 

Dat  is  mine  Brut; 

Soll  sie  dat  nich  sin, 

Schleit  «1er  Kuckuck  drin. 

Backebeern  und  Klüte. 

Endlich  wird  unter  der  flatternden  Wäsche  ein  Tanzchen  veranstaltet,  und  die 
Braut  muss  den  Waschfrauen  zutrinken  und  ein  Trinkgeld  spenden. 

Ich  wüsste  den  hübschen  Brauch  bis  jetzt  nicht  in  anderen  Teilen  unseres 
Vaterlandes  nachzuweisen  und  wäre  für  jede  weitere  Nachricht  dankbar. 

Würzburg.  Robert  Petsch. 


3  !•_-  Zupitza : 

Zum   Hubert UNseliliissel. 

Zu  den  von  Dr.  Max  Höfler  auf  8.  208  dieses  Jahrgangs  der  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Volkskunde  verzeichneten  Orten,  an  welchen  St.  Hubertusschlüssel 
aufbewahrt  wurden,  möchten  wir  ergänzend  Hardenberg  bei  Elberfeld  hinzufügen. 
L.  Bender  schreibt  darüber  in  Picks  Monatsschrift  (III,  S.  597)  folgendes:  „Als 
1682  die  Regentin  der  Bergischen  l'nterherrsehal't  Hardenberg,  Isabella  Margaretha 
von  Benisa.  verwitwete  von  Schaesberg,  ihren  Unterthancn  durch  ihre  häufigen 
Verordnungen,  die  Hunde  festzulegen,  lästig  wurde,  und  diese  sich  darüber  beklagten, 
rechtfertigte  sie  sich  damit,  dass  sie  einen  Brief  des  (katholischen)  Pastors  Off  er- 
mann in  dem  benachbarten  Niederwenigen  vorzeigte,  worin  derselbe  sich  von  ihr 
den  St.  Hubertusschlüssel  erbat,  weil  ein  toller  Hund  seine  Schweine  gebissen." 

Elberfeld.  0.  Schell. 


Bücheranzeigen. 


0.  Schröder,  Reallexikon  der  indogermanischen  Altertumskunde, 
Zweiter  Halbband  (Musikalische  Instrumente  —  Zwölften).  Strassburg, 
Trübner  1901.     S.  XL  u.  561—1048.     gr.  8°. 

Der  zweite  Band  des  Schraderschen  Werkes  (vgl.  das  erste  Heft  dieses  Jahr- 
ganges S.  89  ff.)  bringt  zunächst  die  Vorrede,    in  der  Schrader  seine  Methode  aus- 
einandersetzt   und   gegen  Angriffe  in  Schutz  nimmt.     Im  allgemeinen  kann  ich  die 
besonders    gegen  Kretschmer   und  Kossinna  gerichteten  Ausführungen  formell  und 
sachlich   nur  billigen.     Eine   rein  linguistische  Paläontologie  ist  ein  Unding.     AVer 
aber    die    Linguistik    aus    der    Altertumsforschung   ganz    und    gar  verbannen  will, 
schüttet    wieder    einmal   das  Kind  mit  dem  Bade  aus.     Der  Wert  der  Lehnwörter 
ist    zumal    von  Kossinna    viel    zu    niedrig  geschätzt  worden.     Vereinzelt  beweisen 
sie  nichts,  wohl  aber,  wenn  sie  in  geschlossenen  Gruppen  auftreten.     Wir  wissen, 
dass  der  kontinentale  Sport  aus  England  gekommen  ist;  der  Altertumsforscher  wird 
es    in    ein    paar  Jahrtausenden,    wenn  andere  Beweise  fehlen,    aus  den  englischen 
Sportausdrücken    mit   dem  besten  Gewissen  von  der  Welt  folgern  dürfen.     In  der 
wichtigen  Frage  nach  dem  Ursprung  des  irischen  Christentums  versagen  alle  Argu- 
mente,   mit  Ausnahme  der  sprachlichen,    vgl.  Zimmers  Artikel  „Keltische  Kirche" 
iu    der  Realencyklopädie    für   protest.  Theologie   und  Kirche,  Bd.  10,  S.  212.     In 
ausserordentlich  zahlreichen  Fällen  lässt  sich  freilich  angesichts  einer  Wortgleichung 
nicht    sagen,    wo    und    wann  Entlehnung    stattgefunden   hat,    ja  ob  überhaupt  eine 
solche    im    engeren  Sinne    vorliegt.     Für    die  Altertumskunde    sind  solche  Reihen 
völlig   unfruchtbar.     Wir    stehen  z.  B.   meines  Erachtens  der  Gleichung  ai.  ayas  : 
lat.  aes  :  got.  aiz    machtlos    gegenüber   und  müssen  auf  ihre  kulturgeschichtliche 
Ausdeutung    einfach    verzichten.     Schrader    ist    hier    anderer  Ansicht  und  schreibt 
den    ungeteilten  Indogermanen   die  Bekanntschaft  mit  dem  Kupfer  zu.     Möglicher- 
weise   hat    er  Recht.     Mehr  lässt  sich  nicht  sagen,    und  das  ist  für  uns  alle,    die 
wir  nach  wissenschaftlicher  Erkenntnis   streben,   eigentlich  recht  wenig.     Wer  sich 
mit  indogermanischer  Altertumskunde  befasst,  muss  eben  lernen,  sich  zu  bescheiden, 
dies  predigt  implicite  noch  mehr  als  explicite  das  vorliegende  Buch. 


Bei  der  grossen   '  v         ,;|s  kann  i 

r erwandern,    dass    einige    und  /war  nicht  ganz  ui  Lrrtümei   mit  unter- 

laufen.   Das  S.  622  mit  arcas  verglichene  irisch i    diu    ar   d  „Pfeil"  ist  ein  miss- 
verstandenes   di-burgun    „werfen".     B.  725    dän.  01 ■_  :-   ist    ki 
wegs       gentlich  Nagel",  sondern  altdsl.  lykill.     -      l     kymr.  llwyth  ist  ir.  In 
nicht   slicht.    S.  861   gr.  i  •:  ■.    att.       -    „Tempel"    Kann  aicht 
mit  '"•<;.  ..Schill-,  zusammenhängen. 

564  ff.    Mutterrecht.     Bei  den  brittischen  Reiten  glaubt  ma  für 

die  Pikten    bezeugten  Mutterrechts    zu   linden,    vgl.  Rh  i  People,    8.  37  il. 

Es   wäre  das   eine  sekundäre   Übertragung.    -       371  ff.    Nahrung,     [n  das   Kapitel 
der  Speiseverbote   gehört    ein    uralter  Zug,    den    die  mittelirisch 
des  Cuchulinn    bewahrt   bat     C.  darf  nicht  vom  Fleisch  des  Tien 
Namen  er  trägt  (cü  =  Hund).     Als  er  es  dennoch  thut.  wird  die  Hand,  mit  d< 
das    Fleisch    ergreift,    gelähmt.     Ohne  Zweifel    ist    der  Name  Cuchulinn    wirl 
totemistisch:    als  man  von  solchen  Vorstellungen  nichts  mehr  wusste,    erfand  man 
zu  Beiner  Erklärung  die  bekannte  Sage  (El.  Hüll,  The  I  =    I39ff.).  - 

Orakel.  Weissagende  Frauen  sind  keineswegs  auf  Griechen  und  Germanen  be- 
schränkt —  t'>20  ff.  Pfeil  und  Bogen.  Fs  hätte  sieh  wohl  verlohnt  die  ver- 
schiedenen Typen  des  Bogens.  wie  sie  bei  idg.  und  anderen  Völkern  vorkommen, 
kurz  zu  beschreiben.  Man  unterrichtet  sich  darüber  bei  v.  Luschan,  Zeitschr.  I". 
Ethnologie,  31  (1898),  Verh.  S.  221  ff.,  Festschrift  f.  0.  Benndorf  1898,  189 ff.  b- 
kann  nichts  schaden,  wenn  man  versteht,  warum  es  den  Freiern  eigentlich  so 
schwer  fiel,  den  Bogen  des  Odysseus  zu  spannen  oder  vielmehr  zu  bespani 
Wurfpfeile  (?)  werden  bei  den  Kelten  des  Altertums  namhaft  gemacht  von  Bti 

1\.   4,  ;»:    i<m   $s   ti  xc.   ',::,-<(<■       :.y.;:    '->!.'..    -/.    y     ::;    oux    Ij;   »7x1  ) 

ßokwTepov     y.y.:     l-'l.yi:.     ■     ULotklffTOL    /.:>.:    r.Z'.i   77.:    ...  ..  .'.:.      Auch     die 

Kymren  des  Mittelalters  schleudern  Pfeile  laut  Giraldus  Descr.  Cambriae  lb 
—  663  f.  Rechts  und  links.  Die  Rechtshändigkeit  des  überwiegenden  Teils 
der  Menschheit  scheint  doch  einwandsfrei  aus  der  stärkeren  Blutzufuhr  in  der 
linken  Gehirnhälfte  erklärt  werden  zu  können.  -  669  ff.  Religion.  Einer  der 
meines  Erachtens  am  wenigsten  gelungenen,  allerdings  auch  schwierigsten  Artikel 
des  Werkes.  Faktisch  wissen  wir  von  der  Religion  des  Urvolks  nichts,  aber  auch 
gar  nichts,  denn  die  durch  ein  vergleichendes  Studium  aller  Völker  des  Erdballs 
blossgelegtc  Grundschicht  religiöser  Vorstellungen  (Seelenglaube,  Totem ismus 
lässt   sich  zwar  auch  für  die  Indogermanen  einigermassen  is  nachwi 

ist  aber  eben  nur  die  indifferente  Unterlage  des  weiteren  Baues,    von  dem   wir  in 
erster  Linie  etwas  wissen  möchten.    Und  da  \  insere  Hilfsmittel  vollständig. 

Wenn  Schrader  S.  681    folgenden  Satz   aufstellt:    -In    dem  Vordergrund   der  Ver- 
ehrung  müssen    die   grossen  Naturmächte,    und    unter    ihnen   wieder    der  Himmel 
(dyäüs),    gestanden    habend    so  sagt  er  bei  weitem  mehr,    als  wir  wirklich  ver- 
antworten   können.     Im  Eingang   des  Artikels    werden    die  Belegstellen   angeführt, 
aus  denen  hervorgehen  soll,  dass  die  Religion  der  altidg.  Einzelvölker  wirklich  in 
der  Verehrung    „des  Himmels    und    der    von    ihm    ausgehenden  und  mit   ihm    zu- 
sammenhängenden   Naturmächte"    gipfelte.      Hur    bestraft    sich    der    philolog 
Hang,    litterarisch    bezeugte  Meinungen  zum  Range  sachlich  erwiesener  Fakten  zu 
erheben.     Wenn    man    bedenkt,    dass    die  Nachrichten,    auf  denen  Schrader 
grösstenteils    nichts    weiter    sind    als  dunkle  Gerüchte,    aufgegriffen  nnd 
von  Leuten,  die  den  fremden  Geist  weder  verstehen  wollten  noch  verst  h<  n  koi 
so  wird  man  sich  hüten,   einen  solchen  Ontergrund  noch  weiter  zu  1.     Da 

gilt  auch  für  Caesars  Angaben  über  die  germanische  Religion,    wie  schon  Grimm 


:;  |  |  Zupitza: 

und  Mttllenhoff  gesehen  haben.  Ich  zweifle  keinen  Moment  daran,  dass  auch  das 
[Jrvolk  den  Himmel  irgendwie  verehrt,  zum  mindestens  mythisch  verarbeitet  hat, 
etwa  nach  Art  des  griechischen  Uranusmythus  oder  der  Rangi- Papa-Sage  der 
Maori.  Aber  dass  wir  im  Himmelskalt  den  Ausgangs-  und  Mittelpunkt  der  id^. 
in  überhaupt  zu  seilen  haben,  ist  eine  persönliche  Überzeugung,  die  niemand 
zu  teilen  verpflichtet  ist.  Ferner  scheint  mir  Schrader,  darin  keinem  geringeren 
als  H  l'sener  folgend,  die  Bedeutung  der  litauischen  Sondergötter  für  die  Re- 
konstruktion einer  älteren  und  ältesten  Religionsstufe  zu  überschätzen.  Einer  Ver- 
wendung des  litauischen  Materials  muss  eine  eingehende  Prüfung  seiner  Quelle 
vorausgehen.  Diese  Quelle  ist  bekanntlich  das  Büchlein  des  Lasicki  „De  diis 
Samagitarum".  Sie  strömt  recht  trüb.  Ehe  man  aus  ihr  schöpft,  müssen  die  Um- 
stände, unter  denen  die  Arbeit  entstand,  die  Zeitlage,  das  Verhältnis  zwischen 
Laskowski  und  Lasicki  u.  s.  w.  sorgfältig  geprüft  und  erwogen  werden.  Brückner, 
der  in  seinen  Aufsätzen  _Litwa.  ludy  i  bogi'"  in  der  Bibl.  Warszawka  1897  u.  9$ 
auf  diese  Notwendigkeit  aufmerksam  gemacht  hat,  zieht  jetzt  im  Archiv  f.  slav. 
Phil.  XXII,  569  ff.  Dinge  an  den  Tag,  die  den  libellus  in  höchst  bedenklichem 
Lichte  erscheinen  lassen.  Also  Vorsicht!  Die  Namen  dieser  Sondergötter  sind 
zum  Teil  ganz  junge  Bildungen,  auch  ihre  Verständlichkeit  ist  verdächtig.  Die 
Litauer  haben  einst  grosse  Göttergestalten  besessen,  für  sie  ist  jedenfalls  der 
Zustand,  den  Lasickis  Arbeit  schildert,  sekundär.  Dass  er  darum  sachlich  sehr 
alt  sein  kann,  soll  nicht  bestritten  werden,  aber  die  Übereinstimmung  mit  den 
römischen  Indigitamenta  nimmt  nun  doch  ein  anderes  Gesicht  an.  Auch  den 
-mythologischen"  dainos  bringt  Seh.  ein  ungerechtfertigtes  Vertrauen  entgegen, 
sie  unterliegen  samt  und  sonders  dem  Verdacht,  Kunstprodukte  zu  sein.  —  724. 
Schleuder.  Diese  altertümliche  Waffe,  die  Strabo  IV.  4,  3  den  Kelten  zuschreibt, 
ist  den  mittelirischen  Sagentexten  ganz  geläufig.  Cuchulinn  bedient  sich  ihrer  mit 
grösstem  Erfolge.  Der  irische  Name  ist  cranntaball,  er  deutet  darauf  hin.  dass 
auch  Holz  zur  Herstellung  der  Schleuder  verwendet  wurde,  vgl.  Maclagan,  Games 
of  Argyleshire  229  f.  und  Tafel  IL  Man  schleuderte  natürlich  Steine.  Die  Sage 
weiss  ausserdem  zu  berichten,  dass  die  Ulsterleute  sich  Wurfkugeln  aus  einer 
Mischung  von  Kalk  und  dem  Gehirn  erschlagener  Feinde  bereiteten.  Einem  solchen 
Geschoss  fällt  König  Conchobar  zum  Opfer.  —  878  ff.  Urheimat.  Der  Artikel 
ist  massvoll  gehalten,  doch  sollte  Ratzel  nicht  nur  citiert.  sondern  auch  gründlich 
verarbeitet  werden.  Wir  können  noch  sehr  viel  von  ihm  und  seiner  Behandlung 
der  Urheimatsfrage  lernen.  -  987.  Ziegel.  Eine  Erwähnung  verdienten  die  um- 
fangreichen prähistorischen  Ziegelbauten  (Briquetages)  des  Seillethais  in  Lothringen 
(Korrespbl.  f.  Anthrop.  XXXII,  26).  E.  Zupitza. 


Unser  Egerland.  Blätter  für  Egerländer  Volkskunde.  Zeitschrift  des 
\  ereius  für  Egerländer  Volkskunde  in  Eger.  Herausgegeben  von 
Alois  John.  Vierter  Jahrgang.  Eger  1900,  Verlag  des  Vereins. 
S.  66.     4°. 

Unter  den  deutschen  Landvereinen  für  Volkskunde  ist  der  Egerländer  ein  sehr 
rühriger.  Sein  Stifter  und  Leiter,  der  Schriftsteller  Alois  John  in  Eger,  weiss  durch 
mannigfache  Veranstaltungen  das  Vereinsleben  in  regem  Flusse  zu  halten,  von 
wackeren  Genossen  unterstützt  und  durch  den  patriotischen  Sinn  der  Egerländer 
getragen.  Das  Vereinsblatt,  das  er  herausgiebt,  das  sechsmal  im  Jahre  erscheint, 
beweist    auch    nach    aussen    und    in    die  Weite,    wie   verständig  die  Aufgaben  der 


I'.ü.li.  hu',  igen. 

Volkskunde    in  Eger   genommen    werden.    So    bieten    denn  die  vier  vollstand 
Jahrgänge  bereits  recht  schätzbar.-  Material  für  die  Kennti  Volks- 

lebens nnd  Landes.    Ans  dem  vierten  Jahrg  0   möchte  ich  auf  die  mancherlei 

Sagen    aufmerksam    machen,    auf  den  umfänglichen  Artikel  II.  Uhls  über  dii 
brauche,  Aberglauben,  Volksdichtung  in  Absroth,  auf  die  aktenmässigen  Erhebo 
ober   einen  Bauernhof   vor  200  Jahren,    auf  das  Bild  der  hl.  Kummernuss  in  der 
Franziskanerkirche    zu  Eger,    auf  die  Mitteilung  über  den  auch  Goethe  bekannten 
Scharfrichter  K.  lluss  und  seine  Sammlungen    jetzt  in  Königswarl  ,  auf  die  - 
Neidköpfe  in  Eger  u.  s.  w.     Möge  der  Verein  wenn-  gedeihen,  g;<  I  oben  durch  das 
Bewusstsein,    auf  einem  wichtigen  Vorposten  zu  Btehen,    di  s  ihm 

anvertraut  ist.  K.   \\ 


Deutsche  Mundarten.  Zeitschrift  für  Bearbeitung  des  mundartlichen 
Materials.  Herausgegeben  von  Dr.  Job.  Willibald  Nag]  zo  Wien. 
Bd.  I,  Heft  4.     Wien,  C.  Fromme,   1901.     8.   I     VI.  269     383.     8°. 

Wir  hatten  von  dieser  Zeitschrift  in  Band  VI.  VII.  IX  kurze  Nachricl 
Nach    längerer  Pause    ist    nun    das  Schlusshel't    des   1.   Bandes     1895      L901      aus- 
gegeben worden,  das  wie  auch  die  vorausgehenden  Befte  grösstenteils  von  Hrn.  X. 
selbst  herrührt.     Dankenswert   ist  die  Fortsetzung  d<  r  Mundartenbibliographii 
F.  Mentz. 


Meyer,  Heinrich,   Die    Sprach«'    der    Buren.     Einleitung,    Sprachlehre 
und  Sprachproben.    Göttingen,  Franz  Wunder,   L901.    s.  \\l.   105.    x 

In  der  Festschrift,  welche  Göttinger  Gelehrte  Pfingsten  1900  der  Jahres-Ver- 
sammlung  des  Hansischen  Geschichtsvereins  und  des  Niederdeutschen  Sprach- 
vereins darbrachten,  fand  sich  ein  Aufsatz  über  den  Ursprung  der  Burensprache 
von  Dr.  Heinr.  Meyer,  Assistenten  an  dem  Göttinger  Institut  für  das  Grimmsche 
Wörterbuch.  Es  ist  sehr  dankenswert,  dass  der  \  erfa8Si  r  Beine  Aufgabe,  sehr  er- 
weitert und  tiefer  gegründet  auf  ein  weil  reicheres  Material,  unterstütz!  auch  durch 
einen  geborenen  Kapholländer,  für  weitere  Kreise  noch  einmal  gelöst  hat,  und  so 
die  Sprache  des  tapferen  wackeren  Burenvolkes  uacb  Ursprung  und  Wesen  ms 
klare  Licht  stellt  und  selbst  zu  praktischen  Zwecken  ihre  Kenntnis  m  Beiner  Arbeil 
vermittelt.  Er  hält  sich  deshalb  von  der  sprachwissenschaftlichen  Behandlung 
Stoffes  absichtlich  fern  und  setzt  keine  gelehrten  Kenntnisse  für  das  \  erständnis 
der  Grammatik  voraus. 

Die  Heimat   der  Burensprache    ist   in  Nordholland    zu    Buchen:    von  hier  und 
besonders    aus  Amsterdam    werden    die    ineisten  der  ursprünglichen  Ansiedle] 
17.  Jahrhunderts  gewesen  sein.    Aber  sehr  früh  gestaltete  snh  das  Kapholländ 
um,  unter  welchen  Einflüssen  ist  noch  nicht  ganz  klar,  nach  Dr.  Mey<  rs  Vermu 
in    dem    mündlichen  Verkehr    der    holländischen  Afrikafahrer    unter   Bich   und  mit 
den  Küstenbewohnern,    besonders  den   malaiischen   Portugiesen  oder  Kreolen,    mit 
denen   sie   am  meisten  zu  thun  hatten.     Die  grammatischen  Endungi  ver- 

loren, die  sprachlichen  Mittel  wurden  überhaupt  vereinfacht  und  so  diese  merk- 
würdige Sprache  geformt,  die  kaum  Grenzen  zwischen  den  Wortklassen  kennt, 
die  dürftigsten  Konjugations-  und  Deklinationsformen  besitzt  und  daher  auch  eine 
ungemein  einfache  Syntax  hat.  Bis  vor  wenig  Jahrzehnten  hat  diese  Sprache  nur 
im  mündlichen  Verkehr  gedient;  unter  dem  Drucke  der  im  öffentlichen  Leben  zur 


346  Weinhold: 

Herrschaft  dringenden  englischen  Sprache  im  Kapland(  winden  von  patriotischen 
Huren,  besondere  der  Genootskap  van  Regte  Afrikaners,  seit  1874  Versuch' 
macht,  ihr  Idiom  zur  Schriftsprache  zu  erheben.  Aber  der  neue  Freistaat  Trans- 
vaal nahm  nicht  das  Afrikanische,  sondern  das  Holländische  als  Staatssprache  an. 
und  sii  stehen  nun  drei  Sprachen,  das  Englische,  das  Holländische  und  die  Buren- 
sprache  auf  dem  Plan  um  die  Oberhand  in  Südafrika.  Über  diese  Verhältnisse 
und  alles  einschlägige  Geschichtliche  und  Litterarische  giebt  „die  geschichtliche 
Einleitung"   Dr.  Meyers  Auskunft. 

Auf  die  Grammatik  der  Burensprache  folgt  noch  eine  Sammlung  von  Sprach- 
proben,  die  von  lehrreichen,  nützlichen  Anmerkungen  und  einem  Wortregister 
begleitet  ist.  K.  W. 


Bä8S,  Alfred,  Deutsche  Sprachinseln  in  Südtirol  und  Oberitalien. 
Eine  volkskundlich  -  sprachwissenschaftliche  Untersuchung.  Leipzig, 
Selbstverlag  des  Verfassers,  1901.     8°. 

Dieses  Buch  bietet  auf  104  Seiten  n0  wohl  die  umfangreichste  Sammlung  alles 
dessen,  was  über  die  Örtlichkeit  und  Volkskunde  aller  deutschen  Sprachinseln  in 
Welschland  gesagt  werden  kann  und  laut  Schriftennachweis  bisher  geschrieben 
wurde.  Eine  sprachwissenschaftliche  Erörterung  jedoch  enthält  es  nur  in  geringem 
Masse,  der  Verfasser  verweist  vielmehr  auf  Sprachproben,  die  in  einem  anderen 
Heft  enthalten  sein  sollen.  Die  Darstellung  ist  grossenteils  „touristisch",  mitunter 
weitschweifig.  Sehr  eingehend  wird  Lusern  behandelt,  die  vom  welschen  Schul- 
verein -Lega  nazionale"  am  meisten  befehdete  und  darum  wichtigste  Enclave  Süd- 
tirols. Eine  Landkarte  und  einige  Ansichten  gewähren  dem  Auge  angenehme  Rast. 
Mit  stiller  Wehmut  liest  man  den  Abschnitt  über  die  7  und  13  Gemeinden  in 
Oberitalien,  die  dem  deutschen  Volk  aller  Voraussicht  nach  verloren  sind.  Eine 
Zierde  des  Werkes  bildet  das  reichhaltige  Verzeichnis  von  deutschen  Seelsorgern 
in  der  Provinz  Vicenza.  welche  im  14.,  15.  und  16.  Jahrhundert  für  die  unter  dem 
Löwen  von  San  Marco  hausenden  Deutschen  wirkten.  Tempi  passati!  sagt  der 
Italiener.  Volle  Anerkennung  verdient  der  Sammelfleiss  des  Verfassers,  und  noch 
mehr  seine  Liebe  für  den  Gegenstand,  eine  Liebe,  die  sich  dem  Leser  unwill- 
kürlich mitteilt.  Möge  sein  Weckruf  beitragen,  das  Interesse  für  die  deutschen 
Inseln  in  Welschtirol  zu  steigern,  damit  selbe  aus  dem  Kampfe  um  ihr  altes 
Volkstum  siegreich  und  heil  hervorgehen.  Nach  der  urkundlichen  Darstellung  des 
tirolischen  Geschichtsforschers  Rudolf  Kink,  dem  der  Verfasser  verständnisvoll 
beipflichtet,  siedeln  sie  dort  schon  seit  dem  12.  und  13.  Jahrhundert,  haben  also 
ein  Anrecht  auf  die  Forterhaltung  der  Muttersprache  und  auf  die  Teilnahme  der 
Stammesbrüder. 

Margreid  in  Südtirol.  Joh.  Steck,  Pfarrer. 


A.  Brunck,    Volkskundliches    aus  Garzigar.     Druck  und  Verlag  von 
Straube  in  Labes,   1901.     S.  60.     8°. 

Garzigar  ist  ein  Dorf  im  östlichen  Hinterpommern,  in  einem  verdeutschten 
Striche  Kassubiens,  wo  Herr  Oberlehrer  Dr.  Brunck  fünf  Ferienwochen  zubrachte, 
in  denen  er  fleissig  und  mit  guter  Unterstützung  volkskundlich  Interessantes  sammelte. 
Das  vorliegende  Heft  ist  aus  den  Nummern  3.  4.  6.  7.  der  Blätter  für  Pommersche 
Volkskunde,  Jahrg.   1901   zusammengedruckt.     Es  enthält  Märchen,    Schwanke  und 


3  1 7 


Schnurron  (S.  4—36),    Volksglaube  ler  and  Eteimi  I 

55 — 60),  and  bezeug!  aufs  aene  den  merkwüi  ichtnm,  den  Pommern 

jetzt    .m    alten   volkstümlichen  l  berlieferungen    hat,    z  tuch  die  }  en» 

schalt  des  pommerellischen  Volkstums  mit  dem  meckli  hen. 


K.  Craig  Bfaclagan,    The  Games  and   Diversions  of  A.rgyleshire     Pul 

the  Folk-lore  Society,  XLVII).     I. Ion,    D.  Nmt.   1901.     VII,  270  S. 

Das  alte  Airer  Göidel  (Land  der  Gaelen  .  das  heutige    ^rgyleshii 
eine    der    ersten  Etappen  des  erobernden  [rei  »n  Irland  kommend 

den  Pikten  nach  Osten  zurückwarf.  Heute  wird  es  von  einer  teils  - 
englisch  sprechenden  Bevölkerung  bewohnt.  Im  Verein  mit  Mitarbeitern,  die  im 
Vorwort  namhaft  gemacht  werden,  hat  Maclagan  versucht,  einen  Teil  des  reichen 
Schatzes  volkstümlicher  Tradition  zu  heben.  Er  beschränk!  sich  auf  Mitteilung 
ab.  Vergleiche,  zu  denen  das  bekannte  Werk  von  Mrs.  Gomme  diese 
Ztschr.  iV.  223;  IX.  L03  geradezu  herausfordert,  werden  absichtlich  venu 
Der  Leser  findet  ohne  besonderes  Suchen  manchen  alten  Bekannten.  Eine  Nach- 
prüfung des  Gegebenen  ist  natürlich  ausgeschlossen.  ••■  Zupitza. 


Katalog   dziel    tresci   przyslowiowej   Bktadajacych    bibljoteke.    [gnacego 
Bernsteina.    Catalogue  des  livres  paremiologiques  composanl  La  biblio- 
theque    de    Lgnace  Bernstein.     Varsovie   1900      Bd.  1.    XX   u.  560 
Bd.  II,    650  S.     Lex.  4°.     (Zu    beziehen    durch   Otto  Barrassowitz    in 

Leipzig.) 

Ein  reicher  Warschauer  Bürger,  Herr  [gnaz  Bernstein,  war  1865  durch 
einen  Zufall,  durch  einen  in  Berlin  gehörten  Vortrag  über  die  Weisheit  der  Völker 
in  ihren  Sprüchen,  über  deren  ethisch.'  und  völkerpsychologische  Bedeutung,  zum 
Sammeln  einer  Bibliothek  der  Sprichwörter  aller  Völker  und  Zeit« 
und  handschriftlicher,  selbständiger  Werke  und  Ausschnitte  aus  Zeitschriften,  an- 
geregt worden.  Xach  fast  vierzigjährigem  Sammeln  entstand  eine  Spnchwi 
Bibliothek,  die  ihresgleichen  auf  der  Welt  nicht  hat;  sie  umfasst  1761  einzelne 
Nummern,  darunter  grosse  bibliographische.  Seltenheiten,  in  über  150  Sprachen,  in 
Sprachen    sogar    wie  Ambundu,    Uganda,    Ronga  u.  s.  w.     Besondei  ht  ist 

natürlich  auf  die  slarischen  Sprachen  gelegt,  namentlich  auf  das  Polnische,  da- 
mit 300  Nummern  der  Drucke  vertreten  ist;  von  den  70  Handschriften  .st  „her 
die  Hälfte  polnisch. 

Diese  Bibliothek    ist    nun   nicht   bloss  Frucht  der  zufälligen  Sammelwut 
Mannes,  dessen  Mittel  ihm  gestatteten,  alle  Antiquariate  der  Welt  für  -     eiali 

sich  dienstbar  zu  machen:    sie  hat  bereits  erfreuliche,   bleibende  m  tftliche 

Verdienste    auf   ihrer  Rechnung.     Denn   das  grosse  polnische  Sprichwörterlexikon 
von  S.  Adalberg,  über  welches  wir  seinerzeit    1895    in  der  Zeitschrift  1 
ist   erst   durch    diese  Bibliothek    und    ihre  Bestände    ermöglich!    worden,    di< 
Sammler  dem  Arbeiter  willig  zur  Verfügung  stellte:  ein  zweites  Verdienst 
die  Herausgabe    des  Katalog    derselben,    der    für    die  gesamte  Sprichworterkunde 
der  Welt    einen    ausserordentlich    reichhaltigen    und  belehrenden  gewahrt 

Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  eine  monumentale:  Drugnhns  0^"«^ 
musste  alle  möglichen  Schriften  liefern:  in  Warschau  wurden  die  über  300 ^Repro- 
duktionen, meist  der  Titelblatter  der  verschiedensten  Seltenheiten,  hergestellt,    der 


:,|v  Weinhold:  Bücheranzeigen. 

erklärende  Text  ist  polnisch,  mir  Titel  and  Vorrede  sind  auch  französisch.  Die 
Bedeutung  dieses  Katalogs  für  jeden,  der  sich  mit  Sprichwörtern  beschäftigt,  bedarf 
keiner  weiteren  [Hervorhebung  und  es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass  auch  für  andere 
Gebiete,  nicht  nur  speoiell  fürs  Polnische,  diese  Mustersammlung  ausgenützt  würde. 
Das  Sprichwort  unter  allen  Schöpfungen  des  Volksgeistes  seiner  Natur  nach  am 
meisten  kosmopolitischen  Stempels,  verlangt  gebieterisch  eine  komparative,  möglichst 
weit  ausholende  Behandlung;  die  Ähnlichkeit  der  Sprichwörter  bei  den  meisten 
Völkern  ist  längst  aufgefallen;  es  giebt  sehr  interessante,  specielle  Berührungen. 
z.  B.  der  südslavischen  und  russischen  Sprichwörter  mit  den  griechischen;  Ent- 
lehnungen und  Beeinflussungen  spielen  hier  eine  weit  grössere  Rolle,  als  man 
noch  bis  unlängst  anzunehmen  gewohnt  war.  Für  alle  diese  Arbeiten  der  Zukunft 
bildet  schon  der  Bernsteinsche  Katalog  eine  Hilfsquelle  ersten  Ranges,  wenigstens 
durch  das  Verzeichnen  der  einschlägigen  Litteratur,  durch  die  bequeme,  zuverlässige, 
reichhaltige  Einführung  in  die  vorhandenen  Bestände:  doppelt  glücklich  freilich 
bleibt  derjenige,  der  diese  Schätze  selbst  für  die  Wissenschaft  wird  flüssigmachen 
können;  die  aufgewandte  Mühe  wird  durch  neue,  interessante  Ausblicke  auf  die 
viel  verschlungenen  Pfade  ethnischer  Berührungen,  Austausche,  sicher  gelohnt 
werden.  Möchte  doch  die  reiche  Sammlung  im  Sinne  der  Düringsfeldischen  Arbeiten 
möglichst  bald  und  fruchtbar  ausgenützt  werden. 

Berlin.  A.  Brückner. 


Wotjakiscke  Sprachproben.  Herausgegeben  von  Yrj  ö  Wich  man  n. 
I.  Lieder,  Gebete  und  Zaubersprüche.  Helsiugfors,  finnische 
Litteratur-Gesellschaft,  1893.  S.  XX.  200.  8°.  —  IL  Sprichwörter, 
Rätsel,  Märchen,  Sagen  und  Erzählungen.  Ebenda  1901.  S.  IV 
und  200.     8°. 

Die  Wotjaken  gehören  zu  den  finnisch-ugrischen  Völkern  im  östlichen  Russland. 
Ihre  Sprache,  die  in  ziemlich  viel  Dialekten  gesprochen  wird,  hat  seit  einigen 
Jahrzehnten  die  Aufmerksamkeit  der  finnländischen  und  ugrischen  Sprachforscher 
auf  sich  gezogen,  und  bei  dieser  Gelegenheit  sind  auch  für  die  Volkskunde  Früchte 
abgefallen.  Die  Sprachproben  konnten  eben  nur  dem  Volksmunde  entnommen 
werden.  In  den  vorliegenden  zwei  Bänden,  welche  in  dem  Jahrbuch  der  finnisch- 
ugrischen  Gesellschaft  in  Helsingfors  XI,  1.  XIX,  1  erschienen,  hat  Herr  Yrjö 
Wichmann  die  volkskundlichen  Sammlungen,  die  er  als  Stipendiat  der  Gesellschaft 
auf  wiederholten  Reisen  zu  den  "Wotjaken  machte,  veröffentlicht.  Der  erste  Band 
bietet  die  verschiedensten  Lieder  in  vier  Dialekten:  Hochzeit-  und  Liebeslieder, 
Loblieder,  Festlieder,  Rekrutenlieder,  vermischte,  Scherzlieder,  Klagelieder  der  Braut 
beim  Abschied,  der  Gatten  und  der  Eltern  beim  Tode  der  Angehörigen.  Dann 
folgen  Gebete  (die  Wotjaken  sind  russische  Christen)  und  Zaubersprüche  und  Be- 
schwörungen, alles  uns  fremdartig,  von  einer  anderen  Kulturstufe.  Das  gilt  natürlich 
auch  für  die  im  zweiten  Teil  erschienenen  Sprichwörter  und  Rätsel  und  mehr  oder 
minder  für  die  5.3  Märchen  und  Sagen.  Es  finden  sich  unter  denselben  Stoffe, 
die  uns  im  Westen  auch  bekannt  sind,  z.B.  No.  51  Die  Hebamme  und  der  Wasser- 
geist. Während  unser  Wassermann  sich  der  helfenden  Frau  dankbar  erweist,  zum 
Teil  auch  noch  in  kommenden  Geschlechtern,  ist  der  Wassergeist  hier  undankbar 
und  roh.  In  No.  28  Der  Wassergeist  und  der  Bär  erscheint  eine  Variante  der 
verbreiteten  Geschichte  von  dem  dummen  Teufel,  der  von  der  Feldfrucht,  die  der 
Mensch  säet,  das  eine  Mal  die  obere,  das  andere  Mal  die  untere  Hälfte  zu  seinem 


de. 

Schaden    wählt     vgl.  ansre  Zeitschr.  VIII,  21  lie  Bären 

von  einem  Menschen  ;ii>.    der  sich  Baare  über  dei  Leib  wünschte,    als  er 

nackt  auf  einen  Baum  kletterte  and  die  Zweige  ihn  schlagen,     [i    N 

wir  in  echt  wotjakischem  Gewände  jener  Fabi 

aber  tue  natürlichen  Verhältnisse,  die  der  mittelhochdeutsche  Dichter  der  Stricker 

in  seinem  Kater  als  Freier  and  auch  andere    Weinhold,  Mittelhochd 

bnch,  4.  A  .  S.  166)  bearbeitet  haben.     Auch  Geschichten  Dach  Bchö] 

fehlen  nicht.  Nb.  4'.».  50.     Von  mythischen  Wesen  tritt  der  Wald{ 

der  Wassergeist  auf.     Die  Geschichten   sind   nicht  aninteressant,     [ch  will  nui 

wähnen,    dass    der  Wassergeist    seine  Tochter    einem  Wotjakenknaben   verheiratet 

und  dass  das  Paar  eine  Zeitlang  bei  den  menschlichen  Eltern  lebt,    dann  aber  zu 

dem  Vater    der  Frau    geht   und  hier  bleibt.     Der  deutsche  Wassermann  straft  den 

Verkehr   Beiner   Töchter    mit    den    Menschensöhnen.     Jedenfalls    verdienen 

Wotjakiscben    Sprachproben    des    Herrn  V.  Wichmann    die  Aufmerksamkeit    aller 

Volkskundijren.  K     ^ 


Aus  deu 

Sitzungs- Protokollen  des  Vereins  für  Volkskunde. 


Freitag,  den  2»;.  April  1901.    Herr   Robert  Mielke  wies  die  l.  Liel 

des  grossen,  vom  Verbände  Deutscher  Architekten-  und  [ngenieur- Vereine  heraus- 
enen  Werkes  „Das  Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche  und  in  seinen  Grenz- 
gebieten" vor,  das  bei  G.  Kühlmann  in  Dresden  erseheint,  für  Subskribenten  60, 
sonst  80  Mk.  kostet  und  120  Tafeln  enthalten  wird.  S.ine  Bedeutung  für  das 
Studium  des  deutschen  Hauses  leuchtet  ein.  Darauf  gab  Herr  Oberlehrer  Dr. 
Schulze-Veltrup  eine  Geschichte  der  westfälischen  Bauernhöfe.  Die 
alten  Sachsen,  die  von  Karl  dem  (.rossen  dem  mächtigen  Frankenreich  einverleibt 
wurden,  lernten  durch  die  Klöster  Werden,  Essen,  Corvey,  Herford,  Fn 
hörst  u.  a.  die  Segnungen  des  Christentums  kennen:  diese  Pflanzstätten  der  Kultur 
haben  belehrenden  Einfluss  auf  Acker-  und  Wiesenbau.  Nicht  allem  als  Raufleute 
an  der  Ostsee,  im  fernen  Russland,  in  Bergen  and  im  Stahlhof  zu  London,  sondern 
auch  als  vorzügliche  Kolonisten  treffen  wir  die  Westfalen  Bchon  im  12.  Jahrh.  in 
dem  Eibgebiet  und  bald  darauf  in  Holstein,  Mecklenburg,  Pommern,  Preussen  und 
Livland.  Der  westfälische  Bauernhof  ist  noch  heute  das  unverfälschte  Bild  der 
germanischen  Ansiedlungsform;  mit  seinem  angeheuren  I  in  dem  M 

und  Vieh  nebeneinander  hausen,  und  den  zerstreut  liegende  ebäuden  macht 

derselbe  einen  patriarchalischen  Eindruck,  der  die  Beschreibung,  die  Tacitus  in 
seiner  Germania  von  den  deutschen  Änsiedlungen  giebt,  in  uns  wach  ruft.  Etwa« 
abseits  von  der  Landstrasse  liegt  das  Gehöfte  inmitten  stattliche)  Eichen,  Buchen 
und  Linden.  Der  westfälische  Bauer  bat  noch  Ehrfurcht  vor  den  Liehen,  und  es 
kostet  ihn  nicht  selten  grosse  Überwindung,  dieselben  zu  fällen.  Von  der  alten 
Villikations-  und  Markenverfassung  haben  sich  an  einigen  Stellen  noch  !;•  - 
halten  Der  Villicus  oder  Schulze  war  im  11.  Jahrh.  noch  Beamter  des  Grund- 
herrn;   als    sich   dann  im  12.  und  13.  die  alte  Hofesverfassung  änderte,    wurde  er 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.  2  l 


350  -,,r: 

erst  Zeit-,  dann  Erbpächter  der  Baihufe.  Er  ttbte  die  niedere  Gerichtsbarkeit  aus. 
die  aber  im  Jahrhundert  der  Reformation  sehr  eingeschränkt  wird.  Die  Besitzer 
der  l  athufen  «raren  glebae  adscripti.  Auch  wurden  Güter  nach  römisch-fränkischer 
an  Coloni  gegeben.  Die  Hörigkeit  der  meisten  Böfe  gründete  sich  zunächst 
auf  ein«'  Schutehörigkeit  Besonders  im  L2.  und  13.  Jahrh.,  wo  die  Zustände  auf 
dem  Lande  immer  ansicherer  wurden,  begaben  sich  die  freien  Bauern  in  den 
Schutz  eines  geistlichen  oder  weltlichen  Grossen  und  bezahlten  für  diesen  Schulz 
Abgaben;  damit  sind  sie  vom  Heerbann  frei  und  gegen  Übergriffe  und  Willkür 
besonders  der  aufkommenden  Ministerialen,  die  bald  eine  Macht  wurden,  gesichert. 
Diese  Abgaben  wurden  aber  später  nicht  selten  von  dem  Herrn  willkürlich  er- 
weitert und  die  Bauern  wurden  bedrückter;  sie  werden  zum  Teil  sogar  leibeigen. 
Die  Abgabe,  die  das  Volk  am  schwersten  traf,  war  das  Mortuarium,  Kurmede  oder 
auch  Besthauptrechi  genannt,  Die  Reformation  lindert  die  Leiden  der  Bauern 
nicht.  Auch  durch  harte  Kriege  (den  niederländisch-spanischen,  den  30jährigen, 
die  Kriege  Bernhards  von  Gahlen  und  den  7jährigen)  hatten  die  westfälischen 
Gemeinden  sehr  zu  leiden:  schwere  Kontributionen  wurden  ihnen  auferlegt;  aber 
treu  haben  die  westfälischen  Bauern  auf  ihrer  ererbten  Scholle  ausgehalten.  Erst 
der  Anfang  des  19.  Jahrh.  bringt  ihnen  die  langersehnte  Freiheit  wieder.  Ungeteilt 
geht  der  Hof  auf  einen  der  Söhne  über,  bald  auf  den  ältesten,  bald  auf  den 
jüngsten,  je  nachdem  Majorat  oder  Minorat  Sitte  ist.  [Schulze-Veltrup.]  — 
Herr  Geheimrat  Meitzen  knüpfte  hieran  Bemerkungen  über  die  Vorgeschichte 
Westfalens. 

Zum  Schlüsse  sprach  Herr  Robert  Mielke  über  niederdeutschen  Bauern- 
schmuck. Derselbe  hat  neuerdings  Beachtung  gefunden  und  ist  in  vielen  Museen 
gesammelt  worden  (Hamburg,  Altona,  Glückstadt,  Meldorf,  Apenrade,  Kiel,  Lübeck, 
Lüneburg,  Braunschweig,  Berlin).  Er  unterscheidet  sich  in  der  Technik  und  den 
Gebrauchsformen  nicht  unwesentlich  von  süddeutschem,  Tiroler  und  schweizerischem 
Schmuck,  der  auch  in  der  Bewertung  als  Hochzeitsgabe  anders  geartet  ist.  Der 
Hochzeitstag  ist  im  allgemeinen  der  Geburtstag  des  Schmuckes  —  schon  seit  dem 
16.  Jahrh.,  in  dem  besondere  Hochzeitsmedaillen  mit  entsprechenden  Inschriften 
geschaffen  wurden.  Indessen  lässt  sich  das  Alter  der  in  unseren  Sammlungen  ver- 
einigten Stücke  selten  über  das  18.  Jahrhundert  zurückverfolgen,  obwohl  es  an  An- 
deutungen über  das  hohe  Alter  einzelner  Formen  nicht  fehlt.  So  lassen  sich 
skandinavische  und  holsteinische  Ringe  in  Schlangenform  mit  einem  solchen  aus 
einer  Amrumer  vorgeschichtlichen  Graburne  in  Beziehung  setzen,  so  deutet  auch 
eine  Bemerkung  Thietmars  von  Merseburg,  nach  der  Seeräuber  bei  einem  Überfall 
Stades  994  den  Frauen  allein  die  Ohrringe  rauben  —  die  danach  einen  besonderen 
Wert  gehabt  haben  müssen  — ,  auf  eine  alte  Überlieferung  der  merkwürdigen 
Ohrgehänge-  in  Ost-  und  Westfriesland  hin.  Es  ist  auch  nicht  ausgeschlossen, 
dass  die  eigenartige  friesische  Goldhaube  sich  bis  zu  den  salischen  Franken  zurück- 
verfolgen lässt,  falls  eine  malbergische  Glosse  der  Lex  Salica  richtig  gedeutet  ist. 
Seit  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bilden  sich  immer  mehr  landschaftliche  und 
örtliche  Gruppen  aus,  die  wie  die  Tracht  zu  Erkennungsmarken  einzelner  Kirch- 
spiele wurden,  was  andererseits  wieder  eine  blühende,  selbst  auf  Dörfern  sich 
festsetzende  Goldschmiedekunst  in  Niederdeutschland  erstehen  liess  (Lüneburg, 
Rotenburg,  Stade,  Buxdehude,  Winsen,  Vierlande  [Neuengamme,  Bergedorf],  Elms- 
horn, Krempe,  Glückstadt,  Schönberg  in  der  Probstei  u.  a.).  In  dieser  landschaft- 
lichen Gruppierung  stehen  —  von  Holland  abgesehen  —  Ostfriesland  und  die  nord- 
friesischen Inseln  obenan,  von  deren  Bewohnern  die  Chronik  des  Häuptlings  Unico 
Manninga    bereits    für    das  16.  Jahrhundert   eine   besondere  Vorliebe  für  Schmuck 


Protokolle. 

bezeugt.     Bemerkenswert  anter  den  Schmackgegenstäi  lande 

sintl    Baisketten,   Spangen,    Ohr-  und   Pingen  blosser,    Hefteln,    Schnallen, 

Nadeln,    die    neben    einer    vollen,    üppigen  Drarisslinie  eine  hohe  Vollen 
Filigrantechnik  zeigen.    Die  aordfriesischen  Inseln  haben  sich  nicht  nur  als  i 
Gruppe  mit   besonderen  Verschiedenheiten  abgetrennt,    Bon 
einen  besonderen  Typus  bewahrt,  wie  er  anch  in  den  Holsteiner  ESlbroarschen  und 
in  Ditmarschen  sich  herausgebildet  hat  (Kremper-,  Wilstermarsch,  Osten feld  . 
Osten  zu  wird  das  Filigranwerk  einfacher,   in  der  Elendsburger  Gegend  und  mehr 
noch    nach  Lübeck    und  Schwerin    hin    immer  massiger  and  schwerer.     Allein  die 
Probstei    hat    die  gute  Filigrantechnik    bewahrt:    sie  dürfte  auch  die  Heimat  einer 
artigen,    ersichtlich    aus   den    Verschnürungen    einea    Kettenmieders    heraus- 
gestalteten Spange    sein,    die   sich    über  ganz  Holstein  und  über  den  Gi 
Hannovers    bis    nach  Braunschweig    hin    verbreitet    hat.     Eine  Brücke    zu   d 
bilden  die  hannoverschen  Eibmarschen  (das  Alte  Land,   Kehdingen)  und  die  Vier- 
lande mit  besonderer  Ausbildung  des  Schmuckes.     In  der  Provinz  Hannover  Belbst 
sind  Anklänge  an  Ostfriesland  nachweisbar,  indessen  leiten  die  Einzelformen  - 
zu  der  südhannoverschen  Gruppe  mit  Braunschweig  einerseits,  mit  dem  nördlichen 
Westfalen    andererseits    über,    wenn   auch    städtischer  und  mitteldeutscher  Einfluss 
hier  stark  hervortreten.    [Robert  Mielke.]     Seinen  Vortrag  illustrierte  der  Redner 
durch  Besprechung   ausgewählter  Stücke    aus    der  dem  Museum  für  Volkstrachten 
gehörigen,    überaus  reichen  Sammlung  von  bäuerlichen  Schmuckstücken,    die   L892 
in  Chicago  ausgestellt  war. 

Freitag,  den  17.  Mai  1901.  Im  Anschluss  an  den  Vortrag  des  Herrn  Ge- 
heimrate  Friedel  über  Fischerei  in  der  Märzsitzung  des  Vereins  (oben  S 
legte  Herr  Sökeland  aus  den  Beständen  des  „Museums  für  deutsche  Volkstrachten 
und  Erzeugnisse  des  Hausgewerbes"  eine  interessante  Schlagfalle  vor.  die  in 
den  oberbayerischen  Seeen  zum  Fangen  der  Hechte  benutzt  wird:  ferner  drei  aus 
Holz  geschnitzte,  sehr  eigenartig  geformte  Schwimmer  für  Angelschnüre,  die  an- 
geblich aus  dem  Pyritzer  Weizacker  stammen  sollen.  Der  eigenartigen,  fast  an 
ägyptische  oder  indische  Vorbilder  erinnernden  Form  wegen  hat  die  Museums- 
verwaltung Zweifel,  ob  die  Abstammung  richtig  angegeben  sei.  Herr  Geheimrat 
Friede!  glaubt  bestimmt  versichern  zu  können,  dass  die  vorgelegten  Schwimmer 
nicht  in  Deutschland  in  Gebrauch  gewesen  sein  können.  Weiter  legt  Herr  S.  eine 
unter  dem  Namen  Lungl  in  Süddeutschland  bekannte,  in  Holz  ausgeführte  Nach- 
bildung innerer,  menschlicher  Organe  —  Speiseröhre,  Lunge,  Herz,  Leber  u.  8.  w.  — 
vor,  die  als  Votivgabe  in  vielen  Kirchen  der  Umgegend  Salzburgs  gefunden  wird. 
Frl.  Marie  Eysn  in  Salzburg  schenkte  diese  Nachbildung  dem  Trachtenmuseum. 
Ausführliche  Beschreibung  und  Abbildung  findet  sich  im  vorliegenden  Bande 
S.  183 ff.  unsrer  Zeitschrift.  Sodann  wurden  von  Herrn  S.  sogen.  Trudensteine 
vorgelegt,  welche  ebenfalls  Frl.  Eysn  dem  Trachtenmuseum  stiftet.'.  Diese  Steine 
waren  und  sind  zum  Schutz  gegen  die  Trudcn  (Hexen  an  den  Fenstergittern  der 
Pferdeställe  in  Orten  der  Salzburger  Gegend  befestigt.  Es  sind  gewöhnliche  Qach 
geriebene  Steine  in  verschiedener  Grösse  und  Form,  aber  alle  mit  einem  natürlich 
entstandenen  Loch  versehen,  welches  das  besondere  Kennzeichen  zu  sein  scheint. 
Der  Glaube  an  das  Verhexen  des  Viehes  ist  bekanntlich  leider  auch  heute 
noch,  und  nicht  nur  auf  dem  Lande,  sehr  verbreitet.  Um  zu  sehen,  inwii 
dieser  Aberglaube  bei  seinen  eigenen  Leuten  vertreten  sei.  fragte  Herr  Sökeland 
vier    derselben,    ob   ihnen   bekannt  sei,    dass  man  zum  Schutz  gi  -  Behexen 

des  Viehes    oder    der  Pferde  durchlochte  Steine  an  das  Fenster  des  Stalles  hänge 
oder    ob    sie  sonst  etwas  vom  Behexen  wüssten.     Die  Antworten  lauteten:    Nb.  1, 


Roediger:  Protokolle. 

Schlesien  gebürtig:    „Nee,    bo  was  macht  man  bei  uns  nich,  das  is  ja  Unsinn, 
das  hilft  ja  auch  nich.    Aber  bei  uns  in  Schlesien  legi  man  einen  Reisbesen  unter 
Schwelle    der  Stallthür.     Wenn    ein    neues  Stück  Vieh    oder  ein  Pferd  in  den 
Stall  kommt,  muss  es  drüber  schreiten  und  dann  kann  nie  etwas  passieren."    No.  2, 
.mrnern    Btammend.     ..Sterne    an    t  Fenster?     Nee!     Daran   glauben  wir   in 
Pommern    nich.     Aber   wenn    man    bei    uns  ein  neues  Stück  Vieh  bekommt  und 
will    nun    gegen   alles  sicher  sein,    dann  legt  man  ein  Stück  Brot  unter  die  Thür- 
schwelle,    über    die    das  Tier  gehen  muss.    dann  ist  man  gesichert.     Denn  das  ist 
wirklich    wahr   und   dafür  habe  ich  Beweise,    dass  einem  manchmal  das  Vieh  von 
einem    anderen    verhext    wird,    so    dass    es   von  Stunde  an  nicht  mehr  annimmt." 
No.  3,    aus  Wilmersdorf  bei  Berlin    stammend,    schon  älterer  Mann,    früher  lange 
Berliner  Droschkenkutscher.     Kutscher:    „Nee,    Herr  S.,    mit   die  Steene,    an  so'n 
Unsinn  jloobten  wir  nich."     S.:  „Dann  kam  also  in  Wilmersdorf  ein  Verhexen  des 
Viehes  überhaupt  nicht  vor?-     K.:  „Ratierlich  kam  det  vor!     Ick  sage  Ihnen,  wir 
hatten    arme  Bauerfamilien,    die    konnten    machen    wat    se   wollten,    et  half  allens 
mscht  -     S.:    „Was    war  denn   mit  diesen  Leuten?"     K.:    „Na,    allet  Vieh  wat  se 
kriegten,   janz  eenjahl.    Ferde    oder  Kühe,    allens    krepierte,    un  weil  det  jar  nich 
anders  wurde,    da  war  et  ja  janz  sicher,    det  der  Stall  uf  irgend  eene  Weise  ver- 
hext   war.     Un    da    haben    se  denn  nachgesucht,    um  et  zu  finden.     Aliens  wurde 
rausgerissen,    det  Flaster    uffgenommen,    un    da    haben    se't  ooch  gefunden.     Wie 
se    unter't  Flaster  rinbuddelten,    da  fanden  se'n  eisernen  Topp  mit'n  Deckel  druff, 
un    wat    war    drin?      Injeseefte   Wäsche    war    drin!      Xu    war   ja    allens    klar. 
Beese  Menschen  hatten  mit  den  Topp  unn  die  injeseefte  Wäsche  den  Stall  verhext. 
Da  musste  ja  det  Vieh  sterben!"    S.:  „Woher  wissen  denn  aber  schlechte  Menschen, 
dass    ein  Topf   mit    eingeseifter  Wäsche    so    schädlich   ist?"     K.:    „Ja,    sehen  Se, 
Herr  S..    der  Topp  un    die  Wäsche    alleene  machen  det  doch  ooch  nich;    bei  det 
[nbuddeln    is    der   Topp    mit    die  Wäsche    un    der    Stall    besprochen.      Det    sind 
so'ne  Menschen,    die  haben,    wie  meine  Mutter  sagte,    noch  een  siebentet  Buch 
Mosis,  da  steht  all  so  wat  drin."     An  das  Besprechen  des  Viehes  glaubte  ferner 
No.  4    —    aus    der  Provinz  Posen    gebürtig    —    unbedingt.     Die    wiedergegebene 
Unterhaltung  kann  wohl  als  Beweis  dafür  dienen,   wie   allgemein  auch  heute  noch 
an  das  Verhexen  des  Viehes  geglaubt  wird.  —  Zum  Schluss  wurden  dann  noch  von 
Herrn  Sökeland  eine  sogen.  Knudelmühle  und  ein  Stein  vorgelegt,  die  Herr  Pastor 
Handtmann  in  Seedorf  bei  Lenzen  dem  Trachtenmuseum  überwies.    Die  Knudel- 
mühle,   welche  noch  viel  in  Lenzen  gekauft  wird,  dient  zum  Massieren,  während 
mit  dem  Stein  Zahnschmerzen  und  Gicht  geheilt  werden  können.     [Sökeland.] 

Herr  Prof.  Dr.  Bolte  behandelte,  von  Roseggers  Roman  „Der  Gottsucher* 
ausgehend,  das  in  ganz  Europa  verbreitete  Gesprächslied  von  den  heiligen 
Zahlen  1  — 12,  seine  Verwendung  in  Märchen,  Weihnachts-  und  Nachtwächtef- 
liedern, Deutungen  der  Spielkarten  und  weltlichen  Parodien.  Seinen  Ursprung 
suchte  er  nicht  in  dem  erst  im  15.  Jahrh.  auftauchenden  hebräischen  Liede  aus 
der  Pesach-hagadah  (Echad  mi  jodea),  sondern  in  der  vor  440  entstandenen  Zahlen- 
symbolik des  Bischofs  Eucherius  von  Lyon,  die  in  letzter  Instanz  auf  die  mystische 
Spekulation  der  Pythagoräer  zurückgeht,  [Bolte.]  An  der  Diskussion  beteiligten 
sich  die  Herren  Minden,  Rieh.  M.  Meyer,  Sökeland,  Friedel.  Eine  Ab- 
handlung über  dieses  Thema  wird  in  unsrer  Zeitschrift  erseheinen. 

Max  Roediger. 


Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  1901. 


Die  Remlingrader  Vehmlinde. 


Karl  Weinhold. 

G-edächtnisrede,    gehalten  am    25.  Oktober  1901    im   VereiE 
für  Volkskunde  zu  Berlin, 

vun  Max  Roedfger. 


Anders,  als  wir  es  vermuter  and  hoffen  durften,  treten  wir  am  heul 
Tage  nach  der  Sommerruhe  zu  unseren  winterlichen  Vereinigungen  wieder 
zusammen.      Lange    hatten    wir    der  Leitung    unseres  ersten   Vorsitzenden 
entbehren  müssen,  selbst  bei  der  Feier  des  zehnjährigen  Bestehens  unseres 
Vereins  war  es  ans  versagt,  ihn  zu  begrüssen.     Alna-  mir  dem   Fortschritt 

Frühjahrs  besserte  Bich  das  Befinden  des  Leidenden:  eine  Sitzung  des 
Vorstandes  hielt  er  am  21.  Juni  frisch  und  ohne  Beschwerden  ab,  und  als 
er  gegen  die  Mitte  des  .'uli  auf  'li<'  Reise  Dach  Nauheim  ging,  schien  es 
mir  und  anderen,  die  Genesung  sei  nur  noch  zu  festigen.  Das  war  auch 
Beine  eigene  Meinung.  Nicht  bloss  der  Form  wegen  hatte  er  Beine  Kollej 
für  den  Winter  angekündigt  und  den  Mitgliedern  des  Germanischen 
Seminars  anzeigen  lassen,  was  er  zu  betreiben  gedächte,  damit  -i«'  -i «1 1 
darauf  rüsten  könnten:  sein  Vertrauen  in  die  Zukunft  Btand  fest.  Leise 
Mahnungen  der  besorgten  Gattin  wies  er  fast  ärgerlich  zurück.  I  od  sie 
hat  doch  schärfer  gesehen.  Weinholds  Nachrichten  über  den  Eünfluss  der 
Bäder  lauteten  bald  ungünstig,  und  am  15.  August  verschied  er. 
der  Begrüssung  des  Gesundeten  eine  Totenfeier,  ein  Rückblick  auf  eine 
abgeschlossene  Erdenlaufbahn  Btatt  der  erhofften  Glückwünsche  für  ein 
neues  Lebensjahr. 

Denn  morgen  wäre  Karl  Weinhold  7s  Jahre  alt  geworden.  Er  ist 
am  26.  Oktober  1823  zu  Reichenbach  in  Schlesien  geboren,  wo  -'-in  Vater 
Prediger  war.  Karl  war  das  älteste,  blieb  aber  nicht  das  einzige  Kind 
im  Hause:  sechs  andere  folgten,  aber  nicht  so  wuchsen  die  knappen  Mittel 
der  Familie.  Dennoch  lebte  er  keine  freudenleere  Jugend.  In  die  er- 
wartungsvollen Schauer  der  Adventszeit  mir  dem  pelzverhüllten  Ruprecht. 
den  Besuchen  des  Christkindes  im  Geleit  von  Gabriel  und  Petrus,  dem 
im  Nachbarhaus  erbauten  Krippel,  in  den  Glanz  deö  Christbaumes  mir  den 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.   1901 


:;.')!  Roedi 

darunter  ausgebreiteten  Gaben  läset  uns  Weinhold  in  seinem  Weihnachts- 
buch hineinschauen  und  die  heiligen  drei  Könige  mit  den  goldenen  Kronen 
and  den  weissen,  buntbebänderten   Kleidern  an  uns  vorüberziehen. 

Frühzeitig,  als  der  Knabe  erst  fünf  Jahre  zählte,  begann  der  private 
Unterricht,  schon  mit  sechs  Jahren  führte  man  ihn  ine  Lateinische  ein 
und  setzte  ihn  an  dae  Klavier.  Zu  Ostern  L834  trat  er  in  die  öffentliche 
Schule  und  machte  Bich  bald  darauf  ans  Griechische.  Regeres  Interesse 
für  Geschichte  knüpfte  sich  zunächst  an  die  Schicksale  der  Vaterstadt, 
und  Ausflüge  weckten  den  Sinn  für  Natur  und  schärften  den  Blick  für 
die  Eigentümlichkeiten  der  Heimat,  denen  auch  die  Mutter  ihr  Augenmerk 
zuwandte.  Am  Gründonnerstage  1838  wurde  Karl  konfirmiert  und  kam  im 
Oktober  nach  Schweidnitz  auf  das  Gymnasium,  für  dessen  Secunda  er  sich 
im   Examen   reif  erwiesen   harre.      1*40  rückte  er  in   die  Prima  auf. 

Yen   dem  Treiben  auf  dem  Gymnasium    hat  Meinhold  in  dem   liebe- 
vollen   und    aufschlussreichen    Lebensbilde   des  Grafen   Moritz   Strachwitz. 
das    er   der  Gesamtausgabe   von    dessen  Gedichten    voranstellte,    1*77    er- 
zählt.     Der   Rektor   Dr.  Julius  Jleld  gab  der  Prima  das  Gepräge.     Durch 
die  Lektüre    des  Horaz,    Homer,    Sophokles    Offnere    er   den  Schülern  die 
Augen    für    das    klassische  Altertum,    trug    ihnen  daneben  die   Geschichte 
der  deutschen  Litteratur  vor  und  suchte  sie  namentlich  für  Goethe  zu  er- 
wärmen.     Aber   auch   der  neueren  Dichtung  verschluss  er  sich  nicht    und 
gönnte  ihr  Platz  in  der  für  die  Primaner  von  ihm  gegründeten  Bibliothek. 
Im   Winter    veranstaltete    er  Abendunterhaltungen,    bei    denen  sie  vor  ge- 
ladenen Gästen  sich  als  Musiker  oder  Deklamatoren  hören  Hessen.    Heimlich 
that    man    sich    zu   einem  Verein    oder  Comment,    wie  dergleichen  damals 
hiess.  spärer  daneben  zu  einem  kleinen  Kränzchen  Auserwählter  zusammen. 
strebte,   sich    der  dumpfen,    stockenden  Zeit  in  schwärmerischer  Erhebung 
zu    entringen,    genoss    die    moderne    Poesie  und   versuchte    sich,    dem    den 
Schlesien]  angeborenen  Triebe  folgend,  selbst  im  Dichten.     Bei  Weinhold 
bricht,    wühl    ein    Erbteil    vom    Vater   her.    die  Gabe,    ein   treffendes   und 
eigenartiges  Wort   zu  finden,    früh   hervor    und   kräftigt    sich  später  unter 
dem  unverkennbaren  Einflüsse  .Jacob  Grimms.     Er  hat  sich  auch  gern  und 
zu    allen   Zeiten    poetisches    Form    bedient    für    ernsten    und    scherzhaften 
Inhalt,   hat  noch  in  Kiel   bei  kleinen  Aufführungen  agiert    und  bewies  als 
Erzähler  und  Reiseschilderer  scharfe  Beobachtung  und  eine  unverächtliche 
Gestaltungskraft.    So  steuerte  er  denn  auch  alsbald  zu  dem  Musenalmanach 
der  Breslauer  Studenten  auf  das  Jahr  1843,  den  der  damalige  Privatdocent 
Gustav  Freyrag  als  gequälter  Berater  der  „stolzen  Knaben"   seufzend  zum 
Druck  rüstete,  vier  Gedichte  bei,  seine  erste  Arbeit,  die  unter  die  Presse 
kam.      Aber    bedeursamer,    als    dass  der   ihm  befreundete   Strachwitz   ihn 
zum    Dichten   anregte,    war   es  für  Weinhold,    dass    er    durch    ihn  Percys 
Balladensammlung  sowie  die  Yilkina-  und  Yölsungasaga  in  Übersetzungen 
kennen  lernte    und   dass    ihm  damals    als  erste  altdeutsche  Originale  Ett- 


müllers  K uiii  «  li  Lusrin  and  von  dei  Hagens  Nibelungemuisgahe  in  die 
Hände  fielen.  l>a-  bestandene  Abiturientenexamen  machte  diesen  Xu- 
Bammenkünften  im  März  1842  ein  Ende,  and  am  23  April  liess  sich 
Weinhold  in  Breslau  immatrikulieren. 

Zuvörderst  als  studiosus  theologiae,  wie  dem  Pastorensohn  am  nächnten 
lag.  Allein  schon  1843  beginn!  er  an  der  Hand  von  Grimms  deotucher 
und  Bopps  Sanskrit-Grammatik  sich  ernstlich  mir  diesen  Sprachen  si  be- 
schäftigen, hört  im   Winter  Altnordisch  bei  Th lor  Jacobi  anter  den 

Zuhörern    war    auch    Albreeht  Weber,    <\>-v   Meister    des  Sanskril  und 

tritt  1*14  förmlich  in  die  philosophische  Fakultät  über.  Sein«  Wendung 
zun)   Deutschen  war  entschieden,  und  zwar  durch  Jacobi. 

Dieses  begabten,  feinsinnigen  Forschers  Leistungen  haben  erst  nach 
dem  vorzeitigen  Tode  des  kränklichen  Mannes,  als  der  Betrieb  der 
deutschen  and  vergleichenden  Grammatik  reger  ward,  volles  Verständnis 
and  die  ihnen  gebührende  Anerkennung  gefunden.  Weinhold  war  er 
Lehrer  and  Freund  zugleich.  Er  fährte  ihn  nicht  nur  in  <li<-  Grammatik 
und  alte  Litteratur  and  Kultur  ein,  sondern  gab  ihm  auch  Beispiel  and 
Antrieb  für  die  wissenschaftliche  Behandlung  der  oeuereu  Litteratur, 
namentlich  durch  seinen  Aufsatz  ober  Goethes  Tasso,  and  unterstützte  den 
Schüler  noch  kurz  vor  seinem  Tode  lebhaft,  da  Weinhold  zuerst  als  volks- 
kundlicher Sammler  an  «li»'  Öffentlichkeit  trat. 

In  di'u  Erinnerungen  an  Jacobi  heb!  Weinhold  den  ausgeprägl 
provinziellen  CharakteT  der  Breslauer  Universität  hervor.  Er  deutet  an. 
dass  es  ihm,  als  er  Ostern  1845  nach  Berlin  zog,  erging  wie  acht  Jahre 
früher  seinem  Lehrer:  ihn  befiel  anfangs  ein  beimwebartiger  Kleinmut. 
..Dann  aber  arbeitete  er  sich  bald  in  die  Denen  Verhältnisse  mir  ihren 
weiteren  Aus-  und  Einsichten  und  dem  rascheren  Flosse  des  Lebens"  ••in. 
Anhalt  gewatete  ihm,  dass  er  Albrecht  Weber  dort  wiederfand,  mir  dem 
ihn  von  nun  an  treue  Freundschaft  bis  zum  Tode  verknüpft  hielt,  uml 
dass  er  einen  gleich  beständigen  Bund  mit  seinem  älteren  Landsmann 
Julius  Zacher  schloss,  an  den  ihn  Jacobi  gewiesen  hatte.  Ihre  \Ä 
haben  sich  von  da  an  mehrfach  gekreuzt  und  verschlungen. 

Weinhold  hörte  Vorlesungen  bei  Karl  Lachnaann.  Wir  sehen  ihn 
in  WYinhülds  Mitteilungen  aber  Lachmann  leibhaftig  auf  der  Strassi 
dahmschreiten,  und  er  neben  Vahlen  hat  ihn  uns  durch  veröffentlichte 
Briefe  menschlich  näher  gerückt  un<\  von  dem  Rufe  der  Kälte  befreit 
Auf  Jacob  und  Wilhelm  Grimm  „schaute  sein  junges,  von  Begeisterung 
für  deutsch.- Art  und  Geschichte  erfülltes  Herz  mir  aller  \mla.hr-.  Jacob 
rühmt  er  als  warm  und  Lieder.  „Seine  wunderbare  Natur-  sog  ihn 
Vor  allem  an.  seine  Forschung-  und  Darstellumgsweise  hat  sich  ihm  am 
tiefsten  ein-edrückt.  Die  Alemannische  Grammatik  ist  Jacob  „in  treuer 
Verehrung  gewidmet".  Persönlich  haben  diese  Begründei  der  deutschen 
Philologie  nur  kurze  Zeit  auf  ihn   gewirkt:   er  war  damals  sehen  mit  seiner 


356  üiger: 

Doktordissertation  beschäftigt,  dem  Spicilegium  formtilaram,  Formel- 
sammlangen  aas  den  ältesten  Dichtungen  aller  Germanen,  durch  die,  in 
Erweiterung  eines  Jacob  Grimmschen  Vorbildes,  nicht  nur  der  Stil  ihrer 
Poesie,  sondern  auch  ihre  Lebensanschauungen  und  -Einrichtungen  auf- 
geklärt werden  sollten.      Er  wurde  daraufhin.  22  Jahre  alt,  am  14.  Januar 

1846  in   Halle  zum  Doktor  promoviert. 

Damit  waren  die  Lehrjahre  abgeschlossen.  Es  ging  nun  schnell  Tor- 
warts.   Durch  Heinrich  Leo  unterstützt,  konnte  sich  Weinhold  am  15.  April 

1847  in  Halle  als  Privatdocent  habilitieren.  Er  reichte  eine  Abhandlung 
über  das  eddische  Gedicht  Völuspä  ein,  die  nicht  gedruckt  worden  ist. 
aber  in  einem  kleinen  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum 
eine  Spur  hinterlassen  hat.  Nordische  Zeugnisse  sollten  ihm  auch  die  Be- 
deutung des  rätselhaften,  durch  seine  Natur  ganz  für  sich  dastehenden 
<i"rres  Loki  enthüllen,  und  wenn  der  hiermit  zuerst  den  schlüpfriges 
Boden  mythologischer  Untersuchungen  Betretende  es  auch  so  weniu:  zu 
allgemeiner  Anerkennung  seiner  Resultate  brachte,  wie  irgend  ein  anderer 
Forscher  über  Loki  vor  oder  nach  ihm,  so  hat  er  doch  das  Material  voll- 
ständig vereinigt  und  besonnen  geprüft  und  etliche  bedeutsame  Gesichts- 
punkte richtig  festgelegt.  Die  kleinen  Aufsätze  über  Niördr  und  ver- 
wandte Wörter  und  Frau  Zucht  erschienen  gleichfalls  in  dieser  Zeit,  und 
in  einem  Nachtrag  zu  der  Grimmschen  Notiz  „Frau  kein  wildes  Tier" 
spricht  er  von  seiner  Sammlung  schlesischer  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche, 
macht  einen  oberschlesisch  -  slavischen  Hochzeitsbrauch  bekannt  und  an 
anderer  Stelle  ein  gläzisches  Christkindelspiel.  Damit  rühren  wir  an  die 
Bande,  die  den  treuen  Schlesier,  wo  er  auch  immer  weilte,  an  die  Heimat 
gefesselt  haben.  Die  Beschäftigung  mit  ihr  durchzieht  seiu  ganzes  Leben 
als  eine  Frucht  der  Heimatliebe,  die  in  seinem  Elternhause  gepflegt  ward* 

Ich  deutete  bereits  Jacobis  Anspornen  und  Helfen  bei  diesen  Unter- 
nehmungen an.  Ernstlich  setzen  sie  1846  seit  der  Rückkehr  des  jungen 
Doktors  nach  Reichenbach  ein.  Er  beobachtet  das  volkstümliche  Leben 
Schlesiens,  trägt  Sagen  und  Märchen  zusammen,  wendet  sich  aber  vor- 
nehmlich der  Mundart  zu.  Als  Jacobi  ihn  in  Reichenbach  besucht,  wird 
beschlossen,,  ganz  Schlesien  für  die  Sammlungen  aufzurufen.  Jacobi 
wusste  den  neu  gegründeten  Verein  für  Geschichte  und  Altertümer 
Schlesiens  zur  Teilnahme  anzuregen,  und  1847  ging  Weinholds  „Auf- 
forderung zum  Stoffsammeln  für  eine  Bearbeitung  der  deutsch-schlesischen 
Mundart"  ins  Land.  Die  Stürme  des  Jahres  1848  verwehten  die  Blätter, 
die  von.  Jacob  Grimm  das  Prädikat  musterhaft  bekamen.  Weinhold  aber 
hielt  zäh  an  seinem  Plane  fest,  auch  als  ihm  seine  Sammlungen  1850 
durch  Feuer  vernichtet  worden  waren.  1N52  handelte  er  präludierend  und 
noch  unsicher  über  Deutsches  und  Slavisches  aus  der  deutschen  Mundart 
Schlesiens  in  der  neu  begründeten  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprach- 
forschung, trat  aber  bereits  1853  mit  der  gewichtigen  Schrift  „Über  deutsche 


ß<  l&  J-   in  de  auf  K.  ild. 

Dialektforschung"  hervor,  deren  ersten  Teil  eine  Neubearbeitung 
„Aufforderung"  bildet  Der  weite  Dmfang  dessen,  was  Weinhok)  untei 
Dialektforschung  damals  versteh!  und  immer  verstanden  hat,  eröffnet  sich 
uns:  nicht  bloss  Grammatik,  Bondern  Zusammentragen  de«  ganzen  mundart- 
lichen Sprachschatzes  Dach  Gruppen,  die  das  gesamte  Leben,  Fühlen 
und  Denken  desVolkes  umfassen  and  bo  zugleich  den  uichtgrammatischen 
Zweigen  der  Volkskunde  Stoff  liefern.  Weinhold  beschränkt  sich  in 
unserem  Buch  auf  die  Grammatik,  aber  er  hebl  Beine  Darstellung  auf 
eine  höhere  Stufe,  indem  bt  Verwandtes  in  anderen  Dialekten  vergleicht. 
Er  ist  auch  spürer  nicht  am  Schlesischen  haften  geblieben  and  hat  sich 
immer  mehr  zum  Dialektforscher  ausgebildet.  Es  Bei  gleich  erwähnt,  das« 
er  dem  siechen  Mittelniederdeutschen  Wörterbuch  durch  Bein  Eintreten 
auf  der  Philologenversammlung  zu  Innsbruck  1874  das  Lehen  rettete  und 
den  hiesigen  Studenten  für  das  Jahr  1899  und  1900  die  Preisaufg 
Btellte,  den  Berliner  Dialekt  zn  untersuchen.  Beiträge  zu  einem  Bohlesischen 
Wörterbuch  gab  er  ls">4  und  55  auf  knappen  100  Seiten,  und  Bie  blieben 
»las  beste  Hilfsmittel  für  das  Schlesische,  «las  er  Belbst  erst  im  vergangenen 
Jahre  durch  einzelne  weiter  ausgeführte  Artikel  in  den  Mitteilungen  der 
Schlesischen  Gesellschaft  für  Volkskunde  überholt  hat.  Schlesien  in 
sprachlicher  Hinsicht  hat  er  auch  einmal  im  allgemeinen  geschildert  und 
zur  Aufhellung  Beiner  Ortsnamen  beigetragen.  An  Schlesiens  mytho- 
logischen Resten,  seinen  Märchen,  Sagen,  Bräuchen  ist  er  in  Beinen  ver- 
gleichenden Studien  aie  vorübergegangen,  hat  auch  einzelnes  davon  mit- 
geteilt; einen  kurzen  Gesamtüberblick  aber  bietet  das  inhaltreiche,  mit 
voller  Beherrschung  des  Stoffes  geschriebene  Büchlein  „Die  Verbreitung 
und  die  Herkunft  der  Deutschen  in  Schlesien",  das  Mundart  und  Namen. 
Recht,  Geldeinteilung  und  Elansanlage,  Sagen  und  Aberglauben,  Sitten  und 
Gebräuche  oeben  den  historischen  Zeugnissen  benutzt,  um  Bein  Ziel  zu 
erreichen.  Und  es  fügte  Bich,  dass  seiner  Forschung  Lauf  das  Ende  an 
den   Anfang    schloss,    indem    er    ober   den    Bchlesischen    B  »1    Rübe- 

zahl sich  äusserte,  schlesische  Weihnachtspiele  anzeigte  und  in  Beinern 
letzten  Vortrag  in  der  Akademie  am  18.  Oktober  1900  die  Zeitpartikeln 
des  schlesischen  Dialekts  behandelte.  Heut  vor  einem  Jahre  ward  er  im 
Druck  ausgegeben. 

Diese  schlesischen  Arbeiten  wollte  ich  zusammenfassen,  nehme  abei 
nun  den  chronologischen   Faden  wieder  auf. 

In  Halle  traf  Weinhold  Zacher  an  und  katalogisierte  mit  ihm  Förste- 
manns  Bibliothek.  Dann  aber  liess  er  den  Freund  hinter  sich  und  rückte 
schon  im  März  184'.i  in  das  durch  Jacobis  Tod  erledigte  Gxtraordinaria! 
zu  Breslau.  Bald  begannen  Verhandlungen  wegen  einer  Professur  in 
Krakau,  und  am  18.  April  1850  zog  er  in  die  Universitätsstadt  der 
Jagellonen  ein.  Trauriges  hatte  er  alsbald  mir  ihr  zu  erdulden,  denn  der 
grosse  Brand  am  18.  Juli  1850  zerstört.'  auch  seine  Häuslichkeit  und  Beine 


Roedigi  r 

Sammlungen,  und  aur  durch  einen  Zufall  wurde  das  fertige  Manuskript 
der  „Deutschen  Frauen  im  Mittelalter"  gerettet.  Als  glücklicher  Bräutigam 
hatte  er  das  Buch  1*17  in  Mulle  begonnen,  nun  konnte  er  am  12.  August 
1850  sieh  mit  seiner  erwählten  Heimatgenossin  Anna  Ellger  vermählen 
and  aber  der  Asche  des  Junggesellen sitzes  den  eigenen  Hausstand  er- 
richten. Freilieh  rnusste  er  sparsam  gehalten  werden,  aber  das  gerettete 
Werk  zeugt  nirht  von  Unlust.  Der  Glanz  aufsteigenden  Eheglücks  und 
leiner  Fraaenverehrung  ruht  auf  seinen  Blättern;  der  Dankbarkeit  gegen 
Mutter  und  Gattin  giebt  die  Vorrede  der  ersten  und  die  Widmung  der 
/.weiten  Auflage  Ausdruck;  „Fromm  Weib  des  Lebens  Heil!"  steht  auf 
der  letzten  Seite.  Eiu  besseres  Geschlecht  von  Männern  erwartet  Wein- 
hold in  den  trüben,  gebeugten  Tagen  jener  Zeit  durch  Deutschlands 
Frauen,  und  wohl  uns.  dass  dreissig  Jahre  darauf  die  Schlusssätze  anders 
lauten  durften.  Aber  ein  Zeichen  der  Zeit  war  es  auch,  dass  so  Lange 
Jahre  verstreichen  mussten,  ehe  dieses  warme,  auf  ernste  Forschung  und 
umfassende  Gelehrsamkeit  begründete,  trotzdem  zu  allen  Gebildeten 
redende  Buch  eine  zweite  Auflage  erleben  konnte.  Die  dritte  folgte  ihr 
nach  fünfzehn  Jahren. 

Schon  acht  Monate  nach  der  Begründung  wurde  der  junge  Hausstand 
nach  Graz  verlegt  oder,  wie  Weinhold  mit  berechtigter  Vorliebe  für  die 
altere  und  echtere  Form  des  verdeutschten  Slavennamens  schreibt,  nach 
Graz  in  der  Steiermark.  Hier  kam  Weinhold  für  eine  Reihe  von  Jahren 
zur  Ruhe,  und  die  dort  verlebte  Zeit  war  wohl  die  sonnigste  im  Leben 
des  Ehepaares.  Feste  Freundschaft  wurde  mit  Karl  von  Holtei  geschlossen, 
der  ein  Jahr  vorher  nach  unstätem  Wanderleben  gleichfalls  hier  sesshaft 
geworden  war  und  sich  zur  Abfassung  seiner  Romane  sammelte.  Wein- 
hold widmete  dem  „teuren  Freunde"  l<s<i2  von  Kiel  aus  seinen  Vortrag 
über  Martin  Opitz  und  gedenkt  dabei  der  „traulichen  Abende,  die  wir  in 
Graz  während  einer  Reihe  von  Jahren  selbdrei  verlebten,  wo  von  der 
Heimat,  ihrer  Art,  ihrer  Rede-  und  Denkweise  so  gern  gesprochen  und 
auch  Opitz  oft  genannt  ward".  Holteis  Schlesischen  Gedichten  bar  er 
18Ö7  ein  Glossar  beigefügt,  das  er  später  erweiterte  und  überarbeitete; 
Holtei  hat  er  mehr  als  eine  poetische  Spende  gewidmet  und  ihm  am 
_M.  Januar  1878  in  Breslau  den  Gruss  Schlesiens  zum  80.  Geburtstagsfeste 
dargebracht.  Von  den  weiteren  Freunden  erwähne  ich  nur  den  Zoologen 
<  »skar  Schmidt,  der  später  als  Weinhold  den  Weg  nach  Krakau  und  Graz 
gezogen  war  und  dessen  Sohn  Erich  den  alten  Freund  des  Hauses  in  Berlin 
als  Kollegen  begrüssen  sollte.  Von  den  Schülern  muss  Matthias  Lexör 
genannt  werden:  noch  kurz  vor  seinem  1 8i»2  erfolgten  Tode  hier  Wein* 
holds  Gast,  in  Graz  sein  Helfer  beim  Sammeln  der  Weihnachtspiele  und 
Lieder,  und  von  ihm  zu  seinem  Kärntischen  Wörterbuch  angeregt. 

In  der  Steiermark  hat  sich  Weinhold  heimisch  gemacht.  Er  hat  mit 
liebevoller  Sauberkeit  Handschriften  der  reichen  Grazer  Bibliothek   abge* 


Gedächtnisrede  auf  Karl  Weinhold, 

»schrieben  und  sie  gelegentlich  verwertel   oder   von  ihnen   Kunde   gegeben. 
Er  war  ein   eifriges    Mitglied    des   historischen    Vereins    and    I»<«lt    in    den 
Untersuchungen   über    den    Dichter    Grafen    1 1 1 1  - •  ■    von   Montfort   und    den 
ihm  verwandten   Minnesinger  von  Stadeck  von   der  litterarischen  stark  zur 
historischen  Forschung  ab.     Er  ha(  den  Anteil  Steiermark^  an  der  deutschen 
Dichtkunst  des  13.  Jahrhunderts  festzustellen  versucht     Er  hat  ein  i - .  •  i « •  1  •  - 
haltiges  steirisches  [diotikon  angelegt.     Er   hat  vor  allem  dem  lebend 
Volkslied  und  Volksbrauch  auf  vielen  Fahrten  durch  «las  Land  nachgespürt, 
hat    den    Historischen   Verein    zur    Sammlung    der   steirischen    Volkslieder 
und  Volksreime  angeregt,    die   ihm   unterstellt    ward   and   zu  der  er 
Leitung   in    einem   Aufruf  vom  Jahr   1858  and   Proben  in  den   Mitteilungen 
des    Vereins    1859    lieferte.      Rosegger    and     Heuberger    and    besonders 
Schlossar  haben  dies  von   Weinhold  begonnene  Werk   mit  reichem  Erfolge 
fortgeführt.     In   der  Stille  war  vor  ihnen    deT    Freund    und   Gönner   der 
Steiermark,    Erzherzog  Johann  von  Österreich,   in   dieser   Richtung  thätig 
gewesen,  Prinz  Johann,    den   das  Volk   selbst   im    Liede  gefeiert   hat.     Er 
unterstützte  Weinhold  durch  Hergabe  von   Liedern   und   anders   Aufeeich- 
aungen   aber  Volkstümliches,  woraus  der  Verstorbene,  eigene  Funde  hinzu- 
fügend, uns  im  8.  Band  unsrer  Zeitschrift  Proben  darbot      Es  Bei  hervor- 
gehoben,   dass  Weinhold   schon    in   Graz   aber   Volkskunde    las,    wohl   als 
erster   Universitätslehrer,    wie  auch   nach  langer   Pause   aeine    letzte  Vor- 
lesung in  Berlin  im  Winter  1900/]  von  Altertums-  und  Volkskunde  handelte. 
Er  /urrsr  hat  auch  damals  Weihnachtspiele  und  Weihnachtlieder  aus  dem 
Dunkel  hervorgezogen,    nachdem   er  als  Vorläufer  jenes  gläzische  Christ- 
kindelspiel  in  der  Zeitschrift  rar  deutsches  Altertum  vorauBgesandt,  das  nun 
verbessert  in  dem  schon  erwähnten  umfänglichen  Werke  Weihnacht-Spiele 
und  Lieder  aus  Süddeutschland   und  Schlesien,    Graz   1853,    wiederkehrte. 
Zugleich  entwarf  er  darin  die  Geschichte  dieser  Poesie,    gab   Proben   für 
ihre  Entwickelungsphasen  und  deckte  die  Quellen  des  Weihnachtsfestea  in 
der  heidnischen    Feier  der   Wintersonnenwende  auf,    die  christlich  umge- 
staltet und  mit  christlichen  Zuthaten  versetzt  ward.  Er  hat  an  dieser  Meinung 
späteren    Angriffen   gegenüber   festgehalten    und    Bie   im    l.    Band    um 
Zeitschrift   kurz,  aber  wirksam  verteidigt.     Karl  Julius  Sehn. er  und   Lexer 
folgten  bald  mit  weiteren  Weihnachtspielen  und  -Liedern  nach,  ihnen  eine 
lange   Reihe  Anderer;   keine  Sammlung   ahm-  hat   Weinhold   mehr  gefreut, 
als  die  der  schlesischen  von   Friedrich  Vogt,  de,'  mich  in  der  Quellenfrage 

auf  seine  Seite   trat. 

Der  Archäologie  näherte  sich  Weinhold  ebenfalls  in  dieser  Grazei 
Zeit,  wo  Ausgrabungen  dazu  lockte.  Ober  mehrere  neu  aufgedeckte 
Gräber  hat  er  in  den  Mitteilungen  des  Historischen  Vereins  für  Steiermark 
gehandelt  und  zusammenfassend  die  Fundberichte  aber  heidnisch,-  Toten- 
bestattung a.is  Deutschland  und  der  Schweiz  in  dm,  Sitzungsberichten 
der  Wiener  Akademie,  deren  korrespondierendes  Mitglied  er   1854,   deren 


360  Boediger: 

wirkliches  er  1860  ward,  in  systematische  Ordnung  gebracht.  In 
Kiel  ist  er  später  noch  einmal  auf  die  Einteilung'  der  Heidengräber 
zurückgekommen.  1-1-  führte  ihn  zur  Archäologie  aber  auch  die  Be- 
schäftigung mit  den  altnordischen  Zuständen.  Aus  ihr  ging  1855  das 
dem  Vater  gewidmete  Werk  Altnordisches  Lehen  hervor,  das  die  äusseren 
und  inneren  Zustände,  vorwiegend  freilich  mit  Hilfe  der  altnordischen 
Litteratur  behandelte.  Wieder  nimmt  hier  Weinhold  die  Führerstelle 
ein  und  ist  im  Grunde  mit  seiner  umfassenden,  zuverlässigen  Darstellung 
selbst  den  Skandinaviern  voran.  Auch  hier  strebte  er  über  die  gelehrten 
Zwecke  und  Kreise  hinaus  nach  erziehlicher  "Wirkung:  er  wollte  „die  matte 
und  charakterlose  ( iegen wart"  aufrütteln  und  stärken.  Das  ist  begreiflicher- 
weise dem  Buche,  wie  anziehend  und  inhaltreich  es  ist,  in  noch  minderem 
Masse  gelungen,  als  dem  verwandten  über  die  deutschen  Frauen.  Erst  in 
den  letzten  Jahren  wünschte  der  Verleger  eine  neue  Auflage,  Weinhold 
lehnte  sie  jedoch  ab,  da  er  ein  neues  Buch  für  nötig  hielt. 

Die  akademische  Abhandlung  über  die  Riesen  des  germanischen 
.Mythus  bleibt  im  Norden,  bei  den  Gebilden,  die  die  Phantasie  seiner 
Bewohner  aus  der  rauhen  Natur  des  Landes  oder  in  unbeholfener  Spekulation 
schuf.  Von  der  Entstehung  bis  zur  Zerstörung  der  Welt  greifen  sie  in  ihre 
und  der  Götter  Geschichte  ein,  verbinden  sich  zuweilen  mit  ihnen,  be- 
kämpfen sie  noch  öfter.  Bis  jetzt  kann  man  nirgends  besser  als  bei 
Weinhold  diese  mythischen  Begebenheiten  verfolgen. 

Xach  Prag  zu  gehen,  hatte  Weinhold  abgelehnt,  aber  Müllenhoffs 
Nachfolger  in  Kiel  zu  werden,  nahm  er  1801  an  und  begann  seine  Thätig- 
keit  im  Herbst  mit  Vorlesungen  aber  deutsche  Grammatik  und  Goethe. 
Sie  deuten  zwei  Richtungen  an.  die  seine  Forschung  dort  verfolgte.  Ich 
spreche  an  dieser  Stelle  von  beiden  kurz. 

Seines  Vortrags  über  Opitz  gedachten  wir.  Das  Komische  im  alt- 
deutschen Schauspiel  zu  verfolgen,  konnten  ihn  die  Seitenstücke  zu  den 
Weihnachtspielen  anleiten.  Über  Goethe  und  Schiller  hatte  er  schon  in 
Graz  gelesen  und  bewies  sein  auf  der  Schule  gewecktes,  durch  Jacobi  ge- 
nährtes Interesse  für  ersteren  von  nun  an  durch  allerhand  kleine  Beiträge 
sowohl  als  durch  die  Edition  dos  Tasso  in  der  Weimarer  Ausgabe,  womit 
er  direkt  an  Jacobi  anknüpfte.  Auch  Goethes  unglücklicher  Jugendgenosse 
Lenz  hat  ihn  viel  und  bis  zuletzt  beschäftigt,  zeitweilig  der  Maler  Müller. 
Papiere,  die  ihm  in  Kiel  zugänglich  wurden,  riefen  das  Buch  über  Boie 
und  einen  Aufsatz  aber  den  zum  Stolbergsehen  Kreise  gehörigen  Schönborn 
hervor.     Anderes  sei  übergangen. 

Kühn  war  der  Schritt,  den  er  mit  seiner  Alemannischen  Grammatik  1863 
unternahm:  es  galt  eine  Vorführung  der  historischen  Entwickelung  des 
Dialektes  von  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Gegenwart,  fast  ohne  Vorarbeiten, 
nur  aus  den  Quellen.  Es  war  eine  gewaltige  Arbeit.  Sie  konnte  natürlich 
nicht  in  allen  Punkten  gelingen,  und  Weinhold  selbst  hat  sie  in  dem  Seiten- 


lächtnisrede  auf  l\arl  Weinhold. 

stück,  der  Bäurischen  Ghrammatik,  die  das  österreichische  mit  umfasst,  1S,'T 
hier  and  da  korrigiert.  Pur  das  bajuvarische  Sprachgebiet  boten  wenigstens 
Schmellers  Arbeiten   kräftige  Hilfe,   auch   Lei  ntisohes  Wörterbuch. 

Schmellers  Andenken,  als  dessen  Schüler  Weinhold  sich  bekannte,  ist  der 
Band  gewidmet,  'Irr  erste,  wissen  wir,  Jacob  <  ■  rim m.  Ihm  musste  Wein- 
hold noch  im  selben  Jahre   L863  die  Totenrede  halten. 

Den  Kieler  gelehrten  Gesellschaften  and  einem  wissenschaftlichen 
Kränzchen  Bchloss  er  sich  an,  verfolgte  mit  regem  Interesse  die  politischen 
Ereignisse  in  den  Herzogtümern  and  führte  zu  den  Zeiten  der  Krise  ein 
genaues  Tagebuch.  1872  überbrachte  er  die  Glückwünsche  «Im-  Universität 
Kiel  zur  Einweihung  der  Strassburger,  im  selben  Jahre  nahm  er  als  ihr 
Vertreter  im  Herrenhaus  an  den  Abstimmungen  aber  «Im  Kirchengesetze 
teil.  Er  hatte  ein  paar  Monate  vorher  «las  Rektorat  aiedergelegt,  aachdem 
er  es  zwei  Jahre  hintereinander  geführt.  Wackernage]  in  Basel  zu  er- 
setzen, lehnte  er   L870  ab. 

Trotz  all  diesen  Ablenkungen  ruhte  weder  die  eigentlich  philologische 
Arbeit,  besonders  auf  dem  Gebiete  des  Uthoch  deutschen  —  ich  erwähne 
nur  die  von  Grammatik  und  Glossar  begleitete  Ausgabe  des  [sidor  — .  uoch 
auch  die  antiquarische.  Die  Abhandlungen  über  die  deutschen  Zwölfgötter, 
die  Polargegenden  Europas  mich  den  Vorstellungen  des  deutschen  Mittel- 
alters, über  die  Fried-  und  Freistätten,  die  Jahrteilung,  die  Monatnamen. 
dir  LVrsmiemiammi  des  Kirim'  Stadtbuchs,  Wesen  und  Recht  der  alt- 
deutschen Familie  gehen  uns  Daher  au.  auch  dir  Schrift  über  dir  gotische 
Sprache  im  Dienste  des  Christentums,  die  er  1870  seinem  Vater  /.um 
50jährigen  Amtsjubiläum  widmete.  Im  folgenden  Jahre  verlor  m-  ihn.  die 
Mutter  blieb  ihm  Ins  in  ihr  85.  Lebensjahr,  luv  L883  erhalten. 

Im  April  1876  t'as>tr  Weinhold  wieder  in  der  Heimal  Fuss:  er  war 
zum  zweitenmale  nach  Breslau  berufen  worden.  Seine  Lehrthätigkeil 
konnte  sich  hier  reicher  und  fruchtbringender  entfalten,  wir  dir  von  ihm 
für  Arbeiten  seiner  Schüler  begründeten  Germanistischen  Abhandlungen 
bezeugen.  Das  Handbuch  der  Mittelhochdeutschen  Grammatik  erwies  sich 
als  wünschenswert  und  ward  so  dankbar  aufgenommen,  dass  es  nach 
wenigen  Jahren  rinn-  aeuen  Auflage  bedurfte.  Spendete  es  doch  /.um 
ersten  Male  eine  Gesamtdarstellung  dm-  ober-  und  mitteldeutschen  Mund- 
arten vom  12.  bis  ins  14.  Jahrhundert  und  führte  wenigstens  /.um  Teil 
die  Alemannische  und  Haifische  Grammatik  fort.  Au-  dem  anhange  >\>-- 
trefflichen,  längst  eingebürgerten,  1850  zuerst  erschienenen  Mittelhoch- 
deutschen   Lesebuches    ging    dir    Kleine    mittelhochdeutsche    Grai atik 

hervor.  Auch  die  Ausgabe  des  Pilatus  und  der  Dichtungen  des  Franzis- 
kaners Lampreeht  von  Regensburg  gehört  in  dir  Sphäre  des  Mittelhoch- 
deutschen. Daneben  legte  Weinhold  von  seiner  Beschäftigung  mit  Lenz 
und  Goethe  durch  mehrere  Schriften  Zeugnis  ab  und  waltete  L879/80  <\>-> 
Rektorates. 


:;i:-j  Roediger: 

i  Jahre  Kühlte  Weinhold,  als  er  nochmals  und  zum  letzten  Male  den 
Schauplatz  Beines  Wirkens  wechselte  and,  wiederum  als  Nachfolger  Mfillen- 
hoffs,  Ostern  1889  einem  Rufe  nach  Berlin  folgte.  Er  war  in  dem  Alter. 
wo  man.  zumal  nach  so  rastloser  arbeit,  ausruhen  für  erklärlieh  und  er- 
laubt gehalten  hätte,  and  entfaltete  im  geraden  Gegensatz  dazu,  wie  mit 
frischer  Kraft  begabt,  die  regste,  vielseitigste  Thätigkeit.  Er  kam  allen 
Ansprüchen  des  Lehramts  und  des  Ordinariates  der  grossen  Universität 
mich,  erfüllte  alle  Pflichten  eines  Mitgliedes  der  Akademie,  hielt  Vorträge 
in  der  altangesehenen  Mittwochsgesellschaft,  begründete  diesen  Verein  für 
Volkskunde,  leitete  ihn  länger  als  zehn  Jahre  und  galt  ebenso  lange  seine 
Zeitschrift  heraus:  stand  zehn  Jahre  an  der  Spitze  der  von  Dilthey  ins 
Leben  gerufenen  Litteraturarchiv-Gesellschaft  und  trug  als  Siebziger  die 
schweren  Lasten  des  Universitäts-Rektors.  Wenigstens  blieben  Dank  und 
Anerkennung  nicht  aus.  weder  von  seifen  des  Staates  noch  der  Freunde, 
Schüler  und  Amt.sgenossen.  Die  Feier  seines  70.  Geburtstages  bewies  es.  in 
grossartigerer  Weise  noch  sein  goldenes  Doktorjubiläuni  am  14.  Januar  IDOL 
Zu  allen  Ehren  fügte  die  Göttinger  juristische  Fakultät  dem  Manne,  der 
als  Supplent  Jahre  lang  in  Graz  über  deutsche  Reichs-  und  Reclitsgeschiohte 
gelesen  und  von  seiner  jugendlichen  Abhandlung  über  Reipus  und  Achasius 
an  bis  zu  der  vom  Tius  Things  und  darüber  hinaus  so  manchen  fördernden 
Beitrag  zum  altdeutschen  Recht  gespendet  hatte,  der  in  seiner  Rektorats- 
rede kräftig  and  erfolgreich  für  ein  Wörterbuch  der  deutschen  Rechts- 
sprache eingetreten  war.  den  Doctor  iuris  honoris  causa. 

Still  wurde  am  .">.  März  1898  das  50jährige  Professorenjubiläum.  still 
1900  die  goldene  Hochzeit  begangen.  Weinholds  letzte  Schwester  Laura. 
die  verständnisvolle  Helferin  bei  seinen  schlesischen  Sammlungen,  die  auch 
zu  unserer  Zeitschrift  beigetragen  hat.  war  nicht  lange  vorher  gestorben, 
und  so  mancher  alte  und  jüngere  Freund  und  Arbeitsgenosse  in  den 
letzten  Jahren.  Zuerst  Zacher:  dann  Lexer,  Ignaz  A'ictor  Zingerle.  der 
Schlossherr  von  Gufidaun,  dem  für  Belehnung  mit  dem  Hexenturm  Wein- 
hohl einmal  in  einem  scherzhaften  mittelhochdeutschen  Poem  gedankt 
hatte:  Steinthal,  Schwarte,  Jahn.  Ihnen  allen  und  noch  manchem  anderen 
erwies  er. den  Dienst,  ihr  Leben  und  Wirken  für  die  Geschichte  aufzu- 
zeichnen. Er  empfand  diese  Verluste  als  leise  Mahnungen.  Der  Tod 
klopfte  an.  trat  nicht,  wie  in  jener  Inschrift,  die  der  Verblichene  uns  einmal 
mitteilte,  anangekündigt  zu  ihm  herein.  „Wie  lange  noch  ich  den  leitenden 
Stab  führen  werde,  liegt  in  Gottes  Hand",  schrieb  er  im  Jahre  1900.  Er 
war  nicht  mehr  so  wetterfest  wie  früher,  aber  noch  gleich  unermüdlich  in 
der  Arbeit  und  Forschung. 

Sie  gehörte  jetzt  weit  überwiegend  der  .Mythologie  und  Volkskunde. 
In  rascher  Folge  erschienen  die  grossen  akademischen  Vorträge  und  Ab- 
handlungen über  den  Wanenkrieg,  über  Kriegsaltertümer,  (Glücksrad  und 
Lebensrad,    über   das  Märchen    vom  Eselmenschen,    die  altdeutschen  Ver- 


til  Karl  Weinhold. 

winaohungsfornieln ,  über  heidnische  Riten,  die  Kennzahl,  die  Quellen- 
Terehmng.  An>  nnsrer  Zeitschrift  schliessen  Bich  ihnen  an  der  Auft 
Aber  den  Wettlanf,  den  Haseistrauch  and,  abgesehen  ron  der  Menge  der 
Anzeigen  und  Reoensionen,  schier  anzählige  kleinere  Beiti  ^  .  Ulem  ist 
Weinhold  gerecht  geworden,  was  aach  Beinern  Programm,  von  der  physischen 
Erscheinung  abgesehen,  der  volkskundliohen  Forschung  zufallt:  Nahrung, 
Tracht  und  Wohnung,  Sitte  and  Beschäftigung,  Religion  and  Aberglaube, 
Dialekte,  Formeln,  Namen,  die  Poesie  in  ihrem  ganzen  umfange,  die 
Kunst.     Und  wenn  wir  hinzunehmen,    was   er   sonsl   als  Phih  Bistet 

and  die  ganze  Fülle  ermessen,  so  ergreift  ans  sraunrii.lt'  Bewunderung 
aber  die  Ausdehnung  und  Bereitschaft  seines  Wissens,  «II«-  Schärfe  and 
Findigkeit  Beines  Blicks,  das  Geschick  Beiner  Kombinationen.  Bi  war  noch 
«■in  Philolog  nach  alter  Art,  der  die  ganze  Flur  zu  beackern  trachtete, 
nicht  mit  kleinen  Streifen  Bich  begnügte.  Kein  besserer  Herausgeber  der 
Zeitschrift  war  denkbar,  aber  niemand  kann  auch  ihr  und  den  Zielen  des 
Vereins  treuer  dienen,  als  er  es  rliat. 

Denn  unser  Verein  und  die  Wirkungen  und  Erfolge,  die  sich  an 
erkanntermassen  an  ihn  und  Beine  Zeitschrift  knüpften:  Aufschwung  und 
wissenschaftliche  Vertiefung  der  Volkskunde,  waren  Beines  Altera  Freude 
und  Stolz.  Wie  viel  mehr  Arbeit  hat  er  der  Zeitschrift  zugewandt,  als 
vor  Augen  liegt!  Wie  viel  Beiträge  Bind  durch  ihn  erst  geformt,  ange- 
schrieben und  druckfähig  gemacht  worden,  wie  viel  Übersetzungen   I 

selbst  angefertigt  oder  anfertigen  lassen!     Alles  in  der  Stille  "I I\ ' 

und  Rühmen,  ohne  des  Zeit-  und  Geldaufwandes  und  der  Arbeit  zu  achten. 
Nie  hat  er  sich  seine  Auslagen  ersetzen  lassen,  nie  hat  er  das  ausgeworfene 
Redaktionshonorar  angenommen  und  ist  darüber  hinaus  noch  dem  Verein 
ein  stiller  Wohlthäter  gewesen.  Mancherlei  Sammlungen  und  Aufzeich- 
nungen hat  er  ihm  testamentarisch  zugewiesen,  und  dies  Vermächtnis  ist 
von  seiner  Witwe  noch  freigebig  vergrössert  worden.  Beiden  danken  wir 
von  Herzen. 

Weinhold  erschien  manchem  stolz  und  anzugänglich:  allein  er  war 
frei  von  Überhebung,  hielt  nur  darauf,  dass  ihm  zu  teil  wurde,  was  er  nach 
Verdienst  und  Stellung  beanspruchen  durfte  und  verschwendete  nicht  gern 
Zeit  und  Worte.  Sein  Herz  war  liebevoll  und  teilnehmend,  und  er  zögerte 
nicht  zu  helfen,  wo  er  konnte.  Er  war  ernst,  besonders  in  den  letzten 
Jahren,  wo  mancherlei  Trübes  ihn  befiel,  aber  kein  Feind  der  Freud. •  und 
des  Scherzes,  den  auch  er  zu  üben  verstand.  Seine  Meinung  und  sein 
Urteil  hat  er  nie  verhohlen  uder  verhüllt:  man  wusste  Btets,  wie  man  mit 
ihm  daran  war.  und  war  seiner  sicher  —  denn  er  war  treo  und  ehrlich, 
und  krumme  Wege  ist  er  nie  _ 

Er  war  erfüllt  von  jenem  Gefühl  der  Pflicht,  mit  dem.  wie  er  kernig 
in  seiner  Rede  heim  Antritt  des  Berliner  Rektorat  inde  Teil 

unseres  Volkes  jeden  Morgen  aufsteht  und  jeden  Abend  Bich  niederlegt,  und 


;;r,4  ßoediger: 

wollte  Belbst  in  der  Letzten  Krankheit  nicht  eher  ruhend  sich  erholen,  als  bis 
er  vrosste,  dase  wenigstens  für  Seminar  und  Vorlesung  iresonrt  sei.  An  seinem 
Todestage  wollte  er  sich  erheben,  «Im  er  ins  Kolleg  gehen  müsse.  Sein 
Abschiedswort  an  mich  galt  unserer  Zeitschrift,  and  aus  Nauheim  noch  hat 
der  vom  Tode  Gezeichnete  den  Text  unseres  Glückwunsches  zu  Virchows 
80.  Geburtstag  eingesandt.  „Pflicht  zur  Arbeit  ist  die  Losung  für  uns  alle!" 
—  d;is  rief  unser  Meister  als  Rekter  Kidlegen  und  Studenten  zu,  daran 
soll  uns  sein  Bild  mahnen,  das  von  nun  an  auf  unsere  Versammlungen  blicken 
wird.  Arbeiten  wir  daran,  ein  jeder  nach  Pflicht  und  Vermögen,  dass  seine 
Schöpfung  bestehen  bleibe  und  gedeihe,  dem  deutschen  Volkstum  zum 
Nutzen,  Weinholds  Namen  zur  Ehre! 


Chronologisches  Verzeichnis  der  Schriften  Weinholds.1) 


1843. 

Muscn-Almanach  der  Universität  Breslau  auf  184)5.    Herausgegeben  von  Dr.  Freytag. 
| Breslau.]    Darin:  Drei  Gedanken.    Meine  Liebe.    Mein  Rittertum.    Nachbarlich.    S.  91— 95. 

1846. 

Spicilegium   forniularum    quas    ex    antiquissimis    Germanorum    carminibus    congessit 
Carolas  W.  Phil.  Dr.     Halis.     32  S. 

1847. 

Aufforderung  zum  Stoffsammeln  für  eine  Bearbeitung  der  deutsch-schlesischen  Mundart. 
Reichenbach,  28.  Febr.  1847.    (Benutzt  in  der  Schrift  Über  deutsche  Dialektforschung  1853.) 

1848. 
Zu  Völuspä.     Ztsclir.  f.  deutsches  Altertum  6,  311—318. 

Ein    gläzisches    Christkindelspiel.     Ebenda  S.  340— :»19.     (Verbessert   in    den   Weih- 
muhtspielen,  1853,  S.  110 ff.) 

Xiördr.    Nordr.    Niörun.    Norn.    Neorxu.    Ebenda  S.  -iliOf. 
Frau  kein  wildes  Tier.     Ebenda  S.  462—464. 
Frau  Zucht.     Ebenda  S.  464 f. 

1849. 

Die  Sagen  von  Loki.     Ztscbr.  f.  deutsches  Altertum  7,  1 — 94. 
Reipus  und  Achasius.     Ebenda  539 — 544. 


1)  Dankbar  hebe  ich  die  Unterstützung  hervor,  die  mir  bei  dieser  Zusammenstellung 
Frau  Geheimrat  Anna  Weinhold,  Joh.  Bolte  und  Herr  Direktor  Dr.  Ippel  von  der 
Königlichen  Bibliothek  haben  angedeihen  lassen.  Auch  den  Herren  Professoren  Grün- 
hagen und  Vogt  in  Breslau  sowie  Dr.  Max  Herrmann  in  Berlin  bin  ich  für  gütige 
Mitteilungen  verpflichtet.  Letzterer  wies  mir  einige  Stücke  nach,  die  in  der  Bibliothek 
deutscher  Privat-  und  Manuskriptdrucke  zu  Berlin  aufbewahrt  werden.  Aus  der  Zeitschrift 
unseres  Vereins  sind  nur  die  Artikel  aufgenommen,  zu  denen  sich  Weinhold  durch  Unter- 
schrift bekannt  hat. 


\  •  rzeichnis  di  r  Schrift  n  W<  ini 

|sj(t. 

Mittelhochdeutsches    Lesebuch     Mit    einer  Laut-    and   Formenlehre  :'    (hoch- 

deutschen und  einem  WortreneichniE     .    Wien.    N  III.  !-  - ■•!. 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  mn.  1.  S.  Lehrbfichei 

für  Obergymnasien  [Beilhack  un<l  Vollmer,    tJbersichi    der  sprachlichen   und  litl 
Denkmäler.    Kehrein,  Proben.    Henneberger,  Lehrbuch,    Schädel  und  Kohlrausch,  Eiern« 
Irach.  Gödeke,  Elf  Bücher  deutscher  Dichtung  .  Elandbucb  derdeul 

Litteraturgeschichte.    915—917  Auras  und  Gnerlich,  D  buch. 

1851. 

Berichtigungen   zu  Weinholds  Mittelhochdeutschem   Lesebuche.     Ztschr.  t  d. 
Gymn.  2,  170—172. 

Die  deutschen  Frauen  in  dem  Mittelalter.    Ein  Beitrag  zu  den  Hausaltertüm«  i 
Germanen.     Wien.     VI,  498  S.     VgL  1882.   L897. 

Receusioneu  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  2,  S.  61     65  Biselein,    Sprachlehre 
für  Schulen.     F.  Bauer.   Nhd.  Grammatik.    Vilmar,   Grammatik.    Halm.  Grammatik 
bis  224  Küster,  Die  poetische  Litteratur  der  Deutschen.    329—332  Ph.  Wackernagel,  Edel- 
steine  deutscher   Dichtung.     471 — 475   Diefenbach,    Pragmatische   deutsehe   Bprachlehre. 
555—557  Stamm,  Vorschule  zum  Ulfila.     727 — 7."»5  Götzinger,  Deutsche  Bprachlehre. 
feller.   Leitfaden   zum  Studium  der  deutschen  Sprache.    817—826  Schäfer,    Grundri 
Geschichte  der  deutschen  Litteratur.   W.  Wackernagel,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  I 
Hiilebrand.    Die  deutsche  Nationallitteratur.    871—874  Heyse,    Deutsche  Schulgrammatik 
.  Leitfaden.    E.  Schäfer,  Leitfaden  beim  unterrichte  in  der  deutschen  Sprache. 

1852. 
Deutsches  und  Slavische.-  aus  der  deutschen  Mundarl  Schlesiens.    Zeitschr.  f. 
Sprachforschung  1,  245—258. 

Über  deutsche  Rechtschreibung.     Zeitschr.  f.  d.  5sterr.  Gymn.  3,  93 
Recensionen  ebenda  S.  44-47  J.  Zingerle,  Tirols  Anteil  an  der  Üonal- 

littoratur.    H.  Kurz,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur.    BartheL  Die  deutsche  National 
litteratur.     159— 472  Schmitt,  Ayrer.    Guttmann,  Opitz.    J.  Herrmann,  Gryphius.    Pi 
Lohenstein.    638- (342  Kelle.   Lehrbuch    der  deutschen  Sprache.     Zeising,    Grammatik  dei 
deutschen  Sprache.    Zeising.  Leitfaden. 

1853. 

Über    deutsche  Dialektforschung,    die  Laut-    und  Wortbildung    und 
schlesischen  Mundart.    Mit  Rücksicht  auf  Verwandtes  in  deutschen  Dialekt 
Wi.n.    VI,  144  S.    Vgl.  1847. 

Weihnacht-Spiele   und  Lieder   aus  Süddeutschland  und  Schlesien.     Mil  Einlei 
und  Erläuterungen.    Mit  einer  Musikbeilage.    Graz.    VIEL,  456  S.     Neu<    Titel- 
Wien  187."). 

Zur  Kenntnis  der  deutschen  Philologie.     Mit  Rücksicht  auf  ihn 
Österr.  Blätter  f.  Litteratur  u.  Kunst.    Beilage  zur  Österr.-Kaiserl.  Wiener  Zeitung  No.  44 
bis  47.  50-52. 

Zur  Beurteilung  der  Beckcrschen  Grammatik.     Ztschr.  f.  d  il— 7R 

Recensionen  ebenda  S.  119-121  Huhn.  Geschichte  der  deufe 
Sengschmitt,  Österreichische  Volkssprache.    Bahr,  Das  deutscl  Baumgarten,  M    I 

Bernd.   Ayrenhoff.    Graf.   Goethes  Leben.    385  F.  Bauer,  Nhd.  Grammati]  unm, 

Das   Nibelungenlied.     577—579  W.  Wackernagel  ite    der    d<  ratur. 

H.  Kurz,  Geschichte  der  deutschen  Litteratur.    Sehr  dchte  der  ratur. 

1854. 

Die  Bauernspiele  iu  Innerösterreich.    Deutsche  Wochenschrift,  her» 
S.  147— 15G. 

Deutsche  Philologie.    Ebenda  S.  239-247. 

Über  Dichtungen  in  den  deutschen  Mundarten.     Ebenda  S.  641- 


Roedi 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  öaterz.  Gymn.  5,  S.  38 — 40  Kehrein,  Grammatik 
der  "li'l.  Sprache;  Schulgrammatik.  Lüning,  Scliulgrammatik.  313 — 316  Schaefer,  Tabellen 
zur  deutschen  l.itteratur.  San-Marte,  Walther  von  Aquitanien.  Barthel,  Leben  Hartmanns 
von  Au<\     552-554    J.  W.  Wolf,    Deutsche  Götterlehre.     Colshorn,   Deutsche  Mythologie. 

1855. 
Zum  24.  Januar  1856.    4  S.    [Gedicht  zu  Holteis  Geburtstage.) 

Beitrage  zu  einem  schlesischen  Wörterbuche.  1.  Abt.  A— I..  55  S.  2  Abt.  M— Z 
S.  .".:>  — 11U.  Anhänge  zum  14.  und  16.  Bande  der  Sitzungsberichte  der  phil«».-histor.  Klassi 
der  Wiener  Akademie.    Vgl.  1900. 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  6,  S.  56—58  Hofl'mann  und  Schade. 
W  riniarisches  Jahrbuch  I.  377 — 379  Pangkofer  und  Frommann,  Deutschlands  Mundarten 
I — II.  379f.  f.übben,  Wörterbuch  zu  der  Nibelungen  Not.  611 — 613  Schier,  Vergleichuug 
der  slavischen  Sprache  mit  der  deutschen.  Schöpf,  Volksmundart  in  Tirol.  Schopf,  Ulrich 
von  Liechtenstein.  K.  Werner,  Kulturgeschichte  vou  Iglau.  Schuldramen  in  den  Piaristen- 
schulen  (anonym).     Schröer,  Lesebuch  für  Mittelschulen. 

1856. 

Altnordisches  Leben.     Berlin.     VIII.  512  S. 

Das  deutsche  Weihnachtsfest.     Die  Grenzboten  Jahrg.  1856,  4,  441  —  448. 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  7,  S.  283 f.  Januta.  Übersetzung  von 
Psalmen  aus  dem  14.  Jahrb.  Haltrich,  Zur  deutschen  Tiersage.  Schröer,  Beitrag  zur 
deutschen  Mythologie  aus  Ungern. 

1857. 

Über  den  Dichter  Graf  Hugo  VIII.  von  Montfort,  Herren  zu  Bregenz  und  Pfannberg. 
Mitteilungen  des  Historischen  Vereines  für  Steiermark  7,  127  —  180. 

Über  das  Bruchstück  einer  Handschrift  von  Philipps  Marienleben.    Ebenda  S.  181— 1S4. 

Gunnlaug  Schlangenzunge.  Ein  altnordisches  Dichterleben.  (Nach  dem  Isländischen.) 
In:  Für  den  Friedhof  der  evangelischen  Gemeinde  in  Gratz  in  Steiermark.  Erzählungen, 
vermischte  Aufsätze  und  Gedichte  von  126  deutschen  Gelehrten.  Schriftstellern  und  Dichtern. 
.  .  .  Braunschweig.  Wien  und  Gratz.     S.  250—263. 

Karl  von  Holtei,  Schlesische  Gedichte.  3.  Auflage.  Mit  einem  Glossar  von  K.  W. 
Breslau.     Für  die  9.  Aufl.  (1865)  und  auch  später  noch  überarbeitet  und  erweitert. 

Züge  aus  dem  Leben  der  süddeutschen  Bauern  des  13.  und  14.  Jahrhunderts.  Ztschr. 
f.  deutsche  Kulturgeschichte,  herausg.  von  Müller  und  Falke  2,  467  —  477. 

Auf  einer  steirischen  Alm.     Westermanus  Illustrierte  Monatshefte  2,  259 — 261. 

Über  einige  Reihen  oberdeutscher  Geschlechtsnamen.    Deutsche  Mundarten  4,  198—20?. 

Die  deutschen  Mundarten.  Über  Frommanns  Monatsschrift.  III.  Bd.  Die  Grenzboteu 
Jahrg.  1857,  1,  321—332. 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  8,  S.  288 f.  Lexer,  Der  Ablaut  in  der 
deutschen  Sprache.     289  Schuster,  Wodan. 

1858. 

Aufruf  zu  einer  Sammlung  der  steirischen  Volkslieder  und  Volksreime.  Graz  im 
April  1858.    Der  Ausschuss  des  Histor.  Vereines  für  Steiermark.    2  S. 

Über  ein  zu  Strassengel  aufgedecktes  Grab.  Mitteilungen  des  Histor.  Vereines  für 
Steiermark  8,  140—150. 

Die  Riesen  des  germanischen  Mythus.  Sitzungsberichte  d.  Wiener  Akademie,  philos.- 
histor.  Kl.,  Bd.  26,  225—306. 

I  ber  den  ersten  der  beiden  durch  v.  Karajan  iüngst  veröffentlichten  Sprüche  aus 
heidnischer  Zeit.     Ebenda  28,  281—284. 

1859. 

Ein  schön  neu  Lied  in  verschiedenen  Tönen  zu  singen  von  einem  Junker  aus  der 
Schlesien  wie  es  ihm  wunderlich  ergangen  ist.  Sehr  nützlich  und  lieblich  zu  lesen  und 
hören.  Zuvor  im  Drucke  nicht  gesehen.  [Holzschnitt:  Zwei  Ritter.^  Gedruckt  in  diesem 
Jahr.    8  S.     (Zu  K.  von  Holteis  Geburtstag,  24.  Jan.) 


Golegenheits-Spiel  zum  24.  Januar  1859.     N-  '  i r uck* . 

Beate  Frau  A.  Weinhold.    Rate!  K.  Weinhold 
Steirische  Bruchstücke  artdeui  chdenknu 

-    iermarh  '.',  51     60. 

über  das  deutsche  Volkslied  in  Steiermark.     Ebenda  B 
Die  heidnische  Totenbestattung  in  Deutsehland.     L.  Abi 
Wiener  Akademie,  philos.-histor.  Kl.,  Bd.  29,  117—204.    2.  Abt.  (mit    '  I 
171—226. 

rede  auf  Schiller,     Am  10   November  1859  in  der   ! 
ii.    Zum  Besten  der  Schillerstiftung  gedruckt    Gl 

1866. 

Über  den  Anteil  Steiermarks  an  der  deutschen  Dichtkunst  des  13.  Jahrbu 
Vortrag,    gehalten    in    der   feierlichen    Sitzung    der  Wiener   Akademie    am  21.  M 
Wien.    35  S. 

den    Beilaul    mit    besonderer    Bücksicht    auf  den   alemanniscl 
Sitzungsher.  der  Wiener  Akademie,  philos.-hist.  Kl..  Bd  151. 

Der  Minnesinger  von  Stadeck  und  sein  Geschlecht.    Ebenda  8.  L52 
Vor  hundert  Jahren.    Ein  deutsch  nbild.    Erzählung  in    I 

der  Grazer  Tag< 

1861. 

Grab-Altertümer  aus  Klein  Glein   in  üntersteiermark.     Mitteilun 
Vereines  für  Steiermark  10,  265—96. 

1862. 

Martin  Opitz  von  Boberfeld.    EinVortrag  in  der  Barmonie  zn  Kiel  am  L6 
gehalten.    Kiel.    31  S. 

Über   die    deutsche  Jahrteilung.    Rede,  am  6.  Oktober  1862  gehalten.    Schrift 
Universität  zu  Kiel  Bd.  9,  1862.     VI.  3.    20S.     I  . 

Mittelhochdeutsches  Lesebuch.    2.  umgearbeitete  Auflage.    Wien.    VII,  286  8.     V( 
1850.  L874.  1891. 

Schlesien  in  mythologischer  Hinsicht.    Schles.  Provinzialbl&tter  N.  I'.  L,  I 

Schlesien  in  sprachlicher  Hinsicht.    Ebenda  2,  521     524. 

1863. 

Alemannische   Grammatik.      Grammatik    der   deutschen    Mundarten.     1. 
alemannische  Gebiet.)    Berlin.    XVIII,  477  S. 

Bemerkungen  gegen  Hern.  Pro£  Franz  Pfeiffers  -  *on  Weinholdfl  Mittelhoch- 

deutschem Lesebuch.    Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  N,  ö       I,  8.  1— 4.    1 

ebenda  13,  723—30  Pfeiffers  Becension. 

Rede  auf  Jakob  Grimm.    An  der  Kieler  I  oiversil  it  ai     !.  Nov.  18 
der  Universität  zu  Kiel  Bd.  1".  1863.     VI,  l. 

1864. 

Über  die  deutsehen  Fried-  und  Freistatten     Einladungsschrift.    Schriften  der  I 
zu  Kiel,  Bd.  11,  1864.    VI,  1.     19  8.     4  . 

Mitteilungen   zur  Altertumskunde    der  Her  Holstein   und 

bürg.    Heransgeg.  von  Prof.  Dr.  K.  W.     KtoL  24.  Bericht  der  Bchlesw.  Ii 

Gesellschaft  für  die  Sammlung  und  Erhaltung  vatarlindiacher  Altertümei 
Die  Einteilung  der  Heidengräber.     3  1-1-'' 
maerker  I.     42—49  Anzeige  von  Kembb\  Hr.      Gaufea, 

Karl  Bartsch,  Schlesische  Märchen  und  Sagen.     Sehka.  Previnziatt 
S.  224-226,  und  4  (1865),  S.  25-27.  91.      Naeh  Ansögen  aus  Weinholds  I  -  »unter 

Sammlung.) 


Rocdiger: 

IMS. 

Über  das  Komische  im  altdeutschen  Schauspiel.  Jahrb.  f.  Littgesch.  von  Gosche  1,  1-44. 
Nekrolog   auf  Wilhelm   Junghans   von   W[einhold].    fOtto|  R|ibbeck].    Chronik   der 
Universität   K  i  ■  1  1865,  8.  4 — 6. 

1S67. 

Jahrbücher  für  die  Landeskunde  der  Herzogtümer  Schleswig,  Holstein  und  Lauenburg 
Bd.  '.'.  Darin  S.  31—39  Beitrag  zur  Kunde  von  Kiel  im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert. 
S.  40—106  die  Personen-Namen  des  Kieler  Stadtbuchs  von  1264-1288.  S.  142—150  Über 
Franz  Hegewisch.  S.  101  — 154  Sigmunds  von  Herberstein  Reise  durch  Holstein  und 
Schleswig.     S.  155—157  J.  M.  Lappenberg. 

Bairische  Grammatik.  (Grammatik  der  deutschen  Mundarten.  2.  Teil.  Das  bairische 
Gebiet.)     Berlin.     XVI,  394  S. 

1868. 

Heinrich  Christian  Boie.  Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  im  18.  Jahr- 
hundert. Halle.  X,  389  S.  (Dazu  eine  berichtigende  Selbstanzeige  Zeitschr.  f.  deutsche 
Philol.  1,  378  ff.) 

1869. 

Der  Tannewetzel  und  Bürzel.     Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  1,  22 — 24. 

Die  deutschen  Zwölfgötter.     Ebenda  S.  129—132. 

Selbstanzeige  von  Boie  (1868).     Ebenda  S.  378-388. 

Die  deutschen  Monatnamen.  Halle.  [Der  germanist.  Abteilung  der  27.  Versammlung 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  zur  Begrüssung  in  Kiel  am  27.  Sept.  1869.] 

Ei  du  goldne  Tafellust,  Lass  dich  nun  besingen.  Tischlied,  gesungen  bei  der  Philo- 
logenversammlung in  Kiel  1869.    6  Strophen  nach  der  Melodie  Mihi  est  propositum.  1  S.  4". 

Zum  26.  [korrigiert  in  16.]  November  1869.    (Festspiel  in  Versen.)    8  S. 

Friedrich  Heinrich  Jacohi.  Preuss.  Jahrbücher  24,  645—678.  (Bespricht  Zoeppritz, 
Aus  Jacobis  Nachlas*.) 

1870. 

Die  gotische  Sprache  im  Dienste  des  Christentums.  Festschrift  zu  dem  50jährigen 
Amtsjubiläum  seines  Vaters  Herrn  Pastor  primarius  K.  Weinhold  in  Reichenbach  in  Schlesien 
von  Dr.  K.  W.,  ord.  Professor  an  der  Universität  Kiel.     Halle.     38  S. 

G.  F.  E.  Schönborns  Aufzeichnungen  über  erlebtes.  Herausgeg.  mit  Einleitung  und 
Beigaben.     Zeitschr.   d.  Ges.  f.  d.  Gesch.  d.  Herzogt.  Schleswig,   Holstein  und  Lauenbuii: 

1.  129—220. 

Bruchstücke  von  vier  Handschriften  des  jüngeren  Titurel.     Ztschr.  f.  deutsche  Philol. 

2,  80—108. 

Bericht  über  die  Verhandlungen  der  Germanistischen  Sektion  auf  der  27.  Versammlung- 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  zu  Kiel.  (Am  27. — 30.  September  1869.)  Ebenda 
S.  216—219. 

Recension  von  Andresen,  Sprache  J.  Grimms.    Ebenda  8.376  f. 

1871. 

Die  Polargegenden  Europas  nach  den  Vorstellungen  des  deutschen  Mittelalters. 
Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie,  philos.-histor.  Kl.,  Bd.  6S,  783—808. 

Recensionen  in  der  Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  3,  S.  244— 216  Haym,  Romantisch.- 
Schule.  370—372  Redlich,  Poetische  Beiträge  zum  Wandsbecker  Bothen.  481— 4*3  v.  Raumer, 
Geschichte  der  germanischen  Philologie. 

1872. 

Über  die  Bruchstücke  eines  niederfränkischen  Gesprächbüchleins.  Sitzungsber.  der 
Wiener  Akademie,  philos -histor.  KL,  Bd.  71,  767—806. 

Von  dem  geselligen  Ton  der  höfischen  Zeit  unsers  Mittelalters.  Zeitschr  f.  deutsche 
Kulturgeschichte,  herausgeg.  von  Müller,  N.  F.  1,  31 — 36. 

Anton  Matthias  Sprickmann.     Ebenda  S.  261 — 290. 

Maler  Müller  und  Goethe.     Preuss.  Jahrbb.  30,  51 — 67. 


Vera  Lei  i  dda 

1873. 

Die    deutsche   geistige  Bewegung  \..r  hundert  Jahrei 
1-873.    Bchriften  der  Universität  zu  Kiel  Bd.  20,  L878.     VI  i  . 

Walwein,  Der  Abenteuer  Vater.    Ein  Bild  an  tachr 

f.  deutsche  Külturgesch.,  N.  I  .  2,  129     155. 

I»i.     Zimmerische    Kronik    über   d  ienburgis< 

Schleswig  und  Solstein.     Zeitschr.  d.  Ges.  f.  d.  Gesch  in  u. 

Lanenbnrg  3,  125—130. 

IS74. 

l>i.'    altdeutschen  Bruchstück  Bischof  illa  de  ßde 

catholica  contra  Jndaeos.  Nach  der  Pariser  und  Wiener  Hs.  mit  Abhandlung  und  G 
herausgegeben.  Bibliothek  der  ältesten  deutschen  Litteratur-Denkm&ler.  VI.  Bd  I 
hörn.     133  S. 

Zur   Erinnerung  an  Hoffmann  von  Fallersleben.    Schles.  Provinzialbl&tter,    N    i.   I! 
121—1 

Dr.  Rudolf  Usinger,  ord.  Prof.  der  Geschichte  an  der  üniversitäl  Kiel,     i 
lauf.    Schriften  der  Universität  zu  Kiel  Bd.  21,  1874.     VI,  4      I     - 

Zur  Erinnerung  an  Theodor  Jacobi.     Zeitschr.  f.  deutsche  Philol.  5 

Recension  von  Andrescn,  Altdeutsche  Personennamen.    Ebenda  S.  I20f. 

J.  M.  R.  Lenz  ist  Verfasser  der  Soldaten.     Ebenda  S.  199    201. 

Beiträge   zu  Maler  Müllers  Leben  und  Schriften.    Archiv  für  Littgesch.  • 

Mittelhochdeutsches  Lesebuch.    Mit    einer   kurzen  Grammatik   des  Mhd.   und    einem 
Glossar.    3.  durchgesehene  Auflage.    Wien.     IV,  277  S.     Vgl.  1850.  18 

Wesen   und  Recht  der   altdeutschen  Familie.    Zeitschr.  f.  deutsche  Kulturgeschichte 
N.  F.   1.  1—21. 

Baudissin,  Gräfin  Karoline  Adelheid  Cornelia  v.     All-,  deutsch«   Biograp] 

Jahresbericlit  für  1873 — 74  an  die  Gesellschaft  erstattet.     Ztschr.  d.  Ges.  f.  Seh 
Holstein-Lauenburg.  Gesch.  5,  390 

|s7l>. 
Die  Sprache  in  den  altdeutschen  Predigten  und  Gebeten,     tn  Wackernagels  All 
Predigten       i  .  Basel,  S.  146—516.     Nach  der  Schlussbemerkung  1871  goschri 

Karl  Simrock.     Ein  Nachruf.    Schles.  Presse  vom  25.  Juli,  No.  511. 
Boie,  Heinrich  Christian.    Allgem.  deutsche  Biographie  :'.,  85. 
Brückner,  Ernst  Theodor  Johann.     Ebenda  S.  '■■ 
Brun,  Friederike.     Ebenda  S.  438. 

usion  von  Andnv-.  Ti.  Deutsche  Volksetymologie.    Ztschr.  f.  deutsch   Philol.  i 

1877. 

Mittelhochdeutsche  Grammatik.    Ein  Handbuch.    Paderborn.    XII,  525  S.     Vgl 
Zu  dem  deutschen  Pilatusgedicht.  räche  und  Heimat.    Zeitschr.  f.  deutsche 

Philol.  8,  253-288. 

Schildereien  aus  Tirol.     Von  Ign.  V.  Zingerle.     Seh 

1878. 

Rede  bei  der  Feier  des  80.  Geburl  url  von  Holteia  am  24.  Januar  187&    Mit 

Prolog  von  Max  Kalbeck.    Zum  Besten  der  Holteistiftung  -.druckt.     Breslau. 

Seiner  Hochehrwürden  Herrn  August   Baumj  c  von  Fürstenau    zum  30.  .März 

1878  in  Freundschaft  gewidmet  von  K.  W.,    Dr.  phü.  Prüf.  ord.  Vratislav.     Der  pfaffeheit 

ist  gar  not  guoter  künste  unde  guoter  wisheit.     Br.  Berthold  von  Reg 
wovon  4  S.  ein  Gedicht  in  Blankversen. 

Ein  unbekanntes  Gedicht  Höltys.     Archiv  f.  Littgesch.  7.  187—194. 
Grätin  Aenes  zu  Stoiber?.     Von  ihr  und  über  sie.     Ebenda  S.  204  —  : 
Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


870  1; l]-'v 

IST«). 
Anmerkungen  zu  dem  Text  der  Schweidniteer  Chronisten  im  XL  Baude  der  8criptoree 
rerum  Silesiacarom  [Breslau  1878).    ZtBchr.  d,  Vereine  t  Gesch.  u.  Altertümer  Schlesiens 
iL  678-  681. 

1880. 

Lamprecht  von  Regensbnrg,  Sand  Francisken  Lehen  and  Tochter  Syon.  Zum  '-rstcn 
Mal  heransg.  von  K.  W.    Paderborn     VI,  645  S. 

August  Baomgart,  Biblische  Festblüten  für  das  evangelische  Kirchenjahr.  Mit  einem 
Vorwort  von  Prof.  Dr.  K.  W.  Striegan.  [Baomgart  gehörte  dem  Strachwitzschen  poetischen 
Kränzchen  an.     Gedichte,  daher  auch  das  Vorwort  (S.  III  — V)  in  Blankversen.] 

Ein  Tag  in  Vilnöss.     Schles.  Presse  vom  26.  Sept .  erste  Beilage  zu  No.  676. 

Recension  von  Bintz,  Leibesübungen  des  Mittelalters.  Litteratnrbl.  f.  germ.  u.  rom. 
Philol.  1,  269. 

Recension  von  Amelie  Sohr.  Heinrich  Rückert  in  seinem  Lehen  und  Wirken  dargestellt. 
Schles.  Presse  No.  865. 

1881. 

Kl<  ine  mittelhochdeutsche  Grammatik.     Wien.     IV,  100  S. 
Karl  von  Holtei.     Westennanns  Illustr.  deutsche  Monatshefte  50,  228—245. 
Recension  von  Staub  uud  Tobler,  Schweizerisches  Idiotikon,  1.  Heft.    Litteratnrbl.  f. 
germ.  und  rom.  Philol.  2,  393  f. 

Recension  von  Schlossar,  Volkslieder  aus  Steiermark.     Ebenda  S.  429 — 431. 

1882. 

Die  deutschen  Frauen  in  dem  Mittelalter.  "2.  Aufl.  2  Bände.  Wien.  VI,  413  und 
375  S.    Vgl.  1851.  1897. 

Recension  von  Henning,  Das  deutsche  Haus.  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  Philol. 
3,  409—413. 

Drei  Gedichte  von  Jac.  M.  R.  Lenz.  Zu  Weihnachten  1882  einbeschert  von  K.  W. 
Als  Handschrift  gedruckt.     4  S. 

1883. 

Mittelhochdeutsche  Grammatik.     2.  Ausgabe.     Paderborn.     XII,  604  S.    Vgl.  1877. 
Luther  als  Vorbild  für  das  deutsche  Haus.     In:  Luther- Vorträge,  gehalten  zu  Breslau 
aus  Anlass  des  40<  »jährigen  Luther-Jubiläums.     Breslau.     S.  53 — 85. 

1884. 

Dramatischer  Nachlass  von  J.  M.  R.  Lenz.  Zum  eisten  Male  herausg.  und  eingeleitet 
von  K.  W.     Frankfurt  a.  M.     VIII,  337  S. 

Recension  von  Staub  und  Tobler,  Schweizerisches  Idiotikon,  H.  1—6.  Litteraturbl. 
f.  germ.  u.  rom.  Philol.  5,  352  f. 

Philo  vom  Walde  [Johann  Reinelt],  Schlesien  in  Sage  und  Brauch.  Mit  einem  Vor- 
wort [S.VIIf.J  von  K.  W.     Berlin. 

'   1885. 
Jakob  Grimm,     /um  4.  Januar  1885.    Die  Nation  No.  15,  S.  197 — 199. 

1880. 
Gustav  Freytag.    Deutsche  Dichtung  1,  29—31. 

Fürst  von  Pückler-Muskau.     Daheim  22.  Jahrg.,  No.  47,  S.  740—746. 
Zur  Notiz.     Litterar.  Centralbl.  No.  30,    S.  1038.     (Ankündigung    des  Neudrucks  von 
Lenzens  1782  erschienener  Sizilianischer  Vesper;  vgl.  1887.") 

1887. 
Die  Sizilianische  Vesper.     Trauerspiel  von  J.  M.  R.  Lenz.    Herausgegeben  von  K.  W. 
Breslau.     VIII,  72  S. 

Ein  Brief  lein  Goethes  an  Lenz.     Chronik  des  Wiener  Goethe  Vereins  2,  27  f. 


Verzcichi  • ;  -  I 

Zur    Entwickelungsg  aamen    im 

Vereins  f  Gesch.  u.  Altertümer  Schl<  sii  n 

Die  Verbreitung   and    die    Herkunft    der   Deutschen 
deutschen  Landes-  nnd  Volkskunde  herausg.  von   \.  Kirchi  -jii. 

art. 

Isss. 

Gräfin  Auguste  zu  Stolberg  über  Goethes  Werther.    I  hronil 
3,  23f. 

Julius  Zacher.    Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Philologie.    Zeil 
Philologie  20,  385—429. 

Ein    Buch  über  Schlesien.    National-Ztg.  vom   i.  Dezember. 
Schlesien.    3  Bde. 

ISS'.I. 

Tius  Things.    Zeitschr.  f.  deutsche  Piniol.  21,  1— lti. 

Friedrich  Becker.    Nekrolog.     Ebenda  S.  73 — 75. 

Recensionen.    Ebenda  S.  122— 125  Socin,  Schriftsprache  und  Dialekte. 
Sprache  Dlrichs  von  Eschenbach.    S.  254f.  Specht,  Gastmähler  und  Trink 
•  hen. 

Hede   bei    Enthüllung   des    Denkmals    Walthers   von    der  Vogelweide    zn    Bozen    am 
15.  September  1889  gehalten.    Als  Handschrift   des  Verfa    ■»     gedruckt     Reichenbach  in 
Schi.    8  S.    Wiederholt  im  Archiv  f.  d.  Studium  der  neueren  Sprachen  und  Litteratm 
1890),  S.  115—117. 

Knebel  über  Goetlm   1780.     Von   Knebel    an   Lavater.     Chronik    des   Wiener  Goethe- 
Vereins  4,  53—55. 

Anfang   eine<   phantastischen   Romans  von  Lenz,  von    dessen  eigner  Hand.     Mi!  an 
merkungen.     Goethe-Jahrbuch  10.  46—70.    89     105. 

Goethes  Werke    herausgegeben    im   Auftrage    der  Grossherzogin   Sophie  von  Sach 
10.  Bd.    Weimar.    Darin  Torquato  Tasso  herausgegeben  von  K.W.   Vergl.  dazu  den  Bericht 
im  Goethe-Jahrbuch  11  [1890  .  210. 

IsOO. 

Was  soll  die  Volkskunde  leisten?    Zeitschr.  f.  Völkerpsychol.  20,  1 

Goethe  oder  Lenz?     Zum  Gedicht:  „Ach,  bist  du  fort?",     ('hronil,  .!  sWienei 
Vereins  .">,  18f. 

Antrittsrede  bei  der  Aufnahme  in  die  Berliner  Akademie.    3.  Juli   1890.    Sitzung  I 
der  Berliner  Akademie  L890  XXXIV,  S.  \ 

Über  den  Mythus  vom  Wanenkrieg.    Ebenda  XXIX,  S.  611—626. 

Recensionen:    Zeitschrift  für  deutsche  Philologi  :    f.  Lüning,    Die  Natur.    247f. 

Becker,  Wahrheit  und  Dichtung  bei  Dlrich  von  Licht«  d 

Archiv  f.  d.  Studium  der  neueren  Sprachen  u.  Litteraturen 
der  Begriffe.   150  Joerres,  Sparren  .  .  .  von  Sprache,  Sprüchen  and  Spielen     I52f.  Horch, 
Zur  Kritik  des  Kürenbergers.   Holz.  Zum  Rosengarten    341  -34  1  Walther,  Deutsche  Bibel- 
übersetzung des  Mittelalters  I.   s5,  62f.  Kauffmann,  Geschichte  der  schwäbischen  Mm. 
63  Löwe,  Dialektmischung  im  Magdeburgischen  Gebiet)  •    ,    Marien- 

leben.    ."»20f.  Horäk.  Entwickelung  der  Sprache  Hallen   I 

I8»l. 

Zeitschr.  des  Vereins    f.  Volkskunde  l  hi  a.     Darin:    Zur  Einleitung 

S.  1—9.     Volksüberlieferungen    aus  Eisenerz   215.     über  Bielensteins   Grenzen   der   I 
344.     Die  Regenkatze    144.     Kakukakilla   441.    Todesnachrichten:     1  103. 

Jos.  Zingerle  :U4.  A.  Birlinger  449.  A.  Kretschmer  450.  Anzeigen:  8.  L06  Bucher, 
Zunftorduungen  von  Krakau.  112  Dania.  221  Schweizerisches  Idiotikon.  225 £  Sehlossar, 
Deutsche  Volksschauspiele.  *J29  Philo  vom  Walde,  Dorf  hexe.  345  Brenner  u.  Hart  mann, 
Bayerns  Mundarten.  345  Hartland,  Science  of  fairy  tales.  346  Andree,  l'lut-agen.  4511 
E.  H.  Meyer,  Eddische  Kosmogonie.    454  Questionnaire  de  Folklore.     Bulletin  de  Folklore. 


liger: 

Pineau,  Contes  populaires  du  Poitou.  465  Brüder  Grimm,  Deutsche  Sagen.  458 
Wilhelm,  Aberglaube  im  Karlsbad-Duppauer  Gelände.  Martiny,  Aberglaube  im  Molkerei- 
Widmann,  Brucker  St.  Nikolaus-Spiel. 

Beiträge  zu  den  deutschen  Eriegsalterrümern.  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie 
L891  XXIX,  S.  543-567. 

Mittelhochdeutsches  Lesebuch.     L  AufL   Wien,    VI,  286  S.    Vergl.  L850,  1862,  1875. 

Hans  von  Vintler.     Deutsche  Revue  IT.  121  —  r_'i ■. 

Gedichte  von  J.  M.  R.  Lenz.  Mit  Benutzung  des  Nachlasses  Wendelins  v.  Maltzahn. 
Berlin.    XXII,  328  S. 

Zur  Erinnerung  an  Theodor  Corner.  Beilage  No.  222  zur  Allg.  Zeitung  No.  264  vom 
23.  September. 

Recension  von  Richard  Gosche.  Erinnoruugsblätter  für  seine  Freunde.  Deutsche 
Litteraturzeitung  No.  15,  Sp.  545f. 

Recension  von  Brandstetter,  Prolegomena  zu  einer  Geschichte  der  Luzerner  Mundart. 
Archiv  f.  d.  Studium  u.  s.  w.  86,  309. 

Wolfram  von  Eschenbach  von  Karl  Lachmann.  5.  Ausgabe.  Berlin.  (Von  W.  besorgt. 
Seine  Vorrede  S.  XLVI.) 

1892. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  2  herausgegeben.  Darin:  Zu  Goethes 
Parialegende  S.  46 — 50.  Nachtrag  zu  der  Sage  von  den  sieben  Grafen  206f.  Erlöschen 
der  Altarkerzen  208.  Nekrologe:  H.  Frischbier  87.  M.  v.  Eexer  208.  J.  Zingerle  von 
Summersberg  442.  E.  L.  Rochholz  446.  Anzeigen:  S.  87  Ploss  u.  Bartels,  Das  Weib  in 
der  Natur-  und  Völkerkunde.  88  Glock,  Symbolik  der  Bienen.  Meyer,  Gerinanische 
Mythologie.  9«)  List.  Deutsch-mythologische  Landschaftsbilder.  95  Jacobs,  Celtic  Fairy 
Tales.  Hyde,  Beside  the  Uro.  Brenner  u.  Hartmann,  Bayerns  Mundarten.  211  Leeb, 
Sagen  Niederösterreichs.  Frauziszi,  Kärntner  Alpenfahrten.  211f.  Bulletin  de  Folklore. 
212  Ammann,  Passionsspiel  des  Böhmerwaldes.  213  Kollmaun,  Deutsche  Puppenspiele. 
214  Kotelmann,  Gesundheitspflege  im  Mittelalter.  328  Stöber  u.  Mündel,  Sagen  des 
Elsasses.    329  Monseur,  Le  Folklore  Wallon.    329 f.  The  Folklorist. 

Glücksrad  und  Lebensrad.  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  1892.  27  S.  4". 
Mit  2  Taf. 

M.  v.  Leier.    Zeitschr.  f.  deutsche  Piniol.  25,  253 — 255.    Allgem.  Zeitung   Beil.  No.  99. 

Zur  Erinnerung  an  Ignaz  Zingerle  von  Summersberg.    Allgem.  Zeitung  Beil.  No.  230. 

Recensionen  im  Archiv  f.  d.  Studium  u.  s.  w.  Bd.  88,  S.  85  Walther,  Deutsche  Bibel- 
übersetzung des  Mittelalters  II.  S6  Brandstetter,  Reception  der  Schriftsprache  in  Luzern. 
91  Horäk,  Entwiekelung  der  Sprache  Hallers,  Schluss.  91  Längin,  Sprache  des  jungen 
Herder.  91f.  Willomitzer,  Sprache  und  Technik  Hebels.  89,  341  f.  Walther,  Deutsche  Bibel- 
übersetzung des  Mittelalters,  Schluss.     342  f.  Olbrich,  Goethes  Sprache  und  die  Antike. 

1893. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  3  herausgegeben.  Darin:  Der  Wettlauf  im 
deutschen  Volksleben  S.  1  —  23.  Der  Wolf  mit  dem  Wockenbriefe.  Märchen,  erläutert  von 
K.  W.  195—205.  Schwur  unter  dem  Rasen  224 f.  Volksreime  auf  Bettlerhoehzeiteu  228 
bis  230.  Anzeigen:  107f.  Staub  u.  Tobler,  Schweizerisches  Idiotikon.  109f.  Günther, 
Aus  dem  Sagenschatz  der  Harzlande.  HOL  Pineau,  Le  Folklore  du  Poitou.  111  Harou. 
Folklore  de  la  Belgique.  Ulf.  Hofer,  Weihnachtspiele.  112  Branky,  Eulennamen.  2301*. 
Symons,  Ontwikkelingsgang  der  Germaansche  Mythologie.  231  Sander,  La  Mythologie  du 
Nord.  232f.  Gaidoz.  In  vieux  rite  medical.  2331  Cox,  Cinderella.  338f.  Jacobs  and 
Nutt,  Folk-lore  Congress  1891.  339f.  Uppsalastudier  tillegnade  Sophus  Bugge.  Germanistische 
Abhandlungen  für  K.  v.  Maurer.  342  Brenner  u.  Hartmann,  Bayerns  Mundarten.  344 
Merkens,  Was  sich  das  Volk  erzählt.  466  Jacobs,  More  English  Fairy  Tales.  467  Harou, 
Traditionisme  de  la  Belgique.  Folklore  de  Godarville.  467  La  Comtesse  Martinengo- 
Cesaresco,    La  poesie  populaire.     467 f.  Lewalter,    Deutsche  Volkslieder  aus  Niederhessen. 

Recensionen  im  Archiv  f.  d.  Studium  u.  s.  w.  90,  S.  403  Eicke,  Rolandsage  in  Deutsch- 
land   und    Frankreich.     408   v.  Greyerz.   Neuere    Sprachentwickelung    in    der    deutschen 


Vi  rz<  i  h  ds, 

Schweiz.     408f.    Brandßtetter,    Luzerner    Kanzleis]  r 

Dialekt,   Nachtrag.    409  H !.   Kroiznach   ia   ftump.     H8f.  Jel 

Volksmundarten.    419  8eitz,    Niederd  utsche  Allitl  itiner 

spiel. 

Germanische    Philologie.     In     l»i-  n    Universitäten,     für   die    Univei 

ansstellong  in  Chicago  1893  anter  Mitwirkung  zahlreicl  geben 

von  W.  Lexis.    •_'  Bde.    Berlin.    Bd.  1.  -IT:.    481. 

Rede  bei  Antritt  des  Rectorats  gehalten  .  .  .  zu  Berlin  am  16.  Okt.  :■ 

über   das    Märchen    vom    Eselmenschen.    Sitzung  Berliner 

XXIX.  S.475- 

|s«M. 

Zoitschr.    des  Vereins    i    Volkskunde   4    herausgegeben.     Mann:    B 

ächten  der  Jesuiten  S.  91.    Abermals  der  Schwur  unter  dem  Rasen  214f.   Sammln 
der  volkstümlich. -ii  Überlieferungen  in  Deutschland  2171     Das    Lied   vom    I  urdian 

334.    Steyermarckischer  ßaufjodl  335f.  459f.     Nachrichten  aus  che  der  Volks- 

kunde  33<Jf.  450.    Aus   der   Steiermark   451f.    Schlesische  Sagen  462     158.     i 
Zungenbandes  458 f.    Anzeigen:    R.  Köhler,   Aufsätze  über  Märchen   und  Volkslied 
Tille,   Geschichte   der    deutschen  Weihnachl    LOOf.     John,    Litterarisches   Jahrbuch    101  f. 
Bartels,    Medizin   der    Naturvölker   102.    v.  d.  Steinen,    Dnter   den   Naturvölkern  Central- 
Brasiliens   104f.    A.  u.  P.  Hörn,   Priedr.  Tribukeits  Chronik   105.    Pitre,   Bibliografia  delle 
Tradizioni  popolari  d'italia  2181    Rand,  Legends  of  the  Micmacs  219£    Gomme,  A  Dictäo- 
nary   of   British    Folklore  I,  1  223.     Eckart.    Niederdeutsche    Rätsel   224.     Annuairc  des 
Traditions   popnlaires   337f.     Schweizerisches    [diotikon    338.     Erk    u.   Böhme,    Deut 
Liederhort  3381    Chatelain,  Folk-Tales  ofAugola  340    343.    3     illot,  Li     travaui  publice 

-  mines  343.  Beyer.  Ferienwanderungen  344.  Schwartz,  Prähistorischer  Volksglaube 
im  Humer  4G0.  Georgeakis  ei  Pineau,  Le  Folklore  de  Lesbos  461  -463.  Wardrop,  Georgian 
Folk  Tales  l»'.:->>.  Hein,  Verbreitung  der  Totenbretter  4631  Brenner  u.  Hartmann,  Bayerns 
Mundarten  464.    Doehler,   Dnser  Vogtland  4641    Merkbuch,  Alt  er  tu r  aufzugraben  465. 

Zur  Bedeutung  der  Zahl  Neun.    Am  Ur-Quell  5,  11 

Mitteilungen  über  Karl  Lachmann.  Sitzungsbor.  der  Berliner  Akademie  1894    XXXIII, 
S.  «551-1- 

Hans  Sachs-Forschungen.  Festschrifl  zur  vierhundertsten  Geburtsfeier  des  Dichters. 
Im  Auftrage  der  Stadt  Nürnberg  berausg  on  A.  L.  Stiefel.  Nürnberg.   DazuV< 

von  K.W.     S.  III  -VI. 

1805. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  5  heran  Darin:  Zur  süddeul 

Namenskunde  S.  1191    Beitrag  zur  Nixenkunde  auf  Grund  schlesischer  Sagen  121 
Die  Widderprozession  von  Virgen    und   Prägratten   nach  Lavanl   im   Pusterthal 
Über   ein   schlesisches  Wiegenlied    -J14    216.    Nachrichten  aus  dem  Bereiche  der  Volks- 
kunde 217.    Zu  den  Anfängen  dcrWcbekuusI  3251    Zur  Uillebille  3271    Heinrich  Pröhle  t 
3291    Arbeiten  von  Stanislaus  Trat..  3301     Vom   heiligen   Ulrich   416     124.     I 
(Das   Notfeuer   im    Braunschweigischen     1521     Ludwig  Tobler  anzeigen: 

Ratzel,  Völkerkunde  1081  2171     Hartland,   rhe  legend  of  Perseus  [  1101      Jacobs,  More 

Celtic  Fairy  Tales    111.    Erk  u.  Böhme,   Deutscher  Liederhort  1121     Hansjakob,  Schi 

ballen  114.    Hauffen,    Gottschee  220.     Tyson    and  Windle,    The   Pygmies    2211    Gander, 

Niederlausitzer  Volkssagen  2221     Kuck  och  Carl  af  Petersens,  P 

Le  Braz,  La    legende    de   la  Mort  33:'..     \  ä  l     innschweig  334.     Dr. 

Volkslieder  aus  Westpreu  '.'.    Zu  der  Recension  von  Strack,   Blutsaberglaub< 

Hardy   and  Nutt,   The  Denham  Tracts    4621     Reiser,  Sagen  des  Allg 

Volkstümliches  aus  Meiderich    166.     Fortier,  Louisiana  Folkl 

et  Curiosites  des  3I.-ti.-rs  467.    Hcllmann,  "•  rische  Volksbücher  ; 

Die  altdeutscli.-n  Verwünschungsf  S  B  1896 

XXXI.  S.  667—703. 

Recension  von  Längin,  Deutsche  Handschriften  in  Karlsruhe  im  Archiv  für  das 
Studium  u.  s.  w.  94.  4-_'ll'. 


; ;  7  I  liger : 

is'.lti. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  6  berausgegeben.  Darin:  Ethnographical 
Survcy  über  Britannien  101.  Der  Tod  der  ist  ein  grober  Mann  211.  Beschwörung  des 
Alps  218—215.  Märchen  vom  Hahnreiter  320—322.  I>i'-  Schweizerische  Gesellschaft  für 
Volkskunde  '.'>-'■>.  Zusätze  411.  4  4-j.  Gegen  Bücherdiebe.  Klostcrinschrift  446.  f  Dr.  Fritz 
Staub  h  IT.  anzeigen:  i'tu.  An  introduetion  tu  Folk-lore  103.  Hartland,  The  Legend 
of  Perseus  II  103.  Meyer  and  Nutt,  The  Voyage  of  Bran  104.  Brenner  u.  Hartmaim, 
Bayerns  Mundarten  II  106.  Drechsler,  W.  Scherffer  und  die  Sprache  der  Schlesier  106 f.  Larseni 
l»ansk  Soldatensprog  107.  Jacobs,  Barlaam  and  Josaphat  228.  Schweizerisches  Idiotikon 
111  226.  Cutrera,  1  riecottari  22S.  Hellmann,  Bauern-Praktik  228.  Lang,  Mytlies.  eultefl 
et  religion,  traduit  par  Marillier  3291'.  Reiser,  Sagen  des  Allgäus  331.  Laube,  Volks- 
tümliche üeberlieferungen  aus  Teplitz  331.  Lincke.  Rübezahlforschnngen  382.  Bergen 
and  Newell,  Current  Superstitions  332f.  Edwards.  Bahama  Songs  and  Stories  341.  Mielke, 
Volkskunst  341f.  Katalog  der  Lipperheideschen  Sammlung  343.  Hartland,  The  Legend 
of  Perseus  III  451f.  Andree.  Brannschweiger  Volkskunde  453f.  Haas,  Rügensche  Sagen 
and  Märchen  1 54 f.  Schröder,  Die  Tänzer  von  Kölbigk  455f.  A..  K..  H.  Bielenstein.  Studien 
zur  lettischen  Archäologie  u.  s.  w.  456f.  Kaindl,  Festkalender  der  Rusuaken  und  Huzulen 
457.     Trombatore,  Folklore  Catanese  459f.     Nag],  Deutsche  Mundarten  461f. 

Zum  Gedächtnis  des  18.  Januar  1871.  Rede  bei  der  Erinnerungs-Feier  der  Universität 
in  Berlin  am   18.  Januar  1896.     22  S.    4°. 

Zur  Geschichte  des  heidnischen  Ritus.     Ahhandl.  der  Beil.  Akademie  1896.   50  S.    4°. 

1M)7. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  7  herausgegeben.  Darin:  Zu  dem  Märchen 
von  Tod  und  Begräbnis  des  armen  Sperlingsweibchens  159—162.  Weiteres  zu  der  Hi.il- 
kraft  gewisser  Familien  212.  Rat  J.  S.  Grüners  Werk  über  die  Sitten  und  Gebräuche  des 
Egerländer  Volkes  329.  Verein  für  sächsische  Volkskunde  329.  Zwei  alte  Gerichtsstätten 
404f.  Der  Wildemännlestanz  von  Oberstdorf  427 — 437.  Fruchtbarkeit  im  hohen  Alter 
417.  Anzeigen:  Köhler  und  Meier.  Volkslieder  von  der  Mosel  und  Saar  108.  Zibrt, 
Rychtafske  Prävo  109.  Thätigkeitshericht  des  akademischen  Vereins  für  tirolisch-vorarl- 
bergische Heimatkunde  109.  Wossidlo,  Mecklenburgische  Volksüberlieferungen  I  213f. 
Knoop  u.  Haas,  Blätter  für  Pommersche  Volkskunde  214.  Eskuche,  Siegerländische  Kinder- 
liedchen  214.  Schumann,  Kultur  Pommerns  in  vorgeschichtlicher  Zeit  21<i.  Wandbilder 
der  Völker  Österreich-Ungarns  216f.  Schweizer  -  Trachten  I  217.  Katalog  der  Lipper- 
heideschen Sammlung  217  f.  Lutsch,  Das  Bauernhaus  218.  Kaiudl,  Haus  und  Hof  bei 
den  Huzulen  und  Rusnaken  218f.  Böhme,  Kinderlied  und  Kinderspiel  3321  Reiser, 
Sagen,  Gebräuche,  Sprichwörter  des  Allgäus  333.  Pitre,  Indovinelli,  Dubbi,  Scioglilingua 
del  popolo  Siciliano  333f.  Sapper.  Das  nördliche  Mittel-Amerika  385f.  Matthews.  Navaho 
Legends  336.  Schriften  von  Prato  337.  Ludw.  Tobler,  Kleine  Schriften  zur  Volk-  und 
Sprachkunde  447 f.  Olrik,  Folkeminder  448.  Renk,  Im  obersten  Innthal  448 f.  Courthion, 
Les  veillees  des  Mayens  440.  Sebillot.  Petite  legende  doree  de  la  Haute-Bretagne  450  f. 
Nagl,  Deutsche  Mundarten  454.     Heierli,  Die  Schweizer-Trachten  II  454f. 

Die  deutschen  Frauen  in  dem  Mittelalter.  3.  Aufl.  2  Bde.  IV,  393  und  353  S. 
Vergl.  1851,  1882. 

Die  mystische  Neunzahl  bei  den  Deutschen.  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie 
1897.     61  S.  4  . 

Recension  von  Mayer  u.  Rietsch,  Mondsee-Wiener  Liederhandschrift  im  Archiv  f.  cL 
Studium  u.  s.  w.  99,   136. 

1898. 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  8  herausgegeben.  Darin:  Professuren  für 
Volkskunde  97.  Hirtensprüche  336—339.  Ein  Diebsegen  346.  Zur  Hillebille  347.  Vom 
Verein  für  Egerländer  Volkskunde  847.  Aus  Steiermark.  Volkstümliches  in  alphabetischer 
Reihe  439—448.  Das  tausendjährige  Jubiläum  der  Wurst  4.">6f.  Die  Ausstellung  nieder- 
ländischer Trachten  in  Amsterdam    458.     Anzeigen:    Mitteilungen  aus  dem  Museum  für 


[    rzeichnis 

deutsche  Volkstrachten  zu  Berlin  99f.     : 

Sagen    aus   dem   Kreise   Kolb<  LI  6.     Ha 

Naturgeschichtliche  Volksmärchen    1 » !« ".  t .     Löwen  timi  1081 

Wandbilder  der  Voll  I II    !"'.tf 

4».'J.     Nyrop,    ECulturhistoriske   Skizzer    [   111.      R  VI    nhold, 

Verehrung  der  Quellen  230f.    Weineck,  Knecht  Ruprecht  231.    Bahlma 

Märchen  n  -  w.  233.    Ammann,  Volksschauspi 

Volkstrachten    und    Bauernhäuser   236f      Müllenhofl     Di      Natur 

Dähnhardt,  Volkstümlich 

Steiermark   357.    John  a.  <  zerny,  Egerländer  Volkslieder    16 

Zahler,  Die  Krankheit  im  Volksglauben 

Die  Verehrung  der  Quellen   in  Deutschland.    Abhandlungen  dei  idemie 

1898.    69  S.    I  . 

189». 

Zeitschr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  9  heran  Darin:  Die  alte  Qerichts- 

,il  Banco  de  la  Resön  zu  Cavalese  im  Fleimser  Thal  in  Südtiro]  68  71  Das 
englische  Kinderspiel  Sally  Water  R9.  Franz  Magnus  Böhme  t  95f.  Noch  einmal  die 
Amsterdamer  Ausstellung  nationaler  Trachten  vom  Aug.  bis  No  '•        Die 

und  die  Drihe.     Zur  Geschieht.-   der  "Weberei    205—207.     Fledermaus  und   Maulwurf 

Chajim  Steinthal  t  208E,     Sand   Kum rnu  124.    Wilhelm  Schwa 

Kinderpuppengräber     Gredlgräber     in    Nieder-Österreich    388.     anzeige!  Die 

Donauländer    96f.      Zibrt,    Literatura    kulturue   historicka"    a    et] 

Litanen    97.     Denneti    and    Kingsley,    Notes  on  the   Folklore    ol  0.     Köhler, 

Kleinere  Schriften    I    102.    Reiser,  Sagen  u.  -   \\    des  Allgäus    102f     !•   tschrift  für  Prot 
Lemke   103.    Gomme,  Thi    Draditional  Games    103—105.     Frömmei,  Kinder-Reime  n 
105.     Schweizerisches    [diotikon    105..    Kaindl,    Ethnographische    Streifzuge    in    dei 
karpathen   106.     Ammann,  Volksschauspiele  aus  dem  Böhmerwalde  II   220.     Petsch 
träge  zur  Kenntnis  des  Volksrätsels    222f.    Söbillot,  Litteraturi    orale  de  l'Auvei 
Teit  and  Boas,  Tradition,  of  the  Thompson  River  Indians  224£    Höfler,  Deutsches  krank 
heitsnamen-ßueh  342.     Haas,   Schnurren    u.  s.  w.  von    der    tnsel    Rügen    342.     Söbillot, 
Legendes  ioeales  de  La  Haute-Bretagne  343.    Sebillot,  LaVeillei  I8f,    Scherman 

u.  Krauss,  Allgemeine  Methodik  der  Volkskunde   448f.     Mas  Müller,   Nouvellei 
mythologie,    traduites    par   Job   452.     Pichler,    Aus    den    Tiroler    Bei 
Dansk    Bondeliv    457f.     Chauvet,    Folklore   Catalan    458f.    Gittee,    l  uriositös    de 
enfantine  459f.     Nagl,  Deutsche  Mundarten   161.     Bächtold,  Kleine  Schriften  46l£    \ 
1900  am  Schlu 

11(00. 
Zeitschr   des  Vereins  f.  Volkskunde  10  hera  i.     Darin:  Zn  den  - 

Bächsischen   Zauberpuppen    99f.    Laura  Weinhold    t    102.    Zum    Hochzeitscharivari 
Ulrich  Jahn  t  216—219.    Ein  oberbayrischer  Palm   227      Das  Halmmessen   22*3 
wendfeuer  in  Tirol  335  f.    Anfrage  aber  Gebräuche  und  Aberglaube,  die  sich  an 
des  Hirses  knüpfen  339f.     Anzeigen:    Achelis,   Archiv  für  Rcli  uschafl   II 

Wossidlo.    Mecklenburgische  Volksüberliel  •  '    lkstümliches  in 

Ostpreussen  III    I05f.      1:  n    3.  w.  d(      Ulgäus    106.     Sebillot,    La 

enchautee   106.    Maria  Pitiv.   Le   Feste  di  Santa  Rosalia  in  Palenno  e  della  Assunta  in 
Messina  107.    Olrik.  Dan  Gusinde,  Neidhart  mit  den.  Veilchen    110. 

Schiepek,  Satzbau  der  Egerländer  Mundart  I   111.     Justi,   II  Lrachtenbuch  1    111t. 

Troels-Lund,  Himmelsbild  und  Weltanschauung  U2f.    Lerond,  Lothringis«  he  Sammelmapp« 
233.    Pitre,  Fest.'  patronali  in  Sicilia  235—237.     Achelis,  Archiv  fürReligii  chafl 

348f.    Skeat   and   Blagden,   Malay  Magic    350     P  Volks- 

märchen  350f.    Weise,   Die  deutschen  \  me  und  Landschaften    351£     Wuttke  n. 

E.  H.  Mever,  Der  deutsche  Volksaberglaul         t  G(  g<  owarl  her,  E]  hi 

Kunze,  Der  Birkenbesen  ein  Symbol  des  Donar   454.    Renk,    Der   I  Üpei 

v.  Jan,    Erzählungen  aus  dem  Wasgau    455.     Aus   der  Vergangenheit   und  I  von 


Boltr: 

1. 1 ii  4"it;.  Ainmaiiii,  Volksschauspiele  aus  dem  Böhmerwalde  III  456f.  Lange, 
Lieder  ;ms  dex  japanischen  Volksschule;  Japanische  Kinderlieder  157 f.  Erding,  Studien 
über  Heinrich  Kaufringer  458. 

Proben  aus  'lern  Schlesischen  Wörterbuche.  Mitteilungen  der  Schles.  Gesellschaft  f. 
Volkskunde,  herausgeg.  von  P.  Vogt,  Jahrg.  1900,  Heft  VII,  No.  2,  S.  19— 26.  Breslau. 
VgL  L855. 

Die  Zeitpartik.  In  des  sclilesischen  Dialekts.  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie  1900 
\\\I.\.  S.  SGO— 8S6. 

Recension  von  Bächtold,  Kleine  Schriften  im  Archiv  f.  d.  Studium  u.  s.  w.  105,  372 f. 
Vgl.  189!»  am  Schluss. 

1901. 

X.  its.hr.  des  Vereins  f.  Volkskunde  11,  Heft  1—3  herausgegeben.  Darin:  über 
die  Bedeutung  des  Haselstrauchs  im  altgermanischen  Kultus  und  Zauberwesen  1  —  16.  Ein 
hochdeutscher  Augensegen  in  einer  Cambridger  Handschrift  des  12.  Jahrhunderts  79 — 82. 
Blau  als  Trauerfarbe  83.  Bericht  über  den  Verein  für  Volkskunde  1891—1900  110—112. 
Karl  Julius  Schröerf  213f.  Der  Palm busch  in  den  Niederlanden  215f.  Sterbende  werden 
auf  die  Erde  gelegt  221.  Über  das  echte  Tirolerlied  222.  Wochenzettel  für  den  kämtischen 
Bauerntisch  222  f.  Zu  dem  Cambridger  Augensegen  226.  Sagen  vom  Rübezahl  33(>  f. 
Anzeigen:  Achelis,  Archiv  f.  Religionswissenschaft  94 f.  Rh.  Köhler,  Kleinere  Schriften  II— III 
95  f.  Geyer,  Osterlandsagen  100.  Sebillot,  Contes  des  Landes  et  des  Greves;  Les  coquillages 
de  mer  100  f.  Dähnhardt,  Heimatklänge  aus  deutscheu  Gauen  I  104.  Reiser,  Sagen  u.  s.  w. 
des  Allgäus  232 f.  Drechsler,  Das  Verhältnis  des  Schlesiers  zu  seinen  Haustieren  und 
Bäumen  233.  Justi,  Hessisches  Trachtenbuch  II  233 — 235.  John,  Unser  Egerland  344f. 
Nagl,  Deutsche  Mundarten  345.  Heinr.  Meyer,  Sprache  der  Buren  345  f.  Wichmann,  Wot- 
jakische  Sprachproben  348f.  Im  vorliegenden  Heft:  Schweizerisches  Idiotikon  IV.  Sebillot, 
Le  folklore  des  pecheurs. 

Recension  von  Vogt,  Schlesische  Weihnachtsspiele  im  Archiv  für  das  Studium  u.  s.  w. 
106,  369  f. 

In:  Litterarische  Mitteilungen.  Festschrift  zum  zehnjährigen  Bestehen  der  Litteratur- 
archiv-Gesellschaft.  Berlin:  Goethes  Christel.  Facsimile  S.  14.  J.  M.  Miller  an  H.  Chr.  Boie 
15—20.     Heinrich  Heine  au  Karl  Simrock  105  f.     D.  F.  Strauss  an  H.  v.  Treitschke  108  t 


Kine  geistliche  Auslegung  des  Kartenspiels. 

Von  Johannes  Bolte. 


I.    Verbreitung  und  Inhaltsübersicht. 

Verschiedentlich  begegnet  uns  in  den  europäischen  Volkslitteraturen 
des  10.  Jahrhunderts  eine  geistliche  Deutung  der  Spielkarten,  in  den 
Rahmen  einer  schwankhaften  Erzählung  eingefasst.  Ein  Soldat,  der  während 
des  Gottesdienstes  ein  Kartenspiel  hervorzieht  und  betrachtet,  wird  des- 
wegen  bei  seinem  Offizier  angezeigt  und  soll  bestraft  werden;  doch  weiss 
er  sich,  indem  er  die  Karten  als  sein  Gebetbuch  und  seinen  Kalender 
rühmt,  so  gut  zu  verantworten,  dass  ihn  sein  Vorgesetzter  mit  einem  Geld- 
geschenke   entlässt.     Die    weite  Verbreitung    dieser  Geschichte   wird  man 


Eine  geistliche  Aus 

aus    der    nachfolgenden  Zusammenstellung    erkennen,    für    die    ich    pii 
Notizen   Reinhold   Köhlers  und   FeilbergH  dankbar  benutz! 

Französisch    A     I   . 
A)   Explication  morale  da  Jen  de  Cartes,   anecdoti    curieusi   ei  intei 
nuin  de  Louis  Bras-de-Fer,  engagi   an  service  da  Roy,  Braxel    el   Pari  rl  von 

J.  G.  J.  Breitkopf!,  Versuch  den  Ursprung  der  Spii  Ikarten  zu  erforsch«  n  I  am.  f. 

—  Eine  Ausgabe  'Bruxclles  L77&1  citiert  Chatto,  Facl     and  specnlations  on  the  origin  and 
history  of  playing  cards  1848,  p.  320.) 

IJ    Hi>toire    du  jeu    de  cartes  du  grenadier  Richard,  ou  explication  du  jeu  di 

quante-deux   cartes   en  forme  de  livre  de  prieres,  par  Hadin,   employe  au  mh 

finances  1809.    12°.    (Vgl.  G.  Brunet,   Notice  bibliographique  sur  Icb  carb 
p.  9-11.) 

C)   Histoire  da  jeu  de  cartes  du  grenadier  Richard.  Abgedruckt  bei  M       M.  A 

ronnand,   Les   sonvenirs   prophetiques    d'une  Sibylle,    sur   les  cai  le  ~"n 

arr. -Station  1814,  p.  34t>    356:  'In  soldat,  nomine  Richard  Middleton'...    Scheini  I 
einige  Auslassungen  mit  B  übereinzustimmen. 

1>     Lnzel,  Legendes  chretiennes  de  la  Basse-Bretagne  2, 231    1881  :   Lejeud< 
servant  de  livre  de  messe'    1841  erzählt  .  —  Vgl.  Prato,  Archivio  delle  tradis.  pop.  11.  271. 

13,  5S7. 

E)  Colsou,   Ce   qu'ou   peut  voir  dans  an  jeu  de  cartes.     Wallonia  3,  64 

Nach  zwei  Sandschriften,  von  denen  eine  nm  1860  in  Lüttich  entstanden  ist:  'Sermon 
Le  '}>'\i  de  cart<  s'. 

Englisch    !•'    .1  . 

F)  The    Perpetua]   Almanack,    or  Gentleman  -  Soldier's    Player    Book.     Printi 
.1.  Catnach,  ■_'.  Blonmouth  Court,  Seven  Dials.        Abgedruckt  bei  Chatto,  Origin  and  I 

of  playing  cards  1S48,  p.  320-323. 

G)  Cards  Spiritualised;  or  the  Soldier's  Almanack,  Bible,  and  Prayerbook:  Showing 
how  one  Richard  Middleton  was  taken  before  the  .Mayer  of  ihr  Citj    b(    was  in.  for  osing 
a  Pack  of  Cards  in  the  Cburch  during  divine  servier:  being  a  droll,  merry,  andhumorous 
aecount  of  an  odd  affair  that  happened  to  a  Private  Soldier  in  the  60<    Regiment, 
castle.    —   Abgedruckt   bei   Ed.  S.  Taylor,   The    history    <>f  playing   cards,    Londoi 

p.  442— 444   und   danach   bei  Mrs.  John  King  van  Rensseker,    Ch<    devil'a  pictnre-1 
A  history  of  playing- cards  1893,  p.  180— 184.     VgL  auch  Ch.  S.  Burn. .   Folk-loro  Journal 
7,  315  f.  (1889)  and  Gaster,  Folk-lore  1,  133  (1890).   -    Eine  gereimte  französische  I 
setzung  verfasste  der  Chevalier  J.  B.  F.  E.  de  Chatelain    vermutlich     odruckt  in 
Beautes  de  la  poesie  anglaise  181  —  — '  "<  1  , 

II,    A  new  Game  at  Cards,  betweeii  a  Nobleman  in  London  and 
-  Vgl.  Singer,  History  of  Playing  Cards  1816,  p.  53*,    «hatte  1848,  p.323f.    and  Taylor 
1865,  p.  445. 

J)   Gartenlaube  1875,   596:    'Ein    religiöser  Kartenspieler5  Lee   in  Gl 

In  Glasgow  lässt  auch  G  die  Geschieht.;  sich  zutragen). 

Schwedisch  [K—  11  . 

K)   En  Nöjsam  Historia,   Om  den  förwandlade  Kortleken,    Nyttjad  til  Almana* 

Bönebok;  Ganska  lustig  att  läsa  ...  och  efter  mailgas  ästundan  an  för  föi  en  tili 


1)   Nachdem    ich   schon    gelegentlich   in    dieser    Zeitschrift 
auf  den  Stoff  hingewiesen,  fand  ich  in  ReimVM  Köhlers  Nachla«  X  und  V. 

Herr  Dr.  H   F.  Feilberg  machte  mich  freundlichst  auf  N  und  Z  aufmerksam,    woraut    ich 
in  dem  auf  der  Kopenhagener  Bibliothek  aufbewahrten  Nacl 
Umschau  hielt;  und  Fräulein  Dr.  Marriage  sandte  mir  eine  Kopie  von  Qa. 


37*<  Bolte: 

Trycket  befordrad  och  fran  Engelskan  öfwersatl  aj  S.  1».  N    samt  med  Tülämpning  försedd 

ai  (Jnderteckna  L814,    Tryckt    hos  Directör,  8v.  Rask   och  fäi  ej  ai  nägon  efter- 

trycka     16  -    -  Ferner  ebenda  1818.  1837.    Stockholm  1823.  1828.  1832.    Norrköping 

1827.     Wisbj    1-  beräe   1832.1834.    Westerwik   1836.    Fahlun  1843. 

Jönköping  1833.  L844.     Bke  jo  1846  etc. 

i.  En  l'ritänkares  «pickhet,  som  nyttjat  sin  Kortlek  tili  Amanacha  och  Böncbok. 
Saofardig  Berättelse.    Linköping  1824,  Tryckt  i  Petreska  Uoktryckeriet.    8  S.   8". 

M  Berättelse  om  en  Betjent  will  namn  Jean,  som  förklarade  sin  Kortlek  bade  fite 
dess  Almanach  och  Bönebok.  Malmö  1823.  Tryckt  Berlingska  Boktryckeriet.  8  S.  8°.  — 
Ferner  Lui  fönköping  1832.    Norrköping  1803.    Linköping  183:'..   (Vgl.  Bäckström, 

Svenska  folkböcker  1848  •_',  öfversigt  S.  153  f.) 

Dänisch     N— P). 

N  En  smuk  Eistorie  om  en  Tjener  Navnlig  Jan,  som  brugte  ei  Spil  Kort  til  >in 
Almanach  og  Bonnebog,  samt  hvorledes  han  af  sine  Medtienere  blev  anklaget  t'or  hans 
Herre,  men  formedelst  sin  Snedighed  slap  lykkelig  og  vel  for  sine  Medtieners  BeskyldningL-r. 
Trykt  180:'..  4  Bl.  8°  (in  Svend  Grundtvigs  hsl.  Nächlass  Bd.  22.  -wo  auch  ein  Druck  von 
1799  citien  wird).  En  meget  smuk  Historie  .  .  .  Trykt  hos  Thiele  (Kopenhagen).  -  En 
smnk  Fortaelling.  Om  en  Tjenner  ved  Navn  Jan,  som  bmgte  et  Spil  kort  til  sin 
Almanack  og  Bönnebog.  Trykt  og  faaes  hos  Th.  Petersen  iHjorring.  Folioblatt  um  1830, 
mit  grossem  Holzschnitt  (Grundtvigs  Nächlass  22).  —  Christiania  o.  J. 

0)  Grundtvig,  Gamle  danske  Minder  2,  309  No.  448:  'Den  fromme  Tjener  (1857  .  — 
Aus  Westjütland. 

P)  Feilberg.  Die  Zahlen  im  dänischen  Volksglauben.  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volks- 
kunde 4,  253—255  (1894?  =  Dania  2,  199  (1893):  aus  Vejen  in  Jütland. 

Deutsch  (Q— U). 
Qa     Das  I  artenspiel    in    der  Kirche.     Gedruckt  in  diesem  Jahr.    —  Flugblatt  in  8°, 
wahrscheinlich    in  Hannover    zwischen  1805  und  1814  gedruckt  ^London.    British  Museum 
11  521  ee  28,  No.  54).     unten  S.  382  nach  einer  Abschrift  von  Fräulein  Dr.  M.  E.  Marriage 
abgedruckt. 

Qb)  Das  ganz  neue  Kartenspiel.  Verlag  von  H.  Haake  in  Bremen.  —  Folioblatr.  um 
1875  gedruckt    Hannover,  Kestnermuseum). 

R)  Pröhle,  Kinder  und  Volksmärchen  1853,  S.  219,  No.  68:  'Ein  Windbeutel  legt  das 
Kartenspiel  von  einer  guten  Seite  aus".  —  Nach  der  Handschrift  eines  Soldaten. 

Sa)  Archut,  Die  Kartenpredigt.  Blätter  f.  pommersche  Volkskunde  3,  53  f.  (1895).  — 
Aus  dem  geschriebenen  Hefte  eines  Soldaten. 

Sli  A.  Haas,  Schnurren,  Schwanke  und  Erzählungen  von  der  Insel  Rügen  1899,  S.  5, 
No.  5:  'Die  Spielkarten".  Nach  einer  alten  Handschrift.  —  Vgl.  Rogasener  Familien- 
blatt  1,  S.  13.  . 

T  "Wossidlo,  Mecklenburgische  Volksüberliefcrungen  1,  235,  No.  986:  'Deutung  der 
Spielkarten":  vgl.  S.  327  (1897).  a;  gereimt:  "Ich  will  es  Ihnen  sogleich  erklären,  Es  dient 
hier  zum  Gebetbuch  mir"  .  .  .     b)  in  Prosa. 

0  Beuschel,  Das  geistliche  Kartenspiel.  Zeitschr.  für  österreichische  Volkskunde  6, 
154-156  (1900' :  'Es  war  einmal  eine  Kirchenparade  zum  Gottesdienst  befohlen,  Das 
Regiment  stellt  sich  zusamm  und  macht  sich  auf  die  Sohleir  ...  19  Str.  zu  4  Zeilen:  aus 
Nordböhmen. 

Niederländisch  (V. 

V)  Bols,  Honderd  oude  vlaamsche  Liederen  1897,  No.  50:  *Hct  geestelijk  KaartspeF, 
12  Str.  zu  12  Zeilen.  Anfang :  'Een  «iuirsch  soldaat  g'heel  sterk  en  kloek  Kwam  in  de  kerk 
zonder  verduiken,    In  plaats  van  eenen  kerkeboek  Een  gansch  spei  kaarten  te  gebruikeu.' 


—  Ebeii'la  wir  i  auf  z\\'i  ahn] 

ipel1    nach    der  W<  ise: 

!■  Rachhändlers  \  an  Pa  m<  l  No.  84  u 
in  Antwerpen   \ 

V\  . 
W     Daran,  Romane 
Flugblatte.    Anfang:  'Em]  .  Madr<  Wolf, 

Studien  zur  spanischen  Nationallitteratui 
Vorlage  zu  fussen. 

Porl  ch    \ 

\     Puras  verc1  J.  E.  da  I 

kl.  8°.      Weimar,  Reinh    Köhlers  Nachläse  I  -  gedruckt 

V  . 
Y     Difesa  di  ut  äoldato  pruss  -  äalani    in  Florenz  . 

seitig  bedruckt,  offenbar  um  1^''»  entstanden,     über  dem  Text  ein  Holzschnitt,    der  einen 

ischen    Soldaten    vor   einem    sein   Kartenspiel    haltenden  Offizier    stehend    dai 
Weimar,    Reinh.  Köhlers  Nachlass.    —  Unten  S  i  icki      Vgl.  Dixon,  N   I 

Queriea   1.  -  219  (186b  mnini,    Rassegna  padovana  di  storia  !     L891 

Archivio  11.  267. 

!  -  I  änd  isc  h    /.  . 
Z     ülafur  Davidsson,  fslenzkar  Skemtanir  1888    92  S.340f. 


Diese   Fassungen,    denen    sich  gewiss  manche  andere  anreihen   la 
sind  teils  fürs  Volk  gedruckte   Plugschriften   AJBFGHKLMNQabVbcWXl 
r.'iis    von   Gelehrten    aus    .lern    Volksmund Ler    handschriftlicher   Über- 
lieferung veröffentlich!     DEOPRSabTÜVaZ).     Gereimt   Bind  our  TaUVW; 
die  übrigen   Fassungen  zeigen  prosaische   Form. 

Bei  der  Betrachtung  des  Inhalts  haben  wir  zwischen  der  epischen 
Einkleidung  and  der  Zahlendeutung  zu  unterscheiden.  Zumeist  isl  der 
Eeld  '1er  Erzählung  ein  Soldat:  erfährt  die  Namen  Louis  Bras-de-Fe  \ 
odeT  Richard  l'.W  X  .  genauer  Richard  Middleton  <  FG  oder  Richard  Lee 
(J),  auch  Fian/.  Sah  oder  Pipi  'l'ahlutV  I)  Das  italienische  Flugblatt 
\     macht  ihn.    offenbar  in   Erinnerung  an  das   18  alossene   Waffen- 

bündnis mir  Prens8en,  zu  einem  preussischen  Soldaten;  «las  damische  Lied 
(Y)  zu  ein. an  deutschen  Soldaten;  sonst  wird  in  der  Regel  voran 
dass  .ha-  Eeld  der  eigenen  Nation  angehört,  obwohl  der  englische  Nanu 
Middleton  in  der  französischen  Fassung  C  auffällig  ist.  In  einem  englischen 
Volksbuche  und  mehreren  von  diesem  abhängigen  skandinavischen  Er- 
zählungen (HMNO;  vielleicht  auch  KL)  i-t  der  Kartendeuter  kein  Soldat, 
sondern  ein  Bedienter  (Jean  in  M;  Jan  NO  .  der  von  seinen  Kameraden 
beim  Herrn  verklagt  wird.  Di-'  gesondert  dastehende  isländische  Anekdote 
(Z)  bringt  die  Geschichte  mit  dem  Pfarrer  Thorsteinn  Petursson  in  Stadar- 
bakka  in  Verbindung.  Der  Schluss  besteht  darin,  das.-  der  <  Iffizier  oder 
Dienstherr  den  Kartenliebhaber  nicht  bestraft,  Bondern  mit  einer  Belohnung 
entlässt.     Nur    die    französische   'Histoire    du   grenadier  Richard'  (C)  lässt 


Bolte: 

den  Obersten  zugleich  eine  Strafe  and  eine  Beförderung  aussprechen: 
'Richard,  vous  aurez  trois  mois  de  cachot;  vous  etes  simple  füsilier;  en 
äortant  de  prison,  je  vous  avancerai  en  grade.' 

Geben  ans  9chon  diese  Gemeinsamkeiten  and  unterschiede  Fingerzeige 
aber  das  Verwandtschaftverhältnie  der  einzelnen  Recensionen,  so  ist  «lies 
auch  bei  der  Auslegung  der  Zahlen  der  Fall.  Gewöhnlich  erscheint  zu 
jeder  Zahl  nur  eine  Deutung,  nur  die  französischen  Passungen  BC  und 
die  portugiesische  \  geben  mehrere  (bis  zu  12)  an,  die  wir  jedoch  nicht 
alle  wiederholen  wollen. 

D  -  W  bedeutet  den  einen  Gott  (CDEFGHJOPQabRSabTUVWXYZ), 
ein. -n  Glauben,  eine  Taufe  (EVX)  u.  s.  w. 

Zwei  das  alte  und  neue  Testament  (CHWX).  Leib  und  Seele  (CZ  . 
Gottvater  und  Christus  DFGJ),  die  zwei  Naturen  Christi  (EPQabRSabTbXY), 
die  beiden  Schacher  (Eb),  Tugend  und  Laster  (H  .  die  beiden  Sakramente 
(O).  die  beiden  Gesetzestafeln  (X). 

Drei  die  Dreieinigkeit  (CDEFGJOPQabRSabTbYWXYZ),  die  Tage, 
die  .Jonas  im   Walfisch  verweilte  (H),  die  Grazien   (H). 

\'ier  die  letzten  Dinge:  Ted,  Gericht.  Hölle.  Paradies  I  EVX),  die 
Evangelisten  (DEbFGJOPQabRSabTbVWXY),  die  Jahreszeiten  (CH),  die 
Stände  (Z). 

Fünf  die  klugen  Jungfrauen  (DEcFGJWX),  die  Wunden  Christi 
(EOPQabRSabTbYXYZ),  die  Sinne  (CH). 

Sechs  die  Schöpfungstage  (CDKcFGHJOQabRSTbYWXY),  die  Arbeit* 
tage  (P),  die  Bitten  im  Vaterunser  (!)  (H),  die  Pilgerreise  des  Menschen 
(Z.   nach   der  isländischen  Bezeichnung  dieser  Karte  'Post'). 

Sieben  den  Ruhetag  (CDEFGJPQRSabTbYWYZ),  die  Worte  Christi 
am  Kreuz  (CO),  die  Sakramente  (CUX),  die  Bitten  im  Vaterunser  (TaX), 
die  Weltwunder  (CH),  die  Planeten  (H). 

Acht  die  Familie  Xoahs  (CKcF(  iHJOPQabRSabTbVWXYZ),  die  Selig- 
preisungen der  Bergpredigt  (CDHTaUX).  die  Calvarienberge  (E). 

Neun  die  undankbaren  Aussätzigen  (CEcFI  UPQabRTbVWY),  die 
Engelchöre  (CSabTaU),  die  Jungfrauen,  die  Christus  anbeteten  (E),  die 
Musen  (II \\    die  Stunden,  während  deren  Christus  am   Kreuz  hing  (OZ). 

Zehn  die  zehn  Gebote  (DEFGHJOPQabRSabTüYWXYZ). 

\  un  den  Buben  legt  der  Erklärer  den  Treffbuben  oder  Kreuzbauer 
(EFGHJOPQabRSabTaü;  Klaverzot  Vb;  Cavallo  X)  oder  Pikbuben  (PV) 
bei  Seite,  um  ihn  nachher  auf  den  Verräter  Judas  und  seinen  eigenen 
Angeber  zu  beziehen;  die  übrigen  deutet  er  auf  die  Knechte,  die  Je>um 
mißhandelten   (CDPQabSaUYbY)  oder  auf  die  hl.  drei  Könige  (E). 

Die  Damen  bezeichnen  entweder  die  Königin  von  Saba  (CDEFGJT 
VbWX;  wobei  PGJ  die  (leschichte  einschalten,  wie  Salomon  die  gleichge- 
kleideten Mädchen  und  Knaben  beim  Händewaschen  unterschied)  oder  Maria 
(COPQabSabVZ)   und    die   drei   Frauen  am  Grabe  Christi  (QabSabTaUY). 


Eine  geistli«  he   lnsl<  jm  ;;s] 

Die  Könige  Gott    PGJRSabXZ),  dei    I  aerrscher    BFG      Herodes 

(P)  und  die  hl.  drei   Könige    CDPQaSabTbVbl   .  die   Richter  Christi     R 
oder  die  Evangelisten     Tal 

Die  vier  Farben  die  Jahreszeiten  (HOPY);  Rot  und  Schwarz  das 
Blut  und  Leiden  Christi  I.  I  arreau  (Raute)  Tendroil  oii  für  placee  la 
croix  de  Jesus-Christ'  (C"\  oder  die  rier  Ecken  der  Kirche  (PQabRSabY); 
Pique  (Schippen)  den  Speer  (CQabRSabVl  oder  das  Grab  Christi  P  . 
Coeur  die  Liebe  Christi  (CQabSabVT  oder  die  Andacht  des  Kirchgäi 
(P);  Treue  "1  union,  le  zele  ei  L'amour  des  trois  feiumes  qui  alleren!  au 
tombean     I       das  Kreuz  (PQabRSabV)  oder  die   Dornenkr N 

Die  12  Kartenbilder  bedeuten  die  Monate  (CEOPSabTbVXI  .  die 
52  Karten  die  Wochen  CDEHOPSbTbVWX),  die  365  Points  die  Tage  des 
Jahres  (CDEHJSbTbWXY). 


Leider  sind  uns  die  Passungen  A.  B  und  II  nicht  zugänglich,  und  wir 
können  schon  deswegen  über  die  Entstehung  der  Erzählung,  die  man  ent- 
weder nach  Frankreich  oder  nach  England  setzen  wird,  vorläufig  aicht  in> 
Klare  kommen.  Wenn  ahm-  auch,  wie  es  scheint,  das  Büchlein  erst!  in 
dm*  zweiten  Hälfte  des  1*.  Jahrhunderts  zusammengestellt  sein  Bollte, 
bo  sind  seine  Elemente  doch  erheblich  älteren  Ursprungs.  Geistliche 
Deutungen  des  Kartenspiels  erscheinen  schon  im  L5.  Jahrhundert 
mehrfach1);  ans  dem  17.  führe  ich  an  Joseph  a  S.  Barbara  [Geestelyk 
Kaert-Spel  met  Herten  Troef,  oft  het  Spei  der  Liefde.  Antwerpen  1666) 
und  Andreas  Strohl  (Das  Geistliche  Teutsche  Karten-Spil,  d.  i.  Ausführliche 
Erzehlung,  wasmassen  das  Israelitische  Volck  im  Alten  Testamei 
wunderlich  vermischt,  und  hin  und  wieder  getrieben  wurden.  \  ier  Thail. 
Sultzbach  1691.  1"  .  deren  für  nnsem  Geschmack  ungeniessbare  Werke 
wiederholt  aufgelegt  wurden;  aus  dem  18.  ein  niederländisches  Lied  'Een 
geestelijck  tydt-verdryf,  of  het  kaerte-spel  der  Godt-minnende  Zielen,  vol 
wondere  en  seer  schoone  Kenielsche  Meditation',  über  das  Bols")  nach 
einmn  Liederbuche  von  1717  berichtet.  Auch  die  Häufung  von  vielen 
Aufzählungen  der  verschiedensten  Art,  die  wir  in  den  Fassungen  !'•<  \ 
antrafen,  lässt  sich  in  Schwankbüchern  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  mehr- 
fach nachweisen8)  und  erinnert  an  ältere  Priameln  und  Satiren  wie  Huttens 


1)  Ingold,   Das.  goldene  Spiel  1882,    S.  61;    dazu  XXV.  XXX    Jobannce  ron 
Geiler).    Bernardinus  Senensis,  Opera  1.  196a  (IT  i  ninus,  8amma  2,  tit.  l.  i 
§  «.    Singer.  Efistorj  of  playing  carda  1816,  p.24f.  —   Ferner  Kirchhof,  Wendunmut 
Guarinoni,  Grewel  der  Verwüstung  Menschlichen  Geschlechts  16K 

2)  Oude  vlaauische  Liederen  I8v»7.  S.  L16. 

3)  C.  A.  M.  v.  \Y..  Kurtzweiliger  Z«'itvertreiber  1666,  8.614—521 

Schola  curiositatis  s.  antidotum  melancholiae  1,    192-195.     Das  Einmahl  Eins   cum   notis 
variorum,  Dreßden  u.  Lpz.  1703  (365  S.  8°).    J.  F.  Biederer,    Die  Zahl  ITT.«    -in 

älteres  Buch  über  die  Zahl  Drei  habe  ich  nicht  gesell 


- 


Bolte: 


Vodiscus  oder  die  Quaterniones  raundani1  .  Bndlich  begegne!  uns  die  zur 
Einrahmung  der  Kartendeutung  dienende  Anekdote  bereits  in  einem  ähn- 
lichen, von  Singer8  angeführten  älteren  Schwanke,  in  dem  jedoch  statt 
äoldaten  ein  Predigermönch  <  i  1  *  -  Hauptrolle  spielt.  Dieser  zieht  in 
der  Kirche  statt  des  Breviers  aus  Versehen  ein  Spiel  Karten  aus  der  Tasche, 
t'asst  sich  aber  schnell  und  trägt  seinen  Zuhörern  eine  erbauliche  Auslegung 
der  Karten  vor.  Wann,  wo  und  von  wem  diese  einzelnen  Züge  zu  einem 
Ganzen  vereinigt  wurden,  «las  bleibt,  wie  gesagt,  vorderhand  noch  eine 
offene  Prasre. 


II.   Die  älteste  deutsche  Fassung  ((Ja). 

Zwey  ganz  neue  auserlesene  Lieder.  Das  erste:  Testament  eines  durstigen  Bruders. 
Wenn  ich  dereinstens  nicht  mehr  trinke,  &c.  ]>as  Zweite:  Wann  ich  ein  Vöglein  war.  &c. 
Das  Cartenspiel  in  der  Kirche.  Einige  scherzhafte  Fragen  und  Antworten.  Gedruckt  in 
diesem  Jahr.    v  . 

Das  Cartenspiel  in  der  Kirche. 

Hin  Regiment  machte  einst  an  einem  Sonntage  Kirchen-Parade,  ein 
Soldat  setzte  sicli  beim  Eingang  in  die  Kirche,  und  wie  man  dachte  er 
nehme  ein  Gehet-  oder  Gesangbuch,  zog  er  ein  Spiel  Carten«  aus  der 
'Pasche  und  legte  selbige  auseinander  vor  sich  her.  Der  Feldwebel  so 
dabei  stand  sah  ihm  zu  und  befahl  ihm:  er  sollte  seine  Carten  in  die 
Taschen  stecken  und  solches  nicht  wieder  thun;  der  Soldat  gehorchte  dem 
Feldwebel  nicht  und  verantwortete  sich  auch  nicht,  sondern  betrachtete 
sein  Cartenspiel  beständig.  Während  der  Zeit  war  die  Kirche  wieder  aus, 
der  Feldwebel  wartete  vor  der  Thür  auf  den  Soldaten  bis  er  aus  der 
Kirche  kam,  führte  ihn  dann  zu  seinem  Major  und  verklagte  ihn  um  das 
was  er  in  der  Kirche  gesehen  hatte. 

Der  Major:  Wie  du  hast  dich  unterstanden  in  der  Kirche  Carten  zu 
spielen?  Verantworte  dich  sogleich  oder  du  sollst  ohne  Gnaden  Gassen 
laufen. 

Der  Soldat:  Wenn  sie  mir  gnädig  erlauben  so  werde  ich  mich  hin- 
länglich verantworten.  Die  Kirche  ist  ein  heiliger  Ort  und  ich  habe 
niemand  in  seiner  Andacht  gestöhrt  sondern  alle  in  Ruhe  gelassen. 

Der  Major:  Ich  merke  es  ist  nicht  wahr,  verantworte  dich  besser 
oder  ich  schicke  dich  sogleich  in  Arrest. 

Der  Soldat  (Hierauf  zog  er  seine  Carten  wieder  aus  der  Tasche, 
zeigte  sie  dem   .Major  und  saute):    Sobald  ich  ein  Aß  sehe  das  zeiget  mir: 


1)  Vgl.  auch  'Quaternio.  Ein  schöner  Tractat,  in  welchem  1'25.  stuck  von  vier  dingen, 
Auli  dem  H.  Lehrer  Thoma  vonn  Aquin  gezogen,  Nit  minder  nutzlich  dann  lustig  zu  lesen", 
o.  J.  1558  (Innsbruck,  Ferdinandeum).    Andere  Beispiele  bei  Uhl,  Die  deutsche  Priamel  1897. 

•_')  Researches  into  the  History  of  Playing  Cards  1816,  p.  532.  —  Eine  ähnliche  Ge- 
schichte aus  'The  Women's  Advocate  or  the  Fifteen  real  comforts  of  Matrimony'  (1683) 
steht  bei  Chatto.  Origin  of  playing  cards  1848,  p.  321. 


Eine  geistliche    \u 

daß  ein  Gotl  ist  der  Himmel  und  Erde  erschaffen  bat;  eine  zwei:  die 
Naturen  in  Christo  nemlich  die  gottliche  and  menschliche;  eine  drei:  die 
drei  Personen  in  der  Gottheit;  eine  vier:  die  vier  Evaugelisten  Matthäus 
Marcus  Lucas  und  Johannes;  eine  5:  die  •>  Wunden  Christi;  eine  6:  daß 
Gott  6  Tage  gearbeitet  und  am  7  geruhet  welches  wir  aber  nicht  thun 
sondern  ihm  dienen  müssen;  eine  s  zeiget  mir  an:  die  achte  die  in  der 
Arche  das  Leben  erhalten  haben,  das  ist  Noab  sein  Weib  und  ihrer  Söhne 
Weiber;  eine  9:  die  9  undankbar  Gesundgewordenen  weil  nur  einer  Gott 
t'ur  Beine  Gesundheit  gedankt  hat;  eine  10:  die  zehn  Gebote  Gottes  welche 
Gott  Mnsr  auf  dem  Berge  Sinai  gegeben  hat.  Wie  nun  der  Sul.hu  alle 
Paß-Karten  durchgegangen  war  nahm  er  den  Kreutz-Bauer.  legte  ihn  auf 
die  Seit.'  und  sagte):  Dieser  war  nicht  ehrlich,  die  andern  drei  sind  Schinder- 
knechte welche  Christum  den  Herrn  auf  Befehl  Pilati  gegeiselt  haben; 
das  Herz  Bagt  mir  daß  Gott  seine  Kirche  habe  zum  Gotteshaus  bauen 
Lassen;  die  Schellen  zeigen  mir  daß  alle  Kirchen  viereckigt  Bind;  die 
Schuppen  zeigen  mir  »las  Speer  Nägel  und  die  dornene  Krone  welche 
Christum  den  Herrn  durch  Mark  und  Bein  gedrungen;  so  bald  ich  ein 
Kreutz  -ehe  stell  ich  mir  das  Kreutz  vor  an  welchem  Christus  dei  Herr 
gekrenziget  ist:  die  vier  Könige  zeigen  mir  die  vier  Könige  aus  Mohren- 
Land;  die  vier  Damen  zeigen  mir  die  vier  Weiher  welche  zum  Grabe 
kamen  Christum  den  Herrn  zu  suchen.  Ich  sage  ihnen  daß  mir  ein  Spiel 
Carten    sowohl  zu  meiner  Andacht  dient  als  ein  Gebet-  oder  Gesangbuch. 

Der  .Major:  Du  sagst  mir  aber  doch  nichts  von  dem  Kreutz-Bauer 
weichein  (sie)  du  auf  die  Seite  gelegt  hast  um!  sagtest  er  wäre  nicht 
ehrlich. 

Der  Soldat:  .Mein  Herr  Oberst-Wachtmeister  wenn  ich  ohne  Strafe 
soll  ilavon  kommen,  so  will  ich  es  sagen. 

\)i'\-  Major:    Sag  nur  her  mein  Sohn,  es  soll  dir  nichts  geschehen. 

Der  Soldat:  Der  Kreutz-Bauer  welchen  ich  auf  die  Seite  gelegt  und 
gesagt  habe:  er  wäre  nicht  ehrlich,  das  ist  der  Verräther  Judas;  oder  dieser 
Feldwebel   welcher  hier  steht  und  mich  bei   Ihnen  verklagt  hat 

])<■]•  Major:  Da  (und  schenkte  ihm  Bechs  Louisd'or)  mein  Sohn!  trink 
meine  Gesundheit,  dn  bist  >\f\-  allerpolitisch[t]e  Windbeutel  den  ich  je 
gesehen  habe,  tch  habe  viel  Leute  gesehen  die  in  den  Carten  studirl 
haben,  es  ist  ihnen  aber  unmöglich  gewesen  solches  zu  linden  was  du  mir 
jetzt   gesaut   hast. 

111.   Die  portugiesische  Fassang  (X). 

Puras    verdades    d'um    soldado   chamado  Ricardo.     Cnriosas      chi 
postas,    «nie    eile    deu,    quando   na  occasiäo  de  '-stur  a  ouvir  missa,    ;il>riu  um  bar  all 
cartas,  sendo  depois  mandado  prender  por  um  sargento  da  compauhia.     Nova  tradu« 
uova  edioäo  augmentada  com  os  versos  dedicados  ;i  morte  do  alferes  Brito.     Por  Tiburcio 
Pedra.    Vende-se  na  livraria  de  J.  E.  da  Cruz  Coutinho,  editor.     15  —  Rua  do  Almada        IT. 
Porto.     16  S.    12°. 


;-,M  Bolte: 

11  Soldado  ouvindo  missa  por  um  baralho  de  cartas. 

um  sargento  da  companhia  d'este  militar  (em  Buenos -Ayres)  que 
julgou  acto  escandaloso  am  Beu  Bobordinado  estar  u'aquelle  logar  täo  entertido 
com  aa  cartas  de  jogar  o  prendeu  a  sahida  da  egreja,  e  sem  querer  ouvir 
aa  Buaa  razöes  o  levou  a  presenca  do  commandante  para  applicar  ao  soldado 
o  castigo  condigno. 

(>  commandante  que  era  dotado  d'uma  severidade  austera.  para  mantei 
a  disciplina  no  corpo  confiado  ao  seu  commando,  tambem  era  cordato, 
attencioso  e  justiceiro,  e  por  isso  interrogou  o  soldado  da  seguinte  inaneira: 

Porque  motivo,    assistindo   ä  missa  entre  teus  camaradas,  te  tornaates 

ti lioso  pelo  teu  comportamento,  rebelde  para  com  as  leis  da  disciplina, 

irreverente  para  com  o  logar.  sem  respeito  para  com  os  teus  superiores, 
e  escandaloso  para  com  o  publico?  Pensavas  que  esse  desacato  näo  chegaria 
ao  meu  conhecimento,  e  que  näo  saberia  castigar  um  mau  soldado? 

Mau  soldado.  meu  commandante?  Mau  soldado?  .  .  .  Eu  que  fui  coa- 
decorado  por  ter  tomado  uma  bandeira  ao  inimigo,  e  que  fui  elogiado 
pela  parte  que  tomei,  com  a  minha  companhia,  na  ultima  batalha,  e  que 
nunca  recebi  seuäo  elogios  dos  meus  superiores.  durante  toda  a  minha 
carreira  militar,  e  agora  pelo  simples  facto  de  possuir  um  almanak  illustrado. 
ou  porque  face  de  um  baralho  de  cartas  um  livro  instructivo  de  religiäo. 
ou  um  innocente  passatempb  quando  quero  distrahir-me,  chamam-me  um 
mau  soldado!  .  .  . 

Näo  coniprehendo  nada  do  que  dizes.  explicate  depressa  se  queres  que 
te  attenda. 

Ja  que  V.  Sa-  me  da  licenca,  eu  explico  a  rasäo  porque  uso  do  baralho 
de  cartas.  como  meio  economico  para  evitar  a  coni})ra  de  um  livro  de 
oracöes.     E  tirando  o  baralho  de  cartas  da  algibeira,  diz  ao  commandante: 

Este  az  representa-me  um  so  Deus  rerdadeiro,  uma  so  Igreja,  um  so 
baptismo,  um  so  Pontifice  e  uma  so  arca  de  Noe;  uma  e  a  egreja  Catholiea. 
onde  se  rem  de  salvar  os  que  n'ella  vivem  e  morrem  como  fieis  christaos. 
—  Mostrando  o  dois,  disse:  Este  nie  faz  lembrar  as  duas  taboas  da  lei.  a 
duas  naturezas  de  Christo,  os  dois  patos  era  que  se  sustentou  o  mundo, 
os  dois  pontos  do  P.  Nosso,  oracäo  e  peticäo,  novo  e  velho  testamento, 
dois  minutoö  cresce  o  dia  na  Primavera,  e  dois  minutos  mingua  cada  dia 
no  Outomno.    —    Mostrando   o  tres,    disse:    Lembra-me   a  tres  pessoas  da 

rrindade,  as  tres  potencias  da  alma.  as  tres  virtudes  theologaes,  as 
tres  leis,  natural,  espiritual,  e  de  graca,  os  tres  inimigos  da  alma,  os  tres 
reis  Magnos,  as  tres  Marias,  as  tres  oousas  para  a  salvacfio,  jejum,  esmolaa, 
e  oracäo,  os  tres  filhos  de  Xoe,  os  tres  reis  que  tiveram  os  judeos,  Aud, 
David  e  Salomäo,  os  tres  cravos  que  pregaram  a  Christo  na  Cruz,  tres 
cousas  fazem  a  um  hörnern  nobre  e  famoso  no  mundo:  virtudes,  armas,  e 
letras.  —  Mostrando   o    quatro,    disse:    Lembra-me   os  quatro  evangelistas. 


Eine  geistlich    Auslegung  des  Kai    i   ■ 

ob  quatro  novissimoa  do  hörnern,  ae  quatro  partes  'I"  mundo,  ob  qu 
heroes  da  fama,  Viriato,  Anibal,  Sipiäo,  Pompeo,  oa  l  dona  da  [greja  latina, 
e  08  1  da  grega;  quatro  Bäo  as  mala  formosaa  cidadea  da  Buropa:  Roma  em 
[talia,  Pari/,  em  Franca,  Lisboa  em  Portugal  e  Londrea  em  Inglaterra,  por 
sua  grande  povoacäo  e  commercio.  -  Mostrando  o  cinco,  disse:  Lembra-me 
as  ciuco  virgens  loucas,  oa  cinco  sentidoa  corporai  ico  mandamentoa 

da  [greja,    as   cinco   cidades  abrazadas  com  fogo  do  Ceo,    aa  cinco  ch 
de  Christo,    cinco   vezes   chorou  Christo   no  Presepio,    na  Circumcisäo,    na 
Resurr  ei  cäo  de   Lazaro,  vendo  a  cidade  de  Jerusalem  e  quando  expirou  na 
Cruz.  Mostrando   o   seis,    disse,    que    Dens   fez   o   muudo  ao  6°  dia  da 

Bemana  e  os  seis  peccados  contra  o  Espirito  Santo.  Mostrando  o  sete 
disse:  Lembra-me  oa  sete  Sacramentoa  da  Egreja;  os  sete  dons  'I"  l)i\iih> 
Espirito  Santo:  a-<  sete  obras  de  miserici  rdia,  corporaea  e  espirituaes;  a> 
Bete  peticöes  do  Padre  Nosso;  os  Bete  peccados  mortaes;  oa  Bete  psalmos 
penitenciaes ;  as  sete  luxes  do  candieiro  da  arca  «I"  testamento,  Bete  annos 
serviu  Jacob  a  Labäo  Beu  tio,  por  casar  com  a  formosa  Raquel  sua  prima, 
na  Bete  monteß  estä  fundada  Lishoa:  S.  Vicent«',  Graca,  o  Caatello,  Santa- 
Anna.  Trindade,  Chagas,  e  Santa  Catharina.  Biostrando  o  oito,  disse: 
Lembra-me  as  oito   pessoas  que  se  salvaram  do  Diluvio,    e  as  oito  bema- 

venturancas    —  Mostrando   o   nove,    disse:    Lembra- as   nove   muzas  do 

Parnazo    com    que    os    poetaa   adornavam  oa  grosseiros  povoa  da  terra. 

Mostrando  o  dez,  disse:   Lembra-me  os  dez  .Manila ntos  da   Lei  de  Deus. 

—  Mostrando  a  BOta,  disse:  Lembra-me  a  rainha  de  Sabä  que  veio  admirar 
a  sabedoria  de  Salomäo.  —  Mostrando  o  rei,  disse:  Este  me  faz  lembrar  o 
rei  do  ceo  a  quem  devo  o  ser  que  tenho.  —  Guardou  as  cartas  e  nada 
disse  do  cavallo. 

Grandemente  te  tens  defendido,  disse  o  commandante,  e  de  certo  näo 
mereces  o  castigo  que  te  tinlia  determinado;  näo  deixo  de  reparar  que  näo 
dissestes  nada  do  cavallo? 

0    soldado    respondeu:    En   podera   lembrar-me  do    cavallo  P...  que 

estä  no  ceo,  como  dizem  os  poetas,  ma  se  V.  s  •  proraette  de oäo  castigar, 

direi  o  melhor  que  representa.  E  tendo  o  consentimento  de.  commandante, 
disse:  Aquelle  cavalla  representa  o  snr  sargento  que  me  trouxe  ä  presenca 
de   V.   S      sein   ine  querer  ouvir. 

Mas.  retorquiu  o  commandante,  tambem  quero  que  me  digas,  como  te 
serve  o  baralho  de  almanak,  como  dizes? 

ä.s  12  tiuuras.  me  fazem  lembrar  os  doze  apostolos,  os  doze  mezes  do 
anno,  os  doze  patriarchas,  os  bois  de  Methab  que  Bustentaram  o  mar  em 
si;  os  doze  pares  de  Franca,  oa  doze  mezea  do  Bacrificio,  os  doze  Bignos; 
todo  o  baralho  tem  cincoenta  e  duaa  cartas  que  Bäo  52  Bemanaa  do  anno 
que  fazem  366  dias,  de  sorte  «[im  eile  me  Berve  de  Livro  de  0]  athe- 

cismo.  folhinha,  e  de  devertimento  quando  jogo. 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    190L 


Boli 

Ficou  o  commandante  satisfeito  com  n-  respostas  do  soldado;  recora- 
mendou-lhe  que  aäo  uzasse  mais  das  oartas  na  egreja,  e  soltou-o.  Valeu 
ao  Boldado  a  agudesa  d'engenho;  eosargento  ficou  confundido  por  ser  vencido 
por  aquelle,  que  julgava  de  menoa  intelligencia. 


IV.   Die  italienische  Fassung  (Y). 

Difcsa  di  im  Soldato  I'russiano  condannato  a  dieci  ^iri  di  verghe,  passaado  in 
mezzo  a  "200  uomini,  per  avcre  in  Chiesa.  cd  in  tut to  il  tempo  della  Mcssa  contemplato 
un  mazzo  di  carte. 

I'.ia  un  giormo  di  festa,  e  come  vi  e  il  costume  e  dovere  che  i  Soldati 
vaimo  alla  Mcssa:  succede  che  mentre  un  Reggimento  Prussiano  era  alla 
Messa,  uno  dei  Soldati  invece  di  prendere  in  mano  qualche  libro  di  de- 
vozione,  si  levo  di  tasca  un  mazzo  di  carte  da  gioco  e  se  ne  stette  per 
tutto  il  tempo  della  Messa  meditandole  ad  una  ad  una.  —  II  Sergente  che 
l'osservö  gl'impose  di  deporle,  ma  il  Soldato  ne  rispose,  ne  obbedi,  e  seguitÖ 
La  Bna   meditazione  sin  a  tanto  che  la  Messa  non  fu  terminata. 

11  Sergente  sdegnato  di  un  tale  affronto,  terminata  la  Messa  lo  conduce 
dal  Maggiore,  narrandogli  il  tutto.  II  Maggiore  acceso  di  sdegno  conti«» 
costui  gli  disse:  Come  tu  ardisci  in  Chiesa  tener  le  carte  da  giuoco  in  mano, 
invece  di  libri  devoti?  Ebbene,  se  tu  <lunque  domani  non  saprai  difenderti, 
passerai  per  dieci  giri  di  verghe  fra  200  uomini.  —  Allora  il  Soldato  rispose 
al  Maggiore:  Lei  dice  bene  che  il  luogo  e  santo,  e  che  ognuno  deve 
attendere  alle  sue  meditazioni,  come  io  pure  attendeva  alle  mie.  —  Non 
basta  ci<>  per  scusarti,  dice  il  Maggiore,  preparati  «lunque  domani  a  subire 
il  castigo  annunziato.  —  Allora  il  Soldato  ripigliö  il  mazzo  di  carte  di 
tasca,  e  disse  al  Maggiore:  Ecco  la  mia  difesa,  facendo  ad  una  ad  una  la 
seguente  spiegazione: 

Qualora  io  vedo  un  asso,  rifletto  che  vi  e  un  Dio  solo  creatore  del 
Cielo  e  della  terra.  II  due,  mi  significa  che  vi  sono  due  nature  in  Cristo, 
cioe  divina  e  umana.  II  tre,  me  significa  le  tre  persone  ed  un  solo  Dio. 
II  quattro,  i  quattro  Evangelist!,  cioe  Matten,  Luca,  Marco,  e  Giovanni. 
II  cinque,  le  ciuque  piaghe  di  Christo.  II  sei,  mi  fa  considerare  i  sei  giorni 
della  creazione  del  mondo.  II  sette,  che  dopo  i  sei  giorni  della  creazione 
del  mondo,  il  settimo  si  riposö.  L'otto,  mi  rappresenta  le  otto  persone 
che  si  salvarono  dal  Diluvio  nell'  Area,  cioe  Noe,  sua  moglie,  con  tre  loro 
figli,  e  le  loro  mogli.  II  nove,  i  nove  uomini  risanati  dal  Signore  che 
ingrati  non  gli  rese  le  dovute  grazie.  II  dieci  mi  fa  rammentare  i  dieci 
comandamenti  che  Mose  ha  ricevuti  da  Dio  sul  monte  Sinai  tra  mezzo  a 
lampi  e  tuoni. 

Dopo  il  Soldato  prese  tutte  le  figure  e  messe  a  parte  solo  il  fante  di 
picche  dicendo:  Tu  disonorato  infame  non  devi  rimanere  fra  gli  altri. 
Questi  poi  (cioe  li  altri  tre)  sono  i  manigoldi  che  hanno  croeifisso  il  nostro 


Eine  geistliche  Ausli 

Signore  Gesli  Cristo.  Le  quattro  dame  rimostrano  Riaria  colle  fere  donne 
che  visitarono  il  s.  Sepolcro.  I  quattro  I!''.  mi  ßignificano  i  !!••  fcfagi  che 
vennero  dall1  Oriente  ad  adorare  il  Re  incomparabile,  cioe  Gesa  Cristo 
appena  nato.  <>mii  qua!  volta  i<>  vedo  le  < : i rt < •  a  fiori,  mi  \i<-u.'  in  mente 
che  il  Redentore  invece  di  essere  coronato  di  fiori  fu  coronato  di  pungen- 
tissime  Bpine.  Videndo  picche  mi  fa  memoria  la  Lancia,  i  chiodi,  che  gli 
trafissero  il  costato,  mani  e  piedi  dell'  adorato  aostro  divin  Redentore. 
Vedendo  i  cuori  mi  rammentano  il  grande  amore  di  cui  arse  Gesü  morendo 
per  noi.  Vedendo  i  quadri  mi  danno  a  conoscere  che  La  Chiesa  ai  dilatb 
per  tutte  le  altre  parti  de!  mondo.  Di  piii  osservo  che  aelle  carte  vi  sono 
."»tili  punti,  e  366  sono  i  giorni  dell'  anno.  Le  Figure  Bono  12,  e  L2  Bono 
i  incsi  dell'  anno  I  quattro  colori  significano  le  quattro  Btagioni.  Le 
bestemmie    che    mandano    i    giueatori    mi    ricordano    quelle    che   i  Giudei 

mandavano  a  Gesu  Cristo.     II  denaro  che  giuocano  ßignificano  le  3 oete 

per  le  quali  fu  da  Giuda  venduto.  L'allegria  poi  che  Begue  sul  giuoco,  mi 
rammenta  l'allegria  di  quelle  anime  Sante  de!  Limbo  Dell'  atto  che  vengono 
da  Diu  liberate.  D  -Dritt«,  ed  il  rovescio  delle  carte  mi  significano  il  Paradiso 
e  l'Inferno.  Altro  Don  saprei  ilirle,  o  Signor  töaggiore,  in  mia  difesa  boIo 
ch'io  vo  meditando  molto  meglio  an  Mazzo  di  carte  che  sopra  a  qualunque 
altro  libro  di  divozione. 

A-llora  il  Maggior  gli  domanda  che  vuo]  dire  quel  fante  a  picche  che 
hai  me880  ;i  parte  dicendo  che  era  an  infame  e  an  disonorato!  -  Questo 
(rispose  il  Boldato  e  quello  che  mi  ba  condotto  qui  davanti  V.  S.  Illu- 
Btrissima  per  farmi  gastigare. 

II  Maggiore  adendo  ana  tale  difesa,  lo  assolve  immediatamente  dal 
Buaccennato  gastigo  e  colmu  d'applauso  la  Bua  prontezza  di  Bpirito. 

[mparate  dunque  a  dubitare  male  bu  dei  vostri  Pratelli,  Be  oo,  figurerete 
sempre  come  il  fante  di  picche. 

—  Stamperia  Salani  — 

V.  Die  Deutungen  der  Zahlenreihe  1-  12. 
Wir  müssen  zum  Schlüsse  der  weitverzweigten  Sippe  gedenken,  in 
die  sich  die  obigen  Volksbüchlein  durch  die  geistliche  Auslegung  der 
Kärtenzahlen  1  —  10  einreihen,  and  in  aller  Kürze  auf  die  in  vielen  Liedern 
und  Märchen  enthaltenen  Listen  der  heiligen  Zahlen  1-  12  und  ihrer  Be- 
deutungeneingehen. Denn  obwohl  verschiedene  verdiente  Forscher  dieser 
interessanten  Gruppe  Aufmerksamkeit  geschenkt  haben1  .  so  mangeU  es  doch 

1)  Ich  nenne  hier  nur  Pratos  umfänglichen  Aufsata  'Le  dodici  parole  della  Terira1  im 
Archivio  delle  tradizioni  popolari  10-15  :i891-1896),  Feilberg  in  dieser  Zeil  chrift    U  253 

und  Köhlers  Kleinere  Schriften  3,  369.  -  Auch  der  1890  zu  Hannover  v«  i  \  olks- 

liedforscher  Hermann  Kestner  hat  Kollektancen  ober  dies  Thema  hinterlassen,  ans  denen 
ich  einige  unedierte  Fassungen  entnommen  habe.  Böhmes  Nachweise  (Deutscher  Lieder- 
hort  3,  829  f.  1894)  sind  leider  recht  lückenhaft  und  durch  Druckfehler  entstellt. 

L'7* 


Bohr: 

bisher  an  einer  vollständigen  and  eingehenden  Untersuchung.  Möge  die 
folgende  bescheidene  Zusammenstellung  des  mir  zur  Zeit  bekannten  Materials 
zu  einer  solchen  anregen! 

Von  den  deutschen  Zahlenliederu1)  enthält  die  älteste  Aufzeichnung, 
das  1768  gedruckte  Züricher  Kinderlied  'Guter  Gesell,  ich  frage  dich",  in 
Form  von  Präge  und  Antwort  die  Zahlendeutungen:  1  Gott,  2  Tafeln  Mosis, 
3  Patriarchen.  4  Evangelisten,  .">  Bücher  Mosis,  6  Krüge  zu  Kana,  7  Gaben 
des  heiligen  Geiste-.  8  Stück  der  Seligkeit,  9  Chöre  der  Engel,  10  Gebote, 
11  tausend  Märterer,  12  Artikel  des  Glaubens;  und  zwar  werden  bei  jeder 
folgenden  Strophe  die  Antworten  der  vorhergehenden  mit  wiederholt.  Noch 
altertümlicher  alter  klingt  der  von  Schröer  mitgeteilte  Text  aus  der  1778 
entstandenen  Handschrift  des  Ragendorfer  Weihnachtspiels.  Er  gehört  zu 
den  Rätselfragen,  welche  die  Darsteller  dieser  Schauspiele  einander  auf- 
zugeben pflegten: 

Grüß  euch  Got,  Meistersinger  hochgeboren! 
Gott  hat  dich  z  einem  Meistersinger  außerkoren. 
Ich  frag  dich  mit  meinen  Witz  und  Sin  also  fein, 
Sag  mir,  was  das  erste  Stück  im  Himmel  mag  sein. 

Dank  euch  Got,  Meistersinger,  mit  aln  dein  Fragen, 
Daß  du  mich  so  trostreich  tust  befragen. 
Daß  erste  Stück  wil  ich  euch  wol  sagen, 
Ir  wert  mich  um  das  ander  weiter  fragen 
Von  Gott  dem  Herrn. 

Das  erste  ist  Got  der  Herr  auf  dem  Perg  Sinai, 
Der  allein  lebt  und  schwebt  im  Himmel  und  auf  Erden. 
Dadurch  hoffen  wir  alle  selig  zu  werden 
Von  Got  dem  Herr. 


1)  Schweiz  (Ulrich,  Sammlung  jüdischer  Geschichten  1768,  S.  138.  Rochholz,  Alem. 
Kinderlied  1857,  S.  2G7),  Elsass  (Stöber,  Elsäss.  Volksbüchlein2  S.  62.  147),  Oberösterreich 
vZiska,  Österr.  Volksmärchen  1822,  S.  95.  Tschischka-Schottky  1841,  S.  35),  Tirol  (Zingerle, 
Sitten,  Bräuche  und  Meinungen  1857,  S.  150.  Deutsche  Mundarten  3,509.  6,224»,  Steier- 
mark (Schlossar  1881,  No.  7.  Rosegger,  Der  Gottsucher*  1886,  S.  572),  Ungarn  (Schröer, 
Nachtrag  zu  den  deutschen  Weihnachtspielen,  Progr.  Presburg  1858,  S.  10),  Nassau  (Wolfram 
1894,  No.  6.  Erk-Böhrae  No.  2131),  Rheinland  .Simrock  1851,  No.  335.  Schmitz  1,  113. 
linker  1892,  No.  30.  Erk-Böhme  No.2l3l),  Franken  (Ditfurth  1855  2,  302,  No.  399), 
Böhmen  (Erk,  Liederhort  1856,  No.  198.  Berggreen.  Folkesange  og  Melodier  5,  No.  48.  1863), 
Westfalen  (Biermann,  Der  kleine  Liederfreund,  Münster  1852,  S.  82.  Sachse,  Über  Volks- 
und Khulerdichtung,  Progr.  Berlin  1869,  S.  20  =  Archivio  14,  490.  Erk-Böhme  No.  2131), 
Oldenburg  (Strackerjan,  Aberglauben  und  Sagen  1867  2,50:  Vechtaer  Pfiugstlied),  Altmark 
iParisius  1879,  No.  4  A— ß),  Brandenburg  (Erk-Irmer  2,  1,  48,  No.  41.  1841).  —  Einige 
unedierte  Fassungen  aus  Wien,  Salzburg,  Aulendorf  in  Bayern,  Rheinfranken,  Münsterland, 
Meppen,  Northeim  besass  Kestncr,  der  sie  zum  Teil  durch  L.  Erk  erhalten  hatte.  Da  die 
Texte  keine  besonderen  Eigentümlichkeiten  bieten,  übergehe  ich  sie  und  gebe  nur  die 
Singweisen  wieder.  Zu  der  dritten  Melodie  bei  Erk-Böhme  3,  827  trage  ich  nach,  dass 
laut  einer  Mitteilung  Erks  an  Kestner  vom  März  1877  dies  von  Lewalter  zu  Niederreifen- 
berg    im  Untertaunuskreise  aufgezeichnete  Kinderlied   beim  Filetstricken  gesungeu  wurde. 


Eine  geistli« 


Während  die  Zahlendeutungeu  hier  ober  das  flbliche  Mass  hinan-  bis 
24  fortgesetzt  werden1),  weist  uns  die  Anrede  'Meistersinger1  ins  16.  Jahr- 
hundert zurück,  in  die  Zeit,  da  der  Meistergesang  durch  Hans  Sachs  zu 
erneuter  Blüte  gebracht  und  durch  die  wandernden  Handwerker  weithin 
bis  nach  Danzig  und  Königsberg,  nach  Mahren  und  l  ngarn  verpflanzt 
wurde.*)  Wir  werden  kaum  fehlgehen,  wenn  wir  auch  indem  verderbten 
ersten  altmärkischen  Texte8): 

Singe,  da  bist  wohlgemut, 

Sago  mir  nun  wieder  das  erste  Gebot  .  .  . 

und  in  der  brandenburgischen   Passung: 

Ach    Serie,    -ei    dorn    Wi  .1)1- elllllt 

Und  sage  mir  doch  wiederum  das  erste  Gebot  .  .  . 
dieselbe  Anrede  'Singer'  "der  'Meistersinger1  einsetzen  und   nebenbei  auch 
den  Ausdruck  'Gebot1  für  eine  Entstellung  erklären. 

Zu  den  von  Erk,  Ditfurth,  Böhme,  Parisius  und  Wolfrain  veröffent- 
lichten Melodien  möchte  ich  noch  einige  von  Hermann  Kestner  gesammelte 
Varianten  hinzufügen : 

1.    W.  v.  Zuccalmaglio   L866  aus   Rheindorf  in   Rheinfranken. 

/TN  ^ 


Gu -  ter  Freund,  ich    fra-ge  dich.  Gu -  ter  Freund,  was  fragst  du  mich? 


fc== == 


-ZI 


3EESS 


-• — | — »■ 

rd=r: 


Sag    mir,    was     isi       Ei 


and    Eins     isi     Gotl      allein, 


m 


^j=r=?ft^->-r\  r^=j=g^^ 


der    da      Lebt    und    der    da  schwellt  im  [Timmel     und    auf      Er  -  den. 


1  13  ist  Himmel  und  Erde,  1  l  Sonn  und  Monachein,  15  Adam  und  Eva,  16  Salomon, 
17  Sara  und  Abraham,    18  Mos.-  und  Axan,    19  Ahsalem,   20  Simson,  21  Gabriel  Michael 

und  Kabuel,  22  Menschwerdung,  23  Bescl idung,  24  Johannes  Taufe.     Mau  sieht,  • 

willkürliche  Zusätze,    die   mit    den  Zahlen   nichts  zo  thun  bähen.     Vgl.  äbrigen 

Fcj     1879,  p.  260. 

2  Ünrch    die  Thätigkeü   derselben  Kreise  sind  ja  auch  geistliche  Dramen  Ha 
Sachs    im  bayrischen  und  österreichischen  Volke  bis  in  unsere    I                 epflanzt  worden. 
—    Fremden  Singern    legte   man    auf  der  Schule  Fragstücke  vor:    anbescheidene  und  un- 
christliche  Fragstücke    verbot    der  Rat   zu   Freiburg  L  Hr.  1674;    vgl  H.  Schreiber,    Das 
Theater  zu  Freiburg  1837.  S.  I '.'. 

3)   Auch  der  zweite,  ziemlich  entstellte  altmärkü  Parisius  Nb.  II.  .  der  an- 

dern Anfange  des  19.  Jahrhunderts  stammt,  beginnt: 

0  Meisl  er,  meii 
Lob  und  Dank 
Preis'  drin  G( 
Hier  wird  7  als  der  Sonnenschein,   8   als   der  Jungfrauen  Schon     vgl  dazu  Köhler, 
Kl.  Schriften  3,  22),   1»  als  Gotl   i£  ler  Kirchengang  gedeutet,    was  nir. 

sonst  vorkommt  und  offenbar  auf  einer  Verderbnis  der  Überlieferung  beruht. 


Bolte: 


'1.    L.   Erk  ;ni>  dem  filünsterland. 

E  :  . 


8-2— 0-.       *       _        0     |  -r-  „      TT?!— ». »-— f     »— „-     .  E?= 

Ga - ter Freund,  ich    l'ra  -  ge    dich.         Gn-ter  Frennd,  was  fragst  du    mich? 


f*=r-p-p-Tf^ 


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3 


Sag    mir.    was     ist         Ei  -  ne? 


Ein  -  mal  -  ein      ist      Gott        allein. 


:w —         — s # ,  T~         — - 0 0-T — 0 0 •-# — —^  -T-- — -hu 

der        da     lobt     uml     der       da  schwebt  im     Himmel       und      auf    Er  -  den. 


3.    B.   Hölscher  aus  Münster. 


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Gu  -  ter  Freund,  ich  fra  -  ge         dich.     Gu  -  ter  Freund,  was  fragst  du     mich: 


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Sag    mir,     was     ist         Ei  -  ne? 


Eins     und    Eins     ist      Gott       allein, 


=^— «^' r— f— —    w       "r r— f— * «-F7* 0 " — 


ß 0 

d.r      da     lebt,         der     da  schwebt  im     Hirn  -  mel    und     auf     Er  -  den. 


4.    A.  und  A.  von  Haxthausen  1866  aus  Westfalen. 

Lehrer  Schüler 


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Lieber  Freund,  ich     fra  -  ge     dich.        Gu  -  ter  Freund,  was  fragst  du     mich? 

Lehrer  Schüler 


lis^fis 


-• — ß- 


m 


Sag  mir,     was     ist       Ei  -  nes?  Eins     und     eins      ist       Gott       allein, 


— fr 

-ä f: 


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*-• — * — ^41 


der      da    lebt    und      der      ila  schwebt  im     Himmel     und      auf        Er -den. 


5.  Bibliothekssekretär  Kühle  in  Eannover  1865  ausNortheim  bei  Einbeck. 


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1 


Lieber  Freund,  ich  fra  -  ge      dir.  Liebster  Freund,  was  fragst  du  mir? 


Sag    mir.    wer     ist  Eins?  Hins     und    Eins    ist      Gott     allein, 


Eine  geistlii  be  Aus! 


I  J  -T— i- 


-6 — js- 


ÜHÜ    I 


1/  •  •  •  I 

der    nur    kann    im      Bimmel     sein,    im      Himmel    and      auf       Er*  den. 

6.    Ohne  Quellenangabe. 
--2—  Z*=I-N       ~     — s-h 


-4—*- 


& 


t-sM  ;  g 


II 


Gu-ter  Freund,  ich     fra      g;<       dir.  I  reund,  was  fragsl  du      mir? 


'- 0 0 


-0— 


■0- ^T 

Ei  -  ne? 


Ein -mal     ein        isl      Gott     allein, 


Sa^    mir,     was     is< 

4er      da      Lebt,        der      da  schwebt    im      Him-mel      and      auf       Er  -  den. 

Gleichartige  Wechsel-  oder  Einzelgesänge  treffen  wir  bei  den  Vlam- 
ländern1),  Dänen9),  Schweden8),  Norwegern4  und  Engländern8),  den 
Franzosen6),    Italienern7),    Spaniern8),    Rumänen"),    Neugriechen10),    den 


1     Coussemaker,    Chants    pop.    des  Flamands   1856,    No.   13       Erk-Böhm« 
Lootens-Feys,  Chants  pop.  flamands  1879,  p.  260.     Rond  den  Heerd  3,  367.    Revut  des  trad. 
pop.  13,  503       Archivio  IT.  014. 

•_■     Thiele,    Folkesagn  3,  14'',.     Nyerup-Rasmussen,  üdvalg  af  d.    •  1821  . 

Grundtvig,  Gamle  danske  Minder  2,68!    Berggreen,  Folkesange  I  ;,  No.211  (1869).    B 
\  for  danske  Folk  1868,    S.  220     Kristensen,    Jj         Folkeminder  LI,  201    1891) 

und  Danske  Dyrefabler  1896,  S.  L65f.     Feilberg  in  dieser  Zeitschrift    1,  251. 

:;     Dybeck,  Svenska  visor  2,  8    1-47  .     Ru  wurm,    Eibofolke  2,  120  (1855).     \ 
götlands  fornminneforenings  tidsskrift  2,  ''.1  (1872)       Archivio  3,  61. 

4)    Lindemann,  Aeldre  og  nyere  üorske  Fjeldmelodier  1,82  No.  128    1858  :   T< 
visen'.    Ahlström,  300  aordiska  folkvisor  p.  154,  no.252a.  2J 

:,     Gilbert,  Christmas  carola  1823,  No.  13.    Sandys,  l  hri  tu 
135  und  Christmas  tide8  p.  238.  327.    Sylvester,  Cbristmas  carols  1861,  p   L36     I  haj 
Populär  rhymes  L870,  p.  44.   12.     Notes  &  Queries   L.  Ser.  9,  325.    A    - 
3   90   183.10,412.   L99.    11,  213.  5.  Ser.  12, ! 
12  48'.    7  Ser     1,96.  US  •■   HS.    7,264.     W.  II.  I 

Wighl  dialect  18S6.  p.  102.    Tylor,  Anfänge  der  Kultur  l.  87    L8 
Magazine  13  (1889),  328.  439.  556.     Newell,  Journal  of  american  folklore  4.  216 

°  6)   Tarbe,  Romancero  de  Champagne  1,  3  (1863  .    Arbaud,  •  pop.  de  la  Pro- 

vence 2   42     Vrchivio  14.  479).     Montel-Lambert,  Chants  pop.  du  Languedoc  188 

Revue  des  Langues  romanes  3,211     L872         archivio  14,  L77      I  trad.    pop 

10,  600.  11,  114.  396.    Gagnon,  « Jhants  pop.  du  Cauada  1865,  p  299.  !  «tod 

benutzt.     Archivio  14,  480).    Bcauquier,  Chansons  pop.  recucilli. 

p.  302  (Tanzlied).  ■      ,     .    .  ,       , 

7)    Mit  Rahmenerzählung:  Giannini,  Rassogna  padovana  di  stona  1  (1891 
Andrea  Vituri  in  Padua  1468  gemachte  Aufzeichnung    nach  Archivio  11  lodexe 

parole  de  la  Adversita  coi  täte',  in  einer  Oxforder  H<  I 

Archivio  12,  86.     Busk,  Folklore  of  Rome   Vi  Finamore,      ra-hz.  p, 

1    *    126(1885).     Andrews,    Contes  ligures  1*92,    No.  4o.     Archivio  1,  411 
10  "499-508    11    265    12,  378.  532.  571.  -  Ohne  Rahmenerzählung:    Bernoni,  Pref 


Bolte: 


Bretonen1'  and  Basken18),  den  Wenden18),  Böhmen"),  Russen")  und 
Litauern.  So  lautel  /..  B.  ein  in  Brest  äblicher  Kinderreim,  den  Luzel 
Dach  einer  Aufzeichnung  von  I,.  I\  Sanve  brieflich  an  Köhler  mitteilte: 

—  Do  quoi  y  a-t-il  un?     (bis) 

—  N'y  a  qu'un  seul  Dien 

Qui  regne  dans  les  cieux.    etc. 

Letzte  Strophe: 

-  De  quoi  y  a-t-il  douze?     (bis)  Aux  noces  de  Cana  en  Galilee, 

-  Les  douze  apötres,  Les  cinq  livres  de  Moise, 
Les  onze  mille  vierges,  Les  quatrc  evangelistes, 
Les  dix  commandements,  Les  trois  patriarches, 
Les  neuf  choeurs  des  anges,  Les  deux  testaments, 
Les  huit  b.;atitudes,  L'ancien  et  le  nouveau, 
Les  sept  sacrements.  N'y  a  qu  un  soul  Dieu 
Les  six  urnes  qui  furent  changees  Qui  regne  dans  les  cicux. 

In  Gettana  und  Perleda  bei  Ravenna  zeichnete  Prof.  Godeliard  Müller 
ans   Hildesheiin    1865  folgendes  Kinderlied  auf16): 
Str.  1.    —  Eh  uno!  eh  uno! 

II  prim'  ch'e  nato  al  mondo 
E  stato  il  nostro  Signor  etc. 

12.    —  Eh  dodece!  eh  dodece:  I  sei  gai  in  cantoria, 

1  dodece  apostoli,  Le  sante  cinque  piaghe, 

Le  undece  mille  vergini,  I  quattro  Evangelisti, 

I  dece  coramandamenti,  I  santi  tre  re  magi, 

I  nöff  cori  degli  angeli,  La  luna  e  il  sol, 

I  vott  portun'  di  Roma,  II  primo  ch'e  nato  al  mondo 

Le  sett'  allegrezz'  della  Madonna.  E  stato  il  nostro  Signor. 

pop.  veneziane  1872,  p.  34.     Ferraro,  Canti  in  dial.  logodurese  1891,  p.  40.    Arcliivio  7,  557. 
10.  264.  508—511.    12,  87.  573.    17,  513. 

8)  Archivio  2,104.  14,  477  f.  Segarra,  Poesias  populäres  1862,  p.  4.  131.  Biblioteca 
de  las  trad.  pop  esp.  2,  18".  Briz,  Cansons  de  la  terra  3,  3  (1871).  Milä  y  Fontanals, 
Romancerülo  catalan  1882  No.  52.  —  Portugiesisch:  Coelho,  Romania  3,  269  und 
Revista  lusitana  1,  246  —  254.  Archivio  11,  272.  14,  181.  474.  Mit  Rahmenerzählung: 
Archivio  2,  100.    10,  512  f. 

9)  Hasdeu.  Cartile  poporane  alc  Romänilor  1880,  p.  567—608.  Gaster,  Literatura 
popolara  romana  1883,  p.  468.     Archivio  11,  267.    14,  484. 

10)  Sanders,  Volkslehen  der  Neugriechen  1844,  S.  328.  Neoettrjvixa  'AväXsxta  2,  30, 
Amn.  (1874  .     Eine  hsl.  Fassung  aus  Athen  folgt  weiter  unten. 

11)  Villemarque,  Chants  pop.  de  la  Bretagne  1,4  (1846):  vgl  H.  d'Arbois  de  Jubain- 
ville,  Revue  crit.  1867,  2,  321—327.  Revue  celt.  2,  58.  6,  500  =  Quellien,  Chansons  des 
Bretons  L889,  p.  195.  Luzel  et  Le  Braz,  Soniou  Breiz-Izel  1890  1,  89:  'Les  vepres  de 
Cornouaüle'  (Archivio  10,  514)  und  95:  'Les  vepres  des  grenonilles\  Über  die  Melodie 
vgl.  Fleischer,  Sammelbände  der  internationalen  Musikgesellschaft  1,  38—53  (1900). 

12)  Cerquand,  Legendes  du  pays  basque  2,  25.  Vinson,  Folklore  du  pars  basque  1883, 
p.  11  =  Sebillol    Contes  des  provinces  1884,  p.  146.    Archivio  11,  269. 

13)  Haupt-Schmaler,  Volkslieder  der  Wenden  2,  120  (1841). 

14)  Wenzig,  Westslavischer  Märchenschatz  1857,  S.  293.  Waldau,  Böhmische  Granaten 
2,  86  (1860). 

15)  Archivio  2,  227.    11,  268. 

16)  Handschriftlich  in  Kestners  Nachlass. 


Eine  u-  •  •  t  - 1 1  i . } ;  iels. 

An-  Calabrien  sandte  Girolamo  de  Rada  in  Cerigliano  ls7l  folgenden 
Dialog  des   Volkes  an   Hermann   Kestner: 

Le  i red  i ci  pa ro Ic  dell d  m im n  d. 
Sir.   I.     ( 'In  \ ene  a  dire  ano  ? 

—  Unu  sulu  Dm  chi  c'ha  creatu 


12.    Chi  vene  a  dire  dodicir  l.'    cinque  piaghe  'ii  Ci 

—  Li  dodici  apostoli  ili  Cristu,  Li  quattru  Evangelisü 
L'undici  patriarchi,  Luca,  Maren,  Giuanni  eGiammal 
La  deeima  di  Oristn,                                      che  cantavano  l'Evangelo  avanti 
Li  nove  cori  d'angioli,  Christo, 

Le  otto  aninie  giuste,  Tre  Ii  Ire  pairiarchi, 

Li  Bette  'legrizzi  della  Madonna.  I.u  Sole  e  la  luna, 

A  sei  canta  In  galin  e  gallinella,  E  ann  sulu  Diu  che  si  ha  creatu. 

1 3.    Chi  vene  a  dire  tredici  ? 
—  Tredici  nun  ci  e  puntn : 

Va  lu  diavnln  e  la  an  schiantu. 

In  Atiion  waren,  wie  Andr.  Bruskos  Ls~l  an  Kestner  schrieb,  folgende 
Verse  bekannt: 

fiövos  6  0  Erna  za  fix  atr/gia, 

\vo  i]    llavayia,  <,/-"'  v,'// 
l'nia  i)  'Ayia    Tgiäg, 

■  ,/  oi  EvayyeXiazai,  \ixa  elv  al  evtoXai, 

ll,i             \    . rro       ograi,  "Evdsxa  o\   II 

\(0O>  ■         |    '■■,,ru/.nl. 

Ans  Russisch-Litauen  Btamml  eine  bisher  gleichfalls  ungedruckte 
Version,  die  von  Herrn  Geh.  Hot'rar  Hug<»  Woher  in  Weimar  für  R.  Köhler 
verdeutscht  winde: 

—  0  Gesell,  du  bist  ein  Gottesgelehrter, 
Was  ist  im  Himmel? 

—  Ein,  ein  Herr  I  rotl 

Im  Himmel  und  auf  Erden  etc. 

Letzte  Strophe: 

—  0  Gesell,  du  bist  ein  Gottesgelehrter,        Sechs  Kardinäle, 

Was  ist  im  Himmel?  Fünf  klage  Jungfrauen, 

—  Zwölf  grosse  Propheten,  Vier  Bücher  der  l  »ten, 
Elf  Stühle  der  Jünger,                                 Drei  ol                gel, 

Zehn  Gebote  Gottes,  Zwei  Tafeln  Mo 

Neun  Chöre  Erzengel,  Ein  Herr  Gott 

Aeht  Patriarchen,  1'"   Himmel   und  auf  Erden. 

Sieben  Sakramente. 

Die  skandinavischen  Lieder  beginnen  meist:  'Steh  auf,  Sankt 
Simeon,  und  sag  mir,  was  Eins  ist!'  Wer  aber  dieser  Simeon  ist,  wird 
nicht  gesagt.  Die  portugiesischen  Passungen  dagegen  bezeichnen  den 
Prager  ausdrücklich  als  den  Teufel  und  den  Antwortenden  als  den  Schutz- 
engel : 


394  Boke: 

—  Schurzengel,  mein  Freund! 

—  Schutzengel  bin  ich,  aber  dein  Freund  nicht 

—  Sag  mir  die  heiligen  Worte! 

Diesen  Eingang  macht  uns  in  mehreren  portugiesischen,  spanischen, 
baskischen  und  italienischen  Aufzeichnungen  eine  besondere  Rahmen- 
erzählung verständlich.  Ein  armer  Mann  nimmt  seine  Zuflucht  zum 
Teufel  und  erhält  unter  der  Bedingung  Hilfe,  dass  er  ihm  nach  Ablaufeines 
Jahres  die  'zwölf  Worte  der  Wahrheit'  angebe;  sonst  sei  er  ihm  mit  Leib 
und  Sede  verfallen.1)  Der  verhängnisvolle  Tag  kommt  heran;  da  erscheint 
dem  verzweifelnden  Manne  ein  hilfreicher  Heiliger  (St  Martin,  St.  Nicolaus, 
Sr.  CyprianuSj  der  Schutzengel,  einmal  auch  das  Bild  des  Jesuskindes) 
und  beantworter.  als  der  Böse  an  die  Thür  pocht,  dessen  Fragen  über  die 
Zahlen  1 — 12.  Obwohl  das  hohe  Alter  dieser  Legende  durch  zwei  mir 
leider  nicht  zugängliche  italienische  Fassungen  aus  dein  15.  Jahrb..  bezeugt 
wird,  ist  doch  die  Zahlendeutung  nicht  von  Anfang  an  mit  einer  solchen 
Erzählung  verbunden  gewesen,  sondern  hat  in  früherer  Zeit  für  sich  allein 
existiert. 

Es  ist  sehr  wohl  denkbar,  dass  die  Zahlenlied  aus  einem  lateinischen 
Dialoge  "Die  mihi,  quid  est  unus'  herstammt,  der  im  mittelalterlichen 
Gottesdienste  Verwendung  gefunden  zu  haben  scheint,  dessen  ältere  Ge- 
schichte aber  noch  zu  erforschen  bleibt.2)  Er  kommt  zuerst  in  einer 
Motette  der  1G02  verstorbenen  venezianischen  Musikers  Theodor  Clinius 
und  1646  in  Hans  Mikkelsen  Ravns  Heptachordum  Danicum  p.  41 — 70 
Adam  est  primus  homo)  vor.3)  1617  benutzte  ihn  der  Stettiner  Drama- 
tiker Heinrich   Kiehnann,    als   er  in  seiner  zur  Jahrhundertfeier  der  Re- 

1)  Diese  Bedingung  erinnert  an  die  Aufgabe,  den  Namen  des  Zwerges  Rumpel- 
stilzchen  zu  erraten  Grimm,  KHM.  No.  55.  Köhler  in  dieser  Zeitschrift  (5,  172  zu  Gonzen- 
bach  No.  84). 

2)  Erk,  Liederhort  1856,  S.  409  (Clinius  vor  1(102).  Coussemaker  1850,  p.  132  (nach 
Villemarque  1,  25.  der  aus  einer  1650  gedruckten  Sammlung  von  Gueguen  schöpft.  Feilberg 
in  dieser  Zeitschrift  4,  251  Havn  1646).  Notes  &  Queries  4.  Ser.  2,  557.  7,  23.  Mich.  Weber, 
Lateinisches  Gesangbuch  für  Studierende  1825,  S.  15  'Die  mihi,  quaeso,  die  mihi,  quot  sint 
Dii.'  Melodie  im  Anhange  S  5).  —  Eine  scherzhafte,  halb  weltliche  Parodie:  .'0  lector 
b'ctorum,  die  iniln,  quid  est  unus.  Unus  est  oeconomus,  qui  regnat  super  ancillas  in  culina 
nostra'  steht  b.-i  Wagenseil,  Jüdisch  -  tcutsche  Red-  und  Schreibart  1699,  S.  97;  Kopp, 
Deutsches  Volks-  und  Studentenlied  1899,  S.  208:  Kindleben,  Studentenlieder  1781,  S.  72; 
Tgl.  Erk-Böhme  ?>,  831.  Steht  auch  in  einer  Merseburger  Handschrift  von  C.  F.  Guno 
(um  1730).  Deutsch  nach  Wesselofsky  im  Archivio  14,  482:  vgl.  490.  —  Ein  ähnliches 
geographisches  und  ein  inammatisches  Fragelied  bei  M.  Wehev  1825,  S.  21  und  24. 

3)  Möglicherweise  sind  aus  jenem  lateinischen  Dialoge  auch  die  Texte  geflossen,  die 
man  im  Mittelalter  den  gebräuchlichen  Melodieformeln  der  acht  Tonarten  (Tropen)  unter- 
Legte:  'Adam  primus  homo,  Noe  seeundus,  tertius  Abraham,  quatuor  Evangelistae,  quinque 
libri  Mosis,  sex  hydriae  positae,  Septem  scholae  sunt  partes,  sed  octo  sunt  partes  Forkel 
Allgemeine  Geschichte  der  Musik  2,  174.  1801.  Bäumker  in  Wetzer -Weites  Kirchen- 
lexikon2 12,  !• 


formation    verfassten    Komödie1     den  Papsl    inmitten    Beiner  Geistlichkeit 

vorführte. 

Papa  mit  seinen  Cardinälln,  Bischöffen,  Münchi  B 

Weiwasser  Träger    kompt    vnnd    wird    .mir   einem  Stuel    _  Papa 

extollil  vocem:  'Oho  li  irurn,  die  mihi  quid  sil  unom.'1      Monachi 

et  caeteri  respondent:  'Vnus  esi  Dominus  Deua  omnipotens,  qui  regnat  in 
coelis.  Sancta  Maria." 

Die  letzte  Strophe  lautet: 

Duodecim  Domini  Discipuli,  Undecim  Apostoli,  Decem  Buni  praeeepta, 

Novem    sunt  Musae,    Octo    sunt    partes.    Septem    sunt  artes,    Sex  hydriae 

positae    in   Cana   Galileae,    Quinque    libri   Moysis,    Quatuor    Evangelistae, 

-   Patriarchae  Abraham    tsaac    ei  Jacob,    Duae    tabulae   Moysis,    Vnna 

est  Dominus.  Dens  omnipotens  qui  habitat  in  coelis,  Sancta  Maria.' 

Längst  Ist  jedoch  noch  ein  anderer  Ursprung  vermute!  wurden.  Schon 
1699  wies  Wagenseil*)  darauf  hin,  dass  das  Lied  'Einig,  das  weiß  ich, 
einig-  is  unser  Gott',  welches  'die  Juden,  Bonderlich  die  Weibsbilder  anter 
denenselben,  sowo]  sonsten  als  sonderlich  an  dem  Oster-Pesl  zu  Bingen 
pflegen',  entweder  zufolge  'einem  alten  lateinischen  Trinkliede,  so  von  den 
München  herkommen  boII,  gemacht  worden  sei  odei  dass  die  Juden  zu 
diesem  lateinischen  Liede  lO  lector  lectorum'8)  die  Anleitung  gegeben 
bätten.  I);i>  jüdisch-deutsche  Lied  erwies  sich  nun  als  eine  freie  l  ber- 
setzung  eines  hebräischen  Dialoges  'Echäd  raijödea,  der  seit  dem  15.  Jahr- 
bnndert  der  Liturgie  des  Passahfestes8  angehängt  wurden  war  und  dei 
wörtlicher  wiedergegeben   folgendermassen   beginnt: 


1)  H.  Kielmann,  Tetzelocramia,  daß  isl  eine  lustige  Oomoedie  von  Johan  Tetzela 
Ablaßkrara  1617.  Wittenberg,  Bl.  fjb  Al.t  2,  Scene  2).  —  Fast  wörtlich  benutzt  Martin 
Rinckbart  I  [ndulgentiarius  confusus,  oder  Eißlebische  Mansfeldische  Jubel-Comoedia  1618, 
Blatt  M3b       1885,  S.  155:  Akt  4.  Sc.  11)  diese  Stelle. 

2  [utonatio  Papae: 

Oho  lec-tor  lec-to-rum  die  mi  -  hi  quid  -it     unum? 

3  Im  3.  cjn. »i  1 11  i ». - 1  des  Musikalischen  Zeitvertreibers  von  1648  steht,  \\i.-  mir  Fräulein 
Dr.  M.  E.  Marriage  mitteilt,  Folgende  Parodie:  'Sex  hydriae  appositae  in  Cana  Galilaeae, 
Qninque   libri    .Moysis,    Quatuor   Evangelistae,   Tres   Patriarchae  Abraham 

Dnae  sunt  tabulae  Moysis,  ünus  esl  Herr  Calmeiser,  <|"'  regnat  in  Bcholis.' 

4)  Belehrung  der  Jüdisch-Teutschen  Red-  und  Schreibart  I 

folgt  in  hebräischen  und  deutschen  Lettern  auf  S.  1<»'>:  or  i-t  wiederhol!  bei  C.  A.  Teuber, 
Muthmaßung  von  dem  jüdischen  Osterlicde  11  6      Erk-Böhme!  denschatz, 

Kirchliche  Verfassung   'In-    heutigeu  Juden  1,307    H  ter,    Iduna    um!  Hei 

1812,  15;):  Ulrich,  Sammlung  jüdischer  i 

5)  Vgl.  oben  S.  394,  Anm.  2. 

6)  D.  Casscl,  Di-  Pesach-Hagada,  8.  Aufl.  rauche 
und  Rechte  für  Pesach  1863,  S.  60.  Bei  ang<  10,4  ;  vgl- 
Erk-Böhme  3,  829  f.     Über  die  Zeil  des  Liedes  Zunz,    I 

Juden  1832,  S.  126  1892.  S.  133.  Darmestetcr,  Romania  1,223.  -  In  der  jüdisch- 
deutschen Übersetzung  (oben  Anm.  4)  sind  d  i  Bämtlich  fortgefallen,  und  es  sind 
entsprechend  den  deutschen  Liedern  (oben  S.  3881;  die  Worte  'der  da  lebt,  der  da  schweht' 
iu  die  erste  Strophe  eingefügt  worden. 


3(.Ki 


Bolto: 


Eins  wer  weiss  es?        Eins,  ich  weiss  es. 
Ums  ist  unser  Gott  im  Himmel  und  auf  Erden. 
—  Zwei  wer  weiss  es?         Zwei,  ich  weiss  es. 
Zwei  sind  des  Bundes  Tafeln, 
Eins  ist  unser  Gott  im   Himmel  und  auf  Erden. 

Die  .Melodie  dazu   lauter  nach   Berggreen  so: 


S^Jrfe 


E    -    kad     mi    jo    -    de  -  a?     E 


kad 


J° 


E- 


* 


^^^^m 


kad       e    -    lo  -  bäj  -  nu     sehe     ba  -  scha  -  ma    -    Jim 

Sch'na-jim      mi      jo    -    de 
-liTi s — 


u  -  va    -    a  -  rez. 


ll 


;\     -    rez 


ma  -  Jim 

Kästner  dagegen  hat  1867  in  Hannover  eine  abweichende  Weise  ver- 
nommen, die  ich  mit  Weglassung  seiner  Klavierbegleitung  hier  wiedergebe, 
sie  zugleich  aus  dem  ursprünglichen  F-inoll  um  einen  Ton  transponierend: 


E-chad 


he  -  nu,      sehe     ha- scha- ma- Jim      u  -  ha 


Es  folgen  dann  3  Väter.  4  Mütter  (Sara,  Rebekka,  Loa,  Kabel),  5  Bücher 
der  Thora,  6  Ordnungen  der  Mischna,  7  Tage  der  Woche,  8  Tage  bis  zur 
Beschneidung,  9  .Monate  bis  zur  Geburt,  10  Gebote  Gottes,  11  Sterne  (die 
Joseph  im  Traume  sah).  12  Stämme  Israels.  13  Eigenschaften  Gottes. 
Somit  erscheinen  überall  statt  der  christlichen  Deutungen  alttestam entliche. 
Während  nun  Wagenseil  die  Frage  nach  der  Priorität  offen  Hess,  haben 
fast  alle  Späteren,  die  sich  mit  dem  Zahlenliede  beschäftigten,  die  hebräische 
Fassung  für  das  Original  und  die  christliche  für  die  Nachahmung  erklärt, 
wobei    vielleicht    die  Beobachtung    mitwirkte,    tlass    auch    ein    andres   bei 


Kiii.-  geistlich 

Wagensei]   abgedrucktes   Lied   der  Pesael  lab  'Ein  Zicklei] 

Qber  dem  verwandten  deutschen  Kinderliede  'Der  Bauer  schickt  den  Jäckel 

ans'  grösseren   Anspruch  auf  Originalitäl  zu  besitzen  Bchien.1) 

An  sich  isi  es  jedoch  ebenso  denkbar,  dass  ein  jüdischer  Dichter  dem 
christlichen  Präge-  und  A.ntwortliede  von  dem  theologischen  Werte  der 
Zahlen  sein  Glaubensbekenntnis  in  gleicher  Katechismusform  entgegenstellte. 
Für  diese  Möglichkeit  fällt  ins  Gewicht,  dass  es  schon  seit  der  ersten 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  eine  entsprechende  christliche  Auslegung  der 
Zahlen  1  l_.  freilich  nicht  in  Gesprächsform,  gab.  sie  rührt  von  dem 
Bischöfe  Eucheriuß  von  Lyon  her,  der  sie  in  seinem  Werke  über  geist- 
liche Auslegungen  biblischer  Worte  und  Begriffe  vortrug"),  und  isi  von 
Rabanus  Maurus,  Bridfertus  u.  a.  weiter  fortgepflanzt  worden.  Im  letzten 
Grunde  freilich  geht  diese  Zahlensymbolik,  die  den  ganzen  mittelalter- 
lichen Gottesdienst,  die  kirchliche  Kunst  und  Poesie  beherrscht8),  auf  die 
mystische  Spekulation  der  Pythagoräer*)  zurück,  die  in  den  Zahlen  nicht 
mehr  Prädikate  rinn-  anderen  Substanz,  Bondern  die  Substanz  der  Ding« 
selbst  sahen  und  die  Dinge  als  Abbilder  der  Zahlen  bezeichneten. 

Auch  im  Orient  begegnen  uns  Seitenstücke,  sowohl  muhammedanische 
als  buddhistische  und  altpersische.")  In  einer  vielleicht  noch  vor  die 
Sas8anidenzeit  zurückreichenden  Pehlevi- Erzählung  giebt  der  Zauberer 
Akht  dem  Gösht-i  Fryano  im  Rätselwettkampfe  zehn  Fragen  auf:  Was  ist 
.las  Eine?  Was  die  Zwei?  u.  b.  w.  bis  Zehn.  Der  Lehre  Zoroasters  gemäss 
lauten  die  Antworten:  1  die  Sonne,  2  das  Einatmen  und  Ausatmen,  •';  die 
guten  Gedanken,  Worte  und  Thaten,  1  Wasser,  Erde,  Bäume  und  Tiere  u.  s.  w. 
Natürlich  wechseln  die  Deutungen  in  den  muhammedanischen  und  bud- 
dhistischen Fassungen.  In  jenen  ist  1  Gott,  in  diesen  die  Nahrung  als 
Hauptursache  des  Lebens,  2  in  jenen  Sonne  und  Mond,  in  diesen  Wesen 
und  Form  u.  b.  w. 

Lenken  wir  nunmehr  den  Blick  zurück  auf  die  weiteren  europäischen 
Verwandten  unsrer  Zahlendeutungen,  s<.  fallen  uns  zunächst  die  geistlichen 


1)  Erk-Bölmi.'  No.  2133;  vgl.  E.  Köhler,  Kleinere  Schriften  8,  I  nennt 
P.  Delitzsch,  Zur  Geschichte  der  jüdischen  Poesie  1886,  B.  81  das  aramäische  'Chad  gadja1 
eine  Nachahmung  des  deutschen  Volkslii 

2)  Eucherius.  Formular  spiritalis  intellegentiae  cap.  1":  De  mim  P 
lat.  50,  7i ;;»       Uorpus  script.  ecclesiasr.  lat.  81,  39).     Rabanne    Mam 

Bridfertas  zu  Beda  (Migne  90,693).    Pseudo-Melito  iPitra,  8picilegium  8olesmen8e  8 
Archivio  13,  585). 

3)  Vgl.   die  Znsammenstellungen    bei  Otte,    Kunstarchäolog  : ■  u,s,,'*'n  Mittel- 
alters5  1,  489  (1883)    und  Kraus,    Geschichte    der    christlichen  Kunst  2,  1,   142.     Was 
'Zahlendämon-   bei  einem  karolingi>chcn  Dichter  oder  vielmehr  Überarbeiter  für  Wirrwarr 
angerichtet  hat,  zeigt  hübsch  Winterfeld,  Archiv  f.  ältere  deutsche  Geschicl 

4)  Über  den  Neupjthagoräer  Nikomachos  vgl.  Zeller,  Philosophie  der  Griechen  3,2,  122 
(1881);  ebenda  391  über  Philo.  635  über  Amelius,  702  über  Iambliehi  -. 

5)  Köhler,.  Kleinere  Schriften  3,  365. 


Bolte : 

Stundenlieder    ins    Auge.     Im    1630    ist    folgende    lateinische   Morsren- 

D  O  o 

an  dacht1)  für  Klosterbrüder  aiedergeschrieben: 

Prima  sonat:  Prirao  fratres  habitemus  in  unum. 
Hora  secunda  sonans  duo  suggerit:  Ite.  ?enite! 
Tertia:  Continno  celebretnr  trina  potestas. 
Quarta  est:  Bis  duo  sunt  lux  evangelia  nobis. 
Quinta  est:  Quinque  deum  veneremur  sensibus  unum. 
Sexta:  Dies  sex  urget  opus,  totidemque  labora! 
Septima:  Sola  deo  sit  septima  sacra  dierum. 
Octo  pios  octava  canit,  quos  arca  reclusit. 
Fert  nona,  Christe,  noveru,  quos  permittendo  beasti. 
Decima  verba  docet  decem  moderamina  vitae. 
[mpare  gandentem  resonas  undecima  Judam. 
Sortege  completos  bis  sex  duodeciraa  fratres. 

Ein  deutsches  Lied2),  das  zuerst  1631  in  Corners  Grossem  katholischen 
Gesangbuch  No.  20  auftaucht,  mahnt  beim  ersten  Glockenschlage  an  den 
einen  Gott,  dann  an  Leib  und  Seele,  die  Dreifaltigkeit,  die  vier  letzten 
Dinge,  die  fünf  Wunden  Christi,  die  sechs  Schöpfungstage,  die  sieben 
Gaben  des  heiligen  Geistes,  die  acht  Seligkeiten,  die  neun  Engelchöre, 
die  zehn  Gebote,  die  elfte  Stunde,  in  der  die  Arbeiter  für  den  Weinberg 
gedingt  wurden,  und  endlich  an  die  zwölf  Apostel.  —  Aus  Friedrich  Spees 
Lied  auf  alle  Stunden  des  Tags3)  hebe  ich  nur  hervor,  dass  er  auf  eine 
geistliche  Deutung  von  11  verzichtet: 

Von  Elfen  find  ich  sonders  nicht. 
Nur  dass  man  geht  zum  Essen. 
Last  nehmen  dann,  was  zugericht, 
Und  Gottes  nicht  vergessen! 

Ausserordentlich  unbeholfen  klingt  folgendes  bisher  unedierte  Gedicht 
des  1 7.  Jahrhunderts,  das  ich  dem  Berliner  31s.  germ.  qu.  1036,  Bl.  22a 
entnehme;  ein  ohne  Ort  und  Jahr  erschienenes  Flugblatt4)  bietet  stellen- 
weise einen  besseren  Text. 


1)  Notes  &  Queries  4.  Ser.  2,  390  (nebst  einer  englischen  Übersetzung:  'Wben  watch 
strikes  one,  then  thinke  yet  in  one  band').  Sandys,  Christinas  carols  1833,  p.  133  (Man's 
duty,  or  meditation  for  the  twelve  hours  of  the  day).  Deutung  der  geistlichen  Horae  bei 
Gul.  Durandus,  Rationale  divinoruin  oi'ficiorum  lib.  5,  cap.  5 — 10. 

2)  Wackernagel,  Das  deutsche  Kirchenlied  5,  1266,  No.  1515:  'So  offt  ich  schlagen 
hör  die  Stund'.     Die  Melodie  bei  Bäumker,  Das  katholische  deutsche  Kirchenlied  2,  244. 

3)  Spee,  Güldenes  Tugendbuch  1649,  S.  594:  'Ein  Glaub  allein,  ein  Gott  allein.' 

4)  Drey  Schöne  Geistliche  Lieder.  Das  Erste,  Ich  weiß  mir,  ein  Blümlein  ist  hübsch 
vnd  fein.  Das  Ander  Lied.  O  Christe  Morgensterne,  Leucht  vns  mit  hellem  schein.  Das 
dritte  Lied.  Von  den  XII.  stunden  des  Tages,  So  ein  jeder  Christen  mensch,  wenn  die 
Vhr  schlegt,  betrachten  mag.  Im  Thon,  Hört  auff  mit  weinen  vnd  klagen.  Die  Geistliche 
Vhr.  Das  ist,  was  der  Mensch  alle  Tag,  Zur  jeden  Stund  betrachten  mag,  Begreifft  in 
einer  kurtzen  Summ,  Den  Christlichen  Catechismum.     4  Bl.    8°.     (Berlin,  Hymn.  7029.) 


Eine  geistlich«  Auslegen  piels. 


Die  gaistlich  Ur. 

Zwellff  Stund!  im  Thag  sindt.  Christus  Bpricht. 
Wer  gerechl  darin  wandelt,  der  Btosl  sich  nicht 
Das  ist  auff  ain  jeglichen  Stundl  im    I 
Was  ain  Christenmensch  beibrachten  ma 
Begreiffl  in  einer  kurtzen  Sum 
Den  [christlichen]  Cattacissmum. 


Wans  1  schlecht. 
Ain  ainger  Gotl  in  Ewigkaitt, 

Der  Hirael  vnd  Eni  bat  beraitt, 
Den  sollen  wir  von  Hertzen  rain 
Firchten.  lieben,  eren  allein. 

Wans  •_'  schlecht. 

Zway  Menschenbildt  im  Baradeis 
Erschueff  Gott  Man   vnd  Weib  mit  l'leis. 
Il.itt  dazumal]  der.  Ehstandt  auffgerichtt, 
Ainander  zu  verlassen  nicht. 

Wans  3  schlecht. 
Drey  Pershonnen  allermeist, 

Gott  Vatter,  Son,  hailliger  Gaist, 
Die  betten  wir  als  ainen  an, 
Wie  Abraham  [schon]  hat  gethon. 

Wans  4  schlecht. 

Vier  hailli::  Evangelisten 
Haben  virgeschriben  vns  Christen 
Des  Herren  Zukunfft  in  die  Weltt, 
Sein  wortt  vnd  werekh  klerlich  erzellt. 

Wans  5  schlecht. 
Yinff  Wunden  rott  am  Chreitzesstam 
Erlitt  das  wäre  Gotteslamb, 
Dardurch  wir  [all]  sindt  worden  haill. 
Erlangt  ewiges  Erbthayll. 


Wans   6   schlecht. 

Sechs  Werekh  der  Barmhertzigkeil 
Soll  ain  Christ  ieben  alle  Zeitt, 
Semes  Glaubens  Fricht  zu  zaigen  an. 
So  wurtt  er  am  jingsten  Tag  woll  bestan. 

Wans  7  schlecht. 
Siben  Bitt  hau  vns  Christus  der  Ben 
i  lellernett  im   Vatter  \  nsser, 
In  wellichen  wir  von  Gott  dem  Herren 
Der  Seilen  \ nd  Leibs  Baill  begeren. 

Wans    8    schlecht. 

Acht  Thag  nach  der  baillige  n    I  leburtt 
Jesus  «las  Kindt  beschnidten  wurdt, 
Durch  welliches  vns  ist  gerichttet  auff 
Das  Bundtzaichen,  die  baillige  Tauff. 

Wans  9  schlecht. 
In  der  neindten  Stundt  verschiden  isl 
Am   Creitz  das   wäre   Lamb  Je88U8  Christ. 
In  wellichem  vns  sein  Leih  vnd   Bluetl 
Im  Abenttmall  wurtt  dargereicht  zu  guetl 

Wans  10  schlecht. 
Zehen  Gebott  sind   vns  gegeben 
Von  Gott,  darin   wir  vhmt  Leben 
Sollen  Bpieglen,  wie  mir  sollen  wandlen 
Vor  Gott,  mitt  vnssern  Nesten  bandlen. 


Wans  11   schlecht. 
Ailff  gerechter  Jinger  Christus  hett. 
Donnen  er  sich  offenbaren  det, 
Gab  inen  den  Schlisse!  der  Ruy, 
Er  streckt  sich  selbs  auff  alla  ain  Diener  threy. 

Wans    12   schlecht. 
Zwelf  Artickell  in  vnserim  christelichen  Glaben 
Bekinen  wir  ain  hertzlichs  Vertrauen 

Zu  Gott:  der  well  vns  allen  <,'eben 
Durch  Jessum  Christ  das  ewig  Leben. 

Ob  diese  im  17.  Jahrhundert  auftretenden  Moralisationen  des  Glocken- 
schlages zuerst  von  einem  katholischeo  Autor  ersonnen  wurden,  ist  zweifel- 
haft, da  schon  1597  im  evangelischen  Dresdener  Gesangbuche  ein  gleichartiges 


100 


Bolte: 


Stundenlied1)  erscheint,  das  vielfach  abgedruckt  and  /.  B.  auch  von  Kirchhof 
1603  in  Beiner  Schwanksammlung  'Wendunmut'2)  benutzt  wurde.  Es  nennt 
einen  Gott,  zwei  Menschen  im  Paradies,  die  Dreieinigkeit,  vier  Evangelisten, 
fünf  Wunden  Christi,  sechs  Werke  der  Barmherzigkeit,  sieben  Bitten  im 
Vaterunser,  acht  Tage  bis  zur  Beschneidung  Christi,  die  neunte  Stunde, 
in  der  Christus  Btarb,  zehn  Gebote,  elf  fromme  Jünger,  zwölf  Artikel  des 
Glaubens.  —  Ein  dänisches  Lied,  das,  wie  Svend  Grundtvig8)  bemerkt, 
seit  1712  in  Plugblättern  vorkommt  und  auch  in  schwedischer  Passung*) 
mindestens  seit  1701  existiert,  weiss  jedesmal  statt  einer  Zahlendeutung 
nicht  weniger  als  sieben  vorzuführen.  Ich  teile  es  nach  einem  etwa  1800 
erschienenen  Plugblatte6)  mit:  kTrende  Gudelige  Viser.  Den  Forste:  Jeg 
tilstaaer,  at  alting  er  etc.  Den  Anden:  En  Yise  vil  jeg  siunge  etc.  .  .  . 
Trvkt  i  dette  Aar.'     4  Bl.    8°. 


Erindring  om  hvert  Klokkeslet. 


1. 


En  Yise  vil  jeg  siunge 
Om  nogle  Skrifters  Tal 
Og  det  met  Mund  og  Tunge, 
Som  I  nu  höre  skal 
Dens  Kraft  og  Indehold, 
Hvad  han  har  at  frembsere, 
Det  gaaer  fra  Eet  til  Tolv. 


3. 


To  Mennesker  Gud  giorde, 
To  Lovens  Tavler  gav, 
To  Testamenters  Orde, 
To  Lys  paa  Himlen  brav, 
To  Navne  Jesus  Christ, 
To  Naturer  i  Christo, 
To  Veie  er  forvist. 


Een  Gud  Alting  regierer, 
Een  Troe  og  saugt  Haab, 
Een  Jesum  •  Preiser  kiere, 
Eet  Livsens-Ord,  een  Daab, 
Een  Himmel  med  Behag, 
Een  Soel  oplyser  Verden, 
Een  sidste  Dommedag. 


Tre  Engler  körn  til  Sodom, 

Tre  Troes  Artikler  er, 

Tre  Personer  i  Guddom, 

Tre  Patriarker  kier, 

Tre  Vise  af  0sterland, 

Tre  Qvinder  ud  til  Graven, 

Tre  Maend  i  Ovnens  Brand. 


1)  Wackernagel,  Das  deutsche  Kirchenlied  5,  324,  No.  514:  '0  Mensch,  mit  Fleiss 
bedenk  all  Stund*.  Ein  Flugblatt  von  1598  in  Berlin  Eh  4160:  'Ein  schön  new  Geistlich 
Lied,  von  den  Zwölff  stunden.  Im  Thon,  Es  ist  gewislich  an  der  zeit  etc.  Gedruckt  zu 
Magdeburg,  Key  Wilhelm  Roß,  1598.'  4  Bl.  8°;  ein  andrer  Einzeldruck  vom  Jahre  1609, 
vermutlich  zu  Hamburg  erschienen,  liegt  ebenfalls  in  Berlin  Yd  7853,  1:  'Zwey  schöne 
andechtige  Lieder.  Allen  frommen  Christen  sehr  tröstlich  zu  singen.  Das  1.  Von  den 
zwölff  Stunden,  0  Mensch  mit  Fleiß  hedenck  all  Stund'  etc.  Über  die  Verbreitung  vgl. 
A  F.  W.  Fischer,  Kirchenliederlexikon 2, 195  (1879).  —  Das  vou  Köhler,  Kleinere  Schriften 
3,  274  citierte  Gedicht  bei  Bernh.  Schilling,  Vier  Predigten  von  Gewittern  (Erfurt  1613) 
S.  106  vermag  ich  augenblicklich  nicht  nachzuschlagen. 

2)  7,  197:  'Merck  und  erinnere  dich,  so  es  schlägt  eins,  dass  nur  ein  gott,  in  einem 
unzertrennlichen  göttlichen  wesen  seye'  u.  s.  w. 

3)  Hsl.  Nachlass  32b  (Kaempevisernes  Efterklang  A  58). 

4)  In  Grundtviga  Nachlass  19  liegt  ein  1767  zu  Gefle  gedrucktes  Flugblatt:  'Twenne 
Gudeliga  Wisor,  De  fromma  Christna  til  fägnad,  och  de  syndaktige  til  upmuntriug  til 
Gudaktighet.  Den  Första:  Min  Födelse-dag,  förtjenar  at  jag  etc.  Den  Andra:  En  Wisa 
wil  jag  sjunga,  om  Tal  etc.' 

5)  Gruudtvigi  Nachlass  19. 


Eine  gcisl 


Firc  Evangelister, 
rd, 
Kiii-  er  Aarsens-Tidcr, 
Piro  Propheter  stör, 
Piro  V<  ic  i  Verden  er, 
Fire  er  Elcmcntcr, 
Piro  storc  Monarkier. 


Fem  erc  Mose-I3 

Fem  Sind  Mcnnesket  har, 

Fem  erc  Lasrestykker, 

Fem  Christi  Vnnder  var, 

Fem  Bred,  fem  tusind  Mand, 

Fem  Jomfruer  de  klogc, 

Fora  daarligc  paa  Stand. 

7. 

Sex  Stccnkar  udi  Cana, 
Sex  Arbcidsdage  du  har 
Sex  Dago  sankes  -Manna. 
Sex  Timer  Merket  var. 
Sex  Alcn  Goliath  stserk, 
Dagc  Gad  og  skabte 
äti  ■     Vserk. 

8. 

Syv  Ord  mon  Jesus  tale, 
Syv  Banner  i  Fader-Vor, 
Sv\    Dago  i  Ugcr  alle, 
Sy\    Verdens  (Jnder  stör, 
Syv  fulde  Ax  oprandt, 
Syv  Aar  paa  Tcraplen 
Syv  nve  Bast  Samson  bandt. 

9. 

Otto  Siele  (lud  pristc 
1  Nose  Ark  paa  Stund, 
Otte  Salighcdcr  viste 
Christus  vor  Frelsermand. 
For  os  stör  Smerte  har 
Otte  I'.'-'-  af  Alder, 
Da  hau  oraskaaren  var. 


N  i   -  .    '•' 

N    3 

Aand< 

Ni    I 

Xi  hundred1  Aar  Adan 

\i  Spcdalsk    udi  n 

11. 

Ti  PI 
Ovcr  Phai  Skiel, 

Ti  Spedalske  blev  rena 
\r  Guds  S..n  Christo  seh 
i  l   Btrax  belbredet  giort, 
Ti  Jomfruer  omtal 
Ti  cre  Guds  Bud-I 


El  leve  i  rd  forladc 

Dcros  ende  Frclsere; 
Ellevc  \c  1   Borde!  sadde, 
For  dem 

Da  hau  opstanden  var; 
Ellevc  bestandig  blevc 
Om  Christo  vidne  bar. 

13. 

Tolv  var  de  smaa  Prophetcr, 
Toh    Israels  Sla3gtcr  var, 
Tolv  var  <  Ihristi  Aposllcr, 
Tolv  Maaneder  i  et  Aar, 

Tolvt1   Aar  Christus   laerte   dem. 

Tnl 

T,d\   Porte  for  Jerusalem. 

1  \. 

[edes  \il  \i  ende 
Vor  5  ' ";d- 

le, 
Naar  vi  bortvandrc  ßkal, 

Og  giv    03    IJnnm    ■ 

At  vi  harn  lo 
Altid 


Ein    niederländisches    Seitenstück    hierzu    bietet    uns    ein   aui 
Berliner  Bibliothek  (Zf  7591,  Bl.  7)  aufbewahrtes  Fingblatt  ein  End 

des  18.  Jahrhunderts: 

Zeitschr.  d.  Vereins  £  Volkskunde.    1901. 


!"•_' 


Bolt< 


Gecstclyk  Uer-slag 
Op  fle  Wvse:    Ik  drink  den  Dieuwen  Most. 


1. 

Christene  menschen  al 
In  ilii  droef  aerdsche  dal, 
Hin-  wel  op  let  en  in  u\v  herl  vast  prent! 
D  word  bedayd'toudennieuM  Testament; 
W'ant  al  't  gene  gy   liier  hoort, 

•it  op  Christus  heyhg  Woörd. 
Wilt  dit  heyliglyk  mediteeren 
II et  geen  ons  ieder  uer 
( Jael  leeren  de  Schriftuer! 


Slael  de  Klok  een,  peyst  wel 
Eenen  Herne!  en  een  Hei.  [leeft, 

Ook  eenen  Godt.  Schepper  van  al  dat 
Een  Maegd,  die  den  Zone  Godts  gebaert 
Een  Aerde,  een  Zee.  een  Dal,      [heeft, 
Een  dood,  een  Serpent  den  mensch 

bragt  10t  val. 
Ook  een  Geloof  en  een  waere  Kerke, 
In  't  Paradys  gaf  Godt 
Aen  Adam  een  Gebod. 


Wahneer  de  Klok  slaet  vier. 
Peyst,  wat  gehuyl  getier, 
Als  eens  vier  winden  zullen  opstaen 
En  wy  menschen  ons  lest  oördeel  ontfaen. 
Vier  tyden  geeft  ons  't  jaer, 
Vier  Evangelisten  beschryven  "t  klaer 
Christus  woörd  van  's  weerelds  eynde 
Met  geknersel  en  getier 
Vergaen  zal  door  het  vier. 

6. 

De  Klok  vyf  oeren  slaet. 
Denkt  uwen  Godt,  die  gaet 
Met  vyf  Broeykens  in  de  Woestyne  groot; 
Vyfduyzend  mannen  spyst  inhongers-nood. 
Vyf  Keykens  nam  den  Held 
David,  daer  hy  den  Rcus  heeft  nie  geveld, 
Vyf  dwaese  Maegden  ende  vyf  wyse, 
Vyf  Wonden  kreeg  Godts  Zoön 
Aen  "t  Kruvs  voor  ons  rantzoen. 


3. 

Slaet  de  Klok  twee,  hoort  aen. 
Godt  regeert  Zon  en  Maen.      [ons  gaf, 
Twee  groote  lichten  den  Schepper  aen 
Twee dooden  Godt  verwekten  uyt  hetgraf, 
Twee  steene  Tafeis  wel 
(i;d  Godt  Moyses  voor't  volk  van  Israel, 
Waer  in  klaer  stond  hun  Wet  geschreven, 
Twee  mannen  inen  ook  zand 
Nae  het  beloöfde  Land. 


Wie  ten  zes  aeren  leeft, 
Peyst,  op  zes  dagen  heeft 
Den  goeden  Godt  Hcmel  en  Aerd  na  wensch 
Geschapen.  al  wat  behoefd  den  mensch. 
Cana  in  Galile 

Zes  Krnyken  Wyn  van  water  Jcsum  de. 
Zes  dagen  mögt  men  het  Manna  raepen 
In  de  Woestyne  wel 
Voor  het   Volk   van   Israel. 


Komt  de  Klok  dry  te  slaen, 
Dry  Koningen  die  gaen  [heyd. 

Met  hun  verstand  op  Godts  Almogend- 
Dry  Peraoonen  ook  eenen  Godt  beleyd, 
Dry  aeren  naer  den  noen  hong  Godt 

en  mensch  [rantzoen, 

Aen't  Kruys,  stierf  de  dood  voor  ons 
Den  derden  dag  is  hy  verreien. 
Petrus  drymael  misdaen, 
Drymael  kraeyde  den  Haen. 


Slaet  de  Klok  zeven.  mensch. 
Denkt,  zeven  Woordekens  [zoete  tael 

Sprak  Godt  aen  't  Kruys.  ook  met  een 
Gaf  zyn  Apostels  in  het  Avondmael 
Syn  Lichaena  tot  een  spys, 
Syn  dierbaer  Blocd  voor  drank  toot  een 
Do  zeven  heylige  Sacramenten.     [gepeys, 
Ook  den  zevensten  dag 
Een-ieder  rüsten  mag. 


I'.inr  geistlich*  |,i  i 

12 

Zoo  luu'si  de  Klok  slael  acht,  Slael  de  Klok  elf,  m< 

Neml  d.ii  in  iiw  gedacht:  tc  saem,  Den  Vader  dea  huysgezind 

Acht  dagen  oud  was  Godl  i      Mensch  Gael  wedei  uyt  en  werk-volk   . 

Kreeg  de  Hesnydenis  en  Jesus  Naom.  Om  r  arbeyden  in's  Heeren  Wj 

Acht  Zaligheden  leert  beert,  [edei  nen  loon 

«null  alle  menschen,  die  toi  dea  Elf  Apostelen  bezitten  Go  on, 

Acht  menschen  Godl  in  d' Ark  van  Nur  ()m  dal  sy  zyn  getrouw   geblei 

Acht  wonderheden  deed  spaerde,  In  smert,  moeyl  en  arrebi 

Godl  aen  Elias  den   Prophcet  Kroonl  Godt,  die  't  zclvcr  zeyd, 

10.  13. 

Als    t  negen  ueren  slaet,  Slael  de  Klok  twclf,  mensch, 

Denkt,  dai  den  Beer  dan  gael      kruyd  Wecsl  gedachtig,  dal  Godts  G 

Hneren  Werk-lien  in  den  Akker,  om    t  Zond  in  't  herl  van  twelf  Apostels  al, 

Te  wieden  en  te  roeyen  het  quaed  uyt.  Want  sy  li<>dts  woörd  pickten  met  blj 

Wel  negen  maenden  was  Twaelf  Macnden  heeft  een  Jaer, 

David  in  zonden,  eer  Godt  hem  genas.  Twaelf  Planeten  maeken  't  ons  kenl 

Togen  negen  ueren  was  d' aerde  duyster,  Twaelf  geslachten  der  Israelieten, 

Zon  en  Maen  zonder  kracht,  Twaelf  steenen  door  Godts  last 

Als  Godt  riep:    t  is  rolbragt.  Aen  Arons  borstlap  vast. 

11.  II. 

Mensch,  als  de  Klok  slaet  tien,  Och  goedertieren  Godt, 

Wilt  ten  Hcmelwaert  zien,  heeft  Plant  uw   Wet  en  Gebod 

Peyst:  Goeden  Godt,  die  my  geschapen  In  onse  ziel  op  dit  droef  Iracnen  dal, 

En  in  uw  Wet  my  tien  geboden  geeft.  Dat  men  u  eert  en  keune  boven  al! 

Denkt  de  ongeloovigheyd  Den  Wyser,  die  is  rond. 

Aen  Thomas  van  tien  getuygen  gezeyd.  Wie  weet  syn  dood,  wat  tyd    wal  ui 

Tien  zwaere  placgen  in  Egypten  Wilt  du  gestadig  mediteeren 

Godt  Pharo  over  /.and  Godts  Gebod  ieder  uer! 

<)ni  synen  tegenstand.  Want  i\<'n  tyd  vliegl  snel  deur. 

Weil  wertvoller  als  diese  trockenen  Reimereien  ist  ein  deutsches 
NTachtwächterlied,  das  die  Stundenrufe  9  12  nud  I  I  mit  geistlicher 
Zahlensymbolik  ausstattet  und  \\<dil  aus  dem  18.  Jahrhundert  herstammt: 
'Hört,  ihr  Herrn  und  lasst  euch  sauen.'1 

Warum  uns  dieselben  Zahlendeutungen  häufig,  wenn  auch  entstellt,  in 
englischen  Weihnachtsliedern  entgegentreten,  ist  meines  Wissens  noch 
nicht  ausgesprochen  worden.  Den  Anlas-  dazu  ual>  offenbar  die  Zwölfzahl 
der  heiligen  Taue  von  Weihnachten  bis  zum  Dreikönigstage,  wie  durch 
den   Refrain  eines  bei  Sandys"    abgedruckten  Textes  deutlich  bezeugt  wird : 


1)  Erk-Böhme,    Liederhort  No.  1   -  STg]    R    Köhler,    Kleinere  Schiifti 

und  273  f.  —  Dagegen  fehlt  in  dem  Kindcrliede 'Ammenuhr'  (Arnim-Brentano,  Wunder- 
horn  2.  734  ed.  Birlinger -  Crecelius.  Böhme,  Kinderh'cd  1897,  S.  71,  jegliche  Zahlen- 
deutung. 

2)  Christmas  carols  1*33.  p.  135     Gilbert  1823,  No.  13.    Über  die  anderen  englischen 
Texte  s.  oben  S.  391  . 


|H4  Bolte: 

In  those  twelve  days,  and  in  those  twelve  daya  let  U8  be  glad, 
I'.m  God  of  bia  power  bath  all  tbinga  made. 

Bin  Seitenstück  zu  den  oben  behandelten  Auslegungen  der  Spiel- 
karten, auf  die  ich  hier  nicht  mehr  einzugehen  brauche,  bildet  die  mittel- 
alterliche Legende  von  der  Entstehung  dea  Würfels.  Wie  Reinmar  von 
Zweter  erzählt,  schuf  der  Teufe]  ihn  zum  Verderben  der  Menschen  und 
setzte  auf  sein»'  sechs  Felder  die  Zahlen  1—  tf.  um  dadurch  Gott,  Bimmel 
und  Knie,  die  Dreieinigkeit,  die  Evangelisten,  die  fünf  Sinne  des  Menschen 
und  die  sechswöchigen  Pasten  zu  verhöhnen.1)  Peter  Suchenwirl  deute! 
die  Zahlen  L— 12,  andere  die  Zahlen  1-  18,  die  man  mit  zwei  oder  drei 
Würfeln  erhalten  kann,  in  ähnlicher  Weise.8) 

Während  nun  all  diese  Reihen  von  Zahlendeutungen  an  den  geist- 
lichen und  biblischen  Personen  und  Begriffen  festhalten,  setzen  andere 
Lieder  und  Märchen,  denen  man  bisweilen  die  parodistische  Absicht 
anmerkt,  an  ihre  Stelle  weltliche  Auslegungen.  So  antwortet  in  einer 
ditmarsischeu  Erzählung8),  deren  Verlauf  den  oben  S.  391  f.  erwähnten 
italienischen  und  portugiesischen  Märchen  entspricht,  der  Bauer  dem  Teufel 
uach  Anweisung  eines  fremden  Wandrers:  'Eins  ist  eine  Schiebkarre.  2  eine 
Karjide.  3  ein  Dreifuss,  1  ein  Wagen,  5  die  Finger  an  der  Hand.  6  die 
Werkeltage  in  der  Woche,  7  das  Siebengestirn.'  —  Erotische  Ausdeutungen 
giebt  in  dem  kyprischen  Liede  von  den  hundert  Sprüchen4)  der  Liebhaber 
auf  die  Fragen  der  spröden  Jungfrau  nach  den  Zahlen  1 — 10  und  den 
folgenden  Zehnern  bis  loo.  Auch  in  mehreren  anmutigen  italienischen 
Liebesliedern  knüpft  der  Jüngling  seine  Werbung  litaneiartig  an  die 
Zahlen  1—12,  zumeist  reizvoll  mit  dem  Keime  spielend.5)     So  beginnt  ein 

ing  aus  den  Bergen  von   Lucca: 


1)  Reinmar  von  Zweter,  hcrausgeg.  von  Roethe  1£S7,  S.  46G.  599.  Vgl.  Bolte,  Nd. 
Jahrbuch  19,  92.  21,  145 f.  (Prosalegende.  Josep.  Bamberger  Verse  von  1489.  Klingler). 
Arnoul  Greban,  Mystere  de  la  passion  1878  v.  257461'. 

2)  Liederbuch  der  Hätzlerin  1840,  S.  205;  dazu  Gcuther.  Studien  1S99,  S.  127.  Ingolt. 
Goldenes  Spi-1  ls^2,  S.  52  und  XXVII  (Job.  tlcrolt).  2L  Sünden  bei  Bernardinus  Senensis, 
Opera  1,  195b;  vgl  3,  24Gb  (1745):  Antoninns,  Summa  1511,  tom.  2,  tit.  1,  cap.  23.  §  6: 
Barletta,  Sermohes  1571.  p.  148b:  Nd.  Jahrbuch  19,  93. 

Miilb'nhoff,  Sagen  aus  Schleswig  1845.  S.  303,  No.  415.  Seitenstücke  weisen 
Köhler,  El.  Schriften  3,  3702  und  Feilberg  in  dieser  Zeitschrift  4,  253  f.  nach.  Prato, 
Archivio  14,  488.  J.  Cortils  y  Vieta,  Etliologia  de  Blaues  (Folk-lore  catalä  3.  1886),  p.  89: 
LNou  mentidas  o  nou  veri 

4)  Sakellarios,  7a  Kvagiaxa  2,42  (1891):  vgl.  Liebrecht,  Zur  Volkskunde  1879,  S.  164. 
Wlislocki,  Volksdichtungen  der  Zigeuner  1890,  S.  308  =  Zeitschrift  für  vergl.  Literatur- 
geschichte 2,  355. 

5)  Giannini,  Canti  popolari  della  montagna  lucchese  1889,  p.  240—247.  Casetti- 
Imbriani,  Cauti  pop.  delle  provincie  meridionali  2,  191.  445  (1872).  Gianandrea,  Canti 
pop.  inarchigiani  1875,  p.  259.  Corazzini,  I  componimenti  minori  della  lett.  ital.  1877, 
p.  2)8—211. 


105 

Uno         La  mi    dama  porta  bi 

Porta  bruno  pei   su'  ma  . 
Aniami,  bella:  nun  m 

Dua         La  mi  'dama  e  piü  bella  della  tua: 
S     im  e  vero,  racciam  giu  . 

Trea        La  mi  'dama  e  1 

E  su'  padre  'un  me  Li  \  u 

Quattro   Tutte  !<■  yecchic  mi  chiamuno    I  malto, 

Alle  giovanni  mm  ni   l'a. 

u.  s.  w  .    l>i< 

lici     I.  <  ompita  la  dozzina. 

La  mi  'dama  si  chiama  Catcrina. 
All'  amorc  'an  vo'  piü   l'a'. 

Aniiimi.  bella:  nun  m'  abbandonä! 

In  Scher/,  li  nlcrn  wird  die  Form  des  Zahlenliedes  zu  einer  steigernden 
Lufzählung    von   den   Mahlzeiten  eines  zarten   Fräuleins  an  sechs    ragen    . 
von    den  Geschenken,    die  ein   Liehhaber  seinem   Mädchen  oder  ein   Vater 
Beiner  Tochter  zur  Aussteuer  macht8),    oder  zu  freien   (Heimspielen 8)  ver- 
wandt. 

Ferner  stehen  auch  verschiedene    Arbeitslieder,    die  beim   Klöppeln 
und  Strick. 'ii    gesungen    werden    und    die  Zahl   der  Maschen    '"Irr  Nadeln. 
bei  der  sich  der  mechanisch  Beschäftigte  irgend  etwas  denken  wollte,  mit 
einem   Reimwori    oder  einer  An   Auslegung  begleiten,    in  einem  gew 
Zusammenhange    mit    den    geistlichen    Zahlenliedern.      Wenn    gleiche 
Bücher  in  seinem  trefflichen   Buche  'Arbeil   und   Rhythmus'     1899,    S 
eine    >n|c|ie   Beeinflussung    bestreitet,    so    vergleiche    mau    nur   die  in  den 
Dörfern    von    tlle-et-Vilaine    übliche    Zahlenliste   der  Strickerinnen:     I  ne, 
le  pere;    Deux,    le  tils:    Trois,    le  Saint-Esprit;    «Juane  evangelistes;    Cinq 
plaies  de  Notre-Seigneur;  Si\  commandements  de  i  I       -      3       •   crements; 


1      Mir.  Volksmärchen  aus  Schwaben  LS52     '       -  Gesell,  ich  frage  dich.' 

Also  deutliche  Parodie).    Cenac  Moncant,    Litt.  pop.  d 
zum  Weihnachtsfest).     Lootcns-Fcys  1879,  p.  261.     Giannini,  Canti  lu<  188!),  p.  216. 

2)  Gagnon  1865,    p.  80.  356.     Conssen 

l'Oucst  1,  267    1866).    Durieux  et  Bruycll  Holland,  Chai 

populaircs  1.  317  (1883).    A.  Wolf.  Volkslieder  ai  No.  17.     D 

Fontaine,    Luxemburg.  Kinderreime  1877,  S.  49.     Halliwcll,  Nursery  rhym        -  L84. 

Chambers,  Populär  rhymes  18-17,  p.  L98  und 

3)  Archivio  10,517  (aus  Paris  ;  11,271    Traditio 

J.  Cortils  y  Vieta,  Ethologia  de  Blänes  L886,  p.  138    A  la  una  la  mi  mala  :   -Mihi  j 

tanals  1882,  p.  61  (Las  non  veritats       Nyerup  256,  Anm.  - 

das  vlämische  Lied  von  den  12  Gläsern    Coussemaker  No.  119    vielmehr 

der  verschiedenen  Trünke  (Boltc,  Nd.  Korr.  ilatl  21,  56J    Ui 

Zedier   ;Bolte,   Nd.   Jahrbuch  19,  167;    Nd.  Korrespondenzblatt   18,  76.    21,  55.  83  ,    die 

gleichfalls  gern  an  der  Zwölfzahl  festhalten. 


mg  von  Negclcin: 

Unit  beatitudes;  Neuf  choeurs  des  anges;  l>i\  commandements  de  Dieu; 
Onze  mille  vierges;  Douze  apötres'1)  u.  s.  w.  bis  20. 

Zu  so  vielfältiger  Verwendung  der  mystischen  Zahlenspielerei  in  Sage 
und  Brauch  des  Volk.-  geselle  sich  zu  guterletzt  noch  eine  listige  Nutz- 
anwendung, die  in  eiuem  arabischen  Schwanke8^  ein  armer  Schulmeister 
davon  macht.  Er  fragt  auf  dem  .Markte  einen  etwas  einfältigen  Schuster 
nach  dem  Preise  eines  Paars  Pantoffeln.  'Zwölf  Pfennige',  ist  die  Antwort. 
"Freund*',  sagt  er,  "du  bist  von  der  Sekte  Mulhad,  die  die  zwölf  Monate 
verehrt'1  —  -Nun    so  gieb  elf.'  "Ei,    das  riecht  nach  Aberglauben    an 

Josephs  elf  Brüder."  —  -Zehn."  —  "Das  hiesse  der  zehn  Jünger  des  Pro- 
pheten spotten."  —  -Alier  neun."  —  "Glaubst  «In,  ich  sei  ein  Jude,  der  an 
die  neun  Gebote  .Muses  glaubt?"  -Dann  acht.'   —   "Aber  das  ist  ja  die 

Zahl  der  Engel,  die  den  Thron  Gottes  tragen."  —  -Nun.  wenigstens  sieben.' 

'Scheust  du  dich  nicht,  die  Ltdire  der  Sabäer  zu  bekennen,  die  soviel 
auf  sielten  halten?"  —  'So  bleiben  wir  bei  sechs  stehn!"  —  "Das  ist  die 
Zahl  der  Schöpfungstage."  —  -Aber  wenigstens  fünf.'  —  "Das  ist  ja  die 
Zahl  der  gesetzmässigen  täglichen  Gebete."  —  -Nun.  so  schliessen  wir  mit 
vier  ab."  —  "Nein,  den  vier  rechtgläubigen  Sekten  will  ich  nicht  zu  nahe 
treten."  —  -Drei.'  —  "Was.  kannst  tlu  vergessen,  dass  die  Religion  tue 
Zahl  drei  durch  tu».  Monate  Redscheb,  Schaban  und  Ramasan  heiligt?"  — 
•Zwei.'  —  "Ei,  der  abscheuliche  Manichüer."  —  'Nun,  dann  einen."  — 
"Gottloser,  eins  ist  nur  Gott.''  Da  sagt  der  Schuster:  'Nimm  die  Pantoffeln 
in  Gottes  Namen  hin;  sonst  verleidest  du  mir  meinen  Glauben  ganz  und  gar. 

Berlin. 


Das  Pferd  im  Seelenglauben  und  Totenkult. 

Von  Julius  von  Negelein. 

I. 

Eine  höchst  eigentümliche  Ceremonie  des  vedischen  Rossopfers 
schreibt  den  an  diesem  beteiligten  Priestern  vor.  den  Schwanz  des  Opfer- 
rosses  anzufassen.  ..Denn  die  Menschen  kannten  den  Weg  zur  Himmelswelt 
nicht,    alter    das   Pferd    kannte    ihn.     So    nimmt    es    sie   zur  Himnielswelt 


1)  Mielck,  Nd.  Korrespondeuzblatt  4,  64  (Maschenmerkreim  aus  Wismar:  1—20). 
A.  Müller,  Volkslieder  ;;us  dem  Erzgebirge  1883,  S.  214.  224.  Oben  S.  3881.  Feilberg  in 
dieser  Zeitschrift  4,  2491'.  Lootens-Fcys  IST!»,  p.  262  (77  Domen  iu  der  Dornenkroue  Christi). 
Orain,  Folklore  de  Fllle-et-Vilaiue  1897,  p.  30  =  Melusine  3,  II.  Melusine  1,217.  8.1)5.  — 
Auch  ebenda  1,  78.  Archivio  U.  177— 180  i  Abzählreime  der  Kinder).  Über  die  Verwendung 
zum  Tanzliede  in  Frankreich  und  Spanien  vgl.  oben  S.  391  f.  und  Prato,  Archivio  14,480 

2)  Hammer,  Rosenöl  2,  273  (1813.     Ohne  Quellenangabe). 


1  >a-  Pferd  iui  Seelenglaubi  a  ku!t.  \*  \\ 

mit."1"     In  seiner  aphoristischen  Sprache  drückt  liier  der  altindische  rexl 
den  Gedanken    ans,    dessen   Verfolgung    uns    zu    beschäftigen  haben  wird: 

die  [dee,  dass  das  Ross  ver _■■  seines  glücklichen  Instinktes  den  .Menschen, 

sei  er  lebendig  oder  tot,  in  nie  unermesslichen  Fernen  zu  tragen  imstande 
sei.  in  denen  der  Völkerglaube  das  gelobte  Land,  das  Paradies,  die  Gegend 
der    Glasberge    vermutete').      Im    ganzen    Bereich    der    Religionsübuugen 
dürfte    sich    keine    naivere  Ceremonie    als    die    eben   beschriebene  finden, 
kein  naiverer  Versuch,    des  Unerreichbaren   sich  zu  bemächtigen.      \u  die 
Stell»1    des  blosses    tritt    sehr   häufig  die   Kuh.     Nach  den   Vorschriften  der 
altindischen  Ritualbücher  sollen  die  Teilnehmer  an  einem  Leichenbegängnis, 
nachdem  sie  gebadet  und  neue  Kleider  angelegt  haben,  einen  Stierschwanz 
anfassend,    zu  ihrem   Dorf  zurückkehren8).     Noch  heute  führ!  man  an  das 
r  eines  Sterbenden  eine  Kuh  mit  ihrem  Kalbe.     Die  erstere  isl   reich 
geschmückt.     .Man    lässt    sie   an  den   Kranken  herantreten,    der  sie  beim 
Schwanz  ergreift,  und  zu  gleicher  Zeit  rezitiert  der  Purohita  ein  üiantram 
(liturgische     Formel),     damit     sie     (die    Kuh'    den     Kranken    wohl- 
behalten zur  anderen   Welt  hinüberführe*).     Auch   nach  dem  Zeug- 
üisse    anderer  Berichterstatter    bringet]    die   Hindu-  sterbenden  Brahmanen 
eine  schwarze   Kuh.  um  sich  die  Überfahrt  über  die  Vaitarani,  den    Codes- 
fluss,  zu  >ichern.  und  halten  sich  oft   heim  Sterben  am  Schwanz  einer  Kuh 
fest,    als    "h   sie  wie  ein  Hirt  herüberschwimmen  wollten''.     Die 
Begründung    isl    hochwichtig:    dieselben  Spuren,    die    dem    vordringenden 
Arier    den   Weg    durch    das  Dickicht    <\i.-v    indischen   Einöden    wiesen   und 
ebneten"),    sollten    ihm    die    Entdeckung    des    unbekannten     Landes    er- 
möglichen.    Wie    sich    der   Hirt    am  Schwänze   der  Kuh.    am  Schweif  des 
Rosses  über  Bäche  und   Weiler  hinüberschwang,    so    wollte  er  auf  gleiche 
Weise    sich    über    den    Totenfluss    hinübersetzeu    lassen.     Ähnlich, •    [deen 
sind    der    späteren   Zeit    nicht    fremd.     Das   Anklammem    an  den  Schweif 
des    Rosses    bekundete    Zugehörigkeit    zu    diesem    und   eventuell    seinem 
Reiter,    z.  B.  auch  im  deutschen   Mittelalter1       Tete    oder  zum  Ted,,  ver- 

1)  Apastambacrautasütra  13,  t  erläutert  durcli  Taittiriyabrähma  3,    12,  I 

2)  Ich  verweise  hier  ant  meinen  Aufsatz  oben  S.  16  ff. 

31  Hillebrandt,  Rituallitteratur  92:  vgl.  Kätyayanacrautasürra  21.  3,   I 

4)  „aiin   qu'elle   (la  vache)    le    conduise    par   an    bon    chemiu    dans  l'autre  m 
Dubols,  Munirs  des  peuples  de  L'Inde  208. 

5)  tylor,  Anfänge  d.  Kultur  1.  466f.    Colcbrooke,  l  177.    Ward,  Hindooa  li. 
62.   284.   331.     Audi   in  Ostpreussen    setzen    die  „Pferdejungen"    auf  gleiche  Weis 
VVeüer  weg. 

6)  Vgl.  Pischel  u.  Gelduer,  Vedische  Studien  2.  287ff  zu  gavyiiti;  da  deutet 
zunächst  die  von  dem  Vieh  festgetretenen  Wege,  dann  z.  B.  in  Rigveda  10,  14.  2  den  Weg 
ins  Jenseits,  „den  unsere  Vorfahren  gingen." 

7)  Wenn  in  Speier  der  neue  Bischof  von  Bruchsal  her  seinen  Einritt  hielt  und  aus 
der  Stadt  Verbannte  sich  an  seinen  Zaum.  Sattel  oder  selbst  an  da-  Pferd  hielten  oder 
hingen,  so  durften  sie  mit  in  die  Stadt.  .  .  .  Noch  im  dreissigjährigen  Kriege,  wenn 
eine  Stadt  mit  Sturm  genommen  wurde.  Hessen  die  Soldaten  den.  der  sich  losgekauft 
hatte,    den  Schweif    oder  Bügel    des  Pferdes    anfassen    und  führten   ihn  so  sicher  durch 


10b 


von  Negelcin: 


dämmte1  Verbrecher  wurden  auf  Pferde  oder  Pferden  an  den  Schwanz 
o-ebunden,  um  \<>n  diesen  ..in  «las  bessere  Land"  mitgenommen  zu  werden. 
D  Coggenburger  Etheinthaler  banden  im  Jahre  L541  einen  Verstorbenen 
einem  Pferde    an    den  Schweif    und    Hessen    ihn  zu  Grabe  Bchleifen,    und 

ein  Jahr  darauf  Landen  sie  einen  Toren  nackend  auf  ein  Pferd  und  führten 
ihn  zu  Grabe8  .  Der  heilige  Stephan  wurde  an  ein  Ross  nach  seinem 
Tode  gebunden,  und  man  begrub  den  Heiligen  da,  wo  das  Ross  stehen 
blieb").  Man  Hess  sicdi  in  einer  gewissen  Kulturepoche,  einem  ethnischeo 
Elementargesetz  zufolge  überhaupt  gern  von  der  unbeirrten  Sicherheit  des 
Tieres  Leiten'  ,  vornehmlich  natürlich  desjenigen  Tieres,  das  für  das 
betreffende  Volk  von  grösster  socialer  Bedeutung  war.  also  des  Pferdes 
bei  den  [ndogermanen,  >\r^  Kameeies  bei  den  Semiten.  Die  den  Tieren 
zugeschriebene  Divinationsgabe  erhebt  dieselben  zum  Rang  von  Geistern, 
8ie  is<  also  ein  ausschliessliches  Produkt  der  sogen,  animistischen  Periode. 
Kulturell  wirksam  zeigt  sie  sieh  zunächst  in  der  Sitte,  durch  Tiere. 
namentlich  also  durch  Pferde,  unter  denen  wieder  der  Schimmel  bevorzugt 
war5),  social  wichtige  oder  social  geweihte  Plätze  bestimmen  zu  lassen 
oder  aus  (\t'v  Richtung,  die  das  freigelassene  Koss  einschlägt,  die  Zukunft 
zu  enträtseln.  Wenn  der  zur  Schichtung  des  altindischen  Feueraltars  not- 
wendige Thon  gegraben  wird,  erwartet  man  von  dem  voranschreitenden 
Pferd  das  Zeichen,  wo  gegraben  werden  soll6).  Der  Weg.  den  ein  ge- 
weihtes Pferd  läuft,  deutet  bei  den  Buräten  Glück  oder  Unglück  an.  Man 
setzt  einem  solchen  eine  Schale  Milch  auf  das  Kreuz  und  lässt  es  ohne 
Zaum  frei.  Läuft  es  nach  Osten  oder  Süden,  so  beweist  dies  Glück,  nach 
•  n  oder  Norden  aber  nicht  viel  Glück7).  Im  christlichen  Mittelalter 
wird  das  Pferd  nur  einmal  als  Wegweiser  genannt  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  es  den  Platz  zu  einer  Kirche  anweist8).  Maulesel  und  Rind  treten 
bisweilen    an    die  Stelle    des   Pferdes9),    Maultiere    sollen   wegweisend  bei 

das  Gewühl  der  Menge:  Grimm,  Rcchtsaltcrtümer4  1,  368f.  Nach  färöischer  Sage  fasst 
ein  altes  Troll -Weib  einen  entlaufenden  Dieb  an  den  Schwanz  des  Pferdes,  um  ihn  zu 
fangen:  Liebrecht,  Volkskunde  317  f. 

1)  Das  Festbinden  von  Verrätern  auf  Pferde  kommt  z.  B.  auch  in  Griechenland  und 
Siam  vor:  Liebrecht,  Volkskunde    102. 

5     Rochholz,  Deutscher  Glaube  und  Brauch  1,  163. 

3  Jahns,  Ross  und  Reiter  1,  390. 

4  Wcllhausen,  Rest-  arabischen  Heidentums  201;  Wellhausen,  Skizzen  3,  I47f.:  Man 
eine  Kamelin  laufen,  um  zum  Wasser  geführt  zu  werden  ....  denn  das  Tier  handelt 

auf  höheren  Befehl.  Durch  die  Suche  nach  verlorenen  Tieren  wird  man  seiner  Bestimmuno' 
zugeführt.  Vgl.  Wellhausen,  Beste  196 1. :  das  Kamel  soll  bei  den  heidnischen  Arabern, 
wenn  jemand  sich  in  der  Wüste  verirrt  hat,  selbständig  den  richtigen  Weg  findet),  wenn 
man  es  betragt  hat. 

V7gl.  Zeitschr.  f.  Ethnol.,    Jahrg.  1901,  S.  79  ff. 

I     Hillebrandt  a.  a.  0.  183. 

:     Klemm.  Allgem.  Kulturgesch.  8,  115.     Hopf,  Tierorakel  1888  S.  74 f. 

s     Hopf  a.  a.  0.  74.     Müllenhoff,  Sagen  111. 

9)  Vgl.  meiuen  Anm.  5  citierten  Aufsatz  über  die  volkstüml.  Bedeutung  der  weissen 
Farbe  in    der  Zeitschr.  f    Ethnol. 


Das   Pfi  rd  im  kult. 

der    Gründung    des    Klosters    Maulbronn    aufgetreten    sein1         Nach    alter 
schwäbischer    Sage    hat    ein    Esel    den  Ort,    wo    das  Kloster  Allerheili 
ergründet    werden    sollte,   angezeigt  Rine  Kuli   zeigl  dem  Oadmua 

<  )ir  seiner  Ansiedlung,  Kühe  zeigen  in  einer  schwedischen  Sage    w 
ins     ,1,.,,  OH    an,    wo    eine  Kirche    gebaut    werden   soll, 
weisen    die  Stelle    für    den   Kirchenbau,    ein    schwarzer  Stier  den  für  den 
Schlossbau  an  (Müllenhoff  1 1 2 f 0  ■  ■  •  •     Ochsen  zeigen  .11-  Stelle,   wo 
im  W;i>scr    dahergeschwommenes,    hölzernes     Kreuz    aufgerichtet     werden 
soll,    und    «'in  Ochs  im  es,    der  den   Platz  für  die  Errichtung  des  Kl< 
Ochsenhausen    weist8).     Das  Ross    war  als.»    in   christlicher  Zeil  dazu  be- 
stimmt, den  Baugrund  \'\\v  Kirchen,  wie  in   heidnischer  den  für  Opferplätze 
zu    erwählen4).     Ganz    eigentümlich    mutet    uns    die    Verquickuug    beider 
Elemente  an.  die  uns  leint.  \\  ie  christliche  Gotteshäuser  direkt  aus  Wodans- 
tempeln entstanden,  dabei  aber  als  Wahrzeichen  ihres  heiduiscln  n  l 
.las    Bufeisen    (etwa    in    der    Form    des    Attributes    zu    dem    Ross 
Heiligen)  unverändert  beibehielten5).     Eine   an. lere   Beurteilung  verdii 
die    alten   Heiligtümer,    die    an    der  Stelle   der  Trappen   de9  Wotan- 
Baldr-Hosses    entstanden    sind.     Hier  ist  die  mythisch  aus  dem   Hufschlag 
der  Götterpferde  entstandene  Quelle  das  Primäre. 

Die  Geisterhaftigkeit  des  Rosses  zeigt  sich  namentlich  in  seinen 
Orakeln.  Die  altindischen  Ritualbücher  bewahren  bei  Beschreibung  des 
Pferdeopfers6  den  von  ihnen  bereits  völlig  missverstaudenen  Brauch, 
Pferd  (das  zum  Zweck  des  glücklichen  Gelingens  eines  be^ 
atehenden  Feldzuges  geschlachtet  wird)  dadurch  zum  Wiehern  zu 
bringen,  dass  man  ihm  Stuten  zuführt.  Unwillkürlich  .lenken  wir  dabei 
an  die  List  des  Darius,  die  ihn  zum  König  machte7).  Dass  .las  alt- 
indische Ritual  sieh  des  gleichen  Orakels  häufiger  l. "diente,  lehrt  die 
sogen.  kärlristi-Ceremonie8),  welche  in  der  Weise  veranstaltet  wird,  dass 
man  ein  Pferd  zum  Wiehern  bringt.  Wenn  es  wiehern  sollte  "der  sich 
schüttelt  .»der  Kot  ..der  Harn  lässt,  so  regnet  es  bald.  Im  allgemeinen 
aber  bedeutet  das  Schnaufen  des  in  dem  gesamten  Altertum  ausschliesslich 
zu  kriegerischen  und  socialen  Zwecken  verwandten  Tieres  einen  bevor- 
stehenden Kampf  und  Glück  in  demselben.  Daher  die  Provozierung 
des  Wieherns  in  dem  altindischen  Brauche  und  die  Verabredung  bei  ^^-v 
persischen  Königswahl.  Die  semitische  Traumprophetie  tritt  dem  gegen- 
über als  em  die  beiden  Rassen  scheidendes  Element  bei  den  [ndogermauen 
völlig  zurück9).     Wie  das  holländische   „wichelen"  zugleich  ..wiehern-  und 

1)  Glimm,   Mytli.4  3,  329.    —    2)  Birlinger,  Vtl.  aus  Schwaben  1.  3S9. 
a   .,    0   78    _'4)Vgl.   Petw  '  199.    -    ö    Jachns,    Ross  and  Reiter  I 

Weinhold,  Quellenverehrung  (33.    -  6    z.  B.  Apastambacrautasiitra  13,5-7. 
1    189-   3   84;    T.  .V..    Justin  1,  10,  5.     Menzel,   Odin    174.    Gubcrnatis,    Die 
Anm   4.   -   8)  Hillebraudt  a.  ,    0.1!  9)   Über  die  von  den    heidnischen    Beduinen 

angenommene  Bedeutung  der  Traumvisionen  bei  Beginn  eines  Krieges  vgl.  Ja. 
der  vorislamischen  Beduinen  127. 


.j  ](i  von   Nru'-li'in: 

„wahrsagen-  bedeutet1),  so  schreiben  Germanen  seil  ältester  Zeit  dem 
die  vorbedeutende  Mahnung  zum  Kampf  zu.  Nach  Tacitus'  gall 
3  hnaufen  und  Wiehern  des  Eiosses  als  vorbedeutend,  und  weder  beim 
Volk  noch  bei  den  Edeln  und  Priestern  gab  es  ein  Wahrzeichen,  das  für 
zuverlässiger  gehalten  wurde.  Abergläubische  horchen  Weihnachts  1*2  Uhr 
auf  Scheidewegen,  au  Grenzsteinen:  vermeinen  sie  nun  Schwertgeklirr 
und  Pferdegewieher  zu  hören,  so  wird  im  künftigen  Frühling  ein  Krieg 
entstehen8).  Noch  spät  gaU  das  Gewieher  der  Pferde  den  abergläubischen 
Soldaten  als  Vorbedeutung4  .  Slavische  Stämme  meinen  noch  heute  in 
dem  ungewöhnlich  starken  Wiehern  und  Schnauben  «ler  Rosse  die  Pro- 
phezeiung baldigen  Krieges  finden  zu  könuen6).  In  'las  Familienleben 
greift  das  Wiehern  «Ics  Rosses  als  glückbringendes  Vorzeichen6),  namentlich 
als  Vorverkündigung  baldiger  Ehe  ein.  Wenn  ein  Mädchen,  das  an  der 
Thür  des  Pferdestalles  lauscht,  ein  Pferdewiehern  hört,  so  verheiratet  es 
>i<'h  im  nächsten  Jahre7).  Namentlich  in  der  Zeit  der  Zwölften,  dem  ge- 
heiligten Beginn  des  heidnisch-germanischen  .Jahres,  prophezeien  die  Rosse. 
Mägde  horchen  um  jene  Zeit  au  der  Schwelle  des  Pferdestalles  auf  das 
Wiehern  der  Hengste,  und  vernehmen  sie  es,  so  wird  bis  zum  24.  Juni 
Sommersonnenwende !j  ein  Freier  erscheinen8).  Auch  den  Slaven  in  der 
Lausitz  bedeutet  das  Wiehern  eines  Pferdes  am  Weihnachtsabend  dem  es 
erlauschenden  Mädchen,  dass  es  sich  im  nächsten  Jahre  verheiraten  wird9). 
Schon  früh  ist  dem  Pferde,  wie  allen  weissagenden  Tieren,  die  Gabe 
der  menschlichen  Rede  zugesprochen  worden.  Aus  den  vedischen  Texten 
ist  mir  allerdings  kein  Beispiel  dafür  bekannt,  obwohl  dieselben  den 
Tieren  im  ganzen  einen  Teil  des  allgemeinen  Sprachvermögens  zu- 
erkennen10), wie  auch  die  bekannte  auimistische  Idee,  dass  das  Tier  die 
Geister  der  Verstorbeneu  spüre11)  resp.  die  Wehklage  des  zu  Grabe  ge- 
tragenen  höre12),  sich  seihst  bei  den  Semiten  findet.  Über  das  bekannte 
analoge  Phänomen  auf  germanischem  Boden  braucht  man  kein  Wort  zu 
verlieren:  das  Scheuen,  Schaudern,  Schnaufen  der  Rosse  sagt  den  Tod  an. 

1)  Ersch   and  Gruber,    Rcalencyklopädie  unter  „Orakelpferd"  und  Hopf  a.  a.  0.  69. 

2)  Tacitus,  Germania  9  und  10;  vgl.  Jaehns  1,  26i'.    Grimm,  Myth.4  •_»,  '.»32. 
3    « rrimm  a.  a.  0. 

I    Jaehns  l.  428.    Grimm,  Myth.4  2,  548. 

5  Grohmann,  Aberglaube  aus  Böhmen  und  Mähren  53:  ders.,  Mäuse  31. 

6  „Wer  Pfcrdegewicher   hört,    soll    Üeissig  zuhören,"    heisst  es  in  der  Rockenphilo- 
sophie, .denn  sie  deuten  rjlück  an";  Jaehns  1,  374. 

7  Wuttke,  Aberglaube  I85f. 

8)  Grimm,  Myth.4  2,  932. 

9)  Hopf  74. 

10    liigveda  8,  100,  11.    Kausitakibrähmana  30,  7.  Aitareyabrähm'ana  2,  17. 

11)  Wellhansen,  Reste  151. 

12  Nach  Ansicht  der  heidnischen  Araber  hören  alle  Tiere,  was  die  zu  Grabe  getragene 
Leiche  eagt,  nur  der  Mensch  nicht:  Wcllhausen,  ebenda  151,  Anm.  7.  Die  Wehklage  des 
zu  Begrabenden  ist  ein  speciell  semitischer  Zug:  siehe  oben  S.  24. 


ulieu  und  Totonkult.  1 1  I 

Wir  werden  darauf  zurückzukommen  habeu.  Die  Tod  verkündende 
Sprache  der  Rosse  der  Glaube  an  sie  fehl!  keinem  indogermanischen 
Volk)  ist  zweifellos  der  liest  eines  universell  gewesenen  Tier-  und  Ahnen- 
kultus, der  später  in  den  Dienst  der  Veueration  nntliropomorph 
heiten  trat.  Sicht  etwa  weil  .Ins  I ! •  •--  im  Diensl  des  Frey  stand,  wurde 
es  mir  dem  Attribut  der  Prophetie  ausgestattet,  sondern  weil  es  als  Ahnen- 
wesen und  deshalb  als  prophetisch  galt,  eignete  der  aufkeimende  Kult 
des  l'i«'\  es  sicli  an,  ohne  die  dem  Tierkult  eigentümlichen  Klein« 
völlig  ertöten  zu  können1).  Zu  diesen  gehört  in  erster  Linie  die  Gabe 
der  prophetischen  Rede,  für  die  das  klassische  Beispiel  der  Rosse  des 
Achill,  die  diesem  den  Tod  verkünden,  bekannt  ist").  Auf  römischem 
Boden  rindet  sich  die  Nachricht,  dasa  dem  Augustus  ein  Esel  seinen  Sieg 
bei  Actium  prophezeit  habe8).  Caesar  erfuhr  von  sein. 'in  nienschen- 
füssigen  Ross,  dass  er  die  Welt  erobern  werde4).  Man  achtete  bei  den 
Etruskern  beim  Einzug  des  neuen  Magistrats  auf  den  Zugang  der  Rosse 
und  zog  daraus  politische  Schlüsse8  .  Die  Redegabe  ist  namentlich  bei 
den  Rossen  der  altdeutschen  Helden  ein  stehendes  Attribut.  Ein  Haupt- 
merkmal, Helden  zu  erkennen,  ist,  'las-  ihnen  kluge  Pferde  eigen  Bind, 
mit  denen  sie   Reden  führen6). 

Der  Aberglaube  der  deutschen  Lande  kennt  diese  Fähigkeit  der  Pferde 

nicht    minder7)    als    die   bulgarische  Sage8)  und  der  ar nische   Mythos9). 

Der    katholische   Ritter    de  Cabrerus    pflegte  Bich  stets  bei  seinem   Pferde 
Rat    zu  holen10;.     Die  Auähnlichuug  des   Rosses  an  Beinen   Reiter  kommt 

1  Vgl.  Zeitschr.  f.  Ethnol.,  Jahrg.  1901,  S.80ff.    Das  Verhältnis  wird  gewöhnlich  so 
äst,    dass    man  das  Tier  als  blosses  Werkzeug  einer  Gottheit  auffasst,    also  eine  ganz 

sekundäre    Entwickelüngsphasc    als    primär    betrachtet.     So    sagt    z.    B.    auch    Unchboh, 
Homerische  Realien  I.  2,  168 f    und    ebenda  193  fast  mit  denselben  Worten,  dass  .. 
Tieren    wegen    des    in    ihnen    wohnenden    natürlichen    Instinkts    die    göttliche    Natur 
lauterer  und  ungetrübter  hervortritt." 

2  Hias  19,  407ff.  4151t'.  Buchholz,  Homerische  Realien  2,  I  b:  l  berhaupl  ist 
das  sociale  Verhältnis  der  homerischen  Griechen  zu  ihren  Tieren  fa  I  bes  und 
inniges,  namentlich  das  Verhältnis  des  Kämpfers  zu  seinem  Schlachtrosse,  mit  welchem 
er  iin  genauesten  Umgang  lebt  und  eine  Art  von  Verständnis  unterhält  welches  ihn  mit- 
unter sogar  veranlasst,  sein  Tier,  als  oh  es  mit  Vernunft  begabt  wäre,  an- 
zureden.   So   fordert  Hektor    seine  Itosse    auf.    ihm    ihre  Pflege    zu    vergelten    und    die 

Achäer   rasch   zu   verfolgen     0  185).     Achilles    spricht    zu    seinen    R n    Xanthos    und 

Balios,  Antilochos  feuert  beim  Wagenrennen  die  mit  Worten  an:  '/'  W2. 

3)  Nachricht  des  Plutarch  bei  Ho] 

4)  Jachns  1,  363,  Anm.  2. 

5j  Hopf  68;    Grimm,    Myth.<  2,   944;    vgl.  noch  Cicero,    de  div.  I,  85,    Liviu 
Vcrg.  Aen.  3,  537;  10,  860;   LI,  89,  Valcri   i  Maximus  I,  ü,  6,  Claud.,  Rapt.  Pi 
St     ..  Theb.  6.  424. 

6)  Grimm,  Myth.4  1,  325,  vgl.  2, 

7)  Vgl.  Grimm,  Wörterbuch  unter  Pferdesprachc. 

8)  Strausz,  Bulgaren  2i 

9)  Abeghian,  Armenischer  Volksglaube   101  f. 
10)  Bastian,  Zeitschr.  f.  Ethnol.  1.  li';. 


I  j  2  vom  N egelein: 

völkergeschichtlich  nachweisbar  durch  die  seelische  Syihpathie  des  ersteren 
mit  letzterem  zum  Ausdruck1),  die  durch  die  Redegabe  vermittelt  wird. 
Wie  deshalb  der  arabische  Beduine  behauptet:  ..Ks  (das  Pferd)  versteht 
all. >s  wie  ein  Sohn  Adams,  nur  dass  ihm  die  Sprache  tVli  lt  ••a).  plaudert 
der  nordamerikanische  Indianer  mit  seinem  Ross,  als  ob  <>s  Vernunft 
hätte3).  Gleich  dem  Tatos  <\<-v  Ungarn*)  redet  im  deutschen  Märchen 
Palada,  deren  abgeschlagenes  Haupt"')  die  (iahe  der  Prophetie  sieh  he- 
wahrt.     .Man  vergleiche  das  redende   Haupt  *\r>  .Mimir. 

Den  germanischen  Stämmen,  die  ja  die  gespensterhaft  Umherirrenden 
ohne  Kopf  darzustellen  pflegten,  galt  das  Haupt  als  Seelensitz.  Auch 
den  Pommern  und  Esthen*)  hatte  das  Pferd  weissagende  Kraft.  Der 
Sterndeuter  Kaiser  Friedrichs  II.,  Scotus,  führte  neben  anderen  Vorzeichen 
für  den  Ausgang  eines  beabsichtigten  Unternehmens  als  Orakeltier  unter 
anderen  das  Pferd  an.  Ks  mag  diese  Schrift  des  gelehrten  Scotus  aus 
dem  13.  Jahrhundert  als  der  letzte  Versuch  gelten,  dtjn  Tierorakeln  wissen- 
schaftlichen Anstrich  zu  gelten7),  die  sich  aVier  bis  über  das  Ende  d<-< 
Heidentums  hinaus  erhalten  haben.  Eigentümlich  ist  es,  dass  beim  ger- 
manischen und  griechischen  Pferdeopfer  die  aus  den  Eingeweideteilen  des 
Rosses  sich  ergebenden  Omina  eine  grosse  Rolle  gespielt  halten  müssen, 
während  die  altindischen  Ritualbücher  nichts  dergleichen  kennen,  das 
Bestreben,  die  Zukunft  zu  erforschen,  vielmehr  bei  dem  vedischen  Opfer 
überhaupt  völlig  zurücktritt.  Die  ominöse  Zauberkraft  des  Opfertieres 
spielt    dort    gar    keine  Rolle.    —    Als  divinatorisches  Wesen    tritt  uns  das 

\)  „Das  Pferd  als  vertrauter  Geführte  des  Menschen  wird  fast  ganz  menschlich  ge- 
fasst;  das  Heldenpferd  spricht,  verteidigt  seineu  Reiter,  lacht  und  weint:  ja  manch- 
mal hat  es  fast  menschliche  Gestalt":  Gubernatis  262,  vgl.  Anm.  43. 

2)  bei  Brehm,  [Kerleben1  4,  27. 

:  i  Tylor  1.  460. 

4)  Mannhardt,  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  2,269;  Schwartz,  Poetische  Natur- 
anschauung 2,  134. 

5)  Vgl.  S.40S,  Anm.  9:  Die  Volkstümlichkeit  der  Vorstellung  von  dem  Reden  der  Rosse 
geht  auf  das  Einhcitsbewusstscin  von  Ross  und  Weiter  zurück,  für  das  sich  das  Prototyp 
in  Wodan  und  seinem  Sleipnir  findet.  Ein  altes  Rätsel  fragt:  wer  sind  die  zwei,  die  zum 
Thing  fahren?  Drei  Augen  haben  sie  zusammen,  zehn  Füsse  und  einen  Schweif  und  reisen 
so  über  Land?  —  Die  Lösung  ist  der  einäugige  Odhin  auf  dem  achtfüssigen  Sleipnir,  vgl. 
Jaehns  1,  345.  Wotans  Ross  blickt  bei  Haddings  Entführung  hinter  dem  Mantel  hervor: 
ßimrock8  241:  d.  h.  in  der  späteren  Sprache  des  Christentums:  der  Teufel  zeigt  plötzlich 
seinen  Pferdefuss.  Als  Drosselbart,  d.h.  Pferdebart,  ist  Wotan  halb  Mensch,  halb  Ross. 
Nach  Tiroler  Glauben  wohnt  ein  Wildg'fahr  id.  h.  ein  Wesen,  das  wild  dahinfährt)  im 
Rofnerwaldgute  bei  Naturns  unweit  Merau.  Das  bat  eine  Gestalt,  als  ob  zwei  Pferde 
zusammengewachsen  wären,  mit  nur  einem  Kopfe  und  nur  einem  Schweife,  aber  an  jeder 
Seite  zwei  paar  Beine:  Alpcnburg,  Mythen  und  Sagen  Tirols,  54.  Hier  zeigt  sich  noch 
ganz  deutlich  der  alte  Sleipnir,  dem  gegenüber  der  Reiter  vergessen  ist.  Die  eingeborenen 
Amerikaner  ergriffen  beim  Anblick  der  eisten  Spanier,  die  ihren  Boden  betraten,  als  vor 
einem  vermeintlichen  Doppelwescn  schleunig  die  Flucht;  Deutsche  hippologischo 
Presse  12,  412.  —  Mimirs  und  Faladas  Haupt  vergleicht  schon  Simrock,  Myth.G,  533. 

6)  Grimm.  Myth.4  2,  553.  Anm.  2. 

7    Michael  Scotus  in  seiner  Physiognomia  (c.  56    bei  Hopf  a.a.O.  31  u       70. 


Das  Pferd  im  -  I  ult.  1 1 :; 

Pferd  namentlich  im  livländischen  Kult  entgegen.  ••in 

Blutopfer  (Menschenopfer)  dar,  ohne  dass  das  liei  :elpford  daril 

entschieden  Iiät t .-.    ob  das  Opfer  dem  * ; » . r t  angenehm  bt  nicht,    und 

/.war    kam    es  darauf  an,    ob  das  Pferd  über  einen  auf  d      I 

Spiess  mit  dem  Lebens-  oder  mit  dem   Podesfuss 

norwegischen   Volksglauben  gill  das  Pferd  durchau 

Audi  bei  den  Slaven  war  die  prophetische  Gabe  des  heilig 

geschätzt.     Pferdekultus    findet    sich  in  allen   Haupttempeln  d<      ä        n  in 

Riedegost  ....    in    Axkoni d    in   Stettin    bei  Pommern'),    wobei 

Überschreiten    von    Speeren    durch    die    weissagenden    Rosse    angewendet 
wurde. 

Die  Jahreswende  übt  auf  die  attributiven  Gaben  des  I  nicht  nur 

eines    potenzierenden,    sondern    auch  materiell  verändernden   Einfluss  aus. 
Mit    dem  Glauben    an    'las   jetzt    gerade   hervorragend  entwickelte  Ver- 
mögen der  Prophetie*)  verbindet   sich  die  Furcht  vor  diesem  Vormögen; 
denn  dem  Propheten  schreibt  mau  in  leicht  verständlicher  Begriffsübertraj 
schicksalbestimmenden   Einfluss    zu.     Die    in  Norwegen    herrschende  8 
jedem    einzelnen  Stück   Vieh    am  Weihnachtsabend    Bein    ^.bendfutter    mit 
den  Worten  zu  reichen:  „Friss  gut,  gedeihe  gut,  heute  A.bend  ist  Weihnacht- 
abend"6),   und  der  auf  den   Lettischen  Teilen  der  kurischen   Nehrung  fest- 
gehaltene Brauch,    am  Sylvesterabend    den   Pferden    kurz    vor  Mitternacht 
noch    einmal   Putter    zu  bringen'   .    Bind  als  Besänftigungsversuchi 
üImt  der  in  der  Prophetie  der  Pferde  Bich  verkörpernden  Schicksalsmacht 
aiitV.uta~.-mi.     Denn  von  der  Zeit  der  Zwölften,  die  ja  den  im   Verlaut 
Jahres  Verstorbenen  ein  gespensterhaftes  Leben  wiedergiebt,  erwartet  mau 
vor    allem    die    Beantwortung    der    Frage    nach    der    Daum-    der    eigenen 
Existenz  in  dem  kommenden  Jahreskreislanf        eine   Frage,    die  bald  als 
berechtigt    gilt,    bald    als    «las   Schicksal    herausfordernd    verworfen    wird. 
Daher    gesellt    sich    zu    dem  als  Bolchen  hingestellten  Glauben,    dass  man 
durch  Schlafen    im   Pferdestall,    Liegen  in  der  Pferdekrippe7),   Belauschen 
der  Tiere    an    dem  Stallthor8)    u.  s.  w.    in  jenen  Tagen  zukünftig«    D 
erfahren    kann,    die    abergläubische  Warnung    vor    diesen    Handlung 
und    ein    ganzes  Heer    von  Sagen,    das  davon  erzählt,  wie  Neugierige  mit 
furchtbaren  Ohrfeigen    von   Geisterhand    abgespeist    w<  seien8 

die  Prophezeiung   ihres  baldigen  Todes  hätten  mitanhören  müssi 
gerät    das  Ross,    dessen  frühzeitige   Verwendung  im  Tmmikult  wir  bereits 
kennen    gelernt    haben,    in  den  Verdacht,    als  Verbündeter  der  Macht  des 


1)  Hopf  37    -   2)  Liebrecht,  Volkskunde  328.  -  3)  Hanns«  h,  Di.    \ 
slavischen  Mythus  015f.   -   4)  Vgl.  z.  B.  Jaehns  1.  295.    Weinhohl  in  A  ifl  für 

Volkskunde  1,  218.  -  5)  Liebrecht  312.    -  I  Information.  Hyth. 

2,932.   Jaehns  1.295.  -  8)  Privatinformation.  -  9   Vgl.  Liebrech 
Alpensagen  342;    Mythen  291.    Panzer,  Beitrag  zur  deutschen  Mythol  .gii    1.  224. 
reich,  Realien  S.  734. 


I  ]  |  \mh  Npgcleiii : 

Todes  aufzutreten.  Unzweifelhaft  liar  die  typische  Eigenart  des  Pferdes 
diesen  Glauben  befestigen  geholfen.  ..l)a>  Pferd  kann  sich  verwundern, 
kann  ßtutzen,  kann  über  anbedeutende  Dinge  wie  ein  Kind  er- 
schrecken .  .  ."1).  ohne  erklärlichen  Grund  gerät  es  häufig  in  Furcht, 
wird  unbändig,  nervös.  Wie  sollte  nicht  der  Glaube,  dass  es  z.B.  die 
Gabe  des  /.weiten  Gesichts  besässe2),  damit  unmittelbar  als  eine  Art 
causaler  Erklärung  zusammenhängen?  Sein  Schaudern,  seine  Nacht- 
schweisse,  die  unerklärliche  Verwirrung  seiner  Kammhaare  —  das  Alles 
verlangt  eine  auf  dem  Gebiete  der  Dämonologie  liegende  Erklärung.  Noch 
ein  Paktor  von  hoher  Wichtigkeit  kommt  hinzu.  Erteilte  der  Animismus 
dem  Rosse  die  (iahe  der  namentlich  das  Todeslos  einschliessenden  Pro- 
phetie,  so  machte  die  Vorstellung  von  dem  Entrücktwerden  i\<^  Ver- 
storbenen durch  fremde  .Mächte  »dien  dieses  Hess  als  schnellstes  Tier  zum 
Trauer  des  Entrückungsgedankens.  Nirgends  sicherer  als  hier  können 
wir  von  einem  „indogermanischen"  Gedanken  reden:  indische,  germanische 
und  slavische  Vorstellungen  fallen  völlig  in  «lern  Glauben  an  diese  Funktion 
des  Bosses  zusammen.  Erkannte  man  den  Toten  als  entschwunden,  so 
war  man  eben  gezwungen,  das  flüchtige  Koss  der  heimatlichen  Steppe, 
das  ohnehin  der  natürliche  Sitz  des  Lebendigen  gewesen  war.  als  Träger 
des  befreiten  Geistes  anzunehmen.  Eine  schöne  und  überraschende  Analogie 
liegt  in  i\w  Thatsache,  dass  den  Semiten  der  Strauss  als  schnellster 
Wüstenvogel  zugleich  Gespensterreittier  ist3).  So  wird  das  lioss  zum 
Todestier  nax  ^oyi)y.  und  alles,  was  an  ihm  unerklärlich  erschien,  dieser 
Tendenz  untergeordnet.  Sein  Wiehern  und  Schnauben  scheint  den  Todes-1 
ritt  des  Erkrankten  zu  verkünden,  sein  nächtlicher  Schweiss  beweist,  dass 
der  (ieist  des  Erschöpften  bereits  in  ein  anderes  Land  herübergegaugen 
ist,  sein  Blick  prophezeit  dem  Manne,  den  er  erwählt,  dass  dieser  sich 
zum  langen  Ritte  rüsten  müsse4);  scheut  es.  so  fürchtet  es  sich  vor  den 
an  der  Schwelle  des  Hauses  lauernden  Todesdämonen  oder  den  Geistern, 
die  am  Kirchhofe  oder  sonst  irgendwo  Wache  halten5).  Ein  mächtiger 
Hebel  zur  Befestigung  und  Variation  dieser  Ideen  liegt  in  der  kultur- 
geschichtlichen Thatsache,  dass  man  die  Leichenwagen  mit  Pferden  be- 
spannte. So  wurde  der  Träger  ins  bessere  Land  zum  Führer  ins  Jenseits 
und  deshalb  in  patriarchalischen  Verhältnissen  mindestens  so  unheimlich,  wie 
es  für  einen  gebrechlichen  Greis  die  Bretter  sein  müssen,  die  der  Schreiner 
zur  Sargherstellung  liefert.  So  verstehen  wir  es.  dass  einerseits  in  Gebirgs- 
gegenden, wo  der  Stier  die  Holle  des  Pferdes  am  Leichenwagen  übernimmt. 
zugleich  auch  mit  dessen   Attributen,    nämlich  der  Prophetie  u.  s.  w..   aus- 

1)  Brcbm,  Tierleben '  4,  83. 

2)  Jaelms  1,  259,  Anm.  1. 
31  Wellhausen,  liest-  152. 

1    Nach    ostpreussisehen;  Aberglauben   stirbt  derjenige,    den  das  Pferd  am  Leicben- 
wagen  auffällig  ansiebt. 

5)  Allgemein-deutscher  Glaube,  doch  siebe  auch  Schulenburg,  Wendische  Sagen  139 f. 


1  >;i-   IM«  1  i   im    l;  ■    ult. 

gestattet    wird1  .    uud    das«   andererseits,  /..  B.  auf  der  kurischen   Nehn 
wo  dea  tiefen  Sandes  wegen   der  Sar*j   zum   Kirchhof  n  wird,    die 

abergläubische  Furcht  vor  dem  Pferde  Belten  anzutreffen  und  in  den  vor- 
kommenden Ausnahmefällen  meisl  auf  Entlehnung  zurückzuführen  i-t. 
Dagegen  zeigt  sich  diese  Scheu  vor  dem  Tiere  auf  dem  benachbarten 
ostpreussi sehen  Pestlande  noch  in  vielen  Gebilden,  am  deutlichsten  aber 
in  den  uordgermanischen  Ländern.  Träumt  man  dorl  von  Pferden 
bedeutet  es  etwas  Schlimmes").  Wenn  das  Pferd  sich  schüttelt  oder  noch 
d;is  Geschirr    am  Leibe    hat,    so    stirbt  ein   Mensel  Soll  das  Pferd  zur 

Stadt  gehen,  um  Medikamente  zu  holen,  und  will  nicht  von  der  Stelle, 
so  wird  nach  slovakischem  Aberglauben  der  Kranke  sterben;  denn  das 
Ross  „wittert  den  Tod"*).  Wenn  ein  Pferd  beim  Leichenzuge  gähnt, 
wird  l>al<l  jemand  aus  der  Familie  sterben,  meinen  die  Südslaven.  Kin 
südslavischer  Bauer  sagte:  „Das  Pferd  reisst  den  Rachen  auf,  als  wollte 
es  eine  Seele  verschlingen"6).  Es  ist  zu  erwägen,  ilass  den  Slaven  die 
Seele  mir  dem  Lufthauch  identisch  ist.  —  In  allen  diesen  Fällen  handelt 
<■>  sich  im  Sinuc  des  heutigen  Volksglaubens  wohl  um  unbewusste  I 
phetie.  Dass  diese  aus  der  Form  bewusst er  Weissagung  hervorgegangen 
ist,  lehren  die  angedeuteten  Beispiele  der  Verkündigungen  des  Xanthos 
und  Balios.  der  Hengste  des  Schill,  und  des  Rosses  Sigurds,  des  Grani, 
an  Gudrun. 

Du*.  Pferd  bleibt  da,  wo  es  in  den  Dienst  eines  bestimmten  Religions- 
systems und  seiner  Lehren  tritt,  seiner  alten  Aufgabe  treu.  Galt  der  FJod 
als  eine  entrückende  Macht  und  das  Pferd  als  Träger  des  Entrückungs- 
Gedankens,  so  wurden  eben  beide  mir  einander  identifiziert  und  so  der 
Tod  zum  Pferde  gemacht.  Dies.-  Lehre  wurde  wieder  empirisch  wirksam, 
indem  man  einzelnen  Rossen,  namentlich  solchen,  die  Bich  durch  ihre 
Farbe  auszeichneten,  die  gedachte  Funktion  der  Entrückung  zuschrieb* 
Nach  altgermanischer  Auffassung  reifer  Ai'\-  Tod  zu  Pferde  \^<r  Hei  und 
ihrem  Boten  wird  gleich  linderen  Göttern  ein  Pferd  zugestanden  haben1 
Die  nordische  Sitte,    der  Hellja  auf  Kirchhöfen  ein   lebendige»   Pferd  ein- 

1    Vgl.  Zeitschr.  f.  Volkskunde  tO,  50.     In  der  Schweiz  glaubt  man.   dass,  wenn  die 
Rinder   bei    der  Tränke    den  Kopf   starr   emporrecken,    sie    über  dea  Herrn  baldigei 
trauern.    Ein  Bauer,  der  sich  Weihnacht»  um  Mitternacht    in  den  Futterbarron  l< 
nahm,    dass  die  beiden  Stiere  sich  besprachen,  wie  bald  sie  ihn  zn  Grabe  lühreii  mfi 
und  starb  im  Schreck  darüber:  Hopf  TT. 

2)  Norwegischer  Aberglaube  bei  Liebrecht,  Volksku 

3)  Liebrecht  326.  —  Ähnliche  Züge  teilt  2.  B.  Strackerjan  in  seinen  oldenburj 
Sagen   mit:    „wenn  <hi*  Pferd  seine  Nüstern  aufbläht,    die  Mähne  sträubt,   den  Kopf  hin- 
und   herwirft,    die  Ohren    spitzt,    schnaubt    und    wiehert,    dam.  Icn  zukünftig 
Leichenzug."    Vgl.  Jaehns  1.  403 

4)  Ethuol.  Mitteil,  aus  Ungarn  5,  30. 
o)  Zeitschr.  f.  Volkskunde  1,  180. 

6)  Ich  verweise  hier  auf  den  citierten  Aufsatz  ü1  lkstümliche  Bcdeutnnj 

"weissen  Farbe. 

7'   Grimm,  Myth.4  2,  T0J.  vgl.  ebenda   ! 


1 1  ii  von  Nogclcin : 

zugrahen,  ehe  dieselben  ihrem  Dienste  übergeben  wurden1),  wird,  zumal 
wenn  mau  sich  des  Aberglaubens  erinnert,  dass  auf  den  Friedhöfen  immer 
der  jüngst  Verstorbene  Wache  halten  muss,  als  ein  naiver  Versuch  ver- 
ständlich, den  Tuten  durch  das  Ross  der  Todesgöttin  schnell  und  sicher 
in    die  l  nterwelt    gelangen    zu    lassen.     Dass  die  Todesgöttin  ihrem   Rose 

aüber  funktionell  ganz  zurücktritt,  lehrt  die  Thatsache,  dass  <lie  Be- 
sänftigungsversuche <lem  Tiere,  nicht  ihrer  Reiterin  gelten,  dass  man 
dem  Tode  im  Sprichwort  Hafer  anbietet,  und  die  alten  Skandinavier  von 
der  Hei.  die  in  Pestzeiten  auf  einem  dreibeinigen  Pferde  reitet,  sich  durch 
eine  gleiche  (iahe  thatsächlich  loszukaufen  versuchten2).  Neugriechische 
Lieder  stellen  den  Fährmann  der  Toten,  Charon,  zu  Pferde  dar.  Die 
Ungarn  nennen  die  Totenbahre  St.  Michaels-Pferd.  In  der  Schweiz  und 
anderswo  gilt  os  als  eine  Todes-Ankündigung,  wenn  am  Fenster  eines 
Schwerkranken  des  A.bends  ein  Ross  von  der  Strasse  her  sichtbar  wird8). 
Mit  dem  Beherrscher  der  Seelen,  dem  Hades  der  altgriechischen  Mythe, 
wurde  sein  Ross  eng'  verbunden4).  Homer  nennt  ihn  xXvtotzcdäos,  bei 
welchem  Beiwort  sich  ihn  der  Dichter  auf  raschem  Gespann  dahin  fahrend 
denkt6). 

Von  der  Erscheinung  *\^s  Todes  ist  die  des  Teufels  nicht  zu  trennen. 
Die  mythische  Figur  des  Todes  war  dem  priesterlichen  Fanatismus  eben 
Teuflisch.  So  wird  der  alte  Todesritt  zum  Höllenritt,  das  Ross  zum  Teufels- 
tier'J.  Die  Pferde  stehen  im  Jenseits  nach  der  Auffassung  der  Oberpfalz 
bei  den  in  der  Hölle  Befindlichen.  Sie  sind  Weiss7).  Italienische  und 
Südtiroler  Sagen  kennen  in  der  charakteristischen  Gestalt  des  Orco,  d.  h. 
I  »reiis.  des  pferdegestaltigen  Teufels,  eine  ähnliche  Darstellung  des  Todes. 
Der  Orco  erscheint  als  ein  weidendes  Pferd  in  der  Nähe  der  Strasse  und 
nähert  sich  schmeichelnd  dem  Vorübergehenden.  Aber  wehe  dem,  der  es 
wagt,  den  schmucken  Gaul  zu  besteigen!  Denn  kaum  fühlt  derselbe  die 
gesuchte  Last  auf  seinem  Rücken,  so  verlängern  sich  seine  Beine  immer 
höher    und   Iniher.    sodass  der  erschreckte  Reiter  aus  schwindelnder  Höhe 


1     Furtwängler,  Idee  des  Todes  37,  Amn.  12.    Grimm,  Myth.4  2,  93G,  vgl.  ebenda  704. 

2)  ■/..  B.  Pcrger,  Pflatizcusagcn  115.  Man  füttert  den  Wind:  Grundriss  f.  german. 
Piniol.'-'  :;.  334.  Der  Norddeutsche  lässt  die  letzten  Hahne  für  Wotan  sein  Pferd.  Ebenso 
lässt  der  Schwede  die  letzten  Halme  für  Odens  Pferde.  In  Mecklenburg  rief  man:  Wode, 
Wode  hole  dinem  Posse  nu  Foder:  Grundr.  f.  germ.  Piniol.  3,  338. 

3    Gubernati?,  Die  Tiere  226,  Anm.   L 

4)  In  der  Sammlung  Sabouroff  1,  25;  vgl.  Gubernatis,  Die  Tiere  226,  Anm.  4. 

5)  Buchholz,  Homerische  Realien  3,  1,  3;)4.  Seine  ebenda  3431'.  geäusserte  Ansicht, 
dass  das  Epitheton  y.lvt6ji<oXog  sich  lediglich  auf  den  Raub  der  Pcrsephone  beziehe,  ist 
zweifellos  falsch 

G)  Nach  ungarischer  Überlieferung  ist  das  Pferd  aus  dem  Teufel  entstanden,  der 
von  Gott  verflucht  wurde,  den  Pflug  zu  ziehen  Deshalb  darf  man  dem  Pferde  nicht  recht 
trauen:  Strausz,  Bulgaren  S  MV.  Im  deutschen  Volksglauben  erscheint  der  Teufel  als 
Pferd  in  den  Sagen  von  Zcno,  vom  Bruder  Rausch  und  in  Legenden:  Grimm,  Myth4  2,  83U 

7)  Rochholz,  Deutscher  Glaube  und  Brauch,  2 11. 


Das  Pferd  i      S  kalt  1 1  . 

kaum    mehr    den   Erdboden  unter  sich  sieht,  und  dann  geht  es  fori 
in    die    grauseste  W  ildnis,    bis    endlich  der  unglückliche  aus  Beiner  l.uft- 
region  niederstürzt  und  sich  »lücklich  Benutzen  muss    wenn  er,  an   P 
und  Händen  erbärmlich  zerzaust,  sich  aus  dem  Dorngebösche  herauswinden 
kann.    Im  übrigen  stinkt  er  wie  der  Teufel,  und  man  darf  auf  sein  Rufen 
oicht  antworten1  .     Die  Motive    des  nur  scheinbar  gefährlichen   Lufti  I 
des  Gestanks  der  Erscheinung  und  des  Verbots,  ihr  durch  Anrufen  lästig  zu 
lallen'-),  sind   freilich  Züge,  die  von  der  Natur  des  nordischen,  wilden  Jfl 
entlehnt    Bind,    der    pferdegestaltige  Teufel    aber  ist,    wie  der  Name 
italisches   Eigentum.     Hierher    gehört    auch    die  Sage   von  dem  am   Hoch- 
leger in  der  Hinterduz  bausenden  Berggeist.     Er  ist  ein  unnahbares,  ent- 
setzliches   Ross.    welches,    dem    Orco    gleich,    Pestgeruch    und  Grabesdufl 
aushaucht.     Ks    ist    vielen    Schützen    und  Gemsjägera    bereits   verderblich 
o-ewesen.     Es  Bpringt,  wenn  es  jemanden  angegriffen  hat,  wieder  nach  der 
Gletscherwand  zurück,  von  der  es  gekommen  ist*). 

Hurten  wir  im  Vorausgegangenen  den  Strauss  als  rräger  des 
mitischen  Entrückungsgedankens  dem  indogermanischen  Ross  gegenüber- 
gestellt, so  wellen  wir  jetzt  dasselbe  Tier  als  Mitglied  eines  dämono- 
logischen  Systems  mit  «lein  inzwischen  ebenfalls  zum  Teufel  gewordenen 
Pferde  vergleichen.  Der  Strauss  ist  eines  der  wichtigsten  [nkarnationen 
oder  Reittiere  der  Ghul*),  die  Ghul  entführt  oft  einzelne  Personen,  nament- 
lich in  die  Wüste'  .  Wenn  jemand  spurlos  verschwindet,  bo  Bind  die 
(iinn  daran  Schuld.  Eine  Ghul  raubte  das  Söhnchen  des  Abu  ösaid,  indem 
dieselbe  sich  als  .eine  Wärterin  ausgab;  der  berühmte  Sinän  b.  Abi  Haritha 
wurde  als  steinalter  .Manu  von  den  Ginn  entführt  und  in  ihr  Land  gebracht; 
von  Qaisaba  b.  Kulthum  al  Saküni  glaubten  -eine  Leute  dasselb« 
wurde  freilich  in  Wahrheit  von  einem  feindlichen  Stamm  gefangen  ge- 
halten. Dass  die  entsprechenden  indogermanischen  Sagen  das  entrückende 
Ross  unmittelbar  zu  einem  Todesgenins  Btempeln,  geht  am  besten  aber- 
mals aus  dessen  Parbe  hervor.  Wo  feurige  Hengste  Prinzessinnen  auf 
ihren  Kücken  laden  und  zu  schwärzen  Burgen  u.  b.  w.  tragen,  Kranke 
,„ler  .lern  Teufel  Gelobte  dämonische  Rosse  besteigen  und  sich  von  ihnen 
entführen  lassen,  da  sind  diese  Tiere  gewöhnlich  schwarz,  d.h.  sie  ti 
die  Schattenfarbe    des  Höllenreiches    an    sich.     Erinnert    sei    noch   daran. 


1)  \lpenbunr.  Mythen  un.l  Sagen  Tirols  57f. 

•     Di 3  so  häufig  in  der  Sagenlitteratnr  york< 

Es   handelt    steh   bei   der  Erscheinung    dee   wilden  Ja, 

wertenden  eine  nach  Schwefel  riechende  Pi  r     b  , 

schleudern    des  Blitzes    als  Strafe   für  die  Störung  der  nerspraoh* 

In   Ostpreussen    ist    es   noch    heute    verboten,    bei    dem    Q. 
sonst  schlägt  es  ein. 

3)  Alpenburg  a.  a.  0.  210. 

4)  Wellhausen,  Keste  152. 

5)  Ebenda  15&. 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1901. 


L1K 


vipii  Nceolein: 


■in  kohlschwarzer  Etappe  den  Ditrich  von  Bern  abholt1)  und  gleich- 
o-eartete  Pferde  Verdammte  zur  Hölle  befördern.  In  der  hundertfach 
variierten  Leonoren-Sage  Bitzt  statt  de6  Todes  ein  Toter  auf  dem  Ross  ). 
Besonders  zu  untersuchen  wäre  eine  ganze  Gruppe  von  Sagen,  in  denen 
einzelne  Renner,  sei  es  als  Jagdtiere,  sei  es  als  Reittiere,  ihre  Verfolger 
oder  Herren  zu  düsteren  Burgen,  zu  Dickichten,  namentlich  aber  in  Berg- 
böhlen  tragen.  Die  Sagen  Pirdosis  von  den  Abenteuern  Rustems  auf 
seinem  Zug  zur  Entsetzung  des  Kai  Ka'us  mögen  muslimische  Vorlagen 
halicn.  Zu  beachten  aber  sind  ähnliche  Züge  in  dem  Sagenschatz  der 
1001    Nacht.     Armenien  und  Südrussland  kennen   Entsprechendes8). 

Nach  armenischem  Glauben  entrücken  Devs  auf  Pferden  öfter  zeit- 
weise oder  für  immer  männliche  Personen.  Der  König  Ardavast  soll  von 
seinem  Leibross  entrückt  wurden  sein  und  auf  dem  Berge  Ararat  von 
Devs  angeschmiedet  gehalten  werden.  Die  ihn  begleitenden  bei  ihm 
wachenden  Hunde  lecken  jährlich  seine  Ketten  dünn,  so  dass  von  ihm  in 
jeder  Osterzeit  eine  Zerstörung  der  Erde  zu  erwarten  ist.  Um  dies  zu 
verhindern,  schlagen  die  armenischen  Schmiede  am  Karfreitag  mit  dem 
Hammer  dreimal  auf  den  Amboss  und  verstärken  so  die  Ketten4).  —  Schein- 
entrückungen  durch  Rosse,  wie  sie  der  armenische  (s.  o.),  südtiroler  (s.  o.) 
u\\(\  deutsche  Aberglauben  kennen,  haben  einst  sicherlich  eine  grosse  Rolle 
gespielt.  Sie  müssen  mit  der  Sturmuatur  des  wilden  .Jägers  zusammen- 
hängen. Unter  den  von  mir  auf  der  kurischen  Nehrung  gesammelten  Er- 
zählungen findet  sich  manche  Einzelheit,  die  von  der  Entrückung  einzelner 
Gegenstände  (Beile  u.  s.  w.)  und  Pflanzen  (Bäume)  durch  den  im  „Kriesel" 
d.h.  Kreisel,  der  Windhose  verborgenen  Teufel  berichtet.  Der  Windteufel 
der  Nehrung  ist  eine  ausschliesslich  in  dem  genannten  Naturphänomen  sich 
manifestierende  Gottheit  es  ist  nicht  im  entferntesten  daran  zu  denken,  dass 


1)  Zeitschr.  f  Ethnol.  IT,  137.    Grimm,  Myth.4  2,  831. 

2  Grimm  ebda.  Mecklenburgische  Fassung:  Bartsch,  Mecklenburgische  Sagen  1,142. 
Slavische  Fassung:  Zeitschr.  f.  Volkskunde  9,  217  (mit  sehr  ausführlicher  Litteraturangabe' : 
Schulenburg,  "Wendische  Sagen  138.     [Erich  Schmidt,  Charakteristiken2  1,  189.] 

3)  Herr  Studiosus  Thopdschian  teilte  mir  gütigst  folgendes  mit:  Ihm  sei  aus  seiner 
armenischen  Heimat  eine  dem  Ardavast- .Mythus  sehr  ähnliche  Sage  bekannt.  Hier  wie 
dort  vollbringt  das  Pferd  eine  Strafe  in  Vollziehung  des  väterlichen  Fluches:  es  entführt 
mit  sich  den  Reiter  in  die  Wohnung  der  Geisterwesen,  die  gewöhnlich  in  einem  Berge 
li<-gt.  Während  indes  in  der  Ardavastsage  das  Ross  seinen  Herrn  eigenmächtig  dorthin 
trägt,  gilt  in  dem  Mher-Mythus  ein  Rabe  als  das  geleitende  Wesen.  Mher  verfolgt  diesen 
auf  der  Jagd  und  wird  so  zu  eiuer  Grotte  geführt,  die  ihn  samt  seinem  Tiere  gefangen 
hält.  —  In  Südrussland  ist  eine  Sage  von  dem  Helden  Marko  Karelewitsch  bekannt. 
Derselbe  ist  nach  einem  grossen  Kampfe  von  Gott  in  eine  Grotte  gesperrt.  Er  hat  sein 
Schwert  in  die  einen  Felsen  umkleidende  Erde  gestossen  und  schläft.  Sein  Ross  frisst 
inzwischen  von  dem  auf  dem  Felsen  wachsenden  Grase.  So  kommt  das  Schwert  immer 
mehr  und  mehr  zum  Vorschein.  Wenn  es  ganz  herausgekommen  ist,  so  tritt  der  Held 
wieder  an  das  Licht  der  Sonne. 

4)  Auch  diese  Mitteilungen  verdanke  ich  Herrn  Thopdschian.  Die  sich  in  einen 
Berg  verlierende  wilde  Jagd  des  noch  mit  seinen  Hunden  ausgestatteten  Todesgottes 
taucht  hier  zu  deutlich  auf,  als  das.-  man  auf  sie  besonders  hinzuweisen  brauchte. 


nglaubi  d  and   I  ütenkult.  II'.1 

wir  es  hier  etwa  mir  einem  abstrakten  „seeltMiraubenden"  Dämon  oder  der 
Personifikation  der  „Gewitterwolke"  zu  thuu  haben,  die  ab  Mixtum  compo- 
situm von  Feuer,  Wasser,  Lieh!  und  Finsternis  der  altmythologischeu  8chulc 
überhaupt  sehr  bequem  war  und  ^tatsächlich  ja  noch  alle  denkbaren  Deutungen 
zulässt,  wie  man  einen  Fausthandschuh  bekanntlich  auf  jede  Hand  zwäi 

kann.     Mit    Bolchen    speciellen  Sturmdämi n    muss    das    ganze  Heer  der 

Sagen  es  zu  thun  haben,  die  von  Pferden  berichten,  deren  Reiter  plötzlich 
in  die  l.nt't  gehoben,  weite  Strecken  getragen,  dann  aber,  * •  li n < •  erheb- 
lichen Schaden  zu  nehmen,  von  dem  Rücken  des  Tieres  abgeschleudert 
wurden1).  !n  dem  letztgenannten  Zug  findet  sich  das  Moment  der  alten 
Gutmütigkeil  der  Heidengötter  wieder.  Allerdings  Bpielt  auch  die  Bpätere 
Teufelsauffassung,  nach  der  der  Feind  Gottes  nicht  ernstlich,  sondern  nur 
durch  Phantasmagorien  zu  schaden  im  stände  ist,  mit  hinein.  Zugleich 
finden  sich  die  alten,  noch  zu  erwähnenden  ballucinatorischen  Teufels-  und 
Gespensterritte  hier  bereits  angedeutet. 

Die  Darstellung  des  Teufels  in  Pferdegestalt  hat  noch  eine  /.weite. 
sein-  tiefgehende  und  weitreichende  Wurzel.  Zu  den  sichersten  Zeugen 
dieser  allgemein  -  indogermanischen  Mythenbildung  gehört  die  Therio- 
morphisierung  des  Blitzes  in  Rossesform ").  Loki  nimmt  in  der  nordischen 
Mythe  Rossesgestalt  an  und  zeugt  in  solcher8)  -  ein  strikter  Beweis  für 
die  ürsprünglichkeit  der  tierischen  Figur.  Der  zum  Hausgeist  »ewordene 
ebenfalls  nordische  Niss  kann  sich  wie  Loki  in  Pferdegestalt  verwandeln* 
Der  'Teufel  der  deutschen  Sage  zeigt  gerade  in  seiner  Eigenschaft  als 
Gewitter-    und   Blitzgottheit    (den    Pferdefuss  u.  s.  w.    auf    Dächer    berab- 

Bchleudernd)  Rossesgestalt*)  oder  Rossesteile;  Blitze  werden  durch  Schii •! 

angezogen.  Der  Teufel  hat  die  Fähigkeit  bebalten,  sich  nach  Belieben 
in  einen  Rappen  verwandeln  zu  können";.  Pferde,  welche  an  den  Vorder- 
füssen  keine  Narben  haben,  sind  Teufel7).  Ja  die  vom  Teufel  be- 
günstigten Personen  hal.en  immer  die  besten  Pferde8)  und  benutzen  sie 
nach  Belieben.     Hier    sin«!   Pferd    und  Mantel  auch   der  letztere  | 

-■inen  Inhalier  ja  bekanntlich  durch  die  Lüfte  alte,  verschiedenen  Gott- 
heiten beigegebene  Wnnschdinge,  deren  Ruhm  Belbst  <\i-v  heutigen 
bekannt  ist.  Die  Tiroler  erzählen9  .  dass  einst  in  der  Nähe  der  Sardatscher 
Kapelle  in  jeder  Nacht  ein  gesatteltes  Pferd  gestanden  habe;  es  wurde 
dazu  benutzt,  mir  Blitzesgeschwindigkeit  zu  den  entferntesten  Teilen  der 
Alpen  zu  reiten,  um  sich  dürr  bei  einem  Mädchen  aufzuhalten  und  nachher 
ebenso    geschwind    wieder    zurück    zu    Bein.      Wer    diesen    Kirr    machte, 

1)  Vgl.  z.  B.  Zeitschr.  f.  Volkskund«    7.   L32. 

2)  Hier   hoffe   ich  ein  namentlich  untei   Heranziehung  der  yedischeu  Mytholog r- 

„arheitetes  Beweismaterial  alsbald  veröffentlichen  zn  können. 

3)  Bekanntlieh  entspringt  Sleipnii  aus  der  Vereinigung  von  Loki  mit  Svaditfl 

4)  Zeitschr.  f.  Volkskundi    -.264.    -  Simrock,    Deut 

G    Weinhold  in  der  Zeitschr.  f.  Volkskunde  1.215.    --    7     Ehenda  218.      -    -     Bari 
Volkssagen  ans  Mecklenburg  1.  130.  —  9)  Alpenburg  211. 

29 


Feilh 

verlor  aber  Beine  Seele.  Eis  handelt  sich  also  wieder  um  «Ich  Seeleo 
entführenden  Teufel.  Zweifellos  is<  es  uns  oiclrt  mehr  möglich,  diese  oder 
jene  Sage  auf  dieses  oder  jenes  Grundsubstrai  der  in  ihm  vorkommenden 
Ceufelserscheinung  zurückzuführen,  also  etwa  behaupten  zu  können,  dass 
wir  es  das  eine  .Mal  mit  dem  menschenraubenden  Gewitter-,  das  andere 
Mal  mit  einem  Windgott  zu  thun  haben.  Die  Zuteilung  zu  dieser  oder 
jener    altmythischen   Persönlichkeit    hat    vielmehr    nur    ganz  beschränkten 

hypothetischen  Wert. 

Fortsetzung  folgt.) 


Der  böse  Blick  in  nordischer  Überlieferung. 

Von  H.  F.  Feilberg. 

(Schluss  von  S.  304—330. 


1.  Beilage  (Das  Gänsegehen). 
(Zu  S.  312.) 

Alle  Gänse  des  Dorfes  grasten  auf  der  Gemeinwiese  den  ganzen 
Sommer  hindurch  und  nach  der  Ernte  auf  den  abgemähten  Kornfeldern. 
Damit  jede  Familie  die  ihrigen  unterscheiden  könnte,  hatten  die  ver- 
schiedenen Gehöfte  jedes  ein  Kennzeichen,  das  eine  einen  Kerb  in  dem 
rechten,  das  andere  in  dem  linken  Fusse  der  Gänse  u.  s.  w.  Wenn  die 
Herbstweide  vorüber  war  und  die  Gänse  eingesetzt  werden  sollten,  ver- 
sammelten sich  am  bestimmten  Tage  alle  verheirateten  Frauen  im  Dorfe 
und  gingen  von  Haus  zu  Haus,  von  einem  Gfehöfte  zum  anderen,  unter- 
suchten alle  Gänse  und  trugen  Sorge,  dass  jedes  Gehöft  genau  die  seineu 
empfing,  welcher  Umgang  Gänse  gehen  genannt  wurde.  Hast  du,  lieber 
Leser,  je  erfahren,  welchen  Lärm  eine  Gänseherde,  wenn  man  unter  sie 
tritt,  hervorbringen  kann,  und  hast  du  je  erlebt,  wie  gewaltig  einige 
Dutzend  W  eiber  toben  können,  so  wirst  du  dir  vorstellen  können,  zu 
welchem  Geräusch  ein  solches  Gänsegehen  Veranlassung  gab.  Nach  dem 
I  mgange,  wobei  keiner  .Mannsperson,  den  Dorfvorsteher  ausgenommen, 
Zutritt  verstattet  wurde,  hatten  die  Frauen  abends  eine  lustige  Zeche. 
wozu  jede  Bier  und  Branntwein  mit  sich  brachte,  die  unter  lautem  Reden 
und  Lachen  ausgetrunken  wurden,  indem  der  Lärm  im  Verhältnis  zu  dem 
Schwinden  des  Branntweins  in  der  Flasche  stieg.  Später  kamen  die 
.Männer,  um  ihren  Frauen  bei  der  Verzehrung  der  Gaben  Gottes  Hilfe  zu 
leisten,  was  sie  mit  Vergnügen  unter  dem  lauten  Gespräche  der  Frauen 
thaten.    ..Wisst  Ihr,  Schwestern",  sprach  eine  Frau,   „diese  Nacht  besuchte 


I 


Der  b        Blick  in 

ein  Dieb  unsere  Speisekammer.  Er  Btieg  durchs  Fenster  und  Betzte  die 
Füsse  in  meinen  Sanermilch-Kübel.  \K  mein  Alter  das  Platschen  i 
rief  er:  „Wer  da?M  sprang  aus  Beinern  Bette,  und  glaubt  Ihr  mir,  der 
Dieb  machte  Bich  geschwind  ans  dem  Staube  ^  zündeten  Lieh!  an, 
uml  als  wir  hinkamen,  fanden  wir  Beine  hölzernen  Schuhe  in  der  «auren 
Milch.  M)er,  Gottlob,  der  Kübel  war  gerettet  Natürlich  wai  etwas 
umhergespritzt,    «las    hatte    abeT    nichts    zu    Bagen.«  Ja    glücklich  bisl 

Do,  Schwester;  Du  verlorsl  Deine  Sauermilch  nicht."  So  unbedeutend 
auch  die  Geschichte  ist.  ist  Bie  doch  charakteristisch  und  beweist,  wie  vor- 
urteilsfrei die   Mägen  der  Bauern  damals  waren. 

Lue   Lnlass  dieses  Gänsegehens  geschah  auch  anderes;  es  war.  in 
gangenen  Jahren   wenigstens,    Sitte,    .las.-    alle    unverheirateten    Mädchen 
des  Dorfes  gemustert  wurden.    Wie  es  damit  herging,  kann  man  aus  dei 
folgenden  <  rerichtsverhandlung  ersehen. 

Auszug    aus    den    Protokollen    des   ttardesgerichts    zu    Indershöf 

(Schonen)  Anno   L704. 

Das  Dienstmädchen  Banna  Larsdotter  in  Ändershöf  hat  alle  Männer 
des  Dorfes  nebst  ihren  Kranen  in  einer  schriftlichen  Beschwerde  vor  das 
Gericht  geladen. 

Sie  beklagt  sich  darüber,  dass  die  Genannten  durch  die  Hebamme 
sie  haben  untersuchen  und  melken  lassen;  dass  Bie  ihr  zu  Schaden  und 
Schimpf  zu  ihrem  Brotherrn  gegangen  seien,  dass  Bie  in  der  Abwesenheit 
ihres  Brotherrn  von  ihnen  mit  Gewalt  weggeführt  worden  und  ihr  die 
Hände  gehalten  und  Unehre  in  der  Anwesenheit  der  Predigerfrau  angethan 
wäre,    indem    sie    ihr    ein  Tuch   wie   den    Huren    um  den  Kopf   gebunden 

hätten 

Der  Dorfälteste,  der  mit  einem  Teil  der  Bauerfrauen  da  war.  bezeugte, 
dass    die    Krane,,,    wenn    sie    wie    gewöhnlich    «las  Gänsegehen    verrichtet 
hätten,  bei  ihm  „Gänsezeche«   fGäsegille    hielten  und  alle  Dienstmädchen, 
wie  immer  geschehe,    vorforderten,    um    zu    sehen,    ob   einer  etwas   fehle. 
Banna    aber    hielt    sich    zurück,    weshalb    sie    des   Dorfvorstehers    Dienst- 
mädchen  zu   ihr  schickten;  Bie   wollte  aber  nicht  kommen;  da  gingen  sie 
etliche  der  Bauerfrauen  suchen.    Als  sie  endlich  erschien,  waren  die  Dorl 
mädchen  alle   im    Hause  versammelt,    worauf   die   Kran-.,    bald    das    eine, 
bald  «las  andere  Mädchen  anfassten  und  ihre  Brüste  untersuchten.    Da  . 
Reihe  an  Hanna  gekommen  war,  schien  es  ihnen,  als  ob  Bie  nicht  wie  die 
anderen   wäre,    weshalb    sie    von    ihnen    für   verdächtig   gehalten    und 
gesagt  wurde,    sie  solle  ein  Tuch  um   ihren  Kopf  binden;    sie    habe    aber 
gemeint,  das  sei  nicht  notwendig,  wogegen  P.  Franzens  Kran  gesagt  habe: 
„Du  musst  es  thun;  denn  du  wirst  ja  sonst  mir.  meineu  Kindern,  meinem 
Vieh  zum  Schaden  barhaupt  gehen«,   worauf  Hanna  antwortete:    „D. 
glücklicherweise  nur  wenige  Kühe.«  „Es  geht  dich  nichts  an,   ob  und 


4  •_'•_»  boübcrg: 

wib  Ich  habe;  du  hast  verdient,  mit  dem  Tuche  ;iiit'  der  Strasse  zu  gehen." 
„Meinetwegen  kann  ich  ein  Tuch  um  den  Kopf  nehmen  und  weder  dir 
noch  anderen  zum  Verdrnss  ausgehen."  Darauf  antwortete  der  Dorfvor- 
- r « ■  1 1 < •  i :  „Jetzt  sprichst  du  die  Wahrheit."  Nun  aber  forderte  die  Prediger- 
frau, dass  Hanna  zu  ihr  kommen  soll«',  weswegen  sie  der  Dorfvorateher 
mir  seiner  Frau  Buchte;  sie  hatte  sich  aber  auf  dem  Hoden  verborgen,  wo 
der  Vorsteher  sie  auch  entdeckte  und  sie  bat,  zur  Predigerfrau  herunter- 
zugehen, was  sie  anfänglich  ausschlug;  doch  ging  sie  zuletzt.  Als  sie  an- 
langte, redete  die  Predigerfrau  sie  an:  sie  untersuchten  wieder  ihre  Brüste, 
die  nach  ihrer  Meinung  nicht  waren,  wie  sie  hätten  sein  sollen;  sie  wollten 
ihr  darum  ein  Tuch  umbinden-,  sie  wollte  es  aber  nicht  erlauben  und 
sagte,  hätte  sie  es  verdient,  wolle  sie  ein  Tuch  selbst  umbinden,  womit 
sie  schieden.  Die  Hebamme  sagte  aus.  ihr  sei  nicht  erlaubt,  ihre  Brüste 
anzuführen  um  deswillen,  dessen  sie  verdächtigt  wäre:  dies  alles  sei  aber 
aus  alter  Gewohnheit  anlässlich  des  Gänsegehens  geschehen. 

Ihr  Anwalt  replizierte,  dass  dies  eine  widerrechtliche  Sitte  sei,  Acr 
Hanna  sei  eine  Ehrenbeleidigung-  zugefügt. 

Der  Vorsteher  und  die  Gerichtsmänner  sagten  aus.  dass  es  allgemeine 
Sirte  in  den  Dörfern  sei,  dass  die  Frauen,  wenn  sie  das  Gänsegehen 
hielten,  zugleich  die  Brüste  der  Dienstmädchen  besichtigten,  weil  sie  ohne 
allen  Grund  wähnten,  wenn  irgend  ein  Mädchen,  das  sich  nicht  richtig 
gehalten,  barhaupt  mit  geflochtenem  Haare  umherginge,  so  würden 
schwangere  Weiber,  ihre  Leibesfrucht  und  ihr  Vieh  dadurch  Schaden 
leiden  und  mir  besonderer  Krankheit  behaftet  werden. 

Als  gefragt  wurde,  ob  sie  etwas  Ungebührliches  von  Hanna  wüssten, 
antworteten  die  Zeugen  nein:  sie  hätten  Hanna  nur  wegen  ihrer  Weigerung. 
ihre  Brüste  vorzuzeigen,  für  verdächtig  gehalten. 

Der  Spruch  des  Gerichts  lautete,  dass  die  verklagten  Frauen 
3  Thaler  Brüche  und  an  Hanna  als  Ersatz  für  den  erlittenen  Schimpf 
8  Thaler  Silber  zu  entrichten  härten. 

Der  ganze  Bericht  ist  zu  finden  bei  Nicolovius  (N.  Loven),  Polklifvet 
i  Skyrts  Härad  (Skäne  1868)  8.  52 f. 

2.  Beilage. 

(Zu  S.  315.) 

In  der  mittelalterlichen  Litteratur  kommen  nicht  selten  Erzählungen 
vor,  wonach  irgend  ein  Kämpfer  die  Kunst  versteht,  das  Schwert  seines 
(iegners  stumpf  zu  machen.  Ich  führe  einige  Beispiele  aus  der  nordischen 
Litteratur.  aus  den  Sagas.  Saxo  und  Volksliedern  an.  Öfter  wird  hier 
bestimmt  gesagt,  dass  der  Berserk  oder  Wiking  das  Schwert  seines  Gegners 
ansieht;  der  böse  Blick  muss  also  auch  hier  wirksam  gewresen  sein. 

Gunlaug  Ormstunge  (Schlangenzunge)  hatte  einem  Wiking  Thorgrim 
Geld  geliehen,  das  dieser  aber  später  nicht  zurückzahlen  wollte;  er  wurde 


l ».  t  1 23 

deshalb  von  Guulaug  zum  Zweikampf  Diesei    erzählte   e«  den« 

König,  welcher  Bagte:  ..Das  wird  nicht  gut  geheu,  dieser  Mann  macht  alle 
Schwerter  stumpf ;  du  sollst  deshalb  meinem  Ri  i:   Mit  dein  Schwerte, 

das  ich  dir  gebe,  sollst  du  kämpfen;  dasjenige,  das  du  soust  gebrauchst, 
kannst  du  ihm  zeigen."  AU  der  Kampf  angehen  sollte,  fragte  Thorgrim 
nachdem  Schwerte.  Gunlaug  zeigte  ihm  das  eigue,  das  er  au«  der  Scheide 
zog;  das,  welches  ihm  der  König  geschenkt  hatte,  hing  an  einer  Schlinge 
an  seinem  Ann»'.  „Das  ist  nur  klein!"  sprach  der  Wiking,  da  er  en  an- 
gesehen hatte,  „eine  aolcheWaffe  fürchte  1  < - 1 1  nicht."  Damit  hieb  er  auf 
Gunlaug  \<»:  dieser  ergriff  aber  das  ihm  vom  König  geschenkte  Schi 
und  schlug  Thorgrim  die  Todeswunde.1 

Bei  Saxo  liest  man  eine  ganze  Reihe  solcher  Erzählungen.  Grini  tritt 
Halfdan  entgegen.  Dieser  ahnte,  dasa  Bein  Schwert  von  dem  Blicke 
seines  Gegners  stumpf  gemacht  worden  sei;  darum  wart'  er  ea  auf  den 
linden  und  zog  ein  anderes  hervor.  I>s  heisst,  er  wusste,  dasa  jenea 
Schwert  ..ad  hostilem  obriguisse  conspectum"  (Müllers  Saxo,  S .328  unten  . 
Der  Wiking,  Yisin.  „omnem  telorum  aciem  ad  hebetudinia  habitura  boIo 
conspectu  redigere  solebat",  weshalb  Starkad  sein  Schwert  in  einem  Pell*) 
verbirgt,  damit  es  von  dem  Blicke  Visins  nicht  Schaden  leide  (Saxo, 
S.  280,  1<0-  —  In  Sürla  pattr  k.  9  Fornald.  N.  I.  1829,  S.  M)6)  rät  Hedinu 
[var,  Högne  von  hinreii  anzufallen:  denn  kein  Mensch  könne  ihm  von  vorn 
uahetreten  und  ihn  töten;  er  habe  nämlioh  den  negishjälmr')  in  den 
A.ugen.  Fritzner  übersetzt  dies:  einen  Schrecken  einjagenden  Helm: 
Grimm  (Mythol.8,  S.  217)  sagt:  „Oe-  i  augum  bezeichnet  jenen  fürchter- 
lichen, scharfen  Blick  der  A.ugeu,  den  andere  nicht  aushalten.  Der 
bekannte  Schlangenblick,  "nur  i  auga,  war  etwas  ähnliches;"  vgl.  III.*  s_'. 
In  Sturlaug8  Saga  Starfsama  Kap.  9  sagt  das  Weib  zu  Sturlaug:  ...Mit 
diesem  Schwerte  musst  du  mit  Kol  kämpfen;  hu"'  dich  aber,  ihm  das 
Schwert  zu  zeigen,  sollte  er  dich  auch  bitten!"  lud  später  Kap 
als  der  Kampf  angehen  sollte,  sprach  Kol:  „Sturlaug,  zeige  mir  dein 
Schwert!"  Das  that  er.  Kol  starrte  die  Schneide  scharf  an  und  sagte: 
...Mit  diesem  Schwerte  wirst  du  nicht  siegen;  geh  lieber  nach  Hause!" 
Als  der  Kampf  anfing,  warf  Sturlaug  das  Schwert,  das  er  Kol  gezeigt  hatte, 
weg  und  ergriff  unter  seinem  Zeugstücke*)  den  Vefreyunaut.  Kol  fi 
„Woher  hast  du  V.?  Hätte  ich  gewusst,  dasa  du  V.  hüte.,  wäre  ich 
nicht  mir  dir  in  Zweikampf  gegangen."5) 

Noch  führe  ich  Svarfdoela  an.6;     „D    -       Schwert",    sprach   der  Jarl, 

1)  Gunlaug  Ormstunges  Saga  Kap.  7,  in  Petersens  Übel  II  '-'' 

0840)  benutzt. 

2)  Saxo  S.  056,23:  „obdueto  panniculis  ferro." 

3)  Vgl.  Flatoyjarbuk  I, --s-'.     Mannhardt,  Germanische  Mythen,  8. 

4)  Weinhold,  Altnordisches  Leben,  S. 

5)  Fornald.  N.  III,  606.  608. 

6)  Islendinga  Sögur  (1830    II.  133. 


[24  Peilberg: 

..will  Molde  verwunden;  er  macht  aber  jede  Waffe,  die  er  ansieht,  stumpf; 
darum  mussl  du  Sorge  tragen,  dass  <t  es  nicht  sehe,  che  du  damit  auf 
ihn  Loshaust.*1 

Beispiele,    in   denen   das  Ansehen  oder  die  Augen   des  Gegners  nicht 
genannt   werden,   sind   mir  aus  Saxo  bekannt:    ,.hostile  ferrum  carminibus 
obtundere  Bolitum"  (Saxo  S.  179,28);  „peritus  uebetandi  carminibus  ferri8 
Saxo  s.  323,  11). 

\u>  den   Volksliedern  kann  angeführt  werden: 

41.    Iml  kom  kongens  moder.  42.   Thet  vaar  Hueting  Heffridssen, 

gammel  oc  graa  som  gred  (?);  band  hende  met  suerdet  hotte: 

det  vil  ieg  for  sandigen  sige:  kos  hun  sonder  hans  gode  suerd, 

her  yppis  fuld  underlig  leeg.  det  brast  i  tre  stycke.1,) 

Das  heisst:  „Ein  trat  die  Mutter  des  Königs,  alt  und  grau  wie  — ? — . 
Das  Bage  ich  in  der  Wahrheit:  liier  steht  ein  sonderbarer  Kampf.  Es 
war  Hvitting  Herfredssön,  mit  dem  Schwerte  er  ihr  drohte:  sie  zerbrach 
durch  ihren  Zauber  sein  Schwert  in  drei  Stücke."  Doch  ist  zu  bemerken. 
dass  „kyse"  gewöhnlich  „erschrecken,  einschüchtern"  bedeutet,  und  man 
konnte  niutmassen.  dass  es  durch  ihren  Blick  geschah.  Prof.  S.  Bugge 
hat  in  seiner  Ausgabe  der  Yölsunga  Saga  (Christiania  1865)  S.  195: 
„Kjösa  meedr  frä  mögum"  verdolmetscht:  ..durch  zauberkräftige  Wünsche 
(..Galder")  Mütter  von  Söhnen  entbinden-. 

Ferner  Grundtvig,  DgF.  1,  161,  No.  IIA:  ,.Orm  Ungersvend  og  Bermer- 
Rise",  Str.  37 f.: 

Och  dyt  daa  suarede  den  haffue-konne,  Hör  du,  Worein  hind  unge  suenn. 

wyd  halfssens  bunde  hund  sad:  dit  suerd  dit  er  forgiort: 

„Her  du.  Worem  bind  unge  suenn,  dukast  hindelügangeafTuiditom  hoffuit. 

dit  suerd  dit  er  forgiort.  saa  stik  du  oddenn  y  iord!" 

Zu  deutsch:  ..Es  sprach  dann  das  Meerweib,  am  Boden  des  Meeres  es 
sass:  „Merke,  du  junger  Kecke  Orm,  dein  Schwert  ist  verzaubert!  Schwing 
es  dreimal  um  deinen  Kopf  und  stecke  seine  Spitze  in  den  Boden!" 

In  der  Ballade  „Ravengaard  og  Memering"  (Grundtvig.  DgE.  1,  205. 
No.  13)  verspricht  Minimering,  gegen  Ravengaard  vai  kämpfen,  wenn  er 
das  Schwert  Adelring  erhalte.  Als  dies  geschehen  ist  und  der  Zweikampf 
angehen  soll,  fordert  Ravengaard  (Str.  25):  ,.Du  sollst  mir  schwören,  dass 
du  vom  Schwerte  Adelring  nichts  weisst."  —  „So  wahr  mir  Gott  helfe, 
ich  weiss  nur  seinen  Griff  über  der  Erde."  ist  Mimmerings  Antwort.  Die 
Form  dieses  Schwurs  erklärt  sich  daraus,  dass  beide  Kämpen  zwei 
Schwerter,  das  eine  bis  an  den  Griff  in  die  Erde  gesteckt,  haben.  Als 
der  Kampf  anhebt,  beugt  sich  jeder  zur  Erde  und  ergreift  das  hinein- 
gesteckte   Schwert.    —    Eine    ganz    ähnliche    Episode    finden    wir    in    der 


1)    Grundtvig.   Danmarks  gamle  Folkeviser  1,  126  (No.  8:    „Kong  Diderik  i  Birtirigs- 
landu,  Str.  41  f.). 


I  »er  b  i      Blick  in  n 

Wilkina-Saga. '       König   Dietrich  hat  vom    \  da»  Schwer!   Miinun. 

dem  Kampfe  mi!  Sigurd  Svend  erhalten.  Am  Tage  darnach  schwör!  der 
König,  nach  der  Aufforderung  Sigurds:  „So  wahr  helfe  mir  Gott,  als  ich 
nicht  weiss,    das9  Miinungs  Spitze   aber  der  Erdi  ler    sein  Griff   in 

jemandes  Hand."     Er  hatte  das  Schwer!  hinter  sich  in  die  Erde 
und    stützte    seinen     Röcken    an    den    <'iilV.    —    In    den    beiden    letzten 
Erzählungen    erschein!    das  Verbergen    der   Schwertspitze    unter  die    Erde 

nicht  al>  ein   .Mittel,   um  sich  gegen  Bezauberung  zu  wehren.    - lern    nur 

al>  eine  Kampflist,  um  den  Sieg  zu  erhalten. 

Ein  sehr  zahmes  Beispiel  des  Stumpf machens  durch  den  Blick  biete! 
folgende  Erzählung*):  „Ich  lernte  das  Holzschuhmachen  in  Bratbjerg  II 
Harde  D.).  Dor!  war  eine  Nachbarfrau,  deren  Mutter  der  Hexerei  be- 
schuldig! wurde.  „Es  scheint  mir",  sagte  ich  eins!  zum  Meister,  „dass  « I i < • 
Frau  dort  einem  so  scharf  anstarrt."  —  ...in.-  sprach  der  Meister,  „sie 
vermag  es  so  zu  machen,  dass  dein  Nabenbohrer  nicht  schneiden  kann, 
I>;iv  ist  der  letzte  liest,  den  ich  von  «lein  mittelalterlichen  Glauben  an  die 
zauberische  .Macht  des  A.uges,  ein  Schwert  stumpf  zu  machen,  angetroffen. 
An  Kundigere  möchte  ich  die  Frage  richten,  ob  nicht  die  Formen  der 
Helmkämme,  Drachen,  Vögel  und  anderes,  dann  und  wann  wenigstens,  <lie 
Bedeutung,  gegen  den   bösen  Blick  zu  schützen,  gehab!   haben  können. 

:j.  Beilage. 

Zu  s.  315. 

Eine  Reihe  von  Beispielen  kann  angezogen  werden,  in  denen  man 
sich,  meis!  Weihern  gegenüber,  vor  .lern  Zauber  des  bösen  Blickes 
schützt,  indem  man  eiuen  Balg  über  den  Kopf  dessen,  der  verdächtig 
ist,  zieht.  Ks  wird  nicht  bestimmt  gesagt,  dass  man  sich  vor  den  Augeu 
einer  solchen  Person  fürchtet,  aber  die  Analogie  erlaubt  doch  wohl  im 
Hinblick  auf  entsprechende   Erzählungen  jenen  Schli 

Eyrbyggja  Saga,  Kap.  20:  Geirridr  warf  den  Mantel  von  Bich  und  ging 
zu  Katla.  ergriff  einen  Seehundsbalg,  den  sie  mitgebracht  hatte,  und  zog 
ihn  über  Katlas  Kopf.     Hiermit'   wurde   Katla   gesteinigt.  Rolf  Krakea 

-  _i.   Kap.  30:  Bödvar  zog  den  ledernen  Sack   über  den  Kopf  der  Königin 
Hvit,  schnürte  ihn  um  ihren  Hals  zusammen  und  schlug  sie  tot. 
Lodinkins  Saga,  Kap.3:  Grim  liess  Grimhild  ergreifen  und   ihr  einen  Balg 
über  den  Kopf  ziehen,  wonach  sie  zu  Tode  gesteinigt  wurde. 

In  Arnasons  Isländischen  Märchen  habe  ich  denselben  Zug  angetroffen. 
II.  420:    Bin  Balg  wurde  über  den   Kopf   der   Königin    \  und    bo 

ertränkte  man  sie.  —  II.  431:  Den.  bösen  Weihe  wird  ein  Balg  über  ^u 
Kopf  gezogen,   und  sie  wird  gestein  -  ü,    W2:    Ganz  ebenso,   nur  mit 

dem  Unterschiede,  dass  sie  verbrannt  wird. 

1)  Eafns  Übersetzung,  Kap.  200. 

2)  Kristensen,  Sagu  VII,  213, 


I  •_>(')  Feilberg: 

l'in  Mann  er  handelt  es  Bich  in  folgenden  Fällen.  Gisle  Surssons 
Kap.  34,  6:  Gisle  ergreift  Thorgrim  Nef,  ein  Balg  wird  ihm  über 
den  Kopf  gezogen,  er  wird  gesteinigt.  —  Aus  neuerer  Zeit  bringt  die 
Zeitschrift  Melusine  (111.  506  nuten)  ein  Beispiel,  «las  mir  sonst  anbekannt 
ist.  In  üpernivik  in  Grönland  wurde  1828  ein  Zauberer  hingerichtet.  Vor 
seinem  Gesicht  brachte  man  einen  Petzen  Tuch  an,  seine  Augen  zu 
decken,  dass  er  nicht  aufs  neue  Bähe.  Weitere  Auskunft  vermag  ich  aber 
diese  Sache  nicht  zu  geben. 

4.  Beilage. 
Zu  S.  310.) 

Das  isländische  Zauberweib  schreitet  bei  Ausübung  ihres  Zaubers  in 
sonderbarer  Stellung,  gebückt  und  durch  ihre  Beine  hindurch- 
schauend, nach  rückwärts.  In  ihrer  Stellung  könnte  auch  ein  sympa- 
thetisches .Moment  liegen:  Wie  sie  sich  umdreht,  soll  die  ganze  Gegend 
ihren  Feinden  verkehrt  scheinen.  Doch  kommt  dieselbe  widernatürliche 
Körperstellung  unter  anderen  Verhältnissen,  wo  mir  Sympathie  aus- 
geschlossen scheint,  öfters  vor  und  regt  die  Frage  an.  was  die  Hexe 
damit  bezwecken  will.  Eine  befriedigende  Erklärung  für  alle  mir  be- 
kannten Fälle  zu  geben  vermag  ich  nicht:  andere  mögen  glücklicher  sein. 
Ein  paar  Mal  erscheint  dieser  Ritus  mit  dem  anderen,  ebenso  unerklär- 
baren, einem  den  blossen  Hintern  zeigen,  verbunden,  so  dass  ich 
beide  zusammen  behandeln  möchte. 

Einem  den  Hintern  zeigen.  -  dieses  Gestus  werden  wohl  einige  ver- 
ehrliche Leser  dieser  Zeitschrift,  wenn  sie  auf  dem  Lande  unter  der 
Bauerbevölkerung  aufwuchsen,  aus  ihrer  eigenen  Knabenzeit  als  eines  In- 
begriffs <!es  schmählichsten  Hohnes  sich  erinnern.  Er  gehört  nicht  einem 
einzelneu  Volke,  noch  einem  einzelnen  "Weltteile,  noch  einer  einzelnen 
Zeit  an:  sieh  z.  B.  Pitre,  Usi  II,  372a  5:  IV.  323;  .Melusine  III,  211:  Sittl. 
Gebärden  der  Griechen  und  Römer  S.  124:  Andree,  Parallelen  II.  .31. 

Demnächst  nenne  ich  die  Entblössung  des  Hintern  als  Rechtssitte; 
sieh  Liebrecht.  Zur  Volkskunde  S.  427. 

Drittens  ist  sie  ein  Zauberritus,  und  hierbei  muss  ich  ein  wenig 
verweilen.  Zunächst  führe  ich  die  Worte  von  II.  Gaidoz,  Melusine  II, 
185  Aiim  .  an:  „L'incantation  <|iii  consiste  ä  se  retourner  et  ä  montrer  ä 
son  ennemi  La  partie  la  moins  noble  de  son  corps.  Les  gens  mal  eleves 
ont  conserve  eette  pratique,  comme  insulte  grossiere,  saus  se  douter  qu'  ä 
lorigiue    ce    füt    une    incantation."  So    ist    es    ohne    Zweifel,    durch 

diesen  (iestus  übt  man  Zauber.  Er  wird  sowohl  benutzt,  um  den  Wind 
zu  rufen  (Melusine  II.  185),  als  ihn  zu  drehen  (Bassett,  Sea  Phantoms 
S.  142.  Italienische  Seeleute).  Wenn  der  Fischer  auf  offenem  Meere  vom 
Sturm  überrascht  wird  und  einen  erstgeborenen  Sohn  unter  seinen  See- 
leuten hat.   mus>  dieser  geschwind  seine  Hosen  fallen  lassen  und,  während 


I>.i  böse  Blick  in  Dordii  I  _'  i 

seine  Kameraden  Sankt  Barbara  uud  Sankl  Francis«  ua  anrufen,  dem 
l  awetter  Beinen  blossen  Hintern  zeigen;  der  Sturm  wird  dann  gleich  inne- 
halten (Rivista  delle  tradiz.  pop.  I.  391:  Italien  .  In  Frankreich  hat  Sebillot 
eine  ergötzliche  Geschichte  vom  Nordostwinde  aufgezeichnet  Als  die 
Fischer  nicht  gegen  den  Wind  ankommen,  ergreifen  sie  jenes  Mittel,  zuerst 
der  eine,  dann  der  zweite  in  Gesellschaft  mit  ihm,  alles  vergeblich.  Glück- 
licherweise ist  aber  eine  Dann'  am  Bord,  Bie  wird  gebeten,  es  auch  zu  ver- 
suchen, und  kaum  hatte  Rose  den  besprochenen  Gestus  gemacht,  als  der 
Wind  innehaltend  sich  schämte  and  flüchtete.1)  Wenn  man  einem  bösen 
Wirbelwinde  den  Blossen  zeigt,  musa  er  einen  verschonen.8  A.uch  gegen 
Hagel    kann    dieser  Zauber   benutzt   werden.    Wenn  gar  uichl  auf- 

ziehenden Hagel  hilft,  bücken  sich  die  nackten  huzulischen  Zauberinnen 
und  zeigen  dem  Hagel  den  blosser  Hintern."  Die  Kaffern  meinen,  dass 
der  Regen  zurückgehalten  werden  könne,  wenn  der  Zanberer  sich  auf  den 
Kopf  stellt  und  dem  Himmel  den  Hintern  zeigt.*) 

Während  diese  Beispiele  alle  auf  eine  Abwehr  des  Unwetters  hin- 
weisen, lehren  andere,  dasa  man  dadurch  auch  den  Sturm  rufen  kann. 
Ein  Bauer  ging  mit  einem  Handwerksgesellen  desWegea  nach  Waldthurn. 
Da  sagte  der  letztere:  „Wie  schön  wäre  es  heute  zum  Wetter  machen!" 
Der  Baner  meinte,  wenn  er  es  könne,  möge  er  es  versuchen.  So  ging 
der  Geselle  in  eine  Wiese,  dahin,  wo  ein  Brunnfluss  war.  und  Btiesa  drei- 
mal mit  dem  nackten  Mint. tu  ins  Wasser.  Sogleich  stieg  Rauch  auf,  der 
allmählich  zu  einer  kleinen,  dann  zu  einer  schwärzen  Wetterwolke  ward. 
Bin  schreckliches  (Jngewitter  brach  los.6)  Aus  einem  ganz  anderen 
Teile  Europas  kann  ein  ähnlicher  Zauber  herangezogen  werden,  aus  Lapp- 
land. Vor  allem  fürchteten  die  Lappen  die  Räuberzüge  der  Tschuden, 
die  überall  raubten  und  mordeten.  So  wurde  einmal  eins  ihrer  Räuber- 
schiffe     auf     dem     .Meere      -oeheil.      Uli«  1     die    Wehr-     lllld    mach  t  lo8G  1 1     Lappen 

w-ussreii  keine  Hilfe.  Da  sprach  ein  altes  Weih:  „Ruft  mich  nur.  wenn 
das  fremde  Schiff  mitten  im  Sunde  ist!"  Daa  geschah,  das  Weih  ging 
hinaus,  liesa  ihre  Hosen  herunter  und  bückte  sich,  ein  Zauberlied  Bio 
mit  ihrem  Hintern  gegen  die  Tschuden.  Augenblicklich  brach  ein  Sturm 
1,,..  so  entsetzlich,  dass  sich  die  Lappen  kaum  festhalten  konnten;  die 
feindlichen   Schiffe   wurden   zerschlagen,    und    alle  Tschuden    kamen    um." 

Hinsichtlich  de.  Drachen  kann  ich  midi  kurz  fassen.  Wenn  man 
ihm  die  blanke  Scheibe  dea  Hintern  zukehrt,  lässt  er  etwas  von  -inen 
Gelde  fallen,  das  man  sich  dann  aneignen  kann:  Müllenhoff,  Sagen  S.  206, 


1    Sebillot,  CoDtes  des  Manns,  8:  249. 

2)  Rochholz.  Naturmythen,  S.  65  Ann». 

3)  Weinhold,  Heidnische  Ritus,  S.  35,  nach  Kaindl,  Die  Ruthcnea   I 

4)  Weinhold,  Kitas,  S.  26,  nach  v.  Adrian,  Wetterzauberei,  S.  54. 

.",)  Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz  111.  184,  und  Weinhold,  1  23. 

6)  Qvigstad  og  'Sandberg,  Lappiske  E?entyr,  S.  16, 


428  Peilberg: 

5;  Wuttke,  Aberglaube,  §49,  111:  A.  Kulm.  Nordd.  Sagen,  S.  5,  I. 
IJ1.  208;  l.  Jahn,  Sagen  S.  135,  165;  Blätter  für  Pomm.  Volkskunde  IV. 
s    142;  Weinhold,  Ritus,  S.  11;  Schulenburg,  Sagen,  S.  102,  103. 

Auf  gleiche  Weise  wehr!  mau  sich  gegen  Spukgeister  and  sonst 
unheimliche  Erscheinungen.  Eiu  .Manu  beehrte  den  Burggeist  mit  einer 
sehr  unanständig  lautenden  Einladung  und  veranschaulichte  sie.  um  ganz 
verstanden  zu  sein,  damit,  <lass  er  die  Hosen  fallen  Hess:  natürlich  musste 
der  Geis!  weichen.1)  Bei  uns  erzählt  man  von  einem  Manne,  welcher  dea 
Nachts  von  einer  unheimlichen  brennenden  Torfmiete  verfolgt  wurde-,  er 
ergriff  am  Ende  das  Letzte  Mittel,  kehrte  ihr  den  Blossen  zu,  und  sie  ver- 
schwand augenblicklich.8) 

Eine  lustige  Anwendung  von  diesem  Ritus  teilt  A.  de  Cook  in  der 
Genter  Zeitschrift  Volkskunde  VII,  183  mit.  Wenn  ein  Bursche  zum 
Militär  einberufen  wird  und  beim  Loosziehen.  um  vom  .Militärdienst  frei 
zu  werden,  eine  hohe  Nummer  wünscht,  so  muss  er  in  eine  gewisse  Kapelle 
hineingehen  und  dem  dort  befindlichen  Heiligenbilde  den  blossen  Hintern 
zeigen;  dann  erhält  er  die  gewünschte  Nummer.  Der  Grund  davon  ist 
freilich  nicht  leicht  zu  begreifen. 

Ein  Fall  ist  noch  übrig.  Wenn  ein  Bienenschwarm  wegziehen 
will,  kann  man  ihn  am  Wegfliegen  dadurch  hindern,  dass  man  ihm  das 
<irsäss  zeigt.  Liebrecht,  Zur  Volkskunde.  S.  355,  24;  Blätter  für  pommersche 
Volkskunde   [1,26.    V!.  75:   Weinhold.  Ritus,  S.  45. 

Hiermit  vergleichen  wir  nun  folgenden  komplizierteren  slavischen 
Brauch:  ..Du  musst  dich  bücken  und  durch  die  Beine  hindurchschauen, 
wo  du  willst,  dass  sich  der  Bienenschwarm  festsetze"  (Urquell  111,  98,  11). 
Diese  Stellung  ist  ja  ganz  unmöglich,  ohne  den  Bienen  den  Hintern  zu- 
zukehren, und  es  ist  (du  Zauber,  der  den  Schwann  am  Wegfliegen  hindern 
soll.  Von  Entblössung  ist  hier  keine  Bede;  doch  scheint  sie  in  den  beiden 
folgenden  Stellen  aus  der  Sagalitteratur  stattgefunden  zu  haben.  In  der 
Landnäma  111,4.  heisst  es  ausdrücklich  von  Lj 6t:  „hiin  hafdi  höfudit  milli 
föta  scr.  en  kladin  ä  baki  ser."  In  der  (iullthoris  Saga,  Kap.  178). 
wo  eine  ähnliche  Begebenheit  berichtet  ist,  wird  ausdrücklich  dasselbe 
gesagt.  Es  wurde  gekämpft,  da  entdeckte  Thurid  Drickinn,  dass  eine 
Frau  auf  den  Platz  hinter  dem  Hause  lief,  die  hatte  ihre  Kleider  auf 
dem  Rücken,  den  Kopf  aber  nach  unten  gekehrt  und  sah  den  Himmel 
zwischen  ihren  Pässen.  Thurid  lief  aus  der  Hausfestung,  erfasste  sie  an 
den  Ilaaren  und  riss  ihr  die  Haut  hinten  loss.  Das  Weib  packte  Thurid 
am  Haare  und  riss  ihr  das  Ohr  und  die  Haut  der  einen  Wange  ab.  Dann 
aber  fing  Thores  Waffe  zu  beissen  an.  —  Der  Bericht  ist  nicht  ganz 
deutlich,    und  von    dem    bösen  Blicke  wird  nichts  gesagt;    augenscheinlich 


1)  Rocbholz,  Naturmythen,  S.  65. 

2)  Kristensen,  Sagn  II,  503,  73. 

3)  Ausgabe  von  Maurer,  S.  73:  von  Kalund  (1898),  S.  38. 


I  »•  1 


aber  i>t  die  Stellung  de«   W<  - 

lacht   wii 
N     ii  ein  dritter  Fall  ist  mir  be 
benotet  wird.     In   Russland  gehl 
::ian  eine  jui 

■    llt  man  sich  aui  impf,    di      I 

sieb  and  Bpricht   zwischen   dei    B        a    hindai 
leine  nicht  als  grauer  Wolf,    aoeh   aicht 

im  Brennholz,  sondern  in  einer  ' 
Dann  wird  man  'in-    Blatt 

hören,  and  der  Waldgeist  wird  in  menschlich« 
An';  spiele,  in  denen 

wird,    sind    mir   zur   Zeit    aicht    bekannt,    und    i<  il 
um  in. in  sich  bo  gebärden  .-'dl. 

er  eine  l  dien,  in  denen  n 

inen    hindurchblü         wag 
den  eizten  Beinen   und   i 

wie  durch  das  Loch,  das 
durch  Zusammenhalt  ä  fitzen    bildet,    in 

in.     Mi:    -  ein  S 

Zimmer  und  ai< 

u    wird   das   zutreffen.     I 
_ 
dadurch  wird   es   ihm   möglich,    • 
_ 

will,    muas   man 
:i   zum  >(>iii  -      en    und    - 

durch        i  S  '  kann   : 

wie    er    an    der  Vor< 

durch  /.  ■    man 

i  de   Bein  kik.-n.    di 
,-u  Wind  odern  Kirl  to 

inlich  den  ändert 
und  Belg 
wenn    man    in    der  G 

Beinen  hin 
,  Schottland  i 

- 

1    Ralsk 

! 

ö    J.'.iiD.  L09. 

i 
für  poniT.. 


|:;n  Feilberg:  Der  böse  Blick  in  nordischer  Überlieferung. 

gebunden  worden  ist,  umwickeln;  Behaut  er  dann  nach  liiuten  durch  die 
Beine  hindurch,  so  kann  er  den  gespenstischen  Leichenzug,  «Ich  Vorspuk 
vor  dem  Sterben  eines  Menschen,  sehen.1)  —  Geht  ein  Mann  sm  Char- 
freitag  nur  in  Hemd  und  Unterhose  auf  den  Friedhof  und  blickt  daselbst 
durch  Beine  ausgespreizten  Beine  hindurch,  sieht  er  seine  zukünftige 
( ..itrin. '-)  Will  ein  Mädchen  Beinen  Zukünftigen  kennen  lernen,  muss  es 
sich  in  der  Neujahrsnacht  vor  das  Ofenloch  stellen,  sich  bücken  and 
zwischen  den  Beinen  hindurchschauen.8)  Wenn  anverheiratete  Personen 
erfuhren  wollen,  ob  sie  sich  im  kommenden  Jahre  verheiraten  werden 
(.der  ob  sie  noch  ledig  bleiben,  müssen  sie  in  der  Sylvesternacht  /.wischen 
11  und  12  Ihr  Feuer  im  Ofen  machen,  sich  rückwärts  davor  stellen  und 
zwischen  den  Beinen  durch  ins  Feuer  sehen.  Erldicken  sie  dann  Braut 
und  Bräutigam,  so  verheiraten  sie  sich,  sehen  sie  nichts,  bleiben  sie 
ledig.*)  Ans  inner  freundlichen  .Mitteilung'  des  Herrn  Dr.  F.  S.  Krauss 
kann  ich  noch  hinzufügen,  dass  gewöhnlich  derjenige,  der  von  einem 
Banne,  einer  Krankheit  oder  einem  Zauber  durch  Beschwörungen  oder 
Besegnungen  befreit  werden  soll,  während  der  Procedur  in  vorgebückter 
Stelluni;-  durch  seine  Beine  schauen  muss.  Auch  Diebe  glauben  ihre 
Spuren  zu  verwischen,  wenn  sie  vor  dem  Verlassen  des  Thatortes  sich 
durch  ihre  Beine  hindurchsehauen.     (Südslavisch.) 

Wie  man  sieht,  wird  bei  diesen  Gelegenheiten  immer  etwas,  das  die 
Macht  des  Hirns  verstärkt:  Geisterstunde,  Sylvesternacht,  Friedhof.  Hemd 
und  Unterhose  (was  wohl  eine  Neuerung  für  die  Nacktheit  sein  wird),  ein 
Srrick.  mit  dem  eine  Leiche  gebunden  war.  das  Ofenloch  hinzugefügt,  um 
so  noch  sicherer  als  durch  jenen  einfachen  Ritus  in  die  verborgene  \\  elt 
hineinzuschauen  und  das  Menschenauge  noch   mehr  zu  schärfen. 

Endlich  kommt  diese  Stellung'  in  der  Sagazeit  auch  einmal  als  Rechts- 
gebrauch vor.  Wenn  der  Zweikampf  beginnen  sollte,  wurde  ein  fünf 
Ellen  langes  Tuch  (feldr)  auf  dem  Boden  ausgebreitet,  dessen  Enden 
durch  Schlingen  an  Pflöcken  (rjösnur)  befestigt  wurden.  Der  Mann,  der 
«lies  alles  in  Ordnung  brachte,  musste  zu  den  Pflöcken  so  hingehen,  da>s 
er  den  Himmel  zwischen  Al'h  Beinen  sah  und  das  Ohrläppchen  mit  einem 
Spruche  anfasste.6) 

1)  A.  Lang.  Cocklanc  and  Common  Sense,  S.  2."»7. 

■2    unsere  Zeitschrift  IV.  395    Ungarn). 

:'.    Kuhn,  Westfäl.  Sagen  11,111,330 

4)  Blätter  für  pommersche  Volkskunde  VI.  25,  4fi:  Knoop,  Volkssagen  aus  Hinter- 
pommern,  S.  179,220;  YVuttke,  Aberglauben,  S  358. 

5  Weinhold,  Altnord.  Leben,  S.  299:  Konnaks  Saga,  S.  86;  Petersen,  Isländernes 
Färd.  IT,  290:  vergl.  Fritzner,  sub  verbo. 

\  skoi    bei   Vejen,  Jütland. 


Kable :  Von  de  la  Martini«  i  S 

Von  de  la  Martiniöres  Reise  nach  dem  Norden. 

Von  Bernhard   Kahle. 


Im  Jahre  1653  Begelten  drei  Schiffe  der  vmn  dänischen  König 
Friedrich  III.  errichteten  nordischen  Kompagnie  nach  Norwegen  und  den 
nordischen  Ländern,  um  Handel  zu  treiben.  Auf  einem  dieser  (Schiffe 
befand  sich  der  Wundarzt  Pierre  Martin  de  la  Martiniere,  der  die  Reise 
mitmachte,  um  die  Merkwürdigkeiten  jener  Länder  kennen  zu  lernen. 
Über  diese  Reise  li.it  er  eine  ausführliche  Beschreibung  veröffentlicht,  die 
einstmals,  ihrer  Verbreitung  nach  zu  urteilen,  sehr  beliebt  gewesen  Bein 
niuss.  Es  existieren  eine  ganze  Anzahl  französischer,  englischer,  hollan- 
discher und  deutscher  Ausgaben.  Die  älteste  Bcheint  die  in  der  Bibliothek 
des  British  Museums  befindliche  zu  sein:  de  La  Martiniere,  Pierre  Martin. 
Voyage  des  Pais  Septeutrionaux,  Paris  L671.  ■s".  I>ie  älteste  deutsche 
Ausgabe  acheint  zu  sein:  Herrn  Martiniere  Neue  Reise  in  die  nordischen 
Landschafften.  Das  ist:  Eins  Beschreibung  der  Sitten,  Gebräuche,  Aber- 
glauben, Gebäuden  uud  Kleidung  der  Norweger,  Lapländer,  Killopen.  Boran- 
dianer,  Siberianer,  Samojeden,  Zemblaner  und  Eisslander,  Sampt  einem 
Bedencken  über  den  [rrthum  unserer  ßrdbeschreiber,  wo  nemlich  Grönland 
und  Nova  Zembla  liegen,  uud  wie  weit  ßie  sich  erstrecken.  Aus  drin 
Englischen  ins  Deutsche  übersetzt  Durch  Johann  Langen,  Hamburg  und 
Glückstadt  1675.  1".  Diese  Übersetzung  stammt  also  nicht  direkt  buh 
dem  französischen  Original,  Bondern  geht  auf  ein  englisches  Bindeglied 
zurück.  Wahrscheinlich  auf  A  New  Voyage  into  the  Northems  Countries; 
being  a  description  of  the  manners  .  .  .  and  liabits  of  the  Norwegians, 
Laponians  etc.     J.  Starkey,   London   1674       12°. 

Aus  der  ältesten  deutschen  Ausgabe  hat  Thoroddsen  in  Beiner  Geschichte 
der  isländischen  Geographie  II.  S.  223ff.  einen  ausführlichen  Auszuj 
Island  betreffenden  Partien  des  Buches  gegeben.  Es  liegt  mir  nun  eine 
andere  deutsche  Ausgabe  vor,  die  im  Titel  den  Namen  Martiniere«  ver- 
schweigt: Reise  uach  Norden,  worinnen  die  Sitten.  Lebensart  und  Aber- 
glauben dein-  Norwegen,  Lappländer,  Kiloppen,  Borandier,  Syberier. 
Mosscowiter,  Samojeden,  Zemblaner  und  [ssländer,  accarat  beschrieben 
werden.  Zum  andernmahl  gedruckt  und  mit  den  annehmlichsten  Nordischen 
Curiositäten  vermehret.     Leipzig,   Bej   Gottfried   Leschen,   1706.     12°. 

Wie  derTitel  des  Buches  anzeigt,  hat  -  geg<  nüberdem  von  Thoroddsen 
benutzten,  eine  zweifache  Vermehrung  erfahren:  einmal  den  als  Anhang 
hinzugefügten  Abschnitt"  über  die  nordischen  Kuriositäten,  sodann  aber 
auch  die  Beschreibung  der  Sirren  der  Mosscowiter,  d.  h.  der  Russen. 
Martiniere  selbst  ist  auf  seiner  Reise  gar  nicht  nach   Russland  gekommen, 


!;;•_'  Kahle: 

und  in  der  Ausgabe  von  1706  wird  der  Bericht  über  die  russischen  Bräuche, 

wie  wir  sehen  werden,  einer  Reisebekanntschaft  in  <len  Mund  gelegt. 
Gleichwohl  halten  Wir  keinen  Grund  daran  zu  zweifeln,  dass  wir  es  in 
lieser    eingeschobenen   Partie    mir    wirklich  bestehenden  russischen  Sitten 

i r  Zeit    zu   tltim  haben.     Sitten  ähnlicher  Art  herrschen  zum  Teil  heut 

noch  bei  Russen  wie  Südslaven.  Herr  Prof.  Leskien  hatte  die  Güte,  die 
deutsche  Ausgabe  vmi  1675  durchzusehen,  und  teilte  mir  mit.  dass  der 
Abschnitt  über  die  Russen  sich  nicht  in  jener  befindet.  Wir  haben  also 
die  geschilderten  Sitten  erst  für  den  Anfang  des  18.  Jahrhunderte  als 
belegt  anzunehmen. 

Da  diese  Reisebeschreibung  jetzt  ziemlich  in  Vergessenheit  geraten 
sein  dürfte,  sie  aber  doch  immerinn  mancherlei  enthält,  was  für  die  Volks- 
kunde von  Interesse  ist.  so  möchte  ich  einiges  daraus  mitteilen.  Ich  be- 
nutze dabei  die  Ausgabe  von  170b.  Die  Island  betreffenden  Stellen  über- 
gehe ich,  da  sie  von  Thoroddsen  ausführlich  genug  behandelt  worden  sind. 

Martiniere  steckt  noch  tief  im  Zauber-  und  Wunderglauben  seiner 
Zeit,  ausserdem  aber  scheint  er  auch  ein  wenig-  Münchhausen  gewesen  zu 
-ein.  denn  er  berichtet  recht  wunderbare  Geschichten  als  selbsterlebt. 
\uch  lässt  er  sich  offenbar  allerlei  aufbinden. 

Als  die  Schiffe,  an  der  Küste  Norwegens  hinsegelnd,  in  die  Gegend 
des  Polarkreises  gekommen  waren,  trat  Windstille  ein.  Da  es  nun  bekannt 
war.  das»  die  Bewohner  der  Küsten  des  'Finnischen  Meeres"  Zauberer 
seien  und  'nach  ihrem  Willen  die  Winde  disponiren"  könnten,  beschlos? 
man.  sich  einen  solchen  Schwarzkünstler  zu  verschaffen.  Man  schickte 
ein  Boot  an  Land  und  traf  in  einein  Dorf  auch  wirklich  einen  an.  Er 
verkaufte  ihnen  in  der  That  Wind,  wenn  auch  nicht  bis  zur  mirmannischen 
Küste,  wie  sie  gewünscht  hatten,  denn  so  weit  reichte  seine  Macht  nicht. 
Als  Lohn  erhält  er  10  Kr.  und  1  Pfund  Tabak.  An  eine  Ecke  des  Vorder- 
mastsegels bindet  er  ein  Stück  Leinentuch,  eine  Drittel  Elle  lang  und  vier 
Pinger  breit.  In  das  Tuch  waren  drei  Knoten  eingeschlagen.  Als  der 
Schiffspatron  den  ersten  Knoten  löst,  erhebt  sich  sofort  ein  günstiger  Fahr- 
wind; als  der  Wind  sich  ändern  will,  lösen  sie  den  zweiten  Knoten  und 
endlich,  als  -  wieder  Windstille  eintrat,  den  dritten.  Da  erhebt  sich  aber 
ein  so  gewaltiger  Sturm,  dass  sie  glauben.  Gott  wolle  sie  austilgen  aus 
gerechter  Rache,  wegen  des  Verbrechens,  so  sie  begangen,  dass  sie  sich 
an  die  Zauberer  gehalten.  Doch  kommen  sie  schliesslich  glücklich  ins 
Varangermeer  (S.  30ff.).  Als  sie  von  dort  wieder  weiterfahren,  beschenken 
sie  die  Küstenbewohner  mit  Branntwein  und  Tabak,  damit  sie  den  Reisenden 
nicht  hinderlich  sein  und  ihnen  guten  Wind  verschaffen  möchten.  Sie  er- 
halten denn  auch  wirklich  günstige  Fahrt  (S.  77).  Auch  die  Isländer 
können   Wind  an  die  Schiffer  verkaufen  (S.  305). *) 

1)  Über  die  Kunst  den  Wind  zu  fesseln  vgl.  Grimm,  Myth.4,  S.  910  und  Schwartz. 
diese  Zeitschrift  HI,  448  ff.     Die  Lappen  standen  von  altersher  in  dem  Ruf,  Wind  machen 


Von  de  La  Martini«  i  S   rden. 

In   Varanger    verlasst    der  Arzt    nun  die  ti  esellschaft   und  macht 

im  Winter  eine  Reise  durch  die  Lappischen  Gegenden  bis  /um  Orl  Kola, 
;mi  Tnlom  gelegen,  da  wo  sich  dieser,  sic-h  fjordartig  erweiternd,  sich  ins 
nördliche  Eismeer  ergiesst,  also  im  russischen  Lappland.  Von  dort  kehrt  er 
wieder  zu  den  Schiffen  zurück.  Von  den  Lappen,  ihren  Gebräuchen  und 
ihrem  Aberglauben  erzählt  er  nun  in  den  Kapp.  XI  \\  S  39  76  allerlei 
wunderbare  und  interessante  Dinge 

Obschon  die  dänischen  (d.  h.  norwegischen)  Lappen  der  Religion  uacfa 
Lutheraner  aind  und  Priester  zu  ihrer  Unterweisung  haben,  bo  hängen  8ie 
doch  dem  Teufel  an,  weil  sie  tust  alle  Zauberer  Bind.  Audi  Bind  Bie  Behr 
abergläubisch.  Wenn  sie  /..  B.  einem  verdächtigen  Tier  begegnen,  kehren 
sie  sofort  wieder  um  und  gehen  dann  den  ganzen  Tag  nicht  aus  ihrem 
Sause.  Wenn  Bie  beim  Fischen  nur  einen  Fisch  im  Netze  finden,  hören 
sie  sofort  mir  dem  Fischen  auf  (S.  41).  'In  jedem  Baus  ist  eine  grosse 
Bchwarze  Katze,  die  Bie  Behr  wert  halten,  und  mit  der  Bie  reden,  als  wenn 
sie  Verstand  hätte.  Sie  thun  nichts,  das  vi,,  ihr  nicht  kommunizieren, 
indem  Bie  dafür  halten,  dass  ihnen  dieselbe  in  ihrem  Vornehmen  behilflich 
Bei,  und  ermangeln  nicht,  alle  Abend  aus  ihren  Hütten  zu  gehen,  sie  um 
Rat  zu  fragen,  Gestalt  ihnen  dann  dieselbe  aberall,  Bowohl  auf  der  Fischerei 
als  der  Jagd  nachfolget.  Obgleich  dieses  Tier  seinem  üisehen  nach, 
welches  erschrecklich  ist.  die  Gestalt  einer  Ratze  hat,  so  habe  ich  doch 
geglaubet  und  glaube  es  noch,  dass  es  ein  Hausteufe]  sei'  (S.  11;.  Die 
Lappen  Bchildert  M.  als  csehT  tölpisch,  unhöflich  und  vortrefflich 
Bonderlich  die  Weiher,  welche  sich  mir  allen  Ankommenden  gemein  machen, 
wann  Bie  es  unwissend   ihrer  Männer  thun  können    (S.    1*2). 

Die   Heise  wird  in  Rentierschlitten  angetreten. 

Diese  Rentiere  sind  gar  merkwürdige  Geschöpfe. 

Vor  der  Abreise  flüstert  der  Wirt,  dem  Bie  gehören,  ihnen  etwas  ins 
Ohr.  nach  Meinung  des  Verfassers  den  Ort  der  Bestimmung,  und  nun  -ein 
es  in  rasender  Fahrt  auf  ungebahnten  Wegen  davon,  dass  die  Reisenden 
glauben,    der  Teufel    trüge    Bie    weg,    bie  m   Abend    zu    einem   Dorf 

kommen,  vor  dessen  vierter  Wohnung  die  Elentiere  ganz  plötzlich  halt 
machen.  Die  Geschichte  mit  den  Rentieren  wiederholt  Bich  am  folgenden 
Tag;  aber  das  Dorf,  indem  sie  am  STachmittag  halt  machen,  ist  menschen- 
leer. Deshalb  beschliesst  man  weiter  zu  reisen.  Nur  mit  Mühe  kann  der 
Führer  die  Rentiere  dazu  bewegen,  weil  ihnen  dieser  Ort  bestimmt  war. 
Er  nmsste  allerlei  wunderbare  Ceremonien  vornehmen  Er  ging  allein  in 
den  Wahl,    kam    darauf   zurück    und   redete   Beinen    Tiere,,  ins  Ohr.     Das 


zu   können.    Wenn  Gebhardl   in  Beinei  Übersetzung  des  Tborodd  Bache«  D 

Aum    1  sagt,    dass    der  Windverkauf  der  'Finnen-  auf  Island  wohlbekannt   »rar,    M  i 
wohl    ein  Versehen,    entstanden    dadurch,    dass    die    Norweger    und    Isländer    die   Lappen 
Finnen    nennen,    während  diese  Kvaenen  heissen,    ?gL  Fritzner,    Ordbop-  I,  41. 
weiteren  Wiklund,  Ark.  f.  nord.  fil.  X,  103ff. 
Zeitschr   d.  Vereins  f.  Volkskunde.   1901. 


134  Kahle: 

wiederholte  er  rier-  Ins  fünfmal,  worauf  sie  sich  bequemten,  fortzugehen, 
jedoch  nicht  ao  geschwind   liefen  als  zuvor  (S.  50     ">(»). 

Interessant  ist  die  Beschreibung  eines  Leichenbegängnisses  bei  den 
•In * ii  Lappen,  [ch  gebe  sie  wörtlich  wieder:  'Wie  wir  in  dem  Hause 
dieses  Verstorbenen  waren,  sahen  wir  ihn  von  einem  halben  Dutzend  dieser 
vornehmsten  Freunde  von  denen  Bärenhäuten  darauf  er  lag,  wegnehmen^ 
und  in  innen  hölzern  Sarg  Legen,  nachdem  sie  ihn  in  eine  Leinwand  ge^ 
wickelt  und  das  Gesicht  wie  auch  die  Hände  unzugedecket  gelassen  hatten, 
in  deren  eine  sie  einen  Beutel  mir  einer  Summe  (leides,  womit  er  den 
Eingang  ins  Paradeis  bezahlen  könnte,  und  in  die  andere  ein  von  einem 
Priester  unterschriebenes  Passport  gaben,  damit  er  es  S.  Petro  geben  und 
er  ihn  frei  passieren  lassen  möchte.  Sie  setzten  aucdi  ein  klein  Fässlein 
Branntewein,  gedarrten  Fisch  und  Rentierfleisch  neben  ihn.  unterwegs 
davon  zu  essen  und  zu  trinken,  weil  er  eine  sein-  lange  Heise  zn  thnn 
hätte.  Zündeten  hernach  rings  um  seinen  Sarg  herum  viel  Tannenwürze] 
an,  welche  wie  Lichter  brannten1),  weineten  und  heuleten,  und  machten 
wunderliche  Geberden.  Wie  alles  solchergestalt  beschickt  war,  thaten  sie 
viel  Gänge  in  der  Prozession  um  ihn  herum  und  fragten  ihn,  warum  er 
gestorben  wäre,  ob  ihn  seine  Frau  erzürnet,  ob  man  ihn  an  einer  Sache 
notleiden  lassen,  ob  er  Hunger  oder  Durst  ertragen,  ob  er  Schaden  an  der 
Jagd  oder  an  Fischen,  und  nicht  gute  Kleidung  gehabt  hätte,  wobei  sie 
alle  weineten,  hincketen  und  viel  andere  Posituren,  wie  sinnlose  Leute 
macheten.  Einer  von  ihren  Priestern,  der  ein  Zuschauer  dieser  Leichen- 
ceremonien  war,  sprengete  zuweilen  mit  einem  Sprengwedel  geweihet 
Wasser  auf  diesen  Körper  und  desgleichen  thäten  die  Leidtragenden  auch' 
(S.  68  . 

Diese  moskovitischen  Lappen  sind  nämlich  ebenso  wie  die  Moskoviter 
selbst  Nicolai ten,  d.  h.  der  heil.  Nicolaus,  einer  der  sieben  Diakone  der 
Apostelgeschichte,  steht  in  hohem  Ansehen  bei  ihnen.  Sie  stellen  ihn  dar 
als  einen  Pilgrim  mit  langem  Rock,  niedergelassener  Mütze,  mitten  um 
den  Leib  mit  einem  breiten  Gürtel  umgürtet  und  einem  Stock  in  der 
Hand.     Ein  beigefügter  Holzschnitt  veranschaulicht  den  Heiligen  (S.  68f.). 


1)  So  setzt  man  auch  in  Ostpreussen,  der  Lausitz,  der  Oberpfalz  und  dem  Voigtland 
C— 8  brennende  Lichter  um  einen  Sterbenden,  in  Böhmen  stellt  man  der  abgeschiedenen 
Seele  ein  brennendes  Lieht  hin,  ebenso  in  Pommern,  Schlesien,  Westfalen,  Baden,  wo  das 
Licht  so  lange  brennen  muss,  wie  die  Leiche  über  der  Erde  ist,  vgl.  Wuttke,  Deutscher 
Aberglaube8,  $^  723,  726,  721».  Nach  E.  H.  Meyer,  Germ.  Myth.  §  101  scheinen  diese 
brennenden  Lichter  nicht  nur  böse  Geister  abhalten,  sondern  auch  die  Seele  der  Ver- 
storbenen an  der  Rückkehr  verhindern  zu  sollen.  Diese  Erklärung  erscheint  mir  bei 
weitem  wahrscheinlicher  als  die  unlängst  in  dieser  Zeitschr.  XI,  18  von  v.  Negelein  gegebene, 
'dass  man  erst  nach  erfolgtem  Begräbnisse  die  Grahesnacht  angebrochen  wissen  wollte1. 
Dazu  die  Anm.  '1:  'Die  Kerzen  haben  im  Aberglauben  mystische  Eigenschaften:  sie  er- 
löschen bisweilen  von  selbst  und  dürfen  nicht  ausgepustet  werden,  d.  h.  sie  sind  Symbole 
des  von  selbst  erlöschenden  Lebenslichtes/  Diese  Erklärung  ist  viel  zu  abstrakt,  so  denkt 
das  Volk  nicht. 


\        de  la   M 

Manches  in  diesen  Begräbnissitten,  b<  reit  es  die  christlichen 

Zythateii  betrifft,  beruhl  offenbar  auf  russischem  Rinfluss.  \\  ie  <lie  Schiidol 
der    russischen   Begräbnisse   zeigt,    die  Bp  \mh  die  Totenl 

zeigt    viel  Ähnlichkeit    mit   der  russischen,    doch  finden  sich  Bolche  ja  bei 
fielen   Völkern,    ohne    class    man  eitige    Beeinflussung    anzunehmen 

braucht1 

•So  bald  ale  einer  den  Geisl  aufgegeben  hat,  mach!   man  alle  Fenster 
in  der  Kammer  auf,  wo  er  gestorben  ist,  bringet  •■in  Becken  roll  sjewe 
Wasser  hinein,    seine  Seele  darinnen  zu  baden"),    und   ha<    ä  ihm  ein 

Stück   Brot  von   Kern  aufs  Haupt  zu  legen,  dass  er  auf  der  grossen  H 

'lif    er    zu   t ] 1 11  ii   hat,    nicht  vor  Hunger  sterben  ge,    ein  Paar  bcIii 

Schuhe   an  die  Püsse  zu  ziehen,    etliche  Kopeken  oder  Stü(  ken  Münze  in 
>'-iin*n  Mund    zu    stecken,    und    dem  St.   Nicolaus    zur  Nachricht    von  dem 
Leben  und  Wandel  des  Verstorbenen  ein  Attestat   von  dem  Prälaten  d 
Orts  in  die  Hand  zu  geben.'     Dann    wird    die   Leiche    bis  zur  Beerdi 
in    der  Kirche    aufgebahrt.     Die  Witwe    muss    gr — e  Trauer  an  den 
legen    und    mietet   Klageweiber    zur  Unterstützung      Die   prächtigsten   Be- 
gräbnisse   sind    die,    bei    denen    die    meisten    solcher  Weiber    Bind.     Ihre 
Klagen  lauten  folgendermassen : 

'Ach!  nnin  lieber  Schiit/.,  warum  hast  du  mich  verlassen?  Thal  ich 
n'nht  alles,  was  du  wolltest?  Sorgete  ich  nicht  vor  dein  Haus?  Habe 
ich  dir  nicht  schöne  Kinder  gegeben?  Hattest  du  nicht  alles  überflüs 
oder  sie  sagen  wohl:  'Weswegen  bist  du  gestorben?  Hattest  du  nicht  eine 
Bchöne  Frau?  artige  Kinder,  und  Boviel  Branntwein,  als  dir  nötig  war? 
(S.  145     147). 

Bei  der  Besprechung  der  Tierwelt  Lapplands  erwähnt  ML  auch  eines 
fabelhaften  Vogels,  'der  lichtgrau,  dick  nnd  gross  ist  wie  ein  Hammel, 
einen  Kopf  wie  eine  Katze,  -ehr  Feurige  und  rot  Augen,  einen  \ ■  i  1«  r- 
schnabel  und  dergleichen  Klamm  hat,  womit  er  die  Hasen  und  ander 
Federwildpret  fähet'    s.  7<;  . 

Im  weiteren  Verlauf  seiner  Reise  kommt  M.  dann  nach  Sibirien,  wo 
er  mehrere  vom  'grossen   Knez1  Verbannte  trifft.     Einer  von  ihnen  war  ein 

lothringischer  Edelmann,   früher  Oberster  eines   Regiments  skowitischer 

Reiterei,  der,  -einer  Angabe  nach  fälschlich,  in  den  Verdacht  der  Untreue 
gekommen,    auf  drei  Jahr  verbannt  worden  war.     Ein  anderer  dii 
glücklichen    war    ein  'Oberk missarius   des   grossen   Kuezes',    ein    dritter 


1     Solche  'halbgesungenen,    freien  rhythmischen  Totenklagen',  von 
weibern  oder  Frauen  der  Verwandtschaft  gesungen,  finden  sich  z.B 
in  Nordungarn,  Siebenbürgen  und  Gottschee,  vgl.  E.  H.  Meyi  r,  Ü< 

2)   Aus  demselben  Grunde  stellt  man  in  Mecklenburg  einen  Eimer  v 

in  Böhmen    ein  Glas  Wasser    und  ein    Handtuch,    oder  man  schüttet,    in  Baden,    al 

Sterbchausc   befindliche  Wasser   aus,   w<  3eele    ihren  Weg   dur< 

habe,  vgl,  Wuttke  a.  a.  0.  §  725, 

30 


i:;r,  Kahle: 

Generalleutnant.     Sir    mussten    eine    bestimmte   Zahl  Zobel   fangen,    sonst 

wurden  sie  mir  Peitschen  von  sehr  dickem  und  hartem  Leder  aber  den 
ganzen  Leib  auf  der  blossen  Haut  gezüchtigt.  Der  Lothringer  giebt  nun 
angeblich  dem  Arzt  auf  seine  Bitte  eine  Schilderung  von  der  Religion 
und  den  Bräuchen  der  Moskowiter,  aus  der  ich  folgendes  anführe: 

Am  Pfingstfest  füllet  man  die  Kirchen  mir  AJnornzweigen  an.  welches 
die  Russen  vor  den  Maulbeerbaum  halten,  und  legen  sich  in  der  festen 
Einbildung  darauf,  dass  der  heilige  Geist  über  diese  Zweige  herabfahre, 
wie  das  .Manna  vormals  in  der  Wüsten  auf  die  Eichblätter  gefallen  sei' 
S.  1  lü).  Die  Pfarrer  schneiden  ihre  Ilaare  niemals  ab,  noch  putzen  sie  sich 
den  Hart.  Sie  müssen  verheiratet  sein.  'Also  dependiret  ihr  Priestertuiu 
von  ihren  Weibern  und  endiget  sieh  mit  ihnen:  derohalben  heiraten  sie 
jung,  damit  sie  bei  guter  Zeit  eine  Pfründe  bekommen  mögen,  und 
traktiren  ihre  Weiber  besser,  als  die  andern  nicht  thun."1)  Der  Gebrauch, 
den  sie  sonst  hatten,  die  Fremden  zur  Annehmung  ihrer  Religion  zu  er- 
kaufen, ist  aufgehoben.  Wann  einer  der  seinigen  absaget,  es  sei  ein 
Katholik  oder  Reformirter,  so  muss  er  auch  seiner  ersten  Taufe  renunriren, 
seinen  Vater  und  seine  Mutter  verschwören,  und  dreimal  über  seine  Achsel 
speien."  Angeblich  sollen  von  200  Fremden,  die  die  russische  Religion 
angenommen  haben,  fast  keiner  eines  natürlichen  Todes  gestorben  sein 
(S.   119—123). 

Von  Interesse  sind  auch  die  Hochzeitsbräuche  der  Russen.  Die  meisten 
Heiraten  werden  durch  dritte  Personen  geschlossen.  Fünf  oder  seehs 
Freundinneu  des  Freiers  besehen  sich  die  erwählte  Jungfrau  nackt,  und 
wenn  sie  ein  Leibesgebrechen  hat.  so  sucht  sie  dies  möglichst  zu  korri- 
gieren.8) Er  stdbst  bekommt  sie  meistens  erst  zu  sehen,  wenn  er  mit  ihr 
in  der  Hochzeitskammer  ist.  Wenn  die  Verehelichte  aus  der  Kirche  geht, 
wirft  der  Küster  Hopfen  auf  sie  und  wünscht  ihr  soviel  Kinder,  als  dieser 
Hopfen  ist8),    und  ein  anderer,    der  ein  Hammelfell,  mit  den  Haaren  nach 

1)  Auch  vom  Priester  der  Südslaven  erwähnt  Krauss,  Sitte  und  Brauch  der  Süd- 
slaven, 525 f.,  dass  er  seine  Frau  besser  behandelt,  als  es  sonst  zu  geschehen  pflegt,  nicht 
weil  er  ihr  besser  gesinnt  wäre,  sondern  weil  er  nach  kanonischem  Recht  nur  einmal  ver- 
heiratet sein  darf.  'Er  muss  sein  Weib  demnach  aus  Vorsicht  schonen,  damit  sie  ihm  vor 
der  Zeit  nicht  ins  Grab  fahre.' 

2)  Der  Zweck  dieser  Besichtigung  dürfte  die  Feststellung  der  Jungfräulichkeit 
gewesen  sein,  und  das  'Leibesgebrechen',  das  die  Braut  zu  korrigieren  sucht,  bezieht  sich 
vielleicht  auf  irgend  welche  beabsichtigte  Vorspiegelung  erhaltener  Jungfräulichkeit; 
wenigstens  berichtet  Bloss,  Das  Weib  in  der  Natur-  und  Völkerkunde  I3,  310,  aus  Süd- 
lussland,  dass  die  Braut  sich  gleichfalls,  bevor  sie  dem  Bräutigam  überlassen  Avird,  vor 
Zeugen  entkleiden  muss.  damit  festgestellt  werde,  ob  sie  nicht  etwa  Täuschungsmittel  bei 
sich  habe". 

3)  Über  die  Sitte  des  Bestreueus  der  Braut  handelt  ausführlich  v.  Schröder,  Die 
Hochzeitsbräuche  der  Esten,  8.  1 1 2 ff . ;  vgl.  auch  G.  Meyer,  Essays  und  Studien  1,  141. 
Sie  findet  sich  bei  zahlreichen  indogermanischen  wie  auch  finnisch-ugrischen  Völkern. 
Man  verwendet  dazu  hauptsächlich  Getreidekörner,  Erbsen,  Reis.  Russland  eigentümlich 
scheint  es,    dass  Hopfen  dazu  verwendet  wird,    und  von  da  mag  der  Brauch  auch  zu  den. 


Von  de  la  M 

aussen,    trägt,    begleite!   sie  and  wünsch!  ebenfa)  soviel  Kinder 

bekommen  möge,  als  Bein  Kleid  Haare  hat.1  Kann  wird  der  Bräu! 
von  jungen  Männern,  die  Braut,  die  ganz  eingehall!  ist"  .  von  alten  Weibern 
in  das  Haus  des  jungen  Ehemanns  geführt,  der  Priester  trag!  das  Kreuz 
voran.  Darauf  setzen  sich  die  Verehelichten  /.n  Tisch,  haben  Bro!  und 
Salz  vor  sich,  essen  aber  nichts  davon."  Während  dessen  singen  ju 
Knaben  and  Mägdlein  'dermassen  »eile  und  unzüchtige  Brautlieder  und 
Gedichte,  dass  sie  nich!  ärger  Bein  können1  * 

Nach  dem  Aufstehen  von  Tisch  wird  das  junge  Paar  vou  einer  alten 
Frau  iiimI  dem  Priester  in  die  Kammer  geführt.  Die  Brau!  wird  vermahnt, 
ßich  gegen  ihren  Bräutigam  freundlich  und  gehorsam  /u  erweisen,  der 
Bräutigam  hinwieder,  seine  Frau,  wie  es  ihm  gebührt,  zu  lieben.  Der 
Bräutigam  hat  In  dem  einen  Beiner  Halbstiefe]  eine  Peitsche,  In  dem 
andern  einen  Edelstein  oder  etwas  Geld.  Er  befiehl!  nun  Beiner  Braut, 
ihn  auszuziehen.  Greift  sie  zuerst  den  Stiefel  mit  dem  Edelstein,  so  erhäl! 
sie  diesen,  das  isr  ein  glückliches  /.eichen,  greif!  sie  aber  den  andern,  so 
ist  das  von  übler  Vorbedeutung,  und  sie  erhält  einen  Streich  mit  der 
Peitsche  von  ihrem  Manne:  das  ist  der  Anfang  dessen,  was  sie  in  Zukunft 
wird  auszustehen   haben. 


griechisch-katholischen  Pinnen  in  Ostfinnland  gekommen  jein.     Dass  durch  da^  Bestreuen 
der  Braut  Fruchtbarkeit    verliehen    werden    soll,   tritt    verschiedentlich    zu  Tag*  B 

ziemlich  genau  mit  dem  oben  Angeführten  übereinstimmend,  wenn  in  Böhmen  und  8cbJ 
Erbsen  oder  Graupen  auf  dir  Brautleute  geworfen  werden;  es  herrsch!  dabei  der  Qlaube, 
soviel  Körner   auf  dem  Kleide    der  Kraut   liegen  bleiben,    soviel  Kinder  »  haben, 

vgl.  Mannhardt,  Quellen  und  Forschungen  1.1.  S. 360,  Wuttke  a.  a.  0      567.     VToi  einigen 
Jahren  sah  ich  in  Stockholm    wie  ein  junges,  den  höheren  Ständen  angehörend* 
das   einen  Dampfer  bestieg,   um  zum  weiter  nördlich  gelegenen  Wohnsitz  des  Hannes  zu 
fahren,    von    der    ihnen    zum    Schill    das  Geleii    gebenden   Hochzeitsgesellschaft    mit 
beworfen    wurde.    Offenbar   war   dieser  an  Stelle  einer  heimischen  Körnerfrucht 
Doch  erwähnt  weder  Schröder  diese  Sitte  aus  Schweden,  noch  habe  ich  si.-  in  Nyare  bidr. 
t.  känned.  om  de  svenska  Landsm.,    in    denen    öfter    schwedische  Hochzeitsgebräuchi 
schildert  werden,  gefunden.    Hopfen  gill  übrigens  in  Steiermark  als  Mittel  gegen  Unfrucht- 
barkeit   Junge  Hopfensprossen    mit  Spargelsamen    werden    mit  Wein  angi  9ala! 
dagegen   genossen,    vgl.   Ploss  a.  a.  0.  I.    I'-I.     Vgl.    übrigens   auch  Weinhold,    Deutsche 
Frauen  im  Mittelalter  I  .  382. 

1)  Diese  Sitte  kann   ich  von  anderwärts  im  Wind''  die.  F. dl  i 
dazu    benutzt,    um    die  Braut    hei  der  Ankunft    im   Hochzeitshanse  darauf  ZU 
darüber  Schröder  a.  a.  0.  88 ff .    Es    hebt   z.  B.  der  Val  Bräu!      an  !■■ 
Wagen  und  setzt  sie  auf  einen  mit  den  Haaren  na«  h  oben  gekehrten  1' 

2)  Über  das   Verhüllen  der  Brau!   vgl.  \.  Schrot  i  'tl. 

3)  Über    die    gemeinsame  Speise  n   Paares,    vgl.  v.  Schröd 
Krauss,  Sitte  und  Brauch  der  Südslaven,  400  u.  450ff.    G.  1,142.     Da 
Taar   nicht*    davon  geniesst.   ist  vielleicht  ein  Mißverständnis,    wenigstens  wird  i     davon 
gekostet   haben.    Salz   und  Brot,    wie  in  unserm  Fall,    ist  die  Speise  auch  bei 

vgl.  v.  Schröder  82  und  220. 

4)  Über  Hochzeitslieder  bei  finnisch-ugrischen,  sowie  indogermanischen  Völkern,  vgl. 
v.  Schröder  a.  a.  0.  182ff.,  sowie  die  daselbst  angefüh  tur. 


Kai 

Na.li  einem  mir  nicht  zugänglichen  Buch  'Heiraten  und  Hochzeiten 
aller  Völker  der  Erde',  Leipzig,  8.  34f.  erwähnt  Mannhardt.  Wald-  and 
Feldkulte  I.  S.  301  gleichfalls  den  russischen  Brauch,  dass  der  Bräutigam 
in  einen  Stiefel  eine  Peitsche  steckt,  jedoch  Dicht,  dass  der  andere  Stiefel 
einen  Edelstein  enthält.  Dazu  stellt  Sartori  in  dieser  Zeitschrift  IV.  171 
die  von  Grimm,    Deutsche  Rechtsaltertümer   l",  S.  '-'14    angeführte,    durch 

p  überlieferte  Geschichte,  dass  Vladimir,  als  er  im  Jahre  980  um 
Ragvalds  Tochter  warb,  von  dieser  mit  den  Worten  verschmäht  wurde: 
'Ich  \\'\\\  den  Sohn  einer  Magd  nicht  entschuhen.'  Dies  dürfte  der  älteste 
Beleg  für  diese  Sitte  in  Russland  sein.  Dass  man  nun  in  diesem  Schlag 
mit    der  Peitsche,    wie  Sartori    im  Anschluss  an   <lie  nur  vermutungsweise 

9prochene  Ansicht  Mannhardts  will,  einen  'Schlag  mit  der  Lebensrute' 
zu  sehen  hat.  der  die  Fruchtbarkeit  und  Geburt  zurückhaltenden  Dämonen 
austreiben  soll,  scheint  mir  unwahrscheinlich.  Die  einfachste  Erklärung 
wird  auch  hier  die  beste  sein:  der  Schlag  mit  der  Peitsche  zeigt  eben  an. 
wer  die  Herrschaft  in  der  Ehe  führen  wird,  wie  solch  vorbedeutende 
Handlung  ja  vielfach  bei  Eingehung  der  Ehe  vorgenommen  wurde,  wie 
das  Setzen  des  rechten  Fusses  auf  den  linken  der  andern  Partei  u.  ä.  m.1) 
Das  junge  Paar  schliesst  sich  alsdann  zwei  Stunden  lang  in  seine 
Kammer  ein:  "die  Alte  wartet  auf  der  Braut  Jungfrauschaftzeichen,  und 
so  bald  als  sie  solches  hat,  bindet  sie  ihre  über  die  Schultern  zerstreuten 
Haare  wieder  hinauf  und  gehet,  von  ihren  Eltern  das  Abricias  zu  fordern' 
S.  124 — 127).  Den  Sinn  des  Wortes  Abricias  herauszubekommen,  habe 
ich  mich  vergeblich  bemüht.  Auch  Prof.  A.  Brückner  und  Prof.  Leskien 
vermochten  es  nicht  zu  deuten.  Doch  hat  man  nach  dem  Zusammenhang 
der  ganzen  Stelle  sicherlich  ein  Geldgeschenk  darunter  zu  verstehen.  Ich 
vermute,  dass  die  Alte  das  mit  Blut  besprengte  Laken  oder  Hemd  als 
Zeichen,  dass  die  Braut  noch  jungfräulich  war.  den  Litern  zeigte.  Vi  ir 
haben  keinen  Grund  daran  zu  zweifeln,  dass  diese  Sitte  wirklich  bei  den 
Russen  bestand.    Wie  grossen  Wert  man  auf  dieses  Jungfrauschaftszeichen 


li  In  Slavonien  nimmt  der  Bräutigam  der  braut  in  der  Hochzeitskammer  den 
Mädchenkranz  ab,  sie  aber  zielit  ihm  die  Stiele!  aus,  v.  Schröder  a.  a.  0.  172.  Krauss 
a.  a.  0.  459  berichtet  von  ebendaher  das  Gleiche,  erwähnt  aber  noch,  dass  die  Braut 
alsdann  dem  Bräutigam  einen  Schlag  mit  dem  Stiefel  auf  den  Kopf  giebt,  'zum  Zeichen, 
dasa  sie  die  Herrin  im  Hause  sein  wird'.  Dazu  bemerkt  er  in  Anm.  1,  dass  dies  auch  in 
Deutschland  weitverbreitete  Sitte  sei,  und  dass  daher  die  Redensart  stamme:  'die  Frau 
will  den  Mann  anter  den  Pantoffel  bringen'.  Ob  diese  Sitte  wirklich  in  Deutschland  weit 
verbreitet  ist.  entzieht  sich  meiner  Kenntnis,  die  Redensart  aber  "leitet  man  gemeinhin  von 
dem  oben  erwähnten  in  Deutschland  weitverbreiteten  Brauch  ab,  dass  Braut  wie  Bräutigam 
es  versuchen,  dem  andern  Teil  während  der  Trauung  zuerst  auf  den  Fuss  zu  treten.  N\  cm 
es  gelingt,  wird  die  Herrschaft  im  Hause  haben,  vgl.  Gr.  D.  W.  VII,  142f5.  Auch  Russen. 
Eisten  und  Letten  üben  das  Auf-den-Fuss-treten,  vgl.  v.  Schröder  a.  a.  0.  79f.,  ebenso  die 
Slavonier.  vgl.  Krauss  a.  a.  0.  396.  Dagegen  ist  die  Sitte,  dass  der  Braut  bei  der  Hoch- 
zeit die  Schuhe  ausgezogen  werden,  ziemlich  weit  iu  Deutschland  bekannt,  vgl.  Sartori 
a.  a.  0.  S.  1(19  ff. 


Von  de  la  Martini* 

zeigt,    wie    mir  Prof    Brücknci 
noch    im    vorigen  Jahrhundert   die    Moskau       h     ifleute  triuni|  mit 

dem   betreffenden   Laken   durch  die  Strassen  der  Stadt  fahren.    Und   I 

■  Mi    verweist    mich   auf  den   Hochzeitsbrauch  der  Südslaven,    dei 
bei    Krauss,    Sitte    und   Brauch    der  Südslaven,    S  ildert    rindet: 

Das  Beilager  in  Bulgarien.  'Spät  abends,  nachdem  sich  alle  G 
schon  entfernt,  verfügen  sich  die  Brautleute  in  ihre  Schlaf kammer  B< 
Bie  sich  niederlegen,  schliessen  sie  die  Thüre,  vor  welcher  der  Djever 
Brautführer  und  die  alten  Weibei  vom  Hause  warten,  um  zu  h< 
«las  Mädchen  ihre  Jungfräulichkeit  bewahrt  hat.  Spätestens  nach  einer 
Stunde  muss  der  Bursche  aufstehen  und  Bericht  erstatten,  ob  er  die  Braul 
unberührt  gefunden.  Zu  Lügen  getraut  er  sich  \\"!il  nicht,  weil  er  fürchten 
muss,  dass  die  alten  Weilirr  «las  Bett  und  das  Hemd  der  Braut  unter- 
suchen werden.  Wenn  die  Braut  ihre  Jungfräulichkeit  bewahrt  hatte, 
gerät  alles  ausser  sich  vor  Freude;  die  Dudelsackpfeifer  spielen  auf,  man 
feuert  die  Gewehre  ab,  dem  Kum  (Trauungsbeistand)  und  dem  Vater  der 
Braut  wird  Raki  angeboten,  der  Bräutigam  aber  ist  verpflichtet,  ein 
Geschenk  von  einigen  Dukaten  zu  geben'. '  Das  Geschenk,  das 
hier  der  Bräutigam  zu  geben  hat,  ist  vielleicht  dasselbe,  eben  'las  rätsel- 
hafte A.bricias.  «las  nach  unserer  Reisebeschreibung  die  Brautoltern  geben 
müssen.  Auch  bei  den  Ruthenen  in  der  Bukowina  wird  die  Jungfräulich- 
keit der  Braut  am  Morgen  nach  der  Hochzeitnacht  durch  die  Brautmutter 
oder  auch  durch  sie  begleitende  Weiber  festgestellt.  Lst  dies  geschehen, 
bo  wird  im  Hofe  des  Hauses  eine  rote  Fahne  aufgepflanzt.  Dies  geschieht 
auch,  wenn  der  Bräutigam  selbst  schon  früher  die  Blum.'  gepflückt  hat: 
ei  verrät  eben  dann  den  Mangel  der  Braut  nicht.  Vgl.  Kaindl,  diese  Zeit- 
schrift XI.  S.  167.  Es  scheint  aber  in  diesem  Fall  keine  Untersuchung 
des  Bettzeugs  und  Hemdes  stattzufinden,  sondern  die  aussage  des  Bräutigams 
genügt,  [st  aber  vielleicht  die  rote  Fahne  ein  Ersatz  für  ursprünglich  zur 
Schau  ausgehängtes  Linnenzeug? 

Eis  werden  selten,    besonders  anter  vornehmen   Leuten,    Heiraten  voll- 
zogen,   ohne    dass    einige  Zauberei  vorkommt,    die  man  u.  a.  den  Nonnen 
Schuld    giebt,    die    ihr  vornehmstes  Geschäft  damit  treiben.     Der  Bericht- 
erstatter will  einen  jungen  Menschen  wie  rasend  aus  seiner  Frauenkammer 
kommen  gesehen  haben,   der  sich  die  Haare  ausraufte  und  schrie,   da* 
verderbt  und  behext  sei.     Mau  wendet    sich  dann  an  weise  Hexenmt 
die  «las  Zauberwerk  für  Geld  aufheben  und  den   Nestel  lösen,  den  andere 
geknüpft    haben.     Montags,    Mittwochs    und  Freitags    verbieten    die 
Liehen    Gesetze,    Gemeinschaft    mit    den    Weibern    zu    haben.      W« 
Gebot  übertritt,  mnsa  sich  baden,  ehe  er  in  die  Kirche  geht")     Wei    - 

1)  Von  mir  gesperrt. 

2)  Über  Vorschriften,   welche    die  Ausübung   des  Beischlaft  in  .  ten  und 
unter  bestimmten  Umständen  vorbieten,  vgl.  Plosa  a.  ...  0.  I     S.  ?24.     Bei  den  Juden  v.-r- 


wo 


Kahle 


zum  zweitenraale  verheiratet,  darf  nur  las  anter  die  Halle  gehen,  die 
Kirche  selbst  aber  Dicht  betreten,  and  wer  die  dritte  Frau  nimmt,  wird 
in  den  Bann  gethan.1)  Ist  eine  Frau  anfruchtbar,  soll  man  sie  bereden, 
ins  Kloster  zu  gehen;  thut  sie  dies  nicht  gutwillig,  darf  man  sie  mit 
Prügeln  hineintreiben  (S.  I30f.). 

Die  kleinen  Kinder  lässt  man  nur  von  den  nächsten  Verwandten  und 
vertrautesten  Freunden  Behen  und  verbirgt  sie  vor  den  Fremden,  damit 
diese  nicht  'einen  Übeln  Anblick  auf  sie  werfen  mögen'.  Die  Kinder  sind 
--•■In-  fest  und  stark  und  saugen  nicht  länger  als  einen  Monat  oder  auf's 
höchste  zwei  an  ihren  Müttern,  darnach  giebt  man  ihnen  ein  Hörn  oder 
eine  Art  eines  silbernen  Trinkgeschirrs,  wie  ein  Hörn  gemacht,  woran 
,mten  ein  trockenes  Kuheuter  gebunden  ist.  und  dessen  bedienen  sie  sich 
zum  Saugen'.  Schon  mit  zwei  Jahren  fangen  sie  an,  die  Fasten  zu  halten 
(S.  136). 

Die  Heiligenbilder  sind  sehr  hässlich.  Wenn  das  Gemälde  eines 
Bildes  erloschen  ist.  trägt  man  es  an  einen  Ort.  Gottesmarkt  genannt,  und 
tauscht  das  Seine  mit  etwas  Geld  für  ein  neues  um.  Man  darf  nämlich 
nicht  sasen.  man  habe  ein  Bild  gekauft.  Die  verloschenen  wirft  man  mit 
einigen  Stücken  Geld  in  den  Fluss  und  sagt  dabei:  -Gehab  dich  wohl,  mein 
Bruder,  oder  Gott  sei  mit  dir,  mein  Bruder".  Die  Bilder  heissen  Nikolasse 
(S.  150f.). 

Diese  Bilder  treiben  dann,  wie  an  späterer  Stelle  (S.  J  13t.)  erzählt 
wird,  den  Fluss  hinunter  und  werden  von  den  krimschen  Tataren  auf- 
gefangen, die,  Muhammedaner,  ihren  Spott  mit  dem  Bilderdienst  der 
Russen  treiben  und  behaupten,  es  wäre  besser,  die  Sonne,  die  ein  herr- 
licher Körper  sei.  anzubeten,  als  hölzerne  Bilder.  Das  seien  schöne 
Götter,    sie    brieten   Pferdefleisch   damit.     Überhaupt  ist  das  gemeine   Volk 


unreinigte  jeder  Akt  ehelicher  Beiwohnung  beide  Teile  bis  an  den  Abend:  Mann  und  Frau 
mussten  sich  hinterher  baden  (3.Moses  15,  18),  vgl.  Ploss  ebenda.  Auch  in  der  römisches 
Kirche  ist  der  eheliche  Umgang  an  gewissen  Tagen  und  zu  bestimmten  Zeiten,  wie 
■wahrem!  der  Fasten-  und  Busszeit,  untersagt.  So  verordnete  Pabst  Nicolaus  I.  in  seinen 
Respousa  ad  consnlta  Bulgarornm  No  <;:'.:  'Während  des  ganzen  Sonntags  (Tag  und  Nacht, 
boII  der  eheliche  Umgang  ausgesetzt  werden',  vgl  Schmitz,  Die  Bussbücher  und  die  Buss- 
disciplinen  der  Kirche,  I,  S.  287:  weitere  Belege  im  Register  S.  847  unter  'Ehelicher  Um- 
gang verboteu  etc.'  und  II,  S.  785  unter  'Ehelicher  Verkehr  zeitweilig  verboten*.  I>i^ 
Waschung  nach  dein  Beischlaf  vor  Eintritt  in  die  Kirche,  ordnet  auch  das  Bussbuch 
Thoraas  v.  Canterburys  an  unter  No  29,  vgl.  Schmitz  a.  a.  0  I,  S.  547,  weitere  Belege 
II.  541  und  578. 

1  'Als  eine  Gewohnheit  einzelner  Partikularkirchen  bezeichnet  Basilius  die  Bestrafung 
der  zweiten  Ehe  mit  zweijähriger  Busse,  die  der  dritten  Ehe  (polygamia,  fornicatio  belluina 
von  ihm  benannt;»  mit  einem  fünfjährigen  Ausschluss  aus  der  Gemeinschaft',  vgl.  Schmitz 
a  a.  0.  I,  S.  43f.  Im  allgemeinen  sah  aber  die  römische  Kirche  die  Sache  milder  au, 
entweder  war  die  zweite  Ehe  direkt  erlaubt  oder  sie  wurde  doch  nur  mit  einer  milden 
Strafe  belegt.  Nur  die  dritte  und  weiteren  Ehen  scheinen  immer  mit  Strafen  belegt 
worden  zu  sein,  doch  waren  auch  diese  im  allgemeinen  nicht  schwer,  vgl.  ebenda  I,  847, 
die  Stellen  im  Register  unter  -Ehe,  wiederholte'  und  II,  7?»5  unter  'Ehe,  zweite  und  dritte1. 


I  I  1 

in   Russland  so  dumm,    dasa  es  den  lil.  Nikolaus  für  den  wahren   !.'• 
der  Welt  hält.     Er  sei   von   Italien  auf  einem  Mühlstein   bis  in  einen  Hafen 
in    der   Mähe  \"ii    ^rchangel    geschwommen.     Wei   das  nicht  glaubt 
Bein   Leben  in  <  refahr  (S.  2 II  f.  , 

Einige   Bräuche    Bind    noch   die  folgenden.     I  De  grosse  Künde 

sich  nach  Abschlaguug  des  Wassers   nicht  zu  waschen,     anstatt  des  Pap 
welches  wir  insgemein   an  unsere  Orten  zur  Kommoditäl   haben,   bedienen 

sich  wohlpolierter  kleiner  Schäuflein  von  Tannenholz1.  Wenn  ••m 
Russe  mir  einer  Engländerin  oder  Holländerin  schlaft,  so  hall  mai 
für  ein  sein-  grosses  Laster;  Dicht  aber  bo,  wenn  eine  Russin  mit  einem 
Fremden  I  nzucht  treibt,  weil  dann  die  Kinder,  die  entstehen  können,  in 
der  russischen  1 1 •  - 1  i ü i < ►  1 1  aufgezogen  werden  können  8.  Isv  Wenn  sie 
eine  Frau  grüssen,  bo  küssen  Bie  diese  auf  die  rechte  Backe.  Die  in  den 
letzten  zwanzig  Jahren  erworbenen  Güter  werden  den  Jüngsten  zug 
'Die  schlechte  Parole  eines  Menschen,  der  einen  Bari  hat,  uilf  bei  ihnen 
mehr  als  eines  andern  Eid  oder  Schwur,  der  keinen  hat.5  Sir  bemühen 
Bich  die  Zähne  Bchwarz  zu  machen,  zu  diesem  Zweck  bedienen  Bie  Bich 
eines  Sekrets,  mir  dem  Bie  auch  die  Augäpfel  schwarz  färben.  Lange 
Augen  (?)  und  kleine  Stirnen  halten  Bie  für  Schönheit.  Deshalb  ver- 
bergen auch  die  russischen  Frauen  einen  Teil  der  Stirn  unter  ihrer  Haube. 
Kleine  Füsse  und  dünne  Leiber  scheinen  ihnen  eine  Ungestalt.  Sie 
wenden  alle  Mittel  an,  um  sich  fett  zu  machen,  'debauchieren  deswi 
über  die  Massen  sehr,  bleiben  ganze  Tage  im  K'-tr  liegen  und  bringen 
sie  mit  Schlafen  und   Branntwein  trinken  zu'    S.   187—190). 

Von  einer  sonderbaren  Tortur  wird  in  dem  Kapitel  über  das  richter- 
liche Verfahren  berichtet.  Wenn  jemand  alle  möglichen  Martern,  die  ihm 
zugefügt  worden  sind,  standhaft  ertragen  hat,  wird  dies  als  letzter  Versuch 
gemacht,    'dass    ihm    auf   dem  Kopfe    ein   Kran/,    überaus  ioren 

und  Wasser  tropfenweise  darauf  gegossen  wird,  und  dasselbe  soll,  wie 
man  Bagt,  der  empfindlichste  Schmerz  unter  allen  .Man. tu  Bein,  weil  man 
nicht  einen  Tropfen  Wasser  giessen  könne,  der  nicht  zum  Herzen  gehen 
und  Bolches  wie  ein  Pfeil  durchstechen  Bolle' (S.  L9*2f.  Noch  nicht  lange 
ist  es  her,  dass  die  Russen  den  Brauch  angenommen  haben,  Verbrecher 
aufzuhängen,  denn  man  glaubte,  die  Seele  eines  Menschen,  der  erwürg! 
würde,  müsse  unten  ausfahren,  welches  ihn  'pogano1   machte    S    194 

Der  Fisch  Belluga    hält    sich    in    der  unteren   Wolga  auf.     Wenn  der 
Fluss    infolge    der    Schneeschmelze    grosses    Wasser    hat,    verschlingl    der 
I'  äch  Kieselsteine,  um  schwerer  zu  werden  und  so  dem  Laufe  de« 
widerstehen  zu   können  (S.  198). 

1)    Herr    Trof.  A.  Brückner    harte    di<  gkeit,    mir    I    - 

Stelle  zu  schreiben:  "Da.-  pogano  ist  ,hässlich',  eigentlich  »heidnisch',  and  h  auf 

den  Aberglauben    vom    erhängten  Judas,    dem    der  L, benshauch    .acht    dm  Hund, 

sondern  per  intestina  herausfuhr.     Die  Lippen  harte  ihm  ja  der  Heilan     i 


I  |-_>  Kühle:  Von  'i>-  la  Martini. •!•.-  Reise  nach  dem  Norden. 

Die  Samojedeu  haben  zahme  Hirsche,  die  sie  zwei  and  zwei  an 
Schlitten  Bpannen.  Es  lieg!  hier  wohl  eine  Verwechslung  mit  Rentieren 
\t»r.  Die  Töchter  1 : i  — > r  man  vor  der  Verlobung  nicht  sehen.  Sie  werden 
für  Hirsche  verkauft,  und  zwar  «>t'r  schon  im  Alter  von  6  oder  7  Jahren, 
damit  der  Bräutigam  ihrer  Jungfrauschaft  sicher  Bei.  Die  Männer  sind 
sehr  eifersüchtig,  deshalb  werden  die  Frauen  viel  genauer  eingescblo — h 
als  in  Italien.  Dnd  wenn  die  Männer  auf  die  Jagd  ausziehen,  legen  sie 
ihnen  Maschinen  an.  um  zn  verhindern,  dass  sie  untreu  werden.  Also 
ganz  wie  die  alten  Kreuzfahrer.1)  Sic  sind  grosse  Zauberer,  hüten  sich 
aber,  diese  Kunst  vor  den  Russen  auszuüben,  aus  Furcht,  angeklagt  zu 
werden.  Bei  einer  Mahlzeit,  die  ein  englischer  Kaufmann  einigen  Samo- 
jedeu gab,  herrank  sich  einer  vollkommen.  Da  kam  eine  alte  Frau,  rührte 
ihn  an  die  Stirn  und  sagte  ihm  einige  Worte  ins  Ohr.  Sofort  war  der 
Rausch  verflogen  und  der  Mann  so  vernünftig,  wie  wenn  er  den  ganzen 
Tai:  nichts  getrunken  hätte  (S  201 — 203).  Die  Samojedeu.  zu  denen  der 
Verfasser  später  seihst  kommt,  sind  Sonnenanbeter.  Sie  beten  zur  Sonne 
auf  den  Knien  Liegend  mit  ausgestreckten   Armen  (ß   260). 

Vom  Grüssen  verschiedener  Völker  wird  gesagt,  dass  die  Polen  sich 
hochmütig  grüssen  und  sieh  nicht  so  sehr  verneigen  wie  die  Russen;  die 
Tartaren  umfassen  die  Kniee  ihrer  Oberherren,  die  gemeinen  Leute  setzen 
•den  Finger  nach  dem  Daumen  auf  den  Mund  uud  schütteln  dabei  den 
Kopf  ein  wenig.  'Die  Manier  der  Circassen  im  Grüssen  ist  gröber  und 
tölpiseher:  sie  fragen  alle  Tage:  Sind  deine  Knechte,  deine  Kühe.  Schafe. 
Pferde,  Ziegen.  Böcke.  Schweine.  Hähne  und  Hühner  noch  bei  guter 
Gesundheit?'    8.  220f.). 

Ihre  Heise  führt  die  dänischen  Kaufleute  auch  nach  der  Insel  Zembla. 
Die  Einwohner  beten  teils,  auf  den  Knieon  Liegend,  die  Sonne  an,  teils 
auf  Hügeln  stehende  Bäume,  die  in  tölpiseher  Weise  zn  menschlichen 
Figuren  geschnitzt  sind.  In  diese  Figur  setzt  sich  der  Teufel  und  erteilt 
Orakel.  Ein  solcher  Götze  heisst  'felizo'.  wie  im  Text,  fetitzo  wie  in  der 
Kapitelüberschrift  steht,  offenbar  das  portugiesische  feitico,  Fetisch  (S.  262 
Ins  265  . 

Von  Zembla  segeln  die  Schiffe  nach  Grönland.  Auf  der  Rückfahrt 
von  da  nach  Dänemark  sehen  sie  sich  genötigt,  Island  anzulaufen.  Der 
Arzt  besucht  die  Hekla  und  weiss  allerlei  merkwürdige  und  fabelhafte 
Dinge  über  Island  und  seine  Bewohner  zu  berichten.  Da  von  diesem 
Bericht,  wie  schon  erwähnt.  Thoroddsen  eine  ausführliche  Inhaltsangabe 
giebt,  übergehe  ich  ihn  hier.  Endlich  gelangen  sie  glücklich  wieder  nach 
Kopenhagen.  Es  folgt  alsdann  noch  eine  ausführliche  Abhandlung  'von 
dem  Missbrauche  di-s  Einhorns  und  den  Tugenden  seines  Horns'.  Mit 
dem  grössten  Ernst  worden  alle  Nachrichten  von  diesem  fabelhaften  Wesen 

1)  Vgl.  über  die  Keuschheitsgürtel  Ploss  a.  a.  O.  I,  303.  [A.  Schultz,  Das  hölische 
Lebeu-  1,  ö;'5.    Bonneau,  Curiosa  1887,  p.  22G.] 


Bacher:  Von  dem  di  ul 

von  Pliniua  an  geprüft  und  auf  ihre  GlaubwC  I»,  , 

Verfasser  kommt  zu  folgendem  Schlnss:    Mm  m  fügli< 

zu  glauben,  dase  das  rechte  Einhorn  ein  Schwär  den  ich  in  AI 

gesehen  habe,  welcher  ein   Born,   so  gross    ils  i  Widders 

das  Viin  der  Stirne  aach  dem  bregma  und  der  sutun  und 

sich   gegen  die  sagitalem  erstreckte  ....    oder  eine   Frau,  rben 

war,   dass  sie  sich  in  ein   Hörn,    bo  ihr  gerade  und  dünne,    von  d<      I 
wie  Ochsenhörner,  and  anderthalb  Schuh  lang  auf  der  Stirne  hinaus  stund, 
liar  abschneiden   lassen1     S   315). 

Eine  schöne    Abbildung  beider  Wundergeschöpfe  ist  bei 
l  ber    die    angeblichen  Tugenden    dieses  Horns  äussert  sich 
dass,    wenn  es  überhaupt  eines  giebt,    mi<l  gesetzt,  dass  diejei 
Homer,    die    mau    dafür    ausgiebt,    solche    auch    wirklich   sind,    sie  keine 
anderen    haben,    als    das    Hirschgeishorn    und    das  Elfenbein,    dessen  man 
sich    bedient,    ''las    Speien,    Nasenbluteu    und    den    Durchlauf   zu    stillen, 
welches    durch    die    anziehende   Kraft    geschieht,    so    diese  Hörner  haben, 
■  las    man    nicht    eine  Kraft,    sondern    eine    notwendige  Malignität    nennen 
sollte,  weilu  sie  durch  ihre  Auhaltungen  von  ihrer  irdischen  Substanz 
ursachet,  die  Gänge  der  Adern  und  Pulsadern  verstopfet.         S    Ul-    -  v  1 7  . 
Eine    geographische    Betrachtung    und    noch    ''in    paar    Bemerkungen 
über  die  Samojeden  machen  den  Schlnss  des  merkwürdigen,   interessanten 
Buches.     Der    der    Ausgabe    von    1706    angehängte    Abschnitt    Continuatio 
nordischer  Kuriositäten1    beschäftigt    sich    hauptsächlich  mit  verschied« 
Reisen    nach    Spitzbergen    und  Grönland    und    l  berwinterungen    daselbst, 
giebt  Beschreibungen  der  arktischen  Natur  und  ist  von  geringerem  tntei 

Heidelberg. 


Von  dem  deutschen  Grenzposten  Lusern  im  fälschen 

Südtirol. 

Vi. m  Karaten  Josef  Bacher. 
Vgl  oben  S  28. 

III.  Meinungen,  Bräuche  und  Sprüche. 

Dm-  Gang  durch  'las  Leben  geschieht  durchaus  nicht  auf  glatt 
Halm.  s.'U.st  wenn  der  Mensch  nicht  mit  Nah  u  kämpfen  I 

Schon    gleich  in  den  ersten  Tagen  des  menschlichen   Dase 
wisse  Bräuche    genau   und  streng  beobachtet  und  eingehalten  werden,    um 
«las  Kind    vor    späterem  Unheil    zu    bewahren.     I»  treue  Obhut  darf 


444  Bacher: 

auch  später  nicht  fehlen,  um  das  Kind  recht  zu  erziehen.  Es!  dann  das 
Borgsam    geh"  Bchöpf   in    die    Blütezeil    des  Lebens    eingetreten,    bo 

giebt  es  auch  für  dieses  Alter  Oberlieferungen,  feststehende  Anzeichen, 
aus  denen  man  Erfolg  oder  Missgeschiok  beim  Sehnen,  Trachten  und 
Streben  der  entwickelten  Jugend  erkennen  mag,  besonders  für  die  Fälle, 
die  noch  im  dunklen  Schosse  der  Zukunft  sich  bergen.  Kommt  endlich 
die  Zeit  heran,  welche  den  einschneidenden  Wendepunkt  im  Leben  bildet 
durch  Gründung  einer  eigenen  Familie,  so  hat  die  von  den  Vorfahren  er- 
eil, te  Überlieferung  das  Verhalten  hei  diesem  wichtigen  Schritte  zu  regeln. 
Das  Alltagsleben  bietet  ferner  in  den  verschiedeneu  Lagen  des  Menschen, 
in  seinen  Beziehungen  zum  Nebenmenschen,  zn  den  Tieren,  zu  den  Pflanzen 
und  unbelebten  Wesen  Gelegenheit  genug,  die  vielgestaltigen  Erscheinungen 
nicht  ausser  acht  zu  lassen,  die  in  gesunden  und  kranken  Tagen  sich  au 
den  Menschen  herandrängen,  bis  endlich  das  unabwendbare  Verhängnis, 
dem  alle  Lebewesen  unterliegen,  der  Tod,  an  ihn  herantritt;  jedoch  auch 
nach  dem  Tode  schwindet  das  Andenken  an  den  Dahingeschiedenen  nicht. 
und  so  mancher  Überlebende  kommt  noch  in  die  Lage,  sich  mit  einem 
schon   Verstorbenen  befassen  zu  müssen. 

Dem  Gesagten  zufolge  soll  der  hierher  gehörige  Stoff  gegliedert  werden 
in  Meinungen.  Bräuche  und  Sprüche  bei  1.  Geburt  und  Taufe,  2.  Kindes- 
alter, 3.  Reifer  Jugend,  4.  Verlobung  und  Hochzeit.  5.  Vorkommnissen  im 
alltäglichen  Leben,  und  6.  Krankheit  und  Tod. 

Um  hierüber  ein  möglichst  vollständiges  Bild  geben  zu  können,  habe 
ich  nicht  bloss  meine  eigenen  diesbezüglichen  Sammlungen  benutzt,  sondern 
an  geeigneten  Stellen  auch  die  in  Ignaz  v.  Zingerles  Luserner  Wörterbuch 
(vgl.  diese  Zeitschrift  1900,  Heft  2,  S.  154)  enthaltenen  Aufzeichnungen 
verwertet.  Auf  diese  letzteren  wird  stets  an  seiner  Stelle  verwiesen  werden 
durch  das  Zeichen  Z  mit  beigesetzter  Zahl,  welche  sich  auf  die  Nummern 
im   Anhange  des  erwähnten  Wörterbuches  bezieht. 

1.    Geburt  und  Taufe. 

1.    Bfa-mä   tüat,    bäl-da  börUt  a  Wie    man    thut.    wenn   ein   Kind 

kin:  Di  ggomaw  geat   >n  haus  augvhänio  geboren  wird:  Die  Hebamme  geht  ins 

bet-anar  gryasan  gajöf,  un  -bal-da  is  kent  Haus  mit  einer  grossen  Tasche  um  und 

af   d*>    weit    's    kin.    rixt4-s'-*s   her  süä  sobald  das  Kind  auf  die  Welt  gekommen 

>üa.  un  dena  z$agJt-s;-as  <n  andar  kindar,  ist.   richtet  sie  es  schön  schön  her,   und 

as-d'-arar  sain  an  haus.  dann    zeigt  sie   es   den  andern  Kindern, 

falls  deren  im  Hause  sind. 

Wie  man  den  neugierigen  Fragen  der  Kinder  um  die  Herkunft  des 
Neugeborenen  begegnet  und  denselben  vorbeugt,  steht  bei  Z..  1: 

ßäl-da  is  gebortet  a  kin,    köt-mä  -an  Sobald  ein  Kind  geboren  wird,    sagt 

ändar  kindar,  di  niuatar  hat  g<?nump  "s  man  den  andern  Kindern,  die  Mutter 
kin  durx  an  tfd  von  Üasn  gga  dar  vrau  habe  geholt  das  Kind  drüben  im  Üaschen- 
Pervpga    (oder  Pertega),    bo-da    hat    di      thale  bei  der  Frau  ßerchta,    welche  die 


Von  d  : 


l  I. 


ki'ndar.    bo-da    nö    net    sain    _  borkt    in 
gr^as  •  \  äsar  vol-bet  w.i - 

■_'.    Ba  I -s.i  t »in  an  a  kin:    Di 
mär'    boroat  I  I  »t   's  kin,    a-l 

hat    /.'  saina,    an  dena   sikt-8J  zo  rtiava 
rdtarlaüt.     Bdl-da  se'm  is's  gjvdtar- 
laiit.    di    ggomärj    nimp  's   kin  afn  arm 
un    dena  ak  b^tnandar  ggan  tat" 

zo    nia\a-'s  insrai'm;    dena  glan-sa 
dar    kii'x-      's    g  »vatarlaüt    nioyt    saugn 
bol    du    zo    p«'.a  g  l'-n    ii  ggrSdo,    om- 
Lröm  s<-ii"    s  kin  kint  a  trüt. 

3.  Bal-da  's  kin  is  g<t6al't.  kearn- 
sa  badrum  zo  träga  hüam  's  kin.  I» 
müatar.  bdl-sa  se'm  nvan.  m<i\t-s<  küsan 
d>  hant  ^n  g^vatarlaüt,  on  dena  sizan-sa- 
3J  zo  ti^  /'  esa  »n  vormas  Ödar  >l  tsai 
on  dena  gian-sa  hüam. 

I.    .\   •     ;  .      sp$tar    dar    ggompär<? 
sikt    sal   waib<,    6dar   epar  das  bet-anar 
zuä    pryat    un   an  süan  prok  smalz1)  zo 
träga  's  dar  müatar  von  kin:  wian-J  :  - 
sp$tai    g<  .a    d  i    ggomärc    ö  zo  träga  d 
ziiä  bet  pr$at  un  smalz. 

.").    As-da  's    gwatarlaüt   is   nur.     n- 
vPz*    bäs    zo    träga    CÜ   zuä   boroaln-s'-<n 
gelt    in  an   a  ggärt   im    l§gn-'s   dntar  d 
vSs  von   km. 

6.    's  wail)  <  bo-da  ia  -  »valt   m  str^a 
(padsoläda)    vörtd-s  -    zo    väna   m  vr\\»l 
fin  as-s-v  net  is  g<*w§st  to  m:i\a-s  -  wa 
un    as-s'    hetat    z<*   mü\.a  gian   aus  von 


Kind  m 

. 

W    'i  n    man    ein   K  ind  tau  N      l I  • 
Bebammi 

wie  aicha  gehört,  und  dani  die 

Paten  rufi        5  ind, 

nimmt  die  Hebamme 
Arm.    and    dann    g  alle  mit* 

ander  zum  Priester,    das  K 
zu  las  on  gehen  sie  ; 

Die  Paten  müssen  wohl  a<  h 

lo  recht  zu  beten,    denn  soi 
das  Kind  eine  Trat 

ild   'las  Kind  getauft  ist,    ki 
vir   wieder    zurück,    am  das  Kind  beim 
zu  tragen.     Die  .Mutter  muss,  wenn  man 
dort  ankommt,  den  Paten  die  Hand  kü~ 
und  dann  setzen  sie  sich  zu  Tisch»  .  um 
da-  Mittag-  oder  Nachtmahl  einzunel  □ 
und  dann  gehen  sie    die  Paten    heim. 

Ach;  später  schickt  di  i  Tauf- 

pate sein  Weib  oder  Bonst  jemand  mit 
einem  Handkorb  roll  Brot  und  einem 
schönen  Stück  hinter,  um  es  der  Mutter 
des  Rindes  zu  überbringen;  wenig  rag 
später  geht  die  Patin  auch,  um  den  Hand- 
korb mit  Brot  und  Butter  zu  brii 

WCnn  die  Paten  reich  Bind,  richten  Bie 

Bich(  leid  in  Papier  eingewickelt  her,  und 

anstatt  den  Korb  zo  I  mter 

die  -Falsch'-    Wickelbinde)  de-  Kindes. 

Das  Weih,  welches  ins  Stroh  gefallen 
ist    Wöchnerin  .  fürchtet  sich  eerhext  zu 
werden,    solange    Bie   ni<  ht 
um  sich  aufsegnen  zu  lassen,  and  wenn 


haus  ?pr-epas  zo  tüana,  nimp-s'-ar  das  Bie  notgedrungen  aus  dem  Hau-  heraus- 
bat ir,  Ödar  a  alts  ments  "dar  as  nimp-  geben  muss,  etwa-  zu  thuu,  bo  nimmt  Bie 
ar  a  kin  pa-dar  hant:    äs-s<  se'm  is  lai      sich  jemand  mit,  entweder  eine  alte  P< 


aliia,   nimp-s'-ar  's   waigawasar  un  dena 

yg-s'-ar    a  ürr)asa  pft  um-n  hals,    un 
das-sel  haltet  ht'ntar  ^n  wil 


Da  X.  X.   dlsan   wi'ntar  hat  gahat  an 
pua    un  m   an   täg<?   hat-s^  g^möxt  - 
»n   stal.    z'    s5ga  von  vi^.    umbröm  dar 


.■  nimmt    Btch     ein  Kind  bei  der 

Hand:  wenn  sie  Hort  nur  allein  i-t.  nimmt 
dasWeihwaflser  and  legtsichdann 
um  i\nt  Hals  Bi  t-    B 

kränz,    und  tttzt   vor   \ 

Die  N    N.  gebar  diesen  Winter 
Knaben,   und  eines    I    [ 
dl    gehen,    un 


1)    „Smalz"  bedeutet  „Butter«;   da  ä  hmaJz"  bei  '   mit 

dem  Ausdrucke  _g9s6tats  smalz". 


man    is    rört-g  w$st,    im    8i    hat-ar 

o  ti u in |>  's  w.u.  -u Raar  im  i-  -  --    _  M'im: 

dena  li.ii-s--sap.-ai'  -mump  a  bözD  «m  dj 

f,  dena  bat-s'-ar  g<legg  dm  a  [jr^asa 


zusehen,  denn  ihr  Mann  war  fort,  und 
sie  nahm  Weihwasser  und  segnete  sich: 
dann  nahm  sie  davon  in  einem  Fläschchen 
in  der  Tasche,   feiner  legte  sie  sich  einen 


t    un    is  gant    n  stal  pa  dar  naxt,    an      grossen    Bot-)  Rosenkranz  um  und  s 
dar  wil-  hat-s.  net  gavaaiD.  in  der  Nacht  in  den  Stall,  und  der  Hexen- 

zauber hatte  ihr  nichts  an. 


2.    Kindesaiter. 
Sogleich  kann  man   bei  einem   Kinde  schon   im   voraus  bestimmen,   ob 
es  ein  wohl-  oder  übelgestalteter  Mensch  werden  wird: 

7.  As  -  da- n -a  kin  is  saüla  ?n  di  Wenn  ein  Kind  ist  hässhch  in  der 
wiag<»,    kint-'s   a   süä  ments  an  plaz,    on      Wiege,   wird  es  ein  schöner  Mensch  im 

is    süä     n   di  wlag9,    kint-'s  saüla      Platze,    und    ist's    schön    in  der  Wiege, 
9n  p]az  wird  es  hüsslich  im  Platze. 

8.  's  gaüln  von  kindar:  As  di  kindar  Das  Weinen  der  Kinder:  Wenn  die 
gaüln  vil,  ko'n  di  waibar:  e,  las-sa-sa  Kinder  viel  weinen,  sagen  die  Weiher: 
gaüln.  gge  antanto  as-sa  gaüln,  ggresart-      Ei,    lass   sie  weinen,    denn  während   sie 

n  's  herz.  weinen,  wächst  ihnen  das  Herz. 

Wie  den    Kimlern   etwas  Übles  widerfahren  kann  (Z.,  5—7): 

9.  As-ma  tragg  abas  spat  a  kin  aus  Wenn  man  abends  spät  ein  Kind  aus 
von  haus,  vai»n-"s  ?n  wi'Ls.                             dem  Hause  trägt,  wird's  verhext. 

10.  As-ma  hat-'s  g-plätra  von  an  Wenn  man  die  Wäsche  eines  Kindes 
kin  pa  dar  navt  aus-af-an  weg.,  vai.n-  bei  der  Nacht  auf  dem  Wege  draussen 
's-m   wifcs,  un    n  kin.   bo-ma-'s- m  aleo-g       hat.    wird  sie  verhext,    und  dem  Kinde, 

n  ausge'm  epas  lez?s.  welchem    man    sie   anzieht,    kann  etwas 

Übles  widerfahren. 

11.  As-ma  wiai;  t  a  lera  wlaga,  Wenn  man  eine  leere  Wiege  wiegt, 
kint    bea   an   paux     n    kin,    bo-ma   dena      bekommt   das  Kind,    welches  man  dann 

hineinlegt,  Bauchweh. 

Misst  man,    wie  gross  ein  Kind  sei, 
wird's  Kind  nicht  mehr  grösser. 


drin!  egg 


12.  Mest-ma.  wia  grpas-da  is  a  kin. 

kint-'s  ni\t  mear  yroasar.     (Z.   s. 

13.  Äs-mä    grltlt  Öbar  a  kin.    kint-'s 
nixt  ra^ar  gröasar.     (Z.  9.) 


Schreitet  man  über  ein  Kind  weg,   - 
wird's  nicht  mehr  grösser. 

Wie  man   Kinder  behandelt  und  erzieht: 

11.    In    an    klüan    kin   möxt-m'-ari  Einem  kleinen  Rinde  rouss  man  alles 

ge'm  als.   was    >s  sigg  esan,   sa-nö  pltia-  geben,    was  es  essen  sieht,    sonst  blutet 

tVt-,n  's  herz.     (Z.  10.)  ihm  das  Herz. 

15.  As  mü  zda-lat-saugn  a  juiws  Wenn  man  ein  junges  Büblein  zu- 
puabK  un  ge't-n  net  zo  kösta,  slintet  schauen  lässt,  und  man  giebt  ihm  nicht 
,s  herz.  zu  kosten,  schlindet  das  Herz. 

16.  Di  kindar  mÖYt-ma-s-  pükan  Die  Kinder  muss  man  bücken  (ge- 
(g^wen-n)  juu>,  umbrüm  bal-s*  sain  gr^as,  wohnen)  jung,  denn  sobald  sie  gross 
is-'s  vert-.  sind,  ist's  vorbei. 

17.  As  mä'a  kin  lat  saugn  9n spetsOj  Lässt  man  ein  Kind  in  den  Spiegel 
sigg-'s  m  taüvl.  schauen,  so  sieht's  den  Teufel. 


Von  dem  deutschen  i 


I  1. 


18.    As-da    ausvalt  a  zati    □   an  kin, 
möx-'s-  i)    nenn  >n    an   jukai  ir-'n 

öbar-'n    köpf. 

10.    Bäl-da  ausvalt  ;i  zan    n  an  kin. 
ni(i\-'>-'n     neni-n    un   jükan-  n    m   ■ 
von  ar  maus  an  kö'n:    „Maus,   da  lu-t- 
il  o    n  alt  /.an.  prno-mur  pal  an  naügn!" 

Tüats  a-sö,  kint-  n  pal    a  naüg 
Mi    plaz   vii   di'n   ahn.       /■     I 

t  rian   kindar  äna  zo  wäsa  in  d  i 
kirx,    stiat    usar   li.il"  vrau   \iaiv. >n 
ana  to  sauga-s  Z    H.) 


\\  -lallt. 

muss  i  -  ihi 
hm    vverl 

fällt,    mu-              ü   nehmen  und  ihn 

ein  Mausloch  M 

da    hast    du  den  alten  .   nur 

bald  cren  neu  imml 

ihm   bald   ein  neui  Stelle 
Iten. 

Gehen   Kinder    ui 
Kirche.  80  schaul  sie  unsere  lii 
vierzehn  Tage  nicht  mehr  an. 


Wenn  ''in   Kind  die  Schüsse]  zerbrochen  hat,  sagt  die  Mutter  zu  ihm: 

Jetzt    schöpfe    ich    dii    di  i     Mu*    in 


21.    Est  söpf-i-dar-'s  aus   »n  a  g§lbar 

Das  unreife  Alter  wird  einem   K 

»ehalten : 

2-2.  Du  pist  nö-net  tnikan  hi'ntar  d- 
ium  —  du  pist  im  nas  hintar  di  öarn 
—  du  pist  ii"  a  plödar,  an  »n  plödar 
han-i  nel  lust  to  lüsna  aus  ni\.t. 


einen   Bolzschuh. 

naben  oder  Mädchen  folgendermas 

Du    bist  noch  nicht  trocken  hinter  den 
Ohren        du   last  noch   nass  hinter 
(  diivn  -     du  last  tan    unreife'     Schu 
und    ich    habe    nicht 
Beachtung   zn   schenk*  [horchen 


...    R ei fe  J agend. 
Di,.  Liebe  wird  in  diesem  Abschnitte  vorwiegend  behandelt,  das  Hoffen 
und   Erwarten    das   Fürchten    und  Zagen,    das  Schweben   im   Zweifel,    den 
dann  gewisse   Erscheinungen  lösen  sollen. 

As  -  da    a    juiM    diarn    geat    in  Wenn  ein  junges  Mädchen  nacl 

Pine,    kn'n-sa.    •     -    ■•   zo  pita-n-  ar  an      geht,  Bagt  man.  sie  gehe,  um  sich  einen 
p^al  Geliebten  zu  erbitten. 

Pine  ist  ein  Wallfahrtsort  etwa  1 7,  Stunden  nördlich  von  Pergine 
gelegen,  wohin  die  Bevölkerung  Italienisch-  und  Deutschtirols  gern  sich 
wen, ler.  um  in  besonders  wichtigen  und  schweren  Anliegen  die  Fürsprache 
und  Vermittlung  der  Madonna  sich  zu  erfleh« 

24.    As-da    d<    püaten    senkt    a  p?tfc  Wem  di 

an  piial.   haltn-sa  härta  liabar  un  marin      dem  G<  henkt,  h 

pal»  anandar,  ambröin  di  pet  pintet.  einander  immer  li 

i  inander,  denn  der  Rosenkranz  bind 

Unter  „Rosenkränzlein"  ist  Dicht  etwa  ein  Kranzchen  ron  Rosen  zn 
verstehen,  sondern  die  in  eine  Schnur  gefassten,  oder  meist  gekettelten 
Korallen  zürn  Abbeten  des   Rosenkranzes. 

Auch  Briefe  sind  in  diesen.  Alter  begreiflicherweise  ><-hv  ersehnt,  und 
es  fehlen  auch  hierfür  gewisse  Anzeichen  nicht: 


4  IS 


Bacher: 


20.    A8-da     >    "l-iia\t    ma-yt     'ii  su 
kint  letar. 

2G.  As  -  da  gßat  daz  äbas  a  iärl'ala 
ums  §par  das,  das-sel  rann  letar  >n  tä 
liarna'. 

27.  As-da  függat  's  vaür.    kint  letar 
ödar-da  keman  vremaga  tu  vena. 

28.  Sövl    vfin.    a-be-da    ggreggn    di 
viHar  Mi  ar  diarn,  sövl  ptiaJ  hat  sa.    Z.H.) 


Wenn  das  Ollicht  einen  -Putzen" 
macht,  kommt  Brief. 

Wenn  abends  ein(e)  (Motte)  Schmetter- 
ling um  jemand  her  um  fliegt,  so  erhält 
derselbe    'inen)  Brief  am  Tage  darnach. 

Wenn  das  Feuer  knistert,  kommt  Brief, 
oder  es  kommen  Fremde  auf  Besuch. 

So  vielmal.  wie  einem  Mädchen  die 
Pinger  knacken,  so  viel  Liebhaber  hat  sie. 


Anzeichen  treuer  Liebe  und  Verhalten,  um  sich  diese  zu  sichern: 


29.  La    vero    amör    si   disgiista  sete 

völte:  di  piial-laüt  moxan-sa  darzürnan 
on  dena  wldar  haltn  gearn  si'm  vart, 
un  alöra  haltn -s'-sa  gearn  härta  fin  as- 
sa  ster'm. 

30.  As-da  's  wetar  is  lez,  as  geat 
wint  un  snea,  un  dar  püal  geat  zo 
vna  da  püalan.  haltat-sa-sa  guat,  om- 
brum  si  is  si'xar,  gge  d'-ar  haltat-s«<  gearn. 

31.  As-da  dar  püal  möxt  glan  at- 
d-/  arbat,  un  's  mal  vdr-d'-ar  geat  vort 
(vörtgeat),  geat  zo  vena  &>  ptialan  un 
steat  se'm  fin  spet  pa  dar  naxt,  is  -  sa 
si\ar.  ke  d'-ar  haltat-sa  gearn. 


Die  wahre  Liebe  zerwirft  sich  sieben- 
mal: die  Verliebten  müssen  erzürnt  werden 
(miteinander)  und  dann  sich  wieder  gern 
haben  siebenmal,  und  dann  haben  sie 
sich  immer  gern  bis  sie  sterben. 

Wenn  das  Wetter  schlecht  ist,  wenn  es 
Schnee  weht,  und  der  Liebhaber  geht  die 
Geliebte  zu  besuchen,  ist  sie  glücklich, 
denn  sie  ist  sicher,  dass  er  sie  liebt. 

Wenn  der  Liebhaber  auf  (die)  Arbeit 
gehen  muss,  und  er  geht  am  Abende  vor 
seiner  Abreise  die  Geliebte  zu  besuchen 
und  bleibt  dort  bis  spät  in  der  Nacht, 
so  ist  sie  sicher,  dass  er  sie  liebt. 


32.  As-da-an-ar  diarn  öfr-pintat-ar 
a  hös  odar  's  vürta,  hat-sa  an  sint  dar 
püal. 

33.  En  täga  vö  dan  naüga  jäx  d-< 
ptiaLn  senkt  a  waisas  tüax  *n  püal. 

Zeichen,  welche  Zerwürfnisse  unter  Verliebten  bedeuten 


Wenn  einem  Mädchen  ein  Strumpf  oder 
die  Schürze  aufgeht  (sich  losbindet),  so 
hat  sie  der  Geliebte  im  Sinne  (denkt  an  sie). 

Am  Neujahrstage  schenkt  die  Geliebte 
dem  Geliebten  ein  weisses  Tuch. 


34.  As-da  zw^a  pnal-laüt  haltn  a 
kin  in  d>  tyav  betnändar,  is-'s  in  diflzal », 
as-sa  neniii  anandar. 

35.  As  -  da  a  püal  senkt  a  mesar 
säindar  püabn,  spetar  darzünvn-sa-sa 
un  nem-ui  net  anandar.  umbröm  's  mesar 
hakt. 

36.  As-da  a  diarn  swenzt  an  an 
täg>,  bo-'s  reaw,  hat-sa  zorna  an  püal 
—  oder:  As-da  a  diarn  wäst,  on  an 
täga,  bö-sa  hat  zo  swenza,  as-'s  reüB, 
hat  sa  zorna  -m  püal. 


Wenn  zwei  Verliebte  ein  Kind  zur 
Taufe  halten,  ist's  schwerlich,  dass  sie 
einander  heiraten. 

Wenn  ein  Liebhaber  seiner  Geliebten 
ein  Messer  schenkt,  so  erzürnen  sie  sich 
später  und  heiraten  einander  nicht,  denn 
das  Messer  schneidet. 

Wenn  ein  Mädchen  schwänzt  (rein- 
wäscht) an  einem  Tage,  an  dem  es  regnet, 
so  hat  sie  ihren  Liebhaber  zornig  —  oder: 
Wenn  ein  Mädchen  wäscht,  und  am  Ta#e, 
wo  sie  reinwaschen  muss,  regnet  es,  so 
hat  sie  ihren  Geliebten  zornig. 


Von  dem  deutschen  1 1 


II  l 


37.    As-da    a  dfarn  limargeat  an  hat  Wi       eil  Mädchei   beim  Umher 

aug^k&ui  d'  padana  von  gg 


zorns  .'li  ptial. 

\-i;i-n-;i   pUa   bokent     n  l 

naüga   jär   an    alta    waitw,    bat-ar    kuä 
_  dük  spezialments  ?n  gjpüala. 


stUl] 

Wenn    «'in    Ba 
einem  alten  w 
•  ilück,  i  esond 

Dass  aber  übertriebene,    masslose   Liebe  nicht  Bchon  den  Himmel  für 
alle  Zeiten  in  Bich  schliesst,  besagt  folgender  Spruch: 

39.    's    galeka    geat     o    gvdreka.    —  Das    Bich)  Li 

\ s<    lekan    gär   zo    ?il,    darsaurt-'s  Wenn  sie  sich  gar  zu  viel  1< 

spftar. 


u na  •  sauer. 


4.    Verlobung  und  Hochzeit, 

Wie  schon  im  •">.  Abschnitte  mehr  oder  weniger  deutlich  bei  den 
Sprüchen,  die  sich  auf  die  Liebschaft  beziehen,  die  Absicht  and  Aussicht 
auf  Ehe  hervortritt,  so  dass  eine  leere  Liebelei  ausgeschlossen  erscheint, 
so  ist  ^tatsächlich  das  Sinnen  und  Trachten  der  meisten  jungen  Leute  — 

man  kann  sagen:  aller,  die  überhaupt  eine  Liebschaft  haben  --    aufdi 

ersehnte  Ziel  irdischer  Glückseligkeit  gerichtet.    Was  Wunder  daher,  wenn 
Sprüche,  die  auf  diesen  Gegenstand   Bezug  haben,  die  als  Orakel  zur 
hüllung  der  Zukunft  dienen,  nicht  in   Vergessenheit  geraten  Bind. 

Eine    günstige  oder  ungünstige    Aussicht  auf  Ehe  und  den  mehi 
weniger    nahegerückten  Zeitpunkt    derselben  erkennl  man  auf  dem: 


4d.    As-mä    kfrt    vorS    <n    an    püa, 

1  jär  borat-t-ar-s-  net. 

41.    As-da  geat  a  dtarn  iH-'ii  a  haus 
un    as-m'-ar   züakert  bet-'n  pfsom,    bo- 

i  ät  »t-s-'-s  i  aet  das-sel  jär. 


Wenn  man  vor  einem  Barschen  keim 
(mit  dem  Besen  .  bo  verheirab 
mi  selben  Jahre  nicht. 

Wenn  ein  Mädchen  in  «'in  Haus  hin- 
eingeht   und    man   kehrt   mit  d.  m   I  • 
gegen    Bie,    bo    n  rh<  iratel  im 

selben  Jahre  aicht. 


42.    Bal-da   di   jui.ai    laut    h^arn    n 

gguggo,  hdggn-sa  stark  un  kü'n:  „Ggiiggo  hol   n,  rufen  si    laut 
basüggo,    fiöl  del"  päw   züggo1  .    BÖI  amenVal 

una  bona   mära:    quanty  a,w  mi  det-t< 

da    maridäre?"    an    döna    z.dn-sa    btavl  du  mir   bis)  zur  ^ 

värt  d'-ar     ■..      t,    un  kS'n,  sa  stäan  ....  zählen  sie,  wie  oft  er  ruft,  und 

sövl  jär,  vdr-sa-s^  boratn;  an  as-ar  nix«  büeben  noch  Jahre  am 

miar  ggugg.t,  bal-sa  nSlasan  zo  vörsa,  una  wenn  er  oiebt  mehr  ruft, 

kö'n-s'-sa  borätn-sj  nö  das-sel  jär,  Ödar  zu  fragen  aufhören, 

s,  borätn-s,  nia.  Giraten  sich  noch  im . 

sie  verheiraten  sich  nie. 


1)  zueco,  italienisch,  eigentlich  Kürbis. 

2)  Italienische  Schriftsprache:  quauti  anni  mi  dai  tu. 
Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    1001. 


Bacher: 


43.    As-d'-a  diam  lat  sia'n  's  wasar, 
nii/t  z'  spüala  au,    Mi  das-sel  jär 

hc.r.it  -l->  ->'  oet.     (/..   12.) 

•I 1.    As-da  a  diarn  ~i<ai  süä  an  petn 
oratar,  inöx-sa  nein  m  an  saülan  man: 
- .    st^al    saüla,    mä\lt  -  s.    an    siian 
man. 

45.    As-da-n-a    diarn  v!l  slöt^rt1)  an 

vil    darnezt-s<.     bäl-SJ   wäst.     mav.l'-s<  an 
baraba. 


Wenn  ein  Mädchen  das  Wasser,  das  sie 

zum  Spülen  braucht,  sieden  lässt,  so  ver- 
heiratet sie  sich  im  selben  Jahre  nicht. 

Wenn  ein  Mädchen  mit  den  Finger- 
ringen schiin  erscheint,  muss  sie  einen 
hässlichenMann  nehmen  (heiraten):  wenn 
sie  hüsslich  erscheint,  heiratet  sie  einen 
schönen   .Mann. 

Wenn  ein  Mädchen  viel  (Wasser) 
schüttet  und  sich  viel  nass  macht,  wenn 
sie  wäscht,  bekommt  sie  einen  Sanier 
als   Mann. 


Die  Zeit  von  der  Verlobung  bis  zur  Hochzeit: 

4(J.  As-da  a  noviza  limargeat  a!ua 
pa  dar  naYt.  kint-s<  enstriart. 

-17.   A  lüstaga  noviza,  a  trauraga  spüsa 
-  a  träuivga  noviza,  a  lustaga  spüsa. 

48.  Bal-mä  sait  noviza.  bent-mä  halba 
aarat. 

19.  Di  noviza  senkt-an  novizo  di 
spüs-fgat;  er  ir  senkt-ar  's  spüsvürta,  di 
äua  un  's  hals-tüax. 

Der  Hochzeittag: 

50.  En  taga,  bo-sa  maxi  n),  stlan-sa 
au  an  aldar  vrua  an  gfan  an  da  kir.\  zo 
pdixta-sa  un  zo  borixta-sa;  dena  kearn- 
s*  badrum  an  iaglas  gga  sain  haus,  un 
uian  odar  sikan  to  rüava  an  laut,  bo-da 
sain  galädat  ggan  hgasat.  Dena  bal-'s 
rif't  tu  laüta.  dar  novizo  un  d-;seln,  bo- 
da  sain  galädat  ggan  hgasat,  gfan  zo 
aema  da  noviza.  Bal-sa  vört-gian  von 
haus  vö  dar  noviza.  sal  muatar  gi't-an 
's  waigawasar  aln  poa'n,  un  dena  gian- 
ii  d-*  kir^.     Intanto   äs-sa  sain  in  an 


Wenn  eine  Verlobte  zur  Nachtzeit 
allein  herumgeht,  wird  sie  verhext. 

Eine  lustige  Braut,  eine  traurige  Gattin 
—  eine  traurige  Braut,  eine  frohe  Gattin. 

Wenn  man  im  Brautstande  ist,  wird 
man   halb  verrückt. 

Die  Braut  schenkt  dem  Bräutigam  das 
Hochzcithemd:  er  schenkt  ihr  die  Hoch- 
zeitschürze, die  Schuhe  und  das  Halstuch. 


Am  Hochzeittage  stehen  sie  auf  in  aller 
Frühe  und  gehen  in  die  Kirche  zu  beichten 
und  zu  kommunicieren;  sodann  kehren  sie 
zurück  ein  jedes  in  sein  Haus  und  gehen 
oder  schicken  die  Leute  zu  rufen,  welche 
zur  Hochzeit  geladen  sind.  Sodann,  wenn 
es  das  letzte  Mal  läutet,  gehen  der  Bräuti- 
gam und  die  zur  Hochzeit  geladenen  Gäste 
die  Braut  abzuholen.  Sobald  sie  vom  Hause 
der  Braut  fortgehen,  giebt  (ihnen)  ihre  (der 
Braut)  Mutter  das  Weihwasser  beiden,  und 
dann  gehen  sie  in  die  Kirche.  Während  sie 
da  kiry  is-da  epar  üandar  borgatnt  an  in  der  Kirche  sind,  ist  der  ein  und  andere 
plaz  tu  siasa.  bereit,  auf  dem  Platze  zu  schiessen. 

Die  Kleidung  der  Brautleute  bietet  nichts  Besonderes;  es  wird  das 
Festtagsgewand  getragen,  welches  an  anderer  Stelle  erwähnt  werden  soll. 
Die  Braut  trägt  nicht  Kranz  und  weisse  Schürze,  wie  bei  den  Hochzeiten 
auf  dem  Lande  in  Deutschtirol. 

51.    As    d'a   BpÜsa    n   ta"  von  hgasat  Wenn  eine  Braut  am  Hochzeittag  ein 

hat  a  swarzas  gawänt.  wil-'s  mdanan,  sa      schwarzes    Kleid    anhat,    bedeutet    dies, 
hä'm  küä  i^lük.     (Z.  13.)  dass  sie  kein  Glück  haben. 

1)  slötarn  =  beim  Waschen  ringsum  mit  Wasser  bespritzen,  aus  Übereilung  oder 
Unachtsamkeit  Wässer  verspritz«!!,  nass  machen. 


Von  dorn  deutschen  Grenzposten  Lusern  im  • 


I.M 


52.    Bal-sa    s;iiii    g  ni.i\li,    kdarn-sa  ren  die 

badrurn  dd  spüslaüt  un  ala  dasein,  bo-da      Brautleute  und  alle  jene,  di 

hatten,  wieder  zurlick,  and  wo  der  W  i 

ist,  Rnden  sie  den  Zaun  auf- 
crerichl 


aain  ganl  bei  iman  ändar,   un  bö-da  dar 

W$ga     i-     das    ''iar-t'.     veiiMi-sa    bor^atat 
Ml   zau. 

.")."..     En     /.au    ma\an-s-  n    bei    Man  Mi. 

püaman  un  als  bäs-8a  aain  güal  tu  j 
züar,    un  darsei,    bo-da   vüarl  da  spüsa, 
raöxt  iiusni'iii  n  an  zaü  un  vört-jukan  als, 
us-sa  roögn  pasarn. 

54.  Is-da-n-a    spüsa    slipfl    danfdar 
n  tau »,   bö-s    m. i  vlt.    kö'n-sa,  ke  s  i  bat 

kuä  g  lük. 

55.  Dena  gian-sa  an  hau-  vö  dar 
spüsa  /.'  esa  -n  vörmas,  an  dena  stlan- 
sa  si'in  lin  da  drai. 


Den  Zaun    mach!    man   mil   Stai 
Baum  Strünken    and  allem,  was  mau  her- 

aschaffen  imstande  i-!.  und  der  Braut- 
führer  muss  den  /aun   wegräumen 
alles  fortwerfen,  damit  sievorüber  körn 

Wenn  eine  Braut  am  Tage  der  !  I 
zeil  niederfällt,  sagl  man.  sie  habe  kein 

( rlück. 

Sodann    gehen    sie   in  das  Hau 
Braut,  das  Mitlagmahl  einzum  hmen,  und 
bleiben  dorl  bis  drei  Uhr. 


Bei  diesem  Mahle  wird  je  nach  den  Vermögensverhältnissen  gut  und 
reichlich  aufgetischt.  Die  Art  der  Speisen  biete!  aber  nichts  Besonderes, 
weil  es  dabei  etwas  vornehmer  hergehen  soll,  also  eigentlich  lusernische 
Küche  ausgeschlossen  wird.  —  über  die  Nahrung  der  Luseruer  und  die 
Zubereitung  und  Namen  der  Speisen  boII  an  anderer  Stelle  eingehendere 
Erwähnung  geschehen. 


56.  Bal-'s  is  pal  <  da  drai,  Ifgn  -sa- 
s  i  ,/n  weg '  tu  giana  huam,  an  bal-da 
da  spüsa  grttast  saina  laut,  hfft-sa  B  to 
gaüla,  un  da  andarn  läxan-sa  aus.  un 
dena  gfan 

57.  Bäl-da  sain  draiza  laut  ggan  an 
huasat.    stirbat    uäs   vö  dan-seln  dräizan 

\or-da   aus    is   's  jär. 

58.  I'.iil-ila-s'  boratal  a  witovar  Ödar 
a  witova,  da  kindar  un  lai  tfabas  a 
gryasa  dlarn  ö  mäggn-an  nii  da  fanan 
un  lasan  not  na.  lin  as-s'-an  nel  gs'in 
/.   esa  un  zo  trinka. 

59.  Bal-da  da  spüslaüt  sain  huam 
(an  haus  von  spüs),  da  spüsa  mü.vt  - 
voräna  in  pa  ttir,  un  af  da  tür  vint-sa- 
du  an  po>om  an  si  mü\t-m  äuneman 
un  lögn-Mi  äf-ana  sait,  an  dena  möxt- 
sa  küsan  ala  dasein,  bo-da  sain  an  haus. 
Dena  sizan-sa-sa  zo  tis  im  esan  da 

60.  Bal-sa  häni  gest,  siiaan-sa  un 
trinkan  un  sain  lust;  fin  spet  pa  dar 
naxt;    dena    da  vraünt  un  d^  tseln  [ 


Wenn  es  bald  drei  Uhr  ist,  inachi 
sich  auf  den  Weg  heimzugehen,  and  wenn 
die  Brau!  von  den  EhrigenAbschied  nimmt, 

mit    sie    ZU    weinen,     und    die   an<i 

lachen  sie  aus,  und  dann  gehen 

\\  ,,,,.  dreizeh  Pei  sonen  bei  ein«  r 
Hochzeit  sind,  stirbl  eines  dieser  drei- 
zehn im  Laufe  eines  Jahres. 

\\ ,  ,;,,  ein  W  itwer  oder  eine  Witwe 
beiratet,  ächlagen  die  Kinder  und  wohl 
auch   manches  erwachsi  u<    Mädchen  auf 

neu     und     hören     damit      nicht    auf, 
bis  ihnen    zu    essen    und    zu 

trinken  geben. 

Wenn  die  Brautleute  heim  i  im  1 1 
des  Bräutigams    sind,  muss 

zur  Thur  hineingehen,    und  an  der 
'l'liür  findet  sie  einen  Bi  :  sie  muss 

ihn  aufheben  und  ihn  irgendwohin  stellen. 
und  dann   muss  sie  alle  jene  kü 
im  Hau-'  sind.     Sodann  -  tz<  ■  sie 
zu  Tische  und  essen  das   Nachmahl. 

Wenn  sie  gegessen  hai 
und    trinken    und   sind   fröhlich   bis  spät 
in  die   Nacht    hinein:    sodann   gehen  die 
:;! 


152 


Schukowitz: 


hiiam,  un  cU  spflslaüt  gian  zo  vena  d<> 
laut  \n  dar  Bpäsa,  un  denn  keurn-sa 
•    .11:1111   liiiam. 

61.  Hiil  -  da  a  natigss  pär  spOsan 
gian  in  <<n  a  haus  du  earst  vSrt,  möxan- 
su  tietn  dbar'-n  pDsom:  alora  kenwn-s«? 
net  rastriart     (Z.  14.) 

<'>•_'.    Das    wal»><    £*p<;i    von    spüsan 

:ln;ist: 

Vita,  doltsesa  quatördase  dsörni;  a 
in  speriamo  fiiigge  viviamo;  mTsere  noi: 
debite  e  fiöi! 

63.  As-da-n  a  spüsa  hat  <m  «roas 
zearn  klttanar,  bäs  dm  andar  nldar  na, 
steat-sa  witova  pal'. 

G4.  As  -  da  -  n  a  wailv  äbazlag^t  's 
späsgdvnorat,  dartrinkt-ar  dar  man. 

65.  Da  earst  na\t,  bo-da  zwQa  juia; 
bonitat*  laut  gian  z  slava,  kö'n-sa,  gge 
das -sei,  bo-da  darlöst  's  liaxt  da-sel 
na\t,  stirb- 't  pel  r. 


66.    D>    earstn   wöxan  döpo  g<?rnäxlt 
hpast-niä-s.?  kütarwoxan. 

Unterfennberg  bei  Margreid  (Südtirol) 

(Fortsetzung  folgt.) 


Verwandten  und  Freunde  heim,  und  die 
Brautleute  gehen,  um  die  Angehörigen 
der  Braut  zu  besuchen,  und  dann  kehren 
sie  wiederum  heim. 

Wenn  ein  neues  Brautpaar  das  erste 
Mal  in  ein  Haus  eintritt,  müssen  sie 
über  einen  Hesen  schreiten:  dann  werden 
sie  nicht  verhext. 

Das    walsche    Gebet   der    Brautleute 

lautet: 

Leben,  Süssigkeit  vierzehn  Tage;  auf 
dich  hoffen  wir,  so  lange  wir  leben;  o 
wir  arme:  Schulden  und  Kinder! 

Wenn  eine  Gattin  die  grosse  Zehe 
kleiner  hat,  als  die  Nebenzehe,  wird  sie 
bald  Witwe. 

Wenn  ein  Weib  den  Trauring  abzieht 
(abstreift),  ertrinkt  ihr  der  Mann. 

Wenn  in  der  ersten  Nacht  zwei  junge 
verheiratete  Leute  schlafen  gehen,  sagt 
man,  dass  jenes  (von  beiden),  welches 
das  Licht  in  derselben  Nacht  auslöscht, 
früher  stirbt. 

Die  ersten  Wochen  nach  der  Hochzeit 
heisst  man  Flitterwochen  (—  Lachwochen). 


Das  Kellerrecnt 

Mitgeteilt  von  Dr.  Hans  Schukowitz. 


Die  Herbergsitten  und  Gastgeberbräuche  fussen  in  ihren  ältesten 
Traditionen  zum  grossen  Teile  in  den  Dorfordnungen.  Ich  teile  im 
folgenden  ein  Kellerrecht  vom  Jahre  1614  mit.  Es  ist  auf  Pergament 
geschrieben,  in  einen  metallenen  Rahmen  gefasst  und  wurde  bis  in  die 
siebziger  Jahre  in  den  gräflich  Kinsky scheu  Kellereien  zu  Matzen  im 
Marchfeld  aufbewahrt.  Heute  befindet  sich  das  Manuskript  in  meinem 
Besitze.  Volkskundlich  und  sittengeschichtlich  ist  es  von  AVert,  insofern 
mau  hierin  eine  Quelle  eines  Teiles  der  noch  heute  im  niederösterreichischen 


Kellern«  \:,:\ 

Weinland  äblichen  Wmzersitten  vor  Bich  hat.  Vuch  rechtsgeschichtlich 
mag  es  interessant  erscheinen  als  volkstümlicher  Kommentar  zu  den  alten 
„Wirtsgesetzen"  and  „Schankknechtordnungen".  Grimm,  Deutsches  Wörter- 
buch, Bd.  V  [von  K.  Hildebrand],  Sp.  520  Kellerrecht:  Rech!  und  Gewohnheil 
eines  öffentlichen,  herrschaftlichen  Kellers.) 

Keler-Recht, 

lurch  Schickhung  tmtis  des  allmächtigen  und  durch  R 
liehen  Oberkhaiten    ist    festgesetzt  und  worden  and  allhir  in 

schafft    zu  Mazzen    in  Nieder  Ostreich  zur  Dafürhaltung  i-t   ansgehäni  khl 
Darnach  sein  alldort,  wo  Moßth,  Jungwein  und  Allurin  aufbewahrt  Bein  i    I 

vorwehrt  und  verhothen.   wie  folget:   v  t  t 

Zum  Erst:  Daß  keins  allhir  sein  Bandt  erhob  zum  Schwur1    an  in  puncto, 

dal',  man  die  Wahrheit  will  beschwören  oder  sein  ehrlich  Gcbahrung 
testiren  oder  KJiauff  und  Verkhauff  miteinand  abthue.  Ewer  Kedi 
und  nein  und  was  darüber  sey  von  Falsch!  spricht  der  Ber  Jhesu.  und 
Wahr  ist  allein  im  Wein  und  Lug  und  Trugh  sein  nit  drein  Deßohn- 
ht  sey  es  kein  Widter  Recht,  so  Eyns  Bandtschlag  göh  am  Gebindt, 
daß  himit  sein  Mansehr  woll  bezeigen.     Merk  es  wohl! 

Zum  Ander:  Daß  keins  allhir  Schlecht-   sin   und   redt  allein  oder  mit  andern.     Dei 
algegenwertig  Gotl    ist  wahrhaft    in    dem  Wunder  Kelch  des  Altai 

and   schawei  Alls,    so  auch  im  Unstern  Keler  geschiecht     Merk  das 
wohl! 

Zum  Dritt:   Daß  Eyns  hir  kein  Wörtl  fluecli  oder  sakramentire  weder  bei  Arl 
noch  bei  Trunckh,  sey  es  im  Preßhoff8    beim  Jungwein,  Bey  es  im  i 
haus-),    sey    es   beim  Altwein  im  Areckh*),    noch  im  Weil 

äten    hat  Brodt    und  Wem  und    darumb    ist   die  Ackhererd 

eihet   und    ihr  Frucht  gebenedeyt,    so  sie   hervorbringet.     Merl 
wohl! 

Zum  Viert:    Mög   Nimandi    Ungezucht    treiben    zwischen    den    Gebindt    oder    im 
Baissen6).     Ob  Maus,  ob  Weibspersobn  sein  gleich  strafffellig.     D 
es    ledtig  Leyt.    sollen   sie  mit  KJöhrruthen7    gezüchtet  oder  w 
zu  Handten    sein,    geschlagen    werden    und  gleich  wie  die  räudtig  Hundt 
mag    man    sii     austreiben.     So    der  Berr  Jhesa    thatt    mit    den   laih 
Judengezicht    in    sein   hailig  Thempl.     und  rsohn  alll 

braucht  das  ehlicb  Gemachl,  seye  ihr  Pruchl 
ehrenthugendthafft    Ehgelöbnuß    Bey   verwischel  für  all  Gezeithen. 
wohl! 

Zum  Finllt:    Soll  alsamb  ein  jedt  wißen,    wie  schandthaffl 

Eyns    sich    über  Maßen   besaufl  en  unvernunffl 

das    da    kein  Zyl    khennet    und  Maaß.     Wißl  göttlich   M 

hab  gehungert  und  gedurst.     Merkt  es  wohl! 

1)   Vgl   Birlinger,    Aus  Schwaben  1874   II,  -   -')  Preßhoff 

3)  Göhrhaus  =  Vorkeller.  Gärraum.    -      1    Areckh      Kellernebenrauro.  - 
Weingarten.  Weinberg.  -  6)  Halssen      Kellerhals,  0  f 

=  Weinsatz.    Die  Kleeruthe  (Klörruthe     ist  ein  Kellerwerkzeug,   mit  dem  die  uberflü 

Weinhefe  ans  dem  Fasse  gestrichen  wird. 


I."i4  Schukowiti:  Das  Kellerrecht. 

Zum  Sechst:  Daß  den  Reiher  oimals  Geitz  and  ander  Gelusl  bestricken.  So  Eyner 
in  Labtranckh  erbit,  göb  er  Ihm.  Ein  gastlich  Wohlthatt  gesegnet  der 
Almechtig  Gott,  daß  Theurung,  Mißerndt  und  Bangernoth  fernbleibt.  Und 
wo  imer  Blathsfreindi  und  Bekhennt  zum  gutt  Tranckh  beisamb  sein, 
mögen  lastig  und  in  Eren  sie  sein,  fridlibendt,  keins  ohrblaßen,  Zankh 
und  Flueeb  und  Meineid  wohl  beiseytlaßen,  unehrbar  Gerödt  weidlich 
meiden.  Sie  sollen  achtung  hau,  wie  Unser  Her  Jhesu  friedsam  b  mitsein 
Jünger  das  letzt  Abendtmahl  gegeßen.     Merkt  das  wohl! 

Zum  Simbt:  Hast  ein  theur  Gasth,  gib  ihm  ein  gutt  Trunekh  und  Sprech':  Gesegne 
es  dir  Gott  und  sein  Hailing!  Und  verkürtz  ihn  nit,  so  er  dir  wohl  be- 
khennt und  zu  letz  reich  ihm  von  dein  Best1)  und  sprech:  Lob,  solang 
mein  Best  gelobt!  Nimals  fall  es  aber  ein  Gast  bei,  so  ihn  die  Neygird 
peinigt,  ohn  vnbefuagt  Erlaubnaß  an  frembd  Gebindt  zu  klopfhen,  weillen 
er  will  willen,  was  vol,  was  nit.  Des  beriembt  sich  kein  honett  Man 
oder  Weib.     Merks  wohl! 

Zum  Acht:  Magst  du  nit  jeden  Gast  ohn  Unterschidt  von  all  deinen  Faß  verkosten 
lasen.  Das  zimbt  nit.  weckhst  sonst  Neidt  und  mißrath  dir  dein  Baugueth. 
Merks  wohl! 

Zum  Newnt:  Verneidt  aber  nit  dem  Frembd  ein  Gasttrunckh,  auff  daß  nit  Armen- 
iluech  dein  Vih  und  Hausstandt  vermidt2).     Merk  es  wohl! 

Zum  Zehent:  Sollst  kein  Stundt  gestohlen  Gutt  in  dein  Kcler  verborgen  halten. 
Es  ist  ein  Aaß  und  verpesth  dein  ehrlich  Leib.     Merk  es  wohl! 

Zum  Elfft:  Nimb  nit.  so  Naschsucht  dich  verfüren  wil,  von  frembd  Weinbern. 
Gestohlen  Wein  vergingt  ein  lüstern  Zung.     Merks  wohl! 

Zum  Zwölfft:  So  ein  verfolgt  Mensch  fliht  auf  Weinbergrundt  und  Kelterbann3), 
mag  er  Schutzrecht  han  und  thu  ihm  nichts!     Merks  wohl! 

Zum  Dreizehent:  Soll  der  Kelher  fleißig  Achtung  haben,  daß  aljar  der  Sant  Urbani 
Trunekh  gescheh4)  und  der  Sant  Johannes  Mintrunckh  in  all  Gebindt  ein- 
gegoßen  wirdt6)  und  mag  söhen,  in  puncto  Gsundtkosthen6),  daß  nit 
sonderlich  vil  vergaidt  wirdt. 

Zum  Virzehent  und  Endt:  Soll  ein  jedt  Kelher  und  Pressjunkhcr  behuetsamb  sein 
mit  dißer  edl  Gottes  Gab.  Soll  nit  leicht  die  Benediction  eines  Pfaff 
hindterlich  wegschüben,  so  ihm  Genadt  bringhet  und  Sögen.  Soll  sich 
imer  und  jedter  Zeyt  den  golden  Spruch  der  hl.  Schrifft  vor  Aug  und 
Sin  halten,  der  also  laut:  Accipite  et  bibite  ex  co  omnes!7) 

1)  Den  ältesten  Wein  nennt  der  niederösterreichische  Winzer  seinen  „Besten"  und 
pflegt  hiervon  bloss  guten  Freunden  kosten  zu  lassen.     (Mannersdorf,  Pyrawarth,  Hadres ) 

2  Ein  unter  dem  Winzervolke  um  Gumpoldskirchcn  bei  Wien  gebräuchliches 
Sprüchwort  lautet:  Verntnd  "n  andern  net's  Glasl  am  Mund  —  Kriagst  a  feists  Wamparl 
—  Bleibst  pumparl  g'sund! 

3)  Kelterbann  =  Bannkreis  des  Kelterraums. 

4)  Der  beil.  Bischof  Urban  ist  Patron  der  Weinernte.  An  seinein  Tage  (25.  Mai) 
wird  dem  Hausgesinde  ein  doppelter  Festschoppen  vorgesetzt.     (Um  .Matzen  und  Hom.) 

."»)  Am  Festtag  des  hl.  Johannes  (27.  Dezember)  pflegt  die  Kirche  Wein  zu  weihen, 
wovon  der  Landmanu  teils  dem  Hausgesinde  verkosten  lässt,  teils  in  jedes  Fass  des 
Kellers  giesst.  Über  Jobannissegen,  Minnetrunk  siehe:  Birlinger,  Augsburg.  Wörterbuch, 
München  1864,  S.  419  f.    Schindler,  Bayer.  Wörterbuch  l2,  1206.  1617. 

6)  Des  Gastes  erster  Trunk  gilt  dem  Wirt  als  „G'sundtnmk",  des  Wirtes  letzter  als 
Gsundtruuk"  des  Gastes.     [Regel  im  n.-österr.  Weinlandc.) 

7)  Matth.  XXVI.  27.  Es  gilt  als  bobe  Ehre,  der  Kirche  den  Messwein  spenden  zu 
dürfen.     (Stillfried.1) 


Höfli  r:  Die  II  Icn. 

Der  liebe  getbreue  Gott,  dei  vrerleihe  und  göbe  durch  Christum  J 
ainigen  Erlößi  r  and  Seeligmac]  i  göttlich  Hülfl 

KLeller  Recht    lesen    und    wohl    verstehn,  Itlich  dti  und 

Zeytt  des  Löhens  befolgen,  so  rei  hl  und  sittij 

M.i/./on  am  Set.  Johannia  I  im    161  I 

1 1  i'az  In   Steiermark. 


Die  Hedwig -Sohlen. 

Von  Dr.  Max  Bttfler. 

Mit  Tafel  VI 

Eines  der  interessanteren  volkstümlichen  Gebildbrote  ist  das  in  Bn 
Neisse,  Trebnitz  und  anderen  schlesischeu  Orten  für  den  L 7.  Oktober,  den 
Tag  der  beil.  Hedwig,  gebackene  und  von  den  Pilgern  zum  Grabe  dieser 
Heiligen  in  Trebnitz  gekaufte  Gebäck  „Strumpf-Sohlen",  auch  „Hedi 
Sohlen"  genannt,  dessen  Abbildung  Fig.  1  I  beigegeben  ist.  IM*'  heil. 
Hedwig1  .  welche  häufig  barfüssig  mit  einem  Paar  Schuhe  in  der  Hand 
abgebildet  wird,  starb  1243  als  Herzogin  von  Schlesien.  Nach  ihrer 
Legende  soll  sie  dieses  Sohlengebäck  in  Breslau  als  Vrmenspende  gestiftet 
haben2),  welches  heute  den  Sonntagsbissen  der  ärmeren  Bevölkerung  in 
Trebnitz  und  in  der  Grafschaft  Glaz  bildet.  Es  ist  dies  ein  Baches,  zäh- 
teigiges, fettes  Hefenteig-,  auch  Honigteig-Gebilde,  welches  die  Form  einer 
fussblattartig  abgeschnittenen  Schuhsohle  "der  eines  ausgetretenen  Frauen- 
strumpfes  hat. 

Bei  den  volksüblichen  Gebildbroten  vereinigen  sich  nun  nicht  selten 
zwei  sonst  selbständige  Opferformen;  dieses  Gebäck  wird  die  Um- 
wechselung  oder  Ablösung  einer  älteren  Schuhsohlen  spende  in  natura 
sein,    in  Vereinigung    mit    einem    Brotopfer    Opferfladen).      I>  Bich 

dabei  um  ein  herkömmliches  Totenopfer  handeln  dürfte,  erhellt  wohl  aus 
verschiedenen  Momenten.  Vor  allem  wallfahren  die  Pilger  zum  „Grabe" 
der  Heiligen;  weiterhin  fällt  der  Heiligentag  zwischen  St.  Michael,  der 
germanischen  Totenfeier  (s.  Ztschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde  1901,  S. 
und  Allerheiligen,  der  christlichen  Totenfeier.  So  wie  man  die  Fiscbzinae 
in  Brot-Zinsfischen  abtrug,  so  konnte  auch  eine  ältere  Sohlenspende  auch 
einmal    in    der  Form    eines  Sohlen-Gebildbrotes    an    die  Armen    erfolgen. 

1)  Der  Wirksamkeitsglauben,   der   an    verschiedenen    schlesischen  H 

hattet,  hat  wohl  seinen  Ursprung  im  Seelenkulte.    Die  lil  Hedwig  übernahm  als  Kalender- 
heilige viele  Volksgebräuche  des  schlesischen  Volkes,  namentlich  ans 
liehen  Totenfeier. 

2)  Die  in  den  „Bildern  der  Hedwigs!  gende"  vonWol&kron  1846  abgebildet 
brote  zeigen  diese  Sohlenform  nicht. 


i;„.  Höfler: 

Die  meisten  älteren  Arnaenspenden1)  aber  knüpfen  sich  qu  der  Allerseelen- 
oder Totenkult  an  (Homeyer,  Der  Dreissigste  1864  8.  138.  159),  und  gewie* 
bestand  in  frühesten  Zeiten  schon  die  Tendenz,  ältere,  heidnische  Toten- 
opfer  und  Beigaben  ins  Grab  in  irgend  einer  Form  abzulösen  und  in  eine 
christliche  mildthätige  Art  umzuwandeln  unter  symbolisierender  Beibehaltung 
der  ursprünglichen  äusseren  Form.  Solche  Umwandlungen  von  Opfergaben 
in  solche  aus  Teig  sind  ebenso  häufig  wie  die  in  Wachs  oder  Eisen.  Bei 
Armenspenden,  die,  wie  gesagt,  sehr  häufig  mit  dem  Toten- (Armeseelen-) 
Kulte  zusammenhängen,  ist  die  Umwandlung  einer  herkömmlichen  Opfer- 
gabe in  eine  solche  aus  Brotteig  ohnehin  sehr  naheliegend  und  begründet. 
Dass  aber  Schuhe  eine  Armenspende  waren,  erhellt  aus  einer  Testaments- 
yerfügung  vom  Jahre  1554,  wonach  die  Kirchengeschworenen  zu  Hamburg 
bei  St.  l'eter  sollen  „alle  jar  jegen  Michaeli  (also  zur  Zeit  der  germanischen 
Totenfeier)  vor  teyn  marck  Lübsch  (lübeckscher)  jarlicher  renthe  gades- 
schoe  (Gottesschuhe}  mit  enckelen  salen,  wo  tho  Hamborch  gewontlich, 
so  vele  man  dar  thor  tydt  darvor  kopen  kau.  bestellen  und  maken  lathen" 
(Schiller-Lübben  11.  129).  Auch  in  Basel  fand  am  St.  Lukastage,  ebenfalls 
in  der  Zeit  der  herbstlichen  germanischen  Totenfeier,  eine  Spende  der 
Lukas-Schuhe  an  die  armen  Schüler  statt  (Schweizer  Idiotikon  III.  1254). 
Was  einstmals  dem  heidnischen  Toten  gebührte  oder  gegeben  wurde,  er- 
hielten später  die  armen  Seelen  oder  die  Armen  zur  irdischen  Leibesnot- 
durft. Jedenfalls  ist  die  Spende  wirklicher  Schuhsohlen  an  die  Armen  an 
anderen  Orten  bevorzugt.  —  Nun  heisst  im  Hennebergischen  das  Trauer- 
oder Totenmahl  noch  der  Totenschuh,  wenn  auch  ohne  Schuhspende,  so 
doch  sicher  in  Erinnerung  an  das  alte,  beim  Tode  gebräuchliche  Opfer 
von  Schuhen.  Der  Brauch  war  allgemein  in  Deutschland  und  auch  bei 
den  germanischen  Völkern,  dass  man  dem  Toten  Schuhe  anzog:  namentlich 
bei  den  Wöchnerinnen  sollte  man  dies  nie  unterlassen:  wenn  sie  nach 
ihrem  Tode  „wandeln"  müssten,  sollte  ihnen  das  Schuhzeug  zur  Erleichterung 
dienen.  Die  ältesten  Gräberfunde  lehren,  dass  man  den  männlichen  Toten 
nicht  nur  Waffen,  Werkzeuge,  Schmucksachen.  Trinkhörner,  sondern  auch 
Kämme  und  Schuhe,  den  weiblichen  auch  Fäden  und  Schuhe  mit  ins  Grab 
gab;  dies  war  ein  eigener  Toten  schuh,  der  im  Altnordischen  den  Namen 
helskör  hatte  (Golther,  Germ.  Myth.  !»•_')•  ,n  Stargardt  wurde  derselbe  (neben 
Bürsten.  Kamm.  Brot  und  einem  unter  das  Kinn  gelegten  Rasen  heimischer 
Erde)  dem  Toten  noch  lange  in  den  Sarg  gelegt.  In  der  Oberpfalz  erhält 
die  Leiche  ebenfalls  Schuhe.  .,damit  die  Seele  Ruhe  habe  und  nicht  wieder- 
kehre". Stirbt  eine  Frau  (Lütolf,  Sagen  aus  den  fünf  Orten  1865,  S.  551) 
im  Kindbette,  so  kommt  sie  als  Geist  allnächtlich  6  Wochen  lang,  um  ihr 
Kindlein  zu  pflegen;  darum  soll  man  der  Leiche  Schuhe  anziehen,  damit  die 
Verstorbene  auf  ihren  Besuchen  nicht  barfuss  gehen  müsse.  In  Stöbers  Sagen 
des  Elsasses   1.  93.  143  (1892)  klagt  die  verstorbene  Wöchnerin:  „Warum 

1)  XI.  Jahrb.  eleemosynao  pro  victu  pauperum,  in  panperum  recreatione  (Homeyer  111). 


Illdl. 

habt  Ihr  mir  keine  Schuhe  angelegt?  Ich  muss  durch  Disteln  und  Dornen 
und  über  Bpitzige  Steine"  (Rochholz,  Adomann.  Kinderlied  i  \inh  im 
A.argau  i^r  es  ( Haube,  dass  man  einer  verstorbenen  \\  öchnerin  ein  Paar  Schuhe 
in  den  Sarg  geben  muss,  damit  Bie  den  Weg  zu  ihrem  Kinde  wiederfinde 
ebenda  354).  Der  englische  Aberglaube  besagt:  „Einmal  im  Leben  muss 
man  einem  Armen  ein  Paar  Schuhe  Bchenken;  denn  Bonst  muss  man  nach 
dem  Tode  aber  einen  weiten  dornbewachsenen  Raum  ^ehen;  hat  man 
aber    jenes    gethan,    so    wird  einem  am   Rand  der  Strei  Mann 

begegnen,  welcher  einen  Schuh  bringen  wird,  so  dass  man  unverletzt  dar- 
über fortkommen  mag."  Der  Schuh,  den  jener  einmal  im  Leben  beschenkte 
\rmr  Beinern  Wohlthäter  im  Todesthal  wiederbringt,  ist  beschrieben  in 
der  Visio  Godeschalci  (Haupts  Zeitschr.  IX.  181  Solcherlei  Schuhe  Bind 
deshalb  eisenbeschlagen.  Müllenhoff  (Altertumskunde  V.  11  l  bringt  das 
erste  litterarische  Zeugnis  (1189)  für  den  aus  England  früher  schon  be- 
kannten, später  auch  sonst  im  deutschen  Volksglauben  nachgewiesenen 
Totenschuh:  in  einer  Sage  wird  eine  überaus  breite  and  anmutige  Linde 
erwähnt,  welche  über  und  über  mir  Schuhen  behangen  war.  die  denjenigen 
gereicht   wurden,    die   im   Leben  Barmherzigkeit  geübt   hatten,    um  mittels 

,1er      Schllhe      eine     2    Meilen       Weite.       mit       Derilell       .1'lcllt       he-etzte      Heide       /ll 

passieren. ' 

In  den  Alamannen  -  Gräbern  auf  «lern  Totenfelde  von  Oberflacht  am 
(württembergischen)  Lupfen  (O.-A.  Tuttlingen)  fand  sich  ausser  den 
dalenriemen  bei  manchen  Leichen  auf  jeder  Seite  je  ein  Holzfuss  in  Form 
eines  Leistens.  Diese  hölzernen  nachgemachten  Glieder  waren  der  Zoll 
für  den  Fährmann  oder  auf  der  Totenbrücke,  oder  an  der  Hellapforte  für 
den  höllischen  Thorwärtl,  der  diese  Lösemittel  U\v  die  leiblichen  Glieder, 
die  sonst  verfallen  gewesen  waren,  in  Empfang  nehmen  Bollte  (Historische 
Jahrbücher  f.  d.   Rheinland  XXXII.  95  .     Nach  Weinhold     Utnord.  Leben 

l-j;;  waren  die  altgermanischen  Schuhe  aus  einem  Stück  ungegerbten 
Leders,  das  mit  Riemen  über  dem  Fusse  zusammengehalten  ward,  die 
durch  Löcher  längs  des  Fussblattes  gezogen  wurden,  der  Schuh  war  ohne 
besondere  Suhle.  Sine  war  es,  dass  vor  dem  Schlüsse  des  Grabhügels  ein 
Nächstverwandter  noch  hineinging  und  dem  Tute,,  den  neue,,  und  derben 
Hel-Schuh    festband,    auf   dem    er    ins    Reich    der    Hella    wandern    sollte 

Weinhold,  Totenbestattung,  Anm.  I).     (Ausführlichere,    über    den  Toten- 
schuh siehe  Sartori  in  der  Ztschr.  d.   Vereins  f.  Volkskunde   1894,  S.  122. 
Dieser  altgermanische  Heil-Schuh  verwandelte  sich  unter  dem  Einflüsse 

des  Christentums    in  Schuhspendei I    diese  wieder  in  eine  Brotspende 

in  der  Gestalt   .dum-  Schuhsohle.     In  den   Deutschen   -   .         von  Grimm   I 

No.  238.  236)    werde,    darum    aud,    Kindern    Schuhe    von   Brot 

1)  Vielleicht   sind   die   blntfarbencn  Fussspuren    der   heiL  \l 
Bildern  der  Hedwigslcgende«  von  Wolfskron  abgebüdet  sind,  eine  fa 
übernommen,  Erinnerung  an    lies.    Vorstellung  ;     chwerlichen  Seelenwandernng. 


i;,s  Uöfl<  r:  l >ic  Hi  iwig-Sohlen. 

Vereinigung  mehrerer  Totenopfer  Brol  Schuh,  Brot  -}-  Schmuck, 
Brot  Haaropfer,  Brot  {-  Trunkuapf  etc.)  zu  einem  Gebildbrote  findet 
sich,  wie  erwähnt,  öfter.  Es  ist  ferner  höchst  wahrscheinlich,  dass  sich 
die  Fussschuhe  in  Handschuhe  umwandelten.  Nach  Etochholz  (Alem. 
Kinderlied  353^  geschieht  es  im  Aargan  noch,  dass  bei  Sterbefällen  die 
hauptsächlichsten  Leichenbegleiter  von  Seite  der  Leidtragenden  mir  Hand- 
schuhen beschenkt  werden.  Auch  im  Bergischen  Monatsschrift  des  berg. 
Geschichts-Vereins  1894,  Ö.  131.  165)  erhalten  die  Leichenträger  Handschuhe. 
Im  Aargau  kauft  der  Taufpate  auch  Taufhandschuhe  aus  Lebkuchenteig 
(Alem.  Kinderlied  353).  Allerdings  finden  sich  mich  sonst  Handschuhe  als 
Neujahrsgesehenk  (Handgift)  [1508,  L512]  (Mones  Zs.  II.  188.  189),  «loch 
sind  dies  dann  mehr  Unterthänigkeitszeichen  (Schweiz.  Archiv  f.  \  olks- 
kuude  II.  L21).  unter  den  Lebkuchen-Modeln  in  Oberbayern  finden  sich 
nicht  selten  auch  solche,  die  Handschuhe  vorstellen;  allerdings  sind  solche 
Handschuh-Gebäcke  nicht  mehr  an  die  Seelen-Kultzeit  gebunden,  werden 
alier  dies  wahrscheinlich  früher  gewesen  sein. 

Schliesslich  mnss  noch  betont  werden,  dass  es  auch  an  anderen  Orten 
Gebäcke  giebt,  die  den  schlesischen  Schuhsohlen  ganz  ähnlich  sind,  aber 
vom  Volke  anders  benannt  werden,  z.  B.  in  Mainz:  Ohrfeige  (Fig.  9), 
weil  wie  von  einer  flachen  Platthand  breit  geschlagen;  in  Hamburg:  Harter 
Kuchen  (Fig.  8),  der  sich  etwas  dem  rautenförmigen  Mainzer  Hartkuchen 
Pig  6J  in  der  äusseren  Form  nähert:  in  Südholland:  Dorische  Zool  (Fi. 
ein  brauner,  flacher,  spröder,  blätternder  Honigkuchen  in  Sohlenform:  im 
Elsass:  die  etwas  länglicher  gestreckten,  aber  auch  sohlenartig  flachen. 
gezacktrandigen  Ochsenzungen  (Fig.  13),  die  auch  sonst  in  Süddeutschland 
„Zungen"  heissen;  in  Holland:  Arnheemsche  Meisjes  (Fig.  12),  ein  sohlen- 
artig flaches,  kleines  Butterteiggebäck  mit  Zucker  bestreut.  Die  schwä- 
bischen „Wiebele"  (Fig.ll),  die  im  Holsteinschen  Geduldskuchen  (Patience- 
Gebäck)  heissen.  sind  kleinste  Miniatursohlen,  die  in  Mecklenburg  in  der 
That  Schuhsohlen,  in  Wiesbaden  Schühchen  oder  Pantöffelchen  (Fig.  10) 
genannt  werden;  selbst  das  Hamburger  Judasohr  (Fig.  7).  ein  sohlen- 
artig flaches,  mehr  rundes  Gründonnerstag-Gebäck,  hat  Ähnlichkeit  mit 
Schuhsohlen,  nur  unterscheidet  ein  spitzdreieckiger  Keilschnitt  am  sonst 
runderen  Rande  (oder  ein  Einriss)  das  Judasohr  vom  Bchlesischen  Sohlen- 
gebäck; auch  der  Würzburger  Michaelsweck  hat  Sohlenform. 

Bei  (\cv  Hartnäckigkeit,  mit  der  gerade  die  Opferbeigaben  beim  Toten- 
kulte sich  erhalten  haben,  ist  es  höchst  wahrscheinlich,  dass  sich  auch 
der  germanische  Totenschuh  im  Volksbräuche  forterhielt;  seine  Umwandlung 
in  ein  Gebildbrot  ist  eine  naheliegende  Folge  der  allgemeinen  Tendenz 
zur  Ablösung  der  früheren  Opfergaben  in  natura. 

Bad  Tölz. 


Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  1901. 


1 
Strumpfsohlc 
aus  Leipzig 


Hedwigssohle 
aus  Schlesien 


^. 


Strumpfsohlen  ans  N 


Dortsche  /<>"] 
aus  Südholland 


Hartkuchen 
tfainz 


Judasohr 

aus  Haiiitiur^ 


10 

Schuhsohlen 

du-  Mecklenburg 

Scliührli.ii 

aus  Wiesbaden 
Pantöffelcheii 

11 
Wiebele  auf 


llart.T  Kuchen 
Hamburg 


Ohr! 

tftubl 


> 


V 


Aarnheemsche  M 

aus  Südholland 


13  14 

üchsenzn 

: 


'■. 


Kleine  Mitteilungen. 


Zwei  Volkslieder  ans  dem  Geiselthal  bei  Merseburg. 

In    dem    geschriebenen  Liederhefte    eint 
nachstehendes  Lied;    als    besonderen  Vorzug    pries    die  Schreil  zum 

Unterschied    von    den    anderen   'wahr'  sei.     Eine  Oinfi 
Gebiet  zwischen  Anerstedt,  Salza,  Kosen,  Naunibu  ls  and  di 

thal  sowie  Freiburg   a.   I     bekannt  und        nach  der  Melodie:  Seht  ihr  di      R 
vor   dem   Wagen   -      viel    gesungen    ist.     I<di  veröffentliche  es        zugleich  a 
schönes    Beispiel,    wie    Volkslieder    entstehen    und    weiter    leben    and    dun  h    ihr 
Weiterleben  die  Kunde  von  Ereignissen  bewahren,    die  in  den  - 
loschen  ist. 

1. 

Hört,  Jungfraun,  welch' ein  Schreckenskundc,  Von  Sub  bis  Dach   I 

Die  äich  zutrug  in  iinsrer  Stadt.  Und  bei  Scbulpforta  auf  die  Bahn, 

Von  einem  falschen  Liebesbundc,  Sie  thal  ihr  Haupt  auf  Schienen  l( 

Den  falsche  Lieb  gestiftet  hat.2)  Weil  eben  der  Zug  von  Naumburg  kai 


Ein  Mädchen,  noch  so  jung  an  Jahi'i  d    , 
Verführt  durch  Männerschmeichelei*  . 
Sie  hatte  bei  äi(  li  selbst  erfahren 

Und  wns>:  e,  Mut  i 


I  >ie  Schaffner  hatten  sie   batti 
Sie  bremsten  mit  gewalt'ger  Hand,     i-  ; 
Allein  der  Zug,  der  blieb  nichl  stehen, 
[hr  Haupt '     rollt    -ank  blutrot  in  den  3 


Den  ganzen  Tag  rang  sie  die  Hände 
Und  sprach:  „Ach  Gott,  verläse  mich  nicht!" 
Weil  ihre  eigne  Schuld  sie  kränkt.'  — 
äuchte  Buh  und  fand  sie  oicht 


hfiler  von  8chulpforta  bi 
Weil  niemand  sie  gekennet  bat, 
Aus  Mitleid  sie  so    ■  bSn  ' 
<  lotl  lohne  ihre  edle  'I  hat. 

Ach  I  •  !|   dir  ihr. 

I  Hew<  weiflung  ti 

Ihr  war  da  icht  mehi 


V"om  Mutterherzcn  ganz  v  erstossi  n. 

■  ,in g  3ie  i  Hl    Tage       mittags  ans: 

Sie  hatte  bei  Bit  h  selbst  beschlossen, 

Nichl  wiederzukehren  ins  Vater  Eltern)haus.     Ihr  wollt  n  Rot  □  nicht  mehr  blühn." 

1  Näheres  darüber:  Adler,  Volks-  und  Kit  I  ■  »n  Halle 
1901,  S.  15,  Anm.  2. 

2  In    einigen  Niederschriften    fehlt  'iuU " 
auch:    -Man    fü)                 aus    Hcrzi  nsgrunde,   —  Wa     fo  »cht    I 

'Nehmt  es  zu  Herzen  tief  zu  Grunde,  —  Was  .  .  . 

3  Ein  Mädchen  in  den  schönsten  Jahren. 

4)  Verführt  durch  eines  Jünglings  Hand. 

5)  Sie  hatte  in  sich  seihst  erfahren   -  W«  tör  I  olgi  n 
Zeile  2  und  4  werden  umgestellt. 

7)  Eines  Sonntags  oder  des  Donnerstags  mittas 

8)  Sie  ging  von  Naumburg  aus  nach  K.  —  Und  so 

9)  Warft,  bis  der  Zug  von  Naumburg  kam. 

10)  Und  Annas  Haupt  rollt  in  den  Sand. 

11)  Strophe  S  fehlt  in  den  meisten  Niederschriften,  ist  daher  vielleicht  Zuthat. 


160 


Adler  und  Schütte: 


So    das  Lied.     Da    nun    die  Bahn    erst    am  L9.  Dezember  1846  dem  Verkehr 

geben    ist,    80    schien    es    mir    nicht    unmöglich,    den   historischen  Gehalt  des 

•   /u  ergrttnden.     [cta  wendete  mich  also  zunächst  an  den  Direkten-  von  Schul- 

pforta,  Herrn  Prof.  Dr.  Muff,  und  seinem  liebenswürdigen  Entgegenkommen,  sowie 

den    freundlichen    Bemühungen    des    Herrn   Redakteurs   K.  Schuppe    in  Naumburg 

verdanke  ich  die  erlangte  Auskunft.1) 

Zunächst  fand  sich  weder  in  den  Akten  der  Staatsanwaltschaft  etwas  über  den 
Fall  —  derartige  werden  nicht  so  lange  aufgehoben,  sodann  wusste  man  auch  in 
Pforta  nichts  von  dem  Begräbnis.  Dagegen  gaben  Leute,  die  den  Fall  erlebt  hatten, 
folgende  Kunde:  Vor  etwa  32  Jahren  nahm  sich  ein  junges  Mädchen  Marie  S  .  .  . 
aus  Bergsulza  (Verwandte  und  Jugendfreundinnen  von  ihr  leben  noch)  auf  die 
angegebene  Art  das  Leben.  Sie  war  das  Opfer  eines  Mannes  geworden,  der  ihr 
verschwiegen  hatte,  dass  er  verheiratet  war. 

Auch  den  Verfasser  des  Liedes  gelang  es  ausfindig  zu  machen.  Vermutungs- 
weise ward  der  Kantor  von  Suiza  genannt.  Herr  Lehrer  Faust  in  Auerstedt  ver- 
mochte dann  aber  als  Verfasserin  eine  Bäuerin  aus  Auerstedt  festzustellen,  Frau 
Schlegel. 

Wir  erhalten  also  folgenden  Vorgang:  Die  Verzweiflungstat  eines  betrogenen 
Mädchens  hat  die  Gegend  erregt,  vielleicht  um  so  mehr,  als  der  gewissenlose  Ver- 
führer unter  den  Leuten  lebte.  Schliesslich  fand  sich  jemand,  hier  eine  Frau  aus 
dem  Volke,  die  die  Geschichte  nach  einer  vielgesungenen  Weise  in  Verse  brachte. 
So  drang  das  Lied  über  den  engeren  Kreis  hinaus  und  erhielt  einen  gewissen 
Nimbus  dadurch,  dass  man  sich  mit  geheimem  Gruseln  zuraunen  konnte:  „Das 
Lied  ist  aber  wahr."  Je  weiter  es  sich  jedoch  vom  Schauplatz  der  That  entfernte, 
und  je  mehr  Zeit  seit  der  That  verstrich,  um  so  mehr  zersetzte  sich  der  Sang. 
Gab  er  anfangs  den  Tag  der  That,  so  ward  die  Angabe  nachher  unsicher  und  an 
manchen  Stellen  singt  man  nur  noch  „eines  Tages".  War  zunächst  der  Weg  der 
Unglücklichen  von  Suiza  über  Kosen  in  die  Pfortaer  Gegend  genau  bestimmt,  so 
schwand  der  Name  von  Suiza,  an  einigen  Orten  verdrängt  durch  das  später  zu 
nennende  Naumburg,  anderwärts  ohne  Ersatz.  Kosen  hielt  sich  meist  durch  seine 
Stelle  im  Reim,  doch  auch  dieser  Name  ward  zu  „jedem1*  missverstanden. 
Schliesslich  drang  —  wohl  aus  anderen  vielgesungenen  Liedern  —  in  Strophe  6 
der  Name  Anna  ein.  der  richtige  ist  ja  Marie.  Natürlich  traten  auch  alle  anderen 
Änderungen  ein,  die  mündliche  Überlieferung  mit  sieh  bringt.  Nicht  alle  Strophen 
werden  überall  gesungen,  Zeilen  werden  umgestellt,  Worte  geändert.  So  berichtet 
das  Lied  von  dem  Unglück  weiter,  während  die  amtlichen  Aufzeichnungen  ver- 
stummt sind. 

Diesem  Liede  füge  ich  aus  derselben  Quelle  ein  zweites  derselben  Art  bei, 
ohne  dass  ich  hier  zur  Erläuterung  das  Geringste  hätte  thun  können. 


1.  Ich  hab  sie  treu  geliebet 

2  Jahr  in  stille(r  Freud?2), 
Und  keine  Stund  betrübet 
War  ich  an  ihrer  Seit. 

2.  Ich  ward  von  ihr  gerissen 
Zum  Dienst  fürs  Vaterland, 
Sie  schwur  mir  unter  Küssen 
Treu  Lieb"  in  jedem  Land. 


3.  Von  ihrem  Schemen  Haupte 
Schnitt  sie  ein  Lockenhaar, 
Ich  trug's  an  meiueni  Herzen 
Ein  und  ein  halbes  Jahr. 

4.  Doch  ach,  sie  Hess  sich  blenden 
Trotz  Schwur  und  Druck  der  Han< 
Sie  that  ihr  Herz  verschenken. 
Das  mir  einst  zugewandt. 


1)    Beiden  Herren  möchte  ich  auch  hier  meinen  herzlichen  Dank  aussprechen. 
■2     Fehlt  in  der  Niederschrift. 


Kl'  II:  ! 


IM 


.">.    Doch  ach,  da-  Schioksa]  trollt«, 
lcli  sollt1  sie  wiedersehn: 
Zur  Landwehr  mnsst  ich  w 
Zurück  oaeh  Erfurl  gehn. 

6.    Da  hab  ich  sie  gesprochen 
in  einem  Gastwirtshans, 
Sie  aber  »b  111  sich    | 
und   ging  zur  ThÜT  hinaus. 

. .    1  ),is  bal  mich  tief  gekränk 
[ch  fasste  den  Entschluss, 
.Mein  Leben  gleich  zu  enden 
Mit  ihr  durch  einen  Schuss. 

8.  Drauf  hal>  ich  sie  ermordet 
Wohl  in  der  Augustastrs 

's  war  um  die  zwölfte  Stunde, 
Und  i cli  ward  Leichenblass. 

9.  Jetzt  kam  sie  angegangen, 
Blutrot  war  ihr  Gesicht, 
Ich  legte  an  mit  Bangen, 

1  loch  zittern  that  ich  nicht. 

Halle  a.  S. 


10.  I' 

'  I  .! 

I 

Ihr   war   nicht    mehr 

11.  Ich  wo 
Mit  ihr  bi 
Wie  glücklich 

i  li    nun    o 

12.  tch  wurde      i 

Zur  Stadthauptwacti 
l>en  Berg  hinabgeführet, 

l  nd  ~tr  ht 

18.    I »ie  ich  nur  -■>  geliebet, 
Wie  Jüngling  I 

Nur  sie  hali'  ich  gel 
Luise  Bagemann. 

II.    \  or  uichts  ich  dann  ■ 
Wenn   30  m<  in    i 
I.-  Btirbl  Karl  Gottfried  Hocke 
1  len  I  od  für  Lieb 

M.   Adln-. 


Uraunschweigische  Abzählverse. 


Auf  dem  Berge  Sinai 
Sass  der  Schneider  Kikeriki, 
Seine  Frau,  die  alte  Grete, 
Sass  auf  dem   Berge  und  nah'    , 

Jenichen,  Dienich<  i 

Zuckerrosiiiechen . 
Kling  klang  aus. 

Uu  jerantje  deutinat. 

Ule  par  du  kindinat, 

Ober  formi  lakkida, 

Uler  muler  Jon, 

Da  kam  ein  Dieb  Larron, 

Wollt  mir  stehlen  meinen  Kessel  chaudron, 

Da  nahm  ich  den  Stock  baton 

Und  schlug  den  Dieb  larron 

Aus  meinem  Haus  maison. 

Elleren,  helleren, 
Sack  vull  Teueren, 
Kuippele  knappele  baut/. 

Braunschweig. 


Eins,  zwei,  drei, 

Krisehan   Ic 
Krischan  legi  en  Pul 
Eins,  zwei,  drei. 

Eins,   zwei,  drei. 
Lischelaschelei, 
Lischelasche  Ah 
24  Kindei 
Enne  wenne  " 

im.. 

Woll  ut  iiiin-T  Bibel  Ie 
Kamin  de  Bock  un  aamm    •    - 
Drang  je  hen  n 
König  säe  hi  bop 
Mändopp 
jan 

.ii. 

Otto  Schütte. 


1)  In  der  Handschrift  war. 

2)  V"l    B-  Andree,  Braunschweiger  Volkskunde  1896  B   821. 

3)  Mit   diesem   teilweisen  Kauderwelsch   wurde   vor  40  Jahren  in  Braunschweig  viel 
abgezählt. 


Schütte,  Li'wy  und  Ilwof: 

Drohung  and  Verspottung  beim  Versagen  einer  Bitte. 

Während  die  Kinder  der  alten  Griechen,  wenn  sie  bei  der  Rückkehr  der 
Schwalbe  ihr  Liedchen  Bangen  und  eine  Gabe  heischten,  beim  Versagen  ihrer 
Bitte  mit  Worten  drohten,  denen  man  anmerkte,  dass  sie  nicht  ernst  gemeint 
waren  und  siel)  gleichsam  entschuldigten,  dass  sie  ja  Kinder  seien,  sind  unsere 
Jungen  grüber  und  ausfallender  in  ihren  Aussprüchen.     Wird  den  zu  Neujahr  um- 

aden  Kindern  in  Schöningen  keine  Gabe  gegeben,  so  rufen  sie  wohl: 

„Dill  Dill  Dill 

IH  wenn  se  mik  nist  geben  willt, 

Sau  schit  ik  op  on  Süll." 

und  in   Braunseli weig  riefen  sie  früher  beim  Martensingen: 
„Märten  Märten  Lille, 
Dat  Kind  sitt  up  en  Sülle, 
Et  hat  den  Arsch  wit  opedan, 
Da  könnt  se  alle  riudergan." 

Natürlich  alle  die,  die  der  Bitte  um  eine  Gabe  nicht  entsprochen  hatti  n. 
Braunschweig.  Otto  Schütte. 

Erziehung  zur  Aufmerksamkeit. 

Das  Volk,  das  sich  meist  derb  ausdrückt,  sucht  auch  in  derber  Weise  seine 
Mitmenschen  zum  Aufpassen  zu  erziehen.  Hat  jemand  aus  Unaufmerksamkeit 
etwas  nicht  verstanden  und  fragt  „wat?a,  so  bekommt  er  die  Antwort:  „"Watte 
nich,  Bomwulle"  oder  ., Water  is  kein  Beir".  Sagt  er  „ik  dachte",  so  rauss  er 
hören:  „Dachte  (Dochte)  sind  keine  Lichte'"  oder  es  wird  ihm  erwidert:  -Denken 
daut  de  Puter,  klauke  Lue.  de  wett  datt  all.'1  Solche  Erwiderungen  zu  hören  ist 
unangenehm,  der  Mensch  wird  aber  dadurch  zur  Aufmerksamkeit  erzogen. 

Braunschweie1.  Otto  Schütte. 


Das  Vogelnest  im  Aberglauben. 

Herr  Prof.  Dr.  G.  Hertel  erwähnt  (unsere  Zeitschrift  für  Volkskunde  XI,  27!») 
nach  einer  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  angehörenden  Handschrift  als  Beispiel 
dafür,  dass  auch  gefundene  Sachen  abergläubische  Bedeutung  haben,  folgendes: 
«Wenn  man  ein  Vogelnest  findet,  die  Mutter  weglliegen  lässt.  die  Jungen  aber 
behält,  so  bringt  dies  Glück,  und  ein  solcher  wird  lange  leben  ~ 

Dieser  Aberglaube  beruht  offenbar  auf  einer  Bibel  stelle,  und  nicht  das 
Finden  des  Nestes  oder  das  Behalten  der  Jungen  ist  die  Hauptsache,  sondern  das 
^liegenlassen  der  Mutter.  Im  Deuteronomium  XXH,  6  findet  sich  das  Gebot: 
-Wenn  ein  Vogelnest  sich  vor  dir  findet  auf  dem  Wege,  auf  irgend  einem  Baume 
oder  auf  der  Erde,  Küchlein  oder  Eier,  und  die  Mutter  ruht  auf  den  Küchlein 
oder  auf  den  Eiern,  so  sollst  du  nicht  die  Mutter  auf  den  Jungen  nehmen. 
Fliegen  lassen  sollst  du  die  Mutter,  die  Jungen  aber  darfst  du  dir  nehmen,  auf 
dass  es  dir  wohlgehe  und  du  lange  lebest."  Die  Verheissung  am  Schlüsse 
findet  sich  nur  noch  bei  einem  einzigen  anderen  Gebote  im  ganzen  Pentateuch: 
-Ehre  deinen  Vater  und  deine  Mutter!"  (Deut.  V,  16).  Und  diese  Thatsache  spricht 
für  die  Auffassung  (S.  P.  Hirsch,  Der  Pentateuch  V,  323 f.;  Dillmann.  Xum.  Deut, 
u.  Jos.2  343),  dass  die  Vogelmutter  deshalb  vom  Gesetze  geschützt  wird,  weil  sie 
in  der  Erfüllung  ihrer  Mutteraufgabe  begriffen  ist. 


M  glicht  st    dessell 

Handschrift    erwähnte  Aberglaube         tlehnl    a 
Wilhelmi  .      .  Parisiensis,   Zeitschrift   für  Voll  - 

\i'-i    findet    mit  dem  brütenden  Weibchen 
wahrt,  \  on  d  ssen  I  [anse  w  ird   I 

Mü  I  hausen  im  EU  iss 

Volkstümliches  aas  Jonathan  Swift. 

1.    Ein  beliebtes  Kinderspiel  ist  in  Steiermark  mäuerln*.    Zw<    K 

werfen  kleine  Münzen  an  eine  Mauer        daher  der  Name        und 
.Münze  auf  Kopf  oder  Schritt  auffällt,  hat  ihr  Eigentümer  gewonnen  odei   vei 
Ein    ähnliches  Spiel    war  in  Englaud  im   IT.  und   Ib.  Jahrhundei 
Der  •  itiriker    und  Humorist  Jonathan  Swift    schreibt    in 

über  die  heutige  Erziehung"    mir  liegt  die  Übersetzung:  „Satyrische  und  ernsthafte 
Schriften  von  Dr.  Jonathan  Swift.    Zürich  bey  Orell  &  Co.  175»  lie  betre  ' 

Stelle  II.   131      132  :  „Er    der  hochadeliche  junge  Herr    vve 
Amme,    dass  B   tchtümer  erben  wird  und  nicht  nötig  hat,    sich  mit 

Büchern  abzugeben.     Diesen  Unterricht  vi  licht; 

und  sein  _  Crosl  ist,  wenn  er  sich  etwan  davonstehlen  und  mit  dem  Kan 

diener,    oder    mit    dem   kleinen   Mohren. 

Günstling    ist     wie    er    drm\    unfehlbar   einen  voi  einem  vertrau! 

Herzensfreunde  hat),  um  einen  Pfenning  spännen  kann.-     Und  in  der  Anmerkung 
hierzu    heisst    es:    „Das    Sp  larin,    dass    man   Pfenninge   odi 

Münzen   an   die  Wand   schlag  St.      Wer  08    30   trifft,   d 

andern  seine  mit  den  Fingern  erspannen  kann,  der  hat 
Rochholz,  Alem.  Kinderlied  und  Kinderspiel   1857  S    127. 

•_'.    In    dem    berühmten  Märchen    von    der  Tonne    findet    sich   (in 
genannten  Stelle:    „Eine    andere  I 

äurch  er    I.mi  I   I  der  Papst    gar  sehr  berühn  len,  wai 

allgemeine  Einpöke      -        -  Weihwassei  ,     Denn  da  er  bemerkt  batt< 

hnliche  Art  einzupökeln,    deren  sich  unsere  Haus 
nichts    als  Fleisch    und  einige  Gattungen 

werden,    so    erfand   Peter  '          K 

Pökelbrühe  für  Häusei  5  Mi  Kinder  ui 

er    diese  Dingi  und    gut    erhalten    konnte,    als  Insekten  in   Ai 

Nun    schien    zwar  ikelbrühe    in  Ansehung 

nens    von    derjenig  nicht    unl 

salzung  unseres  Rindfleisches  und  ui 
wirklieh   gar  öfters  mit  sehr  gutem 
in  Ansehung  ihrer  ungemeinen  Wirl 

Peter  nur  eil  spitze  voll  \  Pulv<  r  Piraperlimpin    die  K 

des  Weihwass  von  dem  gewöhnliche)    W 

hineinthat,    so    richtete   er  Wun  -     damit  au 

das  Besprengen,  wobei  man  sich  nac 
War    es    ein  Haus,    das   man  e  npöl 
Spinnen.     Hatten     und   Wieseln    verwahrt    bli( 
dass   er  weder   räudig,    noch  toll,    noch   hungrig  ward 
fehlbares  Mittel  wider  die  Kräze  und  Läuse,  heilte  den  Ki 
und  die  Patienten  konnten  dabei  ungehindert   ihren    Bi 
Tisch  oder  im  Bette- 


|(;  |  Ilwof,  Kuling  und  Lemke: 

Was  Swift  an  dieser  Stelle  in  ziemlich  boshafter  Weise  von  dein  Gebrauche 
geweihten  Wassers  bei  den  Katholiken  vor  zweihundert  Jahren  erzählt,  trifft 
heute  noch  zu.  In  den  katholischen  Kirchen  (von  den  Alpenländern  weiss  ich  es 
aas  eigener  Anschauung)  ist  last  immer  in  der  Nähe  der  grossen  Thüre  ein 
hölzerner  Kübel  mit  Weihwasser  gefüllt.  Die  frommen  Kirchengänger  nehmen 
nach  dem  Sonntagsgottesdienste  ein  Fläschchen  desselben  mit  nach  Hause, 
lullen  damit  das  Weihwassergcfäss,  welches  daheim  zunächst  der  Thüre  hängt; 
uns  demselben  besprengen  sie  sich  die  Stimc  bei  Aus-  und  Eingängen.  Es  wird 
aber  noch  weiter  benutzt.  Wenn  ein  Haus  neu  erbaut  ist,  durchschreitet  man 
alle  Räume  und  besprengt  sie  reichlich  mit  dem  geweihten  Wasser,  um  dadurch 
alles  Böse  abzuhalten;  als  besonders  kräftig  gilt  das  Wasser,  welches  an  gewissen 
Festtagen,  zu  Ostern,  am  Stephanitage  (26.  Dezember),  und  am  heil.  Dreikönigtage 
geweiht  wurde:  von  den  zwei  ersteren  tragen  die  Landleute  Krüge  voll  von  der 
Kirche  nach  Hause,  um  das  ganze  Jahr  hindurch  damit  auszureichen.  Mit  dem- 
selben werden  die  Felder  besprengt,  um  gute  Ernten  zu  erzielen;  als  Arznei  wird 
es  den  Menschen  und  den  Haustieren,  besonders  dem  Rindvieh  eingegeben. 
Kinder,  welche  an  Ausschlägen  auf  dem  Kopfe  (an  Grind)  leiden,  werden  damit 
bestrichen,  um  Heilung  zu  bringen.  Wenn  das  Vieh  zum  erstenmale  im  Frühling 
den  Stall  verlässt  oder  wenn  es  auf  die  Almen  getrieben  wird,  wird  es  mit  ge- 
weihtem Wasser  besprengt.  In  den  „Rauchnächten",  d.  i.  von  Weihnacht  bis 
Dreikönig  wird  der  ganze  Bauernhof  durchschritten,  das  Haus,  der  Stall,  die 
Tenne  u.  s.  w.;  voran  geht  ein  Mann,  mit  einem  Gefäss  voll  glühender  Kohlen 
mit  Weihrauch,  ihm  folgt  ein  anderer  mit  dem  Weihwassergefässe,  und  die  ganze 
übrige  Familie  macht  den  Schluss.  Alle  Räume  werden  eingeräuchert  und  mit 
geweihtem  Wasser  besprengt. 

Graz  in  Steiermark.  Franz  llwof. 


Zu  Heinrich  Kaufringer. 

Bei  meinen  Bemerkungen  über  die  zwölfte  Novelle  Heinrich  Kaufringers 
(Germanistische  Abhandlungen  XVIII,  84  ff.)  ist  mir  eine  wichtige  Stelle  der  Stcr- 
zmger  Spiele  (hsg.  von  0.  Zingerle  1886)  entgangen.  Im  '2i).  Stück:  Die  zween 
Stenndt,  Vers   1239  ff.  hält  der  Pfarrer  folgende  Traurede: 

Veni,  kum  her,  Martine! 
i2io  da  gib  ich  dir  ain  weit)  zu  der  ee 

Vnd  dir,  Katrina,  ein  elichn  mau 

vnnd  schlafft  bey  ain  ander  wol  vnd  schon 
Vnnd  fuert  ain  frolich  leben. 

von  zehn  i'artl  muest  es  mir  aius  gebenn. 
1215     DarautT  sprecht  bayd  ja, 

so  gib  ich  enckh  zusamen  da 
In  nomine  paters. 

nimpt  ers,  so  hat  ers. 
Got  geb,  das  euch  bayden  wol  geling! 

Vers  1244  beweist  allerdings  noch  nicht  die  Thatsächlichkeit  jener  Forderung, 
aber    wohl,    dass    die  Vorstellung    volkstümlich    und  dem  Publikum  geläufig  war. 

Dem  Stoff  des  ersten  Gedichtes  'Der  Einsiedler  und  der  Engel'  hat  nach  Gaston 
Paris  die  beste  Behandlung  Anton  E.  Schönbach,  Mitteilungen  aus  altdeutschen 
Handschriften,  siebentes  Stück  (Sitzungsberichte  der  Kais.  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien,  phil.-hist.  Klasse,  Bd.  148,  Wien  1901),  S.  38ff.  gewidmet.    Von 


Kl. 

Wichtigkeit    isl    auch,    was  Schönbach  8.  60  f.   Kaufri  a  dei 

von  ihm  herausgegebenen  Legende  ausführt 

Dferkwttrdig  isl  es,  dass  der  im  19.  Gi 
aificierte  Vergleich  der  Well  mil  dem  Schachs]  alte  oriental  rallele 

bat,  wie  ich  Merx,  [dee  and  Grandlinien  einer  all  i  .  Mystik, 

akademische  Pestrede    eon  Heidelberg  1892,    S.  26  entnehme.     Vergleicl      H 
zu  Reinmar  von  Zweter  150,  in. 

Die  Quelle  des  20.  Gedichtes    Von  den  Vorsprechen    wei  I  Edward  Sehr 
Quellen  and  Parallelen  zu  Boner    Zeitschr.  dir  deutsches  Altertum  I!     -  426  nach 

Weitere  Verbreitung  des  Traktats  von  der  frommen  Müllerin    Raufringer  X<>.  IT. 
Studien  S.  92f.     ergiebl    sich    aus  Köhler-Boltes  Zusammenstell angen   in  Eleinbold 
Köhlers  Kleineren  Schriften  2,  393,    and   aus  der  Wolfenbütteler  Bandschrifl 
30,8.   »"    3345  von  Heinemanns  Katalog   II.  4,355),  Blatt  240ff.     [Über  die 
liehe  Hausmagd  rgl.   auch  Singer,   Zeitschr.  f.  dtsch.  Altertum  45,  IT.".      Priebsch, 
Deutsche    Handschriften   in  England  2,  8,  No.   12      Eine    dänische  Bearl    itui 
Prosa   in  Svend  Grundtvigs  Nachlass   ls    im    betitelt:     Eüre-Krands    for   Di 
frygtige  Tieneste-Pige  Susanna.     Hrorledea  Eremiten    blev    af  Engelen  overbeviisl 
ora,  at  Susanna  var  endnu  fuldkomnere  end  han.  Trykl  dette  Aar    am   1800)]. 

Das    Motiv    des    fremden    Kleides    (Raufringer  No.  10,    Studien 
Unland,    Abhandlung    über   die    deutschen  Volkslieder  3 8,  221  als  rolksmässig  an 
(Schriften  3,  274.  MT2.    HMS    3,  43«,  3).      Audi    der    Witz    de«    B    li        3tudien 
S.  39)  ist  vrolksmässig:  Unlands  Volkslieder  No.  287,   10. 

Zu  Kaufringer  Xo.  8  vgl.  Köhlers  Kleinere  Schriften   1.  393;   zu  So.  !J  Köhler 
:i.   1»>2;  zu  No.  6  KpumaBia  7.  ,380;  zu   No.  13  das.  T.  26. 

Zu  Studien  S.  />*  Zarncke  /.um  Narrenschiff  110,  13.     8.24  der  Studien.  '/..  14 
wäre  „der  König   vom  Odenwald"   mit   Hinweis  auf  Schroeder,   Arilin    lürlh- 
Geschichte    und    Altertumskunde   N.  I''.    III.     1.   I2f.  :»-2    in    Anführungszeichen    zu 
set/en.     Einige    Druckfehler    hat    V    Piquet,    Revue    critique    vom  29.  April   1901, 
NU.  1 7.  S.  335  verbessert. 

Königsberg  i.  Pr.  K.  Eu  1 1 


Alexander  Treichel 


Am  4.  Augusi  1901  starb  im  fasl  vollendeten  64.  Lebensjahre  der  unermüdliche 
Forsche!'  Alexander  Treichel,    der  sieh   besonders  am  die  l  ■  de  seiner 

heimatliehen    Provinz    Westpreussen   dauernde    Verdienste   erworben    hat,   d< 
Arbeiten    aber    auch    oft  darüber  hii  n  und  dei  rwärta  den 

Weg  zeigten.    Zunächst  war  es  ihm  um  das  Heranschaffen  des  Materials  zu  thun; 
er    hat    indessen  gleichfalls  nach  verschiedenen  Richtungen  ho 
und   in    kleinen  Monographien   manche  Frage  nach  Möglichkeil  erschöpf! 

tnsweg,    zum  Teil    im   be\\ •  _  iben    dei  l  dl  und  im  Verkehr  mit 

vielen  bedeutenden  Männern,  zum  Teil  auf  dem  Lande  und  m  Verbindung  mil 
einlachen  Volke,  entsprach  den  verschiedenen  Neigungen,  die  sich  in  \.  T.  rer- 
einigten. Er  war  am  28.  August  1837  in  Alt-Pal«  Kreis  B<  oren, 
besuchte  das  Gymnasium  zu  Neustettin  wo  er  eine  noch  best«  rdlich 
anerkannte  litterarische  Schüler  -  Vereinig  innt 
gründete)  und  bezog  nach  1859  abgelegtem  Abiturientenexamen  i^,:"  die  Berliner 
Universität.  Hier  studierte  er  zwar  Jura  und  Cameraita,  doch  beschäftigten  ihn 
nicht  minder  Naturwissenschaften,  Prähistorie  und  Volkskunde,  denen  er  sich  denn 
auch  nach  einigen  Jahren  vollständig  zuwandte.     Nach  Beendigung  seiner  Studien 

Zeitschr.  d.  Vereins  f.  Volkskunde.    190L 


\\  einhold  un<l  Bartels: 

verblieb  er  zunächst  in  Berlin,  ein  thätiges  Mitglied  vieler  Vereine;  so  war  er 
7  Jahre  hing-  im  Vorstande  des  botanischen  Vereins  der  Mark  Brandenburg.    Auf 

Jen  Wunseli  seiner  Mutter  siedelte  er  nach  Westpreussen  über,  d.  h.  er  übernahm 
das  Beiner  Mutter  -.hörende  (ebenfalls  im  Kreise  Berent  gelegene)  Gut  Hoch- 
Paleschken.  liier  konnte  er  nun  dem  Volkstümlichen  bis  in  die  aussei sten  Winkel 
nachgehen,  und  er  empfand  dabei  die  denkbar  grösste  Genugthuung.  Prähistorie 
und  Botanik,  Philatelia  (seine  Riesen-Sammlung  steht  jetzt  zum  Verkauf)  und 
noch  viel  anderes  wurden  gleicher  Weise  unermüdlich  gepflegt,  dabei  wurde  ein 
ungeheuer  grosser  Briefwechsel  nicht  vernachlässigt  und  jedem  Anfragenden  die  weit- 
gehendste Auskunft  gegeben.  A.  T.s  eigenartige  Persönlichkeit  und  seine  grosse 
Liebenswürdigkeit  werden  ihm  bei  allen  Freunden  und  Bekannten  ein  treues  Ge- 
denken sichern.  Leider  war  das  letzte  Jahr  seines  Lebens  von  grausamen  Qualen 
erfüllt:  er  starb  an  völliger  Erschöpfung,  nachdem  ihm  —  im  Zusammenhang  mit 
Krebsleiden  —  10  Monate  vorher  der  ganze  Kehlkopf  entfernt  worden  war.  —  Von 
seinen  Arbeiten  seien  nur  folgende  hier  genannt:  Volkstümliches  aus  der  Pflanzen- 
welt; Volkslieder  und  Volksreime  aus  Westpreussen:  Über  die  Pielchen-  oder 
Belltafel;  Sprache  zu  und  von  Tieren;  Das  Beutnerrecht;  Handwerksansprachen: 
Armetill.  Bibernell  und  andere  Pestpflanzen:  Hochzeitsgebräuche.  —  Eine  grosse 
Anzahl  Manuskripte  harrt  noch  der  Veröffentlichung.  E.  Lemke. 


Bücheranzekeii. 


Schweizerisches    Idiotikon.     Wörterbuch    der    schweizerdeutschen 

Sprache.  —  Vierter  Band.  Bearbeitet  von  A.  Bachmann,  R.  Schoch, 
H.  Bruppacher,  E.  Schwyzer,  E.  Hoffmann-Krayer.  Frauenfeld,  Verlag 
Ton  J.  Huber,  1896—1901.     4°. 

Mit  Freude  begrüssen  wir  die  Vollendung  des  4.  Bandes  des  grossen  schweizer- 
deutschen Wörterbuches,  eines  stattlichen  Quartanten  von  12n  Bogen!  Ursprünglich 
hatten  die  wackeren  Männer,  die  das  Werk  begannen,  Fr.  Staub  und  L.  Tobler, 
gemeint,  den  Umfang  desselben  auf  das  Mass  berechnen  zu  können,  das  es  jetzt 
erreicht  hat.  Wenn  es  nun  über  Erwarten  in  die  grössere  Fülle  sich  ausdehnt,  so 
hat  das  einen  für  die  deutschen  Schweizer  sehr  rühmlichen  Grund.  Jedes  neue 
Heft  weckt  neue  Sammellust,  und  so  strömt  denn  unaufhörlich  frischer  Stoff  herbei, 
der  den  früher  gesammelten  fast  verdoppelt  hat. 

Wir  haben  in  unsrer  Zeitschrift  das  Schweizerische  Idiotikon  von  Anfang  an 
mit  teilnehmendem  Zuruf  begleitet  und  den  Reichtum  nicht  bloss  des  Materials, 
sondern  auch  die  Einsicht,  Sorgfalt  und  wirtliche  Ordnung  der  Arbeit  zu  loben 
gehabt.  Fast  ist  ein  neues  Geschlecht  jetzt  an  der  Arbeit,  aber  es  ist  das  Vorbild 
der  Gründer  durchaus  von  ihm  fest  in  Ehren  gehalten.  So  ist  denn  dieser  vierte 
Band  eine  treffliche  Fortsetzung  der  Vorgänger,  und  getrost  können  wir  schon  jetzt 
das  Schweizerdeutsche  Wörterbuch  an  die  Spitze  aller  Dialektlexika  unsrer  Sprache 
stellen;  jedenfalls  bleibt  es  nicht  hinter  dem  vorzüglichen  Bayrischen  Wörterbuche 
J.  A.  Schindlers  zurück.  K.  Weinhold. 


Sebillot,  Paul,  Le  Folklo re  des  P<  I 

T.  XI. III       Paris,  -I.  Mais«  imeuY< .   1901      XII    389  ä 

Das    neue    Buch    von    P.    Si  I  Lilol    behandi  Stand  Volks- 

■l  der  Fischer  mit   s<  im  d  I  ■ 

-    die    französischen   Fischer    w<  schildert, 

Länder,  aher  et  H  sich,  dass,  weil  die  Quellen 

die  der  Bretagne  im  Vordergrunde  stehen.  —  Das  Bucl  nitte: 

i.    Das  Leben    des  Fischers   von  der  Geburl  bis  zum  Tode;    Haus  und  häusliches 

:::  Kirchliche  Bräuche  und  Fest  U    I  üben, 

auch  auf  süssem  Wasser     Die  Fahrten  nach  Neufondland  und  Isl  111.  rl 

der  Fischer,  Lieder,  Spottnamen  and  d<  i 

Das  Buch  enthält  viel  Interessantes  und 

K.  w. 

Tiffaud,  L'exercice  illegal  de  la  medecine  dans  le  Bas-Poitou.   Les  toucheurs 
et  les  guerisseurs.     These  pour  le  doctoral  en  medecine.     Paris   I  : 

72  s.     8°. 

Der  Verfasser  macht  uns  mit  verschiedenen  Proben  der  Volksmedizin  in  der 
ehemaligen  Provinz  Poitou    bekannt,    wie  sie  namentlich  unter  der  ländlichei 
völkerung   daselbst    noch    weit  rerbreitel   sind.     Die  meisten  sind  sympathetischer 
Natur  und  gewöhnlich  verbunden  mit  kräftiger  Besprechung.    Es  finden  Bich  hierfür 
vielerlei  Vergleichungspunkte    in    verschiedenen  anderen   Ländern  Europas.     Ganz 
besonders    in  Kraft    und  Ansehen    zur  Bekämpfung    von  allerlei  Seh. .dm  und  Ge- 
brechen   steht    in    diesen  Landesteilen    der  Toucheur.     Das    im    dei   Heilktl 
welcher    durch    blosses    Berühren,    durch    Bandauflegen    zu    heilet 
Auch  bei  diesen  Massnahmen  muss  eine  unverständliche  Formel  gemurmelt  werden. 
Der  Verfasser    erinnert    daran,    dass    es   für  ein  göttliches  Privilegium  der  R 
von  Frankreich    galt,    dass    sie,    namentlich   am  Tage   ihrer  Krönung  durch   M 
auflegen  die  Kröpfe  zu  heilen  vermochten.    Ludwig  XTV.  soll  an  -mein  Kröi 

nahe    an  2000  Menschen    die  Hand    auf   ihre  [Schäden    aufgelegt   haben      l  - 
weiden    über  diesen  Gegenstand   auch  noch  viele  andere  i  te  Mitteile 

gemacht.  Die  gleiche  Kraft  in  noch  erweitert«  m  Masse  soll  nun  nach  dem  Glauben 
des  Volkes  von  Poitou  auch  gewissen  Menschen  verliehen  Bein,  die  sie.  ohne 
Entgelt    zu   fordern,    aher  natürlicherweise  nicht  .,  reiche  Geschenkt 

genzunehmen,     zum    Beil    und    Begen    ihrer    leidenden    Mitmenschen    ausüben. 
Der  Beruf   der  Toucheurs    ist  dort  so  verbreitet,  wohl  kaum  ein  eh 

Dorf  oder  eine  einzige  Ortschaft  giebt,  die  nicht  mindi 

Heilkünstler    besässen.     Das  Volk  s.  t/t  ein  ganz  unb<  Vertrauen  auf  ihre 

Macht,    und  der  Zuspruch,    welchen  Bie  von  weit  and  breit  hei  o,    isl  ein 

ganz    unglaublicher.     Dass    sie    bei    ihrer  Kundschaft    eifrigsl   dafür  - 
das  Vertrauen    auf   die  wissenschaftliche  Heilkunde  -rundlich  zu  untergraben  und 
diese    als    schadenbringend    und    die    übernatürliche  Kraft 

wirksam    machend    hinzustellen,    das    wird    jeder    dem    V  mben. 

Toucheur  kann  nun  aber  nicht  jeder  werden,  sondern  er  muss   für  iligen 

Beruf  vom  Geschick,  oder  vielmehr  von  Gott,  eigens  ausert 
man   daran  zu  erkennen,   dass  der  Betreffende  de, 
aber    in    ununterbrochener    Reihe,    ohne  n   Mädchen 

wurde.     Die  Geburt  eines  solchen  siebenten  Bohnes  ist  nun  aber  bekanntern 
kein  sehr  häufiges  Vorkommnis.    Jedoch  auch  hierfür  hat  das  Volk  ein  gutes 


168 


Mielkc:  Büchoranzeiffen. 


kunftsmittel  gefanden.  Es  schreibt  nämlich  die  gleiche  Fähigkeit,  als  Toucheur  zu 
wirken,  auch  denen  zu,  welche  als  Säugling  in  der  Wiege  mit  ihrer  Hand  einen 
Maulwurf  totgedrttckt  haben.  In  einem  Falle  wurde  der  Toucheur  in  seinen  Fleil- 
massnahmen  von  seiner  Gattin  unterstützt.  Dieselbe  behauptete  dann,  dass  sie  als 
Wiegenkind  ebenfalls  einen  Maulwurf  mit  der  Hand  totgedrückt  habe.  Je  plumper 
der  Betrag  dieser  Heilktostier  ist.  um  so  höher  pflegen  sie  im  Ansehen  zu  stehen, 
und  desto  fester  ist  der  Glaube  an  ihre  übernatürliche  Macht  —  ganz  so,  wie  bei 
uns.  Der  Verfasser  macht  dann  noch  einige  Vorschläge,  wie  dem  oft  recht  schäd- 
lichen Treiben  dieser  Zauberkünstler  zu  steuern  sei.  Ich  kann  diese  hier  über- 
sehen, aber  ich  halte  sie  auch  sämtlich  für  wirkungslos,  wie  das  ja  leider  auch 
bei  uns  die  alltägliche  Erfahrung  lehrt.  Max  Bartels. 


Hager,  Georg,  Die  Weihnachtskrippe.     Ein  Beitrag   zur  Volkskunde  und 
Kunstgeschichte.  München  1901.  Gesellschaft  für  christliche  Kunst.  9  JC. 

Das  bayerische  Nationalmuseum  ist  durch  die  Freigebigkeit  eines  Privatmannes 
in  den  Besitz  der  reichhaltigsten  Sammlung  von  Weihnachtskrippen  gelangt,  jener 
Weihnachtskrippen,    die    im  Volksleben    der    katholischen  Völker  noch  heute  eine 
Rolle    spielen.     Es    ist    damit  auch  für  die  Volkskunde  ein  Stoff  erschlossen,    der 
bei    der  Schwierigkeit  vergleichender  Studien  bisher  auf  die  litterarische  Seite  be- 
schränkt geblieben  war,  soweit  sie  in  den  Weihnachtsspielen  zum  Ausdruck  kommen 
konnte.     Dass    diese    Sammlung    gleich    in    einer    umfangreichen   und  mit  Bildern 
üppig  ausgestatteten  Veröffentlichung  der  Forschung  zugänglich  gemacht  wird,    ist 
um    so   dankbarer  anzuerkennen,    als  die  Weihnachtskrippe  eine  vorher  in  diesem 
Masse  nicht  zu  übersehende  Bedeutung  für  die  Kunstgeschichte  besitzt.    Vielleicht 
ist    diese    künstlerische  ßethätigung  die  einzige  bis  in  das  19.  Jahrhundert  hinein, 
bei    der    die  Einheit    zwischen    der  Volkskunst    und    der    beruflichen  Höhenkunst 
noch    nicht    zerrissen    ist,    bei    der    volkliche    Anlage    und    zeitliche    Strömungen 
künstlerisch  zum  Ausdruck  kommen.     Der  Verfasser  untersucht  den  Ursprung  der 
Sitte,  um  im  Anschluss  daran  die  verschiedenen  Gruppen,  die  er  in  der  tirolerischen, 
der    altbayerischen    mit  der  Münchener  und  Tölzer  Untergruppe,    der  des  übrigen 
Deutschlands  und  der  italienischen   mit  der  römischen,  neapeler  und  sizilianischen 
Abzweigung  erkennt.    Nachdem  die  Krippe  allein  schon  sehr  früh  als  Symbol  der 
Geburt  Christi  Anwendung  gefunden,  verbindet  sie  sich  mit  dem  geistlichen  Schau- 
spiel, um  sich  schliesslich  als  eine  selbständige  Kunstschöpfung  von  ihm  loszulösen. 
Von  Franziskus  von  Assisi  berichtet  man,    dass  er  Krippe  und  Stall  —  aber  noch 
ohne  Staffage  —  im  Freien    aufgestellt  habe.     Je  mehr  das  schauspielerische  Bei- 
werk zurücktrat,  um  so  voller  entwickelte  sich  das  bildnerische  Element,  bis  es  im 
14.  und  15.  Jahrhundert,    mit  Anlehnung   an  die  gleichzeitige  Blüte  der  gotischen 
Schnitzaltäre    zum    selbständigen   Kunstzweig    emporwuchs.     Die  Beziehungen    zur 
flandrischen  Bildhauerschule  scheinen  dadurch  bestätigt  zu  werden,    dass  die  erste 
Krippe    dieser  Art    in    der  Stadt  Löwen  —  der  Verfasser  schreibt  Louvain  —  er- 
wähnt wird.     Waren  es  zunächst  die  Franziskaner,  die  zur  Verbreitung  der  Weih- 
nachtssitte beitrugen,  so  pflegten  sie  im  17.  Jahrhundert  vornehmlich  die  Jesuiten; 
im  18.  Jahrhundert    sucht    man  sie  bereits  in  der  Kirche  durch  behördliche  Mass- 
nahmen   einzuschränken,    was    wiederum    die  Verpflanzung    in    das  Haus  bewirkt. 
Für    die  Trachtengeschichte  ist  der  Realismus  dieser  Kunst,    der  nicht  nur  in  der 
Treue    gegen    die    kleinste  Einzelheit    sich   bewährt,    sondern  auch  mit  Ausnahme 
von  Maria  und  Joseph  alle  dargestellten  Personen  in  das  Zeitkostüm  kleidet,    von 
erheblicher  Bedeutung. 


II.-. 

Beate    ist    die  Krippe    wohl    aberall    in  ihrer  km  i  atung 

geschwächt,    nicht  aber  in  ihrer  volkstümlich«  irk» 

einzelne    von    drin  Verfasser       geführte  Voll  tantischen 

aden    scheint   sie    fast  erloschen;    do  i   and  dort 

Reste  erhalten  haben.     Für  Berlin  lässt  Bicfa  ans  d(  □  K  Jahrhm 

aoeh    ein    Ausläufer    in    dem    äogi  tannten    „Guck 
Münchener  Sammlung  nicht  bekannt  zu  Bein  Bcheint,  d<  n  noch  in 

Familien  zu   linden   sein   dürfte.  \|    •  lk& 


An-    Jen 

Sitzungs- Protokollen  des  Vereins  für  Volkskunde. 


Freitag,  den  2.'>.  Oktober  1901.     Die  erste  Sitzung  nach  dem  am  15.  \ 
erfolgten  Ableben    des  ersten  Vorsitzenden   und   Begründers  des   Vereins  galt  dem 
Gedächtnisse  Karl  Weinholds,    dessen    getreues  Bildnis    auf   dem  Vorstands! 
aufgestellt  war.     Herr  Prof.  Dr.  Max  Eto  eine  ausführliche  Darstellung 

vom  Leiten  und  Wirken  des  Verstorbenen,  die  an  der  Spitze  di< 
abgedruckt  ist. 

Freitag,  den  22.  November  1901.     Herr  Prof.  Roediger   teilte    mit, 
der  Vorstand    nach    dem  Ableben  de-  ersten  Vorsitzenden,    des  Berrn  Geheimrats 
Weinhold,  sich  gemäss  §  ls  der  Statuten  ergänzt  und  für  den  R  —  ihn 

zum  Vorsitzenden    und  Herrn  Prof.  J.  Bolte  zum  Schriftführer  und  Redakteui 
Zeitschrift  gewählt  habe. 

Darauf  sprach  Herr  Geh.  Sanitätsrat  Dr.  Bartels  aber  märkische  Spinnst 
erinnerungen      Er    knüpfte    dabei   an  die  Berichte  rinn-  sechzig  Dame  an, 

die  ihre  Kindheit  in  Ützdorf  bei  Bernau  verlebt  und  verschiedene  S] 
jener  Zeit   aufbewahrt    hatte.     Diese  Schilderungen  der  häuslichen  Gewohnheiten, 
der  Gebrauche    und  Luder    der  Spinnstubenabende,    der  Behandlung  des  Fl» 
und   des    Bopfens    werden    in    einem    der    nächsten    Hefte   der   Zeitschrift    einem 
weiteren  Leserkreise  zugänglich  gemacht  werden.    An  der  darauf  folg  Debatte 

bei  siligten  sieh  die  Berren  Sökeland,  Minden,  Schulze-Veltrup,  der  aber  den  frül 
Hausbetrieb    des    Bierbrauens    im    Münsterlande    berichtete,    und    Bolte. 
Fabrikant  Sökeland    nahm    einen  Vorfall    der    letztei  bei  dem  ein  Fahrer 

der  Berliner  elektrischen  Strassenbahn  den  leibhaftigen  Teufel  neben  Bich  gesehen  zu 
haben  behauptete,  zum  Anlass,  um  auf  die  weite  Verbreite  anter 

dem  Volke  und  den  Gebildeten  hinzuwe  "   mehrere   Stell« 

Martin  Hagens  1899  erschienenem  Buche  'Der  Teufel  im  I  1  •  llen*. 

Freitag,  den  13.  Dezember  1901.     tm  Anschluss    an   die  Ben  die 

Herr  Geheimrat  Bartels    in    der  vorigen  Sitzung   über  das  früher  in 
braute  Hausbier  vorgetragen  hatte,  Betzte  Herr  Sökeland  dem   • 
eines    von    ihm   nach  demselben  Rezepte  aus  Mohrrüben.    / 
brauten  Getränks    vor.     Diese  Zubereitungsart    kann    nicht 

einen    billigen  Preis  des  Zuckers  voraussetzt,    wi<  durch  die  rfolgte 

Einrichtung    von    Fabriken    für  Runkelrübenzucker    ermöglicht  wurde.    —    Ferner 
zeigte   Herr  Sökeland    mehrere    bei    den  Salzburger  Bauernkomödien    gebrauchte 


Bolte:  Protokolle. 

Holzmasken,  die  sich  im  Besitze  des  Berliner  Museums  fttr  deutsche  Volkstrachten 
befinden,  and  verwies  dazu  auf  die  Abbildungen  ähnlicher  Masken,  die  kürzlich 
das  Wissen  für  alle  (1,  No.  36f.  zu  W.  Hein.  Das  Prettauer  l'austus-Spiel)  gebracht 
hat.  —  Endlich  teilte  derselbe  mit.  dass  die  früher  (s.  oben  S.  352)  vorgelegte. 
ans  Lenzen  stammende  'Knudelmühle"  oder  Massagewalze  kein  altes  einheimisches 
Bauerngerät,  Bondern  erst  lStt4  von  dem  Drechsler  in  Lenzen  nach  einem  kleineren 
knöchernen  Modell  geschnitzt  worden  sei.  Zwei  ähnliche  japanische  Geräte  be- 
finden sich  in  den  ethnologischen  Museen  zu  Leiden  (abgebildet  in  Siebolds  Archiv 
für  die  Wissenschaft  Japans)  und  Berlin.  Trotz  des  augenscheinlich  nicht  hohen 
Alters  des  Instrumentes  haben  sich  in  Lenzen  an  seine  Anwendung  schon  aber- 
gläubische Bräuche  angeknüpft;  das  Streichen  wird  mehrfach  in  Form  des  Penta- 
grammas  geübt  und  dabei  der  Name  der  Dreieinigkeit  gemurmelt.  —  Hierauf  hielt 
Herr  Oberlehrer  Dr.  M.  Kuttner  einen  mit  lebhaftem  Interesse  aufgenommenen 
Vortrag  -Streiflichter  auf  Corsica'  unter  Vorlegung  von  photographischen  Bildern. 
Er  berichtete  über  seine  im  letzten  Juli  von  Marseille  aus  unternommene  Be- 
reisung Corsicas,  bei  der  er  hauptsächlich  die  historische  Grundlage  von  Prosper 
Merimees  berühmter  Novelle  'Colomba'  erforschen  wollte.  Es  gelang  ihm  auch, 
nicht  bloss  die  Quelle  von  Merimees  'Matteo  Falcone'  (1829),  der  durch  Chamissos 
Gedicht  (1830)  auch  uns  Deutschen  zugeführt  worden  ist,  in  einer  Novelle  Renuccis 
'La  delazione  punita'  zu  entdecken,  sondern  auch  in  Olmeto  Nachkommen  der 
Colomba  Bartoli  (geb.  1768  in  Fozzano,  gestorben  93jührig)  zu  finden,  die  ihm 
von  jener  heldenhaften  Frau  erzählten  und  einen  an  sie  gerichteten  Brief  Merimees 
vom  6.  Januar  1855  zeigten.  Ausserdem  aber  studierte  er  Land  und  Leute  auf- 
merksam. Ajaccio,  das  im  Winter  als  Kurort  aufgesucht  wird,  lässt  im  Sommer 
seine  Besucher  Tropenhitze  fühlen  und  bietet  ausser  einigen  Erinnerungen  an 
Napoleon  I.  wenig  Bemerkenswertes.  Tiefer  ins  Volksleben  führten  Ausflüge  auf 
den  Mont  Pozzo  di  13orgo,  der  Route  du  Salano  und  Reisen  mit  der  Postkutsche. 
Nur  l/a7  der  Insel  ist  bebautes  Ackerland,  5/„  Wald  und  Fels,  21/21  aber  nehmen  die 
als  Schlupfwinkel  der  mit  den  Gesetzen  in  Konflikt  geratenen  Corsen  bekannten 
Maquis  ein.  Einen  ehemaligen  Banditen  Bellacoscia.  der  46  Jahre  im  Maquis  zugebracht 
hatte  und  durch  Carnot  begnadigt  worden  war.  lernte  der  Vortragende  selbst  kennen. 
Die  Volkssprache  ist  ein  italienischer  Dialekt.  Die  Bauern  wissen  Stellen  aus 
Tassos  Befreitem  Jerusalem  und  Ariosts  Rasendem  Roland  auswendig.  In  den 
Fole  (fabulae)  der  Corsen  herrscht  der  Glaube  an  Hexen  (stiege),  die  häufig  als 
Saum  auftreten,  an  den  bösen  Blick,  an  das  Unheil,  das  die  Donnerstags  Spinnenden 
trifft  Die  Sitte  der  Totenklagen  (voceri),  der  von  einer  Brüderschaft  bestellten 
Begräbnisse,  der  Blutrache  (Vendetta)  ist  oft  geschildert  worden.  Die  Innigkeit 
der  Familienbeziehungen  tritt  darin  hervor,  dass  die  meisten  Frauen  in  Trauer 
gehen.  Gross  ist  die  Ehrfurcht  vor  dem  Tode;  wenn  ein  Leichenzug  vorübergeht, 
werden  Thüren  und  Fensterläden  geschlossen.  Irrsinnige  sucht  man  zu  heilen, 
indem  man  sie  eine  Nacht  lang  in  die  Kapelle  eines  Heiligen  einschliesst.  Patri- 
archalische Einfachheit  herrscht  in  den  ärmlichen  Hütten  der  teilweise  von  der  Käse- 
bereitung lebenden  Berghirten.  —  In  der  dem  Vortrage  folgenden  Diskussion  hob 
Berr  Titzenthaler  hervor,  dass  er  im  Innern  Corsicas  oft  blonde  und  blauäugige 
Familien  gefunden  habe.  Herr  Kuttner  lehnte  im  Hinblick  auf  die  vielen  kriege- 
rischen Berührungen  der  Corsen  mit  anderen  Völkern  ab,  hieraus  bestimmte  Schlüsse 
zu  ziehen  und  erwähnte,  dass  man  neuerdings  der  Urbevölkerung  nicht  mehr 
keltische,  sondern  berberische  Abstammung  zugeschrieben  habe.  —  Vorher  war 
der  bisherige  Vorstand  von  der  Versammlung  durch  Zuruf  wiedergewählt  worden. 

Johannes  Bolte. 


Registe  r. 

Die  Namen  der  Mitarbeiter  ~iml  kursn   gedruckt. 


Aberglaube,  mittelalterlicher  272    279. 

Abersee  2l8f. 

Abholung  der  Braut  166. 

Abricias   438. 

Abschied  der  Braut  l»i.">:  der  Brautjungfern  165. 

Abzählverse   161. 

Achelis,  Th.  94. 

Adler,  M     Volkslieder  459—461. 

Adolescens  arbor  230. 

Adventspiele  96. 

Agricola,  Joh.  257. 

Ahorn  50. 

Akelei  224. 

Aldhelms  Rätsel  142. 

Alemannische  Grammatik  i 

Allgäu  282 

Alp  263. 

Altarwicken  277. 

Alte  Leute  90. 

Altenglische  Rätsel  127. 

Altertumskunde,  indogermanische  89. 

Altnordisches  Lebi  n  360.        Rätsel  117—149; 

Entstehungszeil  188f.;    Stoffe  I38f.;    volks- 

tümliche  Elemente  14s. 
Alvismal  124. 
Ambraser  Liederbuefa  287. 
Arnika    " 

Amin:  Kasim  Bej   A.  2501 
Ammenuhr  103. 
Andree,  R.  112. 
Angan  is  2 1  •  i  f.  278.  411. 
Anhalter  Bastlösereime  64. 
Anmäuerln  463. 
Apfel  50.  274.  276. 
Arabische    Erzählung       zwei     poesiekundige 

Töchter)  82f. 
Arbeitslieder  mit  Zahlendeutung  105. 
Archiv  für  Religionswissenschaft  '.»41'. 
Ardavast  (armenische  Sage)  4ls. 
Areck  (Kellen  453. 
Argyleshirc,  Spiele  :'>47. 
Armenspenden  456. 
Arnhemsche  Meisjes  iGebäck)   158. 
Aschermittwoch  273. 
Aujre:  s.  Blick. 


isegen,  <  ambridger  79.  2 
Ausruf 

tiung    'ler    Kilnl 

Avierino,  Alexandra  251, 

Baba    Dämonin)  34  1 
Babe    Wawa    224. 
Bacher,  J.   l.u-  rn  28 

143—452. 
II.  273. 
Baldaeus,  Ph    187.  381. 
Baidermythus  95. 
Balg  über  das  böse  Aug<    gezogen  309f.  316. 

425  f. 
Bamberger  Geschichten  37. 
Bannen  68f. 
Barbara,  Jos    a  S    R 
Bär  vom  Mädchen  überlistel   I78f. 
Bärlapp  •"" 
Bartels,   Maa    109.    169.     Reo.  1'  81 

16«  f 

Basüisk  316  f. 

der  '  irade,  der   i.oshalt<  r  5 

Bastlösereime  61.  ,;4 

Bai    lorfer  Dreikönigslied,  x\  eihnachtspi* 

Bauernhöfe  in  Westfalen  849f    -schraai  I 

Beduinen  245;  vorislami 

Befana  282      B  ranal 

iben:  symbolisches  B.  als  Heilmittel  827 
jung  in  Polen 
Beine:  durch  die  B.  rückwärts  Beben  310 

Mal  an  einzi  In  i ; 

Benfey,  Th.  186ff. 
Berchta   144. 

in.  .1.  Bprichwörterbibli  I 
Berthold  von  Regensburg  229. 

Den  276. 

449.   1-1 1. 
I        ttung  31. 
Bibel  462. 

oschwarm  zurückha 
Bierbrauen:  böser  Blick  321  f.    Hau 
Binden  der  Glieder  d  266. 

Binsen  51. 
Blitz  wehrt  die  Hasel  ;ib  4. 


47-2 


■ 


Imacher    Lied)  299. 
lilümml,  E   K.     Pflanzen    19—64     Friedhöfe 

210—218. 
Bläter  BO 

Blau  Trauerfarhe  83. 
Blick,  böser  804—330.   120-430.  440. 
Blonder  Typus  94. 
Blutbrüderschaft  92. 
Blutrache  91. 
Blutschande  95. 
Böhme,  1'.  M.  387 f. 
Bohne  51.  91.    Bohnenspiele  52. 
Bojaren  160.  L64. 

/;./'//,  .    Juh.      Petrus    und    <li<'  bösen   Weiber 
252—263.     Auslegung  des  Kartenspiels  37 (i 
bis  406.     Rec.  96f.   98— 100.  95.  298.  352. 
Berichte   L69f. 
Boppe,  der  -tarke_230. 
Borkeiswecken  197. 
Botanik,  mythologische  1. 
Bovist  52. 

Brabantische  Mütze  234. 
Brandl,  A.  -J36. 

Braunschweiger  Reime  73.  461  f. 
Brautabholung  166.    -abschied  von  den  Eltern 
1621  151.   bestreut  11.  43G.  -fuhrer  (druäby) 
160.  451   -geschenke  160. 162. 168.  -Jungfern 
160—162.    164.    165.     -kammer  167.     -kauf 
91.  165.    -kränz  (ruthenisclier)  160.  280.  284. 
-lieder  (rutbenische)  160.  169.    -orakel  430. 
450f.     -wasche  341. 
Brief  der  Liebsten  448. 
Brot  und  Salz  I63f.  166.     Brotbacken:   böser 

Blick  321.     vgl.  Gebildbrote. 
Brückner,  .1.  Rec.  347  f. 
Brunck,  A.  3461'. 
Bruscello  231. 
Bruskos,  A.  393. 
Brust,  Samtbrust  (Mieder)  234.    Brusttuch  234. 

Brüste  abgeschnitten  91.     Grosse  B.  264. 
Buche  91.  225. 
Büffel  (Unterkleid)  234. 
Burensprache  345. 
Bnrkartswoche  197. 
Buttern;  böser  Blick  322f. 
Butzemann  3. 

Chatelain,  J.  B.  F.  E.  de  377. 

Clinius,  Th.  394. 

Cochem:  Leben  Jesu  97. 

Contes  des  Landes  et  des  Greves  100. 

Coquillages  de  mer  101. 

•  lorsica  470. 

Crimhilt,  Chreimhilda  amara  230. 

Crucifix  277. 

Cynewulf  14t;. 

Dachöflnung  für  die  Seele  269  f. 

Dähnhardt,  0.  104. 

Dänisches  Märchen  von  Petrus  252 ff.  Stunden- 

lied  400. 
Dapper,  0.  187.  331. 
Dekan  Wettermacher  2(.»4. 
Die  mihi,  quid  est  unus  3'. »4  f. 
Dieterich,  K.  Rec.  103— 1<>8. 
Distel  52. 
Dombaumeister  39. 
Donaria  (Votivgaben)  227  f. 
Dornen  266. 


I  forsche  52. 

Dortschr  Znol  (Gebäck)  458. 

Dotterldunii-  52. 

Drechsler,  P.  233.     Wassermann  201.  207. 

Dreier    l  retreide)  183. 

Dreissigste  19.  456. 

Dreizehn  393.  451. 

Drudenfuss  78. 

Drufbi,  dru/.ki  160. 

Düntzer  188. 

Dublin  1. 

Eberesche  326. 

Egerland  223.  345. 

Ehescheidung  im  Islam  243f. 

Ehrenpreis  52. 

Ehrentraut.  St.  182. 

Eiche  53. 

Eid  91. 

Einhorn  442 f. 

Einsiedler  und  Engel  464. 

Eisenhut  .~)3. 

Eiserkuchen  7.").  109. 

Eisvogel  279. 

Elven,  neunerley  83. 

Engersgau  48. 

Erbscheidung  19. 

Erdapfel  53.    -beere  53. 

Erk,  L.  388 f. 

Erstgeborener  gegen  Zauber  gefeit  314. 

Erziehung  92. 

Estnische"  Märchen  98. 

Eucherius  von  Lyon  :'»97. 

Eulenblick  305. 

Eulenspiegelstreiche,  indische  101. 

Euling,  K.     Kaufringer  464 f. 

Eunuchen  247. 

Eva  aus  einem  Hundsschwauz  erschaffen  256. 

Ex  votis  227  f. 

Eysn,  M.     Votivgaben  181—186.  351. 

Familientiseh  157. 
Parferln  223. 
Farsetti,  K.  231  f. 

Fascination  330. 

Fegen;  an-  264. 

Feige  machen  306.  325. 

Feüberg,  II.  /'.  377.    Der  böse  Blick  304— 330. 

420-430. 
Feldkirchner  Gerichtsstätte  47. 
Felices  dominae  230. 
Fell  der  Augen  80. 
Fenster  geöffnet  beim  Sterben  267. 
Feuer  278.    heilkräftig  326. 
Feuerlilie  54. 
Fichte  54. 
Fieber  274. 

Fiedelfritze  (Rübezahl)  337. 
Finnen  als  Zauberer  432. 
Fiolvinnsmäl  125. 
Fisch  Wassermann  203f. 
Fischer  467.     Fischereigeräte  235.  351. 
Flieder  54. 
Frau   im   Islam   237—252.     Urspruug   böser 

Frauen  252-262.     Vgl.  Weib. 
Friedel.  E.  235.  236.  351. 
Friedend,  Chph.  258 f. 
Friedhofsüora  210-213. 
Fuchs,  Blick  315. 


Fundsachen  277. 

-     Fussspuren  des  F< 
roten  154.  168. 

öaissacb  -200. 

'.'alinden  90. 

Gans  Wassermann  208. 

G&nsegehen    schwedische  Bitte    1201'. 
en  des  Teufels  172. 

Gastfreundschaft  92. 

Gehildbrote  84f.  1981  340f.  155f. 

Gebote  2751 

Geburl  nnd  Taufe  in  I.usrn  4441  Symbolische 
Gebun   Heilmittel  827. 

fJedenkladen  2-Ji>. 

Gednldskuchen  458. 

I  leisterhafte  W<  -  d  279. 

'  leistersichtig  804  f. 

Gerader  Weg  der  Toten  152.  154. 

Gerechtigkeit,  blinde  38. 

Gerichtsstätten,  alte  47-49.  296-298. 

Gesichtsurm'ii  l*ö. 

Gesichtsverhüllung  2391 

Gestumblindi  (Odin)  124. 

Getreide  55.    G  durch  die  Hasel  9. 

G.-opfer  in  Köpfen  181  f. 

i  ..•will,  gevif  80. 

Gewittertopf  36. 

Geyer,  M.  L00. 

Ghul  417. 

Glockenblume  55. 

Godeschalci  visio  457. 

Goethe,  Paria  1861  262.    Plundersweilen  '.»7  f. 

Gösht-i  Fryano  397. 

Gottesschuh  456.     -urteil  92. 

I  lottschee  214. 

Grab:  Öffnung  am  Kopfende  27.  -kreuze  212. 
-kultus  24.  -schriften  (komisch)  339.  -spen- 
den 18. 

Grasblume    Nelke    234.     -halm  55. 

Grimm,  J.  354. 

Grossgmain  185. 

Grundtvig,  S.  377.  400. 

Guckkasten   169. 
Gulathing  3. 
Gütergemeinschaft,  eheliche  168. 

Hadin  377. 

Hager,  G 

Halm.  Henne  als  Opfer  I8öf. 

Hähnchen,   gebackenes  am  Palmpaschen  216. 

Hainsimse  55. 

Hakemann    Wassermann'  202. 

Hallthurner  Werke  219. 

Halslösungsrätsel  140. 

Hamdorf,  Prof.  116. 

Handauflegen  heilt  467. 

Handschuh  458. 

Handtmann,  E.  852. 

Hänseln  332. 

Harn  Heilmittel  328.     nicht    ins  W 

Harter  Kuchen  458. 

Hartmann,  M.     Frau  im  Islam  237 — 2o2. 

Hurt  um/,  0.     Bastlösereime  64—67. 

Hasaschättel  225. 

Hase  92. 

Haselstrauch  1—16.  Gerichtsbaum  4.  Welt- 
baum 3.  Fördert  Wirtschaft  uud  Stall  9; 
schützt  das  Vieh 81:  gegen  Blitz  5:  teuer 6; 


Schlangen  7    v.  n  8 

Wind 

6;  II   und  I  •    ,  . 

schlagi  m    :' .    bei    l  1 1 

hecken  -         Zauber  11.  14     16. 
Haselung  der  I >i 
Haselwurm  12. 

Hasla  Richteratab   I  LI   I. 

Hauff  w,  A.    Sp  •  Heinrieb  von  I' 

286—289.    Traum  vom  Seh 
Hauken,  Heuke    M 
Haus  92.     Hansmagd,  _-■  i  I 
Haxthaus        \  90. 

Hasardspiel  di  t  Egerländer  224. 
Hebamme  98 
Hechtfalle 
Hedwig,  St.  4f5.    -brunnen   155.        bli 

bis  158. 
HeifJrekB  gatur  1  IT  ff. 
Heiligenbilder    in    i  jeworfi  i 

Heiligenköpfe  aufg<     '      182 
Heimfuhrung  der  Braul   U  ü 
Heinrich  von  Anjou,  König  von  Polen  28 
Heiral  93     Hi  Lratsalti  t  L68. 
Helschnh  4.r>7. 
Hemde  beilkräftig  827. 
Henrici,  C    F.  256f. 
Hi  rbracht,  Herbrat,  Herbrol  Vx  81.226.  II  ti 

pral  226. 
Herbran,  Herbrand  81.  2 
Herbsl  Hochzeit  159.  — 
Herd 

Herford  198 
Herrmann,  Max  971 
Herta,    G      Abergläubische    Gebräuche    272 

bis  279. 
Horvararsaga  117. 
Herz  durch  Stroh  ei 
Herzog  im  Paradiese 
Hessii  i  bto  nbui  h  288. 

Heusler,  .1.   L12.     Käts«  MIT     14'.'. 
Hi  li  d  2.  29.  1691  -•■' 

zum  Blocksberg  8081    H 
Hexenmeister  • 
Hildesheim  197. 
Hiltibrahl  und  Hadubrani  81. 
Hin  iden  98. 

Hintern  '•  f.  4261 

Mir    Schmei  i    B0. 
Hirse  228. 

Hirten  27  1.     Hirtenstab  von  Hasel  B. 
Hochzeitgebrauche  auf  Man. I  10    16;  in  1 

ruthenischi 
bia  [69.  Hoi  hzekbäumi 

-      ||.,,  hz<  it(  ■   i  benke  168.  284 
zeiüader  IIb.    Hochxeitlieder  160—169 
II,  ,  584.   Hochieitsträusschen  B 

kie    162. 
Hoffmann  von  Fallersleben  102. 
Höfler   M   Hedwigsohler 
Schlüssel  207—210.    Kröti  al    Gi 
Michaelsbrol  198—201.  i 
Holder  225. 
Holle  201. 
Hollenberg  201. 
Höllenweg  15  >.     Hellweg  196. 
Hölscher,  B.  3 
Holtei,  K.  v.  3  - 


Beeist«  r. 


I        mann,  II.  94. 

1 1 - .  1  z ♦ ' i- 1 1 « -  Lungeln  als  Votive  18:5—185. 

Hostie  274  f. 

rtns-Schlüssel  207—210.  342. 

Hufnagel  276.  278. 

Huliii.  schwarzes  als  Opfer  185f. 

Hund  l"'i.  Hand  Wassermann  202.  Hunds- 
kopf 279.  Hundsrose  212.  Hundsschwanz, 
daraus  das  Weib  256.    Hundswul  207f. 

Hutzahaus  (egerländisches  223.  Hutzengehn 
223. 

Huzulen  283. 

Ibsen,  H.  330. 
Ichrätsel  145. 
[gelkalb  82. 

Iltis,  Blick  315. 

Iltoof,  /'.     Swift  463 f. 

Indische  Begräbniscercmonien  23.  Vgl.  Kulen- 

spiegel. 
Irrnebel  295. 
Islam,  Frau  im  237—252. 
Isländische  Hochzeit  40f. 
Italienisches  Flugblatt  Soldato  prussiano)3SGf. 

Jacobi,  Th.  355. 

Jahn,  C  Segen  84.    Rübezahl  336 f. 

Jahrmarktsfest  zu  Plundersweilen  97. 

Jausen  223. 

.Iisus  macht  aus  Tieren  Weiber  25.">. 

Jodler  222. 

Johannisbrot  207.  -feuer  278.  -segen  27(1.  454. 

-tag  207.  273. 
John.  A.  344  f. 
Judasohr  (Gebäck)  45s. 
Juden  und  Araber  240. 
Jüdisches  Lied:  Echäd  mi  jödea  395 f. 
Jungfräulichkeit    der   Braut    lb7.   438f.;    der 

Mägde  untersucht  421  f.:  durch  Hasel  13. 
Jnsti,  F.  233-235. 

Kahle,  B.  390.  Hochzeit  auf  Island  40—46. 
De  la  Martinieres  Reise  431—443. 

Kaindl,  E.  F.  Hochzeitsirebräuche  158—1119. 
281  i— 28G. 

Kallas,  O.  98—100. 

Kärntner  Speisezettel  222f. 

Kartenspiel  geistlich  ausgelegt  376—387. 

Kartoffeln  223.  225. 

Kästenigel  82. 

Katze  93:  heilkräftig  326:  Ratgeber  433. 

Kaufringer,  H.  464f. 

Kehrreim  136. 

Kellerrecht  452—455. 

Kerze  heim  Toten  18.  20f. 

Kesselhaken  81. 

Kestner,  H.  387.  396. 

Keuschheitsgürtel  442. 

Kichern  des  Wassermanns  202. 

Kiekebusch-Tanz  115. 

Kielkropf  202. 

Kielmann,  H.  394  f. 

Kimmetche  (Mieder)  2:14. 

Kind  und  Schlange  292.  K.  und  Stiefmutter  290. 
K.  ausgesetzt  90:  K.  durch  bösen  Blick  ge- 
schädigt 318 f.:  K. verhext  293;  K.  vertauscht 
293.  Kindesalter  in  Lus.'rn  446f.  Kindtaufe 
445f.    Kinderreime  7 3 f.  461  f.    K. -segen  183. 

Kirclihofblumen  210f. 


Kleeruthe   153. 

Kiezenbrot  86. 

Kloben  (Gebäck)  i:im. 

Klötzenmehl  223. 

Knöterich  •'■". 

Knudelmühle  352.  470. 

Koch,  John  298. 

Kochen:  Knäuel  k.  wider  Hexen  338. 

Kohl.  Fr.  Fr.  222. 

Köhler,  Jos.     Hutzahaus  223f. 

Köhler.  Reinh.  95f.  331.  377. 

Kohlsamen  274. 

Kolatschen  160.  164.  168.  284. 

Koloman.  St.  182. 

Köpfe,  hölzerne  als  Votivgaben  I82f.:  thönerne 
181f.  —  verkehrt  gesetzt  262:  vertauscht 
188.  191.  254.  262. 

Kopfbedeckung  93.  -dreier  183.  -leiden  ge- 
heilt 182. 

Korner,  Herrn.  301. 

Kornrade  57. 

Kraftspiele  am  Abersee  218  f. 

Krankheitsdämonen  81.  263. 

Kranzeljungfern  160;  vgl.  Brautjungfern. 

Kräuter  285. 

Krekeling  215 

Kreuz  über  Getränk  schlagen  306. 

Krippe  275. 

Krossen:  Schmuck  der  Dorfstrassen  87  f. 

Kröte  vergraben  307.     Gebäckmodel  340. 

Kuckucksruf  449. 

Kuh  zeigt  den  Bauplatz  409.  Kühe  durch 
bösen  Blick  geschädigt  319:  durch  die  Hasel 
geschützt  8  f. 

Künste  (Zauber)  277. 

Kutsche,  vorbedeutende  39. 

Kuttner,  M.  470. 

Kyllburger  Gerichtsstätte  48. 

Lachmann,  K.  355. 

Landschaftsmalerei  147. 

Lappen  Zaubrer  4321'. 

Laxdeela  Saga  309. 

Leber  ex  voto  228.    Leberreime  114. 

Leiche  269.  277.     Leichenwache  18. 

Leinsamen  275. 

Lemke,  E.     Treichel  465  f. 

Lenorensage  418. 

Leonhard,  St.  184. 

Li  wy,  II.     Vogelnest  462f. 

Lichtergiessen:  böser  Blick  323. 

Liebesorakel  63f   448.  449. 

Lieder,  volkstümliche  103.  332 f.  Vgl.  Braut- 
wäsche, Hasel,  Heinrich,  Tochter,  Und, 
Volkslieder,  Zahlen. 

Links  gegen  den  Wassermann  206. 

Lintwurm  317. 

Lisse  202.  206. 

Ljutziner  Esten  98. 

Loben,  0.  H.  von  104. 

Loosc,  F.    Eiserkuchen  75 — 78. 

Losch,  Fr.  95. 

Lösung  der  Rätsel  137. 

Löwenzahn  57. 

Lukasschuh  456. 

Lungeln.  hölzerne  Votivbilder  183 f.  351. 

Lusernische  Geschichten  28—37.  1(59— 180. 
290—296.  Meinungen  und  Bräuche  443—452. 

Lustucru.  Meister  262. 


Maasslieb 
Macbeth  2 

Maclagan,  l;    <  !raig  847. 
Malchin  112. 
Manenopfer  25. 

iM-n.  estnis«  he 
Marder,  Blick  815. 

Maria  and  die  Hasel  6f.    M.  diu  wihe  - 
Mariatale,  südindische  Göttin  189. 
Marielein,  drei  176—180. 
Märkisches  Museum    Berlin)  236. 
Marriag( .  E.  M.  377.  395. 
Martini,  iv.  P.  M.  de  la  431ff. 
Masken  aus  Salzburg  475f. 
Matzen:  Kellerrecht  452. 
Mecklenburger  Winterabend  112—118. 
Meinwoche  (menweke    195. 
Meistersinger  388f. 
Meitzen,  A.  :'>50. 
Merimee,  P.  470. 
Meyer,  E.  H.  112.    Beinr.  345f. 
i/    er,  R.    i/   94.  352.    Rec.  97f. 
Michael,  St.  195.  Gabenspender  196.  Beziehung 

zu  den  Toten  195.   —  Michaelsblumen  196. 

-brot  193-201.  -kuchen  199.458.  -tag  195f. 
Mieder  234. 
Mielke,  R.    349.  350 f.    Brauch  87  f.    Zauber- 

l»uppell   217  f. 

Minden,  G.  352. 

Mönch  Felix  von  Heisterbach  2 

Mönöloke    Zauberpuppe    217f. 

.Muni  aus  Eifersucht    Lied)  460f. 

Mors:  tres  ictus  mortis  "231. 

Morschen  oder  Modern  (Spiel    218. 

Moses:  7.  Buch  Mosis  352. 

Motzen  (Jacke    234. 

Müller  und  Wassermann  202  t'. 

Müller,  E.  95.     Godehard  392. 

Müllerin,  fromme  465. 

Mummerei,  Umzug  334. 

Münchner  Festgebäck  84  t'.    Krippen  468. 

Mundartliche    Chrestomathie    1U5.      Allgäuei 

Mundart  232. 
Muslimischer  Totenglaube  24. 
Mutter  der  Gläubigen  237.    M  Gottes  lächelnd 

37.    Gestorbene  M.  pflegt  ihr  Kind  456f. 

Xachhochzeit  168. 

Nachtwächterlied  403. 

Nackt  beim  Zauber  429. 

Nadel  279.  321. 

Nag<  1  275. 

Nageln  265. 

Nagl,  J.   W.  345. 

Natesa  Sastri  101. 

Nebel  s.  Irrnebel. 

Negelein,   J.  v.     Reise  der  Seele  16—28.    14'.» 

bis  158.263—272.    Pferd  im  Seelenglauben 

406-42(i. 
Nestelknüpt'en  43'.». 
Neujahr,  germanisches  193 f.  196. 
Nicolaus,  St.  196.434.    -abend  334.    -gebäck 

86.    -spiele  96.    Niklas  (Umzug  i  224. 
Niederlande :  Palmbusch  215.  Stundenlied  l<  llf. 
Nixen  202.     Nixloch  219. 
Noah  255. 
Norgg  (Orco)  31. 
Notfeuer  in  Braunschweig  2 16  f. 
Nudeln  223. 


ii 

i  »laus  M 
I  »nun. 
•  Ipfer,  lel 
Opfer-Bärma 
Orco  81.   LH 
'  Ornament 

i  >st(  rlandssageu  100. 

r  i  215. 

Palm,    geweihter   273f. 

Palmbusch   5.    215f. 

paasch  216. 
Pantoffel  der  Gattin   188.     P.    G 
Parialegende  I 
Paroimiai  105. 

ilied  395f. 
Paternoster  81  f.  276. 
Pelzmäntel  86. 
Perchtenlaufen  '.'7. 

P        r  246. 

Schnpf  290. 
Petras,  St.  köpf)  Teufel  and  Weib  253.    - 

hter  252. 
Petsch,  /,'     Brautwäsche  841. 
Pferd,  Blick  316.  prophetist  h  410f.  im  8 
iahen  und  Totenkuli  406     120.   al    I 
tu  lirer   414.    Wassermann   204.    als    ' 
weiser  408.    —    Durch    B  geför 

Pferdeopfer  406.  412.   -wiehern  glückb 
I09f 
59. 
Pfistern  20  I. 

Pflanzen  im  Leben  der  Kinder  49 
Pflaumenbaum 
Phokylides  256. 
Picander    Henrici 
Pilger  uu'l  getreu  t  Hirl  '.'7. 
Pine    Wallfahrtsort    447. 
Pins   l.\    hatl  B 

Piza-Paza  36. 
Plattien  2 
Plenten  222. 
Plundersweiler  Jahrmark 

:  Volksmedicin 

'      G 

Pomey      poma 

.  lad  i   R 

Prahl,  K.  H.  102—104. 

Tran. 

Prato,  8.  ■ 

b  ii  |  Kell  ; 

Pythagoräisi  he  Zahlensymboli 

Quellen  201.  275. 

Bada.  G.  de  393. 

Raff,    U.     Festgebäck  84—87.  ichten 

-39.    Volksmeinunj  —221. 

endorfer  W  piel  38b. 


Register. 


i.  Aldhelms  142:  alteuglische  127;  alt- 
_ii.rlii.-chr  L42;  altnordische  117 — 149;  is- 
ländische 112;  mecklenburgische  113:  der 
Meistersinger  388 f.;  Reichenaner  129.  - 
[chratsel  145;  Rahmen  144:  Stoffe  126. 144. 
i  bn&chte   1**4. 

Ravn,  H.  Bf.  394. 

Reformbewegnng  für  die  Frauen  in  Ägypten 
250. 

//.  ichhardt,  /.'.     Sagen  68—73. 

Reifstangen  3. 

Reinmar  von  Zweter  404. 

Reise  der  Seele  ins  Jenseits  16  —  28.  149—158. 
Reiseausrnstung  der  Toten  151. 

Reiser,  K.  232f.  ' 

/,'.  igst  nbt  rw  r.  K.  Tochter  des  Kommandanten 
zu  Grosswardein  298— 304. 

Remlingrade,  Vehmlinde  296. 

Rentiere  433f. 

Rinckhart,  M.  39."). 

Ring,  eiserner  277. 

Roediger,  M.  Weinhold  3.">3— 376.  Rec.  229 
bis  231.  Berichte  llo.  116.  235f.  349—352. 
469. 

Rogga    rocca)  Dampf  :'>0. 

Romeuie,  die  wilde  81. 

Rosengarten  95. 

l!o<enkranz  Liebesgeschenk  447. 

Ross:  s.  Pferd. 

Ro>skastanie  59. 

Rot  heilkräftig  325.  Rote  Kappe  und  Strümpfe 
hat  der  Wassermann  206. 

Hott,  A.  J.    Pflanzen  4M— 64. 

Rübezahlsagen  33(if. 

Rückwärtsgehen  153. 

linmpe,  R.  108f. 

Ruprecht  1>7. 

Russische  Bräuche  436. 

Ruthenische  Huclizeits^ebräuche  158  —  169. 
280—286. 

Sachs.  Hans  97.  256.  258. 

Sagen,    Bamberger  39:    Braunschweiger  :'>38: 

thüringische  68  f. 
Salat  223. 

Salige  Fräulein  230. 
Sammelrätsel  143. 
Samojeden  442. 
Samstagnächte,  goldene  200. 
Sauerampfer  59. 

Säugen,  einen  Erwachsenen  307. 
Sauve,  L.  F.  392. 
Saxo  Grammaticus  -">10. 
Scandinavia  92. 
Scern  (.Scherz)  230. 
Schachspiel  465. 
Schäfergruss  114. 
Schafsleber  228. 
Schatzsageu  72. 
Schaufel  156. 

Scheibenschlagen  zu  Ostern  2. 
Schell,  O.     Gerichtsstätten  47—49.   296—298. 

Hubertus-Schlüssel  812. 
Scheme  (Augenkrankheit)  22'.*. 
Schiedchen  ^Gebäck)  199. 
Schielender  unheilbringend  319. 
Schildbürgerstreiche  339. 
Schimmelreiter  194.  196. 
v-hlangen  "'■   Blick  316.    S.  und  Kind  292. 


Schleiergebot,  muslimisches  239.  248.  Schleie- 
rung  der  Braut  lflöf. 

Schlesien  und  die  Haustiere  233.  Mundart 
:'>56f.     Volksüberlieferungen  356f. 

Schlüssel  208. 

Schmied  10!>.     Schmiedehammer  heilt  329. 

Schmidt,  Rieh.     Rec.  101  f. 

Schnaps  223. 

Schneebeerstrauch  212. 

Schöllkraut  60. 

Schönbach,  A.  E.  464.  Berthold  von  Regens- 
burg 229—231. 

Schöppenstedter  Streiche  339. 

Schrader,  O.  89—94.  342—344. 

Schröer,  K.  J.  213 f. 

Schuh  der  Braut  ausgezogen  438.  Spende  456 
bis  458.  Vgl.  Heischuh,  Lukasschuh,  Toten- 
schuh. 

Schukotvitz,  II.  95.    Kellerrccht  452—455. 

Schulze-Veltrup,  W.  349  f. 

Schustertauz  115. 

Schütte,  0.  Hänseln  332— 334.  Notfeuer 216f. 
Sagen  338— :'.40.  Volksreime  7.°»— 75.  461  f. 
Erziehung  zur  Aufmerksamkeit  462. 

Schwänchen  am  Palmpaasch  215. 

Schwanz  der  Kuh,  des  Pferdes  halten  406f. 

Sehwarze  Tracht  234. 
i    Schweizer.  Idiotikon  466. 
■    Schwelle  275. 

Schwert  durch  Anblicken  stumpf  gemacht  422f. 

Sebillot,  P.  100 f.  467. 

Seele:  Reise  der  S.  ins  Jenseits  16—27.  149 
bis  158.    263-271. 

Seelbier  19.  Seelenämter  18.  Seelen<rlaube 
17.  229.     Seelenzopf  85. 

Segen,  litauischer  84.    Vgl.  Sprüche. 

Seifenkraut  225. 

Selbstmord  einer  Verführten  (Lied)  455 f. 

Semitischer  Totenkultus  23. 

Seybold,  C.   /•'.     Arabische  Erzählung  82f. 

Shakespeares  Hexen  236. 

Siebeuter  Tag  nach  dem  Tode  22. 

Sieblaufen  224. 

Silvesteraberglaube  413.  430. 

Sinieon,  St.  893. 

Simonides  von  Amorgos  256. 

Singrün  213. 

Skoffiu  317. 

Skuggabaldur  317. 

Slavische  Vorstellungen  vom  Tode  22. 

Sleipnir   1  10. 

Sökeland,  H.  112.  235 f.  351f.  469f.   . 

Soldat  in  der  Kirche  karteuspielend  376ff. 
!   Sonne  angebetet  442:  von  Wölfen  verfolgt  140. 

Sonn erat  188. 

Spännen,  spengeln  463. 

Spee,  Fr.  398. 

Speiseopfer  194.  196. 

Spiele  in  Argyleshire  347. 

Spielkarten:  s.  Kartenspiel. 

Spiessrecken  224. 

Spinnstube  469. 

Sposa  37. 

Sprichwörter,  Allgäuer  232;  altnordische  131; 
neugriechische  105.     Vgl.  Bernstein. 

Sprüche  (Segen)  275.  278. 

Spucken,  ins  Wasser  201. 

Spuksagen  338. 
:   Stabwurz  60. 


17 


■  i      Rec.  346. 
Steinthal.  11.  94. 
Steirische  Volkslieder  BI 
Sterben:    Ausdrücke   dafür  150f.    durcl    B 

dauern  verlängerl  220. 
Sterbende  auf  die  Erde  gelegt  221. 
Sterzinger  Spiele  464. 
Stickerei,  hessische  284. 
Stieda,  1..  227    229. 

1  dem  Bräutigam  ausziehen  437. 
Stiefmutter  290. 
Stockklieben    Spi.-l;  219. 
Stollen    Gebäck    198. 
Strauss  (Vogel    414.    117. 
Strick,  geweihter  204:  des  Wassermanns  202. 
Strobl,  A    881. 

Strophenmass  der  altnordischen  Rätsel  133. 
Studentenlieder 
Stülpehen  •_':'■  1. 

Stundenlieder,  geistliche  398  f. 
Stute  ;Gebäck)l98.  Stutenbrei,  Stutwecki  L98. 
Sultanstochter  [Legende    299. 
Suiza:  Lied  459f. 

oild  310. 
Swift,  .1.  463f. 
swinen  81. 

I  g  der  Reise  der  Seele  26;  im  Totendiensl 
ls— •_'•_':  aoglöckliche  in  Ägypten  276.  JTS. 

Tänze,  mecklenburgische  115. 

Tennalirama:  Tales  of  T.  101. 

Tenor  222. 

Teufel  2.  254  258.  T.  betrogen  171.  T.  und 
Schutzengel  393f.  T.  in  PferdegestäH  416. 
419.    Teufelskopf  258f.    -glaube   • 

Thonar  2. 

Thoroddsen,  Th.  131. 

Thüringische  Sagen  68—73. 

Tiere,    spukende  338 £    T.   und  Weiber   v< . 
glichen  -253.  255ff. 

Tiffau.l   167. 

Timpenbrei,  Timpensemmel  198. 

Tirolerlieder  222. 

Toblei;  Ä.     Rec.  231  f. 

Tochter  des  Kommandanten  von  Grosswardein 
- 

Tod  erleichtert  221. 

Todesgottheit  zu  Pferde  415.   Todesorakel  U3. 

Tomair    Thonar    2. 

Tote:  Augen  zudrücken  313;  beim  Begräbnis  19; 
Qoch  lebend  17:  auf  ein  Pferd  gebunden  408. 

Totenbestattung  359.  -bretter  221.  -brücke 
150.  -feier  I93f.  195.  -gaben  434.  156 f. 
-klagen  433.  -mahlzeiten  20.21.26.  -opfer 
(antike)  26.  155.  -schuh  151.  156.  -spende 
18.  21.     -volk  194 f.     -weg  150.  152.  155. 

Trachten,  hessische  233. 

Trankopfer  24. 

Traubenkirsche  60. 

Trauerfarbe  83. 

Traum  vom  Schatz  auf  der  Brücke  226. 

Trauung,  ruthenische  I63f. 

Treichel,  A.  f  465f. 

Trepanation  90. 

Troll,  Blick  314. 

Trudengeschichten  17:'>— 176.     -stein  351. 

Ohr,  geistliche  399. 

ümbra,  scheme  (Augenkrankheit)  229. 


l  mzäunungeo  mil  Haseln  3f   - 

21 1   Weihnachtspi« 
[Jnxüi  Blick 

Urbar. 
Ordarkötttu 

Vafthrudnisi 
Valentin,  St  LS 
Vebgnd  8. 
Vehmlinde  29a  5 
Veilchen  213 

V<  it.   St.      - 

Verein  für  Volkskunde,  Sl  ier  li"f. 

Vergissmeinnicht  60. 

Verhexen  des  Viehs  351. 

Vermauert  in  den  Herd    I  ■ 

Vetter,    I      Pflanzen  224—! 

\      ichutz   durch    di    Hai   :   if. 
Mecklenburg  82.    Vieh  verhex!  351. 
treiben  i  241. 
beerbaum  60. 

Vogelnest  --'77.  27'.».  462 f. 

\       .  Fr.  96  f. 

Volard,  vollaerd  199. 

insichten  über  Krankheiten  108.  -foi 
Wandlungen  109.    -künde    Universität 
lesung    359;    s.  Verein,     -lieder   aus 
GeiselthaJ  459—461;  b.  Lied,    -medicin  467. 
-rätsei  s.  RätseL    -trachten  : 

Völsui  311. 

Völnspä  356. 

Vorhochzeit,  ruthenisch  160.    zawoi 

Vornamen:  Reime  darauf  7  1  f. 

Vorzeichen  der  Trauungen  284.     VgL  Bi 
orakel,  [Jebesoral 

Votivgaben  102.  181     186   227. 

Wahrsagen  277  f. 

Waisenmädchen,  drei    Rfärchi       I  i 

w  ass<  r  zur  Kristallkugel  191  f. 

\\  ass<  rau8guss  266. 

Wasserlisse,  Wassernixe  202. 

Wassermann,  schlesischer  201 — 207.  Feind  der 
Müller  202ff.    Gestali  206.    Seh 
ihn    204f.    207.     Tanzlustig   205.      I  ii  i 
wandlnngi  d  208  f. 

.  II    393 
W<  i  bselbalg  2  ! 
Wecken    I 
Wegerich  62. 
Weib,    alt-  '    L72.      W .    anrein 

prang  der  bösen  Weiber  ^  . 

und  Tiere  vei  258.  265f, 

Weide  62. 
Weihnai  bten    '.'7.    •_•'.  i  k  86.     I 

cble- 

sisch« 
Weih  3f. 

Weinhold,   K.     I":». 

Bauern  tisch  222  f.     Bericht   110—112.    Blaa 
Haselstranch  1— 16.    Palmbusch  2l6f. 

Rübezahl    336£    8 

auf  die   Erde  221.     I 

94f.    '  '•'.    lOOf.  104.  232.  233f.  34  1  f.  ! 

466f.  —  Biographie  354-364.  469.  Schriften- 
verzeichnis 364—: 


m 


Ri  -ister. 


\\      .     Frau  7.    \\.   rotenpferde   116. 

irm  317. 
Werbang  159. 
Werlin  289. 
\\  ert   übersrliät/t   221. 
Werwolf:  ältester  Beleg  229. 
Wettermachen  L70.  294. 
Wichmann,  F. 
Wicken    zaubern    277. 
Wiebele    Geb&ck)  4."»8. 
Wildberger  Vehmlinde  297. 
Wilde  Jagd  6.  152. 
Wilder  Mann,  wildes  Weib  32. 
Wildschad«  n   -. 
Wilhelmus  Parisiensis  272£  463. 

Wind  ''.    Vundzauber  432. 

Wolf  274.     Blick  315.    VgL  Werwolf. 

w  olfsmilch  63. 

Worte:    zwölf  W.    der  Wahrheit  394.    Wort- 
spielrätsel  142. 

Wössiälo,  //.  11« ».  112.  UG.   Viehsegen  83 f. 

Wotjakische  Bprachproben  342. 

Wucherblume  63. 

Wüetenheer  6. 

W  anderbrunnen  201. 

Wünschelrute  11.  235f. 

Würfel    Legende)  404. 

W'usehilburg,  Johannes  272. 

Wnttke,  R.  112. 


\  für  D  231. 


Zacharicu 

bis  192. 
331. 


/'/;.     Goethes    Parialegende    186 
Und  wenn  der  Himmel  war  Papier 


Zahlen  1  bis  12  geistlich  gedeutel  3871  -1 ' >•  '•  - 
well  lieh  404 :  erotisch  404f.  —  Zahlendeutung 
352.  381. 
Zahn  ins  Mausloch  447. 

Zangerlej  H.  222. 

Zauberpuppen  217  f. 

Zaun  275. 

Zi  cherkataloge  405. 

Zeiten,  un-lückliche  276. 

Zeller,  G.     Kraftspiele  218f.     Mkolausabend 
334  f. 

Zerbst  75. 

Zingerle,  J.  V.  444. 

Zips  214. 

Zither  222. 

Zittergras  64 

Zupf  234. 

Zopfgebäcke  201. 

Zuccalma»lio,  W.  v.  389. 

Zupitza,   /:.     Rec.  89-94.  342-344.  347. 

Züricher  Kinderlied  388. 

Zwölften  4t)3.  413. 


Druck  von  Gebr.  Unger  in  Berlin;  Bernburger  Str.  30 


PS 


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