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ZEITSCHRIFT
FÜR
WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE
BEGRÜNDET VON
CARL THEODOR V. SIEBOLD
UND ALBERT V. KÖLLIKER
HERAUSGEGEBEN VON
ERNST EHLERS
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU GÖTTINGEN
HUNDERTDRITTER BAND
MIT 280 FIGUREN IM TEXT UND 17 TAFELN
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1912
/ zo Y
Inhalt des hundertdritten Bandes
Erstes Heft
Ausgegeben den 12. November 1912 geite
Rudolf Hochreuther, Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginales iL
ihr Bau und ihre Verbreitung am Körper. Mit 102 Figuren im Text 1
Max Braun, Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Hau- ^
tung. Mit Tafel I und II
Zweites Heft
Ausgegeben den 3. Dezember 1912
Carl Demandt, Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. Ein Bei-
traff zur Morphologie des Insektenkörpers. Mit 74 Figuren im Text 171
Maria Andries, Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon
Meigen. Mit 23 Figuren im Text und Tafel III- V
Drittes Heft
Ausgegeben den 10. Dezember 1912
Richard Raßbach, Beiträge zur Kenntnis der Schale und Schalenregene-
ration von Anodonta cellensis Schrot. Mit 64 Figuren im Text . öbö
C Janicki, Paramoebenstudien. (P pigmenHfera Grassi und P chaetognatht
Mit 4 Figuren im Text und Tafel VI— IX 44y
Grassi).
Viertes Heft
Ausgegeben den 17. Dezember 1912
Jur. Philiptschenko, Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten III. D»
Embryonalentwicklung von Isotoma cinerea Nie. Mit latel *-**y oiy
M. Nowikoff, Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. Mit
13 Figuren im Text und Tafel XV— XVII
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L,
ihr Bau und ihre Verbreitung am Körper.
Von
Rudolf Hockreuther.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg. )
Mit 102 Figuren im Text.
Einleitung.
Die vorliegenden Untersuchungen sollen sich in die Reihe der in
Marburg vorgenommenen Durcharbeitung des Organismus des Gelb-
randes (Dytiscus marginalis L.) einfügen. Sie beziehen sich auf die
Hautsinnesorgane des Käfers, jedoch schließen sie die Beschreibung
der Chordotonalorgane, die von anderer Seite vorgenommen wird, aus.
Ebenso wird das in der Gelenkhaut zwischen dem zweiten und dritten
Antennenglied ansetzende JoHNSTONEsche Organ von jener Seite Be-
arbeitung finden, desgleichen im Zusammenhang mit den in den Flügeln
gelegenen Chordotonalorganen alle Hautsinnesorgane der Flügel. Die
folgenden Mitteilungen beziehen sich also auf die Organe des Tast-,
Geruchs- und Geschmackssinnes, soweit sie nicht an den Elytren oder
Alae gelegen sind.
Aufgabe der Untersuchung war es, nicht nur die Verteilung der
Sinnesorgane am Körper und den Bau ihrer Chitinteile, sondern nach
Möglichkeit auch die Beschaffenheit der Sinneszellen und Nerven-
elemente festzustellen. Über die Verteilung und den Bau der Sinnes-
organe an den Kopfanhängen von Dytiscus marginalis gibt schon Nagel
i. J. 1894 einige Mitteilungen. Die nervösen Verhältnisse sind jedoch,
da er nur in einzelnen Fällen die Schnittmethode zu seinen viel allge-
meineren Untersuchungen heranzog, von ihm gar nicht oder doch nur
unvollständig untersucht worden.
Leider konnten auch bei der vorliegenden Bearbeitung nicht alle
Hautsinnesorgane am Körper des Käfers ganz genau auf die nervösen
Verhältnisse hin erforscht werden. Es hat dies seinen Grund in den
großen technischen Schwierigkeiten, die sich den Untersuchungen ent-
Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. COT. Bd. 1
2 Rudolf Hochreuther,
gegenstellten, und die nur mit viel Mühe und Geduld überwunden
werden konnten, und dann auch darin, daß die Verhältnisse zum Teil
recht wenig klar liegen, wofür der Grund im Objekt liegen könnte.
Es ist besonders auffallend, daß gerade bei den Sinneshaaren, die man
als die primitivsten Sinnesorgane anzusehen geneigt ist, die Inner-
vierungsverhältnisse oft am unklarsten blieben, während sie bei den
komplizierteren Formen mit mehr befriedigendem Erfolg zu ermitteln
waren.
Anordnung des Stoffes.
I. Literatur.
II. Eigene Untersuchungen.
A. Methodik.
B. Bau der Hautsinnesorgane.
1. Sinneshaare.
2. Sinnesborsten.
3. Sinneszapfen.
4. Tast- und Geschmackszäpfchen.
5. Grubenkegel.
a. massive,
b. hohle.
6. Kelchförmige Organe.
7. Kuppeiförmige Organe.
C. Verbreitung der Hautsinnesorgane am Körper.
1. Die Hautsinnesorgane des Kopfes.
a. des Cranium (Schädelkapsel),
b. der Kopf anhänge,
1. der Antennen,
2. der Mund Werkzeuge.
c. des Gaumens,
d. der Nackenhaut.
2. Die Hautsinnesorgane des Thorax.
a. des Prothorax,
b. des Mesothorax,
c. des Metathorax,
d. der thoracalen Gelenkhäute,
e. der Beinpaare.
3. Die Hautsimiesorgane des Abdomens.
a. seiner äußeren Skeletteile,
b. des Geschlechtsapparates.
D. Zusammenfassuno.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 3
I. Literatur.
Unter Zuhilfenahme der diffizilsten Färbemethoden hat in den
80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts 0. vom Rath den
histologischen Bau der Hautsinnesorgane der Arthropoden untersucht,
und die aus seinen Resultaten gewonnene Auffassung bildete bis in die
heutige Zeit die herrschende. Freilich erweiterten neuere Autoren,
namentlich Freiling und Vogel, die Befunde v. Raths, indem sie
außer den von jenem Autor gefundenen wesentlichen Elementen einige
accessorische Zellen erkannten. Aber im Grundprinzip war doch die
vom RATHsche Auffassung bis in die letzte Zeit hinein erhalten und die
einzig anerkannte.
v. Rath hatte gefunden, daß der wesentliche Teil eines Hautsinnes-
organs, die Sinneszelle, eine modifizierte Hypodermiszelle sei, die einen
proximalen, »nervösen«, von Neurilemm begleiteten Fortsatz nach
dem Centralorgan und einen distalen nach dem Sinneshaar hinschicke.
Der proximale nervöse Fortsatz trete aber nicht mit einer Ganglien-
zelle in Verbindung, sondern ende frei im Centralorgan unter Bildung
einer feinen Verzweigung. Der distale Fortsatz nach dem Haar sei
dagegen niemals verzweigt.
Diesen hier nur ganz kurz skizzierten Resultaten v. Raths schlössen
sich, wie gesagt, alle neueren Autoren an, ohne daß freilich eine Prü-
fung der v. RATHschen Angaben mit ebenso diffizilen Methoden vorge-
nommen worden wäre. Zum Teil wurden von ihnen interessante neue
Befunde hinzugefügt in bezug auf die letzten Endigungen der reizleiten-
den Apparate an manchen chitinösen Sinnesanhängen und verschiedene
Zellen, die die einzelnen Abschnitte der Sinneszelle und ihres distalen
Fortsatzes schützend umhüllen, ganz ähnlich wie das bei den Chordo-
tonalorganen der Fall zu sein pflegt (Schema dell'Udito, Berlese).
Schon Weinland hatte an den HiCKsschen Papillen der Dipteren-
schwanger besonders differenzierte Endigungen der Terminalstränge
gefunden. Janet erkannte ähnliche an den kuppeiförmigen Organen
der Ameisen. Von Freiling wurden solche nervösen Endapparate
an den Sinneskuppeln der Schmetterlingsflügel ermittelt, die den stift-
förmigen Körpern der Chordotonalorgane sehr ähnlich sind. Vogel
untersuchte sie genauer und stellte sie auch an den Sinnesschuppen fest.
Was umhüllende Zellen angeht, so beschrieb zuerst Guenther
1901 an den Sinneskuppeln von Schmetterlingsflügeln einen den Ter-
minalstrang umgebenden streifigen »Mantel«. Freiling und Vogel
erkannten diesen als zu besonderen Zellen gehörig, die die Sinneszellen
1*
4 Rudolf Hochreuther,
umschließen, den sogenannten »Hüllzellen«. Von Freiling wurden
auch unter den »Sinnesschuppen und Sinnesstacheln« solche Hüllzellen
gefunden. Vogel gelang es endlich, an den Sinneskuppeln außer den
Hüllzellen noch eine »Kuppel- oder Kappenzelle« nachzuweisen, die
am weitesten distal gelegen ist und den percipierenden Endapparat
umschließt.
In allerneuster Zeit entwickelte Berlese in dem ersten Band
seines Werkes : »Gli Insetti « eine gänzlich andere Auffassung vom histo-
logischen Aufbau der Hautsinnesorgane. Obgleich seit dem Erscheinen
dieses Werkes im Jahre 1909 von mehreren deutschen Autoren neue
Arbeiten über Hautsinnesorgane erschienen sind, findet sich in keiner
die BERLESESche Auffassung von dem Bau dieser Organe angeführt.
Auch Vogel, dem das BERLESESche Werk bekannt war, erwähnt in
seiner im vorigen Jahre erschienenen Arbeit über die Sinnesorgane an
Schmetterlingsflügeln nichts von den Abweichungen der BERLESEschen
und v. RATHschen Auffassungen. Es scheint mir deshalb notwendig,
hier in kurzen Zügen die Auffassung Berleses wiederzugeben.
Berlese nähert sich in einem Punkte den Angaben von Retzius,
der zur Zeit v. Raths stark verzweigte Nervenendigungen an die Sinnes-
haare herantreten sah, aber von diesem Autor deshalb sehr bald wider-
legt wurde. Berlese nimmt nun wieder das Vorkommen von distalen
Nervenverzweigungen an. Allerdings sollen diese verzweigten Nerven-
endigungen nicht direkt, wie Retzius annahm, an die Sinnesorgane
herantreten und sich in sie hineinerstrecken, sondern sie sollen an eine
oder mehrere Zellen herantreten, die unterhalb der Sinnesorgane in der
Hypodermis gelegen sind. Diese Zellen werden nach Berlese von
den verzweigten Nervenendigungen äußerst dicht umsponnen. Es sind
diese hypodermalen Zellen die, welche den Sinneszellen v. Raths ent-
sprechen würden. Berlese dagegen spricht sie zum Teil als trichogene
Zellen (Cellula tricogena) und zum Teil als Drüsenzellen (Cellula
ghiandolare) an. Den trichogenen Zellen komme die Ausbildung des
chitinösen Sinnesanhanges zu, während die Drüsenzellen besondere
percipierende Endapparate erzeugen, zuweilen aber auch noch im
ausgebildeten Organ die Funktion haben sollen, ein flüssiges Secret
abzusondern, das zur Ermöglichung einer Sinnesperception manchen
Organen von Nöten sei. Dadurch, daß nun beide Zellarten von den
an sie herantretenden Nervenendigungen, den Ausläufern einer »ner-
vösen Zelle«, fest umschlossen werden, sei eine Übermittlung des
äußeren Reizes durch diese Zellen möglich.
Während die trichogenen Zellen allen Formen von Sinnesorganen
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 5
zukommen — denn sie müssen den chitinösen Sinnesan-hang ausbilden — ,
finden sich die Drüsenzellen nur bei den höher differenzierten Organen
des chemischen Sinnes, sowie des Gesichts- und Gehörsinnes. Berlese
konstruiert je nach dem Fehlen oder Vorhandensein der Drüsenzellen
zwei Grundschemata von Hautsinnesorganen, aus denen alle einzelnen
Formen herzuleiten seien. Er bezeichnet sie als »Protestesi semplice«
und »Protestesi composta «. Die Bezeichnung » Protestesi « ist an-
scheinend von /TQtüvt] aiad-rjoig hergeleitet und würde darum besser
»Protaesthesis« geschrieben. Zu den einfachen Protaesthesis würden
also folgende Teile gehören: ein Stück der Cuticula, die darunter ge-
legene Hypodermiszelle, die das Chitin oder den Chitinanhang' bildete
(trichogene Zelle), und ein herantretender Nerv, der die Basalmembran
durchbricht und mit seinen feinsten Endverzweigungen die trichogene
Zelle eng umspinnt. Zu den zusammengesetzten Protaesthesis würde,
abgesehen von diesen Teilen, noch mindestens eine Drüsenzelle gehören,
die zuweilen ein für die Perception des Reizes wichtiges Secret aus-
scheidet und von den verzweigten Nervenausläufern umsponnen wird,
so daß sie gleichzeitig zur Reizübertragung dienen könnte.
Von dem einfacheren Schema leitet Berlese die Organe des Tast-
sinnes her, dagegen von dem komplizierteren die Organe des Geruchs-,
Geschmacks-, Gehör- und Gesichtssinnes. Die Grundformen der Organe
jedes einzelnen Sinnes bezeichnet er als »Sensillen«, und er gibt ent-
sprechend der geläufigen Bezeichnung »Ommatidium« für das Grund-
element der Facettenaugen auch den einzelnen Sensillen der anderen
Sinne besondere Namen. So nennt er das Sensillum des Gehörs : Otarium,
das des Geruchs und Geschmacks: Rinarium und das des Tastsinnes:
Affidium.
Berlese begründet seine Auffassung von dem Bau der Sensillen,
indem er es aus theoretischen Gründen für ausgeschlossen hält, daß eine
Hypodermiszelle nachträglich zu einer Sinneszelle werden könne, wie
dies v. Rath annahm. Er sagt hierzu, wörtlich übersetzt : »Die Autoren,
die gehofft haben, die Hypodermiszelle sich selbst zu einer nervösen
Zelle modifizieren zu sehen, warten vergebens, daß dies jemals be-
wiesen werde, weil von der ersten embryonalen Differenzierung des
Ectoderms in neuroblastische Zellen es niemals mehr vorkommt, daß
sich eine Hypodermiszelle in eine Nervenzelle verwandelt. Die nervösen
Elemente kommen also immer, rascher oder langsamer, aus dem Central-
system hervor und schieben sich zwischen die Hypodermiszellen. «
Hierdurch sucht Berlese die Auffassung v. Raths zu widerlegen,
daß eine Sinneszelle ursprünglich eine gewöhnliche Hypodermiszelle
6 Rudolf Hochreuther,
sei, »die durch Wachstum ihres proximalen Fortsatzes bis ins Central-
organ hinein zu einer Sinneszelle wird. «
Als Beweisgrund gegen v- Rath führt er auch die Tatsache an,
daß der Fortsatz der Sinneszelle zum Centralorgan von Neurilemm
umkleidet ist. Er betont, dies sei nur möglich, wenn der Fortsatz selbst
nervöser Natur sei, denn das Neurilemm bekleide niemals Elemente
von anderem als nervösem Charakter. In den Neurilemmkernen, die
die Sinneszellengruppe v. Raths begleiten, sieht er die Kerne, welche
den feinsten Endverzweigungen der diese Zellengruppe umspinnenden
Nerven angehören.
Als wichtigstes Argument für seine Ansicht führt aber Berlese
die Histogenese der Sinnesorgane ins Feld, die er an Polistes und Vespa
studiert hat. Er fand hierbei, daß die Nerven tatsächlich vom Central-
organ aus sich fortsetzen und an die Hypodermiszellen, die ein Sinnes-
organ bilden sollen, herantreten und diese umschlingen. Die weiteren
Befunde faßt er mit folgenden Worten kurz zusammen: »Die Tatsache
ist wunderbar, daß die Hypodermiszellen sich differenzieren und spe-
zialisieren, wenn sie mit den spezifischen Nervenelementen in Berührung
treten, und daher sind es diese, welche, ausgestattet mit einer, ich
möchte sagen, informativen Kraft, die Modifikation der Hypodermis-
zellen bestimmen, die, ursprünglich alle gleich, so die Modifikationen
eines bestimmten Sensillums annehmen. Es sind die Nerven und die
zwischen die Hypodermis eingeführten nervösen Zellen, welche die
Bedeutung haben, das bestimmte Sensillum zu bilden je nach seinem
Zweck und seiner speziellen Bestimmung.«
Es konnte nicht Aufgabe der vorliegenden Untersuchungen sein,
diese strittige Frage zu entscheiden. Denn dazu wären entwicklungs-
geschichtliche Untersuchungen über die Entstehung der Hautsinnes-
organe nötig gewesen, die nicht in den Rahmen dieser Arbeit gepaßt
hätten, welche rein beschreibend Form und Bau der Hautsinnesorgane
des ausgebildeten Käfers untersuchen soll. Es muß also eine Ent-
scheidung von künftigen, lediglich auf diesen Punkt gerichteten Unter-
suchungen erhofft werden.
Einen anderen Streitpunkt von Anbeginn der Untersuchungen
über Hautsinnesorgane der Arthropoden bildet die Frage, ob die chiti-
nösen Sinnesanhänge der Arthropoden durchbohrt sein könnten, oder
ob dies nicht möglich sei. Die älteren Autoren, z. B. Leydig, Hauser,
v. Rath und Ruland nahmen an den Organen des chemischen Sinnes,
also des Geruchs- und Geschmackssinnes, Öffnungen wahr. Leydig
fand 1878 an den Riechzapfen der kleineren inneren Antennen von
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 7
Amphipoden und Isopoden Durchbohrungen, v. Rath stellte 1886
an der Unterlippe und den Antennen mehrerer Chilognathen deut-
lich durchbohrte Sinneskegel fest. Bei den Kegeln der Antennen be-
stätigt er das von Leydig beschriebene Vorkommen von »Endknöpf-
chen«, die aus der Durchbohrung hervorragen. Ruland beschrieb 1888
bei den verschiedenen Insektenklassen (auch bei Käfern und besonders
bei Dytiscus) Sinneskegel, die an der Spitze Öffnungen trugen, und er
kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Resultat, daß alle
dem chemischen Sinn dienenden Organe geöffnet sein müßten.
Neuere Autoren, vor allem Nagel und auch ganz neuerdings
Berlese, wiesen darauf hin, daß das Vorhandensein von Offnungen
in den Chitinanhängen theoretisch sehr unwahrscheinlich sei, und sie
fanden bei ihren Untersuchungen auch stets eine verschließende Chitin-
membran. Freilich konnte diese bei manchen Organen des chemischen
Sinnes äußerst fein werden, so daß sie einer Diffusion von Gasen und
Flüssigkeiten kaum hindernd im Wege stand.
Demgegenüber neigen andere neue Autoren wieder zu der Ansicht,
daß manche Sinnesorgane doch an der Spitze geöffnet sein möchten.
In seinem 1896 erschienenen Buche über die europäische Höhlenfauna
beschreibt 0. Hamann bei mehreren Diplopoden und Chilopoden an
der Spitze der Antennen, bzw. hinter den Fühlern nach außen geöffnete
Sinnesorgane. Auch bei Gammarus fand er in Übereinstimmung mit
Leydig die Endknöpfchen der Riechzäpfchen durchbohrt; v. Rath
hatte an diesem Objekt nicht sicher entscheiden können, ob eine Durch-
bohrung vorhanden sei oder nicht; Nagel hatte keine Durchbohrung
daran gefunden. Ferner beschrieb 0. Schröder im Jahre 1908 an den
Skorpionskämmen ein Sinnesorgan, das eine Verbindung des inneren
Porenkanals mit der Außenwelt aufweist. Dann gab zu Anfang vorigen
Jahres Schön Mitteilung von ebenständigen Sinneskegeln von Formica,
die ihm an der Spitze einen Porus zu haben schienen. Dieser Porus
stehe mit dem Terminalstrang der Sinneszelle direkt in Verbindung.
Die vorliegenden Untersuchungen hatten, was diese Frage angeht,
ein ganz entsprechendes Ergebnis. Es scheint nach ihnen mit großer
Wahrscheinlichkeit festgestellt zu sein, daß bei manchen Organen eine
Durchbohrung des Chitins vorhanden ist. Es tritt aber in diesen Fällen
am Ende des Terminalstranges eine eigentümliche Umwandlung seiner
Substanz zutage, die vielleicht chitinöser Natur ist. Da der Terminal-
strang, wie wir sehen werden, die Durchbohrung des Chitinanhanges
mit seinem modifizierten Ende stets erfüllt, so wäre der vorhandene
Porus doch stets von einer festeren Substanz eingenommen. Es wird
8 Rudolf Hockreuther,
sich aber empfehlen, auf die näheren Verhältnisse bei den einzelnen
Organen, die sie uns bieten, einzugehen, und dort auch ältere Autoren
zu hören, die zum Teil schon eine ganz ähnliche Auffassung vom Bau
der Organe des chemischen Sinnes hatten, wie wir sie nach der später
folgenden Beschreibung gewinnen müssen.
II. Eigene Untersuchungen.
A. Methodik.
Es war, wie schon gesagt, eine der Hauptschwierigkeiten der vor-
liegenden Untersuchungen, geeignetes Material und geeignete Methoden
zu finden, um das überaus harte chitinöse Exoskelet des Käfers zum
Schneiden mittels des Mikrotoms geeignet zu erhalten. Denn abgesehen
davon, daß ein Studium der Innervierung der Sinnesorgane nur auf
Schnitten möglich ist, waren diese auch vielfach deshalb notwendig,
um überhaupt den Bau der komplizierten kleineren Organe ermitteln
zu können. Es war also erforderlich, Schnitte von 5 bis höchstens
10 it Dicke herzustellen.
Als Ausgangsmaterial wurden deshalb meistens eben geschlüpfte
Käfer benutzt, deren Chitin noch nicht erhärtet war. Sie wurden
nach Betäubung mittels Chloroform in kleinere Teilstücke zerschnitteD,
was namentlich auch für die einzelnen Antennen und Mundwerkzeuge
nötig war, und in heißem Sublimateisessig konserviert. Nach dem
Erkalten der Konservierungsflüssigkeit wurden die Teile gut gewässert
und durch 40%igen Alkohol in 60%ig alkoholische Jodlösung gebracht.
Hierin blieben sie mehrere (6 — 10) Stunden, zuweilen über Nacht. Dann
wurden sie möglichst schnell durch konzentriertere Alkohole in ein
Gemisch von absolutem Alkohol und Chloroform gebracht, das nach
einiger Zeit durch reines Chloroform ersetzt wurde. Chloroform erwies
sich bedeutend günstiger als das zu sehr härtende Xylol. Nachdem
die Stücke in etwa 1/2 Stunde gut von Chloroform durchsetzt waren,
wurden sie in Paraffin vom Schmelzpunkt 62° gebracht und nach
einmaligem Auswechseln des Paraffins nach l/4 bis 1 Stunde, je nach
Größe des Teilstückes, aus dem Ofen genommen. Zu langer Aufenthalt
im Thermostaten erwies sich im allgemeinen ebenso nachteilig wie Be-
handlung mit Xylol oder zu langes Verweilen in hochprozentigen
Alkoholen.
Die Schnitte wurden mit DELAFiELDschem Hämatoxylin oder nach
der HEiDENHAiNschen oder v. GiESONschen Methode gefärbt. Auch
Methylenblaufärbimg wurde an Totalobjekten wie an Schnitten ver-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 9
sucht, jedoch mit recht geringem Erfolg. Bessere Resultate lieferte,
vor allem in drüsenreichen Partien, die Safran infärbung.
Die von jungen Käfern gewonnenen Schnitte gaben nicht in allen
Fällen die zu wünschende Sicherheit zum Erkennen und Unterscheiden
verschiedener Zellelemente. Das hypodermale Gewebe machte oft
einen noch sehr embryonalen Eindruck, und es war dann nicht möglich,
Hypodermiszellen, Sinneszellen und Drüsenzellen voneinander zu unter-
scheiden. Es war deshalb notwendig, Vergleichspräparate von alten
Käfern herzustellen, bei denen die verschiedenen Zellelemente deutlich
differenziert erscheinen. Dazu war es nötig, das harte Chitin zu er-
weichen. Es wurden Versuche mit der von Hennings angegebenen
ÜENNiNGSschen Lösung angestellt. Sie zeitigten indes oft keine be-
sonders befriedigenden Resultate. Wohl zeigte sich das Chitin zum
Schneiden geeigneter; aber die Konservierung ließ oft recht viel zu
wünschen übrig. Deshalb wurde auch bei alten Käfern die Konser-
vierung mit heißem Sublimateisessig' vorgezogen. Nach ganz ent-
sprechender Weiterbehandlung der Teile wie bei jungem Material ließen
sich mit einiger Übung und Geduld bessere Schnitte von 10 fi Dicke
erzielen. Freilich mußte man sehr oft die traurige Erfahrung machen,
daß infolge des großen Härteunterschiedes zwischen Chitin und Hypo-
dermis diese sich beim Schneiden ablöste. Aber zuweilen gelang es doch,
einen brauchbaren Schnitt zu erhalten. In allen Fällen ist es nicht
gelungen, und deshalb konnte eine Entscheidung aller Fragen bei allen
Formen von Sinnesorganen nicht ermittelt werden.
Die Übersichtsbilder, die die Verteilung der Sinnesorgane an
einzelnen Körperregionen zeigen sollen, wurden nach Totalpräparaten
von jungen und alten Käfern in Glyzerin oder Kanadabalsam ent-
worfen. Es ist bei Untersuchung der Verteilung der Organe an den
stark pigmentierten Körperteilen alter Käfer eine kurze Behandlung
der Objekte mit Chlorwasser oder freiem Chlor von Nutzen gewesen,
besonders wenn nach Mazeration durch Kochen in Kalilauge, die zu-
weilen vorgenommen wurde, das Pigment schwarz geworden war.
Alle Zeichnungen wurden mit Hilfe des LEiTZschen Zeichenappa-
rates angefertigt. In bezug auf die Übersichtsbilder der Mundteile
ist zu bemerken, daß die Sinnesorgane zu groß eingetragen sind im
Verhältnis zu den Dimensionen der entsprechenden Körperteile. Es
ist dies geschehen, damit einmal die Organe in ihrer Form zu erkennen
sind, und dann damit der Rahmen, den die Gesamtfigur einnehmen
darf, nicht überschritten wurde. In den Sinnesfeldern jener Körper-
teile ist infolgedessen die Zahl der eingetragenen Sinnesorgane zu gering.
10
Rudolf Hochreuther,
Bezüglich der abgekürzten Bezeichnungen in den einzelnen Figuren
ist noch zu bemerken, daß ihre Erklärung, soweit sie nicht unter den
einzelnen Bildern selbst gegeben wurde, aus dem Verzeichnis der Ab-
kürzungen auf S. 113 f. zu ersehen ist.
B. Bau der Hautsinnesorgane.
1. Die Sinneshaare.
(Sensilla trichodea, Schenk.)
Alle Autoren stimmen darin überein, die Sinneshaare als
fachsten und primitivsten aller Hautsinnesorgane anzusprechen
aus ihnen lassen sich durch allmäh-
lich fortschreitende Differenzierung
alle anderen Formen von Sinnes-
organen herleiten. Beelese führt
sie als die einfachsten Organe auch
auf die einfachen Protaesthesis zu-
rück, jene Vorstufe von Sinnesorga-
nen, denen der Drüsenteil fehlen soll.
Der percipierende Teil dieser
Organe besteht, wie der Name sagt,
aus einem Haar (vgl. z. B. Fig. 2sh).
Man muß jedoch gestehen, daß es
nicht leicht ist, die Gruppe der da-
zu zu rechnenden Oryane scharf zu
die ein-
. Denn
/TA^J
Fig. 1.
Kleines Sinneshaar vom Grundglied der
Antenne (Totalpräparat). 330 : 1.
km, kuppelförmige Membran; pk. Poren-
kanal; sh, Sinneshaar.
Fig. 2.
Längsschnitt durch Sinneshaar am Pronotum.
330 : 1. k, centraler Haarkanal; sz, Sinnes-
zelle: tst, Terminalstrang. Erklärung der
übrigen Abkürzungen s. S. 113.
begrenzen. Es finden sich zahlreiche Übergänge zu der nächstver-
wandten Form, den Sinnesborsten (vgl. Fig. 13 sb). In der Literatur
herrscht darum auch eine ziemlich große Verwirrung in der Anwendung
der einen oder anderen Bezeichnung. Schenk versuchte 1902 eine scharfe
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
11
Definition für Sinneshaare und Sinnesborsten einzuführen. Er nennt
Haare »etwas gebogene, dunkel pigmentierte« Organe, die wegen ihrer
größeren Länge nicht so spitz ausgezogen erscheinen wie die spitz zu-
laufenden Borsten. Röhler spricht dagegen 1905 gerade die pigmen-
tierten gebogenen Organe von Tryxalis als Sinnesborsten an. Daraus
erhellt, daß bisher noch keine Einigung erzielt ist, und weiter auch,
daß eine scharfe Scheidung sehr schwierig, wenn überhaupt durchführbar,
I m mm.
Fig. 4.
Längsschnitt durch Sinneshaar am Metano-
Fig- 3- tum. 470 : 1. (Das Haar müßte bei der
Längsschnitt durch Sinneshaar und Sinnes- angewandten Vergrößerung 12 cm lang
börste des Mesosternum. 265 : 1. gezeichnet werden.)
ifc, Kanal; km, kuppeiförmige Membran; pk, Porenkanal; sb, Sinnesborste; sli, Sinneshaar; sz,
Sinneszelle; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
ist. Immerhin dürfte die von Schenk eingeführte Trennung nach der
größeren oder geringeren Länge (und der dadurch bedingten größeren
oder geringeren Biegungsfähigkeit) und nach dem Auslaufen in eine
mehr abgerundete oder schärfere Spitze am meisten zusagen, und ich
will deshalb nach Möglichkeit bei der Beschreibung jener beiden Organ-
formen diese Trennungsweise zugrunde legen.
Die Sinneshaare von Dytiscus zeigen eine große Mannigfaltigkeit
in Größe und Form. Die größten Haarformen konnten aus praktischen
12
Rudolf Hochreuther.
Gründen nicht in ihrer ganzen Länge in den Abbildungen wieder-
gegeben werden. Der Hinweis aber, daß das bei gleicher Vergrößerung
wie Fig. 8 in Fig. 4 abgeschnitten dargestellte Haar bei der angewandten
Vergrößerung 12 cm lang hätte gezeichnet werden müssen, wird ge-
nügen, um die bedeutenden Größendifferenzen zu zeigen. Außer-
ordentlich verschieden sind die Haare aber auch in ihrer Form. Die
Fig. 2 und 3 zeigen Sinneshaare, sh, des Pronotum bzw. des Meso-
sternum. Man erkennt die sehr schlanke Form, die es bedingt, daß
sie an ihrem Ende sich stark verjüngend zulaufen. Immerhin kann
man an der Spitze doch noch eine deutliche Rundung erkennen, und
dies veranlaßt zusammen mit der großen Biegimgsfähigkeit der Organe,
sie den Haaren zuzurechnen. Die größte Stärke erreicht das in Fig. 2
dargestellte Haar nicht etwa an seinem Grunde, wo es dem Körperchitin
eingelenkt ist, sondern erst am Ende des ersten Sechstels seiner ge-
samten Länge. Eine ebensolche Verjüngung tritt uns auch an den
Haaren anderer Körperteile
^^Hnf'
Fig. 5.
Längsschnitt durch Haar am Bücken des Abdomens. 590: 1.
drz, Drüsenzelle; szl, Sinneszelle?; szk?, Sinneszellkern?.
Weitere Abk. s. S. 113.
entgegen, so z. B. an den in
Fig. 4 und 10 s/?, und Fig. 5 h,
abgebildeten Haaren des
Metanotum bzw. der Unter-
lippe und der Rücken-
decke des Abdomens. Auch
dieses letzte Haar konnte
wegen seiner großen Länge
(vgl. dazu Fig. 99 h) nicht
in seinem ganzen Verlauf
gezeichnet werden. Dennoch erkennt man an dem kurzen Ansatz-
stück ebenso wie an dem des Haares in Fig. 4 die Verjüngung schon
sehr deutlich. Andere Haare zeigen diese Verjüngung keineswegs,
sondern sitzen mit dem stärksten Teil dem die Verbindung mit dem
Körperchitin herstellenden Apparat auf (vgl. Fig. 3, 6 u. 7 sh). Sehr
gleichmäßige Stärke in ihrem ganzen Verlauf zeigen die Sinneshaare
aus dem Feld von der Basis der dorsalen Seite der Mandibeln (s. Fig. 8
u. 76 sh).
Die meisten Sinneshaare zeigen in ihrer Mitte einen Kanal (Fig. 2
bis 8 u. 10 k). Zuweilen, aber nur selten, erscheint er von einer körnigen
Masse erfüllt (Fig. 7).
Was die Einlenkung der Haare angeht, so ist zunächst zu sagen,
daß sie nicht an der Körperoberfläche geschieht, sondern in einer meist
flachen, schüsselartigen Grube, die sich an den Stellen, wo Haare stehen,
Die Haut Sinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
13
im Körperchitin befindet, wie dies Fig. 1 von einem Sinneshaar der
Antenne zeigt. Diese Grube bildet den distalen Teil des Porenkanals,
der das Körperchitin durchsetzt. Ihr Boden ist von einer flacheren
oder höheren membranösen Kuppel aus weicherem Chitin gebildet
(Fig. 2—10 km), der das Haar ansitzt. Die weichere Beschaffen-
heit der Membran verbürgt eine gewisse Bewegungsfähigkeit des Haares
gegenüber dem Körper und ist darum als Schutz gegen Verletzungen
durch Abbrechen von Bedeutung. Sehr flach erscheinen die Kuppeln
(km) an den in Fig. 2, 4, 5 und 7 dargestellten Haaren ; stärker gewölbt
ventral
Fig. 6.
Sagittalschnitt durch die mittlere Partie der Oberlippe. 265 :
haar. Weitere Abk. s. S. 113.
1. /*, Verschlußhaar; sh, Sinnes-
dagegen an den Haaren der Fig. 3, 6, 8, 9 und 10. Der Ansatz der
Haare an der Kuppel geschieht entweder dadurch, daß das Haar der
Kuppel einfach an der höchsten Stelle aufsitzt (Fig. 1 — 8), oder indem
es mit seinem proximalen Ende die Kuppel durchbricht, und diese es
oberhalb seines Endes fest umfaßt (Fig. 10 sh).
In diesem letzten Fall sieht man besonders deutlich das Lumen
des Haarkanals in das des proximalen Porenkanals übergehen. Sonst
ist das nicht immer der Fall, denn die kuppeiförmige Membran zeigt
nicht immer eine Durchbrechung. In Fig. 5 und 6 ist eine Durch-
bohrung deutlich erkennbar. In den übrigen Abbildungen mag sie
14
Rudolf Hochreuther,
zum Teil nicht getroffen sein, zum Teil aber auch überhaupt fehlen,
wie ich das besonders von dem in Fig. 8 dargestellten Haar glauben
möchte. Wie dem auch sei, soviel läßt sich sagen, daß die Durchboh-
rung für die Sinnesfunktion des Haares von keiner Bedeutung ist. Das
werden wir später deutlich erkennen, wenn wir die nervösen Verhält-
nisse der Sinneshaare betrachten.
Zunächst müssen wir aber noch einen Blick auf den Porenkanal
werfen, der ganz allgemein das Körperchitin an den von Sinnesorganen
bestandenen Stellen durchsetzt, einerlei welcher Art das Organ sein
mag. Seinen distalen Teil lernten wir schon als die mehr oder weniger
tiefe Einsenkimg kennen, deren kuppeiförmiger
Boden das Sinneshaar befestigt. Diese Ein-
senkung kann cylindrische Form besitzen, die
sich allerdings in verschiedener Weise zu modi-
fizieren vermag, indem sie sich nach außen
becher- oder schüsseiförmig erweitert (Fig. 1,
2, 3, 6, 10 pk), oder indem sie sich im Gegen-
teil nach außen verengt und dadurch den
Ursprung des Haares besonders eng umschließt
(Fig. 4, 5, 7 u. 8 pk). Die kuppeiförmige Mem-
bran trennt diesen Teil von dem proximalen.
Ihr Ansatz an der Wand des Porenkanals wird
dadurch ermöglicht, daß der proximale Teil des
Kanals etwas enger ist als der distale. Dem
dadurch zustande kommenden ringförmigen Ab-
satz sitzt die Kuppel auf (siehe Fig. 1, 3, 4, 5,
, . ' ' 6, 7, 8 ■7?&). Wenn kein genügend großer Unter-
Längsschnitt durch Smneshaar . . .
am Lobus internus, 265 : t. schied in dem Durchmesser der beiden Teile
k, Kanal; km, kuppeiförmige des Porenkaiials besteht, wird der Ansatz der
Membran; pk, Porenkanal: sh,
Sinneshaar; s^ Sinneszelle; seit;, Kuppel dadurch bewirkt, daß sich im pi'Oxi-
Smneszellenkern;^. Terminal- malen Teij ^ begonderer Vorsprung an der
sträng. *■
Wand bildet (vgl. Fig. 10 pk rechts). Kleinere
ringförmige Vorsprünge, die in den Schnitten zahnartig erscheinen,
finden sich übrigens öfters. Sie bestehen, wie die Chitinschicht, welche
die Wand des Porenkanals an weichen Körperstellen stets auskleidet,
aus hartem, festem Chitin und sind darum gerade an solchen Stellen,
die von weicherem Chitin bedeckt sind, z. B. der Rückendecke des
Abdomens (Fig. 5), besonders deutlich zu sehen. Sonst hat auch der
proximale Teil des Porenkanals, von der Grundform eines Cylinders
ausgehend, ähnliche Differenzierungen erlitten wie der distale. Zu-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
15
weilen erweitert er sich nach dem
Innern des Körpers mehr oder
weniger stark (Fig. 1, 2 u. 6 pk),
zuweilen verengt er sich in diesem
Verlauf (Fig. 3, 4, 5, 7, 8, 9, 10 pk).
Von den nervösen Verhält-
nissen an den Sinneshaaren wurde
schon in der Einleitung bemerkt,
daß sie oft nicht sehr deutlich er-
scheinen. Immerhin gelang es in
einzelnen Fällen, günstige Resultate
zu erzielen. An das Haar, bzw.
an die kuppeiförmige Membran
schließt sich in den einfachsten
Fällen der wenig umgestaltete
Fortsatz (ist) meist zweier Zellen
an, wie dies in den Fig. 2, 3 u. 4 sz
zu erkennen ist. Diese Zellen sind
die Sinneszellen. Ihr Plasma er-
scheint gegenüber dem der sie um-
gebenden Hypodermiszellen in den
Präparaten meist dunkler gefärbt;
ihre Kerne (szk) sind etwas größer
und heller als die der
Hypodermis und lassen
in Fig. 2 und 3 je einen
deutlichen Nucleolus er-
kennen. Die Sinneszellen-
kerne in Fig. 4 zeigen
anstatt des Nucleolus eine
Anhäufung von Chroma-
tin etwa in ihrer Mitte.
Proximalwärts schließt
sich an die Sinneszellen,
wie man in Fig. 2 deut-
lich erkennen kann, eine
feine Nervenfaser (nf).
Nicht immer finden
sich aber zwei Sinnes-
zellen. Die Fig. 6 und 7
Fig. 8.
Längsschnitt durch Sinneshaare an der Basis der
Mandibel. 470 : 1. hypz, Hypodermiszelle; k,
Kanal; km, klippelförmige Membran; nf, .Nerven-
faser; pk, Porenkanal; sh, Sinneshaar; sz, Sinnes-
zelle; szk, Sinneszellenkern; ist, Terminalstrang.
Fig. 9.
Längsschnitt durch Sinneszelle und stiftförmigen Körper unter
dem in Fig. 8 schlecht getroffenen Sinneshaar der Mandibel.
690: 1. stk, stiftförmiger Körper; sz, Sinneszelle; zstr, Central-
strang. Weitere Erkl. d. Abk. s. S. 113.
16
Rudolf Hochreuther,
zeigen unter den Sinneshaaren (sh) der Oberlippe bzw. des Lobus
internus je eine (sz) mit dem Sinneszellenkern (szk). Hier ist der Fort-
satz nach dem Haar schon deutlicher modifiziert als an den erst be-
sprochenen Haaren; er tritt als schmaler Terminalstrang (tst) an die
kuppeiförmige Membran (km).
Die differenzierteste Art der Innervierung findet sich aber an den
Haaren der Dorsalseite der Mandibeln (vgl. Fig. 76 sh) und der Unter-
lippe (vgl. Fig. 45 sh). In Fig. 8 erkennt man die Verhältnisse, wie
sie an den Mandibeln auftreten, an der unteren Kuppel (hm), deren
aufsitzendes Haar im Schnitt
nicht getroffen ist. Fig. 9 zeigt
dieselbe Stelle nochmals bei
stärkerer Vergrößerung. Unter
diesen Haaren findet sich eine
typische Sinneszelle (Fig. 8 u. 9sz)
von etwas gebogener, aber sonst
spindelförmiger Gestalt. Das
Plasma zeigt im Vergleich mit
dem der Hypodermiszellen (hypz)
eine hellere Färbung. Ebenso hell
erscheint der typisch bläschen-
förmige Sinneszellenkern (Fig. 8
u. 9 szk). Er enthält, wie das für
viele Sinneszellenkerne von den
Autoren als charakteristisch ge-
schildert wird, nur wenige feine
Chromatinkörnchen, aber einen
deutlichen Nucleolus (Fig. 9).
Proximalwärts setzt sich die
Sinneszelle in eine feine Nerven-
faser (Fig. 8 u. 9 nf) fort, deren Neurilemm die Zelle selbst ganz um-
hüllt und an den Kernen (Fig. 9 neurk) erkenntlich ist. Distal läuft
die Sinneszelle in einen hoch differenzierten Terminalstrang (Fig. 8
u. 9 tst) aus, der mit einem besonderen pfeilförmig zugespitzten Stift-
körperchen (Fig. 9 stk) nahe bei der höchsten Stelle der kuppeiförmigen
Membran in einer kleinen Höhlung derselben ansetzt (Fig. 8, oberes
Haar). Der Terminalstrang läßt in sich nochmals einen deutlichen
Centralstrang erkennen (Fig. 9 zstr), der vielleicht dem letzten sensiblen
Ausläufer der Sinneszelle entspricht, während seine Hülle vielleicht
vom Neurilemm gebildet wird. Wir werden auf ähnliche Verhältnisse
Fig. 10.
Längsschnitt durch zwei Sinneshaare mit stift-
förmigen Körpern (stk) von der Unterlippe. 610: 1.
k, Kanal; km, kuppeiförmige Membran; pk, Poien-
kanal; sh, Sinneshaar; tst, Terminal sträng.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 17
nochmals bei den »kuppeiförmigen Organen« zu sprechen kommen,
bei denen dieselbe Vermutung von manchen Autoren geäußert wurde.
An den Sinneshaaren der Unterlippe konnte ich mich von dem
Vorhandensein ähnlicher Endstiftchen an den Terminalsträngen über-
zeugen (vgl. Fig. 10 tst u. sik). Auch ein Centralstrang war stellenweise
zu verfolgen. Der darunter gelegene Kern (s. Fig. 45 szk unter dem
Sinneshaar sh) zeigte allerdings nicht so typisches Aussehen wie der in
den Fig. 8 und 9 sichtbare, sondern glich mehr dem in Fig. 4 szk dar-
gestellten. Immerhin scheint er der Sinneszelle (Fig. 45 sz) anzugehören.
Schließlich muß noch einer häufig vorkommenden Verbindung
zwischen Zelle und Haar Erwähnung getan werden, die sich an den
langen Haaren der Rückendecke des Abdomens (vgl. Fig. 99 h) findet.
Die Verhältnisse sind dort recht schwierig zu untersuchen, weil am
Rücken des Abdomens vom alten Käfer die Hypodermis fast ganz
durch eine Schicht von Drüsenzellen verdrängt ist. Auch an ganz
jungen, eben geschlüpften Käfern finden sich, besonders nach dem
Hinterende des Körpers zu, schon massenhaft Drüsenzellen in der
sonst hier noch besser erkennbaren Hypodermis. Fig. 5 stellt einen
Schnitt durch ein Haar des vorderen Teiles der Rückendecke dar.
Auch hier erkennt man zwischen den Hypodermiszellen {hypz) schon
Drüsenzellen, die meist zu dreien oder vieren nebeneinander liegen (drz).
Unter dem Haaransatz liegt nun eine sehr umfangreiche Zelle (szl)
von hellem Protoplasma und ebensolchem Kern {szh\). Dieser zeigt
in seiner Mitte eine starke Anhäufung von Chromatin, noch viel stärker,
als sie uns bei irgendeiner anderen Haarform noch entgegengetreten war.
Die Zelle sendet einen deutlichen, feinen Fortsatz nach dem Haar. Ein
Übergang in einen Nerven war aber nie zu sehen, wenn auch das proxi-
male Ende der Zelle zuweilen ziemlich lang ausgezogen war. Es muß
also dahingestellt bleiben, ob es sich in diesem Fall um eine Sinnes-
zelle und ein Sinneshaar oder vielleicht um eine Drüsenzelle und ein
Drüsenhaar handelt.
Wenn man sich der Auffassung Berleses anschließen würde, müsste
man die als Sinneszellen angesprochenen Zellen für trichogene Zellen
halten, denn nach diesem Forscher sind die Sinneshaare, wie schon
erwähnt wurde, auf die einfachen Protaesthesis zurückzuführen. Der
distale Fortsatz der trichogenen Zelle entspräche dem Terminalstrang.
Der proximale nervöse Fortsatz in v. RATHschen Sinne wäre dagegen
als ein vom Centralorgan herantretender Nerv aufzufassen, der mit
seinen feinsten Verzweigungen die trichogene Zelle umspänne. Was
diesen letzten Punkt angeht, so sprechen die bei den vorliegenden
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 2
18 Rudolf Hochreuther,
Untersuchungen gewonnenen Bilder nicht sehr für die Ansicht Ber-
leses. Eine Auf faserung des Nerven unterhalb jeder einzelnen Sinnes-
zelle war nie zu sehen; es könnte dies aber vielleicht darin begründet
sein, daß die angewandten Färbemethoden für das Studium dieser
feinsten Einzelheiten nicht ausreichten.
Bezüglich des distalen Fortsatzes der » trichogenen Zelle« ist zu
bemerken, daß Berlese daran niemals so komplizierte Endapparate
beschreibt, wie sie an den Haaren der Mandibeln und Unterlippe von
Dytiscus (Fig. 9 u. 10 stk) zu sehen sind. Wo Berlese an Sinnes-
organen solche »Stif tkörperchen « erwähnt, findet er sie von den Drüsen-
zellen gebildet, die den zusammengesetzten Protaesthesis wohl zu-
kommen, aber den einfachen, also auch den Sinneshaaren, fehlen. Wie
er ihre Bildung bei den Sinneshaaren — und später bei den Sinnes-
borsten und kuppeiförmigen Organen, die nach ihm auch von den
einfachen Protaesthesis herzuleiten sind — erklären würde, steht dahin.
Da sich an anderen Sinnesorganen, die keine so hoch differenzierten
percipierenden Endapparate zeigen (z. B. hohlen Grubenkegeln, Tast-
und Geschmackszäpfchen), dennoch zuweilen besondere chitinartige
Differenzierungen des letzten Teiles des Terminalstranges finden, so
sollte es doch plausibler erscheinen, wenn man die Bildung der hoch
differenzierten Endapparate auch den percipierenden Zellen selbst zu-
schriebe und nicht daneben gelegenen Drüsenzellen, die noch dazu
vielen Organen mit Stiftkörperchen überhaupt fehlen.
Bezüglich der Funktion der Sinneshaare herrscht die überein-
stimmende Ansicht, daß sie nur Organe des mechanischen Sinnes und
zwar des Tastsinnes sein können. Ihr Bau läßt eine andere Deutung
gar nicht zu.
2. Die Sinnesborsten.
(Sensilla chaetica, Schenk.)
Die Sinnesborsten unterscheiden sich in ihrem Bau nur wenig von
den Sinneshaaren. Allein der percipierende Apparat ist etwas anders
gestaltet. Aber wir hörten schon, daß eine scharfe Scheidung nicht zu
treffen ist, vielmehr beide Formen durch mancherlei Verbindungs-
glieder ineinander übergehen. So ist z. B. in Fig. 11 oben eine Sinnes-
borste (sb) vom Grunde des Palpus maxillaris dargestellt, die nach dem
Merkmal ziemlicher Starrheit zu den Borsten gerechnet werden muß,
die aber zugleich an der Spitze abgerundet ist. was mehr auf ein Sinnes-
haar hindeutet.
Ebenso wie die Sinneshaare sind auch die Sinnesborsten an Größe
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
19
recht verschieden, wie ein Blick auf die Fig. 12 und 14 beweist. Viel
mehr noch voneinander abweichend sind aber die einzelnen Borsten in
ihrer Form. Man vergleiche nur etwa die Borsten in den Fig. 11, 15 u. 24,
um die Verschiedenheit gleich zu erkennen. Wir wollen hier vorläufig von
den in den Fig. 21, 23 und 24 dargestellten Borsten absehen, da wir in
anderer Hinsicht noch genau auf sie zu sprechen kommen müssen, und
zuerst die verschiedenen in Fig. 11 — 20 sb abgebildeten Formen betrachten.
Sie laufen alle in eine mehr oder weniger scharfe Spitze aus und besitzen
<j—-hypzk pfi-Wffi
Fig. 11. Fig. 12.
Längsschnitt durch zwei Sinnesborsten (sb) vom Grunde Längsschnitt durch das Feld von kleinen
des Palpus maxillaris. -170:1. k, centraler Borsten- Sinnesborsten (sb) am Grunde des Pedicel-
kanal. Ins. 265 : 1.
hijpzk, Hypodermiszellenkern; km, kuppelförmige Membran; nettrk, Neurilemmkern; pk, Poren-
kanal; szgr, Sinneszellengruppe; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
ihre größte Stärke am Grunde. In Fig. 17 zeigt allerdings eine Borste
der Coxa des Metathorax, ähnlich wie wir es bei verschiedenen Sinnes-
haaren sahen, eine Verjüngung an der Ursprungsstelle. Manche Borsten
der Pleuren des Abdomens, von denen in Fig. 20 eine dargestellt ist,
besitzen bei ziemlich geringer Größe eine beträchtliche Stärke, so daß
sie in ihrem Aussehen schon sehr zu den Sinneszapfen, der nächst kom-
plizierten Organform, hinneigen. Die meisten der Borsten lassen in
ihrem Innern wieder einen feinen Kanal erkennen (s. Fig. 11 u. 14 — 20 /).
Den am Grunde des zweiten Antennengliedes (Fig. 12 sb) und an den
Gaumenplatten gelegenen (Fig. 13 sb) fehlt dagegen dieser Kanal; sie
sind vollkommen massiv.
Die Sinnesborsten sitzen ganz wie die Haare nicht der Körper-
oberfläche selbst auf, sondern sind etwas unterhalb der Oberfläche
2*
20
Rudolf Hochreuther,
Fig. 13.
Längsschnitt durch Sinnesborste an der Gaumen-
platte. 470 : 1.
Fig. 14.
Längsschnitt durch Sinnesborste der Nacken-
haut. 470 : 1.
Fig. 15. Fig. 16.
Längsschnitt durch eine auf einem Zapfen Längsschnitt durch eine ebenständige Sinnes-
stehende Sinnesborste in der Nähe eines Ab- börste bei einem Abdominalstigma. 590 : 1.
dominalstigmas. 590 : 1.
k, Kanal; km, kuppeiförmige Membran; neurk, Neurilenimkern ; nf, Nervenfaser; pk, Porenkanal;
sb, Sinnesborste; szgr, Sinneszellengruppe; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
21
mit einer kuppeiförmigen Membran (Fig. 11 — 14 u. IG — 20 km) ein-
gelenkt. Eine einzige interessante Ausnahme von dieser Kegel bilden
manche Borsten, welche in der Gegend der Abdominalstigmen am seit-
lichen Rande der Tergite stehen (vgl. Fig. 99 sb am Tergit). Die Borsten,
die dort an den tiefst gelegenen Stellen inserieren, sind nicht etwas in
das Körperchitm eingesenkt, sondern im Gegenteil auf kleinen Zäpfchen
über dessen Oberfläche erhoben (Fig. 15 sb). Die an höheren Stellen
derselben Sinnesfelder entspringenden Borsten zeigen den gewöhnlichen
Fig. 17.
Längsschnitt durch Sinnesborste vom Rand
der Coxa des dritten Beinpaares. 590 : 1.
Fig. 18.
Längsschnitt durch. Sinnesborste vom
sternum der Mesopleuren. 590 : 1.
Epi-
Fig. 19. Fig. 20.
Längsschnitt durch längere Sinnesborste an Längsschnitt durch kurze Sinnesborste an den
den Pleuren des Abdomens. 590 : 1. Pleuren des Abdomens. 590 : 1.
k, Kanal; km, kuppeiförmige Membran; pk, Porenkanal; sb, Sinnesborste.
Bau (Fig. 16 sb). Die Zäpfchen haben Tönnchenform und erinnern
etwas an die kleinen Tast- und Geschmackszäpfchen, die am Ende
der Taster stehen (vgl. Fig. 44 tz u. gsz).
Eine kuppeiförmige Membran überspannt das Lumen des Zäpfchens
(Fig. 15 km) im oberen Teil, und ihr sitzt die Borste auf. Überhaupt
finden wir im allgemeinen an den betrachteten Sinnesorganen die Borste
der Kuppel aufsitzen. An den Organen der Gaumenplatten dagegen
durchbricht die Borste mit dem proximalen Ende die Membran und
wird festgehalten, indem diese sie umgreift (Fig. 13 km), ganz ebenso
wie wir es schon an den Haaren der Unterlippe (Fig. 10 km) sahen.
22 Rudolf Hochreuther,
Es erübrigt noch zu bemerken, daß die klippelförmigen Membranen
teils an ihrem Gipfel unter der Ansatzstelle des Haares durchbohrt sind
(Fig. 11, 14, 15, 16, 19, 20 km), teils dagegen vollkommen massiv er-
erscheinen (Fig. 12, 17, 18 km).
Die Befestigung der Kuppeln im Porenkanal geschieht ganz wie
bei den Haaren, indem dieser in seinem distalen Teil gegenüber dem
proximalen erweitert ist, und der so zustande kommende Absatz der
Kuppel zum Ansatz dient (Fig. 11, 12, 13, 17, 18, 20 pk); oder aber
es bilden sich im proximalen Teil besondere Stützpunkte aus (Fig. 14,
16, 19, pk). Besonders kompliziert sind die Verhältnisse bei den auf
Zäpfchen sitzenden Borsten. Dort entspringt erst von dem oberen
Zapfenrand eine mit dem Gipfel nach dem Lumen des Zapfens hin
gerichtete, durchbohrte Kuppel; der Innenwand dieser Kuppel sitzt
dann erst die nach außen gewölbte kuppeiförmige Membran (Fig. 15 km)
auf. Dadurch wird eine besonders gute Bewegungsmöglichkeit der
Borste gegenüber dem Körper geschaffen.
Abgesehen von den eben schon besprochenen Differenzierungen
läßt der Porenkanal wie bei den Sinneshaaren zuweilen noch Erweite-
rungen oder Verengungen an seinen distalen und proximalen Enden
erkennen. Interessant sind die Verhältnisse wieder an der Wand des
Porenkanals der Borsten, die an weichen Körperteilen stehen, so z. B.
den Gaumenplatten (Fig. 13) und der Nackenhaut (Fig. 14). Dort
finden wir die Wand des Porenkanals in seinem ganzen Verlauf von
härterem, homogenem Chitin gebildet und zwar wohl deshalb, um dem
Borstenansatz stets die nötige Festigkeit zu geben. In der Nackenhaut
ist jede Borste außerdem noch von einem kreisförmigen Fleck dunklen,
harten Chitins umgeben. Man erkennt diesen Fleck auch in der Fig. 14.
Er entspricht dem homogenen nach außen gelegenen Chitin, während
die Nackenhaut sonst von weichem, lamelliertem Chitin gebildet wird,
wie es auch unter dem homogenen in Fig. 14 zu sehen ist. — Auch
kleine im Schnitt zahnförmig erscheinende Ringbildungen, wie sie schon
im Porenkanal der Sinneshaare als Stütz- und Festigungsapparate auf-
traten, finden sich bei manchen Borsten des Abdomens wieder (s. Fig. 16
u. l^ pk).
Die Innervierung der Sinnesborsten geschieht unter Vermittlung
einer oder mehrerer Sinneszellen. In Fig. 11 ist unter der unteren
nicht median geschnittenen Borste eine Gruppe von vier Sinneszellen
(szgr) dargestellt. Während das Plasma nur wenig von dem der Hypo-
dermiszellen verschieden ist, zeichnen sich die Kerne (szk) durch ihre
bedeutendere Größe und den Besitz eines deutlichen Nucleolus vor den
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 23
Hypodermiskernen (hypzk) aus. Neurilemmkerne (neurk) begleiten die
Sinneszellengruppe. Distal wärts setzt sich diese in einen längeren
Terminalstrang (tst) fort, der zur kuppeiförmigen Membran zieht.
Ganz so liegen die Verhältnisse an den Sinnesborsten des Pedicellus
(Fig. 12). Wenn auch hier eine Verbindung der einzelnen Abschnitte
nicht zu erkennen ist, so kann man doch deutlich einen Terminalstrang
(Fig. 12 tst) und in der Hypodermis gelegene runde Sinneszellenkerne
(Fig. 12 szk) unterscheiden.
An den Sinnesborsten des Gaumens (Fig. 13) findet sich eine Gruppe
von Sinneszellen (Fig. 13 szgr), von deren Kernen in der Figur nur
zwei angeschnitten dargestellt sind (Fig. 13 szk). Hier erkennt man
aber einen nervösen proximalen Fortsatz (nf), der dicht von Neuri-
lemmkernen (neurk) begleitet ist und in seiner Mitte eine eigentümliche
dunklere Schicht' erkennen läßt, über deren Wesen oder Ursache ich
keine Klarheit gewinnen konnte. Der distal verlaufende Terminal-
strang (tst) zeigt dicht vor seinem Ende eine knöpfchenförmige Ver-
dickung und greift dann, spitz zulaufend, in eine kleine Einbuchtung
der Borstenbasis hinein. Diese Verbindung verbürgt wahrscheinlich
einen Schutz vor Beschädigung des nervösen Apparates, zumal die
Borstenbasis bei einer Bewegung der Borste infolge deren eigentüm-
lichen Einlenkung eine stärkere Reizung ausübt, als wenn sie der kuppei-
förmigen Membran aufsäße. An den auf Zapfen stehenden Borsten
des seitlichen Tergits waren ganz ähnliche Endteile eines Terminal-
stranges (Fig. 15 tst) zu sehen, jedoch fehlte eine Verbindung mit
Sinneszellen.
Alle diese Sinnesborsten können ebenso wie die Sinneshaare nur
Organe des mechanischen Sinnes und zwar des Tastsinnes sein. Ihre
Empfindlichkeit wird dabei aber gemäß der Differenzierung ihres
chitinösen und nervösen Teils bei verschiedenen Formen sehr ver-
schieden sein.
Nunmehr fehlt noch die Betrachtung der in Fig. 21, 23 und 24 dar-
gestellten Sinnesborsten an der Unterseite der Oberlippe (vgl. Fig. 75 sb)
bzw. an der Tibia. In ihrem chitinösen Bau unterscheiden sie sich,
abgesehen von den Größenverhältnissen, dadurch von den zuvor be-
sprochenen, daß die Borsten an der Spitze geöffnet sind, was in den
Figuren nur an der einen Borste der Oberlippe (Fig. 21 sb oben) einiger-
maßen zutage tritt, da die andern nicht median getroffen sind. Die
einlenkenden kuppeiförmigen Membranen erscheinen entsprechend dem
bedeutenderen Umfang der Organe viel stärker und sind in ihren inneren
Teilen lamelliert, außen dagegen aus hartem, homogenem Chitin gebildet
24
Rudolf Hochreuther,
(Fig. 21 u. 23 hm). Der Porenkanal (pk) zeigt keinen prinzipiellen
Unterschied von dem der besprochenen Borsten.
Aber schon auf den Querschnitten durch die Oberlippe (Fig. 21)
fallen unter den Borsten in der Hypodermis gelegene, große Zellen (drz)
auf. Ihre Kerne (drzk) sind von dem feinkörnigen Protoplasma um-
geben und im Vergleich mit denen der Hypodermis (hypzk) außerordent-
lich umfangreich. Ihre Form ist unregelmäßig. Man erkennt in ihnen
zuweilen einen Nucleolus. Das Protoplasma der zugehörigen Zellen
setzt sich in das Lumen der stark ausgehöhlten Borste (sb) hinein fort.
Die Größe der unter den Borsten gelegenen Zellen im Vergleich zu den
Fig. 21.
Längsschnitt durch zwei Sinnesborsten (sb) in
Verbindung mit Drüsenzellen {drz) an der
Unterseite der Oberlippe. 265 : 1.
Fig. 22.
Längsschnitt durch Drüsenzelle {drz) und
Sinneszelle {sz) unter einer Borste von
der Unterseite der Oberlippe. 590: 1.
drg, Drüsenausführungsgang; drzk, Drüsenzellenkern ; hyp, Hypodermis; hypzk, Hypodermiszellen-
kern; km, kuppelförmige Membran; nj, Xervenfaser; pk, Porenkanal; szk, Sinneszellenkern;
tst, Terminalstrang.
gewöhnlichen Hypodermiszellen, ihr ganzes Aussehen und weiter die
Tatsache, daß die Organe an der Spitze eine Öffnung besitzen — alles
spricht sehr für einen Drüsencharakter dieser Borsten.
In dieser Vermutung wird man durch die Verhältnisse der Borsten
an den Beinen noch weiter bestärkt. Die Borsten der Tibia sind noch
bedeutend größer als die der Oberlippe. In beiden Figuren (23 u. 24)
sind sie nicht in ihrer ganzen Länge, also nicht median getroffen und
lassen deshalb auch die Öffnung an ihrer Spitze nicht erkennen. Unter
jeder Borste fällt vor allem eine riesengroße Zelle in die Augen, deren
Plasma sich in das weite Lumen der Borste hinein fortsetzt (Fig. 23 drz).
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
25
Nach dem distalen Teil der Zelle hin zeigt das Plasma eine feine Strei-
fung und eine deutlich wabige Struktur. An den einzelnen Fasern des
Wabenwerks erkennt man feine Secretkörnchen, die, an ihnen entlang
gleitend, allmählich nach außen geleitet
werden dürften. Sehr oft findet sich in
dem Plasmaleib eingeschlossen eine helle
Vacuole (Fig. 25 va), die das Secret auf-
speichert, um es dann jedenfalls plötzlich
zusammen abgeben zu können.
Fig. 23.
Längsschnitt durch große Sinnesborste (sb) in
Verbindung mit Drüsenzelle (drz) an der Tibia.
470 : 1. stk, Stif tkörperchen ; sz, Sinneszelle.
Weitere Abk. s. S. 113.
hypzk
Fig. 24.
Längsschnitt durch große Sinnesborste
(sö)'in Verbindung mit Drüsenzelle (drz)
an der Tibia. 470 : 1. nf, proximaler
nervöser Fortsatz der Sinneszelle; sz,
Sinneszelle. Weitere Abk. s. S. 113.
Wenn so die Struktur des Protoplasmas und seine Einschlüsse die
Drüsennatur schon deutlich erkennen lassen, so trägt das Verhalten
des Kernes hierzu auch wesentlich bei. Seine bedeutende Größe spricht
schon dafür, besonders aber seine Gestalt. Sehr oft und gerade in den
Zellen, deren Plasmastruktur auf eine lebhafte Secernierungstätigkeit
26 Rudolf Hochreuther,
hinweist oder die eine Vacuole enthalten, erkennt man an ihm die Bil-
dung von Fortsätzen (Fig. 23 u. 25 drzk). Besonders schön zeigt der
in Fig. 25 dargestellte Drüsenzellkern nach der Vacuole (va) hin pseudo-
podienartige Fortsätze ausgebildet, welches Verhalten bei secernierenden
Zellen nicht selten beobachtet wird. Neben einem Nucleolus enthält
der Kern der Zellen nur verhältnismäßig wenig chromatische Sub-
stanz. So darf man wohl sicher behaupten, daß Protoplasma sowohl
als Kern dieser Zelle Verhältnisse zeigen, wie sie secernierenden Zellen
eigen sind, und somit ist also den Borsten an der Oberlippe und den
Beinen in erster Linie Drüsencharakter zuzuschreiben.
Ganz zu Beginn meiner Untersuchungen war es mir aber an Sagittal-
schnitten durch die Oberlippe schon aufgefallen, daß häufig neben der
großen Drüsenzelle (Fig. 22 drz) eine zweite
kleinere Zelle (Fig. 22 sz) gelegen war,
deren Kern (szk) gegenüber denen der
Hypodermiszellen (hypzk) immerhin noch
eine recht ansehnliche Größe besaß. Eine
'rz Erklärung für diese zweite Zelle ließ sich
damals noch nicht geben, zumal sich weder
proximale noch distale Fortsätze daran
fanden. Erst als ich dann zur Unter-
Fig. 25.
„ ,. , suchung der Borsten an den Beinen
Schnitt durch einzelne Drusenzelle (drz)
mit verzweigtem Kern (drzk) und (Fig. 23 U. 24) schritt Ulld dort eine ganz
Vi"'" {va) unter einer Borste der entsprechende Zelle fand, die sich genau
Tibia. 265 : 1. r
in ihrem Zusammenhang mit der Borste
und nervösen Elementen verfolgen ließ, wurde mir die Bedeutung
dieser Zelle klar. Kontrollpräparate zeigten dann an den Borsten der
Oberlippe ganz Entsprechendes.
Die Form dieser Zelle (Fig. 22, 23, 24 sz) kann man als spindel-
förmig bezeichnen. Wo die Spindel den größten Durchmesser besitzt,
liegt der Kern (szk). Dieser besitzt regelmäßig eine ellipsoidische Form
und zeigt mit seinem deutlichen Nucleolus und geringen Chromatin-
gehalt das charakteristische bläschenförmige Aussehen eines Sinnes-
zellenkernes. Wie der Kern, so erinnert auch die Beschaffenheit des
Protoplasmas an eine typische Sinneszelle. Es erscheint gegenüber dem
der Drüsenzelle viel dichter und färbt sich deshalb auch stärker. Am
proximalen (Fig. 22 u. 24) und distalen Teil (Fig. 22) der Zelle besitzt
es eine feine Streifung. Vor allem wird der Sinneszellencharakter da-
durch bestätigt, daß die Zelle an ihrem proximalen Ende in einen
feinen nervösen Fortsatz übergeht (Fig. 22 u. 24 nf), während ihr
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 27
distales Ende zu einem längeren oder kürzeren Terminalstrang (Fig. 22
u. 23 tst) ausgezogen ist.
Dieser Teil bietet das Interessanteste und stützt vor allem die
Auffassung, daß es sich um eine Sinneszelle handelt, noch ganz be-
sonders. Unter den vielen Präparaten, die von den Borsten der Tibia
angefertigt wurden, erlaubte nur eins die Verfolgung des Terminal-
stranges bis zu seinem Ende. Es ist dies in dem Umstände begründet,
daß es meist unmöglich ist, Schnittserien zu erhalten, und die Ver-
folgung der Verhältnisse gerade bei diesen umfangreichen Borsten er-
fordert ganz unbedingt eine Serie aufeinanderfolgender Schnitte. Mei-
stens sieht man in einem Schnitte nur ein Stück des Terminalstranges
getroffen, und, wenn die Verbindung mit der Sinneszelle fehlt, ist es
oft sehr schwer, den Terminalstrang unter den Ausführungsgängen
einzelliger Drüsen (Fig. 21, 22, 23 drg), die in großer Zahl in die Gelenk-
grube (den distalen Teil des Porenkanals) der Borsten münden, heraus-
zufinden. In einem Falle jedoch war der Terminalstrang von der Sinnes-
zelle bis zu seinem Ende an drei aufeinander folgenden Schnitten zu
verfolgen. Die Kombination der drei Schnittbilder zeigt Fig. 23. Alles,
was sich nicht auf die Borste bezieht, ist in diesem Bild nicht dargestellt.
Am tiefsten liegt die große Drüsenzelle (drz); ihrer Oberseite dicht an-
geschmiegt, fast in sie eingesenkt liegt die Sinneszelle (sz). Ihr Terminal-
strang (tst) verläuft, allmählich ansteigend, nach dem seitlichen Eand
der Drüsenzelle, zieht sich unter die Gelenkmembran (km) hin und
dringt schließlich in diese ein. Hier endigt er dann unter Bildung
eines Stiftkörperekens (stk), das die Form einer dreiseitigen Pyramide
zu besitzen scheint.
Wasmann beschrieb im Jahre 1903 am Abdomen von Lomechusa
Haarbüschel, unter deren einzelnen Haaren je eine Drüsenzelle und
eine Sinneszelle gelegen sind. Die Abbildung, die er von solchen Haaren
gibt, ist freilich den hier von Dytiscus gegebenen nicht sehr ähnlich.
Dagegen erinnern die Fig. 22 und 23, welche die beiden am Grunde
der Borsten gelegenen Zellen zeigen (drz u. sz), etwas an die von Holm-
gren, 1895, gegebenen Abbildungen von Haardrüsen der Macrolepido-
pterenlarven. Jedoch sind die dort auftretenden Zellen als Drüsenzelle
und trichogene Zelle von Holmgren erkannt worden, während eine sehr
kleine Sinneszelle sich außerdem oft noch findet. Bei den Borsten
von Dytiscus ist von einer trichogenen Zelle nichts zu bemerken, da-
gegen zeigt die Sinneszelle eine viel bedeutendere Ausbildung. Wenn
man sich der BERLESESchen Ansicht vom Bau der Sinnesborsten an-
schließt, so muß man allerdings in der Sinneszelle eine trichogene Zelle
28 Rudolf Hoclireuther,
erblicken, die durch Verbindung mit einem Nerven nachträglich zu
einer Sinnesfunktion befähigt ist, denn die Borsten sind wie die Haare
von seinen einfachen Protaesthesis herzuleiten. Daß jedoch die Ber-
LESEsche Hypothese für die Bildung der stiftförmigen Endigung, die
wir an den Borsten kennen lernten, keine Erklärung geben kann, wurde
schon bei den Sinneshaaren, die solche Endigungen zeigten, erwähnt.
Durch die enge Beziehung, in der die Drüsen- und Sinneszellen
an den besprochenen Borsten von Dytiscus stehen, dürfte eine empfind-
liche Drüsenfunktion der Borsten gewährleistet sein. Denn während
zumeist den Drüsenhaaren percipierende Elemente fehlen, finden sich
an den hier geschilderten Formen besondere Sinnesapparate. Auf
einen von diesen dem Centralorgan übermittelten Heiz dürften die
Drüsen von dort aus durch die an sie herantretenden Nervenendigungen,
die hier freilich nicht untersucht werden konnten, zu plötzlicher Se-
cretion angeregt werden.
Wasmann schreibt den von ihm an Lomechusa untersuchten Haaren
ganz dieselbe Funktion zu.
3. Die Sinneszapfen.
Zwischen den Sinnesborsten und Sinneszapfen bestehen, wie schon
bei den Borsten erwähnt wurde, ebenfalls Übergänge. Wenn man die
in Fig. 20 abgebildete Sinnesborste der Abdominalpleure etwa mit dem
in Fig. 34 dargestellten Zapfen der Mesopleuren vergleicht, so sieht man,
daß in der Tat zwischen beiden Formen nur verhältnismäßig geringe
Unterschiede bestehen.
Auch zu den Sinneshaaren zeigen die Zapfen noch unverkennbare
Beziehungen; so erscheinen die in den Fig. 26 und 27 abgebildeten
Zapfen vom Lobus internus bzw. dem Mesoscutum in ihrer Form noch
ziemlich haarähnlich, und bei den in Fig. 31 dargestellten Zapfen (szpf)
vom Vorderrand der Oberlippe müßte man zweifeln, ob man sie nicht
überhaupt ohne weiteres den Haaren zurechnen sollte, wenn sie nicht
infolge ihrer tiefen Einsenkung und ihres sonstigen Baues in enger
Beziehung mit ebenfalls an dieser Körperstelle auftretenden typischen
Sinneszapfen (Fig. 30 szpf) ständen.
Nach der anderen Seite hin finden sich auch zu den komplizierteren
Sinneskegeln Übergangsformen, wie aus einem Vergleich der Zapfen
(szpf) in Fig. 28 und 29 mit dem in Fig. 47 dargestellten massiven
Grubenkegel (mgk) erhellt.
Aus diesen vielseitigen Beziehungen zu anderen Organformen er-
gibt sich schon, daß zu den Sinneszapfen recht verschieden gestaltete
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
29
Formen gehören müssen. Das ist in der Tat der Fall, wie ein Blick auf
die Fig. 26, 28, 30, 33 szpf und 42 kz etwa lehrt. Es soll hier die Be-
schreibung mit den Teilen der Organe begonnen werden, die unter-
einander am meisten übereinstimmen. Dies sind der Porenkanal und
die Membran, welche die Einlenkung der Zapfen besorgt.
Der Porenkanal zeigt oft noch die primitive, fast vollkommen
cylindrische Form (vgl. Fig. 30, 31, 32 u. 33 pk). Der proximale Teil
szM 5Z9r neurU
Fig. 26.
Längsschnitt durch Sinneszapfen (szpf) mit
Sinneszellengruppe (szgr) am Lobus internus.
470 : 1.
Fig. 27.
Längsschnitt durch feinen Sinneszapfen (szpf) am
Mesoscutum. 590 : 1.
Fig. 28. Fig. 29.
Längsschnitt durch Sinneszapfen (szpf) beim Längsschnitt durch Sinneszapfen (szpf) am
ersten Thoracalstigma . 1000 : 1. Pleurenrand des Abdomens. 590 : 1.
hypzk, Hypodermiszellenkern; km, kuppeli'örmige Membran; neurk, Neurilemmkern; nf, Nerven-
faser; pk, Porenkanal; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
behält diese meist bei, während der distale sich nach außen erweitert
(Fig. 26, 28, 34, 36, 39, 42 pk) oder verengt (Fig. 29, 35, 37 pk). An den
in den Fig. 34 — 43 dargestellten »keulenförmigen Zapfen« sehen wir
den distalen Teil des Porenkanals oft am Grunde dem Zapfen eng an-
liegen, dann aber sich mehr oder minder stark nach außen erweitern
(Fig. 34, 36, 39, 42 pk). Aber auch der proximale Teil kann Differen-
zierungen zeigen. Oft erscheint seine Wand im Schnitt wellenförmig
kontouriert, was von ringförmigen Vorsprüngen herrührt, die sie in
das Lumen des Kanals an verschiedenen Stellen aussendet (Fig. 34, 37,
30
Rudolf Hochreuther,
38, 42 pk). Dabei kann er sich, wie an dem in Fig. 42 dargestellten
keulenförmigen Zapfen des Q Pronotums, nach innen zu verengen.
szk — \ ,
Fig. 30.
Längsschnitt durch Sinneszapfen (szpf)
und Sinneszelle (sz) am Vorderrand der
Oberlippe. 470 : 1. nf , Nervenfaser;
[tst, Terminalstrang.
Fig. 31.
Sagittalschnitt durch Vorderrand der Oberlippe mit
Sinneszapfen [szpf) und hohlem Grubenkegel (hgk).
470 : 1.
Fig. 33.
Längsschnitt durch drei kleine, massive,
grubenständige Sinneszapfen (szpf) des Penis.
590 : 1.
neurk ---.'
Fig. 32.
Längsschnitt durch kleinen, massiven, gruben-
ständigen Zapfen (szpf) mit Sinneszellengruppe Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen (kz)
(szgr) an der Antenne. 590 : 1. der Mesopleuren. 1020 : 1. grs, Grundstück.
hypzk, Hypodermiszellenkern; km, kuppeiförmige Membran; kr, Chitinkragen; neurk, Xeurilemm-
kern; pk, Porenkanal; sz, Sinneszelle; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
Fig. 34.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 31
An Organen weicher Körperteile, z. B. den in Fig. 28 und 29 darge-
stellten Zapfen am ersten Thoracalstigma, bzw. dem Pleurenrand vom
Abdomen eines noch weichen Käfers, zeigen die Wandungen des Poren-
kanals wieder Aussteifung mit härterem, dunklem Chitin.
Der proximale Teil des Porenkanals kann gegen den distalen
enger sein (Fig. 26, 28, 29, 34—42 pk). Dann sitzt die den Zapfen
befestigende Membran dem zustandekommenden Absatz auf. Sonst
sitzt sie in einer ringförmigen Furche auf, die in die Wand des Poren-
kanals gegraben ist (Fig. 30 — 33 pk). Die Membran selbst besitzt auch
hier meist noch Kuppelform (Fig. 26, 28, 29, 34, 36 — 39, 42 u. 45 km) ;
dabei zeigt die Kuppel eine sehr verschiedene Höhe. Zuweilen ist die
Membran aber kegelstumpf- oder kragenförmig (Fig. 30 — 33, 35, 40 u.
41 kr), wie wir es später auch bei den massiven Grubenkegeln wieder
kennen lernen werden. Die kragenförmigen Membranen sind am Pol,
wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, immer offen, während die
kuppeiförmigen meist ganz geschlossen sind oder höchstens in ihrer
Mitte einen feinen Kanal besitzen. Der Ansatz der Membranen im
Porenkanal geschieht im allgemeinen um so tiefer, je größer der Zapfen
ist, so daß von diesem oft nur ein kleiner Teil aus dem Kanal hervorragt.
Der kuppeiförmigen Membran oder dem Kragen sitzen nun die
Zapfen entweder (und dies ist meistens der Fall) auf, oder sie sind,
wie wir auch schon von manchen Haaren und Borsten hörten, dadurch
an ihnen befestigt, daß die Membranen sie am proximalen Teil fest um-
greifen (Fig. 31, mittlerer Zapfen, und Fig. 41). Die Zapfen selbst be-
sitzen mannigfache Form. Die haarähnlichen (Fig. 26, 27, 31 szpf)
wurden schon erwähnt, ebenso die in Fig. 28 und 29 dargestellten kegel-
ähnlichen. Die typische Zapfenform zeigt das in Fig. 30 szpf darge-
stellte Organ. Es sind cylindrische Apparate, an ihrem Ende etwas
abgerundet oder eben. An Größe sind sie recht verschieden. Die klein-
sten Formen (Fig. 32 u. 33 szpf) besitzen die Gestalt eines Kegelstumpfes.
Meistens zeigen die Zapfen in ihrer Mitte einen feinen Kanal, der durch
die kuppeiförmige oder kragenförmige Einlenkungsmembran hindurch
mit dem Porenkanal kommunizieren kann. Dies ist aber durchaus
nicht immer der Fall (vgl. Fig. 26, 28, 29). Oft erreicht der Kanal den
Grund des Zapfens gar nicht, und so finden sich alle Übergänge zu den
ganz massiven kleinen Zäpfchen der Fig. 32 und 33.
Ganz eigentümliche Form zeigen die in den Fig. 34 — 42 darge-
stellten Organe, die sich in großer Zahl am ganzen Körper des Käfers
finden, und für die ich schon die Bezeichnung »keulenförmige Zapfen«
angewandt habe. Äußerlich betrachtet, erscheinen sie zuweilen den
32
Rudolf Hochreuther,
Fig. 35. Fig. 36.
Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen des Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen am
Mesoscutellum vom <3- 1020 : 1. Pronotum des (5- 815 : 1.
pk^m
-grs
zt-p*
Fig. 37. Fig. 38.
Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen der Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen des
Propleuren. 1020 : 1. Prosternum. 1020 : 1.
Fig. 39.
Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen von
der Unterseite des Abdomens. 1020 : 1.
Fig. 40.
Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen des
Trochanter. 1020 : 1.
. -*«?
ür
Fig. 41. Fig. 42.
Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen des Längsschnitt durch keulenförmigen Zapfen
Metasternuni. 1020 : 1. am Pronotum des Q. 815 : 1.
grs, Grundstück; km, kuppeiförmige Membran; kr, kragenförmige Membran; kz, keulenförmiger
Zapfen; pk, Porenkanal.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 33
gewöhnlichen Zapfen, wie sie etwa am Lobus internus (Fig. 26) oder
am Vorderrand der Oberlippe (Fig. 31) auftreten, recht ähnlich, und
sie sind auch sicher durch alle denkbaren Zwischenstufen mit solchen
Formen verbunden. In ihrer typischen Ausgestaltung zeigen sie aber
Verhältnisse, wie sie in Fig. 42 zu erkennen sind. Sie bestehen aus
einem Grundstücke, das bis auf einen feinen Kanal vollkommen massiv
und aus hartem Chitin gebildet ist (Fig. 42 grs), und einem diesem auf-
sitzenden, sich flaschen- oder keulenförmig erweiternden, hohlen Zapfen.
Beide Teile lassen sich an den meisten dieser Organe leicht erkennen,
wenn sie auch nicht immer so deutlich gegeneinander abgesetzt sind
wie in Fig. 42. Der flaschen- oder keulenförmige Teil beginnt etwa
dort, wo in den Abbildungen die Höhlung des Zapfens sichtbar wird.
Der Kanal, der das Grundstück durchzieht, ist nämlich so außer-
ordentlich fein, daß man ihn an den kleineren Organen nur selten sieht,
während er an der größten Form (vgl. Fig. 42) leichter wahrnehmbar ist.
Am Ende des keulenförmigen Teiles ist die abschließende Wand
in Form einer flachen Delle leicht eingedrückt, was man an der schein-
baren Verdickung der abschließenden Wand erkennt, die an dickeren
Schnitten sichtbar wird. Tatsächlich ist aber keine Verdickung, sondern
nur eine Einsenkung vorhanden. Der vorspringende Zapfenrand zeigt
oft unregelmäßige Vorsprünge und Einbuchtungen. Manchmal schien
es, als ob durch die Mitte der Einsenkung ein feiner Kanal hindurch-
zöge. Ganz sicher konnte ich dies aber nicht feststellen.
Der Hohlraum des Zapfens ist von einer körnigen Masse erfüllt,
die besonders in einer mittleren oder mehreren seitlichen Reihen an-
gehäuft erscheint und festere Konsistenz annehmen kann. In Fig. 40
und 41 lassen die keulenförmigen Zapfen des Trochanter bzw. Meta-
sternum diese Masse in zwei Zügen angeordnet erkennen. Besonders
in dem letzten sehr breiten Zapfen (Fig. 41) erscheint sie so verdichtet,
daß sie fast den Eindruck von aussteifenden Rippen hervorruft. Über
das Wesen der körnigen Masse vermag ich nichts Bestimmtes auszu-
sagen. Vielleicht ist es umgewandelte Substanz der Zellen, welche die
Zapfen bildeten. Wenn es gelänge, in der distal den Zapfen abschlie-
ßenden Wand eine feine Öffnung sicher nachzuweisen, wäre es vielleicht
auch angängig, die körnige Masse als ein Drüsensecret anzusprechen,
das durch die Zapfen nach außen geführt wird. Immerhin ständen
dann dieser Auffassung noch Bedenken entgegen, weil die feinen zu-
und abführenden Kanäle das Secret, in dem Zustande wenigstens, wie
es nach der Konservierung in den Zapfen erscheint, kaum zu leiten
vermöchten.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 3
34
Rudolf Hochreuther,
An die keulenförmigen Zapfen schließt sich in der Hypodermis
eine einzige Zelle (Fig. 43 sz%) an, deren Plasma stark färbbar ist, und
deren Kern {szkl) in seiner Mitte eine starke Anhäufung von Chromatin
zeigt. Eine sehr typische Sinneszelle ist diese Zelle keinesfalls, zumal
es auch niemals gelang, einen proximalen nervösen Fortsatz an ihr zu
entdecken. Trotzdem kann die Frage, ob es sich um eine Sinneszelle
oder etwa um eine Drüsenzelle handelt, nicht endgültig entschieden
werden.
Damit sind wir schon zur Frage der Innervierung der Sinneszapfen
hingeführt worden. Gegenüber den schon an den Haaren und Borsten
besprochenen Verhältnissen zeigen die Sinneszapfen nichts Besonderes.
Die Sinneszellen liegen in der Einzahl (Fig. 30 sz) oder zu mehreren
(Fig. 26 u. 32 szgr) unter den Zapfen. Ihre
runden Kerne (szk) sind durch diese Form
von den länglichen der Hypodermis (Fig. 26
u. 32 hypzk) unterschieden. Sie zeigen einen
deutlichen Nucleolus. Neurilemmkerne
(neurk) begleiten die Zellen sowohl wie
ihre nervösen proximalen Fortsätze (Fig. 26
u. 30 nf). Distalwärts laufen die Sinnes-
zellen in zuweilen sehr lange Terminal-
stränge aus (Fig. 30 u. 32 tst). Diese
schließen, wenn die kuppeiförmige Membran
eine Öffnung besitzt, oder wenn ein hohler
Kragen die Einlenkung des Zapfens besorgt,
an die Zapfen selbst an (Fig. 28, 30 u. 32 tst) ;
ist die kuppeiförmige Membran dagegen
massiv, so setzen sie an diese an (Fig. 26 u. 27 tst). Besondere End-
apparate scheinen stets zu fehlen.
Auch den Sinneszapfen von Dytiscus kann nur mechanische Reiz-
barkeit zugesprochen werden. Ihr chitinöser Bau schließt ein Reagieren
auf chemische Reize aus. Den keulenförmigen Zapfen könnte vielleicht
eine secernierende Aufgabe zukommen, doch ist nach den vorliegenden
Daten darüber noch nichts Sicheres auszusprechen.
Fig. 43.
Längsschnitt durch keulenförmigen
Zapfen und Sinneszelle (?) (sz?) am
Pronotum des Q. 470 : 1. Weitere
Abk. s. S. 113.
4. Die Tast- und Geschmackszäpfchen.
Unter dem Namen »Tastzäpfchen« faßt Nagel die Sinnesorgane
zusammen, die am Ende der distalen Tasterglieder in zwei getrennten
Feldern stehen (Fig. 44 u. 77 — 79 tz u. gsz) und diesen Teilen der Mund-
werkzeuge in erster Linie das Gepräge von Tast- und Geschmacksappa-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 35
raten verleihen. Nagel beschreibt diese schon von J. Braxton-Hicks
aufgefundenen und von Leydig als »Wärzchen« bezeichneten Organe
an den letzten Tastergliedern von Dytiscus und Acilius.
Es sind dort aber zwei Formen dieser Zäpfchen zu unterscheiden,
die nicht nur, wie Nagel angibt, in ihrer Größe voneinander verschieden
sind, sondern auch in ihrem Bau (s. Fig. 44). Die bei weitem häufigeren
sind die kleineren Tastzäpfchen (Fig. 44 tz). Die Größe dieser Organe
beträgt 10 u, ihr Durchmesser 3 ii. Betrachtet man ein solches kleines
Organ, so zeigt es die Form eines der Tasterspitze aufsitzenden Tönn-
chens und erinnert dadurch etwas an die auf Zapfen stehenden Borsten
an den seitlichen Teilen der Abdominaltergite (Fig. 15 sb). Die Tönn-
chenform wird hier aber noch besonders dadurch nachgeahmt, daß
die Zapfen am Grunde von drei dickeren Chitin-
ringen faßreifenartig umspannt werden. Der
obere Boden des Tönnchens liegt etwa um ein
Sechstel der ganzen Zapfenhöhe in dem Faß- tz~ "^M Ih9f4f" ~ ~9SZ
mantel eingesenkt, so daß sich dieser kragen-
förmig über den oberen Boden erhebt. Dem
oberen Boden sitzt dann in der Mitte ein
kleiner, schlanker, massiver Kegel auf, der mit ,
Längsschnitt durch Tast- und
seiner Spitze nur wenig über den Kragenrand Geschmackszäpfchen am Pai-
hervorragt. Die Zapfenwand, die Membran, pus maxilIaris- 8?0:1- w
. . Geschmackszäpfchen; tz, Tast-
welche den oberen Boden bildet, und der kleine Zäpfchen, weitere Abk.s.s.m.
massive Kegel zeigen im Schnitt alle etwa die
gleiche Stärke. Der kragenförmige Rand und der Kegel laufen nach
dem distalen Ende spitz zu.
In dem Lumen des Tönnchens verläuft central ein heller, stark
lichtbrechender Strang (Fig. 44 tst), der feste Konsistenz zu haben
scheint und, dicht bevor er an die das Lumen nach oben abschließende
Membran herantritt, etwas keulenförmig verdickt ist. Nagel gibt in
seiner Beschreibung eine keulenförmige Verdickung an der Stelle an,
wo der Strang in das Lumen des Zapfens eintritt. Meine Präparate
haben sie nie an dieser Stelle, sondern stets unmittelbar vor dem An-
lehnen des Stranges an die Quermembran gezeigt. Es ist bei der außer-
ordentlichen Kleinheit der Organe — der Durchmesser des gesamten
Zapfens beträgt, wie gesagt, nur 3 ;t — nicht leicht festzustellen, ob
sich der centrale Strang nur an die Quermembran anlegt, oder ob er
diese durchbricht und sich an den kleinen, stark lichtbrechenden Kegel
ansetzt oder gar in diesen unmittelbar übergeht. Denn der Durch-
messer des centralen Stranges ist so gering, daß man selbst bei Ein-
3*
36 Rudolf Hochreuther,
Stellung seines optischen Medianschnittes die Quermembran durch-
schimmern sieht. Dennoch glaube ich bestimmt und in voller Über-
einstimmung mit Nagel, daß der centrale Strang die Membran durch-
bricht und unmittelbar in den kleinen Kegel übergeht. Kegel und
Centralstrang, die sich weder in dem Lichtbrechungsvermögen noch
in ihrer Färbung unterscheiden, stehen also in direktem Zusammen-
hang.
Diese Tatsache ist von großer Bedeutung. Wir werden dies bessei
zu erkennen vermögen, wenn wir den Centralstrang proximalwärts, bei
seinem Verlauf in das Innere des Tastergliedes hinein verfolgen. Ei
durchsetzt, das Lumen des Zäpfchens verlassend, das Körperchitin,
welches beim jungen Käfer sehr fein lamelliert erscheint, in einem
engen, cylindrischen Porenkanal (Fig. 44 pk). Bald nach seinem Ein-
tritt in den Bereich der Hypodermis erkennt man in dem in seinem
ganzen Verlauf homogen erscheinenden Strang eine feine Streifung,
sieht ihn seine Indifferenz gegen angewandte Färbemittel verlieren und
unter Auffaserung in eine Gruppe von fünf bis sechs hintereinander
gelegenen Zellen, die Sinneszellen, übergehen (Fig. 78 szgr). Diese
unterscheiden sich durch ihre runden Kerne von den Hypodermiszellen
mit länglich ovalen Kernen. Außerdem sind sie von langen schmalen
Neurilemmkernen (Fig. 78 neurk) begleitet, die der Nervenscheide an-
gehören, welche nach v. Rath die ganze Sinneszellengruppe und den
sich proximal daran anschließenden Nerven umkleidet.
Wir haben also in dem das Lumen des Zapfens durchsetzenden
Strang nichts anderes vor uns, als die zusammengelagerten und ver-
schmolzenen Ausläufer der Sinneszellen, den Terminalstrang. Das
homogene, chitinähnliche Aussehen muß den Schluß nahelegen, daß
der Terminalstrang in seinen distalen Partien eine chitinartige Um-
wandlung erleidet oder doch zum mindesten aus sehr modifiziertem
Plasma besteht. Nagel selbst kommt zu diesem Schluß, indem er
sagt: »Es macht mir den Eindruck, als ob man . . . nicht die An-
nahme umgehen kann, daß es bei den Arthropoden eine chitinartige
Umwandlung der Nervenendigungen <>'ebe . .« Überzeugt scheint er
allerdings nicht gewesen zu sein. Aber wo wir wissen, daß wir in den
Simieszellen nichts anders vor uns haben als Hypodermiszellen, die
durch Entsendung eines Fortsatzes in das nervöse Centralorgan hinein
(v. Rath) oder durch dichte Umspinnung mit Nervenfibrillen (Ber-
LESe) zu einer Sinnesfunktion befähigt sind, kann es uns nicht mehr
befremden, wenn sich die distalen Fortsätze dieser modifizierten Hypo-
dermiszellen chitinartig umwandeln. Und wenn wir diese Umwandlung,
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 37
die durch die Präparate bestätigt erscheint, und der theoretisch nichts
im Wege steht, annehmen, so ist es auch nicht mehr erstaunlich, daß
an den Spitzen mancher Sinnesanhänge Öffnungen auftreten können,
die von den distalen Teilen der Terminalstränge erfüllt sind. Denn
wir haben ja dann keine freien Nervenendigungen, deren Vorkommen
bei den Arthropoden allerdings unwahrscheinlich erscheinen müßte,
sondern chitinöse Endorgane, die von den Sinneszellen gebildet und
durch sie in der Lage sind, Heize zu percipieren. Kräpelin ging sogar
so weit, die verschließenden Platten an den Membrankanälen der Hy-
menopteren als Produkte nervöser Elemente anzusprechen, und Nagel
scheint geneigt, die kleinen massiven Kegel der Tastzäpfchen als be-
sonders umgewandelte Nervenendorgane aufzufassen.
Die größeren Zäpfchen an den Tasterspitzen, die Nagel auch als
Tastzäpfchen bezeichnet, zeigen in vieler Hinsicht mit den kleineren
Übereinstimmung (Fig. 44 gsz). Vor allem lassen auch sie einen tönn-
chenförmigen Bau erkennen. Nur sind bei ihnen die Tönnchen etwas
weiter, und am oberen Ende ist ihre Wand etwas auseinandergetrieben,
so daß sie den größten Durchmesser (8 /<) in der Nähe des oberen Endes
zeigen. Außerdem zeigt die Wandung unter der Stelle, wo die ver-
schließende Membran (der eingesenkte obere Boden des Tönnchens)
aufsitzt, eine bedeutende Verstärkung. Diese erscheint deshalb von-
nöten, weil die Membran nicht wie bei den kleineren Formen nur
einen kleinen massiven Kegel zu tragen hat, sondern einen großen
hohlen Kegel von 9 u Höhe. Nagel hat diesen bei seinen Unter-
suchungen auch für einen massiven Kegel gehalten von gleichem Bau,
nur größerem Umfang wie die Kegel der kleinen Tönnchen. Dies ist
aber nicht der Fall. Vielmehr ist das Gebilde ein schlanker Hohl-
kegel, dessen Größe der des ganzen Tönnchens (ebenfalls 9 ;i) gleich-
kommt. An seiner Spitze läßt er einen äußerst feinen Kanal erkennen,
in den sich ein feiner chitinähnlicher Strang hinein fortsetzt, der wie
bei den kleinen Tastzäpfchen sich proximalwärts in die Sinneszellen-
gruppe auffasert und deshalb als Terminalstrang anzusprechen ist.
Die Verhältnisse des Terminalstrangs, des Porenkanals und der Sinnes-
zellengruppe zeigen im übrigen keinerlei Unterschiede und Abweichungen
von den entsprechenden Teilen bei den kleineren Tastzäpfchen (vgl.
Fig. 78).
Was nun die Funktion dieser beiden Organformen betrifft, so
können wir, nachdem wir zur Kenntnis ihres verschiedenartigen, chiti-
nösen Baues gelangt sind, nicht mehr an eine gleiche Funktion denken.
Nagel sprach beiden vermeintlich gleichen Organen auf Grund ihres
38 Rudolf Hochreuther,
Baues und seiner Beobachtungen am lebenden Käfer feine Tastfunktion
zu : »Offenbar darf man in diesen Organen den wichtigsten Tastapparat
der Dytisciden sehen.« Er muß es aber auf Grund seiner Experi-
mente unentschieden lassen, ob die Organe nicht vielleicht auch dem
Geschmackssinn dienen. Daß an den Tastern Geschmacksorgane ihren
Sitz haben müssen, hat Nagel durch seine Resektionsversuche zweifel-
los bewiesen. Er will aber diese Funktion den hohlen Grubenkegeln
überlassen, die sich auch an den Tastern finden (Fig. 77 u. 79 hgk).
Deren Zahl ist dort aber sehr gering, und nachdem wir in den größeren
Zapfen Organe kennen lernten, deren schlanke Hohlkegel, wie wir
gleich sehen werden, im Bauplan mit den hohlen Grubenkegeln prin-
zipiell übereinstimmen, dürfen wir diesen Organen wohl Geruchs- oder
Geschmacksfunktion zuschreiben. Dann erscheint es uns auch ver-
ständlicher, daß die Antennen, an denen bedeutend mehr hohle Gruben-
kegel stehen als an den Tastern, in viel geringerem Grade, ja fast gar
nicht auf chemische Einflüsse reagieren, während die Taster dies in
bedeutenderem Maße tun. Durch die exponierte Stellung der größeren
Zäpfchen an den Tastern wird eine leichtere Erregung durch chemische
Substanzen gewährleistet und eine feinere Reizbarkeit gesichert.
In den massiven Kegeln der kleineren Organe werden wir dagegen
feine Tastorgane zu sehen haben. Ihr komplizierter Bau und ihre
geringe Größe sichern eine empfindlichere Tastfunktion, als sie ein
Sinneshaar oder eine Sinnesborste besitzen kann.
Wegen des Unterschiedes im Bau und in der Funktion lassen
sich die beiden Organformen nun nicht länger unter dem gemeinsamen,
von Nagel geschaffenen Namen zusammenfassen. Für die kleineren
Tastorgane können wir die sehr gute Bezeichnung »Tastzäpfchen« bei-
behalten. Die größeren dagegen müssen wir ihnen, wenn wir eine
analoge Bezeichnung wählen wollen, vielleicht als »Geschmackszäpf-
chen « gegenüberstellen.
Will man sich bezüglich dieser beiden Zäpfchenformen der Ansicht
Berleses vom Aufbau der Hautsinnesorgane anschließen, so muß
man gestehen, daß man sich einigermaßen in Verlegenheit sieht. Denn
die kleinen Tastzäpfchen müßte man als Organe des Tastsinnes von
den einfachen Protaesthesis herleiten, die dem Geschmack dienenden
Geschmackszäpfchen dagegen von den zusammengesetzten. Nun
zeigen beide Organformen in ihrer histologischen Zusammensetzung
absolut gar keine Unterschiede. Weder in der Form, noch der Zahl,
noch der Anordnung der Sinneszellen fanden sich irgendwelche Ver-
schiedenheiten. Warum sollte man nun nach Berlese von den Sinnes-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 39
Zeilen der Tastzäpfchen annehmen, daß es trichogene Zellen sind,
während die ganz ebenso gestalteten, entsprechenden Zellen der Ge-
schmackszäpfchen z. T. als Drüsenzellen anzusprechen wären? Ein auf
morphologische Tatsachen fußender Grund ist in diesem Fall nicht
zu erkennen. Bei Betrachtung der Grubenkegel werden wir uns in
eine ebensolche zweifelhafte Lage versetzt sehen wie hier bei diesen
beiden Organformen.
5. Die Grubenkegel.
(Sensilla coeloconica, Schenk.)
Die zapfenförmigen Organe und auch die eben besprochenen Tast-
und Geschmackszäpfchen mit ihren kegelförmigen Aufsätzen leiten
uns zu der nächst komplizierten Organform, den Grubenkegeln, ohne
weiteres über. Als Grubenkegel werden in der Literatur solche Organe
bezeichnet, die eine kegelförmige Gestalt besitzen und in einer Grube
des Körperchitins eingesenkt stehen. Man hat zwei Hauptformen
dieser Grubenkegel zu unterscheiden, je nachdem der in der Grube
stehende Kegel massiv oder hohl ist; man spricht danach von massiven
und hohlen Grubenkegeln.
a. Die massiven Grubenkegel (dickwandige Kegel).
Die massiven Grubenkegel stellen die bei weitem primitivere Form
dar. Von den grubenständigen Zapfen sind sie in ihrem Bau nicht
wesentlich verschieden. Vielmehr unterscheiden sie sich von ihnen
lediglich durch die Kegelform des percipierenden Apparates. Auch
sind sie durch viele Übergangsformen mit den Zapfen verbunden,
und es ist oft schwer zu entscheiden, ob man ein Organ noch den gruben-
ständigen Zapfen oder schon den Kegeln zuzurechnen hat (vgl. z. B.
Fig. 45 szpf, oben).
Die Kegel der Organe, die man zu den massiven Grubenkegeln
zählt, sind entweder ganz massiv (Fig. 46 u. 47 mgk) oder zeigen in
ihrer Mitte einen engen Kanal, der aber die Spitze des Kegels bei weitem
nicht erreicht (Fig. 45 gk). Man würde sie deshalb vielleicht besser
als »dickwandige Kegel« bezeichnen, wie Schenk die ebenständigen
Kegel an Schmetterlingsfühlern auch nannte. Nagel bezeichnet sie
als »kleine Grubenkegel«; diese Bezeichnung ist aber deshalb nicht
sehr glücklich, weil an dem Lobus externus der ersten Maxillen zum
Beispiel massive Kegel vorkommen (Fig. 46 mgk), die an Größe man-
chen hohlen Kegeln überlegen sind (vgl. z. B. Fig. 54 hgk). In Form
und Größe sind die dickwandigen Kegel sehr mannigfaltig. Neben
40
Rudolf Hochreuther,
schlanken, ziemlich langen, beispielsweise an der Unterlippe (Fig. 45 gk)
(Größe: 22 /i, maximaler Durchmesser: 10//) und dem Gaumenzapfen
(Fig. 47 mgk) (Größe: 15 /*, Durchmesser: 6 u) finden sich an dem
kleinen Lobus externus der ersten Maxillen neben ebensolchen die
schon erwähnten sehr kurzen, kompakten (Fig. 46 mgk, oben) (Größe :
1 u, maximaler Durchmesser an der Basis: 6 u).
Die Art, wie sie dem Körperchitin eingelenkt sind, ist bei allen
im wesentlichen dieselbe. In das Lumen des Porenkanals ragt ein
stpfi.
Fig. 45.
Sagittalschn itt durch die Unterlippe (median geführt). 470:1. gl-, dickwandiger Grubenkegel;
sh, Sinneshaar; szpf, Sinneszapfen. Weitere Abk. s. S. 113.
kleiner ringförmiger Vorsprung des Körperchitins. Diesem sitzt ein
hohler, kegelstumpfförmiger Kragen (Fig. 45, 46 u. 47 kr) auf, dessen
Chitin sich wie bei den entsprechenden Kragen vieler Zapfen stärker
färbt als das des Kegels selbst. Dieser Kragen trägt dann den Kegel,
der oft nur wenig aus der Grube hervorragt (Fig. 46). Die Einlenkung
der Kegel mittels des kragenförmigen Aufsatzes gewährleistet eine ge-
wisse Beweglichkeit, denn das Chitin des Kragens ist wie das der Gelenk-
häute elastischer als das des übrigen Körpers. Diese Beweglichkeit
schützt den Kegel naturgemäß vor zu leichtem Abbrechen oder Ver-
letzungen durch Druck.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
41
Die Form des Porenkanals ist bei den einzelnen Kegeln sehr ver-
schieden. Im allgemeinen sind die Kanäle ziemlich eng. Ihr proxi-
maler Teil ist cylindrisch und nur unterhalb des kragenförmigen Auf-
satzes etwas erweitert (Fig. 45 pk). In dem distalen, jenseits der
Ansatzstelle des Kragens gelegenen Teil erweitern sie sich auch etwas
becherförmig zu der eigentlichen Grube. Von dem ringförmigen Vor-
sprung des Körperchitins abgesehen, dem der Kragen aufsitzt, finden
sich meist keine besonderen Differenzierungen (Fig. 45 u. 47). Nur bei
hypzk
Fig. 46. Fig. 47.
Längsschnitt durch massive Grubenkegel Längsschnitt durch massiven und hohlen Gruben-
(mgk) am Lobus externus. 480 : 1. kegel mit Sinneszellen vom Gaumenzapfen. -170:1.
drg, Drüsenausführungsgang; hgk, hohler Grubenkegel; hypzk, Hypodermiszellenkem ; km, kuppei-
förmige Membran; kr, kragenförmige Membran; mgk, massiver Grubenkegel; neurk, Neurilemm-
ketn; nf, Nervenfaser; pk, Porenkanal; sz, Sinneszelle; szk, Sinneszellenkern; tst, Terminalstrang.
den sehr kompakten Kegeln des distalen Teils vom Lobus externus
(Fig. 46 mgk, oben) zeigt der Porenkanal andere Verhältnisse. In seinem
proximalen Teil tritt unterhalb der Ansatzstelle des Kragens noch eine
ringförmige Einbuchtung oder Vorstülpung auf; der distale Teil ist
nicht becherförmig erweitert, sondern im Gegenteil vasenartig verengt, so
daß die Kegel hier ganz besonders eng in den Kanal eingeschlossen sind.
Was die nervösen Verhältnisse betrifft, so zeigen sich hierbei auch
gewisse Unterschiede an verschiedenen Formen. Überall finden wir
einen ziemlich langen Terminalstrang (Fig. 45 — 47 tst) an die Kegel
42 Rudolf Hochreuther,
anschließen. Die Axt und Weise, wie dieser an die Kegel ansetzt, ist
aber verschieden. Meistens schließt er mit einer besonders differen-
zierten Spitze (Fig. 47), wie wir es schon bei manchen Haaren und
Borsten sahen, an die Kegel selbst an. Wenn die Kegel einen feinen
Kanal aufwiesen, schien er dagegen an den Kragen, der den Kegel trägt,
anzusetzen (Fig. 45 tst). An den großen Kegeln des Lobus externus
(Fig. 46) finden wir auch bezüglich des Terminalstranges besondere
Verhältnisse. Wenn der sehr dünne Terminalstrang bis zur Höhe der
Ansatzstelle des kegelstumpfartigen Kragens gelangt ist, scheint er
sich mit einem Male trichterförmig zu erweitern und an die ganze
Basis des Kegels anzusetzen. Bei der starken chitinartigen Modi-
fizierung, die er wie alle Terminalstränge der massiven Kegel in seiner
Endregion aufweist, kam! man nicht deutlich erkennen, wo der Terminal-
strang aufhört und der eigentliche Kegel anfängt. Vielleicht ist die
trichterförmige Erweiterung noch ganz dem Kegel zuzurechnen.
In seinem proximalen Verlauf konnte ich den Terminalstrang nur
an einem Kegel des Gaumenzapfens verfolgen (Fig. 47). Hier ging er
anscheinend in eine einzige Sinneszelle (sz) über, deren heller Plasma-
leib in seinem proximalen wie distalen Teil eine feine Streifung er-
kennen ließ. Der Sinneszellenkern (szk) zeigte einen allerdings nicht sehr
deutlichen Nucleolus. Die ganze Zelle war von mehreren Kernen (neurk)
begleitet, die dem Neurilemm anzugehören schienen. Da der Schnitt
etwas dick geraten war, ließen sich feinere Einzelheiten nicht erkennen.
An Schnitten durch den Lobus externus (vgl. Fig. 77 le) waren neben
den sehr kleinen Hypodermiskernen (Fig. 46 Inxjfzk) ebenfalls runde
Sinneszellenkerne (szk) mit deutlichem Nucleolus zu sehen. Jedoch
fehlte eine erkennbare Verbindung mit den Terminalsträngen (tst).
Daß die Funktion dieser Grubenkegel nur eine mechanische sein
könne, wurde schon von Nagel hervorgehoben. Eine Diffusionsmög-
lichkeit von Flüssigkeiten oder Gasen durch die Kegel hindurch bis
zu den modifizierten Nervenendigungen muß selbst bei den Organen,
die einen feinen centralen Kanal besitzen, schlechterdings ausgeschlossen
erscheinen. Wir werden also in den massiven Grubenkegeln Tast-
organe erblicken müssen, deren Empfindlichkeit je nach ihrem Bau
und der Ansatzweise des Terminalstranges einen verschiedenen Grad
besitzen wird.
b. Die hohlen Grubenkegel (dünnwandige Kegel).
Zu den hohlen Grubenkegeln führen uns jene größeren Geschmacks-
zäpfchen hin, die einen hohlen Kegel tragen (Fig. 44 gsz). Nur sind
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
43
jetzt die Kegel nicht auf einem besonderen Zapfen über die Oberfläche
des Chitins erhoben, sondern vielmehr in das Körperchitin eingesenkt.
Größe und Form schwanken bei den hohlen Grubenkegeln ebenso
sehr wie bei den massiven. Im Grundplan ist aber ihr Bau doch stets
derselbe. Durch das an den kegeltragenden Stellen zuweilen verdickte
Körperchitin (vgl. etwa Fig. 48) führt der Porenkanal (pk). Seine
Gestalt ist mehr oder weniger cylindrisch. In verschiedener Höhe des
Kanals erhebt sich dann eine kuppelartig gewölbte Chitinmembran (km).
An ihrem Gipfel ist sie durchbohrt, und
über der Durchbohrung erhebt sich, auf
der Membran sitzend, der eigentliche
Kegel (hgk). Dieser läßt, so verschieden
auch seine Form sein mag, an seiner
Spitze fast stets einen feinen Kanal
deutlich erkennen, der von dem letzten,
chitinartig umgewandelten Ende des
Terminalstranges erfüllt ist — Verhält-
nisse, wie wir sie schon bei den Kegeln
der Geschmackszapfen an den Tastern
fanden.
Der stets so wiederkehrende Grund-
plan im chitinösen Aufbau der hohlen
Grubenkegel findet nun an den einzelnen
Organen der verschiedenen Körper-
regionen die mannigfachste Ausgestaltung.
Was zunächst die Kegel selbst betrifft,
so sind vor allem die Größenunterschiede
in die Augen fallend. Die größten finden
sich an den Antennen und Tastern (Fig. 48, (hgk) der Antenne. 470.-1. drg, Drüsen-
ferner Fig. 72, 73, 77 U. 19 hak); sie er- ausführimgsgänge; szgr, Sinneszellen-
y " gruppe. Weitere Abk. s. S. 113.
reichen eine Größe von 14 // (gemessen
vom Gipfel der kugelförmigen Membran bis zur Kegelspitze) und einen
maximalen Durchmesser von 8//. Schon Nagel gibt von ihnen eine
kurze Beschreibung, die in allen Punkten, mit Ausnahme des Durch-
bohrtseins an der Spitze, mit den hier gewonnenen Befunden überein-
stimmt. Sie laufen nicht so spitz zu wie manche, die sich an der
Oberlippe finden (Fig. 49, 60 und 75 hgk). Deren Größe beträgt
nur 10//, ihr Durchmesser 4//. Unter den noch viel zierlicheren
Formen finden sich neben schlankeren an den Mandibeln (Fig. 51 u. 76
hgk) (Größe: 10//, Durchmesser: 5//), dem Palparium der ersten Ma-
P
4 -neurk
Fig. 48.
Längsschnitt durch hohlen Grubenkegel
44
Rudolf Hochreuther.
xillen (Fig. 50 u. 77 hgk) (Größe: 8//. Durchmesser: 6 u) und dem
Mesoscutellum des weiblichen Käfers (Fig. 52) (Größe: 10/*) plumpere,
an der Spitze mehr abgerundete Formen an den Gaumenplatten (Fig. 53
u. 74 hgk), den thoracalen Stigmen (Fig. 54, 93 u. 94 hgk) und den
Coxen (Fig. 55).
Nagel bildet die Kegel der Gaumenplatten eigentümlicherweise
sehr schlank und äußerst dünnwandig ab. Ich habe niemals so gebaute
Kegel an dieser Stelle getroffen. Bezüglich des Porenkanals stimmen
meine Befunde mit denen Nagels vollkommen überein.
Von den Kegeln der thoracalen Stigmen gibt W. Alt schon mehrere
Bilder, von denen aber das eine, in dem er den Kegel über das Körper-
chitin wie auf einem Zapfen erhoben darstellt, mit den stets von mir
Fig. 49.
Längsschnitt durch hohlen Grubenkegel {hgk) mit Sinnes-
zellengruppe (szgr) an der Dorsalseite der Oberlippe. 480 : 1.
Weitere Abk. s. S. L13.
Fig. 50.
Längsschnitt durch hohlen Gru-
benkegel (hgk) und Sinneszellen-
gruppe (szgr) am Palparium der
ersten Maxillen. 590.: 1.
Weitere Abk. s. S. 113.
an Schnitten und Totalpräparaten des ersten und zweiten Stigmas
erhaltenen nicht ganz übereinstimmt. Der Kegel war nie so über die
Oberfläche des Chitins der Gelenkhaut emporgehoben, wie Alt es in
der einen Figur zeichnet, so daß man unwillkürlich an eine Ähnlichkeit
mit den Geschmackszäpfchen denken muß. Vielmehr war er stets
unter der Körperfläche eingesenkt. Manche Kegel am zweiten Thoracal-
stigma ragen allerdings etwas über die Umgebung hervor, dann ist
aber stets das unmittelbar darum gelegene Chitin der Gelenkhaut mit-
gehoben, so daß die aus hartem, homogenen Chitin gebildete Wand
des Porenkanals dennoch vollkommen vom weichen Körperchitin um-
schlossen bleibt (Fig. 94 hgk, oben). Sonst habe ich den Bau dieser
Kegel ganz ebenso gefunden, wie Alt ihn darstellt.
Die Kegel der Thoracalstigmen sind zusammen mit denen des
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
45
Gaumens die kleinsten Formen, die überhaupt bei Dytiscus auftreten.
Ihre Größe vom Gipfel der kuppeiförmigen Membran bis zu der Kegel-
spitze beträgt nur 4 u, ihr maximaler Durchmesser 3 u.
Die kuppeiförmigen Membranen, die den proximalen, nach außen
abgeschlossenen Teil des Porenkanals von dem distalen, offenen trennen,
km
km
--pk
Fig. 51. Fig. 52.
Längsschnitt durch schlanken hohlen Gruben- Längsschnitt durch schlanken hohlen Gruben-
kegel an der Mandibel. 590 : 1. kegel am Mesoseutellum des Q. 590 : 1.
h(ik, hohler Grubenkegel; km, kuppeiförmige Membran; pk, Porenkanal.
haben meist die Form einer hohen
Kuppel (Fig. 48—52, 54 u. 55 km). Bei
den Kegeln der Gaumenplatten dagegen
sind sie sehr flach (Fig. 53 km). Die
Kuppeln sitzen dem Porenkanal in sehr
verschiedener Höhe an. Dies hängt
von der Dicke des Chitins an der
Körperstelle ab, an der die Organe
stehen, ferner aber auch von der Größe
der Kegel und der Höhe der kuppei-
förmigen Membran. Denn alle Kegel
ragen nur wenig aus dem Porenkanal
hervor. So finden wir bei den großen
Kegeln der Antennen (Fig. 48) die
Membran ganz im proximalen Teil sich
der Wand des Porenkanals anschließen.
Ebenso ist es bei den Kegeln an der
Oberseite der Oberlippe (Fig. 49). Je
kleiner die Kegel werden, um so höher
sehen wir bei gleicher Länge des Poren-
kanals die Membran sich im Poren-
kanal erheben (Fig. 51, 52, 54, 55, 53 km).
Was den Porenkanal selbst angeht, so ist er in seinem proximalen
Teil unterhalb des Kuppelansatzes bei den Kegeln der Antenne (Fig. 48
Fig. 53.
Längsschnitt durch hohlen Grubenkegel
(hgk) und Sinneszellengruppe (szgr) der
Gaumenplatte. 470 : 1. Weitere Abk.
S. S. 113.
46 Rudolf Hochreuther,
pk) und des Palpariums der ersten Maxillen (Fig. 50 pk) fast cylindriseh,
sonst aber im allgemeinen nach innen zu etwas erweitert. Er läßt
dann in diesem Teil auch oft noch ringförmige Einstülpungen (Fig. 51
u. 54 pk) und Unregelmäßigkeiten, die wohl mehr durch Zufälligkeiten
bedingt sind (Fig. 60 j)k), erkennen. Sehr charakteristisch erscheint der
Porenkanal der Hohlkegel am Gaumenwulst und in der Umgebung der
thoracalen Stigmen (Fig. 53 u. 54 pk). Da das Chitin am Gaumen und
in den Gelenkhäuten zwischen den Thoraxsegmenten, wo die thoracalen
Stigmen sitzen, sehr weich ist, sind die Porenkanäle von einer Schicht
harten Chitins eingefaßt. So wird auch hier, gerade wie bei manchen
Borsten und Zapfen, den Organen die nötige Festigkeit und der nötige
Schutz verliehen.
hgk - «, /* km
Fig. 54. Fig. 55.
Optischer Längsschnitt durch hohlen Gruben- Längsschnitt durch hohlen Grubenkegel an der
kegel am ersten Thoracalstijma. 1000 : 1. Coxa des mittleren Beinpaares. 590 : 1.
hgk, hohler Grubenkegel; hm, kupp eiförmige Membran; pk, Porenkanal, tst, Terminalstrang.
Proximaler und distaler Teil des Porenkanals sind, wie wir schon
hörten, durch den Ansatz der kuppeiförmigen Membran voneinander
geschieden. Damit der Membran die Ansatzmöglichkeit geboten ist,
findet sich an der Übergangsstelle des proximalen Teils des Poren-
kanals in den distalen ein ringförmiger Vorprung in den Kanal hinein
(Fig. 51, 53 — 55 pk). Zuweilen vermittelt auch ein Absatz an der
Wand die Befestigung der Kuppel. Der Absatz kommt wieder da-
durch zustande, daß der proximale Teil des Porenkanals enger ist
als der distale (Fig. 47—50 u. 52 pk).
In dem distalen Teil ist der Porenkanal ebenfalls mannigfaltig
gestaltet. An den Kegeln der Antennen und der Mandibeln (Fig. 48
u. 51 pk) erweitert er sich würfelbecherartig nach außen, während er
in den meisten Fällen, z. B. an den Kegeln der Oberlippe (Fig. 49 pk),
der Gaumenplatten (Fig. 53 pk) und der thoracalen Gelenkhäute (Fig. 54
pk) sich in seinem distalen Teil mehr oder weniger verschmälert. In
den distalen Teil des Porenkanals münden zuweilen Drüsenausführungs-
gänge, z. B. an manchen Kegeln der Dorsalseite der Oberlippe (Fig. 49
drg) und den Kegeln der Antennen (Fig. 48 drg).
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 47
Dabei ist jedoch zu bemerken, daß die Drüsenausführungsgänge
niemals durch den inneren abgeschlossenen Teil des Porenkanals ver-
laufen, wie Nagel es bei einem Kegel des Gaumenzapfens angibt.
Vielmehr durchsetzen sie das Körperchitin außerhalb des proximalen
Porenkanals in besonderen feinen Kanälen und münden erst in dessen
äußeren geöffneten Teil. Eine Durchbohrung der kuppeiförmigen
Membran durch Drüsengänge findet also nie statt. Was Nagel in
seiner Abbildung 14 als Drüsenausführungsgang anspricht, ist wohl
nichts anderes als ein Abschnitt des modifizierten Terminalstranges.
So verschiedenartig die Ausgestaltung des chitinösen Apparates
dieser Organe war, so übereinstimmend zeigten sich die nervösen Ver-
hältnisse, soweit sie bei einzelnen der Organe zu ermitteln waren. Der
Terminalstrang (tst), der, wie wir schon hörten, unter besonderer Modi-
fizierung seiner Substanz meist in der Durchbohrung der Kegelspitze,
diese vollkommen erfüllend, endet, verliert in seinem proximalen Ver-
lauf allmählich seine hyaline Beschaffenheit und zeigt verschiedene
Stärke (vgl. Fig. 47, 48, 49, 50 u. 53 tst). Nach einiger Zeit fasert er sich
auf und läßt dann eine zarte Streif ung erkennen. Die Sinneszellen
liegen in Gruppen von dreien oder vieren meist hintereinander (Fig. 48,
49, 50 u. 53 szgr) und unterscheiden sich durch ihre rundlichen, wenig
Chromatin, aber einen deutlichen Nucleolus enthaltenden Kerne (szk)
von den meist länglichen Hypodermiskernen (hypzk). In Fig. 47 hgk
ist im Schnitt durch den hohlen Grubenkegel des Gaumenzapfens nur
ein Sinneszellenkern (szk) getroffen; wahrscheinlich sind aber auch hier
mehr vorhanden. In Fig. 49 sind die Sinneszellenkerne (szk) teilweise
nicht so deutlich von den Hypodermiskernen unterschieden, aber durch
ihre Verbindung mit dem Terminalstrang als Kerne der Sinneszellen
charakterisiert. Proximalwärts geht die Sinneszellengruppe stets in
einen nervösen Fortsatz über (Fig. 48, 49 u. 53 nf), dessen Neurilemm
die ganze Gruppe und ihren Terminalstrang begleitet (s. Fig. 48, 49
u. 53 neurk).
Bezüglich der Funktion der hohlen Grubenkegel hat Nagel, der
die Organe schon an den Antennen (vgl. Fig. 72 u. 73 hgk), den Tastern
(Fig. 77 u. 79 hgk) und dem Gaumen (Fig. 74 u. 80 hgk) von Dytiscus
kannte, die Ansicht ausgesprochen, daß sie einem chemischen Sinn
dienen möchten. Geruchs- und Geschmackssinn sind ja gerade bei dem
im Wasser lebenden Käfer nicht streng zu unterscheiden; man spricht
deshalb allgemeiner von dem chemischen Sinn. Die Resektionsversuche
Nagels sprechen allerdings nicht gerade dafür, daß an den Antennen
Organe des chemischen Sinnes ihren Sitz haben. Immerhin müssen
48 Rudolf Hochreuther,
wir annehmen, daß die dort gelegenen Kegel, die, vom Größenunter-
schied abgesehen, ganz ähnlichen Bau zeigen, wie die zweifellosen Ge-
schmacks- oder Geruchsorgane der Taster und des Gaumens, auch
dem chemischen Sinne dienen. Vielleicht ist infolge ihres gröberen
Baues nur die Empfindlichkeit eine geringere.
Auch Hauser, Kräpelin, Euland, v. Rath, Schenk und viele
neuere Autoren erblicken in den hohlen Grubenkegeln und ähnlichen
Sinnesorganen die typischen Organe des chemischen Sinnes der Arthro-
poden.
Nach Berlese wären die massiven und dickwandigen Gruben-
kegel als Tastorgane von den einfachen, die hohlen, dünnwandigen
Kegel als Geruchs- oder Geschmacksorgane dagegen von den zusammen-
gesetzten Protaesthesis herzuleiten. Aber auch hier vermag man be-
züglich der histologischen Zusammensetzung beider Formen keine
prinzipiellen Unterschiede zu erkennen, und es müssen darum hier
dieselben Zweifel und Bedenken auftauchen, wie sie schon bei den so
kegelähnlichen Tast- und Geschmackszäpfchen geäußert wurden.
6. Die kelchförmigen Organe (Nagel).
Die kelchförmigen Organe sind von Nagel an den Antennen und
Kiefertastern der Dytisciden zuerst näher untersucht worden, während
sie schon im Jahre 1860 von J. Braxton Hicks gefunden und mit
ähnlichen Organen an den Tastern anderer Insekten verglichen wurden.
Nagel hat auf ihre Beschreibung mehr Gewicht gelegt als auf die der
anderen Sinnesorgane von Insekten ; er hat sie auch schon an Schnitten
studiert und ihnen auf Grund seiner Ermittlungen den Namen »kelch-
förmige Organe« gegeben. Wir müssen die Beschreibung, die Nagel
gibt, hier zitieren, um die Abweichungen, die die vorliegenden Unter-
suchungen ergaben, klarer zu erkennen.
Nagel schreibt: »Aus dem Fühlerinnern verläuft senkrecht nach
außen ein cylindrischer Porenkanal«, (vgl. Fig. 56 pk), »der zuweilen
etwas konisch nach außen sich erweitert. Etwa auf drei Viertel der
Dicke des Chitins, welches an diesen Stellen dicker als im Übrigen
zu sein pflegt, verengt sich der Porenkanal plötzlich auf ein Fünftel
bis ein Sechstel seines bisherigen Durchmessers, bleibt eine kurze Strecke
so, um sich jetzt schalenförmig wieder zum ursprünglichen Durchmesser
zu erweitern. Der ganze weite Kanal, wie auch der verengte Teil,
enthält eine mit Hämatoxylin ziemlich schwach sich färbende Masse,
in welcher ich zuweilen einen unscharf begrenzten Centralstrang « (vgl.
Fig. 56 tst) »zu erkennen glaube. Nicht selten finden sich im Kanal
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
49
auch einzelne stärker sich färbende, runde Kerne. Von dem Inhalt des
eigentlichen Kelches ist nur eine den Boden bedeckende dünne Schicht
mit Hämatoxylin färbbar. Der übrige Raum im Kelche wird bis zum
Rande ausgefüllt von einem stark glänzenden, fast wasserhellen Körper, «
(vgl. Fig. 56 chpl) »der nach innen zu keine scharfe Grenze erkennen
läßt. Die verschiedensten von mir versuchten Färbemittel versagten
an diesem Körper. Derselbe füllt den Kelch
nach außen so an, daß er gerade im Niveau des
umgebenden Chitins liegt. Von einer Grube ist
hier also wohl nicht zu sprechen. Nur auf
Schnitten findet man recht häufig den Kelch-
inhalt ausgefallen, den Kelch somit als leere
Grube. An den Rändern, wo die Außenfläche
des Fühlers in die Wand einer solchen Grube
übergeht, finde ich nie Reste einer Verbindungs-
membran zwischen Kelchinhalt und dem eigent-
lichen Fühlerchitin. Ich hebe dies hervor, weil
dies einen Unterscheidungspunkt bildet zwischen
den hier besprochenen Organen und den »Poren-
platten« der Hymenopteren ; bei diesen findet
man auf Schnitten nicht selten die Verschluß-
platte deckelartig aufgeklappt, wobei man deut-
lich erkennen kann, daß das Chitin der Platte
in das des Fühlers direkt übergeht. Das möchte
ich nach den Bildern, die ich bei Dytiscus sah,
von diesen Organformen nicht behaupten.«
Meine Untersuchungen an diesen außer-
ordentlich kleinen Organen (der Durchmesser des
kreisförmigen Querschnittes an der Ausmündung förmiges Organ und sinnes-
des Porenkanals schwankt zwischen 6 und 8«) z^ngruZl^ "TT,
' ' maxillaris. oOO : 1. chpl, ab-
führten in einigen Punkten zu anderen Ergeb- schließende chitinpiatte;
nissen. Was die Beschreibung des Porenkanals szgr> Smneszeiiengruppe.
.... Weitere Abk. s. S. 113.
(Fig. 56 pk) angeht , so stimme ich darin mit
Nagel ziemlich überein. Ergänzend ist nur hinzuzufügen, daß be-
sonders bei jungen Käfern die Organe in der Länge oft bedeutend
verkürzt erscheinen, was mit der geringeren Dicke des Körperchitins
zusammenhängt (s. Fig. 57 pk). Der verengte Teil des Porenkanals ist
oft auch bei weitem nicht in dem Maße verschmälert, wie es bei den
Organen der erwachsenen Käfer zuweilen der Fall ist. Die Organe
machen so im Vergleich zu den von Nagel abgebildeten, bei alten
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 4
neurk
Fig. 56.
Längsschnitt durch kelch-
50
Rudolf Hochreuther,
Käfern auftretenden den Eindruck, als seien sie bei einer Verkürzung
in der Längsrichtung noch etwas in die Breite gezogen.
Recht abweichend von den NAGELschen Befunden sind nun meine
Resultate bezüglich des »fast wasserhellen Körpers« (Fig. 56 — 58 chpl),
der den Kelch fast ganz erfüllen soll. Zunächst ist zu sagen, daß dieser
Körper an alten Käfern mir niemals wasserhell und stark glänzend
entgegengetreten ist, und ich bin erstaunt, auch in den Abbildungen,
die Nagel selbst von diesen Organen gibt, jenen Körper gar nicht
wasserhell und stark glänzend, sondern gelblich wie das Körperchitin
dargestellt zu sehen. So habe auch ich ihn immer gefunden. An jungen
Käfern, bei denen das Körperchitin noch nicht vollständig pigmentiert
ist, war er allerdings wasserhell. Solche Käfer standen aber Nagel
chm v
,-chpl
chpl
Fig. 57.
Längsschnitt durch unverletztes
kelchförmiges Organ an der Antenne
eines jungen Käfers. 1800 : 1.
pk
Fig. 58.
Längsschnitt durch drei kelcMörmige Organe der Antenne
eines jungen Käfers mit verlagerten abschließenden Chitin-
platten. 1000 : 1.
chm, C'hitinmembran; chpl, verschließende Chitinplatte; pk, Porenkanal.
zu seinen Untersuchungen anscheinend nicht zur Verfügung. Der
Körper zeigte also stets dieselbe Färbung wie das Körperchitin, und
man darf deshalb wohl keinen Augenblick zögern, ihn als dem Körper-
chitin identisch anzusprechen. Was seine Form angeht, so habe ich
ihn nie so dick gefunden, wie Nagel ihn zeichnet. Er besaß vielmehr
im Medianschnitt stets die Gestalt einer wenig linsenförmig gewölbten
Platte (Fig. 57 u. 58 chpl). Nach außen war die Wölbung stets sehr
gering, nach innen erschien sie an ganz jungen Käfern ebenfalls sehr
schwach (maximale Dicke der Platte etwa 2//), zeigte sich aber bei
älteren oft etwas stärker, so daß die Platte etwa die Hälfte des ganzen
Bechers erfüllte. Eine noch stärkere Verdickung ist mir nie begegnet.
Vor allem aber unterscheiden sich die Ergebnisse meiner Unter-
suchungen über diesen Körper von denen Nagels darin, daß ich eine
Verbindung der Chitinplatte mit dem Körperchitin deutlich nach-
weisen konnte. Wenn man (man kann diese Beobachtung besonders
deutlich an den breiteren und kürzeren Organen der jungen Käfer
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 51
machen) an einem längsgeschnittenen Organ die Chitinplatte genau
in ihrer Medianlinie einstellt, so kann man deutlich sehen, wie sie sich
an den beiden seitlichen Rändern unmittelbar in eine dünne Chitin-
membran (Fig. 57 u. 58 cJim) fortsetzt. Diese Chitinmembran biegt
gleich oder nach einem sehr kurzen Verlauf in der Ebene der Platte
nach dem Innern des Organes hin um und verläuft parallel zur Chitin-
wandung des eigentlichen Kelches, der sie sich mehr oder weniger dicht
anschmiegt. Oft kann man sie nur noch als etwas hellere Kontur des
Körperchitins erkennen. Wenn die Platte etwas aus ihrer natürlichen
Lage verschoben ist, ist die Membran stets deutlich zu erkennen (Fig. 58
chm). Sie läßt sich durch den verengten Teil des Porenkanals bis in
den inneren weiteren Teil verfolgen. Hier scheint sie sich manchmal
ganz an ihrem Ende (im oberen Viertel des cylindrischen Teiles des
Porenkanals) wieder vom Körperchitin etwas abzuheben und frei im
Lumen des Porenkanals zu enden (Fig. 57). Dies ist aber nur in seltene-
ren Fällen wahrzunehmen und beruht vielleicht auf einer optischen
Täuschung, indem man die Kontur des Membranendes zu beiden Seiten
des optischen Medianschnittes durchscheinen sieht. In den weitaus
meisten Fällen und besonders an solchen Organen, deren Platten etwas
aus der natürlichen Lage verschoben sind, sieht man das Ende der
Membran etwa an der Stelle dem Körperchitin ansitzen, wo der innerste
cylinderähnliche Teil des Porenkanals beginnt, schmaler zu werden,
um in den engen Teil überzugehen (s. Fig. 58).
Ganz dieselben Beobachtungen machte ich auch bei den schlanker
erscheinenden Organen älterer und erwachsener Käfer. Nur sind bei
den letzten die Verhältnisse oft schwieriger zu erkennen, zunächst
weil es nicht möglich ist, genügend dünne Schnitte durch die erhärteten
Antennen oder Kiefertaster auszuführen, und dann auch, weil beim
Schneiden die Organe sehr leicht verletzt werden. So fand ich auf
manchen Schnitten durch die von kelchförmigen Organen bestandenen
Sinnesfelder an keinem einzigen Organ mehr die verschließende Chitin-
platte. Auch von der feinen Chitinmembran war dann oft nur noch
wenig oder gar nichts mehr zu sehen. Sie war an den seitlichen Wänden
des Kelches abgerissen und ihr Rest, wenn er an der Kelchwand fest
anlag, nur schwer zu erkennen. Hätte man nicht gute Vergleichsbilder
zur Hand gehabt, so wäre die Membran aus dem noch vorhandenen
Rest nicht zu identifizieren gewesen. Der protoplasmatische Inhalt
des Kelches lag dann immer frei (s. Fig. 59), ja er war zuweilen auch
noch aus dem Kelch herausgerissen und zeigte sich von den Seiten her
etwas zusammengedrückt, so daß er ein linsenförmiges Aussehen ge-
4*
52 Rudolf Hochreuther,
wann. Weil er dann ziemlich genau die Form hatte, die Nagel dem
wasserhellen Körper in seinen Abbildungen gibt, konnte ich mich zu-
weilen des Gedankens nicht erwehren, daß Nagel den hellen proto-
plasmatischen Kelchinhalt für den wasserhellen Körper angesehen
haben könnte, nachdem auch an seinen Schnitten die wirldich ab-
schließende Platte vernichtet war.
Nagel deutet übrigens in seinen Abbildungen dicht an dem Chitin
des Bechers eine hellere Kontur an, die vielleicht einen Teil der ver-
letzten und deshalb von ihm nicht richtig erkannten verbindenden
Membran darstellt. In Fig. 59 habe ich von einem beschädigten Organ
ein in dieser Hinsicht ganz ähnliches Bild gegeben. Wenn aber auf
Schnitten durch erwachsene Käfer ein Organ unbeschädigt geblieben
war, so konnte ich ganz dieselben Verhältnisse wie bei den leichter zu
untersuchenden jungen Käfern ermitteln (Fig. 56).
Man darf also nunmehr eine so
scharfe Trennung zwischen den kelch-
förmigen Organen und den Poren-
platten, wie sie Nagel in dem zitierten
Abschnitt vornimmt, nicht mehr bei-
behalten. Denn der Bau beider Arten
von Sinnesorganen ist im Prinzip der
gleiche. In der Form des Chitin-
Fi§- 59- apparates und auch in der Art der
Längsschnitt durch beschädigte kelch- -i-,-ln i -r»i .l -itiit.
förmige Organe eines alten Käfers. 860:1. Einlenkimg der Platte Sind die kelch-
förmigen Organe freilich wesentlich
komplizierter als die Porenplatten der Hymenopteren, und deshalb
wird es sich doch empfehlen, die besondere, sehr treffende Bezeichnung
»kelchförmige Organe« weiterhin beizubehalten.
Es ist dieser Fall übrigens nicht der einzige für das Auftreten von
Porenplatten bei Coleopteren. v. Rath hat vielmehr schon bei Ceto-
nia aurata und Mehlontha vulgaris das Vorkommen von Porenplatten
beschrieben. Die von Cetonia sehen nach den Abbildungen von v. Rath
äußerlich denen von Dytiscus etwas ähnlich, vor allem dadurch, daß
sie wie diese in der Ebene des Körperchitins liegen; dagegen scheint
die Verbindung mit dem Körperchitin auch unmittelbar in dieser
Ebene durch eine schmale, ringförmige Membran zu erfolgen, also so
einfach zu sein wie bei vielen Hymenopteren. Bei Mehlontha fehlen
die eigentlichen verschließenden Platten; es finden sich nur kuppei-
förmige, tief nach innen hinziehende Membranen. Diese sind den ein-
lenkenden Membranen bei Dytiscus ähnlich. In ihrem sonstigen Bau
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 53
sind die Organe aber sehr verschieden von den kelchförmigen, und
Nagel spricht sie wegen des Fehlens einer eigentlichen verschließenden
Platte für kuppeiförmige Organe an.
Das Vorhandensein der chitinösen Membran, die an der ganzen
Peripherie der runden Platte ansetzt und nach innen zieht, so daß
sie innerhalb des Bechers in ihrer Gesamtheit etwa die Gestalt einer
am Pole geöffneten Halbkugel besitzt, ist auch theoretisch viel plau-
sibler, als das von Nagel beschriebene Fehlen derselben. Denn man
ist, wie schon des öfteren erwähnt wurde, besonders seit den Unter-
suchungen v. Raths im Jahre 1888 geneigt, alle Hautsinnesorgane der
Arthropoden als modifizierte Haare aufzufassen, und wir können wie
bei den Porenplatten der Hymenopteren nun auch an den kelchförmigen
Organen die Verschlußplatte als das umgewandelte Haar und die
chitinöse Membran als die Papille, der das Haar aufsaß, ansprechen.
Was den reizleitenden Apparat dieser Sinnesorgane angeht, so
stimmen meine Ergebnisse mit den wenigen Andeutungen, die Nagel
über die histologischen Verhältnisse zu machen in der Lage war, in
einem Punkte überein. Es betrifft dies den von Nagel erkannten
»unscharf begrenzten Centralstrang«, der den Porenkanal der Organe
durchzieht. Der Porenkanal (Fig. 56 pk), zu dem auch der eigentliche
Kelch zu rechnen ist, ist im allgemeinen von einer gleichartigen hellen
Plasmamasse erfüllt, die den unter dem Kanal liegenden Hypodermis-
zellen, den trichogenen Zellen Berleses, angehört, denn nach Berlese
haben wir die kelchförmigen Organe, da sie den Porenplatten identisch
sind, von den zusammengesetzten Protaesthesis herzuleiten. Kerne,
die Nagel in dieser Plasmamasse gesehen hat, sind mir dort, nie be-
gegnet. Aus den Abbildungen, die Nagel von den Organen gibt,
darf man wohl auch schließen, daß das von ihm benutzte Material
mangelhaft konserviert war, denn es scheinen nach den Bildern auch
Vacuolen in dem Plasma des Porenkanals vorhanden zu sein, die tat-
sächlich fehlen. Als einzige Differenzierung in der vollkommen homo-
genen Plasmamasse tritt eben nur ein Centralstrang (Fig. 56 tst) auf,
den man aber nicht nur unscharf begrenzt sieht, wie Nagel angibt,
sondern der, besonders nach Färbung der Schnitte mit Eisenhäma-
toxylin nach Heidenhain, sich sehr scharf begrenzt zeigt. Er läßt
sich durch den ganzen cylindrischen proximalen Teil und den verengten
Teil des Porenkanals hindurch bis in die kelchförmige Erweiterung
hinein verfolgen. Leider war er an den wenigen guten Präparaten,
die seine Verfolgung bis in diesen Teil gestatteten, stets etwa in dem
distalen Drittel des Kelches abgeschnitten. So habe ich nie ein End-
54 Rudolf Hochreuther,
knöpfchen oder einen anderen Endapparat gefunden. Auch an den
Platten konnte ich nichts von einem Ansatz wahrnehmen. Immerhin
will es mir aus Analogie mit anderen Sinnesorganen wahrscheinlich er-
scheinen, daß der Strang entweder mit einem besonderen Endapparat
an die Platte ansetzt, oder sich an der Unterseite der Platte ausbreitet,
wie dies v. Rath bei Cetonia abbildet.
Denn in dem Centralstrang haben wir den Terminalstrang der
Sinneszellengruppe vor uns. Verfolgen wir ihn proximalwärts, so sehen
wir ihn sich nach einer zuweilen sehr langen Strecke auffasern und
in die Sinneszellen (Fig. 56 szgr), die Drüsenzellen Berleses, übergehen.
Diese sind, da die Organe in gedrängten Feldern stehen, hintereinander
gelagert und zwar in Gruppen von stets dreien. Die Kerne der Sinnes-
zellen sind kugelrund und enthalten neben einem Nucleolus nur wenig
Chromatin unregelmäßig zerstreut, so daß das charakteristische helle,
bläschenförmige Aussehen der Sinneszellenkerne im allgemeinen an
ihnen deutlich ausgeprägt ist. Die Neurilemmscheide, die die Sinnes-
zellengruppe umschließt, zeigt sich deutlich an den Neurilemmkernen
(Fig. 56 neurk), welche die Gruppen begleiten. Am proximalen Ende
gehen die Sinneszellen in einen feinen Nervenast über, der sich bald
mit den von benachbarten Sinneszellengruppen herkommenden Ästen
zu einem stärkeren Nerven vereinigt (Fig. 56 nj).
Eine Erklärung der Funktion dieser Organe ist schwer zu geben.
So viel scheint sicher zu sein, daß die kelchförmigen Organe ihrer ganzen
Beschaffenheit nach nicht einem chemischen Sinn dienen können.
v. Rath hält allerdings die Organe bei Cetonia und Melolontha allen-
falls für Geruchsorgane, fügt aber hinzu, daß sie auch eine andere, un-
bekannte Funktion haben könnten. Die einmütige Ansicht aller neueren
Autoren über die Funktion der Porenplatten geht jedoch dahin, in ihnen
Organe eines mechanischen Sinnes zu sehen. Auch die Hicxsschen
Papillen, mit denen die kelchförmigen Organe noch eine gewisse Ähn-
lichkeit haben, sind von Weinland als Organe des mechanischen
Sinnes (zur Wahrnehmung des Luftwiderstandes) angesprochen worden.
Von den ebenfalls mit ihnen verwandten kuppeiförmigen Organen werden
wir Ähnliches zu sagen haben. Nagel, der die Möglichkeit einer Ge-
ruchsfunktion der kelchförmigen Organe während des Aufenthaltes
der Käfer in der Luft für allenfalls diskutierbar hält, muß doch auf
Grund seiner Resektionsversuche der Deutung als Organe des mecha-
nischen Sinnes den Vorzug geben. Er fand, daß nach Entfernung der
Antennen und letzten Tasterglieder, an denen die Organe auftreten
(vgl. Fig. 72, 73 u. 77 ko), dem Käfer jede Orientierung in der Gleich-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
55
gewichtslage unmöglich war. Wir müssen also annehmen, daß die
Organe der Perception des Wasserwiderstandes und damit der Orien-
tierung beim Schwimmen dienen. Gegen eine Geruchsfunktion der
kelchförmigen Organe will mir auch schon die Tatsache sprechen, daß
die Organe in ungeheuer großer Zahl (an den Antennen allein 4500
bis 5000) vorhanden sind, was wohl kaum der Fall wäre, wenn sie nur
in der verhältnismäßig kurzen Zeit, die sich die Käfer in der Luft fliegend
bewegen, in Funktion zu treten hätten. Infolge ihres massenhaften
Auftretens an den Antennen stempeln sie diese Kopfanhänge in erster
Linie zu Organen des mechanischen Sinnes (des Gleichgewichtssinnes).
7. Die kuppeiförmigen Organe.
(Organes sensitifs ä ombrelle, Janet; Sensilli campaniformi, Berlese;
Gruben ohne Kegel, Nagel.)
Wohl die eigenartigsten und kompliziertesten Hautsinnesorgane,
die sich bei Dytiscus finden, sind die kuppeiförmigen oder glockenförmi-
gen (vgl. z. B. Fig. 60). Sie weichen in ihrem Bau am weitesten von
Fig. 60.
Längsschnitt durch kuppelförmiges Organ (sk) mit Sinneszelle {sz) und hohlen G-rubenkegel (hgk)
an der Oberseite der Oberlippe. 690 : 1. Weitere Abk. s. S. 113.
der primitiven Haarform ab; es fehlt jegliches Gebilde, das man mit
dem Haar identifizieren könnte, sie bestehen nur aus einer gleichartigen
Chitinkuppel.
Die erste genaue Beschreibung derartiger Organe hat wohl Janet,
1904, gegeben, der sie an Ameisen fand und ihnen den Namen »organes
sensitifs ä ombrelle« beilegte. Allerdings sind sie sicher mit den an
den Dipterenschwingern auftretenden, von Hicks schon früher gefun-
56 Rudolf Hochreuther,
denen Organen verwandt, die dann 1890 von Weinland sehr genau
beschrieben wurden. Berlese, 1909, gibt in einer Reihe von Schemata
die allmähliche Differenzierung der von ihm »Sensilli campaniformi«
genannten kuppeiförmigen Organe, zu denen er die HiCKSschen Papillen
ohne weiteres rechnet, aus einem Teil der Cuticula wieder; er stellt sie
von den einfachen Protaesthesis abstammend dar.
An Dytiscus sind diese Organe von Nagel, 1894, schon an man-
chen Körperteilen beobachtet, aber in ihrem Bau nicht erkannt worden.
Seine »Gruben ohne Kegel« und die anderen Gebilde, die er a,n den
Tastern als »kugelige Ausstülpungen des Tasterinhaltes, der Weich-
teile, in die dicke Chitinwand hinein« bezeichnet, sind wohl nichts
anderes als solche kuppeiförmigen Organe. Nagel erwähnt, daß sie
bei der Larve von Dytiscus in regelmäßiger Anordnung und größerer
Zahl vorhanden seien als am Käfer selbst. Ob diese Mitteilung richtig
ist, muß ich dahingestellt sein lassen. Denn am Käfer hat Nagel die
meisten Organe übersehen. Sie kommen dort an sehr vielen Körper-
teilen und nicht nur an den Tastern, wie Nagel angibt, zuweilen in
beträchtlicher Zahl vor. An der Larve konnte ich die Organe leider
nicht studieren, und ich kann deshalb nicht entscheiden, ob die Mit-
teilung Nagels über das zahlreichere Vorkommen der Kuppeln an
den Larven ihre Richtigkeit behält.
Der Grund, weshalb Nagel die meisten kuppeiförmigen Organe am
erwachsenen Käfer übersehen hat, ist wohl in ihrer außerordentlichen
Kleinheit und der verborgenen Lage im Körperchitin zu suchen. An
dem Basalglied der Taster treten die größten, auch von Nagel auf-
gefundenen auf (Fig. 65 u. Fig. 77 u. 79 kpo). Ebenso finden sich am
Trochanter (Fig. 68 u. Fig. 95 — 98 kpo), wie Hicks schon für zahlreiche
andere Insekten feststellte, ziemlich große Formen. Die übrigen sind
zum Teil so klein und so in dem Körperchitin verborgen, daß man sie
nur selten oder nie an einem Totalpräparat der einzelnen Skeletteile,
sondern überhaupt nur auf Schnitten finden kann, z. B. manche Organe
des Femur (Fig. 63).
Sämtliche kuppeiförmigen Organe, die an den hier untersuchten
Körperteilen von Dytiscus auftreten, haben das eine gemein, daß ihre
Kuppeln alle tief in das umgebende Körperchitin eingesenkt sind. Sie
gehören also sämtlich zu den von Berlese als »Sensilli campaniformi
endotili« bezeichneten Formen und unterscheiden sich dadurch von
den entsprechenden Organen der Halteren, bei denen die Kuppeln
über das Niveau des umgebenden Chitins emporgehoben sind (Sensilli
campaniformi ectotili, Berlese). Auch die von Guenther, Freiling
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
57
und Vogel an den Schmetterlingsflügeln beschriebenen Kuppeln ge-
hören diesem letzten Typus an.
So treten uns bei den kuppeiförmigen Organen des Gelbrandes
nicht sehr große Komplikationen des Körperchitins an den Stellen
entgegen, die solche Organe ein-
schließen. Wenn das Chitin des
Körperteiles eine genügende Stärke
besitzt, finden wir in ihm vom
Porenkanal abgesehen keine Diffe-
renzierungen. Anders, wenn das
Körperchitin im Vergleich zur Größe
des Organs ziemlich dünn ist. Dann
sehen wir es an der Stelle, die solche
Organe trägt, bedeutend verdickt,
so daß nach dem Körperinnern
gewissermaßen ein kegelstumpf-
artiges Gebilde vorragt, das in
seiner Mitte eine Durchbohrung,
den Porenkanal des kuppeiförmigen
Organs, birgt (Fig. 60, 62 u. 63).
Solche Bilder erhält man naturge-
mäß besonders häufig auf Schnitten
kzk ?
-f>ypzk
Fig. 61.
Längsschnitt durch kuppeiförmiges Organ des
Lobus externus. 800 : 1.
Fig. 62.
durch ganz junge, eben geschlüpfte Längsschnitt durch kuppeiförmiges Organ mit
■XT-.-e i-i i it~ -,-,- stiftförmigem Körper am Femur. 1020:1.
Kater, bei denen das Korpercnitm
noch nicht an allen Stellen in seiner
ganzen Stärke ausgebildet ist.
Der Porenkanal selbst hat in
seinem innersten Teil zu allermeist
eine cylindrische Form (Fig. 61 u.
65 — 69 pk). Die Länge dieses Teiles
ist naturgemäß je nach der Dicke Fig. 63.
des Körperchitins lind der Richtimg, Längsschnitt durch kleines kuppeiförmiges
-, , . , . Organ mit stiftförmigem Körper am Femur.
in der er dieses durchsetzt, ver- iooo:i.
Schieden. An Stellen, WO das hwzk, Hypodermiszellenkern ; fc*?, Kappen-
-rr.. l -i • i tt-, • -r> zeilkern?; pk, Porenkanal; sk, Sinneskuppel;
Korperchltm sehr dick ist, Wie Z. B. tsti Terminalstrang; zstr, Centralstrang.
in Fig. 67 am distalen Ende des
zweiten Antennengliedes (vgl. auch Fig. 71 hpo), ist er sehr lang; wo
dagegen das Körperchitin erst besonders verstärkt sein muß, um das
Organ überhaupt tragen zu können, wie z. B. in den in Fig. 62 u. 63
dargestellten Schnitten durch einen ganz jungen Femur, ist der innere
58
Rudolf Hochreuther,
Teil des Porenkanals pk nur äußerst kurz und erscheint darum auch
nicht mehr cylindrisch.
Von dem äußeren, distalen Teil wird er in allen Fällen durch die
eigentliche Sinneskuppel abgegrenzt, deren Bau wir später betrachten
wollen. Im allgemeinen besitzt der distale Teil des Porenkanals die
Form einer langhalsigen Vase oder eines Kochkolbens (Fig. 60, 62 u. 63
pk). Der Hals der Vase kann außerordentlich eng sein; an dem in
Fig. 60 dargestellten Organ der Oberlippe beträgt der Durchmesser
an der engsten Stelle 2 (.i, an den in Fig. 62 und 63 abgebildeten des
Femur nur 1,5 bzw. 1 //. Am Grunde ist der distale Teil mit seiner
Apo- -
\ 1
% Ü li
% m 9
© 9
'gmzk
Fig. 64.
Querschnitt durch die Augenregion des Epicranium. 345 : 1. kk, Kristallkegel; kpo, kuppeiförmiges
Organ; kz, keulenförmiger Zapfen. Weitere Abk. s. S. 113.
kolbigen Auftreibung gegen den proximalen Teil mehr oder weniger
erweitert, so daß ein Absatz zustande kommt, dem die Kuppel aufsitzt.
Zuweilen wird der Kuppelansatz durch Ausbildung besonderer ring-
förmiger Vorsprünge am distalen Ende des proximalen Porenkanals
ermöglicht, wie z. B. bei den in Fig. 66, 67 und 68 dargestellten
Organen der Coxa, bzw. der Antenne und des Trochanter.
Es war mir nicht möglich, bei allen Organen zu ermitteln, ob der
äußere Teil des Porenkanals stets mit der Außenwelt in unmittelbarem
Zusammenhang steht. In den meisten Fällen (vgl. Fig. 60 — 64) war
der Zusammenhang ohne weiteres an ein und demselben Schnitt zu
erkennen. Bei dem in Fig. 67 dargestellten Organ an der Antenne
und dem in Fig. 66 abgebildeten der Coxa ließ er sich in der Schnitt-
serie nachweisen. An den Organen des Trochanter (Fig. 68) zeigte sich
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
59
eine Verbindung zwischen dem distalen Porenkanal und der Außen-
welt in ganz besonderer Weise. Hier ist der distale Teil des Poren-
kanals für sich noch einmal durch eine Kuppel aus starkem Chitin (chk)
abgeschlossen. Aber auch hier ist der Abschluß nicht vollständig.
Es finden sich vielmehr, wie man aus der Abbildung 68 leicht erkennt,
feine, sehr enge Kanäle (Je), die durch die dicke Chitinkuppel peripher
Fig. 66. Fig. 67.
Längsschnitt durch klippelförmiges Organ der Längsschnitt durch kuppeiförmiges Organ am
Coxa des mittleren Beines. 590 : 1. Pedicellus. 815 : 1.
pk, Porenkanal; sie, Sinneskuppel; tst, Terminalstrang.
hindurchziehen und so eine Vermittlung zwischen dem distalen Teil
des Porenkanals und der Außenwelt besorgen.
Die starke äußere Chitinkuppel scheint also nur ein Schutzorgan
für die eigentliche, hier sehr dünne Sinneskuppel zu sein. Janet hat
1904 von Organen an den Mandibeln der Ameisen ebensolche Beob-
achtungen mitgeteilt. Die Auffassung, daß die äußere Kuppel allein
Schutzorgan und als solches eine Differenzierung des Porenkanals ist,
wird noch plausibler erscheinen, wenn man die Art und Weise betrachtet,
wie die äußere dicke Kuppel an der Wand des Porenkanals befestigt
60
Rudolf Hochreutker,
ist. Eine gelenkige Verbindung fehlt vollkommen, und wie bei der Stärke
der Kuppel ohne gelenkige Verbindung eine Sinnesfunktion möglich sein
sollte, ist schwer vorstellbar. Andererseits ist es verständlich, daß die
darunter gelegenen ganz besonders dünnen Kuppeln durch die äußeren
geschützt werden sollen. Wir werden somit in der äußeren Kuppel
nur einen Schutzapparat der darunter gelegenen percipierenden Sinnes-
kuppel zu erblicken haben.
An den Organen der Mandibel (Fig. 69) scheinen die Verhältnisse
ebenso zu liegen, wenn auch hier die durch die dicke Kuppel hindurch-
ziehenden Kanäle nicht deutlich wahrnehmbar waren. Wenn man sich
an die mechanische Wirksamkeit der Mandibeln erinnert, so muß hier
ein Schutz der Sinneskuppel ganz besonders angebracht erscheinen.
chk
/
k chk
sk
t: — y ff- pm y
iß-
^■pk
--As/
Fig. 68. Fig. 69.
Längsschnitt durch kuppeiförmiges Organ am Trochanter. Längsschnitt durch kuppeiförmiges
590 : 1. Organ an der Mandibel. 860 : 1.
chk, Chltinkuppel; k, Kanal; pk, Porenkanal; pmt, Polstermasse?; sk, Sinneskuppel; tst, Termi-
nalstrang.
An dem in Fig. 65 dargestellten Schnitt durch ein kuppeiförmiges
Organ des Unterlippentasters scheint eine Verbindung des distalen
Teiles des Porenkanals mit der Außenwelt zu fehlen. Aber man sieht
doch dem distalen Teil von außen eine Einstülpung in das Körperchitin
entgegenkommen, imd es ist sehr wahrscheinlich, daß diese, wenn
auch nur in einem sehr feinen Kanal, mit dem Porenkanal in Verbin-
dung tritt, zumal bei den analogen Organen des Maxillartasters und
des Lobus externus (Fig. 61) eine Verbindung besteht. Jedenfalls ist
sie in dem Schnitt nur nicht getroffen.
Was nun die eigentliche Sinneskuppel allgemein angeht, so sitzt
sie, wie schon erwähnt, jenem Vorsprung des Porenkanals auf, den
dessen proximaler Teil an seinem Ende gegen den distalen bildet (vgl.
Fig. 65). Die Form der Kuppel ist wie ihre Stärke bei den einzelnen
Organen verschieden. Am Lobus externus (Fig. 61 sk) besitzen die
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 61
Kuppeln bei ziemlich geringer Höhe (9//) und Halbkugelform eine
gleichmäßig" starke, verhältnismäßig dicke Wandung (2 /*). Am Femur
dagegen zeigen sie neben größerer Höhe (in Fig. 62: 15 «; Fig. 63: 9 u)
und nahezu vollkommener Kugelform am Grunde eine Verjüngung der
am Gipfel auch noch ziemlich starken Wandung (Fig. 62 u. 63 sk).
Die Verjüngung gewährleistet eine gewisse Beweglichkeit der ganzen
Kuppel. — Äußerst fein in ihrem ganzen Verlauf ist die Wandung
der Kuppeln des Trochanters (Fig. 68 sk), die deswegen durch eine
besondere, darüber gewölbte stärkere Chitinkuppel (chk) geschützt
sind. An den Mandibeln ist die Kuppel (Fig. 69 sk) nicht so sehr dünn;
hier dürfte die äußere Schutzkuppel vor allem wegen der Funktion
der Mandibeln angebracht sein.
Janet, Berlese und Vogel beschreiben an den von ihnen unter-
suchten Organen besondere Vorrichtungen zur Aussteifung und Stütze
der zarten Kuppeln. Sie bezeichnen sie als »pezzo semilunare« (Ber-
lese) oder »Polstermasse« (Vogel). Ich habe an meinen Präparaten
von solchen Vorrichtungen im allgemeinen nichts gesehen. Nur bei
den sehr feinen Kuppeln des Trochanters fand sich unmittelbar unter
der Kuppelwandung eine Schicht dunkler sich färbenden Plasmas
(Fig. 68 pm?), das mit der von Vogel als Polstermasse bezeichneten
Substanz übereinzustimmen scheint.
Von dem nervösen Apparat der kuppeiförmigen Organe liegen von
Guenther, Freiling und Vogel sehr genaue Beschreibungen vor,
die sich alle auf Schmetterlinge beziehen. Bei den an Dytiscus auf-
tretenden Organen scheinen die Verhältnisse ganz ähnlich zu liegen.
Allerdings erlaubten meine Präparate nicht eine so scharfe Scheidung
zwischen Sinnes-, Hüll- und Kappenzelle, wie sie Vogel bei den Schmet-
terlingskuppeln aufstellte. In Fig. 60 ist ein Schnitt durch ein kuppei-
förmiges Organ der Oberlippe dargestellt, auf dem das Organ selbst,
wie auch die große Sinneszelle (sz) gut getroffen ist. Von der be-
merkenswerten Größe der Sinneszellen und ihrer Kerne berichten alle
Autoren, die kuppeiförmige Organe untersucht haben. Schon Janet
weist darauf hin, daß der Kern der Sinneszelle sehr umfangreich und
kugelförmig oder oval gestaltet ist. In dieser letzten Form tritt er
auch in der Abbildung 60 entgegen (szk). Infolge des geringen Chroma-
tingehaltes hat er trotz seiner bedeutenden Größe das typische Aus-
sehen eines Sinneszellenkernes. Die Sinneszelle geht proximalwärts
in einen nervösen von Neurilemmkernen begleiteten Fortsatz über.
Weit bemerkenswerter sind die Verhältnisse am distalen Teil.
Dort finden wir nämlich die Sinneszelle in einen je nach den Lage-
62 Rudolf Hochreuther,
Verhältnissen längeren oder kürzeren Terminalstrang (Fig. 60 tst) aus-
laufen und diesen mit einer besonderen, hoch komplizierten, stiftchen-
förmigen Endigung an die Sinneskuppel anschließen. Kurz vor seinem
distalen Ende erweitert sich der Terminalstrang etwas keulenförmig, um
dann in eine Spitze auszulaufen, mit der er in die Wandung am Pol der
Kuppel eindringt. (Vergleiche hierzu die Fig. 60, 62, 63, 65, 66, 69, bei
denen die Terminalstränge tst median getroffen sind ! In Fig. 61 und 68
sind sie abgeschnitten, vielleicht auch etwas geschrumpft, woher ihre
unregelmäßige Form rührt.) In der Mitte der keulenförmigen Er-
weiterung erkennt man an den median geschnittenen Organen einen
feinen centralen Strang (vgl. Fig. 62 zstr). Dieser entspricht, analog
dem an manchen Sinneshaaren (vgl. Fig. 9 zstr) auftretenden, jeden-
falls dem eigentlichen Endteil des reizleitenden Apparates, während
die Wandung des keulenförmigen Abschnittes, die in den Schnitten
umgekehrt lyraförmig erscheint, von der den ganzen Terminalstrang
wie die Sinneszelle umgebenden Hülle gebildet werden dürfte. Ob
der centrale Strang in die Spitze eindringt, die mit der Kuppel in
Verbindung tritt, und ob die keulenförmige Erweiterung eine Vacuole
enthält, wie Vogel es darstellt, vermochte ich nicht zu entscheiden.
Rippenförmige Verdickungen, die an den Organen der Schmetterlings-
flügel nach Vogel von der Stiftkörperwand in das Innere des keulen-
förmigen Abschnittes vorspringen, habe ich bei Dytiscus nie gesehen.
Einer Erscheinung muß noch Erwähnung getan werden, die sich
auf die Form der Endstiftchen bezieht. Beim Vergleich von Fig. 63 tst
mit Fig. 66 tst, die Organe des Femur bzw. der Coxa darstellen, fällt
der große Unterschied in der Dicke des Endapparates sofort in die
Augen. In Fig. 66 füllt das Stiftchen fast den ganzen unter der Kuppel
gelegenen Raum aus, während es in Fig. 63 nur einen kleinen Teil
dieses Raumes einnimmt. Es rührt dies jedenfalls davon her, daß
der Querschnitt durch ein Endstiftchen nicht immer kreisrund sondern
zuweilen flach elliptisch ist. Im frontalen Längsschnitt würde man
dann etwa die lange Achse der Ellipse treffen, also ein Bild bekommen,
wie in Fig. 66, während dann im sagittalen Längsschnitt die kleine
Achse der Ellipse getroffen würde, so daß das Endstiftchen sehr schmal
erscheinen müßte, wie in Fig. 63. Beelese beschreibt bei den »Sensilli
endotili«, zu denen ja alle hier beschriebenen kuppeiförmigen Organe
gehören, ganz ebensolche Verhältnisse, obgleich er die eigentlichen
Stiftkörperchen nicht zu kennen scheint. Er drückt dies aus, indem
er sagt, daß der Sinnespol gewissermaßen bandförmig zusammenge-
drückt sei, so daß er im Querschnitt als dünne Faser, im Längsschnitt
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 63
aber viel breiter erscheinen müsse. Natürlich kann dies nur bei einem
frontalen Längsschnitt der Fall sein. Im sagittalen muß er ebenso
schmal erscheinen wie im Querschnitt, und dieses Bild würde eben
dem in Fig. 63 dargestellten entsprechen. Mangels günstiger Quer-
schnitte habe ich diese an Längsschnitten gefundenen Verhältnisse
leider nicht sicher bestätigen können.
Was die accessorischen Hüll- und Kappenzellen angeht, die Vogel
beschreibt, so war bei Dytiscus darüber nichts Bestimmtes zu ermitteln.
In Fig. 61 sieht man neben dem schlecht getroffenen Terminalstrang tst
(der übrigens auf anderen Schnitten durch dieselben Organe entsprechend«
Verhältnisse erkennen ließ, wie wir sie als allgemein bestehend kennen
lernten) einen größeren Kern (kzkl) liegen, der ziemlich wenig Chro-
matin, aber einen großen Nucleolus besitzt. Vielleicht entspricht er
einem Kappenzellkern. Auf verschiedenen Präparaten erscheinen aber
die in der Umgebung der Sinneszelle und des Terminalstranges gelegenen
Kerne so verschieden, daß sich eine gesetzmäßige Übereinstimmung
wie an den Schmetterlingsorganen nicht ermitteln ließ.
Über die mutmaßliche Funktion dieser interessanten Organe ist
zu sagen, daß gleich große Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Deutung
bestehen, wie bei den kelchförmigen Organen. Mit Sicherheit läßt
sich auch hier nur sagen, daß es sich bei den kuppeiförmigen Organen
um Organe des mechanischen Sinnes handeln dürfte. Berlese be-
schreibt sie als: Organe von unbekannter Funktion. Von den kuppei-
förmigen Organen der Schmetterlingsflügel nahm Freiling an, daß
sie die Tiere von dem herrschenden Luftdruck unterrichteten, während
Vogel in ihnen, analog den Organen der Dipterenschwinger, Organe
sehen will, die für den Flug von Bedeutung sind. So viel darf man
jedenfalls annehmen, daß die kuppeiförmigen Organe zur Druck-
wahrnehmung dienen. Bei Dytiscus sind ja solche während des Schwim-
mens und Fliegens sicher von großer Bedeutung, und wir mußten schon
den kelchförmigen Organen eine ähnliche Funktion zusprechen. Die
kuppeiförmigen Organe werden jedenfalls wegen ihres zarteren Baues
empfindlicher sein als die kelchförmigen, zumal wenn die Kuppel von
nicht so großer Stärke ist. Darum dienen sie vielleicht mehr zu Druck-
wahrnehmungen beim Fliegen, während die weniger empfindlichen
kelchförmigen zur Perception des größeren Wasserwiderstandes beim
Schwimmen ausreichen.
Die Vermutung, daß die kuppeiförmigen Organe vielleicht dem
Gehör dienen möchten, wie sie auch gelegentlich ausgesprochen wurde,
scheint wenig stichhaltig zu sein. Wenn man die Kuppeln mit den
64
Rudolf Hochreuther,
Chordotonalorganen, die noch viel feineren Bau zeigen und wohl sicher
die Gehörorgane der Insekten darstellen, vergleicht, kann man nicht
glauben, daß die immerhin noch verhältnismäßig plumpen kuppei-
förmigen Organe diesem feinen Sinne dienen sollten.
C. Verbreitung der Hautsinnesorgane am Körper.
1. Die Hautsinnesorgane des Kopfes.
An dem Kopf eines Insektes hat man eine Schädelkapsel (Cranium)
von den Kopf anhängen zu unterscheiden. Das Cranium besteht aus
mehreren Skeletplatten, die aber nicht mehr auf die Metamerie des
Fig. 70.
Kopf von oben gesehen. Antennen abgeschnitten; Oberlippe abpräpariert.
kz, keulenförmige Zapfen. Weitere Abk. s. S. 113.
13 : 1. au, Auge;
Kopfes zu schließen gestatten. Von den paarigen Anhängen dagegen
weisen noch verschiedene auf die in der Entwicklung vollzogene Ver-
schmelzung mehrerer Segmente zu dem am Imago einheitlich erschei-
nenden Kopf hin. Cranium sowohl als Anhänge sind bei Dytiscus
reich von Sinnesorganen besetzt.
a. Die Hautsinnesorgane des Cranium.
Das Cranium läßt nach Euscher fünf Partien deutlich unter-
scheiden : die Stirn (Frons) (Fig. 70 fr), das Kopfschild (Clypeus) (Fig. 70
cl), die Oberlippe (Labrum) (Fig. 74 l), das Epicranium (Fig. 70 ep) und
die Kehle (Gula) (Fig. 79 gu).
Stirn, Kopfschild und die dorsale Seite des Epicranium verhalten
sich hinsichtlich der Verteilung der Hautsinnesorgane recht überein-
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 65
stimmend. Sie sind dicht von keulenförmigen Zäpfchen (Fig. 70 kz)
besetzt, die in kleinen Chitingruben eingesenkt stehen (vgl. Fig. 64 kz).
An dem Epicranium wird nach den Seiten des Kopfes und dem Nacken
hin die Zahl der Zäpfchen kleiner und kleiner, und schließlich hört
die Besetzung mit diesen Organen ganz auf. Nur um die Augen setzen
sie sich in einer schmalen Reihe bis zur ventralen Seite fort, aber nur
so weit wie die Augen selbst sich zur ventralen Seite erstrecken.
So besteht ein Übergang zu den Verhältnissen, die wir an der
Unterseite des Epicranium und der Gula (Fig. 79 gu) finden. Denn
hier treten uns dieselben Organe nur noch an den dem Foramen occi-
pitale (Fig. 79 fo) nächst gelegenen Teilen entgegen, und es zeigt sich
auch hier die Tendenz der Abnahme an Zahl, je weiter man sich der
Mittellinie der Ventralseite nähert. Dagegen treten nahe an der Grenze
der Gula gegen die Unterlippe einige Haare (sh) auf, die gelenkig mit
dem Körperchitin verbunden sind und zuweilen bei der Herstellung von
Totalpräparaten herausbrechen, wie dies auch in Fig. 79 zu sehen ist.
Auch auf dem dorsalen Teil des Epicranium treten einzelne Haare
und Borsten auf, die aber unter der Menge der keulenförmigen Zäpfchen
verschwinden. In sehr geringer Zahl finden sich ferner am Epicranium,
tief in das Chitin eingelagert, winzig kleine kuppeiförmige Organe (s.
Fig. 64 kpo) ; sie scharen sich vorzugsweise um den dorsalen Rand der
Augen. Ihre geringe Größe läßt sich ermessen, wenn man sie mit den
Schnittbildern der Kristallkegel (kk), die in dem durch Fig. 64 dar-
gestellten Schnitt mitgetroffen sind, vergleicht.
Bedeutend komplizierter liegen die Verhältnisse an der Oberlippe,
jener schmalen Platte, die als Falte vom Kopfschild, mit dem sie be-
weglich verbunden ist, nach vorn vorspringt und die Mundöffnung
von oben her überdeckt. Deshalb dürfte es günstig sein, ihre mannig-
faltigen Hautsinnesorgane in Verbindung mit denen der Mundwerk-
zeuge zu betrachten.
Die Schädelkapsel ist also nur mit Organen des mechanischen
Sinnes ausgestattet. Die Borsten, Haare und keulenförmigen Zapfen
dürften dem Tastsinn dienen, während die kuppeiförmigen Organe
vielleicht zur Druckwahrnehmimg beim Schwimmen und Fliegen ge-
braucht werden.
b. Die Hautsinnesorgane der Kopfanhänge:
1. Der Antennen.
Von der Verteilung und dem Bau der Sinnesorgane an den An-
tennen gibt schon Nagel eine kurze Beschreibung. Ebenso aber, wie
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 5
66 Rudolf Hochreuther,
sich bei der Untersuchung der einzelnen Formen schon mancherlei Ab-
weichungen von den Befunden Nagels zeigten, so stellten sich auch
bezüglich der Verteilung der einzelnen Organe Resultate heraus, die
gegen die von Nagel ermittelten in mancher Beziehimg differieren.
Vor allem sind die Ergebnisse, die Nagel erhielt, nicht vollständig.
Die Antenne von Dytiscus besteht aus elf Gliedern, von denen
die beiden basal gelegenen, der Scapus (Fig. 70 sc) und Pedicellus
(Fig. 71 pe), durch Größe und Form von den übrigen einander ähnlichen,
keulenförmigen des Funiculus (Fig. 72) unterschieden sind. Das termi-
nale Glied des Funiculus (Fig. 73) weicht von den übrigen acht Gliedern
dieses Teiles auch ein klein wenig ab, was durch seine terminale Stel-
lung bedingt ist.
Alle elf Glieder der Antenne tragen Sinnesorgane. Es läßt sich
aber allgemein der Satz aufstellen, daß die Zahl der Sinnesorgane an
den einzelnen Gliedern zunimmt, in dem Maße wie sie weiter von der
Ansatzstelle der Antenne entfernt liegen. Und was wir so für die
Antenne als Ganzes feststellen können, gilt auch für die einzelnen
Glieder, wenigstens für die des Funiculus. Am distalen Ende eines
jeden Funiculusgliedes finden sich die Sinnesorgane in sehr dichter
Anordnung; je weiter man sich aber dem proximalen Ende nähert,
um so mehr nimmt ihre Zahl ab. Man kann sagen, daß nur die
obere Hälfte oder die oberen zwei Drittel eines Funiculusgliedes stark
von Sinnesorganen besetzt sind, während der proximale Teil nur spär-
lich Sinnesorgane zeigt. Von dieser Regel müssen wir aber die beiden
imtersten Antennenglieder wie gesagt ausschließen.
Das Grundglied, der Scapus, trägt einzelne Haare (vgl. Fig. 1),
die meist an der Streckseite des Gliedes angeordnet sind. Ganz am
Grunde des Gliedes, dicht an der Beugeseite, stehen meist neun kuppei-
förmige Organe, von denen in Fig. 70 nur einige zu sehen sind (vgl.
Fig. 70 sc, kpo). An der Fläche trägt das Glied mehrere massive
Grubenkegel.
Das kleine Verbindungsglied, der Pedicellus (Fig. 71), zeigt eine
noch reichere Ausstattung mit Sinnesorganen. Neben wenigen, meist
sehr schlanken Haaren (Fig. 71 sh) finden sich, unregelmäßig über die
ganze Oberfläche des Gliedes verteilt, kleine, massive Grubenkegel
(Fig. 71 mgk). Sehr charakteristisch für das Glied sind zwei Felder
starrer Sinnesborsten (Fig. 71 u. Fig. 12 sb). Sie sind am Grunde des
Gliedes gelegen, so tief, daß sie noch innerhalb der muldenförmigen
Höhlimg stehen, die das unterste Glied bildet, indem es sich an der
Streckseite weit über die Ansatzstelle des zweiten Gliedes erhebt und
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
67
hgk-
dieses so ein Stück weit umschließt. Das eine Feld der Borsten ist nun
genau um die Streckseite des zweiten Gliedes gelegen, wird also beim
Strecken der Antenne in Funktion treten. Das andere dagegen liegt
ventral und wird nötig sein, wenn die Antenne seitlich gebogen wird.
In der distalen Hälfte des schon etwas keulenförmig gestalteten Gliedes
tritt an der Beugeseite ein großer hohler Grubenkegel (Fig. 71 hgk)
auf. Noch weiter distal-
wärts finden sich zwei der
rätselhaften kuppeiförmi-
gen Organe, ein größeres
an der Streckseite und ein
kleineres an der Beugeseite
(Fig. 71 Jcpo und Fig. 67).
Endlich birgt dieses Glied
noch das bei so vielen
Insektengruppen von Child
aufgefundene Johnstone-
sche Organ, das in der
Gelenkhaut zwischen dem
zweiten und dritten Glied
ansetzt und im Innern des
zweiten Gliedes verläuft.
Seine Beschreibung erfolgt
von anderer Seite.
Die neun Glieder des
Funiculus (Fig. 72 und 73)
lassen sich wegen ihrer
großen Übereinstimmung
in Form und Verteilung gut
Fig. 71.
Pedicellus. 115 : 1. Am Grunde zwei Felder von Sinnes-
borsten (sb); distalwärts zwei kuppelförniige Organe (kpo)
und ein hohler Grubenkegel (hgk). Weitere Abk. s. S. 113.
zusammen betrachten. Die
untersten zeigen zuweilen
noch einige Sinneshaare,
die den oberen aber immer
fehlen. Unregelmäßig verstreut über die ganze Oberfläche aller Glieder
finden sich wieder kleine massive Grubenkegel (Fig. 72 u. 73 mgk).
Ihr charakteristisches Gepräge erhalten die Funiculusglieder aber
durch das an allen vorhandene Sinnesfeld mit kelchförmigen Organen
(Fig. 72 u. 73 ko). Die Sinnesfelder erstrecken sich an der Beugeseite
der Glieder und zwar von deren distalem Ende, wo sie am dichtesten
sind, bis etwa zur Mitte, wo die Zahl der Einzelelemente am geringsten
5*
68
Rudolf Hochreuther,
wird. Die einzelnen Organe stehen dicht gedrängt, viel dichter als es
-hgk
-hgU
Fig. 72.
Mittleres Glied des Funiculus. 115 : 1. An
der Beugeseite großes Feld von kelchförmigen
Organen (fco); am breitesten distalen Teil
hohle Grubenkegel (hgk). Weitere Abkürz.
s. S. 113.
Fig. 73.
Endglied des Funiculus. 115 : 1. An der
distalen Beugeseite Feld von kelchförmigen
Organen (fco) ; am breitesten distalen Teil und
an der Spitze hohle Grubenkegel (hgk). Weitere
Abk. s. S. 113.
in den Übersichtsbildern der Deutlichkeit wegen nur angegeben werden
konnte. Ihre Gesamtzahl an beiden Antennen zusammen wird schon
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus rnarginalis L., usw. 69
von Nagel auf mehrere Tausend angegeben; schätzungsweise wird sie
4500—5000 betragen.
Sehr konstant in Zahl und Anordnung an allen Gliedern des Funi-
culus sind die großen hohlen Grubenkegel (Fig. 72 u. 73 hgk u. Fig. 48).
Sie Mild in dem distalen Teil jeden Gliedes auf der Ellipse angeordnet,
die man sich an der Stelle um das keulenförmige Glied gelegt denken
kann, an der die Keule ihren größten Durchmesser erreicht. Die Zahl
der Kegel ist in den oberen Gliedern konstant 7 und schwankt bei den
unteren bis zu 5. Das Terminalglied des Funiculus unterscheidet sich
von den anderen dadurch, daß es außer diesen sieben auf der Ellipse
des größten Keulendurchmessers stehenden Kegeln noch vier bis sechs
weitere trägt, die dicht um die Spitze geschart sind.
An den Antennen finden sich also Organe des mechanischen und
des chemischen Sinnes. Aber die des mechanischen Sinnes (vor allem
die kelchförmigen Organe und massiven Grubenkegel) überwiegen so
sehr die dem Geruch oder Geschmack dienenden hohlen Kegel, daß
wir die Antennen wohl in erster Linie als Apparate des mechanischen
Sinnes ansprechen dürfen. Die Versuche, die Nagel in dieser Richtung
anstellte, bestätigen das Urteil am besten. Er vermochte, trotz des
Vorhandenseins der hohlen Grubenkegel, überhaupt keine chemische
Reizbarkeit der Antennen nachzuweisen. Daß aber diese Kegel den-
noch einem chemischen Sinne dienen, muß man immerhin annehmen.
Er tritt nur gegenüber dem mechanischen Sinn an der« Antennen außer-
ordentlich zurück.
Die reichere Ausstattung der distalen Antennenglieder mit Sinnes-
organen ist wie die größere Anhäufung der Organe in der distalen
Hälfte eines jeden Einzelgliedes leicht zu erklären, wenn man sich
vorstellt, wie die Organe am besten in Wirksamkeit treten können.
Ebenso wie die distalen Glieder am ehesten in Berührung mit Fremd-
körpern kommen, werden auch an den Einzelgliedern die keulenförmig
verdickten, distalen Enden am leichtesten an äußere Gegenstände
anstoßen, während Organe, die etwa dicht am Grunde eines Gliedes
an der Streck- oder Beugeseite angebracht wären, nicht in Funktion
treten könnten, weil das breite Ende des vorhergehenden Gliedes eine
Berührimg mit Fremdkörpern fast immer unmöglich machen würde.
So finden wir Beuge- und Streckseite am Grunde jeden Gliedes frei
von Sinnesorganen, während an dem distalen Teil der Beugeseiten die
dichten Organfelder stehen.
70
Rudolf Hochreuther,
2. Der Mundwerkzeuge.
a. Die Sinnesorgane der Oberlippe.
Die Oberlippe. (Labrnm) ist im Gegensatz zu allen anderen Mund-
werkzeugen eine unpaare Hautfalte von nahezu rechteckiger Form.
(Fig. 74 l u. 75). Nur am Vorderrande läßt sie median eine seichte
Einbuchtung erkennen. Der Vorderrand selbst Stellt eine ziemlich
scharf zulaufende Kante dar. Die Oberseite des Labrum ragt zu
einem kleinen Teil unter das Kopfschild, mit dem es in etwas gelenkiger
Fig. 74.
Oberlippe (l), von innen gesehen, und Gaumen. 23 : 1. gpl, Gaumenplatten; gz, Gaumenzapfen.
Weitere Abk. s. S. 113.
Verbindung steht. Die Unterseite geht ohne deutliche Grenze in das
Dach der Mundhöhle über, an dem die beiden Gaumenplatten sitzen
(Fig. 7i,gpl). Oberseite und Unterseite sind mit Sinnesorganen ver-
schiedenster Art besetzt; ganz besonders zeichnet sich die Umgebung
des schmalen Vorderrandes durch ihren Reichtum an Sinnesorganen aus.
An der Unterseite findet sich in der Mitte, dort, wo der Vorderrand
die leichte Einbuchtung zeigt, eine flache Delle, die bis auf ein mittleres
Feld dicht von massiven Haaren besetzt ist (Fig. 74 u. 75 u. Fig. 6 h).
Ein Sinnescharakter ließ sich an diesen Haaren nicht sicher ermitteln,
indem eine Verbindung mit Sinneszellen und Nerven nicht nachzuweisen
Die Hautsinnesorgane von Dytiseus niarginalis L., usw.
71
war. Da man aber auf
Sagittalschnitten durch
diese Region der Oberlippe
unter den Haaren neben
Hypodermis- und Drüsen-
zellkernen Kerne findet, die
Sinneszellenkernen recht
ähnlich sehen (vgl. Fig. 6
szk), so ist doch die Mög-
lichkeit nicht von der Hand
zu weisen, daß den Haaren
Tastfunktion zukommen
könnte. Vielleicht aber
haben sie auch nur mecha-
nische Funktion und helfen
dem Verschluß des Mundes
dienen. Hinter diesem
Felde stehen mehr nach
dem Gaumen zu in einem
schmalen, winkelförmigen
Streifen mehrere schlanke
Sinneshaare (Fig. 75 sh),
50—60 an der Zahl. Die
an der Unterseite zu beiden
Seiten der medianen Delle
in geschwungener Reihe
angeordneten 20 bis 30
großen hohlen Sinnes-
borsten (Fig. 75 u. 21 sb)
fanden schon wegen ihrer
Verbindung mit großen
Drüsenzellen bei der all-
gemeinen Beschreibung der
Sinnesborsten besonders
Erwähnung. Im übrigen
finden sich an der Unter-
seite nur noch nahe
dem Vorderrande borsten-,
zapfen- und kegelförmige Bildungen von verschiedener Größe (Fig. 75
szpf, mgk), die dicht gedrängt von der Unterseite her über den Vorder-
72 Rudolf Hochreuther,
rand hinweg nach der Oberseite ziehen. Ihre Gesamtzahl an der Ober-
lippe beträgt mehrere Hundert.
Die Oberseite zeigt uns die interessantesten Verhältnisse. Sie
trägt zerstreut im medianen Teil eine Anzahl typischer Sinneshaare
(Fig. 74 u. 75 sh), die nach vorn gerichtet sind. Ferner treten uns
hohle Grubenkegel in verschiedener Form entgegen, plumpere gedrun-
gene neben zierlicheren schlanken (Fig. 75, 31, 49 u. 60 hgk). Auch die
kuppeiförmigen Organe fehlen der Oberseite der Oberlippe nicht. Sie
finden sich ziemlich zahlreich an dem vorderen Teil der ganzen Ober-
seite tief in das Chitin eingesenkt (Fig. 60 sk).
So wird auch der Oberlippe in erster Linie noch Empfindlichkeit
gegen mechanische Reize zugesprochen werden müssen. Die kuppei-
förmigen Organe werden die Wirksamkeit der am Cranium gelegenen
unterstützen. Die anderen Organe des mechanischen Sinnes (Zapfen,
Borsten und Haare) dürften der Prüfung der dem Munde zugeführten
Stoffe auf ihre Festigkeit dienen, während die hohlen Grubenkegel als
Organe des chemischen Sinnes sie schon auf ihre Genießbarkeit hin
untersuchen werden. Experimentelle Prüfungen der Sinnesfunktion
der Oberlippe liegen nicht vor.
ß. Die Sinnesorgane der Mandibeln (Oberkiefer).
Die Mandibeln (Fig. 76) sind bei Dytiscus starke, ungegliederte,
kompakte Extremitäten. Sie sind nicht über die ganze Oberfläche
hin mit Sinnesorganen bedeckt, vielmehr ist die ventrale flache Seite
fast vollkommen frei davon. Hier zieht zwar in einem schmalen Streifen
in einer engen Kinne stehend ein Besatz von starren Borsten hin,
der an der Basis der Mandibel dem medianen Rand eng anliegt, distal-
wärts dann aber sich in leicht gekrümmter Linie über die flache Ven-
tralfläche nach der lateralen Seite hin erstreckt (Fig. 76o, b). Seinen
Elementen kommt aber keine Sinnesfimktion zu. Euscher meint
wohl diesen Borstenbesatz, wenn er von kleinen Zähnchen spricht, die
von der proximalen medialen zur distalen lateralen Seite ziehen. Sinnes-
organe finden sich an der Unterseite nur ganz dicht am äußeren Rand
und zwar vereinzelte massive Grubenkegel (Fig. 76 mgk) und gruben-
ständige Sinneszapfen (Fig. 76 szpf).
Diese Organe besetzen dann auch zusammen mit kleinen hohlen
Grubenkegeln (Fig. 76 hgk) (vgl. auch Fig. 51) den schmalen äußeren
Rand in ähnlicher Weise wie den Vorderrand der Oberlippe, und
ziehen, an Zahl langsam abnehmend, nach der dorsalen gekrümmten
Fläche der Mandibeln. Sie erreichen jedoch die Mitte der dorsalen
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
73
Fläche nicht. In geringer Zahl finden sich zwischen den Organen
zerstreut noch eigentümliche mit einer besonderen Schutzkuppel ver-
sehene kuppelförmige Organe (vgl. Fig. 69). An Mandibeln sind solche
bisher nur von Janet bei Ameisen beschrieben worden. Ganz am
Grunde der dorsalen Außenseite stehen an dem großen Gelenkknopf
mehrere kurze, fast schuppenartige, gebogene Haare (Fig. 76 schh).
Fis?. 76a.
Fig. 76.
Mandibel von der Dorsalseite gesehen. 38 : 1. Am Grunde Feld von Sinneshaaren (sh)\ am
lateralen Rand Zapfen (szpf) und Grubenkegel (mgk u. hgk). Weitere Abk. s. S. 113.
Fig. 76a. Mandibel, ventrale Ansieht. 6:1.
Ein dichtes Feld langer gebogener Sinneshaare (Fig. 76 u. 8 sh) findet
sich endlich ebenfalls am Grunde der Mandibel, aber in der Mitte der
Dorsalseite. Es steht in einer leichten Einsenkung dicht bei der Ge-
lenkgrube (Fig. 76 gr).
Alle Sinnesorgane der Mandibeln, mit Ausnahme der wenigen
hohlen Grubenkegel, die eine schwache chemische Eeizbarkeit bedingen
74 Rudolf Hochreut her,
werden, dienen dem mechanischen Sinn, wie dies ja auch an den kräf-
tigen, als Beißzangen funktionierenden Mandibeln nicht anders zu
erwarten ist. Auch hierüber fehlen jedoch Versuche.
y. Die Sinnesorgane der ersten Maxillen (Unterkiefer).
Wie die Mandibeln, so treten uns die ersten Maxillen als paarige
Mund Werkzeuge entgegen. Aber während die Oberkiefer entsprechend
ihrer beißenden Funktion kräftige kompakte Organe waren, zeigen die
Unterkiefer die den Maxillen der beißenden Mundwerkzeuge charak-
teristische Gliederung (Fig. 77). Einem Grundglied, Cardo (ca), sitzen
ein zweites Glied, der Stamm, Stipes (st), und die innere Lade, Lobus
internus (li), auf. Der Stipes trägt an seinem distalen Ende die äußere
Lade, Lobus externus (le), und den Tasterträger, Palparium (pm),
dem der viergliedrige Taster, Palpus maxillaris (t), aufsitzt. Auch
hier zeigen wieder alle Teile eine mehr oder weniger starke Besetzung
mit Sinnesorganen. Nagel hat davon manche übersehen, denn er
beschreibt den Kiefer selbst, also den Lobus internus, als der Sinnes-
organe völlig entbehrend.
Cardo und Stipes (Fig. 77 ca u. st) tragen neben wenigen, ziemlich
langen Haaren (sh) kleine massive Kegel (mgk). Sie sind meist an der
Streckseite angeordnet.
An dem Lobus internus (Fig. 77 li) fallen am Innenrande zuerst
starke, lange Borsten (b) in die Augen, denen keine Sinnesfunktion,
sondern allein mechanische Funktion zukommen dürfte. Neben diesen
Borsten stehen aber an der ventralen Fläche des Gliedes in einer kurzen
Reihe angeordnet einige echte Sinneshaare (Fig. 77 u. 7 sh). Vor allem
aber ist dem Gliede charakteristisch ein in seinem proximalen Teil
ventralwärts gelegenes dichtes Sinnesfeld, das aus einer großen Zahl
grubenständiger Zapfen mit Lumen (Fig. 77 u. 26 szpf) besteht. Die
Zahl der Zapfen ist im Übersichtsbild vielleicht etwas zu gering an-
gegeben aus den schon im einleitenden Teil erörterten Gründen. In
Wirklichkeit beträgt sie ungefähr 75.
Der stark reduzierte Lobus externus (Fig. 77 le) besteht, abgesehen
von dem mit dem Stipes fest verbundenen Ansatzglied, das keine
Sinnesorgane trägt, aus zwei Gliedern, die denen eines Tasters in der
Form sehr ähnlich sind. Das kürzere untere besitzt an der Streckseite
der proximalen Hälfte drei bis fünf kuppeiförmige Organe (Fig. 77 kpo
u. Fig. 61). Das Endglied ist dagegen reich mit großen, grubenstän-
digen Kegeln und Zapfen ausgestattet. Zum weitaus größten Teil sind
die Grubenkegel massiv, aber von verschiedener Größe (Fig. 77 u. 46
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
75
mgk). Dicht um die Spitze herum finden sich aber, wie auch Nagel
ho
Fig. 77.
Erste Maxille, ventrale Ansieht. 33 : 1. Der Lobus externus ist aus der natürlichen Lage in
einer Rinne am lateralen Rand des Lobus internus herausgedrückt, um ihn sichtbar zu machen.
b, Borste; ca, Cardo; hgk, hohler Grubenkegel; ko, kelchförmiges Organ; kpo, kuppeiförmiges
Organ; le, Lobus externus; U, Lobus internus; mgk, massive Grubenkegel; pm, Palparium; sb,
Sinnesborste; sh, Sinneshaar; st, Stipes; szpf, Sinneszapfen; t, Taster der ersten Maxillen; tz u.
gsz, Tastzäpfchen und Geschmackszäpfchen.
76 Rudolf Hochreuther,
schon ermittelte, einige wenige hohle (Fig. 77 hgk). Einzelne Sinnes-
zapfen, die am proximalen Teil auftreten (Fig. 77 sz'pf), sind massiv
und ähneln den kleinen massiven Kegeln (Fig. 46 mgk, unten), die
sich sonst an dem Unterkiefer finden. Zwischen den einzelnen Organen
des Endgliedes münden zahlreiche Drüsenausführungsgänge (Fig. 46 drg);
zum Teil münden sie in die Gruben, in denen die Kegel selbst stehen.
Das Palparium (Fig. 77 pm) zeigt an seiner distalen Hälfte mehrere
elegante hohle Grubenkegel (Fig. 77 hgk und Fig. 50). Sie stehen an
der ventralen Fläche dieses Gliedes eingesenkt.
Dem Palparium sitzt dann der Palpus maxillaris (Fig. 77 t) auf.
Er besteht aus vier Gliedern, die sämtlich Sinnesorgane tragen, von
denen aber, wie es uns schon an der Antenne und dem Lobus externus
entgegentrat, die distal gelegenen stärkere Besetzung zeigen als die
proximalen. Das kleine basale Glied zeigt viel Ähnlichkeit mit dem
kleinen Pedicellus der Antenne (Fig. 71). Ganz von seinem Grunde,
wo es noch innerhalb der vom Tasterträger gebildeten Höhlung steckt,
zeigt es an seiner Streckseite ein Feld von Chitinborsten (Fig. 77 sb
u. Fig. 11), die schlanker und länger sind als die an der entsprechenden
Stelle des Pedicellus gelegenen, aber dieselbe Funktion haben dürften.
Ein lateral gelegenes Feld, das an der Antenne noch vorhanden war,
fehlt hier, weil der Taster nur gebeugt und gestreckt werden kann,
aber keine Bewegung in dorsoventraler Richtung auszuführen vermag.
Etwas weiter distalwärts von diesem Sinnesfeld finden wir dann, eben-
falls an der Streckseite gelegen und in das Chitin eingelagert, einige
kuppeiförmige Organe (Fig. 77 kpo). Ihre Zahl ist etwas geringer als
die der am Lobus externus vorhandenen; sie beträgt zwei bis drei.
Sonst finden sich noch unregelmäßig über die ganze distale Hälfte des
Gliedes verstreut einige kleine massive Grubenkegel (Fig. 77 mgk).
Das zweite und dritte Tasterglied zeigen ungefähr die gleichen
Verhältnisse in der Verteilung der Sinnesorgane. Beide tragen an der
Fläche zerstreut kleine massive Grubenkegel (Fig. 77 mgk). In der dista-
len Hälfte zeigen beide je einen größeren und einen kleineren hohlen
Grubenkegel {hgk) an der Fläche. Das dritte Glied besitzt ein solches
Paar außerdem noch an dem schmalen Chitinkragen, der das letzte
Tasterglied an seiner Basis umfaßt, und zwar nahe der Beugeseite.
An der Streckseite des zweiten Gliedes stehen wenige kurze Haare (sh),
die beim dritten Glied durch mehr zapfenförmige Organe {szpf) er-
setzt sind.
Das Endglied des Tasters endlich ist vor allem durch zwei große
Komplexe von Sinnesorganen charakterisiert. Einmal trägt es um
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
77
die Spitze gelegen zwei getrennte
Felder der winzigen Tastzäpfchen
(Fig. 77, 78 u. 44 tz). Neben diesen
ungeheuer zahlreichen kleinen
massiven Zäpfchen enthalten die
Felder in geringer Zahl auch die
größeren hohlen, kegelförmigen Ge-
schmackszäpfchen (Fig. 78 u. iAgsz).
Dann findet sich an der Streckseite
der distalen Hälfte ein Feld kelch-
förmiger Organe (Fig. 77 u. 78 ko u.
Fig. 56). Proximalwärts von diesem
Felde zieht sich eine Reihe von
Sinneshaaren (Fig. 77 sh) von der
Streckseite des Gliedes über die
ventral gelegene Fläche. Außerdem
trägt das Endglied noch wie alle
anderen Tasterglieder unregelmäßig
zerstreut kleine massive Gruben-
kegel (Fig. 77 meßt).
Von der Funktion der Unter-
kiefer gibt Nagel schon eine sehr
anschauliche Beschreibung. Der
kleine Lobus externus ist in natür-
licher Lage in eine Rinne einge-
schlagen, die sich am lateralen Rand
des Lobus internus findet. Wenn
dieser dann in einen Körper ein-
beißt, gelangt der in der Rinne ge-
legene Lobus externus mit in die
Wunde und vermag so mit den
an seiner Spitze stehenden hohlen
Grubenkegeln als Geschmacks-
organ zu funktionieren, während die
ebenfalls dort stehenden massiven
Kegel den Käfer über physikalische
Eigenschaften der Beute infor-
mieren. Dieser sehr plausiblen
Erklärung muß nur noch hinzu-
gefügt werden, daß der Kiefer selbst
gsz ---__,
Fig. 78.
Längsschnitt durch das Endglied des Palpus
maxillaris. 140 : 1. An der Streckseite ein
Feld kelchförmiger Organe {ko); an der Spitze
in zwei Feldern Tastzäpfchen (tz) und Ge-
schmackszäpfchen (gsz). Weitere Abk. s. S. 113.
78 Rudolf Hochreuther,
auch Organe des mechanischen Sinnes trägt, vor allem die in einem
Feld angeordneten Zapfen (Fig. 77 szpf).
Auch über die Wirksamkeit der Taster hat Nagel experimentiert.
Er hat gefunden, daß sie Träger äußerer Geschmacksorgane sind, und
als solche spricht er die hohlen Grubenkegel an. Diesen hohlen Kegeln
müssen wir als jedenfalls sehr empfindliche Geschmacksorgane noch
die »Geschmackszäpfchen « (Fig. 44 gsz) angliedern, wodurch uns eine
ausreichendere Erklärung für den hohen Grad der Geschmacksemp-
findung mit den Tastern gegeben wird, als sie Nagel, der nur die
wenigen hohlen Grubenkegel als Geschmacksorgane kannte, geben
konnte. Die hohlen Grubenkegel am Palparium (Fig. 77 hgk), die
Nagel anscheinend auch übersehen hat, tragen weiter zur Erhöhung der
Schmeckfähigkeit bei, wenn sie auch erst die weiter in den Mund gelang-
ten Nahrungsteile zu untersuchen vermögen. Die Tastzäpfchen, massi-
ven Grubenkegel, kelchförmigen und kuppeiförmigen Organe verbürgen
daneben eine mannigfache mechanische Reizbarkeit der Taster.
d. Die Sinnesorgane der zweiten Maxillen (Unterlippe, Labium).
Die zweiten Maxillen zeigen bei Dytiscus infolge ihrer Verschmel-
zung zur Unterlippe die einzelnen Teile dieser Extremitäten nicht alle
deutlich. Die beiden Grundglieder der beiden Maxillen, Submentum
und Mentum, sind hier völlig miteinander verschmolzen zu einer trapez-
artigen Platte, dem Mentum (Fig. 79 m), das sich an die Gula (Fig. 79 gu)
nach vorn anschließt. An dem Vorderrande zeigt das Mentum eine
starke Einbuchtung, in der die zur Zunge, Ligula (Fig. 79 lig), ver-
schmolzenen inneren Laden, Lobi interni, entspringen. Seitlich von
der Zunge, nach dem Innern des Mundes hin gerichtet, liegen die stark
reduzierten Lobi externi, die hier als Paraglossen bezeichnet werden
(Fig. 79 pg). An der Unterseite der Ligula, dicht an deren Insertions-
rand am Mentum, entspringen die beiden Palparien (Fig. 79 pm), die
die dreigliedrigen Palpi labiales (Fig. 79 pl) tragen.
Mentum und Ligula stimmen, was die Arten der an ihnen ge-
legenen Sinnesorgane angeht, in weitgehendem Maße überein, und
was die Anordnung der Organe an diesen Teilen der Unterlippe betrifft,
so erinnert sie sehr an die Verhältnisse, die wir an der Oberlippe fanden.
Die beiden seitlichen Ränder des trapezförmigen Mentum (Fig. 79 m)
sind wie der schmale Vorderrand der Oberlippe von kegel- und zapfen-
förmigen Organen verschiedener Form (Fig. 79 mgk u. szpf) besetzt.
In der Einbuchtung am Vorderrand des Mentum setzt sich diese Be-
setzung fort. Je mehr man sich aber der Ansatzstelle der Palparien
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 79
(pm) nähert, um so mehr verringert sich die Zahl dieser Elemente.
Auf der Fläche des Mentum finden wir neben mehreren (20 — 30)
ziemlich langen Haaren (sh), die Sinnescharakter zu besitzen scheinen,
nur ganz wenige grubenständige massive Zapfen; sie sind wie die Haare
auf den distalsten Teil der ventralen Mentumfläche beschränkt. An
der Grenze des Mentum gegen die Gula finden sich in unmittelbarer
Nähe der beiden Seitenränder einige der kleinen Organe, die wir den
Seitenrand begleiten sahen.
Die Ligula (Fig. 79 lig) zeigt an der dorsalen, nach der Mundhöhle
hingekehrten Fläche keine Sinnesorgane. Nur in unmittelbarer Nähe
des Vorderrandes finden wir eine Besetzung mit grubenständigen kegel-
und zapfenförmigen Sinnesorganen (vgl. Fig. 45 gk u. szpf). An dem
Vorderrande selbst wird die Anordnung dieser Organe ungemein dicht.
Wir können hier wie an dem Vorderrand der Oberlippe und den eben
beschriebenen Seitenrändern des Mentum einen kontinuierlichen Über-
gang der großen Grubenkegel durch mannigfache Zwischenformen
hindurch, bis zu den kleinsten massiven Zapfen konstatieren. Diese
mannigfaltigen Organe ziehen über den Vorderrand hinaus nach der
Unterseite hin, nehmen dort aber an Zahl schnell ab. Wir finden
dann auf der ganzen Ventralseite der Ligula zerstreut noch wenige
kegelförmige Organe (Fig. 79 mgJc). Nächst dem Vorderrande finden
sich an der Unterseite weiter noch lange Haare (Fig. 79 sh). Wenn
auch die zweifelhafte Form der unter ihnen gelegenen Zellen eine sichere
Entscheidung über ihren Sinnescharakter nicht erlaubt, so möchte ich
sie doch als Sinneshaare ansprechen wegen der charakteristischen
Endigung des von den Zellen an sie herantretenden Terminalstranges
(s. Fig. 10 ist u. 45 sh). Auf diese Frage wurde schon bei der allge-
meinen Betrachtung der Sinneshaare eingegangen.
Die Paraglossen (Fig. 79 pg) tragen einen nach dem Innern der
Mundhöhle gerichteten Borstenbesatz, über dessen etwaige Sinnes-
funktion meine Präparate keinen Aufschluß geben. Vielleicht dient
er nur mechanischen Zwecken.
Die Palparien (Fig. 79 pm) tragen ganz am Grunde einige massive
Grubenkegel (mgk) und am distalen Teil der Beugeseite je drei kuppei-
förmige Organe (kpo).
An den ihnen aufsitzenden Palpi labiales (Fig. 79 pl) finden wir
an allen drei Gliedern Sinnesorgane, deren Anordnung gewisse Ähn-
lichkeiten mit den Maxillartastern zeigt. Das kleinere Grundglied ist
in Form wie in Besetzung mit Sinnesorganen dem entsprechenden des
Maxillartasters analog. Ganz am Grunde, innerhalb der Mulde, die
gO Rudolf Hoclireuther,
das mit dem distalen Ende über die Ansatzstelle des ersten Gliedes
mgk-
Fig. 79.
Unterlippe (zweite Maxille) und Gula (</»), ventrale Ansicht. 22 M. Die Taster der Unterlippe
(pl) sind aus der natürlichen Haltung schräg nach unten infolge des Auflegens eines Deckglases
verschoben und erscheinen darum seitlich beweglich. Weitere Abk. s. S. 113.
hinausragende Palparium bildet, findet sich wieder eine Gruppe von
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 81
Chitinborsten (sb) an der Streckseite, die hier nicht lateral, sondern
unter einem Winkel von ungefähr 45° nach unten gerichtet ist.
In dem Übersichtsbild (Fig. 79) tritt diese Neigung nicht klar
zutage, weil die Taster, die im natürlichen Zustand schräg nach unten
hin beweglich sind, infolge des notwendigen Auflegens eines Deck-
glases auf das Präparat aus ihrer natürlichen Lage etwas verschoben
wurden; sie erscheinen daher in dem Bilde in seitlicher Richtung ebenso
beweglich wie die Maxillartaster. In natürlichem Zustand ist das
aber nicht der Fall, und ich verweise deshalb noch besonders auf die
Abbildung 12, die Euscher auf Seite 15 seiner Arbeit über das Chitin-
skelet von Dytiscus gibt, und in der die Unterlippentaster in ihrer rich-
tigen Lage zur Unterlippe zu sehen sind.
Außer den erwähnten Chitinborsten trägt das unterste Tasterglied
noch fünf kuppeiförmige Organe (Fig. 79 hpo u. Fig. 65). Sie stehen
seitlich an dem Gliede.
Das zweite, mittlere Glied des Tasters zeigt an seiner Streckseite
mehrere kurze Sinneshaare (sh). Außerdem ist es unregelmäßig von
kleinen massiven Grubenkegeln (mgk) besetzt. An der Beugeseite steht
in einer kraterförmigen Ausstülpung des Chitins in der proximalen
Hälfte ein großer hohler Kegel (hgk). Einen zweiten trägt das Glied
ebenfalls an der Beugeseite aber ganz distal, wo das Glied seinen größten
Umfang erreicht. Oft, aber nicht durchgängig, tritt zwischen diesen
beiden Kegeln an der Beugeseite noch ein dritter auf.
Das letzte Glied endlich ist vor allem wieder charakterisiert, ebenso
wie das des Palpus maxillaris, durch die in zwei Feldern um die äußerste
Tasterspitze stehenden Tastzäpfchen (Fig. 79 tz). Auch hier finden wir
neben diesen Organen die größeren Geschmackszäpfchen (gsz) ver-
treten. Unterhalb der Felder zieht in schwach gebogener Linie eine
Reihe langer Sinneshaare (sh) über die Seitenfläche des Gliedes. In
den noch weiter proximal gelegenen Teilen zeigt das Glied in unregel-
mäßiger Anordnung massive Grubenkegel (mgk).
So trägt die Unterlippe selbst nur Organe des mechanischen Sinnes,
während an den Tastern neben diesen in den hohlen Grubenkegeln
und Geschmackszäpfchen Organe auftreten, die die Taster zu einer
Geruchs- oder Geschmacksfunktion befähigen.
c. Die Hautsinnesorgane des Gaumens.
Es wurde schon gesagt, daß sich an die rechteckige, plattenförmige
Oberlippe nach dem Innern der Mundhöhle unmittelbar der Gaumen
anschließt (Fig. 74). Der Gaumen ist von hellem, weichen Chitin aus-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 6
82
Rudolf Hochreuther,
gekleidet und zeigt in seinem vorderen Teil zwei Wülste, die Gaumen-
platten (Fig. 74 gpl). Diese sind mammaförmige Gebilde, die durch
eine in der Mediane des Gaumens verlaufende sagittale Furche von-
einander getrennt sind. Jeder der Wülste tiägt an seinem nach vorn
und innen gerichteten Teil einen dunkel gefärbten, stark chitinisierten,
zapfenförmigen Anhang, den Gaumenzapfen (Fig. 74 gz). Diese ältere
schon von Nagel und anderen Autoren angewandte Bezeichnung möchte
ich der kürzlich von Eungius neu geprägten »Sinneskolben« vorziehen,
da man unter Sinneskolben in der Literatur oft eine bestimmte Organ-
form zu verstehen gewohnt ist, während wir
in den Gaumenzapfen Träger von Sinnes-
organen verschiedener Art vor uns haben.
Über die Anordnung der Sinnesorgane
am Gaumen von Dytiscus liegt schon eine
genaue Beschreibung von Nagel vor. Die
beiden Gaumenplatten tragen in ihrem
hinteren medianen Teil zahlreiche kleine
hohle Grubenkegel. In Fig. 74 konnten
diese Organe {hgk) wegen ihrer Kleinheit
nur als Punkte angedeutet werden. Ihren
genaueren, charakteristischen Bau (s. Fig. 53)
lernten wir schon bei der allgemeinen
Besprechung der Grubenkegel kennen.
pj„ gQ^ Sonderbarerweise weichen die von mir stets
optischer Medianschnitt durch den gefundenen Kegel in dem Bau des Kegels
Gaumenzapfen. 220:1. hgk, hohler selbgt ^ yon den ^^ ^AGEL gW.
Grubenkegel ; mgk, massiver Gruben- _ _ c
kegei; szpf, Sinneszapfen. bildeten ab, während in bezug auf den
Porenkanal vollkommene Übereinstimmung
besteht. Die Kegel erscheinen in der Aufsicht auf den Gaumenwulst
von einem dunklen Kreis umgeben. Dieser rührt davon her, daß der
ganze Gaumen, wie schon gesagt, von sehr hellem Chitin ausgekleidet
ist, während der Porenkanal der Kegel von dickem, dunkel gefärbten
Chitin ausgesteift wird. Ein Teil der Organe und zwar die am weitesten
seitlich stehenden zeigen bei sonst vollkommen gleichem Aufbau an
Stelle des kleinen Hohlkegels eine lange, spitze Borste (Fig. 74 u. 13 sb).
Zwischen den Sinnesorganen und zum Teil in deren Gruben münden in
großer Menge Drüsenausführungsgänge in die Mundhöhle. Die Gesamt-
zahl der beiden Organformen an jedem Gaumenwulst beträgt, wie auch
Nagel schon angibt, ungefähr 70. Davon sind 45 — 50 mit Kegeln ver-
sehen, während der Rest die spitzen Borsten trägt.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 83
Ali den Gaumenzapfen finden wir um die Spitze geschart große
hohle Grubenkegel, wie wir sie schon an den Antennen, den Tastern
und der Oberlippe kennen lernten (Fig. 80 u. Fig. 47 hgk). Vereinzelt
zwischen ihnen, vor allem aber an den Seitenflächen des Gaumen-
zapfens, stehen etwas schlankere und längere massive Grubenkegel
(Fig. 80 u. Fig. 47 mglc). Ihre Form schwankt etwas und führt zu
solchen Organen hinüber, die schon als massive Sinneszapfen (Fig. 80
szpf) bezeichnet werden können. Sie sind noch schlanker als die mas-
siven Grubenkegel und erscheinen deshalb nicht mehr kegelförmig,
sondern cylindrisch. Sie finden sich an der ganzen Oberfläche verteilt.
Im übrigen ist das Dach der Mundhöhle frei von Sinnesorganen.
Auch der die Mundhöhle gegen den Pharynx abschließende unpaare
hintere Gaumenwulst trägt keine Sinnesorgane.
Das Überwiegen der hohlen Grubenkegel an dem Gaumen stem-
pelt diesen zu dem hauptsächlichsten Träger des inneren Geschmacks-
sinnes. Den Sinnesborsten der Gaumenplatten und den massiven
Kegeln und Zapfen der Gaumenzapfen kommt als Organen des mecha-
nischen Sinnes am Gaumen nur untergeordnete Bedeutung zu.
d. Die Hautsinnesorgane der Nackenhaut.
Zwei eigentümliche Felder von Sinnesorganen finden sich in der
Nackenhaut. Als Nackenhaut kann man ja wohl den dorsalen Teil
der dünnen Chitinmembran bezeichnen, die von dem Foramen occipitale
nach den Skeletstücken des Prothorax hinzieht und die gelenkige Ver-
bindung zwischen Kopf und Prothorax vermittelt. An dieser Gelenk-
haut sitzen seitlich dicht unter dem Rande des weit vorspringenden
Pronotum zwei Felder sehr langer Borsten (Fig. 14 sb). Sie sind mit
der Spitze nach vorn und etwas nach oben gerichtet und werden beim
Heben und Senken des Kopfes in Funktion treten. Ihre Zahl in einem
Feld mag ungefähr 22 — 24 betragen.
2. Die Hautsinnesorgane des Thorax.
Die drei Thoracalsegmente sind bei Dytiscus an Größe, Gestalt
und Stellung am gesamten Körper sehr verschieden. Aber immerhin
ist doch eine prinzipielle Übereinstimmung zwischen den Skeletteilen
vorhanden, die die einzelnen Segmente begrenzen. Man hat an jedem
Segmente ein dorsales Notum von den seitlich gelegenen Pleuren und
einem das Segment ventral abschließenden Sternum zu unterscheiden.
Jedes Thoracalsegment trägt ein Beinpaar, der Meso- und Metathorax
außerdem je ein Paar Flügel. An allen Segmenten und ihren An-
6*
84
Rudolf Hochreuther,
Übersichtstabelle über die Verteilung; der
Sinneshaare.
l!
Sinnesborsten
Sinneszapfen
wenig
wenig
sehr zahlreich
Cranium
Epicranium, Gula
Epicranium
Epicranium, Frons,
Clypeus, Gula
wenig
etwa 40
wenig
Antenne
Scapus, Pedicellus,
Funiculus 1 bis 3
2 Felder am Grund
des Pedicellus
Funiculus
zahlreich
20 bis 30
sehr zahlreich
Oberlippe
Feld in der Mitte der
Ventralseite; einzelne
dorsal
in geschwungener
Reihe an der Ventral-
seite
Ventralseite,
Vorderrand,
Dorsalseite
zahlreich
—
zahlreich
Mandibeln
Grund der Dorsal-
seite (Feld), einzeln
am Gelenk
—
laterale Hälfte der
Dorsalseite; lateraler
Rand; einzeln Ventral-
seite
wenig
wenig
zahlreich
1. Maxillen
Cardo, Stipes, Lobus
internus, Palpus
2 und 4
Grund des 1. Palpus-
gliedes (Feld)
Feld am Lobus internus,
einzeln Lobus externus 2
und Palpus 3
zahlreich
wenig
wenig
2. Maxillen
(Unterlippe)
Mentum, Ligula,
Palpus 2 und 3
Grund des Palpus 1
Rand des Mentum,
Ligula
-
etwa 30 bis 40
wenig
Gaumen
—
seitlich an den
Gaumenplatten
Gaumenzapfen
—
etwa 44 bis 48
—
Nackenhaut
—
seitlich in 2 Feldern
dicht am Ansatz des
Pronotum
—
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 85
verschiedenen Sinnesorgane am Kopf.
Tast- und Geschmacks-
zäpfchen
massive , ,. „ . , ,
! hohle Grubenkegel
Grubenkegel
kelchförmige
Organe
kuppeiförmige
Organe
—
—
—
—
wenig
—
—
—
2 200 bis 2500
Epicranium
(bes. dorsaler
Augenrandj
—
zahlreich
50 bis 60
etwa 11
—
Pedicellus und
Funiculus
Pedicellus und
Funiculus
Funiculus,
je ein Feld an
der Beugeseite
Scapus und
Pedicellus
—
sehr zahlreich
wenig
—
wenig
—
Ventralseite,
Vorderrand,
Dorsalseite
Vorderrand,
Dorsalseite
—
Dorsalseite
—
zahlreich
wenig
—
sehr wenig
—
laterale Hälfte
der Dorsalseite,
lateraler Rand,
einzeln Ventral-
seite
laterale Hälfte
der Dorsalseite,
lateraler Rand
—
Dorsalseite
zahlreich tx,
einzeln gsx
zahlreich
etwa 20 zahlreich
6 bis 8
2 Felder
am Palpus
(Glied 4)
Cardo, Stipes,
Lobusexternus2,
Palparium,
Palpus
Lobusexternus2, Palpus 4
Palparium, (Feld an der
Palpus 2 und 3 Streckseite)
Lobus
externus 1,
Palpus 1
zahlreich tx,
einzeln gsx
zahlreich
4 bis 6
—
14 bis 16
2 Felder
am Palpus
(Glied 3)
Mentum, Ligu-
la, Palparium,
Palpus 2 und 3
Palpus 2
—
Palparium,
Palpus 1
—
wenig
110 bis 130
—
—
—
Gaumenzapfen
Gaumenplatten,
Gaumenzapfen
—
—
—
-
—
—
—
—
—
—
—
86
Rudolf Hochreuther,
hängen treten uns mehr oder weniger reichlich Sinnesorgane entgegen.
Die Beschreibung der an den Flügelpaaren vorhandenen Organe erfolgt
wie schon einleitend bemerkt wurde, von anderer Seite. Hier sollen
der Reihe nach die einzelnen Segmente, die sie verbindenden Gelenk-
häute und dann die Beine nach der Verteilung der Sinnesorgane hin
betrachtet werden.
a. Die Hautsinnesorgane des Prothorax.
Am Prothorax sind alle Skeletstücke, die dieses Segment bilden,
schon am lebenden Käfer leicht zu sehen. Die Rückendecke wird
Fig. 81.
Linke Hälfte des Pronotum vom r$ Käfer. 13 : 1. Übersät von keulenförmigen Zapfen (kz).
Weitere Abk. s. S. 113.
von dem trapezartigen Pronotum gebildet, seitlich ist das Segment
von den ebenfalls trapezähnlichen Propleuren eingefaßt, und ventral
wird es von dem mit einem nach hinten gerichteten Hakenfortsatz
versehenen und die großen Gelenkhöhlen für das erste Beinpaar bil-
denden Prosternum begrenzt.
Das Pronotum (Fig. 81) zeigt an seinem nach dem Kopf hin gerich-
teten schmaleren Vorderrande eine Einwölbung, in die sich das Cranium
einfügt. Es springt nach allen Seiten über die Ansatzstellen der Pro-
pleuren, bzw. der Gelenkhäute zum Kopf und Mesothorax vor mit
jenem dem Käfer charakteristischen »gelben Rand«. In diesem fallen
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
87
besonders rundliche Komplexe auf, die eine stärkekornähnliche Schich-
tung zeigen und vielleicht Drüsenausführungsgänge (drg) sind, um
die herum das Körperchitin in verschiedenen Schichten verschiedene
optische Eigenschaften besitzt. An seiner Oberseite, sowie gegen Kopf
und Mesothorax auch an der Unterseite trägt der Rand mehrere Sinnes-
haare (sh) (vgl. auch Fig. 2 sh) und Sinnesborsten (sb). Sonst ist er
wie das ganze Notum auf der Oberseite dicht von keulenförmigen
Zapfen (kz) besetzt.
-drg
Fig. 83.
Entsprechende Partie vom Q Pronotum. 46:1.
Fig. 82.
Partie vom fi Pronotum an der Einmiin
düng der medialen Naht in den vorderen
Teil des »gelben Randes«. 40 : 1.
drg, Drüsenausführungsgang; fe, keulenförmiger Zapfen
Es zeigt sich hierbei, wie auch Euscher schon bemerkte, ein
interessanter Geschlechtsdimorphismus. Beim Ö* stehen die Zapfen
weniger dicht als beim Q . Die Fig. 82 und 83 stellen bei der gleichen
Vergrößerung entsprechende Felder des Pronotum, dicht an der Ein-
mündung der medianen Naht in den nach dem Kopf zu gelegenen Teil
des gelben Randes, von cf und Q. dar. Abgesehen von der dichteren
Anordnung der Organe beim Q fällt bei diesem vor allem ein großer,
heller Hof auf, der die einzelnen keulenförmigen Zäpfchen umgibt.
Er rührt davon her, daß die Gruben, in denen die Zäpfchen stehen,
88 Rudolf Hochreuther,
beim Q größer und mit langsamer abfallenden Wänden versehen sind
als beim cf, und daß außerdem das Chitin dieser Gruben auch bei den
alten Käfern nicht mit dunklem Pigment versehen wird, sondern hell
bleibt. Infolge dieses hellen Hofes erscheinen die Organe beim Q
noch bedeutend gedrängter gegenüber denen beim cT, welchen der Hof
fehlt. Die Zapfen selbst sind am Pronotum des £ größer als am Pro-
notum des cf , wie die bei gleicher Vergrößerung entworfenen Fig. 42
und 36 erkennen lassen. Euscher weist darauf hin, daß die Ver-
hältnisse an den Elytren von cf und Q ganz entsprechend liegen.
-P't
Fig. 84.
Prosternum {st;) und Propleuren (pl,) des fi Käfers von der Ventralseite gesehen. 13 : 1.
Weitere Abk. s. 8. 1 L3.
Es erscheint so, als ob diese Organe vielleicht bei der Begattung,
während der das cf auf dem Rücken des £ sitzt, eine wichtige Ptolle
spielten.
Auch an den Propleuren finden wir bei cf und 2 eine Verschieden-
heit in der Anordnung der keulenförmigen Zapfen (vgl. Fig. 85 u. 86 kz).
Während nämlich beim cf Käfer diese Organe dort nur spärlich und
besonders an dem schmaleren nach unten gerichteten Teil der Pleuren
vorhanden sind (Fig. 84 pl^ u. 85), überziehen sie beim Q dicht ge-
drängt die ganze Oberfläche dieses Skeletteiles. Bemerkenswert ist,
daß hier die Organe des cf etwas behöft erscheinen. Aber beim Q fin-
den sich an ungefähr entsprechenden Stellen auch größer behöfte For-
men neben den zahlreichen, hier sonst ohne Hof gebliebenen Zapfen
(Fig. 37).
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
89
Die verschieden dichte Anordnung der Zapfen an den Pleuren
bei beiden Geschlechtern könnte ebenso wie die Unterschiede an dem
Pronotum den Gedanken nahelegen, daß sie für die Begattung von
Wichtigkeit sei, indem vielleicht das cT mit den Endgliedern seiner
Tarsen während der Copula die Pleuren des Q berührte. Allein, dafür
ist keine Stütze zu finden. Die Untersuchungen von Blunck haben
vielmehr ergeben, daß das cf während der Begattung die Krallen der
Tarsen seines ersten Extremitätenpaares wohl um den Notumrand
des Q herumschlägt, aber damit die Pleuren des £ nicht berühren
kann. Nur bei Fehlgreifen kommen die rf Tarsen zuweilen an die
Pleuren des Q, zu liegen. Richtiger und zutreffender ist darum viel-
leicht die Vermutung, daß die Organe dem Q bei der Eiablage von
Fig. 85.
linke Proileure vom c5 Käfer. 13 : 1.
kz, keulenf. Zapfen.
Fig. 86.
Rechte Propleure vom Q Käfer.
kz, keulenf. Zapfer..
13 : 1.
Wert sind, während der es mit der Unterseite seines ganzen Körpers
an den Schilfstengeln reibt.
Andere Sinnesorgane fehlen den Propleuren.
Das Prosternum (Fig. 84 stj) trägt an seinem vorderen geschweiften
Teil in größerer Zahl Sinneshaare (sh), die im Bau denen des Pronotum
sehr ähnlich sind. Der nach hinten gerichtete zapfenförmige Fortsatz
trägt in dichter Anordnung kleine keulenförmige Zapfen (Fig. 84 u. 38
kz). Sie unterscheiden sich nur sehr wenig von denen der Propleuren.
Die übrigen Teile des Prosternum sind tief gelegen; sie bilden die
Coxalgruben des ersten Beinpaares und sind frei von Sinnesorganen.
b. Die Hautsinnesorgane des Mesothorax.
Dieser kleinste Abschnitt des Thorax ist am lebenden Käfer nur
teilweise zu sehen. Sein Notum ist bis auf ein kleines Schildchen,
das Scutellum, von den Elytren und dem nach hinten überragenden
Rand des Pronotum bedeckt. Die Pleuren sind schräg zur Längs-
90
Rudolf Hochreuther,
achse des Körpers gestellt und von der Seite her kaum zu sehen. Nur
das kleine Sternum läßt sich an der Unterseite ohne weiteres leicht
erkennen.
Nach Euscher kann man am Mesonotum das vom Pronotum-
rande und den Elytren überragte Mesoscutum (Fig. 87 scUj) von dem
schon äußerlich sichtbaren Mesoscutellum (Fig. 87 sct) unterscheiden.
Das Mesoscutum trägt an seinem Vorderende zwei symmetrisch zur
Mittellinie des Körpers gelegene Felder feiner Sinneszapfen (Fig. 87
fszpf und Fig. 27). Diese werden bei der Bewegung der ersten und
zweiten Thoracalsegmente gegeneinander durch Anstoßen gegen die
Unterseite des Pronotumrandes mechanisch gereizt werden und den
Käfer dadurch über die wechselseitige Haltung der beiden ersten
fszpf- -
Fig. 87.
Mesonotum vom 5 Käfer. 1:3 : 1. fszpf, feine Sinneszapfen; sk, Sinneskuppeln der Elytren.
Weitere Abk. s. S. 113.
Thoracalsegmente orientieren. Zwei ganz entsprechende Felder liegen
an dem hinteren Rande des Mesoscutum, wo dieses in die weichere
Chitinhaut übergeht, die, gegen Mesoscutum und Mesoscutellum sehr
tief gelagert, die hinteren seitlichen Teile des Mesothoraxdaches bildet.
Außerdem liegen noch auf der Fläche des Mesoscutum nahe dem seit-
lichen Rande je zwei kleinere Felder dieser Organe. Diese sind von
einem etwas größeren helleren Hof umgeben. Vielleicht benachrichtigen
sie den Käfer von der Haltung seiner Elytren.
Das Mesoscutellum zeigt in seiner mittleren Fläche beim cT Käfer
zu jeder Seite der Medianlinie zwei Felder von sehr kleinen keulen-
förmigen Zapfen (Fig. 87 u. 35 hz). Eigentümlicherweise fehlen sie dem
Q am Scutellum ganz. Dafür treten in sehr geringer Zahl neben vielen
Drüsenausführungsgängen einige hohle Grubenkegel (Fig. 52) auf. Sie
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
91
ePmr\\-
dienen vielleicht zur Peremption besonderer Secrete oder Gerüche, die
das j während der Begattung ausströmt. In dem hinteren, herz-
förmig zugespitzten Teil des Scutellums erkennt man einige Drüsen-
gänge, die durch denselben centrischen Bau an die des gelben Bandes
erinnern.
Die Mesopleuren bestehen aus zwei Teilen, dem nach der Körper-
mitte gelegenen Episternum (Fig. 88 epsn) und dem nach außen ge-
richteten Epimeron (Fig. 88epm7/).
Zusammen besitzen sie die Form
eines Bechtecks, jedes einzeln un-
gefähr die eines rechtwinkligen
Dreiecks. Das Episternum liegt
dem Mesonotum mit der einen Drei-
eckspitze an. Diese trägt kurze
massive Sinneshaare (Fig. 88 sh)
und Sinnesborsten (Fig. 88 und
18 sb). An dem nach der Mitte
des Segmentes zugekehrten Band
und an seiner ganzen Fläche
stehen ebensolche Sinneshaare
zusammen mit keulenförmigen
Zapfen (kz), deren Bau in Fig. 34
dargestellt ist. Das Epimeron
zeigt an seinen beiden Katheten
ebenfalls einen Besatz mit keulen-
förmigen Zapfen (Fig. 88 kz).
Das Mesosternum (Fig. 89)
zeigt dicht an dem Bande, mit
dem es an die Coxalgruben des
zweiten Beinpaares (acn) grenzt,
einen Besatz von Sinneshaaren (sh),
die denen des Pronotum ziemlich
ähnlich sehen (Fig. 3 sh). Weiter
nach der Mitte des unpaaren
Skeletstückes treten in je zwei
symmetrischen Beihen Sinnes-
borsten auf (Fig. 89 sb). Die der
beiden weiter nach vorn gelegenen Beihen sind größer als die in der
Höhe der Sinneshaare auftretenden, deren eine in Fig. 3 (sb), aller-
dings nicht median getroffen, dargestellt ist.
Fig. 88.
Mesopleure vom <3 Käfer.
13 :1.
Fig. 89.
Mesosternum vom (5 Käfer. 13 : 1.
<ic//, Gelenkgrube des zweiten Beinpaares; epmrr,
Epimeron der Mesopleuren; epsrr, Episternum
der Mesopleuren; kz, keulenförmiger Zapfen;
sb, Sinnesborste; sh, Sinneshaar; sth, Sternum
lies zweiten Thoracalsegmentes.
92
Rudolf Hochreuther,
c. Die Hautsinnesorgane des Metathorax.
Während am Mesothorax die Skeletverhältnisse infolge der Schräg-
stellung der Pleuren etwas kompliziert waren, sind sie am Metathorax
wieder leichter zu erkennen. Dorsal ist das Segment von dem recht-
eckigen Metanotum (Fig. 90) bedeckt, das seitlich die Alae trägt. Zu
beiden Seiten schließen sich ihm die Metapleuren (Fig. 91) an. Diese
haben die Form eines rechtwinkligen Dreiecks. Mit der einen Kathete
grenzen sie an das Metanotum, mit der anderen an die Gelenkhaut
zum Mesothorax. Der Hypotenuse schließt sich das Metasternum
(Fig. 92 stHI) an, das an diesem Segment fast in derselben Fläche gelegen
Fig. 90.
Linke Hälfte vom Metanotum des (5 Käfers. 13 : 1. b, Bjrste; sh, Sinneshaar.
ist wie die Pleuren. Es ist nach Euscher flügelartig. Mit den seitlichen
Spitzen erreicht es neben den Pleuren das Notum. An seinem vor-
deren Teil trägt es einen gabeligen Fortsatz, der sich unter dem ganzen
Mesothorax hin erstreckt bis in die Gelenkfalte zwischen Meso- und
Prothorax. Eigentümlich ist dem Sternum weiter, daß es mit den
mächtigen Coxen des dritten Beinpaares (Fig. 92 cxHI) fest verwachsen
ist und mit diesem zusammen eine Fläche bildet, die das ganze Segment
und den vordersten Teil des Abdomens nach unten abschließt.
Die Anordnung der Sinnesorgane am Metathorax ist äußerst ein-
fach. Das Metanotum (Fig. 90), das, wenn der Käfer nicht gerade
fliegt, von den Alae und den Elytren überdeckt ist, zeigt nur in seiner
hinteren Hälfte zwei Felder von Sinneshaaren (Fig. 90 u. 4 sh) zu beiden
Seiten der Medianlinie. Die Haare, die, von der bedeutenderen Länge
Die Hautsinnesorgane von Dytiseus marginalis L., usw.
93
abgesehen, im chitinösen Bau denen des Mesosternum (Fig. 3 sh) ähn-
lich sind, erweisen sich vor allem durch die unter ihnen gelegenen hellen,
chromatinarmen Sinneszellenkerne als Sinnesorgane. Zwischen ihnen
scheinen vereinzelt kleine Borsten zu stehen, über deren Sinnescharakter
ich nichts ermitteln konnte (Fig. 90 b).
An den Metapleuren (Fig. 91) findet sich dicht unter ihrem Ansatz
an die Gelenkhaut der Alae ebenfalls ein Feld von Sinneshaaren (sh),
die denen des Mesosternum vollkommen gleichen (vgl. Fig. 3 sh). Außer-
dem ist der von Euscher als Episternum bezeichnete Teil (Fig. 91 epsH1)
-epSja
Atetapleure vom c5 Käfer. 13 : 1.
Fig. 91.
Am oberen Rand Feld von Sinneshaaren (sh).
Abk. s. S. 113.
Weitere
dicht von keulenförmigen Zapfen (kz) besetzt, die dieselbe Form be-
sitzen wie die des Prosternum (Fig. 38).
Auch das Metasternum (Fig. 92 stnI) trägt keulenförmige Zapfen
(kz), die wegen der breiten Form schon bei der allgemeinen Betrachtung
der keulenförmigen Zapfen besonders erwähnt wurden (vgl. Fig. 41).
Sie ziehen in einem keilförmigen Streifen direkt über die Mitte, den
tiefst gelegenen Teil, des Sternum hin. Die größte Breite erreicht der
Streifen am vorderen Rande des Skeletteiles. Hier setzt er sich dann,
entsprechend verschmälert, auch noch auf den Fortsatz des Sternum
fort. Vereinzelt stehen unter den Zapfen am Sternum wie an seinem
Fortsatz einzelne Sinneshaare (Fig. 92 sh). Zwischen den Sinnesorganen
münden in kleinen Chitingrübchen (Fig. 92 chg) zahlreiche Drüsen-
zellen nach außen.
94
Rudolf Hochreuther,
Wir können so wie von dem Cranium auch von den Skeletplatten
des Thoraxstammes sagen, daß sie nur mechanisch reizbar sind. Die
wenigen hohlen Grubenkegel am Mesoscutellum vermögen nicht, dieses
allgemeine Urteil zu beeinflussen, denn sie verschwinden unter der
Fig. 92.
Linke Hälfte des Metasternuni und linke C'oxa des dritten Beinpaares vom fi Käfer, chg, Chitin-
grübchen; cxui, Coxa des dritten Beinpaares; kz, keulenförmiger Zapfen; sb, Sinnesborste; sh,
Sinneshaar; stjj/, Sternum des dritten Thoracalsegmentes.
Unmenge von Organen des mechanischen Sinnes so sehr, daß man
an eine bedeutende chemische Reizbarkeit der Thoracalplatten nicht
glauben kann. Nagel erwähnt auch nichts derartiges. Immerhin
ist das Vorkommen, wenn auch nur einzelner Geschmacks- oder Ge-
ruchsorgane an dem Thoraxskelet von Interesse.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
95
d. Die Hautsinnesorgane der thoracalen Gelenkhäute.
An den beiden Gelenkhäuten zwischen den drei Thoraxsegmenten
finden sich sehr interessante Sinnesorgane und zwar im Zusammen-
hang mit den daselbst gelegenen beiden Paaren von Thoracalstigmen.
Es treten hohle Grubenkegel, schlanke Sinneszapfen und einzelne
Sinneshaare auf. W. Alt hat bei Beschreibung der Thoracalstigmen
Fig. 93.
Sinnesfeld am ersten Thoracalstigma (Gelenkhaut zwischen Pro- und Mesothorax). 74 : 1.
hgk, hohler Grubenkegel; sh, Sinneshaar; szif, Sinneszapfen.
von Dytiscus die Grubenkegel schon gefunden. Von den Sinneszapfen
und Sinneshaaren dagegen erwähnt er nichts.
Am ersten Thoracalstigma (Fig. 93) sind alle drei Formen von
Sinnesorganen vorhanden. Sie stehen an der von der Mediane abge-
wandten Seitenfläche des nach Alt schornsteinförmigen Stigmas, und
zwar besetzen sie nicht nur, wie Alt angibt, einen seitlich der Stig-
menöffnung gelegenen Wulst (»Sinneshügel« nach Alt), sondern ziehen
von diesem in einem breiten Streifen nach dem dorsal gelegenen Teil
96
Rudolf Hochreuther,
des Schornsteins hin. Auf dem Sinneshügel, also dicht neben dem
Eingang des Stigmas, herrschen die hohlen Grubenkegel vor (Fig. 93
u. 54 hgk). Dort finden sich etwa zehn dieser Kegel. Auf der ganzen
seitlichen Fläche fehlen diese dagegen; nur in dem dorsalen Teil des
Sinnesfeldes treten sie wieder in kleinerer Zahl (vier bis fünf) auf. Wo
sich diese Grubenkegel finden,
treten die Sinneszapfen an Zahl
zurück. Am Stigmenrand sind
nur sehr wenige vorhanden
(Fig. 93 u. 28 szpf). Dagegen
begleiten sie die ganze seitliche
Fläche des Stigmas. Insgesamt
beträgt ihre Zahl am ersten
Thoracalstigma ungefähr 25.
In dem dorsalen Teil des Feldes
stehen neben ihnen und den
wenigen Grubenkegeln zwei bis
drei Sinneshaare (Fig. 93 sh).
Am zweiten Thoracalstigma
(Fig. 94) stehen zu beiden Seiten
des ovalen Spaltes reihenförmig
angeordnet ausschließlich hohle
Grubenkegel (hgk) von gleichem
Bau wie die am ersten Stigma.
Nur sind sie hier zum Teil mit
dem eng anliegenden Körper-
chitin etwas über die Um-
gebung emporgehoben, was Alt
wohl zu der einen nicht ganz
richtigen Abbildung verleitete.
Ihre Gesamtzahl an diesem
Stigma beträgt 13 — 15.
An den Gelenkhäuten finden
wir also im Gegensatz zu den
Skeletplatten des Thorax in ganz hervorragendem Maße den chemischen
Sinn entwickelt, während Organe des mechanischen Sinnes am ersten
Thoracalstigma auch noch vorhanden sind, aber am zweiten völlig
fehlen. Die Sinneshaare und Sinneszapfen am ersten Stigma sind des-
halb von Bedeutung, weil das erste Thoraxsegment gegen das zweite
ziemlich beweglich ist, und das Stigma schornsteinartig vorspringt.
hgk--
Fig. 94.
Zweites Thoracalstigma (Gelenkhaut zwischen Meso
und Metathorax). 74 : 1, hgk, hohle Grubenkegel
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 97
Zwischen dem zweiten und dritten Segment, also beim zweiten Stigma,
hätten sie keine Bedeutung, da diese beiden Segmente vollkommen
unbeweglich miteinander verbunden sind. Die Ausstattung der Um-
gebung der Stigmen mit Organen des chemischen Sinnes läßt sich leicht
erklären; sie haben die Luft zu prüfen, ehe sie in die Stigmen auf-
genommen wird.
e. Die Hautsinnesorgane der Beinpaare.
Zwischen den Beinpaaren finden wir in der Verteilung der Sinnes-
organe recht weitgehende Übereinstimmung. Nur die Teile, die schon
infolge morphologischer Verschiedenheiten von den entsprechenden der
anderen Beinpaare unterschieden sind, zeigen auch abweichende Ver-
hältnisse in der Anordnung der Sinnesorgane. Es handelt sich hierbei
weniger um die Verteilung an den Tarsalgliedern 1 — 3 der ersten und
zweiten Beinpaare des J1 (s. Fig. 95 tat u. 97 taTI), die gegenüber den
anderen Tarsen infolge der Besetzung mit Saugnäpfen mehr oder weniger
umgestaltet sind, als um die Verhältnisse an den Coxen der dritten
Beinpaare, die, außerordentlich vergrößert und fest mit dem Meta-
sternum verwachsen, wie wir schon hörten, an der ventralen Abgren-
zung dieses Thoraxsegmentes teilnehmen (s. Fig. 92 cxIU).
Die Coxen der ersten und zweiten Beinpaare (Fig. 95 u. 96 cxl
u. Fig. 97 cxn) zeigen an ihrer Einlenkungsstelle in drei getrennten
Feldern Sinneshaare und Sinnesborsten (Fig. 95 u. 97 sh u. sb). Außer-
dem sitzen feine Sinnesborsten (Fig. 95 — 97 fsb) an ihrer Oberfläche
verteilt. Sie sind an den ersten Beinpaaren so angeordnet, daß sie
nur bei Bewegung der Beine in die Gelenkgruben des ersten Thorax-
segmentes zu liegen kommen, beim zweiten Beinpaar liegen sie dagegen
schon während der Ruhelage der Beine zum großen Teil in der Gelenk-
höhle. An den Coxen des ersten Beinpaares stehen zwischen den
Borsten noch Sinneszapfen und massive Grubenkegel (Fig. 95 u. 96 mgk
u. szff). Alle diese Organe werden die Funktion haben, den Käfer
über die Haltung seiner Beine gegen den Körper zu orientieren, indem
sie bei Bewegung der Coxen an der Wandung der Gelenkhöhle an-
stoßen oder reiben. In sehr geringer Zahl treten an den Coxen der ersten
und zweiten Beinpaare kuppeiförmige Organe auf, deren Bau in Fig. 66
dargestellt ist. An Schnitten durch die Coxa vom mittleren Beinpaar
eines Männchens fand sich auch ein hohler Grubenkegel (Fig. 55). Ob
sich solche auch an den Coxen des ersten Beinpaares finden, kann ich
nicht bestimmt sagen; es will mir aber wahrscheinlich erscheinen, da
Organe des chemischen Sinnes am ganzen Körper verbreitet sein dürften.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 7
98
Rudolf Hochreut her,
Die Coxen des dritten Beinpaares lassen infolge ihrer Verlagerung
und Umgestaltung (Fig. 92 cxni) Verhältnisse erkennen, die denen
des Metasternum vollkommen gleichen. An dem tiefst gelegenen
Teil sitzen neben keulenförmigen Zapfen (Fig. 92 kz) einzelne Sinnes-
uszpr
Fig. 95. Fig. 96.
Linkes Bein vom ersten Beinpaar des <3 Käfers. Linkes Bein vom ersten Beinpaar des Q
11 : 1. Die Tarsalglieder sind aus ihrer natür- Käfers. 11 : 1.
liehen Lage herausgedreht, um die Haft-
scheiben sichtbar zu machen.
Starke Besetzung mit Sinneshaaren (sh) und -borsten (s&); am Trochanter kuppelförmige
Organe (kpo). Weitere Abk. s. S. 113.
haare (Fig. 92 sh). Wenige Sinnesborsten finden sich an dem schmalen
seitlichen Rand der Coxen, wo diese an das Metanotum ansetzen (Fig. 92
u. 17 sb).
Sehr übereinstimmend verhalten sich die Trochanter (Fig. 95
u. 96 tTj-, Fig. 97 trn u. Fig. 98 fr//7). An denen der beiden ersten
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
99
Beinpaare fallen vor allem die Sinnesborsten in die Augen, die sie in
großer Zahl besetzt halten (Fig. 95 — 97 sb). Am dritten Beinpaar
l\i,Y.\ V*V.
Fig. 97.
Fig. 98.
Linkes Bein vom zweiten Beinpaar des 3 Linkes Bein vom dritten Beinpaar des £
Käfers. 7:1. Käfers. 7:1.
cxu, Coxa des zweiten Beinpaares; feu, fem, Femur des zweiten und dritten Beinpaares; fef,
Femoralfurche; fsb, feine Sinnesborsten ; h, Haar; kpo, kuppeiförmiges Organ; mgk, massive
Grubenkegel; sb, Sinnesborste; sh, Sinneshaar; synpf, Saugnapf; tau, ta!n, Tarsus des zweiten
und dritten Beinpaares; tiu, U/u, Tibia des zweiten und dritten Beinpaares; tr/i, trju, Trochanter
des zweiten und dritten Beinpaares.
treten sie dagegen zurück. Hier finden wir nur feinere Sinnesborsten
(Fig. 98 fsb) ; vor allem überwiegen aber kleine massive Grubenkegel
100 Rudolf Hochreuther,
(Fig. 98 mgk), die vereinzelt auch, und mit keulenförmigen Zapfen
(vgl. Fig. 40) untermischt, an der Beugeseite der ersten und zweiten
Trochanter auftreten (Fig. 96 mgk u. kz u. Fig. 97 mgk). Äußerst regel-
mäßig tragen alle Trochanter kuppeiförmige Organe (Fig. 95 — 98 kpo),
deren Bau in Fig. 68 dargestellt ist. Sie ziehen ziemlich in einer Linie
von sechs bis acht (nur an den dritten Beinen sind es weniger) unmittel-
bar unterhalb des Ansatzes an die Coxa über die ventrale Fläche der
Trochanter hin. Am ersten Beinpaar waren sie in geringer Zahl auch
an der Beugeseite nachzuweisen. Sie werden, wie die des Kopfes und
der Oberseite der Oberlippe beim Schwimmen oder Fliegen jedenfalls
von Wichtigkeit sein.
Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen Femur und Tibia (Fig. 95 u. 96
fet u. tiji Fig. 97 fe.jj u. tin; Fig. 98 feZII u. tiin). Auch hier fallen
in erster Linie Borsten auf, die in den Fig. 95 — 98 mit sb bezeichnet
sind. An Größe und Stärke sind sie sehr verschieden. Besonders
starke stehen an dem distalen Ende der Tibia. Dabei ist jedoch zu
bemerken, daß die beiden größten borstenartigen Gebilde, die an der
Beugeseite eines jeden Tibiaendes stehen, keine echten Borsten sind,
denn sie zeigen an ihrer Wand eine Bekleidung mit der Hypodermis
und in ihrem Lumen allerlei zellige Elemente. Diese unechten Borsten,
die in Wirklichkeit als Ausstülpungen der Tibien anzusehen sind,
haben naturgemäß keine Sinnesfunktion. Von den übrigen Borsten
am Tibiaende gilt das, was schon im allgemeinen Teil über das gleich-
zeitige Vorkommen von Drüsen- und Sinnescharakter an Borsten zu
sagen war (vgl. Fig. 23 u. 24 sb). Auch von vielen andern Borsten der
Tibia und des Femur gilt dasselbe. Ob die Verhältnisse aber durch-
gängig an allen Borsten dieser Teile so liegen, muß dahingestellt bleiben.
Es wäre möglich, daß manchen von ihnen nur Drüsen-, anderen dagegen
nur Sinnesfunktion zukäme. Die Bezeichnung aller Borsten als Sinnes-
borsten muß also mit Vorbehalt eingeführt werden.
Dasselbe gilt von den am ersten und zweiten Beinpaar auftretenden,
durch Übergangsformen mit den Borsten verbundenen Haaren (Fig. 95
bis 97 sh). Sie stehen in einem Felde am proximalen Ende des Femur
und ziehen von dort in einer Keihe über die dorsale Chitinfalte, welche
die mediale Femoralfurche (Fig. 95 — 98 fef) begrenzt, nach dem distalen
Teil. Am ersten Beinpaar finden sie sich auch an der ventralen Falte,
während sie am zweiten noch die Streckseite des Femur begleiten
(Fig. 97). Dort finden sie sich auch an der Tibia (Fig. 95 u. 96 sh).
Am dritten Beinpaar fehlen dem Femur die Haare völlig. Dagegen
trägt die Tibia an der Streckseite von den außerordentlich langen
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw. 101
Haaren, die uns dann am Tarsus dieses Beinpaares wieder begegnen,
und die von Bedeutung beim Rudern sind. Darum scheint ihnen auch
keine Sinnesfunktion zuzukommen. Auch bei den Haaren, die die
Streckseite der Tibia begleiten, konnte aus den Zellelementen eine
Sinnesfunktion nicht nachgewiesen werden; vielmehr scheinen hier
einfache Drüsenhaare vorzuliegen.
In der medialen Femoralfurche und auf deren Rändern sitzen an
den ersten Beinpaaren massive Grubenkegel und einzelne massive
Sinneszapfen (Fig. 96 mgk u. szpf). Diese finden sich, mit kleinen
Borsten untermischt, auch an der entsprechenden Stelle des dritten
Beinpaares (Fig. 98 fef), während an dem zweiten Beinpaare dort nur
kleine Borsten auftreten (Fig. 97 fef). Diese Organe werden in Funk-
tion treten, wenn die Tibia gegen den Femur in diese Falte einge-
schlagen wird. Sonst zeigen sich noch vereinzelt massive Gruben-
kegel am Femur des dritten und an Femur und Tibia des zweiten
Beinpaares (Fig. 98 fenI, mgk und Fig. 97 fen u. tin, mgk).
Sehr bemerkenswert ist vor allem noch das Auftreten kuppei-
förmiger Organe am Femur der ersten und zweiten Beinpaare. Wegen
ihrer Kleinheit gelang es nicht, ihre genauere Lage an Totalpräparaten
zu ermitteln, während dies bei den Organen der Trochanter ein leichtes
war. Nur auf Schnitten traten die Organe am Femur und zwar in der
Gegend der Beugeseite auf, und in Fig. 62 u. 63 sind zwei Bilder dieser
Organe gegeben. Am Grunde der Tibia des ersten Beinpaares ließ sich
am Totalpräparat ebenfalls je ein Organ feststellen (Fig. 95 u. 96 tiv
kpo). Ihre Bedeutung an Femur und Tibia wird dieselbe sein wie an
den Trochantern.
Die Tarsen endlich besitzen, abgesehen von den kuppeiförmigen
Organen, dieselben Organformen wie Femur und Tibia. Auf die mor-
phologischen Verschiedenheiten der ersten und zweiten Tarsen bei cT
und 0 wurde schon hingewiesen (Fig. 95 u. 96 to7). Rings um die
von den Saugnäpfen bestandene runde Fläche der ersten (Fig. 95 täj)
und längliche Fläche der zweiten C? Tarsen (Fig. 97 taI}) stehen Sinnes-
haare (Fig. 95 u. 97 sh). Beim Q finden sich dagegen anstatt der Saug-
näpfe zwei Reihen von Sinnesborsten an der Beugeseite dieser Tarsen
in ebensolcher Anordnung, wie sie sich dann am vierten und fünften
Tarsalglied auch beim c? finden (Fig. 95 sb). An den distalen Enden
der nicht an saugnapftragende Glieder anstoßenden Tarsalglieder mit
Ausnahme der letzten stehen Borsten in größerer Zahl. Die Streck-
seiten tragen bei C? und 2 längere Haare, die in Fig. 96 sh am weib-
lichen Tarsus zu erkennen sind. An den seitlich gelegenen Teilen der
102
Rudolf Hochreuther,
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Die Hautsinnesorgane von Dytiscus rnarginalis L., usw. 103
Tarsen finden sich einzelne feine Sinnesborsten (Fig. 95 u. 96 fsb) oder
massive Grubenkegel (Fig. 97 mgk). Diese fehlen den dritten Tarsen
vollkommen. Sie tragen, abgesehen von den Borsten am distalen Ende
jedes Gliedes, an der dorsalen Fläche lange Ruderhaare (Fig. 98 h),
wie wir sie schon an der Tibia dieses bei cf und Q nur an Größe etwas
verschiedenen Beines fanden.
3. Die Hautsinnesorgane des Abdomens.
Wie die Thoracalsegmente werden auch die einzelnen Abschnitte
des Abdomens von vier Skeletteilen gebildet: einem dorsalen Tergit,
zwei seitlichen Pleuren und einem ventralen Sternit. Infolge besonderer
Modifizierungen, namentlich wegen der teilweisen Heranziehung man-
cher Skeletteile zum Genitalapparat, zeigen nicht alle Segmente die
vier Teile deutlich. Zum Teil sind, besonders nach dem Thorax hin,
einzelne Stücke auch ganz zurückgebildet.
Alle vorhandenen Chitinteile, soweit sie außen am Abdomen ge-
legen sind, und auch manche, die in den Dienst des Genitalapparates
getreten sind und darum nur zeitweise aus ihrer Lage im Innern des
Abdomens herausgestülpt werden, zeigen eine Besetzung mit Sinnes-
organen.
a. Die Hautsinnesorgane an den äußeren Skelet-
teilen des Abdomens..
Wir wollen die Verteilung der Sinnesorgane zuerst an den äußer-
lich am Abdomen gelegenen Skeletteilen ins Auge fassen, brauchen
dabei aber nicht segmentweise vorzugehen wie am Thorax, sondern
können, da zwischen den entsprechenden Teilen der einzelnen Seg-
mente große Übereinstimmung herrscht, die gesamte Rückendecke,
bzw. den gesamten seitlichen Rand, bzw. die gesamte Ventralseite
zugleich betrachten.
Die Rückendecke, von den Abdominaltergiten I bis VIII (Fig. 99
Iat bis Vlllat) gebildet, läßt in dem mittleren, dunkel gefärbten Feld
des vorderen Teiles vor allem eine Besetzung mit sehr langen Haaren (h)
erkennen. Ob diese Haare zu einer Sinnesfunktion oder vielmehr nur
zu einer secernierenden Funktion befähigt sind, war auf Grund der
Präparate nicht sicher zu ermitteln (vgl. Fig. 5 h). An den hinteren
Segmenten verschwinden die langen Haare, und an ihre Stelle treten
kürzere Sinnesborsten (Fig. 99 sb), die besonders am letzten Tergit
(VI Hat) in großer Zahl stehen. An den seitlichen, hellen, häutigen
Teilen der Rückendecke sind in Feldern dicht hinter den Stigmen
104
Rudolf Hochreuther,
ebenfalls Sinnesborsten (sb) angeordnet, die zum größten Teil, wie auch
die des dunklen mittleren Feldes, den gewöhnlichen Bau der Borsten
Fig. 99.
Linke Hälfte der B ückendecke (Tergite Iat bis VI Hat) und linke Pleuren (Hapl bis Vllapl) des
Abdomens vom <3 Käfer. Die Pleuren sind etwas nach oben gebogen, damit sie in dieselbe Ebene
mit den Tergiten fallen. 7 : 1. h, Haar; sb, Sinnesborste; szpf, Sinneszapfen.
zeigen (vgl. Fig. 16). Zu einem kleinen Teil aber und zwar an den
tiefst gelegenen Stellen der seitlichen Tergite, sind sie auf Zapfen be-
sonders erhoben (vgl. Fig. 15).
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
105
1 SS
-Was
Organe des chemischen Sinnes, die in der Umgebung der Thoracal-
stigmen (vgl. Fig. 93 u. 94 hgk) vorhanden waren, fehlen an den Ab-
dominalstigmen vollkommen.
An den Seitenrändern des Abdomens (Abdominalpleuren II — VII)
(Fig. 99 Ilapl—VIIapl)
treten neben zahlreichen
Sinnesborsten (sb) man-
nigfacher Größe und
Form (vgl. Fig. 19 u. 20)
auch Sinneszapfen auf,
und zwar vornehmlich
an den vorderen Pleuren
(Fig. 99 szpf). Teilweise
sind es gewöhnliche
Sinneszapfen (vgl.
Fig. 29 szpf) , teilweise
gehören sie den keulen-
förmigen Zapfen an,
und diese gleichen in
ihrem Bau sehr denen
der Mesopleuren (vgl.
Fig. 34).
Die Ventralseite,
von den Abdominalster-
niten II— VII (Fig. 100
Ilas — VI las) gebildet,
zeigt vor allem eine
reiche Besetzung mit
keulenförmigen Zapfen
(Fig. 100 kz) von charak-
teristischer Form (vgl.
auch Fig. 39). Daneben
stehen in zwei symme-
tfas
-Fas
M as
Fig. 100.
Linke Hälfte der Ventralseite (Sternite Ilas bis VHIas) des
triSChen Streifen , nahe Abdomens vom <3 Käfer. Der Penis (p) und die Paramere (pa)
der Mittellinie der Ven- sind etwas aus dem Körper hervorgezogen. 7 : 1. kz, keulen-
, . . förmige Zapfen; sb, Sinnesborste.
tralseite, einzelne Sinnes-
borsten (Fig. 100*6). Das schon in Beziehung zum Geschlechts-
apparat tretende achte Sternit (Fig. 100 VHIas) trägt ausschließlich
Sinnesborsten (sb).
So treten an den äußeren Teilen des Abdomens nur Organe des
106
Rudolf Hochreuther,
mechanischen Sinnes und zwar nur Tastorgane auf, während kom-
pliziertere Organformen völlig fehlen. An den Geschlechtsorganen
werden wir dasselbe finden.
b. Die Hautsinnesorgane des Geschlechtsapparates.
An dem in dem Abdomen ruhenden Geschlechtsapparat, der zum
Teil von eingezogenen Teilen der letzten Abdominalsegmente gebildet
wird, finden sich beim Q und cT Käfer ebenfalls Sinnesorgane, die
ksh
Fig. 101.
Penis (p) und Paramer (pa) von der Seite gesehen. 11:1. Am Penis massive Sinneszapfen (szpf);
am Paramer massive Grubenkegel (mgk). ksh, kurzes, massives Sirneshaar; sb, Sinnesborste;
sh, Sinneshaar.
während der Begattung bzw\ der Eiablage in Funktion zu treten haben.
Beim cf Käfer sitzen Sinnesorgane am Penis (Fig. 101 p) und den beiden
durch das häutige Präputium verbundenen Parameren (Fig. 101 pa).
Am Q Apparat treten sie am Legesäbel (Fig. 102 h) und am distalen
Teil der proximal vom Legesäbel einer häutigen Membran (Fig. 102 nibr)
aufgelagerten Seitenspangen (Fig. 102 ssp) entgegen. Die häutige Mem-
bran selbst, die die unmittelbare Fortsetzung des Legesäbels bildet,
trägt dicht vor ihrem Anschluß an diesen ebenfalls Sinnesorgane.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
107
Der Penis (Fig. 101 p) ist an seinem inneren Rande von einer
dichten Reihe verschieden langer Sinneshaare (sh) besetzt. Sie er-
strecken sich in der distalen Hälfte, ohne aber die Penisspitze zu er-
reichen, und sind in der Mitte der Reihe am längsten, während sie
nach den beiden Enden an Größe langsam abnehmen. Die Spitze des
Penis, einschließlich des länglich runden Penisknopfes, ist über und über
von sehr kleinen, schlanken, massiven grubenständigen Zapfen (szpf)
besät (vgl. auch Fig. 33!). Dieser Besatz zieht sich an dem äußeren
Rande des Penis bis zur Geschlechtsöffnung hin und verfolgt dann
weiter die Linie, mit der der distale Teil des Penis an den ansklapp-
baren, der an seiner Spitze die Geschlechtsöffnung bildet, grenzt (s.
Fig. 101).
An den Parameren (Fig. 101 pa) fallen zuerst die langen Haare in
die Augen, die, am unteren Rand ansetzend, den seitlichen Teil des
Präputiums begleiten und
noch über seinen ventralen
Rand hinausragen. Die
Seitenfläche der Parameren
trägt massive Grubenkegel
(mgk), die in besonders
dunklen, ovalen Feldern
eingesenkt stehen. Die
Form der Feldchen ist in
dem Übersichtsbild zu er-
kennen, denn die Ovale
stellen diese Feldchen dar,
während der kleine helle
Kreis in ihnen den Kegeln entsprechen würde. An dem oberen Rand
mischen sich unter diese Kegel einzelne kurze, breite Sinneshaare
(ksh) von ähnlicher Form, wie sie uns am Grunde der Mandibeln
(vgl. Fig. 76 schh) entgegentreten. Wie am Penis, so ist auch an den
Parameren die Besetzung mit Sinnesorganen auf die distale Hälfte
beschränkt, und an dem Ende selbst ist sie am dichtesten.
Am Legesäbel (Fig. 102 Is) liegen die Verhältnisse anders, indem
er an seiner ganzen Oberfläche von Sinnesorganen besetzt ist. Immer-
hin ist auch hier eine Verdichtung in der Anordnung nach dem Ende
hin zu bemerken. Die Organe, die hier stehen, sind wie am Penis
massive grubenständige Zapfen (szpf). Die tiefe Einsenkung der kleinen
Organe in das starke Chitin (vgl. nochmals Fig. 33!) liegt in der Funk-
tion des Penis und Legesäbels begründet. Sie müssen, namentlich
Fig. 102.
Legesäbel (h) und Seitenspangen (ssp) von der Seite ge-
sehen. 11:1. mbr, chitinöse Membran : szif, Sinneszapfen.
108
Rudolf Hochreuther,
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5
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus inarginalis L., usw. 109
während der Arbeit des Legesäbels, genügend geschützt sein. Und
diesen Schutz gibt in Verbindung mit der tiefen Einsenkung nament-
lich auch die Enge des Porenkanals. An den proximalen Seitenflächen,
etwa bis zur Stelle, wo die ^ Geschlechtsöffnung liegt, wird die Stel-
lung der Organe lichter. Aber ganz am proximalen Ende, wo die
häutige Membran (mbr) anschließt und die schmalen geschweiften
Seitenspangen (ssp) überragen, wird sie wieder dichter.
Soweit die Membran (Fig. 102 mbr) und die Seitenspangen (Fig. 102
ssp) Sinnesorgane tragen, sind es dieselben wie am Legesäbel.
Auch an den Geschlechtsorganen erkennen wir also den voll-
kommenen Mangel von komplizierteren Organen des mechanischen
und allen Organen des chemischen Sinnes. Nur Tastorgane, die auch
allein an diesen Teilen von Wichtigkeit sind, finden sich in beträcht-
licher Zahl.
D. Zusammenfassung.
1) An dem Körper von Dytiscus inarginalis L. sind folgende Arten
von Hautsinnesorganen zu unterscheiden:
Sinneshaare, Sinnesborsten, Sinneszapfen, Tast- und Geschmacks-
zäpfchen, Grubenkegel (massive und hohle), kelchförmige Organe und
kuppeiförmige Organe.
2) Dem mechanischen Sinn dienen davon:
Sinneshaare, Sinnesborsten, Sinneszapfen, Tastzäpfchen, massive
Grubenkegel, kelchförmige Organe und kuppeiförmige Organe.
Und zwar dienen dem Tastsinn die fünf zuerst angeführten Formen,
davon die Tastzäpfchen jedenfalls in vollkommenstem Maße. Die
kelch- und kuppeiförmigen Organe dürften dagegen zur Perception
des Wasser- und Luftwiderstandes beim Schwimmen und Fliegen
dienen.
3) Dem chemischen Sinn dienen:
Geschmackszäpfchen und hohle Grubenkegel.
Geruchs- und Geschmacksfunktion sind besonders während des
Aufenthaltes des Käfers im Wasser kaum zu unterscheiden.
4) Der Kopf trägt alle Formen der Organe des mechanischen
und chemischen Sinnes.
Die des mechanischen Sinnes sind an allen Teilen verbreitet,
während Organe des chemischen Sinnes nur an den Antennen, den
Mundwerkzeugen (Oberlippe, Mandibel, Lobus externus, Palparium,
Palpus maxillaris, Palpus labialis) und dem Gaumen (Gaumenplatten
und Gaumenzapfen) vorkommen.
110 Rudolf Hochreuther,
Die Antennen sind infolge der reichen Besetzung mit kelchförmigen
Organen in erster Linie als Organe des Gleichgewichtssinnes aufzu-
fassen.
Maxillar- und Unterlippentaster müssen infolge der Besetzung
ihrer Endglieder mit Tastzäpfchen als die feinsten Tastorgane gelten,
wenn sie auch daneben wegen der an ihnen vorhandenen Gesehmacks-
zäpfchen und hohlen Grubenkegel empfindliche Organe eines chemischen
Sinnes sind.
5) Der Thorax trägt mit Ausnahme der Tast- und Geschmacks-
zäpfchen und der kelchförmigen Organe alle anderen Organformen.
Die des chemischen Sinnes (hohle Grubenkegel) treten aber sehr
zurück. Sie finden sich nur an den Thoracalstigmen und den Coxen
der beiden ersten Beinpaare; beim Q Käfer treten sie in geringer
Zahl am Mesoscutellum auf.
In der Anordnung der Organe des mechanischen Sinnes, die sich
an allen Teilen finden, zeigt sich am Pronotum (ebenso wie an den
hier nicht untersuchten Elytren) ein Geschlechtsdimorphismus, indem
das Q. dort größere Sinnesorgane in dichterer Anordnung trägt als
das cf . — Organe zur Wahrnehmung des Luft- und ' Wasserdrucks
(kuppeiförmige Organe) befinden sich nur an den Beinen, vor allem
am Trochanter.
6) Das Abdomen trägt an allen seinen Teilen nur Tastorgane
und zwar ausschließlich Sinneshaare, Sinnesborsten, Sinneszapfen und
massive Grubenkegel.
7) Die chemische Reizbarkeit nimmt also vom Kopf, wo
sie am stärksten ist, über den Thorax nach dem Abdomen hin ab und
tritt schließlich ganz zurück.
Mechanische Reizbarkeit kommt zwar allen Teilen zu, jedoch
sind die komplizierteren Organe des mechanischen Sinnes am Abdomen
auch nicht vorhanden.
8) Was den histologischen Aufbau der Hautsinnesorgane
angeht, so sprechen die am erwachsenen Käfer gefundenen Bilder im
ganzen mehr für die ältere Auffassung (v. Rath) als für die neuere,
von Beelese vertretene, indem die Sinneszellen an einem Organ stets
gleichartig erscheinen (trichogene und Drüsenzellen sind an den kom-
plizierteren Organen nicht zu unterscheiden), und eine Nerven Verzwei-
gung nicht festzustellen war. Allerdings dürfte eine Entscheidung der
Frage nur durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen möglich
sein, die hier nicht vorzunehmen waren.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus niarginalis L., usw. 111
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Prof. Dr. Korschelt für die Anregung zu dieser Arbeit und
das Interesse, das er mir bei ihrer Ausführung stets entgegenbrachte,
meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Ebenso bin ich Herrn Prof. Dr.
zur Strassen, der mir in liebenswürdiger Weise während der Sommer-
ferien 1910 im zoolog. Laboratorium des SENCKENBERGischen Instituts
zu Frankfurt a. Main einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellte, zu
großem Dank verpflichtet. Auch den Herren Prof. Dr. Meisenheimer,
Prof. Dr. Tönniges, Dr. Kautzsch und Dr. Harms danke ich für vielerlei
Ratschläge, die sie mir während der Ausführung der Untersuchungen
zu teil werden ließen.
Marburg i. H., Januar 1912.
Verzeichnis der benutzten Literatur.
1. Absolon, Über Neamura tenebrarum aus den Höhlen des mährischen
Karstes; über die Gattung Tetrodontophora Reuter und einige Sinnes-
organe der Collenibolen. Zool. Anz. Bd. XXIV. 1901.
2. Alt, Über das Respirationssystem von Dytiscus niarginalis. Zeitschr. f.
wiss. Zool. Bd. XCIX. 1912.
3. Beelese, Gli insetti; Volume primo. Mailand 1909,
4. Bethe, Ein Beitrag zur Kenntnis des peripheren Nervensystems von Astacus
fluviatilis. Anat, Anz. Bd. XII. 1896.
5. Blunck, Bau und Funktion der Haftscheiben von Dytiscus marginalis.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. C. 1912.
6. — Das Geschlechtsleben des Dytiscus marginalis. 1. Teil: Die Begattung.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CIL 1912.
7. Börner, Über das Antennalorgan III der Collembolen. Zool. Anz. Bd. XXV.
1902. ,
8. Child, Beiträge zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Insekten.
Zool. Anz. 17. Jahrg. 1894.
9. — Ein bisher wenig beachtetes antennales Sinnesorgan der Insekten mit
besonderer Berücksichtigung der Culiciden und Chironomiden. Zeitschr.
f. wiss. Zool. Bd. LVIII. 1894.
10. Claus, Über das Verhalten des nervösen Endapparates an den Sinneshaaren
der Crustaceen. Zool. Anz. Bd. XIV. 1891.
11. Deegener, Über ein neues Sinnesorgan am Abdomen der Noctuiden. Zool.
Jahrb., Abt. Morph. Bd. XXVIL 1909.
12. Euscher, Das Chitinskelet von Dytiscus marginalis. Marburg 1910.
13. Freiling, Duftorgane der Q Schmetterlinge nebst Beiträgen zur Kenntnis
der Sinnesorgane auf dem Schmetterlingsflügel und der Duftpinsel
der 6 . Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCII. 1909.
14. Gxjenther, Über Nervenendigungen auf dem Schmetterlingsflügel. Zool.
Jahrb., Abt. Morph, u. Ont. Bd. XIV. 1901.
112 Rudolf Hochreuther,
15. Hamann, Europäische Höhlenfauna. Eine Darstellung der in Höhlen leben-
den Tierwelt mit besonderer Berücksichtigung der Höhlenfauna Krains.
1896.
16. — Mitteilungen zur Kenntnis der Höhlenfauna. Zool. Anz. Bd. XXI. 1898.
17. Hauser, Physiologische und histologische Untersuchungen über das Ge-
ruchsorgan der Insekten. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXIV. 1880.
18. Hennings, Zur Biologie der Myriopoden. Biol. Centralbl. Bd. XXIV. 1904.
19. Hicks, On certain sensory organs in Insects hitherto undescribed. Trans-
actions of the Linnean Society, London. Vol. XXIII. 1860.
20. Holmgren, Studier öfver hudens och de körtelartade hudorganens mor-
fologi hos skandinavisken makrolepidopterlarver. Vetenskaps Aka-
demiens Handlingar. Bd. XXVII. 1895.
21. — Die haarbildenden Hautdrüsen bei Raupen. Entomologisk Tidskrift.
Bd. XVII. 1896.
22. — Zur Kenntnis des Hautnervensysterns der Arthropoden. Anatom. Anz.
Bd. XII. 1896.
23. Janet, Observations sur les fourmis. Limoges 1904.
24. Kolbe, Einführung in die Kenntnis der Insekten. Berlin 1893.
25. Kotte, Beiträge zur Kenntnis der Hautsinnesorgane und des peripheren
Nervensystems der Tiefseedecapoden. Zool. Jahrb., Abt. Morph.
Bd. XVII. 1903.
26. Kraepelin, Die Geruchsorgane der Gliedertiere. Hamburg 1883. Oster-
programm des Johanneums.
27. Leydig, Über Amphipoden und Isopoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXX.
Suppl. 1878.
28. Xagel, Die niederen Sinne der Insekten. Tübingen 1892.
29. — Vergleichend physiologische und anatomische Untersuchungen über den
Geruchs- und Geschmackssinn und ihre Organe mit einleitenden Be-
merkungen aus der allgemeinen vergleichenden Sinnesphysiologie. Bi-
bliotheca Zool. Hit. 18. 1894.
30. — Über das Geschmacksorgan der Schmetterlinge. Zool. Anz. Bd. XX.
1897.
31. Packard, A Text-book of Entomology. Xew-York 1898.
32. vom Rath, Beiträge zur Kenntnis der Chilognathen. Inaug.-Diss. Straß -
bürg 1886.
33. — Die Sinnesorgane der Antenne und der Unterlippe der Chilognathen.
Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXVII. 1886.
34. — Über die Hautsinnesorgane der Insekten. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLVI.
1888.
35. — Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane der Crustaceen. Zool. Anz. Bd. XIV.
1891.
36. — Über die von C. Claus beschriebene Nervenendigung in den Sinnes-
haaren der Crustaceen. Zool. Anz. Bd. XV. 1892.
37. — Über die Nervenendigungen der Hautsinnesorgane der Arthropoden nach
Behandlung mit der Methylenblau- und Chromsilbermethode. Berichte
d. naturf. Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. IX. 1894.
38. — Zur Kenntnis der Hautsinnesorgane und des sensiblen Nervensystems
der Arthropoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXI. 1896.
Die Hautsinnesorgane von Dytiscus marginalis L., usw.
113
39. Röhler, Die antennalen Sinnesorgane von Tryxalis. Zool. Anz. Bd. XXVIII.
1905.
40. — Beiträge zur Kenntnis der Sinnesorgane der Insekten. Zool. Jahrb., Abt.
Morph. Bd. XXII. 1905.
41. — Zur Kenntnis der antennalen Sinnesorgane der Dipteren. Zool. Anz.
Bd. XXX. 1906.
42. Ruland, Über die antennalen Sinnesorgane der Insekten. Zeitschr. f.
wiss. Zool. Bd. XLVI. 1888.
43. Rungius, Der Darmkanal (der Imago und Larve) von Dytiscus marginalis.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVIII. 1911.
44. Schenk, Die antennalen Hautsinnesorgane einiger Lepidopteren und Hyme-
nopteren mit besonderer Berücksichtigung der sexuellen Unterschiede.
Zool. Jahrb., Abt. Morph. Bd. XVII. 1902.
45. Schön, Bau und Entwicklung des tibialen Chordotonalorgans bei der Honig-
biene und bei Ameisen. Zool. Jahrb., Abt. Anat. Bd. XXXI. 1911.
46. Schröder, Die Sinnesorgane der Skorpionskämme. Zeitschr. f. wiss. Zool.
Bd. XC. 1908.
47. Wasmann, Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhältnisses bei den
Ameisen- und Termitengästen. Biol. Centralbl. Bd. XXIII. 1903.
48. Weinland, Über die Schwinger (Halteren) der Dipteren. Zeitschr. f. wiss.
Zool. Bd. LI. 1890.
Erklärung der Abkürzungen.
acj, Gelenkgrube des ersten Beinpaares;
acjj, Gelenkgrube des zweiten Bein-
paares ;
Iapl bis Vllapl, Abdominalpleure 1
bis 7;
Hast bis Vlllast, Abdominalsternit 2
bis 8;
Iat bis VI Hat, Abdominaltergit 1 bis 8;
au, Auge;
b, Borste;
ca, Cardo;
chg, Chitingrübchen;
chk, Chitinkuppel;
chm, Chitinmembran ;
chpl, Chitinplatte;
cl, Clypeus;
cxj bis cxjjj, Coxa des ersten bis
dritten Beinpaares;
drg, Drüsenausführungsgang ;
drz, Drüsenzelle;
drzk, Drüsenzellenkern ;
ep, Epicranium;
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd.
epmn, Epimeron der Mesopleuren;
epsjj, Episternum der Mesopleuren;
epsIU, Episternum der Metapleuren;
fej bis feni, Femur des ersten bis
dritten Beinpaares;
fef, Fernoralf urche ;
fo, Foramen occipitale;
fr, Frons;
fsb, feine Sinnesborste;
fszpf, feiner Sinneszapfen;
gk, Grubenkegel;
gpl, Gaumenplatte;
gr, Gelenkgrube;
grs, Grundstück der keulenförmigen
Zapfen ;
gsz, Geschmackszäpfchen;
gu, Gula;
gz, Gaumenzapfen;
h, Haar;
hgk, hohler Grubenkegel;
hyp, Hypodermis;
hypz, Hypodermiszelle;
114
Rudolf Hochreuther,
hypzk, Hypodermiszellenkern ;
k, Kanal;
kk, Kristallkegel;
kkz, Kristallkegelzelle ;
km, kuppeiförmige Membran;
ko, kelckförmiges Organ;
kpo, kuppeiförmiges Organ;
kr, kragenförmige Membran;
ksh, kurzes, massives Sinneshaar;
kz, keulenförmiger Zapfen;
kzkt, Kappenzellkern?;
I, Labrum;
le, Lobus externus;
li, Lobus internus;
Mg, Ligula;
Is, Legesäbel;
m, Mentum;
mbr, chitinöse Membran;
mgk, massiver Grubenkegel;
neurk, Neurilemmkern ;
nf, Nervenfaser;
p, Penis;
pa, Paramer;
pe, Pedicellus;
pg, Paraglossum;
pigmzk, Pigmentzellkern ;
pk, Porenkanal;
pl, Palpus labialis;
plIf Pleura des ersten Thoracalseg-
mentes ;
pm, Palparium;
pml, Polstermasse?;
ret, Retinazelle;
sb, Sinnesborste;
sc, Scapus;
scj, Mesoscutellum ;
seh, Scheitelnaht;
schh, schuppenförmiges Haar;
seuj, Mesoscutum;
sgnpf, tSaugnapf;
sh, Sinneshaar;
sk, Sinneskuppel;
ssp, Seitenspangen;
st, Stipes;
stj, Sternum des ersten Thoracalseg-
mentes;
stjjj, Sternum des dritten Thoracal-
segmentes ;
stk, Stif tkörperchen ;
sz, Sinneszelle;
szgr, Sinneszellengruppe ;
szk, Sinneszellenkern;
szpf, Sinneszapfen;
t, Taster der ersten Maxillen;
taj bis tcijjj, Tarsus des ersten bis
dritten Beinpaares;
tit bis tijjj, Tibia des ersten bis dritten
Beinpaares ;
tr, Trachee;
tri bis trIII} Trochanter des ersten bis
dritten Beinpaares;
tst, Terminalstrang;
tz, Tastzäpfchen;
va, Vacuole;
zstr, Centralstrang.
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während
der Häutung.
Von
Dr. Max Braun
(Berlin).
(Aus dem zoologischen Institut der Universität Berlin.)
Mit Tafel I und II.
Einleitung.
In der folgenden Arbeit sind die Ergebnisse der Untersuchungen
niedergelegt, die ich im Laufe des vergangenen Jahres im Zoologischen
Institut der Berliner Universität an den Larven einiger holometabolen
Insekten anstellte, um das Verhalten des Mitteldarmepithels dieser
Tiere während der periodisch wiederkehrenden Häutungen zu ermitteln.
Es lag mir vor allen Dingen daran, festzustellen, ob in der Zeit, wo
von der Larve eine neue Cuticula gebildet und die alte abgestoßen
wird, das Mitteldarmepithel der Holometabola in der Tat ganz allge-
mein der Schauplatz so tiefgreifender Veränderungen ist, wie sie fast
gleichzeitig Veeson (1897) und.MöBUSZ (1897), jener an der Raupe
des Seidenspinners, dieser an den Larven von Anthrenus und Dermestes
konstatiert haben, und ob die allgemeinen Folgerungen, die Möbusz
unter Berücksichtigung der von Sommer (1885) bei einem Collembolen,
Macrotoma plumbea, gefundenen Verhältnisse an seine Entdeckung
knüpft, in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten werden können
oder überhaupt eine Berechtigung haben.
Auf die verschiedenen Secretionsphasen, die das Mitteldarm-
epithel während der Häutung, die bekanntlich immer eine mehr oder
weniger lange Unterbrechung der Nahrungsaufnahme verursacht,
durchläuft, bin ich, abgesehen von einigen beiläufigen Bemerkungen,
nicht näher eingegangen.
Es handelt sich im folgenden wohlverstanden um das Verhalten
des Mitteldarmepithels der Larve während solcher Häutungen, an die
116 Max Braun,
sich noch ein weiteres, von dem vorhergehenden nicht wesentlich ver-
schiedenes Larvenstadium anschließt, und die ich nunmehr schlechthin
als Häutungen bezeichnen werde, nicht um die letzte Häutung der
Larve, die den Beginn der Metamorphose kennzeichnet und somit
scharf von den übrigen Häutungen unterschieden ist. Über die Ent-
wicklung des Mitteldarmepithels während dieser letzten Häutung ver-
weise ich auf die Untersuchungen von Rengel (1897), Karawaiew
(1899), Deegener (1904, 1908), Russ (1908), Perez (1910), Poyar-
coff (1910) u. a.
Bevor ich näher darauf eingehe, was in der Literatur bisher über
die »Mitteldarmhäutung« der Insekten bekannt geworden ist, sei es
mir vergönnt, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. F. E. Schulze für die
Überlassung eines Arbeitsplatzes meinen Dank auszusprechen. Herz-
lichen Dank schulde ich ferner dem ersten Assistenten des Instituts,
Herrn Prof. Dr. Deegener, nicht nur für die Anregung zu dieser Arbeit,
sondern auch für den jederzeit bereitwilligst erteilten Rat.
Historisches.
Die früheste Bemerkung, die ich in der Literatur über die Frage,
die uns nunmehr genauer beschäftigen wird, gefunden habe, rührt
von Frenzel (1882) her, der konstatiert, daß das Mitteldarmepithel
der Larve von Tenebrio molitor während der Häutung keine wesent-
liche Veränderung erleide, da der Mitteldarm während dieser Periode
im Gegensatz zu Vorder- und Enddarm mit Speise gefüllt sei, eine
Begründung, die auf immerhin recht schwachen Füßen steht.
Bereits 3 Jahre später teilte Sommer (1885) in seiner Arbeit über
Macrotoma 'plumbea mit, daß das Mitteldarmepithel dieses Collembolen
während der Häutungen, die auch das erwachsene Tier noch mehrmals
durchzumachen habe, völlig abgestoßen und durch ein neues ersetzt
werde, ein Vorgang, der nur dann unterbleibe, wenn der Mitteldarm
mit Gregarinen infiziert sei. Auf die Herkunft der Zellen, die das neue
Epithel bilden, geht er nicht näher ein, er erwähnt nur, daß sie auf
frühen Stadien mit breiter Basis der Tunica propria aufsitzen, während
die alten Epithelzellen, »mit ihrem unteren schmaleren Teil zwischen
die ersten eingezwängt, mehr in das Lumen des Darmes vorragen«.
Das abgestoßene alte Epithel, das als wurstförmige Masse in dem
bereits mit einem neuen wohlausgebildeten Epithel versehenen Mittel-
darm liege, findet Sommer von einer deutlichen Membran umgeben,
mittels der es in innigem Zusammenhang mit der schon abgelösten
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 117
alten Chitinintima des Vorder- und Enddarmes steht. Leider hat er
keine genaueren Untersuchungen über die Natur dieser eigenartigen
Hülle angestellt, so daß ihre Herkunft zunächst noch rätselhaft ist.
Auf den ersten Blick könnte es allerdings scheinen, als ob man
hier nach den von A. Schneider (1890) über den Bau des Arthro-
podendarmes gegebenen Daten die nötigen Aufschlüsse gewinnen sollte.
Derselbe beschreibt nämlich als typisch für den Arthropodendarm eine
das Mitteldarmepithel nach außen umgebende Chitinschicht, auf der
das Epithel ruht und die, an der Übergangsstelle des Mitteldarmes in
den Vorder- und Enddarm mit der Chitinintima dieser beiden Darm-
abschnitte in Verbindung stehend, mit jeder Häutung des Integuments
abgestoßen wird.
Wenngleich dieser Satz im vollen Umfange nicht aufrecht erhalten
werden kann, ja, in seiner Allgemeinheit direkt als falsch zu bezeichnen
ist, ist das Vorhandensein einer basalen Chitinschicht am Mitteldarm
für einige Insekten in der Tat nachgewiesen. Bizzozeeo (1893) und
vornehmlich Rengel (1898) beschreiben sie für Hydrophilus, Hydrous,
Hydrobius (Imago), und ich habe sie bei Dermestes lardarius (Larve)
als mächtige Lamelle vorgefunden. (Ob diese als identisch mit der
von Möbusz beschriebenen fein gekräuselten chitinigen Basalmembran
zu betrachten ist, erscheint fraglich, da getrennt von ihr, weiter peri-
pheriewärts, eine, von Möbusz nicht erwähnte, feine Basalmembran
vorhanden ist, deren chitinige Natur ich allerdings nicht nachweisen
konnte.)
In beiden Fällen unterliegt sie einer periodischen Abstoßung, die
im letzteren Fall mit der Häutung Hand in Hand geht, in beiden Fällen
wird auch zu gleicher Zeit das gesamte Mitteldarmepithel entfernt und
durch ein neues ersetzt. Die eigentliche, weiter nach außen sich er-
streckende Basalmembran (Membrana propria Rengels) wird von der
Abstoßung nicht betroffen, ebensowenig wie die zwischen ihr und der
basalen Chitinlamelle befindlichen Zellnester, die das Material für das
neue Darmepithel liefern. Die Regenerationszellen kommen hier also
garnicht mit den eigentlichen, tätigen Epithelzellen in Berührung,
wonach eine eventuelle Deutung der von Sommer beschriebenen Mem-
bran als abgestoßene Chitinlamelle oder Basalmembran unmöglich wird.
Vielleicht ist sie als sekundär nach der Abstoßung des alten Epithels
ausgebildete Hülle zu betrachten, wogegen allerdings der innige Zu-
sammenhang mit der Chitinintima des Vorder- und Enddarms spricht.
Ahnlich wie Sommer, aber eingehender und exakter schildert
Prowazek (1900) den Verlauf der »Mitteldarmhäutung« bei Isotoma
118 Max Braun,
grisea Lubb. Die kleineren Mutterkeimzellen des Mitteldarmepithels
vermehren sich nach ihm auf caiyokinetischem Wege und drängen von
vorn nach hinten ziemlich unregelmäßig die alten Epithelzellen in das
Darmlumen hinaus. Eine Abstoßung der Basalmembran (Tunica
propria Pkowazeks) findet hier natürlich nicht statt. In dem de-
generierenden abgestoßenen Epithel findet Prowazek eigenartige
Kugelgebilde, die er als Ceratohyalinkörnchen auffaßt.
In völlig abweichender Weise vollzieht sich nach Fernald (1890)
bei einem dritten Collembolen, Anurida maritima, die »Mitteldarm-
häutung«: "In the midgut, just before ecdysis, a peculiar change occurs.
The nuclei of the epithelium divide and one of the two that are thus
formed in each cell passes towards the free face of the cell, while the
other passes towards its base. The cellwalls now become indistinct
and delamination occurs, the outer half of each cell beeing thrown off."
Ein durchaus ähnliches Verhalten haben Folsom und Welles
bei vier Collembolen, Tomocerus (Macrotoma) niger, Podura aquatica,
Isotoma viridis, Orchesella cincta, konstatiert. Hier teilen sich im
Beginn der Häutung die Kerne mitotisch, ein gewisser Bruchteil der
Tochterkerne wandert nach der freien Zelloberfläche, worauf eine
Abstoßung der oberen Schicht des gesamten Mitteldarmepithels mit
den darin enthaltenen Kernen erfolgt. In den Zellen des Mitteldarm-
epithels bemerken nun Folsom und Welles bei den von ihnen unter-
suchten Collembolen eine größere Anzahl mehr oder weniger umfang-
reicher, aus konzentrischen Schichten bestehender Körnchen (die
Ceratohyalinkörnchen Prowazeks?), die bei jeder Häutung mit der
abgestoßenen Epithelschicht zusammen aus dem Körper entfernt wer-
den (wie übrigens auch die regelmäßig in größerer Zahl im Darm-
epithel auftretenden einzelligen Parasiten).
Diese Körnchen sind nach der Auffassung der amerikanischen
Autoren nichts anderes als Excretkörner. Das Darmepithel dient nach
ihnen bei den der MALPiGHischen Gefäße entbehrenden Collembolen,
abgesehen von seiner gewöhnlichen Tätigkeit, auch noch der Excretion,
der Häutungsprozeß, den auch das erwachsene Tier genau so wie
das junge durchmachen muß, hat also teilweise die Bedeutung eines
excretorischen Vorganges.
Die Darstellung der amerikanischen Forscher weicht ebenso wie
ihre Beurteilung der in Frage kommenden Verhältnisse von der durch
Sommer und Prowazek vertretenen Ansicht wesentlich ab. Ich werde
darauf zum Schluß noch näher eingehen. Während die letztgenannten
Autoren die »Mitteldarmhäutung« als »ein Vorstadium der in vieler
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 119
Hinsicht etwas komplizierteren Vorgänge bei der Metamorphose der
Holometabola« (Prowazek) ansehen, schreiben ihr die ersteren, wie
gesagt, excretorische Bedeutung zu. Es bleibt zunächst abzuwarten,
welche Auffassung sich als die richtige erweisen wird, oder ob beide
werden nebeneinander bestehen können.
Eine wesentliche Unterstützung läßt Möbusz auf Grund seiner
Untersuchungen, von denen bereits die Rede war, der von Sommer
und Prowazek vertretenen Anschauung zu teil werden. Er fand, daß
die Larven von Anthrenus und Dermestes mit jeder Häutung auch ihr
Mitteldarmepithel vollständig erneuern, und nachdem er den Häutungs-
vorgang, wie er seiner Ansicht nach verlaufen müßte, geschildert hat,
sagt er: »Die Metamorphose (in der Puppe) ist sonach nichts weiter
als eine intensive Häutung, die Häutung eine abgeschwächte Meta-
morphose. Beide sind quantitativ, aber nicht qualitativ verschieden. «
Und weiter spricht er den Satz aus: »Häutungen der Ametabola =
Larvenhäutungen + Metamorphose der Holometabola.« Wir werden
sehen, wie weit wir dieser Auffassung werden beitreten können.
Eine totale Abstoßung, »eine vollständige Abschuppung«, des
Mitteldarmepithels findet nach Verson (1897) auch bei den Raupen
des Seidenspinners in Zusammenhang mit den Häutungen statt: »Der
vollständigen Abschuppung, welche im Laufe jeder einzelnen Larven-
periode nach und nach das gesamte Mitteldarmepithel befällt, — steht
eine Massenneubildung von Zellen gegenüber, welche sich ebenso
periodisch erneuert (kurz vor jeder Häutung), und von besonderen
Nestern embryonaler Zellen in der Schleimhaut ausgeht.«
Da, trotzdem bereits eine größere Anzahl eingehender Unter-
suchungen über das Mitteldarmepithel der Raupen vorliegt, von einer
totalen Abschuppung desselben bisher nicht berichtet wurde, werden
wir eine Bestätigung der von Verson vorgetragenen Ansicht abwarten
müssen.
Deegener findet bei Deilephila euphorbiae (1909) während und
nach der Häutung, Dunnough (1909) bei Chrysopa perla nach der
Häutung die Regenerationszellen stark vermehrt. Trotzdem beide
Autoren eine rege Kernteilung in den normalerweise an der Basis
liegenden ruhenden Regenerationsinseln annehmen mußten, konnten
sie, wie auch Verson, Teilungsfiguren nicht finden.
Schließlich sei noch auf die Untersuchungen von Leue (1911)
über die Larve von Heptagenia sulphurea hingewiesen. Leue nimmt
ein kontinuierliches Wachstum des Mitteldarmes an, herbeigeführt
durch die Emission neuer Zellen aus dem hinteren Imaginalring. Bei
120 Max Braun,
Larven, die vor der Häutung stehen, erscheint nach ihm der hintere
Abschnitt des Mitteldarmes in Falten gelegt, während er nach der
Häutung gestreckt ist.
Hiermit sind unsere bisherigen Kenntnisse über das Verhalten des
Mitteldarmes der Insekten während der Häutung erschöpft. Wir sehen,
daß wir über die Vorgänge, die sich in diesem Zustande im Mittel-
darmepithel abspielen, nur bei den Collembolen einigermaßen genau
orientiert sind, während unsere Kenntnisse über die in Frage kom-
menden Verhältnisse bei den übrigen Insekten äußerst lückenhaft sind
und nur auf beiläufigen Mitteilungen beruhen, die, zum Teil anscheinend
in Widerspruch miteinander stehend, auf Grund nebenbei gewonnener
Resultate gemacht wurden. Hierzu sind auch die Publikationen von
Möbusz und Verson zu rechnen. Eingehende Untersuchungen sind
über die uns hier beschäftigende Frage, abgesehen von den Collem-
bolen, bisher nicht bekannt geworden.
Noch weniger als über die Insekten sind wir über die sich an die
Häutung anschließenden Vorgänge im Mitteldarm anderer Arthropoden
orientiert. Hier liegt nur eine kurze Bemerkung v. Raths (1890) vor,
der bei Polydesmus (Chilognath) bei der jedesmaligen Häutung eine
Abstoßung und Neubildung des gesamten Mitteldarmepithels kon-
statieren konnte. Braun (1875) hat in seiner Arbeit über die histo-
logischen Vorgänge bei der Häutung des Flußkrebses den Mitteldarm
überhaupt übersehen.
Material und Methode.
Von mir gelangten zur Untersuchung die Larven von sechs Ver-
tretern vier verschiedener Ordnungen der holometabolen Insekten und
zwar von den Lepidopteren Deilephila euphorbiae und Hyponomeuta
evonymella, von den Hymenopteren eine zu den Tenthrediniden gehörige
Form, Arge, von den Dipteren Calliphora und von den Coleopteren
Melasoma vigintipunctata und Dermestes lardarius.
Es handelte sich darum, diese Tiere im Zustande der Häutung
zu konservieren, ein Zustand, der äußerlich mit Sicherheit nur den
Raupen von Deilephila euphorbiae anzusehen war. In der Häutung
krümmen diese Tiere ihre vordere Körperregion schwach aufwärts,
während sie mit den Abdominalfüßen irgendeinen Gegenstand fest
umklammern, sei es nun einen Stengel ihrer Futterpflanze, einen zu-
fällig in ihren Behälter hineingeratenen Faden oder irgend etwas anderes.
Dabei ziehen sie den Kopf, ihn ventralwärts herunterbiegend, ein,
Das Mitteldarm epithel der Insektenlarven während der Häutung. 121
legen die Thoracalgliedmaßen eng an den Körper und strecken sie
nach vorn. Nach meiner Erfahrung nehmen sie diese Haltung nur
im Zustande der Häutung ein. Zur Konservierung gelangten sie während
der letzten, auf die nach einem abermaligen längeren Larvenstadium
die Häutung zur Puppe folgt.
Die gesellig lebenden Raupen von Hyponomeuta evonymella setzen
sich, wenigstens während der ersten drei Häutungen, eng zusammen
auf einen Klumpen, trotzdem sie sich dann natürlich nicht alle in
demselben Häutungsstadium befinden und sich sogar schon bei der
ersten Häutung größere Differenzen bemerkbar machen. Ich habe,
wenn ich bemerkte, daß einige Tiere bereits ihre alte Haut abgestreift
hatten, einfach eine größere Zahl der übrigen konserviert und so, nach-
dem ich dies einige Stunden später noch einmal wiederholt hatte,
alle nötigen Stadien erhalten.
Ahnlich konnte mit den Larven von Arge verfahren werden, die
während der ersten Häutung konserviert wurden. Ich fand ihrer
etwa 35 auf einem Weidenblatt vereint. Sie stammten aus ein und
demselben Gelege und hatten eben erst das Ei verlassen. Als sich
einige von ihnen gehäutet hatten, was an ihrer Verfärbung deutlich
zu erkennen war, wurden die übrigen konserviert und bei der mikros-
kopischen Untersuchung sämtlich im Zustande kurz vor und während
der Häutung befunden. Äußerlich hatte man ihnen den Häutungs-
zustand nicht ansehen können.
Schwieriger war die Beschaffung des geeigneten Materials bei den
Larven von Calliphora, die sich durch ihre Lebensweise der direkten
Beobachtung entziehen. Die Tiere wurden aus dem Ei gezüchtet.
Die weiblichen Fliegen legen bekanntlich ihre Eier in großer Menge
in kurzer Zeit ab, so daß die sich entwickelnden Larven, wenn sie unter
gleichen Bedingungen gehalten werden, sich immer im ungefähr gleichen
Entwicklungszustande befinden; sie wurden vom 2. Tage nach ihrer
Geburt ab in Abständen von je 2 Stunden zu mehreren Exemplaren
konserviert. Im Alter von 60 — 80 Stunden machen sie eine Häutung
durch, wie der mikroskopische Befund lehrte. Die wievielte es ist und
wieviel ihr bis zur Metamorphosenoch folgen, kann ich nicht angeben.
Die Larven von Melasoma vigintipunctata wurden ebenfalls aus
dem Ei gezüchtet. Eine größere Reihe von Gelegen wurde beobachtet
und Tag und Stunde des Ausschlüpfens der ersten Larven aufgezeichnet,
ebenso wie der Tag der ersten Häutung, den man nach dem Auftreten
der an den Blättern klebenden Exuvien mit Leichtigkeit bestimmen
kann. Da die Larven der andern Gelege kurze Zeit, etwa 48 Stunden
122 Max Braun,
später, sämtlich das Ei verlassen hatten, wurden aus jedem Gelege,
nachdem die zuerst geborenen Larven sich gehäutet hatten, in Ab-
ständen von etwa 6 Stunden einige Larven konserviert und so das
nötige Material erhalten.
Es beziehen sich also die folgenden Untersuchungen bei Beil.
euph. auf die letzte Larvenhäutung, bei Hyp. ev. auf die erste, zweite
und dritte, bei Arge und Melasoma auf die erste. Bei Calliphora konnte
nicht festgestellt werden, um die wievielte Häutung es sich handelte,
vermutlich war es die zweite oder dritte. Immerhin konnten sämt-
liche Larven während ein und derselben Häutung untersucht werden.
Dies erwies sich bei den Larven von Dermestes, die ebenfalls während
der Häutung keine charakteristische Haltimg einnehmen, als unmög-
lich. Die Häutungsstadien wurden so erhalten, daß die Larven isoliert
und durch Beobachtung der Abstand zwischen zwei aufeinander fol-
genden Häutungen ermittelt wurde, ein Verfahren, wie es ähnlich auch
Folsom und Welles anwendeten. Es ergab sich, daß die Dermestes-
Larven mittleren Alters in Abständen von durchschnittlich 5 Tagen
ihre Cuticula abstoßen. In den entsprechenden Zeiten nach einer
Häutung wurden dann die zur Untersuchung bestimmten Exemplare
konserviert. Es mußte also der Verlauf der sich im Mitteldarmepithel
während der Häutung abspielenden Vorgänge aus den Befunden an
Larven kombiniert werden, die sich nicht im gleichen Alter befanden.
Dies Verfahren erschien angebracht, da kaum angenommen werden
konnte, daß die zu untersuchenden Prozesse bei den verschiedenen
Häutungen sich in verschiedener Weise abspielen sollten. (Bei Hyp. ev.
ergab sich in der Tat mit Sicherheit die völlige Übereinstimmung der
ersten drei Häutungen.) Auch wurde niemals das Mitteldarmepithel
der verschiedenen zur Untersuchung gelangten Dermestes-L&iven in
einem Zustande betroffen, der sich nicht ohne weiteres mit den übrigen
Resultaten hätte zu einer Reihe vereinigen lassen.
Die Konservierung geschah mit dem CARNOYschen Gemisch (abs.
Alk. 6 Teile, Chlorof. 3 Teile, Essigsäure 1 Teil). Nachdem die Larven
etwa 3 Minuten in der Konservierungsflüssigkeit belassen worden
waren, wurde ihnen der Kopf und die letzten Segmente abgetrennt,
um ein besseres Eindringen der Flüssigkeit zu erzielen, worauf sie
noch 5 — 7 Minuten der Einwirkung des Gemisches ausgesetzt blieben.
Als Intermedium zur Überführung in Paraffin wurde Chloroform
verwendet.
Die Schnitte wurden in einer Dicke von 7 u (bzw. 12 u zur leich-
teren Auffindung von eventuellen Mitosen) durch das ganze Tier an-
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 123
gefertigt, da es wünschenswert erschien, zur Beurteilung des Stadiums,
in dem das Tier sich befand, den Grad der Ausbildung der neuen Cuti-
cula vergleichsweise mit heranzuziehen. Bei Dermestes erwies es sich,
um ein Ausbrechen des sehr spröden Objektes zu verhindern, als nötig,
den Block vor der jedesmaligen Anfertigung eines Schnittes mit Mastix-
Kollodium zu bestreichen.
Die Färbung geschah mit Eisen-Hämatoxylin nach Heidenhain,
eine Methode die sehr gute Dienste leistete. Schnitte von größerer
Dicke als 7/iooo/< wurden mit Hämatoxylin nach Grenacher oder
Ehrlich gefärbt. Immer wurde Nachfärbimg mit einem Gemisch
von Pikrinsäure und Säurefuchsin angewendet (van Gieson).
Eigene Untersuchungen.
Kapitel I. Lepidoptera.
A. Deilephila euphorbiae L.
Normalstadium.
Der Bau des Mitteldarmepithels der normal ernährten Raupe,
die sich nicht gerade im Zustande der Häutung befindet, ist von Dee-
gener (1909) genau und eingehend untersucht worden. Ich schließe
mich daher hier im wesentlichen der von ihm gegebenen Beschrei-
bung an.
Das Mitteldarmepithel der Raupe von Deilephila euphorbiae ist
ein dimorphes, aus zwei Zellarten zusammengesetztes, die als Sphäro-
cyten (d. h. solche Zellen, die ihr Secret in Kugelform abscheiden,
auch Cylinderzellen genannt) und als Calycocyten (Becherzellen) zu
unterscheiden sind. Wenn aus der Betrachtung des normalen Mittel-
darmepithels auch zunächst noch nicht hervorgeht, daß es sich hier
in der Tat um zwei verschiedene Zellarten, nicht um zwei verschiedene
Secretionszustände ein und derselben Zellart handelt, so macht es
Deegener durch seine Untersuchungen über die Secretion im hohen
Grade wahrscheinlich, daß wir es in der Tat mit einem dimorphen
Epithel zu tun haben. Es ist mir auf Grund meiner, in ganz anderer
Hinsicht angestellten Nachforschungen gelungen, gewisse Daten zu-
gunsten der DEEGENERschen Meinung zu erbringen, der ich somit in
vollem Umfange beitrete.
Die Sphärocyten erscheinen im allgemeinen cylindrisch, von nicht
sehr großer Höhe, da ihre Hauptachse nur etwa zwei- bis dreimal so
lang ist wie die Nebenachse. Ihr Plasma ist von zahlreichen, verschie-
den starken Fäden durchzogen, die die Richtung von der Basis zur
124 Max Braun,
Zelloberfläche innehalten und nur in der Nähe des Kernes von ihr
abweichen. Sie zeigen die Neigung, durch quere Verbindungen ein
Netzwerk zu bilden, das vorwiegend unter der Zelloberfläche zur Aus-
bildung kommt und nur dann nicht zu erkennen ist, wenn die Zelle
stark mit feinsten Körnchen erfüllt ist, die ihr ein fast homogenes
Aussehen geben können. Solche Körnchen beobachtet man in reich-
licher Menge fast immer in der unteren Zellhälfte zwischen Basal-
membran und Kern, so daß hier das Linom (Zellgerüst) nur selten
hervortritt.
Die Calycocyten zeigen, so weit sie sich nicht gerade im Ruhe-
zustande befinden, eine deutlich ausgebildete Vacuole, die, mehr oder
weniger mit einem sich leuchtend gelb (Pikrinsäure) färbenden Secret
angefüllt, im allgemeinen apical vom Kern liegt und je nach dem
Secretionszustand die Zelle völlig ausfüllt, so daß ihre Wände den
Zellwänden eng angelagert sind, oder einen geringeren Raum innerhalb
des Zellkörpers einnimmt. Besonders im hinteren Drittel des Darmes
bemerkt man häufig solche Calycocyten, die den Vacuoleninhalt in
den Darmkanal entleeren, so daß die tiefste Stelle der Vacuole sich
hier in halber Zellhöhe befindet (oder noch mehr der oberen Zellgrenze
genähert), während dort, wo die Entleerung noch nicht begonnen hat,
die Vacuole die Zelle der ganzen Länge nach durchsetzen kann. Die
sich nicht gerade im Zustande der Secretbereitung befindenden Becher-
zellen sind schwer von den Cylinderzellen zu unterscheiden. Sie zeichnen
sich durch einen kleineren, mehr basal gelegenen Kern, sowie durch
ihr mehr homogenes Plasma aus.
Der Kern der Sphärocyten zeigt verschiedene Formen. Er ist
rund oder oval, kann aber auch elliptisch oder oblong erscheinen.
Das Chromatin liegt in den meisten Fällen zu einem großen kompakten
Klumpen zusammengeballt, in dem irgendwelche Strukturen nicht
erkannt werden können, im Centrum, so daß an der Membran eine
deutliche, von Chromatin freie Randzone zu bemerken ist. In meinen
Präparaten ist die große Mehrzahl der Kerne in dieser Weise gehöft, nur
selten ist die Randzone verschwunden und der Kern in annähernd
gleichmäßiger Verteilung mit einer mehr oder weniger großen Anzahl
gröberer Chromatinkörnchen erfüllt, unter denen immer einige durch
ihre Größe und unregelmäßige Gestalt hervortreten, ein Verhalten,
das in einem, wenn auch nicht näher erkennbaren Zusammenhange
mit dem augenblicklichen Secretionszustande der Zelle steht. Die
Kerne liegen in der Mitte der Zelle, oft ein wenig der Basis genähert.
Die ebenfalls meist gehöften, seltener ungehöften Kerne der Calyco-
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 125
cyten sind kleiner als die der Sphärocyten und liegen im allgemeinen
zwischen der Basalmembran und der Vacuole und zwar meist der
Vacuolenwand apponiert oder sie sind unter dem Druck des sich in
der Zelle anhäufenden Secretes seitlich an die Zellwand gepreßt.
An seiner Oberfläche trägt das Epithel einen deutlichen Stäbchen-
saum mit Basalkörnerreihe und extracytärer in der Nähe der Basis
des Saumes verlaufender Körnchenreihe. Unterhalb des Stäbchen-
saumes bemerkt man eine Schicht feiner sich ziemlich dunkel tin-
gierender Körnchen, die bei Anwendung nicht sehr starker Vergröße-
rung einen homogenen Eindruck erweckt (nutritorische Zone).
An vielen Stellen findet man dem Stäbchensaum aufliegend, im
Schnitt rundlich erscheinende, mit Vacuolen durchsetzte Massen, die
das Secret der Sphärocyten darstellen (Secretkugeln).
An der Basis des Epithels liegen die Epithelmutterzellen (Imaginal-
inseln, Regenerationszellen), die über den Darm ziemlich gleichmäßig
verteilt sind, aber nur in geringer Zahl vorzukommen scheinen; wenig-
stens bietet ihre Auffindung mitunter Schwierigkeiten, selbst in gut
gefärbten Präparaten. Sie setzen sich nicht immer deutlich gegen das
Protoplasma der benachbarten Epithelzellen ab, sind aber im allge-
meinen blasser gefärbt und besitzen einen nur kleinen Zellleib, der
von dem stets ungehöften Kern mitunter fast vollständig ausgefüllt
wird. Sie liegen nie in Gruppen zusammen und sind immer einkernig.
Auf steigende fehlen ganz, in meinen Präparaten lassen sich wenigstens
keine Gebilde nachweisen, die man mit Sicherheit als emporwachsende
Epithelmutterzellen ansehen könnte.
Häutungsstadium I.
(Fig. 1-4.)
Die Sphärocyten haben bis auf einige, sogleich zu besprechende
Deformierungen, die auf die proliferierenden Epithelmutterzellen zurück-
zuführen sind, ihre normale Gestalt im großen und ganzen nicht ge-
ändert. Die Zahl derjenigen, in denen man das Linom infolge reich-
lichen Vorhandenseins feinster Körnchen nicht erkennen kann, ist
hauptsächlich in den vorderen Partien des Mitteldarmes eine große
(Fig. 1, 2), während weiter hinten, besonders in der Nähe der Über-
gangsstelle in den Enddarm, ein wabiges, großmaschiges Netzwerk in
der oberen Zellhälfte deutlich hervortritt (Fig. 3, 4) ; doch sind Ab-
weichungen von den beschriebenen Verhältnissen in allen Darm-
regionen zu beobachten. Basal zeigen alle Zellen ein homogenes Aussehen,
nur bei Anwendung starker Vergrößerung tritt eine feine Strichelung
126 Max Braun,
hervor, welche auf die senkrecht zur Basalmembran verlaufenden
Sarcolinen zurückzuführen ist. Außerdem sei noch auf Einschlüsse
hingewiesen, die sich in der oberen Zellhälfte in Gestalt unregelmäßig
geformter lebhaft schwarz gefärbter Körnchen fast überall vorfinden
und auch in späteren Stadien bemerkt werden, auf deren Natur ich
jedoch hier nicht näher eingehen will; eine irgendwie wesentliche Rolle
spielen sie bei den hier in Frage kommenden Verhältnissen nicht.
Die Galycocyten zeigen kein von dem normalen abweichendes
Verhalten. Die mehr oder weniger stark ausgebildete Vacuole enthält
ein feinkörneliges Secret, das meist einen exzentrischen, seltener zentri-
schen Hohlraum freiläßt, also den Vacuolenraum nicht immer ganz
ausfüllt. Auch hier trifft man wie im normalen Epithel im hinteren
Drittel des Darmes vorwiegend solche Galycocyten an, deren Vacuole
im oberen Teil der Zelle liegt, so daß sich ihr tiefster Punkt in nur
etwa halber Zellhöhe befindet.
Die Kerne beider Zellarten sind durchweg geköft, nur selten ge-
langen ungehöfte Kerne zur Ansicht.
Stäbchensaum und nutritorische Zone sind überall gut erhalten,
eine Secretkugelabscheidung seitens der Sphärocyten beobachtet man
nur in den vorderen und mittleren Partien des Darmes, während weiter
hinten die Cylinderzellen sich im Ruhezustande zu befinden scheinen.
Wesentliche Veränderungen sind mit den Epithelmutterzellen vor
sich gegangen. An der Basis des Epithels bemerkt man jetzt nicht
mehr jene vereinzelten, einkernigen, nur undeutlich erkennbaren
»Regenerationsinseln«, wie sie weiter oben für das im normalen Zu-
stand befindliche Epithel beschrieben worden sind. An ihre Stelle
sind vielmehr eine große Anzahl deutlich entwickelter Zellen von etwa
ein Fünftel bis ein Viertel der Höhe des Epithels getreten, die sich
vermöge ihrer dunkleren Färbung scharf gegen die benachbarten
Epithelzellen absetzen. Sie sind mehrkernig, seltener einkernig und
ragen, mit breiter Basis auf der Basalmembran sitzend, mit scharfer
Spitze oder mehr oder weniger abgerundet in das Epithel hinein, dessen
auseinandergedrängte Zellen stellenweise basal zusammengedrückt er-
scheinen und nicht selten von der Basalmembran abgehoben sind
(Fig. 2), deren inniger Zusammenhang mit den kleinen Zellen an
solchen Stellen deutlich hervortritt.
Diese kleinen Zellen sind nichts anderes als Abkömmlinge der
Epithelmutterzellen, die sich durch rege Teilung vermehrt haben und
nun zwischen den Epithelzellen, hin und wieder auch innerhalb der-
selben, emporwachsen. Ihre Proliferation ist stellenweise eine so starke,
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 127
daß zwischen ihnen nur schmale Streifen der alten Epithelzellen zu
erkennen sind (Fig. 3), die so in Verbindung mit der Basalmembran
bleiben. Die Kernteilung eilt der Zellteilung voran, so daß mehr-
kernige bis vielkernige jugendliche Zellen reichlich beobachtet werden,
während man einkernige nur verhältnismäßig selten vorfindet. An
manchen Stellen, und zwar ganz besonders in den hinteren Partien
des Darmes, ist die Kernteilung eine so lebhafte und rasche, daß es
hier zur Ausbildung mächtiger »Regenerationssyncytien« kommt
(Fig. 4), langgestreckter, in ihrer ganzen Ausdehnung der Basalmembran
anhaftender Protoplasmastreifen, in die eine große Anzahl Kerne ein-
gelagert ist. Die Höhe dieser scharf umgrenzten Syncytien, in denen
die Kerne eine regelmäßige Anordnung noch nicht erfahren haben,
beträgt ebenso wie die der vorher beschriebenen jugendlichen Zellen
etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Höhe des Epithels.
In ihnen erkennt man häufig Kernteilungsfiguren, aus denen man
ersieht, daß die Kerne der »Regenerationsinseln« sich auf caryokine-
tischem Wege vermehren. Man findet die Mitosen (in reicher Zahl
besonders in dickeren Schnitten) sämtlich im Stadium der Metaphase
(Mutterstern, Aster) (Fig. 4) oder der Anaphase (Tochtersterne). Andere
Teilungszustände habe ich nicht entdecken können, insbesondere war
eine Zählung der Chromosomen unmöglich. Die Achse der Kern-
teilungsfiguren war in allen Fällen nahezu der Richtung der Basal-
membran parallel, so daß die aus der Teilung hervorgehenden Tochter-
kerne die gleiche Entfernung von ihr haben würden.
Der Durchmesser der überall annähernd gleich großen Kerne,
die im Schnitt im allgemeinen kreisrund erscheinen, beträgt etwa
ein Viertel bis ein Drittel des Durchmessers der Kerne der alten Epithel-
zellen. Immer sind die Kerne ungehöft, mit einer deutlichen Membran
versehen und verhältnismäßig chromatinarm. Im Kernraume bemerkt
man neben den nur in geringer Zahl vorkommenden Chromatinkörnchen,
unter denen sich einige durch ihre Größe auszeichnen, hier und da ein
zartes Gerüst feiner Fädchen, über dessen Aufbau jedoch keine näheren
Aufschlüsse zu erzielen waren.
Häutungsstadium II.
(Fig. 5-7.)
Basal zeigt der Leib der Sphärocyten denselben Bau wie bei
Stadium I. In der oberen Zellhälfte tritt jedoch besonders in den
vorderen Partien (Fig. 5) das Linom in Form eines unregelmäßigen,
mehr oder weniger groben wabigen Netzwerkes deutlich hervor, während
128 Max Braun,
es weiter hinten überhaupt nicht erkennbar oder sehr feinmaschig ist,
da hier eine große Zahl eingelagerter feinster Körnchen der Zelle ein
fast homogenes Aussehen verleiht (Fig. 6).
Über die Calycocyten ist im allgemeinen nichts neues zu sagen, nur
erscheinen die Vacuolen im hinteren Teil des Mitteldarmes verkleinert.
Die Kerne beider Zellarten weisen nach Lage und Bau keine Ver-
änderungen auf.
Die nutritorische Zone ist noch überall vorhanden. An einigen
Stellen ist sie mitsamt dem meist wohlerhaltenen und nur selten stellen-
weise deformierten Stäbchensaum von dem übrigen Teil der Zelle ein
wenig abgehoben, so daß zwischen ihr und dem Zellleib eine Lücke
auftritt, in die man hier und da Teile des Linoms hineinragen sieht.
Eine Secretkugelabscheidung wird nur in den hinteren Partien
des Mitteldarmes beobachtet.
Ganz vereinzelt bemerkt man in dem Baum zwischen Stäbchen-
saum und peritrophischer Membran aus dem Epithelverbande aus-
gestoßene Zellen, die sich durch den Besitz des Kernes leicht von den
Secretkugeln unterscheiden lassen.
Die Epithelmutterzellen haben jetzt nahezu die halbe Höhe des
Epithels erreicht. Sie erscheinen in den hinteren Partien des Mittel-
darmes ein wenig niedriger als in den vorderen und zeichnen sich
überall durch die dunklere Färbung ihres Plasmas vor den heller tin-
gierten alten Epithelzellen aus, die unter dem Druck der jugendlichen
emporwachsenden Elemente die mannigfachsten Deformierungen er-
leiden und nicht selten, an der Basis seitlich zusammengedrückt,
kolbenförmige Gestalt annehmen.
Die im Stadium I auftretenden, durch starke Kernvermehrung
in den »Regenerationsinseln« gebildeten Syncytien sind größtenteils
verschwunden und an ihre Stelle Lagen dicht aneinander gedrängter
Zellen getreten (Fig. 6), die gegeneinander deutlich abgegrenzt sind;
wo sie noch vorhanden sind, zeigen die Kerne eine regelmäßige An-
ordnung in einer der Richtung der Basalmembran parallelenReihe,
die sich in etwa halber Höhe des Syncytimus dahinzieht.
Vielkernige Epithelmutterzellen werden in der Regel nicht mehr
beobachtet, meist weisen sie nur einen, mitunter, und zwar besonders
in dem hinteren Drittel des Mitteldarmes, zwei Kerne auf, von denen
der eine basal, der andre in halber Höhe der Zelle liegt.
Die Kerne sind teils ungehöft, teils gehöft, auch beobachtet man
in reichlicher Zahl alle möglichen Übergänge zwischen diesen beiden
Formen. Bei einigen liegen im Kernraum neben einem oder mehreren
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 129
größeren einzelne kleinere Chromatinkörnchen (Fig. 7a), bei anderen
erscheinen diese vermehrt, lassen aber noch keine regelmäßige Anord-
nung erkennen (Fig. 7b), bei noch anderen liegen sie in großer Zahl im
Centrum des Kernes zusammengedrängt um ein größeres Chromatin-
körnchen herum (Nucleolus?), so daß ein heller Ringhof schon hervor-
tritt (Fig. 7c), bis sich schließlich die gehöfte Kernform in ihrer reinen
Gestalt ausbildet, in der die körnelige Struktur des Chromatins nicht
mehr erkennbar ist (Fig. 7d).
Durch den Besitz eines gehöften Kernes sind in der Regel die
einkernigen Mutterzellen ausgezeichnet, in den mit zwei Kernen ver-
sehenen erweist sich der basal liegende, jugendliche Charaktere be-
wahrend, als ungehöft, der emporgerückte, in halber Zellhöhe befind-
liche, als gehöft. Doch werden solche auch an der Basis vorgefunden.
Eine Größenzunahme der Kerne läßt sich gegen das vorhergehende
Stadium nicht konstatieren.
Mitunter beobachtet man, daß einzelne Regenerationszellen mit
ihrem unteren kuppenförmigen Teil, die Basalmembran vor sich her
wölbend, in das uinliegende Bindegewebe hineinragen oder ganz aus
dem Epithel hinausgedrängt sind, wozu wohl die Druckverhältnisse
im Epithel Veranlassung gegeben haben.
Kernteilungsfiguren werden hier ebensowenig wie in den weiter
© © ©
zu beschreibenden Stadien gefunden.
Häutungsstadium III.
(Fig. 8-10.)
Die Sphärocyten, deren Linom nur noch an wenigen, den vorderen
Darmpartien angehörigen Stellen als ein engmaschiges Netzwerk er-
kennbar wird, erscheinen ebenso wie die Calycocyten unter dem Druck
der mächtig aufstrebenden jugendlichen Elemente mitunter stark
deformiert (Fig. 8). Ihre Nebenachse kann bis auf ein Viertel der ur-
sprünglichen Länge reduziert sein, so daß die Zelle schmaler und höher
erscheint. Nicht selten ist ihr oberer Teil blasenförmig in das Darm-
lumen vorgetrieben.
Die Kerne beider Zellarten sind nach wie vor durchweg gehöft,
von mittelständiger Lage, teilweise, wo die Zellen basal zusammen-
gedrückt sind, in die obere Zellhälfte verschoben.
Die Anzahl der für das vorhergehende Stadium beschriebenen
intracytären Lücken, die durch eine Abhebung des Stäbchensaumes
mit der nutritorischen Zone von dem übrigen Teil der Zelle hervor-
gerufen wurden, hat sich beträchtlich vergrößert, sie sind aber auf
Zeitschrift, f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 9
130 Max Braun,
die vordere Hälfte des Darmes beschränkt. Der Stäbchensaum ist
übrigens stellenweise deformiert, mitunter sogar verschwunden.
Die Sphärocyten befinden sich im allgemeinen im Zustande der
Ruhe, nur ganz hinten im Darm findet noch eine Abschnürung von
Secretkugeln statt.
Aus dem Epithelverbande in das Darmlumen abgestoßene Zellen
fehlen ganz.
Die Epithelzellen, die durchschnittlich etwa drei Viertel der Höhe
des Epithels erreicht haben und im hinteren Teil des Mitteldarmes
etwas niedriger erscheinen (es sind daneben auch noch kleinere, weiter
im Wachstum zurückgebliebene vorhanden), sind mitunter durch einen
zarten Ausläufer ihres Körpers, der sich vermöge seiner dunkleren
Färbung von dem Protoplasma der umliegenden Zellen deutlich abhebt,
mit der freien Oberfläche des Epithels verbunden. Sie weisen sämtlich
einen gehöften Kern auf, dessen Durchmesser etwa dem der Calycocyten-
kerne gleichkommt, daneben gelangt häufig, und zwar besonders hinten,
noch ein basal gelegener ungehöfter Kern zur Beobachtung (Fig. 9).
Die im Stadium II. noch, wenn auch spärlich, auftretenden Syn-
cytien an der Basis des Epithels sind nunmehr durchaus verschwunden.
Überall sind die jugendlichen Zellen scharf gegeneinander abgegrenzt,
vielfach die Reihen ihrer regelmäßig angeordneten Kerne, die etwa
in halber Höhe zwischen denen der alten Zellen und der Basalmembran
liegen, deutlich zu erkennen.
Es fallen in diesem • Stadium eine größere Anzahl gehöfter Kerne
durch ihre Lage nahe der Basalmembran auf, ein Verhalten, das, wenn
auch in geringerem Grade, schon im vorhergehenden Stadium kon-
statiert werden konnte. Vielfach mag diese Annäherung an die Basis
eine Folge der durch die proliferierenden Epithelmutterzellen ver-
ursachten Druckverhältnisse sein, in einigen Fällen läßt sich mit Sicher-
heit ein anderer Grund angeben. Diese basal liegenbleibenden, in früheren
Stadien noch ungehöften, nunmehr zum größten Teil gehöften Kerne,
sind nicht mit der weit beträchtlicheren Zahl derjenigen zu verwechseln,
die zunächst noch embryonale Charaktere bewahren, ihre basale Lage
nicht aufgeben und unschwer als die Kerne der künftigen »Regene-
rationsinseln« erkannt werden können. Sie stellen vielmehr die Kerne
jugendlicher Calycocyten dar. In dem zu ihnen gehörenden Zellleib
bemerkt man bei nicht wenigen von ihnen axialwärts eine gelbliche
Färbung, die auf die allmähliche Bildung des den Calycocyten eigen-
tümlichen acidophilen und sich daher mit Pikrinsäure lebhaft gelb-
färbenden Secretes zurückzuführen ist. In einigen Fällen ist es sogar
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 131
schon zur Ausbildung- einer deutlichen Vacuole gekommen (Fig. 10).
Daß nicht alle jugendlichen Elemente, die dazu bestimmt sind, zu
Calycocyten zu werden, auf diesem Stadium bereits mit der Bildung
des Secretes beginnen, ist leicht verständlich, da von einer Verwertung
desselben zunächst noch keine Rede sein kann. Jugendliche Calycocyten
habe ich besonders in der vorderen Hälfte des Mitteldarmes zu Gesicht
bekommen.
Schließlich will ich nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß auch
in diesem Stadium wieder Regenerationszellen beobachtet werden, die
aus dem Epithel basal herausgedrängt worden sind und in dem Raum
zwischen dem Epithel und der mitunter abgehobenen Basalmembran
liegen, die stellenweise anscheinend zerrissen ist.
Stadium IV.
(Unmittelbar nach der Häutung. Fig. 11.)
Das Linom ist in den Sphärocyten auch in der oberen Zellhälfte
nirgends mehr mit Sicherheit zu erkennen, nur hier und da tritt in
dem sonst homogen erscheinenden Zellleib apicalwärts ein undeut-
liches Netzwerk auf.
Die Vacuole der Calycocyten ist, besonders nach dem hinteren
Darmende zu, bedeutend verkleinert.
Die durchaus ungehöften Kerne liegen, da die Zellen sämtlich
basal stark zusammengedrückt erscheinen und mitunter kolbenförmige
Gestalt annehmen, in der oberen Zellhälfte, dem apicalen Pole genähert.
Die Abhebung des Stäbchensaumes hat weitere Fortschritte ge-
macht. Vielfach sind benachbarte intracytäre Lücken zu einem größeren
freien Räume zwischen dem in das Darmlumen vorgetriebenen Stäbchen-
saum, mit dem die nutritorische Zone in enger Verbindung geblieben
ist, und den übrig bleibenden Zellteilen verschmolzen. Diese Abhebung
ist nicht mehr auf die vorderen Darmpartien beschränkt, sondern findet
sich über das ganze Epithel verteilt.
Secretkugeln werden nur noch ganz vereinzelt im hintersten Ab-
schnitt des Mitteldarmes beobachtet.
Aus dem Epithel in das Darmlumen ausgestoßene Zellen fehlen
vollständig.
Die Epithelmutterzellen haben jetzt fast ohne Ausnahme die
Höhe des Epithels erreicht. Ihre Kerne sind geholt, erscheinen aber
kleiner, im Durchmesser etwa halb so groß wie die Kerne der alten
Cylinderzellen und liegen mehr basal, in etwa ein Drittel der Zellhöhe.
Die jugendlichen Zellen sind also im allgemeinen verhältnismäßig
9*
132 Max Braun,
deutlich von den alten Zellen des Epithels verschieden und zeichnen
sich vor diesen durch eine, im Gegensatz zu den bisher beschriebenen
Stadien blassere Färbung ihres Plasmas aus; immerhin aber trifft man
nicht allzu selten auf Elemente, bei denen man im Zweifel sein könnte,
ob es sich um jugendliche oder alte Zellen handelt.
Ebenso ist nicht immer genau festzustellen, ob diejenigen Zellen,
die sich durch einen basal liegenden Kern, sowie stellenweis gelbliche
Färbung ihres Leibes von den übrigen unterscheiden, jugendliche
Calycocyten sind, die nun zum erstenmal ihre secretbereitende Tätig-
keit ausüben, oder ältere, bisher nur im Ruhezustand befindliche, die
nunmehr in eine neue Secretionsphase eintreten.
Ungehöfte Kerne werden nur noch selten beobachtet; wo sie vor-
kommen, liegen sie basal und heben sich nur undeutlich von dem
umliegenden Protoplasma ab.
Der Mitteldarm einer anderen Raupe, die ebenfalls unmittelbar
nach dem Verlassen der alten Haut konserviert worden war, befand
sich in einem etwas früheren Zustande als der eben beschriebene. Die
Entwicklung der intracytären Lücken zwischen Stäbchensaum und
Zellleib war nicht so weit vorgerückt und nur auf die vordere Darm-
hälfte beschränkt. Die Secretkugelbildung seitens der Sphärocyten
war im hinteren Darmabschnitt eine sehr lebhafte. Nur in bezug auf
die Ausbildung der Epithelmutterzellen stimmte der Zustand des Mittel-
darmes dieser Raupe mit dem vorhergehenden nahezu völlig überein.
Zusammenfassung.
Wenn die Raupe mit dem Beginn der Abscheidung einer neuen
Cuticula in jenen eigentümlichen Ruhezustand eintritt, den ich in der
Einleitung geschildert habe, beginnt in den Regenerationszellen1 eine
Periode lebhafter, auf caryokinetischem Wege verlaufender Kern-
teilungen, die (in allerdings zunächst minder hohem Maße) von Zell-
teilungen begleitet, zu einer starken Vermehrung der Regenerations-
zellen führen. Während in den vorderen Partien des Mitteldarm-
epithels die jugendlichen Zellen unter Vergrößerung ihres Leibes und
Emporrücken des Kernes bereits in die Höhe zu wachsen beginnen,
dauern hinten die Kernteilungen noch an, so daß es hier, da der Kern-
1 Für den vorliegenden Fall wäre vielleicht besser: Epithelmutterzellen.
Doch kann der kürzere Ausdruck » Regenerationszellen « beibehalten werden in
Hinblick auf die Tätigkeit der in Frage kommenden Gebilde während der Meta-
morphose, wo sie das abgestoßene Mitteldarmepithel zu ersetzen haben.
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 133
teihmg nicht immer direkt die Zellteilung folgt, zur Ausbildung von
»Regenerationssyncytien « kommt, in denen die Kerne zunächst noch
wirr durcheinander liegen. Allmählich jedoch ordnen sie sich in einer
Reihe an und bald folgt die Zerteilung jedes Syncytiums in eine Lage
dichtgedrängter Zellen.
Es eilt in der Höhe der Ausbildung der Epithelmutterzellen die
vordere Darmhälfte immer der hinteren um ein weniges voraus, während
in der letzteren Region des Darmes eine ungleich größere Zahl der-
selben zur Entwicklung gelangt.
Mit der Größenzunahme der jugendlichen, sich zwischen die alten
Zellen des Epithels einschiebenden Elemente verlieren deren Kerne
ihre embryonalen Charaktere. Das anfänglich in Form mehr oder
weniger großer Körnchen im ganzen Kernraum unregelmäßig ver-
teilte und nur spärlich vorhandene Chromatin erfährt bald eine Ver-
mehrung und zerteilt sich gleichzeitig in viele sehr feine Partikelchen,
die sich im Centrum ansammeln, so daß zwischen dem central ange-
ordneten Chromatin und der Kernmembran ein lichter ringförmiger
Raum entsteht, in dem keine färbbare Substanz vorhanden ist. So
gehen aus den ungehöften die gehöften Kerne hervor.
Doch nehmen an dieser Umwandlung nicht alle Kerne teil. Viele
bewahren vielmehr ihre embryonalen Charaktere und bleiben von
vornherein basal liegen. Sie dienen zur Ausbildung der neuen Re-
generationszellen. Im weiteren Verlaufe der Häutung werden sie immer
undeutlicher und weniger scharf begrenzt, bis sie schließlich nur noch
schwer erkannt werden können und anscheinend nur noch vereinzelt
im Mitteldarmepithel vorkommen.
Inzwischen ist auch eine Differenzierung in der Lagerung der
gehöften Kerne bemerkbar geworden, von denen einige ebenfalls basal
liegen bleiben. Abgesehen von denen, die durch irgendwelche Druck-
verhältnisse dazu gezwungen werden, dürfen wir in ihnen die Kerne
jugendlicher Calycocyten sehen, wie die in manchen Fällen schon
frühzeitige Bildung des Secretes und einer Vacuole in dem zugehörigen
Zellleib beweist.
Ob nun die Regenerationsinseln von vornherein dazu bestimmt
sind, entweder nur Calycocyten oder Sphärocyten zu liefern, oder ob
zunächst aus ihnen indifferente Gebilde hervorgehen, die sich auf
irgendeinen Anreiz hin in jene beiden Zellarten differenzieren können,
ist aus dem morphologischen Bau der Regenerationsinseln und ihrer
jugendlichen Nachkommen nicht zu schließen, da dieselben sich äußer-
lich nicht voneinander unterscheiden oder doch wenigstens nicht in
134 Max Braun,
so charakteristischer Weise, daß es erlaubt wäre, sie etwa in zwei Arten
einzuteilen. Es genügt der Hinweis, daß unter eigenartiger Verlagerung
des Kernes, der sich in dieser Beziehung ganz anders verhält als seine
unter anscheinend genau denselben Bedingungen existierenden nächsten
Nachbarn, gewisse jugendliche Zellen auf einem sehr frühen Entwick-
lungsstadium sich als Calycoeyten erweisen, es genügt dieser Hinweis,
sage ich, um die Vermutung auszusprechen, daß die Regenerations-
inseln determiniert sind, aus sich entweder die eine oder die andre
Zellart hervorgehen zu lassen, so daß wir in der Tat berechtigt wären,
das Mitteldarmepithel der Raupe von Deil&phila ewphorbiae und damit
überhaupt der Lepidopterenlarven als ein dimorphes anzusehen.
Gegen das Ende der Häutung haben die jugendlichen Zellen ihre
volle Höhe erreicht, wenn auch ihr Kern zunächst noch mehr basal
liegt und kleiner ist als der normaler Epithelzellen.
Die weiteren Wachstumsvorgänge im Mitteldarm, die nach dem
Verlassen der Haut vor sich gehen, beschränken sich darauf, den jungen
Zellen sowohl als den alten, von ihnen seitlich komprimierten, auch in
der Richtung der Nebenachse die normale Dimension zu verleihen. Auf
diese Art und Weise wird ohne Einschiebung jugendlicher Elemente, die
in der Zeit zwischen zwei Häutungen bei der Raupe von Deilephila
nicht beobachtet wird und auch wahrscheinlich garnicht oder nur in sehr
geringem Umfange stattfindet, eine Verlängerung des gesamten Mittel-
darmes herbeigeführt. Da die Wand dieses Darmabschnittes bei unserer
Raupe normalerweise in mannigfacher Art gefaltet erscheint, ist es
nicht möglich festzustellen, ob sie während der Häutung infolge der
intensiven Proliferation der Epithelmutterzellen noch weiter in Falten
gelegt wird, die dann nach Abstreifung der alten Cuticula zur weiteren
Verlängerung des Mitteldarmes bis zu einem gewissen Grade aus-
geglättet werden könnten; doch ist die Möglichkeit nicht von der
Hand zu weisen, um so mehr als wir gesehen haben, daß es während
der Häutung zu einem mehr oder minder umfangreichen Zerreißen
der Basalmembran kommt (Stadium III, mangelhafte Konservierung?).
Wir haben gesehen, daß im Verlaufe der Häutung, von einigen
geringfügigen Unregelmäßigkeiten abgesehen, das Gerüst der Sphäro-
cyten in der vorderen Hälfte des Mitteldarmes zunächst garnicht oder
nur undeutlich erkennbar ist, daß es später klarer hervortritt, um
gegen Schluß der Häutungsperiode wieder zu verschwinden. In der
hinteren Hälfte jedoch erscheint es zu Anfang derselben wohlausge-
bildet, verliert sich dann aber bald, um bis zum Schluß nicht mehr
erkennbar zu werden.
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 135
Die Ursachen für dies Verhalten der Sphärocyten liegen erstens
in ihrer secernierenden Tätigkeit, zweitens aber auch in den durch
die Proliferation der Epithelmutterzellen geschaffenen Druckverhält-
nissen. Wir haben gesehen, daß schon ganz jugendliche Elemente
auf einem sehr frühen Stadium ihrer Entwicklung die alten Zellen des
Epithels basal zusammenzudrücken vermögen, daß diese im weiteren
Verlaufe teilweise kolbenförmige Gestalt anzunehmen gezwungen sind
und bei einigen sogar der obere Teil blasenförmig in das Darmlumen
vorgetrieben erscheint, worauf vielleicht eine von mir allerdings nicht
beobachtete Abschnürung desselben erfolgt. Mitunter ist dann gegen
Schluß der Häutung die Nebenachse der Cylinderzellen bis auf ein
Viertel ihrer ursprünglichen Länge reduziert.
Gleichzeitig mit dieser Komprimierung erfolgt die Abscheidung
des in den Sphärocyten enthaltenen Secretes, ein Prozeß, der im Mittel-
darm von vorn nach hinten verläuft (siehe auch Deegener [1909]) und
erst gegen das Ende des Häutungszustandes beendet erscheint. Zu
Beginn treffen wir die Zellen der vorderen Hälfte des Darmes in leb-
hafter Secretion. Jedoch enthalten die meisten noch ihr Secret, so
daß ihr Linom nur undeutlich erkennbar ist, während einige, die ihren
Inhalt bereits in das Darmlumen entleert haben, ein wohlausgebildetes
Gerüstwerk zeigen, welches in den Zellen der hinteren Darmhälfte,
wo keine Secretkugeln angetroffen werden, fast überall deutlich er-
kennbar ist. Hier ist also, bevor die Raupe in den Häutungszustand
eingetreten ist, eine lebhafte Ausscheidung des Secretes vor sich ge-
gangen, das nun wieder neu gebildet wird und in einigen Zellen schon
das Linom verdeckt. Nachdem in den vorderen Darmpartien durch
lebhafte sezernierende Tätigkeit dasselbe überall klar erkennbar ge-
worden ist, treten auch die Zellen der hinteren Hälfte, nachdem sie sich
mit Secret gefüllt haben, in den Secretionszustand ein, das Linom
wird aber nicht mehr deutlich, da die hinten besonders lebhafte Wuche-
rung der nun schon größeren Epithelmutterzellen einen zu starken
Druck auf die Sphärocyten ausübt, was zusammen mit der Bildung
neuen Secretes ein Hervortreten der netzartigen Struktur des Zellleibes
verhindert, auch in dem Moment, wo einige Zeit vorher die Zellen ihr
Secret völlig entleert hatten. Ebenso läßt sich erklären, daß auch in
den vorderen Regionen des Darmepithels das Linom, nachdem es
noch einmal deutlich sichtbar geworden ist, alsbald wieder verschwindet,
so daß gegen Ende des Häutungszustandes alle Sphärocyten ein mehr
oder weniger homogenes Aussehen gewonnen haben.
Eine Ausstoßung von Zellen aus dem Epithelverbande in das
136 Max Braun,
Darmlumen erfolgt während der Häutung in nur sehr geringem Um-
fange. Die Epithelzellen geben ihre Verbindung mit der Basalmembran
garnicht oder nur vorübergehend auf, wenngleich der Zusammenhang
auch gelockert erscheint, wodurch es sich erklärt, daß unter der Ein-
wirkung des Konservierungsmittels die Basalmembran mitsamt den
fester an ihr haftenden jungen Mutterzellen besonders auf frühen
Stadien nicht selten vom Epithel abgelöst erscheint. Auch da, wo es zur
Ausbildung der oben beschriebenen » Regenerationssyncytien « kommt,
dürfte die Verbindung der alten Epithelzellen mit der Basalmembran
mittels feiner Ausläufer ihres Protoplasmas entweder aufrecht erhalten
bleiben, welche Ausläufer auf Schnitten im allgemeinen natürlich nicht
getroffen werden, oder, wenn tatsächlich eine vorübergehende Ab-
lösung erfolgen sollte, wird die Verbindung während oder sofort nach
der Differenzierung der Syncytien in einzelne Zellen wieder hergestellt.
Andernfalls müßte besonders in der hinteren Hälfte des Mitteldarmes
eine ziemlich umfangreiche Abstoßung alten Zellmaterials beobachtet
werden. Wo Zellen aus dem Verbände entfernt werden, dürfte es
sich um senil degenerierte handeln.
Leider vermag ich nichts über die weiteren Schicksale des Stäb-
chensaumes anzugeben. Wie erinnerlich, treten schon im frühen
Stadium der Häutung intracytäre Lücken auf zwischen dem Stäbchen-
saum und der ihm eng anhaftenden nutritorischen Zone einerseits und
dem eigentlichen Zellleib andererseits. Diese Lücken vermehren und
vergrößern sich im Laufe der Häutung beträchtlich, so daß unmittelbar
nach derselben die Ablösung des Stäbchensaumes eine stellenweise
schon recht in die Augen fallende ist. Diese Verhältnisse lassen sich
ohne weiteres mit Leichtigkeit darauf zurückführen, daß die den Saum
tragenden Zellen stark zusammengedrückt werden und demselben damit
die Ansatzfläche entzogen wird. Ob nach der Häutung die Ablösung
noch weiter vor sich geht, konnte ich nicht ermitteln, da ich mir das
erforderliche Material an Raupen bisher noch nicht verschaffen konnte.
Jedenfalls ist unmittelbar nach der Häutung von der Anlage eines
neuen Stäbchensaumes noch nichts zu bemerken.
B. Hyponomeuta evonymella Scop. (Fig. 12 — 14.)
Das Mitteldarmepithel der Larve von Hyponomeuta evonymella
ist ebenso wie bei Deil. euph. ein dimorphes, aus Sphärocyten und
Calycocyten bestehendes. Die ersteren sind schlanker als bei Deil.
euph., etwa drei- bis viermal so hoch wie breit; in bezug auf die hier
spärlicher auftretenden Calycocyten sind wesentlich abweichende Ver-
Das Mitteldarinepithel der Insektenlarven während der Häutung. 137
hältnisse nicht zu bemerken. Die Kerne beider Zellarten sind oblong,
eiförmig oder elliptisch, selten rund und liegen bei den Cylinderzellen
normalerweise etwas basal in ungefähr halber Zellhöhe, bei den Becher-
zellen, wo sie viel weniger umfangreich erscheinen, befinden sie sich,
falls sie nicht unter dem Druck des Vacuoleninhalts an die Seitenwand
gepreßt sind, im Leib der Zelle unterhalb der tiefsten Stelle der Vacuole.
Im Bau zeigen sie mit den Epithelzellkernen von Deil. euph. insofern
Übereinstimmung, als sie sich im allgemeinen als gehöft erweisen.
In einer central liegenden, hin und wieder an einer Stelle mit der Kern-
membran in Berührung getretenen und sich ziemlich hell-gräulich
färbenden Masse, die bei Anwendung stärkster Vergrößerung aus sehr
feinen Körnchen zu bestehen scheint, sind eine beträchtliche Zahl
gröberer Chromatinkörnchen eingebettet, die sich lebhaft schwarz
fingieren [Eisenhämatoxylin]. Das Linom der Zellen tritt je nach dem
Secretionszustancl, in dem sie sich befinden, mehr oder weniger deut-
lich hervor.
An seiner freien, dem Darmlumen zugekehrten Oberfläche trägt das
Epithel einen deutlich entwickelten Stäbchensaum von mäßiger Höhe,
an dessen Basis sich eine nicht immer erkennbare Körnchenreihe dahin-
zieht.
Die Regenerationszellen treten hier an der Basis des Epithels in
verhältnismäßig größerer Zahl auf als bei Deil. euph. und sind auch
durch ihre dunkle Färbung deutlich gegen ihre Umgebung abgegrenzt.
Der stets gehöfte, im Schnitt kreisrunde Kern füllt die Zelle fast
immer nahezu vollständig aus, so daß der zugehörige Zeilleib nur als
schmaler Ring erkennbar ist.
Als wesentlicher Unterschied gegen Deil. euph. fällt hier das Vor-
handensein einer reichlichen Zahl jugendlicher Zellen auf, die unab-
hängig von den Häutungen im normalen Epithel auf allen Entwicklungs-
stufen angetroffen werden, und sich von der Basis her zwischen die
alten Epithelzellen einkeilen oder auch in sie hineinwachsen (Fig. 12).
Niemals ist in ihnen ein Zellgerüst zu beobachten, selbst dann nicht,
wenn sie bereits die Höhe des Epithels erreicht haben. Sie haben immer
ein homogenes Aussehen, ein Verhalten, wie ich es übrigens auch bei
Deil. euph. konstatieren konnte.
Während der Häutung tritt eine bedeutend lebhaftere Proliferation
der Epithelmutterzellen ein, und es gelangen ganz ähnliche Verhältnisse
zur Beobachtung wie wir sie bei Deil euph. kennen gelernt haben.
Auch hier kommt es stellenweise zur Ausbildung von Syncytien, auch
hier gehen die Kerne der emporwachsenden Zellen aus der ungehöften
138 Max Braun,
in die gehöfte Form über, wobei zu gleicher Zeit eine Vermehrung der
Chromatinkörnchen eintritt. Auf einem sehr frühen Entwicklungs-
stadium erfüllt die körnelige Grundsubstanz, in welcher dieselben ein-
gebettet sind, den Kernraum fast vollständig (Fig. 136), nur hier und
da als Andeutung des späteren Ringhofes einen schmalen Raum zwischen
sich und der Membran freilassend. Erst später gelangt dann der Ring-
hof zur vollständigen Ausbildung (Fig. 146). Während die jugendlichen
Elemente in die Höhe wachsen, bleiben an der Basis wieder einige
Kerne unter Beibehaltung ihrer embryonalen Charaktere liegen, um
das Material für weitere Regenerationszellen zu liefern.
Das Linom der Sphärocyten erleidet ähnliche Veränderungen wie
bei Deil. euph. Auf früheren Stadien der Häutung ist es deutlich aus-
gebildet, später wird es undeutlicher, um schließlich ganz zu ver-
schwinden1.
Aus dem Epithel in das Darmlumen ausgestoßene Zellen wurden
ebensowenig wie Kernteilungsfiguren gefunden.
Intracytäre Lücken zwischen dem Stäbchensaum und dem übrigen
Teil der Zelle treten im Endstadium der Häutung auf, ihre Zahl ist
aber eine ganz geringe, so daß ihnen weitere Bedeutung nicht zuzu-
schreiben ist.
Kapitel II. Hymenoptera.
Arge.
(Fig. 15—19.)
Die Larve wurde nach Konow (1901 — 1905) bestimmt.
Das Mitteldarmepithel der von mir untersuchten Tenthrediniden-
larve ist einschichtig und homomorph, nur aus Cylinderzellen be-
stehend, die etwa zwei- bis dreimal so hoch wie breit erscheinen
und nicht immer deutlich gegeneinander abgegrenzt sind. An ihrem
apicalen Ende tragen sie einen im allgemeinen deutlich entwickelten
Stäbchensaum, der nur an manchen Stellen vermißt wird, an anderen
dagegen zu enormer Höhe ausgebildet ist, so daß er stellenweise halb
so hoch wie die ganze Zelle werden kann. Die Zellen weisen meist
ein Gerüst auf, dessen Elemente das Plasma von der Basis bis zur
freien Oberfläche der Zelle durchsetzen und sich unterhalb des Stäbchen-
1 Ein gesetzmäßiges Verhalten der Calycocyten war bei keiner der beiden
Raupen zu konstatieren. Es wurde bei Deil. euph. nur eine mit der Häutung
fortschreitende Verkleinerung der Vacuolen im hinteren Drittel des Mitteldarmes
beobachtet [Druckverhältnisse!]. Erst unmittelbar nach der Häutung scheint
dann eine lebhaftere Tätigkeit der Calycocyten zu beginnen.
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 139
saumes in einer mäßig breiten Schicht dichtgelagerter Körnchen ver-
lieren [nutritorische Zone]. Die Fädchen des Gerüstes verlassen ihre
Richtung nur zum Umgreifen des Kernes und bilden mitunter in der
oberen Zellhälfte ein Netzwerk. Vielfach ist infolge reichlicher Ein-
lagerung feinster Körnchen das Linom überhaupt nicht erkennbar.
Der im Schnitt ovale oder elliptische, selten kreisrunde Kern
liegt in halber Zellhöhe, etwas apical, kann aber auch bis an die nutri-
torische Zone heranrücken. Er ist im allgemeinen gehöft und weist
im Centrum eine dichtgedrängte Masse feiner Chromatinkörnchen auf,
die nur bei stärkster Vergrößerung und intensivster Belichtung erkannt
werden können. Abweichende Kernformen werden in größerer Menge
beobachtet und dürften gewisse Secretionszustände der Zelle reprä-
sentieren, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.
Mitunter werden mehrere, häufig zwei Kerne in einer Zelle beob-
achtet, die im letzteren Falle eng aneinandergelagert meist in der
Hauptachse derselben liegen, so daß einer dem Stäbchensaum, der
andere der Basis zugewendet ist (Fig. 15). Kernteilungsfiguren konnten
nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, vielleicht verdient hier
Beachtung, daß in einem Falle zwischen zwei Kernen, zwischen denen
eine Zellgrenze nur undeutlich entwickelt war, durch diese hindurch
eine die Chromatincentren beider Kerne verbindende Brücke aus-
gebildet war (Fig. 16).
An der Basis des Epithels liegen die hier ebenfalls einkernigen
und anscheinend nur spärlich vorhandenen Regenerationsinseln. Ihre
Kerne sind ungehöft und tingieren sich nur schwach. Das Chromatin
ist in äußerst feinen staubförmigen Partikelchen im ganzen Kernraum
verteilt.
Im Epithel werden immer, ähnlich wie bei Hyp. evon., zwischen
den auseinandergedrängten Cylinderzellen eingekeilt, jugendliche Ele-
mente jeglichen Entwicklungszustandes angetroffen. Im frühen Sta-
dium ist der Kern noch ungehöft und genau gleich dem der Regenera-
tionsinseln gebaut, später geht er allmählich in die gehöfte Form über
(Fig. 17).
Im Häutungszustand bietet das Epithel bis auf die Kerne der
alten Zellen, die gewisse mit der Secretion zusammenhängende Ver-
änderungen in der Anordnung ihres Chromatins erleiden, genau den-
selben Anblick wie im Normalzustand. Die aufwachsenden Zellen
erscheinen nicht vermehrt und werden auch hier in den verschiedensten
Stadien ihrer Entwicklung beobachtet. Hin und wieder konnten aus
dem Epithelverbande in das Darmlumen ausgestoßene Zellen nach-
140 Max Braun,
gewiesen werden, kenntlich an dem Besitz eines schon im Zerfall be-
griffenen Kernes (Fig. 18).
Was die oben angedeuteten Veränderungen der alten Kerne an-
belangt, so ist zu sagen, daß ihr Chromatin sich im Laufe der Häutung
zu mehreren größeren Klumpen zusammenballt, die dann in einer
central angeordneten feinkörneligen, minder intensiv gefärbten Masse
eingelagert sind (Fig. 19). Ganz ähnliche Kernbilder werden auch
zwischen den Häutungen, allerdings nur vereinzelt, angetroffen.
Das Mitteldarmepithel weist also in bezug auf die Ausbildung
jugendlicher Zellen im Gegensatz zur Raupe von Hyp. evon. im Häu-
tungszustand keine anderen Verhältnisse auf als sonst.
Es verdient hier noch mitgeteilt zu werden, daß immer im Mittel-
darmepithel Stellen angetroffen werden, wo die Zellen dicht aneinander-
gedrängt liegen, so daß ihre Nebenachsen sehr verkürzt erscheinen.
Möglicherweise sind hier Zellteilungen oder umfangreichere Einschie-
bungen jugendlicher Elemente vorangegangen.
Kapitel III. Diptera.
CalUphora (Fig. 20—23).
Das Mitteldarmepithel der CalliphorarLajve ist schon des öfteren
Gegenstand der Untersuchungen der Forscher gewesen, welche ihr
Interesse besonders seinem Schicksale während der Metamorphose
zugewendet haben (Weissmann [1864], Kowalevsky [1887], Pekez
[1910] u. a.).
Die Zellen sind kubisch, mitunter von schwach cylindrischer Ge-
stalt oder auch mehr abgeflacht und tragen an ihrem freien Ende
einen niedrigen aber deutlich entwickelten Stäbchensaum, an dessen
Basis sich eine nutritorische Zone dahinzieht, die stellenweise auch
fehlen kann. Sie bieten mitunter einen eigenartigen Anblick dadurch,
daß sie, wie es auch im Laufe der Häutung beobachtet wird, basal
einen seitlichen Ausläufer zeigen und somit in zwei Abschnitte geteilt
erscheinen, einen höheren, der den Kern enthält, und einen niedrigeren,
der die Verbindung zur Nachbarzelle herstellt (Fig. 22). Das Gerüst
tritt stellenweise, und zwar besonders in den hinteren Regionen des
Mitteldarmes, im apicalen Teil der Zelle in Form eines unregelmäßigen
Netzwerkes hervor, während es an anderen Stellen infolge Anwesenheit
vieler feiner Körnchen innerhalb des Plasmas, die der Zelle ein fast
homogenes Aussehen verleihen können, nicht erkannt werden kann
(Fig. 20). In bezug auf gewisse kugelförmige Einlagerungen, die hier
und da innerhalb des Zellkörpers beobachtet werden, schreibt Perez
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 141
(1910): «Les cellules epitheliales de cet intestin moyen presentent une
particularite assez remarquable. Je ny ai jamais observe aucun Pro-
cessus cytologique de secretion, analogue ä ceux que l'on a si souvent
decrits dans les epitheliums intestinaux les plus divers: Jamais la
moindre inclusion qui puisse etre interpretee comme un grain de pro-
ferment. Les cellules sont au contraire bourrees, avec une abondance
extreme, de globules de graisse, generalement alignes en direction
normale ä la surface, et ne laissant entre eux que de fines trabecules
protoplasmiques de meme direction. » Ich werde auf diese Verhältnisse
noch zurückkommen.
Die Kerne der Epithelzellen liegen im allgemeinen in der Mitte
der Zelle, doch kommen vielfach Abweichungen von dieser Lage vor.
Sie sind meist gehöft. Nicht selten erscheint die im Centrum angehäufte
Chromatinmasse in viele gröbere Körnchen aufgelöst, die noch inso-
fern eine regelmäßige Lagerung erkennen lassen können, als sie mit-
unter einen mehr oder weniger deutlichen Ringhof an der Kernmembran
freilassen. Die Kerne sind im Schnitt kreisrund, elliptisch oder auch
von unregelmäßiger Gestalt. An der Basis des Epithels liegen die im
vorliegenden Alterszustand noch einkernigen Regenerationsinseln, die
später mehrkernig werden und eine große Rolle bei der Metamorphose
spielen (Perez [1908, 1910]), aber auch schon vorher als jugendliche
Zellen in das Epithel hineinwachsen können (Fig. 20).
Irgendwelche charakteristischen Veränderungen erleiden die Re-
generationsinseln während der Häutung nicht. Nur die Kerne der
Epithelzellen zeigen im Laufe derselben ein wechselndes Aussehen,
das wahrscheinlich in näherem Zusammenhang mit der Secretion der
Zellen steht. Wir sehen in frühen Häutungsstadien neben dem central
angeordneten Chromatin innerhalb des Ringhofes einige feine Chromatin-
körnchen liegen (Fig. 21), die sich unter Verkleinerung und Auflockerung
der centralen Masse allmählich vermehren (Fig. 22), bis der Kern
endlich jede Andeutung eines Hofes verloren hat (Fig. 23), und das
Chromatin in Form feiner unregelmäßiger Körnchen in ungesetz-
mäßiger Anordnung über den ganzen Kernraum verteilt ist. Eine
Untersuchung über die Secretion im Mitteldarm der Calliphora-L&ive,
ähnlich wie sie Deegener (1909, 1910) an anderen Objekten angestellt
hat, würde höchstwahrscheinlich genauen Aufschluß über die Natur
dieser Vorgänge geben.
Gleichzeitig beobachtet man eine Vermehrung der von Perez be-
schriebenen «globules de graisse» innerhalb der Zelle. In einem ge-
wissen Stadium der Häutung kommt es dann zur Abstoßung solcher
142 Max Braun,
Fettkugelansammlungen derart, daß der ganze apicale Teil der Zelle,
der die Fettkügelchen enthält, abgeschnürt wird (Fig. 23). Es muß
zunächst dahingestellt bleiben, ob dies ein Secretionsvorgang ist, die
«globules de graisse» somit als Secrettröpfchen angesehen werden
müssen.
Kapithel IV. Coleoptera.
A. Melasoma vigintipunctata Scop. (Fig. 24 u. 25.)
Das einschichtige und homomorphe Mitteldarmepithel der Larve
von Melasoma vigintipunctata wird von mäßig hohen, etwa zwei- bis
viermal so hohen als breiten Cylinderzellen gebildet, die an ihrem dem
Darmlumen zugekehrten Ende einen niedrigen Stäbchensaum tragen,
dessen basale Körnerreihe stellenweise deutlich erkennbar wird. Die
immer klar hervortretenden Fädchen des Zellgerüstes halten die Rich-
tung von der Basis zum apicalen Ende der Zelle inne, verlaufen also
der Hauptachse parallel und weichen aus ihrer Richtung nur ab, um
den Kern zu umfassen. Unterhalb des Stäbchensaumes verlieren sie
sich in eine breite, anscheinend homogene Zone, die bei Anwendung
stärkster Vergrößerung sich als aus feinen Körnchen zusammengesetzt
erweist, und innerhalb deren mitunter sogar die Zellgrenzen nicht
erkennbar sind. Auch basal sind die Elemente des Zellgerüstes stellen-
weise nicht voneinander zu trennen, so daß hier die Zelle ein homo-
genes Aussehen erhält. Apical vom Kern kommt es vielfach zur Aus-
bildung eines Netzwerkes, auch werden in unmittelbarer Nachbar-
schaft desselben häufig einige blaßgefärbte Vacuolen beobachtet.
Die großen Kerne liegen in der unteren Hälfte der Zelle, jedoch
der Mitte derselben genähert. Sie weisen ein deutliches feinmaschiges
Gerüst auf, in das eine große Anzahl ziemlich grober Chromatinkörn-
chen eingelagert ist, die im allgemeinen im Centrum des Kernes zu-
sammengedrängt sind, so daß an der Kernmembran eine mäßig breite
Zone entsteht, in der Chromatinpartikelchen gar nicht oder nur in sehr
geringer Zahl vorkommen. Unmittelbar an der Kernmembran liegt
eine dichte Reihe feinerer, intensiv schwarz gefärbter Körner. Die
Kerne besitzen im Schnitt die Form einer Ellipse, deren große Achse
in der Hauptachse der Zelle, mitunter, und dann nur bei verhältnis-
mäßig niedrigen und breiten Zellen, in der Nebenachse derselben liegt.
An der Basis des Epithels, fast immer zwischen zwei benachbarten
Zellen, bemerkt man die hier in großer Zahl auftretenden, sehr deut-
lichen einkernigen Regenerationszellen, die sich vermöge ihrer dunklen
Färbung scharf von ihrer Umgebung abheben. Ihr großer, sie mit-
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 143
unter fast ganz ausfüllender Kern ist kreisrund, oblong oder elliptisch
von wechselndem, meist geringem Gehalt an Chromatin, das in Form
von Körnchen in das wohlausgebildete Kerngerüst eingelagert ist
(Fig. 24).
Vielfach liegt der Kern der Basalmembran nicht unmittelbar an,
sondern in einiger Entfernung von ihr, so daß die Regenerationszelle
ein knopfförmiges Aussehen gewinnt. Es handelt sich hier wohl um
aufwachsende Elemente, die man im Epithel des Mitteldarmes unserer
Chrysomelidenlarve immer in jedem Größenzustand antrifft, und an
denen man deutlich erkennen kann, wie der Kern allmählich seine
embryonale Struktur verliert, um die Gestalt des Kernes der tätigen
Epithelzellen anzunehmen. Die aufwachsenden jugendlichen Zellen
treiben die alten auseinander und zeichnen sich durch die intensive,
dunkle Färbung ihrer in das Epithel vorgetriebenen apicalen Spitze
aus. Vielfach bemerkt man an der Basis solcher in die Höhe wach-
senden Elemente einen zweiten Kern, aus dem eine spätere Regenera-
tionsinsel hervorgeht.
Ganz ähnlich wie wir es bei der Raupe von Hyp. evon. gesehen
haben, tritt auch hier während der Häutung eine lebhafte Proliferation
derselben ein, so daß wir alsdann im Mitteldarmepithel immer eine
große Zahl auf gleicher Entwicklungsstufe befindlicher jugendlicher
Zellen antreffen, die, jenachdem wie weit die Häutung vorgeschritten
ist, sich mehr oder weniger ihrer definitiven Gestalt genähert haben
(Fig. 25).
Im Anfang der Häutung findet man in den nunmehr teilweise
mehrkernigen Regenerationszellen reichlich Mitosen, deren Achse un-
gefähr senkrecht zur Basis der Zellen steht, so daß also von den
Tochterkernen einer basal liegen bleibt [für eine spätere Regenera-
tionszelle] während der andre dem apicalen Pole zugewendet ist und
wahrscheinlich mit der Zelle in das Epithel hinaufwächst.
Eine eingehende Beschreibung der endgültigen Ausbildung der
jugendlichen Elemente kann hier unterbleiben, da sie im wesentlichen
auf das bei Beil. und Hyp. Gesagte hinauslaufen würde.
B. Dermestes lardarius L.
Normalzustand (Fig. 26—28).
Das Mitteldarmepithel der Larve von Dermestes lardarius besteht
aus einer einfachen Schicht hoher cylindrischer Zellen, deren Gerüst
im allgemeinen nicht erkannt werden kann und nur in wenigen Fällen
als feine undeutliche Längsstreifung hervortritt. Basal färbt sich das
144 Max Braun.
Plasma der Zellen intensiver als der übrige Teil, und an der oberen
Zellgrenze zieht sich eine schmale Körnchenzone dahin, die bei schwacher
Vergrößerung wie eine homogene Schicht aussieht und auf weite Strecken
hin fehlen kann.
An seiner freien, dem Darmlumen zugekehrten Fläche ist das
Epithel von einem mäßig hohen, deutlichen Stäbchensaum bekleidet,
der nirgendwo zu fehlen scheint, und an dem zwei Reihen von Körn-
chen, eine Basalkörnerreihe und eine extracytäre, der Stäbchenbasis
genäherte, unschwer beobachtet werden können.
Die Oberfläche des Epithels ist keine ebene, sondern weist im
Längsschnitt eine Reihe ziemlich nahe beieinander liegender mulden-
förmiger Einsenkungen auf, die dadurch hervorgerufen werden, daß
in gewissen Abständen die Hauptachse der Epithelzellen verkürzt
erscheint. Diese Vertiefungen stehen in keinem gesetzmäßigen Zu-
sammenhang mit den weiter unten zu beschreibenden Regenerations-
inseln. Die länglich elliptischen Kerne liegen in regelmäßiger Reihe
in halber Höhe des Epithels (große Achse in der Richtung der Haupt-
achse der Zelle) und zeichnen sich durch eine gewisse Armut an färb-
barer Substanz aus. Einige wenige Chromatinkörnchen sind unregel-
mäßig eingelagert in die feinkörnelige, nur schwach färbbare Grund-
substanz, die den Raum des Kernes völlig ausfüllt und ihn, da sie
heller gefärbt ist als das umliegende Zellplasma, auch da als deutlich
begrenztes Gebilde hervortreten läßt, wo er von einer Membran, wie
es häufig vorzukommen scheint, nicht umgeben ist (Fig. 26).
Apical vom Kern, der oberen Zellgrenze genähert, finden wir in
fast allen Epithelzellen, in besonders reichlicher Zahl bei solchen Larven,
die kurz vor dem Übergang in den Häutungszustand oder während
desselben konserviert worden waren, Gebilde, die, im allgemeinen von
Kugelgestalt, mitunter auch unregelmäßig geformt, schon im ungefärbten
Präparat als hell glänzende Partikel von intensivem Lichtbrechungs-
vermögen hervortreten und sich in Eisenhämatoxylin nach Heiden-
hain schwarz, in Hämatoxylin nach Ehrlich weinrot färben. Es ist
mir unbekannt, als was diese Einschlüsse aufzufassen sind, ob als
Secret- oder Excretkörner oder irgendwelche andre Substanzen.
Von der Muskelpleura wird das Rohr des Mitteldarmes durch
eine feine Membran getrennt, die nirgendwo eine Unterbrechung zeigt.
Auf ihr ruhen in gewissen, mehr oder weniger großen Abständen die
im voll ausgebildeten Zustand vielkernigen Regenerationsinseln [Re-
generationscrypten]. Sie enthalten in einer sich ziemlich lebhaft
tingierenden Protoplasmamenge eingebettet, in der außer einer un-
Das Mitteldarniepithel der Insektenlarven während der Häutung. 145
deutlichen Körnelimg irgendwelche Strukturen nicht wahrgenommen
werden können, eine beträchtliche Anzahl ungleich großer Kerne von
sehr geringem Chromatingehalt. Häufig trifft man in ihnen auf caryo-
kinetische Figuren. Die Regenerationsinseln sind von wechselnder
Gestalt. Am häufigsten haben sie die Form knollenförmiger Gebilde,
die mit breiter Basis auf der hier etwas in das umliegende Muskel-
gewebe vorgewölbten Membran ruhen, welche ich nunmehr in Rück-
sicht auf die Regenerationsinseln und ihre Funktion dem sich neu-
bildenden Epithel gegenüber als Stützmembran bezeichnen werde.
Kurz vor jeder Regenerationsinsel entsendet sie einen Ausläufer, welcher
dieselbe gegen die Prinzipalachse des Darmes hin umfaßt, so daß sie
auf allen Seiten von einer festen Hülle umgeben ist und mit den Epithel-
zellen, von denen sie noch durch eine weitere sogleich zu beschreibende
Schicht getrennt ist, nicht in Berührung kommt (Fig. 26).
Die Zellen des Epithels stehen nämlich nicht direkt auf der Stütz-
membran, sondern es zieht sich an ihrer Basis eine mächtige Lamelle
dahin, die sich mit Pikrinsäure lebhaft gelb färbt und durch ihre Wider-
standsfähigkeit gegen Kalilauge als Chitinschicht erweist. Sie besitzt
im völlig ausgebildeten Zustand stellenweise die Dicke der äußeren
Cuticula und bildet regelmäßige Ausbuchtungen um die Regenerations-
inseln herum. Die Stützmembran liegt also zwischen der Darmmusku-
latur und der Chitinlamelle, die man aber nicht als basales Abscheidungs-
produkt der tätigen Epithelzellen betrachten darf, sondern als Ergatom
gewisser, in dieser Richtung eigens differenzierter, basal liegender
Elemente des Mitteldarmepithels ansehen muß. Die Reste dieser
Bildungszellen findet man auf verschiedenen Stufen des Verfalles be-
sonders an den vorerwähnten Ausbuchtungen der Chitinschicht. Sie
erweisen sich als mehr oder minder deutlich entwickelte Kerne, die,
teilweise noch mit einem Überbleibsel des zugehörigen Zellkörpers
versehen, durch allseitige Chitinabscheidung bereits ganz in das Innere
der von ihnen ausgebildeten Lamelle verlagert sein können, die dann
im Schnitt häufig in mehrere Äste gespalten erscheint (Fig. 27), oder
die Chitinabsonderung ist noch nicht so weit vorgeschritten und hat
auf der dem Darmlumen zugekehrten Seite noch garnicht oder eben
erst begonnen (Fig. 28). Über den Zweck der Chitinlamelle ist näheres
nicht zu ermitteln (s. auch Schluß).
Häutung (Fig. 29—34).
Der Beginn der Häutung charakterisiert sich im .Mitteldarm-
epithel der Dermestes-Lawe durch eine Abflachung der Regenerations-
zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 10
146 Max Braun,
inseln, die miteinander in Verbindung treten, wobei die Stützmembran
der Länge nach gespalten wird, oder die sieb, ausbreitenden Inseln
fortwährend an ihrer freien Oberfläche eine Membran abscheiden
(Fig. 29, 30). Welche von diesen beiden Ansichten die richtige sein
mag, kann ich nicht mit Sicherheit angeben, möchte mich aber der
ersteren zuneigen. Jedenfalls bleibt das sich ausbildende jugendliche
Epithel dauernd durch eine Membran einerseits gegen die Muskulatur,
andererseits gegen das Darmlumen abgegrenzt.
Der von vornherein nicht sehr innige Zusammenhang der basalen
Ckitinlamelle mit der auf ihr ruhenden Zellschicht des Mitteldarmes
zeigt sich soweit gelockert, daß es unter der Einwirkung des Konser-
vierungsmittels stellenweise zu einer völligen Abhebung des Epithels
kommt, das schon die Zeichen des beginnenden Zerfalls trägt. Die
Zellgrenzen sind im Verschwinden begriffen, die Anzahl der Kerne
erscheint vermindert und das Protoplasma erweist sich als von einem
grobmaschigen Netzwerk durchzogen, das dem alten Epithel ein un-
regelmäßig vaeuoläres Aussehen verleiht. Eine nutritorische Zone ist
nicht mehr vorhanden, der Stäbchensaum ist stellenweise aufgelöst,
läßt jedoch an seinen noch intakten Partien beide Körnchenreihen
erkennen. Die weiter oben beschriebenen rätselhaften kugelförmigen
Gebilde treten mit großer Deutlichkeit hervor.
Die Regenerationsinseln, die zunächst nur abgeflacht oder durch
eine schmale Protoplasmabrücke verbunden waren, breiten sich nun
unter weiterer Vermehrung der Kerne allmählich immer mehr aus
und fließen schließlich so ineinander über, daß die Stellen, wo sie
bisher gelegen waren, nicht mehr erkannt werden können. So ent-
steht eine niedrige Protoplasmaschicht, in der ein unregelmäßiges,
engmaschiges Netzwerk klar hervortritt, und die eine nicht unbe-
trächtliche Anzahl sehr chromatinarmer, aber mit deutlicher Membran
versehener Kerne enthält. Sie ist sowohl basal als auch apical von
einer Membran begrenzt, über deren Herkunft schon oben das Nötige
gesagt wurde, und von denen die eine, dem Darmlumen zugekehrte,
stellenweise eine Längsspaltung erkennen läßt. Zellgrenzen, sowie
eine regelmäßige Anordnung der Kerne, die ein Gerüst feiner Fädchen
und mitunter nur ein einziges kleines Chromatinkörnchen enthalten,
sind in dem jungendlichen Epithel noch nicht vorhanden (Fig. 31).
Das alte Epithel ist inzwischen weiter seinem Verfall entgegen-
gegangen. Es zeigt einen noch mehr gelockerten Aufbau als im Be-
ginn des Häutungsprozesses und enthält eine Anzahl größerer Lücken,
in denen mitunter viele feine Körnchen liegen. Dicht unter dem nur
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 147
noch stellenweise vorhandenen Stäbchensaum, dessen beide Körner-
reihen dann immer noch nicht ihre Deutlichkeit eingebüßt haben,
liegt eine breite Zone dicht aneinandergelagerter Körnchen, die frei
ist von jenen eigenartigen schwarz gefärbten Kugeln, die jetzt in großer
Zahl in den oberflächlichen Partien des alten Epithels beobachtet wer-
den und sich auf das deutlichste von ihrer Umgebung abheben. Mehr
basal und in nicht mehr regelmäßiger Anordnung liegen die nur noch
in geringer Zahl vorhandenen Kerne, die sich nunmehr als sehr chro-
matinarm erweisen, stellenweise der Membran entbehren und nicht
selten anscheinend im Zerfall begriffen sind. Zellgrenzen sind natür-
lich nirgendwo mehr zu erkennen. Die basale Chitinlamelle zeigt noch
die Ausbuchtungen, in denen früher die Regenerationsinseln gelegen
waren, ihre Konturen sind aber nicht mehr scharf sondern zerfasert,
und es tritt eine feine Längsstreif ung der Lamelle, in der jetzt Kerne
vermißt werden, hervor. Das alte Epithel liegt in diesem Stadium
noch seiner ganzen Länge nach dem jungen auf, von ihm durch einen
Zwischenraum getrennt, in dem sich keine Zellen vorfinden (gegen
Möbusz), und der, abgesehen von der oben beschriebenen Membran
und einer geringen Menge einer gelblich gefärbten, anscheinend ge-
ronnenen Masse, vollständig leer ist (Fig. 31). Mit der weiteren Aus-
bildung des jungen Epithels geht nun eine durch die Peristaltik de&
Darmes bewirkte Verlagerung des abgestoßenen in die hinteren Re-
gionen des Mitteldarmes Hand in Hand.
In dem jungen Epithel ordnen sich die Kerne, deren Chromatin-
gehalt nun eine geringe Vermehrung erfährt, allmählich in einer sich
in etwa halber Höhe dahinziehenden Reihe an, wobei zu gleicher Zeit
die Ausbildung eines Stäbchensaumes mit zunächst noch einfacher
Basalkörnerreihe erfolgt.
Einige Kerne jedoch bleiben an der Basis des mit einem feinen
engmaschigen Netzwerk durchzogenen Epithels liegen. Sie sind kleiner
als die emporgewanderten, von länglich gestreckter Gestalt und größerem
Chromatingehalt und nichts anderes als die Kerne der oben beschriebenen
Bildungszellen der basalen Chitinlamelle, mit deren Ausscheidung auch
alsbald begonnen wird. Auf einem gewissen Stadium, wo das jugend-
liche Epithel noch keine Zellgrenzen enthält, seine Kerne aber schon
sämtlich in ungefähr derselben Höhe liegen1, ist sie bereits als deutlich
doppelt konturierte, lebhaft gelb gefärbte Schicht an der Basis des
Epithels zu erkennen und enthält sogar schon einige Kerne, während
1 Zustand unmittelbar nach der Häutung.
10*
148 Max Braun,
andere ihr breit angelagert sind. Zwischen ihr und der von vornherein
liegen gebliebenen Stützmembran (oder vielleicht besser: dem von vorn-
herein liegen gebliebenen Teile der Stützmembran) bemerkt man in ge-
ringen Abständen kleine Protoplasmaklümpchen, die hier und da noch
miteinander verbunden sind und einen oder mehrere Kerne enthalten.
Dies sind die künftigen Regenerationsinseln (Fig. 32). Das Epithel
wächst nun rasch zu seiner definitiven Höhe heran, die Zellgrenzen
bilden sich aus, in den jugendlichen Regenerationsinseln beginnen
lebhafte Kernteilungsprozesse, und bald hat das neue Epithel seine
endgültige Ausbildung erfahren.
Das alte Epithel liegt unmittelbar nach der Häutung in Form
eines unregelmäßig gestalteten Sackes in dem hinteren Teile des Mittel-
darmes (Fig. 33), um bald aus dem Darm entleert zu werden. Es ist
dicht gefüllt mit einer gelb gefärbten Masse (»gelber Körper« der
Autoren), die schon zu Beginn der Häutung in dem sonst leeren Mittel-
darme zu erkennen war, aber in sehr lockerer Verteilung. Das abge-
stoßene Epithel ist umgeben von der stark gefalteten alten basalen
Chitinlamelle, deren Konturen stellenweise noch weniger scharf ge-
worden sind, als es auf früheren Stadien beobachtet wurde, und die
eine deutliche Längsfaserung erkennen läßt. Außerhalb von ihr, im
neuen Darmlumen, liegt eine mehrfach verästelte membranöse Hülle,
die nichts anderes ist als die im Verlauf der Häutung zwischen dem
jugendlichen und alten Epithel beobachtete, nunmehr mit abgestoßene
Membran. In dem alten Epithel treten wieder die rätselhaften schwarzen
Kugeln klar hervor. Sie sind jetzt von beträchtlicher Größe, aber in
geringerer Zahl vorhanden als vorher. Die Kerne haben, so weit sie
noch als solche in dem unregelmäßig granulierten und vacuolisierten
Protoplasma des alten Epithels überhaupt erkennbar sind, eine un-
regelmäßige amöboide Gestalt angenommen und enthalten eine große
Zahl wenig lebhaft gefärbter Körnchen. Der Stäbchensaum ist stellen-
weise noch als undeutlicher, schmutzig gelb gefärbter Streifen zu er-
kennen (Fig. 34).
Neben dem »gelben Körper« bemerkt man in dem nunmehr mit
einem neuen, allerdings noch nicht völlig ausgebildeten Epithel aus-
gekleideten Darmlumen an einigen Stellen eine gelb gefärbte Masse,
die große Ähnlichkeit mit der von dem abgestoßenen Epithelschlauch
umschlossenen zeigt und aus demselben vielleicht durch stellenweises
Zerreißen seiner Wandung frei geworden ist. Möglicherweise stellt
sie auch ein Secret des neuen jugendlichen Epithels dar. Bald nach
der Häutung wird dann das abgestoßene Darmepithel (zusammen mit
Das Mitteldarmepithe] der Insektenlarven während der Häutung. 149
den ersten Fäces?) entleert und das neue, nunmehr völlig ausgebildete,
beginnt seine eigentliche Tätigkeit, um nach einigen Tagen seinerseits
wieder der Abstoßung zu verfallen.
Auf die Bedeutung des eben beschriebenen Häutungsprozesses
ist im Schluß näher eingegangen worden.
Leider konnte ich keinen Aufschluß über das Wesen der im Mittel-
darmepithel der Dermestes-La,Tve auftretenden schwarz gefärbten Kügel-
chen gewinnen, die bei der jedesmaligen Häutung zusammen mit dem
Epithel aus dem Körper des Insektes entfernt werden. Ihre Natur
bleibt somit zweifelhaft, ebensowenig wie entschieden werden konnte,
ob sie mit den von Prowazek und Folsom und Welles beschriebenen
kugelförmigen Gebilden identisch sind. Eine konzentrische Schichtung
konnte an ihnen jedenfalls nicht wahrgenommen werden.
Die von Möbusz (1897) für die Anihrenus- und Dermestes-hsuve
gegebene Schilderung des Verlaufes der Mitteldarmhäutung weicht von
der meinigen in wesentlichen Punkten ab, besonders was das allerdings
eigenartige Verhalten der Stützmembran, die Möbusz anscheinend
ganz entgangen ist, und die Anordnung der Regenerationsinseln anbe-
trifft. Möbusz beschreibt und zeichnet dieselben als in unmittelbarem
Zusammenhang mit den Zellen des Epithels stehend, wie es für viele
Insekten, aber nicht für die Larve von Dermestes zutrifft. Auch in
anderer Hinsicht kann ich Möbusz nicht beistimmen. Da er aber selbst
angibt, daß ihm bei seiner Untersuchung nur wenige Häutungsstadien
zur Verfügung gestanden und besonders die frühesten gefehlt hätten,
gehe ich auf seine Arbeit nicht näher ein und werde im Schluß nur noch
einige von ihm gezogene theoretische Folgerungen besprechen.
Schlußbemerkungen.
Wir stehen am Ende unsrer Untersuchungen. Wir haben gesehen,
daß, von Dermestes abgesehen, die im Mitteldarm während der jedes-
maligen Häutung auftretenden Zellvermehrungs- und Wachstumsvor-
gänge eine regenerative Bedeutung nur in sehr geringem Maße be-
sitzen, daß sie vor allen Dingen den Zweck haben, das nach der Häutung
sich ergebende rasche Längen- und Dickenwachstum des Mitteldarmes
zu ermöglichen.
Während der Bildung der neuen Cuticula, solange die Larve noch
in ihrer alten Haut steckt, ist eine Ausdehnung des Darmkanals nur
in beschränktem Grade und allein durch Faltung der Darmwände zu
150 Max Braun,
erzielen, wie sie bei einigen Formen (Lepidopterenlarven) vielleicht
auftreten mag.
Tritt nun im Häutungszustand eine starke Proliferation der Epithel-
mutterzellen ein, so bleiben sie, wenn sie ihre normale Höhe erreicht
haben, in ihren sonstigen Dimensionen zurück (Deil. euph. und Hyp.
evon.), so daß sie ebenso wie die alten Epithelzellen zum Teil seitlich
stark komprimiert erscheinen.
Erst nachdem die Larve ihre alte Cuticula abgestreift hat, setzt
ein starkes Wachstum des Darmes ein, das sich nun ohne umfangreiche
neue Nachschiebimg jugendlicher Zellen, einfach durch Ausdehnung
der während der Häutung emporgewachsenen, bewerkstelligen kann,
eine Ausdehnung, mit der zugleich die eigentliche Tätigkeit der jungen
Darmzellen beginnt.
Da, wo eine so umfangreiche Proliferation der Epithelmutter-
zellen nicht zu beobachten ist {Arge), nehmen die jungen Zellen rasch
ihre definitive Gestalt an, und eine seitliche Komprimierung der alten
Darmzellen findet nicht statt.
Wir sahen, daß der bei gewissen Insekten während ihres ganzen
Larvenlebens stattfindenden kontinuierlichen Einschiebung jugend-
licher Zellen von der Basis her bei anderen Larven ein Zusammen-
drängen solcher genetischen Vorgänge in die Zeit der Häutung gegen-
über steht. Es macht sich die Tendenz geltend, ein von den periodischen
Häutungen zunächst unabhängiges Wachstum des Mitteldarmes völlig
in die Zeit der Häutung zu verlegen, wo er fast vollständig funktionslos
bleibt, »also der gegebene Zeitpunkt für histogenetische und histo-
lvtische Vorgänge an ihm« (Deegener [1911]) gekommen ist.
Die »Regenerationsinseln«, die in verschiedener Ausbildung und
Lage im Mitteldarmepithel aller Insektenlarven jeglichen Alters zu
finden sind (mit Ausnahme anscheinend der Ephemeriden: Fritze
[1889], Leite [1911]), dienen, abgesehen von den Vorgängen während
der Metamorphose und den Fällen periodischer Abstoßimg und Er-
neuerung des gesamten Mitteldarmepithels, in erster Linie durch
Emission jugendlicher Zellen dem Wachstum dieses Darmabschnittes;
erst in zweiter Linie kommen sie für den Ersatz verloren gegangener
Elemente in Betracht. Die Abstoßung einzelner Zellen in das Darm-
lumen findet allerdings gelegentlich statt (Gehuchten [1890]) Bal-
biani [1890], Russ [1908], Deegener [1908, 1909], Poyarcoff [1910])
und ist auch von mir bei Deil. euph. und Arge beobachtet worden,
niemals dürfte es aber die Regel sein (wie es z. B. Frenzel [1891]
für homomorphe Mitteldarmepithelien ausspricht), daß eine Zelle erst
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 151
absorbierend tätig sei, um alsdann sezernierend zugrunde zu geben.
Im Gegenteil haben die Mitteldarmepithelzellen eine im allgemeinen
lange Lebensdauer und können mehrmals sezernieren und dazwischen
wieder Ruhezustände durchlaufen oder resorbierende Tätigkeit ausüben.
Über die Herkunft der Epithelinseln sind mancherlei zum Teil
höchst eigenartige Theorien laut geworden. Leeuwen [1908] läßt sie
bei Isosoma graminicola aus Wanderzellen entstehen, die zwischen die
Muskelzellen hindurchkriechen und sich schließlich in das Darmepithel
begeben. Er schließt sich damit der von Anglas [1901] ausgesprochenen
Meinung an. Rouville [1895] war es sogar vergönnt, «d'assister au
passage des noyaux du tissu conjonctif qui, peu ä peu apres s'etre
divises amitotiquement, s'entouraient d'une couche protoplasmique
et se glissaient au-dessous des cellules epitheliales sur le point de tomber
dans la hindere de l'intestin.» Derartige irrige Ansichten können
dadurch entstehen^ daß, wie ich es bei Deil. euph. auch beobachten
konnte, bei sehr reichlicher Vermehrung der Epithelmutterzellen einige
derselben in den Raum zwischen der hier abgehobenen Basalmembran
und den Epithelzellen gedrängt wurden. Es dürfte sich in Wirklichkeit
bei den in Frage kommenden Gebilden nur um »in der Entwicklung
zurückgehaltene, vorläufig überschüssige Elemente« (Deegener [1908])
handeln, die genetisch desselben Ursprunges sind wie die tätigen,
wohlausgebildeten Epithelzellen, eine Meinung, die u. a. auch Rengel
[1908] und Perez [1908, 1910] ausgesprochen haben. So sagt letzterer
[1910]: «II n'y a pas le moindre doute qu'ici (Calliphora), comme chez
tous les autres insectes, elles sont sceurs des cellules fonctionelles de
la larve; elles sont seulement restees petites et embryonnaires tandis
que leurs voisines se differenciaient avec leur activite d'absorption
physiologique. >>
Es fragt sich nun, ob es möglich ist, für die Prozesse, die wir im
Mitteldarmepithel der Insekten während der Häutung haben vor sich
gehen sehen, eine phylogenetische Erklärung zu geben.
Die Insekten sind aus Formen entstanden, die der Chitincuticula
entbehrten und periodische Häutungen, wie sie alle unsere heutigen
Insekten ohne Ausnahme durchzumachen haben, bevor sie ihre definitive
Ausbildung erreichen, nicht kannten. Ob die bereits chitinisierten Vor-
fahren unserer Insekten als Insekten im heutigen Sinne angesprochen
werden dürfen, bleibe dahingestellt, ist auch für die folgenden Aus-
führungen gleichgültig; es genügt der Hinweis, daß sie auf einem ge-
wissen phylogenetischen Entwicklungsstadium Vorahnen hatten, die
der Häutung zur Erlangung ihrer endgültigen Gestalt nicht bedurften.
152 Max Braun,
Das Mitteldarmepithel dieser Formen ist, wie man ohne Wider-
spruch mit irgendwelchen bestehenden Verhältnissen annehmen darf,
ein einschichtiges, nur aus ein und derselben Zellart zusammengesetz-
tes (homomorphes), gewesen (»Protentomon« Mayers [1876]). Das
Wachstum desselben war ein kontinuierliches, kein periodisches und
wurde bewirkt durch Vermehrung der bereits ausgebildeten Darmzellen,
vor allen Dingen aber durch Einschiebung jugendlicher Zellen von
der Basis her.
Eine basale Chitinschicht war nicht ausgebildet, das Epithel stand
auf einer Stützlamelle (Basalmembran, Tunica propria), die dem konti-
nuierlichen Wachstum nicht hinderlich war.
Die Ersatzzellen entstanden bei der Embryonalentwicklung als,
wie schon oben angedeutet wurde, zunächst überschüssige Elemente,
die durch die neben und über ihnen zu ihrer normalen Dimension und
Tätigkeit herangewachsenen Darmzellen in ihrer endgültigen Aus-
bildung zurückgehalten wurden.
Man darf hier nicht einwenden, daß ein Organismus zur Ausbildung
eines Gewebes nicht mehr Bauelemente bildet, als nötig sind, daß die
Zellteilung eben aufhört, sobald die erforderliche Anzahl von Zellen
vorhanden ist. Erstens wird eine derartige überschüssige Zellbildung
in der Entwicklung der verschiedensten Gewebe noch heutzutage
reichlich beobachtet, dann muß man aber doch bedenken, daß die
durch rapide Teilung entstandenen Zellen zunächst nicht ihre end-
gültige Dimension besitzen, sondern bedeutend kleiner sind und erst
mehr oder weniger schnell zu ihrer normalen Größe heranwachsen
müssen, die einige bereits erreicht haben, während andere noch weiter
in ihrem Wachstum zurückgeblieben sind. Es liegt auf der Hand,
daß hierbei im allgemeinen ein Überschuß von Zellen gebildet wird,
die nun nicht wieder zurückgebildet werden, sondern, zunächst an der
weiteren Ausbildung verhindert, auf einer niedrigen Entwicklungs-
stufe verharren, falls sie an dem Ort, an dem sie sich befinden, nicht
störend auf die Tätigkeit des betreffenden Gewebes einwirken. (Es
sei hier übrigens auf die wahrscheinlich irrige Beobachtung Poyar-
coffs hingewiesen, daß in dem Mitteldarmepithel der von ihm unter-
suchten Chrysomelidenlarve [1910] mitunter aufwachsende Epithel-
mutterzellen von den umliegenden Epithelzellen verdaut werden. Es
wäre dies jedenfalls ein für den Mitteldarm der Insekten einzig da-
stehendes Verhalten.)
Mit der Verhinderung an der definitiven Ausbildung bewahrten
die überschüssigen Zellen embryonale Charaktere, sowohl rein mor-
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 153
phologisch in dem Bau ihres Kernes und Plasmas, als auch physiolo-
gisch in der Fähigkeit, sich zu teilen. Ebenso wenig verloren sie jedoch
die Fähigkeit, sich zu den gewöhnlichen Epithelzellen auszubilden.
Sie taten dies auch, sobald eine, sei es durch Abstoßung einzelner
Zellen, sei es durch Wachstum des Darmes hervorgerufene Lücke in
dem Epithel die Einschiebung neuer Elemente nötig machte. Durch
vorherige Teilung war dafür gesorgt, daß bei weiterem Auftreten von
Lücken immer neues Ersatzmaterial vorhanden war.
Es kann hier nun nicht näher darauf eingegangen werden, wie
die von mir angenommene hypothetische Urform sonst organisiert
gewesen sein mag, und wie ihre Umbildung in die heutigen Insekten
vor sich ging. Es besteht jedenfalls die Tatsache, daß sie, zunächst
noch nicht mit einer Chitincuticula der Epidermis versehen, aus irgend
einem Grunde mit der Ausscheidung dieser so wenig plastischen und
dehnungsfähigen Körperbedeckung begann und nunmehr ganz eigen-
artige Entwicklungswege einschlug, die zu der ungeheuren Mannig-
faltigkeit der Formen führten, wie wir sie unter den Insekten heut-
zutage beobachten.
Wie aus der zunächst noch epimorphen Entwicklung die meta-
bolische hervorgegangen ist, wie die Entstehung der verschiedenen
Larvenformen, der Verwandlungen, die die Jugendformen durchzu-
machen haben, bevor sie zu dem geschlechtsreifen ausgebildeten Insekt
werden, zu denken ist, haben DeeCxENER (1909, 1911) und Perez (1910)
klargelegt. (Vgl. auch die Arbeiten von Heymons [1907] und Börner
[1909].)"
Mir kommt es hier nur darauf an, zu untersuchen, wie die Aus-
bildung der Chitincuticula der Insekten und die sich daraus ergebenden
periodischen Häutungen modifizierend auf die Wachstumsvorgänge
im Mitteldarmepithel eingewirkt haben mögen.
Die phylogenetisch eben erst entstandenen Insekten (von denen
wie gesagt, dahingestellt bleiben muß, ob sie in der Tat schon im wesent-
lichen unseren heutigen Formen glichen und deren Namen verdienen)
besaßen ein Mitteldarmepithel mit den oben für die noch nicht chi-
tinisierten Ausgangsformen beschriebenen Eigenschaften. Es wuchs
kontinuierlich durch Teilung der alten Zellen, vor allen Dingen
aber durch Einschiebung jugendlicher Elemente von der Basis her.
Die ausgewachsenen Zellen hatten eine verhältnismäßig nur kurze
Lebensdauer und wurden bald in das Darmlumen abgestoßen, weshalb
eben jugendliche Ersatzzellen nötig waren.
Dieser hypothetische ursprüngliche Zustand hat sich fast genau
154 Max Braun,
bei den Tenthrediniden erhalten (Arge). Auch hier beobachtet man
ein fortwährendes Aufwachsen der Epithelmutterzellen unabhängig
von den Häutungen, Abstoßung seniler Zellen findet ebenfalls, aller-
dings nur in beschränktem Maße statt, auch deutet das Vorhandensein
mehrkerniger tätiger Epithelzellen auf eine Vermehrung derselben
durch Teilung hin, wenngleich hierfür der strikte Beweis nicht erbracht
werden konnte. Daß bereits voll ausgebildete Zellen des Mitteldarmes
sich noch teilen können, lehren außer Frenzels Mitteilungen die
Untersuchungen von Folsom und Welles an Collembolen, bei denen
dadurch allein das Längenwachstum dieses Darmabschnittes bewerk-
stelligt wird, von Poyarcofp [1910] an einer Chrysomelidenlarve,
bei der allerdings die eine der durch die Teilung entstandenen Zellen
alsbald in das Darmlumen abgestoßen wird, und von Carnoy (1885),
der direkte Kernteilung im Mitteldarmepithel von Aphrophora spumaria
beobachtet hat.
Etwas weiter als die Tenthrediniden haben sich die Museiden —
wohlbemerkt nur in bezug auf die Wachstumsvorgänge im Mittel-
darmepithel der Larve — von der Ausgangsform entfernt, da bei ihnen
eine Abstoßimg oder Teilung der ausgebildeten Epithelzellen nicht
mehr beobachtet wird.
Wir sehen also, daß bei gewissen Insekten die Häutungen ohne
tieferen Einfluß auf die Wachstumsvorgänge im Mitteldarm geblieben
sind. Wo sich jedoch ein solcher Einfluß bemerkbar macht, führt er
zur Verschiebung dieser Vorgänge in die Zeit der Häutung. Das Wachs-
tum des Mitteldarmes wird ein periodisches, ebenso wie das Wachstum
des ganzen Körpers. Dem Prinzip, nach dem sich die Größenzunahme
der mit einer so wenig dehnungsfähigen Hülle versehenen Insekten
richtet, wird das Wachstum des Darmes ebenfalls angepaßt, und es
ist schon rein mechanisch leicht zu verstehen, daß, wenn der Körper
nur in gewissen Intervallen zu wachsen vermag, auch die Ausdehnung
des Darmkanals einem ähnlichen Gesetz untergeordnet wird.
Deegener hat diese Ideengänge näher entwickelt (1909). Nach-
dem er darauf hingewiesen hat, daß Stomodaeum und Proctodaeum
als mit einer Chitinauskleidimg versehene Darmabschnitte durch die
Häutung unmittelbar betroffen und demzufolge während dieser Zeit
funktionslos werden, fährt er fort: »Diese Ruhepause wurde dem
Mitteldarm aufgezwungen, dessen ursprünglich wohl kontinuierliche
Epithelregeneration so zu einer periodischen wurde. Der Mitteldarm
wird also durch die Häutung erst indirekt beeinflußt, da er als ver-
dauender Darmabschnitt funktionslos wird, sobald der zuführende
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 155
Abschnitt, der ganze Vorderdarm, sich im Zustand der Funktionsun-
fähigkeit befindet. So konnte er, um zwischen den Häutungsperioden
ununterbrochen in voller Tätigkeit zu sein, das Ersatzmaterial für
sein Epithel, ähnlich wie Vorder- und Enddarm an ihren jüngsten
Partien, in Gestalt morphologisch und physiologisch indifferenter,
aber determinierter Zellhäufchen (»Imaginalinseln«) bis zur gelegenen
Zeit, d.h. bis zur Häutung aufsparen. «
Wo den Epithelzellen nur eine kurze Lebensdauer beschieden ist,
erfolgt ihre ursprünglich kontinuierliche Abstoßung zur Zeit der Häu-
tung; wird die Entfernung der unbrauchbar gewordenen Elemente
eine massenhafte, so kommt es zur Ausbildung der von Sommer und
Prowazek an Collembolen beobachteten Vorgänge, auch die allerdings,
wie gesagt, der Nachprüfung bedürftigen Mitteilungen von Verson
über die Raupe des Seidenspinners sind hier zu erwähnen.
Ist jedoch die Lebensdauer der Epithelzellen eine längere, ihre
periodische Abstoßung daher eine überflüssige, so entstehen die Ver-
hältnisse, die wir bei Deil. euph. kennen gelernt haben.
Auf einer etwas ursprünglicheren Stufe findet neben der periodi-
schen Einschiebung einer beträchtlichen Anzahl von Epithelmutter-
zellen während der Häutung auch eine, natürlich bei weitem nicht
so lebhafte, kontinuierliche Proliferation derselben in den Zwischen-
zeiten statt (Hyp. evon., Melas. 20punct.). Ein ähnliches Verhalten
dürfte nach Deegeners Untersuchungen 1908 an Malacosoma castrensis
zu beobachten sein, wo möglicherweise auch Entwicklungsvorgänge
vorliegen, die sich den bei den Collembolen stattfindenden nähern,
da Deegener bei Malac. castr. eine, wenn auch vereinzelte, Abstoßung
von Zellen in der Zeit zwischen den Häutungen konstatieren konnte.
Bei Deil. euph. ist dann tatsächlich das Wachstum des Darmes
ein rein periodisches geworden. Eine Proliferation der Epithelmutter-
zellen ist nur noch während der Häutung zu bemerken.
Auch in anderen Arthropodenklassen mögen ähnliche Verhältnisse
vorliegen, wie wir sie bei den Insekten kennen gelernt haben. Wie
in der Einleitung bereits gesagt wurde, stoßen nach v. Rath (1890)
z. B. gewisse Myriopoden (Polydesmus) während der Häutung ihr ge-
samtes Mitteldarmepithel ab. Doch sind genauere Untersuchungen
auf diesem Gebiete bisher noch nicht bekannt geworden.
Eine andere Entwicklungsrichtung wie die bisher beschriebene
scheinen die Ephemeriden, eine nach Ansicht mehrerer Forscher
(Börner [1909]) höchstwahrscheinlich sehr altertümliche Insekten-
gruppe, eingeschlagen zu haben. Das Wachstum des Mitteldarmes
156 Max Braun,
ist hier nicht an die »Regenerationsinseln« gebunden, da solche im
Mitteldarmepithel der Ephemeriden nicht vorkommen sollen. Fritze
[1889] erwähnt ausdrücklich, daß er bei seinen Untersuchungen über
den Darmkanal der Ephemeriden nie auf Zellen gestoßen sei, die den
Zweck gehabt haben könnten, an Stelle der alten zugrunde gegangenen
Epithelzellen zu treten. Das Darm Wachstum dürfte hier nach Leite
[1911] vielmehr derart geschehen, daß die Zellen des hinteren Imaginal-
ringes, der an der Grenze von Mittel- und Enddarm liegt, sich allmählich
abflachen und kontinuierlich in das Darmepithel übergehen. Der
Unterschied gegen die übrigen Insekten würde dann hier nur darin
liegen, daß das Material für die neuen Epithelzellen aus einem einzigen,
am hinteren Ende des Mitteldarmes gelegenen Regenerationsherd ent-
nommen wird.
Es fragt sich nun, wie die völlige Abstoßung des gesamten Mittel-
darmepithels während jeder Häutung bei den Larven von Dermestes
und Anthrenus zu verstehen ist. Hiermit ist aufs engste eine weitere
Frage verknüpft, nämlich: was bedeutet das Auftreten eines spezi-
fischen Mitteldarmepithels in der Puppe, wie es besonders Deegener
(1904) bei Cybister beobachtet hat und allem Anschein nach noch bei
mehreren anderen Insekten zu verzeichnen ist. Wenigstens lassen sich
nach Perez (1908) gewisse Vorgänge in der Mitteldarmmetamorphose
bei Callifhora und einigen Ameisen durch die Annahme eines aller-
dings in höchstem Grade rudimentär gewordenen spezifischen Mittel-
darmepithels der Puppe erklären.
Auf den ersten Blick bieten uns anscheinend die durch Sommer,
Prowazek und Möbusz bekannt gewordenen Fälle periodischer Mittel-
darmhäutung eine Handhabe zur Erklärung dieser eigenartigen Tat-
sache. Ich habe bereits gezeigt, daß es bei einigen Insekten im Laufe
ihrer phylogenetischen Entwicklung zu einem Verhalten des Mittel-
darmes derart gekommen ist, daß dieser in mehr oder minder regel-
mäßigen Intervallen zusammen mit jeder äußeren Häutung auch sein
Epithel völlig abstößt und erneuert. Aus gewissen, weiter unten näher
zu besprechenden Gründen habe ich allerdings Dermestes zunächst
von der Betrachtung ausgeschlossen. Es wäre dann das Vorhanden-
sein eines der Puppe eigentümlichen Mitteldarmepithels sehr einfach
dadurch zu erklären, daß eben bei der betreffenden Form mit jeder
Häutung auch eine Totalregeneration des Mitteldarmepithels ver-
bunden, oder, wenn nicht beobachtet, doch wenigstens ursprünglich
vorhanden gewesen sei. Da Puppe und Larve in letzter Linie auf
dieselbe Urform zurückzuführen sind, hätte sich dann in den betreffen-
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 157
den Fällen in der Metamorphose, mit der zwei äußere Häutungen
verknüpft sind, ein derartiger Zustand erhalten, so daß das Mittel-
darmepithel tatsächlich zweimal entfernt werden müßte. Die Häutung
zur Puppe bedeutet die Abstoßung des letzten larvalen, die zur Imago
die Abstoßung des pupalen Epithels, wobei eine Verschiebung insofern
eintreten kann, als äußere und innere Häutung zeitlich nicht mehr
zusammen zu fallen brauchen (s. auch Deegenek [1911]).
Diese Erklärung, die in der Tat in gewissen Fällen eine stich-
haltige sein mag, würde uns, wie schon angedeutet wurde, zu der An-
nahme zwingen, daß die Larven von Callipkora ursprünglich ihr Mittel-
darmepithel während jeder Häutung erneuert hätten, daß dann se-
kundär dieser Vorgang zum Fortfall gekommen sei, sich aber noch
in der hier mehr konservativen Puppe aus gewissen Gründen, wenn auch
nur noch undeutlich erkennbar, erhalten habe; wir würden uns um
so mehr für berechtigt zu dieser Annahme halten, als die Calliphora-
Larven auch in anderer Hinsicht als sekundär stark verändert zu be-
trachten sind.
Da wir aber annehmen können, daß die Cattiphora-La,rxe in Wirk-
lichkeit im ganzen Lauf ihrer phylogenetischen Entwicklung niemals
ihr Mitteldarmepithel periodisch erneuert hat, sehen wir uns gezwungen,
für diesen Fall nach einer anderen Erklärung für das Auftreten eines
spezifischen Puppenepithels zu suchen, die mit der eben ausgesprochenen
Annahme in Einklang zu bringen ist, ohne doch damit der vorher
gegebenen Erklärung jegliche Bedeutung absprechen zu wollen. Wie
weit diese in der Tat berechtigt sein mag — für Calliphora kann sie
nicht aufrecht erhalten werden — muß die Zukunft lehren. Wir sind
leider nicht über das Verhalten des Mitteldarmes der Cybister-Lawe
während der Häutung unterrichtet, auch liegen genauere Unter-
suchungen über die Metamorphose von Dermestes und Anthrenus nicht
vor, so daß sich zunächst noch keine Beispiele für ihre Eichtigkeit
anführen lassen.
Wie ist also die noch erkennbare Andeutung eines besonderen
Mitteldarmepithels in der Puppe von Calliphora zu erklären?
Es könnte hier die Meinung ausgesprochen werden, daß bei großem
Unterschiede des letzten larvalen Epithels gegen das imaginale in der
Metamorphose das letztere nicht sofort gebildet werden kann, nachdem
das erstere entfernt worden ist, daß die Puppe sich gewissermaßen
gezwungen sieht, zunächst eine Art vermittelndes Epithel herzustellen.
Es scheint diese Erklärung, so plausibel sie an sich aussehen mag,
jedoch keine völlig befriedigende zu sein. Sie setzt voraus, daß tat-
158 Max Braun,
sächlich in morphologischer und physiologischer Hinsicht weitgehende
Unterschiede . zwischen dem Mitteldarmepithel des letzten Larven-
zustandes und der Imago bestehen müssen, um das Auftreten eines
spezifischen Puppenepithels zu rechtfertigen. Im Falle der Calliphora
kann dem ja nur noch rudimentären Puppenepithel eine vermittelnde
Bedeutung natürlich nicht zugeschrieben werden. Überhaupt würde
durch ein solches der Übergang vom larvalen zum imaginalen Epithel
durchaus nicht erleichtert, sondern erschwert werden, da es ja seiner-
seits auch wieder gänzlich beseitigt werden muß. Andererseits sehen
wir (z. B. bei Lepidopterenlarven), daß auch da, wo das Epithel des
Mitteldarmes bei Larve und Imago sich sehr weit voneinander unter-
scheiden, während der Nymphose nach Abstoßung des letzten larvalen
Epithels sofort das imaginale ausgebildet wird, sich hier also eine
Zwischenstufe als unnötig erweist. Wir kommen somit zur Ablehnung
des eben angeführten Standpunktes.
Doch nun endlich zur Beantwortung unserer Frage!
Wir können als sicher annehmen, daß die heutigen Insekten aus
Formen mit epimorpher Entwicklung hervorgegangen sind, daß insbe-
sondere die heutige Larve und Puppe (Subimago) der Holometabola
nachträgliche Erwerbungen darstellen (s. besonders Deegener [1909]).
Wir teilen nun, um uns diesen Entwicklungsgang näher zu ver-
anschaulichen, die im Laufe der individuellen Entwicklung des Ur-
insektes auftretenden Formen in drei Gruppen. In die Gruppe A
vereinigen wir gewisse jugendliche Entwicklungszustände , in die
Gruppe B spätere, in die Gruppe C endlich die letzten schon geschlechts-
reifen Formen (die eventuell durch eine einzige repräsentiert sein
können. Mehrere sind als möglich zu betrachten, da bereits vollaus-
gebildete Insekten sich noch zu häuten vermögen, wie die Collembolen
lehren). Die Gruppe C stellt also die Imago des Urinsektes dar. Ich
betone ausdrücklich, daß die angeführte Gruppierung durchaus nicht
den Sinn einer Einteilung haben soll und kann. Die Formen der Gruppe A
gingen bei der ja noch als epimorph angenommenen Entwicklung des
Urinsektes kontinuierlich in die der Gruppe B, diese in die der Gruppe C
über. Die Einführung der Gruppen geschieht nur aus formalen Grün-
den, um eine kürzere und eindeutige Ausdrucksweise zu ermöglichen.
Die phylogenetische Weiterentwicklung des Urinsektes auf die
heutigen Holometabola hin vollzog sich nun derart, daß aus den Zu-
ständen der Gruppe A die heutigen Larven, aus denen der Gruppe B
die heutige Puppe (Subimago), aus denen der Gruppe C die heutige
Ima^o wurden.
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 159
Es ist hier nicht der Ort, näher auf diese Entwicklungsgänge
einzugehen. In gewissen Fällen müßte man innerhalb der Haupt-
gruppen vielleicht noch gewisse Untergruppen einführen oder von
vornherein eine größere Anzahl von Hauptgruppen aufstellen. Ich
verweise auf die weiter oben bereits angeführten Arbeiten von Dee-
gener, Heymons, Perez u. a. und werde hier nur die Schicksale be-
trachten, denen der Mitteldarm während der Entwicklung des Ur-
insektes zum holometabolen Insekt möglicherweise unterworfen war.
1) Es kann von der weiteren Entwicklung der Gruppen A, B
und C, deren sämtliche Zustände ja zunächst noch einen gleichen
Mitteldarm hatten, dieser letztere Darmabschnitt unberührt geblieben
sein. Es würde dann bei den betreffenden heutigen Insekten der
Mitteldarm von Larve, Puppe und Imago wesentliche Übereinstim-
mung in morphologischer und physiologischer Hinsicht aufweisen.
Es kommt nun nur noch darauf an, wie sich sein Wachstum gestaltete.
Blieb es ein kontinuierliches oder wurde es ein periodisches, so daß
in gewissen Intervallen ohne reichliche Zellabstoßung eine große Anzahl
jugendlicher Elemente in das Epithel eingeschoben wurde, so mußte
eine Metamorphose des Darmkanals beim Übergang der Larve in die
Imago überhaupt unterbleiben. Es sind mir leider keine Beispiele
für letzteren Fall bekannt, vielleicht verdient hier eine Mitteilung
Frenzels (1886) angeführt zu werden, der angibt, daß bei Ephestia
kühniella eine Abstoßung des Mitteldarmepithels während der Nym-
phose nicht beobachtet wird. Wenn dagegen das Wachstum ein periodi-
sches, verbunden mit teilweiser oder völliger Epithelregeneration wurde,
so dürfen wir uns allerdings nicht wundern, in der Puppe ein besonderes
Mitteldarmepithel vorzufinden. Hier ist möglicherweise Cybister an-
zuführen.
2) Ein weiterer extremer Fall wäre der, daß sowohl die Zustände
der Gruppe A als auch die der Gruppe B und C in bezug auf den Mittel-
darm getrennte Wege eingeschlagen hätten, so daß in diesem Falle
heute Larve, Puppe und Imago einen gänzlich verschiedenen Mittel-
darm besäßen. In diesem Fall müßte die Puppe immer ein spezifisches
Mitteldarmepithel haben, ganz gleichgültig, ob das Wachstum des Mittel-
darmes ein kontinuierliches blieb (Calliphora) oder ein periodisches
mit oder ohne Abstoßung wurde. Der letztere Fall würde sich aller-
dings nicht immer sofort von dem unter 1. an letzter Stelle angeführten
unterscheiden lassen.
3) A und C haben sich gleichartig entwickelt, B verschieden davon.
Beispiele unbekannt und unwahrscheinlich.
160 Max Braun,
4) A und B haben sich gleichartig entwickelt, C verschieden davon,
Resultat : Larve und Puppe haben denselben Mitteldarm, Imago einen
anders gestalteten. Blieb sein Wachstum ein kontinuierliches oder
wurde es ein periodisches ohne Erneuerung, so hat die Puppe kein
besonderes Mitteldarmepithel [Lepidoptera], wurde das Epithel mit
den Häutungen jedesmal abgestoßen und regeneriert, so ist ihr ein
solches zuzuschreiben. Sichere Beispiele unbekannt.
5) B und C haben sich gleichartig entwickelt, A verschieden
davon. Resultat: Puppe und Imago haben denselben Mitteldarm, die
Larve einen besonderen. Es braucht sich, selbst wenn die Larve ihr
Mitteldarmepithel periodisch erneuert, kein spezifisches bei der Puppe
auszubilden. Letzteres tritt nur ein, wenn die der Gruppe B und C
angehörigen Formen schon frühzeitig eine periodische Abstoßung des
gesamten Mitteldarmepithels erwarben.
Nicht zur Berücksichtigung gelangt sind in diesen theoretischen
Erwägungen exzeptionelle Fälle (z. B. Poyarcoff [1910]) oder solche,
bei denen die Entwicklungsrichtung ein oder mehrmals gewechselt
hat. Die Anzahl der angeführten Beispiele ist eine geringe, da das
vorhandene Tatsachenmaterial ein minimales ist. Erst die Zukunft
wird lehren, ob die von mir vorgetragene Ansicht als eine richtige
zu betrachten ist. Mit den bisher bekannten Fällen, und es sind deren
allerdings nur wenige, läßt sie sich jedenfalls vereinigen.
Es sei noch kurz auf einige Schwierigkeiten hingewiesen, die sich
bei der Einreihung gewisser Formen in das obige Schema ergeben
könnten. Es ist nämlich möglich, daß das Puppenepithel nicht zur
Ausbildung gelangt, trotzdem es als spezifisches Gebilde eigentlich
vorhanden sein müßte. Wir haben dabei zu berücksichtigen, daß der
Mitteldarm der Puppe als gar nicht oder nur in sehr beschränktem
Maße funktionierendes Organ sehr leicht der Rückbildung verfallen
kann, und wir dann die betreffende Form in dem oben aufgestellten
Schema an einer Stelle unterbringen würden, wo sie eigentlich gar-
nicht hingehört. Auch ist zu bemerken: trotzdem die heutige Imago
nicht auf einen, sondern eine gewisse Anzahl von Entwicklungs-
zuständen der Urform zurückzuführen ist, die ja durch Häutungen
ineinander übergingen, unterbleibt heutigen Tages bei der über-
wältigenden Mehrheit der Insekten eine Häutung im voll ausgebildeten
Zustand gänzlich aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind. Ein
ursprünglich periodisches Wachstum des Mitteldarmes verbunden mit
Epitheldegeneration und -regeneration braucht bei der heutigen Imago
durchaus nicht mehr in dieser Form erhalten zu sein, da alle
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 161
morphologischen Gründe für ein solches Verhalten des Mitteldarmes
fortgefallen sind und nur noch eventuell physiologische in Betracht
kommen.
Außerdem muß erwähnt werden, daß der Übergang aus dem Mittel-
darmepithel eines Zustandes in das eines anderen sich durchaus nicht
immer auf dem Wege der Abstoßung und Neubildung zu vollziehen
braucht, selbst wenn Unterschiede vorhanden sind. Sind diese nur
nicht zu einschneidende, so kann der Übergang sehr wohl durch ein-
fache Umbildung geschehen. So hat Russ (1908) konstatiert, daß
bei einigen Trichopteren der imaginale Darm dadurch gebildet wird,
daß von dem pupalen nur ein Stück zur Abschnürung gelangt.
Wir sehen also, daß sich ein allgemein gültiges Schema für das
Verhalten des Mitteldarmes der Insekten während der Häutung und
der Metamorphose nicht aufstellen läßt. Bestimmend für das Auf-
treten eines spezifischen Mitteldarmepithels in der Puppe sind die
Art und Weise des Wachstums desselben (kontinuierliches oder periodi-
sches mit oder ohne Erneuerung) und außerdem noch der Grad der
Übereinstimmung oder Verschiedenheit des larvalen, pupalen und
imaginalen Darmes, wobei die phylogenetische Entwicklung zum
nötigen Verständnis führt. Man wird mithin von Fall zu Fall entschei-
den müssen, wie die betreffende Form in dieser Hinsicht zu beurteilen ist.
Wir kommen nunmehr zur Beurteilung der periodischen Mittel-
darmepithelerneuerung bei der Larve von Dermestes, auf die ich bisher
mit Absicht noch nicht näher eingegangen bin.
Die unmittelbare Ursache für die auffallend häufige Epithel-
abstoßung im Mitteldarm der Dermestes-Laive liegt einzig und allein
in dem Vorhandensein jener basalen Chitinlamelle, die ein Längen-
wachstum des Darmes wegen ihrer geringen Dehnbarkeit nur in mini-
malem Umfange gestattet und daher, und zwar in kurzen Zwischen-
räumen, zur Abstoßung gebracht werden muß. Dabei wird jedesmal
natürlich auch das axialwärts liegende Epithel mit entfernt.
Es ist nun zurzeit unmöglich, festzustellen, in welcher der von
mir oben eingeführten Rubriken Dermestes einzuordnen ist, da wir
weder über die Metamorphose noch über den Darm der Imago genaue
Kenntnis besitzen. Ich werde, um diese Lücke auszufüllen, sobald
es mir die Verhältnisse gestatten, spätestens jedoch im Laufe des näch-
sten Jahres mit den nötigen Untersuchungen beginnen und gegebenen-
falls Mitteilung von den Resultaten machen und zu gleicher Zeit fest-
zustellen versuchen, ob sich irgendetwas über die Gründe ermitteln
läßt, die einige Insekten bewogen haben mögen, an der Basis ihres
Zeitschrift f. \vissensr;h. Zoologie. CHI. Bd. 11
162 Max Braun,
Mitteldarmepithels eine Chitinlamelle zur Ausscheidung zu bringen,
die im Verein mit der Intima des Vorder- und Enddarmes das ganze
Tier in Form einer Chitinröhre durchzieht, die nur an den Übergangs-
stellen der drei Hauptabschnitte des Darmes unterbrochen zu sein
scheint. Es ist fraglich, ob hier die Nahrung, die Lebensweise, Schutz-
bedürfnis gegen gewisse, vom Darmhohlraum her eindringende Para-
siten eine Rolle gespielt haben, und ob möglicherweise auch den zur
Beobachtung gelangten, bisher noch rätselhaften kugelförmigen Ge-
bilden in der oberen Zellhälfte eine Bedeutung in dieser Hinsicht bei-
zumessen ist. Zum Vergleich bei der Untersuchung wird Anthrenus
herangezogen werden, wobei zu berücksichtigen sein wird, daß die
Imago bei Dermestes dieselbe Lebensweise hat wie die Larve, bei An-
threnus hingegen nicht.
Ich habe in die Betrachtungen über die phylogenetische Ent-
wicklung der im Mitteldarm der Insekten während der Häutung zur
Beobachtung gelangenden Vorgänge Dermestes nicht einbezogen; denn
wir haben keine sicheren Anhaltspunkte dafür, wann im Laufe der
Phylogenesis dieser Form die basale Chitinlamelle am Mitteldarm zur
Ausbildung gelangt ist und ob sie vielleicht eine nachträgliche Er-
Werbung der Larve darstellt. Die Zukunft wird hier möglicherweise
Aufklärung schaffen.
Ich habe bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, welche
allgemeinen Sätze Möbusz an seine und Sommers Entdeckung der mit
den Häutungen zusammenfallenden periodischen Epithelerneuerungen
im Mitteldarm einiger Insekten knüpft. Man wird im Gegensatz zu
Möbusz nur ohne Kenntnis der inneren Vorgänge die Meinung aus-
sprechen können, daß die Metamorphose allgemein eine intensive
Häutung, die Häutung eine abgeschwächte Metamorphose sei. Beide
Vorgänge haben, rein äußerlich betrachtet, allerdings den Zweck, das
Tier auf seine volle Organisationshöhe zu bringen und tun das auch,
nur die Häutung »abgeschwächt«, d. h. ohne daß (bei den holometa-
bolen Insekten) die Ähnlichkeit der Jugendform mit der Imago immer
mehr hervortritt, sondern zunächst nur Größenzunahme zu beobachten
ist, die Metamorphose »intensiver«, indem nun aus dem letzten, von
der Imago noch wesentlich verschiedenen Larvenstadium durch eine
zweimalige Häutung das Tier in seiner endgültigen Gestalt hervorgeht.
Bei genauerer Betrachtung tritt aber der grundlegende Unterschied
zwischen Larvenhäutung und Metamorphose klar zutage.
Auf die Häutung zur Puppe folgt unaufhaltsam die kontinuierliche
Entwicklung zur Imago, an die Larvenhäutung schließt sich in der
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 163
Regel ein dem vorhergehenden im wesentlichen gleiches Larvenstadium
an. Wo Fälle der totalen Epithelregeneration während der Häutung
beobachtet werden, ist das neue Epithel dem alten gleich (abgesehen
von einem Wachstum), während es in der Metamorphose im allgemeinen
zur Ausbildung eines mehr oder weniger abweichend gebauten Mittel-
darms kommt. Das sind wesentliche Unterschiede, die eine tiefere
Bedeutung haben, als sich auf den ersten Blick zeigt, und, wie gesagt,
aus dem phylogenetischen Gewordensein von Larve und Puppe zu
erklären sind.
Mit der Häutung zur Puppe setzt die Rekapitulation eines anderen
phylogenetischen Stadiums ein, als desjenigen, auf das die Larve zu-
rückzuführen ist. Der Puppe liegt eben ein anderer Jugendzustand
der ursprünglichen Imago zugrunde als der Larve. Würde die Larven-
häutung dieselbe Bedeutung besitzen (wenn auch in weniger erkenn-
barem Maße) wie die Häutung zur Puppe, so müßte man annehmen,
daß jedes Larvenstadium sich aus einem besonderen Jugendzustand
(oder einer gewissen Reihe von im wesentlichen gleichen Jugend-
zuständen) der Urimago entwickelt habe, eine Ansicht, zu der wir
durch die bisher bekannt gewordenen, anderweitig erklärbaren Fälle
von Mitteldarmepithelerneuerung (und überhaupt der inneren Vor-
gänge) während der Häutung nicht gezwungen werden. Man wäre
zum Beispiel genötigt, anzunehmen, daß bei Dermestes sich eine nicht
unbeträchtliche Anzahl getrennter Jugendzustände der Urimago er-
halten hätten, die sich dann alle sekundär zur gleichen Form, nämlich
der heutigen Larve verändert haben müßten.
Die jedesmalige Häutung bedeutet hier nicht den Übergang in
ein neues phylogenetisches Stadium. Die periodische Mitteldarm-
epithelerneuerung ist an die eventuell nachträglich erworbene basale
Chitinlamelle geknüpft, die Abstoßung ursprünglich vielleicht nicht
einmal ein mit der äußeren Häutung zusammenfallender Vorgang
gewesen. Sie ist ein Wachstumsvorgang, möglicherweise allerdings
nicht ohne physiologische Nebenbedeutung. Wir beobachten solche
durch das Vorhandensein einer basalen Chitinschicht bedingten Re-
generationsvorgänge auch im Mitteldarm anderer Insekten (Bizzozero
[1893], Rengel [1898]), ohne daß mit ihnen auch immer die Häutung
der äußeren Cuticula erfolgen müßte. Die Gründe für die periodische
Abstoßung der basalen Chitinlamelle im Mitteldarm der von Rengel
genauer untersuchten Käfer liegen allerdings nicht im Wachstum
(wobei zu bedenken ist, daß auch erwachsene Insekten sich noch zu
häuten vermögen: die Collembolen), sie mögen in der chemischen
11*
164 Max Braun,
Veränderung der Lamelle liegen, vielleicht soll auch dem Secrete, das
in den durch sie verschlossenen Crypten bereitet wird, der freie Eintritt
in das Darmlumen gestattet werden.
Die anderweitigen durch Sommer, Prowazek und Verson bekannt
gewordenen Fälle von Mitteldarmhäutung sind Vorgänge, die ursprüng-
lich nichts mit der Häutung zu tun hatten und sich aus einfacheren
Verhältnissen entwickelt haben dürften, wie ich weiter oben bereits
gezeigt habe.
Nach alledem können wir bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse
durch nichts veranlaßt werden, die Häutung als abgeschwächte Meta-
morphose aufzufassen, selbst wenn sich herausstellen sollte, daß in
einigen Fällen die Umwandlungen des Darmkanals während der Nym-
phose die gleichen sein sollten wie während der Häutung1.
Hiermit steht und fällt auch der weitere von Möbusz ausgesprochene
Satz: »Häutungen der Ametabola = Larvenhäutungen + Metamor-
phose der Holometabola «, ein Satz, der rein äußerlich noch bestechender
erscheint als der erste. In der Tat führen ja die sämtlichen Häutungen
der Ametabola zu demselben Resultat wie die sämtlichen Häutungen
der Holometabola, nämlich zur Ausbildung der definitiven geschlechts-
reifen Endform. Ob aber durch die Formel auch der wahren phylo-
genetischen Bedeutung der Häutungen und der Metamorphose ent-
sprochen wird, bleibt dahingestellt.
Wenn die Ansicht von Folsom und Welles richtig ist, die der
»Mitteldarmhäutung der Collembolen eine excretorische Bedeutung
beimessen, wenn daher die ganzen sich im Mitteldarm der Collembolen
während der Häutung abspielenden Vorgänge als sekundäre zu be-
trachten sind, die mit der Häutung und Metamorphose der holometa-
bolen Insekten nicht das geringste zu tun haben, so ist die Anschauung
von Möbusz auch aus anderen als den von mir angegebenen Gründen
widerlegt.
Ehe ich diese Arbeit abbreche, will ich noch kurz auf eine Streit-
frage eingehen, die seinerzeit, vor nunmehr 20 Jahren zwischen Frenzel
(1891) einerseits und Ziegler und v. Rath (1891) andererseits eingehend
erörtert wurde, und in die u. a. auch Verson (1891) und Löwit (1891)
eingegriffen haben, die Frage, inwieweit der amitotischen Kernteilung
1 Es wäre natürlich a priori nicht ohne weiteres abzulehnen, daß es bei
gewissen Insekten zur Ausbildung zweier oder mehrerer verschiedener Larven-
formen gekommen ist, die auf verschiedene Jugendzustände der Urimago zurück-
zuführen sein würden und eventuell sogar durch ein der heutigen Puppe ähn-
liches Entwicklungsstadium verbunden sein können (Hypermetamorphose).
Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 165
eine regenerative Bedeutung beizumessen sei. Während Frenzel
geneigt ist, ihr eine solche zuzuschreiben, sind Ziegler und v. Rath
entgegengesetzter Meinung und wollen sie nur auf die mitotische Teilung
beschränken. Uns interessiert hier vor allen Dingen ein Ausspruch
der letzteren Autoren: »Das Auftreten der Mitosen ist häufig ein
periodisches und steht vielleicht bei manchen Arthropoden mit den
periodischen Häutungen in Beziehung«, eine Meinung, deren Richtig-
keit durch die vorliegende Arbeit bewiesen wird; im übrigen ist hier
nicht der Ort, weiteres Material für die eine oder die andere Ansicht
zusammen zu tragen.
Berlin, im April 1912.
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39. 1886. J. List, Über Becherzellen und Leydigsche Zellen (Schleimzellen).
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bis 770. 4 Tai.
57. 1895. J. Sadones, L'appareil digestif et respiratoire et Iarvaire des Odonates.
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58. 1883. P. Schiemenz, Über das Herkommen des Futtersaftes und die
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Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVIII. S. 71—135. 3 Taf.
59. 1890. A. Schneider, Über den Darmkanal der Arthropoden. Zool. Bei-
träge. (Herausgegeben von A. Schneider.) Bd. IL S. 82 — 96. 3 Taf.
60. 1902. K. C. Schneider, Lehrbuch d. vergleichenden Histologie d. Tiere. Jena.
61. 1867. F. E. Schulze, Epithel- und Drüsenzellen. Arch. mikr. Anat.
Bd. III. S. 137—203. 7 Taf.
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mita mit seinen Anhängen. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 3. Folge.
Bd. III. S. 493—518. 3 Taf.
63. 1885. A. Sommer, Über Macrotoma plumbea. Beiträge zur Kenntnis der
Poduriden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLI. S. 683—718. 2 Taf.
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des Dipteres. Ann. de l'Univ. de Lyon. N. S. 1. Sei., med. Fase. 9.
178 p. 4 tabl.
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67. 1905. — Zur Entwicklung des Darmkanals bei Bombyx mori. Zeitschr.
f. wiss. Zool. Bd. LXXXII. S. 523—600. 4 Taf.
68. 1911. — Beitrag zur näheren Kenntnis der Häutung und der Häutungs-
drüsen bei Bombyx mori. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVII. S. 457
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Das Mitteldarmepithel der Insektenlarven während der Häutung. 169
69. 1864. A. Weissmann, Die nachembryonale Entwicklung der Museiden
nach Beobachtungen an Musca vomitoria und Sarcophaga carnaria.
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70. 1891. H. E. Zieoler und O. VOM Rath. Die amitotische Kernteilung bei
den Arthropoden. Biol. Centralbl. Bd. XL S. 744- 757.
71. IS9I. H. E. Zieoler. Die biologische Bedeutung der amitotischen (direkten)
Kernteilung im Tierreich. Biol. Centralbl. Bd. XI. S. 372-389.
Erklärung der Abbildungen.
(Nähere Erklärungen siehe im Text.)
Tafel I.
Fig. 1 — 11. DeilephiJa euphorbiae. Vergr. 500/1.
Emp, Epithelmutterzellen;
Stb, Stäbchensaum;
Nid.Z, Nutritorische Zone;
Sph, Sphärocyten;
Ca, Calycocyten;
Mit, Mitose (Aster);
J.Ca, jugendliche Calycocyte.
Fig. 12 — 14. Hyponomeuta evonymella. Vergr. 500/1.
Fig. 15 — 19." Arge. Vergr. 500/1.
Fig. 20 — 23. Calliphora. Vergr. 500/1.
Fig. 24 — 25. Melasoma 20punct. Vergr. 500/ 1.
Tafel II.
Fig. 26 — 34. Dermestes lardarius. Fig. 26—28. 31—32, 34 Vergr. 900/1.
Fig. 29 u. 30 Vergr. 500/1. Fig. 33 Vergr. 26/1.
B.ch, basale Chitinlamelle;
R, Reste der Bildungszellen derselben;
Stm, Stützmembran ;
Rg, Regenerationsinsel ;
Stb, Stäbchensaum;
K, degenerierte Kerne im abgestoßenen Epithel.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. IM. I. Heft.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis L
Ein Beitrag zur Morphologie des Insektenkörpers.
Von
Carl Dem an dt.
(Aus dem zoologischen Institut zu Marburg.)
Mit 74 Figuren im Text.
Die vorliegende Arbeit schließt sich an die Untersuchungen über
die Muskulatur, das Nervensystem, die Respirationsorgane und den
Darmkanal von Dytiscus marginalis an, welche bereits vor einiger
Zeit erschienen. Wenn bei den vorliegenden Untersuchungen zu-
nächst die gröbere Morphologie mehr betont wurde, wie dies z. B.
für das Chitinskelet und die Muskulatur des Copulationsapparates
gilt, so durfte doch die Struktur des keimerzeugenden und leitenden
Apparates nicht unberücksichtigt bleiben. Es sei aber ausdrücklich
betont, daß die feineren histologischen und cytologischen Vorgänge
bei dieser Untersuchung nicht eingehend behandelt, sondern nur ge-
streift werden können, da es hier vor allem darauf ankam, eine Dar-
stellung des gesamten Organsystems beim männlichen und weiblichen
Tier zu geben und beide nach Möglichkeit in Vergleich zu setzen. Außer-
dem liegen über die Oogenese und Spermatogenese von Dytiscus und
verwandte Formen ältere und neuere Untersuchungen vor, auf welche
einzugehen später noch Gelegenheit sein wird.
Methoden.
Die Präparationen der Muskulatur und des Chitinskelettes des
Copulationsapparates wurden mit Hilfe des ZEissschen Binoculars
an dem nach BAUERScher Methode in Paraffin eingebetteten Objekte
und die Zeichnungen mit LEiTzscher Lupe und Zeichenapparat aus-
geführt. Die Objekte, welche konserviert und geschnitten werden
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 12
172 Carl Demandt,
sollten, wurden schnell aus dem Körper herauspräpariert, meist ohne
sie mit Kochsalzlösung in Berührung zu bringen, und sofort in Konser-
vierungsflüssigkeit gebracht. Nur bei der schwierigen Präparation
der Verbindungsstränge war ein Präparieren in Kochsalzlösung von
höchstens 10 Minuten Dauer nicht zu umgehen. Um günstige Schnitte
durch die Ovarien zu erhalten, wurde der Käfer ganz in Paraffin ge-
bettet und die Ovarien frei präpariert. Dann wurden dieselben nur
hinten mit dem Copulationsapparat losgetrennt, vorsichtig gestreckt
und befestigt und direkt im Tierkörper mit Konservierungsflüssigkeit
Übergossen.
Als Konservierungsflüssigkeit wurde für Ovarien und Hoden
FLEMMiNGsches Gemisch (Chrom-Osmium-Essigsäure) angewandt, wäh-
rend die Ausführungsgänge meist mit Sublimat-Eisessig, kalt, konser-
viert wurden. Die Schnitte durch Hoden und Ovarien wurden mit
Hämatoxylin nach Heidenhain gefärbt, während für die übrigen
Organe die Doppelfärbung von Hämatoxylin (Delafield) — Eosin
oder Hämatoxylin — van Gieson (Pikrinsäure-Säurefuchsin) ange-
wandt wurde. Letztere Färbung erwies sich besonders bei dem männ-
lichen Apparat für den Nachweis des Bindegewebes sehr günstig. Als
Schnittdicke wurde für Ovarien, Hoden und Anhangsdrüsen des Männ-
chens 4 — 6 ii gewählt, während für die übrigen Organe 7,5 u Schnitte
angefertigt wurden.
A. Der weibliche Apparat.
I. Orientierung des Apparates im Körper.
Der weibliche Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis (Fig. 1)
liegt ventral im Abdomen des Käfers, und zwar nimmt der chitinöse
Legeapparat den von den zwei letzten Körpersegmenten umschlossenen
Raum ein. Der Legesäbel mit seinen Anhangsgebilden ragt jedoch
bis zur Hinterkante des vierten Segmentes nach vorn. Der zur Ver-
fügung stehende Raum wird dadurch sehr verringert, deshalb biegt
die vorn aus dem Legesäbel hervortretende Scheide nach rechts und
unten um. Diese Krümmung bedingt eine seitliche Verlagerung des
übrigen Geschlechtsapparates nach rechts, so daß er etwas asymmetrisch
zu liegen kommt (Fig. 1).
Die Ovarien liegen in ihrem vorderen Abschnitte den umfang-
reichen Beinmuskeln auf und sind infolgedessen in nach vorn auf-
steigender Richtung orientiert.
In dieser Lage fixiert werden die Geschlechtsorgane zunächst
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 173
durch die beiden Verbindungsstränge der Ovarien (Fig. 1 vb), welche
dicht unter dem Herzen verlaufen und durch den Metathorax hindurch
bis zum Mesothorax ziehen, wo sie sich am Mesoscutum ansetzen. Die
Befestigung mit dem Chitinskelet des Legeapparates wird abgesehen
von der in den Legesäbel übergehenden Scheide durch drei Muskel-
paare bewirkt. Es handelt sich hier zunächst um zwei Paar Retrac-
toren der Scheide, und zwar die kurzen und langen Retractoren.
Der kurze Retractor der Scheide (M. retractor vaginae brevis,
Fig. 5 rvb) entspringt an den freien vorderen Ecken des Legesäbels,
und zwar derart, daß die Fasern des Muskels sich auf der Membran
ausbreiten, die sich hier an den Legesäbel anheftet. Sein Insertions-
punkt liegt an der Scheide, kurz vor ihrem Eintritt in den Legesäbel.
Der Muskel ist sehr flach und unscheinbar, so daß er leicht übersehen
werden kann.
Der lange Retractor der Scheide (M. retractor vaginae longus,
Fig. 7 rvl) wurde schon von Stein richtig als lang und bandförmig
beschrieben. Er entspringt an den inneren Ecken der Genitalklappen
und inseriert an der Unterseite der Scheide, dicht hinter der Ein-
mündung des Eierganges. Zu diesen beiden Muskelpaaren tritt noch
ein drittes Paar, welches die Eileiter und damit auch die Ovarien ven-
tral an dem Körperskelet befestigt. Es sind die Retractoren der Ovarien
(M. retractor ovarii). Ihren Ursprung nehmen sie am Vorderrande des
achten Sternites, dicht neben der Mittellinie des Körpers, und sie in-
serieren an den Eileitern kurz vor ihrer Vereinigung zum Eiergange.
Sie sind ebenso lang wie die langen Retractoren der Scheide, jedoch
nicht so breit und daher weniger kräftig.
Die beschriebenen drei Muskelpaare haben besonders die Aufgabe,
die Scheide zu entlasten von dem Zuge, der auf sie ausgeübt wird,
wenn der Käfer den Legesäbel zwecks Eiablage vorstreckt.
Weitere Befestigungsmittel der Weichteile des Geschlechtsapparates
sind die Tracheen und zwar besonders diejenigen, welche vom Stigma
des vierten und fünften Tergits ausgehen. Die Tracheen des vierten
Tergits ziehen zu den Ovarien, soweit sie aus den Eiröhren zusammen-
gesetzt sind, während die Tracheen des fünften Tergits sich auf dem
Eierkelche ausbreiten. Die Tracheen umspinnen mit ihren feinen
Verästelungen die Ovarien und Eierkelche nicht nur von außen, son-
dern dringen auch überall zwischen die Eiröhren und ihre Stiele ein.
Schließlich kommt wohl auch für die Fixierung der Geschlechts-
organe noch der Fettkörper in Betracht, der die Organe umhüllt und
um sie einen lockeren Mantel, die sogenannte Peritonealhülle, bildet.
12*
174 Carl Demandt,
II. Morphologie des weiblichen Geschlechtsapparates.
An dem Geschlechtsapparate lassen sich vier Abschnitte unter-
scheiden: der erste umfaßt die keimbereitenden, der zweite die aus-
leitenden, der dritte die für die Befruchtung und der vierte die für
die Copulation bestimmten Organe :
1) Die Eierstöcke oder Ovarien, bestehend aus
a. den Verbindungssträngen (Fig. 1 vb),
b. dem eigentlichen Ovarium, gebildet von den Eiröhren (ov),
c. den Eiröhrenstielen (Fig. 1 est),
d. dem Eierkelche (Fig. 1 ek).
2) Der Leitungsapparat, und zwar
a. der Eileiter (Fig. 1 el),
b. der Eiergang (Fig. 26 eg),
c. die Scheide oder Vagina (Fig. 1 va).
3) Der Befruchtungsapparat:
a. die Begattungstasche oder Bursa copulatrix mit ihrem
Halse (Fig. 1 bt),
b. der Samenbehälter oder das Receptaculum seminis
(Fig. 1 recs),
c. der Befruchtungsgang (Fig. 26 bg).
4) Der Legeapparat, und zwar
a. das chitinöse Skelet,
b. die Muskulatur.
Der Zusammenhang der unter zwei und drei genannten Organe geht
besonders deutlich aus dem Schema Fig. 26 hervor.
Eierstöcke, Leitungsapparat und Befruchtungsapparat werden
umhüllt von dem Fettgewebe, der Peritonealhülle. Sie ist ein lockeres,
mehr oder weniger durchscheinendes Gewebe. Dem Ovarium, Eileiter
und Eiergang liegt sie ziemlich dicht an und wird durch die zahlreichen
Tracheen, die sie durchsetzen, mit ihnen fest verbunden. Infolge der
weitmaschigen Struktur der Peritonealhülle sind die einzelnen Ei-
röhren und ihre Fächerimg, meist auch die Eiröhrenstiele, von außen
gut zu erkennen (Fig. 1). Im Bereiche der Scheide ist sie kompakter
und demgemäß weniger durchsichtig. Auch liegt sie der Scheide und
ihren Anhangsorganen nicht dicht auf, sondern umhüllt sie wie ein
weiter Mantel.
1. Das Ovarium.
Die Eierstöcke von Dytiscus marginalis sind zwei umfangreiche
Organe, die einen großen Teil der Höhlung des Abdomens ausfüllen
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
175
(Fig. 1 ov). In der Ruheperiode nach der Eiablage, in den Monaten
Juni bis Februar, zeigen sie die Form von kurzen Spindeln. Ihre
vorderen Enden sind jedoch zu den Verbindungssträngen ausgezogen
und ihre Hinterenden zu den Eierkelchen halbkugelförmig abgerundet.
recs r~
va -* -*
Fig. 1.
Zeigt den weiblichen Geschlechtsapparat in seiner natürlichen Lage im Abdomen. Im hinteren
Teile den Legeapparat (leg.app), daran anschließend die Scheide (va), Begattungstasche (fit), ße-
ceptaculum (recs) und die Ovarien (ov) mit dem Eileiter (el), dem Eierkelch (ek) und den Verbin-
dungssträngen (vb). Erklärung der Abkürzungen siehe auch S. 297. Vergr. 5/1.
Die Außenseiten der Spindeln sind bedeutend stärker gewölbt als die
Innenseiten. Die Spindelform des Ovariums ist dadurch bedingt, daß
die einzelnen dicht aneinander gelagerten Eiröhren nach hinten be-
deutend an Umfang zunehmen. Im Frühjahr enthalten die Eierstöcke
zahlreiche legereife Eier, und ihr Umfang ist infolgedessen weit größer,
176 Carl Demandt,
oft doppelt so groß wie in der Ruheperiode. Wie schon erwähnt, sind
an dem Ovarium drei Abschnitte zu unterscheiden: die Verbindungs-
stränge, das eigentliche Ovarium oder die Eiröhren mit ihren Stielen
und der Eierkelch.
a. Die Verbindungsstränge (Fig. 1 vb)
sind zwei kräftige, elastische Fäden, die, wie schon eingangs erwähnt,
unterhalb des Herzens verlaufen. Sie heften sich an die ventralen
Kanten der Chitinlamelle des Mesoscutums an (vgl. Euschee, Fig. 20)
und zwar dort, wo diese am tiefsten in den Körper vorspringt1. Sie
sind zusammengesetzt aus den Endfäden der Eiröhren, welche kurz
vor ihrer Anheftung im Thorax sich zu einem einzigen Strange ver-
einigen. Von außen betrachtet lassen sie ihre Zusammensetzung aus
den einzelnen Endfäden nicht erkennen, da die Peritonealhülle in
diesem Abschnitte sehr dicht ist.
b. Das eigentliche Ovarium (Fig. 1 ov)
wird gebildet von den Eiröhren, deren Zahl sehr stark variiert. Die
daraufhin untersuchten Eierstöcke wiesen als Minimum 38, als Maxi-
mum 49 auf. Dabei ist die Zahl der Eiröhren in den beiden Ovarien
ein und desselben Käfers noch sehr verschieden; so fanden sich obige
beiden Extreme in den beiden Ovarien eines Käfers, die Differenz
zwischen den beiderseitigen Ovarien betrug also elf Stück. Andre
Käfer wiesen 40 bzw. 45, 42 bzw. 43, 41 bzw. 49 Eiröhren auf. Die
Summe der Eiröhren beider Ovarien überstieg bei keinem von zehn
daraufhin untersuchten Käfern die Zahl 90.
Nach der Terminologie von I. Gross gehört Dytiscus zu den
adephagen Käfern mit büschelförmigem Eierstocke (Ovarium fascicu-
latum). Die Eiröhren sind meroistisch und polytroph, d. h. sie
besitzen Nährzellen und zwar verteilt in eine größere Anzahl von Nähr-
kammern. Die Eiröhren, welche in den sehr langen Endfaden aus-
laufen, weisen an ihrem vorderen Ende, vor dem Übergang in den
Endfaden, eine schwache Verdickung auf (Fig. 14). Es ist dies die
Keimzone der Eiröhre, die sogenannte Endkammer (Fig. 15 u. 16).
Der übrige Teil der Eiröhre umfaßt die Wachstumszone. Die in der
Wachstumszone abwechselnd aufeinander folgenden Nähr- und Ei-
fächer nehmen nach hinten an Umfang allmählich zu. Dabei ist die
Nährkammer, zumal in den älteren Stadien, etwas kleiner als das auf
sie folgende und ihr zugehörige Eifach (Fig. 15). Die Zahl der von
1 Vgl. auch Holste, Fig. VIII: Der Verbindungsstrang eines Ovariums ist
hier bis zur Ansatzstelle eingezeichnet; Bezeichnung fehlt jedoch.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 177
außen zu erkennenden Bianlagen einer Eiröhre beträgt 8 — 10. Man
erkennt von außen die Grenzen der aufeinander folgenden Nähr- und
Eifächer an schwachen Einschnürungen der Eiröhre. Die Länge des
letzten Eies beträgt zur Zeit der Kühe etwa 1 1/2 mm, die legereifen
Eier jedoch, die man im Frühjahre in den Eierstöcken findet, haben
eine Länge von 7 mm. Die Eiröhren alter Käfer besitzen eine Länge
von 6 — 7 mm, während diejenigen junger Käfer nur halb so lang sind.
Die Zahl der in einem Nährfache enthaltenen Nährzellen beträgt 15.
Bei konserviertem und gehärtetem Material war es leicht, durch Prä-
paration unter dem Binocular die Tunica zu zerreißen und die ein-
zelnen Nährzellen zu isolieren.
Auf die Wachstumszone der Eiröhre folgt nunmehr ein dritter
Abschnitt; es ist der ausführende Kanal der eigentlichen Eiröhre, der
sogenannte Eiröhrenstiel (Fig. 1 est). Man erkennt schon bei Lupen-
vergrößerung unter dem letzten Ei eine kurze, sphincterartige Ein-
schnürung und darunter eine becherartige Anschwellung, in welcher
sich eine stark gelb oder braun gefärbte Substanz befindet, das Corpus
luteum. Der daran ansetzende Teil, der Eiröhrenstiel, ist ein gleich-
mäßiger, zarthäutiger Schlauch von 21/2 bis höchstens 3 mm Länge.
Bei jungen Käfern erreicht er also die Länge der eigentlichen Eiröhren,
während er noch nicht halb so lang ist als die Eiröhren eines alten
Käfers. Die Eiröhrenstiele eines Ovariums, besonders die central
gelegenen, sind stark gefaltet, da sie wegen des beschränkten Raumes
zusammengedrückt werden.
In der Literatur finden sich über die Eiröhrenstiele wenig Angaben.
Stein und Brandt beschreiben unter dem letzten Ei einen Sphincter
oder eine Klappe, welche den Abschluß der Eiröhre gegen den Eier-
kelch bilden soll, von dem Eiröhrenstiele selbst sagen sie nichts. Kor-
schelt gibt in seiner Arbeit »Über einige interessante Vorgänge bei
der Bildung der Insekteneier« eine kurze Beschreibung der Eiröhren-
stiele verschiedener Insektenordnungen und erwähnt besonders für
Pyrrhocoris apterus, daß der Eiröhrenstiel bei jungen Individuen lang
ist und sich nachträglich verkürzt. Bei Dytiscus ist dies kaum der
Fall. Zwar erscheinen die Eiröhrenstiele der jungen Käfer bedeutend
länger, doch ist das darauf zurückzuführen, daß die Eiröhre selbst
noch von unbedeutender Länge ist. Bei alten Käfern tritt • dagegen
der Eiröhrenstiel der Eiröhre gegenüber sehr zurück.
Die Eiröhren sitzen mit ihren Stielen dem dritten Abschnitte des
Ovariums, dem Eierkelche, auf (Fig. 1 ek). Die kuppeiförmige Abrun-
dung des Eierkelches nach den Eiröhren hin bedingt, daß die peripher
178 Carl Demandt,
gelagerten Röhren tiefer sitzen und infolgedessen mit ihren End-
kammern nicht soweit nach vorn reichen wie die centralen. Der Eier-
kelch ist, wie schon der Name andeutet, ein weites, kelckf örmiges Organ.
Seine Wand ist in der Ruheperiode stark gefaltet, und er besitzt daher
nur geringe Ausdehnung, wie Fig. 1 zeigt. Zur Zeit der Eiablage ist
der Kelch oft von reifen Eiern angefüllt, so daß man alsdann von seinem
bedeutenden Umfange einen richtigen Begriff bekommt.
2. Der Leitungsapparat.
Während der Eierkelch als Sammelbehälter für die reifen Eier
noch als Teil des Ovariums angesehen werden kann, gehören die nun
zu beschreibenden Abschnitte den Ausführungsorganen an.
a. Der Eileiter (Fig. 1 el).
Der Eierkelch geht ganz allmählich in den Eileiter über. Eine
feste Grenze zwischen beiden läßt sich, äußerlich betrachtet, nicht
ziehen, da der Übergang sehr gleichmäßig erfolgt, doch kann man sehr
wohl den hinteren Teil als Eileiter erkennen, denn er stellt einen sehr
kurzen Schlauch dar, der sich bis zu der Vereinigung mit dem Eileiter
des andern Ovariums allmählich verjüngt.
b. Der Eiergang (Fig. 26 eg).
Die beiden Eileiter bilden nach ihrer Vereinigung den Eiergang,
einen unpaaren Schlauch, der die Aufgabe hat, die Geschlechtsprodukte
beider Eierstöcke in die Scheide zu leiten. Er ist etwas länger als die
Eileiter und mündet von unten her in die Scheide ein.
c. Die Scheide (Fig. 1 va).
An der Scheide oder Vagina sind zwei Abschnitte zu unterscheiden.
Der hintere Teil ist eingeschlossen von den beiden Platten des Lege-
säbels (Fig. 3 1s). Auf der Ventralseite desselben liegt, von den beiden
Styli (Fig. 3 st) bedeckt, die Geschlechtsöffnung des Käfers (Fig. 3 v).
Der vordere Teil ist ein stark muskulöses Rohr, welches in der Ruhe-
lage nach rechts und unten umgebogen ist.
3. Der Befruchtungsapparat.
Die Bezeichnung »Befruchtungsapparat« ist vielleicht unglück-
lich gewählt, da sie mit unserer heutigen Auffassung von der Befruch-
tung = Kernverschmelzimg nicht im Einklang steht, doch wurde in
Ermangelung eines andern Ausdruckes diese Bezeichnung beibehalten.
Auch dürfte aus der Disposition hervorgehen, daß es sich hier nur um
einen bestimmten Abschnitt des Geschlechtsapparates handeln kann.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 179
Der Befruchtungsapparat wird gebildet von einer Verlängerung
der Scheide über die Einmündung des Eierganges hinaus. Stein be-
zeichnet den ersten Teil derselben, der weniger umfangreich ist, als
»Hals der Begattungstasche «, während er den darauf folgenden, eiförmig
erweiterten Abschnitt als eigentliche Begattungstasche (Bursa copu-
latrix) (Fig. 1 u. 26 bt) ansieht. Nach dieser Nomenklatur wären diese
Abschnitte dem Begattungsapparate zuzurechnen. Stein begründet
diese Bezeichnung, indem er sagt: »Der Körper (die Begattungstasche)
ist nach der Begattung mit dem gelblich weißen, käseartigen Um-
hüllungsstoffe angefüllt, er muß daher als Begattungstasche angesehen
werden.« Ich möchte dem hinzufügen, daß bei der Begattung ein Ein-
dringen des Penis bis in diese Tasche nicht stattfindet. Der aus der
Anhangsdrüse des Männchens stammende, käseartige Stoff, das Be-
gattungszeichen, gelangt überhaupt nicht in dieselbe hinein. Sie kommt
also für die Copulation direkt garnicht in Betracht und muß hingegen
als Abschnitt der Befruchtungsorgane angesehen werden, zumal sie,
wie später gezeigt wird, in engem Zusammenhange mit dem Befruch-
tungsgange steht.
a. Die Begattungstasche.
Der Hals der Begattungstasche und die Begattungstasche selbst
bilden zusammen einen schwach gekrümmten, dorsalwärts aufsteigen-
den Schlauch, auf dessen convexer Seite ein Wulst verläuft, den wir
später als das Drüsenpolster des Befruchtungsganges kennen lernen
werden (Fig. 26 drp).
b. Der Samenbehälter.
An die Begattungstasche setzt sich nunmehr die Samentasche
oder das Receptaculum seminis an (Fig. 1 recs). Es bildet eine haken-
artig nach rückwärts und unten gekrümmte Spitze und ist schlanker
und etwas länger als die Begattungstasche. Gegen letztere ist das
Receptaculum durch eine Einschnürung deutlich abgegrenzt (Fig. 26).
c. Der Befruchtungsgang
stellt nicht wie die vorigen ein isoliertes Organ dar. Er ist eng ver-
bunden mit der Begattungstasche und an Totalpräparaten in Glyzerin als
schwach gekrümmter Bogen, wie ihn Fig. 26 stark schematisiert wieder-
gibt, im Innern der Begattungstasche und ihres Halses deutlich zu
erkennen. Er beginnt am Receptaculum und verläuft über die Be-
gattungstasche und ihren Hals bis zur Mündung des Eierganges in die
Scheide.
180 Carl Demandt,
4. Der Legeapparat.
Die nachfolgende Beschreibung des Legeapparates und seiner
Muskulatur, sowie die an andrer Stelle (Seite 237 ff.) folgende Beschrei-
bung des männlichen Copulationsapparates bilden die notwendige Er-
gänzung zu den bereits früher erschienenen Abhandlungen von Euscher
»Das Chitinskelet von Dytiscus marginalis« und Bauer »Die Musku-
latur von Dytiscus marginalis«, da in diesen Arbeiten der Geschlechts-
apparat keine Berücksichtigung gefunden hatte.
Die Angaben, welche sich in der Literatur über den Lege- bzw.
Copulationsapparat von Dytiscus marginalis und verwandte Formen
finden, sind größtenteils sehr wenig eingehend und die darauf bezüg-
lichen Abbildungen meist recht unvollkommen. Von den älteren
Autoren ist zunächst Burmeister zu nennen, der auch einige Muskeln
des Geschlechtsapparates abbildet. Spätere Untersuchungen wurden
von Stein und Kolbe angestellt. Auch in der neueren Zeit haben
sich verschiedene Forscher mit Untersuchungen über das Skelet des
Apparates befaßt, so z. B. Verhoeff, welcher die morphologische
Bedeutung der einzelnen Teile zu klären sucht. Recht gute Abbildungen
gibt Regimbart, besonders von dem Legeapparat. Die umfassende
Arbeit von Peytoureau «Contribution ä Fetude de la Morphologie
de l'Armure genitale des Insects» beschäftigt sich ebenfalls mit dem
Chitinskelet des männlichen und weiblichen Apparates, doch ist Dy-
tiscus nur kurz behandelt und die Muskulatur nicht berücksichtigt.
Was die Beschreibung der Chitinteile betrifft, so ist diese sehr wenig
eingehend, der Verlauf der dieselben verbindenden Membranen im
Allgemeinen richtig angegeben. Kleinere Abweichungen, welche sich
in der Beschreibung finden, werden an passender Stelle Berücksichti-
gung finden. Die Darstellung ist fast durchweg richtig, doch infolge
der unzureichenden Abbildungen nur bei genauer Kenntnis des Objektes
verständlich.
Bezüglich der Nomenklatur ist zu erwähnen, daß für das Chitin-
skelet größtenteils die Bezeichnungen älterer Autoren (Verhoeff,
Berlese) beibehalten wurden. Durchweg neu ist dagegen die Be-
nennung der Muskeln, da in der Literatur hierfür keine Muster vorhan-
den waren. Ein Vergleich mit Melolontha auf Grund der Biographie
von Strauss-Dürckheim erschien wegen der großen Verschiedenheit
im Bau des Legeapparates für die Nomenklatur wenig lohnend. In
Anlehnung an Kolbe wurde der weibliche Apparat als »Legeapparat«
dem »Copulationsapparat« des Männchens gegenübergestellt, da ersterer
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
181
hauptsächlich für die Eiablage in Betracht kommt, während letzterer
speziell als Begattungsapparat zu dienen hat.
a. Die Skeletteile des Legeapparates.
Die den Legeapparat aufbauenden Skeletteile sind aufzufassen als
modifizierte Segmente, die zwischen die letzten Abdominalsegmente
eingezogen sind. Die der Gelenkhaut der Körpersegmente entspre-
chenden Membranen sind aber oft sehr umfangreich, während die Chitin-
__-c?/7
-x
.gH
V
Fig. 2.
Hinterer Abschnitt des Abdomens mit ausgestülptem Legesäbel (h), mit den Styli (st) und der
Vulva (v); pl, Pleurite; ap, die Analplatten; ssp, Seitenspangen; gk, die Genitalklappen; »ij und
m3, Membranen des Scheidenrohres. Weitere Abkürzungen siehe S. 297. Vergr. 8/1.
platten meistens sehr stark reduziert erscheinen. Demgemäß stellt das
Chitinskelet des Legeapparates im ausgestülpten Zustande, d. h. in der
Stellung, in welcher die Eiablage erfolgt, ein vollkommenes Rohr dar,
welches mit seinem Ende den hinteren Abschluß des Abdomens bildet
und allmählich sich verjüngend in die Legescheide ausläuft (Is, Fig. 2).
Das Bohr wird in seiner Gesamtheit von einer chitinösen Membran
gebildet, in welche verschiedene Chitinspangen und -platten seitlich
eingefügt sind. Es soll in den weiteren Ausführungen als Scheiden-
rohr bezeichnet werden, da es die Vagina einschließt1.
1 Hinsichtlich der Lagebezeichnungen dorsal, ventral, vorn, hinten usw.
ist zu bemerken, daß stets die Lage des vorgestreckten Legeapparates gemeint
182 Carl Demandt,
Der hinterste Abschnitt des Scheidenrohres (Fig. 3) wird von der
Legescheide oder dem Legesäbel (Is) gebildet. Er besteht aus zwei
langen, säbelförmigen, vollkommen gleichartigen Chitinplatten, die mit
ihren schwach concaven Innenseiten einander zugewendet sind. Am
Vorderende sind sie ventralwärts zu einem kurzen Gelenkfortsatz (gf)
ausgezogen, während ihre Hinterenden miteinander verschmolzen sind
und eine ziemlich scharfe Schneide bilden. Sie ermöglicht es dem Käfer,
die Stengel der Wasserpflanzen bei der Eiablage anzuschneiden. In ihrem
vorderen Teil ist die Legescheide noch durch die Membran des Scheide-
rohres ausgekleidet und auf diese Weise eine Verbindung der beiden
Platten hergestellt.
Auf der Ventralseite des Legesäbels liegt zwischen den auseinander-
stehenden Platten desselben ein paar Styli (st), der Membran des
Scheiderohres angeheftet. Sie sind ähnlich den Legesäbelscheiden
halbrinnenförmig gestaltet, nur entsprechend kleiner. Zwischen den
Styli und im Ruhezustände von ihnen bedeckt liegt die Geschlechts-
öffnung des Käfers (Fig. 2 u. 3 v).
An dem Gelenkfortsatze des Legesäbels (Fig. 2 gf) setzen sich
nun zwei Chitinspangen an, die als Seitenspangen (ssp) bezeichnet
werden sollen. Diese Spangen sind im doppelten Sinne gekrümmt:
zunächst mit ihrem Hinterende zu dem Legesäbel hin (Fig. 3). Von
der ventralen Seite betrachtet erscheinen sie ebenfalls noch als schwach
gekrümmte Bogen (Fig. 4a ssp), mit der Concavseite einander zuge-
kehrt. Im Querschnitte zeigen sie Rinnenform (Fig. 46). Ihre dorsale
Wand (Ruhelage, Fig. 5) ist nahe der Mitte zu einem kleinen Vorsprung
(vs) verbreitert. Über die Außenseite der Rinne verläuft in ihrem
mittleren Abschnitt eine schräge Längsnaht (Fig. 3 n), welche die
Zusammensetzung der Rinne aus zwei, allerdings fest miteinander ver-
wachsenen Stücken andeutet. An dem freien Ende sind die Seiten-
spangen zu je einer Platte ausgezogen, welche an ihren medianen Kanten
in eine Spitze auslaufen (Fig. 5 ap). Es sind dies die Analplatten,
sie bedecken die Mündung des Enddarmes (Fig. 5 red). Im Ruhe-
zustande ist der Legesäbel zwischen die Seitenspangen eingeschlagen
und, von unten betrachtet, einem geschlossenen Taschenmesser ver-
gleichbar (Fig. 4a).
Im Bereiche der soeben beschriebenen Seitenspangen wird das
Scheidenrohr durch die Membran vervollständigt, an der man hier
ist. Werden diese Bezeichnungen auf die Ruhelage angewandt, so wird dies aus-
drücklich vermerkt werden, da die Orientierung in diesem Falle oft gerade ent-
gegengesetzt ist.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 183
jedoch einen dorsalen und einen lateral-ventralen Abschnitt unter-
scheiden kann. Ersterer setzt an den beiden vorderen Kanten des
Legesäbels an (Fig. 3 ?%) und spannt sich aus zwischen den Spangen,
am ventralen Kinnenrande derselben (Fig. 4«) inserierend. Diese Mem-
bran gibt also dem ausgestülpten Scheidenrohr den dorsalen Abschluß.
Sie heftet sich auch an die Analplatten an, doch nur an ihre äußeren
Kanten. Auf diese Weise bleibt zwischen der Membran und den Platten
eine Öffnung, durch welche der Enddarm nach außen zieht (Fig. ia clo).
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9?
ssp
Fig. 3.
Das Scheidenrohr isoliert, im ausgezogenen Zustande: ap, ssp, ls, st, v wie in Fig. 2 (vgl. auch
Seite 297). cb, Chitinbogen; hv, und vv, hinterer und vorderer Vorsprung der Genitalklappen; n,
Naht der Seitenspange; gl, Gelenkfortsatz des Legesäbels, m1 bis m4, Membranen des Scheiden-
rohres. Vergr. 8/1.
Ventral und seitlich wird der Abschluß des Scheidenrohres durch
den zweiten Abschnitt der Membran (Fig. 3 m2) gebildet. Sie beginnt
an dem Gelenkfortsatz des Legesäbels, inseriert an den ventralen Kanten
der Seitenspangen (ssp) bis zur oben erwähnten Längsnaht, der sie
nun folgt bis zum hinteren Ende der Analplatten (ap). Diese Membran
besitzt auf ihrer Innenseite eine Lage Drüsenzellen, wodurch sie ein
dickes, schwammiges Aussehen bekommt.
Der vorderste Teil des Scheidenrohres wird im wesentlichen von
zwei ziemlich großen Chitinplatten gebildet, deren Form ohne weiteres
erkennen läßt, daß es sich um ein modifiziertes Segment handelt. Da
diese Platten nun zu dem Genitalapparat gehören, so werde ich sie als
Genitalklappen (gJc) bezeichnen.
184
Carl Demandt,
Da bei vorgestreckter Legescheide die Genitalklappen eine schräge,
fast dorso-ventrale Lage einnehmen, so ist es für die Beschreibung
zweckmäßig, die Bezeichnungen auf die Ruhelage zu beziehen.
Die Genitalklappen liegen symmetrisch auf der Ventralseite des
übrigen Legeapparates (Fig. 5 glc). An jeder dieser Klappen sind zwei
Abschnitte zu unterscheiden: ein breiter Chitinbogen und die zwischen
ihm sich ausspannende Membran (Fig. 3 cb u. m3). Die beiden Bogen
liegen in Ruhe mit der Concavseite einander zugekehrt (Fig. 7). Der
Chitinbogen ist am Außenrande zu
zwei Vorsprüngen verbreitert, einem
kleinen vorderen und einem großen
hinteren (Fig. 7, 3 und 5 vv und hv).
Der Hinterrand des Bogens ist nach
- ssp
der Dorsalseite etwas umgeschlagen
und an seiner Kante mit kurzen
~/s Borsten besetzt (Fig. 5 u. 6 ur).
In das Scheidenrohr (Fig. 3) sind
5/
3^
ssp
Fig. 4.
a) Legesäbel {ls) mit den Seitenspangen {ssp) isoliert von der Ventralseite gesehen; clo, Öffnung der
Cloake.l Sonst wie Fig. 2. b) Querschnitt durch den mittleren Abschnitt des Legesäbels {ls)
und der Seitenspangen (ssp). Vergr. 8/1.
die beiden Genitalklappen dergestalt eingefügt, daß an ihren medianen
Kanten die Membran (m2) inseriert, welche anderseits an der Naht
der Seitenspangen ansetzt. Beim Ausstülpen des Legesäbels werden
die Genitalklappen gespreizt, und zwischen ihnen der Legesäbel mit
den Seitenspangen vorgeschoben. So kommen die Klappen in dieselbe
seitliche Lage, die auch die übrigen Skeletteile des Scheidenrohres ein-
nehmen (Fig. 3).
Die bisher beschriebenen Abschnitte: Legesäbel, Seitenspangen
und Genitalklappen, verbunden durch die gemeinsame Membran, bilden
das eigentliche Scheidenrohr. Es ist nun noch ihre Verbindung mit dem
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 185
Körper des Käfers zu erläutern. Diese Verbindung wird hergestellt
durch zwei besondere Membranen. Auf der Ventralseite setzt an den
Genitalklappen eine Membran an, welche an der Vorderkante der
Klappen von der einen zur andern überspringt (Fig. 3 u. 7 m4) und
dieselben auf diese Weise miteinander verbindet. Ihre Insertionslinie
verläuft von dort nach dem hinteren Vorsprung (hv), so daß der vordere
Vorsprang (vv) isoliert erscheint (Fig. 7). Sie zieht zum umgeschlagenen
Hinterrande des letzten äußerlich sichtbaren Sternites und bildet als
einheitliche Membran den Abschluß des Abdomens auf der Ventral-
seite des Legeapparates.
Auf der dorsalen Seite wird der Abschluß erzielt durch eine Mem-
bran, die an dem umgeschlagenen Hinterrande der Genitalklappen (ur)
inseriert (Fig. 5 m5a), nach vorn und oben zu den Analplatten (ap)
zieht und dorsal an ihrem Vorderrande sich anheftet. Dann schlägt
sich die Membran wieder nach hinten um (m56) und inseriert am Hinter-
rande des letzten äußerlich sichtbaren Tergits. Da die Genitalklappen
zwei getrennte Platten darstellen, so bleibt eine spaltförmige Öffnung
für das Vorstrecken des Legesäbels frei (Fig. 7 sp).
Was nun die morphologische Deutung der Chitinteile des Lege-
apparates betrifft, so konnte diese Frage hier nicht klargestellt werden,
da dies nur auf Grund entwicklungsgeschichtlicher und vergleichend-
anatomischer Studien möglich ist. Aus diesem Grunde erübrigt es
sich auch, hier auf die vergleichend-morphologischen Arbeiten über das
Abdomen der Insekten (z. B. Heymons 1905, Wandolleck 1905 usw.)
einzugehen. Nach Berlese, dessen Deutung ich für die wahrschein-
lichste halte, ist die letzte äußerlich sichtbare Rückenplatte das neunte
Tergit, die letzte Ventralplatte das achte Sternit. Die Genitalklappen
bilden das neunte Sternit. Die Seitenspangen stellen das stark modi-
fizierte zehnte Tergit dar und der Legesäbel mit den beiden Styli das
zehnte Sternit.
Bevor ich nun mit der Beschreibung der Muskulatur des Lege-
apparates beginne, soll noch kurz an der Hand zweier Schemata,
Fig. 10a u. b (siehe Seite 193), die Lage der Chitinteile und Mem-
branen im eingezogenen Zustande erläutert werden. Die Fig. 10«
stellt einen schematischen Medianschnitt durch den hinteren Ab-
schnitt des Abdomens dar. Die letzte äußerlich sichtbare Rücken-
platte ist das neunte Tergit (9t). Von seinem Hinterrande zieht die
Membran m5& zu den Analplatten ap, an welche sich nach vorn die
Seitenspangen ss]) ansetzen. Die Vorderenden der letzteren bilden
das Gelenk, durch welches die Seitenspangen mit dem Legesäbel Is
186 Carl Demandt,
verbunden sind. Der Legesäbel liegt also im Centrum des hinteren
Abdomens und auf der Ventralseite treten aus ihm die Styli hervor
(st, vgl. auch Fig. 105, welche einen Querschnitt durch den Lege-
apparat darstellt). Weiter ventralwärts liegen nun die Genitalklappen
(gk). Sie sind mit den Analplatten durch den zweiten Abschnitt der
Membran m5, nämlich m5a, verbunden, und ebenso zieht vom Vorder-
ende der Seitenspangen die Membran m2 zum Hinterrande der Genital-
ldappen; ihr Verlauf ist aber besser in Fig. 10& zu erkennen. Ebenso
zeigt letztere Figur auch die zwischen den Seitenspangen sich aus-
spannende Membran ?%. Mit dem umgeschlagenen Hinterrande des
letzten Sternites (8s) sind endlich die Genitalklappen durch die Membran
m4 (Fig. 10«) verbunden.
Der Raum, in welchem der Legesäbel in der Ruhelage liegt,
und welcher seitlich und vorn von der Membran m2 (Fig. 10« u. b) und
dorsal von der Membran m1 (Fig. 10&) begrenzt wird, ist nach den
Untersuchungen von Blunck für die Copulation von großer Bedeutung
und von demselben als Spermatophorentasche bezeichnet worden
(Fig. 106 spt).
b. Die Muskulatur.
Die Zahl der den Legeapparat betätigenden Muskeln ist ziemlich
bedeutend. Hinsichtlich ihres Ursprunges und ihrer Insertion zer-
fallen sie in drei Gruppen.
1. Gruppe: Die hierher gehörigen Muskeln entspringen und inse-
rieren an den Skeletteilen des Scheidenrohres. Bei ihrer Beschreibung
wird am besten von dem letzten Abschnitte des Scheidenrohres aus-
gegangen. Es sind hier zuerst die beiden Muskelpaare zu erwähnen,
die durch ihre Betätigung die Bewegungen des Legesäbels bedingen,
nämlich der Strecker und der Beuger des Legesäbels.
Der Strecker des Legesäbels (M. extensor ovipositoris,
eo, Fig. 5, 6 u. 9) entspringt in der Rinne der Seitenspange. Seine Fasern
setzen sich auf der ganzen Strecke des mittleren Drittels der Spange
an (Fig. 9), wodurch der Muskel einen sehr breiten UJrsprung gewinnt.
Sich stark verjüngend zieht der Strecker zum Gelenkfortsatze des
Legesäbels (Fig. 9 gj).
Der Beuger des Legesäbels (M. flexor ovipositoris, Fig. 5,
G u. 9 fo) entspringt auf der Innenseite des Vorsprunges der Seiten-
spangen (Fig. 5 vs). Seine konvergierenden Fasern gehen allmählich
in die Membran über, die zwischen Seitenspangen und Legesäbel den
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
187
dorsalen Abschluß des Scheidenrohres bildet (»%) und inserieren an
der vorderen dorsalen Ecke (Fig. 9 ve) des Legesäbels.
Die Bewegungen der Seiten spat igen und Genitalklappen zuein-
ander werden hervorgerufen durch drei weitere Muskelpaare. Es
sind die Protractoren und die langen und kurzen Retractoren des
Scheidenrohres.
Der Protractor des Scheidenrohres (M. protractor tubi
vaginalis, Fig. 5, 6, 9 u. 10a ptv) entspringt auf der Dorsalseite des
Fig. 5.
Der Legeapparat mit seiner Muskulatur, Ruhelage von der Dorsalseite gesehen. Links Muske!
ptv teilweise wegpräpariert; ur, umgeschlagener Rand der Genitalklappen {gk), ap, Analplatten;
ssp, Seitenspangen; vs, deren Vorsprung; rect, Rectum; va, Vagina; rvb, kurzer Scheidenretractor.
Erklärung der Muskelabkürzungen siehe s. 298. Vergr. 8/1.
vorderen Vorsprunges der Genitalklappen (Fig. 5), und seine schwach
konvergierenden Fasern ziehen zu der Gelenkverbindung von Lege-
säbel und Seitenspangen. Kurz vor dem Gelenke zieht er über die
Spange hinweg (Fig. 5), wo er dicht neben dem Insertionspunkt des
Streckers des Legesäbels sich anheftet (Fig. 9). Als charakteristisch
für den Protractor ist zu erwähnen, daß er der Länge nach zusammen
gefaltet ist. Da sich infolgedessen die Fasern des Muskels unter einem
allerdings sehr spitzen Winkel kreuzen, so ist man leicht geneigt, den-
selben für zwei getrennte Muskeln anzusehen. Faltet man ihn jedoch
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 13
188
Carl Demandt,
auseinander, so wird man sich leicht von seiner Einheitlichkeit über-
zeugen können.
Der lange Retractor des Scheidenrohres (M. retractor
longus tubi vaginalis, Fig. 5, 6, 9 u. 10a rlt) entspringt auf der
Dorsalseite der Genitalklappen, nahe ihrem Vorderrande (Fig. 5). Seine
divergierenden Fasern ziehen nach hinten und inserieren auf der ganzen
Außenfläche des Vorsprunges der Seitenspangen (Fig. 5).
Der kurze Retractor des Scheidenrohres (M. retractor
brevis tubi vaginalis, Fig. 5, 9 u. 106 rbt) entspringt beiderseits
Fig. 6.
Hinterer Abschnitt des Legeapparates mit den am nennten Tergit ansetzenden Muskeln. Ruhelage,
von der dorsalen Seite, 9t, neuntes Tergit. Muskelabkürzungen siehe S. 298. Vergr. 10/1.
auf der Dorsalseite des vorderen Vorsprunges der Genitalklappen
(Fig. 5 u. 9 vv). Seine Fasern laufen ziemlich parallel und breiten sich
aus auf der Membran {m2), die von den Seitenspangen zu den Genital-
klappen zieht (Fig. 9 u. 106).
Das letzte Muskelpaar, welches zu der ersten Gruppe gehört, ist
der Suspensor der Membran des Scheidenrohres, die sich zwischen den
Seitenspangen ausspannt (Fig. 5 •/%). Dieser M. suspensor mem-
branae tubi vaginalis, (Fig. 5 u. 9 smv) ist ein kurzer, unschein-
barer Muskel, der von der Kante des Vorsprunges der Seitenspangen
(Fig. 5 vs) zu dieser Membran zieht.
2. Gruppe: Die Muskeln, welche die Verbindung der Skelet-
stücke des Scheidenrohres mit dem achten Sternit herstellen.
Die verschiedenen Stellungen, die die Genitalklappen in Ruhe und
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
189
bei vorgestreckter Legescheide dem achten Sternit gegenüber ein-
nehmen, werden in der Hauptsache durch die Funktion zweier Muskel-
paare bewirkt; es sind die Protractoren und die Retractoren der
Geni talklappen.
Der Protractor der Genitalklappen (M. protractor lami-
narum genitalium, Fig. 7, 8 u. 10a pl) entspringt auf der Innen-
fläche des achten Sternits, nahe am Hinterrande desselben (Fig. 8),
zieht schräg nach außen und vorn und inseriert an der äußersten Ecke
Fig. 7.
Legeapparat in der Ruhelage von der Ventralseite gesehen, links die Genitalklappe freigelegt
(gk). hv, hinterer Vorsprung der Genitalklappe ; iplu.irl, Insertion der Muskeln plxx.rl; rvl, langer
Scheidenretractor. Sonstige Abkürzungen siehe S. 297. Muskelabkürzungen S. 298. Vergr. 8/1.
des vorderen Vorsprunges der Genitalklappen (Fig. 7 vpl). Seine
Fasern verlaufen schwach konvergent.
Der Retractor der Genitalklappen (M. retractor lami-
narum genitalium, Fig. 7, 8 u. 10a rl) nimmt seinen sehr ausge-
dehnten Ursprung an der Gelenkfalte zwischen dem siebenten und
achten Sternite. In Ruhe ist der Muskel stark gekrümmt (Fig. 7),
da seine Fasern sich sofort nach außen wenden. Er inseriert an der
Konturlinie, welche gegeben ist durch die Anheftimg der Verbindungs-
haut (m4) der Genitalklappen mit dem achten Sternite (Fig. 7 irl).
Es ist ein kurzer, kräftig entwickelter Muskel.
Als Suspensoren der Genitalklappen kommt hauptsächlich ein
13*
190
Carl Demandt.
Paar kräftiger Muskeln in Betracht (M. suspensor magnus lami-
narum genitalium, Fig. 5, 7 u. 9 sm). Dieser große Suspensor ent-
springt an den äußeren Ecken der Gelenkfalte des achten Sternites mit
dem siebenten und zieht, in der Ruhelage senkrecht zur Längsachse
des Körpers, zu den Genitalklappen (Fig. 5 u. 7). Er inseriert an dem
Vorderrande derselben, besonders aber an ihren inneren Ecken (Fig. 7).
3. Gruppe: Die Muskeln, welche die Skeletteile des Scheiden-
rohres mit dem achten und neunten Tergit verbinden.
ssp
Fig. 8.
Abdomen auf der linken Seite geöffnet, Legesäbel vorgestreckt. Obere Lage der Muskulatur. Ein
Teil der Genitalklappe (gl:) entfernt. Bezeichnungen wie vorher. Vergr. 8 1 .
Als Suspensoren der Genitalklappen dienen zwei Paar sehr schwa-
cher Muskeln. Der vordere Suspensor (M. suspensor anterior
laminarum genitalium, Fig. 5 — 7 sä) entspringt am Stigma des
achten Tergits und der hintere Suspensor (M. suspensor posterior
laminarum genitalium, Fig. 5 — 7 sp) an dem Stigma des neunten
Tergits. Beide ziehen zum hinteren Vorsprung der Genitalklappen.
Diese beiden Muskelpaare sind anzusehen als die Transversalmuskeln
des neunten Abdominalsegments, also den »musculi transversales
abdominis« (Bauer) zuzurechnen. Daß dieselben in diesem Segmente
im Gegensatz zu dem vorhergehenden wieder paarig auftreten, hängt
wohl mit der starken Umbildung des neunten Sternits zusammen.
Es ist nun noch eine größere Anzahl von Muskeln zu erwähnen.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
191
die sämtlich am neunten Tergite ihren Ursprung haben. Zu nennen
sind hier zunächst zwei Paar Heber der Genitalklappen.
Der lange Heber der Genitalklappen (M. levator longus
laminarum genitalium, Fig. 6, 8 u. 10a 11) entspringt seitlich vom
Stigma des neunten Tergits (Fig. 6) und zieht schräg nach hinten und
unten, um an den Genitalklappen, nahe ihrem Hinterrande, zu inserieren
(Fig. 6). Er ist ein langer schmaler Muskel mit parallel verlaufenden
Fasern.
Bedeutend kürzer und kräftiger ist der kurze Heber der Ge-
nitalklappen (M. levator brevis laminarum genitalium,
Fig. 5, 6, 8 u. 10 Ib). Er entspringt kurz vor dem Hinterrande des
neunten Tergits (Fig. 6), nahe der Mittellinie desselben, und zieht etwas
schräg nach außen und vorn zu den Genitalklappen.
7. 3k
Fig. 9.
Wie Fig. 8, jedoch tiefere Lage der Muskulatur, besonders die Muskeln der Genitalklappen in ihrer
Funktion erläuternd. Muskel ptv in der Mitte abgeschnitten dargestellt. Erklärung der Bezeich-
nungen siehe hinten. Vergr. 8/1.
Dicht neben der Ursprungsstelle des langen Hebers der Genital-
klappen entspringt der Retractor der Seitenspangen (M. retrac-
tor fibularum lateralium, Fig. 6 u. 9 rfl), ein schwacher, flacher
Muskel, der nach vorn zieht und dorsal an der Kante des Vorsprunges
der Seitenspangen inseriert.
Die Retractoren der Analplatten (M. retractores lami-
narum analium, Fig. 6 u. 9 rla) stellen drei Paare kurzer, aber kräf-
192 Carl Demandt,
tiger Muskel dar. Sie entspringen nahe der Mitte des Vorderrandes des
neunten Tergits (Fig. 6) und inserieren an der Vorderkante der Anal-
platten.
Eben dort entspringt ein sehr flacher Muskel, der nach hinten
zieht und an der eingeschlagenen Verbindungshaut (Fig. 6 m5J zwischen
dem neunten Tergit und den Analplatten inseriert. Er ist als Spanner
der Cloakenhaut (M. tensor membranae cloacae, Fig. 6 tm) zu
bezeichnen.
Die vorbeschriebenen sechs Muskelpaare sind mit Ausnahme des
Retractors der Seitenspangen einander sehr ähnlich, da sie alle am
neunten Tergit entspringen und fast parallel verlaufen.
Zum Schlüsse ist noch ein schmaler, langer Muskel zu erwähnen,
der seitlich vom Ursprung des Protractors der Genitalklappen (Fig. 7)
entspringt und schräg nach vorn zum achten Tergit zieht, hier am
Stigma inserierend. Er ist ein Transversalmuskel des achten Abdominal-
segments (M. transversalis abdominis, Fig. 5 — 7 ta), wie sie von
Bauer für die übrigen Segmente beschrieben werden.
Um die Bedeutung der einzelnen Muskeln zu verstehen, ver-
gegenwärtige man sich, wie das Vorstrecken und Einziehen des Lege-
säbels vor sich geht. (Man beachte bei der folgenden Darstellung
auch besonders die beiden Schemata Fig. 10a u. b.) Das Vorstülpen
des Legesäbels kommt folgendermaßen zustande: Infolge einer Kon-
traktion des Protractors des Scheidenrohres (Fig. 5 ptv) werden die
beiden Genitalklappen gespreizt, und durch den so geschaffenen
Spalt wird der Legesäbel vorgeschoben. Die großen Suspensoren
der Genitalklappen (sm) und die Membran, welche die Klappen an
ihrem Vorderrande verbindet (Fig. 7 m4), schaffen nämlich an der
Insertion der vorgenannten Muskeln einen Drehpunkt, so daß beim
Anziehen der Protractoren des Scheidenrohres die Klappen um diesen
Punkt gedreht und an ihrem Hinterende auseinander gezogen oder
gespreizt werden. Durch eine gleichzeitige Kontraktion der Pro-
tractoren der Genitalklappen (pl) werden die Klappen in die schräge
Stellung gebracht, die sie bei vorgestreckter Legescheide einnehmen
(Fig. 8 u. 9). Durch die Muskeln 11, Tb, sm, rl u. pl (Fig. 8) können sie
in dieser Lage vollkommen stabil erhalten werden, was für die weitere
Wirkung der andern Muskeln von Bedeutung ist. Durch die Schräg-
stellung der Genitalklappen wird der Hinterleib des Käfers zum Klaffen
gebracht (Fig. 2). Durch die Kontraktion der Muskeln rla und rlt
(Fig. 9) wird nun die Ausstülpung des Legesäbels soweit vervollständigt,
daß auch die Seitenspangen ventral aus dem Abdomen hervortreten.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
193
Schließlich kontrahiert sich der Strecker eo (Fig. 9) und gibt dem Lege-
säbel die richtige Stellung zur Eiablage.
Fig. 10.
a) Schema: Sagittal schnitt durch den Legeapparat, Chitinteile durch gerade Linien, Membranen
durch Wellenlinien angegeben. Bezeichnungen wie vorher.
b) Schema: Querschnitt durch den Legeapparat, sonst wie Fig. 10«.
Die sägende Bewegung zwecks Anschneiden der Pflanzenstengel
kommt folgendermaßen zustande: Durch die Schrägstellung und die
194 Carl Demandt,
Stabilisierung der Genitalklappen ist für den Protractor des Scheiden-
rohres eine ganz neue Lage geschaffen worden, so daß er bei Kontrak-
tion die Legescheide zurückziehen wird (Fig. 9). Anderseits wird
infolge Kontraktion von Muskel rla und rlt (Fig. 9) durch Übertragung
von den Seitenspangen auf den Legesäbel eine entgegengesetzte Be-
wegung erzielt. Bei abwechselndem Kontrahieren des Protractors ptv
einerseits und der Retractoren rla und rlt andrerseits wird so die
schneidende Bewegung der Säbelschneide bewirkt.
Eingezogen wird der Legesäbel folgendermaßen: Der Beuger fo
klappt den Säbel zwischen die Seitenspangen (Fig. 9). Der Protrac-
tor ptv, der jetzt wegen seiner Verlagerung als Retractor funktionieren
kann, zieht die Spangen und die Legescheide in das Abdomen zurück.
Die Muskeln rl und sa, im geringen Maße auch sm und sp, kontrahieren
sich nun und bringen die Genitalklappen in die Ruhelage, worauf die
Retractoren rlt und rbt das Scheidenrohr vollends zurückziehen. Durch
die Kontraktion der Suspensoren 11 und Ib, welche die Genitalklappen
gegen das neunte Tergit anziehen, kann schließlich auch noch die Sper-
ma tophorentasche geschlossen werden.
III. Struktur des weiblichen Geschlechtsapparates.
1. Das Ovarium.
Die Peritonealhülle. In der Literatur finden sich über die
Peritonealhülle verschiedene Angaben. Im allgemeinen stimmen je-
doch die älteren Autoren (Leydig und Brandt) darin überein, daß
sie die Peritonealhülle als accessorisches Gebilde ansprechen, welches
mit dem Geschlechtsapparat direkt nicht im Zusammenhang steht.
Während Stein in seiner Monographie diese Hülle als ein Geflecht
von Muskelfasern ansieht, weist Leydig nach, daß dieselbe lediglich
als ein Teil des Fettkörpers anzusprechen ist, und daß die Muskelfasern,
in welchen Stein das Wesentliche der Peritonealhülle sieht, mit derselben
direkt nichts zu tun haben. Ferner haben die entwicklungsgeschicht-
lichen Untersuchungen von Heymons an Phyllodromia klar ergeben,
daß hier die Peritonealhülle durch Anlagerung von Bindegewebszellen
an die Genitalanlage entsteht. »Indem alle diese Zellen zu einer zu-
sammenhängenden Haut verschmelzen, bilden sie die Peritonealhülle,
die zeitlebens mit dem Fettkörper in innigem Zusammenhang bleibt.«
Meine Untersuchungen an Dytiscus marginalis ergaben folgende Re-
sultate :
Die eigentliche Peritonealhülle, der die Geschlechtsorgane um-
hüllende Mantel, besteht aus modifiziertem Fettgewebe und zeigt auf
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus rnarginalis.
195
FKC
v. bz
-bz
Schnitten folgendes Bild: Zwischen zwei feinen, strukturlosen Lamellen
(Fig. 11 /) sind große, unregelmäßig geformte Zellen eingelagert. Die
Zellgrenzen sind meist deutlich zu erkennen,
wir haben es also nicht mit einem Syncy- \» /
tium zu tun, wie Günthert angibt. Der Zell- y
inhalt weist eine grobmaschige Plasmastruktur /r
auf. Bei Käfern, welche mit reichlicher Nah-
rung versorgt waren, sind die Maschen an-
gefüllt mit Fetttröpfchen (Fig. 11 ft), die mit
Hämatoxylin nach Heidenhain sich tief
schwarz färben. Bei schlecht ernährten
Exemplaren fehlen diese Fetteinlagerungen
vollständig. Meist im Centrum der Zelle liegt
der große, an granuliertem Chromatin reiche
Kern (zk). Er weist gewöhnlich ein bis drei
Kernkörperchen auf. Der inneren Lamelle
ansitzend findet man sehr oft kleine, un- zk —
regelmäßig geformte Zellen (Fig. 11 bz) mit
kleinen, meist chromatinarmen Keinen, die
jedenfalls als Blutzellen anzusprechen sind.
Stellenweise ist das peritoneale Gewebe
stark reduziert, und hier ist das Verhalten
der beiden begrenzenden Lamellen interessant.
Dieselben treten näher zusammen und können
sich zu einem einzigen Strange vereinigen,
während sie sich nach kurzem Verlaufe wie-
der trennen. An solchen Stellen treten zwi-
schen den Lamellen knotenartige Verdickungen
auf (Fig. 11 k), die wohl als Kerne anzusprechen
sind und den geschwundenen Matrixzellen
dieser Lamellen angehören. Die Vereinigung
beider Lamellen ist von besonderer Bedeutung
an den vorderen Enden der Verbindungs-
stränge. Hier legen sich dieselben dem Ver-
bindungsstrange so dicht auf, so daß sie
kaum noch von der Tunica desselben unter-
schieden werden können (Fig. 12 p/t).
Von den Autoren, die Untersuchungen
über die Peritonealhülle angestellt haben,
wird auch eine »Muskulatur der Peritonealhülle« beschrieben. Wie
m~i*
mm
Fig. 11.
Schnitt durch die Peritoneal-
hülle: l, Lamelle; zk, Zellkern;
ft, Fetttröpfchen; k, Kern; bz,
Blutzellen. Vergr. 492/1.
196 Carl Demandt,
sich aus der Literatur ergibt, handelt es sich um glatte oder unvoll-
kommen quergestreifte Muskelfasern. Sie wurden besonders von
Gross für eine größere Anzahl Insekten beschrieben und abgebildet.
Auf Querschnitten durch ganze Ovarien oder ihre Verbindungs-
stränge finden sich bei Dytiscus überall zwischen den Endfäden und
Eiröhren feinste Muskelfasern (Fig. 13). Sie sind den Muskelfasern,
welche Gross für Coccinella scptempunctata und Coccinella ocellata
abbildet, sehr ähnlich. Es handelt sich also um anastomosierende
Fasern, die an ihren Knotenpunkten zellartige Erweiterungen (Fig. 13 z)
(Interstitialzellen nach Berlese) aufweisen, in welche ziemlich große
Kerne mit granuliertem Chromatin und oft deutlichem Nucleolus
eingelagert sind. Die Fasern weisen einige wenige Längsfibrillen auf.
Die mitunter auftretende Querstreifung glaube ich mit Gross als
Schrumpfung infolge Kontraktion der Faser ansprechen zu müssen,
da in diesen Fällen die Begrenzungslinien der Fasern gekerbt erscheinen
(Fig. 13 gfa).
Wie verhält sich nun diese Muskulatur zu der Peritonealhülle?
Während die neueren Autoren den Begriff »Muskulatur der Peritoneal-
hülle« allgemein übernommen haben, vertrat schon Leydig den Stand-
punkt, daß diese Muskulatur mit der Peritonealhülle nichts zu tun
habe. Nach meinen Befunden treten bei Dytiscus diese Muskelfasern
stets nur in der Nähe der Eiröhren und Endfäden auf und nie am Fett-
mantel, der sie umgibt. Sie stehen mit der Peritonealhülle nicht in
Verbindung. Meines Erachtens sind sie als Ligamente aufzufassen,
wenigstens im Bereiche der Endfäden, und sie haben die Aufgabe, das
Endfadenbündel zusammen zu halten. Wenn nun die Auffassung
richtig ist, daß die Eier beim Heranwachsen nicht in der Tunica der
Eiröhren, sondern mit ihr vorrücken, so können die Muskelfasern auch
im Bereiche der Eiröhren nur als das Ovarium zusammenhaltende
Ligamente angesehen werden, denn sie können in diesem Falle für das
Vorrücken der Eier nicht wesentlich in Betracht kommen. Jedenfalls
haben die Muskelfasern bei Dytiscus mit der Peritonealhülle nichts
zu tun, und die Ansicht Leydigs ist somit für Dytiscus die einzig zu-
treffende. Es ist also zweckmäßiger, sie als »Muskulatur des Ova-
riums« zu bezeichnen, da sie in ihrer Funktion als Ligamente für
dieselben in Betracht kommen.
a. Die Verbindungsstränge und Endfäden.
Die Bedeutung der Verbindungsstränge als Ligamente der Ovarien
wurde schon von Stein richtig erkannt. Jedoch findet man in der
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
197
Literatur noch immer unrichtige Angaben über die Ansatzstellen der-
selben im Körper des Tieres. So gibt noch ganz neuerdings Günthert
an, daß bei Dytiscus »jede Eiröhre für sich mittels eines feinen, elasti-
schen Fadens an der Seiten wand des Herzens befestigt« sei.
Schon bei der Besprechung der »Morphologie des Geschlechtsappa-
rates« sahen wir jedoch, daß die Verbindungsstränge sich an das Chitin-
skelet des Mesothorax anheften. Längsschnitte durch diesen vordersten
Abschnitt der Stränge zeigen uns nun (Fig. 12), daß die Endfäden der
einzelnen Eiröhren kurz vor ihrer Anheftung allmählich ineinander
übergehen und dann einen soliden Strang bilden. Derselbe macht den
Fig. 12.
Anheftung des Verbindungsstranges an das Chitinskelet (ch); ep, Hypodermis; pli, Peritoneal
hülle des Stranges; endf, Endfäden. Vergr. 88/1.
Eindruck, als ob er aus einzelnen Fibrillen zusammengesetzt sei, zeigt
jedoch auf Querschnitten keine derartige Struktur. Dieser gemeinsame
Strang ist umgeben von der Tunica propria der verschmolzenen End-
fäden und der zur Lamelle gewordenen Peritonealhülle (Fig. 12 ph).
Er setzt sich an das Epithel (ep) der Chitinlamelle des Mesoscutums
an, so daß man zunächst die Insertion eines aus zahlreichen Fasern
bestehenden Muskels vor sich zu haben glaubt. Kurz vor dem Anheften
verjüngt sich der Strang bedeutend. Das Epithel der Chitinlamelle
ist gegen den Verbindungsstrang durch eine ziemlich schwache Kontur
begrenzt. Die Kerne des gemeinsamen Stranges erscheinen etwas
länglicher als die der noch nicht vereinigten Endfäden.
Die Endfäden weisen die dreifache Länge der eigentlichen Eiröhre
auf und sind in ihrem Verlaufe von durchweg gleicher Dicke. Sie sind
umkleidet von der Tunica propria (Fig. 13 tp), die auf die Eiröhre
198
Carl Demandt,
übergeht und als Produkt der Zellen des Endfadens bzw. der Epithel-
zellen der Eiröhre aufzufassen ist. Sie ist strukturlos und glashell.
Der Endfaden weist in seinem Verlaufe abwechselnde Zellstruktur
auf. Die Zellen, deren Grenzen meist sehr schwer zu erkennen sind,
besitzen an den beiden Enden des Endfadens (Fig. 12 u. 15) polyedrische
oder unregelmäßige Form, während sie in dem langen mittleren Ab-
schnitte des Fadens, wie Giardina zuerst nachwies, geschweift spindel-
förmig geformt sind mit fibrillen-
ähnlichen Verlängerungen (Fig. 13).
x\uch das Plasma weist fibrilläre
Struktur auf, was jedenfalls für die
Elastizität des Fadens von Bedeu-
tung ist.
Im Bereiche dieser Zellen konnte
ich einen ziemlich in der Mitte
des Endfadens verlaufenden feinen,
jedoch deutlich sichtbaren Faden
nachweisen (Fig. 13 af), der sich zwi-
schen den Zellen hindurchschlängelt.
Er färbt sich mit Eisenhämatoxylin
dunkel und zeigt in gewissen Ab-
ständen kleine knotenförmige Ver-
dickungen. Man möchte ihn für
eine Fortsetzung" der von Giar-
dixa beschriebenen Endkammer-
achse ansehen, doch wies keine
einzige der von mir geschnittenen
Eiröhren diese Achse auf, und ich
wage daher nicht zu entscheiden,
welche Bedeutung dem beschriebe-
nen Faden zukommt. Hinweisen
möchte ich noch auf die Unter-
suchungen von P. Buchner, det-
ail den Endfäden von Gryllus Stütz-
fibrillen nachgewiesen hat. Zum Unterschiede von dem für Dytiscus
beschriebenen Faden sollen diese Fibrillen jedoch auf der Oberfläche
der Endfäden liegen.
Die Kerne des Endfadens erscheinen ziemlich hell und chromatin-
arm und besitzen meist ein oder zwei Kernkörperchen. Die Anhäufung
der Kerne, d. h. also die Größe der Zellen des Endfadens, ist sehr ver-
- -tP
r-j--3f
Fig. 13.
Längsschnitt durch den mittleren Abschnitt
eines Endfadens und die .Muskelfasern des Ova-
riums (»der Peritonealhülle«), tp, Tunica pro-
pria; af, Achsenfaden des Endfadens; z, Muskel-
zellen; k, Kerne derselben; gfa, geschrumpfte
Fasern; tr, Trachee. Vergr. 460/1.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 199
schieden. In den beiden Endabschnitten mit den polyedrischen Zellen
können vier Kerne nebeneinander im Endfaden liegen (Fig. 16), während
in der fibrillären Region höchstens zwei nebeneinander gelagert sind
(Fig. 13).
Wie schon vorher erwähnt, geht die fibrilläre Struktur der End-
fadenzellen gegen die Endkammer hin wieder in die polyedrische über.
Schließlich werden die Zellen spindelförmig und, quer zur Längsachse
der Eiröhre sich anordnend, bilden sie in mehrschichtiger Lage einen
deutlichen Abschluß des Endfadens gegen die Eiröhre (Fig. 15 u. 16 zp).
Dieses Zellpolster erscheint auf Längsschnitten oft schwach kuppei-
förmig nach dem Endfaden hin abgerundet, denn die Randzellen lagern
sich mitunter tiefer in die Endkammer hinein als die centralen Zellen
des abschließenden Polsters (Fig. 15). Eine Abgrenzung der End-
kammer gegen den Endfaden durch eine Lamelle der Tunica propria,
wie sie nach den Untersuchungen von Geoss, Köhlek usw. bei Hemi-
pteren und einigen Coleopteren vorhanden ist, fehlt bei Dytiscus.
b. Die Eiröhren.
Die Eiröhren der Insekten lassen die Verhältnisse der Eibilduns
schon am frischen Objekt in ungemein übersichtlicher Weise erkennen
und sind deshalb mit Vorliebe zur Beobachtung dieses wichtigen Vor-
ganges benutzt worden. Auch die Eiröhren von Dytiscus haben wieder-
holt, im frischen wie im konservierten Zustand, als Untersuchungs-
objekt gedient, da auch sie sich hierfür als sehr geeignet erwiesen. Es
gehört nicht in den Rahmen dieser sich mit der gesamten Morphologie
des Geschlechtsapparates beschäftigenden Arbeit, die Vorgänge der
Eibildung eingehend zu erörtern und den verschiedenen, seit den Unter-
suchungen von Stein und Leydig, sowie Korschelt, Wielowjeski
und Will bis auf Gross, Giardina, Debaisieux und Günthert (1910)
geäußerten Anschauungen Rechnung zu tragen, sondern es soll aus-
schließlich eine Beschreibung der Eiröhre von Dytiscus und der sich in
ihr abspielenden Vorgänge gegeben werden, wobei sich die erhaltenen
Befunde mit den neuen Untersuchungen über die Oogenese bei Dytiscus
recht gut in Einklang bringen lassen.
Es wurde bereits gezeigt, daß der Endfaden gegen die Eiröhre
durch einige Lagen spindelförmiger, fast quer gelagerter Zellen abge-
grenzt ist. Unter dieser Zellenschicht beginnt nun die Keimzone der
Eiröhre, die Endkammer (Fig. 15 u. 16, sowie Fig. 14 endh). Sie ist
ebenso wie der Endfaden umgeben von der Tunica propria (tp), die
weiter nach hinten auf die Wachstumszone der Eiröhre überseht.
200
Carl Demandt,
endF M
endk <
^-c/
Fig. 14.
Eiröhre eines alten Käfers in drei Abschnitten dargestellt. In A oben der Endfaden (endf), dar-
unter die Endkammer (endk) mit den anschließenden jüngeren Ei- und Nährfächern. In B
ältere Ei- und Nährfächer, ebenso in C. Am Ende ein leeres, zerfallendes Fach und der becher-
förmig sich anschließende Eiröhrenstiel (est), ef, Eifach; nf, Nährfach; oor, Oocyte; fol, Eifolli-
kel; «z, Nährzellen; hbl, Keimbläschen; tp, Tunica propria; spz, spindelförmige Follikelzellen;
zpf, Zellpfropf; rf, Corpus luteum: ep, Epithel; Im, Längsmuskelfasern. Vergr. 88 L.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 201
In dem vorderen Abschnitte der Endkammer finden wir dicht
unter dem abschließenden Zellpolster zweierlei Zellelemente. Zunächst
Zellen mit kleinen, ovalen Kernen (Fig. 15 u. 16 epz), die meist einen
deutlichen Nucleolus aufweisen. Die Grenzen dieser Zellen sind kaum
zu erkennen. Es sind dies die Epithelzellen der Eiröhre, welche identisch
sind mit den Zellen des Endfadens und an den reiferen Eiern den Eifol-
likel bilden. In der Endkammer treten sie regellos verstreut auf.
Neben diesen Zellen somatischen Charakters treten an der Spitze
der Endkammer Zellen auf, deren Kerne wesentlich größer und chro-
matinreicher sind als die der Epithelzellen (Fig. 15 u. 16 oog). Auch
bei den kleinsten Zellen dieser Art kann man meist die Zellgrenzen
deutlich erkennen. Es sind dieses die Keimzellen oder Oogonien, von
denen die Eizellen und Nährzellen herstammen. Diese Zellen nehmen
nach hinten schnell an Größe zu; sie wachsen unter mitotischen Tei-
lungen heran.
Auf diese erste Region der Endkammer, die durch die Vermehrung
und das Heranwachsen der Oogonien gekennzeichnet ist, folgt nun ein
zweiter Abschnitt, in welchem die Nährzellbildung ihren Anfang nimmt.
Man findet hier neben den überall verstreut auftretenden Epithelzellen
größere Zellkornplexe (Fig. 15 u. 16 ros), deren Einzelzellen nur teil-
weise durch Zellgrenzen voneinander abgetrennt erscheinen. In der
gemeinsamen Plasmamasse dieser Zellanhäufung findet sich gewöhnlich
ein größerer, sehr chromatinreicher Kern, während neben diesem etwas
kleinere Kerne auftreten, die chromatinärmer erscheinen. Der größere
ist der Kern der Oocyte, die kleineren sind die Kerne der durch erb-
Lingleiche Teilung aus der Oogonie hervorgegangenen Nährzellen (Fig. 15
u. 16 nz). Die Zahl der mit der Oocyte zusammenhängenden Nähr-
zellen nimmt nach hinten allmählich zu. Nach den Untersuchungen
von Giardina erfolgt eine viermalige Teilung der Oogonie, durch
gleichzeitige Teilung der gebildeten Nährzellen ergeben sich zum Schlüsse
15 Nährzellen, die mit der Oocyte im Zusammenhang bleiben.
Das Chromatin des Oogonienkernes weist während der Teilungen
gewisse Differenzierungen auf. Es zerfällt gewöhnlich in eine kompakte
dunklere und eine granulierte hellere Masse. Diese beiden Bezirke
können nebeneinander im Kerne liegend je eine Hälfte desselben ein-
nehmen (Fig. 15 u. 16). Oft jedoch liegt die kompakte Masse im Cen-
trum des Kernes, umgeben von der helleren Zone des granulierten Chro-
matins. Wie aus den Untersuchungen von Giardina und Günthert
hervorgeht, ist diese Differenzierung des Chromatins ein charakteristi-
sches Stadium der differentialmitotischen Teilung der Oogonien, die
202
Carl Demandt,
<W*- ^^^'-''r £
degros\
er- -
~o°9
zur Bildung der Nährzellen führt.
Nähere Angaben, wie diese Diffe-
renzierung des Chromatins zu-
stande kommt, finden sich bei
Debaisieux.
Die mit den Oocyten zusam-
menhängenden Nährzellen gewähren
den Anblick von Rosetten (Fig. 15
u. 16 ros). Diese Rosetten weisen
meist eine bestimmte Orientierung
der Endkammer auf, und zwar
derart, daß die Oocyte nach der
Wachstumszone der Eiröhre zu ge-
lauert ist. Die Rosetten, welche
anders orientiert sind, haben ge-
ringe Aussicht auf Entwicklung und
verfallen meist der Degeneration.
Degenerierende Rosetten findet man
daher sehr häufig in der Endkam-
mer, besonders aber im Sommer in
den Eiröhren alter Käfer (Fig. 15).
In solchen Endkammern kann man
oft eine dunkle Region unterhalb
der helleren Spitze unterscheiden
(Fig. 15), wie dies schon von Will
beschrieben wurde. Die dunklere Re-
gion enthält dann fast ausschließlich
degenerierende Rosetten (degros),
kenntlich an ihrer sehr unregel-
mäßigen Form und dem Fehlen der
Zellgrenzen innerhalb der Rosetten.
Der Zusammenhang der Nährzellen
mit den Oocyten läßt sich besonders
Endkammer mit Endfaden {endf) und die jünge-
ren Ei- und Nährfäeher eines alten Käfers, tp,
Tunica propria; zp, abschließendes Zellpolster
der Endkammer; oog, Oogonien in verschiedenen
Altersstadien, zwei in Mitose; oogk. Oogonienkern ;
epz, Epithelzellen; ros, Rosetten; degros, degene-
rierte Rosetten; ef, Eifaeh; fol, Eifollikel; Jcbl,
Keimbläschen; nf, Nährfach; nz, Nährzellen; ns,
Nährsubstanz. Vergr. 220/1.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
203
i endr
in den jüngeren Eianlagen, welche unter der Endkammer liegen, gut
erkennen. Die Membranen sind nämlich stellenweise unterbrochen, so
daß also der Eiplasma mit dem Plasma der Nährzellen in Verbindung
steht. Es handelt sich hier um ringförmige Öffnungen in den Zell-
membranen. Auch zwischen den ein-
zelnen Nährzellen sind solche Kom-
munikationen vorhanden (Fig. 17),
so daß also indirekt sämtliche
Nährzellen eines Nährfaches mit
dem zugehörigen Ei in Verbindung
stehen.
Am Übergange der Endkam-
mer in die Wachstumszone der
Eiröhre finden sich Rosetten, welche
schon stärker herangewachsen sind.
Sie weisen in ihrem Kerne bedeu- rvs"
tencle Veränderungen auf. Der vor-
her mit Chromatin angefüllte Kern
wird immer heller und nimmt das
charakteristische Aussehen des
Keimbläschens an (Fig. 15 kbl),
welches die ersten Eianlagen der
Wachstumszone zeigen. Das Heller-
werden des Kernes dürfte sich dar-
aus erklären, daß derselbe an Größe dtyms--
zunimmt und das Chromatin sich
nunmehr feiner verteilt. Die Nähr-
zellen dagegen weisen in dieser Re-
gion ein ganz anderes Verhalten
auf. Ihr Chromatin vermehrt sich
auffallend stark, so daß zunächst
der ganze Kern mit feinsten Chroma-
tinkörnchen angefüllt ist. Die
Kerne der Nährzellen verhalten sich
demnach in dieser Beziehung so,
wie man es nach den Untersuchungen
von Korschelt von den Kernen
secernierender Zellen bei Insekten
und andern Tieren kennt. Die Vermehrung des Chromatins geht jedoch
noch weiter, so daß es in den Nährzellkernen der reiferen Eianlagen
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 14
~~epz
Fig. 16.
Endkammer der Eiröhre eines l/2jährigen
Käfers. Bezeichnungen wie in Fig. 15.
Vergr. 220/1.
204
Carl Demandt,
zu flockigen Chromatinanhäufungen kommt (Fig. 15 u. 17). Dabei
wachsen nicht nur die Kerne, sondern auch die Zellen stark heran.
Die starke Chromatinvermehrung in den Kernen der Nährzellen
steht, wie erwähnt, im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe, dem Ei
Nährsubstanzen zu liefern. Nach der von Giardina und Günthert
gegebenen Darstellung treten aus den Nährzellkernen feinste Chromatin-
kürnchen als Chromidien aus. Sie wandern auf Plasmastraßen, die
infolge ihrer dunklen Färbung besonders an jüngeren Nährfächern
deutlich zu erkennen sind (Fig. 17), zum Keimbläschen hin. Das Auf-
treten von konzentrischen Ringen um den Kern der Nährzellen suchen
die genannten Autoren mit der er-
nährenden Funktion der Nährzel-
len in Zusammenhang zu bringen
und erklären sie als abgestoßene
Kernmembranen (Fig. 17). Wie
bereits vorher erwähnt wurde,
konnte es nicht die Aufgabe die-
ser die Morphologie des ganzen
Geschlechtsapparates behandeln-
den Arbeit sein, die mehr auf
cytologischem Gebiete liegenden
Erscheinungen an den Ei- und
Nährzellen der Ei röhren ein-
gehend zu verfolgen, weshalb sich
die hier gegebene Darstellung an
diejenige der neueren Autoren
anlehnt. Die hier mitgeteilten
Beobachtungen und Abbildungen
sollen nur eine übersichtliche
Darstellung der Verhältnisse geben, beanspruchen jedoch nicht, eine
Entscheidung dieser zum Teil recht schwierig zu beurteilenden Frauen
herbeizuführen.
Die von den Nährzellkernen ausgeschiedenen Chromidien sollen
nun bei Dytiscus bald nach ihrem Austritte aus dem Kern aufgelöst
werden und in flüssiger Form auf das Ei übergehen. Demgegenüber
ist zu erwähnen, daß diese Körnchen sehr oft bis an den Rand der
Nährzellen hin, auf günstigen Schnitten auch bis in das Eiplasma
hinein, gut zu erkennen sind (Fig. 17). Daß sie vor ihrem Austritte
aus der Nährzelle aufgelöst werden, ist deshalb nicht besonders wahr-
scheinlich oder doch nach meinen eigenen Beobachtungen zum mindesten
kbl
Fig. 17.
Einzelnes Eifach mit anhängendem Nährfach. Figur
zeigt den Zusammenhang der Oocyte mit den Nahr-
zellen durch Plasmaverbindungen Üist). Bezeich-
nungen wie in Fig. 15. Vergr. 395 l.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 205
nicht nötig, jedoch mögen sie oft so fein sein, daß sie nicht mehr erkannt
werden können. Auch findet man in den Eianlagen, welche dicht unter
der Endkammer liegen (Fig. 15 — 17) in dem Plasma der Eizelle, und
zwar besonders an dem Pol, welcher dem zugehörigen Nährfache zu-
gewandt ist, starke Anhäufungen einer körnigen Substanz, welche
man mit derjenigen in den Nährzellen in Verbindung bringen möchte.
Freilich sind diese Körnchen, welche sich mit Eisenhämatoxylin tief-
schwarz färben, von gröberer Struktur und könnten innerhalb des
Ooplasmas neugebildet sein. Diese Körnchen liegen dem Oocyten-
kerne oft derart dicht an, daß dessen Begrenzung nicht zu erkennen
ist. Je weiter die Eianlagen von der Endkammer entfernt liegen, desto
geringer werden diese Anhäufungen; auch treten die Körnchen spärlich
um das Keimbläschen herum verteilt auf (Fig. 15). Die Vermutung
liegt jedenfalls nahe, daß es sich dabei um Nährsubstanz handelt, die
von den Nährzellen abgeschieden wurde. Ob diese nun von den Nähr-
zellen direkt abgeschieden oder im Ooplasma erst einer weiteren Be-
arbeitung unterworfen wurde, die zu einer Umformung führte, ist
schwer zu entscheiden. Erwähnt sei noch, daß man besonders in
den jungen Eianlagen oft rings um das Keimbläschen herum kleine
Vacuolen findet, welche die resorbierten Körnchen hinterlassen haben.
Giardina kommt auf Grund eingehender Untersuchungen zu dem
Resultate, daß diese Körnchen als Fetttröpfchen anzusehen sind.
Die aktive Betätigung des Keimbläschens bei diesem Prozesse ist
sehr leicht im Frühjahr an lebenden Eiröhren zu erkennen, da die Eier
um diese Zeit vor der Ablage in starker Entwicklung begriffen sind.
In physiologischer Kochsalzlösung betrachtet, zeigen die Keimbläschen
pseudopodienartige Fortsätze. Die eingehenden Untersuchungen Kor-
schelts (1887) haben dargetan, daß es sich dabei nicht um Schrump-
fungen handeln kann. Außerdem möchte ich noch hinweisen auf
Brandt, welcher ähnliche Formveränderungen des Keimbläschens für
die Eier verschiedener Insekten, Würmer usw. beschreibt. Das Auf-
treten dieser Pseudopodien wird übrigens auch von Giardina be-
stätigt, doch steht er auf dem Standpunkte, daß es sich hier nicht um
Vorgänge zu handeln braucht, die durch die Nahrungsaufnahme des
Eies bedingt sind.
In der Endkammer bilden die reuellos verstreuten Epithelzellen
ein Gerüst zwischen den Oogonien und Rosetten. Unterhalb der End-
kammer sind die Rosetten bereits so umfangreich, daß sie die Eiröhren
fast in ihrer ganzen Breite erfüllen. Hier legen sich nun die Epithel-
zellen als kontinuierliches Epithel um das junge Ei herum und bilden
14*
206 Carl Demandt,
so seinen Follikel (Fig. 15./o/). Einzelne Zellen schieben sich auch zwi-
schen die Nährzellen ein. Der Eifollikel ist insofern unvollständig, als
er den Eipol, der dem zugehörigen Nährfache zugewandt ist, frei läßt,
da hier die Plasma Verbindungen das Ei mit den Nährzellen verbinden.
Der entgegengesetzte Eipol wird hingegen von dem Follikel überzogen.
Er stellt hier ein Pflasterepithel dar, während er sonst ein mäßig hohes
Cylinderepithel ist. In der Umgebung der jüngeren Eianlagen sind
weniger, um die älteren dagegen mehr Follikelzellen vorhanden, auch
wird ihre Lagerung nach hinten zu regelmäßiger. Wie aus der Betrach-
tung der Fig. 14 hervorgeht, muß eine recht beträchtliche Vermehrung
der Epithelzellen von den jüngeren zu den älteren Follikeln stattfinden.
Die Kerne der Follikelzellen sind relativ groß. An dem ausge-
bildeten Follikel der reiferen Eianlagen sind die Kerne chromatin-
reicher als an den jüngeren Oocyten. Man erkennt in ihnen meist einen
oder zwei Nucleoli, doch stellen dieselben Zusammenhäufungen feinster
Körnchen dar. Der Kern weist außerdem noch feine Granula auf,
so daß er starke Ähnlichkeit mit Drüsenkernen gewinnt. Diese Diffe-
renzierung des Kernes hängt jedenfalls zusammen mit der Aufnähe
des Follikels, Substanzen an das Ei abzugeben und späterhin das Chorion
zu liefern.
Das Chorion ist an den letzten Eianlagen der Eiröhren zu erkennen
und zwar besonders deutlich, wenn der Eikörper etwas geschrumpft
ist. Man erkennt es in solchen Fällen als abgehobene, feine Membran,
welche stark gefärbt erscheint. Es weist eine unregelmäßige Felderung
auf. die an abgelegten Eiern gut zu erkennen ist. Bezüglich der Bildung
des Chorions darf auf die von Korschelt an andern Insekten angestellten
Untersuchungen sowie auf die neueren Arbeiten von Gross und Köhler
verwiesen werden.
Nachdem im Vorhergehenden der Bau der Eiröhre eines erwachsenen
Käfers geschildert wurde, dürfte es nicht ohne Interesse sein, die Be-
schaffenheit der Eiröhre eines jungen, 12 Stunden alten Tieres kennen
zu lernen, ohne daß der Vergleich freilich im Rahmen dieser andre
Zwecke verfolgenden Untersuchung im Einzelnen durchgeführt werden
könnte.
Die Eiröhre dieses jungen Käfers ist noch sehr kurz; ihre Länge
von der Spitze der Endkammer bis zum Hinterende der letzten Eianlage
beträgt nur 0,8 mm gegen 7 mm im ausgebildeten Zustand. Die End-
kammer (Fig. 18 endk) ist nicht umfangreicher als der an sie sich an-
schließende Teil der Eiröhre, stellt also keine Anschwellung des Schlau-
ches dar. Die Zahl der schon an<>eleijten Nähr- und Eifächer beträgt
Der Geschlechtsapparat \<m Dytiscus marginalis.
207
drei, selten vier, dabei läßt nur das letzte
Nährfach die typische regelmäßige Lagerung
der einzelnen Nährzellen erkennen. Dieses
Nährfach (Fig. 18 m/3) ist stets umfang-
reicher als das zugehörige Eifach, wölbt
sich aus der Eiröhre hervor und bildet eine
für die junge Eiröhre charakteristische An-
schwellung. Der Endfaden der Eiröhre
weist dem des alten Käfers gegenüber keine
Abweichungen auf, jedoch tritt das ab-
schließende Polster der spindelförmigen
Zellen (Fig. 18 zp) hier tiefer in die End-
kammer hinein und ist von größerer
Mächtigkeit.
Der Inhalt der Endkammer weicht
ebenfalls nicht wesentlich von demjenigen
einer alten Endkammer ab. Hervorzu-
heben ist, daß auch hier schon die Propa-
gati onszellen scharf von den somatischen
Zellen gesondert erscheinen. Die Zellgren-
zen sind stets deutlich zu erkennen. An
Größe kommen die an der Spitze der End-
kammer liegenden Keimzellen (kz) denen,
die man in den Endkammern alter Käfer
findet, völlig gleich, nach hinten nehmen
sie etwas an Größe zu. Im mittleren Teile
der Endkammer sind bereits die später sich
zu Oocyten (ooc) entwickelnden Zellen zu
erkennen, denn sie weisen meist die beiden
charakteristischen Ckromatinbezirke oder
ein fädiges Chromatin auf, zum Unter-
schiede von dem grobkörnigen Chromatin
der Nährzellen.
Die Epithelzellen (epz), welche später
den Eifoilikel bilden, finden sich sehr
zahlreich in der Endkammer. Sie sind leicht
Eiröhre eines 12 Stunden alten Käfers mit anschließendem
Eiröhrenstiel (est). Drei Ei- bzw. Nahrfächer sind ausge-
bildet. Unter dem letzten Ja ein mächtiger Zellpfropf (zpj).
Bezeichnungen wie in Fig. 14. Vergr. 180/1.
zp
zPr
-ep
Fig. IS.
208 Carl Demandt,
an ihren Chromat inarmen Keinen zu erkennen, in denen der Nucleolus
stark hervortritt.
Die Rosettenform der Oogonien mit den daran hängenden Nähr-
zellen tritt auch in der jungen Eiröhre schon zu Tage, jedoch finden
sich die Rosetten hier weniger häufig als in der alten Eiröhre. Während
der Kern der ältesten Oogonien stets einige Chromatinballen aufweist,
verteilt sich das Chromatin im Oocytenkern und löst sich zunächst
in Fäden auf (Fig. 18). Die Verteilung wird allmählich gleichmäßiger,
und in der ältesten Eianlage findet sich schon ein typisches Keim-
bläschen (kbl). Die Anlagerungen grobkörniger Nährsubstanz (ns) an
der dem zugehörigen Nährfach zugewandten Seite des Keimbläschens
sind auch hier vorhanden und zwar am stärksten in der dicht an der
Endkammer liegenden Oocyte. Auch in dem Plasma der durch einen
sehr chromatinreichen Kern ausgezeichneten Nährzellen finden sich
feinste Chromatinpartikelchen.
Die Eiröhre des jungen Käfers stimmt demnach in allen wesent-
lichen Punkten mit derjenigen des alten Käfers überein. Vor allem
ist von Bedeutung, daß eine scharfe Sonderung der Keim- und Follikel-
zellen in der jungen Eiröhre schon vorhanden ist. Die große Anzahl
der Keimzellen in der Endkammer und ihre bedeutende Größe deutet
darauf hin, daß die Differenzierung und Vermehrung derselben schon
in Larve und Puppe vor sich gehen muß. Wo und wie sie erfolgt,
darüber sollen Untersuchungen Auskunft geben, die von andrer Seite
in Angriff genommen wurden.
c. Der Eiröhrenstiel.
Form und Struktur des Eiröhrenstieles sind, der Literatur nach
zu urteilen, recht verschieden, so daß es nicht weiter Wunder nimmt,
daß der Eiröhrenstiel bei Dytiscus einige Besonderheiten aufweist.
Es liegen überhaupt nur von wenigen Autoren Angaben über den Ei-
röhrenstiel vor. Von den älteren Forschern, Leydig und Brandt,
wird, wie schon früher erwähnt, für verschiedene Gattungen unterhalb
des letzten Eies eine »Klappe « und darüber eine Einkerbung beschrieben
und abgebildet, doch sind die Angaben sehr wenig eingehend, so daß
aus ihnen wenig zu entnehmen ist. Umfassendere Untersuchungen
stellte Korschelt (1887) an; er beschreibt diese Verhältnisse auch
für Dytiscus. Es wird sich später Gelegenheit bieten, auf die Resultate
dieser Arbeit näher einzugehen.
Wie schon früher (Seite 177) ausgeführt wurde, befindet sich unter-
halb des letzten Eies der Eiröhre eine schmale Einschnürung und darauf
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus tuarginalis. 209
folgend eine becherförmige Anschwellung des anschließenden Schlauches.
Auf Schnitten durch diesen Abschnitt, der den Übergang der Eiröhre
in den Eiröhrenstiel darstellt, erhalten wir folgendes Bild: Der Follikel
des letzten Eies zeigt an dem hinteren Eipole spindelförmige Epithel-
zellen in mehrschichtiger Lage (Fig. 11 spz). Diese Zellen gehen über
in einen Zellpfropf {zpf), der die Einschnürung unter dem letzten Ei
größtenteils erfüllt. Dieser Pfropf wird gebildet durch die unregel-
mäßige Anhäufung von Zellen, deren Grenzen nur stellenweise zu
unterscheiden sind, deren Kerne aber dafür sprechen, daß es sich um
Follikelzellen handelt, die teilweise der Auflösung verfielen. Die Wan-
dung des Schlauches zeigt hier keine einschichtige epitheliale Aus-
kleidung wie im Bereiche der Eikammern, sondern die Zellen bilden
eine unregelmäßige, mehrschichtige Lage an der Wandung.
Auf diesen eingeschnürten Abschnitt folgt nach hinten der Becher,
welcher vom Eiröhrenstiel gebildet wird. Auf Fig. 14 ist zu erkennen,
daß das Epithel des Eiröhrenstieles (ep) an den Zellpfropf von außen
herantritt, sich nach innen einschlägt und so den Pfropf becherförmig
abschließt. Nach dem Bechergrunde hin wird das eingeschlagene
Epithel flacher und verliert sich allmählich ganz. Da bei jungen Käfern
das Epithel auch hier vorhanden ist, ist das Schwinden der Zellen
hier als sekundäre Erscheinung aufzufassen. Im Centrum des Bechers
bildet also nur die Intima (Fig. 14 i) den Abschluß des Bechers gegen
den ableitenden Schlauch.
Die Angaben Korschelts weichen von den vorhergehenden Aus-
führungen etwas ab, wie aus seiner Darstellung hervorgeht: »Das
zottenbildende Epithel reicht im Eiröhrenstiel sehr weit hinauf und
hilft mit dessen Abschluß nach oben bilden, indem es sich zu einer
Kuppel wölbt. Ein Teil davon wird deshalb beim Austritt des Eies
wahrscheinlicherweise ebenfalls zerstört.« Wir sahen jedoch im Vorher-
gehenden, daß es sich hier nicht um eine Kuppel, sondern um ein becher-
förmiges Gebilde handelt. Dieser Unterschied erklärt sich jedoch leicht,
denn während in den vorstehenden Ausführungen die Gestalt des
Eiröhrenstieles beschrieben wurde, wie sie sich einige Zeit nach der
Eiablage herausgebildet hat, geben die Figuren Korschelts diese Ver-
hältnisse wieder, wie sie unmittelbar nach der Eiablage zu konstatieren
sind. In diesem Zustande ist die Becherform des Stieles nur sehr
schwach angedeutet durch einig»1 geringe Einfaltungen, die in das
Lumen des Eiröhrenstieles hineinragen, welche auch die Abbildungen
Korschelts erkennen lassen.
Um nun zu erfahren, wie dieser Becher des Eiröhrenstieles zustande
210
Carl Demandt.
kommt, ist es nötig, die Eiröhrenstiele junger Käfer, die noch keine
Eier abgelegt haben, zu untersuchen. Die in Fig. 18 dargestellte Eiröhre
eines eben der Puppe entschlüpften Käfers, zeigt an ihrem unteren
Ende den anschließenden Eiröhrenstiel. Es fällt sofort auf, daß auch
hier unter dem letzten Ei ein starker Zellpfropf (:pf) sitzt, welcher die
Eiröhre gegen das Lu-
men ihres Stieles ab-
schließt. Die Zellen die-
ses Pfropfes zeigen große
Ähnlichkeit mit der
beim alten Käfer an
derselben Stelle vorhan-
denen Zellmasse. Es
sind ebenfalls Follikel-
zellen, doch ist eine
Degeneration derselben
hier noch nicht einge-
treten und ihre Zell-
-,- 1ft grenzen sind deutlich
rig. iy. °
Längsschnitt durch den Zellpfropf [zpf) eines 4— 6 Wehen alten ZU erkennen. All diesen
Kiiiers mit dem anschließenden Eiröhrenstiel (est), ep, Epithel; Zellpfropf tritt 11U11 VOn
Im, Längsmuskulatur des Eiröhrenstieles; x, Ansatz des Stiel- •
epithel« an den Zellpfropf. Vergr. 204 1. Ullteil das Epithel des El-
röhrenstieles (ep) heran
und schließt sich ohne Abgrenzung an den Pfropf an. Dicht unterhalb
desselben bildet nun der Eiröhrenstiel eine kugelige Aufbauchung,
dagegen ist ein Becher hier nicht vorhanden. Wir werden jedoch sehen,
daß durch Umformung dieser Aufbauchung der Becher zustande kommt.
Ein älteres Stadium des Eiröhrenstieles zeigt Fig. 20, welche
einen Längsschnitt durch die in Frage kommende Region der Eiröhre
eines etwa 10 Wochen alten WTeibchens darstellt. An die Spindel-
zellen (spz) unterhalb des letzten Eies schließt sich auch hier ein Zell-
pfropf an, der, ganz median geschnitten, ein schmales Lumen auf-
weist, welches offenbar durch Auseinanderweichen der seither an Zahl
stark vermehrten Zellen zustande kam. Dementsprechend erscheint
die Begrenzung dieses Lumens unregelmäßig; der zellige Wandbelag
ist mehrschichtig, Zellgrenzen sind an ihm ziemlich gut zu erkennen.
Wichtig ist hier das Verhalten des Epithels des Eiröhrenstieles (ep) ;
da es sich dunkler färbt als die Zellen des Pfropfes, so ist es sehr scharf
gegen letzteren abgegrenzt. Die Fig. 20 läßt erkennen, daß die beim
Weichkäfer vorhandene Aufbauchung (Fig. 18) nicht mehr vorhanden
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
211
— er
spz
V?
—zpr
ist und nur auf der linken Seite noch schwach angedeutet erscheint.
Das Epithel tritt hier an den Zellpfropf heran und schlägt sich nunmehr
nach innen ein. Zum Verständnis des Folgenden ist es jedoch nötig,
noch auf ein jüngeres Stadium einzugehen, welches Fig. 19 wiedergibt.
Es zeigt diese einen Teil des Zellpfropfes (2/;/) mit dem anschließenden
Epithel des Eiröhrenstieles (ep) eines Käfers
im Alter von etwa 4 — 6 Wochen. Man er-
kennt hier, daß an dem hinteren Ende des
Zellpfropfens die einzelnen Zellen sich regel-
mäßiger lagern und sich gegenüber den
übrigen Zellen des Pfropfes durch stär-
keres Färbungs vermögen auszeichnen. Ihr
Zusammenhang mit dem letzteren ist jedoch
auf diesem Stadium noch vollkommen ge-
wahrt. Es bildet sich aber allmählich
eine schärfere Begrenzung dieser einschich-
tigen Zellenlage gegen den Pfropf aus, so
daß sie nunmehr (Fig. 20) wie ein scharf
gesondertes Epithel in direkten Zusam-
menhang mit dem Stielepithel tritt und
mit diesem zusammen den Zellpfropf am
Hinterende becherförmig umfaßt. An der
Becherbildung beteiligen sich also Stiel-
epithel und Zellpfropf. Der umgeschlagene
Teil des Stielepithels ist nur sehr kurz.
Die Stelle, an welcher sich die aus dem
Zellpfropf hervorgegangene Zellschicht an
das Epithel des Eiröhrenstieles ansetzt, ist
in Fig. 19 auf der rechten Seite sehr gut
zu erkennen (x), da hier die Verbindung
mit dem Stielepithel noch nicht hergestellt
ist. Auf älteren Stadien (Fig. 20) ist diese Letzte Eianlage (ef) eines 3 Monate
a -,■• -, 1 ■ ■ tt ■ t alten Käfers mit anschließendem Zeil-
Stelle durch eine geringe Verjüngung des pfropf {zpf) und Kirölirenstiel (est).
Epithels gekennzeichnet. Anlage des Bechers durch das Epithel
. .. i • ! c< t 1 lles Eiröhrenstieles tepK Im, Längs-
Aus den verschiedenen Stadien der mUskuiatur. Vergr. 108/1.
Umformung des Eiröhrenstieles ist zu er-
sehen, daß der Zellpfropf jedenfalls infolge Heranwachsens der Eiröhren
abwärts in die auf Fig. 18 dargestellte Aufbauchung hineinrückt.
Dabei rückt die Ansatzstelle des Stielepithels etwas mit abwärts
und führt so zur Einfaltung dieses Epithels. Da der Zellpfropf
'^sig^--'' I
-ep
es/-
Fig. 20.
212 Carl Demandt,
etwas in das Lumen des Eiröhrenstieles hineingeschoben erscheint,
so erhält dadurch das abschließende Epithel Becherform, welche
allerdings hier noch nicht so stark hervortritt, wie wir sie beim alten
Käfer kennen lernten.
Auf dem in Fig. 20 dargestellten Stadium beharrt nun der Eiröhren-
stiel bis zur erstmaligen Eiablage. Wenigstens zeigten Käfer, welche
über 4 Monate alt waren, keine Abweichungen von dieser Form. Da
nun bei älteren Tieren der Becher bedeutend besser ausgebildet er-
scheint, so muß der Prozeß der Eiablage von wesentlicher Bedeutung
für die definitive Ausgestaltung dieses Abschnittes sein. Leider war
es mir trotz reichlichen Materials nicht möglich, diesen Prozeß in
bezug auf den Eiröhrenstiel näher zu verfolgen, da infolge des starken
Heranwachsens der reifenden Eier die Einfaltungen des Stielepithels
die Untersuchungen im höchsten Grade erschwerten. Dagegen war
zu konstatieren, daß beim Übertritt des reifen Eies der Becher am Grunde
durchbrochen wird, wie auch Korschelt angibt, daß aber der Zu-
sammenhang zwischen Eiröhre und Eiröhrenstiel dabei nicht gelöst
wird.
Die Bedeutung des Bechers des Eiröhrenstieles liegt nun darin,
daß er die Aufgabe hat, den Follikel und das Nährfach des ausge-
tretenen Eies zurückzuhalten. Sie fallen in dem Becher der Auflösung
anheim und verbleiben dort als »Corpus luteum« (Fig. 14 cl) bis die
neue Eiablage erfolgt. Es färbt sich bei Osmiumsäurekonservierung
mit Eisenhämatoxylin tiefschwarz. Nach erfolgter Eiablage enthält
nun die Einschnürungsstelle unterhalb des letzten Eies wieder einen
Zellpfropf (Fig. 14 zpf), welcher teilweise von den Resten des alten
Follikels gebildet wird. Der enge Anschluß des Pfropfes an den Follikel
des anschließenden Eies spricht jedoch dafür, daß schon während
der Entwicklung dieses Eies Follikelzellen in größerer Anzahl abge-
schoben werden.
Auch bei jungen Käfern, die noch keine Eier abgelegt haben, finden
sich mitunter in dem Becher dem Corpus luteum ähnliche Substanzen.
Es sind dies die Reste degenerierter Ei- und Nährfächer, denn an den
jungen Eiröhren kann man sehr oft die Beobachtung machen, daß das
letzte Ei und sein Nährfach der Degeneration verfielen.
Es ist nunmehr noch die Frage zu beantworten, wo die Tunica
propria der Eiröhre ihr Ende findet. Nach Leydig soll sie sich auf den
Eileiter fortsetzen. Die Untersuchung über den Verlauf der Tunica
bereitet einige Schwierigkeiten wegen der Zartheit dieser Hülle. Als
günstig für die Untersuchung erwiesen sich die nach van Gieson mit
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 213
Pikrinsäure-Säurefuchsin gefärbten Präparate, da sich die Tunica für
den roten Farbstoff sehr aufnahmefähig zeigte. Bei dem Weichkäfer
ließ sie sich deutlich verfolgen, wie sie den Zellpfropf außen umkleidet
(Fig. 18 lp) und auf die Aufbauchung des Eiröhrenstieles übergeht.
Weiter abwärts wird sie derart zart, daß man sie dem Stielepithel zu-
rechnen darf und sie als dessen Basalmembran ansprechen kann. Sie
dürfte hier ihre Bedeutung als elastische Membran verloren haben.
An den Eiröhren älterer Käfer (Fig. 14 u. 20) läßt sich die Tunica (tp)
deutlich bis an den oberen Rand des Bechers verfolgen, wie sie stellen-
weise stark gefaltet den Zellpfropf überzieht. Beim Zerren von frischen
Eiröhren reißt man auch stets an dieser Stelle die Verbindung der
Eiröhre mit ihrem Stiele durch und zieht den Zellpfropf mit dem Corpus
luteum aus dem Becher heraus. Es deutet dies darauf hin, daß an
dieser Stelle die Resorption der Tunica nach der Eiablage stattfindet,
da sich hier der Zusammenhang am leichtesten löst. Diese Stelle
ist infolgedessen auch als Ende der Eiröhre aufzufassen, wie dies auch
von Korschelt in ähnlicher Weise begründet wird.
Die Einschnürungsstelle gehört also mit dem Zellpfropf noch der
Eiröhre an. Sie ist jedoch nur beim alten Käfer als entleerte Eikammer
aufzufassen. Bei jungen Käfern aber, die noch keine Eier abgelegt
haben, enthält dieser Abschnitt Epithelzellen, die schon auf frühesten
Stadien der Imago auftreten und über deren Herkunft nur eine Unter-
suchung der Geschlechtsanlagen der Larven oder Puppen Klarheit
schaffen kann.
Das Epithel des Eiröhrenstieles (ep) ist besonders bei älteren
Käfern (Fig. 14) ein typisches Cylinderepithel mit kleinen Kernen.
Das Plasma ist fein granuliert und deutet auf die secretorische Funktion
der Zellen hin. Auf Schnitten erscheint das Lumen des Stieles mit
dem abgesonderten, fädigen Secrete erfüllt. Die Intima des Epithels
ist sehr fein und wegen des Secretüberzuges oft sehr schwer zu erkennen.
Die Wandung des Eiröhrenstieles ist von großer Elastizität. Beim
Austritt der reifen Eier wird sie derart gedehnt, daß sie diese nur als
dünne Kontur überzieht. Zellgrenzen sind in diesem Fall nicht mehr
zu erkennen und selbst die Kerne schwer aufzufinden.
Dem Epithel außen aufgelagert ist eine sehr feine Längsmuskulatur
(Fig. 14 u. 20 Im) ; dieselbe ist nur einschichtig und besteht aus äußerst
dünnen Fasern. Sie setzt sich nach hinten auf den Eierkelch fort.
Ringmuskelfasern sind am Eiröhrenstiele nicht nachzuweisen, und wir
werden sehen, daß solche erst am Eiergange auftreten.
214
Carl Demandt,
der
d. Der Eierkelch.
Ein Querschnitt durch den Eierkelch zeigt uns die starke Faltung
Kelchwandung (Fig. 22). Das Epithel, welches den Eierkelch
bildet (Fig. 21 ep2), ist
sehr charakteristisch.
Bei Färbung mit Eisen-
hämatoxylin erscheint
es bedeutend heller als
das Epithel der Eiröh-
renstiele (Fig. 21 epi);
das Zellplasma ist von
feinwabiger Struktur.
Die Kerne sind umfang-
reicher als in dem Stiel-
epithel und besitzen
außer granuliertem
Chromatm ein oder zwei
Kernkörperchen .
Interessant ist die
Art und Weise, wie die
Eiröhrenstiele in den
Eierkelch übergehen.
Fig. 21 zeigt diesen
Übergang. — Daß der
Eierkelch hier als röh-
renförmige Forsetzung
des Eiröhrenstieles er-
scheint, liegt an der star-
ken Faltung der Kelch-
wandung. — Das dunk-
lere Eiröhrenstielepithel
(ep±) schiebt sich über
die Falten des Eier-
kelchepithels (ep2) hin-
weg, indem es die
Buchten desselben auf der Innenseite des Kelches ausfüllt. Auf diese
Weise wird eine feste Verbindung des Eierkelches mit den Eiröhren-
stielen erzielt.
Fig. 21.
Übergang des Eiröhrenstieles in den Eierkelch. Das Epithel
des Stieles epjx schiebt sieh über das Epithel des Kelches ep2.
Im, Längsmuskelfasern. Vergr. 216/1.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
215
2. Der Leitungsapparat.
Die unter dem Namen Leitungsapparat zusammengefaßten Organe
unterscheiden sich von den vorhergehenden, besonders dem ihnen im
Bau äußerlich ähnlichen Eierkelch, durch ihren ectodermalen Ursprung :
tr<
^r~eP
Fig. 22.
Querschnitt durch den Eierkelch, zeigt die starke Faltung der Wandung, ep, Epithel; Im, Längs-
muskulatur von Tracheen itr) durchzogen. Vergr. 216/1.
das Epithel dieser Organe besitzt eine deutliche, chitinöse Intima,
welche teilweise mit Gleitschuppen besetzt ist.
a. Der Eileiter.
Nach hinten verengert sich der Eierkelch allmählich und geht in
den als Eileiter zu bezeichneten Abschnitt über. Äußerlich eine Grenze
zwischen beiden zu erkennen, ist unmöglich. Auf Schnitten jedoch
kann man die Grenze zwischen beiden scharf ziehen, da das Eileiter-
epithel grundverschieden ist von dem des Kelches. Der Übergang
beider Epithelien erfolgt scharf abgesetzt und nicht in der Weise, wie
es oben für die Eiröhrenstiele beschrieben wurde.
216
Carl Demandt,
--Im
-ep
Das Epithel des Eileiters (Fig. 23 ep) besteht aus mäßig hohen
Zellen mit körnigem Protoplasma. Die Kerne besitzen einen Nucleolus
und sind außerdem reich an granuliertem Chromatin. Das Epithel
weist eine deutliche In-
tima auf, welche mit zahl-
losen feinen Gleitschuppen
besetzt ist. Dieselben er-
scheinen schwach klauen-
förmig gekrümmt und
sind dem Ausgange des
Eileiters zu geneigt. Bei
sehr starken Vergröße-
rungen (Fig. 25) erkennt
man, daß die Intima (i)
diese Gleitschuppen über-
zieht. Das Innere der
Schuppe zeigt eine feine
Granulation, welche dem
Plasma der darunter
liegenden Zellen aufsitzt,
durch eine sehr feine
Kontur (c) von ihm aber
abgetrennt erscheint. Auf Querschnitten (Fig. 23) zeigt der Eileiter
anfangs die starke Faltung des Eierkelches, stellt also einen weiten
Schlauch dar, der sich aber nach hinten mehr und mehr verengt bis
zu der Vereinigung mit dem Eileiter des zweiten Ovariums zum Eier-
gange.
Fig. 23.
Querschnitt durch den Eileiter, ep, Epithel des Eileiters
auf der Innenseite mit Gleitschuppen besetzt; Im, Längs
muskelfasern. Vergr. 112/1.
b. Der Eiergang.
Der Eiergang, welcher, wie früher beschrieben, einen äußerlich
scharf umgrenzten Teil des Leitungsapparates bildet, zeigt hinsichtlich
seiner Struktur größte Übereinstimmung mit dem vorhergehenden
Abschnitte, dem Eileiter. Das Epithel des Eierganges (Fig. 24 ep)
bildet die Fortsetzung des Eileiterepithels und stimmt mit diesem voll-
ständig überein. Zum Unterschiede von dem Eileiter ist jedoch das
Lumen des Eierganges von durchweg gleicher Weite. Es ist gewöhn-
lich bis auf einen schmalen Spalt zusammengefallen (Fig. 27) und weist
geringe Ausbuchtungen auf.
Die Muscularis des Eierkelches stellt die Fortsetzung der Längs-
muskelfasern der Eiröhrenstiele dar. Eine Ringmuskulatur ist am
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
217
Eierkelche und an den Eileitern nicht vorhanden. Die Längsmusku-
latur ist am Eierkelche schon bedeutend kräftiger wie an den Eiröhren-
stielen. In mehrschichtiger Lage schiebt sie sich zwischen die Ein-
buchtungen der Kelchwandung ein (Fig. 22 Im). Diese Muskelschicht
ist von zahlreichen Tracheenverästelungen (tr) durchsetzt. Nach
hinten nimmt sie an Stärke zu, so
daß sie am Eileiter wieder kräftiger
erscheint als am Eierkelche. Am
Eiergange ist die Längsmuskulatur
recht bedeutend geworden (Fig. 27
Im), und die einzelnen Faserbündel
kreuzen sich meist stark (Fig. 24),
so daß sie nicht mehr parallel der
Längsachse des Ganges verlaufen.
Kurz vor der Vereinigung der Ei-
leiter zum Eiergange tritt zu der
Längsmuskulatur noch eine all-
mählich an Stärke zunehmende
Schicht Ringmuskulatur, die bei
-ep
Im
k~-
Fig. 24.
Längsschnitt durch die Wandung des Eierganges.
Das Epithel ep mit Intima (£), welche mit Gleit-
schuppen (gs) bedeckt ist. Im, stark gekreuzte
Längsmuskelfasern. Vergr. 216/1.
Fig. 25.
Zeigt eine einzelne Gleitschuppe, i, Intima;
k. Kern des Epithels; c, Kontur zwischen
Schuppe und Zellplasma. Vergr. 1040 1.
der Einmündung des Eierganges in die Scheide die Längsmuskulatur
an Mächtigkeit erreicht (Fig. 27 rm).
Durch die Kontraktion dieser Ringmuskelfasern und die nach hinten
gerichteten Gleitschuppen des Eierganges wird jedenfalls bei der Be-
gattung ein Eindringen der Spermatozoen in den Eiergang verhindert,
wie anderseits durch die schräge Längsmuskulatur und die Gleitschuppen
das Vorrücken der legereifen Eier bewirkt bzw. gefördert wird.
218
Carl Demandt,
c. Die Scheide.
Die Scheide oder Vagina bildet den letzten, muskulösesten Teil
des Leitungsapparates. Ein Querschnitt durch den vorderen Teil der
der Vagina zeigt hinsichtlich der Muscularis große Ähnlichkeit mit dem
Eiergang, abgesehen davon, daß dieselbe an der Scheide bedeutend
kräftiger entwickelt ist (vgl. Fig. 27 u. 28). Die äußerste Schicht wird,
wie beim Eiergange, gebildet von einer starken Lage von Ringmuskel-
fasern, welcher außen dorsal ein Polster Längsmuskulatur aufliest
Fig. 26.
Schematlscher Längsschnitt durch den Leitungs- und Befruchtungsapparat, el, Eileiter; e<j, Eier-
gang; bt, Begattungstasche; hbt, deren Hals; recs, Receptaculum; bg, Befruchtungsgang; drp,
Drtisenpolster; va, Vagina.
(Fig. 28). Die Ringmuskulatur umschließt ein mächtiges, sichelför-
miges Bündel von Längsmuskelfasern, welches ventral vom Scheiden-
lumen liegt und die exzentrische Lage desselben bedingt. Zu beiden
Seiten des Lumens liegt je ein kleines Drüsenpolster (Fig. 28 drp2),
welches nach hinten allmählich an Stärke abnimmt und kurz vor dem
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
219
Eintritt der Scheide in den Legesäbel endigt. Die ausführenden Gänge
dieser Drüsenzellen münden in das Lumen der Vagina. Wegen der
starken Epithelfalten sind sie jedoch nur an besonders günstigen Schnit-
&
.
S
ep2
sJm
drp.
hbr
% jf ...... » , , >
■. g
■ - -drp 2
--/m
Fig. 27.
Querschnitt durch den Eiergang (eg) und den Hals der Begattungstasche (hbt) kurz vor ihrer Ver-
schmelzung, ep, Epithel; h». Längs-, rm, Ringmuskulatur des Eierganges; ep, Epithel des Halses
drp! und drp.2, Drüsenpolster; w, Muskelwulst, der den Befruchtungsgang trägt (bg). Vergr. 88/1.
ten zu verfolgen. Die Drüsenzellen stimmen vollkommen mit denen
des Befruchtungsapparates überein und werden dort näher beschrieben
werden.
Das Epithel der Vagina ist ziemlich flach und sehr stark gefaltet,
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 15
220
Carl Demandt,
seine Zellgrenzen sind nicht zu erkennen. Die Kerne der Zellen sind
sehr klein und färben sich stark mit Hämatoxylin. Nach innen haben
die Zellen eine helle chitinöse Intima (Fig. 28 i) abgeschieden, welche
das Epithel an Stärke übertrifft und fein lamelliert erscheint. Gegen
die Muscularis ist das Epithel begrenzt von einer starken Basalmembran.
~&&--drp2
-im
Fig. 28.
Querschnitt durch die Scheide unterhalb der Vereinigung von Eiergang und Hals der Begattun<:s-
tasche. ep, Epithel mit Intima; ja, Falten desselben; drp2, Drüsenpolster (entsprechend drp.2 in
Fig. 27), Im, Längs-, rm, Ringmuskulatur. Vergr. 108/1.
Auffallend stark sind die zottigen Falten des Epithels {ja), welche be-
sonders von der Ventralseite her in das Lumen hineinragen und das-
selbe zum großen Teil erfüllen. Es gibt uns dies einen Begriff von der
starken Dehnbarkeit der Scheide, welche ihr Lumen beim Ablegen
der Eier ganz bedeutend erweitern muß.
Die Längsmuskulatur der Scheide nimmt an Mächtigkeit nach
hinten allmählich ab, und sie ist kurz vor dem Eintritt der Scheide
m den Legesäbel, wie Fig. 29 zeigt, zu einem kleinen, kompakten Bündel
reduziert, welches auf der Ventralseite des nunmehr ins Centrum ver-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginales.
221
lagerten Lumens liegt. Das Ganze wird umschlossen von einer mäch-
tigen Schicht Ringmuskulatur (Fig. 29 rm), in welche noch vereinzelte
Längsmuskelfasern (Im) eingebettet sind. Die äußeren Lagen der
Ringmuskulatur inserieren hier an einer chitinösen Einlagerung auf
der Dorsalseite der Vagina (Fig. 29 er), an welcher anderseits der kurze
Retractor der Scheide (rvb, vgl. S. 173) entspringt. Diese Einlagerung
hat die Form einer etwas deformierten Kugel und sieht infolgedessen
ep
-Im
Fig. 29.
Querschnitt durch die Scheide kurz vor ihrem Eintritt in den Legesäbel, mit dem Ansatz des
kurzen Scheidenretractors (rvb), er, Chitineinlagerung. Bezeichnungen wie in Fig. 28. Vergr. 88/1.
auch auf Längsschnitten durch die Vagina ganz ähnlich aus, wie auf
dem Querschnitt Fig. 29. Sie besitzt bedeutende Wandstärke und
ist umgeben von einem flachen Epithel mit kleinen Kernen, an welches
die Muskelfasern sich ansetzen.
Der hintere Abschnitt der Scheide ist umschlossen von den beiden
Legesäbelscheiden, zwischen deren ventralen Kanten, von den Styli
bedeckt, die Geschlechtsöffnung liegt (Fig. 2 u. 3 v). Auf einem Quer-
schnitt durch den Legesäbel (Fig. 30) erscheint das Epithel der Vagina
15*
222
Carl Demandt,
weniger stark gefaltet, sonst aber genau so ausgebildet, wie im vorderen
Abschnitt der Scheide (ep). Zellgrenzen sind auch hier nicht zu er-
kennen. Die Ringmuskulatur fehlt diesem Abschnitt der Scheide,
statt dessen findet sich dem Epithel
dorsal und ventral aufgelagert je ein
Polster sehr feiner Längsmuskelfasern.
Verfolgt man diese Muskelbündel auf
einer Schnittserie, so ergibt sich, daß
das dorsale Bündel allmählich schwindet,
d. h. im vorderen Abschnitte des Lege-
säbels endigt; das ventrale Bündel bildet
dagegen die direkte Fortsetzung des in
Fig. 29 dargestellten Längsmuskelbündels.
3. Der Befruchtungsapparat.
a. Der Hals der Begattungstasche und
die Begattungstasche
weisen in ihrem Aufbau nur geringe
Unterschiede von der Scheide auf. Das
Epithel des Halses (Fig. 27 e<p2) ist ebenso
flach und stark gefaltet wie das der Va-
gina, und besitzt eine ziemlich dicke, chi-
tinöse Intima. Dicht hinter der Einmün-
dung des Eierganges in die Scheide zeigt
ein Querschnitt durch den Hals (Fig. 27)
an seiner dem Eiergange anliegenden
Wandung einen in das Lumen vorragen-
den muskulösen Wulst (w). Die Falten des
styii; va, Scheide; intima des Epithels sind hier wieder sehr stark aus-
Scheidenepithels; Im. Längsmuskelfa- , ., , , , . .. . , . ,
sein, vergr. 5o/i. gebildet und schlingen sich, besonders von
den beiden Seiten in das Lumen hinein-
ragend, derart ineinander, daß es den Eindruck macht, als wäre der
an den Wulst anstoßende Teil des Lumens von dem übrigen getrennt.
An der Hand einer vollkommenen Schnittserie kann man sich aber
leicht von der Einheitlichkeit des Lumens überzeugen, da dieselbe
zeigt, wie die Falten des Epithels nach der Begattungstasche hin immer
unbedeutender werden und sich auseinander lösen. Sehr klar zeigte
diese Verhältnisse eine Schnittserie durch den Hals der Begattungs-
tasche eines Käfers, dessen Geschlechtsorgane vor der Konservierung
mit leichtflüssigem Paraffin von der Scheide aus injiziert worden
Fig. 30.
Querschnitt durch den mittleren Teil
des Legesäbels. Is, Säbelscheide; st,
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
223
waren. Es gelang auf diese Weise, das Lumen derart zu er-
weitern, daß die Einfaltungen des Epithels größtenteils geglättet
waren.
Das Epithel der Begattungstasche (Fig. 31 ep) ist etwas höher als
dasjenige des Halses, die Intima (i) dagegen ist sehr fein geworden.
Zellgrenzen sind auch hier kaum zu erkennen. Auch sind die Falten
Jm
: -
ag~~
■cfrp,
drp2~~
-drp2
Fig. 31.
Querschnitt durch die Begattungstasche, ep, Epithel mit Intima (i); rm, Ringmuskulatur; Inj,
Befruchtungsgang; drp1 und drp.2, Drüsenpolster; ag, Ausführungsgänge der Drüsen; er, Chitin-
röhrchen; Im, Längsmuskelfasern. Vergr. 140/1.
des Epithels nicht mehr so bedeutend wie in dem vorangehenden
Abschnitte.
Im Vergleiche zur Vagina ist die Muscularis der Begattungstasche
und ihres Halses stark reduziert. Die Längsmuskulatur, welche am
Halse der Begattungstasche noch vereinzelt auftritt, fehlt der Be-
gattungstasche, und nur die Ringmuskulatur (rm) ist an beiden Organen
noch ziemlich kräftia entwickelt.
224
Carl Demandt,
b. Das Receptaculum seminis oder der Samenbehälter
ist, wie schon im ersten Abschnitte gezeigt wurde, gegen die Begattungs-
tasche durch eine Einkerbung äußerlich abgesetzt. Eine deutliche Ab-
grenzung finden wir auch bei der Betrachtung der feineren Struktur
dieser Organe. Ein Längsschnitt durch die Samentasche (Fig. 32)
zeigt, daß das Epithel (ep^ der Begattungstasche (bt) scharf abgesetzt
in das hohe Cylinderepithel des Receptaculums (Fig. 32 ep2) übergeht.
Fig. '32.
Längsschnitt durch das Receptaculum. ep, Epithel desselben mit Intima (i); bt, Begattungs
ta sclie. Yergr. 88/1.
Die Zellen erscheinen bei der Färbung mit Hämatoxylin -Eosin sehr
hell, und die Kerne liegen an ihrer Basis. Das Epithel besitzt eine
mehr oder weniger stark gewellte chitinöse Intima (?') von beträcht-
licher Dicke. An dem Receptaculum jüngerer Käfer kann man an der
Intima deutlich zwei Schichten unterscheiden. Die innere, das Lumen
auskleidende Schicht ist dunkler, braun gefärbt und weist eine grobe
Lamellierung auf, während die dem Epithel aufliegende Schicht be-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginal ix.
225
deutend heller erscheint. An Samentaschen, welche diese Verhältnisse
noch deutlich aufwiesen, zeigte das Epithel eine Struktur, die darauf
hinzudeuten schien, daß die Abscheidung des Chitins noch nicht be-
endet sei. Es zogen nämlich nach der Intima hin kegelförmig ver-
breiterte, hyaline Plasmastränge, die sich mit Eosin färbten und dem
Chitin der Intima ähnlich sahen.
Im Gegensatze dazu fand ich bei andern Objekten, die von älteren
Käfern herrührten, daß die Intima der Samentasche bedeutend kräf-
tiger entwickelt war und sehr starke Falten aufwies, die auf Querschnitten
den Eindruck scharfkantiger Zähne machten (Fig. 33). An einer solchen
Intima waren die beiden Schichten nicht mehr so scharf zu unterschei-
den. Die Epithelzellen aber erschienen geschrumpft, und ihr Plasma
hatte sich von der Intima zurückge-
zogen (Fig. 33). Jedoch war der Zu-
sammenhang mit der Intima dadurch
gewahrt, daß von den Zellen stark
lichtbrechende Säulen (s) zu ihr hin
zogen, die den dazwischen liegenden
Hohlräumen an Breite ziemlich gleich-
kamen. Diese Säulen machten ganz
den Eindruck des Chitins, wie es in
der hellen Intimaschicht vorliegt. Sie
sind gegen das Chitin nicht scharf ab-
gesetzt und treten in die Epithelzellen
als helle, mit Eosin färbbare Stränge
tief hinein. Man kann sich die Säulen
derart entstanden denken, daß die
Epithelzellen in ihrer Tätigkeit, Chitin
zu bilden, schon erschöpft waren, in diesem Zustande aber doch noch
Chitin abschieden, aber nicht mehr in dem Maße, daß neue Lamellen
zustande kamen. Es fanden also die Chitinablagerungen nicht mehr
in der ganzen Breite der Einzelzellen statt, und durch weitere Aus-
scheidung oder, was wahrscheinlicher ist, durch Umwandlung des Plas-
mas, bildeten sich die Chitinsäulen, welche schließlich die einzige Ver-
bindung der geschrumpften Zellen mit der Intima bilden (Fig. 33).
Die Muskulatur des Receptaculums (Fig. 32) besteht aus nur
wenigen Lagen von Längsmuskelfasern, die nach der Spitze desselben
flach auslaufen und letztere nicht mehr umschließen. Eine Ring-
muskulatur fehlt. Überhaupt ist das Receptaculum infolge seiner
starken Intima ein derart fester Behälter, daß eine Kontraktion
— im
Fig. 33.
Schnitt durch die Wandung des Kecepta-
culums. s, Chitinsäulen, die die Zellen mit
der Intima verbinden. Sonst wie Fig. 32.
Vergr. 364/1.
226 Carl Demandt,
desselben durch die Muskelfasern nur in sehr geringem Maße mög-
lich ist.
c. Der Befruchtungsgang.
Nach der STEiNschen Nomenklatur gehören Scheide und Begattungs-
tasche zu den Begatfrungsorganen, während das Receptaculum seminis
dem Befruchtungsapparat zuzurechnen wäre. Zu diesem Befruchtungs-
apparate gehört nun der von Stein für die Käfer nachgewiesene Be-
fruchtungsgang, welchen dieser Autor, wie besonders aus seinen Ab-
bildungen hervorgeht, allgemein als einen geschlossenen Kanal, ein
Rohr auffaßt, das von der Samentasche zur Einmündung des Eierganges
in die Scheide führt und die Aufgabe hat, die Spermatozoen aus dem
Receptaculum zurückzuleiten zwecks Befruchtung der austretenden
Eier. Da nun die Verhältnisse bei Dytiscus marginalis und bei den
Dytisciden überhaupt insofern etwas schwieriger liegen, als der Be-
fruchtungsgang hier kein selbständiges, isoliertes Organ darstellt, so
ist es zu verstehen, daß Stein auch für die Dytisciden den Befruch-
tungsgang als geschlossenes Rohr ansah, zumal er diese Verhältnisse
am Totalpräparate studieren mußte. Diese STEiNschen Befunde sind
nun bisher nicht wieder nachgeprüft worden, und so erklärt es sich,
daß wir in der neuesten Literatur noch die STEiNsche Auffassung vor-
finden (Beklese).
Der Befruchtungsgang bleibt bei Dytiscus mit der Begattungs-
tasche und ihrem Halse in ständiger Verbindung und nicht nur das,
sondern er bildet direkt einen Teil dieser beiden Organe (vgl. Fig. 26,
welche den Verlauf des Befruchtungsganges (bg) klar erkennen läßt).
Ein Querschnitt durch den Hals der Begattungstasche (Fig. 27) zeigt,
daß das Epithel desselben auf der Höhe des früher beschriebenen musku-
lösen Wulstes (w) in ein Cylinderepithel mit kleinen Kernen an der
Basis der Zellen übergeht. Die Zellen desselben nehmen eine halb-
kreisförmige Fläche ein, denn sie strahlen radiär aus von einer dem
Lumen zugekehrten Rinne, welche das flach auslaufende Ende des
Befruchtungsganges (bg) darstellt. Nach der Begattungstasche hin
vertieft sich nun die Befruchtungsrinne, und gleichzeitig nimmt in
demselben Maße der Längsmuskel wulst, welcher die Rinne trägt, an
Höhe ab. Auf diese Weise senkt sich die Befruchtungsrinne allmählich
tiefer in die Wandung des Halses der Begattungstasche und besonders
der Begattungstasche selbst ein, wie ein Querschnitt durch letztere
zeigt (Fig. 31). Auf Kosten des muskulösen Wulstes, der in das Lumen
des Halses hineinragte, hat sich hier das Drüsenpolster (drpx) zu be-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 227
deutender Mächtigkeit entwickelt, wie ein Vergleich mit dem Drüsen-
polster des Halses (Fig. 27 drp^ zeigt, und es ist der Begattungstasche
nunmehr als Wulst außen aufgelagert. Von der Längsmuskulatur des
Wulstes finden sich nur noch einige Reste, welche das Drüsenpaket
außen überziehen (Fig. 31 Im). Das Lumen der Begattungstasche ist,
wie bereits beschrieben, ausgekleidet von einem schwach gefalteten
Epithel (Fig. 31). Auf der dem Drüsenpolster zugewandten Seite
schneidet nun das Epithel tief ein, und bildet auf diese Weise eine
Rinne: es ist dies der Befruchtungsgang (bg). Das Epithel ist an der
Basis der Rinne stark chitinisiert und wird hier durchsetzt von einigen
Bündeln feiner Chitinröhrchen (er), welche die Endigungen der Aus-
führimgsgänge von den Drüsen des Befruchtungsganges darstellen.
Von diesen Chitinröhrchen strahlen die Ausführungsgänge aus zu den
Drüsen hin. Als tiefe Rille in der Wandung der Begattungstasche
zieht der Befruchtungsgang nun zum Receptaculum, wo er, ohne sich
wesentlich zu verflachen, sein Ende findet. Aus den beschriebenen
Querschnitten geht also hervor, daß der Befruchtungsgang eine be-
sonders differenzierte Stelle der Wandung der Begattungstasche und
ihres Halses ist. Er steht mit denselben seiner ganzen Länge nach
in offener Kommunikation. Vom Samenbehälter aus betrachtet stellt
er sich dar als allmählich flach auslaufende Rinne, welche an der Ver-
einigungsstelle des Halses der Begattungstasche mit dem Eiergang
ihr Ende findet. Ich konnte mich davon überzeugen, daß der Be-
fruchtungsgang bei Coh/mbetes und Acilius genau so gebaut ist wie
bei Dytiscus, daß also auch hier kein geschlossenes Rohr vorliegt.
An dem Drüsenpolster des Befruchtungsganges sind zwei Regionen
zu unterscheiden: die Hauptmasse der Drüsenzellen (Fig. 31 drpx) liegt
hervorgewölbt aus der Begattungstasche als Wulst nach außen, der
andre Komplex {drp») liegt zwischen Ringmuskulatur und Epithel der
Begattungstasche zu beiden Seiten des Befruchtungsganges. Dieser
zweite Drüsenkomplex bildet die Fortsetzung der in der Scheide zu
beiden Seiten des Lumens liegenden Drüsenpolster (Fig. 28 drp.2). Diese
gehen direkt von der Scheide auf den Hals der Begattungstasche über,
dabei ihre Lagerung zu beiden Seiten des Lumens bewahrend.
Die Drüsenpolster des Befruchtungsganges setzen sich zusammen
aus einer großen Menge von Drüsenzellen, welche sehr locker aneinander
gelagert sind (Fig. 31 drpx u. drp2). Die Polster werden durchzogen
von zahlreichen Bindegewebsfibrillen (um das Bild nicht zu verwirren,
wurden sie in Fig. 31 nicht dargestellt). Die ausführenden Gänge der
Drüsenzellen (ag) ziehen, ohne sich miteinander zu vereinigen, zum
228
Carl Demandt,
*----if
app
Befruchtungsgange hin, das Secret jeder einzelnen Zelle wird also
direkt in die Kinne geleitet. Nach seinem Eintritt in die Zelle bildet
der Ausführungsgang stets ein oder zwei Schleifen (Fig. 34) und endigt
dann in einen komplizierten Apparat (Fig. 34 app). Derselbe ist ver-
schieden geformt: birnförmig, walzenförmig oder fast kugelig. Dieser
Körper besteht aus einer großen Anzahl feinster ellipsoidischer Tuben,
die alle in den centralen Ausführungsgang einmünden. Um ihn herum
liegt ein großer, runder, heller Hof, der als Sammelblase (sb) anzusehen
ist. Das Plasma der Zelle zeigt um die Blase herum eine schwache,
radiäre Strahlung. Der Kern der
Drüsenzelle (k) ist sehr chromatin-
reich und besitzt einen umfang-
reichen Xucleolus. Für die Unter-
suchung der Drüsen erwiesen sich
mit Osmiumsäure schwach gefärbte
Totalpräparate in Glyzerin sehr
günstig. Auf Schnitten war meist
die Blase und die chitinöse Endi-
gung des ausführenden Kanales
nicht deutlich zu erkennen.
Ist denn nun der Befruchtungs-
gang, der kein geschlossenes Rohr
darstellt, für die Rückleitung der
Spermatozoen bedeutungslos ge-
worden? Diese Frage muß ent-
schieden verneint werden. Die
sehr starke Faltung des Epithels
der Begattungstasche und ihres
Halses würde eine Rückwanderung der Spermatozoen sehr erschweren.
Auch würden die Spermatozoen jedenfalls sehr oft ihr Ziel verfehlen, wenn
sie einfach im Lumen dieser Organe zurückwandern sollten. Durch
den Befruchtungsgang ist aber vor allen Dingen gewährleistet, daß der
Samen dicht an die Einmündung des Eierganges und somit auch leicht
auf die vorbeigleitenden Eier gelangt. Außerdem begünstigt die
glatte Wandung des Kanales und das reichlich abgesonderte Drüsen-
secret die Rückwanderung der Spermatozoen ganz außerordentlich.
4. Die Drüsen des Scheidenrohres.
Auf die feinere Struktur des Chitinskeletes und der Hypodermis
des Legeapparates näher einzugehen, erübrigt sich hier, da diese kaum
Fig. 34.
Drüsenzelle des Befruchtungsganges stark ver-
größert: /,-. Zellkern; sb, Sammelblase; app, aus-
führender Apparat; ag, Ausführungsgang.
Vergr. 612/1.
Der Geschlechtsapparal von Dytiscus marginalis.
229
wesentliche Abweichungen vom Körperskelet überhaupt zeigen dürften,
und bei andern Arbeiten über Dytiscus mehr Berücksichtigung finden
werden. Es sollen daher hier nur kurz die Drüsen des Scheidenrohres
behandelt werden.
Bei der Beschreibung des Legeapparates wurde schon erwähnt,
daß die Membran des Scheidenrohres in dem Abschnitte, welcher von
der Naht der Seitenspangen zu den Genitalklappen zieht (Fig. 3 m2),
infolge eines aufgelagerten Drüsenpolsters schwammig aufgetrieben
erscheint. Die Drüsen liegen auf der Innenseite des ausgestülpten
Scheidenrohres. Ihre Ausführungsgänge, welche die Membran durch-
,t>PP
Fig. 35.
Drüsen des Scheidenrohres: ep, Hypodermis mit Chitinbelag (eh); u, schlauchförmige, b, kugelige
Drüsenzellen; <ii>i>- ausführender Apparat; ag, Ausführungsgang. Vergr. 216/1.
setzen, münden also in diesem Falle nach außen. In der Ruhelage
(Fig. 10b) liegen sie auf der den Genitalklappen zugewandten Seite der
Membran, münden also in den Raum, welcher den Legesäbel enthält,
die Sperma tophorentasche. Daraus geht hervor, daß sie nur für die
Ruhelage von Bedeutung sein können und ihre Aufgabe ist es jeden-
falls, den Legesäbel und besonders die Membran selber einzufetten,
damit das Ausstülpen des Säbels erleichtert wird.
Ein Querschnitt durch die Membran und ihr Drüsenpolster (Fig. 35)
zeigt uns ein Epithel, dessen Zellgrenzen mit Sicherheit nicht zu er-
kennen sind. Die Kerne der Zellen sind klein und enthalten einen
Nucleolus. Dem Epithel außen aufgelagert ist eine mächtige Chitin-
schicht (ch), welche fein lameliiert erscheint. Sie ist ebenso wie das
Epithel durchzogen von den stark chitinösen Ausführungsgängen der
230 Carl Demandt,
Drüsen. An dem Drüsenpolster kann man zweierlei Drüsenzellen
unterscheiden. Die innere Lage des Polsters wird hauptsächlich ge-
bildet von einzelligen schlauchförmigen Drüsen (Fig. 35 a). Sie sind
keulenförmig und von mäßiger Länge. Der Ausführungsgang zieht sich
durch sie hindurch fast bis zu ihrem Ende und ist in seinem hinteren
Abschnitte umsäumt von einem hellen Hofe, welcher bei starker Ver-
größerung eine sehr schwache Strahlung nach dem Ausführungsgange
hin erkennen läßt. Nicht weit von dem hinteren Ende der Drüse
liegt der nicht sehr große, chromatinreiche Kern. Das Plasma der
Drüsenzelle ist granuliert und in der Nähe des hellen Hofes an dem
ausführenden Kanäle (ag) dichter, so daß die Zelle hier dunkler er-
scheint.
Die äußere Lage des Drüsenpolsters wird gebildet von Zellen,
welche ebenfalls schlauchförmig, jedoch an ihrem Ende kugelartig
verbreitert sind. Es handelt sich auch hier um einzellige Drüsen.
In ihrem schlauchförmigen Abschnitte, der von dem stark chitinösen
Ausführungsgang ((ig) durchzogen wird, sind sie den oben beschriebenen
Drüsen sehr ähnlich, doch fehlt ihnen der helle Hof (Fig. 35 6). Der
Ausführungsgang bildet in dem kugelförmig verdickten Ende der
Drüsenzelle eine oder zwei Schleifen und endet in einen Apparat [apy),
der die Secrete zu sammeln und in den Ausführungsgang zu leiten hat.
Derselbe stellt einen länglich ovalen, mitunter schwach gekrümmten
Körper dar, welcher eine radiäre Strahlung zu dem Ausführungsgange
hin aufweist. Letzterer ist deutlich bis über die Mitte des Apparates
zu erkennen. Der Kern der Drüsenzelle liegt gewöhnlich in der Nähe
der Endigung des Ausführungsganges und besitzt außer granuliertem
Chromatin einen deutlichen Nucleolus. Das Plasma der Drüsenzelle
besitzt wabige Struktur, in der Nähe des Kernes weist es jedoch starke
Granulierung auf, so daß hier die Zelle bedeutend dunkler erscheint.
Das Plasma zeigt außerdem oft Vacuolen wechselnder Größe, die mit
einer schmutzig grauen Substanz erfüllt sind, welche jedenfalls als
vorgebildetes Secret anzusehen ist. Die Ausführungsgänge der Drüsen-
zellen sind ziemlich weit, so daß man ihr Lumen gut erkennen kann.
Sie münden einzeln oder auch in Bündeln von zwei bis vier nach außen.
B. Der männliche Geschlechtsapparat.
I. Die Orientierung im Körper.
Der hintere Abschnitt der Höhlung des Abdomens wird beim Männ-
chen wie beim Weibchen von dem Copulationsapparat eingenommen,
welcher fast bis zum Hinterrande des sechsten Segmentes nach vorn
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 231
reicht (Fig. 36 kop.app). Der Ductus ejaculatorius (Fig. 36 de) tritt
am Vorderraude etwas rechts seitlich aus dem Copulationsapparat
hervor und biegt direkt nach unten um. Er ist bei normaler Lage des
Geschlechtsapparates nicht sichtbar, da dem Copulationsapparate
dicht vorgelagert die beiden Nebenhoden liegen (Fig. 36 nh). Letztere
erstrecken sich als einheitlicher Körper quer durchs Abdomen1. Seit-
lich treten aus den Nebenhoden die beiden Vasa efferentia (Fig. 36 ve)
hervor, welche von den Hoden herkommen. Die Hoden liegen im
vorderen Teile der Höhlung des Abdomens und zwar seitlich dicht
am Körperrande. Zwischen ihnen treten die Windungen der Anhangs-
drüsen hervor (Fig. 36 ect). Diese werden erst nach Entfernung der
Hoden und Nebenhoden vollständig sichtbar. Sie liegen in der Tiefe
des Abdomens in mehrfachen Windungen.
Die Befestigung der Weichteile des Geschlechtsapparates an dem
Körperskelet ist hier nicht so weitgehend wie beim weiblichen Apparate.
Die Verbindung mit dem chitinösen Copulationsapparate stellt einzig
der Ductus ejaculatorius her; verbindende Muskeln fehlen hier ganz.
Eine besondere Befestigung der Anhangsdrüsen erscheint auch wegen
der kräftigen Entwicklung dieser Organe überflüssig, und es kommen
hier nur einige Nerven und Tracheenstränge in Betracht. Die Hoden
dagegen, als der empfindlichste Teil des Geschlechtsapparates, sind
mit der Körperdecke fest verbunden und zwar durch die Tracheen des
vierten und besonders des fünften Abdominalsegmentes. Die büschel-
förmig vom Stigma des fünften Segmentes ausstrahlenden Tracheen
umspinnen den Hoden und dringen mit ihren feinen Verästelungen
zwischen die Windungen des Hodenschlauches ein. Auf diese Weise
wird eine feste Verbindung des Hodens mit dem Körper des Käfers
erzielt.
Ferner sei hier noch der Fettkörper erwähnt, in welchen die Ge-
schlechtsorgane eingebettet sind. Um die Hoden- und Nebenhoden
bildet er eine besondere, schützende Hülle, die Peritonealhülle. Ais
Ligamente des Hodens sind aber noch je zwei vom Fettkörper gebildete
1 Wegen des bedeutenden Umfanges des männlichen Geschlechtsapparates
wäre es unzweckmäßig gewesen, die Weichteile des Apparates in der normalen
Lage im Körper darzustellen, da ein großer Teil der Organe dann nicht sichtbar
ist. Man kann sich aus Fig. 36 die normale Lage leicht konstruieren, wenn man
sich den Nebenhoden dem Copulationsapparat dicht vorgelagert denkt. Die
Hoden würden in das Abdomen an die Stelle, die sie in Fig. 36 mit ihrem
hintereren Abschnitte verdecken, zu liegen kommen, während die mehrfach
gewundenen Ectadenien von Hoden und Nebenhoden zum Teil verdeckt am
Grunde des Abdomens liegen.
232
Carl Demandt,
Bänder zu nennen, welche sich seitlich am Hinterende des Hoden-
knäuels anheften und ähnlich wie die Verbindungsstränge der Ovarien
in der Mittellinie des Körpers nach vorn verlaufen, um sich im Thorax
mit dem übrigen Fettkörper zu vereinigen.
Fig. 36.
Zeigt den gesamten männlichen Geschlechtsapparat: den Copulationsapparat (kopapp), Neben-
hoden (nh), Hoden (h), und Anhangsdrüsen (ect). Weitere Bezeichnungen siehe S. -298. Vergr. 6/1.
II. Morphologie des männlichen Geschlechtsapparates.
Die Insekten weisen hinsichtlich des Baues der männlichen Ge-
schlechtsorgane eine sehr große Mannigfaltigkeit auf, und es läßt sich
eine größere Anzahl Typen unterscheiden. Eine Zusammenstellung
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 233
wurde erst in neuerer Zeit von Berlese gegeben, welcher in einer
Reihe schematischer Bilder die verschiedenen Arten recht anschaulich
darstellt. Nach dieser Zusammenstellung gehören die Dytisciden
zu der Gruppe, welche außerdem die Carabiden, Cicindeliiden,
Gyriniden, Mordelliden und andre Coleopteren umfaßt, und
welche gekennzeichnet sind durch das Fehlen der mesodermalen
Anhangsdrüsen (Mesadenien nach Escherich).
Der männliche Geschlechtsapparat von Dytiscus gliedert sich in
verschiedene, ziemlich scharf getrennte Abschnitte (vgl. Fig. 36) :
1) Die keimbereitenden Organe, gebildet von den beiden
Hoden (A).
2) Der Speicherungsapparat der Geschlechtsprodukte, be-
stehend aus:
a. dem zuführenden Vas efferens (ve),
b. dem Nebenhoden oder Epididymis (nh),
c. dem abführenden Vas deferens (vd, Fig. 37).
3) Die Anhangsdrüsen oder Ectadenien (ect).
4) Der Leitungsapparat gebildet von dem Ductus ejaculatorius
(de).
5) Der Copulationsapparat und zwar
a. das Chitinskelet,
b. die Muskulatur.
Die unter 1. und 2. genannten Organe sind mesodermalen Ur-
sprungs (primäre Geschlechtsorgane nach Escherich), die übrigen
(3. u. 4.) dagegen sind auf ectodermale Einstülpung der Körperbe-
deckung zurückzuführen, wie ihre chitinöse Intima beweist (sekundäre
Geschlechtsorgane nach Escherich).
Wie schon erwähnt, werden die primären Geschlechtsorgane um-
hüllt von der Peritonealhülle, einem lockeren, maschigen Gewebe,
welches als besondere Differenzierung des Fettkörpers erscheint. Durch
die zahlreichen Tracheenverästelungen ist sie mit den umhüllten Organen
ziemlich fest verbunden, so daß es einige Schwierigkeiten bereitet,
dieselben frei zu legen.
1. Die Hoden.
Der Hode (Fig. 36 h) bildet zur Zeit intensiver Samenerzeugung —
Sommer und Herbst — einen ellipsoidischen Körper von etwa 9 mm
Länge und 6 mm Breite und Dicke. Er besteht aus einem knäuel-
förmig aufgewundenen, feinen Schlauch, dessen Windungen durch die
Maschen der Peritonealhülle hindurch gut zu erkennen sind. Die
234 Carl Demandt,
Windungen zeigen insofern eine gewisse Regelmäßigkeit, als stets das
blinde Ende und die sich daran anschließende erste Hälfte des Schlau-
ches den ventralen Teil des Hodenknäuels bilden, so daß also das Vas
efferens (Fig. 36 ve) stets dorsal aus ihm heraus tritt. Es ist dies gut
zu erkennen an Hoden, welche noch nicht ganz mit Samenelementen
angefüllt sind. Der in Fig. 36 dargestellte Hode ist allerdings schon
ziemlich weit in der Entwicklung vorgeschritten, doch läßt er immer-
hin noch erkennen, daß der gefüllte Abschnitt des Schlauches eine
muldenartige Vertiefung bildet, in welche der zweite, leere Abschnitt
eingebettet liegt. Da letzterer zusammen gefallen ist. sind seine Win-
dungen durch die Peritonealhülle hindurch nicht zu erkennen, infolge-
dessen zeigt uns Fig. 36 besonders am rechten Hoden die Schlauch-
windungen nur an der Peripherie des Knäuels. Die Länge des Hoden-
schlauches beträgt 30 — 40 cm, und nicht nur 8 — 10 cm, wie Schäfer
angibt. Genau läßt sie sich nicht bestimmen, da sie davon abhängt,
wie stark der Schlauch auch beim Aufrollen gedehnt wird. Das Auf-
wickeln des Knäuels bereitet nämlich einige Schwierigkeiten, da die
Windungen des Schlauches durch die Tracheen sehr fest untereinander
verbunden sind.
Der Inhalt des Hodens ist von außen bei Lupenvergrößerung als
helle, körnige Masse zu erkennen. Der gefüllte Schlauch weist in semer
zweiten Hälfte gewöhnlich eine gut zu erkennende Achse von gelb-
gefärbter Substanz auf, die wir später als degenerierende Samenele-
mente, die als Nährmaterial dienen, kennen lernen werden. Abwärts
von dem mit normalen Elementen gefüllten Abschnitt ist oft ein
mehrere Centimeter langes Stück des Hodens nur von degenerierten
Substanzen erfüllt, kenntlich an der starken Gelbfärbung. Man könnte
diesen Pfropf mit dem Corpus luteum der Eiröhre vergleichen, denn
er wird von den nachdrängenden Samenelementen allmählich weiter
abwärts geschoben, ähnlich wie das Corpus luteum vom reifen-
den Ei. v
Das Aussehen des Winterhodens weicht von dem strotzend an-
gefüllten Sommerhoden wesentlich ab. Am blinden Ende erkennt man
alsdann eine etwa 2 cm lange Verdickung, die den normalen Umfang
aufweist. Dagegen ist der ganze übrige Teil des Schlauches leer und
daher zusammengefallen und unscheinbar geworden. Das ganze Hoden-
knäuel ist demgemäß auch stark geschrumpft, so daß es sich besonders
bei fettreichen Käfern kaum vom Fettkörper abhebt. Das blinde
Ende des Hodens ragt dann gewöhnlich um ein winziges Stück aus
dem Knäuel hervor. Die Verdickung am Ende des Hodens ist zu
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 235
vergleichen mit der Endkammer der Eiröhre, denn sie enthält wie
diese die Keimzellen.
2. Der Speicherungsapparat,
a. Das Vas efferens
tritt am Hinterende dorsal aus dem Hoden hervor (Fig. 36 ve). Es ist
ein 4 — 6 mm langer Schlauch, der den Umfang des Hodenschlauches
aufweist und, seiner Füllung entsprechend, im Sommer ebenfalls um-
fangreicher ist als im Winter. Es ist von der Peritonealhülle umschlossen
und geht nach kurzem Verlauf in den Nebenhoden über.
b. Der Nebenhoden oder die Epididymis (Fig. 36 nh)
trägt diesen Namen, weil er ebenso wie der Hoden einen zu einem Knäuel
zusammengeballten Schlauch darstellt. Er hat die Funktion einer
Samenblase zu erfüllen, denn in ihm wird der Same aufgespeichert.
Er ist im Gegensatz zu dem Hoden besonders im Herbst und Winter
stark gefüllt, da alsdann der Samen aus dem Hoden in ihn übergetreten
ist. Seine Länge beträgt ungefähr 15 — 17 cm, und man kann zwei
Abschnitte an ihm erkennen. Der an das Vas efferens sich anschließende
Teil ist weniger dick und hat eine Länge von etwa 9 cm. Der zweite
Abschnitt weist je nach seiner Füllung einen Durchmesser von 0,8
bis 1,2 mm auf und ist 6 cm lang. Wegen des geringen Raumes, der
zur Verfügung steht, liegen die beiden Nebenhoden dicht aneinander
getrennt im Abdomen, so daß sie als einheitlicher, walzenförmiger
Körper sich quer durchs Abdomen erstrecken (Fig. 36 nh). Bei vor-
sichtiger Präparation gelingt es leicht, die beiden Nebenhoden un-
versehrt zu trennen.
c. Das Vas deferens (Fig. 37 vd)
tritt auf der Ventralseite aus den Nebenhoden heraus und besitzt eine
Länge von nur 3 — -1 mm. Es ist von etwas geringerer Stärke als der
letzte Abschnitt des Nebenhodens und mündet von der dorsalen Seite
her in die Anhangsdrüsen des männlichen Apparates ein (Fig. 37 ect).
An seiner Mündung verjüngt es sich plötzlich sehr stark; es ist dies
auf starke Kontraktion der Muskulatur zurückzuführen, wodurch der
Austritt des Samens verhindert wird.
Es soll noch darauf hingewiesen werden, daß die vorbeschriebenen
Abschnitte, Vas efferens, Nebenhoden und Vas deferens auch in ihrer
Gesamtheit als Vas deferens, d. h. als die Samenelemente ausführender
Schlauch aufgefaßt werden kann. Es läßt sich jedoch nicht bezweifeln,
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 16
236
Carl Demandt,
daß ihre Funktion nicht durchweg dieselbe ist, und infolgedessen ist
es berechtigt, diese äußerlich schon gesonderten Abschnitte zu unter-
scheiden und die von Auerbach für dieselben eingeführten Bezeichnun-
gen zu verwenden.
3. Die Anhangsdrüsen.
Die Anhangsdrüsen oder Ectadenien (nach Escherich), auch
Kittdrüsen genannt, (Fig. 36 ect) sind zwei blindendigende Schläuche,
welche im gefüllten Zustande durch-
schnittlich 31/2 cm Länge und 1 mm
Durchmesser besitzen. In den Mona-
ten Mai bis Juli sind sie weniger
dick, da sie zu dieser Zeit, in wel-
cher keine Copulationen stattfinden,
kein Secret enthalten. Ihre blin-
den Enden sind durch einen feinen
Muskelstrang (siehe Fig. 36 ms) mit-
einander verbunden. Man kann an
ihnen zwei Abschnitte unterscheiden.
Das erste Stück in einer Länge von
9 — 12 mm ist von milchweißer Farbe
und schwach durchscheinend. Der
übrige Teil bis zur Vereinigung der
beiden Schläuche ist gelbweiß und
übertrifft den ersten Abschnitt etwas
an Durchmesser. Das Endstück der
Drüse ist stets derart gekrümmt, daß
es dem zweiten Teile ziemlich parallel
verläuft (Fig. 36!). Kurz unterhalb
der Krümmungsstelle weist der
Drüsenschlauch zwei dicht aufeinan-
der folgende Verdickungen auf.
In die Ectadenien münden nun
pi„t 2,1. v,,n c^er Dorsalseite her die Vasa
Penis (pe) und Parameren ipa) isoliert mit defereiltia ein (Fig. 37). In dem
.lern Ductus ejacnlatorius und der Mündung ahwärts von dieser Einmündung Ver-
der \asa deferentia (ni) in die Anhangsdrusen .
(ect). vergr. 7/i. laufenden Abschnitt nähern sich die
Drüsenschläuche und verschmelzen
allmählich miteinander. Sie bewahren aber ihre getrennten Lumina
noch weiter, wie schon äußerlich an der bedeutenden Breite dieses
Der Geschlechtsappurat von Dytiscus marginalis. 237
Abschnittes zu bemerken ist. Dieser Abschnitt, welcher morphologisch
den Kittdrüsen zuzurechnen ist, hat also die Aufgabe, sowohl das
Drüsensecret als auch die Spermatozoen in den folgenden Teil des
Geschlechtsapparates, den Ductus ejaculatorius, zu leiten.
4. Der Ductus ejaculatorius.
Der Ductus ejaculatorius (Fig. 36 u. 37 de) ist ein nicht besonders
starker, unpaarer Schlauch von etwa 6 — 7 mm Länge und 0,8 mm
Durchmesser. Er beginnt kurz unterhalb der Vereinigungsstelle der
beiden Ectadenien. Diese Stelle ist gekennzeichnet durch eine chitinöse
Einlagerung, welche die Form eines etwas schiefen Hufeisens hat (Fig. 37
cb). Sie wird noch genauer beschrieben werden. Der Ductus ejacula-
torius mündet in der von dem chitinösen Penis gebildeten Kinne nach
außen. Seine Mündung ist eingefaßt von zwei Chitinspangen (Fig. 41
csf), welche mit dem Penis gelenkig verbunden sind und durch je einen
sehr feinen Muskelfaden, der sich in der Penisrinne ansetzt, bewegt
werden können.
5. Der Copulationsapparat.
a. Die Skeletteile.
Bei der Beschreibung des Legeapparates wurde gezeigt, daß der
chitinöse Apparat ein Rohr darstellt, welches als Fortsetzung der
Körperbedeckung den hinteren Abschluß des Abdomens bildet. Wir
weiden sehen, daß beim männlichen Käfer die Verhältnisse ganz ähnlich
liegen. Da die männlichen Copulationsorgane jedoch weit komplizierter
gebaut sind, soll zur Erleichterung des Verständnisses zunächst an der
Hand zweier schematischer Sagittalschnitte durch das Abdomen die
Lage der Chitinteile und Membranen, die den chitinösen Apparat auf-
bauen, erläutert werden.
Das erste Schema (Fig. 38«) ist so gedacht, daß die verbindenden
Membranen teilweise sehr stark verlängert angedeutet und derart weit
aus dem Abdomen hervor gezogen wurden, daß sämtliche Einfaltungen
sich glätteten. In Wirklichkeit ist es also nicht möglich, die Organe
so weit aus dem Körper hervorzuziehen. Fig. 38« läßt erkennen, daß
auch der männliche Apparat ein membranöses Rohr ist, in welches
verschiedene Chitinplatten und -bogen eingelagert sind. Es soll als
Genitalrohr bezeichnet werden. Die chitinöse Membran des Rohres
setzt sich dorsal am Hinterrande des neunten Tergits an (Fig. 38«
u. b 9t). In sie eingelagert sind zunächst zwei kleinere Chitinplatten,
die Analplatten (ap), ferner ein dünner Chitinstab, die Gräte {gr) (vgl.
lt;*
238
Carl Deniandt,
weiter unten S. 243). Die Membran endet dorsal an den Parameren (pa)
und am Penis (pe).
Auf der Ventralseite ist die Membran des Genitalrohres weit um-
fangreicher ausgebildet, da sie hier im eingezogenen Zustande sich ver-
schiedentlich einschlägt. Sie beginnt am Hinterende des achten Ster-
nits (8s) und umschließt zunächst die Genitalklappen mit ihrem Bogen
Fig. 38 a.
Schema: Der Copulationsapparat völlig auseinandergezogen, um seinen Zusammenhang mit dem
Abdonun zu zeigen. Die Membranen sind durch Wellenlinien angegeben, die punktierte Linie
gibt die Richtung des oberen Bogens und damit dm vorderen Abschluß des Präputiums an.
Fig. 386.
Der Apparat in Copulationsstellung. sonst wie
Fig. 38a.
Fig. 39.
Der "Apparat in der Ruhelage, sonst wie Fig. :J8«.
Erklärung der Abkürzungen siehe S. 298.
(gk u. üb). Vom hinteren Rande der Genitalklappen zieht sie zu einem
oberen Bogen (ob), welcher mit den Analplatten auf der dorsalen Seite
des Rohres endigt und somit das Genitalrohr ringförmig umschließt.
Vom oberen Bogen zieht die Membran weiter zur Ventralseite von
Penis und Parameren. In diesem ihrem letzten Abschnitte ist noch
eine längliche Chitinplatte (vp) eingelagert.
Das zweite Schema (Fig. 386) stellt den Copulationsapparat in der
Lage dar, die er bei der Begattung einnimmt. Die verschiedenen Ein-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginales. 239
faltungen der Membranen sind hier also in natürlicher Lage zu erkennen.
Es ist zunächst die Membran, welche vom oberen Bogen zu den Genital-
klappen zieht, nach hinten eingeschlagen, ebenso die Membran, die die
Genitalklappen mit dem Hinterrande des achten Sternits verbindet.
Ich komme nunmehr zur Beschreibung des männlichen Copulations-
apparates und beginne mit dem letzten Abschnitt des Genitalrohres,
den Parameren und dem Penis.
Die Parameren (Fig. 37 u. 42 pa) sind zwei schwach gekrümmte
Chitinplatten, die rinnenförmig ausgehöhlt sind. In der Mitte am
breitesten, laufen sie nach hinten spitz zu. Nach vorn verjüngen sie
sich ebenfalls, nehmen jedoch am Vorderende wieder an Breite zu.
Der vordere Teil ist zu dem übrigen Abschnitte nahezu rechtwinklig-
gebogen. Die hintere Hälfte der Ventralkanten der Parameren trägt
eine Fahne aus langen, steifen Haaren (Fig. 37). Mit dem Penis sind
die Parameren an ihrem Vorderende durch einen kleinen Höcker
(Fig. 4(3 gh) gelenkig verbunden. In der Ruhe legen sie sich wie zwei
Klappen um den Penis herum, so daß nur sein Vorder- und Hinterende
daraus hervorsieht (Fig. 37).
Der Penis bildet im wesentlichen eine nach hinten flach auslaufende
starke Chitinrinne, die in einen kleinen Knopf endigt (Fig. 37 u. 40).
Fig. 40.
Der Penis vollkommen isoliert in seitlicher Ansicht, sw, membranöse Seitenwand. Vergr. 8 I.
Nahe seinem Hinterende trägt er auf der Unterseite eine zweireihige
Haarfahne. In seinem mittleren Teile ist der Penis gleichmäßig schwach
gekrümmt, kurz vor dem Hinterende ist die Krümmung jedoch etwas
stärker. Der vorderste Teil des Penis, der mit den Parameren gelenkig
verbunden ist, ist so stark hakenartig nach hinten umgebogen, daß er
mit dem mittleren Abschnitte einen spitzen Winkel bildet (Fig. 40).
Fast zum Rohr geschlossen ist die Penisrinne an der Ausmündungs-
stelle des Ductus ejaculatorius. Letzterer verläuft auf der dorsalen
Seite des Penis und mündet nahe seiner Mitte nach außen. Die Wan-
dung der Penisrinne wird hier beiderseits von einer stark chitinösen
240 Carl Demandt,
Membran gebildet (Fig. 40 sw), welche dem Kiele seitlich ansitzt und
nach hinten allmählich an Breite abnimmt. Diese Wände des Penis
können seitlich herabgeklappt werden, was in der Tat in einem ge-
wissen Stadium der Begattung geschieht, wie die Untersuchungen von
Blunck ergeben haben.
Die Geschlechtsöffnimg ist bedeckt von einem komplizierten Appa-
rate. Da derselbe hauptsächlich von der Membran des Genitalrohres
gebildet wird, so ist es zweckmäßig, zuerst die Membranen, die an den
Parameren und an dem Penis ansetzen, zu beschreiben. Zur Erleich-
terung des Verständnisses möchte ich für den membranösen Teil des
Genitalrohres, welcher mit dem später zu beschreibenden oberen Bogen
abschließt, den auch in der Literatur (Burmeister) in diesem Sinne
gebrauchten Ausdruck »Praeputium« anwenden.
Dorsal spannt sich der letzte Abschnitt des Präputiums zwischen
den oberen Kanten der Parameren aus (Fig. 42 m^. Da diese Membran
an den hinteren Ecken der Parameren, immer an den Kanten inserierend,
auf die Ventralkanten derselben übergeht, so bildet das Präputium
zwischen den Parameren einen blindgeschlossenen Beutel, der nach
vorn mit der Leibeshöhle offen kommuniziert. Die hintere Begrenzungs-
linie dieses Beutels bildet, wie Fig. 42 zeigt, keine gerade Linie, sondern
die Membran ist in der Mitte eingezogen, so daß der Beutel zweispitzig
wird. Der Abschnitt des Präputiums, der sich zwischen den ventralen
Kanten der Parameren ausspannt, ist äußerst dick und gallertig, da
ihm im Innern des Beutels zwei keilförmige Drüsenpakete aufliegen.
Diese Drüsen münden nach außen auf den unterhalb der Membran
gelagerten Penis aus.
Von den Ventralkanten der Parameren springt das Präputium
nun auf den Penis über und bildet hier die. von hinten gesehen, trichter-
förmige Geschlechtsöffnung, indem sie. den Ductus ejaculatorius um-
faßt. In Wirklichkeit handelt es sich hier um eine Aussackung des
Präputiums. Dieselbe besteht hauptsächlich aus einem nach hinten
zugespitzten Beutel (Fig. 41 b). der dorsal von einem in die Membran
gelagerten Chitinstachel (csj) gestützt wird. Mit seinem ventralen
Vorderrande ist dieser Beutel am Penis befestigt, und zwar setzt sich die
Membran seitlich an den nach innen umgeschlagenen Wänden der
Penisrinne an und bildet hier beiderseits eine weitere Aussackung,
die wieder durch zwei seitliche, dornförmige Chitineinlagerungen ge-
stützt sind (Fig. 41 cs2). Dieselben sind in der Ruhelage nicht sichtbar
(Fig. 40), da sie in der Penisrinne verborgen liegen. Von den Seiten-
wänden des Penis springt die Membran in die Penisrinne über und
Der Geschlechts i|>|ur.it von Dytiscus marginalis.
241
heftet sich hier an, die Mündung des Ductus ejucalatorius fest um-
schließend. Von dieser ringförmigen Ansatzstelle gehen wieder zahl-
reiche Chitinstrahlen in die Membran über. Dicht vor diesem Punkte
wird der Ductus von den schon früher erwähnten lyraförmig gebogenen
Chitinspangen (Fig. 41 csf) umschlossen, welche zwrei kurzen Vor-
sprüngen der Penisrinne gelenkig ansitzen. An diesen Spangen setzt
sich auch die Membran des die Rinnen bedeckenden Apparates an.
Fig. 41.
Seitliche Ansicht der Chitinteile des Copulationsapparates bei vorgestrecktem Penis {pe). Der den
Penis bedeckende Apparat in gespreizter Stellung. Die Seitenwand des Penis ist wegpräpariert,
um die Stacheln (es) und Spangen (esp) des Penisdeckapparates zu zeigen. Das achte Sternit und
das neunte Tergit teilweise mit eingezeichnet. Erklärung der Abkürzungen siehe s. 298.
Vergr. 8/1.
Letzterer ist also infolge seiner umfangreichen Insertion an den Wänden
und dem Kiele des Penis als Teil dieses Organes aufzufassen, zumal
er auch bei dem Copulationsakt eine sehr wesentliche Rolle hinsichtlich
der Übertragung der Spermatophoren spielt.
Von den Spangen in der Penisrinne zieht das Präputium weiter
nach vorn, inseriert an den dorsalen Kanten des Penis (Fig. 37 m2)
und springt dann wieder auf die Ventralkanten der Parameren über.
Dieser Abschnitt des Präputiums enthält wieder ein großes Drüsen-
242
Car] Demandt,
polster. Die Drüsen münden in den Raum, der von den Parameren
und der starken Krümmung des Penis umschlossen wird (Fig. 37).
Daher stammt auch das gelbe, flockige Secret, welches sich zu jeder
n
pa ■
-pa
\
vi/
pe \9
Fig. 42.
l»ie Chitinteile und Membranen (mx — fn6) des Copulationsapparates von der Dorsalseite gesehen.
Penis (pe) und Parameren (pa) stark hervorgezogen. J>ie verdeckt liegenden Teile der Gräte (gr)
des unteren Bogens (w&) und der Analplatten (ap) durch punktierte Linien begrenzt. Abkürzungen
siehe S. 298. Vergr. 8/1.
Infolge dieses eigenartigen Verlaufes des
Zeit in diesem Räume vorfindet
ventralen Abschnittes des Präputiums gewinnt man den Eindruck, als ob
der Penis durch eine Öffnung dieser Membran hervorgeschoben würde.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 243
In seiner Fortsetzung nach vorn zieht das Präputium dorsal von
den Parameren zu den Analplatten (Fig. 42 ap), und zwar zieht es
unter ihnen durch, nur an den seitlichen Kanten der Platten inserierend.
So bleibt zwischen Analplatten und dieser Membran eine Öffnung für
die Mündung des Enddarmes. Zwischen den Parameren und den
Analplatten ist ein dünner Chitinstab aufgehängt, die Gräte (Fig. 42 gr),
deren beide Enden verbreitert sind. Sie durchsticht sozusagen die
Membran, so daß ihr hinterer Teil, der am meisten verbreitert ist und
eine Einkerbung aufweist (Fig. 42). dem Präputium dorsal aufliegt,
während der ganze übrige Teil frei in das Genitalrohr hineinragt
(Fig. 386 gr).
Auf der Ventralseite zieht das Präputium von den Parameren
zu dem oberen Bogen (Fig. 41 u. 42 ob), einem ziemlich umfangreichen
bogenförmigen Chitinstück, welches den Seitenspangen des Weibchens
entspricht. Derselbe ist stark asymmetrisch gebaut. Während sein
linker Schenkel gleichmäßig stark ist, verbreitert sich der rechte ganz
bedeutend. Er trägt einen ziemlich umfangreichen vorderen (vv) und
einen kleinen hinteren Vorsprung {hü). Dieselben sind schwach nach
innen umgebogen. Die Hinterenden der beiden Schenkel des Bogens
sind zu den Analplatten («p) verbreitert. Diese Platten sind etwas
größer als die Analplatten des Weibchens und tragen an ihrem Vorder-
rande einen kurzen, schräg nach vorn gerichteten Stachel. Über die
Form des oberen Bogens ist noch zu sagen, daß die Analplatten am
weitesten dorsal liegen, und daß die Schenkel des Bogens sich nach
vorn tiefer in den Körper hineinsenken (Fig. 41). Infolgedessen bildet
das Präputium, welches sich ventral an den Rändern des Bogens an-
setzt, eine muldenförmige Vertiefung (Fig. 41 m2). Rechtsseitig in
dieser .Mulde liegt die Ventralplatte des Präputiums (Fig. 42 vp), eine
Chitinplatte, die an ihrem Hinterende abgerundet ist, nach vorn aber
in zwei Spitzen ausläuft. Mit den Vorderenden stößt sie fast an den
oberen Bogen, wo derselbe sich zum vorderen Vorsprunge verbreitert.
Nach hinten zieht sie bis zu der starken hinteren Krümmung des Bogens.
Diese Chitinplatte ist aus zwei gleichen Teilen durch Verwachsung
gebildet. Jedenfalls konnte ich bei einem Käfer konstatieren, daß
sich die Spaltung in die beiden vorderen Spitzen soweit ausdehnte,
daß die Platte nur noch am Hinterrande zusammenhing. Auf dieser
Platte ruht der Penis mit den Parameren im eingezogenen Zustande,
und sie stellt eine glatte Fläche dar, auf der diese Organe beim Aus-
stülpen bequem nach hinten gleiten.
Die Insertion des Präputiums am oberen Bogen umfaßt nicht dessen
244 Carl Demandt,
Ventralkanten bis an die Analplatten heran, sondern sie endet kurz
vor denselben. Auf diese Weise wird für den Penis unterhalb der
Analplatten eine Öffnung geschaffen, durch welche er zwecks Begattung
hervorgeschoben werden kann. Bei eingezogenem Penis schlägt sich
daher das Präputium an der Verbindungslinie der beiden Grenzpunkte
der Insertion nach innen um (Fig. 39.4). Bei eingezogenem Penis wird
also der ganze hintere Teil des Präputiums nach innen eingestülpt,
so daß auf diese Weise Penis und Parameren von demselben eingehüllt
sind, und nur ihr vorderer Teil und ihre hinteren Spitzen daraus hervor-
ragen (Fig. 39). Auch wird der ausgestülpte Penis nicht soweit aus dem
Hautrohre hervorgeschoben, daß dieses ganz ausgezogen wird. Viel-
mehr überzieht der hintere Abschnitt des Präputiums Penis und Para-
meren ein kurzes Stück nach hinten, und dann erst schlägt sich die Mem-
bran nach vorn um (Fig. 38 & B). Auf diese Weise ist bei vorgestrecktem
Penis und Parameren ein kleiner, vorderer Teil derselben doppelt ein-
gehüllt. Erst wenn man sämtliche Muskeln des Copulationsapparates
wegpräpariert, kann man das Präputium vollständig ausziehen. Pey-
toureau hat den Zusammenhang der einzelnen Membranen an dieser
Stelle nicht richtig erfaßt, wie aus seiner letzten Abbildung hervorgeht.
Er zeichnet hier vor den Analplatten eine Öffnung in die muldenförmige
Membran des Präputiums (vgl. Fig. 41), durch welche der Penis vor-
geschoben werden soll. Eine weitere Unrichtigkeit zeigt seine Ab-
bildung in bezug auf die Analplatten, welche zur unpaaren Platte
verschmolzen dargestellt sind.
Da das Präputium dorsal an den Analplatten, ventral am oberen
Bogen ansetzt, diese Chitinteile aber einen fast einheitlichen Ring
darstellen (Fig. 41 u. 42), so geht das Präputium hier, ringförmig vom
oberen Bogen umfaßt, in die Höhlung des Abdomens über. Von der
Unterseite des oberen Bogens schlägt sich nun die chitinöse Membran
des Genitalrohres nach hinten wieder um und inseriert an den medianen
Tfcennungskanten der Genitalklappen (Fig. 42 m3).
Die Genitalklappen (Fig. 41 u. 42 gk) sind in ihrem Bau von denen
des Weibchens verschieden. Sie sind nämlich nur in ihrem hinteren
Abschnitte zweiteilig, während sie vorn durch einen Chitinbogen und
eine zwischen ihm sich ausspannende Membran zu einem Ganzen ge-
schlossen sind. (Man vergleiche Fig. 44 : Die Genitalklappen (gk) sind
auf der rechten Seite der Figur dargestellt, während auf der linken
Seite ihre Grenze durch eine punktierte Linie angegeben ist.) Infolge-
dessen kann man beim Männchen an den Genitalklappen vier Teile
unterscheiden : den Bogen, die beiden hinteren Platten und die zwischen
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 245
ihnen sich ausspannende Membran (Fig. 41, 42 u. 44 m4). Der Bogen,
den ich zum Unterschiede vom oberen Bogen den unteren Bogen nenne
(üb), trägt zwei paar Fortsätze, nämlich beiderseits einen kleinen vor-
deren und einen großen hinteren (Fig. 41 kv u. gv). Dieselben sind
jedoch weit weniger umfangreich als die Vorsprünge der weiblichen
Genitalklappen (vgl. Fig. 3). Die Platten der Genitalklappen sind am
hinteren Rande abgerundet und laufen nach vorn in je zwei Spitzen
aus. Mit dem unteren Bogen sind sie beweglich verbunden. Ihr Hinter-
rand ist wie beim Weibchen etwas dorsal umgeschlagen (Fig. 42 u. 43).
Von der hinteren Kante des oberen Bogens auf der Ventralseite
der Genitalklappen zieht die Membran des Genitalrohres (Fig. 41 m5)
schließlich wieder nach hinten und heftet sich am umgeschlagenen
Hinterrande des achten Sternits an (Fig. 41 8s). Sie bildet so auf der
Ventralseite des Copulationsapparates den Abschluß des Abdomens.
Dorsal wird dieser Abschluß erzielt durch die Membran, welche am
Hinterrande des neunten Tergites ansetzt und zunächst dorsal auf
den Analplatten und zwar an deren vorderen Rande inseriert (Fig. 42 m6)
und von da hinabzieht zum umgeschlagenen Hinterrande der Genital-
klappen.
Zum Schluß ist noch zu erwähnen, daß die Genitalklappen des
Männchens von denen des Weibchens in der Funktion verschieden sind.
Sie werden beim Vorstrecken des Penis nur in geringem Maße aus dem
Abdomen hervorgeschoben und schwach gespreizt (Fig. 47). Sie spielen
also beim Aufbau des Genitalrohres nicht eine so wesentliche Rolle
wie beim Weibchen, zumal sie auch nicht in die seitliche Stellung ge-
bracht werden können, die für die Genitalklappen des Weibchens
charakteristisch ist. Ferner ist über den Penis noch zu erwähnen, daß
er in der Ruhelage seitlich, also asymmetrisch zu liegen kommt. Er
wird nämlich beim Einziehen um 90 Grad gedreht, und zwar derart,
daß das rechte Paramer auf die Ventralseite gelangt (vgl. Fig. 39 u. 46).
Diese infolge der gekrümmten Form des Penis notwendige Drehung
hat auch die Asymmetrie des oberen Bogens bedingt, da an seinem rech-
ten Schenkel Vorsprünge geschaffen werden mußten, die den Dreh-
muskeln des Penis als Ansatzstellen dienen konnten.
Bezüglich der Literaturangaben über den männlichen Geschlechts-
apparat gilt dasselbe, was schon für den Legeapparat gesagt wurde.
Neben Burmeister, Verhoeff und Peytoureau gibt auch Berlese
zwei Abbildungen des männlichen Apparates von Dytiscus. Er sucht
die einzelnen Teile folgendermaßen zu deuten : die letzte äußerlich sicht-
bare Rückenplatte ist das neunte Tergit, die letzte sichtbare Ventral-
246
Carl Demant] t.
platte das achte Sternit. Die Analplatten mit dem oberen Bogen
stellen das zehnte Tergit, die Genitalklappen das neunte Sternit dar,
während Penis und Parameren als das stark modifizierte zehnte Sternit
anzusehen sind. Die Bezeichnungen für die einzelnen Skeletteile
wurden zum Teil von Burmeister und Verhoeff übernommen, und
nur, wo es wegen des Vergleiches mit dem weiblichen Apparate zweck-
mäßig erschien, neue eingeführt.
b. Die Muskulatur.
Dem komplizierteren Bau der Chitinteile des männlichen Copula-
tionsapparates entsprechend ist auch die Anzahl der ihn betätigenden
7S- ~
Fig. 43.
Der Copulationsapparat mit seiner Muskulatur in der Ruhelage von der Dorsalseite gesehen. Er-
klärung der Muskelabkürzungen siehe S. 299. Vergr. 8/1.
Muskeln eine größere als beim weiblichen Käfer. Hinsichtlich ihres
Ursprunges kann man die Muskeln in gewisse Gruppen einteilen:
1) die Muskeln, die am neunten Tergit entspringen.
Einige der beim Weibchen beschriebenen Muskeln treten in der-
selben Ausbildung beim Männchen auf und zwar (siehe Fig. 43):
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
247
der lange Heber (?/) und der kurze Heber (1b) der Genital -
klappen, ferner die drei Muskelpaare, die von dem Vorderrande de?
neunten Tergites zur Cloake ziehen, nämlich die drei Paar Retrac-
toren der Analplatten (rla) und der Spanner der Cloakhaut (tm).
Diese Muskeln inserieren au Skeletteilen, den Analplatten und dem
neunten Tergit, welche von dem geschlechtlichen Dimorphismus kaum
berührt werden, und daher gleichen sie hinsichtlich ihrer Ausbildung,
ihres Verlaufes und ihrer Funktion vollständig denen des Weibchens,
so daß ich hier nicht noch einmal näher darauf einzugehen brauche.
Fig. 44.
Uie Muskulatur des Copulationsapparates von der Ventralseite gesehen. Die (in der Figur) linke
Genitalklappe wegpräpariert, die Umrisse des achten Sternites (8s) punktiert angedeutet. Vergr. 8 L.
Dem Retractor der Seitenspangen des Weibchens entspricht hier
der kleine Retractor des oberen Bogens (M. retractor parvus
arcus superioris, Fig. 45 rpa), ein sehr flacher Muskel, welcher nahe
dem Vorderrande des neunten Tergits entspringt und zum oberen
Bogen zieht. Er ist von untergeordneter Bedeutung. Noch zu er-
wähnen ist, daß die zwei Paar seitlichen Suspensoren der Genital-
klappen (M. suspensor anterior und M. posterior laminarum
genitalium) des Weibchens (vgl. Fig. 5 sa u. sp) auch beim Männchen
248
Carl Demandt,
vorhanden sind und zwar in derselben Ausbildung, so daß sich erübrigt,
nochmals darauf einzugehen.
2) Die Muskeln, die am achten Sternit entspringen.
Die drei Muskelpaare, welche die Genitalklappen mit dem letzten
Sternit verbinden, stimmen ziemlich mit den Muskeln des Weibchens
überein.
Der Suspensor der Genitalklappen (M. suspensor magnus
laminarum genitalium, Fig. 43, 44, 47 sm) entspringt seitlich an der
Gelenkverbindung des achten Sternits mit dem vorhergehenden siebenten
Fig. 45.
Die Muskulatur des Copulationsapparates von der rechten Seite gesehen. Oberer Bogen (ob) und
Gräte (gr) stellenweise punktiert angedeutet. Figur zeigt den größten Teil der Muskeln, die an
der Gräte inserieren. Vergr. 10/1.
(Fig. 47) und inseriert am Vorderrande des unteren Bogens und an
seinem vorderen Vorsprung (Fig. 44). Er ist ziemlich kräftig entwickelt.
Der Protractor der Genitalklappen (M. protractor la-
minarum genitalium, Fig. 44^) entspringt seitlich am Rande des
achten »Sternits und zieht nach vorn zum hinteren Vorsprang (r/ü) des
unteren Bogens, an dessen Vorderrande er endigt. Seine Fasern ver-
laufen parallel.
Der Retractor und Schließer der Genitalklappen (M.
Der Geschlechtsapparat von Dytiseus marginalis.
249
retractor laminarum genitalium, Fig. 44 rl) entspringt an der
Gelenkverbinduni: des achten Sternits mit dem siebenten, an der Mittel-
linie des Körpers. Er zieht nach außen und inseriert an dem unteren
Bogen und zwar hauptsächlich an seiner Innenkante. Er ist schwächer
entwickelt als beim Weibchen, entsprechend den nur geringen Lage-
verschiebungen der Genitalklappen des Männchens.
3) Die Muskeln, die von den Genitalklappen zum oberen Bogen
ziehen.
Die jetzt zu beschreibenden Muskeln entsprechen ganz ähnlichen
des Weibchens, doch muß wegen der abweichenden Form der Chitin-
stücke, an denen sie inserieren, näher darauf eingegangen werden.
Die Lage des oberen Bogens den Genitalklappen gegenüber regeln
zwei Muskelpaare. Hierher gehört zunächst der Protractor des
oberen Bogens (M. protractor arcus susperioris, Fig. 43 u. 47
spd
- -af.
Fig. 46.
Co] ulationsapparat von der linke» Seite gesehen. Figur läßt besonders die .Muskeln, welche vom
Penis zu den Parameren verlaufen, erkennen. Muskelabkürzungen siehe S. 299. Vergr. 8/1.
pas). Dem Protractor des Scheidenrohres entsprechend ist er der kräf-
tigste Muskel des männlichen Copulationsapparates. Er entspringt auf
der dorsalen Seite des hinteren Vorsprunges des unteren Bogens.,
doch erstrecken sich seine Fasern auch auf die Platten der Genital-
klappen. Er zieht schräg nach vorn und inseriert an der Ventralseite
des oberen Bogens (Fig. 44). Ganz auffallend ist die Asymmetrie
dieses Muskelpaares. Der rechtsseitige ist fast doppelt so stark aus-
gebildet als der linksseitige, ganz entsprechend der stärkeren Ent-
wicklung des rechten Schenkels des oberen Bogens (vgl. Fig. 44). Diese
250 Carl Demandt,
Asymmetrie ist jedoch nur bei Präparationen von der Ventralseite zu
erkennen, da man von der Rückenseite nur den Ursprung des Muskei-
paares sieht. Auch bei diesen Muskeln läßt sich die Zusammensetzung
aus zwei zusammengefalteten Lagen erkennen, genau wie beim Pro-
tractor des Scheidenrohres.
Den Antagonisten zu dem soeben beschriebenen Muskel bildet der
Retractor des oberen Bogens (M. retractor magnus arcus
superioris, Fig. 44, 45, 48 rma). Er entspringt am mittleren Teile
des unteren Bogens (Fig. 44 urnia) und zieht zu dem oberen Bogen
nach hinten und oben, um an ihm kurz vor den Analplatten zu inse-
rieren (Fig. 45). An seiner Ventralseite ist er mit der Membran (m2),
die sich zwischen dem unteren Bogen ausspannt, verwachsen. Er
entspricht dem langen Retractor der Seitenspangen des weiblichen
Käfers. Ein Muskel, der dem kurzen Retractor der Seitenspangen
entsprechen würde, ist beim Männchen nicht vorhanden.
4) Die Muskeln, die vom oberen Bogen zum Penis ziehen.
Die Muskeln, welche jetzt beschrieben werden sollen, haben gar
keine Beziehungen zu irgendwelchen Muskeln des weiblichen Käfers.
Die erste Gruppe inseriert fast ausschließlich an Penis und Para-
meren oder an der Gräte. Zunächst zu nennen sind hier die antaüo-
nistischen Rotatoren des Penis.
Der dorsale Rotator (M. rotator penis superior, Fig. 43.
45 — 48 rps) entspringt auf der Innenfläche des großen Vorsprunges
des oberen Bogens (vv) und zieht quer über Penis und Parameren
hinweg nach links, um an der Gelenkverbindung des Penis mit dem
linken Paramer zu inserieren.
Sein Antagonist, der ventrale Rotator (M. rotator penis
inferior, Fig. 44, 46 — 48 rpi) entspringt etwas ventralwärts von dem
Ursprung des dorsalen Rotators und zieht ebenfalls nach links, dem
oberen Bogen aufliegend, und inseriert an der Gelenkverbindung des
rechten Paramers mit dem Penis. Auf diese Weise werden Penis und
Parameren von den beiden Rotatoren dorsal und ventral umschlossen.
Beide Muskeln sind sehr kräftig entwickelt und ziemlich breit; ihre
Fasern verlaufen am Insertionspunkt konvergent zusammen.
Anschließend an diese Rotatoren sind zwei weitere Muskeln von
ähnlicher Funktion zu nennen. Zunächst der Protractor des Penis
(M. protractor penis, Fig. 43, 46, 47 pp). Er entspringt an der
Innenseite des linken Schenkels des oberen Bogens und zieht direkt
nach vorn zur Gelenkverbindung des rechten Paramers mit dem Penis.
Er ist ziemlich kurz und nicht sehr kräftig.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 251
Der zweite Muskel ist der lange Protractor des Penis (M.
protractor penis longus, Fig. 43, 45 — 48 jypl). Sein Ursprung liegt
an der Innenfläche des kleinen Vorsprunges des oberen Bogens, und
er zieht schräg nach vorn über Parameren und Penis hinweg (Fig. 43)
zu dem Gelenkfortsatze des linken Pararaers (Fig. 46). Dieser Muskel
ist sehr flach und von geringer Breite. Aus Fig. 46 geht hervor, daß
diese beiden Protractoren ein Paar zusammengehöriger Muskeln dar-
stellen, da sie in ihrem Ursprung und ihrer Insertion einander sym-
metrisch gleich sind. Infolge der seitlichen Drehung des Penis sind
jedoch die beiden Muskeln in ihrer Ausbildung derart verschieden,
daß man in der Ruhelage (Fig. 43) sie nicht sofort als Paar ansprechen
wird.
5) Die Grätenmuskulatur.
Für die jetzt zu besprechenden Muskeln ist die Gräte von großer
Bedeutung. Wie schon bei der Beschreibung des chitinösen Skelettes
ausgeführt wurde, ist die Gräte mit ihrem Hinterende im Präputium
aufgehängt. Sie ist rechts seitlich gelagert und erscheint in der Ruhe-
lage so weit nach vorn gezogen (Fig. 43 gr), daß sie mit ihrem Vorder-
ende in die Höhe der Krümmung des Penis zu liegen kommt. An den
oberen Bogen ist die Gräte durch mehrere Muskeln befestigt. Es han-
delt sich hier meist um kurze, flache Muskeln. Vom Hinterende der
Gräte ziehen zum großen Vorsprung des oberen Bogens drei Retrac-
toren der Gräte, oder besser des Präputiums, denn die Gräte stellt
doch nur eine für Muskelansätze geeignete Chitineinlagerung des Prä-
putiums dar.
Der obere Retractor des Präputiums (M. retractor prae-
putii superior, Fig. 45 u. 47 rs) zieht von dem großen Vorsprung
des oberen Bogens zur hinteren Verbreiterung der Gräte. Er ist ziem-
lich breit, aber sehr flach und verläuft längs der dorsalen Kante der
Gräte. Ihm entspricht ein schwächerer Muskel auf der ventralen Seite
der Gräte mit demselben Verlaufe (M. retractor praeputii infe-
rior, Fig. 45 ri). Dazu kommt noch ein dritter kurzer Retractor
(M. retractor praeputii inferior brevis, Fig. 45 rb), welcher an
der ventralen Kante der Gräte entspringt und ebenfalls am vorderen
Vorsprung des oberen Bogens sich ansetzt, jedoch etwas weiter ventral,
eo daß sich seine Fasern mit denen des unteren Retractors (ri) kreuzen.
Ein kurzer, flacher Muskel zieht auch von der Innenseite des
kleinen Vorsprunges des oberen Bogens (hv) zur Gräte, an ihr, etwas
vom Hinterende entfernt, inserierend. Es ist der Suspensor des
Präputiums (M. suspensor lateralis praeputii, Fig. 45 slf).
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 17
252 Carl Demandt,
Am Vorderende der Gräte inserieren zwei Protractoren des Prä-
putiums, der eine (M. protractor brevis praeputii,, Fig. 43 u. 45
pbp) ist ziemlich kurz und zieht zum Vorderrände des großen Vorsprun-
ges des oberen Bogens (vv). Der zweite (M. protractor longus
praeputii, Fig. 45 plp) entspringt dorsal am Hinterrande der Ventral-
platte des Präputiums (vp) und inseriert an der rechten unteren Kante
der Gräte in deren ganzer Ausdehnung vom Vorderrande bis zur Mitte
der Gräte. Er ist sehr lang und breiter als die übrigen Muskeln der
Gräte.
Von der Ventralplatte des Präputiums zieht noch ein weiterer
Muskel zur Gräte. Dieser kleine Heber des Präputiums (M. le-
vator parvus praeputii, Fig. 45 Ip) entspringt ebenfalls am Hinter-
rande der Ventralplatte, und sein Insertionspunkt fällt mit dem des
Suspensors (slp) zusammen.
Ein zweiter Heber (M. levator magnus praeputii, Fig. 45 Im) zieht
vom hinteren Vorsprang des oberen Bogens (hv) zum Hinterrande
der Ventralplatte des Präputiums. Er ist wesentlich kräftiger als
der kleine Heber.
An der Gräte haben nun noch zwei weitere Paare stärker ent-
wickelter Muskeln ihren Ursprung. An ihrem Vorderende setzt sich
zunächst links- und rechtsseitig je ein Muskel an, welcher allmählich
sich verflachend zum Penis zieht und sich in der Penisrinne anheftet.
Es ist der Retractor des Penis (M. retractor penis, Fig. 43 — 45
rpe).
Vom Hinterende der Gräte kommt ferner ein Paar langer, flacher
Muskeln, die Protractoren der Parameren (M. protractor
paramerorum, Fig. 43 — 47 ppa). Der eine von ihnen zieht dorsal
über Penis und Parameren hinweg (Fig. 47) und inseriert an der vor-
deren Kante des linken Paramers, kurz vor dem Gelenke (Fig. 43).
Der zweite zieht auf der Ventralseite herum, ebenso am rechten Paramer
inserierend. So umfassen sie Parameren und Penis ähnlich wie die
beiden Penisrotatoren.
An der Gräte inserieren also folgende Muskeln:
a. an ihrem Vorderende :
1) drei Retractoren des Präputiums (rs, riu. rb), welche am vor-
deren Vorsprunge des oberen Bogens entspringen,
2) ein Heber des Präputiums (Ip), der am Hinterrande der Ventral-
platte (vp) entspringt,
3) ein Suspensor des Präputiums (slp), der am hinteren Vorsprunge
des oberen Bogens entspringt,
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
253
4) die Protractoren der Parameren (ppa).
b. an ihrem Hinterende:
1) zwei Protractoren des Präputiums (pbp u. plp), von denen der
erste am vorderen Vorsprung des oberen Bogens, der zweite an der
Ventralplatte des Präputiums entspringt.
2) die beiden Penisretractoren (rpe).
6. Die Muskeln, die den Penis mit den Parameren verbinden.
Die Bewegungen von Penis und Parameren werden durch drei
pa
pa
Fig. 47.
Der männliche Apparat in Copulationsstelhmg von der Dorsalseite gesehen. Oberer Bogen (oft)
der Genitalklappen nach hinten gezogen, letztere auch gespreizt (vgl. Fig. 43). Penis und Para-
meren (pa) unter das Abdomen geschlagen, daher ersterer überhaupt nicht, letztere nur zum Teil
sichtbar. Vergr. 8 1.
Muskelpaare bedingt. Es sind hier zunächst die Spreizer der Para-
meren (M. distensor paramerorum (Fig. 46 dpa) zu nennen. Sie
entspringen an dem kurzen Gelenkhöcker der Parameren und ziehen,
in dem vordersten Teile der Penisrinne verlaufend, bis zum Punkte
der stärksten Krümmung des Penis. Ihre Insertion umfaßt den Rinnen-
rand, und ihre Lagerung in der Rinne bedingt ihren parallelen Verlauf.
Ein zweites Paar kurzer aber kräftiger Muskeln liegt zu beiden
Seiten des Penis (M. protensor penis, Fig. 43, 44 u. 46 prp). Sie
nehmen ihren Ursprung an den äußeren dorsalen Kanten der Para-
17*
254
Carl Demanclt,
meren und inserieren an den äußeren Rinnenkanten des vorderen
Teiles des Penis (Fig. 43 u. 46). Ihre Aufgabe ist, den Penis aus den
Parameren hervorzuklappen.
Das letzte Paar hierher gehöriger Muskeln bilden die beiden Be-
weger der Parameren (Musculus motorius paramerorum,
Fig. 43 u. 44 mpa). Sie inserieren zu beiden Seiten am längeren Schen-
kel des Penis, dicht an seiner vorderen Umbiegung. Ihr Ursprung
umfaßt die Innenfläche der Parameren, weit nach hinten sich aus-
las
Fig. 48.
Copulationsapparal mit vorgestrecktem Penis (pe) und Parameren (pa). Ein Vergleich mit Pig. 46
zeigt die großen Unterschiede im Verlaufe der Muskeln in der Kuhekige bzw. hervorgestrecktem
Penis. Muskelabkürzungen siehe S. 299. Vergr. 8/1.
dehnend. Sie sind bedeutend länger als der Protensor des Penis, je-
doch etwas weniger kräftig.
Zum Schluß ist noch ein Paar schwacher, flacher Muskeln von
sehr untergeordneter Bedeutung zu nennen. Es sind die dorsalen
Suspensoren des Präputiums (M. suspensor dorsalis prae-
putii, Fig. 43 spd). Sie ziehen von der Dorsalkante des oberen Bogens
schräg nach hinten zum Präputium, und zwar entspringt der rechts-
seitige am kleinen Vorsprung des oberen Bogens, der linksseitige dicht
neben dem Ursprünge des Protractors des Penis (Fig. 43).
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 255
Ferner soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch das Männchen ein
Paar Transversalmuskeln des Abdomens (M. transversalis
abdominis nach Bauek) aufweist, welche vom achten fSternit zum
achten Tergit ziehen. Sic gelangten auf den gegebenen Abbildungen
nicht zur Darstellung, da sie den analogen Muskeln des Weibchens
vollkommen entsprechen .
Was nun die Funktion aller dieser Muskeln betrifft, so wird man
sie am besten verstehen, wenn man sich klar macht, wie das Vor-
strecken und Einziehen des Penis zustande kommt. Beim Ausstülpen
des Penis werden die Genitalklappen und die Analplatten mit dem
oberen Bogen nur wenig aus dem Abdomen her vorgeschoben. Diese
Bewegung wird für erstere durch ihren auf der Ventralseite gelegenen
Protractor (Fig. 44 pl) herbeigeführt. Weiter wird die Kontraktion
des Protractors des oberen Bogens (Fig. 43 pas) in der Hauptsache
bewirken, daß dieser Bogen etwas nach hinten gezogen, die Anal-
platten also aus dem Abdomen hervorgeschoben werden (Fig. 47).
Da dieser Protractor aber seitlich an den ziemlich beweglichen Genital-
klappen entspringt (Fig. 47), so führt seine Kontraktion zugleich zum
Spreizen der Klappen. Ein gar zu weites Hervortreten der Genital-
klappen wird durch ihren Suspensor (Fig. 44 sm) verhindert. Es ent-
steht so ein klaffender Spalt zwischen den Klappen, durch welchen
nunmehr der Penis und die Parameren austreten können.
Durch eine gleichzeitige Kontraktion des ventralen Rotators
(Fig. 44 rpi) und des Protractors des Penis (Fig. 43 pp) wird der Penis
mit den Parameren in seine richtige, symmetrische Lage gedreht und
um ein bedeutendes Stück aus dem Abdomen hervorgeschoben. Das
weitere Hervortreten wird durch die Muskulatur der Gräte erreicht,
und zwar wird durch Kontraktion der kurzen und langen Protractoren
des Präputiums (Fig. 45 php u. plp) die Gräte (gr), an der sie inserieren,
nach hinten gezogen (Fig. 47). In dieser Stellung wird nun durch Kon-
traktion des Protractors der Parameren (Fig. 40 ppa) die Ausstülpung
des Penis vervollständigt.
Nunmehr treten die Muskeln in Tätigkeit, welche Parameren und
Penis verbinden, und zwar ist ihre Funktion eine gleichzeitige, da es
kaum möglich ist, die Aufgabe der einzelnen Muskelpaare scharf zu
umgrenzen, doch soll versucht werden, durch einige Bemerkungen zu
erläutern, wie die Bewegungen des Penis und der Parameren zustande
kommen. Eine Kontraktion der Spreizer der Parameren (Fig. 46 dpa)
wird die Parameren spreizen, und durch die Muskeln prp (Fig. 43 u. 46)
wird der Penis aus ihnen hervorgeklappt. Die tastenden Bewegungen
256 Carl Deman.it.
des Penis beim Suchen der weiblichen Geschlechtsoffnung werden wohl
erzielt durch abwechselnde Kontraktion der Vorstülper und Retrac-
toren des Penis (Fig. 45 u. 46 jorj) u. rpe). Um die Parameren gegen
das Abdomen des Weibchens zu pressen, erfolgt die Kontraktion des
Bewegers der Parameren (Fig. 44 u. 47 rwpa), doch können hierfür auch
noch die Protractoren der Parameren (Fig. 43 u. 47 ppa) in Betracht
kommen, da sie am Punkte der stärksten Krümmung der Parameren
inserieren.
Wieder eingezogen werden Penis und Parameren auf folgende
Weise: Durch ihre beiden Retractoren (Fig. 45 u. 47 rs u. ri) wird die
Gräte allmählich zurückgezogen und dadurch das Präputium einge-
stülpt. Durch die gleichzeitige Kontraktion der Retractoren des
Penis (Fig. 45 rpe) wird der Penis zwischen die Parameren gelegt und
mit diesen ins Abdomen hineingezogen. Endgültig in die Ruhelage
gebracht wird der Penis durch starke Kontraktion seines ventralen
Rotators (Fig. 46 u. 48 rpi). Durch den seitlichen Zug, den durch
gleichzeitige schwache Kontraktion die Muskeln pp, rps und ppl
(Fig. 46) auf den Penis ausüben, wird derselbe gedreht und mit den
Parameren in seine normale seitliche Lage gebracht (Fig. 43). Da die
Gräte nunmehr in ihre Ruhelage gekommen ist. wird sie durch Kon-
traktion des Muskels rpe auch den Penis soweit einziehen können, daß
seine Krümmung mit dem Vorderende der Gräte in gleiche Höhe
kommt (Fig. 43).
Hand in Hand mit dem Zurückziehen von Penis und Parameren
erfolgt das Einziehen der übrigen Teile des Copulationsapparates.
Die Genitalklappen werden geschlossen und in die Ruhelage gebracht
durch die Kontraktion ihres Retractors und Schließers (Fig. ilrl),
und der obere Bogen wird durch seine Retractoren (Fig. 45 vpa u. rma),
sowie durch die Retractoren der Analplatten (Fig. 43 rla) zurück-
gezogen. Durch die Levatoren der Genitalklappen (Fig. 43 U u. Ib),
welche die Klappen gegen das neunte Tergit anziehen, kann nun auch
noch der hintere Spalt des Abdomens zwischen dem neunten Tergit
und dem achten Sternit vollständig geschlossen werden.
III. Struktur des männlichen Geschlechtsapparates.
Die Peritonealhülle. Wie schon früher erwähnt (S. 231),
werden die primären Geschlechtsorgane umhüllt von der Peritoneal-
hülle. Sie tritt mit dem Fettkörper in enge Verbindung durch die bei-
den von letzterem gebildeten Bänder, welche sich an sie ansetzen. Auf
Schnitten durch Hoden oder Nebenhoden ist sie zu erkennen als ein-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 257
fache Schicht, welche das Schnittbild rings umgibt. Sie umhüllt also
den Hodenknäuel in seiner Gesamtheit, nicht die einzelnen Windungen.
Der Hodenspitze liegt sie dicht auf, besonders bei fast entleertem
Hodenschlauche, da jene dann etwas aus dem Knäuel hervorragt
(Fig. 51 ph) . Bezüglich ihrer feineren Struktur ist dem bei der Be-
schreibung der Peritonealhülle der Ovarien Gesagten nichts mehr
hinzuzufügen (vgl. Fig. 11). Es soll nur noch erwähnt werden, daß
das Netz von Muskelfasern, wie wir es beim Ovarium fanden, bei der
Peritonealhülle des männlichen Apparates nicht vorhanden ist.
1. Der Hode.
Die Wandung des Hodens von Dytiscus marginalis zeigt hinsicht-
lich ihrer Struktur mit derjenigen von Cybister Roeselii, wie sie von
Voinow geschildert wird, eine derartige Übereinstimmung, daß man
das von Cybister Gesagte größtenteils auf unser Objekt übertragen
kann. Die Wandung des Hodenschlauches ist durchweg zweischichtig,
sie wird gebildet von einem äußeren Epithel (Fig. 51 — 57 he) und einer
inneren, elastischen Membran (Fig. 51 — 57 em).
Das Außenepithel überzieht den ganzen Hodenschlauch und endet,
allmählich flach auslaufend, am Vas efferens. Es ist von mäßiger Höhe,
und Zellgrenzen sind an ihm nirgends zu erkennen, eine Tatsache,
welche Voinow für Cybister ebenfalls konstatiert. Dieser Autor hält
das Fehlen der Grenzen für günstig für die Elastizität der Hoden-
wandung. Das Plasma des Epithels hat körnige Struktur, und die Kerne
sind länglich oval, mit Nucleolus oder feinen Chromatinpartikelchen
versehen. In den stark gefüllten Hodenabschnitten ist das Epithel
derart gespannt, daß es zur sehr dünnen Schicht wird, welche die Kerne
an Breite kaum übertrifft (Fig. 56). Es tingiert sich in solchen Stadien
sehr stark mit Eisenhämatoxylin, so daß es schwierig ist, die Kerne
zu erkennen. Dagegen erscheint es bei entleertem Hoden sehr stark
vaeuolisiert. In diesem Zustande tritt die jetzt sehr stark erscheinende
Basalmembran (Fig. 49 bm) deutlich hervor, welche das Hodenepithel
außen überzieht und sich ebenso wie die sehr feine Intima mit van
GiESONschem Gemisch schön rot färbt und sich so gegen das dunkle
Plasma sehr scharf abhebt.
Das äußere Hodenepithel zeigt auf Schnitten im Inneren sehr oft
Tracheenzweige und zwar besonders an der Spitze des Hodenschlauches
(Fig. 51 tr). Es läßt diese innige Verbindung mit den Tracheen schon
darauf schließen, daß das Epithel von großer Bedeutung für die Er-
nährung der Samenelemente sein muß. Auf geeigneten Querschnitten
258
Carl Deniandt,
durch nicht zu stark gefüllte Hodenschläuche erscheint es sehr stark
vacuolisiert (Fig. 50). Das Plasma zeigt wabige Struktur, und die
Vacuolen sind erfüllt von einem Secrete (s), welches sich mit Eisen-
hämatoxylin tief grau färbt. Das Epithel hat also secretorische Funk-
tion und zeigt ein Aussehen, wie es für Drüsenzellen charakteristisch
ist. Das Plasma ist oft beladen mit kleinen, tiefschwarz sich färbenden
Körnchen, welche als Fetttröpfchen anzusehen sind (Fig. 50 ft). Das
von dem Epithel gebildete Secret ist bei günstigen Präparaten be-
sonders in der Spermatogonienregion und zwar beim Einsetzen der
itö ■■)
Ft
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n
Fig. 4(1.
Querschnitt durch den leeren Hodenschlauch, Hodenepithel [he),
innen, davon abgehoben, die elastische Membran (em) und zwi-
schen beiden die Kerne (k) mit feinen Gewebsfasern. Weitere
Abkürzungen siehe S. 298. Vergr. 364 1.
Fig. 50.
Teil der Hodenwandung, das Epi-
thel [he) stark vacuolisiert und mit
Secreten (&) und Fetttröpfchen [ft)
beladen. Vergr. 612 1.
Spermatogenese im Frühlinge zu konstatieren, da es dann als dicker
Belag die Hodenwandung innen überzieht (Fig. 53 s).
Die elastische Membran bildet die innere Auskleidung des Hoden-
schlauches. Voinow spricht sie als Gleitschicht für die Samenelemente
an und ist der Ansicht, daß sie das Ergebnis der Umbildung einer Zellen-
schicht ist, da sie auf der Außenseite kleine ovale Kerne trägt. Leider
sagt er nicht, welcher Art diese Zellen sein sollen. Bei Dytiscus kleidet
die Elastica, wie die elastische Membran kurz bezeichnet werden soll,
den Hodenschlauch bis zum Beginn des Vas efferens aus (Fig. 49 — 57
em). Am leichtesten ist sie auf Schnitten durch den entleerten Schlauch
zu erkennen, da sie stark geschrumpft erscheint und sich vom Epithel
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 259
abgehoben hat (Fig. 49). Weniger deutlich tritt sie auf Schnitten durch
den straff gefüllten Hoden zutage, doch ist sie auch hier überall nach-
zuweisen. An der Hodenspitze läßt sich ihre feinere Struktur am besten
studieren, da die Elastica hier von beträchtlicher Dicke ist (Fig. 51 em).
Bei starken Vergrößerungen erscheint sie fein gefasert und weist eine
große Anzahl kleiner, mit Eisenhämotoxylin sich tief dunkel färbender
Kerne auf, welche in unregelmäßigen Abständen aufeinander folgen.
Es handelt sich also bei dieser inneren wie bei der äußeren Schicht
ebenfalls um ein Epithel, welches infolge starker Umbildung als solches
meist nicht so deutlich zu erkennen ist wie das Außenepithel.
Dieselben Verhältnisse zeigt auch Fig. 52, welche einen Längs-
schnitt durch die Hodenwandung etwa 1 mm unterhalb der Spitze
darstellt. Weiter abwärts wird die Elastica jedoch bedeutend dünner
(Fig. 53), und die Kerne, welche auch hier noch zu erkennen sind,
haben weit geringere Größe als an der Hodenspitze. Noch weiter unter-
halb des blinden Endes des Hodens ist sie nur noch als starke Kontur
zu erkennen (Fig. 54 — 58). Kerne treten in ihrem Inneren nicht mehr
auf. Sie scheinen in der Tat zu fehlen und sind jedenfalls zurück-
gebildet worden. Auch auf dem in Fig. 49 wiedergegebenen Quer-
schnitte, wo die Elastica infolge starker Kontraktion wieder von be-
deutenderer Dicke erscheint, sind Kerne in ihr nicht nachzuweisen.
Dagegen finden sich auf solchen Schnitten stets kleine, stark gefärbte,
rundliche Kerne (Fig. 49 k), die »noyaux ovales« Voinows, zwischen
Hodenepithel und Elastica; sie sind meist umsponnen von sehr feinen
Fasern, welche anscheinend eine Verbindung zwischen Epithel und
Elastica darstellen. Daß es sich hier nur um eine sehr lockere Ver-
bindung handeln kann, geht daraus hervor, daß sich bei leerem Hoden
die Elastica sehr weit vom Epithel zurückzieht (Fig. 49). Vereinzelt
finden sich solche Kerne auch auf den Schnitten durch die Hodenspitze
(Fig. 51 k). Es fragt sich, ob diese Kerne der Elastica angehören.
Voinows »noyaux ovales« sollen allerdings die Kerne der Elastica
darstellen imd an ihrer Außenseite liegen. Es ist jedoch dann schwer
zu verstehen, wie die Umbildung der Elastica aus einer Zellenschicht
vor sich gegangen sein soll, denn die Kerne dieser umgebildeten Zellen
würden doch nicht an der Außenseite («sur sa face externe») der-
selben liegen, sondern im Innern, wie es bei der Elastica unsres Objektes
stellenweise tatsächlich der Fall ist. Man darf daher bei Dytiscus diese
Kerne kaum der Elastica zurechnen, was auch schon ihre Lage verbietet
(Fig. 49). Als Kerne des Hodenepithels sind sie jedoch auch nicht
anzusehen, denn dieses ist eine von der Intima (Fig. 49) innen, d.h.
260 Carl Demandt,
auf der Seite, an welcher die Kerne liegen, scharf begrenzte Hülle.
Die Kerne bilden vielmehr mit ihren feinen Fasern ein sehr lockeres
Gewebe, welches zwischen Elastica und Hodenepithel liegt. Es tritt
jedoch den letzteren gegenüber sehr zurück und ist nur an leeren Hoden-
schläuchen nachzuweisen. Es ist offenbar von ganz untergeordneter
Bedeutung und mit Elastica und Außenepithel nicht auf gleiche Stufe
zu stellen.
Die Frage nach der Herkunft und Ausbildung der einzelnen Schich-
ten ist nur auf Grund entwicklunosüeschichtlicher Untersuchungen zu
beantworten. Sie kann also hier nicht geklärt werden, zumal auch
über verwandte Objekte keine Arbeiten, die sich mit der Entwicklung
der Geschlechtsanlagen befassen, vorliegen. Es soll hier nur kurz
auf die Arbeit von Zick verwiesen werden, welche sich mit der Ent-
stehung der Genitalanlage bei Lepidopteren befaßt. Danach besteht
die Wandung des Hodens bei der Raupe aus einer inneren und äußeren
Hülle, welche bindegewebigen Ursprungs sind. Während nun die
äußere Hülle erhalten bleibt, nimmt die innere, welche auf dem Raupen-
u nd Puppenstadium ernährende Funktion hat, an Stärke ab : » im
Hoden der Imago ist sie zu einem unscheinbaren Belag der äußeren
Hülle reduziert«. Bei Dytiscus scheinen die Verhältnisse ähnlich zu
liegen. Die starke Rötung bei Färbung mit van GiESO-Nschem Gemisch
deutet den bindegewebigen Charakter der Elastica an, und die besonders
an der Hodenspitze zahlreich auftretenden Kerne lassen auf ihren
früheren epithelartigen Aufbau schließen.
Die Keimzellen.
Bei einer zusammenfassenden Arbeit über die Morphologie des
männlichen Geschlechtsapparates ist es natürlich erforderlich, auch auf
den Inhalt der keimbereitenden Organe, also bis zu einem gewissen
Grade auf die Spermatogenese einzugehen. Es kann sich dabei aber nicht
um eingehende Untersuchungen handeln, welche den spermatogeneti-
schen Fragen ins Detail nachgehen, zumal gerade für Dytiscus zwei
neuere Arbeiten, von Henderson und Schäfer, vorliegen, welche die
Spermatogenese behandeln. Trotzdem dürfte es dieser kurzen Ab-
handlung vergönnt sein, eine Lücke auszufüllen, denn es ist in der Lite-
ratur ein äußerst merkbarer Mangel an Übersichtsbildern über die
einzelnen Stadien in der Entwicklung der Spermatozoen zu konstatieren.
Daher soll im folgenden an der Hand von solchen Übersichtsbildern
die Spermatogenese von Dytiscus kurz behandelt werden.
Aber auch von einem andern Gesichtspunkte aus bietet die Sper-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 261
matogenese ihr Interessantes, nämlich hinsichtlich der Periodizität der
Samenentwicklung. Diese Verhältnisse wurden bis auf die Arbeit von
Voinow sehr vernachlässigt, und in vielen Arbeiten werden nicht ein-
mal Angaben gemacht, um welche Jahreszeit das Material konserviert
wurde. Es mögen daher die nachfolgenden Ausführungen dahin wirken,
daß bei weiteren spermatogenetisehen Studien diese Vorgänge auch
bei andern Objekten mehr berücksichtigt weiden.
Die Samenentwicklung wird naturgemäß stark beeinflußt von den
äußeren Umständen, und es können infolge ungünstiger Witterung
Verschiebungen auftreten. Diese Untersuchungen wurden angestellt
im Frühjahr und Sommer 1911, welche infolge ihrer Wärme die Sperma-
togenese beschleunigt haben dürften. Es wurden nur frisch gefangene
Käfer untersucht, da Aquariumstiere starke Abweichungen zeigten und
daher unbrauchbar erschienen.
Die Frage, ob die Spermatogenese zeitweise ruht, ist für Dytiscus
mit nein zu beantworten, denn man findet in der Spermatogonien-
region stets mitotische Teilungsfiguren. In den Wintermonaten De-
zember bis Februar, zu einer Zeit, wo der Hoden bis auf ein 2 cm langes
Stück leer ist, sind die Mitosen allerdings sehr selten, und die Ent-
wicklung ist dann auf ein Minimum reduziert. Dieses Stadium dauert
bis ins Frühjahr hinein, und vor Anfang oder Mitte April ist äußerlich
eine Vermehrung der Spermatogonien nicht zu erkennen. Nunmehr
setzt aber eine stärkere Entwicklung ein, und man findet fast auf jedem
Querschnitte Cysten, in denen sämtliche Spermatogonien in mitotischer
Teilung begriffen sind. Anfang Mai treten in den Hodenschläuchen
die ersten Spermatozyten auf, welche infolge starker Vermehrung bald
einen beträchtlichen Teil des Hodens einnehmen. Der Hoden enthält
also zu dieser Jahreszeit Spermatogonien und Spermatocyten erster
Ordnung. Während sich nun die Spermatogonien fortgesetzt weiter
teilen und zu Spermatocyten heranwachsen, machen letztere ein Ruhe-
stadium durch, während dessen man nur Größenzunahme, niemals
aber Teilungen der Spermatocyten konstatieren kann. Dieses Stadium
dauert etwa 7 — 8 Wochen, denn die ersten Spermatocyten fanden
sich, wie gesagt, Anfang Mai, und in Hoden, die am 20. Juni unter-
sucht wurden, waren ebenfalls noch keine Spermatocytenteilungen
vorhanden. Dagegen fanden sich diese von Anfang Juli ab in jedem
Hoden. Infolge der starken Vermehrung der Spermatogonien und des
Heranwachsens der Spermatocyten ist der Hodenschlauch bis auf das
letzte Drittel gefüllt. Nunmehr setzt aber die Weiterentwicklung der
Spermatocyten mit voller Kraft ein, und vom 10. Juli ab fanden sich
262 Carl Demandt,
in den Hoden stets sämtliche Stadien der Spermatogenese^ also auch
Spermatiden und reife Spermien. Der Hoden ist nunmehr vollkommen
angefüllt, und die ältesten Spermatocyten haben sich zu Spermatiden
und schließlich zu Spermatozoen umgewandelt. Die reifen Spermien
treten jetzt in das Vas efferens, um in den Nebenhoden zu wandern.
Die Spermatogonien sind immer noch in reger Teilung begriffen. Die
Spermatocyten erster Ordnung nehmen etwa zwei Fünftel des Hoden-
schlauches für sich in Anspruch, während die andern Stadien der reifen-
den Keimzellen den Kest erfüllen. Der Hoden steht also Ende Juli
auf der Höhe seiner Tätigkeit. Die Spermien treten in den Neben-
hoden über, bis derselbe von ihnen erfüllt ist, was Ende August der
Fall zu sein pflegt. Der Nebenhodenschlauch enthält dann in seiner
ganzen Ausdehnung Spermatozoen, doch ist seine Füllung keine voll-
ständige, und daher können die noch im Hoden befindlichen Spermien
ebenfalls noch in den Nebenhoden aufgenommen werden, zumal auch
Anfang September die Copulationen der Käfer wieder beginnen. Der
Hoden zeigt zu dieser Jahreszeit auch noch beträchtlichen Umfang und
ist größtenteils noch von Keimzellen erfüllt, doch ist es wesentlich,
daß dieses nur Spermatogonien und Spermien sind, von denen die
ersteren ein kurzes Stück am Beginn des Schlauches einnehmen. Sper-
matocyten und Spermatiden fehlen, es hat also ihre Reifung schon
stattgefunden, und eine Neubildung von Spermatocyten ist unter-
blieben. Ein kurzer Abschnitt zwischen den Spermatogonien und
Spermatozoen ist jetzt nur mit degenerierten Substanzen erfüllt. Es
sind dies die Reste der Nährsubstanz , welche zurückblieb, während
die Spermien abwärts rückten. Der Übertritt des Samens aus dem
Hoden ist Anfang Oktober vollendet und der Hoden nunmehr bis auf
die Spermatogonien und die zurückgebliebenen degenerierten Sub-
stanzen entleert1.
Die geschilderten Verhältnisse haben nur Gültigkeit in bezug auf
ein- oder mehrjährige Käfer. Bei jungen Käfern setzt die Spermato-
genese sofort nach dem Entschlüpfen aus der Puppe ein. Da dies
jedoch frühestens Mitte Juni stattfindet, also zu einer Zeit, wo die älteren
Käfer bereits die größte Menge von Spermatocyten gebildet haben,
so ergibt sich, daß wir hier eine Verschiebung der Spermatogenese um
1 Eine ähnliche Darstellung für die Bildung der Eier zu geben, erübrigt sich,
da die Eiröhren stets mit Keimzellen erfüllt sind und fast zu jeder Jahreszeit
sämtliche Stadien der Oogenese zeigen. Eine andre Frage würde die sein, ob sich
in den Eiröhren zu bestimmten Zeiten durchgehende Degenerationsvorgänge be-
merkbar machen, doch würde dies eine eingehende Untersuchung erfordern.
Der Geschlechtsapparat von Dytisous marginalis.
263
etwa 2 Monate haben. Eine Winterspermatogenese, wie sie Voinow
für Cybister Roeselii erwähnt, existiert bei Dytiscus nicht, und es liegt
die Vermutung nahe, daß es sich bei Cybister auch nur um die Spermato-
genese junger Käfer handelt.
Es soll nunmehr an Hand einer Reihe von Übersichtsbildern eine
kurze Beschreibung der einzelnen Stadien der Spermatogenese erfolgen,
264 Carl Demandt,
Der in Fig. 51 dargestellte Längsschnitt durch die Hodenspitze wurde
angefertigt von einem im März konservierten Hoden. Er stellt also
ein Stadium dar, welches noch geringe Vermehrung der Spermato-
gonien zeigt. Die Spermatogonienkerne liegen unregelmäßig verteilt
in einer sehr fein granulierten Plasmamasse, welche den Schlauch hier
ganz erfüllt und hellere und dunklere Regionen aufweist. In dem
Plasma treten vereinzelte Vacuolen auf (va). Die Kerne sind von ver-
schiedener Größe, meist gekennzeichnet durch wandständige Chromatin-
körnchen, und besitzen einen Nucleohis. Es treten aber auch Kerne
auf, welche auf ihrer ganzen Fläche fein verteiltes Chromatin auf-
weisen, dafür aber den Nucleohis vermissen lassen. Während diese
Kerne, besonders die größeren unter ihnen, kreisrund erscheinen, sind
auch solche von länglich ovaler Gestalt zu finden, welche meist gleich-
mäßig verteiltes Chromatin aufweisen und kleiner als die andern sind.
Diese Verschiedenheiten der Kerne hinsichtlich ihrer Größe und Struktur
lassen vermuten, daß es sich hier einerseits um Keimzellen verschiedenen
Alters, anderseits um somatische Zellen handelt, und zwar würden die
zuletzt beschriebenen Kerne wohl solche von somatischen Zellen sein
können, doch ist es unmöglich, dieselben hier schon mit einiger Be-
stimmtheit als solche ansprechen zu können. Es wird Gelegenheit sein,
weiter unten hierauf noch einmal zurückzukommen.
In dem in Fig. 51 dargestellten Längsschnitte liegen die Spermato-
gonienkerne in einer gemeinsamen Plasmamasse; die Keimzellen bilden
also hier ein Syncytium. Zellgrenzen sind auch mit stärksten Ver-
größerungen nicht zu erkennen (vgl. auch Schäfer). Demgegenüber
muß ich aber hervorheben, daß ich bei einem andern Hoden auf Schnitten
durch dieselbe Region sehr deutliche Zellgrenzen fand. Vielleicht hängt
das Auftreten derselben mit dem Alter des Hodens zusammen, so daß
wir hier ähnliche Verhältnisse hätten, wie sie Tönniges für Litliobius
beschreibt, doch kann dies nur auf Grund eingehender Untersuchungen
entschieden werden. Entsprechend der Endkammer der Eiröhren
dürfte man ja auch hier sehr deutliche Zellgrenzen und vor allem scharfe
Sonderimg der Keim- und Follikelzellen erwarten. Allerdings ist der
Abschnitt des Hodens, welcher zeitweise die Zellgrenzen vollkommen
vermissen läßt, von sehr geringer Ausdehnung, seine Länge beträgt
höchstens 0,8 mm. Die von Schäfer beschriebene und abgebildete
kernfreie Plasmazone war auf meinen zahlreichen durch die Hoden-
spitze gelegten Schnitten nicht zu konstatieren.
Die zweite Zone der Spermatogonienregion unterscheidet sich von
der ersten durch die Beschaffenheit des Plasmas. Fig. 52. ein Bild
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
265
;
von einem Längsschnitt etwa 1 mm unterhalb der Hodenspitze, zeigt,
daß die Spermatogonienkerne sich mit einem Plasmahofe umgeben
und sich mit demselben von den Nachbarzellen gesondert haben. Mito-
tische Teilungsfiguren sind in dieser Region häufiger. Die Zellen soma-
tischen Charakters sind auch hier noch nicht mit Sicherheit zu er-
kennen, und die Kerne zeigen
durchweg noch dasselbe Aus-
sehen wie an der Hoden-
spitze.
In diesem Abschnitt des
Hodenschlauches dürfte man
Bilder erwarten, wie sie
Henderson in Fig. 3 für den
Hoden einer älteren Larve an-
gibt, nämlich daß eine Zelle,
die spätere Cystenzelle, die
Spermatogonienzelle mit horn-
förmigen Fortsetzungen um-
wächst. Es war jedoch nicht
möglich, solche Zellen nach-
zuweisen, wie denn auch
Henderson selbst angibt,
daß er solche »einzellige«
Cysten nicht finden konnte.
Daß diese Stadien vorhanden
Fig. 52.
Sein können, ist wohl anzimeh- Längsschnitt durch den Hoden dicht unterhalb der
. Spitze: Zone der Absonderung der Spermatogonien.
men; latsache ist jedoch, daß vergr. 364/1.
man die Cystenzellen mit Be-
stimmtheit erst erkennen kann, wenn die Spermatogonien schon mehrere
Teilungen durchgemacht und sich in Rosettenform angeordnet haben
(Fig. 53). Diese Rosetten finden sich schon sehr weit oben im Hoden-
schlauch, etwa 1 1/2 mm unterhalb der Hodenspitze, und das Aussehen der
Spermatogonien weiter abwärts ist ein ganz andres als an der Spitze des
Schlauches, und zwar infolge ihrer Lagerimg in den Cysten. Auf Fig. 53
erscheint der Hodenschlauch nicht straff gefüllt mit Samenelementen ,
denn der Schnitt ist geführt durch den Abschnitt, wo die Spermato-
goniencysten abwärts rücken und daher locker aneinander gelagert
sind. Die Spermatogonien besitzen hier eine kegelförmige Gestalt und
gruppieren sich mit ihren spitzen Enden um eine dunklere Achse, welche
nach Henderson dadurch sich erklärt, daß die Spermatogonien nach
2(36
Carl Deuiandt,
erfolgter Kernteilung sich nicht vollkommen durchtrennen, sondern
mit ihren Spitzen zusammen hängen bleiben. Bezüglich der an der
Spitze der Zellen sich findenden Mitochondrien soll auf die einschlägige
Literatur verwiesen werden (Schäfer). Der große, runde bis ovale
Kern der Spermatogonie liegt am Grunde der Zelle und zeigt nicht
mehr das wandständige Chromatin. sondern eine gleichmäßige Verteilung
desselben über den ganzen Kernraum. Die Zahl der auf 5 «-Schnitten
getroffenen Sperma togonien beträgt, wie Schäfer angibt, sieben.
Meine Präparate zeigen bei einer Schnittdicke von 6 // sechs bis zehn
«
Fig. 53.
Längsschnitt durch den Hoden. 2 mm unterhalb der Spitze, die Spermatogonien haben sich wieder-
holt geteilt und in Rosetten in den Cysten (cz) angeordnet. I>ie Hodenwandung mit Secret über-
zogen (s). Vergr. 300/1.
Spermatogonien in solchen Cysten, die median getroffen waren. Das
Plasma der Keimzellen ist fein granuliert.
Diese Spermatogonienrosetten sind nun umgeben von einer Cyste,
welche gewöhnlich von zwei Zellen gebildet wird. Die Kerne der Cysten-
zellen sind länglich oval und liegen in einem Plasmahofe, welcher sich
zu feinen Lamellen auszieht, die die Rosetten umfassen. Solche vom
Follikelepithel ausgehenden Fäden gehen auch von der einen Cyste
auf die benachbarten über, so daß die Cystenzellen ein weitmaschiges
Gewebe bilden, in dessen Hohlräume die Spermatogonien in größerer
oder kleinerer Anzahl eingelagert sind, derart, daß sie von dem Gewebe
ziemlich fest umsponnen werden. Klarer zu erkennen ist dies in Fig. 54,
die einen Querschnitt durch den Hoden in der Region der ältesten
Spermatogonien wiedergibt. Wie ein Vergleich mit Fig. 51 — 53 ergibt,
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
267
sind die Spermatogonien bedeutend kleiner geworden. Sie haben sich
noch mehrere Male geteilt, und ihre Zahl betraut in den einzelnen
Cysten 25 und mehr. Bei diesen Teilungen ist der Kern verkleinert
worden, aber auch das Plasma wurde auf einen kleinen Hof reduziert,
da es nicht Zeit hatte, bei den rasch aufeinanderfolgenden Teilungen
sich zu ergänzen. Man vergleiche hierzu die Abbildungen von Hen-
dersox und Schäfer, welche diese Vorgänge näher erläutern. Der cha-
rakteristischste Unterschied der Fig. 53 gegenüber liegt in der Anord-
imng der Sperma togonien : die Rosettenform ist geschwunden und die
Fig. 54.
Ältere Spermatogonien in großer Anzahl regellos in den Cysten liegend, mit Mitosen. Vergr. 284 1.
Zellen liegen regellos in den Cysten verstreut. Teilungfiguren (mi),
wohl die letzten Teilungen der Spermatogonien, finden sich auch hier
noch vor. Die Kerne der Keimzellen weisen hier meist einen oder zwei
wTanclständige Nucleoli auf. Das Chromatin ist oft regellos verteilt,
sehr viele Kerne zeigen jedoch noch die wandständige Lagerung des-
selben.
Infolge der unregelmäßigen Anordnung der Spermatogonien zeigen
auch die Cysten unregelmäßige Formen. Die Kerne der Cystenzellen
(cz) sind sehr stark herangewachsen und übertreffen im Gegensatz zu
den früheren Stadien die Kerne der Keimzellen ganz bedeutend an
Größe. Sie sind sehr chromatinreich und besitzen ein deutliches Kern-
körperchen. Nachdem durch die vielen Teilungen der Spermatogonien
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 18
268 Carl Demandt,
die Samenelemente des Hodens sich stark vermehrt haben, gehen nun-
mehr die Spermatogonien in die Spermatocyten erster Ordnung über,
während die Vermehrung der Spermatogonien weiter ihren Fortgang
nimmt.
Für die Darstellung der Spermatocyten erster Ordnung wurde das
für diese so charakteristische Synapsisstadium gewählt. Fig. 55 zeigt
einen Längsschnitt durch die Spermatocytenregion eines am 5. Mai
konservierten Hodens. Das sicherste Kriterium, die Spermatocyten
sofort aufzufinden, bildet das Auftreten zahlreicher degenerierender
Cysten, besonders im Centrum des Hodenschlauches. Bezüglich der
näheren Ausführungen soll hauptsächlich die Arbeit von Schäfer
berücksichtigt werden, da sich hier einige Abweichungen von den Aus-
führungen Hendersons vorfinden. Die einzelnen Angaben auf ihre
Richtigkeit zu prüfen, erachte ich nicht als meine Aufgabe, sondern
möchte nur auf die Abweichungen hinweisen, soweit sie für die vor-
liegende Darstellung in Betracht kommen.
Der Übergang der Spermatogonien in die Spermatocyten ist, rein
äußerlich betrachtet, gekennzeichnet durch das starke Heranwachsen
der Zellen und besonders ihrer Kerne. Ein Vergleich der Fig. 54 und 55,
von denen letztere allerdings etwas stärker vergrößert ist, zeigt deut-
lich die Größenunterschiede. Die Kerne zeigen in dem dargestellten
Synapsisstadium der Spermatocyten (Fig. 55) sehr starke Abweichungen
von den Spermatogonienkernen : das Chromatin ist zusammengeballt
zu einem fädigen Knäuel, welches an dem einen Pole des Kernes liegt.
Der den Kern umgebende Plasmahof ist im Vergleich zum Kern sehr
klein und von unregelmäßiger Form. Gewöhnlich liegt dem Pole des
Kernes, welcher durch das Chromatinknäuel ausgezeichnet ist, die
größere Menge des Plasmas an, so daß die Lage des Kernes eine ex-
zentrische wird. Das fein granulierte Plasma färbt sich sehr wenig
mit Eisenhämatoxylin, und da die Spermatocyten in ziemlich großen
Abständen voneinander in den Cysten liegen, so erscheinen die mit
Spermatocyten erfüllten Schläuche auf Schnitten bedeutend heller als
diejenigen, welche Spermatogonien enthalten. Nach Schäfer soll in
dem Synapsisstadium die Chromatinreduktion erfolgen, während Hen-
derson dieselbe in die erste Reifungsteilung verlegt.
Wie schon oben erwähnt, ist die Spermatocytenregion gekenn-
zeichnet durch das Auftreten zahlreicher degenerierender Cysten im
Centrum des Hodenschlauches. Es kommen jedoch auch unter den
Spermatogonien ganz vereinzelt degenerierende Zellen vor, doch sind
diese nur bei genauer Durchsicht zu entdecken, und es handelt sich
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
269
hier wahrscheinlich um pathologische Prozesse. Ganze degenerierende
ISpermatogoniencysten waren auf meinen Präparaten nicht zu kon-
statieren. Dagegen ist aber die Degeneration der central im Hoden-
schlauch gelegenen Spermatocytencysten von großer Bedeutung für
die Ernährung der sich weiter entwickelnden Keimzellen und daher
nicht als pathologische Erscheinung anzusprechen, wie auch Hender-
son ausdrücklich betont. Die degenerierenden Cysten (Fig. 55 de)
besitzen als Inhalt tief dunkel sich färbende Ballen, welche wie in
~-IH '-^M^vm
^V-^\f£'#
^\%)Ä#^^
-he
sx
efc *c
Fig. 55.
Spermatocyteii erster Ordnung im Synapsisstadium. Eine große Anzahl der centralen Cysten
ist der Degeneration verfallen (de). Vergr. 300/1.
Vacuolen gebettet erscheinen, da die Spermatocyteii infolge der Degene-
ration stark geschrumpft sind. Bei starker Vergrößerung zeigen diese
Ballen auf hellerem C4 runde schwarze, meist rundliche Partien, und
zwar besonders diejenigen, die in ihrer Degeneration noch nicht sehr
weit vorgeschritten sind. Es sind in diesem Falle oft noch die ehe-
maligen Spermatocytenkerne zu erkennen. Bezüglich der einzelnen
Phasen des Degenerationsprocesses sei auf die Angaben von Schäfer
und besonders Henderson verwiesen.
18*
270 Carl Demandt,
Die Vacuolen im centralen Teile des Hodensclilanches deuten
darauf hin, daß die Degenerationsprodukte von den umgebenden
Spermatocyten resorbiert werden, und zwar halte ich die Ansicht
Hendersons, daß die Resorption durch die Cvstenzelle und besonders
ihre Kerne vermittelt wird, für zutreffend. Fig. 55 zeigt, daß die
Cystenzellen bedeutende Ausdehnung erlangen (vc), und in ihrem Plasma
finden sich auch kleinere Tröpfchen von degenerierter Substanz vor,
welche an ihrer dunklen Färbung zu erkennen sind. Es deutet dies
alles darauf hin. daß die Cystenzellen die Hohlräume, welche sich
infolge der Degenerationserscheinungen bilden, schließen und die De-
generationsprodukte allmählich resorbieren. Inwieweit der Kern der
Cystenzelle dabei beteiligt ist. ist schwer zu entscheiden, jedenfalls
bestätigen meine Präparate die Angaben Hendersons, welcher sagt,
daß die Kerne ihr Volumen vergrößern und ihr Chromatin gleichmäßig
über ihren ganzen Raum verteilen, sodaß sie Drüsenzellkernen nicht
unähnlich erscheinen.
Daß Eintritt und Ausdehnung der Degenerationsvorgänge von den
Ernährungsverhältnissen des Tieres abhängen, ist als sehr wahrschein-
lich anzusehen. Bei schlechter Ernährung des Käfers dürften mehr
Cysten als Nährmaterial der Keimzellen verbraucht werden, und in
diesem Falle können auch Cysten, welche an der Peripherie des Hoden-
schlauches liegen, der Auflösung verfallen (Fig. 55). Anderseits liegen
aber mitunter auch zwischen den degenerierenden Cysten normale
Cysten, welche dann wohl fast ausschließlich von den Degenerations-
produkten, nicht aber von außen ernährt werden.
Nachdem nun die Spermatocyten unter ständigem Heranwachsen
verschiedene, nach der Form des Chromatins zu unterscheidende Stadien
durchlaufen haben, treten sie nach Schäfer nunmehr in ein Ruhestadium,
während dessen der Kern durch eine netzförmige Beschaffenheit seines
Chromatins ausgezeichnet ist. Diese Ruheperiode wird von Hender-
son allerdings nicht angenommen.
Um die weitere Entwicklung der Spermatocyten zu verfolgen, ist
es erforderlich, Material zu untersuchen, welches nicht vor Ende Juni
konserviert wurde. Fig. 56, welche die späteren Entwicklungsstadien
der Spermatocyten zeigt, stellt einen Längsschnitt durch einen am
10. Juli konservierten Hoden dar. Der wiedergegebene Schnitt ist
insofern ganz besonders günstig, als er außer Spermatocyten erster und
zweiter Ordnung auch junge Spermatiden zeigt.
Ein Vergleich mit Fig. 55 läßt erkennen, daß sich das Aussehen
der Cysten sehr stark verändert hat. Die Cysten sind bedeutend um-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 271
fangreicher und ihre Wände viel zarter geworden. Der Hodenschlauch
ist straff angefüllt, und die großen Vacuolen des Follikelgewebes sind
größtenteils geschwunden. Es ist dies bedingt durch das Heran-
wachsen und die starke Wucherung der Keimzellen. WTie alle Cysten
in Fig. 56 zeigen, haben die Keimzellen ihr Plasma soweit ergänzt,
daß die ganze Cyste davon angefüllt ist. Zellgrenzen sind nur un-
deutlich zu erkennen und zwar besonders in den ( lysten, welche zahlreiche
Teilungsspindeln aufweisen.
Die Spermatocyten erster Ordnung sind also nunmehr in das
Stadium der Reifungsteilungen eingetreten. Über den Verlauf desselben
finden sich Abweichungen in den Arbeiten von Henderson und Schä-
fer. Zunächst ist dem ersteren die V " bzw. Stäbchenform der Centro-
somen entgangen. Auch ist Henderson der Ansicht, daß nach der
ersten Reifungsteilung ein Ruhestadium der Spermatocyten folgt,
charakterisiert durch eine gleichmäßige Verteilung des Chromatins
im Zellkern, während Schäfer die Existenz eines Ruhestadiums be-
streitet. Meine Präparate zeigen Verhältnisse, welche für die Ansicht
Schäfers sprechen, denn auf dem in Fig. 56 abgebildeten Längsschnitt
ist neben mehreren Cysten mit zweiten Reifungsteilungen {'2rft) auch
eine mit ersten Reifungsteilungen (cj) vorhanden, wobei zur Bestimmung
derselben die Form der Centrosomen in Rechenschaft gezogen wurde,
die nach Schäfer als Kriterium für die Unterscheidung dienen kann.
Es zeigt sich hier wieder die Übereinstimmung mit Cybister, von dem
Voinow sagt: «Chez le Cybister Roeselii ont ne peut parier que des
spermatocytes de premier ordre, car ce sont les seules, qu'on trouve
sur une grande etendue du testicule; les spermatocytes de deuxieme
ordre n'existent pas isoles et ne representent qu'un stade des syneses
sexuelles. Les deux divisions de maturations se succedent tres vite.»
Die Spermatocyte zweiter Ordnung, welche aus der ersten Reifungs-
teilung hervorgeht, ist also nur ein ganz kurzes Übergangsstadium
zwischen den Reifungsteilungen.
Betrachten wir nunmehr einige der in Fig. 56 dargestellten Cysten
etwas genauer! Die Cyste cx zeigt neben zahlreichen in der Längs- oder
Querachse geschnittenen Reifungsspindeln noch einige Spermatocyten
erster Ordnung (sp 1. o), welche noch nicht in Teilung getreten sind und
eine deutliche Kernmembran aufweisen. Auf Flächenschnitten durch
die Äquatorialplatte der Teilungsfiguren ist die Chromosomenzahl oft
deutlich zu erkennen. Es sind nie mehr als 18 Chromosomen, woraus
hervor gehen dürfte, daß die Reduktion tatsächlich schon früher, also
wohl im Synapsisstadium erfolgt ist. Einzelne von den getroffenen
272
Carl Demandt,
Spindeln ließen in dieser Cyste die \/ -Form der Centeosomen er-
kennen.
i/^'i
<?./■/>
<?♦? -
Fig. 56.
Umwandlung der Spermatocyten in Spermatiden, c,, Cyste mit Spermatocyten erster Ordnung
und ersten Reifungsteilungen (i.r/O. Andre Cysten (c,) mit .Spermatocyten in der zweiten Reifungs-
teilung (2.r#), e3, Cyste mit sehr jungen Spermatiden: rik, Xebenkern; c4. Cysten mit etwas alteren
Spermatiden. Vergr. 216/1.
Aus der ersten Reifungsteilung gehen die Spermatocyten zweiter
Ordnung hervor. Ihr Chromatm zeigt oft Tetradenbildung. Die Sper-
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 273
matocyten zweiter Ordnung finden sich im oberen Teile der Cyste c2.
Neben den Spermatocyten liegen wieder mehrere Kernspindeln, welche
an der Stäbchenform ihrer Centrosomen als Spindeln der zweiten Rei-
fungsteirung zu erkennen sind. Einen weiteren Fortschritt in der
Entwicklung zeigt die Cyste c3 : die Teilungen sind bis auf zwei vollzogen,
und die Teilungsprodukte sind an ihrem Nebenkern (nk) als junge
Spermatiden anzusprechen. Der eigentliche Kern der Spermatide hat
sich noch nicht rekonstituiert.
Die Abgrenzungen der jungen Spermatiden gegeneinander sind
erst in einem etwas späteren Stadium, welches die Cysten c4 zeigen,
deutlicher zu erkennen. Auch hier tritt der Nebenkern, der sich aus
den bei der Beschreibung der Spermatogonienrosetten erwähnten Mito-
chondrien gebildet hat (vgl. Schäfer), sehr stark hervor, während der
eigentliche Kern vacuolenhaft aussieht, da sein Chromatingehalt sehr
gering ist und sichelförmig der Wandung anliegt. Charakteristisch
für die Lage des Nebenkernes ist, daß er meist an der Seite des Sperma -
tidenkernes liegt, welche den Chromatinbelag aufweist.
Es wurde schon oben erwähnt, daß infolge der starken Anschwellung
der Cysten die Nährsubstanz, welche vorher (Fig. 55) einen großen Teil
des Lumens des Hodens für sich beanspruchte, bis auf eine schmale
Achse im Centrum des Schlauches zusammengepreßt ist (Fig. 56 a).
Dieser »Achse« des Hodens widmet Henderson eine längere Be-
trachtung, doch geht aus seiner Darstellung nicht so recht klar hervor,
wie er sich dieselbe entstanden denkt. Vor allen Dingen soll betont
werden, daß die Begrenzung der normalen Cysten gegen diese Achse
hin meist recht gut zu erkennen ist (Fig. 56). Daß die Achse selbst aus
degenerierten Cystenzellen besteht, geht, wie auch Hehnderson angibt,
ohne weiteres hervor aus den Kernen, die sich in ihr vorfinden. Die
stellenweise auftretenden, stark färbbaren Körnchen sind als nicht
resorbierte Teile von degenerierten Spermatocyten aufzufassen. Die
Entstehung der Achse ist leicht zu verstehen, wenn man Fig. 55 u. 56
vergleicht: während das in den Cystenvacuolen enthaltene Nähr-
material resorbiert wird, wachsen die Spermatocyten stark heran und
dehnen ihre Cysten derart, daß das Gewebe der nunmehr leeren Cysten
zur Achse zusammengepreßt wird. Diese ist also sozusagen der nicht
resorbierte Rest im Ernährungsprozeß der Spermatocyten durch de-
generierte Keimzellen.
Die jungen Spermatiden liegen, wie Fig. 56, Cyste ci zeigt, gleich-
mäßig in der ganzen Cyste verteilt und entwickeln sich weiter. All-
mählich zeigen sie die Tendenz, sich regelmäßiger zu lagern, und in
274 Carl Deman.lt,
dem Stadium, welches Fig. 57 zeigt, haben sie sich alle so angeordnet,
daß sie mit ihren Köpfen, d. h. dem Abschnitte, der den Kern enthält,
der Cystenwandung angelagert sind. Dabei drängen sie sich besonders
dicht an der der Peripherie des Hodens zugewandten Seite zusammen,
während sie an der centralen Wand nur vereinzelt auftreten, ein Zeichen,
daß die Ernährung jetzt hauptsächlich vom Hodenepithel aus erfolgt.
Die Schwanzfäden, welche hier schon deutlich zu erkennen sind, strahlen
von den Wänden aus und ragen in den hier im Inneren der Cyste auf-
tretenden Hohlraum hinein. Der Kern der Spermatide zeigt hier un-
gefähr dasselbe Aussehen wie im vorhergehenden Stadium (Fig. 56 c4),
und auch der Nebenkern ist noch deutlich zu erkennen (nk). Die Cysten-
zellen (cz) sind noch sehr gut erhalten und zeigen sehr große, chromatin-
* Q
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I
Fig. .3 i .
Cyste mit reiferen Spermatiden, die einen umfangreichen Nebenkern (nk) besitzen und den Schwanz;
faden schon ausgebildet haben. Vergr. 364 1.
reiche Kerne. Bei der Weiterentwicklung der Spermatiden wird nach
Schäfer »der überschüssige Plasmarest, von der sich immer mehr
differenzierenden Spermatide abgeworfen . . . ; es tritt eine Degene-
ration und chemische Umsetzung seiner Bestandteile ein, und er wird
dann zum Zweck der Ernährung der heranwachsenden Samenelemente
auf indirektem Wege wieder resorbiert.«
Auf diese Weise bilden sich die Spermatiden allmählich zu Sper-
matozoon (Spermien) um, welcher Vorgang aus den angegebenen Grün-
den in der vorliegenden Arbeit nicht verfolgt werden sollte und einer
eignen cytologischen Untersuchung bedurft hätte, wie sie von andrer
Seite bereits vorgenommen wurde.
Fig. 58 zeigt eine Cyste, welche fast vollständig ausgebildete Sper-
matozoen enthält. Die Köpfe derselben sind sämtlich nach der Peri-
Der Geschlechtsapparat von Dytiseus marginalis.
275
pherie des Hodens gerichtet. Die Schwanzfäden sind bereits fertig aus-
gebildet, nur die Köpfe haben noch nicht die typische langgestreckte
Form erhalten, sie sind noch kugelig, mit seitlich aufgesetzter Spitze.
Zwischen den Schwanzfäden liegt eine feinkörnige Substanz, die als
Rest der durch Umbildung des Plasmas der Spermatiden gebildeten
Nährsubstanz aufzufassen ist.
Wenn die Entwicklung weiter geht, werden die Cysten zerstört,
d. h. ihre Wände schwinden. Trotzdem bewahren auch die nunmehr
freien Spermien ihre charakteristische Lagerung senkrecht zur Längs-
achse des Hodenschlauches (Fig. 59). Hier kann man auch nochTdie
Reste der ehemaligen Cystenzellen
und ihrer Kerne (ck) erkennen. Die
Spermatozoen sind in Bündeln ange-
ordnet (sp), welche dem Inhalt der
-ck
Fig. 58.
Fast ausgereifte Spermien: dem Kopf fehlt noch
die langgestreckte Form. Wandung der Cysten-
zelle (cz) teilweise schon geschwunden.
Vergr. 216/1.
Fig. 59.
Längsschnitt durch den' Hodenschlauch mii
vielfach durchschnittenen Spermienbündeln {sp),
Cystenzellkerne teilweise noch erhalten {ck).
Vergr. 72/1.
einzelnen Cysten entsprechen. Da die Schwanzfäden der Spermien
meist in Wellenlinien verlaufen, so sind die Bündel oft mehrfach durch-
schnitten. Neben den im Längsschnitt getroffenen Bündeln treten
infolgedessen auch quergeschnittene auf, so daß das Bild ein sehr un-
regelmäßiges wird. Im centralen Teile des Hodenschlauches treten
zuweilen Cystenzellen auf, deren Plasma sich im Stadium einer fettigen
Degeneration befindet. Sie fallen sofort auf durch die zahlreichen,
tief dunkel sich färbenden Tröpfchen, die in eine bindegewebige Grund-
masse gebettet erscheinen (Fig. 59 ft). Derartige Degenerationsprodukte
sind besonders in solchen Hodenschläuchen zu konstatieren, in denen
die letzten Spermatozoen im Begriffe sind, in den Nebenhoden zu
276 Carl Demandt,
wandern. Hoden, in denen die Spermatozoenentwicklung noch in den
Anfängen liegt, zeigen meist diese Erscheinimg nicht. Es liegt daher
nahe, dieses Auftreten der Fetttröpfchen als ein Zeichen von Erschöp-
fung des Hodens anzusehen, so daß bei der Beschaffung von Nähr-
material auch noch eine weitergehende Zersetzung von Cystenzellen
erfolgt.
Mit dem Beginn des Wanderns der Spermatozoen ändert sich das
Aussehen des Hodens insofern, als die Spermatozoenbündel sich nun-
mehr parallel der Längsachse des Hodens einstellen. Von den Cysten-
zellen kann man dann nur noch verschwindende Beste an der Peri-
pherie des Hodens erkennen.
Die in dem Hoden degenerierten und nicht zugleich resorbierten
Substanzen, also der größte Teil der Cystenzellen, bleiben nach dem
Austritt der Spermatozoen im Hodenschlauche zurück. Man findet
sie daher als leuchtend gelb gefärbte Substanz in dem Winterhoden vor.
Durch die nachdrängenden Samenelemente wird sie während der Sper-
matogenese allmählich abwärts geschoben, und man findet dieses »Cor-
pus luteum« als dicken Pfropf vor den Spermatozoen. Auf Schnitten
(Fig. 60 ds) erscheint es als undefinierbares Konglomerat von Gewebs-
fasern mit dazwischen liegenden, mehr oder weniger stark degenerierten
Kernen, die mitunter noch einige Ähnlichkeit mit Cystenzell kernen
aufweisen. Außerdem sind in die stark vacuolisierte Grundmasse noch
tief dunkel gefärbte Körnchen eingelagert, welche teilweise von un-
regelmäßiger Form, teilweise jedoch kreisrund erscheinen und an die
Körnchen erinnern, welche sich, wie beschrieben, oft zwischen den
Spermatozoen finden (Fig. 59). Auf die letzteren wird weiter unten
(S. 281) nochmals kurz einzugehen sein.
II. Der Speicherungsapparat.
Der Speicherimgsapparat des Samens, welcher sich hinsichtlich
seiner Funktion in die drei Abschnitte: Vas efferens, Nebenhoden und
Vas deferens gliedert, zeigt in seiner feinen Struktur diese Unterschiede
weniger, denn das Epithel ist im ganzen Verlaufe dieses Organes ziem-
lich gleichmäßig ausgebildet. Seine Abgrenzung gegen den Hoden-
schlauch einerseits und die Anhangsdrüse andrerseits ist jedoch sehr
scharf ausgeprägt.
a. Das Vas efferens.
Ein Längschnitt durch den Übergang von Hoden und Vas efferens
(Fig. 60) zeigt uns zunächst, daß das Hodenepithel (he) in dünner
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
277
Schicht das Vas efferens außen überzieht. Innerhalb dieses Epithels
liegt die Elastica des Hodens (em), gut zu erkennen als kräftige Kontur.
Wir haben also hier noch dieselben beiden Schichten, wie sie der Hoden-
schlauch selbst zeigt. Hierzu tritt aber nach innen weiter ein das
Hodenepithel an Höhe übertreffendes Epithel (ep). Es ist zunächst
sehr flach und steigt allmählich zu seiner normalen Höhe an, wie es
das Vas efferens gleichmäßig auskleidet. Zwischen den beiden Epi-
thelien liegt also eine bindegewebige Schicht, welche die direkte Fort-
he
Fig. 60.
Längsschnitt durch den Übergang des Hodens in das Vas efferens. he, Hodenepithel; ep, Epithel
des VAs efferens; em, elastische Membran. Lumen mit degenerierter Substanz (tfs) erfüllt.
Vergr. 108 1.
setzimg der Elastica des Hodens darstellt. Die Wand des Vas efferens
ist hier infolgedessen dreischichtig. Weiter abwärts wird aber das
Hodenepithel flacher und schwindet völlig. Es muß jedoch hervor-
gehoben werden, daß die Bindegewebslage des Leitungsapparates einen
andern Charakter als die Elastica des Hodens hat. Denn während
letztere eine scharf umgrenzte, selbständige Hülle darstellt, ist die
Bindeirewebslage des Nebenhodens, und, wie wir sehen werden, auch
278
Carl Demandt,
die der übrigen ausleitenden Organe eine vom Epithel nicht zu trennende
Schicht, die man als Basalmembran auffassen kann.
Das Epithel des Vas efferens (Fig. 60 ep) besteht aus mäßig hohen
Zellen mit ziemlich großen Kernen und stark granuliertem Plasma.
Von den Zellen wird ein Secret abgesondert, welches man am leeren
Schlauche als fädigen Belag des Epithels erkennen kann. Letzteres trat
auf allen meinen Schnitten in gleichmäßiger Form auf. Es zeigte nie
Schrumpfungen, sondern war stets glatt, ungeachtet ob das Yas efferens
mit Spermien gefüllt oder leer war. Daraus geht hervor, daß dieser
Abschnitt des Speicherungsapparates wenig elastisch ist und das Epithel
sich sehr wenig dehnt. Daher ist auch die Bindegewebslage in bezug
auf ihre feinere Struktur am Vas efferens schlecht zu untersuchen. Gun-
st iger für die Untersuchung liegen die Verhältnisse beim Nebenhoden.
CR.
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b. Der Nebenhoden oder die Epididymis
bildet den zweiten Abschnitt des Speicherungsapparates. Die Bilder,
welche Querschnitte durch den Nebenhoden zeigen, können sehr ver-
schieden sein, je nachdem der
Schlauch gefüllt oder leer ist. Bei
schwach gefülltem Hoden sind
die einzelnen Schichten seiner
Wandung für die Untersuchung
am günstigsten. Eine feste Ab-
grenzung des Nebenhodens ist
auch dann nicht zu finden, wenn
man das Schwinden des dem Vas
efferens aufgelagerten Hodenepi-
thels berücksichtigt. Es läuft
dieses sehr flach aus. so daß man
nicht mit Bestimmtheit erkennen
kann, wo es sein Ende findet.
In dem eisten Abschnitte des
Nebenhodens ist die Wandung"
zweischichtig. Sie wird gebildet
von dem Epithel und von der
ihm aufgelagerten Bindegewebs-
lage. Fig. 61 zeigt uns diesen
Abschnitt des Nebenhodens im kontrahierten Zustande. Infolgedessen
erscheint die Bindegewebslage (bg) von bedeutender Mächtigkeit, während
das Epithel (ep) stark zusammen gepreßt ist und eine ausgefranste Ober-
Fig. 61.
Querschnitt durch den hinteren Abschnitt des
Nebenhodens. Schlauch stark kontrahiert, Lumen
infolgedessen unregelmäßig, ep, Epithel; bg, Binde-
gewebslage. Vergr. 300/1.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 27(.)
fläche zeigt. Infolge der starken Pressung erscheint das grobkörnige
Plasma der Zellen am Grunde dunkler, d. h. dichter, als in den oberen
Teilen der Zellen. Die Kerne zeigen dieselbe Struktur wie im Bereiche
des Vas efferens: einen Nucleolus und feinere Chromatinkörnchen, die
oft wandständig gelagert sind.
Die Bindegewebslage zeigt vereinzelte runde Kerne. Zahlreiche
Tracheen treten an sie heran und durchsetzen sie. Der Nebenhoden
ist in diesem Abschnitt von ziemlicher Dehnbarkeit, und, wenn er mit
|~
-ep
Im —
Mg. 62.
Querschnitt durch den vorderenjAbschnitt des Nebenhodens (»Samenblase«). Epithel (ep) um-
hüllt von einer dicken Ringmuskulatur (rm), zwischen beiden eine dünne Bindegewebslage (hg).
Vergr. 140/1.
Spermien erfüllt ist, erscheint sein Epithel ganz ähnlich wie es Fig. 62
für den zweiten Abschnitt des Nebenhodens zeigt. Die Zellen sind
dann bedeutend niedriger, aber trotzdem noch höher als im Vas efferens,
und die Innenfläche des Epithels vollkommen glatt.
Weiter abwärts tritt zu dem Epithel und der Bindegewebslage
am Nebenhoden noch eine äußere Muscularis. Sie besteht fast aus-
schließlich aus Ringmuskelfasern (Fig. 62 rm), ist anfangs äußerst fein
und nimmt allmählich an Stärke zu. Eine typische Längsmuskel-
schicht, wie sie Escherich für Carabus morbillosus abbildet, ist hier
280 Carl Demandt,
nicht vorhanden. Wohl zeigen sich zwischen den Ringmuskelfasern
vereinzelte quergeschnittene Längsmuskelfasern (Fig. 62 Im), doch
bilden diese keine geschlossene Schicht. Nach dem Vas deferens hin
zeigt die Mnscularis beträchtliche Stärke. Die Fasern verlaufen jedoch
nicht vollkommen ringförmig, sondern kreuzen sich bündelweise
(Fig. (52).
Die Bindegewebslage, welche innerhalb der Muscularis liegt (Fig. 62
hg), ist hier sehr fein, da der Schlauch hier nicht stark kontrahiert ist.
Die Zellgrenzen des Epithels sind ziemlich gut zu erkennen. Das
Epithel stellt hier ein ausgesprochenes Cylinderepithel dar, und die
Kerne liegen im mittleren Teile der Zellen. Bei straff angefülltem
Schlauche wird das Epithel in diesem Abschnitte des Nebenhodens
noch viel stärker gedehnt, so daß es ganz flach erscheint. Zellgrenzen
sind in solchen Fällen nicht mehr zu erkennen, und selbst die Kerne
können nur bei sehr genauer Durchsicht gefunden werden. Dieser
Teil des Nebenhodens ist der eigentliche Sammelbehälter des Samens,
in seiner Funktion begünstigt durch die enorme Elastizität seiner
Wandung. Er bildet einen vollkommenen Ersatz für die bei andern
Insekten auftretende Samenblase.
Das Epithel des Vas efferens und der Epididymis besitzt durch-
weg secernierende Funktion. Besonders in den leeren Schläuchen ist
das Secret als fädiger oder körniger Belag der Zellen zu erkennen.
Sehr stark ist die Secretion im Vas efferens und dem daran sich an-
schließenden Teile des Nebenhodens. Diese Abschnitte haben also
die Aufgabe der mesodermalen Anhangsdrüse oder Mesadenie (nach
Escherich) zu erfüllen. Das abgesonderte Secret zeigt sich gegen
Farbstoffe ziemlich indifferent und färbt sich z. B. mit Eisenhäma-
toxylin nur sehr schwach.
c. Das Vas deferens
unterscheidet sich in seiner Struktur nur wenig von dem letzten Ab-
schnitte des Nebenhodens. Seine Muscularis ist jedoch von bedeuten-
derer Mächtigkeit (Fig. 63 rm), und die einzelnen Bündel sind sehr
stark gekreuzt. Kurz vor der Mündung des Vas deferens in die Ecta-
denie (Fig. 64) bildet sie einen starken Sphincter, dessen Aufgabe es
ist, den Spermaaustritt zu verhindern. Der mächtigen Muscularis
gegenüber tritt das Lumen des Vas deferens sehr zurück (Fig. 63).
Die Bindegewebslage (by) zeigt infolge der starken Kontraktion wieder
bedeutende Mächtigkeit. Das Epithel (ep) ist stark zusammengepreßt,
so daß stellenweise die Zellen keulenförmig geworden sind und als
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
281
Wülste in das Lumen hineinragen. Die Zellgrenzen sind aber trotzdem
zu erkennen. Auch hier zeigen die Zellen noch seeretorische Funktion,
so daß also das Epithel des ganzen Speicherungsapparates gleichwertig
erscheint.
Es war im Vorhergehenden schon öfters Gelegenheit, auf den In-
halt des Speicherungsapparates Bezug zu nehmen. Dieser Apparat ist
- -ep
Fig. 63.
Querschnitt durch das Vas deferens, stark kontrahiert, dem Epithel (ep) aufgelagert eine bedeutende
Schicht Bindegewebe (bg) und weiter eine mächtige Ringmuskulatur (r»), Vergr. 216/1.
jedoch auch für die Genese der männlichen Keimzellen von Bedeutung,
denn mit dem Freiwerden und Wandern der Spermatozoen in den
Nebenhoden ist deren Entwicklung noch nicht beendet. Es treten im
Nebenhoden vielmehr noch jene interessanten Copulationsstadien auf,
die für Dytiscus zuerst von Ballowitz und Auerbach gesehen und
beschrieben wurden. Dieselben Vorgänge konnte Ballowitz auch bei
verwandten Formen (Hydaticus, Acilius, Colymbetes und Graphoderes)
konstatieren, und es sollen hier kurz die Resultate der Untersuchungen
dieses Autors, soweit sie sich auf Dytiscus marginalis beziehen, ange-
fügt werden.
282
Carl Demandt,
Die Spermatozoen, welche den Hoden verlassen und in die Epidi-
dymis wandern, haben ihre definitive Form erlangt. Die Spermie hat
eine Länge von etwa 1.06 mm. wovon 0.011 mm auf den Kopf ent-
fallen. Der erste Abschnitt der Geißel ist in der Länge von 0,08 — 0,09mm
abgeplattet, breiter als das Endstück, und trägt einen Flimmersaum.
Der Kopf des Spermatozoons ist schmal, lang, nach vorn spitz zulaufend
6y tefi
Fig. 64.
Die Mündung des Vas deferens [vd) in die Ectadenie [ect). ep, Epithel des Vas deferens; <ii ... Epi-
thel der Ectadenie. Vergr. 46/1.
und trägt einen feinen Randsaum. An seinem Hinterende trägt er
einen borstenf orangen Widerhaken (Fig. 65 a u. b. ich. nach Ballo-
witz). Die Köpfe der copulierenden Spermien liegen mit zwei Flächen
aufeinander, wobei die Widerhaken sich kreuzen und verklammern.
Dabei ist auch noch Kittsubstanz vorhanden, welche die Köpfe ver-
klebt und als helle Kontur zwischen ihnen zu erkennen ist (Fig. 65 b).
Diese Kittsubstanz wird vermutlich geliefert von dem Spitzenknopf,
welcher anfangs den copulierten Köpfen aufsitzt und allmählich schwin-
det. Die Doppelspermatozoen sind zu vergleichen mit den »Spermato-
zeugmen« der Heuschrecken und haben vielleicht die Bedeutung, eine
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
283
größere Beweglichkeit zu erzielen. An den Spermien kann man vor
und nach der Copulation keine morpho-
logischen Unterschiede wahrnehmen.
Bezüglich des Vorkommens der
Doppelspermatozoen kann ich die An-
gaben von Ballowitz bestätigen. Sie
finden sich sowohl im Nebenhoden als
auch im Receptaculum des Weibchens.
3. Die Anhangsdrüsen.
Die Anhangsdrüsen sind nach Esche-
eich dem ectodermalen Abschnitte des
männlichen Genitalapparates zuzurech-
nen. Er bezeichnet sie daher als Ecta-
denien. Als Beweis für die ectodermale
Natur dieser Drüsen ist die chitinöse In-
tima derselben anzusehen. Auf Quer-
schnitten durch den Drüsenschlauch ist
jedoch die chitinöse Intima auch mit
starken Vergrößerungen nicht als solche
zu erkennen. Bei Macerationen der Drüse
durch Kalilauge bleibt aber ein zarthäu-
tiger, heller Schlauch zurück, der auch
bei wochenlangem Liegen in Kalilauge
nicht aufgelöst wird. Es handelt sich
hier ohne Zweifel um die Intima der
Drüse, und mit deren Vorhandensein
würde dann der ectodermale Ursprung
dieses Organs erwiesen sein.
Abgesehen von geringen Modifika-
tionen weist die Anhangsdrüse durchweg
gleichmäßige Struktur auf. Ihre Wan-
dung besteht aus drei Schichten, die
überall deutlich zu erkennen sind
(Fig. 64, 66—68). Die äußerste Schicht
wird gebildet von zwei bis drei Lagen
ziemlich feiner Längsmuskelfasern,
welche dem Drüsenschlauche dicht an-
liegen und seiner Achse vollkommen
parallel verlaufen (Fig. 68 Im). Sie
Zeitschrift f. vvissensch. Zoologie. CHI. Bd.
Fig. 65.
a) Doppelspermatozoon (Spermosyszygie)
aus dem Vas deferens, frisch in physiolo-
gischer Kochsalzlösung, die copulierenden
Köpfe von der Fläche gesellen (nach
Ballowitz). — b) Köpfe (ko) und vordere
Geißelenden eines Ooppelspermatozoons
von der Kante gesehen. An der Spitze
(I: i K;_:pfe Intensrv gefärbtes Kügelchen
(ft). Helle Linie zwischen beiden Köpfen.
(Kombiniert nach Ballowitz).
19
284
Carl Demandt,
überzieht die blinden Enden und springt hier als sehr feiner Strang
von dem einen Schlauch auf den andern über (Fig. 36 ms).
Nach innen von dieser Muskularis liegt nunmehr eine ziemlich feine
Bindegewebsschicht (Fig. 66 — 68 bg). Sie umzieht in gleichmäßiger
Stärke den ganzen Drüsenschlauch. In sie eingelagert sind feinste
Ringmuskelfasern (Fig. 68 r»^), welche in ziemlich gleichen Abständen
aufeinander folgen, den Reifen eines Fasses zu vergleichen. Wegen
ihrer außerordentlichen Feinheit sind sie leicht zu übersehen, besonders
auf Querschnitten durch die Drüse. Auf Längsschnitten durch die
>r-
Fig. 66.
Querschnitt durch die Ectadenie: innen das hohe Drüsenepithel (dep) mit der Längsfurche (//).
Außen die Bindegewebslage (bg) und die Längsmuskulatur (Im). Vergr.^108/1.
Ectadenie treten sie dagegen besonders bei Anwendung von van Gieson-
scher Färbemethode ziemlich deutlich hervor als gelbe Punkte in dem
rot gefärbten Bindegewebe. Auffallenderweise finden sich in der Lite-
ratur nirgends Angaben von dem Auftreten von Ringmuskulatur im
Innern der Bindegewebsschicht. Auch Bordas beschreibt nichts Der-
artiges, obwohl er Dytiscus circumcinctus untersucht hat, und dieser
nahe Verwandte doch wohl dieselben Verhältnisse zeigen dürfte wie
Dytiscus marginalis. Dieser Autor bezeichnet jedoch bei Colymbetes
eine Schicht als Ringmuskulatur, während er die derselben der Lage
nach entsprechende Schicht bei Broscus als bindegewebige Basal-
membran anspricht. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß es sich,
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
285
e } ? '
t]
tA W
wenigstens bei Colymbetes, um eine von Ringmuskulatur durchsetzte
Bindegewebsschicht handelt. Nach Escherich liegt bei Cardbus mor-
billosus innerhalb der Längsmuskulatur eine feine Bindegewebslage und
weiter darauf folgend eine nach der gegebenen Abbildung ziemlieh
starke Ringmuskulatur. Bindegewebe und Ringmuskulatur sind also
hier vorhanden, jedoch in zwei Schichten getrennt angeordnet.
Die innere, das Lumen auskleidende Schicht bildet nun das Drüsen-
epithel (Fig. 64, 66 — 68 dep). Es ist dieses ein sehr hohes Cylinder-
epithel, dessen Zellen stellenweise die Höhe von 520 // erreichen (Fig. 67).
Dabei sind sie aber äußerst schmal,
nur 7 'u im Durchmesser haltend, so
daß man auf 7,5 «-Schnitten schon ' : '
keine Zellgrenzen mehr erkennen kann,
während sie bei einer Schnittdicke '||
von 4 — 5 u sehr deutlich zu erkennen
sind. Die Kerne des Drüsenepithels , * \ j .' j f[ ( /'\
sind sehr klein. Sie liegen in der
Mitte der Zellen, der Basis etwas ge-
nähert (Fig. 66). Das Zellplasma ist
sehr fein granuliert und von gleich-
mäßiger Verteilung, wie dies bei der
Doppelfärbimg mit Hämatoxylin-DELA-
field und Eosin zu erkennen ist.
Nur rings um das Lumen ist die Kör-
nung etwas dichter (Fig. 66 u. 67).
Das mit FLEMMiNGsehem Gemisch
konservierte und mit Eisenhämatoxy-
lin gefärbte Material erwies sich für die Untersuchung unbrauchbar
wegen der sehr ungleichmäßigen Färbung des Epithels.
Das Drüsenepithel weist in seiner ganzen Ausdehnung ein gleich-
mäßiges Aussehen auf, nur die Höhe der Zellen ist Abweichungen
unterworfen. So sind sie an den blinden Enden und noch 3/4 cm
weiter abwärts weniger hoch, und das Lumen ist entsprechend weiter.
Daher erscheint auch die Diü^e in diesem Abschnitte durchsichtiger.
Die beiden kugeligen Verdickungen, welche sich daran anschließen
(vgl. Fig. 36), zeigen außer der unregelmäßigen Höhe des Epithels
ebenfalls keine Abweichungen.
Das Lumen ist durchweg von unregelmäßiger Form, bedingt durch
die wechselnde Höhe des Epithels. Es zeigt konstant eine einseitige
Ausbuchtung (Fig. 66 //), welche als Längsfurche durch den ganzen
19*
5 fr — k
m dep
-_6y
— Im
Fig. 67.
Teil eines Quersciinittes durch die Ecta-
denie sonst wie Fig. 66. Vergr. 140/1.
286
Carl Demandt,
\dep
4 -'
-b9
iep
Fig. 68.
Längsschnitt durch den Übergang der Ectadenie (ect) in den Ductus ejaculatorius (de). Epithel des
letzteren iep) mit deutlicher Intima (i), Bindegewebslage der Ectadenie (bg) von feinen Ring-
muskelfasern (rm^) durchsetzt. Vergr. 88/1.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. 287
Drüsenschlauch verläuft. An dieser Rinne sind die Zellen des Epithels
kaum höher als 100 fi. Die Höhe schwankt also zwischen 100 und
520 ii ! Auch auf Längsschnitten durch die Drüse erscheint das Epithel
unregelmäßig gewellt, wie Fig. 68 zeigt.
Im allgemeinen stimmen diese Verhältnisse überein mit den An-
gaben, die sich in der Literatur über die Ectadenien finden. Die von
Escherich für Cambus morbillosus beschriebenen Regenerationszellen
des Epithels fehlen bei Dytiscus marginalis. Ebenso war auf meinen
Präparaten ein Stäbchensaum nicht zu konstatieren.
Das von den Ectadenien gebildete Drüsensecret zeigt gegen Häma-
toxylin eine sehr verschiedene Farbstoffaufnahme. An den blinden
Enden der Drüse erscheint es ziemlich hyalin und nimmt wenig Farbe
an, während es weiter abwärts und zwar besonders im centralen Teile
des Lumens grobkörniger ist und sich ziemlich stark färbt.
Es sei hier nochmals auf die Mündung des Vas deferens in die
Ectadenie hingewiesen. Wie aus Längsschnitten durch diese Teile
hervorgeht (Fig. 64), kann kein Zweifel bestehen, daß tatsächlich die
Spermien beim Austritt aus dem Samenleiter in die Ectadenien ge-
langen, denn unterhalb dieser Mündungsstelle zeigt das Epithel dieselbe
Struktur, wie wir sie für die Ectadenie soeben kennen lernten. Auch
ist es nicht denkbar, daß zwischen der Ectadenie, die ectodermalen
Ursprungs ist, und dem ebenfalls ectodermalen Ductus ejaeulatorius
ein mesodermaler Abschnitt des Vas deferens eingeschaltet ist. Das
Epithel der Drüse (dep) setzt sich, allmählich flacher werdend, an das
Epithel des Samenleiters (ep) an, und ebenso geht die Bindegewebs-
schicht der Drüse (bg) in diejenige des Samenleiters über. Die Ring-
muskulatur des Vas deferens {rm) schließt sich an die Längsmuskulatur
(Im) der Drüse an. Auffallend ist, daß der Sphincter des Samenleiters
sich besonders auf der in Fig. 64 oberen Wandung sehr dicht an die
Drüse anlegt und an ihr etwas hinauf zieht, so daß bei seiner Kontrak-
tion das Drüsenepithel, weniger das Epithel des Samenleiters zum Ver-
schluß zusammengepreßt wird. Es handelt sich hier nicht um eine
zufällige Verzerrung, denn verschiedene Präparate zeigten diese Lage
des Sphincters.
Der Grund, warum der Samenleiter in die Anhangsdrüse mündet,
ist jedenfalls darin zu suchen, daß dieser Teil der Ectadenie für die
Bildung der Spermatophoren in Betracht kommt, von denen zwei, also
aus jeder Ectadenie eins, bei der Copulation übertragen werden, wie die
Untersuch un gen von Blunck ergeben haben.
288
Carl Demandt,
4. Der Leitungsapparat.
Der Leitungsapparat wird gebildet von dem Ductus ejaculatorius.
Er ist, äußerlich genommen, als unpaarer Schlauch aufzufassen, welcher
die Produkte der beiden Hoden und Ectadenien nach außen leitet.
Eine genauere Untersuchung läßt aber erkennen, daß der Ductus in
seinem vorderen Teile ein paariges Organ ist, welches nach allerdings
nur kurzem Verlaufe in den unpaaren Schlauch übergeht. Diese Paarig-
keit ist dadurch bedingt, daß die Ectadenien sich nur äußerlich mit-
ep
rrrif
Fig. 69.
Querschnitt durch den paarigen Teil des Ductus ejaculatorius. Epithel (ep) mit starken Wülsten.
Ihm aufgelagert eine starke Bindegewebslage (bg). Außen Kingmuskulatur (rm) mit vereinzelten
Längsmuskelfasern (Im). Verar. 140 i.
einander vereinigen (Fig. 37), ihre Lumina jedoch getrennt in den
Ductus übergehen. Fig. 68 zeigt den Übergang einer Ectadenie in den
Ductus im Sagittalschnitte. Das Drüsenepithel (dep), ausgezeichnet
durch seine Höhe, hört plötzlich auf, und seine Ecken ragen weit in das
Lumen hinein. Das neu auftretende Epithel des Ductus (ep), welches
eine deutliche chitinöse Intima (i) besitzt, ist bedeutend niedriger und
schiebt sich keilförmig unter das Drüsenepithel. Die Bindegewebslage
der Ectadenie (bg) setzt sich auf den Ductus fort, jedoch fehlen ihr,
hier die Ringmuskelfasern. Diese sind auch überflüssig geworden,
denn die Längsmuskulatur der Ectadenie (Im) wird am Ductus ersetzt
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
289
durch eine mehrschichtige Ringmuskulatur (rm). Ectadenie und Ductus
ejaculatorius sind also in allen drei Schichten ihrer Wandung scharf
aeoeneinander abgesetzt.
Die Fig. 69 zeigt uns einen Querschnitt durch den paarigen Teil
des Ductus. Ein Vergleich dieses Schnittes mit den Fig. 71 und 73
zeigt ohne weiteres die große Übereinstimmung der Struktur dieser
Schläuche und läßt keinen Zweifel aufkommen, daß man den paarigen
Abschnitt dem Ductus zurechnen muß.
Das den Ductus auskleidende Epithel (Fig. 69 — 73 e/p) besteht aus
Fig. 70.
Zeigt die Epithelwülste (vgl. Fig. 09) stärker vergrößert. Keulenform der Epithelzellen, die auf
einer feinen Basalmembran (hm) aufsitzen. Vergr. 250/1.
Zellen, deren Form infolge der starken Faltung des Epithels sehr ver-
schieden ist. Während an einigen Stellen, wo das Epithel niedrig ist,
die Zellen kurz und breit erscheinen, sind sie an andern Stellen typische
Cylinderzellen. In den starken Falten jedoch (Fig. 70) sind sie derart
zusammengepreßt, daß sie lange, keulenförmige Form angenommen
haben. An der Basis sind sie dann gewöhnlich so schmal, daß sie
büschelförmig von einem Punkte auszustrahlen pflegen (Fig. 70 rechts).
Am Grunde der Epithelwülste haben sich oft zwischen den Zellen
Zwischenräume gebildet. Die Zellen sitzen also gestielt der Basal-
membran (bm) auf. Diese ist meist gegen das Epithel nicht scharf
begrenzt, an ihrer hyalinen Struktur jedoch unschwer zu erkennen.
290 Carl Demandt,
Die Kerne liegen gewöhnlich nahe der Spitze der Zellen und haben
meist ein oder zwei Kernkörperchen. Das Plasma der Zellen ist fein
giannliert; an der Basis und Spitze der Zellen erscheint die Granulation
weniger dicht als im mittleren Teile (Fig. 70). Das Epithel ist über-
zogen von einer starken chitinösen Intima (i). B'ordas konstatiert in
seinen «conclusions» ausdrücklich, «que l'intima chitineuse n'est pas
un produit de secretion cellulaire, comme on pourrait le croire, mais
bien un differenciation de la region cytoplasmique interne de l'assise
chitinogene ». Bei Dytiscus ist jedoch die Begrenzung der Zellen gegen
das Chitin hin eine sehr deutliche und Übergänge nicht zu konstatieren,
so daß die Auffassung von Bordas hier kaum zutreffen dürfte, sondern
das Chitin wohl doch ein Secretionsprodukt der Zellen ist.
Die epithelialen Falten des Ductus ejaculatorius zeigen in ihrer
Form eine auffallende Regelmäßigkeit, wie ein Vergleich der Fig. 69,
71 und 73 zeigt. In dem paarigen Abschnitte (Fig. (39) bildet der eine
Schlauch das genaue Spiegelbild des andern. Ebenso zeigen die Fig. 71
und 73, daß die beiden Hälften fast genau symmetrisch sind. Das
Zusammenfalten des Epithels erfolgt demnach stets auf dieselbe Art
und Weise. Es soll noch hervorgehoben werden, daß die Fig. 73 auf-
fallende Ähnlichkeit mit dem von Bordas gegebenen, allerdings nur
teilweise ausgeführten Querschnitte durch den Ductus ejaculatorius
von Broscus cephalotes besitzt.
Das Epithel überzieht außen eine Bindegewebsschicht (Fig. 69
bis 73 bg) von wechselnder Dicke. An den Epithelwülsten ist sie be-
deutend stärker als an den übrigen Stellen, ein Beweis, daß sie bei
erweitertem Lumen das Epithel nur als sehr dünne Schicht umgibt.
Das Bindegewebe zeigt stellenweise fädige Struktur und besitzt sehr
kleine Kerne, die sich vereinzelt in ihm vorfinden.
Die Muscularis des Ductus ejaculatorius wird gebildet von einer
bedeutenden Schicht Ringmuskulatur (Fig. 69 — 73 rm). der außen
stellenweise einige Längsmuskelfasern (Im) aufliegen. Sie ist von
ziemlich gleicher Stärke im ganzen Verlaufe des Ductus. Der Quer-
schnitt durch den paarigen Abschnitt des Ausführungsganges (Fig. 69)
zeigt, daß die inneren Lagen der Ringmuskulatur (rmx) die Schläuche
einzeln rings umfassen, während die äußeren Fasern (rm2) den paarigen
Ductus gemeinsam umziehen und auf diese Weise die beiden Schläuche
fest miteinander verbinden. Dadurch wird äußerlich der Eindruck eines
unpaaren Organes erzielt. An der Stelle nun, wo die beiden Lumina
verschmelzen, muß diese innere trennende Muscularis schwinden. Die
Vereinigung der beiden Schläuche wird erläutert durch Fig. 71 und 72.
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis.
291
Legt man eine Serie von Querschnitten durch den paarigen Abschnitt
des Ductus, so kommt man abwärts schließlich an eine Stelle, wo die
Muscularis zwischen den Lumina geschwunden ist und an ihrer Stelle
sich eine breite chitinöse Einlagerung (Fig. 71 cb) quer durch den
Ductus erstreckt. Es ist dies der Punkt, wo die bei der Beschreibung
der Morphologie des Geschlechtsapparates erwähnte Reuse in den
Ductus eingelagert ist (vgl. Fig. 37). Die Querschnitte, welche weiter
abwärts folgen, zeigen nunmehr ein einheitliches Lumen, ausgezeichnet
durch ein Paar äußerst starker, epithelialer Wülste (Fig. 73), durch
welche das Lumen bis auf einen geringen Raum ausgefüllt wird.
mg.
-ep
*W
Fig. 71.
Querschnitt] durch den Ductus ejaculatorius in der Höhe der Reuse (cb), sonst wie Fig. 69.
Vergr. 118/1.
Betrachten wir nunmehr die Fig. 72, welche einen Sagittalschnitt
durch den Ductus darstellt. Da die Reuse (cb), auf die es hier ankommt,
in dorso-ventraler Richtung im Ausführungsgange liegt, so ist sie hier
im Längsschnitt getroffen und ihre Form gut zu erkennen. Ebenso
ist die die beiden Lumina trennende Ringmuskulatur {rmx) längs ge-
schnitten, während die äußeren Lagen (rm2), welche die beiden Schläuche
verbinden (vgl. Fig. 69), naturgemäß quer getroffen sind. Im unteren
Teile zeigt Fig. 72 das Lumen des anschließenden unpaaren Abschnittes
des Ausführungsganges. Die Reuse (cb) bildet also, wie aus Fig. 71
und 72 hervorgeht, den letzten Abschnit der die beiden Lumina des
292
Carl Demandt,
paarigen Ductus trennenden Wand. Sie ist ein ziemlich breiter Chitin-
bogen (Fig. 71), dessen Enden spitz zulaufen. In seinem mittleren
Teile ist er mit langen Chitinborsten besetzt, die membranellenähnlich
zu Büscheln vereinigt in das Lumen hineinragen, so eine Art Reuse
bildend. — Da sie etwas seitlich abstehen, liegen sie nicht ganz in der
Schnittebene der Fig. 72, hätten also etwa in der Mitte durchschnitten
\rmj
rm -f,Y
Fig. 72.
Sagittaler Längsschnitt durch den Ductus mit der Reuse (cb). Oben ist die muskulöse Scheide-
wand des paarigen Ductus (vgl. Fig. 69) getroffen. Vergr. 108/1.
sein müssen. Um Abbildungen zu sparen, wurden sie aber nach den
folgenden Schnitten ergänzt und in Fig. 72 in ihrer ganzen Länge ein-
gezeichnet. — Während das Mittelstück des Bogens quer durch den
Ductus hindurchzieht, liegen die beiden Enden, von denen das dorsale
(Fig. 72 links) die größere Länge hat, der Wand des Ductus innen auf.
Wie aus Fig. 72 hervorgeht, ist dieser Apparat als lokale Verdickung
der chitinösen Intima (i) des Ausführungsganges aufzufassen. Er wird
Der Geschlechtsapparal von Dytiscus marginalis.
293
überzogen von dem Epithel (ep) des Ductus und weiter auch von der
Bindegewebslage (bg), und hieran schließt sich nun aufwärts die Ring-
muskulatur (rmj).
Die chitinöse Einlagerung, wie wir sie soeben kennen lernten,
kommt nach den Literaturangaben auch bei andern Familien vor. So
findet sie sich nach Bordas auch bei Ophonus ruficornis, doch wird
sie nicht näher beschrieben. Welche Bedeutung diesem Apparate bei-
zumessen ist, ist schwer zu sagen. Vielleicht ist er als Verschluß des
Ductus anzusprechen, welcher das Secret der Ectadenien am Austritt
Fig. 73.
Querschnitt durch den unpaaren Abschnitt des Ductus. Epithel (ei>) mit zwei besonders starken
Wülsten und Intima li). ihm aufgelagert eine Bindegewebslage (bg) und außen eine starke Ring-
muskulatur. Vergr. 140/1.
verhindern soll. Da das Drüsensecret ziemlich zähflüssig ist. so wird
der reusenartige Verschluß genügen, um es zurückzuhalten. In der
Tat ist mitunter ein Secretpfropf oberhalb der Reuse zu finden, während
der Ausführungsgang weiter abwärts leer ist.
5. Die Drüsen des Präputiums1.
Wir sahen bei der Beschreibung des Copulationsapparates, daß
dem Präputium an verschiedenen Stellen Drüsenpakete aufgelagert
sind. Die Drüsenzellen besitzen stets dieselbe Form, und Fig. 74 zei^t
1 Es sei hier auf das bei der Beschreibung der Drüsen des Scheidenrohres
Gesagte verwiesen (S. 22S).
294
Carl Demandt,
ty*-~
einen Schnitt durch die Membran des Präputiums mit dem aufgelagerten
Drüsenpolster.
Das Epithel (ep) dieser Membran ist sehr niedrig, und Zellgrenzen
sind an ihm nicht zu erkennen. Die Kerne sind ziemlich klein und be-
sitzen einen Nucleolus. Im Gegensatz zu dem niedrigen Epithel steht
die äußerst mächtige Chitinschicht des Präputiums (c//), welche das
Epithel um das acht- bis zehnfache an Höhe übertrifft. Sie ist deutlich
lameliiert und die Zahl der
Lamellen ist ziemlich bedeu-
tend. Auf der Oberfläche trägt
sie feine Stacheln (st), die den
Stacheln der Rose sehr ähnlich
gestaltet sind. Dieser Stachel-
besatz macht die Oberfläche des
Präputiums rauh und ermög-
licht dadurch, daß beim Copu-
lationsakt die Parameren, zwi-
schen denen sich diese Membran
ausspannt, am Abdomen des
Weibchens haften können.
Das dem Epithel aufge-
lagerte Drüsenpolster wird ge-
bildet von zahlreichen Drüsen-
zellen, die in zwei bis drei
Schichten übereinander liegen.
Überall zwischen den Drüsen-
zellen und ihren Ausführungs-
gängen treten Bindegewebszel-
Fg- 74- len (bgz) auf. durch deren
Schnitt durch ein Drüsenpolster des Präputiums. Aus- Fibrillen die Dlüsenzellen ZU
tuhnmgsgaiige (ag) mit radiär gestreifter Blase (hl)
in den Drüsenzellen endigend. Das Epithel des Prä- einem festen Polster ZUSammen-
putiums (ep) mit sehr starker chitinöser Cuticula (ch), geschlossen Werden
welche mit Stacheln {st) besetzt ist. Vergr. 300 1. °
Die Drüsenzellen haben
meist runde oder ovale Gestalt. Ihr Kern ist sehr groß und besitzt
einen umfangreichen Nucleolus. Im übrigen sind die Kerne sehr
chromatinreich ; das Zellplasma ist grobkörnig, es färbt sich ge-
wöhnlich in der Umgebung des Kernes und der Endigung des Aus-
führungsganges dunkler als in den übrigen Teilen der Zelle. Einige
der abgebildeten Zellen zeigen Zeichen von Erschöpfung, ihr Plasma
ist stark vacuolisiert. Der Drüsenausführungsgang bildet an seinem
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. l>(.>~>
Ende in der Drüsenzelle eine walzenförmige, radiär gestreifte Blase
(bl), in deren Innern das Lumen des Ganges meist deutlich zu
erkennen ist. Diese Blase besitzt im Vergleiche zur Zelle eine sehr
bedeutende Größe. Der ausführende Gau- zeigt ein auffallend weites
Lumen, was auf eine große Leistungsfähigkeit der Zellen schließen läßt.
Er mündet direkt nach außen, ohne sich vorher mit den ausführenden
Gängen benachbarter Zellen zu vereinigen. Doch treten die Aus-
führungsgänge zu Bündeln zusammen, in denen sie parallel verlaufend
am Grunde einer grubenförmigen Einsenkung des Chitinbelages des
Präputiums nach außen münden.
Marburg i. H., im Dezember 1911.
Zum Schlüsse sei mir gestattet, Herrn Professor Korschelt, auf
dessen Anregung ich diese Arbeit vornahm, für das stete, gütige Interesse
meinen ergebensten Dank auszusprechen. Auch bin ich Herrn Prof.
Melsenheimer, Herrn Dr. Tönniges, Herrn Dr. Kautzsch und Herrn
Dr. Harms für ihre freundliche Unterstützung zu Dank verpflichtet.
Verzeichnis der benutzten Literatur.
1. L. Auerbach, Über merkwürdige Vorgänge am Sperma von Dytiscus margi-
nalis. Sitzungsb. K. preuß. Akad. Wiss. Berlin. 1893.
2. E. Ballowitz, Die Doppelspermatozoen der Dytisciden. Zeitschr. f. wiss.
Zool. Bd. LX. 1895.
3. A. Bauer, Die Muskulatur von Dytiscus marginalis. Zeitschr. f. wiss.
Zool. Bd. XCV. 1910.
4. A. Berlese, Gli Insetti. Volume primo. Milino 1909.
5. H. Blunck, Das Geschlechtsleben von Dytiscus marginalis. 1. Teil: Die
Begattung. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CIL 1912.
6. L. Bordas, Recherches sur les organes reproducteurs mäles des Coleopteres
(anatomie comjiaree, histologie, matiere fecondante). Ann. d. Sc. Nat.
Tome XI. 1900.
7. K. Brandt, Das Ei und seine Bildungsstätte. Leipzig 1878.
8. P. Buchner, Das accessorische Chromosom in der Spermatogenese und
Oogenese der Orthopteren. Arch. f. Zellforsch. Bd. III. Leipzig. 1909.
9. P. Debaisieux, Les debuts de l'ovogenese dans le Dytiscus marginalis.
Cellule. Tome XXV. 1909.
10. K. Escherich, Anatomische Studien über das männliche Genitalsystem
der Coleopteren. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. EVTL 1894.
11. H. Euscher, Das Chitinskelet von Dytiscus marginalis. Inaugural- Disser-
tation. Marburg 1910.
296 Carl Demandt,
1:!. A. Giardlsta, Origine dell'oocite e delle cellule nutrici nell Dytiscus. Primo
contributo allo studio delPoogenesi. Internat. Monatsschr., Anat.
Phys. Bd. XVIII. 1901.
12a. — Sui pretesi movimenti ameboidi della vesicola germinativa. Riv. Sc.
Biol. Como 1900.
13. J. Gross, Untersuchungen über die Histologie des Insektenovariums. Zool.
Jahrb., Abt. Morphologie. Bd. XVIII. 1903.
14. Th. Günthert, Die Eibildung der Dytisciden. Zool. Jahrb., Abt. Morpho-
logie. Bd. XXX. 1910.
15. W. D. Henderson, Zur Kenntnis der Spermatogenese von Dytiscus margi-
nalis, nebst Bemerkungen über den Xucleolus. Zeitschr. f. wiss. Zool.
Bd. LXXXVII. 1907.
16. R. Heymons, Die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane von
Phyllodromia (Blatta) germanica L. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LIII.
1891.
16a. ■ — Die Segmentierung des Insektenkörpers. Abh. Akad. Wiss. Berlin 1895.
17. A. Köhler, Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren. Zeitschr.
f. wiss. Zool. Bd. LXXXVII. 1907.
18. J. H. Kolbe, Einführung in die Kenntnis der Insekten. Berlin 1893.
19. E. Korschelt, Über die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen
Zellelemente des Insektenovariums. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIII.
1886.
19a. — Über einige interessante Vorgänge bei der Bildung der Insekteneier.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLV. 1887.
19b. — Zur Bildung der Eihüllen, der Micropylen und Chorionanhänge bei den
Insekten. Halle 1887.
19c. — Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkernes. Zool. Jahrb.,
Abt. Anat. u. Ontog. Bd. IV. 1889.
20. Korschelt und Heider, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs-
geschichte der wirbellosen Tiere. Jena 1910.
21. Leydig, G. Der Eierstock und die Samentasche der Insekten. Nova Acta
Acad. Leop. Carbi. Vol. XXXIII. 1867.
22. Peytoureau, Contribution ä l'etude de la Morphologie de l'Armure geni-
tale des Insects. These, Bordeaux 1895.
23. M. Regimbart, Recherches sur les organes copulateurs et sur les fonctions
genitales dans le genre Dytiscus. Ann. soc. entom. de France. 3a serie.
1877.
24. P. Schäfer, Spermatogenese von Dytiscus marginalis. Beitrag zur Frage
der Chromatinreduktion. Zool. Jahrb., Abt. Morphologie. Bd. XXIII.
1907.
25. F. Stein, Vergleichende Anatomie und Physiologie der Insekten in Mono-
graphien bearbeitet. 1. Monographie: die weiblichen Geschlechts-
organe der Käfer. Berlin 1847.
26. C. Töxxiges, Beiträge zur Sjjermatogenese und Oogenese der Myriopoden.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXI. 1902.
27. C. Verhoeff. Zur Kenntnis der vergleichenden Morphologie des Abdomens
der weiblichen Coleopteren. Deutsche Entomol. Zeitschr. 1894.
Der Geschlechtsapparal von Dytiscus marginalis.
297
28. D. N. Vonsrow, La Spermatogenese chez le Cybister Roeselii. Coniptes
Rendues Acad. Sc. Paris 1902.
28a. — La Spermatogenese d'ete chez le Cybister Roeselii. Arch. Zool. Exper.
Tome I. 1903.
29. B. Wandolleck, Zur vergleichenden Morphologie des Abdomens der weib-
lichen Käfer. Zool. Jahrb. Bd. XXII. 1905.
30. K. Zick, Beiträge zur Kenntnisder postembryonalen Entwicklungsgeschichte
der Genitalorgane bei Lepidopteren. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVTII.
1911.
Erklärung der Abkürzungen,
1. Der weibliche
af, Achsenfaden;
ag, Ausführungsgang;
ap, Analplatten;
app, ausführender Apparat;
bg, Befruchtungsgang ;
bt, Begattungstasche ;
bz, Blutzellen;
c, Kontur;
cb, Chitinbogen;
cl, Corpus luteum;
eh, Chitinbelag;
clo, Cloake;
er, Chitinröhrchen ;
degros, degenerierte Rosetten;
drp, Drüsenpolster;
ef, Eilach;
eg, Eiergang;
ek, Eierkelch;
el, Eileiter;
endf, Endfaden;
endlc, Endkammer;
ep, Epithel;
epz, Epithelzellen;
est, Eiröhrenstiel ;
ja, Falten;
fol, Eifollikel;
ft, Fetttröpfchen;
gf, Gelenkfortsatz;
gfa> geschrumpfte Faser;
gk, Genitalklappen;
gs, Gleitschuppe;
übt, Hals der Begattungstasche;
hv, hinterer Vorsprung;
i, Intim a ;
Geschlechtsapparat.
. , Insertion der Muskeln pl u. rl;
vi |
k, Kern;
kbl, Keimbläschen ;
kz, Keimzellen;
l, Lamelle;
legapp, Legeapparat;
Im, Längsmuskulatur;
Is, Legesäbel;
m, Membran des Scheidenrohres;
n, Naht;
ii f. Nährfach;
ii\. Nährzelle;
nst, Nährstrang;
«... Nährzelle;
ooe, Oocyte;
oog, Oogonie;
oogk, Oogonienkern ;
ph, Peritonealhülle;
///, Pleuren;
recs, Receptaculum seminis;
rect, Rectum;
im, Ringmuskulatur;
ros, Rosette;
rvb, kurzer Scheidenretractor;
rvl, langer Scheidenretractor;
s, Säule;
7.5, 8.5 usw. siebentes, achtes Sternit:
sb, Sammelblase;
sp, Spalt;
spz, spindelförmige Zellen;
ssp, Seitenspangen;
st, Styli;
l.t, St. usw., siebentes, achtes Tergit;
298
Carl Demandt,
tp, Tunica propria;
tr, Trachee;
ur, umgeschlagener Rand;
V, Vulva;
va, Vagina;
vb, Verbindungsstrang;
n . vordere Ecke;
vs, Vorsprung der Seitenspangen;
vv, vorderer Vorsprung;
u\ Wulst;
z, Zelle;
zk, Zellkern;
zp, Zellpolster;
zpf, Zellpfropf.
Die Muskeln des Legeapparates.
eo, Musculus extensor ovipositoris ;
fo, Musculus flexor ovipositoris;
Ib, Musculus levator brevis laminarum genitalium;
11, Musculus levator longus laminarum genitalium;
pl, Musculus protractor laminarum genitalium;
ptv, Musculus protractor tubi vaginalis;
rbt, Musculus retractor brevis tubi vaginalis;
rfl, Musculus retractor fibularum lateralium;
rl, Musculus retractor laminarum genitalium;
rla, Musculus retractor laminarum analium.;
rlt, Musculus retractor longus tubi vaginalis;
sa, Musculus suspensor anterior laminarum genitalium;
sm, Musculus suspensor magnus laminarum genitalium;
smv, Musculus suspensor membranae tubi vaginalis;
sp, Musculus suspensor posterior laminarum genitalium;
Im, Musculus tensor membranae cloacae.
2. Der männliche
a, Achse des Hodens;
ag, Ausführungsgang;
ap, Analplatte;
app, Apparat;
b, Beutel;
bg, Bindegewebe;
bgz, Bindegewebszelle;
bl, Sammelblase;
bm, Basalmembran;
c, Cyste;
cb, Chitinbogen;
ch, Chitinbelag;
ck, Cystenzellkern ;
es, Chitinstachel;
csp, Chitinspange;
cz, < 'vstenzelle;
de, degenerierte Cyste;
dep, Drüsenepitlirl;
drp, Drüsenpolster ;
ds, degenerierte Substanz;
Geschlechtsapparat.
ec', Ectadenie;
em, Elastica;
ep. Epithel;
/'. Fetttröpfchen;
gh, Gelenkhöcker;
gk, Genitalklappen;
gr, Gräte;
gv, großer Vorsprung;
/(, Hode;
he, Hodenepithel;
hv, hinterer Vorsprung;
i, Intima;
k. Kern;
ko, Kopf;
ko papp, Copulationsapparat;
ho, kleiner Vorsprung;
//, Längsfurche;
Im, Längsmuskulatur;
m, Membran;
mi, Mitosen;
Der Geschlechtsapparat von Dytiscus inarginalis. 299
ms, Muskelstrang; st, Stachel;
nh, Nebenhode; sw, Seiten wand;
nk, Nebenkern; 8.t, 9.t. achtes, neuntes Tergit;
ob, oberer Bogen; fr, Trachee;
pa, Paramer; üb, unterer Bogen;
pe, Penis; urma, Ursprung des Muskels rvvi;
ph, Peritonealhülle; va, Vacuole;
rjt, Reifungsteilung; vc, verbreiterte Cystenzelle;
rm, Ringmuskulatur; vd, Vas deferens;
s, Secret ; ve, Vas ef f erens ;
7.s, 8.-s, siebentes, achtes Sternit; vp, Ventralplatte;
sp, Sperrnatozoen; vv, vorderer Vorsprung;
spl.o, Spermatocyten erster Ordnung; wh, Widerhaken.
sp2.o, Spermatocyten zweiter Ordnung;
Die Muskeln des Copulationsapparates.
dpa, Musculus distensor paramerorum;
Ib, Musculus levator brevis laminarum genitalium;
11, Musculus levator longus laminarum genitalium;
Im, Musculus levator niagnus praeputii;
Ip, Musculus levator parvus praeputii;
mpa, Musculus motorius paramerorum;
pas, Musculus protractor arcus superioris;
pbp. Musculus protractor brevis praeputii;
pl, Musculus ^irotractor laminarium genitalium;
p'p, Musculus protractor longus praeputii;
pp, Musculus protractor penis;
ppa, Musculus protractor paramerorum;
'pp1, Musculus protractor longus penis;
prp, Musculus protensor penis;
rb, Musculus retractor brevis praeputii;
ri, Musculus retractor inferior praeputii;
rl, Musculus retractor laminarum genitalium;
rma, Musculus retractor magnus arcus superioris;
rla, Musculus retractor laminarum analium;
rpa, Musculus retractor parvus arcus superioris;
rpe, Musculus retractor penis;
rpi, Musculus rotator penis inferior;
rps, Musculus rotator penis superior;
rs, Musculus retractor superior praeputii;
sa, Musculus suspensor anterior laminarum genitalium;
slp, Musculus suspensor lateralis praeputii;
sm, Musculus suspensor magnus laminarum genitalium;
sp, Musculus suspensor posterior laminarum genitalium ;
spd, Musculus suspensor dorsalis praeputii;
tm, Musculus tensor membranae cloacae.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI Bd. 20
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von
Microdon Meigen.
Von
Maria Andries
(Bonn).
(Aus dem zoolog. und vergleichend-anatomischen Institut der Universität Bonn).
Mit 23 Figuren im Text und Tafel III— V.
Inhalt.
Seite
Historisches 301
Systematik . 304
Larven 305
Puppen 306
Imagines 307
Biologie 309
Äußere Morphologie 319
Ei 319
Eben ausgeschlüpfte Larve 321
Larve nach der ersten Häutung 324
Larve nach der zweiten Häutung 327
Ausgewachsene Larve 330
Puppenstadium 330
Inne re Morphologie 331
Segmentzahl 332
Schlundgerüst 334
Darmsystem 337
Tracheensystem 340
Nervensystem ' 341
Rückengefäß 345
Körpermuskulatur 347
Fettkörper 350
Haut 350
Imaginalscheiben 351
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 30]
Historisches.
Die Larve von Microdon hat seit ihrer Entdeckung lebhaftes
Interesse erregt, weil sie in der äußeren Gestalt und in der Art der Fort-
bewegung von allen anderen Dipterenlarven bedeutend abweicht. Es
ist daher leicht erklärlich, daß ihre systematische Stellung lange Zeit
nicht erkannt wurde.
In seiner »Beschreibung der europäischen Dipteren« (1822) führt
Meigen mehrere Arten der Gattung Microdon an, mit der Bemerkung :
»Von ihren ersten Ständen ist nichts bekannt«. Aber schon im folgen-
den Jahre wurde die Larve von Spix und von Heyden entdeckt und
äußerlich beschrieben.
von Heyden (1823) hatte ein einzelnes Exemplar bei Königstein
im Taunus auf einem Eichenstumpf gefunden und vergleicht das »sonder-
bar gestaltete Tierchen« einer großen Schildlaus. Er nennt es deshalb
Parmula cocciformis; über seine nähere Stellung im System wagt er
sich nicht zu erklären und schreibt darüber: »Daß es die Larve eines
Insekts (etwa einer Fliegenart) ist, glaube ich nicht, indem der ganze
Bau und besonders der der Mundteile von den aller mir bekanni<n
Insektenlarven zu verschieden ist. Weit eher würde es ein Molluske
sein, aber dann eine neue, sehr ausgezeichnete Gattung bilden müssen.«
Auf die Arbeit von Spix (1824) möchte ich etwas näher eingehen,
weil sie in mehrfacher Hinsicht interessant ist. Spix fand die Larve
von Microdon bei Ammerland am Starenberger See,, in alten, in der
Erde noch wurzelnden Eichen -und Fichtenstümpfen, und zwar imme]
in Gemeinschaft mit Formica lierculeana und Formica rufa. Nach
seinen eigenen Worten erschien sie ihm beim ersten Anblick wie ein
Gespinst von Spinnen, oder eine fußlose Insektenlarve, endlich gar
wie ein schildkrötenartiges Tierchen. »In dem Grade, als mir der
näheren Untersuchung die Täuschung verschwindet«, fährt er dann
fort, »steigt die Verwunderung über ihre sonderbare Form, und die
Überzeugung gewinnt bei der Wahrnehmung, wie sie auf dem fußlosen
nackten Bauche beinahe unmerklich einherkriechen und nahe Gegen-
stände durch plötzliches Einziehen und Ausdehnen der fleischigen
Tentakeln mühsam erforschen, immer mehr die Oberhand, daß dieses
sonderbare Tierchen nicht zu den mit Füßen und geringelten Fühl-
hörnern versehenen Insekten, sondern zu der Klasse der Schnecken
gehöre.« Er gibt dann seiner Freude Ausdruck, eine neue Gattung,
einen so schönen Zuwachs zur Schneckenfauna im eigenen Vaterlande
aufgefunden zu haben. Die nähere Untersuchung hätte ihn auf die
20*
302 Maria Andries,
richtige Fährte führen müssen; aber durch die vorgefaßte Meinung
beeinflußt,, sucht er alles damit in Übereinstimmung zu bringen. So
vermutet er in dem kleinen Höcker auf der Rückenseite der Larve
die Testa der Schnecken und sieht die reichlichen Fettmassen für
Geschlechtsorgane an, obwohl ihm die Ähnlichkeit mit dem Fett-
körper der Insekten auffällt. Die auf der Bauchseite beobachteten
kleinen Wärzchen hält er für Drüsen oder Ausführwege des Eierstockes.
Daß an der Spitze jedes der vorderen Tentakeln statt der Augen zwei
feine, haarartige Borsten stehen, ist nach seiner eigenen Angabe bei
keiner Schnecke der Fall. Vergebens sucht er nach einem pulsierenden
Herzen und der großen Leber der Schnecken. Selbst nach Feststellung
von Tracheen in diesem vermeintlichen Schneckenkörper, die heute
sofort über die Stellung des Tierchens im System aufklären würde,
bleibt er bei seinem Irrtum. Er beobachtete nämlich zwei, von dem
Rückenhöcker ausgehende weiße Schläuche, die sich gabeln und nach
allen Richtungen hin verzweigen und schreibt darüber: »Ich bin ge-
neigt zu glauben, daß diese weißen Schläuche nicht weißes Blut führende
Gefäße, sondern Tracheen sind, welche durch die Poren des Rücken-
höckerchens die Luft aufnehmen und zu den gerinnbaren Säften sämt-
licher Organe führen. Da alle Schnecken nur durch Branchien, ähnlich
den Fischen, und nur die Insekten durch vielseitig geöffnete Luft-
kanäle, (Tracheen) atmen, so muß es freilich höchst sonderbar und
merkwürdig scheinen, daß diese neue Schnecke auch in Hinsicht der
Respirationsorgane von den übrigen Schnecken verschieden, wohl aber
den Insekten ähnlich sei. « Trotz all dieser Hinweisungen auf eine
Insektenlarve hält er seinen Fund für eine Schneckenart. Er sieht
sie eben als eine ganz neue, außergewöhnliche Form an und begründet
seine Ansicht damit, daß derartige, vom Typus abweichende Formen
in jeder Tierklasse vorkommen. »So klein auch dieses Tierchen ist«,
bemerkt er zum Schluß, »und so geringfügig es manchem vorkommen
wird, so groß und wichtig ist es doch für den Zoologen und für die Er-
forschung des aus einzelnen Gliedern bestehenden Naturgebäudes. Wer-
den das lippenlose Schnabeltier, die Beuteltiere und Balänen unter den
Säugetieren, die mit Kiemen und zugleich mit Füßen versehenen Pro-
teus unter den Amphibien, die Knorpelfische und der Gastrobranchus
glutinosus unter den Fischen usw. als rätselhafte Formen angesehen,
so ist es nicht minder in der Klasse der, wenn auch beschälten, doch
sämtlich nackten Schnecken die hier geschilderte, nach oben nicht
nackte, sondern mit einem rauhen Panzer ausgerüstete Molluske,
welche wir nach ihrem ausgezeichneten Kennzeichen und nach dem
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 303
Fundorte in Bayern » Scutelligera Ammerinndia« hiermit benennen
und als eigne Gattung aufstellen. « — Ob ihn nicht doch der Gedanke,
eine Insektenlarve vor sich zu haben, beschäftigt hat? denn einmal
entschlüpft ihm die Bemerkung: »Diese Insektenform steht von
allen bisherigen abweichend und auch den besten Conchyologen un-
bekannt da.« —
Unter diesen Namen Parmula cocciformis und Scutelligera Ammer-
landia geht nun unser Tierchen in die Systematik über, bis Schlott-
hauber (1839) es als die Larve der Fliegengattung Microdon erkennt
und auf der Naturforscherversammlung in Pyrmont über ihre Ver-
wandlungsgeschichte und Anatomie ausführlichen Bericht erstattet.
Er legt dabei die Originalabbildungen vor zu einem unter folgendem
Titel herauszugebenden Werke: Über die Identität der Fliegenmaden
von Microdon mutabilis Meig. mit den vermeintlichen Landschnecken
Scutelligera (Spix) und Parmula (v. Hey den) sowie morphologische,
anatomische und physiologische Beschreibung und Abbildung ihrer
Verwandlungsphasen und ausführliche Naturgeschichte derselben.
Zur Kenntnis der Organisation, der Entwicklungs- und Lebensweise
aller zweiflügeligen Insekten überhaupt.« Wäre dieses ausführliche
und vielversprechende Werk wirklich erschienen, so würde wohl über
den Gegenstand nicht viel mehr hinzuzufügen sein, aber es blieb bei
der mündlichen Mitteilung. 1845 findet Elditt die Puppe von Mi-
crodon, erzieht daraus die Fliege und gibt eine ziemlich ausführliche
Beschreibung des Puppenstadiums. Später, 1862 berichtet er, mm,
auch die Larve gefunden zu haben, aber ohne irgend etwas Neues dar-
über hinzuzufügen, Er verspricht weitere eingehende Mitteilungen,
die jedoch nicht erfolgt sind.
Wissmann erwähnt 1848 eine zweite Larvenart von Microdon
(s. S. 308), aus der ihm nach vielfach fehlgeschlagenen Versuchen gelang,
die Imago zu erziehen. 1877 zeigt Bertkau in einer Sitzung des
naturhistorischen Vereins in Bonn ein lebendes Exemplar der Micro-
don-La,vve vor und gibt dort im folgenden Jahre einen kurzen Bericht
über Puppe und Imago. 1889 folgen weitere Mitteilungen, worin er
zum ersten Male die Sinnesorgane auf der Bauchseite der Larve erwähnt
und ziemlich genau beschreibt; es sind die von Spix beobachteten
Wärzchen. Kurze Mitteilungen von Poujade und Laboulbene (1882)
in verschiedenen Sitzungen der Societe entomologique de France er-
gaben nichts Neues. Poujade gibt dann 1883 eine ausführlichere
Beschreibung der äußeren Körperform von Puppe und Imago. Was-
mann hat Larve und Puppe oft gefunden und die Fliege daraus erzogen.
304 Maria Andries.
I □ mehreren kurzen Mitteilungen (1891, 1894, 1898 und 1909), be-
sonders in seinen Arbeiten über »Ameisen und Ameisengäste «, finden
sich interessante biologische Beobachtungen, auf die ich noch zurück-
kommen werde. Die letzten Arbeiten über die Larve von Microdon
sind von Hecht (1899) und von Cerfontaine (1907). Es sind dies
außer Spix die einzigen Autoren, von denen die Larve auch in ana-
r oi nischer Hinsicht untersucht worden ist. Hecht geht von der
Schneckenähnlichkeit unseres Tierchens aus und wiil durch seine Unter-
suchung feststellen, ob diese Ähnlichkeit nur auf die äußere Form
beschränkt ist oder ob auch die innere Organisation davon beeinflußt
wird. Er kommt zu dem Resultat, daß Microdon-Lairven und Schnecken
in letzter Hinsicht nichts miteinander gemein haben. Auf Cerfon-
taine werde ich im Verlaufe dieser Arbeit wiederholt Gelegenheit
haben, zurückzukommen.
Systematik.
Die Fliegengattung Microdon gehört zur Familie der Syrphiden
oder Schwebfliegen. Sie hat ihren Namen von zwei kleinen Chitin-
zähnen am Rückenschildchen. Schiner berichtet in »Diptera Au-
striaca« (1857), daß Repräsentanten der Gattung aus allen Weltteilen
bekannt sind. Er zählt drei europäische Arten auf, Microdon muta-
bilis L., devius L. und latifrons Loew. Die letztere war 1856 durch
Loew bekannt geworden. 18» ;_ fce sich als vierte Art Microdon
brevicomis Egg. hinzu, die von Mik 1897 umgetauft wurde in Microdon
Eggen' Mik. Mik gibt 1899 zum ersten Male eine systematische Über-
sicht der vier Arten. Er erklärt sich mit Schiners Nomenklatur ein-
verstanden und fügt den bisher bekannten Merkmalen neue, bestimmtere
hinzu.
Unter dem von mir gesammelten Material befanden sich viererlei
Larven mit charakteristischen, unterscheidenden Merkmalen. Die aus-
schlüpfenden Imagines ließen sich nicht alle der MiKschen Beschreibung
unterordnen, wodurch die Bestimmung derselben ziemlich erschwert
wurde. Durch Vermittlung von P. E. Wasmann konnte ich mit Sicher-
heit feststellen, daß nur zwei Arten mit den von Mik angeführten
identisch sind. Er war so liebenswürdig, meine Exemplare mit den
Typen im K. K. naturhist. Hofmuseum in Wien zu vergleichen und
mir von Schiner, Egger und Mik bestimmte Vergleichsexemplare
der vier Arten von dort mitzubringen. Die mit diesen übereinstimmen-
den Arten meines eigenen Materials sind Microdon mutabüis L. und
Eggeri Mik. Von den beiden anderen weist die erste als Larve, Puppe
Zur Systematik. Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 305
und Imago unterscheidende Merkmale auf und scheint eine bis jetzt
nicht bekannte oder unterschiedene Art zu sein, die zweite eine Varietät
von Microdon Eggeri Mik, von der sie hauptsächlich im Larven- und
Puppenstadium abweicht, als fertiges Insekt dagegen nur durch die
Größe.
Die einzelnen Arten sind einander sehr ähnlich und daher in der
Literatur viel verwechselt worden.
Loew (1856) und Verall (1901) führen die zahlreichen Synonyme
ziemlich vollständig an. Auch in bezug auf die Larven haben sich
viele Irrtümer in die Literatur eingeschlichen.
Von dem mir zur Verfügung stehenden Material der vier ver-
schiedenen Larven und Puppen gebe ich im folgenden eine kurze Cha-
rakteristik und von den betreffenden Imagines die wichtigsten unter-
scheidenden Merkmale. Im übrigen verweise ich für die Bestimmung
der letzteren auf Schiner (1862), Egger (1862) und Mik (1899).
Larven.
I. Microdon mutabilis L. und rhenanus n. sp. weiß, Chitin struk-
tur des Rückens auf einen äußeren zweireihigen Kranz
beschränkt, nur aus Höckern, wie bei Stad. II von Eggeri Mik
(s. S. 325) bestehend, ohne Haare und pilzförmige Gebilde. Tra-
cheenhöcker oben glatt, stark glänzend, höher als bei der anderen
Art. Borstensaum silbergrau.
1) mutabilis L. (Taf. III. Fig. 10a) grauweiß, 11 mm lang und
91/2mm breit, Rückenseite hochgewölbt, plumpe Form, am
meisten von allen einer Schnecke ähnlich; Chitin des Rückens
matt, undurchsichtig, grobe Runzeln in der Längs- und Quer-
richtung, große, unregelmäßige Vielecke andeutend. Obere
Platten des Tracheenhöckers (Taf. III, Fig. 14) gelblich braun
mit dunkelrotbrauner Umrahmung.
2) rhenanus n. sp. (Taf. III, Fig. IIa) gelblich-weiß, stets kleiner
als die vorige Art, 81/2mm lang, 6 mm breit, Rückenseite
ziemlich flach, durchsichtig, in dem ovalen Innenraum des
Kranzes die Chitinstruktur nach Art von Eggeri Mik (s. S. 325)
durch feine, hellbraune, punktierte Linie angedeutet, außer-
dem aus kleinen, polygonalen Plättchen zusammengesetzt;
Tracheenhöcker heller als bei mutabilis; seine oberen Platten
hellfuchsfarben.
306 Maria Andries,
II. Eggeri Mik u. Eggeri var. major nov. var. braun, auf der
ganzen Rückenfläche die S. 328 beschriebene Chitin-
struktur.
1) Eggeri Mik (Taf. III, Fig. 8«) 8— 10 mm lang, 572— 772mm
breit, Färbung wie die eines Haselnußkerns; Unterseite und
Grundfläche des Rückens fleischfarbig; Innenraum der Poly-
gonale fast verdeckt durch das Gewirre der Chitinstrukturen;
Sinnesorgane darin verschwindend. Wölbung des Rückens
wie die einer Kaffeebohne; hauptsächlich von der Variation
unterscheidendes Merkmal ist der Tracheenhöcker (s. S. 329
und Taf. III, Fig. 12).
la. Eggeri var. major (Taf. III, Fig. 9a) 10 — 13 mm lang, 8 — 11 mm
breit, macht im ganzen einen platteren, breiteren Eindruck,
Unterseite und Grundfläche des Rückens grauweiß; Chitin-
struktur dunkelgraubraun, zu Leisten miteinander verfloch-
ten, Sinnesorgane dazwischen hervorstehend; Flächen der
Polygonale sehr deutlich; Tracheenhöcker verhältnismäßig
niedriger, breiter, nach vorn und hinten flacher abfallend
als bei Eggeri Mik; sein Umfang aus gröberen Erhöhungen
zusammengesetzt, deren Innenstriche (s. S. 329) und Um-
rahmung weniger deutlich; seine beiden oberen Platten
größer, die Haupt Öffnungen einschließend, fast schwarz, in
der Mitte dunkelrot; nach vorn bis etwa zur Hälfte der
Höhe etwas eingesunken; diese Partie mit schwärzlichen
Höckern (Tai. III, Fig. 13).
Puppen
immer auf der Rückenseite höher uewölbt als die Larven.
I. Microdon mutabilis L. und rhenanus n. sp., kurze, rundliche
Stigmenhörnchen.
1. mutabilis L. (Taf. III, Fig. 10 b, e) kupferrotbraun, 10 mm lang,
8 mm breit, stark gewölbt, Runzeln des Rückenchitins wie bei
der Larve; Stigmenhörnchen dunkelrot (Taf. III, Fig. 17).
2) rhenanus n. sp. (Tai. III, Fig. 11 b, c) hellbraun, 71/2 mm lang,
51/, mm breit; Rückenchitin glatt, dünn, so daß die absprin-
genden Deckelstücke sich seitlich einrollen; hellbraune punk-
tierte Linie nicht mehr deutlich ; Stigmenhörnchen etwas heller
als bei der vorigen Art (Taf. III, Fig. 18).
II. Microdon Eggeri Mik und Eggeri var. major, längere, zapfen-
artige Stigmenhörnchen.
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 307
1 ) Eggeri Mik (Taf . III, Fig. 86) braun, die leere Hülle oft fuchsig,
durchsichtig, 7 — 10mm lang, 51/2 — 71/2mm breit; Stigmen-
hörnchen heller als bei der Var., schwärzlichrot, an der Spitze
rundlich abschließend und lebhafter rot (Taf. III, Fig. 15).
la) Eggeri var. major (Taf. III, Fig. 96) dunkelbraun, 9 — lO1/^ mm
lang, 71/2 — 8V2 mm breit; verhältnismäßig weniger gewölbt;
die leere Hülle derber, undurchsichtig; die grobe, verflochtene
Chitinstruktur bei der trockenen, leeren Hülle hellgrau;
Stigmenhörnchen breiter, schwarz, an der Spitze ziemlich
platt endend (Taf. III, Fig. 16).
Imagines.
I. Microdon mutabilis L. und rhenanus n. sp., Schild che n fuchsig.
1) mutabilis L. auf der Oberseite des Abdomens dichte, schuppen-
artige Punktierung, die über die Mittellinie gleichmäßig hin-
weggeht; Größe 12 mm.
2) rhenanus n. sp., Mittellinie der Oberseite des Abdomens fast
frei von Punktierung und in ihrer Nähe zerstreute Punktierung
von verschiedener Größe der einzelnen Punkte, die größten
wie schwarze Lackspritzen ; Größe 9 mm.
II. Microdon Eggeri Mik und Eggeri var. major, Schildchen
schwärzlich.
1) Eggeri Mik: drittes Fühlerglied höchstens zweimal so lang
wie das zweite; Größe 7 — 10mm.
la. Eggeri var. major: Größe 10 — 11 mm.
Unter den Wiener Exemplaren waren auch die beiden mir fehlenden
bekannten Arten Microdon devius L. und Microdon latifrons Loew.
Sie gehören zu der Gruppe mit schwärzlichem Schildchen.
2) devius L. Auf der Stirn und auf dem Thorax zwischen den
Flügeln schwarze Behaarung.
3. latifrons Loew. Drittes Fühlerglied 31/2 — 3mal so lang wie
das zweite.
Auf dieses unterscheidende Merkmal der relativen Länge des dritten
Fühlergliedes bei latifrons hat erst Mik aufmerksam gemacht. Da
Loew selbst es nicht angibt, hielt ich anfangs Microdon Eggeri var.
major für latifrons, fand aber an den Wiener Exemplaren das Merkmal
deutlich ausgeprägt. Verall in »British Flies« (1901) führt drei
Arten, mutabilis, devius und latifrons als britische an. Auf der Ab-
bildung, die er von latifrons gibt, ist das dritte Fühlerglied etwa zwei-
mal so lang wie das zweite. Wahrscheinlich hat ihm nicht latifrons
308 Maria Andries,
vorgelegen, vielleicht ebenfalls meine var. major. Verall bemerkt
zum Schluß: "I cannot say, that I have at present found any clear
and unmistakable characters for the Separation of any of the European
species of Microdon. It is recorded from Germany, Austria and Russia
but is not yet well recognised". Außerdem kommt Microdon, soviel
bis jetzt bekannt ist, in Frankreich. Belgien. Holland und Luxem-
burg vor.
Mik teilt die vier europäischen Microdon- Arten nach einem Haupt-
merkmal in zwei Gruppen ein: »An den Seiten des Mesothorax be-
findet sich eine kahle Stelle von keilförmiger Gestalt, mit der Spitze
nach oben gerichtet. Dieses keilförmige Fleckchen ist ein Teil der
Mesopleura Osten-Sackens und liegt über den Vorderhüften. Die
Verlängerung dieses Fleckchens führt nach aufwärts zur Quernaht
des Mesothorax. Die kahle Stelle unter der Flügelwurzel kommt
nicht in Betracht. Bei Microdon mutdbilis und devius ist dieses Fleck-
chen stark glänzend, wie poliert und wenigstens auf seinem konvexen
Teile glatt (höchstens sind hier und da kleine Längsrisse, aber nur
bei starker Vergrößerung sichtbar) ; bei Microdon latifrons und Eggeri
ist dieses Keilfleckchen infolge der Skulptur entweder überhaupt oder
auf seinem vorderen Teile matter und zeigt, wenigstens auf dem vor-
deren Teil, deutliche, dichtstehende, ..quergestellte Nadelrisse, fast
gerunzelt erscheinend.«
Microdon rhenanus n. sp. gehört nach diesem leicht aufzufindenden
Merkmal der ersten Gruppe an.
Microdon devius L. und latifrons Loew scheinen in hiesiger Gegend
nicht vorzukommen oder sehr selten zu sein. Es würde interessant
sein, ihre Larven und Puppen kennen zu lernen. In einer Mitteilung
an Poujade (1883) schreibt Osten-Sacken : «que toutes les observa-
tions et figures publiees jusqu'ici se rapportent ä la larve reticulee,
et qu'il a vu pour la premiere fois la larve lisse ä la Seance de la So-
ciete entomologique de Londres, en juin 1883.» Diese einzige, bis jetzt
kenntlich beschriebene und abgebildete Larve ist die von Microdon
Eggeri, vielleicht auch von devius und latifrons, wenn diese der ersteren
sehr ähnlich sein sollten1. »La Larve lisse« Osten-Sackens ist jeden-
falls identisch mit der von Wissmann (1848) als oberwärts völlig glatt
bezeichneten und zwar eine von mutabilis L. Wissmann betont be-
1 Nach der Größe des fertigen Insekts zu schließen muß die Larve von lati-
frons sehr groß sein; Latzel (1876) erwähnt eine 14 mm lange Larve, aber ohne
nähere Kennzeichen anzugeben oder die Fliege daraus erzogen zu haben.
Zur Systematik. Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 309
sonders ihr Vorkommen bei Formica fusca (s. S. 303 u. 310). Verall
gibt eine Abbildung der Puppe von Microdon mutabilis L.
Biologie.
Ende Oktober 1909 fing ich an, im Kottenforst bei Bonn Micro-
don-Lavven zu sammeln und habe von da bis jetzt durchschnittlieh
alle 14 Tage Baumstümpfe sowohl wie auch Ameisennester, die unter
Steinen angelegt waren, daraufhin untersucht. Die Larven von Mi-
crodon Eggeri Mik und Microdon Egger i var. major finden sich an
Baumstümpfen in Waldlichtungen und zwar meist in Kiefern- und
Fichtenstümpfen, seltener in Eichen- oder Buchenstümpfen. Hin und
wieder kommen sie auch an abgehauenen Stämmen vor und unter
Steinen. Stets sind sie in Gesellschaft von Ameisen. Die Stümpfe
müssen noch in der Erde wurzeln, morsch und ziemlich feucht sein,
mit leicht abzulösender Rinde, aber nicht verschimmelt. An solchen
Stümpfen sitzen die Larven sowohl unter der Rinde als auch überall
in den von den Ameisen geschaffenen Gängen des fauligen Holzkörpers.
Im Anfang übersieht man sie leicht weil sie meist, besonders diejenigen
von Microdon Eggeri Mik, dieselbe Farbe haben, wie der von den
Ameisen aus dem Holz herausgefressene Mulm, mit dem sie dicht
bedeckt sind.
Laboulbene gibt in einem seiner Berichte an, daß Mayet, dem
er sein Material verdankte, die Larven stets innerhalb der Baum-
stümpfe oder in Erdnestern bis zu 25 cm unter der Erde, die Puppen
dagegen immer dicht unter der Rinde oder direkt unter den Steinen
angetroffen habe. Diese Beobachtung habe ich nicht gemacht, sondern
die verschiedenen Stadien überall gleichmäßig gefunden. Außer im
Kottenforst konnte ich das Vorkommen von Microdon-L&iven fest-
stellen bei Rolandseck am Rhein, Oberwinter am Rhein, Gerolstein i. d.
Eifel, am Laacher See, am Nordostabhang der Schneifei, bei Koblenz,
im Königsforst bei Köln, auf der Wahnerheide, am Hummelsberg bei
Linz am Rhein und bei Winterberg im Sauerland. Manchmal kamen
die Larven vereinzelt vor, zu zweien oder dreien an einem Baumstumpf,
manchmal aber auch etwa 100 Stück und mehr dicht beieinander.
Strenge Kälte scheint ihnen nicht schädlich zu sein; denn an einem
sehr kalten Dezembertage 1909 fand ich 50 — 60 Stück fest in Eis zwi-
schen Rinde und Holz. Trotzdem entwickelten sie sich in normaler
Weise.
Die Larven von Microdon Eggeri Mik und Microdon Eggeri var.
major fand ich in Gesellschaft von Lantus niger, Formica sangumea
310 Maria Andries,
und Formica jusca. Dr. Reichensperger fand sie an der Ahr ferner
bei Formica exsecta; die von Microdon mutabilis und rhenanus waren
dagegen stets nur bei Formica jusca oder bei var. jusco-rujibarbis und
zwar fast immer unter Steinen. Einmal traf ich die Larve von Microdon
mutabilis in einem Baumstumpf an, aber auch hier bei Formica jusca.
Da nun diese Ameisenart Erdnester zu bauen pflegt und sich nur aus-
nahmsweise in Baumstümpfen ansiedelt, scheinen mir Beziehungen
zwischen Microdon mutabilis und rhenanus und Formica jusca vor-
handen zu sein. Von dem reichlichen Material, das ich im Laufe des
Jahres gesammelt hatte, gehörten weitaus die meisten Exemplare
zu Microdon Eggeri Mik, weniger zu Microdon Eggeri var. major, und
nur einzelne zu Microdon mutabilis und rhenanus.
Von den draußen gesammelten Larven wurden immer einige
fixiert, der größte Teil aber in einen Glaskasten mit Rindenstücken
und Mulm gebracht, einzelne auch auf Rinde in kleinere Glasschalen
zur besonderen Beobachtung. Die Rinde mußte gut feucht gehalten
und sorgfältig vor Schimmel bewahrt werden. Mit besonderer Vor-
liebe kriechen die Larven immer wieder von den Rindenstücken weg
an die Wände des Glases, wo sie bald austrocknen und so festkleben,
daß man sie nur unter Verletzung loslösen kann. Daher wird es nötig,
sie ein wenig anzufeuchten und immer wieder auf die Rinde zurück-
zubringen. So ist es mir gelungen, fast alle zur Verpuppung und zur
weiteren Entwicklung zu bringen.
Zur Zeit der Verpuppung. im März 1910. brachte ich zufällig einen
Teil in wärmere Temperatur. Diese Individuen waren sämtlich früher
verpuppt und ausgeschlüpft, als die anderen. Von den wärmer ge-
haltenen schlüpfte das erste fertige Insekt am 7. April 1910 aus, von
den anderen das erste am 3. Mai.
Im folgenden Jahre hatte ich viel reichlicheres Material. Diesmal
hielt ich einen Teil den ganzen Winter durch in ungeheiztem, den
anderen in geheiztem Raum. Außerdem wurden, wie im vorhergehenden
Jahre, eine größere Anzahl, etwa 75, in Einzelhaft gehalten, um die
Zeit und die äußere Veränderung zwischen den verschiedenen Stadien
genau beobachten zu können. Unter diesen befanden sich auch die
wenigen Exemplare der beiden selteneren Arten. Die im Warmen
gehaltenen waren den andern in der Verpuppung 3 — 4 Wochen voraus.
Bis Anfang April hatten sich die einen sowohl wie die anderen fast alle
wenigstens bis zum Puppenstadium entwickelt. Der Übergang von
der Larve zur Puppe vollzieht sich, äußerlich wenigstens, ziemlich
rasch. Die Larve, die heute noch lebhaft umherkriecht, von heller
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 311
Farbe, schwach gewölbt ist und die Mundwerkzeuge gebraucht, bewegt
sich am folgenden Tage nicht mehr, die Mundwerkzeuge sind in Ruhe;
sie färbt sich dunkler, nimmt eine schmälere Form an und wird auf
der Rückenseite hoch und prall gewölbt. Bei Berührung zieht sie
noch schwach die Berührungsstelle ein. Wenn man die Larve in diesem
Stadium von der Unterlage loslöst, so findet man die Bauchseite schlei-
mig und gebräunt. Am 3. Tage ist sie auf Rücken- und Bauchseite
dunkelgraubraun und klebt fest auf der Unterlage. Die ganze Chitin-
hülle ist vollständig gehärtet. In diesem Zustande abgelöste Larven
befestigten sich nicht wieder und kamen nicht bis zum Ausschlüpfen
der Imago. Unterdessen werden in den Endpunkten der beiden Rücken-
linien (s. morphol. Teil, S. 327) runde, helle Flecke bemerkbar, und
etwa 5 — 6 Tage nach dem Anfang der Verpuppung brechen an dieser
Stelle, meist über Nacht, die beiden Stigmenhörnchen, die typischen
Atemröhren der Syrphidenpuppe, hervor. Diese sind zuerst lebhaft
rot und färben sich allmählich schwärzlich braun. Zwei oder dreimal
habe ich beobachtet, daß nur eins der beiden Hörnchen ausgebildet
war. Diese Exemplare entwickelten sich trotzdem.
Die Verpuppung der Larven von Microdon Eggeri var. major
geht auf dieselbe Weise vor sich.
Von den weißen Microdon-Lawen fing am 24. März die erste, und
zwar eine von Microdon mutabilis, morgens an. sich zu bräunen, saß
fest und war bald ganz prall, schmal und hoch gewölbt, nachmittags
erschienen schon die Durchbruchsstellen der Hörnchen als kleine,
gelblich weiße Flecken. Die übrige Färbung ist dann hellbraun, wie
die einer ungebrannten Kaffeebohne. Sie wird bis zum folgenden
Tage kupferrotbraun, metallig glänzend und allmählich noch dunkler.
Die Bogennähte, in denen später beim Ausschlüpfen der Fliege die
Chitinhülle aufspringt, färben sich in den ersten Tagen nicht mit und
sind als deutliche, helle Linien zu sehen. Mit der weiteren Dunkler-
färbung verwischen sie sich. Am 30. morgens waren die kleinen Stig-
menhörnchen durchgebrochen. Auf ihrer Spitze klebten jedesmal bei
dieser Microdon-Avt die herausgedrückten hellen Durchbruchsstellen
als kleine, runde Scheibchen. Bis zum 29. war auf der Rückenseite
durch die Hülle hindurch die Kontraktion des Rückengefäßes zu be-
obachten. Später, einige Tage vor dem Ausschlüpfen, ist das fertige
Insekt mit Kopf, Thorax und Schildchen deutlich durch die Hülle
hindurch sichtbar. Am 20. April schlüpfte es aus.
Die Zeit zwischen dem Erscheinen der Hörnchen und dem Aus-
schlüpfen schwankte bei den 75 Larven, die ich einzeln verfolgte,
312
Maria Andries,
Textfig. 1.
Die drei I leckelstücke der Puppenhülle von Micr
dort, Eggeri Mik.
zwischen 15 und 23 Tagen und betrug bei den meisten 18 Tage. Das
Ausschlüpfen der Imagines geschieht nachts oder morgens, fast nie
nachmittags und geht sehr schnell, meistens in Zeit von kaum einer
Minute vor sich. Die drei Deckelstücke (Textfig. 1) werden in der
Mitte auseinandergedrängt, gewöhnlich ohne sich vollständig von der
Hülle abzulösen und mit lebhaften Bewegungen arbeitet sich die Fliege
heraus. Diese ist anfangs feucht und weich, von weißlich grauer Farbe,
die Flügel sind kompliziert zusammengefalten und erscheinen daher
ganz klein. Sofort nach dem Ausschlüpfen fangen die Tierchen an,
lebhaft umherzukriechen und mit dem letzten Beinpaar eifrig über
Flügel und Abdomen zu streichen.
Nach und nach schwindet die
Feuchtigkeit, das Chitin des Kör-
pers erhärtet und bekommt die
endgültige dunkle Färbung. Die
goldbraunen Haare werden sicht-
bar, die Flügel entfalten sich und
bleiben eine Zeitlang glatt ausge-
streckt. Sie sind dann noch weich
und glashell. Allmählich erhärten
sie und werden alsbald auf demRücken übereinander gefaltet. Solange
die Flügel ausgebreitet sind, ist bei den Weibchen die Legeröhre gerade
nach hinten ausgestreckt, später wird sie eingezogen. Das Entfalten
der Flügel dauert manchmal nur eine halbe Stunde, manchmal aber
auch 2 — 3 Stunden. Im ersten Jahre meiner Zucht versuche brachten
viele Exemplare die Flügel überhaupt nicht zur Entfaltung und gingen
sehr bald zugrunde ; im 2. Jahre hatten alle bis auf wenige Ausnahmen
sehr wohl entwickelte Flügel.
Von den im Warmen gehaltenen Larven schlüpfte die erste Fliege,
ein L, schon am 2. März aus, die zweite, ein rf, am 21. März; von den
kühl gehaltenen erschien die erste am 6. April.
Es kam mir bei meiner Zucht darauf an, die Weibchen zur Eiablage
zu bringen und die jüngsten Larvenstadien zu beobachten, die bis jetzt
noch nicht bekannt waren. Veehoeff (1892) bemerkt in einer kurzen
Notiz über Microdon, die Eiablage sei überaus schwer nachzuweisen;
er habe ein Microdon-^- lange Zeit beobachtet und immer wieder auf
einen Baumstumpf mitten in einen Arbeiterschwarm von Formica
sanguinea hineinfliegen sehen, aber auf das Absetzen der Eier habe
er vergeblich gewartet.
Anfang April traf es sich zum ersten Male, daß ein C? und ein Q
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 313
bald nacheinander ausschlüpften. Sie wurden mit Moos und feuchten
Bindenstücken in einen Baupenzuchtkasten gebracht. Beide waren
am 10. April ausgeschlüpft. Am folgenden Tage beobachtete ich sie
in Paarung, ebenso am 12. und 13., und jedesmal sofort danach kroch
das Weibchen auf die Bindenstücke, streckte langsam die Legeröhre
aus und strich mit den Hinterbeinen fortgesetzt darüber, aber es er-
folgte keine Eiablage. Am 15. morgens endlich klebten zehn Eier
zwischen dem Drahtnetz und dem Holz des Kastens. Am 18. morgens
fand ich an den Bindenstücken im Zuchtkasten und zwar meist tief
in engen Spalten, weitere 35 Eier. Das rj1 war am 18. April tot. Das
Q kroch mühsam umher, oft mit ausgestreckter Legeröhre. Da-
bei wurde der vordere Teil des Abdomens ein wenig gehoben, der
Endabschnitt mit der Legeröhre unter den Körper nach vorn umge-
bogen, und mit der Spitze der Legeröhre tastete es sorgfältig bis tief
in allen Spalten der Binde umher. Ein solches Bindenstück konnte
man während dessen ruhig in die Hand nehmen, ohne das Tierchen
zu verscheuchen. Es legte in ungefähr einer Stunde noch 40 — 50 Eier,
jedesmal 5 — 18 Stück. Die Eier glitten ziemlich schnell nacheinander
durch die Legeröhre hindurch, mit dem stumpfen Pol voran und wurden
dicht nebeneinander in geraden Beihen bis tief in die Spalten hinein
abgelegt. Am 19. beobachtete ich das Q zuletzt bei der Eiablage.
Am 20. war es tot. Es hatte etwa 150 Eier abgelegt. Die Eier wurden
mit Binde und Moos nach den Tagen der Ablage gesondert, sorgfältig
in verschiedene Glassehälchen gebracht und teils sehr feucht, teils
ziemlich trocken gehalten um desto sicherer einige wenigstens zur
Entwicklung zu bringen. Leider trat nun starke Schimmelbildung ein,
so daß mehrmals täglich aller Schimmel sorgfältig entfernt werden
mußte, wenn nicht von einem Tage zum anderen Eier und Binde voll-
ständig davon überwuchert sein sollten. Unter Eiern, die am 18. April
abgelegt waren, bemerkte ich am Morgen des 1. Mai 15 mit längs auf-
geschlitzter Schale. Bei näherer Untersuchung fand ich sie leer, und
nach einigem Suchen sah ich im Moos ein schneckenähnliches Tierchen,
schnell vorwärts kriechend und mit den Antennen lebhaft umhertastend.
Von den 15 ausgeschlüpften waren zwischen Moos und Bindenstückchen
nur acht wiederzufinden ; einige davon wurden sofort fixiert, die andern
auf frische, feuchte Binde in ein CTlasschälchen gebracht.
Nach dem ersten Pärchen schlüpften nun täglich viele Fliegen
aus und wurden sofort in den Zuchtkasten gebracht, so daß sich all-
mählich immer durchschnittlich 60 — 80 darin befanden. Anfangs
waren die Weibchen in der Überzahl, später die Männchen. An trüben,
314 Maria Andries,
kalten Tagen nahm das Ausschlüpfen ab. Morgens saßen sie still
und unbeweglich an den Wänden des Zuchtkastens, gegen Mittag
fingen sie an, träge umherzukriecken ; nachmittags in der Sonne aber
kam reges Leben in die sonst so träge Gesellschaft. Sie krochen dann,
summend, und sich gegenseitig an den Flügeln zerrend, an dem Draht-
netz hinauf und zwar stets an der dem Licht zugewandten Seite. Nur
an ganz warmen, sonnigen Tagen flog, wenn der Kasten offen stand,
die eine oder andere heraus und dann nur eine kurze Strecke. Das
Flugvermögen ist nicht besonders ausgebildet. Nicht nur fliegend,
sondern auch umherkriechend oder stillsitzend summen sie mit hohem,
feinem Ton, was auch Bignell (1891) besonders erwähnt. Dabei
vibrieren die übereinandergefalteten Flügel. Täglich waren jetzt viele
Fliegen in Paarung und die Weibchen bei der Eiablage zu beobachten.
Wo diese sich begegneten, zerrten sie sich unter eigentümlichem
Brummen so lange an Flügeln und Beinen, bis eins von der Rinde
herunterfiel. Die Paarung findet meist kurze Zeit nach dem Aus-
schlüpfen statt, oft sogar, ehe die Flügel entfaltet sind. Der Geschlechts-
instinkt scheint jedoch mangelhaft entwickelt zu sein; denn, wie zum
Beispiel Henneguy von gewissen Coleopteren berichtet, so konnte
man auch bei Microdon häufig zwei cfcf in Paarungsversuchen sehen.
Leider traf es sich so, daß die drei Exemplare der Microdon muta-
bilis-Axt, die mir zur Verfügung standen, in großen Abständen von-
einander ausschlüpften, so daß das einzige L der Art nicht zur Be-
fruchtung und zur Eiablage kam. Daß diese Art sich mit der anderen
paarte, habe ich nicht beobachtet.
Die Lebensdauer der Imagines war durchschnittlich 8 — 14 Tage.
Die Imagines von mutdbilis und rhenanus waren im ganzen viel leb-
hafter und kräftiger als die beiden anderen Arten.
Die abgelegten Eier wurden aus den Rindenspalten jeden Tag-
sorgfältig in verschiedene Glasschälchen gebracht, anfangs auf Rinden-
stückchen, als aber die Schimmelbildimg überhand nahm, ohne Rinde.
Zur Feuchthaltung wurden die kleinen Behälter mit Müller-Gaze
dicht zugebunden und in feuchte Kammern gesetzt. So hielten sie
sich besser schimmelfrei, aber eines Morgens waren sämtliche aus-
geschlüpften Larven durch die feinen Maschen der Gaze hindurch-
gekrochen, so daß ich 125 im Wasser wiederfand. Keine nahm dadurch
Schaden, sondern ins Trockene gebracht, entwickelten sie sich un-
gestört weiter.
Die Zeit zwischen Eiablage und Ausschlüpfen betrug durch-
schnittlich 12 Tage. Das Ausschlüpfen der jungen Larve aus dem Ei
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 315
geschieht sehr schnell. Von dem spitzen Pol, der Gegend der Mikro-
pyle ans, reißt die Eihülle nach oben und unten in gerader Linie ein,
lind zwar allmählich bis zn drei Viertel der Ober- und ein Viertel der
Unterseite. Man sieht die Antennenspitzen sich lebhaft hin und her
bewegen, und der weiche Larvenkörper wird so herausgedrückt, daß
der schon außerhalb befindliche Teil breit und flach, der in der Eihüllen-
öffnung ganz zusammengepreßt ist (Textfig. 2).
Die Eischale wird dabei dorsoventral platt gedrückt, rundet sich
aber, wenn sie leer ist. sofort wieder zu ihrer früheren Gestalt ab.
Im Laufe des Monats Mai schlüpften über 2000 Lar-
ven aus, aber trotz dieses reichen Materials ist es
mir nicht gelungen, auch nur eine einzige zur wei-
teren Entwicklung zu bringen. Alle Versuche, sie
am Leben zu erhalten, schlugen fehl: 8 — 14 Tage
nach dem Ausschlüpfen gingen sie zugrunde, ohne
merklich gewachsen zu sein oder sich verändert
zu haben. Zunächst hatte ich versucht, sie auf
Rindenstücken mit Mulm von verschiedenen Feuch-
tigkeitsgraden zu halten, dann in fein zerriebener
Rinde und zwar in Glasschälchen. die mit Müller- Textfig. 2.
eaze verschlossen, in feuchten Kammern gehalten * llei Elhulle a,ls'
° schlupfende junge Larve
wurden. Eine ganze Anzahl ließ ich auch in den (schematisiert). At, An-
Spalten der Rindenstücke im Zuchtkasten aus- tennen; L' Lfrvenkör-
per; E. Eihülle.
schlüpfen. Sowohl hier als in einigen Glasschalen
brachte ich Ameisen und zwar Lasius niger hinzu. Aber bei allen war
der gleiche Mißerfolg. Es bildete sich auch hier wieder Schimmel;
aber aus einem später noch zu erwähnenden Grunde glaube ich nicht,
daß er die einzige Ursache des Mißerfolges war. Es muß irgendeine
wichtige Bedingung, die ihnen in der freien Natur geboten ist, zur
Weiterentwicklung dieser kleinen Wesen gefehlt haben.
Zum Glück fand ich das auf diese jüngste Larvenform folgende
Stadium in der freien Natur. Nach dem Größenunterschied und der
Veränderung der äußeren Chitinhülle zu schließen, mußte zwischen
beiden eine Häutung stattgefunden haben. Die beiden größten Larven
dieses zweiten Stadiums häutfcten sich 2 Tage nachdem ich sie draußen
gefunden hatte. Es erschien daraus ein drittes, zu der allgemein be-
kannten, ausgewachsenen Larve ohne Häutung überleitendes Stadium,
so daß in der Entwicklung der Larve drei merklich verschiedene Formen
zu unterscheiden sind, deren morphologische Unterschiede im folgenden
Teil meiner Arbeit Berücksichtigung finden werden.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 21
316 Maria Andries,
Bei der Häutung reißt die Chitinhülle des Rückens in der Mittel-
linie des Körpers, vorn beginnend, bis zum Tracheenhörnchen in gerader
Linie auf; die Larve windet und krümmt sich lebhaft, das Chitin der
Bauchseite oder vielmehr nur das der Kriechfläche klebt mitsamt dem
Schlundgerüst auf der Unterlage fest. Zwischen Rand und Kriech-
fläche reißt es, vorn beginnend, bis zu ungefähr drei Viertel ihres Um-
fanges immer mehr ein, so daß vorn durch den dorsalen Riß und die
Trennung von Bauch- und Rückenchitin eine weite Öffnung entsteht.
Das Tracheenhörnchen mit den Endabschnitten der beiden Haupt-
tracheenstämme wird mitgehäutet. In etwa einer halben Stunde hat
sich die Larve herausgearbeitet.
Von diesen Larven des zweiten und dritten Stadiums brachte es
keine bis zur Puppe. Die Exemplare, die ich im 1. Jahre draußen
fand, sind teils sehr bald zugrunde gegangen, teils haben sie über den
Zeitpunkt der Verpuppung hinaus noch bis August d. J. im Larven-
zustand gelebt, waren aber nur wenig größer geworden und gingen
dann langsam alle ein. Als von den diesjährigen wieder eins nach
dem anderen zugrunde ging, habe ich die letzten Exemplare fixiert.
Bei diesen größeren Stadien hatte sich kein Schimmel gebildet. Des-
halb glaube ich, daß wie bei diesen, so auch bei den kleinsten irgendein
anderer Grund sie bei der künstlichen Aufzucht nicht zur Häutung
kommen läßt; denn die vollständige Aufzucht ist mir nur gelungen
bei Exemplaren, die alle Häutungen im Freien unter natürlichen Be-
dingungen durchgemacht hatten. Die Larve des dritten Stadiums ist
beim Ausschlüpfen noch weiß und schwach gewölbt, wie die vorher-
gehenden Stadien; sie bräunt sich aber bald und gewinnt immer mehr
das Aussehen der bekannten, ausgewachsenen Larve. Diese häutet
sich nicht mehr; denn von ihrem ersten Erscheinen im Freien bis zur
Verpuppung habe ich sie beobachtet, und es fand keine Häutung statt.
Die Verpuppung geht, wie bei allen Syrphiden, innerhalb dieser letzten
Larvenhülle vor sich.
In der freien Natur waren die Puppen von Microdon von Mitte
April bis Ende Mai, die Imagines von Mitte Mai bis Anfang Juni zu
finden, wie auch Wasmanx (1909) übereinstimmend berichtet. Im
März habe ich jedoch mehrfach beobachtet, daß eine ganze Anzahl,
die ich als Larven fand, am anderen Morgen sämtlich verpuppt waren.
Die Veränderung der äußeren Bedingungen hatte offenbar Einfluß
auf die schnellere Entwicklung ausgeübt. Von Ende Mai bis Anfang
Juni fand ich die Eier in Rindenspalten, aber von den jüngsten, eben
ausgeschlüpften Larven habe ich. wahrscheinlich wegen ihrer Klein-
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 317
heit und Durchsichtigkeit, draußen nichts linden können. Ich ver-
mute, daß die Entwicklung von diesem Anfangsstadium bis zur aus-
gewachsenen Larve verhältnismäßig schnell vor sich geht; denn die
zweiten und dritten Stadien fand ich in den Galerien des Holzes und
unter der Rinde höchstens von Mitte Juni bis Mitte Juli und zwar im
Juli schon zu gleicher Zeit mit ausgewachsenen Larven, so daß zwischen
dem Erscheinen der Eier, Ende Mai. und dem endgültigen Larven-
stadium also kaum ein Monat liegt, da die junge Larve nach 12 Tagen
ausschlüpft.
Über das Verhältnis, in dem die verschiedenen Stadien zu den
Ameisen stehen, ist es mir nicht gelungen, positive Ergebnisse zu er-
langen. Dazu dürfte eingehenderes, mehrjähriges Studium nötig sein.
Wasmann hat von 1892 bis 1905 in seinen künstlichen Ameisennestern
Beobachtungen über Microdon und deren Larven angestellt und stellt
in seiner Arbeit: »Zur Kenntnis der Ameisen und Ameisengäste von
Luxemburg« (1909) in Aussicht, darüber weiter zu berichten. Wenn ich
im Freien in einem Baumstumpf oder unter einem Stein ein Ameisen-
nest aufdeckte, habe ich immer beobachtet, daß die Ameisen eifrig sich
und ihre Brut in Sicherheit bringen und nach wenigen Minuten in die
tieferen Schichten geflüchtet sind, während die Microdon-Jj&rveii von
ihnen vollständig ignoriert werden und still an ihrem Fleck zurück-
bleiben. Diese Beobachtung machten alle, die sich mit den Tieren
beschäftigt haben. Wasmann glaubte eine Zeitlang, daß die erwachsenen
Larven von den Ameisen gleich großen Schildläusen gepflegt würden,
kam aber später zu dem Ergebnis, daß sie gänzlich ignoriert werden.
Dagegen beobachtete er eine Beziehung zwischen der ausschlüpfenden
Imago und den Ameisen und schreibt darüber 1909: »Das dichte,
goldene oder silberne Haartoment dieser Fliegen dient dazu, daß die
im Nest frisch ausschlüpfenden Fliegen von den Ameisen nur beleckt,
aber nicht aufgefressen werden« (Beobachtungen von Linz am Rhein,
Okt. 1896). Diese Beobachtung habe ich nicht machen können. Ich
sah nur, sowohl im Freien, als auch in meinem Zuchtkasten, daß die
Ameisen stets sehr feindlich auf die Fliegen losgingen und sie an Flügeln
und Beinen zerrten. Eier und ausschlüpfende junge Larven brachte
ich ebenfalls mit Ameisen zusammen und zwar mit Lasius niger und
Formica fusca und bemerkte auch hier, daß diese sich in keiner Weise
darum kümmerten. Daß sie in der Ernährung von ihren Wirten direkt
abhängig sind, scheint mir deshalb nicht der Fall, zumal ich die er-
wachsenen Larven von Juli an bis zu ihrem Ausschlüpfen meist ohne
Ameisen hielt. Der Nutzen, den sie aus dem Zusammenleben mit den
21*
318 Maria Andries,
Ameisen ziehen, beschränkt sich vielleicht ciarauf, daß sie beim Aus-
schlüpfen aus dem Ei die mit Mulm angefüllten Gänge vorfinden, die
ihnen die nötige Nahrung bieten.
Wissmann schreibt, es würde interessant sein zu wissen, wovon
diese Larven sich ernähren. Wie alle cycloraphen Larven vollständig
an die saugende Ernährungsweise angepaßt sind (Becker 1910) und
nur flüssige Nahrung aufnehmen, so leben wohl auch die Larven von
Microdon von den Säften des faulenden Holzkörpers und der Feuchtig-
keit des Humus. Jedenfalls habe ich nie feste Nahrungsbestandteile
im frisch präparierten Darm gefunden.
Kriechbewegung .
Die Fortbewegung der eben aus dem Ei geschlüpften Larve hat
mehr Ähnlichkeit mit der anderer Fliegenlarven als in den späteren
Stadien. Sie kriechen verhältnismäßig schnell, durchschnittlich 1,5 cm
in der Minute. Der vordere Kopf teil mit den Antennen ist dabei aus-
gestreckt und etwas in die Höhe gerichtet. Gleichzeitig mit jeder
Kriechbewegung wird er abwechselnd nach rechts und links geworfen.
Ohne auf der Bauchseite unterstützt zu sein, können die jungen Larven,
nur mit dem Hinterrande festhaftend und den Vorderkörper hin und
her bewegend, manchmal stundenlang in die Luft ausgestreckt bleiben.
Vorwärts und rückwärts kriechen sie gleich schnell. Bei den älteren
Stadien verlangsamt sich die Kriechgeschwindigkeit allmählich, und
bei den ausgewachsenen ist schließlich die Lust, sich überhaupt fort-
zubewegen, sehr gering. Dies hängt wahrscheinlich mit der für das
schnelle Wachstum nötigen reichlicheren Nahrungsaufnahme bei der
jungen Larve zusammen. Später, wenn sie die endgültige Größe erreicht
und genügend Material in ihrem Körper aufgespeichert hat, bietet ihr
die nächste Umgebung Nahrung genug. Nur wenn sie dem Licht
ausgesetzt wird, sieht man sie eilig die Flucht ergreifen und dunkle
Stellen aufsuchen.
Läßt man eine dieser großen Larven auf einem Objektträger kriechen
und betrachtet sie von der Unterseite unter dem Binocular-Mikroskop,
so kann man die Art der Kriechbewegung genau beobachten: Nur das
mittlere, ventrale Feld, die eigentliche Kriechfläche, gleitet über die
Unterlage, während die Randpartie diese kaum berührt. Die Bewegung
der Kriechfläche verläuft wellenförmig von hinten nach vorn und
zwar so. daß im letzten Segment beginnend und nach vorn kontinuier-
lich fortschreitend, immer eine Strecke sich kontrahiert und von der
Unterlage abgehoben wird. Erst wenn die Welle vorn angekommen
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 319
ist, erfolgt ein kleiner Kuck vorwärts. Fast zu gleicher Zeit, ein wenig
früher, hat am Hinterende die Wellenbewegung wieder begonnen.
Bei der Rückwärtsbewegung geht die Welle in entgegengesetzter Rich-
tung. Diese Art der Fortbewegung unterscheidet sich wesentlich von
der der Schnecken, bei denen immer die ganze Sohle auf der Unterlage
haftet. Außerdem können Schnecken nicht rückwärts kriechen. Auf
den Zusammenhang dieser Art der Fortbewegung mit der Muskulatur
werde ich im morphologischen Teil näher eingehen (s. S. 347). Der
dichte, feine Haarfilz auf der Unterseite kommt dadurch, daß er beim
Kriechen einen gewissen Widerstand bietet, noch zu Hilfe. Außerdem
sieht man von Zeit zu Zeit eine Flüssigkeitswelle aus der Mundöffnung
treten und sich über die ganze Bauchfläche ergießen, eine Tatsache,
die schon öfter erwähnt worden ist, aber immer nur als unsichere
Beobachtung. Diese klebrige Flüssigkeit ist aller Wahrscheinlichkeit
nach das Secret einiger der großen Drüsen, die sich im Körper der
Larve befinden. Es dient wohl dazu, einerseits die Kriechfläche feucht
zu halten, damit sie nicht eintrocknet, anderseits sie durch seine Klebrig-
keit an der Unterlage festzuhalten.
Im Gegensatz zu dieser Art der Fortbewegung beschreibt Hewitt
(1908) die der Larve von Musca domestica so, daß sie mit dem Vor-
strecken der vorderen Segmente beginnt und die Bewegung von vorn
nach hinten fortschreitet.
Äußere Morphologie.
Ei.
Das Ei von Microdon Egger i Mik (Taf. III, Fig. 1) ist durchschnitt-
lich 0,7 mm lang und 0,3 mm breit, von weißer Farbe und ovaler Ge-
stalt, am hinteren Pole stumpfer, nach vorn ein wenig verjüngt. Die
spätere Rückenseite der Larve ist durch eine leichte Abplattung zu
erkennen. Bei schwacher Vergrößerung erscheint das Ei äußerst zier-
lich skulpturiert. In ziemlich geraden Längsreihen, die von einem
Pole zum andern verlaufen, erheben sich gleichmäßige, schneeweiße
Zotten, schmale Zwischenräume freilassend. Ihre Erhebungen er-
scheinen auch in Quer- oder Schrägzeilen angeordnet. Wo die Breite
der Oberfläche zunimmt, werden neue Längsreihen eingeschaltet. Diese
äußerste Hülle mit ihren kleinen Erhebungen ist das Chorion. Es ist
sehr zart und leicht verletzbar und besteht aus einer weichen, leicht
zusammenfallenden Substanz. Betrachtet man ein zusammenhängendes
Stück des Chorions bei stärkerer Vergrößerung von der Außenseite,
so bekommt man ein Bild, wie es Taf. III, Fig. 2, wiedergibt. Auf
320 Maria Andries,
der Unterseite (Taf. III, Fig. 3) sieht man ziemlich regelmäßige, dicht
aneinanderschließende Rechtecke mit kleinwelligen, hellen Begren-
zungslinien und dunklerem Innenraum. Mit Hilfe von Schnitten und
diesen beiden Bildern kann man sich den Bau der kleinen Zotten
klar machen. Auf rechteckigen Feldern erheben sich nach oben
etwas verjüngte, rundliche Höcker. Diesen ist ein kurzer, röhren-
förmiger Teil aufgesetzt, der sich oben sternchenförmig erweitert
(Textfig. 3). Von den Zacken der Sternchen hängen abgerissene Fetzen
herunter. Ahnliche Chorionstrukturen erwäh-
nen Korschelt und Heider (Vergleichende
Entwicklungsgeschichte : S. 275) von manchen
Orthoptereneiern und erklären ihre Ent-
Textfio-. 3. Stellung so, daß die polygonale Felderung der
Chorionstruktur des Eies von Ausdruck der Follikelepithelzellen ist. von
Microdon Eggen Mik. von der denen das Chorion ausgeschieden wird: »die
Seite gesehen. _ °
Leisten entsprechen den Zellgrenzen. Durch
Erhöhung der Leisten bilden sich die Höcker und röhrenförmigen
Aufsätze, von denen jeder sich über einem Felde erhebt, wenn im
Verlauf der Ausscheidung die einzelnen Felder sich voneinander ab-
sondern. Ihre Bildung wird dadurch ermöglicht, daß die Follikel-
zellen lange Fortsätze bilden, um welche herum die Schalensubstanz
ausgeschieden wird. Ist dieser Prozeß abgeschlossen, so werden die
Zellfortsätze eingezogen, die Innenfläche des Epithels glättet sich
wieder und es wird nun nochmals eine zarte Platte über jedem der
röhrenförmigen Aufsätze abgeschieden.« — Diese an Heuschrecken-
eiern beobachtete Chorionbildung macht auch die Entstehung der
oben beschriebenen Höcker an Eiern von Microdon verständlich. Bei
dem Auseinanderweichen von Follikelzellen und Chorion würden die
zarten Fetzen entstehen, die von den Zipfeln der sternckenförmigen
Platte herabhängen. Die Micropyle hat nichts besonderes. Um die
Micropylöffnung herum am spitzen Pol des Eies stehen die Zotten in
dichtem Kreise. Unter dem Chorion liegt die derbere, glashelle Dotter-
haut. Sie ist glänzend, strukturlos, nur um die Micropylöffnung herum
etwas dicker und bräunlich gefärbt. Das Chorion ist mit feinen Nadeln
leicht von der Dotterhaut abzulösen, und letztere scheint dem Eiinhalt
genügenden Schutz zu bieten; denn Eier mit teilweise, oder in
späteren Stadien gänzlich abgelöstem Chorion, haben sich bei meinen
Versuchen, wenn sie entsprechend feucht gehalten wurden, weiter
entwickelt.
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 321
Eben ausgeschlüpfte Larve.
(Taf. III. Fig. 4.)
Die eben aus dem Ei geschlüpfte Larve von Microdon ist durch-
schnittlich 0.8 mm lang und 0,36 mm breit. Sie ist so zart und glas-
hell, daß man sie mit bloßem Auge kaum sieht und hauptsächlich
durch ihre Bewegung wahrnimmt. Deshalb ist sie wohl auch bis jetzt
im Freien nicht gefunden worden. Bei näherem Zusehen erkennt man
ein weißliches, schnell dahinkriechendes Tierchen von länglicher Form
mit einem schwarzen Pünktchen vorn auf der Rückenseite. Dieses
Pünktchen ist das durchscheinende Cephalopharyngealskelet. Be-
trachtet man es unter dem Binocular, so würde man in dem zierlichen,
äußerst lebhaften Tierchen die spätere, plumpe Larvenform nicht
leicht erkennen, wenn nicht die charakteristischen Antennen, der
Borstensaum und das Tracheenhöckerchen auf der Rückenseite sofort
in die Augen fielen. In diesem Stadium erinnert es in seinem Habitus
noch mehr als später an kleine Nacktschnecken. Es ist ganz weiß,
der Körper schlank gestreckt. Auch die bei der späteren Larve nicht
mehr sichtbaren vorderen Thoracalsegmente und die Antennen mit
den Fühlspitzen sind meist so ausgestreckt, daß der Körper eine hinten
breitere, rundliche und nach vorn zugespitzte Form annimmt. Der
vorderste Körperabschnitt, der die Antennen trägt, und auf dessen
Unterseite die Mundöffnung liegt (Taf. IV, Fig. 19), hat die Form
eines abgestumpften Kegels und ist glänzend grauweiß. Er stellt den
häutigen Teil des Kopfes dar, auf den ich bei der Besprechung der
Segmentierung noch zurückkommen werde. Die Chitinhülle des
Rückens liegt als ein leichtgewölbter, ovaler Schild mit zartem, rundum
abstehendem Saum dem walzenförmigen, dorsoventral abgeplatteten
Körper auf, die ersten, nach vorn sich verjüngenden Segmente frei-
lassend. Nur vorn, in der Mittellinie des Körpers, ist der Saum durch
einen deutlichen, ungefähr viereckigen Ausschnitt des Schildes unter-
brochen. Durch diesen Ausschnitt ist das schwärzlich erscheinende
Schlundgerüst sichtbar, das beim Kriechen immer vor und zurück-
geschoben wird. Das Rückenschild läßt die beiden Haupttracheen-
stämme als deutliche, weiße Stränge durchscheinen, die zu beiden Seiten
der Mittellinie des Rückens verlaufen und im Tracheenhöcker enden.
Wenn das Tierchen sich zusammenzieht, nähern sie sich einander bis
zur Berührung. Nach vorn kann man sie bis in die Gegend des Schlund-
kopfes verfolgen. Innerhalb des Tracheenhöckers biegen sie nach
außen tun. Dieser selbst ist nur wenia hervorstehend und von
322 Maria Andries,
gelblich brauner Färbimg (Textfig. 4). Auf kreisförmiger Basis erheben
sich vier durch tiefe Einschnitte voneinandergetrennte, zackige Höcker,
zwei hintere höhere und zwei vordere, etwas niedrigere. In der Mitte
hängen sie durch eine kleine Fläche zusammen, die zwischen den beiden
vorderen Zacken flach abfällt. In den beiden vorderen münden die
Haupttracheenstämme, in dem hinteren sind kleine Nebenöffnungen
(Taf. IV, Fig. 20). Die beiden Längsstreifen, die auf dem Rücken der
erwachsenen Larve das mittlere Feld begrenzen, sind auch hier schon
als feine, leuchtend weiße Linien sichtbar. Die spätere, komplizierte
Chitinstruktur des Rückens ist in diesem Stadium noch nicht aus-
gebildet. LTm so deutlicher treten daher als leuchtend
weiße Punkte in regelmäßiger Verteilung die Sinnesorgane
hervor, und zwar befinden sich 62 auf dem Rückenschild
(Taf. III, Fig. 4 u. Taf. IV. Fig. 20). Sie sind, je nach-
dem das Tierchen sich streckt oder zusammenzieht, in
rraeneenhocker-
der eben ausge- mehr oder weniger geraden Quer- und Längsreihen an-
-■ii lüpften geordnet. Dicht hinter dem viereckigen Ausschnitt
Larve.
stehen vier in gleichen Abständen nebeneinander, hinter
diesen zwei etwas weiter auseinander und von hier an in gleichen
Zwischenräumen nach dem Hinterende zu sechs Querreihen von jeder-
seits vieren. Darauf folgt vor dem Tracheenhöcker rechts und links
eine Querreihe von dreien und schließlich hinter diesen auf jeder Seite
noch ein einzelnes. Die beiden mittleren jeder Querreihe bilden gerade
Längsreihen von neun Paaren, die von dem vorderen Ausschnitt des
Schildes zwischen den beiden Tracheenstämmen bis zum Stigmen-
höcker verlaufen. In der Gegend des Stigmenhöckers ist dunkel und
verschwommen der Darm sichtbar und die MALPiGHischen Gefäße sind
als gelbe Flecke zu erkennen. Der das Rückenschild rings einfassende,
überstehende Saum erscheint verhältnismäßig breiter als bei der aus-
gewachsenen Larve und macht den Eindruck eines fein gestrichelten
Bandes mit glatter Kante. Elf Stellen auf jeder Seite des Saumes sind
dadurch ausgezeichnet, daß die Strichelung etwas dichter wird und
am distalen Ende in einer Spitze aus dem Saum hervorsteht. Diese
hervortretenden Stellen befinden sich im allgemeinen in gleichen Ab-
ständen voneinander und zwar übereinstimmend mit den Querreihen
der Sinnesorgane. Nur nach hinten zu stehen sie etwas näher zu-
sammen. Die äußere Chitinstruktur ist in ihren Einzelheiten am leben-
den Tier, da es immer lebhaft umherkriecht, schwer zu studieren.
Bringt man eine dieser jüngsten Larven auf einen Objektträger in einen
Wassertropfen, legt vorsichtig ein Deckglas auf und sorgt dafür, daß
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 323
sie nicht eintrocknet, so kann man sie mehrere Stunden am Leben
halten und bekommt ein sehr klares Bild (Taf. IV, Fig. 20). Man sieht
durch die Chitinhülle hindurch die Kontraktion des Kückengefäßes
und des Darmes, die MALPiGHischen Gefäße und vor allem bei stärkerer
Vergrößerung die Verzweigung der Tracheenstämme bis in die fein-
sten Verästelungen. Auch das Chitinschild des Kückens erscheint
nicht mehr glatt und strukturlos, sondern aus dicht aneinanderschließen-
den, schuppenartigen Höckern zusammengesetzt, zwischen denen sich
wie krause Köpfchen die Sinnesorgane erheben (Textfig. 5). Die kleinen
Höcker sind, mit Ausnahme der vorhererwähnten Längslinien, die das
mittlere Feld begrenzen, über die ganze
Kückenfläche hin rosettenförmig angeord-
net. Die Mitte jeder Rosette wird von
sehr kleinen Höckern gebildet, auf die
rundum nach außen hin immer größere
folgen. In den schmalen, hellen Längs-
streifen stehen nur diese kleinsten Höcker
imd zwar in ziemlich geraden Längsreihen.
Auf der Grenze des mittleren Feldes sind Textfig. 5.
die Höcker etwas Stärker entwickelt und Chitinstruktur auf der Rückenseite
bilden längs verlauf ende, kleine Bogen, die der eben ausgeschlüpften Larve.
° . "> Sinnesorgan.
vielleicht mit der inneren Segmentierung
zusammenfallen. Zwischen den Rosetten der jungen Larve und der
polygonalen Felderung der ausgewachsenen finde ich keine Beziehung.
Ein Komplex dieser polygonalen Felder würde erst einer Rosette ent-
sprechen.
Die Bauchseite des Tierchens, die ebenfalls unter dem Binocular
glatt und strukturlos zu sein scheint, ist in ein ovales mittleres und
ein dieses rings umgebendes äußeres Feld eingeteilt. Das mittlere
Feld, die eigentliche Kriechfläche, wölbt sich etwas vor und wird in
der Mitte von einer seichten Längsfurche durchzogen. Die ganze Bauch-
fläche ist mit sehr feinen, langen Haaren dicht bedeckt, zwischen denen
regelmäßig verteilt, ähnliche Sinnesorgane wie auf der Rückenseite
stehen, und zwar in der Zahl und Anordnung, wie Cerfontaine (1907)
sie von der erwachsenen Larve beschreibt (S. 387) und abbildet (Fig. 2,
Taf. XII). Sie sind wegen der dichten Behaarung nicht so leicht zu
sehen wie die der Rückenseite. Auf den Bau der verschiedenen Sinnes-
organe werde ich bei Besprechung des Nervensystems näher eingehen.
Die feine Strichelung des Chitinsaumes ist durch dicht neben-
einanderstehende, verklebte Borsten hervorgerufen, deren distales,
324
Maria Andries,
freies Ende leicht nach dem Hinterende des Körpers hin umgebogen
ist (Textfig. 6). Über das proximale Ende lagern sich in mehreren
Reihen, dachziegelartig sich deckend, kürzere, spitzkegelförmige Bor-
sten, die allmählich in die viel kleineren Höcker des Rückenchitins
übergehen. Die oben erwähnten, vorstehenden Stellen werden gebildet
durch einige längere,
spitze Borsten in Ver-
bindung mit einem von
diesen bedeckten Sin-
nesorgan. Auf der Unter-
seite sind die verklebten
Randborsten ihrer gan-
zen Länge nach unbe-
deckt, so daß hier die
Strichelung noch deut-
licher ist. Nach der
Bauchseite hin schließen
Randborsten der jüngsten Larve mit Sinnesorgan N. sich Unregelmäßig ver-
teilte, warzenartige, im-
mer kleiner werdende Höckerchen an, die allmählich in winzige
Papillen der Bauchfläche übergehen, auf denen die feinen, seiden-
artigen Haare stehen.
Textfig. 6.
Larve nach der ersten Häutung.
Die Larve nach der ersten Häutung (Taf. III, Fig. 5), d. h. die
kleinste, die ich im Freien gefunden habe, ist 31/2 mm lang und 3 mm
breit. Ob es zwischen diesem und dem jüngsten noch ein Zwischen-
stadium gibt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, weil ich die
jüngste Larve leider nicht bis zur Häutung gebracht habe, wie aus
dem biologischen Teil dieser Arbeit hervorging. Ich halte es aber nicht
für wahrscheinlich, da die äußeren Veränderungen, hauptsächlich was
Größe der Larve und Struktur der Chitinhülle angeht, zwischen diesem
und dem dritten Stadium die Mitte halten. Auch diese Larve ist noch
ganz weiß, aber schon weniger durchsichtig als die jüngste. Sie hat
nicht mehr die längliche, sich nach vorn verjüngende Gestalt des ersten
Stadiums, sondern ist gleichmäßig vorn und hinten abgerundet. Die
vorderen Segmente und der häutige Kopfabschnitt sind wie bei der
ausgewachsenen Larve unter das Rückenschild zurückgezogen, so daß
beim Kriechen nur noch die Antennen mit ihren Fühlspitzen unter
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 325
dem breiter und weniger durchsichtig gewordenen Rückenschild her-
vorschauen. Der viereckige Ausschnitt am Vorderende ist enger, so
daß das Schlundgerüst nicht mehr durchscheint. Die Rückenfläche
ist auch hier nur schwachgewölbt, erscheint sogar vollständig eben,
wenn sich die Bauchfläche, wir es oft geschieht, in Vertiefungen der
Unterlage vorwölbt. Die ganze Gestalt ist breit und flach, nicht mehr
abgeplattet walzenförmig. Darm und MALPiGHische Gefäße sind noch
durch die Chitinhülle des Rückens als schwarze und gelbe Flecken
sichtbar, ebenso als zarte, grauweiße Linien die beiden Haupttracheen-
stämme. Bei schwacher Vergrößerung erkennt man auf der Rücken-
seite dieselbe Einteilung in ein mittleres und zwei seitliche Felder,
wie bei der jüngsten Larve; die Zeichnung der Felder hingegen ist
schon der des folgenden Stadiums ähnlich. »Sie sind ausgefüllt von
unregelmäßigen, kleinen Vielecken, die von zarten, hellbraunen Linien
begrenzt werden. Ihre Anordnung ist sehr regelmäßig. Sie findet
sich beim folgenden Stadium wieder und ist von Cerfontaine 1907
genau beschrieben worden. Es folgen immer auf eine Querreihe von
dreien zwei Querreihen von je vier Polygonalen. In den seitlichen
Feldern lassen sich sieben ziemlich
regelmäßige Längsreihen verfolgen. ,' -,„■
Die Zusammensetzung der Polygo-
nale ist noch nicht so kompliziert
wie bei der ausgewachsenen Larve.
Sic kommen durch kegelförmig ab-
geplattete Höcker von hellbrauner
Färbung zustande, die in an-
nähernd gleichen Abständen vonein-
ander stehen und von einem schma-
len, hellen Hof umgeben sind (Text-
fig. 7). Auf der abgeplatteten Fläche Textfig. 7.
der Höcker befindet sich in der Mitte Chitinstruktur auf der Rückenseite der ein-
_ . .. mal gehäuteten Larve. S, Sinnesorgan;
ein runder, heller hleck umgeben von " Hö kegeiförmige Höcker,
vielen kleineren, blassen Punkten,
wodurch die bei der Larve des folgenden Stadiums so komplizierten
Chitinbildungen schon angedeutet sind. Der Innenraum der so be-
grenzten Polygone ist ausgefüllt von unregelmäßig verstreuten, kleine-
ren Höckern, der Art, wie sie sich bei der aus dem Ei geschlüpften
Larve fanden. In den hellen Streifen, die Mittel- und Seitenfelder
voneinander abgrenzen, verlaufen Längsreihen von ovalen, schwachen
( 'hitinerhöhungen mit dazwischen liegenden kleinen Höckern. Durch
u
"
'
•
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-v.-'
-
■.
326
Maria Andries,
stärkere Ausbilduno' der daran grenzenden Polygonseiten treten die
schmalen Streifen deutlich hervor.
Der Tracheenhöcker ist schon sehr ähnlich dem der ausgewach-
senen Larve und bei schwacher Vergrößerung als abgeplatteter Kegel
von braunrötlicher Farbe zu erkennen. Rund um den Tracheen-
höcker läuft eine dunkelrote Rille und in deren Umkreis, auf den eben
beschriebenen Höckern, ein Kranz von kräftigen, ungegabelten Borsten.
Die Bauchseite zeigt keine wesentlichen Unterschiede von dem
vorhergehenden Stadium. An eingetrockneten oder konservierten
Textfig. 8.
Randborsten der einmal gehäuteten Larve und zwar am vorderen Ausschnitt.
Exemplaren zeigt sich die Segmentierung der Larve durch Querfurchen
auf der Kriechfläche mit ziemlicher Deutlichkeit.
Der Borstenrand (Textfig. 8) besteht in diesem Stadium nicht
mehr aus einfachen Haaren. Es wechselt regelmäßig ein einfaches
mit einem dichotom gegabelten ab. Die Gabelung erfolgt ziemlich
nahe am distalen Ende. Dabei decken sich immer der linke Ast der
einen und der rechte der andern Borste mit ihren Spitzen. Über diesen
liegt, beide deckend, die einfache ungegabelte Borste. So entsteht
bei schwacher Vergrößerung der Anschein kleiner, nach innen gewölbter
Bogen. Diesen Hauptborsten sind kürzere, einfache aufgelagert, und
zwar die nächsten mit ihrem distalen Ende bis an den Gabelungs-
punkt reichend, die folgenden etwas tiefer zwischen zwei solchen und
so weiter, immer kleiner werdend und schließlich in die kleinen Höcker
des Rückenchitins übersehend. Die freien Enden der größeren Borsten
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 327
verdicken sich zu einem krausen Köpfchen, die kleineren, mehr kegel-
förmigen, haben einen knopfartigen Aufsatz. An dem vorderen Aus-
schnitt sind diese Chitinborsten dichter und kräftiger (Textfig. 8).
Die Sinnesorgane des Borstensaumes und die der Rücken- und
Bauchseite treten weniger deutlich hervor als bei der jüngsten Larve.
Der Borstensaum erscheint von unten wieder gestrichelt. Nach innen
leiten rundliche Höcker mit abgesetzter, kurzer Spitze, allmählich zu
den kleineren über^ auf denen die Bauchhaare stehen.
Larve nach der zweiten Häutung.
Die Larve des folgenden Stadiums (Taf. III, Fig. 6) ist i1/2mm
lang und 4 mm breit, wenn sie bei der Häutung aus der ebenbeschrie-
benen Hülle ausschlüpft. Sie ist noch ganz weiß, fängt aber bald an,
sich gelblich zu färben und wird in einigen Tagen gelblich braun. Die
Oberseite ist etwas stärker gewölbt als bei dem vorigen Stadium, der
neue Tracheenhöcker zunächst lebhaft rot, wird allmählich braunrot
und hat nun seine endgültige Gestalt und Färbung (Taf. 111. Fig. 12).
Durch das Rückenchitin ist der Darm noch immer sichtbar, die
Tracheenstämme nicht mehr. Die Einteilung der Rückenseite in
die verschiedenen Felder und die Anordnung der Polygone in diesen
Feldern ist dieselbe wie bei der jüngeren Larve. Die schmalen
Streifen zwischen Mittel- und Seitenfeldern werden durch vier Quer-
leistchen in fünf Rechtecke eingeteilt. Sie verlaufen seitlich vom
Tracheenhöcker aus in leichter Kurve nach vorn auf den mittleren
Einschnitt zu. Aber ohne diesen zu erreichen, bilden sie vorher eine
kleine Erweiterung an der Stelle, wo später die Stigmenhörnchen der
Puppe durchbrechen. In den Seitenfeldern ist eine der Längsreihen
aus regelmäßigen Vierecken zusammengesetzt, so daß sie besonders
hervortritt. Sie verliert sich vorn und hinten in der übrigen Struktur.
Die Grenzen der Polygone sind schon makroskopisch deutlich sichtbar
als hohe, feste Leisten von gelblich brauner Färbung, die wie ein zier-
liches Gitterwerk auf dem weißen, glatten Untergrund liegen. Sie
reichen rundum nicht ganz bis an den Borstensaum heran. Von dem
Einschnitt am Vorderrande ist nur noch ein Spalt übrig geblieben.
Zwischen Borstensaum und Rückenwölbung verläuft im Umkreis eine
dunklere erhabene Linie, der Borstensaum erscheint mit bloßem Auge
zart und spitzenartig. Die dunkle Linie erweist sich bei schwacher
Vergrößerung als eine bürstenartige Leiste, die aus hellbraunen Borsten
zusammengesetzt ist. Das bürstenartige dieser Leiste kommt dadurch
zustande, daß die kürzeren Reihen der Randborsten, die bei den
328 .Maria Andries,
früheren Stadien den Hauptborsten flach aufliegen, sich hier aufge-
richtet haben, wie Cerfontaine (1907) in einem Schnittbild (Taf. XII,
Fig. 9) durch die Randpartie darstellt. Die Gabeluno; der Randborsten
erfolgt näher am proximalen Ende, so daß der Saum tiefer eingebuchtet
erscheint. Die Randsinnesorgane treten jetzt wieder ziemlich deutlich
hfi vor. Von den Sinnesorganen der Rückenseite ist nichts mehr zu
sehen; sie verschwinden ganz in der hohen, gitterartigen Chitinstruktur.
Bei schwacher Vergrößerung erkennt man. daß dieses Gitterwerk
aus einem feinen Geflecht von verklebten Haaren besteht. Mit dem
weiteren Wachstum der Larve und der Ausdehnung des Chitins wird
das dichte Flechtwerk der Leisten lockerer und die Einzelheiten seiner
Zusammensetzung lassen sich erkennen. Von einem frischen, noch
weichen Exemplar in 70%igem Alkohol kann man mit Hilfe von Nadeln
ein zusammenhängendes Stückchen der Leiste loslösen. Nimmt man
zur Ergänzung noch Schnitte, senkrecht zur Rückenfläche hinzu, so
wird die komplizierte Zusammensetzung derselben klar. Hecht und
Cerfontaine haben schon gute und ausführliche Beschreibungen und
Abbildungen hiervon gegeben. Aber der Vollständigkeit halber, und
um die fortschreitende Entwicklung durch die verschiedenen Stadien
hindurch zu zeigen, glaube ich noch einmal kurz darauf eingehen zu
dürfen. Die kleinen Polygone werden wie beim vorigen Stadium
durch kegelförmige, abgeplattete Höcker gebildet, die dicht aneinander
schließen. Auf der Mitte der Höcker erhebt sich ein kurzer, kräftiger
Schaft, aus dem ein ziemlich langes, zweispaltiges Haar hervorsteht.
Diese Haare sind weich und geschmeidig. Sie gehen über dem Schaft
leicht umgebogen nach verschiedenen Seiten auseinander und ver-
flechten ihre gewundenen Enden meist mit benachbarten Haaren.
Bei stärkerer Vergrößerung erscheint ihre Oberfläche rauh und die
Spitze vielfach gesplissen. Um den Schaft herum erheben sich auf
dem Plateau des Höckers ungefähr 20 kleine, pilzförmige Gebilde mit
kurzem Stiel, flachem, breitem Hut und leicht aufgeklappter oder
unregelmäßig gebogener Krempe (Taf. IV, Fig. 24). Der Innenraum
der so gebildeten Polygone ist gelblich weiß. Er wird ausgefüllt von
winzigen, schwachgewölbten Vielecken, welche die eigentliche Grund-
fläche des Rückens bilden. Auf Schnitten, die senkrecht zur Rücken-
fläche geführt werden, verläuft deshalb die äußere Begrenzung der
Cuticula in kleinen Bögen. Da diese hellen Flächen von den ver-
flochtenen Haaren fast bedeckt werden, sieht die ganze Rückenseife
auf den ersten Blick einheitlich braun ans und läßt von inneren Organen
nichts mehr durchscheinen.
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 329
Mau traut sich, wozu eine so komplizierte Chitinbildung dienen
kann. Hecht sieht ihre Hauptaufgabe darin, einerseits Fremdkörper
von dem Körper der Larve fernzuhalten, anderseits sie dadurch ihrer
Umgebung möglichst ähnlich zu machen, daß Sand und kleine Teil-
chen von Mulm in dem dichten Gewirre der Höcker und Haare fest-
gehalten werden. Die Larven sind damit allerdings immer dicht be-
deckt und meist nur schwer von ihrer Umgebung zu unterscheiden.
Aber daraus kann ihnen wohl kaum ein Nutzen entstehen; denn da
sie im Dunkeln leben, können sie von ihren Feinden, wenn sie über-
haupt solche haben, jedenfalls nicht durch das Gesicht wahrgenommen
werden. Im übrigen stimme ich aber Hecht zu, wenn er sagt: «Mais
pour atteindre ce but la complication de certaines de leurs formes
n'etait par absolument necessaire. II est donc probable que dans ce
cas comme dans bien d'autres similaires (colorations compliquees,
formes etranges) il faut renoncer a chercher ä toute force une raison
finale et se resigner ä ne voir ä la complication inusitee de ces poils
que le resultat d'une sorte d'exuberance formative, d'un elan de vitesse
acquise depassant les limites des formes strictement necessaires ä l'ani-
mal, saus du reste lui nuire. »
Der Tracheenhöcker der ausgewachsenen Larve von Microdon
Eggen'. Mik macht bei schwacher Vergrößerung den Eindruck, wie
ihn Taf. III, Fig. 12, wiedergibt. Genauer be-
trachtet, ist der Umfang des kleinen Kegels aus
ovalen , hellbraunen Plättchen zusammengesetzt,
die dunkelbraun umrandet sind und in der Mitte Textfie 9
einen dunkeln Längsstrich zeigen. Auf Schnitten pmttchen des Kegels.
stellt sich dieser Längsstrich als schmaler Spalt
heraus, in dessen Lumen eine feine, dichte Behaarung nach der Mitte
zu hineinragt, wie in manchen Stigmen. An der Basis des Höckers
läuft rund herum eine tiefe, dunkelbraune Rille, die aber ganz von
dem umgebenden Haarkranz verdeckt wird. Das Chitin des Kegels
reicht als glatter Ring noch ein Stück in den Larvenkörper hinein.
Nach oben bildet der Höcker zwei seitliche, erhöhte Platten von
braunroter Farbe. Auf diesen befinden sich zahlreiche helle Punkte,
Öffnungen der kleineren Tracheenäste. In einer Furche zwischen den
Platten Hegt rechts und links eine größere, leicht sichtbare Öffnung,
durch welche die Hauptstämme mit der Außenwelt in Verbindung
stehen. Der Tracheenhöcker des vorhergehenden Stadiums ist nach
oben stärker verjüngt, die eben beschriebenen Plättchen sind eher
warzenförmig, der dunlke Strich in der Mitte derselben ist heller braun
330 Maria Andries.
und ziemlich rund, die Umrahmuno; schmäler. Die oberen Platten
sind lebhafter rot und warzig.
Erwachsene Larve.
Allmählich wird die Rückenseite höher gewölbt, das ganze Tierchen
erreicht eine durchschnittliche Länge von 9 — 10 mm und 7 mm Breite
und hat dann in der Form viel Ähnlichkeit mit einer Kaffeebohne.
Die Bauchseite weist keine wesentlichen Unterschiede mit den vorher-
gehenden Stadien auf. Sie ist fleischfarbig, feuchtglänzend. Beim
Austrocknen sieht man deutlich die langen, seidenartigen Haare. Von
der mittleren Längsfurche gehen feine Querrunzeln aus, und durch
Furchen, die sich quer über die Kriechfläche ziehen, ist die Segmen-
tierung angedeutet. Taf. IV, Fig. 19, stellt die vordere Partie der aus-
gewachsenen Larve, von der Bauchseite gesehen dar, und zwar den
häutigen Kopf abschnitt mit den zweispitzigen Antennen und der
Mundöffnimg. Die Abgrenzung der vorderen Thoracalsegmente ist
in diesem Stadium äußerlich nicht zu erkennen.
Manche noch genauere Einzelheiten über die äußere Morphologie
der ausgewachsenen Larve sind in der Arbeit von Cerfontaine
zu finden.
Puppenstadium.
Da die Larven von Microdon sich in der letzten Larvenhaut ver-
puppen, ist von der äußeren Puppenhülle wenig neues zu berichten,
außer, daß sie in der Gestalt höher gewölbt und schmäler, in der Fär-
bung dunkler wird. Das Chitin wird hart und spröde, öffnet man die
Hülle einige Tage nach der Verpuppimg, so findet man die Entwicklung
schon weit vorgeschritten. Taf. IV, Fig. 30, veranschaulicht dieses
Stadium von der Bauchseite, Fig. 31 von der Rückenseite gesehen.
Die einzelnen Teile des Körpers sind von einer zarten, durchsichtigen
Haut umhüllt, die drei Beinpaare liegen dicht beieinander gegen den
Kopf gepreßt und lassen schon die spätere Gliederung erkennen. Vom
Rücken her schlagen sich die Flügel als breite Lappen nach der Bauch-
seite um. Die Stigmenanlage und die Segmentierung des Abdomens
sind deutlich zu sehen. Die Querfurchen zwischen den Segmenten
ziehen sich auch hier nur über die bei der Larve als Kriechfläche be-
zeichnete Partie. Zwischen den Beinpaaren kommen als drei rund-
liche Erhöhungen jederseits die Thoracalsegmente hervor. Der Kopf
ist gegen die Bauchseite gepreßt. In seiner Verlängerung sieht man
die Anlage des Rüssels, nämlich in der Mitte die Oberlippe und seit-
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 331
lieh als längliche, bläschenförmige Gebilde, die Maxillen. Auf dem
Scheitel des Kopfes stehen als zwei kurze Zapfen die Antennen, die
schon die spätere Dreigliedrigkeit erkennen lassen. Zwischen den
Antennen zieht sich eine schwache Furche längs über die Gesichtsfläche,
und seitlich davon liegen als knöpf artige Anlage die Facettenaugen.
Auf der Rückenseite (Taf. IV, Fig. 31) herrscht noch dieselbe
Einteilung in ein mittleres und zwei seitliche Felder, wie bei der Larve
der letzten Häutung. Selbst die Begrenzung des mittleren Feldes
durch die Bogenlinie, wie sie schon bei der aus dem Ei schlüpfenden
Larve ausgeprägt war, ist noch vorhanden, ebenso am Hinterende
die weiten Tracheenöffnungen der Larve. Anderseits sind Thorax
und Schildchen schon gegen das Abdomen abgesetzt. Der Hinterleib
läßt noch keine Gliederung erkennen. Die Stigmenhörnchen der Puppe
sitzen auf zarten, durchsichtigen Kugeln, die von der Puppenhülle
gebildet werden und einfache Tracheenstämme durchtreten lassen.
Elditt hatte bei seinen Beobachtungen irrtümlich behauptet, die
Puppenhörnchen gingen aus dem hinteren Kopfabschnitt hervor, bis
Bertkau ihre Lage am vorderen Prothorax feststellte. Die hellen,
runden Flecke auf der Rückenseite der Puppe sind Überreste des
larvalen Fettkörpers.
Innere Morphologie.
Methoden.
Um eine Übersicht über die inneren, morphologischen Verhält-
nisse der Larve zu bekommen, wurden hauptsächlich die ausgewachsenen
Larven benutzt, einerseits, weil sie reichlicher zur Verfügung standen
als die jüngeren, anderseits, weil die jüngsten Stadien ihrer Kleinheit
wegen ungeeignet waren. Zwei Methoden kamen dabei zur Verwen-
dung, nämlich das Präparieren unter dem ZEissschen Binocularmikro-
skop und die Schnittmethode. Die beiden Methoden haben sich erfreu-
lich ergänzt; denn mancher Irrtum, der sich bei der Anwendung nur
einer Untersuchungsmethode eingestellt hatte, wurde durch die andere
wieder beseitigt. Das Schneiden der ausgewachsenen Larven war mit
einigen Schwierigkeiten verbunden, und es hat lange gedauert, bis
gute lückenlose Serien gelangen. Die verschiedensten Fixation sflüssig-
keiten wurden angewandt, aber alles scheiterte an der dicken Chitin-
hülle des Objekts. Folgende Methode hat sich schließlich als erfolg-
reich erwiesen: Die Larven wurden in eine Fixationsflüssigkeit von
gleichen Teilen absoluten Alkohols, konzentrierten Kochsalzsublimats
und konzentrierter Pikrinsäure in Glasröhrchen gebracht und diese in
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 22
332 Maria Andries,
kochend heißes Wasser gesetzt. Die Larven streckten sich darin schön
glatt und waren bald prall gewölbt. Die Segmentierung tritt dann
auf der Bauchseite deutlich hervor. Nach 5 — 6 Stunden waren sie
gut fixiert, wurden mit dem Rasiermesser quer durchschnitten, dann
in 70%igen, 95%igen, absoluten Alkohol, Äther und Celloidin über-
geführt. Von nicht durchschnittenen oder wenigstens angeschnittenen
Larven ist es mir nicht gelungen, brauchbare Serien zu erhalten. Das
Celloidin drang nicht genügend ein. Die Schnitte blieben inwendig
weich. Die Hälften wurden mit dem JuNGschen Schlittenmicro tom
geschnitten in Serien von 20 — 40/f, einzelne Schnitte zu feineren Unter-
suchungen von 5 u; die Färbung der Celloidinschnitte geschah meist
mit Delafields Hämatoxylin und Eosin. Nach der Färbung wurden
sie entwässert und zur Erhaltung des Celloidins aus 95%igem Alkohol
in Karbol-Xylol und schließlich in Kanadabalsam übergeführt.
Segmentzahl.
Die Frage nach der Segmentzahl der cycloraphen Dipterenlarven
bietet manche Schwierigkeiten und ist von den verschiedenen Autoren,
die sich damit beschäftigt haben, verschieden beantwortet worden.
Newport (1839), dessen Arbeit mir nicht vorgelegen hat, zählt nach
Angabe Hewitts bei Musca vomitoria 14 Segmente, eventuell sogar 15,
da zwei der vorderen verschmolzen sein sollen. Weismann (1863) nimmt
zwölf Segmente an mit dem Kopfsegment, van Rees acht Abdominal-
segmente, Beauer (1883) ebenfalls zwölf für alle Cycloraphen, nämlich
hinter dem fühlertragenden Ring nur elf wahre Segmente, drei Thoracal-
und acht Abdominalringe, bei denen aber der letzte bei vielen sicher
aus zwei Segmenten gebildet sei. Lowne (1900) zählt sogar 15 postorale
Segmente. Hewitt (1908) richtete sich bei der Bestimmung der Seg-
mentzahl von Musca domestica nach der Anordnung der Körpermusku-
latur und kam zu der Annahme von 13 Körpersegmenten, einschließ-
lich des problematischen Kopf Segmentes, eine Zahl, die Schiner (1862)
als die gewöhnliche bei Dipterenlarven angibt. Dabei neigt aber Hewitt
zu der Ansicht, daß das erste postorale Segment ein Rudiment der
in den Körper eingezogenen Kopfregion sei, also das folgende, zweite,
erst das Prothoracalsegment vorstelle. Nach dieser Auffassung käme
man dann doch wieder auf Brauers elf wahre Körpersegmente heraus.
Bei der vorliegenden Larve ist die Frage dadurch noch besonders er-
schwert, daß die Segmentgrenzen beim lebenden Tier kaum wahrzu-
nehmen und die Thoraxsegmente sehr unscheinbar und zum Teil ein-
gezogen sind, so daß man sie bei der erwachsenen Larve kaum sieht.
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 333
An der kleinen, jüngsten Larve dagegen treten die Thoracalsegmente
bei einer besonderen Behandlung ziemlich deutlich hervor, die Seg-
mente des Abdomens sehr schwach. Wenn man die jungen Larven
in 70%igen Alkohol bringt, so bläht sich meist die Bauchseite dick
auf, werden sie dann in Kalilauge gekocht, so streckt sich der vordere
Teil glatt aus; die ganze Chitinhülle ist prall gewölbt. Mit Kongorot
gefärbt, bekommt man unter dem Binocular die günstigste Ansicht der
vorderen Partie der Larve. Poujade ist der erste, der die Segment-
zahl erwähnt. In der Beschreibung der lebenden Larve heißt es:
«Annulis non conspicuis», von der in Alkohol konservierten, daß acht
Segmente vorhanden zu sein scheinen. Cerfontaine geht etwas
ausführlicher darauf ein: «Sur un individu durci . . . j'ai pu nettement
distinguer dans l'etendue de la surface de reptation des sillons indi-
quant une segmentation metamerique. Les Segments paraissent etre
au nombre de dix, l'anterieur correspond ä la partie cephalique, les
3 suivants sont les anneaux thoraciques, et les six derniers seront
les segments abdominaux. La bouche se trouve sur le segment
cephalique.» Am lebenden Tier sieht man manchmal auch auf der
Rückenseite eine schwache Segmentierung. Wenn man nämlich die
ausgewachsene Larve reizt , z.B. durch öfteres Berühren auf der
Rückenseite, so zeigen sich hier meist segmentale Einschnürungen, aber
nur in den mittleren Segmenten deutlich. Bei der oben besprochenen
Behandlung der jungen Larve sieht man hinter dem häutigen, antennen-
tragenden Teil des Kopfes noch zwei deutlich abgegrenzte, walzenförmige
Segmente frei ausgestreckt, auf die nach hinten neun mit dem Rücken-
schild in Verbindung stehende folgen, so daß bei der Larve von Micro-
don ebenfalls elf wahre Körpersegmente vorhanden sind. In dieser
Auffassung der Segmente werde ich bestärkt durch die Lage der später
zu besprechenden thoracalen Imaginalscheiben.
Der nach Brauer bei allen acephalen Dipterenlarven häutig-
bleibende, antennentragende Ring, auf dessen Unterseite sich die
Mundöffnung befindet, ist nicht als eigentlicher Kopf aufzufassen.
Henneguy (1904) gibt ihm den treffenden Namen: Pseudocephalon.
Der eigentliche Kopf ist durch Hypodermiseinfaltung vollständig in
die Thoracalsegmente eingezogen und mit dem Pharynx zu einem
kompakten, einheitlichen Gebilde, dem Cephalopharyngealskelet1 oder
1 Das Wort Cephalopharyngealskelet scheint mir für dieses Gebilde nicht
sehr geeignet, da der Schlundkopf aus einem »Komplex von Chitin, Muskeln
und Geweben« besteht. Becker (1910). Richtiger würde es wohl, um Miß-
verständnisse zu vermeiden, gleichbedeutend mit Schlundkopfgerüst angewandt.
22*
334 Maria Andries,
Schlundkopf verschmolzen. In diese Verschmelzung ist sogar ein Teil
des ersten Thoracalsegmentes hineingezogen, der sich mit dem Zurück-
weichen des hinteren Kopfabschnittes notwendigerweise einstülpen
mußte. Am0 Schnitten durch die vordere Partie der Larve läßt sich
die Fortsetzung des Schlundkopfepithels in die Hypodermis des Pseudo-
cephalon einerseits und der Tlioraxhypodermis anderseits genau ver-
folgen. Die Cuticularauskleidung dieser Hypodermiseinfaltung, also
das eigentliche Kopfskelet, bildet mit dem Chitin des Pharynx das
einheitliche Schlundgerüst, eigentlich richtiger Schlundkopfgerüst, den
Hakenapparat Weismanns. Weismann hat bei der Embrvonalent-
wicklung der Museiden die Einstülpung des Vorderkopf- und Man-
dibularsegmentes direkt beobachtet; Becker dagegen kommt in seiner
Arbeit: »Über die Reduktion des Kopfes der Dipterenlarven« (1910)
durch vergleichende Studien an eucephalen und acephalen Dipteren-
larven zu der Überzeugung, daß der Kopf der Muscidenlarven ein-
gezogen, nicht eingestülpt ist. Er stimmt in dieser Deutung des
Muscidenkopfes mit Holmgren (1904) überein, der seinen Unter-
suchungen eine andre Formenserie zugrunde legte. Zu seinem Ver-
gleichsmaterial gehört auch die Larve einer südamerikanischen Micro-
don- Art. Er kommt zu dem Resultat, daß »die Kopf falte dieser Larve,
die oben in der Mundhöhle beginnt, von Kopf- und Thoracalsegment
gebildet wird. Die Teile dieser Falte wachsen miteinander zusammen
und bewirken hierdurch das Festhalten des Kopfes in eingezogenem
Zustande. Morphologisch besteht somit bei diesen Arten die biologisch
als Kopf fungierende Partie teils aus dem Kopf, teils aus einer Thora-
calpartie «.
Schlundgerüst.
Das Schlundkopfgerüst hat bei einer Larve von Microdon nach
der zweiten Häutung eine Länge von lx/^m.va (Taf. V, Fig. 32). Es
lassen sich drei gesonderte Abschnitte daran unterscheiden (Textfig. 10).
Der erste hintere Abschnitt besteht aus zwei Platten, einer breiten,
ventralen, schauf eiförmig gebogenen und einer dorsalen, die sich, in
spitzem Winkel von der ventralen ausgehend, nach hinten erstreckt.
Die Dorsalplatte ist an ihrem distalen Ende in der Mitte tief gespalten
und steht gleich zwei Flügeln von der ventralen ab. Diese letztere
zeigt an ihrem seitlich umgebogenen Teile polygone Felderung, der
mittlere Teil ganz feine Längsstreif ung: er stellt die Ventralwand des
Pharynx dar. Gemäß ihrer Entstehung durch Einfaltung der Hypo-
dermis weisen diese Platten eine innere und eine äußere Epithellage
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 335
auf. An dem inneren Epithel der dorsalen Platte setzen seitlich kräftige
Dilatatormuskeln an (Textfig. 11), die an der oberen Pharynxwand
Textfig. 10.
Schlundkopfgerüst von der Seite gesehen. Dp, Dorsalplatte; Vp, Ventralplatte; H, Halsteil; Mh,
Mundhaken; L, Labinm.
inserieren. Durch Kontraktion erweitern sie das Lumen des Pharynx
beträchtlich und rufen auf diese Weise eine kräftige Saugwirkung
hervor. Nach vorn stehen Dorsal- und
Ventralplatte unten und seitlich mitein-
ander in Verbindung und bilden den mittle-
ren Abschnitt des Schlundkopfgerüstes,
den röhrenförmigen Halsteil. Den dorsalen
Verschluß des Halsteiles bildet die obere
Pharynxwand. Der Hals ist seitlich stark
verdickt und endet jederseits in einem
kräftigen, nach oben gerichteten Haken,
die als Stützpunkte der Mundhaken dienen.
Das dünnere, ventrale Chitin des Halsteiles
setzt sich allmählich in die normale Chitin-
auskleidung der Mundhöhle fort. Von den
Seiten der Pharynxwand erstrecken sich
zwei dünne Chitinspangen nach vorn, ver-
einigen sich an ihren Enden und ragen als
Spitze dorsal in die Mundhöhle hinein
(Taf. V, Fig. 33). Auf den Halsteil folgen
nach vorn als letzter Abschnitt die Mund-
anhänge. Mit den hakenartigen Seiten-
teilen des Halses gelenkig verbunden sind
die beiden kräftigen Mundhaken, «la piece medio- dorsale anterieure
^
*~Di
Textfig. 11.
Querschnitt durch den hinteren Teil
des Sehlundkopfes. Dil, Dilatator-
muskulatur; Dp, Dursalplatte ; E, Epi-
thel; Ph, Pharynx; oPhiv, obere Pha-
rynxwand; De, gemeinsamer Drüsen-
ausfiihrgang.
336
Maria Andries,
Cerfontaine's». Es sind rundlich gebogene, vertikal gestellte Platten
(Textfig. 12). die mit ihren distalen Enden zusammenneigen und an
ihrem ventralen Rande scharf gezähnt sind. Die Einschnitte der
Zähne setzen sich auf dem Rücken als Streifung fort. Holmgren
erklärt diese Mundhaken für homolog mit den gegenständigen Man-
dibeln der orthoraphen Dipterenlarven. Weis-
mann dagegen hat bei der embryonalen Ent-
wicklung der Musca-Lavve außer diesen noch
andere Gebilde beobachtet, die er als Ober-
kiefer anspricht, und hält die ersteren für
Neubildungen. Dicht unter dem vorderen
Ende des Halsteiles liegen zwei weitere Mund-
anhänge, zunächst zwei schlanke, zarte Platten in horizontaler Lage
(Textfig. 13 Mx) mit glatten Rändern und abgerundetem distalen Ende.
Holmgren vermutet in dieser paarigen Anlage die Maxillen. Ihnen
aufgelagert liegt das komplizierteste Stück der Mundanhänge (Text-
fig. 13 L); es ist schon von Holmgren und Cerfontaine erwähnt, aber
Textfig. 12.
Mundhaken.
Textfig. 13.
Mx, Maxillen; L. Labium; daran: mP, mittleres. s.P, seitliches, u.P, unteres Plättchen; U, Über-
gang der Ober- in die Unterseite; bV, bogenförmige Verdickung des unteren Plättchens; Z, nach
lünten gerichtete Zähne der oberen Plättchen.
nicht beschrieben worden, und die Abbildungen lassen die komplizierte
Zusammensetzung nicht erkennen. Das Ganze bildet eine Art Tüte,
deren Öffnung nach hinten und deren Spitze nach vorn gerichtet ist.
Ms liat ungefähr die Gestalt eines Dreiecks und ist etwa 0,1 mm lang.
Die Oberseite der Tüte besteht aus einem mittleren und zwei seitlichen
Plättchen, die nur oben zusammenhänaen. Vorn ist der Rand der
%fF
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 337
Plättchen ausgekuppt, hinten mit kräftigen, langen Zähnen versehen.
Die äußeren Ränder der seitlichen Plättehen biegen ventralwärts um
und setzen sieh fort in eine darunter liegende Platte, die nach der
Spitze der Tüte zu mit der oberen verschmolzen ist, im übrigen mit
ihr einen Hohlraum umschließt. Den Zähnen gegenüber, etwas weiter
nach hinten reichend, schließt sie mit einer bogenförmigen Verdickung
ab. Nach der Spitze hin ist die Tüte ventralwärts gebogen, nach hinten
zu mit den Seitenrändern leicht aufgebogen. Die Muskeln, die an diesem
Gebilde ansetzen, bewirken, daß die Spitze noch mehr nach unten
gezogen wird. Holmgren bezeichnet es nur als unpaare, dreieckige
Platte und hält es für das Labium. Bei der aus dem Ei geschlüpften
Larve ist die seitliche Chitinverdickung des Hals-
teiles schlanker, (Taf. V, Fig. 33), das Labium (?), / \
soviel ich bei der Kleinheit des Objektes erkennen
konnte, einfacher gebaut; es besteht aus einer
dreieckigen, seitlich umgebogenen Platte (Textfig. 14)
mit verhältnismäßig noch kräftigeren nach hinten
• Textfie 14
gerichteten Zähnen. Wahrscheinlich bildet es aber
, . . ct ■ • c i t-»i t-v- Labium der eben ausge-
auch in diesem Stadium keine einfache Platte. Die schlüpften Larve,
übrigen Mundteile sind wie die der ausgewachsenen
Larve. Die verdickten Partien des Schlundkopfgerüstes und seiner
Anhänge sind braunschwarz, das übrige gelblichbraun. Es wäre zweck-
los, über die Homologie dieser verschiedenen Mundteile, besonders
über die Bedeutung der Mundhaken, Vermutungen auszusprechen,
ohne sie durch vergleichende entwicklungsgeschichtliche Studien stützen
zu können.
Darmsystem.
(Taf. V, Fig. 34.)
Die Mundöffnung liegt ganz vorn auf der Mittellinie der Bauch-
seite und bildet einen X-förmigen Spalt. Sie führt in die geräumige
Mundhöhle. Vorn, dorsal in der Mundhöhle, liegen die beiden Mund-
haken, die beim öffnen des Mundes sichtbar werden, aber nicht daraus
hervortreten. Ventral von diesen, etwas weiter nach hinten schließt
sich das Labium (?) an. Dicht hinter dem Labium mündet der ge-
meinsame, enge Ausführungsgang von vier Paar Drüsen in die Mund-
höhle. Dieser gemeiname Ausführungsgang (Textfig. 15 De) gabelt sich,
dicht unter dem Schlundkopf verlaufend, bald in zwei Aste, die sich
zu einer kleinen Ampulle erweitern. Von den beiden Ampullen gehen
jederseits vier Drüsenschläuche aus, und zwar drei mehr seitlich und
338
Maria Andries,
einer dicht neben dem entsprechenden der anderen Seite liegend, gerade
aus nach hinten. Diese vier Drüsenpaare haben merklich verschiedene
äußere und histologische Beschaffenheit und daher jedenfalls auch
verschiedene Funktion. Die beiden mittleren sind am längsten und
weitesten. Sie verlaufen mit ziemlich gleichbleibendem Lumen dicht
über der Bauchseite ungefähr bis zum letzten Drittel der Körperlänge
und sind mit ihren Enden umeinander gewunden. Sie bestehen aus
einer einfachen Lage sehr großer, flacher, polygonaler Zellen mit auf-
fallend großen, runden Kernen und färben sich mit Hämatoxylin sehr
dunkel. Das erste seitliche Drüsenpaar ist dem mittleren histologisch
Textfig. 15.
Vier Drüsenpaare gsl, ijs'2, gs'Z, gsi, De, gemeinsamer Ausführgang.
sehr ähnlich, nur sind die Zellen und Kerne etwas kleiner. Die beiden
übrigen Drüsenpaare sind viel zarter und durchsichtiger und färben
sich schwach. Die Kerne sind kreisrund, kleiner und lockerer als bei
den anderen Drüsen. Das zweite dieser beiden Paare ist das kürzeste
und engste von allen. Die Chitinauskleidimg des gemeinsamen Aus-
führ imgsganges zeigt, wie die Intima der Tracheen, Spiralverdickimg.
Über die Funktion dieser verschiedenen Drüsenpaare kann ich nichts
t m sst immtes sagen. Die beiden längsten, nach hinten verlaufenden, schei-
nen nach ihrer histologischen Ähnlichkeit mit denen anderer Dipteren
die eigentlichen Speicheldrüsen zu sein, die die Umsetzung der Nahrung
befördern. Die beiden durchsichtigen Paare liefern wahrscheinlich
das flüssige Secret, das von Zeit zu Zeit stoßweise aus der Mundöffnung
austritt und bei der Fortbewegung hilft: das vierte Paar tritt vielleicht
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 339
bei der Verpuppung oder auch schon bei den Häutungen in Funktion,
da sich die Larve in diesen Stadien mittels eines schleimigen Secretes
auf der Unterlage festklebt. Die Mundöffnung führt in den mit dem
reduzierten Kopfskelet verschmolzenen Pharynx. Die Innenwandung
des Pharynx ist stark chitinisiert ; aber vergebens habe ich auf Schnitten
durch diese Partie nach den sogenannten T-Eippen auf der ventralen
Pharynxwand gesucht, von denen Becker (1910) schreibt: »Diese
T-Rippen sind bei allen bis jetzt untersuchten, freilebenden cycloraphen
Dipterenlarven vorhanden. Sie fehlen dagegen bei den parasitisch
lebenden Larven.« Er hat sie für Anihomyia und Musca festgestellt
und abgebildet. Es handelt sich um neun T-förmige Chitinleisten,
die sich auf der unteren Pharynxwand erheben und in deren Längs-
richtung verlaufen. Auf diese Weise bilden sie zunächst oben offene
Kanäle, nach hinten aber verschmelzen ihre oberen Querbalken mit
einander und mit der seitlichen Pharynxwand, die Vertikalbalken
schwinden. Sie ragen somit als Platten frei in das Lumen des Pharynx
hinein und teilen diesen in zwei übereinanderliegende Hohlräume.
De Meyere (1001) beschreibt sie von der Lonchoptera-Lawe, Hewitt
von Musca domestica, Holmgren von einer schon vorher erwähnten
südamerikanischen Microdon- Axt. Bei der von mir untersuchten
Larve von Microdon Eggeri fand ich die untere Pharynxwand auf
allen Schnitten, sowohl älterer als jüngerer Stadien, völlig glatt.
Nach den deutlichen und übereinstimmenden Abbildungen, die Holm-
gren, Hewitt und Becker davon geben, scheinen diese Gebilde doch
leicht dort zu erkennen zu sein, wo sie wirklich vorhanden sind.
Am hinteren Ende ist der Pharynx etwas aufwärts gebogen und
mündet am Ende des Schlundkopfes in den engen Oesophagus. Dieser
verläuft in gerader Linie zwischen den Hirnanhängen und nach seinem
Durchtritt durch den Schlundring über dem Bauchmark hin, bis er
kurz hinter dem Ende des Bauchmarkes in den birnförmigen Proven-
triculus eintritt. Der Proventriculus ist nach den Beobachtungen
von Weismann, Kowalewsky und van Rees über die Musciden-
entwicklung aus einer Einstülpung des Oesophagus hervorgegangen
und besteht demnach histologisch aus einer dreifachen Zellenlage.
Der eingestülpte Teil des Oesophagus hängt ein wenig in den Mittel-
darm hinein. (Taf. V, Fig. 34). Die innere Schicht wird, wie der ganze
Oesophagus, aus einer einfachen Lage mittelgroßer Zellen mit falten-
reicher Chitinauskleidung gebildet, die mittlere Schicht aus großen,
klaren Zellen, die in einfacher Lage, in der Richtung ihrer Längsachse
radial um die innere Schicht angeordnet sind. Sie sind von der Fläche
340 Maria Andries,
gesehen länglich polygonal und haben ziemlich große, kreisrunde
Kerne. Beim Übergang der mittleren in die äußere Schicht (Taf. IV,
Fig. 21) befindet sich ein Ring von sehr kleinen, stark gefärbten poly-
gonalen Zellen, die nach Kowalewskys Ansicht bei Musca vomitoria
die Imaginalanlage des Anfangsdarmes, nach Lowne die des Proven-
triculus darstellt. Zu letzterer Ansicht neigt auch Hewitt für Musca
domestica. Die äußere Schicht besteht aus einer einfachen Lage un-
deutlich abgesetzter Zellen, mit großen, ovalen Kernen, die sich sehr
dunkel färben. Sie gehen allmählich in die kleineren Zellen des Mittel-
darmes über. Auf der Grenze von Proventriculus und Mitteldarm
münden nach hinten vier rundliche Blindsäcke. Das Lumen dieser
Blindsäcke ist sehr eng. Ihre Wandung besteht im Querschnitt aus
zwei oder drei in das Lumen vorspringenden, ziemlich großen Zellen.
Der Mitteldarm verläuft in mehreren Windungen auf der Rücken-
seite. In den Anfangsteil des Enddarmes münden, wie bei allen
Dipterenlarven, vier MALPiGHische Gefäße, die im Leben intensiv
gelb gefärbt sind und in einen dichten Knäuel verwickelt auf der Rücken-
seite der Larve im Fettkörper liegen. Sie münden getrennt, nicht,
wie Weismann für Musca vomitoria angibt, und Hewitt für Musca
domestica, je zwei mit gemeinsamem Ausführgang. Der Mitteldarm
geht ohne Veränderung der histologischen Beschaffenheit in den End-
darm über. Dieser verläuft gerade aus nach hinten und mündet mit
vertical verlaufendem erweitertem Rectum auf der Bauchseite im letzten
Segment. Die quergestreifte Ringmuskulatur des Enddarmes ist deut-
lich zu erkennen. Dicht neben dem spaltförmigen After münden mit
langem, fadendünnem Ausführgang rechts und links je eine mächtig
entwickelte, aufgerollte Analdrüse nach außen.
Tracheensystem.
(Taf. IV. Fig. 20.)
Das Tracheensystem läßt sich am besten an der eben aus dem Ei
geschlüpften Larve studieren. Betrachtet man diese lebend unter
Deckglas in einem Wassertropfen, so sind die Tracheen schon bei mäßiger
Vergrößerung bis in ihre feinsten Verästelungen deutlich sichtbar.
Von dem Tracheenhöcker aus gehen zwei Hauptstämme geradlinig
bis in die Thoracalregion. In ihrem Verlauf durch den Körper ver-
jüngen sie sich allmählich; nach rechts und links geben sie Neben-
zweige ab und zwar in jedem der letzten acht Segmente einen inneren
und einen äußeren, die sich ihrerseits wieder weiter verzweigen. Die
Hauptstämme sind in jedem Segment durch Queräste miteinander
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 341
verbunden. In der Thoracalregion lösen sich die Hauptstämme in ein
Bündel von feineren Ästen auf und strahlen in die vordere Partie
der Larve aus. Dagegen erwähnt Cerfontaine nur fünf von den
Hauptstämmen nach außen abgehende Nebenäste, die ihm nach ihrer
Lage im Körper der Larve den fünf ersten Abdominalsegmenten an-
zugehören scheinen. Er vermutet, daß sie den fünf Abdominalstämmen
entsprechen, die von Künckel d'Herculais für die Volucellen be-
schrieben worden sind. Der Endverlauf der Hauptstämme, wie Cer-
fontaine ihn ausführlich beschrieben und abgebildet hat, stimmt mit
meinen Beobachtungen überein. Bei ihrem Eintritt in den Tracheen-
höcker nähern sie sich bis zur Berührung und erweitern sich zu kleinen
Ampullen, welche durch einen kurzen, weiten Stamm mit der Haupt-
öffnung der entsprechenden Seite, und durch viel kleinere mit den
Nebenöffnungen in Verbindung stehen.
In denselben, vorher erwähnten fünf Segmenten beobachtete
Cerfontaine auf Querschnitten durch den Körper der Larve an der
Bauchseite Hypodermiseinfaltungen, die er mit den seitlichen Tra-
cheenstämmen in Verbindung bringt. Er hält sie nämlich für die
Stigmenanlagen der Imago. Ich kann Cerfontaines Deutung dieser
Gebilde schon deshalb nicht beistimmen, weil sie sich nicht nur auf der
Bauchseite, sondern auch auf der Kückenseite der Larve vorfinden.
Vielmehr halte ich sie für imaginale Abdominalscheiben.
Nervensystem.
Das Centralnervensystem der M icrodon-L&we (Taf. IV, Fig. 22
u. 23) hat, wie bei allen Syrphidenlarven, die weitgehendste Verschmel-
zung erfahren. Die Ganglien des Bauchmarks sind mit den Unter-
schlundganglien zu einem einzigen, rundlichen Zapfen verwachsen, an
dem keine Spur von Segmentierung mehr zu sehen ist. Dieser Zapfen
liegt unter dem Oesophagus und reicht bis zum Proventriculus. Er
ist dorsoventral etwas abgeplattet und nimmt von vorn nach hinten
an Breite ab. Über seinem breiten, vorderen Ende wölben sich als
ungefähr kugelige Gebilde die Oberschlundganglien, zwischen sich und
dem Bauchstrang eine enge Öffnung zum Durchtritt des Oesophagus
freilassend (Textfig. 16).
Vom Bauchstrang, gehen neun Nerven ab und zwar die letzten
gerade aus zu den hinteren Segmenten, die weiteren immer schräger
zu den mittleren und vorderen Segmenten. Zwei weitere Nerven ver-
laufen von der Unterseite des Bauchmarks nach vorn. Jeder der er-
wähnten Nerven ist begleitet von einer Trachee, die gemeinsam mit
342
Maria Andries,
ihm aus dem Bauchstrang heraustritt. Anfangs hatte ich beide neben-
einanderlaufenden, feinen Stränge für Nerven gehalten, bis ich an
Totalpräparaten bei stärkerer Vergrößerung unter dem Mikroskop
die tracheale Natur des einen erkannte. Ein elftes Nervenpaar geht
ventral von der vorderen Grenze des Bauchmarks aus und verläuft
rechts und links neben dem Oesophagus, unterhalb des Schlundgerüstes,
bis zu den dort liegenden Imayinalseheiben.
X
i \
ßm \ Oe \
Dr Dr
Textfig. 16.
Querschnitt durch den vorderen Teil einer reifen Larve. E, Epithel; Cu, Cuticula; F. Fettkörper;
OS, Oberschlundganglien; Bm, Bauchmark; Dr, Drüsen; Oe, Oesophagus; M, Muskeln.
Hautsinnesorgane .
In dem durch Fig. 35, Taf. V, wiedergegebenen Schnitt sind drei
Sinnesorgane der Bauchseite im Zusammenhang mit dem hinzutretenden
Nerven getroffen. Diese Sinnesorgane sind zuerst von Bertkau (1889)
erwähnt, dann auch von Hecht (1899) und Cerfontaine (1907) be-
schrieben und abgebildet worden. Da meine Beobachtungen bezüglich
des Baues dieser Organe etwas von den bisherigen abweichen, möchte
ich sie kurz mitteilen. In kontinuierlichem Zusammenhang mit der
Cuticula erhebt sich ein ungefähr kegelförmiges Gebilde, manchmal
kurz und gedrungen (Textfig. 17), manchmal schlank gestreckt (Text-
fig. 18). Im Centrum dieses Chitinkegels liegt ein Hohlraum, der bei
den gedrungenen Formen ungefähr kugelig, bei den schlankeren mehr
kegelförmig ist und nach unten von einer kelchförmigen Chitinhülle
mit gewelltem Rande umschlossen wird. Dieser Kelch bildet im Schnitt
zwei auseinanderstrebende, gestielte Blättchen. Nach unten ver-
engert er sich in eine feine Eöhre. Nach außen ist der Chitinkecel von
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 343
einer Kosette von meist vier, manchmal auch drei oder fünf starren
Blättchen gekrönt, die bei den schlankeren Formen mehr oder weniger
aufgerichtet sind, bei den andern flach liegen. Hecht vergleicht sie
Textfig. 17.
Sinnesorgan auf der Bauchseite der Larve.
treffend mit den Blättchen einer Fliederblüte. Der Blütenröhre gleich,
senkt sich zwischen den Blättchen ein Kanal in den Chitinkegel bis
an den kugelförmigen Hohlraum ein, von dessen Grunde sich ein
Textfig. 18.
Sinnesorgan auf der Bauchseite der Larve.
schlanker Kolben erhebt. Dicht unter der Hypodermis liegt eine
Sinneszelle, aus der ein Nerv in das feine, untere Kanälchen eintritt,
den Hohlraum durchsetzt und bis in das Ende des Kolbens verläuft.
314
Maria Andries,
Von einem zweiten, ringförmigen Hohlraum, den Cerfontaine unter
der äußersten Schicht des Chitinkegels beobachtet hat, war auf meinen
Schnitten nichts zu sehen. Die Sinnesorgane der Rückenseite (Text-
fig. 19) sind, wie auch Cerfontaine bemerkt, nach demselben Typus
gebaut. Ihre äußere Form ist mehr cylinderförmig, der Kelch im
Innern schlanker gestreckt und dem oberen Kolben näher gerückt,
so daß der Hohlraum fast verdrängt ist.
Der Bau der Randsinnesorgane ist bei der erwachsenen Larve
schwer zu erkennen. Beim Schneiden brechen sie leicht ab, weshalb
wohl auch Cerfontaine
nur ihre äußere Struktur
beschreibt. Die äußere
Hülle setzt sich aus vier
oder fünf an ihrer Basis
vereinigten und mit den
distalen Enden anein-
anderschließenden , lan-
zettförmigen Borsten zu-
Textfig. 19.
Sinnesorgan auf der Rüekenseite der Larve.
Textfig. 20.
Randsinnesorgan .
sammen, zwei kürzeren und zwei längeren, die über die andern
Randborsten hinausragen. An Totalpräparaten der jüngsten Larve
konnte ich auch das Innere dieser Sinnesorgane ziemlich deutlich
erkennen (Textfig. 20). Es gleicht dem inneren Teil der Sinnes-
organe der Rückenseite; auf dem Kelch erhebt sich anscheinend ein
starres Haar. Die Verbindung des den Becher durchziehenden feinen
Stranges mit einer Nervenzelle konnte ich wegen der Kleinheit des
Objektes nicht beobachten. Aber aus der Ähnlichkeit mit den übrigen
Sinnesorganen darf doch wohl auf die nervöse Natur dieses Stranges
und des ganzen Gebildes geschlossen werden.
Soviel bei starker Vergrößerung zu erkennen ist, sind die Sinnes-
organe der jüngsten Larve im allgemeinen mit denen der erwachsenen
übereinstimmend gebaut. Der äußere Chitinkeoel ist ebenfalls von
Zur »Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 345
vier starren Blättchen gekrönt, außerdem aber scheint er ganz mit
schuppenförmigen Höckerchen besetzt zu sein, wodurch er in der
Aufsicht den Eindruck eines krausen Köpfchens macht.
Was die Funktion dieser verschiedenen Sinnesorgane betrifft, so
sind sie von allen, die sich damit beschäftigt haben, für Tastorgane
gehalten worden, und diese Annahme hat wohl auch die größte Wahr-
scheinlichkeit für sich. Ich halte jedoch bei der großen Lichtempfind-
lichkeit dieser Larven nicht für ausgeschlossen, daß ein Teil der Organe
licht- oder temperaturempfindlich sein könnte. Henneguy (1904)
bringt allerdings die Lichtempfindlichkeit vieler Larven mit der An-
wesenheit imaginaler Augenanlagen tief im Innern des Larvenkörpers
in Verbindung.
Rückengefäß.
Das Rückengefäß der Microdon-Jj&Tve verläuft, im zweit- oder
drittletzten Segment beginnend, zunächst dicht unter der Rücken-
wand und senkt sich allmählich bis zu den Oberschlunduanulien herab,
wo es im WEiSMANNschen Ring endet. Es bildet einen Schlauch mit
zarter, strukturloser Innen- und Außenschicht und dazwischen ge-
legenen ringförmigen, quergestreiften Muskelfasern. Der hintere Ab-
schnitt, das eigentliche Herz, hat im Querschnitt etwa die Größe einer
Fettzelle und geht allmählich in den engen, vorderen Teil, die Aorta
über. Vom WEiSMANNschen Ring aufsteigend (Taf. IV, Fig. 22), ist
die Aorta nackt, im weiteren Verlauf wird sie begleitet von zunächst
kleinen, dann größer werdenden kugeligen Zellen mit körnigem Proto-
plasma und mittelgroßen, runden Kernen mit deutlicher Membran.
Die letzten dieser Zellen sind etwa doppelt so groß wie die ersten.
Sie hängen locker zusammen und bilden Stränge, die sich kranzförmig
anordnen. Welsmann hat sie bei Musca vomitoria zuerst gefunden
und den »guirlandenförmigen Zellstrang« genannt. Hieran anschließend
folgen auf der Grenze von Aorta und Herzschlauch innerhalb des Peri-
cardialraumes große, ovale Zellen, die Pericardialzellen. Sie sind wohl
sechsmal so groß wie die des guirlandenförmigen Zellstranges und haben
wie diese körniges Protoplasma, aber zwei größere, dunkle Kerne von
kreisförmigem Querschnitt. Der WEisMANNsche Ring (Taf. IV, Fig. 22)
ist lateral zusammengedrückt und liegt den Oberschlundganglien dicht
auf. Er besteht aus einer feinen, strukturlosen Hülle und einem
Inhalt, der keine Zellurenzen, wohl aber kreisrunde, große Kerne auf-
weist.
346
Maria Andries,
Körpermuskulatur.
Die Muskulatur der Körperwand ist regelmäßig segmental ange-
ordnet (Textfig. 21). Zu den Hauptmuskelzügen gehören zunächst
die ventralen Längsmuskeln M. recti ventrales. Sie verlaufen rechts
und links von der Mittellinie des Körpers kontinuierlich von hinten
nach vorn und bestehen aus fünf dicht nebeneinanderliegenden Muskel-
fasern, die auf der Grenze jedes Segments Knotenpunkte bilden.
Köf\
w.rtf.
Textfig. 21.
Körpermuskulatur der Larve (schematisch). M.r.v, ML recti ventrales; M.r.d. M. recti dorsales;
M.r.l, M. recti laterales; d.v.M, dorsoventrale Muskeln; v.Q.M, ventrale Quermuskeln; l.Q.M,
laterale Quermuskeln; R.M, Kingmuskulatur; Vd, Vas dorsale.
Seitlich von den ventralen Längsmuskeln, auf der Grenze von Kriech-
fläche und Bandfeld, verlaufen in derselben Weise, aus drei neben-
einander liegenden Muskelfasern bestehend, die seitlichen Längsmuskeln,
die M. recti laterales, auf der Rückenseite die entsprechenden M. recti
dorsales. Von den Knotenpunkten der M. recti ventrales gehen kräftige
Muskelfasern dorsalwärts, teils nach hinten und teils nach vorn, auf
die Mittellinie des Rückens zu, vereinigen sich aber, ohne diese zu er-
reichen, in einem Knotenpunkt mit den entgegengesetzten des folgenden
Segmentes und strahlen von hier nach der Rückenseite aus. Die Mitte
der Rückenseite bleibt für das Rückengefäß frei. Unterhalb der
M. recti ventrales spleißen sie sich, von den Knotenpunkten ausgehend,
auf und verlaufen fächerförmig nach der Bauchseite. Außer diesen
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 347
gehen von den ventralen und lateralen Längsmuskeln dorsale Quer-
muskeln aus, die auf der Rückenseite inserieren, ebenso seitlich von
der Rückenseite einige schwächere nach dem Randfeld der Bauchseite.
Hierzu kommt noch in jedem Segment die dorsale und laterale Ring-
muskulatur and entsprechende ventrale Muskeln, die von der Grenze
der Kriechfläche ihren Ursprung nehmen und auf dieser nach der
Mitte zu inserieren, die innersten, längsten, nicht ganz in der Mittel-
linie, sondern ein wenig übereinandergreifend. Die im biologischen
Teil geschilderte Fortbewegung ist bei dieser Anordnung der Musku-
latur wohl auf folgende Weise zu erklären: Zunächst kontrahieren
sich die ventralen Längsmuskeln des letzten Segmentes; dieses wird
durch Kontraktion der dorsalen Quermuskeln von der Unterlage ab-
gehoben. Während dieser Vorgang sich im folgenden Segment ab-
spielt erschlaffen die Muskeln des letzten. Dieses streckt sich wieder
auf der Unterlage und zwar nach vorn aus, und so fort, bis das vor-
derste Segment sich gestreckt hat und damit das Tierchen ein kleines
Stück vorwärts gekommen ist. Daß das fortschreitende Abheben von der
Unterlage nicht ruckweise von Segment zu Segment, sondern wellen-
förmig, kontinuierlich vor sich geht, wird durch die feine Aufspaltung
und fächerförmige Ausstrahlung der dorsalen Quermuskeln unterhalb
der M. recti ventrales bewirkt.
Muskelinsertion.
Im Anschluß an die Besprechung der Muskulatur mögen einige
Beobachtungen über die Muskelinsertion bei der Microdon-La.rve Er-
wähnung finden. Hecht und Cerfontaine sind zu dem übereinstim-
menden Resultat gekommen, daß die direkte Insertion in überzeugender
Weise vorliegt. Cerfontaine faßt dies Ergebnis mit folgenden Worten
zusammen: «Hecht admet cjue chez la larve de Microdon l'insertion
des fibres musculaires est cuticulaire et se fait avec continuite, c'est
ä dire que les fibres musculaires, qui en partant des noeux signales
plus haut gagnent la face ventrale, passent entre quelques cellules
s'engagent en s'amincissant entre les cellules epidermiques, abordent
la face profonde de la cuticule sans entrer en rapport avec les cellules
epidermiques, et se continuent dans l'epaisseur de la cuticule, dans
l'epaisseur de laquelle chaque faisceau, retreci au point d'entree, s'elar-
git ä nouveau et forme une sorte de cöne, strie longitudinalement. D'ac-
cord avec Hecht je puis conf inner l'existence de cette continuite
entre les fibres musculaires et la cuticule.» Einen so deutlichen Be-
weis für die direkte Insertion scheint mir die Larve von Microdon
Zeitscluift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 23
348 Maria Andries,
nicht zu liefern, da ich an demselben Objekt ziemlich abweichende
Beobachtungen gemacht habe. Hecht und Ceefontaine erläutern
ihre Ausführungen durch entsprechende Schnittbilder, die auch mit den
meinigen nicht übereinstimmen. In bezug auf die Hypodermiszellen
bemerkt Hecht: «Leurs contours sont bien delimites, sans depressions
ni empreintes pouvant faire penser qu'elles donnent insertion ä des
elements musculaires. Leur cytoplasme, assez homogene, ne presente
pas de stries, pas plus ä la base de la cellule qu'ä la peripherie accolee
ä la cuticule. Elles ne sont pas toujours exactement contigues par
leurs faces laterales; au contraire, elles laissent souvent entre elles
de vrais vides au niveau des insertions musculaires. » Auf seinem
Querschnittbild Taf. XI, Fig. 9, liegen die Hypodermiszellen scharf
abgegrenzt und große Lücken zwischen sich lassend. Bis zum inneren
Rande dieser Zellen reicht die Querstreifung der inserierenden Muskel-
fibrillen, die von da frei durch die Lücken zwischen den Hypodermis-
zellen bis an die Cuticula verlaufen und scheinbar in diese eindringen.
Im Gegensatz zu Hechts Darstellung habe ich auf Querschnitten
immer einen fest zusammenhängenden Saum von Epithelzellen ge-
funden, deren seitliche Grenzen nicht zu unterscheiden sind. Die
Querstreifung der inserierenden Muskelfaser hört ebenfalls am inneren
Rande dieses Epithels auf, setzt aber mit ganzer Breite an eine Hypo-
dermiszelle an, in der auf dünnen Schnitten von etwa 5 /< und bei starker
Vergrößerung eine feine Fibrillierung in der Verlängerung der Muskel-
fibrillen sichtbar ist. Zwischen Muskel- und Hypodermisfibrillen setzt
sich die innere Membran der angrenzenden Epithelzellen kontinuierlich
fort. In der direkten Fortsetzung der Hypodermisfibrillen durchsetzt
ein Bündel von Fibrillen, nach der Peripherie hin seitlich ausstrahlend,
die ganze Dicke der Cuticula.
Diese Insertionsweise scheint mir eher mit der übereinzustimmen,
die Stamm (1904) und Janet (1907) als typisch indirekte geschildert
haben. Die Fibrillierung der Hypodermiszellen betreffend schreibt
Janet: «Pour resister ä l'effort exerce par la fibre musculaire lors
de sa contraction et pour transmettre cet effort au squelette chitineux,
les cellules dermiques d'insertion doivent acquerir une resistance consi-
derable. Elles y arrivent en formant dans leur interieur, et cela dans
la direction de la fibre musculaire, des filaments que j'ai denommes
filaments de resistance. Ces filaments relient au travers du cyto-
plasme dermique, la fibre musculaire, ou plutöt la membrane basale
ä laquelle eile adhere solidement, avec le squelette chitineux.» Daß
diese fibrilläre Partie zwischen Muskelquerstreifung und Cuticula nicht
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 349
etwa eine zur Muskelfaser gehörige Seime ist, beweist außer dem Vor-
handensein der inneren Epithelmembran auch ihr Verhalten gegen
Farbstoffe, da sie sich immer wie die Hypodermiszellen und nicht
wie Muskelsubstanz färbt. Innerhalb der Hypodermisfibrillen habe
ich keinen Kern gefunden; von Stamm und Janet aber sind derartige
Insertionsstellen auch mit Kern beschrieben und abgebildet worden.
Diese beiden Autoren erklären das häufige Fehlen des Kernes in Schnitt-
bildern so, daß der Kern durch die Ausbildung der Fibrillen an die
Seite gedrängt worden ist (Janet 1904, S. 55, Fig. 22). Die von den
»Filaments dermiques de resistance« kontinuierlich in die Cuticula
ausstrahlenden Fibrillen erklären sich leicht aus dem fibrillären Bau
des Chitinskelettes, wie er von Camillo Schneider (S. 468, Fig. 417),
Heidenhain, Plotnikow (1904) u. a. beobachtet wurde und der
ebenfalls bei der Larve von Microdon deutlich zu erkennen ist.
Auf dünnen Schnitten werden bei starker Vergrößerung auch da, wo
keine Muskeln inserieren, feine Fibrillen sichtbar, die von dünnen,
horizontalen Lagen von Kittsubstanz gekreuzt werden. Dadurch ent-
steht auf Querschnitten der Eindruck einer netzartigen Struktur der
Cuticula. Zerzupft man solche dünnen Schnitte, so sieht man an den
zerrissenen Stellen die einzelnen Fibrillen herausstehen. Es ist nun
sehr wohl denkbar, daß an den Insertionsstellen der Muskeln diese
Fibrillen durch den starken Zug, den sie zu erleiden haben, stärker
ausgebildet werden. Man könnte sie deshalb »filaments chitineux de
resistance« nennen.
Hecht sieht in dem besonders festen Aneinanderhaften von Hypo-
dermis und Cuticula an den Insertionsstellen, da im übrigen diese
beiden Schichten beim Schneiden häufig voneinandergerissen werden,
einen Beweis für die Kontinuierlichkeit zwischen Muskel und Chitin.
Ich glaube, durch die obige Erklärungsweise wird der feste Zusammen-
hang ebenso verständlich.
Cerfontaine schildert außer diesem einfacheren einen zweiten,
noch öfter vorkommenden Insertionsmodus, der sich von dem ersten
dadurch unterscheidet, daß die quergestreifte Partie der Muskelfaser
durch eine Sehne von der Körperwand getrennt ist. Diese Art der
Insertion ist immer da vorhanden, wo zwei Muskeln sich in einem
Knotenpunkt vereinigen und gemeinsam inserieren. Sie ist wahr-
scheinlich auf die von Janet als » insertion mobile « bezeichnete zurück-
i
zuführen und ebenfalls eine indirekte. Es handelt sich dabei um eine
Verlagerung der Insertionsstelle von der Hypodermis weg nach innen
und zwar dadurch, daß eine Hypodermisfalte mit auskleidender Chitin-
23*
350 Maria Andries,
lamelle dem Muskel entgegenstrebt. Aber mit dieser Struktur habe
ich mich nicht eingehend genug beschäftigt, um Bestimmtes darüber
sagen zu können. Die Larve von Microdon würde gewiß ein lohnendes
Objekt sein, die Frage der Muskelinsertion klären zu helfen.
Fettkörper.
Der Fettkörper der Microdon-havve (Textfig. 16) ist mächtig ent-
wickelt und füllt fast allen Kaum zwischen den Organen aus. Er be-
steht aus einzelnen, schneeweißen Strängen, die mit benachbarten lose
zusammenhängen. Die Zellen sind sehr groß, fast kugelig und lassen
sich leicht voneinander trennen. Ihr Protoplasma ist von Fetttröpf-
chen erfüllt, die großen Kerne sind unscharf begrenzt.
Hypodermis.
Die Hypodermis setzt sich aus ziemlich flachen, polygonalen Zellen
mit rundlichen Kernen zusammen. Im Querschnitt sind, wie schon
vorher erwähnt, keine seitlichen Zellgrenzen zu unterscheiden.
Cutikula.
An der Cuticula lassen sich drei Schichten deutlich unterscheiden,
eine sehr dünne, äußere Schicht, die sich mit Eosin stark färbt, eine
etwas dickere, mittlere, die sich ebenfalls stark färbt, und eine innere
sich schwach färbende Schicht von beträchtlicher Dicke.
Exuvialdrüsen.
Im Chitin der Kückenseite der Larve befinden sich Drüsen, wie
sie in einfacher Form zuerst Verson (1890) für die Raupen von Bom-
byx mori, später andere Beobachter bei Macrolepidopterenraupen als
Exuvialdrüsen beschrieben haben. Dies entnehme ich aus Plotnikow
(1904), der sie außerdem bei den Larven von Tenebrio molitor und
einigen Chrysomeliden- und Coccinellidenlarven nachwies. Ob sie
seitdem auch bei Dipterenlarven gefunden worden sind, ist mir nicht
bekannt. Ihre genaue Zahl bei der Microdon-Lawe kann ich nicht
angeben. Sie scheinen aber in jedem Abdominalsegment zu zwei
Paaren vorhanden zu sein je zwei rechts und links von der Mittellinie
in geraden Querreihen. Anfangs hatte ich sie für Sinnesorgane gehalten,
aber nie war ihre Verbindung mit einer Nervenzelle festzustellen, wohl
aber mit einer charakteristisch differenzierten Hypodermiszelle.
Von außen, meist zwischen zwei Höckern der Chitinstruktur
(Taf. IV, Fig. 24 u. 25) führt ein haarfeines Kanälchen durch die äußeren
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 351
Chitinlagen in einen Hohlraum, der von einer dünnen, tulpenförmigen
Chitinhülle begrenzt wird. Oben schließt diese Hülle dicht um das
Kanälchen herum, unten hat sie eine ziemlich weite, runde Öffnung.
Das Kanälchen selbst erweitert sich an seinem distalen Ende ein wenig,
und seine Wände gehen hier kontinuierlich in das Chitin der Ober-
fläche über; innerhalb des Hohlraumes bildet es eine trichterförmige
Erweiterung, die im Schnitt ein nach oben spitzes Dreieck bildet.
Aus einer umgestalteten Hypodermiszelle kommt diesem durch die
Öffnung der Hülle ein anderes, gewundenes Kanälchen entgegen. Die
tulpenförmige Hülle liegt inmitten einer etwas abgeplatteten Kugel,
in der eine deutliche, konzentrische Schichtung bemerkbar ist. Auf
Schnitten, die mit Delafields Hämatoxvlin und Eosin gefärbt sind,
besteht die Schichtung aus abwechselnd rosa und weißlichen Lagen.
Diese Kugel ruht meist auf einer mächtig vergrößerten, eingedellten
Hypodermiszelle, wie auf einem Polster; manchmal aber auch ist sie
mehr oder weniger in der Cuticula in die Höhe gerückt und durch
das gerade gestreckte Kanälchen von der secernierenden Zelle getrennt.
Die Drüsenzelle hängt kontinuierlich mit den benachbarten Hypo-
dermiszellen zusammen, unterscheidet sich aber von ihnen außer durch
Form und Größe, besonders durch ihr helles, vaeuolisiertes Proto-
plasma und den großen, locker gebauten Kern. Das Secret, das bei
der Häutung die alte Cuticula von der neuen abheben soll, gelangt
wahrscheinlich aus der secernierenden Zelle in das untere Kanälchen,
durch dieses in den Hohlraum und von da in den Ausführungsgang,
aus dem es sich zwischen die beiden Chitinschichten drängt. Die Be-
deutung der Kugel und ihrer konzentrischen Schichtung kann ich
mir nicht erklären.
Die von mir beobachteten und in Fig. 24 und 25, Taf. IV, abge-
bildeten Drüsen der erwachsenen Larve müssen also schon bei der
letzten Häutung in Tätigkeit gewesen und danach funktionslos ge-
worden sein. Die Entwicklung dieser Drüsen habe ich nicht durch
die verschiedenen Larvenstadien verfolgt und verweise deshalb auf
die Arbeit von Plotnikow (1904), der die Entstehungsweise ähnlicher
Gebilde bei Tenebrio molilor-L&vven beobachtet und abgebildet hat.
Imaginalscheiben.
Die wunderbare Tatsache, daß der Körper des fertigen Insektes
schon auf früher Entwicklungsstufe im Innern des Larvenkörpers
angelegt wird, wurde durch Weismanns Studien über die postembryo-
nale Entwicklung der Museiden (1864) zuerst bekannt. Schon vor ihm
352 Maria Andries,
hatten einige Forscher diese weißen Gebilde im Larvenkörper be-
obachtet, aber nicht zu deuten gewußt. Seit Weismanns Entdeckung
winden sie sowohl bei anderen Insektenlarven als auch von Künckel
d'Herculais, Kowalewsky, van Eees, Lowne, Wahl, Hewitt u. a.
für mehrere cycloraphe Dipterenlarven nachgewiesen. Weismann
nannte diese Anlagen Imaginalscheiben, Künckel d'Herculais, der
für Volucelkt ihren Zusammenhang mit der Hypodermis erkannte,
Histoblasten. Aber der Name Imaginalscheiben ist allgemein gebräuch-
lich geworden, obwohl diese mehr sack- oder blasenartigen Körper
mit einer Scheibe wenig Ähnlichkeit haben. Die Auffassung Künckel
d'Herculais' und van Rees', daß es sich hierbei um Einfaltungen
der Hypodermis handelt, hat sich bei den späteren Untersuchungen
als richtig erwiesen.
Bei der Larve von Microdon sind die Imaginalanlagen leicht auf-
zufinden und ihr Zusammenhang mit der Hypodermis deutlich zu er-
kennen, und zwar an Totalpräparaten sowohl als auf Schnittserien.
In der Kopf- und Thoracalregion konnte ich durch Präparation neun
Paare von Imaginalscheiben feststellen, die alle vom Epithel ihren
Ursprung nehmen. Es sind dies die Anlagen der Augen, der Antennen,
je ein Paar obere und untere Pro-, Meso- und Metathoracalscheiben
und ein Paar zur Bildung der imaginalen Mundwerkzeuge. Um eine
klare Übersicht über diese Imaginalscheiben und ihre Lage zu gewinnen,
schneidet man eine Larve in 70%igem Alkohol vom Rücken her auf
und entfernt unter dem Binocularmikroskop vorsichtig alle in der
Vorderpartie nach oben gelegenen Organe. Man trifft zunächst auf
die Anlagen der imaginalen Facettenaugen (Taf. IV, Fig. 22 u. 23), die
wie ein Becher jeder Hälfte der Oberschlundganglien aufsitzen und
mit denselben durch den Nervus opticus seitlich in Verbindung stehen
(Taf. IV, Fig. 26). In der faltigen Verlängerung der Augenanlagen
nach vorn und in direkter Verbindung mit ihr liegen die imaginalen
Antennenanlagen (Taf. IV, Fig. 22 u. 23). Sie sind als helle und dunklere
konzentrische Ringe zu erkennen, welche die späteren Antennenglieder
repräsentieren. Einstweilen liegen sie noch, wie van Rees es aus-
drückt, »wie die Ringe eines einschiebbaren Reisebechers« ineinander-
geschachtelt. Augen und Antennenanlage jeder Seite sind von einer
gemeinsamen Hülle umgeben und nehmen seitlich vom Schlundkopf-
epithel ihren Ursprung. Den Beobachtungen von Weismann, van
Rees u. a. zufolge, verschmelzen in der Puppenperiode diese rechten
und linken Imaginalanlagen dorsal miteinander imd bilden die Kopf-
blase, aus der nicht nur Augen und Antennen, sondern fast die ganze
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 353
Kopfpartie des fertigen Insekts hervorgehen. Entfernt man nun das
Nervensystem mit dem Schlundkopf und den darunter liegenden
Drüsen, sowie das Fettgewebe, so sieht man die sechs Paare von thora-
calen Imaginalscheiben dicht beieinanderliegen (Textfig. 22). Mit län-
geren oder kürzeren, dünnen Stielen gehen sie in die ventrale Hypo-
dermis der vorderen, ineinandergeschachtelten Segmente über (Text-
fig. 23). Von der Mittellinie des eisten Segmentes her kommt der
gemeinsame, kurze Stiel der unteren Prothoracalscheiben. Er
erweitert sich zu einer sackförmigen, durchsichtigen Hülle, in der als
kompaktere, weiße Masse die Anlage des ersten Beinpaares liegt. Die
2 ff
Textfig. 22.
Imaginalscheiben des Thorax 1.2?, erstes, 2.2?, zweites, 3.2?, drittes Beinpaar; St, Anlage des Stig-
menhörnehens der Puppe; F, Flügelanlage; H, Anlage der Halteren; Th, Thoraxsegmente von
innen gesehen.
einzelnen Glieder jedes Beines, besonders die Tibia und die fünf Tarsal-
glieder, haben sich bereits deutlich abgegrenzt und lassen sich schon
makroskopisch erkennen. Sie sind aber noch kurz und gedrungen und
liegen wie Scheiben übereinander (Taf. IV, Fig. 27). Während alle
übrigen Thoracalscheiben paarig sind, eine rechte und linke, mit eigenem
Stiel und eigener Hülle, liegen die Anlagen des ersten Beinpaares dicht
beieinander in gemeinsamer Hülle.
Die Stiele der unteren Mesothoracalscheiben nehmen vom
zweiten Segment, weiter von der Mittellinie entfernt ihren Ursprung
(Textfig. 23). Sie haben etwas schlankere Form und viel längere Stiele
als die vorderen, sind ihnen aber im übrigen ähnlich. Die unteren
Metathoracalscheiben gehen mit ihren ziemlich langen Stielen
354 Maria Andries,
auf das dritte Segment zurück. Es ist das erste, mit dem Rückenschild
in Verbindung stehende Segment. Diese Imäginalscheiben sind noch
gestreckter als die zweiten. Nach den Untersuchungen von Weis-
mann, van Rees und anderen Autoren wird bei den unteren Thoracal-
scheiben während des Puppenstadiums die im Innern der Hülle gelegene
Beinanlage durch das Lumen des Stieles ausgestülpt und kommt auf
diese Weise an die Oberfläche. Die Hülle selbst verschmilzt mit der
entsprechenden der oberen Scheiben und bildet die imaginale Hypo-
dermis des Thorax.
Ganz seitlich vom ersten Segment (Textfig. '22) her kommen mit
langen Stielen die oberen Pr o th or a cals ch ei b e n. Es sind rundliche,
durchsichtige Blasen, größer als alle unteren Thoracalscheiben. Aus
Textfig. 23.
Teil eines Querschnittes durch die Thoraxregion der Larve, auf dem der Übergang des Stieles der
oberen Prothoracalscheiben Pr in das Epithel des Prothorax getroffen ist, ebenso die Einfaltungs-
stelle der Flügelanlagen F\ Mh, Mundhaken.
ihnen gehen nach Weismann bei Musca und Künckel d'Herculais
bei Volucella die Prothoracalstigmen der Puppe und der entsprechende
Teil des imaginalen Prothorax hervor. Wenn die bei Microdon vor-
handenen oberen Prothoracalscheiben denen von Musca vomitoria und
Volucella homolog sind, was wohl anzunehmen ist, so entwickeln sich
daraus die beiden Stigmenhörnchen der Puppe (Taf. IV, Fig. 31).
Rechts und links im zweiten Segment entspringen die größten aller
Imaginalanlagen, die Flügelscheiben. In ihnen sind die späteren
Flügel nicht zu verkennen. Es sind flache, birnförmige, vielfach ge-
gefaltene Gebilde mit langen Stielen. Außer den Flügeln entsteht
aus ihnen die obere Mesothoracalpartie. Am unscheinbarsten und
am wenigsten ausgebildet ist das letzte Paar der Thoracalanlagen, die
oberen Metathoracalscheiben; ihre Stiele stehen rechts und links
von denen der unteren Scheiben mit dem Epithel des dritten Segmentes
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 355
in Verbindung. Sie erweitern sich nur zu einer schmalen, länglichen
Blase, aus der die Halteren und der obere Metathorax hervorgehen.
Die Imaginalanlagen der Mund Werkzeuge, wahrscheinlich nur der
Unterlippe, liegen als kleine Bläschen fest auf der Unterseite des Schlund-
gerüstes und hängen durch kurze Stielchen mit dem Epithel des Hals-
teiles zusammen (Taf. IV, Fig. 23).
Der Stiel und die Hülle oder peripodale Membran (van Eees) der
Imaginalscheiben sind äußerst dünn und bestehen aus einer einfachen
Epithelschicht mit flachen, kleinen Kernen und einer zarten Chitin-
auskleidung. Die Anlage der Extremität (Taf. IV, Fig. 27) liegt als
Verdickung der peripodalen Membran immer von der Mittellinie des
Körpers nach außen gerichtet und ragt als Einstülpung in das Lumen
der Hülle, den peripodalen Raum, hinein, ohne ihn auszufüllen (Taf. IV,
Fig. 27). Auf die Verdickungsstelle, »den Kern« der Imaginalanlage
zu, mehren sich die kleinen Kerne der peripodalen Membran und bilden
schließlich eine dicke Schicht länglich runder Kerne, die dicht gedrängt
nach dem Centrum gerichtet liegen. Zellgrenzen sind nicht zu unter-
scheiden. Der Innenraum der Verdickung besteht aus einer fein-
körnigen Masse, in der die dunkeln, kleinen Kerne unregelmäßig verstreut
liegen.
Die Imaginalanlagen des Abdomens sind so klein, daß ich
sie nur auf Schnitten feststellen konnte. In jedem Abdominalsegment
sind drei Paar vorhanden, zwei dorsale und ein ventrales. Es sind
kleine, bläschen- oder schlauchförmige Einfaltungen der Hypodermis,
die einen schmalen Hohlraum umschließen und deren Wände aus
dichten Schichten kleiner, embryonaler Zellen bestehen (Taf. IV,
Fig. 28). Allmählich größer werdend gehen diese Zellen in die Hypo-
dermis über. Die ventralen Säckchen liegen rechts und links von der
Medianlinie, auf der Grenze von Kriechfläche und Randfeld. Es sind
dies wohl die Gebilde, die Cerfontaine für imaginale Stigmenanlagen
gehalten hat (s. S. 341). Die dorsalen Paare liegen ebenfalls symme-
trisch auf beiden Seiten der Mittellinie und zwar in der Längsrichtung
des Körpers aufeinanderfolgend. Nach Künckel d'Herculais, van
Rees, Wahl u. a. verschmelzen diese abdominalen Hypodermisein-
faltungen miteinander zur Bildung der imaginalen Hypodermis des
Abdomens.
Im oberen Teil des Abdomens, in den Fettkörper eingebettet, liegt
rechts und links, ziemlich weit von der Mittellinie die Anlage der Ge-
schlechtsdrüsen (Taf. IV, Fig. 29). Diese haben etwa die Größe einer
der benachbarten Fettzellen. Aus einem dichten rundlichen Komplex
356 Maria Andries,
embryonaler Zellen differenzieren sich allmählich die einzelnen Ei-
bzw. Hodenschläuche heraus; sie sind auf den untersuchten Stadien
noch nicht sicher zu unterscheiden.
In der Abdominalregion befindet sich außerdem endlich die un-
paare Anlage der Genitalanhänge. Sie liegt dicht vor dem After und
besteht aus einem Säckchen, dessen obere Wand nach innen vier bläs-
chenförmige Verdickungen aufweist.
Mit Freuden nehme ich zum Schlüsse Gelegenheit, Herrn Geheim-
rat Ludwig meinen herzlichen Dank auszusprechen für die Anregung
zu diesem Thema und für das wohlwollende Interesse, welches er meiner
Arbeit entgegengebracht hat, besonders für die Bereitwilligkeit, mit
der er mir die Mittel des Instituts jederzeit zur Verfügung stellte.
Herrn Prof. Strubell, Herrn Dr. Reichensperger und Herrn
Dr. Schmidt bitte ich auch an dieser Stelle, meinen aufrichtigen, herz-
lichsten Dank entgegenzunehmen für die liebenswürdige Hilfe, die sie
mir stets zuteil werden ließen.
Bonn, im Januar 1912.
Literaturverzeichnis.
1882. E. Becher, Zur Kenntnis der Mundteile der Dipteren. In: Denksckr.
Akad. d. Wissensch. Wien. Bd. XLV. S. 123—162.
1910. R. Becker, Zur Kenntnis der Mundteile und des Kopfes der Dipteren-
larven. In: Zool. Jahrb. Bd. XXIX. (Anat.). Hft. 2. S. 282— 304.
1877. Ph. Bertkau, Über die schneckenartige Larve von Microdon apiformis
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Erklärung der Abbildungen.
Tafel III.
Fig. 1. Ei von Microdon Eggeri Mik. Vergr. 39fach.
Fig. 2. Außenseite der Eischale von Microdon Eggeri Mik. Vergr. 16fach.
Fig. 3. Innenseite der Eischale von Microdon Eggeri Mik. Vergr. 16fach.
Fig. 4. Larve von Microdon Eggeri Mik., eben ausgeschlüpfte, von oben
gesehen. Vergr. 70fach.
Fig. 5. Larve von Microdon Eggeri Mik, nach der ersten Häutung. Von
oben gesehen. Vergr. 17fach.
Fig. 6. Larve von Microdon Eggeri Mik, nach der zweiten Häutung, von
oben gesehen. Vergr. 17fach.
Fig. 7. Larve von Microdon rhenanus n. sp., von oben gesehen. Vergr.
12fach.
Fig. 8. Larve (a) und Puppe (b) von Microdon Eggeri Mik, natürliche Größe,
von oben gesehen.
Fig. 9. Larve (a) und Puppe (b) von Microdon Eggeri var. major, natürl.
Größe, von oben gesehen.
Fig. 10. Larve (a) und Puppe von oben {b) und seitlich (c) von Microdon
mutabilis, natürl. Größe.
Fig. 11. Larve (a) und Puppe von oben (6) und seitlich (c) von Microdon
rhenanus n. sp., natürl. Größe.
Fig. 12. Tracheenhöcker der Larve von Microdon Eggeri Mik. Vergr.
24fach.
Fig. 13. Tracheenhöcker der Larve von Microdon Eggeri var. major. Vergr.
24fach.
Fig. 11. Tracheenhöcker der Larve von Microdon mutabilis h. Vergr. 18fach.
Fig. 15. .Stigmenhörnchen der Puppe von Microdon Eggeri Mik. Vergr.
21fach.
Fig. 16. Stigmenhörnchen der Puppe von Microdon Eggeri var. major.
Vergr. 21 fach.
360 Maria Andries,
Fig. 17. Stigmenhörnchen der Puppe von Microdon mntahilis L. Vergr.
16fach.
Fig. 18. Stigmenhörnchen der Puppe von Microdon rhenanus n. sp. Vergr.
16fach.
Tafel IV.
Fig. 19. Vordere Partie der ausgewachsenen Larve mit Antennen At,
Mundöffnung M und Sinnesorganen S. Vergr. 25fach.
Fig. 20. Eben ausgeschlüpfte Larve lebend unter Deckglas mit Tracheen-
verästelung und Sinnesorganen des Rückenschildes. Winckel Oc. 2, Obj. 3a.
Fig. 21. Querschnitt durch den Proventriculus. Oe.E, Oesophagusepithel ;
m.Z, mittlere Zellschicht; i.z, imaginale Zellschicht; M.e, Mitteldarmepithel.
Winckel, Oc. 2, Obj. 3a, Tubusl. 140 mm.
Fig. 22. Centralnervensystem von oben. OQ, Oberschlundganglien; Bm,
Bauchmark; Au, Imaginal-Augenscheiben; At, Imaginal-Antennenscheiben; Oe,
Oesophagus; Schk, Schlundkopf; Wr, WEiSMANNscher Ring; Vd, Rückengefäß;
Pr, Proventriculus; Bl, Blindsäcke; D, Darm; Tr, Tracheen. Vergr. 29fach.
Fig. 23. Centralnervensystem von unten. N, Nerven; Tr, Tracheen; J.L,
Imaginalanlagen des Labiums; alles übrige wie Fig. 22. Vergr. 29fach.
Fig. 24. Exuvialdrüse. E, Epithel; Cu, Cuticula; Dz, Drüsenzelle; X,
Kern derselben; H, Hohlraum; Ch, Chitinhülle; Ka, Kanälchen; P, pilzförmiges
Chitingebilde; Hö, Chitinhöcker; Zh, zweispaltiges Haar, oben abgebrochen.
Winckel, Oc. 4, Obj. 3a.
Fig. 25. Dieselbe Drüse bei stärkerer Vergrößerung; gleiche Bezeichnung.
Winckel, Oc. 4, Obj. 7a, Tubusl. 170 mm.
Fig. 26. Schnitt durch die Imaginal-Augenanlage. OG, Oberschlundgan-
glion; no, Nervus opticus; Au, Augenscheibe; Oe, Oesophagus; Tr. Tracheen.
Winckel, Oc. 4, Obj. 7a, Tubusl. 170 mm.
Fig. 27. Schnitt durch untere Prothoracalscheibe. Ex, Extremität; pM,
peripodale Membran; pR, peripodaler Raum; De, Drüsenausführgang. Zeiss,
Oc. 1, Obj. A.
Fig. 28. Schnitt durch abdominale Imagmalanlage. E, Epithel; Cu, Cuticula.
Winckel, Oc. 2, Zeiss, Obj. A.
Fig. 29. Imaginale Genitalanlage. Es, Eischläuche. Oc. 2, Obj. A.
Fig. 30. Puppe von Microdon Eggeri von der Bauchseite. Vergr. 51/2.
Fig. 31. Dieselbe von der Dorsalseite. Vergr. 51/2.
Tafel V.
Fig. 32. Schlundgerüst der ausgewachsenen Larve, auseinandergebreitet,
mit Labium (?) L, und Maxillen (?) M. Mundhaken nicht eingezeichnet. Dp,
Dorsalplatte; Vp, Ventralplatte; St, Mundhakenstütze. Winckel, Oc. 4. Zeiss,
Obj. al.
Fig. 33. Verdickte Teile des Schlundgerüstes der jungen Larve mit Stütze
der Mundhaken 8/ ; Mundhaken Mh; Labium L; Chitinspange 8p. Winckel,
Oc. 4, Obj. 3a.
Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon Meigen. 361
Fig. 34. Darmsystem der Larve von Microdon Eggeri Mik; Darm- und
Drüsen nach Rekonstruktion, das übrige nach Totalpräparaten gezeichnet. D,
Darm; Oe, Oesophagus; g.s.l, g.s.2, g.s.Z, g.sA, erstes, zweites, drittes, viertes
Drüsenpaar; Ad, Analdrüsen; Ma, MALPiGHische Gefäße; Pr, Proventriculus ;
Bl, Blindsäcke; Bm, Bauchmark; OG, Oberschlundganglien; Schg, Schlund-
gerüst; Mh, Mundhaken; L, Labium; De, gemeinsamer Drüsenausführgang.
Vergr. 16fach.
Fig. 35. Sinnesorgane der Bauchseite mit zutretenden Nerven. S, Sinnes-
organ; Gz, Ganglienzelle; N, Nerv; E, Epithel; Cu, Cuticula. Winckel, Oc. 2,
Obj. 3a.
Beiträge zur Kenntnis der Schale und Schalen-
regeneration von Anodonta cellensis Schrot.
Von
Richard Raßbach.
(Aus dein Zoologischen Institut der Universität zu Marburg.)
Mit 64 Figuren im Text.
Die heute allgemein anerkannte Ansicht, daß die Molluskenschale
ein Secretionsprodukt des Mantels ist, geht hauptsächlich auf Reau-
mur (1709) zurück, der sie auf experimentellem Wege zu erweisen
suchte. — Da Mery (1710) sich das Fortrücken der mit der Schale
fest verbundenen Schließmuskeln nicht erklären konnte, schrieb er
ihr ein selbständiges inneres Wachstum durch Intussuszeption zu. — In
einer weiteren Arbeit machte Reaumur (1716) darauf aufmerksam,
daß die Muskeln nicht in, sondern an der Schale fortrückten. -- Un-
gefähr 50 Jahre später fand Mery einen Anhänger seiner Theorie in
Herissant (1766); nach seiner Auffassung ähnelt die Schale in ihrem
Aufbau dem des Knochens, in dem der organische Teil die Haupt-
rolle spielt und die Kalksubstanz darin abgelagert ist. — Bournon
(1808) betrachtet die Molluskenschale einzig und allein als Produkt
der Kristallisation von kohlensaurem Kalk, »welchem vorzüglich als
färbende Materie eine geringe Menge von Gelatine beigegeben ist und
der nur in bezug auf die Gesamtform durch die Gestalt des tierischen
Körpers, seine Krümmungen und Häute bei seiner Ablagerung be-
schränkt und bedingt wird« (S. 211). Obwohl also Bournon die An-
wesenheit einer organischen Grundmasse nicht unbekannt war, ist
nach ihm der Kalk einmal abgelagert, unabhängig von der Muschel
nur den Kristallisationsprozessen unterworfen. Bowerbank (1844)
und Carpenter (1844) schreiben der Schale einen cellulären Ursprung
zu. Ersterer faßt sie als knochenähnliche Struktur auf, während der
zweite sie eher mit den Cuticulargebilden der Wirbeltiere als mit den
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 24
364 Richard Raßbach,
Knochen derselben vergleichen will. — Über die chemische Zusammen-
setzung der anorganischen Teile der Schale finden wir eine Zusammen-
stellung und Erweiterung der bis dahin bekannten Tatsachen in der
ausführlichen Arbeit von G. Rose (1858). Er kommt zu dem Resultat,
daß bei Unio und Anodonta die äußere Faserlage (Prismenschicht)
aus Kalkspat und die innere Perlmutterschicht aus Aragonit besteht. —
In der Arbeit von Nathusius von Königsborn (1877) finden wir den
Gedanken Merys wieder. Zum größten Teil kommt Nathusius von
Königsborn deshalb zu falschen Schlüssen, weil er die Schalen ohne
Berücksichtigung des Zusammenhanges mit den Weichteilen der Mu-
scheln vorgenommen hat. So konnte er dazu kommen, daß er es als
einen Unsinn bezeichnet, »eine Cuticularbildung anzunehmen, au
Stellen, wo der Weichkörper nicht mit der Schale zusammenhängt.« —
Der letzte Anhänger der Intussuszeptionstheorie ist Felix Müller
(1885). An den Muskelansätzen jedoch gibt er ein Appositionswachs-
tum zu, aber nicht ein solches im Sinne früherer Autoren durch Secre-
tion, sondern durch organische Membranen, welche am Rande des
Muskelansatzes hervorwachsen. — T. Tullberg (1882) kommt nach
seinen Untersuchungen an verschiedenen Muscheln zu dem Resultat,
daß die Bildung der Schale auf zwei verschiedene Weisen vor sich geht;
nämlich an den Stellen, wo die Muskeln befestigt sind, sowohl an der
Kalkschale wie am Periostracum, entsteht durch allmähliche Umbil-
dung der Zellen Schalensubstanz, es ist also eine wirkliche Cuticular-
bildung; zweitens der übrige Teil der Schale, folglich ihre Hauptmasse,
ist ein Absonderungsprodukt der darunter liegenden Zellen. — Die
Widerlegung der Ansicht, daß gewisse Schalenteile durch chemische
Metamorphose der oberflächlichen Zonen der Zellkörper entständen,
machte sich Ehrenbaum (1884) zur Aufgabe. Nach Untersuchung
mehrerer mariner Muscheln gelangt er zu der Meinung, daß alle Teile
der Schale »von gewissen Zellen durch den Prozeß der Secretion oder
Ausschwitzung« erzeugt werden. — Moynier de Villepoix (1893) gibt
ausführliche Beschreibungen von Schalenstrukturen verschiedener Mol-
lusken, und ferner außer größeren Abschnitten über Schalenbildung
auch solche über Schalenregeneration an Anodonta und Helix. Seine
Untersuchungen lieferten einen sehr wichtigen Beitrag zur Lehre von der
Bildung der Schale, die als Secretionsprodukt der anliegenden Gewebe
entsteht. Drüsenzellen, welche er im Bindegewebe des Mantels von
Mytilus fand, stehen in keinerlei Beziehung zur Schalenbildung. Das
Mantelepithel ist aus specifischen Kalk- und Conchyolinzellen zu-
sammengesetzt, die sich durch verschiedenes Aussehen und ihre ver-
-ßeitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 365
schiedene Reaktionsfähigkeit auf Farbstoffe voneinander unterscheiden.
Bei Anodonta finden sich am Mantelrand drei Regionen, von denen
jede nur eine bestimmte Schalenschicht zu bilden imstande ist. — ■
Thiele (1892) betont außer den vergleichend morphologischen Unter-
suchungen, die er an den Schalenteilen verschiedener Mollusken an-
stellte, daß vorzüglich auch subepitheliale Drüsen an dem Aufbau der
Schale beteiligt sind. — In der Zusammenstellung über das Wachstum
der Muschel- und Schneckenschalen von W. Stempell (1900) stellt er
ähnlich wie Villepoix bei Anodonta specifische Kalkzellen bei Malletia
chilensis fest. »Ob allerdings bei sämtlichen Mollusken specifische
Conchyolin- und Kalkzellen vorhanden sind, muß angesichts der bis-
herigen Erfahrungen mit Recht bezweifelt werden« (vgl. S. 668). —
Biedermann (1901) widmet außer den Beschreibungen vom Bau der
Muschel- und Schneckenschalen längere Ausführungen den optischen
Eigenschaften der Perlmutter- und Prismenschicht, ebenso den phy-
sikalisch-chemischen Prozessen bei der Schalensecretion. Sie geschieht
durch Epithelzellen des Mantels und vielleicht auch zum Teil von
Drüsenzellen. Jeder im Bau und ihrer sonstigen Beschaffenheit ver-
schiedenen Schalenschicht entspricht auch eine besondere Zellenlage
des Mantels. Aus den Resultaten seiner Versuche über Schalenregene-
ration schließt er auf eine gewisse Verschiedenheit des von den Mantel-
epithelien gelieferten Secretes, durch welches die ungleichen Formen
und Strukturen der einzelnen kalkigen Schalenschichten bedingt werden.
Die besonders an den Muskelansätzen vorkommende helle Schicht ist
bei der Beschreibung der Schale von Anodonta nicht erwähnt worden. —
List (1902) gibt eine ausführliche Darstellung der Schalenverhältnisse
bei den Mytiliden. Nach seiner Ansicht entsteht das Conchyolin
durch Umwandlung des Protoplasmas der Epithelzellen. »Es bildet
sich in den Zellen zu einer faserigen Substanz aus, welche durch
die Zellwand hindurch nach außen tritt.« Auf ähnliche Weise dürfte
nach List die Bildung der organischen Bestandteile der Perlmutter-
schichten erfolgen. Die Periostracumsubstanz geht in der Mantel-
randfalte, »aus der chemischen Umwandlung von Epithelzellen- und
Muskelsubstanz hervor« (vgl. S. 58). Die letztere wird von Muskeln
geliefert, welche zwischen den Epithelzellen hindurch an das Perio-
stracum herantreten. Das reiche Vorkommen von granulierten Drüsen-
zellen in dem äußeren Mantelepithel macht es wahrscheinlich, daß
sie zur Kalkbildung in irgendwelcher Beziehung stehen. — 0. Römer
(1903) wendet sich hauptsächlich den allerfeinsten Alveolarstrukturen
der Schalenbestandteile von Margaritana und Anodonta zu. Die
24*
366 Richard Raßbach,
gröberen Verhältnisse der Schalen kommen nur beiläufig in Frage. Her-
vorzuheben ist seine Auffassung über den Bau der Prismen, worauf
noch ausführlich einzugehen sein wird. Die helle Schicht findet auch
bei Kömer keine Erwähnung.
Zur Systematik von Anodonta.
Ehe mit der Untersuchung der Schale begonnen werden soll, wollen
wir mit ein paar Worten die Systematik unsrer Anodonten berühren,
da sich dieselbe im wesentlichen nur auf die Umrißformen der Schale
stützt. Interessant sind folgende Daten, die aus der Arbeit von
F. Haas hervorgehen.
Während Linke nur zwei Arten, Mytilus cygneus und Mytilus
anatinus, aufstellte, vereinigte Draparnaud diese in eine einzige Grund-
form, die er Anodontides variabilis nannte. Die Zahl der Anodonten-
arten vermehrte sich hernach beträchtlich, bis Clessin die Einteilung
Draparnauds wieder aufnahm und alle Arten auf eine Grundform
zurückführte, die er Anodontides mutabilis nannte und die später von
Buchner als Anodontides cygneus bezeichnet wurde. Haas ist nun
der Ansicht, daß man in Deutschland zwei Vertreter des Genus Ano-
dontides hat. »Im allgemeinen wird man zwei Haupttypen in der
Gestalt unterscheiden können, die den Arten Anodontides piscinalis
Nilss. und Anodontides cellensis Schrot, entsprechen. Die erstere
umfaßt alle Formen, deren Höhe im Verhältnis zur Länge verhältnis-
mäßig groß ist, und bei denen der tiefste Punkt des gekrümmten Unter-
randes bedeutend hinter dem Lote vom Wirbel auf die Längsachse der
Muschel liegt; zur letzteren gehören die niedrigeren, gestreckteren
Formen, bei denen der tiefste Punkt des verhältnismäßig schwach
gekrümmten Unterrandes nahe dem Lot vom Wirbel auf die Längs-
achse liegt. Diese Unterschiede zeigen sich schon in dem frühesten
Alter deutlich« (S. 173). Auch in den Glochidien der beiden in
Frage stehenden Arten glaubt Haas Unterschiede nachweisen zu
können.
Wie Kobelt festgestellt hat, ändern die Muscheln ihr Aussehen,
je nach den von ihnen bewohnten Flüssen. So versteht Haas unter
»Lokalform« einer Species »diejenige Form, die sich aus der Species
eines geographisch begrenzten Gebietes entwickelt hat und die für
dieses geographische Gebiet charakteristisch ist.« Aus den Arten
können Abarten entstehen, die Haas aber nicht Varietäten, sondern
»Standortsformen« nennt, und die er folgendermaßen definiert: »Unter
Standortsformen einer Species verstehe ich diejenige Form, die in
\
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 367
vollkommen übereinstimmender Gestalt die Species in deren ganzen
Verbreitungsbezirk begleitet und durch die besonderen Bedingungen
des umgebenden Mediums, wie Kohlensäuregehalt des Wassers, Unter-
grund, Strömung usf. aus ihr entsteht« (vgl. S. 151 u. 152). Es kann
auch noch aus einer Lokalform eine Standortsform sich bilden, woraus
sich die Zahl der abweichenden Formen und Beschaffenheit der Schalen
einzelner Species leicht ergibt.
Meine Schalenuntersuchungen wurden speziell an Anodonta cellensis
vorgenommen, die leicht aus einem Teich bei Marburg zugänglich war.
Sie besitzt eine längliche, gestreckte Form, wie sie Fig. 1 wiedergibt.
Der obere und der untere Rand laufen annähernd parallel. An dem
rechten Ende spitzt sich die Schale allmählich etwas zu, während die
linke Seite halbkreisförmig abgerundet ist. Besonders bemerkenswerte
Abweichungen von diesem Normaltypus wurden nicht beobachtet.
Gerade diese Species von Anodonta liefert uns die größten und schönsten
Exemplare, die wir von unsern Najaden kennen. Oftmals erreichen
sie eine Größe bis zu 20 cm und darüber. Für die Schalenuntersuchung
an und für sich ist die Artzugehörigkeit von nebensächlicher Bedeutung,
da die Struktur der Schale bei den verschiedenen Arten im ganzen
übereinstimmen dürfte.
Methoden zur Schalenuntersuchung.
Aus der Schale wurden mit einer Laubsäge kleine Stückchen
herausgeschnitten, die mit erhitztem Kanadabalsam auf einem Objekt-
träger befestigt wurden. Diese kleinen Schalenteilchen wurden dann
auf beiden Seiten so glatt wie möglich geschliffen, bis sie eine hinrei-
chende Dünne zur Beobachtung erreicht hatten. Um einzelne feinere
Strukturen noch besser sehen zu können, wurden kleine Schalenstück-
chen längere Zeit in erwärmte Kalilauge gelegt, bis sie in ihre einzelnen
Bestandteile, isolierte Prismen und Perlmutterblättchen zerfielen. Die
organischen Bestandteile lösten sich durch diese Behandlung vielfach
von der Kalkmasse der Schale ab. Ferner wurden Schnitte durch
verschiedene Schalenteile gemacht, die zuvor mit salzsaurem Alkohol
entkalkt waren. Die Schnitte ließen sich am besten in einer Ein-
bettungsmasse von Kollodium-Nelkenöl herstellen. Um den Zusammen-
hang des Weichkörpers mit der Schale vollständig zu übersehen, wurden
sagittale Quer- und Längsschnitte durch jüngere 10 — 12 mm große
Exemplare angefertigt. Außerdem wurden einzelne Teile älterer Tiere
geschnitten, z. B. Mantelrand mit ansetzendem Periostracum, ferner
die Teile der Schale, an denen die Muskeln befestigt sind. Als
368
Richard Raßbach,
Konservierungsflüssigkeiten dienten Sublimat und ZENKERsche Lösung.
Die Präparate wurden mit Hämatoxylin-Eosin, Heidenhain und
Alauncarmin gefärbt.
Die äußere Morphologie der Schale.
Orientieren wir die Schale so, daß der spitzere Teil nach rechts
liegt, so unterscheiden wir oben den Wirbel (Fig. 1 w) auch Apex oder
Umbo genannt, der den ältesten Teil der Schale bildet. Nach links
seh
Fig. 1.
sc/?
i/r
Fig. 2.
Außenansicht der Schale einer älteren und einer jüngeren Muschel mit Jahresringen [j). Fig. 1
4/5 nat. Größe. Fig. 2 nat. Große.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta eellensis Schrot. 369
liegt der Vorderrand (vr), der den abgerundeten Teil der Muschel ein-
nimmt. Der Hinterrand (hr) wird von dem rechts gelegenen sich ver-
jüngenden Teil der Schale gebildet. Der Unterrand (ur) wird von dem
fast geradlinig verlaufenden unteren Teil der Muschel gebildet. Am
Wirbel sind die beiden Schalenklappen durch das Ligament verbunden.
Dieses wird durch ein elastisches Band gebildet, das die beiden Schalen-
hälften automatisch, also gegen den Willen des Tieres zu öffnen be-
strebt ist. Darüber lagert nach außen ein zweites unelastisches Liga-
mentband. Der Teil, der von dem Wirbel nach dem Hinterrande
etwas ansteigt, wird Schild (seh) genannt. Bei jüngeren Tieren (Fig. 2)
tritt öfters die Ausbildung desselben etwas stärker hervor, die aber
später, durch das stärkere Wachstum der Muschel nach dem Hinter-
ende wieder zurücktritt.
Junge Anodonten von nur wenigen Millimetern Größe zeigen
noch keine ausgesprochene Färbung, sondern eine weißliche, durch-
sichtige Schale. Bei den älter werdenden Exemplaren tritt eine gelb-
lich braune Farbe hervor, die bei noch älteren Tieren einer dunkel-
bis schwarzbraunen Färbung Platz macht.
Auf der Schale befinden sich in nahezu konzentrischer Anordnung
die Anwachsstreifen, welche man auch als Jahresringe bezeichnet hat
(Fig. 1 /). Diese entsprechen immer einer bestimmten Wachstums-
periode, und, wie wir später noch sehen werden, findet tatsächlich der
Schalenzuwachs von einem bis zum nächst folgenden stärker hervor-
tretenden Streifen in einem Jahre statt. Bei älteren Muscheln findet
man am oberen Hinterrande in der Nähe des Schildes (Fig. 1 seh), ein
charakteristisches Aussehen, das teilweise auch an dem entsprechenden
Teil des Vorderrandes, hier aber weniger stark ausgeprägt, anzutreffen
ist. Man bemerkt nämlich besonders an diesen Stellen ein blättriges,
schuppiges Aussehen, das durch Übereinanderlagerung der die eigent-
liche Kalkschale bedeckenden organischen Schicht, dem Periostracum,
von früheren Autoren auch Epicuticula oder Epidermis genannt,
hervorgerufen wird. Die einzelnen Blätter entsprechen auch hier den
Anwachsstreifen, die an diesen Stellen auf einen engeren Raum als
auf der Schalenmitte zusammengedrängt sind. Die schützende Perio-
stracumschicht findet sich schon' vielfach bei jüngeren Tieren am
Wirbel nicht mehr vor, da sie hier in noch nicht allzugroßer Stärke
abgelagert wird und daher leichter der Zerstörung anheimfällt.
Für das Verständnis des Schalenbaues ist der Zusammenhang
der Schale mit dem Weichkörper des Tieres von größter Bedeutung.
Unter den beiden Schalenhälften befinden sich die zwei Mantellappen,
370 Richard Raßbach,
die am Rücken in der sogenannten Mantelnaht verwachsen sind. Im
wesentlichen bestehen die Mantellappen aus einer Bindegewebsmasse,
die innen und außen von einem einschichtigen Epithel begrenzt werden.
Das Bindegewebe ist von Längs- und Quermuskeln durchzogen. Kurz
vor dem Schalenrande treten Quermuskeln nach außen und heften
sich parallel dem Rande an die Innenseite der Schale, die Mantellinie
bildend (Fig. 59 ml). Diese verläuft nach dem vorderen und hinteren
Ende der Muschel, in die Ränder der entsprechenden Schließmuskel-
ansätze übergehend. Längs der Mantelränder findet sich eine Falte,
in der das Periostracum entspringt, um nach außen umzubiegen,
die Schale zu bedecken. Im Innern der Schale bemerkt man Eindrücke,
die von verschiedenen Muskeln herrühren. Die beiden größeren ent-
sprechen den Muskelenden des hinteren (Fig. 59 hsa) und vorderen
Schließmuskels (vsa). Diese beiden zum Schließen der Schale dienenden
Adductoren durchziehen quer den Körper des Tieres. Der Weg, welchen
die Schließmuskeln beim Fortrücken an der Schale genommen haben, ist
je durch einen nahezu dreieckigen Abdruck gekennzeichnet, an dem man
die Wachstumszunahme der Muskeln verfolgen kann. Gleichzeitig läßt
sich erkennen, daß der Adductor posterior in derselben Zeit sich um
eine größere Strecke an der Schale fortgeschoben hat, als der Adductor
anterior (Fig. 59). Am oberen Ende des hinteren Schließmuskels heftet
sich der Retractor pedis posterior (Fig. 59 Jim) an die Schale. Dieser
zieht schräg nach vorn, um mit dem gleichen Muskel der andern Schalen-
hälfte zu verschmelzen. Dieser gemeinsame Teil des hinteren Fuß-
retractors steht dann mit dem hinteren Teil des muskulösen Fußes in
Verbindung. An dem unteren Ende des vorderen Schließmuskels be-
findet sich die Ansatzstelle des Retractor pedis anterior (Fig. 59 vra).
Die zwei Teile des vordem Fußretractors laufen von beiden Schalen-
klappen schräg nach hinten, um sich ebenfalls, kurz bevor sie mit der
vorderen, oberen Seite des Fußes in Zusammenhang treten, zu einem
gemeinsamen Muskel zu vereinigen. Am Vorderrande kurz vor Beginn
des Ligamentes finden sich an der Innenseite der Schale, ungefähr
3 — 4 mm vom Rande entfernt, die Ansätze von drei bis vier kleinen
Muskeln, die mit den Muskelbündeln der Mantellappen in Verbindung
stehen. Die Ansätze dieser kleinen Muskeln sind besonders gut an
den Schalen älterer Muscheln zu erkennen. Ein weiterer, aber nur
sehr zarter Zusammenhang, den wir später noch ausführlich zu be-
sprechen haben, findet längs des inneren Ligamentbandes und an den
demselben anliegenden Nymphenleisten statt.
Ein Schloß fehlt den Anodonten. Nach Neumayr (vgl. S. 415)
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 371
»wird man vom Standpunkte der Selektionstheorie sehr natürlich
folgern, daß das Vorhandensein einer festen Zahnverbindimg als ein
Schutz gegen Verschiebung der beiden Schalenklappen von großem
Nutzen ist.« »Dem steht aber die andre sehr auffallende Tatsache
gegenüber, daß in einer Menge von Abteilungen reduktive Formen
auftreten, bei welchen das Schloß wieder verloren geht oder wenigstens
ganz bedeutungslos wird«, wie es z. B. bei Anodonta der Fall ist. »Ent-
weder ist demnach das Schloß nicht durch Zuchtwahl erworben, oder
es muß sich nachweisen lassen, daß der Besitz eines solchen nur unter
gewissen Umständen von Nutzen, unter andern aber ohne Bedeutung
ist und daß gut entwickelte Zähne bei solchen Gruppen vorkommen,
welche vorwiegend unter jenen, daß sie fehlen bei solchen, welche
unter diesen Verhältnissen leben. In der Tat läßt sich z. B. anführen,
daß die mit kräftigen Zähnen versehenen Unionen vorwiegend im
bewegten Wasser der Flüsse, die zahnlosen Anodonten in Teichen
vorkommen. «
Die Schale wird von drei Schichten, der Periostracum-, der Pris-
men- und von der Perlmutterlage gebildet, die sich in ihrer Zusammen-
setzung und ihrem Bau unterscheiden. Außerdem finden wir besonders
an allen Muskelansätzen eine vierte Schalenschicht, die bisher als
durchsichtige Substanz oder helle Schicht bezeichnet wurde.
Die Periostracumschicht.
Das Periostracum besteht aus organischer Substanz und hat ein
gelbes bis dunkelbraunes, chitinähnliches Aussehen. Nach den Unter-
suchungen von 0. Römer stimmt jedoch die Periostracumsubstanz
nicht mit Chitin überein, das ein stickstoffhaltiges Derivat eines Kohle-
hydrats sei, während man es hier mit Stoffen zu tun habe, die zu den
Albuminoiden gehören. An dem Schalenrande biegt es nach dem
Innern um, indem es sich immer mehr verjüngt und endigt als eine
sehr dünne Membran in der schon oben erwähnten Falte des Mantel-
randes, der es seine Entstehung verdankt (Fig. 6 u. 7 mrf). Die ersten
Anfänge des Periostracums liegen in dem Grunde der Mantelrandfalte,
dort wo das niedrige kubische Epithel in das hohe Cvlinderepithel
allmählich übergeht. An dieser Stelle ist die Periostracumsubstanz
als eine äußerst feine Membran zu erkennen, die gewöhnlich dem
kubischen Epithel fest anliegt. Dieser Teil des Periostracums, den
Tullberg als »inneres Periostracum« bezeichnet, nimmt vielfach eine
Färbung mit Heidenhain oder Eosin an, während das »äußere Perio-
stracum«, das die Schale bedeckt, auf diese Farben nicht reagiert.
372 Richard Raßbach,
Im Querschnitt zeigt der in der Mantelrandfalte befindliche Teil des
Periostracums ein homogenes Aussehen. Nur selten läßt es sich mit
sehr starken Systemen in einzelne Lamellen auflösen, die auf die Ent-
stehungsweise durch Aufeinanderlagern äußerst feiner Membranen hin-
deuten. Die Mantelrandfalte läuft in Form einer Rinne am ganzen
Mantelrand entlang, um allmählich auf dem Rücken des Tieres mit dem
Beginn der Mantelnaht aufzuhören, dort wo die beiden Mantellappen
verwachsen sind.
An Querschnitten sieht man auf der Strecke von der Mantel-
randfalte bis zum Schalenrand, daß das Periostracum zahlreiche Fal-
tungen bildet (Fig. 3). Nach F. Müller sollen dies keine Falten,
sondern Auswüchse des Periostra-
cums sein. »Man sieht, wie das
Periostracum unterhalb der Schlin-
gen ruhig weiter verläuft und an
Dicke allmählich zunimmt, wäh-
rend jene membranösen Auswüchse
überall dieselbe Stärke besitzen.
Sie beginnen überhaupt erst, wenn
das Periostracum eine gewisse Dicke
., . . , ,, ,,'.', ,, . , erreicht hat und finden sich nur
Periostracumtalte (/) zwischen Mantel- uml
Schalenrand. Vergr. 700 : i. auf der nach außen gelegenen Seite
desselben. Dort, wo das Perio-
stracum schon sehr stark geworden ist. erkennt man deutlich, daß
die die Schlinge bildende Membran sich nur von dem äußersten Teil
des Periostracums aus erhebt und an dieser Erhebungsstelle zugleich
geschlossen ist und über derselben durch abermaliges öffnen und
Schließen mannigfache Formen bildet. Die Auswüchse verschmelzen
nicht miteinander, um zur Verdickung des Periostracums beizutragen,
sondern bleiben bestehen und rücken beim weiteren Wachstum der
Schale auf dieselbe hinauf und bilden dort jene blättrigen Rauhig-
keiten der Epidermis, welche man als Anwachsstreifen bezeichnet.«
(vgl. S. 229). Diese Gebilde sind keine Auswüchse des Periostracums,
sondern wirkliche Faltungen desselben, wie dies ja auch schon von
M. de Villepoix beschrieben ist. Sie sind durch stärkere Produktion
von Periostracumsubstanz entstanden als notwendig war, um die
Verbindung zwischen Mantelrandfalte und Schalenrand in Form einer
glatten Membran herzustellen. Im Querschnitt durch eine solche
Periostracumfalte erkennen wir in der Mitte eine längs verlaufende
Linie, dort wo sich die beiden Teile zusammengelegt haben. An ihrem
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 373
distalen Ende sind die Falten nicht völlig verschmolzen, so daß wir
im Querschnitt eine Öse erkennen (Fig. 3). Ein weiterer Beweis, daß
wir Faltungen vor uns haben, ergibt sich aus der im Gegensatz zu
F. Müller fast an jedem solchen Gebilde am basalen Teil sich findenden
dreieckigen Öffnung (Fig. 3), die so entstanden ist, daß, nachdem die
Falte gebildet ist, von innen her neue Periostracumlamellen angelagert
wurden. Auch der Ansicht Müllers, daß diese blättrigen Rauhigkeiten
auf die Schale rücken und dort die Ansatzstreifen bilden, kann man
nicht beistimmen. Die Anwachsstreifen sind lediglich, wie schon
oben erwähnt, die Ränder der Schale in früheren Altersstadien. Die
Falten ergeben auf dem Periostracum Gebilde, wie man sie im Quer-
schnitt in Fig. 4 sehen kann, von teils sehr komplizierten Formen.
Fig. 4.
Periostracuinfalte (/) von komplizierterer Gestalt auf der Oberfläche der Schale. Vergr. 144 : 1.
Eine Spaltung des Periostracums, wie sie F. Müller beschreibt,
ist ebenso wie es Moynier de Villepoix festgestellt hat, nicht vor-
handen. »Ungefähr in der Mitte zwischen Mantel und Schalenrand
findet eine stärkere Verdickung des Periostracums statt, an welcher
eine Spaltung eintritt. Diese Verdickung und damit verbundene
Spaltung des Periostracums ist besonders in dem ganzen mittleren
Teil des Schalenrandes zu konstatieren, nach vorn und hinten wird
die Verdickung geringer und hört allmählich auf. Der äußere Fortsatz
dieser Verdickung, das eigentliche Periostracum, überzieht die Ober-
fläche der Schale, der andre Fortsatz geht an die Innenfläche des
Schalenrandes über« (vgl. S. 213 u. 214). Diese Beschreibung von
Müller sei deswegen angeführt, weil sie für ihn einer seiner Beweise
gegen das Appositionswachstum der Schale ist; nämlich gerade durch
den Teil des Periostracums, der von der Verdickung nach der Innen-
seite der Schale gehen soll, wird der äußere Teil des Periostracums,
374 Richard Raßbach,
der die Oberfläche überzieht, von dem Epithel des Mantels getrennt
und kann von diesem keinen Zuwachs zur Verstärkung erlangen. Ein
solches Bild, das Müllee als eine Spaltung des Periostracums be-
schreibt, war wahrscheinlich ein Secretprodukt, das von dem Außen-
epithel (Fig. 6 aep) ausgeschieden wurde, um zur Verstärkung des
Periostracums beizutragen. Diese beiden Teile waren aber noch nicht
verschmolzen. Solche Bilder erhält man öfters bei Schnitten durch den
Mantelrand von Tieren, die gerade Stoffe zur Verstärkung der Schalen-
schichten ausgeschieden haben.
Von der Fläche gesehen läßt das Periostracum am Anfang keine
Struktur erkennen, außer den oben erwähnten Falten, die in der Auf-
sicht sich als dunklere Streifen von ihrer Umgebung abheben, die dem
Schalenrand vielfach parallel laufen. Bei stärkerer Vergrößerung findet
man jedoch auf dem Periostracum bläulich gelbe Kügelchen, die
F. Müller folgendermaßen beschreibt (vgl. S. 231 u. 232). »In einiger
Entfernung vom Mantelrande bemerkt man, allerdings nur bei sehr
starker Vergrößerung und sehr scharfer Einstellung, kleine helle, regel-
los zerstreute Punkte.« »Bei durchfallendem Licht zeigten jene Pünkt-
chen eine matt bläuliche Farbe. Von den zerstreut auf der Oberfläche
der Membran liegenden Kalkkörperchen unterscheiden sie sich deutlich
durch ihre regelmäßige Rundung. « »Als Bildungen, welche zur Pris-
menschicht gehören, sind sie jedenfalls nicht zu betrachten, denn sie
unterscheiden sich von den Jugendzuständen der Prismen einmal durch
ihre überall gleichbleibende Größe, was bei jenen nicht der Fall ist,
ferner sind die jüngsten Prismen bereits größer, als jene Pünktchen.
Man findet letztere auch noch zwischen den größeren Stadien der
Prismen an der Oberfläche der organischen Zwischensubstanz so lange,
als dieselbe noch einige Dicke besitzt.« Dieser Schilderung Müllers
ist vorläufig nichts weiter hinzuzufügen, als daß diese Gebilde sich an
der Innenfläche des Periostracums befinden. Bei einer jungen Anodonta
von etwa 12 mm Größe mit noch fast vollständig durchsichtiger Schale
ließ sich beobachten, daß das ganze Periostracum, auch dort wo die
Prismenschicht schon vollständig ausgebildet war, mit solchen matt
bläulichen Kügelchen besetzt war. Auf diese Gebilde werden wir noch
später zurückzukommen haben.
Moynier de Villepoix fand bei einer jungen Anodonta von 21 mm
Größe die Innenfläche des noch ganz jungen Periostracums zwischen
Mantelrand und der Zone, wo die jungen Prismen beginnen, bedeckt
mit «petits globules jaunätres et refrigents», die von einem hellen Hof
umgeben waren (vgl. S. 476). Von dem Vorkommen solcher Gebilde
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 375
konnte ich mich ebenfalls überzeugen. Sie hoben sich von der Unter-
lage, dem Periostracum, als gelbe bis dunkelbraune, rundliche Gebilde
ab. Teilweise waren auch zwei oder mehrere zusammen verschmolzen
(Fig. 5). Diese Gebilde zeigten sich
bei hoher Einstellung dunkel und
dann mit einem hellen Saum; bei
tiefer Einstellung wurden sie hell.
Sie ließen eine schwache, konzen-
trische Schichtung erkennen, und
bei gewisser Einstellung im Innern
einen centralen Punkt, der stärker
lichtbrechend hervortrat.
Besonders sei noch einmal dar-
auf hingewiesen, daß die »matt-
bläulichen Kügelchen « von F. Mül-
Fig.
Conchyolinkügelchen {cok) (Globules jaunätres),
LERimddie »globules jaiinätres« VOll die sich auf dem Periostracum des Schalen-
M. DE VlLLEPOIX, die Sich in ihrem randeS Um\.af jU""en ^nregeneraten
vorfinden. Vergr. 1000 : 1.
Äußeren durch ihre verschiedene
Größe unterscheiden, keineswegs gleichen Strukturverhältnissen ent-
sprechen, wie Biedermann geneigt ist anzunehmen. Die »globules
jaunätres« werden ebenfalls später noch zu erwähnen sein.
Die Epithelzellen der Mantelrandfalte.
Im allgemeinen sehen die Zellen, welche die Mantelrandfalte aus-
kleiden, so aus, wie es in dem Übersichtsbild (Fig. 6) wiedergegeben
ist, das einen Querschnitt aus der Mitte des Mantelrandes mit ansetzen-
dem Periostracum darstellt. Dasselbe liegt hier einem niedrigen
kubischen Epithel an (nep), mit dem die organische Membran stets
fest verbunden ist. Nach dem Faltengrund werden diese Zellen noch
kleiner und laufen schließlich in eine Spitze aus. Nach F. Müller
ist dieses Epithel bei Anodonta gerade in der Mitte des Schalenrandes
nicht vorhanden, sondern das Periostracum soll sich direkt an die
Muskelenden ansetzen, die von der Mantellinie nach den beiden Lappen
der Mantelrandfalte verlaufen; nach dem vorderen und hinteren Ende
des Mantelrandes gibt er jedoch ein Epithel zu (S. 230).
Die Kerne des kubischen Epithels sind deutlich sichtbar, von runder
oder ovaler Gestalt. Nach dem Innern des Mantellappens sind die
Zellen stets durch eine gut sichtbare Basalmembran gegen die sich
anschließenden Bindegewebsmassen und Muskelzüge abgegrenzt. Ein
Eindringen von Muskelenden in dieses Epithel bis zum Periostracum,
376
Richard Raßbach,
wie es List bei Mytilus beobachtete, findet bei Anodonta nicht statt.
Bei der letzten zeigt das Protoplasma der genannten Epithelzellen
sass%A\
nep
Fig. 6.
Übersichtsbild eines Querschnittes durch die Mantelrandfalte (mrf) mit dem jung sich anlegenden
Periostracum (pe) an dem niedrigen Epithel (nep). Gegenüber hohes Cylinderepithel (hep). Im
Grunde der Falte drüsenartig aussehende Zellen (drz). Vergr. 112 : 1.
-
->ep
?W^-:'±^
Fig. 7.
Stark vergrößerter Teil der im Grunde der Mantelrandfalte gelegenen Epithelzellen. Vergr. 520:1.
eine feine, faserige Struktur, die man besonders deutlich an den Zell-
elementen im Grunde der Falte beobachten kann (Fig. 7 nep). T.
Tullberg beschreibt bei Mytilus diese Zellen als kleine Elemente mit
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 377
undeutlichen Kernen, deren Formen er erst nach Härtung mit Osmium-
säure erkennen konnte. Bemerkenswert ist nach ihm eine Streif ung
des Zellinhaltes, die gerade auf der dem Periostracum zugewandten
Seite deutlich ist (vgl. S. 21), ähnlich wie es auch Rawitz beschreibt
(vgl. III. Teil, S. 196). Ehrenbaum dagegen sah sie als deutlich be-
grenzte Gebilde von wechselnder Höhe mit gleichmäßig körneligem
Inhalt. Niemals konnte er eine faserige Struktur der Zellen beobachten
(S. 38).
Das junge Periostracum verläuft nicht immer gleichmäßig an der
Oberfläche des kubischen Epithels der Mantelrandfalte entlang, sondern
häufig beobachtet man an der organischen Membran Falten, die gegen
Fig. 8.
Übergang des niedrigen, kubischen Epithels (nep) der Mantelrandfalte in das Epithel der inneren
Seite des Mantels (iep). Vergr. 800 : 1.
das ihr anliegende Epithel gerichtet sind (Fig. 8 /). Ob diese Fal-
tungen künstlich dadurch entstanden sind, daß bei der Konservierung
starke Kontraktionen stattgefunden haben, wobei sich der fest mit dem
Epithel verbundene jüngste Teil des Periostracums in Falten legen
mußte, sei dahingestellt. Jedenfalls ließen sich solche Bilder an allen
Präparaten beobachten. Vielleicht dient dieses Ineinandergreifen von
Periostracum und Epithel dazu, die Befestigung zwischen den beiden
zu erhöhen, was besonders erforderlich erscheint, wenn beim Schließen
der Schale der Mantelrand in die Schalenklappen zurückgezogen wird.
An der tiefsten Stelle der Mantelrandfalte findet sich gewöhnlich
zwischen den kubischen Epithelzellen und den darauf folgenden hohen
Cylinderzellen ein Vorsprung, dessen Zellen einen blasigen, drüsenartigen
378 Richard Raßbach,
Eindruck machen (Fig. 7 drz). Dieser Komplex besteht aus ungefähr
acht bis zehn Zellen, die unregelmäßig in mehreren Schichten über-
einander lagern. Sie besitzen einen großen, deutlichen runden Kern.
Auf diesen Zellenkomplex folgt das Epithel, welches die dem
Periostracum gegenüberliegende Seite der Mantelrandfalte auskleidet.
Es zeigt eine ganz andre Beschaffenheit. Man sieht ein typisches
Cylinderepithel, das dicht zusammengedrängt erscheint (Fig. 6, 7 lief).
In dem basalen Teil der Zellen liegt der langgestreckte Kern; der distale
Teil besteht aus dem dichten körneligen Plasma. Die Zellgrenzen sind
nur deutlich bei sehr dünnen Schnitten zu erkennen. »Die aneinander
gepreßten Zellen bieten beim ersten Anblick das Charakteristische
eines Drüsenepithels, besonders ist dies bei größeren ausgewachsenen
Exemplaren zu sehen. Oft findet man auch Bilder dieses Epithels,
deren Zellen sich nur an ihren Enden berühren, sodaß ein nach zwei
Seiten spitz zulaufender Zwischenraum entsteht.« Diese Epithelien,
müssen, wie es Moynier de Villepoix beschreibt, »beträchtliche An-
schwellungen erreichen, eine Folse übrigens ihrer secretorischen Tätig-
en o o ö
keit« (vgl. S. 494). Das Epithel behält noch eine kurze Strecke außer-
halb der Mantelrandfalte dieses Aussehen bei. Dann werden die Zellen
etwas niedriger und breiter, um kurz vor dem Übergang in das Außen-
epithel, das die größte Oberfläche des Mantels bedeckt, wieder eine
kleine Strecke an Höhe zuzunehmen. An Querschnitten durch junge
Muscheln mit Schale ließen sich diese hohen Cylinderzellen des Mantel-
außenepithels im Zusammenhang mit der Prismenregion des Schalen-
randes beobachten. Es handelt sich also wohl um die Zellen des Mantel-
randes, die hier das Material zur Prismenbildung liefern (Fig. 44 pep).
Dieselbe Rolle schreibt M. de Villepoix den hohen Cylinderzellen
des Mantelaußenepithels zu.
In dem Mantelaußenepithel bemerken wir öfters rundliche Zellen
mit eosinophilem Inhalt, auf deren genaue Beschreibung erst später
im Zusammenhang mit der Besprechung der Zellen der Mantelnaht
eingegangen werden soll. Außer den Becher- oder Schleimzellen des
Mantelepithels sind noch Einschlüsse von größeren gelben Ballen zu
erwähnen, die von einem Amöbocyt aus dem Bindegewebe durch das
Epithel nach außen geschafft werden (Fig. 48 gb), wie sie schon von de
Beuyxe beschrieben worden sind. Ob diese größeren gelben Massen
zum Schalenaufbau benutzt werden, sei dahingestellt, da wir sie in fast
gleicher Zahl auch in dem Mantelinnenepithel vorfinden. Das Epithel
der Innenseite des Mantels findet man auch häufig mit Pigment ver-
sehen, das aus kleinen gelben Körnchen besteht.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 379
Bei Mytilus fand Tullberg (vgl. S. 21) dort, wo das Periostracum
die Mantelfalte verläßt, an dem Übergang des niedrigen, cubischen
Epithels in das Mantelinnenepithel, Zellen von blasiger, bindegewebs-
artiger Beschaffenheit. Bei Anodonta läßt sich ähnliches nicht beob-
achten; der Übergang der Zellen erfolgt allmählich, wie es in Fig. 8 nep
wiedergegeben ist. Am Ausgang der Falte strecken sich die kubischen
Zellen mehr in die Höhe und sie lassen auch hier noch eine sehr feine
streifige Struktur ihres Plasmas erkennen. Die Kerne nehmen eben-
falls eine längliche Gestalt an. Das Periostracum läßt sich genau bis
an die Zelle verfolgen, mit der es noch in festem Zusammenhang steht.
Über das Fortrücken des Periostracums an den Zellen, mit denen
es fest verbunden ist, gibt es meines Wissens nur die Angabe Tull-
bergs (vgl. S. 28), nach dem es klar erscheint, »daß dies in derselben
Weise geschieht wie die Muskeln wandern, und nach meiner Ansicht
würden also die äußersten Zellen unaufhörlich resorbiert oder in wirk-
liche Cylinderzellen umgebildet werden, je nachdem sich neue Zellen
an dem inneren Rande des Periostracums entwickeln. « Die am äußeren
Ende des kubischen Epithels befindlichen bindegewebsartigen Zellen
bei Mytilus hält Tullberg für Übergänge der eben erwähnten resor-
bierten Zellen. Da aber bei Anodonta ähnliches sich nicht beobachten
läßt, so kann auch diese Erklärung kaum hier Anwendung finden.
Vielleicht findet an dem cubischen Epithel nur eine Loslösung an einigen
Stellen statt, so immer noch mit den befestigten Stellen den Zusammen-
hang zwischen Periostracum und Weichteilen garantierend. Ist das
Periostracum am äußersten Ende der Mantelrandfalte losgelöst, so
kann ein Stück der organischen Membran, vielleicht durch die oben
erwähnte Faltenbildung begünstigt, herausgeschoben werden.
Die Prismenschicht.
Unter dem Periostracum liegt in sehr engem Zusammenhang da-
mit die Prismenschicht, deren Bildungsstadien man an der die ganze
Kalkschale bedeckenden Membran, kurz nachdem diese auf die Ober-
seite umgebogen ist, beobachten kann. Man bemerkt hier von der
Fläche gesehen auf dem sich immer mehr verdickenden Periostracum
Meine, unregelmäßig zerstreute, rundliche Gebilde verschiedener Größe,
welche die ersten Anfänge der Prismen darstellen (Fig. 9). Von ihrer
Umgebung heben sie sich durch stärkeres Lichtbrechungsvermögen ab,
bei hoher Einstellung erscheinen sie heller, bei tiefer Einstellung jedoch
dunkler als ihre Umgebung. In der Mitte jedes einzelnen Gebildes
findet sich ein Punkt, der sich gerade umgekehrt verhält, und mit der
Zeitschrift f. wissenseh. Zoologie. CHI. Bd.. 25
380
Richard Raßbach,
Lichtbrechung der oben erwähnten »globules jaunätres« überein-
stimmt. Um diesen central gelegenen Punkt befinden sich in jedem
einzelnen Prisma konzentrisch angeordnete Kreise (Fig. 9), die je nach
der Größe der Prismenanfänge nach der Schalenoberfläche zu an Zahl
zunehmen. Wie Biedermann schon beobachtet hat (vgl. S. 37), ȟber-
zeugt man sich bei Betrachtung des Präparates von der äußeren, d. h.
der .Schalenoberfläche leicht, daß der kleine
Kern eines jeden jungen Prismas in einem
höheren, also dem Beschauer näheren
Niveau liegt, als die peripheren konzen-
trischen Schichten, von denen wieder die
äußerste jeweils am weitesten von der
Außenfläche des Periostracums entfernt
liegt. «
Moynier de Villepoix schließt aus
seinen Beobachtungen an den Bildungs-
stadien der Prismenschicht, daß sich in
den jüngsten Prismenanlagen einecolloidale
Masse befindet, die aus einem Gemisch
von Kalksalzen und Eiweißstoffen besteht.
Bei der weiteren Ausbildung der Prismen
kristallisiert kohlensaurer Kalk aus, was
sich in Form der beschriebenen konzen-
in der Flächenansicht
bemerkbar macht. Ferner scheidet sich
eine organische Membran ab, welche die Conchyolinhülle der Prismen
bildet.
Bei stärkerer Vergrößerung bemerkt man auch eine zarte radiäre
Streif ung der Prismenanfänge (Fig. 10). Der centrale Kern wird mit
stärkeren Systemen in winzige Körnchen zerlegt, die eine gelbliche
Färbung besitzen. Nach ihrem Aussehen dürften sie aus Periostracum
ähnlicher Substanz bestehen. Bei hoher Einstellung, also wenn der
centrale Körper dunkel erscheint, sieht man um ihn einen hellen Hof,
so daß dann dieser Teil noch mehr an das schon oben angedeutete
ähnliche Aussehen der »globules jaunätres« erinnert. Solche Gebilde
ließen sich auch an Querschnitten durch die Schale einer jungen Ano-
donta von 12 mm Größe in dem obersten der Außenfläche des Perio-
stracums zu gelegenen Teile der Prismen beobachten. In Fig. 10«
sehen wir einen öfters zu Gesicht kommenden Querschliff durch ein
Prisma, bei dem der höchst gelegene centrale Kern weggeschliffen ist.
Fig. 9.
Flächenansieht junger Prismenan- trischen Kreige
lagen am Sehalenrand. Vergr. 368: 1.
Beitr. z. Ken ntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 381
Im Innern erblickt man ein Polygon, von dessen Ecken Leisten nach
der Peripherie des Prismas zu laufen.
Die jüngsten Prismenanlagen haben rundliche Gestalt (Fig. 9). Sie
befinden sich am äußersten Ende des Schalenrandes. Nach der Schalen-
oberfläche nehmen die Prismen an Größe zu, wodurch sie zusammen-
gedrängt erscheinen. Sind die jungen Prismen durch beständiges
Dickenwachstum einander noch näher gerückt, so beginnen sie sich
gegenseitig abzuplatten. Ehe die Prismenanlagen durch allseitige
Berührung in die polygonale Felderung übergehen, wie sie uns ein
Querschliff durch eine ausgebildete Prismenschicht zeigt (Fig. 21),
Ve
Fig. 10 und 10«.
Querschliffe durch die oberen Regionen ausgebildeter Prismen. Im Innern von Fig. 10 der cen-
tral gelegene Punkt {gl). Vergr. 864 : 1.
nehmen sie vielfach unregelmäßige Formen an. Es kommt zu tiefen
Einkerbungen des Randes und zeitweise zeigen die Umrißformen ein
strahliges, gezacktes Aussehen, wie es noch einmal im Anschluß an die
Fig. 32 und 56 zu erwähnen sein wird. Die größten Zacken bleiben
auch noch bei der ausgebildeten Prismenschicht erhalten und machen
sich dort als nach dem Innern der einzelnen Prismen vorspringende
Leisten bemerkbar (Fig. 10, 10«, 21 pel). Diese radiär in manche
Prismen vordringende Periostracumleisten stellen sich als Querschnitte
von Längssepten in den Prismenscheidewänden heraus. Die Septen
verlaufen an dem nach der Perlmutterschicht zugewandten Teile der
Prismen ungefähr parallel der Längsachse derselben, während sie nach
dem entgegengesetzten äußeren Ende zu konvergieren (Fig. 11, 12 pel).
Auch Biedermann hat diese Längsleisten beobachtet, welche von der
Peripherie mehr oder weniger tief in die Substanz der Prismen ein-
schneiden und so eine Art von Kanellierung oder Faltung derselben
erzeugen, die aber niemals die Prismenachse erreichen.
An Längsschnitten durch junge Prismenanlagen bemerkt man,
382
Richard Raßbach,
daß diese mit ihrem abgerundeten äußeren, der Schalenoberfläche
zugewandten Ende in der Periostracumsubstanz stecken (Fig. 11, 12).
Den äußersten Teil nimmt die Stelle ein, die in der Aufsicht als central
gelegenes, stärker lichtbrechendes Centrum zu erkennen war. Die in
der Flächenansicht beschriebenen konzentrischen Kreise zeigen sich im
Längsschnitt als rundliche Scheibchen, die an einer bestimmten Stelle
ihren größten Durchmesser erreichen (Fig. 11, 12). Die nächstfolgen-
den Schichten werden bis zu einer bestimmten Region wieder kleiner.
Dieser äußere, kugelige Teil der jungen Prismen, der aus dünnen Scheib-
chen zusammengesetzt erscheint, zei<>t gewöhnlich ein helleres Aus-
ce/
e pe
~^t—
Fig. 11. Fig. 12.
i ängsschnitte durch junge Prismenanlagen. Fig. 12 stellt die Kombination zweier nahe aneinander-
liegender Prismen dar. Vergr. 800 : 1.
sehen. Die sich anschließende Partie besitzt meist die dunkelgelbe
bis braune Färbung des Periostracums und stellt die Umhüllung des
inneren nach der Schaleninnenfläche zu gelegenen Teiles der jungen
Prismen dar. Die organische Querscheidewand ist längs und quer in
dickere und dünnere Conchyolinleisten differenziert. Die Längsleisten
entsprechen den oben erwähnten Gebilden, die an Flächenschliffen
als radiär in das Innere der Prismen vorspringende Falten zu sehen
sind, während die den beiden Außenflächen des Periostracums parallel
laufenden Verdickungen mit den später noch ausführlich zu bespre-
chenden Querstreifungen der Prismen identisch sind. Im ausgebildeten
Zustand tritt der nach der Außenfläche der Schale zugewandte hellere,
kugelige Teil der Prismen zurück und macht einer sanften Abrundimg
Platz, die eine entsprechende Aushöhlung des Periostracums einnimmt,
öfters beobachtet man bei jungen Prismen eine Verschmelzung-
benachbarter Anlagen (Fig. 9). Nach Biedermann (vgl. S. 37) »ge>-
schieht dies regelmäßig, wenn zwei noch in die Dicke wachsende junge
Prismen so nahe zu liegen kommen, daß sie sich zunächst nur an einem
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 383
Punkte berühren. Durch weitere Kalkablagerungen entsteht dann
eine flächenhafte Berührung und man erhält vielfach Bilder, welche
lebhaft an sich teilende Zellen erinnern.« Diese Bilder erinnern in
der Aufsicht auch an die Kombination zweier oder mehrerer Stärke-
körner, besonders wenn man noch die radiäre Streifung der jungen
Prismenanlagen in Betracht zieht. In Fig. 12 haben wir eine Ansicht
solcher Bildungen, wie diese sich uns im Längsschnitt zeigen.
Nach der Entkalkung eines Stückes vom Schalenrand mit jungen
Prismenanlagen bleiben die Strukturverhältnisse zum größten Teil
erhalten. »Insbesondere erscheint die konzentrische Schichtung der
jungen Prismen in der Flächenansicht außerordentlich deutlich und
schon bei den aller jüngsten Anlagen insofern angedeutet, als dieselben
bei einer gewissen Einstellung im Centrum ein Pünktchen erkennen
lassen, welches vor Entfernung des Kalkes nicht sichtbar war und
offenbar den allerersten Beginn der Ablagerung markiert. Es darf
hier nicht unerwähnt bleiben, daß während und vor der Entkalkung
die jüngsten Prismenformen bei hoher Einstellung heller, bei tiefer
dunkler als die Umgebung erscheinen, sich dies nach Entfernung des
Kalkes gerade umgekehrt verhält. Sehr deutlich läßt sich wieder die
Tatsache konstatieren, daß in jedem Falle, wo bereits mehrere kon-
zentrische Ringe entwickelt sind, dieselben niemals bei einer bestimmten
Einstellung gleich deutlich erscheinen und daher auch nicht in einer
Ebene gelegen sein können« (vgl. S. 38). Daß der central gelegene
Kern der jungen Prismen auch schon vor der Entkalkung an geeigneten
Schliffen zu sehen ist, ebenso an Totalpräparaten ist schon früher
erwähnt worden. Von der Richtigkeit der Beobachtungen von Bieder-
mann an Flächenansichten kann man sich leicht an den Längsschnitt-
bildern (Fig. 11 u. 12), die er wohl noch nicht gekannt hat, überzeugen.
»Stets liegt bei Betrachtung von der Außenseite der Schale her der
innerste kleinste Kreis dem Beschauer zunächst, und man muß den
Tubus um so tiefer senken, einen je weiter nach außen gelegenen Ring
man scharf sehen will« (vgl. S. 38).
An den Flächenansichten der jung sich anlegenden Prismen be-
merkt man um den central gelegenen Punkt einen hellen, stärker her-
vortretenden Ring, der bei den größer werdenden Prismen ebenfalls
an Umfang zunimmt (Fig. 9). Dieser hellere Kreis entspricht im Längs-
schnitt durch die Bildungsstadien der Stelle, wo an dem oberen helleren
Teil des Prismas sich der an die organische Masse angrenzende engste
Durchmesser befindet (Fig. 11 u. 12). Dieser Teil erweitert sich beim
Größerwerden der Prismen immer mehr, so daß in der Aufsicht gesehen,
384 Richard Raßbach,
der hellere Kreis einen größeren Durchmesser annimmt, der schließlieh
mit der die Prismen peripher umgebenden Hülle zusammenfällt, so
daß völlig ausgebildete Stadien von der Fläche ohne Unterschied der
Helligkeit in ihrem ganzen Durchmesser erscheinen.
Sind die jungen Prismen so nahe aneinander gerückt, daß sie die
schon erwähnte polygonale Felderimg bilden, so kann natürlich ein
Wachstum in die Dicke nicht mehr erfolgen, sondern die weiter ange-
lagerten Substanzen werden nur noch dazu verwendet, die Prismen
in der Länge zu vergrößern.
Im Querschliff betrachtet, haben die Prismen das ihren Namen
verdankende Aussehen. Sie sitzen dicht gedrängt nebeneinander und
pm
Fig. 13.
Schalenquerschliff. Vergr. 144 : 1.
sind stets voneinander auf allen Seiten durch Conchyolinmembranen
getrennt, die mit dem Periostracum der Schalenoberfläche in direktem
Zusammenhang stehen (Fig. 13). An entkalkten Flächenschliffen kann
man sich, besonders wenn man durch Verschiebung des Präparates
eine etwas seitliche Ansicht bekommt, leicht von dem Vorhandensein
einer die Prismen allseitig umhüllenden organischen Membran über-
zeugen. Wegen dieses Baues sind die Prismen von Leydig als »Kalk-
säckchen« bezeichnet worden. Teils stehen sie senkrecht, teils aber
etwas geneigt zur Horizontalen. Es finden sich sowohl kürzere ge-
drungene Prismen als auch lange schmale Individuen. Während die
meisten Prismen durch die ganze Dicke der Schicht hindurchgehen,
indem sie nach dem Innern etwas an Umfang zunehmen, finden sich
auch solche, welche die Innenseite der Prismenschicht nicht erreichen,
Beitr. z. Kenntnis d. (Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 385
sondern mehr oder weniger tief endigen, indem sie sich nach dieser
Seite zuspitzen. In Fig. 14 sehen wir ein solches in isoliertem Zu-
stande wiedergegeben. Die spitz endigenden Prismen kommen auf
folgende Weise zustande. An der Periostracumschicht wird eine be-
stimmte Anzahl Prismen angelegt. Im Verlaufe des Längenwachstums
nach der Perlmutterschicht zu werden nicht alle Prismen in gleicher
Stärke weiter gebildet, sondern einige in ihrem Wachstum unterdrückt.
Diese Prismen spitzen sich dann zu und endigen an verschiedenen
Stellen innerhalb der Prismenschicht. Die spitz
zulaufenden Elemente der Prismenschicht haben
eine Besonderheit aufzuweisen, die später bei der
Besprechung des Flächenschliffs ausführlich behan-
delt werden soll.
Bei stärkerer Vergrößerung bemerkt man, daß
die Prismen eine Querstreifung zeigen, die etwas
gebogen zur senkrecht stehenden Prismenachse
verläuft. Diese Struktur kann man von dem Perio-
stracum schräg nach unten vom Schalenrand nach
dem Innern der Schale bis zu den Perlmutter-
lamellen verfolgen (Fig. 14). Die Querstreifen zei-
gen sich als dunkle von ihrer Umgebung abge-
hobene Linien, die bald in engeren oder etwas
weiteren Abständen von einander verlaufen. Die
Streifen lassen sich durch die ganze Prismenlage
zusammenhängend verfolgen, woraus Biedermann
sehr richtig schließt, »daß sich die Gleichzeitigkeit
der Bildung dieser Strukturen ohne weiteres ergibt «.
Bei dieser Schichtung handelt es sich »um eine Aufeinanderfolge phy-
sikalisch und, wie gleich hinzugefügt sei, auch chemisch verschiedener
Stoffe, welche wie die Verdickungsschichten einer Pflanzenzellen-
membran successive von innen her abgelagert wird« (vgl. S. 13). In
wieweit dies letztere seine Kichtigkeit hat, werden wir aus den weiteren
Erörterungen ersehen.
Die breiteren Querstreifen, deren Ursprung das Periostracum selbst
ist, bilden an den Prismenhüllen besonders deutliche Verdickungen
mit denselben, was man gut an geeigneten entkalkten Querschliffen
beobachten kann. Nathusius von Königsborn nahm an, daß diese
Querstreifung der optische Ausdruck ist von feinen quer durch die
Prismen laufenden Membranen, die jedes Prisma in »ein System über-
einanderliegender dünne Scheibchen zerlegen, welche durch parallel
Fig. 14.
Isoliertes, nach der Perl-
mutterschicht spitz zu-
laufendes Prisma. Vergr.
640 : 1.
386 Richard Raßbach,
gespannte Membranen gesondert sind« (vgl. S. 89). Auch will er von
der Flächenansicht her auf den durch die Prismen laufenden organischen
Lamellen Hohlräumchen gesehen haben. Daß es solche nicht sein
können, werden wir im Verlauf der weiteren Untersuchung erkennen.
Dieselbe Ansicht vertritt von Gümbel. »Die Querwände in den
Prismen rühren daher, daß an den Wänden stellenweise quer über
Zwischenwände von sehr dünnen Häuten angesetzt sind. Ich habe
mich an entkalkten zerfetzten Exemplaren auf das Bestimmteste von
diesen Querwänden überzeugt. Höchst bemerkenswert ist die feine
Textur dieser Querwände, welche nach dem Ätzen neben unregel-
mäßigen Fältchen mit kleinsten netzförmigen meist eckigen Grübchen
dicht besetzt erscheinen, vor dem Atzen aber fein punktiert erscheinen«
(vgl. S. 390). Diese »Grübchen« stimmen wohl mit den »Hohlräum-
chen« von Nathusius von Königsborn überein. Leider hat von Güm-
bel keine Zeichnung hiervon gegeben, an der man sich hätte orien-
tieren können. Auf die eben erwähnten Gebilde wird ebenfalls noch
einmal zurückgekommen werden.
Bei der Querstreifung der Prismen konnte sich Biedermann nicht
mit Sicherheit davon überzeugen, »ob es sich hier um den optischen
Ausdruck von organischen Querscheiben handelt, welche die ganze
Dicke der betreffenden Prismen von Stelle zu Stelle durchsetzen oder
nur um ein Strukturverhältnis der organischen Längswände der Pris-
men.« Die Resultate seiner optischen Untersuchungen »sprechen so
weit es sich um die feineren und feinsten Querstreifen handelt, ent-
schieden für die letztere Annahme, obwohl es keinem Zweifel unter-
worfen sein kann, daß gewisse dickere Querlinien in der Tat organischen
Querscheidewänden entsprechen, die längere Segmente der Prismen
voneinander trennen« (vgl. S. 14 u. 15).
Selten erscheinen die Querstreifen geradlinig, sondern sie sind
meistens etwas gekrümmt, so daß sie in der Längsrichtung der einzelnen
Prismen ein System konzentrisch aufeinanderfolgende Kreise dar-
stellen, die sich im Querschliff durch die Schale uns natürlich nur in
Gestalt von schwach gekrümmten Bogen zeigen (Fig. 14). Diese
Streifen machen schon so den Eindruck, als ob sie den umhüllenden
Conchyolinmembranen angehören und nicht im Innern der Prismen
in Form von organischen Querscheidewänden liegen. Stellt man bei
starker Vergrößerung den Tubus auf den mittleren Teil eines Prismas
ein, d. h. auf die Stelle, wo sich in seinem Innern die horizontale und
verticale Achse schneiden würden, so sieht man an dieser Stelle
die Querlinien sehr undeutlich oder überhaupt nicht, während die
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 387
Streifen in der Peripherie des Prismas stets deutlich hervortreten.
Diese Beobachtung macht die Ansicht wahrscheinlicher, daß die Quer-
streifung der Prismen durch eine Struktur, in Form von ringförmigen
Verdickungen, in der umhüllenden Membran hervorgerufen wird.
An Querschnitten durch die Schale, die nach Heidenhain gefärbt
waren, traten die Streifen der Prismenwände deutlich gefärbt hervor,
während die übrigen Teile der die Prismen umgebenden Membranen
ungefärbt blieben. Weiter konnte man sich sehr deutlich von den
ringförmigen Verdickungen der Prismenhüllen überzeugen, besonders
an den Stellen, wo diese im Querschnitt ge-
troffen, knotenartige Verdickungen mit den
längs getroffenen Prismenwänden bildeten.
Nach 0. Römer entsteht ähnlich wie bei
Biedermann die verschiedene Helligkeit der
Prismenteile zwischen den einzelnen Streifen
dadurch, »daß diese Querlinien durch Auf-
einanderfolge von Zonen der Prismensubstanz
entstehen, die sich durch verschieden helles
Aussehen, d. h. durch etwas verschiedenes
Lichtbrechungsvermögen voneinander unter-
scheiden. Zuweilen liegt zwischen zwei solchen
Zonen noch eine feine, gleichsam aus dunklen
Körnchen zusammengesetzte Grenzlinie« (vgl.
S. 441). Diese »Körnchen« dürften mit den
früher von Nathusius v. Königsborn und
Gümbel erwähnten Gebilden identisch sein.
An isolierten Prismen kann man gut die
feinsten Strukturen erkennen. Die Ränder be-
sitzen größere und weniger tiefe Kerben, die
den ringförmigen Verdickungen der umhül-
lenden ^Membranen entsprechen (Fig. 15), wie
es auch Römer schon beobachtet hat. »Die
Umrisse der Prismen sind nicht immer ganz glatt, sondern sie erscheinen
wellig, bisweilen auch zackig. Wenn dies nicht eine Wirkung der
Kalilauge sein sollte — und ich habe allen Grund künstliche Verände-
rungen an diesen Objekten zu bestreiten — so darf man hier wohl an
die aufeinandergesetzten Scheiben bei Margaritana denken und an-
nehmen, daß die welligen Konturen der Anodonta-V rismen auf den
gleichen Bauverhältnissen beruhen« (vgl. S. 442).
In Fig. 15 rv sehen wir eine Lücke, die vor der Behandlung mit
Fig. 15.
Isolierte Prismengrupne, welche
deutlich die Einschnürungen zeigt
(rv), welche durch stärkere ring-
örmige Verdickungen der Pris-
menscheidewände hervorgerufen
werden. Vergr. 240 : 1.
388 Richard Raßbach,
Kalilauge von Conchyolin erfüllt war, und hier eine der besprochenen
Verdickungen mit der vertical verlaufenden Prismenhülle gebildet
hatte. Würden die organischen Massen an solchen Stellen quer durch
die Prismen hindurch gehen, so könnten Bilder, wie Fig. 15 eins wieder-
gibt, nicht zustande kommen. Der obere Kopf würde sich vollständig
ablösen, was sich jedoch niemals bei diesen häufig anzutreffenden Bil-
dern isolierter Prismen, die nur mit Kalilauge behandelt waren, beob-
achten ließ. Gehen diese stärkere Conckyolinstreifen nicht durch die
Prismen, so kann man wohl außer den oben schon angeführten Gründen
annehmen, daß die feineren und feinsten Streifen erst recht nicht die
Prismen als Querscheidewände durchziehen. Ein Prisma besteht also
in seinem Innern nur aus einer zusammengesetzten Kalkmasse.
Bei Gelegenheit ist schon darauf hingewiesen worden, daß die
dickeren Querstreifen ihren Ursprung in dem äußeren die Schale be-
deckenden Periostracum nehmen. Sie verlaufen schräg nach unten
in das Innere der Schale, und sie werden dabei immer dünner. Für
diese Conchyolinstreifen nimmt Biedermann an, »daß sie tatsächlich
organischen Querscheiben entsprechen.« Dies ist wohl nur an dem
ganz nahe dem äußeren Periostracum, das die Schale überzieht, ge-
legenen Teile der Fall. An diesem Ende sehen wir junge Prismen
als kleine rundliche helle Stellen in dem Conchyolin liegen. Wir können
aber hier nicht sagen, daß die durch das Periostracum getrennten Teile
zueinandergehörige Stücke ein und desselben Prismas seien, sondern
in einer bestimmten Zone hörte die Bildung der Prismen auf, und
es erfolgte eine Ablagerung von Conchyolin, in der die darauf folgenden
Prismen wieder neu angelegt werden mußten.
An solchen stärkeren Periostracummassen, die in das Innere der
Prismenschicht einstreichen, setzt sich oftmals, wenn die Perlmutter-
schicht erreicht ist, die prismatische Gliederung in das Innere der
letzteren fort, hier »eine auskeilende Prismenschicht« bildend, wie
es Biedermann bezeichnet hat (Fig. 16 apr). Ehe der Übergang in
die Perlmutterschicht stattfindet, sehen wir schon nach dem inneren
Ende der Prismenschicht eine größere Ablagerung von Conchyolin
in Gestalt von kleinen Längssepten. Dann wird die Bildimg derselben
zahlreicher, je mehr die auskeilende Prismenschicht in die Peilmutter-
schicht übergeht. Gleichzeitig werden die Septen der einzelnen kleinen
Prismen immer kleiner und undeutlicher in kleinen körneligen oder
auch klumpigen Ansammlungen von Conchyolin abgelagert, die schließ-
lich, je weiter wir sie nach dem Innern der Perlmutter verfolgen, voll-
ständig verschwinden.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Sckalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 389
Nathusius von Königsborn und Biedermann haben an Schliffen
der Schale von Meleagrina festgestellt, daß sich zwischen den Lamellen
der Prismen Hohlräume befinden, und zwar beobachtete letzterer,
»daß an entkalkten Querschliffen unter Glyzerin beobachtet die Quer-
streifen als helle Spalten hervortreten, und ein eventueller Zweifel
wird dadurch behoben, daß den Spalten entsprechend an zahlreichen
Stellen des Präparates eine wirkliche Trennung der Conchyolinhülse
in übereinanderliegende ring- oder gürtelförmige Segmente erfolgt ist.«
»Es scheint dies darauf hinzuweisen, daß diese ziemlich gleich breiten
Streifen schon ursprünglich ganz voneinandergetrennte Gürtel dar-
.■~»ci.= ; • ■ ^ä'"')??!!'!?]
pm
Fig. 16.
Entkalkter Querschliff der Schale mit auskeilender Prismenlage (apr). Vergr. 108 : 1.
stellen, deren schmale Zwischenräume sich leicht mit Luft füllen«
(vgl. S. 16). Diese Spalten benachbarter Prismenwände stoßen genau
aufeinander und »daß es daher auf diese Weise zur Entstehung ganz
schmaler ringförmiger Lücken, Spalten, innerhalb der gemeinsamen
Zwischensubstanz kommen muß, ist nicht zu bezweifeln« (vgl. S. 17).
»Neben den ringsum laufenden Spalten finden sich in den organischen
Prismenscheidewänden bei Meleagrina an vielen Stellen auch runde
lufterfüllte Hohlräume von wechselnder Größe, welche oft sehr dicht
beisammen stehen und dann ganze Strecken der Prismen wie punktiert
erscheinen lassen.«
Solche lufterfüllte Hohlräume, wie eben beschrieben, ließen sich
an der Schale von Anodonta niemals feststellen. Doch an vielen Stellen
von Schliffpräparaten lassen sich Bilder beobachten, die lebhaft an
390
Richard Raßbach,
die zuletzt besprochenen von Biedermann gemachten Angaben er-
innern. An manchen Prismen bemerkt man, ähnlich wie dieser in
Fig. 8 seiner Arbeit es abgebildet hat, kleine rundliche Gebilde von
wechselnder Größe und gelblicher Farbe. Zeitweise folgen diese
Körperchen den Linien, die durch die Querstreifung der Prismenum-
hüllung hervorgebracht werden; sie können auch durch zahlreiches
Auftreten eine Färbung hervorrufen (Fig. 17 cok). Manchmal findet
man sie zu zweien oder mehreren verschmolzen. Bei sehr starken
cok
Fig. 17.
Querschliff durch die Schale mit C'onchyolinkügelchen (cok) an den Prismenscheidewänden.
Vergr. 240 : 1.
Vergrößerungen kann man stellenweise eine schwach angedeutete
konzentrische Struktur in ihrem Innern erkennen, die es ebenso wie
die vorher schon erwähnte Farbe ausschließt, daß wir es hier mit
»lufterfüllten Hohlräumchen« zu tun haben. Bei hoher Einstellung
erscheinen sie dunkel, bei tiefer Einstellung hell und bei größeren
Exemplaren erscheint der central gelegene Teil lichtbrechend. In
ihrem ganzen Äußeren erinnern sie an die früher erwähnten »matt
bläulichen, runden Kügelchen« von F. Müller.
An den oberen der Schalenaußenfläche zugewandten Teilen mancher
Prismen zeigen sich öfters größere Ansammlungen solcher gelber
Kügelchen; sie nehmen den ganzen oberen abgerundeten Teil ein und
Beitr. z. Kenntnis d. .Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 391
cok
bestehen augenscheinlich aus Conchyolinsubstanz (Fig. 18 cok). In
ihrer Gesamtheit rufen sie eine gelbe bis braune Färbung hervor. Ferner
erkennt man an solchen isolierten Prismen, daß die zerstreut liegenden
gelben Kügelchen sich nicht in ihrem Innern, sondern außen auf den
Prismenscheidewänden befinden, besonders gilt dies für die Conchyolin-
körperchen, die gerade an dem Rande liegen und dort im Profil erschei-
nen. An entkalkten Schliffen waren diese Gebilde viel seltener zu sehen
und zwar, wohl nur aus dem Grunde, weil sie sich nicht genügend von
dem übrigen Conchyolin abhoben. Die gelben
Küoelchen sind wohl mit den oben erwähnten
Hohlräumchen von Nathusius von Königsborn
und den Grübchen von v. Gümbel identisch,
die ja allerdings bei ihnen an den quer durch
die Prismen laufenden Membranen zu finden
sein sollen. Wahrscheinlich sind diese Gebilde
an schräg stehenden Prismenwänden von sich
zuspitzenden Prismen von der Aufsicht aus
beobachtet worden, oder von v. Gümbel bei
einem entkalkten Schliff, dessen Prismenhüllen
zum Teil umgelegt waren, und sich dem Be-
schauer dann in der Flächenansicht gezeigt
haben. Auch 0. Römer hat an den Prismen-
kuppen solche Gebilde gefunden, die er folgender-
maßen beschreibt : » Das
Ende der Prismen ist bisweilen braun gefärbt,
was von anhaftendem Conchyolin herrühren
dürfte. Dieser gefärbte Teil geht manchmal ganz allmählich in den
ungefärbten über, manchmal ist er scharf abgesetzt, zuweilen derart,
daß eine kleine braune Scheibe sich durch eine scharfe Einschnürung
von der ungefärbten Substanz abhebt« (vgl. S. 442).
Außer den eben beschriebenen gelben Conchyolinkügelchen fanden
sich an manchen isolierten Prismen, ebenfalls auf der Außenfläche,
die Gebilde, die früher als »globules jaunätres« beschrieben worden
sind (Fig. 19 gl). Wir finden hier wieder einen centralen Teil, der bei
gewisser Einstellung deutlich hervortritt, ferner ließ sich bei hoher
Einstellung auch der helle Saum beobachten. Diese Gebilde zeigen
sich an den Prismen viel deutlicher, da sie sich von dem hellen Unter-
grund besser abheben.
Zu erwähnen ist schließlich noch eine längsstreifige Struktur der
Prismen, die an Schliffen zurücktritt, aber an isolierten Prismen recht
Fig. 18.
Isoliertes Prisma, dem Con-
chyolinkügelchen (cok) an
abgerundete äußere <lem der Schalenaußenfläche
zugewandten Ende auflie-
gen. Vergr. 520 : 1.
392
Richard Raßbach,
.?'-
deutlich zu sehen ist (Fig. 13, 15, 18, 19). Diese Längsstreifung ver-
läuft nicht parallel der verticalen Prismenachse, sondern etwas gegen
dieselbe geneigt. Diese Struktur dürfte wohl dem Innern der Prismen
angehören. Die Bedeutung dieser Längsstreifung werden wir besser
erst später nach der Besprechung der Bildimgsweise der Prismen ver-
stehen, wonach diese in der Längsrichtung verlaufende Linien als
sphärokristallinische Strukturen aufzufassen sind.
Im allgemeinen kann man eine Grenze zwischen Prismen- und
Perlmutterschicht an solchen Stellen der Schale unterscheiden, wo die
Elemente der Prismenschicht senkrecht auf
den Lamellen der Perlmutterschicht stehen
(Fig. 14, 16, 17). An andern Stellen jedoch,
vor allen Dingen am Schalenrand scheinen
die Perlmutterlamellen in die Querstreifen
der Prismen überzugehen (Fig. 24 a), wie wir
schon früher festgestellt haben. Eine Grenze
zwischen den beiden Schichten wird, wie man
sich an entkalkten Schliffen leicht überzeugen
kann (Fig. 16), dadurch hervorgerufen, daß
die umhüllenden Membranen der Prismen
ziemlich scharf konturiert mit einer sanft
nach unten gewölbten Linie aufhören, die
manchmal mit kleinen Conchyolinkügelchen
besetzt ist, wodurch die Deutlichkeit der
Fig- 19- Begrenzungslinie erhöht wird. Unter isolier-
isoliertes Prisma, auf dessen ^ SchalenteiIen fand(?n sich auch Stücke der
Oberfläche ConcnyoJinkugelcneii
(cok) und größere, strukturierte Perlmutterschicht , die von der Fläche ge-
Körperchen (,/) (giobu.es jau- flehen die Grenzschic]lt zwiscüen den beiden
natres) liegen. \ ergr. o20 : 1.
genannten Schalenschichten erkennen ließen.
Man sieht hieran deutlich (Fig. 20), daß auch die inneren Enden der
Prismen sanft abgerundet sind und in der Perlmutterschicht in ent-
sprechenden Aushöhlungen sitzen. Die breiteren dunkleren Begren-
zungen dieser Löcher stellen die dem Beschauer näher gelegenen Perl-
mutterteile dar, welche sich an den Stellen befinden, wo jedesmal
Prismenränder zusammenstoßen.
Nach Biedermann sieht man »an manchen Stellen von Quer-
schliffen durch die Schale, welche es gestatten, die Grenzebene zwischen
Prismen- und Perlmutterschicht zu überblicken, daß dort die Konturen
der Prismen wie mit dunklen Knötchen besetzt erscheinen, welche,
wie ein Querschliff lehrt, als optische Querschnitte kurzer Stäbchen-
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 393
Fig. 20.
Grenzschicht zwischen Prismen-
i im 1 Perlmutterschicht von der
Fläche gesehen. Vergr. 160 : 1.
förmiger Fortsätze anzusehen sind, mittels deren einzelne Prismen
sozusagen in der Perlmuttersubstanz wurzeln. Auch bei Meleagrina
sind derartige, aus organischer Substanz
bestehende »Füßchen « der Prismen von
Nathusius von Königsborn beschrieben
und abgebildet worden. Besonders mächtig
entwickelt fand ich sie an Stellen, wo
Prismenlagen in der Perlmutterschicht aus-
keilen« (vgl. S. 23 u. 24).
Ein Querschliff durch die Prismen-
schicht zeigt uns ihre bekannte polygonale
Felderung (Fig. 21). Die einzelnen Prismen-
querschnitte erscheinen in verschiedenen
Färbungen, gelb bis braun, ferner weiß
durch mehrere Schattierungen bis zu voll-
ständigem Schwarz. Nach Rose sind diese
schwarzen Prismen hohl und mit Luft ge-
füllt, während nach Villepoix die dunkle
Färbung der Prismen durch
Ablagerung von Pigment
zwischen je zwei Querstreifen
hervorgerufen werden soll.
Nach Biedermann läßt sich
endlich zeigen, »daß an den
kleinen grauen bis schwar-
zen Prismen der äußeren
Schalenlage von Anodonta,
unmittelbar unter der Cuti-
cula, die Pigmentierimg teils
der Kalkmasse der Prismen,
teils aber auch der orga-
nischen Zwischensubstanz
zukommt. Man findet näm-
lich auch nach Entfernung Fig. 21.
des Kalkes die bleichen Ver- Querschliff durch die Prismenschicht, welche verschie-
& den helle (auch gefärbte) Prismenquerschnitte zeigt.
schiedenheiten der Helligkeit Vergr. 368 : l.
der Prismen erhalten, aller-
dings aber in wesentlich geringerer Schärfe ausgeprägt. Es ist
dies zugleich ein weiterer und ganz schlagender Beweis, daß
die »black cells« (von Rose), wenigstens in dem eben erwähnten
-pei
394
Richard Raßbach,
Falle, nicht durch lufthaltige Räume erzeugt werden. Ähnlich
wird es sich wohl auch bei den in verschiedenen Nuancen gelb-
lich bis braun gefärbten Prismen verhalten, welche sich allent-
halben bei Anodonta finden. Sehr häufig erscheint hier die Schale
bei jüngeren Exemplaren schön flaschengrün gefärbt. Nach Ent-
kalkung findet man in jedem solchen Falle nicht nur den äußersten
Überzug der Schale (das Periostracum), sondern auch die Scheide-
wände der Prismen in gleicher Weise schön gefärbt, so daß die Ge-
samtfärbung hier sicher nicht auf eine Pigmentierung der Prismen
selbst, sondern lediglich auf eine solche der Zwischensubstanz zu be-
ziehen ist« (vgl. S. 19). Diese Ansicht Bieder-
manns läßt sich nur teilweise bestätigen, da nur
ein geringer Teil der Prismen in derselben Farbe er-
scheint, welche ihre umhüllende Conchyolinmembran
besitzt. Wie aIoynier de Villepoix beschreibt,
läßt sich beobachten, daß die Färbung von Prismen
vielfach auch auf Pigment beruht, das im Innern
der Prismen eingelagert ist (Fig. 22). 0. Römer
bezweifelt das Vorhandensein von solchem in der
Kalkmasse der Prismen. »Zuweilen liegt zwischen
zwei Zonen noch eine feine, gleichsam aus dunklen
Körnchen zusammengesetzte Grenzlinie. Daß diese
nicht, wie es von Villepoix angenommen wurde,
von eingelagerten Pigmentkörnchen herrührt«, er-
gibt sich für Römer daraus, »daß da, wo die
seinem Innern Pigment feinen Längs- und Querlinien (von Römers Alveo-
16q*.'j e" larstruktur der Prismen herrührend) sich schneiden
bzw. verbunden sind, sehr oft dunkle Punkte
hervortreten, die also als Knotenpunkte der Maschen erscheinen,
und diese sind offenbar das, was Villepoix für Pigmentkörnchenreihen
gehalten hat« (vgl. S. 441 u. 442). Dieser Erklärung kann man kaum
beistimmen, da die Pigmentschichten von isolierten Prismen schon
bei schwacher Vergrößerung deutlich zu sehen sind, während Römer
seine Beobachtungen mit den stärksten uns zur Verfügung stehenden
Systemen gemacht hat. Daß dieser auch Pigment in den Prismen
gesehen hat, ohne weiter darauf zu achten, läßt sich seiner Beschrei-
bung auf S. 442 entnehmen : »Der gefärbte Teil der Prismen geht manch-
mal ganz allmählich in den ungefärbten über, manchmal ist er scharf
abgesetzt, zuweilen derart, daß eine kleine braune Scheibe sich durch
eine scharfe Einschnürung von der ungefärbten Substanz abhebt.«
Fig. 22.
Isoliertes Prisma <l i
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 395
Diese »braune Scheibe« kann man sich wohl kaum vorstellen, ohne
daß sie das betreffende Prisma durchsetzt.
Das Pigment liegt in Form von kleinen dunkelgelb bis schwarz-
braunen Körnchen in der Kalkmasse der Prismen (Fig. 22 fi). Es
liegt meistens nicht zerstreut, sondern in Eeihen bzw. Schichten, die
der Querstreifung der Prismen parallel laufen, und gewöhnlich in dem
der Schalenoberfläche zugewandten Teil derselben. Daß sich solches
Pigment im Innern der Prismen befindet, beweist folgender Umstand.
Wie wir aus Fig. 22 ersehen, reicht das Pigment fast niemals vollständig
bis zum Prismenrand; es findet sich daher dort ein heller Raum. Be-
fände sich das Pigment auf der Außenfläche der Prismen, wie die früher
erwähnten Conchyolinkügelchen, so müßte man auch Bilder erhalten,
bei denen das Pigment nur die eine Seite bedeckte, während die andre
vollständig pigmentfrei wäre. Ein solches Verhalten war aber niemals
zu beobachten, sondern stets befindet sich das Pigment in einem ge-
wissen Abstand von dem Prismenrand, woraus sich sein Vorhanden-
sein central im Innern der betreffenden Prismen gelegen ergibt.
Eine weitere Ursache, welche Färbungen von Prismen hervorruft,
beruht auf den oben erwähnten gelbbraunen Conchyolinkügelchen,
die sich auf der Außenseite mancher Prismenkuppen anhäufen.
Diese beiden, vorzüglich in den der Schalenoberfläche zugewandten
Teilen der Prismen sich befindlichen Färbungen, bringen es auch mit
sich, daß man an Flächenschliffen durch tiefer gelegene Regionen
der Prismenschicht weniger farbige Prismenquerschnitte antrifft als
an Schliffen, die näher dem Periostracum zu hergestellt sind.
Das graue bis schwarze Aussehen mancher Prismen, im Querschliff
gesehen, hat seine Ursache in der verschiedenen Art und Weise, wie
das Licht beim Durchgang durch den Schliff reflektiert wird, wie dies
Bütschli einmal kurz angedeutet hat. Eine solche Lichtreflektion
findet an den schräg stehenden Wänden der nach unten spitz zu-
laufenden Prismen statt, wodurch die dunklen Prismenquerschnitte
hervorgerufen werden.
Die Ansicht von Rose, daß die schwarzen Prismen hohl und mit
Luft gefüllt sind, ist außer dem von Biedermann angegebenen Grunde,
auch deswegen nicht zu halten, weil man bei gewisser Beleuchtung
die Dunkelheit zum Verschwinden bringen kann. Ferner ergeben die
genannten Prismen bei Beobachtung im polarisierten Licht mit ge-
kreuzten Nikols, wie alle andern Polygone, denselben Charakter der
Doppelbrechung, ein weiterer Beweis, daß in ihrem Innern Kalkspat
vorhanden ist.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 26
396 Richard Raßbach,
Die Dunkelheit der Prismenquerschnitte ist auf folgende Ur-
sachen zurückzuführen. Erstens werden, und dies wohl in geringerem
Maße, die schräg nach unten laufenden Conchyolinhüllen der sich
zuspitzenden Prismen vermöge ihrer geringeren Durchsichtigkeit als
der Kalk, die Ansicht von oben verdunkeln. Zweitens wird zum größten
Teil an den Wänden der genannten Prismen das Licht reflektiert.
Daß die dunklen Polygone in Querschliffen von den spitz zulaufenden
Prismen herrühren, beweisen die zwei folgenden Tatsachen. An ent-
kalkten Prismenquerschliffen bemerkt man, wie auch schon Bieder-
mann festgestellt hat, daß auch jetzt noch manche Polygone etwas
dunkler erscheinen als die umgebenden, und zwar hier aber in weit
geringerem Maße wie bei unentkalkten Schliffen. Doch dürfte hierbei
die Dunkelheit, nicht wie Biedermann annimmt, auf die Farbe der
umhüllenden organischen Membranen zurückzuführen sein, sondern
darauf, daß durch die schiefstehenden Conchyolinhüllen nicht sovM
Licht dringt, wie bei den geraden Prismen, bei denen die Lichtstrahlen
parallel ihren Wänden hindurchgehen. Stellt man auf ein solches
dunkleres Polygon eines entkalkten Schliffes ein und geht man mit
dem Tubus allmählich tiefer, so bemerkt man im Innern des Polygons
eine drei- bis mehrstrahlige Figur, je nachdem das spitz endigende
Prisma Seiten hat. Die einzelnen Strahlen entsprechen den Kanten
der zusammenstoßenden Prismenwände in der horizontalen Projektion
gesehen.
Legt man einen Flächenschliff durch die Schale nahe deren Ober-
fläche, dicht unter das Periostracum, so sieht man die schwarz aus-
sehenden Polygone im Gesichtsfeld in einer gewissen Anzahl und Größe.
Auf einem Schliff durch dieselbe Wachstumszone, d. h. aus der Region
desselben Anwachsstreifens, aber tiefer näher der Perlmutterschicht
durch die Prismenlage gelegt, sieht man bei derselben Vergrößerung
eine viel geringere Anzahl schwarzer Polygone, die auch den vorigen
gegenüber an Größe eingebüßt haben. Diese Beobachtung erklärt sich
aus der früher erwähnten Tatsache, daß die Prismen im allgemeinen
nach der Perlmutterschicht zu an Dicke zunehmen und daß gleich-
zeitig die pyramidenförmigen mit der Spitze nach dieser Seite gerich-
teten Prismen in derselben Richtung an Größe abnehmen und mehr
oder weniger tief in der Prismenschicht endigen. Diese pyramiden-
förmigen Prismen werden bei dem tiefer gelegten Schliff entweder gar
nicht mehr getroffen, da sie nicht so tief in die Prismenschicht hinein-
reichen, oder es wird nur noch der am weitesten nach der Perlmutter-
schicht zu reichende spitze Teil der Prismen angeschliffen, der natür-
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 397
lieh einen viel kleineren Umfang besitzt als die Stellen, welche der
Schalenoberfläche näher gelegen sind. Diese Beobachtungen zeigen
ebenfalls, daß die im Querschliff dunkel aussehenden Polygone den
Querschnitten der spitz zulaufenden Prismen entsprechen.
öfters kann man beobachten, daß die schwarzen Polygone an
ihrem Rande dunkler erscheinen als in der Mitte. Dies wird wohl
dadurch hervorgerufen, daß durch die Seitenwände kein Licht gelangt,
während durch die Spitze noch einige in dem Prisma central gelegene
Strahlen gehen können.
Bei abgeblendetem Licht kann man die dunklen Prismen hell
erscheinen lassen, dadurch daß das von oben seitlich auf den Objekt-
tisch fallende Licht von den schief stehenden Pyramiden wänden jetzt
nach dem Auge durch den Tubus reflektiert wird. Ferner erscheinen
die dunklen Prismen heller als die Umgebung, wenn wir einen Schliff
umdrehen, also nicht von der Außenseite, sondern von der Innenseite
betrachten, so daß der spitz zulaufende Teil dem Beobachter zuge-
wandt ist. Bei dieser Betrachtung wird das von dem Mikroskopspiegel
kommende Licht ebenfalls von den schief stehenden Prismenwänden
reflektiert, aber in diesem Falle nach dem Innern des Prismas, das
dadurch hell erscheint, während die angrenzenden Prismenquerschnitte
jetzt dunkel aussehen. An den Rändern dieser letzteren ist die Dunkel-
heit am stärksten, da an den dort befindlichen Wänden, die gleich-
zeitig die Umgrenzung des jetzt hell aussehenden Prismas bilden, das
Licht in dasselbe hinein reflektiert wurde. Wir können nun in dieser
Ansicht die dunkel aussehenden Prismen als Pyramiden auffassen,
die nur zum Teil dunkel erscheinen, da ja auch nur die Partie der
Prismenwände, welche dem jetzt heller erscheinenden Querschnitt zu
liegt, schräg verläuft. Auch von dieser Seite betrachtet, sehen wir
viele Nuancen von weiß bis schwarz, nur daß man jedes Prisma in
dem gerade entgegengesetzten Farbenton sieht, als sie von der Schalen-
oberseite betrachtet, besitzen. Die Abstufungen der verschiedenen
Helle und Dunkelheit werden wohl dadurch hervorgerufen, daß die
Licht reflektierenden Prismenwände mehr oder weniger geneigt gegen
die Horizontale des Schliffes stehen. Hierdurch ist auch, wie schon
oben angedeutet, die Möglichkeit gegeben, daß ein Prisma, dessen
Wände oder nur ein Teil derselben etwas geneigt sind gegen die Rich-
tung der von unten senkrecht einfallenden Lichtstrahlen, einen dunk-
leren Eindruck machen kann. Vor allen Dingen aber steht fest, daß
die Pyramidenformen der Prismenschicht das Hauptkontingent der
dunkel erscheinenden Polygone im Querschliff durch die Prismenlage
26*
398 Richard Raßbach,
stellen. Die besonders am Schalenrande in sehr großer Zahl auftretenden
schwarzen Prismen rühren wohl daher, daß gerade hier, wo durch die
aufgelagerten Perlmutterlamellen nach der Innenseite der Schale zu
ein schnelles einseitiges Dickenwachstum eintritt, sehr schwer Schliffe
herzustellen sind, die genau senk-
recht zu den verticalen Prismen-
achsengeführt sind. Um das Ge-
sagte nochmals zusammenzufassen,
kann man sagen, daß die verschie-
denen Färbungen der Prismen durch
die vier folgenden Ursachen bedingt
werden, 1) durch Lichtreflektion,
2) durch eingelagertes Pigment,
3) durch Conchyolinkügelchen, wel-
che an der Außenseite der Prismen
sitzen, 4) durch die umhüllende
Conchyolinmembran .
An Totalpräparaten von Schalen-
rändern, die eine solche Dünne
haben, daß sie einer direkten Beob-
hV/^vl^^^^S^ achtung zugänglich sind, kann man
-^n$* ftifc$>, >Si f^"^^ >)rO *° nach Biedekmann folgendes beob-
k^^^fel^l^^ achten. »Man bemerkt bei Be-
^^^r^^^-^^^t^^S- trachtung des Schalenrandes von
1^sV-^^*7(n (^ cs~^y^> innen her in sehr vielen, man kann
^^^^äcl^J^S* sagen vielleicht in der Mehrzahl
i-tk^ffe^^V^T^^? der Fälle, dicht unter den jüngsten
Perlmutterschichten ein System
dunkler, mäandrischer Linien von
ziemlicher Breite und dunkler Fär-
bung. So ohne weiteres ist es nicht
ganz leicht, sich über die wirkliche
Lage derselben zu orientieren, und
£• man könnte sie bei Anwendung
~~ier auskeilenden Prismenlage. , .. , „. ,
vergr. 204 : i. schwächerer Systeme ebenso gut
über wie unter der dünnen und
durchsichtigen Perlmutterlage befindlich ansehen. Bei stärkerer
Vergrößerung freilich überzeugt man sich sofort, daß es sich im
gegebenen Falle um eine besondere Struktur der Prismenschicht
handelt.« »Man sieht, wie sich das gewöhnliche Bild der Prismen-
Flächenansicht einer auskeilenden Prismenlage.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 399
querschnitte vom Rande her nach innen in höchst charakteristi-
scher Weise verändert (Fig. 23). Es handelt sich dabei vor allem
darum, daß die Kalkmasse der Prismen in immer reichlicherem Maße
von organischer Substanz durchsetzt wird. Zunächst entwickeln
sich nur von einer oder wenigen Stellen der Peripherie dünne Septen,
oder es bildet sich ein organischer Achsenstrang. Indem weiterhin
derartige Bildungen reichlicher auftreten, verlieren die Prismen schließ-
lich vollständig ihren einheitlichen individuellen Charakter und er-
scheinen aufgelöst in ein System gefalteter Kalklamellen, deren Quer-
schnitt ein Bild liefert, welches im kleinen lebhaft an die gefaltete
Oberfläche des Großhirns erinnert, wobei die Furchen der organischen
Zwischensubstanz, die Windungen aber der Kalkmasse entsprechen«
(vgl. S. 22 u. 23). Der Beschreibung dieser Strukturen an und für
sich ist kaum etwas hinzuzufügen. Doch der Erklärung, daß es sich
um eine besondere Struktur der Prismenschicht handle, deren Kalk-
masse immer mehr mit organischer Substanz durchsetzt wird, kann
man nicht beistimmen. Wie oben schon klar gelegt wurde, besitzen die
Prismen in ihrem Innern, außer Pigment, keine organische Substanz.
Es handelt sich hierbei nur, wie Biedekmann später auch bemerkt,
um auskeilende Prismenschichten von der Fläche gesehen, wie wir
solche in (Fig. 16 apr) im Querschnitte beschrieben haben.
Die Perlmutterschicht.
Der äußerste Rand der Schale wird vom Periostracum gebildet,
dem von innen her die Prismen angelagert sind. Diese beiden Schichten
bilden in einer schmalen Zone allein den Schalenrand (Fig. 24). In einiger
Entfernung, die je nach dem Alter der Tiere etwa 0,5 — 3 mm beträgt,
werden dann der Prismenschicht die Perlmutterlamellen angefügt.
An einem Querschliff durch eine ganze Schalenhälfte läßt sich erkennen,
daß die Dicke der Perlmutterschicht von dem Rücken nach dem
Schalenrande immer mehr abnimmt, um kurz vor seinem freien Ende
ganz aufzuhören. Die beiden Figuren 24 und 24a stellen die beiden
äußersten Enden eines solchen Querschliffes dar; sie zeigen uns die
Stärkeverhältnisse der einzelnen Schalenschichten an verschiedenen
Regionen. Weiter erkennt man, daß die Perlmutterschicht da am
dicksten ist, wo die Prismenlage ihre geringste Stärke im Querschliff
zeigt (Fig. 24a). In dieser gegen den Wirbel zu gelegenen Partie wurden
die Prismen von dem Mantelrand des Tieres gebildet, als es sich in
noch jugendlichen Stadien befand, während die Perlmutterschicht
dieser Gegend stets durch Anlagerung von neuem Material auch in
400
Richard Raßbach,
älteren Stadien verdickt wird. Die Stärke des Periostracums verhält
sich ebenfalls wie die der Prismen, sodaß wir nach dem Umbo hin
eine viel dünnere organische Schicht vorfinden als am Schalenrande.
Hieraus erklärt sich auch die leichtere Zerstörbarkeit des Periostracums
in der Wirbelgegend, so daß wir sehr selten ältere Schalen finden, die
dort ihren ursprünglichen organischen Überzug noch besitzen.
Die Perlmutterschicht ist in ihrem äußeren Aussehen und in ihrem
Bau sehr verschieden von der Prismenschicht. In einem Querschliff
erkennt man eine feine lamelläre Schichtung, die der inneren Schalen-
fläche parallel läuft. Diese Lamellen gehen allmählich in die Quer-
■ pr
pm
Fig. 24.
Die beiden äußersten Enden ein und desselben Querschliffs durch eine Schalenhälfte, welche die
ungleiche Stärke der einzelnen Schalenschichten in den verschiedenen Wachstumsregionen zeigt.
Vergr. 26 : L.
streifung der Prismen über, was besonders gut am Schalenrande zu
beobachten ist (Fig. 24). Die Perlmutterschicht besitzt zarte Conchyo-
linmembranen, die der lamellären Struktur entsprechen. Zum Unter-
schied aller übrigen organischen Bestandteile der Schale färben sich die
äußerst feinen Häute der Perlmutterschicht mit Hämatoxylin blau.
Zwischen den Lamellen findet sich Kalk eingelagert, der sich nach
Moynier de Villepoix dort amorph vorfinden soll, während andre
Autoren, wie G. Rose, annehmen, daß er kristallinisch ist. Außer
dieser lamellären Anordnung bemerkt man an Querschliffen eine zweite
Streifung, die allerdings nicht ganz so deutlich hervortritt und die
in einem Winkel von etwa 45° gegen die erste Streif ung verläuft. Wenn
eine der Schaleninnenfläche parallele Lamelle den einen Schenkel
des Winkels bildet, so liegt der andre dem Wirbel der Schale zugeneigt,
so daß die zweite Streif ung von der Außenseite der Schale schräg nach
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 401
der Innenfläche der Perlmutter zu verläuft (Fig. 14). Diese Struktur
ist schon von Nathusius von Königsborn und später noch von andern
Autoren gesehen worden, während sie Biedermann merkwürdigerweise
gerade bei Anodonta nicht feststellen konnte.
An manchen Stellen von Querschliffen reichen Periostracum-
schichten mit ansetzenden Prismenlagen bis in die Perlmutterlamellen
hinein; wir haben diese als »auskeilende Prismenschichten« kennen
gelernt. Ferner finden sich parallel zur Innenfläche der Schale zwischen
Perlmutterlamellen die von Tullberg benannten »braunen Schichten«,
die aus Periostracumsubstanz bestehen. Diese kann man auf weite
Strecken von dem Ligament bis zum Schalenrand hin verfolgen (Fig. 42,
64). Nach diesem Befund spricht schon Tullberg den Gedanken aus,
daß die Manteloberfläche imstande ist, verschiedene Schalenschichten
zu bilden.
Die Ansicht eines Perlmutterquerschliffes beschreibt Ehrenbaum
folgendermaßen (S. 11): »Man bemerkt hier regelmäßig als Ausdruck
einer lamellären Schichtung Systeme von äußerst zahlreichen, fast
ganz gerade und parallel miteinander verlaufenden Linien, die bei
ihren geringen Abständen voneinander oft eine solche Feinheit zeigen,
daß sie jeder Wiedergabe durch die Zeichnung zu spotten scheinen.«
Stellenweise sind diese Linien durch Querwände unterbrochen, die
dem Ganzen »ein auffälliges backsteinähnliches Aussehen verleihen«.
Dieses letzterwähnte Strukturverhältnis soll mit einer durchgehenden
prismatischen Gliederung der Perlmutterschicht im engsten Zusammen-
hang stehen.
Ein »backsteinähnliches Aussehen«, wie es Ehrenbaum bei My-
tilus und Römer bei Margaritana feststellte, ließ sich auf meinen
Schliffen durch die Perlmutterschicht von Anodonta nicht zur An-
schauung bringen, ebensowenig wie die »linsenförmigen Hohlräumchen«
die teilweise noch durch feine Kanälchen verbunden sind, wie es Römer
auf Taf. XXX, Fig. 11 und 12, abgebildet hat. Eine prismatische
Gliederung der Perlmutterschicht, wie sie Ehrenbaum annimmt, kann
bei Anodonta nicht zugegeben werden, aus Gründen, die wir später
noch anzuführen haben.
Tullberg führt die gegen die Lamellen schief gerichteten Streifen
der Perlmutterschicht auf »äußerst feine Kanäle zurück, die auf
trockenen Präparaten mit Luft gefüllt sind und dann bei durchfallen-
dem Licht als dunkle gegen die Schicht winkelrechte Linien erscheinen «
(vgl. S. 18).
Zu bemerken ist hier noch, daß auf entkalkten Schnitten v n
4Ü2
Richard Raßbach,
der schrägen Streifung der Perlmutterschicht nichts mehr zu sehen
ist, so daß diese Struktur nicht von der Anordnung organischer Be-
standteile, sondern wohl nur von der des eingelagerten kohlensauren
Kalkes abhängen kann. Die Perlmutterschicht ist also aus zahlreichen
feinsten Conchyolinlamellen mit Kalkeinlagerungen zusammengesetzt,
die regelmäßig alternieren, und deren Zahl ständig mit dem Alter der
einzelnen Tiere wächst.
In einem Flächenschliff durch die Perlmutterschicht bemerkt man
ein System feiner wellig gebogener Linien, die einander parallel ge-
richtet sind (Fig. 25), teils gerade Strecken, teils in sich zurücklaufende
Kurven bilden. Nach Biedermann kommt ein solches charakteristi-
sches Bild eines Perlmutterflächenschliffes
auf folgende Weise zustande. Jede der
vielen parallel zueinander verlaufenden
Lamellen der Perlmutterschicht wird
» eben und ungef altet abgelagert , und
zwar entgegen der Behauptung Ehren-
baums als kontinuierliche Schichten«.
Die Lamellen der Perlmuttersubstanz
überziehen nun » nicht eine ebene son-
dern eine gekrümmte Fläche. Dazu
kommt noch, daß vom Schloßrande, als
dem ältesten Schalenteil der Muschel, aus-
gehend, jede folgende neu gebildete Lamelle merklich über die nächst
vorhergehende übergreift. Dementsprechend ist die Perlmutterschicht
in der Wirbelhöhlung der Schale am dicksten, am Schalenrand am dünn-
sten. Das Übergreifen der Lamellen bezwecks ganzer Lamellensysteme
erfolgt nun, wie man sich leicht durch Betrachtung der Perlmutterlage
nach Abschleifen der Prismenschicht überzeugen kann, keineswegs in
einer dem Schalenrande genau parallelen Linie, sondern es verläuft der
Rand der Lamellen vielfach unregelmäßig geschwungen oder gezackt.
Es ist klar, daß unter diesen Umständen jeder Flächenschliff durch die
Perlmuttersubstanz ein System konzentrischer, untereinander paral-
leler Linien wird darbieten müssen, welche am Rand des Schliffes be-
sonders dicht stehen und teils den natürlichen Rändern entsprechen«
(vgl. S. 24). Dieser Auffassung Biedermanns kann man sich kaum
anschließen, da, wie es schon oben beschrieben worden ist, am Schalen-
rand die Lamellen der Perlmutterschicht allmählich in die Querstrei-
fung der Prismen übergehen (Fig. 24). Nach dieser Ansicht kann es
keine »natürlichen Ränder« der Perlmutterschicht geben, was auch
Fig. 25.
Perlmutterflächenschliff. Vergr. 204: 1.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 403
nur durch eine scharf begrenzte Epithelzone, die ausschließlich Perl-
muttersubstanz produziert, bedingt sein müßte. Eine solche mit be-
stimmten Grenzen ist aber nicht vorhanden. Die scheinbaren Ränder
der Perlmuttersubstanz, die man nach Abschleifen der Prismenschicht
beobachten kann, werden nur durch unsre unvollkommenen Schleif-
methoden hervorgerufen. Auch die Erklärung, daß das charakteristische
Bild eines Perlmutterflächenschliffes dadurch bedingt wird, daß die
Lamellen eine gekrümmte Fläche überziehen, kann aus folgenden
Erwägungen nicht in Betracht kommen. Bei einem Flächenschliff,
den wir betrachten, greifen wir nur ein sehr kleines Stückchen der
Perlmutterschicht heraus, für das der Verlauf der Lamellen und erst
recht bei der starken Vergrößerung, wodurch wir eine noch viel kleinere
Partie beobachten, als ebene Fläche angenommen werden muß. Unsre
Schleifmethoden sind jedoch im Verhältnis zu den sehr dünnen Schichten
der Perlmutter so unvollkommen, daß wir nicht imstande sind, den
Flächenschliff absolut parallel zu den äußerst feinen Lamellen zu
führen, eine Ansicht, die sich der von Römer geäußerten, nähert.
Hieraus erklärt sich auch leicht ein Bild mit konzentrisch ineinander
laufenden Linien, wie es List auf Taf. VI, Fig. 4, wiedergegeben hat.
Fig. 26.
Polygonale Felderung auf der Innenseite der
Perlmutterschicht. Vergr. 1000 : 1.
Fig. 27.
Isolierte Polygone der Ierlniuttersclüclit.
Vergr. 1000 : 1.
Ein solcher Schliff ist annähernd parallel zu den Lamellen gelegt, von
denen jede nach allen Richtungen ungefähr in derselben Höhe ge-
troffen ist.
Betrachtet man die Innenfläche der Perlmutterschicht, nachdem
man von der Außenseite soviel weggeschliffen hat, um ein dünnes,
durchsichtiges Stück zu erhalten, so bemerkt man die schon öfters
beschriebene polyedrische Struktur (Fig. 26). Behandelt man dünne
Perlmutterblättchen mit Kalilauge, so erhält man kleine, einzelne,
404 Richard Raßbach,
teils auch noch zusammenhängende Polygone von unregelmäßiger
Gestalt (Fig. 27). Am Rande derselben findet sich bei gewisser Ein-
stellung ein heller Saum. Diese beiden Strukturen sind offenbar
dieselben Gebilde, die wahrscheinlich den von Rose auf der Innenseite
der Perlmutterschicht gefundenen regelmäßigen Sechsecke bei Pinna
entsprechen. Er bringt diese Gebilde mit dem Querschnitt von Ara-
-onitkristallen in Verbindung. Nach Camillo Schneider weist die
polygonale Feiderimg der Perlmutterschicht »auf die Entstehung der
einzelnen Territorien von je einer Zelle hin« (vgl. S. 544) eine Be-
hauptung, deren Beweis aber bis jetzt noch nicht erbracht ist. Bie-
dermann hat dieselbe Ansicht, daß nämlich die polyedrische Struktur
der Ausdruck eines flächenhaft ausgebreiteten Epithels ist, mit der
die Perlmuttersubstanz während ihrer Bildung »in so engen und un-
mittelbarem Zusammenhang stand, daß jede einzelne Zelle in der
fertigen, mit Kalk imprägnierten Lamelle einen nach Form und Größe
genau entsprechenden Eindruck hinterläßt« (vgl. S. 25). Ehrenbaum
glaubt in der polyedrischen Struktur die Querschnitte der prismatischen
Gliederung der Perlmutterschicht zu sehen. Doch steht der ziemlich
große Durchmesser der polyedrischen Felderung der Perlmutterlage,,
bei einer gewissen Vergrößerung betrachtet, in einem allzugroßen
Mißverhältnis zu der Größe der im Querschliff zu bemerkenden schrägen
Streifung, die man mit den stärksten Vergrößerungen kaum in ihre
einzelnen Bestandteile aufzulösen vermag, so daß die beiden Struk-
turen auch nicht im entferntesten in Zusammenhang gebracht werden
können.
Von Schalen, die längere Zeit trocken gelegen haben, läßt sich
von der Innenseite vielfach eine organische, dünne Membran loslösen,
auf der man noch einige andre Strukturen beobachten kann. Manchmal
bemerkt man ein Bild, das das Aussehen eines zusammenhängenden
Zellkomplexes hat mit stark hervortretendem Kern. Tatsächlich
stellten sich solche Gebilde als Teilstücke des Mantelepithels heraus,
die beim Loslösen des Mantels an der Schale haften geblieben waren,
woraus sich offenbar, und wahrscheinlich bei der Bildung der organischen
Bestandteile der Perlmutterschicht, ein zeitweiser festerer Zusammen-
hang des Mantelepithels mit der größeren inneren Schalenfläche ergibt.
Dieselben Bilder ließen sich künstlich auf folgende Weise erzielen.
Ein erwärmter Objektträger wurde auf das abgetrocknete Mantel-
epithel gedrückt und dann plötzlich weggerissen. Die auf dem Glas
hängengebliebenen Teile des Epithels ergaben nach dem Färben die-
selben Bilder, die sich auf der Membran vorgefunden hatten. Auf
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 405
andern Teilen einer von dem Innern der Schale losgelösten Membran
fanden sich Zeichnungen, die kaum anders als die Abdrücke der Zellen-
oberflächen der Mantelepithelzellen zu deuten sind (Fig. 28). Die
einzelnen Zellenabdrücke waren deutlich gegeneinander durch helle
breite Linien abgegrenzt. Auf der Oberfläche befanden sich in je
einer Zelle entsprechendem Teilstück helle größere Stellen, welche
fast den Eindruck von Poren machten.
Bei einem Vergleich zwischen den Fig. 26 und 28, die bei der-
selben Vergrößerung gezeichnet
^, sind, erscheint die. oben er-
wähnte Ansicht Biedekmanns,
daß die polyedrische Struktur
der Innenfläche der Perlmutter-
? j; ■' v-i.., . ■• • - ■ ••-
U&^V1-^ ?""*"< ''*
Fig. 28. Fig. 29.
Oberflächenabdrücke von Mantelepithel Zeilen auf Wabenförmige Anordnung kleiner Kalk-
einer organischen Membran der Perlmutterschicht. körnchen auf einer organischen Perlniutter-
Vergr. 1000 : 1. lamelle. Vergr. 255 : 1.
schicht der Abdruck der darunter liegenden Epithelzellen ist wegen
der verschiedenen Größen und den ungleichen Umrißformen wenig
wahrscheinlich .
Weiter fanden sich auf der organischen Membran eine waben-
förmige Anordnung kleiner Körnchen, (Fig. 29) die sich nach Behand-
lung mit salzsaurem Alkohol auflösten und somit aus kohlensaurem
Kalk bestehen dürften. Zuletzt seien die allerdings nur spärlich an-
zutreffenden, einzelnen Kalkkristalle von verschiedenen Formen er-
wähnt. Die einen bildeten einen vielstrahligen Stern mit einer größeren
Anzahl dünnerer Strahlen (Fig. 30), die andern besaßen wenigere, aber
kräftigere Kalknadeln (Fig. 30a). Diese Kalkgebilde sind wohl als
Reservestoffe anzusprechen, als ein Produkt größerer Kalkabsonderung,
wie gerade zur Bildung der betreffenden Perlmutterlamelle not-
wendig war.
Auf der Innenseite der Perlmutterschicht bemerkt man, vorzüg-
lich bei älteren Tieren, häufig gelbe Flecken verschiedener Gestalt,
406
Richard Raßbach,
die von Hessling zuerst beschrieben und als »Ölflecken« bezeichnet
wurden, öfters trifft man sie in rundlichen Formen an. In ihrem
Mittelpunkte läßt sich vielfach noch ein dunklerer, bis schwarzbrauner
Teil erkennen. Gerade an dieser Stelle sieht man von der Schalen-
außenfläche, daß die Schale nach Verlust des schützenden Periostra-
cums bis auf ein Minimum an Dicke von dem Wasser zerstört ist.
Fig. 30. Fig. 30 a.
Kalkkristalle, die sich auf organischen Perlmutterlarnellen vorfinden. Vergr. 460 : 1.
Auf einem Querschliff (Fig. 31) überzeugt man sich, daß dieser »Öl-
flecken « durch eine Ablagerung von Periostracumsubstanz (rpe) hervor-
gerufen wird. Die Dicke desselben kann die der äußeren die Schale
bedeckende Membran bei weitem übertreffen und dient dazu, der
*■ — «»
rpe
Fig. 31.
Querschliff durch einen Ölflecken, der aus einer Periostracumschicht (rpe) mit anliegender Prismen-
schicht (rpr) besteht. Vergr. 26 : 1.
weiteren Auflösung der Kalkbestandteile der Schale Einhalt zu tun.
An dieser Conchyolinlamelle, die hier vollständig getrennt vom Mantel-
rand ist und durch die ihm unten anliegenden Mantelzellen gebildet
wird, sieht man im Querschnitt deutliche Anfänge von Prismenbil-
dungen bis zu ausgebildeten Stadien (rpr). Auch diese können, nach-
dem die Periostracumsubstanz abgelagert ist, ebenfalls nur von den
darunterliegenden Mantelzellen gebildet worden sein. Die Entwicklung
der Prismen können wir besser in der Flächenansicht an Totalpräpa-
raten beobachten. Es lassen sich hier alle Stadien verfolgen, die wir
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 407
früher bei der Prismenbildung am Schalenrand beschrieben haben.
Die ältesten Stadien finden wir vielfach an dem Mittelpunkte des
»ölfleckens«, während sich nach den Rändern zu jüngere Prismen-
anlagen finden. Als solche heben sie sich auch hier wieder stärker
lichtbrechend als rundliche Gebilde ab, an denen man bald die be-
kannte konzentrische radiäre Struktur wahrnimmt und in dem Mittel-
punkt den centralen Kern. An Größe immer mehr zunehmend, kommt
es zur Bildung der polygonalen Felderung der Prismenschicht. Dabei
nimmt die Deutlichkeit der sphäritischen Struktur ab, um schließlich
gänzlich zu verschwinden. Auch finden sich in der Flächenansicht
Bilder, die an Stellen von auskeilenden Prismenschichten erinnern;
man findet nämlich auf manchen Teilen Conchyolin in sehr unregel-
Fig. 32.
Umrisse junger Prismenanlagen auf einem
Ölflecken (entkalkt). Vergr. 20-4 : 1.
Fig. 33.
Kalkkristalle, die sich auf Ölflecken vorfan-
den. Vergr. 460 : 1 .
mäßigen Formen abgelagert, woraus sich schließen läßt, daß die eigent-
liche Prismenbildung nicht so scharf ausgeprägt ist, sondern teilweise
die Tendenz noch vorherrscht, Periostracumsubstanz abzuscheiden.
Erwähnt sei noch, daß man vielfach bei Prismenanlagen, ehe sie sich
zur polygonalen Felderung zusammenschließen, die schon früher be-
obachtete eigenartige, strahlige Struktur des Randes zeigen, dessen
einzelne Teile nach dem Prismenmittelpunkt hinzeigen (Fig. 32).
Diese sternförmige Anordnung läßt sich auch noch an der fertigen
Prismenschicht bemerken. Ferner ließen sich auf den Ölflecken Kalk-
kristalle in verschiedenen Stadien sehen. In kleineren Exemplaren
machten sie den Eindruck von jungen Prismenanlagen mit sphäro-
kristallinischem Bau (Fig. 33a). Bei größeren Kristallen fand man
an der ursprünglichen rundlichen Form eine Anlagerung von dickeren
Kalknadeln, wodurch sie verschiedene Gestalten annehmen (Fig. 336,
33c). In ihren Umrißformen machen sie ganz den Eindruck der Kalk-
408 Richard Raßbach,
kristalle, die Moynier de Villepoix am Schalenrande bei Änodonta
gefunden und sie als Doppelquaste (»doubles houppes«) bezeichnet hat.
In ihrem Innern konnte man jedoch stets einen centralen Kern beob-
achten, manchmal auch zwei, die der ersten Anlage des Kristalls (Fig. 33a
entsprechen. Auch diese Kalkgebilde dürften als Reservestoffe anzu-
sprechen sein. Die Dicke der Prismenschicht an den »Ölflecken«
erreicht, soweit sich an meinen Präparaten feststellen ließ, niemals die-
jenige der äußeren Prismenlage. Beim weiteren Wachstum der Schale
werden die »Ölflecken« von Perlmuttersubstanz überwallt, und sie
entsprechen dann den »braunen Schichten« von Tullberg.
Die helle Schicht.
An Querschliffen durch die Schale bemerkt man an solchen Stellen,
wo Muskeln an dieselbe herantreten eine Schicht, die sich von der
Perlmuttersubstanz durch ihre größere Helligkeit abhebt (Fig. 34 h).
pm
Fig. 34.
Schalenqu erschuf f mit heller Schicht (h) des hinteren Schließmuskelansatzes. Vergr. 80 : 1.
Sie vermittelt den festen Zusammenhang der Muskeln mit der Schale.
Von früheren Autoren ist sie als »helle Schicht« oder als »durchsichtige
Substanz« bezeichnet worden. Sie ist stets scharf getrennt von der
Perlmutterschicht. Von einer Muskelansatzstelle verläuft die helle
Schicht nach dem Wirbel der Schale, die Lamellen der Perlmutter-
substanz von der Schaleninnenseite nach der Oberfläche schräg durch-
setzend, indem so der Weg bezeichnet wird, den die Muskeln beim
Fortrücken an der jeweiligen Schaleninnenseite genommen haben.
Hierdurch kann man noch immer die Dicke der Schale feststellen,
welche dieselbe besaß, als der Muskel gerade an der beobachteten
Stelle befestigt war. Die Vertreter der Intussuszeptionstheorie, welche
diesen Verlauf und die Bedeutung der hellen Schicht kannten, hätten
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 409
eigentlich durch diesen Befund darauf aufmerksam werden müssen,
daß die Perlmutterschichten, die später der hellen Schicht angelagert
werden, nicht durch Intussuszeptionswachstum hätten entstehen
können, da die beiden Perlmutterteile immer scharf von der hellen
Schicht geschieden sind.
Die helle Schicht zeigt an Querschliffen ihre größte Dicke unge-
fähr in der Mitte der Schließmuskelansätze, während sie nach dem
vorderen Ende, d. h. nach der Seite hin, nach welcher sich der Muskel
an der Schale fortbewegt, an Höhe abnimmt. Nach dem Wirbel zu
nimmt sie ebenfalls an Stärke ab, um schließlich nur noch als feiner
heller Streifen sichtbar zu sein. Nach diesem Befund ist es für List
auffällig (vgl. S. 73), »daß die durchsichtige Substanz, sobald sie von
Perlmutterschichten bedeckt wird, stets an Größe abnimmt, wie man
deutlich an einem Querschliff beobachten kann. Dieselbe Schicht,
an der sich klar und deutlich in der Adductorgegend die einzelnen
Prismen unterscheiden lassen, ist später in demselben Präparat, wenn
sie weiter nach innen hin von vielen Perlmutterschichten bedeckt ist,
gerade noch als strukturlose, schmale, weiße Linie zu erkennen. Die
Prismen müssen also nachträglich zusammengepreßt werden.« Eine
solche nachträgliche Zusammenpressung einer so stark verkalkten
Schicht läßt sich schwer vorstellen. Eine einfachere Erklärung der
verschiedenen Dicke der hellen Schicht wird durch folgende Über-
legung gegeben. An den Stellen der hellen Schicht, die nach dem
Wirbel der Schale zu viel dünner erscheinen und die feineren Strukturen
nicht so deutlich erkennen lassen, war der Muskel befestigt, als er in
den jüngeren Stadien der Muschel noch eine geringere Größe besaß. Aus
diesem Grunde war auch damals eine weniger starke helle Schicht zum
Befestigen des Muskels an der Schale notwendig. Die Höhe der hellen
Schicht wächst also mit der Stärke des Muskels bei dessem Fortrücken
an der Schale. Nach dem äußeren Ende des Muskelansatzes nimmt,
wie schon oben erwähnt, die Dicke der hellen Schicht wieder ab, was
sich leicht daraus erklärt, daß an dieser Seite, nach welcher der Muskel
an der Schale fortrückt, eine ständige Neubildung der hellen Schicht
auf der Perlmutterlage erfolgt.
Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man in der hellen Schicht
verschiedene Strukturen. Am auffälligsten ist eine prismatische Glie-
derung, die von allerfeinsten Lamellen durchzogen wird (Fig. 35). Die
prismatische Gliederung ist eine durchgreifende, wovon man sich leicht
an solchen Quer- oder auch Flächenschliffen überzeugen kann, bei
welchen die Ränder der hellen Schicht ausgebrochen sind und in die
410
Richard Raßbach,
Fig. 35.
Helle Schicht, welche deutlich ihre ein
zelnen Bestandteile zeigt. Vergr. 800 : 1
einzelnen Glieder zerfallen, die den Teilen der Fig. 35 entsprechen. Die
Begrenzungslinien der einzelnen prismatischen Bestandteile der hellen
Schicht dürften den »Kanälen, die bei trocknen Schalen mit Luft
gefüllt sind«, von Tullberg entsprechen (vgl. S. 19, Taf. VI, Fig. 3a).
Außer der prismatischen Gliederung der hellen Schicht sind pyramiden-
oder kegelförmige Gebilde bemerkenswert, die Ehrenbaum auch bei
Mytilus feststellen konnte, während List sie dort in Abrede stellt.
Bei Anodonta treten sie heller und noch etwas stärker lichtbrechend
als die helle Schicht selbst auf; mit ihrer Spitze zeigen sie stets nach
der Außenfläche der Schale (Fig. 34). An manchen Stellen der hellen
Schicht findet man sie so zahlreich vor,
daß sie die übrige prismatische Struktur
in den Hintergrund drängen. Nach
EhrenbaujI »besteht aber die durch-
sichtige Substanz gar nicht aus ein-
fachen, geraden, regelmäßig nebenein-
ander liegenden Fasern, sondern ihre
prismatische Gliederung wird durch
sehr unregelmäßige vielfach konische Einlagerungen oder sekundär
ausgefüllte Höhlungen hervorgerufen. Außerdem besitzt sie wirk-
liche Höhlungen von mannigfach verschiedener Gestalt, wie das
schon Nathusius von Königsborn beschrieben hat. Die große
Festigkeit der Verbindung zwischen Schale und Muskel macht es
nun wahrscheinlich, daß die zerfaserten Enden der Muskeln in diese
Höhlungen hineingreifen, die ihrerseits erst durch die secretorische
Tätigkeit der Muskelzellen entstanden sind« (vgl. S. 43). An Schliffen
wie an Schnitten durch die Schließmuskelenden mit ansetzender Schale
konnte jedoch bei Anodonta niemals ein Eindringen der Muskelfasern
in die helle Schicht festgestellt werden, ebensowenig wie an dieser
wirkliche Höhlungen sich beobachten ließen. Eine »secretorische Tätig-
keit der Muskelzellen selbst« kommt bei dem Aufbau der hellen Schicht
nicht in Betracht, vielmehr dürfte die Bildung dieser Schalenschicht
dem Epithel zukommen, das sich an allen Muskelenden befindet und
welches der Beobachtung Ehrenbaums entgangen ist.
Nach Entkalkimg eines Stückes der Schale mit Muskelansatz,
kann man das Muskelende loslösen, so daß die helle Schicht an dem-
selben vielfach haften bleibt (Fig. 36 h). An Schnitten durch solche
Partien läßt sich feststellen, daß die helle Schicht außer kohlensaurem
Kalk auch aus einer organischen Grundsubstanz besteht, wie es auch
Tullberg schon beobachtet hat. Allerdings fand sich der organische
Beitr. z. Kenntnis d. »Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 411
Bestandteil immer nur in einer sehr geringen Höhe im Verhältnis zu
der Stärke der nicht entkalkten hellen Schicht. Hieraus läßt sich
wohl schließen, daß diese eine intensiv verkalkte Schicht ist, während
die organische Grundmasse in den Hintergrund tritt. Bei den ent-
kalkten Schnitten durch die helle Schicht kann man weiter beobachten,
daß die prismatische Struktur fast nicht mehr, an manchen Stellen
überhaupt nicht mehr zu erkennen ist, während man jetzt einen sehr
deutlichen lamellären Bau wahrnehmen kann, dessen einzelne Lamellen
sich teilweise durch Spaltung in der Längsrichtung abheben (Fig. 36).
Diese lamelläre Schichtung der hellen Schicht wird vielleicht für die
Anheftung des Muskels eine wesentliche Bedeutung haben, da eine
Fig. 36.
Querschnitt durch die entkalkte helle Schicht (h) mit ansetzenden Muskeln und Mantelhaftepithel
{mhep). Vergr. 800 : 1.
Befestigung desselben in der Flächenrichtung der Schaleninnenseite
beim Zusammenziehen der Adductoren einen festeren Halt gibt. Auf
einem mit Hämatoxylin-Eosin gefärbten Präparat ließ sich stets eine
Rotfärbung der organischen Grundsubstanz der hellen Schicht beob-
achten, während die Lamellen der Perlmutterlage sich immer nur mit
Hämatoxylin bläuen. Vielleicht läßt diese verschiedene Reaktions-
fähigkeit dieser beiden organischen Substanzen auf eine ungleiche Art
der Entstehung hindeuten. Auf Flächenschliffen durch die helle
Schicht, die durch Abschleifen der nach außen gelegenen Schalenteile
hergestellt waren, ließ sich keine besondere Struktur erkennen.
F. Müller stellte bei Anodonta ebenfalls schon die helle Schicht
fest, die er als Stäbchenschicht bezeichnet. »Durch Isolierung der
einzelnen Stäbchen konnte er sich überzeugen, daß die Querstreifung
auch hier nicht durch das Vorhandensein von Lamellen hervorgerufen
wird, sondern daß sie lediglich darauf beruht, daß die Stäbchen aus
zwei das Licht verschieden brechenden und sich regelmäßig abwech-
selnden Substanzen zusammengesetzt sind, die in den einzelnen Stäb-
chen korrespondieren« (vgl. S. 219). »Diese Stäbchen sind durch
Erhärtung von Muskelfaserenden entstanden. Es spricht dafür erstens
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIII. Bd. 27
412
Richard Raßbach,
der Umstand, daß die Anfänge der Stäbchen sich stets unter der Grenz-
membran, in welche die Muskelfasern des Schließmuskels verlaufen,
enden.« Schließlich steht für F. Müller die Tatsache fest, »daß die
Stäbchen organische Gebilde sind, nicht etwa Kalkkörperchen, denn
diese hätten sich bei der Härtung des Muskels in verdünnter Chrom-
säure aufgelöst« (vgl. S. 220). Nur an diesen Enden will er vielleicht
ein Wachstum durch Apposition zugeben. Daß die Querstreifung der
hellen Schicht doch durch Lamellen hervorgerufen wird, ist eben be-
wiesen worden, und daß die »Stäbchen« auch vorzüglich aus kohlen-
saurem Kalk bestehen, beweisen zur Genüge die Vergleiche zwischen
Querschliffen und entkalkten Schnitten, die bei F. Müller sicherlich
einer nicht genügenden Einwirkung von Säure unterworfen waren.
Fig. 37.
Querschnitt durch den Schließmuskelansatz einer jungen Anodonta. Yergr. 368 : 1.
W. Stempell gelangt zu der Ansicht, »daß die Stäbchenschicht
nichts andres als eine fibrillär in der Richtung des Muskelzuges diffe-
renzierte Partie des Körperepithels ist, allein mit dem physiologischen
Unterschiede, daß sie nicht nur wie die gewöhnlichen Mantelepithel-
zellen Schalenstoff secerniert, sondern zugleich auch den innigen Zu-
sammenhang zwischen Muskel und Schale herstellt, indem sich ihre
distalen Regionen direkt in Schalensnbstanz umwandeln« (vgl. S. 379).
Die Befestigung der Muskeln an die helle Schicht erfolgt stets
mit Hilfe eines Epithels, das schon von Tullberg festgestellt wurde
(Fig. 37 mhep) und von Thiele und List als Haftepithel bezeichnet
wird. Es steht in innigstem Zusammenhang mit den Muskeln, welche
in die Epithelzellen eindringen. In diesen bemerkt man an dem distalen
Teil allgemein eine Zerfaserung der Muskelenden in Fibrillen, die sich
gewöhnlich beim Ansatz an die helle Schicht etwas verbreitern (Fig. 37).
Dieser Schnitt durch den Muskelansatz einer 12 mm langen Muschel
läßt zwischen Perlmuttersubstanz (pm) und Haftepithel (mhep) die
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 413
helle Schicht nicht erkennen, da sie bei derartig jungen Tieren nur
in äußerst feinen Lagen vorhanden ist, die nach der Entkalkunu' wie
CD J O"
schon früher angedeutet ist, nichts mehr von sich erkennen lassen.
Das Plasma des Haftepithels zeigt eine deutliche, faserige Struktur,
deren Einzelelemente aber nicht mit den Fasern der Muskelenden in
Zusammenhang treten, sondern getrennt nebeneinander durch die
Epithelzellen verlaufen (Fig. 37). List
stellte bei Mytilus folgendes fest (vgl.
S. 86, Taf. 11, Fig. 9). »Verfolgt man
eine Muskelfaser nach ihrer Ansatz-
stelle hin, so läßt sich stets konstatie-
ren, daß ihre homogene Substanz sich
im distalen Abschnitt in einzelne
Fasern auflöst, auf eine kurze Strecke,
um dann wieder zu einer kompakten
Masse zu verschmelzen. Dieser fase-
rige Abschnitt, die Epithelzelle des
Mantels ist stets schwächer färbbar als
die Muskelzelle und kann bei Doppel-
färbung sich anders färben. Er ent-
hält immer den ovalen Kern der
Epithelzelle. « Wie aus dieser Beschrei-
bung zu ersehen ist, weicht bei Ano-
donta der Bau der Mantelhaftzellen mit
den eindringenden Muskeln wesentlich
von dem ab, was List von Mytilus
mitteilt. Vor allen Dingen müssen die
Kerne der Epithelzellen und die der
Muskelzellen scharf getrennt werden;
es entspricht je ein Kern einer Haft-
epithelzelle. Niemals ließen sich bei
Anodonta in dem Haftepithel Drüsen
bemerken wie sie List bei Mytilus be-
schreibt. Außer einigen hier und da auftretenden Intercellularräumen
(Fig. 38 i) ist das Haftepithel stets eine vollständig in sich abge-
schlossene einzellige Schicht, die deutlich gegen das Innere mit einer
Basalmembran abgegrenzt ist (Fig. 36, 37, 38). Ein allmählicher Über-
gang des Haftepithels in das gewöhnliche Mantelepithel findet nicht
statt, sondern stets ist eine scharfe Grenze vorhanden (Fig. 38).
Zu ähnlichen Resultaten gelangt Camillo Schneider bei Anodonta.
mhep
pm
Fig. 38.
Querschnitt durch den Muskelansatz an
Vergr. 240
der Mantellinie.
1.
414 Richard Raßbach,
Er beobachtete ebenfalls an allen Stellen, wo Muskeln an die Schale
herantreten, eine deutliche längsfädige Struktur der Mantelhaftzellen.
Die Faserenden der Muskeln müssen scharf von den eigentlichen
Zellfäden, die weniger kräftig hervortreten, unterschieden werden.
Auch er konnte nirgends Drüsenzellen in dem Mantelhaftepithel fest-
stellen (S. 544). Nur die eine Ansicht Schneiders sei berichtigt, daß
nämlich »die innerste Schicht der Schale« stark verkalkt ist. Bei
seinen entkalkten Schnitten hat er nur die kalkfreie organische Grund-
substanz der hellen Schicht beobachtet.
Nach den über alle Arthropodengruppen ausgedehnten Unter-
suchungen von Stamm und nach den im hiesigen Institut angestellten
Beobachtungen von Wege erfolgt der Ansatz der Muskulatur am
Chitin der Arthropoden mit Hilfe der modifizierten Hypodermis,
der STAMMschen »epithelialen Sehne«. Demnach bestände ein prinzi-
pieller Unterschied zwischen den Muskelansätzen der Arthropoden
und dem von mir untersuchten Objekt darin, daß bei den ersten der
Muskel an der Basalmembran der Hypodermis aufhört, während bei
dem letzteren die Muskelfibrillen durch die Mantelhaftzellen hindurch
bis zur hellen Schicht vordringen. Ein genaueres Eingehen auf diese
nicht einfach zu entscheidende Frage, die vor allem bei den Arthro-
poden eingehend diskutiert wurde (Snethlage, Stamm, Wege) ist
hier nicht beabsichtigt.
Über das Fortrücken der Muskeln an der Schale wird man wohl
die schon von Reaumur und später von Tullberg geäußerte Ansicht
annehmen müssen, daß sich nämlich bei der Vergrößerung der Muskeln
nach dem fortrückenden Ende zu neue Muskelfibrillen gebildet, während
an der entgegengesetzten Seite solche resorbiert werden. Dieses
Verhalten erlaubt, daß trotz der Wanderung der Muskel stets in den
größeren mittleren Partien des Ansatzes ein ständig fester Zusammen-
hang mit der Schale gewährleistet wird.
Das Ligament.
»Unter dem Schalenligament der Lamellibranchiaten muß man,
ganz allgemein gefaßt, sämtliche unpaare und median dorsal vom
Schloß oder zwischen den Schloßhälften befindliche an die beiden
Schalenhälften angefügten Verbindungssubstanzen verstehen, welche
einerseits die Klappen einfach verbinden und anderseits durch ihre
physikalischen Eigenschaften den Attraktionsmuskeln der Schale ent-
gegen wirken« (0. M. Reis, vgl. S. 181).
Bei Anodonta haben wir ein sogenanntes äußeres Ligament, das
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 415
die beiden Schalenhälften in der Weise verbindet, »etwa wie der Kücken
eines Bücherbandes, der von einer Decke zur andern verläuft« (Bronn,
III. Teil, S. 333). Von außen gesehen, bemerken wir von dem Hinter-
ende der Muschel nach dem Wirbel zu eine spitz zulaufende, kegel-
förmige Vorwölbung, die aus Periostracumsubstanz besteht (Fig. 39 al).
Fig. 39.
Außenansicht des Ligamentes mit deut-
licher Querstreifung (j) des äußeren Ligament-
bandes (al). (Jahresringe, j). */s natürl.
Größe.
sbw
Fig. 40.
Innenansicht des Ligamentes (il). Seitlich ver-
laufen längs die Schloßbandwälle (sbio). Am
Hinterende befindet sich die postnympheale
Grube [pn). 4,5 natürl. (iröße.
Das hinterste Ende dieses äußeren Ligamentbandes liegt etwas tiefer
ungefähr in dem Niveau des Schalenrandes (pn). Auf der Außenseite
des Ligamentes sieht man quer verlaufend einige Streifen, die wohl
den einzelnen Wachstumsperioden desselben entsprechen. Jenseits des
Wirbels, nach dem Vorderende der Schale zu bemerkt man, daß die beiden
Klappen auch hier mit einer organischen Substanz verbunden sind.
416
Richard Raßbach.
Betrachtet man das Ligament von der Innenseite der Schale, so
bemerkt man, daß die Schalenränder an der Anheftungsstelle verdickt
sind und als zwei längs des Ligaments verlaufende hellere Leisten zu
sehen sind, die am Vorderende allmählich in den Schalenrand übergehen,
am Hinterende jedoch gegen denselben scharf abgesetzt sind (Fig. 40 sbiv )
Von früheren Autoren sind sie als Schloßband- oder Nymphenleisten
bezeichnet worden. Am hinteren Ende derselben befindet sich eine
Verbreiterung, die von Reis postnympheale Grube genannt wurde
(Fig. 40 pn). An der vorderen Begrenzung derselben beginnt scharf
abgesetzt das innere Ligamentband (Fig. 40 il) , das nach dem Wirbel
spitz zuläuft. An diesem selbst stoßen die Schloßbandleisten anein-
ander; jenseits davon finden wir wieder die schon vorhin erwähnte
organische Verbindung am Vorderende der Schale.
Aus dem eben beschriebenen Bau läßt sich leicht erklären, wie das
Ligament an seinen An-
satzstellen in die Perl-
mutterschicht eingekeilt
wird. An der postnym-
phealen Grube befindet
sich die Bildungsstätte
des äußeren Ligament-
bandes ; die scharf abge-
setzten Nymphenleisten
werden beim Wachstum
mit dem inneren Liga-
ment nach hinten ver-
größert und bedecken
somit die Teile, die in der
postnymphealen Grube
gebildet wurden. In
demselben Maße wie die
Nymphenleisten nach
dem Hinterende der Muschel verlängert werden, rückt die postnympheale
Grube beim Längenwachstum des Tieres in derselben Richtung an
der Rückenseite der Schale weiter.
Ein Schnitt durch das hinterste Ende des Ligamentes zeigt, daß
es hier nur aus einer Periostracumschicht mit ansetzender Prismenlage
besteht (Fig. 41 pe, pr). Querschnitte, die näher nach der postnym-
phealen Grube zu liegen, lassen erkennen, daß von der Schaleninnen-
seite her an die Prismenlage Periostrac umschichten angelagert werden,
Fig. 41.
Querschnitt durch den jüngsten nach hinten gelegenen Teil des
Ligamentes, bestehend aus Periostracum {pe), Prismenschicht
(pr) und äußerem Liüamentband («/). Vergr. 32 : 1.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 417
die den jüngsten Teil des äußeren Ligamentbandes darstellen (Fig. 41 al).
Seitlich werden die Lamellen der jungen Ligamentanlage in dünneren
Schichten gebildet, die schließlich in die Perlmutterschicht verlaufen
und dort einen Teil der »braunen Schichten« Tullbergs ausmachen.
Aus Fig. 41 ist also deutlich ersichtlich, daß das äußere Ligamentband
(al) nicht mit der Periostracumschicht, welche die Schale bedeckt, in
direktem Zusammenhang steht. Dort wo dem äußeren Ligamentband
das innere elastische angefügt wird (Fig. 40) findet eine starke Vor-
wölbimg des Ligamentes nach der Außenseite der Schale statt (Fig. 39).
Die dem äußeren Ligamentband ansitzende Prismenschicht (Fig. 41 pr)
wird dadurch gewöhnlich längs des ganzen Ligamentes gesprengt, so-
daß das äußere Ligamentband dort zum Vorschein kommt (Fig. 42, i6al).
Ein Schliff durch den mittleren Teil des Ligamentes zeigt uns, daß
es im geschlossenen Zustand der Schale eine halbkreisförmige Gestalt be-
Fig. 42.
Querschliff durch den mittleren Teil des Ligamentes. Es setzt sich hier aus dem äußeren Ligament-
band (al) und dem inneren Ligamentband (il) zusammen. Dieses geht seitlich in die Schloßband-
wälle über (sbiv). Vergr. 17:1.
sitzt. Das äußere Ligamentband (Fig. 42 al) zeigt einen lamellären Bau ;
etwas oberhalb der Nymphenleisten (sbiv ) ist es in der oben beschrie-
benen Weise zwischen Perlmutterlagen eingekeilt. Im Gegensatz zu den
Angaben von F. Müller ließen sich in der organischen Substanz des
genannten Ligamentbandes keine Kalkeinlagerungen feststellen.
Unterhalb des äußeren Ligamentbandes liegt fest mit ihm ver-
bunden das innere Ligamentband, welches den elastischen Teil der
dorsalen Verbindung der beiden Schalenklappen ausmacht. Das letztere
zeigt im Querschliff eine zweifache Schichtung. Außer einer sehr feinen
senkrechten Streifung erkennt man noch eine lamelläre Struktur, welche
in einem rechten Winkel zu der ersten verläuft. Die senkrechte Streifung
wird durch feine organische Fasern hervorgerufen, welche mit starken
Kalkeinlagerungen versehen sind. Nach F. Müller wird die kon-
zentrische, lamelläre Struktur auf folgende Art hervorgerufen (vgl.
S. 216). »Jede einzelne Faser besteht aus zwei das Licht verschieden
brechenden und sich reoelmäßio- abwechselnden Substanzen. Da diese
418 Richard Raßbach,
beiden Substanzen in den nebeneinander liegenden Fasern korrespon-
dieren, so erhält das innere Band eine gleichmäßige konzentrische
Querstreifung, welche der Muskelstreifung ähnlich ist. Einzelne
korrespondierende Stellen der Fasern brechen das Licht stärker, so-
daß die Querstreifung dort in dunkler markierten Linien sich zeigt.«
Eine einfachere Erklärung über das Zustandekommen der lamellären,
der Oberfläche des Ligamentes parallelen Struktur werden wir
nach Betrachtung eines Längsschliffes geben. An entkalkten Zupf-
präparaten von den Fasern des inneren Ligamentbandes kann man
sich von deren homogenen Aussehen überzeugen. Nur an solchen
Stellen, wo die Fasern noch wenig isoliert sind, kann man noch die
konzentrische Streif ung bemerken. Teilweise läßt sich auch ein
Reißen an den Stellen dieser Struktur quer zur Richtung der Fasern
feststellen, ein Zeichen, daß der Zusammenhang dort ein weniger fester
ist. Im Gegensatz zu dem äußeren Ligamentband färbt sich das innere
mit verschiedenen Reagentien, an Schnitten ließ sich an der konzen-
trischen Streif ung eine größere Tinktionsfähigkeit beobachten. Im
ungefärbten Zustand hat das elastische Ligamentband einen in ver-
schiedenen Farben schillernden Glanz, den Villepoix mit dem der
Sehnen bei Wirbeltieren vergleicht. Nur im feuchten Zustand zeigt
sich das innere Ligamentband elastisch ; außerhalb des Wassers erhärtet
es und wird leicht zerbrechlich.
Seitlich geht das innere Ligamentband allmählich seine ihm eigen-
tümliche Struktur verlierend in die Nymphenleisten (Fig. 42 sbiv), auch
Schloßbandwälle genannt, über. Auf Querschnitten tritt die senk-
rechte, faserige Struktur derselben stärker hervor als die lamelläre
Streifung, die mit der konzentrischen Anordnung des elastischen Liga-
mentbandes im Zusammenhange zu verfolgen ist, woraus sich auch
für diese Strukturen die Gleichzeitigkeit ihrer Bildung ergibt. An den
Schloßband wällen jüngerer entkalkter Schalen erkennt man öfters
einzelne stärkere Septen, die im Zusammenhang mit dem oben an-
setzenden äußeren Ligamentband teilweise den Eindruck einer aus-
keilenden Prismenschicht machen (Fig. 46 sbw). Besonders dieser Teil
der Schale steht mit den darunter liegenden Epithelzellen der Mantel-
naht in festerem Zusammenhang.
Das Bild eines Ligamentlängsschliffes zeigt Fig. 43. Dieser Schliff
ist möglichst median gehalten, an dem vorderen Teil ist jedoch ein
Stück der Nymphenleiste (sbiv) angeschliffen. Man sieht, daß die Stärke
des äußeren Ligamentbandes nach dem hinteren Ende immer zunimmt
und seine größte Stärke an der postnymphealen Grube (pn) besitzt,
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 419
an der im Gegensatz zu F. Müller das äußere Liga-
mentband mit den dort befindlichen Epithelzellen
der Mantelnaht in Berührung steht. Die lamelläre
Streifung dieses Ligamentteiles im Längsschliff ent-
spricht derselben Struktur im Querschliff.
Das innere Ligamentband zeigt im Längsschliff
(Fig. 43) eine spindelförmige Gestalt. Der stärkste Teil
liegt jedoch etwas über die Mitte hinaus nach dem
hinteren Ende der Muschel zu. Diese verschiedene
Stärke des inneren Ligamentbandes erklärt sich ähnlich
wie das Dickenwachstum der hellen Schicht an den
Muskelansätzen (siehe S. 409). Am Vorderende wurde
das elastische Ligamentband bei der jungen Muschel
in einer gewissen Stärke angelegt. Bei dem Wachs-
tum der Schale wird das innere Ligamentband
entsprechend durch Anlagerung dickerer Schichten
verstärkt, die infolge des gleichzeitigen Längen-
wachstums des Ligamentes weiter nach dem Hinter-
ende zu reichen und an der postnymphealen Grube
(pn) jeweils über die vorhergehende Lage etwas
vorstehen. Diese Schichten machen sich im Längs-
schliff als dunklere Linien bemerkbar, die schräg
von der Innenseite des inneren Ligamentbandes nach
der Außenfläche desselben verlaufen. Sie stellen die
Anwachsstreifen des elastischen Ligamentteiles dar.
Einige von diesen treten in weiteren Abständen be-
sonders deutlich hervor, die wohl als die Produkte
größerer Wachstumsperioden anzusprechen sind und
deren Ende in der Querstreifung auf der Oberseite
des äußeren Ligamentbandes ihren Ausdruck finden
(Fig. 39 j). Die Dauer einer solchen längeren Wachs-
tumsperiode dürfte, aus später noch ausführlich
anzugebenden Gründen, vermutlich ein Jahr be-
tragen. Die Anwachsstreifen werden nicht wie der
Längsschliff zeigt, in einer ebenen Fläche abgelagert,
sondern halbkreisförmig, der Form des Ligaments
entsprechend, was sich im Querschliff (Fig. 42) deut-
lich aus der konzentrischen Streifung ergibt. Außer
diesen Anwachsstreifen des inneren Li^amentbandes
sbw-
Längsschliff durch das Ligament. Vergr. 8:1.
Fig. 43.
420 Richard Raßbach,
bemerkt man im Längsschliff wieder die ungefähr senkrecht zu den
Außenflächen des Ligamentes stehenden organischen Fasern. Zu er-
wähnen ist schließlich noch, was besonders deutlich an den öfters
auftretenden Bruchstellen in der Richtung der Fasern zu beobachten
ist, daß dies"e nicht genau senkrecht zu den Außenflächen des Liga-
mentes stehen, sondern nur senkrecht zu den Anwachsstreifen der
einzelnen Wachstumsperioden, so daß die Fasern im Verlauf durch die
Dicke des inneren Ligamentes etwas gekrümmt erscheinen (Fig. 43).
Das Epithel der Mantelnaht.
Bevor auf die einzelnen Zellelemente der Mantelnaht eingegangen
wird, soll an der Hand einiger Schemata ihr Zustandekommen er-
läutert werden. Auf Querschnitten durch eine Anodonta bemerkt
man nach dem hinteren Ende der Muschel zu. daß sich an den
Innenseiten der beiden Mantellappen je ein Vorsprung befindet
(Fig. 44a). An den gegenüberliegenden Stellen der Mantelaußenseite
liegen die schon früher erwähnten hohen Cylinderzellen (pep), die der
prismenbildenden Zone des Mantelrandes entsprechen. Nach dem
Wirbel zu werden die Vorsprünge immer größer, indem sie sich dabei
einander immer mehr nähern (Fig. 44 b), um schließlich miteinander
zu verschmelzen (Fig. 44 c). Eine Strecke weit bleibt die auf diese
WTeise entstandene Brücke bestehen, um sich wieder an der Stelle zu
trennen, die von früheren Autoren als »dorsaler Mantelschlitz« be-
zeichnet wurde. Dann treten die beiden Teile wieder zusammen, die
Brücke wird kräftiger und füllt den Raum zwischen Darm und Mantel-
rand aus. Gleichzeitig bemerkt man, daß die Bildung des Periostra-
cums in der Mantelrandfalte aufgehört hat und daß das cylindrische
Epithel an der Außenseite des Mantels an Ausdehnung nach oben hin
zugenommen hat, um schließlich mit den hohen cylindrischen Zellen
der Mantelrandfalte in Verbindung zu treten (Fig. 44 d). Noch weiter
nach dem Wirbel zu beobachtet man eine Größenabnahme der Mantel-
randfalten und des nach dieser Seite auslaufenden Endes des dorsalen
Mantelschlitzes (Fig. 44e, dm). Diese beiden Teile verschwinden schließ-
lich vollständig, und wir haben die ausgebildete Mantelnaht vor uns,
die nur von dem hohen cylindrischen Epithel bekleidet ist (Fig. 44 /).
Am Vorderende löst sich die Mantelnaht in ähnlicher Weise, wie sie
hier zustande gekommen ist, d. h. aber ohne Unterbrechung eines dor-
salen Mantelschlitzes, in die beiden Mantelhälften wieder auf.
Die Mantelnaht selbst ist mit bloßem Auge als ein nach dem
vorderen Ende der Muschel sich zuspitzender Wulst zu erkennen, dessen
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 421
mrf^
pep
b
c/m
rnnep
e Fig. 44. /
Schematische Darstellung des allmählichen Zustandekommens der Mantelnaht (rnnep), durch Ver-
wachsung der freien Mantelränder am hinteren Ende der Muschel. Vergr. 32 : 1.
422
Richard Raßbach,
dm-
Gestalt der rundlichen Aushöhlung an der Innenseite des Ligamentes
entspricht. Die Mantelnahtzellen besitzen ein ähnliches Aussehen wie
die schmalen, hohen Cylinderzellen der Mantelrandfalte. Am Beginn
des hinteren Endes der Mantelnaht stehen diese Zellen dicht zusammen-
gedrängt. Ihr Protoplasma zeigt eine grobkörnelige Beschaffenheit.
Der Kern liegt im basalen Teil der Zelle und nimmt dort fast deren
ganze Breite ein. Er besitzt eine längliche, ovale Gestalt und zeigt
in seinem Innern einen oder mehrere Nucleolen (Fig. 45). Zwischen
diesen Zellen finden sich,
wenigstens in dem genann-
ten Teile der Mantelnaht, in
ziemlicher Anzahl große
Becherzellen (bz). Ferner
lassen sich teils rundlich oder
länglich gestaltete Zellen be-
merken, mit geformtem In-
halt, aus rundlichen Kügel-
chen bestehend, die sich mit
Eosin intensiv färbten.
Längs der Mantelnaht
behält das Epithel ungefähr
dieselbe Höhe, nur gegen
das Vorderende nimmt es
etwas an Höhe ab. Die den
Schloßband wällen anliegen-
den Zellen sind stellenweise
durch ihre besonders hohen
Elemente ausgezeichnet. Das Mantelnahtepithel steht mit dem
inneren Ligamentband in mehr oder weniger festem Zusammenhang.
Beim Loslösen desselben bleiben vielfach die einzelnen Zellen am
Ligament haften. Das Epithel garantiert durch seinen Zusammen-
hang mit dem Ligament eine konstante und regelmäßige Ablagerung
der dasselbe bildenden Substanzen. F. Müller beschreibt diese Ver-
hältnisse folgendermaßen (vgl. S. 213) : »Auch am Ligament findet ein
zarter Zusammenhang von Weichteilen mit den Schalenteilen statt.
Es sind dort keine ausgeprägten Muskelbündel, welche sich an die
Schale setzen, sondern zahlreiche einzelne Muskelfasern. An der Stelle
nämlich, wo bei Unio das Ligament in den Zahn, bei Anodonta in die
Zahnleiste übergeht, verschwinden an den betreffenden Mantelstellen
die Epithelzellen vollständig. Es treten aus dem darunter liegenden
Fig. 45.
Zellen des Mantelnahtepithels mit Becherzelle (&,
Amöbocyten (am). Vergr. 800 : 1.
und
Beitr. z. Kenntnis d. .Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 423
Muskelgewebe lange, wellig verlaufende Muskelfasern hervor, welche
in der spindelförmigen Erweiterung den charakteristischen langen Kern
unterscheiden lassen, der oft durch eine Anzahl kleiner Kerne ersetzt
wird. Diese Fasern vereinigen sich mit ihren Enden zu einem dichten
Filz, mit welchem gelockerte Fasern des Ligamentrandes zusammen-
hängen. « Diese von F. Müllee gesehenen Gebilde sind keine Muskel-
fasern, sondern Elemente des Mantelnahtepithels, die hier öfters ein
etwas ungewöhnliches Aussehen zeigen (Fig. 46 mnep). Zwischen den
einzelnen Zellen finden sich häufig Intercellularräume (i). Infolge der
Konservierung kontrahiert sich das Tier innerhalb der Schalenklappen
mnep
<SÖtv
Fig. 46.
Querschnitt durch das Ligament mit ansetzendem Mantelnahtepithel {mnep) an dem inneren Liga-
mentband (il). Zwischen den Epithelzellen befinden sich Intercellularräume (i) (Artefakte).
Vergr. 324 : 1.
sehr stark nach den Stellen zu, an denen es durch die beiden Schließ-
muskeln fest mit den Schalen verbunden ist. Da nun das Mantelnaht-
epithel infolge des Zusammenhanges mit dem inneren Ligamentband
der Kontraktion nicht folgen kann, werden die Epithelzellen besonders
in ihrem mittleren Teil lang gestreckt, wodurch zwischen ihnen die
Intercellularräume entstehen dürften.
Weiter ist nach Felix Müller anzunehmen (vgl. S. 217), »da
die Muskelfasern sich alle aus dem subepithelialen Muskelgewebe erheben,
daß diese kurzen Fasern nur die Enden von Muskelfasern sind, deren
übriger Teil in jenem Muskelgewebe liegt. Auch das Epithel der Mantel-
424: Richard Raßbach,
naht wird von solchen Fasern durchsetzt, welche ebenfalls mit ihren
Enden einen Filz bilden als Fortsetzung des Filzwerkes der langen
Muskelfasern«. Somit ist es für F. Müller, ausgeschlossen, »durch
die Art und Weise des Zusammenhanges des Ligamentes mit den Weich-
teilen des Tieres durch ein Filzwerk von Muskelfasern, das Wachstum
des Ligamentes auf eine Secretion des Mantelnahtepithels zurück-
zuführen«. Die ganze Anschauung Felix Müllers über die Schalen-
bildung hat ihn wohl nicht zu einer vorurteilsfreien Beobachtung der
Tatsachen kommen lassen, denn man kann sich leicht, wie man aus
dem vorher Beschriebenen und aus der Zeichnung (Fig. 46) entnehmen
kann, von dem rein epithelialen Charakter der Elemente der Mantel-
naht überzeugen. Ein Eindringen von Muskelfasern in das Mantel-
nahtepithel ließ sich an meinen Präparaten nicht feststellen. Stets
fand sich eine deutliche Basalmembran vor, die an Längs- und Quer-
schnitten durch die Mantelnaht gut zu verfolgen war.
Moynier de Villepoix unterscheidet auch unter dem Ligament
chitinogene Zellen der Mantelnaht, die an dessen hinterem Ende liegen
und das äußere Ligamentband liefern. Diese unterscheiden sich von
den specifischen Kalkzellen, die unter dem inneren Ligamentband
liegen durch verschiedenes Aussehen und durch verschiedenen Inhalt.
Die Ungleichheiten, die er in der Färbbarkeit der Kalkzellen bei jüngeren
und älteren Tieren fand, führt er auf verschiedene Secernierungs-
stadien zurück. Auf Schnitten durch die Herzgegend scheinen unter den
Nymphenleisten die Epithelzellen verschwunden. Sie sind durch Zell-
elemente von fibrillärem Aussehen ersetzt, welche sehr zusammenge-
drängt stehen und einen spindelförmigen Kern besitzen. Es sind dies
dieselben Zellen, welche F. Müller als Muskelfasern angesprochen hat.
Moynier de Villepoix will diesen Zellelementen keine wirkliche
Muskelnatur zuschreiben, sondern nur einen »myo-epithelialen« Cha-
rakter. Aber auch dieses scheint nicht notwendig, ebensowenig wie
dies bei andern Epithelien geschah, welche an Schalenteilen inserieren,
z. B. dem Mantelhaftepithel der Muskelansätze und bei dem Epithel,
welches das Periostracum in der Mantelrandfalte befestigt.
Die schon früher bei der Beschreibung des Epithels vom Mantel-
rand erwähnten Zellen mit geformtem, eosinophilen Inhalt, traten in
der Epithelschicht der Mantelnaht in ganz bedeutender Anzahl auf.
Sie stellen sich als Amöbocyten oder Wanderzellen heraus, die aus
dem Innern des Tieres in die Epithelien gelangen. Moynier de Ville-
poix konnte nicht mit Sicherheit feststellen, wie diese Amöbocyten in
das Mantelepithel einwandern.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 425
Fast überall im Bindegewebe findet man in den Mantellappen
solche Wanderzellen; sie gelangen ans den Blutgefäßen in die Lacunen
mnep
Fig. 47.
Im Bindegewebe (bi) des Mantels liegen Amöbo-
cyten {am), die nach dem Mantelnahtepithel (mnep)
wandern. Vergr. 800 : 1.
und von hier leicht in das Binde-
gewebe (Fig. 47). Dort treten sie
gewöhnlich als rundliche Zellen
auf, die mit grobkörnigen, rund-
lichen Granulis erfüllt sind. Der
stets runde Kern läßt niemals einen
größeren Nucleolus erkennen, son-
dern er zeigt viele kleinere Chroma-
tinteilchen in seinem Innern. Diese
Wanderzellen gelangen an die Epi-
thelzellen, in welche sie durch die
Basalmembran hindurch eindrin-
gen (Fig. 48). Vielfach nehmen
diese Amöbocyten beim Durch-
dringen des Epithels eine längliche
Form an, wobei der Kern hingegen
immer seine rundliche Gestalt
beibehält. In Fier. 49 sieht man
mnep
Fig. 48.
Amöbocyte (am), die gerade im Begriffe ist
in das Mantelnahtepithel einzudringen.
Vergr. 800 : 1.
mnep
bi
Fig. 49.
Amöbi cyte (am), die schon fast vollständig in das
Epithel eingedrungen ist. Andre befinden sich
schon innerhalb der Epithelschicht. Vergr.
800 : 1.
426
Richard Raßbach,
eine solche Wanderzelle, welche schon über die Hälfte ihrer Länge,
andre dagegen, die schon vollständig in das Epithel eingedrungen sind.
Das stark secernierende Epithel der Mantelaußenseite (Fig. 50) zeigt,
wie ein Amöbocyt gerade nach außen gelangt, seine ursprünglich rund-
liche Gestalt wieder annehmend. Gerade am Mantelrand sah man, wie
es Fig. 51 wiedergeben soll, vielfach diese Wanderzellen außerhalb des
Epithels zwischen diesem und der
Schale liegen. Häufig ließen sich
auch dort Wanderzellen beobach-
ten, in denen kein Kern zu erkennen
Fig. 50. Fig. 51.
Fig, 50. Amöbocyte {am), die gerade aus dem iu Sezernierungszustand befindlichen Mantelaußen-
epithel (aep) austritt. Im Bindegewebe und an der Basalmembran liegen andre Amöbocyten,
die mit gelben Ballen (gb) beladen sind. Vergr. 800 : 1.
Fig. 51. Amöbocyten (am), die zwischen dem Mantelepithel und der Schale liegen. Vergr. 800 : 1.
ist, wie anderseits auch isolierte Kerne vorkommen, doch war nicht zu
entscheiden, ob es sich dabei um eigenartige Zustände der Amöbocyten
handelt oder ob sie künstlich entstanden sind.
^ Diese eosinophilen Wanderzellen fanden sich also in gleicher Weise
beim Epithel des Mantelrandes sowie der Mantelnaht. Sie entsprechen
wohl den Drüsenzellen, die List zwischen dem Epithel unter dem
Ligament beschreibt als »breitere Drüsenzellen mit grobgranuliertem
Inhalt, die denen entsprechen, die man sonst im Mantelepithel antrifft «
(vgl. S. 93). Diese beschreibt er weiter folgendermaßen (vgl. S. 121
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 427
u. 122): »Außer den verschiedenen geformten und sehr mannigfaltigen
Elementen des Bindegewebes treten noch in den Gefäßen des Mantel-
randes und außerhalb Blutzellen auf. Diese besitzen als Wanderzellen
eine sehr verschiedene Funktion; dadurch, daß sie oft mit Granula
beladen sind, können sie leicht Verwechslungen mit Rundzellen ver-
anlassen. Ohne auf ihre histologischen Differenzierungen hier näher
einzugehen, möchte ich eine Funktion hervorheben, die von ganz
allgemeinem Interesse ist und bisher noch nicht beobachtet wurde.
Zur Zeit des Wachstums der Schale und des Periostracums kann man
beobachten, daß in den Amöbocyten oder Wanderzellen der Nucleolus,
der in dem rundlichen Kern eingeschlossen liegt, sehr groß ist und durch
seine starke Tinktionsfähigkeit mit Eosin sehr auffällt. Zugleich läßt
sich eine Wanderung dieser Zellen nach dem Epithel der Außenfläche
des Mantels und der Mantelaußenfalte feststellen. In diesen dahin
dk
S- rpe
COk
am
Fig. 52.
Querschnitt durch ein junges 3 Monate 10 Tage altes Periostracumregenerat mit anhaftenden
Amöbocyten. Teilweise sind in der organischen Masse degenerierte Kerne [dk) der Wanderzellen
eingeschlossen. Vergr. 368 : 1.
wandernden Zellen wird der Nucleolus immer größer ; vom Chromatin,
das sich stets mit Hämalaun distinkt blau färbt, sind nur noch wenige
Körnchen vorhanden und schließlich ist alles verschwunden, d. h. an
Stelle des Kernes ist ein stark glänzender homogener Körper verhanden,
der sich intensiv grell leuchtend rot mit Eosin fingiert. Nach den Befun-
den, welche die verschiedenen W^anderzellen darbieten, scheint es sicher,
daß auch, durch Aufnahme von weiterem Protoplasma auf dem Wege
zu den Epithelien hin, der Einschlußkörper noch zunimmt. Ist der
Amöbocyt am Epithel angekommen, so tritt er zwischen bzw. in die
Epithelien ein, und bald kann man nur noch den großen stark glänzen-
den Körper in einer Epithelzelle auffinden, während die schmale Proto-
plasmahülle verschwunden ist. Daß aus dem Epithel der Innenfläche
der Außenfalte diese stark glänzenden eosinophilen Körper, wie die
übrigen in dem Epithel selbst produzierten Secretmassen in das neue
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 28
428 Richard Raßbach,
Periostracum aufgenommen werden, konnte auf Schnitten deutlich
und einwandfrei festgestellt werden.« Obwohl einige Differenzen vor-
handen sind, die in dem Bau dieser Amöbocyten bei der Wanderung
vor sich gehen, kann es kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese
Wanderzellen bei Mytilus dieselben Gebilde sind wie die vorher bei
Anodonta beschriebenen.
An Schnitten durch solche Teile von Epithelien, die sich unter
verletzten Stellen regenerierender Schalenteile befanden, ließen sich
solche Amöbocyten in sehr großer Zahl beobachten. Moynier de
Villepoix schreibt ihnen hier den ersten Schutz des Epithels zu. Be-
merkenswert ist ferner, daß sich an Schnitten durch regeneriertes
Periostracum in demselben eingeschlossen degenerierte Amöbocyten
vorfanden (Fig. 52 am), ferner ließen sich in einer jungen Periostracum-
anläge blau gefärbte unregelmäßige Körper beobachten (Fig. 53 dk),
welche man sich wohl nur als degenerierte Zellkerne genannter Zell-
elemente erklären kann, ähnliche Befunde übrigens wie sie neuerdings
von A. Rubbel als Einschlüsse von Perlen beobachtet worden sind.
Über die eigentliche Bedeutung dieser aus den Epithelien des Mantels
austretenden Amöbocyten wird nur eine darauf gerichtete spezielle
Untersuchung Aufschluß geben können.
Über Schalenregenerationen.
Neben den Untersuchungen über de:i Bau der Schale wurden
auch Regenerationsversuche an der Schale von Anodonta cellensis
angestellt, die mit den von A. Rubbel an Margaritana margaritifera
vorgenommenen Versuchen in ihren Ergebnissen übereinstimmen.
Die Muscheln waren einem Altwasser der Lahn bei Marburg ent-
nommen und wurden nach den Schalenverletzungen in Kästen gesetzt,
deren Böden mit einer Schlammschicht bedeckt waren. Die Deckel
waren durch Drahtnetze ersetzt, während die Wände zahlreich durch-
löchert waren, um die nötige Wasser- und Nahrungszufuhr zu ermög-
lichen. Am 20. August 1910 wurden die Behälter auf den Grund des
Teiches, dem die Muscheln entnommen waren, gesenkt. An den natür-
lichen Lebensbedingungen war also nicht viel geändert; im Voraus
sei bemerkt, daß alle Tiere ihre Schale regenerierten, im Gegensatz
zu den Ergebnissen von G. Techow, der an Najaden, die er in Aquarien
hielt, keine Erfolge erzielen konnte.
Die Verletzungen der Schale bestanden darin, daß an verschie-
denen Stellen derselben am Schalenrand, auf der Mitte und am Liga-
ment kleine Stücke herausgesägt wurden, die mit Kork oder Papier
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Kchalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 429
und darübergelegten Celloidin- oder Schellackschichten geschützt
waren; einige Stellen blieben unverschlossen. Die Versuchsanordnung
war ähnlich derjenigen, die Moyniee, de Villepoix anwandte. Im
ganzen wurden auf diese Weise 21 Muscheln hergerichtet, von denen
innerhalb Jahresfrist nur zwei eingingen. Zur Verwendung kamen
Muscheln verschiedener Größen, zwischen etwa 80 — 145 mm Länge. Sie
werden in fortlaufenden Nummern nach der Reihenfolge bezeichnet,
wie sie in den einzelnen Zeitabständen wieder aus dem Teiche heraus-
geholt wurden.
Am 30. November 1910, nach einer Dauer von 3 Monaten 10 Tagen,
wurden vier Muscheln den Kästen entnommen. Bei der ersten Muschel,
die eine Länge von 145,8 mm
hatte, war aus dem einen Schalen-
rande ein Stück von 3 mm Breite
und 6 mm Höhe entfernt. Die
Stelle war mit Papier und Schel-
lack geschützt. Der andre Scha-
lenrand besaß eine Verletzung
von 22 mm Breite und 6 mm
Höhe ; diese wurde ohne schützen-
den Verschluß gelassen. Beide
Verletzungen der Schalenränder
waren nach Ablauf der genann-
ten Frist von innen mit einer
Periostracumschicht verschlos-
sen. An den verletzten Stellen
zeigten diese Regenerate noch
keine Prismenanfänge, während
in den angrenzenden Partien
solche in Mengen anzutreffen
waren, die sich in einer deutlich
gegen Perlmutter- und Periostra-
cumschicht begrenzten, hellen,
ungefähr 2 mm breiten Zone
parallel zum Schalenrande nach
dem vorderen und hinteren Ende
der Muschel hinzogen. Auf einem
Querschliff konnte man sehen,
daß das nur aus Periostracum bestehende Regenerat, etwa 2 mm von
dem Rande der Bruchstelle an der Perlmutterschicht befestigt war.
Fig. 53.
Querschnitt durch ein 3 Monate 10 Tage altes Re-
generat (rpe), das von innen an den Schalenrand
der alten Sehale angelagert ist. Vergr. 120 : 1.
430
Richard Raßbach,
pm
I ~pm
Besser konnte man diese Verhältnisse an Schnitten beobachten. In
Fig. 53 erkennt man, daß das gegen die mit Hämatoxylin blau ge-
färbte Perlmutterschicht hell hervortretende Regenerat (rpe) sich mit
dem äußersten Ende als eine feine, gelbe Membran an die Perlmutter-
schicht ansetzt. Dort sind an der Innenseite schon
wieder Perlmutterlamellen (rpm) über das Regenerat
gelagert. Nach dem Schalenrande hin nimmt es
schnell an Dicke zu und erreicht ungefähr die drei-
fache Stärke des die Schale überziehenden Perio-
stracums.
Die zweite Muschel hatte eine Länge von
117 mm. Aus dem linken Schalenrand war ein
Dreieck von 5 mm Höhe und 3 mm Basis entfernt.
Die verletzte Stelle war mit Papier und Celloidin-
schichten verschlossen. Dieses Regenerat war in
derselben Zeit am weitesten vorwärts geschritten.
Es zeigte sich ein Verschluß von consistenter Be-
schaffenheit aus Periostracum und Prismenschicht
bestehend. Ein Querschnitt (Fig. 54) läßt folgendes
erkennen. Wie bei Regenerat 1 ist das neu gebil-
dete Periostracum (rpe) an der Innenseite der Schale
angelagert ; hier ist es aber schon von einer dickeren
Perlmutterschicht (rpm) überdeckt. An der Innen-
seite des neu gebildeten Periostracums ist eine Pris-
menschicht (rpr) vollständig ausgebildet, welche
die Höhe des alten Schalenrandes schon erreicht
und stellenweise überholt hat. Die Dicke des rege-
nerierten Periostracums zeigt ebenfalls größere
Stärke als das der alten Schale.
Auf beiden Schalenhälften der dritten Muschel,
\rpe
pr
rpr
Fig. 54.
Querschnitt durch den
Sehalenrand mit voll-
ständig ausgebildetem 3
Monate io Tage altem die eine Länge von 146,3 mm hatte, war aus der
Regenerat. Es besteht MiUe ejn gtück yQn ßtwa 1Q mm Höh(? und g mm
aus Periostracum {rpe),
Prismenlage {rpr) und
Perlmutterschicht {rpm).
Vergr. 16 : 1.
Breite entfernt. Von den zwei Öffnungen, die ge-
schützt waren, hatte noch keine einen vollständigen
Verschluß; nur an den Rändern zeigten sich die
Anfänge des sich bildenden Regenerates. Dafür hatte das Tier in
der rechten Schalenhälfte eine dicke, gelbe Membran ausgeschie-
den, die sich in der Schale zwischen den beiden Adductoren auf eine
Länge von 95 mm ausdehnte und die ganze Höhe der Schale ein-
nahm. Eine derartig umfangreiche Neubildung konnte ich beim öffnen
Beitr. z. Kenntnis d. Sehale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 431
des Tieres kaum vermuten, so daß die Membran leider in der Nähe
der Mantellinie zerriß. Das Regenerat war ungefähr 2 mm vom Rande
der Schale an ihrer Innenseite befestigt, außerdem längs des Liga-
mentes. Im Querschnitt zeigte sich das ansetzende Regenerat am
Schalenrande in einem ähnlichen Bilde wie es in Fig. 57 wiedergegeben
ist. Es ist wahrscheinlich, daß die organische Membran auch an der
Mantellinie im kontinuierlichen Zusammenhange gestanden hat; es
würde mithin das Regenerat ein Jugendstadium einer neuen Schale unter
der alten darstellen, eine Tatsache, die Moynier de Villepoix (vgl.
Taf. XX, Fig. 54) bei Mytüus im ausgebildeten Zustand beobachtet
hat. Auf dem vorderen unteren Ende des Regenerates befanden sich
bis stecknadelkopfgroße Kristalldrusen von sphäritischem Bau (Fig. 55),
Fig. 55.
Sphärisch gebaute Kristalldruse, die sich in
großer Zahl auf einem 3 Monate 10 Tage altem
Periostracumregenerat vorfand. Vergr. 92 : l.
' »\ -" 'Cll^
Fig. 56.
Junge Prismenanlagen auf einem 3 Monate
10 Tage altem Regenerat (Flächenansicht) aus
der Schalenmitte (entkalkt). Vergr. 280 : 1.
die wohl als Reservestoffe anzusprechen sind, Gebilde von ähnlichem
Aussehen, wie sie Biedermann (vgl. Taf. III, Fig. 17 u. 17a) auf einer
embryonalen Austernschale angetroffen hat.
Aus der rechten Schalenhälfte der vierten Muschel, deren Länge
114 mm betrug, war nahe dem Umbo ein Dreieck von 12 mm Höhe
und 4,5 mm Grundlinie herausgenommen. Als Schutz diente ein
Stückchen Kork, darüber mit Celloidin befestigtes Papier. Von innen
war über den Kork eine dunkle, braune Periostracumschicht gelagert,
die das Aussehen wie die von Hessling beschriebenen »Ölflecken«
zeigte. Die Größe des Regenerates betrug im Durchmesser etwa 16 mm,
es war also bedeutend umfangreicher als die verletzte Stelle. Auf
einem Teil des abgelösten Regenerates konnte man deutlich den Beginn
der polygonalen Felderung der Prismenschicht bemerken. Das Re-
generat war leider so fest an der Schale befestigt, daß ich es erst nach
132 Richard Raßbach,
Entkalkung ohne Verletzung loslösen konnte. Nach der Behandlung
mit verdünnter Säure waren aber die sphäritischen Strukturverhält-
nisse der Jugendzustände der Prismen nicht mehr deutlich zu sehen.
Wie in Fig. 56 wiedergegeben ist, ließ sich eine strahlige Randkontur
der Prismen erkennen, die aber wieder größtenteils bei der fertigen poly-
gonalen Felderung verschwindet. Es sind genau dieselben Bilder, die
sich auf den » Ölflecken « beobachten lassen und die ebenfalls mit den
Bildimgsstadien junger Prismenanlagen am Schalenrande übereinstim-
men. In der Mitte jedes Polygones liegt ein centraler, durch seine
besondere Lichtbrechung hervortretender Kern. Außerdem konnte man
in der Flächenansicht Kalkreservestoffe in verschiedenen Formen von
sphäritischem Bau beobachten. Auf einem Querschnitt durch das
Regenerat (Fig. 57) bemerkt man, daß das Periostracum (rpe) etwa
msP
rpe
Fig. 57.
Querschnitt durch die Ausatzstelle eines 3 Monate 10 Tage alten Regenerates (rpe) aus der Schalen-
mitte. Vergr. 90 : 1.
4 mm vom Rande der verletzten Stelle an die Perlmutterschicht (pm)
angelagert ist. In der Nähe der Ansatzstelle kann man sehen, daß
dort dem Periostracum eine feine Prismenschicht angelagert ist, die
jedoch bald aufhört, um sich in der kompakteren Masse der organischen
Membran zu verlieren, eine Bildung, die sich häufig an den jüngsten
Ansatzstellen von regeneriertem Periostracum beobachten läßt. Die
Dicke des Regenerates (rpe) übertrifft auch hier wieder um ein Viel-
faches diejenige des die Schale überziehenden Periostracums.
Die Eisdecke auf dem Weiher verhinderte vor März neue Proben
aus den Kästen zu entnehmen. Am 7. März 1911 winden fünf weitere
Exemplare aus dem Teich entnommen. Sie hatten eine Länge von
90 — 120 mm. Alle hatten ihre Schale regeneriert, jedoch hatten die
Regenerate gegen die 31/2 Monate vorher untersuchten nur eine sehr
geringe Größenzunahme zu verzeichnen, die wohl nur noch in der
wärmeren ersten Hälfte des Novembers im vorhergehenden Jahre
stattgefunden hatte. Es war also in den kalten Monaten Dezember,
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 433
Januar und Februar eine Ruhepause im Wachstum eingetreten, wie
es auch von Hazay (vgl. S. 154) festgestellt worden ist.
In Fig. 58 ist ein Schnitt, parallel zum Rande, durch eins der
imgefähr gleich weit fortgeschrittenen Schalenrandregenerate der
fünften, sechsten und siebenten Muschel wiedergegeben. Er zeigt ein
sehr stark ausgebildetes Periostracum (rpe) mit ansetzender Prismen-
schicht (rpr). Besonders schön war an einer Stelle derselben der Über-
gang von blau gefärbten Perlmutterlamellen (rpm) in die mit Häma-
toxylin nicht färbbare Querstreifung der Prismen zu beobachten.
Bei der achten und neunten Muschel waren auf der Mitte der
Schale kleine Stückchen entfernt. Das erste dieser beiden Tiere zeigte
wie Regenerat 4 als Schalenverschluß eine dicke Periostracumsckicht,
Fig. 58.
Querschnitt (parallel dem Schaleurand) durch ein vollständig ausgebildetes 6 Monate 6 Tage altes
Schalenrandregenerat, welches aus drei Schalenschichten besteht (rpe, rpr, rpm). Vergr. 76 : 1.
auf der sich ebenfalls die polygonale Felderung jung angelegter Prismen
beobachten ließ. Eine Längenzunahme derselben hatte auch hier nicht
stattgefunden, was sich aus dem oben erwähnten Stillstand des Wachs-
tums in den kalten Monaten erklärt.
Ein sehr umfangreiches Regenerat zeigte die neunte Muschel.
Aus der Mitte der Schale war ein Rechteck von 10 mm Höhe und
2,5 mm Breite entfernt (Fig. 59 v). Als Schutz diente wieder Kork,
darüber mit Celloidin befestigtes Papier. Auf der Innenseite der
Schale befand sich ein dunkel aussehendes äußeres Regenerat (ar), das
in seiner größten Ausdehnung etwa 50 mm aufwies und eine Höhe
von 25 mm. In dem mittleren frei gebliebenen Teil war ein zweites
inneres Regenerat (ir) abgelagert, das eine Länge von 20 mm und eine
Höhe von 12 mm zeigte. Dies letztere hob sich durch seine hellere
gelbbraune Farbe ab. Daß das äußere Regenerat zuerst gebildet war,
läßt sich erstens aus der dunkleren Färbung schließen, ferner daraus,
daß sich auf dem inneren Regenerat nur ganz spärlich kleinere Kalk-
kristalle vorfanden. Das darunter liegende Mantelepithel war jeden-
falls bei der Schalenverletzunu beschädigt worden, so daß gerade an
434 Richard Raßbach,
dieser Stelle erst später der Schalenverschluß gebildet werden konnte.
Auf dem äußeren Kegenerat fanden sich wieder Kalkdrusen sphäriti-
oe frra
Fig. 59.
Totalansicht eines 6 Monate 6 Tage alten Regenerates, das zwischen den beiden Schließmuskelan-
sätzen {vsa u. hsa) liegt. Es besteht aus zwei Teilen einem äußeren (ar) und einem inneren Regenerat
(ir). Außerdem befinden sich auf der Schaleninnenseite mehrere Ölflecken (oe). 4/5 nat. Größe.
sehen Baues, in ähnlichen Rosettenformen, wie sie in Fig. 55 wieder-
gegeben sind. Stellenweise traten sie in so großer Zahl auf, daß sie sich
allseitig berührten, eine kontinuierliche Kalklaoe bildend. Aus der
J
Fig. 60.
Außenansieht einer Schale mit einem 11 Monate 12 Tage altem Randregenerat. Es dehnt sich
von der inneren Begrenzung der verletzten Stelle (v) bis zum Schaleurand aus. Auf dem Regenerat
| ist deutlich ein Jahresring (j) ausgebildet. 4/s nat. Größe.
sphärokristallinischen Form gingen sie auch vielfach in eine polygonale
über, die an das Aussehen der polygonalen Flächenstruktur der Perl-
mutterschicht erinnerte.
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 435
Die übrigen elf Muscheln wurden am 8. August 1911 also nach
Jahresfrist aus dem Weiher entnommen. An dreien dieser Tiere, deren
Schalenrand verletzt worden war, konnte man den Schalenzuwachs
in auffallender Weise erkennen (siehe Fig. 60). Die Länge der Schalen
betrug 80 — 101 mm. Die zehnte Muschel hatte in der Krümmung,
vom Wirbel bis zum Schalenrand gemessen, eine Höhe von 64,5 mm,
während vom inneren Rand der verletzten Stelle (v) bis zum neuen
Schalenrande 12 mm zu verzeichnen waren, was fast 1/5 der ganzen
Schalenhöhe ausmachte. Die beiden andern Muscheln zeigten ähnlichen
Zuwachs. Bei der elften waren die Maßverhältnisse 59,0 mm bzw.
9,5 mm bei der zwölften betrugen sie 52,5 bzw. 8,5 mm. Bei allen
drei Schalen bemerkte man etwas entfernt von dem vorjährigen Schalen-
rand einen Anwachsstreifen, die man auch als Jahresringe bezeichnet
hat. Hazay (vgl. S. 154, 155) stellte fest, »daß während der Ruhe
des Schalenrandes namentlich die zarte vorstehende Epidermis (Perio-
stracum) von dem Bodenschlamm angegriffen und durchsetzt wird,
so daß der ganze Rand eine dunklere Färbung annimmt. Dieser Um-
stand macht sich an den Schalen und den dunklen Jahresringen be-
merkbar, welche daher ganz richtig als ein jeweiliger Wachstums-
abschluß anzusehen sind. Je nach der Bodenbeschaffenheit werden
diese sehr natürlich auch mehr oder minder auffallend markiert sein.«
Dies findet insofern eine Bestätigung, als tatsächlich alle drei Muscheln
innerhalb Jahresfrist auf dem Regenerat einen deutlichen Anwachs-
streifen, Jahresring, aufweisen. Der jährliche Zuwachs der Schale ist
jedoch sehr verschieden; er ist bekanntlich von mehreren Umständen
abhängig, wie z. B. vom Alter des betreffenden Individuums, Kalk-
gehalt des umgebenden Mediums usf. Bei den Messungen der Größen-
zunahme derjenigen Muscheln, die sich ein Jahr in dem Teich befunden
hatten, ließ sich feststellen, daß jüngere Tiere einen größeren Schalen-
zuwachs erfahren hatten, als ältere; bei den größten Muscheln war
kaum eine Vergrößerung der Schale festzustellen. Diese Beobachtungen
stimmen im Grunde mit den während mehrerer Jahre durchgeführten
Messungen von Hazay überein. Auf Grund seiner Untersuchungen
kommt er zu dem Resultat, daß TJnio und Anodonta ein Alter von 10
bis 12 Jahren erreichen. Es sei nochmals hervorgehoben, daß als
Jahresringe nur stärker hervortretende, in größeren Abständen sich
zeigende Anwachsstreifen (Fig. 60 ;) anzusehen sind, die wie schon
oben erwähnt, bei älteren Exemplaren am Schalenrande in engeren
Zwischenräumen aufeinander folgen.
Sechs weitere Muscheln, deren durchschnittliche Länge etwa
436
Richard Raßbach,
113mm betrug, hatten Schalenverletzungen auf der Mitte; bei zwei
waren auch dabei kleinere Stückchen der Schließmuskelansätze ent-
fernt. Bei allen Tieren fanden sich Regenerate aus Periostracum,
Prismenschicht und Perlmutterschicht vor, und zwar in verschieden
weit fortgeschrittenen Stadien. In Fig. 61 ist ein Schliff durch ein
solches Regenerat wiedergegeben (rpe, rpr, rpm). Leider waren die
Schalenverschlüsse noch so dünn, daß es nicht gelang, dieselben im
Zusammenhang mit der alten Schale zu schleifen, sondern sie konnten
nur an entkalkten Schnitten zur Darstellung gebracht werden, um die
Größenverhältnisse zu zeigen (Fig. 62). An beiden Bildern erkennt
TT
rpe
rpr
- Sa
rpm
Fig. 61.
Querschliff durch ein vollständiges 11 Monate 12 Tage altes Regenerat von der Schalenmitte.
Vergr. 144 : 1.
man, daß eine sehr starke Periostracumschicht (rpe) gebildet ist. Die
Stärke der Prismenschicht (rpr) steht jedoch gegen die der alten Schale
(pr) zurück.
^ Bei den zwei Muscheln, an welchen Teile von Schließmuskel-
ansätzen entfernt waren, ließ sich ebenfalls eine Periostracumschicht
I % — ij
^^-rry^m~Pr
Fig. 62.
Querschnitt (entkalkt) durch ein vollständig ausgebildetes 11 Monate 12 Tage altes Regenerat
von der Schalenmitte im Zusammenhang mit der alten Schale. Vergr. 10 : 1.
mit ansetzender Prismenschicht feststellen. Besonders gut konnte
man diese Verhältnisse bei einem zufällig gefundenen natürlichen Re-
generat beobachten. Leider gelang es auch hier nicht, wegen zu geringer
Festigkeit, dasselbe im Zusammenhang mit den alten Schalenteilen
zu schleifen. In Fig. 63 sehen wir ein starkes Periostracum (rpe) mit
sich anschließender Prismenschicht (rpr); daran setzt sich, ohne Ver-
mittlung von Perlmuttersubstanz, die besonders für die Muskelansätze
charakteristische helle oder durchsichtige Schicht (rh), mit teils mehr
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 437
hervortretender prismatischer Gliederung, teils mehr lamellärer Struktur,
die vielfach ineinander übergehen. An einer Stelle ist zum zweiten
Male Periostracum mit sich anschließenden Prismen gebildet.
Zuletzt seien noch die Regenerate erwähnt, die sich nach Ver-
letzung des Ligamentes erzielen ließen. Diese Tiere unterlagen nur
■
Fig. 63.
Querschliff durch regenerierte helle Schicht (rh) eines Schließmuskelansatzes. Vergr. 144 : 1.
einer Regenerationsdauer vom 5. März 1911 bis zum 8. August desselben
Jahres.
An drei älteren Schalen, die eine durchschnittliche Länge von
120 mm hatten, wurden Stücke des hinteren und vorderen Teiles des
Fig. 64.
Querschnitt durch ein 5 Monate altes Ligamentregenerat (rpe). An den Stellen, wo es nach der
Schalenaußenfläche ausbiegt, sind die ersten Anfänge der sich regenerierenden Schloßbandwälle
zu bemerken. Vergr. 10 : 1.
Ligamentes entfernt, von der Breite desselben und 4 mm Länge. Die
Stellen wurden mit Papier und Celloidinschichten geschützt. Nach
Ablauf der 5 Monate war bei allen drei Muscheln ein Regenerat in
Gestalt eines starken Periostracums (Fig. 64 rpe) eingetreten, trotzdem
der schützende Verschluß, jedenfalls infolge der Bewegung der sich
öffnenden und schließenden Schale, überall verloren gegangen war.
An den verletzten Stellen wölbte sich das Regenerat (rpe) halbkreis-
438 Richard Raßbach,
förmig, der Form der darunter liegenden Mantelnaht entsprechend,
nach außen. Seitlich verlief es, an die Innenseite der Schale befestigt,
ein Stück an derselben entlang und wurde dort von einigen Perlmutter-
lamellen (rpm) überlagert. An der Innenseite des Regenerates sehen
wir bei rsbw auch schon eine schmale prismatische Gliederung, die wohl
der faserigen Struktur des alten Schalenbandwalles (Fig. 42 sbw), dem
Übergang von Schale zum inneren Ligamentband entspricht. Die
vollständige Bildung dieser Ligamentteile mit späterer Anfügung des
elastischen Bandes wäre wohl hier nur eine Frage der Zeit gewesen.
Aus den vorliegenden Untersuchungen geht hervor, daß das
ganze Außenepithel des Mantels imstande ist, verschie-
dene Schalenschichten zu produzieren, eine Vermutung, die
schon Tullberg (vgl. S. 35) im Anschluß an die »braunen Schichten«
in der Perlmutterschicht bei Margaritana ausgesprochen hat. Im Gegen-
satz zu W. Stempell (vgl. S. 701) muß man nach den gemachten Ver-
suchen an Margaritana und Anodonta daran festhalten, daß am Mantel-
rand sowie auf der gesamten Mantelaußenseite gleiche Produkte ent-
stehen können. Besonders ist noch hervorzuheben, daß auch das
Haftepithel der Muskelansätze, das sonst nur helle Schicht bildet,
und das Epithel der Mantelnaht befähigt sind, das Produkt ihrer
Secretion zu wechseln. So ist auch wohl die Trennung in specifische
Conchyolin- und Kalkzellen, wie sie Moynier de Villepoix betont,
nicht so streng aufzufassen. Eine Umwandlung des Inhaltes der unter
den Regeneraten liegenden Epithelzellen ließ sich nicht feststellen.
An Schnitten durch das Mantelnahtepithel, das sich unter einem Liga-
mentregenerat befand, konnte man im angrenzenden Bindegewebe,
dasselbe fast vollständig verdeckend, die schon von Rubbel an andern
Stellen des Mantelepithels erwähnten kleinen, gelben, stark licht-
brechenden Kügelchen von der Periostracumsubstanz ähnlichem Aus-
sehen beobachten, die vielleicht beim Aufbau des Periostracums mit-
benutzt werden. Tatsächlich ließen sich auch außerhalb der Epithelien
an den Regeneraten solche Conchyolinkügelchen bemerken (Fig. 52 coli),
die auch noch bei ausgebildeten Schalen am Periostracum und an den
Prismenscheidewänden anzutreffen sind und schon oben von F. Müller
als »matt bläuliche Kügelchen« beschrieben worden sind.
Die Ansicht von Villepoix, die er im Anschluß an auskeilende
Prismenschichten (vgl. S. 482) und an ein von ihm zufällig gefundenes
Ligamentregenerat (vgl. S. 491) kundgibt, daß nämlich bei dem letzteren
die spezifischen Conchyolinzellen der postnymphealen Grube durch
Bewegung der ganzen Mantelnaht nach der Stelle verlagert werden,
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 439
wo die Regeneration stattfinden soll, dürfte nach den vorliegenden
Untersuchungen kaum zu halten sein.
An allen Stellen der verletzten Schalen haben wir bei den Neu-
bildungen Regenerate mit den normalen Bestandteilen der Schale an-
getroffen. Überall jedoch fand sich die Periostracumschicht besonders
stark ausgebildet, da sie einzig für die kalkigen Bestandteile der Schale
einen sicheren Schutz gegen die zerstörenden Einflüsse kalkarmer
Gewässer bietet.
Über Schalenbildung.
Bei der Besprechung der Schalenbildung kann nur auf die wesent-
lichsten Punkte derselben hingewiesen und nur solche ergänzt oder
berichtigt werden, die durch die angestellten Versuche über Schalen-
regeneration bewiesen sind. Im übrigen muß ich auf die ausführlichen
Arbeiten Moynier de Villepoix, Stempell, Biedermann und Römer
hinweisen, die sich näher mit den chemisch-physikalischen Problemen
bei der Schalenbildung beschäftigt haben.
Es ist heute keine umstrittene Tatsache mehr, daß alle Teile
der Schale als Produkt der anliegenden Epithelien des Mantels aufzu-
fassen sind. Subepithelialen Drüsen, wie sie Thiele am Mantelrande
bei Area festgestellt hat und deren Gesamtheit er als »Drüse des
Periostracums « bezeichnet, dürften wohl kaum eine allgemeine. Be-
deutung bei der Bildung der organischen Schalensubstanzen zukommen.
Bei Anodonta lassen sich wenigstens am Mantelrande solche Anhäu-
fungen subepithelialer Drüsen nicht nachweisen.
Ehrenbaum gelangt nach seinen Untersuchungen zu der Ansicht,
daß alle Schalenteile von den Epithelien durch den Prozeß der Secretion
oder Ausschwitzung erzeugt werden. Tullberg dagegen vertritt die
Anschauung, daß an den Stellen, wo Tier und Schale sehr fest und
innig zusammenhängen, die Bildung auf eine andre Art und Weise
stattfindet. Es erfolgt hier eine allmähliche chemische Metamorphose
der distalen Zellabschnitte in Schalensubstanz. Rawitz äußert sich
in gleicher Weise bei der Bildung des Periostracums in der Mantel-
randfalte. Ebenso hat Moynier de Villepoix bei den Zellen der
Mantelnaht von Anodonta einen allmählichen Übergang der oberfläch-
lichen Zone dieser Zellkörper in die Fasern des inneren Ligamentes
beobachtet. Den unbedingten Vorzug hat diese von den letzten Autoren
ausgesprochene Ansicht aus dem Grunde gegenüber der einfachen
Secretion, daß nämlich bei dieser Umwandlung der distalen Zellen-
abschnitte, der an diesen Stellen erforderliche feste Zusammenhang
440 Richard Raßbach,
zwischen Weichteilen und Schale gewahrt bleibt. Demnach findet
diese chemische Metamorphose der oberflächlichen Teile in Periostra-
cum nur an dem niedrigen, kubischen Epithel der Mantelrandfalte
statt (Fig. 6 nep). Die gegenüberliegenden hohen Cylinderzellen (hep)
verstärken die organische Substanz durch Anlagerung von sehr feinen
Membranen, die sich öfters an Schnitten durch diesen Teil zwischen
Weichteilen und Schale beobachten lassen. Aus der Dickenzunahme
des Periostracums, zwischen dem Mantel- und Schalenrande, läßt sich
ohne weiteres schließen, daß der am äußersten Ende gelegene Teil
des Mantelaußenepithels (Fig. 6 aep) an der weiteren Verstärkung der
die Schale bedeckenden organischen Membran mitbeteiligt ist.
Eine weitere Frage ist es, wie wir uns den Secretionsmodus an
den Stellen vorzustellen haben, der bei der weiteren Verdickung des
Periostracums von den hohen Cylinderzellen (Fig. 6 hep) und den
Zellen des Mantelaußenepithels und ferner bei der Bildung der orga-
nischen Lamellen der Perlmutterschicht vorkommt, also an allen den
Teilen der Schale, wo kein inniger Zusammenhang zwischen dieser
und Weichkörper, stattfindet. Tullbeeg und Eheenbaum sind der
Ansicht, daß an diesen Stellen Secret in flüssiger Form an die alten
Schalenteile angelagert wird mit nachträglicher Erhärtung. Dem-
gegenüber steht die von Huxley geäußerte Erklärung, daß an die
Schale cuticulaähnliche Membranen gelagert werden. Sehr berechtigt
macht Stempell den Einwurf, »daß es in der Tat ja auf den ersten
Blick nicht recht zu verstehen ist, wie eine an der Oberfläche der Zellen
vollkommen fertig gebildete Schicht nachträglich an der Schale be-
festigt werden soll. « Er modifiziert deshalb die Ansicht Huxleys
dahin, »daß an den genannten Stellen mehr oder weniger bestimmt
geformte aber noch ganz weiche Membranen, wie man sie oft an der
Innenseite frischer Schalen vorfindet, vom Epithel abgestoßen werden,
daß aber außerdem noch flüssige Secretprodukte entstehen, welche in
den Zwischenräumen jener Membranen erstarren und zusammen mit
ihnen die einheitliche Schale aufbauen« (vgl. S. 671). Von dem Vor-
handensein solcher Membranen und weniger bestimmt geformter Secret-
massen kann man sich auf geeigneten Schnitten durch den Mantelrand
überzeugen. Einer derartigen Erklärung muß man sich auch bei dem
Zustandekommen der organischen Lamellen der Perlmutterschicht um
so mehr anschließen, da man sich sonst kaum an diesen feinen Membra-
nen die Oberflächenabdrücke ganzer Zellenkomplexe erklären könnte,
wie wir sie schon früher kennen gelernt haben (Fig. 28). Solche Bilder
können doch wohl nur dadurch entstanden sein, daß tatsächlich
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 441
zwischen den ausgeschiedenen Secreten, die schon bestimmtere Formen
von weichen Membranen besitzen mußten, und dem Mantelepithel ein
wenn auch lockerer Zusammenhang bestanden hat.
Wahrscheinlich nehmen auch bei der Bildung des Periostracums
und der organischen Bestandteile der Prismenschicht die gelben Con-
chyolinkügelchen teil, die wir dort schon früher kennen gelernt haben
(Fig. 17, 18, 19 cok). Sie gelangen, wie es am Ende des vorigen Kapi-
tels angedeutet wurde, wohl aus dem Bindegewebe in das Epithel, aus
dem sie Moynier de Villepoix heraustreten sah und wie sie dann
mit feinen organischen Membranen verschmelzen. Auch an jungen
Periostracumregeneraten kann man stets diese Kügelchen beobachten,
wie sie im Begriffe sind mit dessen jüngsten Lamellen zu verschmel-
zen (Fig. 52 cok). Dort, wo wir diese Conchyolinkügelchen an den
Prismenscheidewänden der fertigen Prismenschicht stark hervortreten
sahen, waren sie wohl im Überschuß vorhanden, entsprechend wie
wir bei Kalküberschuß größere Ansammlungen von Kalkkristallen
feststellen konnten.
Die erste Grundlage der Schale ist stets die organische Substanz,
der dann Kalk in verschiedenen Formen an- beziehungsweise einge-
lagert wird. Moynier de Villepoix betont, daß, wenn das kalk-
liefernde Secret die Epithelzellen verlassen hat, dasselbe nur rein
mechanischen Einflüssen, der Kristallisation unterliegt. Nach Bieder-
mann sind ebenfalls »unter allen Umständen, ob homogen kristallinisch
ob sphäritisch gebaut, die Prismen der Lamellibranchier als Produkte
eines spezifischen Kristallisationsprozesses anzusehen, wie nicht minder
auch die Kalkschichten der Perlmuttersubstanz«. Doch ist er »weit
davon entfernt zu glauben, daß mit dem sicheren Nachweis, daß Kri-
stallisationsprozesse bei der Bildung der Kalkschichten der Schalen
die wesentlichste und wichtigste Rolle spielen, alle Schwierigkeiten
behoben seien, welche einer mehr ins einzelne gehenden Erklärung der
feineren Schalenstrukturen entgegen stehen. Vielmehr erscheinen die-
selben eher noch gesteigert, wenn wir uns nicht noch auf den form-
bestimmenden Einfluß der lebendigen Zellen berufen können« (vgl.
S. 140). Dagegen steht die Ansicht Stempells, daß die kalkbildenden
Secrete außerhalb der Zellen nur dem formbestimmenden Einfluß
derselben unterworfen sind. Die bei den Prismen vorkommenden
sphärokristallinischen Strukturen machen jedoch einen rein mechani-
schen Kristallisationsprozeß wahrscheinlicher.
Der Ansicht Biedermanns, daß die Prismen als Säulen über-
einandergeschichteter scheibenförmiger Sphäriten in ihrer ganzen Länge
442 Richard Raßbach,
aufzufassen sind, können wir aber weniger beistimmen. Demnach
müßte man auch an Querschliffen, welche durch die tiefer gelegenen
Regionen der Prismenschicht geführt sind, sphäritische Strukturen
immer nachweisen können, die aber nur in den obersten Zonen an
den nach dem Periostracum zugewandten Teile der Prismen, vor-
handen sind. Dagegen erklärt uns Römer den Bau der Prismen in be-
friedigenderer Weise. »Jedes Prisma erscheint in seiner Totalität wie
ein langes prismatisches Stück, das aus einem großen Sphärokristall
längs eines Radius herausgeschnitten wurde. Nach dieser Ansicht
Bütschlis repräsentiert demnach jedes Prisma einen unvollständig aus-
gebildeten Sphärokristall. Daß die Sphärokristalle der einzelnen Pris-
men so unvollständig ausgebildet sind, rührt daher, daß gleichzeitig
und dicht nebeneinander die Anfänge der einzelnen Prismen oder
Sphärokristalle gebildet wurden, die bald seitlich aufeinanderstießen
und sich so gegenseitig in der weiteren Ausbildung hemmten; nur an
ihren inneren Enden vermochten sie einseitig weiter zu wachsen«
(vgl. S. 453 und Textfig. 2). »Natürlich geht aus dieser Auffassung
hervor, daß die äußere Form der Prismen gar nichts mit eigentlichen
Kristallformen zu tun hat, sondern wie schon Bütschli bemerkte, das
Ergebnis des Zusammenstoßes von Sphärokristallen ist, eine Erschei-
nung, die ja bei Sphärokristallen so häufig beobachtet wird« (vgl. S.454).
In bezug auf die Bildungsweise der Perlmuttersubstanz kann es
für Biedermann gar nicht zweifelhaft sein, »daß das ganze Mantel-
epithel mit Ausnahme einer Randzone, welche die prismenbildenden
Zellen umfaßt, aktiv beteiligt ist und zwar direkt formgebend, indem
jede einzelne Zelle eine der Fläche ihres freien Endes entsprechenden
Bezirk der betreffenden Perlmutterlamelle bildet« (vgl. S. 42). Schon
früher ist auf die Unähnlichkeit der Zellenoberflächenabdrücke und
der polygonalen Felderung der Perlmutterschicht an ihrer Innenfläche
hingewiesen worden (vgl. Fig. 26, 27 u. 28). Deshalb werden wir hier
mehr der Ansicht Römers zuneigen müssen, nach dem es für die so
dünnen Perlmutterblättchen dagegen richtiger erscheint, »sie als ganz
dünne Sphäritenscheiben aufzufassen, um so mehr als konzentrische
Strukturen an ihnen häufig beobachtet werden« (vgl. S. 454). Be-
stärkt wird diese Ansicht dadurch, daß ich allmähliche Übergänge
sphärokristallinischer Strukturen in die polygonale Felderung der Perl-
muttersubstanz an einem Regenerat beobachten konnte (siehe S. 434).
Wir haben gesehen, daß die Prismen stets an Periostracum an-
gelagert werden, so daß niemals Prismenlagen ohne diese organische
Grundlage entstehen können. Im Verlaufe der Untersuchungen lernten
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 443
wir die Gebilde kennen, welche uns von Moynier de Villepoix als
» globules jaunätres « beschrieben worden sind, und die wir isoliert am
Periostracum des Mantelrandes und ferner als Mittelpunkt der sphäro-
kristallinischen Anlagen der Prismen eingeschlossen, wiederfanden.
Vielleicht stellen diese Gebilde einen Konzentrationspunkt dar, um den
sich der Kalk in der oben beschriebenen Weise in Form von Sphäro-
kristallen anlagert. Gerade auf jüngeren Teilen von Regeneraten, die
nur aus Periostracumsubstanz bestanden, ließen sich, ehe die geringste
Andeutung junger Prismenanlagen zu bemerken waren, solche »globules
jaunätres« in Mengen auf denselben feststellen. Diese Befunde lassen
wohl eine größere Wahrscheinlichkeit der erwähnten Bedeutung dieser
Gebilde zu.
Moynier de Villepoix und Biedermann sind der Ansicht, »daß
man entsprechend den drei verschiedenen Schalenschichten, Perio-
stracum, Prismenschicht und Perlmutterlage auch drei verschiedene
Zonen des Mantelepithels unterscheiden kann, von denen jede durch
besondere specifische Eigentümlichkeiten ihrer Elemente befähigt
erscheint, eine gewisse Schalenschicht und zwar nur diese zu erzeugen«
(vgl. Biedermann S. 30). Das Vorhandensein dieser drei Epithelzonen
muß man zugeben, die allerdings nur bei dem normalen Dickenwachs-
tum die verschiedenen Schalenschichten getrennt produzieren. Jedoch
sind bestimmte Grenzen, durch welche diese Zonen scharf voneinander
geschieden wären, nicht vorhanden, ebensowenig wie wir in der Schale
die drei entsprechenden Schichten streng voneinander getrennt vor-
fanden, sondern im Gegenteil alle möglichen Übergänge feststellen
konnten. Nach den Ergebnissen der Regenerationen am Schalen-
rande muß man die Ansicht Biedermanns berichtigen, daß die ver-
schiedenen Zonen imstande seien, nur eine bestimmte Schalenschicht
zu bilden, ebenso wie die Erklärung von Moynier de Villepoix, die
dieser im Anschluß an die Neubildung von Periostracum bei Regene-
rationen am Schalenrand macht. Es soll sich der Mantelrand, nach der
Loslösung des Periostracums von demselben, hinter die verletzte Stelle
zurückziehen, damit die Periostracum bildende Zone imstande sei,
dort die neue organische Membran an die Schale anzulagern. Eine
solche Verschiebung der Mantelteile ist nicht notwendig, da alle Stellen
des Epithels der Manteloberfläche befähigt sind, je nach Bedarf das
Produkt ihrer Secretion zu wechseln. Die Erklärung Biedermanns, die
er im Anschluß an Schalenregenerationen bei Helix gibt, und die er
auch ohne weiteres auf die Lamellibranchiaten überträgt, daß
nämlich niemals vom Epithel der Manteloberfläche Cuticulasubstanz
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 29
444 Richard Raßbach,
mit den Eigenschaften des normalen Periostracums abgeschieden
werden könne, ist wohl genügend durch die Resultate meiner Schalen-
regenerationen widerlegt, wonach bewiesen werden konnte, daß alle
Teile der Manteloberfläche, auch diejenigen, welche für gewöhnlich die
Perlmutterlage bilden, befähigt sind, normales Periostracum mit an-
setzender Prismenschicht zu bilden. Eine derartige Fähigkeit, das
Produkt der Secretion zu wechseln, erklärt uns auch leicht am Schalen-
rande die Bildung der treppenartig übereinander gelagerten Abteilungen,
die durch schräg in die Prismenlage einstreichende Periostracumschich-
ten voneinander getrennt sind. Wie früher festgestellt wurde, findet in
den kalten Monaten eine Ruhepause in dem Wachstum der Schale statt.
Im Frühjahr wird nun zuerst von dem Außenepithel des Mantelrandes
nach dem Innern der Schale auf eine kürzere oder weitere Strecke an
die Prismenschicht der vorhergehenden Wachstumsperiode eine Perio-
stracumlage angelagert, die natürlich an dem freien Schalenrande mit
der organischen Substanz, welche in der Mantelrandfalte entsteht,
um die äußerste Schalenschicht zu bilden, im Zusammenhang steht.
Dieser Periostracumlage wird dann von demselben Epithel wieder eine
Prismenlage angelagert, die weiter nach dem Innern der Schale öfters
als auskeilende Prismenschichten zu beobachten sind. Bei jungen
Anodontenschalen liegen nun diese Abteilungen weiter auseinander,
da in den einzelnen Wachstumsperioden noch ein größerer Längen-
zuwachs einer ununterbrochenen Prismenlage erfolgt, während bei
Schalen älterer Tiere, deren Jahresringe infolge weniger starker Zu-
nahme am Rande näher zusammengedrängt liegen, auch im Querschliff
eine entsprechend schnellere Aufeinanderfolge der Jahresproduktionen
zu verzeichnen ist.
Was die Bildung der durchsichtigen Substanz anbetrifft, so können
wir uns wohl kaum aus dem oben schon erwähnten Grund der Ansicht
Tullbergs verschließen, daß die helle Schicht auch durch Umbildung
der distalen Zellenabschnitte entsteht, ebenso wie Moynier de Ville-
poix die Entstehung des inneren, elastischen Ligamentbandes beob-
achtet hat. Bei beiden Schalenteilen erfolgt nachträglich durch das
anliegende Epithel eine mehr oder weniger starke Verkalkung. Die
früher erwähnte verschiedene Reaktionsfähigkeit der organischen Sub-
stanz der Perlmutterlage und der hellen Schicht läßt vielleicht darauf
schließen, daß bei der letzteren auch die äußersten Enden der an die
helle Schicht herantretenden Muskeln bei dem Aufbau der organischen
Bestandteile derselben durch Umbildung mitbeteiligt sind.
Die Anregung zu dieser Arbeit gab mir mein hochverehrter Lehrer
Beitr. z. Kenntnis d. Schale u. Schalenregener. v. Anodonta cellensis Schrot. 445
Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. E. Korschelt, dem ich für seine jeder-
zeit bereite Unterstützung meinen herzlichsten Dank ausspreche.
Ferner bin ich Herrn Prof. Dr. C. Tönniges und Herrn Privatdo-
zenten Dr. W. Harms zu großem Dank verpachtet.
Zusammenfassung.
Die Periostracumsubstanz, welche die äußerste Schalenschicht
bildet, wird von den Epithelzellen der Mantelrandfalte und von einem
Teil der sich anschließenden Epithelzellen der Mantelaußenseite ge-
bildet. Die organische Substanz des äußeren unelastischen Ligament-
bandes entsteht als Produkt der Mantelnahtzellen, die unter der post-
nymphealen Grube gelegen sind. Ferner ist das gesamte Mantelaußen-
epithel imstande, organische Substanz mit den Eigenschaften des nor-
malen Periostracums zu bilden.
Außerdem ist in besonderen Fällen das gesamte Außenepithel des
Mantels befähigt, Prismenschicht zu erzeugen, nachdem die Bildung
einer organischen Grundlage in Form von Periostracumsubstanz vor-
ausgegangen ist.
Gewissermaßen als Konzentrationspunkt jeder einzelnen Prismen-
anlage dient stets ein gelb bis braun aussehendes, rundliches Gebilde,
das wiederum aus kleinen periostracumähnlich aussehenden Teilchen
zusammengesetzt erscheint.
Die Perlmutterschicht, die gewöhnlich der Prismenschicht ange-
lagert wird, trägt vorzugsweise zur Verstärkung der kalkigen Bestand-
teile der Schale bei. Sie wird vom größten Teil des Epithels der Mantel-
oberfläche gebildet.
Als besondere Schalenschicht ist wohl die helle Schicht aufzufassen.
Sie entsteht gewöhnlich an den Muskelansätzen der Schale und zwar
unabhängig von andern Schalenschichten, im Gegensatz zur Prismen-
schicht, die nur auf einer organischen Grundlage, in Form von Perio-
stracumsubstanz, sich bilden kann.
Die auf der Schalenaußenseite in größeren Abständen und stärker
hervortretenden Streifen, die nahezu konzentrisch verlaufen, sind als
jeweiliger Abschluß einer bestimmten Wachstumsperiode aufzufassen.
Sie stellen die Jahresringe der Muschel dar. Die gleiche Bedeutung
haben wohl die am Hinterende des Ligamentes, besonders bei älteren
Tieren gut sichtbaren parallelen Streifen, die in gewissen Abständen
quer über das äußere Ligamentband von einer zur andern Schalen-
klappe verlaufen.
Alle Teile der Schale, sowohl Schalenrand wie Schalenmitte,
29*
446 Richard Raßbach,
Muskelansätze und Ligament, können bei entsprechenden Verletzungen
regeneriert werden. Bei allen Schalenregeneraten finden sich stets die
normalen Bestandteile der entsprechenden Stellen der Schale vor, und
zwar werden die verschiedenen Schalenschichten Periostracum, Prismen-
schicht, Perlmutterschicht bzw. helle Schicht oder inneres Ligament-
band, alle nacheinander von dem anliegenden Epithel der verletzten
Stelle gebildet, infolge der Fähigkeit, je nach Bedarf, verschiedene
Schalenschichten zu produzieren.
Marburg, im Februar 1912.
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al, äußeres Ligamentband;
am, Amöbocyten;
apr, auskeilende Prismenschicht;
ar, äußeres Regenerat;
bi, Bindegewebe;
bz, Becher zellen;
cok, Conchyolinkügelchen ;
dk, degenerierte Kerne von Amöbo-
cyten ;
dm, dorsaler Mantelschlitz;
drz, drüsenartig aussehende Zellen im
Grunde der Mantelrandfalte;
/, Periostracumfalten ;
gb, gelbe Ballen;
gl, gelbe strukturierte Körperchen (glo-
bules jaunätres);
h, helle »Schicht;
hep, hohes Cylinderepithel der Mantel-
randfalte;
lir, Hinterrand der Schale;
hra, Ansatzstelle des hinteren Fuß-
retractors ;
hsa, Ansatzstelle des hinteren Schließ-
muskels ;
i, Intercellularraum ;
iep, Epithel der Mantelinnenseite;
il, inneres Ligamentband;
ir, inneres Regenerat;
j, Jahresring;
mhep, Mantelhaftepithel ;
Erklärung der Abbildungen,
Buchs tabenerklärungen.
ml, Mantellinie;
mnep, Mantelnahtepithel;
mrf, Mantelrandfalte ;
nep, niedriges Epithel der Mantelrand-
falte;
oe, Ölflecken;
pe, Periostracum ;
pel, Periostracumleisten, die in das
Prismeninnere vorspringen;
pep, prismenbildende Epithelzone;
pi, Pigment;
pm, Perlmutterschicht;
pn, postnympheale Grube;
pr, Prismenschicht;
rh, regenerierte helle Schicht;
rpe, regeneriertes Periostracum;
rpm, regenerierte Perlmutterschicht;
rpr, regenerierte Prismenschicht;
rsbw, regenerierter Schloßband wall;
rv, ringförmige Verdickungen der Pris-
menscheidewände ;
sbw, Schloßbandwall;
seh, Schild der Schale;
ur, Unterrand der Schale;
v, verletzter Schalenteil;
vr, Vorderrand der Schale;
vra, Ansatzstelle des vorderen Fuß-
retractors ;
vsa, Ansatzstelle des vorderen Schließ-
muskels;
w, Schalenwirbel.
Paramoebenstudien.
(P. pigmentifera Grassi und P. chaetognathi Grassi.)
Von
C. Janicki.
Privatdozent und Assistent an der Zoologischen Anstalt der Universität Basel.
Mit 4 Figuren im Text und Tafel VI— IX.
Im Jahre 1881 hatte G. B. Grassi zwei parasitische Amoeben,
A. chaetognathi Gr. und A. 'pigmentifera Gr. aus der Schwanzleibes-
höhle von Chaetognathen beschrieben und zwar auf Grund von
Untersuchungen, welche in Kleinenbergs Laboratorium in Messina
ausgeführt worden waren (18). Die für ihre Zeit an trefflichen Beob-
achtungen reiche Arbeit Grassis umfaßt die Morphologie der Amoeben
sowie gewisse Phasen aus dem Entwicklungscyclus, vor allem geißel-
tragende Jugendformen (»elementi flagelliferi «) und deren angebliche
Bildung. Besonderes Interesse schien die eine der genannten Formen
zu bieten, A. pigmentifera: sie führt neben dem Kern «im cosi detto
ocello», einen großen, von schwarzem Pigment überdeckten, augen-
ähnlichen Körper.
Während meiner Studien im Laboratorium des Herrn Prof. Grassi
in Rom bin ich auf diese in Chaetognathen parasitierenden Amoeben
aufmerksam gemacht worden. Auf mein Gesuch ist mir vom Kais.
Russischen Unterrichtsministerium ein Arbeitsplatz an der Zoolo-
gischen Station in Neapel vom März bis Juli v. J. überlassen
worden und ich widmete mich daselbst in erster Linie der Untersuchung
der genannten Parasiten. Der Leitung der Zoologischen Station in
Neapel spreche ich für alle Förderung meiner Arbeit, insbesondere für
die oft mühsame Materialbeschaffung, meinen verbindlichsten Dank aus.
Zum Zweck einer weiteren Ausdehnung meiner diesbezüglichen
Studien habe ich durch freundliche Vermittlung des Herrn Prof. Grassi
Gelegenheit gehabt mehrere Wochen lang im Hochsommer im Labora-
torium des Regio Comitato Talassografico in Ganzirri bei
Messina zu arbeiten. Herrn Prof. Grassi auch an dieser Stelle meinen
herzlichen Dank!
450 C. Janicki,
Der ständige Wohnort der Amoeben ist, wie gesagt, die Schwanz-
leibeshöhle, wo die männlichen Keimzellen des Wirtstieres ihre Ent-
wicklung im flottierenden Zustand durchmachen; außerdem werden
die Amoeben in den Samenblasen, bis dicht vor deren äußeren Öffnung,
angetroffen. Sehr viel seltener findet man die Amoeben in der Rumpf-
leibeshöhle ; Grassi bemerkt zu diesem letzteren Aufenthalt mit Recht :
«Ritengasi perö che, quando ne sono nel celoma del tronco, non man-
cano quasi mai nella cavitä caudale» (18, S. 185). Der Übergang der
Amoeben von der Schwanz- in die Rumpfleibeshöhle geschieht viel-
leicht, gemäß einer Vermutung von Grassi, unter Durchbruch des
feinen, zwischen beiden angebrachten Dissepiments. Als Ausnahme
schließlich habe ich hier das Vorkommen der Amoeben (es handelt
sich um die Species pigmenti fem) auch in der Kopfleibeshöhle der
Sagitta, an den Kopfmuskeln herumkriechend, zu verzeichnen; in
diesem Fall ist die Schwanzleibeshöhle frei von Amoeben gewesen,
hingegen ließen sich im Kopf außer den Amoeben auch Spermatozoen,
offenbar von Sagitten, nachweisen. Im Darm erinnere ich mich nicht
Amoeben gesehen zu haben, und auch Grassi tut davon keine Er-
wähnung.
In Übereinstimmung mit Grassi hebe ich hervor, daß vor dem
Eintritt der männlichen Geschlechtsreife die Parasiten in keinem Fall
zu finden sind. So konnte ich denn auch bei der großen Spadella
hexaptera während der Monate, auf welche sich meine Untersuchungen
erstreckten, niemals eine Infektion feststellen. Grassi gibt folgende
vier Arten von Pfeilwümern an, welche er, seitdem seine Aufmerk-
samkeit auf die Amoeben gelenkt worden war, in der Meerenge von
Messina infiziert fischen konnte: Spadella injlata Gr., Sp. bipunctata
Quoy et Gaimard, Sp. serratodentata Krohn und Sagitta Claparedi Gr.
Doch vermutet Grassi, daß die Amoeben auch sechs andre Species von
Sagitten, welche in der Meerstraße von Messina heimisch sind, in-
fizieren.
Aus eigner Erfahrung möchte ich zunächst die Beobachtung
Grassis bestätigen, daß die beiden parasitischen Amoeben in auffallen-
der Weise auf verschiedene Species der Wirtstiere verteilt sind ; ob frei-
lich diese Scheidung durchaus streng durchgeführt wird, wie es Grassi
will, kann ich zurzeit nicht sicher entscheiden. Nach meinen Beob-
achtungen ist P. pigmentifera für Sp. injlata Gr. charakteristisch,
während Sp. bipunctata mit Vorliebe P. chaetognathi beherbergt, was
freilich mit Grassis Angaben sich nicht genau deckt. Die im Golf von
Neapel häufigste Form, Sp. serratodentata Krohn, erwies sich trotz
Paramoebenstudien. 451
ihrer stets vollständig erreichten Geschlechtsreife als konstant frei von
Parasiten. Sp. inflata, welche relativ sehr häufig mit P. pigmentifera
infiziert erscheint, tritt im Golf von Neapel namentlich nach starkem
Scirocco auf, offenbar ist hohe See ihr eignes Gebiet. Sp. bipnnctata
ist im Golf von Neapel eine Seltenheit, und dementsprechend ist es
auch P. chaetognathi. Die Zusammensetzung der Sagittenfauna in der
Straße von Messina ist nicht unwesentlich anders als im Golf von
Neapel; vor allem gehört dort die kleinere Sp. serratodentata nicht
zu vorherrschenden Formen, was ohne weiteres günstigere Verhältnisse
zum Studium der parasitischen Amoeben mit sich bringt. Für die
Quantität der Sagittenausbeute bieten ferner die Meeresströmungen
bei Ganzirri und beim Faro die besten Bedingungen. — In Prozent-
zahlen die Häufigkeit der Infektion wiederzugeben fällt sehr schwer,
weil außerordentlich wechselnde und schwer mit irgendwelchen äußeren
Bedingungen vereinbare Verhältnisse obwalten. Im allgemeinen ist
der Prozentsatz der in Neapel infizierten Sp. inflata ziemlich hoch;
schon eine Ausbeute von etwa bloß zehn Sagittenexemplaren wird
sicher ein infiziertes Tier enthalten. Hingegen fällt wieder die Selten-
heit dieser Chaetognathenspecies im Golf von Neapel erschwerend
für die Untersuchung in die Wagschale. In der Straße von Messina
habe ich ungefähr den gleichen Prozentsatz angetroffen. Zweimal
habe ich bei Ganzirri (Ende Juni und am 22. Juli 1911) in einem
enorm reichen Fang von Sagitten keine Infektion vorgefunden, trotz-
dem die Species die gleichen gewesen sind, welche sonst die Amoeben
beherbergen. Derartige Befunde, mit genauen meteorologischen sowie
Strömungsangaben verknüpft, könnten vielleicht für das Auffinden
des Infektionsmodus, der mir noch dunkel geblieben ist, von Belang
sein. In Anbetracht der schwankenden Infektionsbefunde ist es mir
nicht möglich näher auf das Vorkommen der Infektion bei sämtlichen,
namentlich nicht bei den selteneren Chaetognathenarten einzugehen.
Im ganzen muß ich das Vorkommen der Amoeben als ein seltenes
bezeichnen; wenn hingegen freilich ein infiziertes Tier gefunden wird,
so ist die Anzahl der Amoeben in demselben meistens recht beträcht-
lich. So mußte ich mit dem mir zur Verfügung stehenden Material
recht sparsam umgehen, und das war auch der Grund, warum ich die
Untersuchung im lebenden Zustand sowie Anwendung von mikro-
chemischen Reaktionen zugunsten des Festhaltens der eigentümlichen
Parasiten auf konserviertem Präparat zum Teil vernachlässigen mußte.
Als Untersuchungsmethoden kamen somit in erster Linie Ausstrich-
präparate auf Deckglas unter Einschränkung auf gut bewährte Vor-
452 C. Janicki,
Schriften in Betracht. Im Einzelnen werde ich auf die angewandten
Methoden im Laufe der Darstellung zurückkommen.
Schon die ersten von mir angefertigten Präparate hatten mir gezeigt,
daß in den Parasiten von Chaetognathen die Gattung Paramoeba Schau-
dinn vorliegt, worüber im lebenden Zustand sich kein Entscheid treffen
läßt. Bekanntlich ist zurzeit von dieser interessanten Gattung nur
eine einzige im Meer freilebende, von Schaudinn beschriebene Species,
P. eilliardi, verzeichnet (47); mit dieser werde ich die parasitischen
Formen mehrfach zu vergleichen haben1.
Spezieller Teil.
1. Bau beider Paramoeba-Arten.
Die Gestalt der Amoeben ist meistens rundlich bis unregelmäßig
oval (Taf. VI, Fig. 1 u. 2); besonders P. pigmentifera nimmt außerdem
oftmals stab- bzw. fingerförmige Gestalt an (Fig. \b, 3c), wie das schon
Gkassi in der allgemeinen Charakteristik der Amoeben hervorhebt und
abbildet. Die Größe variiert innerhalb ziemlich weiter Grenzen; bei
P. pigmentifera beträgt der mittlere Durchmesser 0,034 mm, P. chaeto-
gnathi ist stets etwas kleiner und mißt etwa 0,027 mm. Außer diesen
typischen Amoeben werden bei P. cliaetognathi nicht selten auch viel
kleinere Individuen angetroffen, deren Durchmesser etwa die Hälfte
von demjenigen der vorherrschenden Formen ausmacht; ihre oft mehr
oder weniger gestreckte Gestalt im gefärbten Präparat weist auf starke
Beweglichkeit während des Lebens hin (Fig. 6)2.
Das Plasma ist bei beiden Arten im lebenden Zustand durch außer-
ordentlich starke Körnelung charakterisiert. Ein Ectoplasma ist bei
ruhenden Amoeben kaum zu unterscheiden, deutlich tritt hingegen
dasselbe als hyaline homogene Schicht während der in der Kegel
trägen Bewegung der Amoeben auf, d. h. bei der Bildung von plumpen
Vorwölbungen des Randes oder beim Entsenden kleiner, tentakel-
artiger Pseudopodien: beide bestehen ausschließlich aus Ectoplasma.
Die reichliche Granulation des Entoplasmas läßt am Leben außer
1 Ob die von Craig in einer mir unzugänglichen Arbeit beschriebene P.
hominis aus dem Darm des Menschen auf den Philippinen (6) wirklich zur Gattung
Paramoeba gehört, erscheint mir sehr zweifelhaft; ich teile die Meinung Dofleins,
daß, wenn sich Craigs Angaben bestätigen, eine neue Gattung geschaffen werden
muß (11, S. 603).
2 Bezüglich der Größe der in Fig. 6 abgebildeten Form beachte man, daß
die hier angewandte Vergrößerung viel stärker ist als diejenige der Fig. 3 a, b und c.
Paramoebenstudien. 453
einigen Vacuolen, die nicht contractu sind, keine feinere Struktur des
Plasmas durchblicken. Die verschiedenartigen Körner des Entoplas-
mas schildert Grassi nach dem Leben wie folgt. «I granelli sono
tondi, assai rifrangenti a riflessu lievemente giallognolo; e, se sono
un po' grossi, hanno im contorno brunastro. La loro grandezza e in-
determinata; questa incleterminazione si verifica anche pei granelli
d'un medesimo individuo; in cui inoltre non sono mai uniformemente
sparsi» (18, S. 186).
Nach meinen Beobachtungen ist die Plasmagranulation besonders
stark bei P. cliaetognathi entwickelt. Sie wird von stark lichtbrechen-
den, runden, annähernd gleich großen Körnern gebildet, welche sehr
zahlreich im ganzen Plasma zerstreut erscheinen; fast immer lassen
sich aber ein bis drei etwa maulbeerartig geformte Gruppen von Körnern
beobachten. Diese letzteren stehen, wie ich vorgreifend bemerken will,
in keinerlei Beziehung zum Nebenkörper, worüber gefärbte Präparate
Aufschluß geben. Dank wohl den besonderen Lichtbrechungsverhält-
nissen der geschilderten Körner erscheint das Körperplasma bei der
in Rede stehenden Species im Ganzen viel dunkler, als das bei P. pig-
mentifera der Fall ist. Meine anfängliche Befürchtung, die — wie
ich jetzt weiß, viel seltenere — P. cliaetognathi zwischen den mannig-
fachen Zellelementen in der Schwanzleibeshöhle der Sagitten über-
sehen zu haben, da sie kein so augenfälliges Merkmal trägt, wie die
P. pigmentifera es in ihrem eingangs genannten »ocello« besitzt, hatte
sich in der Folge als nichtig erwiesen ; eben die auffallend dunkle Plasma-
färbung schließt es aus, bei einiger Übung die Amoebe unter den im
ganzen ähnlich gestalteten Spermatogonien- bzw. Spermatocyten-
gruppen nicht zu bemerken. — Auch Schaudinn hebt für P. eilhardi
das dunkle Aussehen des Protoplasmas hervor und schreibt dasselbe
den zahlreichen eingeschlossenen Granulationen zu.
Zum Studium des feineren Baues des Protoplasmas ist das Hinzu-
ziehen konservierten und gefärbten Materials unerläßlich. Bezüglich
des Ectoplasmas zeigen auch gefärbte Präparate nicht viel; dasselbe
ist meist nur schwach vertreten, ja vielfach kommt es überhaupt nicht
zur Geltung. Nur bei den vorhin genannten kleineren Formen von
P. cliaetognathi ist dasselbe in der Regel sehr deutlich entwickelt;
färberisch läßt sich das Ectoplasma in diesem Fall kenntlich machen,
indem es u. a. bei Färbung mit Eisen-Hämatoxylin und nachfolgender
Behandlung mit Eosin den letztgenannten Farbstoff im Gegensatz zum
Endoplasma regelmäßig nicht aufnimmt (Taf. VI, Fig. 6).
Mehr Beachtenswertes bietet hingegen das übrige Plasma der
454 C. Janicki,
Paramoeben auf gefärbten Präparaten. Erst jetzt überzeugt man
sich von der weitgehenden Vacuolisation des gesamten Endoplasmas.
Die Vacuolen sind von rundlicher bis ovaler Gestalt, seltener erscheinen
sie durch gegenseitigen Druck schwach polyedrisch. Sie entsprechen
den »Flüssigkeitsvacuolen « Schaudinns bei P. eilhardi. Ein deut-
licher Unterschied zwischen größeren centralen und kleineren rand-
ständigen Vacuolen, wie das bei der letztgenannten Species der Fall
ist, läßt sich bei den parasitischen Formen nicht verzeichnen. Daß die
Vacuolen nicht etwa Kunsterzeugnisse infolge der Einwirkung des
Konservierungsmittels sind, dürfte u. a. schon daraus hervorgehen,
daß dieselben sowohl bei Verwendung der ScHAUDiNNschen Lösung
wie des ÜERMANNschen Gemisches übereinstimmend zum Vorschein
kommen; auch nach Pikrinessigsäure-Behandlung fehlen sie nicht,
bleiben aber freilich bei der schwachen Affinität des Plasmas zu dem
in diesem Fall angewandten Boraxearmin viel weniger deutlich. —
Die meisten der von mir beigegebenen Figuren sind geeignet über die
in Rede stehenden Vacuolen Aufschluß zu erteilen.
Inwiefern die großen Vacuolen der beiden Paramoebenarten, wie
übrigens auch diejenigen von P. eilhardi, als Ausdruck einer elemen-
taren Wabenstruktur aufzufassen wären, möchte ich nicht mit Sicher-
heit entscheiden. Wahrscheinlicher dürfte es sich aber um eigentliche
Zellorganellen handeln, welche weit über etwaigen Einheiten der Ele-
mentarstruktur stehen. Daß dieselben nicht contractu sind, wurde
schon oben nach eigner Beobachtung in Übereinstimmung mit Grassi
erwähnt. Die Vacuolen sind ferner entschieden nicht in gewöhnlichem
Sinne als Nahrungsvacuolen anzusprechen; der von Schaudinn ge-
brauchte Ausdruck »Flüssigkeitsvacuolen« erscheint mir bei seiner
Indifferenz passender. Trotzdem dürften dieselben bei der Aufnahme
fester Nahrung zu echten Nahrungsvacuolen werden, und zwar durch
Zusammenfließen von mehreren, weil Nahrungsvacuolen in der Regel
umfangreicher sind als Flüssigkeitsvacuolen.
Als Nahrung dienen den beiden Paramoebenarten männliche
Keimzellen der Sagitten von verschiedenen Entwicklungsstufen, wie
solche während der männlichen Reife in der Schwanzleibeshöhle sich
regelmäßig vorfinden. Damit hängt das schon eingangs erwähnte
Vorkommen von Amoeben nur zur Zeit der männlichen Geschlechts-
reife ihrer Wirte zusammen. Während es aber freilich bei P. pigmenti-
fera ein Leichtes ist auf gefärbten Präparaten die gekennzeichneten
Nahrungselemente von Nahrungsvacuolen umschlossen im Körper-
plasma zu finden, fällt es in der Regel schwer das Gleiche für P. chaeto-
Paramoebenstudien. 455
gnathi zu konstatieren. Diese auffallenden negativen Befunde lassen
sich vielleicht zunächst am ungezwungensten durch besonders rasche
und energische Verdauungstätigkeit von P. chaetognathi erklären.
Außerdem aber dürfte wohl hier bestimmt die Flüssigkeit, in welcher
die Samenfäden und ihre Entwicklungsstadien flottieren, direkt er-
nährend wirken. — Sonst enthält die Schwanzleibeshöhle von Sagitten
keine andern Inhaltsbestandteile, welchen ernährende Bedeutung zu-
kommen könnte. Bakterien sind nach meiner Beobachtung keine
vorhanden und lassen sich auch innerhalb des Körperplasmas von
Amoeben keine nachweisen.
Zu den Flüssigkeitsvacuolen selbst zurückkehrend, mag nochmals
wiederholt werden, daß dieselben im Ectoplasma, soweit ein solches
sich überhaupt deutlich abhebt, fehlen. In manchen Fällen, während
der Bewegung der Amoebe, können die beiden Teile, d. h. das vacuoli-
sierte Endoplasma und das vacuolenfreie Ectoplasma voneinander sehr
deutlich als zwei aufeinander folgende Abschnitte des Amoebenkörpers
geschieden sein, wie das Fig. 3 c veranschaulicht. Unter bestimmten
nicht näher feststellbaren Bedingungen zeigt P. chaetognathi einen
peripheren, mit Delafields Hämatoxylin stärker färbbaren, nicht
vacuolisierten Plasmabelag, der sich deutlich von dem centralen va-
cuolisierten Hauptplasma des Körpers abhebt; es handelt sich gewöhn-
lich um abgerundete Amoeben, welche auf den ersten Blick cysten-
ähnlich aussehen, eine bloße Ähnlichkeit, die bei genauerem Zusehen
sich als unbegründet erweist. Es ist sehr wenig wahrscheinlich, daß
dieses in gewissen Fällen zutage tretende dichte Randplasma mit dem
echten Ectoplasma, welches in der Regel nur wenig entwickelt erscheint,
zu identifizieren wäre. Die Bedeutung dieser abgerundeten Amoeben-
formen ist mir noch unklar geblieben. — Die Vacuolisierung fehlt bei
den früher genannten kleineren Formen von P. chaetognathi sei es
gänzlich, sei es daß dieselbe nur sehr schwach angedeutet ist.
Die schon im Leben mehr oder weniger deutlich sichtbaren reich-
haltigen Einschlüsse des Plasmas erweisen sich beim Studium des
konservierten Materials als mindestens von zweierlei Art. Es ist in
der Regel nicht möglich sämtliche Inhaltsgebilde auf einem Präparat
zu Gesicht zu bekommen; erst durch Anwendung verschiedener Metho-
den gewinnt man Einsicht in diese recht komplizierten Zustände.
Zunächst fallen oei Sublimatkonservierung und Färbung mit Dela-
fields Hämatoxylin feine, regelmäßig verteilte Granulationen an der
Umgrenzung der eben geschilderten Flüssigkeitsvacuolen auf. Diese
Befunde selten übereinstimmend für beide Paramoebenarten. Die
456 C. Janicki,
Granula sind untereinander in der Größe nur wenig verschieden, die
Farbe gibt ihnen einen tief dunkelblauen Ton. Die meisten der von
mir gegebenen Figuren illustrieren das Gesagte. Die genaue Lage
dieser Körnchen in der Umgebung der Vacuole läßt sich nicht immer
leicht feststellen; doch erlauben besonders günstige Fälle zu erkennen,
daß die Granula sowohl außerhalb des eigentlichen Vacuolenhäutchens,
also im Endoplasma, vorkommen, wie auch, daß dieselben die innere
Fläche der Vacuole selbst auskleiden. Außer dieser in weiter Verbrei-
tung anzutreffenden Ausbildung der Granula ist hier ein feiner, in der-
selben Weise sich färbender Staub im Umkreis der Vacuolen zu er-
wähnen, ein Zustand, der gewiß als Vorstufe zu dem eben Dargestellten
aufgefaßt werden soll. Im übrigen Endoplasma, unabhängig von den
Begrenzungsflächen der Vacuolen, werden derartige oder größere
Granula nur ausnahmsweise angetroffen, — das gilt für den hier zum
Ausgangspunkt benutzten stark vacuolisierten Zustand der Para-
moeben. Die eben geschilderte Anordnung der Granula erlaubt wohl
den Schluß zu ziehen, daß dieselben im Endoplasma an dem Vacuolen-
häutchen entstehen, dieses letztere durchwandern und so an die innere
Fläche zu liegen kommen. Diese Schlußfolgerung wird dadurch be-
stätigt, daß in einem bestimmten Zustand der Amoeben neben den
peripheren Körnchen in der Vacuole ein einzelnes, größeres, centrales
vorgefunden wird, das offenbar durch Zusammenfließen der kleinen
Granula seinen Ursprung nimmt (Fig. 19). Dieses centrale Korn
wächst immer weiter an Größe, und schließlich liegt es allein in der
Vacuole, die randständigen Granula sind nicht mehr zu finden. Nicht
immer hat das centrale Korn eine regelmäßige Gestalt, manchmal
erscheint es in Zacken und Fortsätze ausgezogen, so daß die ganze
Granulation mehr schlackenartigen Charakter annimmt.
Neben derartigen Phasen in der Bildung der Granula werden
speciell bei P. chaetognothi in den kleineren, schon mehrfach genannten,
Amoeben mit dichterem Plasma sehr große, runde bis ovale Körner
von dem gleichen färberischen Verhalten und durchaus homogenem
Aussehen angetroffen, welche allem Anschein nach direkt im Plasma
liegen (Fig. 7); diese Körner stehen an Größe hinter kleineren Flüssig-
keitsvacuolen andrer Individuen oft nur wenig zurück. Amoeben mit
solchen groben und stark färbbaren Granulationen nehmen sich im
Präparat recht auffallend aus.
Nach einer anderen Richtung hin geht die extreme Entwicklung
der Granula bei P. pigmenti fem. Es handelt sich um einige wenige
nach der vollendeten Gametenbildung übrigbleibende Amoeben, deren
Paramoebenstudien. 457
Plasma meist aufgequollen und abnorm gelockert erscheint und deren
Kerne wie Nebenkörper in einem gänzlichen, übrigens schwer analy-
sierbaren, Zerfall begriffen sind. Diese Amoeben nun sind über und über
mit Inhaltsgebilden gefüllt, welche sich mit Delafields Hämatoxylin
stark färben und welche ohne Zweifel eben auf die geschilderten Granu-
lationen sich zurückführen lassen. Sie erscheinen in zweierlei Form:
als dichte, homogene, grobe Körner, sowie als kernähnliche aus mehre-
ren feinen Granula zusammengesetzte Körper. Beide Arten von
Einschlüssen zeigen gegenüber sonstigen zelligen Elementen in dem
gleichen Präparat, so auch gegenüber den Gameten, in ihrer Färbung
einen Stich ins Rötliche oder Violette, woraus vielleicht auf ihre schwach
saure Natur geschlossen werden kann. — Solche Exemplare von P.
figmentifera sind entschieden in Degeneration und gänzlicher Auf-
lösung begriffene Formen. Der Versuch, die stark färbbaren Inhalts-
körper mit der Kernbildung für die Gametengeneration in Zusammen-
hang zu bringen, mußte endgültig, trotz manchem anfänglichen Zweifel
und mancher Verlockung, aufgegeben werden.
Damit komme ich auf die Natur der Granulationen zu sprechen.
Dieselben sind sicher kein Chromatin, wie das vielleicht beim ersten
Anblick der Delafields Hämatoxylinpräparate geurteilt werden
könnte. Von Pikrinessigsäure nach Boveri werden diese Körnchen
aufgelöst und treten somit auf derartig fixierten und mit Boraxcarmin
gefärbten Präparaten nicht zum Vorschein, im Gegensatz zu sonstigem
Chromatin von Paramoeba selbst sowohl, wie von allerlei übrigen zelligen
Elementen in dem gleichen Präparat (Fig. 4 und Taf. VIII, Fig, 206
und 23). Ferner gelangen sie bei Eisen-Hämatoxylinfärbung nach
Konservierung in ScHAUDiNNscher Lösung gleichfalls nicht zur Dar-
stellung (Fig. 6, 9; Taf. VII, Fig. 14 b; Taf. VIII, Fig. 21). Außer
dem Versagen dieser sonst das Chromatin mitfärbender Farbstoff-
mittel ist zu erwähnen, daß keinerlei Beziehungen zwischen den
in Rede stehenden Granula und dem Kern festzustellen waren. —
Mit Fettsubstanzen haben die Granulationen entschieden nichts
Gemeinsames; sie bleiben unsichtbar — wenigstens als allgemeine
Regel — auf Präparaten, wo sonstiges in Paramoeba vorhandenes
Fett durch die Behandlungsweise deutlich zum Ausdruck kommt. —
Mit einigem Vorbehalt will ich auf die Ähnlichkeit mit den soge-
nannten metachromatischen Körperchen, wie diese in der neueren
Zeit namentlich durch die Arbeiten Guilliermonds bekannt geworden
sind, hinweisen (20). Sehr wünschenswert wäre freilich in dieser Be-
ziehung die Ausführung der vitalen Neutralrotreaktion, welche ich
458 C. Janicki,
noch nachzuholen habe. Die Reaktionen, welche im konservierten Zu-
stand durch die gebräuchlichen Farben erzielt werden, stimmen im
wesentlichen mit den von Guilliermond für metachromatische Körper
gemachten Angaben überein; bei verschiedenen Objekten sind aller-
dings die betreffenden Reaktionen nicht immer die gleichen. Daß die
metachromatischen Körperchen in Vacuolen eingeschlossen vorkommen,
läßt sich aus Guilliermonds Resultaten entnehmen. Bekanntlich
werden die fraglichen Körper von dem genannten Autor als Reserve-
stoffe aufgefaßt; in dieser Hinsicht wäre es von Interesse, das Schicksal
der kleineren Formen von P. chaetognathi mit stark entwickelten färb-
baren Kugeln zu kennen. Die Hypothese A. Meyers, die Körperchen,
die er übrigens mit dem Namen Volutin belegt, bestünden aus einer
Kombination der Nucleinsäure mit einer unbekannten Base (39),
gewinnt speziell im vorliegenden Fall an Interesse, wenn man bedenkt,
daß die Nahrung der parasitischen Paramoeben gewiß überreich an
Nucleinsubstanzen ist. Nach Untersuchungen von Rosenbusch an
Trypanosomen (17) sowie von Erdmann an Sarcosporidien (12) scheinen
Beziehungen der metachromatischen Körperchen zur Kernsubstanz
vorzuliegen; ja, Rosenbusch, welcher die Körperchen bei Tr. lewisi
beobachtet und deren Charakter als Volutin hervorhebt, fügt schließlich
hinzu: »Vorerst wollen wir sie als Chromidien bezeichnen« (17, S. 280).
In meinem Fall liegt, wie schon gesagt, kein Grund vor, die Gra-
nulationen aus dem Kern abzuleiten. Es dürfte hier auch kaum die
Beobachtung von Prandtl bei Degenerationszuständen von Amoeba
proteus zu verwerten sein, wonach die Chromidien die bemerkenswerte
Eigenheit haben, »daß sie sich den Nahrungsvacuolen stets mit großer
Vorliebe dicht anlagern« (42, S. 286). Nicht wenig Übereinstimmung
läßt sich hingegen beim Vergleich mit dem Verhalten der »Endoplasma-
körnchen« im Umkreis der Nahrungsvacuole am Grunde des Schlundes
von Paramaeeium nach Nirensteins Untersuchungen konstatieren.
Auch hier liegen die Körnchen, welche sich übrigens mit Neutralrot
deutlich darstellen lassen, ursprünglich außerhalb des Vacuolenhäut-
chens, diesem eng angeschmiegt; sie durchwandern in der Folge die
Vacuolenhaut und kommen an deren innere Oberfläche zu liegen;
gleichzeitig wird jedes einzelne Korn größer und es treten auch Ver-
schmelzungen der Körner untereinander ein. Später unterliegen die
Granula der Auflösung (41a, S. 467—478, Taf. XV). Trotz der überein-
stimmenden Züge bleibt es sehr fraglich, ob die angeführten Erschei-
nungen bei Paramaeeium bzw. Paramoeba überhaupt gleicher Natur
sind; es muß wiederholt werden, daß in dem mir vorliegenden Fall
Paramoebenstudien. 459
keine direkten Beziehungen zwischen dem Auftreten der Körnchen
und Nahrungsaufnahme festzustellen sind. — Bei der Deutung als
Keservekörner wären die in Rede stehenden Granulationen mit ent-
sprechenden Gebilden von Actinosphaerium nach neueren Untersuchun-
gen Borowskys (1) zu vergleichen. — Schließlich soll die Möglichkeit,
es lägen Excretkörner vor, nicht von der Hand gewiesen werden.
Irgendwelche direkte Beziehungen zwischen Granulabildung und Ver-
arbeitung von Nahrungskörpern ließen sich nicht feststellen. Wie dem
auch sei, zur definitiven Klärung der Frage sind weitere mikroche-
mische Untersuchungen im lebenden Zustand notwendig1.
Als zweite Art von Plasmaeinschlüssen kommt bei beiden Para-
moebenarten echtes Fett vor. Dasselbe läßt sich nur mit osmium-
säurehaltiger Flüssigkeit (HERMANNsche Lösung im vorliegenden Fall)
nachweisen, und zwar sowohl nach Delafields- wie nach Eisenkäma-
toxylinfärbung. Die von Osmiumsäure gebräunten Fettkugeln treten
in sehr verschiedener Größe auf, im Maximum können sie den Flüssig-
keitsvacuolen an Ausdehnung ungefähr gleich kommen; doch bleiben
sie immer rund und scheinen in keiner Abhängigkeitsbeziehung zu
den Vacuolen zu stehen. — Fettkugeln sind auch bei P. eilhardi von
Schaudinn beschrieben worden.
Eine besondere Modifikation von Fettsubstanzen dürfte speziell
bei P. chaetognathi in den schon früher erwähnten im Leben stark
lichtbrechenden Inhaltsgebilden vorliegen, welche zum Teil einzeln im
1 Leider bin ich erst während des Druckes, durch Untersuchungen anderer
Art dazu geführt, auf die in der Arbeit Reichenows über Haematocncrus ent-
haltenen Beiträge zur Kenntnis des Volutins aufmerksam gemacht worden.
Hätte ich die Angaben dieses Autors früher berücksichtigt, so würde ich mich
bestimmter für die Natur der Körner als metachromatische Körperchen bzw.
Volutin ausgesprochen haben. Daß die Ursprungsstätte des Volutins im Proto-
plasma erblickt wird, gibt mir bis zu einem gewissen Grade Gewähr für die
Richtigkeit meiner diesbezüglichen Aussage. Von besonderem Interesse sind mir
aber die Beobachtungen Reichenows betreffend Verbrauch der großen Volutin -
körner bei der Erschöpfung der Nährlösung. Die Auflösung des Volutins findet
in diesem Fall von innen heraus statt, und »die äußere Schale zerfließt zu kleinen
Tröpfchen, so daß wir schließlich das eigentümliche Bild in einem Kreise ge-
legener kleiner Volutinkörner erhalten. . . .« (vgl. Ed. Reichenow, Untersuchungen
an Haematococciis pluviatilis usw. Arb. a. d. Kais. Gesundheitsamte, Bd. XXXIII,
1910, S. 27). Sollte die von mir für einzelne Stadien im Verhalten färbbirer
Körner gegebene Succession vielleicht gerade im umgekehrten Sinne zu denken
sein? Ich kann mich zu dieser Annahme nicht gut entschließen, weil ich bei P.
pigmentifera niemals die Vacuolen vollständig von färbbarer Substanz erfüllt ge-
sehen habe. — Bezüglich der Prioritätsfrage in der Namengebung — ob Volutin
oder »corpuscules metachromatiques« — mögen andere entscheiden.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 30
460 C. Janicki.
Plasma zerstreut, zum Teil zu den genannten etwa maulbeerförmigen
Conglomeraten vereint angetroffen werden. Dieselben sind gleichfalls
nur nach Fixierung in einem Osmiumsäuregemisch darstellbar und
treten in diesem Fall als kleine, mit einer bräunlichen gekörnelten
Membran umgebene helle Bläschen auf. welche meist zu mehreren
anscheinend durch eine Art Knospung zusammenhängen und in der
Reu'el etwa an zwei oder drei Stellen im Plasma zu traubenförmigen
Strukturen zusammentreten (Fig. 5). Sehr wahrscheinlich sind diese
Gebilde, welche — wie nochmals erwähnt werden mag — an Sublimat-
und Pikrinessigsäurepräparaten fehlen, mit den scharf konfluierten,
unregelmäßig eckigen Körnern zu homologisieren, welche Schaudinn
bei P. eilhardi nach dem Leben beobachtet hatte ; » dieselben sind
doppeltbrechend, haben einen grüngelblichen Schimmer und liegen
häufig zu Conglomeraten vereinigt; sie lösen sich leicht in Mineral-
säuren und dürften Excretkörnchen sein, wofür besonders ihre Ähnlich-
keit mit den durch Schewiakoffs Untersuchungen bekannt gewordenen
Excretkörnern von Paramaecium spricht« (47, S. 33, 34).
Nach meinem Dafürhalten kommt den zuletzt geschilderten In-
haltskörpern im Plasma von P. chaetognathi fettartiger Charakter zu;
damit möchte ich aber nicht ausschließen, daß auch Excretstoffe den-
selben beigemengt sind, und halte diese Vermutung sogar für sehr
wahrscheinlich. Echtes Fett kommt ja außerdem noch, wie schon
dargestellt, sowohl P. chaetognathi wie der zweiten parasitischen Art
zu. — Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die dunklere Farbe
des Plasmas bei P. chaetognathi sehr wahrscheinlich auf besonderem
Lichtbrechungsvermögen der geschilderten Conglomerate beruht. In
dieser Hinsicht ist es von Interesse nochmals hervorzuheben, daß die
in Rede stehenden Plasmaeinschlüsse bei P. pigmentifera fehlen, d. h.,
sie fehlen in der eben beschriebenen Gestalt und Anordnung. Es ist
hingegen sehr naheliegend in den Pigmentkörnern von P. pigmenti f er a,
welche bei dieser Species den Nebenkörper ständig begleiten, ein in
der Hauptsache analoges Plasmaprodukt zu erblicken. Von diesen
Pigmentkörnern werde ich weiter unten bei Besprechung des Neben-
körpers berichten. — Bekanntlich sind in der neueren Zeit Beziehungen
der Mitochondrien zu Liposomen nachgewiesen worden, indem die
charakteristischen Reaktionen auf Mitochondrien eben durch die
Gegenwart von Fettsubstanzen bedingt sein sollen (Regaud, Fauke-
Fremiet). Ob die geschilderten Conglomerate von P. chaetognathi,
welche freilich, wie gesagt, bereits am Leben sichtbar sind, in diese
Kategorie von Plasmaeinschlüssen einzubeziehen wären, entzieht sich
Paramoebenstudien. 4G1
zurzeit der Beurteilung. — In wie weit das Plasma von P. chaetognathi
mit dem u. a. von R. Hertwig bei verschiedenen Protozoen und
unter verschiedenen Umständen beobachteten schwarz verfärbten
Protoplasma zu vergleichen wäre, ist schwer ohne specielle daraufhin
gerichtete Untersuchung zu sagen. Immerhin erscheint es erwähnens-
wert, daß R. Hertwig bei Actinosphaerium u. a. auch bei starker
Fütterung die Plasmaschwärzung beobachtete, ferner die Ablagerung
der die Schwärzung bedingenden stark lichtbrechenden Körner lokali-
siert im Umkreis der Riesenkerne feststellen konnte, — alles
Verhältnisse, welche das spätere genauere Studium der parasitischen
Paramoeben nicht unberücksichtigt lassen darf.
Damit mag die Schilderung von der Zusammensetzung des Proto-
plasmas abgeschlossen werden. —
Der Kern ist ein rundliches bis ovales Bläschen und wird nament-
lich bei P. chaetognathi bereits im Leben in den meisten Fällen deutlich
sichtbar. Bei P. pigmenti fera beträgt sein längerer Durchmesser bis
0,018 mm, bei P. chaetognathi — bis 0,013 mm; im Verhältnis zu den
Körperdimensionen ist der Kern bei der letzteren Axt größer als bei der
ersteren. Bei P. chaetognathi nimmt der Kern mit Vorliebe die Lage
am äußersten Körperrande ein, so daß er nur von einer minimalen
Plasmaschicht bedeckt bleibt; und zwar liegt der Kern an einer Stelle,
welche dem die schwachen Pseudopodien bildenden Körperende mehr
oder weniger entgegengesetzt ist (Fig. 2). Ob etwa zwischen dieser
ausgesprochen excentrischen Lage des Kernes im vorliegenden Fall und
dem gleichen Verhalten bei einkernigen Heliozoenf ormen , wo nach
Schaudinn der Kern durch das Centralkorn verhindert ist centrale
Lage einzunehmen, einige Beziehung sich statuieren ließe, mag dahin-
gestellt bleiben. — Im Leben ist der große, ovale, stark lichtbrechende
Binnenkörper des Kernes kenntlich; die Kernmembran kommt gleich-
falls deutlich zum Vorschein. Bezüglich der übrigen Struktur aber
ist man auf konserviertes Material angewiesen.
Der eben erwähnte Binnenkörper wird auf gefärbten Präparaten
in ovaler bis nierenförmiger Gestalt angetroffen. Er ist sehr chromatin-
reich, wie seine intensive Färbbarkeit mit Delafields Hämatoxylin
sowie vor allem mit Boraxcarmin beweisen dürfte (Fig. 4). In der Regel
erscheint er im Kernraum gut und scharf abgegrenzt, in seinen mehr
centralen Partien ist er oftmals mehr oder weniger stark vacuolisiert.
In manchen Fällen lassen sich, besonders mit Eisen-Hämatoxylin,
mehrere distinkte Körner von dichterer Zusammensetzung, unter-
einander oft von ungleicher Größe, im Binnenkörper unterscheiden.
30*
4(52 C. Janicki,
Irgendwelche gesetzmäßige Beziehungen zwischen deren Auftreten
und dem Verhalten der übrigen Substanz des Binnenkörpers waren
nicht festzustellen. Auch sonst läßt der Chromatinreichtum des Binnen-
körpers nähere Struktur an diesem letzteren, etwa ein achromatisches
Gerüst, nicht erkennen. — Im übrigen Kernraum findet sich das Chro-
matin staubförmig, bald fein- bald grobkörnig verteilt (Fig. Sa, 6). Die
Beziehungen dieses Chromatins zum Kerngerüst treten erst bei der
Vorbereitung zur Teilung deutlicher zutage, worüber weiter unten
berichtet wird (Fig. Sb). Vergeblich habe ich bis jetzt im ruhenden
Kern und besonders in dessen Binnenkörper nach einem Centriol ge-
sucht; es wurden namentlich zahlreiche Eisenhämatoxylinpräparate
zu diesem Zweck angefertigt, doch, wie gesagt, ein sicheres Resultat
ließ sich nicht erzielen. Aus diesem Grunde habe ich denn auch für
das chromatinreiche Gebilde im Kern zunächst den indifferenten Aus-
druck Binnenkörper gewählt. Ich kann noch nicht sicher verbürgen,
ob die in seltenen Fällen während des Teilungszustandes in reduzierter
Form nachweisbare locomotorische Komponente (s. weiter unten) vom
Binnenkörper stammt, in welchem Fall dieser letztere als ein echtes
Caryosom im Sinne Hartmanns aufzufassen wäre. — Nach dem Geschil-
derten wiederholt der Kern bei parasitischen Paramoeba- Arten in wesent-
lichen Zügen den durch Schaudinn bei P. eilhardi festgestellten Bau.
Der ScHAUDiNNsche »Nebenkörper« ist bei beiden Paramoeba-
Arten dem äußeren Aussehen im lebenden Zustande nach sehr ver-
schieden, dem inneren Baue nach dagegen fast vollkommen überein-
stimmend ausgebildet. Die Fig. 1 a und b mit Fig. 2 verglichen mögen
nochmals veranschaulichen, wie verschieden die beiden Paramoeba-
Arten im lebenden Zustande infolge der abweichenden Beschaffenheit
des Nebenkörpers sind: bei P. chaetognathi ist der Nebenkörper im
Leben überhaupt nicht zu sehen. Der eigentümliche Charakter des
Nebenkörpers bei P. pigmentifera erlaubt es, die Gegenwart dieses
Parasiten in der Schwanzleibeshöhle der Sagitten schon mit Hilfe einer
schwachen Lupe auf den ersten Blick festzustellen. Bereits Geassi
hatte gute Abbildungen von dem Nebenkörper bei P. pigmentifera
geliefert (18, Taf. IX, Fig. 1, 2 u. a.); allerdings finde ich den Grundton
des Pigments nicht schwarz genug wiedergegeben. In der Beschreibung
Grassis heißt es: «Nelle Amibe deWlnflata e della Bipunctata l'endo-
plasma contiene sempre alla sua periferia e vicino al nucleo un cosi
detto ocello, di color nero alla periferia e nerognolo appena al centro:
questo ocello di solito e piu grande del nucleo. E costante nelle Amibe
delle nominate due specie di Chetognati e manca con altrettanta co-
Paramoebenstudien. 463
stanza nelle altre. Risulta di pimmento granelloso e non si puö
credere alimento assunto dall'Amibe, perche nelFambiente che le
accoglie, manca una sostanza uguale od almeno simile« (18, S. 187).
Oft liegt der Nebenkörper bei beiden Paramoeba- Arten in der
nächsten Nähe des Kernes, wie bei P. eilhardi. Doch besteht zwischen
beiden Gebilden keinerlei feste Beziehung, und beide können unter
Umständen sehr weit voneinander im Plasma der Amoeben entfernt
werden. Demnach gilt die ScHAUDiNNsche Beobachtung, der Neben-
körper liege »stets der Oberfläche des Kernes dicht auf« (47, S. 34), für
die mir vorliegenden beiden Fälle nicht.
In die genaue Zusammensetzung des Nebenkörpers volle Einsicht
zu gewinnen ist keineswegs leicht. Namentlich muß hervorgehoben
werden, daß jede Behandlungsmethode nur einseitig den Bau des
Nebenkörpers zu beleuchten erlaubt : gewisse seiner Bestandteile werden
auf Kosten andrer zum Ausdruck gebracht. Erst durch ein kritisches
Vergleichen läßt sich das Gesamtbild zustande bringen.
Der Nebenkörper von P. pigmentifera ist von gestreckt-ovaler
Gestalt, seltener rundlich; sein längerer Durchmesser beträgt 0,013 mm.
Am Leben läßt sich nichts weiter feststellen, als daß der Nebenkörper
allseitig von grobkörnigem, im durchfallenden Licht tiefschwarzen
Pigment bedeckt ist; in einzelnen Fällen schimmert die centrale Partie
lichter durch. Die eigentliche Struktur des Nebenkörpers wird erst
auf fixierten und gefärbten Präparaten sichtbar.
Was zunächst das äußerlich dem Nebenkörper angelagerte Pigment
anbetrifft, so wird dasselbe bei Fixierung mit ScHAUDiNNscher Lösung
(Sublimat- Alkohol-Essigsäure) im großen und ganzen als solches er-
halten. Es erscheint nach Färbung der Amoeben mit Delafields
Hämatoxylin in Form von stark leuchtenden, gelblichen bis gelblich-
braunen Concrementen, welche rundliche Gestalt und meist ein va-
cuolenartiges Centrum aufweisen (Fig. 36) ; mit Eisenhämatoxylin lassen
sich die Pigmentkörner schwärzen (Fig. 9). Gleichfalls nicht aufgelöst
wird das Pigment bei Konservierung mit ÜERMANNscher Lösung und
es tritt in diesem Fall in Form von dunkelbraunen Körnern entgegen
(Fig. 8); besonders bei dieser Behandlungsart kann man erkennen,
daß die Pigmentkörner durch dichtes Aneinanderschließen undeutlich
ausgeprägte polygonale Gestalt annehmen. Anders als die beiden ge-
nannten Fixierungsmittel wirkt Pikrinessigsäure nach Boveri: sie
löst bei einer Einwirkungsdauer von 10 — 15 Minuten das schwarze
Pigment spurlos auf, und der Nebenkörper liegt, wie bei P. chaetognathi,
nackt im Körperplasma (Fig. 4; Taf. VII, Fig. 13; Taf. VIII, Fig. 206
464 C. Janicki.
und 23). — Die Pigmentkörner scheinen dem Nebenkörper nicht nur
locker anzuliegen, sondern in einer Art Stroma an dessen äußerer
Umgrenzung angebracht zu sein; es läßt sich wenigstens bei einer teil-
weisen Extraktion der Körner, wie eine solche z. B. auch bei Behand-
lung mit HERMANNscher Lösung + Delafields Hämatoyxlin da und
dort nicht zu vermeiden ist, eine deutliche mosaikartige Zeichnung an
der Oberfläche des Nebenkörpers, hervorgerufen durch den Eindruck
der Pigmentkörner, wahrnehmen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Pigment nicht durch
Alkohol, wohl aber durch Pikrinsäure gelöst wird. Dieser letztere
Umstand könnte vielleicht auf eine kalkige Grundlage des Pigments
hinweisen. Nicht unerwähnt soll es auch bleiben, daß das leuchtend-
gelbe Aussehen des Pigments auf gewissen Präparaten genau dem-
jenigen der sogenannten Kalkkörperchen im Cestodenparenchym ent-
spricht. Auf der andern Seite darf aus dem früher Gesagten auch
auf fettartigen Charakter der Pigmentkörner geschlossen werden. Das
Auftreten des Pigments etwa mit Chromidienbildung in Beziehung
zu setzen, ist gar kein Grund vorhanden: Chromidien sind überhaupt
bei den zwei parasitischen Arten von mir nicht beobachtet worden.
Im Übrigen muß die Frage nach der chemischen Natur des Pigments
offen gelassen werden, und damit auch diejenige nach der physiolo-
gische^ Bedeutung des Pigments. Der von Grassi angewandte Aus-
druck »Ocello«, d.h. Augenfleck, ist kaum in der Absicht gewählt
worden, die Gesichtsfunktion wirklich dem Nebenkörper zuzuschreiben.
Nicht wahrscheinlicher wird die zuletzt genannte Deutung auch bei
Berücksichtigung des Umstandes werden, daß die Chaetognathen voll-
kommen durchsichtig sind und vorwiegend an der Oberfläche des
Meeres leben. Gleichfalls kaum zu diskutieren wäre etwaiges Ab-
hängigkeitsverhältnis zwischen Atmung und Pigment in unserm Fall.
Die meiste Wahrscheinlichkeit dürfte hingegen die Auffassung des
Pigments als besonderes Stoffwechselendprodukt, als eine Art Excret-
körner für sich haben. Etwas näheres darüber auszusagen ist nur
zurzeit nicht möglich; doch mag hier nochmals an die anscheinend
parallel gehende Bildung von eigentümlichen Conglomeraten im Plasma
von P. chaetognathi erinnert werden, vielleicht auch an die Körner mit
» grüngelblichem Schimmer« bei P. eilkardi nach Schaudinn — durch
welche Parallelisierung, wenn sie begründet ist, P. pigmentifera ihre in
bezug auf Ausbildung des Nebenkörpers anscheinend exceptionelle
Stellung einbüßen würde. — Stets habe ich bei P. pigmentifera das
Pigment um den Nebenkörper gefunden. In sehr seltenen Fällen ist
Paramoebenstudien. 405
das Pigment zugleich spärlich im Plasma zerstreut, ohne daß etwa
Beziehungen zu den Vacuolen festzustellen wären. Vielleicht sind das
Zustände, welche auf die Teilung von Paramoeba folgen: bei der Durch-
schnürung des Nebenkörpers (s. weiter unten) wird ein Teil des Pig-
ments den beiden Hälften des Nebenkörpers zugewiesen, ein andrer
Teil bleibt im Plasma zerstreut liegen.
Alles in allem dürfte als feststehend betrachtet werden, daß das
Pigment von P. pigmentifera ein Plasmaprodukt ist, das sekundär erst
an der Oberfläche des Nebenkörpers abgelagert wird. Zu einer wesent-
lichen Charakteristik dieses letzteren Gebildes gehört das Pigment
sicher nicht: es fehlt ja in dieser Form, als ständiger Begleiter des
Nebenkörpers, sowohl bei der freilebenden P. eilhardi wie bei der para-
sitischen P. chaetognathi.
Über den eigentlichen Nebenkörper können nach dem Leben
keine Angaben gemacht werden; in dem einen Fall bleibt er vom
Pigment ganz und gar verdeckt, in dem andern ist er gleichfalls unter
den mannigfaltigen Inhaltskörpern des Plasmas nicht sichtbar. Be-
kanntlich schildert Schaudinn den Nebenkörper bei P. eilhardi in fri-
schem Zustande als ein stark lichtbrechendes, scharf konturiertes
Gebilde. Somit ist man bei den parasitischen Arten auf konser-
viertes Material angewiesen. — Der Nebenkörper von P. chaetognathi
ist, den Körperdimensionen der Amoebe entsprechend, kleiner als
derjenige von P. pigmentifera ; er mißt 0.009 mm im längeren Durch-
messer.
In Übereinstimmung mit der von Schaudinn gebrauchten Nomen-
klatur werden bei beiden hier vorliegenden Paramoeba- Arten am Neben-
körper ein »Mittelstück« sowie zwei polar angebrachte »halbkugelige
Seitenteile« unterschieden. Es ist die starke Ausdehnung des Mittel-
stückes in die Länge, welche im ScHAUDiNNschen Fall dem ganzen
Nebenkörper in ausgewachsenen Amoeben »wurstförmige Gestalt « ver-
leiht. Derartig gestreckte Form des Nebenkörpers wird bei para-
sitischen Arten im Ruhezustande nicht beobachtet; wohl aber während
der Teilung des Nebenkörpers. — Während die sogenannten Seiten-
teile bei Behandlung mit den üblichen Präparationsmethoden ein in
der Hauptsache übereinstimmendes Bild liefern, verhält es sich in bezug
auf das Mittelstück ganz anders.
Mit Delafields Hämatoxylin nach Fixierung in der Schaudinn-
schen Lösung wird das Mittelstück gleichmäßig dunkelblau gefärbt
{Fig. 3a, b); bei P. chaetognathi namentlich kann diese Färbung außer-
ordentlich intensiv ausfallen, viel intensiver als das für alles in gleichem
466 C. Janicki.
Ausstrichpräparat vorhandene Chromatin gilt. Die Gestalt eines
derartig gefärbten Mittelstückes ist die einer schwach gewölbten bi-
convexen Linse, öfters läßt sich bei P. pigmentifera beobachten, daß
das gefärbte .Mittelstück äquatorial in zwei freie Zipfel ausläuft, auf
welche Erscheinung ich noch zurückkommen werde. Gleichfalls erst
aus weiterer Darstellung wird es verständlich, wie Bilder zu verstehen
sind, welche in der äquatorialen Begrenzung des Mittelstückes eine
dunkel färbbare, anscheinend stabartige Bildung aufweisen.
Durch das Eisenhämatoxylin nach der Konservierung im Schau-
DiNNschen Gemisch wird das Mittelstück stets gefärbt, und zwar
wechselt die erzielte Farbe je nach dem Grad der Differenzierung von
dunkelschwarz bis grau. Speziell bei P. chaetognaihi nimmt das Mittel-
stück bei dieser Behandlungsart und Nachfärbung mit Eosin unter
starker Differenzierung einen hellblauen bis blauvioletten Ton an
(Fig. 6, 21).
Sehr überraschend war das Ergebnis der Anwendung von Borax-
carmin nach vorheriger Konservierung in Boveris Pikrin«s>ig>;iure:
Von dem sonst tief dunkel tingierbaren Mittelstück ist absolut nichts
zu sehen gewesen (Fig. 4; Tai. VII, Fig. 13: Taf. VIII, Fig. 20 6 und 23).
Dieses Resultat fällt vollkommen übereinstimmend für beide Par-
ainoeba-Avten aus, und wurde von mir mehrmals erzielt. Die Frage,
inwiefern die färbbare Substanz des Mittelstücks etwa durch Pikrin-
säure aufgelöst worden ist, oder aber ob keine Affinität zu Borax-
karmin vorliegt, erscheint hier zunächst von sekundärer Bedeutung
und dürfte nicht leicht zu entscheiden sein. Es mag zunächst ge-
nügen an dem bloßen Ergebnis festzuhalten, daß auf Präparaten,
wo alles Chromatin im Kern der Paramoeba in typischer Weise stark
gefärbt wird, das Mittelstück ungefärbt bleibt. Zur Illustration
dieser Verhältnisse ist absichtlich ein Exemplar von P. pigmenti-
fera gewählt worden, welches im Körperplasma eine vor kurzem
aufgefressene Spermatogonie (oder Spermatocyte?) des Wirtstieres in
einer Nahrungsvacuole eingeschlossen führt (Fig. 4): das Chromatin
der Keimzelle zeigt die charakteristische starke Färbung (zum Er-
zielen einer guten Färbung der Paramoeben mit Boraxcarmin war
eine Färbungsdauer von bis über 24 Stunden nötig). — Aus dem eigen-
tümlichen Verhalten des Mittelstücks bei der eben genannten Methode
ist meiner Ansicht nach zu entnehmen, daß die Gesamtmasse des
Mittelstückes, welche auf Hämatoxylinpräparaten durchaus den
Eindruck von echtem Chromatin erweckt, eben kein Chromatin
ist, wenigstens sicher keines in gewöhnlichem Sinne dieses Wortes.
Paramoebenstudien. 467
Da in beiden Fällen basische Farbstoffe zur Verwendung kommen, so
ist es nicht statthaft zur Unterscheidung von Chromatinarten etwa
zu ihrem basophilen bzw. acidophilen Charakter Zuflucht zu nehmen.
— Die Frage nach eventueller Identität der Mittelstücksubstanz mit
metachromatischen Körpern, dürfte kaum in positivem Sinne beant-
wortet werden. Mit den im Plasma von Paramoeben reichlich vor-
kommenden metachromatischen Körperchen hat zwar die Substanz
des Mittelstücks die starke Färbbarkeit in Delafields Hämatoxylin
gemeinsam; außerdem aber färbt sich diese auch mit Eisenhämatoxylin
nach Sublimatkonservierung, was die erstgenannten Körperchen nicht
tun. Immerhin sind diese Reaktionen zur Entscheidung der Frage
nicht ausreichend und es müssen speziell in dieser Richtung vorge-
nommene Untersuchungen abgewartet werden. — Betonen möchte
ich noch, daß die Gesamtmasse des Mittelstückes gemeint ist, wenn
im Vorstehenden von nicht-chromatischer Natur dieses Gebildes die
Rede gewesen; innerhalb des Mittelstückes lassen sich bei Anwendung
einer andern Methode winzige Körnchen — von fast verschwindender
Masse gegenüber der gesamten Substanz des Mittelstückes — nach-
weisen, und diese Körnchen werde ich als Chromosomen deuten.
Es ist die HERMANNsche Lösung, welche als Konservierungsflüssig-
keit angewandt, die meiste Einsicht in den Bau des Nebenkörpers und
speziell des Mittelstückes zu gewinnen erlaubt ; P. chaetognathi mit ihrem
nackten Nebenkörper eignet sich zu dieser Untersuchung besser als
P. pigmenti fem. Zunächst ergibt sich bei der Färbung mit Eisen-
hämatoxylin und richtiger Differenzierung, daß das Mittelstück eine
eigne, scharf ausgeprägte Membran besitzt, daß es sich somit auf ein
Bläschen zurückführen läßt, welchem freilich meistens, wie schon er-
wähnt, die Gestalt, einer biconvexen Linse zukommt. Die Membran
erscheint an den beiden Flächen der Linse pol plattenartig ausgebildet,
während äquatorial der Zusammenschluß durch ein viel feineres Häut-
chen vermittelt wird (Fig. 10a, b). Genauere Untersuchung macht es sehr
wahrscheinlich, daß die polplattenartigen Bildungen nicht Produkte
der Membran selbst sind, sondern derselben von außen dicht auf-
lagern; doch muß ich die Schwierigkeit der diesbezüglichen Unter-
suchung betonen. In der Regel werden die Pol platten nur mit Eisen-
hämatoxylin zur Darstellung gebracht; ausnahmsweise habe ich sie
auch mit Delafields Hämatoxylin beobachtet, was mich in der An-
nahme, es liegen tatsächlich besondere Differenzierungen vor, nur
bestärkt. Ein derartig membranös umgrenztes Mittelstück mit pol-
plattenartiger Ausbildung der Flächen erinnert an Kerne mit ihren
468 C. Janicki.
Polplatten während der Teilung bei Amoeba binucleata, Actinophrys
sol und Actinosphaerium eichhorni nach Schaudinns bzw. R. Hertwigs
Schilderungen; auf diesen Vergleich komme ich später noch zurück.
Manchmal, bei Einstellung des Tubus auf den äquatorialen Umkreis
des Mittelstückes, kann man in Form einer feinen scharfen Linie die
Kante der Linse, wo ihre beiden Flächen aneinanderstoßen, beobachten.
— Der Feststellung, daß das Mittelstück von einer eignen Membran
umgrenzt ist, schreibe ich bei der Beurteilung der Natur des Neben-
körpers besondere Bedeutung zu.
Auch der Inhalt des Mittelstückes läßt bei Anwendung der Her-
MANNschen Lösung und Eisenhämatoxylin seine feinere Structur näher
erkennen; es eignen sich zu diesem Zweck am besten Präparate, wo
durch starke Differenzierung mit Eisenalaun das Mittelstück als Ganzes
kaum oder nur sehr unbedeutend gefärbt bleibt. Die das Mittelstück
bildende Substanz zeigt ein grobgranuläres, schwach sich abzeichnendes
Gefüge (Fig. 10); ich habe nicht den Eindruck, daß sich dieses Gefüge
auf Wabenstruktur zurückführen ließe. Dieser granulöse Inhalt ist es,
der mit Hämatoxylin nach Sublimatkonservierimg so überaus stark
gefärbt wird, daß alle Struktur des Mittelstückes dadurch verdeckt
und unkenntlich gemacht wird. In sehr seltenen, besonders günstigen
Fällen lassen sich nun äquatorial im Mittelstück in einer bis zwei
Reihen bzw. ringförmig angeordnet winzige Körnchen nachweisen ; ihre
Darstellung ist, wie gesagt, sehr schwierig und launisch. Ausnahms-
weise kann man auch bei einer mit Delafields Hämatoxylin gefärbten
Amoebe bei geeigneter Differenzierung die Körnchen nachweisen.
Die genannten Körnchen fasse ich als Chromosomen auf. In dem
Mittelstück des Nebenkörpers erblicke ich einen echten, aber besonders
modifizierten zweiten Kern von Paramoeba. Diese Zurückführimg
gründet sich auf einen Komplex von Eigenschaften, auf die ich im
allgemeinen Teil besonders zu sprechen komme.
Erst nachdem der Bau des Mittelstückes auf Präparaten, die mit
ÜERMANNscher Lösung behandelt worden sind, klargelegt ist, lassen
sich die Bilder, welche ScHAUDiNNsche Lösung mit Delafields Häma-
toxylin erzeugt, richtig deuten. Ich habe absichtlich hier zur Be-
schreibung der Mittelstückstruktur den gleichen — nicht den kürze-
sten — Weg eingeschlagen, den ich während der Beobachtung durch-
gemacht habe. Dadurch mag dem Leser der Eindruck, daß die uns be-
schäftigenden Strukturverhältnisse keineswegs immer auf den ersten
Blick deutlich in die Augen fallen, zum Bewußtsein gebracht werden.
Außerdem ergab sich bei der gewählten Darstellungsart zunächst ein
Paramoebenstudien.
469
direkter Anschluß an die von Schaudinn bei P. eilhardi beschriebenen
oder vielmehr in den allbekannten Figuren geschilderten Verhältnisse.
Die Schwierigkeit in der Deutung von Bildern, die von Delafields
Hämatoxylinpräparaten nach Konservierung- in Schaudinns Lösung
stammen, liegt erstens darin, daß die Inhaltmasse des Mittelstückes
sich homogen und sehr tief färbt, wodurch — von wenigen Ausnahme-
fällen abgesehen — die innere Struktur einfach verdeckt wird, und
■
d e f g
Textfig. \a — g.
Die verschiedene Ansicht des Mittelstücks im Nebenkörper von Paramoeba (parasitische Species) nach
Behandlung mit SCHAUDiXN'scher Lösung und. Delafields Hämatoxylin. Halbschematisch.
zweitens in dem Umstand, daß — ungeachtet des ausgezeichneten
Konservierungszustandes aller übrigen Bestandteile des Paramoeba-
Körpers — bald mehr bald weniger ausgesprochene Schrumpfungen
zustande kommen, was sodann ungleichmäßige Verteilung der färb-
baren Substanzen zur Folge hat. Die verschiedenen Ansichten des
Mittelstückes, welche auf derartigen Präparaten sowohl bei P. chaeto-
gnathi wie bei P. pigmentifera angetroffen werden, sind schwach
schematisiert in den Textfig. \a — g, wiedergegeben. Die Fig. \a stellt
470 C. Janicki,
zunächst den typischen Bau des Mittelstückes unter Weglassung der
Polplatten, die bei der hier angewandten Methode nur ausnahmsweise
zum Ausdruck gelangen, dar;1, der übrige Teil des Nebenkörpers soll
jetzt nicht näher berücksichtigt werden. Ein derartig gleichmäßig-
dunkles Aussehen des Mittelstückes wird oft, besonders bei P. chaeto-
gnathi, beobachtet; dasselbe wird übrigens auch bei Anwendung von
Eisenhämatoxylin erzielt. Nun zieht sich der Inhalt des Mittelstückes
in vielen Fällen äquatorial von der Membran zurück; die an dieser
letzteren zweiseitig haftenbleibenden Partien erzeugen, in Profilansicht
betrachtet, die namentlich bei P. pigmentifera oft anzutreffenden zwei
Zipfel; diese können mehr oder weniger gleichartig oder ungleichartig
ausgebildet zum Vorschein kommen (Fig. 16, c). Zudem kommt nicht
selten eine starke Schrumpfung des ganzen Mittelstückes in der Rich-
tung der Längsachse des Nebenkörpers hinzu ; das Mittelstück erscheint
alsdann ausnehmend flach (Fig. 16 — e). Dagegen tritt die äquatoriale
Umgrenzung des Mittelstückes infolge von Farbstoffspeicheiung zwischen
den eng aneinander schließenden Membranen in vielen Fällen sehr
deutlich in Form eines stark gefärbten, meist bogenförmig schwach
gekrümmten Stabes zum Vorschein (Fig. 1^, g). Gerade diese Bilder,
welche P. pigmentifera sehr oft bietet, scheinen zunächst der Inter-
pretation große Schwierigkeit zu bereiten; ja manchmal wäre man
beinahe versucht in der scheinbar stabartigen Bildung etwa eine Cen-
trodesmose zu vermuten. Vergleichendes Studium anders behandelter
Präparate zerstreut aber die Bedenken und verweist die zunächst
frappierende Erscheinung in das Gebiet der Kunsterzeugnisse. Die
Grundlage freilich für diese Bildung ist reell, und besteht in der
äquatorialen Berührungslinie der das linsenförmige Mittelstück be-
grenzenden Flächen1. — In andern Fällen wiederum scheint die Be-
rührung dieser Flächen nicht in einer Linie zu geschehen, sondern durch
eine Art schmalen Gürtel vermittelt zu werden (Fig. 1/). — Sämtliche
Varianten im Aussehen des Mittelstückes lassen sich, wie gesagt, un-
gezwungen auf die früher besprochene Grundform zurückführen.
Nachträglich wäre hier noch die Frage zu berühren, wie ist es zu
1 Weitgehende Übereinstimmung mit der eben besprochenen stabartigen
Bildung scheint mir in einem Befund Alexeieffs am Kern von Amoeba punc-
tata Dang, vorzuliegen; in der Figurenerklärung zu dem nach gefärbtem Präparat
entworfenen Kern heißt es: »Noyau tendu sur un bätonnet siderophile, probable-
ment un cristalloide intranucleaire.« (Vgl. A. Alexeiff. Sur la division nucleaire
et l'enkystenient chez quelques Amibes de groupe Limax. C. R. Soc. Biol. 1911.
p. 589. Fig. 22.)
Paramoebenstudien. 471
erklären, daß die — wenn auch selten — so doch immerhin nachweis-
baren Chromosomen im Mittelstück bei Behandlung der Amoeben mit
Pikrinessigsäure + Boraxcarmin niemals zum Ausdruck gelangen.
Die Antwort kann freilich zunächst nur wenig befriedigend ausfallen
und bewegt sich in Vermutungen. Es dürfte die besondere chemische
Zusammensetzung des granulösen Inhaltes des Mittelstückes sein,
welche auch das färberische Verhalten der eingeschlossenen Chromo-
somen mitbeeinflußt. Bekanntlich wird die Gesamtmasse des Mittel-
stückes bei Anwendung der genannten Kombination von Reagen-
tien, sei es gänzlich aufgelöst, sei es in einen dem Farbstoff absolut
widerstehenden Zustand übergeführt. Dabei werden offenbar die
winzigen Chromosomen in Mitleidenschaft gezogen. — Auch das Alaun-
carmin, welches ich nur zur Kontrolle angewandt habe, und das aus-
gezeichnet scharfe Chromatinfärbung im Kern wie auch an den übrigen
chromatischen Teilen des Nebenkörpers (s. weiter unten) gibt, war nicht
geeignet, die kleinen Chromosomen des Mittelstückes zur Darstellung
zu bringen. Das Mittelstück nimmt mit diesem, übrigens leicht ma-
cerierenden, Farbstoff einen offenbar je nach dem verschiedenen Zu-
stand der Amoeben wechselnden diffusen bald helleren, bald dunkleren
Ton an. —
An die gewölbten Flächen des Mittelstückes schließen sich polar
die annähernd halbkugeligen oder kalottenförmigen »Seitenteile«
Schaudinns an; sie ergänzen gewissermaßen die Gestalt des Mittel-
stückes zu einem durchaus einheitlich erscheinenden ovalen Neben-
körper. Die Grundlage dieser Seitenteile wird von einem schwach-
granulösen, bald mehr bald weniger vacuolisierten Plasma gebildet,
welches unter allen Umständen von dem umgebenden Körperplasma
sehr deutlich absticht. Was aber besonders in die Augen fällt, sind
zwei polständig innerhalb der Seitenteile angebrachte, runde bis ovale
Körper; ich benenne dieselben jetzt schon Centrosomen, wenn auch
die Begründung hierzu sich erst aus dem allgemeinen Teil ergeben wird.
Für das die Centrosomen bergende schwachgranulöse Plasma werde
ich den Ausdruck Archoplasma verwenden.
Auf Präparaten, die mit ScHAUDiNNscher Lösung konserviert und
mit Delafields Hämatoxylin gefärbt sind, treten die Centrosomen
nur mäßig stark, grau bis graublau gefärbt zum Vorschein; nicht
selten zeigt das Centrosoma bei dieser wie bei andern Behandlungs-
methoden eine Vacuole im Innern. Das Plasma der Seitenteile, oder
das Archoplasma, erscheint, wenigstens bei P. chaetognaihi, noch viel
weniger gefärbt als die Centrosomen. Ein im Umkreis der Centro-
472 C. Janicki,
somen regelmäßig feststellbarer heller Hof dürfte wohl sicher auf
Schrumpfung im umgebenden Medium zurückzuführen sein, was ja
öfters in der Umgebung der Plasmaeinschlüsse geschieht. — Mit Eisen-
hämatoxylin lassen sich die Centrosomen außerordentlich tief schwärzen;
sie stechen bei entsprechender Differenzierung sehr deutlich von ihrer
Umgebung ab, indem weder das sie umgebende Archoplasma, noch das
Mittelstück gleich dunkle Färbung annehmen (Fig. 9). Nach besonders
starker Differenzierung mit Eisenalaun und Nachfärbung mit Eosin tritt,
namentlich bei P. chaetognathi, der eosinophile Charakter der Centro-
somen sehr eklatant zum Vorschein: dieselben leuchten geradezu rot,
gegenüber dem grünlich-blauen Mittelstück (Fig. 6, 21).
Wie für das Mittelstück so ist auch für die Centrosomen das Er-
gebnis der Färbung mit Boraxcarmin nach Fixierung in Boveri's
Pikrinessigsäure ein Überraschendes. Im Gegensatz zu dem gänzlich
ungefärbt bleibenden Mittelstück nehmen die Centrosomen bei beiden
Paramoeba- Arten die typische grellrote Carminfärbung an (Fig. 4, 20&,
23). Auch das Archoplasma in der Umgebung der Centrosomen weist
wenige gefärbte Granula auf. Dieses färberische Verhalten habe ich
stets mit strenger Regelmäßigkeit feststellen können. Ich glaube dem-
nach nicht fehl gehen zu dürfen, wenn ich den Centrosomen, und in
schwächerem Grade ihrer Umgebung, Chromatingehalt zuschreibe.
Chromatische Centrosomen bzw. deren Homologa bei Protozoen sind
ja nach unsern heutigen Kenntnissen keine Ausnahmen mehr (Schau-
dinn, R. Hertwig, Keuten, Zuelzer), worauf ich im allgemeinen
Teil noch eingehen werde. — Auf welche Weise chromatische Sub-
stanzen nicht nur in die Centrosomen, sondern auch in deren Umgebung
gelangen, läßt sich nicht feststellen.
Deutlich werden die Centrosomen in der Regel mit ÜERMANNscher
Lösung und nachfolgender Anwendung von Delafields oder Eisen-
hämatoxylin zur Darstellung gebracht und nehmen je nach der In-
tensität der Färbung einen helleren bis tief dunklen Ton an. Es darf
freilich nicht verschwiegen werden, daß in seltenen Fällen aus nicht
näher zu ermittelndem Grunde gerade die genannte Methode, welche
ja, wie oben gesagt, zum Aufdecken der Zusammensetzung des Neben-
körpers große Dienste leistet, bei der Sichtbarmachung von Centro-
somen vollkommen versagt.
Die Struktur der Centrosomen erscheint übereinstimmend bei
allen angewandten Untersuchungsmethoden als außerordentlich dicht
und ist eher homogen zu bezeichnen; auf keinen Fall läßt sich hier
etwa spongiöses Gefüge antreffen. Centriolen innerhalb der Centro-
Paramoebenstudien. 473
somen sind keine nachzuweisen. Form und Zusammensetzung der
Centrosomen zeigen - — abgesehen von Teilungszuständen — keinen
veränderlichen Charakter; namentlich ist hier nichts von den in neuerer
Zeit mehrfach beschriebenen cyclischen Abbauerscheinungen an Centro-
somen zu bemerken.
Strahlungserscheinungen werden weder in den Seitenteilen des
Nebenkörpers noch außerhalb desselben beobachtet. Desgleichen läßt
sich keine longitudinale Streifung im Archoplasma feststellen. —
Wenn auch normalerweise das Archoplasma der Seitenteile direkt sich
an die Flächen des Mittelstückes anschließt, so kann durch Schrump-
fung oftmals zwischen beiden Bestandteilen des Nebenkörpers eine
mehr oder weniger ausgedehnte Lücke entstehen (vgl. oben). Ebenso
mag die wechselnde Ausbreitung des Archoplasmas in dünnerer oder
dickerer Schicht äquatorial um das Mittelstück herum von Fall zu
Fall durch Einwirkung der Konservierungsflüssigkeit beeinflußt sein. —
Ich wende mich jetzt der Frage zu, wie ist der Nebenkörper als
Ganzes gegen das umgebende Plasma von Paramoeba abgegrenzt?
Selbstverständlich kommt in dieser Beziehung die Pigmentkörner-
schicht von P. pigmentifera nicht in Betracht; dieselbe ist, wie schon
erwähnt, dem eigentlichen Nebenkörper nur äußerlich aufgelagert.
Zum Studium der vorgelegten Frage eignet sich außerdem P. pigmenti-
fera, wie leicht ersichtlich, nur wenig; es können nämlich nur die Pikrin-
essigsäurepräparate, wo das störende Pigment aufgelöst erscheint,
Verwendung finden1. In diesem Fall, wie auch auf sämtlichen Prä-
parationen von P. chaetognathi, tritt der Nebenkörper immer gut und
scharf gegen das umgebende Plasma abgesetzt zum Vorschein ; etwaige
Fortsatzbildungen des Archoplasmas in die Körpersubstanz von Para-
moeba sind nicht vorhanden. Der Nebenkörper imponiert demnach
stets als ein ins Plasma eingesenktes abgeschlossenes Ganzes. Damit
soll zunächst nur der Eindruck, den der Nebenkörper auf den
Beschauer macht, unvoreingenommen wiedergegeben werden. Eine
weitere Frage ist die, wie kommt dieser einheitliche Charakter des
Nebenkörpers zustande, besitzt etwa der Nebenkörper eine eigne, ihn
abgrenzende Membran? Diese Frage kann ich, was P. chaetognathi
anbetrifft, bestimmt in verneinendem Sinne beantworten. Besonders
deutlich kommen die in Rede stehenden Verhältnisse auf Präparaten
zum Ausdruck, wo unter Einwirkung des Konservierungsmittels das den
Nebenkörper umgebende Plasma sich von diesem letzteren zurückgezogen
1 Die Umgrenzung des gesamten Nebenkörpers ist bei der Reproduktion
von Fig. 4 gegenüber dem Originalbild viel zu deutlich ausgeprägt ausgefallen.
474 C. Janicki,
hatte, — ein Vorkommnis, das da und dort unter sonst gutgelungenen
Präparaten sich nicht vermeiden läßt (Taf. VII, Fig. IIa und b). Als-
dann sieht man, daß das Archoplasma jederseits am Mittelstück etwa in
Halbkugelform, sozusagen als selbständiges Gebilde angebracht er-
scheint, und daß eine alle drei Teile umschließende Membran fehlt; sie
hätte sonst unbedingt in diesem Fall zum Vorschein kommen müssen.
Der einheitliche Charakter des Nebenkörpers wird durch dichten Zu-
sammenschluß des Körperplasmas um den Nebenkörper herum erreicht,
und als bedingendes Moment für ein derartiges Verhalten kann wohl
mit Recht die Ausbildung einer minimalen Berührungsfläche zwischen
Nebenkörper und Plasma in Anspruch genommen werden. Das nach-
weislich von einer Membran umgrenzte Mittelstück auf der einen Seite
sowie eine bestimmte, polar verteilte Quantität von Archoplasma auf
der andern Seite sind zusammengenommen ausschlaggebend, wie weit
der Nebenkörper als Ganzes die zunächst sich bietende sphärische
Gestalt zu übertreffen hat. — Für P. chaetognathi schließe ich somit
das Bestehen einer eignen Membran des Nebenkörpers aus; für die
so nahe verwandte P. pigmenti fem ist der gleiche Sachverhalt im
hohen Grade wahrscheinlich. —
Bis jetzt habe ich das durchschnittlich anzutreffende Aussehen
der Centrosomen im Nebenkörper geschildert. In durchaus nicht selte-
nen Fällen werden nun die Centrosomen bereits geteilt, also je zwei
an jedem Pol des Nebenkörpers beobachtet (Fig. 36). Dieses Verhalten
deutet entschieden auf bevorstehende Teilung der Amoebe hin, wenn
auch nicht immer die verdoppelte Centrosomenzahl mit kenntlicher
Vorbereitung des Hauptkernes zur Teilung, wie es in Fig. 36 der Fall
ist, Hand in Hand geht. Eine ähnliche frühzeitige Verdoppelung der
Centralorgane während des Kernteilungsvorganges ist auch bei Proto-
zoen bereits in mehreren Fällen bekannt; mit besonderer Regelmäßig-
keit tritt z. B. die verfrühte Centriolenteilung bei Spongomonas uvella
nach Hartmann und Chagas auf (23, S. 80 und Taf. VI, Fig. 34—39).
Im Ruhezustand von Paramoeba, zwischen zwei Teilungsperioden,
sind die Centrosomen stets in der Einzahl polar angebracht; von einem
Diplosomazustand während der Ruheperiode kann hier keine Rede
sein. Die Teilung des Centrosoma scheint bei Paramoeba unverkennbar
auf dem Zustand seiner größten Massenentwicklung vor sich zu gehen. —
Auffallender ist das Vorkommen von drei, vier und mehr Centrosomen
jederseits am Nebenkörper, so daß deren im Ganzen bis über acht, jedes
von einem hellen Hof umgeben, gezählt werden können (Fig. 12). Der
Hauptkern befand sich in einem solchen Fall jeweilen im Ruhezustand.
Paramoebenstudien. 475
Möglich, daß eine derartige Vermehrung von Centrosomen mit Ga-
metenbildung in Zusammenhang zu bringen wäre; doch leider konnte
ich diese selten anzutreffende Erscheinung nicht weiter verfolgen. —
Umgekehrt begegnet man, gleichfalls sehr selten, Amoeben mit einem
einzigen Centrosom im Nebenkörper; offensichtlich ist hier eine Ver-
doppelung der Centrosomen während der Teilung unterblieben.
In der Regel bleiben die, zumeist wie gesagt, sehr frühzeitig sich
teilenden Centrosomen nur vorübergehend durch eine feine Brücke
miteinander verbunden. Ausnahmsweise läßt sich zwischen den bereits
polar angebrachten Centrosomen eine Verbindung nachweisen. Fig. 13
zeigt ein solches Verhalten nach einem Pikrinessigsäure-Boraxcarmin-
prä parat; ein dünnes, schwach geschlängeltes Fädchen zieht seitlich
am Mittelstück vom Centrosom zu Centrosom. Auffallend stark, in
einem Bogen das Mittelstück umgreifend, erscheint die Centrodesmose
.
Textfig. 2.
P. chaetognatki. Centrodesmose im Nebenkörper. SCHAUDiNNsche Lösung. Eisen-Hämatoxylin,
Eosin. Vergr. 2700.
in Fig. 14 a und namentlich 14 b, in beiden Fällen nach Eisenhäma-
toxylinfärbung. Die Amoebe der Fig. 14 & stammt aus einem Prä-
parat mit vielen Gameten und ist auch durch die Konstitution ihres
Hauptkernes ausgezeichnet. Während die genannten Fälle sich auf
P. figmentifera beziehen, illustriert die Textfig. 2 ein ähnliches Ver-
halten von P. chaetognatki. Auf diese vereinzelt zu konstatierenden
Befunde der Centrodesmosen komme ich noch im allgemeinen Teil
der Arbeit zurück.
Ein andrer Bildungsmodus von Centrosomen als derjenige durch
Teilung bereits vorhandener, wurde nicht beobachtet.
2. Teilung bei beiden Paramoeba-Arten.
Was Schaudinn über Teilungsvorgänge bei P. eilhardi mitteilen
konnte, war nicht viel. »Die Teilung der Amöbe habe ich leider nur
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 31
476 C. Janicki,
zweimal am lebenden Tier beobachten können, sie erfolgt, ähnlich
wie bei anderen Amoeben als allmähliche Zerreißung in zwei Stücke.
Das Verhalten des Kernes und Nebenkörpers bei der Teilung konnte
ich bisher nicht vollständig ermitteln. In den beiden Fällen, in denen
ich die Teilung beobachtete, besaßen die Tiere schon zwei Kerne und
zwei Nebenkörper. Nun habe ich aber unter den konservierten Amoeben
solche, die schon zwei Nebenkörper auf entgegengesetzten Seiten des
Kernes aufweisen; hieraus dürfte folgen, daß die Teilung des Neben-
körpers vor der des Kernes erfolgt. In den betreffenden Amoeben
zeigten die Kerne bereits Veränderungen, die auf eine mitotische Kern-
teilung hinwiesen« (47, S. 35). Weitere Angaben hatte Schaudinn
für die ausführliche Publikation in Aussicht gestellt. Damit sind
unsre Kenntnisse von der Kern- und Nebenkörperteilung bei Para-
moeba im Amoebenzustande erschöpft.
Bei den parasitischen Paramoeba- Arten lassen sich Teilungs-
zustände relativ nicht selten antreffen. Meine diesbezüglichen Beob-
achtungen beziehen sich sämtlich auf konserviertes Material. Bei
beiden Arten verläuft die Teilung im wesentlichen übereinstimmend.
In der Mehrzahl der Fälle geht der Kern in der Teilung dem Neben-
körper voraus, ausnahmsweise kann das umgekehrte Verhalten statt-
finden.
Als erstes Anzeichen der bevorstehenden Kernteilung ist eine
reichere Abgabe des Chromatins vom Binnenkörper auf das Kern-
gerüst zu konstatieren. Dieses letztere läßt sich mit einiger Deutlich-
keit nur in der Circumferenz des Binnenkörpers beobachten, wo es
Bahnen für den Chromatintransport abgibt (Fig. 36). Einen ähnlichen
Vorgang beschreibt Schaudinn während der Vorbereitung der Kern-
teilung bei A. binucleata Gruber (46, S. 137—138 und Fig. VI, S. 131).
Infolge dieser Chromatin Wanderung nimmt der Chromatingehalt im
Außenkern gegenüber den Ruhephasen zu; gleichzeitig geschieht da-
selbst eine stärkere Kondensation des sonst staubförmig verteilten
Chromatins zu deutlichen, meist mit gezackter Peripherie versehenen
Körnern. Dieselben erscheinen oftmals mit einer auffallenden Regel-
mäßigkeit im Kerngerüst, offenbar in dessen Knotenpunkten, verteilt,
und treten so scharf gesondert hervor, daß man sie abzählen kann.
Manchmal begegnet man den Körnern in besonders lockerer Kon-
stitution. Die in Rede stehenden Körner dürften bestimmt die
Grundlage für spätere Chromosomen abgeben. In einem Fall von
P. chaetognathi glaubte ich eine Anordnung der Körner in Dyaden
wahrzunehmen (Textfig. 3). — Beim weiteren Vorrücken in den
Paramoebenstudien. 477
Prophasen löst sich der Binnenkörper auf, ohne daß es in der Mehr-
zahl der Fälle möglich gewesen wäre, irgendein von ihm übrig bleiben-
des Organeil festzustellen. ^ ■/."?:'
Dem Stadium der Äquatorialplatte begegnet man öfters, wie es
mehrere Figuren illustrieren. In bezug auf die Bildung derselben
scheinen die ihrer Entstehung nach im ganzen Kernraum verteilten
Chromosomen einem bestimmten Äquator zuzustreben (Taf. VII,
Fig. 15). Die Chromosomen sind rundliche, scharf gesonderte Körner,
ihre Anzahl ist sehr groß und beträgt vor der Verdoppelung bei P.
chaetognathi etwa über 30, bei P.
pigmentifera bis über 50. Die
Chromosomen erscheinen bald in
dichterer (Fig. 17), bald in mehr , •• ■'-•:
lockerer (Fig. 16) Ansammlung, .. .••'..•
was zum Teil vielleicht auch auf :.-','. ;:
die verschiedene Wirkung der
Konservierungsflüssigkeit zurück- .._■■'. .; .
geführt werden kann. Wie in •'.
mehreren Fällen bei beiden Spe- •-.'-•'
cies übereinstimmend festgestellt
werden konnte, nehmen die Chro-
mosomen ringförmige Anordnung lexttig. 3.
V j. j TT- P- chaetognathi. Dyaden im Hauptkern. Schau
im Äquator des Kernes an, eme MNNSche Lösung, delafields Hämatoxyiin.
Anordnung, die freilich nur bei vergr. 2700.
günstiger Lage des Kernes sich
richtig zu erkennen gibt (Fig. 17, 18&, c). Diese ringförmige Chromo-
somenverteilung erinnert z. B. an einen analogen Befund Hartmanns
bei Amoeba hyalina. Um die Einzelheiten der Chromosomenspaltung
zu studieren ist das Material wenig geeignet. In Fig. 19 und in
Fig, 20 b, Taf. VIII liegen bereits zwei Tochterplatten, richtiger wohl
auch in diesem Fall zunächst noch Ringe, beim Beginn der dicentri-
schen Wanderung vor.
Bis zur Bildung der Äquatorialplatte bleibt die Kernmembran
stets erhalten, was ja mehrfache Analogie bei Protozoen findet. Am
Ausgang der Metaphase — bald früher, bald später — erfolgt die voll-
ständige Auflösung der Kernmembran (Fig. 17, 186). Innerhalb dieser
letzteren läßt sich in manchen, aber bei weitem nicht in allen Fällen
eine schwache achromatische Spindel wahrnehmen; dieselbe ist dem-
nach, entsprechend der R. ÜERTwiGschen Bezeichnungsweise als nucleare
Spindel aufzufassen (Fig. 18 a, c, 20«, b). Mit der Auflösung der
31*
478 C. Janicki,
Kernniembran kommen die Spindelfasern anscheinend direkt ins Plasma
zu liegen (Fig. 17). Daß die Spindelfasern polar gegen einen Punkt
konvergierten, läßt sich mit Deutlichkeit nicht nachweisen. Ja, in
manchen Fällen beobachtet man sogar, daß die Spindelfasern parallel
verlaufen und so die bekannte »tonnenförmige« Spindelfigur erzeugen.
In der überwiegenden Anzahl der von mir beobachteten Kern-
teilungsfiguren habe ich vergeblich nach einem Centralorganell als
locomotorischer Komponente gesucht. Nur in drei Fällen waren
meine Bemühungen von Erfolg begleitet; alle drei beziehen sich auf
P. chaetognathi und sind in den Fig. 18 c, 20 a, b wiedergegeben. Es
liegt hier ohne Zweifel eine stark reduzierte Centralspindel vor, die
mehr oder weniger stabförmige Gestalt annimmt und deutlich die
Richtung der Polaxe einhält. An ihren Enden Centriolen nachzu-
weisen war mir nur in einem Falle möglich, und zwar auffallender-
weise auf einem Pikrinessigsäure-Boraxcarminpräparat. Auf weiter
fortgeschrittenen Teilungsphasen konnte nichts mehr von der Central-
spindel wahrgenommen werden, sie unterliegt wahrscheinlich einer
Resorption. Weitgehende Ähnlichkeit in bezug auf das geschilderte
Verhalten läßt sich mit Amoeba hyalina nach Hartmanns Darstellung
konstatieren (21, Taf. X, Fig. 10, 12, S. 161, 162); auch hier erhält
sich die Centrodesmose nicht über die ersten Schritte der Metaphase
hinaus.
Die Anaphasen sind durch dichte Verbackung der Chromosomen
zu scharf sich abhebenden Tochterplatten charakterisiert (Fig. 21, 22).
Der Ausdruck Tochterplatte ist hier nicht im strengen Sinne richtig,
indem die Chromosomen noch von der Metaphase her die annähernd
ringförmige Anordnung beibehalten. Im Umkreis der Chromosomen
erscheint das Plasma dicht granulös, die typische Vacuolisation des
Endoplasmas ist innerhalb ziemlich weiter Grenzen hinausgeschoben.
— Strahlungserscheinungen sind weder jetzt noch auf früheren Stadien
zu beobachten.
Während der Rekonstruktion der Kerne gelangt eine sehr deut-
lich ausgeprägte Heteropolie in jedem Kern zum Ausdruck. Von den
dicht aneinanderschließenden Chromosomen der Tochterplatten aus geht
nämlich die Rekonstruktion des Kernes zunächst nur nach dem einen
Pol vor, indem hier das Chromatin an einem sich jetzt bildenden Kern-
gerüst entlang auswandert und so die Grundlage für die eine Hälfte
des späteren Kernes abgibt. Auf diese Weise entstehen kegel- bis
halbkugelförmige, asymmetrisch in bezug auf die Tochterplatte ange-
brachten Aufsätze (Fig. 23, 25, 26). Die andre Kernhälfte bleibt
Paramoebenstudien. 479
in dem Rekonstruktionsprozeß zurück; die Begrenzimg der Tochter-
platte nach dieser Seite zu behält ihren ursprünglichen Charakter und
in geeigneten Fällen kann man noch Spindelfasern sich an die Chromo-
somen ansetzen sehen. (Fig. 26). Eine derartige Heteropolie wird
regelmäßig in den Telophasen beobachtet. In der Regel liegen die in
Rekonstruktion begriffenen Teile der beiden Kerne nach außen von der
Medianlinie der sich teilenden Amoebe; eine solche Lage der Kerne
läßt sich auch gut mit der Anordnung des eben genannten Spindel-
restes in Einklang setzen. Es kommt allerdings ausnahmsweise, offen-
bar durch eine nachträgliche Drehung der Kerne um 180°, eine um-
gekehrte Orientierung vor. — Ein direkter Parallelfall zu der geschil-
derten Erscheinung ist mir nicht bekannt. Allerlei Übergänge hingegen
zu dieser extremen Heteropolie lassen sich verzeichnen, und es ist
u. a. klar, daß die Telophasen gegenüber den bald in dieser, bald in
jener Form von zwei Centren beherrschten Metaphasen heteropolen
Charakter tragen müssen. Vielleicht ist hier der GoLDSCHMiDTsche
Befund einer »besonders aussehenden Plasmamasse«, welche bei
Mastigella vitrea nach der Kernteilung sich zwischen den beiden Kernen
ausspannt ( »Archoplasma «) zu nennen (17, S. 124, Taf . VII, Fig. 38);
außer dem einseitig anlagernden »Archoplasma« zeigen freilich die
Kerne anscheinend keine Heteropolie.
In der Folge nimmt der Kern seine normale bläschenförmige
Gestalt an, die Kernmembran ist bereits ausgebildet (Fig. 27). Das
Chromatin ist auf dem Kerngerüst verteilt unter mehrfacher Bildung
von dichten Ansammlungen. Ein Binnenkörper ist nicht vorhanden.
Diesem Rekonstruktionsstadium kommt relativ lange Dauer zu und
dasselbe wird oft angetroffen. — Die Einzelheiten der weiteren Vor-
gänge entziehen sich der genaueren Untersuchung. Der augenfälligste
Fortschritt bezieht sich auf die Konzentration eines Teiles des Chro-
matins in einem großen Binnenkörper, wodurch der Chromatingehalt
im übrigen Kern bedeutend abgeschwächt wird.
Ob außer dem dargestellten, ausgesprochen mitotischen Kern-
teilungstypus auch eine einfache direkte Kerndurchschnürung bei den
Paramoeba-Aiteiß. vorkomme — ein Nebeneinander von zwei Teilungs-
arten, wie es für manche Amoeben bekannt ist ■ — dürfte nach meinen
Untersuchungen im negativen Sinne beantwortet werden. Die von
mir manchmal beobachtete biscuitförmige Durchschnürung des Binnen-
körpers läßt sich in anderer Weise, nämlich im Zusammenhang mit
der später zu schildernden Mehrfachteilung des Binnenkörpers, ver-
stehen. Vielleicht aber gehört eine Beobachtung Grassis hierher.
480 C. Janicki,
Indem Gkassi von Amoeben berichtet, welche an der inneren Körper-
wand der Wirte festsitzen, fährt er fort: »In certi individui forse ü
li per immobilitarsi, il nucleo diventa a cifra otto, quasi tendesse a divi-
dersi« (18, S. 189). Ein mitotisch nach obigem Typus sich teilender
Kern kann kaum dieses Bild darbieten. —
Der Nebenkörper beginnt in der Regel nach dem Kern sich zu
teilen, doch ist hier der Teilungsvorgang von viel kürzerer Dauer, so
daß in der Mehrzahl der Fälle, bevor noch die Tochterplatten zur Re-
konstruktion der Kerne schreiten, bereits zwei gesonderte Nebenkörper
vorliegen (Fig. 22, 25). Im Einzelnen lassen sich aber allerlei Schwan-
kungen in bezug auf den Teilungsmoment des Nebenkörpers feststellen
und ausnahmsweise können, wie schon gesagt, zwei Nebenkörper in
Gegenwart eines einzigen, sich noch nicht zur Teilung anschickenden
Kernes vorliegen.
Der Teilungsprozeß des Nebenkörpers macht zunächst den Ein-
druck einer bloßen Durch-
schnürung, indem das in der
Mehrzahl der Fälle stark ge-
färbte Mittelstück in zwei Teile
zerfällt und diese, mitsamt den
jederseits angebrachten plas-
matischen Kappen und Centro-
somen, nach den entgegen-
■• gesetzten Richtungen ausein-
andergehen (Textfig. 4). Ob
vor der eigentlichen Teilung
Textfig. 4. die Centrosomen an jedem Pol
P. chaetognathi. Teilung des Nebenkörpers. Schau- in der Einzahl oder bereits Ver-
mische Lösung. Eisen-Hämatoxyiin, Eosin. doppelt sich vorfinden, scheint
Vergr. 2700. L r
keinen Einfluß auf den Ver-
lauf der Teilung zu haben. Im ganzen ist der Teilungsvorgang am
Nebenkörper schwieriger zu beobachten, als am Kern. Nicht selten
bei ausgezeichnet zum Vorschein tretender chromatischer Figur des
Kernes macht der Nebenkörper den Eindruck eines schlecht konser-
vierten Organells. — Äußerst selten gelingt es, durch richtige Ab-
stufung der Färbung und durch die Gunst sonstiger Bedingungen
genauere Einsicht in die Zusammensetzung des Mittelstückes wäh-
rend der Teilung zu gewinnen. Die Fig. 18 a stellt ein derartiges
Stadium bei P. chaetognathi dar. Die Centrosomen mit dem sie
umgebenden Archoplasma zeigen bereits die deutliche Tendenz
Paramoebenstudien. 481
nach entgegengesetzten Seiten auseinanderzu weichen ; der Nebenkörper
nimmt infolgedessen stark gestreckte Gestalt an. Im Mittelstück
werden nun zwei, gleichfalls offenbar in dizentrischer Wanderung be-
griffene Gruppen von Körnchen sichtbar; es sind das die für den
Ruhezustand des Nebenkörpers früher beschriebenen Chromosomen. - —
Den geschilderten Vorgang bekommt man zu selten zu Gesicht, als daß
genaueres Eingehen auf das Verhalten der einzelnen Bestandteile des
Mittelstückes möglich wäre.
Die Centrosomen sind anscheinend Dauerorgane, welche nie zu-
grunde gehen. So läßt sich denn auch als die einzige Vermehr ungs-
und überhaupt Entstehungsart der Centrosomen nur diejenige durch
Teilung, wie schon früher gesagt, nachweisen. Insbesondere liegen
keinerlei Anzeichen für etwaige Abstammung der Centrosomen aus
dem Mittelstück vor. —
Auf die Teilung des Kernes und Nebenkörpers folgt die Durch-
schnürung der Amoebe, was mehrfach im Endresultat auf Präparaten
beobachtet wurde (Fig. 24). Das stimmt auch mit der von Schaudinn
zweimal am Leben bei P. eilhardi gemachten Erfahrung überein. Mei-
stens scheint die Plasmadurchschnürung zu geschehen bevor noch die
Tochterplatten sich zu rekonstruieren beginnen. Als durchaus kon-
stante Regel konnte festgestellt werden, daß in der sich teilenden
Amoebe die Nebenkörper in bezug auf die Kerne nach innen, also der
Medianlinie näher zu liegen kommen. Es läßt sich vielleicht diese An-
ordnung mit der meistens später als am Kern einsetzenden Teilung des
Nebenkörpers in Zusammenhang bringen. Es ist wohl überflüssig zu
erwähnen, daß stets bei der Teilung der Amoebe jede Teilhälfte einen
Kern und einen Nebenkörper mitbekommt. Niemals habe ich Amoeben
beobachtet, die mit zwei Kernen oder zwei Nebenkörpern versehen
gewesen wären. Es wird wohl somit ein starkes Bestreben polaren
Auseinanderweichens für die Teile des Kernes wie des Nebenkörpers
angenommen werden müssen, wodurch immer heterogene Gebilde sich
zusammenfinden. Etwaiges Vorhandensein näherer Beziehungen je-
weilen zwischen Kern und Nebenkörper läßt sich hingegen durch Be-
obachtung nicht stützen und erscheint wenig wahrscheinlich.
Während des Teilungszustandes behält das Plasma der Amoeben
sein gewöhnliches Aussehen bei. Die aus der Teilung hervorgegangenen
Exemplare sind kaum nennenswert kleiner als die übrigen Amoeben
und nur die abweichenden Kern- bzw. Nebenkörperverhältnisse ver-
raten den soeben überstandenen Vermehrungsprozeß. Bei P. pigmenti-
fera speziell deutet oft das im Plasma zerstreute Pigment auf die
482 C. Janicki,
vorausgegangene Teilung; die Hauptmasse der Pigmentkörner begleitet
aber ständig, wie schon früher gesagt, die Teilhälften des Nebenkörpers.
Nach dem eben geschilderten sind die schon oft besprochenen
kleineren Formen von P. chaetognathi, welche vor allem durch ihr dicht
gebautes Plasma charakterisiert erscheinen, sicher nicht als bloße
Derivate von der gewöhnlichen Zweiteilung aufzufassen. Die oftmals
auf konservierten Präparaten beobachtete starke Vorbuchtung des
Ectoplasmas in einer Richtung (Fig. 6), läßt bestimmt auf lebhafte
Beweglichkeit dieser Amoeben im Lebenszustand schließen. Wenn der
letztgenannte Charakterzug der Vermutung, es lägen Jugendzustände
vor, einige Wahrscheinlichkeit einräumen würde, so tritt dem anderseits
der Befund entgegen, daß die kleinen Amoeben oft überaus reichhaltig
mit der oben besprochenen färbbaren Substanz in Form von auffallend
großen Körnern (metachromatische Körperchen?) beladen erscheinen.
Manchmal sind gerade diese kleineren Formen allein mit sehr viel und
zu groben Kugeln zusammengeballter färbbarer Substanz ausgestattet,
während in den größeren Amöben des gleichen Ausstrichs davon nur
wenig und in fein verteiltem Zustand zu bemerken ist1. In Teilung
begriffen wurden die kleineren Formen von P. chaetognathi niemals
beobachtet. — Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Natur dieser
Formen mit Sicherheit zu entscheiden. Aus eigner Erfahrung will ich
freilich erwähnen, daß bei A. blattae kleine und auffallend stark be-
wegliche Amöben zur Cystenbildung schreiten; sie sind allerdings
mehrkernig. Sollten vielleicht auch bei P. chaetognathi die kleineren,
beweglichen Individuen Vorstufen von Dauerformen 'sein?
Cystenzustand unter natürlichen Verhältnissen innerhalb des
Wirtstieres ist mir von keiner der beiden parasitischen Arten bekannt.
Dagegen verfüge ich über eine, allerdings vereinzelt gebliebene Be-
obachtung, aus welcher sich entnehmen läßt, daß die Tiere außerhalb
ihres eigentlichen Wohnsitzes in einen cystenähnlichen Dauerzustand
übergehen können. Es handelt sich hierbei um accidentelle, nicht
durch inneren Entwicklungsgang physiologisch bedingte Cystenbildung.
Eine Anzahl aus der Schwanzleibeshöhle einer Sagitta künstlich be-
freiter Exemplare von P. pigmenti fem, haben sich während eines
24 stündigen Verbleibens im Meerwasser zu cystenähnlichen Formen
1 Die schon früher genannten Beobachtungen Reichenoms an Kulturen
von Haematococcus ließen allerdings den Gedanken, es lägen in den kleinen
Amoeben jüngere Formen vor, wohl aufkommen; die färbbare Substanz wäre in
diesem Fall bei großen Amoeben als aufgebraucht zu betrachten. (Vgl.
Reichenow, 1. c.)
Paramoebenstudien. 483
abgerundet. Die scharf begrenzte äußere Schicht war ausschließlich
aus Ectoplasma zusammengesetzt; eine richtige, vom übrigen Inhalt
durchaus gesonderte Cystenhaut, wie sie sonst bei Amoeben bekannt ist,
war allerdings nicht nachzuweisen. Der Nebenkörper sowie der in diesem
Falle im frischen Zustande sehr gut sichtbare Kern zeigten keine Be-
sonderheiten.
Nach Grassi kommen bei den parasitischen Paramoeben Aggre-
gationserscheinungen vor; oftmals sollen zwei oder mehrere Amoeben
sich miteinander vereinigen unter Bildung eines kugelförmigen Körpers.
Während sich das Endoplasma der einzelnen Amoeben jeweilen in Form
von besonderen Gruppen abhebt, wird das Ectoplasma zu einer ver-
kittenden Substanz, welche zugleich die gemeinsame Plasmamasse nach
außen begrenzt. In derartigen Amoebenassoziationen geht nach
Grassi die Bildung der geißeltragenden Elemente vor sich; doch soll
dieser letztere Vorgang auch in isoliert bleibenden Amoeben Platz
greifen. Auf diese Frage der Schwärmer- oder richtiger Gameten-
bildung komme ich im nächsten Kapitel zurück.
Aus eigner Anschauung kann ich über die nach Grassi geschil-
derten plasmogamischen Erscheinungen nicht berichten. In größerer
Anzahl dicht beisammenliegende Amoeben, besonders bei P. chaeto-
gnathi, habe ich beobachtet; echte Plasmogamie hingegen nicht. Viel-
leicht daß die Untersuchungen auch über eine andre Jahreszeit aus-
gedehnt werden müssen.
3. Die Gameten von P. pigmentifera.
Bereits Grassi waren geißeltragende Formen, die er eben mit dem
indifferenten Namen »elementi f lagellif eri « belegt hatte, aus dem
Entwicklungscyclus von Paramoeba bekannt. Aus der Beschreibung
Grassis scheint hervorzugehen, daß er dieselben nur bei P. pigmenti-
fera beobachtet hatte1. Ein derartiges Verhalten stimmt mit meinen
Befunden überein; niemals habe ich die Gameten bei P. chaetognathi
zu Gesicht bekommen.
Die Darstellung Grassis knüpft an die Entstehungsweise der
»elementi f lagelliferi « an. Grassi hebt das gleichmäßige Auftreten
von vielen rundlich-ovalen Körperchen mit dem maximalen Durch-
messer von 3 Mikromillimeter im Plasma der Amoeben hervor. Die
Vorgänge beziehen sich sowohl auf isoliert bleibende wie auf plasmo-
1 Die einzige Angabe, die in dieser Hinsicht Aufschluß erteilt, besteht in
einer Bemerkung bei der Tafelerklärung und lautet: «Tutti gli elementi f lagelli-
feri qui disegnati appartengono alle Amibe Pigmentif ere. » (18, S. 224).
484 C. Janicki,
gamisch untereinander vereinigte Amoeben. In diesem Sinne heißt
es weiter: »In appresso tanto i corpicciuoli delle Amibe isolate quanto
quelli delle Amibe aggregate sogliono separarsi gli uni dagli altri; in-
grandiscono e raggiungono perfino la lunghezza di sette e la larghezza
di tre micromillimetri; conservano perö la forma irregolarmente ovoidale.
Tutti questi corpicciuoli una volta separatisi l'uno dalPaltro sono evi-
dentemente appiattiti tanto che la lor grossezza e forse appena un
micromillimetro ; da uno dei due poli dell'ovoide parte un flagello
lungo circa due volte l'asse maggiore dell'ovoide stesso; in grazia di
questo flagello il corpicciuolo e mobile. Quando e come si formi il
flagello io non ho potuto osservare. Alla parte centrale dei corpicci-
uoli isolati si trovano ancora quei granelli che vi avevamo avvertiti
quando erano ancora associati. Parecchie volte mi parve evidente che
questi elementi flagelliferi si conjugassero a due a due «. Die weitere
Beschreibung dieser Elemente schließt Grassi mit der Bemerkung ab :
»Infine e degna di nota la costante assenza di un nucleo« (18, S. 190).
Zu eignen Beobachtungen übergehend hebe ich zunächst hervor,
daß die Gameten — wenn überhaupt vorhanden — fast immer in
sehr großer Anzahl in der Schwanzleibeshöhle der Sagitten auftreten,
meistens gleichzeitig mit den Amoeben, niemals ohne einen Überrest
von einigen wenigen Amoebenindividuen. Nicht selten habe ich die
Erfahrung gemacht, daß die Gameten anscheinend mit einer gewissen
Vorliebe besonders bei Sagittenexemplaren auftreten, deren männliche
Keimzellen ihre volle Reife erlangt haben, ja, wo die Mehrzahl der
Spermatozoen bereits entleert worden ist. Dieses Zusammentreffen
stimmt mit der von Grassi festgestellten Tatsache überein, daß, je
älter das Wirtstier desto älter auch die ihn bewohnenden Amoeben
zu sein pflegen, vorausgesetzt — worüber kein Zweifel herrschen kann —
daß die Gameten einen gewissen Abschluß in der Entwicklung der
Amoeben darstellen. In der leer gewordenen Schwanzleibeshöhle be-
wegen sich die Gameten lebhaft unregelmäßig wackelnd und lassen
am Leben einen winzigen Pigmentfleck erkemien. i
Die Größe des Gametenkörpers beträgt 7 — 9 u. Die Gestalt der
Gameten ist ungefähr keilförmig, im Querschnitt sind sie schwach ab-
geplattet (Taf . VIII, Fig. 28 a u. folgende). Das breitere Vorderende trägt
eine äußerst feine, nicht immer leicht nachweisbare, den Körper zwei-
bis dreimal an Länge übertreffende Geißel. Das Plasma der Gameten
ist wenig färbbar und erscheint grob und unregelmäßig vacuolisiert,
worauf schon auch Grassi hingewiesen hatte. Eine sehr zarte Pelli-
cula umgrenzt den Körper, unter Umständen kann man ein Sichzurück-
Paramoebenstudien. 485
ziehen des Inhaltes von der Pellicula bemerken. Kern und Neben-
körper sind in der Nähe des Vorderendes im Plasma eingebettet, in
der Regel rechts und links von der Medianlinie, der rundliche Kern
zumeist vor dem ovalen mit seiner längeren Achse quergestellten Neben-
körper. Der Kern zeigt vorwiegend spärliches, staubförmig im ganzen
Kernraum verteiltes Chromatin; seltener tritt ein runder Binnen-
körper zutage. (Fig. 286, c). Manchmal scheint das gesamte Chromatin
des Kernes in einer einzigen Schleife kondensiert zu sein (Fig. 28d).
Der Nebenkörper, wie man ihn gewöhnlich an den Gameten zu
Gesicht bekommt, entspricht nur dem Mittelstück des Nebenkörpers
im Amoebenzustande. Dementsprechend gibt er auch das gleiche
Bild in gefärbten Präparaten, wie jenes. Der Nebenkörper nimmt
außerordentlich begierig Delafields- sowie Eisenhämatoxylin auf; mit
diesen Färbemethoden behandelt erscheint er als ein einfaches intensiv
dunkles Korn (Fig. 28a, c usw.). Gänzlich ungefärbt bleibt hingegen
dieses Gebilde nach Anwendung von Boraxcarmin, in vollkommener
Übereinstimmung zum respektiven Verhalten des Mittelstückes im
Amoebenzustand (Fig. 286). Der im frischen Zustande am Gameten-
körper wahrnehmbare winzige Pigmentfleck (vgl. Geassis Fig. 38,
Taf. IV) dürfte wohl, wie bei der Amoebe, dem Nebenkörper entsprechen;
leider läßt sich an konservierten Präparaten keine Pigmentlage am
Nebenkörper feststellen. — Im übrigen besteht kein Zweifel, welches
von den beiden im Vorderteil des Gameten angebrachten Gebilden
als Kern bzw. Nebenkörper anzusprechen ist. Auffallenderweise be-
tont Grassi, trotz Anwendung" der Färbemittel, den konstanten Mangel
eines Kernes (s. oben) ; durch diesen Umstand veranlaßt, belegt Grassi
die Gameten gelegentlich mit dem Namen »larve monadiformi«.
Es muß hervorgehoben werden, was die Figuren übrigens ohne
weiteres klar zum Ausdruck bringen, daß das Mittelstück des Neben-
körpers im Gametenzustand relativ, d. h. im Verhältnis zum Kern
viel umfangreicher erscheint, als das im Amoebenzustand der Fall ist.
Die im Amoebenzustand so reichlich vorkommenden metachroma-
tischen Körperchen werden bei den Gameten nicht beobachtet. Auch
sonst fehlen jegliche Einschlüsse ; die Ernährung wird auf osmotischem
Wege besorgt. Mitunter hat man den Anschein, als ob unterhalb des
Hauptkernes zwei Vacuolen mit einer gewissen Konstanz aufträten.
<Fig. 28/).
Über den Ursprung der Geißel im Plasma sich Klarheit zu ver-
schaffen, fällt sehr schwer; selbst Eisenhämatoxylinpräparate ver-
sagen meistens in dieser Hinsicht. Nach einer ausgedehnten Prüfung
486 C. Janicki,
finde ich in seltenen Fällen ein Basalkorn als Geißelwurzel; dasselbe
liegt am vorderen Körperende, median vor dem Kern und Neben-
körper und steht anscheinend mit dem Kern in fädiger Verbindung. —
Ein axiales Stützorganell im Körper der Gameten ist nicht nachzuweisen.
Chromate» phoren irgend welcher Art fehlen vollkommen.
Eine gewisse Bedeutung sehe ich mich veranlaßt der Beobachtung
zuzuschreiben, daß Kern und Nebenkörper auf einem bestimmten
Zustand durch einen deutlich darstellbaren Faden miteinander ver-
bunden erscheinen; der Faden ist auch mit Delafields Hämatoxylin
darstellbar (Fig. 28 d, g, h). Dieser Befund könnte vielleicht auf die
Entstehung des Kernes und des Nebenkörpers aus einem einzigen Kern
auf dem Wege einer heteropolen Teilung hinweisen, doch fehlen mir
die entscheidenden Stadien um eine solche Annahme sicher zu be-
gründen.
Am Kern wie am Nebenkörper lassen sich in bestimmten Fällen, also
durchaus nicht immer, Centriolen nachweisen. Dieselben liegen je-
weilen in der Zweizahl außerhalb der genannten Gebilde und sind je
ein Paar untereinander durch eine mehr oder weniger deutliche Centro-
desmose verbunden, wie die Fig. 29 a es veranschaulicht. Es liegen somit
in beiden Fällen extranucleäre Centralspindeln vor; diejenige des Haupt-
kernes nimmt oft bogenförmigen Verlauf, die des Nebenkörpers ist
geradlinig und vielleicht zum Teil in denselben schwach eingesenkt.
Einiges scheint dafür zu sprechen, daß die Centriolen des Kernes ur-
sprünglich intranucleär angebracht sind (Fig. 29 c), in Welchem Fall
Übereinstimmung mit der reduzierten und nur während der Teilung
in günstigen Fällen nachweisbaren Centrodesmose des Kernes im Amoe-
benzustand vorliegen würde. Die Centriolen des Nebenkörpers dürften
bestimmt den Centrosomen im Amoebenzustand entsprechen, dagegen
ist in deren Umkreis kein besonders differenziertes Plasma, wie im
letztgenannten Fall, wahrzunehmen. Während ferner der Nebenkörper
der Amoebe dauernd mit Centrosomen versehen ist, scheinen diese
letzteren im Gametenzustand nur in bestimmten Phasen aufzutreten.
Vielleicht wäre ein manchmal in der Nähe des Nebenkörpers nach-
weisbares Korn mit der Bildung der extranucleären Spindel in Be-
ziehung zu setzen. (Fig. 29 d).
Die Gameten werden somit des öfteren in Vorbereitung zur Teilung
vorgefunden und in der Tat läßt sich dieser Vorgang mit Leichtigkeit
auf Präparaten beobachten. Mit Nachdruck hebe ich hervor, daß ich
mich hier wie im Amoebenzustand von vollständig unabhängig ver-
laufendem Teilungsmodus am Kern und am Nebenkörper überzeugen
Paramoebenstudien. 487
konnte. Aus ihrer für die Ruhe normalen Lage werden Kern und
Nebenkörper derart herausgebracht, daß der letztere vor den ersteren
zu liegen kommt; beide teilen sich gleichzeitig (Fig. 30a — i); zum
mindesten für den Kern steht die Beteiligung seiner eignen Spindel
am Teilungsvorgang fest; die Spindelaxen beider Gebilde liegen
parallel zueinander, stets aber weit voneinander entfernt ; ihre Richtung
ist senkrecht zur Längsachse des Gameten. In keiner Weise hat der
sich teilende Nebenkörper mit Spindel und Spindelpolen des Kernes
etwas zu tun. Über die Richtigkeit dieser Angaben ist jeder Zweifel
ausgeschlossen.
Der Nebenkörper färbt sich auch während der Teilung so stark
mit Hämatoxylin, daß er als ein einfaches dunkles, sich hanteiförmig
durchschnürendes Korn erscheint. Auch das Verhalten der Centriolen
des Nebenkörpers ist kaum zu verfolgen; die zwischen den Teilhälften
sich ausspannende fadenförmige Brücke scheint mir nicht auf die
Centralspindel, sondern auf bloße ausgezogene Membran des Neben-
körpers zurückzuführen zu sein, wie ja das manchmal auch sonst an
Kernen von Protozoen beobachtet wird. — Am winzigen Kern lassen sich
in bezug auf Chromatinverhältnisse nicht alle Stadien der Teilung be-
obachten. Es scheint anfangs eine periphere Verteilung des Chromatins
Platz zugreifen (Fig. 306). Deutliche Tochterplatten werden in der
Telophase sichtbar (Fig. 30 i) x ; diese letztere Phase scheint übrigens
inbezug auf die Körperteilung bald früher bald später aufzutreten.
Die Centriolen liegen meistens direkt über den Teilhälften des Keines
und heben sich infolgedessen zu wenig von den Chromatinkörnchen
ab. Die faserige Spindel wird oft als ein breites, zwischen den Tochter-
kernen sich ausspannendes Band beobachtet.
Es scheint, daß das Basalkorn der Geißel gleichfalls eine Teilung
durchmacht (Fig. 30a). Das Verhalten der Geißel selbst entzieht sich
einer unmittelbaren genauen Beobachtung. Doch kann man wohl aus
dem Befund, daß ein noch nicht vollkommen durchgeschnürter Gamet
bereits zwei gleich große Geißeln aufzuweisen hatte (Fig. 30h), darauf
schließen, daß die alte Geißel abgeworfen wird und zwei neue an den
Teilhälften sich bilden.
Die Durchschnürung des Gametenkörpers geschieht in Form
einer Längsteilung.
1 In Rücksicht auf die weit fortgeschrittene Phase sind vielleicht in den
genannten Gebilden nicht Tochterplatten zu sehen, sondern Schleifen, wie sie in
der Einzahl manchmal dem ruhenden Kern zukommen (vgl. Taf. VIII, Fig. 28 d).
488 C. Janicki,
Die Teilungsfähigkeit der geschilderten geißeltragenden Formen
könnte vielleicht Zweifel aufkommen lassen, ob denn dieselben überhaupt
als Gameten aufzufassen wären. Diesem Zweifel wäre eine gewisse
Berechtigung nicht abzusprechen, wenn ich nicht Reifungserschei-
nungen am Kern der Gameten beobachtet hätte. Die eigentliche Rei-
fungsteilung entzieht sich freilich der Beobachtung. Hingegen werden
nicht sehr selten zwei winzige Kerne am Hauptkern angetroffen, sei
es beidseitig polar, sei es einseitig an ihm angebracht (Fig. 31a, b) ;
für diese erblicke ich die nächstliegende Deutung als Eeifungskerne.
Grassi schrieb von den geißeltragenden Formen, wie schon einmal
zitiert : » Parecchie volte ini parve evidente che questi elementi flagelli-
feri si coniugassero a due a due «, und er bildet dicht aneinander klebende
Körperchen als Konjugationsstadien, allerdings mit Fragezeichen ver-
sehen, ab. Der Zweifel ist hier berechtigt gewesen, denn das bloße
paarweise Auftreten von Gameten ohne die nähere Berücksichtigung
der Kernverhältnisse, entscheidet noch nicht, ob Teilung oder Copulation
vorliegen.
Ich glaube ein einziges Mal einem Copulationsstadium begegnet
zu sein, welches in Fig. 32 abgebildet wird. Während bei der Teilung
je weilen Kern mit Kern, Nebenkörper mit Nebenkörper bald mehr
bald weniger deutlich verbunden erscheinen, ist es im vorliegenden
Fall gerade umgekehrt, wenigstens was das eine an der Copulation
beteiligte Individuum anbetrifft: sein Kern und Nebenkörper sind
untereinander durch einen deutlichen Faden verbunden, wie das oben
für bestimmte Zustände der Gameten geschildert worden ist. Feiner
erscheinen Kerne und Nebenkörper in einer gegenseitigen Lage, welche
während der Teilung durchaus ungewohnt ist ; die betreffenden Spindel-
achsen müßten sich in diesem Fall kreuzen. Schließlich weist der Haupt-
kern einen merkwürdig dreiteiligen Bau auf, welcher wohl als Bildung
zweier Richtungskerne zu deuten wäre. Es würde freilich danach eine
sehr spät eingreifende Richtungsteilung vorliegen. Allzuweitgehende
Konsequenzen will ich an diesen einzig gebliebenen Fall nicht anknüpfen,
und es müssen weitere Beobachtungen abgewartet werden. — Immerhin
dürfte genügendes Material beisammensein, um die Auffassung der
geißeltragenden Formen als Gameten zu rechtfertigen. Es liegt nach
meinem Dafürhalten Isogamie vor.
Was die Entstehungsweise der Gameten anbetrifft, so schicke ich
gleich voraus, daß es mir nicht gelungen ist, dieselbe aufzuklären.
Der von Schaudinn für P. eilhardi geschilderte und wohl allgemein
bekannte Vorgang der multiplen Teilung des Kernes und des Neben-
Paramoebenstudien. 489
körpers innerhalb einer Cyste, wurde von mir niemals bei den para-
sitischen Arten angetroffen. Auch die früher erwähnten abgerundeten
Formen von P. chaetognathi mit einigermaßen modifiziertem Ecto-
plasma sind kaum als Vorstufe zu einer solchen Cystenbildung aufzu-
fassen. Als einzige Parallele zu den von Schaudinn innerhalb der Cyste
geschilderten Teilungsvorgängen könnte ich nur einige Fälle von eigen-
tümlichem Zerfall des Binnenkörpers im Kern, bei unverändert blei-
bendem Nebenkörper, anführen. Die Fig. 33 ist gewählt worden, um
einen solchen Fall zu illustrieren. Die Zerfallsprodukte des Binnen-
körpers (vielleicht bereits als Sekundärkerne aufzufassen?) scheinen
den Hauptvorrat vom Chromatin des Kernes in sich zu bergen; sie
sind nicht alle an Größe untereinander gleich und auch nicht alle von
regelmäßig-ovaler Gestalt. Über ihr Schicksal kann ich leider nichts
aussagen, doch scheinen sie mir entschieden nicht in die gewöhnlichen
Phasen des sich teilenden Kernes zu gehören. Mit aller Reserve mag
diese Erscheinung hier bei Anlaß der Besprechung des noch unbe-
kannten Modus der Gametenbildung erwähnt werden. — Als Vorstufe
zu dieser multiplen Teilung des Binnenkörpers kann vielleicht das in
Fig. 146 dargestellte Verhalten des Kernes betrachtet werden; das
betreffende Exemplar von P. 'pigmenti j er a stammt aus einem Wirt,
der auch zahlreiche Gameten beherbergte.
Grassi hatte zwar für die Amoeben aus Chaetognathen (es ist
wohl immer P. pigmentifera gemeint) eine recht bestimmt lautende
Darstellung von der Gametenbildung gegeben; diese ist auch vorhin
ausführlich zitiert worden. Man muß sich aber vergegenwärtigen,
daß Grassi selbst diesem Abschnitt seiner Arbeit eine Bemerkung
vorausschickt, wonach es unmöglich erscheint, die verschiedenen Ent-
wicklungsstadien der Amoeben in ihrer Succession direkt zu beob-
achten, daß man vielmehr auf eine Kombination von einzeln gemachten
Befunden angewiesen ist. Nach meinen fruchtlosen Bemühungen den
Entstehungsmodus der Gameten zu finden, halte ich es für sehr wahr-
scheinlich — und übrigens in Anbetracht der Anwendung primitiver
Methoden durchaus verständlich — daß Grassi indifferente Granula-
tionen im Plasma von Paramoeba mit Anlagen der geißeltragenden
Elemente verwechselt hatte. Außerordentlich dichte Scharen von
Gameten habe ich beobachtet, offenbar waren dieselben eben gebildet
worden und Fig. 34 stellt ein Fragment von einer solchen dichten An-
häufung der Gameten dar; doch ließ sich kein Rückschluß auf die Art
ihrer Entstehung machen. Das einzige, was jüngeren Charakter solcher
Gameten verrät, ist ihre zum Teil unregelmäßige, weniger differenzierte
t 90 C. Janicki,
Gestalt. Erschwert wird die Untersuchung u. a. auch dadurch, daß
in der Spermatogenese von Chaetognathen, welche sich ja in der Schwanz-
leibeshöhle abspielt, kleine einkernige Elemente vorkommen, die in der
Größe, Konstitution und Färbungscharakter des Plasmas sowie im
Aussehen des Kernes den weniger differenzierten Gameten sehr nahe
kommen und namentlich bei der Entscheidung der oben berührten
Frage, ob die Gameten ursprünglich mit einem einzigen Kern ver-
sehen sind, hinderlich in den Weg treten.
Wie schon erwähnt, dürfte die Gametenbildung einen gewissen
Abschluß der Entwicklungsperiode der Amoeben in der Schwanzleibes-
höhle von Sagitten bedeuten, worauf mit Kecht Grassi hingewiesen
hatte, und was auch aus dem Umstand zu entnehmen ist, daß oft
Gameten in bereits entleerter Schwanzleibeshöhle angetroffen werden.
Damit stimmt es gut zusammen, daß nicht selten gleichzeitig mit den
Gameten offensichtliche Degenerationszustände der Amoeben auftreten,
— es ist hier immer von P. pigmentifera die Rede. Diese in Zerfall
begriffenen Formen sind schon oben besprochen worden, und insbe-
sondere wurde auf ihre mit Delafields Hämatoxylin sich stark färben-
den, zum Teil kernähnlichen Granulationen im Plasma hingewiesen.
Eine Zeitlang habe ich geglaubt, es lägen — beim zerfallenden Kern und
Nebenkörper — Chromidien vor, welche für die Bildung der Gameten-
kerne bestimmt wären. Eingehende Untersuchung hatte mir aber das
Verfehlte dieser Idee gezeigt. Die betreffenden Amoeben sind keine
Entwicldungsstadien der Gametenbildung, sondern degenerierende
Formen, welche nach vollendeter Gametenbildung übrig bleiben; daher
das trügerische zeitliche Zusammenfallen von Gameten und eigen-
tümlichen Amoeben.
Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Entwicklungsgeschichte
der Gameten klarzustellen.
Wenn derart in morphologischer Hinsicht Lücken im Entwicklungs-
cyclus der parasitischen Paramoeben bestehen bleiben, so gilt das
auch in bezug auf die Art und Weise der Übertragung der Parasiten
von Wirt zu Wirt. Daß P. chaetognathi andre Species der Chaetognathen
bevorzugt, als P. pigmenti fem, ist schon eingangs erwähnt worden; ob
freilich eine wirklich scharfe Sonderung in dieser Hinsicht, wie Grassi
es will, vorliegt, möchte ich dahingestellt sein lassen. Über die Lebens-
fähigkeit der Amoeben wie der Gameten außerhalb ihrer Wirte syste-
matische Untersuchungen anzustellen, ist mir nicht möglich gewesen.
Die gelegentliche Beobachtung der Cystenbildung im Meerwasser wurde
Paramoebenstudien. 491
bereits erwähnt. In Anbetracht des Umstandes, daß die Sagitten in
der Regel scharenweise auftreten, dürfte die Annahme nicht unwahr-
scheinlich sein, daß die Amoeben (vielleicht auch die Gameten?) aus den
Samenblasen, wo sie ja beobachtet worden sind, austreten und nach
kurzem Flottieren im Meer andre Wirtsexemplare wohl wieder auf dem
Wege durch die männliche Geschlechtsöffnung befallen. Im Körper
der Sagitten dürften die Amoeben übrigens weitgehende Wanderungen
ausführen können. Grassi vermutet z. B., daß dieselben durch das
dünne Septum an der Grenze von Rumpf- und Schwanzleibeshöhle
zu passieren vermögen. Anderseits führt Grassi das konstante Fehlen
der Amoeben in jungen Exemplaren von Sagitten auf den Mangel
einer Kommunikation zwischen der Schwanzleibeshöhle und der Außen-
welt zurück. Im Darmkanal sind die Paramoeben, wie schon erwähnt,
niemals beobachtet worden, so daß eine Infektion durch den Mund —
trotz des gelegentlichen Vorkommens der Parasiten in der Kopfleibes-
höhle — wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Auch dürfte die
Gewohnheit der räuberischen Chaetognathen ihresgleichen aufzu-
fressen, was übrigens in der freien Natur wohl seltener als unter ab-
normen Bedingungen in einem Behälter mit Meerwasser vorkommen
wird, kaum als regelrechter Weg der Infektion betrachtet werden.
Allgemeiner Teil.
Zunächst soll der Vergleich zwischen den beiden parasitischen
Arten und P. eilhardi Schaudinns, obschon da und dort im Lauf der
Darstellung bereits berührt, systematisch durchgeführt werden. In
dem allgemeinen äußeren Charakter stehen alle drei Formen einander
sehr nahe, wenn man von dem besonderen in die Augen springenden
Kennzeichen von P. pigmentifera absieht. Die für P. eilhardi als
Maximum angegebene Größe von 90 \i wird freilich von keiner der
zwei hier beschriebenen Formen erreicht. Auch scheint Pseudopodien-
bildung bei der freilebenden Species in viel reicherem Maße Platz zu
greifen. Die nach Schaudinn in seltenen Fällen, namentlich bei ganz
jungen Exemplaren konstatierbare diffuse gelblich-braune Färbung
des Plasmas wird mit einiger Wahrscheinlichkeit mit den Chromato-
phoren der Flagellatengeneration in Beziehung gebracht (doch Vgl.
auch weiter unten). Gegenüber dem sonst farblosen Plasma ist das
dunklere Aussehen desselben bei P. chaetognathi zu erwähnen. Der
Gedanke ist bereits früher gestreift worden, daß möglicherweise diese
Eigenschaft des Plasmas von P. chaetognathi in der Pigmentbildung
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 32
492 C. Janicki,
um den Nebenkörper von P. pigmentifera ihr Gegenstück findet. Die
überaus reiche Entwicklung von Flüssigkeitsvacuolen im Entoplasma
haben alle drei Formen miteinander gemein. In bezug auf die Nahrungs-
körper ist selbstverständlich ein weitgehender Unterschied durch die
abweichende Lebensweise gegeben: P. eilhardi ernährt sich von ein-
zelligen Algen, Diatomeen und Bacterien, die Parasiten der Chaeto-
gnathen hingegen sind, soweit mir bekannt, ausschließlich auf männ-
liche in Entwicklung begriffene Keimzellen bezw. das Serum, in welchem
diese flottieren, angewiesen. Bakterien, die ja sonst viel von Amoeben
aufgelesen werden, habe ich als Nahrung nie beobachtet. Über das
besondere Verhalten der verschiedenartigen Plasmaeinschlüsse mag auf
die diesbezügliche Darstellung im speziellen Teil verwiesen werden.
Als merkwürdig muß ich allerdings hervorheben, daß Schaudinn bei
P. eilhardi die sonst so leicht nachweisbaren, ja in die Augen springen-
den »metachromatischen Körperchen« gar nicht erwähnt. Vielleicht
ist dieser, so viel es scheint, tatsächlich existierende Unterschied
zwischen P. pigmentifera bzw. chaetognathi und P. eilhardi auf die
grundverschiedene Ernährungsweise der Amoeben zurückzuführen;
es ließe sich möglicherweise mit mehr Berechtigung ein Zusammen-
hang zwischen der stark nucleinhaltigen Nahrung und den metachro-
matischen Körpern bei parasitischen Arten statuieren.
In bezug auf die Konstitution des Hauptkernes sind keine nennens-
werten Differenzen zu verzeichnen; immerhin scheint kugelige Gestalt
bei P. eilhardi gegenüber der mehr ovalen bei parasitischen Arten
vorzuwiegen.
Mehr Abweichungen hingegen ergeben sich beim Vergleich des
»Nebenkörpers«. Zunächst ist hier schon dessen äußere Gestalt zu
nennen: nach Schaudinn ist der Nebenkörper bei den »kleinsten
Amoeben « kugelig ; » mit dem Wachstum der Amoeben streckt er sich
in die Länge und nimmt wurstförmige Gestalt an « (47, S. 34), Verhält-
nisse, welche weder für P. pigmentifera noch für P. chaetognathi Geltung
haben. »Der wurstförmige Körper liegt stets der Oberfläche des
Kernes dicht auf «, eine Beobachtung, die — wie schon früher gesagt —
auf die zwei parasitischen Arten nicht direkt übertragen werden kann.
Zum Studium am Leben scheint der Nebenkörper von P. eilhardi un-
gleich geeigneter zu sein, als bei den mir vorliegenden Amoeben. Wäh-
rend des größten Teiles des Amoebenzustandes sind im Schaudinn-
schen Fall bereits im Leben »drei scharf gesonderte Abschnitte zu
erkennen, ein mittlerer, stark lichtbrechender Abschnitt hebt sich
scharf von zwei blassen halbkugeligen Seitenteilen ab. Das Mittel-
Paramoebenstudien. 493
stück erscheint am lebenden Tier grobgrannliert und zeigt bisweilen
eine feinnetzige oder auch längsstreifige Struktur. Die ihm zu beiden
Seiten aufsitzenden hellen Halbkugeln enthalten im Innern ein oder
wenige stärker lichtbrechende Körnchen« (47, S. 34). Angaben über
die genauere Anzahl dieser letzteren werden auch in der weiteren Dar-
stellung Schaudinns nicht gegeben, aus Schaudinns Fig. II wäre
aber wohl sicher zu entnehmen, daß in den »halbkugeligen Seiten-
teilen« normalerweise je ein großes Korn — ohne Zweifel das von
mir als Centrosoma bezeichnete Gebilde — sich vorfindet. Somit ließe
sich in bezug auf diesen wichtigen Punkt Übereinstimmung fest-
stellen. — In Abhängigkeit von der allgemeinen Gestalt des Neben-
körpers, oder vielleicht eher umgekehrt diese bedingend, erscheint dsa
Mittelstück von P. eilhardi viel mehr in der Richtung der Längsachse
des Nebenkörpers ausgezogen, als das bei den parasitischen Formen
der Fall ist.
Was das Verhalten des Nebenkörpers gegen Farbstoffe anbetrifft,
so läßt sich leider ein Vergleich in dieser Hinsicht nicht in allen Einzel-
heiten durchführen, weil Schaudinns diesbezügliche Resultate nur
äußerst summarisch — dem Charakter seiner Abhandlung als vor-
läufiger Mitteilung entsprechend — registriert worden sind. So be-
richtet Schaudinn in bezug auf den Nebenkörper: »Während er mit
den gewöhnlichen Kernfärbemitteln, wie Safranin, Boraxcarmin, Eosin,
Hämatoxylin sich wenig oder gar nicht färbt, nimmt sein Mittelstück
bei Anwendung der Eisenhämatoxylinfärbung nach Benda-Heiden-
hain eine tief dunkelblaue Färbung an.« Durch eine geringfügige
Modifikation dieser Methode konnte Schaudinn eine tiefschwarze
Färbung des Mittelstückes erzielen, während das Chromatin des Kernes
ungefärbt geblieben war; »doch- ist zu bemerken, daß hierbei nur die
im Leben stark lichtbrechenden Körnchen, die dasselbe ( = Mittelstück)
dicht erfüllen, die Färbung annehmen, die Zwischensubstanz bleibt
farblos; ebenso färben sich in den seitlichen Halbkugeln nur die Körnchen
schwarz. Die im Nebenkörper enthaltenen Körnchen verhalten sich
also den Farbstoffen gegenüber ebenso, wie die Centrosomen (bzw.
Microcentren) in den Sphären der Metazoenzellen « (47, S. 35). Trotz
der gedrängten Kürze dieser Darstellung glaube ich, daß man überein-
stimmendes färberisches Verhalten in Schaudinns bzw. meinem Fall
annehmen kann; besonders auffallend bleibt es mir freilich, daß Schau-
dinn keine nennenswerte Affinität des Mittelstückes zu Delafields
Hämatoxylin (denn dieses ist wohl mit »Hämatoxylin« gemeint) her-
vorhebt. Schaudinns Hinweis auf die Centrosomenähnlichkeit der
32*
494 C. Janicki,
»Körnchen« im Nebenkörper kann nicht ohne Weiteres im Sinne der
von mir im Speziellen Teil vertretenen Auffassung verwertet werden:
Schaudinn hatte damit sicher sowohl die im Mittelstück eingeschlosse-
nen wie die den seitlichen »Halbkugeln« zukommenden Körnchen ge-
meint, — meiner Ansicht nach eine Vermengung von durchaus hetero-
genen Gebilden.
Schaudinns Beobachtungen über die Teilung der Amoeben sind
nur sehr fragmentarisch geblieben. Aus dem Studium des lebenden
Materials konnten keine Daten in bezug auf den Teilungsmodus des
Kernes und des Nebenkörpers eruiert werden. An konservierten Amoe-
ben hatte Schaudinn in manchen Fällen festgestellt, daß die Teilung
des Nebenkörpers vor der des Kernes erfolgt, ein Verhalten, das —
wie früher dargestellt — ■ auch bei P. pigme?itifera und P. chaetognathi
angetroffen werden kann, aber keineswegs eine Eegel bildet. Die Kerne
zeigten nach Schaudinn Veränderungen, »welche auf eine mitotische
Kernteilung hinwiesen« (47, S. 35). Daß der Nebenkörper den Kern
zuletzt im Wachstum bedeutend überflügelte, kann ich für die para-
sitischen Formen nicht verzeichnen. »Die größten Amoeben, die ich
beobachtet habe (90 /i Durchmesser) zeigten einen Nebenkörper von
doppelter Größe als der Kern ; auch hatte er seine Struktur verändert. «
(47, S. 35). Ebensowenig konnte ich jemals die genannte Strukturver-
änderung des Nebenkörpers beobachten, von der Schaudinn weiter
folgendes Bild entwirft: »Die Differenzierung im Mittelstück und
Seitenteilen war verschwunden, und der ganze Körper erschien als
Kugel mit netzartiger Struktur; in den Knotenpunkten des Maschen-
werkes befanden sich größere kugelige Körner (etwa 1 u groß), die bei
der HEiDENHAiNschen Centrosomenfärbung tief schwarz gefärbt wurden.
Wenn die Nebenkörper diese Struktur zeigen, befinden sich die Amoeben
häufig schon im Beginn der Enzystierung « (47, S. 35 — 38).
Während somit zunächst nach dem Vorstehenden die drei Para-
moe&a- Arten in ihrem gewöhnlichen, vegetativen Zustand weitgehende
Übereinstimmung ihrer Struktur zeigen, so läßt sich in Anbetracht
der soeben zitierten Erscheinungen das Gleiche für den Cystenznstand
nicht behaupten: im Gegensatz zu P. eilhardi habe ich bei den parasiti-
schen Arten diesen Zustand bis jetzt niemals zu Gesicht bekommen.
Die von Schaudinn innerhalb der Cyste beobachtete Kern- und
Nebenkörpervermehrung ist zu bekannt, als daß ich nötig gehabt
hätte auf diese multiple Teilung näher einzugehen, zumal da ich,
wie gesagt, dieser Erscheinung aus eignem Studium nichts Ahnliches
zur Seite zu stellen habe. Höchstens ist es die früher erwähnte in
Paramoebenstudien. 495
ihrer Bedeutung noch unbekannte Zerfallsteilung des Binnenkörpers
im Kern.
Vollends scheint der »Flagellatenzustand« in der von Schaudinn
beschriebenen Form ausschließlicher Besitz von P. eilhardi zu sein1.
Bekanntlich bezeichnet dieser Autor die Flagellatengeneration als
Schwärmer. Dieselben sind »oval, seitlich etwas komprimiert und am
Vorderende schräg abgestutzt oder etwas ausgebuchtet. Vom Grunde
dieser Ausbuchtung senkt sich ein nicht sehr scharf ausgeprägter,
röhrenförmiger Schlund in das Innere etwa bis zur Mitte des Körpers;
neben der Mundöffnung inserieren die beiden gleich langen Geißeln.
Der Kern liegt im hinteren Teil des Körpers, der Nebenkörper in der
Richtung der Längsachse dicht vor ihm« (47, S. 37). Die ausgewach-
senen Schwärmer sind etwa 12// lang und braungelb gefärbt; die
Färbung rührt von zwei großen plattenförmigen Chromatophoren,
welche den größten Teil der Bauch- und Rückenseite einnehmen. Der
von den Chromatophoren frei gelassene Raum in der Mitte des Körpers
ist häufig dicht mit Stärkekörnchen erfüllt. — Diesem Befund Schau-
dinns stehen bei P. pigmentifera keilförmige, bis 9 /t große, mit einer
einzigen sehr langen Geißel ausgestattete Gameten gegenüber, welchen
Chromatophoren oder vergleichbare Gebilde vollständig fehlen. Kern
und Nebenkörper liegen im vorderen Körperteil nebeneinander.
Sowohl den Schwärmern Schaudinns wie den Gameten in meinem
Fall kommt die Fähigkeit sich durch Längsteilung zu vermehren zu.
Während die Schwärmer von P. eilhardi sich direkt in kleine Amoeben
umwandeln, wonach der Zeugungskreis von P. eilhardi nach Schau-
dinn geschlossen erscheint, lassen sich bei den Gameten von P. pig-
mentifera untrügliche Anzeichen einer Vorbereitung zur Copulation
wahrnehmen.
Es ist aber das spezielle Verhalten des Kernes und des Neben-
körpers bei der Teilung von Schwärmern bzw. Gameten, welches einen
besonders markanten Unterschied zwischen P. eilhardi und P. pig-
mentifera stabiliert. Allbekannt sind heute die diesbezüglichen Vor-
gänge in den Schwärmern von P. eilhardi nach Schaudinns Dar-
stellung: die Streckung des Nebenkörpers zur Spindelfoim, deren Pole
aus färbbaren, deren Mittelstück aus nicht färbbaren Bestandteilen
gebildet wird; Einstellung des Kernes in die Nebenkörperspindel,
wobei die Kernsubstanz die Spindel ringförmig umfließt; Ausbildung
1 Daß der Flagellatenzustand Schaudinns möglicherweise überhaupt nicht
in den Entwicklungskreis von Paramoeba eilhardi gehört, bespreche ich weiter
unten.
496 C. Janicki,
einer Kernspindel und Aquatorialplatte, die Pole der Nebenkörper-
spindel liegen an den Polen der Kernspindel; »eine sehr zarte, feinstrei-
fige Struktur deutet an, daß die Chromosomen mit den Polkörpern
durch Fäden in Verbindung stehen« (47, S. 40); indem sich die Tochter-
platten mit ihren Polkörpern bzw. Nebenkörpern voneinander ent-
fernen, geht der Teilungsprozeß seinem Ende entgegen. — Von alledem
ist bei den Gameten von P. pigmentifera nach dem früher Geschil-
derten nichts zu sehen: Kern wie Nebenkörper besitzen die Fähigkeit
einer selbständigen Teilung, beide teilen sich gleichzeitig und durchaus
unabhängig voneinander; kommen denn auch dem Kern sowohl wie
dem Nebenkörper eigne Centriolen zu.
Demnach ergeben sich tiefgreifende Differenzen in bezug auf Bau
und Teilungserscheinungen bei den Schwärmern bzw. Gameten von
P. eilhardi und P. pigmenti fera. In Anbetracht dieser nicht unbe-
deutenden Unterschiede kann ich die Vermutung nicht unterdrücken,
es gehörten die Flagellaten Schaudinns überhaupt nicht in den Ent-
wicklungskreis von P. eilhardi. Meines Wissens ist Doflein der erste
gewesen, welcher in diesem Sinne Schaudinns Abhandlung kritisch
beurteilt: »Die Angaben über das Verhalten der Chromatophoren
mahnen sehr zur Vorsicht und erregen den Verdacht, daß zwei ver-
schiedene Formen kombiniert wurden« (11, S. 602). Dieser Verdacht
erhält eine gewichtige Stütze in dem Umstand, daß bereits in zwei
Fällen bei Rhizopoden kommensale Zooxanthellen bekannt geworden
sind, welche im freien Zustand Cryptomonas-Fovm. annehmen, genau
wie bei P. eilhardi: ich meine Cr. brandti Schaudinn bei Trichosphaeri-
um sieboldi (50) und Cr. schaudinni Winter bei Peneroplis (53). Schau-
dinn selbst ist freilich von dem Zusammenhang der beiden Formen
so sehr überzeugt gewesen, daß er den Gattungsnamen »Paramoeba«
als »durchaus provisorisch« erklärte; »denn ich glaube sicher, daß
man bei vergleichendem Studium gewisser Flagellaten den Schwärmer-
zustand unsres Organismus bei einer schon bekannten Gattung dieser
Protozoen wird unterbringen können« (47, S. 33). Ich glaube kaum,
daß die vorliegenden Differenzen sich aus verschiedener Lebensweise
ableiten ließen. Sollte aber wirklich eine Vermengung vorliegen, wie sind
alsdann die Cystenzustände zu deuten ? Sind es vielleicht aufgefressene
Gruppen von Flagellaten? Auch steht diesem Verdacht die Versiche-
rung Schaudinns, »die Umwandlung der Flagellaten in Amoeben direkt
beobachtet« zu haben (47, S. 36), schwerwiegend gegenüber. — Doch
kommt allen diesen Vermutungen, die sich auch weiter fortspinnen
ließen (z. B. eventuelle Auffassung des Nebenkörpers im Flagellaten-
Pararaoebenstudien. 497
zustand als Parabasalapparat), kein positiver Wert zu; nur weitere
Nachprüfung des Zeugungskreises von P. eilhardi kann ausschlag-
gebend sein und eine solche erscheint zurzeit dringend wünschenswert.
In der nachfolgenden Auseinandersetzung werde ich die Resultate
Schaudinns bezüglich des Flagellatenzustandes, trotzdem ich per-
sönlich an ihrer Richtigkeit zweifle, einfach als Tatsachen hinnehmen.
Was die Gattung Paramoeba nicht nur vor den nahe verwandten
Gattungen, sondern auch vor allen übrigen Rhizopoden besonders aus-
zeichnet, ist bekanntlich der Besitz des eigentümlichen »Nebenkörpers«
Schaudinns, eines Gebildes, das nach dem oben Mitgeteilten bei allen
drei bis jetzt vorliegenden Arten im wesentlichen übereinstimmenden
oder wenigstens in seinen einzelnen Teilen vergleichbaren Bau auf-
weist. Von selbst bietet sich hier die Aufgabe, die Frage nach der Natur
des Nebenkörpers auf Grund unsrer erweiterten Kenntnisse von dem-
selben wieder neu zu untersuchen. Dabei muß der geschichtlichen
Darstellung von Bestrebungen in dieser Hinsicht genügend Rechnung
getragen werden; hatte doch die Gattung Paramoeba seit ihrer Ent-
deckung durch Schaudinn bis in unsre Tage hinein bei Anlaß von
theoretischen Spekulationen über die Zusammensetzung der Protisten-
zelle und über die Genese des Centrosoms stets bedeutende Rolle gespielt.
In seiner Originalmitteilung konnte sich Schaudinn für keine
bestimmte Auffassung des Nebenkörpers entschließen. Er hatte aber
nach drei verschiedenen Richtungen hin den Vergleich mit bereits
bekannten Zellorganen durchzuführen versucht. Zunächst lenkte
Schaudinn seine Aufmerksamkeit den Pyrenoiden von Flagellaten
zu, von der Beobachtung ausgehend, daß bei den Schwärmern von
Paramoeba in der Mitte des Körpers häufig stark lichtbrechende Körn-
chen sich in dichter Ansammlung vorfinden, welche bei Anwendung
von Jodreaktion sich als Stärke erwiesen haben. »Am dichtesten waren
sie in der Nähe des Nebenkörpers gedrängt, und wenn nur wenige
Amylumkörner vorhanden waren, befanden sie sich stets auf der Ober-
fläche oder in der nächsten Umgebung des Nebenkörpers. Dieser Um-
stand legte die Vermutung nahe, daß der letztere ein dem Pyrenoid
der Chlamydomonadinen und anderer Flagellaten vergleichbares Ge-
bilde sei. Leider sind aber die Amylumkerne der Flagellaten, besonders
ihr Verhalten bei der Teilung, so wenig genau untersucht, daß ein Ver-
gleich aus diesem Grunde vorläufig unmöglich ist. Gegen die Auf-
fassung des Nebenkörpers als Pyrenoid dürfte geltend gemacht werden
können, daß dieses Gebilde hier nicht, wie gewöhnlich, in Verbindung
498 C. Janicki,
mit den Chromatophoren steht und daß bei dieser Auffassung seine
Bedeutung im Amoebenzustand vollständig rätselhaft bliebe. Übrigens
will ich noch besonders betonen, daß kein Bestandteil des Neben-
körpers selbst, auch nicht seine blasse Hülle, sich bei Jodbehandlung
blau färbt; die Stärkekörner liegen stets außerhalb des hellen Hofes,
der den Nebenkörper umgibt« (47, S. 39).
Für eine zweite Deutung entnimmt Schaudinn die Begründung
aus seinen Beobachtungen über die Kernteilung im Flagellatenzustand.
»Die Details der hier nur angedeuteten Kernteilung werden in meiner
ausführlichen Abhandlung mitgeteilt werden. Die hier gegebene
Schilderung genügt aber doch, wie ich glaube, um auf die große Über-
einstimmung in dem Verhalten des Nebenkörpers mit der Bildung
der HERMANNschen Centralspindel bei den Metazoenzellen hinzuweisen.
Ob aber diese Ähnlichkeit genügt, um daraus auf eine Homologie des
Nebenkörpers mit den Sphären der Metazoen zu schließen, will ich hier
nicht entscheiden. Daß außerdem das Verhalten gegen Farbstoffe
übereinstimmt, ist schon erwähnt worden« (47, S. 40).
Schließlich wendet sich Schaudinn einem weiteren Erklärungs-
weg zu. »Nachdem ich auf die Beziehungen des Nebenkörpers zu den
Pyrenoiden und zu den Sphaeren hingewiesen habe, bleibt noch eine
dritte Möglichkeit übrig, nämlich eine Homologisierung mit den Neben-
kernen der Infusorien. Doch scheint mir dieselbe vorläufig ebenso
unwahrscheinlich, wie die Auffassung des Nebenkörpers als Pyrenoid.
Zum mindesten müßte man das Verhalten des Nebenkörpers bei einer
etwaigen Copulation der Flagellaten kennen, um ihn mit den Neben-
kernen der Infusorien vergleichen zu können. Schließlich scheint mir
die Idee, daß der Nebenkörper Beziehungen zu allen drei Gebilden
(Pyrenoiden, Sphaeren, Nebenkernen) haben könnte, nicht zu absurd,
um ausgesprochen zu werden. Ich kann mir vorstellen, daß durch
Differenzierung nach verschiedenen Richtungen aus nebenkörperähn-
lichen Gebilden sowohl Pyrenoide, als Sphären, als Nebenkerne hervor-
gegangen seien. Doch ist eine Discussion dieser Frage' bei unsern
geringen Kenntnissen der Protozoenstammesgeschichte vorläufig noch
unmöglich« (47, S. 40).
Nochmals ist Schaudinn zu dem gleichen Gegenstand zurück-
gekehrt und zwar bei Besprechung des Ursprunges des Centrosomas
bei Protozoen im Anschluß an seine Beobachtungen über das Central-
korn der Heliozoen. Bekanntlich suchte Schaudinn, im Gegensatz
zu Heidenhain, das Centrosoma der Rhizopoden und den Nebenkern
(Micronucleus) der Infusorien genetisch unabhängig voneinander auf
Paramoebenstudien. 499
denselben Ursprung zurückzuführen: auf einen zweiten Zellkern, der
sich in der Stammesgeschichte nach verschiedenen Richtungen hin
differenziert hatte. Amoeba binucleata Gruber mit zwei sowohl in der
Struktur wie in der Funktion sich gleich verhaltenden Kernen bildete
den Ausgangspunkt. »Eine weitere Etappe in der Entwicklung des
einen Kernes zum Teilungsorgan kann die von mir beschriebene
P. eilhardi darstellen. Während bei dieser Form das von mir als
Nebenkörper beschriebene Gebilde im Amoebenzustand noch ganz kern-
ähnlich ist (es hat fast dieselbe Struktur wie der Hauptkern, last färb-
bare und nicht färbbare Substanzen erkennen und zeigt noch insofern
seine Selbständigkeit, als es sich bei der Enzystierung meist allein
teilt) funktioniert es im Flagellatenzustand bereits als Centralspindel.
Es streckt sich in die Länge und rückt in den Kern hinein. Die färb-
bare Substanz sammelt sich hierbei an den Polen der Spindel an. Von
diesem Verhalten führt zu den Diatomeen nur ein Schritt. Durch die
Untersuchungen Lauterboens wurde festgestellt, daß die Central-
spindel eine Abgliederung des neben dem Kern gelegenen Central-
körpers ist. Die erstere rückt in den Kern hinein und funktioniert
wie die Centralspindel bei den Paramoe&a-Flagellaten. Ahnlich ver-
hält sich vielleicht nach Ishikawas Beobachtungen Noctiluca. Die
typischen Centrosomen wären hiernach phylogenetisch vielleicht als
polare Abgliederungen eines der Centralspindel der Diatomeen ähn-
lichen Gebildes aufzufassen.« »Während wir von dem Nebenkörper
der Paramoe&a-Flagellaten über den Centralkörper der Diatomeen zu
den typischen Centrosomen gelangen, kann man den Nebenkörper des
Amoebenzustandes als Ausgangspunkt für die Nebenkerne der Infu-
sorien ansehen, wie ich bereits früher angedeutet habe. Paramoeba
oder ein ähnlicher Organismus wäre also die Stufe, auf der eine Schei-
dung in Nebenkern und Centrosoma eintrat« (49, S. 128).
Diesem Gedankengang Schaudinns hatte sich Lauterborn unter
besonderer Berücksichtigung der Von ihm studierten Verhältnisse bei
Diatomeen angeschlossen. In bezug auf das uns hier interessierende
Gebilde gelangt Lauterborn zu folgender Schlußfolgerung: »Ich
glaube mich berechtigt, den » Nebenkörper « von Paramoeba mit Centro-
som + Centralspindel der Diatomeen zu homologisieren. Daneben
zeigen Centrosom und Centralspindel der Diatomeen aber auch schon
so viele Übereinstimmungen mit den entsprechenden Gebilden in den
Zellen der Metazoen, daß wir sie wohl einander ebenfalls direkt ver-
gleichen können« (36, S. 133).
In seiner eingehenden Besprechung der Beziehungen, welche
500 C. Janicki,
zwischen Centrosoma und Kern existieren, streift R. Hertwig auch
P. eilhardi, deren Organisation er im ScHAUDiNNschen Sinne beurteilt.
»Paramoeba eilhardi zeigt, wie der eine Kern sein Chromatin fast ganz
verloren hat und ein Zellorgan geworden ist, welches die Teilung des
chromatinhaltigen Kerns einleitet. Nehmen wir an, daß ein solches
Teilungsorgan eine Reduktion seiner Größe erfährt, so erhalten wir ein
neben dem Kern liegendes Centrosoma. Diese Entwicklungsweise würde
somit einen Dualismus der Zellkerne voraussetzen ähnlich demjenigen,
welcher bei Infusorien zur Differenzierung von Haupt- und Nebenkern
geführt hat« (26, S. 701). Im übrigen hält R. Hertwig, wie bekannt,
diese Lehre von der Herkunft des Centrosoma von einem zweiten Kern
nur für die eine von den drei Möglichkeiten in der Genese dieses Zell-
organells. — Auch Lang vertritt die durch Schaudinn begründete
Auffassung von der centrosomalen Natur des Nebenkörpers (35, S. 87).
Durchaus verfehlt, sowohl in ihrem Grundgedanken wie in dessen
Durchführung im Einzelnen sind die Spekulationen Goldschmidts und
Popoffs, welche neben andern Protozoen sich auch auf P. eilhardi be-
ziehen. Es soll hier der exstremste Fall, der der » dauernden Sonderung
der Chromidialsubstanz vom Kern« in Gestalt des Nebenkörpers vor-
liegen (16, S. 336). Der Nebenkörper von Paramoeba sei u. a. der Sphäre
von Noctiluca und dem spongiösen Centrosom von Actinosphaerium
gleichzustellen ; in allen diesen Fällen handelt es sich um den vom Kern
gesonderten trophischen Kernanteil in Form von somatischen Chro-
midien. Bemerkenswert ist der Gegensatz, in welchen sich die Verfasser
zu Schaudinns Auffassung stellen: »Es erscheint ja von vornherein
unwahrscheinlich, daß der Nebenkörper von Paramoeba eilhardi einem
Centrosom zu vergleichen ist. Das Vorkommen von echten Centro-
somen scheint bei diesem Rhizopoden ausgeschlossen su sein« (16,
;S. 337).
In die theoretischen Auseinandersetzungen Hartmanns und
Prowazeks über die Homologie von Blepharoplast, Caryosom und
Centrosom und über die daraus abgeleitete Doppelkernigkeit der Proto-
zoenzelle paßte es — nach der damaligen Kenntnis von der Zusammen-
setzung des Nebenkörpers — recht gut, in P. eilhardi einen Organismus
mit zwei gegensätzlichen Kernen zu besitzen, von denen der eine im
Anschluß an Schaudinn als Homologon und Vorläufer des Centrosoma
aufgefaßt wurde (25).
Eine eigne Stellung nimmt Chatton ein (5), indem er die Kern-
natur des Nebenkörpers bestreitet, wie er es übrigens auch für das
Centralkorn der Heliozoen tut, welch letzterer Ansicht ich durchaus
Paranioebenstudien. 501
beipflichte (vgl. weiter unten). Chatton erblickt im Nebenkörper
nur ein Caryosom oder einen Teil eines solchen1. « Chez Paramoeba
il semble que le nebenkör per corresponde ä un caryosome ou
tout au moins ä une partie du caryosome (l'autre persistant au
centre du noyau) qui, sortant du noyau dont Ia membrane disparait
ä chaque division, serait finalement reste en dehors de lui pen-
dant les periodes de repos. II ne constitue en aucune facon un
second noyau complet. II n'en a pas la structure; sa division n'a
jamais les apparences d'une mitose; il est etroitement solidaire du
noyau pendant toute la phase gamogonique et il se divise toujours
en meme temps que lui et a ses cötes pendant la phase schisogonique»
(5, S. 318, 319). Bereits Hartmann hatte auf die Haltlosigkeit des
CHATTONschen Standpunktes hingewiesen, meiner Ansicht nach, was
Paramoeba anbetrifft, durchaus mit Recht; anders denke ich freilich
bezüglich des Centralkornes der Heliozoen (5, S. 25).
Von der modifizierten Doppelkernigkeitslehre Hartmanns ist der
Teil, welcher sich u. a. auf das Centralkorn von Acanthocystis, auf den
Nebenkörper von Paramoeba sowie die Sphäre von Noctiluca bezieht,
unverändert geblieben. In allen drei Gebilden werden im Anschluß
an die Doppelkernigkeit der Trypanosomenzelle vom Hauptkern
physiologisch differente zweite Kerne erkannt, indem hier die loko-
motorisch- generative Komponente einseitig auf Kosten der idiochro-
matischen spezialisiert erscheinen soll. In bezug auf Paramoeba wird
berichtet: »Hier teilen sich im Amoebenstadium beide Kerne wie bei
Trypanosomen selbständig mitotisch bzw. promitotisch, während im
Flagellatenzustand der sogenannte Nebenkörper, d. i. der überwiegend
locomotorische Kern, eine Centralspindel bildet, in die der andre Kern
hineinrückt, so daß hier wie bei Acanthocystiden die locomotorische
Komponente und die idiochromatische einer scheinbar einheitlichen
Mitosefigur von zwei getrennten Kernen abstammen. Auch die so-
genannte Sphäre von Noctiluca sowie die Centrosome der Diatomeen,
1 In funktioneller Hinsicht suchte die gleiche Parallele schon früher Moroff
durchzuführen in einer allerdings wenig klaren Auseinandersetzung. Bei Be-
sprechung von P. eilhardi sagt dieser Autor: »Es unterliegt keinem Zweifel, daß
dieser Nebenkörper chromatischer Natur sei und funktionell mit einem Caryosom
(Nucleolus) zu vergleichen ist. Es muß allerdings hervorgehoben werden, daß
im Kern selbst ein caryosomähnliches Gebilde vorhanden ist, welches mit den
trophischen Funktionen der Zelle betraut ist, so daß die Annahme, daß der
Nebenkörper bei P. eilhardi und das Caryosom in dessem Kern sich in ihrer Funk-
tion ergänzen, sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt« (40, S. 200).
502 C. Janicki,
die Lauterborn beschrieben hat, sind derartige einseitig locomotorisch
differenzierte Kerne « (22, S. 24).
Ich gehe jetzt zur Begründung meiner eignen Stellungnahme in
der uns hier beschäftigenden Frage über. Während die früheren Autoren
sämtlich auf die knappe Darstellung Schaudinns bezüglich der P.
eilliardi angewiesen waren, befinde ich mich in der günstigeren Lage
eigne Beobachtungen an zwei weiteren Species der interessanten Gat-
tung zum Vergleich und als sichere Basis heranziehen zu können.
Lange Zeit hindurch bin ich durchaus im Unklaren geblieben, in
welchem Sinne der Nebenkörper, der doch aus differenten Bestand-
teilen zusammengesetzt erscheint, als Ganzes einem Zellorganell zu
vergleichen wäre, ohne neue und unvermittelte Verhältnisse vorauszu-
setzen. Die Aufgabe wurde keineswegs leichter gemacht durch den
Umstand, daß je nach den angewandten Untersuchungsmethoden das
Bild des Nebenkörpers, wie im speziellen Teil es dargetan wurde, nicht
unbeträchtlichen Schwankungen unterworfen war, indem bald dieser
bald jener seiner Bestandteile besonders deutlich und wohl dem natür-
lichen Verhalten entsprechend zur Darstellung gebracht werden konnte.
Erst ein eingehender Vergleich der auf verschiedenem Wege erreichten
Bilder konnte Klarheit — wie ich es jetzt wohl endgültig annehmen
darf ■ — über die wahre Natur des viel diskutierten Organells von
Paramoeba verschaffen.
Zwei Momente sind es, welche in dieser Richtung bestimmend
wirken. Erstens der Befund, daß das Mittelstück ein von eigner Mem-
bran umgrenztes Bläschen ist, welchem meistens die Gestalt einer bi-
convexen Linse zukommt, sowie die Tatsache, daß an die beiden Flächen
des linsenförmigen Mittelstückes polplatteriartige Bildungen sich an-
schließen. Zweitens das konstante Vorkommen von polar gegenüber
dem Mittelstück angebrachten, deutlich umschriebenen und in einem
besonderen, granulierten Plasma eingebetteten Körperchen, welche
in der Kegel an einem jeden Pol in der Einzahl, bei bevorstehender
Teilung in der Zweizahl beobachtet werden. Schon die Kombination
der genannten Charaktere allein, unter Berücksichtigung außerdem
des Umstandes, daß wenigstens bei der einen der von mir untersuchten
Formen (P. chaetognathi) dem Nebenkörper als Ganzen keine besondere
eigne Umgrenzung im Körperplasma zukommt, führt mich dazu, in
dem Mittelstück einen stark modifizierten Kern, in den Seitenteilen
Schaudinns von Archoplasma umgebene Centrosomen zu erblicken.
Die dauernd polare Lage der Centrosomen sowohl, wie die Existenz
von polplattenähnlichen Gebilden lassen sich meiner Meinung nach
Paranioebenstudien. 503
nicht anders erklären, als durch die Annahme, der Nebenkörper wäre
die Gesamtheit von Organellen eines sich teilenden Kernes. Und in
dieser Deutung werde ich auf das beste unterstützt durch Vergleich
mit Kernteilungszuständen bei Actinosphaerium eichhorni nach R.
Hertwigs eingehender Darstellung, bei Amoeba binucleata nach Schau-
dinn und bei Actinophrys sol nach demselben Autor; außerdem werde
ich die diesbezüglichen Verhältnisse bei Noctiluca zum Vergleich heran-
ziehen.
Zunächst aber möchte ich die einzelnen Bestandteile des Neben-
körpers von Paramoeba näher charakterisieren. Das auf einen Kern
zurückführbare Mittelstück besteht aus einer dichten granulösen
Masse, welche mit bestimmten Farbstoffen (Delafields Hämatoxylin,
Eisenhämatoxylin) sich außerordentlich intensiv färbt, sicher aber
kein Chromatin ist. Ausnahmsweise lassen sich auf besonders günstig
ausgefallenen Präparaten Chromosomen in größerer Anzahl als kleine
Körnchen im Mittelstück nachweisen. An diesem Teil des Neben-
körpers beobachtete Schaudinn am Leben in manchen Fällen eine
»längsstreifige Struktur«, — wahrscheinlich eine Spindelformation.
Damit dürfte die Kernnatur des Mittelstückes noch sicherer zum Aus-
druck gelangen. — Die Centrosomen sind in dem mir vorliegenden
Fall entschieden chromatinhaltig ; auch dem Archoplasma kommt
staubförmig verteiltes Chromatin zu. Centriolen waren keine nach-
zuweisen.
Man vergleiche nun die von mir gegebene Beschreibung des Neben-
körpers sowie Abbildungen desselben mit den Angaben bzw. Figuren,
welche R. Hertwig von der Kernteilung bei Actinosphaerium entwirft
(26). Namentlich kommt hier die sogenannte Richtungscaryokinese
in Betracht, wie sie auf Taf. V, Fig. 8 — 12, sich dargestellt findet.
Der seine Membran bewahrende Kern ist von annähernd linsenförmiger
Gestalt und wird in der. Richtung der Spindelachse von starken Pol-
platten begrenzt. Diese letzteren werden nach R. Hertwig innerhalb
des Kernes, als Derivate des Kernnetzes, angelegt. In der Bildungsart
der Polplatten dürfte Paramoeba sich anders verhalten. In beiden
Fällen sind die Polplatten besonders durch Eisenhämatoxylin nach-
weisbar; R. Hertwig hatte sie freilich auch am Leben beobachtet,
was für Paramoeba noch nachzuholen wäre. Die intranucleare Spindel
R. Hertwigs läßt sich im Mittelstück von Paramoeba nicht als Regel
nachweisen; wohl aber werden in wenigen günstigen Fällen Chromo-
somen beobachtet, welche in ihrer Anordnung in großen Zügen an die
Verhältnisse im Kern von Actinosphaerium erinnern. Die Plasmakegel
504 C. Janicki,
von Actinospliaerium entsprechen den Archoplasmakappen im Neben-
körper von Paramoeba; auch hier fehlt die Längsfaserung, Ausdruck
der protoplasmatischen Spindel bei Actinosphaerium. R. Hertwig
will freilich kein besonderes Archoplasma anerkennen, und Kernnetz
sowie Protoplasmanetz in ihren wechselnden Erscheinungsformen ge-
nügen nach diesem Autor vollkommen, um die bei der Kernteilung
auftretenden Strukturen zu erklären. Diese Fragen können hier im
Einzelnen nicht diskutiert werden, soll doch auch der Vergleich mit
Actinosphaerium nur in großen Linien durchgeführt werden. Immerhin
muß ich bemerken, daß das Plasma, welches die »Seitenteile« des Ne-
benkörpers ausmacht und die Centrosomen umschließt durchaus
specifischen, von dem übrigen Körperplasma verschiedenen Charakter
trägt, folglich mit Recht im BovEEischen Sinne mit einem besonderen
Namen ausgezeichnet werden darf. Daß dieses Plasma bei Paramoeba
chromatinhaltig ist, findet keine Parallele in den Plasmakegeln von
Actinosphaerium. Wohl zeigt sich aber wieder Übereinstimmung in
der Zusammensetzung der Centrosomen aus chromatinhaltigen Be-
standteilen. Daß die Centrosomen bei den parasitischen Paramoeben
sich ausnehmend intensiv mit Boraxcarmin färben würden, entsprach
durchaus nicht meinen Erwartungen. Ich könnte gerade so gut R.
Hertwigs Ausdrucksweise auf meinen Fall beziehen: »Diese Färbbar-
keit mit Carmin hatte etwas Überraschendes für mich . . .« (26,
S. 662). Freilich ist R. Hertwig imstande gleich weiter hinzuzufügen:
»Sie verliert aber an Merkwürdigkeit, wenn man bedenkt, daß es der
chromatinhaltige Teil des Kernnetzes ist, welcher das Centrosoma
liefert. « In bezug auf den Ursprung des Centrosoma kann ich nichts
derartiges berichten; stets habe ich in meinem Fall die Centrosomen
sich nur durch Teilung vermehren sehen. Es ist mir auch sehr unwahr-
scheinlich, daß im Nebenkörper von Paramoeba sich jemals Centro-
somen de novo bilden sollten. Was die feinere Struktur der Centro-
somen anbetrifft, so liegen keine vergleichbaren Verhältnisse vor;
zwischen dem spongiösen Centrosoma von Actinosphaerium und dem
immer scharf umgrenzten, aus mehr oder weniger homogenem Plasma
zusammengesetzten entsprechenden Gebilde von Paramoeba, das höch-
stens da und dort eine Vacuole im Innern aufweist, scheint ziemlich
weitgehender Unterschied zu bestehen. Zuletzt die Kernteilungsfigur
von Actinosphaerium als Ganzes genommen: sie ist nach R. Hertwig
von dem Körperplasma gut gesondert und macht in ihren mittleren
Phasen sowohl bei der Primär- wie in der Ricktungscaryokinese den
Eindruck von einem einheitlichen Gebilde, das mit dem Nebenkörper
Paramoebenstudien. 505
von Paramoeba- Arten durchaus vergleichbar ist, worauf ich übrigens
noch zurückkomme.
So ergibt sich eine auffallende Übereinstimmung zwischen dem
Bau des Nebenkörpers von Paramoeba und der Kernteilungsfigur von
Actinosphaerium zur Zeit etwa der Metaphase.
Auch die Kernteilungszustände, welche Amoeba binucleata (46,
S. 131, Fig. VIII und IX) sowie Actinophrys sol (48, S. 86, Fig. III
und IV) beide nach Schaudinn darbieten, lassen entschieden Ähnlich-
keit mit der allgemeinen Struktur des Nebenkörpers wiedererkennen1.
Bemerkenswert ist u. a., daß Schaudinn in diesen beiden Fällen die
Polplatten auf direkte Verdickung der Kernmembran zurückführt, ein
Verhalten, das vielfach auch im Nebenkörper von Paramoeba vorzu-
liegen scheint, das aber doch kaum der Wirklichkeit entsprechen
dürfte.
Schon vor Jahren hatte Bütschli auf die Ähnlichkeit der Kern-
teilungsvorgänge bei Actinosphaerium und Noctiluca hingewiesen
(3, S. 1071), und R. Hertwig hatte sich gelegentlich in gleichem Sinne
ausgesprochen (26, S. 700). Nicht ohne Interesse ist es somit zu kon-
statieren, daß der Nebenkörper von Paramoeba, als ein in Teilung
begriffener Kern aufgefaßt, nach beiden Richtungen hin Vergleichs-
momente darbietet. Zwar herrscht bekanntlich über den Prozeß der
Kernteilung bei Noctiluca keine volle Übereinstimmung, und namentlich
ist es die Frage der Beteiligung eines Centrosoma an der Caryokinese,
worüber die Meinungen der drei Forscher, denen wir diesbezügliche
Beobachtungen an Noctiluca verdanken, Ishikawa, Calkins und
Doflein, durchaus auseinandergehen. Dessenungeachtet kann ich
hier die einfache sachliche Feststellung nicht unterdrücken, daß eine
frappante Analogie zwischen dem Bau des Nebenkörpers von Paramoeba
und der Zusammensetzung der Kernteilungsfigur von Noctiluca nach
Ishikawas Darstellung, speziell bei der Knospungsteilung sowie bei
der Sporenbildung sich ergibt. Die weitgehende Analogie verstellt
sich von selbst, wenn ich namentlich auf Ishikawas Taf. III (29) be-
züglich der Knospungsteilung und Taf. XIX, Fig. 5 (31) bezüglich der
Kernteilung bei der Sporenbildung verweise. Im besonderen scheinen
mir die großen Centrosomen bei Paramoeba wie bei Noctiluca durchaus
vergleichbare Gebilde zu sein, und bei aller Berücksichtigung der
Kritik von Calkins und Doflein kann ich nicht gut annehmen, daß
Ishikawa bezüglich der Centrosomen wiederholt in Irrtum und Täu-
i Vgl. hierzu auch Dislaso (7) Taf. XX, Fig. 28.
506 C. Janicki,
schung verfallen sollte. Von der Archoplasmaspindel (Centralspindel)
muß man freilich bei diesem Vergleich absehen, doch läßt sich wenig-
stens die Grundlage einer solchen, die Centrodesmose, in beiden Fällen
wohl sicher homologisieren ; man vergleiche hierzu meine Fig. 13 mit
Ishikawas Taf. III, Fig. 9 und 14 (29). Weiter erscheint es sehr be-
merkenswert, daß die sogenannte Sphäre von Noctiluca (= Archo-
plasma Ishikawas) auf gewissen Entwicklungsstadien wenigstens chro-
matinhaltig ist, worauf besonders Doflein hingewiesen hatte: »In
diesem Stadium ist sie am lebenden Tier infolge ihrer dichten Beschaffen-
heit viel deutlicher sichtbar als der Kern; sie ist von manchen Beob-
achtern des lebenden Tieres mit dem Kern verwechselt worden. Der
Übertritt von Chromatin aus dem Kern macht sie auch im konservierten
Zustande so stark färbbar, daß sie — intensiver gefärbt als der Kern —
bei oberflächlicher Betrachtung mit schwacher Vergrößerung regelmäßig
für den Kern gehalten wird« (9, S. 13, 14).
Schließlich noch die Frage der Abgrenzung des Nebenkörpers
gegenüber dem Körperplasma. Entschieden tritt der Nebenkörper
bei allen drei Paramoeba-Aiten als eine in sich geschlossene Einheit
auf. Dies dürfte aber in allen drei Fällen nicht auf der Existenz einer
besonderen, den ganzen Nebenkörper umschließenden Membran be-
ruhen. Für P. cliaetognaihi kann ich das Vorhandensein einer solchen
direkt ausschließen, hier scheinen mir die Archoplasmakappen, welche
die Gesamtgestalt des Nebenkörpers bestimmen, sich nicht anders zu
verhalten, als die aus homogenem Plasma bestehenden Protoplasma-
kegel R. Hertwigs bei Actinosphaerium; zum mindesten muß ich aus
den gewissenhaften Zeichnungen R. Hertwigs eine deutliche Abgrenzung
der Plasmakegel gegenüber der übrigen Masse des Tieres entnehmen
und doch kami von einer Membran hier kerne Rede sein (vgl. zudem
die neueren Abbildungen Borowskys vom Actinosphaerium-Kem in
Teilung, welche durchaus an Paramoeba- Nebenkörper erinnern (1,
Taf. XVIII, Fig. 19 — 23). Was P. pigmentifera anbetrifft, so sind
ähnliche Verhältnisse sehr wahrscheinlich; sollte es aber doch anders
sein, so bleibt noch die Frage zu diskutieren, ob nicht das Körperplasma
die mit der Zelle nicht mehr in Fühlung stehende, zum Dauerorgan
gewordene Kernteilungsfigur — auf welchen Gegenstand ich noch
zurückkommen werde — wie etwas Fremdes kapselartig abschließt.
Kurz, in dieser Hinsicht scheinen mir dem hier durchgeführten Ver-
gleich sich keine Hindernisse in den Weg zu stellen.
Wenn ich hiermit die Parallelisierung des Nebenkörpers als Ganzes
mit bekannten Strukturen der Protozoenzelle abschließe, so möchte ich
Paramoebenstudien. 507
die einzelnen Bestandteile des eigentümlichen Organells von Paramoeba
nochmals vergleichend ins Auge fassen. Zunächst erwähne ich in bezug
auf die Centrosomen des Nebenkörpers das durchaus parallel gehende
Verhalten des Centralkornes bei Acanthocystiden nach Schaudinns
Untersuchungen. Das Centralkorn ist durch seine starke Tinktions-
fähigkeit mit verschiedenen Kernfarbstoffen ausgezeichnet (49, S. 113),
es teilt sich unter Bildung einer Centrodesmose (49, S. 117, Fig. 5),
welche an die schon erwähnte von Paramoeba stark erinnert (Taf. VIII,
Fig. 13), seine Teilprodukte nehmen schließlich in bezug auf den Kern die
bekannte polare Anordnung an. Bei Acanthocystis, wie am Paramoeba-
Nebenkörper teilt sich stets bei der Teilung des Tieres das Centralkorn
bzw. das Centrosom mit, darum wird auch kein andrer Modus der
Centrosomenbildung beobachtet (im Gegensatz zur Knospung von
Acanthocystis). — Hier wäre ferner das schwachchromatische Central-
korn von Wagnerella borealis nach Zuelzer zu nennen (54).
Was das von mir als echter Kern gedeutete Mittelstück anbe-
trifft, so liegt es am nächsten dieses mit dem Hauptkern von Para-
moeba selbst zu vergleichen. Da ergeben sich freilich fast lauter Unter-
schiede, ein Umstand, der mich bewogen hatte von vornherein von
einem » stark modifizierten Kern « zu reden ; außerdem liegt entschieden
ein gegenüber dem Hauptkern physiologisch differenter Kern vor.
Diese physiologische Differenz, um damit anzufangen, gibt sich in
erster Linie darin kund, daß der Hauptkern intranucleär seine, wenn
auch stark reduzierte und nur während der Teilung nachweisbare
locomotorisch-generative Komponente nach Hartmanns Terminologie
führt; er ließe sich einem Centronucleus im Sinne Boveris vergleichen.
Die dem Mittelstück als einem Kern zukommenden Centrosomen hin-
gegen mitsamt ihrem Archoplasma liegen stets extranucleär, wenig-
stens in der, meiner Ansicht nach, im Nebenkörper dauernd sich aus-
drückenden Teilungsphase. Mit dieser essentiellen Differenz dürfte
sodann u. a. das Fehlen der Polplattenbildung in der Mitose des Haupt-
kernes zusammenhängen, eine Beziehung, welcher, soweit ich die ein-
schlägige Literatur übersehe, genereller Charakter zuzukommen scheint.
Dem Grund der physiologischen Verschiedenheit der beiden Kerne
nachzuspüren wäre entschieden verfrüht und fruchtlos. — Was ich
mit dem schon mehrfach für das Mittelstück angewandten Ausdruck
»stark modifizierter Kern« meine, bezieht sich zunächst auf die be-
deutende Größenreduktion gegenüber dem Hauptkern und zweitens
auf eigentümliche Umbildung des Kerninhaltes zu einer granulierten
Masse, welche durch besonders intensive Färbung namentlich mit
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 33
508 C. Janicki,
Delafields Hämatoxylin sich auszeichnet, aber kein Chromatin ist.
Ich bin mir bewußt, daß namentlich die erstgenannte Modifikation
des Kernes — welche übrigens bei P. eilhardi nicht so weitgehend zu
sein scheint, wie bei den parasitischen Arten — eine nähere Begrün-
dung erforderlich machen würde. Doch bietet aber die Gattung Para-
moeba in ihrem Nebenkörper des Aberrauten und Unvermittelten genug,
und so muß auch der Versuch, den Bau des Nebenkörpers aus be-
kannten Elementen abzuleiten, notgedrungen mit Vorgängen rechnen,
die wir eben nicht überall antreffen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Nebenkörper von
Paramoeba als ein im Teilungszustand zur Dauerform gewordener, in
der Teilung gewissermaßen erstarrter zweiter Kern aufzufassen ist. Ein
sonst vorübergehender, auf den Kern sowie das Archoplasma mit Cen-
trosomen sich beziehender Zustand ist hier gleichsam zum Dauerorgan
der Zelle geworden. Dieses macht nun annähernd in dem gleichen
Rhythmus mit dem Hauptkern, aber durchaus unabhängig von dem-
selben, die einzelnen Teilungsschritte der Zelle durch; dabei wird der
Teilungsprozeß am zweiten Kern sozusagen zu Ende geführt. Der
Teilungsprozeß greift aber sofort weiter über den Ruhezustand hinaus,
bis in der Metaphase etwa Stillstand erreicht wird. Aus der Umkehrung
des Verhältnisses zwischen Teilungs- und Ruhezustand ist die Natur
des Nebenkörpers als zweiten Kernes von Paramoeba zu begreifen.
Es leuchtet ein, daß ein Kern wohl nur in seinem Ruhezustand den
Zellfunktionen eigentlich dienlich sein kann. Somit wäre der Neben-
körper als ein aus dem Betrieb der Zelle ausgeschalteter zweiter Kern
zu betrachten. Vielleicht ist als einziges Überbleibsel seiner einstigen
normalen Vitalität eben seine Teilungsfähigkeit zu bezeichnen, welche,
trotz der enormen Inkongruenz der einzelnen Teilungsphasen, im End-
resultat doch kongruent mit derjenigen des Hauptkernes sich abspielt,
wodurch es erreicht wird, daß jeder Tochterzelle stets je ein Kern
und je ein Nebenkörper zukommen.
Das Gesagte deutet unzweifelhaft auf degenerativen Charakter
des die Grundlage des Nebenkörpers abgebenden zweiten Kernes hin.
Mit dieser Auffassung läßt sich die früher betonte starke Modifikation
des Kernes, sowohl was seinen Inhalt als auch was seine Größe anbe-
trifft, gut in Einklang bringen. Selbstverständlich werden wohl auch
das Archoplasma und Centrosomen durch den Degenerationszustand
nicht unbeeinflußt bleiben; vielleicht wäre hier die — abgesehen von
ihrer Teilung — durchaus anscheinend passive Rolle der Centrosomen
zu nennen. Ja der einheitliche, in sich abgeschlossene Charakter des
Paramoebenstudien. 509
ganzen Nebenkörpers, wie sich das am deutlichsten im Erstreben
der kleinsten Berührungsfläche zwischen Plasma und Nebenkörper
kundgibt, dürfte eben mit der degenerativen Ausschaltung seiner
sämtlichen Bestandteile von dem aktiven Zellenleben in Zusammen-
hang zu bringen sein: die mächtigen Centrosomen sind niemals im-
stande eine Strahlung im Plasma zu erzeugen, wie eine solche bei Acan-
thocijstis z. B. offenbar so leicht zu beobachten ist. Möglicherweise
freilich wäre in letztgenannter Hinsicht, was die Aktivität der Centro-
somen anbetrifft, eine Reserve speziell aus Rücksicht auf das Ver-
halten des Nebenkörpers bei der Teilung der Schwärmer von P. eühardi
nach Schaudinns Darstellung hier anzubringen, worauf ich noch
zurückkommen werde.
Als Degenerationszeichen könnte ferner die Erscheinung verwertet
werden, daß um den Nebenkörper von P. pigmentifera stets das cha-
rakteristische Pigment sich ablagert, dessen Natur als wertloses Ex-
cretionsprodukt zum mindesten sehr wahrscheinlich ist. — Für das
Zusammenfallen von Pigmentbildung und Degeneration sind auch bei
Protozoen zahlreiche Beispiele anzuführen; ich erinnere nur u. a. an
Pigmentbildung aus Chromidien bei der Degeneration von Actino-
sphaerium eichhorni nach R. Hertwig. Im vorliegenden Fall sind
freilich die Beziehungen komplizierterer Natur, insofern als Paramoeba
selbst, als Organismus, nicht entfernt im Degenerationszustande
sich befindet; nur ein Organeil der Zelle ist eben in Entartung be-
griffen.
Für den von Schaudinn ausdrücklich provisorisch geschaffenen
und allzu indifferenten Namen »Nebenkörper« schlage ich auf Grund
meiner Untersuchungen vor, den Ausdruck Nucleus secundus zu
gebrauchen. Zwar bildet der zweite Kern im strengen Sinne nur einen
Teil des »Nebenkörpers« aus; doch sind ja die Archoplasmakappen
in überaus feste Verbindung mit dem eigentlichen Kern getreten und
Sinn hat die gesamte Einrichtung nur insofern, als sie auf die Teilung
eines Kernes sich bezieht, alles Gründe, die wohl für die Einbürgerung
des neuen Namens sprechen dürften. Unbestimmt bleibt der Name
immer noch, und das muß er auch sein; es ist aber doch bereits das
Wesentliche dieses eigentümlichen Organeiis im neuen Namen hervor-
gehoben, gegenüber dem »Nebenkörper«, unter welchen Begriff man
alles Mögliche subsumieren kann. Außerdem entspricht der Name
der schon längst eingewurzelten, wenn auch im einzelnen nicht richtigen
Auffassung, welche von Schaudinn selbst begründet worden war. —
Im Speziellen ist sodann der eunucleäre Teil (= Mittelstück Schau-
33*
510 C. Janicki,
dinns) von dem archoplasmatischen bzw. perinucleären Teil
mit Centrosomen ( = Seitenteile Schaudinns) zu unterscheiden.
Bevor ich die allgemeinen Betrachtungen über die eigentümlichen
Kernverhältnisse von Paramoeba abschließe, möchte ich selbst die
oben vertretene Auffassung von der Zusammensetzung des Nebenkörpers
bzw. Nucleus secundus kritisch beleuchten, indem auch eine andre
Deutungsmöglichkeit hier zum Worte kommen mag. Die Auseinander-
setzung wird sich freilich nur in engen Grenzen bewegen, denn an der
Natur des Nebenkörpers als zweiter Kern ist schlechthin nicht zu
zweifeln. Hingegen könnte die Ansicht ausgesprochen werden, der
gesamte Nebenkörper sei auf einen Kern, das Mittelstück auf einen
Binnenkörper (Caryosom) desselben zurückzuführen; die Centrosomen
lägen als dann intranuclär und auf diese Weise würde sowohl, was
Konstitution wie auch was die Größe des zweiten Kernes anbetrifft,
weitgehende Übereinstimmung mit dem Hauptkern vorliegen. Es
wäre in diesem Fall eine gewisse Analogie zu den Vorgängen im Kern
von Amoeben des Limax-Typus zu konstatieren, ganz besondere Über-
einstimmung ließe sich aber mit dem von Goldschmidt auf Taf . VII,
Fig. 34 (17), für Mastigella vitrea abgebildeten Stadium am Beginn
der vegetativen Teilung erblicken. Dieser anscheinend sehr plausiblen
und namentlich bei Betrachtung von Delafields Hämatoxylinpräpa-
raten sich zunächst bietenden Deutung stehen schwerwiegende Gründe
gegenüber. Erstens, das Vorhandensein einer eignen Membran am
Mittelstück und Differenzierung von polplattenartigen Gebilden, Eigen-
schaften, welche einem Binnenkörper bzw. Caryosom nicht zukommen.
Zweitens, die Existenz von, allerdings nur selten nachweisbaren, Chro-
mosomen im Mittelstück. Drittens, die Übereinstimmung, welche mit
der Zusammensetzung des Nucleus secundus im Gametenzustand sich
ergibt: die Centriolen sind hier extranucleär1. — Es ließe sich hier viel-
leicht dennoch an sogenannte Kerne mit kernähnlichem Binnenkörper
(Doflein) denken, wie ein solcher z. B. in Schaudinns Amoeba cry-
stalligera vorliegt; Schaudinns Nucleolus würde dem Mittelstück
entsprechen, das Fehlen einer echten Kernmembran sowie die periphere
Chromatinschicht wären mit respektiven Eigenschaften am Neben-
körper zu parallelisieren ; namentlich die Fig. 116 Schaudinns (45,
1 Ich verweise außerdem auf den hohen Grad von Selbständigkeit, den
die Centrosomen während der Teilung des Nebenkörpers unter Umständen be-
kunden (vgl. Textfig. 4, S. 480); dieselben als intranucleäre Gebilde aufzufassen,
würde mir schwer fallen.
Paramoebenstudien. 511
S. 1032) käme beim Vergleich in Betracht. Ich muß gestehen, daß
trotz einer gewissen nicht zu leugnenden Ähnlichkeit die früher ge-
schilderten Beziehungen zu Actinosphaerium, Am. binucleata und
Noctiluca mir natürlicher und bindender erscheinen; die Überein-
stimmung mit den zuletzt genannten Fällen spricht sich mehr in wesent-
lichen Punkten der Organisation aus. Dem Einwand, durch die von
mir gegebene Erklärung werde den beiden Kernen von Paramoeba
je ein eigner Teilungsmodus zugeschrieben, während übereinstimmendes
Verhalten in dieser Hinsicht doch das wahrscheinlichere wäre, kann
ich erstens durch den Hinweis begegnen, daß auch bei der zuletzt als
möglich gestreiften Deutimgsweise die Verschiedenheit in der Art
der Teilung der beiden Kerne bestehen bleibt, und daß zweitens dem
Hauptkern selbst im Amoeben- bzw. Gametenzustand verschiedene
Konstitution und abweichender Teilungsverlauf zukommen. — Alle
die hier angeführten Gründe bestimmen mich an der von mir oben
vertretenen Auffassung festzuhalten.
Bemerken möchte ich noch, daß auch im Fall, wenn die hier ver-
worfene Anschauung richtig sein sollte, die Grundlage meiner Er-
klärung betreffend die Natur des Nebenkörpers dennoch richtig
bleibt: in diesem Zellorgan bleibt immer ein Kernteilungszustand
verkörpert.
Die oben zitierte Deutung Chattons von der caryosomalen Natur
des Nebenkörpers läßt sich mit den tatsächlichen Verhältnissen in
keiner Weise vereinbaren. Namentlich die Meinung Chattons be-
züglich des Nebenkörpers: »II ne constitue en aucune facon un second
noyau complet. II n'en a pas la structure . . . « (5, S. 318), steht mit
meinen Resultaten im Widerspruch.
Es sei mir zum Schluß gestattet von dem neugewonnenen Stand-
punkt aus auf die bekannte Verwertung der Kernverhältnisse von
P. eilhardi für theoretische Spekulationen über die Genese des Centro-
soms einen Rückblick zu tun. Ich kann mich allerdings kurz fassen,
hatten doch meine Untersuchungen in klarer Weise ergeben, daß der
»Nebenkörper« bereits einem Kern + Centrosoma entspricht, zum
mindesten ist hier auf jeden Fall — allgemein gesprochen — die loco-
motorisch-generative Komponente neben dem Kern (oder wenn man
will im Kern) bereits vorhanden. Der Hauptkern ist seinerseits mit
einem, wenn auch stark reduzierten Centralorgan versehen, und
demgemäß teilen sich die beiden Kerne bei P. pigmentifera sowohl im
Amoeben- wie im Gametenzustand durchaus unabhängig von-
512 C. Janicki,
einander1. Der Anfang einer Centrosomendifferenzierung kann folglich
bei Paramoeba nicht gesucht werden : die Differenzierung ist schon in
vollem Maße da .
Es bietet sich aber die Frage: wie sind meine Resultate mit den
Befunden Schaudinns bezüglich der Rolle, welche der Nebenkörper
bei der Teilung der Schwärmer von P. eilhardi spielt, in Einklang zu
bringen? Abgesehen von dem von mancher Seite nicht ohne Be-
gründung gehegten Verdacht, Schaudinn hätte zwei verschiedene
Formen zu einem Cyclus kombiniert und es lägen andre, durchaus
nicht vergleichbare Verhältnisse vor, will ich auf einige Tatsachen
hinweisen, welche recht gut zur Erklärung des in der Flagellaten-
generation durch Schaudinn festgestellten Sachverhalts verwendet
werden können. Zunächst ist es die Beteiligung des Blepharoplasten
an dem Teilungsprozeß des Hauptkernes bei einer Trypanosomenspecies
nach Fr an ca und Athias. Leider ist mir die Originalarbeit dieser
Forscher nicht zugänglich und bin ich an eine kurze Darstellung der
diesbezüglichen Vorgänge durch Hartmann angewiesen. Nach der
Schilderung, daß »beim Hauptkern die trophische Komponente stärker
ausgebildet ist im Gegensatz zu der locomotorischen, beim Kineto-
nucleus umgekehrt« (22, S. 21), sagt dieser Autor weiter: »Das kann
soweit gehen, daß letzterer z. B. bei Trypanosoma rotatorium nach
Franca und Athias die Rolle der locomotorischen Komponente für
den Hauptkern übernimmt, indem er als Centrosom die Pole der Haupt-
kernspindel einnimmt.« Über ähnliche Vorgänge berichtet Rosen-
busch in gewissen Fällen bei Haemoproteus- und Trypanosoms lewisi-
Kulturen, »in denen während der Spindelbildung des Caryosoms die
Blepharoplastkerne auseinandergehen und sich in der Nähe der Pole
des Hauptkernes lagern« (44, S. 290). Ferner wäre hier die höchst
interessante Erscheinung anzuführen, daß in der Befruchtung nach
Boveri das Centrosom des Spermakernes die Teilung des Eikernes
auch in dem Fall dirigiert, wenn der Spermakern selbst gelähmt wird.
Wir haben hier also ein Übergreifen der Wirkung des Centrosomas
auf einen fremden Kern, was ja auch sonst bei gewissen pathologischen
Zuständen in der Zelle vorkommt. Die geschilderten Vorgänge recht-
fertigen vielleicht die Vermutung, daß bei den Schwärmern von P.
eilhardi der zweite Kern mit seinem Centrosom dirigierend auf den
1 Der Nachweis der Centralorgane am Hauptkern sowohl wie am Neben-
körper mag übrigens u. a. als Beleg dazu dienen, daß Gläser (15) in seiner
Kritik der Centriolenfrage bei Protozoen nicht immer das Richtige getroffen
hatte.
Paramoebenstudien. 513
Hauptkern übergreifen kann; im Einzelnen ist dieser ScHAUDiNNsche
Kernteilungsmodus viel zu wenig bekannt, als daß er eingehender
diskutiert werden könnte.
Damit dürfte der weitverbreiteten Homologisierung des Centro-
somas mit dem Nebenkörper von Paramoeba endgültig der Boden
entzogen werden. Als irrtümlich betrachte ich ferner die Homologie
des Centralkornes der Heliozoen mit dem Paramoe&a-Nebenkörper,
an welcher Homologie Hartmann bis zuletzt festhält (22). Das Central-
korn von Acanthocystis kann nur mit den Centrosomen des Neben-
körpers homologisiert werden, nicht mit dem Nebenkörper als Ganzes;
folglich ist Acanthocystis einkernig. In dieser Hinsicht schließe ich
mich vollkommen der Meinung Chattons an, welcher die Doppel-
kernigkeit von Acanthocystis leugnet (5, S. 319). Das Gleiche gilt ent-
schieden für das Centralkorn von Wagnerella borealis, wie es namentlich
der Verlauf von Knospungsteilungen nach M. Zuelzer zeigt. Meiner
Ansicht nach geht Hartmann viel zu weit, wenn er, um die Kern-
natur des Centralkornes aufrecht zu erhalten, in der willkürlichen An-
nahme, die trophisch-generative Komponente sei hier vollkommen
rückgebildet (22, S. 23), Begründung sucht. R. Hertwig, der über
einen ähnlichen Fall bei Actinosphaerium zu urteilen gehabt hatte,
ist zu folgender Schlußfolgerung gelangt: »Man könnte ja die Bildung
des Centrosoma bei der Richtungscaryokinese dieses Rhizopoden als
eine Kernknospung deuten und sie so dem von Bütschli, Schaudinn
und Lauterborn aufgestellten Schema unterordnen. Indessen wäre
das ein Spiel mit Worten. Keinesfalls entsteht zurzeit ein echter
Kern, der alle Funktionen eines Zellkernes zu leisten vermöchte« (26,
S. 705). — Wenn man Acanthocystis zwei differente Kerne zuschreiben
will, so muß man bei Paramoeba deren drei anerkennen.
Die Gattung Paramoeba ist somit nicht geeignet über die Genese
des Centrosoms Aufschluß zu erteilen. Wir stehen hier keineswegs
den erwarteten primitiven Verhältnissen gegenüber; der Kernbestand
von Paramoeba bildet einen besonders specialisierten, anscheinend ganz
isoliert bleibenden und kaum als Stammform verwertbaren Fall, an
dessen Zustandekommen Degenerationsprozesse entschieden wohl mit-
gespielt haben.
Wie etwa der eigentümliche Paramoe&a-Zustand mag erreicht
gewesen sein — ob im Anschluß an Am. binucleata Gruber, wie Schau-
dinn es selbst vermutet hatte, ob in einiger Parallele zu der merk-
würdigen Bildung von überzähligen Kernen bei Entamoeba blattae,
welche nach Grassis und meinen Beobachtungen aus dem Plasma
514 C. Janicki,
ausgestoßen werden und eine Zeitlang anscheinend selbständig exi-
stieren, ob schließlich etwa durch Vorgänge veranlaßt, welche den
weitgehenden Umwälzungen im Kernbestand von Actinosphaerium
nach R. Hertwigs Untersuchungen im normalen wie im pathologischen
Zustand sich zur Seite stellen ließen — darüber ein Urteil abzugeben,
liegen heute noch viel zu wenig tatsächliche Grundlagen vor.
Basel, im April 1912.
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Paramoebenstudien. 515
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516 C. Janicki,
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52. T. v. Wasielewski und L. Hirscheeld, Untersuchungen über Kultur-
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Arch. f. Protist. Bd. XVIV. 1909.
Erklärung der Abbildungen,
Tafel VI.
Fig. 1 a, 1 b. P. pigmentifera, nach dem Leben. Vergr. etwa 1300.
Fig. 2. P. chaetognathi, nach dem Leben. Vergr. etwa 1300.
Fig. 3a, b, c. P. pigmentifera. b, Vorbereitung zur Teilung; c, Stabform,
ScHAUDiNNsche Lösung, Delaeields Hämatoxylin. Vergr. 1800.
Fig. 4. P. pigmentifera. Im Plasma eine aufgefressene männliche Keim-
zelle von Sagitta. Pikrinessigsäure, Boraxcarmin. Vergr. 1800.
Fig. 5. P. chaetognathi. Conglomeratenbildung im Plasma. HERMANNsche
Lösung, Eisenhämatoxylin. Vergr. 2700.
Fig. 6. P. chaetognathi. Kleinere Form mit dichtem Plasma in stark ge-
strecktem Zustand. ScHAUDiNNsche Lösung, Eisenhämatoxylin , Eosin. Vergr.
2700.
Fig. 7. P. chaetognathi. Kleinere Form mit extremer Entwicklung der
»metachromatischen Körperchen«. ScHAUDiNNsche Lösung, Delaeields Häma-
toxylin. Vergr. 2700.
Paramoebenstudien. 517
Fig. 8. Nebenkörper von P. pigmentifera. HermannscIic Lösung (1 Stunde).
Vergr. 2700.
Fig. 9. Nebenkörper von P. pigmentifera. ScHAUDiNNsche Lösung, Eisen-
hämatoxylin, Eosin. Vergr. 2700.
Fig. 10«, b. Nebenkörper von P. chaetognathi. Schwach schematisiert.
HERMANNsche Lösung, Eisenhämatoxylin. Vergr. etwa 3500.
Tafel VII.
Fig. IIa, b. Nebenkörper von P. chaetognathi. ScHAUDiNNsche Lösung,
Eisenhämatoxylin, Eosin. Vergr. 2700.
Fig. 12. Nebenkörper von P. pigmentifera, mit starker Centrosomenver-
mehrung. Mittelstück undeutlich. ScHAUDiNNsche Lösung, Delafields Häma-
toxylin. Vergr. 2700.
Fig. 13. Nebenkörper von P. pigmentifera. Centrodesmose. Pikiünessig-
säure, Boraxkarmin. Vergr. 2700.
Fig. 14 a. Nebenkörper von P. pigmentifera. Centrodesmose. ScHAUDiNN-
sche Lösung, Eisenhämatoxylin. Vergr. 2700.
Fig. 14 6. P. pigmentifera. Centrodesmose im Nebenkörper. Zerfall des
Binnenkörpers im Hauptkern. ScHAUDiNNsche Lösung. Eisenhämatoxylin, Eosin.
Vergr. 2700.
Fig. 15. P. pigmentifera. Prophase der Kernteilung. ScHAUDiNNsche
Lösung, Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1800.
Fig. 16 u. 17. P. pigmentifera. Metaphasen der Kernteilung. ScHAUDiNN-
sche Lösung, Delafields Hämatoxylin. Fig. 16 Vergr. 2000, Fig. 17, Vergr.
1800.
Fig. 18a, o, c. P. chaetognathi. Metaphasen der Kernteilung, a, b, ScHAU-
DiNNsche Lösung, Delafields Hämatoxylin; c, ScHAUDiNNsche Lösung, Eisen-
hämatoxylin. Vergr. 3650.
Fig. 19. P. pigmentifera. Anaphase der Kernteilung. ScHAUDiNNsche
Lösung, Delafields Hämatoxylin. Vergr. 2700.
Tafel VIII.
Fig. 20 a, b. P. chaetognathi. Anaphasen der Kernteilung, o, Pikrinessig-
säure, Boraxcarmin; a, ScHAUDiNNsche Lösung, Alauncarmin. Fig. a, Vergr. 3650,
b, Vergr. 2700.
Fig. 21. P. chaetognathi. Fortgeschrittene Anaphase der Kernteilung.
ScHAUDiNNsche Lösung, Eisenhämatoxylin, Eosin. Vergr. 3650.
Fig. 22. Das gleiche. ScHAUDiNNsche Lösung, Delafields Hämatoxylin.
Vergr. 2700.
Fig. 23. P. pigmentifera. Telophase der Kernteilung. Pikrinessigsäure,
Boraxcarmin. Vergr. 1800.
Fig. 24. Das gleiche. ScHAUDiNNsche Lösung, Delafields Hämatoxylin.
Vergr. 1800.
Fig. 25. P. chaetognathi. Telophase der Kernteilung. ScHAUDiNNsche Lö-
sung, Delafields Hämatoxylin. Vergr. 2700.
Fig. 26. P. pigmentifera. Telophase. ScHAUDiNNsche Lösung. Delafields
Hämatoxylin. Vergr. 1801».
518 C. Janicki, Paramoebenstudien.
Fig. 27. P. pigmentifera. Abschluß der Kernrekonstruktion. Schatjdinn-
sche Lösung, Delafields Hämatoxylin. Vergr. 1800.
Fig. 28 a — h. Gameten von P. pigmentifera. a, c, d, f, g, h, ScHAUDiNNsche
Lösung, Delafields Hämatoxylin ; e, mit Eosin; b, Pikrinessigsäure, Borax-
earmin. (Die Geißel nur selten färbbar.) Vergr. 3650.
Tafel IX.
Sämtliche Figuren beziehen sich auf P. pigmentifera.
Fig. 29 a — d. Gameten mit verschiedener Ausbildung von Spindeln bzw.
Centriolen. Fig. a, Vergr. 4300, die übrigen 3650.
Fig. 30 a — i. Teilung von Gameten. ScHAUDiNNsche Lösung, Delafields
Hämatoxylin. Vergr. 3650.
Fig. 31 a, b. Bildung von Reduktionskernen. ScHAUDiNNsche Lösung,
Delafields Hämatoxylin. Vergr. 3650.
Fig. 32. Copulation von Gameten (?). ScHAUDiNNsche Lösung, Dela-
fields Hämatoxylin. Vergr. 3650.
Fig. 33. P. pigmentifera. Zerfall des Binnenkörpers im Kern. (Als Vor-
stufe der Gametenbildung?) ScHAUDiNNsche Lösung, Eisenhämatoxylin. Vergr.
2700.
Fig. 34. Fragment einer dichten Anhäufung von Gameten. Geißel nicht
gefärbt. ScHAUDiNNsche Lösung, Delafields Hämatoxylin. Vergr. 2700.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten.
tll. Die Embryonalentwicklung von Isotoma cinerea Nie.
Von
Jur. Philiptschenko
(St. Petersburg).
Mit Tafel X— XIV.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einführung 519
I. Historischer Überblick der Literatur über Apterygotenembryologie . 520
II. Die erwachsene Form. Material und Untersuchungsmethoden . . 526
III. Erste Entwicklungsperiode. — Furchung, Bildung des Blastoclerms
und der Dotterzellen, Auftreten der Genitalanlage 528
IV. Zweite Entwicklungsperiode. — Bildung des unteren Blattes, des
Dorsalorgans und der embryonalen Hüllen 536
V. Dritte Entwicklungsperiode. — Anlage und Differenzierung des Keim-
streifens, Umrollung des Embryos 550
VI. Vierte Entwicklungsperiode. — Entwicklung der Körpergestalt und
Organogenese 575
VII. Allgemeiner Teil 617
. 1. Über die frühzeitige Sonderung der Genitalanlage bei Insekten . 617
2. Die Bedeutung der Dotterzellen bei Arthropoden 624
3. Die Keimblätter der Insekten 630
4. Über das Dorsalorgan und die Embryonalhüllen der Insekten . . 638
5. Apterygoten und Diplopoden 646
Im Sommer 1904, während meines Aufenthaltes auf der biolo-
gischen Süßwasserstation der Kais. Naturforscher-Gesellschaft zu
St. Petersburg in Bologoje (Gouv. Novgorod), hatte ich Gelegenheit
ein reiches Material über die Entwicklung eines Vertreters der Col-
lembolen — Isotoma cinerea Nie. — zu sammeln.
Verschiedene Ursachen hatten mich lange Zeit daran verhindert
mit der Bearbeitung dieses Materials zu beginnen, trotz des bedeuten-
den Interesses, welches die Embryologie der Apterygota auch heute
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. 15d. 34
520 Jur. Philiptschenko,
noch bietet. Erst im Jahre 1910 fand ich die nötige Zeit für diese
Untersuchungen, deren Ergebnisse in nachstehender Arbeit niedergelegt
sind. Einen großen Teil meiner Untersuchungen habe ich in dem
Laboratorium des Zootomischen Instituts der St. Petersburger Uni-
versität im Herbstsemester des Jahres 1910 und im Frühlingssemester
des Jahres 1911 ausgeführt, während ich dieselben im Münchener
Zoologischen Institut im Sommer und Winter des Jahres 1911 zu Ende
geführt habe. Ich benütze die Gelegenheit, den Leitern dieser beiden
Institute, den Herren Professoren W. Schewiakoff und R. Hertwig
auch hier meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen für das ent-
gegenkommende Verhalten und das Interesse an meiner Arbeit, welches
sie während meiner an den genannten Instituten angestellten Unter-
suchungen stets an den Tag gelegt haben.
I. Historischer Überblick der Literatur über die Embryologie der
Apterygoten.
Wenn auch viele, die Embryonalentwicklung der niederen Insekten
betreffenden Fragen noch zu wenig gründlich untersucht worden sind,
besitzen wir doch viele Arbeiten über die Embryologie der Apterygoten.
Was die Collembolen betrifft, so finden sich die ersten Angaben
über ihre Entwicklung in der einstmals als klassisch geltenden Mono-
graphie von Nicolet, welche schon im Jahre 1842 erschien. Dieser
Autor beschreibt das Äußere der Eier, den Bau des Eies im Ovar und
nach der Ablage, gewisse Erscheinungen während der Entwicklung des
Eies, sowie den Bau der bereits ausgebildeten Embryonen, alles durch
eine Tafel von Abbildungen verdeutlicht. Die Angaben von Nicolet
entbehren heute jeglicher Bedeutung, allein für uns ist es von be-
sonderem Interesse, daß seine Beobachtungen hauptsächlich an Eiern
und Embryonen derselben Art, Isotoma cinerea, ausgeführt wurden,
welche auch von uns in dieser Hinsicht untersucht worden ist: die
Abbildungen 3 — 15 seiner ersten Tafel beziehen sich gerade auf diese
Form. 1871 beschrieb Packard die Entwicklung einer amerikanischen
Art der gleichen Gattung, welche er Isotoma walJcerii benannte. Es
gelang ihm, die Bildung des Keimstreifens, dessen Segmentation, sowie
die weitere Differenzierung des Embryos zu studieren; ebenso konnte
er das Fehlen von zelligen Embryonalhüllen, sowie die paarige Anlage
der Springgabel (Furca) konstatieren. In der Entwicklung von Isotoma
erblickt Packard eine gewisse Analogie mit der Entwicklung der
Phryganiden.
Fast gleichzeitig mit der Arbeit Packards erschien die vorläufige
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 521
Mitteilung und darauf auch die ausführliche Arbeit von Uljanin
»Beobachtungen über die Entwicklung der Poduriden« (1875). Dieser
Autor untersuchte vier Arten: zwei Arten der Gattung Entomöbrya
(■»Degeeria«), Neanura muscorum (»Achorutes tuberculatus «) und eine
Art der Gattung Orychiurus, wahrscheinlich 0. ambulans (»Anuro-
phorus fimetarius«). Durch Uljanin wurde zuerst die eigenartige
totale Furchung der Collemboleneier beschrieben, ferner die Bildung
zweier Embryonalhüllen unter dem Chorion, die Anlage des Dorsal-
organs, die Differenzierung der Keimblätter, endlich die Entwicklung
des Keimstreifens und der Extremitäten, darunter auch diejenige der
ihnen homodynamen Springgabel und des Tubus ventralis. In der
Entwicklung der Poduriden erblickt Uljanin am meisten Überein-
stimmung mit derjenigen der niederen Crustaceen und Myriapoden,
was unter anderm auch in der Entwicklung des Mitteldarmes zutage
tritt. Überhaupt muß hervorgehoben werden, daß diese Arbeit durch
außerordentliche Gründlichkeit und durch Genauigkeit der Beobach-
tungen ausgezeichnet ist, so daß die Angaben von Uljanin auch heute
noch in Betracht zu ziehen sind. ,
Die im Jahre 1879 erschienene Arbeit von Barrois ist mir
unbekannt geblieben. Vier Jahre darauf veröffentlichte Lemoine
(1883) seine Untersuchungen über die Entwicklung von Anurophorus
laricis und Sminthurus fuscus. Das größte Interesse bietet hierin die
ausführliche Beschreibung der Veränderungen in der äußeren Gestalt
des Embryos von Tag zu Tag, welche von zahlreichen Abbildungen
begleitet ist. Diese Beobachtungen unterscheiden sich in vielen Hin-
sichten von den Angaben von Uljanin: bei Sminthurus ist die Fur-
chung eine totale (aber inäquale), bei Anurophorus dagegen verläuft
die Bildung des Blastoderms nach dem bei den Insekten üblichen
Typus und die totale Furchung erfolgt sekundär; dem Amnion und
der Serosa der höheren Insekten entspricht die ebenfalls zellige mem-
brane amniotique; der Tubus ventralis entsteht unabhängig von den
Extremitäten.
Im Jahre 1886 erschien ein kurzer Aufsatz von Ryder über die
Entwicklung von Anurida maritima, welche späterhin von Claypole
und Folsom ausführlicher untersucht wurde. Die Entwicklung der
gleichen Form behandelt Wheeler auf wenigen Seiten seiner um-
fangreichen Arbeit "Contribution to insect embryology" (1893). Dieser
Autor beschäftigt sich übrigens nur mit dem Bau des Dorsalorgans
bei den Embryonen von Anurida, wobei er dieses Organ mit dem
eigenartigen Indusium bei Xiphidium homologisiert und auf das Vor-
34*
522 Jur. Philiptschenko,
handensein eines Paares von rudimentären Anhängen des Intercalar-
segmentes bei den genannten Embryonen hinweist.
Ebenso unvollständig sind auch die Angaben über die Entwick-
lung der Collembola in der vorläufigen Mitteilung von Heymons
über die embryonale Entwicklung von Lepisma (1896b). Dieser Autor
bestätigt auf Grund seiner Beobachtungen an Orchesella rafescens die
Abwesenheit zelliger Embryonalhüllen und das Vorhandensein eines
Dorsalorgans bei den Collembolen und gibt an, daß die Furchung bei
Tetrodontophora gigas eine superfizielle ist.
Im Jahre 1897 erschienen zwei vorläufige Mitteilungen von Uzel,
denen im Jahre 1898 die umfangreiche Arbeit dieses Autors über die
Entwicklung der Apterygoten folgte, in der zwar die Entwicklung von
Campodea am eingehendsten behandelt ist, allein auch von den Collem-
bolen Achorutes armatus und zwei Arten der Gattung Tomocerus ( »Ma-
crotoma«) — insbesondere T. vulgaris — untersucht werden. Uzel
beschreibt die Eifurchung und die Differenzierung der Keimblätter
(im allgemeinen übereinstimmend mit Uljanin), die Anlage des Dorsal-
organs und des Keimstreifens, dessen allmähliche Differenzierung in
die einzelnen Segmente, wie auch die Embryonalhüllen und die Ver-
änderungen in der allgemeinen Lage des Embryos.
Im Jahre 1898 erschien auch die Arbeit von Miss Claypole, welche
die Oogenese und Entwicklung von Anurida maritima behandelt, einer
an den Ufern des Atlantischen Ozeans überaus zahlreich vorkommenden
kleinen Collembole. Miss Claypole wandte schon die Schnittmethode
an, so daß die Ergebnisse dieser Untersuchungen von besonderem
Interesse sind und wir häufig auf dieselben zurückkommen werden
müssen. Es genügt hier darauf hinzuweisen, daß von Miß Claypole
hauptsächlich die ersten Stadien der Entwicklung ausführlich unter-
sucht wurden, und zwar die Furchung, die Bildung der Keimblätter,
die Anlage des Dorsalorgans (»procephalic organ«) und der blasto-
dermalen Hüllen; die Bildung der äußeren Gestalt des Embryos wird
in dieser Arbeit nur in ganz allgemeinen Zügen beschrieben und aus
der Organogenese ist nur die Entwicklung der Genitalorgane genauer
untersucht worden. — Gleichsam eine Ergänzung dieser Untersuchungen
bildet die etwas später erschienene Arbeit von Folsom über die Ent-
wicklung der Mundwerkzeuge derselben Art, A. maritima (1900), wobei
dieser Autor sowohl die Schnittmethode wie auch die Präparation der
Embryonen mit Nadeln anwandte. In der Entwicklung des Embryos
unterscheidet er acht Stadien, auf Grund deren er denn auch die Ent-
wicklung eines jeden Paares von Mundgiiedmaßen, der Kopflappen,
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 523
der Antennen und der übrigen Teile des Kopfes beschreibt. Dies alles
wird von Folsom bis in die feinsten Details hinein untersucht und
von einer Menge Abbildungen und zahlreichen Literaturhinweisen be-
gleitet, welche sich hauptsächlich auf die Insekten, aber auch auf
andre Arthropoden beziehen. Folsom bestätigt die vor ihm schon
von Hansen (1893) ausgesprochene Auffassung, wonach die lateralen
Teile des Hypopharynx (die Superlinguae) gleich den ersten Mund-
werkzeugen differenzierte Extremitäten darstellen und ihr eignes Neu-
romer besitzen, so daß der Kopf der Insekten einen Protozonit
mehr enthält, als für gewöhnlich angenommen wird. Gegen eine solche
Auffassung hat sich Heymons in seinem Referat der Arbeit von Folsom
ausgesprochen1. Dank der Arbeiten von Miss Claypole und Folsom
kann Anurida als das von allen Collembolen in embryologischer Hinsicht
am besten untersuchte Objekt gelten.
Im Jahre 1900 veröffentlichte Pkowazek seine Beobachtungen
über die Entwicklung der Eier einer Isotoma-Avt, welche er nach Lub-
130CK (wahrscheinlich unrichtig) als /. grisea bestimmt hatte. Wie
in der Beschreibung des anatomischen Baues dieser Form, so auch
in den Angaben über deren Entwicklung fällt die ungenügende Bear-
beitung des untersuchten Materials in die Augen, wobei die Entwick-
lung augenscheinlich nur intra vitam studiert wurde. In Anbetracht
dieser Umstände bietet diese Arbeit sehr wenig Neues für die uns be-
schäftigende Frage und bleibt in dieser Hinsicht hinter vielen andern
Arbeiten zurück.
Kürzlich erschien eine vorläufige Mitteilung über die Entwicklung
der Mundwerkzeuge bei Tomocerus plumbeus von Hoffmann (1911),
welcher schon vorher drei überaus ausführliche Arbeiten über den
anatomischen Bau des Kopfes dieser selben Form veröffentlicht hatte
(1904, 1905, 1908). Für uns sind seine Angaben von ganz besonderem
Interesse, da Tomocerus unsrer Isotoma viel näher steht als Anurida,
indem beide Formen ein und derselben Familie der Entomobryidae
angehören. Es muß hier bemerkt werden, daß Hoffmann die Ent-
stehung der lateralen Teile des Hypopharynx (Paraglossae nach der
Terminologie dieses Autors) im allgemeinen mit Folsom überein-
stimmend beschreibt und es nicht für ausgeschlossen hält, daß dieselben
als kieferartige Bildungen angesehen werden könnten, indem sie auf
einem ziemlich frühen Entwicklungsstadium in Gestalt zweier Hügelchen
zwischen den Mandibeln ane;eleo;t werden. — Schließlich erschien zu
Zoolog. Centralblatt, 8. 1900.
524 Jur. Philiptschenko,
Beginn dieses Jahres meine vorläufige Mitteilung über die Unter-
suchungen der vorliegenden Arbeit (1912).
Alle Angaben über die Entwicklung der andern Gruppe von nie-
deren Insekten, der sogenannten Thysanuren1, verdanken wir den
Arbeiten von Uzel und Heymons.
Es liegt allerdings noch eine kleine Mitteilung von Grassi über
die Entwicklung von Japyx vor, welche in seiner Monographie von
Japyx und Campodea (1886) zu finden ist, allein dieselbe enthält nur
eine kurze Beschreibung einiger Embryonen, welche sich dazu noch
auf einem ziemlich späten Stadium der Entwicklung befanden.
Wir haben bereits oben die vorläufige Mitteilung zu der Arbeit
von Heymons über die Embryologie von Lepisma erwähnt, welche
im Jahre 1897 erschienen ist (1897a). Dank dieser inhaltsreichen Arbeit
ist die Embryologie von Lepisma ausführlicher bekannt geworden,
als diejenige irgendeines andern Vertreters der Apterygota; wir
werden auch späterhin noch oft auf dieselbe zurückkommen müssen.
Zwischen den Collembola und Lepisma besteht in vielen Hinsichten
ein sehr schroffer Unterschied: die Furchimg ist bei letzterem eine
superfizielle, die Keimscheibe ist sehr klein und versinkt sehr bald
m den Dotter, wobei sich der von ihr mitgezogene Teil der das Ei
umhüllenden Serosa in das Amnion verwandelt. Durch das Vorhanden-
sein dieser zelligen embryonalen Hüllen unterscheidet sich Lepisma
demnach sehr scharf von den Collembolen und Campodea. Die Diffe-
renzierung des Keimstreifens und des Mesoderms, wie auch die Organo-
genese verlaufen bei Lepisma ziemlich übereinstimmend mit der der
Orthop tera genuina. Der Mitteldarm dagegen entwickelt sich hier
nach Heymons nicht durch Hervorwachsen aus dem Storno- und
Proctodäum, wie dies nach seinen Beobachtungen bei den Der map tera
und Orthoptera der Fall ist, sondern aus Dotterzellen, d.h. er ist
entodermalen Ursprungs. Auf diese Frage kommt Heymons nochmals
in einer Spezialarbeit zurück, welche den Darm der niederen Insekten
zum Gegenstande' hat (1897b) und er gelangt dabei auf Grund seiner
Untersuchungen über die Verhältnisse bei jungen Larven von Lepisma
und Campodea zu dem Schlüsse, daß deren Mitteldarm im Gegensatz
1 Schon mehrfach ist auf das Unnatürliche dieser Ordnung hingewiesen
worden, in welcher sowohl ectognathe, als auch entognathe Formen enthalten
•sind. Ich persönlich würde es für viel zweckmäßiger halten, dieselbe, wie dies
von Börner (1904) geschehen ist, in zwei Ordnungen einzuteilen, die D i p 1 u r a
(Farn. Projapygidae, Campodeidae und Japygida e) und die
Thysanura (Fam. M a c h i 1 i d a e und L e p i s m a t i d a e).
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 525
zu allen Pterygota aus Dotterzellen hervorgeht, wobei an der Bil-
dung des Mitteldarmepithels bei Campodea alle Dotterzellen teilnehmen,
während bei Lepisma ein Teil derselben degeneriert und zerfällt. —
In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Frage wollen wir später etwas
ausführlicher auf die Angaben von Heymons eingehen.
Uzel (1898) untersuchte hauptsächlich die Entwicklung von
Campodea, während alle seine Angaben über die Entwicklung von
Lepisma saccharina im Vergleich mit der Arbeit von Heymons nichts
Neues bieten. Die Entwicklung von Campodea staphylinus erinnert
in manchen Beziehungen an diejenige der Collembola, während sie
sich in andrer Hinsicht von ihr unterscheidet. Die Eifurchung ist
hier, wie auch bei Lepisma, eine typisch superficielle, wobei alle Fur-
chungszellen bei der Bildung des Blastoderms an die Oberfläche des
Eies treten. Die Bildung der Keimblätter, welche Uzel eingehend
bespricht, erfolgt an dem vegetativen Eipole; der lange Keimstreifen
wird an der Ventralseite angelegt ; seine Segmentierung und die Bildung
der Extremitäten erfolgt auf die gewöhnliche Weise, wobei, wie dies
bei den Collembola der Fall ist, auch bei Campodea Anhänge an dem
Intercalarsegment sowie ein Dorsalorgan vorhanden sind. Mit der
Organogenese beschäftigt sich Uzel nicht, beschreibt aber ausführ-
lich die Entwicklung der abdominalen Extremitäten und der Mund-
werkzeuge; letztere verläuft in vielen Hinsichten übereinstimmend
mit der Entwicklung der Mund Werkzeuge bei den Collembola.
Wir haben nunmehr nur noch eine kurze vorläufige Mitteilung
des Ehepaares Heymons über die Entwicklung von Machilis alternata
(1905) zu erwähnen, in der die Embryonalhüllen dieser Form, sowie
besondere Lateralorgane beschrieben werden, welche ebenfalls nur bei
Embryonen an dem ersten Abdominalsegment zur Bildung gelangen.
Das größte Interesse bieten die Embryonalhüllen von Machilis, welche
aus zwei Teilen bestehen, der Proserosa und dem Proamnion, wobei
sie der Serosa und dem Amnion der Pterygota völlig homolog erscheinen,
mit denen sie durch die Embryonalhüllen von Lepisma verknüpft
sind. Anderseits gestatten diese Hüllen bei Machilis auch das Dorsal-
organ der Collembola (wie auch dem anderer Arthropoda, welche
ein solches besitzen) mit den Hüllen der Pterygota in Zusammen-
hang zu bringen ; mit einem Worte, wir besitzen eine ununterbrochene
phylogenetische Reihe von diesem Organ bis zum echten Amnion und
zur echten Serosa der Pterygota über die Hüllen von Machilis
und Lepisma.
Wir werden noch später auf diese Betrachtungen zurückkommen
526 Jur- Philiptschenko,
müssen, wenn von dem Dorsalorgan bei den Embryonen von Isotoma
die Rede sein wird.
II. Die erwachsene Form. — Material und Untersuchungsmethoden.
Als Objekt für meine Untersuchungen über die Embryonaientwick-
lung der Collembolen diente Isotoma cinerea Nie, eine Art, welche
Börner (1906) als Typus der kürzlich von ihm aufgestellten Unter-
gattung Vertagopus wählte; diese Untergattung ist durch den Besitz
von Härchen mit keulenförmigen Auftreibungen (Keulenhaaren, ge-
knöpften »Spürhaaren«) an den Enden der Tibiotarsen ausgezeichnet.
Die Gattung Isotoma (Desoria der älteren Autoren) gehört zu der Unter-
familie der Entomobryidae, welche gewissermaßen die Mitte zwischen
den niederen Collembolen, den Poduridae (zu denen unter andern
auch Anurida gehört) und den höher spezialisierten Sminthuridae
einnimmt.
Isotoma cinerea ist eine kleine Form (1 — l1/2mm) von gräulicher
Färbung mit stärkeren Ansammlungen von blauem Pigment auf der
Dorsalseite, welche in Europa ziemlich weit verbreitet ist und zu den-
jenigen Collembolen gehört, die am häufigsten unter der Rinde von
Bäumen angetroffen werden.
Es ist hier nicht der Ort auf eine Beschreibung des äußeren und
inneren Baues dieser Art näher einzugehen; eine ungefähre Vorstellung
desselben kann man sich nach der Fig. 37 machen, welche eine junge,
soeben aus dem Ei geschlüpfte Isotoma darstellt.
Auf dem Kopfe befinden sich die viergliederigen Antennen (ant), je
acht Ommatidien jederseits auf einem dunklen Fleck (oc) und ein kleines,
gewöhnlich kaum bemerkbares, ovales Postantennalorgan. Das Ab-
domen besteht aus den einander fast gleichen vier ersten Segmenten
und zwei kleinen hinteren Segmenten (Genital- und Analsegment).
Auf dem ersten Abdominalsegment befindet sich der Ventraltubus (tv),
auf dem dritten das kleine Retinaculum, auf dem vierten die Furca (frc).
Von inneren Organen tritt das aus zwei Kopf-, drei Brust- und einem
langen Bauchganglion bestehende Nervensystem deutlich hervor. Es
muß bemerkt werden, daß eine so scharf ausgesprochene Absonderung
dieses letzteren bei den erwachsenen Entomobryidae nicht beob-
achtet wird: gewöhnlich ist dasselbe mit dem dritten Thoracalganglion
inniger zu einer gemeinsamen Masse verschmolzen. Unter den er-
wachsenen Formen findet sich ein ebenso selbständiges Abdominal-
ganglion nur bei den mehr primitiven AnuropJiorus nach Willem (1900)
und Folsomia fimetaria nach meinen Beobachtungen. Auf der Fig. 37
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 527
ist auch der aus drei Abschnitten, wie bei allen Collembolen, bestehende
Darm gut zu sehen; die Mund Werkzeuge und die Kopfdrüsen sind auf
derartigen Totalpräparaten gewöhnlich nicht sichtbar. Ebenso ist das
sich in Gestalt eines dünnen Rohres über dem Darm hinziehende Herz
auf unsrer Figur nicht abgebildet: seine vordere und hintere Grenze
entsprechen annähernd den Grenzen des Mitteldarmes.
Das erwachsene Weibchen unterscheidet sich von dem in unsrer
Figur wiedergegebenen jungen Exemplare nur durch die stark ent-
wickelten paarigen Ovarien, welche im Hinterleibe unter dem Darme
liegen und sogar in die Brust hereinragen. Der gemeinsame Genital-
kanal mündet an der Ventralseite des fünften Segmentes.
Das Material über die Entwicklung von Isotoma cinerea habe ich
im Sommer 1904 in Bologoje, Gouv. Novgorod, gesammelt. Am 24. Juni
fand ich an den Wurzeln einiger Fichten unter Moos eine große Monge
von Weibchen dieser Art, während dieselben Eier ablegten. Letztere
waren so zahlreich, daß ich mich während der 3 Wochen, welche ihre
Entwicklung dauerte, Tag für Tag an diese Stelle begeben und die zum
Fixieren notwendige Anzahl Eier mit Stückchen Moos und Humus
nach Hause bringen konnte. Die jungen Tiere schlüpften am 13. und
14. Juli aus den am 24. Juni abgelegten Eiern aus, d. h. die gesamte
Embryonalentvvicklung verlief innerhalb 20 Tagen. Die aus den Eiern
ausgeschlüpften Jungen lebten bei mir etwa 4 Wochen, allein während
dieser Zeit veränderte sich ihre Größe nur sehr wenig. Wahrscheinlich
erreichen sie die Größe des erwachsenen Tieres erst im Sommer des
nächsten Jahres. Überhaupt scheint sowohl für Isotoma cinerea wie
auch für viele andre Collembolen, wie ich schon an andrer Stelle be-
merkt habe (1905b), eine einjährige Generation charakteristisch zu sein.
Leider hatte ich mich darauf beschränkt, das von mir gesammelte
Material zu fixieren, ohne dasselbe seinerzeit intra vitam zu unter-
suchen, was natürlich einige Resultate ergeben hätte, welche man an
konserviertem Material nicht mehr erhalten konnte. Als fixierende
Flüssigkeit wurde hauptsächlich eine heiße Lösung von Jod in Jod-
kalium verwendet (Jodjodkalium), welche bei der Fixierung erwachsener
Collembolen überhaupt gute Resultate ergab und sich auch bei der
Behandlung von Embryonen als günstig erwies.
Die größte Schwierigkeit in der weiteren Behandlung des gesammel-
ten Materials bestand sowohl bei der Anfertigung von Totalpräparaten,
wie auch bei der Einbettung in Paraffin, in der Notwendigkeit die für
Reagentien undurchlässigen Hüllen des Embryos zu entfernen oder zu
zerreißen. In Anbetracht der äußerst geringen Größe der Eier war es
528 Jur- Philiptschenko,
zu schwierig und zu umständlich diese Arbeit mit der Nadel auszuführen ;
nach einer Anzahl mißlungener Versuche iernte ich es endlich die Hüllen
zum Platzen zu bringen, ohne den Embryo zu verletzen, indem ich
vorsichtig mit der Nadel auf das Deckgläschen drückte, unter welches
ein oder mehrere Eier in einem Tropfen Alkohol gebracht wurden.
Auf späteren Stadien, nachdem das Chorion schon durchgerissen war,
gelang diese Operation viel leichter, während das erste Stadium, mit
besonders festem Chorion und einer größeren Menge von Dotter, be-
trächtliche Vorsichtsmaßregeln erforderte: das Deckgläschen mußte
mit Wachsfüßchen versehen, das Drücken unter dem Mikroskop vor-
genommen werden und dergl. m. Da ich genügend Material zu meiner
Verfügung hatte, so war es für mich von keinerlei Bedeutung, wenn
einige Eier bei der Behandlung zugrunde gingen. Die Embryonen wur-
dem am häufigsten in toto mit Boraxcarmin und nachfolgender Ent-
säuerung durch Alkohol mit Pikrinsäure gefärbt, wobei häufig die
Schnitte noch auf dem Objektträger mit Pikrinsäure + Wasserblau
nach Blochmann nachgefärbt wurden.
Das Einschmelzen erfolgte über Cedernöl in Paraffin; das Orien-
tieren der gefärbten "Embryonen im Paraffin vor dem Schneiden machte
keine Schwierigkeiten, indem dieselben in dessen oberflächlicher Schicht
unter dem Mikroskop sehr gut zu sehen waren.
Die Schnitte der ersten Stadien wurden in einer Dicke von 5 //
geschnitten, während für die mittleren und späteren Stadien sich noch
dünnere Schnitte von 3 ;t als günstiger erwiesen. In Anbetracht der
geringen Größe der zu untersuchenden Objekte ließen sich solche
Schnitte ohne jede Schwierigkeit herstellen.
III. Erste Entwicklungsperiode, — Furchung, Bildung des Blastoderms
und der Dotterzellen, Auftreten der Genitalanlage.
(Tafel X.)
Die Eier unsrer Isotoma besitzen eine kugelförmige Gestalt und
sind durch ihre sehr geringen Dimensionen ausgezeichnet: der Durch-
messer eines jeden Eies beträgt ungefähr 0,15 mm. Jedes Ei ist von
einem völlig strukturlosen Chorion umgeben; eine Dotterhaut (Mem-
brana vitellina) ist hier nicht vorhanden, was während der Furchung
besonders deutlich zutage tritt. Betrachtet man ein frisch abgelegtes
Ei, bei welchem die Furchung noch nicht begonnen hat, in einem
Tropfen Alkohol (Fig. 1), so fällt es auf, daß zwischen ihm und dem
Chorion (ch) ein ziemlich großer Zwischenraum vorhanden ist, welcher
wahrscheinlich bei dem Fixieren entstanden ist; außerdem liegt das Ei
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 529
meistens etwas excentrisch in bezug auf das dasselbe umgebende
Chorion (vgl. z. B. Fig. 2), während in seinem Mittelpunkte eine centrale
Protoplasmaanhäufung (die sogenannte Plasmainsel — pi) in Gestalt
eines dunklen Fleckens hindurchschimmert.
Auf Schnitten durch dieses Stadium (Fig. 6) bemerken wir, daß
die Hauptmasse des Bildungsdotters in der Mitte in Gestalt einer solchen
runden oder ovalen mit einem Kern versehenen Plasmainsel (pi) an-
gehäuft liegt, auf besonders gut getroffenen Schnitten auch mit stern-
förmig von derselben ausstrahlenden Ausläufern, welche in das zarte
protoplasmatische, den Dotter durchziehende Netzwerk übergehen.
Auf nach Heidenhain gefärbten Präparaten (und gerade nach einem
solchen ist unsre Fig. 6 angefertigt) ist dieses Netzwerk meistens nicht
zu sehen. Eine Oberflächenschicht des Protoplasmas (das sogenannte
Keimhautblastem), wie sie bei vielen Insekten vorhanden und nach
CJzel z. B. bei Campodea gut entwickelt ist, fehlt hier fast vollständig.
Der den größten Teil des Eies einnehmende Nahrungsdotter besteht
nur aus runden Dotterkugeln (dk), indem die vor dem Fixieren in
demselben enthaltenen Fetttropfen sich in dem Alkohol aufgelöst
haben. Diese Dotterkügelchen werden von sauren Anilinfarben intensiv
gefärbt, was für ihre albuminoide Natur spricht, aber sie werden auch
von basischen Färbemitteln, wie auch von Eisenhämatoxylin u. a. ge-
färbt. — Ihre Größe ist, wie dies aus der Zeichnung hervorgeht, eine
verschiedene, wobei diese Dotterkügelchen in der Umgebung der cen-
tralen Plasmaanhäufung das Aussehen sehr kleiner Körnchen haben
und bedeutend kleiner sind, als diejenigen, welche von der Plasma-
insel weiter entfernt liegen, was auf eine assimilierende Tätigkeit dieser
letzteren hindeutet. Diese Erscheinung war schon bei den Eiern von
Insekten [Friederichs (1906)] und Spinnen [Schimke witsch (1911)]
beschrieben worden. Auf mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten
(Fig. 6) kann man deutlich sehen, daß ebenso kleine Dotterkügelchen,
wie sie in der Umgebung der centralen Anhäufung zu bemerken sind,
auch in den alleroberflächlichsten Plasmaschichten vorkommen. Dieser
Umstand weist darauf hin, daß auch an der Peripherie des Eies eine
unbedeutende Oberflächenschicht des Plasmas vorhanden ist, welche
indessen so schwach ausgesprochen ist, daß sie sonst fast anbemerk-
bar bleibt.
Erscheinungen der Eireife habe ich an dem mir zur Verfügung
stehenden Materiale nicht beobachtet; ebenso habe ich auch keine
Bilder angetroffen, welche auf die Befruchtung des Eies, die Verschmel-
zung des männlichen und des weiblichen Kernes u. dergl. m. Bezug
530 Jur. Philiptschenko,
hatten. Ich wage es aus diesem Grunde nicht mich darüber auszu-
sprechen, ob der von mir beschriebene Bau des Eies das Bild
darstellt, welches das Ei vor der Reifung oder aber nach derselben
bietet.
Die Furchung der Eier ist, wie auch bei den übrigen Collembolen,
eine totale und, wenigstens auf den ersten Stadien, eine äquale (vgl.
Fig. 1- — 5). Auf die erste Teilung des Eies bezügliche Bilder habe ich
ziemlich häufig angetroffen; eines derselben ist in der Fig. 7 wieder-
gegeben. Diese Teilung geht, wie auch alle nachfolgenden, auf karvo-
kinetischem Wege vor sich; die Chromosomen waren übrigens, dank
der für cytologische Zwecke nicht ganz geeigneten Konservierung
meines Materiales, auf Schnitten meistens nicht zu sehen. Das
Ergebnis der ersten Teilung ist ein Zerfall der centralen Plasma-
anhäufung in zwei Zellen, welche in einer gewissen Entfernung von
einander im Dotter liegen (Fig. 8) ; die Anordnung des letzteren ist hier
die gleiche, wie in dem einzelligen Stadium, d. h. kleine Körnchen des
Dotters umgeben eine jede dieser Furchungszellen (fz) und liegen
außerdem an der Peripherie des ganzen Eies zerstreut. Der Dotter
hat um diese Zeit noch keine Furchung erlitten, allein sobald eine
jede dieser Zellen eine neue Teilung eingeht, tritt in dem Dotter eine
Furche auf, welche denselben in zwei Hälften abteilt.
Die äußere Gestaltung des vierzelligen Stadiums ist auf der Fig. 2
wiedergegeben: sowohl der Dotter, wie auch das Protoplasma sind
durch zwei Furchen (welche als meridionale Furchen angesehen werden
können) in vier gleiche Teile abgegrenzt; ein jeder derselben bildet
eine Zelle, welche nach demselben Typus gebaut ist, wie das Ei vor der
ersten Furchung, d. h. in ihrem Innern schimmert eine centrale Plasma-
masse {pa) mit einem Kern durch (doch wäre es natürlich nicht richtig,
sie hier als Furchungszelle zu bezeichnen), und sie ist von Dotter um-
geben. Bei dem Übergang in das achtzellige Stadium wird eine jede
dieser Blastomeren in gleicher Weise durch eine äquatoriale Fruche
in eine obere und eine untere Hälfte geteilt, und wir erhalten zwei
Reihen von Zellen, zu je vier in einer Reihe (Fig. 3). Ein Schnitt
durch dieses Stadium ist in Fig. 9 abgebildet, wobei auf demselben
vier Zellen (der oberen und der unteren Hälfte des Eies) zu sehen sind,
welche durch scharfe Grenzen voneinander getrennt sind; eine jede
derselben weist in ihrem Mittelpunkt eine Plasmaanhäufung' mit Kern
(pa) auf, während ihr übriger Teil mit Dotterkügelchen angefüllt ist (dk)~
Zwischen diesen vier Zellen befindet sich ein kleiner freier Zwischen-
raum, die Furchungshöhle (fh), deren Auftreten wohl kaum der Wirkung
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 531
von Reagentien zugeschrieben werden kann, wie Um an in dies ver-
mutet hatte.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Furchung des Eies auffallend
regelmäßig verlaufen, allein von Beginn des lözelligen Stadiums an
geht diese Regelmäßigkeit verloren, wovon man sich auch ohne Hilfe
von Schnitten, schon durch das äußere Aussehen des Eies (Fig. 4)
überzeugen kann. Auf Schnitten durch dieses Stadium (Fig. 10)
können wir uns davon überzeugen, daß hier außer den peripheren
Zellen auch schon innere Zellen vorhanden sind, welche allseitig von
den an die Oberfläche des Eies tretenden Zellen umgeben werden.
Augenscheinlich ist bei dem Übergang in das 16zellige Stadium die
Teilungsrichtimg einiger Zellen des Szelligen Stadiums eine solche,
daß ein Teil der dabei entstehenden Blastomeren in das Innere des
Eies versinkt, indem er die früher vorhandene Furchungshöhle aus-
füllt, so daß schließlich eine kompakte Morula entsteht. Meistens kann
man auf durch den Mittelpunkt des Eies geführten Schnitten dasjenige
Bild erblicken, welches in Fig. 10 dargestellt ist, d. h. sieben periphere
und eine innere Zelle. Hier sind demnach (wie auch auf dem nächsten
Stadium) die wirklichen Querschnitte identisch mit den optischen,
was aus der Vergleichung der Fig. 10 mit der Fig. 4 mit völliger Deut-
lichkeit hervorgeht. Die Schnitte durch das 32zellige Stadium (Fig. 11)
unterscheiden sich von denen des 16zelligen Stadiums ausschließlich
durch die größere Anzahl von Zellen: gewöhnlich sieht man deren auf
solchen centralen Schnitten acht bis neun an der Peripherie und drei
bis vier im Innern. Der Charakter einer jeden Zelle bleibt der gleiche:
eine centrale Plasmaanhäufung mit Kern und der dieselbe in Gestalt
von Kügelchen umgebende Dotter.
Späterhin wird das Zählen der Zellen sogar auf Schnitten sehr
schwierig: so kann man z. B. für das auf das 32zellige folgende Stadium,
dessen äußere Gestalt in Fig. 5 wiedergegeben ist, nur annäherungs-
weise angeben, daß dasselbe aus einer 64 nahestehenden Zahl von Zellen
besteht. Seiner äußeren Gestalt nach unterscheidet sich dieses Stadium
in keiner Weise von den vorhergehenden Stadien, allein auf Schnitten
stoßen wir auf neue Erscheinungen. Die Zellen, aus denen das Ei
besteht, sind durch deutliche Grenzen voneinander getrennt und ent-
halten, wie auch früher, Dotter und eine plasmatische Anhäufung,
allein letztere liegt nicht mehr in der Mitte der Dottermasse, sondern
ist stets bei den peripheren Zellen nach dem äußeren Rande, bei den
inneren Zellen nach einem beliebigen Rande verlagert (Fig. 12). Diese
plasmatischen Anhäufungen besaßen auch auf den vorhergehenden
532 Jur- Philiptschenko,
Stadien mehr oder weniger unregelmäßige Ränder, aber hier sind an
ihnen noch viel deutlicher sternförmige Ausläufer zu beobachten, welche
einer derartigen Anhäufung ein amoebenartiges Aussehen verleihen.
Augenscheinlich erreicht auf diesem Stadium die auf den Dotter über-
gegangene totale Furchung ihr Ende und geht in eine superficielle
Furchung über; zu diesem Zwecke muß eine jede der Plasmaanhäufungen
sich notwendigerweise von dem sie allseitig umgebenden Dotter be-
freien und nachdem sie aus demselben herausgetreten ist, sich in eine
vom Dotter unabhängige Furchungszelle verwandeln. Dies wird nun
offenbar dadurch erreicht, daß solche plasmatische Anhäufungen bei
den peripheren Zellen aktiv an die Oberfläche des Eies hervortreten,
bei den inneren dagegen an einem Rande, um späterhin ihren Dotter-
bezirk ganz zu verlassen.
In der Tat kann bei dem nächstfolgenden Stadium (Fig. 13) schon
nicht mehr von Plasmaanhäufungen mit einem Kern im Innern dotter-
reicher Zellen die Rede sein, sondern vielmehr von selbständigen Fur-
chungszelle n (fz), welche zum Teil an der Peripherie des Eies angeordnet
sind, zum Teil aber noch im Dotter liegen, und weiche von jenen Dotter-
bezirken (db) unabhängig sind, mit denen sie auf früheren Stadien,
in ihrem Mittelpunkte liegend, ein gemeinsames Ganzes bildeten.
Nunmehr liegen jene im Innern des Eies befindlichen Furchungszellen
meistens zwischen den Bezirken, in welche der Dotter eingeteilt ist.
Wie man aus der gleichen Abbildimg erkennen kann, dauert die Teilung
der Furchungszellen auch auf diesem Stadium noch an (tf), allein sie
erfolgt nunmehr ganz unabhängig von dem Dotter.
Die Oberfläche des Eies ist jetzt bereits an einigen Stellen mit
Blastoderm bedeckt, an andern Stellen aber enthält sie noch keine
Zellen: die Ausfüllung solcher Zwischenräume erfolgt augenscheinlich
durch Hervorkriechen neuer Furchungszellen aus dem Dotter an die
Oberfläche des Eies. Da die Furchung bei Isotoma cinerea anfangs
eine totale ist, und die Plasmaanhäufungen der peripheren Zellen
zuerst die Oberfläche des Eies erreichen (auf dem Stadium von 64 und
sogar von 32 Blastomeren), so kann die Entstehung des Blastoderm-
nicht an irgendeinen bestimmten Punkt der Eioberfläche gebunden
sein, sondern sie beginnt sozusagen fleckenweise an der gesamten
Oberfläche, worauf die freien Zwischenräume zwischen diesen ersten
Vorläufern des Blastoderms durch das Hervorkriechen neuer Furchungs-
zellen aus dem Dotter an die Oberfläche des Eies ausgefüllt werden,
wahrscheinlich aber auch (obgleich ich mich nicht mit Gewißheit davon
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 533
überzeugen konnte) durch Teilung der ersten an die Oberfläche her-
vorgetretenen Zellen.
Diese erste Periode in der Entwicklung des Eies, deren Dauer ich
mit Uljanin auf einige Stunden ■ — sicherlich aber auf weniger als
einen Tag — festsetzen kann, endet mit einem Stadium, von welchem
ein Schnitt in der Fig. 14 dargestellt ist. Das ganze Ei ist schon mit
einer durchgehenden Schicht von Blastodermzellen (bl) bedeckt, welche
hier den gleichen Charakter aufweisen, wie die Furch imgszellen auf
dem vorhergehenden Stadium. Der Dotter ist, wie vorher, in einzelne
Bezirke eingeteilt (db), aber es sind nur noch sehr wenige Zellen in
demselben enthalten, da die meisten Furchungszellen zur Bildung des
Blastoderms an die Oberfläche des Eies hervorgetreten sind. Die einen
dieser im Dotter zurückgebliebenen Zellen liegen einzeln, in ziemlich
großem Abstände voneinander, in demselben zerstreut und stellen
Dotterzellen oder Vitellophagen (dz) dar. Außerdem befindet sich im
Dotter, und zwar näher zum zukünftigen Hinterende des Embryos,
ein kleines Häufchen dicht aneinander liegender Zellen (g) : diese Zellen
repräsentieren die Genitalanlage, welche demnach bei unsrer Isotoma
schon sehr früh, und zwar gleichzeitig mit der Bildung des Blastoderms,
differenziert wird. Auf dem hier beschriebenen Stadium sind zwischen
den Blastodermzellen, den Dotterzellen und den Zellen der Genital-
anlage, wie aus der Abbildung zu ersehen ist, noch keine einigermaßen be-
merkbaren Unterschiede vorhanden, sondern diese treten erst später auf.
Was nun den Ursprung dieser Genitalanlage anbetrifft, so konnte
ich leider nicht mit Gewißheit feststellen, aus welcher Zelle oder aus
welchen Zellen des vorhergehenden Stadiums sie hervorgeht. Allein
die stets genau bestimmte Lage dieser Anlage im Dotter sowohl auf
diesem Stadium, wie auch auf den nachfolgenden (vgl. die Figuren der
folgenden Tafeln) berechtigen mich zu der Annahme, daß dieselbe viel-
leicht aus einer bestimmten inneren Zelle des 32zelligen, vielleicht
auch schon des 16zelligen Stadiums hervorgeht. — Verhält sich dies
in der Tat so, dann würden wir bei einer Collembola-Art eine ebenso
frühe Differenzierung der Urgeschlechtszelle vor uns haben, wie sie
kürzlich von Hasper (1911) für Chironomus beschrieben worden ist.
Allein auch unabhängig von der Richtigkeit einer solchen Annahme
steht doch fest, daß wir es bei Isotoma cinerea mit einer äußerst frühen
Differenzierung der Genitalanlage im Keime zu tun haben.
Die Dotterzellen entstehen zweifellos aus denjenigen Furchungs-
zellen, welche während der Bildung des Blastoderms im Dotter zurück-
gehalten werden. Abgesehen von dieser Entstehungsweise, welche
534 Jur. Philiptschenko,
jedenfalls die hauptsächlichste Rolle spielt, halte ich die Möglichkeit
nicht für ausgeschlossen, daß einige der bereits an die Oberfläche des
Eies gewanderten Zellen sich teilen, und daß eines der Produkte einer
solchen Teilung sich wieder in den Dotter zurückbegibt, um sich später
in eine Dotterzelle zu verwandeln. Zugunsten dieser Annahme sprechen
einige Bilder, wie z. B. dasjenige Bild, welches man auf der Fig. 13
erblicken kann. Da um diese Zeit das Blastoderm noch nicht zur
Bildung gelangt ist, so besteht natürlich keinerlei prinzipieller Unter-
schied zwischen diesem und jenem Modus in der Entstehung der
Dotterzellen. Späterhin, wenn die gesamte Oberfläche des Eies mit
einer Schicht von Blastodermzellen bedeckt ist, habe ich keine Ab-
trennung von in das Innere des Eies zur Ergänzung der Dotterzellen
wandernden Elementen beobachten können.
Von früheren Autoren ist die Eifurchung mit Hilfe der Schnitt-
methode von Miss Claypole bei Anurida untersucht worden, wobei
unsre Befunde fast in allen Punkten übereinstimmen. Geringe Ab-
weichungen lassen sich darauf zurückführen, daß nach den Be-
obachtungen dieses Autors das Ei außer dem Chorion auch noch eine
Dotterhülle besitzt, deren Vorhandensein auch Nicolet, Lemoine,
Wheeler und Folsom bestätigen und daß Miss Claypole außerdem
das Vorhandensein einer Furchungshöhle leugnet. Es will mir dagegen
scheinen, als würde die Anwesenheit dieser letzteren auf dem acht-
zelligen Stadium auch durch die entsprechende Zeichnung (Fig. 31) in
der Arbeit von Claypole bestätigt; außerdem wurde eine Furchungs-
höhle auch von Uzel und Prowazek beobachtet.
Unter den auf diese Entwicklungsperiode bezüglichen Angaben
andrer Autoren wird man, außer den alten Beobachtungen von Ul-
janin und Lemoine, von denen die letzteren wahrscheinlich auf Irrtum
beruhen, bei den Beobachtungen von Uzel und Prowazek verweilen
können. Diese Angaben weichen in einigen Einzelheiten von den
meinigen ab, was ganz begreiflich erscheint, indem dieselben sich auf
andre Formen beziehen, allein ein Punkt derselben ist dazu angetan,
einige Zweifel in mir zu erwecken. Prowazek hält die Furchung bei
den von ihm untersuchten Formen für eine inäquale, obgleich sie nach
ihm einer adäqualen sehr nahe kommt. Uzel dagegen schreibt Achoru-
tes armatus eine echte inäquale Furchung zu, mit der Bildung von
Macro- und Micromeren. Die wahre inäquale Furchung, wie sie z. B.
bei Telyphonus vorkommt [Schimke witsch (1906)] bildet eine große
Seltenheit im Typus der Arthropoden, so daß wir berechtigt sind der-
artigen Angaben gegenüber die größte Vorsicht walten zu lassen. Bei
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 535
der Untersuchung in der Furchung begriffener Eier in Alkohol konnte
ich sehr oft, und zwar namentlich auf dem achtteiligen Stadium, Bilder
beobachten, welche an die Zeichnungen von Uzel erinnerten, da hier
die Zellen der oberen oder der unteren Hälfte des Eies gewöhnlich
kleiner erscheinen und den Eindruck von »Micromeren« hervorrufen.
Allein durch vorsichtiges Umdrehen des Eies unter dem Deckgläschen,
hauptsächlich aber durch Aufzeichnen eines jeden Blastomers dieses
Stadiums mit dem Zeichenapparat, kann man sich leicht davon über-
zeugen, daß dieselben alle von völlig gleicher Größe sind. Es drängt
sich die Frage auf, ob nicht die Macro- und Micromeren von Uzel
ebenfalls solche nur scheinbare Bildungen darstellen?
Kein einziger unter den früheren Autoren hat bis jetzt die weiter
oben von mir beschriebene Genitalanlage im Dotter beobachtet. Es
ist natürlich durchaus nicht unmöglich, daß sich Isotoma cinerea in
dieser Hinsicht scharf von den andern auf ihre Embryologie hin unter-
suchten Collembolen unterscheidet, allein in den Arbeiten meiner
Vorgänger kann man einen gewissen Hinweis auf das Vorhandensein
einer ebensolchen Genitalanlage auch bei andern Formen finden. Wie
wir weiter unten sehen werden, entwickelt sich der Mitteldarm bei
unsrer Isotoma gänzlich unabhängig von irgendwelchen Dotterelementen :
es erscheint äußerst unwahrscheinlich, daß dieser Prozeß bei andern
Formen der gleichen Ordnung in dieser Beziehung einen abweichenden
Verlauf nehmen sollte. Indessen hat Ul janin bei den von ihm unter-
suchten Embryonen ein ziemlich früh im Dotter auftretendes Häuf-
chen von Zellen beschrieben, aus denen sich, seiner Ansicht nach,
der Mitteldarm entwickelt. Vergleicht man seine Fig. 7 der Taf. V
z. B. mit unsrer Fig. 20, so erscheint es ziemlich wahrscheinlich, daß
hier vielmehr von der Genitalanlage die Rede ist. Aus einem eben-
solchen Häufchen von Zellen im Dotter entsteht der Mitteldarm auch
nach den Beschreibungen von Uzel und Pkowazek (vgl. im Gegen-
satz zum Texte des letzteren Autors dessen Fig. 4 und die Erklärung
dazu), wobei diese Autoren offenbar den Irrtum von Ul janin wieder-
holen. Auch Miss Claypole hält zwei oder mehr mit den Dotter-
zellen im Dotter zurückbleibende Zellenhäufchen für das Entoderm,
aber ihrer Beschreibung nach liegen dieselben näher beim Dorsalorgan,
so daß hier offenbar nicht von der Genitalanlage, sondern von etwas
anderm die Rede ist. Wie wir sehen werden, sprechen auch andre
Befunde von Miss Claypole zugunsten der Anwesenheit einer derartigen
Genitalanlage. Eine endgültige Beantwortung dieser Frage läßt sich
naturgemäß nur durch eine neue Untersuchung herbeiführen.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 35
536 Jur- Phüiptschenko,
Auf die frühe Differenzierung der Genitalanlage und die morpho-
logische Bedeutung der Dotterzellen werde ich nochmals in dem letzten
Kapitel dieser Arbeit zurückkommen, welches allgemeinen Betrach-
tungen gewidmet sein wird.
IV. Zweite Entwicklungsperiode. — Bildung des unteren Blattes, des
Dorsalorgans und der embryonalen Hüllen.
(Tafel XL)
Die zweite Periode in der Entwicklung des Eies beginnt mit der
Entstehung des unteren Blattes. Ich ziehe diese Bezeichnung den andern
vor, indem die Begriffe des »primären« und »sekundären« Entoderms
bei den Insekten gänzlich untereinander verwirrt sind, und der Aus-
druck »Entomesoderm « bisweilen zur Bezeichnung derjenigen Fälle
einer Mesodermanlage verwendet wird, wenn das Mesoderm aus dem
Entoderm hervorgeht [vgl. z. B. die neueste Auflage des Lehrbuches
von Korschelt und Heider (1910)]. In Anbetracht dieser Umstände
erscheint die Bezeichnung »unteres Blatt«, besonders wenn es sich
um Insekten handelt, als die bequemste.
Die Bildung dieses unteren Blattes ist an keinen bestimmten
Punkt der Oberfläche des Eies gebunden, sondern geht unter dem ge-
samten Blastoderm vor sich. Auf der Fig. 15 ist der Teil eines Schnittes
durch ein Ei bald nach der Bildung des Blastoderms dargestellt: wir
erkennen hier, daß das Blastoderm stellenweise noch einschichtig ist,
allein meistens hat sich zwischen den oberflächlichen Zellen und dem
Dotter bereits eine zweite Schicht von Zellen gebildet, und diese unteren
Zellen, welche sich noch in keiner Weise von den oberflächlichen Zellen
unterscheiden, sind nun eben die ersten Elemente des unteren Blattes
(üb). Auch ihr Ursprung geht deutlich aus der gleichen Zeichnung
hervor, da auf derselben stellenweise Bilder einer Zweiteilung der
Blastodermzellen zu sehen sind, und zwar einer Teilung in eine obere
oberflächliche und in eine untere Zelle (tf). Das untere Blatt entsteht
demnach bei Isotoma cinerea sofort nach der Bildung des Blastoderms
und zwar durch Teilung seiner Zellen in zwei Schichten, eine obere,
welche als Ectoderm anzusehen ist, und eine untere, d. h. das untere
Keimblatt. Es ist sehr wohl möglich, daß neben der Teilung der Blasto-
dermzellen einige Elemente des unteren Keimblattes auch durch ein-
fache Einwanderung von Blastodermzellen nach unten entstehen, und
dies um so mehr, als ich auf meinen Präparaten bisweilen Bilder an-
getroffen habe, welche sich in diesem Sinne am ehesten erklären ließen
(vgl. Fig. 15e). Allein eine solche Einwanderung, wenn sie in der Tat
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 537
stattfindet, muß auch durch die Teilung von Blastodermzellen hervor-
gerufen werden, wobei diese Teilung aber nicht in radialer, sondern in
tangentialer Richtung vor sich gehen muß; wir können demnach,
auch diese Möglichkeit in Betracht ziehend, immerhin sagen, daß die
Elemente des unteren Blattes unter der gesamten Oberfläche des Eies
durch Teilung der Blastodermzellen in zwei Schichten entstehen.
Die Fig. 16 stellt einen Schnitt durch das Ei dar, wenn dieser
Prozeß bereits sein Ende erreicht hat und wir auf der Oberfläche des
Eies zwei schärfer ausgesprochene Schichten vor uns haben: das Ecto-
derm (ect) und das untere Blatt (üb). Auf diesem selben Stadium ent-
steht, was auch aus der Figur zu ersehen ist, zum ersten Mal ein schär-
ferer Unterschied zwischen den Elementen der beiden primären Keim-
blätter einerseits und den Dotterzellen anderseits: in den letzteren (dz)
ist das Protoplasma um diese Zeit mit großen Vacuolen angefüllt, welche
wahrscheinlich die Resorptionsprodukte des Dotters enthalten und sich
infolgedessen durch Farben gar nicht färben lassen, so daß nur die
Kerne der Dotterzellen deutlich im Dotter hervortreten. Sie liegen
zum Teil in der Mitte, zum Teil näher zum Rande der Bezirke, in welche
der Dotter wie früher zerfällt. — Die Zellen der Genitalanlage (g)
nehmen im Dotter ihre frühere Lage ein; ihre Zahl hat im Vergleich
zu dem auf Fig. 14 abgebildeten Stadium etwas zugenommen und
die Zellen selbst sind infolgedessen etwas kleiner geworden und erinnern
ihrer äußeren Gestalt nach mehr an die Zellen der Keimblätter: ob-
gleich ihr Protoplasma auch ziemlich stark vacuolisiert ist, so färben
sie sich doch stärker, weshalb sie viel schärfer im Dotter hervortreten,
als die Dotterzellen. Die ganze Anlage nimmt eine mehr regelmäßig
runde Gestalt an und liegt, wie auch auf allen nachfolgenden Stadien,
näher zur späteren Ventralseite und dem späteren Hinterende des
Embryos.
Die von mir beschriebene Entstehungsweise des unteren Blattes
bei unsrer Isotoma unterscheidet sich in beträchtlicher Weise von dem
gleichen Prozesse, wie er für die meisten Insekten charakteristisch ist,
und zwar erstens durch das Fehlen einer Primitivrinne (welche hier
natürlich nicht vorhanden sein kann) und zweitens dadurch, daß seine
Entstehung nicht an eine bestimmte Stelle gebunden ist. sondern
unterhalb der gesamten Oberfläche des Eies vor sich geht.
Bedienen wir uns der allgemein angenommenen Terminologie, so
können wir diese Entstehungsweise als eine multipolare Entoderm-
bildung bezeichnen, speziell eine gemischte Delamination (Metschni-
koff (1886)], indem das untere Blatt hier sowohl durch Zellteilung
35*
538 Jur- Philiptschenko,
als auch durch Einwanderung von Zellen ins Innere entsteht. Allein
dieser Prozeß steht nicht ganz vereinzelt unter analogen Erscheinungen
bei den übrigen Insekten und den Myriopoden da: nach dem gleichen
Typus erfolgt auch die Bildung des unteren Blattes (des »Mesoderms «)
nach Heymons bei Gryllotalpa, Phyllodromia (1895) und ßcoloyendra
(1901), nach Knower (1900) bei Eutermes und, nach einer kurzen vor-
läufigen Mitteilung von Lignau (1911a) zu urteilen, vielleicht auch bei
Polydesmus. Am Schlüsse meiner Arbeit werde ich ausführlicher bei
der Frage über die Keimblätter verweilen und will hier nur bemerken,
daß ich eine solche Entstehungsweise des unteren Blattes in der Gruppe
der Tracheata für die primitivere halte (und dies um so mehr, als
sie nur bei ziemlich tief stehenden Vertretern dieser Gruppe gefunden
wurde). Die Gastrulation und die Bildung der Primitivrinne hat sich,
wie mir scheint, bei den Insekten (und vielleicht auch im ganzen Tier-
reiche) aus dieser primitiveren Entstehungsweise — der multipolaren
Immigration — herausgebildet, und dies zum Zwecke einer Verkürzung
des Entwicklungsprozesses und aus rein mechanischen Gründen, was
schon unter andern von Heymons (1895) bemerkt worden ist, welcher
das untere Blatt irrtümlicherweise für das Mesoderm hielt.
In den Arbeiten der vorhergehenden Autoren wird der Ursprung
dieses unteren Blattes nicht richtig beschrieben. Miss Claypole hält
dasselbe für das Mesoderm; indem sie ganz richtig bemerkt, daß dieses
untere Blatt anfänglich unter der ganzen Oberfläche des Eies entsteht,
vermutet sie indessen, daß beide Schichten gleichzeitig durch das
Heraustreten von Furchungszellen an die Oberfläche angelegt werden.
Augenscheinlich hatte sie keine Embryonen mit einschichtigem Blasto-
derm zur Verfügung, an denen auf durch sie geführten Schnitten, wie
z. B. auf unserer Fig. 14, ganz deutlich zu sehen ist, wie im Dotter
um diese Zeit so wenige Zellen zurückbleiben, daß das untere Blatt
überhaupt nur aus dem Blastoderm entstehen kann. Uljanin beob-
achtete den Zerfall des Blastoderms in zwei Schichten, welchen er auch
richtig beschrieb, allein er bezeichnet diese beiden ersten primären Keim-
blätter als ein mehrschichtiges Blastoderm, indem er die Entstehung
des oberen und des unteren Blattes auf ein späteres Stadium bezieht.
Von einer Mehrschichtigkeit des Blastoderms schreiben auch Uzel
und Prowazek, ohne sich bei der Frage nach der Entstehung des unteren
Blattes aufzuhalten (über die in den Arbeiten aller dieser Autoren
erwähnte angebliche entodermale Anlage habe ich schon weiter oben
gesprochen).
Es verdient Beachtung, daß bei Lepisma das »Mesoderm« (d.h.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 539
unser unteres Blatt) durch Abspaltung vom Blastoderm in den beiden
hinteren Dritteln der kleinen Keimscheibe entsteht, und zwar augen-
scheinlich ohne die Bildung einer Kinne und Einstülpung. Leider ist
es mir nicht gelungen, jene ziemlich genaue Beschreibung der Anlage
der Keimblätter bei Cam/podea, wie sie Uzel in seiner Arbeit mitteilt,
in irgendwelchen Zusammenhang mit meinen Beobachtungen, wie auch
überhaupt mit den Angaben über die Entwicklung der andern In-
sekten zu bringen, und zwar wegen ihres so überaus eigenartigen Cha-
rakters. — Eine neue Untersuchung dieser Beziehungen wäre von um
so größerem Interesse, als die ferneren Entwicklungsprozesse, angefangen
von dem Momente der Anlage des Keimstreifens, bei Cam/podea mit
unsrer Isotoma außerordentlich übereinstimmen.
Wir sind bei dem Momente in der Entwicklung stehen geblieben,
wo die beiden Keimblätter auftraten und Unterschiede in dem Charakter
dieser beiden Blätter, der Genitalanlage und der Dotterzellen, ent-
standen. Auf diesem Stadium besitzt der Embryo nicht mehr eine runde,
sondern eine ovale Gestalt, mit einem etwas zugespitzten Pole (Fig. 16).
Diese Erscheinung ist von den späteren Autoren, mit Ausnahme von
Uljanin und Nicolet, garnicht vermerkt worden, wobei dieser letztere
Autor dieses Stadium den »birnförmigen Embryo« nannte. Nach
Uljanin, welcher die Entwicklung der Poduren intra vitam beob-
achtete, »entsteht eine solche Gestalt, infolge Zusammenziehens des
Eiinhaltes innerhalb des Chorions, was zur Folge hat, daß der In-
halt des Eies an zwei einander gegenüberliegenden Punkten von der
Eihülle absteht, an zwei andern einander gegenüberliegenden Punkten
dagegen dieselbe fast berührt« (Seite 4). — Späterhin nimmt das Ei
von Neuem eine kugelförmige Gestalt an.
Eben auf diesem Stadium des birnförmigen Keimes beginnt an
dessen etwas zugespitztem Pole die Bildung des eigenartigen Dorsal-
organs der Collembola aus Zellen des Ectoderms. Wir haben schon
auf der Fig. 16 gesehen, daß die Ectodermzellen sich an dieser Stelle
durch ihre beträchtlichere Höhe von den benachbarten Zellen unter-
scheiden: dies ist nun eben die erste Anlage des Dorsalorgans (aDO).
Die Zunahme der Dimensionen der Ectodermzellen dieses Häufchens
dauert auch später noch an, so daß diese Anlage des Dorsalorgans sich
recht bald ziemlich scharf von den an sie anstoßenden beiden Keim-
schichten abhebt (Fig. 17). An seiner Bildung nehmen ausschließlich
Zellen des Ectoderms teil: anfänglich ist das untere Blatt auch unter
derjenigen Stelle entwickelt, wo das Dcrsalorgan entsteht (wie über-
haupt unter der gesamten Oberfläche des Eies), später aber verschwin-
540 Jur- Philiptschenko,
den seine Zellen hier. — In einigen Fällen geht dieses Verschwinden
sehr früh vor sich, und zwar auf dem in Fig. 16 dargestellten Stadium,
wo unterhalb der ersten Anlage des Dorsalorgans schon keine Elemente
des unteren Blattes mehr vorhanden sind. In diesem Falle scheinen
mir diese letzteren durch die in ihren Dimensionen zunehmenden Zellen
einer solchen Anlage einfach nach unten weggedrängt zu werden. In
andern Fällen wird das untere Blatt unter dieser Stelle länger erhalten,
selbst noch auf dem Stadium der Fig. 17. Auf letzterer kann man
dabei sehen, daß die Zellen des unteren Blattes unter dem Dorsalorgan
selbst ein einigermaßen eigenartiges Aussehen angenommen haben:
sie haben hier den Zusammenhang miteinander verloren, lösen sich
auch von dem Ectoderm ab und liegen unmittelbar am Dotter, in den
sie beinahe hereinragen (par). Das Protoplasma dieser freigewordenen
und augenscheinlich in den Dotter einwandernden Zellen ist stark
vacuolisiert und ihr Kern hat häufig das Aussehen mehrerer einzelner
Anhäufungen, welche sich mit Boraxcarmin intensiv färben, oder aber
er ist nach dem Rande der Zelle hin verlagert.
Diese Bilder lassen sich am leichtesten in dem Sinne deuten, daß
diese Zellen des unteren Blattes unterhalb des Dorsalorgans überflüssig
werden und, indem sie in den Dotter einwandern, einer Degeneration
unterliegen. Es muß hierbei die Ähnlichkeit dieser Zellen mit den
bei den höherstehenden Insekten schon längst bekannten Gebilden
hervorgehoben werden, welche von Heymons (1895) den Namen Para-
cyten erhalten haben. Am charakteristischsten für die Paracyten sind
die Veränderungen in der Kernsubstanz, welche nach Friederichs
(1906), dem wir die ausführlichsten Angaben über solche Gebilde
verdanken, vielleicht im Zusammenhange mit ihrer secretorischen Tätig-
keit im Dotter stehen. Paracyten sind bei den Embryonen verschie-
dener Ordnungen der Insekten beschrieben worden, wobei deren Ab-
lösung von den verschiedensten Zellen beobachtet wurde (so von denen
des Blastoderms, des Dotters, von den Genitalzellen, den Mesoderm-
zellen u. dergl. m.).
Bei den Embryonen von Isotoma habe ich diese Paracyten ziemlich
selten beobachtet, wobei fast stets eine Lostrennung derselben von
den Elementen des unteren Blattes vorlag. Einen solchen Zerfall
dieser letzteren habe ich bei Embryonen sowohl während der zweiten
Entwicklungsperiode als auch auf späteren Stadien beobachtet, wo der
Keimstreifen schon ausgebildet war. Das weitere Schicksal dieser
Zellen und die an ihnen vorgehenden Veränderungen habe ich nicht
verfolgen können, um so mehr als die außerordentlich geringe Größe
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 541
aller Elemente bei Isotoma cinerea diese Form zu einem wenig ge-
eigneten Objekt für histologische Untersuchungen machte. ■ — Ich bin
indessen der Überzeugung, daß wir es hier einfach mit Degenerations-
erscheinungen bei einigen Zellen zu tun haben. Zu meiner Verfügung
standen einige Embryonen von deutlich pathologischem Charakter und
zwar sowohl vor der Anlage des Dorsalorgans, wie auch nach diesem
Prozesse, bei denen der größte Teil der Zellen des unteren Blattes einem
derartigen Zerfall unterlegen war und das Aussehen von Paracyten hatte ;
daß ich es in diesem Falle mit zweifellos pathologischen Fällen zu tun
hatte, geht schon daraus hervor, daß ich auch auf späteren Stadien,
ungeachtet der großen Anzahl der von mir untersuchten Embryonen,
nichts gesehen habe, was an derartige Bilder erinnert hätte. Hieraus
wird man, glaube ich, den Schluß ziehen können, daß die Umwand-
lung eines großen Teils der Elemente des unteren Blattes in Paracyten
von einem anormalen Verlauf der Entwicklung des Embryos Zeugnis
ablegt, welch letzterer denn auch bald zugrunde geht, während dieser
Prozeß in kleinerem Maßstabe dagegen zum Zweck der Vernichtung
der nicht mehr notwendigen Elemente, so z. B. der Zellen des unteren
Blattes, unter dem in der Ausbildung begriffenen Dorsalorgan noch
weiter vor sich geht.
Ziemlich bald nach dem ersten Auftreten der Anlage des Dorsal-
organs nimmt letzteres schon seine ganz fertige Gestalt an. Ein der-
artiges Aussehen besitzt es bei dem im Schnitte auf Fig. 18 dargestellten
Embryo. — Ein großer Teil seiner Oberfläche ist hier, wie auch auf
dem vorhergehenden Stadium, von den Zellen der zwei primären Keim-
blätter bedeckt, während sich auf dem dorsalen Pole das Häufchen
größerer, langgestreckter Zellen des Dorsalorgans befindet, welche
tief in den Dotter hereinragen {DO). Die Grenzen zwischen den Zellen
dieses und der darauffolgenden Stadien bis zu dem Zerreißen des Chorion
sind für gewöhnlich nicht zu sehen, da zu der gleichen Zeit unter dem
Chorion die Abscheidung der cuticularen Keimhülle beginnt, weshalb
diese Stadien sich viel schlechter fixieren lassen, als die vorhergehenden
und die darauffolgenden. Dafür treten bald nach dem Zerreißen des
Chorion die Grenzen zwischen den Zellen äußerst scharf hervor und
der histologische Charakter aller Elemente wird dann bei dem Embryo
viel deutlicher, so daß es besser ist, sich mit dem Bau des Dorsalorgans
erst auf späteren Stadien bekannt zu machen.
Die Fig. 26 stellt einen Schnitt durch den dorsalen oberen Teil
eines solchen späteren Embryos dar (welcher schon der dritten Ent-
wicklungsperiode angehört), auf dem auch das Dorsalorgan {DO) sehr
542 Jur- Philiptschenko,
gut zu erkennen ist. Wir sehen hier, daß die Zellen des letzteren um
ein Vielfaches größer sind, als die daranstoßenden Zellen des Ectoderms,
deren Fortsetzung sie gewissermaßen bilden. Eine jede der Zellen
ist stark in die Länge gestreckt, mit erweitertem inneren und stark
verjüngtem äußeren Ende, wobei diese äußeren zugespitzten Enden
der Zellen des Dorsalorgans in der Mitte seiner äußeren Oberfläche
dicht bei einander liegen. Die inneren, erweiterten Enden der Zellen
enthalten je einen ziemlich großen Kern; ihr Protoplasma ist in diesem
Teile stark vacuolisiert. Nach außen zu nimmt die Vacuolisierung mit
zunehmender Verschmälerung der ganzen Zelle im Gegenteil an Inten-
sität ab, wobei sie schließlich gänzlich verschwindet und durch einen
auf das Deutlichste ausgesprochenen fibrillären Bau ersetzt wird, so
daß der Eindruck hervorgerufen wird, als ob die Zellen des Dorsalorgans
sich nach der Peripherie zu stark verschmälern und in ein Bündel
dünner Fäden übergehen, unter denen die Grenzen der einzelnen Zellen
nicht mehr zu erkennen sind. Ein derartiges Bild spricht natürlich
für eine intensive secretorische (oder excretorische) Tätigkeit des Dorsal-
organs und verleiht demselben den Charakter einer Drüse : der f ibrilläre
Bau der in die Länge gezogenen äußeren Enden der Zellen kann durch
die Anhäufung eines nach außen strömenden Secrets in denselben er-
klärt werden, welches wahrscheinlich in der Nähe des Kernes, in ihren
erweiterten inneren Enden hervorgebracht wird, wo das Protoplasma
viele Vacuolen enthält.
Aus der Fig. 26, auf die sich unsre Beschreibung bezieht, ist zu
ersehen, daß die äußeren Enden der Zellen des Dorsalorgans gleichsam
aus dem Embryo hervortreten und über dessen Oberfläche hervorragen,
indem sie sich mit der das Ei umgebenden Hülle verbinden. Letzteres
ist nur für ein späteres Stadium, nach erfolgter Zerreißung des Chorions,
charakteristisch; während der zweiten Entwicklungsperiode hingegen
und speciell bald nach der Bildung des Dorsalorgans ist ein solches
Verhalten noch nicht zu bemerken, und seine äußere Oberfläche bildet
eine direkte Fortsetzung der Oberfläche des Ectoderms, über welches
das Dorsalorgan in keiner Weise hervorragt (Fig. 18). — Mit dieser
Ausnahme besitzen die Zellen des Dorsalorgans (DO), und zwar sowohl
gleich nach dessen völliger Ausbildung, wie auch überhaupt während
der gesamten zweiten Entwicklungsperiode (Fig. 18, 19, 21, 22) den-
selben Charakter, wie er von uns nach einem späteren Stadium (Fig. 26)
abgebildet und beschrieben worden ist, d. h. sie bestehen eine jede aus
einem breiteren inneren Teile mit stark vacuolisiertem Protoplasma
und einem in die Länge gestreckten äußeren Teile mit fibrillärem Bau,
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 543
obgleich die Grenzen zwischen diesen Zellen hier meistens nicht zu
sehen sind. Nach der völligen Ausbildung des Dorsalorgans sind unter-
halb desselben keine Spuren mehr von den Zellen des unteren Blattes
zu sehen, welche einst auch an dieser Stelle vorhanden waren, während
die Zellen des Ectoderms dicht bis an die Zellen des Dorsalorgans
heranreichen, so daß dieses letztere, wie aus der Fig. 18 u. v. a. zu
ersehen ist, den Eindruck eines nach innen ausgewachsenen Ectoderm-
bezirks hervorruft, welchen es denn auch in der Tat darstellt. Was
nun endlich die allgemeine Gestaltung dieses Gebildes anbetrifft, so
wird dasselbe am besten durch die alte Bezeichnung eines »kugelförmigen
Organs« (Uljanin) charakterisiert, obgleich diese Gestalt bisweilen
durch diejenige eines weniger regelmäßigen Sphaeroids ersetzt wird.
Sofort nach der Anlage des Dorsalorgans beginnt die Abscheidung
der ersten cuticulären Hülle durch den Embryo, wobei diese Hülle
unter dem Chorion durch die gesamte Oberfläche des Ectoderms ab-
geschieden wird. Auf demselben Schnitte, wo das Dorsalorgan seine
endgültige Größe erreicht hat (Fig. 18), wie auch auf dem Schnitte
durch das darauffolgende Stadium (Fig. 19), sehen wir, daß der äußere
Rand der Ectodermzellen eine scharf ausgesprochene Kontur {ah^
besitzt, wobei nach der Färbung mit Wasserblau nach Blochmann
dieser Saum stark gefärbt erscheint, wie sich auf älteren Stadien auch
die cuticulären Keimhüllen mit diesem Färbemittel färben. Offenbar
haben wir es hier mit dem Entstehen einer solchen Hülle zu tun, welche
als das Ergebnis einer Verwandlung der äußeren Schicht der Ectoderm-
zellen gebildet wird. — Untersucht man solche Embryonen in einem
Tropfen Alkohol, so kann man bisweilen durch vorsichtiges Drücken
mit der Nadel auf das mit Wachsfüßchen versehene Deckgläschen die
Loslösung dieser cuticulären Hülle von der Oberfläche des Keimes
bewirken, obgleich sie dieser letzteren auf diesen Stadien noch sehr
fest anliegt.
Damit eine solche Loslösung auf natürlichem Wege erfolgen kann,
beginnt die Oberfläche des Embryos sofort nach der Bildung dieser
denselben bedeckenden Cuticula eine Menge von Falten zu bilden,
wobei auch die Keimhülle anfangs alle diese Unebenheiten mit an-
nimmt, bis sie sich vollständig von der Oberfläche des Embryos ab-
getrennt hat.
Dieser Vorgang beginnt mit der Bildung einer sehr tiefen Furche,
welche um das ganze Ei herum längs dessen Meridian verläuft, wie
dies sowohl an dem Ei in toto, wie auch auf Schnitten durch dasselbe
zu sehen ist (Fig. 19). Diese Furche (/) beginnt auf der Dorsalseite
544 Jur. Philiptschenko,
des Eies, gleich hinter dem Dorsalorgan (d. h. sie verläuft auf derjenigen
Seite dieses letzteren, welche der Genitalanlage (g) zugewandt ist) und
verbreitet sich von hier auf die lateralen Seiten des Embryos, wobei
sie auch auf dessen ventrale Seite übergeht, d. h. denselben ringsherum
umgibt. Die Ventralseite des Eies durchschneidet diese Furche näher
an dessen vorderem (von der Genitalanlage entfernten) Ende, indem
sie auf diese Weise einen Winkel von etwa 45° mit der Hauptachse
des Eies bildet, wenn man die Längsachse des birnförmigen Embryos,
oder aber (auf späteren Stadien, wenn der Keim von Neuem rund
geworden ist) die von dem Dorsalorgan zur Ventralseite des Eies parallel
zu der Genitalanlage verlaufende Gerade als solche auffaßt.
Diese Furche ist so scharf ausgesprochen und sowohl auf diesem
Stadium, wie auch auf den darauf folgenden (Fig. 20, 21) so deutlich
zu sehen, daß sich einem unwillkürlich die Annahme aufdrängt, daß
irgendwelche Vorgänge in der inneren Entwicklung des Keimes mit
dieser Furche im Zusammenhange stehen müssen. Allein diese An-
nahme ist durchaus unberechtigt, indem nach dem Zerreißen des Cho-
rion, wenn die Oberfläche des Keimes sich glättet, von dieser Furche,
wie auch von den kleineren, keine Spur mehr zu bemerken ist. Die
lateralen Seiten der Furche sind mit Zellen des Ectoderms und des
unteren Blattes ausgekleidet, während ihr Boden, wie dies aus der
Fig. 19 zu ersehen ist, gewöhnlich nur aus einer Schicht von Ectoderm-
zellen gebildet wird, indem die Zellen des unteren Blattes zur Seite
verdrängt werden.
Anfänglich ruft diese tiefe meridionale Furche keine Veränderung
in der Lage des Dorsalorgans, neben welchem sie vorläuft, hervor;
allein je tiefer die Furche wird, um so mehr zieht sie dieses Organ mit
sich, welches sich allmählich um einen ziemlich beträchtlichen Winkel
von seiner früheren Lage abwendet. Wenn dieser Prozeß sein Maxi-
mum erreicht hat, so erweist sich das Dorsalorgan als um fast 90° ge-
dreht und seine freie Oberfläche ist um diese Zeit nicht mehr nach außen,
sondern nach der Höhlung der Furche gewendet (Fig. 21), sowie in der
Richtung nach dem Hinterende des Embryos (vgl. Fig. 21 mit der
Fig. 20, wo auch die Genitalanlage abgebildet ist; beide beziehen sich
auf ein und denselben Embryo).
Zu dieser Zeit bedeckt sich die gesamte Oberfläche des Embryos,
abgesehen von der oben beschriebenen tiefen meridionalen Furche,
auch noch mit einer Menge von Falten und kleinen Furchen, welche
zum Teil auch auf Schnitten zu sehen sind (Fig. 20, 21, 22). Auf diesem
Stadium ist der Embryo gänzlich undurchsichtig und bei seinem Stu-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 545
dium im Alkoholtropfen kann man sich nur von dem Vorhandensein
dieser faltigen Oberfläche überzeugen, ohne eine Vorstellung von dem
inneren Bau zu gewinnen. Und doch kann man dabei sowohl vor dem
Auftreten dieser Falten, wie auch nach ihrem Verschwinden, wenn
■das Chorion bereits geplatzt ist, viele Einzelheiten im inneren Baue
des Eies bemerken.
Die cuticuläre Hülle des Embryos {hx) macht alle Unregelmäßig-
keiten der Eioberfläche mit, löst sich aber sodann infolge des Auf-
tretens dieser Fältchen und Furchen von derselben ab und liegt frei
zwischen Embryo und Chorion (Fig. 20, 21, 22). Auf ihr kann man
um diese Zeit stets noch die gleichen Erhöhungen und Vertiefungen
bemerken, wie auf der Oberfläche des Ectoderms; sie erstreckt sich
auch in die Vertiefung der meridionalen Furche herein, wobei das
Wasserblau, wie auch früher, diese bereits abgetrennte Hülle intensiv
färbt.
Die zweite Periode in der Entwicklung des Eies erreicht ihr Ende
mit dem Zerreißen des Chorion und der Abscheidimg einer zweiten
ebensolchen embryonalen Cuticula unter der ersten Embryonalhülle.
Für das Studium gerade dieser zwei Prozesse muß die Entwicklung
intra vitam verfolgt werden, was von mir seiner Zeit leider nicht aus-
geführt worden war ; nach Präparaten allein ist es hingegen sehr schwer
sich über diese Vorgänge völlige Klarheit zu verschaffen, und dies um
so mehr, als auch die Fixierung des Materials infolge des Vorhanden-
seins zweier Hüllen (des Chorions und der ersten Embryonalhülle) viel
zu wünschen übrig läßt.
Auf Eiern kurz vor dem Zerreißen des Chorions (letzteres kann
leicht daraus ersehen werden, daß das Chorion bei schwachem Druck
außerordentlich leicht zerreißt) ist die Oberfläche des Ectoderms noch
ebenso uneben und die embryonale Cuticula (Äx) ist ganz von ihr los-
gelöst (Fig. 23). Allein die meridionale Furche (/) ist hier viel weniger
tief und das Dorsalorgan (DO) nimmt seine frühere Lage ein, indem es
mit den äußeren Enden seiner Zellen nicht mehr nach der Höhlung
der Furche, sondern wiederum wie früher nach außen gerichtet ist.
Dabei fällt der Umstand in die Augen, daß das Dorsalorgan im Ver-
gleiche mit seiner früheren Lage, wie sie zum Beispiel auf der Fig. 18
dargestellt ist, nunmehr weiter über die allgemeine Oberfläche des
Embryos hervorragt. — Derartige Bilder lassen sich, wie mir scheint,
am ehesten in dem Sinne deuten, daß das von der Furche in eine seit-
liche Lage mitfortgezogene Dorsalorgan sich von neuem nach außen
vorstülpt, wobei es zum Teil auch das Ectoderm von dem Boden der
546 Jur- Philiptschenko,
Furche mit sich zieht, was eine Verringerung der Dimensionen dieser
letzteren zur Folge hat. Es dürfte äußerst schwer fallen, dieser Rück-
kehr des Dorsalorgans in seine frühere Lage eine andre Deutung zu
geben; anderseits bin ich vollkommen davon überzeugt, daß die von
mir beschriebene Aufeinanderfolge der Stadien, trotz des Fehlens von
Beobachtungen intra vi tarn, der Wirklichkeit entspricht. Abgesehen
von dem Charakter selbst eines jeden Stadiums (so z. B. der stärkeren
oder schwächeren Entwicklung der ersten Keimhülle, der äußerst
geringen Widerstandsfähigkeit des Chorions vor seiner Zerreißung) habe
ich mich auch noch durch die Verteilung des Materials in meinen Gläs-
chen leiten lassen. Die auf den Fig. 18, 19, 20, 21 abgebildeten Ent-
wicklungsstadien kommen immer zusammen vor und dabei in an-
nähernd gleicher Anzahl, während das Stadium der Fig. 22 nur in
dem am nächsten Tage fixierten Materiale vorkommt, wobei in diesem
letzteren schon Embryonen mit abgeworfenem Chorion vorwiegen,
welche zur dritten Entwicklungsperiode gehören.
In Anbetracht dieses Umstandes scheint es mir, als ob die Vor-
stülpung des Dorsalorgans nach der Oberfläche einen Anstoß zu der
Zerreißung des Chorions gäbe, welches um diese Zeit dem Embryo
zu eng wird. Unter der Einwirkung der Vorstülpung nimmt der von
innen auf das Chorion ausgeübte Druck an Intensität zu, dasselbe
platzt in zwei Hälften und seine Stelle nimmt die zu dieser Zeit be-
reits völlig ausgebildete erste cuticulare Hülle ein. — Verläuft die
Sache wirklich in dieser Weise, so wird man auch die Bedeutung der
tiefen meridionalen Furche um das Ei begreifen können, welche weiter
oben beschrieben wurde. Die kleineren Furchen und Falten an der
Oberfläche des Eies stehen in zweifellosem Zusammenhange mit der
Loslösung der ersten embryonalen Cuticula, während der meridionalen
Furche außerdem noch eine specielle Aufgabe zukommt, und zwar
das Dorsalorgan aus seiner normalen Lage zu bringen, indem sie dasselbe
um 90% zur Seite neigt und dadurch ermöglicht, das es sich später
wiederum nach außen vorstülpt, was dann ein Zerreißen des Chorions
bewirkt. Zugunsten einer selbständigen Bestimmung der meridionalen
Furche scheint mir auch deren frühere Anlage zu sprechen, noch bevor
an der Oberfläche die kleinen Falten und Furchen auftreten.
Dieses ist die Deutung, welche ich den von mir auf Präparaten
beobachteten Bildern geben kann und so stelle ich mir die Ursachen
vor, welche das Zerreißen des Chorions am Ende der zweiten Periode
der Entwicklung des Eies hervorrufen. Ich muß nochmals betonen,
daß alle diese Betrachtungen nicht auf direkten Beobachtungen be-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 547
ruhen, sondern auf indirekten Angaben, weshalb für eine endgültige
Lösung dieser Frage und eine Nachprüfung meiner Annahme das
Studium intra vi tarn erforderlich ist. Leider sind alle Angaben über
diese Periode in der Entwicklung in den Arbeiten meiner Vorgänger,
welche die Entwicklung an lebendem Materiale studiert haben, nur
sehr spärlich vorhanden und dazu noch größtenteils irrtümlich.
Es mag hier gleich hervorgehoben werden, daß, wenn meine Er-
wägungen richtig sind, das Zerreißen des Chorions bei unserm Embryo
nicht auf rein mechanischem Wege, und zwar infolge des Wachstums
des Embryos und des von innen auf das Chorion ausgeübten passiven
Druckes vor sich geht, sondern durch die aktive Tätigkeit des Embryos
selbst hervorgerufen wird, welcher zu diesem Zwecke im Verlaufe
seiner Entwicklung eine Reihe spezieller Prozesse durchmacht (Bildung
einer meridionalen Furche, Verlagerung des Dorsalorgans, dessen Vor-
stülpimg nach außen). Es kann dies mit der Auffassung von Kautsch
(1909) in eine Reihe gestellt werden, nach welcher die Umrollung des
Embryos bei den Spinnen (eine analoge Erscheinung haben wir auch
bei den Embryonen von Isototna) nicht durch einen mechanischen
Druck erklärt werden kann, wie dies von Montgomery (1909) be-
hauptet wurde, eine Auffassung, deren Richtigkeit Kautsch kürzlich
auch durch experimentelle Versuche an Embryonen nachgewiesen
hat (1910b).
Während der Vorstülpung des Dorsalorgans nach der Oberfläche
vor dem Zerreißen des Chorions, d. h. auf dem in Fig. 22 dargestellten
Stadium, kann man von neuem die Bildung der Paracyten beobachten,
von denen oben die Rede war. Auf Schnitten durch derartige
Embryonen sind solche degenerierende Zellen gewöhnlich im Dotter
dicht neben dem Dorsalorgan und der im Verschwinden begriffenen
meridionalen Furche zu bemerken (Fig. 22 par). Wahrscheinlich wird
ein Teil der Elemente vom Boden dieser letzteren bei der beginnenden
Glättung der Keimoberfläche nicht noch außen vorgestülpt, sondern
zerfällt in einzelne Zellen, welche in den Dotter wandern und dort
der Degeneration verfallen. Diesen Zellen vom Boden der meridionalen
Furche schließen sich andere Zellen an, welche größtenteils ebenfalls
aus den zunächstliegenden Bezirken des Dorsalorgans stammen und
dasselbe Schicksal erleiden, d. h. in den Dotter auswandern und dort
zugrunde gehen. Auf den darauffolgenden Stadien sind im Dotter
in der Nähe des Dorsalorgans schon keine Paracyten mehr zu sehen.
Das Chorion zerreißt in zwei gleiche Hälften, welche, wie dies
schon von den früheren Autoren (Nicolet, Uljanin, Uzel) beschrieben
548 Jur. Philiptschenko,
worden ist, unter dem Andränge der ersten embryonalen Cuticula
auseinandertreten und schließlich in Gestalt zweier Mützen auf der-
selben hängen bleiben. Die embryonale Cuticula nimmt ein glattes
Aussehen an, indem alle bis dahin auf ihr vorhandenen Falten und
Vertiefungen verschwinden und zwischen ihr und dem Embryo tritt
ein ziemlich großer Zwischenraum auf. Auf unsrer Fig. 23 ist das
erste Stadium der dritten Periode in der Entwicklung dargestellt, auf
welchem auch diese Embryonalhülle (Aj) gut zu sehen ist, wie auch
die auf derselben einander gegenübersitzenden Chorionhälften {ch),
welche die Gestalt zweier zusammengedrückter Hüte oder Mützen
besitzen. Letztere verbleiben in dieser Gestalt auf der äußeren Em-
bryonalhülle während der ganzen dritten und vierten Entwicklungs-
periode bis zu dem Ausschlüpfen des Embryos aus dem Ei. Irgend-
welche Fortsätze auf der äußeren Embryonalhülle, wie sie bei andern
Collembola beobachtet wurden (Nicolet, Uljanin u. a.), sind bei
Isotoma cinerea nicht vorhanden: diese Hülle ist hier vollständig glatt
und strukturlos.
Die Fig. 23 ist bei der gleichen Vergrößerung gezeichnet, wie die
äußere Gestalt des Eies und der ersten Furchungsstadien auf den
Fig. 1 — 5 (300 : 1): eine Vergleichung der ersteren mit letzteren zeigt
deutlich, daß das nach dem Zerreißen des Chorions nunmehr von der
cuticularen Keimhülle umgebene Ei beträchtlich größer geworden
ist. Einen gewissen Teil dieser Vergrößerung wird man bei meinem
Materiale übrigens auf Kosten der Wirkung der Fixierungsflüssigkeit
und des Alkohols setzen müssen, indem die Vergrößerung nach den
von Uljanin an lebendem Materiale angestellten Messungen etwas
geringer ist (bei einer Form mit 0,2 mm z. B. nur bis zu 0,28 mm).
In Anbetracht dieses Umstandes will ich meine Zahlen hier nicht
anführen .
Während des Zerreißens des Chorions wird auch die dritte Hülle
des Embryos, die zweite embryonale Cuticula abgeschieden. Un-
mittelbar vor dem Zerreißen des Chorions (Fig. 22) ist dieselbe noch
nicht vorhanden, während sie auf allen darauffolgenden Stadien sowohl
auf Totalpräparaten (Fig. 23), wie auch auf Schnitten (Fig. 24, 25)
gut zu sehen ist (h2). Diese Hülle liegt zwischen der äußeren Cuticula
und dem Embryo, welch letzterem sie näher anliegt; sie ist ebenso
strukturlos, bedeutend dünner als die erste und ebenso durch Wasser-
blau färbbar.
Nach den Beobachtungen von Uljanin und Miss Claypole wird
diese zweite embryonale Cuticula, gleich der ersten, durch die ge-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 549
samte Oberfläche des Embryos abgeschieden. Auf Stadien, welche dem
Zerreißen des Chorions vorangehen und wo sich die erste Hülle bereits
abgelöst hat (Fig. 20, 21, 22), habe ich in den Oberflächenschichten
der Ectodermzellen keinen solchen mit Wasserblau färbbaren Saum
beobachten können, wie er vor der Loslösung der ersten Cuticnla zu
sehen war (Fig. 18, 19 dh^). Indessen trug vielleicht auch die nicht
besonders gelungene Fixierung aller Elemente auf diesen Stadien die
Schuld hieran.
Mit dem Abwerfen des Chorion erreicht die zweite Periode in der
Entwicklung ihr Ende. Ihre Dauer übertrifft diejenige der ersten
Periode um ein Bedeutendes und beträgt etwa 4 Tage (wie dies auch
Lemoine für Anurophorus laricis festgestellt hat). Das erste Stadium
der dritten Entwicklungsperiode habe ich 5 Tage nach der Eiablage
beobachtet.
Die Angaben über alle diese Vorgänge in den Arbeiten früherer
Autoren sind sehr unvollständig und häufig unklar. Uljanin be-
schreibt ganz richtig die Bildung der circularen Hüllen, die Falten an
der Oberfläche des Embryos, welche der Loslösung der ersten Hülle
vorangehen, das Zerreißen des Chorions und die darauffolgende Ver-
größerung der Dimensionen des Eies. Allein seiner Ansicht nach wird
die erste Keimhülle noch vor der Anlage des Dorsalorgans abgeschieden,
welches in Gestalt eines eine Vertiefung des Blastoderms umgebenden
Wulstes entsteht, unter dem auch das untere Keimblatt gebildet wird.
Uljanins Zeichnung (Taf. V, Fig. 7), welche diese Beschreibung er-
läutert, stellt das gleiche Bild dar, wie unsre Fig. 20, wobei die Ver-
tiefung des Blastoderms nichts andres darstellt, als unsre meridionale
Hülle, während das schon lange vorher gebildete Dorsalorgan auf
dieser Zeichnung überhaupt nicht vorhanden sein kann, da es nur auf
näher zur Mitte des Eies geführten Schnitten (wie auf unsrer Fig. 21)
zu sehen ist. Eine Vergleichung dieser Zeichnung aus der Uljanin-
schen Arbeit mit unsrer Fig. 20 ist auch in andrer Hinsicht von Inter-
esse: man wird sich auf Grund derselben unzweifelhaft davon über-
zeugen können, daß Uljanin die Genitalanlage für die seiner Beschrei-
bung nach inmitten des Dotters liegende Anlage des Mitteldarmes
gehalten hat.
Auch Lemoine hat das Dorsalorgan und beide cuticularen Hüllen
beschrieben, allein seine Beschreibung ist fast durchwegs unrichtig:
so ist die erste Keimhülle (»membrane amniotique«) nach Lemoine
ein zelliges Gebilde und entspricht dem Amnion und der Serosa der
Insekten; mit dem Dorsalorgan ist sie vermittels eines besonderen
550 Jur. Philiptschenko,
Apparates, der » ampoule amniotique « verbunden, welche durch Aus-
stülpung von Elementen des Hypoblasts gebildet wird usw. Die meri-
dionale Hülle hält er für den Blastoporus, auf dessen Grunde die Diffe-
renzierung des unteren Keimblattes vor sich geht.
Unter den späteren Arbeiten sind die Angaben von Wheeler,
Uzel und Prowazek nur sehr kurz und geben wenig wesentlich Neues,
doch haben die beiden ersteren Autoren erstmals die kompakte Anlage
des Dorsalorganes beschrieben. Miss Claypole hat alle diese Vor-
gänge am ausführlichsten besprochen. Die Anlage des Dorsalorgans
und sein Bau wird in ihrer Arbeit im allgemeinen ganz übereinstimmend
mit meinen Befunden beschrieben, doch spricht sie kein Wort von den
Paracyten. Ebenso wird auch die tiefe meridionale Furche, die Ver-
lagerung des Dorsalorgans und seine Rückausstülpung auf die Ober-
fläche mit keinem Worte erwähnt, ebenso wie Miss Claypole auch
nicht bei dem Prozesse des Zerreißens des Chorions verweilt. Ander-
seits wird nach ihrer Beschreibung noch vor der Bildung jener beiden
cuticularen Hüllen, welche auch von mir und den vorhergehenden
Autoren beschrieben worden sind ("first and second crenated mem-
brane" nach Miss Claypoles Terminologie) durch die Oberfläche des
Embryos noch eine Hülle abgeschieden, und zwar die "preparatory
membrane". Das Vorhandensein dieser letzteren bei Anurida wird
übrigens durch Folsom nicht bestätigt.
Alle früheren Autoren haben diese cuticularen Hüllen als blasto-
dermale Hüllen bezeichnet, welcher Ausdruck auch von Miss Claypole
verwendet wird, obgleich sie die oberflächlichen Zellen des Embryos
auf diesen Stadien ganz richtig als das Ectoderm ansieht. In diesem
Falle ist eine solche Bezeichnung natürlich nicht anwendbar, weshalb
ich auch keinen Gebrauch davon gemacht habe, obgleich anderseits
kein Zweifel darüber bestehen kann, daß diese embryonalen Cuticulae
bei den Collembola durchaus den blastodermalen Hüllen vieler Arthro-
poden entsprechen, bei denen ein großer Teil des Eies von dem Blasto-
derm bedeckt ist, während die Keimblätter nur an einem genau fest-
gestellten Teil des Eies entwickelt sind. — Auf die Bedeutung dieser
Keimhüllen werden wir noch am Schlüsse unsrer Arbeit zurückkommen.
V. Die dritte Periode der Entwicklung. - Anlage und Differenzierung
des Keimstreifens, Umrollung des Embryos.
(Tafeln XI, XII, XIII.)
Die dritte Periode in der Entwicklung beginnt sofort nach dem
Abwerfen des Chorions mit der Anlage und Differenzierung des Keim-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 551
Streifens; um diese Zeit werden alle Extremitäten angelegt und es geht
die Umrollung des Embryos vor sich, welcher seine ursprüngliche
dorsale Krümmung in eine ventrale abändert. — Die Dauer dieser
Periode, welche schon recht schwer von der letzten abzugrenzen ist,
ist mehr oder weniger übereinstimmend mit der Dauer der zweiten
Periode der Entwicklung, d. h. sie beträgt ungefähr 4 Tage.
Indem ich durchaus mit der Bemerkung von Carriere (1897)
übereinstimme: »die Zahl und die Leichtigkeit oder Schärfe der Ab-
grenzung von Entwicklungsstadien bei Embryonen steht bekanntlich
im umgekehrten Verhältnis zur Menge des verfügbaren Materials«
(S. 299), halte ich es doch für bequemer, sowohl diese Entwicklungs-
periode wie auch die vierte in eine Reihe von Stadien zu zerlegen und
nach diesen die Beschreibung weiter zu führen. Obgleich dank der
großen Menge des zu meiner Verfügung stehenden Materials fast zwischen
allen diesen Stadien Übergänge vorhanden sind, so wird die Sache
durch eine solche Behandlungsweise doch bedeutend vereinfacht, da
die Embryonen um diese Zeit schon einen weit komplizierteren Bau
besitzen. — Die Stadien bezeichne ich durch einzelne Buchstaben,
während ihre äußere Gestalt in den Fig. 23 (Taf. XI) und Fig. 27—36
(Taf. XII) wiedergegeben ist.
Stadium A. Das Aussehen des jüngsten, mir zur Verfügung
stehenden Stadiums dieser Periode ist auf der Fig. 23 dargestellt.
Hier fällt uns vor allem der Umstand in die Augen, daß um das Ei
herum schon der Keimstreifen angelegt ist, welcher sich mit seinem
vorderen und seinem hinteren Ende an das Dorsalorgan (DO) an-
schließt. An diesem Keimstreifen sind die dicht unter dem Dorsai-
organ liegenden Kopflappen (Kl) und die vier ersten Segmente (segm)
differenziert, während seine hintere Hälfte noch das Aussehen eines
nicht segmentierten Stranges besitzt, welcher ebenfalls bis an das
Dorsalorgan heranreicht. Diese ersten Segmente repräsentieren die
Segmente der Mundwerkzeuge und das erste Brustsegment, was durch
Vergleichung dieses Stadiums mit dem darauffolgenden festgestellt
werden kann.
Allein nicht die gesamte Oberfläche des Eies ist von dem Keim-
streifen bedeckt: schon auf Totalpräparaten solcher Embryonen, deren
einer in unsrer Fig. 23 abgebildet ist, kann man deutlich sehen, daß
der Keimstreifen die ganze Ventralfläche des Embryos umfaßt und
an dessen vorderer und hinterer Seite näher zum Dorsalorgan eine
Erweiterung bildet (für die Kopflappen und das Schwanzende), während
die lateralen Seiten des Eies frei von ihm sind und aus diesem Grunde
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 36
552 Jur- Philiptschenko,
heller erscheinen. Eine völlig deutliche Vorstellung von allen diesen
Verhältnissen erhalten wir übrigens erst durch Querschnitte durch den
Embryo, etwa wie sie auf den Fig. 24 und 25 abgebildet sind.
Auf der Fig. 25 ist ein Schnitt dargestellt, welcher das Dorsal-
organ und die Genitalanlage (g) getroffen hat und den Keimstreifen
auf der Ventralseite des Eies durchschneidet, wo derselbe noch nicht
segmentiert ist. Hier ist ein scharfer Unterschied zwischen den Zellen
des Keimstreifens und denjenigen der lateralen Seiten des Eies ober-
halb desselben zu bemerken. — Im Bereiche des ersteren sehen wir
zwei Schichten cylindrischer, durch scharf ausgesprochene Grenzen von-
einander getrennter Zellen: die äußere Schicht ist das Ectoderm (ect),
die innere stellt das untere Blatt (üb) dar. Auf den lateralen Seiten
des Embryos dagegen, zwischen dem Keimstreifen und dem Dorsal-
organ, sind im Gegensatz zu den vorhergehenden Stadien der zweiten
Entwicklungsperiode, gar keine Elemente des unteren Blattes mehr
zu sehen; Ectoderm ist hier vorhanden, aber es besteht nicht aus
cylindrischen, sondern aus flachen Zellen (he), deren es verhältnis-
mäßig viel weniger sind, als im Bereiche des Keimstreifens.
Die Fig. 24 stellt einen Schnitt durch den vorderen Teil des Em-
bryos dar: das Dorsalorgan ist hier nicht mehr vorhanden, und im
oberen Teil des Schnittes (Kl) treffen wir keine flachen ectodermalen
Zellen, sondern wiederum hohe cylindrische an und unter denselben
eine Schicht ebensolcher Elemente des unteren Blattes: es ist dies
ein Teil der auf den Schnitt geratenen Kopf läppen. Auf dem unteren
Teile unsrer Zeichnung sehen wir die gleichen beiden Schichten, aber
mit einer Einschnürung in der Mitte und in Gestalt zweier Vorsprünge
zu beiden Seiten derselben (segm), da dieser Schnitt eines der Segmente
des Keimstreifens getroffen hat. Die seitlichen Erweiterungen eines
solchen Segmentes ergeben auf den darauffolgenden Stadien Fortsätze
für die in der Bildung begriffenen Extremitäten. Der kleine Zwischen-
raum zwischen den Kopflappen und dem ventralen Teil des Keim-
streifens ist auch auf diesem Schnitte mit ebensolchen ectodermalen
Zellen ohne Unterlage von Elementen des unteren Blattes bedeckt,
wie die lateralen Seiten des Embryos auf Fig. 25.
Auf Querschnitten durch das allerhinterste Ende des Embryos
werden wir diese flachen ectodermalen Zellen, wie dies bei Betrachtung
seiner äußeren Gestalt (Fig. 23) leicht ersichtlich ist, gar nicht mehr
antreffen, indem hier das ganze Ei von den zwei Schichten des Keim-
streifens umgeben ist. i
Mit einem Worte, auf diesem Stadium beginnt sich ein schroffer
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 553
Gegensatz zwischen dem Keimstreifen, welcher die ganze vordere,
hintere und ventrale Seite des mittleren Teiles des Eies einnimmt
und dessen lateralen Seiten bemerkbar zu machen: ersterer besteht
nach wie vor aus den beiden Keimschichten, während die lateralen
Seiten nur mit flachen ectodermalen Zellen bedeckt sind, welche auf
durch die Mitte des Eies geführten Schnitten demnach dessen gesamte
obere Hemisphäre bedecken (Fig. 25). — In meinen ferneren Dar-
legungen werde ich mich für diese Zellen des Ausdruckes »Hüllen-
ectoderm« bedienen, mit welchem Hirschler (1909b) bei Donacia die
Anlage der Serosa, im Gegensatz zum Keimectoderm für den Keim-
streifen und das Amnion, bezeichnet, indem, wie wir gleich sehen
werden, diese flachen Zellen des Ectoderms durchaus der Serosa der
Insekten entsprechen. Ich möchte hier noch bemerken, daß dieser
Ausdruck für die Collembola vollständig angebracht ist, da ihr
Hüllenectoderm in Wirklichkeit Ectoderm ist, in bezug auf die Ptery-
gota hingegen in Hüllenblastoderm umgeändert werden muß, weil
Hirschler, als er diesen Namen verwendete, unter dem Ectoderm das
Blastoderm verstand, indem er sich der Auffassung von Heymons
von der entodermalen Natur der Dotterzellen anschloß ; letztere Auffas-
sung, auf welche wir weiter unten noch ausführlicher zurückkommen
werden, läßt sich indessen gegenwärtig wohl kaum mehr aufrecht
erhalten.
Die oben beschriebenen Verhältnisse gestatten es auch uns eine
Vorstellung davon zu machen, wie der Keimstreifen angelegt wird.
Augenscheinlich entsteht er durch eine größere Ansammlung von Zellen
des Ectoderms wie auch des unteren Blattes in jenem ziemlich be-
trächtlichen Teile der Eioberf lache, welche von ihm bedeckt ist: diese
größere Ansammlung von Zellen im Bereiche des Keimstreifens kommt
dadurch zustande, daß ein Teil der Ectodermzellen und alle Zellen
des unteren Blattes von den lateralen Seiten des Embryos entweder
nach der Ventralseite oder nach dem Vorder- und Hinterende aus-
wandern, was zur Folge hat, daß diese lateralen Seiten nur noch von
einer dünnen Schicht flacher Ectodermalzellen - - dem sogenannten
Hüllenectoderm — bedeckt erscheinen.
Diese Auswanderung der Zellen des unteren Blattes (des »Meso-
derms «) bei der Bildung des Keimstreifens erwähnt auch Miss Claypole
in ihrer Arbeit. — Auf ganz analoge Weise entsteht der Keimstreifen
nach Uzel auch bei Campodea, wo ebenfalls, wie dieser Autor sich
ausdrückt, eine Zusammenziehung des Blastoderms nach einer Hemi-
sphäre des Eies stattfindet; hier entsteht denn auch die Anlage des
36*
554 Jur. Philiptschenko,
Keimstreifens, welcher in Bälde zwei Drittel der Eioberf lache einnimmt.
Eine ähnliche Zusammenziehung der Elemente, wenn auch nicht der
Keimblätter, sondern des Blastoderms, findet auch bei der Bildung
des Keimstreifens bei einigen Pterygota statt, wie dies unter anderm
von Knower (1900) für Eutermes angegeben wird; in andern Fällen
hat der Keimstreifen der höheren Insekten indessen eine andre Ent-
stehung, und zwar durch Verschmelzung besondrer Bildungscentren
miteinander, was für die Orthoptera charakteristisch zu sein scheint
[Cholodkowsky (1891), Wheeler (1893), Heymons (1895)].
Vergleichen wir das von uns beschriebene Stadium A mit dem
letzten Stadium der zweiten Periode, so ist der Unterschied zwischen
ihnen ein recht beträchtlicher. Abgesehen davon, daß die gesamte
Oberfläche schon ganz eben geworden ist, so daß von den früheren
Falten und Furchen nichts mehr übrig bleibt, und daß durch Zu-
sammenziehung der Zellen der Keimstreifen entstanden ist, finden
wir auf dem letzteren außer den Kopf läppen auch schon vier Segmente.
Augenscheinlich besteht hier eine Lücke, und vor unserm Stadium A
besteht in Wirklichkeit noch ein Stadium, welches in meinem Material
nicht vertreten ist. In den Arbeiten von Uzel und Prowazek finden
sich ganz bestimmte Hinweise darauf, daß bei den von ihnen unter-
suchten Embryonen ein Stadium mit angelegten Kopflappen und
Mandibelsegment vorhanden war, wobei der übrige Keimstreifen noch
keine Segmentierung aufwies. Dieses Stadium bildet denn auch offen-
bar das fehlende Bindeglied zwischen dem Stadium A und dem Ende
der zweiten Entwicklungsperiode.
Da der Charakter des Dorsalorgans sich während des Verlaufs
der ganzen dritten Periode der Entwicklung nicht verändert, so können
wir dasselbe gleich hier bei dem Stadium A beschreiben. Während
der zweiten Periode der Entwicklung war die Oberfläche dieses Organs,
wie wir bereits mitgeteilt haben, völlig glatt und bildete eine direkte
Fortsetzung der Oberfläche des Ectoderms ; nunmehr erblicken wir aber
ein ganz andres Bild (Fig. 26). Der Charakter seiner Zellen bleibt der
frühere (ein vacuolisierter innerer und ein fibrillärer äußerer Teil),
allein nach dem Zerreißen des Chorions ragen die äußeren Enden dieser
Zellen über die Oberfläche des Hüllenectoderms hervor und gehen
gleichsam in ein Bündel feiner Fäden über, welches hierauf eine pilz-
förmige Gestalt annehmend breiter wird und mit einer der cuticularen
Hüllen des Embryos in Verbindung tritt. Es kann als allgemeine
Regel angesehen werden, daß eine solche Verbindung zwischen dem
Dorsalorgan und der zweiten embryonalen Hülle (h2) stattfindet, wie
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 555
dies auf Fig. 23 und 25 zu sehen ist. Allein bisweilen traf ich Embryonen
an, bei denen eine solche pilzförmige, über die Oberfläche des Ecto-
derms hervorragende Verlängerung der Zellen des Dorsalorgans bis
zu der äußeren embryonalen Hülle (h±) reichte und sich dicht an deren
innerer Oberfläche befestigte, indem sie auf diese Weise den ganzen
Embryo mit dieser Hülle verband (Fig. 26). Eine solche Erscheinung
wurde übrigens bedeutend seltener beobachtet.
Fügen wir hier noch hinzu, daß sowohl die Fibrillen an den äußeren
Enden der Zellen des Dorsalorgans, als auch besonders dieser pilzförmige
äußere Fortsatz desselben sich mit Wasserblau intensiv färben ließen,
so wird man diese ganze Erscheinung ebenfalls als ein Ergebnis jener
secretorischen oder excretorischen Tätigkeit des Dorsalorgans ansehen
können, von der schon oben die Rede war. Die in seinen Zellen hervor-
gebrachte Substanz tritt nach außen, und zwar in Gestalt eines Bündels
von höchstwahrscheinlich klebrigen Fäden, welche gleichsam eine Fort-
setzung der Zellen des Dorsalorgans darstellen, und befestigt sich an
der inneren, bei sehr intensiver Ausscheidung dagegen an der äußeren
Hülle des Embryos.
Es dürfte meines Erachtens recht schwer halten, diesen Bildern
eine andre Deutung zu geben.
Stadium B. Auf diesem Stadium umgibt der Keimstreifen das
ganze Ei, wie dies auch auf dem Stadium A der Fall war, und ist dem-
nach noch durchaus co'nvex. Allein es sind dennoch, wie dies schon
bei der äußerlichen Betrachtung der Embryonen dieses Stadiums
(Fig. 27) zu sehen ist, gewisse Veränderungen in denselben vor sich
gegangen. — Neben dem unteren Rande der Kopflappen (Kl) finden
sich die Anlagen der Antennen (ant), die auf dem vorhergehenden
Stadium noch nicht vorhanden waren und hier, wie bei den übrigen
Insekten, durch Abtrennung von dem unteren oder hinteren Rande
dieser Lappen gebildet werden. Segmente sind auf dem Keimstreifen
in größerer Anzahl zu sehen und dieselben sind dank dem Umstände
viel schärfer ausgesprochen, daß an ihnen die Extremitäten hervor-
zuwachsen beginnen. Für gewöhnlich besitzen die Embryonen auf
diesem Stadium hinter den Antennen bereits sechs wohl ausgebildete
Segmente, von denen ein jedes mit Extremitätenanlagen in Gestalt
zweier seitlicher Fortsätze versehen ist, welche auf solchen Total-
präparaten scharf hervortreten, wie sie der Fig. 27 als Modell gedient
haben. Augenscheinlich stellen diese Fortsätze auf unsrer Zeichnung
die Mandibeln (md), das erste und das zweite Maxillenpaar (mx-^ und
mx2), sowie die drei Paare von Thoracalfüßen dar (thx — ih3). An
556 Jur. Philiptschenko,
Embryonen, welche dem Anfang dieses Stadiums angehören, sieht
man für gewöhnlich nur fünf Segmente, indem das letzte Thoracal-
segment noch mit der nicht segmentierten hinteren Hälfte des Keim-
streifens verschmolzen ist: ein Sagittalschnitt durch einen derartigen
Embryo ist auf Fig. 38 dargestellt. Im Dotter liegt in der Nähe von
diesem nicht segmentierten Teil des Embryos nach wie vor die Genital-
anlage (g); die Oberfläche des Eies ist da, wo sie nicht von dem Keim-
streifen eingenommen ist, wie früher auf dem Stadium A mit flachen
ectodermalen Zellen bedeckt, welche wir das Hüllenectoderm genannt
haben (Fig. 39 he).
Elemente des unteren Blattes (üb) sind, wie auch früher, überall
unter dem Ectoderm (ect) des Keimstreifens enthalten (Fig. 38), allein
dieses Blatt bleibt nicht überall einschichtig, wie dies auf dem Sta-
dium A und während der zweiten Periode der Entwicklung der Fall
war, sondern es läßt in den bereits gebildeten Segmenten die Somiten
entstehen. Auf einem Querschnitt durch den Embryo, welcher durch
eines seiner Segmente geführt ist (Fig. 39), sehen wir, daß im mittleren
Teile des Keimstreifens das untere Blatt wie vorher einschichtig ist,
während sich seine Zellen in den lateralen Teilen desselben, aus denen
die Extremitäten hervorwachsen, in zwei Schichten anordnen, wobei
sie geschlossene Bläschen, d. h. die Somiten bilden (so). — ■ In einem
jeden der Segmente befindet sich demnach auf diesem Stadium je ein
Paar oberhalb der aus dem Segmente hervorwachsenden Extremitäten
liegender Somiten, wobei zwischen den Somiten eines Segmentes, die-
selben miteinander verbindend, eine Schicht von Zellen des unteren
Blattes verläuft (isb). Dieses einschichtige Brücken en zwischen den
Ursegmenten, welches auch bei den Embryonen der Pterygota vor-
handen ist, spielt in der weiteren Entwicklung eine beachtenswerte
Rolle, indem es eine der Anlagen des Mitteldarmes darstellt.
Die Bildung der Somiten erfolgt bei Jsotoma cinerea nach dem
gleichen Typus wie bei vielen Orthopteren [Heymons (1895)], bei
Scolopendra [Heymons (1901)] und bei einigen andern Arthropoden,
wenn ein solches Ursegment durch stellenweise Verwandlung eines
einschichtigen Plättchens des unteren Blattes (oder Mesoderms der
Autoren) in ein zweischichtiges Plättchen entsteht, einerlei auf welche
Weise diese Zweischichtigkeit erzielt wird (durch Teilung der Zellen
und Auseinandertreten der Teilungsprodukte oder durch Einkrümmen
der Ränder — was in den meisten Fällen nur sehr schwer genau fest-
zustellen ist). Diese Art und Weise der Entstehung der Somiten noch
vor dem Hereinwachsen der Elemente des unteren Blattes in die Ex-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 557
tremitäten scheint mir primitiver zu sein als die von Heymons (1891)
und Cholodkovsky (1891) bei den Blattidae beschriebenen Ver-
hältnisse, wo der in die Extremität hereingezogene Somit an der
dem Dotter zugewendeten Seite noch offen ist. Letztere Biidungs-
weise entstand wahrscheinlich als eine Modifikation der ersteren und
zwar infolge früheren Hervorwachsens der Extremitäten oder späterer
Anlage der Somiten. Es mag hier auf die' interessante Tatsache hin-
gewiesen werden, daß die Somiten bei Lepisma nach Heymons in der
gleichen Weise wie bei den Blattidae angelegt werden.
Das Stadium C ist vor allem dadurch charakterisiert, daß der
wie zuvor das Ei umfassende Keimstreifen sich von der Ventralseite
her abplattet, was den Beginn seiner Invagination darstellt, sowie durch
den Beginn der Umrollung des Embryos. Diese Abplattung des Em-
bryos erstreckt sich von dem Segmente der ersten Maxillen bis zu dem
dritten Thoracalsegment (Fig. 28). — Auf dieser einen ganzen Embryo
darstellenden Zeichnung sehen wir, daß die Antennen und Extremitäten
beträchtlich an Größe zugenommen haben; letzteres ist namentlich
dann zu sehen, wenn man den Embryo nicht von der Seite, sondern
von der Ventralfläche betrachtet, wobei man denselben vorsichtig
unter dem Deckgläschen hin und her dreht (Fig. 29). Als Neubildungen
treten hier auf: erstens die Differenzierung des ersten Abdominal-
segmentes (Ahäi) hinter dem letzten Beinpaare, hinter dem sich bis
zu dem Dorsalorgan (DO) der noch nicht segmentierte Keimstreifen
hinzieht und zweitens die Oberlippe (Ibr). — Letztere entsteht, wie
auf diesen beiden Figuren zu sehen ist, gleich ihrer gewöhnlichen An-
lage bei den Insekten, in Gestalt eines unpaaren Fortsatzes zwischen
beiden Kopf läppen (Kl) an deren unteren oder hinteren Grenze. Auf
Sagittalschnitten (Fig. 40) ist deutlich zu sehen, daß gleich nach dem
Ectoderm auch Elemente des unteren Blattes an der Bildung des Labrum
beteiligt sind, welche nicht an der Bildung der Somiten teilgenommen
haben. — Es mag hier bemerkt werden, daß es richtiger wäre, auf
diesem Stadium noch nicht von einer Oberlippe, sondern vielmehr von
einer gemeinsamen Clypeo-Labrumanlage zu sprechen, wie dies Hoff-
mann in seiner vorläufigen Mitteilung auch tat, indem der Clypeus sich
erst später von der Oberlippe abtrennt. Da ich indessen in meiner
Arbeit nicht besonders ausführlich bei der Entwicklung der äußeren
Körpergestalt verweile, will ich hier keinen Unterschied zwischen der
Clypeo-Labrumanlage, wie sie von Hoffmann genannt wird, und dem
Labrum schlechtweg machen.
Die Fig. 29, welche den größten Teil des Keimstreifens von der
558 Jur- Philiptschenko,
Ventralseite (gleichsam en face) darstellt, ist noch in einer anderen
Beziehung von Interesse. Aus derselben ist erstens zu ersehen, daß
die Antennen auf diesem Stadium mehr lateral als alle übrigen Extremi-
täten und etwas unterhalb der Oberlippe, d. h. postoral liegen. Letzteres
ist die Regel bei den Pterygota und ist für die Collembola schon
von Folsom und Hoffmann beschrieben worden. Noch mehr Interesse
verdient indessen das aus dieser Figur deutlich hervorgehende gänz-
liche Fehlen irgendwelcher zwischen den Antennen und den Mandibeln
liegender Extremitäten bei unserer Isotoma, d. h. das Fehlen von Rudi-
menten des Intercalarsegmentes. Dieselben sind auch auf dem darauf-
folgenden Stadium D nicht zu sehen; überhaupt habe ich mich, bei
aller Aufmerksamkeit, welche ich diesem Gegenstande zuwandte, davon
überzeugen können, daß diese Gebilde auf keinem einzigen Stadium
in der Entwicklung von Isotoma cinerea auftreten. Und doch haben
alle Autoren, welche die Entwicklung von Anurida maritima unter-
suchten, angefangen von Wheeler, das Vorhandensein von Anhängen
des Intercalarsegmentes bei dieser Form signalisiert; solche Anhänge
wurden auch bei Tomocerus vulgaris durch Hoffmann aufgefunden und
finden sich vielleicht auch bei Sminthurus juscus (? Lemoine — paarige
Anlage der Oberlippe). Indessen hat Pkowazek bei der von ihm
untersuchten Isotoma- Art keine derartigen Anhänge gefunden. In An-
betracht des rudimentären Charakters dieser Gebilde ist es übrigens
durchaus verständlich, daß dieselben selbst bei einander ziemlich nahe-
stehenden Formen bald vorhanden sein, bald fehlen können. Es muß
hier bemerkt werden, daß Anhänge des Intercalarsegmentes bei Cam-
podea vorhanden sind (Uzel), bei Lepisma dagegen fehlen (Heymons);
ebenso verhält sich die Sache auch bei den Chilopoda: bei Geophilus
sind diese Anhänge anscheinend vorhanden [Zograf (1883) — Uzel],
während sie bei Scolopendra fehlen [Heymons (1901)].
Gleichzeitig mit der Anlage der Oberlippe wird auch das Stomo-
däum angelegt, welches bis jetzt bei dem Embryo noch nicht vorhanden
war. Dasselbe ist auf Sagittalschnitten (Fig. 40 std) besonders gut zu
sehen, wobei wir bemerken, daß die für dieses Organ bestimmte ecto-
dermale Invagination dicht unter der Oberlippe (Tbr) liegt und die
Oberfläche des Dotters nicht erreicht ; auf diesem Stadium befindet sich
zwischen dem Boden des Stomodäum und dem Dotter noch eine Schicht
von Elementen des unteren Blattes (üb), welche sodann in eine An-
häufung von Zellen dieses selben Blattes im Innern des Labrum über-
geht. — In dieser Anlage des Vorderdarmes ist im Vergleich mit andern
Insekten nichts besonderes zu bemerken.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 559
Auf solchen Sagittalschnitten, wie auch auf Querschnitten (Fig. 41),
kann man deutlich sehen, daß die Somiten (so) schon in die beträchtlich
herangewachsenen Extremitäten hineinreichen. Nach dem Dotter zu
sind die Ursegmente verschlossen und in jedem Segmente durch ein
einschichtiges Brückchen des unteren Blattes (isb) miteinander ver-
bunden. Auch in den Antennen kann man auf diesem Stadium die
in dieselben sich erstreckenden Somiten des Antennalsegmentes auf
das Deutlichste erkennen ; in dem Intercalarsegment habe ich Rudimente
der Somiten erst auf einem beträchtlich späteren Stadium (E) ange-
troffen.
Die Somiten erstrecken sich demnach, wie dies bei den Ortho-
ptera und Odonata [bei letzteren — Heymons (1896a)] sowie bei
Lepisma der Fall ist, auch bei unsrer Isotoma und, wie dies aus den
Zeichnungen von Folsom hervorgeht, auch bei Anurida und wahr-
scheinlich wohl bei allen Collembolen, bis in die Extremitäten hinein.
Auf den primitiven Charakter dieser Erscheinung, wie auf ihre Über-
einstimmung mit den Verhältnissen bei den Myriopoden und Peripatus
ist schon mehrfach hingewiesen worden.
Endlich wird auf dem Stadium C auch das Nervensystem angelegt.
Auf Querschnitten durch den Keimstreifen (Fig. 41) kann man im
Ectoderm zwischen den hervorwachsenden Extremitäten deutlich große
Zellen (nbl) unterscheiden, welche ziemlich scharf vor den ihnen be-
nachbarten gewöhnlichen ectodermalen Elementen hervortreten. Da
auf dem nächstfolgenden Stadium an der Stelle dieser großen Zellen
die bereits mehrschichtige Anlage des Nervensystems auftritt (Fig. 42
bis 46 n), so wird man diese Zellen, wie mir scheint, für die bei der Ent-
wicklung der höheren Insekten so charakteristischen Neuroblasten an-
sehen können.
Weder auf diesem, noch auf dem folgenden Stadium habe ich auf
Querschnitten eine Neuralrinne beobachtet, so daß man hier auch nicht
von Primitivwülsten sprechen kann, obgleich alle diese Gebilde überaus
charakteristisch für die Embryonen der Arthropoden sind. Auf der die
äußere Gestalt des Embryos des darauffolgenden Stadiums (D) en face
darstellenden Fig. 31 ist wohl eine hellere Linie zwischen den Extremi-
täten zu bemerken, allein Querschnitte durch Embryonen dieses Sta-
diums (Fig. 46) überzeugen uns davon, daß das Nervensystem (n) hier
ziemlich stark entwickelt ist, und daß die Herkunft dieser hellen Linie
sich nur dadurch erklären läßt, daß wir es einfach mit einem helleren
Zwischenraum zwischen der rechten und linken Hälfte des Nerven-
systems zu tun haben, welche sich getrennt haben.
560 Jur- Phiüptschenko,
Ich muß hier übrigens bemerken, daß das Nervensystem bei den
mir zu Gebote stehenden Embryonen für gewöhnlich recht ungenügend
fixiert wurde, schlechter als alle anderen Organe, was sich namentlich
auf jüngeren Stadien deutlich bemerkbar machte. Aus diesem Grunde
gelang es mir auch nur weniges aus seiner Entwicklung festzustellen
und wage ich es deshalb nicht besonders fest auf der Abwesenheit einer
Neuralrinne zu bestehen, indem ich zugebe, daß dieselbe die Folge
schlechter Konservierung darstellen konnte. Über das Vorhandensein
der Neuroblasten dagegen kann wohl kaum ein Zweifel bestehen.
Es sei daran erinnert, daß schon Heymons Neuroblasten bei
Lepisma saccharina gefunden hat, und daß bei dieser Form auch Primi-
tivwülste mit einer dazwischen liegenden Furche deutlich zu sehen
waren. Miss Claypole erwähnt bei ihrer flüchtigen Besprechung der
Entwicklung des Nervensystems bei Anurida, daß "the brain and
ventral cord both arise in the same way as that described by Wheeler
for Xiphidium, — by the proliferation from single ectoderm cells
until row of nerve cells arise" (p. 279). — Augenscheinlich wird man
die Entwicklung des Nervensystems mit Hilfe von Neuroblasten als
allgemein gültige Regel für alle Insekten, sowohl die Pterygota, wie
auch die Apterygota, ansehen können.
Stadium D. Auf diesem Stadium beginnt die Invagination des
mittleren Teiles des Keimstreifens in den Dotter und die sogenannte
Umrollung des ganzen Embryos, welcher dabei statt seiner früheren
dorsalen Krümmung eine ventrale annimmt. Wie dies an dem ganzen
Embryo (Fig. 30), sowie auf Sagittalschnitten (Fig. 42) deutlich zu
sehen ist, erleidet gerade derjenige Teil des Keimstreifens eine Invagina-
tion, welcher auf dem vorhergehenden Stadium eine mehr abgeplattete
Gestalt annahm, d. h. der Teil von dem ersten maxillaren bis zu dem
letzten thoracalen Segmente: das Mandibular- und das erste Abdomi-
nalsegment verbleiben noch ganz und gar auf der convexen Oberfläche
des Eies. Die Umbiegungsstelle des Keimstreifens fällt um diese Zeit,
wie dies auf den Zeichnungen zu sehen ist, mit dem ersten Thoracal-
segment zusammen. — Im allgemeinen kann man dieses Stadium als
das Stadium der unvollkommenen Umrollung des Embryos bezeichnen,
da die Invagination des Keimstreifens ihr Maximum erst auf dem
nächstfolgenden Stadium (E) erreicht. — Zwischen dem Stadium des
abgeplatteten Keimstreifens (C), dem Stadium der unvollkommenen (D)
und demjenigen der vollkommenen Umrollung des Embryos (E) liegt
nun eine Reihe von Übergängen vor, wie übrigens fast zwischen allen
Stadien.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 561
Die ursprünglich dorsale Krümmung des Keimstreifens und der
darauf folgende Übergang zu ihrer ventralen Krümmung ist eine ge-
meinsame Erscheinung für alle Collembola, deren Entwicklung von
irgend einem der Autoren beobachtet worden ist. Eine genau ebensolche
Umrollung findet nach den Beobachtungen von Uzel auch bei Cam-
podea statt, während bei L&pisma der Keimstreifen, wahrscheinlich
wohl rein sekundär, sofort eine ventrale Krümmung besitzt. Auch bei
vielen Pterygota haben wir einen anfänglich dorsal gekrümmten
superficiellen Keimstreifen, und der Überrest seiner Umrollung auf die
ventrale Seite bildet hier die sogenannte Caudalkrümmung bei einigen
Formen (Forficula, Gryllotal'pa, Donacia u. a. m.). Eine ebenso voll-
kommene Umrollung des Embryos wie bei den Collembola findet end-
lich auch bei den Embryonen der Chilopoda und der Spinnen statt.
i Es fragt sich nunmehr, wodurch diese Erscheinung hervorgerufen
wird und welche Bedeutung ihr zukommt? — Wir haben schon weiter
oben erwähnt, daß Montgomery (1909) kürzlich den Versuch gemacht
hat, die Umrollung bei den Spinnen auf rein mechanischem Wege zu
erklären, und zwar durch die Verlängerung der Beine und den von
diesen auf die Seitenwandungen des Embryos ausgeübten Druck.
Gegen eine solche rein mechanische Erklärung hat sich Kautsch (1909)
ausgesprochen und später hat dieser Autor auch das Unrichtige von
Montgomery 's Gesichtspunkt durch Versuche mit dem Entfernen des
Dotters nachgewiesen (1910b). Ich kann mich vollständig der Ansicht
von Kautsch anschließen und halte dafür, daß dieser ganze Prozeß sich
nur durch die rein aktive Tätigkeit des Embryos selbst erklären läßt.
Dotter ist namentlich in den Eiern der Collembola nicht besonders viel
enthalten und die Beine der Embryonen des Stadiums D (vgl. Fig. 30,
31, 46) sind noch garnicht so groß, und doch hat die Umrollung bereits
begonnen und etwa ihre Hälfte erreicht. Was nun die Bedeutung dieser
Erscheinung betrifft, so erklärt Wheeler (1893) die Krümmung des
Embryos (»blastokinesis«) dadurch, daß letzterer gezwungen sei, frische
Portionen Dotters aufzusuchen, während Heymons (1896a) diesen
Übergang der dorsalen Krümmung in die ventrale mit der Bildung des
Rückens in Zusammenhang bringt. Es erscheint sehr wahrscheinlich,
daß sowohl das eine, wie das andre im gegebenen Falle eine gewisse
Bedeutung hat.
Der superficielle Keimstreifen der Insekten galt lange Zeit hin-
durch als sekundäre Erscheinung, als hervorgegangen aus dem invagi-
nierten Keimstreifen, wie bei den Libellulidae, Rhynchota, Di-
plopoda [Will (1888), Korschelt und Heider, 1. Aufl. (1892)].
562 Jur- Philiptschenko,
Eine Zurechtstellung dieser Auffassung verdanken wir Heymons durch
eine ganze Reihe seiner vorzüglichen Arbeiten (1895, 1896, besonders
aber 1901); dieser Autor hat festgestellt, daß der dorsal gekrümmte
Keimstreifen ohne Amnion (wie bei den Spinnen, den Chilopoda und
den meisten Apterygota) den ursprünglichen primären Fall darstellt
und daß aus ihm erst alle andern Krümmungsweisen der Embryonen
hervorgegangen sind. In neuerer Zeit wurde die alte Auffassung durch
Willey (1899) und Hieschler (1909b) aufrecht erhalten, und zwar
betonten beide Autoren dabei die Übereinstimmung in der ventralen
Krümmung bei Lepisma und den Diplopoda. Allein die letzten
Beobachtungen von R. u. H. Heymons (1905) an Machilis scheinen
mir die Theorie des ersteren vollauf zu bestätigen und nicht nur zu
zeigen, wie das Amnion entstanden ist, sondern auch den Nachweis
dafür zu liefern, daß die ventrale Krümmung bei Lepisma durch Ver-
lust der einst vorhanden gewesenen dorsalen Krümmung hervorgegan-
gen ist, welch letztere bei Machilis noch bis zu einem gewissen Grade
erhalten geblieben ist. Abgesehen davon spricht die Übereinstimmung
aller dieser Verhältnisse bei den Spinnen, den Chilopoda und den
Apterygota für den primitiven Charakter des dorsal gekrümmten
Keimstreifens mit darauf folgender Umrollung. In Anbetracht alles
hier Gesagten schließe ich mich der Ansicht von Heymons in betreff
der Krümmung der Embryonen bei den Arthropoden völlig an.
Indem wir wieder auf unsre Embryonen des Stadiums D zurück-
kommen, wollen wir uns zunächst mit ihrem äußeren Bau (Fig. 30, 31)
beschäftigen. In dem Dorsalorgan (DO), den Kopflappen (Kl) und
der Oberlippe sind keinerlei irgendwie bemerkbaren Veränderungen
vor sich gegangen. Die Antennen (ant) und die thoracalen Beine
(thx,2, 3) haben beträchtlich an Länge zugenommen und an ihnen ist
schon eine, wenn auch noch sehr schwache Gliederung zu bemerken.
Die Antennen bestehen auf diesem Stadium aus drei Gliedern von
mehr oder weniger gleicher Länge: wie dies schon von Hoffmann
für Tomocerus angegeben wurde, trennt sich das erste — proximale
— dieser Glieder etwas früher ab, als die Grenze zwischen dem zweiten
und dritten — dem mittleren und dem distalen — Gliede auftritt. Ein
jedes thoracale Bein besteht aus zwei scharf abgegrenzten Gliedern,
von denen das proximale kürzer ist als das distale.
Von den zukünftigen Mundwerkzeugen haben sich die Mandibeln
(Fig. 31 md), abgesehen von der Zunahme ihrer Dimensionen, nur
wenig verändert; um diese selbe Zeit treten zwischen ihnen die An-
lagen der paarigen Teile des Hypopharynx auf, die sogenannten Para-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 563
glossae (prgl), doch werden wir bei diesen etwas später ausführlicher
verweilen. In den Maxillen des ersten und zweiten Paares ist eine
wesentlichere Veränderung vor sich gegangen, welche nicht nur ihre
Länge, sondern auch ihre ganze Gestalt betrifft, wie dies an der auf
der gleichen Fig. 31 abgebildeten ersten und zweiten Maxille (mx1
und mx2) zu ersehen ist. Der distale (End-)Teil eines jeden solchen
Anhanges erweitert sich merklich und verlängert sich in seitlicher
Richtung, so daß die ganze Anlage der Maxille Ähnlichkeit mit der
Gestalt eines Stiefels erhält, namentlich wenn man sie nicht von unten,
wie sie auf Fig. 31 abgebildet ist, betrachtet, sondern von vorn oder
auf einem Querschnitt (Fig. 51, 52). Dieser seitliche Fortsatz (plp)
oder »Conus«, wie er von Hoffmann bezeichnet wird, bildet die Anlage
des Maxillar- oder Labialpalpus, der übrige Teil dagegen den Maxillen-
stamm, an dem ein solcher Palpus befestigt ist. — Ich gehe hier nicht
weiter auf diese Verhältnisse ein, da wir bereits ausführliche Arbeiten
über die Entwicklung der Mundwerkzeuge bei den Collembola be-
sitzen (Folsom, Hoffmann).
Auf dem ersten Abdominalsegmente besitzen die Embryonen des
Stadiums D bereits ein Paar von Anhängen (Fig. 30, 31, 42 abd±),
welche sich später in den Tubus ventralis verwandeln: diese Anhänge
sind bedeutend kürzer als die Beine und weisen einstweilen keine
Gliederung auf. In dieselben erstrecken sich, wie in alle Extremitäten,
die Somiten (Fig. 42). — Der bisher ungegliedert gebliebene hintere
Teil des Keimstreifens hinter dem ersten Abdominalsegment zer-
fällt nunmehr, wie dies aus der gleichen Figur zu ersehen ist, in ein-
zelne Segmente. Um diese Zeit kann man hinter den Anlagen des
Tubus ventralis für gewöhnlich drei solche Segmente zählen (Äbd2,
Abd3, Abd±), welche übrigens das zweite, dritte und vierte Abdominal-
segment darstellen. Extremitäten sind an ihnen auf diesem Stadium
noch nicht vorhanden, allein die Elemente des unteren Blattes be-
ginnen schon sich zu Somiten (so) zusammenzulegen. Äußerlich ist
die beginnende Segmentierung des Abdomens gewöhnlich weniger
deutlich zu sehen und von ihrem Vorhandensein wird man sich am
besten an der Hand solcher Sagittalschnitte überzeugen können, wie
derjenige, nach welchem die Fig. 42 angefertigt worden ist. Hinter
dem in der Bildung begriffenen vierten Abdominalsegment ist ein
kleiner Bezirk des Keimstreifens noch nicht in die zwei letzten Seg-
mente differenziert.
Gerade in diesem Endabschnitt des Keimstreifens wird auf dem
Stadium D das Proctodäum angelegt, während später die Analöffnung
564 Jur- Philiptschenko,
dem letzten (sechsten) Abdominalsegment angehört (dem sogenannten
Analsegment der erwachsenen Collembola). Die Invagination des
Ectoderms für die Bildung des Enddarmes ist auf Sagittalschnitten
(Fig. 43 prd) besonders deutlich zu sehen : um diese Zeit reicht sie noch
nicht bis an den Dotter heran und zwischen diesem letzteren und dem
Boden der Einsenkung befinden sich Elemente des unteren Blattes (üb).
Mit einem Worte, die Entwicklung des Proctodäum auf dem Stadium D
entspricht vollkommen den Verhältnissen, welche wir bei dem Stomo-
däum auf dem vorhergehenden Stadium (C) gesehen haben. Die erste
Anlage des Enddarmes erfolgt also nach dem für alle Insekten üblichen
Typus.
Was die Anlage des Vorderdarmes betrifft (Fig. 44 std), so haben
dessen Dimensionen im Vergleiche mit dem Stadium C beträchtlich
an Größe zugenommen, namentlich aber seine Länge, und derselbe
reicht nunmehr bis an den Dotter heran, indem er sich mit seinem blin-
den Ende auf denselben stützt. Zwischen letzterem und dem Dotter
sind keine Elemente des unteren Blattes mehr vorhanden, sondern
diese umgeben das Stomodäum von vorn, von hinten und von den
Seiten. Wie dies aus der Fig. 44 zu ersehen ist, legt sich eine Anhäu-
fung des unteren Blattes innerhalb des Labrum (Ihr) den Zellen des
Vorderdarmes von vorn an, von hinten dagegen eine ebensolche An-
häufung, welche ebenfalls nicht an der Bildung der Somiten teilnimmt.
Wie wir weiter unten sehen werden, wird eben auf Kosten dieser
letzten Anhäufung die vordere Mitteldarmanlage gebildet.
Auf diesen zwei Zeichnungen sind außer den Elementen des Keim-
streifens auch die mehr flachen Elemente des Hüllenectoderms (he)
abgebildet: wie dies auch auf allen vorhergehenden Stadien der Fall
war, bedecken dieselben hier die dorsale und die lateralen Seiten des
Embryos. Diese Zellen sind auch auf Totalpräparaten gut zu sehen,
so z. B. auf unsrer Fig. 30.
An dem unteren Blatte sind im Vergleich zu dem vorhergehenden
Stadium keinerlei besondere Veränderungen vor sich gegangen. Nur
nehmen infolge der Verlängerung der Extremitäten auch die sich in
dieselben erstreckenden Somiten merklich an Länge zu, was aus unsren
Fig. 45 und 46 deutlich zu ersehen ist, von denen die erstere einen
Querschnitt durch das Mandibularsegment, die zweite dagegen einen
solchen durch eines der Thoracalsegmente darstellt. Die Somiten
eines jeden Segmentes bleiben wie früher durch eine Schicht von Zellen
des unteren Blattes (isb) über dem Nervensystem miteinander in Ver-
bindung. Von der Vermehrung; der Zahl der Somiten durch Bildung
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 565
von neuen in den entstehenden Abdominalsegmenten ist schon oben
die Rede gewesen.
Die Entwicklung des Nervensystems hat, wie aus den Fig. 42 — 46
zu ersehen ist, bedeutende Fortschritte gemacht. Statt einer Schicht
von Neuroblasten in dem Ectoderm der Ventralseite zwischen den
Extremitäten, wie wir sie auf dem Stadium C gesehen haben, befindet
sich hier nunmehr schon eine mehrschichtige Anlage des Nerven-
systems. Ich habe oben darauf hingewiesen, daß infolge der
schlechten Fixierung namentlich des Nervensystems dessen Ent-
wicklung auf diesen Stadien nicht ausführlicher untersucht werden
konnte. Allein auf einigen Schnitten war die Anordnung der Zellen
in dieser Anlage jener säulen- oder reihenförmigen Anordnung der-
selben ziemlich ähnlich, wie sie bei der Abtrennung der Ganglienzellen
von den Neuroblasten so charakteristisch ist (s. die Fig. 42 — 46).
Man könnte vermuten, daß dieser Prozeß bei den Collembola wie
bei allen übrigen Insekten verläuft.
Die Anlage des Nervensystems wird nicht allein mehrschichtig,
sondern wir bemerken auch noch eine weitere Differenzierung in der-
selben. Auf Querschnitten kann man nunmehr schon deutlich be-
merken, daß sie aus zwei Längshälften besteht (Fig. 46), was denn auch
das Auftreten jener hellen Linie an der Ventralseite der Embryonen,
wenn man dieselben en face untersucht (Fig. 31), zur Folge hat,
von welcher schon oben die Rede war. Eine deutlichere Einteilung
dieser Anlage in einzelne Ganglien ist noch nicht vorhanden, doch
beginnen letztere in dem Kopf- und Brustabschnitt schon bemerkbar
zu werden, wobei ein jedes von ihnen aus zwei Hälften besteht (Fig. 46),
was indessen auf dem nächsten Stadium (E) noch deutlicher wird.
Bei der Besprechung eben dieses Stadiums werden wir die Bildung
des Gehirns im Bereiche der Kopflappen und unterhalb derselben aus-
führlich beschreiben, obgleich der Anfang dieses Prozesses sich auch
auf das Stadium D bezieht.
Wir haben nunmehr nur noch bei den Paraglossen zu verweilen.
Ihre erste Anlage zwischen den Mandibeln tritt gerade auf diesem
Stadium auf; zwar ist sie auf Totalpräparaten auch ziemlich deutlich
zu sehen (Fig. 31), doch ist es besser hier Querschnitte heranzuziehen.
Ein solcher Querschnitt durch das Mandibularsegment ist auf Fig. 45
abgebildet und es ist auf demselben die Anlage dieser Paraglossae {prgl)
in Gestalt zweier Höckerchen zwischen den Mandibeln (md) auf das
Deutlichste zu sehen. — Eine ähnliche paarige Anlage der Paraglossae
wurde bereits von Folsom und von Hoffmann beschrieben, allein keiner
566 Jur. Philiptschenko,
dieser Autoren hat dabei ein außerordentlich wichtiges Detail beachtet :
auf demselben Schnitte bemerkt man im Innern der ersten Höckerchen
für die Paraglossae eine Anhäufung von Ganglienzellen (n), d. h. hier
befindet sich die Anlage des Mandibularganglions. Genau dasselbe
Bild kann man auch auf Schnitten durch das Mandibularsegment auf
dem nächsten Stadium (E) beobachten, wo sich die Anlage dieses Gan-
glions schon weiter ausgebildet hat; überhaupt geht aus dem Studium
der Embryonen der nächstfolgenden Stadien mit unzweifelhafter
Deutlichkeit hervor, daß das Mandibularganglion sich eben aus dem-
jenigen Teile der Anlage des Nervensystems entwickelt, welcher inner-
halb der Paraglossae liegt. Ein selbständiges Ganglion der Para-
glossae, wie es Folsom beschrieben hat, ist hier nicht vorhanden:
will man indessen das in denselben gelegene Ganglion als ein solches
auffassen, so wird man annehmen müssen, daß das Mandibularsegment
eines Ganglions entbehrt, was natürlich nichts andres sein würde, als
eine deductio ad absurdum.
~ Bei Folsom finden wir auf einem Schnitte durch ein späteres,
unserm Stadium E oder F entsprechendes Stadium (Fig. 28 seiner
Arbeit) die Abbildung eines selbständigen Ganglions des Segmentes der
Paraglossae (superlinguae) zwischen dem Mandibularsegment und dem
ersten Maxillarsegment, doch muß ich das Vorhandensein eines solchen
auf das Entschiedenste in Abrede stellen und bin überhaupt geneigt,
die erwähnte Zeichnung in dieser außerordentlich gründlichen Arbeit
als einen lapsus calami anzusehen.
Dank der Feststellung der Tatsache, daß das Mandibularganglion
im Innern der Paraglossae angelegt wird, kann man die Auffassung
als endgültig erwiesen ansehen, wonach diese Paraglossae das in zwei
Hälften zerfallene Sternit des Mandibularsegmentes darstellen. Der
entgegengesetzte Gesichtspunkt, wonach ein selbständiges Segment der
Paraglossae vorhanden wäre, wie er von Hansen (1893) und Folsom
verteidigt und auch von Hoffmann zugegeben wird, scheint mir völlig
ausgeschlossen zu sein, indem die paarige Anlage dieser Gebilde allein,
bei Abwesenheit selbständiger Somiten und Ganglien, nicht im geringsten
als beweiskräftig angesehen werden kann. Auch bei den Collembola
sind demnach die Teile des Hypopharynx den Extremitäten durchaus
nicht homodynam, wie dies für die Pterygota und Chilopoda von
Heymons schon längst festgestellt worden ist.
Es sei hier bemerkt, daß die Paraglossae der Collembola durch-
aus dem ganzen Hypopharynx der Chilopoda entsprechen, welcher,
wie dies von Heymons (1901) festgestellt wurde, nur aus dem Sternit
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 567
des Mandibularsegmentes hervorgeht. Die vollkommene Homologie
dieser Gebilde untereinander geht aus der Vergleichung der Fig. 24
und XIX in der oben erwähnten Monographie von Heymons mit
unsren Fig. 31 und 45 mit besonderer Deutlichkeit hervor. Die Glossa
der Collembola, d. h. der unpaare, aus dem Sternit des ersten Maxillar-
segmentes später als die Paraglossae hervorgehende Teil ihres Hypo-
pharynx, fehlt dagegen bei den Chilopoda und stellt eine Bildung
dar, welche nur den Insekten zukommt, bei denen der Hypopharynx
sich gewöhnlich aus den Sterniten des Segmentes der Mandibelu und
der ersten Maxillen entwickelt.
Das Stadium E erweist sich, wie schon oben erwähnt worden ist,
als das Stadium der völligen Umrollung des Embryos (Fig. 32). Die
Versenkung des Keimstreifens in den Dotter erreicht um diese Zeit
ihr Maximum, wobei sein thoracaler Abschnitt, wie dies aus unsrer
Zeichnung hervorgeht, in dem centralen Teile des Eies liegt, während
der vordere und der hintere Teil des Embryos einander parallel an-
geordnet liegen. Jetzt werden das Mandibularsegment und die Ab-
dominalsegmente nach den Maxillarsegmenten und den Thoracalseg-
menten mit fortgezogen, was dazu führt, daß die Analöffnimg (a)
stark nach unten verlagert wird, und daß zwischen dem Hinterende
des Keimstreifens und dem Dorsalorgan (DO) ein ziemlich großer Zwi-
schenraum entsteht, welcher nur von dem Hüllenectoderm (he) be-
deckt wird. Auf der convexen Oberfläche des Eies bleiben von An-
hängen des Keimes nunmehr nur noch die Antennen (ant) und die
um diese Zeit zur Bildung gelangten Anlagen der Springgabel (Furca)
(abd±). Die Umbiegungsstelle des Embryos bildet auf diesem Stadium
nicht mehr das erste, wie auf dem Stadium D, sondern das zweite
Thoracalsegment .
Diese gekrümmte Lage des Embryos bleibt von dem Stadium E
angefangen, bis zum Ausschlüpfen des Embryos bestehen, d. h. während
der gesamten vierten Periode der Entwicklung (vgl. Fig. 34 — 36).
In Anbetracht dieses Umstandes kann man jetzt keine durchgehenden
Serien von Quer- oder Frontalschnitten durch den Embryo mehr er-
halten, indem in jeder Serie von Schnitten (ausgenommen natürlich
solche von reinen Sagittalschnitten) sowohl erstere, wie auch letztere
vorkommen werden. Ist der Kopf und das Abdomen frontal ange-
schnitten, so erhalten wir aus dem Thoracalabschnitt Querschnitte
und umgekehrt, wenn der vordere und der hintere Teil der Embryos
quer geschnitten sind, so wird der Thoracalabschnitt durch Frontal-
schnitte dargestellt sein. — Man wird diesen Umstand bei den ferneren
Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CHI. Bd. 37
568 Jur. Philiptsclienko,
Darlegungen im Auge behalten müssen: die Ausdrücke »frontal« und
»quer« werden sich dabei niemals auf die ganze Serie, sondern stets
nur auf einen oder einige bestimmte Schnitte beziehen.
Von den Anhängen des Keimstreifens haben die zukünftigen
Mundwerkzeuge — die Mandibeln mit den Paraglossae, die ersten und
zweiten Maxillen — denselben Charakter beibehalten, welchen sie auf
dem vorhergehenden Stadium aufwiesen. Außerdem tritt über den
Mundwerkzeugen, wie dies am besten auf Querschnitten durch den
Kopf zu sehen ist, jederseits eine Erhöhung des Ectoderms in Gestalt
eines kleinen Wulstes oder einer Falte auf (Fig. 51 mf); letztere be-
ginnt an der Befestigungsstelle der Antenne (etwas mehr medianwärts
als diese) und verläuft über der Mandibel und dem ersten Maxillenpaar,
ohne sich jedoch auf das zweite Maxillarsegment zu erstrecken. Dieser
Wulst, oder diese Mundfalte, wie wir diese Bildung von jetzt ab nennen
werden, umwächst die Mundwerkzeuge auf den nächsten Stadien von
beiden Seiten, indem sie dieselben zu entognathen Organen verwandelt,
während sie selbst zu der sogenannten Wange des fertigen Embryos
und der erwachsenen Form wird. — Diese Mundfalte ist schon von
Uzel (die Entwicklung der Mundwerkzeuge bei Campodea ist der-
jenigen bei den Collembola sehr ähnlich), von Miss Claypole und
besonders ausführlich von Folsom beschrieben worden.
Die Gliederung der Antennen (Fig. 32 anl) und der Füße (th1} 2, 3)
tritt jetzt bei den Embryonen viel schärfer hervor, als auf dem Sta-
dium D; auch ihre Dimensionen haben merklich zugenommen. Die
Antennen bestehen meist, wie dies auch früher der Fall war, aus drei
Gliedern (vgl. Fig. 32), allein gegen das Ende dieses Stadiums und
bei dem Übergang in das nächste kommt auch noch ein viertes Glied
hinzu, indem das erste oder proximale dieser drei Glieder eine Zwei-
teilung erfährt. In dieser Hinsicht kann ich die Angaben von Hoff-
mann über die Reihenfolge des Auftretens der einzelnen Glieder an
den Antennen durchaus bestätigen (vgl. die Fig. 2 der vorläufigen
Mitteilung dieses Autors). Die zu der vierten Entwicklungsperiode
gehörenden Embryonen besitzen schon die volle Zahl von Antennen-
gliedern (4) wie bei den erwachsenen Formen.
Die Zahl der Glieder an den Füßen beträgt auf dem Stadium E
vier, seltener (am Anfange dieses Stadiums) sind nur drei Glieder vor-
handen. Von diesen vier Gliedern (vgl. Fig. 32) entspricht das erste
oder proximale Glied dem proximalen Glied des vorhergehenden Sta-
diums, welches bei dem Übergang in das Stadium E keine Teilung
erfährt; die drei darauffolgenden Glieder dagegen (die zwei mittleren
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 569
und das distale) werden durch Teilung des distalen Gliedes des Sta-
diums D gebildet, während dessen nur zwei Glieder an den Füßen
vorhanden waren. Die Füße sind demnach auf dem Stadium E noch
nicht völlig ausgebildet, da zu den vier Gliedern während der letzten
Entwicklungsperiode noch ein fünftes hinzutritt. Wir werden etwas
später nochmals auf diese Frage zurückkommen.
Das Abdomen des Embryos ist bei der Beendigung der Umrollung
in jene sechs Segmente eingeteilt, welche auch für die erwachsene Form
charakteristisch sind, so daß die Segmentierung des Keimstreifens
gegen das Ende der dritten Periode vollendet wird. Zu den vier Ab-
dominalsegmenten des Stadiums D treten nunmehr das fünfte und
das sechste (Abd5, AbdQ), welche noch auf der convexen Seite des Eies
liegen (Fig. 33). — Das letzte Abdominalsegment ist, wie bei der er-
wachsenen Form, durch die Anwesenheit der Analöffnimg (a) und des
Proctodäums (prd) gekennzeichnet, weshalb es von den Systematikern
als Analsegment bezeichnet wird. Diese Bezeichnung wird man in-
dessen kaum im embryologischen Sinne auffassen können, d. h. im
Sinne eines Telson. Allerdings besitzt dieses Segment weder Somiten
noch Gliedmaßen, noch Ganglien (in dem fünften Gliede sind nur So-
miten enthalten), allein es scheint mir doch nicht richtig, dasselbe für
das Telson zu halten, da es auch bei der erwachsenen Form das Aus-
sehen eines selbständigen Gliedes hat. Heymons beobachtete bei
Embryonen von Lepisma, daß an deren Abdomen anfangs sechs Seg-
mente differenziert werden und erst später die übrigen: dieses Stadium
mit sechs Abdominalsegmenten wird man (ohne dem eine phylogene-
tische Bedeutung beizulegen) als das den Collembola entsprechende
ansehen können, welche alle hinteren Abdominalsegmente völlig ein-
gebüßt haben. Was das Telson betrifft, so ist es bei Isotoma in dem-
selben reduzierten Zustande vorhanden, wie bei Lepisma und Campodea
und zwar in Gestalt dreier mit dem sechsten Segmente völlig verschmol-
zener Höckerchen in der Nähe des Anus, d. h. in Gestalt der sogenannten
Lamina supraanalis und zweier Laminae subanales (l.sub). — Letztere
sind in der Nähe des Analöffnung auf der Fig. 33 deutlich zu sehen,
welche das hintere Ende des Embryos en face darstellt. — Diese drei
Höckerchen sind schon von Uzel bei Tomocerus (Macrotoma) vulgaris
beschrieben worden.
Um diese selbe Zeit sind die Abdominalsegmente mit den An-
lagen aller jener Anhänge versehen, welche der erwachsenen Form
zukommen. Die paarigen Anlagen des Tubus ventralis waren schon
vor diesem Stadium aufgetreten; auf demselben sitzen sie noch weit
37*
570 Jur. Philiptschenko,
voneinander entfernt (wie die Thoracalfüße), haben im Vergleiche mit
dem Stadium D an Größe zugenommen und erscheinen undeutlich
in zwei Glieder eingeteilt (Fig. 47 abd^. Im Gegensatz zu den An-
tennen und den Thoracalfüßen, bei denen während ihrer Teilung in
zwei Glieder das proximale Glied kleiner ist, als das distale, ist bei
diesen Anhängen das distale Glied viel kleiner. Es muß hier auf ihre
Übereinstimmung mit den gleichen Bildungen auf den entsprechenden
Segmenten des Embryos von Lepisma hingewiesen werden (vgl. die
Fig. 3 in der Arbeit von Heymons), wie auch mit den Anhängen an
dem ersten Abdominalsegmente bei der erwachsenen Campodea.
Auf dem zweiten Abdominalsegmente sind keine Anhänge vor-
banden, wie dies auf Querschnitten durch den hinteren Teil des Em-
bryos deutlich zu sehen ist: in dieser Beziehung steht Isotoma näher
an Tomocerus, bei welchem Uzel Anhänge ebenfalls nicht beobachtet
hatte, während bei Anurida solche nach Miss Claypole vorhanden sind.
An dem dritten Segmente befindet sich ein Paar kleiner Auswüchse,
welche die Anlage des Retinaculum oder Hamulus darstellen, an dem
vierten ein Paar größerer Anhänge für die Springgabel (vgl. Fig. 47
abds, abd±). Spuren von Gliederung, wie auf den früher angelegten
Extremitäten, sind an diesen Anhängen noch nicht zu bemerken. Im
übrigen hat der Embryo aber nunmehr alle Segmente und alle Ex-
tremitäten.
Ein großer Teil der Eioberf lache, welcher nicht von dem Keim-
streifen eingenommen wird, ist auf dem Stadium E, wie dies auch
früher der Fall war, von den flachen Zellen des Hüllenectoderms be-
deckt (Fig. 32, 47, 48, 49, 50 he). Allein auf solchen Totalpräparaten,
von denen eines z. B. der Fig. 32 als Vorlage gedient hat, fällt der
Umstand in die Augen, daß auf den lateralen Seiten des Embryos,
näher zum Keimstreifen, im thoracalen und in der ersten Hälfte des
abdominalen Abschnittes, mitten in dem blassen Hüllenectoderm sich
einige etwas dunkler gefärbte Flecken scharf hervorheben, welche
gleichsam aus dem Keimstreifen nach oben herauswachsen (owe). Das
Studium von Schnitten ergibt, daß wir es hier in der Tat mit nach oben
wucherndem Ectoderm des Keimstreifens zu tun haben, welchem sodann
auch Elemente des unteren Blattes, d. h. die Somiten nachfolgen.
Da diese Wucherung in jedem Segmente für sich erfolgt, so hat ein
solches nach oben wucherndes Ectoderm dann auch auf den Seiten
das Aussehen einzelner Flecken oder Inselchen. Infolge dieses Vor-
ganges werden die Elemente des Hüllenectoderms verdrängt und
allmählich durch das Ectoderm des Keimstreifens ersetzt, welches die
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 571
Seiten und den Rücken des fertigen Embryos und der erwachsenen
Form ergibt, wie dies z. B. auch bei dem Verdrängen des Amnions
bei den höherstehenden Insekten der Fall ist. Da dieser Prozeß sich
hier hauptsächlich auf die vierte Entwicklungsperiode bezieht, so soll
später ausführlicher von ihm die Rede sein.
Was den inneren Bau des Embryos anbetrifft, so erleiden weder
das Stomodäum noch das Proctodäum irgend welche Veränderungen
im Vergleiche mit dem Stadium D. Das Proctodäum wird, wie wir
schon erwähnt haben, stark nach unten verlagert (Fig. 32, 47 prd),
allein sein Aussehen bleibt das gleiche, und zwischen dem Boden dieser
ectodermalen Einstülpung und dem Dotter befinden sich, wie dies
aus der Fig. 47 zu ersehen ist, noch immer Elemente des unteren Blattes,
welche das Proctodäum außerdem noch von allen Seiten umgeben.
Auf dem Stadium E besitzt der Embryo nicht nur die volle Anzahl
von Segmenten und Extremitäten, sondern auch schon alle Somiten.
Das erste Paar bilden die Somiten des Antennensegmentes (Fig. 49 so),
welche in die Antennen (ant) hereinreichen und auf dem Deutocerebrum
(De) durch ein einschichtiges Brückchen aus Elementen des unteren
Blattes, welches wir schon mehrfach erwähnt haben, miteinander ver-
bunden sind. Vor den Antennensomiten befindet sich, wie auch auf
den zwei vorhergehenden Stadien, eine Anhäufung von Elementen des
unteren Blattes im Inneren des Labrum (Fig. 48 üb) und hinter dem
Stomodäum; an der Bildung der Somiten nehmen diese Anhäufungen
keinen Anteil. Zwischen dem Somitenpaare in dem Antennensegmente
und dem Somitenpaare in dem Mandibularsegmente befindet sich in
der Höhe des Tritocerebrum (Trc) ein Paar ebenfalls in der Mitte
miteinander verbundener und sehr schwach entwickelter Ursegmente
(Fig. 50 so.ics) : es sind dies die Somiten des Intercalar- oder Vorkiefer-
segmentes, welche auch bei den Pterygota vorhanden sind. Wie
auch auf dieser Figur zu sehen ist, sind bei unsrer Isotoma keinerlei
Spuren entsprechender Extremitäten zu bemerken.
In den drei Maxillarsegmenten sind deren Somiten (so) immer
noch stark entwickelt und erstrecken sich in die Anlagen der Mund-
werkzeuge hinein, wobei sie bei denMaxillen sogar in den Palpus herein-
ragen (Fig. 51, 52 mxx, mx2 und plp). Allein in diesen Segmenten ist
eine Verbindung zwischen dem Somiten der rechten und demjenigen
der linken Hälfte, wie aus diesen Zeichnungen zu ersehen, infolge der
stärkeren Entwicklung des Nervensystems schon nicht mehr vorhanden :
das Ganglion (ggl) tritt hier bis an den Dotter heran und die einschichtige
Brücke aus Elementen des unteren Blattes zerfällt in einzelne Zellen
572 Jur. Philiptschenko,
und verschwindet. Von dem Schicksal dieser Zellen wird noch weiter
unten die Rede sein. In den drei Paaren von Thoracalsegmenten bleibt
dieser Zusammenhang, wie dies auf dem vorhergehenden Stadium der
Fall war (Fig. 46), noch bestehen, um auf dem nachfolgenden Stadium
(F) ebenfalls zu verschwinden. Entwickelt ist diese einschichtige
Brücke auch noch zwischen den abdominalen Somiten.
Von letzteren sind fünf Paare vorhanden, und zwar von dem»ersten
bis zu dem fünften Abdominalsegment: da, wo die entsprechenden
Extremitäten entwickelt sind, d. h. in dem ersten, dritten und vierten
Segmente, treten die Somiten auch in dieselben ein, wie dies aus der
Fig. 47 zu ersehen ist. In dem sechsten Abdominalsegmente sind
augenscheinlich keine Somiten vorhanden, wenigstens konnte ich ihre
Anwesenheit daselbst nicht feststellen. Dagegen liegt in diesem selben
Segmente nunmehr jene Anhäufung von Elementen des unteren Blattes
(üb), welche das Proctodäum umgibt (Fig. 47) und gleich der vorderen
am Stomodäum nicht an der Bildung der Somiten beteiligt ist. Von
letzteren sind demnach bei Isotoma cinerea 2 + 3 + 3 + 5 Paare vorhanden,
d. h. im ganzen 13 Paare.
Die Zahl der Ganglienpaare ist um diese Zeit die nämliche. Am
schwächsten entwickelt sind von diesen die Ganglien des Hinterleibes,
wie dies auch wegen der späteren Anlage der Abdominalsegmente zu
erwarten war, wobei die Ganglien des vor den andern auftretenden
ersten Abdominalsegmentes in bezug auf den Grad ihrer Entwicklung
den thoracalen Ganglien näher stehen. Mit völliger Bestimmtheit
konnte ich das Vorhandensein einer Nervenanlage nur in den vier
ersten Segmenten feststellen, wo aus derselben die auch auf späteren
Entwicklungsstadien bemerkbaren Ganglien hervorgehen. In dem
fünften Abdominalsegmente sind Neuroblasten zwar vielleicht vor-
handen, allein es kommt zu keiner Entwicklung einer mehrschichtigen
Anlage aus denselben: die Neuroblasten verschwinden wieder und
auf dem darauffolgenden Stadium erreicht das Nervensystem in dem
vierten Abdominalsegment sein Ende. Das sechste, letzte Abdominal-
segment enthält gar keine Nervenelemente.
Die thoracalen Ganglien und diejenigen der Kiefersegmente er-
scheinen nunmehr bereits stärker entwickelt als auf dem vorher-
gehenden Stadium: die Fig. 51 zeigt einen Schnitt durch das Ganglion
der ersten Maxillen, die Fig. 52 einen solchen durch einen Teil des
Ganglions des zweiten Maxillensegmentes (ggl), wo auch noch die
reihenweise Anordnung der aus den Neuroblasten hervorgegangenen
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 573
Nervenzellen zu bemerken ist. Die Punktsubstänz ist in den Ganglien
dieses Stadiums noch nicht vorhanden.
Wir hatten bereits darauf hingewiesen, daß auf dem Stadium D
im Bereiche der Kopflappen und unterhalb dieser letzteren die Bildung
des Oberschlundganglions oder Gehirns ihren Anfang nimmt. Auf dem
Stadium E sind alle seine drei Abschnitte völlig ausgebildet und man
kann dieselben hier am besten auf Frontalschnitten durch den vorderen
Teil des Embryos sehen (vgl. Fig. 48 — 50, nach einer Schnittserie an-
gefertigt). Zu beiden Seiten der Oberlippe (Fig. 48 Ihr) liegen die
Hälften des ersten Gehirnabschnittes, des Protocerebrum (Prc) [des
Syncerebrum nach der neueren Terminologie von Heymons (1901)]:
eine jede derselben nimmt fast die ganze Breite des früheren Kopf-
lappens ein und besteht ihrerseits aus drei deutlichen Abschnitten
oder Lappen. Dieses Bild erinnert außerordentlich an die von Vtial-
lanes (1891) und Wheeler (1893) bei den Orthopteren und nament-
lich von Heymons (1895) bei Forficula beschriebenen Verhältnisse,
wo die vorderen Ganglien des Gehirnes aus drei ähnlichen Loben be-
stehen (Lobi I — III). Einige Schnitte weiter, beinahe auf der Höhe
der Mundöffnung und der Befestigungsstelle der Antennen, erreicht das
Protocerebrum sein Ende und wir erblicken nunmehr den mittleren
Abschnitt des Gehirnes, das Deutocerebrum (Fig. 49 De) [Mesocere-
brum von Heymons], dessen Hälften einander längs der Medianlinie
schon fast berühren und beträchtlich kleiner sind, als die Hälften des
vorderen Abschnittes. Nach dem Deutocerebrum endlich folgt der
hintere Abschnitt des Gehirns, das Tritocerebrum (Fig. 50 Trc) [Meta-
cerebrum nach Heymons]: die Ganglien dieses Abschnittes sind noch
kleiner als diejenigen des mittleren Abschnittes, sie sind miteinander
verbunden und liegen schon ganz postoral. — Alle hier beschriebenen
Verhältnisse sind mit den für die niederen Pterygota,dieOrthoptera
und Dermaptera, bekannten Verhältnissen durchaus identisch und
auch der Entwicklung des Gehirns von Scoh'pendra sehr ähnlich. Eine
Homologie zwischen den Teilen des Gehirns bei letzteren und denen
der Insekten ist bereits von Heymons (1901) festgestellt worden.
Alle diese Gehirnganglien entwickeln sich gleich der Bauchnerven-
kette aus Neuroblasten. Die Ganglien des Tritocerebrum liegen den
ersten Ganglien dieser letzteren im Mandibularsegment (in den Para-
glossen) dicht an. — Ahnliche Verhältnisse finden wir auch bei den
höheren Insekten.
Die Zusammensetzung des Gehirnes bei Anurida aus einem Proto-,
einem Deuto- und einem Tritocerebrum wurde auch von Miss Claypole
574 Jur. Philiptschenko,
flüchtig erwähnt, welche sich nicht eingehender mit dieser Frage be-
schäftigt hat. Dieser Autor erwähnt ferner, daß in dem Abdomen
sechs Ganglienpaare enthalten sind, welche späterhin zu einer gemein-
samen Masse verschmelzen; ich kann mich auf keinen Fall mit dieser
Angabe einverstanden erklären, da in dem fünften Segmente nur
schwache Spuren des Nervensystems vorhanden sind und in dem
sechsten dasselbe gänzlich fehlt. Es erscheint mir wenig wahrscheinlich,
daß diese Verhältnisse bei Anuri&a anders liegen sollten, als bei Isotoma.
Die Genitalanlage bewahrt auch auf diesem Stadium ihre Lage
im Dotter in der Nähe des Hinterendes des Embryos bei (Fig. 47 g) ;
die diese Anlage zusammensetzenden Zellen haben an Zahl etwas
zugenommen. Das Dorsalorgan weist am Ende der dritten Entwick-
lungsperiode (vgl. Fig. 49, 50 DO) den gleichen Charakter auf, wie wir
ihn schon oben beschrieben haben.
Mit dem Stadium E erreicht unsre dritte Periode in der Ent-
wicklung ihr Ende.
Was die auf die dritte Entwicklungsperiode bezüglichen Angaben
in der Literatur betrifft, so haben wir die das meiste Interesse verdie-
nenden bereits gelegentlich der Beschreibung der einzelnen Stadien
erwähnt. Die übrigen Angaben der früheren Autoren beziehen sich
fast ausschließlich auf die Veränderungen der äußeren Gestalt des
Embryos und viele dieser Angaben in älteren Arbeiten sind irrtümlich.
Ich will hier zum Beispiel darauf hinweisen, daß Packard das Vor-
handensein eines zweiten Maxillenpaares bei den Collembola leugnet,
ferner auf die Auffassung von Lemoine, wonach die Abdominalanhänge
Bildungen sui generis darstellen, die den Gliedmaßen nicht homo-
dynam sind u. a. m. Äußerst wenig wahrscheinlich erscheint mir auch
die Beobachtung von Uljanin, wonach die Umrollung des Embryos
durch das Auftreten einer besonderen Falte hinter dem Dorsalorgan
hervorgerufen wird, welche in das Innere des Dotters hereinwächst.
Es scheint mir kaum notwendig jetzt ausführlich auf alle diese irr-
tümlichen Angaben einzugehen.
Zum Schlüsse halte ich es nicht für überflüssig hier die Analogie
zwischen den von mir unterschiedenen Entwicklungsstadien bei Iso-
toma cinerea und den gleichen Stadien bei Anurida maritima festzu-
stellen, wie sie von Folsom aufgestellt und in seiner Arbeit über die
Entwicklung der Mundwerkzeuge auf den Fig. 1 — 7 dargestellt
worden sind.
Das Stadium 1 der Embryonen von Anurida nähert sich unserm
Stadium B, obgleich es etwas älter ist als dieses ; das Stadium 2 stimmt
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 575
in gleicher Weise nicht völlig mit imserm Stadium C überein, da die
Differenzierung des Keimstreifens hier schon weiter fortgeschritten,
der Embryo aber noch vollständig rund ist. Das Stadium 3 steht
zwischen unsern Stadien C und D, das Stadium 4 zwischen D und E.
Diese vier ersten Stadien können demnach nur annäherungsweise mit
den Stadien der Entwicklung von Isotoma in Einklang gebracht werden.
Im Laufe der weiteren Entwicklung läßt sich indessen eine größere
Übereinstimmung beider feststellen: das, was Folsom als das fünfte
Entwicklungsstadium bezeichnet, fällt vollständig mit dem Stadium E
überein, mit welchem unsre dritte Periode in der Entwicklung ihr Ende
erreicht. Um nicht nochmals auf diese Frage zurückkommen zu müssen,
wollen wir gleich hier hervorheben, daß eine gleiche Übereinstimmung
auch zwischen den späteren Entwicklungsstadien von Anurida und
unsern Stadien F, G-, H besteht, welche bei der vierten Periode der
Entwicklung beschrieben werden sollen. F fällt durchaus mit Nr. 6
von Folsom überein, G mit Nr. 7 und endlich H (und zum Teil auch
unser Stadium I) mit dem letzten — achten — Stadium in der Ent-
wicklung von Anurida.
Im allgemeinen gehen, unbedeutende Eigentümlichkeiten aus-
geschlossen, die Veränderungen in der äußeren Form bei den Embryonen
von Anurida wie auch bei den übrigen Collembola in der gleichen
Weise vor sich, wie dies von uns für Isotoma cinerea beschrieben worden
ist. Wahrscheinlich entsprechen dieser äußeren Ähnlichkeit der Em-
bryonen auch die in ihrem Inneren vor sich gehenden Prozesse der
Organogenese.
VI. Vierte Entwicklungsperiode. -- Entwicklung der Körpergestalt
und Organogenese.
(Tafel XII und XIV.)
Die vierte und letzte Periode der embryonalen Entwicklung,
während derer die Entwicklung der Körpergestalt der Isotoma und die
endgültige Ausbildung aller ihrer inneren Organe vor sich geht, unter-
scheidet sich durch ihre besonders lange Dauer von den vorhergehenden
Perioden. Im Durchschnitte beträgt sie 10 Tage, d. h. diese Periode
dauert ebenso lange, wie die drei vorhergehenden zusammen. — Wir
wollen zunächst die Entwicklung der Körpergestalt besprechen und
erst dann zu den einzelnen Organen übergehen.
Die Ausbildung der Körpergestalt. Das erste Stadium der
vierten Periode, welches wir mit dem Buchstaben F bezeichnen, unter-
scheidet sich äußerlich nur sehr wenig von dem Stadium E, weshalb
576 Jur. Philiptschenko,
ich keine spezielle Abbildung desselben gebe. Der Unterschied zwischen
E und F besteht in deren innerem Bau, welchen wir in betreff des
Stadiums F weiter unten besprechen werden. Äußerlich kann man
nur bemerken, daß die aus dem Keimstreifen hervorwachsenden Ecto-
dermflecken (Fig. 32 oive) nunmehr größer und bemerkbarer geworden
sind (um diese Zeit sind zwei Paare solcher Flecken in der Brust und
vier im Hinterleibe gut entwickelt), und daß die Analöffnung ihre
definitive Lage am hinteren Ende des Abdomens eingenommen hat.
Der Unterschied in der Lage der Analöffnung ist bei der Vergleichung
der Fig. 55 (F) und 47 (E) deutlich zu erkennen, welche Sagittalschnitte
durch das Hinterende des Abdomens und das Proctodäum (prd)
darstellen. — Der Umstand, daß die Antennen bei dem Übergange
auf dieses Stadium endlich viergliedrig werden, ist bereits oben er-
wähnt worden; die übrigen Anhänge des Keimstreifens bewahren ihren
bisherigen Charakter bei, mit Ausnahme der Springgabel. Auf dem
Stadium F werden die beiden Anlagen dieser letzteren bereits zwei-
gliederig, indem sie je in einen proximalen und einen distalen Abschnitt
zerfallen, von denen der letztere bedeutend kürzer ist als der erstere.
In dieser Beziehung stimmt die Segmentierung der Anhänge des vierten
Abdominalsegmentes durchaus überein mit der Segmentierung der
Anlagen des Tubus ventralis, von der oben die Rede gewesen ist, unter-
scheidet sich aber von der Segmentierung der Antennen und Beine, wo
der proximale Abschnitt des zweigliederigen Stadiums im Gegenteil
bedeutend kleiner ist als der distale.
Auf das Stadium F folgt das Stadium G, dessen äußere Gestalt
in der Fig. 34 abgebildet ist. Dasselbe unterscheidet sich gut von den
andern durch die Anwesenheit der Ocellen (oc), welche auf diesem
Stadium das Aussehen einzelner Flecke besitzen, während sie später
infolge der Entwicklung von Pigment auch zwischen denselben gleich-
sam zu einem einzigen schwarzen Flecken verschmelzen. Bei Em-
bryonen, welche sich auf den Beginn dieses Stadiums beziehen, sind
anfangs jederseits zwei, dann aber drei Ocellen vorhanden, von denen
später gleichsam eine untere (etwas gebogene) Reihe gebildet wird;
hierauf treten bei etwas älteren Embryonen zu diesen drei Paaren
noch zwei Paare hinzu, welche etwas höher und näher zur Dorsalseite
gelegen sind (vgl. Fig. 34). Wie aus derselben Figur zu ersehen ist,
schimmert unter den Ocellen deutlich das Gehirn hervor und der ganze
Kopf erscheint überhaupt viel weiter ausgebildet, als auf den vorher-
gehenden Stadien.
Was die Mundwerkzeuge betrifft, so will ich mich infolge des Er-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 577
scheinens der Arbeit von Hoffmann, welcher deren Entwicklung bei
einer unsrer Isotoma nahestehenden Form eingehend untersucht hat,
nicht bei den Einzelheiten ihrer Entwicklung auf späteren Stadien
aufhalten, indem dies die Anwendung gewisser spezieller Untersuchungs-
methoden notwendig machen würde, wie Rekonstruktionen, Prä-
parieren mit Nadeln usw., ohne wesentlich neue Befunde in Aussicht
zu stellen. Aus diesem Grunde will ich dieselben hier auch nur in-
sofern berücksichtigen, als dies für das Verständnis der übrigen Ent-
wicklungsprozesse erforderlich ist. '
Auf dem Stadium G gehen in den Mundwerkzeugen wichtige Ver-
änderungen vor sich, welche sich in dem ganzen Bau des Kopfes fühlbar
machen. Diese Veränderungen bestehen erstens in einer Verlängerung
der Mandibeln und der ersten Maxillen bei gleichzeitiger Reduktion
des zweiten Maxillarpaares (in betreff der Einzelheiten dieser Vor-
gänge verweise ich auf die Arbeiten von Folsom und namentlich von
Hoffmann) und zweitens in einer vollständigen Umwachsung derselben
durch die Mundfalte. Einige Vorstellung von diesen Vorgängen können
unsere Fig. 57 und 58 geben. Die erstere stellt einen schiefen Schnitt
dar (in einer Ebene zwischen der frontalen und der transversalen Rich-
tung) durch den vorderen Kopfabschnitt eines Embryos auf dem
Stadium G: wir bemerken auf derselben die stark verlängerten Man-
dibeln (md), welche von der Seite her zur Hälfte durch die stark ange-
wachsene Mundfalte (mf) bedeckt sind. Zwischen den Mandibeln sind
wie zuvor die Paraglossae {prgl) in Gestalt zweier nur stärker entwickelter
Höcker zu bemerken, allein das Mandibularganglion (welches jetzt
zu dem Bestände des unteren Schlundganglions gehört) liegt nunmehr
bedeutend höher, als auf den vorhergehenden Stadien. In gleicher
Weise verläuft die Mundfalte seitlich von jeder Maxille des ersten
Paares; zwischen diesen letzteren ist um diese Zeit in Gestalt eines
unpaaren Vorsprunges die Glossa zur Bildung gelangt, d. h. der un-
paare Teil des Hypopharynx, welcher demnach den durch Wucherung
vergrößerten Sternit des ersten Maxillensegmentes darstellt. Nach
Umwachsung der Mandibeln und der ersten Maxillen erreichen die
Mundfalten die zweiten Maxillen und beginnen mit denselben zu ver-
wachsen, oder richtiger gesagt dieselben von unten zu umwachsen,
wobei ein großer Teil der von der Mundfalte umwachsenen zweiten
Maxille nach den Beobachtungen von Hoffmann verschwindet. Unsre
Fig. 58 stellt einen Querschnitt durch den hinteren Teil des Kopfes
(im Niveau der ösophagealen Kommissur) eines auf dem Stadium G
befindlichen Embryos dar. Auf derselben sind die basalen Abschnitte
578 Jur. Philiptschenko,
der Mandibeln (md) und der ersten Maxillen (mx-^) gut zu sehen, welche
seitlich durch die Mundfalte (mf) bedeckt sind; letztere reicht rechts
bis zur zweiten Maxille (mx2), während sie links bereits mit derselben
verschmolzen ist. Die Mundorgane werden demnach, wie dies auch
schon von Folsom festgestellt worden ist, durchaus nicht in das Innere
des Kopfes verlagert, sondern sie werden von beiden Seiten durch die
Mundfalten, welche sich bei der erwachsenen Form in die Wangen
verwandeln, umwachsen. Indem diese selben Mundfalten mit den
Maxillen des zweiten Paares verwachsen, von denen nur ein kleiner
Teil ihrer früheren Anlagen übrig bleiben (vgl. Hoptmann), nehmen
sie auch an der Bildung der Unterseite des Kopfes teil. Als Endergebnis
dieses Umwachsungsprozesses erweisen sich die stark verlängerten
Mandibeln und ersten Maxillen als in der Mundhöhle liegend; der
Embryo wird demnach schon von dem Ende unsres Stadiums G
angefangen, zu einer entotrophen Form wie die erwachsenen Collem-
bola.
Um die gleiche Zeit bildet sich die definitive Gliederzahl auch an
den Thoracalfüßen, welche bis dahin viergliederig waren. Zu diesem
Zwecke erfolgt eine Zweiteilung ihres proximalen Gliedes der Stadien E
und D, welches sich seit seiner Differenzierung von dem distalen Gliede
noch kein einziges Mal geteilt hat, während dieses letztere schon auf
dem Stadium E in drei Glieder zerfallen ist. Auf dem Stadium G
sind die Thoracalfüße demnach schon fünf gliederig, wie bei der er-
wachsenen Form (vgl. Fig. 34 th).
Auch in den abdominalen Anhängen sind merkliche Veränderungen
wahrzunehmen. Die bisher ziemlich weit voneinander entfernten
Anhänge des ersten Abdominalsegmentes beginnen sich einander zu
nähern, wobei ihre Basalteile miteinander verschmelzen und nur die
distalen Enden einzeln nach außen vorspringen, wie dies aus der Fig. 59
(tv) zu ersehen ist, welche einen Querschnitt durch das erste Abdo-
minalsegment darstellt. Die Grenze zwischen dem proximalen und
dem distalen Gliede, in welche eine jede der Anlagen des Tubus ven-
tralis zuvor zerfallen ist (vgl. Fig. 47), verschwindet auf dem Stadium G
und den darauffolgenden Stadien und die spätere Teilung dieses
Organes in seine definitiven Abschnitte (Tubuscylinder, -kragen
und -bläschen) entsteht ganz unabhängig von der primären Zusammen-
setzung aus zwei Gliedern. Man kann nur sagen, daß die früheren
kleinen distalen Glieder das hauptsächlichste Material für die ausstülp-
baren Säckchen abgeben, die größeren proximalen Abschnitte dagegen
— das Material für die beiden übrigen Teile. Wie dies bei der Betrach-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 579
tung der Embryonen von der Seite oder auf Sagittalschnitten gut zu
sehen ist, sind die noch nicht miteinander verschmolzenen freien Enden
des Tubus ventralis stark erweitert, woher die ganze Anlage eine pilz-
förmige Gestalt annimmt. Letzteres ist auf der Abbildung des darauf-
folgenden Stadiums H deutlich zu sehen (Fig. 35 tv), während auf der
dem Stadium G angehörenden Fig. 34 der darauf abgebildete Tubus
ventralis des Embryos von den Thoracalfüßen bedeckt ist. Im allge-
meinen kann man sagen, daß die aus einem kurzen basalen Abschnitt
und zwei noch nicht miteinander verschmolzenen terminalen Erhöhun-
gen bestehende Anlage des Tubus ventralis auf dem Stadium G (Fig. 59)
ungefähr denselben Bau besitzt, wie er der niedersten Familie der
Collembola — den Poduridae — zukommt. Bei letzteren besteht
dieses Organ, wie bekannt, im Gegensatz zu den Entomobryidae,
zu denen auch Isotoma cinerea gehört, aus zwei durch eine Vertiefung
voneinander getrennten Hälften mit einem kurzen Basalabschnitt und
ohne Valvulae. Die Auffassung, wonach derartige Verhältnisse als
mehr ursprünglich anzusehen sind, findet demnach auch in der Em-
bryologie eine völlige Bestätigung.
Die Anhänge des dritten Abdominalsegmentes nähern sich ein-
ander ebenfalls und ergeben auf dem Stadium G, indem sie miteinander
verschmelzen, ein vollständig ausgebildetes Retinaculum (Fig. 60 ret),
welches um diese Zeit verhältnismäßig nur wenig größer ist, als bei
der erwachsenen Form. Auf diesem, wie auch auf den darauffolgenden
Stadien sind in demselben keinerlei Spuren einer Einteilung in Ab-
schnitte zu bemerken, aber auf dem Stadium F habe ich sogar in seinen
Anlagen einen schwachen Hinweis auf einen Bestand aus zwei Gliedern
(einem größeren proximalen und einem kleineren distalen) gesehen,
wie er auf diesem Stadium bei den Anhängen des ersten und des vierten
Abdominalsegmentes deutlich ausgesprochen ist.
Bei dem Übergänge von dem Stadium F nach dem Stadium G
werden die zweigliederigen Anlagen der Springgabel zu dreigliederigen,
indem der größere proximale Abschnitt eine Zweiteilung erfährt (Fig. 34
und 63 frc). Es sind demnach nunmehr jene drei Abschnitte der
Gabel angedeutet, welche auch für die erwachsene Form charakte-
ristisch sind (Manubrium, Dentes; Mucrones), allein zum Unterschiede
von letzterer sind alle diese Teile noch von etwa gleicher Größe. Um
dieselbe Zeit geht eine rasche Annäherung beider Gabelanlagen vor sich
und deren Basalglieder beginnen allmählich miteinander zu verschmelzen,
wobei sie das unpaare Manubrium bilden, während die Dentes und
die Mucrones, wie bei der erwachsenen Form, frei bleiben. Die Ent-
580 Jur. Philiptschenko,
wicklung der Gabel spricht im allgemeinen zweifellos zugunsten der
Annahme, daß deren Keduction bei vielen Collembola eine sekundäre
Erscheinung darstellt.
Was die laterale und die dorsale Seite des Embryos anbetrifft,
so gehen auch hier auf dem Stadium G einige Veränderungen vor
sich. Das auf den beiden vorhergehenden Stadien von dem Keim-
streifen nach oben wuchernde Ectoderm hatte das Aussehen einzelner
Flecken zu beiden Seiten des Embryos (Fig. 32 owe). Jetzt haben diese
einzeln aus jedem Segmente hervorwachsenden Flecken so sehr an
Größe zugenommen, daß sie zu einem gemeinsamen Streifen ver-
schmelzen, welcher jede der lateralen Seiten des Embryos bedeckt
(Fig. 34 owe) und nur auf dessen Dorsalseite (wie dies auf derselben
Figur und einigen andern, Schnitte durch den Embryo darstellenden
zu sehen ist — Fig. 57, 59, 60, 62, 63) flache Zellen des Hüllenecto-
derms (he) erhalten bleiben. — Querschnitte durch den Embryo (Fig. 59,
60) zeigen bei dem Vergleiche mit den auf der Taf . XIII abgebildeten
Querschnitten der vorhergehenden Stadien auf das Deutlichste, wie
sehr sich das Ectoderm der Keimscheibe nach oben verbreitet hat,
indem es die Stelle des Hüllenectoderms einnahm. Bei dem Studium
solcher Schnitte kann man sich leicht davon überzeugen, daß die Ele-
mente des Hüllenentoderms durchaus nicht durch das definitive Ecto-
derm nach oben verdrängt werden (da sonst ihre Anzahl auf Querschnit-
ten oben beträchtlicher sein müßte als früher, was durchaus nicht der
Fall ist), sondern offenbar mit zunehmendem Wachstum des letzteren
allmählich absterben und verschwinden, ohne an der Bildung der Seiten
und des Rückens Anteil zu nehmen. Mit einem Worte, dieser ganze
Vorgang erinnert außerordentlich an die Verdrängung des definitiven
Ectoderms des Amnions bei vielen höheren Insekten.
Wie dies sowohl auf Totalpräparaten (Fig. 34) wie auch auf Schnit-
ten (Fig. 62) deutlich zu sehen ist, bewahrt das Dorsalorgan (DO) auch
noch auf dem Stadium G denselben Charakter wie während der dritten
Entwicklungsperiode.
Das auf das Stadium G folgende Stadium H erinnert nach der
allgemeinen Configuration des Körpers und seiner Anhänge schon mehr
an die erwachsene Form (Fig. 35). Bei dem Übergange des Embryos
auf dieses Stadium vermehrt sich die Zahl seiner Ocellen jederseits bis
zu acht (der für Isotoma cinerea überhaupt charakteristischen Anzahl) :
es kommen zu den auf dem Stadium G vorhanden gewesenen fünf
Ocellen noch weitere drei hinzu, welche etwas höher liegen als die
ersteren. Allein gleichzeitig entwickelt sich zwischen ihnen Pigment,
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 581
weshalb die einzelnen Ommatidien auf Totalpräparaten nicht mehr zu
erkennen sind, sondern, wie bei der erwachsenen Form, nur ein ge-
meinsamer schwarzer Augenfleck zu unterscheiden ist (Fig. 35 oc). —
Wie aus der gleichen Figur ersichtlich ist, erinnern der Kopf und die
Mundwerkzeuge schon sehr an ihren Bau bei der erwachsenen Form;
die Füße (auf der Fig. 35 sind nur deren basale Glieder abgebildet)
erlangen allmählich ebenfalls ihre definitive Gestalt.
Die abdominalen Anhänge stehen nunmehr ihrem Baue nach den
Abdominalanhängen der aus dem Ei geschlüpften Isotoma viel näher.
Die pilzförmige Gestalt des Tubus ventralis (Fig. 35 tv) haben wir
schon bei der Beschreibung des vorhergehenden Stadiums erwähnt.
Auf Querschnitten durch das erste Abdominalsegment von Embryonen
dieses Stadiums (Fig. 69) kann man sich davon überzeugen, daß die
Verschmelzung der Hälften dieses Organes bereits vollständig beendigt
ist, und daß dasselbe sich in ein ebensolches unpaares Organ verwandelt
hat, wie bei der erwachsenen Isotoma (tv). In seinem Innern beginnt
um diese Zeit die Entwicklung von Muskeln und an seinem distalen
Ende diejenige jener großen Zellen, welche schon die Aufmerksamkeit
vieler Autoren auf sich gezogen haben und fälschlicherweise für Drüsen-
zellen gehalten wurden, bis Willem (1901) feststellte, daß es bloß
große hypodermale Zellen sind, denen keinerlei specielle drüsige Funktion
zukommt. Diese großen Hypodermiszellen in dem Terminalabschnitt
des Tubus ventralis sind sowohl auf der Fig. 69, wie auch auf der
Fig. 73 deutlich zu sehen, welche sich auf das letzte Stadium der vierten
Periode (I) beziehen und auf denen der Schnitt durch den Tubus ven-
tralis (tv) nicht mehr quer, sondern sagittal verlaufen ist. — Bei der
Entwicklung der weiteren Einzelheiten des inneren wie auch des äußeren
Baues dieses Organs will ich mich nicht weiter aufhalten.
Das Retinaculum bietet auf dem Stadium H keine Veränderungen
dar ; die Gabel besteht wie zuvor aus drei Abschnitten, wobei das Manu-
brium bereits unpaar geworden ist. Auf dem Stadium G waren alle
drei Abschnitte der Gabelanlagen, wie wir schon oben bemerkt haben,
ungefähr von der gleichen Größe ; bei dem Übergang auf das Stadium H
werden die Endglieder (Mucrones) bedeutend kleiner als die andern,
während die mittleren Abschnitte (Dentes) in ihrem Wachstum sowohl
die ersteren, als auch das Manubrium überholen, was auch aus der
Fig. 35 (frc) zu ersehen ist. So erwirbt demnach auch die Gabel nun-
mehr die für die erwachsene Isotoma charakteristische Configuration.
Der Vorgang des Verschlusses des Rückens durch das von den
Seiten nach oben wachsende Ectoderm erreicht auf dem Stadium H
582 Jur- Philiptschenko,
sein Ende. Auf der Fig. 35 können wir die flachen Zeilen des Hüllen-
ectoderras nicht mehr sehen und der ganze Embryo ist um diese Zeit
sowohl auf den Seiten wie auch auf dem Rücken von Ectoderm be-
deckt. — Selbst in denjenigen Fällen, wo an irgend einer Stelle des
Embryos das Ectoderm der rechten und der linken Seite noch nicht
miteinander verwachsen ist, wie auf der Fig. 65 unterhalb des Dorsal-
organs oder auf der Fig. 68 oberhalb des Dotters, sind keine Zellen
des Hüllenectoderms an solchen Steilen zu bemerken, da dieses letztere
um diese Zeit bereits vollständig reduziert ist. Alles dieses beweist
natürlich nur, daß diese Zellen an der Bildung des Integuments des
erwachsenen Tieres überhaupt nicht beteiligt sind.
Im Zusammenhange mit dem Verschlusse des Rückens beschränkt
sich die Segmentierung des Embryos nunmehr nicht mehr auf die
Ventralseite, sondern sie geht zuerst auch auf die lateralen Seiten
und schließlich auf den Rücken über. Zuerst differenzieren sich die
letzten Abdominalsegmente : so sind z. B. bei dem auf Fig. 35 dar-
gestellten Embryo die drei hintersten Abdominalsegmente (Abdö, Äbdb,
Abd±) auch schon am Rücken abgeteilt. Hierauf differenzieren sich
die vorderen Abdominalsegmente und nach ihnen die thoracalen, d. h.
dieser Prozeß verläuft von hinten nach vorn, in der Richtung nach dem
Kopfe.
Was das Dorsalorgan betrifft, so ist dasselbe während des ganzen
Verlaufes dieses Stadiums vorhanden. Bei Embryonen, welche dem
Anfang oder der Mitte desselben entsprechen, hebt sich das Dorsalorgan
wie bisher auch auf Totalpräparaten (Fig. 35 DO) scharf ab ; bei späteren
Embryonen hingegen, bei denen der ganze Rücken mit Ectoderm
bedeckt ist, bedarf es eines leichten Druckes mit dem Deckgläschen auf
den Embryo, um sich von dem Vorhandensein dieses Organs in toto über-
zeugen zu können. — Die Untersuchung von Schnitten, besonders aber
von sagittal geführten, wie der auf Fig. 65 abgebildete, gibt uns die
Überzeugung, daß der histologische Charakter des Dorsalorgans {DO)
und die Zahl der dasselbe zusammensetzenden Zellen auf dem Sta-
dium H genau die gleichen sind, wie zuvor. Immerhin bemerken wir
jetzt eine gewisse Veränderung in seiner Lage: wie aus der angeführten
Figur zu ersehen ist liegt das Dorsalorgan nur mit einem geringen
Teile seines Umfanges der äußeren Oberfläche an und ist tiefer in
den Dotter versenkt. Diese Lageveränderung ist die Folge einer
Wucherung des definitiven Ectoderms (ect) auch über dem Organ,
so daß das Dorsalorgan gegen das Ende des Stadiums H endlich
jeglichen Zusammenhang mit der zweiten Embryonalhülle einbüßt
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 583
und unterhalb des Ectoderms in den Dotter versinkt. Bis zum Ab-
laufe des Stadiums H ist nicht die geringste Degeneration in dem
Organe selbst, noch irgendwelche Zerstörung mit Hilfe der Leucocyten
zu bemerken.
Das letzte Stadium der vierten Entwicklungsperiode, welches dem
Ausschlüpfen aus dem Ei unmittelbar vorangeht, oder das Stadium J,
ist auf der Fig. 36 dargestellt. ^Vie aus derselben zu ersehen ist, hat
der Embryo nunmehr seine völlige Ausbildung erfahren, sein Körper
ist vollständig segmentiert und alle seine Anhänge weisen denselben
Charakter auf, wie bei der aus dem Ei geschlüpften Isotoma (Fig. 37),
von der er sich nur durch seine gekrümmte Lage unterscheidet. —
In der Haut hat sich um diese Zeit bereits das blaue Pigment
herausgebildet, welches für die erwachsene Form charakteristisch ist;
durch diese hellblaue Färbung unterscheiden sich die Embryonen
des Stadiums J auf das schärfste von denen aller vorhergehenden
Stadien.
Ich halte es für überflüssig eine genauere Schilderung dieses Sta-
diums zu geben, muß jedoch bei dem Schicksal eines Gebildes verweilen,
welches hier gänzlich fehlt, und zwar des Dorsalorganes. Im Gegensatz
zu allen vorhergehenden Stadien ist dasselbe jetzt sowohl auf Total-
präparaten (Fig. 36), wie auch auf Schnitten (Fig. 73) gar nicht mehr
zu unterscheiden. Dieses unerwartete Verschwinden des Dorsalorganes,
welches noch auf dem vorhergehenden Stadium (Fig. 65 DO) so gut
entwickelt erschien, war auch mir ein Eätsel, bis es nur gelang bei
Embryonen aus dem ersten Anfang des Stadiums J Überreste desselben
aufzufinden. — In der Mitte und gegen das Ende dieses Stadiums
entbehrt der Mitteldarm des Embryos gänzlich des Dotters (Fig. 73 D),
während er bei Beginn des Stadiums J, wie dies auch vorher der Fall
gewesen war, dicht mit Dotter angefüllt ist (Fig. 71 D). Gerade bei
solchen Embryonen nun kann man innerhalb des Mitteldarmes zwischen
dem Dotter Reste des Dorsalorganes finden (Fig. 71 DO), welches offen-
bar nach seiner Loslösimg von dem Ectoderm zusammen mit dem
Dotter von dem Darmepithel umhüllt (vgl. Fig. 68) und wiederum mit
dem Dotter in dem Darme verdaut wird, wobei es bei älteren Em-
bryonen restlos verschwindet.
Das Dorsalorgan der Collembola unterliegt demnach nicht einer
langsamen Degeneration oder Zerstörung unter Beihilfe der Leucocyten,
gleich vielen embryonalen Organen, sondern es erfährt das gleiche
Schicksal wie die Embryonalhüllen einiger Insekten, so zum Beispiel
von Hydrophilus , welche schließlich in den Dotter geraten und mit
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 38
584 Jur. Philiptschenko,
diesem zusammen im Darme verdaut werden. Ein ähnliches Schicksal
erleidet bekanntlich auch das Dorsalorgan vieler Amphipoda. —
Pkowazek beschreibt bei der von ihm untersuchten Isotoma-Ait eine
Resorption des Dorsalorganes mit Hilfe von mesodermalen Zellen, doch
kann ich diese Beobachtung in keiner Weise bestätigen und vermute,
daß sie auf einem Irrtum beruht.
Den Prozeß des Ausschlüpf ens des Embryos aus dem Ei habe ich
nicht beobachtet; ebenso fehlen mir jegliche Beobachtungen über den
Zeitpunkt des Beginnes der ersten Häutung der jungen Isotoma. Es
muß hier bemerkt werden, daß sowohl Campodea wie auch Tomocerus
(Macrotoma) nach den Untersuchungen von Uzel mit einer embryo-
nalen Cuticula (d. h. offenbar mit einer zweiten cuticularen Embryonal-
hülle) bekleidet das Ei verlassen, dieselbe jedoch bald darauf ab-
werfen. Pkowazek weist darauf hin, daß bei seiner Isotoma die erste
Häutung am 7. Tage eintrat, wie dies nach Heymons auch bei Lepisma
der Fall ist. i
Auf die Frage nach dem Dorsalorgan und den die Bildung des
Rückens begleitenden Prozessen werden wir später nochmals zurück-
kommen ; um mit der Entwicklung der Körpergestalt bei Isotoma, cinerea
abzuschließen, wollen wir hier nur noch kurz bei den Angaben ver-
weilen, welche wir oben mitgeteilt haben und die die Segmentierung
verschiedener Körperanhänge, d. h. der Extremitäten betreffen. Dabei
erwecken einige in die Augen fallende Eigentümlichkeiten ein gewisses
Interesse.
Die Segmentierung der Antennen war bei Tomocerus plumbeus
von Hoffmann untersucht worden, dessen Befunde, wie wir oben
gesehen haben, auch für unsre Form durchaus passen. Bei beiden
zerfällt die noch ungegliederte Anlage der Antennen zuerst in ein
größeres distales und ein kleineres proximales Glied; hierauf teilt sich
das erstere derselben, um die zwei Endglieder der völlig ausgebildeten
Antenne zu bilden (III u. IV) und schließlich teilt sich auch noch das
proximale primäre Glied, wobei seine Hälften das I. und II. Glied der
fertigen Antenne abgeben. Dieser Vorgang läßt sich am besten durch
nachstehende Gleichung ausdrücken :
P < D
ant (I + II + III + IV)=(I + n)+(III + IV)=(I + II) + III + IV=I + II + III + IV.
Die Segmentierung der Füße haben wir oben beschrieben; sie
verläuft nach demselben Grundplane. Ebenso wie dies auch bei den
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 585
Antennen der Fall ist, teilt sich die ungegliederte Anlage der Füße in
zwei Glieder, von denen das distale größer ist und den Femur (III),
die Tibia (IV) und den Tarsus (V) enthält, das proximale dagegen die
Coxa (I) und den Trochanter (II) und dabei kleiner ist1. Späterhin
segmentiert sich zuerst das primäre distale Glied, wobei der Tarsus
sich zu allererst differenziert, worauf sich dann Femur und Tibia ab-
teilen. Die Gliederung des primären proximalen Gliedes tritt be-
trächtlich später auf, und zwar erst auf dem Stadium G, während das
distale Glied schon auf dem Stadium E gänzlich in seine drei Ab-
schnitte geteilt ist. Die Gleichung für die Segmentierung der Füße
wird sich offenbar folgendermaßen gestalten:
P < D
th (I + II + III + IV + V)=(I + II) + (III + IV + V)=(I + II) + (III + IV)
+ V = (I + II) + III + IV + V = I + II + III + IV + V.
tarsus femur tibia coxa trochanter
Vergleicht man diese beiden Gleichungen, so ergibt es sich in un-
zweifelhafter Weise, daß die Segmentation der Füße und der Antennen
nach ein und demselben Typus verläuft ; charakteristisch sind für diesen
Typus: erstens die ursprüngliche Einteilung dieser Anlagen in zwei
primäre Glieder — ein größeres distales und ein kleineres proximales —
und zweitens die vom distalen nach dem proximalen Ende zu fort-
schreitende, d. h. wenn man sich so ausdrücken darf, centripetale Diffe-
renzierung der definitiven Glieder. Wie bei den Antennen, so auch
bei den Füßen werden die Endglieder zuerst und die Basalglieder zuletzt
differenziert. — Es ist von Interesse, daß dieses Gesetz auch in der
postembryonalen Entwicklung der Collembola eine Anwendung findet.
Bekanntlich besitzen mehrere Vertreter der Familie Entomobryidae
nicht vier-, sondern fünf- oder sechsgliederige Antennen (so z. B. Orche-
sella, Heteromurus [Templetonia]). Börner (1901) stellte fest, daß die
soeben aus dem Ei ausgeschlüpften Vertreter dieser Gattungen vier-
gliederige Antennen besitzen, daß sich aber später die Zahl dieser
Glieder sekundär vermehrt. Außerdem beobachtete dieser Autor
sowohl bei Orchesella cincta wie auch bei Heteromurus nitidens, daß
die Verwandlung der viergliederigen Antenne in eine fünfgliederige
durch die Teilung ihres basalen Gliedes (I der übrigen Formen) in
zwei Glieder vor sich geht (vgl. Fig. 33 auf Seite 78 der angeführten
1 Ich kann die Angaben von Willem (1900) in keiner Weise bestätigen,
wonach die Füße der Collembola nicht fünf, wie dies für die Insekten typisch
ist, sondern sieben Glieder besitzen.
38*
586 Jur. Philiptschenko,
Arbeit). In diesem Falle ist die Analogie mit der Gliederung des
Beines eine durchaus vollständige.
Obwohl heutigen Tages wohl niemand mehr an der Extremitäten-
natur der Antennen zweifeln wird, so bietet die Übereinstimmuno-
ihrer Segmentierung mit derjenigen der Beine doch immer ein ge-
wisses Interesse.
Es muß hervorgehoben werden, daß auch die Differenzierung des
ersten und des zweiten Maxilienpaares nach dem gleichen Gesetze
verläuft, wie diejenige der Beine und der Antennen. — Wie wir oben
gesehen haben, teilt sich die Anlage jeder Maxille zuerst in ihren
basalen Teil und den Palpns, wobei dieser letztere, d. h. das ursprüng-
liche distale Glied auch hier von etwas größeren Dimensionen ist (vgl.
Fig. 31). Hierauf tritt die Segmentierung des Palpus ein und endlich
diejenige des Maxillenstammes ; die Einzelheiten dieser Vorgänge habe
ich nicht verfolgt, doch verlaufen dieselben, soweit man dies nach den
Beobachtungen von Hoffmann beurteilen kann, im allgemeinen wie
es scheint wie bei den Beinen. Aus dem hier Mitgeteilten ist deutlich
ersichtlich, daß der Palpus maxillaris und der P. labialis den drei
distalen Beingliedern (Femur, Tibia, Tarsus) völlig entsprechen, die
Basalglieder der Maxillen dagegen den Basalgliedern der Beine (Coxa
und Trochanter). Zu dem gleichen Ergebnis gelangte auch Heymons
(1897a) auf Grund seiner Beobachtungen über die Entwicklung von
Lepisma, doch ist dieser Autor der Ansicht, daß Submentum + Men-
tum und Cardo + Stipes der Coxa allein entsprechen.
Indem wir nunmehr zu der Segmentierung der Abdominalanhänge
übergehen, können wir uns davon überzeugen, daß jenes für alle Kopf-
und Brustextremitäten gültige Gesetz bei der Segmentierung der ab-
dominalen Extremitäten nicht mehr in vollem Umfange in Kraft
bleibt. Wie wir schon oben bemerkt haben, teilen sich auch die Ab-
dominalanhänge des ersten, dritten und vierten Segmentes ursprüng-
lich in zwei Glieder, allein von diesen ist nicht das distale größer als
das proximale, sondern umgekehrt. Bei den Anlagen des Tubus ven-
tralis und des Retinaculum bleibt es auch bei dieser Segmentierung,
wobei die Grenze zwischen dem proximalen und dem distalen Abschnitt
verwischt wird; so kann man für die Anlagen des Tubus ventralis nur
annäherungsweise angeben, daß die distalen Glieder die Hauptmasse
des Materiales für die ausstülpbaren Bläschen abgeben. Bei der
Anlage der Gabel wird diese Teilung in zwei Abschnitte nicht ver-
wischt und die Segmentierung geht noch weiter, wobei das kleinere
distale Glied späterhin den Mucro abgibt, während das proximale
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 587
Glied sich in zwei Abschnitte teilt — das Manubrium und die Dens
s. Ramus.
P > D
frc (Man. + ram. + muc.) = (Man. + ram.) + muc. = Man. + rani. + muc.
Im allgemeinen verläuft aber die Differenzierung dieser drei Glieder
auch hier vom distalen zum proximalen Ende.
Es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, warum die primären
Glieder bei den Abdominalanhängen von andrer Größe sind, als bei
allen übrigen Gliedern (bei allen ist P<D, bei den Abdominalgliedern
P]>D) und ob es nicht möglich wäre, eine Parallele zwischen den Ab-
schnitten des Tubus ventralis und der Gabel einerseits und den Beinen
anderseits zu ziehen. — Was die erstere Frage betrifft, so geben uns
die den Collembola nahestehenden niedersten Apterygoten, nämlich
Cam'podea und die Protura eine Antwort auf dieselbe,
Bei Cam'podea sind abdominale Extremitäten (Styli und Cerci
lasse ich hier unberücksichtigt) an dem ersten Abdominalsegment ent-
wickelt und bestehen aus zwei Gliedern, einem größeren proximalen
und einem kleineren distalen. Dasselbe findet auch bei den Vertretern
der Familie der Acerentomidae statt, während bei Eosentomon genau
ebensolche Anhänge an den drei ersten Abdominalsegmenten sitzen.
Das kleine distale Glied der zweigliederigen Abdominalbeine der Pro-
tura trägt an seinem Ende ein ausstülpbares Bläschen (über Protura
siehe die Arbeiten von Silvestri [1907, 1909], Berlese [1909] und
Rimsky-Korsakow [1911a u. b]). Es ist unschwer zu erkennen, daß
ein solches zweigliederiges Bein durch den Verlust von Gliedern aus
einem normalen fünfgliedrigen Beine hervorgegangen ist, wie sie bei
Scolopendrella und einigen andern Myriopoden an allen Segmenten
entwickelt sind. Sein kleines distales Glied entspricht wahrscheinlich
mehreren Gliedern, die schließlich eine rudimentäre Form angenommen
haben, während das ausstülpbare Bläschen an seinem Ende bei den
Protura eine Neubildung darstellt. In welchen Beziehungen die Styli
zu solchen Beinen stehen, ist recht schwer zu sagen, allein alles was wir
über ihre Entwicklung wissen, spricht gleichsam dafür, daß der un-
gegliederte Stylus ein bereits endgültig reduziertes Abdominalbein dar-
stellt, aber vielleicht stellen die Styli, wie Heymons (1897a) dies
angenommen hat, nur Anhänge völlig verschwundener abdominaler
Beine dar.
Da bei den Collembola alle Abdominalanhänge ein Stadium
durchmachen, während dessen sie aus zwei Gliedern bestehen, — einem
588 Jur. Philiptschenko,
größeren proximalen und einem kleineren distalen — so spricht dies
dafür, daß ihre Vorfahren an dem Abdomen halbreduzierte Beine in
der Art derer getragen haben, welche noch jetzt an einem Segmente
bei Campodea und Acerenlomon und an dreien bei Eosentomon vor-
handen »sind. Aus derartigen zweigliedrigen Beinen haben sich wahr-
scheinlich der Tubus ventralis, das Retinaculum und die Furca der
Collembola entwickelt und hierdurch läßt sich erklären, warum bei der
Entwicklung dieser Gebilde ihr distales Glied kleiner ist als das proxi-
male. Es dürfte ziemlich gewagt sein, wollte man die proximalen
Glieder der Abdominalanhänge mit den primären proximalen Gliedern der
Beine und der Antennen homologisieren (und ebenso die distalen — mit
den primären distalen), solange wir nicht wissen, einem Rudiment von
wie viel Gliedern das kleine Glied an den abdominalen Beinen von Cam-
podea und den Protura entspricht, so daß es ratsamer erscheint,
einen solchen Versuch zu unterlassen. Es mag noch daran erinnert
sein, daß, wie wir schon oben bemerkt haben, bei den Embryonen
von Lepisma nach Heymons die Anhänge des ersten Abdominalseg-
mentes wie die abdominalen Anhänge der Embryonen von Isotoma
gegliedert sind, wodurch unsre Annahme von dem Vorhandensein
zweigliedriger Abdominalbeine bei den Vorfahren der heutigen Apte-
rygota eine Bestätigung erfährt.
Was nun die Frage nach einer Analogie zwischen den Teilen des
Tubus ventralis, des Retinaculum und der Furca und den Gliedern
der Beine betrifft, so sind derartige Versuche schon mehrmals unter-
nommen worden. — Ich will hier, als Beispiel, darauf hinweisen, daß
Willem in seiner Monographie der Collembola und Thysanura
(1900) den basalen Teil des Retinaculum für die miteinander ver-
schmolzenen Coxae hält, seine Rami dagegen — für den Tibiae homo-
loge Gebilde ; auch homologisiert er das Manubrium der Gabel mit den
miteinander verschmolzenen Coxae, Trochanteres und Femora, die
Rami s. Dentes mit den Tibiae, die Mucrones mit dem Tarsus.
Die Embryologie spricht indessen sowohl gegen diesen, wie auch
gegen alle ähnlichen Versuche die Abschnitte der abdominalen An-
hänge auf die Teile der Beine zurückzuführen, indem die primäre Seg-
mentierung bei den ersteren, wie wir schon gesehen haben, einen andern
Charakter aufweist, als bei den letzteren; sie spricht nur dafür, daß
bei den Vorfahren der jetzt lebenden Collembola die Abdominal-
anhänge den gleichen Charakter aufwiesen, wie gegenwärtig das Paar
abdominaler Extremitäten von Campodea. Hieraus wird man schließen
müssen, daß sowohl die Abschnitte des Tubus ventralis (Tubuscylinder,
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 589
-kragen, -bläschen), wie auch die Abschnitte der Gabel (Manubrium,
Dentes, Mucrones) schon im Bereiche der Ordnung der Collembola
entstanden sind und daher nicht auf einen der Abschnitte der Beine
zurückgeführt werden können. Zugunsten dieser letzteren Annahme
spricht, abgesehen von den Ergebnissen der Embryologie auch noch
der primitive Bau des Tubus ventralis innerhalb der Familie der
Poduridae, wovon schon oben die Rede gewesen ist, wie auch
die Tatsache, daß bei den Vertretern einer Familie der Collembola,
nämlich bei den Neelidae, die Gabel nicht aus drei, sondern aus vier
Gliedern besteht, indem zwischen Manubrium und Mucrones zwei zwei-
gliederige Dentes angebracht sind.
Indem wir es für unmöglich halten, eine Homologie zwischen den
Gliedern der Beine und denen der Abdominalanhänge durchzuführen,
beabsichtigen wir in keiner Weise die Extremitätennatur dieser letzteren
zu leugnen. Alles oben Angeführte spricht im Gegenteil unzweifelhaft
dafür, daß alle abdominalen Anhänge der Collembola Modifikationen
von in früheren Zeiten am Abdomen entwickelten (bei den älteren
Vorfahren — fünf gliederigen, bei jüngeren — zweigliederigen) Beinen
darstellen. Die ältere Auffassung von Haase (1889), wonach der Tubus
ventralis nur durch Verschmelzung zweier abdominaler Bläschen ge-
bildet worden sein soll, während die Furca eine Modifikation der zwei
Styli darstellt, welche Haase einfach für hypodermale Bildungen an-
sieht, ist natürlich vollständig irrtümlich, obgleich das Retinaculum
und die Furca auch in der Arbeit von Börner (1901) immer noch als
differenzierte Styli figurieren.
Die ausstülpbaren Bläschen in dem Endabschnitt des Tubus ven-
tralis sind den abdominalen Bläschen bei Scolopendrella, den Diplura
und Machilis durchaus homolog und diese Homologie hat niemals
irgendwelche Zweifel hervorgerufen. Ganz besonders klar wird sie
nach der Entdeckung der Protura, welche, wie wir bereits oben
angeführt haben, am Ende des zweiten Gliedes der abdominalen Beine
je ein solches ausstülpbares Bläschen besitzen. Wahrscheinlich waren
ebensolche Saugnäpfe an den Enden der Beine wenigstens am ersten
Abdominalsegment den Vorfahren aller Insekten eigentümlich, indem
auch bei den Vertretern der verschiedensten Ordnungen der Ptery-
gota im embryonalen Zustande an diesem Segmente die eigenartigen
» Pleuropoden « her vor wachsen. Schon Cholodkowsky (1891) hatte
seinerzeit hervorgehoben, daß das erste Paar von Abdominalanhängen
wahrscheinlich ursprünglich zur Fortbewegung diente und erst später
die sekundäre Rolle von Saugnäpfen übernommen hat. Ebenso weist
590 Jur. Philiptschenko,
auch Hieschler (1906), anläßlich der Beschreibung von drüsigen
Bildungen an diesem Segmente bei den Embryonen von Catocala nupta,
darauf hin, daß dieselben wahrscheinlich den Abdominalbläschen der
Thysanura und Myriopoda homolog sind.
In der oben erwähnten ausgezeichneten systematischen Arbeit
von Börner (1901) findet man die Angabe, daß im allgemeinen Cerci
bei den Collembola nicht entwickelt sind, daß aber letzte Reste der-
selben bei den Vertretern der Gattung Tomocerus angetroffen werden.
Wir haben bereits oben von der Entwicklung des hinteren Endes
des Embryos unsrer Isotoma gesprochen, wobei wir unsre Beobach-
tungen mit den auf Tomocerus bezüglichen Angaben von Uzel ver-
glichen ; aus allem diesem geht deutlich hervor, daß, obgleich ein Telson
bei den Collembola vorhanden ist, die Cerci doch vollständig fehlen.
Letztere können schon aus dem Grunde nicht vorhanden sein, weil die
Collembola augenscheinlich eine ziemlich beträchtliche Zahl von hinte-
ren Abdominalsegmenten (wahrscheinlich fünf) eingebüßt haben.
Fassen wir alles auf die Entwicklung der Körperanhänge Bezügliche
zusammen, so werden wir demnach sagen müssen, daß die Segmentierung
der abdominalen Extremitäten in andrer Weise verläuft, als diejenige
der Extremitäten der Brust und des Kopfes. Für die Antennen, Maxillen
und thoracalen Beine ist der ursprüngliche Zerfall ihrer Anlagen in
zwei primäre Glieder charakteristisch — ein größeres distales, und ein
kleineres proximales — und die darauffolgende fortschreitende Diffe-
renzierung der definitiven Glieder in centripetaler Richtung. [ Auf
Grund dieser Verhältnisse wird das Ziehen einer Parallele zwischen den
Abschnitten der Beine und z. B. den Maxillen durchaus möglich. Die
Abdominalanhänge hingegen teilen sich zuerst in ein größeres proxi-
males und ein kleineres distales Glied, indem sie hierbei ein Stadium
durchmachen, welches den halbreduzierten zweigliedrigen Beinen am
Abdomen von Campodea und den Protura entspricht. Infolgedessen
kann auch deren spätere Teilung in die definitiven Abschnitte, wie sie
wahrscheinlich schon im Bereiche der Gruppe der Collembola auf-
getreten ist, nicht mit der definitiven Segmentierung der Extremitäten
des Kopfes und der Brust verglichen werden. — Es wäre recht inter-
essant, diese Verhältnisse an Embryonen der Pterygota zu studieren,
worüber, so viel mir bekannt ist, keinerlei Angaben vorliegen.
Die Entwicklung des Darmes. Während der dritten Ent-
wicklungsperiode hatten wir es ausschließlich mit den ectodermalen
Anlagen des Vorder- und Enddarmes zu tun; irgendwelche Anlagen
des Mitteldarmes waren um diese Zeit noch nicht zu bemerken. —
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 591
Auf dem Stadium F kann man dieselben erstmals bemerken und um
diese Zeit treten drei solcher Mitteldarmanlagen auf: eine vordere,
eine hintere und eine mittlere oder diffuse Mitteldarmanlage. Am
deutlichsten sind diese Anlagen auf solchen Sagittalschnitten zu sehen,
wie jene drei auf unsern Fig. 53 — 55 abgebildeten aufeinander folgenden
Schnitte durch ein und denselben Embryo. '£ > -
Auf der Fig. 53 sehen wir, wie das Stomodäum (std) sich wie früher
mit seinem Ende auf den Dotter stützt und an diesem Ende keine
Elemente des unteren Blattes aufweist. Letztere liegen dem Stomo-
däum nur von oben und unten an: oberhalb desselben liegt eine An-
häufung dieser Zellen innerhalb der Oberlippe {Ihr) ; dabei verwandelt sich
der hintere, der oberen Wandung des Stomodäum (mm) dicht anliegende
Teil dieser Anhäufung späterhin in die Muskelschicht des Vorderdarms,
so daß man diesen Teil für die Anlage der Muscularis des Vorderdarmes
ansehen kann. Unterhalb des Stomodäums, an dessen hinteren Wand
(und zwar zwischen dieser und dem Nervensystem n) liegt eine andre
Anhäufung von Elementen des unteren Blattes (vDa): dies ist nun
eben die vordere Anlage des Mitteldarmes. — Es sei bemerkt, daß sich
aus dieser selben Anlage nicht nur das Mitteldarmepithel entwickelt,
sondern daß ein Teil derselben später auch die Muscularis der unteren
Stomadäumwand entstehen läßt (vgl. Fig. 62 mm) ; allein auf dem
Stadium F ist es schlechterdings unmöglich irgendwelchen Unterschied
zwischen den Elementen, welche die Muscularis abgeben werden und
denjenigen Elementen zu bemerken, welche sich in das Mitteldarm-
epithel verwandeln.
Die vordere Anlage des Mitteldarmes tritt daher auf dem Stadium F
noch nicht in reiner oder einfacher Gestalt auf, sondern es sind derselben
auch fremde Elemente in Gestalt der zukünftigen Muskelzellen des
Vorderdarmes beigemischt, so daß diese Anlage als eine zusammen-
gesetzte Primitivanlage im Sinne Meisenheimeks (1900, 1908) ange-
sehen werden muß. Natürlich ist die Bezeichnung als »vordere Anlage
des Mitteldarmes« in bezug auf das Stadium F nicht ganz richtig,
doch benutze ich dieselbe um die Einführung neuer Bezeichnungen
zu vermeiden.
Eine ebensolche zusammengesetzte Primitivanlage stellt auf dem
Stadium F auch die hintere Anlage des Mitteldarmes dar, da auch dieser
um diese Zeit unzweifelhaft noch Elemente der zukünftigen Muscularis
des Proctodäum beigemischt sind. Letzteres (prä) ist auf der Fig. 55
dargestellt: wie dies schon früher der Fall war, stützt es sich,
zum Unterschiede vom Stomodäum, mit seinem Ende nicht direkt auf
592 Jur- Phiüptschenko,
den Dotter, sondern es ist von demselben durch eine Anhäufung von
Elementen des unteren Blattes (hDa) geschieden, welche die hintere
Anlage des Mitteldarmes darstellt. Außer dieser dem Ende des Procto-
däum anliegenden Anhäufung, wird dieses letztere noch allseitig von
Elementen des unteren Blattes umgeben (Fig. 55, 56 mm) und aus
diesen wird späterhin die Muskelschicht des Hinterdarmes gebildet. Wie
auf diesen Figuren zu erkennen ist, läßt sich zwischen der hinteren
Anlage des Mitteldarmes und der Anlage der Muscularis des Procto-
däum um diese Zeit keinerlei Grenze ziehen, weshalb es richtiger wäre,
auch hier von einer einzigen zusammengesetzten Primitivanlage zu
sprechen.
Sowohl die vordere, wie auch die hintere Anlage des Mitteldarmes
(welche um diese Zeit noch mit den Anlagen der Muscularis der ecto-
dermaien Darmabschnitte zu gemeinsamen zusammengesetzten Primi-
tivanlagen vermischt sind) entstehen demnach aus einer vorderen und
einer hinteren Anhäufung des unteren Blattes, die nicht in den Be-
stand der Somiten aufgegangen sind. An der Bildung dieser letzteren
hat außerdem auch noch eine kleine Anzahl von Elementen des unteren
Blattes keinen Anteil genommen, welche zwischen den Somiten der
rechten und der linken Seite eine Brücke gebildet hat und schon
oben beschrieben worden ist (vgl. Fig. 39, 41, 45, 46 isb). Auf Kosten
dieses zwischen den Somiten verlaufenden Stranges des unteren Blattes
entsteht nun die dritte Anlage des Mitteldarmes — seine mittlere oder
diffuse Anlage.
Bei der Beschreibung des Stadiums E (des letzten Stadiums der
dritten Entwicklungsperiode) haben wir bereits hervorgehoben, daß
infolge eines starken Wucherung des Nervensystems nach oben der
Zusammenhang zwischen den Somiten der Kiefersegmente eingebüßt
wird und die zwischen ihnen bestehende Brücke verschwindet. Auf
dem Stadium F breitet sich dieser Prozeß aus den Kopfsegmenten
auf die thoracalen und schließlich auch auf die abdominalen Segmente
aus: das Nervensystem wächst rasch nach oben und die Brücke
zwischen den Somiten der rechten und der linken Seite wird reduziert.
Schließlich haben wir auf dem Stadium F auf der Mittellinie längs der
Ventralseite zwischen den Somiten statt eines Stranges des unteren
Blattes nur noch eine Keine von einzelnen Zellen, in welche der Strang
zerfallen ist, und einige dieser Zellen dringen oberflächlich in den
Dotter ein und bleiben in Gestalt isolierter Zellen an dessen unterer
Oberfläche (Fig. 54 dDa). Diese Zellen bilden denn auch die mittlere
oder diffuse Anlage des Mitteldarmes : auf dem Stadium F sind dieselben
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 593
sowohl auf Sagittal-, wie auch auf Querschnitten gut zu sehen, ver-
mischen sich aber später mit den Auswüchsen der vorderen und hinteren
Anlage des Mitteldarines (deren Beschreibung wir etwas weiter unten
geben werden) und verschmelzen mit ihnen zu der epithelialen Wand
des Mesenteron.
Der von uns beschriebene, zwischen den Somiten verlaufende Strang
des unteren Blattes, aus welchem späterhin die diffuse Anlage des
Mitteldarmes gebildet wird, ist bei vielen Pterygota bekannt ge-
worden. Zuerst wurde er von Nusbaum (1891) bei Meloe unter dem
Namen Chordastrang beschrieben, darauf von Heymons bei Forjicula
und den Orthoptera (1895), wobei letzterer Autor feststellte, daß
die Blutzellen eben aus diesem Strange hervorgehen, was später auch
von andern Autoren bestätigt worden ist. Von Nusbaum und Fu-
linski (1906) wurde erstmals festgestellt, daß außer den Blutzellen aus
diesem mittleren Strange auch noch Elemente hervorgehen, welche
an der Bildung des Mitteldarmes beteiligt sind; diese Angaben wurden
später durch Hirschler (1906, 1909a u. b) an verschiedenen Lepi-
dopteren und Coleopteren und durch Hammerschmidt (1910) an
Phasmatiden durchaus bestätigt (die von letzterem vorgeschlagene
Terminologie — »sekundäres Entoderm mesoder malen Ursprunges«
u. dgl. m. lasse ich unberücksichtigt).
Der »mittlere Strang« vieler Pterygota gibt demnach das Ma-
terial ab nicht nur für den Mitteldarm, sondern auch noch für die Blut-
zellen. Es ist mir leider nicht gelungen die Entwicklung dieser letzteren
bei Isotoma cinerea zu verfolgen, doch scheint mir nach Analogie mit
den Pterygota die Annahme am wahrscheinlichsten, wonach sie sich
auch hier aus den Elementen des zwischen den Somiten verlaufenden
Stranges entwickeln. Verhält sich dies in der Tat so, dann gehört
auch die dritte (die sogenannte diffuse) Anlage des Mitteldarmes gleich
der vorderen und der hinteren Anlage bis zu ihrer Differenzierung zu
dem Bestände der zusammengesetzten Primitivanlage, in der außer
ihm auch noch ganz fremde Elemente, und zwar das Material für die
zukünftigen Blutzellen, enthalten sind. Für die Pterygota trifft
das letztere zweifellos zu. Auf diese äußerst wichtigen Verhältnisse
werden wir in dem allgemeinen Teil dieser Arbeit nochmals zurück-
kommen.
Auf den beiden darauffolgenden Stadien — G und H — treten
in allen drei Abschnitten des Darmes merkliche Veränderungen ein.
Das bis jetzt mehr oder weniger gerade Stomodäum nimmt infolge
seines Wachstums eine knieförmig üeboeene Gestalt an, indem seine
594 Jur. Philiptschenko,
hintere Hälfte um etwa 45° von der früheren Richtung abweicht, welch
letztere in der vorderen Hälfte des Stomodäum erhalten bleibt (vgl.
Fig. 62). Da die vordere Anlage des Mitteldarmes um diese Zeit schon
vollständig abgesondert ist, so können wir auf Sagittalschnitten nun-
mehr bemerken, daß die Wandungen des Vorderdarmes nicht nur
oben, sondern auch unten mit einer Schicht von Zellen des unteren
Blattes bedeckt sind (Fig. 62 mm), aus welcher später ihre Muscularis
hervorgeht.
Von einer ebensolchen einschichtigen Anlage der zukünftigen
Muscularis ist auf den Stadien G und H auch das Proctodäum allseitig
umgeben (Fig. 63 u. 67 mm), während die hintere Anlage des Mittel-
darmes, gleich der vorderen, um diese Zeit schon vollständig abgeson-
dert ist. Im Gegensatze zu dem Vorderdarme bleibt der Hinter darin,
wie dies aus den beiden angeführten Zeichnungen zu ersehen ist, wie
früher gerade, allein sein inneres Ende liegt nunmehr dem Dotter un-
mittelbar an, indem die hintere Mitteldarmanlage, wie wir später sehen
werden, eine andre Lage einnimmt und eine neue Gestalt annimmt.
Das Lumen des Proctodäum ist nunmehr durch eine dünne Schicht
seinen Boden bildender Zellen von dem Dotter geschieden, d. h. es
wird hier die für die Entwicklung des Hinterdarmes bei den Ptery-
gota charakteristische sogenannte hintere Grenzlamelle gebildet
(Fig. 63, 67 hgl). Eine ebensolche vordere Grenzlamelle auf dem Boden
des Stomodäum gelangt beträchtlich später zur Bildung.
Das proximale Ende des Proctodäum, vor dessen Grenzlamelle,
ist um diese Zeit etwas erweitert, wie dies auf unsren Zeichnungen
deutlich zu sehen ist. Eine ähnliche Erweiterung an dieser Stelle
findet sich auch bei den Embryonen der Pterygota, bei denen aus
derselben späterhin die MALPiGHischen Gefäße hervorgehen. Bei
unsrer Isotoma, wie auch bei allen Collembola, bleibt diese Erweiterung
während der späteren Entwicklung völlig unverändert (vgl. z. B. die
auf einen zum Ausschlüpfen bereiten Embryo bezügliche Fig. 73 prd)
und es werden gar keine MALPiGHischen Gefäße gebildet. Eine solche
Erweiterung findet sich im erwachsenen Zustande nicht nur bei Isotoma
cinerea, sondern auch bei vielen andern Collembola, worauf schon
Heymons (1897b) hingewiesen hat, welcher dieselbe ganz richtig mit
den MALPiGHischen Gefäßen verglichen hat, welche bei Campodea die
Gestalt kleiner Divertikel besitzen. Die Vorfahren der Collembola
haben demnach wahrscheinlich echte MALPiGHische Gefäße besessen,
wie sie auch die jetzt lebenden Thysanura s. str. besitzen.
Indem wir nun zu den Anlagen des Mitteldarmes übergehen, wollen
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 595
wir nur von der vorderen und der hinteren Anlage sprechen, indem
von dem Schicksal der diffusen Anlage schon oben die Hede ge-
wesen ist und ihre Zellen sich um diese Zeit, infolge der Wucherung
der beiden ersteren, mit deren Zellen vermischen und schließlich gar
nicht mehr zu unterscheiden sind. — Sowohl die vordere, wie auch
die hintere Anlage, sondern sich vom Stadium G angefangen von den
Anlagen der Muscularis der ectodermalen Darmabschnitte ab, mit
denen sie zuvor zu zusammengesetzten Primitivanlagen verbunden
waren, worauf sie anfangen rasch an Größe zuzunehmen und dabei
eine eigenartige Gestalt annehmen. Letztere ist die gleiche wie bei
den Pterygota und hat zuerst das Aussehen eines Uhrglases, sodann
diejenige eines Hufeisens, dessen Gipfel dem proximalen Ende des
Stomodäums oder Proctodäums anliegt, je nachdem ob wir es mit der
vorderen oder mit der hinteren Anlage zu tun haben.
Am deutlichsten sind diese Anlagen auf Frontalschnitten durch
den vorderen oder den hinteren Teil des Embryos zu sehen, von denen
zwei auf den Fig. 66 und 67 abgebildet sind. Die erstere derselben
stellt den Teil eines Frontalschnittes durch das Kopfende dar: wir
sehen hier das Stomodäum (std), welches mit seinem Ende an den Dotter
stößt und sogar etwas in denselben eindringt, während seitlich von
ihm, an der Oberfläche des Dotters, jederseits eine dünne Epithel-
lamelle liegt (vDa); auf Schnitten, welche der Ventralseite etwas näher
liegen, und auf denen das Stomodäum nicht mehr zu sehen ist, ver-
schmelzen dabei beide Lamellen zu einer gemeinsamen hufeisenförmigen
Anlage um das Vorderende des Dotters herum. Diese hufeisenförmige
Epithellamelle verdankt ihren Ursprung jener Anhäufung von Ele-
menten des unteren Blattes an der hinteren Wandung des Stomodäums
auf dem Stadium F, von der oben die Rede gewesen ist (Fig. 53 vDa),
d. h. sie stellt gleich dieser Anhäufung die vordere Anlage des
Mitteldarmes dar, allein sie enthält im Gegensatz zu dieser keine Bei-
mischung mehr von irgendwelchen fremden Elementen. Unsre Fig. 66
bezieht sich auf einen Embryo auf dem Stadium H, bei dem die vordere
Mitteldarmanlage sich ziemlich beträchtlich von jenem Zellhäufchen
unterscheidet, welches wir auf dem Stadium F angetroffen haben:
das Studium von Schnitten durch Embryonen des zwischen den Sta-
dien F und H liegenden Stadiums G zeigt uns indessen, daß eine solche
hufeisenförmige Lamelle in Wirklichkeit aus der Anhäufung des unteren
Blattes unterhalb des Stomodäum gebildet wird, wobei letzteres
zuerst eine mehr uhrglasförmige und dann erst eine hufeisenförmige
Gestalt annimmt.
596 Jur. Philiptschenko,
Die Fig. 67 zeigt einen Frontalschnitt durch das Hinterende des-
selben Embryos, und wir erkennen auf derselben die gleichen Ver-
hältnisse. Von dem Boden des Proctodäum (prä) gehen ebenso längs
der Oberfläche des Dotters zwei Epithellamellen (hDa) aus, welche
auf andern Schnitten zu einer gemeinsamen hufeisenförmigen Anlage
verschmelzen, welche an der oben beschriebenen Anhäufung von
Elementen des unteren Blattes am Ende des Proctodäum auf dem
Stadium F ihren Ausgangspunkt hat (Fig. 55 hDa). Auch hier hat
diese Anhäufung zuerst das Aussehen eines Uhrglases und streckt sich
erst später zu einem Hufeisen mit längeren Schenkeln aus: mit einem
Worte, alle Verhältnisse bei der Entwicklung der hinteren Mitteldarm-
anlage sind die gleichen wie bei der vorderen Anlage.
Infolge der gekrümmten Lage des Embryos erhalten wir gewöhnlich
auf ein und derselben Serie Frontalschnitte durch dessen vorderes und
hinteres Ende und Querschnitte durch den mittleren Körperabschnitt.
Aus diesem Grunde gelingt es sehr leicht den ganzen Verlauf beider
hufeisenförmigen Anlagen des Mitteldarmes und deren fortschreitende
Wucherung und Verschmelzung miteinander zu verfolgen. — Auf dem
Stadium G sind diese Aniagen noch sehr kurz und ihre Enden liegen
dem Dotter in dessen unteren Hälfte nur von den Seiten an, während
der mittlere Teil der Ventralfläche des Dotters, welcher über dem
Nervensystem liegt, wie auch die dorsale und die lateralen Oberflächen
einstweilen noch eines solchen epithelialen Belages entbehren. Ein
solches Bild gerade sehen wir auf der Fig. 60, welche einen Querschnitt
durch das dritte Abdominalsegment eines auf dem Stadium G be-
findlichen Embryos darstellt, wo die Enden der hinteren Mitteldarm-
anlage deutlich hervortreten (hDa). Da das vordere und das hintere
Hufeisen auf diesem Stadium noch nicht aneinander herantreten, so
werden wir in der Mitte des Leibes, so z. B. auf Schnitten durch das
erste Abdominalsegment (Fig. 59) unter dem Dotter keine solchen
Epithellamellen finden, sondern es werden hier an seiner Ventralfläche
nur einzeln zerstreute Zellen der diffusen Anlage anzutreffen sein (dDa).
Auf dem Stadium H treffen die Enden des vorderen und des hinteren
Hufeisens aufeinander und verschmelzen miteinander, so daß ihre
Epithellamellen unter dem Dotter in dem Bereiche aller Segmente
entwickelt sind, somit auch am ersten Abdominalsegmente (Fig. 69
hDa), und der Dotter hat' jetzt an seiner Ventralfläche zwei ununter-
brochene Stränge des zukünftigen Darmepithels. Die Zellen der diffusen
Anlage treten um diese Zeit in den Bestand dieser zwei Stränge ein
und sind nunmehr nicht mehr zu erkennen. Hierauf wird das Längen-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 597
Wachstum der Epithellamellen durch ein ebenso energisches Wachstum
in der Höhe ersetzt und dieselben beginnen den Dotter rasch von den
Seiten her zu umwachsen (Fig. 68 vDa); es erfolgt schließlich eine
Verschmelzung der Lamellen der rechten und der linken Seite, und
zwar zuerst an der Ventralfläche und sodann auch an der Dorsalfläche.
Am Ende dieses Prozesses erscheint der Dotter als von allen Seiten
von Darmepithel umgeben und es entsteht der von allen Seiten ver-
schlossene Mitteldarm, welcher einstweilen noch mit Dotter angefüllt
ist (Fig. 71 D). — Mit einem Worte, alle Einzelheiten dieses Prozesses
weisen genau denselben Charakter auf wie bei den Pterygota, wo sie
schon oft beschrieben worden sind, weshalb wir uns nicht länger hierbei
aufzuhalten brauchen.
Bei dem Übergange auf das letzte Stadium J tritt an dem Ende
des Stomodäum ein kleines Zellplättchen auf, welches dessen Höhle
von dem Dotter abgrenzt und auf Sagittalschnitten deutlich zu sehen
ist (Fig. 72 vgl). Wir haben es hier natürlich mit der vorderen Grenz-
lamelle zu tun, welche beträchtlich später auftritt, als die hintere
Grenzlamelle an dem Proctodäum, von der schon oben die Rede ge-
wesen ist. — Zu Beginn dieses Stadiums ist der Mitteldarm noch
von Dotter überfüllt (vgl. Fig. 71), welcher indessen später rasch ver-
schwindet, indem er offenbar verdaut wird; mit ihm verschwinden
auch das in dem Dotter eingeschlossene Dorsalorgan (Fig. 71 DO) und
die Kerne der Dotterzellen (dk auf vielen Figuren der Taf. XIV), so daß
der Embryo vor dem Ausschlüpfen einen Mitteldarm besitzt, dessen
Höhlung von nichts angefüllt ist (Fig. 73 D). Um dieselbe Zeit beginnt
an dem Mitteldarme dessen Muscularis bemerkbar zu werden (welche
auf dieser Zeichnung nicht abgebildet ist). Er entwickelt sich, wie
dies überhaupt bei allen Insekten der Fall ist, aus der splanchnischen
Wandung des Somiten.
Noch bevor der Dotter aus dem Darme verschwindet, wird die
hintere Grenzlamelle am Proctodäum resorbiert und zwischen den Höh-
lungen des Mitteldarmes und des Hinterdarmes wird eine Verbindung
hergestellt. Die vordere Grenzlamelle, welche um diese Zeit eben erst
entstanden ist, verschwindet später, wenn der Dotter bereits ganz
aufgebraucht worden ist. — Von Interesse ist noch eine den Vorder-
nnd Hinterdarm des zum Ausschlüpfen bereiten Embryos betreffende
Eigentümlichkeit. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß bei
den auf dem Stadium J befindlichen Embryonen blaues Pigment ge-
bildet wird, welches auch für die erwachsene Form charakteristisch ist.
Dieses Pigment wird indessen nicht nur in der Hypodermis abgelagert
598 Jur. Philiptschenko,
(Fig. 71, 73 hyp), sondern auch in den Wandungen des Storno- und Procto-
däum (Fig. 73 std, prd), wodurch sich der Vorder- und der Hinter-
darm scharf von dem Mitteldarme unterscheiden und für den ectoder-
malen Ursprung der beiden ersteren Zeugnis abgelegt wird. Diese
Eigentümlichkeit bleibt auch bei den erwachsenen Exemplaren unsrer
Art bestehen: das Pigment verschwindet während der Häutung nicht
aus den ectodermalen Darmabschnitten, sondern bleibt in diesen
wahrscheinlich wohl bis zum eintretenden Tode des Tieres erhalten,
indem ich dasselbe auch noch bei Weibchen, welche mit der Abläse
ihrer Eier beschäftigt waren, konstatieren konnte. — Die gleiche Er-
scheinung beobachtete auch Heymons (1897b) bei erwachsenen Exem-
plaren von Isotoma saltans (Desoria glacialis), bei denen die Zellen des
Vorder- und des Hinterdarmes ebenfalls gleich denen der Hypodermis
mit Pigment angefüllt waren. Ich weiß nicht ob dieser Erscheinung
eine biologische Bedeutung zukommt, und welcher Art dieselbe sein
könnte.
Die Beobachtungen über die Entwicklung des Mitteldarmes der
Collembola und der Apterygota überhaupt, waren bis zur aller-
letzten Zeit durch äußerste Ungenauigkeit ausgezeichnet. Uljanin
ließ den Mitteldarm aus einem Häufchen Zellen des unteren Blattes
entstehen, welche in das Innere des Dotters hereinwachsen , doch
haben wir schon oben nachgewiesen, daß er einfach die Genitalanlage
für die Anlage des Mesenteron angesehen hatte. Uzel und Miss Clay-
pole bestätigen indessen die Angaben von Uljanin, indem sie eine
Entsteh ang des Mitteldarmes in Gestalt einer kompakten Anlage in-
mitten des Dotters (wie bei den Diplopoda) beschreiben, wobei der
Ursprung dieser Anlage auf ein Häufchen besonderer entodermaler
Zellen im Dotter zurückgeführt wird. — Heymons kommt, gestützt
auf seine Untersuchungen an Campodea und Lepisma zu dem Schlüsse,
daß deren Mitteldarm (wie wohl bei allen Apterygota, im Gegensatz
zu den Pterygota) einfach aus Dotterzellen hervorgeht, welche zuvor
ihren Dotter verlieren. Prowazek bestätigt diese Angaben von Hey-
mons in betreff der von ihm untersuchten Isotoma.
Die oben von uns mitgeteilten Beobachtungen stehen in völ-
ligem Widerspruch zu den Angaben aller dieser Autoren. Es sind
keinerlei Zellanhäufungen, welche man für Entoderm ansehen könnte,
bei Isotoma cinerea zu bemerken, und der Dotter enthält bei dieser
Form nur Dotterzellen und die Genitalanlage. Ein Ursprung des
Mitteldarmepithels aus Dotterzellen wird in keiner Weise bestätigt
und letztere bewahren bis zu ihrem völligen Verschwinden mit dem
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 599
Dotter ihren früheren Charakter bei, indem sie einzeln in dem Dotter
zerstreut liegen und höchst wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei
dessen Assimilierung spielen. — Während der zweiten Entwicklungs-
periode ist in einer jeden Dotterzelle ein Kern und stark vaeuolisiertes
Protoplasma deutlich zu unterscheiden (siehe dz auf den Figuren der
Taf . XI) ; während der zwei letzten Perioden wird das Plasma fast unbe-
merklich und in dem Dotter treten nur noch die Kerne dieser Zellen deut-
lich hervor (siehe dk auf den Figuren der Taf. XIII u. XIV). Vergleicht
man diese Dotterkerne bei starker Vergrößerung mit den Elementen,
aus denen das Mitteldarmepithel hervorgeht, so bleibt nicht der geringste
Zweifel darüber bestehen, daß die Dotterzellen an diesem Vorgange
nicht den geringsten Anteil nehmen. — Im Gegensatz zu allen früheren
Beobachtungen müssen wir daher annehmen, daß der Mitteldarm bei
den Collembola, und wohl auch bei allen andern Apterygota,
aus Elementen des unteren Blattes in Gestalt dreier Anlagen — einer
vorderen, einer hinteren und einer diffusen — gebildet wird.
Diese Angaben stimmen, wie wir gleich sehen werden, durchaus mit
den Angaben überein, welche nicht nur die Pterygota, sondern auch
alle andern Arthropoda betreffen; es ist aus diesem Grunde höchst
unwahrscheinlich, daß innerhalb der Gruppe der Apterygota noch
irgendwelche andre Entstehungsweisen des Mesenteron vorkommen
sollten.
In Anbetracht dieser Erwägungen neige ich zu der Annahme, daß
alle früheren, die Entwicklung des Mitteldarmes betreffenden Beob-
achtungen auf Irrtum beruhen. — Miss Claypole und Uzel haben
wahrscheinlich gleich Ul janin den Fehler begangen, entweder die
Genitalanlage, oder ein Häufchen Dotterzellen für Entoderm anzu-
sehen. Was nun die Angaben von Heymons betrifft, so ist zu be-
merken, daß er schon früher geneigt war, gerade die Dotterzellen für
das wahre Entoderm bei den Insekten zu halten, und daß außerdem
seine Beobachtungen über die Entstehung des Mitteldarmes bei Lepisma
und Campodea (für erstere hauptsächlich, für letztere ausschließlich)
auf der Untersuchung bereits aus dem Ei geschlüpfter Larven begründet
sind. So spät der Prozeß der Organogenese auch eintreten mag, so
sind doch immer nur die im Ei vor sich gehenden Prozesse als der
Schlüssel für sein Verständnis anzusehen und die Untersuchung junger
Larven allein vermag eine so schwierige und verwickelte Frage nicht
aufzuklären. Bei Lepisma hat Heymons allerdings auch die embryonale
Entwicklung untersucht, allein auch hier ist die Frage nach der Her-
kunft der kleinen »Darmbildungszellen«, wie er sie nennt, nicht völlig
Zeitschrift i'. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 39
600 Jur. Philiptschenko,
aufgeklärt geblieben. In seiner ersten Arbeit (1897a) vermutete Hey-
mons, daß dieselben durch Mitose aus großen Dotterzellen entstehen,
in seiner zweiten (1897b) neigt er zu der Ansicht, daß eine solche große
Dotterzelle sich durch Verlust des Dotters direkt in eine kleine Darm-
bildungszelle verwandelt, indem letztere »unzweifelhaft Abkömmlinge
der großen dotterhaltigen Elemente sind«. — Mit einem Worte, auch
die Angaben dieses hervorragenden Forschers rufen selbst beim bloßen
Durchlesen dieser beiden Arbeiten große Zweifel hervor und machen
unwillkürlich den Eindruck mangelhafter Begründung, so daß eine
erneute Untersuchung aller dieser Verhältnisse sowohl bei Lepisma
wie auch bei Campodea äußerst wünschenswert erscheint. In Anbe-
tracht der vollkommenen Übereinstimmung in der Entwicklungsweise
des Mitteldarmes bei unsrer Isotoma mit der Entwicklungsweise desselben
bei vielen andern Arthropoden, halte ich es für außerordentlich wahr-
scheinlich, daß sich auch in den Gruppen der Diplura und der Thysa-
nura s. str. bei aufmerksamerer Untersuchung die gleichen Verhältnisse
herausstellen werden.
Über die Frage nach der Entwicklung des Mitteldarmes der höhe-
ren Insekten, der Pterygoten, war lange Zeit hindurch viel hin und
her gestritten worden. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre
schien es, als wäre die alte Theorie seiner Entstehung aus Dotterzellen,
die von einer Reihe älterer Autoren aufrecht erhalten und unter andern
auch von den Gebrüdern Hertwig in deren »Cölomtheorie« (1881)
angenommen worden war, fallen gelassen worden und hatte den zuerst
von Grassi (1884) und Kowalewsky (1886) entwickelten Auffassungen
Platz gemacht, wonach der Mitteldarm ein Derivat des unteren Blattes
oder des Entomesoderms darstellt. Diese Theorie ist durch die Arbeiten
solcher Forscher wie Heider (1889), Wheeler (1889, 1893), Cholod-
kovsky (1891), Carriere (1897) und vieler andrer vollauf bestätigt
worden. — Indessen wurde von Heymons in einer Reihe seiner Arbeiten
(1895 u. a. m.) ein neuer Gesichtspunkt aufgestellt, und zwar daß bei
den Pterygota der Mitteldarm aus Auswüchsen des Storno- und Procto-
däums gebildet wird, d. h. daß der ganze Darm durchwegs ectodermal
ist, während das Entoderm durch die Dotterzellen vertreten ist, welche
bei allen höheren Insekten1 keinerlei Anteil an dem Aufbau des Darmes
nehmen. Zugunsten dieser Auffassung haben sich bis vor verhältnis-
mäßig kurzer Zeit auch viele andre Autoren ausgesprochen, so
Rabito (1898), Lecaillon (1898), Schwarze (1899), Deegener (1900),
Toyama (1902), Czerski (1904) und Friederichs (1906). Außer der
1 Mit Ausnahme der Odonaten: Heymons (1896a), Tschuproff (1903).
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 601
Theorie von Heymons, welche man nur als eine gewisse Modification
der früheren Auffassungen der Dotterzellen als Entoderm auffassen
kann, sind noch zwei Versuche gemacht worden den Beweis dafür zu
liefern, daß die Dotterzellen überhaupt an der Bildung des Mitteldarm-
epithels bei den Pterygota Anteil nehmen: die Urheber dieser Ver-
suche sind Dickel (1904) und Schwangart (1904, 1905).
Trotz der großen Anzahl von Arbeiten, insbesondere solcher zu-
gunsten der ersteren Richtung, kann gegenwärtig doch dieser wie auch
jener Gesichtspunkt als bereits abgetan angesehen werden und neuere,
mit besonderer Sorgfältigkeit angestellte Untersuchungen veranlassen
uns wieder zu der alten Auffassung von Grassi, Kowalevsky u. a.
zurückzukehren. Diese neueren Untersuchungen stammen von Esche-
rich (1900), Noack (1901), Schwangart (1904), hauptsächlich aber
von Nusbaum und Fulinski (190G, 1909) und Hirschler (1906,
1909 a u. b) her.
Wie Nusbaum und Fulinski dies nachgewiesen haben, hat Hey-
mons einen Irrtum begangen, indem er dem Mitteldarm seinen Ursprung
aus dem Boden des Stomodäum und Proctodäum zuschrieb, wobei
er dessen vordere und hintere Anlage übersah, welche bei einigen
Formen in der Tat mit den Enden des Vorder- und Hinterdarmes dicht
verschmolzen sind, während der Ausgangspunkt für den Ursprung
des Mesenterons doch immer von diesen beiden Anlagen plus dem
unsrer diffusen Anlage entsprechenden »mittleren Strange« gebildet
wird. Dasselbe fand bei den Coleoptera und Lepidoptera auch
Hirschler, welcher auf Grund seiner Befunde (gleich Nusbaum und
Fulinski) die Möglichkeit einer Teilnahme der Dotterzellen an dem
Aufbaue des Mitteldarmepithels, wie sie von Schwangart und Dickel
zugegeben wurde, auf das Entschiedenste von sich weist. Vergleichen
wir unsre Beobachtungen an Isotoma cinerea mit den Angaben der drei
obengenannten Autoren, so wird man annehmen müssen, daß die
Entwicklung des Mitteldarmes auf Kosten des unteren Blattes eine
Regel für alle Insekten darstellt, für die Pterygota sowohl, wie auch
für die Apterygota; in typischen Fällen wird er aus drei Anlagen ge-
bildet, aber dann ist der »mittlere Strang« oder die diffuse Anlage
schwach entwickelt und ergibt nur Blutzellen, ohne sich an der Bildung
des Mitteldarmes zu beteiligen (Gryllotalpa). — Mit einem Worte,
wir kehren wieder zu den Ansichten von Grassi, Kowalevsky und
andrer zurück, indem wir nur die ihnen allein bekannten zwei Anlagen
durch die dritte oder diffuse Anlage ergänzen, welche gleichzeitig auch
die Blutzellen bildet.
39*
602 Jur. Philiptschenko,
Es muß hier darauf hingewiesen werden, daß ein ähnlicher Ent-
wicklungsmodus des Mitteldarmes auch vielen andern Arthropoden
eigentümlich ist. Was die Myriapoden betrifft, so wollen wir unter
Übergehung der älteren Arbeiten darauf hinweisen, daß bei den Diplo-
poden die Entwicklung des Mesenterons aus Elementen des unteren
Blattes in Gestalt zweier Anlagen schon vor langer Zeit durch Cholod-
kovsky (1895) nachgewiesen worden ist, und daß die neueren Be-
obachtungen von Lignau (1911a) über Polydesmus abchasius, wie der
Verfasser selbst hervorhebt, mit dem von Nusbaum und Fulinski und
Hirschler für die Insekten aufgestellten Schema durchaus überein-
stimmen, und von demselben nur durch einige specielle Einzelheiten
abweichen. Bei Scolopendra wird der Mitteldarm nach den Beobach-
tungen von Heymons (1901) aus einzelnen entodermalen Zellen ge-
bildet, so daß hier nur von einer diffusen Anlage die Rede sein könnte;
allein von dem Autor selbst wird an dem Ende des Proctodäum eine
besondere »entodermale Scheibe« aus kubischen Zellen beschrieben
und abgebildet (Fig. 49 in seiner Arbeit), welche, wie mir scheint,
durchaus mit der hinteren Anlage des Mitteldarmes bei den Insekten
verglichen werden kann.
Ein allgemeines Schema für die Entwicklung des Mitteldarmes
bei den Arachnoidea wurde zuerst von Schimkewitsch in dessen
russischer Arbeit über die Entwicklung ihres Darmes (1898) gegeben
und später in dessen Arbeit über die Entwicklung von Thelyplionus
(1906): der Darm entsteht hier aus dem Meso-Entoderm in Gestalt
zweier Anlagen, einer hinteren und einer diffusen, und zwar kann in
einigen Gruppen die eine dieser Anlagen nur sehr schwach entwickelt
sein oder selbst ganz fehlen. Dieses Schema hat durch die Arbeiten
von Montgomery (1909), Hamburger (1910) wie auch durch die letzte
Arbeit von W. und L. Schimkewitsch über die Embryonalentwicklung
der Tetrapneu mones (1911) eine volle Bestätigung erhalten und kann
trotz der ihm widersprechenden Beobachtungen von Kautsch (1909,
1910a) als fest begründet angesehen werden.
Was die Onychophora betrifft, so entsprechen die Angaben über
die Entwicklung ihres Mitteldarmes einstweilen in keiner Weise dem
für die lnsecta, Myriopoda und Arachnoidea gültigen Schema.
Die Embryologie dieser Gruppe kann übrigens, ungeachtet einer Reihe
bisher vorliegender einschlägiger Arbeiten, noch bei weitem nicht als
in genügender Weise erforscht angesehen werden. Ebenso verhält es
sich mit den Crustacea, was sich vielleicht zum Teil dadurch erklären
läßt, daß in letzterer Zeit Arbeiten erschienen sind, welche sich Vorzugs-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 603
weise auf Formen mit determinativen Furchungstypus beziehen, während
über die Embryologie der andern Crustaceen meistenteils nur ältere
Arbeiten vorliegen. Es muß hier indessen auf die Beobachtungen von
J. Wagner über Neomysis (1896) und von Pedaschenko über Lernaea
(1899) hingewiesen werden, nach denen der Mitteldarm dieser Formen
aus zwei entodermalen Anlagen hervorgeht, und zwar einer Anlage
im Bereiche des Stomodäum und einer andern im Bereiche des Procto-
däum, was sehr an die bei den Insekten vorliegenden Verhältnisse
erinnert.
Wie dem nun auch sein mag, so wird man auf Grund der uns jetzt
vorliegenden Angaben doch annehmen können, daß eine Entwicklung
des Mitteldarmes aus Elementen des unteren Blattes höchstwahrschein-
lich für alle Arthropoda die Regel bildet. Für die drei Klassen der
luftatmenden Arthropoden gilt als ebensolche Regel auch die Ent-
stehung des Mesenterons aus drei Aulagen : einer vorderen, einer hinteren
und der diffusen, wobei die eine derselben (bisweilen sogar zwei) bei
einigen Formen sehr schwach entwickelt sein oder sogar gänzlich fehlen
kann, so zum Beispiel die vordere bei den Arachnoiden, die diffuse
bei einigen Insekten. Die Entwicklung unsrer Isotoma stimmt aus-
gezeichnet mit diesem Schema überein.
Die Entwicklung des Nervensystems. In Anbetracht der
frühen Anlage und der raschen Entwicklung des Nervensystems erreicht
dasselbe, wie wir oben gesehen haben, gegen das Ende der dritten Ent-
wicklungsperiode eine ziemlich weitgehende Differenzierung. Das erste
Stadium der vierten Periode F (vgl. Fig. 53 — 55 osg, n) unterscheidet
sich in bezug auf die Entwicklungsstufe des Nervensystems des Em-
bryos in keiner Weise von dem Stadium E, welches wir schon früher
beschrieben haben. Auf dem darauffolgenden Stadium G ist auch bei
dem Nervensystem der Eintritt einer Reihe wesentlicher Veränderungen
zu bemerken.
Vor allem fällt auf Schnitten durch Embryonen dieses Stadiums
das Auftreten der fibrillären Nervensubstanz oder der sogenannten
Punktsubstanz in die Augen (siehe Fig. 58, 59, 64, 65 — pst, ebenso
auch auf andern). Dieselbe wird zuerst, wie bei den Pterygota, in
dem dorsalen Teile eines jeden Ganglions angelegt, hierauf aber rasch
von allen Seiten von Ganglienzellen umgeben. — Nach den Beobach-
tungen von Heymons (1897a) bei Lepisma verbleiben die Ganglienzellen
auch nach der Bildung der fibrillären Substanz noch in dem ventralen
Teil des Ganglions, so daß diese weiße Substanz hier von der Dorsal-
seite her nur mit einem dünnen Neurilemm bedeckt ist, wodurch sich
604 Jur. Philiptschenko,
Lepisma von den Pterygota unterscheidet. Wie dies aus unsern Ab-
bildungen hervorgeht, ist bei Isotoma cinerea die Anordnung der
fibrillären Substanz und der Ganglienzellen im Nervensystem die
gleiche wie auch bei den höheren Insekten, so daß die Collembola
in dieser Beziehung den Pterygota näher stehen als Lepisma.
Weiterhin wird auf dem Stadium G auch das obere Schlund-
ganglion aus seinen drei Abschnitten endgültig gebildet (Fig. 57, 58,
62 osg) und es geht die Verschmelzung der Kieferganglien (Mandibular — ,
erstes und zweites Maxillarganglion) zu einem gemeinsamen unteren
Schlundganglion vor sich (Fig. 57, 58, 62 usg). Um dieselbe Zeit diffe-
renziert sich auch, wie bei den höheren Insekten, zwischen dem oberen
und unteren Schlundganglion die Schlundcommissur (Fig. 58 sks). Das
Nervensystem des Kopfes nimmt daher gegen das Ende des Stadiums G
schon mehr oder weniger das dem erwachsenen Insekte zukommende
Aussehen an. — Miss Claypole erwähnt die Anlage eines sympathi-
schen Nervensystems bei Anurida maritima, welche indessen bald
wieder verschwindet; eine solche Anlage habe ich bei Isotoma nicht
beobachtet.
Die Brust- und Bauchganglien bieten auf dem Stadium G, ab-
gesehen von der Anwesenheit der Fibrillarsubstanz, nichts Bemerkens-
wertes dar (Fig. 64 ggl.th ; 59, 60 ggl.abd) ; ihr Bau bleibt auch auf dem
darauffolgenden Stadium H unverändert (Fig. 65, 68, 70 ggl.th, 69 ggl.abd),
indem sie auf diesen Stadien im allgemeinen schon das für die
erwachsenen Tiere charakteristische Aussehen besitzen. Von dem
Stadium H angefangen beginnt die Verschmelzung der Bauchganglien
zu einer gemeinsamen Masse, deren hinteres Ende allmählig nach vorn
verlagert wird. Als Schlußergebnis dieses Prozesses finden wir auf
dem Stadium J (Fig. 73 ggl.abd) und bei der soeben aus dem Ei ge-
schlüpften Isotoma (Fig. 37, wo dies besonders deutlich zu sehen ist),
nur noch ein einziges Abdominalganglion, welches in den beiden ersten
Abdominalsegmenten liegt. Wie wir bereits oben hervorgehoben haben,
ist eine so scharfe ausgesprochene Differenzierung dieses Abdominal-
ganglions von dem hinteren Thoracalganglion und seine verhältnismäßig
bedeutende Länge durchaus nicht charakteristisch für die Mehrzahl
der Collembola, sondern sie bleibt nur bei wenigen Formen dieser
Ordnung erhalten.
Im allgemeinen wird man zugeben müssen, daß die Entwicklung
des Nervensystems bei Isotoma cinerea von uns nur in ihren allge-
meinsten und gröbsten Zügen untersucht worden ist, und daß viele
Einzelheiten derselben (so z. B. der Ursprung der verschiedenen Com-
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 6U5
missuren, die Anlage und Differenzierung des Mittelstranges) noch
ganz unaufgeklärt geblieben sind. Die Schuld hieran trägt zum Teil
der bereits hervorgehobene Umstand, daß das Nervensystem auf den
der dritten Entwicklungsperiode angehörenden Stadien schlechter als
alle übrigen Gewebe des Embryos fixiert worden ist, und daß die Un-
vollständigkeit der auf den Anfang der Entwicklung des Nervensystems
bezüglichen Angaben ein Verständnis der Einzelheiten in den späteren
Stadien erschwerte. Jedenfalls weist alles von uns in dieser Hinsicht
Festgestellte darauf hin, daß die Entwicklung des Nervensystems bei
den Collembola genau nach dem gleichen Typus verläuft, wie bei den
Pterygota und abgesehen vielleicht von irgendwelchen unwichtigen
Einzelheiten nichts wesentlich Besonderes darbietet.
Die Entwicklung der Augen, von deren erstem Auftreten schon
oben die Rede gewesen ist, lasse ich ganz unberücksichtigt, da mein
Material se*iner geringen Größe wegen für derartige Untersuchungen
wenig geeignet war. Ebenso ist es mir nicht gelungen, etwas über
die Entwicklung des Tentoriums und des Postantennalorganes fest-
zustellen.
Die Derivate der Sonnten. Von der Anlage der Somiten
und ihrer Anzahl bei dem Embryo ist schon gelegentlich der Beschrei-
bung der dritten Entwicklungsperiode die Rede gewesen. Ihre Diffe-
renzierung beginnt bedeutend später, erst auf dem Stadium G, und
zwar sind auch hier, ebenso wie bei der Entwicklung des Nervensystems,
fast gar keine besonderen Erscheinungen zu verzeichnen, welche die
Collembola von den Pterygota unterscheiden, so daß dieser Prozeß
offenbar bei allen Insekten in der gleichen Weise verläuft.
Auf dem Stadium F, mit welchem die vierte Entwicklungsperiode
eingeleitet wird, weisen die Somiten noch ihren früheren Charakter
auf und reichen, wie dies auf der Fig. 56 (so) zu sehen ist, noch immer
in die Extremitäten herein (abd1} 3, 4). Späterhin verliert der sich
in die Extremität erstreckende Teil der Somiten den Zusammenhang
mit seinem Rumpf abschnitt und ergibt die Muskulatur der Füße.
Auf dem Stadium G beginnt die Differenzierung der Somiten in
jene Abschnitte, welche von Heymons (1895) erstmals genau fest-
gestellt worden sind; um diese Zeit ist es indessen infolge der außer-
ordentlich geringen Größe aller Elemente, zum Teil auch wegen ihrer
ungenügenden Fixierung, außerordentlich schwer sich in allen Einzel-
heiten dieses Prozesses zurechtzufinden. Dabei fällt das Fehlen eines
sogenannten Epineuralsinus in die Augen, wie er bei allen Pterygoten
zwischen dem Nervensystem und dem Dotter vorhanden ist: bei den
606 Jur. Philiptschenko,
Embryonen von Isotoma liegt das abdominale Nervensystem im Gegen-
teil die ganze Zeit hindurch dem Dotter dicht an (vgl. Fig. 59 u. 60).
Es ist schwer zu sagen, ob dieser Umstand eine Folge der Fixierung
darstellt, oder ob wir in ihm eine den Collembola zukommende
Eigentümlichkeit vor uns haben: ich persönlich möchte mich eher für
die erstere Annahme aussprechen. — Bei dem Übergange auf das Sta-
dium H sind an der Stelle eines jeden Somiten nunmehr deutlich dessen
Derivate zu sehen, d. h. die Muskulatur und der Fettkörper; aus deren
Anordnung zu dieser Zeit läßt sich nun darauf schließen, daß der
Differenzierungsprozeß der Somiten hier wie bei den Pterygota ver-
läuft. Zu diesem Zwecke bedient man sich am besten solcher Quer-
schnitte, wie sie in Fig. 68 und 69 dargestellt sind. Wir erblicken auf
denselben vor allem die dem Ectoderm anliegenden latero-dorsalen
Muskeln (msk), welche augenscheinlich aus den somatischen Wänden
der Somiten hervorgehen; mehr medianwärts liegt der Fettkörper (fk)
und noch näher zur Medianlinie die Anlage der ventralen Längsmuskeln
(vmp): sowohl diese letztere Anlage, wie auch diejenige des Fettkörpers
gehen aus dem medianen Bezirk derselben somatischen Wandung der
Somiten hervor. Ihre splanchnische Wandung ergibt die Muscularis
des Mitteldarmes (welche auf unsern Zeichnungen nicht abgebildet ist)
und nimmt, wie wir dies später sehen werden, an der Bildung der
Gonaden Anteil. Außer diesen Bildungen sind an dem äußersten
dorsalen Abschnitte des bereits differenzierten und nach oben wuchern-
den Somiten auf dem Stadium H äußerst kleine aber deutlich hervor-
tretende Elemente (cbl) zu bemerken. Wie dies aus andern Schnitten
(Fig. 69) zu ersehen ist, nehmen dieselben augenscheinlich an der
Bildung des Herzens (hz) Anteil, d. h. sie stellen Cardioblasten dar.
Wie aus den angeführten Bildern hervorgeht, erfolgt die Diffe-
renzierung der Somiten demnach nach dem gleichen Typus, wie dies
auch bei den Pterygota der Fall ist: die splanchnische Wandung der
Somiten ergibt die Darmmuskulatur und ist an der Bildung der Go-
naden beteiligt, die somatische Wandung dagegen bringt die Körper-
mus kulatur hervor und in ihrem medianen Abschnitt auch den Fett-
körper; an der Übergangsstelle der splanchnischen Wandung in die
somatische werden diejenigen Elemente gebildet, aus denen das Herz
hervorgeht. — Für ein eingehenderes Studium der Entwicklung aller
dieser Organe war mein Material völlig ungeeignet; außerdem bot ein
solches Studium in Anbetracht der Übereinstimmung der oben mit-
geteilten Befunde mit den Angaben aus der Embryologie der höheren
Insekten auch nur ein geringes Interesse.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 607
Von großem Interesse ist die Entstehung eines weiteren Derivates
der Somiten, welches bei den Pterygota fehlt, und zwar der tubulösen
Kopfdrüsen. — Den früheren Erforschern der Collembola waren nur
diese letzteren bekannt, allein späterhin waren durch die Arbeiten
von Willem und Sabbe (1897), Folsom (1899), Willem (1901), Becker
(1903) und Hoffmann (1904) im Kopfe dieser Insekten noch drei Paare
ähnlicher Organe entdeckt worden. Das Gleiche ist später von mir
(1905a, 1908) und Bruntz (1908) auch bei den Diplura und Thysanui a
festgestellt worden. Die meisten Kopfdrüsen der Apterygota weisen
den gleichen Charakter auf, wie die der Pterygota, d. h. sie sind
unzweifelhaft ectodermale Bildungen; eine Ausnahme hiervon bilden
nur die obenerwähnten tubulösen Drüsen. Es wurde zuerst von Bruntz
(1904a u. b) bei Machilis festgestellt, daß eine jede dieser Drüsen aus
einem dünnwandigen Endbläschen ( »saccule «) und einem langen, anfangs
stark gewundenen Abschnitt, oder »labyrinthe« besteht, welcher in
den Ausführgang übergeht; dabei wurde festgestellt, daß das Endbläs-
chen in den Körper des Tieres eingespritztes ammoniakalisches Carmin
abscheidet, das Labyrinth dagegen Indigocarmin. Auf Grund dieses
Befundes kam Bruntz zu dem Schlüsse, daß hier ebensolche »reins
labiaux« vorliegen, wie sie auch bei andern Arthropoden (Crustacea,
Diplopoda) angetroffen werden. Späterhin war es mir gelungen einen
ähnlichen Bau dieser Drüsen auch bei Campodea, Japyx, Machilis und
Lepisma nachzuweisen, d. h. bei fast allen. Familien der Diplura und
Thysanura, wobei ich schon damals hervorhob, daß wir es in diesen
auch bei den Collembola vorhandenen tubulösen Drüsen, wie dies
aus ihrem Bau und ihrer excretorischen Tätigkeit hervorgeht, mit
Kopfnephridien des Labialsegmentes zu tun haben: die niederen In-
sekten und die Myriopoden (und zwar die Apterygota und die Diplo-
poda) behalten demnach in ihrem Kopfe noch Drüsen bei, welche
nach dem Typus von Nephridien gebaut sind, wie dies bei den Cru-
stacea und Peripatus der Fall ist, während die höher organisierten
Tracheaten (die Chilopoda und die Pterygota) derselben bereits
verlustig gegangen sind (1908).
Bis in die gegenwärtige Zeit hinein war diese Auffassung von einem
Paare Kopfdrüsen bei den Apterygota ausschließlich auf die physiolo-
gischen Versuche mit Injektionen von ammoniakalischem und Indigo-
Carmin begründet, wie sie von Bruntz und später auch von mir ange-
stellt worden waren, ohne durch embryologische Befunde bestätigt zu
sein. Durch die Embryologie von Isotoma cinerea wird die völlige
Richtigkeit dieser Auffassung unzweifelhaft nachgewiesen. — Es mag
608 Jur. Philiptschenko,
hier bemerkt werden, daß bei den Collembola (und zwar bei Tomo-
cerus flumbeus) das Vorhandensein eines ebensolchen dünnwandigen
Abschnittes am Ende der tubulösen Drüse unabhängig von den Arbeiten
von Bkuntz und den meinigen auch von Hoffmann (1904) festgestellt
worden ist, welcher diesen Abschnitt als Reservoir bezeichnet. Wir
wollen für denselben die Bezeichnung eines Endbläschens beibehalten
und den gewundenen Abschnitt der tubulösen Drüse (bis zu deren
nicht secernierenden Ausführgang) einfach den Kanal nennen.
Die erste Anlage der tubulösen Drüse tritt schon sehr früh auf,
lange vor der obenbeschriebenen Differenzierung der Somiten, und zwar
auf dem Stadium E, dem letzten Stadium der dritten Entwicklungs-
periode. Auf der Fig. 51 erblicken wir einen Schnitt durch das erste
Maxillarsegment, dessen Somiten (so) sich in keiner Weise von den übri-
gen unterscheiden. Im Segmente der zweiten Maxillen dagegen (Fig. 52)
trennt sich in jedem seiner Somiten auf dem Niveau des Ganglions ein
Bläschen (tdr) mit deutlich ausgesprochener epithelialer Wandung ab, in
dessen Höhlung gewöhnlich eine feinste Körnelung zu bemerken ist.
Aller Wahrscheinlichkeit nach befindet sich beim lebenden Embryo
in diesem Bläschen irgendeine Flüssigkeit, welche beim Fixieren ge-
rinnt, woher dann die erwähnte Körnelung hervorgerufen wird. Das
Paar solcher Bläschen im Labialsegmente stellt nun die erste Anlage der
tubulösen Kopfdrüsen dar.
Ebenso deutlich sind diese Gebilde im Bereiche des zweiten Maxillar-
segmentes auch auf dem nächstfolgenden Stadium F zu sehen. Bei
dem Übergange in das Stadium G treten in den Mundwerkzeugen,
wie schon oben angedeutet wurde, starke Veränderungen auf; die-
selben verwandeln sich in entotrophe Organe, weshalb auch die Topo-
graphie aller übrigen Organe des Kopfes einen etwas veränderten
Charakter annimmt. Es ist um diese Zeit nicht so leicht die Anlage der
tubulösen Drüse aufzufinden, doch tritt dieselbe nichtsdestoweniger auch
hier namentlich auf etwas schrägen Schnitten ziemlich deutlich hervor.
Der Teil eines solchen schrägen Schnittes durch den hinteren Teil des
Kopfes (welcher auch das erste Fußpaar th1 getroffen hat) eines Em-
bryos auf dem Stadium G ist auf der Fig. 64 wiedergegeben. Auf
derselben sehen wir wiederum ganz deutlich die Anlage der tubulösen
Drüse (trd), welche ihren früheren Charakter in Gestalt eines geschlos-
senen epithelialen Bläschens beibehalten hat.
Eine merkliche Veränderung ihrer Gestalt tritt erst auf dem Sta-
dium H ein, wobei die tubulösen Drüsen um diese Zeit auf Sagittal-
sehnitten durch den lateralen Teil des Kopfes ganz besonders deutlich
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 609
zu sehen sind. Wie dies auf unsrer Fig. 70 deutlich zu sehen ist, hat
die Anlage einer jeden derselben nunmehr nicht mehr das Aussehen
eines mehr oder weniger wie früher kugelförmigen Bläschens, sondern
vielmehr eine retorten- oder flaschenförmige Gestalt, indem von dem
breiteren oberen Teil (etd) ein enger Ausführgang (ktd) nach unten führt,
welcher nach dem Ectoderm des unteren Teiles des Kopfes gerichtet
ist. Es ist unschwer zu erkennen, daß wir es in der Enderweiterung
(etd) mit der Anlage des Endbläschens der tubulösen Drüse zu tun haben,
während der nach unten führende Gang nichts anders darstellt, als die
Anlage des einstweilen noch oeraden Kanals. — Die Ähnlichkeit der beide
Teile der zukünftigen Drüse bildenden Elemente, wie auch der all-
mähliche Übergang der Enderweiterung in die Anlage des Kanals
sprechen beide zweilfelos zugunsten der Annahme, daß sich diese beiden
Bildungen aus derjenigen gemeinsamen Anlage entwickelt haben, welche
auf den vorhergehenden Stadien das Aussehen eines runden Bläschens
hatte, und zwar durch Verlängerung einer seiner Wandungen nach
unten in Gestalt eines Ausführganges. Indem die Anlage des Kanals
(ktd) um diese Zeit bloß an das Ectoderm herantritt, ohne eine Öffnung
nach außen zu besitzen, so liegt keinerlei Anlaß, vor derselben einen
ectodermalen Ursprung zuzuschreiben.
Auf dem Stadium J nimmt die Anlage des Kanals bereits eine
gewundene Gestalt an; um dieselbe Zeit wird wahrscheinlich auch. der
nicht secernierende Ausführgang der Drüse gebildet. Es ist mir nicht
gelungen die Art und Weise seiner Entstehung festzustellen, doch kann
wohl kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß derselbe durch eine
einfache Einstülpung des Ectoderms zustande kommt.
Die Art und Weise der Anlage und der Entwicklung der tubulösen
Kopfdrüsen, und speciell die Herkunft ihres größten Teiles aus den
Somiten, bestätigen durchaus die schon früher von mir ausgesprochene
Auffassung von diesen Drüsen, als von erhalten gebliebenen Nephridien
des Labialsegmentes. — Von Wichtigkeit ist auch der Umstand, daß
nicht nur das ammoniakalisches Karmin ausscheidende Endbläschen
(»saccule«) der Drüse ein Derivat des Somiten darstellt, sondern auch
deren gewundener Kanal (labyrinthe«), welcher Indigocarmin aus-
scheidet. Dieses Verhalten steht in völliger Übereinstimmung mit
dem, was uns von der Entwicklung der erhaltengebliebenen Nephridien
bei andern Arthropoden bekannt ist, welche überall mit Ausnahme
eines unbedeutenden Teiles des Ausführganges ausschließlich aus Meso-
derm gebildet werden, d. h. aus dem Material der Somiten. — Für die
Nephridien von Peripatus ist dies schon von Sedgwick (1885 — 1888)
610 Jur- Philiptschenko,
festgestellt worden, während die ihm widersprechenden Angaben von
Kennel (1885 — 1886) in der neueren Arbeit von Evans (1902), der
sich mit den Beobachtungen des ersteren Autors einverstanden erklärt,
keine Bestätigung erfahren haben. Ebenso verhält sich die Sache
auch bei den Kopfnephridialdrüsen der Crustaceen: ich will hier nur
auf die Beobachtungen von J. Wagner (1896) über die Entwicklung
der Antennaldrüse von Neomysis hinweisen (in dieser Arbeit sind auch
analoge Beobachtungen von Kingsley und Butschinsky über andre
Crustaceen angeführt). Bezüglich der Coxaldrüsen bei den Arachnoideen
genügt es auf die gleichen Beobachtungen von Brauer (1895) über
den Scorpion hinzuweisen, mit welchen auch die Angaben von Schimke-
witsch (1911) über den Charakter der Coxaldrüsen bei den Embryonen
der Tetrapneu mones übereinstimmen. Mit einem Worte, überall
wo wir bei irgendwelchen Arthropoden Nephridien antreffen, zeigt die
Entwicklung, daß nicht nur ihr Endbläschen einen Überrest des Cöloms
darstellt, sondern daß fast das ganze Nephridium, mit Ausnahme des
kurzen ausführenden Teiles, ein Derivat des Somiten bildet. — Die
tubulösen Kopfdrüsen der Apterygota passen sich dieser Kegel
sehr gut an.
Was nun die übrigen Kopfdrüsen von Isotoma betrifft — die
Speicheldrüsen, acinösen Drüsen und Wangendrüsen, — so sind die-
selben bei dem Embryo fast bis zu seinem Ausschlüpfen aus dem Ei
gar nicht zu bemerken. An ihrem ectodermalen Ursprünge läßt sich,
trotz des Fehlens direkter diesbezüglicher Beobachtungen, indessen
wohl kaum zweifeln: schon Becker (1903) war auf Grund des Stu-
diums ihres Baues zu dem Schlüsse gelangt, daß man alle diese drei
Paare »als Derivate anfangs einfacher, einzelliger, zerstreut oder zu-
sammengehäuft liegender Haut-Schmierdrüsen aufzufassen habe, wie
wir sie in segmentaler Anordnung bei den übrigen Insekten antreffen«.
Ich halte diesen Gesichtspunkt nur in bezug auf die zwei Paare von
Drüsen — den acinösen und die Wangendrüsen — für völlig anwendbar,
während die Speicheldrüsen der Collembola meiner Ansicht nach den
Speicheldrüsen vieler Pterygota durchaus homolog sind. Diese Frage
habe ich schon früher in einer andern Arbeit (1908) berührt.
Die Entwicklung der Genitalorgane. Im Verlaufe der
zweiten und dritten Entwicklungsperiode behielt die Genitalanlage
die ganze Zeit über die gleiche Lage bei, welche sie schon nach der
Furchung und der Bildung des Blastoderms (Fig. 14 g) innegehabt
hatte, d. h. sie stellte ein Zellhäufchen im Dotter näher zum Hinter-
ende des Embryos dar (siehe Taf. XI u. XIII g). Bei dem Anfang
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 611
der vierten Entwicklungsperiode, d. h. schon auf dem Stadium F,
tritt auch in der Genitalanlage eine Veränderung ein.
Auf diesem Stadium beginnt das Auseinanderweichen der einzelnen
Zellen der Genitalanlage, welche bis dahin ziemlich beieinander ge-
legen hatten, deren Austritt aus dem Dotter und das Eindringen in
die Gewebe des Embryos. Am deutlichsten tritt dieser Prozeß auf
Frontalschnitteu durch das Abdominalende des Embryos hervor: ein
solcher ist in unserer Fig. 56 abgebildet. — Wir sehen hier im Dot-
ter außer den Dotterkernen (dk) wie früher auch die Genitalanlage (g),
allein von diesen verläuft zu den dem Dotter anliegenden Somiten der
Abdominalsegmente gleichsam ein Strahl oder ein Strom einzelner
Genitalzellen, in welche diese Anlage zerfällt. Die Fig. 56 stellt einen
etwas schrägen Schnitt dar, auf dem die Somiten nur links getroffen
sind, weshalb der Strom der einzelnen Genitalzellen von der Genital-
anlage aus auch nur nach der linken Seite gerichtet ist. Auf mehr
geraden, völlig frontal geführten Schnitten bemerkt man, daß ein Teil
der Zellen der Genitalanlage sich durch den Dotter hindurch in die
Somiten der einen Seite, der andre Teil in die Somiten der entgegen-
gesetzten Seite begibt, und diese Wanderung dauert während des
ganzen Stadiums F und sogar noch ganz am Anfange des darauf-
folgenden Stadiums G an, und zwar so lange bis die ganze Genital-
anlage zerfallen ist und alle ihre Zellen den Dotter verlassen haben
und in die Gewebe des Embryos eingedrungen sind. Natürlich lassen
sich solche Bilder nur dadurch erklären, daß auf dem Stadium F die
Zellen, aus denen bis dahin die Genitalanlage bestanden hatte, an-
fangen sich aktiv (wahrscheinlich amoeboid) zu bewegen, die einen
nach rechts, die andern nach links, bis sie alle aus dem Dotter in die
Somiten herübergewandert sind.
Wie aus der Fig. 56 zu ersehen ist, erfolgt das Eindringen der
Genitalzellen nicht in alle abdominalen Somiten, sondern nur in die-
jenigen, welche am nächsten von der Genitalanlage liegen, d. h. in die
Somiten des dritten und vierten Abdominalsegmentes (so). Nur in
den Somiten dieser zwei Segmente kann man zu Beginn des Stadiums G,
wenn der Dotter endlich keine Genitalelemente mehr enthält, Genital-
zellen antreffen. Wie man dies auf Querschnitten durch das hintere
Ende des Embryos (so z. B. auf der einen solchen Schnitt durch das
dritte Abdominalsegment darstellenden Fig. 60) deutlich zu erkennen
ist, dringen die Genitalzellen (gz) in die viscerale Wandung der Sonnten
ein und verbleiben in derselben, um späterhin hier die Gonaden zu
bilden. Von den Elementen der Somiten selbst unterscheiden sich
612 Jur- Philiptschenko,
diese Zellen sehr scharf, und zwar erstens durch ihre etwas bedeutendere
Größe und dann auch durch die hellere Färbung, namentlich des Kernes.
Letzteres hat, wie dies bei stärkeren Vergrößerungen leicht festzustellen
ist (vgl. Fig. 61, welche die Genitalzellen bei HOOfacher Vergrößerung
darstellt), seinen Grund in der geringen Menge von Chromatin in den
Kernen. Durch das gleiche Merkmal unterscheiden sich auch nach
Heymons (1895, 1897a) die Genitalzellen von den somatischen bei
Lefisma und den Orthopteren und diese Eigentümlichkeit kommt
wahrscheinlich auch vielen anderen Insekten zu [siehe die Beobach-
tungen von Schwangart (1905) über Lepidopteren, von Hasper (1911)
über Chironomus u. a. m.].
Bei ihrer Verlagerung aus dem Dotter in die Somiten verlieren
die Genitalzellen indessen nicht ihre Befähigung zur aktiven Bewegung
und diese letztere hält auch noch in den Somiten an. — Gegen das
Ende des Stadiums G sind in den Somiten des vierten Abdominal-
segmentes schon viel weniger Genitalzellen zu bemerken als früher,
dafür finden wir sie nunmehr nicht mehr allein in diesem und in dem
dritten Segmente, sondern auch in dem zweiten, wo bis dahin keine
anzutreffen waren. Auf dem darauffolgenden Stadium H sind in dem
vierten Abdominalsegmente gar keine Genitalzellen mehr zu finden, da-
gegen kann man dieselben nunmehr nicht nur in den Somiten des
zweiten, sondern auch schon in denjenigen des ersten Abdominal-
segmentes antreffen (siehe den Schnitt durch letzteres auf Fig. 69 gz).
Mit einem Worte, die Genitalzellen, welche sich anfänglich nur in den
Somiten des vierten und dritten Segmentes konzentrieren, können
späterhin im ersten bis dritten Abdominalsegment angetroffen werden,
was natürlich nur durch ein aktives Kriechen derselben nach vorn
erklärt werden kann. Hiermit nimmt die Bewegung der Genitalzellen
ein Ende und auf dem Stadium H werden aus ihnen in den drei ersten
Abdominalsegmenten die Gonaden gebildet.
Auf dem in Fig. 67 dargestellten Frontalschnitt durch das hintere
Ende des Abdomens sehen wir bereits die zwei ausgebildeten Gonaden
(gon). Beide besitzen keinerlei Höhlung in ihrem Innern, sondern
sie stellen eine kompakte Anhäufung von Genitalzellen dar, welche
gewöhnlich von äußerst zarten und durchaus nicht immer bemerk-
baren Zellen umgeben sind, die aus jener splanchnischen Wandung
der primären Segmente hervorgehen, in welche die Genitalzellen
aus dem Dotter eingedrungen waren. Diese aus den Somiten-
wandungen hervorgegangenen Elemente (welche auf unsrer Zeichnung
nicht abgebildet sind) stellen augenscheinlich die Follikelzellen der
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 613
Gonade dar. — Wie dies auf derselben Fig. 67 zu sehen ist, geht von
dem hinteren Ende einer jeden Gonade der Genitalgang (gd) ab, welcher
durch das ganze vierte Segment verläuft. Seine Lage und sein Bau
lassen erkemien, daß er aus der gleichen visceralen Wandung der
Somiten des vierten Abdominalsegmentes hervorgeht, in welche zuvor
die Genitalzellen aus dem Dotter eingedrungen sind. Für die Ptery-
gota ist es charakteristisch, daß ihre Genitalgänge ursprünglich (gleich
den Gonaden) kompakt erscheinen: wie sich die Sache bei Isotoma
cinerea verhält, wage ich wegen der außerordentlich geringen Größe
des Gebildes nicht zu sagen. Ebenso ist es mir nicht gelungen, irgend-
welche Aufklärung über die Verbindung der Genitalgänge der rechten
und der linken Seite miteinander zu schaffen, wie auch über die Anlage
des unpaaren Endabschnittes des Genitalapparates, welcher bei den
Pterygota aus dem Ectoderm hervorgeht.
Ein solches Aussehen bewahrt der Genitalapparat auch noch bis
zu dem Ausschlüpfen der Isotoma aus dem Ei bei: in den drei ersten
Abdominalsegmenten ist ein Paar kompakter Gonaden angeordnet,
welche ventral vom Darme liegen (wodurch sich die Apterygota
von den Pterygota unterscheiden), im vierten Segmente dagegen das
Paar von den Gonaden nach hinten auslaufender Genitalgänge, welche
mit der Follikelwand der Gonade einen gemeinsamen Ursprung be-
sitzen, d. h. sich gleich dieser aus der splanchnischen Wand der Somiten
entwickeln. Der unpaare Endabschnitt des Genitalapparates war
weder auf dem Stadium J noch bei den soeben ausgeschlüpften Larven
irgendwie zu bemerken, was indessen noch nicht für ein Fehlen desselben
spricht, sondern vielmehr für die Zerstörung dieses zarten Gebildes
bei der Fixierung zu erklären ist: wenigstens hat Miss Claypole bei
Anurida einen ectodermalen Ausführgang beobachtet, welcher durch
eine Einstülpung am hinteren Ende des fünften Abdominalsegmentes
gebildet wird.
Es muß hier auf den Unterschied in dem Bau der Gonaden bei
soeben ausgeschlüpften Larven mit demjenigen bei der erwachsenen
Form hingewiesen werden. Bekanntlich ist für die Familie der Ento-
mobryidae, zu der unsre Isotoma gehört, das Vorhandensein doppelter
Gonaden charakteristisch, von denen eine jede aus zwei Lappen ge-
bildet ist — einem Lobus externus und einem Lobus internus, wie sie
seinerzeit von Tullberg (1871) bezeichnet worden sind. Außerdem
verlaufen diese Gonaden gewöhnlich bis zum Ende des vierten Abdo-
minalsegmentes, an dessen Grenze mit dem fünften die Vereinigung
ihrer kurzen paarigen Ausführgänge (oviductus oder Vasa deferentia)
614 Jur. Philiptschenko,
miteinander zu einem gemeinsamen unpaaren Gang (Vagina oder Ductus
ejaculatorius) denn auch stattfindet.
In der niedersten Familie der Collembola, den Poduridae,
sind die Gonaden dagegen einfach und enden etwas früher, gewöhnlich
schon im Anfange des vierten Abdominalsegmentes. — Der Bau der
Gonaden bei den soeben ausgeschlüpften Tierchen hat demnach viel
mehr Ähnlichkeit mit deren Bau bei den niedersten Collembolen, den
Poduridae, deren Stadium sie um diese Zeit gleichsam durchlaufen,
während die für die Familie der Entomobryidae charakteristischen
Eigentümlichkeiten erst später auftreten. In dieser Beziehung vermag
ich die Beobachtungen von Willem (1900) über die postembryonale
Differenzierung der Gonaden bei denCollembola durchaus zu bestätigen,
wonach deren Entwicklung in diesen beiden Familien von einem gemein-
samen Anfangsstadium ausgeht. Auf die rein äußerliche Ähnlichkeit einer
aus dem Ei geschlüpften Isotoma mit den Vertretern von solchen Gat-
tungen, wie Achorutes und Onychiurus (Lipura), hat schon Packard in
seiner Arbeit über die Entwicklung von Isotoma walckerii hingewiesen.
Im großen ganzen erinnert die Entwicklung der Genitalorgane
von Isotoma cinerea außerordentlich an den gleichen Vorgang bei den
höheren Insekten, wo er erstmals von Heymons (1891, 1895) eingehend
studiert worden ist, dessen Beobachtungen dann auch von späteren
Forschern bestätigt wurden. Wie bei Isotoma, so ist auch bei vielen
Pterygota eine sich früh differenzierende und von den Keimblättern
unabhängige Genitalanlage vorhanden, deren Zellen bei einigen Formen
ebenfalls auf rein aktive Weise aus dem Dotter in die Gewebe des Em-
bryos herein und wiederum aktiv aus den hinteren Somiten in die
vorderen herüberwandern. Das Eindringen der Genitalzellen erfolgt
gleich wie bei unsrer Isotoma in die splanchnische Wandung des Somiten
und zwar in den Abschnitt derselben, welchen Heymons die Geschlechts-
leiste genannt hat. Endlich sind auch die paarigen Genitalgänge der
Pterygota Derivate der Somiten, indem sie sich aus der visceralen
Wandung der hinteren Somiten entwickeln. Letzterer Umstand macht,
worauf schon mehrfach hingewiesen worden ist, die Annahme ziemlich
wahrscheinlich, daß wir es in ihnen mit den Nephridien homologen
Gebilden zu tun haben. Die hier oben beschriebene Entwicklung
der Kopfnephridien von Isotoma spricht ebenfalls durchaus zugunsten
einer solchen Annahme. — Der einzige Unterschied der Apterygota
von den Pterygota besteht darin, daß bei ersteren kein Zusammen-
hang zwischen der Gonadenanlage und dem Pericardialseptum ver-
mittelst der sogenannten »Endfadenplatte« vorhanden ist. Es läßt
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 615
sich dies natürlich dadurch erklären, daß bei den niederen Insekten,
ebenso wie auch bei den Diplopoden, die Gonaden ventral vom Darme
liegen, bei den höheren Insekten und den Chilopoden dagegen dorsal
von demselben.
Wenn unsre Beobachtungen demnach mit den Erscheinungen
aus der Entwicklung der Genitalorgane der Pterygota übereinstim-
men, stehen sie anderseits vielfach im Widerspruch mit den Beobach-
tungen von Miss Claypole über die Entwicklung der Genitalorgane
bei Anurida maritima. Da diese letzteren bis jetzt die einzigen Angaben
über die Entwicklung der Genitaiorgane bei den Collembolen darstellen,
werden wir ausführlicher bei denselben verweilen müssen.
Nach den Beobachtungen von Miss Claypole bilden sich die Ge-
nitalzellen bei den Embryonen von Anurida in den Wandungen der
Somiten des zweiten und dritten Abdominalsegmentes, wobei ihr
Schicksal ein zweifaches sein kann. — In dem einen Falle verbleiben
sie in dem Somiten seibst, vermehren sich in demselben und ergeben
die Gonade, welche anfangs durch die splanchnische Schicht des Meso-
derms von dem Dotter abgeteilt ist. Im andern Falle verläßt eine
solche Zelle den Somiten und verwandelt sich in ein Zellhäufchen
zwischen Mesoderm und Dotter : ein Teil dieser Anhäufung ( »stationary
germ cells«) bleibt wie zuvor an dieser Stelle, ein andrer Teil (»migrat-
ing germ cells«) wandert in den Dotter. Hierauf trat in den Beobach-
tungen des Autors eine Unterbrechung ein, allein er behauptet, daß
auch aus dieser Zellenanhäufung ihrerseits Gonaden gebildet werden
(vielleicht männliche , im Gegensatz zu den auf die erstere Weise
entstehenden weiblichen? — diese Frage ist ganz unaufgeklärt ge-
blieben). Die aus dem Ei ausschlüpfende Anurida besitzt demnach
eine Gonade, in deren Höhlung Dotter enthalten ist, der für die Ernäh-
rung der Genitalelemente verwendet wird; außerdem gerät er auch
in die Blutkörperchen, fehlt dagegen gänzlich in dem Mitteldarme,
welcher wie bei den Diplopoden keinen Dotter enthält.
Die guten Zeichnungen, welche diese ziemlich unklare Beschreibung
illustrieren, gestatten es sich in den Beobachtungen von Miss Claypole
zurechtzufinden und das richtige von dem irtümlichen zu unterscheiden.
— Der erste Entwicklungsweg der Genitalzellen in den Somiten und
die hier vor sich gehende Entstehung der Gonaden aus denselben
(Fig. 50, 52, 53, 58) in der Arbeit von Miss Claypole stimmen völlig
mit dem überein, was wir bei der Entwicklung von Isotoma cinerea
kennen gelernt haben. Auf den Zeichnungen Fig. 55 — 57 dagegen,
welche den zweiten Entwicklungsweg der Genitalzellen außerhalb der
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 40
616 Jur. Philiptschenko,
Somiten und ihr Eindringen in den Dotter verdeutlichen, erkennen
wir nichts andres, als das schon früher von uns beschriebene Ausein-
anderkriechen der Zellen der bis dahin in dem Dotter eingeschlossenen
Genitalanlage und ihr Eindringen in die abdominalen Somiten. Der
Irrtum von Miss Claypole bestand darin, daß sie von der Entstehung
der Genitalzellen aus den Wandungen der Somiten überzeugt war,
weshalb sie das Auseinanderkriechen der Zellen der Genitalanlage und
ihr Eindringen in die Somiten für die von ihr beschriebene zweite
Entwicklungsweise der Genitalzellen außerhalb der Somiten angesehen
hat. In Wirklichkeit stellen ihre Fig. 50 — 58 jene einzige Entwicklungs-
weise der Gonaden dar, wie sie auch bei unsrer Isotoma vorliegt: die
Fig. 55 — 57 beziehen sich auf die erste Phase dieses Prozesses, das
Hineindringen der Zellen der Genitalanlage aus dem Dotter in die
Somiten, die übrigen Figuren dagegen auf die zweite Entwicklungs-
phase, d. h. auf die in diesen Somiten vor sich gehende Bildung der
Gonaden. — Diese Zeichnungen können unter anderm auch als Beweis
dafür gelten, daß eine ebensolche Genitalanlage wie bei Isotoma wahr-
scheinlich auch bei vielen andern Collembola vorhanden ist, unter
andern auch bei Anurida maritima.
Was den Dotter in den Gonaden des ausgeschlüpften Tieres betrifft,
so habe ich bei Isotoma nichts derartiges bemerkt. Es wäre zu kühn
auf Grund meiner Beobachtungen dessen Anwesenheit in den Gonaden
von Anurida direkt widersprechen zu wollen, doch muß ich immerhin
bemerken, daß auch diese Beobachtung von Miss Claypole mir zweifel-
haft erscheint. Miss Claypole färbte ihre Präparate mit Orange-G,
welches nicht nur den Dotter färbt, sondern auch noch alle möglichen
oxyphilen (albuminoiden) Körner, wie sie bei den Collembola ziem-
lich stark verbreitet sind [bezüglich dieser Körner vgl. eine meiner
früheren Arbeiten (1906)]. Auf der Fig. 64 der Arbeit von Miss Clay-
pole sind unzweifelhaft solche Körner abgebildet {f.g), allein der
Autor hält auch sie für Überreste des Dotters. Vielleicht waren der-
artige Dotterkörnchen auch in den Genitalorganen der aus dem Ei
geschlüpften Anurida enthalten?
Die Beobachtungen von Miss Claypole einer kompakten Mittel-
darmanlage wie bei den Diplopoda und des Fehlens von Dotter in
deren Höhlung beruhen, wie dies aus eben dieser Fig. 64 zu ersehen ist,
auf schwerem Irrtum, indem auf dieser Figur der Mitteldarm gerade
noch dicht mit Dotter angefüllt abgebildet ist. In seinem Texte be-
zeichnet der Autor ihn als "a large irregulär sac filled with yellow
material" und bringt ihn in irgendeinen (mir nicht ganz verständlichen)
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 617
Zusammenhang mit dem Genitalapparat. — Mit einem Worte, alle
(dabei sehr sorgfältig ausgeführten) Zeichnungen in der Arbeit von
Miss Claypole sprechen in der entschiedensten Weise gegen alles, was
dieser Autor in derselben über die Entwicklung des Genitalapparates
mitteilt, und man kann aus denselben, im Gegensatz zu den Angaben
des Autors, darauf schließen, daß seine Entwicklung bei Anurida ebenso
verläuft, wie bei Isotoma, d. h. nach dem gleichen Typus, wie dies sowohl
bei den Pterygota, als auch bei den Apterygota der Fall ist.
Bei der Entwicklung der Gonaden von Anurida differenziert sich
in diesen schon frühe eine schmale »cephalic elongation« oder ein
Ligament, welches eine Fortsetzung der Gonade nach vorn bildet und,
ohne Genitalzellen in sich zu enthalten, nur aus mesodermalen Ele-
menten besteht. Miss Claypole erblickt in diesem Gebilde den Über-
rest des Genitalganges der Gonade, welcher einstmals, wie dies noch
jetzt bei den Symphyla und Diplopoda der Fall ist, im ersten
Abdominalsegmente ausmündete .
Bei unsrer Isotoma ist ein solches Verhalten nicht vorhanden,
doch scheint mir diese Annahme nichtsdestoweniger recht glaubwürdig.
Die Theorie von dem Vorhandensein zweier Paare Genitalöffnungen
bei den Vorfahren der Insekten, und zwar einer am Ende des Abdomens,
der andern im vierten Rumpfsegmente, war schon längst von Grassi
(1888) aufgestellt worden, welcher zu deren Bekräftigung auf das
Vorhandensein einer Zone besonderer Härchen zwischen den rudimen-
tären Füßen des ersten Abdominalsegmentes von Campodea hingewiesen
hatte, die ein sekundäres Geschlechtsmerkmal des Männchens dar-
stellt. Späterhin war es mir gelungen, bei dieser Form das Vorhanden-
sein von Anhäufungen eigenartiger einzelliger Drüsen unter den er-
wähnten Härchen nachzuweisen, welche ebenfalls nur bei den Männ-
chen vorhanden waren (1905a). — Wenn wir diese Tatsachen mit den
Beobachtungen von Miss Claypole über die frühe Anlage des Liga-
ments bei Anurida vergleichen, so werden wir der Theorie von Grassi
einen beträchtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit zusprechen müssen.
VII. Allgemeiner Teil.
1. Über die frühzeitige Sonderung der Genitalanlage bei den Insekten.
Vor 20 Jahren sind in dem klassischen Lehrbuche der Embryologie
der wirbellosen Tiere von Korschelt und Heider (1892) nur zwei
Fälle frühzeitiger Sonderung der Genitalanlage bei den Insekten an-
geführt worden, und zwar bei den Diptera und bei den Aphidae;
diese Fälle waren schon im Jahre 1866 von Metschnikoff entdeckt
40*
618 Jur. Philiptschenko,
und hierauf von einer Reihe späterer Autoren bestätigt worden. Auch
die Verfasser zweier spezieller Untersuchungen über die Entwicklung
der Genitalorgane bei den Insekten, welche fast gleichzeizig mit dem
oben erwähnten Lehrbuche erschienen, und zwar Heymons (1891)
und Wheeler (1893) hielten die Annahme von einem mesodermalen
Ursprung der Genitalzellen der Insekten, wie dies auch bei den Anneliden
der Fall ist, aufrecht. Gegenwärtig sind jedoch schon so viele Fälle
einer frühzeitigen, von den Keimblättern unabhängigen Sonderung
dieser Zellen beschrieben worden, daß man wohl eher diese Entstehungs-
weise als die Regel und die Fälle einer mesodermalen Entstehung als
Ausnahmen ansehen kann, statt des umgekehrten Verhaltens.
Im Jahre 1895 stellte Heymons die frühzeitige Entstehung der
Genitalanlage bei Forficula und den Orthopteren fest, wobei er seinen
früheren Standpunkt aufgab und nunmehr annahm, daß die Genital-
zellen Bildungen sui generis darstellen und keinem der Keimblätter
angehören. Nach den späteren Untersuchungen des gleichen Autors
(1896a, 1897a) findet eine ebenso frühe Absonderung dieser Zellen
auch bei Lepisma und vielleicht auch bei den Odonaten statt.
Etwas später fand Lecaillon (1898) die gleichen Verhältnisse
auch bei der Entwicklung der Chrysomeliden, was späterhin durch
Friederichs (1906), Hirschler (1909b) und Hegner (1901) bestätigt
worden ist. Eine frühzeitige Anlage der Genitalanlage hält auch
Saling (1907) bei Tenebrio molitor für sehr wahrscheinlich.
Für die Schmetterlinge war das gleiche Verhalten schon in der
alten Arbeit von Woodworth über die Entwicklung von Vanessa
antiopa (1889) beschrieben, hierauf dann auch von Schwangart (1905)
bei Endromis, Sphinx und Zygaena nachgewiesen worden. — Hierher
gehören auch die Beobachtungen von Petrunke witsch über die Ent-
stehung der Genitalzellen bei den Drohnen (1903), obgleich der von
ihm beschriebene Fall (Herkunft aus den Richtungskörpercken) ganz
vereinzelt unter allen andern Fällen dasteht.
Bei Isotoma cinerea ist die Genitalanlage, wie wir oben gesehen
haben, zu der Zeit, wo das Ei sich mit dem Blastoderm umgibt, schon
völlig deutlich abgesondert, wobei die Differenzierung dieses letzteren
in die primären Keimblätter erst später vor sich geht. Diese Anlage
verbleibt hier lange Zeit hindurch in Gestalt eines selbständigen Zell-
häufchens im Dotter und erst zu Beginn der vierten Entwicklungs-
periode erfolgt das Eindringen der Genitalzellen in die Somiten. —
Oben ist auch schon darauf hingewiesen worden, daß die gesamte
Genitalanlage sehr möglicherweise aus einer bestimmten Zelle des
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. . 619
16- oder 32zelligen Stadiums hervorgeht, obgleich es mir nicht gelungen
ist, dies völlig genau festzustellen. Sollte diese Annahme der Wirklich-
keit entsprechen, so würden wir bei Isotoma cinerea eine ebenso früh-
zeitige Sonderung der Genitalanlage vor uns haben, wie die kürzlich
von Hasper bei Chironomus (1911) beschriebene. — Die Vergleichung
der früheren Angaben über die Entwicklung der Collembola mit der
Embryologie unsrer Isotoma endlich gestattet es uns anzunehmen,
daß bei einigen andern Vertretern dieser Ordnung eine ebenso früh-
zeitige Absonderung der Genitalanlage stattfindet, wie bei dieser
Form.
Die Collembola schließen in dieser Hinsicht die Reihe ähnlicher
Fälle in andern Gruppen und man kann jetzt mit vollem Rechte behaup-
ten, daß es nicht eine einzige größere Ordnung von Insekten mehr
gibt, in welcher nicht wenigstens ein oder mehrere Fälle einer Ab-
sonderung der Genitalzellen vor der Differenzierung der Keimblätter
und unabhängig von diesen bekannt wären. — In dieser Frage entbehren
die negativen Befunde, mehr als irgendwo anders, irgendwelcher Be-
deutung: sind bei dem Embryo irgendeines Insektes Genitalzellen erst
nach erfolgter Bildung der Somiten bemerkt worden, so wird man,
gestützt auf eine Reihe entgegengesetzter positiver Befunde, viel eher
annehmen können, daß entweder der betreffende Autor diese Zellen
auf früheren Entwicklungsstadien nicht beachtet hat, oder aber daß
diese Zellen um diese Zeit noch nicht von den übrigen Zellen zu unter-
scheiden sind. Beide Annahmen sind durchaus zulässig: man braucht
sich nur daran zu erinnern, welch große Rolle bisweilen diese oder jene
Methode der Fixierung und Färbung spielt, ohne welche gewisse Einzel-
heiten des Baues ganz unbemerkt bleiben, um die erstere Annahme
selbst für die Arbeiten der hervorragendsten Autoren für durchaus
möglich anzusehen. Was nun die zweite Annahme betrifft, so sind
angesichts des Vorhandenseins morphologisch nicht zu unterscheidender
»physiologischer« Arten, Fälle einer völligen äußerlichen Übereinstim-
mung bereits differenzierter Genitalzellen mit den sie umgebenden
somatischen Zellen gewiss mehr als möglich.
Gegenwärtig sind wir, wie mir scheint, durchaus in der Lage, die
Frage über die Herkunft der Genitalzellen bei den Insekten in folgender
Weise zu formulieren: als Regel für alle Insekten gilt eine Son-
derung der Genitalzellen noch vor der Differenzierung der
Keimblätter aus den Zellen des Blastoderms,^" bisweilen
sogar aus bestimmten Furchungszellen; in einigen Fällen
werden die wahrscheinlich bereits zuvor differenzierten
620 Jur. Philiptschenko,
Genitalzellen erst in den Wandungen der Somiten be-
merkbar.
Höchstwahrscheinlich wird sich diese Formulierung indessen nicht
nur auf alle Insekten, sondern auch noch auf andre Klassen der Arthro-
poden anwenden lassen. Es mag hier auf zahlreiche diesbezügliche,
die Crustaceen betreffende Angaben hingewiesen sein, und zwar auf
die Beobachtungen von Grobben (1879), Schimkewitsch und Peda-
schenko (1893, zitiert nach Schimkewitsch), J. Wagner (1896),
Hacker (1897) und Pedaschenko (1899), welche Vertreter der ver-
schiedensten Ordnungen dieser Klasse zum Gegenstande haben. Für
die Arachnoideen liegen ganz analoge Angaben vor, und zwar bezüglich
der Phalangiden [Faussek (1891) und eine Berichtigung dieser Be-
obachtungen von Schimkewitsch (1898)], des Scorpiones [Brauer
(1894)] und Solpuga [Heymons (1905)]; es mag hier auch auf die
interessanten Betrachtungen von Schimkewitsch (1906) bezüglich der
Bedeutung des Cumulus primitivus bei den Spinnen hingewiesen
werden. Eine frühzeitige Sonderung der Genitalanlage ist endlich
auch bei einem Vertreter der Myriopoda sehr wahrscheinlich, und
zwar für Scolopendra, nach den Beobachtungen von Heymons (1901).
Gar keine diesbezüglichen Angaben liegen für die Onychophora vor,
deren Entwicklung, trotz einer recht beträchtlichen Menge von
Arbeiten, noch nicht erschöpfend aufgeklärt ist.
Eine frühzeitige und von den Keimblättern unabhängige Sonderung
der Genitalanlage bildet demnach die Regel nicht nur für alle Insekten,
sondern wohl auch für alle Arthropoden überhaupt, und wir haben
diese Erscheinung als eine primäre anzusehen, worauf unter andern auch
schon Heymons (1895), J. Wagner (1896) und Pedaschenko (1899)
hingewiesen haben.
Eine Besprechung der Frage nach der Entwicklung der Genital-
zellen in andern Typen des Tierreiches geht über die Grenzen der vor-
liegenden Arbeit hinaus, doch kann ich trotzdem nicht umhin darauf
hinzuweisen, daß eine Verbreitung unsrer Auffassung auf sämtliche
Metazoa mir am wahrscheinlichsten und als am besten mit allem dem
in Übereinstimmung erscheint, was uns überhaupt über die Genital-
zellen und deren Beziehungen zu den somatischen Zellen bekannt ge-
worden ist. Allerdings sind in andern Typen viel weniger derartige
Fälle bekannt [ich führe hier keine Aufzählung derselben an, da eine
Zusammenstellung der diese Frage berührenden Angaben in der zweiten
Auflage des Lehrbuches von Korschelt und Heider (1902) enthalten
ist], doch ist dabei Folgendes zu berücksichtigen. Erstens sind diese
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 621
Fälle über das gesamte Tierreich zerstreut, indem sie bei so weit von-
einander stehenden Tieren angetroffen werden, wie Sagitta, Ascaris,
den Teleostei und Selachia, den Mollusca und augenscheinlich
auch bei den Coelenterata. Zweitens bedarf diese Frage in Bezug
auf eine ganze Reihe von Formen, über deren Entwicklung wir nur
Arbeiten besitzen, die um 20 — 30 Jahre zurückliegen, unbedingt einer
erneuten Untersuchung. Daß eine solche, mit Hilfe neuerer Methoden
ausgeführte Nachprüfung älterer Befunde sehr wichtige Resultate er-
geben kann, ersieht man aus dem Vergleiche dessen, wie viele Fälle
einer frühzeitigen Sonderung der Genitalanlage bei den Insekten bis
zu dem Jahre 1895 bekannt waren, und wie viele wir deren jetzt
kennen.
Wir haben uns hier eingehender mit dieser Frage beschäftigt, ob-
gleich die Auffassung von der primären Natur einer frühzeitigen Son-
derling der Genitalanlage schon recht viele Anhänger zählt, und zwar
zum Teile aus dem Grunde, weil Erwiderungen gegen diese An-
schauung gerade in einigen Arbeiten über die Embryologie der Arthro-
poden ausgesprochen wurden. Diese Erwiderungen erfordern eine
etwas eingehendere Besprechung.
Wir haben bereits bemerkt, daß Heymons in seiner Arbeit über
die embryonale Entwicklung der Dermaptera und Orthoptera
(1895) die Theorie von der Unabhängigkeit der Genitalzellen von. den
Keimblättern sowohl für die Insekten wie auch für das gesamte Tier-
reich aufrecht erhalten will. In seinen späteren Arbeiten teilt er eine
Reihe neuer Beispiele ähnlicher Art mit, allein in einer seiner letzten
Arbeiten scheint er meiner Ansicht nach seine Auffassung wiederum
schroff zu ändern, indem er schreibt: »Es unterliegt keinem Zweifel,
daß es bei den letztgenannten Insekten« (mit frühzeitiger Sonderung
der Genitalanlage) »wohl erst sekundär zu einer solchen Beschleunigung
in der deutlichen Absonderung und Differenzierung der Fortpflanzungs-
zellen gekommen sein wird, denn die Verlegung der Genitalzellen-
bildung in die frühesten Stadien des Embryonallebens hinein, kann
unmöglich als eine ursprüngliche Eigenschaft aufgefaßt werden.« (1901,
S. 186). — Mir ist die Ursache dieses neuen Gesichtspunktes des Autors
um so weniger verständlich, als derselbe bei den Embryonen der gleichen
Scolopendra, auf welche sich diese Arbeit bezieht, das Vorhandensein
eines besonderen Zellhäufchens am hinteren Ende der Keimscheibe für
sehr wahrscheinlich hält, dessen Elemente sich zur Zeit der Keimblätter-
bildung differenzieren und die Rolle von »Trägern des Keimplasmas«
spielen, »welches .... bei den Eiern aller oder doch wenigstens der
622 Jur. Philiptschenko,
Mehrzahl der Arthropoden am vegetativen Eipole oder dem Hinterende
der Keimanlage gelegen ist« (S. 187).
In der schon mehrfach angeführten Arbeit von Hirschler über
die Entwicklung von Donacia (1909b) treffen wir ebenfalls die Auf-
fassung, daß die frühe Absonderung der Genitalzellen wie bei dieser
Form, so auch bei andern Insekten eine sekundäre Erscheinung dar-
stelle. Der Verfasser hält dieselbe für eine Neubildung in der Klasse
der Insekten, da sie bei den Onychophora, Myriopoda und Aptery-
gota fehlt. — Letztere Behauptung beruht indessen offenbar auf
Irrtum, indem schon lange vor dem Erscheinen der HiRSCHLERschen
Arbeit diesbezügliche Beobachtungen von Heymons über Scolopendra
und Lepisma vorlagen. Darauf, daß die Apterygota viel mehr durch
frühe Absonderung der Genitalanlage charakterisiert sind, als durch
die Abwesenheit dieser Eigenschaft, ist schon oben hingewiesen worden.
Von Myriopoden ist einstweilen nur Scolopendra in embryologischer
Hinsicht mit genügender Vollständigkeit untersucht worden; dagegen
sind neue Untersuchungen über die Entwicklung der Onychophora
ebenfalls im höchsten Maße erwünscht, wobei zu bemerken ist, daß,
falls diese Erscheinung bei ihnen auch nicht festgestellt werden sollte,
dieses negative Ergebnis trotzdem nicht zu Ungunsten unsres Gesichts-
punktes sprechen würde.
Auf einen recht interessanten Standpunkt in bezug auf die frühe
Sonderung der Genitalzellen hat sich Schimke witsch gestellt, welchen
er schon im Jahre 1896 erstmals eingenommen und in seiner Arbeit
über die Entwicklung von Telyphonus (1906) eingehender entwickelt hat.
Nach der Auffassung dieses Autors hat man alle derartigen Fälle als
einen Übergang zu der teloblastischen Anlage der Genitalorgane an-
zusehen: »berücksichtigt man jedoch die Fälle von noch frühzeitigerer
Differenzierung der Genitalanlage, so kann man diese als Anzeichen
einer teloblastischen Anlage der Genitalanlage betrachten« (S. 15 des
Separatabdruckes). — Dieser Auffassung haben sich auch die Anhänger
der Genitocöltheorie — E. Meyer (1901) und Lang (1903) — ange-
schlossen.
Einige Fälle frühzeitiger Sonderung der Genitalzellen bei den
Insekten, so z. B. bei den Diptera, in Gestalt einiger Polzellen am
hinteren Eiende, erinnern in der Tat an die Entwicklung mit Hilfe
von Teloblasten. Allein auf andre Fälle der gleichen Art läßt sich
diese Auffassung nur schwer ungezwungen anwenden: ich will hier
zum Beispiel auf Forficula und die Orthopteren hinweisen, bei denen
die gleichzeitige Versenkung eines ganzen Häufchens von Zellen in den
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 623
Dotter mit Hilfe der Genitalgrube statt hat. Ferner auf überein-
stimmende Verhältnisse bei den Embryonen der Schmetterlinge nach
Schwangart (1905), endlich auf die mehrzellige Genitalanlage bei
unsrer Isotoma. Ebenso verhält sich die Sache nach Brauer auch bei
dem Scorpione und, wenn die Betrachtungen von Schimke witsch
über den Cumulus richtig sind, auch bei den Spinnen.
Allerdings ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, ja es ist vielleicht
sogar wahrscheinlicher, daß in allen solchen Fällen eine derartige mehr-
zellige Anlage von einer bestimmten Zelle irgendeines Furchungs-
stadiums abstammt, und vielleicht sogar schon in einem bestimmten
Teile des Eies lokalisiert ist. Allein eine solche Entwicklung kann als
determinativ, in keiner Weise aber als teloblastisch bezeichnet werden :
diese beiden Begriffe stimmen natürlich nicht miteinander überein und
sind keine Synonyme. — Die Determination der Genitalanlage hindert
uns in keiner Weise daran, deren frühe Absonderung als eine primäre
Erscheinung anzusehen, da nach den Arbeiten der letzten Jahre, die
Annahme meiner Ansicht nach wohl kaum mehr möglich ist, daß die
mosaikartige Entwicklung, gleich der teloblastischen, zum Zwecke
einer Beschleunigung der Entwicklung entstanden sei und einen se-
kundären Charakter trage. Gegenwärtig wird man sich eher der direkt
entgegengesetzten Auffassung anschließen können.
Was jene Fälle betrifft, wo bei einer frühzeitigen Absonderung
der Genitalanlage ihre Entwicklung an die teloblastische Entwicklungs-
weise erimiert, so wird die Annahme richtiger sein, daß letztere sich
hier aus der noch zuvor stattgehabten, ebenfalls frühen Sonderung
dieser Anlage herausgebildet hat. Zugunsten einer derartigen Auf-
fassung kann ich auf eine andre, übereinstimmende Erscheinung in
der Entwicklung der Insekten hinweisen, und zwar auf die Bildung
ihres Nervensystems nach der teloblastischen Entwicklungsweise aus
Neuroblasten. Wheeler (1893) war bestrebt eine Homologie zwischen
diesen letzteren und den Neuroteloblasten der Oligochaeta und
Hirudinea durchzuführen, allein Heymons (1895) bewies die völlige
Unannehmbarkeit eines solchen Gesichtspunktes und stellte fest, daß
im gegebenen Falle nur von zwei analogen Fällen die Rede sein kann.
Ebenso wie die teloblastische Anlage des Nervensystemes bei den In-
sekten rein sekundär und zwar zweifellos später als die übrigen, für die
Insekten und andern Arthropoden gemeinsamen Eigentümlichkeiten
ihrer Entwicklung und unabhängig von ihnen entstanden ist, so sind
auch die Polzellen der Dipteren und die ihnen ähnlichen Genitaltelo-
blasten der übrigen Arthropoden unabhängig voneinander und bereits
624 Ju1-' Philiptschenko,
nach der allen Arthropoden gemeinsamen frühzeitigen Absonderung
der Genitalanlage entstanden.
Was nun die Beziehungen dieser Erscheinung zu der Genitocöl-
theorie betrif f t, so wollen wir uns hier nicht bei dieser Frage aufhalten ;
letztere Theorie erscheint mir nur als eine Hypothese, die frühzeitige
Absonderung der Genitalanlage dagegen ist eine Tatsache, und die
Auslegung ihrer Bedeutung kann naturgemäß nicht in Abhängigkeit
von irgendeiner Hypothese gebracht werden. — Die Anerkennung der
Unabhängigkeit der Genitalzellen selbst von den primären Keimblättern
(wie dies unter andern auch Korschelt und Heider in der zweiten
Auflage ihres Lehrbuches getan haben) scheint mir gegenwärtig durch
die vorliegenden Beobachtungen durchaus begründet zu sein. .
2. Die Bedeutung der Dotterzellen bei den Arthropoden.
Als wir oben über die Entwicklung des Mitteldarmes sprachen,
haben wir auch die Auffassung der Dotterzellen als Entoderm berührt.
Diese früher allgemein anerkannte, dann eine Zeitlang fast verlassene
und hierauf in der von Heymons aufgestellten Theorie von neuem
aufgenommene Auffassung kann gegenwärtig in bezug auf die Insekten
nicht mehr aufrecht erhalten werden. Das primäre Entoderm dieser
letzteren ist das untere Blatt und der Mitteldarm entsteht überall
nicht aus den Dotterzellen, sondern aus den Elementen dieses unteren
Blattes. — Unsre Beobachtungen über Isotoma cinerea bieten insofern
Interesse, als durch sie eine gleiche Entstehung des Mitteldarmes
auch für die Apterygota nachgewiesen wird, welche bis dahin als
wichtigstes Bollwerk für die HeymonsscIic Theorie gegolten hatten.
» . . . Für die Gruppe der Insekten durch die Untersuchungen an
Lepisma saccharina zum erstenmal mit Sicherheit und Bestimmtheit
das Entoderm als solches nachgewiesen worden ist« schreibt dieser
Autor in seiner Arbeit über die Entwicklung von Scolopendra (1901,
S. 202). Oben haben wir gesehen, daß dieser Gesichtspunkt kaum
auf Richtigkeit Anspruch machen kann.
Allerdings besitzen wir bezüglich der Embryologie der Pterygota
mehrere neuere Untersuchungen, durch welche die Annahme einer
Teilnahme der Dotterzellen an dem Aufbau des Mesenteron bestätigt
wird: hierher gehören die Arbeiten von Tschuproff (1903), Dickel
(1904) und Schwangart (1904, 1905). Allein der erste dieser Autoren
beschreibt gleichzeitig auch eine Entstehung des vorderen und hinteren
Mitteldarmdrittels in Gestalt von Auswüchsen des Storno- und Procto-
däum und dieser Umstand veranlaßt uns allen Beobachtungen desselben
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 625
mit gewissem Zweifel gegenüberzutreten, indem alle derartigen Fälle
nimmehr als auf Irrtümern begründet angesehen werden können. Dickel
und Schwangart, welche die Dotterzellen als Entoderm ansehen,
stützen sich hauptsächlich auf indirekte Angaben, nicht aber auf direkte
Beobachtungen, ferner auch auf theoretische Betrachtungen. So weist
Schwangart dabei auf den Umstand hin, daß er alle Übergänge von
den Darm bildenden »blasigen Zellen« zu echten Dotterzellen beobachtet
hat, was ihn zu der Annahme veranlaßt, daß auch letztere an der
Bildung des Mesenteron teilnehmen. Das Vorhandensein solcher Über-
gänge ist von Hirschler (1906) nicht bestätigt worden, allein wenn
solche auch existieren, so lassen sie sich natürlich viel leichter durch
die Entstehung eines Teiles der Dotterelemente auf Kosten der »blasigen
Zellen« erklären, und von hier bis zur Auffassung der Dotterzellen als
Entoderm ist noch ein weiter Weg. — Überhaupt muß daraufhingewie-
sen werden, daß sich in den Arbeiten von Dickel und Schwangart
ein allzugroßer Einfluß der Cölomtheorie bemerkbar macht, wodurch
diese Autoren sich denn auch veranlaßt fühlten, eine so sonderbare
Bildung, wie den »dorsalen Blastoporus« zu beschreiben, welcher sich
später nach den Beobachtungen von Hirschler (1909a u. b) einfach
als Kudiment des Dorsalorgans der Collembola und andrer Arthro-
poden erwiesen hat. — Man wird sich daher jetzt mit den Worten von
Nusbaum und Fulinski einverstanden erklären müssen, welche in
ihrer letzten Arbeit folgendes schreiben : »Die Vitellophagen der Insekten
als Entoderm zu bezeichnen, halten wir für ganz unberechtigt« (1909,
S. 347), und die Beobachtungen über die Entwicklung von Isotoma
sind nur dazu angetan diesen Gesichtspunkt zu bestätigen.
Es war ferner oben schon davon die Rede, daß auch für die My-
riopoda und Arachnoidea eine Teilnahme der Dotterzellen an der
Mitteldarmbildung nunmehr als ganz ausgeschlossen angesehen werden
muß, da dieselben auch bei diesen Arthropoden nach neueren Beob-
achtungen, wie bei den Insekten, aus Elementen des unteren Blattes
hervorgehen.
Eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Angaben über eine Bildung
des Mitteldarmes aus Dotterzellen liegt gegenwärtig für die Crustaceen
vor [vgl. die gute Zusammenfassung in der zweiten Ausgabe des Lehr-
buches von Korschelt und Heider (1910)]. Allein es fällt hierbei
auf, daß die Zahl solcher Angaben in älteren Arbeiten zunimmt, in
allen neueren dagegen, wo die Entstehung des Darmes schon in andrer
Weise beschrieben wird, merklich abnimmt; dieser Umstand spricht
stark zu Gunsten der Annahme, daß wir auch bei den Crustacea
ß26 Jur> Philiptschenko,
nach erneuter Untersuchung aller dieser Verhältnisse, wie bei den In-
sekten, gezwungen sein werden, uns von der alten Auffassung, wonach
die Vitellophagen den Mitteldarm entstehen lassen, loszusagen. Wenig-
stens hält es Nusbaum, indem er sich in dem oben angeführten Citat
davon enthält, in den Dotterzellen der Insekten deren Entoderm zu er-
blicken, schon jetzt für möglich, dies damit zu begründen, daß »auch bei
sehr vielen Crustaceen außer den gut ausgesprochenen Entoderm- und
Mesodermelementen undifferenzierte und zugrunde gehende Vitellopha-
gen im Dotter hervortreten«. Wir wollen schließlich noch bemerken, daß
auch bei den Onychophora die früheren Autoren in den Dotterzellen
Entoderm erblickt haben, während in einer neueren Arbeit Evans
(1902) bereits von einem selbständigen Entoderm spricht, aus dem
später Vitellophagen hervorgehen [welche nach seinen Beobachtungen
immerhin an der Mitteldarmbildung teilnehmen, worüber Heider (1910)
schon Zweifel ausgesprochen hat].
Mit einem Worte, die uns jetzt vorliegenden Angaben sprechen
stark zugunsten der Annahme, daß die Dotterzellen nicht nur bei den
Insekten, Myriopoden und Spinnen (wo dies als völlig erwiesen ange-
sehen werden kann), sondern wahrscheinlich bei allen Arthropoden
keinerlei Anteil an dem Aufbau des Mitteldarmes nehmen und dem-
nach kein Entoderm darstellen. Nachdem wir dies anerkannt haben,
werden wir nunmehr feststellen müssen, was denn diese Elemente
eigentlich darstellen.
Die Auffassung der Dotterzellen als Entoderm war hauptsächlich
Dank dem Bestreben entstanden, bei den Insekten eine typische zwei-
schichtige Gastrula nachzuweisen, als deren Ectoderm das Blastodeim
und als deren Entoderm der Dotter angesehen wurde. Selbst Hey-
mons (1901) geht zur Verbildlichung seiner Ansicht von der emboli-
schen Gastrula der Anneliden aus und gibt ein ganzes Schema für
die Verwandlung ihrer Macromeren und eines Teiles der Micromeren
in Dotterzellen usw. Mir scheint es, daß derartige phylogenetische
Spekulationen im Gebiete der Embryologie nur sehr wenig Nutzen
bringen; wenn wir auch die Abstammung einer Tiergruppe von einer
andern für sehr wahrscheinlich ansehen können, so folgt doch hieraus
keinesfalls, daß man die Ontogenie dieser ersteren direkt von der
Ontogenie ihrer Vorfahren ableiten kann. Die Abstammung der In-
sekten und der Arthropoden überhaupt von annelidenähnlichen Vor-
fahren ist im speziellen durchaus wahrscheinlich, allein woher wissen
wir, ob letztere eine ebensolche Gastrula besessen haben, wie die jetzt
lebenden Anneliden usw. Das Ergebnis derartiger »Phylogenien der
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 627
Ontogenien« sind denn auch solche Begriffe wie »doppelte Gastru-
lation«, »dorsaler Blastoporus« u. a. m., deren Nutzen für die Em-
bryologie mehr als zweifelhaft erscheint. — Indessen besitzen wir
ganz unanfechtbare Angaben für die Feststellung der Herkunft und
Bedeutung der Dotterzellen, deren Besprechung wir uns nunmehr zu-
wenden wollen.
Die Anwesenheit von Vitellophagen bei den Insekten steht zweifel-
los im Zusammenhange mit dem Reichtum ihrer Eier an Dotter, sowie
mit der bei ihnen vorhandenen superfiziellen Furchimg. Die Ent-
stehung dieser letzteren aus der totalen kann ebenfalls keinem Zweifel
unterliegen, da eine Reihe von Formen vorliegt, bei denen die Furchung
anfangs eine totale ist, sodann aber eine superfizielle wird: diese
Fälle sind besonders gut dazu geeignet, die Bedeutung der Dotterzellen
aufzuklären. — Gerade dieser Fall ist es, welcher bei den meisten
Collembola vorliegt, darunter auch bei unsrer Isotoma. Aus der Be-
schreibung ihrer Furchimg haben wir bereits ersehen, daß zuerst eine
kompakte Morula entsteht, worauf eine Auswanderung der plasma-
tischen Massen, d. h. der Furchungszellen, nach der Eioberfläche be-
ginnt, während ein Teil derselben im Dotter verbleibt und sich in
Vitellophagen verwandelt (Taf. X). Diese letzteren sind demnach
einfach die im Dotter nachgebliebenen Blastomeren, welche späterhin
nicht, wie die an die Oberfläche getretenen, an dem Aufbau des Embryo-
körpers teilnehmen, sondern nur zur Resorption des Dotters dienen.
Für die Annahme, daß im Dotter nur die zukünftigen Entoderm-
elemente zurückbleiben, liegen nicht die geringsten Angaben vor, um
so mehr als die Differenzierung der Keimblätter erst viel später
eintritt und vor diesem Zeitpunkt keinerlei Unterschied zwischen den
Blastomeren zu bemerken ist.
Es scheint mir, als finde hier eine vollständige Wiederholung der
Phylogenie durch die Ontogenie statt: bei den Vorfahren der recenten
Arthropoden war die Furchimg eine totale, als aber ihre Eier reicher
an Dotter wurden, begann dieselbe in ihren letzten Stadien (wie noch
jetzt bei den Collembola und vielen andern) in eine superfizielle
Furchimg überzugehen und verwandelte sich endlich in eine typisch
superfizielle. Dabei mußten die Furchungszellen schon aus dem Dotter
an die Eioberfläche herauswandern, um den Körper des Embryos an
derselben zu bilden, gleichzeitig mußte aber auch im Dotter eine ge-
wisse Anzahl von zelligen Elementen zurückbleiben, um denselben
zu resorbieren. Letztere Bedingung wurde auf die Weise erfüllt, daß
ein Teil der Blastomeren gleichsam im Dotter stecken blieb und gar
628 Jur. Philiptschenko,
nicht an die Eioberfläche wanderte, sondern sich in Vitellophagen ver-
wandelte. — Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, welcher mir
der einfachste und daher auch der wahrscheinlichste zu sein scheint,
erscheinen die Dotterzellen, sowohl während der Ontogenie als auch
in phylogenetischer Hinsicht, einfach im Dotter stecken gebliebene
Blastomeren darzustellen: da dieses vor der Differenzierung der Keim-
blätter vor sich geht, wo noch kein Unterschied zwischen den Fur-
chimgsprodukten besteht, so ist es ganz unrichtig, die Dotterzellen
mit irgendeinem der Keimblätter in Verbindung zu bringen oder Ento-
derm in ihnen zu erblicken. Cholodkovsky (1891) hatte die Dotter-
zellen schon längst als Parablast bezeichnet, indem er unter dieser
Bezeichnung die Produkte der Furchung verstand, welche in keines
der Blätter übergehen; dieser Ansicht wird man sich auch jetzt noch
voll und ganz anschließen können.
Dieses ist die morphologische Bedeutung der Vitellophagen; was
deren physiologische Bedeutung betrifft, so hatte dieselbe zu keiner
Zeit besondere Bedenken hervorgerufen. Es wurden allerdings Ver-
suche unternommen, in ihnen ein »Schutzgerüst« des Embryos zu
erblicken (Noak), allein die meisten Autoren sind jedenfalls der An-
sicht, daß diese Zellen vorzugsweise eine Kolle in dem Prozesse der
Assimilation des Dotters spielen, d. h. daß sie embryonale Trophocyten
darstellen, wie Heymons sie in sehr treffender Weise genannt hat.
Wir haben nunmehr nur noch einige Worte darüber zu sagen,
welche Entstehungsweise der Dotterzellen als die ursprüngliche an-
zusehen ist. Bekanntlich werden die Dotterzellen bei einigen Insekten,
wie bei unsrer Isotoma, nur aus den im Dotter verbliebenen Furchungs-
zellen gebildet, allein viel häufiger wird die Zahl außerdem noch durch
Lostrennung neuer Elemente vom Blastoderm ergänzt; bei sehr wenigen
Formen endlich (wie z. B. bei Campodea, Gryllotalpa u. a.) treten alle
Furchungsprodukte an die Oberfläche hervor und der Dotter enthält
eine Zeitlang keinerlei zellige Elemente, worauf alle Dotterzellen durch
Abspaltung vom Blastoderm gebildet werden. Als primäre Erschei-
nung kann natürlich entweder diese letztere Bildungsweise gelten,
oder aber die erstere, welche bei Isotoma cinerea statthat; der am
weitesten verbreitete Fall — die Entstehung der Vitellophagen sowohl
aus im Dotter zurückgebliebenen Blastomeren, wie auch aus dem
Blastoderm, — bildet jedenfalls den Übergang von dem einen dieser
äußersten Typen (dem primären) zum andern (dem secundären).
Lange Zeit hindurch wurden diejenigen Verhältnisse für die ur-
sprünglicheren gehalten, welche bei Campodea und Gryllotalpa statt
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. b29
haben, d. h. die ausschließliche Bildung der Dotterzellen auf Kosten
des Blastoderms. Diese Auffassung hatte sowohl in dem Lehrbuche
von Korschelt und Heider, wie auch in den Arbeiten vieler späteren
Autoren Aufnahme gefunden; die gleiche Auffassung vertrat auch
Heymons (1895) in seiner Arbeit über die Entwicklung der Derma -
ptera und Orthoptera. In seiner späteren Arbeit über die Ent-
wicklung von Sooh'pendra ändert er indessen seine Meinung und ist
der Ansicht, daß die Entfernung nicht aller, sondern nur eines Teiles
der Blastomeren aus dem Dotter an die Oberfläche das ursprünglichere
Verhalten darstelle: »der ursprüngliche Entwicklungstypus«, schreibt
dieser Autor, »besteht vermutlich darin, daß der Dotter bereits bei
den ersten Teilungen abgefurcht wurde, daß die Dottersubstanz nicht
intercellulär, sondern intracellulär verblieb, und daß mithin die Seg-
mentation eine totale war« (1911, S. 22).
Ich schließe mich dem von Heymons aufgestellten Gesichtspunkte
voll und ganz an. Hält man in der Tat die Dotterzellen für Entoderm,
so ist deren Entstehung ein Gastrulationsprozeß, und dann stellen
diejenigen Fälle, wo sich sämtliche Dotterzellen vom Blastoderm ab-
ablösen, eine ursprünglichere Erscheinung dar. In dieser Hinsicht
begeht Heymons immerhin eine kleine Inkonsequenz, indem er die
Vitellophagen für Entoderm ansieht und deren Abspaltung von dem
Blastoderm keinen primären Charakter beimessen will. Sieht man
indessen von dieser jetzt unbegründeten Ansicht ab, so erkennt man
deutlich, daß Heymons vollständig recht hat, und daß man gerade
diejenige Erscheinung für den primitiveren Fall ansehen muß, wo nicht
alle Blastomeren an die Oberfläche treten, sondern ein Teil derselben
in dem Dotter zurückbleibt und sich in Vitellophagen verwandelt.
Die Entstehung der superfiziellen Furchung aus der totalen muß,
dank dem Vorhandensein einer ganzen Reihe von Übergängen zwischen
beiden, als eine außer allem Zweifel stehende Tatsache angesehen werden.
Diese Tatsache hat uns bereits zu der Erkenntnis geführt, daß die
Dotterzellen phylogenetisch so entstanden sind, wie sie jetzt beständig
während der Ontogenie entstehen, und zwar aus im Dotter zurück-
gebliebenen Furchungsprodukten. Die Loslösung der Vitellophagen
von dem Blastoderm dabei als die primäre Erscheinung anzusehen,ist
ganz unmöglich, da dies sowohl unsrer Auffassung von der Entstehung
der Dotterzellen wie auch sogar der noch wesentlicheren Voraussetzung
einer Entstehung der superfiziellen Furchung aus der totalen, direkt
widersprechen würde.
Man würde natürlich noch zugeben können, daß bei dem Über-
630 Jui'- Philiptschenko,
gange von der totalen zu der superfiziellen Furchung ursprünglich alle
Blastomeren an die Oberfläche traten, worauf ein Teil derselben wieder-
um in den Dotter zurückkehrte. Allein dem widersprechen solche
Fälle von Übergangsfurchungen, wie wir sie bei den Collembola,
Myriopoda, Arachniden usw. kennen; vor allem aber ist diese Vor-
aussetzung an und für sich wenig wahrscheinlich, da bei dem Vorhanden-
sein einer totalen Furchung eine Bereicherung der Eier an Dotter un-
weigerlich dazu führen muß, daß ein Teil der Blastomeren in demselben
verbleibt und in der Rolle von Vitellophagen funktioniert. Mit einem
Worte, mir scheint, daß ihre physiologische Funktion als solche erst
später entstanden ist, und daß der erste Anstoß zu ihrer Differenzierung
bei dem Embryo der Umstand gewesen ist, daß ein Teil der Blasto-
meren einfach in dem Dotter stecken blieb.
Alles oben Gesagte zusammenfassend sind wir der Ansicht, daß
die Dotterzellen der Insekten und andrer Arthropoden
durchaus nicht deren Entoderm darstellen und überhaupt
in keinerlei Beziehung zu den Keimblättern stehen; es
sind dies einfach im Dotter zurückbleibende Furchungs-
produkte, welche zu dessen Resorption dienen und an dem
Aufbau des Embryokörpers keinen Anteil nehmen; ihre
Entstehung aus im Dotter zurückbleibenden Furchungs-
zellen während der Ontogenese muß als die ursprünglichere
Erscheinung angesehen werden.
3. Die Keimblätter der Insekten.
Unser Gesichtspunkt bezüglich der Dotterzellen führt uns auch
zu einer durchaus bestimmten Ansicht darüber, als was man das be-
reits mit Blastoderm bedeckte und in seinem Dotter Dotterzellen
enthaltende Ei (Fig. 14) aufzufassen hat. Bilden diese letzteren, wie
auch die Genitalanlage, nicht einen Teil eines der Keimblätter, so
repräsentiert dieses Stadium das Blastulastadium oder das Periblastula-
stadium, wie Haeckel es genannt hatte. Von dem Gesichtspunkte
Heymons' und seiner Anhänger aus betrachtet, entspricht dieses
Stadium dagegen der Gastrula andrer Formen; dieselbe Auffassung
hiervon hat auch Hieschler (1909b), welcher sogar vorschlägt, die
Namen Blastoderm und Dotterzellen durch Ectoderm und Entoderm
zu ersetzen. Unsre Ansicht von den Dotterzellen schließt jede Mög-
lichkeit für uns aus, dieser Auffassung beizutreten.
Der Prozeß, welcher der Gastrulation andrer Formen, d. h. der
Bildung des unteren (von Heymons nur als Mesoderm angesehenen)
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 631
Blattes entspricht, tritt etwas später ein. Wir haben bereits gesehen,
daß bei Isotoma cinerea dessen Sonderung von dem Ectoderm in etwas
andrer Weise vor sich geht, als bei den andern Insekten, d. h. nicht mit
Hilfe der Primitivrinne, sondern durch multipolare Immigration unter-
halb der gesamten Eioberf lache (Fig. 14, 15, 16). Oben war ferner
darauf hingewiesen worden, daß diese Entwicklungsweise des primären
Entoderms uns als die ursprünglichere erscheint, während der Prozeß
der Gastrulation mit Bildung einer Primitivrinne von ersterer abzu-
leiten ist.
Zugunsten dieser Annahme spricht vor allem eine allgemeine Be-
trachtung, und zwar die, daß ich mich der Ansicht von Metschnikoff
(1886) vollkommen anschließe, wonach die multipolare Immigration die
ursprünglichste Absonderungsweise des Entoderms darstellt, während
die Invagination und andre Gastrulationsweisen von ihr entstanden
sind. In bezug auf die Insekten wurde schon von Heymons (1895)
der Gedanke ausgesprochen, daß der Gastrulation mit Bildung einer
Primitivrinne keine phylogenetische Bedeutung zukomme, sondern
daß sie sich auf rein mechanischem Wege entwickelt habe; dabei
weist dieser Autor auf die Übereinstimmung mit einer derartigen
Invagination der Geschlechtsgrube und andre ähnliche Prozesse hin,
wo die Einstülpung nur eine auf die Beschleunigung des Vorganges
gerichtete Rolle spielt. Die diffuse Abtrennung der Zellen des unteren
Blattes (des »Mesoderms«) hält auch Knower (1900) für das ur-
sprüngliche Verhalten, glaubt aber gleichzeitig in der Primitivrinne
eine wahre Gastrula erblicken zu können.
Abgesehen von Betrachtungen rein allgemeiner Natur wird die
Ursprünglichkeit der multipolaren Immigration bei den Insekten und
den Tracheaten überhaupt auch schon dadurch bewiesen, daß dieses
Verhalten gerade den am niederst stehenden Formen eigen ist. Außer
den Collembola findet es sich auch bei Scolopendra (Heymons) und
augenscheinlich auch bei Polydesmus (Lignau), d. h. bei Vertretern
der beiden Hauptgruppen der Myriopoda, ferner bei Phyttodromia
und Gryllotalpa (Heymons, Nusbaum und Fulinski), endlich bei
Eutermes (Knower), d. h. bei Vertretern der niedersten Pterygota. —
Alles dies veranlaßt uns in diesem Prozesse eine ursprüngliche Er-
scheinung zu erblicken, in der Invagination dagegen (da, wo sie kein
Artefakt darstellt, wie dies wohl oft der Fall gewesen ist) nur ein be-
sonderes Verhalten um die Entwicklung abzukürzen, welches dazu
noch wahrscheinlich unabhängig in verschiedenen Gruppen vor-
gegangen ist.
Zeitschrift f. wissenseh. Zoologie. CHI. Bd. 41
632 Jur- Philiptschenko,
Bei allen Insekten, und demnach auch bei unsrer Isotoma, sind
demnach beide primären Keimblätter — das Ectoderm und das primäre
Entoderm, oder das untere Blatt, wie es hier bequemer zu bezeichnen
ist, — gut ausgebildet. Weiterhin muß die Differenzierung der primären
Keimblätter in die sekundären vor sich gehen — in das sekundäre
Entoderm und das Mesoderm, welche denn in der Tat auch in den Ar-
beiten aller Autoren figurieren. Ich habe es indessen vorgezogen diese
Ausdrücke in meinen Darlegungen zu vermeiden und ohne dieselben
auszukommen, indem ich es nur mit den primären Keimblättern, dem
oberen und unteren Blatte, und sodann mit den Anlagen der einzelnen
Organe zu tun habe, wobei letztere anfänglich zu zusammengesetzten
Primitivanlagen miteinander verbunden sind, von denen eine jede
mehrere Organe entstehen läßt. Der Grund, welcher mich zu diesem
Verfahren veranlaßte, besteht darin, daß bei Isotoma cinerea, wie
wohl auch bei vielen andern Insekten, meiner Ansicht nach keine
Grenze zwischen den sekundären Blättern — dem sekundären Ento-
derm und dem Mesoderm — gezogen werden kann, indem beide hier
nicht voneinander zu unterscheiden sind.
Betrachten wir die oben beschriebenen Verhältnisse während der
Entwicklung unsrer Isotoma, so sehen wir, daß die erste Differenzierung
des unteren Blattes in der Bildung der Somiten auf dem Stadium B
besteht. Es kann natürlich kein Zweifel darüber obwalten, daß die
Somiten das Mesoderm darstellen, ganz anders verhält es sich aber mit
dem an ihrer Bildung nicht beteiligten medialen Teile des unteren
Blattes. — Die Ansicht, daß letzterer nach dem Schema der Gebrüder
Hertwig (1881) in drei Teile zerfällt — einen unpaaren Medianstreif en
des Entoderms und zwei laterale Mesodermstreifen — besteht schon
lange und hat in den Arbeiten von Nusbaum und Fulinski (1906)
und Hirschler (1909b) gleichsam ihre volle Bestätigung gefunden.
Dabei wird indessen außer acht gelassen, daß der unpaare mediane
Abschnitt des unteren Blattes zwischen den Somiten mit gleichem
Rechte als sekundäres Entoderm wie als Mesoderm angesehen werden
kann, und dabei als keines derselben ausschließlich.
In der Tat kann man sowohl bei Isotoma cinerea, wie auch bei
vielen andern Insekten in diesem unpaaren Abschnitte drei Teile unter-
scheiden: einen vorderen an dem Stomodäum und der Oberlippe,
einen hinteren am Proctodäum und einen mittleren, in Gestalt des
oben beschriebenen, zwischen den Somiten liegenden Stranges (»Mittel-
strang« von Nusbaum und Fulinski). Auf dem Stadium F hatten wir
dieselben bereits als die Anlagen des Mitteldarmes bezeichnet — die
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 633
vordere, die hintere und die mittlere oder diffuse Anlage — wobei wir
indessen bemerkten, daß wir uns dieser Bezeichnungen nur zu dem
Zwecke bedienten, um die Einführung neuer Namen zu vermeiden.
In Wirklichkeit stellt ein jeder dieser Teile des unpaaren Abschnittes
des unteren Blattes durchaus nicht eine reine oder einfache Darm-
anlage dar, da er auch noch die Anlagen andrer Organe in sich enthält.
So geht aus der vorderen Anhäufung außer der vorderen Anlage des
Mesenteron auch noch die Muskelschicht des Stomodäum hervor, aus
der hinteren Anhäufung — die hintere Anlage des Mesenteron und die
Muscularis des Proctodäum, während der zwischen den Somiten ver-
laufende Strang (wenigstens bei den Pterygota) nicht nur die Zellen
der diffusen Mitteldarmanlage, sondern auch noch die Blutzellen ent-
hält. Die Zerlegung einer jeden dieser Anlagen in ihre Bestandteile
erfolgt erst auf den Stadien F und G, bis dahin aber haben wir es mit
zusammengesetzten Primitivanlagen zu tun. wie sie Meisenheimer
genannt hat.
Ebensolche zusammengesetzte Primitivanlagen stellen natürlich
auch die Somiten dar, indem dieselben sowohl die Muskeln, wie auch
den Fettkörper, das Herz, sowie die Peritonealschicht des Mitteldarmes
und der Gonaden hervorbringen. In letzterem Falle haben wir es in-
dessen nur mit mesodermalen Gebilden zu tun, während jede der
drei Anlagen des unpaaren Abschnittes des unteren Blattes sowohl
meso- wie auch entodermale Gebilde aus sich hervorgehen läßt. —
Der zwischen den Somiten verlaufende Mittelstrang ergibt außer dem
Darmepithel auch die Blutzellen. Schwangart (1906) und Hirschler
(1909 b) bringen diese Tatsache mit der neuen Hämocöltheorie von
Vejdovsky (1905) in Verbindung, nach welcher bei den Arthropoden die
Blutkörperchen aus dem entodermalen Vasothel hervorgegangen sind.
Obgleich dieser Amiahme eine ganze Reihe von Angaben widersprechen,
welche fast allen andern Formen entnommen sind, wo die Blutkörperchen
gewöhnlich einen mesodermalen Ursprung besitzen, so erlaubt dieser
Versuch doch immerhin, den zwischen den Somiten verlaufenden Strang
auf Entoderm zurückzuführen. Allein die vordere und die hintere
Anhäufung des unteren Blattes lassen wiederum nicht nur Elemente
des Mesenteron, sondern auch die Muscularis des Vorder- und End-
darmes aus sich hervorgehen und an dem mesodermalen Ursprünge
der Muskeln bei allen Tieren kann doch wohl kein Zweifel bestehen.
Indessen läßt sich bei Isotoma anfangs auf keine Weise feststellen,
welche Elemente der vorderen und der hinteren Anhäufung für das
Mitteldarmepithel verwendet werden, d. h. Entoderm darstellen, und
41*
634 Jur. Philiptschenko,
welche auf den Aufbau der Muskulatur gehen, also zum Mesoderm ge-
hören; ebenso verhält es sich, wenn man hauptsächlich auf Grund der
in vielen Arbeiten enthaltenen Abbildungen urteilen will, auch bei der
Entwicklung vieler andrer Insekten. Beschränkt man sich auf die
in den letzten Jahren erschienenen Arbeiten, so kann ich als Beweis
hierfür auf die Beobachtungen von Schwangart (1904), Hirschler
(1909b) und Hammerschmidt (1910) hinweisen. Schwangart gelangt
zu dem Schlüsse, daß bei Endromis im allgemeinen keine schroffe
Trennung des Mesoderms von dem Entoderm vorhanden ist: in dem
mittleren Abschnitte des Embryos verwandelt sich ein großer Teil der
Elemente des unteren Blattes in Mesoderm, im Bereiche des »Gastrula-
keil« dagegen — in Entoderm. Auf den die Entwicklung von Donacia
betreffenden Zeichnungen von Hirschler läßt sich nicht der geringste
Unterschied zwischen den Elementen des unteren Blattes, welche den
Vorder- und Enddarm umgeben (der zukünftigen Muscularis) und den
Anlagen des Mitteldarmes unterscheiden, welche an deren innere Enden
anstoßen. Hammerscmidt bezeichnet bei den Phasmatidae das
ganze untere Blatt als Mesoderm und läßt auch den Mitteldarm aus
demselben entstehen, woher denn auch ein »Entoderm mesodermalen
Ursprunges« entsteht. Mit einem Worte, bei diesen drei verschiedenen
Ordnungen (Lepidoptera, Coleoptera, Orthoptera) angehörenden
Formen ist das untere Blatt ebensowenig in Mesoderm und sekundäres
Entoderm differenziert, wie bei Isotoma cinerea. — Ein noch innigerer
Zusammenhang zwischen den entodermalen und den mesodermalen
Elementen findet nach Heymons (1901) bei Scolopendra statt, wo die
Entodermzellen sich gleichzeitig mit den Mesenchymzellen ablösen und
dabei in keiner Weise voneinander zu unterscheiden sind.
Alle diese Tatsachen lassen mich zur Überzeugung gelangen, daß
bei vielen Insekten (wie auch wahrscheinlich bei andern Arthropoden)
die beiden sekundären Keimblätter so wenig voneinander differenziert
sind, daß sie sich nur in künstlicher Weise von einander unterscheiden
lassen. Dabei zerfällt das untere Blatt während seiner Entwicklung
in solche Anlagen, welche Organe entstehen lassen, die bei andern Formen
zum Teil aus dem Mesoderm und zum Teil aus dem Entoderm hervor-
gehen. Ist dem aber wirklich so, dann wäre es viel natürlicher, bei
der Beschreibung der Entwicklung von Insekten nur von den zwei
primären Keimblättern — ■ dem Ectoderm und dem unteren Blatte
zu sprechen und dann bei der Differenzierung dieses letzteren einfach
nur zusammengesetzte Primitivanlagen zu unterscheiden. Solche An-
lagen sind erstens die Somiten, dann die unpaare vordere und hintere
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 635
Anhäufung von Elementen des unteren Blattes, endlich der zwischen
den Somiten liegende Strang. Im Laufe der weiteren Entwicklung
zerfällt eine jede dieser zusammengesetzten Primitivanlagen in die ein-
fachen Anlagen der einzelnen Organe.
Unter den Insekten gibt es Formen, bei denen nach der Beschrei-
bung verschiedener Autoren das Mesoderm und das Entoderm unab-
hängig von einander angelegt werden (ein Verhalten, welches man
wohl kaum als ursprünglich ansehen kann, indem die Differenzierung
zuvor in zwei primäre, und dann erst in sekundäre Keimblätter die
allgemeine Regel bildet). Zu solchen Formen gehören Chalicodoma
[Caeeieee und Bürgee (1897)], gewisse Museiden [Escheeich (1900),
Noak (1901)], Phyllodromia [Nusbaum und Fulinski (1906)]. In
solchen Fällen wird man natürlich auch von sekundären Blättern
sprechen können, obgleich auch hier (wenigstens ist dies bei Phyllo-
dromia der Fall) der »entodermale« mittlere Strang auch die Blut-
elemente hervorgehen läßt.
Wie dem nun auch sein mag, so sind doch das Mesoderm und das
sekundäre Entoderm bei Isotoma cinerea und wohl auch bei vielen
andern Insekten so sehr untereinander vermischt, daß es viel bequemer
ist, in dem unteren Blatt nur die Primitivanlagen zu unterscheiden.
Ich leugne übrigens durchaus nicht die Möglichkeit, auch hier von
sekundären Blättern zu sprechen, muß dies aber als ein rein künst-
liches Verfahren ansehen, welches speziell der Theorie der Keimblätter
angepaßt ist.
Die Keimblätter erweisen sich wie eine jede weitausgreifende Ver-
allgemeinerung, nur solange als nützlich, so lange die Summe der von
uns beobachteten Erscheinungen auf Grund dieser Theorie eine allge-
meinere und umfassendere Beleuchtung erfährt; ist dieses aber nicht
der Fall, so kann eine solche Theorie nur zu Irrtümern und zu offenbar
voreingenommenen Deutungen führen. Die auf die Embryologie der
Insekten bezügliche Literatur hat im Verlaufe der letzten 20 Jahre
nicht wenig derartiger, in methodologischer Hinsicht sehr lehrreicher
Beispiele geliefert und eine ganze Reihe von Fehlern, deren Zurecht-
stellung nicht wenig Zeit und Mühe gekostet hat, hätte vermieden
werden können, wenn die betreffenden Autoren sich nicht hätten von
einem voreingenommenen Gedanken leiten lassen. Hierher gehören
namentlich die Auffassung der Dotterzellen als Entoderm, das Be-
streben, die Bildung der Keimschichten bei den Insekten auf den
gleichen Typus zurückzuführen, welcher nur Sagitta eigentümlich ist
(wie überhaupt den enteroeölen Formen, welche mit den Arthropoden
636 Jur. Philiptschenko,
nichts gemeinsames aufweisen), ferner derartige merkwürdige Gebilde,
wie der »dorsale Blastoporus«, welcher nur als Beispiel einer contra -
dictio in adjecto dienen kann, und vieles andre mehr.
Das hier Gesagte darf indessen nicht in dem Sinne aufgefaßt werden,
als ob ich die Keimblättertheorie für überflüssig oder sogar für schäd-
lich hielte. Im Gegenteil, dieselbe stellt, meiner Ansicht nach, eine
der allerwertvollsten Verallgemeinerungen in der Embryologie dar,
und die Homologie der beiden primären Keimblätter in dem gesamten
Tierreiche, welche schon von Huxley (1849) festgestellt worden ist,
kann keinerlei Zweifel hervorrufen. Dies kann man aber von dem
später aufgestellten dritten Keimblatt — dem Mesoderm — nicht be-
haupten, dessen Theorie hauptsächlich von den Gebrüdern Hertwig
(1881) ausgearbeitet worden ist. Die schon oft wiederholten Ein-
würfe gegen die Homologie des Mesoderms bei allen Tieren [ich will
hier nur auf die Arbeit von Kleinenberg (1886) und die von Bergh
in dessen »Allgemeiner Embryologie« (1895) ausgesprochenen An-
sichten hinweisen] scheinen mir durchaus begründet zu sein.
Es will mir persönlich überhaupt so scheinen, als wäre es ganz
unmöglich, die Homologie zwischen den sekundären Keimblättern im
ganzen Tierreiche durchzuführen, und daß es viel bequemer wäre, die-
selben ebenfalls als zusammengesetzte Primitivanlagen aufzufassen,
welche bei den verschiedenen Formen nicht gleichwertig sind. Man
wird zum Beispiel wohl kaum annehmen können, daß man das sekun-
däre Entoderm derjenigen Insekten oder derjenigen Arthropoden, wo
dasselbe gut ausgesprochen ist, mit dem Entoderm der Vertebraten
und Echinodermen streng homologisieren kann, ebensowenig das Meso-
derm der ersteren mit dem Mesoderm der letzteren; in diesen Typen
sind, wie mir scheint, nur ihre primären Blätter, der Ectoblast und
der Entoblast einander homolog.
Es gibt natürlich eine Eeihe von Formen, wie zum Beispiel die
Echinodermata und viele andre, in deren Embryologie die Begriffe
des Mesoderms und Mesenchyms durchaus natürlich erscheinen. Da-
gegen erscheint bei andern Formen, wie zum Beispiel bei den Mollusken,
die Unterscheidung der sekundären Keimblätter außerordentlich
schwierig und kann nur zu einer unnützen Schematisierung des Pro-
zesses ihrer Entwicklung führen. Gerade durch das Studium dieses
letzteren wurde Meisenheimer (1900) veranlaßt, den Begriff der
Blätter durch den Begriff der Primitivanlagen zu ersetzen, welche
bisweilen mit einem der Blätter übereinstimmen, was aber durchaus
nicht unbedingt notwendig ist. Diese Auffassung wurde darauf von
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 637
demselben Autor in seiner kurzen Embryologie (1908) weiter ent-
wickelt.
Meisenheimer schlägt indessen vor, den Begriff aller Keimblätter
(sowohl der primären wie auch der sekundären) durch den Begriff der
Primitivanlagen zu ersetzen, wobei letzterer bis zu einem gewissen
Grade mit dem Begriffe des Entoderms übereinstimmt; jedoch zerlegt
er den Begriff des Mesoderms in Componenten, deren Homologie zum
mindesten zweifelhaft erscheint. Dabei schließt er sich, wie er dies
auch selbst hervorhebt, den alten Anschauungen Reicherts (1840)
an, welcher seinerzeit ein Gegner der Keimblättertheorie gewesen war.
Ich selbst gehe in dieser Hinsicht nicht so weit und komme auf die
(gegenwärtig ganz unverdienterweise vergessenen) Anschauungen des
Begründers der Embryologie, K. E. von Baer (1828, 1837) zurück.
Dieser letztere unterschied bekanntlich zwei primäre oder Haupt-
blätter, aus denen während der weiteren Entwicklung eine Reihe von
Schichten hervorgeht, welche sich bei den Embryonen der Wirbeltiere
in Röhren verwandeln. »Diese Röhren« schreibt K. E. von Baer
in dem ersten Teile seiner klassischen Arbeit (1828, S. 164) »nenne ich
Fundamentalorgane, da aus ihnen die speziellen Organe sich allmählich
ausbilden. « In dem zweiten, bekanntlich viel später (1837) erschienenen
Teile dieser Arbeit, ersetzt er den Ausdruck »Fundamentalorgane« durch
einen andern, unsrer Terminologie noch näher kommenden, und zwar
spricht er hier von »Primitivorganen«. »Diese Röhren enthalten alle
einzelnen Organe, und da sich die letzteren . . . aus ihnen allmählich
herausbilden, so wollen wir sie Primitivorgane nennen« (S. 64). — Im
allgemeinen verweilt Baer nur wenig bei den Hauptblättern, sondern
beschäftigt sich fast ausschließlich mit seinen Fundamentalorganen
oder Primitivorganen.
Es muß hier hervorgehoben werden, daß die Anschauungen von
Baer häufig falsch ausgelegt werden (was vielleicht durch die Seltenheit
seiner klassischen Arbeiten zu erklären ist). Für gewöhnlich wird diesem
Forscher die Auffassung zugeschrieben, als teilten sich seine beiden
Hauptkeimblätter ein jedes in zwei sekundäre Keimblätter, wobei der
Begriff von diesen letzteren mit dem BAERschen Begriffe von den
»Fundamentalorganen« oder »Primitivorganen « verwechselt wird.
Einen solchen Fehler begeht zum Beispiel 0. Hertwig in seinem
speziell der Keimblättertheorie gewidmeten Aufsatze im »Handbuch
der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbel-
tiere. «
In Wirklichkeit aber ist der viel später aufgestellte Begriff von
638 Jur- Phiüptschenko,
den sekundären Blättern durchaus nicht identisch mit dem BAERschen
Begriffe von den »Fundamentalorganen«, worauf auch in dem allge-
meinen Teile des Lehrbuches von Korschelt und Heider (1910) hin-
gewiesen wird. — Zu seinen Fundamental- (oder Primitiv- )organen
rechnet Baer auch das Nervenrohr; hierauf schreibt er z. B., daß:
». . . die Schleimhautröhre für sich allein keine Umbildungen eingeht,
sondern immer nur in Verbindung mit dem sie umgebenden Teile der
Gefäßschicht. Wir müssen daher beide Schichten als ein Primitiv-
organ zusammenfassen und können für dasselbe das längst gebrauchte
Wort Darmkanal gebrauchen« (1837, S. 64). In dem letzteren Falle
ergibt sich eine sehr große Übereinstimmung dieses »Primitivorgans«
mit unsern zusammengesetzten Anlagen für den Mitteldarm der Insekten.
Späterhin unterlagen die Anschauungen von Baers wesentlichen
Abänderungen. Der Begriff von den »Fundamentalorganen« oder
»Primitivorganen« geriet in Vergessenheit und zu den beiden Keim-
blättern wurde von Remak (1855) noch ein drittes (das mittlere oder
motorisch germinative Blatt) hinzugefügt; gleichzeitig entstanden auch
die Begriffe von den primären und sekundären Keimblättern, welche
von den Gebrüdern Hertwig besonders ausführlich bearbeitet wurden.
Die Einwürfe von Kleinenberg (1886), Bergh (1895) und einigen
andern Autoren gegen den Begriff von dem Mesoderm hatten keinen
besonderen Erfolg.
Gegenwärtig ist unsre Kenntnis von der Embryologie der Tiere
indessen so weit vorgeschritten, daß selbst die eifrigsten Anhänger
der Keimblättertheorie anerkennen müssen, daß die Lage in dieser
Beziehung sich heutigen Tages durchaus nicht so einfach verhält,
wie dies zur Zeit des Auftretens der »Cölomtheorie « der Fall war.
Mir persönlich scheint es, daß ein Sichlossagen von dem Begriffe der
sekundären Blätter und eine Rückkehr zu der einfacheren und um-
fassenderen Anschauung von K. E. von Baer einen beträchtlichen
Schritt vorwärts bedeuten wird, indem wir damit von einer bedeutenden
Menge rein scholastischer Spekulationen über Mesoderm, Leibeshöhle
u. a. m. befreit werden und der Auslegung der komplizierten Entwick-
lungsprozesse ein weiter Spielraum geboten wird.
4. Über das Dorsalorgan und die Embryonalhüllen der Insekten.
Das Dorsalorgan ist eine Bildung, welche nur bei den Embryonen
der verschiedensten Arthropoden angetroffen wird. Sehr verbreitet
ist diese Bildung bei den Crustacea, und zwar bei den Malacostraca,
ferner bei Limulus und einigen Arachnoidea, unter den Myriopoden
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 639
bei Scolopendra und von Apterygoten bei allen Collembola, Cam-
podea und Japyx. Unlängst fand Hirschler (1909a u. b) auch bei
einigen Pterygota ein Rudiment dieser Bildung. Mit einem Worte,
wir haben es hier mit einem embryonalen Organe zu tun, welches für
einen ganzen Typus des Tierreiches charakteristisch ist: es fragt sich
nunmehr, welches die Bedeutung dieses Gebildes ist.
Es sind sehr viele Versuche unternommen worden, diese Frage
zu beantworten: Fr. Müller (1864) und Grobben (1879), welche
dieses Gebilde auf die Crustaceen beschränkt glaubten, leiteten es von
der Nackendrüse der Phyllopoden ab; Della Valle (1893) hielt es
für ein Homologon des Amnions der Insekten; J. Wagner (1896) und
Nusbaum und Schreiber (1898) erblicken in dieser Bildung nur eine
Anhäufung von absterbenden Zellen des Blastoderms. Zwischen den
Anschauungen dieser beiden letzten Autoren finden sich indessen
wesentliche Unterschiede: während ^usbaum seine Anschauung auf
alle Dorsalorgane der Crustacea ausdehnt, sowohl auf die unpaaren
wie auf die paarigen, tut J. Wagner dies nur in bezug auf die ersteren,
indem er die paarigen für cänogenetische Bildungen in der Art der
Nieren des Embryos ansieht. — Wheeler (1893), welcher das Dorsal-
organ bei Anurida maritima erstmals ausführlich beschrieben hat,
verglich dasselbe, wie auch alle ähnlichen Organe bei andern Arthro-
poden, einerseits mit dem eigenartigen Indusium der Locustidae,
anderseits aber mit der Saugscheibe hinter dem Kopfe der Embryonen
von Clepsine. Willey (1899) leitet das Dorsalorgan der Collembola
und das Indusium der Locustidae von dem Trophoblasten ab,
welcher bei den Embryonen von Peripatus novae-britanniae vorhanden
ist. Heymons (1901) endlich erkennt letztere Homologie an, indem
er gleichzeitig annimmt, daß die Dorsalorgane den Keimhüllen der
Pterygota homolog sind; die Bedeutung des Auftretens der ersteren
besteht darin, einen Teil der überflüssigen Ectodermsehicht zu ver-
nichten, welche Dank dem Reichtum der Eier an Dotter eine starke
Wucherung erlitten hat.
Aus dieser kurzen und wohl auch unvollständigen Übersicht der
verschiedenen Ansichten ist vor allem zu ersehen, daß es sich hier
um zwei durchaus voneinander verschiedene Bildungen handelt. In
den einen Fällen erscheinen das Dorsalorgan oder die paarigen Dorsal-
organe in der Tat als eine einfache Anhäufung absterbender und an der
Bildung des Rückens keinen Anteil nehmender Zellen des Blastoderms :
zu dieser Kategorie gehören derartige Gebilde bei vielen Crustacea
(so z. B. das unpaare Organ der Mysidae), über welche J. Wagner
640 Jm- Phüiptschenko,
und Nusbaum und Schreiber geschrieben haben ; hierher gehört ferner
zweifelsohne auch das Dorsalorgan von Scolopendra. Diese Bildungen
verdienen natürlich nicht die Bezeichnung von »Organen« und ihr
Sinn und ihre Bedeutung sind ohne weiteres verständlich. — Die andern
Dorsalorgane passen gar nicht in diese Kategorie, da sie sehr früh-
zeitig, noch lange vor der Degeneration des primären dorsalen Inte-
guments angelegt werden und einen deutlichen drüsigen Charakter
aufweisen : hierher gehört gerade das oben von uns beschriebene Dorsal-
organ von Isotoma, wie auch aller übrigen Collembola. Ahnliche
Bildungen trifft man auch bei vielen Crustacea: ich will hier unter
anderm nur auf die Beschreibung eines solchen Organes bei Gammarus
fulex in der Arbeit von Rossijskaya-Korhewnikowa (1896) hinweisen,
wo aus demselben, wie bei den Collembola, das Ausfließen eines
klebrigen Secretes stattfindet, vermittels dessen sich der Embryo an
der Hülle befestigt. J. Wagner ist, meiner Ansicht nach ganz mit
Unrecht, bemüht auch diese Bildung auf eine Anhäufung absterbender
Blastodermzellen zurückzuführen, während er doch selbst den drüsigen
Charakter bei den Seitenorganen der Mysidae anerkennt. — Es ist
viel bequemer die Bezeichnung »Dorsalorgan« nur in bezug auf Bil-
dungen eben dieser Kategorie anzuwenden, die erstere dagegen ganz
beiseite zu lassen.
Es liegen demnach schon Versuche vor, das Dorsalorgan von irgend-
einer Bildung bei niederen Formen abzuleiten, doch wird man die-
selben schwerlich als gelungen bezeichnen können. Das heute so weit
verbreitete Bestreben, ein jedes embryonale Organ unbedingt auf das
Rudiment eines Organs von niedriger stehenden Gruppen zurückführen
zu wollen, scheint mir überhaupt keine Berechtigung zu haben, indem
dabei außer acht gelassen wird, daß der Embryo auf jeder beliebigen
Entwicklungsstufe der gleiche Organismus bleibt und an und für sich,
nicht aber vom Gesichtspunkte einer erwachsenen Form ausgehend,
betrachtet werden muß. In letzterem Verfahren muß man das Er-
gebnis einer schrankenlosen Anwendung des biogenetischen Grund-
gesetzes erkennen, welches naturgemäß nicht als grundlegende Voraus-
setzung der Embryologie dienen kann; man wird den Wunsch aus-
sprechen müssen, daß wir als Gegengewicht gegen diese Bestrebungen
zu der alten Regel von K. E. von Baer (1828) zurückkehren mögen,
wonach die Embryonen untereinander, nicht aber mit erwachsenen
Tieren zu vergleichen sind. — Was nun die rein embryonalen Organe
betrifft, so finden sich unter denselben zweifellos viele Rudimente.
Allein es erscheint logischerweise sehr wahrscheinlich, daß ein neues
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 641
Organ nicht nur bei der erwachsenen Form, sondern auch bei dem
Embryo entstehen kann (mir persönlich scheint das Entstehen eines
ganz neuen Organes nur auf letzterem Wege möglich). Ein solches
zuerst bei dem Embryo entstandenes Organ kann in einigen Fällen
auch auf die erwachsene Form übergehen, in andern dagegen bleibt
es eine rein embryonale Bildung und besitzt unter den Embryonen
seine eigne Phylogenie, wobei ihm gleichzeitig nicht die geringste phylo-
genetische Bedeutung im Sinne des biogenetischen Grundgesetzes zu-
kommt. In den Fällen, wo wir nicht die Möglichkeit haben ein embryo-
nales Organ rasch und bequem auf das Rudiment irgendeiner Bildung
niederer Formen zurückzuführen, scheint es mir viel richtiger, dasselbe
als ein rein embryonales Organ anzusehen.
Dieser Gesichtspunkt läßt sich gerade bei den Dorsalorganen der
Arthropoden besonders passend anwenden, welche aller Wahrschein-
lichkeit nach bei den Ausgangsformen dieses Typus entstanden sind;
dagegen dürfte es eine recht fruchtlose Arbeit sein, etwas ähnliches
bei Clepsine und den Anneliden überhaupt suchen zu wollen. — Was
die physiologische Bedeutung dieser Bildung betrifft, so kann ich mich
durchaus der Auffassung J. Wagners betreffend die Seitenorgane der
Mysidae anschließen, indem ich dieselbe auf alle wahren, d. h. drüsigen
Dorsalorgane der Arthropodenembryonen ausdehne und der Ansicht
bin, daß wir es in diesem Falle mit rein embryonalen Excretionsorganen
zu tun haben. Die Notwendigkeit des Vorhandenseins derartiger Organe
bei den Embryonen hat in der posthumen Arbeit des verstorbenen
Faussek (1911) eine vortreffliche Beleuchtung erfahren, allein dieser
Forscher sucht sie bei den Arthropoden in den Somiten der Insekten
und den mesodermalen Phagocyten der Spinnen. Die Möglichkeit
eines Funktionierens des Dorsalorganes als embryonale Niere, wird
dadurch natürlich nicht ausgeschlossen. Die zweite Funktion des
Dorsalorganes — ■ nämlich die Befestigung des Embryos mit Hilfe eines
von ihm ausgeschiedenen Secretes (d; h. eines Excretes) an der Hülle —
scheint mir sekundärer Natur zu sein und ist erst nach dem Auftreten
seiner excretorischer Funktion entstanden. Es ist natürlich kaum
möglich, sich mit voller Gewißheit von letzterer bei den Collembola,
mit ihren mikroskopisch kleinen Eiern, zu überzeugen; für diesen
Zweck sind die Embryonen andrer Formen, wie z. B. von Gammarus
und vielen andern Crustaceen durchaus geeignet.
Wir haben gesehen, daß das Dorsalorgan außerdem auch noch
mit den embryonalen Hüllen der Pterygota in Verbindung gebracht
worden ist (Della Valle, Heymons) und die von Heymons (1897a,
642 Jur. Philiptschenko,
1905) entwickelte Theorie der Entstehung dieser letzteren aus dem
Dorsalorgane ist das neueste auf diesem Gebiet. Bei den älteren Ver-
suchen die Bedeutung dieser Hüllen klarzulegen, deren Zurückführung
auf den Panzer der Crustaceen, auf Überreste der Trochophora usw.
brauchen wir natürlich nicht zu verweilen. Nach Heymons ist unter
den embryonalen Hüllen der Insecta die Serosa die ältere, während
sich das Amnion später entwickelt hat, wie dies aus der Entwicklung
von Lepisma und Machilis zu ersehen ist, bei denen die Verhältnisse
einen primitiveren Charakter aufweisen, als bei den Pterygota. Was
die Serosa betrifft, so ist sie dem Dorsalorgane völlig analog und homolog,
was das Vorhandensein gleicher Hüllen bei den Insekten und dem
Scorpion verständlich macht.
Dieses schöne Schema wurde indessen zerstört durch die Entdeckung
des Homologons eines wahren Dorsalorganes bei einigen Pterygota
durch Hirschler (1909b), was, wie dieser Autor selbst bemerkt, auf
keine Weise der Fall sein könnte, wenn die Serosa sich aus letzterem
entwickelt hätte. Wir werden demnach für die Serosa eine neue Aus-
gangsbildung suchen müssen.
Eine derartige Bildung läßt sich am besten in dem schon oben von
uns beschriebenen Hüllenectoderm der Collembola erkennen, sowie
in dem außerhalb des Keimstreifens liegenden Blastoderm derjenigen
Arthropoden, bei denen die Bildung der Keimblätter auf die Keim-
scheibe beschränkt ist; man kann dasselbe auch als Hüllenblastoderm
bezeichnen, wenn es auch nicht an dem Aufbau des Rückens teilnimmt.
— In dieser Hinsicht ist der oben bei Isotoma beschriebene Prozeß der
Verwandlung eines Teiles ihres Ectoderms in Hüllenectoderm, eines
andern Teiles — in embryonales Ectoderm, unzweifelhaft ursprünglicher
als der bei den Embryonen der meisten Arthropoden beobachtete
Unterschied zwischen dem Keimstreifen mit seinen zwei primären
Blättern und dem extraembryonalen Blastoderm. Es kann nicht der
geringste Zweifel darüber bestehen, daß ursprünglich das ganze Blasto-
derm, worauf auch schon Heymons (1896a) und Hirschler (1909b)
hingewiesen haben, für die Bildung des Embryos verwendet wurde,
und daß erst infolge einer größeren Überfüllung der Eier mit Dotter
schließlich eine Teilung des Blastoderms in einen embryonalen und einen
extraembryonalen Abschnitt stattgefunden hat. Die Entwicklung des
unteren Blattes unterhalb der gesamten Eioberf lache erscheint bei Isotoma
gerade als der Überrest jener früheren primitiveren Verhältnisse.
Das Schicksal des Hüllenectoderms von Isotoma ist oben ausführ-
lich von uns beschrieben worden. Es entsteht aus dem anfangs überall
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 643
gleichartigen Ectoderm durch Verwandlung eines Teiles dieses letzteren
in flache, spärlich auf der dorsalen und den lateralen Seiten des Em-
bryos zerstreuten Zellen. Diese Zellen spielen ziemlich lange Zeit hin-
durch die Rolle eines primären Integuments des Rückens und der
Seiten, gehen aber nicht als solche auf die erwachsene Form über,
indem sie während der vierten Entwicklungsperiode durch das nach
oben wachsende Ectoderm des Keimstreifens verdrängt werden. Letz-
terer Vorgang erinnert außerordentlich an den Prozeß der Verdrängung
des Amnions (nach der Reduktion der Serosa) durch das definitive
Ectoderm bei vielen Pterygoten. Auch die Collembola sind dem-
nach, gleich Lepisma und Machilis, für welche dies von Heymons
(1897a, 1905) festgestellt worden ist, durchaus nicht im vollen Sinne
des Wortes »Insecta anamnia«, wie man dies früher annahm: sie be-
sitzen allerdings noch keine wahren zelligen Hüllen, wie bei den Ptery-
gota, allein die Rolle der Serosa und des Amnions spielt bei ihnen
das Hüllenectoderm, welches anfänglich ebenfalls eine primäre Hülle
des Rückens darstellt, später aber durch das definitive Ectoderm
ersetzt wird. — Der Ursprung des Hüllenectoderms während des Pro-
zesses der Entwicklung ist derselbe, wie bei der Serosa und dem Amnion
bei den höheren Insekten [vgl. namentlich die Beobachtungen von
Hirschler über Donacia (1909b)], ihr definitives Schicksal das gleiche:
wir haben es demnach mit einander durchaus homologen Bildungen
zu tun. Allerdings umwachsen die zelligen Hüllen bei den Pterygota
den Embryo, allein dies ist bei Machilis in keiner Weise der Fall, wo
der ganze Unterschied von den Collembola hauptsächlich darauf
beruht, daß das extraembryonale Hüllenectoderm (hier eigentlich
schon Hüllenblastoderm) sich bereits in zwei Teile differenziert hat —
die Proserosa und das Proanmion — , welche nach den Untersuchungen
von R. und H. Heymons der Serosa und dem Amnion der Insekten
homolog sind. Mit einem Worte, in dem Hüllenectoderm der Collem-
bola besitzen wir gerade jenes Ausgangsglied, durch welches der Ur-
sprung der embryonalen Hüllen der Insekten völlig klargelegt wird,
und wir erhalten nachstehende Reihe:
Collembola Machilis
Lepisma P t e r y
und wahrscheinlich Diplura.
TT..,, f proserosa
Hüllenectoderm <
^ proanmion
m. -> serosa - — *- serosa
— — ►■ amnion — — > amnion
(eigenartig)
Ein zwar das primäre Integument des Rückens bildendes, aber nicht
auf die erwachsene Form übergehendes Hüllenectoderm ist nicht für die
644 Jur. Philiptschenko,
Collembola allein charakteristisch, sondern ist augenscheinlich auch
bei vielen andern Arthropoden verbreitet, allein hier schon in Gestalt
eines Hüllenblastoderms oder extraembryonalen Blastoderms, indem
die Blätter hier auf den Keimstreifen beschränkt sind. Die meisten
Autoren haben diesem extraembryonalen Blastoderm keine besondere
Bedeutung zugemessen, indem sie größtenteils annehmen, dasselbe
nehme späterhin an der Bildung des Rückens des erwachsenen Tieres
Teil. Es liegen indessen einige Beobachtungen vor, welche einer
solchen Annahme direkt widersprechen.
Was die Crustaceen betrifft, so ist hier dieser Frage von J. Wagner
(1896) besondere Beachtung geschenkt worden. Dieser Autor bezeichnet
die Zellen des extraembryonalen Blastoderms als Vitellocyten und stellt
fest, daß derartige Vitellocyten bei Neomysis nur das primäre Rücken-
integument bilden, später aber degenerieren, und daß der Rücken des
erwachsenen Tieres aus dem nach oben wuchernden Ectoderm des
Keimstreifens gebildet wird. Offenbar liegen hier die gleichen Ver-
hältnisse vor, wie bei unsrer Isotoma, wobei das Hüllenectoderm durch
eine Schicht von Vitellocyten (Hüllenblastoderm) ersetzt wird. Es
läßt sich wohl kaum annehmen, daß Neomysis eine Ausnahme unter
allen andern Crustaceen bildet. — Bezüglich der Arachnoideen kann
ich eine ganz bestimmte Angabe von Schimke witsch betreffend die
Embryonen von Telyphonus anführen, wonach bei ihnen ähnliche flache
Vitellocyten durch cylindrische Zellen des Ectoderms ersetzt werden
(1906, S. 24 des Separatabdr.), d. h. auch hier ist das Wesen des Pro-
zesses offenbar das gleiche. Bei Scolopendra nimmt indessen die von
einschichtigem Ectoderm (d. h. Blastoderm) gebildete Membrana dorsalis
nach Heymons (1901) Anteil an dem Aufbau des Rückens des er-
wachsenen Tieres, obgleich ein Teil ihrer Zellen ebenfalls degeneriert.
Jedenfalls werden wir annehmen können, daß im Zusammenhange
mit der Bereicherung der Arthropodeneier an Dotter bei ihnen eine
Einteilung der Eioberfläche in eine Regio germinalis, oder den Keim-
streifen, und eine Regio embryonalis eintritt, welch letztere bei den
Embryonen der Collembola vom Hüllenectoderm bedeckt ist (was mit
dem Umstände zusammenhängt, daß bei ihnen die Elemente des unteren
Blattes unter der gesamten Eioberfläche entwickelt sind), bei den
meisten Formen aber einfach vom Blastoderm. Gerade aus diesem
Hüilenblastoderm entstehen bei den Insekten während ihrer Entwick-
lung deren embryonale Hüllen, während dieses, wie das Hüllenectoderm
der Collembola, bei gewissen (wenn nicht bei den meisten) andern
Arthropoden späterhin degeneriert und durch das definitive Ectoderm
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 645
ersetzt wird. In diesem Hüllenblastoderm und Hüllenectoderm haben
wir es denn auch mit jenen Bildungen zu tun, aus denen die zelligen
Hüllen der Insektenembryonen hervorgegangen sind, wie auch die-
jenigen bei den Scorpionen, wobei die Übereinstimmung in den Keim-
hüllen so weit voneinander stehender Formen von diesem Gesichts-
punkte aus betrachtet ganz begreiflich erscheint.
Was die cuticularen embryonalen Hüllen der Collembola be-
trifft, so haben dieselben mit denjenigen Bildungen, von denen oben
die Rede war, natürlich nichts zu tun, und ihr Zusammenhang rnit
dem Dorsalorgan ist erst secundär zustande gekommen. Derartige
embryonale Cuticulae sind auch bei vielen andern Arthropoden be-
kannt: unter den Crustaceen bei den Malacostraca (wo bisweilen,
wie bei Gammarus pulex, ebenfalls ein Zusammenhang zwischen einer
solchen Hülle und dem Dorsalorgane besteht), bei vielen Arachnoideen
(Spinnen, Milben, Pentastomiden), endlich bei den Myriopoden. Es
muß hervorgehoben werden, daß bisweilen auch bei den Pterygoten
etwas diesen Cuticulae Ähnliches beobachtet wird, wobei die cuticulare
Hülle hier durch die Serosa abgeschieden wird, was, nebenbei bemerkt,
einen weiteren Beweis für deren Homologie mit dem Hüllenectoderm
abgibt. Eine derartige Abscheidung einer Cuticula durch die Serosa
wurde erstmals von Graber bei Melolontha beschrieben [ich zitiere
nach Heider (1892)], hierauf von Wheeler (1893) bei Xiphidium und •
von Selys-Longchamps (1904) bei Tenebrio molitor beobachtet. Der
gleiche Vorgang findet nach Heymons (1897a) auch bei Lepisma statt.
In seiner Arbeit über die Entwicklung von Scolopendra (1901)
bezeichnet der letztgenannte Autor die Abscheidung einer embryonalen
Cuticula bei dieser Form einfach als eine Häutung, und man wird sich
hiermit ganz einverstanden erklären können. Wir haben es hier dem-
nach mit einer Übertragung desjenigen Prozesses in das embryonale
Leben zu tun, welcher eigentlich während der postembryonalen Ent-
wicklung vor sich gehen sollte: vielleicht weist dieses Verhalten auf
eine einstmals stattgehabte und nunmehr verschwundene Anamor-
phose hin.
Wir gelangen demnach zu dem Schlüsse, daß das Dorsalorgan
und die zelligen Keimhüllen der Insekten voneinander
ganz unabhängig sind; ersteres ist ein rein embryonales
(am ehesten wohl excretorisches) Organ der Arthropoden-
embryonen, letztere sind aus dem nicht am Aufbau des
Embryokörpers beteiligten Blastoderm oder Hüllenecto-
derm bei den niedersten Formen entstanden; die Abschei-
646 Jur. Philiptschenko,
dung der embryonalen Cuticulae bei den Collembola und
vielen andern Arthropoden ist weiter nichts als eine Häu-
tung des Embryos.
5. Apterygoten und Diplopoden.
Nachdem der größte Teil der vorliegenden Arbeit bereits nieder-
geschrieben war, wurde ich mit der kürzlich erschienenen russischen
Arbeit von Lignau über die Entwicklung von Polydesmus abchasius
(l$llb) bekannt, deren vorläufige Mitteilung (1911a) bereits oben
erwähnt worden ist. Die Angaben dieses Autors bieten indessen so
viel Interesse für uns, daß es vorzuziehen ist, dieselben hier ab-
gesondert zu besprechen.
Als die nächsten Verwandten der Insekten werden gewöhnlich
Scolopendrella und hierauf die Chilopoden angesehen; die Diplopoden
dagegen gelten als eine weiter von den Insekten entfernt stehende
Gruppe. »Die Diplopoden dürften überhaupt wegen ihrer entfernten
verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Insekten als Vergleichs-
objekte kaum geeignet sein« schreibt zum Beispiel Heymons (1896a,
S. 13). Diese Ansicht finden wir meist auch in den Lehrbüchern ver-
treten. — Bei dem Studium der phagocytären Organe von Clenolepisma
lineata (1907) und hierauf der Kopfdrüsen der Diplura und Thysa-
nura (1908) bin ich indessen zu einem direkt entgegengesetzten Schlüsse
gelangt, und zwar daß alle Verhältnisse (und zwar die primitiveren)
bei den Apterygota viel mehr an die Diplopoda erinnern, als an
die Chilopoda. Diese Auffassung wird durch die Arbeit von Lignau
vollauf bestätigt, welcher, ohne die Entwicklung der Apterygota
in Betracht ziehen zu können, dennoch zu dem Schlüsse gelangte,
daß »die Klasse der Diplopoda enger mit der Klasse der Insecta
verknüpft ist, während die Klasse der Chilopoda einen äußerst eigen-
artigen Charakter aufweist und in ihrer Stellung einsam dasteht.« Die
Berechtigung einer solchen Annahme tritt noch deutlicher zutage,
wenn man die Angaben über die Entwicklung von Isotoma cinerea
mit den Beobachtungen von Lignau über Polydesmus vergleicht.
Vor allem fällt hierbei die außerordentliche Übereinstimmung in
der Furchung der Eier beider Formen in die Augen, wobei sich dieselbe
sogar auch auf geringste Einzelheiten erstreckt. Wie bei Isotoma, so
ist auch bei Polydesmus die Furchimg eine totale und äquale, und
führt zu der Bildung einer kompakten Morula aus äußeren und inneren
Blastomeren und zwar ist das erste Auftreten letzterer auch hier mit
dem 16zelligen Stadium verknüpft. Dank dem Hervorwandern der
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 647
plasmatischen Massen der äußeren Blastomeren an die Oberfläche
entsteht das Blastoderm, und hauptsächlich aus den inneren werden
die Dotterzellen gebildet. Bei den Diplopoda und Collembola
haben wir es demnach im Gegensatz zu den andern Myriopoden und
Insekten mit einem zweifellos primitiveren Furchungstypus zu tun. —
Eine so frühzeitig wie bei unsrer Isotoma auftretende Genitalanlage
hat Lignau nicht beobachtet, jedenfalls aber haben wir auch bei Poly-
desmus eine frühzeitige und von den Keimblättern unabhängige Son-
derung eines Häufchens von Genitalzellen am hinteren Ende des Em-
bryos aus dem Blastoderm der Bauchseite: der Autor selbst bemerkt,
daß dieser Prozeß außerordentlich an die von Heymons für die Ortho-
pteren beschriebenen Verhältnisse erinnert. Dieser neue Fall einer
frühen Differenzierung der Genitalzellen, und dazu noch bei den Myrio-
poden, dient wiederum als Beweismaterial für den oben von uns
entwickelten Gesichtspunkt.
Außerordentlich interessant ist die Bildung der Keimblätter bei
Pohjdesmus abchasius. Zuerst bildet sich das Mesoderm in Gestalt
zweier mehr oder weniger lokalisierter Bezirke zu beiden Seiten des
Eies: wie dies aus der Beschreibung sowie aus den Abbildungen des
Autors zu ersehen ist, umfassen diese Bezirke im großen ganzen fast
das gesamte Ei. Die Elemente des Mesoderms bilden sich aus dem
Blastoderm durch Teilung und Einwanderung seiner Zellen an diesen
Stellen, was denn schließlich ein Zerfallen desselben in zwei Schichten
zur Folge hat. Das Entoderm entsteht längs der Medianlinie der
Bauchseite in Gestalt eines »Medianstreifens« und dringt dann, indem
es sich rasch von dem Blastoderm absondert, in Gestalt eines mas-
siven Stranges in den Dotter ein. Die den Medianstreifen des Keim-
fleckes bildenden Elemente entstehen auf dessen ganzer Ausdehnung
durch Teilung der Blastodermzellen ; außerdem findet sich in dessen
vorderem Teile eine schwache Andeutung einer Invaginationsfurche.
Aus dem massiven entodermalen Strange im Dotter entsteht später
der Mitteldarm.
Lassen wir die Teilung in Mesoderm und Entoderm für einen
Augenblick außer acht und sprechen nur von dem unteren Blatt, so ist
der Absonderungsprozeß dieses letzteren bei Pohjdesmus zweifellos genau
der gleiche, wie bei unsrer Isotoma. Hier wie dort wird das untere
Blatt diffus unter der gesamten Oberfläche des Blastoderms gebildet
[hierfür sprechen die Worte Lignaus: »mit dem Auftreten des Meso-
blasts und des Entoderms muß die gesamte äußere Bedeckung des
Eies als Ectoderm bezeichnet werden« (S. 67)]; dabei geht seine Ab-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 42
(348 Jur- Philiptschenko,
sonderung divrch Teilung und Einwanderung der Blastodermzellen vor
sich, d. h. durch multipolare Immigration. Die kurze Invaginations-
furche am vorderen Ende des »Medianstreifens« stört diese Auffassung
in keiner Weise, indem sie offenbar eine sehr unbedeutende Rolle
spielt und sich, wie mir scheint, gleichsam noch während ihres Ent-
stehungsprozesses befindet. Mit einem Worte, wir haben es bei Poly-
desmus mit einem neuen Falle einer Bildung des unteren Blattes durch
multipolare Immigration zu tun, von deren Bedeutung bereits oben
die Rede gewesen ist.
Einen in der Tat wesentlichen Unterschied zwischen Polydesmus
und unsrer Isotoma cinerea und auch den meisten andern Insekten
bildet die scharfe Abgrenzung in Zeit und Raum der beiden sekundären
Keimblätter, so daß man hier mit vollem Rechte von Entoderm und
Mesoderm sprechen kann. Dabei kann leicht der Eindruck entstehen,
als ob bei den Diplopoda gleichsam ein primärer Fall im Vergleiche
mit den Insekten vorliege: bei ersteren sind Entoderm und Meso-
derm unabhängig voneinander, bei letzteren verschmelzen sie rein
sekundär zu einem gemeinsamen unteren Blatte. Den gegenwärtig
bestehenden Verhältnissen bei der Entwicklung der Insekten mußte
demnach wahrscheinlich eine scharfe Absonderung der sekundären
Keimblätter vorangegangen jsein, wie sie jetzt noch bei Polydesmus
vorliegt.
Selbst wenn eine derartige Annahme richtig wäre, so würde dies
natürlich unsere Ansicht von der größeren Bequemlichkeit, bei der
Mehrzahl der Insekten statt der sekundären Blätter zusammengesetzte
Primitivanlagen zu unterscheiden, nicht ausschließen. Ich persönlich
halte es indessen für wahrscheinlicher, daß bei Polydesmus bei der
Entwicklung der Blätter eher sekundäre als primäre Verhältnisse vor-
walten. Als letztere wird man, wie mir scheint, stets die anfängliche
Absonderung der beiden primären Blätter — des oberen und des
unteren — ansehen müssen, worauf dann erst die Differenzierung dreier
sekundärer Blätter folgt — des Ectoderms, des Entoderms und des
Mesoderms. Hier hingegen entstehen die letzteren einzeln, wobei das
Mesoderm sich vor dem Entoderm absondert, und ich vermute, daß
derartige Verhältnisse (wie die ihnen völlig analogen unter den Insekten,
so z. B. bei Chalicodoma) rein sekundär entstanden sind und daß ihnen
ein Stadium mit ursprünglicher Teilung des Blastoderms in die zwei
primären Keimblätter vorangegangen ist.
In dem Entoderm und dem Ectoderm von Polydesmus erblicke ich
nur die Primitivanlagen, in welche sein unteres Blatt zerfällt und die
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 649
vielleicht mit den gleichen Anlagen bei Chalicodoma völlig überein-
stimmen, den Primitivanlagen vieler andrer Insekten aber nicht völlig
homolog sind.
Bis jetzt wurde angenommen, daß die Krümmung der Embryonen
bei den Diplopoda eine ganz andre sei, als bei den Chilopoda und
den Apterygota: als äußerst wichtig ist eine Beobachtung von Lignau
anzusehen, auf Grund deren er die Tatsache feststellen konnte, daß
bei Polydesmus (und auf Grund früherer Arbeiten wohl auch bei andern
Formen) keinerlei Unterschied in dieser Beziehung besteht. Der Embryo
von Polydesmus hat ursprünglich eine dorsale Krümmung, allein später
tritt eine Querfurche auf und die dorsale Krümmung wird durch eine
ventrale ersetzt. — Äußerst wichtig ist auch die volle Bestätigung der
Angaben von Heymons (1897c) und Silvestri (1898) über das Vor-
handensein eines postmaxillaren Segmentes, was eine vollkommene
Analogie zwischen dem Bestände des Kopfes bei den Diplopoden einer-
seits und den Insekten anderseits ermöglichte.
In bezug auf die Entwicklung der Kopfdrüsen scheint Lignau
in einen Irrtum zu verfallen. Die mesodermale Abstammung des
einen Paares derselben, und zwar der tubulösen Drüsen [deren Bau
imd secretorische Fähigkeit dieselben sind, wie bei den tubulösen Kopf-
drüsen der Apterygota — Bruntz (1904a)], ist schon in der älteren
Arbeit von Heathcote (1886) vermerkt worden. Lignau hat die
ersten Stadien in der Entwicklung dieser Drüsen nicht gesehen, nimmt
aber auf Grund indirekter Schlußfolgerungen an, daß die ganze tubu-
löse Drüse aus dem Ectoderm entsteht, und nur einen Kanal der hinteren,
aus dem Mesoderm entstehenden Speicheldrüse darstellt. — ■ Dieser
Annahme widersprechen vor allem die rein anatomischen Befunde von
Krug (1907), Effenberger (1909) und Wernitzsch (1910), welche
diese Verhältnisse bei verschiedenen Diplopoda untersucht haben:
beide Drüsenpaare sind (wie auch bei den Apterygota) gänzlich un-
abhängig voneinander und der Charakter der hinteren Speicheldrüse
spricht gegen deren mesodermalen Ursprung, während die tubulösen
Drüsen den nephridialen Speicheldrüsen bei Peripatus äußerst ähnlich
sind. Zweitens hat die von Lignau beobachtete erste Anlage der
tubulösen Drüse (vgl. S. 162, 163 und Fig. 2 im Texte seiner Arbeit)
eine außerordentliche Ähnlichkeit mit der Anlage der tubulösen Drüse
unsrer Isotoma, wie sie auf der Fig. 70 abgebildet ist. Die Entstehung
dieser letzteren aus dem Somiten des zweiten Maxillarsegmentes wurde
von uns sicher festgestellt, was zu der Annahme veranlaßt, daß die
alte Beobachtung von Heathcote völlig richtig ist, und daß Lignau
42*
650 Jur. Philiptschenko,
sich geirrt hat, indem er die tubulöse Drüse von Polydesmus für eine
ectodermale Bildung hielt.
Die Vergleichung der Befunde von Lignau über die Entwicklung
von Polydesmus abchasius mit unsern Beobachtungen über die Ent-
wicklung von Isotoma cinerea bestätigen demnach durchaus dessen
Auffassung, wonach nicht die Chilopoda, sondern die Diplopoda
den Insekten näher stehen, indem sie uns gleichzeitig zeigt, daß letztere
besonders viel mit den Apterygota gemein haben. Diese Tatsache
wird durchaus verständlich, wenn wir anerkennen, daß nicht nur die
Apterygoten die niedersten Insekten sind, sondern auch daß die Diplo-
poden (mit den Symphyla und Pauropoda) die niedersten Myrio-
poden dartellen, die Chiiopoden dagegen eine höher stehende und
spezialisierte Gruppe. Zugunsten der größeren Ursprünglichkeit der
Diplopoda spricht, abgesehen von ihrer Embryologie, auch noch eine
ganze Reihe anatomischer Angaben, wie auch ihr Auftreten in der
Geologie in älteren Schichten. Augenscheinlich haben wir es hier mit
der Tatsache einer größeren gegenseitigen Nähe zwischen den nieder-
sten Vertretern zweier Gruppen (der Myriopoden und Insekten) zu tun,
welche sich aus einer gemeinsamen Wurzel entwickelt haben.
Ich glaube letzteres hervorheben zu müssen, obgleich die Theorie
der Abstammung dieser Arthropoden von gemeinsamen Vorfahren in
der Art der Onychophora fast allgemeine Anerkennung gefunden hat.
Gegenwärtig ist das Interesse an phylogenetischen Spekulationen fast
völlig geschwunden, was man im allgemeinen als eine recht erfreuliche
Tatsache begrüßen muß, dafür ist aber die Phylogenie aus den Händen
der Morphologen in die Hände der Systematiker übergegangen, welche
unter geringer Berücksichtigung der anatomischen und embryologischen
Befunde in diesem Gebiete nicht selten mehr als kühne und völlig
unwahrscheinliche Hypothesen aufstellen. Hierher gehört vor allen
die Hypothese von Handlirsch (1908) über die Abstammung der
Insekten von den Trilobiten, wobei dieser Autor keinen Anstand nimmt,
nicht nur die Myriopoden, sondern sogar die Campodeoidea und
Collembola (sie!) direkt von letzteren als selbständige Reihen ab-
zuleiten.
Die Versündigungen der alten Phylogenie waren natürlich nicht
gering, doch hat letztere eine Reihe wertvoller und unbestreitbarer
Tatsachen ergeben, welche als dauerhafte Eroberungen der Zoologie
gelten müssen und vor den Versuchen zu schützen sind, sie durch
solche Spekulationen zu ersetzen, wie die Phylogenie der Arthropoden
nach Handlirsch.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 651
Zu solch wertvollen Beiträgen von Seiten der alten phylogeneti-
schen Kichtung gehört zum Beispiele die Lehre von der Evolution der
Wirbeltiere, hierher gehört auch die Campodea- (oder besser Insekten-)
— Myriopoden — Peripatustheorie, wie Handlirsch dieselbe nennt.
München, im Februar 1912.
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657
Erklärung der Abbildungen,
Allgemeine
a, Anus;
Abd l5 2> 3, ±, 5, 6» Abdominalsegmente
(erstes, zweites usw.);
übd i, 3> i, abdominale Extremitäten
(des ersten, dritten, vierten Seg-
mentes);
aDO, Anlage des Dorsalorganes ;
ah1, hervortretende erste Embryonal-
hülle;
ant, Antenne;
bl, Blastoderm;
cbl, Cardioblasten ;
ch, Chorion;
D, Mitteldarm;
db, Dotterbezirke;
De, Deutocerebrum ;
dDa, diffuse Mitteldarmanlage;
dk, Dotterkerne;
dku, Dotterkügelchen ;
DO, Dorsalorgan;
dz, Dotterzellen;
e, Einwanderung einer Zelle des unteren
Blattes aus dem Blastoderm ;
ect, Ectoderm;
etd, Endbläschen der tubulösen Kopf-
drüse ;
/, Furche;
fh, Furchungshöhle ;
fk, Fettkörper;
fre, Springgabel (Furca);
fz, Furch ungszellen ;
g, Genitalanlage;
gd, Genitalgang;
ggl, Ganglion;
ggl abd, Abdominalganglion ;
ggl th, Thoracalganglion ;
gon, Gonade;
gz, Genitalzellen;
hi, erste cuticulare Embryonalhülle;
h2, zweite cuticulare Embryonalhülle;
hDa, hintere Mitteldarmanlage;
he, Hüllenectoderm ;
hgl, hintere Grenzlamelle;
Abkürzungen:
hyp, Hypodermis;
hz, Herz;
isb, medialer Strang des unteren Blattes
zwischen den Somiten;
Kl, Kopf läppen;
ktd, Kanal der tubulösen Kopfdrüse;
Ibr, Oberlippe;
l.sub, Laminae subanales;
M d, Mandibularsegment ;
md, Mandibeln;
mf, Mundfalte;
mm, Anlage der Muscularis des Vorder-
oder Hinterdarmes;
msk, Muskeln;
Mxx, Segment der ersten Maxillen;
mxi, erste Maxillen;
Mx2, Segment der zweiten Maxillen;
mx2, zweite Maxillen;
n, Nervensystem;
nbl, Neuroblasten;
oc, Ocellen;
osg, oberes Schlundganglion;
owe, aus dem Keimstreifen nach oben
(dorsalwärts) wucherndes Ecto-
derm ;
-pa, Plasmaanhäufung im Dotter eines
Blastomers ;
par, Paracyten;
pi, centrale Anhäufung des Plasmas im
Ei (Plasmainsel);
plp, Palpus;
Prc, Protocerebrum ;
prd, Proctodäum;
prgl, Paraglossae;
pst, fibrilläre Substanz (Punktsubstanz)
des Nervensystems;
ref, Retinaculum;
segm, in Bildung begriffene Segmente
des Keimstreifens;
sks, Schlundcommissur;
so, Somiten;
so.ics, Somiten des Intercalarsegments;
std, Stomodäum;
658 Jur- Philiptschenko,
tdr, Anlage der tubulösen Kopfdrüse; Trc, tritocerebrum ;
tf, Teilungsfigur; tv, tubus ventralis;
Thlt 2, 3, tkoracale Segmente (erstes, üb, unteres Keimblatt;
zweites, drittes); usg, unteres Schlundganglion;
th, Füße; vDa, vordere Mitteldarmanlage;
thi, 2j 3> Füße des ersten, zweiten, drit- vgl, vordere Grenzlamelle;
ten Thoracalsegmentes; vmp, ventrale Muskelplatte.
Tafel X.
Erste Entwicklungsperiode:
Fig. 1. Ei vor der Furchung. 300/1.
Fig. 2. Vierzelliges Stadium. 300/1.
Fig. 3. Achtzelliges Stadium. 300/1.
Fig. 4. 16zelliges Stadium. 300/1.
Fig. 5. Späteres Furchungsstadium (etwa 64 Zellen). 300/1.
Fig. 6. Schnitt durch ein Ei vor der Furchung. Färbung nach Heiden-
hain. 350/1.
Fig. 7. Teil des Schnittes durch ein Ei im Stadium der ersten Teilung.
500/1.
Fig. 8. Schnitt durch das Stadium von zwei Zellen. Färbung nach Hei-
denhain. 350/1.
Fig. 9. Schnitt durch das achtzellige Stadium. 350/1.
Fig. 10. Schnitt durch das 16zellige Stadium. 350/1.
Fig. 11. Schnitt durch das 32zellige Stadium. 400/1.
Fig. 12. Schnitt durch das auf Fig. 5 dargestellte Stadium (etwa 64 Zellen).
400/1.
Fig. 13. Schnitt durch das darauffolgende Stadium: Wanderung der Fur-
chungszellen nach der Oberfläche des Eies. 400/1.
Fig. 14. Schnitt durch ein Ei nach beendigter Furchung mit dem Blasto-
derm, den Dotterzellen und der Genitalanlage. 400/1.
Tafel XI.
Zweite Entwicklungsperiode.
Fig. 15. Teil des Schnittes durch ein Ei während der Bildung des unteren
Blattes. 500/1.
Fig. 16. Schnitt durch das zweischichtige Stadium (eines »birnförmigen«
Embryos). 500/1.
Fig. 17. Oberer Teil des Schnittes durch einen Embryo mit Anlage des
Dorsalorganes. 500/1.
Fig. 18. Schnitt durch einen Embryo mit Dorsalorgan. 500/1.
Fig. 19. Schnitt durch einen Embryo mit meridionaler Furche. 400/1.
Fig. 20 — 21. Zwei aufeinanderfolgende Schnitte durch einen Embryo,
welcher mit zahlreichen Falten versehen ist und mit verlagertem Dorsalorgan
(beide aus einer Serie). 400/1.
Fig. 22. Schnitt durch den oberen Teil eines Embryos unmittelbar vor
dem Zerreißen des Chorions. 500/1.
Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III. 659
Dritte Entwicklungsperiode.
Fig. 23. Äußere Gestalt eines Embryos auf dem Stadium A, von der Seite
gesehen. 300/1.
Fig. 24. Querschnitt durch den vorderen Teil dieses Embryos (Kopflappen
und eines der Segmente). 350/1.
Fig. 25.. Querschnitt durch den hinteren Teil eines ebensolchen Embryos.
350/1.
Fig. 26. Dorsalorgan auf dem Stadium B im Querschnitt. 800/1.
Tafel XII.
Äußere Gestalt der Embryonen während der dritten
und vierten Periode der Entwicklung.
Fig. 27. Stadium B — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 28. Stadium C — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 29. Stadium C — Keimstreifen von der Ventralseite gesehen. 300/1.
Fig. 30. Stadium D — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 31. Stadium D — von der Ventralseite gesehen (en face). 300/1.
Fig. 32. Stadium E — ■ von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 33. Stadium E — hinteres Ende des Embryos von der Ventralseite
gesehen. 300/1.
Fig. 34. Stadium G — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 35. Stadium H — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 36. Stadium J — von der Seite gesehen. 300/1.
Fig. 37. Junge Isotoma cinerea, eben aus dem Ei geschlüpft. 140/1.
Tafel XIII.
Dritte Entwicklungsperiode.
Fig. 38. Sagittalschnitt durch einen Embryo auf dem Stadium B. 350/1.
Fig. 39. Unterer Teil eines Querschnittes durch einen ebensolchen Embryo
im Bereiche eines der Segmente. 500/1.
Fig. 40. Sagittalschnitt durch einen Embryo auf dem Stadium C. 350/1.
Fig. 41. Unterer Teil eines Querschnittes durch einen ebensolchen Embryo
im Bereiche eines der Segmente. 500/1.
Fig. 42. Sagittalschnitt durch einen Embryo auf dem Stadium D, wobei
die Extremitäten und die Somiten getroffen sind. 300/1.
Fig. 43. Sagittalschnitt durch den hinteren Teil eines solchen Embryos im
Bereiche des Proctodäum. 400/1.
Fig. 44. Sagittalschnitt durch den vorderen Teil eines Embryos auf dem
Stadium D, wobei das Stomodäum getroffen ist. 400/1.
Fig. 45. Teil eines Querschnittes durch einen Embryo auf dem Stadium D
im Bereiche des Mandibularsegmentes. 500/1.
Fig. 46. Teil eines ebensolchen Schnittes aus der gleichen Serie durch
eines der Thoracalsegmente. 500/1.
Fig. 47. Sagittalschnitt durch den hinteren Teil eines Embryos auf dem
Stadium E, wobei die Abdominalextremitäten, die Somiten und das Proctodäum
getroffen "sind. 400/1.
Fig. 48 — 50. Drei aufeinanderfolgende Frontalschnitte (einer Serie) durch
660 Jur. Philiptschenko, Beiträge zur Kenntnis der Apterygoten. III.
den vorderen Teil eines Embryos auf dem Stadium E, wobei das Gehirn, das
Antennen- und das Intercalarsegment getroffen sind. 400/1.
Fig. 51. Querschnitt durch einen Embryo des gleichen Stadiums durch
das Segment der ersten Maxillen. 400/1.
Fig. 52. Teil eines Querschnittes aus der gleichen Serie im Bereiche des
zweiten Maxillen paares. 800/1.
Tafel XIV.
Vierte Entwicklungsperiode.
Fig. 53 — 55. Teile dreier aufeinanderfolgender Sagittalschnitte durch einen
Embryo auf dem Stadium F, welche die Anlagen des Mitteldarmes getroffen haben.
500/1.
Fig. 56. Frontalschnitt durch die hintere Hälfte eines ebensolchen Embryos,
welcher die Abdominalextremitäten und die Genitalanlage getroffen hat. 500/1.
Fig. 57. Schräger Schnitt durch den vorderen Teil des Kopfes eines Em-
bryos auf dem Stadium G, im Bereiche der Mandibeln. 500/1.
Fig. 58 — 60. Querschnitte durch einen ebensolchen Embryo, durch den
Kopf, das erste und das dritte Abdominalsegment. 500/1.
Fig. 61. Genitalzellen auf dem Stadium G. 1100/1.
Fig. 62. Sagittalschnitt durch den vorderen Teil eines Embryos auf dem
Stadium G. 400/1.
Fig. 63. Ebensolcher Schnitt durch dessen hinteren Teil. 500/1.
Fig. 64. Schräger Schnitt durch den hinteren Teil des Kopfes eines Em-
bryos auf dem Stadium G, welcher die Anlage der tubulösen Drüse getroffen hat.
500/1.
Fig. 65. Teil eines Sagittalschnittes durch einen Embryo auf dem Sta-
dium H (Dorsalorgan und Thoracalganglien). 500/1.
Fig. 66 — 67. Frontalschnitte durch den vorderen und hinteren Teil eines
ebensolchen Embryos, wobei die Mitteldarmanlagen getroffen wurden. 500/1.
Fig. 68. Querschnitt durch den vorderen Teil des Thorax aus der gleichen
Serie. 500/1.
Fig. 69. Querschnitt durch das erste Abdominalsegment eines Embryos
auf dem Stadium H. 500/1.
Fig. 70. Sagittalschnitt durch den lateralen Teil des Kopfes eines eben-
solchen Embryos (Anlage der tubulösen Drüse). 500/1.
Fig. 71. Schräger (fast frontaler) Schnitt durch den vorderen Teil des
Thorax eines aus dem Stadium H in das Stadium J übergehenden Embryos. 500/1.
Fig. 72. Sagittalschnitt durch das Stomodäum eines ebensolchen Embryos.
800/1.
Fig. 73. Sagittalschnitt (die vordere und hintere Hälfte nach zwei Schnitten
einer Serie gezeichnet) durch einen Embryo auf dem Stadium J. 400/1.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen.
Von
Dr. M. Nowikoff.
Mit 13 Figuren im Text und Tafel XV— XVII.
Inhalt.
Seite
I. Einleitung 661
II. Material und Methode 664
III. Das Knorpelgewebe der Mollusken 665
1. Der Kopfknorpel der Cephalopoden 666
Literaturübersicht 666
Eigne Untersuchungen 668
2. Der Subradularknorpel der Gastropoden 673
Literaturübersicht 673
Eigne Untersuchungen 675
Patella coerulea 675
Fissurella graeca 680
Haliotis tuberculata 683
IV. Das Knorpelgewebe der Würmer 686
Literaturübersicht 686
Eigne Untersuchungen 687
V. Der Knorpel und das knorpelähnliche Gewebe bei Arthropoden . . . 696
Literaturübersicht ..." 696
Eigne Untersuchungen 698
VI. Das knorpelähnliche Gewebe der Coelenteraten 704
VII. Vergleichende Bemerkungen 706
1. Über die Klassifikation des Knorpelgewebes der Wirbellosen . . 706
2. Über den Bau der Knorpelgrundsubstanz 708
Verzeichnis der zitierten Literatur 714
Erklärung der Abbildungen 716
I. Einleitung.
Die umfangreiche Literatur über den Korpel ist in neuerer Zeit
durch eine Reihe eingehender Arbeiten (von Hansen, Schaffer,
Studnicka) bereichert worden. Diese Arbeiten, welche ein reiches
und neues Tatsachenmaterial nebst mehreren interessanten verglei-
662 M. Nowikoff,
chenden Bemerkungen liefern, lassen jedoch manche Fragen in bezug
auf die Histologie des Knorpels ungelöst; so z. B. die Fragen über
die sogenannten Zellenterritorien, über die Herkunft, die morpho-
logische Bedeutung und die feinere Struktur der Grundsubstanz usw.
Alle diese morphologischen Fragen haben jedoch an Interesse noch
mehr gewonnen , seitdem durch die. Untersuchungen von Mörner
(1888), Schmiedeberg (1891) und Hansen (1905) die chemische Natur
der Knorpelgrundsubstanz aufgeklärt wurde. Wir wissen jetzt näm-
lich, daß diese Substanz aus Chondromukoiden (d. h. verschiedenen
Verbindungen der Chondroitinschwefelsäure mit eiweißartigen Körpern)
und aus Kollagen besteht. Die weichere oder härtere Beschaffenheit
der Grundsubstanz, ebenso wie ihre verschiedene Tinktionsfähigkeit
hängt von der Menge dieser oder jener der genannten Hauptbestand-
teile ab.
In einer Anzahl von Arbeiten waren Studnicka (1897, 98, 1903)
und Schaffer (1901, 06, 11) bemüht einige der oben erwähnten
Fragen auf Grund des Studiums des einfacheren Knorpels der Cyclo-
stomen zu beantworten. So behauptet Schaffer (1901, S. 115), »daß
die verwickelten Formen des Knorpelgewebes der höheren Tiere auf
das einfache Schema des Cyclostomenknorpels zurückgeführt werden
können«, und daß »durch diese Betrachtungsweise auch manche bis
heute noch unentschiedene Frage in der Histologie und Histogenese
des Knorpelgewebes ihre Lösung finden« würden.
Einem ähnlichen Gedanken folgend, habe ich im Jahre 1908, nach-
dem meine Arbeit über die Zellen und die Grundsubstanz des Wirbel-
tierknorpels abgeschlossen war, eine Untersuchung über den Knorpel
von wirbellosen Tieren unternommen. Das von mir gewählte
Thema verdient auch dadurch einiges Interesse, als über den Bau des
Knorpels von Wirbellosen nur ältere Literaturangaben existieren. Die
modernen technischen Mittel wurden für die Untersuchung dieses
Gewebes noch gar nicht angewendet.
Meine Hoffnung jedoch, im Knorpel der verhältnismäßig einfach
organisierten Tierformen auch einen einfacheren histologischen Bau
zu treffen, ist nur teilweise erfüllt worden. Beim Studium der ver-
schiedenen Vertreter von Mollusken, Arthropoden, Würmern und
Coelenteraten ergab sich zunächst, daß nur die drei erstgenannten
Abteilungen echtes Knorpelgewebe besitzen, daß bei den Coelenteraten
dagegen nur ein knorpelähnliches Bindegewebe vorkommt. Zweitens
konnte ich feststellen, daß der Knorpel von Wirbellosen ziemlich
mannigfaltig und zum Teil ebenso kompliziert wie der von höheren
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 663
Vertebraten gebaut ist. Dennoch hoffe ich, daß einige der oben gestellten
Fragen in den nachfolgenden Zeilen eine Entscheidung finden und die
andern mehr oder weniger aufgeklärt werden.
Die zweite Hauptaufgabe meiner Arbeit besteht darin, eine kritische
Zusammenstellung der bis jetzt publizierten Angaben über das Knorpel-
gewebe von Wirbellosen zu geben, nebst einigen eignen Beobachtungen,
welche eine natürliche Klassifikation der genannten Gewebe durch-
zuführen ermöglichen.
Das von mir gewonnene Tatsachenmaterial will ich in vier Kapiteln,
entsprechend den vier oben erwähnten Tierstämmen betrachten. Jedem
Kapitel werde ich eine kiuze Literaturübersicht vorausschicken. An
dieser Stelle möchte ich nur an einigen aus der Literatur entnommenen
Beispielen zeigen, wie wenig Aufmerksamkeit dem Knorpel der Wirbel-
losen von den bisherigen Forschern gewidmet wurde. Man findet
nämlich in den Lehr- und Handbüchern entweder keine oder mangel-
hafte Angaben über dies Gewebe.
Das ältere »Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere«
von Leydig (1857, S. 164) enthält eine sehr kurze Beschreibung des
Knorpelgewebes der Cephalopoden und Kiemenwürmer.
Im großen Handbuch der Gewebelehre von Kölliker (1889, Bd. I
S. 114) findet man nur die folgende Bemerkung: »Bei Wirbellosen kom-
men viele in der Festigkeit dem Knorpel ähnliche Gewebe vor, doch
ist hyaliner Knorpel, zum Teil in ausgezeichnet schönen Formen, bisher
nur gefunden bei Tintenfischen und Knorpel ohne Grundsubstanz- in
den Branchien mehrerer Annelida capitibranchiata (Quatrefages,
Leydig, ich), in dem Zungengestell von Mollusken (Lebert, Claparede),
nach dem bedeutungsvollen Funde von Gegenbaur beim Mollukken-
krebse in der Nähe des Hauptnervenstranges und am Scheibenrande
der Geryoniden (E. Haeckel).«
In seinen vor kurzem veröffentlichten Vorlesungen über ver-
gleichende Anatomie, in welchen neben den Wirbeltieren auch die
Wirbellosen in einer eingehenden Weise besprochen werden, äußert
sich Bütschli (1910, S. 163) in bezug auf das uns interessierende
Gewebe folgendermaßen: »Schon bei manchen Wirbellosen tritt in
gewissen Körperteilen knorpelartiges Mesodermgewebe auf. So wird
der Zellgewebsstrang, der die Kiemenfäden mancher Kopfkiemer unter
den Polychaeten durchzieht, meist als Knorpelgewebe gedeutet, ob-
gleich seine Intercellularsubstanz nur wenig entwickelt ist; selbst das
entodermale Stützgewebe der Cölenteratententakel ist schon ähnlich
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 43
664 M. Nowikoff,
aufgefaßt worden. — Typischem Knorpel begegnen wir bei den gastro-
poden und vor allem den cephalopoden Mollusken.«
Schließlich möchte ich auch eine vollständig unbegründete An-
gabe von K. Camillo Schneider nicht unerwähnt lassen. Dieser
Autor behauptet nämlich in seinem Lehrbuch der vergleichenden
Histologie der Tiere (1902, S. 83), daß das Knorpelgewebe »in typischer
Ausbildung nur den Vertebraten zukommt.«
II. Material und Methode.
Als Untersuchungsmaterial dienten mir folgende Tierformen:
I. Mollusca:
1) Cephalopoda:
Sepia officinalis,
Eledone moschata ;
2) Gastropoda:
Patella coerulea,
Fissurella graeca,
Haliotis tuberculata ;
II. Arthropoda:
1) Crustacea:
Cypris puber a,
Nebalia Geoffroyi ;
2) Arachnoidea:
Euscorpius europaeus ;
3) Xiphosura:
Limulus polyphemus ;
III. Vermes:
Spirographis Spallanzani (Sabella unispira),
Sabella reniformis,
Myxicola (Sabella) infundibulum,
Branchiomma Köllikeri ;
IV. Coelenterata :
Carmarina hastata,
Periphylla sp.
Die meisten der oben genannten Seetiere, ebenso wie die Skorpione wurden
von mir auf den zoologischen Stationen in Triest und Rovigno gesammelt; die
Kiemenwürmer habe ich von der zoologischen Station in Neapel bezogen ; Limulus
polyphemus erhielt ich aus der Sammlung des vergleichend-anatomischen Instituts
zu [Moskau; Periphylla sp. verdanke ich Herrn Dr. N. Kassianow.
Das Material wurde in konzentrierter Sublimatlösung, in Pikrinessigsäure
oder in 70° Alkohol konserviert.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 665
Von einer großen Anzahl der von mir ausprobierten Färbungsniethoden
möchte ich hier nur die folgenden, welche sich für meine Zwecke als die geeignet-
sten erwiesen, hervorheben. Eine intensive Tinktion der Knorpelgrundsubstanz
erzielt man nach den Methoden von Blochmann (triphenylrosanilintrisulfosaures
Natrium + Pikrinessigsäure) und von Mallory. Diese Färbungen geben jedoch
keine deutliche Differenzierung der beiden Hauptbestandteile der Grundsubstanz,
namentlich der Chondromucoide und des Collagens. Eine solche Differenzierung
wird dagegen bei der Anwendung der von Hansen (1905) beschriebenen Drei-
fachfärbung (Methylenblau, Pikrinsäurefuchsin, Essigsäure) erreicht. Die besten
Resultate erzielte ich durch folgende Modifikation der Methode Hansens. Ich
färbte meine Schnitte in einer l%igen wässerigen Lösung von Methylenblau
etwa 3 — 5 Minuten lang. Nach kurzem Auswaschen in destilliertem Wasser
werden die Schnitte in ein frisch zubereitetes Gemisch von 5 ccm einer 0,l%igen
wässerigen Lösung von Fuchsin S., 5 ccm konzentrierter wässeriger Pikrinsäure-
lösung und 1 — 2 Tropfen Eisessig übertragen. Nach 2 — 3 Minuten langem Ver-
bleiben in diesem Gemisch werden sie in Wasser abgespült und nachher möglichst
rasch durch Alkohol steigender Konzentration und Xylol in Kanadabalsam über-
geführt. Die chondromucoidhaltigen Elemente werden dabei dunkelblau bzw.
grünlichblau, das Collagen gewöhnlich intensiv rot gefärbt. Die genannte Methode,
welche von Hansen (1905, S. 620) als eine zuverlässige Bindegewebsreaktion
betrachtet wird, habe auch ich mit gutem Erfolg bei der Untersuchung der sämt-
lichen obenangeführten Tiere, mit Ausnahme der Mollusken, angewendet. Bei
letzteren bekommt man bei Anwendung der HANSENschen Methode nur un-
deutliche Differenzierungen. Zur Färbung ihrer Knorpelgrundsubstanz ist die
von mir auch für den Vertebratenknorpel gebrauchte Methode — Boraxcarmin,
Bleu de Lyon, Bismarckbraun — viel geeigneter. Ich will hier auf diese Methode
nicht näher eingehen, da ich sie schon früher (1908, S. 213) ausführlich besprochen
habe. Hier bemerke ich nur, daß nach ihrer Anwendung die Chondromucoide
des Knorpels braun, das Collagen dagegen blau erscheint.
Zur Färbung der Zellkerne habe ich, abgesehen von Boraxcarmin undHäma-
toxylin, auch Jodgrün -Säurefuchsin (zur Differenzierung der Nucleolen) gebraucht.
Der chemische Charakter der verschiedenen Bestandteile des Knorpel-
gewebes kann heutzutage sehr leicht und ziemlich sicher mit Hilfe der Färbungs-
reaktionen ermittelt werden. Natürlich muß man dabei äußerst vorsichtig ver-
fahren. Man darf eine Reaktion nur in dem Falle als sicher betrachten, wenn
sie auf vielen Schnitten mit gleichem Erfolg gelingt, und wenn sie außerdem
auch durch die andern Färbungsreaktionen bestätigt wird. Ich hoffe, daß meine
Präparate in dieser Hinsicht ganz instruktive Bilder zeigen, weshalb ich in meinen
Abbildungen die Farben naturgetreu wiedergab.
IM. Das Knorpelgewebe der Mollusken.
Ein typisch ausgebildetes Knorpelgewebe trifft man, wie bekannt,
unter den Mollusken in der Subradularmasse der Gastropoden und
in manchen Körperteilen der Cephalopoden (Kopf-, Arm-, Nacken-,
Rücken-, Flossenknorpel). Der Knorpel der Gastropoden gehört zu
demjenigen Typus, welcher für die jüngeren Cyclostomen besonders
43*
666 M. Nowikoff,
charakteristisch ist und von Kölliker als »Knorpel ohne Grund-
substanz«, von späteren Autoren als »Parenchymknorpel « (Studnicka)
oder »Zeilenknorpel« (Schaffer) bezeichnet wurde. Die Cephalopoden
besitzen dagegen ein Knorpelgewebe, welches ebenso reich an Grund-
substanz ist wie dasjenige der höheren Wirbeltiere. Die Knorpel-
zellen der Gastropoden sind meist unverzweigt, die der Cephalopoden
dagegen stets mit reich verästelten Ausläufern versehen. Alle diese
Umstände, nebst einer gewissen Verschiedenheit der Färbungsreak-
tionen veranlassen mich die beiden Knorpelarten getrennt zu be-
sprechen.
1. Der Kopfknorpel der Cephalopoden.
Literatur Übersicht.
Das Knorpelgewebe der Cephalopoden kann makroskopisch leicht nach-
gewiesen Meiden, und war daher schon den älteren Forschern bekannt. Schon
1789 hebt Scaspa1 bei seiner Beschreibung der Augenkapsel der Cephalopoden
deren knorpelige Beschaffenheit hervor.
1844 bemerkt Kölliker (S. 76), daß der Knorpel von Sepia und Loligo
membranlose Knorpelhöhlen und eine verschiedenartige Grundsubstanz enthält.
Diese letztere »ist entweder feinkörnig, fast homogen, blaß und ins gelbliche
spielend, oder faserig, mit Fasern, die ähnlich denen der Muskeln, nur leicht ge-
schlängelt verlaufen, jedoch weniger regelmäßig zu größeren oder kleineren Bün-
deln vereinigt und von blasser Färbung sind. «
Valenciennes (1851, S. 521) vergleicht den Cephalopodenknorpel mit dem
der Knorpelfische.
In der ersten Auflage von Bronns Klassen und Ordnungen der Weichtiere
(1862, S, 1329) treffen wir eine ziemlich genaue Beschreibung des mikro-
skopischen Baues des Cephalopodenknorpels. Diese Knorpel, lesen wir dort,
bestehen »aus einer hyalinen, nach der Oberfläche zu mehr oder weniger faserigen
Grundsubstanz, in der zahlreiche sternförmige, kernhaltige Zellen mit langen,
meistens verzweigten Ausläufern eingelagert sind. Bei Nautilus haben die Zellen
noch keine Kapseln gebildet und stellen gleichsam einen embryonalen Zustand dar,
bei Sepia dagegen unterscheidet man gewöhnlich leicht die Knorpelkapsel und
bemerkt auch sofort die verschiedensten Stadien der Teilung der Knorpelzellen «.
Der angeführten Beschreibung sind auch zwei Originalzeichnungen beigegeben,
welche den Charakter der Knorpelzellen im allgemeinen ganz richtig wiedergeben.
Einige. neue und wichtige Angaben enthält Hensens Arbeit (1865, S. 159).
Er beschreibt den Cephalopodenknorpel als eine »hyaline Grundsubstanz mit ein-
gestreuten sternförmigen Zellen« , welche, ebenso wie bei Wirbeltieren, eine Nei-
gung haben sich zu Haufen zu aggregieren. In der Augenkapsel unterscheidet
Hensen zwei Knorpellagen: eine äußere, gefäßfreie und eine innere, gefäßhaltige.
In der Gefäßzone liegen die Zellen »ungleich dichter, sind kleiner und mit weniger
Ausläufern versehen. « Die Grundsubstanz dieser Zone besitzt die Fähigkeit sich
1 Anatomicae Disquisitiones de auditu. Ticini. 1789. Zitiert nach Hensen
(1865).
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 667
mit Carmin stärker als die der äußeren Zone zu imbibieren, woraus Hensen schließt,
daß sie saftreicher sein soll. Die Unrichtigkeit eines solchen Schlusses wurde erst
in der neuesten Zeit nachgewiesen, nachdem man festgestellt hat, daß die ver-
schiedene Färbbarkeit der Grundsubstanz hauptsächlich darauf zurückzuführen
ist, ob im Aufbau derselben Collagen- oder chondromucoidhaltige Stoffe dominieren.
In seinen Beiträgen zur vergleichenden Histologie des Molluskentypus macht
Boll (1869, S. 14) auf den längsgestreiften Charakter der Grundsubstanz des
Kopfknorpels aufmerksam. Diese feine Längsstreifung soll nach ihm »durch
die letzte und feinste Verästelung der von den Knorpelzellen ausgehenden Fort-
sätze bedingt« werden.
Die zahlreichen, die Grundsubstanz durchsetzenden Verästelungen der
Knorpelzellen werden auch von M. Fürbringer (1877) eingehend besprochen.
Eine oberflächliche Orientierung auf Querschnitten durch den ganzen Kopf-
knorpel zeigt diesem Autor, daß der Knorpel »keineswegs in allen seinen Teilen
gleichmäßig gebaut ist, sondern daß, wie dies bereits Bergmann (1850) andeutet,
an ihm periphere und centrale Schichten, welche beide allerdings allmählich in-
einander übergehen, unterschieden werden müssen. Die peripheren Schichten
setzen sich zusammen aus spindelförmigen, linsenförmigen oder ovalen Zellen,
welche bei der Untersuchung ohne Reagentien in der Regel isoliert, ohne Aus-
läufer oder mit nur kurzen Fortsätzen versehen, in der Grundsubstanz liegen,
wobei sie mannigfache Teilungszustände darbieten können und nur selten zu
kleineren Haufen von zwei bis vier Zellen vereinigt sind; die centralen Schichten
bestehen aus meist ansehnlicheren rundlichen Zellen, welche in größerer Anzahl
zu inselförmigen Gruppen gehäuft sind und von hier aus nach allen Richtungen
radial abgehende, lange und sich verästelnde Fortsätze abschicken, welche unter-
einander, sowohl mit denen derselben Zellengruppe als auch mit denen der be-
nachbarten anastomosieren. « Die Untersuchung der mit Hämatoxylin, Eosin
und Methylgrün gefärbten Schnitte durch ganz junge Exemplare von Loligo,
»an denen noch Reste des Dottersackes persistieren«, führte jedoch Fürbringer
zur Überzeugung, daß der Kopfknorpel durchweg aus Zellen zusammengesetzt
war, die denen der peripheren Schicht glichen. Waren die ursprünglichen ein-
fachen Beziehungen dieser letzteren erkannt, so konnte es keine Schwierigkeit
bereiten, die höheren Differenzierungszustände der centralen zu verstehen«. Die
periphere Knorpelschicht sieht nämlich bei stärkeren Vergrößerungen folgender-
maßen aus: »Von den spindelförmigen oder ovalen Zellen, die bald einfach sind,
bald mannigfache Teilungszustände darbieten, geht ein reiches System regel-
mäßiger Ausläufer aus, die entweder ohne weiteres mit denen der benachbarten
Zellen anastomosieren, oder erst einfache Verästelungen eingehen, worauf dann
die sekundären Äste sich mit denen der Nachbarzellen verbinden. « (1877, S. 454
bis 457).
Von den späteren Literaturangaben über den Cephalopodenknorpel möchte
ich hier nur derjenigen von Bütschli und von Hansen erwähnen, da sie uns bei
unseren weiteren Besprechungen interessieren werden. Im Gegensatz zu der
früheren Auffassung der Grundsubstanz als einer homogenen bzw. faserigen Masse
schreibt ihr Bütschli (1898), auf Grund seiner Untersuchungen der ausgetrock-
neten Schnitte durch den Kopfknorpel von Sepia officinalis, eine wabige Struktur
zu. Hansen dagegen (1905), indem er die Angaben Bütschlis einer scharfen
Kritik unterwirft, kehrt zur älteren Auffassung zurück und behauptet, daß die
668
M. Nowikoff,
Knorpelgrundsubstanz der Cephalopoden, ebenso wie die der Vertebraten, ent-
weder strukturlos oder fibrillär ist, je nachdem sie mehr Chondromucoide oder
mehr Collagen enthält.
Eigne Untersuchungen.
Meine eignen Untersuchungen behandeln sowohl den Charakter
der Knorpelzellen als auch die Struktur der Grundsubstanz.
Auf einem Querschnitt durch den Kopfknorpel einer jungen Sepia
officinalis kann man ohne Schwierigkeit die zwei, von Bekgmann
angedeuteten und von Fürbringer näher untersuchten Schichten
bemerken (Textfig. 1). Die innere Schicht (b) ist sehr reich an Grund-
Prch
I
>J
{r
sr3—m<
\
«'
\.
Knz
3>f
Textfig. 1.
Querschnitt durch den Kopfknorpel einer jungen Sepia officinalis. Färbung nach Mallort.
Vergr. 175. «, äußere Knorpellage; b, innere Knorpellage; gf, Blutgefäß; grs, Grundsubstanz;
Knz, Knorpelzelle; Prck, Perichondrium.
Substanz (grs) und enthält rundliche Zellen (Knz), welche durch Aus-
läufer untereinander verbunden sind. Die letzteren treten so deutlich
hervor, daß sie sogar bei schwächeren Vergrößerungen leicht fest-
gestellt werden können. Die Zellen der inneren Schicht liegen ent-
weder vereinzelt oder in den für das Knorpelgewebe charakteristischen
Gruppen. An der Oberfläche der Zelle sieht man zuweilen eine feine
Lage einer sich dunkler färbenden Grundsubstanz. Diese Lage kann
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 669
eventuell als Knorpelkapsel aufgefaßt werden, sie ist jedoch bei weitem
nicht so scharf von der übrigen Grundsubstanz gesondert, wie die
Knorpelkapseln der Gastropoden und Würmer. Jede Knorpelzelle
enthält gewöhnlich einen, seltener zwei Kerne. Manchmal zeigen die
letzteren verschiedenartige Zerschnürungsfiguren, sie vermehren sich
also auf amitotischem Wege. Die Zellen sind reich an Protoplasma,
welches auch in die Zellenverästelungen eindringt, wodurch die letzteren
auf elektiv gefärbten Schnitten scharf hervortreten. Die Grundsub-
stanz (grs) dieser Schicht enthält eine bedeutende Menge Chondro-
mucoide und nimmt daher nach der Behandlung mit Bleu de Lyon,
Bismarckbraun eine braune, nach der HANSENschen Dreifachfärbung
eine blaue Farbe ein. Die Chondromucoide scheinen jedoch in der
Grundsubstanz nicht gleichmäßig verteilt zu sein. Sie sammeln sich
hauptsächlich in der Nähe der Knorpelzellen, weshalb diese Partien
der Grundsubstanz mit den genannten Farben am intensivsten tingiert
werden (Textfig. 1). Die zwischen diesen dunkleren Flecken gelegenen,
chondromucoidärmeren Räume entsprechen ihrem Tinktionsvermögen
nach ungefähr der Grundsubstanz der äußeren Knorpelschicht.
Die äußere Schicht (Textfig. 1 a), welche einerseits in die innere,
anderseits in das faserige Perichondrium (Prch) unmerklich übergeht,
ist viel ärmer an Grundsubstanz und enthält abgeplattete Zellen, an
deren Oberfläche kaum bemerkbare Knorpelkapseln existieren und deren
Ausläufer bei schwächeren Vergrößerungen sehr schwer zu beobachten
sind. Die Grundsubstanz erscheint hier nach Behandlung mit Bleu
de Lyon und Bismarckbraun bläulich, nach Anwendung der HANSEN-
schen Methode rötlich, woraus zu schließen ist, daß sie mehr Kollagen
bzw. weniger Chondromucoide als die der inneren Knorpelschicht ent-
hält. Eine ganz typische Kollagenfärbung konnte ich allerdings bei
den Cephalopoden weder im Knorpel noch im Bindegewebe beobachten.
Ich möchte daher annehmen, daß das Kollagen hier stets in Verbindung
mit andern Stoffen, hauptsächlich wohl mit Mucoiden, vorkommt.
In beiden oben beschriebenen Knorpelschichten trifft man in ver-
schiedenen Richtungen verlaufende Blutgefäße (Textfig. 1 gf).
Was die Zellverästelungen angeht, so bin ich mit Fürbringer
einverstanden, daß sie in beiden Knorpelschichten existieren. Ich
möchte jedoch hervorheben, daß die vom genannten Autor abgebil-
deten regelmäßig angeordneten Verästelungen der äußeren Schicht in
Wirklichkeit Kunstprodukte darstellen, welche in der Grundsubstanz
des Cephalopodenknorpels, ebenso wie in derselben des Vertebraten-
670
M. Nowikoff,
knorpels, wo sie von Studnicka (1905) eingehend untersucht wurden,
sehr häufig vorkommen.
Die Grundsubstanz des Cephalopodenknorpels ist nämlich sogar
bei den jüngeren Tieren ziemlich hart, so daß sie beim Schneiden ge-
wöhnlich mehr oder weniger deformiert wird. Die nebenstehenden
Textfiguren 2 und 3 zeigen verschiedene Arten einer solchen Deforma-
,«nz
Knz
Textfig. 2.
Knz
sp
Textfig. 4. Textfig. 5.
Pseudostrukturen in der Grundsubstanz des Kopfknorpels von Sepia officinalis. Vergr. 500.
Textfig. 2, 3, 5 — innere Knorpellage. Textfig. i — äußere Knorpellage. Knz, Knorpelzelle;
sp, Spalten in der Grundsubstanz.
tion. An einigen Schnittstellen bemerkt man in der Grundsubstanz
eine faserige Struktur, wobei die verschieden dicken Fasern (Textfig. 2)
äußerst regelmäßig und meistens in der Richtung der Bewegung des
Mikrotommessers angeordnet sind. Dieselbe Struktur hat wahrschein-
lich Boll (1869, S. 14) als »die letzte und feinste Verästelung der von
den Knorpelzellen ausgehenden Fortsätze« aufgefaßt. Die Fasern sind
jedoch meist nur an der Oberfläche des Schnittes zu sehen, die innere
Lage desselben erscheint gewöhnlich vollständig homogen. An andern
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 671
Stellen, ebenfalls an der Oberfläche des Schnittes, findet man das auf
Textfig. 3 abgebildete Netz mit unregelmäßigen Maschen. Es kommt
auch vor, daß die beiden beschriebenen Strukturen an einer und der-
selben Steile des Schnittes, namentlich an dessen entgegengesetzten
Flächen, zu beobachten sind. Alle diese Bilder stellen ohne Zweifel
Pseudostrukturen dar, welche hauptsächlich infolge der Keibung des
Mikrotommessers an die Oberfläche der Grundsubstanz, zum Teil
vielleicht auch infolge der Schrumpfung der Grundsubstanz während
der Fixation entstehen.
In der Grundsubstanz entwickeln sich außerdem auch stärkere
Deformationen, welche bis in die inneren Schnittregionen reichen.
Sowohl durch die Wirkung der Fixierungsmittel, als auch des Mikro-
tommesserdrucks werden in der Grundsubstanz Spalten gebildet, welche
den von mir früher (1908, Fig. 72) im Hyalinknorpel des Froschs be-
schriebenen vollkommen entsprechen. Sie verlaufen meist einander
parallel (Textfig. 4 sp), seltener verzweigen sie sich und bilden Ana-
stomosen. Von den Zellfortsätzen, welche stets mehr oder weniger
Protoplasma enthalten, sind die stets leeren Spalten auf gut gefärbten
Präparaten leicht zu unterscheiden. Auf weniger gelungenen Schnitten
können sie jedoch den Eindruck von Zellverbindungen hervorrufen,
da sie oft zwischen zwei benachbarten Knorpelhöhlen verlaufen. Ein
Vergleich der von mir beobachteten Bilder (Textfig. 4) mit Fürbrin-
gers Abbildung (1877) beweist ganz klar,, daß der genannte Autor
mit typischen Pseudostrukturen zu tun gehabt hat.
Genau ebensolche Spalten finde ich stellenweise auch in der inneren
Knorpelschicht (Textfig. 5 sp), wo sie gleichfalls keine Zellausläufer,
sondern Kunstprodukte darstellen.
Zum Studium der Zell Verbindungen sind diejenigen Schnitte am
geeignetsten, deren Grundsubstanz farblos ist, deren plasmatische
Teile dagegen intensiv gefärbt werden. Ein solcher Schnitt durch die
innere Schicht des Kopfknorpels einer jungen Sepia ist auf meiner
Textfig. 6 abgebildet. Die in der Grundsubstanz eventuell vorhandenen
Pseudostrukturen stören hier beim Studium der Zellverbindungen gar
nicht. Die letzteren entspringen von sternförmigen, oft sehr kompli-
ziert gelappten Zellen, verlaufen in allen möglichen Richtungen, ver-
zweigen sich und bilden zahlreiche Anastomosen. Nur stellenweise
liegen einige solcher Zellausläufer einander parallel, meist ist ihre
Anordnung ganz unregelmäßig.
Ein ähnliches Aussehen bieten auch die Zellverbindungen der
äußeren Knorpelschicht dar. Die Zellen sind hier allerdings abge-
672
M. Nowikoff,
plattet (Fig. 1 Knz), sehen also auf Querschnitten spindelförmig aus.
Die von ihnen entspringenden Fortsätze (Knza) sind oft reichlich ver-
zweigt, verlaufen jedoch vorwiegend in einer Richtung, parallel der
Hl
-v-
m
/ u
l
Textfig. 6.
Verzweigte Zellen in der inneren Lage des Kopfknorpels von Sepia officinalis. Vergr. 500.
Knorpeloberfläche. Der Übergang zwischen diesen Zellen und den
sternförmigen Zellen der inneren Knorpelschicht ist ganz allmählich.
p In bezug auf die feinere Struk-
tur der Grundsubstanz bemerke
ich zuerst, daß letztere auf den
in Kanadabalsam eingeschlossenen
Schnitten von Sepia und Eledone in
beiden Knorpelschichten vollstän-
/ X dig homogen aussieht. Ich bin
\ , jedenfalls nicht imstande in solchen
,/' i Schnitten, sogar mit den stärksten
y Vergrößerungen , einen fibrillären
f Bau nachzuweisen. Nur einige
| Schnittstellen (Textfig. 7) zeigen,
obgleich nicht ganz deutlich, das-
selbe Bild, welches ich im Frosch-
knorpel (1908, Fig. 72) beobachten
konnte. Man sieht an solchen Stel-
len ein schwach hervortretendes
Netz mit verdickten Knotenpunkten
(grsiv). Die Maschen des Netzes, welche zwischen zwei Spalten (sp)
liegen, sind gewöhnlich reihenartig angeordnet, so daß ihre mittleren,
1
V( A
\ /
sp
9'
Textfig. 7.
Kopfknorpel einer jungen Sepia officinalis.
Vergr. 2250. grsw, Wabenstruktur der Grund-
substanz; N, Kern der Knorpelzelle; P, Proto-
plasma der Knorpelzelle; sp, Spalten in der
Grundsubstanz.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 673
zusammenhängenden Wände eine etwas dunkler hervortretende Linie
bilden. Dasselbe Bild tritt beim Studium der Schnitte in schwächer
lichtbrechenden Medien, wie z. B. im Wasser, etwas deutlicher hervor;
es darf wohl als eine Bestätigung der Auffassung Bütschlis (1898) be-
trachtet werden, welcher der Grundsubstanz des Äe^a-Knorpels einen
wabigen Bau zuschreibt.
Höchst eigentümlich sieht die Knorpelmasse an einigen Muskel-
insertionsstellen aus (Fig. 2). Die Muskelbündel (M) dringen nämlich
oft sehr tief in die Knorpelgrundsubstanz (Grs) ein, in welcher sie,
von ihren Zellkernen begleitet, in allen Richtungen verlaufen. Sowohl
Quer- (Fig. 2 oben) als auch Längsschnitte durch diese Bündel (Fig. 2
unten links) können nach der Anwendung von elektiven Färbungen
von der Grundsubstanz sehr deutlich unterschieden weiden. Die oben
zitierte, ältere Angabe Köllikers (1844) über muskelähnliche Faser-
bündel, welche der Knorpelgrundsubstanz einen faserigen Charakter
verleihen, bezieht sich wohl nicht auf die Grundsubstanz selbst, sondern
auf solche in sie eingedrungene Muskulatur.
2. Der Subradularknorpel der Gastropoden.
Literatur üb ersieht.
Die knorpelige Beschaffenheit des Stützapparats der Gastropodenradula
ist schon seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts bekannt. So beschreibt
Cuvier (1806, S. 155) diesen Apparat von Limax und Helix, welchen er noch
für eine Zunge hält, mit folgenden Worten: »La langue, comme dans les autres
gasteropodes aussi, est une petite plaque cartilagineuse et elastique, placee sur le
plancher de la bouche. «
Die erste genauere histologische Schilderung des Subradularapparates findet
man in Leberts Arbeit (1846, S. 443, 4). Der knorpelartige Teil des Mundes
von Buccinum undatum, lesen wir in dieser Untersuchung: »auf welchen die
Hakenchorda (Radula) in ihrer ganzen Länge gespannt ist und welcher äußerlich
von Muskelsubstanz bedeckt ist, besteht aus Zellen, welche den Pflanzenzellen
oder den kernhaltigen Zellen der Chorda dorsalis einiger Batrachierembryonen
nicht unähnlich sind . . . Diese Zellen scheinen gruppenweise zusammengestellt,
zwischen welchen durchsichtige Intercellularsubstanz sich befindet. In den
Gruppen nehmen die Zellen eine polygonale Form mit abgerundeten Winkeln an. «
Valenciennes (1851, S. 522) weist auf die Tatsache hin, daß der Subradular-
knorpel in seiner histologischen Beschaffenheit mehr dem Cyclostomenknorpel als
dem der Cephalopoden gleicht.
Eine ausführliche Beschreibung, sowohl des anatomischen als auch des
histologischen Baues des Zungenknorpels der Gastropoden enthält die Abhand-
lung Claparedes über die Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Neritina
fluviatilis (1857). Auf Grund des Studiums einer bedeutenden Anzahl von Gastro-
podenarten kommt Claparede zum Schluß, daß man im Bau des Zungenknorpels
»zwei bis drei Varietäten« unterscheiden kann. Die eine Varietät, welche bei
674 M. Nowikoff,
Neritina und Buccinum zu treffen ist, besteht aus großen geräumigen Zellen und
einer spärlichen Grundsubstanz. Die Zellen sind äußerst regelmäßig in Gruppen
von vier, acht oder sechszehn Zellen angeordnet. Jede solche Gruppe entsteht
infolge der Vermehrung einer Urmutterzelle. Die zweite Knorpelform findet
Clap arede bei Vitrina. Hier sind die Zellen sehr klein und die Zelhvände besitzen
»nur eine unmeßbare Dicke «, so daß das Gewebe mehr einem Epithel als einem
Knorpel ähnlich wird. Der Zungenapparat der meisten andern Pulmonaten ent-
hält eine dritte Varietät des Knorpels. Dieser besteht aus einer mit zahlreichen
Knorpelkörperchen besäten Grundsubstanz. Die Teilung des Inhalts von Knorpel-
körperchen »scheint sehr unregelmäßig vor sich zu gehen, so daß man gewöhnlich
in derselben Mutterzelle Tochterzellen von den verschiedenen Größen findet. «
Bei vielen Helix- Arten »scheint die Grundsubstanz faserig zu sein«. (1857, S. 158
bis 165.)
Die angeführten Angaben Claparedes werden von Boll (1869, S. 4 — 6)
in vollem Maße bestätigt. Im Gegensatz dazu schlägt Loisel (dessen Arbeit
auch eine ziemlich vollständige Übersicht der Literaturangaben enthält) eine
andere, der Wirklichkeit mehr entsprechende Einteilung der Radulastützapparate
der Mollusken vor. Er unterscheidet nämlich die muskulös-bindegewebigen
Apparate der Pulmonaten, einiger Nudibranchiaten und Cephalopoden und die
knorpeligen Appai'ate einiger anderer Mollusken (Buccinum), welche aus echten
Knorpelzellen bestehen und keine Muskelfasern enthalten. Nur die letzteren
Gebilde verdienen den Namen Zungenknorpel, die Apparate der ersten Gruppe
dürfen nur als Stützorgane (pieces de soutien) bezeichnet werden (1893, S. 518).
Eine, mit der Auffassung Loisels übereinstimmende Angabe über den
Stützbalken der Radula der Pulmonaten finden wir auch in der vor kurzem er-
schienenen Zusammenstellung Simroths (1911, S. 310). »Sempers richtige An-
gabe«, bemerkt dieser Autor: daß der Stützbalken von Pulmonaten »rein musku-
lös sei, wurde von Clap arede, Sicard, Lacaze-Duthiers, Joyeux-Laffuie u. a.
wieder durch die Behauptung der knorpeligen Beschaffenheit getrübt. Diese
ist durch die neueren Untersuchungen, namentlich von Plate widerlegt, wenn
auch über die Natur der Elemente noch keine völlige Einigkeit herrscht. Echtes
Knorpelgewebe ist jedenfalls ausgeschlossen«.
Was die neuere Literatur im allgemeinen anbetrifft, so findet man in derselben
keine wichtigeren Angaben über die Histologie des Subradularknorpels.
Die umfangreiche Arbeit über das Verdauungssystem der Gastropoden von
Amaudrut (1898) enthält viele interessante vergleichend-anatomische Bemerkun-
gen über den Subradularknorpel, beschäftigt sich aber garnicht mit dem histo-
logischem Bau desselben.
Das Kapitel über den knorpeligen Stützapparat der Radula in der zweiten
Auflage von Bronns Klassen und Ordnungen (Simroth, 1896 — 1907), welches
hauptsächlich auf Grund der Untersuchungen Amaudrtjts zusammengestellt ist,
bespricht ebenfalls nur den anatomischen Bau des uns hier interessierenden Organs.
In Längs Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere
(1900, S. 285) findet man eine kurze, unbegründete Angabe von Hescheler über
den Bau des Gewebes, aus welchem der Subradularapparat der Gastropoden
besteht. Hescheler meint nämlich, daß in diesem Apparat »es sich nicht um
echten Knorpel, sondern um ein Gewebe, das eine Zwischenstufe zwischen blasig-
zelligem Bindegewebe und echtem Knorpelgewebe einnimmt« handeln soll.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen.
675
Eigne Untersuchungen.
Patella coerulea.
Von den drei untersuchten Gastropodenarten — Patella coerulea,
Fissurella graeca und Haliotis tuberculata besitzt die erstere den am
kompliziertesten gebauten Knorpelapparat. Schon Claparede konnte
in demselben vier Knorpelpaare unterscheiden (1857, Taf. V, Fig. 18).
Amaudrut (1898, S. 46) bezeichnet sie als Vorderknorpel (cartilages
anterieurs), als Hinterknorpel (c. posterieurs), als obere Seitenknorpel
(c. lateraux superieurs) und als untere Seitenknorpel (c. lateraux in-
ferieurs). Die von mir angefertigten Totalpräparate (Textfig. 8) zeigen
jedoch im Bau des Subradu-
larknorpels eine noch größere
Komplizierung. Ich unter-
scheide in ihm zehn Knorpel-
stücke: zwei vordere (V),
zwei hintere (//), zwei seit-
liche obere (SO) und vier
seitliche untere (SU1 und
SU2). Die letzteren vier
werden beim Präparieren des
Schneckenkopfes von der
dorsalen Seite nur dann sicht-
bar, wenn man die seitlichen
oberen Stücke vorsichtig ent-
fernt (Textfig. 8). Auf der
Abbildung Amaudruts sind
diese seitlichen unteren
Stücke als zwei einheitliche Platten dargestellt worden, auf meinen
Präparaten sieht man aber ganz deutlich, daß jede solche Platte aus
zwei Teilen besteht: einem ovalen (SU^ und einem etwa halbmond-
förmigen (SU2), welcher den ovalen an dem äußeren und hintereu
Rande umgibt. Die beiden Teile sind durch Bindegewebe ziemlich
fest miteinander verbunden, weshalb sie beim Präparieren sehr schwer
auseinandergehen und gewöhnlich als eine zusammenhängende Platte
entfernt werden. Die mikroskopische Untersuchung lehrt jedoch, daß
in dem Gewebe, welches die beiden Teile verbindet, keine Knorpelele-
mente vorhanden sind.
Schon beim Studium der Totalpräparate überzeugt man sich, daß
die beiden Vorderknorpel eine von den übrigen vier Knorpelpaaren
Textfig. 8.
Patella coerulea. Knorpeliger Subradularapparat von der
dorsalen Seite gesehen. Vergr. 10. II, Hinter knorpel;
SO, oberer Seitenknorpel; SU1, SU2, hinterer Seiten-
knorpel; V, Vorderknorpel. An der linken Seite ist der
obere Seitenknorpel wegpräpariert.
676 M. Nowikoff,
abweichende Beschaffenheit haben (Textfig. 8). Im einfallenden Licht
erscheinen sie nämlich bedeutend heller, und nach dem Einlegen des
ganzen Knorpelapparats in Glyzerin bleiben sie viel länger undurch-
sichtig als die übrigen Knorpelstücke. Das Glyzerin dringt also in den
Vorderknorpel langsamer ein, woraus zu schließen ist, daß dieser
Knorpel eine besonders dichte Konsistenz besitzt.
Eine solche Vermutung wird auch durch die mikroskopische
Untersuchung bestätigt. Auf den nach Mallory gefärbten Schnitten
(Fig. 3) kann man die beiden Knorpelarten sogar bei schwächerer Ver-
größerung unterscheiden. Die Hauptmasse des Vorderknorpels (VK)
färbt sich gelb, die übrigen Knorpelstücke, darunter auch der Hinter-
knorpel (HK) — blau. Nach Behandlung der Schnitte mit Bleu de
Lyon und Bismarckbraun sehen allerdings die sämtlichen Knorpel des
Subradularapparats braun aus. Die Grundsubstanz des Vorderknorpels
ist aber intensiver als die der übrigen Knorpel gefärbt, und außerdem
fällt sie durch ihre besonders starke Lichtbrechung auf. Auf solchen
Präparaten läßt sich nur im Perichondrium eine feine Lage der bläu-
lich gefärbten, also collagenhaltigen Substanz nachweisen. Die be-
schriebenen Färbungsreaktionen zeigen uns, daß die sämtlichen Teile
des Subradularknorpels reich an Chondromucoiden sind, daß aber die
letzteren verschiedene chemische Beschaffenheiten haben, welcher Um-
stand besonders deutlich bei Anwendung der MALLORYschen Methode
hervortritt. Die beiden Knorpelarten unterscheiden sich auch in
morphologischer Hinsicht. Der Hinterknorpel (Fig. 3 HK) stellt einen
typischen »Knorpel ohne Grundsubstanz« Köllikers dar mit großen,
blasenartigen Zellen und feinen Zwischenwänden. Im Vorderknorpel
(VK) sind die Zellen durchschnittlich kleiner, die Grundsubstanz da-
gegen etwas reichlicher ausgebildet. In den beiden Knorpelarten ist
eine gruppenweise Anordnung der Zellen nachzuweisen, welche im
Hinterknorpel jedoch viel charakteristischer erscheint.
Bei der Anwendung stärkerer Vergrößerungen tritt der Unter-
schied zwischen den beiden Knorpelarten noch klarer hervor. Die
großen mittleren Zellen des Hinterknorpels (Fig. 4) bestehen vor-
wiegend aus Vacuolen (v); Protoplasma (P) ist in ihnen nur spärlich,
in Form feiner, blaß gefärbter Züge vertreten und enthält eine ver-
hältnismäßig geringe Anzahl runder Körnchen (b), welche nach Borax-
carmin und MALLORY-Färbung violett aussehen, d. h. sowohl die Kern-
(rot) als auch die Plasmafarbe (blau) in sich aufnehmen. Solche Körn-
chen findet man gewöhnlich auch in den Knorpelzellen der Vertebraten.
Es ist mir nicht gelungen mit Sicherheit festzustellen, ob sie in irgend-
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 677
einer Beziehung zur Tätigkeit des Zellkernes und zur Bildung der
Grundsubstanz stehen. Eine solche Vermutung ist allerdings nach
der Analogie mit den später zu besprechenden Knorpeln von Fissurella
und Haliotis sehr wahrscheinlich. Die Kerne der mittleren Zellen des
Hinterknorpels von Patella (Fig. 4 Nk) sind kreisrund, reich an Chro-
matin und liegen gewöhnlich unmittelbar in der Nähe der sich neu
bildenden Knorpelscheidewände. Dasselbe Verhalten der Zellkerne
habe ich früher (1908, S. 240) auch im Vertebratenknorpel konstatiert
und habe schon damals die Vermutung ausgesprochen, daß solche
Scheidewände unter dem direkten Einfluß der Zellkerne angelegt werden.
Die peripheren Zellen des Hinterknorpels sind abgeplattet und
zeigen keine gruppenweise Anordnung. Ihre knorpeligen Scheidewände
werden bei der Annäherung an die Oberfläche des Knorpels immer
feiner, bis sie schließlich an den Zellen des Perichondriums (Fig. 3
Prch), in welches die Knorpelmasse allmählich übergeht, vollständig
verschwinden.
Die neu gebildeten knorpeligen Scheidewände im Hinterknorpel
von PateUa (Fig. 4) bestehen aus zwei dicht aneinanderliegenden, homo-
gen aussehenden Kapseln, zwischen welchen die Grenze in Form einer
dunkel gefärbten Linie deutlich hervortritt. In den älteren, dickeren
Scheidewänden bemerkt man zwischen den hellen Kapseln noch eine
mittlere Grundsubstanzlage. Diese färbt sich auf meinen Präparaten
dunkler als die Kapseln und läßt in sich zweierlei Strukturen unter-
scheiden. In den polygonalen Zwickeln zwischen den Zellen sieht
man ein Netz mit ziemlich regelmäßigen Maschen (Fig. 4 Grsiv). Das
Netz entspricht genau dem Bilde der alveolären Struktur, welche ich
auch im Knorpel von Wirbeltieren beschrieben habe (1908). Zwischen
den Alveolenreihen verlaufen hier und da dunkler gefärbte Linien
(Fibrillen), welche der Struktur ein faserig-wabiges Aussehen verleihen.
In den älteren Scheidewänden (nicht in den Zwickeln) dominieren solche
Fibrillen sehr, so daß die Struktur einen andern, ausgesprochen fibril-
lären Charakter bekommt (Fig. 4 Grsj).
Wie sich bei stärkeren Vergrößerungen ergibt, sind die Zellen des
Vorderknorpels etwas reicher an Protoplasma (Fig. 5 P) als die des
Hinterknorpels. Besonders fällt das Vorhandensein einer sehr großen
Menge der oben beschriebenen dunkel-violetten Körnchen in diesen
Zellen auf, welche im ganzen Protoplasma zerstreut, besonders dicht
aber in der Nähe des Zellkernes angehäuft sind. Letztere (Nk) gleichen
genau denen des Hinterknorpels. Sehr eigenartig erscheint dagegen
die Grundsubstanz des Vorderknorpels. Sie besteht aus Knorpel-
678 M. Nowikoff,
kapseln und einer mittleren Lage. Die ersteren (Fig. 5 Kk) sind auf
den mit Mallory gefärbten Schnitten vollständig homogen und grün-
lich-blau, so daß sie vom ebenfalls bläulich aussehenden Protoplasma
schwer zu unterscheiden sind. Erst beim genaueren Zusehen über-
zeugt man sich, daß die grünlich-blauen Säume typische Knorpel-
kapseln, d. h. Ausscheidungsprodukte des Protoplasmas und nicht
das Protoplasma selbst darstellen. Keines der zahlreichen, im Proto-
plasma zerstreuten Körnchen (b) dringt nämlich in die genannten
Säume ein. Die Kapseln sind nur an den mittleren größeren Zellen
zu sehen; in den mehr oberflächlichen, kleineren Zellen scheint das
Protoplasma unmittelbar mit der gelb gefärbten Grundsubstanz in
Berührung zu treten.
Die mittlere Grundsubstanzlage (Fig. 5 Grsw) färbt sich, wie gesagt,
mit Mallory gelb und zeigt einen typischen alveolären, bzw. wabigen
Bau. Die Waben sind gleichmäßig rundlich polygonal; an den Kreu-
zungsstellen ihrer Wände bemerkt man verdickte Knotenpunkte. In
der Grundsubstanz findet man keine Spur von Fibrillen. Die jüngsten
Scheidewände bestehen aus zwei Knorpelkapseln und einer zwischen
diesen liegenden, kaum wahrnehmbaren gelben Lage. In den älteren
Scheidewänden wird diese Lage immer dicker und bekommt einen
alveolären Bau.
Nur an der Stelle, wo der Vorder knorpel durch eine Lage von
Bindegewebsfasern (Fig. 3 Bg) mit dem Hinterknorpel in Verbindung
steht, ist die Oberfläche der gelb gefärbten Grundsubstanz unmittelbar
von einem faserig-bindegewebigen Perichondrium bedeckt. Hier werden
die Knorpelzellen der Oberfläche flacher und gehen so allmählich in
die Bindegewebszellen des Perichondriums über. Die ganze übrige
Oberfläche des gelb gefärbten Vorderknorpels ist von einer Hülle
umgeben, welche aus verhältnismäßig kleinen, verschiedenartig ge-
stalteten, kapselfreien und zum Teil mit Ausläufern versehenen Knorpel-
zellen und aus einer reichlichen, mit Mallory sich blau färbenden
Grundsubstanz besteht. Die Zellen dieser Hülle, ebenso wie die meisten
andern Knorpelzellen, besitzen einen pflanzenzellähnlichen Charakter,
indem sie ansehnliche Vacuolen und wenig Protoplasma enthalten.
Im letzteren sind die oben erwähnten dunkelvioletten Körnchen in
geringerer Menge, als in der mittleren Vorderknorpelregion zerstreut.
Solche Körnchen trifft man übrigens, obgleich selten, auch in einigen
Bindegewebszellen des Perichondriums (Fig. 5). In der knorpeligen
Hülle beobachtet man sehr oft zwei- bis mehrkernige Zellen, welche in
der Mitte des Vorderknorpels, ebenso wie im Hinterknorpel von Patella,
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 679
nur ausnahmsweise vorkommen. Diese mehrkernigen Zellen scheinen
das Resultat einer direkten Kernteilung zu sein, da verschiedenartige
Zerschnürungsstadien der Kerne in den Zellen der Knorpelhülle nicht
selten sind (Fig. 5). Die feinere Struktur der Grundsubstanz dieser
Hülle ist derjenigen im Hinterknorpel sehr ähnlich. Stellenweise,
hauptsächlich in der Nähe der gelben Grundsubstanz, erscheint die
Struktur ausgesprochen wabig. Mehr peripheriewärts trifft man zwi-
schen den Wabenreihen dunkel gefärbte Fibrillen (Fig. 5 Grsf). An
der Oberfläche schließlich zerfällt die Grundsubstanz in bindegewebige
Fasern des Perichondriums (Prch). — Die verästelten Knorpelzellen,
welche für die Cephalopoden so charakteristisch sind, konnte ich bei
Gastropoden nur in der Knorpelhülle des Vorderknorpels von Patella
beobachten. Sie bilden hier eine Übergangsform zwischen echten
Knorpelzellen und Bindegewebszellen. Die Grenze zwischen der gelb
und der blau gefärbten Grundsubstanz des Vorderknorpels ist stellen-
weise scharf ausgesprochen (Fig. 5 oben); stellenweise aber gehen die
beiden Grundsubstanzarten ganz allmählig ineinander über (Fig. 5
unten). Oft kann man sogar beobachten, wie eine und dieselbe Zelle
an einer Seite von blauer, faserig-wabiger, an andrer Seite von gelber,
rein wabiger Grundsubstanz umgeben wird.
Die eben erörterte Eigenartigkeit der Architektur des Vorder-
knorpels darf wohl als Ausdruck einer funktionellen Anpassung be-
trachtet werden. Das Vorderknorpelpaar bildet nämlich den un-
mittelbar unter der Radula liegenden Teil des Stützapparates und
bedarf daher eine besonders große Druckfestigkeit im Vergleich mit
andern Knorpelstücken. Solche Druckfestigkeit wird schon in einem
gewissen Maße durch die dickeren, mit Mallory sich gelb färbenden
Grundsubstanzwände der mittleren Region des Vorderknorpels erzielt.
Diese Wände sind auf Fig. 3, wo das hintere Ende des Vorderknorpels
abgebildet ist, unregelmäßig angeordnet, in den übrigen Teilen des
Vorderknorpels bilden sie ein System von Balken, bzw. Platten, welche
in der Richtung der Druckkräfte, die auf den Knorpel ausgeübt werden,
gestellt sind. Eine solche Architektur tritt noch deutlicher im Knorpel
von Fissurella graeca hervor, wo ich sie noch etwas eingehender be-
sprechen werde. Für die mechanische Beanspruchung des Vorder-
knorpels von Patella spielt außerdem die aus kleineren Zellen und
einer reichlicheren Grundsubstanz bestehende Knorpelhülle eine sehr
wichtige Rolle. Diese Hülle umgibt namentlich den Vorderknorpel
in Form eines festen Cylinders und verleiht ihm auf diese Weise einen
bedeutenderen Grad von Druck- und Biegungsfestigkeit.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 44
680
M. Nowikoff,
Ähnliche mechanische Einrichtungen treten, wie bekannt, in
einigen Pflanzenstengeln und in Röhrenknochen hervor. Sie wurden
jedoch auch in den knorpeligen Skeletteilen der Vertebraten beobachtet.
So bemerkt Schaffer (1901, S. 161, 2), daß die Flossenstrahlen von
Petromyzon marinus aus einem weichen Knorpel bestehen, daß aber
ihre Basalteile von einer dünnen, jedoch harten Knorpelhülle bedeckt
werden. Den mechanischen Effekt einer solchen Architektur vergleicht
Schaffer mit dem der Röhrenknochen. In beiden Fällen soll »eine
möglichst starke Versteifung eines Stützorgans« erreicht werden. In
der, von Schaffer beschriebenen Architektur sind jedoch keine Balken,
bzw. keine Kraftlinien zu konstatieren. Dieser Umstand kann wohl
damit in Zusammenhang gebracht werden, daß die Flossenstrahlen
nur auf Biegungs- und nicht auf Druckfestigkeit beansprucht werden.
Eine auffallende Ähnlichkeit, welche zwischen Schaffers Fig. 28
(Flossenstrahl von Petromyzon) und meiner Fig. 5 (Subradularknorpel
von Patella) existiert, bildet ein schönes Beispiel dafür, daß unter dem
Einfluß der funktionellen Anpassung identische und dabei höchst eigen-
tümliche histologische Bildungen bei systematisch weit entfernten Tier-
formen auftreten können. Einem weiteren, nicht weniger interessanten
Beispiel werden wir bei der Besprechung des Würmerknorpels begegnen.
Fissurella graeca.
Im Subradularapparat von Fissurella unterscheidet Amaudrut
(1898, S. 58) nur drei Knorpelpaare, nämlich das vordere, das hintere
Textfig. 9.
Querschnitt durch den Vorderknorpel des Subradularapparates von Fissurella graeca.
Vergr. 41. M, die beiden Vorderknorpel verbindender Muskel.
und das seitliche ventrale Paar, welch letzteres in Form zweier dünner
knorpeliger Streifen entwickelt ist. Aus meinen Untersuchungen folgt,
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen.
681
daß alle genannten Knorpel ähnlich gebaut sind und zwar entspricht
ihr Bau dem der Hinter- und Seitenknorpel von Patella. Die Zellen
sind in Gruppen angeordnet (Textfig. 9), wobei jede Gruppe gewöhn-
lich aus mehreren, durch äußerst feine Grundsubstanzwände geschie-
denen Zellen besteht. An beiden Enden des länglichen Querschnittes
durch den Vorderknorpel von Fissurella (Textfig. 9a und b) werden
die Grenzen zwischen den Zellgruppen undeutlicher, die Grimdsubstanz-
menge wird hier äußerst gering, so daß man mehr den Eindruck eines
blasigen Stützgewebes als eines typischen Knorpels gewinnt. An der
Oberfläche des Knorpels werden die Zellen flacher und gehen in die
Bindegewebszellen des Perichondriums unmerklich
über. Nur stellenweise ist die äußere Knorpellage
etwas reicher an Grundsubstanz als die innere,
man kann hier aber von keiner ununterbrochenen
Knorpelhülle, wie am Vorderknorpel von Patella
reden.
Die Versteifung des Organs wird bei Fissurella
hauptsächlich durch die Anordnung der Grundsub-
stanz in der inneren Knorpelregion erzielt. Auf
Textfig. 9 sieht man, daß die ganze Knorpelmasse
von einer Art verticaler Balken durchzogen wird.
Diese Balken, oder richtiger Grundsubstanzplatten
bilden die Grenzen zwischen den ältesten Zell-
gruppen; sie sind aber stets in der Richtung der
Druckkräfte angeordnet, welche während der Kau-
bewegungen von der Radula auf den Knorpel aus-
geübt werden. Die Zweckmäßigkeit einer solchen
mechanischen Einrichtung tritt auch bei Betrach-
tung der Textfig. 10 hervor, auf welcher eine Serie
von Querschnitten durch den Knorpelapparat
nebst der darauf liegenden Radula (R) schema-
tisch abgebildet ist. Man erkennt, daß beim
Drücken auf die Radula von oben die beiden
Vorderknorpel (VK) etwas auseinander geschoben
werden, wobei die Drucklinien bzw. Trajektorien in Querschnitt, he, Hinter-
• t T i ir i i i i -1 knorpel; R, Radula; VK,
ihrem Innern mit dem V er laut der obenerwähnten vorderknorpei
Balken, bzw. Platten, zusammentreffen sollen.
Nach Färbung der Schnitte des Fissurella-K.nov\)eh mit Bleu de
Lyon und Bismarckbraun erscheinen sie bei Betrachtung mit bloßem
Auge gleichmäßig braun. Die stärkeren Vergrößerungen zeigen jedoch,
44*
Textfig. 10.
Eine Serie der Querschnitte
durch den knorpeligen Sub-
radularapparat von Fissu-
rella graeca. Vergr. 10. a, der
vorderste, c, der hinterste
682 M. Nowikoff,
daß in solchen Schnitten (Fig. 6) nur das Protoplasma (P), die Knorpel-
kapseln (Kk) und die jüngeren Scheidewände braun gefärbt sind. Die
ältere Grundsubstanz dagegen, welche die Hauptmasse der oben be-
schriebenen Balken bildet, erscheint bläulich, besteht also vorwiegend
aus Collagen. Aus den früheren Untersuchungen von Schaffer,
Hansen und von mir ist bekannt, daß das Collagen ein Merkmal des
älteren, besonders harten Knorpels bildet. Dieser Umstand bestätigt
nochmals unsre Auffassung der vertikalen Balken als einer mecha-
nischen Vorrichtung.
Die feinere Struktur der collagenen Grundsubstanz (Fig. 6 Grs)
ist genau dieselbe wie die der Chondro mucoiden Substanz im Hinter-
knorpel von Patella. In den Zwickeln trifft man gewöhnlich einen
schön ausgesprochenen Wabenbau (Fig. 7 Grsiv) mit unregelmäßig
angeordneten Alveolen von verschiedener Größe und mit deutlich
hervortretenden Knotenpunkten ; in den Zwischenwänden dagegen
findet man fast immer eine typische fibrilläre Struktur (Fig. 7 Grsf).
Als Übergang zwischen den beiden Strukturformen betrachte ich die
reihenweise angeordneten Alveolen, zwischen welchen die feinsten,
dunkel färbbaren Fibrillen eingelagert sind.
Was die Chondro mucoidhaltigen , jüngeren Knorpelscheidewände
(Fig. 6 Schiu) anbetrifft, so erscheinen sie auf Querschnitten in Form
von feinen, doppelkonturierten Streifen, welche von den Knorpel-
kapseln der dickeren Scheidewände entspringen. Nach der Behand-
lung der Schnitte mit Blochmanns Gemisch, welches die Knorpel-
grundsubstanz besonders intensiv färbt, kann man in jüngeren Scheide-
wänden (Fig. 8 Schw) eine feinste Querstreifung nachweisen, deren
Vorhandensein darauf hindeutet, daß die Scheidewand aus einer
einreihigen Lage von Alveolen besteht. Die Scheidewandbildung ver-
läuft wohl in der Weise, daß zuerst eine der benachbarten Zellen flüssige,
chondromucoidhaltige Substanz an ihrer Oberfläche ausscheidet. Diese
Substanz verhärtet sich und wird dabei zu einer einreihigen Alveolen-
lage. Erst später beginnt auch die zweite der benachbarten Zellen
die Grundsubstanz zu bilden, wodurch die junge Scheidewand dicker
wird; sie besteht jetzt aus zwei Alveolenreihen, bzw. aus zwei Kapseln.
Bei weiterer Ausscheidung der Grundsubstanz, d. h. bei der Bildung
der neuen Kapseln, verwandeln sich die früheren Alveolenlagen in
eine collagene Masse, in welcher die konzentrische Anordnung der
Alveolen um die Knorpelzellen eine Zeitlang erhalten bleibt (Fig. 8
Grsw). Später erfolgt unter dem Einfluß des Zellenwachstums und der
sich in der Grundsubstanz entwickelnden Spannungen, eine Verschie-
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen.
683
bung der Alveolen, welche ihre regelmäßige Anordnung verlieren, und
stellenweise erfolgt auch die Umwandlung der alveolären Struktur
in eine fibrilläre.
Das Protoplasma der Knorpelzollen von Fissurella, ebenso wie
das der übrigen, von mir untersuchten Gastropoden, ist reich an Chon-
dromucoiden und tritt auf den mit Bleu de Lyon, Bismarckbraun
gefärbten Schnitten in Form von braunen Strängen (Fig. 6 P) hervor,
zwischen welchen geräumige Yacuolen eingeschlossen sind. Neben
dem kugelförmigen Zellkern beobachtet man gewöhnlich einige bläu-
lich gefärbte Körnchen verschiedener Größe (Fig. 6 Chr), deren Her-
kunft ich nicht näher verfolgen konnte, welche jedoch den, von mir
im Knorpel von Haliotis ge-
nauer untersuchten, eine Art
eben durchaus ähnlich sind.
Haliotis t> iherculata .
Die Vereinfachung des
Knorpelapparates geht bei Ha-
liotis noch weiter als bei Fissu-
rella. Das ganze Stützorgan
der Radula von Haliotis besteht
nur aus zwei Knorpelpaaren:
einem vorderen und einem hin-
teren. Die gegenseitige Bezie-
hung dieser Knorpel zueinander
und zur Radula ist aus der
Textfig. 11 ersichtlich. Jeder
Vorderknorpel stellt eine läng-
liche, auf Querschnitten etwa
birnförmig aussehende Platte
dar. In ihrer vorderen Region
(Textfig. IIa) sind die Platten
(VK) so angeordnet, daß sie
einen spitzen Winkel bilden, in
welchem die Radula (R) liegt.
Je weiter nach hinten (Text-
fig. 116 u. c), um so stumpfer
wird der Winkel und schließlich in der hintersten Region der Knorpel-
platten (Textfig. 12) erscheinen ihre distalen Ränder sogar etwas nach
HK
Textfig. 11.
Eine Serie der Querschnitte durch den knorpeligen
Subradularapparat von Haliotis tuberculata Verar. 10.
Die Bezeichnungen wie in Textfig. 10.
684
M. Nowikoff,
unten gebogen. Die beiden Hinterknorpel (Textfig. 11, 12 HR) liegen in
Form von dünnen Platten unter dem Vorderknorpel und ragen hinten
nur wenig über die letzteren hinaus.
Die Architektur der inneren Regionen des Vorderknorpels ent-
spricht der des Fissureüa-Kiiovpeh. Dieselbe gruppenweise Anord-
nung der Knorpelzellen und dieselben, obgleich nicht so regelmäßig
angeordneten Querbalken (Textiig. 12 VK). Die Druckfestigkeit der
Knorpelstücke wird außer durch diese Balken noch dadurch vergrößert,
daß die oberflächliche Knorpellage meist aus einem grundsubstanz-
reicheren Knorpel mit kleineren, kapselfreien verzweigten Zellen (Fig. 9
Textfig. 12.
Querschnitt durch die hintere Region des knorpeligen Subra&ularapparates von Haliotis tuberculata.
Vergr. 25. Bgw, Bindegewebe; HK, Hinterknorpel; M, Muskel; FZ, Vorderknorpel.
unten) besteht. Hier sehen wir also, ähnlich wie am Vorderknorpel
von Patella, eine, obgleich stellenweise unterbrochene, Hülle aus festerer
Knorpelmasse. Die Hülle ist an den Insertionsstellen der Muskeln
(Fig. 91) besonders stark entwickelt: in die inneren Knorpelregionen
geht sie ganz allmählich über. Die chemische Natur der beiden Knorpel-
arten, soweit ich sie durch Färbungsreaktionen ermitteln konnte, war
genau identisch. Mit Bleu de Lyon und Bismarckbraun färben sich
nämlich das Protoplasma, die Knorpelkapseln und die jüngeren Scheide-
wände braun, die älteren, grimdsubstanzreicheren Scheidewände, so-
wohl im Innern als auch an der Oberfläche des Knorpels, blau.
Was die feinere Struktur der Grundsubstanz angeht, so tritt sie auf
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen, 685
feinen, mit Malloky gefärbten Schnitten oft sehr deutlich hervor
(Fig. 9). In der Knorpelhülle ist sie ausgesprochen wabig (Grsu>);
nur hie und da sieht man in ihr dunkler gefärbte Fibrillen, welche
jedoch stets zwischen die Alveolenreihen eingelagert sind. In inneren
Knorpellagen wird sie immer reicher an Fibrillen, so daß sie im Centrum
des Knorpelstückes einen typischen fibrillären Charakter besitzt ( Grsf) ;
nur in den größeren Zwickeln bleibt die Wabenstruktur erhalten. Es
schien mir zuerst, daß das Bild der Fibrillen als Ausdruck einer streifig-
wabigen Struktur aufzufassen sei; das genauere Studium überzeugte
mich jedoch, daß man es mit einem echt fibrillären Bau zu tun hat
und daß, ebenso wie im fibrillären Bindegewebe, keine Querverbin-
dungen zwischen den einzelnen Fibrillen existieren (Fig. 9 Grsfx).
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Knorpelmasse
teils durch inneres Wachstum, teils durch Anlagerung neuer Schichten
an der Oberfläche vergrößert. Auf Fig. 9 kann man verfolgen, wie
die Bindegewebszellen des Perichondriums (Prch) zu Knorpelzellen
werden. Indem sie Knorpelgrundsubstanz auszuscheiden beginnen,
werden sie größer, bekommen ein blasiges Aussehen, verlieren all-
mählich ihre Ausläufer, umgeben sich mit deutlichen Kapseln und
vermehren sich schließlich zu den, für das Knorpelgewebe charakte-
ristischen Zellengruppen.
Mit einem solchen Wachstum der Knorpelmasse hängt wohl auch
die oben geschilderte Umwandlung der Grundsubstanzstruktur zu-
sammen. Die erst vor kurzem gebildete Grundsubstanz der peripheren
Knorpellagen zeigt eine primitive, wabige Struktur. Infolge des
Wachstums der ganzen Knorpelmasse wird deren oberflächliche Lage
tangential gespannt. Eine solche Spannung ruft die uns bekannte
reihenweise Anordnung der Alveolen und die Bildung der Fibrillen
zwischen den letzteren hervor. In den inneren Knorpelpartien erfolgt
eine Vermehrung und Vergrößerung der Zellen, wodurch die, zwischen
den Zellgruppen vorhandene Grundsubstanz in bedeutenderem Grade
als an der Knorpelperipherie gepreßt, bzw. ausgedehnt wird. In Zu-
sammenhang mit einer dabei sich vollziehenden Verhärtung der Grund-
substanz werden immer mehr Fibrillen gebildet, welche schließlich die
Wabenstruktur fast vollständig ersetzen. Nur in den Zwickeln, wo
kein so starker Druck, wie in den Zwischenwänden herrscht, wo sich
also die Grundsubstanz in einem etwas weicheren Zustande erhält,
kann die Struktur ihren ursprünglichen wabigen Charakter behalten.
Das Protoplasma der Knorpelzellen (Fig. 9 P) erscheint genau
ebenso wie im Knorpel von Fissurella. Neben den Zellkernen {Nk)
686 M. Nowikoff,
liegen in vielen Zellen Körnchenhaufen (Chr), welche ich als einen
von Nucleolen abstammenden Chromidialapparat auffasse. Diesen
Apparat habe ich schon früher ausführlicher beschrieben; ich brauche
daher auf die Einzelheiten nicht nochmals einzugehen und verweise
auf meine diesbezügliche Mitteilung (1909b). Hier möchte ich nur
den Umstand hervorheben, daß die haufenweise um die Zellkerne an-
geordneten Körnchen (Chr) im Knorpel von Fissurella und Haliotis
mit den im Protoplasma der Knorpelzellen von Patella, Limulus und
manchen Vertebraten zerstreuten Körnchen (b) eine große Ähnlichkeit
besitzen. Alle diese Körnchen stellen wohl Produkte der Kerntätigkeit
dar. Sie können entweder dem Protoplasma eine formative Energie
(zur Grundsubstanzbildung) verleihen oder von demselben als Material
für den Aufbau der Grundsubstanz verwendet werden.
IV. Das Knorpelgewebe der Würmer.
Literatur über sieht.
Das Knorpelgewebe kommt nur bei den Sabelliformia unter den
Chaetopoden vor. Es entwickelt sich als ein Stützapparat in den Kiemen -
fäden. Die Knorpelzellen sind hier im Vergleich mit den übrigen histologischen
Elementen so groß, daß sie schon vor der Begründung der allgemeinen Zellen-
lehre, im Jahre 1838 von Grube beschrieben wurden. Die Hauptfäden der Kiemen
sind, nach dem genannten Autor »sehr biegsam, aber doch von einer hornigen
Textur und so konsistent, daß man von ihnen Epidermis und Pigmentschicht
entfernen kann? ohne sie selbst zu verletzen; sie bestehen aus einer Reihe dicht
hintereinander stehender Scheidewände und Kämmerchen «. Aus ähnlichen
Kämmerchen, in welchen »hin und wieder runde Kügelchen, wie Blutkügelchen «
liegen, besteht auch das Innere der Nebenfäden, was den letzteren ein gegliedertes
Aussehen verleiht. In den beiden Basisblättern, welche vom Kopf des Wurmes
entspringen und auf welchen die Hauptfäden sitzen, bemerkt Grube »ein ganz
eigentümliches, sehr zartes, fast schwammiges Gebilde«, welches ihm »aus klaren
eiförmigen Bläschen zusammengesetzt« zu sein scheint (1838, S. 28). Ich brauche
kaum hervorzuheben, daß die Kämmerchen und die eiförmigen Bläschen Grubes
nichts andres als Knorpelzellen, seine runden Kügelchen aber die Zellkerne waren.
In der etwas später veröffentlichten Arbeit Quatrefages' (1850, S. 295
bis 296) findet man schon eine genauere Beschreibung des Annelidenknorpels.
«A la partie anterieure du corps des Sabelles, des Serpules etc.», sagt er: «on
trouve un veritable squelette interieur sur lequel viennent s'inserer les muscles
du corps et ceux de la tete. Ce squelette se prolonge de maniere ä former une
sorte de charpente dont la forme est reproduite au dehors par celle des branchies
elles-memes. La portion branchiale de ce squelette adhere intimement ä la portion
cephalique chez les Serpuliens. Au contraire, chez les Sabelles, ces deux portions
ne sont que tres faiblement reunies l'une ä l'autre, et voilä pourquoi la couronne
de branchies des Sabelles se detache si aisement du corps de Tanimal. Dans le
corps comme dans la branchie, le squelette presente l'aspect d'un cartilage moins
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 687
resistant que les muscles ou les tendons qui s'y inserent. Sa substance est par-
faitement transparente et entierement composee de ccllules juxtapposees. Ces
cellules sont generalement allongees et disposees sur plusieurs rangs dans les
troncs branchiaux. Dans les barbules, eile ne forment qu'une seule rangee qui
commence par une cellule spherique logee au milieu de celles du tronc. Des cellules
ovoi'des decroissant rapidement de diametre forment la base du squelette de la
barbule, qui conserve ensuite les memes dimensions jusqu'a son extremite. Une
membrane fibreuse tres resistante revet tout le squelette et represente une sorte
de perioste. »
Im nächsten Jahr beobachtet Leydig (1851, S. 328 — 329) dasselbe Gewebe
in den Kiemen von Ämphicora mediterranea. »Bemerkenswert«, schreibt er, »ist
der feinere Bau dieser Kiemen: sie besitzen in den Stämmen eine Art Skelet, das
von Kalilösung nicht angegriffen wird und in seinem Aussehen sehr an den Knorpel
erinnert, welcher bei den Fischen die Kiemenblättchen stützt. Es besteht das
betreffende Skelet aus zwei Reihen viereckiger Körper, die hell und scharf kon-
touriert sind und nach Essigsäure in jedem einen kleinen Kern erkennen lassen.
Sie nehmen sich dann aus wie Zellen mit verdickten Wänden. « Ein ähnliches
Kiemengerüst findet Leydig (1854, S. 313) auch bei Serpula, wo es »aus sehr
dicht aneinander liegenden, gewissermaßen knorpelähnlichen Zellen« besteht.
Eine eingehende Darstellung des Knorpelapparates der Anneliden lieferte
Kölliker in seinen Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre (1858,
S. 114 — 116). In der Mitte jedes Kiemenhauptstrahles von Sabella unispira
findet er einen knorpeligen Achsenstrang, dessen »Zellen eine rundlich polygonale
Form, eine Größe von 0,02 — 0,04'" und darüber, eine Wandung von 0,0005 bis
0,0001"' Dicke und einen wasserklaren Inhalt mit einem kleinen runden Kern
samt Kernkörperchen besitzen«. In bezug auf ihr Verhalten gegen Säuren. und
Alkalien stimmen diese Zellen ebenfalls mit Knorpelzellen von Wirbeltieren überein.
In den Nebenstrahlen liegen die Knorpelzellen in einer Reihe und zeigen eine
sehr regelmäßige Bildung. Alle Stränge der Hauptstrahlen setzen sich auch in
die beiden die Kiemenstrahlen stützenden Blätter und verschmelzen dort zu
zwei mächtigen Knorpelplatten, welche an der Rückenseite miteinander ver-
wachsen, an der Bauchseite dagegen nur dicht zusammentreten.
In neuerer Zeit wurden meines Wissens keine speziellen Untersuchungen
über den Knorpel der Anneliden angestellt. Einige kurze beiläufige Bemerkungen
darüber, welche wir in andern Organen gewidmeten Arbeiten finden, enthalten
nichts Neues.
Eigne Untersuchungen.
Das Knorpelskelet der Sabelliden besteht, wie es die früheren
Autoren richtig schilderten, aus zwei Platten, welche in den basalen
Kiemenblättern liegen, sowie aus den die Hauptstrahlen der Kiemen
durchziehenden Knorpelfäden und schließlich aus ebensolchen jedoch
feineren Fäden der Nebenstrahlen.
Im Knorpelgewebe unterscheidet man blasige, polygonale, bzw.
rundliche Zellen und eine spärliche Gnmdsubstanz, welche einen sehr
gut ausgesprochenen chondromucoiden Charakter besitzt. Sie färbt
688 M. Nowikoff,
sich nämlich intensiv mit Thionin, erhält eine dunkelblaue Farbe
nach der Anwendung der ÜANSENschen Methode und wird braun
nach Behandlung mit Bleu de Lyon und Bismarckbraun.
Wenn man die basalen Knorpelplatten auf Querschnitten (Fig. 32
Bp) untersucht, so erscheinen die Knorpelzellen unregelmäßig ange-
ordnet. Sie sind verschieden groß und recht mannigfaltig gestaltet.
Nur selten findet man hier von der übrigen Knorpelmasse abgesonderte
Zellengruppen. Auf Längsschnitten bietet dagegen derselbe Knorpel
ein ganz andres Aussehen dar (Fig. 10 Bp). Die Zellen erscheinen
dann gewöhnlich viereckig, plattgedrückt und in Form von Säulchen
angeordnet. Einige dieser Säulchen setzen sich auch in die Haupt-
strahlen der Kiemen fort.
Das Knorpelskelet der Hauptstrahlen ist sehr regelmäßig gebaut.
Bei einigen Sedentariern (Sabella infundibulum — Fig. 19 Hs) besteht
es aus einer Reihe abgeplatteter Zellen, welche an der Oberfläche des
Stranges eine dickere Grundsubstanzmasse ausscheiden, voneinander
dagegen nur durch ganz feine Zwischenwände getrennt werden. Die
Architektur eines solchen Hauptstrahles, welche man mit einem hohlen
dickwandigen Cylinder vergleichen kann, gleicht der der Chorda von
Amphioxus. Der übereinstimmende morphologische Bau ist auch hier
als Ausdruck einer und derselben Funktion der beiden genannten Ge-
bilde zu betrachten. Sowohl die knorpeligen Hauptstrahlen der Chäto-
podenkiemen als auch die Chorda dorsalis der Acranier sind elastische
Achsen, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Kieme, bzw. den ganzen
Körper zu stützen, d. h. ihnen eine gestreckte Form zu verleihen.
Eine ähnliche Architektonik beobachtete Schaffer (1901, S. 129,
Fig. 10) auch in den Flossenstrahlen von Ammocoetes, wo sie gleich-
falls zur Biegungsfestigkeit beiträgt.
Die Knorpelachsen in den Hauptstrahlen der Sabella infundi-
bulum bestehen, wie gesagt, je aus einer Reihe von Knorpelzellen.
In ihren dickeren, basalen Regionen kann man jedoch zwei bis vier
solcher Reihen unterscheiden (Fig. 18 Es). Eine noch größere Anzahl
von Knorpelzellen findet man auf Querschnitten durch die Haupt-
strahlen andrer von nur untersuchter Sedentarier (Fig. 11, 12). Bei
Spirographis Spallanzani sind gewöhnlich sämtliche Zellen eines solchen
Querschnittes (Fig. 12 Hs) durch eine dickere Scheidewand, welche den
ovalen Querschnitt der Länge nach durchzieht, in zwei Gruppen geteilt.
In den Hauptstrahlen von Branchiomma Köllikeri (Fig. 11 Hs) sieht
man, daß jede solche primäre Zellengruppe in eine Anzahl von kleineren,
sekundären Gruppen zerfällt.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 689
Die in den Nebenstrahlen verlaufenden Knorpelstränge werden je
aus einer Reihe von Zellen gebildet, die jedoch nur selten plattgedrückt,
gewöhnlich aber mehr oder weniger stark in die Länge ausgezogen sind.
Die durchschnittliche Größe dieser Zellen ist viel geringer als die der
Hauptstrahlzellen. Bei einigen Anneliden, wie z. B. bei Sabella in-
fundibulum (Fig. 19 Ns), sind die äußeren, mit dem Perichondrium
in Berührung tretenden Knorpelwände der Nebenstrahlen dicker als
die inneren, die benachbarten Zellen voneinander trennenden Knorpel-
wände. Hier erscheint also der ganze Strang in Form eines dickwan-
digen Cylinders, dessen Hohlraum durch feine Querwände in einzelne
Zellen geteilt wird. In andern Fällen (Branckiomma Köllikeri — Fig. 11
Ns) sind einige Zellen in der basalen Region des Nebenstrahls allseitig
von gleichdicken Grundsubstanzlagen umgeben, weshalb eine solche
Region bei Betrachtung von außen gegliedert erscheint und mehr an
eine Kette als an einen glattwandigen Cylinder erinnert. In den distalen
Partien des Stranges sind die peripheren Knorpelwände gewöhnlich
auch hier (Fig. 11 Ns) dicker als die Zwischenwände.
Die erste basale Knorpelzelle des Nebenstrahls ist stets viel größer
als die übrigen Nebenstrahlzellen. Bei Branchiomma Köllikeri (Fig. 10
Bz) übertrifft sie sogar diejenige der meisten Hauptstrahlzellen. Die
Gestalt dieser Basalzelle ist im Vergleich mit andern Knorpelzellen
gleichfalls abweichend. Bei Sabella infundibulum (Fig. 18, 19 Bz) er-
scheint sie kugelförmig, wobei ihre knorpelige Membran sich in einer
losen Verbindung, vielleicht sogar nur in Berührung mit der Knorpel-
masse des Hauptstrahls befindet. Sie bildet also eine Art Scharnier,
durch welches die Skeletachse des Nebenstrahls an der des Haupt-
strahls beweglich befestigt ist. Bei Br. Köllikeri erscheint die Basal-
zelle auf Querschnitten durch die Nebenstrahlen kreisrund (Fig. 10 Bz),
auf Längsschnitten dagegen (Fig. 11 Bz) viereckig, wobei sie mit ihrer
breiteren Basis an der Oberfläche des Hauptstranges festsitzt, an ihrem
distalen, schmaleren Ende den Knorpelstrang des Nebenstrahls trägt.
Die Einrichtung der Basalzelle verleiht also hier dem Nebenstrahl
keine so leichte Beweglichkeit wie bei S. infundibulum. Die Beweg-
lichkeit wird aber in diesem Nebenstrahl auf anderm Wege, nämlich
durch den oben erwähnten gegliederten Bau seiner proximalen Partien
erreicht.
Im Anschluß an die obige Betrachtung der Skeletelemente der
Chaetopodenkiemen möchte ich auch die sie bewegenden Muskeln be-
schreiben. In den von mir untersuchten Kiemen konnte ich drei Arten
von Muskeln nachweisen, erstens die Längsmuskeln der Hauptstrahlen
690 M. Nowikoff,
(Mx), zweitens die Muskeln, welche die Knorpelstränge der benach-
barten Hauptstrahlen (M2) und drittens diejenigen, welche die Knorpel-
stränge der benachbarten Nebenstrahlen miteinander verbinden (Ms).
Die Längsmuskeln sind in den Hauptstrahlen von Spirographis
Spallanzani (Fig. 12) besonders mächtig entwickelt. Die Muskelbündel
treten hier in die Kiemenstrahlen aus den basalen Kiemenplatten, wo
sie in Form eines mächtigen Stranges (M) verlaufen. Dieser Strang
teilt sich, ebenso wie der dicke Nervenstrang (Nv) und das starke
Blutgefäß (Gf) der Kiemenplatte, in mehrere kleinere Aste, welche die
Hauptstrahlen versorgen. In jeden Hauptstrahl tritt also ein Knorpel-
strang (Hs), ein Muskelstrang {Mx), ein größeres Blutgefäß (Gf) und
zwei Nervenstränge (Nv) ein, welche letzteren den beiden Seitenwänden
des Strahls dicht anliegen. Auf einem etwas schief geführten Quer-
schnitt durch den Wurm (Fig. 12) kann man beobachten, daß der
Muskelstrang in der Basalregion des Hauptstrahls eine bedeutendere
Dicke als der Knorpelstrang besitzt, daß er aber entsprechend dem
weiteren Verlauf des Hauptstrahls immer feiner wird, um schließlich
vollständig zu verschwinden (Fig. 12 rechts). Der Muskelstrang ver-
läuft auf diese Weise nur in der basalen Partie des Hauptstrahls, welche
mit benachbarten Hauptstrahlen durch eine dünne Membran — Fort-
setzung der Basalplatte — verbunden wird. Der Muskelstrang ver-
läuft stets an der centralen, der elastische Knorpelstrang dagegen an
der peripheren Seite des Hauptstrahles, so daß der letztere, infolge
der Muskelkontraktion, in der Richtung zur Kopfspitze gebogen wird.
Außer den beschriebenen Längsmuskeln konnte ich in den Kiemen
von Sp. Spallanzani keine weitere Muskulatur nachweisen.
Bei sämtlichen andern von mir untersuchten Sedentariern setzt
sich die Längsmuskulatur auch in distale Regionen der Hauptstrahlen
fort, wo sie aber eine abweichende Form erhält. Sie zerfällt hier näm-
lich in kurze Abschnitte (Fig. 10, 19 Ms), welche die Basalteile der
Nebenstrahlen miteinander verbinden und eine Verschiebung der
letzteren gegeneinander verursachen können. Bei stärkerer Kontrak-
tion sind diese Muskeln wohl imstande, auch eine Einrollung des ganzen
Hauptstrahls in der Richtung zur Kopfspitze zu bewirken. In den
mit Nebenstrahlen versehenen Basalteilen der Hauptstrahlen von
Sabella infun&ibulum sind die Längsmuskeln der Hauptstrahlen (Fig. 18
Mx) zugleich auch die Muskeln der Nebenstrahlen (Ms).
Eine dritte Art von Kiemenmuskeln verbindet die basalen Partien
der Hauptstrahlen miteinander, bedingt also bei ihrer Kontraktion
ein Zusammenschieben derselben. Solche Quermuskeln sind bei Sabella
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 691
reniformis sehr schwach, bei S. infundibulum (Fig. 18 M2) schon ganz
deutlich, am mächtigsten aber bei Branchiomma Köllikeri (Fig. 10 M2)
entwickelt.
Die Knorpelzellen sämtlicher von mir untersuchten Anneliden
haben dasselbe blasige pflanzenzellenähnliche Aussehen wie die Zellen
im Knorpel der Gastropoden und Vertebraten. Die Hauptmasse der
Zelle ist mit Flüssigkeitsvacuolen erfüllt, das Protoplasma (Fig. 13,
15 P) umgibt nur den Zellkern in Form einer Hülle, von welcher einige
protoplasmatische Ausläufer entspringen, die jedoch (wenigstens auf
dem fixierten Material) ganz kurz sind und im Inneren der Zellen kein
zusammenhängendes Netz bilden, wie es in den Knorpelzellen der
Gastropoden zu beobachten ist. Jede Knorpelzelle enthält gewöhnlich
einen, seltener zwei Kerne. Ich war nicht imstande im Protoplasma
irgendwelche körnige Einschlüsse zu konstatieren.
Der Bau der Knorpelgrundsubstanz erscheint bei schwächeren
und auf dunkel gefärbten Schnitten sogar bei den stärksten Vergröße-
rungen vollständig homogen (Fig. 10, 11, 12, 18, 19). Nur auf feinen,
nach Hansens Methode sehr vorsichtig behandelten Schnitten unter-
scheidet man in den knorpeligen Scheidewänden zweierlei Schichten.
Die die Knorpelzelle unmittelbar umhüllende Schicht, welche man als
Knorpelkapsel bezeichnen kann (Fig. 13, 15 Kk), bildet gewöhnlich die
Hauptmasse der Scheidewand. Zwischen den Knorpelkapseln der be-
nachbarten Zellen befindet sich eine meist sehr feine Schicht der eigent-
lichen Grundsubstanz (Fig. 13, 15 Grs), welche nach Hansens Methode
ebenso wie die Knorpelkapseln blau, jedoch viel intensiver als letztere
gefärbt wird. Nur in den Zwickeln zwischen drei oder vier Knorpel-
zellen tritt die mittlere Grundsubstanz in größeren Mengen hervor,
indem sie hier auf Schnitten in Form von drei- bis viereckigen Feldern
erscheint. Ausnahmsweise findet man im Kiemenknorpel allerdings
Stellen, wo die mittlere Grundsubstanz eine ebenso dicke Lage wie
die Knorpelkapseln oder eine noch dickere bildet (Fig. 17).
Unmittelbar an der Grenze des Perichondriums (Fig. 15, 17 Prch)
liegt immer eine mehr oder weniger feine Lage der eigentlichen Grund-
substanz (GrSi). Es läßt sich denken, daß die Knorpelzelle an ihrer
Oberfläche zuerst diese Lage und erst sekundär die Knorpelkapsel
ausscheidet. Die mittlere Grundsubstanzlage stellt also ebenso wie
bei den Gastropoden, nichts andres als die modifizierte Knorpelkapsel dar.
Nicht alle Zwickel werden jedoch von Knorpelgrundsubstanz aus-
gefüllt. In den größeren von ihnen finde ich auf meinen Präparaten
nicht selten einen protoplasmatischen Inhalt (Fig. 13 x). Es ist schwer
692 M. Nowikoff,
zu sagen, ob man es in diesem Fall mit degenerierten Knorpelzellen
oder mit Resten der in die Knorpelmasse einbezogenen Epithelzellen
zu tun hat.
Auf Querschnitten durch die Knorpelscheidewände kann man in
letzteren keine feinere Struktur nachweisen. Sogar mit stärksten Ver-
größerungen sehen sowohl die Knorpelkapseln als auch die mittleren
Grundsubstanzlagen vollständig homogen aus. Wenn man dagegen
die dünneren Scheidewände, deren Dicke oft nur 2 — 3 f.i beträgt, von
der Fläche betrachtet (solche Flächenansichten sind in jedem Knorpel-
schnitt zu finden), so tritt eine regelmäßig netzige bzw. wabige Struktur
ziemlich deutlich hervor (Fig. 13, 15 Kw). Es ist unmöglich in der
letzteren irgendeine Spur von Fibrillen nachzuweisen. Ich war nicht
imstande festzustellen, ob diese Struktur den Knorpelkapseln oder der
mittleren Grundsubstanzlage angehört.
Nach Hansens Methode färbt sich die ganze knorpelige Scheide-
wand, wie schon oben erwähnt, blau. Sie enthält also Chondromucoide,
welche jedoch, ebenso wie im Vorderknorpel von Patella (Fig. 5), ver-
schiedener chemischer Natur sind. Nach Anwendung der Dreifach-
färbimg Mallorys erscheint auch im Annelidenknorpel die mittlere
Grundsubstanz (Fig. 17 Grs) gelblich-braun, die Knorpelkapseln da-
gegen (Kk) bläulich.
Eine besondere Besprechung verdient die collagenartige Masse,
welche die Knorpeloberfläche sowohl in Basalplatten als auch in Haupt-
und Nebenstrahlen der Würmerkiemen umhüllt. Diese mit Bleu de
Lyon, Bismarckbraun blau und nach Hansens Methode rot sich färbende
Masse habe ich als Perichondrium (Prch) bezeichnet, obgleich sie mit
dem typischen bindegewebigen Perichondrium der Mollusken und
Wirbeltiere nicht identifiziert werden darf. Um die Knorpelachse
jedes Kiemenstrahls bildet diese feste collagenartige Masse eine Art
Cylinder, welcher die Biegungsfestigkeit des Strahls bedeutend erhöht.
Außerdem füllt diese Masse in den Kiemen fast alle freien Räume
zwischen der Epidermis und den inneren Organen aus. In den größeren
Räumen der basalen Kiemenplatte bekommt sie einen spongiösen Cha-
rakter (Fig. 12 oben), indem sie in Bündel collagener Fasern zerfällt,
welche sich miteinander in verschiedenartigen Richtungen kreuzen.
Die Fasern treten auch in die Muskulatur (M) ein, wodurch letztere
auf Querschnitten in größere oder kleinere Felder geteilt erscheint.
Die perichondrale collagenhaltige Masse erscheint bei schwächeren
Vergrößerungen entweder strukturlos (Fig. 10, 12 Prch) oder gestreift
(Fig. 11, 18, 19 Prch). Stärkere Vergrößerungen (Apochr. 2 mm, Oc. 4)
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 693
enthüllen in ihr jedoch eine typische und sehr deutliche alveoläre
Struktur. Auf Querschnitten durch den Hauptstrahl der Kieme von
Sahella reniformis (Fig. 15) besteht dies Perichondrium aus unregel-
mäßig angeordneten, polygonal-rundlichen, durchschnittlich etwa 1 it
großen Waben, deren Wände mit Fuchsin rot gefärbt werden, während
ihre Hohlräumchen farblos bleiben. Stellenweise ordnen sich die Waben
in Reihen, welche der Perichondriumoberfläche parallel verlaufen und
das oben erwähnte streifige Aussehen des Perichondriums hervorrufen.
Sehr charakteristisch erscheint die oberflächliche, an die Epidermis
grenzende Lage des Perichondriums (ah). Die Alveolenwände sind hier
senkrecht zur Oberfläche gestellt, wodurch ein sogenannter Alveolarsaum
Bütschlis entsteht, welcher in der äußersten Lai>e wabig strukturierter
Substanzen überall zu finden ist.
Auf Fig. 16 ist ein Stück des nach Malloky gefärbten Perichon-
driums (Prch) nebst einigen Epidermiszellen (Ep) von einer jungen
Sabella reniformis abgebildet. Die collagenartige Masse erscheint hier
blau und zeigt einen deutlichen und typischen Wabenbau. Sowohl die
Größe, als auch die Gestalt der Waben sind verschieden. Ihr Durch-
messer schwankt von 1/2 bis 3 (.i, wobei die kleineren Waben oft einen
Alveolarsaum um die größeren bilden. Die reihenweise angeordneten
Waben sind gewöhnlich in der Richtung der Reihe mehr oder weniger
ausgezogen. Der Alveolarsaum an der Berührungsstelle mit der Epi-
dermis tritt auch hier stellenweise ganz deutlich hervor (ah).
Auf der Grenze zwischen dem Perichondrium und der Knorpel-
grundsubstanz (Fig. 17) sind die äußersten Waben des Perichondriums
ebenfalls in Form eines Alveolarsaums (ah) angeordnet.
Das obenbeschriebene Perichondrium wurde auch von Kölliker
(1858) in den Hauptstrahlen der Chaetopodenkiemen beobachtet und
abgebildet. Es wurde jedoch von dem genannten Autor ganz irrtüm-
lich als »longitudinale Muskellage« aufgefaßt.
In bezug auf die Histogenese des Perichondriums möchte ich
folgendes bemerken. Bei Branchiomma Köllikeri (Fig. 11), Sabella
infundibulum (Fig. 18, 19) und S. reniformis (Fig. 15 — 17) findet man
in ihm keine Zellen, welche man eventuell als Bildnerinnen seiner Sub-
stanz auffassen könnte. Die letztere kann auch keinesfalls von den
Knorpelzellen stammen. Es bleibt also nur eine einzige Vermutung-
übrig, diejenige nämlich, daß die perichondrale Masse von den Epi-
dermiszellen ausgeschieden wird. Die auf meinen Fig. 15 und 16
wiedergegebenen Bilder sprechen ganz entschieden für eine solche Ver-
mutung. Die Epidermiszellen sind nämlich stark in die Länge gezogen,
694 M. Xowikoff,
wobei ihr Protoplasma eine deutliche Längsstreifung zeigt, welcher Um-
stand in den Epithelzellen gewöhnlich mit einer secretorischen oder
excretorischen Tätigkeit in Zusammenhang steht. Wir wissen allerdings,
daß eine solche Tätigkeit sich an der äußeren Oberfläche der Epidermis
vollzieht, wo die Cuticula ausgeschieden wird. Es scheint mir jedoch,
daß sie an der inneren Epidermisfläche noch viel intensiver ist. Schon
oben, bei der Besprechung des Molluskenknorpels hob ich hervor, daß
die Zellkerne sich gewöhnlich in derjenigen Zellregion finden, wo sich
eine besonders intensive forma tive Tätigkeit entwickelt. Die meisten
Zellkerne der Epidermis einer jungen S. reniformis (Fig. 15 Ne) liegen
in der nächsten Nachbarschaft des Perichondriums, welches also ver-
mutlich unter dem Einfluß der Kernstoffe auf das Protoplasma ge-
bildet wird. Die dem Perich ondrium unmittelbar anliegende Lage
des Protoplasmas ist viel dunkler tingierbar als das übrige der Epi-
dermiszellen. Die Grenze zwischen der Epidermis und dem Perichon-
drium ist jedoch ebenso scharf ausgesprochen, wie die zwischen dem
Protoplasma und der Grundsubstanz des Knorpels. In beiden Fällen
müssen wir also annehmen, daß die Grundsubstanz von entsprechenden
Zellen in Form eines Secrets ausgeschieden wird, im Gegensatz zum
Knochengewebe, wo, wie ich schon früher zeigte (1909, Fig. 24), das
Protoplasma der Osteoblasten in die Grundsubstanz ganz allmählich
übergeht, wo also die letztere durch einen Umbildungsprozeß aus
dem ersteren entsteht.
Weiteren Aufschluß über den Bildungsprozeß des Perichondriums
aewinnt man beim Studium des Baues der Zellkerne. Bei Anwendung
der MALLORY-Färbung (Fig. 16) unterscheidet man in den Kernen
der Epidermiszellen zwei Arten von Chromatinkörnchen : bräunlich-
gelbe und blaue. Diese Doppelartigkeit des Chromatins tritt übrigens,
obgleich nicht so deutlich, auch auf den nach Hansen gefärbten Schnit-
ten hervor (Fig. 15). Sie ist allerdings nur bei jüngeren Tieren nach-
zuweisen (auf Fig. 13 und 14, welche Querschnitte durch erwachsene
Würmer darstellen, sehen alle Chromatinkörnchen blau aus) und darf
wohl als Ausdruck einer besonders lebhaften, mit der Perichondrium-
bildung in Zusammenhang stehenden Funktionierung des Zellkernes
betrachtet werden. Diejenigen Epidermiskerne, welche in der Mitte
der Zellen (Fig. 15 Ep rechts) bleiben, enthalten nur eine Art Chro-
matinkörner.
In den dem Perichondrium benachbarten Regionen der Epidermis-
zellen findet man eine Anzahl von Körnchen (Fig. 16 Je), welche nach
MALLORY-Färbung sich durch ihre blaue Farbe vom gelben Proto-
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 695
plasma unterscheiden. Diese Körnchen können mit den von mir im
Gastropodenknorpel beobachteten Chromidien verglichen werden. Sie
sind an der Oberfläche des Perichondriums besonders dicht angehäuft
und stellen wohl diejenigen Produkte der Epidermiszellen dar, welche
zum Aufbau des Perichondriums dienen.
Ein etwas abweichendes Aussehen bietet das Perichondrium der
erwachsenen Spirographis Spallanzani. In der deutlich wabigen,
collagenartigen Mas*se dieses Perichondriums (Fig. 13, 14 Prch) findet
man hier und da verzweigte, sowohl miteinander als auch mit den
Zellen der Epidermis durch Ausläufer verbundene Zellen (Fig. 13 Epzlt
Fig. 14 Epz). Nach einer vergleichenden Untersuchung mehrerer
Schnitte kam ich zur Überzeugung, daß solche Zellen von der Epi-
dermis stammen. Auf dieselbe Weise nämlich, wie die in die Knochen-
zellen sich umwandelnden Osteoblasten, werden einige Epidermiszellen
(Fig. 13 Epz) von der sich bildenden Substanz des Perichondriums
umhüllt. An einigen Stellen erinnert das Perichondrium mit seinen
verästelten Zellen lebhaft an das Knochengewebe, an andern Stellen
(Fig. 13 rechts) sieht es jedoch mehr der Dentinsubstanz ähnlich.
Im letzteren Falle senden die Epidermiszellen, ebenso wie die Odonto-
blasten der Vertebraten, in die von ihnen gebildete Grundsubstanz
feine Ausläufer (Fig. 13, 14 Za), welche sich zum Teil verästeln, vor-
wiegend aber einander parallel verlaufen. Solche Ausläufer, bzw.
Kanälchen, ziehen oft durch die ganze Dicke des Perichondriums,
reichen also bis zur Oberfläche des Knorpels. Das Vorhandensein von
grün gefärbtem Protoplasma in den meisten Kanälchen (nach Han-
sens Methode) kann als Beweis dienen, daß man es hier mit wirklichen
Zellfortsätzen und nicht mit einer Kunststruktur des Perichondriums
zu tun hat.
Ich habe schon hervorgehoben, daß das wabige Perichondrium
ganz allmählich in die faserige, der bindegewebigen Grundsubstanz
von Vertebraten ähnliche Masse übergeht, welche das Innere der
Kiemenbasalplatte ausfüllt. Stellenweise, obgleich ziemlich selten,
kann man die Bildung collagener Fibrillen auch im Perichondrium,
namentlich in den Wänden der reihenweise angeordneten Waben be-
obachten. Man begegnet hier wohl demselben Prozeß der Umwand-
lung einer wabigen in eine fibrilläre Struktur, den ich schon im Knorpel
der Mollusken und Vertebraten beschrieben habe.
Es war mir leider bis jetzt unmöglich die Entwicklung der Kiemen
von Spirographis Spallanzani zu untersuchen, daher kann ich nicht
bestimmt sagen, ob die Zellen, bzw. die Zellgruppen, welche im Innern
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 45
696 M. Nowikoff,
der Kiemenplatte zwischen den collagenen Bündeln liegen, ebenso wie
die Zellen des Perichondriums, von der Epidermis stammen, oder ob
sie richtige Bindegewebszellen darstellen. Wäre letzteres der Fall, so
müßten wir annehmen, daß die collagenartige Grundsubstanz bei einer
und derselben Tierform sowohl von Ectoderm- als auch von Mesoderm-
zellen geliefert werden kann.
V. Der Knorpel und das knorpelähnliche Gewebe bei Arthropoden.
Literat urÜbersicht.
Typisches Knorpelgewebe ist bis jetzt zwischen den Arthropoden nur bei der
Gattung Limulus bekannt. Schon im Jahre 1858 veröffentlichte Gegenbattr
ganz richtige Angaben über das Vorkommen von Knorpel in der Basalregion
der Kiemen von Limulus moluccanus. Die inneren Fortsätze des Chitinskelettes,
bemerkt er: »die zwei vom Rücken des Abdomens hereinragende starke Leisten
bilden, setzen sich durch Bindegewebe mit pyramidalen Fortsätzen des Abdo-
minalinteguments der Bauchfläche in Verbindung, und zwar findet sich je einer
der letzteren Fortsätze in der Basis einer Kieme, und ein Paar derselben entspricht
somit einem Abdominalsegmente. Innerhalb der Bindegewebsmassen, welche
von dem Rücken nach dem Bauche ziehen, von den Leisten zu den Pyramiden
gehen, liegen die Knorpelstücke, so daß für jedes Segment deren zwei vorhanden
sind « (S. 238). Bei mikroskopischer Untersuchung beobachtet Gegenbaur in
diesen Knorpelstücken ovale, rundliche oder polygonale, gruppenweise angeordnete
Kapseln. Die Dicke der Kapselwände steht mit der Größe der Kapseln in gleichem
Verhältnis. Die dickeren Wände sehen oft geschichtet aus. Stellenweise, in den
inneren Knorpelpartien kann man zwischen den Kapseln drei-, Vier- oder fünf-
eckige freie Räume nachweisen. »Nach außen hin, d. h. gegen die Bindegewebs-
begrenzung, werden die Kapseln kleiner, enthalten weniger sekundäre Hohlräume,
bis ganz an der Grenze die Schichtenbildung der Kapselwände erlischt, und nur
noch eine homogene, höchstens feinkörnige Intercellularsubstanz auftritt, die
kontinuierlich in die Grundsubstanz des Bindegewebes übergeht« (S. 239). Die
chemische Untersuchung der Kapselsubstanz führt Gegenbaur zur Vermutung,
»daß hier vielleicht ein chemischer Körper vorliegt, der sich in die ohnedies schon
verwandte Reihe der Chitin- und Chondrinbildungen einfügt« (S. 240).
Die obenangeführte Beschreibung wird in ihren Hauptzügen auch von
Ray Lankester (1884, S. 147 — 150) bestätigt. Dieser Autor behauptet jedoch,
daß das von Gegenbatjr entdeckte Gewebe mehr einem Pflanzenparenchym
als einem Vertebratenknorpel ähnlich ist, da man hier keine hyaline, für den
Vertebratenknorpel so charakteristische Interkapsularsubstanz findet. Daher
bezeichnet Ray Lankester das Gewebe nicht als Knorpel, sondern als »cartilage-
like capsuligenous connective tissue«. — Mehr Ähnlichkeit mit einem typischen
Knorpel von Wirbeltieren findet Ray Lankester in einem anderen Gewebe von
Limulus, namentlich in seinem Endosternit. Im letzteren unterscheidet man eine
reichliche, teils homogene, teils fibrilläre Grundsubstanz, in welcher die Zellen
eingebettet sind, die jedoch nicht in Haufen wie die Zellen des Vertebratenknorpels,
sondern reihenweise liegen. In chemischer Hinsicht unterscheidet sich der Endo-
sternit allerdings ganz scharf vom Knorpel, da seine Grundsubstanz nicht aus
Studiea über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 697
Chondrin oder Collagen, sondern hauptsächlich aus Chitin und Mucin besteht.
Eine dem Endosternit von Limulus ähnliche Struktur beobachtet Ray Lankester
auch im Endosternit von Scorpio, Mygale und Apus (S. 133 — 140).
Die Tatsache, daß der Endosternit der Arachnoideen aus Zellen und aus
einer Intercellularsubstanz besteht, wurde von mehreren Autoren beschrieben,
welche jedoch keine Ähnlichkeit zwischen dem genannten Gewebe und dem Knorpel
der Wirbeltiere konstatieren konnten. In seiner Arbeit über die Struktur und
die Bedeutung der Endosternite der Spinnen bemerkt Schimkewitsch (1893),
daß die Endosternitmasse, welche aus einer fibrillären Grundsubstanz und aus,
zum Teil isolierten, zum Teil in Gruppen vereinigten Zellen aufgebaut wird, rein
mesodermaler Herkunft ist, indem sie durch Umbildung eines transversalen, dem
Schalenadductor der Crustaceen entsprechenden Muskels und einer oder einiger
bindegewebigen Sehnen entsteht.
Eine weitgehende Analogie wird zwischen den beiden knorpelähnlichen
Geweben von Limulus und dem Knorpel der Vertebraten in dem Buche Gaskells
"The Origin of Vertebrates" (1908) durchzuführen versucht. Gaskell bemüht
sich zu beweisen, daß die Wirbeltiere von Arthropoden, und zwar von den fossilen
Palaeostraca stammen. Zu den letzteren kann aber auch Limulus ge-
rechnet werden, und manche Züge der Organisation von Limulus sollen nach
Gaskell mit der niederer Vertebraten vollkommen identisch sein. Eine solche
Identität versucht er unter anderm auch in den Skeletten von Limulus und von
Ammocoetes nachzuweisen. »In Limulus«, sagt er (S. 145): "the only living'
representative of the Palaeostraca, and in Limulus alone, we find a skeleton
marvellously similar to the earliest vertebrate skeleton — that found in Ammo-
coetes". Dabei berücksichtigt Gaskell fast garnicht die Angaben früherer Forscher
über das Vorkommen eines knorpeligen Skelettes bei Vertretern mancher andern
Gruppen von Wirbellosen. "In the invertebrate kingdom", behauptet er: "true
cartilage occurs but scantily. There is a cartilaginous covering of the brain of
cephalopods. It is never found in crabs, lobsters, bees, wasps, centipedes, butter-
flies, or any of the great group of Arthropoda, except, to a slight extent, in some
members of the scorpion group, and niore fully in one Single animal, the king-crab
or Limulus" (S. 147). Bei letzterem unterscheidet Gaskell, genau ebenso wie beim
Ammocoetes, zwei voneinander unabhängige Teile des Knorpelskelettes : einen proso-
matischen Teil und einen mesosomatischen. Der mesosomatische besteht, wie es
auch von Gegenbattr angegeben wurde, aus segmental angeordneten, in den
Kiemenplatten liegenden Querstangen. Er soll, sowohl in seiner Struktur als auch
seiner chemischen Zusammensetzung nach vollständig dem Kiemenknorpel von
Ammocoetes entsprechen. Die beiden Knorpel enthalten eine nur geringe Menge
von Grundsubstanz; sie gehören also zur Gruppe der sogenannten weichen, bzw.
parenchymartigen Knorpel. Ihre Grundsubstanz färbt sich intensiv mit Thionin,
zeigt also einen ausgesprochenen mucoiden Charakter. Das prosomatische Skelet
von Limulus oder der Endosternit soll nach Gaskell dem subcranialen, aus dem
harten Knorpel bestellenden Skelet von Ammocoetes (trabeculae + parachordalia)
entsprechen. Der Endosternit ist allerdings nach Gaskell nur halb-knorpelig
( »semi-cartilaginous «) ; es stellt eine breite Platte dar, welche vorwiegend aus
collagenen Fasern zusammengesetzt wird, in welcher man aber außerdem Reihen
und Xester von Knorpelzellen unterscheiden kann. Einen ähnlichen Bau des
Endosternits konstatiert Gaskell auch bei einigen Arachnoideen.
45*
698 M. Xowikoff,
Eigne Untersuchungen.
Es war für mich von Interesse erstens den eigenartigen Bau des
inneren Skelets von Limulus zu studieren und zu verfolgen, insofern
derselbe dem des Vertebratenknorpels entspricht, und zweitens zu
prüfen, ob ähnliche Skeletstrukturen auch bei andern Arthropoden
vorkommen. Als Material für meine Untersuchung benutzte ich in
Sublimat fixierte Scorpione und niedere Crustaceen, sowie ein junges
Exemplar von Limulus polyphemus aus der Sammlung des Moskauer
vergleichend-anatomischen Instituts. Obgleich dieser Limulus wahr-
scheinlich in Alkohol konserviert wurde, waren seine histologischen
Elemente vollständig gut erhalten.
Auf den anatomischen Bau der beiden Hauptteile der Kiemen-
knorpel und des Endosternits von Limulus brauche ich hier nicht näher
einzugehen, da der Bau von früheren Forschern genügend aufgeklärt
wurde. Was die histologische Beschaffenheit betrifft, so finde ich im
Gegensatz zur Angabe Gaskells, daß die beiden Skeletteile von Limu-
lus zwei verschiedene Gewebsarten darstellen, welche sich voneinander
sowohl ihrem Bau als auch ihrer Entwicklung nach viel mehr unter-
scheiden, als der subcraniale und der branchiale Knorpel von Ammo-
coetes.
Die mesosomatischen, segmental angeordneten, in die Basalregionen
der Kiemen eintretenden Skeletstücke von Limulus polyphemus be-
stehen aus einem typischen Knorpelgewebe, welches eine große Ähn-
lichkeit mit den oben beschriebenen Knorpeln der Schnecken und
Würmer zeigt. In der Architektur des Limulus- Knorpels kann ich
allerdings sowohl auf Längs- (Textfig. 13) als auch auf Querschnitten
(Fig. 20) keine solche Kegelmäßigkeit feststellen, wie bei anderen
wirbellosen Tieren. Die stärkeren Grundsubstanzscheidewände verlaufen
im Limulus- Knorpel in verschiedenen Richtungen (Textfig. 13 grs)
und bilden auf diese Weise ein Netz, in welchem man keine balken- oder
säulenartigen Bildungen, d. h. keine trajectoriellen Strukturen unter-
scheiden kann. Von außen geht die Knorpelmasse in das Gewebe des
Perichondriums (Fig. 20 Prcli) allmählich über, so daß die Knorpel-
stücke auch mit den hohlen Cylindern der Kiemenknorpel der Chäto-
poden nicht verglichen werden können. Die Skeletstücke von Limulus
bestehen also aus einem primitiv gebauten Knorpelgewebe, und jeder
von ihnen stellt eine in allen bzw. mehreren Richtungen gleichmäßig feste
und elastische Masse dar. Bemerkenswert in diesem Gewebe ist die
gruppenweise Anordnung der Zellen. In den mittleren Regionen jedes
.Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen.
699
Schnittes kann man nämlich die Umrisse von drei Zellengenerationen
ganz deutlich verfolgen (Textfig. 13). Die Räume der früheren Groß-
mutterzellen sind von dickeren Grundsubstanzlagen umgeben und durch
feinere Zwischenwände in zwei, vier bzw. mehrere Mutterzellräume ge-
teilt. In den letzteren bilden sich oft noch ganz feine Scheidewände,
Textfig. 13.
Längsschnitt durch den Kiemenknorpel von Limulus polyphemus.
Substanz; N, Zellkern.
Vergr. 320. grs, Grund-
welche die benachbarten Tochterzellen voneinander trennen. Die dicke-
ren Scheidewände verlaufen gewöhnlich in gerader Richtung, die feineren
sind mehr oder weniger gebogen. An der Peripherie des Knorpelstücks,
wo ein appositionelles Wachstum durch die Bildung neuer Knorpel-
zellen aus dem umgebenden Perichondrium geschieht, wo also die
Knorpelmasse nur aus jungen Zellen besteht, findet man dement-
sprechend auch keine Gruppenbildung.
An der Oberfläche des Knorpels kann man nicht selten beobachten,
wie mehr oder weniger umfangreiche Partien der Bindegewebsorund-
700 M. Nowikoff,
Substanz zwischen den neu sich bildenden Knorpelzellen eingeschlossen
werden (Fig. 20 oben links). Diese Partien erleiden eine allmähliche
chemische Umwandlung, indem ihre collagene oder collagenartige, mit
Fuchsin rot sich färbende Masse chondromucoidhaltig wird und nach
Hansens Methode sich grün bis blaugrün färbt. Gleichzeitig mit
dieser chemischen Umwandlung verliert die Grundsubstanz des Binde-
gewebes auch ihre charakteristische fibrilläre Struktur; sie sieht jetzt
entweder homogen oder körnig, bzw. wabig aus. In den centralen
Knorpelregionen sind solch größere Grundsubstanzmassen zwischen
den Knorpelzellen äußerst selten. Infolge einer intensiven Vermehrung
der Knorpelzellen und des dadurch auf die Grundsubstanz ausgeübten
Drucks bekommen nämlich die sämtlichen Scheidewände, welche die
größeren Zellgruppen voneinander trennen, eine fast gleiche Dicke
(Textfig. 13).
Der Bau der Knorpelzellen (Fig. 20, 21) entspricht demjenigen
der meisten andern Wirbellosen. Das Protoplasma ist nur in Form
spärlicher Stränge vorhanden, zwischen welchen umfangreiche Vacuolen
liegen. In jeder Zelle findet man im Protoplasma eingeschlossene
Kügelchen (b). Die Zellen sind einkernig, wobei die Kerne stets in der
Nähe der Scheidewände (Textfig. 13 N), oft in den Ecken zwischen
zwei Scheidewänden liegen.
Die Knorpelgrundsubstanz zeigt große Ähnlichkeit mit der der
Gastropoden, Anneliden und Cyclostomen. Bei stärkeren Vergröße-
rungen (Fig. 21) kann man in den dickeren Knorpelscheidewänden
feine, homogene Kapseln (Kk) und eine mittlere Grundsubstanzlage
unterscheiden. Die Kapseln färben sich mit Mallok y, ebenso wie die
mittlere Grundsubstanzlage, blau, jedoch nicht so intensiv wie die
letztere. Die mittlere Grundsubstanzlage erscheint in den Zwickeln
unregelmäßig wabig (Grsw), in den Scheidewänden fibrillär (Grsf).
Die jüngeren Scheidewände bestehen aus einer einzigen homogenen
Lage, welche in die Kapseln der dickeren Wände kontinuierlich über-
geht (Fig. 21). Die oben angeführten Beobachtungen sprechen ganz
entschieden dafür, daß das Kiemenskelet von Limulus ein echtes
Knorpelgewebe ist.
Einen andern Eindruck erhält man beim Studium des sogenannten
prosomatischen Skelettes, des Endosternites. Der Vergleich der Fig. 20
und 22 zeigt den Unterschied beider Skeletgewebe mit genügender
Deutlichkeit. Der Endosternit der Arthropoden stellt, wie es Schim-
kewitsch (1893) und andre Autoren ganz richtig nachwiesen, eine
Art Sehne dar, welche an der Kreuzungsstelle mehrerer Muskeln ge-
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 701
bildet wird und ihren bindegewebigen Charakter stets behält. Die
Grundsubstanz des Endosternits von Limulus (Fig. 22 Grs) ist eben-
falls rein bindegewebig, indem sie nach Hansens Methode in ihrer
ganzen Ausdehnung intensiv rot gefärbt wird, d. h. die typische Fär-
bungsreaktion auf Collagen zeigt. Die Hauptmasse der Grundsubstanz
besteht aus Fibrillen (Grsf), welche gewöhnlich einander parallel (in
der Kichtung der Zugkräfte) verlaufen und ganz allmählich in die vom
Endosternit entspringenden Muskelfasern (M) übergehen. Neben
dieser fibrillären Grundsubstanz findet man im Endosternit stellen-
weise Flecke einer ebenfalls rot gefärbten Grundsubstanz, in welcher
jedoch sogar bei den stärksten Vergrößerungen keine Spur von Fibrillen
nachzuweisen ist. Diese Flecke erscheinen entweder homogen (Fig. 23
Grs), oder zeigen eine ziemlich deutliche Wabenstruktur (Fig. 23 Grsw),
welche ich am besten mit der Struktur des ebenfalls aus einem collagen-
artigen Stoff gebauten Perichondrium der Würmerkiemen (Fig. 13 — 15
Prch) vergleichen möchte.
Die Zellen des Endosternits sind ebenso wie seine Grundsubstanz
verschieden. Diejenigen Zellen, welche in der fibrillären Grundsubstanz
liegen, sind typische Bindegewebszellen. Die meisten von ihnen er-
scheinen spindelförmig und nur mit einer geringen Menge Protoplasma
versehen, welches von der umgebenden Grundsubstanz nicht scharf
abgegrenzt wird. An den Stellen des Endosternits dagegen, wo die
Grundsubstanz homogen oder wabig wird (Fig. 23), sind die Zellen
rundlich-polygonal, durch Ausläufer (Za) miteinander verbunden und
oft nach Art der Knorpelzellen zu Gruppen vereinigt. — Die meisten
Zellen sind einkernig; es gibt aber auch solche, die zwei bis mehrere
Kerne enthalten. Eine weitere Ähnlichkeit mit Knorpelzellen besteht
darin, daß die rundlichen Endosternitzellen von einer Lage dichterer
Grundsubstanz, von einer Art Kapsel (Zk) umgeben werden. Im
Gegensatz zu den echten Knorpelkapseln, welche stets chondromucoid-
haltig sind, zeigen die kapselartigen Zellhüllen im Endosternit von
Limulus eine ausgesprochene Färbungsreaktion auf Collagen. Das
Protoplasma der rundlichen Endosternitzellen (Fig. 23 P) füllt den
Zellraum als eine kompakte Masse aus und enthält keine Flüssigkeits-
vacuolen. Im Protoplasma der meisten Zellen liegen dieselben Körn-
chen (Fig. 23 b), welche man auch in vielen Knorpelzellen beobachtet
und welche darauf hindeuten, daß die Grundsubstanz als Ausscheidimgs-
produkt der Zellen gebildet wird.
Ich betrachte also das Endosternitgewebe von Limulus als ein
Bindegewebe, welches stellenweise eine morphologische Modifikation
702 M. Xowikoff,
erfährt, indem seine Zellen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Knorpel-
zellen der Cephalopoden erlangen. Ich halte daher die Behauptung
Gaskells, daß das Endosternitgewebe von Limulus mit dem Kopf-
knorpel von Ammocoetes übereinstimmen soll, für ganz unbegründet.
Die beiden Gewebsarten sehen sich nur auf den schematischen Ab-
bildungen Gaskells einander ähnlich, in Wirklichkeit sind sie sowohl
morphologisch als chemisch total verschieden.
Was die Homologisierung des Kiemenknorpels von Limulus mit
dem des Ammocoetes betrifft, so könnte Gaskell den letzteren ebenso
gut auch mit dem oben beschriebenen Kiemenknorpel der Anneliden
vergleichen, welchen er jedoch gar nicht erwähnt. Ich denke über-
haupt, daß das Vorhandensein von Knorpel für phylogenetische Unter-
suchungen kaum verwertet werden kann, da die Knorpelbildung eine
rein physiologische Erscheinung darstellt, welche bei systematisch weit
voneinander entfernten Tierformen auftritt, stets jedoch in denjenigen
Körperregionen, wo eine spezifische Beanspruchung auf Druck- oder
Biegungsfestigkeit existiert.
Da meine Befunde in bezug auf die morphologische Bedeutung des
Endosternits von Limulus mit den Angaben Gaskells nicht überein-
stimmen, hielt ich für notwendig diese Befunde durch das Studium der
Endosternite einiger andrer Arthropoden zu kontrollieren. Dabei
wurde die Richtigkeit meiner Auffassung, wie es aus nachfolgenden
Zeilen ersichtlich ist, durchaus bestätigt.
In erster Linie habe ich den Endosternit von Euscorpius euro-
paeus untersucht. Seine Hauptmasse (Fig. 24 End) liegt über dem
Bauchmark (Bm) und zeigt in ihrem Bau eine gewisse Ähnlichkeit mit
demselben Organ von Limulus. Seine Grunclsubstanz besteht aller-
dings ausschließlich aus Fibrillen, welche zum Teil einander parallel
verlaufen, zum Teil sich miteinander kreuzen (Fig. 25 Grsf). Die zahl-
reichen, in diese Grundsubstanz eingeschlossenen Zellen verleihen dem
Gewebe einen ausgesprochen bindegewebigen Charakter. Sie sind klein,
spindelförmig, miteinander durch Ausläufer verbunden und besitzen
eine geringe Protoplasmamenge (Fig. 25 P) nebst einem ovalen bis
stäbchenförmigen Kern (N) und entbehren jeder Spur von Kapsel-
bildung.
Ein etwas abweichender und sehr bemerkenswerter Bau findet
sich im Endosternit der Ostracoden. Sowohl bei diesen, als auch bei
andern der untersuchten Crustaceen und Arachnoideen ist der Endo-
sternit das einzige collagenhaltige Gewebe, welches auf den mit Han-
sens Methode behandelten Schnitten intensiv rot erscheint, im Gegen-
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 703
satz zu den gelb, grün oder bläulich gefärbten übrigen Körperteilen.
Bei der etwas näher studierten Cypris puber a besteht der Endosteini t
(Fig. 26 End), ebenso wie bei vielen andern Arthropoden, ans einer
Medianplatte, von welcher mehrere, zur Anheftimg der Muskulatur
dienende Fortsätze entspringen. Letztere bestehen aus parallel ver-
laufenden Fibrillen und enthalten keine Zellen. In der Medianplatte
unterscheidet man dagegen Grundsubstanz und Zellen. Die Haupt-
masse der ersteren erscheint sogar bei den stärksten Vergrößerungen
homogen (Fig. 27 Grs); nur stellenweise kann man in ihr feine, unter-
einander sich kreuzende Fibrillen erkennen (Fig. 27 Grsf). Die Zellen
der Medianplatte sind rundlich polygonal; sie besitzen gewöhnlich
keine Ausläufer, vereinigen sich oft zu Gruppen und zeigen auch in
ihrem inneren Bau weitgehende Analogien mit Knorpelzellen. Ihr
Protoplasma (Fig. 27 P) enthält mehr oder weniger ansehnliche Va-
cuolen (7) und Kügelchen oder Körnchen (6), deren Färbungsver-
mögen das der Nucleolen ist. Diese Kügelchen sind wohl dieselben
Chromidialbildungen, welche ich im Subradularknoipel der Gastio-
poden näher untersucht habe (1909b) und welche überhaupt in den
Zellen, welche intensiv Grundsubstanz ausscheiden, nicht selten vor-
kommen. Die auf Fig. 27 naturgetreu abgebildete, aus zwei Zellen
des Endosternits von Cypris pubera bestehende Gruppe bietet viel
mehr Ähnlichkeit mit typischem Knorpelgewebe dar als die oben be-
schriebenen rundlichen Zellen des Endosternits von Limulus. Ich
halte es jedoch für sicher, daß das Endosternitgewebe der Ostracoden
ebenfalls nur eine modifizierte bindegewebige Sehne ist. Der prin-
zipielle Unterschied zwischen einer solchen Sehne und dem typischen
Knorpel kann wohl darin gefunden werden, daß die Sehne von vorn-
herein als eine collagene Masse angelegt wird, die Knorpelgrundsubstanz
dagegen in ihrem embryonalen Zustande stets chondromucoidhaltig
ist; erst im späteren Alter können im Knorpel collagene Fibrillen
gebildet werden, welche jedoch nie die ganze Chondromucoidsubstanz
ersetzen. Im Endosternit hingegen findet man von letzterer keine Spur.
Schließlich widmete ich meine Aufmerksamkeit auch dem Endo-
sternit von Nebalia, dieser unzweifelhaft recht primitiven Ciustaceen-
form. Der Endosternit von Nebalia Geoffroyi (Fig. 28 End), besteht
ebenso wie die von mir schon früher untersuchten Endosternite andrer
primitiv organisierter Crustaceen (Limnadia, Branchipus) aus typischem
Bindegewebe, d. h. aus dicht aneinander gepreßten, parallelen collagen-
haltigen Fibrillen, zwischen welchen nur wenige, von kaum bemerk-
baren Protoplasmalagen umgebene Zellkerne zu finden sind.
704 M. Nowikoff,
VI. Das knorpelähnliche Gewebe der Coelenteraten.
Als ich meine vorliegende Untersuchung anfing, stand ich vor
der Aufgabe, das von mehreren früheren Autoren (Gegenbaur, Kölli-
ker, Haeckel u. a.) beschriebene Knorpelgewebe bei Hydroidpolypen
und einigen Medusen einer nochmaligen Prüfung mit Anwendung der
neuesten technischen Hilfsmittel zu unterwerfen. Indessen ist vor
kurzem der dritte Teil von Schaffers Arbeit : Ȇber den feineren Bau
und die Entwicklung des Knorpelgewebes und über verwandte Formen
der Stützsubstanz« erschienen (1911). Die Arbeit enthält sowohl eine
ausführliche geschichtliche Literaturübersicht als auch die Resultate
der eignen Untersuchungen Schaffers über den sogenannten Coelen-
teratenknorpel. Sowohl in den basalen Polstern der Tentakel von
Tubularia als auch in den Tentakeln und den elastischen Reifen des
Schirmrandes von Carmarina hastata findet Schaffer große, blasige,
voneinander nur durch eine äußerst feine Membran getrennte Zellen.
Nirgends ist eine stärker entwickelte Intercellularsubstanz vorhanden.
Der blasige Charakter der Zellen verleiht allerdings dem Gewebe einen
hohen Grad von Elastizität, so daß es als Skeletgewebe funktionieren
kann. Es muß indessen nur als »chordoides Stützgewebe« und keines-
falls als Knorpel bezeichnet werden (1910, S. 79).
Dieser Angabe Schaffers kann ich durchaus beistimmen und
glaube, daß der von Kölliker eingeführte Name »Knorpel ohne Grund-
substanz« weder bei Coelenteraten noch bei andern Wirbellosen an-
gewendet werden darf. Wir sahen doch schon oben, daß in sämtlichen
Knorpeln bei Mollusken, Würmern und Limulus eine mehr oder weniger
reichliche Grundsubstanz vorhanden ist. Denselben Gedanken spricht
auch Schaffer (1910, S. 2) in bezug auf die Vertebraten aus, indem
er behauptet, daß ein Teil der »Knorpel ohne Grundsubstanz« . . .
»dem Knorpelgewebe überhaupt nicht zugerechnet werden kann,
während der andre Teil, ebenso wie die Knorpel der Petromyzonten
und Myxinoiden, echte Grundsubstanzgewebe darstellt, welche nur
durch die Spärlichkeit ihrer Grund- oder Intercellularsubstanz aus-
gezeichnet sind.«
In Schaffers Arbeit wird jedoch Haeckels Angabe über den
»Faserknorpel« von Medusen nicht berücksichtigt. Diesem Gewebe
schreibt Haeckel (1881) eine bedeutende Verbreitung zu. »Sehr
verschieden«, behauptet er, »ist die Konsistenz des Gallertgewebes,
welches einerseits in äußerst weiches und wasserreiches Schleimgewebe
übergeht (z. B. Umbrella der Aurelia), anderseits in sehr festen und
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 705
harten Faserknorpel (z. B. Cathamnien der Peromedusen). Besonders
in der Nähe der Cathammalplatten, dieser festen Verwachsungsstreifen,
nimmt das Gallertgewebe vieler Acraspeden eine Beschaffenheit an,
welche sowohl in Bezug auf histologische Struktur, wie auf physika-
lische Qualität dem echten »Faserknorpel« der Wirbeltiere zum Ver-
wechseln ähnlich ist. In diesem Falle wird die außerordentliche Festig-
keit des zellenreichen Gewebes vorzugsweise durch Verdichtung und
durch faserige Differenzierung der Intercellularsubstanz gebildet, wäh-
rend gewöhnlich die weichere oder festere Beschaffenheit des Gallert-
gewebes von der qualitativen und quantitativen Entwicklung der
elastischen Fasern in demselben abzuhängen scheint« (1881, S. 146).
Der Faserknorpel tritt nach Haeckel am deutlichsten bei Periphema
regina hervor, er ist aber auch bei Periphylla mirabilis ganz gut zu
beobachten (1881, S. 68). Alis den Abbildungen Haeckels (Taf. XXV,
Fig. 8 u. 9) ist ersichtlich, daß der Knorpel aus blasigen, voneinander
durch ziemlich dicke, faserige Grundsubstanzscheidewände getrennten
Zellen besteht.
Für meine Untersuchungen, deren Zweck nur darin bestand, die
Richtigkeit der Angaben Haeckels nachzuprüfen, benutzte ich einige
junge Exemplare von Periphylla sp. Das von Haeckel beschriebene
harte Gewebe war bei diesen Exemplaren noch nicht vollständig ent-
wickelt, was jedoch für die Beurteilung der morphologischen Bedeutung
des Gewebes gerade günstig erscheint. Hier und da trifft man in dem-
selben (Fig. 29) rundliche bis ovale, von einer faserigen, collagenhaltigen
Grundsubstanz (Grsf) umgebene Räume, in welchen ein bis mehrere
Zellkerne (N) und eine gewisse Menge Protoplasma (P) eingeschlossen
sind. Letzteres bildet gewöhnlich eine Hülle um den Kern, sowie eine
Anzahl Stränge, die ähnlich dem Protoplasma der Knorpelzellen von
der Hülle nach allen Richtungen entspringen und den von der faserigen
Grundsubstanz begrenzten Raum durchsetzen. Die geschilderten
Räume wurden von Haeckel als Knorpelzellen aufgefaßt. Wenn
man aber die Anordnung der faserigen Grundsubstanz genauer verfolgt
(Fig. 29, 30 Grsf), so wird es klar, daß es sich hier nicht um Knorpel-
gewebe handelt. Die faserige Substanz bildet sich nämlich durch die
Vereinigung der feinsten im Schleimgewebe (Grs) der Medusenglocke
verteilten Fibrillen (/). Sowohl die letzteren, als auch die faserige
Substanz färben sich nach der Anwendung der HANSENschen Methode
rot, welcher Umstand auf ihren collagenen Charakter hindeutet. An
einigen Stellen der Medusenglocke (besonders in der Nähe der Catham-
malplatten) entstehen aus den Fibrillen dickere Stränge, welche durch
706 M. Nowikoff,
verschiedenartige Anastomosen untereinander verbunden sind, und so
ein Netz bilden mit polygonalen, runden oder ovalen Maschen. Solche
Maschen bieten oft eine, allerdings nur äußerliche Ähnlichkeit mit
Knorpelzellen dar; in Wirklichkeit aber bestehen sie, wie gesagt, aus
Strängen und nicht aus Platten, so daß die ganze Gewebsmasse ein
schwammartiges Gerüst und kein Alveolen werk darstellt. Im Innein
der Maschen findet man das gewöhnliche Schleimgewebe (Grs), welches
aus einer schwach färbbaren, homogenen Intereellularsubstanz besteht,
in die zum Teil verzweigte und durch Ausläufer verbundene (Fig. 29),
zum Teil aber abgerundete, unverzweigte Zellen (Fig. 30) eingeschlossen
sind.
Meine Untersuchung bestätigt also die Angabe Schaffers und
zeigt, daß ein »Medusenknorpel« im Sinne Haeckels nicht existieit.
Das von mir beobachtete Skeletgewebe des Medusenschirms erscheint
sowohl seiner chemischen Zusammensetzung, als auch seinem morpholo-
gischen Bau nach dem oben geschilderten typischen Bindegewebe des
Endosternits der Arthropoden durchaus ähnlich.
[VII. Vergleichende Bemerkungen.
|1. Über die Klassifikation* des Knorpelgewebes der Wirbellosen.
Das Knorpelgewebe tritt sowohl bei Wirbeltieren als auch bei
Wirbellosen in überaus verschiedenen Modifikationen auf, so daß eine
strenge Definition des Begriffes »Knorpel« recht schwierig ist. Sogar
für die von nur beschriebenen Knorpel der Wirbellosen hat man keine
morphologischen Merkmale feststellen können, welche für alle charak-
teristisch wären. In einigen dieser Knorpel trifft man nämlich ver-
zweigte, miteinander in Verbindung stehende Zellen (Cephalopoden),
in andern sind die Zellen abgerundet und unverzweigt (Gastropoden,
Anneliden, Limulus). Die erstere Art von Knorpelzellen ist dicht
protoplasmatisch, während die Zellen der zweiten Art von großen, den
Hauptteil des Zellkörpers erfüllenden Flüssigkeitsvacuolen durchsetzt
sind. Ähnliche Unterschiede zeigt auch die Grundsubstanz. Bei den
Cephalopoden ist sie eine einheitliche Masse, in welcher man entweder
gar keine, oder nur sehr schwach entwickelte Knorpelkapseln unter-
scheidet; bei andern Wirbellosen dagegen ist sie in deutliche Knorpel-
kapseln und eine mittlere Grundsubstanzlage differenziert. Die feinere
Struktur der Intereellularsubstanz kann sowohl wabig als auch faserig
sein. In bezug auf das Knorpel Wachstum bestehen ebenfalls Ver-
schiedenheiten. In den meisten Knorpeln geschieht es sowohl durch
Intussusception als auch durch Apposition. Für den Kiemenknorpel
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 707
einiger Anneliden erscheint der letztgenannte Prozeß jedoch vollständig
ausgeschlossen, da das von der Epidermis ausgeschiedene Perichon-
drium dieses Knorpels keine Zellen enthält. Alle angeführten Merk-
male können also nicht als Unterscheidungsmerkmale des Knorpels
von den übrigen Bindesubstanzen, sondern nur zur Klassifikation der
Knorpelgewebe benutzt werden. Das einzige sichere Unterscheidungs-
merkmal des Knorpelgewebes bildet, meiner Ansicht nach, die chemische
Beschaffenheit der Knorpelgrundsubstanz. Jeder typische Knorpel
nämlich, sei es nach Schaffers Terminologie der weiche oder der
harte Hyalinknorpel, sei es der faserige oder elastische Knorpel, oder
schließlich der Knorpel von Wirbellosen, enthält eine größere oder
kleinere Menge Chondromucoide, welche zwar nicht alle chemisch
identisch, stets aber von collagenhaltigen Stoffen durch ihre Färbungs-
reaktionen leicht zu unterscheiden sind. Am häufigsten wird der
Knorpel mit Bindegewebe und mit jungem, noch im verkalktem Knochen
verwechselt; von diesen beiden Geweben kann er wohl nur durch die
Anwesenheit der Chondro mucoide unterschieden werden.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, muß man die oben beschrie-
benen, knorpelartigen Skeletgewebe der Wirbellosen in zwei Haupt-
gruppen zerlegen: 1) echte Knorpel, welche man bei Mollusken,
Anneliden und im Kiemenskelet von Limulus findet, und 2) knorpel-
ähnliches Bindegewebe des Endosternits des Limulus und der
Ostracoden. Im letzteren Gewebe trifft man einige morphologische Merk-
male des Knorpels, wie z. B. die abgerundete Form und die Vacuolen
der Ostracodenzellen, die gruppenweise Anordnung der Zellen, sowie
kapselartig' verdichtete Grundsubstanzlagen um die Zellen im Endo-
sternit von Limulus. In den beiden genannten Gewebsarten ist jedoch
keine Spur von Chondromucoiden nachzuweisen ; sogar die kapselartigen
Zellmembranen (Fig. 23 Zk) bestehen ausschließlich aus collagen-
haltiger Substanz.
Was die echten Knorpel von Wirbellosen betrifft, so zer-
fallen sie in zwei Gruppen. Zur ersten gehören der Cephalopoden-
knorpel und die peripheren Partien einiger Subradularknorpel der
Gastropoden mit verzweigten Zellen und reichlicher Grundsubstanz ;
zur zweiten Gruppe rechne ich den parenchymartigen Knorpel der
Gastropoden, Anneliden und Poecilopoden. Diese beiden Knorpel-
arten entsprechen ihrem Bau nach den jüngeren oder embryonalen
Vertebratenknorpeln. Letztere werden gewöhnlich in Form von Paren-
chymknorpeln angelegt und bei den primitivsten Wirbeltieren —
den Cyclostomen, verharren sie, ebenso wie bei manchen Wirbel-
708 M. Nowikoff,
losen, lebenslang auf diesem Entwicklungsstadium. Der Knorpel der
Cephalopoden, sowie die äußeren Lagen des Vorderknorpels von Patella
(Fig. 5) und Haliotis (Fig. 9), weichen allerdings von diesem embryo-
nalen Typus ab, aber auch in ihrem Bau sind Merkmale des jugend-
lichen Zustandes vorhanden, besonders die Zellverbindungen, welche
bei den Wirbeltieren, wie ich früher (1908, S. 250, Textfig. 5) zeigte,
in den peripheren, durch Apposition der Perichondralzellen neu ge-
bildeten, also jugendlichen Knorpelpartien recht oft vorkommen, da-
gegen im älteren Knorpel gewöhnlich verschwinden.
Die parenchymartigen Knorpel der Gastropoden, Anneliden und
Poecilopoden gleichen sich sehr. Die Zellen sind überall mit großen
Vacuolen versehen; die Grundsubstanz besteht aus deutlichen Kapseln
und einer mittleren Lage. Die drei genannten Knorpelformen sind
nur durch die Besonderheiten ihrer Architektur zu charakterisieren.
Der hauptsächlich druckfeste Subradularknorpel der Gastropoden
zeichnet sich durch das Vorhandensein der balken- oder säulenartigen
Grundsubstanzplatten aus. Die biegungsfesten Knorpelachsen der
Annelidenkiemen werden von dickeren, cylinderförmigen Grundsub-
stanzlagen oder festen Perichondrien umgeben. Im Kiemenknorpel
von Limulus konnte ich nur eine netzartige Anordnung der dickeren
Grundsubstanzplatten nachweisen.
2. Über den Bau der Knorpelgrundsubstanz.
Auf Grund meiner oben angeführten Beobachtungen, ebenso wie
der von mir früher (1908) veröffentlichten Angaben über den Knorpel
der Vertebraten möchte ich einige Fragen bezüglich der gröberen und
feineren Struktur der Knorpelgrundsubstanz zu beantworten versuchen.
In neuerer Zeit wird öfters behauptet, daß die Knorpelgrundsub-
stanz eine Art Ectoplasma der Knorpelzelle darstelle. So gibt Stud-
nicka (1903, S. 336) folgende Schilderung des Bildungsprozesses des
Knorpels aus jungem Bindegewebe: »Die ziemlich weit voneinander
liegenden und durch verhältnismäßig dünne Brücken untereinander
verbundenen Zellen vergrößern sich am Anfange des Prozesses; das
feine intercelluläre Netz . . . wird dabei immer dichter, und es fließen
dabei dessen einzelne Fädchen untereinander, sowie mit den Körpern
der einzelnen Zellen sozusagen zusammen. Die Lücken zwischen den
Zellen verschwinden gleichzeitig, so daß dadurch eigentlich eine Art
von Syncytium zustande kommen muß, das die erste Anlage des
Knorpelgewebes vorstellt. Die im jungen Bindegewebe sich befindenden
feinen Faserungen werden in dem erwähnten Syncytium eingeschlossen
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 709
und liegen, da sie sich unterdessen noch vermehrt haben, sehr dicht
aneinander und bedingen die eigentümliche Struktur der Grundsubstanz
des jungen Knorpels, die man sich nicht so ohne weiteres als durch
Fixation hervorgerufen vorstellen kann. Nun ist dieses Syncytium
doch nicht vollkommen einheitlich. Gleichzeitig als die Zellen mit-
einander zu verschmelzen anfangen, differenzieren sich die dem Kern
nächsten Partien als ein Endoplasma schärfer vom übrigen Proto-
plasma; diese Partien sind es eben, die uns die eigentlichen künftigen
Knorpelzellen vorstellen; solche haben demnach nur den Wert von
Endoplasmazellen. Alles übrige, was wir jetzt zwischen den Zellen
als Grundsubstanz des Gewebes sehen können, die ganze, die feinen
Faserungen enthaltende Masse hat die Bedeutung eines Exoplasma.«
Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Hansen (1905, S. 747 — 751),
indem er behauptet, »daß wir dasjenige des Knorpels, was wir gewöhn-
lich 'Knorpelzellen' nennen, als ein Endoplasma zu betrachten haben,
während die Grundsubstanz der echten hyalinen Knorpel eventuell
als ein gemeinschaftliches und mit Bezug auf das Endoplasma mehr
oder weniger selbständiges Ectoplasma aufzufassen ist«. Hansen
meint überhaupt, daß »eine prinzipielle, theoretische, scharfe Sonde-
rung der Bindegewebsgruppen in Zellen und Grundsubstanz« sich nur
auf künstliche Weise aufstellen läßt, und weiter daß »die sogenannten
Grundsubstanzen als lebend zu betrachten sind, ebensowohl als die
Zellen, d. h. daß sie innerhalb gewisser Grenzen von den Zellen, dem
Endoplasma, unabhängig eine 'formative' Tätigkeit entfalten können«.
Die Kesultate meiner Untersuchungen sowohl über den Bau des
erwachsenen Knorpels der Wirbeltiere und Wirbellosen, als auch über
die Histogenese des Vertebratenknorpels , können mit den Angaben
der beiden genannten Forscher nicht in Übereinstimmung gebracht
werden. Die erste Bildung des Knorpels erfolgt bei den von mir stu-
dierten Reptilien und Amphibien in der Weise, daß die Bindegewebs-
zellen sich sehr dicht aneinanderlegen, wobei aber ihre Grenzen nach
geeigneten Färbungen ganz deutlich hervortreten. Diese Grenzen
werden immer deutlicher dadurch, daß sich zwischen den Zellen die
Grundsubstanz als ein ununterbrochenes Alveolenwerk bildet, welches
durch sein Färbungsvermögen vom Protoplasma der Knorpelzellen
sehr scharf unterschieden ist (s. meine Textfig. 3, S. 236, 1908).
Die Entwicklung der Knorpelgrundsubstanz geschieht aber nicht
nur in embryonalen, sondern auch in späteren Entwicklungsstadien,
oft auch bei erwachsenen Tieren als eine Folge der Zellteilung. Ich
habe jedoch nie beobachtet, daß zwei Tochterzellen, sowohl nach einer
710 M. Nowikoff,
mitotischen als amitotischen Teilung zusammenschmelzen, um nachher
in ihrer Mitte eine Grundsubstanzmasse zu bilden — d. h. Ectoplasma
im Sinne Studnickas und Hansens. Stets, sowohl bei Wirbeltieren
als auch bei Wirbellosen, erfolgt nach einer Kernteilung eine Zellkörper-
teilung (im Falle einer Amitose können die beiden Prozesse sogar
gleichzeitig verlaufen), wobei zwischen den Tochterzellen zuerst eine
plasmatische Scheidewand sich bildet, welche nachher allmählich durch
eine knorpelige, chondromucoide Platte ersetzt wird. In einigen
Fällen konnte ich nachweisen, daß die Zellkerne regelmäßig in der näch-
sten Nähe der sich neu bildenden Knorpelscheidewände liegen, welche
also augenscheinlich unter ihrem direkten Einfluß entstehen ; in andern
Fällen beobachtete ich in den Zellen der wachsenden Knorpelregionen
das Heraustreten von Chromidien in das Protoplasma, wo sie sicherlich
die Entwicklung der chondromucoiden Substanz beeinflussen. Die
Grenze zwischen der Grundsubstanz und dem Protoplasma der Knorpel-
zellen ist überall ganz deutlich zu sehen, wenn nur die Zelle durch
ihre Mitte (d. h. nicht tangential) geschnitten wird. Alle angeführten
Umstände sprechen ganz entschieden dafür, daß die Knorpelgrund-
substanz ein Ausscheidungsprodukt der Zellen darstellt.
Die chondromucoide Substanz kann sowohl im embryonalen als
auch im erwachsenen Knorpel ihre chemische Zusammensetzung ver-
ändern und sich in eine collagene Substanz umbilden. Eine solche
Umwandlung ist jedoch kein selbständiger Prozeß; sie ist eine Folge
der Tätigkeit der Knorpelzellen, welche wohl imstande sind, einige
Stoffe in die umgebende Grundsubstanz auszuscheiden, andre dagegen
aus derselben auf osmotischem Wege zu entfernen. Zum Beweis der
Existenz eines selbständigen Stoffwechsels und eines selbständigen
Wachstums der Knorpelgrundsubstanz können, meiner Ansicht nach,
keine sichere Tatsachen angeführt werden.
Gegen die Auffassung der beiden oben genannten Autoren spricht
außerdem noch das Vorkommen von Zellausläufern in einigen Knor-
peln. Wozu würden solche Ausläufer dienen, wenn die benachbarten
Zellen schon ohnedies durch eine lebendige Ectoplasmamasse mit-
einander verbunden sind? Anderseits aber widerspricht das Fehlen
der Zellverbindungen in der Mehrzahl der Knorpel der Auffassung der
Grundsubstanz als eines Ausscheidungsproduktes gar nicht. Die ge-
lösten Stoffe können nämlich durch eine solche Grundsubstanz, zwar
nicht so leicht wie durch die Zellenausläufer, jedoch ebenso gut wie
durch jede Membran diffundieren.
Was die andern Bindesubstanzen (Bindegewebe, Knochen) angeht,
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 711
so kann ich für dieselben eine entsprechende Annahme von Ento- und
Ectoplasma ebenso wenig als für den Knorpel anerkennen, aus dem
Grunde hauptsächlich, daß in diesen Substanzen überall gut entwickelte
Zellverbindungen existieren.
Schließlich möchte ich noch auf die Ähnlichkeit zwischen der
Grundsubstanz und den cuticularen Bildungen hinweisen. »Es ist
unmöglich,« behauptet Grobben (1911, S. 7), »eine scharfe Grenze
zwischen den Produkten der Hypodermiszellen und des mesodermalen
Bindegewebes festzustellen, wie bereits Braun für den Flußkrebs her-
vorgehoben hat und wie auch meine eignen Untersuchungen bei Argulus
lehren.« Es wäre aber, meiner Ansicht nach, unmöglich, den Chitin-
panzer als eine lebendige Masse, als einen Komplex von ectoplasmati-
schen Zellregionen aufzufassen.
Die von mir, ebenso wie von einigen andern Autoren, vertretene
Ansicht, daß die Knorpelgrundsubstanz, ähnlich den Cuticular- und
Chitinsubstanzen, als Produkt der Zellensecretion entsteht, erlaubt es,
die sich widersprechenden Angaben über das Vorhandensein der soge-
nannten Zellterritorien im Knorpel zu versöhnen. Im Gegensatz zu
den Angaben mehrerer Autoren (z. B. Schaffer) behauptet Hansen
(1905, S. 700), daß »die alte Theorie von der Zusammensetzung der
Grundsubstanz aus Zellenterritorien wie eine Mauer aus Backsteinen
völlig unhaltbar « sei. — In meiner Arbeit über den Vertebratenknorpel
(1908, S. 246) machte ich schon darauf aufmerksam, daß in einigen
älteren Knorpeln die ursprünglichste, also von den Zellen zuerst aus-
geschiedene Lage der Grundsubstanz »durch ihre hellere Beschaffen-
heit ausgezeichnet« bleibt, wodurch die Grenzen zwischen den Zellen-
territorien zustande kommen. In andern Fällen unterscheidet sich die
ursprünglichere Grundsubstanz von der später gebildeten gar nicht,
weshalb hier auch keine Zellenterritorien nachzuweisen sind.
In den inneren Regionen des Cephalopodenknorpels beobachtet
man oft (Textfig. Ib) Zellenterritorien, welche jedoch voneinander nicht
durch feine Linien, wie es bei den Vertebraten gewöhnlich ist, sondern
durch dickere Lagen schwach färbbarer Grundsubstanz abgegrenzt
werden. Diese Lagen gehen in die dunklere Grundsubstanz der Terri-
torien allmählich über. — Was die parenchymartigen Knorpel der
Gastropoden, Anneliden und Poecilopoden betrifft, so kann man hier
eventuell die Zellen nebst ihren Kapseln, welche die von den Zellen
zuletzt ausgeschiedenen Grundsubstanzlagen darstellen, als Zellen-
territorien, die mittleren Lagen der Grundsubstanz dagegen als Terri-
toriengrenzen betrachten. Gegen eine solche Betrachtungsweise kann
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CHI. Bd. 46
712 M. Nowikoff,
man jedoch einwenden, daß die innere Grmidsubstanzlage oft eine
im Vergleich mit den Knorpelkapseln große Dicke erreicht. In den
dickeren Partien der Grundsubstanz des parenchymartigen Knorpels
der Wirbellosen vermochte ich nirgends Linien nachzuweisen, welche
als die Grenzen der Zellenterritorien gelten konnten.
In bezug auf die feinere Struktur der Knorpelgrundsub-
stanz habe ich schon früher (1908, S. 245 — 248) hervorgehoben, daß
die Grundsubstanz eines jungen, in Kanadabalsam eingeschlossenen
Yertebratenknorpels gewöhnlich ganz homogen erscheint und daß sie
nur bei Untersuchung der fixierten, stark gefärbten Schnitte in schwächer
lichtbrechenden Medien, am besten im Wasser, einen wabigen Bau
zeigt. In der wabigen, chondromucoidhaltigen Grundsubstanz des älteren
Knorpels konnte ich die Bildung von feinsten collagenen Fibrillen,
welche sich in den Wabenwänden hervordifferenzieren, verfolgen. Der
Knorpel der Wirbellosen zeigte (abgesehen von dem der Cephalopoden,
wo ich nur ein undeutliches Bild der Wabenstruktur beobachtete)
die beiden, von mir bei Vertebraten festgestellten Strukturelemente
mit großer Deutlichkeit. In den meisten parenchymartigen Knorpeln
kann man schon beim Studium der in Kanadabalsam eingeschlossenen
Schnitte die Struktur der Grundsubstanz verfolgen, welche allerdings
bei der Untersuchung im Wasser noch klarer hervortritt. In den
jüngeren Partien der Grundsubstanz, ebenso wie in solchen, die keiner
einseitigen Spannung und keinem besonders starken Druck unter-
worfen sind, tritt eine typische alveoläre Struktur hervor. In etwas
älteren Knorpelregionen begegnet man sehr oft zwischen den Alveolen-
reihen feinsten Fibrillen, die jedoch dieselbe Färbungsreaktion geben,
wie die übrige chondromucoidhaltige Grundsubstanzmasse, von welcher
sie sich nur durch ihr etwas intensiveres Tinktionsvermögen unter-
scheiden. Die alten, stark ausgedehnten Knorpelscheidewände bestehen
vorwiegend aus solchen Fibrillen, welche stellenweise ganz dicht und
einander parallel verlaufen, so daß zwischen ihnen schon keine Alveolen
mehr nachzuweisen sind.
Eine analoge Strukturumwandlung konstatierte ich auch beim
Studium der Histogenese des Knochens (1909). Die Knochengrund-
substanz entwickelt sich als eine collagene Masse, deren wabige Struktur
ohne große Schwierigkeiten zu beobachten ist, besonders an den Stellen
(z. B. an den Epiphysen der Röhrenknochen), wo die Bindegewebs-
fasern an der Knochenbildimg unbeteiligt sind. Später und wohl unter
dem Einfluß einseitiger Spannungen, differenzieren sich zwischen den
Alveolenreihen der Grundsubstanz collagene Fibrillen, welche jedoch
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 713
in der Knochengrandsubstanz die Wabenstruktur nie vollkommen
ersetzen.
Derselbe Prozeß der Bilduno von collagenen Fibrillen in einer
collagenen wabigen Masse wurde von mir auch im Perichondrium der
Anneliden verfolgt.
Aus dem Gesagten folgt, daß die Waben und die Fibrillen nicht
als einander ausschließende Strukturelemente angesehen werden dürfen.
Die herrschende Rolle dieser oder jener Elemente hängt von den funk-
tionellen Bedingungen ab, welchen die betreffende Grundsubstanz
unterworfen ist.
Zum Schluß möchte ich bemerken, daß ich denselben Gedanken
auch in bezug auf die Struktur des Protoplasmas für sehr wahrschein-
lich halte, wie ich es schon vor einigen Jahren in einer meiner russischen
Abhandlungen auseinandergesetzt habe. Ich behaupte nämlich, daß
das Protoplasma, ebenso wie die Grundsubstanz, in seinem primitiven
Zustande stets eine alveoläre Struktur besitzt, und daß es in sich
erst sekundär fibrilläre Elemente entwickeln kann. Die Tatsache, daß
das Protoplasma der am einfachsten organisierten Protisten (Amoeba,
Aethalium septicum) einen alveolären Bau zeigt, welcher sogar an
lebenden Objekten zuweilen ganz deutlich hervortritt, wird zurzeit
kaum von jemandem ernstlich bezweifelt. Was die Metazoen betrifft,
so kann hier eine Wabenstruktur im Plasma der Zellen ohne Schwierig-
keit nachgewiesen werden, welche ihre ursprünglichere Organisation
behalten, wie z. B. in den Epithel- oder Drüsenzellen. In hochdifferen-
zierten Zellen, wie z. B. Muskelzellen, kann dagegen diese Struktur
kaum mit Sicherheit festgestellt werden. Ein in dieser Hinsicht lehr-
reiches Beispiel liefern auch die Nervenfasern. In den Nerven der
Branchiopoden, einer der primitivsten Crastaceengruppe, konnte ich
(1905, Fig. 3, 3a) eine typische Wabenstruktur beobachten. Bei den
Osträcoden war ich imstande (1908b, Fig. 9, 10) die Anwesenheit von
Neurofibrillen festzustellen, welche, hier höchstwahrscheinlich ein Pro-
dukt der Differenzierung der Wabenwände sind, etwa ebenso wie wir
es in der Knorpelgrundsubstanz beobachtet haben. In den Nerven-
fasern der höher organisierten Formen, der Vertebraten, dominiert
schließlich der fibrilläre Bau, so daß hier eine Wabenstruktur nicht
mehr nachweisbar ist.
Man kann also annehmen, daß das Protoplasma in seinem primi-
tiven Zustande eine Emulsion von zwei miteinander nicht mischbaren
Flüssigkeiten darstellt, wie es von Bütschli an vielen Objekten gezeigt
wurde. Infolge einer Anpassung der Zelle, bzw. ihres Protoplasmas,
46*
714 M. Nowikoff,
an kompliziertere oder spezifische Funktionen modifiziert sich die Pro-
toplasmastruktur, indem zuerst die Alveolen eine bestimmte, am
häufigsten reihenweise Anordnung erfahren, wodurch die sogenannte
gestreift- wabige Struktur entsteht, in welcher später zwischen den
Wänden der Wabenreihen feste Fibrillen ausgeprägt werden können.
In einigen hochdifferenzierten Objekten entwickeln sich die Fibrillen
in einer so bedeutenden Menge, daß sie die primitive Wabenstruktur
entweder maskieren oder total ersetzen.
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C, Cuticula;
Chr, Chromidialmasse;
D, Darm wand;
Drz, Drüsenzelle;
End, Endosternit;
Ep, Epithel;
Epz, Epzx, Epithelzelle;
/, Fibrillen;
Gf, Blutgefäß;
Grs, Grsi, Grundsubstanz;
Grsf, Grsfx, fibrilläre Grundsubstanz;
Grsw, wabige Grundsubstanz;
HK , Hinterknorpel ;
Hs, Hauptstrahl ;
k, im Protoplasma der Epithelzellen
eingeschlossene Kügelchen;
Die Figuren sind mit Hilfe des AßBEschen Zeichenapparates (Mikroskop von
Zeiss) entworfen und in den Farben der Präparate wiedergegeben.
Tafel XV.
Fig. 1. Sepia officinalis (junges Tier). Kopfknorpel. Schnitt durch die
äußere Lage. 70° Alkohol, Mallory. Vergr. 500.
Fig. 2. Eledone moschata (junges Tier). Schnitt durch den Kopfknorpel.
Sublimatessigsäure, Boraxcarmin, BLOCHMAKNsche Flüssigkeit. Vergr. 175.
Fig. 3. Patella coerulea. Querschnitt durch den Subradularknorpel. Sub-
limat, Boraxcarmin, Mallory. Vergr. 41.
Fig. 4. Dasselbe. Hinterknorpel. Schnittdicke 5 u. Sublimat, Borax-
carmin, Mallory. Vergr. 1000.
Bezeichnungen.
Kk, Knorpelkapsel ;
Knz, Knorpelzelle;
Knza, Knorpelzellenausläufer ;
Kw, Flächenansicht der Knorpel-
scheidewand ;
M, Mx, M2, M3, Muskel;
N, Zellkern;
iVe, Kern der Epithelzelle;
Nk, Kern der Knorpelzelle;
Ns, Xebenstrahl;
Nv, Nerv;
P, Protoplasma;
Prch , Perichondrium ;
Schw, Knorpelscheidewand ;
v, Flüssigkeitsvacuole;
VK, Vorderknorpel;
x, zwischen den Knorpelzellen einge-
schlossene protoplasmatische Masse ;
Za, Zellenausläufer;
Zk, Zellenk^psel.
Studien über das Knorpelgewebe von Wirbellosen. 717
Fig. 5. Dasselbe. Vorderknorpel mit Knorpelhülle und Perichondrium.
»Schnittdicke 5 /<. Sublimat, Boraxcarmin, Mallory. Vergr. 1000.
Fig. 6. Fissurella graeca. Querschnitt durch den Subradularknorpel (Vorder-
knorpel). Sublimat, Boraxcarmin, Bleu de Lyon, Bismarckbraun. Vergr. 500.
Fig. 7. Dasselbe. Schnittdicke 5 (a. Sublimat, Boraxcarmin, Bloch-
MANNsche Flüssigkeit. Vergr. 1500.
Fig. 8. Dasselbe. Schnittdicke 5 /n. Sublimat, Boraxcarmin, Blochmann-
sche Flüssigkeit. Vergr. 2250. Bildung der Knorpelscheidewand zwischen zwei
Knorpelzellen.
♦ Fig. 9. Haliotis tuberculata. Querschnitt durch den Subradularknorpel
(Vorderknorpel). Sublimat, Boraxcarmin, Mallory. Vergr. 500.
Tafel XVI.
Fig. 10. Brauch iomma Köllikeri. Längsschnitt durch die Kiemenhaupt-
strahlen. Sublimat. Färbung nach Hansen. Vergr. 41.
Fig. 11. Dasselbe. Querschnitt durch einen Kiemenhauptstrahl. Sublimat,
Färbung nach Hansen. Vergr. 75.
Fig. 12. Spirograpliis Spallanzani. Schräger Querschnitt durch die basale
Kiemenregion. Sublimat, Färbung nach Hansen. Vergr. 41.
Fig. 13 u. 14. Aus demselben Schnitt. Vergr. 500.
Fig. 15. Sabella reniformis. Ein Teil des Querschnittes durch den Kiemen^
hauptstrahl. Schnittdicke 5 fi. Sublimat, Färbung nach Hansen. Vergr. 500.
Fig. 16 u. 17. Dasselbe. Schnittdicke 3 tu. Sublimat, Mallory. Vergr. 1500.
Fig. 18. Sabella infundibulum. Querschnitt durch die basale Region der
Kiemenhauptstrahlen. Sublimat, Färbung nach Hansen. Vergr. 75.
Fig. 19. Dasselbe. Längsschnitt durch einen Hauptstrahl mit zwei Neben-
strahlen. Sublimat, Färbung nach Hansen. Vergr. 75.
Tafel XVII.
Fig. 20. Limulus polyphemus. Querschnitt durch den Kiemenknorpel.
Färbung nach Hansen. Vergr. 500.
Fig. 21. Dasselbe. Aus einem Längsschnitt durch den Kiemenknorpel.
Schnittdicke 5 u. Boraxcarmin, Mallory. Vergr. 1500.
Fig. 22. Limulus polypliemus. Ein Teil des Endosternites. Färbung nach
Hansen. Vergr. 75.
Fig. 23. Aus demselben Schnitt. Vergr. 500.
Fig. 24. Euscorpius europaeus. (Junges Tier von 1,5 cm Länge.) Prosoma.
Querschnitt durch den Endosternit. Sublimat, Färbung nach Hansen. Vergr. 75.
Fig. 25. Aus demselben Schnitt. Ein Teil des Endosternites. Vergr. 500.
Fig. 26. Cijpris pubera. Querschnitt durch das Endosternit. Sublimat,
Färbung nach Hansen. Vergr. 175.
Fig. 27. Dasselbe. Schnittdicke 5 «. Sublimat, Mallory. Vergr. 500.
Fig. 28. Nebalia Qeoffroyi. Querschnitt durch das Endosternit. Sublimat,
Färbung nach Hansen. Vergr. 175.
Fig. 29 u. 30. Periphylla sp. (junges Tier). Aus einem Horizontalschnitt.
Bindegewebe, des Medusenschirmes. Pikrinessigsäure , Färbung nach Hansen.
Vergr. 175.
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
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Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. CM.
Taf.II.
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Verlag von Wilhelm Engelmann inLeipzig.
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Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. CHI.
Tai: III.
Verlag vcnWhcbVngelmunn
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Verlag von Wilhehn Enyehntuw inleipzig.
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