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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

WISSENSCHAFTLICHE  ZOOLOGIE 

BEGRÜNDET  VON 

CARL  THEODOR  V.  SIEBOLD 
UND  ALBERT  V.  KÖLLIKER 


HERAUSGEGEBEN  VON 

ERNST  EHLERS 

PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  ZU  GÖTTINGEN 


HUNDERTDRITTER  BAND 

MIT  280  FIGUREN  IM  TEXT  UND  17  TAFELN 


LEIPZIG 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN 

1912 


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Inhalt  des  hundertdritten  Bandes 


Erstes  Heft 

Ausgegeben  den  12.  November  1912  geite 

Rudolf  Hochreuther,  Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginales iL 

ihr  Bau  und  ihre  Verbreitung  am  Körper.    Mit  102  Figuren  im  Text      1 

Max  Braun,  Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Hau-  ^ 
tung.    Mit  Tafel  I  und  II 


Zweites  Heft 

Ausgegeben  den  3.  Dezember  1912 

Carl  Demandt,  Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.    Ein  Bei- 

traff  zur  Morphologie  des  Insektenkörpers.    Mit  74  Figuren  im  Text  171 

Maria  Andries,  Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon 
Meigen.    Mit  23  Figuren  im  Text  und  Tafel  III- V 


Drittes  Heft 

Ausgegeben  den  10.  Dezember  1912 


Richard  Raßbach,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schale  und  Schalenregene- 

ration  von  Anodonta  cellensis  Schrot.    Mit  64  Figuren  im  Text        .  öbö 
C  Janicki,  Paramoebenstudien.    (P  pigmenHfera  Grassi  und  P  chaetognatht 

Mit  4  Figuren  im  Text  und  Tafel  VI— IX 44y 


Grassi). 


Viertes  Heft 

Ausgegeben  den  17.  Dezember  1912 


Jur.  Philiptschenko,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten     III.  D» 

Embryonalentwicklung  von  Isotoma  cinerea  Nie.    Mit  latel  *-**y  oiy 

M.  Nowikoff,  Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  Mit 
13  Figuren  im  Text  und  Tafel  XV— XVII 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L, 
ihr  Bau  und  ihre  Verbreitung  am  Körper. 

Von 

Rudolf  Hockreuther. 

(Aus  dem  Zoologischen  Institut  der  Universität  Marburg. ) 


Mit  102  Figuren  im  Text. 


Einleitung. 


Die  vorliegenden  Untersuchungen  sollen  sich  in  die  Reihe  der  in 
Marburg  vorgenommenen  Durcharbeitung  des  Organismus  des  Gelb- 
randes (Dytiscus  marginalis  L.)  einfügen.  Sie  beziehen  sich  auf  die 
Hautsinnesorgane  des  Käfers,  jedoch  schließen  sie  die  Beschreibung 
der  Chordotonalorgane,  die  von  anderer  Seite  vorgenommen  wird,  aus. 
Ebenso  wird  das  in  der  Gelenkhaut  zwischen  dem  zweiten  und  dritten 
Antennenglied  ansetzende  JoHNSTONEsche  Organ  von  jener  Seite  Be- 
arbeitung finden,  desgleichen  im  Zusammenhang  mit  den  in  den  Flügeln 
gelegenen  Chordotonalorganen  alle  Hautsinnesorgane  der  Flügel.  Die 
folgenden  Mitteilungen  beziehen  sich  also  auf  die  Organe  des  Tast-, 
Geruchs-  und  Geschmackssinnes,  soweit  sie  nicht  an  den  Elytren  oder 
Alae  gelegen  sind. 

Aufgabe  der  Untersuchung  war  es,  nicht  nur  die  Verteilung  der 
Sinnesorgane  am  Körper  und  den  Bau  ihrer  Chitinteile,  sondern  nach 
Möglichkeit  auch  die  Beschaffenheit  der  Sinneszellen  und  Nerven- 
elemente festzustellen.  Über  die  Verteilung  und  den  Bau  der  Sinnes- 
organe an  den  Kopfanhängen  von  Dytiscus  marginalis  gibt  schon  Nagel 
i.  J.  1894  einige  Mitteilungen.  Die  nervösen  Verhältnisse  sind  jedoch, 
da  er  nur  in  einzelnen  Fällen  die  Schnittmethode  zu  seinen  viel  allge- 
meineren Untersuchungen  heranzog,  von  ihm  gar  nicht  oder  doch  nur 
unvollständig  untersucht  worden. 

Leider  konnten  auch  bei  der  vorliegenden  Bearbeitung  nicht  alle 
Hautsinnesorgane  am  Körper  des  Käfers  ganz  genau  auf  die  nervösen 
Verhältnisse  hin  erforscht  werden.  Es  hat  dies  seinen  Grund  in  den 
großen  technischen  Schwierigkeiten,  die  sich  den  Untersuchungen  ent- 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.     COT.  Bd.  1 


2  Rudolf  Hochreuther, 

gegenstellten,  und  die  nur  mit  viel  Mühe  und  Geduld  überwunden 
werden  konnten,  und  dann  auch  darin,  daß  die  Verhältnisse  zum  Teil 
recht  wenig  klar  liegen,  wofür  der  Grund  im  Objekt  liegen  könnte. 
Es  ist  besonders  auffallend,  daß  gerade  bei  den  Sinneshaaren,  die  man 
als  die  primitivsten  Sinnesorgane  anzusehen  geneigt  ist,  die  Inner- 
vierungsverhältnisse  oft  am  unklarsten  blieben,  während  sie  bei  den 
komplizierteren  Formen  mit  mehr  befriedigendem  Erfolg  zu  ermitteln 
waren. 

Anordnung  des  Stoffes. 
I.  Literatur. 
II.  Eigene  Untersuchungen. 

A.  Methodik. 

B.  Bau  der  Hautsinnesorgane. 

1.  Sinneshaare. 

2.  Sinnesborsten. 

3.  Sinneszapfen. 

4.  Tast-  und  Geschmackszäpfchen. 

5.  Grubenkegel. 

a.  massive, 

b.  hohle. 

6.  Kelchförmige  Organe. 

7.  Kuppeiförmige  Organe. 

C.  Verbreitung  der  Hautsinnesorgane  am  Körper. 

1.  Die  Hautsinnesorgane  des  Kopfes. 

a.  des  Cranium  (Schädelkapsel), 

b.  der  Kopf  anhänge, 

1.  der  Antennen, 

2.  der  Mund  Werkzeuge. 

c.  des  Gaumens, 

d.  der  Nackenhaut. 

2.  Die  Hautsinnesorgane  des  Thorax. 

a.  des  Prothorax, 

b.  des  Mesothorax, 

c.  des  Metathorax, 

d.  der  thoracalen  Gelenkhäute, 

e.  der  Beinpaare. 

3.  Die  Hautsimiesorgane  des  Abdomens. 

a.  seiner  äußeren  Skeletteile, 

b.  des  Geschlechtsapparates. 

D.  Zusammenfassuno. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  3 

I.   Literatur. 

Unter  Zuhilfenahme  der  diffizilsten  Färbemethoden  hat  in  den 
80er  und  90er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  0.  vom  Rath  den 
histologischen  Bau  der  Hautsinnesorgane  der  Arthropoden  untersucht, 
und  die  aus  seinen  Resultaten  gewonnene  Auffassung  bildete  bis  in  die 
heutige  Zeit  die  herrschende.  Freilich  erweiterten  neuere  Autoren, 
namentlich  Freiling  und  Vogel,  die  Befunde  v.  Raths,  indem  sie 
außer  den  von  jenem  Autor  gefundenen  wesentlichen  Elementen  einige 
accessorische  Zellen  erkannten.  Aber  im  Grundprinzip  war  doch  die 
vom  RATHsche  Auffassung  bis  in  die  letzte  Zeit  hinein  erhalten  und  die 
einzig  anerkannte. 

v.  Rath  hatte  gefunden,  daß  der  wesentliche  Teil  eines  Hautsinnes- 
organs, die  Sinneszelle,  eine  modifizierte  Hypodermiszelle  sei,  die  einen 
proximalen,  »nervösen«,  von  Neurilemm  begleiteten  Fortsatz  nach 
dem  Centralorgan  und  einen  distalen  nach  dem  Sinneshaar  hinschicke. 
Der  proximale  nervöse  Fortsatz  trete  aber  nicht  mit  einer  Ganglien- 
zelle  in  Verbindung,  sondern  ende  frei  im  Centralorgan  unter  Bildung 
einer  feinen  Verzweigung.  Der  distale  Fortsatz  nach  dem  Haar  sei 
dagegen  niemals  verzweigt. 

Diesen  hier  nur  ganz  kurz  skizzierten  Resultaten  v.  Raths  schlössen 
sich,  wie  gesagt,  alle  neueren  Autoren  an,  ohne  daß  freilich  eine  Prü- 
fung der  v.  RATHschen  Angaben  mit  ebenso  diffizilen  Methoden  vorge- 
nommen worden  wäre.  Zum  Teil  wurden  von  ihnen  interessante  neue 
Befunde  hinzugefügt  in  bezug  auf  die  letzten  Endigungen  der  reizleiten- 
den Apparate  an  manchen  chitinösen  Sinnesanhängen  und  verschiedene 
Zellen,  die  die  einzelnen  Abschnitte  der  Sinneszelle  und  ihres  distalen 
Fortsatzes  schützend  umhüllen,  ganz  ähnlich  wie  das  bei  den  Chordo- 
tonalorganen  der  Fall  zu  sein  pflegt  (Schema  dell'Udito,  Berlese). 

Schon  Weinland  hatte  an  den  HiCKsschen  Papillen  der  Dipteren- 
schwanger  besonders  differenzierte  Endigungen  der  Terminalstränge 
gefunden.  Janet  erkannte  ähnliche  an  den  kuppeiförmigen  Organen 
der  Ameisen.  Von  Freiling  wurden  solche  nervösen  Endapparate 
an  den  Sinneskuppeln  der  Schmetterlingsflügel  ermittelt,  die  den  stift- 
förmigen  Körpern  der  Chordotonalorgane  sehr  ähnlich  sind.  Vogel 
untersuchte  sie  genauer  und  stellte  sie  auch  an  den  Sinnesschuppen  fest. 

Was  umhüllende  Zellen  angeht,  so  beschrieb  zuerst  Guenther 
1901  an  den  Sinneskuppeln  von  Schmetterlingsflügeln  einen  den  Ter- 
minalstrang umgebenden  streifigen  »Mantel«.  Freiling  und  Vogel 
erkannten  diesen  als  zu  besonderen  Zellen  gehörig,  die  die  Sinneszellen 

1* 


4  Rudolf  Hochreuther, 

umschließen,  den  sogenannten  »Hüllzellen«.  Von  Freiling  wurden 
auch  unter  den  »Sinnesschuppen  und  Sinnesstacheln«  solche  Hüllzellen 
gefunden.  Vogel  gelang  es  endlich,  an  den  Sinneskuppeln  außer  den 
Hüllzellen  noch  eine  »Kuppel-  oder  Kappenzelle«  nachzuweisen,  die 
am  weitesten  distal  gelegen  ist  und  den  percipierenden  Endapparat 
umschließt. 

In  allerneuster  Zeit  entwickelte  Berlese  in  dem  ersten  Band 
seines  Werkes :  »Gli  Insetti «  eine  gänzlich  andere  Auffassung  vom  histo- 
logischen Aufbau  der  Hautsinnesorgane.  Obgleich  seit  dem  Erscheinen 
dieses  Werkes  im  Jahre  1909  von  mehreren  deutschen  Autoren  neue 
Arbeiten  über  Hautsinnesorgane  erschienen  sind,  findet  sich  in  keiner 
die  BERLESESche  Auffassung  von  dem  Bau  dieser  Organe  angeführt. 
Auch  Vogel,  dem  das  BERLESESche  Werk  bekannt  war,  erwähnt  in 
seiner  im  vorigen  Jahre  erschienenen  Arbeit  über  die  Sinnesorgane  an 
Schmetterlingsflügeln  nichts  von  den  Abweichungen  der  BERLESEschen 
und  v.  RATHschen  Auffassungen.  Es  scheint  mir  deshalb  notwendig, 
hier  in  kurzen  Zügen  die  Auffassung  Berleses  wiederzugeben. 

Berlese  nähert  sich  in  einem  Punkte  den  Angaben  von  Retzius, 
der  zur  Zeit  v.  Raths  stark  verzweigte  Nervenendigungen  an  die  Sinnes- 
haare herantreten  sah,  aber  von  diesem  Autor  deshalb  sehr  bald  wider- 
legt wurde.  Berlese  nimmt  nun  wieder  das  Vorkommen  von  distalen 
Nervenverzweigungen  an.  Allerdings  sollen  diese  verzweigten  Nerven- 
endigungen nicht  direkt,  wie  Retzius  annahm,  an  die  Sinnesorgane 
herantreten  und  sich  in  sie  hineinerstrecken,  sondern  sie  sollen  an  eine 
oder  mehrere  Zellen  herantreten,  die  unterhalb  der  Sinnesorgane  in  der 
Hypodermis  gelegen  sind.  Diese  Zellen  werden  nach  Berlese  von 
den  verzweigten  Nervenendigungen  äußerst  dicht  umsponnen.  Es  sind 
diese  hypodermalen  Zellen  die,  welche  den  Sinneszellen  v.  Raths  ent- 
sprechen würden.  Berlese  dagegen  spricht  sie  zum  Teil  als  trichogene 
Zellen  (Cellula  tricogena)  und  zum  Teil  als  Drüsenzellen  (Cellula 
ghiandolare)  an.  Den  trichogenen  Zellen  komme  die  Ausbildung  des 
chitinösen  Sinnesanhanges  zu,  während  die  Drüsenzellen  besondere 
percipierende  Endapparate  erzeugen,  zuweilen  aber  auch  noch  im 
ausgebildeten  Organ  die  Funktion  haben  sollen,  ein  flüssiges  Secret 
abzusondern,  das  zur  Ermöglichung  einer  Sinnesperception  manchen 
Organen  von  Nöten  sei.  Dadurch,  daß  nun  beide  Zellarten  von  den 
an  sie  herantretenden  Nervenendigungen,  den  Ausläufern  einer  »ner- 
vösen Zelle«,  fest  umschlossen  werden,  sei  eine  Übermittlung  des 
äußeren  Reizes  durch  diese  Zellen  möglich. 

Während  die  trichogenen  Zellen  allen  Formen  von  Sinnesorganen 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  5 

zukommen  —  denn  sie  müssen  den  chitinösen  Sinnesan-hang  ausbilden  — , 
finden  sich  die  Drüsenzellen  nur  bei  den  höher  differenzierten  Organen 
des  chemischen  Sinnes,  sowie  des  Gesichts-  und  Gehörsinnes.  Berlese 
konstruiert  je  nach  dem  Fehlen  oder  Vorhandensein  der  Drüsenzellen 
zwei  Grundschemata  von  Hautsinnesorganen,  aus  denen  alle  einzelnen 
Formen  herzuleiten  seien.  Er  bezeichnet  sie  als  »Protestesi  semplice« 
und  »Protestesi  composta «.  Die  Bezeichnung  » Protestesi «  ist  an- 
scheinend von  /TQtüvt]  aiad-rjoig  hergeleitet  und  würde  darum  besser 
»Protaesthesis«  geschrieben.  Zu  den  einfachen  Protaesthesis  würden 
also  folgende  Teile  gehören:  ein  Stück  der  Cuticula,  die  darunter  ge- 
legene Hypodermiszelle,  die  das  Chitin  oder  den  Chitinanhang'  bildete 
(trichogene  Zelle),  und  ein  herantretender  Nerv,  der  die  Basalmembran 
durchbricht  und  mit  seinen  feinsten  Endverzweigungen  die  trichogene 
Zelle  eng  umspinnt.  Zu  den  zusammengesetzten  Protaesthesis  würde, 
abgesehen  von  diesen  Teilen,  noch  mindestens  eine  Drüsenzelle  gehören, 
die  zuweilen  ein  für  die  Perception  des  Reizes  wichtiges  Secret  aus- 
scheidet und  von  den  verzweigten  Nervenausläufern  umsponnen  wird, 
so  daß  sie  gleichzeitig  zur  Reizübertragung  dienen  könnte. 

Von  dem  einfacheren  Schema  leitet  Berlese  die  Organe  des  Tast- 
sinnes her,  dagegen  von  dem  komplizierteren  die  Organe  des  Geruchs-, 
Geschmacks-,  Gehör-  und  Gesichtssinnes.  Die  Grundformen  der  Organe 
jedes  einzelnen  Sinnes  bezeichnet  er  als  »Sensillen«,  und  er  gibt  ent- 
sprechend der  geläufigen  Bezeichnung  »Ommatidium«  für  das  Grund- 
element der  Facettenaugen  auch  den  einzelnen  Sensillen  der  anderen 
Sinne  besondere  Namen.  So  nennt  er  das  Sensillum  des  Gehörs :  Otarium, 
das  des  Geruchs  und  Geschmacks:  Rinarium  und  das  des  Tastsinnes: 
Affidium. 

Berlese  begründet  seine  Auffassung  von  dem  Bau  der  Sensillen, 
indem  er  es  aus  theoretischen  Gründen  für  ausgeschlossen  hält,  daß  eine 
Hypodermiszelle  nachträglich  zu  einer  Sinneszelle  werden  könne,  wie 
dies  v.  Rath  annahm.  Er  sagt  hierzu,  wörtlich  übersetzt :  »Die  Autoren, 
die  gehofft  haben,  die  Hypodermiszelle  sich  selbst  zu  einer  nervösen 
Zelle  modifizieren  zu  sehen,  warten  vergebens,  daß  dies  jemals  be- 
wiesen werde,  weil  von  der  ersten  embryonalen  Differenzierung  des 
Ectoderms  in  neuroblastische  Zellen  es  niemals  mehr  vorkommt,  daß 
sich  eine  Hypodermiszelle  in  eine  Nervenzelle  verwandelt.  Die  nervösen 
Elemente  kommen  also  immer,  rascher  oder  langsamer,  aus  dem  Central- 
system  hervor  und  schieben  sich  zwischen  die  Hypodermiszellen. « 
Hierdurch  sucht  Berlese  die  Auffassung  v.  Raths  zu  widerlegen, 
daß   eine   Sinneszelle   ursprünglich   eine   gewöhnliche   Hypodermiszelle 


6  Rudolf  Hochreuther, 

sei,  »die  durch  Wachstum  ihres  proximalen  Fortsatzes  bis  ins  Central- 
organ  hinein  zu  einer  Sinneszelle  wird. « 

Als  Beweisgrund  gegen  v-  Rath  führt  er  auch  die  Tatsache  an, 
daß  der  Fortsatz  der  Sinneszelle  zum  Centralorgan  von  Neurilemm 
umkleidet  ist.  Er  betont,  dies  sei  nur  möglich,  wenn  der  Fortsatz  selbst 
nervöser  Natur  sei,  denn  das  Neurilemm  bekleide  niemals  Elemente 
von  anderem  als  nervösem  Charakter.  In  den  Neurilemmkernen,  die 
die  Sinneszellengruppe  v.  Raths  begleiten,  sieht  er  die  Kerne,  welche 
den  feinsten  Endverzweigungen  der  diese  Zellengruppe  umspinnenden 
Nerven  angehören. 

Als  wichtigstes  Argument  für  seine  Ansicht  führt  aber  Berlese 
die  Histogenese  der  Sinnesorgane  ins  Feld,  die  er  an  Polistes  und  Vespa 
studiert  hat.  Er  fand  hierbei,  daß  die  Nerven  tatsächlich  vom  Central- 
organ aus  sich  fortsetzen  und  an  die  Hypodermiszellen,  die  ein  Sinnes- 
organ bilden  sollen,  herantreten  und  diese  umschlingen.  Die  weiteren 
Befunde  faßt  er  mit  folgenden  Worten  kurz  zusammen:  »Die  Tatsache 
ist  wunderbar,  daß  die  Hypodermiszellen  sich  differenzieren  und  spe- 
zialisieren, wenn  sie  mit  den  spezifischen  Nervenelementen  in  Berührung 
treten,  und  daher  sind  es  diese,  welche,  ausgestattet  mit  einer,  ich 
möchte  sagen,  informativen  Kraft,  die  Modifikation  der  Hypodermis- 
zellen bestimmen,  die,  ursprünglich  alle  gleich,  so  die  Modifikationen 
eines  bestimmten  Sensillums  annehmen.  Es  sind  die  Nerven  und  die 
zwischen  die  Hypodermis  eingeführten  nervösen  Zellen,  welche  die 
Bedeutung  haben,  das  bestimmte  Sensillum  zu  bilden  je  nach  seinem 
Zweck  und  seiner  speziellen  Bestimmung.« 

Es  konnte  nicht  Aufgabe  der  vorliegenden  Untersuchungen  sein, 
diese  strittige  Frage  zu  entscheiden.  Denn  dazu  wären  entwicklungs- 
geschichtliche Untersuchungen  über  die  Entstehung  der  Hautsinnes- 
organe nötig  gewesen,  die  nicht  in  den  Rahmen  dieser  Arbeit  gepaßt 
hätten,  welche  rein  beschreibend  Form  und  Bau  der  Hautsinnesorgane 
des  ausgebildeten  Käfers  untersuchen  soll.  Es  muß  also  eine  Ent- 
scheidung von  künftigen,  lediglich  auf  diesen  Punkt  gerichteten  Unter- 
suchungen erhofft  werden. 

Einen  anderen  Streitpunkt  von  Anbeginn  der  Untersuchungen 
über  Hautsinnesorgane  der  Arthropoden  bildet  die  Frage,  ob  die  chiti- 
nösen  Sinnesanhänge  der  Arthropoden  durchbohrt  sein  könnten,  oder 
ob  dies  nicht  möglich  sei.  Die  älteren  Autoren,  z.  B.  Leydig,  Hauser, 
v.  Rath  und  Ruland  nahmen  an  den  Organen  des  chemischen  Sinnes, 
also  des  Geruchs-  und  Geschmackssinnes,  Öffnungen  wahr.  Leydig 
fand   1878  an  den  Riechzapfen  der  kleineren  inneren  Antennen  von 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  7 

Amphipoden  und  Isopoden  Durchbohrungen,  v.  Rath  stellte  1886 
an  der  Unterlippe  und  den  Antennen  mehrerer  Chilognathen  deut- 
lich durchbohrte  Sinneskegel  fest.  Bei  den  Kegeln  der  Antennen  be- 
stätigt er  das  von  Leydig  beschriebene  Vorkommen  von  »Endknöpf- 
chen«,  die  aus  der  Durchbohrung  hervorragen.  Ruland  beschrieb  1888 
bei  den  verschiedenen  Insektenklassen  (auch  bei  Käfern  und  besonders 
bei  Dytiscus)  Sinneskegel,  die  an  der  Spitze  Öffnungen  trugen,  und  er 
kommt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  zu  dem  Resultat,  daß  alle 
dem  chemischen   Sinn   dienenden    Organe   geöffnet   sein   müßten. 

Neuere  Autoren,  vor  allem  Nagel  und  auch  ganz  neuerdings 
Berlese,  wiesen  darauf  hin,  daß  das  Vorhandensein  von  Offnungen 
in  den  Chitinanhängen  theoretisch  sehr  unwahrscheinlich  sei,  und  sie 
fanden  bei  ihren  Untersuchungen  auch  stets  eine  verschließende  Chitin- 
membran. Freilich  konnte  diese  bei  manchen  Organen  des  chemischen 
Sinnes  äußerst  fein  werden,  so  daß  sie  einer  Diffusion  von  Gasen  und 
Flüssigkeiten  kaum  hindernd  im  Wege  stand. 

Demgegenüber  neigen  andere  neue  Autoren  wieder  zu  der  Ansicht, 
daß  manche  Sinnesorgane  doch  an  der  Spitze  geöffnet  sein  möchten. 
In  seinem  1896  erschienenen  Buche  über  die  europäische  Höhlenfauna 
beschreibt  0.  Hamann  bei  mehreren  Diplopoden  und  Chilopoden  an 
der  Spitze  der  Antennen,  bzw.  hinter  den  Fühlern  nach  außen  geöffnete 
Sinnesorgane.  Auch  bei  Gammarus  fand  er  in  Übereinstimmung  mit 
Leydig  die  Endknöpfchen  der  Riechzäpfchen  durchbohrt;  v.  Rath 
hatte  an  diesem  Objekt  nicht  sicher  entscheiden  können,  ob  eine  Durch- 
bohrung vorhanden  sei  oder  nicht;  Nagel  hatte  keine  Durchbohrung 
daran  gefunden.  Ferner  beschrieb  0.  Schröder  im  Jahre  1908  an  den 
Skorpionskämmen  ein  Sinnesorgan,  das  eine  Verbindung  des  inneren 
Porenkanals  mit  der  Außenwelt  aufweist.  Dann  gab  zu  Anfang  vorigen 
Jahres  Schön  Mitteilung  von  ebenständigen  Sinneskegeln  von  Formica, 
die  ihm  an  der  Spitze  einen  Porus  zu  haben  schienen.  Dieser  Porus 
stehe  mit  dem  Terminalstrang  der  Sinneszelle  direkt  in  Verbindung. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  hatten,  was  diese  Frage  angeht, 
ein  ganz  entsprechendes  Ergebnis.  Es  scheint  nach  ihnen  mit  großer 
Wahrscheinlichkeit  festgestellt  zu  sein,  daß  bei  manchen  Organen  eine 
Durchbohrung  des  Chitins  vorhanden  ist.  Es  tritt  aber  in  diesen  Fällen 
am  Ende  des  Terminalstranges  eine  eigentümliche  Umwandlung  seiner 
Substanz  zutage,  die  vielleicht  chitinöser  Natur  ist.  Da  der  Terminal- 
strang, wie  wir  sehen  werden,  die  Durchbohrung  des  Chitinanhanges 
mit  seinem  modifizierten  Ende  stets  erfüllt,  so  wäre  der  vorhandene 
Porus  doch  stets  von  einer  festeren  Substanz  eingenommen.     Es  wird 


8  Rudolf  Hockreuther, 

sich  aber  empfehlen,  auf  die  näheren  Verhältnisse  bei  den  einzelnen 
Organen,  die  sie  uns  bieten,  einzugehen,  und  dort  auch  ältere  Autoren 
zu  hören,  die  zum  Teil  schon  eine  ganz  ähnliche  Auffassung  vom  Bau 
der  Organe  des  chemischen  Sinnes  hatten,  wie  wir  sie  nach  der  später 
folgenden  Beschreibung  gewinnen  müssen. 

II.  Eigene  Untersuchungen. 
A.  Methodik. 

Es  war,  wie  schon  gesagt,  eine  der  Hauptschwierigkeiten  der  vor- 
liegenden Untersuchungen,  geeignetes  Material  und  geeignete  Methoden 
zu  finden,  um  das  überaus  harte  chitinöse  Exoskelet  des  Käfers  zum 
Schneiden  mittels  des  Mikrotoms  geeignet  zu  erhalten.  Denn  abgesehen 
davon,  daß  ein  Studium  der  Innervierung  der  Sinnesorgane  nur  auf 
Schnitten  möglich  ist,  waren  diese  auch  vielfach  deshalb  notwendig, 
um  überhaupt  den  Bau  der  komplizierten  kleineren  Organe  ermitteln 
zu  können.  Es  war  also  erforderlich,  Schnitte  von  5  bis  höchstens 
10  it  Dicke  herzustellen. 

Als  Ausgangsmaterial  wurden  deshalb  meistens  eben  geschlüpfte 
Käfer  benutzt,  deren  Chitin  noch  nicht  erhärtet  war.  Sie  wurden 
nach  Betäubung  mittels  Chloroform  in  kleinere  Teilstücke  zerschnitteD, 
was  namentlich  auch  für  die  einzelnen  Antennen  und  Mundwerkzeuge 
nötig  war,  und  in  heißem  Sublimateisessig  konserviert.  Nach  dem 
Erkalten  der  Konservierungsflüssigkeit  wurden  die  Teile  gut  gewässert 
und  durch  40%igen  Alkohol  in  60%ig  alkoholische  Jodlösung  gebracht. 
Hierin  blieben  sie  mehrere  (6 — 10)  Stunden,  zuweilen  über  Nacht.  Dann 
wurden  sie  möglichst  schnell  durch  konzentriertere  Alkohole  in  ein 
Gemisch  von  absolutem  Alkohol  und  Chloroform  gebracht,  das  nach 
einiger  Zeit  durch  reines  Chloroform  ersetzt  wurde.  Chloroform  erwies 
sich  bedeutend  günstiger  als  das  zu  sehr  härtende  Xylol.  Nachdem 
die  Stücke  in  etwa  1/2  Stunde  gut  von  Chloroform  durchsetzt  waren, 
wurden  sie  in  Paraffin  vom  Schmelzpunkt  62°  gebracht  und  nach 
einmaligem  Auswechseln  des  Paraffins  nach  l/4  bis  1  Stunde,  je  nach 
Größe  des  Teilstückes,  aus  dem  Ofen  genommen.  Zu  langer  Aufenthalt 
im  Thermostaten  erwies  sich  im  allgemeinen  ebenso  nachteilig  wie  Be- 
handlung mit  Xylol  oder  zu  langes  Verweilen  in  hochprozentigen 
Alkoholen. 

Die  Schnitte  wurden  mit  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  oder  nach 
der  HEiDENHAiNschen  oder  v.  GiESONschen  Methode  gefärbt.  Auch 
Methylenblaufärbimg  wurde  an  Totalobjekten  wie  an  Schnitten  ver- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  9 

sucht,  jedoch  mit  recht  geringem  Erfolg.     Bessere  Resultate  lieferte, 
vor  allem  in  drüsenreichen  Partien,  die  Safran  infärbung. 

Die  von  jungen  Käfern  gewonnenen  Schnitte  gaben  nicht  in  allen 
Fällen  die  zu  wünschende  Sicherheit  zum  Erkennen  und  Unterscheiden 
verschiedener  Zellelemente.  Das  hypodermale  Gewebe  machte  oft 
einen  noch  sehr  embryonalen  Eindruck,  und  es  war  dann  nicht  möglich, 
Hypodermiszellen,  Sinneszellen  und  Drüsenzellen  voneinander  zu  unter- 
scheiden. Es  war  deshalb  notwendig,  Vergleichspräparate  von  alten 
Käfern  herzustellen,  bei  denen  die  verschiedenen  Zellelemente  deutlich 
differenziert  erscheinen.  Dazu  war  es  nötig,  das  harte  Chitin  zu  er- 
weichen. Es  wurden  Versuche  mit  der  von  Hennings  angegebenen 
ÜENNiNGSschen  Lösung  angestellt.  Sie  zeitigten  indes  oft  keine  be- 
sonders befriedigenden  Resultate.  Wohl  zeigte  sich  das  Chitin  zum 
Schneiden  geeigneter;  aber  die  Konservierung  ließ  oft  recht  viel  zu 
wünschen  übrig.  Deshalb  wurde  auch  bei  alten  Käfern  die  Konser- 
vierung mit  heißem  Sublimateisessig'  vorgezogen.  Nach  ganz  ent- 
sprechender Weiterbehandlung  der  Teile  wie  bei  jungem  Material  ließen 
sich  mit  einiger  Übung  und  Geduld  bessere  Schnitte  von  10  fi  Dicke 
erzielen.  Freilich  mußte  man  sehr  oft  die  traurige  Erfahrung  machen, 
daß  infolge  des  großen  Härteunterschiedes  zwischen  Chitin  und  Hypo- 
dermis  diese  sich  beim  Schneiden  ablöste.  Aber  zuweilen  gelang  es  doch, 
einen  brauchbaren  Schnitt  zu  erhalten.  In  allen  Fällen  ist  es  nicht 
gelungen,  und  deshalb  konnte  eine  Entscheidung  aller  Fragen  bei  allen 
Formen  von  Sinnesorganen  nicht  ermittelt  werden. 

Die  Übersichtsbilder,  die  die  Verteilung  der  Sinnesorgane  an 
einzelnen  Körperregionen  zeigen  sollen,  wurden  nach  Totalpräparaten 
von  jungen  und  alten  Käfern  in  Glyzerin  oder  Kanadabalsam  ent- 
worfen. Es  ist  bei  Untersuchung  der  Verteilung  der  Organe  an  den 
stark  pigmentierten  Körperteilen  alter  Käfer  eine  kurze  Behandlung 
der  Objekte  mit  Chlorwasser  oder  freiem  Chlor  von  Nutzen  gewesen, 
besonders  wenn  nach  Mazeration  durch  Kochen  in  Kalilauge,  die  zu- 
weilen vorgenommen  wurde,   das   Pigment  schwarz  geworden  war. 

Alle  Zeichnungen  wurden  mit  Hilfe  des  LEiTZschen  Zeichenappa- 
rates angefertigt.  In  bezug  auf  die  Übersichtsbilder  der  Mundteile 
ist  zu  bemerken,  daß  die  Sinnesorgane  zu  groß  eingetragen  sind  im 
Verhältnis  zu  den  Dimensionen  der  entsprechenden  Körperteile.  Es 
ist  dies  geschehen,  damit  einmal  die  Organe  in  ihrer  Form  zu  erkennen 
sind,  und  dann  damit  der  Rahmen,  den  die  Gesamtfigur  einnehmen 
darf,  nicht  überschritten  wurde.  In  den  Sinnesfeldern  jener  Körper- 
teile ist  infolgedessen  die  Zahl  der  eingetragenen  Sinnesorgane  zu  gering. 


10 


Rudolf  Hochreuther, 


Bezüglich  der  abgekürzten  Bezeichnungen  in  den  einzelnen  Figuren 
ist  noch  zu  bemerken,  daß  ihre  Erklärung,  soweit  sie  nicht  unter  den 
einzelnen  Bildern  selbst  gegeben  wurde,  aus  dem  Verzeichnis  der  Ab- 
kürzungen auf  S.  113  f.  zu  ersehen  ist. 


B.  Bau  der  Hautsinnesorgane. 
1.  Die  Sinneshaare. 

(Sensilla  trichodea,  Schenk.) 
Alle  Autoren  stimmen  darin  überein,  die  Sinneshaare  als 
fachsten  und  primitivsten  aller  Hautsinnesorgane  anzusprechen 
aus  ihnen  lassen  sich  durch  allmäh- 
lich fortschreitende  Differenzierung 
alle  anderen  Formen  von  Sinnes- 
organen herleiten.  Beelese  führt 
sie  als  die  einfachsten  Organe  auch 
auf  die  einfachen  Protaesthesis  zu- 
rück, jene  Vorstufe  von  Sinnesorga- 
nen, denen  der  Drüsenteil  fehlen  soll. 
Der  percipierende  Teil  dieser 
Organe  besteht,  wie  der  Name  sagt, 
aus  einem  Haar  (vgl.  z.  B.  Fig.  2sh). 
Man  muß  jedoch  gestehen,  daß  es 
nicht  leicht  ist,  die  Gruppe  der  da- 
zu zu  rechnenden  Oryane  scharf  zu 


die  ein- 
.    Denn 


/TA^J 


Fig.  1. 

Kleines  Sinneshaar  vom  Grundglied  der 

Antenne   (Totalpräparat).     330  :  1. 

km,  kuppelförmige  Membran;  pk.  Poren- 

kanal;   sh,  Sinneshaar. 


Fig.  2. 

Längsschnitt  durch  Sinneshaar  am  Pronotum. 
330  :  1.      k,  centraler  Haarkanal;  sz,  Sinnes- 
zelle:   tst,    Terminalstrang.      Erklärung    der 
übrigen  Abkürzungen  s.  S.  113. 


begrenzen.  Es  finden  sich  zahlreiche  Übergänge  zu  der  nächstver- 
wandten Form,  den  Sinnesborsten  (vgl.  Fig.  13  sb).  In  der  Literatur 
herrscht  darum  auch  eine  ziemlich  große  Verwirrung  in  der  Anwendung 
der  einen  oder  anderen  Bezeichnung.  Schenk  versuchte  1902  eine  scharfe 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


11 


Definition  für  Sinneshaare  und  Sinnesborsten  einzuführen.  Er  nennt 
Haare  »etwas  gebogene,  dunkel  pigmentierte«  Organe,  die  wegen  ihrer 
größeren  Länge  nicht  so  spitz  ausgezogen  erscheinen  wie  die  spitz  zu- 
laufenden Borsten.  Röhler  spricht  dagegen  1905  gerade  die  pigmen- 
tierten gebogenen  Organe  von  Tryxalis  als  Sinnesborsten  an.  Daraus 
erhellt,  daß  bisher  noch  keine  Einigung  erzielt  ist,  und  weiter  auch, 
daß  eine  scharfe  Scheidung  sehr  schwierig,  wenn  überhaupt  durchführbar, 


I  m  mm. 


Fig.  4. 

Längsschnitt  durch  Sinneshaar  am  Metano- 

Fig-  3-  tum.     470  :  1.     (Das  Haar   müßte  bei  der 

Längsschnitt  durch  Sinneshaar  und   Sinnes-  angewandten    Vergrößerung     12  cm    lang 

börste  des  Mesosternum.    265  : 1.  gezeichnet  werden.) 

ifc,  Kanal;   km,  kuppeiförmige  Membran;   pk,  Porenkanal;   sb,    Sinnesborste;   sli,  Sinneshaar;   sz, 
Sinneszelle;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 


ist.  Immerhin  dürfte  die  von  Schenk  eingeführte  Trennung  nach  der 
größeren  oder  geringeren  Länge  (und  der  dadurch  bedingten  größeren 
oder  geringeren  Biegungsfähigkeit)  und  nach  dem  Auslaufen  in  eine 
mehr  abgerundete  oder  schärfere  Spitze  am  meisten  zusagen,  und  ich 
will  deshalb  nach  Möglichkeit  bei  der  Beschreibung  jener  beiden  Organ- 
formen diese  Trennungsweise  zugrunde  legen. 

Die  Sinneshaare  von  Dytiscus  zeigen  eine  große  Mannigfaltigkeit 
in  Größe  und  Form.    Die  größten  Haarformen  konnten  aus  praktischen 


12 


Rudolf  Hochreuther. 


Gründen  nicht  in  ihrer  ganzen  Länge  in  den  Abbildungen  wieder- 
gegeben werden.  Der  Hinweis  aber,  daß  das  bei  gleicher  Vergrößerung 
wie  Fig.  8  in  Fig.  4  abgeschnitten  dargestellte  Haar  bei  der  angewandten 
Vergrößerung  12  cm  lang  hätte  gezeichnet  werden  müssen,  wird  ge- 
nügen, um  die  bedeutenden  Größendifferenzen  zu  zeigen.  Außer- 
ordentlich verschieden  sind  die  Haare  aber  auch  in  ihrer  Form.  Die 
Fig.  2  und  3  zeigen  Sinneshaare,  sh,  des  Pronotum  bzw.  des  Meso- 
sternum.  Man  erkennt  die  sehr  schlanke  Form,  die  es  bedingt,  daß 
sie  an  ihrem  Ende  sich  stark  verjüngend  zulaufen.  Immerhin  kann 
man  an  der  Spitze  doch  noch  eine  deutliche  Rundung  erkennen,  und 
dies  veranlaßt  zusammen  mit  der  großen  Biegimgsfähigkeit  der  Organe, 
sie  den  Haaren  zuzurechnen.  Die  größte  Stärke  erreicht  das  in  Fig.  2 
dargestellte  Haar  nicht  etwa  an  seinem  Grunde,  wo  es  dem  Körperchitin 
eingelenkt  ist,  sondern  erst  am  Ende  des  ersten  Sechstels  seiner  ge- 
samten Länge.     Eine  ebensolche  Verjüngung  tritt  uns  auch  an  den 

Haaren  anderer  Körperteile 


^^Hnf' 


Fig.  5. 
Längsschnitt  durch  Haar  am  Bücken  des  Abdomens.  590:  1. 
drz,  Drüsenzelle;   szl,  Sinneszelle?;    szk?,   Sinneszellkern?. 
Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


entgegen,  so  z.  B.  an  den  in 
Fig.  4  und  10  s/?,  und  Fig.  5 h, 
abgebildeten  Haaren  des 
Metanotum  bzw.  der  Unter- 
lippe und  der  Rücken- 
decke des  Abdomens.  Auch 
dieses  letzte  Haar  konnte 
wegen  seiner  großen  Länge 
(vgl.  dazu  Fig.  99  h)  nicht 
in  seinem  ganzen  Verlauf 
gezeichnet  werden.  Dennoch  erkennt  man  an  dem  kurzen  Ansatz- 
stück ebenso  wie  an  dem  des  Haares  in  Fig.  4  die  Verjüngung  schon 
sehr  deutlich.  Andere  Haare  zeigen  diese  Verjüngung  keineswegs, 
sondern  sitzen  mit  dem  stärksten  Teil  dem  die  Verbindung  mit  dem 
Körperchitin  herstellenden  Apparat  auf  (vgl.  Fig.  3,  6  u.  7  sh).  Sehr 
gleichmäßige  Stärke  in  ihrem  ganzen  Verlauf  zeigen  die  Sinneshaare 
aus  dem  Feld  von  der  Basis  der  dorsalen  Seite  der  Mandibeln  (s.  Fig.  8 
u.  76  sh). 

Die  meisten  Sinneshaare  zeigen  in  ihrer  Mitte  einen  Kanal  (Fig.  2 
bis  8  u.  10 k).  Zuweilen,  aber  nur  selten,  erscheint  er  von  einer  körnigen 
Masse  erfüllt  (Fig.  7). 

Was  die  Einlenkung  der  Haare  angeht,  so  ist  zunächst  zu  sagen, 
daß  sie  nicht  an  der  Körperoberfläche  geschieht,  sondern  in  einer  meist 
flachen,  schüsselartigen  Grube,  die  sich  an  den  Stellen,  wo  Haare  stehen, 


Die  Haut  Sinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,   usw. 


13 


im  Körperchitin  befindet,  wie  dies  Fig.  1  von  einem  Sinneshaar  der 
Antenne  zeigt.  Diese  Grube  bildet  den  distalen  Teil  des  Porenkanals, 
der  das  Körperchitin  durchsetzt.  Ihr  Boden  ist  von  einer  flacheren 
oder  höheren  membranösen  Kuppel  aus  weicherem  Chitin  gebildet 
(Fig.  2—10  km),  der  das  Haar  ansitzt.  Die  weichere  Beschaffen- 
heit der  Membran  verbürgt  eine  gewisse  Bewegungsfähigkeit  des  Haares 
gegenüber  dem  Körper  und  ist  darum  als  Schutz  gegen  Verletzungen 
durch  Abbrechen  von  Bedeutung.  Sehr  flach  erscheinen  die  Kuppeln 
(km)  an  den  in  Fig.  2,  4,  5  und  7  dargestellten  Haaren ;  stärker  gewölbt 


ventral 

Fig.  6. 

Sagittalschnitt  durch  die  mittlere  Partie  der  Oberlippe.     265  : 
haar.     Weitere  Abk.  s.    S.  113. 


1.    /*,  Verschlußhaar;  sh,  Sinnes- 


dagegen  an  den  Haaren  der  Fig.  3,  6,  8,  9  und  10.  Der  Ansatz  der 
Haare  an  der  Kuppel  geschieht  entweder  dadurch,  daß  das  Haar  der 
Kuppel  einfach  an  der  höchsten  Stelle  aufsitzt  (Fig.  1 — 8),  oder  indem 
es  mit  seinem  proximalen  Ende  die  Kuppel  durchbricht,  und  diese  es 
oberhalb  seines  Endes  fest  umfaßt  (Fig.  10  sh). 

In  diesem  letzten  Fall  sieht  man  besonders  deutlich  das  Lumen 
des  Haarkanals  in  das  des  proximalen  Porenkanals  übergehen.  Sonst 
ist  das  nicht  immer  der  Fall,  denn  die  kuppeiförmige  Membran  zeigt 
nicht  immer  eine  Durchbrechung.  In  Fig.  5  und  6  ist  eine  Durch- 
bohrung deutlich  erkennbar.     In  den  übrigen   Abbildungen   mag  sie 


14 


Rudolf  Hochreuther, 


zum  Teil  nicht  getroffen  sein,  zum  Teil  aber  auch  überhaupt  fehlen, 
wie  ich  das  besonders  von  dem  in  Fig.  8  dargestellten  Haar  glauben 
möchte.  Wie  dem  auch  sei,  soviel  läßt  sich  sagen,  daß  die  Durchboh- 
rung für  die  Sinnesfunktion  des  Haares  von  keiner  Bedeutung  ist.  Das 
werden  wir  später  deutlich  erkennen,  wenn  wir  die  nervösen  Verhält- 
nisse der  Sinneshaare  betrachten. 

Zunächst  müssen  wir  aber  noch  einen  Blick  auf  den  Porenkanal 
werfen,  der  ganz  allgemein  das  Körperchitin  an  den  von  Sinnesorganen 
bestandenen  Stellen  durchsetzt,  einerlei  welcher  Art  das  Organ  sein 
mag.  Seinen  distalen  Teil  lernten  wir  schon  als  die  mehr  oder  weniger 
tiefe  Einsenkimg  kennen,  deren  kuppeiförmiger 
Boden  das  Sinneshaar  befestigt.  Diese  Ein- 
senkung  kann  cylindrische  Form  besitzen,  die 
sich  allerdings  in  verschiedener  Weise  zu  modi- 
fizieren vermag,  indem  sie  sich  nach  außen 
becher-  oder  schüsseiförmig  erweitert  (Fig.  1, 
2,  3,  6,  10  pk),  oder  indem  sie  sich  im  Gegen- 
teil nach  außen  verengt  und  dadurch  den 
Ursprung  des  Haares  besonders  eng  umschließt 
(Fig.  4,  5,  7  u.  8  pk).  Die  kuppeiförmige  Mem- 
bran trennt  diesen  Teil  von  dem  proximalen. 
Ihr  Ansatz  an  der  Wand  des  Porenkanals  wird 
dadurch  ermöglicht,  daß  der  proximale  Teil  des 
Kanals  etwas  enger  ist  als  der  distale.  Dem 
dadurch  zustande  kommenden  ringförmigen  Ab- 
satz sitzt  die  Kuppel  auf  (siehe  Fig.  1,  3,  4,  5, 

,   .       '    '  6,  7,  8  ■7?&).    Wenn  kein  genügend  großer  Unter- 

Längsschnitt durch  Smneshaar  .         .  . 

am  Lobus  internus,  265  :  t.  schied  in  dem  Durchmesser  der  beiden  Teile 
k,  Kanal;  km,  kuppeiförmige   des  Porenkaiials  besteht,  wird  der  Ansatz  der 

Membran;  pk,  Porenkanal:  sh, 

Sinneshaar;  s^  Sinneszelle;  seit;,  Kuppel    dadurch    bewirkt,    daß    sich    im    pi'Oxi- 

Smneszellenkern;^. Terminal-  malen    Teij    ^     begonderer    Vorsprung    an    der 

sträng.  *■ 

Wand  bildet  (vgl.  Fig.  10  pk  rechts).  Kleinere 
ringförmige  Vorsprünge,  die  in  den  Schnitten  zahnartig  erscheinen, 
finden  sich  übrigens  öfters.  Sie  bestehen,  wie  die  Chitinschicht,  welche 
die  Wand  des  Porenkanals  an  weichen  Körperstellen  stets  auskleidet, 
aus  hartem,  festem  Chitin  und  sind  darum  gerade  an  solchen  Stellen, 
die  von  weicherem  Chitin  bedeckt  sind,  z.  B.  der  Rückendecke  des 
Abdomens  (Fig.  5),  besonders  deutlich  zu  sehen.  Sonst  hat  auch  der 
proximale  Teil  des  Porenkanals,  von  der  Grundform  eines  Cylinders 
ausgehend,    ähnliche    Differenzierungen  erlitten  wie  der  distale.     Zu- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


15 


weilen  erweitert  er  sich  nach  dem 
Innern  des  Körpers  mehr  oder 
weniger  stark  (Fig.  1,  2  u.  6  pk), 
zuweilen  verengt  er  sich  in  diesem 
Verlauf  (Fig.  3,  4,  5,  7,  8,  9,  10  pk). 

Von  den  nervösen  Verhält- 
nissen an  den  Sinneshaaren  wurde 
schon  in  der  Einleitung  bemerkt, 
daß  sie  oft  nicht  sehr  deutlich  er- 
scheinen. Immerhin  gelang  es  in 
einzelnen  Fällen,  günstige  Resultate 
zu  erzielen.  An  das  Haar,  bzw. 
an  die  kuppeiförmige  Membran 
schließt  sich  in  den  einfachsten 
Fällen  der  wenig  umgestaltete 
Fortsatz  (ist)  meist  zweier  Zellen 
an,  wie  dies  in  den  Fig.  2,  3  u.  4  sz 
zu  erkennen  ist.  Diese  Zellen  sind 
die  Sinneszellen.  Ihr  Plasma  er- 
scheint gegenüber  dem  der  sie  um- 
gebenden Hypodermiszellen  in  den 
Präparaten  meist  dunkler  gefärbt; 
ihre  Kerne  (szk)  sind  etwas  größer 
und  heller  als  die  der 
Hypodermis  und  lassen 
in  Fig.  2  und  3  je  einen 
deutlichen  Nucleolus  er- 
kennen. Die  Sinneszellen- 
kerne in  Fig.  4  zeigen 
anstatt  des  Nucleolus  eine 
Anhäufung  von  Chroma- 
tin etwa  in  ihrer  Mitte. 
Proximalwärts  schließt 
sich  an  die  Sinneszellen, 
wie  man  in  Fig.  2  deut- 
lich erkennen  kann,  eine 
feine  Nervenfaser  (nf). 

Nicht  immer  finden 
sich  aber  zwei  Sinnes- 
zellen.   Die  Fig.  6  und  7 


Fig.  8. 
Längsschnitt  durch  Sinneshaare  an  der  Basis  der 
Mandibel.  470  :  1.  hypz,  Hypodermiszelle;  k, 
Kanal;  km,  klippelförmige  Membran;  nf,  .Nerven- 
faser; pk,  Porenkanal;  sh,  Sinneshaar;  sz,  Sinnes- 
zelle; szk,  Sinneszellenkern;  ist,  Terminalstrang. 


Fig.  9. 

Längsschnitt  durch  Sinneszelle  und  stiftförmigen  Körper  unter 

dem  in  Fig.  8  schlecht  getroffenen  Sinneshaar  der  Mandibel. 

690: 1.    stk,  stiftförmiger  Körper;  sz,  Sinneszelle;  zstr, Central- 

strang.     Weitere  Erkl.  d.  Abk.  s.  S.  113. 


16 


Rudolf  Hochreuther, 


zeigen  unter  den  Sinneshaaren  (sh)  der  Oberlippe  bzw.  des  Lobus 
internus  je  eine  (sz)  mit  dem  Sinneszellenkern  (szk).  Hier  ist  der  Fort- 
satz nach  dem  Haar  schon  deutlicher  modifiziert  als  an  den  erst  be- 
sprochenen Haaren;  er  tritt  als  schmaler  Terminalstrang  (tst)  an  die 
kuppeiförmige  Membran  (km). 

Die  differenzierteste  Art  der  Innervierung  findet  sich  aber  an  den 
Haaren  der  Dorsalseite  der  Mandibeln  (vgl.  Fig.  76  sh)  und  der  Unter- 
lippe (vgl.  Fig.  45  sh).  In  Fig.  8  erkennt  man  die  Verhältnisse,  wie 
sie  an  den  Mandibeln  auftreten,  an  der  unteren  Kuppel  (hm),  deren 

aufsitzendes  Haar  im  Schnitt 
nicht  getroffen  ist.  Fig.  9  zeigt 
dieselbe  Stelle  nochmals  bei 
stärkerer  Vergrößerung.  Unter 
diesen  Haaren  findet  sich  eine 
typische  Sinneszelle  (Fig.  8  u.  9sz) 
von  etwas  gebogener,  aber  sonst 
spindelförmiger  Gestalt.  Das 
Plasma  zeigt  im  Vergleich  mit 
dem  der  Hypodermiszellen  (hypz) 
eine  hellere  Färbung.  Ebenso  hell 
erscheint  der  typisch  bläschen- 
förmige Sinneszellenkern  (Fig.  8 
u.  9  szk).  Er  enthält,  wie  das  für 
viele  Sinneszellenkerne  von  den 
Autoren  als  charakteristisch  ge- 
schildert wird,  nur  wenige  feine 
Chromatinkörnchen,  aber  einen 
deutlichen  Nucleolus  (Fig.  9). 
Proximalwärts  setzt  sich  die 
Sinneszelle  in  eine  feine  Nerven- 
faser (Fig.  8  u.  9  nf)  fort,  deren  Neurilemm  die  Zelle  selbst  ganz  um- 
hüllt und  an  den  Kernen  (Fig.  9  neurk)  erkenntlich  ist.  Distal  läuft 
die  Sinneszelle  in  einen  hoch  differenzierten  Terminalstrang  (Fig.  8 
u.  9  tst)  aus,  der  mit  einem  besonderen  pfeilförmig  zugespitzten  Stift- 
körperchen  (Fig.  9  stk)  nahe  bei  der  höchsten  Stelle  der  kuppeiförmigen 
Membran  in  einer  kleinen  Höhlung  derselben  ansetzt  (Fig.  8,  oberes 
Haar).  Der  Terminalstrang  läßt  in  sich  nochmals  einen  deutlichen 
Centralstrang  erkennen  (Fig.  9  zstr),  der  vielleicht  dem  letzten  sensiblen 
Ausläufer  der  Sinneszelle  entspricht,  während  seine  Hülle  vielleicht 
vom  Neurilemm  gebildet  wird.    Wir  werden  auf  ähnliche  Verhältnisse 


Fig.  10. 

Längsschnitt   durch    zwei   Sinneshaare    mit    stift- 

förmigen  Körpern  (stk)  von  der  Unterlippe.    610:  1. 

k,  Kanal;  km,  kuppeiförmige  Membran;  pk,  Poien- 

kanal;  sh,  Sinneshaar;  tst,  Terminal  sträng. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  17 

nochmals  bei  den  »kuppeiförmigen  Organen«  zu  sprechen  kommen, 
bei  denen  dieselbe  Vermutung  von  manchen  Autoren  geäußert  wurde. 

An  den  Sinneshaaren  der  Unterlippe  konnte  ich  mich  von  dem 
Vorhandensein  ähnlicher  Endstiftchen  an  den  Terminalsträngen  über- 
zeugen (vgl.  Fig.  10  tst  u.  sik).  Auch  ein  Centralstrang  war  stellenweise 
zu  verfolgen.  Der  darunter  gelegene  Kern  (s.  Fig.  45  szk  unter  dem 
Sinneshaar  sh)  zeigte  allerdings  nicht  so  typisches  Aussehen  wie  der  in 
den  Fig.  8  und  9  sichtbare,  sondern  glich  mehr  dem  in  Fig.  4  szk  dar- 
gestellten.   Immerhin  scheint  er  der  Sinneszelle  (Fig.  45  sz)  anzugehören. 

Schließlich  muß  noch  einer  häufig  vorkommenden  Verbindung 
zwischen  Zelle  und  Haar  Erwähnung  getan  werden,  die  sich  an  den 
langen  Haaren  der  Rückendecke  des  Abdomens  (vgl.  Fig.  99  h)  findet. 
Die  Verhältnisse  sind  dort  recht  schwierig  zu  untersuchen,  weil  am 
Rücken  des  Abdomens  vom  alten  Käfer  die  Hypodermis  fast  ganz 
durch  eine  Schicht  von  Drüsenzellen  verdrängt  ist.  Auch  an  ganz 
jungen,  eben  geschlüpften  Käfern  finden  sich,  besonders  nach  dem 
Hinterende  des  Körpers  zu,  schon  massenhaft  Drüsenzellen  in  der 
sonst  hier  noch  besser  erkennbaren  Hypodermis.  Fig.  5  stellt  einen 
Schnitt  durch  ein  Haar  des  vorderen  Teiles  der  Rückendecke  dar. 
Auch  hier  erkennt  man  zwischen  den  Hypodermiszellen  {hypz)  schon 
Drüsenzellen,  die  meist  zu  dreien  oder  vieren  nebeneinander  liegen  (drz). 
Unter  dem  Haaransatz  liegt  nun  eine  sehr  umfangreiche  Zelle  (szl) 
von  hellem  Protoplasma  und  ebensolchem  Kern  {szh\).  Dieser  zeigt 
in  seiner  Mitte  eine  starke  Anhäufung  von  Chromatin,  noch  viel  stärker, 
als  sie  uns  bei  irgendeiner  anderen  Haarform  noch  entgegengetreten  war. 
Die  Zelle  sendet  einen  deutlichen,  feinen  Fortsatz  nach  dem  Haar.  Ein 
Übergang  in  einen  Nerven  war  aber  nie  zu  sehen,  wenn  auch  das  proxi- 
male Ende  der  Zelle  zuweilen  ziemlich  lang  ausgezogen  war.  Es  muß 
also  dahingestellt  bleiben,  ob  es  sich  in  diesem  Fall  um  eine  Sinnes- 
zelle und  ein  Sinneshaar  oder  vielleicht  um  eine  Drüsenzelle  und  ein 
Drüsenhaar  handelt. 

Wenn  man  sich  der  Auffassung  Berleses  anschließen  würde,  müsste 
man  die  als  Sinneszellen  angesprochenen  Zellen  für  trichogene  Zellen 
halten,  denn  nach  diesem  Forscher  sind  die  Sinneshaare,  wie  schon 
erwähnt  wurde,  auf  die  einfachen  Protaesthesis  zurückzuführen.  Der 
distale  Fortsatz  der  trichogenen  Zelle  entspräche  dem  Terminalstrang. 
Der  proximale  nervöse  Fortsatz  in  v.  RATHschen  Sinne  wäre  dagegen 
als  ein  vom  Centralorgan  herantretender  Nerv  aufzufassen,  der  mit 
seinen  feinsten  Verzweigungen  die  trichogene  Zelle  umspänne.  Was 
diesen  letzten  Punkt  angeht,   so  sprechen  die  bei  den  vorliegenden 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  2 


18  Rudolf  Hochreuther, 

Untersuchungen  gewonnenen  Bilder  nicht  sehr  für  die  Ansicht  Ber- 
leses.  Eine  Auf  faserung  des  Nerven  unterhalb  jeder  einzelnen  Sinnes- 
zelle war  nie  zu  sehen;  es  könnte  dies  aber  vielleicht  darin  begründet 
sein,  daß  die  angewandten  Färbemethoden  für  das  Studium  dieser 
feinsten  Einzelheiten  nicht  ausreichten. 

Bezüglich  des  distalen  Fortsatzes  der  » trichogenen  Zelle«  ist  zu 
bemerken,  daß  Berlese  daran  niemals  so  komplizierte  Endapparate 
beschreibt,  wie  sie  an  den  Haaren  der  Mandibeln  und  Unterlippe  von 
Dytiscus  (Fig.  9  u.  10  stk)  zu  sehen  sind.  Wo  Berlese  an  Sinnes- 
organen solche  »Stif tkörperchen  «  erwähnt,  findet  er  sie  von  den  Drüsen- 
zellen gebildet,  die  den  zusammengesetzten  Protaesthesis  wohl  zu- 
kommen, aber  den  einfachen,  also  auch  den  Sinneshaaren,  fehlen.  Wie 
er  ihre  Bildung  bei  den  Sinneshaaren  —  und  später  bei  den  Sinnes- 
borsten und  kuppeiförmigen  Organen,  die  nach  ihm  auch  von  den 
einfachen  Protaesthesis  herzuleiten  sind  —  erklären  würde,  steht  dahin. 
Da  sich  an  anderen  Sinnesorganen,  die  keine  so  hoch  differenzierten 
percipierenden  Endapparate  zeigen  (z.  B.  hohlen  Grubenkegeln,  Tast- 
und  Geschmackszäpfchen),  dennoch  zuweilen  besondere  chitinartige 
Differenzierungen  des  letzten  Teiles  des  Terminalstranges  finden,  so 
sollte  es  doch  plausibler  erscheinen,  wenn  man  die  Bildung  der  hoch 
differenzierten  Endapparate  auch  den  percipierenden  Zellen  selbst  zu- 
schriebe und  nicht  daneben  gelegenen  Drüsenzellen,  die  noch  dazu 
vielen  Organen  mit  Stiftkörperchen  überhaupt  fehlen. 

Bezüglich  der  Funktion  der  Sinneshaare  herrscht  die  überein- 
stimmende Ansicht,  daß  sie  nur  Organe  des  mechanischen  Sinnes  und 
zwar  des  Tastsinnes  sein  können.  Ihr  Bau  läßt  eine  andere  Deutung 
gar  nicht  zu. 

2.  Die  Sinnesborsten. 

(Sensilla  chaetica,  Schenk.) 

Die  Sinnesborsten  unterscheiden  sich  in  ihrem  Bau  nur  wenig  von 
den  Sinneshaaren.  Allein  der  percipierende  Apparat  ist  etwas  anders 
gestaltet.  Aber  wir  hörten  schon,  daß  eine  scharfe  Scheidung  nicht  zu 
treffen  ist,  vielmehr  beide  Formen  durch  mancherlei  Verbindungs- 
glieder ineinander  übergehen.  So  ist  z.  B.  in  Fig.  11  oben  eine  Sinnes- 
borste (sb)  vom  Grunde  des  Palpus  maxillaris  dargestellt,  die  nach  dem 
Merkmal  ziemlicher  Starrheit  zu  den  Borsten  gerechnet  werden  muß, 
die  aber  zugleich  an  der  Spitze  abgerundet  ist.  was  mehr  auf  ein  Sinnes- 
haar hindeutet. 

Ebenso  wie  die  Sinneshaare  sind  auch  die  Sinnesborsten  an  Größe 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


19 


recht  verschieden,  wie  ein  Blick  auf  die  Fig.  12  und  14  beweist.  Viel 
mehr  noch  voneinander  abweichend  sind  aber  die  einzelnen  Borsten  in 
ihrer  Form.  Man  vergleiche  nur  etwa  die  Borsten  in  den  Fig.  11, 15  u.  24, 
um  die  Verschiedenheit  gleich  zu  erkennen.  Wir  wollen  hier  vorläufig  von 
den  in  den  Fig.  21,  23  und  24  dargestellten  Borsten  absehen,  da  wir  in 
anderer  Hinsicht  noch  genau  auf  sie  zu  sprechen  kommen  müssen,  und 
zuerst  die  verschiedenen  in  Fig.  11 — 20 sb  abgebildeten  Formen  betrachten. 
Sie  laufen  alle  in  eine  mehr  oder  weniger  scharfe  Spitze  aus  und  besitzen 


<j—-hypzk     pfi-Wffi 


Fig.  11.  Fig.  12. 

Längsschnitt  durch  zwei  Sinnesborsten  (sb)  vom  Grunde  Längsschnitt  durch  das  Feld  von  kleinen 
des  Palpus  maxillaris.    -170:1.    k,  centraler   Borsten-     Sinnesborsten  (sb)  am  Grunde  des  Pedicel- 

kanal.  Ins.    265  :  1. 

hijpzk,  Hypodermiszellenkern;   km,  kuppelförmige   Membran;  nettrk,  Neurilemmkern;   pk,  Poren- 
kanal;  szgr,  Sinneszellengruppe;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 

ihre  größte  Stärke  am  Grunde.  In  Fig.  17  zeigt  allerdings  eine  Borste 
der  Coxa  des  Metathorax,  ähnlich  wie  wir  es  bei  verschiedenen  Sinnes- 
haaren sahen,  eine  Verjüngung  an  der  Ursprungsstelle.  Manche  Borsten 
der  Pleuren  des  Abdomens,  von  denen  in  Fig.  20  eine  dargestellt  ist, 
besitzen  bei  ziemlich  geringer  Größe  eine  beträchtliche  Stärke,  so  daß 
sie  in  ihrem  Aussehen  schon  sehr  zu  den  Sinneszapfen,  der  nächst  kom- 
plizierten Organform,  hinneigen.  Die  meisten  der  Borsten  lassen  in 
ihrem  Innern  wieder  einen  feinen  Kanal  erkennen  (s.  Fig.  11  u.  14 — 20  /). 
Den  am  Grunde  des  zweiten  Antennengliedes  (Fig.  12  sb)  und  an  den 
Gaumenplatten  gelegenen  (Fig.  13  sb)  fehlt  dagegen  dieser  Kanal;  sie 
sind  vollkommen  massiv. 

Die  Sinnesborsten  sitzen  ganz  wie  die  Haare  nicht  der  Körper- 
oberfläche  selbst  auf,   sondern   sind  etwas   unterhalb   der   Oberfläche 

2* 


20 


Rudolf  Hochreuther, 


Fig.  13. 

Längsschnitt  durch  Sinnesborste  an  der  Gaumen- 
platte.    470  :  1. 


Fig.  14. 

Längsschnitt  durch    Sinnesborste   der  Nacken- 
haut.    470  : 1. 


Fig.  15.  Fig.  16. 

Längsschnitt     durch    eine    auf    einem    Zapfen     Längsschnitt   durch   eine   ebenständige    Sinnes- 
stehende  Sinnesborste  in   der   Nähe   eines  Ab-        börste  bei  einem  Abdominalstigma.     590  :  1. 

dominalstigmas.     590  :  1. 
k,  Kanal;  km,  kuppeiförmige  Membran;  neurk,  Neurilenimkern ;  nf,  Nervenfaser;  pk,  Porenkanal; 
sb,  Sinnesborste;  szgr,  Sinneszellengruppe;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


21 


mit  einer  kuppeiförmigen  Membran  (Fig.  11 — 14  u.  IG — 20  km)  ein- 
gelenkt. Eine  einzige  interessante  Ausnahme  von  dieser  Kegel  bilden 
manche  Borsten,  welche  in  der  Gegend  der  Abdominalstigmen  am  seit- 
lichen Rande  der  Tergite  stehen  (vgl.  Fig.  99  sb  am  Tergit).  Die  Borsten, 
die  dort  an  den  tiefst  gelegenen  Stellen  inserieren,  sind  nicht  etwas  in 
das  Körperchitm  eingesenkt,  sondern  im  Gegenteil  auf  kleinen  Zäpfchen 
über  dessen  Oberfläche  erhoben  (Fig.  15  sb).  Die  an  höheren  Stellen 
derselben  Sinnesfelder  entspringenden  Borsten  zeigen  den  gewöhnlichen 


Fig.  17. 
Längsschnitt   durch    Sinnesborste    vom    Rand 
der  Coxa  des  dritten  Beinpaares.     590  :  1. 


Fig.  18. 
Längsschnitt     durch.     Sinnesborste    vom 
sternum  der  Mesopleuren.    590  :  1. 


Epi- 


Fig.  19.  Fig.  20. 

Längsschnitt    durch    längere    Sinnesborste    an       Längsschnitt  durch  kurze  Sinnesborste   an  den 
den  Pleuren  des  Abdomens.    590  : 1.  Pleuren  des  Abdomens.     590  :  1. 

k,  Kanal;  km,  kuppeiförmige  Membran;  pk,  Porenkanal;  sb,  Sinnesborste. 

Bau  (Fig.  16  sb).  Die  Zäpfchen  haben  Tönnchenform  und  erinnern 
etwas  an  die  kleinen  Tast-  und  Geschmackszäpfchen,  die  am  Ende 
der  Taster  stehen  (vgl.  Fig.  44  tz  u.  gsz). 

Eine  kuppeiförmige  Membran  überspannt  das  Lumen  des  Zäpfchens 
(Fig.  15  km)  im  oberen  Teil,  und  ihr  sitzt  die  Borste  auf.  Überhaupt 
finden  wir  im  allgemeinen  an  den  betrachteten  Sinnesorganen  die  Borste 
der  Kuppel  aufsitzen.  An  den  Organen  der  Gaumenplatten  dagegen 
durchbricht  die  Borste  mit  dem  proximalen  Ende  die  Membran  und 
wird  festgehalten,  indem  diese  sie  umgreift  (Fig.  13  km),  ganz  ebenso 
wie  wir  es  schon  an  den  Haaren  der  Unterlippe  (Fig.  10  km)  sahen. 


22  Rudolf  Hochreuther, 

Es  erübrigt  noch  zu  bemerken,  daß  die  klippelförmigen  Membranen 
teils  an  ihrem  Gipfel  unter  der  Ansatzstelle  des  Haares  durchbohrt  sind 
(Fig.  11,  14,  15,  16,  19,  20  km),  teils  dagegen  vollkommen  massiv  er- 
erscheinen  (Fig.  12,  17,  18  km). 

Die  Befestigung  der  Kuppeln  im  Porenkanal  geschieht  ganz  wie 
bei  den  Haaren,  indem  dieser  in  seinem  distalen  Teil  gegenüber  dem 
proximalen  erweitert  ist,  und  der  so  zustande  kommende  Absatz  der 
Kuppel  zum  Ansatz  dient  (Fig.  11,  12,  13,  17,  18,  20  pk);  oder  aber 
es  bilden  sich  im  proximalen  Teil  besondere  Stützpunkte  aus  (Fig.  14, 
16,  19,  pk).  Besonders  kompliziert  sind  die  Verhältnisse  bei  den  auf 
Zäpfchen  sitzenden  Borsten.  Dort  entspringt  erst  von  dem  oberen 
Zapfenrand  eine  mit  dem  Gipfel  nach  dem  Lumen  des  Zapfens  hin 
gerichtete,  durchbohrte  Kuppel;  der  Innenwand  dieser  Kuppel  sitzt 
dann  erst  die  nach  außen  gewölbte  kuppeiförmige  Membran  (Fig.  15  km) 
auf.  Dadurch  wird  eine  besonders  gute  Bewegungsmöglichkeit  der 
Borste  gegenüber  dem  Körper  geschaffen. 

Abgesehen  von  den  eben  schon  besprochenen  Differenzierungen 
läßt  der  Porenkanal  wie  bei  den  Sinneshaaren  zuweilen  noch  Erweite- 
rungen oder  Verengungen  an  seinen  distalen  und  proximalen  Enden 
erkennen.  Interessant  sind  die  Verhältnisse  wieder  an  der  Wand  des 
Porenkanals  der  Borsten,  die  an  weichen  Körperteilen  stehen,  so  z.  B. 
den  Gaumenplatten  (Fig.  13)  und  der  Nackenhaut  (Fig.  14).  Dort 
finden  wir  die  Wand  des  Porenkanals  in  seinem  ganzen  Verlauf  von 
härterem,  homogenem  Chitin  gebildet  und  zwar  wohl  deshalb,  um  dem 
Borstenansatz  stets  die  nötige  Festigkeit  zu  geben.  In  der  Nackenhaut 
ist  jede  Borste  außerdem  noch  von  einem  kreisförmigen  Fleck  dunklen, 
harten  Chitins  umgeben.  Man  erkennt  diesen  Fleck  auch  in  der  Fig.  14. 
Er  entspricht  dem  homogenen  nach  außen  gelegenen  Chitin,  während 
die  Nackenhaut  sonst  von  weichem,  lamelliertem  Chitin  gebildet  wird, 
wie  es  auch  unter  dem  homogenen  in  Fig.  14  zu  sehen  ist.  —  Auch 
kleine  im  Schnitt  zahnförmig  erscheinende  Ringbildungen,  wie  sie  schon 
im  Porenkanal  der  Sinneshaare  als  Stütz-  und  Festigungsapparate  auf- 
traten, finden  sich  bei  manchen  Borsten  des  Abdomens  wieder  (s.  Fig.  16 
u.  l^  pk). 

Die  Innervierung  der  Sinnesborsten  geschieht  unter  Vermittlung 
einer  oder  mehrerer  Sinneszellen.  In  Fig.  11  ist  unter  der  unteren 
nicht  median  geschnittenen  Borste  eine  Gruppe  von  vier  Sinneszellen 
(szgr)  dargestellt.  Während  das  Plasma  nur  wenig  von  dem  der  Hypo- 
dermiszellen  verschieden  ist,  zeichnen  sich  die  Kerne  (szk)  durch  ihre 
bedeutendere  Größe  und  den  Besitz  eines  deutlichen  Nucleolus  vor  den 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  23 

Hypodermiskernen  (hypzk)  aus.  Neurilemmkerne  (neurk)  begleiten  die 
Sinneszellengruppe.  Distal wärts  setzt  sich  diese  in  einen  längeren 
Terminalstrang  (tst)  fort,  der  zur  kuppeiförmigen  Membran  zieht. 

Ganz  so  liegen  die  Verhältnisse  an  den  Sinnesborsten  des  Pedicellus 
(Fig.  12).  Wenn  auch  hier  eine  Verbindung  der  einzelnen  Abschnitte 
nicht  zu  erkennen  ist,  so  kann  man  doch  deutlich  einen  Terminalstrang 
(Fig.  12  tst)  und  in  der  Hypodermis  gelegene  runde  Sinneszellenkerne 
(Fig.  12  szk)  unterscheiden. 

An  den  Sinnesborsten  des  Gaumens  (Fig.  13)  findet  sich  eine  Gruppe 
von  Sinneszellen  (Fig.  13  szgr),  von  deren  Kernen  in  der  Figur  nur 
zwei  angeschnitten  dargestellt  sind  (Fig.  13  szk).  Hier  erkennt  man 
aber  einen  nervösen  proximalen  Fortsatz  (nf),  der  dicht  von  Neuri- 
lemmkernen  (neurk)  begleitet  ist  und  in  seiner  Mitte  eine  eigentümliche 
dunklere  Schicht'  erkennen  läßt,  über  deren  Wesen  oder  Ursache  ich 
keine  Klarheit  gewinnen  konnte.  Der  distal  verlaufende  Terminal- 
strang (tst)  zeigt  dicht  vor  seinem  Ende  eine  knöpfchenförmige  Ver- 
dickung und  greift  dann,  spitz  zulaufend,  in  eine  kleine  Einbuchtung 
der  Borstenbasis  hinein.  Diese  Verbindung  verbürgt  wahrscheinlich 
einen  Schutz  vor  Beschädigung  des  nervösen  Apparates,  zumal  die 
Borstenbasis  bei  einer  Bewegung  der  Borste  infolge  deren  eigentüm- 
lichen Einlenkung  eine  stärkere  Reizung  ausübt,  als  wenn  sie  der  kuppei- 
förmigen Membran  aufsäße.  An  den  auf  Zapfen  stehenden  Borsten 
des  seitlichen  Tergits  waren  ganz  ähnliche  Endteile  eines  Terminal- 
stranges (Fig.  15  tst)  zu  sehen,  jedoch  fehlte  eine  Verbindung  mit 
Sinneszellen. 

Alle  diese  Sinnesborsten  können  ebenso  wie  die  Sinneshaare  nur 
Organe  des  mechanischen  Sinnes  und  zwar  des  Tastsinnes  sein.  Ihre 
Empfindlichkeit  wird  dabei  aber  gemäß  der  Differenzierung  ihres 
chitinösen  und  nervösen  Teils  bei  verschiedenen  Formen  sehr  ver- 
schieden sein. 

Nunmehr  fehlt  noch  die  Betrachtung  der  in  Fig.  21,  23  und  24  dar- 
gestellten Sinnesborsten  an  der  Unterseite  der  Oberlippe  (vgl.  Fig.  75  sb) 
bzw.  an  der  Tibia.  In  ihrem  chitinösen  Bau  unterscheiden  sie  sich, 
abgesehen  von  den  Größenverhältnissen,  dadurch  von  den  zuvor  be- 
sprochenen, daß  die  Borsten  an  der  Spitze  geöffnet  sind,  was  in  den 
Figuren  nur  an  der  einen  Borste  der  Oberlippe  (Fig.  21  sb  oben)  einiger- 
maßen zutage  tritt,  da  die  andern  nicht  median  getroffen  sind.  Die 
einlenkenden  kuppeiförmigen  Membranen  erscheinen  entsprechend  dem 
bedeutenderen  Umfang  der  Organe  viel  stärker  und  sind  in  ihren  inneren 
Teilen  lamelliert,  außen  dagegen  aus  hartem,  homogenem  Chitin  gebildet 


24 


Rudolf  Hochreuther, 


(Fig.  21  u.   23  hm).     Der   Porenkanal   (pk)  zeigt  keinen  prinzipiellen 
Unterschied  von  dem  der  besprochenen  Borsten. 

Aber  schon  auf  den  Querschnitten  durch  die  Oberlippe  (Fig.  21) 
fallen  unter  den  Borsten  in  der  Hypodermis  gelegene,  große  Zellen  (drz) 
auf.  Ihre  Kerne  (drzk)  sind  von  dem  feinkörnigen  Protoplasma  um- 
geben und  im  Vergleich  mit  denen  der  Hypodermis  (hypzk)  außerordent- 
lich umfangreich.  Ihre  Form  ist  unregelmäßig.  Man  erkennt  in  ihnen 
zuweilen  einen  Nucleolus.  Das  Protoplasma  der  zugehörigen  Zellen 
setzt  sich  in  das  Lumen  der  stark  ausgehöhlten  Borste  (sb)  hinein  fort. 
Die  Größe  der  unter  den  Borsten  gelegenen  Zellen  im  Vergleich  zu  den 


Fig.  21. 

Längsschnitt  durch  zwei  Sinnesborsten  (sb)  in 

Verbindung    mit    Drüsenzellen    {drz)     an     der 

Unterseite  der  Oberlippe.     265  :  1. 


Fig.  22. 

Längsschnitt  durch  Drüsenzelle  {drz)  und 

Sinneszelle  {sz)  unter   einer  Borste  von 

der  Unterseite  der  Oberlippe.   590: 1. 


drg,  Drüsenausführungsgang;  drzk,  Drüsenzellenkern ;  hyp,  Hypodermis;  hypzk,  Hypodermiszellen- 
kern;    km,  kuppelförmige  Membran;   nj,   Xervenfaser;   pk,    Porenkanal;    szk,   Sinneszellenkern; 

tst,  Terminalstrang. 


gewöhnlichen  Hypodermiszellen,  ihr  ganzes  Aussehen  und  weiter  die 
Tatsache,  daß  die  Organe  an  der  Spitze  eine  Öffnung  besitzen  —  alles 
spricht  sehr  für  einen  Drüsencharakter  dieser  Borsten. 

In  dieser  Vermutung  wird  man  durch  die  Verhältnisse  der  Borsten 
an  den  Beinen  noch  weiter  bestärkt.  Die  Borsten  der  Tibia  sind  noch 
bedeutend  größer  als  die  der  Oberlippe.  In  beiden  Figuren  (23  u.  24) 
sind  sie  nicht  in  ihrer  ganzen  Länge,  also  nicht  median  getroffen  und 
lassen  deshalb  auch  die  Öffnung  an  ihrer  Spitze  nicht  erkennen.  Unter 
jeder  Borste  fällt  vor  allem  eine  riesengroße  Zelle  in  die  Augen,  deren 
Plasma  sich  in  das  weite  Lumen  der  Borste  hinein  fortsetzt  (Fig.  23  drz). 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


25 


Nach  dem  distalen  Teil  der  Zelle  hin  zeigt  das  Plasma  eine  feine  Strei- 
fung und  eine  deutlich  wabige  Struktur.    An  den  einzelnen  Fasern  des 
Wabenwerks  erkennt  man  feine  Secretkörnchen,  die,  an  ihnen  entlang 
gleitend,  allmählich  nach   außen  geleitet 
werden  dürften.     Sehr  oft  findet  sich  in 
dem  Plasmaleib  eingeschlossen  eine  helle 
Vacuole  (Fig.  25  va),  die  das  Secret  auf- 
speichert, um  es  dann  jedenfalls  plötzlich 
zusammen  abgeben  zu  können. 


Fig.  23. 

Längsschnitt    durch    große   Sinnesborste   (sb)    in 

Verbindung  mit  Drüsenzelle  (drz)    an  der  Tibia. 

470  :  1.     stk,  Stif tkörperchen ;   sz,  Sinneszelle. 

Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


hypzk 


Fig.  24. 

Längsschnitt  durch  große  Sinnesborste 
(sö)'in  Verbindung  mit  Drüsenzelle  (drz) 
an  der  Tibia.  470  :  1.  nf,  proximaler 
nervöser  Fortsatz  der  Sinneszelle;  sz, 
Sinneszelle.    Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


Wenn  so  die  Struktur  des  Protoplasmas  und  seine  Einschlüsse  die 
Drüsennatur  schon  deutlich  erkennen  lassen,  so  trägt  das  Verhalten 
des  Kernes  hierzu  auch  wesentlich  bei.  Seine  bedeutende  Größe  spricht 
schon  dafür,  besonders  aber  seine  Gestalt.  Sehr  oft  und  gerade  in  den 
Zellen,  deren  Plasmastruktur  auf  eine  lebhafte  Secernierungstätigkeit 


26  Rudolf  Hochreuther, 

hinweist  oder  die  eine  Vacuole  enthalten,  erkennt  man  an  ihm  die  Bil- 
dung von  Fortsätzen  (Fig.  23  u.  25  drzk).  Besonders  schön  zeigt  der 
in  Fig.  25  dargestellte  Drüsenzellkern  nach  der  Vacuole  (va)  hin  pseudo- 
podienartige  Fortsätze  ausgebildet,  welches  Verhalten  bei  secernierenden 
Zellen  nicht  selten  beobachtet  wird.  Neben  einem  Nucleolus  enthält 
der  Kern  der  Zellen  nur  verhältnismäßig  wenig  chromatische  Sub- 
stanz. So  darf  man  wohl  sicher  behaupten,  daß  Protoplasma  sowohl 
als  Kern  dieser  Zelle  Verhältnisse  zeigen,  wie  sie  secernierenden  Zellen 
eigen  sind,  und  somit  ist  also  den  Borsten  an  der  Oberlippe  und  den 
Beinen  in  erster  Linie  Drüsencharakter  zuzuschreiben. 

Ganz  zu  Beginn  meiner  Untersuchungen  war  es  mir  aber  an  Sagittal- 
schnitten  durch  die  Oberlippe  schon  aufgefallen,  daß  häufig  neben  der 

großen  Drüsenzelle  (Fig.  22  drz)  eine  zweite 
kleinere  Zelle  (Fig.  22  sz)  gelegen  war, 
deren  Kern  (szk)  gegenüber  denen  der 
Hypodermiszellen  (hypzk)  immerhin  noch 
eine  recht  ansehnliche  Größe  besaß.  Eine 
'rz  Erklärung  für  diese  zweite  Zelle  ließ  sich 
damals  noch  nicht  geben,  zumal  sich  weder 
proximale   noch   distale   Fortsätze  daran 

fanden.     Erst  als  ich  dann   zur  Unter- 
Fig.  25. 

„  ,.  ,    suchung    der    Borsten    an    den    Beinen 

Schnitt  durch  einzelne  Drusenzelle  (drz) 

mit     verzweigtem     Kern     (drzk)     und     (Fig.  23  U.  24)   schritt  Ulld    dort  eine  ganz 

Vi"'" {va)  unter  einer  Borste  der   entsprechende  Zelle  fand,  die  sich  genau 

Tibia.     265  :  1.  r 

in  ihrem  Zusammenhang  mit  der  Borste 
und  nervösen  Elementen  verfolgen  ließ,  wurde  mir  die  Bedeutung 
dieser  Zelle  klar.  Kontrollpräparate  zeigten  dann  an  den  Borsten  der 
Oberlippe  ganz  Entsprechendes. 

Die  Form  dieser  Zelle  (Fig.  22,  23,  24  sz)  kann  man  als  spindel- 
förmig bezeichnen.  Wo  die  Spindel  den  größten  Durchmesser  besitzt, 
liegt  der  Kern  (szk).  Dieser  besitzt  regelmäßig  eine  ellipsoidische  Form 
und  zeigt  mit  seinem  deutlichen  Nucleolus  und  geringen  Chromatin- 
gehalt  das  charakteristische  bläschenförmige  Aussehen  eines  Sinnes- 
zellenkernes. Wie  der  Kern,  so  erinnert  auch  die  Beschaffenheit  des 
Protoplasmas  an  eine  typische  Sinneszelle.  Es  erscheint  gegenüber  dem 
der  Drüsenzelle  viel  dichter  und  färbt  sich  deshalb  auch  stärker.  Am 
proximalen  (Fig.  22  u.  24)  und  distalen  Teil  (Fig.  22)  der  Zelle  besitzt 
es  eine  feine  Streifung.  Vor  allem  wird  der  Sinneszellencharakter  da- 
durch bestätigt,  daß  die  Zelle  an  ihrem  proximalen  Ende  in  einen 
feinen   nervösen   Fortsatz   übergeht    (Fig.  22   u.    24  nf),    während   ihr 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  27 

distales  Ende  zu  einem  längeren  oder  kürzeren  Terminalstrang  (Fig.  22 
u.  23  tst)  ausgezogen  ist. 

Dieser  Teil  bietet  das  Interessanteste  und  stützt  vor  allem  die 
Auffassung,  daß  es  sich  um  eine  Sinneszelle  handelt,  noch  ganz  be- 
sonders. Unter  den  vielen  Präparaten,  die  von  den  Borsten  der  Tibia 
angefertigt  wurden,  erlaubte  nur  eins  die  Verfolgung  des  Terminal- 
stranges bis  zu  seinem  Ende.  Es  ist  dies  in  dem  Umstände  begründet, 
daß  es  meist  unmöglich  ist,  Schnittserien  zu  erhalten,  und  die  Ver- 
folgung der  Verhältnisse  gerade  bei  diesen  umfangreichen  Borsten  er- 
fordert  ganz  unbedingt  eine  Serie  aufeinanderfolgender  Schnitte.  Mei- 
stens sieht  man  in  einem  Schnitte  nur  ein  Stück  des  Terminalstranges 
getroffen,  und,  wenn  die  Verbindung  mit  der  Sinneszelle  fehlt,  ist  es 
oft  sehr  schwer,  den  Terminalstrang  unter  den  Ausführungsgängen 
einzelliger  Drüsen  (Fig.  21,  22,  23  drg),  die  in  großer  Zahl  in  die  Gelenk- 
grube (den  distalen  Teil  des  Porenkanals)  der  Borsten  münden,  heraus- 
zufinden. In  einem  Falle  jedoch  war  der  Terminalstrang  von  der  Sinnes- 
zelle bis  zu  seinem  Ende  an  drei  aufeinander  folgenden  Schnitten  zu 
verfolgen.  Die  Kombination  der  drei  Schnittbilder  zeigt  Fig.  23.  Alles, 
was  sich  nicht  auf  die  Borste  bezieht,  ist  in  diesem  Bild  nicht  dargestellt. 
Am  tiefsten  liegt  die  große  Drüsenzelle  (drz);  ihrer  Oberseite  dicht  an- 
geschmiegt, fast  in  sie  eingesenkt  liegt  die  Sinneszelle  (sz).  Ihr  Terminal- 
strang (tst)  verläuft,  allmählich  ansteigend,  nach  dem  seitlichen  Eand 
der  Drüsenzelle,  zieht  sich  unter  die  Gelenkmembran  (km)  hin  und 
dringt  schließlich  in  diese  ein.  Hier  endigt  er  dann  unter  Bildung 
eines  Stiftkörperekens  (stk),  das  die  Form  einer  dreiseitigen  Pyramide 
zu  besitzen  scheint. 

Wasmann  beschrieb  im  Jahre  1903  am  Abdomen  von  Lomechusa 
Haarbüschel,  unter  deren  einzelnen  Haaren  je  eine  Drüsenzelle  und 
eine  Sinneszelle  gelegen  sind.  Die  Abbildung,  die  er  von  solchen  Haaren 
gibt,  ist  freilich  den  hier  von  Dytiscus  gegebenen  nicht  sehr  ähnlich. 

Dagegen  erinnern  die  Fig.  22  und  23,  welche  die  beiden  am  Grunde 
der  Borsten  gelegenen  Zellen  zeigen  (drz  u.  sz),  etwas  an  die  von  Holm- 
gren,  1895,  gegebenen  Abbildungen  von  Haardrüsen  der  Macrolepido- 
pterenlarven.  Jedoch  sind  die  dort  auftretenden  Zellen  als  Drüsenzelle 
und  trichogene  Zelle  von  Holmgren  erkannt  worden,  während  eine  sehr 
kleine  Sinneszelle  sich  außerdem  oft  noch  findet.  Bei  den  Borsten 
von  Dytiscus  ist  von  einer  trichogenen  Zelle  nichts  zu  bemerken,  da- 
gegen zeigt  die  Sinneszelle  eine  viel  bedeutendere  Ausbildung.  Wenn 
man  sich  der  BERLESESchen  Ansicht  vom  Bau  der  Sinnesborsten  an- 
schließt, so  muß  man  allerdings  in  der  Sinneszelle  eine  trichogene  Zelle 


28  Rudolf  Hoclireuther, 

erblicken,  die  durch  Verbindung  mit  einem  Nerven  nachträglich  zu 
einer  Sinnesfunktion  befähigt  ist,  denn  die  Borsten  sind  wie  die  Haare 
von  seinen  einfachen  Protaesthesis  herzuleiten.  Daß  jedoch  die  Ber- 
LESEsche  Hypothese  für  die  Bildung  der  stiftförmigen  Endigung,  die 
wir  an  den  Borsten  kennen  lernten,  keine  Erklärung  geben  kann,  wurde 
schon  bei  den  Sinneshaaren,  die  solche  Endigungen  zeigten,  erwähnt. 

Durch  die  enge  Beziehung,  in  der  die  Drüsen-  und  Sinneszellen 
an  den  besprochenen  Borsten  von  Dytiscus  stehen,  dürfte  eine  empfind- 
liche Drüsenfunktion  der  Borsten  gewährleistet  sein.  Denn  während 
zumeist  den  Drüsenhaaren  percipierende  Elemente  fehlen,  finden  sich 
an  den  hier  geschilderten  Formen  besondere  Sinnesapparate.  Auf 
einen  von  diesen  dem  Centralorgan  übermittelten  Heiz  dürften  die 
Drüsen  von  dort  aus  durch  die  an  sie  herantretenden  Nervenendigungen, 
die  hier  freilich  nicht  untersucht  werden  konnten,  zu  plötzlicher  Se- 
cretion  angeregt  werden. 

Wasmann  schreibt  den  von  ihm  an  Lomechusa  untersuchten  Haaren 
ganz  dieselbe  Funktion  zu. 

3.  Die  Sinneszapfen. 

Zwischen  den  Sinnesborsten  und  Sinneszapfen  bestehen,  wie  schon 
bei  den  Borsten  erwähnt  wurde,  ebenfalls  Übergänge.  Wenn  man  die 
in  Fig.  20  abgebildete  Sinnesborste  der  Abdominalpleure  etwa  mit  dem 
in  Fig.  34  dargestellten  Zapfen  der  Mesopleuren  vergleicht,  so  sieht  man, 
daß  in  der  Tat  zwischen  beiden  Formen  nur  verhältnismäßig  geringe 
Unterschiede  bestehen. 

Auch  zu  den  Sinneshaaren  zeigen  die  Zapfen  noch  unverkennbare 
Beziehungen;  so  erscheinen  die  in  den  Fig.  26  und  27  abgebildeten 
Zapfen  vom  Lobus  internus  bzw.  dem  Mesoscutum  in  ihrer  Form  noch 
ziemlich  haarähnlich,  und  bei  den  in  Fig.  31  dargestellten  Zapfen  (szpf) 
vom  Vorderrand  der  Oberlippe  müßte  man  zweifeln,  ob  man  sie  nicht 
überhaupt  ohne  weiteres  den  Haaren  zurechnen  sollte,  wenn  sie  nicht 
infolge  ihrer  tiefen  Einsenkung  und  ihres  sonstigen  Baues  in  enger 
Beziehung  mit  ebenfalls  an  dieser  Körperstelle  auftretenden  typischen 
Sinneszapfen  (Fig.  30  szpf)  ständen. 

Nach  der  anderen  Seite  hin  finden  sich  auch  zu  den  komplizierteren 
Sinneskegeln  Übergangsformen,  wie  aus  einem  Vergleich  der  Zapfen 
(szpf)  in  Fig.  28  und  29  mit  dem  in  Fig.  47  dargestellten  massiven 
Grubenkegel  (mgk)  erhellt. 

Aus  diesen  vielseitigen  Beziehungen  zu  anderen  Organformen  er- 
gibt sich  schon,  daß  zu  den  Sinneszapfen  recht  verschieden  gestaltete 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


29 


Formen  gehören  müssen.  Das  ist  in  der  Tat  der  Fall,  wie  ein  Blick  auf 
die  Fig.  26,  28,  30,  33  szpf  und  42  kz  etwa  lehrt.  Es  soll  hier  die  Be- 
schreibung mit  den  Teilen  der  Organe  begonnen  werden,  die  unter- 
einander am  meisten  übereinstimmen.  Dies  sind  der  Porenkanal  und 
die  Membran,  welche  die  Einlenkung  der  Zapfen  besorgt. 

Der   Porenkanal   zeigt   oft   noch   die   primitive,   fast   vollkommen 
cylindrische  Form  (vgl.  Fig.  30,  31,  32  u.  33  pk).     Der  proximale  Teil 


szM  5Z9r      neurU 


Fig.  26. 
Längsschnitt    durch    Sinneszapfen    (szpf)     mit 
Sinneszellengruppe  (szgr)  am   Lobus   internus. 

470  :  1. 


Fig.  27. 

Längsschnitt  durch  feinen  Sinneszapfen  (szpf)  am 
Mesoscutum.    590  :  1. 


Fig.  28.  Fig.  29. 

Längsschnitt  durch   Sinneszapfen   (szpf)    beim  Längsschnitt    durch    Sinneszapfen    (szpf)   am 

ersten  Thoracalstigma .     1000  :  1.  Pleurenrand  des  Abdomens.    590  :  1. 

hypzk,  Hypodermiszellenkern;  km,  kuppeli'örmige  Membran;  neurk,  Neurilemmkern;  nf,  Nerven- 
faser; pk,  Porenkanal;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 


behält  diese  meist  bei,  während  der  distale  sich  nach  außen  erweitert 
(Fig.  26,  28,  34,  36,  39,  42  pk)  oder  verengt  (Fig.  29,  35,  37  pk).  An  den 
in  den  Fig.  34 — 43  dargestellten  »keulenförmigen  Zapfen«  sehen  wir 
den  distalen  Teil  des  Porenkanals  oft  am  Grunde  dem  Zapfen  eng  an- 
liegen, dann  aber  sich  mehr  oder  minder  stark  nach  außen  erweitern 
(Fig.  34,  36,  39,  42  pk).  Aber  auch  der  proximale  Teil  kann  Differen- 
zierungen zeigen.  Oft  erscheint  seine  Wand  im  Schnitt  wellenförmig 
kontouriert,  was  von  ringförmigen  Vorsprüngen  herrührt,  die  sie  in 
das  Lumen  des  Kanals  an  verschiedenen  Stellen  aussendet  (Fig.  34,  37, 


30 


Rudolf  Hochreuther, 


38,  42  pk).     Dabei  kann  er  sich,  wie  an  dem  in  Fig.  42  dargestellten 
keulenförmigen  Zapfen  des   Q   Pronotums,   nach  innen  zu  verengen. 


szk  —  \ , 


Fig.  30. 

Längsschnitt    durch    Sinneszapfen  (szpf) 
und  Sinneszelle  (sz)  am  Vorderrand   der 
Oberlippe.      470  :  1.      nf ,    Nervenfaser; 
[tst,  Terminalstrang. 


Fig.  31. 

Sagittalschnitt  durch  Vorderrand    der  Oberlippe  mit 
Sinneszapfen  [szpf)  und  hohlem  Grubenkegel  (hgk). 
470  :  1. 


Fig.  33. 

Längsschnitt     durch     drei     kleine,      massive, 

grubenständige   Sinneszapfen  (szpf)    des  Penis. 

590  :  1. 


neurk  ---.' 


Fig.  32. 
Längsschnitt    durch  kleinen,  massiven,   gruben- 
ständigen   Zapfen  (szpf)  mit   Sinneszellengruppe       Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  (kz) 

(szgr)  an  der  Antenne.     590  :  1.  der  Mesopleuren.     1020  :  1.     grs,    Grundstück. 

hypzk,  Hypodermiszellenkern;  km,  kuppeiförmige  Membran;  kr,  Chitinkragen;  neurk,  Xeurilemm- 

kern;   pk,  Porenkanal;  sz,  Sinneszelle;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 


Fig.  34. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  31 

An  Organen  weicher  Körperteile,  z.  B.  den  in  Fig.  28  und  29  darge- 
stellten Zapfen  am  ersten  Thoracalstigma,  bzw.  dem  Pleurenrand  vom 
Abdomen  eines  noch  weichen  Käfers,  zeigen  die  Wandungen  des  Poren- 
kanals  wieder   Aussteifung   mit   härterem,    dunklem   Chitin. 

Der  proximale  Teil  des  Porenkanals  kann  gegen  den  distalen 
enger  sein  (Fig.  26,  28,  29,  34—42  pk).  Dann  sitzt  die  den  Zapfen 
befestigende  Membran  dem  zustandekommenden  Absatz  auf.  Sonst 
sitzt  sie  in  einer  ringförmigen  Furche  auf,  die  in  die  Wand  des  Poren- 
kanals gegraben  ist  (Fig.  30 — 33  pk).  Die  Membran  selbst  besitzt  auch 
hier  meist  noch  Kuppelform  (Fig.  26,  28,  29,  34,  36 — 39,  42  u.  45  km) ; 
dabei  zeigt  die  Kuppel  eine  sehr  verschiedene  Höhe.  Zuweilen  ist  die 
Membran  aber  kegelstumpf-  oder  kragenförmig  (Fig.  30 — 33,  35,  40  u. 
41  kr),  wie  wir  es  später  auch  bei  den  massiven  Grubenkegeln  wieder 
kennen  lernen  werden.  Die  kragenförmigen  Membranen  sind  am  Pol, 
wie  schon  aus  der  Bezeichnung  hervorgeht,  immer  offen,  während  die 
kuppeiförmigen  meist  ganz  geschlossen  sind  oder  höchstens  in  ihrer 
Mitte  einen  feinen  Kanal  besitzen.  Der  Ansatz  der  Membranen  im 
Porenkanal  geschieht  im  allgemeinen  um  so  tiefer,  je  größer  der  Zapfen 
ist,  so  daß  von  diesem  oft  nur  ein  kleiner  Teil  aus  dem  Kanal  hervorragt. 

Der  kuppeiförmigen  Membran  oder  dem  Kragen  sitzen  nun  die 
Zapfen  entweder  (und  dies  ist  meistens  der  Fall)  auf,  oder  sie  sind, 
wie  wir  auch  schon  von  manchen  Haaren  und  Borsten  hörten,  dadurch 
an  ihnen  befestigt,  daß  die  Membranen  sie  am  proximalen  Teil  fest  um- 
greifen (Fig.  31,  mittlerer  Zapfen,  und  Fig.  41).  Die  Zapfen  selbst  be- 
sitzen mannigfache  Form.  Die  haarähnlichen  (Fig.  26,  27,  31  szpf) 
wurden  schon  erwähnt,  ebenso  die  in  Fig.  28  und  29  dargestellten  kegel- 
ähnlichen. Die  typische  Zapfenform  zeigt  das  in  Fig.  30  szpf  darge- 
stellte Organ.  Es  sind  cylindrische  Apparate,  an  ihrem  Ende  etwas 
abgerundet  oder  eben.  An  Größe  sind  sie  recht  verschieden.  Die  klein- 
sten Formen  (Fig.  32  u.  33  szpf)  besitzen  die  Gestalt  eines  Kegelstumpfes. 
Meistens  zeigen  die  Zapfen  in  ihrer  Mitte  einen  feinen  Kanal,  der  durch 
die  kuppeiförmige  oder  kragenförmige  Einlenkungsmembran  hindurch 
mit  dem  Porenkanal  kommunizieren  kann.  Dies  ist  aber  durchaus 
nicht  immer  der  Fall  (vgl.  Fig.  26,  28,  29).  Oft  erreicht  der  Kanal  den 
Grund  des  Zapfens  gar  nicht,  und  so  finden  sich  alle  Übergänge  zu  den 
ganz  massiven  kleinen  Zäpfchen  der  Fig.  32  und  33. 

Ganz  eigentümliche  Form  zeigen  die  in  den  Fig.  34 — 42  darge- 
stellten Organe,  die  sich  in  großer  Zahl  am  ganzen  Körper  des  Käfers 
finden,  und  für  die  ich  schon  die  Bezeichnung  »keulenförmige  Zapfen« 
angewandt   habe.     Äußerlich  betrachtet,  erscheinen  sie  zuweilen   den 


32 


Rudolf  Hochreuther, 


Fig.  35.  Fig.  36. 

Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  des        Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  am 
Mesoscutellum  vom  <3-     1020  :  1.  Pronotum  des  (5-    815  :  1. 


pk^m 


-grs 


zt-p* 


Fig.  37.  Fig.  38. 

Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  der         Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  des 
Propleuren.     1020  :  1.  Prosternum.     1020  :  1. 


Fig.  39. 

Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  von 
der  Unterseite  des  Abdomens.     1020  :  1. 


Fig.  40. 
Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  des 
Trochanter.     1020  :  1. 


.  -*«? 


ür 


Fig.  41.  Fig.  42. 

Längsschnitt  durch  keulenförmigen  Zapfen  des         Längsschnitt     durch     keulenförmigen    Zapfen 

Metasternuni.     1020  :  1.  am  Pronotum  des  Q.    815  :  1. 

grs,  Grundstück;  km,  kuppeiförmige  Membran;  kr,  kragenförmige  Membran;   kz,  keulenförmiger 

Zapfen;  pk,   Porenkanal. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  33 

gewöhnlichen  Zapfen,  wie  sie  etwa  am  Lobus  internus  (Fig.  26)  oder 
am  Vorderrand  der  Oberlippe  (Fig.  31)  auftreten,  recht  ähnlich,  und 
sie  sind  auch  sicher  durch  alle  denkbaren  Zwischenstufen  mit  solchen 
Formen  verbunden.  In  ihrer  typischen  Ausgestaltung  zeigen  sie  aber 
Verhältnisse,  wie  sie  in  Fig.  42  zu  erkennen  sind.  Sie  bestehen  aus 
einem  Grundstücke,  das  bis  auf  einen  feinen  Kanal  vollkommen  massiv 
und  aus  hartem  Chitin  gebildet  ist  (Fig.  42  grs),  und  einem  diesem  auf- 
sitzenden, sich  flaschen-  oder  keulenförmig  erweiternden,  hohlen  Zapfen. 
Beide  Teile  lassen  sich  an  den  meisten  dieser  Organe  leicht  erkennen, 
wenn  sie  auch  nicht  immer  so  deutlich  gegeneinander  abgesetzt  sind 
wie  in  Fig.  42.  Der  flaschen-  oder  keulenförmige  Teil  beginnt  etwa 
dort,  wo  in  den  Abbildungen  die  Höhlung  des  Zapfens  sichtbar  wird. 
Der  Kanal,  der  das  Grundstück  durchzieht,  ist  nämlich  so  außer- 
ordentlich fein,  daß  man  ihn  an  den  kleineren  Organen  nur  selten  sieht, 
während  er  an  der  größten  Form  (vgl.  Fig.  42)  leichter  wahrnehmbar  ist. 

Am  Ende  des  keulenförmigen  Teiles  ist  die  abschließende  Wand 
in  Form  einer  flachen  Delle  leicht  eingedrückt,  was  man  an  der  schein- 
baren Verdickung  der  abschließenden  Wand  erkennt,  die  an  dickeren 
Schnitten  sichtbar  wird.  Tatsächlich  ist  aber  keine  Verdickung,  sondern 
nur  eine  Einsenkung  vorhanden.  Der  vorspringende  Zapfenrand  zeigt 
oft  unregelmäßige  Vorsprünge  und  Einbuchtungen.  Manchmal  schien 
es,  als  ob  durch  die  Mitte  der  Einsenkung  ein  feiner  Kanal  hindurch- 
zöge.   Ganz  sicher  konnte  ich  dies  aber  nicht  feststellen. 

Der  Hohlraum  des  Zapfens  ist  von  einer  körnigen  Masse  erfüllt, 
die  besonders  in  einer  mittleren  oder  mehreren  seitlichen  Reihen  an- 
gehäuft erscheint  und  festere  Konsistenz  annehmen  kann.  In  Fig.  40 
und  41  lassen  die  keulenförmigen  Zapfen  des  Trochanter  bzw.  Meta- 
sternum  diese  Masse  in  zwei  Zügen  angeordnet  erkennen.  Besonders 
in  dem  letzten  sehr  breiten  Zapfen  (Fig.  41)  erscheint  sie  so  verdichtet, 
daß  sie  fast  den  Eindruck  von  aussteifenden  Rippen  hervorruft.  Über 
das  Wesen  der  körnigen  Masse  vermag  ich  nichts  Bestimmtes  auszu- 
sagen. Vielleicht  ist  es  umgewandelte  Substanz  der  Zellen,  welche  die 
Zapfen  bildeten.  Wenn  es  gelänge,  in  der  distal  den  Zapfen  abschlie- 
ßenden Wand  eine  feine  Öffnung  sicher  nachzuweisen,  wäre  es  vielleicht 
auch  angängig,  die  körnige  Masse  als  ein  Drüsensecret  anzusprechen, 
das  durch  die  Zapfen  nach  außen  geführt  wird.  Immerhin  ständen 
dann  dieser  Auffassung  noch  Bedenken  entgegen,  weil  die  feinen  zu- 
und  abführenden  Kanäle  das  Secret,  in  dem  Zustande  wenigstens,  wie 
es  nach  der  Konservierung  in  den  Zapfen  erscheint,  kaum  zu  leiten 
vermöchten. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  3 


34 


Rudolf  Hochreuther, 


An  die  keulenförmigen  Zapfen  schließt  sich  in  der  Hypodermis 
eine  einzige  Zelle  (Fig.  43  sz%)  an,  deren  Plasma  stark  färbbar  ist,  und 
deren  Kern  {szkl)  in  seiner  Mitte  eine  starke  Anhäufung  von  Chromatin 
zeigt.  Eine  sehr  typische  Sinneszelle  ist  diese  Zelle  keinesfalls,  zumal 
es  auch  niemals  gelang,  einen  proximalen  nervösen  Fortsatz  an  ihr  zu 
entdecken.  Trotzdem  kann  die  Frage,  ob  es  sich  um  eine  Sinneszelle 
oder  etwa  um  eine  Drüsenzelle  handelt,  nicht  endgültig  entschieden 
werden. 

Damit  sind  wir  schon  zur  Frage  der  Innervierung  der  Sinneszapfen 
hingeführt  worden.  Gegenüber  den  schon  an  den  Haaren  und  Borsten 
besprochenen  Verhältnissen  zeigen  die  Sinneszapfen  nichts  Besonderes. 
Die  Sinneszellen  liegen  in  der  Einzahl   (Fig.  30  sz)  oder  zu  mehreren 

(Fig.  26  u.  32  szgr)  unter  den  Zapfen.  Ihre 
runden  Kerne  (szk)  sind  durch  diese  Form 
von  den  länglichen  der  Hypodermis  (Fig.  26 
u.  32  hypzk)  unterschieden.  Sie  zeigen  einen 
deutlichen  Nucleolus.  Neurilemmkerne 
(neurk)  begleiten  die  Zellen  sowohl  wie 
ihre  nervösen  proximalen  Fortsätze  (Fig.  26 
u.  30  nf).  Distalwärts  laufen  die  Sinnes- 
zellen in  zuweilen  sehr  lange  Terminal- 
stränge aus  (Fig.  30  u.  32  tst).  Diese 
schließen,  wenn  die  kuppeiförmige  Membran 
eine  Öffnung  besitzt,  oder  wenn  ein  hohler 
Kragen  die  Einlenkung  des  Zapfens  besorgt, 
an  die  Zapfen  selbst  an  (Fig.  28, 30  u.  32  tst) ; 
ist  die  kuppeiförmige  Membran  dagegen 
massiv,  so  setzen  sie  an  diese  an  (Fig.  26  u.  27  tst).  Besondere  End- 
apparate scheinen  stets  zu  fehlen. 

Auch  den  Sinneszapfen  von  Dytiscus  kann  nur  mechanische  Reiz- 
barkeit  zugesprochen  werden.  Ihr  chitinöser  Bau  schließt  ein  Reagieren 
auf  chemische  Reize  aus.  Den  keulenförmigen  Zapfen  könnte  vielleicht 
eine  secernierende  Aufgabe  zukommen,  doch  ist  nach  den  vorliegenden 
Daten  darüber  noch  nichts  Sicheres  auszusprechen. 


Fig.  43. 

Längsschnitt    durch    keulenförmigen 

Zapfen   und  Sinneszelle  (?)   (sz?)  am 

Pronotum  des  Q.    470  :  1.     Weitere 

Abk.  s.  S.  113. 


4.  Die  Tast-  und  Geschmackszäpfchen. 

Unter  dem  Namen  »Tastzäpfchen«  faßt  Nagel  die  Sinnesorgane 
zusammen,  die  am  Ende  der  distalen  Tasterglieder  in  zwei  getrennten 
Feldern  stehen  (Fig.  44  u.  77 — 79  tz  u.  gsz)  und  diesen  Teilen  der  Mund- 
werkzeuge in  erster  Linie  das  Gepräge  von  Tast-  und  Geschmacksappa- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  35 

raten  verleihen.  Nagel  beschreibt  diese  schon  von  J.  Braxton-Hicks 
aufgefundenen  und  von  Leydig  als  »Wärzchen«  bezeichneten  Organe 
an  den  letzten  Tastergliedern  von  Dytiscus  und  Acilius. 

Es  sind  dort  aber  zwei  Formen  dieser  Zäpfchen  zu  unterscheiden, 
die  nicht  nur,  wie  Nagel  angibt,  in  ihrer  Größe  voneinander  verschieden 
sind,  sondern  auch  in  ihrem  Bau  (s.  Fig.  44).  Die  bei  weitem  häufigeren 
sind  die  kleineren  Tastzäpfchen  (Fig.  44  tz).  Die  Größe  dieser  Organe 
beträgt  10  u,  ihr  Durchmesser  3  ii.  Betrachtet  man  ein  solches  kleines 
Organ,  so  zeigt  es  die  Form  eines  der  Tasterspitze  aufsitzenden  Tönn- 
chens  und  erinnert  dadurch  etwas  an  die  auf  Zapfen  stehenden  Borsten 
an  den  seitlichen  Teilen  der  Abdominaltergite  (Fig.  15  sb).  Die  Tönn- 
chenform  wird  hier  aber  noch  besonders  dadurch  nachgeahmt,  daß 
die  Zapfen  am  Grunde  von  drei  dickeren  Chitin- 
ringen faßreifenartig  umspannt  werden.  Der 
obere  Boden  des  Tönnchens  liegt  etwa  um  ein 

Sechstel  der  ganzen  Zapfenhöhe  in  dem  Faß-         tz~  "^M  Ih9f4f"  ~  ~9SZ 
mantel   eingesenkt,  so  daß  sich  dieser  kragen- 
förmig  über  den  oberen   Boden  erhebt.    Dem 
oberen    Boden    sitzt   dann    in    der  Mitte    ein 
kleiner,  schlanker,  massiver  Kegel  auf,  der  mit   , 

Längsschnitt  durch  Tast-  und 

seiner  Spitze  nur  wenig  über  den  Kragenrand  Geschmackszäpfchen  am  Pai- 
hervorragt.     Die  Zapfenwand,    die   Membran,   pus  maxilIaris-    8?0:1-   w 

.  .  Geschmackszäpfchen;  tz,  Tast- 

welche  den  oberen  Boden  bildet,  und  der  kleine  Zäpfchen,  weitere Abk.s.s.m. 
massive  Kegel  zeigen  im  Schnitt  alle  etwa  die 

gleiche  Stärke.  Der  kragenförmige  Rand  und  der  Kegel  laufen  nach 
dem  distalen  Ende  spitz  zu. 

In  dem  Lumen  des  Tönnchens  verläuft  central  ein  heller,  stark 
lichtbrechender  Strang  (Fig.  44  tst),  der  feste  Konsistenz  zu  haben 
scheint  und,  dicht  bevor  er  an  die  das  Lumen  nach  oben  abschließende 
Membran  herantritt,  etwas  keulenförmig  verdickt  ist.  Nagel  gibt  in 
seiner  Beschreibung  eine  keulenförmige  Verdickung  an  der  Stelle  an, 
wo  der  Strang  in  das  Lumen  des  Zapfens  eintritt.  Meine  Präparate 
haben  sie  nie  an  dieser  Stelle,  sondern  stets  unmittelbar  vor  dem  An- 
lehnen des  Stranges  an  die  Quermembran  gezeigt.  Es  ist  bei  der  außer- 
ordentlichen Kleinheit  der  Organe  —  der  Durchmesser  des  gesamten 
Zapfens  beträgt,  wie  gesagt,  nur  3  ;t  —  nicht  leicht  festzustellen,  ob 
sich  der  centrale  Strang  nur  an  die  Quermembran  anlegt,  oder  ob  er 
diese  durchbricht  und  sich  an  den  kleinen,  stark  lichtbrechenden  Kegel 
ansetzt  oder  gar  in  diesen  unmittelbar  übergeht.  Denn  der  Durch- 
messer des  centralen  Stranges  ist  so  gering,  daß  man  selbst  bei  Ein- 

3* 


36  Rudolf  Hochreuther, 

Stellung  seines  optischen  Medianschnittes  die  Quermembran  durch- 
schimmern sieht.  Dennoch  glaube  ich  bestimmt  und  in  voller  Über- 
einstimmung mit  Nagel,  daß  der  centrale  Strang  die  Membran  durch- 
bricht und  unmittelbar  in  den  kleinen  Kegel  übergeht.  Kegel  und 
Centralstrang,  die  sich  weder  in  dem  Lichtbrechungsvermögen  noch 
in  ihrer  Färbung  unterscheiden,  stehen  also  in  direktem  Zusammen- 
hang. 

Diese  Tatsache  ist  von  großer  Bedeutung.  Wir  werden  dies  bessei 
zu  erkennen  vermögen,  wenn  wir  den  Centralstrang  proximalwärts,  bei 
seinem  Verlauf  in  das  Innere  des  Tastergliedes  hinein  verfolgen.  Ei 
durchsetzt,  das  Lumen  des  Zäpfchens  verlassend,  das  Körperchitin, 
welches  beim  jungen  Käfer  sehr  fein  lamelliert  erscheint,  in  einem 
engen,  cylindrischen  Porenkanal  (Fig.  44  pk).  Bald  nach  seinem  Ein- 
tritt in  den  Bereich  der  Hypodermis  erkennt  man  in  dem  in  seinem 
ganzen  Verlauf  homogen  erscheinenden  Strang  eine  feine  Streifung, 
sieht  ihn  seine  Indifferenz  gegen  angewandte  Färbemittel  verlieren  und 
unter  Auffaserung  in  eine  Gruppe  von  fünf  bis  sechs  hintereinander 
gelegenen  Zellen,  die  Sinneszellen,  übergehen  (Fig.  78  szgr).  Diese 
unterscheiden  sich  durch  ihre  runden  Kerne  von  den  Hypodermiszellen 
mit  länglich  ovalen  Kernen.  Außerdem  sind  sie  von  langen  schmalen 
Neurilemmkernen  (Fig.  78  neurk)  begleitet,  die  der  Nervenscheide  an- 
gehören, welche  nach  v.  Rath  die  ganze  Sinneszellengruppe  und  den 
sich   proximal  daran  anschließenden  Nerven  umkleidet. 

Wir  haben  also  in  dem  das  Lumen  des  Zapfens  durchsetzenden 
Strang  nichts  anderes  vor  uns,  als  die  zusammengelagerten  und  ver- 
schmolzenen Ausläufer  der  Sinneszellen,  den  Terminalstrang.  Das 
homogene,  chitinähnliche  Aussehen  muß  den  Schluß  nahelegen,  daß 
der  Terminalstrang  in  seinen  distalen  Partien  eine  chitinartige  Um- 
wandlung erleidet  oder  doch  zum  mindesten  aus  sehr  modifiziertem 
Plasma  besteht.  Nagel  selbst  kommt  zu  diesem  Schluß,  indem  er 
sagt:  »Es  macht  mir  den  Eindruck,  als  ob  man  .  .  .  nicht  die  An- 
nahme umgehen  kann,  daß  es  bei  den  Arthropoden  eine  chitinartige 
Umwandlung  der  Nervenendigungen  <>'ebe  .  .«  Überzeugt  scheint  er 
allerdings  nicht  gewesen  zu  sein.  Aber  wo  wir  wissen,  daß  wir  in  den 
Simieszellen  nichts  anders  vor  uns  haben  als  Hypodermiszellen,  die 
durch  Entsendung  eines  Fortsatzes  in  das  nervöse  Centralorgan  hinein 
(v.  Rath)  oder  durch  dichte  Umspinnung  mit  Nervenfibrillen  (Ber- 
LESe)  zu  einer  Sinnesfunktion  befähigt  sind,  kann  es  uns  nicht  mehr 
befremden,  wenn  sich  die  distalen  Fortsätze  dieser  modifizierten  Hypo- 
dermiszellen chitinartig  umwandeln.    Und  wenn  wir  diese  Umwandlung, 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  37 

die  durch  die  Präparate  bestätigt  erscheint,  und  der  theoretisch  nichts 
im  Wege  steht,  annehmen,  so  ist  es  auch  nicht  mehr  erstaunlich,  daß 
an  den  Spitzen  mancher  Sinnesanhänge  Öffnungen  auftreten  können, 
die  von  den  distalen  Teilen  der  Terminalstränge  erfüllt  sind.  Denn 
wir  haben  ja  dann  keine  freien  Nervenendigungen,  deren  Vorkommen 
bei  den  Arthropoden  allerdings  unwahrscheinlich  erscheinen  müßte, 
sondern  chitinöse  Endorgane,  die  von  den  Sinneszellen  gebildet  und 
durch  sie  in  der  Lage  sind,  Heize  zu  percipieren.  Kräpelin  ging  sogar 
so  weit,  die  verschließenden  Platten  an  den  Membrankanälen  der  Hy- 
menopteren  als  Produkte  nervöser  Elemente  anzusprechen,  und  Nagel 
scheint  geneigt,  die  kleinen  massiven  Kegel  der  Tastzäpfchen  als  be- 
sonders umgewandelte  Nervenendorgane  aufzufassen. 

Die  größeren  Zäpfchen  an  den  Tasterspitzen,  die  Nagel  auch  als 
Tastzäpfchen  bezeichnet,  zeigen  in  vieler  Hinsicht  mit  den  kleineren 
Übereinstimmung  (Fig.  44  gsz).  Vor  allem  lassen  auch  sie  einen  tönn- 
chenförmigen  Bau  erkennen.  Nur  sind  bei  ihnen  die  Tönnchen  etwas 
weiter,  und  am  oberen  Ende  ist  ihre  Wand  etwas  auseinandergetrieben, 
so  daß  sie  den  größten  Durchmesser  (8  /<)  in  der  Nähe  des  oberen  Endes 
zeigen.  Außerdem  zeigt  die  Wandung  unter  der  Stelle,  wo  die  ver- 
schließende Membran  (der  eingesenkte  obere  Boden  des  Tönnchens) 
aufsitzt,  eine  bedeutende  Verstärkung.  Diese  erscheint  deshalb  von- 
nöten,  weil  die  Membran  nicht  wie  bei  den  kleineren  Formen  nur 
einen  kleinen  massiven  Kegel  zu  tragen  hat,  sondern  einen  großen 
hohlen  Kegel  von  9  u  Höhe.  Nagel  hat  diesen  bei  seinen  Unter- 
suchungen auch  für  einen  massiven  Kegel  gehalten  von  gleichem  Bau, 
nur  größerem  Umfang  wie  die  Kegel  der  kleinen  Tönnchen.  Dies  ist 
aber  nicht  der  Fall.  Vielmehr  ist  das  Gebilde  ein  schlanker  Hohl- 
kegel, dessen  Größe  der  des  ganzen  Tönnchens  (ebenfalls  9  ;i)  gleich- 
kommt. An  seiner  Spitze  läßt  er  einen  äußerst  feinen  Kanal  erkennen, 
in  den  sich  ein  feiner  chitinähnlicher  Strang  hinein  fortsetzt,  der  wie 
bei  den  kleinen  Tastzäpfchen  sich  proximalwärts  in  die  Sinneszellen- 
gruppe auffasert  und  deshalb  als  Terminalstrang  anzusprechen  ist. 
Die  Verhältnisse  des  Terminalstrangs,  des  Porenkanals  und  der  Sinnes- 
zellengruppe zeigen  im  übrigen  keinerlei  Unterschiede  und  Abweichungen 
von  den  entsprechenden  Teilen  bei  den  kleineren  Tastzäpfchen  (vgl. 
Fig.  78). 

Was  nun  die  Funktion  dieser  beiden  Organformen  betrifft,  so 
können  wir,  nachdem  wir  zur  Kenntnis  ihres  verschiedenartigen,  chiti- 
nösen  Baues  gelangt  sind,  nicht  mehr  an  eine  gleiche  Funktion  denken. 
Nagel  sprach  beiden  vermeintlich  gleichen  Organen  auf  Grund  ihres 


38  Rudolf  Hochreuther, 

Baues  und  seiner  Beobachtungen  am  lebenden  Käfer  feine  Tastfunktion 
zu :  »Offenbar  darf  man  in  diesen  Organen  den  wichtigsten  Tastapparat 
der  Dytisciden  sehen.«  Er  muß  es  aber  auf  Grund  seiner  Experi- 
mente unentschieden  lassen,  ob  die  Organe  nicht  vielleicht  auch  dem 
Geschmackssinn  dienen.  Daß  an  den  Tastern  Geschmacksorgane  ihren 
Sitz  haben  müssen,  hat  Nagel  durch  seine  Resektionsversuche  zweifel- 
los bewiesen.  Er  will  aber  diese  Funktion  den  hohlen  Grubenkegeln 
überlassen,  die  sich  auch  an  den  Tastern  finden  (Fig.  77  u.  79  hgk). 
Deren  Zahl  ist  dort  aber  sehr  gering,  und  nachdem  wir  in  den  größeren 
Zapfen  Organe  kennen  lernten,  deren  schlanke  Hohlkegel,  wie  wir 
gleich  sehen  werden,  im  Bauplan  mit  den  hohlen  Grubenkegeln  prin- 
zipiell übereinstimmen,  dürfen  wir  diesen  Organen  wohl  Geruchs-  oder 
Geschmacksfunktion  zuschreiben.  Dann  erscheint  es  uns  auch  ver- 
ständlicher, daß  die  Antennen,  an  denen  bedeutend  mehr  hohle  Gruben- 
kegel stehen  als  an  den  Tastern,  in  viel  geringerem  Grade,  ja  fast  gar 
nicht  auf  chemische  Einflüsse  reagieren,  während  die  Taster  dies  in 
bedeutenderem  Maße  tun.  Durch  die  exponierte  Stellung  der  größeren 
Zäpfchen  an  den  Tastern  wird  eine  leichtere  Erregung  durch  chemische 
Substanzen  gewährleistet  und  eine  feinere  Reizbarkeit  gesichert. 

In  den  massiven  Kegeln  der  kleineren  Organe  werden  wir  dagegen 
feine  Tastorgane  zu  sehen  haben.  Ihr  komplizierter  Bau  und  ihre 
geringe  Größe  sichern  eine  empfindlichere  Tastfunktion,  als  sie  ein 
Sinneshaar  oder  eine  Sinnesborste  besitzen  kann. 

Wegen  des  Unterschiedes  im  Bau  und  in  der  Funktion  lassen 
sich  die  beiden  Organformen  nun  nicht  länger  unter  dem  gemeinsamen, 
von  Nagel  geschaffenen  Namen  zusammenfassen.  Für  die  kleineren 
Tastorgane  können  wir  die  sehr  gute  Bezeichnung  »Tastzäpfchen«  bei- 
behalten. Die  größeren  dagegen  müssen  wir  ihnen,  wenn  wir  eine 
analoge  Bezeichnung  wählen  wollen,  vielleicht  als  »Geschmackszäpf- 
chen «  gegenüberstellen. 

Will  man  sich  bezüglich  dieser  beiden  Zäpfchenformen  der  Ansicht 
Berleses  vom  Aufbau  der  Hautsinnesorgane  anschließen,  so  muß 
man  gestehen,  daß  man  sich  einigermaßen  in  Verlegenheit  sieht.  Denn 
die  kleinen  Tastzäpfchen  müßte  man  als  Organe  des  Tastsinnes  von 
den  einfachen  Protaesthesis  herleiten,  die  dem  Geschmack  dienenden 
Geschmackszäpfchen  dagegen  von  den  zusammengesetzten.  Nun 
zeigen  beide  Organformen  in  ihrer  histologischen  Zusammensetzung 
absolut  gar  keine  Unterschiede.  Weder  in  der  Form,  noch  der  Zahl, 
noch  der  Anordnung  der  Sinneszellen  fanden  sich  irgendwelche  Ver- 
schiedenheiten.   Warum  sollte  man  nun  nach  Berlese  von  den  Sinnes- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  39 

Zeilen  der  Tastzäpfchen  annehmen,  daß  es  trichogene  Zellen  sind, 
während  die  ganz  ebenso  gestalteten,  entsprechenden  Zellen  der  Ge- 
schmackszäpfchen z.  T.  als  Drüsenzellen  anzusprechen  wären?  Ein  auf 
morphologische  Tatsachen  fußender  Grund  ist  in  diesem  Fall  nicht 
zu  erkennen.  Bei  Betrachtung  der  Grubenkegel  werden  wir  uns  in 
eine  ebensolche  zweifelhafte  Lage  versetzt  sehen  wie  hier  bei  diesen 
beiden  Organformen. 

5.  Die  Grubenkegel. 

(Sensilla  coeloconica,  Schenk.) 
Die  zapfenförmigen  Organe  und  auch  die  eben  besprochenen  Tast- 
und  Geschmackszäpfchen  mit  ihren  kegelförmigen  Aufsätzen  leiten 
uns  zu  der  nächst  komplizierten  Organform,  den  Grubenkegeln,  ohne 
weiteres  über.  Als  Grubenkegel  werden  in  der  Literatur  solche  Organe 
bezeichnet,  die  eine  kegelförmige  Gestalt  besitzen  und  in  einer  Grube 
des  Körperchitins  eingesenkt  stehen.  Man  hat  zwei  Hauptformen 
dieser  Grubenkegel  zu  unterscheiden,  je  nachdem  der  in  der  Grube 
stehende  Kegel  massiv  oder  hohl  ist;  man  spricht  danach  von  massiven 
und  hohlen  Grubenkegeln. 

a.  Die   massiven  Grubenkegel  (dickwandige  Kegel). 

Die  massiven  Grubenkegel  stellen  die  bei  weitem  primitivere  Form 
dar.  Von  den  grubenständigen  Zapfen  sind  sie  in  ihrem  Bau  nicht 
wesentlich  verschieden.  Vielmehr  unterscheiden  sie  sich  von  ihnen 
lediglich  durch  die  Kegelform  des  percipierenden  Apparates.  Auch 
sind  sie  durch  viele  Übergangsformen  mit  den  Zapfen  verbunden, 
und  es  ist  oft  schwer  zu  entscheiden,  ob  man  ein  Organ  noch  den  gruben- 
ständigen Zapfen  oder  schon  den  Kegeln  zuzurechnen  hat  (vgl.  z.  B. 
Fig.  45  szpf,  oben). 

Die  Kegel  der  Organe,  die  man  zu  den  massiven  Grubenkegeln 
zählt,  sind  entweder  ganz  massiv  (Fig.  46  u.  47  mgk)  oder  zeigen  in 
ihrer  Mitte  einen  engen  Kanal,  der  aber  die  Spitze  des  Kegels  bei  weitem 
nicht  erreicht  (Fig.  45  gk).  Man  würde  sie  deshalb  vielleicht  besser 
als  »dickwandige  Kegel«  bezeichnen,  wie  Schenk  die  ebenständigen 
Kegel  an  Schmetterlingsfühlern  auch  nannte.  Nagel  bezeichnet  sie 
als  »kleine  Grubenkegel«;  diese  Bezeichnung  ist  aber  deshalb  nicht 
sehr  glücklich,  weil  an  dem  Lobus  externus  der  ersten  Maxillen  zum 
Beispiel  massive  Kegel  vorkommen  (Fig.  46  mgk),  die  an  Größe  man- 
chen hohlen  Kegeln  überlegen  sind  (vgl.  z.  B.  Fig.  54  hgk).  In  Form 
und  Größe  sind  die  dickwandigen  Kegel   sehr  mannigfaltig.     Neben 


40 


Rudolf  Hochreuther, 


schlanken,  ziemlich  langen,  beispielsweise  an  der  Unterlippe  (Fig.  45  gk) 
(Größe:  22  /i,  maximaler  Durchmesser:  10//)  und  dem  Gaumenzapfen 
(Fig.  47  mgk)  (Größe:  15 /*,  Durchmesser:  6  u)  finden  sich  an  dem 
kleinen  Lobus  externus  der  ersten  Maxillen  neben  ebensolchen  die 
schon  erwähnten  sehr  kurzen,  kompakten  (Fig.  46  mgk,  oben)  (Größe : 
1  u,  maximaler  Durchmesser  an  der  Basis:  6  u). 

Die  Art,  wie  sie  dem  Körperchitin  eingelenkt  sind,  ist  bei  allen 
im  wesentlichen  dieselbe.     In  das  Lumen   des   Porenkanals  ragt  ein 


stpfi. 


Fig.  45. 

Sagittalschn  itt  durch  die  Unterlippe  (median  geführt).     470:1.    gl-,  dickwandiger  Grubenkegel; 
sh,  Sinneshaar;  szpf,  Sinneszapfen.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


kleiner  ringförmiger  Vorsprung  des  Körperchitins.  Diesem  sitzt  ein 
hohler,  kegelstumpfförmiger  Kragen  (Fig.  45,  46  u.  47  kr)  auf,  dessen 
Chitin  sich  wie  bei  den  entsprechenden  Kragen  vieler  Zapfen  stärker 
färbt  als  das  des  Kegels  selbst.  Dieser  Kragen  trägt  dann  den  Kegel, 
der  oft  nur  wenig  aus  der  Grube  hervorragt  (Fig.  46).  Die  Einlenkung 
der  Kegel  mittels  des  kragenförmigen  Aufsatzes  gewährleistet  eine  ge- 
wisse Beweglichkeit,  denn  das  Chitin  des  Kragens  ist  wie  das  der  Gelenk- 
häute elastischer  als  das  des  übrigen  Körpers.  Diese  Beweglichkeit 
schützt  den  Kegel  naturgemäß  vor  zu  leichtem  Abbrechen  oder  Ver- 
letzungen durch  Druck. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


41 


Die  Form  des  Porenkanals  ist  bei  den  einzelnen  Kegeln  sehr  ver- 
schieden. Im  allgemeinen  sind  die  Kanäle  ziemlich  eng.  Ihr  proxi- 
maler Teil  ist  cylindrisch  und  nur  unterhalb  des  kragenförmigen  Auf- 
satzes etwas  erweitert  (Fig.  45  pk).  In  dem  distalen,  jenseits  der 
Ansatzstelle  des  Kragens  gelegenen  Teil  erweitern  sie  sich  auch  etwas 
becherförmig  zu  der  eigentlichen  Grube.  Von  dem  ringförmigen  Vor- 
sprung des  Körperchitins  abgesehen,  dem  der  Kragen  aufsitzt,  finden 
sich  meist  keine  besonderen  Differenzierungen  (Fig.  45  u.  47).    Nur  bei 


hypzk 


Fig.  46.  Fig.  47. 

Längsschnitt    durch    massive    Grubenkegel       Längsschnitt  durch  massiven  und  hohlen  Gruben- 
(mgk)  am  Lobus  externus.     480  :  1.  kegel  mit  Sinneszellen  vom  Gaumenzapfen.  -170:1. 

drg,  Drüsenausführungsgang;  hgk,  hohler  Grubenkegel;  hypzk,  Hypodermiszellenkem ;  km,  kuppei- 
förmige Membran;  kr,  kragenförmige  Membran;  mgk,  massiver  Grubenkegel;  neurk,  Neurilemm- 
ketn;  nf,  Nervenfaser;  pk,  Porenkanal;  sz,  Sinneszelle;  szk,  Sinneszellenkern;  tst,  Terminalstrang. 

den  sehr  kompakten  Kegeln  des  distalen  Teils  vom  Lobus  externus 
(Fig.  46  mgk,  oben)  zeigt  der  Porenkanal  andere  Verhältnisse.  In  seinem 
proximalen  Teil  tritt  unterhalb  der  Ansatzstelle  des  Kragens  noch  eine 
ringförmige  Einbuchtung  oder  Vorstülpung  auf;  der  distale  Teil  ist 
nicht  becherförmig  erweitert,  sondern  im  Gegenteil  vasenartig  verengt,  so 
daß  die  Kegel  hier  ganz  besonders  eng  in  den  Kanal  eingeschlossen  sind. 
Was  die  nervösen  Verhältnisse  betrifft,  so  zeigen  sich  hierbei  auch 
gewisse  Unterschiede  an  verschiedenen  Formen.  Überall  finden  wir 
einen   ziemlich   langen   Terminalstrang   (Fig.  45 — 47  tst)   an   die   Kegel 


42  Rudolf  Hochreuther, 

anschließen.  Die  Axt  und  Weise,  wie  dieser  an  die  Kegel  ansetzt,  ist 
aber  verschieden.  Meistens  schließt  er  mit  einer  besonders  differen- 
zierten Spitze  (Fig.  47),  wie  wir  es  schon  bei  manchen  Haaren  und 
Borsten  sahen,  an  die  Kegel  selbst  an.  Wenn  die  Kegel  einen  feinen 
Kanal  aufwiesen,  schien  er  dagegen  an  den  Kragen,  der  den  Kegel  trägt, 
anzusetzen  (Fig.  45  tst).  An  den  großen  Kegeln  des  Lobus  externus 
(Fig.  46)  finden  wir  auch  bezüglich  des  Terminalstranges  besondere 
Verhältnisse.  Wenn  der  sehr  dünne  Terminalstrang  bis  zur  Höhe  der 
Ansatzstelle  des  kegelstumpfartigen  Kragens  gelangt  ist,  scheint  er 
sich  mit  einem  Male  trichterförmig  zu  erweitern  und  an  die  ganze 
Basis  des  Kegels  anzusetzen.  Bei  der  starken  chitinartigen  Modi- 
fizierung, die  er  wie  alle  Terminalstränge  der  massiven  Kegel  in  seiner 
Endregion  aufweist,  kam!  man  nicht  deutlich  erkennen,  wo  der  Terminal- 
strang aufhört  und  der  eigentliche  Kegel  anfängt.  Vielleicht  ist  die 
trichterförmige  Erweiterung  noch  ganz  dem  Kegel  zuzurechnen. 

In  seinem  proximalen  Verlauf  konnte  ich  den  Terminalstrang  nur 
an  einem  Kegel  des  Gaumenzapfens  verfolgen  (Fig.  47).  Hier  ging  er 
anscheinend  in  eine  einzige  Sinneszelle  (sz)  über,  deren  heller  Plasma- 
leib in  seinem  proximalen  wie  distalen  Teil  eine  feine  Streifung  er- 
kennen ließ.  Der  Sinneszellenkern  (szk)  zeigte  einen  allerdings  nicht  sehr 
deutlichen  Nucleolus.  Die  ganze  Zelle  war  von  mehreren  Kernen  (neurk) 
begleitet,  die  dem  Neurilemm  anzugehören  schienen.  Da  der  Schnitt 
etwas  dick  geraten  war,  ließen  sich  feinere  Einzelheiten  nicht  erkennen. 
An  Schnitten  durch  den  Lobus  externus  (vgl.  Fig.  77  le)  waren  neben 
den  sehr  kleinen  Hypodermiskernen  (Fig.  46  Inxjfzk)  ebenfalls  runde 
Sinneszellenkerne  (szk)  mit  deutlichem  Nucleolus  zu  sehen.  Jedoch 
fehlte  eine  erkennbare  Verbindung  mit  den  Terminalsträngen  (tst). 

Daß  die  Funktion  dieser  Grubenkegel  nur  eine  mechanische  sein 
könne,  wurde  schon  von  Nagel  hervorgehoben.  Eine  Diffusionsmög- 
lichkeit von  Flüssigkeiten  oder  Gasen  durch  die  Kegel  hindurch  bis 
zu  den  modifizierten  Nervenendigungen  muß  selbst  bei  den  Organen, 
die  einen  feinen  centralen  Kanal  besitzen,  schlechterdings  ausgeschlossen 
erscheinen.  Wir  werden  also  in  den  massiven  Grubenkegeln  Tast- 
organe erblicken  müssen,  deren  Empfindlichkeit  je  nach  ihrem  Bau 
und  der  Ansatzweise  des  Terminalstranges  einen  verschiedenen  Grad 
besitzen  wird. 

b.  Die  hohlen  Grubenkegel  (dünnwandige  Kegel). 
Zu  den  hohlen  Grubenkegeln  führen  uns  jene  größeren  Geschmacks- 
zäpfchen hin,  die  einen  hohlen  Kegel  tragen  (Fig.  44  gsz).     Nur  sind 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


43 


jetzt  die  Kegel  nicht  auf  einem  besonderen  Zapfen  über  die  Oberfläche 
des  Chitins  erhoben,  sondern  vielmehr  in  das  Körperchitin  eingesenkt. 

Größe  und  Form  schwanken  bei  den  hohlen  Grubenkegeln  ebenso 
sehr  wie  bei  den  massiven.  Im  Grundplan  ist  aber  ihr  Bau  doch  stets 
derselbe.  Durch  das  an  den  kegeltragenden  Stellen  zuweilen  verdickte 
Körperchitin  (vgl.  etwa  Fig.  48)  führt  der  Porenkanal  (pk).  Seine 
Gestalt  ist  mehr  oder  weniger  cylindrisch.  In  verschiedener  Höhe  des 
Kanals  erhebt  sich  dann  eine  kuppelartig  gewölbte  Chitinmembran  (km). 
An  ihrem  Gipfel  ist  sie  durchbohrt,  und 
über  der  Durchbohrung  erhebt  sich,  auf 
der  Membran  sitzend,  der  eigentliche 
Kegel  (hgk).  Dieser  läßt,  so  verschieden 
auch  seine  Form  sein  mag,  an  seiner 
Spitze  fast  stets  einen  feinen  Kanal 
deutlich  erkennen,  der  von  dem  letzten, 
chitinartig  umgewandelten  Ende  des 
Terminalstranges  erfüllt  ist  —  Verhält- 
nisse, wie  wir  sie  schon  bei  den  Kegeln 
der  Geschmackszapfen  an  den  Tastern 
fanden. 

Der  stets  so  wiederkehrende  Grund- 
plan im  chitinösen  Aufbau  der  hohlen 
Grubenkegel  findet  nun  an  den  einzelnen 
Organen  der  verschiedenen  Körper- 
regionen die  mannigfachste  Ausgestaltung. 
Was  zunächst  die  Kegel  selbst  betrifft, 
so  sind  vor  allem  die  Größenunterschiede 
in  die  Augen  fallend.    Die  größten  finden 

sich  an  den  Antennen  und  Tastern  (Fig.  48,  (hgk)  der  Antenne.  470.-1.  drg,  Drüsen- 
ferner    Fig.  72,    73,    77  U.  19  hak);    sie    er-    ausführimgsgänge;    szgr,    Sinneszellen- 

y    "  gruppe.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

reichen  eine   Größe   von   14 //   (gemessen 

vom  Gipfel  der  kugelförmigen  Membran  bis  zur  Kegelspitze)  und  einen 
maximalen  Durchmesser  von  8//.  Schon  Nagel  gibt  von  ihnen  eine 
kurze  Beschreibung,  die  in  allen  Punkten,  mit  Ausnahme  des  Durch- 
bohrtseins an  der  Spitze,  mit  den  hier  gewonnenen  Befunden  überein- 
stimmt. Sie  laufen  nicht  so  spitz  zu  wie  manche,  die  sich  an  der 
Oberlippe  finden  (Fig.  49,  60  und  75  hgk).  Deren  Größe  beträgt 
nur  10//,  ihr  Durchmesser  4//.  Unter  den  noch  viel  zierlicheren 
Formen  finden  sich  neben  schlankeren  an  den  Mandibeln  (Fig.  51  u.  76 
hgk)  (Größe:  10//,  Durchmesser:  5//),  dem  Palparium  der  ersten  Ma- 


P 

4  -neurk 


Fig.  48. 
Längsschnitt  durch  hohlen  Grubenkegel 


44 


Rudolf  Hochreuther. 


xillen  (Fig.  50 u.  77  hgk)  (Größe:  8//.  Durchmesser:  6  u)  und  dem 
Mesoscutellum  des  weiblichen  Käfers  (Fig.  52)  (Größe:  10/*)  plumpere, 
an  der  Spitze  mehr  abgerundete  Formen  an  den  Gaumenplatten  (Fig.  53 
u.  74  hgk),  den  thoracalen  Stigmen  (Fig.  54,  93  u.  94  hgk)  und  den 
Coxen  (Fig.  55). 

Nagel  bildet  die  Kegel  der  Gaumenplatten  eigentümlicherweise 
sehr  schlank  und  äußerst  dünnwandig  ab.  Ich  habe  niemals  so  gebaute 
Kegel  an  dieser  Stelle  getroffen.  Bezüglich  des  Porenkanals  stimmen 
meine  Befunde  mit  denen  Nagels  vollkommen  überein. 

Von  den  Kegeln  der  thoracalen  Stigmen  gibt  W.  Alt  schon  mehrere 
Bilder,  von  denen  aber  das  eine,  in  dem  er  den  Kegel  über  das  Körper- 
chitin wie  auf  einem  Zapfen  erhoben  darstellt,  mit  den  stets  von  mir 


Fig.  49. 

Längsschnitt    durch    hohlen   Grubenkegel   {hgk)    mit  Sinnes- 
zellengruppe (szgr)  an  der  Dorsalseite  der  Oberlippe.    480  :  1. 
Weitere  Abk.  s.  S.  L13. 


Fig.  50. 
Längsschnitt  durch  hohlen  Gru- 
benkegel (hgk)  und  Sinneszellen- 
gruppe (szgr)  am  Palparium  der 
ersten  Maxillen.     590.:  1. 
Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


an  Schnitten  und  Totalpräparaten  des  ersten  und  zweiten  Stigmas 
erhaltenen  nicht  ganz  übereinstimmt.  Der  Kegel  war  nie  so  über  die 
Oberfläche  des  Chitins  der  Gelenkhaut  emporgehoben,  wie  Alt  es  in 
der  einen  Figur  zeichnet,  so  daß  man  unwillkürlich  an  eine  Ähnlichkeit 
mit  den  Geschmackszäpfchen  denken  muß.  Vielmehr  war  er  stets 
unter  der  Körperfläche  eingesenkt.  Manche  Kegel  am  zweiten  Thoracal- 
stigma  ragen  allerdings  etwas  über  die  Umgebung  hervor,  dann  ist 
aber  stets  das  unmittelbar  darum  gelegene  Chitin  der  Gelenkhaut  mit- 
gehoben, so  daß  die  aus  hartem,  homogenen  Chitin  gebildete  Wand 
des  Porenkanals  dennoch  vollkommen  vom  weichen  Körperchitin  um- 
schlossen bleibt  (Fig.  94  hgk,  oben).  Sonst  habe  ich  den  Bau  dieser 
Kegel  ganz  ebenso  gefunden,  wie  Alt  ihn  darstellt. 

Die  Kegel  der  Thoracalstigmen  sind  zusammen    mit  denen  des 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


45 


Gaumens  die  kleinsten  Formen,  die  überhaupt  bei  Dytiscus  auftreten. 
Ihre  Größe  vom  Gipfel  der  kuppeiförmigen  Membran  bis  zu  der  Kegel- 
spitze beträgt  nur  4  u,  ihr  maximaler  Durchmesser  3  u. 

Die  kuppeiförmigen  Membranen,  die  den  proximalen,  nach  außen 
abgeschlossenen  Teil  des  Porenkanals  von  dem  distalen,  offenen  trennen, 


km 


km 


--pk 


Fig.  51.  Fig.  52. 

Längsschnitt  durch  schlanken  hohlen  Gruben-         Längsschnitt  durch  schlanken  hohlen  Gruben- 
kegel an  der  Mandibel.     590  :  1.  kegel  am  Mesoseutellum  des  Q.     590  :  1. 
h(ik,  hohler  Grubenkegel;  km,  kuppeiförmige  Membran;  pk,  Porenkanal. 

haben  meist  die  Form  einer  hohen 
Kuppel  (Fig.  48—52,  54  u.  55  km).  Bei 
den  Kegeln  der  Gaumenplatten  dagegen 
sind  sie  sehr  flach  (Fig.  53  km).  Die 
Kuppeln  sitzen  dem  Porenkanal  in  sehr 
verschiedener  Höhe  an.  Dies  hängt 
von  der  Dicke  des  Chitins  an  der 
Körperstelle  ab,  an  der  die  Organe 
stehen,  ferner  aber  auch  von  der  Größe 
der  Kegel  und  der  Höhe  der  kuppei- 
förmigen Membran.  Denn  alle  Kegel 
ragen  nur  wenig  aus  dem  Porenkanal 
hervor.  So  finden  wir  bei  den  großen 
Kegeln  der  Antennen  (Fig.  48)  die 
Membran  ganz  im  proximalen  Teil  sich 
der  Wand  des  Porenkanals  anschließen. 
Ebenso  ist  es  bei  den  Kegeln  an  der 
Oberseite  der  Oberlippe  (Fig.  49).  Je 
kleiner  die  Kegel  werden,  um  so  höher 
sehen  wir  bei  gleicher  Länge  des  Poren- 
kanals die  Membran  sich  im  Poren- 
kanal erheben  (Fig.  51,  52,  54,  55,  53  km). 

Was  den  Porenkanal  selbst  angeht,  so  ist  er  in  seinem  proximalen 
Teil  unterhalb  des  Kuppelansatzes  bei  den  Kegeln  der  Antenne  (Fig.  48 


Fig.  53. 

Längsschnitt     durch    hohlen    Grubenkegel 

(hgk)    und    Sinneszellengruppe    (szgr)    der 

Gaumenplatte.       470  :  1.       Weitere    Abk. 

S.  S.  113. 


46  Rudolf  Hochreuther, 

pk)  und  des  Palpariums  der  ersten  Maxillen  (Fig.  50  pk)  fast  cylindriseh, 
sonst  aber  im  allgemeinen  nach  innen  zu  etwas  erweitert.  Er  läßt 
dann  in  diesem  Teil  auch  oft  noch  ringförmige  Einstülpungen  (Fig.  51 
u.  54  pk)  und  Unregelmäßigkeiten,  die  wohl  mehr  durch  Zufälligkeiten 
bedingt  sind  (Fig.  60  j)k),  erkennen.  Sehr  charakteristisch  erscheint  der 
Porenkanal  der  Hohlkegel  am  Gaumenwulst  und  in  der  Umgebung  der 
thoracalen  Stigmen  (Fig.  53  u.  54  pk).  Da  das  Chitin  am  Gaumen  und 
in  den  Gelenkhäuten  zwischen  den  Thoraxsegmenten,  wo  die  thoracalen 
Stigmen  sitzen,  sehr  weich  ist,  sind  die  Porenkanäle  von  einer  Schicht 
harten  Chitins  eingefaßt.  So  wird  auch  hier,  gerade  wie  bei  manchen 
Borsten  und  Zapfen,  den  Organen  die  nötige  Festigkeit  und  der  nötige 
Schutz  verliehen. 


hgk  - «,     /*    km 


Fig.  54.  Fig.  55. 

Optischer  Längsschnitt  durch  hohlen  Gruben-         Längsschnitt  durch  hohlen  Grubenkegel  an  der 

kegel  am  ersten  Thoracalstijma.     1000  :  1.  Coxa  des  mittleren  Beinpaares.     590  :  1. 

hgk,  hohler  Grubenkegel;  hm,  kupp  eiförmige  Membran;  pk,  Porenkanal,  tst,  Terminalstrang. 

Proximaler  und  distaler  Teil  des  Porenkanals  sind,  wie  wir  schon 
hörten,  durch  den  Ansatz  der  kuppeiförmigen  Membran  voneinander 
geschieden.  Damit  der  Membran  die  Ansatzmöglichkeit  geboten  ist, 
findet  sich  an  der  Übergangsstelle  des  proximalen  Teils  des  Poren- 
kanals in  den  distalen  ein  ringförmiger  Vorprung  in  den  Kanal  hinein 
(Fig.  51,  53 — 55  pk).  Zuweilen  vermittelt  auch  ein  Absatz  an  der 
Wand  die  Befestigung  der  Kuppel.  Der  Absatz  kommt  wieder  da- 
durch zustande,  daß  der  proximale  Teil  des  Porenkanals  enger  ist 
als   der   distale    (Fig.  47—50  u.  52  pk). 

In  dem  distalen  Teil  ist  der  Porenkanal  ebenfalls  mannigfaltig 
gestaltet.  An  den  Kegeln  der  Antennen  und  der  Mandibeln  (Fig.  48 
u.  51  pk)  erweitert  er  sich  würfelbecherartig  nach  außen,  während  er 
in  den  meisten  Fällen,  z.  B.  an  den  Kegeln  der  Oberlippe  (Fig.  49  pk), 
der  Gaumenplatten  (Fig.  53  pk)  und  der  thoracalen  Gelenkhäute  (Fig.  54 
pk)  sich  in  seinem  distalen  Teil  mehr  oder  weniger  verschmälert.  In 
den  distalen  Teil  des  Porenkanals  münden  zuweilen  Drüsenausführungs- 
gänge,  z.  B.  an  manchen  Kegeln  der  Dorsalseite  der  Oberlippe  (Fig.  49 
drg)  und  den  Kegeln  der  Antennen  (Fig.  48  drg). 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  47 

Dabei  ist  jedoch  zu  bemerken,  daß  die  Drüsenausführungsgänge 
niemals  durch  den  inneren  abgeschlossenen  Teil  des  Porenkanals  ver- 
laufen, wie  Nagel  es  bei  einem  Kegel  des  Gaumenzapfens  angibt. 
Vielmehr  durchsetzen  sie  das  Körperchitin  außerhalb  des  proximalen 
Porenkanals  in  besonderen  feinen  Kanälen  und  münden  erst  in  dessen 
äußeren  geöffneten  Teil.  Eine  Durchbohrung  der  kuppeiförmigen 
Membran  durch  Drüsengänge  findet  also  nie  statt.  Was  Nagel  in 
seiner  Abbildung  14  als  Drüsenausführungsgang  anspricht,  ist  wohl 
nichts  anderes  als  ein  Abschnitt  des  modifizierten  Terminalstranges. 

So  verschiedenartig  die  Ausgestaltung  des  chitinösen  Apparates 
dieser  Organe  war,  so  übereinstimmend  zeigten  sich  die  nervösen  Ver- 
hältnisse, soweit  sie  bei  einzelnen  der  Organe  zu  ermitteln  waren.  Der 
Terminalstrang  (tst),  der,  wie  wir  schon  hörten,  unter  besonderer  Modi- 
fizierung seiner  Substanz  meist  in  der  Durchbohrung  der  Kegelspitze, 
diese  vollkommen  erfüllend,  endet,  verliert  in  seinem  proximalen  Ver- 
lauf allmählich  seine  hyaline  Beschaffenheit  und  zeigt  verschiedene 
Stärke  (vgl.  Fig.  47,  48,  49,  50  u.  53  tst).  Nach  einiger  Zeit  fasert  er  sich 
auf  und  läßt  dann  eine  zarte  Streif ung  erkennen.  Die  Sinneszellen 
liegen  in  Gruppen  von  dreien  oder  vieren  meist  hintereinander  (Fig.  48, 
49,  50  u.  53  szgr)  und  unterscheiden  sich  durch  ihre  rundlichen,  wenig 
Chromatin,  aber  einen  deutlichen  Nucleolus  enthaltenden  Kerne  (szk) 
von  den  meist  länglichen  Hypodermiskernen  (hypzk).  In  Fig.  47  hgk 
ist  im  Schnitt  durch  den  hohlen  Grubenkegel  des  Gaumenzapfens  nur 
ein  Sinneszellenkern  (szk)  getroffen;  wahrscheinlich  sind  aber  auch  hier 
mehr  vorhanden.  In  Fig.  49  sind  die  Sinneszellenkerne  (szk)  teilweise 
nicht  so  deutlich  von  den  Hypodermiskernen  unterschieden,  aber  durch 
ihre  Verbindung  mit  dem  Terminalstrang  als  Kerne  der  Sinneszellen 
charakterisiert.  Proximalwärts  geht  die  Sinneszellengruppe  stets  in 
einen  nervösen  Fortsatz  über  (Fig.  48,  49  u.  53  nf),  dessen  Neurilemm 
die  ganze  Gruppe  und  ihren  Terminalstrang  begleitet  (s.  Fig.  48,  49 
u.  53  neurk). 

Bezüglich  der  Funktion  der  hohlen  Grubenkegel  hat  Nagel,  der 
die  Organe  schon  an  den  Antennen  (vgl.  Fig.  72  u.  73  hgk),  den  Tastern 
(Fig.  77  u.  79  hgk)  und  dem  Gaumen  (Fig.  74  u.  80  hgk)  von  Dytiscus 
kannte,  die  Ansicht  ausgesprochen,  daß  sie  einem  chemischen  Sinn 
dienen  möchten.  Geruchs-  und  Geschmackssinn  sind  ja  gerade  bei  dem 
im  Wasser  lebenden  Käfer  nicht  streng  zu  unterscheiden;  man  spricht 
deshalb  allgemeiner  von  dem  chemischen  Sinn.  Die  Resektionsversuche 
Nagels  sprechen  allerdings  nicht  gerade  dafür,  daß  an  den  Antennen 
Organe  des  chemischen  Sinnes  ihren  Sitz  haben.     Immerhin  müssen 


48  Rudolf  Hochreuther, 

wir  annehmen,  daß  die  dort  gelegenen  Kegel,  die,  vom  Größenunter- 
schied abgesehen,  ganz  ähnlichen  Bau  zeigen,  wie  die  zweifellosen  Ge- 
schmacks- oder  Geruchsorgane  der  Taster  und  des  Gaumens,  auch 
dem  chemischen  Sinne  dienen.  Vielleicht  ist  infolge  ihres  gröberen 
Baues  nur  die  Empfindlichkeit  eine  geringere. 

Auch  Hauser,  Kräpelin,  Euland,  v.  Rath,  Schenk  und  viele 
neuere  Autoren  erblicken  in  den  hohlen  Grubenkegeln  und  ähnlichen 
Sinnesorganen  die  typischen  Organe  des  chemischen  Sinnes  der  Arthro- 
poden. 

Nach  Berlese  wären  die  massiven  und  dickwandigen  Gruben- 
kegel als  Tastorgane  von  den  einfachen,  die  hohlen,  dünnwandigen 
Kegel  als  Geruchs-  oder  Geschmacksorgane  dagegen  von  den  zusammen- 
gesetzten Protaesthesis  herzuleiten.  Aber  auch  hier  vermag  man  be- 
züglich der  histologischen  Zusammensetzung  beider  Formen  keine 
prinzipiellen  Unterschiede  zu  erkennen,  und  es  müssen  darum  hier 
dieselben  Zweifel  und  Bedenken  auftauchen,  wie  sie  schon  bei  den  so 
kegelähnlichen  Tast-  und  Geschmackszäpfchen  geäußert  wurden. 

6.  Die  kelchförmigen  Organe  (Nagel). 

Die  kelchförmigen  Organe  sind  von  Nagel  an  den  Antennen  und 
Kiefertastern  der  Dytisciden  zuerst  näher  untersucht  worden,  während 
sie  schon  im  Jahre  1860  von  J.  Braxton  Hicks  gefunden  und  mit 
ähnlichen  Organen  an  den  Tastern  anderer  Insekten  verglichen  wurden. 
Nagel  hat  auf  ihre  Beschreibung  mehr  Gewicht  gelegt  als  auf  die  der 
anderen  Sinnesorgane  von  Insekten ;  er  hat  sie  auch  schon  an  Schnitten 
studiert  und  ihnen  auf  Grund  seiner  Ermittlungen  den  Namen  »kelch- 
förmige  Organe«  gegeben.  Wir  müssen  die  Beschreibung,  die  Nagel 
gibt,  hier  zitieren,  um  die  Abweichungen,  die  die  vorliegenden  Unter- 
suchungen ergaben,  klarer  zu  erkennen. 

Nagel  schreibt:  »Aus  dem  Fühlerinnern  verläuft  senkrecht  nach 
außen  ein  cylindrischer  Porenkanal«,  (vgl.  Fig.  56  pk),  »der  zuweilen 
etwas  konisch  nach  außen  sich  erweitert.  Etwa  auf  drei  Viertel  der 
Dicke  des  Chitins,  welches  an  diesen  Stellen  dicker  als  im  Übrigen 
zu  sein  pflegt,  verengt  sich  der  Porenkanal  plötzlich  auf  ein  Fünftel 
bis  ein  Sechstel  seines  bisherigen  Durchmessers,  bleibt  eine  kurze  Strecke 
so,  um  sich  jetzt  schalenförmig  wieder  zum  ursprünglichen  Durchmesser 
zu  erweitern.  Der  ganze  weite  Kanal,  wie  auch  der  verengte  Teil, 
enthält  eine  mit  Hämatoxylin  ziemlich  schwach  sich  färbende  Masse, 
in  welcher  ich  zuweilen  einen  unscharf  begrenzten  Centralstrang «  (vgl. 
Fig.  56  tst)  »zu  erkennen  glaube.     Nicht  selten  finden  sich  im  Kanal 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


49 


auch  einzelne  stärker  sich  färbende,  runde  Kerne.  Von  dem  Inhalt  des 
eigentlichen  Kelches  ist  nur  eine  den  Boden  bedeckende  dünne  Schicht 
mit  Hämatoxylin  färbbar.  Der  übrige  Raum  im  Kelche  wird  bis  zum 
Rande  ausgefüllt  von  einem  stark  glänzenden,  fast  wasserhellen  Körper, « 
(vgl.  Fig.  56  chpl)  »der  nach  innen  zu  keine  scharfe  Grenze  erkennen 
läßt.  Die  verschiedensten  von  mir  versuchten  Färbemittel  versagten 
an  diesem  Körper.  Derselbe  füllt  den  Kelch 
nach  außen  so  an,  daß  er  gerade  im  Niveau  des 
umgebenden  Chitins  liegt.  Von  einer  Grube  ist 
hier  also  wohl  nicht  zu  sprechen.  Nur  auf 
Schnitten  findet  man  recht  häufig  den  Kelch- 
inhalt ausgefallen,  den  Kelch  somit  als  leere 
Grube.  An  den  Rändern,  wo  die  Außenfläche 
des  Fühlers  in  die  Wand  einer  solchen  Grube 
übergeht,  finde  ich  nie  Reste  einer  Verbindungs- 
membran  zwischen  Kelchinhalt  und  dem  eigent- 
lichen Fühlerchitin.  Ich  hebe  dies  hervor,  weil 
dies  einen  Unterscheidungspunkt  bildet  zwischen 
den  hier  besprochenen  Organen  und  den  »Poren- 
platten« der  Hymenopteren ;  bei  diesen  findet 
man  auf  Schnitten  nicht  selten  die  Verschluß- 
platte deckelartig  aufgeklappt,  wobei  man  deut- 
lich erkennen  kann,  daß  das  Chitin  der  Platte 
in  das  des  Fühlers  direkt  übergeht.  Das  möchte 
ich  nach  den  Bildern,  die  ich  bei  Dytiscus  sah, 
von  diesen  Organformen  nicht  behaupten.« 

Meine     Untersuchungen     an    diesen    außer- 
ordentlich kleinen  Organen  (der  Durchmesser  des 

kreisförmigen  Querschnittes  an  der  Ausmündung  förmiges  Organ  und  sinnes- 
des  Porenkanals   schwankt   zwischen  6  und  8«)      z^ngruZl^  "TT, 

'    '    maxillaris.  oOO  :  1.  chpl,  ab- 
führten in  einigen  Punkten  zu  anderen  Ergeb-      schließende  chitinpiatte; 
nissen.    Was  die  Beschreibung  des  Porenkanals      szgr>  Smneszeiiengruppe. 

....  Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

(Fig.  56  pk)   angeht ,    so   stimme   ich   darin   mit 

Nagel  ziemlich  überein.  Ergänzend  ist  nur  hinzuzufügen,  daß  be- 
sonders bei  jungen  Käfern  die  Organe  in  der  Länge  oft  bedeutend 
verkürzt  erscheinen,  was  mit  der  geringeren  Dicke  des  Körperchitins 
zusammenhängt  (s.  Fig.  57  pk).  Der  verengte  Teil  des  Porenkanals  ist 
oft  auch  bei  weitem  nicht  in  dem  Maße  verschmälert,  wie  es  bei  den 
Organen  der  erwachsenen  Käfer  zuweilen  der  Fall  ist.  Die  Organe 
machen  so  im  Vergleich  zu  den  von  Nagel  abgebildeten,  bei  alten 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  4 


neurk 


Fig.  56. 

Längsschnitt     durch     kelch- 


50 


Rudolf  Hochreuther, 


Käfern  auftretenden  den  Eindruck,  als  seien  sie  bei  einer  Verkürzung 
in  der  Längsrichtung  noch  etwas    in  die  Breite  gezogen. 

Recht  abweichend  von  den  NAGELschen  Befunden  sind  nun  meine 
Resultate  bezüglich  des  »fast  wasserhellen  Körpers«  (Fig.  56 — 58  chpl), 
der  den  Kelch  fast  ganz  erfüllen  soll.  Zunächst  ist  zu  sagen,  daß  dieser 
Körper  an  alten  Käfern  mir  niemals  wasserhell  und  stark  glänzend 
entgegengetreten  ist,  und  ich  bin  erstaunt,  auch  in  den  Abbildungen, 
die  Nagel  selbst  von  diesen  Organen  gibt,  jenen  Körper  gar  nicht 
wasserhell  und  stark  glänzend,  sondern  gelblich  wie  das  Körperchitin 
dargestellt  zu  sehen.  So  habe  auch  ich  ihn  immer  gefunden.  An  jungen 
Käfern,  bei  denen  das  Körperchitin  noch  nicht  vollständig  pigmentiert 
ist,  war  er  allerdings  wasserhell.     Solche  Käfer  standen  aber  Nagel 


chm  v 


,-chpl 


chpl 


Fig.  57. 

Längsschnitt     durch     unverletztes 

kelchförmiges  Organ  an  der  Antenne 

eines  jungen  Käfers.    1800  :  1. 


pk 

Fig.  58. 

Längsschnitt  durch  drei  kelcMörmige  Organe  der  Antenne 
eines  jungen  Käfers  mit  verlagerten  abschließenden  Chitin- 
platten.    1000  :  1. 


chm,  C'hitinmembran;  chpl,  verschließende  Chitinplatte;  pk,  Porenkanal. 

zu  seinen  Untersuchungen  anscheinend  nicht  zur  Verfügung.  Der 
Körper  zeigte  also  stets  dieselbe  Färbung  wie  das  Körperchitin,  und 
man  darf  deshalb  wohl  keinen  Augenblick  zögern,  ihn  als  dem  Körper- 
chitin identisch  anzusprechen.  Was  seine  Form  angeht,  so  habe  ich 
ihn  nie  so  dick  gefunden,  wie  Nagel  ihn  zeichnet.  Er  besaß  vielmehr 
im  Medianschnitt  stets  die  Gestalt  einer  wenig  linsenförmig  gewölbten 
Platte  (Fig.  57  u.  58  chpl).  Nach  außen  war  die  Wölbung  stets  sehr 
gering,  nach  innen  erschien  sie  an  ganz  jungen  Käfern  ebenfalls  sehr 
schwach  (maximale  Dicke  der  Platte  etwa  2//),  zeigte  sich  aber  bei 
älteren  oft  etwas  stärker,  so  daß  die  Platte  etwa  die  Hälfte  des  ganzen 
Bechers  erfüllte.  Eine  noch  stärkere  Verdickung  ist  mir  nie  begegnet. 
Vor  allem  aber  unterscheiden  sich  die  Ergebnisse  meiner  Unter- 
suchungen über  diesen  Körper  von  denen  Nagels  darin,  daß  ich  eine 
Verbindung  der  Chitinplatte  mit  dem  Körperchitin  deutlich  nach- 
weisen konnte.  Wenn  man  (man  kann  diese  Beobachtung  besonders 
deutlich  an  den  breiteren  und  kürzeren   Organen  der  jungen  Käfer 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  51 

machen)  an  einem  längsgeschnittenen  Organ  die  Chitinplatte  genau 
in  ihrer  Medianlinie  einstellt,  so  kann  man  deutlich  sehen,  wie  sie  sich 
an  den  beiden  seitlichen  Rändern  unmittelbar  in  eine  dünne  Chitin- 
membran (Fig.  57  u.  58  cJim)  fortsetzt.  Diese  Chitinmembran  biegt 
gleich  oder  nach  einem  sehr  kurzen  Verlauf  in  der  Ebene  der  Platte 
nach  dem  Innern  des  Organes  hin  um  und  verläuft  parallel  zur  Chitin- 
wandung des  eigentlichen  Kelches,  der  sie  sich  mehr  oder  weniger  dicht 
anschmiegt.  Oft  kann  man  sie  nur  noch  als  etwas  hellere  Kontur  des 
Körperchitins  erkennen.  Wenn  die  Platte  etwas  aus  ihrer  natürlichen 
Lage  verschoben  ist,  ist  die  Membran  stets  deutlich  zu  erkennen  (Fig.  58 
chm).  Sie  läßt  sich  durch  den  verengten  Teil  des  Porenkanals  bis  in 
den  inneren  weiteren  Teil  verfolgen.  Hier  scheint  sie  sich  manchmal 
ganz  an  ihrem  Ende  (im  oberen  Viertel  des  cylindrischen  Teiles  des 
Porenkanals)  wieder  vom  Körperchitin  etwas  abzuheben  und  frei  im 
Lumen  des  Porenkanals  zu  enden  (Fig.  57).  Dies  ist  aber  nur  in  seltene- 
ren Fällen  wahrzunehmen  und  beruht  vielleicht  auf  einer  optischen 
Täuschung,  indem  man  die  Kontur  des  Membranendes  zu  beiden  Seiten 
des  optischen  Medianschnittes  durchscheinen  sieht.  In  den  weitaus 
meisten  Fällen  und  besonders  an  solchen  Organen,  deren  Platten  etwas 
aus  der  natürlichen  Lage  verschoben  sind,  sieht  man  das  Ende  der 
Membran  etwa  an  der  Stelle  dem  Körperchitin  ansitzen,  wo  der  innerste 
cylinderähnliche  Teil  des  Porenkanals  beginnt,  schmaler  zu  werden, 
um  in  den  engen  Teil  überzugehen  (s.  Fig.  58). 

Ganz  dieselben  Beobachtungen  machte  ich  auch  bei  den  schlanker 
erscheinenden  Organen  älterer  und  erwachsener  Käfer.  Nur  sind  bei 
den  letzten  die  Verhältnisse  oft  schwieriger  zu  erkennen,  zunächst 
weil  es  nicht  möglich  ist,  genügend  dünne  Schnitte  durch  die  erhärteten 
Antennen  oder  Kiefertaster  auszuführen,  und  dann  auch,  weil  beim 
Schneiden  die  Organe  sehr  leicht  verletzt  werden.  So  fand  ich  auf 
manchen  Schnitten  durch  die  von  kelchförmigen  Organen  bestandenen 
Sinnesfelder  an  keinem  einzigen  Organ  mehr  die  verschließende  Chitin- 
platte. Auch  von  der  feinen  Chitinmembran  war  dann  oft  nur  noch 
wenig  oder  gar  nichts  mehr  zu  sehen.  Sie  war  an  den  seitlichen  Wänden 
des  Kelches  abgerissen  und  ihr  Rest,  wenn  er  an  der  Kelchwand  fest 
anlag,  nur  schwer  zu  erkennen.  Hätte  man  nicht  gute  Vergleichsbilder 
zur  Hand  gehabt,  so  wäre  die  Membran  aus  dem  noch  vorhandenen 
Rest  nicht  zu  identifizieren  gewesen.  Der  protoplasmatische  Inhalt 
des  Kelches  lag  dann  immer  frei  (s.  Fig.  59),  ja  er  war  zuweilen  auch 
noch  aus  dem  Kelch  herausgerissen  und  zeigte  sich  von  den  Seiten  her 
etwas  zusammengedrückt,  so  daß  er  ein  linsenförmiges  Aussehen  ge- 

4* 


52  Rudolf  Hochreuther, 

wann.  Weil  er  dann  ziemlich  genau  die  Form  hatte,  die  Nagel  dem 
wasserhellen  Körper  in  seinen  Abbildungen  gibt,  konnte  ich  mich  zu- 
weilen des  Gedankens  nicht  erwehren,  daß  Nagel  den  hellen  proto- 
plasmatischen Kelchinhalt  für  den  wasserhellen  Körper  angesehen 
haben  könnte,  nachdem  auch  an  seinen  Schnitten  die  wirldich  ab- 
schließende Platte  vernichtet  war. 

Nagel  deutet  übrigens  in  seinen  Abbildungen  dicht  an  dem  Chitin 
des  Bechers  eine  hellere  Kontur  an,  die  vielleicht  einen  Teil  der  ver- 
letzten und  deshalb  von  ihm  nicht  richtig  erkannten  verbindenden 
Membran  darstellt.  In  Fig.  59  habe  ich  von  einem  beschädigten  Organ 
ein  in  dieser  Hinsicht  ganz  ähnliches  Bild  gegeben.  Wenn  aber  auf 
Schnitten  durch  erwachsene  Käfer  ein  Organ  unbeschädigt  geblieben 
war,  so  konnte  ich  ganz  dieselben  Verhältnisse  wie  bei  den  leichter  zu 
untersuchenden  jungen  Käfern  ermitteln  (Fig.  56). 

Man  darf  also  nunmehr  eine  so 
scharfe  Trennung  zwischen  den  kelch- 
förmigen  Organen  und  den  Poren- 
platten, wie  sie  Nagel  in  dem  zitierten 
Abschnitt  vornimmt,  nicht  mehr  bei- 
behalten. Denn  der  Bau  beider  Arten 
von  Sinnesorganen  ist  im  Prinzip  der 
gleiche.  In  der  Form  des  Chitin- 
Fi§-  59-  apparates   und   auch   in   der  Art    der 

Längsschnitt     durch     beschädigte      kelch-    -i-,-ln  i        -r»i    .l  -itiit. 

förmige  Organe  eines  alten  Käfers.  860:1.     Einlenkimg   der  Platte   Sind   die   kelch- 

förmigen  Organe  freilich  wesentlich 
komplizierter  als  die  Porenplatten  der  Hymenopteren,  und  deshalb 
wird  es  sich  doch  empfehlen,  die  besondere,  sehr  treffende  Bezeichnung 
»kelchförmige  Organe«  weiterhin  beizubehalten. 

Es  ist  dieser  Fall  übrigens  nicht  der  einzige  für  das  Auftreten  von 
Porenplatten  bei  Coleopteren.  v.  Rath  hat  vielmehr  schon  bei  Ceto- 
nia  aurata  und  Mehlontha  vulgaris  das  Vorkommen  von  Porenplatten 
beschrieben.  Die  von  Cetonia  sehen  nach  den  Abbildungen  von  v.  Rath 
äußerlich  denen  von  Dytiscus  etwas  ähnlich,  vor  allem  dadurch,  daß 
sie  wie  diese  in  der  Ebene  des  Körperchitins  liegen;  dagegen  scheint 
die  Verbindung  mit  dem  Körperchitin  auch  unmittelbar  in  dieser 
Ebene  durch  eine  schmale,  ringförmige  Membran  zu  erfolgen,  also  so 
einfach  zu  sein  wie  bei  vielen  Hymenopteren.  Bei  Mehlontha  fehlen 
die  eigentlichen  verschließenden  Platten;  es  finden  sich  nur  kuppei- 
förmige, tief  nach  innen  hinziehende  Membranen.  Diese  sind  den  ein- 
lenkenden Membranen  bei  Dytiscus  ähnlich.     In  ihrem  sonstigen  Bau 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  53 

sind  die  Organe  aber  sehr  verschieden  von  den  kelchförmigen,  und 
Nagel  spricht  sie  wegen  des  Fehlens  einer  eigentlichen  verschließenden 
Platte  für  kuppeiförmige  Organe  an. 

Das  Vorhandensein  der  chitinösen  Membran,  die  an  der  ganzen 
Peripherie  der  runden  Platte  ansetzt  und  nach  innen  zieht,  so  daß 
sie  innerhalb  des  Bechers  in  ihrer  Gesamtheit  etwa  die  Gestalt  einer 
am  Pole  geöffneten  Halbkugel  besitzt,  ist  auch  theoretisch  viel  plau- 
sibler, als  das  von  Nagel  beschriebene  Fehlen  derselben.  Denn  man 
ist,  wie  schon  des  öfteren  erwähnt  wurde,  besonders  seit  den  Unter- 
suchungen v.  Raths  im  Jahre  1888  geneigt,  alle  Hautsinnesorgane  der 
Arthropoden  als  modifizierte  Haare  aufzufassen,  und  wir  können  wie 
bei  den  Porenplatten  der  Hymenopteren  nun  auch  an  den  kelchförmigen 
Organen  die  Verschlußplatte  als  das  umgewandelte  Haar  und  die 
chitinöse  Membran  als  die  Papille,  der  das  Haar  aufsaß,  ansprechen. 

Was  den  reizleitenden  Apparat  dieser  Sinnesorgane  angeht,  so 
stimmen  meine  Ergebnisse  mit  den  wenigen  Andeutungen,  die  Nagel 
über  die  histologischen  Verhältnisse  zu  machen  in  der  Lage  war,  in 
einem  Punkte  überein.  Es  betrifft  dies  den  von  Nagel  erkannten 
»unscharf  begrenzten  Centralstrang«,  der  den  Porenkanal  der  Organe 
durchzieht.  Der  Porenkanal  (Fig.  56  pk),  zu  dem  auch  der  eigentliche 
Kelch  zu  rechnen  ist,  ist  im  allgemeinen  von  einer  gleichartigen  hellen 
Plasmamasse  erfüllt,  die  den  unter  dem  Kanal  liegenden  Hypodermis- 
zellen,  den  trichogenen  Zellen  Berleses,  angehört,  denn  nach  Berlese 
haben  wir  die  kelchförmigen  Organe,  da  sie  den  Porenplatten  identisch 
sind,  von  den  zusammengesetzten  Protaesthesis  herzuleiten.  Kerne, 
die  Nagel  in  dieser  Plasmamasse  gesehen  hat,  sind  mir  dort,  nie  be- 
gegnet. Aus  den  Abbildungen,  die  Nagel  von  den  Organen  gibt, 
darf  man  wohl  auch  schließen,  daß  das  von  ihm  benutzte  Material 
mangelhaft  konserviert  war,  denn  es  scheinen  nach  den  Bildern  auch 
Vacuolen  in  dem  Plasma  des  Porenkanals  vorhanden  zu  sein,  die  tat- 
sächlich fehlen.  Als  einzige  Differenzierung  in  der  vollkommen  homo- 
genen Plasmamasse  tritt  eben  nur  ein  Centralstrang  (Fig.  56  tst)  auf, 
den  man  aber  nicht  nur  unscharf  begrenzt  sieht,  wie  Nagel  angibt, 
sondern  der,  besonders  nach  Färbung  der  Schnitte  mit  Eisenhäma- 
toxylin  nach  Heidenhain,  sich  sehr  scharf  begrenzt  zeigt.  Er  läßt 
sich  durch  den  ganzen  cylindrischen  proximalen  Teil  und  den  verengten 
Teil  des  Porenkanals  hindurch  bis  in  die  kelchförmige  Erweiterung 
hinein  verfolgen.  Leider  war  er  an  den  wenigen  guten  Präparaten, 
die  seine  Verfolgung  bis  in  diesen  Teil  gestatteten,  stets  etwa  in  dem 
distalen  Drittel  des  Kelches  abgeschnitten.     So  habe  ich  nie  ein  End- 


54  Rudolf  Hochreuther, 

knöpfchen  oder  einen  anderen  Endapparat  gefunden.  Auch  an  den 
Platten  konnte  ich  nichts  von  einem  Ansatz  wahrnehmen.  Immerhin 
will  es  mir  aus  Analogie  mit  anderen  Sinnesorganen  wahrscheinlich  er- 
scheinen, daß  der  Strang  entweder  mit  einem  besonderen  Endapparat 
an  die  Platte  ansetzt,  oder  sich  an  der  Unterseite  der  Platte  ausbreitet, 
wie  dies  v.  Rath  bei  Cetonia  abbildet. 

Denn  in  dem  Centralstrang  haben  wir  den  Terminalstrang  der 
Sinneszellengruppe  vor  uns.  Verfolgen  wir  ihn  proximalwärts,  so  sehen 
wir  ihn  sich  nach  einer  zuweilen  sehr  langen  Strecke  auffasern  und 
in  die  Sinneszellen  (Fig.  56  szgr),  die  Drüsenzellen  Berleses,  übergehen. 
Diese  sind,  da  die  Organe  in  gedrängten  Feldern  stehen,  hintereinander 
gelagert  und  zwar  in  Gruppen  von  stets  dreien.  Die  Kerne  der  Sinnes- 
zellen sind  kugelrund  und  enthalten  neben  einem  Nucleolus  nur  wenig 
Chromatin  unregelmäßig  zerstreut,  so  daß  das  charakteristische  helle, 
bläschenförmige  Aussehen  der  Sinneszellenkerne  im  allgemeinen  an 
ihnen  deutlich  ausgeprägt  ist.  Die  Neurilemmscheide,  die  die  Sinnes- 
zellengruppe umschließt,  zeigt  sich  deutlich  an  den  Neurilemmkernen 
(Fig.  56  neurk),  welche  die  Gruppen  begleiten.  Am  proximalen  Ende 
gehen  die  Sinneszellen  in  einen  feinen  Nervenast  über,  der  sich  bald 
mit  den  von  benachbarten  Sinneszellengruppen  herkommenden  Ästen 
zu  einem  stärkeren  Nerven  vereinigt  (Fig.  56  nj). 

Eine  Erklärung  der  Funktion  dieser  Organe  ist  schwer  zu  geben. 
So  viel  scheint  sicher  zu  sein,  daß  die  kelchförmigen  Organe  ihrer  ganzen 
Beschaffenheit  nach  nicht  einem  chemischen  Sinn  dienen  können. 
v.  Rath  hält  allerdings  die  Organe  bei  Cetonia  und  Melolontha  allen- 
falls für  Geruchsorgane,  fügt  aber  hinzu,  daß  sie  auch  eine  andere,  un- 
bekannte Funktion  haben  könnten.  Die  einmütige  Ansicht  aller  neueren 
Autoren  über  die  Funktion  der  Porenplatten  geht  jedoch  dahin,  in  ihnen 
Organe  eines  mechanischen  Sinnes  zu  sehen.  Auch  die  Hicxsschen 
Papillen,  mit  denen  die  kelchförmigen  Organe  noch  eine  gewisse  Ähn- 
lichkeit haben,  sind  von  Weinland  als  Organe  des  mechanischen 
Sinnes  (zur  Wahrnehmung  des  Luftwiderstandes)  angesprochen  worden. 
Von  den  ebenfalls  mit  ihnen  verwandten  kuppeiförmigen  Organen  werden 
wir  Ähnliches  zu  sagen  haben.  Nagel,  der  die  Möglichkeit  einer  Ge- 
ruchsfunktion der  kelchförmigen  Organe  während  des  Aufenthaltes 
der  Käfer  in  der  Luft  für  allenfalls  diskutierbar  hält,  muß  doch  auf 
Grund  seiner  Resektionsversuche  der  Deutung  als  Organe  des  mecha- 
nischen Sinnes  den  Vorzug  geben.  Er  fand,  daß  nach  Entfernung  der 
Antennen  und  letzten  Tasterglieder,  an  denen  die  Organe  auftreten 
(vgl.  Fig.  72,  73  u.  77  ko),  dem  Käfer  jede  Orientierung  in  der  Gleich- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


55 


gewichtslage  unmöglich  war.  Wir  müssen  also  annehmen,  daß  die 
Organe  der  Perception  des  Wasserwiderstandes  und  damit  der  Orien- 
tierung beim  Schwimmen  dienen.  Gegen  eine  Geruchsfunktion  der 
kelchförmigen  Organe  will  mir  auch  schon  die  Tatsache  sprechen,  daß 
die  Organe  in  ungeheuer  großer  Zahl  (an  den  Antennen  allein  4500 
bis  5000)  vorhanden  sind,  was  wohl  kaum  der  Fall  wäre,  wenn  sie  nur 
in  der  verhältnismäßig  kurzen  Zeit,  die  sich  die  Käfer  in  der  Luft  fliegend 
bewegen,  in  Funktion  zu  treten  hätten.  Infolge  ihres  massenhaften 
Auftretens  an  den  Antennen  stempeln  sie  diese  Kopfanhänge  in  erster 
Linie  zu  Organen  des  mechanischen  Sinnes  (des  Gleichgewichtssinnes). 

7.  Die  kuppeiförmigen  Organe. 
(Organes  sensitifs  ä  ombrelle,  Janet;  Sensilli  campaniformi,  Berlese; 
Gruben  ohne  Kegel,  Nagel.) 
Wohl  die  eigenartigsten  und  kompliziertesten  Hautsinnesorgane, 
die  sich  bei  Dytiscus  finden,  sind  die  kuppeiförmigen  oder  glockenförmi- 
gen (vgl.  z.  B.  Fig.  60).     Sie  weichen  in  ihrem  Bau  am  weitesten  von 


Fig.  60. 
Längsschnitt  durch  kuppelförmiges  Organ  (sk)  mit  Sinneszelle  {sz)  und  hohlen  G-rubenkegel  (hgk) 
an  der  Oberseite  der  Oberlippe.     690  :  1.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


der  primitiven  Haarform  ab;  es  fehlt  jegliches  Gebilde,  das  man  mit 
dem  Haar  identifizieren  könnte,  sie  bestehen  nur  aus  einer  gleichartigen 
Chitinkuppel. 

Die  erste  genaue  Beschreibung  derartiger  Organe  hat  wohl  Janet, 
1904,  gegeben,  der  sie  an  Ameisen  fand  und  ihnen  den  Namen  »organes 
sensitifs  ä  ombrelle«  beilegte.  Allerdings  sind  sie  sicher  mit  den  an 
den  Dipterenschwingern  auftretenden,  von  Hicks  schon  früher  gefun- 


56  Rudolf  Hochreuther, 

denen  Organen  verwandt,  die  dann  1890  von  Weinland  sehr  genau 
beschrieben  wurden.  Berlese,  1909,  gibt  in  einer  Reihe  von  Schemata 
die  allmähliche  Differenzierung  der  von  ihm  »Sensilli  campaniformi« 
genannten  kuppeiförmigen  Organe,  zu  denen  er  die  HiCKSschen  Papillen 
ohne  weiteres  rechnet,  aus  einem  Teil  der  Cuticula  wieder;  er  stellt  sie 
von  den  einfachen  Protaesthesis  abstammend  dar. 

An  Dytiscus  sind  diese  Organe  von  Nagel,  1894,  schon  an  man- 
chen Körperteilen  beobachtet,  aber  in  ihrem  Bau  nicht  erkannt  worden. 
Seine  »Gruben  ohne  Kegel«  und  die  anderen  Gebilde,  die  er  a,n  den 
Tastern  als  »kugelige  Ausstülpungen  des  Tasterinhaltes,  der  Weich- 
teile, in  die  dicke  Chitinwand  hinein«  bezeichnet,  sind  wohl  nichts 
anderes  als  solche  kuppeiförmigen  Organe.  Nagel  erwähnt,  daß  sie 
bei  der  Larve  von  Dytiscus  in  regelmäßiger  Anordnung  und  größerer 
Zahl  vorhanden  seien  als  am  Käfer  selbst.  Ob  diese  Mitteilung  richtig 
ist,  muß  ich  dahingestellt  sein  lassen.  Denn  am  Käfer  hat  Nagel  die 
meisten  Organe  übersehen.  Sie  kommen  dort  an  sehr  vielen  Körper- 
teilen und  nicht  nur  an  den  Tastern,  wie  Nagel  angibt,  zuweilen  in 
beträchtlicher  Zahl  vor.  An  der  Larve  konnte  ich  die  Organe  leider 
nicht  studieren,  und  ich  kann  deshalb  nicht  entscheiden,  ob  die  Mit- 
teilung Nagels  über  das  zahlreichere  Vorkommen  der  Kuppeln  an 
den  Larven  ihre  Richtigkeit  behält. 

Der  Grund,  weshalb  Nagel  die  meisten  kuppeiförmigen  Organe  am 
erwachsenen  Käfer  übersehen  hat,  ist  wohl  in  ihrer  außerordentlichen 
Kleinheit  und  der  verborgenen  Lage  im  Körperchitin  zu  suchen.  An 
dem  Basalglied  der  Taster  treten  die  größten,  auch  von  Nagel  auf- 
gefundenen auf  (Fig.  65  u.  Fig.  77  u.  79  kpo).  Ebenso  finden  sich  am 
Trochanter  (Fig.  68  u.  Fig.  95 — 98  kpo),  wie  Hicks  schon  für  zahlreiche 
andere  Insekten  feststellte,  ziemlich  große  Formen.  Die  übrigen  sind 
zum  Teil  so  klein  und  so  in  dem  Körperchitin  verborgen,  daß  man  sie 
nur  selten  oder  nie  an  einem  Totalpräparat  der  einzelnen  Skeletteile, 
sondern  überhaupt  nur  auf  Schnitten  finden  kann,  z.  B.  manche  Organe 
des  Femur  (Fig.  63). 

Sämtliche  kuppeiförmigen  Organe,  die  an  den  hier  untersuchten 
Körperteilen  von  Dytiscus  auftreten,  haben  das  eine  gemein,  daß  ihre 
Kuppeln  alle  tief  in  das  umgebende  Körperchitin  eingesenkt  sind.  Sie 
gehören  also  sämtlich  zu  den  von  Berlese  als  »Sensilli  campaniformi 
endotili«  bezeichneten  Formen  und  unterscheiden  sich  dadurch  von 
den  entsprechenden  Organen  der  Halteren,  bei  denen  die  Kuppeln 
über  das  Niveau  des  umgebenden  Chitins  emporgehoben  sind  (Sensilli 
campaniformi  ectotili,  Berlese).    Auch  die  von  Guenther,  Freiling 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


57 


und  Vogel  an  den  Schmetterlingsflügeln  beschriebenen  Kuppeln  ge- 
hören diesem  letzten  Typus  an. 

So  treten  uns  bei  den  kuppeiförmigen  Organen  des  Gelbrandes 
nicht  sehr  große  Komplikationen  des  Körperchitins  an  den  Stellen 
entgegen,  die  solche  Organe  ein- 
schließen. Wenn  das  Chitin  des 
Körperteiles  eine  genügende  Stärke 
besitzt,  finden  wir  in  ihm  vom 
Porenkanal  abgesehen  keine  Diffe- 


renzierungen. Anders,  wenn  das 
Körperchitin  im  Vergleich  zur  Größe 
des  Organs  ziemlich  dünn  ist.  Dann 
sehen  wir  es  an  der  Stelle,  die  solche 
Organe  trägt,  bedeutend  verdickt, 
so  daß  nach  dem  Körperinnern 
gewissermaßen  ein  kegelstumpf- 
artiges  Gebilde  vorragt,  das  in 
seiner  Mitte  eine  Durchbohrung, 
den  Porenkanal  des  kuppeiförmigen 
Organs,  birgt  (Fig.  60,  62  u.  63). 
Solche  Bilder  erhält  man  naturge- 
mäß besonders  häufig  auf  Schnitten 


kzk  ? 


-f>ypzk 

Fig.  61. 
Längsschnitt  durch  kuppeiförmiges  Organ  des 
Lobus  externus.     800  :  1. 


Fig.  62. 


durch  ganz  junge,  eben  geschlüpfte  Längsschnitt  durch  kuppeiförmiges  Organ  mit 
■XT-.-e  i-i  i         it~  -,-,-  stiftförmigem  Körper  am  Femur.    1020:1. 

Kater,  bei  denen  das  Korpercnitm 
noch  nicht  an  allen  Stellen  in  seiner 
ganzen  Stärke  ausgebildet  ist. 

Der  Porenkanal  selbst  hat  in 
seinem  innersten  Teil  zu  allermeist 
eine  cylindrische  Form  (Fig.  61  u. 
65 — 69  pk).  Die  Länge  dieses  Teiles 
ist  naturgemäß  je  nach  der  Dicke  Fig.  63. 

des  Körperchitins  lind  der  Richtimg,     Längsschnitt     durch    kleines     kuppeiförmiges 
-,  , .  ,         .  Organ   mit  stiftförmigem  Körper    am  Femur. 

in  der  er  dieses    durchsetzt,    ver-  iooo:i. 

Schieden.  An  Stellen,  WO  das  hwzk,  Hypodermiszellenkern ;  fc*?,  Kappen- 
-rr..  l  -i  •  i        tt-,         •  -r>      zeilkern?;   pk,    Porenkanal;   sk,  Sinneskuppel; 

Korperchltm  sehr  dick  ist,  Wie  Z.  B.  tsti  Terminalstrang;  zstr,  Centralstrang. 

in   Fig.  67   am   distalen   Ende   des 

zweiten  Antennengliedes  (vgl.  auch  Fig.  71  hpo),  ist  er  sehr  lang;  wo 
dagegen  das  Körperchitin  erst  besonders  verstärkt  sein  muß,  um  das 
Organ  überhaupt  tragen  zu  können,  wie  z.  B.  in  den  in  Fig.  62  u.  63 
dargestellten  Schnitten  durch  einen  ganz  jungen  Femur,  ist  der  innere 


58 


Rudolf  Hochreuther, 


Teil  des  Porenkanals  pk  nur  äußerst  kurz  und  erscheint  darum  auch 
nicht  mehr  cylindrisch. 

Von  dem  äußeren,  distalen  Teil  wird  er  in  allen  Fällen  durch  die 
eigentliche  Sinneskuppel  abgegrenzt,  deren  Bau  wir  später  betrachten 
wollen.  Im  allgemeinen  besitzt  der  distale  Teil  des  Porenkanals  die 
Form  einer  langhalsigen  Vase  oder  eines  Kochkolbens  (Fig.  60,  62  u.  63 
pk).  Der  Hals  der  Vase  kann  außerordentlich  eng  sein;  an  dem  in 
Fig.  60  dargestellten  Organ  der  Oberlippe  beträgt  der  Durchmesser 
an  der  engsten  Stelle  2  (.i,  an  den  in  Fig.  62  und  63  abgebildeten  des 
Femur  nur  1,5  bzw.  1  //.     Am  Grunde  ist  der  distale  Teil  mit  seiner 


Apo-  - 

\     1 

%  Ü  li 

%      m  9 
©  9 


'gmzk 


Fig.  64. 

Querschnitt  durch  die  Augenregion  des  Epicranium.    345  :  1.    kk,  Kristallkegel;  kpo,  kuppeiförmiges 
Organ;  kz,  keulenförmiger  Zapfen.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

kolbigen  Auftreibung  gegen  den  proximalen  Teil  mehr  oder  weniger 
erweitert,  so  daß  ein  Absatz  zustande  kommt,  dem  die  Kuppel  aufsitzt. 
Zuweilen  wird  der  Kuppelansatz  durch  Ausbildung  besonderer  ring- 
förmiger Vorsprünge  am  distalen  Ende  des  proximalen  Porenkanals 
ermöglicht,  wie  z.  B.  bei  den  in  Fig.  66,  67  und  68  dargestellten 
Organen  der  Coxa,  bzw.  der  Antenne  und  des  Trochanter. 

Es  war  mir  nicht  möglich,  bei  allen  Organen  zu  ermitteln,  ob  der 
äußere  Teil  des  Porenkanals  stets  mit  der  Außenwelt  in  unmittelbarem 
Zusammenhang  steht.  In  den  meisten  Fällen  (vgl.  Fig.  60 — 64)  war 
der  Zusammenhang  ohne  weiteres  an  ein  und  demselben  Schnitt  zu 
erkennen.  Bei  dem  in  Fig.  67  dargestellten  Organ  an  der  Antenne 
und  dem  in  Fig.  66  abgebildeten  der  Coxa  ließ  er  sich  in  der  Schnitt- 
serie nachweisen.    An  den  Organen  des  Trochanter  (Fig.  68)  zeigte  sich 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


59 


eine  Verbindung  zwischen  dem  distalen  Porenkanal  und  der  Außen- 
welt in  ganz  besonderer  Weise.  Hier  ist  der  distale  Teil  des  Poren- 
kanals für  sich  noch  einmal  durch  eine  Kuppel  aus  starkem  Chitin  (chk) 
abgeschlossen.  Aber  auch  hier  ist  der  Abschluß  nicht  vollständig. 
Es  finden  sich  vielmehr,  wie  man  aus  der  Abbildung  68  leicht  erkennt, 
feine,  sehr  enge  Kanäle  (Je),  die  durch  die  dicke  Chitinkuppel  peripher 


Fig.  66.  Fig.  67. 

Längsschnitt  durch  klippelförmiges  Organ  der      Längsschnitt  durch   kuppeiförmiges   Organ    am 
Coxa  des  mittleren  Beines.     590  :  1.  Pedicellus.     815  :  1. 

pk,  Porenkanal;  sie,  Sinneskuppel;  tst,  Terminalstrang. 


hindurchziehen  und  so  eine  Vermittlung  zwischen  dem  distalen  Teil 
des  Porenkanals  und  der  Außenwelt  besorgen. 

Die  starke  äußere  Chitinkuppel  scheint  also  nur  ein  Schutzorgan 
für  die  eigentliche,  hier  sehr  dünne  Sinneskuppel  zu  sein.  Janet  hat 
1904  von  Organen  an  den  Mandibeln  der  Ameisen  ebensolche  Beob- 
achtungen mitgeteilt.  Die  Auffassung,  daß  die  äußere  Kuppel  allein 
Schutzorgan  und  als  solches  eine  Differenzierung  des  Porenkanals  ist, 
wird  noch  plausibler  erscheinen,  wenn  man  die  Art  und  Weise  betrachtet, 
wie  die  äußere  dicke  Kuppel  an  der  Wand  des  Porenkanals  befestigt 


60 


Rudolf  Hochreutker, 


ist.  Eine  gelenkige  Verbindung  fehlt  vollkommen,  und  wie  bei  der  Stärke 
der  Kuppel  ohne  gelenkige  Verbindung  eine  Sinnesfunktion  möglich  sein 
sollte,  ist  schwer  vorstellbar.  Andererseits  ist  es  verständlich,  daß  die 
darunter  gelegenen  ganz  besonders  dünnen  Kuppeln  durch  die  äußeren 
geschützt  werden  sollen.  Wir  werden  somit  in  der  äußeren  Kuppel 
nur  einen  Schutzapparat  der  darunter  gelegenen  percipierenden  Sinnes- 
kuppel zu  erblicken  haben. 

An  den  Organen  der  Mandibel  (Fig.  69)  scheinen  die  Verhältnisse 
ebenso  zu  liegen,  wenn  auch  hier  die  durch  die  dicke  Kuppel  hindurch- 
ziehenden Kanäle  nicht  deutlich  wahrnehmbar  waren.  Wenn  man  sich 
an  die  mechanische  Wirksamkeit  der  Mandibeln  erinnert,  so  muß  hier 
ein  Schutz  der  Sinneskuppel  ganz  besonders  angebracht  erscheinen. 

chk 

/ 

k  chk 

sk 

t: — y  ff- pm  y 

iß- 

^■pk 
--As/ 


Fig.  68.  Fig.  69. 

Längsschnitt  durch  kuppeiförmiges  Organ  am  Trochanter.     Längsschnitt     durch    kuppeiförmiges 

590  :  1.  Organ  an  der  Mandibel.     860  :  1. 

chk,  Chltinkuppel;  k,  Kanal;  pk,  Porenkanal;  pmt,  Polstermasse?;  sk,  Sinneskuppel;  tst,  Termi- 
nalstrang. 


An  dem  in  Fig.  65  dargestellten  Schnitt  durch  ein  kuppeiförmiges 
Organ  des  Unterlippentasters  scheint  eine  Verbindung  des  distalen 
Teiles  des  Porenkanals  mit  der  Außenwelt  zu  fehlen.  Aber  man  sieht 
doch  dem  distalen  Teil  von  außen  eine  Einstülpung  in  das  Körperchitin 
entgegenkommen,  imd  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  diese,  wenn 
auch  nur  in  einem  sehr  feinen  Kanal,  mit  dem  Porenkanal  in  Verbin- 
dung tritt,  zumal  bei  den  analogen  Organen  des  Maxillartasters  und 
des  Lobus  externus  (Fig.  61)  eine  Verbindung  besteht.  Jedenfalls  ist 
sie  in  dem  Schnitt  nur  nicht  getroffen. 

Was  nun  die  eigentliche  Sinneskuppel  allgemein  angeht,  so  sitzt 
sie,  wie  schon  erwähnt,  jenem  Vorsprung  des  Porenkanals  auf,  den 
dessen  proximaler  Teil  an  seinem  Ende  gegen  den  distalen  bildet  (vgl. 
Fig.  65).  Die  Form  der  Kuppel  ist  wie  ihre  Stärke  bei  den  einzelnen 
Organen  verschieden.     Am  Lobus  externus   (Fig.  61  sk)   besitzen  die 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  61 

Kuppeln  bei  ziemlich  geringer  Höhe  (9//)  und  Halbkugelform  eine 
gleichmäßig"  starke,  verhältnismäßig  dicke  Wandung  (2  /*).  Am  Femur 
dagegen  zeigen  sie  neben  größerer  Höhe  (in  Fig.  62:  15  «;  Fig.  63:  9  u) 
und  nahezu  vollkommener  Kugelform  am  Grunde  eine  Verjüngung  der 
am  Gipfel  auch  noch  ziemlich  starken  Wandung  (Fig.  62  u.  63  sk). 
Die  Verjüngung  gewährleistet  eine  gewisse  Beweglichkeit  der  ganzen 
Kuppel.  —  Äußerst  fein  in  ihrem  ganzen  Verlauf  ist  die  Wandung 
der  Kuppeln  des  Trochanters  (Fig.  68  sk),  die  deswegen  durch  eine 
besondere,  darüber  gewölbte  stärkere  Chitinkuppel  (chk)  geschützt 
sind.  An  den  Mandibeln  ist  die  Kuppel  (Fig.  69  sk)  nicht  so  sehr  dünn; 
hier  dürfte  die  äußere  Schutzkuppel  vor  allem  wegen  der  Funktion 
der  Mandibeln  angebracht  sein. 

Janet,  Berlese  und  Vogel  beschreiben  an  den  von  ihnen  unter- 
suchten Organen  besondere  Vorrichtungen  zur  Aussteifung  und  Stütze 
der  zarten  Kuppeln.  Sie  bezeichnen  sie  als  »pezzo  semilunare«  (Ber- 
lese) oder  »Polstermasse«  (Vogel).  Ich  habe  an  meinen  Präparaten 
von  solchen  Vorrichtungen  im  allgemeinen  nichts  gesehen.  Nur  bei 
den  sehr  feinen  Kuppeln  des  Trochanters  fand  sich  unmittelbar  unter 
der  Kuppelwandung  eine  Schicht  dunkler  sich  färbenden  Plasmas 
(Fig.  68  pm?),  das  mit  der  von  Vogel  als  Polstermasse  bezeichneten 
Substanz  übereinzustimmen  scheint. 

Von  dem  nervösen  Apparat  der  kuppeiförmigen  Organe  liegen  von 
Guenther,  Freiling  und  Vogel  sehr  genaue  Beschreibungen  vor, 
die  sich  alle  auf  Schmetterlinge  beziehen.  Bei  den  an  Dytiscus  auf- 
tretenden Organen  scheinen  die  Verhältnisse  ganz  ähnlich  zu  liegen. 
Allerdings  erlaubten  meine  Präparate  nicht  eine  so  scharfe  Scheidung 
zwischen  Sinnes-,  Hüll-  und  Kappenzelle,  wie  sie  Vogel  bei  den  Schmet- 
terlingskuppeln  aufstellte.  In  Fig.  60  ist  ein  Schnitt  durch  ein  kuppei- 
förmiges Organ  der  Oberlippe  dargestellt,  auf  dem  das  Organ  selbst, 
wie  auch  die  große  Sinneszelle  (sz)  gut  getroffen  ist.  Von  der  be- 
merkenswerten Größe  der  Sinneszellen  und  ihrer  Kerne  berichten  alle 
Autoren,  die  kuppeiförmige  Organe  untersucht  haben.  Schon  Janet 
weist  darauf  hin,  daß  der  Kern  der  Sinneszelle  sehr  umfangreich  und 
kugelförmig  oder  oval  gestaltet  ist.  In  dieser  letzten  Form  tritt  er 
auch  in  der  Abbildung  60  entgegen  (szk).  Infolge  des  geringen  Chroma- 
tingehaltes  hat  er  trotz  seiner  bedeutenden  Größe  das  typische  Aus- 
sehen eines  Sinneszellenkernes.  Die  Sinneszelle  geht  proximalwärts 
in  einen  nervösen  von  Neurilemmkernen  begleiteten  Fortsatz  über. 

Weit  bemerkenswerter  sind  die  Verhältnisse  am  distalen  Teil. 
Dort  finden  wir  nämlich  die  Sinneszelle  in  einen  je  nach  den  Lage- 


62  Rudolf  Hochreuther, 

Verhältnissen  längeren  oder  kürzeren  Terminalstrang  (Fig.  60  tst)  aus- 
laufen und  diesen  mit  einer  besonderen,  hoch  komplizierten,  stiftchen- 
förmigen  Endigung  an  die  Sinneskuppel  anschließen.  Kurz  vor  seinem 
distalen  Ende  erweitert  sich  der  Terminalstrang  etwas  keulenförmig,  um 
dann  in  eine  Spitze  auszulaufen,  mit  der  er  in  die  Wandung  am  Pol  der 
Kuppel  eindringt.  (Vergleiche  hierzu  die  Fig.  60,  62,  63,  65,  66,  69,  bei 
denen  die  Terminalstränge  tst  median  getroffen  sind !  In  Fig.  61  und  68 
sind  sie  abgeschnitten,  vielleicht  auch  etwas  geschrumpft,  woher  ihre 
unregelmäßige  Form  rührt.)  In  der  Mitte  der  keulenförmigen  Er- 
weiterung erkennt  man  an  den  median  geschnittenen  Organen  einen 
feinen  centralen  Strang  (vgl.  Fig.  62  zstr).  Dieser  entspricht,  analog 
dem  an  manchen  Sinneshaaren  (vgl.  Fig.  9  zstr)  auftretenden,  jeden- 
falls dem  eigentlichen  Endteil  des  reizleitenden  Apparates,  während 
die  Wandung  des  keulenförmigen  Abschnittes,  die  in  den  Schnitten 
umgekehrt  lyraförmig  erscheint,  von  der  den  ganzen  Terminalstrang 
wie  die  Sinneszelle  umgebenden  Hülle  gebildet  werden  dürfte.  Ob 
der  centrale  Strang  in  die  Spitze  eindringt,  die  mit  der  Kuppel  in 
Verbindung  tritt,  und  ob  die  keulenförmige  Erweiterung  eine  Vacuole 
enthält,  wie  Vogel  es  darstellt,  vermochte  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Rippenförmige  Verdickungen,  die  an  den  Organen  der  Schmetterlings- 
flügel nach  Vogel  von  der  Stiftkörperwand  in  das  Innere  des  keulen- 
förmigen Abschnittes  vorspringen,  habe  ich  bei  Dytiscus  nie  gesehen. 
Einer  Erscheinung  muß  noch  Erwähnung  getan  werden,  die  sich 
auf  die  Form  der  Endstiftchen  bezieht.  Beim  Vergleich  von  Fig.  63  tst 
mit  Fig.  66  tst,  die  Organe  des  Femur  bzw.  der  Coxa  darstellen,  fällt 
der  große  Unterschied  in  der  Dicke  des  Endapparates  sofort  in  die 
Augen.  In  Fig.  66  füllt  das  Stiftchen  fast  den  ganzen  unter  der  Kuppel 
gelegenen  Raum  aus,  während  es  in  Fig.  63  nur  einen  kleinen  Teil 
dieses  Raumes  einnimmt.  Es  rührt  dies  jedenfalls  davon  her,  daß 
der  Querschnitt  durch  ein  Endstiftchen  nicht  immer  kreisrund  sondern 
zuweilen  flach  elliptisch  ist.  Im  frontalen  Längsschnitt  würde  man 
dann  etwa  die  lange  Achse  der  Ellipse  treffen,  also  ein  Bild  bekommen, 
wie  in  Fig.  66,  während  dann  im  sagittalen  Längsschnitt  die  kleine 
Achse  der  Ellipse  getroffen  würde,  so  daß  das  Endstiftchen  sehr  schmal 
erscheinen  müßte,  wie  in  Fig.  63.  Beelese  beschreibt  bei  den  »Sensilli 
endotili«,  zu  denen  ja  alle  hier  beschriebenen  kuppeiförmigen  Organe 
gehören,  ganz  ebensolche  Verhältnisse,  obgleich  er  die  eigentlichen 
Stiftkörperchen  nicht  zu  kennen  scheint.  Er  drückt  dies  aus,  indem 
er  sagt,  daß  der  Sinnespol  gewissermaßen  bandförmig  zusammenge- 
drückt sei,  so  daß  er  im  Querschnitt  als  dünne  Faser,  im  Längsschnitt 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  63 

aber  viel  breiter  erscheinen  müsse.  Natürlich  kann  dies  nur  bei  einem 
frontalen  Längsschnitt  der  Fall  sein.  Im  sagittalen  muß  er  ebenso 
schmal  erscheinen  wie  im  Querschnitt,  und  dieses  Bild  würde  eben 
dem  in  Fig.  63  dargestellten  entsprechen.  Mangels  günstiger  Quer- 
schnitte habe  ich  diese  an  Längsschnitten  gefundenen  Verhältnisse 
leider  nicht  sicher  bestätigen  können. 

Was  die  accessorischen  Hüll-  und  Kappenzellen  angeht,  die  Vogel 
beschreibt,  so  war  bei  Dytiscus  darüber  nichts  Bestimmtes  zu  ermitteln. 
In  Fig.  61  sieht  man  neben  dem  schlecht  getroffenen  Terminalstrang  tst 
(der  übrigens  auf  anderen  Schnitten  durch  dieselben  Organe  entsprechend« 
Verhältnisse  erkennen  ließ,  wie  wir  sie  als  allgemein  bestehend  kennen 
lernten)  einen  größeren  Kern  (kzkl)  liegen,  der  ziemlich  wenig  Chro- 
matin, aber  einen  großen  Nucleolus  besitzt.  Vielleicht  entspricht  er 
einem  Kappenzellkern.  Auf  verschiedenen  Präparaten  erscheinen  aber 
die  in  der  Umgebung  der  Sinneszelle  und  des  Terminalstranges  gelegenen 
Kerne  so  verschieden,  daß  sich  eine  gesetzmäßige  Übereinstimmung 
wie  an  den  Schmetterlingsorganen  nicht  ermitteln  ließ. 

Über  die  mutmaßliche  Funktion  dieser  interessanten  Organe  ist 
zu  sagen,  daß  gleich  große  Schwierigkeiten  hinsichtlich  ihrer  Deutung 
bestehen,  wie  bei  den  kelchförmigen  Organen.  Mit  Sicherheit  läßt 
sich  auch  hier  nur  sagen,  daß  es  sich  bei  den  kuppeiförmigen  Organen 
um  Organe  des  mechanischen  Sinnes  handeln  dürfte.  Berlese  be- 
schreibt sie  als:  Organe  von  unbekannter  Funktion.  Von  den  kuppei- 
förmigen Organen  der  Schmetterlingsflügel  nahm  Freiling  an,  daß 
sie  die  Tiere  von  dem  herrschenden  Luftdruck  unterrichteten,  während 
Vogel  in  ihnen,  analog  den  Organen  der  Dipterenschwinger,  Organe 
sehen  will,  die  für  den  Flug  von  Bedeutung  sind.  So  viel  darf  man 
jedenfalls  annehmen,  daß  die  kuppeiförmigen  Organe  zur  Druck- 
wahrnehmung dienen.  Bei  Dytiscus  sind  ja  solche  während  des  Schwim- 
mens  und  Fliegens  sicher  von  großer  Bedeutung,  und  wir  mußten  schon 
den  kelchförmigen  Organen  eine  ähnliche  Funktion  zusprechen.  Die 
kuppeiförmigen  Organe  werden  jedenfalls  wegen  ihres  zarteren  Baues 
empfindlicher  sein  als  die  kelchförmigen,  zumal  wenn  die  Kuppel  von 
nicht  so  großer  Stärke  ist.  Darum  dienen  sie  vielleicht  mehr  zu  Druck- 
wahrnehmungen beim  Fliegen,  während  die  weniger  empfindlichen 
kelchförmigen  zur  Perception  des  größeren  Wasserwiderstandes  beim 
Schwimmen  ausreichen. 

Die  Vermutung,  daß  die  kuppeiförmigen  Organe  vielleicht  dem 
Gehör  dienen  möchten,  wie  sie  auch  gelegentlich  ausgesprochen  wurde, 
scheint  wenig  stichhaltig   zu  sein.     Wenn  man  die  Kuppeln  mit  den 


64 


Rudolf  Hochreuther, 


Chordotonalorganen,  die  noch  viel  feineren  Bau  zeigen  und  wohl  sicher 
die  Gehörorgane  der  Insekten  darstellen,  vergleicht,  kann  man  nicht 
glauben,  daß  die  immerhin  noch  verhältnismäßig  plumpen  kuppei- 
förmigen Organe  diesem  feinen  Sinne  dienen  sollten. 


C.  Verbreitung  der  Hautsinnesorgane  am  Körper. 

1.  Die  Hautsinnesorgane  des  Kopfes. 

An  dem  Kopf  eines  Insektes  hat  man  eine  Schädelkapsel  (Cranium) 

von  den  Kopf  anhängen  zu  unterscheiden.     Das  Cranium  besteht  aus 

mehreren  Skeletplatten,  die  aber  nicht  mehr  auf  die  Metamerie  des 


Fig.  70. 

Kopf  von  oben  gesehen.     Antennen  abgeschnitten;  Oberlippe  abpräpariert. 
kz,  keulenförmige  Zapfen.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


13  : 1.     au,  Auge; 


Kopfes  zu  schließen  gestatten.  Von  den  paarigen  Anhängen  dagegen 
weisen  noch  verschiedene  auf  die  in  der  Entwicklung  vollzogene  Ver- 
schmelzung mehrerer  Segmente  zu  dem  am  Imago  einheitlich  erschei- 
nenden Kopf  hin.  Cranium  sowohl  als  Anhänge  sind  bei  Dytiscus 
reich  von  Sinnesorganen  besetzt. 

a.  Die  Hautsinnesorgane  des  Cranium. 

Das  Cranium  läßt  nach  Euscher  fünf  Partien  deutlich  unter- 
scheiden :  die  Stirn  (Frons)  (Fig.  70  fr),  das  Kopfschild  (Clypeus)  (Fig.  70 
cl),  die  Oberlippe  (Labrum)  (Fig.  74  l),  das  Epicranium  (Fig.  70  ep)  und 
die  Kehle  (Gula)  (Fig.  79  gu). 

Stirn,  Kopfschild  und  die  dorsale  Seite  des  Epicranium  verhalten 
sich  hinsichtlich  der  Verteilung  der  Hautsinnesorgane  recht  überein- 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  65 

stimmend.  Sie  sind  dicht  von  keulenförmigen  Zäpfchen  (Fig.  70  kz) 
besetzt,  die  in  kleinen  Chitingruben  eingesenkt  stehen  (vgl.  Fig.  64  kz). 
An  dem  Epicranium  wird  nach  den  Seiten  des  Kopfes  und  dem  Nacken 
hin  die  Zahl  der  Zäpfchen  kleiner  und  kleiner,  und  schließlich  hört 
die  Besetzung  mit  diesen  Organen  ganz  auf.  Nur  um  die  Augen  setzen 
sie  sich  in  einer  schmalen  Reihe  bis  zur  ventralen  Seite  fort,  aber  nur 
so  weit  wie  die  Augen  selbst  sich  zur  ventralen  Seite  erstrecken. 

So  besteht  ein  Übergang  zu  den  Verhältnissen,  die  wir  an  der 
Unterseite  des  Epicranium  und  der  Gula  (Fig.  79  gu)  finden.  Denn 
hier  treten  uns  dieselben  Organe  nur  noch  an  den  dem  Foramen  occi- 
pitale  (Fig.  79  fo)  nächst  gelegenen  Teilen  entgegen,  und  es  zeigt  sich 
auch  hier  die  Tendenz  der  Abnahme  an  Zahl,  je  weiter  man  sich  der 
Mittellinie  der  Ventralseite  nähert.  Dagegen  treten  nahe  an  der  Grenze 
der  Gula  gegen  die  Unterlippe  einige  Haare  (sh)  auf,  die  gelenkig  mit 
dem  Körperchitin  verbunden  sind  und  zuweilen  bei  der  Herstellung  von 
Totalpräparaten  herausbrechen,  wie  dies  auch  in  Fig.  79  zu  sehen  ist. 

Auch  auf  dem  dorsalen  Teil  des  Epicranium  treten  einzelne  Haare 
und  Borsten  auf,  die  aber  unter  der  Menge  der  keulenförmigen  Zäpfchen 
verschwinden.  In  sehr  geringer  Zahl  finden  sich  ferner  am  Epicranium, 
tief  in  das  Chitin  eingelagert,  winzig  kleine  kuppeiförmige  Organe  (s. 
Fig.  64  kpo) ;  sie  scharen  sich  vorzugsweise  um  den  dorsalen  Rand  der 
Augen.  Ihre  geringe  Größe  läßt  sich  ermessen,  wenn  man  sie  mit  den 
Schnittbildern  der  Kristallkegel  (kk),  die  in  dem  durch  Fig.  64  dar- 
gestellten Schnitt  mitgetroffen  sind,  vergleicht. 

Bedeutend  komplizierter  liegen  die  Verhältnisse  an  der  Oberlippe, 
jener  schmalen  Platte,  die  als  Falte  vom  Kopfschild,  mit  dem  sie  be- 
weglich verbunden  ist,  nach  vorn  vorspringt  und  die  Mundöffnung 
von  oben  her  überdeckt.  Deshalb  dürfte  es  günstig  sein,  ihre  mannig- 
faltigen Hautsinnesorgane  in  Verbindung  mit  denen  der  Mundwerk- 
zeuge zu  betrachten. 

Die  Schädelkapsel  ist  also  nur  mit  Organen  des  mechanischen 
Sinnes  ausgestattet.  Die  Borsten,  Haare  und  keulenförmigen  Zapfen 
dürften  dem  Tastsinn  dienen,  während  die  kuppeiförmigen  Organe 
vielleicht  zur  Druckwahrnehmimg  beim  Schwimmen  und  Fliegen  ge- 
braucht werden. 

b.  Die  Hautsinnesorgane  der  Kopfanhänge: 
1.  Der  Antennen. 
Von  der  Verteilung  und  dem  Bau  der  Sinnesorgane  an  den  An- 
tennen gibt  schon  Nagel  eine  kurze  Beschreibung.    Ebenso  aber,  wie 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  5 


66  Rudolf  Hochreuther, 

sich  bei  der  Untersuchung  der  einzelnen  Formen  schon  mancherlei  Ab- 
weichungen von  den  Befunden  Nagels  zeigten,  so  stellten  sich  auch 
bezüglich  der  Verteilung  der  einzelnen  Organe  Resultate  heraus,  die 
gegen  die  von  Nagel  ermittelten  in  mancher  Beziehimg  differieren. 
Vor  allem  sind  die  Ergebnisse,  die  Nagel  erhielt,  nicht  vollständig. 

Die  Antenne  von  Dytiscus  besteht  aus  elf  Gliedern,  von  denen 
die  beiden  basal  gelegenen,  der  Scapus  (Fig.  70  sc)  und  Pedicellus 
(Fig.  71  pe),  durch  Größe  und  Form  von  den  übrigen  einander  ähnlichen, 
keulenförmigen  des  Funiculus  (Fig.  72)  unterschieden  sind.  Das  termi- 
nale Glied  des  Funiculus  (Fig.  73)  weicht  von  den  übrigen  acht  Gliedern 
dieses  Teiles  auch  ein  klein  wenig  ab,  was  durch  seine  terminale  Stel- 
lung bedingt  ist. 

Alle  elf  Glieder  der  Antenne  tragen  Sinnesorgane.  Es  läßt  sich 
aber  allgemein  der  Satz  aufstellen,  daß  die  Zahl  der  Sinnesorgane  an 
den  einzelnen  Gliedern  zunimmt,  in  dem  Maße  wie  sie  weiter  von  der 
Ansatzstelle  der  Antenne  entfernt  liegen.  Und  was  wir  so  für  die 
Antenne  als  Ganzes  feststellen  können,  gilt  auch  für  die  einzelnen 
Glieder,  wenigstens  für  die  des  Funiculus.  Am  distalen  Ende  eines 
jeden  Funiculusgliedes  finden  sich  die  Sinnesorgane  in  sehr  dichter 
Anordnung;  je  weiter  man  sich  aber  dem  proximalen  Ende  nähert, 
um  so  mehr  nimmt  ihre  Zahl  ab.  Man  kann  sagen,  daß  nur  die 
obere  Hälfte  oder  die  oberen  zwei  Drittel  eines  Funiculusgliedes  stark 
von  Sinnesorganen  besetzt  sind,  während  der  proximale  Teil  nur  spär- 
lich Sinnesorgane  zeigt.  Von  dieser  Regel  müssen  wir  aber  die  beiden 
imtersten  Antennenglieder  wie  gesagt  ausschließen. 

Das  Grundglied,  der  Scapus,  trägt  einzelne  Haare  (vgl.  Fig.  1), 
die  meist  an  der  Streckseite  des  Gliedes  angeordnet  sind.  Ganz  am 
Grunde  des  Gliedes,  dicht  an  der  Beugeseite,  stehen  meist  neun  kuppei- 
förmige Organe,  von  denen  in  Fig.  70  nur  einige  zu  sehen  sind  (vgl. 
Fig.  70  sc,  kpo).  An  der  Fläche  trägt  das  Glied  mehrere  massive 
Grubenkegel. 

Das  kleine  Verbindungsglied,  der  Pedicellus  (Fig.  71),  zeigt  eine 
noch  reichere  Ausstattung  mit  Sinnesorganen.  Neben  wenigen,  meist 
sehr  schlanken  Haaren  (Fig.  71  sh)  finden  sich,  unregelmäßig  über  die 
ganze  Oberfläche  des  Gliedes  verteilt,  kleine,  massive  Grubenkegel 
(Fig.  71  mgk).  Sehr  charakteristisch  für  das  Glied  sind  zwei  Felder 
starrer  Sinnesborsten  (Fig.  71  u.  Fig.  12  sb).  Sie  sind  am  Grunde  des 
Gliedes  gelegen,  so  tief,  daß  sie  noch  innerhalb  der  muldenförmigen 
Höhlimg  stehen,  die  das  unterste  Glied  bildet,  indem  es  sich  an  der 
Streckseite  weit  über  die  Ansatzstelle  des  zweiten  Gliedes  erhebt  und 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


67 


hgk- 


dieses  so  ein  Stück  weit  umschließt.  Das  eine  Feld  der  Borsten  ist  nun 
genau  um  die  Streckseite  des  zweiten  Gliedes  gelegen,  wird  also  beim 
Strecken  der  Antenne  in  Funktion  treten.  Das  andere  dagegen  liegt 
ventral  und  wird  nötig  sein,  wenn  die  Antenne  seitlich  gebogen  wird. 
In  der  distalen  Hälfte  des  schon  etwas  keulenförmig  gestalteten  Gliedes 
tritt  an  der  Beugeseite  ein  großer  hohler  Grubenkegel  (Fig.  71  hgk) 
auf.  Noch  weiter  distal- 
wärts  finden  sich  zwei  der 
rätselhaften  kuppeiförmi- 
gen Organe,  ein  größeres 
an  der  Streckseite  und  ein 
kleineres  an  der  Beugeseite 
(Fig.  71  Jcpo  und  Fig.  67). 
Endlich  birgt  dieses  Glied 
noch  das  bei  so  vielen 
Insektengruppen  von  Child 
aufgefundene  Johnstone- 
sche  Organ,  das  in  der 
Gelenkhaut  zwischen  dem 
zweiten  und  dritten  Glied 
ansetzt  und  im  Innern  des 
zweiten  Gliedes  verläuft. 
Seine  Beschreibung  erfolgt 
von  anderer  Seite. 

Die  neun  Glieder  des 
Funiculus  (Fig.  72  und  73) 
lassen  sich  wegen  ihrer 
großen     Übereinstimmung 


in  Form  und  Verteilung  gut 


Fig.  71. 

Pedicellus.  115  :  1.  Am  Grunde  zwei  Felder  von  Sinnes- 
borsten (sb);  distalwärts  zwei  kuppelförniige  Organe  (kpo) 
und  ein  hohler  Grubenkegel  (hgk).    Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


zusammen  betrachten.  Die 

untersten   zeigen   zuweilen 

noch    einige    Sinneshaare, 

die  den  oberen  aber  immer 

fehlen.    Unregelmäßig  verstreut  über  die  ganze  Oberfläche  aller  Glieder 

finden  sich  wieder  kleine  massive  Grubenkegel  (Fig.  72  u.  73  mgk). 

Ihr  charakteristisches  Gepräge  erhalten  die  Funiculusglieder  aber 
durch  das  an  allen  vorhandene  Sinnesfeld  mit  kelchförmigen  Organen 
(Fig.  72  u.  73  ko).  Die  Sinnesfelder  erstrecken  sich  an  der  Beugeseite 
der  Glieder  und  zwar  von  deren  distalem  Ende,  wo  sie  am  dichtesten 
sind,  bis  etwa  zur  Mitte,  wo  die  Zahl  der  Einzelelemente  am  geringsten 

5* 


68 


Rudolf  Hochreuther, 


wird.    Die  einzelnen  Organe  stehen  dicht  gedrängt,  viel  dichter  als  es 


-hgk 


-hgU 


Fig.  72. 
Mittleres    Glied  des  Funiculus.     115  :  1.    An 
der  Beugeseite  großes  Feld  von  kelchförmigen 
Organen    (fco);    am   breitesten    distalen    Teil 
hohle    Grubenkegel   (hgk).      Weitere   Abkürz. 

s.  S.  113. 


Fig.  73. 

Endglied  des  Funiculus.  115  :  1.  An  der 
distalen  Beugeseite  Feld  von  kelchförmigen 
Organen  (fco) ;  am  breitesten  distalen  Teil  und 
an  der  Spitze  hohle  Grubenkegel  (hgk).  Weitere 
Abk.  s.  S.  113. 


in  den  Übersichtsbildern  der  Deutlichkeit  wegen  nur  angegeben  werden 
konnte.     Ihre  Gesamtzahl  an  beiden  Antennen  zusammen  wird  schon 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  rnarginalis  L.,  usw.  69 

von  Nagel  auf  mehrere  Tausend  angegeben;  schätzungsweise  wird  sie 
4500—5000  betragen. 

Sehr  konstant  in  Zahl  und  Anordnung  an  allen  Gliedern  des  Funi- 
culus  sind  die  großen  hohlen  Grubenkegel  (Fig.  72  u.  73  hgk  u.  Fig.  48). 
Sie  Mild  in  dem  distalen  Teil  jeden  Gliedes  auf  der  Ellipse  angeordnet, 
die  man  sich  an  der  Stelle  um  das  keulenförmige  Glied  gelegt  denken 
kann,  an  der  die  Keule  ihren  größten  Durchmesser  erreicht.  Die  Zahl 
der  Kegel  ist  in  den  oberen  Gliedern  konstant  7  und  schwankt  bei  den 
unteren  bis  zu  5.  Das  Terminalglied  des  Funiculus  unterscheidet  sich 
von  den  anderen  dadurch,  daß  es  außer  diesen  sieben  auf  der  Ellipse 
des  größten  Keulendurchmessers  stehenden  Kegeln  noch  vier  bis  sechs 
weitere  trägt,  die  dicht  um  die  Spitze  geschart  sind. 

An  den  Antennen  finden  sich  also  Organe  des  mechanischen  und 
des  chemischen  Sinnes.  Aber  die  des  mechanischen  Sinnes  (vor  allem 
die  kelchförmigen  Organe  und  massiven  Grubenkegel)  überwiegen  so 
sehr  die  dem  Geruch  oder  Geschmack  dienenden  hohlen  Kegel,  daß 
wir  die  Antennen  wohl  in  erster  Linie  als  Apparate  des  mechanischen 
Sinnes  ansprechen  dürfen.  Die  Versuche,  die  Nagel  in  dieser  Richtung 
anstellte,  bestätigen  das  Urteil  am  besten.  Er  vermochte,  trotz  des 
Vorhandenseins  der  hohlen  Grubenkegel,  überhaupt  keine  chemische 
Reizbarkeit  der  Antennen  nachzuweisen.  Daß  aber  diese  Kegel  den- 
noch einem  chemischen  Sinne  dienen,  muß  man  immerhin  annehmen. 
Er  tritt  nur  gegenüber  dem  mechanischen  Sinn  an  der«  Antennen  außer- 
ordentlich zurück. 

Die  reichere  Ausstattung  der  distalen  Antennenglieder  mit  Sinnes- 
organen  ist  wie  die  größere  Anhäufung  der  Organe  in  der  distalen 
Hälfte  eines  jeden  Einzelgliedes  leicht  zu  erklären,  wenn  man  sich 
vorstellt,  wie  die  Organe  am  besten  in  Wirksamkeit  treten  können. 
Ebenso  wie  die  distalen  Glieder  am  ehesten  in  Berührung  mit  Fremd- 
körpern kommen,  werden  auch  an  den  Einzelgliedern  die  keulenförmig 
verdickten,  distalen  Enden  am  leichtesten  an  äußere  Gegenstände 
anstoßen,  während  Organe,  die  etwa  dicht  am  Grunde  eines  Gliedes 
an  der  Streck-  oder  Beugeseite  angebracht  wären,  nicht  in  Funktion 
treten  könnten,  weil  das  breite  Ende  des  vorhergehenden  Gliedes  eine 
Berührimg  mit  Fremdkörpern  fast  immer  unmöglich  machen  würde. 
So  finden  wir  Beuge-  und  Streckseite  am  Grunde  jeden  Gliedes  frei 
von  Sinnesorganen,  während  an  dem  distalen  Teil  der  Beugeseiten  die 
dichten  Organfelder  stehen. 


70 


Rudolf  Hochreuther, 


2.  Der  Mundwerkzeuge. 
a.  Die  Sinnesorgane  der  Oberlippe. 
Die  Oberlippe.  (Labrnm)  ist  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Mund- 
werkzeugen eine  unpaare  Hautfalte  von  nahezu  rechteckiger  Form. 
(Fig.  74  l  u.  75).  Nur  am  Vorderrande  läßt  sie  median  eine  seichte 
Einbuchtung  erkennen.  Der  Vorderrand  selbst  Stellt  eine  ziemlich 
scharf  zulaufende  Kante  dar.  Die  Oberseite  des  Labrum  ragt  zu 
einem  kleinen  Teil  unter  das  Kopfschild,  mit  dem  es  in  etwas  gelenkiger 


Fig.  74. 

Oberlippe  (l),  von  innen  gesehen,  und  Gaumen.     23  :  1.    gpl,  Gaumenplatten;  gz,  Gaumenzapfen. 

Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

Verbindung  steht.  Die  Unterseite  geht  ohne  deutliche  Grenze  in  das 
Dach  der  Mundhöhle  über,  an  dem  die  beiden  Gaumenplatten  sitzen 
(Fig.  7i,gpl).  Oberseite  und  Unterseite  sind  mit  Sinnesorganen  ver- 
schiedenster Art  besetzt;  ganz  besonders  zeichnet  sich  die  Umgebung 
des  schmalen  Vorderrandes  durch  ihren  Reichtum  an  Sinnesorganen  aus. 
An  der  Unterseite  findet  sich  in  der  Mitte,  dort,  wo  der  Vorderrand 
die  leichte  Einbuchtung  zeigt,  eine  flache  Delle,  die  bis  auf  ein  mittleres 
Feld  dicht  von  massiven  Haaren  besetzt  ist  (Fig.  74  u.  75  u.  Fig.  6  h). 
Ein  Sinnescharakter  ließ  sich  an  diesen  Haaren  nicht  sicher  ermitteln, 
indem  eine  Verbindung  mit  Sinneszellen  und  Nerven  nicht  nachzuweisen 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiseus  niarginalis  L.,  usw. 


71 


war.  Da  man  aber  auf 
Sagittalschnitten  durch 
diese  Region  der  Oberlippe 
unter  den  Haaren  neben 
Hypodermis-  und  Drüsen- 
zellkernen  Kerne  findet,  die 
Sinneszellenkernen  recht 
ähnlich  sehen  (vgl.  Fig.  6 
szk),  so  ist  doch  die  Mög- 
lichkeit nicht  von  der  Hand 
zu  weisen,  daß  den  Haaren 
Tastfunktion  zukommen 
könnte.  Vielleicht  aber 
haben  sie  auch  nur  mecha- 
nische Funktion  und  helfen 
dem  Verschluß  des  Mundes 
dienen.  Hinter  diesem 
Felde  stehen  mehr  nach 
dem  Gaumen  zu  in  einem 
schmalen,  winkelförmigen 
Streifen  mehrere  schlanke 
Sinneshaare  (Fig.  75  sh), 
50—60  an  der  Zahl.  Die 
an  der  Unterseite  zu  beiden 
Seiten  der  medianen  Delle 
in  geschwungener  Reihe 
angeordneten  20  bis  30 
großen  hohlen  Sinnes- 
borsten (Fig.  75  u.  21  sb) 
fanden  schon  wegen  ihrer 
Verbindung  mit  großen 
Drüsenzellen  bei  der  all- 
gemeinen Beschreibung  der 
Sinnesborsten  besonders 
Erwähnung.  Im  übrigen 
finden  sich  an  der  Unter- 
seite nur  noch  nahe 
dem  Vorderrande  borsten-, 
zapfen-  und  kegelförmige  Bildungen  von  verschiedener  Größe  (Fig.  75 
szpf,  mgk),  die  dicht  gedrängt  von  der  Unterseite  her  über  den  Vorder- 


72  Rudolf  Hochreuther, 

rand  hinweg  nach  der  Oberseite  ziehen.  Ihre  Gesamtzahl  an  der  Ober- 
lippe beträgt  mehrere  Hundert. 

Die  Oberseite  zeigt  uns  die  interessantesten  Verhältnisse.  Sie 
trägt  zerstreut  im  medianen  Teil  eine  Anzahl  typischer  Sinneshaare 
(Fig.  74  u.  75  sh),  die  nach  vorn  gerichtet  sind.  Ferner  treten  uns 
hohle  Grubenkegel  in  verschiedener  Form  entgegen,  plumpere  gedrun- 
gene neben  zierlicheren  schlanken  (Fig.  75,  31,  49  u.  60  hgk).  Auch  die 
kuppeiförmigen  Organe  fehlen  der  Oberseite  der  Oberlippe  nicht.  Sie 
finden  sich  ziemlich  zahlreich  an  dem  vorderen  Teil  der  ganzen  Ober- 
seite tief  in  das  Chitin  eingesenkt  (Fig.  60  sk). 

So  wird  auch  der  Oberlippe  in  erster  Linie  noch  Empfindlichkeit 
gegen  mechanische  Reize  zugesprochen  werden  müssen.  Die  kuppei- 
förmigen Organe  werden  die  Wirksamkeit  der  am  Cranium  gelegenen 
unterstützen.  Die  anderen  Organe  des  mechanischen  Sinnes  (Zapfen, 
Borsten  und  Haare)  dürften  der  Prüfung  der  dem  Munde  zugeführten 
Stoffe  auf  ihre  Festigkeit  dienen,  während  die  hohlen  Grubenkegel  als 
Organe  des  chemischen  Sinnes  sie  schon  auf  ihre  Genießbarkeit  hin 
untersuchen  werden.  Experimentelle  Prüfungen  der  Sinnesfunktion 
der  Oberlippe  liegen  nicht  vor. 

ß.  Die  Sinnesorgane  der  Mandibeln  (Oberkiefer). 

Die  Mandibeln  (Fig.  76)  sind  bei  Dytiscus  starke,  ungegliederte, 
kompakte  Extremitäten.  Sie  sind  nicht  über  die  ganze  Oberfläche 
hin  mit  Sinnesorganen  bedeckt,  vielmehr  ist  die  ventrale  flache  Seite 
fast  vollkommen  frei  davon.  Hier  zieht  zwar  in  einem  schmalen  Streifen 
in  einer  engen  Kinne  stehend  ein  Besatz  von  starren  Borsten  hin, 
der  an  der  Basis  der  Mandibel  dem  medianen  Rand  eng  anliegt,  distal- 
wärts  dann  aber  sich  in  leicht  gekrümmter  Linie  über  die  flache  Ven- 
tralfläche  nach  der  lateralen  Seite  hin  erstreckt  (Fig.  76o,  b).  Seinen 
Elementen  kommt  aber  keine  Sinnesfimktion  zu.  Euscher  meint 
wohl  diesen  Borstenbesatz,  wenn  er  von  kleinen  Zähnchen  spricht,  die 
von  der  proximalen  medialen  zur  distalen  lateralen  Seite  ziehen.  Sinnes- 
organe finden  sich  an  der  Unterseite  nur  ganz  dicht  am  äußeren  Rand 
und  zwar  vereinzelte  massive  Grubenkegel  (Fig.  76  mgk)  und  gruben- 
ständige Sinneszapfen  (Fig.  76  szpf). 

Diese  Organe  besetzen  dann  auch  zusammen  mit  kleinen  hohlen 
Grubenkegeln  (Fig.  76  hgk)  (vgl.  auch  Fig.  51)  den  schmalen  äußeren 
Rand  in  ähnlicher  Weise  wie  den  Vorderrand  der  Oberlippe,  und 
ziehen,  an  Zahl  langsam  abnehmend,  nach  der  dorsalen  gekrümmten 
Fläche  der  Mandibeln.     Sie  erreichen   jedoch  die  Mitte  der  dorsalen 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


73 


Fläche  nicht.  In  geringer  Zahl  finden  sich  zwischen  den  Organen 
zerstreut  noch  eigentümliche  mit  einer  besonderen  Schutzkuppel  ver- 
sehene kuppelförmige  Organe  (vgl.  Fig.  69).  An  Mandibeln  sind  solche 
bisher  nur  von  Janet  bei  Ameisen  beschrieben  worden.  Ganz  am 
Grunde  der  dorsalen  Außenseite  stehen  an  dem  großen  Gelenkknopf 
mehrere   kurze,   fast   schuppenartige,    gebogene   Haare    (Fig.  76  schh). 


Fis?.  76a. 


Fig.  76. 

Mandibel    von   der   Dorsalseite   gesehen.     38  :  1.    Am    Grunde    Feld  von  Sinneshaaren  (sh)\  am 

lateralen  Rand  Zapfen  (szpf)  und  Grubenkegel  (mgk  u.  hgk).     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

Fig.  76a.  Mandibel,  ventrale  Ansieht.     6:1. 


Ein  dichtes  Feld  langer  gebogener  Sinneshaare  (Fig.  76  u.  8  sh)  findet 
sich  endlich  ebenfalls  am  Grunde  der  Mandibel,  aber  in  der  Mitte  der 
Dorsalseite.  Es  steht  in  einer  leichten  Einsenkung  dicht  bei  der  Ge- 
lenkgrube (Fig.  76  gr). 

Alle   Sinnesorgane   der   Mandibeln,    mit   Ausnahme   der   wenigen 
hohlen  Grubenkegel,  die  eine  schwache  chemische  Eeizbarkeit  bedingen 


74  Rudolf  Hochreut  her, 

werden,  dienen  dem  mechanischen  Sinn,  wie  dies  ja  auch  an  den  kräf- 
tigen, als  Beißzangen  funktionierenden  Mandibeln  nicht  anders  zu 
erwarten  ist.     Auch  hierüber  fehlen  jedoch  Versuche. 

y.  Die  Sinnesorgane   der  ersten  Maxillen  (Unterkiefer). 

Wie  die  Mandibeln,  so  treten  uns  die  ersten  Maxillen  als  paarige 
Mund  Werkzeuge  entgegen.  Aber  während  die  Oberkiefer  entsprechend 
ihrer  beißenden  Funktion  kräftige  kompakte  Organe  waren,  zeigen  die 
Unterkiefer  die  den  Maxillen  der  beißenden  Mundwerkzeuge  charak- 
teristische Gliederung  (Fig.  77).  Einem  Grundglied,  Cardo  (ca),  sitzen 
ein  zweites  Glied,  der  Stamm,  Stipes  (st),  und  die  innere  Lade,  Lobus 
internus  (li),  auf.  Der  Stipes  trägt  an  seinem  distalen  Ende  die  äußere 
Lade,  Lobus  externus  (le),  und  den  Tasterträger,  Palparium  (pm), 
dem  der  viergliedrige  Taster,  Palpus  maxillaris  (t),  aufsitzt.  Auch 
hier  zeigen  wieder  alle  Teile  eine  mehr  oder  weniger  starke  Besetzung 
mit  Sinnesorganen.  Nagel  hat  davon  manche  übersehen,  denn  er 
beschreibt  den  Kiefer  selbst,  also  den  Lobus  internus,  als  der  Sinnes- 
organe völlig  entbehrend. 

Cardo  und  Stipes  (Fig.  77  ca  u.  st)  tragen  neben  wenigen,  ziemlich 
langen  Haaren  (sh)  kleine  massive  Kegel  (mgk).  Sie  sind  meist  an  der 
Streckseite  angeordnet. 

An  dem  Lobus  internus  (Fig.  77  li)  fallen  am  Innenrande  zuerst 
starke,  lange  Borsten  (b)  in  die  Augen,  denen  keine  Sinnesfunktion, 
sondern  allein  mechanische  Funktion  zukommen  dürfte.  Neben  diesen 
Borsten  stehen  aber  an  der  ventralen  Fläche  des  Gliedes  in  einer  kurzen 
Reihe  angeordnet  einige  echte  Sinneshaare  (Fig.  77  u.  7  sh).  Vor  allem 
aber  ist  dem  Gliede  charakteristisch  ein  in  seinem  proximalen  Teil 
ventralwärts  gelegenes  dichtes  Sinnesfeld,  das  aus  einer  großen  Zahl 
grubenständiger  Zapfen  mit  Lumen  (Fig.  77  u.  26  szpf)  besteht.  Die 
Zahl  der  Zapfen  ist  im  Übersichtsbild  vielleicht  etwas  zu  gering  an- 
gegeben aus  den  schon  im  einleitenden  Teil  erörterten  Gründen.  In 
Wirklichkeit  beträgt  sie  ungefähr  75. 

Der  stark  reduzierte  Lobus  externus  (Fig.  77  le)  besteht,  abgesehen 
von  dem  mit  dem  Stipes  fest  verbundenen  Ansatzglied,  das  keine 
Sinnesorgane  trägt,  aus  zwei  Gliedern,  die  denen  eines  Tasters  in  der 
Form  sehr  ähnlich  sind.  Das  kürzere  untere  besitzt  an  der  Streckseite 
der  proximalen  Hälfte  drei  bis  fünf  kuppeiförmige  Organe  (Fig.  77  kpo 
u.  Fig.  61).  Das  Endglied  ist  dagegen  reich  mit  großen,  grubenstän- 
digen Kegeln  und  Zapfen  ausgestattet.  Zum  weitaus  größten  Teil  sind 
die  Grubenkegel  massiv,  aber  von  verschiedener  Größe  (Fig.  77  u.  46 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


75 


mgk).    Dicht  um  die  Spitze  herum  finden  sich  aber,  wie  auch  Nagel 

ho 


Fig.  77. 
Erste  Maxille,  ventrale  Ansieht.  33  :  1.  Der  Lobus  externus  ist  aus  der  natürlichen  Lage  in 
einer  Rinne  am  lateralen  Rand  des  Lobus  internus  herausgedrückt,  um  ihn  sichtbar  zu  machen. 
b,  Borste;  ca,  Cardo;  hgk,  hohler  Grubenkegel;  ko,  kelchförmiges  Organ;  kpo,  kuppeiförmiges 
Organ;  le,  Lobus  externus;  U,  Lobus  internus;  mgk,  massive  Grubenkegel;  pm,  Palparium;  sb, 
Sinnesborste;  sh,  Sinneshaar;  st,  Stipes;  szpf,  Sinneszapfen;  t,  Taster  der  ersten  Maxillen;  tz  u. 
gsz,  Tastzäpfchen  und  Geschmackszäpfchen. 


76  Rudolf  Hochreuther, 

schon  ermittelte,  einige  wenige  hohle  (Fig.  77  hgk).  Einzelne  Sinnes- 
zapfen, die  am  proximalen  Teil  auftreten  (Fig.  77  sz'pf),  sind  massiv 
und  ähneln  den  kleinen  massiven  Kegeln  (Fig.  46  mgk,  unten),  die 
sich  sonst  an  dem  Unterkiefer  finden.  Zwischen  den  einzelnen  Organen 
des  Endgliedes  münden  zahlreiche  Drüsenausführungsgänge  (Fig.  46 drg); 
zum  Teil  münden  sie  in  die  Gruben,  in  denen  die  Kegel  selbst  stehen. 

Das  Palparium  (Fig.  77  pm)  zeigt  an  seiner  distalen  Hälfte  mehrere 
elegante  hohle  Grubenkegel  (Fig.  77  hgk  und  Fig.  50).  Sie  stehen  an 
der  ventralen  Fläche  dieses  Gliedes  eingesenkt. 

Dem  Palparium  sitzt  dann  der  Palpus  maxillaris  (Fig.  77  t)  auf. 
Er  besteht  aus  vier  Gliedern,  die  sämtlich  Sinnesorgane  tragen,  von 
denen  aber,  wie  es  uns  schon  an  der  Antenne  und  dem  Lobus  externus 
entgegentrat,  die  distal  gelegenen  stärkere  Besetzung  zeigen  als  die 
proximalen.  Das  kleine  basale  Glied  zeigt  viel  Ähnlichkeit  mit  dem 
kleinen  Pedicellus  der  Antenne  (Fig.  71).  Ganz  von  seinem  Grunde, 
wo  es  noch  innerhalb  der  vom  Tasterträger  gebildeten  Höhlung  steckt, 
zeigt  es  an  seiner  Streckseite  ein  Feld  von  Chitinborsten  (Fig.  77  sb 
u.  Fig.  11),  die  schlanker  und  länger  sind  als  die  an  der  entsprechenden 
Stelle  des  Pedicellus  gelegenen,  aber  dieselbe  Funktion  haben  dürften. 
Ein  lateral  gelegenes  Feld,  das  an  der  Antenne  noch  vorhanden  war, 
fehlt  hier,  weil  der  Taster  nur  gebeugt  und  gestreckt  werden  kann, 
aber  keine  Bewegung  in  dorsoventraler  Richtung  auszuführen  vermag. 
Etwas  weiter  distalwärts  von  diesem  Sinnesfeld  finden  wir  dann,  eben- 
falls an  der  Streckseite  gelegen  und  in  das  Chitin  eingelagert,  einige 
kuppeiförmige  Organe  (Fig.  77  kpo).  Ihre  Zahl  ist  etwas  geringer  als 
die  der  am  Lobus  externus  vorhandenen;  sie  beträgt  zwei  bis  drei. 
Sonst  finden  sich  noch  unregelmäßig  über  die  ganze  distale  Hälfte  des 
Gliedes  verstreut  einige  kleine  massive  Grubenkegel  (Fig.  77  mgk). 

Das  zweite  und  dritte  Tasterglied  zeigen  ungefähr  die  gleichen 
Verhältnisse  in  der  Verteilung  der  Sinnesorgane.  Beide  tragen  an  der 
Fläche  zerstreut  kleine  massive  Grubenkegel  (Fig.  77  mgk).  In  der  dista- 
len Hälfte  zeigen  beide  je  einen  größeren  und  einen  kleineren  hohlen 
Grubenkegel  {hgk)  an  der  Fläche.  Das  dritte  Glied  besitzt  ein  solches 
Paar  außerdem  noch  an  dem  schmalen  Chitinkragen,  der  das  letzte 
Tasterglied  an  seiner  Basis  umfaßt,  und  zwar  nahe  der  Beugeseite. 
An  der  Streckseite  des  zweiten  Gliedes  stehen  wenige  kurze  Haare  (sh), 
die  beim  dritten  Glied  durch  mehr  zapfenförmige  Organe  {szpf)  er- 
setzt sind. 

Das  Endglied  des  Tasters  endlich  ist  vor  allem  durch  zwei  große 
Komplexe   von   Sinnesorganen  charakterisiert.     Einmal   trägt  es  um 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


77 


die  Spitze  gelegen  zwei  getrennte 
Felder  der  winzigen  Tastzäpfchen 
(Fig.  77,  78  u.  44  tz).  Neben  diesen 
ungeheuer  zahlreichen  kleinen 
massiven  Zäpfchen  enthalten  die 
Felder  in  geringer  Zahl  auch  die 
größeren  hohlen,  kegelförmigen  Ge- 
schmackszäpfchen (Fig.  78  u.  iAgsz). 
Dann  findet  sich  an  der  Streckseite 
der  distalen  Hälfte  ein  Feld  kelch- 
förmiger  Organe  (Fig.  77  u.  78  ko  u. 
Fig.  56).  Proximalwärts  von  diesem 
Felde  zieht  sich  eine  Reihe  von 
Sinneshaaren  (Fig.  77  sh)  von  der 
Streckseite  des  Gliedes  über  die 
ventral  gelegene  Fläche.  Außerdem 
trägt  das  Endglied  noch  wie  alle 
anderen  Tasterglieder  unregelmäßig 
zerstreut  kleine  massive  Gruben- 
kegel (Fig.  77  meßt). 

Von  der  Funktion  der  Unter- 
kiefer gibt  Nagel  schon  eine  sehr 
anschauliche  Beschreibung.  Der 
kleine  Lobus  externus  ist  in  natür- 
licher Lage  in  eine  Rinne  einge- 
schlagen, die  sich  am  lateralen  Rand 
des  Lobus  internus  findet.  Wenn 
dieser  dann  in  einen  Körper  ein- 
beißt, gelangt  der  in  der  Rinne  ge- 
legene Lobus  externus  mit  in  die 
Wunde  und  vermag  so  mit  den 
an  seiner  Spitze  stehenden  hohlen 
Grubenkegeln  als  Geschmacks- 
organ zu  funktionieren,  während  die 
ebenfalls  dort  stehenden  massiven 
Kegel  den  Käfer  über  physikalische 
Eigenschaften  der  Beute  infor- 
mieren. Dieser  sehr  plausiblen 
Erklärung  muß  nur  noch  hinzu- 
gefügt werden,  daß  der  Kiefer  selbst 


gsz  ---__, 


Fig.  78. 

Längsschnitt  durch  das  Endglied  des  Palpus 
maxillaris.  140  :  1.  An  der  Streckseite  ein 
Feld  kelchförmiger  Organe  {ko);  an  der  Spitze 
in  zwei  Feldern  Tastzäpfchen  (tz)  und  Ge- 
schmackszäpfchen  (gsz).    Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


78  Rudolf  Hochreuther, 

auch  Organe  des  mechanischen  Sinnes  trägt,   vor  allem  die  in  einem 
Feld  angeordneten  Zapfen  (Fig.  77  szpf). 

Auch  über  die  Wirksamkeit  der  Taster  hat  Nagel  experimentiert. 
Er  hat  gefunden,  daß  sie  Träger  äußerer  Geschmacksorgane  sind,  und 
als  solche  spricht  er  die  hohlen  Grubenkegel  an.  Diesen  hohlen  Kegeln 
müssen  wir  als  jedenfalls  sehr  empfindliche  Geschmacksorgane  noch 
die  »Geschmackszäpfchen «  (Fig.  44  gsz)  angliedern,  wodurch  uns  eine 
ausreichendere  Erklärung  für  den  hohen  Grad  der  Geschmacksemp- 
findung mit  den  Tastern  gegeben  wird,  als  sie  Nagel,  der  nur  die 
wenigen  hohlen  Grubenkegel  als  Geschmacksorgane  kannte,  geben 
konnte.  Die  hohlen  Grubenkegel  am  Palparium  (Fig.  77  hgk),  die 
Nagel  anscheinend  auch  übersehen  hat,  tragen  weiter  zur  Erhöhung  der 
Schmeckfähigkeit  bei,  wenn  sie  auch  erst  die  weiter  in  den  Mund  gelang- 
ten Nahrungsteile  zu  untersuchen  vermögen.  Die  Tastzäpfchen,  massi- 
ven Grubenkegel,  kelchförmigen  und  kuppeiförmigen  Organe  verbürgen 
daneben  eine  mannigfache  mechanische  Reizbarkeit  der  Taster. 

d.  Die  Sinnesorgane  der  zweiten  Maxillen  (Unterlippe,  Labium). 

Die  zweiten  Maxillen  zeigen  bei  Dytiscus  infolge  ihrer  Verschmel- 
zung zur  Unterlippe  die  einzelnen  Teile  dieser  Extremitäten  nicht  alle 
deutlich.  Die  beiden  Grundglieder  der  beiden  Maxillen,  Submentum 
und  Mentum,  sind  hier  völlig  miteinander  verschmolzen  zu  einer  trapez- 
artigen Platte,  dem  Mentum  (Fig.  79  m),  das  sich  an  die  Gula  (Fig.  79  gu) 
nach  vorn  anschließt.  An  dem  Vorderrande  zeigt  das  Mentum  eine 
starke  Einbuchtung,  in  der  die  zur  Zunge,  Ligula  (Fig.  79  lig),  ver- 
schmolzenen inneren  Laden,  Lobi  interni,  entspringen.  Seitlich  von 
der  Zunge,  nach  dem  Innern  des  Mundes  hin  gerichtet,  liegen  die  stark 
reduzierten  Lobi  externi,  die  hier  als  Paraglossen  bezeichnet  werden 
(Fig.  79  pg).  An  der  Unterseite  der  Ligula,  dicht  an  deren  Insertions- 
rand  am  Mentum,  entspringen  die  beiden  Palparien  (Fig.  79  pm),  die 
die  dreigliedrigen  Palpi  labiales  (Fig.  79  pl)  tragen. 

Mentum  und  Ligula  stimmen,  was  die  Arten  der  an  ihnen  ge- 
legenen Sinnesorgane  angeht,  in  weitgehendem  Maße  überein,  und 
was  die  Anordnung  der  Organe  an  diesen  Teilen  der  Unterlippe  betrifft, 
so  erinnert  sie  sehr  an  die  Verhältnisse,  die  wir  an  der  Oberlippe  fanden. 
Die  beiden  seitlichen  Ränder  des  trapezförmigen  Mentum  (Fig.  79  m) 
sind  wie  der  schmale  Vorderrand  der  Oberlippe  von  kegel-  und  zapfen- 
förmigen  Organen  verschiedener  Form  (Fig.  79  mgk  u.  szpf)  besetzt. 
In  der  Einbuchtung  am  Vorderrand  des  Mentum  setzt  sich  diese  Be- 
setzung fort.     Je  mehr  man  sich  aber  der  Ansatzstelle  der  Palparien 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  79 

(pm)  nähert,  um  so  mehr  verringert  sich  die  Zahl  dieser  Elemente. 
Auf  der  Fläche  des  Mentum  finden  wir  neben  mehreren  (20 — 30) 
ziemlich  langen  Haaren  (sh),  die  Sinnescharakter  zu  besitzen  scheinen, 
nur  ganz  wenige  grubenständige  massive  Zapfen;  sie  sind  wie  die  Haare 
auf  den  distalsten  Teil  der  ventralen  Mentumfläche  beschränkt.  An 
der  Grenze  des  Mentum  gegen  die  Gula  finden  sich  in  unmittelbarer 
Nähe  der  beiden  Seitenränder  einige  der  kleinen  Organe,  die  wir  den 
Seitenrand  begleiten  sahen. 

Die  Ligula  (Fig.  79  lig)  zeigt  an  der  dorsalen,  nach  der  Mundhöhle 
hingekehrten  Fläche  keine  Sinnesorgane.  Nur  in  unmittelbarer  Nähe 
des  Vorderrandes  finden  wir  eine  Besetzung  mit  grubenständigen  kegel- 
und  zapfenförmigen  Sinnesorganen  (vgl.  Fig.  45  gk  u.  szpf).  An  dem 
Vorderrande  selbst  wird  die  Anordnung  dieser  Organe  ungemein  dicht. 
Wir  können  hier  wie  an  dem  Vorderrand  der  Oberlippe  und  den  eben 
beschriebenen  Seitenrändern  des  Mentum  einen  kontinuierlichen  Über- 
gang der  großen  Grubenkegel  durch  mannigfache  Zwischenformen 
hindurch,  bis  zu  den  kleinsten  massiven  Zapfen  konstatieren.  Diese 
mannigfaltigen  Organe  ziehen  über  den  Vorderrand  hinaus  nach  der 
Unterseite  hin,  nehmen  dort  aber  an  Zahl  schnell  ab.  Wir  finden 
dann  auf  der  ganzen  Ventralseite  der  Ligula  zerstreut  noch  wenige 
kegelförmige  Organe  (Fig.  79  mgJc).  Nächst  dem  Vorderrande  finden 
sich  an  der  Unterseite  weiter  noch  lange  Haare  (Fig.  79  sh).  Wenn 
auch  die  zweifelhafte  Form  der  unter  ihnen  gelegenen  Zellen  eine  sichere 
Entscheidung  über  ihren  Sinnescharakter  nicht  erlaubt,  so  möchte  ich 
sie  doch  als  Sinneshaare  ansprechen  wegen  der  charakteristischen 
Endigung  des  von  den  Zellen  an  sie  herantretenden  Terminalstranges 
(s.  Fig.  10  ist  u.  45  sh).  Auf  diese  Frage  wurde  schon  bei  der  allge- 
meinen Betrachtung  der  Sinneshaare  eingegangen. 

Die  Paraglossen  (Fig.  79  pg)  tragen  einen  nach  dem  Innern  der 
Mundhöhle  gerichteten  Borstenbesatz,  über  dessen  etwaige  Sinnes- 
funktion meine  Präparate  keinen  Aufschluß  geben.  Vielleicht  dient 
er  nur  mechanischen  Zwecken. 

Die  Palparien  (Fig.  79  pm)  tragen  ganz  am  Grunde  einige  massive 
Grubenkegel  (mgk)  und  am  distalen  Teil  der  Beugeseite  je  drei  kuppei- 
förmige Organe  (kpo). 

An  den  ihnen  aufsitzenden  Palpi  labiales  (Fig.  79  pl)  finden  wir 
an  allen  drei  Gliedern  Sinnesorgane,  deren  Anordnung  gewisse  Ähn- 
lichkeiten mit  den  Maxillartastern  zeigt.  Das  kleinere  Grundglied  ist 
in  Form  wie  in  Besetzung  mit  Sinnesorganen  dem  entsprechenden  des 
Maxillartasters  analog.     Ganz  am  Grunde,  innerhalb  der  Mulde,  die 


gO  Rudolf  Hoclireuther, 

das  mit  dem  distalen  Ende  über  die  Ansatzstelle  des  ersten  Gliedes 


mgk- 


Fig.  79. 

Unterlippe  (zweite  Maxille)  und  Gula  (</»),  ventrale  Ansicht.    22  M.     Die  Taster  der  Unterlippe 

(pl)  sind  aus  der  natürlichen  Haltung  schräg  nach  unten  infolge  des  Auflegens  eines  Deckglases 

verschoben  und  erscheinen   darum   seitlich  beweglich.     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

hinausragende  Palparium  bildet,  findet  sich  wieder  eine  Gruppe  von 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  81 

Chitinborsten  (sb)  an  der  Streckseite,  die  hier  nicht  lateral,  sondern 
unter  einem  Winkel  von  ungefähr  45°  nach  unten  gerichtet  ist. 

In  dem  Übersichtsbild  (Fig.  79)  tritt  diese  Neigung  nicht  klar 
zutage,  weil  die  Taster,  die  im  natürlichen  Zustand  schräg  nach  unten 
hin  beweglich  sind,  infolge  des  notwendigen  Auflegens  eines  Deck- 
glases auf  das  Präparat  aus  ihrer  natürlichen  Lage  etwas  verschoben 
wurden;  sie  erscheinen  daher  in  dem  Bilde  in  seitlicher  Richtung  ebenso 
beweglich  wie  die  Maxillartaster.  In  natürlichem  Zustand  ist  das 
aber  nicht  der  Fall,  und  ich  verweise  deshalb  noch  besonders  auf  die 
Abbildung  12,  die  Euscher  auf  Seite  15  seiner  Arbeit  über  das  Chitin- 
skelet  von  Dytiscus  gibt,  und  in  der  die  Unterlippentaster  in  ihrer  rich- 
tigen Lage  zur  Unterlippe  zu  sehen  sind. 

Außer  den  erwähnten  Chitinborsten  trägt  das  unterste  Tasterglied 
noch  fünf  kuppeiförmige  Organe  (Fig.  79  hpo  u.  Fig.  65).  Sie  stehen 
seitlich  an  dem  Gliede. 

Das  zweite,  mittlere  Glied  des  Tasters  zeigt  an  seiner  Streckseite 
mehrere  kurze  Sinneshaare  (sh).  Außerdem  ist  es  unregelmäßig  von 
kleinen  massiven  Grubenkegeln  (mgk)  besetzt.  An  der  Beugeseite  steht 
in  einer  kraterförmigen  Ausstülpung  des  Chitins  in  der  proximalen 
Hälfte  ein  großer  hohler  Kegel  (hgk).  Einen  zweiten  trägt  das  Glied 
ebenfalls  an  der  Beugeseite  aber  ganz  distal,  wo  das  Glied  seinen  größten 
Umfang  erreicht.  Oft,  aber  nicht  durchgängig,  tritt  zwischen  diesen 
beiden  Kegeln  an  der  Beugeseite  noch  ein  dritter  auf. 

Das  letzte  Glied  endlich  ist  vor  allem  wieder  charakterisiert,  ebenso 
wie  das  des  Palpus  maxillaris,  durch  die  in  zwei  Feldern  um  die  äußerste 
Tasterspitze  stehenden  Tastzäpfchen  (Fig.  79  tz).  Auch  hier  finden  wir 
neben  diesen  Organen  die  größeren  Geschmackszäpfchen  (gsz)  ver- 
treten. Unterhalb  der  Felder  zieht  in  schwach  gebogener  Linie  eine 
Reihe  langer  Sinneshaare  (sh)  über  die  Seitenfläche  des  Gliedes.  In 
den  noch  weiter  proximal  gelegenen  Teilen  zeigt  das  Glied  in  unregel- 
mäßiger   Anordnung  massive  Grubenkegel  (mgk). 

So  trägt  die  Unterlippe  selbst  nur  Organe  des  mechanischen  Sinnes, 
während  an  den  Tastern  neben  diesen  in  den  hohlen  Grubenkegeln 
und  Geschmackszäpfchen  Organe  auftreten,  die  die  Taster  zu  einer 
Geruchs-  oder  Geschmacksfunktion  befähigen. 

c.  Die  Hautsinnesorgane  des  Gaumens. 
Es  wurde  schon  gesagt,  daß  sich  an  die  rechteckige,  plattenförmige 
Oberlippe  nach  dem  Innern  der  Mundhöhle  unmittelbar  der  Gaumen 
anschließt  (Fig.  74).    Der  Gaumen  ist  von  hellem,  weichen  Chitin  aus- 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  6 


82 


Rudolf  Hochreuther, 


gekleidet  und  zeigt  in  seinem  vorderen  Teil  zwei  Wülste,  die  Gaumen- 
platten (Fig.  74  gpl).  Diese  sind  mammaförmige  Gebilde,  die  durch 
eine  in  der  Mediane  des  Gaumens  verlaufende  sagittale  Furche  von- 
einander getrennt  sind.  Jeder  der  Wülste  tiägt  an  seinem  nach  vorn 
und  innen  gerichteten  Teil  einen  dunkel  gefärbten,  stark  chitinisierten, 
zapfenförmigen  Anhang,  den  Gaumenzapfen  (Fig.  74  gz).  Diese  ältere 
schon  von  Nagel  und  anderen  Autoren  angewandte  Bezeichnung  möchte 
ich  der  kürzlich  von  Eungius  neu  geprägten  »Sinneskolben«  vorziehen, 
da  man  unter  Sinneskolben  in  der  Literatur  oft  eine  bestimmte  Organ- 
form zu  verstehen  gewohnt  ist,  während  wir 
in  den  Gaumenzapfen  Träger  von  Sinnes- 
organen verschiedener  Art  vor  uns  haben. 
Über  die  Anordnung  der  Sinnesorgane 
am  Gaumen  von  Dytiscus  liegt  schon  eine 
genaue  Beschreibung  von  Nagel  vor.  Die 
beiden  Gaumenplatten  tragen  in  ihrem 
hinteren  medianen  Teil  zahlreiche  kleine 
hohle  Grubenkegel.  In  Fig.  74  konnten 
diese  Organe  {hgk)  wegen  ihrer  Kleinheit 
nur  als  Punkte  angedeutet  werden.  Ihren 
genaueren,  charakteristischen  Bau  (s.  Fig. 53) 
lernten  wir  schon  bei  der  allgemeinen 
Besprechung  der  Grubenkegel  kennen. 
pj„  gQ^  Sonderbarerweise  weichen  die  von  mir  stets 

optischer  Medianschnitt  durch  den   gefundenen  Kegel  in  dem  Bau  des  Kegels 

Gaumenzapfen.    220:1.    hgk,  hohler    selbgt    ^     yon    den     ^^    ^AGEL    gW. 
Grubenkegel ;  mgk,  massiver  Gruben-        _  _  c 

kegei;  szpf,  Sinneszapfen.  bildeten   ab,    während   in   bezug   auf   den 

Porenkanal  vollkommene  Übereinstimmung 
besteht.  Die  Kegel  erscheinen  in  der  Aufsicht  auf  den  Gaumenwulst 
von  einem  dunklen  Kreis  umgeben.  Dieser  rührt  davon  her,  daß  der 
ganze  Gaumen,  wie  schon  gesagt,  von  sehr  hellem  Chitin  ausgekleidet 
ist,  während  der  Porenkanal  der  Kegel  von  dickem,  dunkel  gefärbten 
Chitin  ausgesteift  wird.  Ein  Teil  der  Organe  und  zwar  die  am  weitesten 
seitlich  stehenden  zeigen  bei  sonst  vollkommen  gleichem  Aufbau  an 
Stelle  des  kleinen  Hohlkegels  eine  lange,  spitze  Borste  (Fig.  74  u.  13  sb). 
Zwischen  den  Sinnesorganen  und  zum  Teil  in  deren  Gruben  münden  in 
großer  Menge  Drüsenausführungsgänge  in  die  Mundhöhle.  Die  Gesamt- 
zahl der  beiden  Organformen  an  jedem  Gaumenwulst  beträgt,  wie  auch 
Nagel  schon  angibt,  ungefähr  70.  Davon  sind  45 — 50  mit  Kegeln  ver- 
sehen, während  der  Rest  die  spitzen  Borsten  trägt. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  83 

Ali  den  Gaumenzapfen  finden  wir  um  die  Spitze  geschart  große 
hohle  Grubenkegel,  wie  wir  sie  schon  an  den  Antennen,  den  Tastern 
und  der  Oberlippe  kennen  lernten  (Fig.  80  u.  Fig.  47  hgk).  Vereinzelt 
zwischen  ihnen,  vor  allem  aber  an  den  Seitenflächen  des  Gaumen- 
zapfens, stehen  etwas  schlankere  und  längere  massive  Grubenkegel 
(Fig.  80  u.  Fig.  47  mglc).  Ihre  Form  schwankt  etwas  und  führt  zu 
solchen  Organen  hinüber,  die  schon  als  massive  Sinneszapfen  (Fig.  80 
szpf)  bezeichnet  werden  können.  Sie  sind  noch  schlanker  als  die  mas- 
siven Grubenkegel  und  erscheinen  deshalb  nicht  mehr  kegelförmig, 
sondern  cylindrisch.    Sie  finden  sich  an  der  ganzen  Oberfläche  verteilt. 

Im  übrigen  ist  das  Dach  der  Mundhöhle  frei  von  Sinnesorganen. 
Auch  der  die  Mundhöhle  gegen  den  Pharynx  abschließende  unpaare 
hintere  Gaumenwulst  trägt  keine  Sinnesorgane. 

Das  Überwiegen  der  hohlen  Grubenkegel  an  dem  Gaumen  stem- 
pelt diesen  zu  dem  hauptsächlichsten  Träger  des  inneren  Geschmacks- 
sinnes. Den  Sinnesborsten  der  Gaumenplatten  und  den  massiven 
Kegeln  und  Zapfen  der  Gaumenzapfen  kommt  als  Organen  des  mecha- 
nischen Sinnes  am  Gaumen  nur  untergeordnete  Bedeutung  zu. 

d.  Die  Hautsinnesorgane  der  Nackenhaut. 
Zwei  eigentümliche  Felder  von  Sinnesorganen  finden  sich  in  der 
Nackenhaut.  Als  Nackenhaut  kann  man  ja  wohl  den  dorsalen  Teil 
der  dünnen  Chitinmembran  bezeichnen,  die  von  dem  Foramen  occipitale 
nach  den  Skeletstücken  des  Prothorax  hinzieht  und  die  gelenkige  Ver- 
bindung zwischen  Kopf  und  Prothorax  vermittelt.  An  dieser  Gelenk- 
haut sitzen  seitlich  dicht  unter  dem  Rande  des  weit  vorspringenden 
Pronotum  zwei  Felder  sehr  langer  Borsten  (Fig.  14  sb).  Sie  sind  mit 
der  Spitze  nach  vorn  und  etwas  nach  oben  gerichtet  und  werden  beim 
Heben  und  Senken  des  Kopfes  in  Funktion  treten.  Ihre  Zahl  in  einem 
Feld  mag  ungefähr  22 — 24  betragen. 

2.  Die  Hautsinnesorgane  des  Thorax. 

Die  drei  Thoracalsegmente  sind  bei  Dytiscus  an  Größe,  Gestalt 
und  Stellung  am  gesamten  Körper  sehr  verschieden.  Aber  immerhin 
ist  doch  eine  prinzipielle  Übereinstimmung  zwischen  den  Skeletteilen 
vorhanden,  die  die  einzelnen  Segmente  begrenzen.  Man  hat  an  jedem 
Segmente  ein  dorsales  Notum  von  den  seitlich  gelegenen  Pleuren  und 
einem  das  Segment  ventral  abschließenden  Sternum  zu  unterscheiden. 
Jedes  Thoracalsegment  trägt  ein  Beinpaar,  der  Meso-  und  Metathorax 
außerdem  je   ein    Paar  Flügel.      An  allen  Segmenten   und  ihren  An- 

6* 


84 


Rudolf  Hochreuther, 
Übersichtstabelle  über  die  Verteilung;  der 


Sinneshaare. 

l! 

Sinnesborsten 

Sinneszapfen 

wenig 

wenig 

sehr  zahlreich 

Cranium 

Epicranium,  Gula 

Epicranium 

Epicranium,  Frons, 
Clypeus,  Gula 

wenig 

etwa  40 

wenig 

Antenne 

Scapus,  Pedicellus, 
Funiculus  1  bis  3 

2  Felder  am  Grund 
des  Pedicellus 

Funiculus 

zahlreich 

20  bis  30 

sehr  zahlreich 

Oberlippe 

Feld  in  der  Mitte  der 

Ventralseite;  einzelne 

dorsal 

in  geschwungener 
Reihe  an  der  Ventral- 
seite 

Ventralseite, 
Vorderrand, 
Dorsalseite 

zahlreich 

— 

zahlreich 

Mandibeln 

Grund  der  Dorsal- 
seite (Feld),  einzeln 
am  Gelenk 

— 

laterale  Hälfte  der 
Dorsalseite;  lateraler 
Rand;  einzeln  Ventral- 
seite 

wenig 

wenig 

zahlreich 

1.  Maxillen 

Cardo,  Stipes,  Lobus 

internus,  Palpus 

2  und  4 

Grund  des  1.  Palpus- 
gliedes  (Feld) 

Feld  am  Lobus  internus, 

einzeln  Lobus  externus  2 

und  Palpus  3 

zahlreich 

wenig 

wenig 

2.  Maxillen 
(Unterlippe) 

Mentum,  Ligula, 
Palpus  2  und  3 

Grund  des  Palpus  1 

Rand  des  Mentum, 
Ligula 

- 

etwa  30  bis  40 

wenig 

Gaumen 

— 

seitlich  an  den 
Gaumenplatten 

Gaumenzapfen 

— 

etwa  44  bis  48 

— 

Nackenhaut 

— 

seitlich  in  2  Feldern 

dicht  am  Ansatz  des 

Pronotum 

— 

Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  85 

verschiedenen  Sinnesorgane  am  Kopf. 


Tast-  und  Geschmacks- 
zäpfchen 

massive                ,    ,.     „     .      ,        , 
!   hohle  Grubenkegel 
Grubenkegel 

kelchförmige 
Organe 

kuppeiförmige 
Organe 

— 

— 

— 

— 

wenig 

— 

— 

— 

2  200  bis  2500 

Epicranium 

(bes.  dorsaler 

Augenrandj 

— 

zahlreich 

50  bis  60 

etwa  11 

— 

Pedicellus  und 
Funiculus 

Pedicellus  und 
Funiculus 

Funiculus, 
je  ein  Feld  an 
der  Beugeseite 

Scapus  und 
Pedicellus 

— 

sehr  zahlreich 

wenig 

— 

wenig 

— 

Ventralseite, 
Vorderrand, 
Dorsalseite 

Vorderrand, 
Dorsalseite 

— 

Dorsalseite 

— 

zahlreich 

wenig 

— 

sehr  wenig 

— 

laterale  Hälfte 
der  Dorsalseite, 
lateraler  Rand, 
einzeln  Ventral- 
seite 

laterale  Hälfte 
der  Dorsalseite, 
lateraler  Rand 

— 

Dorsalseite 

zahlreich  tx, 
einzeln  gsx 

zahlreich 

etwa  20               zahlreich 

6  bis  8 

2  Felder 

am  Palpus 

(Glied  4) 

Cardo,  Stipes, 

Lobusexternus2, 

Palparium, 

Palpus 

Lobusexternus2,        Palpus  4 

Palparium,         (Feld  an  der 
Palpus  2  und  3       Streckseite) 

Lobus 

externus  1, 

Palpus  1 

zahlreich  tx, 
einzeln  gsx 

zahlreich 

4  bis  6 

— 

14  bis  16 

2  Felder 

am  Palpus 

(Glied  3) 

Mentum,  Ligu- 
la,  Palparium, 
Palpus  2  und  3 

Palpus  2 

— 

Palparium, 
Palpus  1 

— 

wenig 

110  bis  130 

— 

— 

— 

Gaumenzapfen 

Gaumenplatten, 
Gaumenzapfen 

— 

— 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

86 


Rudolf  Hochreuther, 


hängen  treten  uns  mehr  oder  weniger  reichlich  Sinnesorgane  entgegen. 
Die  Beschreibung  der  an  den  Flügelpaaren  vorhandenen  Organe  erfolgt 
wie  schon  einleitend  bemerkt  wurde,  von  anderer  Seite.  Hier  sollen 
der  Reihe  nach  die  einzelnen  Segmente,  die  sie  verbindenden  Gelenk- 
häute und  dann  die  Beine  nach  der  Verteilung  der  Sinnesorgane  hin 
betrachtet  werden. 

a.  Die  Hautsinnesorgane  des  Prothorax. 
Am  Prothorax  sind  alle  Skeletstücke,  die  dieses  Segment  bilden, 
schon  am  lebenden  Käfer  leicht  zu   sehen.     Die  Rückendecke  wird 


Fig.  81. 

Linke  Hälfte    des   Pronotum    vom  r$  Käfer.     13  :  1.     Übersät  von   keulenförmigen  Zapfen  (kz). 

Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


von  dem  trapezartigen  Pronotum  gebildet,  seitlich  ist  das  Segment 
von  den  ebenfalls  trapezähnlichen  Propleuren  eingefaßt,  und  ventral 
wird  es  von  dem  mit  einem  nach  hinten  gerichteten  Hakenfortsatz 
versehenen  und  die  großen  Gelenkhöhlen  für  das  erste  Beinpaar  bil- 
denden Prosternum  begrenzt. 

Das  Pronotum  (Fig.  81)  zeigt  an  seinem  nach  dem  Kopf  hin  gerich- 
teten schmaleren  Vorderrande  eine  Einwölbung,  in  die  sich  das  Cranium 
einfügt.  Es  springt  nach  allen  Seiten  über  die  Ansatzstellen  der  Pro- 
pleuren, bzw.  der  Gelenkhäute  zum  Kopf  und  Mesothorax  vor  mit 
jenem  dem  Käfer  charakteristischen  »gelben  Rand«.     In  diesem  fallen 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


87 


besonders  rundliche  Komplexe  auf,  die  eine  stärkekornähnliche  Schich- 
tung zeigen  und  vielleicht  Drüsenausführungsgänge  (drg)  sind,  um 
die  herum  das  Körperchitin  in  verschiedenen  Schichten  verschiedene 
optische  Eigenschaften  besitzt.  An  seiner  Oberseite,  sowie  gegen  Kopf 
und  Mesothorax  auch  an  der  Unterseite  trägt  der  Rand  mehrere  Sinnes- 
haare (sh)  (vgl.  auch  Fig.  2  sh)  und  Sinnesborsten  (sb).  Sonst  ist  er 
wie  das  ganze  Notum  auf  der  Oberseite  dicht  von  keulenförmigen 
Zapfen  (kz)  besetzt. 


-drg 


Fig.  83. 

Entsprechende    Partie  vom   Q  Pronotum.     46:1. 


Fig.   82. 

Partie  vom   fi  Pronotum  an  der  Einmiin 

düng  der  medialen  Naht  in  den  vorderen 

Teil  des  »gelben  Randes«.     40  :  1. 

drg,  Drüsenausführungsgang;  fe,  keulenförmiger  Zapfen 


Es  zeigt  sich  hierbei,  wie  auch  Euscher  schon  bemerkte,  ein 
interessanter  Geschlechtsdimorphismus.  Beim  Ö*  stehen  die  Zapfen 
weniger  dicht  als  beim  Q .  Die  Fig.  82  und  83  stellen  bei  der  gleichen 
Vergrößerung  entsprechende  Felder  des  Pronotum,  dicht  an  der  Ein- 
mündung der  medianen  Naht  in  den  nach  dem  Kopf  zu  gelegenen  Teil 
des  gelben  Randes,  von  cf  und  Q.  dar.  Abgesehen  von  der  dichteren 
Anordnung  der  Organe  beim  Q  fällt  bei  diesem  vor  allem  ein  großer, 
heller  Hof  auf,  der  die  einzelnen  keulenförmigen  Zäpfchen  umgibt. 
Er  rührt  davon  her,  daß  die  Gruben,  in  denen  die  Zäpfchen  stehen, 


88  Rudolf  Hochreuther, 

beim  Q  größer  und  mit  langsamer  abfallenden  Wänden  versehen  sind 
als  beim  cf,  und  daß  außerdem  das  Chitin  dieser  Gruben  auch  bei  den 
alten  Käfern  nicht  mit  dunklem  Pigment  versehen  wird,  sondern  hell 
bleibt.  Infolge  dieses  hellen  Hofes  erscheinen  die  Organe  beim  Q 
noch  bedeutend  gedrängter  gegenüber  denen  beim  cT,  welchen  der  Hof 
fehlt.  Die  Zapfen  selbst  sind  am  Pronotum  des  £  größer  als  am  Pro- 
notum  des  cf ,  wie  die  bei  gleicher  Vergrößerung  entworfenen  Fig.  42 
und  36  erkennen  lassen.  Euscher  weist  darauf  hin,  daß  die  Ver- 
hältnisse an  den  Elytren  von  cf  und    Q   ganz  entsprechend  liegen. 


-P't 


Fig.  84. 
Prosternum  {st;)  und  Propleuren  (pl,)  des  fi  Käfers  von  der  Ventralseite  gesehen.     13  : 1. 
Weitere  Abk.  s.  8.  1 L3. 


Es  erscheint  so,  als  ob  diese  Organe  vielleicht  bei  der  Begattung, 
während  der  das  cf  auf  dem  Rücken  des  £  sitzt,  eine  wichtige  Ptolle 
spielten. 

Auch  an  den  Propleuren  finden  wir  bei  cf  und  2  eine  Verschieden- 
heit in  der  Anordnung  der  keulenförmigen  Zapfen  (vgl.  Fig.  85  u.  86  kz). 
Während  nämlich  beim  cf  Käfer  diese  Organe  dort  nur  spärlich  und 
besonders  an  dem  schmaleren  nach  unten  gerichteten  Teil  der  Pleuren 
vorhanden  sind  (Fig.  84  pl^  u.  85),  überziehen  sie  beim  Q  dicht  ge- 
drängt die  ganze  Oberfläche  dieses  Skeletteiles.  Bemerkenswert  ist, 
daß  hier  die  Organe  des  cf  etwas  behöft  erscheinen.  Aber  beim  Q  fin- 
den sich  an  ungefähr  entsprechenden  Stellen  auch  größer  behöfte  For- 
men neben  den  zahlreichen,  hier  sonst  ohne  Hof  gebliebenen  Zapfen 
(Fig.  37). 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


89 


Die  verschieden  dichte  Anordnung  der  Zapfen  an  den  Pleuren 
bei  beiden  Geschlechtern  könnte  ebenso  wie  die  Unterschiede  an  dem 
Pronotum  den  Gedanken  nahelegen,  daß  sie  für  die  Begattung  von 
Wichtigkeit  sei,  indem  vielleicht  das  cT  mit  den  Endgliedern  seiner 
Tarsen  während  der  Copula  die  Pleuren  des  Q  berührte.  Allein,  dafür 
ist  keine  Stütze  zu  finden.  Die  Untersuchungen  von  Blunck  haben 
vielmehr  ergeben,  daß  das  cf  während  der  Begattung  die  Krallen  der 
Tarsen  seines  ersten  Extremitätenpaares  wohl  um  den  Notumrand 
des  Q  herumschlägt,  aber  damit  die  Pleuren  des  £  nicht  berühren 
kann.  Nur  bei  Fehlgreifen  kommen  die  rf  Tarsen  zuweilen  an  die 
Pleuren  des  Q,  zu  liegen.  Richtiger  und  zutreffender  ist  darum  viel- 
leicht die  Vermutung,  daß  die  Organe  dem   Q  bei  der  Eiablage  von 


Fig.  85. 

linke    Proileure   vom    c5  Käfer.      13  :  1. 
kz,  keulenf.  Zapfen. 


Fig.  86. 
Rechte    Propleure   vom  Q  Käfer. 
kz,  keulenf.  Zapfer.. 


13  :  1. 


Wert  sind,  während  der  es  mit  der  Unterseite  seines  ganzen  Körpers 
an  den  Schilfstengeln  reibt. 

Andere  Sinnesorgane  fehlen  den  Propleuren. 

Das  Prosternum  (Fig.  84  stj)  trägt  an  seinem  vorderen  geschweiften 
Teil  in  größerer  Zahl  Sinneshaare  (sh),  die  im  Bau  denen  des  Pronotum 
sehr  ähnlich  sind.  Der  nach  hinten  gerichtete  zapfenförmige  Fortsatz 
trägt  in  dichter  Anordnung  kleine  keulenförmige  Zapfen  (Fig.  84  u.  38 
kz).  Sie  unterscheiden  sich  nur  sehr  wenig  von  denen  der  Propleuren. 
Die  übrigen  Teile  des  Prosternum  sind  tief  gelegen;  sie  bilden  die 
Coxalgruben  des  ersten  Beinpaares  und  sind  frei  von  Sinnesorganen. 

b.  Die  Hautsinnesorgane  des  Mesothorax. 

Dieser  kleinste  Abschnitt  des  Thorax  ist  am  lebenden  Käfer  nur 

teilweise  zu  sehen.     Sein  Notum  ist  bis  auf  ein  kleines  Schildchen, 

das  Scutellum,  von  den  Elytren  und  dem  nach  hinten  überragenden 

Rand  des  Pronotum  bedeckt.     Die  Pleuren  sind   schräg  zur  Längs- 


90 


Rudolf  Hochreuther, 


achse  des  Körpers  gestellt  und  von  der  Seite  her  kaum  zu  sehen.  Nur 
das  kleine  Sternum  läßt  sich  an  der  Unterseite  ohne  weiteres  leicht 
erkennen. 

Nach  Euscher  kann  man  am  Mesonotum  das  vom  Pronotum- 
rande  und  den  Elytren  überragte  Mesoscutum  (Fig.  87  scUj)  von  dem 
schon  äußerlich  sichtbaren  Mesoscutellum  (Fig.  87  sct)  unterscheiden. 
Das  Mesoscutum  trägt  an  seinem  Vorderende  zwei  symmetrisch  zur 
Mittellinie  des  Körpers  gelegene  Felder  feiner  Sinneszapfen  (Fig.  87 
fszpf  und  Fig.  27).  Diese  werden  bei  der  Bewegung  der  ersten  und 
zweiten  Thoracalsegmente  gegeneinander  durch  Anstoßen  gegen  die 
Unterseite  des  Pronotumrandes  mechanisch  gereizt  werden  und  den 
Käfer   dadurch    über   die    wechselseitige   Haltung   der   beiden    ersten 


fszpf-  - 


Fig.  87. 

Mesonotum  vom  5  Käfer.    1:3  :  1.    fszpf,  feine  Sinneszapfen;  sk,  Sinneskuppeln  der  Elytren. 
Weitere  Abk.  s.  S.  113. 


Thoracalsegmente  orientieren.  Zwei  ganz  entsprechende  Felder  liegen 
an  dem  hinteren  Rande  des  Mesoscutum,  wo  dieses  in  die  weichere 
Chitinhaut  übergeht,  die,  gegen  Mesoscutum  und  Mesoscutellum  sehr 
tief  gelagert,  die  hinteren  seitlichen  Teile  des  Mesothoraxdaches  bildet. 
Außerdem  liegen  noch  auf  der  Fläche  des  Mesoscutum  nahe  dem  seit- 
lichen Rande  je  zwei  kleinere  Felder  dieser  Organe.  Diese  sind  von 
einem  etwas  größeren  helleren  Hof  umgeben.  Vielleicht  benachrichtigen 
sie  den  Käfer  von  der  Haltung  seiner  Elytren. 

Das  Mesoscutellum  zeigt  in  seiner  mittleren  Fläche  beim  cT  Käfer 
zu  jeder  Seite  der  Medianlinie  zwei  Felder  von  sehr  kleinen  keulen- 
förmigen Zapfen  (Fig.  87  u.  35  hz).  Eigentümlicherweise  fehlen  sie  dem 
Q  am  Scutellum  ganz.  Dafür  treten  in  sehr  geringer  Zahl  neben  vielen 
Drüsenausführungsgängen  einige  hohle  Grubenkegel  (Fig.  52)  auf.     Sie 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


91 


ePmr\\- 


dienen  vielleicht  zur  Peremption  besonderer  Secrete  oder  Gerüche,  die 
das  j  während  der  Begattung  ausströmt.  In  dem  hinteren,  herz- 
förmig zugespitzten  Teil  des  Scutellums  erkennt  man  einige  Drüsen- 
gänge, die  durch  denselben  centrischen  Bau  an  die  des  gelben  Bandes 
erinnern. 

Die  Mesopleuren  bestehen  aus  zwei  Teilen,  dem  nach  der  Körper- 
mitte gelegenen  Episternum  (Fig.  88  epsn)  und  dem  nach  außen  ge- 
richteten Epimeron  (Fig.  88epm7/). 
Zusammen  besitzen  sie  die  Form 
eines  Bechtecks,  jedes  einzeln  un- 
gefähr die  eines  rechtwinkligen 
Dreiecks.  Das  Episternum  liegt 
dem  Mesonotum  mit  der  einen  Drei- 
eckspitze  an.  Diese  trägt  kurze 
massive  Sinneshaare  (Fig.  88  sh) 
und  Sinnesborsten  (Fig.  88  und 
18  sb).  An  dem  nach  der  Mitte 
des  Segmentes  zugekehrten  Band 
und  an  seiner  ganzen  Fläche 
stehen  ebensolche  Sinneshaare 
zusammen  mit  keulenförmigen 
Zapfen  (kz),  deren  Bau  in  Fig.  34 
dargestellt  ist.  Das  Epimeron 
zeigt  an  seinen  beiden  Katheten 
ebenfalls  einen  Besatz  mit  keulen- 
förmigen Zapfen  (Fig.  88  kz). 

Das  Mesosternum  (Fig.  89) 
zeigt  dicht  an  dem  Bande,  mit 
dem  es  an  die  Coxalgruben  des 
zweiten  Beinpaares  (acn)  grenzt, 
einen  Besatz  von  Sinneshaaren  (sh), 
die  denen  des  Pronotum  ziemlich 
ähnlich  sehen  (Fig.  3  sh).  Weiter 
nach  der  Mitte  des  unpaaren 
Skeletstückes  treten  in  je  zwei 
symmetrischen  Beihen  Sinnes- 
borsten auf  (Fig.  89  sb).     Die  der 

beiden  weiter  nach  vorn  gelegenen  Beihen  sind  größer  als  die  in  der 
Höhe  der  Sinneshaare  auftretenden,  deren  eine  in  Fig.  3  (sb),  aller- 
dings nicht  median  getroffen,  dargestellt  ist. 


Fig.  88. 

Mesopleure  vom  <3  Käfer. 


13  :1. 


Fig.  89. 
Mesosternum  vom  (5  Käfer.  13  :  1. 
<ic//,  Gelenkgrube  des  zweiten  Beinpaares;  epmrr, 
Epimeron  der  Mesopleuren;  epsrr,  Episternum 
der  Mesopleuren;  kz,  keulenförmiger  Zapfen; 
sb,  Sinnesborste;  sh,  Sinneshaar;  sth,  Sternum 
lies    zweiten    Thoracalsegmentes. 


92 


Rudolf  Hochreuther, 


c.  Die  Hautsinnesorgane  des  Metathorax. 
Während  am  Mesothorax  die  Skeletverhältnisse  infolge  der  Schräg- 
stellung der  Pleuren  etwas  kompliziert  waren,  sind  sie  am  Metathorax 
wieder  leichter  zu  erkennen.  Dorsal  ist  das  Segment  von  dem  recht- 
eckigen Metanotum  (Fig.  90)  bedeckt,  das  seitlich  die  Alae  trägt.  Zu 
beiden  Seiten  schließen  sich  ihm  die  Metapleuren  (Fig.  91)  an.  Diese 
haben  die  Form  eines  rechtwinkligen  Dreiecks.  Mit  der  einen  Kathete 
grenzen  sie  an  das  Metanotum,  mit  der  anderen  an  die  Gelenkhaut 
zum  Mesothorax.  Der  Hypotenuse  schließt  sich  das  Metasternum 
(Fig.  92  stHI)  an,  das  an  diesem  Segment  fast  in  derselben  Fläche  gelegen 


Fig.  90. 

Linke  Hälfte  vom  Metanotum  des  (5  Käfers.     13  :  1.     b,  Bjrste;  sh,  Sinneshaar. 

ist  wie  die  Pleuren.  Es  ist  nach  Euscher  flügelartig.  Mit  den  seitlichen 
Spitzen  erreicht  es  neben  den  Pleuren  das  Notum.  An  seinem  vor- 
deren Teil  trägt  es  einen  gabeligen  Fortsatz,  der  sich  unter  dem  ganzen 
Mesothorax  hin  erstreckt  bis  in  die  Gelenkfalte  zwischen  Meso-  und 
Prothorax.  Eigentümlich  ist  dem  Sternum  weiter,  daß  es  mit  den 
mächtigen  Coxen  des  dritten  Beinpaares  (Fig.  92  cxHI)  fest  verwachsen 
ist  und  mit  diesem  zusammen  eine  Fläche  bildet,  die  das  ganze  Segment 
und  den  vordersten  Teil  des  Abdomens  nach  unten  abschließt. 

Die  Anordnung  der  Sinnesorgane  am  Metathorax  ist  äußerst  ein- 
fach. Das  Metanotum  (Fig.  90),  das,  wenn  der  Käfer  nicht  gerade 
fliegt,  von  den  Alae  und  den  Elytren  überdeckt  ist,  zeigt  nur  in  seiner 
hinteren  Hälfte  zwei  Felder  von  Sinneshaaren  (Fig.  90  u.  4  sh)  zu  beiden 
Seiten  der  Medianlinie.    Die  Haare,  die,  von  der  bedeutenderen  Länge 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiseus  marginalis  L.,  usw. 


93 


abgesehen,  im  chitinösen  Bau  denen  des  Mesosternum  (Fig.  3  sh)  ähn- 
lich sind,  erweisen  sich  vor  allem  durch  die  unter  ihnen  gelegenen  hellen, 
chromatinarmen  Sinneszellenkerne  als  Sinnesorgane.  Zwischen  ihnen 
scheinen  vereinzelt  kleine  Borsten  zu  stehen,  über  deren  Sinnescharakter 
ich  nichts  ermitteln  konnte  (Fig.  90  b). 

An  den  Metapleuren  (Fig.  91)  findet  sich  dicht  unter  ihrem  Ansatz 
an  die  Gelenkhaut  der  Alae  ebenfalls  ein  Feld  von  Sinneshaaren  (sh), 
die  denen  des  Mesosternum  vollkommen  gleichen  (vgl.  Fig.  3  sh).  Außer- 
dem ist  der  von  Euscher  als  Episternum  bezeichnete  Teil  (Fig.  91  epsH1) 


-epSja 


Atetapleure   vom    c5   Käfer.     13  :  1. 


Fig.  91. 
Am   oberen    Rand   Feld   von   Sinneshaaren    (sh). 
Abk.  s.  S.  113. 


Weitere 


dicht  von  keulenförmigen  Zapfen  (kz)  besetzt,  die  dieselbe  Form  be- 
sitzen wie  die  des  Prosternum  (Fig.  38). 

Auch  das  Metasternum  (Fig.  92  stnI)  trägt  keulenförmige  Zapfen 
(kz),  die  wegen  der  breiten  Form  schon  bei  der  allgemeinen  Betrachtung 
der  keulenförmigen  Zapfen  besonders  erwähnt  wurden  (vgl.  Fig.  41). 
Sie  ziehen  in  einem  keilförmigen  Streifen  direkt  über  die  Mitte,  den 
tiefst  gelegenen  Teil,  des  Sternum  hin.  Die  größte  Breite  erreicht  der 
Streifen  am  vorderen  Rande  des  Skeletteiles.  Hier  setzt  er  sich  dann, 
entsprechend  verschmälert,  auch  noch  auf  den  Fortsatz  des  Sternum 
fort.  Vereinzelt  stehen  unter  den  Zapfen  am  Sternum  wie  an  seinem 
Fortsatz  einzelne  Sinneshaare  (Fig.  92  sh).  Zwischen  den  Sinnesorganen 
münden  in  kleinen  Chitingrübchen  (Fig.  92  chg)  zahlreiche  Drüsen- 
zellen nach  außen. 


94 


Rudolf  Hochreuther, 


Wir  können  so  wie  von  dem  Cranium  auch  von  den  Skeletplatten 
des  Thoraxstammes  sagen,  daß  sie  nur  mechanisch  reizbar  sind.  Die 
wenigen  hohlen  Grubenkegel  am  Mesoscutellum  vermögen  nicht,  dieses 
allgemeine   Urteil  zu  beeinflussen,   denn  sie  verschwinden  unter  der 


Fig.  92. 

Linke  Hälfte  des  Metasternuni  und  linke  C'oxa  des  dritten  Beinpaares  vom  fi  Käfer,    chg,  Chitin- 
grübchen;   cxui,  Coxa  des  dritten  Beinpaares;   kz,  keulenförmiger  Zapfen;   sb,  Sinnesborste;   sh, 
Sinneshaar;  stjj/,  Sternum  des  dritten  Thoracalsegmentes. 


Unmenge  von  Organen  des  mechanischen  Sinnes  so  sehr,  daß  man 
an  eine  bedeutende  chemische  Reizbarkeit  der  Thoracalplatten  nicht 
glauben  kann.  Nagel  erwähnt  auch  nichts  derartiges.  Immerhin 
ist  das  Vorkommen,  wenn  auch  nur  einzelner  Geschmacks-  oder  Ge- 
ruchsorgane an  dem  Thoraxskelet  von  Interesse. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


95 


d.  Die  Hautsinnesorgane  der  thoracalen  Gelenkhäute. 
An  den  beiden  Gelenkhäuten  zwischen  den  drei  Thoraxsegmenten 
finden  sich  sehr  interessante  Sinnesorgane  und  zwar  im  Zusammen- 
hang mit  den  daselbst  gelegenen  beiden  Paaren  von  Thoracalstigmen. 
Es  treten  hohle  Grubenkegel,  schlanke  Sinneszapfen  und  einzelne 
Sinneshaare  auf.     W.  Alt  hat  bei  Beschreibung  der  Thoracalstigmen 


Fig.  93. 

Sinnesfeld  am  ersten  Thoracalstigma  (Gelenkhaut  zwischen  Pro-  und  Mesothorax).     74  :  1. 
hgk,  hohler  Grubenkegel;  sh,  Sinneshaar;  szif,  Sinneszapfen. 

von  Dytiscus  die  Grubenkegel  schon  gefunden.    Von  den  Sinneszapfen 
und  Sinneshaaren  dagegen  erwähnt  er  nichts. 

Am  ersten  Thoracalstigma  (Fig.  93)  sind  alle  drei  Formen  von 
Sinnesorganen  vorhanden.  Sie  stehen  an  der  von  der  Mediane  abge- 
wandten Seitenfläche  des  nach  Alt  schornsteinförmigen  Stigmas,  und 
zwar  besetzen  sie  nicht  nur,  wie  Alt  angibt,  einen  seitlich  der  Stig- 
menöffnung gelegenen  Wulst  (»Sinneshügel«  nach  Alt),  sondern  ziehen 
von  diesem  in  einem  breiten  Streifen  nach  dem  dorsal  gelegenen  Teil 


96 


Rudolf  Hochreuther, 


des  Schornsteins  hin.  Auf  dem  Sinneshügel,  also  dicht  neben  dem 
Eingang  des  Stigmas,  herrschen  die  hohlen  Grubenkegel  vor  (Fig.  93 
u.  54  hgk).  Dort  finden  sich  etwa  zehn  dieser  Kegel.  Auf  der  ganzen 
seitlichen  Fläche  fehlen  diese  dagegen;  nur  in  dem  dorsalen  Teil  des 
Sinnesfeldes  treten  sie  wieder  in  kleinerer  Zahl  (vier  bis  fünf)  auf.    Wo 

sich  diese  Grubenkegel  finden, 
treten  die  Sinneszapfen  an  Zahl 
zurück.  Am  Stigmenrand  sind 
nur  sehr  wenige  vorhanden 
(Fig.  93  u.  28  szpf).  Dagegen 
begleiten  sie  die  ganze  seitliche 
Fläche  des  Stigmas.  Insgesamt 
beträgt  ihre  Zahl  am  ersten 
Thoracalstigma  ungefähr  25. 
In  dem  dorsalen  Teil  des  Feldes 
stehen  neben  ihnen  und  den 
wenigen  Grubenkegeln  zwei  bis 
drei  Sinneshaare  (Fig.  93  sh). 

Am  zweiten  Thoracalstigma 
(Fig.  94)  stehen  zu  beiden  Seiten 
des  ovalen  Spaltes  reihenförmig 
angeordnet  ausschließlich  hohle 
Grubenkegel  (hgk)  von  gleichem 
Bau  wie  die  am  ersten  Stigma. 
Nur  sind  sie  hier  zum  Teil  mit 
dem  eng  anliegenden  Körper- 
chitin etwas  über  die  Um- 
gebung emporgehoben,  was  Alt 
wohl  zu  der  einen  nicht  ganz 
richtigen  Abbildung  verleitete. 
Ihre  Gesamtzahl  an  diesem 
Stigma   beträgt  13 — 15. 

An  den  Gelenkhäuten  finden 
wir  also  im  Gegensatz  zu  den 
Skeletplatten  des  Thorax  in  ganz  hervorragendem  Maße  den  chemischen 
Sinn  entwickelt,  während  Organe  des  mechanischen  Sinnes  am  ersten 
Thoracalstigma  auch  noch  vorhanden  sind,  aber  am  zweiten  völlig 
fehlen.  Die  Sinneshaare  und  Sinneszapfen  am  ersten  Stigma  sind  des- 
halb von  Bedeutung,  weil  das  erste  Thoraxsegment  gegen  das  zweite 
ziemlich   beweglich   ist,   und   das   Stigma   schornsteinartig  vorspringt. 


hgk-- 


Fig.  94. 
Zweites  Thoracalstigma  (Gelenkhaut  zwischen  Meso 
und  Metathorax).     74  :  1,    hgk,   hohle   Grubenkegel 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  97 

Zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Segment,  also  beim  zweiten  Stigma, 
hätten  sie  keine  Bedeutung,  da  diese  beiden  Segmente  vollkommen 
unbeweglich  miteinander  verbunden  sind.  Die  Ausstattung  der  Um- 
gebung der  Stigmen  mit  Organen  des  chemischen  Sinnes  läßt  sich  leicht 
erklären;  sie  haben  die  Luft  zu  prüfen,  ehe  sie  in  die  Stigmen  auf- 
genommen wird. 

e.  Die  Hautsinnesorgane  der  Beinpaare. 

Zwischen  den  Beinpaaren  finden  wir  in  der  Verteilung  der  Sinnes- 
organe recht  weitgehende  Übereinstimmung.  Nur  die  Teile,  die  schon 
infolge  morphologischer  Verschiedenheiten  von  den  entsprechenden  der 
anderen  Beinpaare  unterschieden  sind,  zeigen  auch  abweichende  Ver- 
hältnisse in  der  Anordnung  der  Sinnesorgane.  Es  handelt  sich  hierbei 
weniger  um  die  Verteilung  an  den  Tarsalgliedern  1 — 3  der  ersten  und 
zweiten  Beinpaare  des  J1  (s.  Fig.  95  tat  u.  97  taTI),  die  gegenüber  den 
anderen  Tarsen  infolge  der  Besetzung  mit  Saugnäpfen  mehr  oder  weniger 
umgestaltet  sind,  als  um  die  Verhältnisse  an  den  Coxen  der  dritten 
Beinpaare,  die,  außerordentlich  vergrößert  und  fest  mit  dem  Meta- 
sternum  verwachsen,  wie  wir  schon  hörten,  an  der  ventralen  Abgren- 
zung dieses  Thoraxsegmentes  teilnehmen  (s.  Fig.  92  cxIU). 

Die  Coxen  der  ersten  und  zweiten  Beinpaare  (Fig.  95  u.  96  cxl 
u.  Fig.  97  cxn)  zeigen  an  ihrer  Einlenkungsstelle  in  drei  getrennten 
Feldern  Sinneshaare  und  Sinnesborsten  (Fig.  95  u.  97  sh  u.  sb).  Außer- 
dem sitzen  feine  Sinnesborsten  (Fig.  95 — 97  fsb)  an  ihrer  Oberfläche 
verteilt.  Sie  sind  an  den  ersten  Beinpaaren  so  angeordnet,  daß  sie 
nur  bei  Bewegung  der  Beine  in  die  Gelenkgruben  des  ersten  Thorax- 
segmentes zu  liegen  kommen,  beim  zweiten  Beinpaar  liegen  sie  dagegen 
schon  während  der  Ruhelage  der  Beine  zum  großen  Teil  in  der  Gelenk- 
höhle. An  den  Coxen  des  ersten  Beinpaares  stehen  zwischen  den 
Borsten  noch  Sinneszapfen  und  massive  Grubenkegel  (Fig.  95  u.  96  mgk 
u.  szff).  Alle  diese  Organe  werden  die  Funktion  haben,  den  Käfer 
über  die  Haltung  seiner  Beine  gegen  den  Körper  zu  orientieren,  indem 
sie  bei  Bewegung  der  Coxen  an  der  Wandung  der  Gelenkhöhle  an- 
stoßen oder  reiben.  In  sehr  geringer  Zahl  treten  an  den  Coxen  der  ersten 
und  zweiten  Beinpaare  kuppeiförmige  Organe  auf,  deren  Bau  in  Fig.  66 
dargestellt  ist.  An  Schnitten  durch  die  Coxa  vom  mittleren  Beinpaar 
eines  Männchens  fand  sich  auch  ein  hohler  Grubenkegel  (Fig.  55).  Ob 
sich  solche  auch  an  den  Coxen  des  ersten  Beinpaares  finden,  kann  ich 
nicht  bestimmt  sagen;  es  will  mir  aber  wahrscheinlich  erscheinen,  da 
Organe  des  chemischen  Sinnes  am  ganzen  Körper  verbreitet  sein  dürften. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  7 


98 


Rudolf  Hochreut  her, 


Die  Coxen  des  dritten  Beinpaares  lassen  infolge  ihrer  Verlagerung 
und  Umgestaltung  (Fig.  92  cxni)  Verhältnisse  erkennen,  die  denen 
des  Metasternum  vollkommen  gleichen.  An  dem  tiefst  gelegenen 
Teil  sitzen  neben  keulenförmigen  Zapfen  (Fig.  92  kz)  einzelne  Sinnes- 


uszpr 


Fig.  95.  Fig.  96. 

Linkes  Bein  vom  ersten  Beinpaar  des  <3  Käfers.  Linkes    Bein    vom    ersten   Beinpaar  des  Q 

11  :  1.    Die  Tarsalglieder  sind  aus  ihrer  natür-  Käfers.     11  :  1. 

liehen    Lage    herausgedreht,     um    die    Haft- 
scheiben sichtbar  zu  machen. 
Starke    Besetzung    mit    Sinneshaaren   (sh)    und    -borsten    (s&);    am    Trochanter    kuppelförmige 
Organe  (kpo).     Weitere  Abk.  s.  S.  113. 

haare  (Fig.  92  sh).  Wenige  Sinnesborsten  finden  sich  an  dem  schmalen 
seitlichen  Rand  der  Coxen,  wo  diese  an  das  Metanotum  ansetzen  (Fig.  92 
u.  17  sb). 

Sehr    übereinstimmend    verhalten  sich   die    Trochanter    (Fig.  95 
u.  96  tTj-,  Fig.  97  trn  u.  Fig.  98  fr//7).     An  denen  der  beiden  ersten 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


99 


Beinpaare  fallen  vor  allem  die  Sinnesborsten  in  die  Augen,  die  sie  in 
großer   Zahl   besetzt   halten    (Fig.  95 — 97  sb).      Am   dritten   Beinpaar 


l\i,Y.\  V*V. 


Fig.  97. 


Fig.  98. 


Linkes  Bein  vom  zweiten  Beinpaar    des    3  Linkes   Bein   vom   dritten   Beinpaar   des  £ 

Käfers.     7:1.  Käfers.     7:1. 

cxu,  Coxa  des  zweiten  Beinpaares;  feu,  fem,  Femur  des  zweiten  und  dritten  Beinpaares;  fef, 
Femoralfurche;  fsb,  feine  Sinnesborsten ;  h,  Haar;  kpo,  kuppeiförmiges  Organ;  mgk,  massive 
Grubenkegel;  sb,  Sinnesborste;  sh,  Sinneshaar;  synpf,  Saugnapf;  tau,  ta!n,  Tarsus  des  zweiten 
und  dritten  Beinpaares;  tiu,  U/u,  Tibia  des  zweiten  und  dritten  Beinpaares;  tr/i,  trju,  Trochanter 
des  zweiten  und  dritten  Beinpaares. 

treten  sie  dagegen  zurück.     Hier  finden  wir  nur  feinere  Sinnesborsten 
(Fig.  98  fsb) ;   vor  allem  überwiegen  aber  kleine  massive  Grubenkegel 


100  Rudolf  Hochreuther, 

(Fig.  98  mgk),  die  vereinzelt  auch,  und  mit  keulenförmigen  Zapfen 
(vgl.  Fig.  40)  untermischt,  an  der  Beugeseite  der  ersten  und  zweiten 
Trochanter  auftreten  (Fig.  96  mgk  u.  kz  u.  Fig.  97  mgk).  Äußerst  regel- 
mäßig tragen  alle  Trochanter  kuppeiförmige  Organe  (Fig.  95 — 98  kpo), 
deren  Bau  in  Fig.  68  dargestellt  ist.  Sie  ziehen  ziemlich  in  einer  Linie 
von  sechs  bis  acht  (nur  an  den  dritten  Beinen  sind  es  weniger)  unmittel- 
bar unterhalb  des  Ansatzes  an  die  Coxa  über  die  ventrale  Fläche  der 
Trochanter  hin.  Am  ersten  Beinpaar  waren  sie  in  geringer  Zahl  auch 
an  der  Beugeseite  nachzuweisen.  Sie  werden,  wie  die  des  Kopfes  und 
der  Oberseite  der  Oberlippe  beim  Schwimmen  oder  Fliegen  jedenfalls 
von  Wichtigkeit  sein. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse  zeigen  Femur  und  Tibia  (Fig.  95  u.  96 
fet  u.  tiji  Fig.  97  fe.jj  u.  tin;  Fig.  98  feZII  u.  tiin).  Auch  hier  fallen 
in  erster  Linie  Borsten  auf,  die  in  den  Fig.  95 — 98  mit  sb  bezeichnet 
sind.  An  Größe  und  Stärke  sind  sie  sehr  verschieden.  Besonders 
starke  stehen  an  dem  distalen  Ende  der  Tibia.  Dabei  ist  jedoch  zu 
bemerken,  daß  die  beiden  größten  borstenartigen  Gebilde,  die  an  der 
Beugeseite  eines  jeden  Tibiaendes  stehen,  keine  echten  Borsten  sind, 
denn  sie  zeigen  an  ihrer  Wand  eine  Bekleidung  mit  der  Hypodermis 
und  in  ihrem  Lumen  allerlei  zellige  Elemente.  Diese  unechten  Borsten, 
die  in  Wirklichkeit  als  Ausstülpungen  der  Tibien  anzusehen  sind, 
haben  naturgemäß  keine  Sinnesfunktion.  Von  den  übrigen  Borsten 
am  Tibiaende  gilt  das,  was  schon  im  allgemeinen  Teil  über  das  gleich- 
zeitige Vorkommen  von  Drüsen-  und  Sinnescharakter  an  Borsten  zu 
sagen  war  (vgl.  Fig.  23  u.  24  sb).  Auch  von  vielen  andern  Borsten  der 
Tibia  und  des  Femur  gilt  dasselbe.  Ob  die  Verhältnisse  aber  durch- 
gängig an  allen  Borsten  dieser  Teile  so  liegen,  muß  dahingestellt  bleiben. 
Es  wäre  möglich,  daß  manchen  von  ihnen  nur  Drüsen-,  anderen  dagegen 
nur  Sinnesfunktion  zukäme.  Die  Bezeichnung  aller  Borsten  als  Sinnes- 
borsten muß  also  mit  Vorbehalt  eingeführt  werden. 

Dasselbe  gilt  von  den  am  ersten  und  zweiten  Beinpaar  auftretenden, 
durch  Übergangsformen  mit  den  Borsten  verbundenen  Haaren  (Fig.  95 
bis  97  sh).  Sie  stehen  in  einem  Felde  am  proximalen  Ende  des  Femur 
und  ziehen  von  dort  in  einer  Keihe  über  die  dorsale  Chitinfalte,  welche 
die  mediale  Femoralfurche  (Fig.  95 — 98  fef)  begrenzt,  nach  dem  distalen 
Teil.  Am  ersten  Beinpaar  finden  sie  sich  auch  an  der  ventralen  Falte, 
während  sie  am  zweiten  noch  die  Streckseite  des  Femur  begleiten 
(Fig.  97).  Dort  finden  sie  sich  auch  an  der  Tibia  (Fig.  95  u.  96  sh). 
Am  dritten  Beinpaar  fehlen  dem  Femur  die  Haare  völlig.  Dagegen 
trägt  die   Tibia  an  der  Streckseite   von   den    außerordentlich  langen 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw.  101 

Haaren,  die  uns  dann  am  Tarsus  dieses  Beinpaares  wieder  begegnen, 
und  die  von  Bedeutung  beim  Rudern  sind.  Darum  scheint  ihnen  auch 
keine  Sinnesfunktion  zuzukommen.  Auch  bei  den  Haaren,  die  die 
Streckseite  der  Tibia  begleiten,  konnte  aus  den  Zellelementen  eine 
Sinnesfunktion  nicht  nachgewiesen  werden;  vielmehr  scheinen  hier 
einfache  Drüsenhaare  vorzuliegen. 

In  der  medialen  Femoralfurche  und  auf  deren  Rändern  sitzen  an 
den  ersten  Beinpaaren  massive  Grubenkegel  und  einzelne  massive 
Sinneszapfen  (Fig.  96  mgk  u.  szpf).  Diese  finden  sich,  mit  kleinen 
Borsten  untermischt,  auch  an  der  entsprechenden  Stelle  des  dritten 
Beinpaares  (Fig.  98  fef),  während  an  dem  zweiten  Beinpaare  dort  nur 
kleine  Borsten  auftreten  (Fig.  97  fef).  Diese  Organe  werden  in  Funk- 
tion treten,  wenn  die  Tibia  gegen  den  Femur  in  diese  Falte  einge- 
schlagen wird.  Sonst  zeigen  sich  noch  vereinzelt  massive  Gruben- 
kegel am  Femur  des  dritten  und  an  Femur  und  Tibia  des  zweiten 
Beinpaares   (Fig.  98  fenI,  mgk  und  Fig.  97  fen  u.  tin,  mgk). 

Sehr  bemerkenswert  ist  vor  allem  noch  das  Auftreten  kuppei- 
förmiger Organe  am  Femur  der  ersten  und  zweiten  Beinpaare.  Wegen 
ihrer  Kleinheit  gelang  es  nicht,  ihre  genauere  Lage  an  Totalpräparaten 
zu  ermitteln,  während  dies  bei  den  Organen  der  Trochanter  ein  leichtes 
war.  Nur  auf  Schnitten  traten  die  Organe  am  Femur  und  zwar  in  der 
Gegend  der  Beugeseite  auf,  und  in  Fig.  62  u.  63  sind  zwei  Bilder  dieser 
Organe  gegeben.  Am  Grunde  der  Tibia  des  ersten  Beinpaares  ließ  sich 
am  Totalpräparat  ebenfalls  je  ein  Organ  feststellen  (Fig.  95  u.  96  tiv 
kpo).  Ihre  Bedeutung  an  Femur  und  Tibia  wird  dieselbe  sein  wie  an 
den  Trochantern. 

Die  Tarsen  endlich  besitzen,  abgesehen  von  den  kuppeiförmigen 
Organen,  dieselben  Organformen  wie  Femur  und  Tibia.  Auf  die  mor- 
phologischen Verschiedenheiten  der  ersten  und  zweiten  Tarsen  bei  cT 
und  0  wurde  schon  hingewiesen  (Fig.  95  u.  96  to7).  Rings  um  die 
von  den  Saugnäpfen  bestandene  runde  Fläche  der  ersten  (Fig.  95  täj) 
und  längliche  Fläche  der  zweiten  C?  Tarsen  (Fig.  97  taI})  stehen  Sinnes- 
haare (Fig.  95  u.  97  sh).  Beim  Q  finden  sich  dagegen  anstatt  der  Saug- 
näpfe zwei  Reihen  von  Sinnesborsten  an  der  Beugeseite  dieser  Tarsen 
in  ebensolcher  Anordnung,  wie  sie  sich  dann  am  vierten  und  fünften 
Tarsalglied  auch  beim  c?  finden  (Fig.  95  sb).  An  den  distalen  Enden 
der  nicht  an  saugnapftragende  Glieder  anstoßenden  Tarsalglieder  mit 
Ausnahme  der  letzten  stehen  Borsten  in  größerer  Zahl.  Die  Streck- 
seiten tragen  bei  C?  und  2  längere  Haare,  die  in  Fig.  96  sh  am  weib- 
lichen Tarsus  zu  erkennen  sind.    An  den  seitlich  gelegenen  Teilen  der 


102 


Rudolf  Hochreuther, 


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Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  rnarginalis  L.,  usw.  103 

Tarsen  finden  sich  einzelne  feine  Sinnesborsten  (Fig.  95  u.  96  fsb)  oder 
massive  Grubenkegel  (Fig.  97  mgk).  Diese  fehlen  den  dritten  Tarsen 
vollkommen.  Sie  tragen,  abgesehen  von  den  Borsten  am  distalen  Ende 
jedes  Gliedes,  an  der  dorsalen  Fläche  lange  Ruderhaare  (Fig.  98  h), 
wie  wir  sie  schon  an  der  Tibia  dieses  bei  cf  und  Q  nur  an  Größe  etwas 
verschiedenen  Beines  fanden. 

3.  Die  Hautsinnesorgane  des  Abdomens. 

Wie  die  Thoracalsegmente  werden  auch  die  einzelnen  Abschnitte 
des  Abdomens  von  vier  Skeletteilen  gebildet:  einem  dorsalen  Tergit, 
zwei  seitlichen  Pleuren  und  einem  ventralen  Sternit.  Infolge  besonderer 
Modifizierungen,  namentlich  wegen  der  teilweisen  Heranziehung  man- 
cher Skeletteile  zum  Genitalapparat,  zeigen  nicht  alle  Segmente  die 
vier  Teile  deutlich.  Zum  Teil  sind,  besonders  nach  dem  Thorax  hin, 
einzelne   Stücke  auch  ganz  zurückgebildet. 

Alle  vorhandenen  Chitinteile,  soweit  sie  außen  am  Abdomen  ge- 
legen sind,  und  auch  manche,  die  in  den  Dienst  des  Genitalapparates 
getreten  sind  und  darum  nur  zeitweise  aus  ihrer  Lage  im  Innern  des 
Abdomens  herausgestülpt  werden,  zeigen  eine  Besetzung  mit  Sinnes- 
organen. 

a.  Die  Hautsinnesorgane   an   den  äußeren  Skelet- 
teilen des  Abdomens.. 

Wir  wollen  die  Verteilung  der  Sinnesorgane  zuerst  an  den  äußer- 
lich am  Abdomen  gelegenen  Skeletteilen  ins  Auge  fassen,  brauchen 
dabei  aber  nicht  segmentweise  vorzugehen  wie  am  Thorax,  sondern 
können,  da  zwischen  den  entsprechenden  Teilen  der  einzelnen  Seg- 
mente große  Übereinstimmung  herrscht,  die  gesamte  Rückendecke, 
bzw.  den  gesamten  seitlichen  Rand,  bzw.  die  gesamte  Ventralseite 
zugleich  betrachten. 

Die  Rückendecke,  von  den  Abdominaltergiten  I  bis  VIII  (Fig.  99 
Iat  bis  Vlllat)  gebildet,  läßt  in  dem  mittleren,  dunkel  gefärbten  Feld 
des  vorderen  Teiles  vor  allem  eine  Besetzung  mit  sehr  langen  Haaren  (h) 
erkennen.  Ob  diese  Haare  zu  einer  Sinnesfunktion  oder  vielmehr  nur 
zu  einer  secernierenden  Funktion  befähigt  sind,  war  auf  Grund  der 
Präparate  nicht  sicher  zu  ermitteln  (vgl.  Fig.  5  h).  An  den  hinteren 
Segmenten  verschwinden  die  langen  Haare,  und  an  ihre  Stelle  treten 
kürzere  Sinnesborsten  (Fig.  99  sb),  die  besonders  am  letzten  Tergit 
(VI Hat)  in  großer  Zahl  stehen.  An  den  seitlichen,  hellen,  häutigen 
Teilen  der  Rückendecke   sind  in  Feldern  dicht  hinter  den  Stigmen 


104 


Rudolf  Hochreuther, 


ebenfalls  Sinnesborsten  (sb)  angeordnet,  die  zum  größten  Teil,  wie  auch 
die  des  dunklen  mittleren  Feldes,  den  gewöhnlichen  Bau  der  Borsten 


Fig.  99. 

Linke  Hälfte  der  B  ückendecke  (Tergite  Iat  bis  VI  Hat)  und  linke  Pleuren  (Hapl  bis  Vllapl)  des 

Abdomens  vom  <3  Käfer.    Die  Pleuren  sind  etwas  nach  oben  gebogen,  damit  sie  in  dieselbe  Ebene 

mit  den  Tergiten  fallen.     7  :  1.     h,  Haar;  sb,  Sinnesborste;  szpf,  Sinneszapfen. 

zeigen  (vgl.  Fig.  16).  Zu  einem  kleinen  Teil  aber  und  zwar  an  den 
tiefst  gelegenen  Stellen  der  seitlichen  Tergite,  sind  sie  auf  Zapfen  be- 
sonders erhoben  (vgl.  Fig.  15). 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


105 


1  SS 


-Was 


Organe  des  chemischen  Sinnes,  die  in  der  Umgebung  der  Thoracal- 
stigmen  (vgl.  Fig.  93  u.  94  hgk)  vorhanden  waren,  fehlen  an  den  Ab- 
dominalstigmen vollkommen. 

An  den  Seitenrändern  des  Abdomens  (Abdominalpleuren  II — VII) 
(Fig.  99  Ilapl—VIIapl) 
treten  neben  zahlreichen 
Sinnesborsten  (sb)  man- 
nigfacher Größe  und 
Form  (vgl.  Fig.  19  u.  20) 
auch  Sinneszapfen  auf, 
und  zwar  vornehmlich 
an  den  vorderen  Pleuren 
(Fig.  99  szpf).  Teilweise 
sind      es      gewöhnliche 

Sinneszapfen  (vgl. 
Fig.  29  szpf) ,  teilweise 
gehören  sie  den  keulen- 
förmigen Zapfen  an, 
und  diese  gleichen  in 
ihrem  Bau  sehr  denen 
der  Mesopleuren  (vgl. 
Fig.  34). 

Die  Ventralseite, 
von  den  Abdominalster- 
niten  II— VII  (Fig.  100 
Ilas — VI  las)  gebildet, 
zeigt  vor  allem  eine 
reiche  Besetzung  mit 
keulenförmigen  Zapfen 
(Fig.  100  kz)  von  charak- 
teristischer Form  (vgl. 
auch  Fig.  39).  Daneben 
stehen  in  zwei  symme- 


tfas 


-Fas 


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Fig.  100. 


Linke  Hälfte   der  Ventralseite   (Sternite   Ilas  bis   VHIas)  des 
triSChen    Streifen ,    nahe    Abdomens  vom  <3  Käfer.    Der  Penis  (p)  und  die  Paramere  (pa) 
der  Mittellinie  der  Ven-    sind  etwas  aus  dem  Körper  hervorgezogen.    7  :  1.    kz,  keulen- 
,      .  .  förmige  Zapfen;  sb,  Sinnesborste. 

tralseite,  einzelne  Sinnes- 
borsten (Fig.  100*6).      Das    schon    in    Beziehung    zum    Geschlechts- 
apparat tretende  achte  Sternit   (Fig.  100  VHIas)  trägt  ausschließlich 
Sinnesborsten  (sb). 

So  treten  an  den  äußeren  Teilen  des  Abdomens  nur  Organe  des 


106 


Rudolf  Hochreuther, 


mechanischen  Sinnes  und  zwar  nur  Tastorgane  auf,  während  kom- 
pliziertere Organformen  völlig  fehlen.  An  den  Geschlechtsorganen 
werden  wir  dasselbe  finden. 

b.  Die  Hautsinnesorgane  des  Geschlechtsapparates. 

An  dem  in  dem  Abdomen  ruhenden  Geschlechtsapparat,  der  zum 
Teil  von  eingezogenen  Teilen  der  letzten  Abdominalsegmente  gebildet 
wird,  finden  sich  beim   Q   und  cT  Käfer  ebenfalls  Sinnesorgane,  die 


ksh 


Fig.  101. 

Penis  (p)  und  Paramer  (pa)  von  der  Seite  gesehen.  11:1.  Am  Penis  massive  Sinneszapfen  (szpf); 
am   Paramer    massive  Grubenkegel  (mgk).     ksh,  kurzes,  massives  Sirneshaar;    sb,  Sinnesborste; 

sh,  Sinneshaar. 

während  der  Begattung  bzw\  der  Eiablage  in  Funktion  zu  treten  haben. 
Beim  cf  Käfer  sitzen  Sinnesorgane  am  Penis  (Fig.  101  p)  und  den  beiden 
durch  das  häutige  Präputium  verbundenen  Parameren  (Fig.  101  pa). 
Am  Q  Apparat  treten  sie  am  Legesäbel  (Fig.  102  h)  und  am  distalen 
Teil  der  proximal  vom  Legesäbel  einer  häutigen  Membran  (Fig.  102  nibr) 
aufgelagerten  Seitenspangen  (Fig.  102  ssp)  entgegen.  Die  häutige  Mem- 
bran selbst,  die  die  unmittelbare  Fortsetzung  des  Legesäbels  bildet, 
trägt  dicht  vor  ihrem  Anschluß  an  diesen  ebenfalls  Sinnesorgane. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


107 


Der  Penis  (Fig.  101  p)  ist  an  seinem  inneren  Rande  von  einer 
dichten  Reihe  verschieden  langer  Sinneshaare  (sh)  besetzt.  Sie  er- 
strecken sich  in  der  distalen  Hälfte,  ohne  aber  die  Penisspitze  zu  er- 
reichen, und  sind  in  der  Mitte  der  Reihe  am  längsten,  während  sie 
nach  den  beiden  Enden  an  Größe  langsam  abnehmen.  Die  Spitze  des 
Penis,  einschließlich  des  länglich  runden  Penisknopfes,  ist  über  und  über 
von  sehr  kleinen,  schlanken,  massiven  grubenständigen  Zapfen  (szpf) 
besät  (vgl.  auch  Fig.  33!).  Dieser  Besatz  zieht  sich  an  dem  äußeren 
Rande  des  Penis  bis  zur  Geschlechtsöffnung  hin  und  verfolgt  dann 
weiter  die  Linie,  mit  der  der  distale  Teil  des  Penis  an  den  ansklapp- 
baren,  der  an  seiner  Spitze  die  Geschlechtsöffnung  bildet,  grenzt  (s. 
Fig.  101). 

An  den  Parameren  (Fig.  101  pa)  fallen  zuerst  die  langen  Haare  in 
die  Augen,  die,  am  unteren  Rand  ansetzend,  den  seitlichen  Teil  des 
Präputiums  begleiten  und 
noch  über  seinen  ventralen 
Rand  hinausragen.  Die 
Seitenfläche  der  Parameren 
trägt  massive  Grubenkegel 
(mgk),  die  in  besonders 
dunklen,  ovalen  Feldern 
eingesenkt  stehen.  Die 
Form  der  Feldchen  ist  in 
dem  Übersichtsbild  zu  er- 
kennen, denn  die  Ovale 
stellen  diese  Feldchen  dar, 
während  der  kleine  helle 
Kreis  in  ihnen  den  Kegeln  entsprechen  würde.  An  dem  oberen  Rand 
mischen  sich  unter  diese  Kegel  einzelne  kurze,  breite  Sinneshaare 
(ksh)  von  ähnlicher  Form,  wie  sie  uns  am  Grunde  der  Mandibeln 
(vgl.  Fig.  76  schh)  entgegentreten.  Wie  am  Penis,  so  ist  auch  an  den 
Parameren  die  Besetzung  mit  Sinnesorganen  auf  die  distale  Hälfte 
beschränkt,  und  an  dem  Ende  selbst  ist  sie  am  dichtesten. 

Am  Legesäbel  (Fig.  102  Is)  liegen  die  Verhältnisse  anders,  indem 
er  an  seiner  ganzen  Oberfläche  von  Sinnesorganen  besetzt  ist.  Immer- 
hin ist  auch  hier  eine  Verdichtung  in  der  Anordnung  nach  dem  Ende 
hin  zu  bemerken.  Die  Organe,  die  hier  stehen,  sind  wie  am  Penis 
massive  grubenständige  Zapfen  (szpf).  Die  tiefe  Einsenkung  der  kleinen 
Organe  in  das  starke  Chitin  (vgl.  nochmals  Fig.  33!)  liegt  in  der  Funk- 
tion des   Penis  und  Legesäbels    begründet.     Sie  müssen,  namentlich 


Fig.  102. 

Legesäbel  (h)  und   Seitenspangen  (ssp)    von    der  Seite  ge- 
sehen.   11:1.    mbr,  chitinöse  Membran :  szif,  Sinneszapfen. 


108 


Rudolf  Hochreuther, 


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03 


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förmige 
Organe 

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1 

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1 

1 

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1 

1 

kelch- 
förmige 
Organe 

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Tast-  und 
Geschmacks- 
zäpfchen 

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1 

1 

1 

1 

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Sinneshaare                       Sinnesborsten 

^3 
O 

'S 

65 

hintere  Segmente 

und  Felder  hinter 

den  Stigmen 

h=5 
o 

'S 

69 

an  allen  Seg- 
menten, besonders 
den  hinteren 

_o 

'S 
u 

3 

cä 

65 

spärlich  in  2  Strei- 
fen an  den  Seg- 
menten 2  bis  7, 
dichtes  Feld  am 
Segment  8. 

1 

! 

'S 

65 

vordere  Segmente 

(mittleres  dunkles 

Feld)  ? 

1 

1 

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5 

Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  inarginalis  L.,  usw.  109 

während  der  Arbeit  des  Legesäbels,  genügend  geschützt  sein.  Und 
diesen  Schutz  gibt  in  Verbindung  mit  der  tiefen  Einsenkung  nament- 
lich auch  die  Enge  des  Porenkanals.  An  den  proximalen  Seitenflächen, 
etwa  bis  zur  Stelle,  wo  die  ^  Geschlechtsöffnung  liegt,  wird  die  Stel- 
lung der  Organe  lichter.  Aber  ganz  am  proximalen  Ende,  wo  die 
häutige  Membran  (mbr)  anschließt  und  die  schmalen  geschweiften 
Seitenspangen  (ssp)  überragen,  wird  sie  wieder  dichter. 

Soweit  die  Membran  (Fig.  102  mbr)  und  die  Seitenspangen  (Fig.  102 
ssp)  Sinnesorgane  tragen,  sind  es  dieselben  wie  am  Legesäbel. 

Auch  an  den  Geschlechtsorganen  erkennen  wir  also  den  voll- 
kommenen Mangel  von  komplizierteren  Organen  des  mechanischen 
und  allen  Organen  des  chemischen  Sinnes.  Nur  Tastorgane,  die  auch 
allein  an  diesen  Teilen  von  Wichtigkeit  sind,  finden  sich  in  beträcht- 
licher Zahl. 

D.  Zusammenfassung. 

1)  An  dem  Körper  von  Dytiscus  inarginalis  L.  sind  folgende  Arten 
von  Hautsinnesorganen  zu  unterscheiden: 

Sinneshaare,  Sinnesborsten,  Sinneszapfen,  Tast-  und  Geschmacks- 
zäpfchen, Grubenkegel  (massive  und  hohle),  kelchförmige  Organe  und 
kuppeiförmige  Organe. 

2)  Dem  mechanischen  Sinn  dienen  davon: 

Sinneshaare,  Sinnesborsten,  Sinneszapfen,  Tastzäpfchen,  massive 
Grubenkegel,  kelchförmige  Organe  und  kuppeiförmige  Organe. 

Und  zwar  dienen  dem  Tastsinn  die  fünf  zuerst  angeführten  Formen, 
davon  die  Tastzäpfchen  jedenfalls  in  vollkommenstem  Maße.  Die 
kelch-  und  kuppeiförmigen  Organe  dürften  dagegen  zur  Perception 
des  Wasser-  und  Luftwiderstandes  beim  Schwimmen  und  Fliegen 
dienen. 

3)  Dem  chemischen  Sinn  dienen: 
Geschmackszäpfchen  und  hohle  Grubenkegel. 

Geruchs-  und  Geschmacksfunktion  sind  besonders  während  des 
Aufenthaltes  des  Käfers  im  Wasser  kaum  zu  unterscheiden. 

4)  Der  Kopf  trägt  alle  Formen  der  Organe  des  mechanischen 
und  chemischen  Sinnes. 

Die  des  mechanischen  Sinnes  sind  an  allen  Teilen  verbreitet, 
während  Organe  des  chemischen  Sinnes  nur  an  den  Antennen,  den 
Mundwerkzeugen  (Oberlippe,  Mandibel,  Lobus  externus,  Palparium, 
Palpus  maxillaris,  Palpus  labialis)  und  dem  Gaumen  (Gaumenplatten 
und  Gaumenzapfen)  vorkommen. 


110  Rudolf  Hochreuther, 

Die  Antennen  sind  infolge  der  reichen  Besetzung  mit  kelchförmigen 
Organen  in  erster  Linie  als  Organe  des  Gleichgewichtssinnes  aufzu- 
fassen. 

Maxillar-  und  Unterlippentaster  müssen  infolge  der  Besetzung 
ihrer  Endglieder  mit  Tastzäpfchen  als  die  feinsten  Tastorgane  gelten, 
wenn  sie  auch  daneben  wegen  der  an  ihnen  vorhandenen  Gesehmacks- 
zäpfchen  und  hohlen  Grubenkegel  empfindliche  Organe  eines  chemischen 
Sinnes  sind. 

5)  Der  Thorax  trägt  mit  Ausnahme  der  Tast-  und  Geschmacks- 
zäpfchen  und  der   kelchförmigen  Organe  alle  anderen  Organformen. 

Die  des  chemischen  Sinnes  (hohle  Grubenkegel)  treten  aber  sehr 
zurück.  Sie  finden  sich  nur  an  den  Thoracalstigmen  und  den  Coxen 
der  beiden  ersten  Beinpaare;  beim  Q  Käfer  treten  sie  in  geringer 
Zahl  am  Mesoscutellum  auf. 

In  der  Anordnung  der  Organe  des  mechanischen  Sinnes,  die  sich 
an  allen  Teilen  finden,  zeigt  sich  am  Pronotum  (ebenso  wie  an  den 
hier  nicht  untersuchten  Elytren)  ein  Geschlechtsdimorphismus,  indem 
das  Q.  dort  größere  Sinnesorgane  in  dichterer  Anordnung  trägt  als 
das  cf .  —  Organe  zur  Wahrnehmung  des  Luft-  und '  Wasserdrucks 
(kuppeiförmige  Organe)  befinden  sich  nur  an  den  Beinen,  vor  allem 
am  Trochanter. 

6)  Das  Abdomen  trägt  an  allen  seinen  Teilen  nur  Tastorgane 
und  zwar  ausschließlich  Sinneshaare,  Sinnesborsten,  Sinneszapfen  und 
massive  Grubenkegel. 

7)  Die  chemische  Reizbarkeit  nimmt  also  vom  Kopf,  wo 
sie  am  stärksten  ist,  über  den  Thorax  nach  dem  Abdomen  hin  ab  und 
tritt  schließlich  ganz  zurück. 

Mechanische  Reizbarkeit  kommt  zwar  allen  Teilen  zu,  jedoch 
sind  die  komplizierteren  Organe  des  mechanischen  Sinnes  am  Abdomen 
auch  nicht  vorhanden. 

8)  Was  den  histologischen  Aufbau  der  Hautsinnesorgane 
angeht,  so  sprechen  die  am  erwachsenen  Käfer  gefundenen  Bilder  im 
ganzen  mehr  für  die  ältere  Auffassung  (v.  Rath)  als  für  die  neuere, 
von  Beelese  vertretene,  indem  die  Sinneszellen  an  einem  Organ  stets 
gleichartig  erscheinen  (trichogene  und  Drüsenzellen  sind  an  den  kom- 
plizierteren Organen  nicht  zu  unterscheiden),  und  eine  Nerven  Verzwei- 
gung nicht  festzustellen  war.  Allerdings  dürfte  eine  Entscheidung  der 
Frage  nur  durch  entwicklungsgeschichtliche  Untersuchungen  möglich 
sein,    die  hier  nicht  vorzunehmen  waren. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  niarginalis  L.,  usw.  111 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  meinem  hochverehrten  Lehrer, 
Herrn  Prof.  Dr.  Korschelt  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und 
das  Interesse,  das  er  mir  bei  ihrer  Ausführung  stets  entgegenbrachte, 
meinen  aufrichtigen  Dank  zu  sagen.  Ebenso  bin  ich  Herrn  Prof.  Dr. 
zur  Strassen,  der  mir  in  liebenswürdiger  Weise  während  der  Sommer- 
ferien 1910  im  zoolog.  Laboratorium  des  SENCKENBERGischen  Instituts 
zu  Frankfurt  a.  Main  einen  Arbeitsplatz  zur  Verfügung  stellte,  zu 
großem  Dank  verpflichtet.  Auch  den  Herren  Prof.  Dr.  Meisenheimer, 
Prof.  Dr.  Tönniges,  Dr.  Kautzsch  und  Dr.  Harms  danke  ich  für  vielerlei 
Ratschläge,  die  sie  mir  während  der  Ausführung  der  Untersuchungen 
zu  teil  werden  ließen. 

Marburg  i.  H.,  Januar  1912. 


Verzeichnis  der  benutzten  Literatur. 

1.  Absolon,    Über    Neamura    tenebrarum    aus   den    Höhlen    des    mährischen 

Karstes;  über  die  Gattung  Tetrodontophora  Reuter  und  einige  Sinnes- 
organe der  Collenibolen.     Zool.  Anz.     Bd.  XXIV.     1901. 

2.  Alt,  Über  das  Respirationssystem  von  Dytiscus  niarginalis.     Zeitschr.   f. 

wiss.  Zool.     Bd.  XCIX.  1912. 

3.  Beelese,  Gli  insetti;  Volume  primo.    Mailand  1909, 

4.  Bethe,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  peripheren  Nervensystems  von  Astacus 

fluviatilis.     Anat,  Anz.     Bd.  XII.     1896. 

5.  Blunck,  Bau   und   Funktion   der   Haftscheiben    von   Dytiscus   marginalis. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  C.     1912. 

6.  —  Das  Geschlechtsleben  des  Dytiscus  marginalis.     1.  Teil:  Die  Begattung. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  CIL     1912. 

7.  Börner,  Über  das  Antennalorgan  III  der  Collembolen.    Zool.  Anz.  Bd.  XXV. 

1902.  , 

8.  Child,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  antennalen  Sinnesorgane  der  Insekten. 

Zool.  Anz.     17.  Jahrg.     1894. 

9.  —  Ein  bisher  wenig  beachtetes  antennales  Sinnesorgan  der  Insekten  mit 

besonderer  Berücksichtigung  der  Culiciden  und  Chironomiden.   Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.     Bd.  LVIII.     1894. 

10.  Claus,  Über  das  Verhalten  des  nervösen  Endapparates  an  den  Sinneshaaren 

der  Crustaceen.     Zool.  Anz.     Bd.  XIV.     1891. 

11.  Deegener,  Über  ein  neues  Sinnesorgan  am  Abdomen  der  Noctuiden.    Zool. 

Jahrb.,   Abt.   Morph.     Bd.  XXVIL     1909. 

12.  Euscher,  Das  Chitinskelet  von  Dytiscus  marginalis.     Marburg   1910. 

13.  Freiling,  Duftorgane  der  Q   Schmetterlinge  nebst  Beiträgen  zur  Kenntnis 

der  Sinnesorgane    auf    dem    Schmetterlingsflügel    und    der    Duftpinsel 
der  6 .     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCII.     1909. 

14.  Gxjenther,  Über  Nervenendigungen  auf  dem  Schmetterlingsflügel.     Zool. 

Jahrb.,  Abt.  Morph,  u.  Ont.     Bd.  XIV.     1901. 


112  Rudolf  Hochreuther, 

15.  Hamann,  Europäische  Höhlenfauna.    Eine  Darstellung  der  in  Höhlen  leben- 

den Tierwelt  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Höhlenfauna  Krains. 
1896. 

16.  —  Mitteilungen  zur  Kenntnis  der  Höhlenfauna.    Zool.  Anz.    Bd.  XXI.  1898. 

17.  Hauser,    Physiologische   und   histologische   Untersuchungen   über  das   Ge- 

ruchsorgan der  Insekten.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XXXIV.  1880. 

18.  Hennings,  Zur  Biologie  der  Myriopoden.    Biol.  Centralbl.    Bd.  XXIV.  1904. 

19.  Hicks,  On  certain  sensory  organs  in  Insects  hitherto  undescribed.     Trans- 

actions  of  the  Linnean  Society,  London.     Vol.  XXIII.     1860. 

20.  Holmgren,   Studier  öfver  hudens  och  de  körtelartade  hudorganens  mor- 

fologi  hos  skandinavisken  makrolepidopterlarver.  Vetenskaps  Aka- 
demiens  Handlingar.     Bd.  XXVII.     1895. 

21.  —  Die   haarbildenden   Hautdrüsen    bei   Raupen.      Entomologisk   Tidskrift. 

Bd.  XVII.     1896. 

22.  —  Zur  Kenntnis  des  Hautnervensysterns  der  Arthropoden.     Anatom.  Anz. 

Bd.  XII.     1896. 

23.  Janet,  Observations  sur  les  fourmis.     Limoges  1904. 

24.  Kolbe,  Einführung  in  die  Kenntnis  der  Insekten.     Berlin  1893. 

25.  Kotte,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Hautsinnesorgane  und  des  peripheren 

Nervensystems  der  Tiefseedecapoden.  Zool.  Jahrb.,  Abt.  Morph. 
Bd.  XVII.     1903. 

26.  Kraepelin,  Die  Geruchsorgane  der  Gliedertiere.     Hamburg  1883.     Oster- 

programm  des  Johanneums. 

27.  Leydig,  Über  Amphipoden  und  Isopoden.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  XXX. 

Suppl.     1878. 

28.  Xagel,  Die  niederen  Sinne  der  Insekten.     Tübingen  1892. 

29.  —  Vergleichend  physiologische  und  anatomische  Untersuchungen  über  den 

Geruchs-  und  Geschmackssinn  und  ihre  Organe  mit  einleitenden  Be- 
merkungen aus  der  allgemeinen  vergleichenden  Sinnesphysiologie.  Bi- 
bliotheca  Zool.     Hit.  18.     1894. 

30.  —  Über  das  Geschmacksorgan  der  Schmetterlinge.     Zool.  Anz.     Bd.  XX. 

1897. 

31.  Packard,  A  Text-book  of  Entomology.     Xew-York  1898. 

32.  vom  Rath,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Chilognathen.     Inaug.-Diss.     Straß - 

bürg  1886. 

33.  —  Die  Sinnesorgane  der  Antenne  und  der  Unterlippe  der  Chilognathen. 

Arch.  f.  mikr.  Anat.     Bd.  XXVII.     1886. 

34.  —  Über  die  Hautsinnesorgane  der  Insekten.   Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XLVI. 

1888. 

35.  —  Zur  Kenntnis  der  Hautsinnesorgane  der  Crustaceen.    Zool.  Anz.  Bd.  XIV. 

1891. 

36.  —  Über  die  von  C.   Claus  beschriebene  Nervenendigung  in  den   Sinnes- 

haaren der  Crustaceen.    Zool.  Anz.    Bd.  XV.     1892. 

37.  —  Über  die  Nervenendigungen  der  Hautsinnesorgane  der  Arthropoden  nach 

Behandlung  mit  der  Methylenblau-  und  Chromsilbermethode.  Berichte 
d.  naturf.  Gesellschaft  zu  Freiburg  i.  B.     Bd.  IX.     1894. 

38.  —  Zur  Kenntnis  der  Hautsinnesorgane  und  des  sensiblen  Nervensystems 

der  Arthropoden.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  LXI.     1896. 


Die  Hautsinnesorgane  von  Dytiscus  marginalis  L.,  usw. 


113 


39.  Röhler,  Die  antennalen  Sinnesorgane  von  Tryxalis.  Zool.  Anz.  Bd.  XXVIII. 

1905. 

40.  —  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Sinnesorgane  der  Insekten.    Zool.  Jahrb.,  Abt. 

Morph.     Bd.  XXII.     1905. 

41.  —  Zur  Kenntnis  der  antennalen  Sinnesorgane  der  Dipteren.     Zool.   Anz. 

Bd.  XXX.     1906. 

42.  Ruland,    Über   die    antennalen    Sinnesorgane    der  Insekten.     Zeitschr.    f. 

wiss.  Zool.     Bd.  XLVI.     1888. 

43.  Rungius,  Der  Darmkanal  (der  Imago  und  Larve)  von  Dytiscus  marginalis. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCVIII.     1911. 

44.  Schenk,  Die  antennalen  Hautsinnesorgane  einiger  Lepidopteren  und  Hyme- 

nopteren  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  sexuellen  Unterschiede. 
Zool.  Jahrb.,  Abt.  Morph.    Bd.  XVII.     1902. 

45.  Schön,  Bau  und  Entwicklung  des  tibialen  Chordotonalorgans  bei  der  Honig- 

biene und  bei  Ameisen.     Zool.  Jahrb.,  Abt.  Anat.     Bd.  XXXI.     1911. 

46.  Schröder,  Die  Sinnesorgane  der  Skorpionskämme.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool. 

Bd.  XC.     1908. 

47.  Wasmann,    Zur   näheren    Kenntnis   des   echten    Gastverhältnisses  bei  den 

Ameisen-  und  Termitengästen.    Biol.  Centralbl.    Bd.  XXIII.     1903. 

48.  Weinland,  Über  die  Schwinger  (Halteren)  der  Dipteren.    Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.     Bd.  LI.     1890. 


Erklärung  der  Abkürzungen. 


acj,  Gelenkgrube  des  ersten  Beinpaares; 

acjj,   Gelenkgrube    des    zweiten    Bein- 
paares ; 

Iapl    bis     Vllapl,    Abdominalpleure    1 
bis  7; 

Hast  bis    Vlllast,  Abdominalsternit  2 
bis  8; 

Iat  bis  VI  Hat,  Abdominaltergit  1  bis  8; 

au,  Auge; 

b,  Borste; 

ca,  Cardo; 

chg,  Chitingrübchen; 

chk,  Chitinkuppel; 

chm,  Chitinmembran ; 

chpl,  Chitinplatte; 

cl,  Clypeus; 

cxj    bis    cxjjj,   Coxa    des    ersten    bis 
dritten  Beinpaares; 

drg,  Drüsenausführungsgang ; 

drz,  Drüsenzelle; 

drzk,  Drüsenzellenkern ; 

ep,  Epicranium; 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd. 


epmn,  Epimeron  der  Mesopleuren; 
epsjj,  Episternum     der    Mesopleuren; 
epsIU,   Episternum    der    Metapleuren; 
fej    bis    feni,   Femur    des    ersten    bis 

dritten  Beinpaares; 
fef,  Fernoralf urche ; 
fo,  Foramen  occipitale; 
fr,  Frons; 

fsb,  feine  Sinnesborste; 
fszpf,  feiner  Sinneszapfen; 
gk,  Grubenkegel; 
gpl,  Gaumenplatte; 
gr,  Gelenkgrube; 
grs,  Grundstück     der     keulenförmigen 

Zapfen ; 
gsz,  Geschmackszäpfchen; 
gu,  Gula; 

gz,  Gaumenzapfen; 
h,  Haar; 

hgk,  hohler  Grubenkegel; 
hyp,  Hypodermis; 
hypz,  Hypodermiszelle; 


114 


Rudolf  Hochreuther, 


hypzk,  Hypodermiszellenkern ; 

k,  Kanal; 

kk,  Kristallkegel; 

kkz,  Kristallkegelzelle ; 

km,  kuppeiförmige  Membran; 

ko,  kelckförmiges  Organ; 

kpo,  kuppeiförmiges  Organ; 

kr,  kragenförmige  Membran; 

ksh,  kurzes,  massives  Sinneshaar; 

kz,  keulenförmiger  Zapfen; 

kzkt,  Kappenzellkern?; 

I,  Labrum; 

le,  Lobus  externus; 

li,  Lobus  internus; 

Mg,  Ligula; 

Is,  Legesäbel; 

m,  Mentum; 

mbr,  chitinöse  Membran; 

mgk,  massiver  Grubenkegel; 

neurk,  Neurilemmkern ; 

nf,  Nervenfaser; 

p,  Penis; 

pa,  Paramer; 

pe,  Pedicellus; 

pg,  Paraglossum; 

pigmzk,  Pigmentzellkern ; 

pk,  Porenkanal; 

pl,  Palpus  labialis; 

plIf  Pleura    des    ersten    Thoracalseg- 

mentes ; 
pm,  Palparium; 
pml,  Polstermasse?; 
ret,  Retinazelle; 


sb,  Sinnesborste; 

sc,  Scapus; 

scj,  Mesoscutellum ; 

seh,  Scheitelnaht; 

schh,  schuppenförmiges  Haar; 

seuj,  Mesoscutum; 

sgnpf,  tSaugnapf; 

sh,  Sinneshaar; 

sk,  Sinneskuppel; 

ssp,  Seitenspangen; 

st,  Stipes; 

stj,   Sternum   des   ersten    Thoracalseg- 

mentes; 
stjjj,   Sternum   des   dritten   Thoracal- 

segmentes ; 
stk,  Stif tkörperchen ; 
sz,  Sinneszelle; 
szgr,  Sinneszellengruppe ; 
szk,  Sinneszellenkern; 
szpf,  Sinneszapfen; 
t,  Taster  der  ersten  Maxillen; 
taj    bis   tcijjj,   Tarsus    des    ersten    bis 

dritten  Beinpaares; 
tit  bis  tijjj,  Tibia  des  ersten  bis  dritten 

Beinpaares ; 
tr,  Trachee; 
tri  bis  trIII}  Trochanter  des  ersten  bis 

dritten  Beinpaares; 
tst,  Terminalstrang; 
tz,  Tastzäpfchen; 
va,  Vacuole; 
zstr,  Centralstrang. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während 
der  Häutung. 

Von 

Dr.  Max  Braun 

(Berlin). 
(Aus  dem  zoologischen  Institut  der  Universität  Berlin.) 


Mit  Tafel  I  und  II. 


Einleitung. 

In  der  folgenden  Arbeit  sind  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen 
niedergelegt,  die  ich  im  Laufe  des  vergangenen  Jahres  im  Zoologischen 
Institut  der  Berliner  Universität  an  den  Larven  einiger  holometabolen 
Insekten  anstellte,  um  das  Verhalten  des  Mitteldarmepithels  dieser 
Tiere  während  der  periodisch  wiederkehrenden  Häutungen  zu  ermitteln. 
Es  lag  mir  vor  allen  Dingen  daran,  festzustellen,  ob  in  der  Zeit,  wo 
von  der  Larve  eine  neue  Cuticula  gebildet  und  die  alte  abgestoßen 
wird,  das  Mitteldarmepithel  der  Holometabola  in  der  Tat  ganz  allge- 
mein der  Schauplatz  so  tiefgreifender  Veränderungen  ist,  wie  sie  fast 
gleichzeitig  Veeson  (1897)  und.MöBUSZ  (1897),  jener  an  der  Raupe 
des  Seidenspinners,  dieser  an  den  Larven  von  Anthrenus  und  Dermestes 
konstatiert  haben,  und  ob  die  allgemeinen  Folgerungen,  die  Möbusz 
unter  Berücksichtigung  der  von  Sommer  (1885)  bei  einem  Collembolen, 
Macrotoma  plumbea,  gefundenen  Verhältnisse  an  seine  Entdeckung 
knüpft,  in  ihrem  ganzen  Umfange  aufrecht  erhalten  werden  können 
oder  überhaupt  eine  Berechtigung  haben. 

Auf  die  verschiedenen  Secretionsphasen,  die  das  Mitteldarm- 
epithel während  der  Häutung,  die  bekanntlich  immer  eine  mehr  oder 
weniger  lange  Unterbrechung  der  Nahrungsaufnahme  verursacht, 
durchläuft,  bin  ich,  abgesehen  von  einigen  beiläufigen  Bemerkungen, 
nicht  näher  eingegangen. 

Es  handelt  sich  im  folgenden  wohlverstanden  um  das  Verhalten 
des  Mitteldarmepithels  der  Larve  während  solcher  Häutungen,  an  die 


116  Max  Braun, 

sich  noch  ein  weiteres,  von  dem  vorhergehenden  nicht  wesentlich  ver- 
schiedenes Larvenstadium  anschließt,  und  die  ich  nunmehr  schlechthin 
als  Häutungen  bezeichnen  werde,  nicht  um  die  letzte  Häutung  der 
Larve,  die  den  Beginn  der  Metamorphose  kennzeichnet  und  somit 
scharf  von  den  übrigen  Häutungen  unterschieden  ist.  Über  die  Ent- 
wicklung des  Mitteldarmepithels  während  dieser  letzten  Häutung  ver- 
weise ich  auf  die  Untersuchungen  von  Rengel  (1897),  Karawaiew 
(1899),  Deegener  (1904,  1908),  Russ  (1908),  Perez  (1910),  Poyar- 
coff  (1910)  u.  a. 

Bevor  ich  näher  darauf  eingehe,  was  in  der  Literatur  bisher  über 
die  »Mitteldarmhäutung«  der  Insekten  bekannt  geworden  ist,  sei  es 
mir  vergönnt,  Herrn  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  F.  E.  Schulze  für  die 
Überlassung  eines  Arbeitsplatzes  meinen  Dank  auszusprechen.  Herz- 
lichen Dank  schulde  ich  ferner  dem  ersten  Assistenten  des  Instituts, 
Herrn  Prof.  Dr.  Deegener,  nicht  nur  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit, 
sondern  auch  für  den  jederzeit  bereitwilligst  erteilten  Rat. 

Historisches. 

Die  früheste  Bemerkung,  die  ich  in  der  Literatur  über  die  Frage, 
die  uns  nunmehr  genauer  beschäftigen  wird,  gefunden  habe,  rührt 
von  Frenzel  (1882)  her,  der  konstatiert,  daß  das  Mitteldarmepithel 
der  Larve  von  Tenebrio  molitor  während  der  Häutung  keine  wesent- 
liche Veränderung  erleide,  da  der  Mitteldarm  während  dieser  Periode 
im  Gegensatz  zu  Vorder-  und  Enddarm  mit  Speise  gefüllt  sei,  eine 
Begründung,  die  auf  immerhin  recht  schwachen  Füßen  steht. 

Bereits  3  Jahre  später  teilte  Sommer  (1885)  in  seiner  Arbeit  über 
Macrotoma  'plumbea  mit,  daß  das  Mitteldarmepithel  dieses  Collembolen 
während  der  Häutungen,  die  auch  das  erwachsene  Tier  noch  mehrmals 
durchzumachen  habe,  völlig  abgestoßen  und  durch  ein  neues  ersetzt 
werde,  ein  Vorgang,  der  nur  dann  unterbleibe,  wenn  der  Mitteldarm 
mit  Gregarinen  infiziert  sei.  Auf  die  Herkunft  der  Zellen,  die  das  neue 
Epithel  bilden,  geht  er  nicht  näher  ein,  er  erwähnt  nur,  daß  sie  auf 
frühen  Stadien  mit  breiter  Basis  der  Tunica  propria  aufsitzen,  während 
die  alten  Epithelzellen,  »mit  ihrem  unteren  schmaleren  Teil  zwischen 
die  ersten  eingezwängt,  mehr  in  das  Lumen  des  Darmes  vorragen«. 

Das  abgestoßene  alte  Epithel,  das  als  wurstförmige  Masse  in  dem 
bereits  mit  einem  neuen  wohlausgebildeten  Epithel  versehenen  Mittel- 
darm liege,  findet  Sommer  von  einer  deutlichen  Membran  umgeben, 
mittels   der  es  in  innigem  Zusammenhang  mit  der  schon  abgelösten 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       117 

alten  Chitinintima  des  Vorder-  und  Enddarmes  steht.  Leider  hat  er 
keine  genaueren  Untersuchungen  über  die  Natur  dieser  eigenartigen 
Hülle  angestellt,  so  daß  ihre  Herkunft  zunächst  noch  rätselhaft  ist. 

Auf  den  ersten  Blick  könnte  es  allerdings  scheinen,  als  ob  man 
hier  nach  den  von  A.  Schneider  (1890)  über  den  Bau  des  Arthro- 
podendarmes  gegebenen  Daten  die  nötigen  Aufschlüsse  gewinnen  sollte. 
Derselbe  beschreibt  nämlich  als  typisch  für  den  Arthropodendarm  eine 
das  Mitteldarmepithel  nach  außen  umgebende  Chitinschicht,  auf  der 
das  Epithel  ruht  und  die,  an  der  Übergangsstelle  des  Mitteldarmes  in 
den  Vorder-  und  Enddarm  mit  der  Chitinintima  dieser  beiden  Darm- 
abschnitte in  Verbindung  stehend,  mit  jeder  Häutung  des  Integuments 
abgestoßen  wird. 

Wenngleich  dieser  Satz  im  vollen  Umfange  nicht  aufrecht  erhalten 
werden  kann,  ja,  in  seiner  Allgemeinheit  direkt  als  falsch  zu  bezeichnen 
ist,  ist  das  Vorhandensein  einer  basalen  Chitinschicht  am  Mitteldarm 
für  einige  Insekten  in  der  Tat  nachgewiesen.  Bizzozeeo  (1893)  und 
vornehmlich  Rengel  (1898)  beschreiben  sie  für  Hydrophilus,  Hydrous, 
Hydrobius  (Imago),  und  ich  habe  sie  bei  Dermestes  lardarius  (Larve) 
als  mächtige  Lamelle  vorgefunden.  (Ob  diese  als  identisch  mit  der 
von  Möbusz  beschriebenen  fein  gekräuselten  chitinigen  Basalmembran 
zu  betrachten  ist,  erscheint  fraglich,  da  getrennt  von  ihr,  weiter  peri- 
pheriewärts,  eine,  von  Möbusz  nicht  erwähnte,  feine  Basalmembran 
vorhanden  ist,  deren  chitinige  Natur  ich  allerdings  nicht  nachweisen 
konnte.) 

In  beiden  Fällen  unterliegt  sie  einer  periodischen  Abstoßung,  die 
im  letzteren  Fall  mit  der  Häutung  Hand  in  Hand  geht,  in  beiden  Fällen 
wird  auch  zu  gleicher  Zeit  das  gesamte  Mitteldarmepithel  entfernt  und 
durch  ein  neues  ersetzt.  Die  eigentliche,  weiter  nach  außen  sich  er- 
streckende Basalmembran  (Membrana  propria  Rengels)  wird  von  der 
Abstoßung  nicht  betroffen,  ebensowenig  wie  die  zwischen  ihr  und  der 
basalen  Chitinlamelle  befindlichen  Zellnester,  die  das  Material  für  das 
neue  Darmepithel  liefern.  Die  Regenerationszellen  kommen  hier  also 
garnicht  mit  den  eigentlichen,  tätigen  Epithelzellen  in  Berührung, 
wonach  eine  eventuelle  Deutung  der  von  Sommer  beschriebenen  Mem- 
bran als  abgestoßene  Chitinlamelle  oder  Basalmembran  unmöglich  wird. 
Vielleicht  ist  sie  als  sekundär  nach  der  Abstoßung  des  alten  Epithels 
ausgebildete  Hülle  zu  betrachten,  wogegen  allerdings  der  innige  Zu- 
sammenhang mit  der  Chitinintima  des  Vorder-  und  Enddarms  spricht. 

Ahnlich  wie  Sommer,  aber  eingehender  und  exakter  schildert 
Prowazek  (1900)  den  Verlauf  der  »Mitteldarmhäutung«  bei  Isotoma 


118  Max  Braun, 

grisea  Lubb.  Die  kleineren  Mutterkeimzellen  des  Mitteldarmepithels 
vermehren  sich  nach  ihm  auf  caiyokinetischem  Wege  und  drängen  von 
vorn  nach  hinten  ziemlich  unregelmäßig  die  alten  Epithelzellen  in  das 
Darmlumen  hinaus.  Eine  Abstoßung  der  Basalmembran  (Tunica 
propria  Pkowazeks)  findet  hier  natürlich  nicht  statt.  In  dem  de- 
generierenden abgestoßenen  Epithel  findet  Prowazek  eigenartige 
Kugelgebilde,  die  er  als  Ceratohyalinkörnchen    auffaßt. 

In  völlig  abweichender  Weise  vollzieht  sich  nach  Fernald  (1890) 
bei  einem  dritten  Collembolen,  Anurida  maritima,  die  »Mitteldarm- 
häutung«: "In  the  midgut,  just  before  ecdysis,  a  peculiar  change  occurs. 
The  nuclei  of  the  epithelium  divide  and  one  of  the  two  that  are  thus 
formed  in  each  cell  passes  towards  the  free  face  of  the  cell,  while  the 
other  passes  towards  its  base.  The  cellwalls  now  become  indistinct 
and  delamination  occurs,  the  outer  half  of  each  cell  beeing  thrown  off." 

Ein  durchaus  ähnliches  Verhalten  haben  Folsom  und  Welles 
bei  vier  Collembolen,  Tomocerus  (Macrotoma)  niger,  Podura  aquatica, 
Isotoma  viridis,  Orchesella  cincta,  konstatiert.  Hier  teilen  sich  im 
Beginn  der  Häutung  die  Kerne  mitotisch,  ein  gewisser  Bruchteil  der 
Tochterkerne  wandert  nach  der  freien  Zelloberfläche,  worauf  eine 
Abstoßung  der  oberen  Schicht  des  gesamten  Mitteldarmepithels  mit 
den  darin  enthaltenen  Kernen  erfolgt.  In  den  Zellen  des  Mitteldarm- 
epithels  bemerken  nun  Folsom  und  Welles  bei  den  von  ihnen  unter- 
suchten Collembolen  eine  größere  Anzahl  mehr  oder  weniger  umfang- 
reicher, aus  konzentrischen  Schichten  bestehender  Körnchen  (die 
Ceratohyalinkörnchen  Prowazeks?),  die  bei  jeder  Häutung  mit  der 
abgestoßenen  Epithelschicht  zusammen  aus  dem  Körper  entfernt  wer- 
den (wie  übrigens  auch  die  regelmäßig  in  größerer  Zahl  im  Darm- 
epithel auftretenden  einzelligen  Parasiten). 

Diese  Körnchen  sind  nach  der  Auffassung  der  amerikanischen 
Autoren  nichts  anderes  als  Excretkörner.  Das  Darmepithel  dient  nach 
ihnen  bei  den  der  MALPiGHischen  Gefäße  entbehrenden  Collembolen, 
abgesehen  von  seiner  gewöhnlichen  Tätigkeit,  auch  noch  der  Excretion, 
der  Häutungsprozeß,  den  auch  das  erwachsene  Tier  genau  so  wie 
das  junge  durchmachen  muß,  hat  also  teilweise  die  Bedeutung  eines 
excretorischen  Vorganges. 

Die  Darstellung  der  amerikanischen  Forscher  weicht  ebenso  wie 
ihre  Beurteilung  der  in  Frage  kommenden  Verhältnisse  von  der  durch 
Sommer  und  Prowazek  vertretenen  Ansicht  wesentlich  ab.  Ich  werde 
darauf  zum  Schluß  noch  näher  eingehen.  Während  die  letztgenannten 
Autoren  die    »Mitteldarmhäutung«  als    »ein  Vorstadium  der  in  vieler 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        119 

Hinsicht  etwas  komplizierteren  Vorgänge  bei  der  Metamorphose  der 
Holometabola«  (Prowazek)  ansehen,  schreiben  ihr  die  ersteren,  wie 
gesagt,  excretorische  Bedeutung  zu.  Es  bleibt  zunächst  abzuwarten, 
welche  Auffassung  sich  als  die  richtige  erweisen  wird,  oder  ob  beide 
werden  nebeneinander  bestehen  können. 

Eine  wesentliche  Unterstützung  läßt  Möbusz  auf  Grund  seiner 
Untersuchungen,  von  denen  bereits  die  Rede  war,  der  von  Sommer 
und  Prowazek  vertretenen  Anschauung  zu  teil  werden.  Er  fand,  daß 
die  Larven  von  Anthrenus  und  Dermestes  mit  jeder  Häutung  auch  ihr 
Mitteldarmepithel  vollständig  erneuern,  und  nachdem  er  den  Häutungs- 
vorgang, wie  er  seiner  Ansicht  nach  verlaufen  müßte,  geschildert  hat, 
sagt  er:  »Die  Metamorphose  (in  der  Puppe)  ist  sonach  nichts  weiter 
als  eine  intensive  Häutung,  die  Häutung  eine  abgeschwächte  Meta- 
morphose. Beide  sind  quantitativ,  aber  nicht  qualitativ  verschieden. « 
Und  weiter  spricht  er  den  Satz  aus:  »Häutungen  der  Ametabola  = 
Larvenhäutungen  +  Metamorphose  der  Holometabola.«  Wir  werden 
sehen,  wie  weit  wir  dieser  Auffassung  werden  beitreten  können. 

Eine  totale  Abstoßung,  »eine  vollständige  Abschuppung«,  des 
Mitteldarmepithels  findet  nach  Verson  (1897)  auch  bei  den  Raupen 
des  Seidenspinners  in  Zusammenhang  mit  den  Häutungen  statt:  »Der 
vollständigen  Abschuppung,  welche  im  Laufe  jeder  einzelnen  Larven- 
periode nach  und  nach  das  gesamte  Mitteldarmepithel  befällt,  —  steht 
eine  Massenneubildung  von  Zellen  gegenüber,  welche  sich  ebenso 
periodisch  erneuert  (kurz  vor  jeder  Häutung),  und  von  besonderen 
Nestern  embryonaler  Zellen  in  der  Schleimhaut  ausgeht.« 

Da,  trotzdem  bereits  eine  größere  Anzahl  eingehender  Unter- 
suchungen über  das  Mitteldarmepithel  der  Raupen  vorliegt,  von  einer 
totalen  Abschuppung  desselben  bisher  nicht  berichtet  wurde,  werden 
wir  eine  Bestätigung  der  von  Verson  vorgetragenen  Ansicht  abwarten 
müssen. 

Deegener  findet  bei  Deilephila  euphorbiae  (1909)  während  und 
nach  der  Häutung,  Dunnough  (1909)  bei  Chrysopa  perla  nach  der 
Häutung  die  Regenerationszellen  stark  vermehrt.  Trotzdem  beide 
Autoren  eine  rege  Kernteilung  in  den  normalerweise  an  der  Basis 
liegenden  ruhenden  Regenerationsinseln  annehmen  mußten,  konnten 
sie,  wie  auch  Verson,  Teilungsfiguren  nicht  finden. 

Schließlich  sei  noch  auf  die  Untersuchungen  von  Leue  (1911) 
über  die  Larve  von  Heptagenia  sulphurea  hingewiesen.  Leue  nimmt 
ein  kontinuierliches  Wachstum  des  Mitteldarmes  an,  herbeigeführt 
durch  die  Emission  neuer  Zellen  aus  dem  hinteren  Imaginalring.    Bei 


120  Max  Braun, 

Larven,  die  vor  der  Häutung  stehen,  erscheint  nach  ihm  der  hintere 
Abschnitt  des  Mitteldarmes  in  Falten  gelegt,  während  er  nach  der 
Häutung  gestreckt  ist. 

Hiermit  sind  unsere  bisherigen  Kenntnisse  über  das  Verhalten  des 
Mitteldarmes  der  Insekten  während  der  Häutung  erschöpft.  Wir  sehen, 
daß  wir  über  die  Vorgänge,  die  sich  in  diesem  Zustande  im  Mittel- 
darmepithel abspielen,  nur  bei  den  Collembolen  einigermaßen  genau 
orientiert  sind,  während  unsere  Kenntnisse  über  die  in  Frage  kom- 
menden Verhältnisse  bei  den  übrigen  Insekten  äußerst  lückenhaft  sind 
und  nur  auf  beiläufigen  Mitteilungen  beruhen,  die,  zum  Teil  anscheinend 
in  Widerspruch  miteinander  stehend,  auf  Grund  nebenbei  gewonnener 
Resultate  gemacht  wurden.  Hierzu  sind  auch  die  Publikationen  von 
Möbusz  und  Verson  zu  rechnen.  Eingehende  Untersuchungen  sind 
über  die  uns  hier  beschäftigende  Frage,  abgesehen  von  den  Collem- 
bolen, bisher  nicht  bekannt  geworden. 

Noch  weniger  als  über  die  Insekten  sind  wir  über  die  sich  an  die 
Häutung  anschließenden  Vorgänge  im  Mitteldarm  anderer  Arthropoden 
orientiert.  Hier  liegt  nur  eine  kurze  Bemerkung  v.  Raths  (1890)  vor, 
der  bei  Polydesmus  (Chilognath)  bei  der  jedesmaligen  Häutung  eine 
Abstoßung  und  Neubildung  des  gesamten  Mitteldarmepithels  kon- 
statieren konnte.  Braun  (1875)  hat  in  seiner  Arbeit  über  die  histo- 
logischen Vorgänge  bei  der  Häutung  des  Flußkrebses  den  Mitteldarm 
überhaupt  übersehen. 

Material  und  Methode. 

Von  mir  gelangten  zur  Untersuchung  die  Larven  von  sechs  Ver- 
tretern vier  verschiedener  Ordnungen  der  holometabolen  Insekten  und 
zwar  von  den  Lepidopteren  Deilephila  euphorbiae  und  Hyponomeuta 
evonymella,  von  den  Hymenopteren  eine  zu  den  Tenthrediniden  gehörige 
Form,  Arge,  von  den  Dipteren  Calliphora  und  von  den  Coleopteren 
Melasoma  vigintipunctata  und  Dermestes  lardarius. 

Es  handelte  sich  darum,  diese  Tiere  im  Zustande  der  Häutung 
zu  konservieren,  ein  Zustand,  der  äußerlich  mit  Sicherheit  nur  den 
Raupen  von  Deilephila  euphorbiae  anzusehen  war.  In  der  Häutung 
krümmen  diese  Tiere  ihre  vordere  Körperregion  schwach  aufwärts, 
während  sie  mit  den  Abdominalfüßen  irgendeinen  Gegenstand  fest 
umklammern,  sei  es  nun  einen  Stengel  ihrer  Futterpflanze,  einen  zu- 
fällig in  ihren  Behälter  hineingeratenen  Faden  oder  irgend  etwas  anderes. 
Dabei  ziehen  sie   den   Kopf,   ihn   ventralwärts  herunterbiegend,   ein, 


Das  Mitteldarm  epithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        121 

legen  die  Thoracalgliedmaßen  eng  an  den  Körper  und  strecken  sie 
nach  vorn.  Nach  meiner  Erfahrung  nehmen  sie  diese  Haltung  nur 
im  Zustande  der  Häutung  ein.  Zur  Konservierung  gelangten  sie  während 
der  letzten,  auf  die  nach  einem  abermaligen  längeren  Larvenstadium 
die  Häutung  zur  Puppe  folgt. 

Die  gesellig  lebenden  Raupen  von  Hyponomeuta  evonymella  setzen 
sich,  wenigstens  während  der  ersten  drei  Häutungen,  eng  zusammen 
auf  einen  Klumpen,  trotzdem  sie  sich  dann  natürlich  nicht  alle  in 
demselben  Häutungsstadium  befinden  und  sich  sogar  schon  bei  der 
ersten  Häutung  größere  Differenzen  bemerkbar  machen.  Ich  habe, 
wenn  ich  bemerkte,  daß  einige  Tiere  bereits  ihre  alte  Haut  abgestreift 
hatten,  einfach  eine  größere  Zahl  der  übrigen  konserviert  und  so,  nach- 
dem ich  dies  einige  Stunden  später  noch  einmal  wiederholt  hatte, 
alle  nötigen  Stadien  erhalten. 

Ahnlich  konnte  mit  den  Larven  von  Arge  verfahren  werden,  die 
während  der  ersten  Häutung  konserviert  wurden.  Ich  fand  ihrer 
etwa  35  auf  einem  Weidenblatt  vereint.  Sie  stammten  aus  ein  und 
demselben  Gelege  und  hatten  eben  erst  das  Ei  verlassen.  Als  sich 
einige  von  ihnen  gehäutet  hatten,  was  an  ihrer  Verfärbung  deutlich 
zu  erkennen  war,  wurden  die  übrigen  konserviert  und  bei  der  mikros- 
kopischen Untersuchung  sämtlich  im  Zustande  kurz  vor  und  während 
der  Häutung  befunden.  Äußerlich  hatte  man  ihnen  den  Häutungs- 
zustand  nicht  ansehen  können. 

Schwieriger  war  die  Beschaffung  des  geeigneten  Materials  bei  den 
Larven  von  Calliphora,  die  sich  durch  ihre  Lebensweise  der  direkten 
Beobachtung  entziehen.  Die  Tiere  wurden  aus  dem  Ei  gezüchtet. 
Die  weiblichen  Fliegen  legen  bekanntlich  ihre  Eier  in  großer  Menge 
in  kurzer  Zeit  ab,  so  daß  die  sich  entwickelnden  Larven,  wenn  sie  unter 
gleichen  Bedingungen  gehalten  werden,  sich  immer  im  ungefähr  gleichen 
Entwicklungszustande  befinden;  sie  wurden  vom  2.  Tage  nach  ihrer 
Geburt  ab  in  Abständen  von  je  2  Stunden  zu  mehreren  Exemplaren 
konserviert.  Im  Alter  von  60 — 80  Stunden  machen  sie  eine  Häutung 
durch,  wie  der  mikroskopische  Befund  lehrte.  Die  wievielte  es  ist  und 
wieviel  ihr  bis  zur  Metamorphosenoch  folgen,  kann  ich  nicht  angeben. 
Die  Larven  von  Melasoma  vigintipunctata  wurden  ebenfalls  aus 
dem  Ei  gezüchtet.  Eine  größere  Reihe  von  Gelegen  wurde  beobachtet 
und  Tag  und  Stunde  des  Ausschlüpfens  der  ersten  Larven  aufgezeichnet, 
ebenso  wie  der  Tag  der  ersten  Häutung,  den  man  nach  dem  Auftreten 
der  an  den  Blättern  klebenden  Exuvien  mit  Leichtigkeit  bestimmen 
kann.    Da  die  Larven  der  andern  Gelege  kurze  Zeit,  etwa  48  Stunden 


122  Max  Braun, 

später,  sämtlich  das  Ei  verlassen  hatten,  wurden  aus  jedem  Gelege, 
nachdem  die  zuerst  geborenen  Larven  sich  gehäutet  hatten,  in  Ab- 
ständen von  etwa  6  Stunden  einige  Larven  konserviert  und  so  das 
nötige  Material  erhalten. 

Es  beziehen  sich  also  die  folgenden  Untersuchungen  bei  Beil. 
euph.  auf  die  letzte  Larvenhäutung,  bei  Hyp.  ev.  auf  die  erste,  zweite 
und  dritte,  bei  Arge  und  Melasoma  auf  die  erste.  Bei  Calliphora  konnte 
nicht  festgestellt  werden,  um  die  wievielte  Häutung  es  sich  handelte, 
vermutlich  war  es  die  zweite  oder  dritte.  Immerhin  konnten  sämt- 
liche Larven  während  ein  und  derselben  Häutung  untersucht  werden. 

Dies  erwies  sich  bei  den  Larven  von  Dermestes,  die  ebenfalls  während 
der  Häutung  keine  charakteristische  Haltimg  einnehmen,  als  unmög- 
lich. Die  Häutungsstadien  wurden  so  erhalten,  daß  die  Larven  isoliert 
und  durch  Beobachtung  der  Abstand  zwischen  zwei  aufeinander  fol- 
genden Häutungen  ermittelt  wurde,  ein  Verfahren,  wie  es  ähnlich  auch 
Folsom  und  Welles  anwendeten.  Es  ergab  sich,  daß  die  Dermestes- 
Larven  mittleren  Alters  in  Abständen  von  durchschnittlich  5  Tagen 
ihre  Cuticula  abstoßen.  In  den  entsprechenden  Zeiten  nach  einer 
Häutung  wurden  dann  die  zur  Untersuchung  bestimmten  Exemplare 
konserviert.  Es  mußte  also  der  Verlauf  der  sich  im  Mitteldarmepithel 
während  der  Häutung  abspielenden  Vorgänge  aus  den  Befunden  an 
Larven  kombiniert  werden,  die  sich  nicht  im  gleichen  Alter  befanden. 
Dies  Verfahren  erschien  angebracht,  da  kaum  angenommen  werden 
konnte,  daß  die  zu  untersuchenden  Prozesse  bei  den  verschiedenen 
Häutungen  sich  in  verschiedener  Weise  abspielen  sollten.  (Bei  Hyp.  ev. 
ergab  sich  in  der  Tat  mit  Sicherheit  die  völlige  Übereinstimmung  der 
ersten  drei  Häutungen.)  Auch  wurde  niemals  das  Mitteldarmepithel 
der  verschiedenen  zur  Untersuchung  gelangten  Dermestes-L&iven  in 
einem  Zustande  betroffen,  der  sich  nicht  ohne  weiteres  mit  den  übrigen 
Resultaten  hätte  zu  einer  Reihe  vereinigen  lassen. 

Die  Konservierung  geschah  mit  dem  CARNOYschen  Gemisch  (abs. 
Alk.  6  Teile,  Chlorof.  3  Teile,  Essigsäure  1  Teil).  Nachdem  die  Larven 
etwa  3  Minuten  in  der  Konservierungsflüssigkeit  belassen  worden 
waren,  wurde  ihnen  der  Kopf  und  die  letzten  Segmente  abgetrennt, 
um  ein  besseres  Eindringen  der  Flüssigkeit  zu  erzielen,  worauf  sie 
noch  5 — 7  Minuten  der  Einwirkung  des  Gemisches  ausgesetzt  blieben. 

Als  Intermedium  zur  Überführung  in  Paraffin  wurde  Chloroform 
verwendet. 

Die  Schnitte  wurden  in  einer  Dicke  von  7  u  (bzw.  12  u  zur  leich- 
teren Auffindung  von  eventuellen  Mitosen)  durch  das  ganze  Tier  an- 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        123 

gefertigt,  da  es  wünschenswert  erschien,  zur  Beurteilung  des  Stadiums, 
in  dem  das  Tier  sich  befand,  den  Grad  der  Ausbildung  der  neuen  Cuti- 
cula  vergleichsweise  mit  heranzuziehen.  Bei  Dermestes  erwies  es  sich, 
um  ein  Ausbrechen  des  sehr  spröden  Objektes  zu  verhindern,  als  nötig, 
den  Block  vor  der  jedesmaligen  Anfertigung  eines  Schnittes  mit  Mastix- 
Kollodium  zu  bestreichen. 

Die  Färbung  geschah  mit  Eisen-Hämatoxylin  nach  Heidenhain, 
eine  Methode  die  sehr  gute  Dienste  leistete.  Schnitte  von  größerer 
Dicke  als  7/iooo/<  wurden  mit  Hämatoxylin  nach  Grenacher  oder 
Ehrlich  gefärbt.  Immer  wurde  Nachfärbimg  mit  einem  Gemisch 
von  Pikrinsäure  und  Säurefuchsin  angewendet   (van  Gieson). 

Eigene  Untersuchungen. 

Kapitel  I.     Lepidoptera. 

A.    Deilephila  euphorbiae  L. 

Normalstadium. 

Der  Bau  des  Mitteldarmepithels  der  normal  ernährten  Raupe, 
die  sich  nicht  gerade  im  Zustande  der  Häutung  befindet,  ist  von  Dee- 
gener  (1909)  genau  und  eingehend  untersucht  worden.  Ich  schließe 
mich  daher  hier  im  wesentlichen  der  von  ihm  gegebenen  Beschrei- 
bung an. 

Das  Mitteldarmepithel  der  Raupe  von  Deilephila  euphorbiae  ist 
ein  dimorphes,  aus  zwei  Zellarten  zusammengesetztes,  die  als  Sphäro- 
cyten  (d.  h.  solche  Zellen,  die  ihr  Secret  in  Kugelform  abscheiden, 
auch  Cylinderzellen  genannt)  und  als  Calycocyten  (Becherzellen)  zu 
unterscheiden  sind.  Wenn  aus  der  Betrachtung  des  normalen  Mittel- 
darmepithels auch  zunächst  noch  nicht  hervorgeht,  daß  es  sich  hier 
in  der  Tat  um  zwei  verschiedene  Zellarten,  nicht  um  zwei  verschiedene 
Secretionszustände  ein  und  derselben  Zellart  handelt,  so  macht  es 
Deegener  durch  seine  Untersuchungen  über  die  Secretion  im  hohen 
Grade  wahrscheinlich,  daß  wir  es  in  der  Tat  mit  einem  dimorphen 
Epithel  zu  tun  haben.  Es  ist  mir  auf  Grund  meiner,  in  ganz  anderer 
Hinsicht  angestellten  Nachforschungen  gelungen,  gewisse  Daten  zu- 
gunsten der  DEEGENERschen  Meinung  zu  erbringen,  der  ich  somit  in 
vollem  Umfange  beitrete. 

Die  Sphärocyten  erscheinen  im  allgemeinen  cylindrisch,  von  nicht 
sehr  großer  Höhe,  da  ihre  Hauptachse  nur  etwa  zwei-  bis  dreimal  so 
lang  ist  wie  die  Nebenachse.  Ihr  Plasma  ist  von  zahlreichen,  verschie- 
den starken  Fäden  durchzogen,  die  die  Richtung  von  der  Basis  zur 


124  Max  Braun, 

Zelloberfläche  innehalten  und  nur  in  der  Nähe  des  Kernes  von  ihr 
abweichen.  Sie  zeigen  die  Neigung,  durch  quere  Verbindungen  ein 
Netzwerk  zu  bilden,  das  vorwiegend  unter  der  Zelloberfläche  zur  Aus- 
bildung kommt  und  nur  dann  nicht  zu  erkennen  ist,  wenn  die  Zelle 
stark  mit  feinsten  Körnchen  erfüllt  ist,  die  ihr  ein  fast  homogenes 
Aussehen  geben  können.  Solche  Körnchen  beobachtet  man  in  reich- 
licher Menge  fast  immer  in  der  unteren  Zellhälfte  zwischen  Basal- 
membran und  Kern,  so  daß  hier  das  Linom  (Zellgerüst)  nur  selten 
hervortritt. 

Die  Calycocyten  zeigen,  so  weit  sie  sich  nicht  gerade  im  Ruhe- 
zustande befinden,  eine  deutlich  ausgebildete  Vacuole,  die,  mehr  oder 
weniger  mit  einem  sich  leuchtend  gelb  (Pikrinsäure)  färbenden  Secret 
angefüllt,  im  allgemeinen  apical  vom  Kern  liegt  und  je  nach  dem 
Secretionszustand  die  Zelle  völlig  ausfüllt,  so  daß  ihre  Wände  den 
Zellwänden  eng  angelagert  sind,  oder  einen  geringeren  Raum  innerhalb 
des  Zellkörpers  einnimmt.  Besonders  im  hinteren  Drittel  des  Darmes 
bemerkt  man  häufig  solche  Calycocyten,  die  den  Vacuoleninhalt  in 
den  Darmkanal  entleeren,  so  daß  die  tiefste  Stelle  der  Vacuole  sich 
hier  in  halber  Zellhöhe  befindet  (oder  noch  mehr  der  oberen  Zellgrenze 
genähert),  während  dort,  wo  die  Entleerung  noch  nicht  begonnen  hat, 
die  Vacuole  die  Zelle  der  ganzen  Länge  nach  durchsetzen  kann.  Die 
sich  nicht  gerade  im  Zustande  der  Secretbereitung  befindenden  Becher- 
zellen sind  schwer  von  den  Cylinderzellen  zu  unterscheiden.  Sie  zeichnen 
sich  durch  einen  kleineren,  mehr  basal  gelegenen  Kern,  sowie  durch 
ihr  mehr  homogenes  Plasma  aus. 

Der  Kern  der  Sphärocyten  zeigt  verschiedene  Formen.  Er  ist 
rund  oder  oval,  kann  aber  auch  elliptisch  oder  oblong  erscheinen. 
Das  Chromatin  liegt  in  den  meisten  Fällen  zu  einem  großen  kompakten 
Klumpen  zusammengeballt,  in  dem  irgendwelche  Strukturen  nicht 
erkannt  werden  können,  im  Centrum,  so  daß  an  der  Membran  eine 
deutliche,  von  Chromatin  freie  Randzone  zu  bemerken  ist.  In  meinen 
Präparaten  ist  die  große  Mehrzahl  der  Kerne  in  dieser  Weise  gehöft,  nur 
selten  ist  die  Randzone  verschwunden  und  der  Kern  in  annähernd 
gleichmäßiger  Verteilung  mit  einer  mehr  oder  weniger  großen  Anzahl 
gröberer  Chromatinkörnchen  erfüllt,  unter  denen  immer  einige  durch 
ihre  Größe  und  unregelmäßige  Gestalt  hervortreten,  ein  Verhalten, 
das  in  einem,  wenn  auch  nicht  näher  erkennbaren  Zusammenhange 
mit  dem  augenblicklichen  Secretionszustande  der  Zelle  steht.  Die 
Kerne  liegen  in  der  Mitte  der  Zelle,  oft  ein  wenig  der  Basis  genähert. 

Die  ebenfalls  meist  gehöften,  seltener  ungehöften  Kerne  der  Calyco- 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       125 

cyten  sind  kleiner  als  die  der  Sphärocyten  und  liegen  im  allgemeinen 
zwischen  der  Basalmembran  und  der  Vacuole  und  zwar  meist  der 
Vacuolenwand  apponiert  oder  sie  sind  unter  dem  Druck  des  sich  in 
der  Zelle  anhäufenden  Secretes  seitlich  an  die  Zellwand  gepreßt. 

An  seiner  Oberfläche  trägt  das  Epithel  einen  deutlichen  Stäbchen- 
saum mit  Basalkörnerreihe  und  extracytärer  in  der  Nähe  der  Basis 
des  Saumes  verlaufender  Körnchenreihe.  Unterhalb  des  Stäbchen- 
saumes bemerkt  man  eine  Schicht  feiner  sich  ziemlich  dunkel  tin- 
gierender  Körnchen,  die  bei  Anwendung  nicht  sehr  starker  Vergröße- 
rung einen  homogenen  Eindruck  erweckt  (nutritorische  Zone). 

An  vielen  Stellen  findet  man  dem  Stäbchensaum  aufliegend,  im 
Schnitt  rundlich  erscheinende,  mit  Vacuolen  durchsetzte  Massen,  die 
das  Secret  der  Sphärocyten  darstellen  (Secretkugeln). 

An  der  Basis  des  Epithels  liegen  die  Epithelmutterzellen  (Imaginal- 
inseln,  Regenerationszellen),  die  über  den  Darm  ziemlich  gleichmäßig 
verteilt  sind,  aber  nur  in  geringer  Zahl  vorzukommen  scheinen;  wenig- 
stens bietet  ihre  Auffindung  mitunter  Schwierigkeiten,  selbst  in  gut 
gefärbten  Präparaten.  Sie  setzen  sich  nicht  immer  deutlich  gegen  das 
Protoplasma  der  benachbarten  Epithelzellen  ab,  sind  aber  im  allge- 
meinen blasser  gefärbt  und  besitzen  einen  nur  kleinen  Zellleib,  der 
von  dem  stets  ungehöften  Kern  mitunter  fast  vollständig  ausgefüllt 
wird.  Sie  liegen  nie  in  Gruppen  zusammen  und  sind  immer  einkernig. 
Auf  steigende  fehlen  ganz,  in  meinen  Präparaten  lassen  sich  wenigstens 
keine  Gebilde  nachweisen,  die  man  mit  Sicherheit  als  emporwachsende 
Epithelmutterzellen  ansehen  könnte. 

Häutungsstadium  I. 

(Fig.  1-4.) 

Die  Sphärocyten  haben  bis  auf  einige,  sogleich  zu  besprechende 
Deformierungen,  die  auf  die  proliferierenden  Epithelmutterzellen  zurück- 
zuführen sind,  ihre  normale  Gestalt  im  großen  und  ganzen  nicht  ge- 
ändert. Die  Zahl  derjenigen,  in  denen  man  das  Linom  infolge  reich- 
lichen Vorhandenseins  feinster  Körnchen  nicht  erkennen  kann,  ist 
hauptsächlich  in  den  vorderen  Partien  des  Mitteldarmes  eine  große 
(Fig.  1,  2),  während  weiter  hinten,  besonders  in  der  Nähe  der  Über- 
gangsstelle in  den  Enddarm,  ein  wabiges,  großmaschiges  Netzwerk  in 
der  oberen  Zellhälfte  deutlich  hervortritt  (Fig.  3,  4) ;  doch  sind  Ab- 
weichungen von  den  beschriebenen  Verhältnissen  in  allen  Darm- 
regionen zu  beobachten.  Basal  zeigen  alle  Zellen  ein  homogenes  Aussehen, 
nur  bei  Anwendung  starker  Vergrößerung  tritt  eine  feine  Strichelung 


126  Max  Braun, 

hervor,  welche  auf  die  senkrecht  zur  Basalmembran  verlaufenden 
Sarcolinen  zurückzuführen  ist.  Außerdem  sei  noch  auf  Einschlüsse 
hingewiesen,  die  sich  in  der  oberen  Zellhälfte  in  Gestalt  unregelmäßig 
geformter  lebhaft  schwarz  gefärbter  Körnchen  fast  überall  vorfinden 
und  auch  in  späteren  Stadien  bemerkt  werden,  auf  deren  Natur  ich 
jedoch  hier  nicht  näher  eingehen  will;  eine  irgendwie  wesentliche  Rolle 
spielen  sie  bei  den  hier  in  Frage  kommenden  Verhältnissen  nicht. 

Die  Galycocyten  zeigen  kein  von  dem  normalen  abweichendes 
Verhalten.  Die  mehr  oder  weniger  stark  ausgebildete  Vacuole  enthält 
ein  feinkörneliges  Secret,  das  meist  einen  exzentrischen,  seltener  zentri- 
schen Hohlraum  freiläßt,  also  den  Vacuolenraum  nicht  immer  ganz 
ausfüllt.  Auch  hier  trifft  man  wie  im  normalen  Epithel  im  hinteren 
Drittel  des  Darmes  vorwiegend  solche  Galycocyten  an,  deren  Vacuole 
im  oberen  Teil  der  Zelle  liegt,  so  daß  sich  ihr  tiefster  Punkt  in  nur 
etwa  halber  Zellhöhe  befindet. 

Die  Kerne  beider  Zellarten  sind  durchweg  geköft,  nur  selten  ge- 
langen ungehöfte  Kerne  zur  Ansicht. 

Stäbchensaum  und  nutritorische  Zone  sind  überall  gut  erhalten, 
eine  Secretkugelabscheidung  seitens  der  Sphärocyten  beobachtet  man 
nur  in  den  vorderen  und  mittleren  Partien  des  Darmes,  während  weiter 
hinten  die  Cylinderzellen  sich  im  Ruhezustande  zu  befinden  scheinen. 

Wesentliche  Veränderungen  sind  mit  den  Epithelmutterzellen  vor 
sich  gegangen.  An  der  Basis  des  Epithels  bemerkt  man  jetzt  nicht 
mehr  jene  vereinzelten,  einkernigen,  nur  undeutlich  erkennbaren 
»Regenerationsinseln«,  wie  sie  weiter  oben  für  das  im  normalen  Zu- 
stand befindliche  Epithel  beschrieben  worden  sind.  An  ihre  Stelle 
sind  vielmehr  eine  große  Anzahl  deutlich  entwickelter  Zellen  von  etwa 
ein  Fünftel  bis  ein  Viertel  der  Höhe  des  Epithels  getreten,  die  sich 
vermöge  ihrer  dunkleren  Färbung  scharf  gegen  die  benachbarten 
Epithelzellen  absetzen.  Sie  sind  mehrkernig,  seltener  einkernig  und 
ragen,  mit  breiter  Basis  auf  der  Basalmembran  sitzend,  mit  scharfer 
Spitze  oder  mehr  oder  weniger  abgerundet  in  das  Epithel  hinein,  dessen 
auseinandergedrängte  Zellen  stellenweise  basal  zusammengedrückt  er- 
scheinen und  nicht  selten  von  der  Basalmembran  abgehoben  sind 
(Fig.  2),  deren  inniger  Zusammenhang  mit  den  kleinen  Zellen  an 
solchen  Stellen  deutlich  hervortritt. 

Diese  kleinen  Zellen  sind  nichts  anderes  als  Abkömmlinge  der 
Epithelmutterzellen,  die  sich  durch  rege  Teilung  vermehrt  haben  und 
nun  zwischen  den  Epithelzellen,  hin  und  wieder  auch  innerhalb  der- 
selben, emporwachsen.   Ihre  Proliferation  ist  stellenweise  eine  so  starke, 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       127 

daß  zwischen  ihnen  nur  schmale  Streifen  der  alten  Epithelzellen  zu 
erkennen  sind  (Fig.  3),  die  so  in  Verbindung  mit  der  Basalmembran 
bleiben.  Die  Kernteilung  eilt  der  Zellteilung  voran,  so  daß  mehr- 
kernige bis  vielkernige  jugendliche  Zellen  reichlich  beobachtet  werden, 
während  man  einkernige  nur  verhältnismäßig  selten  vorfindet.  An 
manchen  Stellen,  und  zwar  ganz  besonders  in  den  hinteren  Partien 
des  Darmes,  ist  die  Kernteilung  eine  so  lebhafte  und  rasche,  daß  es 
hier  zur  Ausbildung  mächtiger  »Regenerationssyncytien«  kommt 
(Fig.  4),  langgestreckter,  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  der  Basalmembran 
anhaftender  Protoplasmastreifen,  in  die  eine  große  Anzahl  Kerne  ein- 
gelagert ist.  Die  Höhe  dieser  scharf  umgrenzten  Syncytien,  in  denen 
die  Kerne  eine  regelmäßige  Anordnung  noch  nicht  erfahren  haben, 
beträgt  ebenso  wie  die  der  vorher  beschriebenen  jugendlichen  Zellen 
etwa  ein  Fünftel  bis  ein  Viertel  der  Höhe  des  Epithels. 

In  ihnen  erkennt  man  häufig  Kernteilungsfiguren,  aus  denen  man 
ersieht,  daß  die  Kerne  der  »Regenerationsinseln«  sich  auf  caryokine- 
tischem  Wege  vermehren.  Man  findet  die  Mitosen  (in  reicher  Zahl 
besonders  in  dickeren  Schnitten)  sämtlich  im  Stadium  der  Metaphase 
(Mutterstern,  Aster)  (Fig.  4)  oder  der  Anaphase  (Tochtersterne).  Andere 
Teilungszustände  habe  ich  nicht  entdecken  können,  insbesondere  war 
eine  Zählung  der  Chromosomen  unmöglich.  Die  Achse  der  Kern- 
teilungsfiguren  war  in  allen  Fällen  nahezu  der  Richtung  der  Basal- 
membran parallel,  so  daß  die  aus  der  Teilung  hervorgehenden  Tochter- 
kerne die  gleiche  Entfernung  von  ihr  haben  würden. 

Der  Durchmesser  der  überall  annähernd  gleich  großen  Kerne, 
die  im  Schnitt  im  allgemeinen  kreisrund  erscheinen,  beträgt  etwa 
ein  Viertel  bis  ein  Drittel  des  Durchmessers  der  Kerne  der  alten  Epithel- 
zellen. Immer  sind  die  Kerne  ungehöft,  mit  einer  deutlichen  Membran 
versehen  und  verhältnismäßig  chromatinarm.  Im  Kernraume  bemerkt 
man  neben  den  nur  in  geringer  Zahl  vorkommenden  Chromatinkörnchen, 
unter  denen  sich  einige  durch  ihre  Größe  auszeichnen,  hier  und  da  ein 
zartes  Gerüst  feiner  Fädchen,  über  dessen  Aufbau  jedoch  keine  näheren 
Aufschlüsse  zu  erzielen  waren. 

Häutungsstadium  II. 

(Fig.  5-7.) 

Basal   zeigt   der   Leib   der   Sphärocyten   denselben  Bau   wie   bei 

Stadium  I.     In  der  oberen  Zellhälfte  tritt  jedoch  besonders  in  den 

vorderen  Partien  (Fig.  5)  das  Linom  in  Form  eines  unregelmäßigen, 

mehr  oder  weniger  groben  wabigen  Netzwerkes  deutlich  hervor,  während 


128  Max  Braun, 

es  weiter  hinten  überhaupt  nicht  erkennbar  oder  sehr  feinmaschig  ist, 
da  hier  eine  große  Zahl  eingelagerter  feinster  Körnchen  der  Zelle  ein 
fast  homogenes  Aussehen  verleiht  (Fig.  6). 

Über  die  Calycocyten  ist  im  allgemeinen  nichts  neues  zu  sagen,  nur 
erscheinen  die  Vacuolen  im  hinteren  Teil  des  Mitteldarmes  verkleinert. 

Die  Kerne  beider  Zellarten  weisen  nach  Lage  und  Bau  keine  Ver- 
änderungen auf. 

Die  nutritorische  Zone  ist  noch  überall  vorhanden.  An  einigen 
Stellen  ist  sie  mitsamt  dem  meist  wohlerhaltenen  und  nur  selten  stellen- 
weise deformierten  Stäbchensaum  von  dem  übrigen  Teil  der  Zelle  ein 
wenig  abgehoben,  so  daß  zwischen  ihr  und  dem  Zellleib  eine  Lücke 
auftritt,  in  die  man  hier  und  da  Teile  des  Linoms  hineinragen  sieht. 

Eine  Secretkugelabscheidung  wird  nur  in  den  hinteren  Partien 
des  Mitteldarmes  beobachtet. 

Ganz  vereinzelt  bemerkt  man  in  dem  Baum  zwischen  Stäbchen- 
saum und  peritrophischer  Membran  aus  dem  Epithelverbande  aus- 
gestoßene Zellen,  die  sich  durch  den  Besitz  des  Kernes  leicht  von  den 
Secretkugeln  unterscheiden  lassen. 

Die  Epithelmutterzellen  haben  jetzt  nahezu  die  halbe  Höhe  des 
Epithels  erreicht.  Sie  erscheinen  in  den  hinteren  Partien  des  Mittel- 
darmes ein  wenig  niedriger  als  in  den  vorderen  und  zeichnen  sich 
überall  durch  die  dunklere  Färbung  ihres  Plasmas  vor  den  heller  tin- 
gierten  alten  Epithelzellen  aus,  die  unter  dem  Druck  der  jugendlichen 
emporwachsenden  Elemente  die  mannigfachsten  Deformierungen  er- 
leiden und  nicht  selten,  an  der  Basis  seitlich  zusammengedrückt, 
kolbenförmige  Gestalt  annehmen. 

Die  im  Stadium  I  auftretenden,  durch  starke  Kernvermehrung 
in  den  »Regenerationsinseln«  gebildeten  Syncytien  sind  größtenteils 
verschwunden  und  an  ihre  Stelle  Lagen  dicht  aneinander  gedrängter 
Zellen  getreten  (Fig.  6),  die  gegeneinander  deutlich  abgegrenzt  sind; 
wo  sie  noch  vorhanden  sind,  zeigen  die  Kerne  eine  regelmäßige  An- 
ordnung in  einer  der  Richtung  der  Basalmembran  parallelenReihe, 
die  sich  in  etwa  halber  Höhe  des  Syncytimus  dahinzieht. 

Vielkernige  Epithelmutterzellen  werden  in  der  Regel  nicht  mehr 
beobachtet,  meist  weisen  sie  nur  einen,  mitunter,  und  zwar  besonders 
in  dem  hinteren  Drittel  des  Mitteldarmes,  zwei  Kerne  auf,  von  denen 
der  eine  basal,  der  andre  in  halber  Höhe  der  Zelle  liegt. 

Die  Kerne  sind  teils  ungehöft,  teils  gehöft,  auch  beobachtet  man 
in  reichlicher  Zahl  alle  möglichen  Übergänge  zwischen  diesen  beiden 
Formen.     Bei  einigen  liegen  im  Kernraum  neben  einem  oder  mehreren 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        129 

größeren  einzelne  kleinere  Chromatinkörnchen  (Fig.  7a),  bei  anderen 
erscheinen  diese  vermehrt,  lassen  aber  noch  keine  regelmäßige  Anord- 
nung erkennen  (Fig.  7b),  bei  noch  anderen  liegen  sie  in  großer  Zahl  im 
Centrum  des  Kernes  zusammengedrängt  um  ein  größeres  Chromatin- 
körnchen herum  (Nucleolus?),  so  daß  ein  heller  Ringhof  schon  hervor- 
tritt (Fig.  7c),  bis  sich  schließlich  die  gehöfte  Kernform  in  ihrer  reinen 
Gestalt  ausbildet,  in  der  die  körnelige  Struktur  des  Chromatins  nicht 
mehr  erkennbar  ist  (Fig.  7d). 

Durch  den  Besitz  eines  gehöften  Kernes  sind  in  der  Regel  die 
einkernigen  Mutterzellen  ausgezeichnet,  in  den  mit  zwei  Kernen  ver- 
sehenen erweist  sich  der  basal  liegende,  jugendliche  Charaktere  be- 
wahrend, als  ungehöft,  der  emporgerückte,  in  halber  Zellhöhe  befind- 
liche, als  gehöft.  Doch  werden  solche  auch  an  der  Basis  vorgefunden. 
Eine  Größenzunahme  der  Kerne  läßt  sich  gegen  das  vorhergehende 
Stadium  nicht  konstatieren. 

Mitunter  beobachtet  man,  daß  einzelne  Regenerationszellen  mit 
ihrem  unteren  kuppenförmigen  Teil,  die  Basalmembran  vor  sich  her 
wölbend,  in  das  uinliegende  Bindegewebe  hineinragen  oder  ganz  aus 
dem  Epithel  hinausgedrängt  sind,  wozu  wohl  die  Druckverhältnisse 
im  Epithel  Veranlassung  gegeben  haben. 

Kernteilungsfiguren  werden  hier  ebensowenig  wie   in  den  weiter 

©         ©  © 

zu  beschreibenden  Stadien  gefunden. 

Häutungsstadium  III. 
(Fig.  8-10.) 

Die  Sphärocyten,  deren  Linom  nur  noch  an  wenigen,  den  vorderen 
Darmpartien  angehörigen  Stellen  als  ein  engmaschiges  Netzwerk  er- 
kennbar wird,  erscheinen  ebenso  wie  die  Calycocyten  unter  dem  Druck 
der  mächtig  aufstrebenden  jugendlichen  Elemente  mitunter  stark 
deformiert  (Fig.  8).  Ihre  Nebenachse  kann  bis  auf  ein  Viertel  der  ur- 
sprünglichen Länge  reduziert  sein,  so  daß  die  Zelle  schmaler  und  höher 
erscheint.  Nicht  selten  ist  ihr  oberer  Teil  blasenförmig  in  das  Darm- 
lumen vorgetrieben. 

Die  Kerne  beider  Zellarten  sind  nach  wie  vor  durchweg  gehöft, 
von  mittelständiger  Lage,  teilweise,  wo  die  Zellen  basal  zusammen- 
gedrückt sind,  in  die  obere  Zellhälfte  verschoben. 

Die  Anzahl  der  für  das  vorhergehende  Stadium  beschriebenen 
intracytären  Lücken,  die  durch  eine  Abhebung  des  Stäbchensaumes 
mit  der  nutritorischen  Zone  von  dem  übrigen  Teil  der  Zelle  hervor- 
gerufen wurden,   hat  sich  beträchtlich   vergrößert,   sie   sind  aber  auf 

Zeitschrift,  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  9 


130  Max  Braun, 

die  vordere  Hälfte  des  Darmes  beschränkt.  Der  Stäbchensaum  ist 
übrigens  stellenweise  deformiert,  mitunter  sogar  verschwunden. 

Die  Sphärocyten  befinden  sich  im  allgemeinen  im  Zustande  der 
Ruhe,  nur  ganz  hinten  im  Darm  findet  noch  eine  Abschnürung  von 
Secretkugeln  statt. 

Aus  dem  Epithelverbande  in  das  Darmlumen  abgestoßene  Zellen 
fehlen  ganz. 

Die  Epithelzellen,  die  durchschnittlich  etwa  drei  Viertel  der  Höhe 
des  Epithels  erreicht  haben  und  im  hinteren  Teil  des  Mitteldarmes 
etwas  niedriger  erscheinen  (es  sind  daneben  auch  noch  kleinere,  weiter 
im  Wachstum  zurückgebliebene  vorhanden),  sind  mitunter  durch  einen 
zarten  Ausläufer  ihres  Körpers,  der  sich  vermöge  seiner  dunkleren 
Färbung  von  dem  Protoplasma  der  umliegenden  Zellen  deutlich  abhebt, 
mit  der  freien  Oberfläche  des  Epithels  verbunden.  Sie  weisen  sämtlich 
einen  gehöften  Kern  auf,  dessen  Durchmesser  etwa  dem  der  Calycocyten- 
kerne  gleichkommt,  daneben  gelangt  häufig,  und  zwar  besonders  hinten, 
noch  ein  basal  gelegener  ungehöfter  Kern  zur  Beobachtung  (Fig.  9). 

Die  im  Stadium  II.  noch,  wenn  auch  spärlich,  auftretenden  Syn- 
cytien  an  der  Basis  des  Epithels  sind  nunmehr  durchaus  verschwunden. 
Überall  sind  die  jugendlichen  Zellen  scharf  gegeneinander  abgegrenzt, 
vielfach  die  Reihen  ihrer  regelmäßig  angeordneten  Kerne,  die  etwa 
in  halber  Höhe  zwischen  denen  der  alten  Zellen  und  der  Basalmembran 
liegen,  deutlich  zu  erkennen. 

Es  fallen  in  diesem  •  Stadium  eine  größere  Anzahl  gehöfter  Kerne 
durch  ihre  Lage  nahe  der  Basalmembran  auf,  ein  Verhalten,  das,  wenn 
auch  in  geringerem  Grade,  schon  im  vorhergehenden  Stadium  kon- 
statiert werden  konnte.  Vielfach  mag  diese  Annäherung  an  die  Basis 
eine  Folge  der  durch  die  proliferierenden  Epithelmutterzellen  ver- 
ursachten Druckverhältnisse  sein,  in  einigen  Fällen  läßt  sich  mit  Sicher- 
heit ein  anderer  Grund  angeben.  Diese  basal  liegenbleibenden,  in  früheren 
Stadien  noch  ungehöften,  nunmehr  zum  größten  Teil  gehöften  Kerne, 
sind  nicht  mit  der  weit  beträchtlicheren  Zahl  derjenigen  zu  verwechseln, 
die  zunächst  noch  embryonale  Charaktere  bewahren,  ihre  basale  Lage 
nicht  aufgeben  und  unschwer  als  die  Kerne  der  künftigen  »Regene- 
rationsinseln« erkannt  werden  können.  Sie  stellen  vielmehr  die  Kerne 
jugendlicher  Calycocyten  dar.  In  dem  zu  ihnen  gehörenden  Zellleib 
bemerkt  man  bei  nicht  wenigen  von  ihnen  axialwärts  eine  gelbliche 
Färbung,  die  auf  die  allmähliche  Bildung  des  den  Calycocyten  eigen- 
tümlichen acidophilen  und  sich  daher  mit  Pikrinsäure  lebhaft  gelb- 
färbenden Secretes  zurückzuführen  ist.    In  einigen  Fällen  ist  es  sogar 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       131 

schon  zur  Ausbildung-  einer  deutlichen  Vacuole  gekommen  (Fig.  10). 
Daß  nicht  alle  jugendlichen  Elemente,  die  dazu  bestimmt  sind,  zu 
Calycocyten  zu  werden,  auf  diesem  Stadium  bereits  mit  der  Bildung 
des  Secretes  beginnen,  ist  leicht  verständlich,  da  von  einer  Verwertung 
desselben  zunächst  noch  keine  Rede  sein  kann.  Jugendliche  Calycocyten 
habe  ich  besonders  in  der  vorderen  Hälfte  des  Mitteldarmes  zu  Gesicht 
bekommen. 

Schließlich  will  ich  nicht  verfehlen,  darauf  hinzuweisen,  daß  auch 
in  diesem  Stadium  wieder  Regenerationszellen  beobachtet  werden,  die 
aus  dem  Epithel  basal  herausgedrängt  worden  sind  und  in  dem  Raum 
zwischen  dem  Epithel  und  der  mitunter  abgehobenen  Basalmembran 
liegen,  die  stellenweise  anscheinend  zerrissen  ist. 

Stadium  IV. 
(Unmittelbar  nach  der  Häutung.     Fig.  11.) 

Das  Linom  ist  in  den  Sphärocyten  auch  in  der  oberen  Zellhälfte 
nirgends  mehr  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  nur  hier  und  da  tritt  in 
dem  sonst  homogen  erscheinenden  Zellleib  apicalwärts  ein  undeut- 
liches Netzwerk  auf. 

Die  Vacuole  der  Calycocyten  ist,  besonders  nach  dem  hinteren 
Darmende  zu,  bedeutend  verkleinert. 

Die  durchaus  ungehöften  Kerne  liegen,  da  die  Zellen  sämtlich 
basal  stark  zusammengedrückt  erscheinen  und  mitunter  kolbenförmige 
Gestalt  annehmen,  in  der  oberen  Zellhälfte,  dem  apicalen  Pole  genähert. 

Die  Abhebung  des  Stäbchensaumes  hat  weitere  Fortschritte  ge- 
macht. Vielfach  sind  benachbarte  intracytäre  Lücken  zu  einem  größeren 
freien  Räume  zwischen  dem  in  das  Darmlumen  vorgetriebenen  Stäbchen- 
saum, mit  dem  die  nutritorische  Zone  in  enger  Verbindung  geblieben 
ist,  und  den  übrig  bleibenden  Zellteilen  verschmolzen.  Diese  Abhebung 
ist  nicht  mehr  auf  die  vorderen  Darmpartien  beschränkt,  sondern  findet 
sich  über  das  ganze  Epithel  verteilt. 

Secretkugeln  werden  nur  noch  ganz  vereinzelt  im  hintersten  Ab- 
schnitt des  Mitteldarmes  beobachtet. 

Aus  dem  Epithel  in  das  Darmlumen  ausgestoßene  Zellen  fehlen 
vollständig. 

Die  Epithelmutterzellen  haben  jetzt  fast  ohne  Ausnahme  die 
Höhe  des  Epithels  erreicht.  Ihre  Kerne  sind  geholt,  erscheinen  aber 
kleiner,  im  Durchmesser  etwa  halb  so  groß  wie  die  Kerne  der  alten 
Cylinderzellen  und  liegen  mehr  basal,  in  etwa  ein  Drittel  der  Zellhöhe. 
Die    jugendlichen    Zellen    sind    also    im    allgemeinen   verhältnismäßig 

9* 


132  Max  Braun, 

deutlich  von  den  alten  Zellen  des  Epithels  verschieden  und  zeichnen 
sich  vor  diesen  durch  eine,  im  Gegensatz  zu  den  bisher  beschriebenen 
Stadien  blassere  Färbung  ihres  Plasmas  aus;  immerhin  aber  trifft  man 
nicht  allzu  selten  auf  Elemente,  bei  denen  man  im  Zweifel  sein  könnte, 
ob  es  sich  um  jugendliche  oder  alte  Zellen  handelt. 

Ebenso  ist  nicht  immer  genau  festzustellen,  ob  diejenigen  Zellen, 
die  sich  durch  einen  basal  liegenden  Kern,  sowie  stellenweis  gelbliche 
Färbung  ihres  Leibes  von  den  übrigen  unterscheiden,  jugendliche 
Calycocyten  sind,  die  nun  zum  erstenmal  ihre  secretbereitende  Tätig- 
keit ausüben,  oder  ältere,  bisher  nur  im  Ruhezustand  befindliche,  die 
nunmehr  in  eine  neue  Secretionsphase  eintreten. 

Ungehöfte  Kerne  werden  nur  noch  selten  beobachtet;  wo  sie  vor- 
kommen, liegen  sie  basal  und  heben  sich  nur  undeutlich  von  dem 
umliegenden  Protoplasma  ab. 

Der  Mitteldarm  einer  anderen  Raupe,  die  ebenfalls  unmittelbar 
nach  dem  Verlassen  der  alten  Haut  konserviert  worden  war,  befand 
sich  in  einem  etwas  früheren  Zustande  als  der  eben  beschriebene.  Die 
Entwicklung  der  intracytären  Lücken  zwischen  Stäbchensaum  und 
Zellleib  war  nicht  so  weit  vorgerückt  und  nur  auf  die  vordere  Darm- 
hälfte beschränkt.  Die  Secretkugelbildung  seitens  der  Sphärocyten 
war  im  hinteren  Darmabschnitt  eine  sehr  lebhafte.  Nur  in  bezug  auf 
die  Ausbildung  der  Epithelmutterzellen  stimmte  der  Zustand  des  Mittel- 
darmes dieser  Raupe  mit  dem  vorhergehenden  nahezu  völlig  überein. 

Zusammenfassung. 

Wenn  die  Raupe  mit  dem  Beginn  der  Abscheidung  einer  neuen 
Cuticula  in  jenen  eigentümlichen  Ruhezustand  eintritt,  den  ich  in  der 
Einleitung  geschildert  habe,  beginnt  in  den  Regenerationszellen1  eine 
Periode  lebhafter,  auf  caryokinetischem  Wege  verlaufender  Kern- 
teilungen, die  (in  allerdings  zunächst  minder  hohem  Maße)  von  Zell- 
teilungen begleitet,  zu  einer  starken  Vermehrung  der  Regenerations- 
zellen führen.  Während  in  den  vorderen  Partien  des  Mitteldarm- 
epithels die  jugendlichen  Zellen  unter  Vergrößerung  ihres  Leibes  und 
Emporrücken  des  Kernes  bereits  in  die  Höhe  zu  wachsen  beginnen, 
dauern  hinten  die  Kernteilungen  noch  an,  so  daß  es  hier,  da  der  Kern- 


1  Für  den  vorliegenden  Fall  wäre  vielleicht  besser:  Epithelmutterzellen. 
Doch  kann  der  kürzere  Ausdruck  »  Regenerationszellen «  beibehalten  werden  in 
Hinblick  auf  die  Tätigkeit  der  in  Frage  kommenden  Gebilde  während  der  Meta- 
morphose, wo  sie  das  abgestoßene  Mitteldarmepithel  zu  ersetzen  haben. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       133 

teihmg  nicht  immer  direkt  die  Zellteilung  folgt,  zur  Ausbildung  von 
»Regenerationssyncytien «  kommt,  in  denen  die  Kerne  zunächst  noch 
wirr  durcheinander  liegen.  Allmählich  jedoch  ordnen  sie  sich  in  einer 
Reihe  an  und  bald  folgt  die  Zerteilung  jedes  Syncytiums  in  eine  Lage 
dichtgedrängter  Zellen. 

Es  eilt  in  der  Höhe  der  Ausbildung  der  Epithelmutterzellen  die 
vordere  Darmhälfte  immer  der  hinteren  um  ein  weniges  voraus,  während 
in  der  letzteren  Region  des  Darmes  eine  ungleich  größere  Zahl  der- 
selben zur  Entwicklung  gelangt. 

Mit  der  Größenzunahme  der  jugendlichen,  sich  zwischen  die  alten 
Zellen  des  Epithels  einschiebenden  Elemente  verlieren  deren  Kerne 
ihre  embryonalen  Charaktere.  Das  anfänglich  in  Form  mehr  oder 
weniger  großer  Körnchen  im  ganzen  Kernraum  unregelmäßig  ver- 
teilte und  nur  spärlich  vorhandene  Chromatin  erfährt  bald  eine  Ver- 
mehrung und  zerteilt  sich  gleichzeitig  in  viele  sehr  feine  Partikelchen, 
die  sich  im  Centrum  ansammeln,  so  daß  zwischen  dem  central  ange- 
ordneten Chromatin  und  der  Kernmembran  ein  lichter  ringförmiger 
Raum  entsteht,  in  dem  keine  färbbare  Substanz  vorhanden  ist.  So 
gehen  aus  den  ungehöften  die  gehöften  Kerne  hervor. 

Doch  nehmen  an  dieser  Umwandlung  nicht  alle  Kerne  teil.  Viele 
bewahren  vielmehr  ihre  embryonalen  Charaktere  und  bleiben  von 
vornherein  basal  liegen.  Sie  dienen  zur  Ausbildung  der  neuen  Re- 
generationszellen. Im  weiteren  Verlaufe  der  Häutung  werden  sie  immer 
undeutlicher  und  weniger  scharf  begrenzt,  bis  sie  schließlich  nur  noch 
schwer  erkannt  werden  können  und  anscheinend  nur  noch  vereinzelt 
im  Mitteldarmepithel  vorkommen. 

Inzwischen  ist  auch  eine  Differenzierung  in  der  Lagerung  der 
gehöften  Kerne  bemerkbar  geworden,  von  denen  einige  ebenfalls  basal 
liegen  bleiben.  Abgesehen  von  denen,  die  durch  irgendwelche  Druck- 
verhältnisse dazu  gezwungen  werden,  dürfen  wir  in  ihnen  die  Kerne 
jugendlicher  Calycocyten  sehen,  wie  die  in  manchen  Fällen  schon 
frühzeitige  Bildung  des  Secretes  und  einer  Vacuole  in  dem  zugehörigen 
Zellleib  beweist. 

Ob  nun  die  Regenerationsinseln  von  vornherein  dazu  bestimmt 
sind,  entweder  nur  Calycocyten  oder  Sphärocyten  zu  liefern,  oder  ob 
zunächst  aus  ihnen  indifferente  Gebilde  hervorgehen,  die  sich  auf 
irgendeinen  Anreiz  hin  in  jene  beiden  Zellarten  differenzieren  können, 
ist  aus  dem  morphologischen  Bau  der  Regenerationsinseln  und  ihrer 
jugendlichen  Nachkommen  nicht  zu  schließen,  da  dieselben  sich  äußer- 
lich nicht  voneinander  unterscheiden  oder  doch  wenigstens  nicht  in 


134  Max  Braun, 

so  charakteristischer  Weise,  daß  es  erlaubt  wäre,  sie  etwa  in  zwei  Arten 
einzuteilen.  Es  genügt  der  Hinweis,  daß  unter  eigenartiger  Verlagerung 
des  Kernes,  der  sich  in  dieser  Beziehung  ganz  anders  verhält  als  seine 
unter  anscheinend  genau  denselben  Bedingungen  existierenden  nächsten 
Nachbarn,  gewisse  jugendliche  Zellen  auf  einem  sehr  frühen  Entwick- 
lungsstadium sich  als  Calycoeyten  erweisen,  es  genügt  dieser  Hinweis, 
sage  ich,  um  die  Vermutung  auszusprechen,  daß  die  Regenerations- 
inseln determiniert  sind,  aus  sich  entweder  die  eine  oder  die  andre 
Zellart  hervorgehen  zu  lassen,  so  daß  wir  in  der  Tat  berechtigt  wären, 
das  Mitteldarmepithel  der  Raupe  von  Deil&phila  ewphorbiae  und  damit 
überhaupt  der  Lepidopterenlarven  als  ein  dimorphes  anzusehen. 

Gegen  das  Ende  der  Häutung  haben  die  jugendlichen  Zellen  ihre 
volle  Höhe  erreicht,  wenn  auch  ihr  Kern  zunächst  noch  mehr  basal 
liegt  und  kleiner  ist  als  der  normaler  Epithelzellen. 

Die  weiteren  Wachstumsvorgänge  im  Mitteldarm,  die  nach  dem 
Verlassen  der  Haut  vor  sich  gehen,  beschränken  sich  darauf,  den  jungen 
Zellen  sowohl  als  den  alten,  von  ihnen  seitlich  komprimierten,  auch  in 
der  Richtung  der  Nebenachse  die  normale  Dimension  zu  verleihen.  Auf 
diese  Art  und  Weise  wird  ohne  Einschiebung  jugendlicher  Elemente,  die 
in  der  Zeit  zwischen  zwei  Häutungen  bei  der  Raupe  von  Deilephila 
nicht  beobachtet  wird  und  auch  wahrscheinlich  garnicht  oder  nur  in  sehr 
geringem  Umfange  stattfindet,  eine  Verlängerung  des  gesamten  Mittel- 
darmes herbeigeführt.  Da  die  Wand  dieses  Darmabschnittes  bei  unserer 
Raupe  normalerweise  in  mannigfacher  Art  gefaltet  erscheint,  ist  es 
nicht  möglich  festzustellen,  ob  sie  während  der  Häutung  infolge  der 
intensiven  Proliferation  der  Epithelmutterzellen  noch  weiter  in  Falten 
gelegt  wird,  die  dann  nach  Abstreifung  der  alten  Cuticula  zur  weiteren 
Verlängerung  des  Mitteldarmes  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aus- 
geglättet werden  könnten;  doch  ist  die  Möglichkeit  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  um  so  mehr  als  wir  gesehen  haben,  daß  es  während 
der  Häutung  zu  einem  mehr  oder  minder  umfangreichen  Zerreißen 
der  Basalmembran  kommt  (Stadium  III,  mangelhafte  Konservierung?). 

Wir  haben  gesehen,  daß  im  Verlaufe  der  Häutung,  von  einigen 
geringfügigen  Unregelmäßigkeiten  abgesehen,  das  Gerüst  der  Sphäro- 
cyten  in  der  vorderen  Hälfte  des  Mitteldarmes  zunächst  garnicht  oder 
nur  undeutlich  erkennbar  ist,  daß  es  später  klarer  hervortritt,  um 
gegen  Schluß  der  Häutungsperiode  wieder  zu  verschwinden.  In  der 
hinteren  Hälfte  jedoch  erscheint  es  zu  Anfang  derselben  wohlausge- 
bildet, verliert  sich  dann  aber  bald,  um  bis  zum  Schluß  nicht  mehr 
erkennbar  zu  werden. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       135 

Die  Ursachen  für  dies  Verhalten  der  Sphärocyten  liegen  erstens 
in  ihrer  secernierenden  Tätigkeit,  zweitens  aber  auch  in  den  durch 
die  Proliferation  der  Epithelmutterzellen  geschaffenen  Druckverhält- 
nissen. Wir  haben  gesehen,  daß  schon  ganz  jugendliche  Elemente 
auf  einem  sehr  frühen  Stadium  ihrer  Entwicklung  die  alten  Zellen  des 
Epithels  basal  zusammenzudrücken  vermögen,  daß  diese  im  weiteren 
Verlaufe  teilweise  kolbenförmige  Gestalt  anzunehmen  gezwungen  sind 
und  bei  einigen  sogar  der  obere  Teil  blasenförmig  in  das  Darmlumen 
vorgetrieben  erscheint,  worauf  vielleicht  eine  von  mir  allerdings  nicht 
beobachtete  Abschnürung  desselben  erfolgt.  Mitunter  ist  dann  gegen 
Schluß  der  Häutung  die  Nebenachse  der  Cylinderzellen  bis  auf  ein 
Viertel  ihrer  ursprünglichen  Länge  reduziert. 

Gleichzeitig  mit  dieser  Komprimierung  erfolgt  die  Abscheidung 
des  in  den  Sphärocyten  enthaltenen  Secretes,  ein  Prozeß,  der  im  Mittel- 
darm von  vorn  nach  hinten  verläuft  (siehe  auch  Deegener  [1909])  und 
erst  gegen  das  Ende  des  Häutungszustandes  beendet  erscheint.  Zu 
Beginn  treffen  wir  die  Zellen  der  vorderen  Hälfte  des  Darmes  in  leb- 
hafter Secretion.  Jedoch  enthalten  die  meisten  noch  ihr  Secret,  so 
daß  ihr  Linom  nur  undeutlich  erkennbar  ist,  während  einige,  die  ihren 
Inhalt  bereits  in  das  Darmlumen  entleert  haben,  ein  wohlausgebildetes 
Gerüstwerk  zeigen,  welches  in  den  Zellen  der  hinteren  Darmhälfte, 
wo  keine  Secretkugeln  angetroffen  werden,  fast  überall  deutlich  er- 
kennbar ist.  Hier  ist  also,  bevor  die  Raupe  in  den  Häutungszustand 
eingetreten  ist,  eine  lebhafte  Ausscheidung  des  Secretes  vor  sich  ge- 
gangen, das  nun  wieder  neu  gebildet  wird  und  in  einigen  Zellen  schon 
das  Linom  verdeckt.  Nachdem  in  den  vorderen  Darmpartien  durch 
lebhafte  sezernierende  Tätigkeit  dasselbe  überall  klar  erkennbar  ge- 
worden ist,  treten  auch  die  Zellen  der  hinteren  Hälfte,  nachdem  sie  sich 
mit  Secret  gefüllt  haben,  in  den  Secretionszustand  ein,  das  Linom 
wird  aber  nicht  mehr  deutlich,  da  die  hinten  besonders  lebhafte  Wuche- 
rung der  nun  schon  größeren  Epithelmutterzellen  einen  zu  starken 
Druck  auf  die  Sphärocyten  ausübt,  was  zusammen  mit  der  Bildung 
neuen  Secretes  ein  Hervortreten  der  netzartigen  Struktur  des  Zellleibes 
verhindert,  auch  in  dem  Moment,  wo  einige  Zeit  vorher  die  Zellen  ihr 
Secret  völlig  entleert  hatten.  Ebenso  läßt  sich  erklären,  daß  auch  in 
den  vorderen  Regionen  des  Darmepithels  das  Linom,  nachdem  es 
noch  einmal  deutlich  sichtbar  geworden  ist,  alsbald  wieder  verschwindet, 
so  daß  gegen  Ende  des  Häutungszustandes  alle  Sphärocyten  ein  mehr 
oder  weniger  homogenes  Aussehen  gewonnen  haben. 

Eine   Ausstoßung   von   Zellen  aus   dem   Epithelverbande   in  das 


136  Max  Braun, 

Darmlumen  erfolgt  während  der  Häutung  in  nur  sehr  geringem  Um- 
fange. Die  Epithelzellen  geben  ihre  Verbindung  mit  der  Basalmembran 
garnicht  oder  nur  vorübergehend  auf,  wenngleich  der  Zusammenhang 
auch  gelockert  erscheint,  wodurch  es  sich  erklärt,  daß  unter  der  Ein- 
wirkung des  Konservierungsmittels  die  Basalmembran  mitsamt  den 
fester  an  ihr  haftenden  jungen  Mutterzellen  besonders  auf  frühen 
Stadien  nicht  selten  vom  Epithel  abgelöst  erscheint.  Auch  da,  wo  es  zur 
Ausbildung  der  oben  beschriebenen  »  Regenerationssyncytien «  kommt, 
dürfte  die  Verbindung  der  alten  Epithelzellen  mit  der  Basalmembran 
mittels  feiner  Ausläufer  ihres  Protoplasmas  entweder  aufrecht  erhalten 
bleiben,  welche  Ausläufer  auf  Schnitten  im  allgemeinen  natürlich  nicht 
getroffen  werden,  oder,  wenn  tatsächlich  eine  vorübergehende  Ab- 
lösung erfolgen  sollte,  wird  die  Verbindung  während  oder  sofort  nach 
der  Differenzierung  der  Syncytien  in  einzelne  Zellen  wieder  hergestellt. 
Andernfalls  müßte  besonders  in  der  hinteren  Hälfte  des  Mitteldarmes 
eine  ziemlich  umfangreiche  Abstoßung  alten  Zellmaterials  beobachtet 
werden.  Wo  Zellen  aus  dem  Verbände  entfernt  werden,  dürfte  es 
sich  um  senil  degenerierte  handeln. 

Leider  vermag  ich  nichts  über  die  weiteren  Schicksale  des  Stäb- 
chensaumes anzugeben.  Wie  erinnerlich,  treten  schon  im  frühen 
Stadium  der  Häutung  intracytäre  Lücken  auf  zwischen  dem  Stäbchen- 
saum und  der  ihm  eng  anhaftenden  nutritorischen  Zone  einerseits  und 
dem  eigentlichen  Zellleib  andererseits.  Diese  Lücken  vermehren  und 
vergrößern  sich  im  Laufe  der  Häutung  beträchtlich,  so  daß  unmittelbar 
nach  derselben  die  Ablösung  des  Stäbchensaumes  eine  stellenweise 
schon  recht  in  die  Augen  fallende  ist.  Diese  Verhältnisse  lassen  sich 
ohne  weiteres  mit  Leichtigkeit  darauf  zurückführen,  daß  die  den  Saum 
tragenden  Zellen  stark  zusammengedrückt  werden  und  demselben  damit 
die  Ansatzfläche  entzogen  wird.  Ob  nach  der  Häutung  die  Ablösung 
noch  weiter  vor  sich  geht,  konnte  ich  nicht  ermitteln,  da  ich  mir  das 
erforderliche  Material  an  Raupen  bisher  noch  nicht  verschaffen  konnte. 
Jedenfalls  ist  unmittelbar  nach  der  Häutung  von  der  Anlage  eines 
neuen  Stäbchensaumes  noch  nichts  zu  bemerken. 

B.  Hyponomeuta  evonymella  Scop.  (Fig.  12 — 14.) 
Das  Mitteldarmepithel  der  Larve  von  Hyponomeuta  evonymella 
ist  ebenso  wie  bei  Deil.  euph.  ein  dimorphes,  aus  Sphärocyten  und 
Calycocyten  bestehendes.  Die  ersteren  sind  schlanker  als  bei  Deil. 
euph.,  etwa  drei-  bis  viermal  so  hoch  wie  breit;  in  bezug  auf  die  hier 
spärlicher  auftretenden  Calycocyten  sind  wesentlich  abweichende  Ver- 


Das  Mitteldarinepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        137 

hältnisse  nicht  zu  bemerken.  Die  Kerne  beider  Zellarten  sind  oblong, 
eiförmig  oder  elliptisch,  selten  rund  und  liegen  bei  den  Cylinderzellen 
normalerweise  etwas  basal  in  ungefähr  halber  Zellhöhe,  bei  den  Becher- 
zellen, wo  sie  viel  weniger  umfangreich  erscheinen,  befinden  sie  sich, 
falls  sie  nicht  unter  dem  Druck  des  Vacuoleninhalts  an  die  Seitenwand 
gepreßt  sind,  im  Leib  der  Zelle  unterhalb  der  tiefsten  Stelle  der  Vacuole. 
Im  Bau  zeigen  sie  mit  den  Epithelzellkernen  von  Deil.  euph.  insofern 
Übereinstimmung,  als  sie  sich  im  allgemeinen  als  gehöft  erweisen. 
In  einer  central  liegenden,  hin  und  wieder  an  einer  Stelle  mit  der  Kern- 
membran in  Berührung  getretenen  und  sich  ziemlich  hell-gräulich 
färbenden  Masse,  die  bei  Anwendung  stärkster  Vergrößerung  aus  sehr 
feinen  Körnchen  zu  bestehen  scheint,  sind  eine  beträchtliche  Zahl 
gröberer  Chromatinkörnchen  eingebettet,  die  sich  lebhaft  schwarz 
fingieren  [Eisenhämatoxylin].  Das  Linom  der  Zellen  tritt  je  nach  dem 
Secretionszustancl,  in  dem  sie  sich  befinden,  mehr  oder  weniger  deut- 
lich hervor. 

An  seiner  freien,  dem  Darmlumen  zugekehrten  Oberfläche  trägt  das 
Epithel  einen  deutlich  entwickelten  Stäbchensaum  von  mäßiger  Höhe, 
an  dessen  Basis  sich  eine  nicht  immer  erkennbare  Körnchenreihe  dahin- 
zieht. 

Die  Regenerationszellen  treten  hier  an  der  Basis  des  Epithels  in 
verhältnismäßig  größerer  Zahl  auf  als  bei  Deil.  euph.  und  sind  auch 
durch  ihre  dunkle  Färbung  deutlich  gegen  ihre  Umgebung  abgegrenzt. 
Der  stets  gehöfte,  im  Schnitt  kreisrunde  Kern  füllt  die  Zelle  fast 
immer  nahezu  vollständig  aus,  so  daß  der  zugehörige  Zeilleib  nur  als 
schmaler  Ring  erkennbar  ist. 

Als  wesentlicher  Unterschied  gegen  Deil.  euph.  fällt  hier  das  Vor- 
handensein einer  reichlichen  Zahl  jugendlicher  Zellen  auf,  die  unab- 
hängig von  den  Häutungen  im  normalen  Epithel  auf  allen  Entwicklungs- 
stufen angetroffen  werden,  und  sich  von  der  Basis  her  zwischen  die 
alten  Epithelzellen  einkeilen  oder  auch  in  sie  hineinwachsen  (Fig.  12). 
Niemals  ist  in  ihnen  ein  Zellgerüst  zu  beobachten,  selbst  dann  nicht, 
wenn  sie  bereits  die  Höhe  des  Epithels  erreicht  haben.  Sie  haben  immer 
ein  homogenes  Aussehen,  ein  Verhalten,  wie  ich  es  übrigens  auch  bei 
Deil.  euph.  konstatieren  konnte. 

Während  der  Häutung  tritt  eine  bedeutend  lebhaftere  Proliferation 
der  Epithelmutterzellen  ein,  und  es  gelangen  ganz  ähnliche  Verhältnisse 
zur  Beobachtung  wie  wir  sie  bei  Deil  euph.  kennen  gelernt  haben. 
Auch  hier  kommt  es  stellenweise  zur  Ausbildung  von  Syncytien,  auch 
hier  gehen  die  Kerne  der  emporwachsenden  Zellen  aus  der  ungehöften 


138  Max  Braun, 

in  die  gehöfte  Form  über,  wobei  zu  gleicher  Zeit  eine  Vermehrung  der 
Chromatinkörnchen  eintritt.  Auf  einem  sehr  frühen  Entwicklungs- 
stadium erfüllt  die  körnelige  Grundsubstanz,  in  welcher  dieselben  ein- 
gebettet sind,  den  Kernraum  fast  vollständig  (Fig.  136),  nur  hier  und 
da  als  Andeutung  des  späteren  Ringhofes  einen  schmalen  Raum  zwischen 
sich  und  der  Membran  freilassend.  Erst  später  gelangt  dann  der  Ring- 
hof zur  vollständigen  Ausbildung  (Fig.  146).  Während  die  jugendlichen 
Elemente  in  die  Höhe  wachsen,  bleiben  an  der  Basis  wieder  einige 
Kerne  unter  Beibehaltung  ihrer  embryonalen  Charaktere  liegen,  um 
das  Material  für  weitere  Regenerationszellen  zu  liefern. 

Das  Linom  der  Sphärocyten  erleidet  ähnliche  Veränderungen  wie 
bei  Deil.  euph.  Auf  früheren  Stadien  der  Häutung  ist  es  deutlich  aus- 
gebildet, später  wird  es  undeutlicher,  um  schließlich  ganz  zu  ver- 
schwinden1. 

Aus  dem  Epithel  in  das  Darmlumen  ausgestoßene  Zellen  wurden 
ebensowenig  wie  Kernteilungsfiguren  gefunden. 

Intracytäre  Lücken  zwischen  dem  Stäbchensaum  und  dem  übrigen 
Teil  der  Zelle  treten  im  Endstadium  der  Häutung  auf,  ihre  Zahl  ist 
aber  eine  ganz  geringe,  so  daß  ihnen  weitere  Bedeutung  nicht  zuzu- 
schreiben ist. 

Kapitel  II.     Hymenoptera. 
Arge. 
(Fig.  15—19.) 
Die  Larve  wurde  nach  Konow  (1901 — 1905)  bestimmt. 
Das  Mitteldarmepithel  der  von  mir  untersuchten  Tenthrediniden- 
larve   ist   einschichtig   und   homomorph,    nur   aus   Cylinderzellen   be- 
stehend,  die  etwa    zwei-   bis  dreimal   so  hoch   wie   breit  erscheinen 
und  nicht  immer  deutlich  gegeneinander  abgegrenzt  sind.     An  ihrem 
apicalen  Ende  tragen  sie  einen  im  allgemeinen  deutlich  entwickelten 
Stäbchensaum,  der  nur  an  manchen  Stellen  vermißt  wird,  an  anderen 
dagegen  zu  enormer  Höhe  ausgebildet  ist,  so  daß  er  stellenweise  halb 
so  hoch  wie  die  ganze  Zelle  werden  kann.     Die  Zellen  weisen  meist 
ein  Gerüst  auf,  dessen  Elemente  das  Plasma  von  der  Basis  bis  zur 
freien  Oberfläche  der  Zelle  durchsetzen  und  sich  unterhalb  des  Stäbchen- 


1  Ein  gesetzmäßiges  Verhalten  der  Calycocyten  war  bei  keiner  der  beiden 
Raupen  zu  konstatieren.  Es  wurde  bei  Deil.  euph.  nur  eine  mit  der  Häutung 
fortschreitende  Verkleinerung  der  Vacuolen  im  hinteren  Drittel  des  Mitteldarmes 
beobachtet  [Druckverhältnisse!].  Erst  unmittelbar  nach  der  Häutung  scheint 
dann  eine  lebhaftere  Tätigkeit  der  Calycocyten  zu  beginnen. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       139 

saumes  in  einer  mäßig  breiten  Schicht  dichtgelagerter  Körnchen  ver- 
lieren [nutritorische  Zone].  Die  Fädchen  des  Gerüstes  verlassen  ihre 
Richtung  nur  zum  Umgreifen  des  Kernes  und  bilden  mitunter  in  der 
oberen  Zellhälfte  ein  Netzwerk.  Vielfach  ist  infolge  reichlicher  Ein- 
lagerung feinster  Körnchen  das  Linom  überhaupt  nicht  erkennbar. 

Der  im  Schnitt  ovale  oder  elliptische,  selten  kreisrunde  Kern 
liegt  in  halber  Zellhöhe,  etwas  apical,  kann  aber  auch  bis  an  die  nutri- 
torische Zone  heranrücken.  Er  ist  im  allgemeinen  gehöft  und  weist 
im  Centrum  eine  dichtgedrängte  Masse  feiner  Chromatinkörnchen  auf, 
die  nur  bei  stärkster  Vergrößerung  und  intensivster  Belichtung  erkannt 
werden  können.  Abweichende  Kernformen  werden  in  größerer  Menge 
beobachtet  und  dürften  gewisse  Secretionszustände  der  Zelle  reprä- 
sentieren, auf  die  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann. 

Mitunter  werden  mehrere,  häufig  zwei  Kerne  in  einer  Zelle  beob- 
achtet, die  im  letzteren  Falle  eng  aneinandergelagert  meist  in  der 
Hauptachse  derselben  liegen,  so  daß  einer  dem  Stäbchensaum,  der 
andere  der  Basis  zugewendet  ist  (Fig.  15).  Kernteilungsfiguren  konnten 
nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden,  vielleicht  verdient  hier 
Beachtung,  daß  in  einem  Falle  zwischen  zwei  Kernen,  zwischen  denen 
eine  Zellgrenze  nur  undeutlich  entwickelt  war,  durch  diese  hindurch 
eine  die  Chromatincentren  beider  Kerne  verbindende  Brücke  aus- 
gebildet war  (Fig.  16). 

An  der  Basis  des  Epithels  liegen  die  hier  ebenfalls  einkernigen 
und  anscheinend  nur  spärlich  vorhandenen  Regenerationsinseln.  Ihre 
Kerne  sind  ungehöft  und  tingieren  sich  nur  schwach.  Das  Chromatin 
ist  in  äußerst  feinen  staubförmigen  Partikelchen  im  ganzen  Kernraum 
verteilt. 

Im  Epithel  werden  immer,  ähnlich  wie  bei  Hyp.  evon.,  zwischen 
den  auseinandergedrängten  Cylinderzellen  eingekeilt,  jugendliche  Ele- 
mente jeglichen  Entwicklungszustandes  angetroffen.  Im  frühen  Sta- 
dium ist  der  Kern  noch  ungehöft  und  genau  gleich  dem  der  Regenera- 
tionsinseln gebaut,  später  geht  er  allmählich  in  die  gehöfte  Form  über 
(Fig.  17). 

Im  Häutungszustand  bietet  das  Epithel  bis  auf  die  Kerne  der 
alten  Zellen,  die  gewisse  mit  der  Secretion  zusammenhängende  Ver- 
änderungen in  der  Anordnung  ihres  Chromatins  erleiden,  genau  den- 
selben Anblick  wie  im  Normalzustand.  Die  aufwachsenden  Zellen 
erscheinen  nicht  vermehrt  und  werden  auch  hier  in  den  verschiedensten 
Stadien  ihrer  Entwicklung  beobachtet.  Hin  und  wieder  konnten  aus 
dem   Epithelverbande   in   das  Darmlumen  ausgestoßene  Zellen  nach- 


140  Max  Braun, 

gewiesen  werden,  kenntlich  an  dem  Besitz  eines  schon  im  Zerfall  be- 
griffenen Kernes  (Fig.  18). 

Was  die  oben  angedeuteten  Veränderungen  der  alten  Kerne  an- 
belangt, so  ist  zu  sagen,  daß  ihr  Chromatin  sich  im  Laufe  der  Häutung 
zu  mehreren  größeren  Klumpen  zusammenballt,  die  dann  in  einer 
central  angeordneten  feinkörneligen,  minder  intensiv  gefärbten  Masse 
eingelagert  sind  (Fig.  19).  Ganz  ähnliche  Kernbilder  werden  auch 
zwischen  den  Häutungen,  allerdings  nur  vereinzelt,  angetroffen. 

Das  Mitteldarmepithel  weist  also  in  bezug  auf  die  Ausbildung 
jugendlicher  Zellen  im  Gegensatz  zur  Raupe  von  Hyp.  evon.  im  Häu- 
tungszustand  keine  anderen  Verhältnisse  auf  als  sonst. 

Es  verdient  hier  noch  mitgeteilt  zu  werden,  daß  immer  im  Mittel- 
darmepithel Stellen  angetroffen  werden,  wo  die  Zellen  dicht  aneinander- 
gedrängt  liegen,  so  daß  ihre  Nebenachsen  sehr  verkürzt  erscheinen. 
Möglicherweise  sind  hier  Zellteilungen  oder  umfangreichere  Einschie- 
bungen  jugendlicher  Elemente  vorangegangen. 

Kapitel  III.     Diptera. 

CalUphora  (Fig.  20—23). 

Das  Mitteldarmepithel  der  CalliphorarLajve  ist  schon  des  öfteren 
Gegenstand  der  Untersuchungen  der  Forscher  gewesen,  welche  ihr 
Interesse  besonders  seinem  Schicksale  während  der  Metamorphose 
zugewendet  haben  (Weissmann  [1864],  Kowalevsky  [1887],  Pekez 
[1910]  u.  a.). 

Die  Zellen  sind  kubisch,  mitunter  von  schwach  cylindrischer  Ge- 
stalt oder  auch  mehr  abgeflacht  und  tragen  an  ihrem  freien  Ende 
einen  niedrigen  aber  deutlich  entwickelten  Stäbchensaum,  an  dessen 
Basis  sich  eine  nutritorische  Zone  dahinzieht,  die  stellenweise  auch 
fehlen  kann.  Sie  bieten  mitunter  einen  eigenartigen  Anblick  dadurch, 
daß  sie,  wie  es  auch  im  Laufe  der  Häutung  beobachtet  wird,  basal 
einen  seitlichen  Ausläufer  zeigen  und  somit  in  zwei  Abschnitte  geteilt 
erscheinen,  einen  höheren,  der  den  Kern  enthält,  und  einen  niedrigeren, 
der  die  Verbindung  zur  Nachbarzelle  herstellt  (Fig.  22).  Das  Gerüst 
tritt  stellenweise,  und  zwar  besonders  in  den  hinteren  Regionen  des 
Mitteldarmes,  im  apicalen  Teil  der  Zelle  in  Form  eines  unregelmäßigen 
Netzwerkes  hervor,  während  es  an  anderen  Stellen  infolge  Anwesenheit 
vieler  feiner  Körnchen  innerhalb  des  Plasmas,  die  der  Zelle  ein  fast 
homogenes  Aussehen  verleihen  können,  nicht  erkannt  werden  kann 
(Fig.  20).  In  bezug  auf  gewisse  kugelförmige  Einlagerungen,  die  hier 
und  da  innerhalb  des  Zellkörpers  beobachtet  werden,  schreibt  Perez 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       141 

(1910):  «Les  cellules  epitheliales  de  cet  intestin  moyen  presentent  une 
particularite  assez  remarquable.  Je  ny  ai  jamais  observe  aucun  Pro- 
cessus cytologique  de  secretion,  analogue  ä  ceux  que  l'on  a  si  souvent 
decrits  dans  les  epitheliums  intestinaux  les  plus  divers:  Jamais  la 
moindre  inclusion  qui  puisse  etre  interpretee  comme  un  grain  de  pro- 
ferment.  Les  cellules  sont  au  contraire  bourrees,  avec  une  abondance 
extreme,  de  globules  de  graisse,  generalement  alignes  en  direction 
normale  ä  la  surface,  et  ne  laissant  entre  eux  que  de  fines  trabecules 
protoplasmiques  de  meme  direction. »  Ich  werde  auf  diese  Verhältnisse 
noch  zurückkommen. 

Die  Kerne  der  Epithelzellen  liegen  im  allgemeinen  in  der  Mitte 
der  Zelle,  doch  kommen  vielfach  Abweichungen  von  dieser  Lage  vor. 
Sie  sind  meist  gehöft.  Nicht  selten  erscheint  die  im  Centrum  angehäufte 
Chromatinmasse  in  viele  gröbere  Körnchen  aufgelöst,  die  noch  inso- 
fern eine  regelmäßige  Lagerung  erkennen  lassen  können,  als  sie  mit- 
unter einen  mehr  oder  weniger  deutlichen  Ringhof  an  der  Kernmembran 
freilassen.  Die  Kerne  sind  im  Schnitt  kreisrund,  elliptisch  oder  auch 
von  unregelmäßiger  Gestalt.  An  der  Basis  des  Epithels  liegen  die  im 
vorliegenden  Alterszustand  noch  einkernigen  Regenerationsinseln,  die 
später  mehrkernig  werden  und  eine  große  Rolle  bei  der  Metamorphose 
spielen  (Perez  [1908,  1910]),  aber  auch  schon  vorher  als  jugendliche 
Zellen  in  das  Epithel  hineinwachsen  können  (Fig.  20). 

Irgendwelche  charakteristischen  Veränderungen  erleiden  die  Re- 
generationsinseln während  der  Häutung  nicht.  Nur  die  Kerne  der 
Epithelzellen  zeigen  im  Laufe  derselben  ein  wechselndes  Aussehen, 
das  wahrscheinlich  in  näherem  Zusammenhang  mit  der  Secretion  der 
Zellen  steht.  Wir  sehen  in  frühen  Häutungsstadien  neben  dem  central 
angeordneten  Chromatin  innerhalb  des  Ringhofes  einige  feine  Chromatin- 
körnchen  liegen  (Fig.  21),  die  sich  unter  Verkleinerung  und  Auflockerung 
der  centralen  Masse  allmählich  vermehren  (Fig.  22),  bis  der  Kern 
endlich  jede  Andeutung  eines  Hofes  verloren  hat  (Fig.  23),  und  das 
Chromatin  in  Form  feiner  unregelmäßiger  Körnchen  in  ungesetz- 
mäßiger Anordnung  über  den  ganzen  Kernraum  verteilt  ist.  Eine 
Untersuchung  über  die  Secretion  im  Mitteldarm  der  Calliphora-L&ive, 
ähnlich  wie  sie  Deegener  (1909,  1910)  an  anderen  Objekten  angestellt 
hat,  würde  höchstwahrscheinlich  genauen  Aufschluß  über  die  Natur 
dieser  Vorgänge  geben. 

Gleichzeitig  beobachtet  man  eine  Vermehrung  der  von  Perez  be- 
schriebenen «globules  de  graisse»  innerhalb  der  Zelle.  In  einem  ge- 
wissen Stadium  der  Häutung  kommt  es  dann  zur  Abstoßung  solcher 


142  Max  Braun, 

Fettkugelansammlungen  derart,  daß  der  ganze  apicale  Teil  der  Zelle, 
der  die  Fettkügelchen  enthält,  abgeschnürt  wird  (Fig.  23).  Es  muß 
zunächst  dahingestellt  bleiben,  ob  dies  ein  Secretionsvorgang  ist,  die 
«globules  de  graisse»  somit  als  Secrettröpfchen  angesehen  werden 
müssen. 

Kapithel  IV.     Coleoptera. 

A.  Melasoma  vigintipunctata  Scop.  (Fig.  24  u.  25.) 
Das  einschichtige  und  homomorphe  Mitteldarmepithel  der  Larve 
von  Melasoma  vigintipunctata  wird  von  mäßig  hohen,  etwa  zwei-  bis 
viermal  so  hohen  als  breiten  Cylinderzellen  gebildet,  die  an  ihrem  dem 
Darmlumen  zugekehrten  Ende  einen  niedrigen  Stäbchensaum  tragen, 
dessen  basale  Körnerreihe  stellenweise  deutlich  erkennbar  wird.  Die 
immer  klar  hervortretenden  Fädchen  des  Zellgerüstes  halten  die  Rich- 
tung von  der  Basis  zum  apicalen  Ende  der  Zelle  inne,  verlaufen  also 
der  Hauptachse  parallel  und  weichen  aus  ihrer  Richtung  nur  ab,  um 
den  Kern  zu  umfassen.  Unterhalb  des  Stäbchensaumes  verlieren  sie 
sich  in  eine  breite,  anscheinend  homogene  Zone,  die  bei  Anwendung 
stärkster  Vergrößerung  sich  als  aus  feinen  Körnchen  zusammengesetzt 
erweist,  und  innerhalb  deren  mitunter  sogar  die  Zellgrenzen  nicht 
erkennbar  sind.  Auch  basal  sind  die  Elemente  des  Zellgerüstes  stellen- 
weise nicht  voneinander  zu  trennen,  so  daß  hier  die  Zelle  ein  homo- 
genes Aussehen  erhält.  Apical  vom  Kern  kommt  es  vielfach  zur  Aus- 
bildung eines  Netzwerkes,  auch  werden  in  unmittelbarer  Nachbar- 
schaft desselben  häufig  einige  blaßgefärbte  Vacuolen  beobachtet. 

Die  großen  Kerne  liegen  in  der  unteren  Hälfte  der  Zelle,  jedoch 
der  Mitte  derselben  genähert.  Sie  weisen  ein  deutliches  feinmaschiges 
Gerüst  auf,  in  das  eine  große  Anzahl  ziemlich  grober  Chromatinkörn- 
chen  eingelagert  ist,  die  im  allgemeinen  im  Centrum  des  Kernes  zu- 
sammengedrängt sind,  so  daß  an  der  Kernmembran  eine  mäßig  breite 
Zone  entsteht,  in  der  Chromatinpartikelchen  gar  nicht  oder  nur  in  sehr 
geringer  Zahl  vorkommen.  Unmittelbar  an  der  Kernmembran  liegt 
eine  dichte  Reihe  feinerer,  intensiv  schwarz  gefärbter  Körner.  Die 
Kerne  besitzen  im  Schnitt  die  Form  einer  Ellipse,  deren  große  Achse 
in  der  Hauptachse  der  Zelle,  mitunter,  und  dann  nur  bei  verhältnis- 
mäßig niedrigen  und  breiten  Zellen,  in  der  Nebenachse  derselben  liegt. 
An  der  Basis  des  Epithels,  fast  immer  zwischen  zwei  benachbarten 
Zellen,  bemerkt  man  die  hier  in  großer  Zahl  auftretenden,  sehr  deut- 
lichen einkernigen  Regenerationszellen,  die  sich  vermöge  ihrer  dunklen 
Färbung  scharf  von  ihrer  Umgebung  abheben.     Ihr  großer,  sie  mit- 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       143 

unter  fast  ganz  ausfüllender  Kern  ist  kreisrund,  oblong  oder  elliptisch 
von  wechselndem,  meist  geringem  Gehalt  an  Chromatin,  das  in  Form 
von  Körnchen  in  das  wohlausgebildete  Kerngerüst  eingelagert  ist 
(Fig.  24). 

Vielfach  liegt  der  Kern  der  Basalmembran  nicht  unmittelbar  an, 
sondern  in  einiger  Entfernung  von  ihr,  so  daß  die  Regenerationszelle 
ein  knopfförmiges  Aussehen  gewinnt.  Es  handelt  sich  hier  wohl  um 
aufwachsende  Elemente,  die  man  im  Epithel  des  Mitteldarmes  unserer 
Chrysomelidenlarve  immer  in  jedem  Größenzustand  antrifft,  und  an 
denen  man  deutlich  erkennen  kann,  wie  der  Kern  allmählich  seine 
embryonale  Struktur  verliert,  um  die  Gestalt  des  Kernes  der  tätigen 
Epithelzellen  anzunehmen.  Die  aufwachsenden  jugendlichen  Zellen 
treiben  die  alten  auseinander  und  zeichnen  sich  durch  die  intensive, 
dunkle  Färbung  ihrer  in  das  Epithel  vorgetriebenen  apicalen  Spitze 
aus.  Vielfach  bemerkt  man  an  der  Basis  solcher  in  die  Höhe  wach- 
senden Elemente  einen  zweiten  Kern,  aus  dem  eine  spätere  Regenera- 
tionsinsel hervorgeht. 

Ganz  ähnlich  wie  wir  es  bei  der  Raupe  von  Hyp.  evon.  gesehen 
haben,  tritt  auch  hier  während  der  Häutung  eine  lebhafte  Proliferation 
derselben  ein,  so  daß  wir  alsdann  im  Mitteldarmepithel  immer  eine 
große  Zahl  auf  gleicher  Entwicklungsstufe  befindlicher  jugendlicher 
Zellen  antreffen,  die,  jenachdem  wie  weit  die  Häutung  vorgeschritten 
ist,  sich  mehr  oder  weniger  ihrer  definitiven  Gestalt  genähert  haben 
(Fig.  25). 

Im  Anfang  der  Häutung  findet  man  in  den  nunmehr  teilweise 
mehrkernigen  Regenerationszellen  reichlich  Mitosen,  deren  Achse  un- 
gefähr senkrecht  zur  Basis  der  Zellen  steht,  so  daß  also  von  den 
Tochterkernen  einer  basal  liegen  bleibt  [für  eine  spätere  Regenera- 
tionszelle] während  der  andre  dem  apicalen  Pole  zugewendet  ist  und 
wahrscheinlich  mit  der  Zelle  in  das  Epithel  hinaufwächst. 

Eine  eingehende  Beschreibung  der  endgültigen  Ausbildung  der 
jugendlichen  Elemente  kann  hier  unterbleiben,  da  sie  im  wesentlichen 
auf  das  bei  Beil.  und  Hyp.  Gesagte  hinauslaufen  würde. 

B.    Dermestes  lardarius  L. 

Normalzustand  (Fig.  26—28). 

Das  Mitteldarmepithel  der  Larve  von  Dermestes  lardarius  besteht 

aus  einer  einfachen  Schicht  hoher  cylindrischer  Zellen,  deren  Gerüst 

im  allgemeinen  nicht  erkannt  werden  kann  und  nur  in  wenigen  Fällen 

als  feine  undeutliche  Längsstreifung  hervortritt.    Basal  färbt  sich  das 


144  Max  Braun. 

Plasma  der  Zellen  intensiver  als  der  übrige  Teil,  und  an  der  oberen 
Zellgrenze  zieht  sich  eine  schmale  Körnchenzone  dahin,  die  bei  schwacher 
Vergrößerung  wie  eine  homogene  Schicht  aussieht  und  auf  weite  Strecken 
hin  fehlen  kann. 

An  seiner  freien,  dem  Darmlumen  zugekehrten  Fläche  ist  das 
Epithel  von  einem  mäßig  hohen,  deutlichen  Stäbchensaum  bekleidet, 
der  nirgendwo  zu  fehlen  scheint,  und  an  dem  zwei  Reihen  von  Körn- 
chen, eine  Basalkörnerreihe  und  eine  extracytäre,  der  Stäbchenbasis 
genäherte,  unschwer  beobachtet  werden  können. 

Die  Oberfläche  des  Epithels  ist  keine  ebene,  sondern  weist  im 
Längsschnitt  eine  Reihe  ziemlich  nahe  beieinander  liegender  mulden- 
förmiger Einsenkungen  auf,  die  dadurch  hervorgerufen  werden,  daß 
in  gewissen  Abständen  die  Hauptachse  der  Epithelzellen  verkürzt 
erscheint.  Diese  Vertiefungen  stehen  in  keinem  gesetzmäßigen  Zu- 
sammenhang mit  den  weiter  unten  zu  beschreibenden  Regenerations- 
inseln. Die  länglich  elliptischen  Kerne  liegen  in  regelmäßiger  Reihe 
in  halber  Höhe  des  Epithels  (große  Achse  in  der  Richtung  der  Haupt- 
achse der  Zelle)  und  zeichnen  sich  durch  eine  gewisse  Armut  an  färb- 
barer Substanz  aus.  Einige  wenige  Chromatinkörnchen  sind  unregel- 
mäßig eingelagert  in  die  feinkörnelige,  nur  schwach  färbbare  Grund- 
substanz, die  den  Raum  des  Kernes  völlig  ausfüllt  und  ihn,  da  sie 
heller  gefärbt  ist  als  das  umliegende  Zellplasma,  auch  da  als  deutlich 
begrenztes  Gebilde  hervortreten  läßt,  wo  er  von  einer  Membran,  wie 
es   häufig  vorzukommen  scheint,  nicht  umgeben  ist  (Fig.  26). 

Apical  vom  Kern,  der  oberen  Zellgrenze  genähert,  finden  wir  in 
fast  allen  Epithelzellen,  in  besonders  reichlicher  Zahl  bei  solchen  Larven, 
die  kurz  vor  dem  Übergang  in  den  Häutungszustand  oder  während 
desselben  konserviert  worden  waren,  Gebilde,  die,  im  allgemeinen  von 
Kugelgestalt,  mitunter  auch  unregelmäßig  geformt,  schon  im  ungefärbten 
Präparat  als  hell  glänzende  Partikel  von  intensivem  Lichtbrechungs- 
vermögen hervortreten  und  sich  in  Eisenhämatoxylin  nach  Heiden- 
hain schwarz,  in  Hämatoxylin  nach  Ehrlich  weinrot  färben.  Es  ist 
mir  unbekannt,  als  was  diese  Einschlüsse  aufzufassen  sind,  ob  als 
Secret-   oder   Excretkörner  oder  irgendwelche  andre  Substanzen. 

Von  der  Muskelpleura  wird  das  Rohr  des  Mitteldarmes  durch 
eine  feine  Membran  getrennt,  die  nirgendwo  eine  Unterbrechung  zeigt. 
Auf  ihr  ruhen  in  gewissen,  mehr  oder  weniger  großen  Abständen  die 
im  voll  ausgebildeten  Zustand  vielkernigen  Regenerationsinseln  [Re- 
generationscrypten].  Sie  enthalten  in  einer  sich  ziemlich  lebhaft 
tingierenden   Protoplasmamenge  eingebettet,   in  der  außer  einer  un- 


Das  Mitteldarniepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       145 

deutlichen  Körnelimg  irgendwelche  Strukturen  nicht  wahrgenommen 
werden  können,  eine  beträchtliche  Anzahl  ungleich  großer  Kerne  von 
sehr  geringem  Chromatingehalt.  Häufig  trifft  man  in  ihnen  auf  caryo- 
kinetische  Figuren.  Die  Regenerationsinseln  sind  von  wechselnder 
Gestalt.  Am  häufigsten  haben  sie  die  Form  knollenförmiger  Gebilde, 
die  mit  breiter  Basis  auf  der  hier  etwas  in  das  umliegende  Muskel- 
gewebe vorgewölbten  Membran  ruhen,  welche  ich  nunmehr  in  Rück- 
sicht auf  die  Regenerationsinseln  und  ihre  Funktion  dem  sich  neu- 
bildenden Epithel  gegenüber  als  Stützmembran  bezeichnen  werde. 
Kurz  vor  jeder  Regenerationsinsel  entsendet  sie  einen  Ausläufer,  welcher 
dieselbe  gegen  die  Prinzipalachse  des  Darmes  hin  umfaßt,  so  daß  sie 
auf  allen  Seiten  von  einer  festen  Hülle  umgeben  ist  und  mit  den  Epithel- 
zellen, von  denen  sie  noch  durch  eine  weitere  sogleich  zu  beschreibende 
Schicht  getrennt  ist,  nicht  in  Berührung  kommt  (Fig.  26). 

Die  Zellen  des  Epithels  stehen  nämlich  nicht  direkt  auf  der  Stütz- 
membran, sondern  es  zieht  sich  an  ihrer  Basis  eine  mächtige  Lamelle 
dahin,  die  sich  mit  Pikrinsäure  lebhaft  gelb  färbt  und  durch  ihre  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Kalilauge  als  Chitinschicht  erweist.  Sie  besitzt 
im  völlig  ausgebildeten  Zustand  stellenweise  die  Dicke  der  äußeren 
Cuticula  und  bildet  regelmäßige  Ausbuchtungen  um  die  Regenerations- 
inseln herum.  Die  Stützmembran  liegt  also  zwischen  der  Darmmusku- 
latur und  der  Chitinlamelle,  die  man  aber  nicht  als  basales  Abscheidungs- 
produkt  der  tätigen  Epithelzellen  betrachten  darf,  sondern  als  Ergatom 
gewisser,  in  dieser  Richtung  eigens  differenzierter,  basal  liegender 
Elemente  des  Mitteldarmepithels  ansehen  muß.  Die  Reste  dieser 
Bildungszellen  findet  man  auf  verschiedenen  Stufen  des  Verfalles  be- 
sonders an  den  vorerwähnten  Ausbuchtungen  der  Chitinschicht.  Sie 
erweisen  sich  als  mehr  oder  minder  deutlich  entwickelte  Kerne,  die, 
teilweise  noch  mit  einem  Überbleibsel  des  zugehörigen  Zellkörpers 
versehen,  durch  allseitige  Chitinabscheidung  bereits  ganz  in  das  Innere 
der  von  ihnen  ausgebildeten  Lamelle  verlagert  sein  können,  die  dann 
im  Schnitt  häufig  in  mehrere  Äste  gespalten  erscheint  (Fig.  27),  oder 
die  Chitinabsonderung  ist  noch  nicht  so  weit  vorgeschritten  und  hat 
auf  der  dem  Darmlumen  zugekehrten  Seite  noch  garnicht  oder  eben 
erst  begonnen  (Fig.  28).  Über  den  Zweck  der  Chitinlamelle  ist  näheres 
nicht  zu  ermitteln  (s.  auch  Schluß). 

Häutung  (Fig.  29—34). 
Der    Beginn    der    Häutung    charakterisiert    sich    im    .Mitteldarm- 
epithel der  Dermestes-Lawe  durch  eine  Abflachung  der  Regenerations- 
zeitschrift f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  10 


146  Max  Braun, 

inseln,  die  miteinander  in  Verbindung  treten,  wobei  die  Stützmembran 
der  Länge  nach  gespalten  wird,  oder  die  sieb,  ausbreitenden  Inseln 
fortwährend  an  ihrer  freien  Oberfläche  eine  Membran  abscheiden 
(Fig.  29,  30).  Welche  von  diesen  beiden  Ansichten  die  richtige  sein 
mag,  kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  angeben,  möchte  mich  aber  der 
ersteren  zuneigen.  Jedenfalls  bleibt  das  sich  ausbildende  jugendliche 
Epithel  dauernd  durch  eine  Membran  einerseits  gegen  die  Muskulatur, 
andererseits  gegen  das  Darmlumen  abgegrenzt. 

Der  von  vornherein  nicht  sehr  innige  Zusammenhang  der  basalen 
Ckitinlamelle  mit  der  auf  ihr  ruhenden  Zellschicht  des  Mitteldarmes 
zeigt  sich  soweit  gelockert,  daß  es  unter  der  Einwirkung  des  Konser- 
vierungsmittels stellenweise  zu  einer  völligen  Abhebung  des  Epithels 
kommt,  das  schon  die  Zeichen  des  beginnenden  Zerfalls  trägt.  Die 
Zellgrenzen  sind  im  Verschwinden  begriffen,  die  Anzahl  der  Kerne 
erscheint  vermindert  und  das  Protoplasma  erweist  sich  als  von  einem 
grobmaschigen  Netzwerk  durchzogen,  das  dem  alten  Epithel  ein  un- 
regelmäßig vaeuoläres  Aussehen  verleiht.  Eine  nutritorische  Zone  ist 
nicht  mehr  vorhanden,  der  Stäbchensaum  ist  stellenweise  aufgelöst, 
läßt  jedoch  an  seinen  noch  intakten  Partien  beide  Körnchenreihen 
erkennen.  Die  weiter  oben  beschriebenen  rätselhaften  kugelförmigen 
Gebilde  treten  mit  großer  Deutlichkeit  hervor. 

Die  Regenerationsinseln,  die  zunächst  nur  abgeflacht  oder  durch 
eine  schmale  Protoplasmabrücke  verbunden  waren,  breiten  sich  nun 
unter  weiterer  Vermehrung  der  Kerne  allmählich  immer  mehr  aus 
und  fließen  schließlich  so  ineinander  über,  daß  die  Stellen,  wo  sie 
bisher  gelegen  waren,  nicht  mehr  erkannt  werden  können.  So  ent- 
steht eine  niedrige  Protoplasmaschicht,  in  der  ein  unregelmäßiges, 
engmaschiges  Netzwerk  klar  hervortritt,  und  die  eine  nicht  unbe- 
trächtliche Anzahl  sehr  chromatinarmer,  aber  mit  deutlicher  Membran 
versehener  Kerne  enthält.  Sie  ist  sowohl  basal  als  auch  apical  von 
einer  Membran  begrenzt,  über  deren  Herkunft  schon  oben  das  Nötige 
gesagt  wurde,  und  von  denen  die  eine,  dem  Darmlumen  zugekehrte, 
stellenweise  eine  Längsspaltung  erkennen  läßt.  Zellgrenzen,  sowie 
eine  regelmäßige  Anordnung  der  Kerne,  die  ein  Gerüst  feiner  Fädchen 
und  mitunter  nur  ein  einziges  kleines  Chromatinkörnchen  enthalten, 
sind  in  dem  jungendlichen  Epithel  noch  nicht  vorhanden  (Fig.  31). 

Das  alte  Epithel  ist  inzwischen  weiter  seinem  Verfall  entgegen- 
gegangen. Es  zeigt  einen  noch  mehr  gelockerten  Aufbau  als  im  Be- 
ginn des  Häutungsprozesses  und  enthält  eine  Anzahl  größerer  Lücken, 
in  denen  mitunter  viele  feine  Körnchen  liegen.    Dicht  unter  dem  nur 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       147 

noch  stellenweise  vorhandenen  Stäbchensaum,  dessen  beide  Körner- 
reihen dann  immer  noch  nicht  ihre  Deutlichkeit  eingebüßt  haben, 
liegt  eine  breite  Zone  dicht  aneinandergelagerter  Körnchen,  die  frei 
ist  von  jenen  eigenartigen  schwarz  gefärbten  Kugeln,  die  jetzt  in  großer 
Zahl  in  den  oberflächlichen  Partien  des  alten  Epithels  beobachtet  wer- 
den und  sich  auf  das  deutlichste  von  ihrer  Umgebung  abheben.  Mehr 
basal  und  in  nicht  mehr  regelmäßiger  Anordnung  liegen  die  nur  noch 
in  geringer  Zahl  vorhandenen  Kerne,  die  sich  nunmehr  als  sehr  chro- 
matinarm  erweisen,  stellenweise  der  Membran  entbehren  und  nicht 
selten  anscheinend  im  Zerfall  begriffen  sind.  Zellgrenzen  sind  natür- 
lich nirgendwo  mehr  zu  erkennen.  Die  basale  Chitinlamelle  zeigt  noch 
die  Ausbuchtungen,  in  denen  früher  die  Regenerationsinseln  gelegen 
waren,  ihre  Konturen  sind  aber  nicht  mehr  scharf  sondern  zerfasert, 
und  es  tritt  eine  feine  Längsstreif ung  der  Lamelle,  in  der  jetzt  Kerne 
vermißt  werden,  hervor.  Das  alte  Epithel  liegt  in  diesem  Stadium 
noch  seiner  ganzen  Länge  nach  dem  jungen  auf,  von  ihm  durch  einen 
Zwischenraum  getrennt,  in  dem  sich  keine  Zellen  vorfinden  (gegen 
Möbusz),  und  der,  abgesehen  von  der  oben  beschriebenen  Membran 
und  einer  geringen  Menge  einer  gelblich  gefärbten,  anscheinend  ge- 
ronnenen Masse,  vollständig  leer  ist  (Fig.  31).  Mit  der  weiteren  Aus- 
bildung des  jungen  Epithels  geht  nun  eine  durch  die  Peristaltik  de& 
Darmes  bewirkte  Verlagerung  des  abgestoßenen  in  die  hinteren  Re- 
gionen des  Mitteldarmes  Hand  in  Hand. 

In  dem  jungen  Epithel  ordnen  sich  die  Kerne,  deren  Chromatin- 
gehalt  nun  eine  geringe  Vermehrung  erfährt,  allmählich  in  einer  sich 
in  etwa  halber  Höhe  dahinziehenden  Reihe  an,  wobei  zu  gleicher  Zeit 
die  Ausbildung  eines  Stäbchensaumes  mit  zunächst  noch  einfacher 
Basalkörnerreihe  erfolgt. 

Einige  Kerne  jedoch  bleiben  an  der  Basis  des  mit  einem  feinen 
engmaschigen  Netzwerk  durchzogenen  Epithels  liegen.  Sie  sind  kleiner 
als  die  emporgewanderten,  von  länglich  gestreckter  Gestalt  und  größerem 
Chromatingehalt  und  nichts  anderes  als  die  Kerne  der  oben  beschriebenen 
Bildungszellen  der  basalen  Chitinlamelle,  mit  deren  Ausscheidung  auch 
alsbald  begonnen  wird.  Auf  einem  gewissen  Stadium,  wo  das  jugend- 
liche Epithel  noch  keine  Zellgrenzen  enthält,  seine  Kerne  aber  schon 
sämtlich  in  ungefähr  derselben  Höhe  liegen1,  ist  sie  bereits  als  deutlich 
doppelt  konturierte,  lebhaft  gelb  gefärbte  Schicht  an  der  Basis  des 
Epithels  zu  erkennen  und  enthält  sogar  schon  einige  Kerne,  während 


1  Zustand  unmittelbar  nach  der  Häutung. 

10* 


148  Max  Braun, 

andere  ihr  breit  angelagert  sind.  Zwischen  ihr  und  der  von  vornherein 
liegen  gebliebenen  Stützmembran  (oder  vielleicht  besser:  dem  von  vorn- 
herein liegen  gebliebenen  Teile  der  Stützmembran)  bemerkt  man  in  ge- 
ringen Abständen  kleine  Protoplasmaklümpchen,  die  hier  und  da  noch 
miteinander  verbunden  sind  und  einen  oder  mehrere  Kerne  enthalten. 
Dies  sind  die  künftigen  Regenerationsinseln  (Fig.  32).  Das  Epithel 
wächst  nun  rasch  zu  seiner  definitiven  Höhe  heran,  die  Zellgrenzen 
bilden  sich  aus,  in  den  jugendlichen  Regenerationsinseln  beginnen 
lebhafte  Kernteilungsprozesse,  und  bald  hat  das  neue  Epithel  seine 
endgültige  Ausbildung  erfahren. 

Das  alte  Epithel  liegt  unmittelbar  nach  der  Häutung  in  Form 
eines  unregelmäßig  gestalteten  Sackes  in  dem  hinteren  Teile  des  Mittel- 
darmes (Fig.  33),  um  bald  aus  dem  Darm  entleert  zu  werden.  Es  ist 
dicht  gefüllt  mit  einer  gelb  gefärbten  Masse  (»gelber  Körper«  der 
Autoren),  die  schon  zu  Beginn  der  Häutung  in  dem  sonst  leeren  Mittel- 
darme zu  erkennen  war,  aber  in  sehr  lockerer  Verteilung.  Das  abge- 
stoßene Epithel  ist  umgeben  von  der  stark  gefalteten  alten  basalen 
Chitinlamelle,  deren  Konturen  stellenweise  noch  weniger  scharf  ge- 
worden sind,  als  es  auf  früheren  Stadien  beobachtet  wurde,  und  die 
eine  deutliche  Längsfaserung  erkennen  läßt.  Außerhalb  von  ihr,  im 
neuen  Darmlumen,  liegt  eine  mehrfach  verästelte  membranöse  Hülle, 
die  nichts  anderes  ist  als  die  im  Verlauf  der  Häutung  zwischen  dem 
jugendlichen  und  alten  Epithel  beobachtete,  nunmehr  mit  abgestoßene 
Membran.  In  dem  alten  Epithel  treten  wieder  die  rätselhaften  schwarzen 
Kugeln  klar  hervor.  Sie  sind  jetzt  von  beträchtlicher  Größe,  aber  in 
geringerer  Zahl  vorhanden  als  vorher.  Die  Kerne  haben,  so  weit  sie 
noch  als  solche  in  dem  unregelmäßig  granulierten  und  vacuolisierten 
Protoplasma  des  alten  Epithels  überhaupt  erkennbar  sind,  eine  un- 
regelmäßige amöboide  Gestalt  angenommen  und  enthalten  eine  große 
Zahl  wenig  lebhaft  gefärbter  Körnchen.  Der  Stäbchensaum  ist  stellen- 
weise noch  als  undeutlicher,  schmutzig  gelb  gefärbter  Streifen  zu  er- 
kennen (Fig.  34). 

Neben  dem  »gelben  Körper«  bemerkt  man  in  dem  nunmehr  mit 
einem  neuen,  allerdings  noch  nicht  völlig  ausgebildeten  Epithel  aus- 
gekleideten Darmlumen  an  einigen  Stellen  eine  gelb  gefärbte  Masse, 
die  große  Ähnlichkeit  mit  der  von  dem  abgestoßenen  Epithelschlauch 
umschlossenen  zeigt  und  aus  demselben  vielleicht  durch  stellenweises 
Zerreißen  seiner  Wandung  frei  geworden  ist.  Möglicherweise  stellt 
sie  auch  ein  Secret  des  neuen  jugendlichen  Epithels  dar.  Bald  nach 
der  Häutung  wird  dann  das  abgestoßene  Darmepithel  (zusammen  mit 


Das  Mitteldarmepithe]  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       149 

den  ersten  Fäces?)  entleert  und  das  neue,  nunmehr  völlig  ausgebildete, 
beginnt  seine  eigentliche  Tätigkeit,  um  nach  einigen  Tagen  seinerseits 
wieder  der  Abstoßung  zu  verfallen. 

Auf  die  Bedeutung  des  eben  beschriebenen  Häutungsprozesses 
ist  im  Schluß  näher  eingegangen  worden. 

Leider  konnte  ich  keinen  Aufschluß  über  das  Wesen  der  im  Mittel- 
darmepithel der  Dermestes-La,Tve  auftretenden  schwarz  gefärbten  Kügel- 
chen  gewinnen,  die  bei  der  jedesmaligen  Häutung  zusammen  mit  dem 
Epithel  aus  dem  Körper  des  Insektes  entfernt  werden.  Ihre  Natur 
bleibt  somit  zweifelhaft,  ebensowenig  wie  entschieden  werden  konnte, 
ob  sie  mit  den  von  Prowazek  und  Folsom  und  Welles  beschriebenen 
kugelförmigen  Gebilden  identisch  sind.  Eine  konzentrische  Schichtung 
konnte  an  ihnen  jedenfalls  nicht  wahrgenommen  werden. 

Die  von  Möbusz  (1897)  für  die  Anihrenus-  und  Dermestes-hsuve 
gegebene  Schilderung  des  Verlaufes  der  Mitteldarmhäutung  weicht  von 
der  meinigen  in  wesentlichen  Punkten  ab,  besonders  was  das  allerdings 
eigenartige  Verhalten  der  Stützmembran,  die  Möbusz  anscheinend 
ganz  entgangen  ist,  und  die  Anordnung  der  Regenerationsinseln  anbe- 
trifft. Möbusz  beschreibt  und  zeichnet  dieselben  als  in  unmittelbarem 
Zusammenhang  mit  den  Zellen  des  Epithels  stehend,  wie  es  für  viele 
Insekten,  aber  nicht  für  die  Larve  von  Dermestes  zutrifft.  Auch  in 
anderer  Hinsicht  kann  ich  Möbusz  nicht  beistimmen.  Da  er  aber  selbst 
angibt,  daß  ihm  bei  seiner  Untersuchung  nur  wenige  Häutungsstadien 
zur  Verfügung  gestanden  und  besonders  die  frühesten  gefehlt  hätten, 
gehe  ich  auf  seine  Arbeit  nicht  näher  ein  und  werde  im  Schluß  nur  noch 
einige  von  ihm  gezogene  theoretische  Folgerungen  besprechen. 

Schlußbemerkungen. 

Wir  stehen  am  Ende  unsrer  Untersuchungen.  Wir  haben  gesehen, 
daß,  von  Dermestes  abgesehen,  die  im  Mitteldarm  während  der  jedes- 
maligen Häutung  auftretenden  Zellvermehrungs-  und  Wachstumsvor- 
gänge eine  regenerative  Bedeutung  nur  in  sehr  geringem  Maße  be- 
sitzen, daß  sie  vor  allen  Dingen  den  Zweck  haben,  das  nach  der  Häutung 
sich  ergebende  rasche  Längen-  und  Dickenwachstum  des  Mitteldarmes 
zu  ermöglichen. 

Während  der  Bildung  der  neuen  Cuticula,  solange  die  Larve  noch 
in  ihrer  alten  Haut  steckt,  ist  eine  Ausdehnung  des  Darmkanals  nur 
in  beschränktem  Grade  und  allein  durch  Faltung  der  Darmwände  zu 


150  Max  Braun, 

erzielen,   wie   sie   bei   einigen   Formen   (Lepidopterenlarven)    vielleicht 
auftreten  mag. 

Tritt  nun  im  Häutungszustand  eine  starke  Proliferation  der  Epithel- 
mutterzellen ein,  so  bleiben  sie,  wenn  sie  ihre  normale  Höhe  erreicht 
haben,  in  ihren  sonstigen  Dimensionen  zurück  (Deil.  euph.  und  Hyp. 
evon.),  so  daß  sie  ebenso  wie  die  alten  Epithelzellen  zum  Teil  seitlich 
stark  komprimiert  erscheinen. 

Erst  nachdem  die  Larve  ihre  alte  Cuticula  abgestreift  hat,  setzt 
ein  starkes  Wachstum  des  Darmes  ein,  das  sich  nun  ohne  umfangreiche 
neue  Nachschiebimg  jugendlicher  Zellen,  einfach  durch  Ausdehnung 
der  während  der  Häutung  emporgewachsenen,  bewerkstelligen  kann, 
eine  Ausdehnung,  mit  der  zugleich  die  eigentliche  Tätigkeit  der  jungen 
Darmzellen  beginnt. 

Da,  wo  eine  so  umfangreiche  Proliferation  der  Epithelmutter- 
zellen nicht  zu  beobachten  ist  {Arge),  nehmen  die  jungen  Zellen  rasch 
ihre  definitive  Gestalt  an,  und  eine  seitliche  Komprimierung  der  alten 
Darmzellen  findet  nicht  statt. 

Wir  sahen,  daß  der  bei  gewissen  Insekten  während  ihres  ganzen 
Larvenlebens  stattfindenden  kontinuierlichen  Einschiebung  jugend- 
licher Zellen  von  der  Basis  her  bei  anderen  Larven  ein  Zusammen- 
drängen solcher  genetischen  Vorgänge  in  die  Zeit  der  Häutung  gegen- 
über steht.  Es  macht  sich  die  Tendenz  geltend,  ein  von  den  periodischen 
Häutungen  zunächst  unabhängiges  Wachstum  des  Mitteldarmes  völlig 
in  die  Zeit  der  Häutung  zu  verlegen,  wo  er  fast  vollständig  funktionslos 
bleibt,  »also  der  gegebene  Zeitpunkt  für  histogenetische  und  histo- 
lvtische  Vorgänge  an  ihm«  (Deegener  [1911])  gekommen  ist. 

Die  »Regenerationsinseln«,  die  in  verschiedener  Ausbildung  und 
Lage  im  Mitteldarmepithel  aller  Insektenlarven  jeglichen  Alters  zu 
finden  sind  (mit  Ausnahme  anscheinend  der  Ephemeriden:  Fritze 
[1889],  Leite  [1911]),  dienen,  abgesehen  von  den  Vorgängen  während 
der  Metamorphose  und  den  Fällen  periodischer  Abstoßimg  und  Er- 
neuerung des  gesamten  Mitteldarmepithels,  in  erster  Linie  durch 
Emission  jugendlicher  Zellen  dem  Wachstum  dieses  Darmabschnittes; 
erst  in  zweiter  Linie  kommen  sie  für  den  Ersatz  verloren  gegangener 
Elemente  in  Betracht.  Die  Abstoßung  einzelner  Zellen  in  das  Darm- 
lumen findet  allerdings  gelegentlich  statt  (Gehuchten  [1890])  Bal- 
biani  [1890],  Russ  [1908],  Deegener  [1908,  1909],  Poyarcoff  [1910]) 
und  ist  auch  von  mir  bei  Deil.  euph.  und  Arge  beobachtet  worden, 
niemals  dürfte  es  aber  die  Regel  sein  (wie  es  z.  B.  Frenzel  [1891] 
für  homomorphe  Mitteldarmepithelien  ausspricht),  daß  eine  Zelle  erst 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.       151 

absorbierend  tätig  sei,  um  alsdann  sezernierend  zugrunde  zu  geben. 
Im  Gegenteil  haben  die  Mitteldarmepithelzellen  eine  im  allgemeinen 
lange  Lebensdauer  und  können  mehrmals  sezernieren  und  dazwischen 
wieder  Ruhezustände  durchlaufen  oder  resorbierende  Tätigkeit  ausüben. 

Über  die  Herkunft  der  Epithelinseln  sind  mancherlei  zum  Teil 
höchst  eigenartige  Theorien  laut  geworden.  Leeuwen  [1908]  läßt  sie 
bei  Isosoma  graminicola  aus  Wanderzellen  entstehen,  die  zwischen  die 
Muskelzellen  hindurchkriechen  und  sich  schließlich  in  das  Darmepithel 
begeben.  Er  schließt  sich  damit  der  von  Anglas  [1901]  ausgesprochenen 
Meinung  an.  Rouville  [1895]  war  es  sogar  vergönnt,  «d'assister  au 
passage  des  noyaux  du  tissu  conjonctif  qui,  peu  ä  peu  apres  s'etre 
divises  amitotiquement,  s'entouraient  d'une  couche  protoplasmique 
et  se  glissaient  au-dessous  des  cellules  epitheliales  sur  le  point  de  tomber 
dans  la  hindere  de  l'intestin.»  Derartige  irrige  Ansichten  können 
dadurch  entstehen^  daß,  wie  ich  es  bei  Deil.  euph.  auch  beobachten 
konnte,  bei  sehr  reichlicher  Vermehrung  der  Epithelmutterzellen  einige 
derselben  in  den  Raum  zwischen  der  hier  abgehobenen  Basalmembran 
und  den  Epithelzellen  gedrängt  wurden.  Es  dürfte  sich  in  Wirklichkeit 
bei  den  in  Frage  kommenden  Gebilden  nur  um  »in  der  Entwicklung 
zurückgehaltene,  vorläufig  überschüssige  Elemente«  (Deegener  [1908]) 
handeln,  die  genetisch  desselben  Ursprunges  sind  wie  die  tätigen, 
wohlausgebildeten  Epithelzellen,  eine  Meinung,  die  u.  a.  auch  Rengel 
[1908]  und  Perez  [1908,  1910]  ausgesprochen  haben.  So  sagt  letzterer 
[1910]:  «II  n'y  a  pas  le  moindre  doute  qu'ici  (Calliphora),  comme  chez 
tous  les  autres  insectes,  elles  sont  sceurs  des  cellules  fonctionelles  de 
la  larve;  elles  sont  seulement  restees  petites  et  embryonnaires  tandis 
que  leurs  voisines  se  differenciaient  avec  leur  activite  d'absorption 
physiologique.  >> 

Es  fragt  sich  nun,  ob  es  möglich  ist,  für  die  Prozesse,  die  wir  im 
Mitteldarmepithel  der  Insekten  während  der  Häutung  haben  vor  sich 
gehen  sehen,  eine  phylogenetische  Erklärung  zu  geben. 

Die  Insekten  sind  aus  Formen  entstanden,  die  der  Chitincuticula 
entbehrten  und  periodische  Häutungen,  wie  sie  alle  unsere  heutigen 
Insekten  ohne  Ausnahme  durchzumachen  haben,  bevor  sie  ihre  definitive 
Ausbildung  erreichen,  nicht  kannten.  Ob  die  bereits  chitinisierten  Vor- 
fahren unserer  Insekten  als  Insekten  im  heutigen  Sinne  angesprochen 
werden  dürfen,  bleibe  dahingestellt,  ist  auch  für  die  folgenden  Aus- 
führungen gleichgültig;  es  genügt  der  Hinweis,  daß  sie  auf  einem  ge- 
wissen phylogenetischen  Entwicklungsstadium  Vorahnen  hatten,  die 
der  Häutung  zur  Erlangung  ihrer  endgültigen  Gestalt  nicht  bedurften. 


152  Max  Braun, 

Das  Mitteldarmepithel  dieser  Formen  ist,  wie  man  ohne  Wider- 
spruch mit  irgendwelchen  bestehenden  Verhältnissen  annehmen  darf, 
ein  einschichtiges,  nur  aus  ein  und  derselben  Zellart  zusammengesetz- 
tes (homomorphes),  gewesen  (»Protentomon«  Mayers  [1876]).  Das 
Wachstum  desselben  war  ein  kontinuierliches,  kein  periodisches  und 
wurde  bewirkt  durch  Vermehrung  der  bereits  ausgebildeten  Darmzellen, 
vor  allen  Dingen  aber  durch  Einschiebung  jugendlicher  Zellen  von 
der   Basis   her. 

Eine  basale  Chitinschicht  war  nicht  ausgebildet,  das  Epithel  stand 
auf  einer  Stützlamelle  (Basalmembran,  Tunica  propria),  die  dem  konti- 
nuierlichen Wachstum  nicht  hinderlich  war. 

Die  Ersatzzellen  entstanden  bei  der  Embryonalentwicklung  als, 
wie  schon  oben  angedeutet  wurde,  zunächst  überschüssige  Elemente, 
die  durch  die  neben  und  über  ihnen  zu  ihrer  normalen  Dimension  und 
Tätigkeit  herangewachsenen  Darmzellen  in  ihrer  endgültigen  Aus- 
bildung zurückgehalten  wurden. 

Man  darf  hier  nicht  einwenden,  daß  ein  Organismus  zur  Ausbildung 
eines  Gewebes  nicht  mehr  Bauelemente  bildet,  als  nötig  sind,  daß  die 
Zellteilung  eben  aufhört,  sobald  die  erforderliche  Anzahl  von  Zellen 
vorhanden  ist.  Erstens  wird  eine  derartige  überschüssige  Zellbildung 
in  der  Entwicklung  der  verschiedensten  Gewebe  noch  heutzutage 
reichlich  beobachtet,  dann  muß  man  aber  doch  bedenken,  daß  die 
durch  rapide  Teilung  entstandenen  Zellen  zunächst  nicht  ihre  end- 
gültige Dimension  besitzen,  sondern  bedeutend  kleiner  sind  und  erst 
mehr  oder  weniger  schnell  zu  ihrer  normalen  Größe  heranwachsen 
müssen,  die  einige  bereits  erreicht  haben,  während  andere  noch  weiter 
in  ihrem  Wachstum  zurückgeblieben  sind.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
daß  hierbei  im  allgemeinen  ein  Überschuß  von  Zellen  gebildet  wird, 
die  nun  nicht  wieder  zurückgebildet  werden,  sondern,  zunächst  an  der 
weiteren  Ausbildung  verhindert,  auf  einer  niedrigen  Entwicklungs- 
stufe verharren,  falls  sie  an  dem  Ort,  an  dem  sie  sich  befinden,  nicht 
störend  auf  die  Tätigkeit  des  betreffenden  Gewebes  einwirken.  (Es 
sei  hier  übrigens  auf  die  wahrscheinlich  irrige  Beobachtung  Poyar- 
coffs  hingewiesen,  daß  in  dem  Mitteldarmepithel  der  von  ihm  unter- 
suchten Chrysomelidenlarve  [1910]  mitunter  aufwachsende  Epithel- 
mutterzellen von  den  umliegenden  Epithelzellen  verdaut  werden.  Es 
wäre  dies  jedenfalls  ein  für  den  Mitteldarm  der  Insekten  einzig  da- 
stehendes Verhalten.) 

Mit  der  Verhinderung  an  der  definitiven  Ausbildung  bewahrten 
die  überschüssigen  Zellen  embryonale  Charaktere,  sowohl  rein  mor- 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        153 

phologisch  in  dem  Bau  ihres  Kernes  und  Plasmas,  als  auch  physiolo- 
gisch in  der  Fähigkeit,  sich  zu  teilen.  Ebenso  wenig  verloren  sie  jedoch 
die  Fähigkeit,  sich  zu  den  gewöhnlichen  Epithelzellen  auszubilden. 
Sie  taten  dies  auch,  sobald  eine,  sei  es  durch  Abstoßung  einzelner 
Zellen,  sei  es  durch  Wachstum  des  Darmes  hervorgerufene  Lücke  in 
dem  Epithel  die  Einschiebung  neuer  Elemente  nötig  machte.  Durch 
vorherige  Teilung  war  dafür  gesorgt,  daß  bei  weiterem  Auftreten  von 
Lücken  immer  neues  Ersatzmaterial  vorhanden  war. 

Es  kann  hier  nun  nicht  näher  darauf  eingegangen  werden,  wie 
die  von  mir  angenommene  hypothetische  Urform  sonst  organisiert 
gewesen  sein  mag,  und  wie  ihre  Umbildung  in  die  heutigen  Insekten 
vor  sich  ging.  Es  besteht  jedenfalls  die  Tatsache,  daß  sie,  zunächst 
noch  nicht  mit  einer  Chitincuticula  der  Epidermis  versehen,  aus  irgend 
einem  Grunde  mit  der  Ausscheidung  dieser  so  wenig  plastischen  und 
dehnungsfähigen  Körperbedeckung  begann  und  nunmehr  ganz  eigen- 
artige Entwicklungswege  einschlug,  die  zu  der  ungeheuren  Mannig- 
faltigkeit der  Formen  führten,  wie  wir  sie  unter  den  Insekten  heut- 
zutage beobachten. 

Wie  aus  der  zunächst  noch  epimorphen  Entwicklung  die  meta- 
bolische hervorgegangen  ist,  wie  die  Entstehung  der  verschiedenen 
Larvenformen,  der  Verwandlungen,  die  die  Jugendformen  durchzu- 
machen haben,  bevor  sie  zu  dem  geschlechtsreifen  ausgebildeten  Insekt 
werden,  zu  denken  ist,  haben  DeeCxENER  (1909, 1911)  und  Perez  (1910) 
klargelegt.  (Vgl.  auch  die  Arbeiten  von  Heymons  [1907]  und  Börner 
[1909].)" 

Mir  kommt  es  hier  nur  darauf  an,  zu  untersuchen,  wie  die  Aus- 
bildung der  Chitincuticula  der  Insekten  und  die  sich  daraus  ergebenden 
periodischen  Häutungen  modifizierend  auf  die  Wachstumsvorgänge 
im  Mitteldarmepithel  eingewirkt  haben  mögen. 

Die  phylogenetisch  eben  erst  entstandenen  Insekten  (von  denen 
wie  gesagt,  dahingestellt  bleiben  muß,  ob  sie  in  der  Tat  schon  im  wesent- 
lichen unseren  heutigen  Formen  glichen  und  deren  Namen  verdienen) 
besaßen  ein  Mitteldarmepithel  mit  den  oben  für  die  noch  nicht  chi- 
tinisierten  Ausgangsformen  beschriebenen  Eigenschaften.  Es  wuchs 
kontinuierlich  durch  Teilung  der  alten  Zellen,  vor  allen  Dingen 
aber  durch  Einschiebung  jugendlicher  Elemente  von  der  Basis  her. 
Die  ausgewachsenen  Zellen  hatten  eine  verhältnismäßig  nur  kurze 
Lebensdauer  und  wurden  bald  in  das  Darmlumen  abgestoßen,  weshalb 
eben  jugendliche  Ersatzzellen  nötig  waren. 

Dieser  hypothetische  ursprüngliche  Zustand  hat  sich  fast  genau 


154  Max  Braun, 

bei  den  Tenthrediniden  erhalten  (Arge).  Auch  hier  beobachtet  man 
ein  fortwährendes  Aufwachsen  der  Epithelmutterzellen  unabhängig 
von  den  Häutungen,  Abstoßung  seniler  Zellen  findet  ebenfalls,  aller- 
dings nur  in  beschränktem  Maße  statt,  auch  deutet  das  Vorhandensein 
mehrkerniger  tätiger  Epithelzellen  auf  eine  Vermehrung  derselben 
durch  Teilung  hin,  wenngleich  hierfür  der  strikte  Beweis  nicht  erbracht 
werden  konnte.  Daß  bereits  voll  ausgebildete  Zellen  des  Mitteldarmes 
sich  noch  teilen  können,  lehren  außer  Frenzels  Mitteilungen  die 
Untersuchungen  von  Folsom  und  Welles  an  Collembolen,  bei  denen 
dadurch  allein  das  Längenwachstum  dieses  Darmabschnittes  bewerk- 
stelligt wird,  von  Poyarcofp  [1910]  an  einer  Chrysomelidenlarve, 
bei  der  allerdings  die  eine  der  durch  die  Teilung  entstandenen  Zellen 
alsbald  in  das  Darmlumen  abgestoßen  wird,  und  von  Carnoy  (1885), 
der  direkte  Kernteilung  im  Mitteldarmepithel  von  Aphrophora  spumaria 
beobachtet  hat. 

Etwas  weiter  als  die  Tenthrediniden  haben  sich  die  Museiden  — 
wohlbemerkt  nur  in  bezug  auf  die  Wachstumsvorgänge  im  Mittel- 
darmepithel der  Larve  —  von  der  Ausgangsform  entfernt,  da  bei  ihnen 
eine  Abstoßimg  oder  Teilung  der  ausgebildeten  Epithelzellen  nicht 
mehr  beobachtet  wird. 

Wir  sehen  also,  daß  bei  gewissen  Insekten  die  Häutungen  ohne 
tieferen  Einfluß  auf  die  Wachstumsvorgänge  im  Mitteldarm  geblieben 
sind.  Wo  sich  jedoch  ein  solcher  Einfluß  bemerkbar  macht,  führt  er 
zur  Verschiebung  dieser  Vorgänge  in  die  Zeit  der  Häutung.  Das  Wachs- 
tum des  Mitteldarmes  wird  ein  periodisches,  ebenso  wie  das  Wachstum 
des  ganzen  Körpers.  Dem  Prinzip,  nach  dem  sich  die  Größenzunahme 
der  mit  einer  so  wenig  dehnungsfähigen  Hülle  versehenen  Insekten 
richtet,  wird  das  Wachstum  des  Darmes  ebenfalls  angepaßt,  und  es 
ist  schon  rein  mechanisch  leicht  zu  verstehen,  daß,  wenn  der  Körper 
nur  in  gewissen  Intervallen  zu  wachsen  vermag,  auch  die  Ausdehnung 
des  Darmkanals  einem  ähnlichen  Gesetz  untergeordnet  wird. 

Deegener  hat  diese  Ideengänge  näher  entwickelt  (1909).  Nach- 
dem er  darauf  hingewiesen  hat,  daß  Stomodaeum  und  Proctodaeum 
als  mit  einer  Chitinauskleidimg  versehene  Darmabschnitte  durch  die 
Häutung  unmittelbar  betroffen  und  demzufolge  während  dieser  Zeit 
funktionslos  werden,  fährt  er  fort:  »Diese  Ruhepause  wurde  dem 
Mitteldarm  aufgezwungen,  dessen  ursprünglich  wohl  kontinuierliche 
Epithelregeneration  so  zu  einer  periodischen  wurde.  Der  Mitteldarm 
wird  also  durch  die  Häutung  erst  indirekt  beeinflußt,  da  er  als  ver- 
dauender  Darmabschnitt    funktionslos    wird,    sobald    der    zuführende 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        155 

Abschnitt,  der  ganze  Vorderdarm,  sich  im  Zustand  der  Funktionsun- 
fähigkeit befindet.  So  konnte  er,  um  zwischen  den  Häutungsperioden 
ununterbrochen  in  voller  Tätigkeit  zu  sein,  das  Ersatzmaterial  für 
sein  Epithel,  ähnlich  wie  Vorder-  und  Enddarm  an  ihren  jüngsten 
Partien,  in  Gestalt  morphologisch  und  physiologisch  indifferenter, 
aber  determinierter  Zellhäufchen  (»Imaginalinseln«)  bis  zur  gelegenen 
Zeit,  d.h.  bis  zur  Häutung  aufsparen. « 

Wo  den  Epithelzellen  nur  eine  kurze  Lebensdauer  beschieden  ist, 
erfolgt  ihre  ursprünglich  kontinuierliche  Abstoßung  zur  Zeit  der  Häu- 
tung; wird  die  Entfernung  der  unbrauchbar  gewordenen  Elemente 
eine  massenhafte,  so  kommt  es  zur  Ausbildung  der  von  Sommer  und 
Prowazek  an  Collembolen  beobachteten  Vorgänge,  auch  die  allerdings, 
wie  gesagt,  der  Nachprüfung  bedürftigen  Mitteilungen  von  Verson 
über  die  Raupe  des  Seidenspinners  sind  hier  zu  erwähnen. 

Ist  jedoch  die  Lebensdauer  der  Epithelzellen  eine  längere,  ihre 
periodische  Abstoßung  daher  eine  überflüssige,  so  entstehen  die  Ver- 
hältnisse, die  wir  bei  Deil.  euph.  kennen  gelernt  haben. 

Auf  einer  etwas  ursprünglicheren  Stufe  findet  neben  der  periodi- 
schen Einschiebung  einer  beträchtlichen  Anzahl  von  Epithelmutter- 
zellen während  der  Häutung  auch  eine,  natürlich  bei  weitem  nicht 
so  lebhafte,  kontinuierliche  Proliferation  derselben  in  den  Zwischen- 
zeiten statt  (Hyp.  evon.,  Melas.  20punct.).  Ein  ähnliches  Verhalten 
dürfte  nach  Deegeners  Untersuchungen  1908  an  Malacosoma  castrensis 
zu  beobachten  sein,  wo  möglicherweise  auch  Entwicklungsvorgänge 
vorliegen,  die  sich  den  bei  den  Collembolen  stattfindenden  nähern, 
da  Deegener  bei  Malac.  castr.  eine,  wenn  auch  vereinzelte,  Abstoßung 
von  Zellen  in  der  Zeit  zwischen  den  Häutungen  konstatieren  konnte. 

Bei  Deil.  euph.  ist  dann  tatsächlich  das  Wachstum  des  Darmes 
ein  rein  periodisches  geworden.  Eine  Proliferation  der  Epithelmutter- 
zellen ist  nur  noch  während  der  Häutung  zu  bemerken. 

Auch  in  anderen  Arthropodenklassen  mögen  ähnliche  Verhältnisse 
vorliegen,  wie  wir  sie  bei  den  Insekten  kennen  gelernt  haben.  Wie 
in  der  Einleitung  bereits  gesagt  wurde,  stoßen  nach  v.  Rath  (1890) 
z.  B.  gewisse  Myriopoden  (Polydesmus)  während  der  Häutung  ihr  ge- 
samtes Mitteldarmepithel  ab.  Doch  sind  genauere  Untersuchungen 
auf  diesem  Gebiete  bisher  noch  nicht  bekannt  geworden. 

Eine  andere  Entwicklungsrichtung  wie  die  bisher  beschriebene 
scheinen  die  Ephemeriden,  eine  nach  Ansicht  mehrerer  Forscher 
(Börner  [1909])  höchstwahrscheinlich  sehr  altertümliche  Insekten- 
gruppe, eingeschlagen  zu  haben.     Das  Wachstum  des  Mitteldarmes 


156  Max  Braun, 

ist  hier  nicht  an  die  »Regenerationsinseln«  gebunden,  da  solche  im 
Mitteldarmepithel  der  Ephemeriden  nicht  vorkommen  sollen.  Fritze 
[1889]  erwähnt  ausdrücklich,  daß  er  bei  seinen  Untersuchungen  über 
den  Darmkanal  der  Ephemeriden  nie  auf  Zellen  gestoßen  sei,  die  den 
Zweck  gehabt  haben  könnten,  an  Stelle  der  alten  zugrunde  gegangenen 
Epithelzellen  zu  treten.  Das  Darm  Wachstum  dürfte  hier  nach  Leite 
[1911]  vielmehr  derart  geschehen,  daß  die  Zellen  des  hinteren  Imaginal- 
ringes,  der  an  der  Grenze  von  Mittel-  und  Enddarm  liegt,  sich  allmählich 
abflachen  und  kontinuierlich  in  das  Darmepithel  übergehen.  Der 
Unterschied  gegen  die  übrigen  Insekten  würde  dann  hier  nur  darin 
liegen,  daß  das  Material  für  die  neuen  Epithelzellen  aus  einem  einzigen, 
am  hinteren  Ende  des  Mitteldarmes  gelegenen  Regenerationsherd  ent- 
nommen wird. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  die  völlige  Abstoßung  des  gesamten  Mittel- 
darmepithels  während  jeder  Häutung  bei  den  Larven  von  Dermestes 
und  Anthrenus  zu  verstehen  ist.  Hiermit  ist  aufs  engste  eine  weitere 
Frage  verknüpft,  nämlich:  was  bedeutet  das  Auftreten  eines  spezi- 
fischen Mitteldarmepithels  in  der  Puppe,  wie  es  besonders  Deegener 
(1904)  bei  Cybister  beobachtet  hat  und  allem  Anschein  nach  noch  bei 
mehreren  anderen  Insekten  zu  verzeichnen  ist.  Wenigstens  lassen  sich 
nach  Perez  (1908)  gewisse  Vorgänge  in  der  Mitteldarmmetamorphose 
bei  Callifhora  und  einigen  Ameisen  durch  die  Annahme  eines  aller- 
dings in  höchstem  Grade  rudimentär  gewordenen  spezifischen  Mittel- 
darmepithels der  Puppe  erklären. 

Auf  den  ersten  Blick  bieten  uns  anscheinend  die  durch  Sommer, 
Prowazek  und  Möbusz  bekannt  gewordenen  Fälle  periodischer  Mittel- 
darmhäutung eine  Handhabe  zur  Erklärung  dieser  eigenartigen  Tat- 
sache. Ich  habe  bereits  gezeigt,  daß  es  bei  einigen  Insekten  im  Laufe 
ihrer  phylogenetischen  Entwicklung  zu  einem  Verhalten  des  Mittel- 
darmes derart  gekommen  ist,  daß  dieser  in  mehr  oder  minder  regel- 
mäßigen Intervallen  zusammen  mit  jeder  äußeren  Häutung  auch  sein 
Epithel  völlig  abstößt  und  erneuert.  Aus  gewissen,  weiter  unten  näher 
zu  besprechenden  Gründen  habe  ich  allerdings  Dermestes  zunächst 
von  der  Betrachtung  ausgeschlossen.  Es  wäre  dann  das  Vorhanden- 
sein eines  der  Puppe  eigentümlichen  Mitteldarmepithels  sehr  einfach 
dadurch  zu  erklären,  daß  eben  bei  der  betreffenden  Form  mit  jeder 
Häutung  auch  eine  Totalregeneration  des  Mitteldarmepithels  ver- 
bunden, oder,  wenn  nicht  beobachtet,  doch  wenigstens  ursprünglich 
vorhanden  gewesen  sei.  Da  Puppe  und  Larve  in  letzter  Linie  auf 
dieselbe  Urform  zurückzuführen  sind,  hätte  sich  dann  in  den  betreffen- 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        157 

den  Fällen  in  der  Metamorphose,  mit  der  zwei  äußere  Häutungen 
verknüpft  sind,  ein  derartiger  Zustand  erhalten,  so  daß  das  Mittel- 
darmepithel tatsächlich  zweimal  entfernt  werden  müßte.  Die  Häutung 
zur  Puppe  bedeutet  die  Abstoßung  des  letzten  larvalen,  die  zur  Imago 
die  Abstoßung  des  pupalen  Epithels,  wobei  eine  Verschiebung  insofern 
eintreten  kann,  als  äußere  und  innere  Häutung  zeitlich  nicht  mehr 
zusammen  zu  fallen  brauchen  (s.  auch  Deegenek  [1911]). 

Diese  Erklärung,  die  in  der  Tat  in  gewissen  Fällen  eine  stich- 
haltige sein  mag,  würde  uns,  wie  schon  angedeutet  wurde,  zu  der  An- 
nahme zwingen,  daß  die  Larven  von  Callipkora  ursprünglich  ihr  Mittel- 
darmepithel während  jeder  Häutung  erneuert  hätten,  daß  dann  se- 
kundär dieser  Vorgang  zum  Fortfall  gekommen  sei,  sich  aber  noch 
in  der  hier  mehr  konservativen  Puppe  aus  gewissen  Gründen,  wenn  auch 
nur  noch  undeutlich  erkennbar,  erhalten  habe;  wir  würden  uns  um 
so  mehr  für  berechtigt  zu  dieser  Annahme  halten,  als  die  Calliphora- 
Larven  auch  in  anderer  Hinsicht  als  sekundär  stark  verändert  zu  be- 
trachten sind. 

Da  wir  aber  annehmen  können,  daß  die  Cattiphora-La,rxe  in  Wirk- 
lichkeit im  ganzen  Lauf  ihrer  phylogenetischen  Entwicklung  niemals 
ihr  Mitteldarmepithel  periodisch  erneuert  hat,  sehen  wir  uns  gezwungen, 
für  diesen  Fall  nach  einer  anderen  Erklärung  für  das  Auftreten  eines 
spezifischen  Puppenepithels  zu  suchen,  die  mit  der  eben  ausgesprochenen 
Annahme  in  Einklang  zu  bringen  ist,  ohne  doch  damit  der  vorher 
gegebenen  Erklärung  jegliche  Bedeutung  absprechen  zu  wollen.  Wie 
weit  diese  in  der  Tat  berechtigt  sein  mag  —  für  Calliphora  kann  sie 
nicht  aufrecht  erhalten  werden  —  muß  die  Zukunft  lehren.  Wir  sind 
leider  nicht  über  das  Verhalten  des  Mitteldarmes  der  Cybister-Lawe 
während  der  Häutung  unterrichtet,  auch  liegen  genauere  Unter- 
suchungen über  die  Metamorphose  von  Dermestes  und  Anthrenus  nicht 
vor,  so  daß  sich  zunächst  noch  keine  Beispiele  für  ihre  Eichtigkeit 
anführen  lassen. 

Wie  ist  also  die  noch  erkennbare  Andeutung  eines  besonderen 
Mitteldarmepithels  in  der  Puppe  von  Calliphora  zu  erklären? 

Es  könnte  hier  die  Meinung  ausgesprochen  werden,  daß  bei  großem 
Unterschiede  des  letzten  larvalen  Epithels  gegen  das  imaginale  in  der 
Metamorphose  das  letztere  nicht  sofort  gebildet  werden  kann,  nachdem 
das  erstere  entfernt  worden  ist,  daß  die  Puppe  sich  gewissermaßen 
gezwungen  sieht,  zunächst  eine  Art  vermittelndes  Epithel  herzustellen. 
Es  scheint  diese  Erklärung,  so  plausibel  sie  an  sich  aussehen  mag, 
jedoch  keine  völlig  befriedigende  zu  sein.     Sie  setzt  voraus,  daß  tat- 


158  Max  Braun, 

sächlich  in  morphologischer  und  physiologischer  Hinsicht  weitgehende 
Unterschiede .  zwischen  dem  Mitteldarmepithel  des  letzten  Larven- 
zustandes  und  der  Imago  bestehen  müssen,  um  das  Auftreten  eines 
spezifischen  Puppenepithels  zu  rechtfertigen.  Im  Falle  der  Calliphora 
kann  dem  ja  nur  noch  rudimentären  Puppenepithel  eine  vermittelnde 
Bedeutung  natürlich  nicht  zugeschrieben  werden.  Überhaupt  würde 
durch  ein  solches  der  Übergang  vom  larvalen  zum  imaginalen  Epithel 
durchaus  nicht  erleichtert,  sondern  erschwert  werden,  da  es  ja  seiner- 
seits auch  wieder  gänzlich  beseitigt  werden  muß.  Andererseits  sehen 
wir  (z.  B.  bei  Lepidopterenlarven),  daß  auch  da,  wo  das  Epithel  des 
Mitteldarmes  bei  Larve  und  Imago  sich  sehr  weit  voneinander  unter- 
scheiden, während  der  Nymphose  nach  Abstoßung  des  letzten  larvalen 
Epithels  sofort  das  imaginale  ausgebildet  wird,  sich  hier  also  eine 
Zwischenstufe  als  unnötig  erweist.  Wir  kommen  somit  zur  Ablehnung 
des  eben  angeführten  Standpunktes. 

Doch  nun  endlich  zur  Beantwortung  unserer  Frage! 

Wir  können  als  sicher  annehmen,  daß  die  heutigen  Insekten  aus 
Formen  mit  epimorpher  Entwicklung  hervorgegangen  sind,  daß  insbe- 
sondere die  heutige  Larve  und  Puppe  (Subimago)  der  Holometabola 
nachträgliche  Erwerbungen  darstellen  (s.  besonders  Deegener  [1909]). 

Wir  teilen  nun,  um  uns  diesen  Entwicklungsgang  näher  zu  ver- 
anschaulichen, die  im  Laufe  der  individuellen  Entwicklung  des  Ur- 
insektes  auftretenden  Formen  in  drei  Gruppen.  In  die  Gruppe  A 
vereinigen  wir  gewisse  jugendliche  Entwicklungszustände ,  in  die 
Gruppe  B  spätere,  in  die  Gruppe  C  endlich  die  letzten  schon  geschlechts- 
reifen  Formen  (die  eventuell  durch  eine  einzige  repräsentiert  sein 
können.  Mehrere  sind  als  möglich  zu  betrachten,  da  bereits  vollaus- 
gebildete Insekten  sich  noch  zu  häuten  vermögen,  wie  die  Collembolen 
lehren).  Die  Gruppe  C  stellt  also  die  Imago  des  Urinsektes  dar.  Ich 
betone  ausdrücklich,  daß  die  angeführte  Gruppierung  durchaus  nicht 
den  Sinn  einer  Einteilung  haben  soll  und  kann.  Die  Formen  der  Gruppe  A 
gingen  bei  der  ja  noch  als  epimorph  angenommenen  Entwicklung  des 
Urinsektes  kontinuierlich  in  die  der  Gruppe  B,  diese  in  die  der  Gruppe  C 
über.  Die  Einführung  der  Gruppen  geschieht  nur  aus  formalen  Grün- 
den, um  eine  kürzere  und  eindeutige  Ausdrucksweise  zu  ermöglichen. 

Die  phylogenetische  Weiterentwicklung  des  Urinsektes  auf  die 
heutigen  Holometabola  hin  vollzog  sich  nun  derart,  daß  aus  den  Zu- 
ständen der  Gruppe  A  die  heutigen  Larven,  aus  denen  der  Gruppe  B 
die  heutige  Puppe  (Subimago),  aus  denen  der  Gruppe  C  die  heutige 
Ima^o  wurden. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        159 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  näher  auf  diese  Entwicklungsgänge 
einzugehen.  In  gewissen  Fällen  müßte  man  innerhalb  der  Haupt- 
gruppen vielleicht  noch  gewisse  Untergruppen  einführen  oder  von 
vornherein  eine  größere  Anzahl  von  Hauptgruppen  aufstellen.  Ich 
verweise  auf  die  weiter  oben  bereits  angeführten  Arbeiten  von  Dee- 
gener,  Heymons,  Perez  u.  a.  und  werde  hier  nur  die  Schicksale  be- 
trachten, denen  der  Mitteldarm  während  der  Entwicklung  des  Ur- 
insektes  zum  holometabolen  Insekt  möglicherweise  unterworfen  war. 

1)  Es  kann  von  der  weiteren  Entwicklung  der  Gruppen  A,  B 
und  C,  deren  sämtliche  Zustände  ja  zunächst  noch  einen  gleichen 
Mitteldarm  hatten,  dieser  letztere  Darmabschnitt  unberührt  geblieben 
sein.  Es  würde  dann  bei  den  betreffenden  heutigen  Insekten  der 
Mitteldarm  von  Larve,  Puppe  und  Imago  wesentliche  Übereinstim- 
mung in  morphologischer  und  physiologischer  Hinsicht  aufweisen. 
Es  kommt  nun  nur  noch  darauf  an,  wie  sich  sein  Wachstum  gestaltete. 
Blieb  es  ein  kontinuierliches  oder  wurde  es  ein  periodisches,  so  daß 
in  gewissen  Intervallen  ohne  reichliche  Zellabstoßung  eine  große  Anzahl 
jugendlicher  Elemente  in  das  Epithel  eingeschoben  wurde,  so  mußte 
eine  Metamorphose  des  Darmkanals  beim  Übergang  der  Larve  in  die 
Imago  überhaupt  unterbleiben.  Es  sind  mir  leider  keine  Beispiele 
für  letzteren  Fall  bekannt,  vielleicht  verdient  hier  eine  Mitteilung 
Frenzels  (1886)  angeführt  zu  werden,  der  angibt,  daß  bei  Ephestia 
kühniella  eine  Abstoßung  des  Mitteldarmepithels  während  der  Nym- 
phose  nicht  beobachtet  wird.  Wenn  dagegen  das  Wachstum  ein  periodi- 
sches, verbunden  mit  teilweiser  oder  völliger  Epithelregeneration  wurde, 
so  dürfen  wir  uns  allerdings  nicht  wundern,  in  der  Puppe  ein  besonderes 
Mitteldarmepithel  vorzufinden.  Hier  ist  möglicherweise  Cybister  an- 
zuführen. 

2)  Ein  weiterer  extremer  Fall  wäre  der,  daß  sowohl  die  Zustände 
der  Gruppe  A  als  auch  die  der  Gruppe  B  und  C  in  bezug  auf  den  Mittel- 
darm getrennte  Wege  eingeschlagen  hätten,  so  daß  in  diesem  Falle 
heute  Larve,  Puppe  und  Imago  einen  gänzlich  verschiedenen  Mittel- 
darm besäßen.  In  diesem  Fall  müßte  die  Puppe  immer  ein  spezifisches 
Mitteldarmepithel  haben,  ganz  gleichgültig,  ob  das  Wachstum  des  Mittel- 
darmes ein  kontinuierliches  blieb  (Calliphora)  oder  ein  periodisches 
mit  oder  ohne  Abstoßung  wurde.  Der  letztere  Fall  würde  sich  aller- 
dings nicht  immer  sofort  von  dem  unter  1.  an  letzter  Stelle  angeführten 
unterscheiden  lassen. 

3)  A  und  C  haben  sich  gleichartig  entwickelt,  B  verschieden  davon. 
Beispiele  unbekannt  und  unwahrscheinlich. 


160  Max  Braun, 

4)  A  und  B  haben  sich  gleichartig  entwickelt,  C  verschieden  davon, 
Resultat :  Larve  und  Puppe  haben  denselben  Mitteldarm,  Imago  einen 
anders  gestalteten.  Blieb  sein  Wachstum  ein  kontinuierliches  oder 
wurde  es  ein  periodisches  ohne  Erneuerung,  so  hat  die  Puppe  kein 
besonderes  Mitteldarmepithel  [Lepidoptera],  wurde  das  Epithel  mit 
den  Häutungen  jedesmal  abgestoßen  und  regeneriert,  so  ist  ihr  ein 
solches  zuzuschreiben.     Sichere  Beispiele  unbekannt. 

5)  B  und  C  haben  sich  gleichartig  entwickelt,  A  verschieden 
davon.  Resultat:  Puppe  und  Imago  haben  denselben  Mitteldarm,  die 
Larve  einen  besonderen.  Es  braucht  sich,  selbst  wenn  die  Larve  ihr 
Mitteldarmepithel  periodisch  erneuert,  kein  spezifisches  bei  der  Puppe 
auszubilden.  Letzteres  tritt  nur  ein,  wenn  die  der  Gruppe  B  und  C 
angehörigen  Formen  schon  frühzeitig  eine  periodische  Abstoßung  des 
gesamten  Mitteldarmepithels  erwarben. 

Nicht  zur  Berücksichtigung  gelangt  sind  in  diesen  theoretischen 
Erwägungen  exzeptionelle  Fälle  (z.  B.  Poyarcoff  [1910])  oder  solche, 
bei  denen  die  Entwicklungsrichtung  ein  oder  mehrmals  gewechselt 
hat.  Die  Anzahl  der  angeführten  Beispiele  ist  eine  geringe,  da  das 
vorhandene  Tatsachenmaterial  ein  minimales  ist.  Erst  die  Zukunft 
wird  lehren,  ob  die  von  mir  vorgetragene  Ansicht  als  eine  richtige 
zu  betrachten  ist.  Mit  den  bisher  bekannten  Fällen,  und  es  sind  deren 
allerdings  nur  wenige,  läßt  sie  sich  jedenfalls  vereinigen. 

Es  sei  noch  kurz  auf  einige  Schwierigkeiten  hingewiesen,  die  sich 
bei  der  Einreihung  gewisser  Formen  in  das  obige  Schema  ergeben 
könnten.  Es  ist  nämlich  möglich,  daß  das  Puppenepithel  nicht  zur 
Ausbildung  gelangt,  trotzdem  es  als  spezifisches  Gebilde  eigentlich 
vorhanden  sein  müßte.  Wir  haben  dabei  zu  berücksichtigen,  daß  der 
Mitteldarm  der  Puppe  als  gar  nicht  oder  nur  in  sehr  beschränktem 
Maße  funktionierendes  Organ  sehr  leicht  der  Rückbildung  verfallen 
kann,  und  wir  dann  die  betreffende  Form  in  dem  oben  aufgestellten 
Schema  an  einer  Stelle  unterbringen  würden,  wo  sie  eigentlich  gar- 
nicht  hingehört.  Auch  ist  zu  bemerken:  trotzdem  die  heutige  Imago 
nicht  auf  einen,  sondern  eine  gewisse  Anzahl  von  Entwicklungs- 
zuständen  der  Urform  zurückzuführen  ist,  die  ja  durch  Häutungen 
ineinander  übergingen,  unterbleibt  heutigen  Tages  bei  der  über- 
wältigenden Mehrheit  der  Insekten  eine  Häutung  im  voll  ausgebildeten 
Zustand  gänzlich  aus  Gründen,  die  hier  nicht  zu  erörtern  sind.  Ein 
ursprünglich  periodisches  Wachstum  des  Mitteldarmes  verbunden  mit 
Epitheldegeneration  und  -regeneration  braucht  bei  der  heutigen  Imago 
durchaus    nicht    mehr    in    dieser    Form    erhalten    zu    sein,    da    alle 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        161 

morphologischen  Gründe  für  ein  solches  Verhalten  des  Mitteldarmes 
fortgefallen  sind  und  nur  noch  eventuell  physiologische  in  Betracht 
kommen. 

Außerdem  muß  erwähnt  werden,  daß  der  Übergang  aus  dem  Mittel- 
darmepithel eines  Zustandes  in  das  eines  anderen  sich  durchaus  nicht 
immer  auf  dem  Wege  der  Abstoßung  und  Neubildung  zu  vollziehen 
braucht,  selbst  wenn  Unterschiede  vorhanden  sind.  Sind  diese  nur 
nicht  zu  einschneidende,  so  kann  der  Übergang  sehr  wohl  durch  ein- 
fache Umbildung  geschehen.  So  hat  Russ  (1908)  konstatiert,  daß 
bei  einigen  Trichopteren  der  imaginale  Darm  dadurch  gebildet  wird, 
daß  von  dem  pupalen  nur  ein  Stück  zur  Abschnürung  gelangt. 

Wir  sehen  also,  daß  sich  ein  allgemein  gültiges  Schema  für  das 
Verhalten  des  Mitteldarmes  der  Insekten  während  der  Häutung  und 
der  Metamorphose  nicht  aufstellen  läßt.  Bestimmend  für  das  Auf- 
treten eines  spezifischen  Mitteldarmepithels  in  der  Puppe  sind  die 
Art  und  Weise  des  Wachstums  desselben  (kontinuierliches  oder  periodi- 
sches mit  oder  ohne  Erneuerung)  und  außerdem  noch  der  Grad  der 
Übereinstimmung  oder  Verschiedenheit  des  larvalen,  pupalen  und 
imaginalen  Darmes,  wobei  die  phylogenetische  Entwicklung  zum 
nötigen  Verständnis  führt.  Man  wird  mithin  von  Fall  zu  Fall  entschei- 
den müssen,  wie  die  betreffende  Form  in  dieser  Hinsicht  zu  beurteilen  ist. 

Wir  kommen  nunmehr  zur  Beurteilung  der  periodischen  Mittel- 
darmepithelerneuerung bei  der  Larve  von  Dermestes,  auf  die  ich  bisher 
mit  Absicht  noch  nicht  näher  eingegangen  bin. 

Die  unmittelbare  Ursache  für  die  auffallend  häufige  Epithel- 
abstoßung  im  Mitteldarm  der  Dermestes-Laive  liegt  einzig  und  allein 
in  dem  Vorhandensein  jener  basalen  Chitinlamelle,  die  ein  Längen- 
wachstum des  Darmes  wegen  ihrer  geringen  Dehnbarkeit  nur  in  mini- 
malem Umfange  gestattet  und  daher,  und  zwar  in  kurzen  Zwischen- 
räumen, zur  Abstoßung  gebracht  werden  muß.  Dabei  wird  jedesmal 
natürlich  auch  das  axialwärts  liegende  Epithel  mit  entfernt. 

Es  ist  nun  zurzeit  unmöglich,  festzustellen,  in  welcher  der  von 
mir  oben  eingeführten  Rubriken  Dermestes  einzuordnen  ist,  da  wir 
weder  über  die  Metamorphose  noch  über  den  Darm  der  Imago  genaue 
Kenntnis  besitzen.  Ich  werde,  um  diese  Lücke  auszufüllen,  sobald 
es  mir  die  Verhältnisse  gestatten,  spätestens  jedoch  im  Laufe  des  näch- 
sten Jahres  mit  den  nötigen  Untersuchungen  beginnen  und  gegebenen- 
falls Mitteilung  von  den  Resultaten  machen  und  zu  gleicher  Zeit  fest- 
zustellen versuchen,  ob  sich  irgendetwas  über  die  Gründe  ermitteln 
läßt,  die  einige  Insekten  bewogen  haben  mögen,  an  der  Basis  ihres 

Zeitschrift  f.  \vissensr;h.  Zoologie.    CHI.  Bd.  11 


162  Max  Braun, 

Mitteldarmepithels  eine  Chitinlamelle  zur  Ausscheidung  zu  bringen, 
die  im  Verein  mit  der  Intima  des  Vorder-  und  Enddarmes  das  ganze 
Tier  in  Form  einer  Chitinröhre  durchzieht,  die  nur  an  den  Übergangs- 
stellen der  drei  Hauptabschnitte  des  Darmes  unterbrochen  zu  sein 
scheint.  Es  ist  fraglich,  ob  hier  die  Nahrung,  die  Lebensweise,  Schutz- 
bedürfnis gegen  gewisse,  vom  Darmhohlraum  her  eindringende  Para- 
siten eine  Rolle  gespielt  haben,  und  ob  möglicherweise  auch  den  zur 
Beobachtung  gelangten,  bisher  noch  rätselhaften  kugelförmigen  Ge- 
bilden in  der  oberen  Zellhälfte  eine  Bedeutung  in  dieser  Hinsicht  bei- 
zumessen ist.  Zum  Vergleich  bei  der  Untersuchung  wird  Anthrenus 
herangezogen  werden,  wobei  zu  berücksichtigen  sein  wird,  daß  die 
Imago  bei  Dermestes  dieselbe  Lebensweise  hat  wie  die  Larve,  bei  An- 
threnus hingegen  nicht. 

Ich  habe  in  die  Betrachtungen  über  die  phylogenetische  Ent- 
wicklung der  im  Mitteldarm  der  Insekten  während  der  Häutung  zur 
Beobachtung  gelangenden  Vorgänge  Dermestes  nicht  einbezogen;  denn 
wir  haben  keine  sicheren  Anhaltspunkte  dafür,  wann  im  Laufe  der 
Phylogenesis  dieser  Form  die  basale  Chitinlamelle  am  Mitteldarm  zur 
Ausbildung  gelangt  ist  und  ob  sie  vielleicht  eine  nachträgliche  Er- 
Werbung  der  Larve  darstellt.  Die  Zukunft  wird  hier  möglicherweise 
Aufklärung  schaffen. 

Ich  habe  bereits  in  der  Einleitung  darauf  hingewiesen,  welche 
allgemeinen  Sätze  Möbusz  an  seine  und  Sommers  Entdeckung  der  mit 
den  Häutungen  zusammenfallenden  periodischen  Epithelerneuerungen 
im  Mitteldarm  einiger  Insekten  knüpft.  Man  wird  im  Gegensatz  zu 
Möbusz  nur  ohne  Kenntnis  der  inneren  Vorgänge  die  Meinung  aus- 
sprechen können,  daß  die  Metamorphose  allgemein  eine  intensive 
Häutung,  die  Häutung  eine  abgeschwächte  Metamorphose  sei.  Beide 
Vorgänge  haben,  rein  äußerlich  betrachtet,  allerdings  den  Zweck,  das 
Tier  auf  seine  volle  Organisationshöhe  zu  bringen  und  tun  das  auch, 
nur  die  Häutung  »abgeschwächt«,  d.  h.  ohne  daß  (bei  den  holometa- 
bolen  Insekten)  die  Ähnlichkeit  der  Jugendform  mit  der  Imago  immer 
mehr  hervortritt,  sondern  zunächst  nur  Größenzunahme  zu  beobachten 
ist,  die  Metamorphose  »intensiver«,  indem  nun  aus  dem  letzten,  von 
der  Imago  noch  wesentlich  verschiedenen  Larvenstadium  durch  eine 
zweimalige  Häutung  das  Tier  in  seiner  endgültigen  Gestalt  hervorgeht. 
Bei  genauerer  Betrachtung  tritt  aber  der  grundlegende  Unterschied 
zwischen  Larvenhäutung  und  Metamorphose  klar  zutage. 

Auf  die  Häutung  zur  Puppe  folgt  unaufhaltsam  die  kontinuierliche 
Entwicklung  zur  Imago,  an  die  Larvenhäutung  schließt  sich  in  der 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        163 

Regel  ein  dem  vorhergehenden  im  wesentlichen  gleiches  Larvenstadium 
an.  Wo  Fälle  der  totalen  Epithelregeneration  während  der  Häutung 
beobachtet  werden,  ist  das  neue  Epithel  dem  alten  gleich  (abgesehen 
von  einem  Wachstum),  während  es  in  der  Metamorphose  im  allgemeinen 
zur  Ausbildung  eines  mehr  oder  weniger  abweichend  gebauten  Mittel- 
darms kommt.  Das  sind  wesentliche  Unterschiede,  die  eine  tiefere 
Bedeutung  haben,  als  sich  auf  den  ersten  Blick  zeigt,  und,  wie  gesagt, 
aus  dem  phylogenetischen  Gewordensein  von  Larve  und  Puppe  zu 
erklären  sind. 

Mit  der  Häutung  zur  Puppe  setzt  die  Rekapitulation  eines  anderen 
phylogenetischen  Stadiums  ein,  als  desjenigen,  auf  das  die  Larve  zu- 
rückzuführen ist.  Der  Puppe  liegt  eben  ein  anderer  Jugendzustand 
der  ursprünglichen  Imago  zugrunde  als  der  Larve.  Würde  die  Larven- 
häutung dieselbe  Bedeutung  besitzen  (wenn  auch  in  weniger  erkenn- 
barem Maße)  wie  die  Häutung  zur  Puppe,  so  müßte  man  annehmen, 
daß  jedes  Larvenstadium  sich  aus  einem  besonderen  Jugendzustand 
(oder  einer  gewissen  Reihe  von  im  wesentlichen  gleichen  Jugend- 
zuständen) der  Urimago  entwickelt  habe,  eine  Ansicht,  zu  der  wir 
durch  die  bisher  bekannt  gewordenen,  anderweitig  erklärbaren  Fälle 
von  Mitteldarmepithelerneuerung  (und  überhaupt  der  inneren  Vor- 
gänge) während  der  Häutung  nicht  gezwungen  werden.  Man  wäre 
zum  Beispiel  genötigt,  anzunehmen,  daß  bei  Dermestes  sich  eine  nicht 
unbeträchtliche  Anzahl  getrennter  Jugendzustände  der  Urimago  er- 
halten hätten,  die  sich  dann  alle  sekundär  zur  gleichen  Form,  nämlich 
der  heutigen  Larve  verändert  haben  müßten. 

Die  jedesmalige  Häutung  bedeutet  hier  nicht  den  Übergang  in 
ein  neues  phylogenetisches  Stadium.  Die  periodische  Mitteldarm- 
epithelerneuerung ist  an  die  eventuell  nachträglich  erworbene  basale 
Chitinlamelle  geknüpft,  die  Abstoßung  ursprünglich  vielleicht  nicht 
einmal  ein  mit  der  äußeren  Häutung  zusammenfallender  Vorgang 
gewesen.  Sie  ist  ein  Wachstumsvorgang,  möglicherweise  allerdings 
nicht  ohne  physiologische  Nebenbedeutung.  Wir  beobachten  solche 
durch  das  Vorhandensein  einer  basalen  Chitinschicht  bedingten  Re- 
generationsvorgänge auch  im  Mitteldarm  anderer  Insekten  (Bizzozero 
[1893],  Rengel  [1898]),  ohne  daß  mit  ihnen  auch  immer  die  Häutung 
der  äußeren  Cuticula  erfolgen  müßte.  Die  Gründe  für  die  periodische 
Abstoßung  der  basalen  Chitinlamelle  im  Mitteldarm  der  von  Rengel 
genauer  untersuchten  Käfer  liegen  allerdings  nicht  im  Wachstum 
(wobei  zu  bedenken  ist,  daß  auch  erwachsene  Insekten  sich  noch  zu 
häuten    vermögen:    die  Collembolen),    sie    mögen    in    der   chemischen 

11* 


164  Max  Braun, 

Veränderung  der  Lamelle  liegen,  vielleicht  soll  auch  dem  Secrete,  das 
in  den  durch  sie  verschlossenen  Crypten  bereitet  wird,  der  freie  Eintritt 
in  das  Darmlumen  gestattet  werden. 

Die  anderweitigen  durch  Sommer,  Prowazek  und  Verson  bekannt 
gewordenen  Fälle  von  Mitteldarmhäutung  sind  Vorgänge,  die  ursprüng- 
lich nichts  mit  der  Häutung  zu  tun  hatten  und  sich  aus  einfacheren 
Verhältnissen  entwickelt  haben  dürften,  wie  ich  weiter  oben  bereits 
gezeigt  habe. 

Nach  alledem  können  wir  bei  dem  jetzigen  Stand  unserer  Kenntnisse 
durch  nichts  veranlaßt  werden,  die  Häutung  als  abgeschwächte  Meta- 
morphose aufzufassen,  selbst  wenn  sich  herausstellen  sollte,  daß  in 
einigen  Fällen  die  Umwandlungen  des  Darmkanals  während  der  Nym- 
phose  die  gleichen  sein  sollten  wie  während  der  Häutung1. 

Hiermit  steht  und  fällt  auch  der  weitere  von  Möbusz  ausgesprochene 
Satz:  »Häutungen  der  Ametabola  =  Larvenhäutungen  +  Metamor- 
phose der  Holometabola  «,  ein  Satz,  der  rein  äußerlich  noch  bestechender 
erscheint  als  der  erste.  In  der  Tat  führen  ja  die  sämtlichen  Häutungen 
der  Ametabola  zu  demselben  Resultat  wie  die  sämtlichen  Häutungen 
der  Holometabola,  nämlich  zur  Ausbildung  der  definitiven  geschlechts- 
reifen  Endform.  Ob  aber  durch  die  Formel  auch  der  wahren  phylo- 
genetischen Bedeutung  der  Häutungen  und  der  Metamorphose  ent- 
sprochen wird,  bleibt  dahingestellt. 

Wenn  die  Ansicht  von  Folsom  und  Welles  richtig  ist,  die  der 
»Mitteldarmhäutung  der  Collembolen  eine  excretorische  Bedeutung 
beimessen,  wenn  daher  die  ganzen  sich  im  Mitteldarm  der  Collembolen 
während  der  Häutung  abspielenden  Vorgänge  als  sekundäre  zu  be- 
trachten sind,  die  mit  der  Häutung  und  Metamorphose  der  holometa- 
bolen  Insekten  nicht  das  geringste  zu  tun  haben,  so  ist  die  Anschauung 
von  Möbusz  auch  aus  anderen  als  den  von  mir  angegebenen  Gründen 
widerlegt. 

Ehe  ich  diese  Arbeit  abbreche,  will  ich  noch  kurz  auf  eine  Streit- 
frage eingehen,  die  seinerzeit,  vor  nunmehr  20  Jahren  zwischen  Frenzel 
(1891)  einerseits  und  Ziegler  und  v.  Rath  (1891)  andererseits  eingehend 
erörtert  wurde,  und  in  die  u.  a.  auch  Verson  (1891)  und  Löwit  (1891) 
eingegriffen  haben,  die  Frage,  inwieweit  der  amitotischen  Kernteilung 


1  Es  wäre  natürlich  a  priori  nicht  ohne  weiteres  abzulehnen,  daß  es  bei 
gewissen  Insekten  zur  Ausbildung  zweier  oder  mehrerer  verschiedener  Larven- 
formen gekommen  ist,  die  auf  verschiedene  Jugendzustände  der  Urimago  zurück- 
zuführen sein  würden  und  eventuell  sogar  durch  ein  der  heutigen  Puppe  ähn- 
liches   Entwicklungsstadium    verbunden    sein    können    (Hypermetamorphose). 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        165 

eine  regenerative  Bedeutung  beizumessen  sei.  Während  Frenzel 
geneigt  ist,  ihr  eine  solche  zuzuschreiben,  sind  Ziegler  und  v.  Rath 
entgegengesetzter  Meinung  und  wollen  sie  nur  auf  die  mitotische  Teilung 
beschränken.  Uns  interessiert  hier  vor  allen  Dingen  ein  Ausspruch 
der  letzteren  Autoren:  »Das  Auftreten  der  Mitosen  ist  häufig  ein 
periodisches  und  steht  vielleicht  bei  manchen  Arthropoden  mit  den 
periodischen  Häutungen  in  Beziehung«,  eine  Meinung,  deren  Richtig- 
keit durch  die  vorliegende  Arbeit  bewiesen  wird;  im  übrigen  ist  hier 
nicht  der  Ort,  weiteres  Material  für  die  eine  oder  die  andere  Ansicht 
zusammen  zu  tragen. 

Berlin,  im  April  1912. 


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Ann.  Soc.  Ent.  Belg.     Bd.  LH.     p.  127—147.     10  fig. 

36.  1911.     M.  Lampe,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Histologie  der  Larve  von 

Sisyra  fuscata  Fabr.     Inaug.  Diss.  Berlin.     55  Seiten. 

37.  1908.     W.  D.  van  Leeitwen,  Beiträge   zur   Kenntnis   der  Metamorphosen. 

Die  mikroskopische  Anatomie  des  Darmkanals  und  dessen  Drüsen  von 
Isosoma  graminicola  Giraud.  Tijd.  Nederl.  Dierk.  Ver.  S.  IL  Deel.  11. 
p.  1—35.     2  Taf. 

38.  1911.     F.  W.  Leite,  Beiträge    zur    Kenntnis    der    Ephemeriden.      Unter- 

suchungen über  die  Larve  von  Heptagenia  sulphurea  Müller.  Inaug. 
Diss.  Berlin.     48  Seiten. 

39.  1886.     J.  List,  Über  Becherzellen  und  Leydigsche  Zellen  (Schleimzellen). 

Arch.    f.    mikr.    Anat.      Bd.  XXVI.     S.  543—552.     1  Taf. 

40.  1891.     M.  Löwit,  Über  amitotische  Kernteilung.     Biol.  Centralbl.    Bd.  XL 

S.  513—516. 

41.  1907.     H.  Lübben,  Über  die  innere  Metamorphose  der  Trichopteren.    Zool. 

Jahrb.,  Abt.  Anat.     Bd.  XXIV.     S.  71—128.     3  Taf. 

42.  1903.     A.  Martynow,  Über  den  Ursprung  der  peritrophen  Hüllen  bei  den 

Larven  der  Insekten  (russisch).  Referat:  A.  Adelung,  Zool.  Centralbl. 
1904.    Bd.  XL     S.  316.         , 

43.  1876.     P.  Mayer,  Über   Ontogenie   und    Phylogenie   der   Insekten.      Eine 

akademische  Preisschrift.     Jen.  Zeit.  f.  Naturw.     Bd.  X.     S.  125 — 221. 

44.  1897.     A.  Möbusz,  Über    den    Darmkanal    der   Anthrenuslarve    nebst    Be- 

merkungen über  Epithelregeneration.  Arch.  f.  Naturg.  Bd  XXIII. 
I.     S.  89—128.     3  Taf. 

45.  1908.     Ch.  Perez,  Renovation    epitheliale    de    l'intestin    moyen    chez    les 

Museides.     C.  R.  Soc.  biol.  Paris.     T.  LXIV.     S.  694—695. 

46.  1910.     —  Signification  phyletique  de  la  nymphe  chez  les  Insectes  metaboles. 

Bull.  Sc.  France  Belg.    S.  VII.     T.  XLIV.     p.  221. 

47.  1911.     E.  Petersen,  Beiträge    zur  Anatomie    und  Histologie    des    Darm- 

kanals der  Schmetterlinge.  Jen.  Zeit.  Naturw.  Bd.  XXVII.  S.  161 
bis  216.     27  Fig. 

48.  1910.     E.  Poyarcoff,  Recherches  histologiques  sur  la  metamorphose  d'un 

Coleoptere  (La  Galeruque  de  l'Orme).  Arch.  d'Anat.  micr.  T.  XII. 
Fase.  3.     p.  333—474.     69  fig. 


168  Max  Braun, 

49.  1900.     S.  Prowazek,  Bau  und  Entwicklung  der  Collembolen.     Arch.  zool. 

Inst.  Wien.     Bd.  XII. 

50.  1890.     O.  vom  Rath,  Über  die  Fortpflanzung  der  Diplopoden  (Chilopoden). 

Ber.  d.  naturf.  Ges.  zu  Freiburg  i.  Br.     Bd.  V.     S.  1—28.     1  Taf. 

51.  1889.     J.  van  Rees,    Beiträge    zur  Kenntnis    der    inneren    Metamorphose 

von  Musca  vomitoria.     Spengels  zool.  Jahrb.,  Abt.  f.  Anat.     Bd.  III. 
S.  1—134.     2  Taf.     10  Fig. 

52.  1897.     C.  Rengel,  Über  die  Veränderungen  des  Darmepithels  bei  Tenebrio 

molitor  während  der  Metamorphose.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  LXII. 
S.  1—60.     1  Taf. 

53.  1898.     —  Über  die  periodische  Abstoßung  und  Neubildung   des  gesamten 

Mitteldarmepithels  bei  Hydrophilus,  Hydrous  und  Hydrobius.    Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.     Bd.  LXIII.     S.  440—455.     1  Taf. 

54.  1894.     E.  dE  Rouville,   Sur  la  genese  de  l'epithelium  intestinal.    Compt. 

Rend.   Paris.     Bd.  CXX.     S.  50— 52. 

55.  1907.     E.  Russ,   Über  die  postembryonale  Entwicklung  des  Mitteldarmes 

bei  den  Trichopteren  (Anabolia  laevis  Zett).     Zool.  Anz.     Bd.  XXXI. 
S.  708—710. 

56.  1908.     —  Die  postembryonale  Entwicklung  des  Darmkanals  der  Trichopteren 

(Anabolia  laevis  Zett).     Zool.  Jahrb.,  Abt,  Anat.     Bd.  XXV.     S.  675 
bis  770.     4  Tai. 

57.  1895.     J.  Sadones,  L'appareil  digestif  et  respiratoire  et  Iarvaire  des  Odonates. 

La  Cellule.     T.  XI.     Fase.  I.     p.  271—325.     3  Taf. 

58.  1883.     P.  Schiemenz,    Über    das  Herkommen    des    Futtersaftes    und    die 

Speicheldrüsen  der  Biene  nebst  einem  Anhange  über  das  Riechorgan. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XXXVIII.     S.  71—135.     3  Taf. 

59.  1890.     A.  Schneider,  Über  den  Darmkanal  der  Arthropoden.     Zool.  Bei- 

träge.   (Herausgegeben  von  A.  Schneider.)    Bd.  IL    S.  82 — 96.    3  Taf. 

60.  1902.  K.  C.  Schneider,  Lehrbuch  d.  vergleichenden  Histologie  d.  Tiere.  Jena. 

61.  1867.     F.  E.  Schulze,  Epithel-    und    Drüsenzellen.      Arch.    mikr.    Anat. 

Bd.  III.     S.  137—203.     7  Taf. 

62.  1878.     H.  Simroth,  Über  den  Darmkanal  der  Larve  von  Osmoderma  ere- 

mita  mit   seinen  Anhängen.     Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw.     3.  Folge. 
Bd.  III.    S.  493—518.     3  Taf. 

63.  1885.     A.  Sommer,  Über  Macrotoma  plumbea.     Beiträge  zur  Kenntnis  der 

Poduriden.     Zeitschr.  f.   wiss.  Zool.     Bd.  XLI.     S.  683—718.     2  Taf. 

64.  1902.     A.  Vaney,  Contributions  ä  l'etude  des  larves  et  des  metamorphoses 

des  Dipteres.     Ann.  de  l'Univ.  de  Lyon.     N.  S.  1.    Sei.,  med.  Fase.  9. 
178  p.     4  tabl. 

65.  1891.     E.  Verson,  Zur   Beurteilung  der  amitotischen  Kernteilung.      Biol. 

Centralbl.     Bd.  XL     p.  513—516. 

66.  1897,  1898.     —  Zur  Entwicklung  des  Verdauungskanals  beim  Seidenspinner. 

Zool.  Anz.     Bd.  XX.     p.   301—302.     Bd.  XXL     S.  431—435. 

67.  1905.     —  Zur  Entwicklung  des  Darmkanals  bei  Bombyx  mori.     Zeitschr. 

f.  wiss.  Zool.     Bd.  LXXXII.     S.  523—600.     4  Taf. 

68.  1911.     —  Beitrag  zur  näheren  Kenntnis  der  Häutung  und  der  Häutungs- 

drüsen bei  Bombyx  mori.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  XCVII.    S.  457 
—480.     2  Taf. 


Das  Mitteldarmepithel  der  Insektenlarven  während  der  Häutung.        169 

69.  1864.     A.   Weissmann,    Die    nachembryonale    Entwicklung    der    Museiden 

nach  Beobachtungen   an  Musca   vomitoria   und  Sarcophaga  carnaria. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  XIV.    S.  187—336.    7  Taf. 

70.  1891.     H.  E.  Zieoler  und  O.  VOM  Rath.    Die  amitotische  Kernteilung  bei 

den  Arthropoden.     Biol.  Centralbl.     Bd.  XL    S.  744-  757. 

71.  IS9I.     H.  E.  Zieoler.  Die  biologische  Bedeutung  der  amitotischen  (direkten) 

Kernteilung  im  Tierreich.    Biol.  Centralbl.    Bd.  XI.    S.  372-389. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

(Nähere  Erklärungen  siehe  im  Text.) 

Tafel  I. 

Fig.  1  — 11.     DeilephiJa  euphorbiae.     Vergr.  500/1. 

Emp,  Epithelmutterzellen; 

Stb,  Stäbchensaum; 

Nid.Z,  Nutritorische  Zone; 

Sph,  Sphärocyten; 

Ca,  Calycocyten; 

Mit,  Mitose  (Aster); 

J.Ca,  jugendliche  Calycocyte. 
Fig.  12 — 14.     Hyponomeuta  evonymella.    Vergr.  500/1. 
Fig.  15 — 19."    Arge.    Vergr.  500/1. 
Fig.  20 — 23.     Calliphora.    Vergr.  500/1. 
Fig.  24 — 25.     Melasoma  20punct.    Vergr.  500/ 1. 

Tafel  II. 
Fig.  26 — 34.     Dermestes  lardarius.    Fig.  26—28.  31—32,  34  Vergr.  900/1. 
Fig.  29  u.  30  Vergr.  500/1.     Fig.  33  Vergr.  26/1. 
B.ch,  basale  Chitinlamelle; 
R,  Reste  der  Bildungszellen  derselben; 
Stm,  Stützmembran ; 
Rg,  Regenerationsinsel ; 
Stb,  Stäbchensaum; 
K,  degenerierte  Kerne  im  abgestoßenen  Epithel. 


Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI. IM.  I.  Heft. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis  L 
Ein  Beitrag  zur  Morphologie  des  Insektenkörpers. 

Von 

Carl  Dem  an  dt. 

(Aus  dem  zoologischen  Institut  zu  Marburg.) 
Mit  74  Figuren  im  Text. 

Die  vorliegende  Arbeit  schließt  sich  an  die  Untersuchungen  über 
die  Muskulatur,  das  Nervensystem,  die  Respirationsorgane  und  den 
Darmkanal  von  Dytiscus  marginalis  an,  welche  bereits  vor  einiger 
Zeit  erschienen.  Wenn  bei  den  vorliegenden  Untersuchungen  zu- 
nächst die  gröbere  Morphologie  mehr  betont  wurde,  wie  dies  z.  B. 
für  das  Chitinskelet  und  die  Muskulatur  des  Copulationsapparates 
gilt,  so  durfte  doch  die  Struktur  des  keimerzeugenden  und  leitenden 
Apparates  nicht  unberücksichtigt  bleiben.  Es  sei  aber  ausdrücklich 
betont,  daß  die  feineren  histologischen  und  cytologischen  Vorgänge 
bei  dieser  Untersuchung  nicht  eingehend  behandelt,  sondern  nur  ge- 
streift werden  können,  da  es  hier  vor  allem  darauf  ankam,  eine  Dar- 
stellung des  gesamten  Organsystems  beim  männlichen  und  weiblichen 
Tier  zu  geben  und  beide  nach  Möglichkeit  in  Vergleich  zu  setzen.  Außer- 
dem liegen  über  die  Oogenese  und  Spermatogenese  von  Dytiscus  und 
verwandte  Formen  ältere  und  neuere  Untersuchungen  vor,  auf  welche 
einzugehen  später  noch  Gelegenheit  sein  wird. 

Methoden. 

Die  Präparationen  der  Muskulatur  und  des  Chitinskelettes  des 
Copulationsapparates  wurden  mit  Hilfe  des  ZEissschen  Binoculars 
an  dem  nach  BAUERScher  Methode  in  Paraffin  eingebetteten  Objekte 
und  die  Zeichnungen  mit  LEiTzscher  Lupe  und  Zeichenapparat  aus- 
geführt. Die  Objekte,  welche  konserviert  und  geschnitten  werden 
Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  12 


172  Carl  Demandt, 

sollten,  wurden  schnell  aus  dem  Körper  herauspräpariert,  meist  ohne 
sie  mit  Kochsalzlösung  in  Berührung  zu  bringen,  und  sofort  in  Konser- 
vierungsflüssigkeit gebracht.  Nur  bei  der  schwierigen  Präparation 
der  Verbindungsstränge  war  ein  Präparieren  in  Kochsalzlösung  von 
höchstens  10  Minuten  Dauer  nicht  zu  umgehen.  Um  günstige  Schnitte 
durch  die  Ovarien  zu  erhalten,  wurde  der  Käfer  ganz  in  Paraffin  ge- 
bettet und  die  Ovarien  frei  präpariert.  Dann  wurden  dieselben  nur 
hinten  mit  dem  Copulationsapparat  losgetrennt,  vorsichtig  gestreckt 
und  befestigt  und  direkt  im  Tierkörper  mit  Konservierungsflüssigkeit 
Übergossen. 

Als  Konservierungsflüssigkeit  wurde  für  Ovarien  und  Hoden 
FLEMMiNGsches  Gemisch  (Chrom-Osmium-Essigsäure)  angewandt,  wäh- 
rend die  Ausführungsgänge  meist  mit  Sublimat-Eisessig,  kalt,  konser- 
viert wurden.  Die  Schnitte  durch  Hoden  und  Ovarien  wurden  mit 
Hämatoxylin  nach  Heidenhain  gefärbt,  während  für  die  übrigen 
Organe  die  Doppelfärbung  von  Hämatoxylin  (Delafield)  —  Eosin 
oder  Hämatoxylin  —  van  Gieson  (Pikrinsäure-Säurefuchsin)  ange- 
wandt wurde.  Letztere  Färbung  erwies  sich  besonders  bei  dem  männ- 
lichen Apparat  für  den  Nachweis  des  Bindegewebes  sehr  günstig.  Als 
Schnittdicke  wurde  für  Ovarien,  Hoden  und  Anhangsdrüsen  des  Männ- 
chens 4 — 6  ii  gewählt,  während  für  die  übrigen  Organe  7,5  u  Schnitte 
angefertigt  wurden. 

A.  Der  weibliche  Apparat. 
I.  Orientierung  des  Apparates  im  Körper. 

Der  weibliche  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis  (Fig.  1) 
liegt  ventral  im  Abdomen  des  Käfers,  und  zwar  nimmt  der  chitinöse 
Legeapparat  den  von  den  zwei  letzten  Körpersegmenten  umschlossenen 
Raum  ein.  Der  Legesäbel  mit  seinen  Anhangsgebilden  ragt  jedoch 
bis  zur  Hinterkante  des  vierten  Segmentes  nach  vorn.  Der  zur  Ver- 
fügung stehende  Raum  wird  dadurch  sehr  verringert,  deshalb  biegt 
die  vorn  aus  dem  Legesäbel  hervortretende  Scheide  nach  rechts  und 
unten  um.  Diese  Krümmung  bedingt  eine  seitliche  Verlagerung  des 
übrigen  Geschlechtsapparates  nach  rechts,  so  daß  er  etwas  asymmetrisch 
zu  liegen  kommt  (Fig.  1). 

Die  Ovarien  liegen  in  ihrem  vorderen  Abschnitte  den  umfang- 
reichen Beinmuskeln  auf  und  sind  infolgedessen  in  nach  vorn  auf- 
steigender Richtung  orientiert. 

In   dieser   Lage    fixiert    werden   die    Geschlechtsorgane    zunächst 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  173 

durch  die  beiden  Verbindungsstränge  der  Ovarien  (Fig.  1  vb),  welche 
dicht  unter  dem  Herzen  verlaufen  und  durch  den  Metathorax  hindurch 
bis  zum  Mesothorax  ziehen,  wo  sie  sich  am  Mesoscutum  ansetzen.  Die 
Befestigung  mit  dem  Chitinskelet  des  Legeapparates  wird  abgesehen 
von  der  in  den  Legesäbel  übergehenden  Scheide  durch  drei  Muskel- 
paare bewirkt.  Es  handelt  sich  hier  zunächst  um  zwei  Paar  Retrac- 
toren  der  Scheide,  und  zwar  die  kurzen  und  langen  Retractoren. 

Der  kurze  Retractor  der  Scheide  (M.  retractor  vaginae  brevis, 
Fig.  5  rvb)  entspringt  an  den  freien  vorderen  Ecken  des  Legesäbels, 
und  zwar  derart,  daß  die  Fasern  des  Muskels  sich  auf  der  Membran 
ausbreiten,  die  sich  hier  an  den  Legesäbel  anheftet.  Sein  Insertions- 
punkt  liegt  an  der  Scheide,  kurz  vor  ihrem  Eintritt  in  den  Legesäbel. 
Der  Muskel  ist  sehr  flach  und  unscheinbar,  so  daß  er  leicht  übersehen 
werden  kann. 

Der  lange  Retractor  der  Scheide  (M.  retractor  vaginae  longus, 
Fig.  7  rvl)  wurde  schon  von  Stein  richtig  als  lang  und  bandförmig 
beschrieben.  Er  entspringt  an  den  inneren  Ecken  der  Genitalklappen 
und  inseriert  an  der  Unterseite  der  Scheide,  dicht  hinter  der  Ein- 
mündung des  Eierganges.  Zu  diesen  beiden  Muskelpaaren  tritt  noch 
ein  drittes  Paar,  welches  die  Eileiter  und  damit  auch  die  Ovarien  ven- 
tral an  dem  Körperskelet  befestigt.  Es  sind  die  Retractoren  der  Ovarien 
(M.  retractor  ovarii).  Ihren  Ursprung  nehmen  sie  am  Vorderrande  des 
achten  Sternites,  dicht  neben  der  Mittellinie  des  Körpers,  und  sie  in- 
serieren an  den  Eileitern  kurz  vor  ihrer  Vereinigung  zum  Eiergange. 
Sie  sind  ebenso  lang  wie  die  langen  Retractoren  der  Scheide,  jedoch 
nicht  so  breit  und  daher  weniger  kräftig. 

Die  beschriebenen  drei  Muskelpaare  haben  besonders  die  Aufgabe, 
die  Scheide  zu  entlasten  von  dem  Zuge,  der  auf  sie  ausgeübt  wird, 
wenn  der  Käfer  den  Legesäbel  zwecks  Eiablage  vorstreckt. 

Weitere  Befestigungsmittel  der  Weichteile  des  Geschlechtsapparates 
sind  die  Tracheen  und  zwar  besonders  diejenigen,  welche  vom  Stigma 
des  vierten  und  fünften  Tergits  ausgehen.  Die  Tracheen  des  vierten 
Tergits  ziehen  zu  den  Ovarien,  soweit  sie  aus  den  Eiröhren  zusammen- 
gesetzt sind,  während  die  Tracheen  des  fünften  Tergits  sich  auf  dem 
Eierkelche  ausbreiten.  Die  Tracheen  umspinnen  mit  ihren  feinen 
Verästelungen  die  Ovarien  und  Eierkelche  nicht  nur  von  außen,  son- 
dern dringen  auch  überall  zwischen  die  Eiröhren  und  ihre  Stiele  ein. 

Schließlich  kommt  wohl  auch  für  die  Fixierung  der  Geschlechts- 
organe noch  der  Fettkörper  in  Betracht,  der  die  Organe  umhüllt  und 
um  sie  einen  lockeren  Mantel,  die  sogenannte  Peritonealhülle,  bildet. 

12* 


174  Carl  Demandt, 

II.  Morphologie  des  weiblichen  Geschlechtsapparates. 
An  dem  Geschlechtsapparate  lassen  sich  vier  Abschnitte  unter- 
scheiden: der  erste  umfaßt  die  keimbereitenden,  der  zweite  die  aus- 
leitenden, der  dritte  die  für  die  Befruchtung  und  der  vierte  die  für 
die  Copulation  bestimmten  Organe : 

1)  Die  Eierstöcke  oder  Ovarien,  bestehend  aus 

a.  den  Verbindungssträngen  (Fig.  1  vb), 

b.  dem  eigentlichen  Ovarium,  gebildet  von  den  Eiröhren  (ov), 

c.  den  Eiröhrenstielen  (Fig.  1  est), 

d.  dem  Eierkelche  (Fig.  1  ek). 

2)  Der  Leitungsapparat,  und  zwar 

a.  der  Eileiter  (Fig.  1  el), 

b.  der  Eiergang  (Fig.  26  eg), 

c.  die  Scheide  oder  Vagina  (Fig.  1  va). 

3)  Der  Befruchtungsapparat: 

a.  die   Begattungstasche  oder  Bursa  copulatrix  mit  ihrem 

Halse  (Fig.  1  bt), 

b.  der     Samenbehälter     oder     das    Receptaculum    seminis 

(Fig.  1  recs), 

c.  der  Befruchtungsgang  (Fig.  26  bg). 

4)  Der  Legeapparat,  und  zwar 

a.  das  chitinöse  Skelet, 

b.  die  Muskulatur. 

Der  Zusammenhang  der  unter  zwei  und  drei  genannten  Organe  geht 
besonders  deutlich  aus  dem  Schema  Fig.  26  hervor. 

Eierstöcke,  Leitungsapparat  und  Befruchtungsapparat  werden 
umhüllt  von  dem  Fettgewebe,  der  Peritonealhülle.  Sie  ist  ein  lockeres, 
mehr  oder  weniger  durchscheinendes  Gewebe.  Dem  Ovarium,  Eileiter 
und  Eiergang  liegt  sie  ziemlich  dicht  an  und  wird  durch  die  zahlreichen 
Tracheen,  die  sie  durchsetzen,  mit  ihnen  fest  verbunden.  Infolge  der 
weitmaschigen  Struktur  der  Peritonealhülle  sind  die  einzelnen  Ei- 
röhren und  ihre  Fächerimg,  meist  auch  die  Eiröhrenstiele,  von  außen 
gut  zu  erkennen  (Fig.  1).  Im  Bereiche  der  Scheide  ist  sie  kompakter 
und  demgemäß  weniger  durchsichtig.  Auch  liegt  sie  der  Scheide  und 
ihren  Anhangsorganen  nicht  dicht  auf,  sondern  umhüllt  sie  wie  ein 
weiter  Mantel. 

1.  Das  Ovarium. 
Die  Eierstöcke  von  Dytiscus  marginalis  sind  zwei  umfangreiche 
Organe,  die  einen  großen  Teil  der  Höhlung  des  Abdomens  ausfüllen 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


175 


(Fig.  1  ov).  In  der  Ruheperiode  nach  der  Eiablage,  in  den  Monaten 
Juni  bis  Februar,  zeigen  sie  die  Form  von  kurzen  Spindeln.  Ihre 
vorderen  Enden  sind  jedoch  zu  den  Verbindungssträngen  ausgezogen 
und  ihre  Hinterenden  zu  den  Eierkelchen  halbkugelförmig  abgerundet. 


recs r~ 


va -*  -* 


Fig.  1. 

Zeigt  den  weiblichen  Geschlechtsapparat  in  seiner  natürlichen  Lage  im  Abdomen.     Im  hinteren 

Teile  den  Legeapparat  (leg.app),  daran  anschließend  die  Scheide  (va),  Begattungstasche  (fit),  ße- 

ceptaculum  (recs)  und  die  Ovarien  (ov)  mit  dem  Eileiter  (el),  dem  Eierkelch  (ek)  und  den  Verbin- 

dungssträngen  (vb).     Erklärung  der  Abkürzungen  siehe  auch  S.  297.     Vergr.  5/1. 

Die  Außenseiten  der  Spindeln  sind  bedeutend  stärker  gewölbt  als  die 
Innenseiten.  Die  Spindelform  des  Ovariums  ist  dadurch  bedingt,  daß 
die  einzelnen  dicht  aneinander  gelagerten  Eiröhren  nach  hinten  be- 
deutend an  Umfang  zunehmen.  Im  Frühjahr  enthalten  die  Eierstöcke 
zahlreiche  legereife  Eier,  und  ihr  Umfang  ist  infolgedessen  weit  größer, 


176  Carl  Demandt, 

oft  doppelt  so  groß  wie  in  der  Ruheperiode.  Wie  schon  erwähnt,  sind 
an  dem  Ovarium  drei  Abschnitte  zu  unterscheiden:  die  Verbindungs- 
stränge, das  eigentliche  Ovarium  oder  die  Eiröhren  mit  ihren  Stielen 
und  der  Eierkelch. 

a.  Die  Verbindungsstränge  (Fig.  1  vb) 
sind  zwei  kräftige,  elastische  Fäden,  die,  wie  schon  eingangs  erwähnt, 
unterhalb  des  Herzens  verlaufen.  Sie  heften  sich  an  die  ventralen 
Kanten  der  Chitinlamelle  des  Mesoscutums  an  (vgl.  Euschee,  Fig.  20) 
und  zwar  dort,  wo  diese  am  tiefsten  in  den  Körper  vorspringt1.  Sie 
sind  zusammengesetzt  aus  den  Endfäden  der  Eiröhren,  welche  kurz 
vor  ihrer  Anheftung  im  Thorax  sich  zu  einem  einzigen  Strange  ver- 
einigen. Von  außen  betrachtet  lassen  sie  ihre  Zusammensetzung  aus 
den  einzelnen  Endfäden  nicht  erkennen,  da  die  Peritonealhülle  in 
diesem  Abschnitte  sehr  dicht  ist. 

b.  Das  eigentliche  Ovarium  (Fig.  1  ov) 
wird  gebildet  von  den  Eiröhren,  deren  Zahl  sehr  stark  variiert.  Die 
daraufhin  untersuchten  Eierstöcke  wiesen  als  Minimum  38,  als  Maxi- 
mum 49  auf.  Dabei  ist  die  Zahl  der  Eiröhren  in  den  beiden  Ovarien 
ein  und  desselben  Käfers  noch  sehr  verschieden;  so  fanden  sich  obige 
beiden  Extreme  in  den  beiden  Ovarien  eines  Käfers,  die  Differenz 
zwischen  den  beiderseitigen  Ovarien  betrug  also  elf  Stück.  Andre 
Käfer  wiesen  40  bzw.  45,  42  bzw.  43,  41  bzw.  49  Eiröhren  auf.  Die 
Summe  der  Eiröhren  beider  Ovarien  überstieg  bei  keinem  von  zehn 
daraufhin  untersuchten  Käfern  die  Zahl  90. 

Nach  der  Terminologie  von  I.  Gross  gehört  Dytiscus  zu  den 
adephagen  Käfern  mit  büschelförmigem  Eierstocke  (Ovarium  fascicu- 
latum).  Die  Eiröhren  sind  meroistisch  und  polytroph,  d.  h.  sie 
besitzen  Nährzellen  und  zwar  verteilt  in  eine  größere  Anzahl  von  Nähr- 
kammern. Die  Eiröhren,  welche  in  den  sehr  langen  Endfaden  aus- 
laufen, weisen  an  ihrem  vorderen  Ende,  vor  dem  Übergang  in  den 
Endfaden,  eine  schwache  Verdickung  auf  (Fig.  14).  Es  ist  dies  die 
Keimzone  der  Eiröhre,  die  sogenannte  Endkammer  (Fig.  15  u.  16). 
Der  übrige  Teil  der  Eiröhre  umfaßt  die  Wachstumszone.  Die  in  der 
Wachstumszone  abwechselnd  aufeinander  folgenden  Nähr-  und  Ei- 
fächer  nehmen  nach  hinten  an  Umfang  allmählich  zu.  Dabei  ist  die 
Nährkammer,  zumal  in  den  älteren  Stadien,  etwas  kleiner  als  das  auf 
sie  folgende  und  ihr  zugehörige  Eifach  (Fig.  15).     Die  Zahl  der  von 

1  Vgl.  auch  Holste,  Fig.  VIII:  Der  Verbindungsstrang  eines  Ovariums  ist 
hier  bis  zur  Ansatzstelle  eingezeichnet;  Bezeichnung  fehlt  jedoch. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  177 

außen  zu  erkennenden  Bianlagen  einer  Eiröhre  beträgt  8 — 10.  Man 
erkennt  von  außen  die  Grenzen  der  aufeinander  folgenden  Nähr-  und 
Eifächer  an  schwachen  Einschnürungen  der  Eiröhre.  Die  Länge  des 
letzten  Eies  beträgt  zur  Zeit  der  Kühe  etwa  1 1/2  mm,  die  legereifen 
Eier  jedoch,  die  man  im  Frühjahre  in  den  Eierstöcken  findet,  haben 
eine  Länge  von  7  mm.  Die  Eiröhren  alter  Käfer  besitzen  eine  Länge 
von  6 — 7  mm,  während  diejenigen  junger  Käfer  nur  halb  so  lang  sind. 
Die  Zahl  der  in  einem  Nährfache  enthaltenen  Nährzellen  beträgt  15. 
Bei  konserviertem  und  gehärtetem  Material  war  es  leicht,  durch  Prä- 
paration unter  dem  Binocular  die  Tunica  zu  zerreißen  und  die  ein- 
zelnen Nährzellen  zu  isolieren. 

Auf  die  Wachstumszone  der  Eiröhre  folgt  nunmehr  ein  dritter 
Abschnitt;  es  ist  der  ausführende  Kanal  der  eigentlichen  Eiröhre,  der 
sogenannte  Eiröhrenstiel  (Fig.  1  est).  Man  erkennt  schon  bei  Lupen- 
vergrößerung  unter  dem  letzten  Ei  eine  kurze,  sphincterartige  Ein- 
schnürung und  darunter  eine  becherartige  Anschwellung,  in  welcher 
sich  eine  stark  gelb  oder  braun  gefärbte  Substanz  befindet,  das  Corpus 
luteum.  Der  daran  ansetzende  Teil,  der  Eiröhrenstiel,  ist  ein  gleich- 
mäßiger, zarthäutiger  Schlauch  von  21/2  bis  höchstens  3  mm  Länge. 
Bei  jungen  Käfern  erreicht  er  also  die  Länge  der  eigentlichen  Eiröhren, 
während  er  noch  nicht  halb  so  lang  ist  als  die  Eiröhren  eines  alten 
Käfers.  Die  Eiröhrenstiele  eines  Ovariums,  besonders  die  central 
gelegenen,  sind  stark  gefaltet,  da  sie  wegen  des  beschränkten  Raumes 
zusammengedrückt  werden. 

In  der  Literatur  finden  sich  über  die  Eiröhrenstiele  wenig  Angaben. 
Stein  und  Brandt  beschreiben  unter  dem  letzten  Ei  einen  Sphincter 
oder  eine  Klappe,  welche  den  Abschluß  der  Eiröhre  gegen  den  Eier- 
kelch bilden  soll,  von  dem  Eiröhrenstiele  selbst  sagen  sie  nichts.  Kor- 
schelt  gibt  in  seiner  Arbeit  »Über  einige  interessante  Vorgänge  bei 
der  Bildung  der  Insekteneier«  eine  kurze  Beschreibung  der  Eiröhren- 
stiele verschiedener  Insektenordnungen  und  erwähnt  besonders  für 
Pyrrhocoris  apterus,  daß  der  Eiröhrenstiel  bei  jungen  Individuen  lang 
ist  und  sich  nachträglich  verkürzt.  Bei  Dytiscus  ist  dies  kaum  der 
Fall.  Zwar  erscheinen  die  Eiröhrenstiele  der  jungen  Käfer  bedeutend 
länger,  doch  ist  das  darauf  zurückzuführen,  daß  die  Eiröhre  selbst 
noch  von  unbedeutender  Länge  ist.  Bei  alten  Käfern  tritt  •  dagegen 
der  Eiröhrenstiel  der  Eiröhre  gegenüber  sehr  zurück. 

Die  Eiröhren  sitzen  mit  ihren  Stielen  dem  dritten  Abschnitte  des 
Ovariums,  dem  Eierkelche,  auf  (Fig.  1  ek).  Die  kuppeiförmige  Abrun- 
dung  des  Eierkelches  nach  den  Eiröhren  hin  bedingt,  daß  die  peripher 


178  Carl  Demandt, 

gelagerten  Röhren  tiefer  sitzen  und  infolgedessen  mit  ihren  End- 
kammern  nicht  soweit  nach  vorn  reichen  wie  die  centralen.  Der  Eier- 
kelch ist,  wie  schon  der  Name  andeutet,  ein  weites,  kelckf  örmiges  Organ. 
Seine  Wand  ist  in  der  Ruheperiode  stark  gefaltet,  und  er  besitzt  daher 
nur  geringe  Ausdehnung,  wie  Fig.  1  zeigt.  Zur  Zeit  der  Eiablage  ist 
der  Kelch  oft  von  reifen  Eiern  angefüllt,  so  daß  man  alsdann  von  seinem 
bedeutenden  Umfange  einen  richtigen  Begriff  bekommt. 

2.  Der  Leitungsapparat. 
Während  der  Eierkelch  als   Sammelbehälter  für  die  reifen  Eier 
noch  als  Teil  des  Ovariums  angesehen  werden  kann,  gehören  die  nun 
zu  beschreibenden  Abschnitte  den  Ausführungsorganen  an. 

a.  Der  Eileiter  (Fig.  1  el). 
Der  Eierkelch  geht  ganz  allmählich  in  den  Eileiter  über.  Eine 
feste  Grenze  zwischen  beiden  läßt  sich,  äußerlich  betrachtet,  nicht 
ziehen,  da  der  Übergang  sehr  gleichmäßig  erfolgt,  doch  kann  man  sehr 
wohl  den  hinteren  Teil  als  Eileiter  erkennen,  denn  er  stellt  einen  sehr 
kurzen  Schlauch  dar,  der  sich  bis  zu  der  Vereinigung  mit  dem  Eileiter 
des  andern  Ovariums  allmählich  verjüngt. 

b.  Der  Eiergang  (Fig.  26  eg). 
Die  beiden  Eileiter  bilden  nach  ihrer  Vereinigung  den  Eiergang, 
einen  unpaaren  Schlauch,  der  die  Aufgabe  hat,  die  Geschlechtsprodukte 
beider  Eierstöcke  in  die  Scheide  zu  leiten.    Er  ist  etwas  länger  als  die 
Eileiter  und  mündet  von  unten  her  in  die  Scheide  ein. 

c.  Die  Scheide  (Fig.  1  va). 
An  der  Scheide  oder  Vagina  sind  zwei  Abschnitte  zu  unterscheiden. 
Der  hintere  Teil  ist  eingeschlossen  von  den  beiden  Platten  des  Lege- 
säbels (Fig.  3  1s).  Auf  der  Ventralseite  desselben  liegt,  von  den  beiden 
Styli  (Fig.  3  st)  bedeckt,  die  Geschlechtsöffnung  des  Käfers  (Fig.  3  v). 
Der  vordere  Teil  ist  ein  stark  muskulöses  Rohr,  welches  in  der  Ruhe- 
lage nach  rechts  und  unten  umgebogen  ist. 

3.  Der  Befruchtungsapparat. 
Die  Bezeichnung  »Befruchtungsapparat«  ist  vielleicht  unglück- 
lich gewählt,  da  sie  mit  unserer  heutigen  Auffassung  von  der  Befruch- 
tung =  Kernverschmelzimg  nicht  im  Einklang  steht,  doch  wurde  in 
Ermangelung  eines  andern  Ausdruckes  diese  Bezeichnung  beibehalten. 
Auch  dürfte  aus  der  Disposition  hervorgehen,  daß  es  sich  hier  nur  um 
einen  bestimmten  Abschnitt  des  Geschlechtsapparates  handeln  kann. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  179 

Der  Befruchtungsapparat  wird  gebildet  von  einer  Verlängerung 
der  Scheide  über  die  Einmündung  des  Eierganges  hinaus.  Stein  be- 
zeichnet den  ersten  Teil  derselben,  der  weniger  umfangreich  ist,  als 
»Hals  der  Begattungstasche  «,  während  er  den  darauf  folgenden,  eiförmig 
erweiterten  Abschnitt  als  eigentliche  Begattungstasche  (Bursa  copu- 
latrix)  (Fig.  1  u.  26  bt)  ansieht.  Nach  dieser  Nomenklatur  wären  diese 
Abschnitte  dem  Begattungsapparate  zuzurechnen.  Stein  begründet 
diese  Bezeichnung,  indem  er  sagt:  »Der  Körper  (die  Begattungstasche) 
ist  nach  der  Begattung  mit  dem  gelblich  weißen,  käseartigen  Um- 
hüllungsstoffe angefüllt,  er  muß  daher  als  Begattungstasche  angesehen 
werden.«  Ich  möchte  dem  hinzufügen,  daß  bei  der  Begattung  ein  Ein- 
dringen des  Penis  bis  in  diese  Tasche  nicht  stattfindet.  Der  aus  der 
Anhangsdrüse  des  Männchens  stammende,  käseartige  Stoff,  das  Be- 
gattungszeichen, gelangt  überhaupt  nicht  in  dieselbe  hinein.  Sie  kommt 
also  für  die  Copulation  direkt  garnicht  in  Betracht  und  muß  hingegen 
als  Abschnitt  der  Befruchtungsorgane  angesehen  werden,  zumal  sie, 
wie  später  gezeigt  wird,  in  engem  Zusammenhange  mit  dem  Befruch- 
tungsgange steht. 

a.  Die  Begattungstasche. 
Der  Hals  der  Begattungstasche  und  die  Begattungstasche  selbst 
bilden  zusammen  einen  schwach  gekrümmten,  dorsalwärts  aufsteigen- 
den Schlauch,  auf  dessen  convexer  Seite  ein  Wulst  verläuft,  den  wir 
später  als  das  Drüsenpolster  des  Befruchtungsganges  kennen  lernen 
werden  (Fig.  26  drp). 

b.  Der  Samenbehälter. 
An  die  Begattungstasche  setzt  sich  nunmehr  die  Samentasche 
oder  das  Receptaculum  seminis  an  (Fig.  1  recs).  Es  bildet  eine  haken- 
artig nach  rückwärts  und  unten  gekrümmte  Spitze  und  ist  schlanker 
und  etwas  länger  als  die  Begattungstasche.  Gegen  letztere  ist  das 
Receptaculum  durch  eine  Einschnürung  deutlich  abgegrenzt  (Fig.  26). 

c.  Der  Befruchtungsgang 
stellt  nicht  wie  die  vorigen  ein  isoliertes  Organ  dar.  Er  ist  eng  ver- 
bunden mit  der  Begattungstasche  und  an  Totalpräparaten  in  Glyzerin  als 
schwach  gekrümmter  Bogen,  wie  ihn  Fig.  26  stark  schematisiert  wieder- 
gibt, im  Innern  der  Begattungstasche  und  ihres  Halses  deutlich  zu 
erkennen.  Er  beginnt  am  Receptaculum  und  verläuft  über  die  Be- 
gattungstasche und  ihren  Hals  bis  zur  Mündung  des  Eierganges  in  die 
Scheide. 


180  Carl  Demandt, 

4.  Der  Legeapparat. 

Die  nachfolgende  Beschreibung  des  Legeapparates  und  seiner 
Muskulatur,  sowie  die  an  andrer  Stelle  (Seite  237 ff.)  folgende  Beschrei- 
bung des  männlichen  Copulationsapparates  bilden  die  notwendige  Er- 
gänzung zu  den  bereits  früher  erschienenen  Abhandlungen  von  Euscher 
»Das  Chitinskelet  von  Dytiscus  marginalis«  und  Bauer  »Die  Musku- 
latur von  Dytiscus  marginalis«,  da  in  diesen  Arbeiten  der  Geschlechts- 
apparat keine  Berücksichtigung  gefunden  hatte. 

Die  Angaben,  welche  sich  in  der  Literatur  über  den  Lege-  bzw. 
Copulationsapparat  von  Dytiscus  marginalis  und  verwandte  Formen 
finden,  sind  größtenteils  sehr  wenig  eingehend  und  die  darauf  bezüg- 
lichen Abbildungen  meist  recht  unvollkommen.  Von  den  älteren 
Autoren  ist  zunächst  Burmeister  zu  nennen,  der  auch  einige  Muskeln 
des  Geschlechtsapparates  abbildet.  Spätere  Untersuchungen  wurden 
von  Stein  und  Kolbe  angestellt.  Auch  in  der  neueren  Zeit  haben 
sich  verschiedene  Forscher  mit  Untersuchungen  über  das  Skelet  des 
Apparates  befaßt,  so  z.  B.  Verhoeff,  welcher  die  morphologische 
Bedeutung  der  einzelnen  Teile  zu  klären  sucht.  Recht  gute  Abbildungen 
gibt  Regimbart,  besonders  von  dem  Legeapparat.  Die  umfassende 
Arbeit  von  Peytoureau  «Contribution  ä  Fetude  de  la  Morphologie 
de  l'Armure  genitale  des  Insects»  beschäftigt  sich  ebenfalls  mit  dem 
Chitinskelet  des  männlichen  und  weiblichen  Apparates,  doch  ist  Dy- 
tiscus nur  kurz  behandelt  und  die  Muskulatur  nicht  berücksichtigt. 
Was  die  Beschreibung  der  Chitinteile  betrifft,  so  ist  diese  sehr  wenig 
eingehend,  der  Verlauf  der  dieselben  verbindenden  Membranen  im 
Allgemeinen  richtig  angegeben.  Kleinere  Abweichungen,  welche  sich 
in  der  Beschreibung  finden,  werden  an  passender  Stelle  Berücksichti- 
gung finden.  Die  Darstellung  ist  fast  durchweg  richtig,  doch  infolge 
der  unzureichenden  Abbildungen  nur  bei  genauer  Kenntnis  des  Objektes 
verständlich. 

Bezüglich  der  Nomenklatur  ist  zu  erwähnen,  daß  für  das  Chitin- 
skelet größtenteils  die  Bezeichnungen  älterer  Autoren  (Verhoeff, 
Berlese)  beibehalten  wurden.  Durchweg  neu  ist  dagegen  die  Be- 
nennung der  Muskeln,  da  in  der  Literatur  hierfür  keine  Muster  vorhan- 
den waren.  Ein  Vergleich  mit  Melolontha  auf  Grund  der  Biographie 
von  Strauss-Dürckheim  erschien  wegen  der  großen  Verschiedenheit 
im  Bau  des  Legeapparates  für  die  Nomenklatur  wenig  lohnend.  In 
Anlehnung  an  Kolbe  wurde  der  weibliche  Apparat  als  »Legeapparat« 
dem  »Copulationsapparat«  des  Männchens  gegenübergestellt,  da  ersterer 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


181 


hauptsächlich  für  die  Eiablage  in  Betracht  kommt,  während  letzterer 
speziell  als  Begattungsapparat  zu  dienen  hat. 

a.  Die  Skeletteile  des  Legeapparates. 
Die  den  Legeapparat  aufbauenden  Skeletteile  sind  aufzufassen  als 
modifizierte   Segmente,   die  zwischen  die  letzten  Abdominalsegmente 
eingezogen  sind.     Die  der  Gelenkhaut  der  Körpersegmente  entspre- 
chenden Membranen  sind  aber  oft  sehr  umfangreich,  während  die  Chitin- 


__-c?/7 


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V 

Fig.  2. 

Hinterer  Abschnitt    des  Abdomens  mit  ausgestülptem  Legesäbel  (h),  mit  den  Styli  (st)  und  der 

Vulva  (v);  pl,  Pleurite;  ap,  die  Analplatten;  ssp,  Seitenspangen;  gk,  die  Genitalklappen;  »ij   und 

m3,  Membranen  des  Scheidenrohres.     Weitere  Abkürzungen  siehe  S.  297.     Vergr.  8/1. 


platten  meistens  sehr  stark  reduziert  erscheinen.  Demgemäß  stellt  das 
Chitinskelet  des  Legeapparates  im  ausgestülpten  Zustande,  d.  h.  in  der 
Stellung,  in  welcher  die  Eiablage  erfolgt,  ein  vollkommenes  Rohr  dar, 
welches  mit  seinem  Ende  den  hinteren  Abschluß  des  Abdomens  bildet 
und  allmählich  sich  verjüngend  in  die  Legescheide  ausläuft  (Is,  Fig.  2). 
Das  Bohr  wird  in  seiner  Gesamtheit  von  einer  chitinösen  Membran 
gebildet,  in  welche  verschiedene  Chitinspangen  und  -platten  seitlich 
eingefügt  sind.  Es  soll  in  den  weiteren  Ausführungen  als  Scheiden- 
rohr bezeichnet  werden,  da  es  die  Vagina  einschließt1. 


1  Hinsichtlich  der  Lagebezeichnungen  dorsal,  ventral,  vorn,  hinten  usw. 
ist  zu  bemerken,  daß  stets  die  Lage  des  vorgestreckten  Legeapparates  gemeint 


182  Carl  Demandt, 

Der  hinterste  Abschnitt  des  Scheidenrohres  (Fig.  3)  wird  von  der 
Legescheide  oder  dem  Legesäbel  (Is)  gebildet.  Er  besteht  aus  zwei 
langen,  säbelförmigen,  vollkommen  gleichartigen  Chitinplatten,  die  mit 
ihren  schwach  concaven  Innenseiten  einander  zugewendet  sind.  Am 
Vorderende  sind  sie  ventralwärts  zu  einem  kurzen  Gelenkfortsatz  (gf) 
ausgezogen,  während  ihre  Hinterenden  miteinander  verschmolzen  sind 
und  eine  ziemlich  scharfe  Schneide  bilden.  Sie  ermöglicht  es  dem  Käfer, 
die  Stengel  der  Wasserpflanzen  bei  der  Eiablage  anzuschneiden.  In  ihrem 
vorderen  Teil  ist  die  Legescheide  noch  durch  die  Membran  des  Scheide- 
rohres ausgekleidet  und  auf  diese  Weise  eine  Verbindung  der  beiden 
Platten  hergestellt. 

Auf  der  Ventralseite  des  Legesäbels  liegt  zwischen  den  auseinander- 
stehenden Platten  desselben  ein  paar  Styli  (st),  der  Membran  des 
Scheiderohres  angeheftet.  Sie  sind  ähnlich  den  Legesäbelscheiden 
halbrinnenförmig  gestaltet,  nur  entsprechend  kleiner.  Zwischen  den 
Styli  und  im  Ruhezustände  von  ihnen  bedeckt  liegt  die  Geschlechts- 
öffnung des  Käfers  (Fig.  2  u.  3  v). 

An  dem  Gelenkfortsatze  des  Legesäbels  (Fig.  2  gf)  setzen  sich 
nun  zwei  Chitinspangen  an,  die  als  Seitenspangen  (ssp)  bezeichnet 
werden  sollen.  Diese  Spangen  sind  im  doppelten  Sinne  gekrümmt: 
zunächst  mit  ihrem  Hinterende  zu  dem  Legesäbel  hin  (Fig.  3).  Von 
der  ventralen  Seite  betrachtet  erscheinen  sie  ebenfalls  noch  als  schwach 
gekrümmte  Bogen  (Fig.  4a  ssp),  mit  der  Concavseite  einander  zuge- 
kehrt. Im  Querschnitte  zeigen  sie  Rinnenform  (Fig.  46).  Ihre  dorsale 
Wand  (Ruhelage,  Fig.  5)  ist  nahe  der  Mitte  zu  einem  kleinen  Vorsprung 
(vs)  verbreitert.  Über  die  Außenseite  der  Rinne  verläuft  in  ihrem 
mittleren  Abschnitt  eine  schräge  Längsnaht  (Fig.  3  n),  welche  die 
Zusammensetzung  der  Rinne  aus  zwei,  allerdings  fest  miteinander  ver- 
wachsenen Stücken  andeutet.  An  dem  freien  Ende  sind  die  Seiten- 
spangen zu  je  einer  Platte  ausgezogen,  welche  an  ihren  medianen  Kanten 
in  eine  Spitze  auslaufen  (Fig.  5  ap).  Es  sind  dies  die  Analplatten, 
sie  bedecken  die  Mündung  des  Enddarmes  (Fig.  5  red).  Im  Ruhe- 
zustande ist  der  Legesäbel  zwischen  die  Seitenspangen  eingeschlagen 
und,  von  unten  betrachtet,  einem  geschlossenen  Taschenmesser  ver- 
gleichbar (Fig.  4a). 

Im  Bereiche  der  soeben  beschriebenen  Seitenspangen  wird  das 
Scheidenrohr  durch  die  Membran  vervollständigt,  an  der  man  hier 


ist.  Werden  diese  Bezeichnungen  auf  die  Ruhelage  angewandt,  so  wird  dies  aus- 
drücklich vermerkt  werden,  da  die  Orientierung  in  diesem  Falle  oft  gerade  ent- 
gegengesetzt ist. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  183 

jedoch  einen  dorsalen  und  einen  lateral-ventralen  Abschnitt  unter- 
scheiden kann.  Ersterer  setzt  an  den  beiden  vorderen  Kanten  des 
Legesäbels  an  (Fig.  3  ?%)  und  spannt  sich  aus  zwischen  den  Spangen, 
am  ventralen  Kinnenrande  derselben  (Fig.  4«)  inserierend.  Diese  Mem- 
bran gibt  also  dem  ausgestülpten  Scheidenrohr  den  dorsalen  Abschluß. 
Sie  heftet  sich  auch  an  die  Analplatten  an,  doch  nur  an  ihre  äußeren 
Kanten.  Auf  diese  Weise  bleibt  zwischen  der  Membran  und  den  Platten 
eine  Öffnung,  durch  welche  der  Enddarm  nach  außen  zieht  (Fig.  ia  clo). 


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ssp 

Fig.  3. 
Das  Scheidenrohr  isoliert,  im  ausgezogenen  Zustande:  ap,  ssp,  ls,  st,  v  wie  in  Fig.  2  (vgl.  auch 
Seite  297).    cb,  Chitinbogen;  hv,  und  vv,  hinterer  und  vorderer  Vorsprung  der  Genitalklappen;  n, 
Naht  der  Seitenspange;  gl,  Gelenkfortsatz  des  Legesäbels,  m1  bis  m4,    Membranen  des  Scheiden- 
rohres.    Vergr.  8/1. 

Ventral  und  seitlich  wird  der  Abschluß  des  Scheidenrohres  durch 
den  zweiten  Abschnitt  der  Membran  (Fig.  3  m2)  gebildet.  Sie  beginnt 
an  dem  Gelenkfortsatz  des  Legesäbels,  inseriert  an  den  ventralen  Kanten 
der  Seitenspangen  (ssp)  bis  zur  oben  erwähnten  Längsnaht,  der  sie 
nun  folgt  bis  zum  hinteren  Ende  der  Analplatten  (ap).  Diese  Membran 
besitzt  auf  ihrer  Innenseite  eine  Lage  Drüsenzellen,  wodurch  sie  ein 
dickes,  schwammiges  Aussehen  bekommt. 

Der  vorderste  Teil  des  Scheidenrohres  wird  im  wesentlichen  von 
zwei  ziemlich  großen  Chitinplatten  gebildet,  deren  Form  ohne  weiteres 
erkennen  läßt,  daß  es  sich  um  ein  modifiziertes  Segment  handelt.  Da 
diese  Platten  nun  zu  dem  Genitalapparat  gehören,  so  werde  ich  sie  als 
Genitalklappen  (gJc)  bezeichnen. 


184 


Carl  Demandt, 


Da  bei  vorgestreckter  Legescheide  die  Genitalklappen  eine  schräge, 
fast  dorso-ventrale  Lage  einnehmen,  so  ist  es  für  die  Beschreibung 
zweckmäßig,  die  Bezeichnungen  auf  die  Ruhelage  zu  beziehen. 

Die  Genitalklappen  liegen  symmetrisch  auf  der  Ventralseite  des 
übrigen  Legeapparates  (Fig.  5  glc).  An  jeder  dieser  Klappen  sind  zwei 
Abschnitte  zu  unterscheiden:  ein  breiter  Chitinbogen  und  die  zwischen 
ihm  sich  ausspannende  Membran  (Fig.  3  cb  u.  m3).  Die  beiden  Bogen 
liegen  in  Ruhe  mit  der  Concavseite  einander  zugekehrt  (Fig.  7).     Der 

Chitinbogen  ist  am  Außenrande  zu 
zwei  Vorsprüngen  verbreitert,  einem 
kleinen  vorderen  und  einem  großen 
hinteren  (Fig.  7,  3  und  5  vv  und  hv). 
Der  Hinterrand  des  Bogens  ist  nach 

-  ssp 

der  Dorsalseite   etwas  umgeschlagen 
und    an    seiner    Kante    mit    kurzen 
~/s       Borsten  besetzt  (Fig.  5  u.  6  ur). 

In  das  Scheidenrohr  (Fig.  3)  sind 


5/ 


3^ 


ssp 

Fig.  4. 
a)  Legesäbel  {ls)  mit  den  Seitenspangen  {ssp)  isoliert  von  der  Ventralseite  gesehen;  clo,  Öffnung  der 
Cloake.l  Sonst  wie  Fig.  2.      b)   Querschnitt  durch  den   mittleren  Abschnitt   des   Legesäbels    {ls) 
und  der  Seitenspangen  (ssp).     Vergr.  8/1. 


die  beiden  Genitalklappen  dergestalt  eingefügt,  daß  an  ihren  medianen 
Kanten  die  Membran  (m2)  inseriert,  welche  anderseits  an  der  Naht 
der  Seitenspangen  ansetzt.  Beim  Ausstülpen  des  Legesäbels  werden 
die  Genitalklappen  gespreizt,  und  zwischen  ihnen  der  Legesäbel  mit 
den  Seitenspangen  vorgeschoben.  So  kommen  die  Klappen  in  dieselbe 
seitliche  Lage,  die  auch  die  übrigen  Skeletteile  des  Scheidenrohres  ein- 
nehmen (Fig.  3). 

Die  bisher  beschriebenen  Abschnitte:  Legesäbel,  Seitenspangen 
und  Genitalklappen,  verbunden  durch  die  gemeinsame  Membran,  bilden 
das  eigentliche  Scheidenrohr.    Es  ist  nun  noch  ihre  Verbindung  mit  dem 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  185 

Körper  des  Käfers  zu  erläutern.  Diese  Verbindung  wird  hergestellt 
durch  zwei  besondere  Membranen.  Auf  der  Ventralseite  setzt  an  den 
Genitalklappen  eine  Membran  an,  welche  an  der  Vorderkante  der 
Klappen  von  der  einen  zur  andern  überspringt  (Fig.  3  u.  7  m4)  und 
dieselben  auf  diese  Weise  miteinander  verbindet.  Ihre  Insertionslinie 
verläuft  von  dort  nach  dem  hinteren  Vorsprung  (hv),  so  daß  der  vordere 
Vorsprang  (vv)  isoliert  erscheint  (Fig.  7).  Sie  zieht  zum  umgeschlagenen 
Hinterrande  des  letzten  äußerlich  sichtbaren  Sternites  und  bildet  als 
einheitliche  Membran  den  Abschluß  des  Abdomens  auf  der  Ventral- 
seite des  Legeapparates. 

Auf  der  dorsalen  Seite  wird  der  Abschluß  erzielt  durch  eine  Mem- 
bran, die  an  dem  umgeschlagenen  Hinterrande  der  Genitalklappen  (ur) 
inseriert  (Fig.  5  m5a),  nach  vorn  und  oben  zu  den  Analplatten  (ap) 
zieht  und  dorsal  an  ihrem  Vorderrande  sich  anheftet.  Dann  schlägt 
sich  die  Membran  wieder  nach  hinten  um  (m56)  und  inseriert  am  Hinter- 
rande des  letzten  äußerlich  sichtbaren  Tergits.  Da  die  Genitalklappen 
zwei  getrennte  Platten  darstellen,  so  bleibt  eine  spaltförmige  Öffnung 
für  das  Vorstrecken  des  Legesäbels  frei   (Fig.  7  sp). 

Was  nun  die  morphologische  Deutung  der  Chitinteile  des  Lege- 
apparates betrifft,  so  konnte  diese  Frage  hier  nicht  klargestellt  werden, 
da  dies  nur  auf  Grund  entwicklungsgeschichtlicher  und  vergleichend- 
anatomischer  Studien  möglich  ist.  Aus  diesem  Grunde  erübrigt  es 
sich  auch,  hier  auf  die  vergleichend-morphologischen  Arbeiten  über  das 
Abdomen  der  Insekten  (z.  B.  Heymons  1905,  Wandolleck  1905  usw.) 
einzugehen.  Nach  Berlese,  dessen  Deutung  ich  für  die  wahrschein- 
lichste halte,  ist  die  letzte  äußerlich  sichtbare  Rückenplatte  das  neunte 
Tergit,  die  letzte  Ventralplatte  das  achte  Sternit.  Die  Genitalklappen 
bilden  das  neunte  Sternit.  Die  Seitenspangen  stellen  das  stark  modi- 
fizierte zehnte  Tergit  dar  und  der  Legesäbel  mit  den  beiden  Styli  das 
zehnte  Sternit. 

Bevor  ich  nun  mit  der  Beschreibung  der  Muskulatur  des  Lege- 
apparates beginne,  soll  noch  kurz  an  der  Hand  zweier  Schemata, 
Fig.  10a  u.  b  (siehe  Seite  193),  die  Lage  der  Chitinteile  und  Mem- 
branen im  eingezogenen  Zustande  erläutert  werden.  Die  Fig.  10« 
stellt  einen  schematischen  Medianschnitt  durch  den  hinteren  Ab- 
schnitt des  Abdomens  dar.  Die  letzte  äußerlich  sichtbare  Rücken- 
platte ist  das  neunte  Tergit  (9t).  Von  seinem  Hinterrande  zieht  die 
Membran  m5&  zu  den  Analplatten  ap,  an  welche  sich  nach  vorn  die 
Seitenspangen  ss])  ansetzen.  Die  Vorderenden  der  letzteren  bilden 
das  Gelenk,  durch  welches   die  Seitenspangen   mit  dem  Legesäbel  Is 


186  Carl  Demandt, 

verbunden  sind.  Der  Legesäbel  liegt  also  im  Centrum  des  hinteren 
Abdomens  und  auf  der  Ventralseite  treten  aus  ihm  die  Styli  hervor 
(st,  vgl.  auch  Fig.  105,  welche  einen  Querschnitt  durch  den  Lege- 
apparat darstellt).  Weiter  ventralwärts  liegen  nun  die  Genitalklappen 
(gk).  Sie  sind  mit  den  Analplatten  durch  den  zweiten  Abschnitt  der 
Membran  m5,  nämlich  m5a,  verbunden,  und  ebenso  zieht  vom  Vorder- 
ende der  Seitenspangen  die  Membran  m2  zum  Hinterrande  der  Genital- 
ldappen;  ihr  Verlauf  ist  aber  besser  in  Fig.  10&  zu  erkennen.  Ebenso 
zeigt  letztere  Figur  auch  die  zwischen  den  Seitenspangen  sich  aus- 
spannende Membran  ?%.  Mit  dem  umgeschlagenen  Hinterrande  des 
letzten  Sternites  (8s)  sind  endlich  die  Genitalklappen  durch  die  Membran 
m4  (Fig.  10«)  verbunden. 

Der  Raum,  in  welchem  der  Legesäbel  in  der  Ruhelage  liegt, 
und  welcher  seitlich  und  vorn  von  der  Membran  m2  (Fig.  10«  u.  b)  und 
dorsal  von  der  Membran  m1  (Fig.  10&)  begrenzt  wird,  ist  nach  den 
Untersuchungen  von  Blunck  für  die  Copulation  von  großer  Bedeutung 
und  von  demselben  als  Spermatophorentasche  bezeichnet  worden 
(Fig.  106  spt). 

b.  Die  Muskulatur. 
Die  Zahl  der  den  Legeapparat  betätigenden  Muskeln  ist  ziemlich 
bedeutend.     Hinsichtlich   ihres   Ursprunges   und  ihrer  Insertion  zer- 
fallen sie  in  drei  Gruppen. 

1.  Gruppe:  Die  hierher  gehörigen  Muskeln  entspringen  und  inse- 
rieren an  den  Skeletteilen  des  Scheidenrohres.  Bei  ihrer  Beschreibung 
wird  am  besten  von  dem  letzten  Abschnitte  des  Scheidenrohres  aus- 
gegangen. Es  sind  hier  zuerst  die  beiden  Muskelpaare  zu  erwähnen, 
die  durch  ihre  Betätigung  die  Bewegungen  des  Legesäbels  bedingen, 
nämlich  der  Strecker  und  der  Beuger  des  Legesäbels. 

Der  Strecker  des  Legesäbels  (M.  extensor  ovipositoris, 
eo,  Fig.  5,  6  u.  9)  entspringt  in  der  Rinne  der  Seitenspange.  Seine  Fasern 
setzen  sich  auf  der  ganzen  Strecke  des  mittleren  Drittels  der  Spange 
an  (Fig.  9),  wodurch  der  Muskel  einen  sehr  breiten  UJrsprung  gewinnt. 
Sich  stark  verjüngend  zieht  der  Strecker  zum  Gelenkfortsatze  des 
Legesäbels    (Fig.  9  gj). 

Der  Beuger  des  Legesäbels  (M.  flexor  ovipositoris,  Fig.  5, 
G  u.  9  fo)  entspringt  auf  der  Innenseite  des  Vorsprunges  der  Seiten- 
spangen (Fig.  5  vs).  Seine  konvergierenden  Fasern  gehen  allmählich 
in  die  Membran  über,  die  zwischen  Seitenspangen  und  Legesäbel  den 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


187 


dorsalen  Abschluß  des  Scheidenrohres  bildet  (»%)  und  inserieren  an 
der  vorderen  dorsalen  Ecke   (Fig.  9  ve)   des   Legesäbels. 

Die  Bewegungen  der  Seiten  spat  igen  und  Genitalklappen  zuein- 
ander werden  hervorgerufen  durch  drei  weitere  Muskelpaare.  Es 
sind  die  Protractoren  und  die  langen  und  kurzen  Retractoren  des 
Scheidenrohres. 

Der  Protractor  des  Scheidenrohres  (M.  protractor  tubi 
vaginalis,  Fig.  5,  6,  9  u.  10a  ptv)  entspringt  auf  der  Dorsalseite  des 


Fig.  5. 

Der  Legeapparat  mit  seiner  Muskulatur,  Ruhelage  von  der  Dorsalseite  gesehen.     Links  Muske! 

ptv  teilweise  wegpräpariert;  ur,  umgeschlagener  Rand  der  Genitalklappen  {gk),  ap,  Analplatten; 

ssp,  Seitenspangen;  vs,  deren  Vorsprung;  rect,  Rectum;  va,  Vagina;  rvb,  kurzer  Scheidenretractor. 

Erklärung  der  Muskelabkürzungen  siehe  s.  298.     Vergr.  8/1. 


vorderen  Vorsprunges  der  Genitalklappen  (Fig.  5),  und  seine  schwach 
konvergierenden  Fasern  ziehen  zu  der  Gelenkverbindung  von  Lege- 
säbel und  Seitenspangen.  Kurz  vor  dem  Gelenke  zieht  er  über  die 
Spange  hinweg  (Fig.  5),  wo  er  dicht  neben  dem  Insertionspunkt  des 
Streckers  des  Legesäbels  sich  anheftet  (Fig.  9).  Als  charakteristisch 
für  den  Protractor  ist  zu  erwähnen,  daß  er  der  Länge  nach  zusammen 
gefaltet  ist.  Da  sich  infolgedessen  die  Fasern  des  Muskels  unter  einem 
allerdings  sehr  spitzen  Winkel  kreuzen,  so  ist  man  leicht  geneigt,  den- 
selben für  zwei  getrennte  Muskeln  anzusehen.    Faltet  man  ihn  jedoch 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  13 


188 


Carl  Demandt, 


auseinander,  so  wird  man  sich  leicht  von  seiner  Einheitlichkeit  über- 
zeugen können. 

Der  lange  Retractor  des  Scheidenrohres  (M.  retractor 
longus  tubi  vaginalis,  Fig.  5,  6,  9  u.  10a  rlt)  entspringt  auf  der 
Dorsalseite  der  Genitalklappen,  nahe  ihrem  Vorderrande  (Fig.  5).  Seine 
divergierenden  Fasern  ziehen  nach  hinten  und  inserieren  auf  der  ganzen 
Außenfläche  des  Vorsprunges  der  Seitenspangen  (Fig.  5). 

Der  kurze  Retractor  des  Scheidenrohres  (M.  retractor 
brevis    tubi    vaginalis,    Fig.  5,  9  u.  106 rbt)    entspringt    beiderseits 


Fig.  6. 

Hinterer  Abschnitt  des  Legeapparates  mit  den  am  nennten  Tergit  ansetzenden  Muskeln.    Ruhelage, 
von  der  dorsalen  Seite,  9t,  neuntes  Tergit.     Muskelabkürzungen  siehe  S.  298.  Vergr.  10/1. 


auf  der  Dorsalseite  des  vorderen  Vorsprunges  der  Genitalklappen 
(Fig.  5  u.  9  vv).  Seine  Fasern  laufen  ziemlich  parallel  und  breiten  sich 
aus  auf  der  Membran  {m2),  die  von  den  Seitenspangen  zu  den  Genital- 
klappen zieht  (Fig.  9  u.  106). 

Das  letzte  Muskelpaar,  welches  zu  der  ersten  Gruppe  gehört,  ist 
der  Suspensor  der  Membran  des  Scheidenrohres,  die  sich  zwischen  den 
Seitenspangen  ausspannt  (Fig.  5  •/%).  Dieser  M.  suspensor  mem- 
branae  tubi  vaginalis,  (Fig.  5  u.  9  smv)  ist  ein  kurzer,  unschein- 
barer Muskel,  der  von  der  Kante  des  Vorsprunges  der  Seitenspangen 
(Fig.  5  vs)  zu  dieser  Membran  zieht. 

2.  Gruppe:  Die  Muskeln,  welche  die  Verbindung  der  Skelet- 
stücke  des  Scheidenrohres  mit  dem  achten  Sternit  herstellen. 

Die  verschiedenen  Stellungen,  die  die  Genitalklappen  in  Ruhe  und 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


189 


bei  vorgestreckter  Legescheide  dem  achten  Sternit  gegenüber  ein- 
nehmen, werden  in  der  Hauptsache  durch  die  Funktion  zweier  Muskel- 
paare bewirkt;  es  sind  die  Protractoren  und  die  Retractoren  der 
Geni  talklappen. 

Der  Protractor  der  Genitalklappen  (M.  protractor  lami- 
narum  genitalium,  Fig.  7,  8  u.  10a  pl)  entspringt  auf  der  Innen- 
fläche des  achten  Sternits,  nahe  am  Hinterrande  desselben  (Fig.  8), 
zieht  schräg  nach  außen  und  vorn  und  inseriert  an  der  äußersten  Ecke 


Fig.  7. 

Legeapparat  in  der  Ruhelage  von  der  Ventralseite  gesehen,  links  die  Genitalklappe  freigelegt 
(gk).  hv,  hinterer  Vorsprung  der  Genitalklappe ;  iplu.irl,  Insertion  der  Muskeln  plxx.rl;  rvl,  langer 
Scheidenretractor.     Sonstige  Abkürzungen  siehe  S.  297.     Muskelabkürzungen  S.  298.     Vergr.  8/1. 

des  vorderen  Vorsprunges  der  Genitalklappen  (Fig.  7  vpl).  Seine 
Fasern  verlaufen  schwach  konvergent. 

Der  Retractor  der  Genitalklappen  (M.  retractor  lami- 
narum  genitalium,  Fig.  7,  8  u.  10a  rl)  nimmt  seinen  sehr  ausge- 
dehnten Ursprung  an  der  Gelenkfalte  zwischen  dem  siebenten  und 
achten  Sternite.  In  Ruhe  ist  der  Muskel  stark  gekrümmt  (Fig.  7), 
da  seine  Fasern  sich  sofort  nach  außen  wenden.  Er  inseriert  an  der 
Konturlinie,  welche  gegeben  ist  durch  die  Anheftimg  der  Verbindungs- 
haut (m4)  der  Genitalklappen  mit  dem  achten  Sternite  (Fig.  7  irl). 
Es  ist  ein  kurzer,  kräftig  entwickelter  Muskel. 

Als    Suspensoren    der    Genitalklappen    kommt   hauptsächlich    ein 

13* 


190 


Carl  Demandt. 


Paar  kräftiger  Muskeln  in  Betracht  (M.  suspensor  magnus  lami- 
narum  genitalium,  Fig.  5,  7  u.  9  sm).  Dieser  große  Suspensor  ent- 
springt an  den  äußeren  Ecken  der  Gelenkfalte  des  achten  Sternites  mit 
dem  siebenten  und  zieht,  in  der  Ruhelage  senkrecht  zur  Längsachse 
des  Körpers,  zu  den  Genitalklappen  (Fig.  5  u.  7).  Er  inseriert  an  dem 
Vorderrande  derselben,  besonders  aber  an  ihren  inneren  Ecken  (Fig.  7). 
3.  Gruppe:  Die  Muskeln,  welche  die  Skeletteile  des  Scheiden- 
rohres mit  dem  achten  und  neunten  Tergit  verbinden. 


ssp 


Fig.  8. 


Abdomen  auf  der  linken  Seite  geöffnet,  Legesäbel  vorgestreckt.    Obere  Lage  der  Muskulatur.    Ein 
Teil  der  Genitalklappe  (gl:)  entfernt.     Bezeichnungen  wie  vorher.     Vergr.  8  1 . 


Als  Suspensoren  der  Genitalklappen  dienen  zwei  Paar  sehr  schwa- 
cher Muskeln.  Der  vordere  Suspensor  (M.  suspensor  anterior 
laminarum  genitalium,  Fig.  5 — 7  sä)  entspringt  am  Stigma  des 
achten  Tergits  und  der  hintere  Suspensor  (M.  suspensor  posterior 
laminarum  genitalium,  Fig.  5 — 7  sp)  an  dem  Stigma  des  neunten 
Tergits.  Beide  ziehen  zum  hinteren  Vorsprung  der  Genitalklappen. 
Diese  beiden  Muskelpaare  sind  anzusehen  als  die  Transversalmuskeln 
des  neunten  Abdominalsegments,  also  den  »musculi  transversales 
abdominis«  (Bauer)  zuzurechnen.  Daß  dieselben  in  diesem  Segmente 
im  Gegensatz  zu  dem  vorhergehenden  wieder  paarig  auftreten,  hängt 
wohl  mit  der  starken  Umbildung  des  neunten  Sternits  zusammen. 

Es  ist  nun  noch  eine  größere  Anzahl  von  Muskeln  zu  erwähnen. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


191 


die  sämtlich  am  neunten  Tergite  ihren  Ursprung  haben.  Zu  nennen 
sind  hier  zunächst  zwei  Paar  Heber  der  Genitalklappen. 

Der  lange  Heber  der  Genitalklappen  (M.  levator  longus 
laminarum  genitalium,  Fig.  6,  8  u.  10a  11)  entspringt  seitlich  vom 
Stigma  des  neunten  Tergits  (Fig.  6)  und  zieht  schräg  nach  hinten  und 
unten,  um  an  den  Genitalklappen,  nahe  ihrem  Hinterrande,  zu  inserieren 
(Fig.  6).  Er  ist  ein  langer  schmaler  Muskel  mit  parallel  verlaufenden 
Fasern. 

Bedeutend  kürzer  und  kräftiger  ist  der  kurze  Heber  der  Ge- 
nitalklappen (M.  levator  brevis  laminarum  genitalium, 
Fig.  5,  6,  8  u.  10  Ib).  Er  entspringt  kurz  vor  dem  Hinterrande  des 
neunten  Tergits  (Fig.  6),  nahe  der  Mittellinie  desselben,  und  zieht  etwas 
schräg  nach  außen  und  vorn  zu  den  Genitalklappen. 


7. 3k 


Fig.  9. 
Wie  Fig.  8,  jedoch  tiefere  Lage  der  Muskulatur,  besonders  die  Muskeln  der  Genitalklappen  in  ihrer 
Funktion  erläuternd.    Muskel  ptv  in  der  Mitte  abgeschnitten  dargestellt.     Erklärung  der  Bezeich- 
nungen siehe  hinten.     Vergr.  8/1. 

Dicht  neben  der  Ursprungsstelle  des  langen  Hebers  der  Genital- 
klappen entspringt  der  Retractor  der  Seitenspangen  (M.  retrac- 
tor  fibularum  lateralium,  Fig.  6  u.  9  rfl),  ein  schwacher,  flacher 
Muskel,  der  nach  vorn  zieht  und  dorsal  an  der  Kante  des  Vorsprunges 
der  Seitenspangen  inseriert. 

Die  Retractoren  der  Analplatten  (M.  retractores  lami- 
narum analium,  Fig.  6  u.  9  rla)  stellen  drei  Paare  kurzer,  aber  kräf- 


192  Carl  Demandt, 

tiger  Muskel  dar.  Sie  entspringen  nahe  der  Mitte  des  Vorderrandes  des 
neunten  Tergits  (Fig.  6)  und  inserieren  an  der  Vorderkante  der  Anal- 
platten. 

Eben  dort  entspringt  ein  sehr  flacher  Muskel,  der  nach  hinten 
zieht  und  an  der  eingeschlagenen  Verbindungshaut  (Fig.  6  m5J  zwischen 
dem  neunten  Tergit  und  den  Analplatten  inseriert.  Er  ist  als  Spanner 
der  Cloakenhaut  (M.  tensor  membranae  cloacae,  Fig.  6  tm)  zu 
bezeichnen. 

Die  vorbeschriebenen  sechs  Muskelpaare  sind  mit  Ausnahme  des 
Retractors  der  Seitenspangen  einander  sehr  ähnlich,  da  sie  alle  am 
neunten  Tergit  entspringen  und  fast  parallel  verlaufen. 

Zum  Schlüsse  ist  noch  ein  schmaler,  langer  Muskel  zu  erwähnen, 
der  seitlich  vom  Ursprung  des  Protractors  der  Genitalklappen  (Fig.  7) 
entspringt  und  schräg  nach  vorn  zum  achten  Tergit  zieht,  hier  am 
Stigma  inserierend.  Er  ist  ein  Transversalmuskel  des  achten  Abdominal- 
segments (M.  transversalis  abdominis,  Fig.  5 — 7  ta),  wie  sie  von 
Bauer  für  die  übrigen  Segmente  beschrieben  werden. 

Um  die  Bedeutung  der  einzelnen  Muskeln  zu  verstehen,  ver- 
gegenwärtige man  sich,  wie  das  Vorstrecken  und  Einziehen  des  Lege- 
säbels vor  sich  geht.  (Man  beachte  bei  der  folgenden  Darstellung 
auch  besonders  die  beiden  Schemata  Fig.  10a  u.  b.)  Das  Vorstülpen 
des  Legesäbels  kommt  folgendermaßen  zustande:  Infolge  einer  Kon- 
traktion des  Protractors  des  Scheidenrohres  (Fig.  5  ptv)  werden  die 
beiden  Genitalklappen  gespreizt,  und  durch  den  so  geschaffenen 
Spalt  wird  der  Legesäbel  vorgeschoben.  Die  großen  Suspensoren 
der  Genitalklappen  (sm)  und  die  Membran,  welche  die  Klappen  an 
ihrem  Vorderrande  verbindet  (Fig.  7  m4),  schaffen  nämlich  an  der 
Insertion  der  vorgenannten  Muskeln  einen  Drehpunkt,  so  daß  beim 
Anziehen  der  Protractoren  des  Scheidenrohres  die  Klappen  um  diesen 
Punkt  gedreht  und  an  ihrem  Hinterende  auseinander  gezogen  oder 
gespreizt  werden.  Durch  eine  gleichzeitige  Kontraktion  der  Pro- 
tractoren der  Genitalklappen  (pl)  werden  die  Klappen  in  die  schräge 
Stellung  gebracht,  die  sie  bei  vorgestreckter  Legescheide  einnehmen 
(Fig.  8  u.  9).  Durch  die  Muskeln  11,  Tb,  sm,  rl  u.  pl  (Fig.  8)  können  sie 
in  dieser  Lage  vollkommen  stabil  erhalten  werden,  was  für  die  weitere 
Wirkung  der  andern  Muskeln  von  Bedeutung  ist.  Durch  die  Schräg- 
stellung der  Genitalklappen  wird  der  Hinterleib  des  Käfers  zum  Klaffen 
gebracht  (Fig.  2).  Durch  die  Kontraktion  der  Muskeln  rla  und  rlt 
(Fig.  9)  wird  nun  die  Ausstülpung  des  Legesäbels  soweit  vervollständigt, 
daß  auch  die  Seitenspangen  ventral  aus  dem  Abdomen  hervortreten. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


193 


Schließlich  kontrahiert  sich  der  Strecker  eo  (Fig.  9)  und  gibt  dem  Lege- 
säbel die  richtige  Stellung  zur  Eiablage. 


Fig.  10. 

a)  Schema:  Sagittal  schnitt  durch  den  Legeapparat,  Chitinteile  durch  gerade   Linien,    Membranen 

durch   Wellenlinien   angegeben.      Bezeichnungen  wie  vorher. 

b)  Schema:  Querschnitt  durch  den  Legeapparat,  sonst  wie  Fig.  10«. 

Die  sägende  Bewegung  zwecks  Anschneiden  der  Pflanzenstengel 
kommt  folgendermaßen  zustande:   Durch  die  Schrägstellung  und  die 


194  Carl  Demandt, 

Stabilisierung  der  Genitalklappen  ist  für  den  Protractor  des  Scheiden- 
rohres eine  ganz  neue  Lage  geschaffen  worden,  so  daß  er  bei  Kontrak- 
tion die  Legescheide  zurückziehen  wird  (Fig.  9).  Anderseits  wird 
infolge  Kontraktion  von  Muskel  rla  und  rlt  (Fig.  9)  durch  Übertragung 
von  den  Seitenspangen  auf  den  Legesäbel  eine  entgegengesetzte  Be- 
wegung erzielt.  Bei  abwechselndem  Kontrahieren  des  Protractors  ptv 
einerseits  und  der  Retractoren  rla  und  rlt  andrerseits  wird  so  die 
schneidende  Bewegung  der  Säbelschneide  bewirkt. 

Eingezogen  wird  der  Legesäbel  folgendermaßen:  Der  Beuger  fo 
klappt  den  Säbel  zwischen  die  Seitenspangen  (Fig.  9).  Der  Protrac- 
tor ptv,  der  jetzt  wegen  seiner  Verlagerung  als  Retractor  funktionieren 
kann,  zieht  die  Spangen  und  die  Legescheide  in  das  Abdomen  zurück. 
Die  Muskeln  rl  und  sa,  im  geringen  Maße  auch  sm  und  sp,  kontrahieren 
sich  nun  und  bringen  die  Genitalklappen  in  die  Ruhelage,  worauf  die 
Retractoren  rlt  und  rbt  das  Scheidenrohr  vollends  zurückziehen.  Durch 
die  Kontraktion  der  Suspensoren  11  und  Ib,  welche  die  Genitalklappen 
gegen  das  neunte  Tergit  anziehen,  kann  schließlich  auch  noch  die  Sper- 
ma tophorentasche  geschlossen  werden. 

III.  Struktur  des  weiblichen  Geschlechtsapparates. 
1.  Das  Ovarium. 

Die  Peritonealhülle.  In  der  Literatur  finden  sich  über  die 
Peritonealhülle  verschiedene  Angaben.  Im  allgemeinen  stimmen  je- 
doch die  älteren  Autoren  (Leydig  und  Brandt)  darin  überein,  daß 
sie  die  Peritonealhülle  als  accessorisches  Gebilde  ansprechen,  welches 
mit  dem  Geschlechtsapparat  direkt  nicht  im  Zusammenhang  steht. 
Während  Stein  in  seiner  Monographie  diese  Hülle  als  ein  Geflecht 
von  Muskelfasern  ansieht,  weist  Leydig  nach,  daß  dieselbe  lediglich 
als  ein  Teil  des  Fettkörpers  anzusprechen  ist,  und  daß  die  Muskelfasern, 
in  welchen  Stein  das  Wesentliche  der  Peritonealhülle  sieht,  mit  derselben 
direkt  nichts  zu  tun  haben.  Ferner  haben  die  entwicklungsgeschicht- 
lichen Untersuchungen  von  Heymons  an  Phyllodromia  klar  ergeben, 
daß  hier  die  Peritonealhülle  durch  Anlagerung  von  Bindegewebszellen 
an  die  Genitalanlage  entsteht.  »Indem  alle  diese  Zellen  zu  einer  zu- 
sammenhängenden Haut  verschmelzen,  bilden  sie  die  Peritonealhülle, 
die  zeitlebens  mit  dem  Fettkörper  in  innigem  Zusammenhang  bleibt.« 
Meine  Untersuchungen  an  Dytiscus  marginalis  ergaben  folgende  Re- 
sultate : 

Die  eigentliche  Peritonealhülle,  der  die  Geschlechtsorgane  um- 
hüllende Mantel,  besteht  aus  modifiziertem  Fettgewebe  und  zeigt  auf 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  rnarginalis. 


195 


FKC 


v. bz 


-bz 


Schnitten  folgendes  Bild:  Zwischen  zwei  feinen,  strukturlosen  Lamellen 

(Fig.  11  /)  sind  große,  unregelmäßig  geformte  Zellen  eingelagert.    Die 

Zellgrenzen  sind  meist  deutlich  zu  erkennen, 

wir   haben   es   also   nicht   mit   einem   Syncy-  \»  / 

tium  zu  tun,  wie  Günthert  angibt.    Der  Zell-  y 

inhalt  weist  eine  grobmaschige  Plasmastruktur  /r 

auf.  Bei  Käfern,  welche  mit  reichlicher  Nah- 
rung versorgt  waren,  sind  die  Maschen  an- 
gefüllt mit  Fetttröpfchen  (Fig.  11  ft),  die  mit 
Hämatoxylin  nach  Heidenhain  sich  tief 
schwarz  färben.  Bei  schlecht  ernährten 
Exemplaren  fehlen  diese  Fetteinlagerungen 
vollständig.  Meist  im  Centrum  der  Zelle  liegt 
der  große,  an  granuliertem  Chromatin  reiche 
Kern  (zk).  Er  weist  gewöhnlich  ein  bis  drei 
Kernkörperchen  auf.  Der  inneren  Lamelle 
ansitzend  findet  man  sehr  oft  kleine,  un-  zk — 
regelmäßig  geformte  Zellen  (Fig.  11  bz)  mit 
kleinen,  meist  chromatinarmen  Keinen,  die 
jedenfalls  als  Blutzellen  anzusprechen  sind. 

Stellenweise  ist  das  peritoneale  Gewebe 
stark  reduziert,  und  hier  ist  das  Verhalten 
der  beiden  begrenzenden  Lamellen  interessant. 
Dieselben  treten  näher  zusammen  und  können 
sich  zu  einem  einzigen  Strange  vereinigen, 
während  sie  sich  nach  kurzem  Verlaufe  wie- 
der trennen.  An  solchen  Stellen  treten  zwi- 
schen den  Lamellen  knotenartige  Verdickungen 
auf  (Fig.  11  k),  die  wohl  als  Kerne  anzusprechen 
sind  und  den  geschwundenen  Matrixzellen 
dieser  Lamellen  angehören.  Die  Vereinigung 
beider  Lamellen  ist  von  besonderer  Bedeutung 
an  den  vorderen  Enden  der  Verbindungs- 
stränge. Hier  legen  sich  dieselben  dem  Ver- 
bindungsstrange so  dicht  auf,  so  daß  sie 
kaum  noch  von  der  Tunica  desselben  unter- 
schieden werden  können  (Fig.  12  p/t). 

Von  den  Autoren,  die  Untersuchungen 
über  die  Peritonealhülle  angestellt  haben, 
wird   auch  eine   »Muskulatur   der  Peritonealhülle«  beschrieben.     Wie 


m~i* 


mm 


Fig.  11. 

Schnitt    durch    die     Peritoneal- 
hülle:   l,  Lamelle;    zk,  Zellkern; 
ft,  Fetttröpfchen;    k,  Kern;    bz, 
Blutzellen.     Vergr.  492/1. 


196  Carl  Demandt, 

sich  aus  der  Literatur  ergibt,  handelt  es  sich  um  glatte  oder  unvoll- 
kommen quergestreifte  Muskelfasern.  Sie  wurden  besonders  von 
Gross  für  eine  größere  Anzahl  Insekten  beschrieben  und  abgebildet. 

Auf  Querschnitten  durch  ganze  Ovarien  oder  ihre  Verbindungs- 
stränge finden  sich  bei  Dytiscus  überall  zwischen  den  Endfäden  und 
Eiröhren  feinste  Muskelfasern  (Fig.  13).  Sie  sind  den  Muskelfasern, 
welche  Gross  für  Coccinella  scptempunctata  und  Coccinella  ocellata 
abbildet,  sehr  ähnlich.  Es  handelt  sich  also  um  anastomosierende 
Fasern,  die  an  ihren  Knotenpunkten  zellartige  Erweiterungen  (Fig.  13  z) 
(Interstitialzellen  nach  Berlese)  aufweisen,  in  welche  ziemlich  große 
Kerne  mit  granuliertem  Chromatin  und  oft  deutlichem  Nucleolus 
eingelagert  sind.  Die  Fasern  weisen  einige  wenige  Längsfibrillen  auf. 
Die  mitunter  auftretende  Querstreifung  glaube  ich  mit  Gross  als 
Schrumpfung  infolge  Kontraktion  der  Faser  ansprechen  zu  müssen, 
da  in  diesen  Fällen  die  Begrenzungslinien  der  Fasern  gekerbt  erscheinen 
(Fig.  13  gfa). 

Wie  verhält  sich  nun  diese  Muskulatur  zu  der  Peritonealhülle? 
Während  die  neueren  Autoren  den  Begriff  »Muskulatur  der  Peritoneal- 
hülle« allgemein  übernommen  haben,  vertrat  schon  Leydig  den  Stand- 
punkt, daß  diese  Muskulatur  mit  der  Peritonealhülle  nichts  zu  tun 
habe.  Nach  meinen  Befunden  treten  bei  Dytiscus  diese  Muskelfasern 
stets  nur  in  der  Nähe  der  Eiröhren  und  Endfäden  auf  und  nie  am  Fett- 
mantel, der  sie  umgibt.  Sie  stehen  mit  der  Peritonealhülle  nicht  in 
Verbindung.  Meines  Erachtens  sind  sie  als  Ligamente  aufzufassen, 
wenigstens  im  Bereiche  der  Endfäden,  und  sie  haben  die  Aufgabe,  das 
Endfadenbündel  zusammen  zu  halten.  Wenn  nun  die  Auffassung 
richtig  ist,  daß  die  Eier  beim  Heranwachsen  nicht  in  der  Tunica  der 
Eiröhren,  sondern  mit  ihr  vorrücken,  so  können  die  Muskelfasern  auch 
im  Bereiche  der  Eiröhren  nur  als  das  Ovarium  zusammenhaltende 
Ligamente  angesehen  werden,  denn  sie  können  in  diesem  Falle  für  das 
Vorrücken  der  Eier  nicht  wesentlich  in  Betracht  kommen.  Jedenfalls 
haben  die  Muskelfasern  bei  Dytiscus  mit  der  Peritonealhülle  nichts 
zu  tun,  und  die  Ansicht  Leydigs  ist  somit  für  Dytiscus  die  einzig  zu- 
treffende. Es  ist  also  zweckmäßiger,  sie  als  »Muskulatur  des  Ova- 
riums«  zu  bezeichnen,  da  sie  in  ihrer  Funktion  als  Ligamente  für 
dieselben  in  Betracht  kommen. 

a.  Die  Verbindungsstränge  und  Endfäden. 
Die  Bedeutung  der  Verbindungsstränge  als  Ligamente  der  Ovarien 
wurde  schon  von  Stein  richtig  erkannt.     Jedoch  findet  man  in  der 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


197 


Literatur  noch  immer  unrichtige  Angaben  über  die  Ansatzstellen  der- 
selben im  Körper  des  Tieres.  So  gibt  noch  ganz  neuerdings  Günthert 
an,  daß  bei  Dytiscus  »jede  Eiröhre  für  sich  mittels  eines  feinen,  elasti- 
schen Fadens  an  der  Seiten  wand  des  Herzens  befestigt«  sei. 

Schon  bei  der  Besprechung  der  »Morphologie  des  Geschlechtsappa- 
rates« sahen  wir  jedoch,  daß  die  Verbindungsstränge  sich  an  das  Chitin- 
skelet  des  Mesothorax  anheften.  Längsschnitte  durch  diesen  vordersten 
Abschnitt  der  Stränge  zeigen  uns  nun  (Fig.  12),  daß  die  Endfäden  der 
einzelnen  Eiröhren  kurz  vor  ihrer  Anheftung  allmählich  ineinander 
übergehen  und  dann  einen  soliden  Strang  bilden.    Derselbe  macht  den 


Fig.  12. 

Anheftung  des  Verbindungsstranges  an  das  Chitinskelet  (ch);  ep,  Hypodermis;  pli,   Peritoneal 
hülle  des  Stranges;  endf,  Endfäden.     Vergr.  88/1. 


Eindruck,  als  ob  er  aus  einzelnen  Fibrillen  zusammengesetzt  sei,  zeigt 
jedoch  auf  Querschnitten  keine  derartige  Struktur.  Dieser  gemeinsame 
Strang  ist  umgeben  von  der  Tunica  propria  der  verschmolzenen  End- 
fäden und  der  zur  Lamelle  gewordenen  Peritonealhülle  (Fig.  12  ph). 
Er  setzt  sich  an  das  Epithel  (ep)  der  Chitinlamelle  des  Mesoscutums 
an,  so  daß  man  zunächst  die  Insertion  eines  aus  zahlreichen  Fasern 
bestehenden  Muskels  vor  sich  zu  haben  glaubt.  Kurz  vor  dem  Anheften 
verjüngt  sich  der  Strang  bedeutend.  Das  Epithel  der  Chitinlamelle 
ist  gegen  den  Verbindungsstrang  durch  eine  ziemlich  schwache  Kontur 
begrenzt.  Die  Kerne  des  gemeinsamen  Stranges  erscheinen  etwas 
länglicher  als  die  der  noch  nicht  vereinigten  Endfäden. 

Die  Endfäden  weisen  die  dreifache  Länge  der  eigentlichen  Eiröhre 
auf  und  sind  in  ihrem  Verlaufe  von  durchweg  gleicher  Dicke.  Sie  sind 
umkleidet   von   der   Tunica   propria    (Fig.  13  tp),   die   auf   die   Eiröhre 


198 


Carl  Demandt, 


übergeht  und  als  Produkt  der  Zellen  des  Endfadens  bzw.  der  Epithel- 
zellen der  Eiröhre  aufzufassen  ist.  Sie  ist  strukturlos  und  glashell. 
Der  Endfaden  weist  in  seinem  Verlaufe  abwechselnde  Zellstruktur 
auf.  Die  Zellen,  deren  Grenzen  meist  sehr  schwer  zu  erkennen  sind, 
besitzen  an  den  beiden  Enden  des  Endfadens  (Fig.  12  u.  15)  polyedrische 
oder  unregelmäßige  Form,  während  sie  in  dem  langen  mittleren  Ab- 
schnitte des  Fadens,  wie  Giardina  zuerst  nachwies,  geschweift  spindel- 
förmig geformt  sind  mit  fibrillen- 
ähnlichen  Verlängerungen  (Fig.  13). 
x\uch  das  Plasma  weist  fibrilläre 
Struktur  auf,  was  jedenfalls  für  die 
Elastizität  des  Fadens  von  Bedeu- 
tung ist. 

Im  Bereiche  dieser  Zellen  konnte 
ich  einen  ziemlich  in  der  Mitte 
des  Endfadens  verlaufenden  feinen, 
jedoch  deutlich  sichtbaren  Faden 
nachweisen  (Fig.  13  af),  der  sich  zwi- 
schen den  Zellen  hindurchschlängelt. 
Er  färbt  sich  mit  Eisenhämatoxylin 
dunkel  und  zeigt  in  gewissen  Ab- 
ständen kleine  knotenförmige  Ver- 
dickungen. Man  möchte  ihn  für 
eine  Fortsetzung"  der  von  Giar- 
dixa  beschriebenen  Endkammer- 
achse ansehen,  doch  wies  keine 
einzige  der  von  mir  geschnittenen 
Eiröhren  diese  Achse  auf,  und  ich 
wage  daher  nicht  zu  entscheiden, 
welche  Bedeutung  dem  beschriebe- 
nen Faden  zukommt.  Hinweisen 
möchte  ich  noch  auf  die  Unter- 
suchungen von  P.  Buchner,  det- 
ail den  Endfäden  von  Gryllus  Stütz- 
fibrillen  nachgewiesen  hat.  Zum  Unterschiede  von  dem  für  Dytiscus 
beschriebenen  Faden  sollen  diese  Fibrillen  jedoch  auf  der  Oberfläche 
der  Endfäden  liegen. 

Die  Kerne  des  Endfadens  erscheinen  ziemlich  hell  und  chromatin- 
arm  und  besitzen  meist  ein  oder  zwei  Kernkörperchen.  Die  Anhäufung 
der  Kerne,  d.  h.  also  die  Größe  der  Zellen  des  Endfadens,  ist  sehr  ver- 


-  -tP 


r-j--3f 


Fig.  13. 

Längsschnitt  durch  den  mittleren  Abschnitt 
eines  Endfadens  und  die  .Muskelfasern  des  Ova- 
riums  (»der  Peritonealhülle«),  tp,  Tunica  pro- 
pria;  af,  Achsenfaden  des  Endfadens;  z,  Muskel- 
zellen;  k,  Kerne  derselben;  gfa,  geschrumpfte 
Fasern;  tr,  Trachee.     Vergr.  460/1. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  199 

schieden.  In  den  beiden  Endabschnitten  mit  den  polyedrischen  Zellen 
können  vier  Kerne  nebeneinander  im  Endfaden  liegen  (Fig.  16),  während 
in  der  fibrillären  Region  höchstens  zwei  nebeneinander  gelagert  sind 
(Fig.  13). 

Wie  schon  vorher  erwähnt,  geht  die  fibrilläre  Struktur  der  End- 
fadenzellen gegen  die  Endkammer  hin  wieder  in  die  polyedrische  über. 
Schließlich  werden  die  Zellen  spindelförmig  und,  quer  zur  Längsachse 
der  Eiröhre  sich  anordnend,  bilden  sie  in  mehrschichtiger  Lage  einen 
deutlichen  Abschluß  des  Endfadens  gegen  die  Eiröhre  (Fig.  15  u.  16  zp). 
Dieses  Zellpolster  erscheint  auf  Längsschnitten  oft  schwach  kuppei- 
förmig nach  dem  Endfaden  hin  abgerundet,  denn  die  Randzellen  lagern 
sich  mitunter  tiefer  in  die  Endkammer  hinein  als  die  centralen  Zellen 
des  abschließenden  Polsters  (Fig.  15).  Eine  Abgrenzung  der  End- 
kammer gegen  den  Endfaden  durch  eine  Lamelle  der  Tunica  propria, 
wie  sie  nach  den  Untersuchungen  von  Geoss,  Köhlek  usw.  bei  Hemi- 
pteren  und  einigen  Coleopteren  vorhanden  ist,  fehlt  bei  Dytiscus. 

b.  Die  Eiröhren. 

Die  Eiröhren  der  Insekten  lassen  die  Verhältnisse  der  Eibilduns 
schon  am  frischen  Objekt  in  ungemein  übersichtlicher  Weise  erkennen 
und  sind  deshalb  mit  Vorliebe  zur  Beobachtung  dieses  wichtigen  Vor- 
ganges benutzt  worden.  Auch  die  Eiröhren  von  Dytiscus  haben  wieder- 
holt, im  frischen  wie  im  konservierten  Zustand,  als  Untersuchungs- 
objekt gedient,  da  auch  sie  sich  hierfür  als  sehr  geeignet  erwiesen.  Es 
gehört  nicht  in  den  Rahmen  dieser  sich  mit  der  gesamten  Morphologie 
des  Geschlechtsapparates  beschäftigenden  Arbeit,  die  Vorgänge  der 
Eibildung  eingehend  zu  erörtern  und  den  verschiedenen,  seit  den  Unter- 
suchungen von  Stein  und  Leydig,  sowie  Korschelt,  Wielowjeski 
und  Will  bis  auf  Gross,  Giardina,  Debaisieux  und  Günthert  (1910) 
geäußerten  Anschauungen  Rechnung  zu  tragen,  sondern  es  soll  aus- 
schließlich eine  Beschreibung  der  Eiröhre  von  Dytiscus  und  der  sich  in 
ihr  abspielenden  Vorgänge  gegeben  werden,  wobei  sich  die  erhaltenen 
Befunde  mit  den  neuen  Untersuchungen  über  die  Oogenese  bei  Dytiscus 
recht  gut  in   Einklang  bringen  lassen. 

Es  wurde  bereits  gezeigt,  daß  der  Endfaden  gegen  die  Eiröhre 
durch  einige  Lagen  spindelförmiger,  fast  quer  gelagerter  Zellen  abge- 
grenzt ist.  Unter  dieser  Zellenschicht  beginnt  nun  die  Keimzone  der 
Eiröhre,  die  Endkammer  (Fig.  15  u.  16,  sowie  Fig.  14  endh).  Sie  ist 
ebenso  wie  der  Endfaden  umgeben  von  der  Tunica  propria  (tp),  die 
weiter  nach  hinten  auf  die  Wachstumszone  der  Eiröhre  überseht. 


200 


Carl  Demandt, 


endF M 


endk  < 


^-c/ 


Fig.  14. 

Eiröhre  eines  alten  Käfers  in  drei  Abschnitten  dargestellt.  In  A  oben  der  Endfaden  (endf),  dar- 
unter die  Endkammer  (endk)  mit  den  anschließenden  jüngeren  Ei-  und  Nährfächern.  In  B 
ältere  Ei-  und  Nährfächer,  ebenso  in  C.  Am  Ende  ein  leeres,  zerfallendes  Fach  und  der  becher- 
förmig sich  anschließende  Eiröhrenstiel  (est),  ef,  Eifach;  nf,  Nährfach;  oor,  Oocyte;  fol,  Eifolli- 
kel;  «z,  Nährzellen;  hbl,  Keimbläschen;  tp,  Tunica  propria;  spz,  spindelförmige  Follikelzellen; 
zpf,  Zellpfropf;  rf,  Corpus  luteum:  ep,  Epithel;  Im,  Längsmuskelfasern.     Vergr.  88  L. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  201 

In  dem  vorderen  Abschnitte  der  Endkammer  finden  wir  dicht 
unter  dem  abschließenden  Zellpolster  zweierlei  Zellelemente.  Zunächst 
Zellen  mit  kleinen,  ovalen  Kernen  (Fig.  15  u.  16  epz),  die  meist  einen 
deutlichen  Nucleolus  aufweisen.  Die  Grenzen  dieser  Zellen  sind  kaum 
zu  erkennen.  Es  sind  dies  die  Epithelzellen  der  Eiröhre,  welche  identisch 
sind  mit  den  Zellen  des  Endfadens  und  an  den  reiferen  Eiern  den  Eifol- 
likel  bilden.     In  der  Endkammer  treten  sie  regellos  verstreut  auf. 

Neben  diesen  Zellen  somatischen  Charakters  treten  an  der  Spitze 
der  Endkammer  Zellen  auf,  deren  Kerne  wesentlich  größer  und  chro- 
matinreicher  sind  als  die  der  Epithelzellen  (Fig.  15  u.  16  oog).  Auch 
bei  den  kleinsten  Zellen  dieser  Art  kann  man  meist  die  Zellgrenzen 
deutlich  erkennen.  Es  sind  dieses  die  Keimzellen  oder  Oogonien,  von 
denen  die  Eizellen  und  Nährzellen  herstammen.  Diese  Zellen  nehmen 
nach  hinten  schnell  an  Größe  zu;  sie  wachsen  unter  mitotischen  Tei- 
lungen heran. 

Auf  diese  erste  Region  der  Endkammer,  die  durch  die  Vermehrung 
und  das  Heranwachsen  der  Oogonien  gekennzeichnet  ist,  folgt  nun  ein 
zweiter  Abschnitt,  in  welchem  die  Nährzellbildung  ihren  Anfang  nimmt. 
Man  findet  hier  neben  den  überall  verstreut  auftretenden  Epithelzellen 
größere  Zellkornplexe  (Fig.  15  u.  16  ros),  deren  Einzelzellen  nur  teil- 
weise durch  Zellgrenzen  voneinander  abgetrennt  erscheinen.  In  der 
gemeinsamen  Plasmamasse  dieser  Zellanhäufung  findet  sich  gewöhnlich 
ein  größerer,  sehr  chromatinreicher  Kern,  während  neben  diesem  etwas 
kleinere  Kerne  auftreten,  die  chromatinärmer  erscheinen.  Der  größere 
ist  der  Kern  der  Oocyte,  die  kleineren  sind  die  Kerne  der  durch  erb- 
Lingleiche  Teilung  aus  der  Oogonie  hervorgegangenen  Nährzellen  (Fig.  15 
u.  16  nz).  Die  Zahl  der  mit  der  Oocyte  zusammenhängenden  Nähr- 
zellen nimmt  nach  hinten  allmählich  zu.  Nach  den  Untersuchungen 
von  Giardina  erfolgt  eine  viermalige  Teilung  der  Oogonie,  durch 
gleichzeitige  Teilung  der  gebildeten  Nährzellen  ergeben  sich  zum  Schlüsse 
15  Nährzellen,  die  mit  der  Oocyte  im  Zusammenhang  bleiben. 

Das  Chromatin  des  Oogonienkernes  weist  während  der  Teilungen 
gewisse  Differenzierungen  auf.  Es  zerfällt  gewöhnlich  in  eine  kompakte 
dunklere  und  eine  granulierte  hellere  Masse.  Diese  beiden  Bezirke 
können  nebeneinander  im  Kerne  liegend  je  eine  Hälfte  desselben  ein- 
nehmen (Fig.  15  u.  16).  Oft  jedoch  liegt  die  kompakte  Masse  im  Cen- 
trum des  Kernes,  umgeben  von  der  helleren  Zone  des  granulierten  Chro- 
matins.  Wie  aus  den  Untersuchungen  von  Giardina  und  Günthert 
hervorgeht,  ist  diese  Differenzierung  des  Chromatins  ein  charakteristi- 
sches Stadium  der  differentialmitotischen  Teilung  der  Oogonien,  die 


202 


Carl  Demandt, 


<W*-  ^^^'-''r       £ 


degros\ 


er-  - 


~o°9 


zur  Bildung  der  Nährzellen  führt. 
Nähere  Angaben,  wie  diese  Diffe- 
renzierung des  Chromatins  zu- 
stande kommt,  finden  sich  bei 
Debaisieux. 

Die  mit  den  Oocyten  zusam- 
menhängenden Nährzellen  gewähren 
den  Anblick  von  Rosetten  (Fig.  15 
u.  16  ros).  Diese  Rosetten  weisen 
meist  eine  bestimmte  Orientierung 
der  Endkammer  auf,  und  zwar 
derart,  daß  die  Oocyte  nach  der 
Wachstumszone  der  Eiröhre  zu  ge- 
lauert ist.  Die  Rosetten,  welche 
anders  orientiert  sind,  haben  ge- 
ringe Aussicht  auf  Entwicklung  und 
verfallen  meist  der  Degeneration. 
Degenerierende  Rosetten  findet  man 
daher  sehr  häufig  in  der  Endkam- 
mer, besonders  aber  im  Sommer  in 
den  Eiröhren  alter  Käfer  (Fig.  15). 
In  solchen  Endkammern  kann  man 
oft  eine  dunkle  Region  unterhalb 
der  helleren  Spitze  unterscheiden 
(Fig.  15),  wie  dies  schon  von  Will 
beschrieben  wurde.  Die  dunklere  Re- 
gion enthält  dann  fast  ausschließlich 
degenerierende  Rosetten  (degros), 
kenntlich  an  ihrer  sehr  unregel- 
mäßigen Form  und  dem  Fehlen  der 
Zellgrenzen  innerhalb  der  Rosetten. 
Der  Zusammenhang  der  Nährzellen 
mit  den  Oocyten  läßt  sich  besonders 

Endkammer  mit  Endfaden  {endf)  und  die  jünge- 
ren Ei-  und  Nährfäeher  eines  alten  Käfers,  tp, 
Tunica  propria;  zp,  abschließendes  Zellpolster 
der  Endkammer;  oog,  Oogonien  in  verschiedenen 
Altersstadien,  zwei  in  Mitose;  oogk.  Oogonienkern ; 
epz,  Epithelzellen;  ros,  Rosetten;  degros,  degene- 
rierte Rosetten;  ef,  Eifaeh;  fol,  Eifollikel;  Jcbl, 
Keimbläschen;  nf,  Nährfach;  nz,  Nährzellen;  ns, 
Nährsubstanz.     Vergr.  220/1. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


203 


i endr 


in  den  jüngeren  Eianlagen,  welche  unter  der  Endkammer  liegen,  gut 
erkennen.  Die  Membranen  sind  nämlich  stellenweise  unterbrochen,  so 
daß  also  der  Eiplasma  mit  dem  Plasma  der  Nährzellen  in  Verbindung 
steht.  Es  handelt  sich  hier  um  ringförmige  Öffnungen  in  den  Zell- 
membranen. Auch  zwischen  den  ein- 
zelnen Nährzellen  sind  solche  Kom- 
munikationen vorhanden  (Fig.  17), 
so  daß  also  indirekt  sämtliche 
Nährzellen  eines  Nährfaches  mit 
dem  zugehörigen  Ei  in  Verbindung 
stehen. 

Am  Übergange  der  Endkam- 
mer in  die  Wachstumszone  der 
Eiröhre  finden  sich  Rosetten,  welche 
schon  stärker  herangewachsen  sind. 
Sie  weisen  in  ihrem  Kerne  bedeu-  rvs" 
tencle  Veränderungen  auf.  Der  vor- 
her mit  Chromatin  angefüllte  Kern 
wird  immer  heller  und  nimmt  das 
charakteristische  Aussehen  des 
Keimbläschens  an  (Fig.  15  kbl), 
welches  die  ersten  Eianlagen  der 
Wachstumszone  zeigen.  Das  Heller- 
werden des  Kernes  dürfte  sich  dar- 
aus erklären,  daß  derselbe  an  Größe  dtyms-- 
zunimmt  und  das  Chromatin  sich 
nunmehr  feiner  verteilt.  Die  Nähr- 
zellen dagegen  weisen  in  dieser  Re- 
gion ein  ganz  anderes  Verhalten 
auf.  Ihr  Chromatin  vermehrt  sich 
auffallend  stark,  so  daß  zunächst 
der  ganze  Kern  mit  feinsten  Chroma- 
tinkörnchen  angefüllt  ist.  Die 
Kerne  der  Nährzellen  verhalten  sich 
demnach  in  dieser  Beziehung  so, 
wie  man  es  nach  den  Untersuchungen 
von  Korschelt  von  den  Kernen 
secernierender  Zellen    bei   Insekten 

und  andern  Tieren  kennt.    Die  Vermehrung  des  Chromatins  geht  jedoch 
noch  weiter,  so  daß  es  in  den  Nährzellkernen  der  reiferen  Eianlagen 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  14 


~~epz 


Fig.  16. 

Endkammer    der     Eiröhre    eines    l/2jährigen 

Käfers.     Bezeichnungen  wie  in  Fig.  15. 

Vergr.  220/1. 


204 


Carl  Demandt, 


zu  flockigen  Chromatinanhäufungen  kommt  (Fig.  15  u.  17).  Dabei 
wachsen  nicht  nur  die  Kerne,  sondern  auch  die  Zellen  stark  heran. 
Die  starke  Chromatinvermehrung  in  den  Kernen  der  Nährzellen 
steht,  wie  erwähnt,  im  Zusammenhang  mit  ihrer  Aufgabe,  dem  Ei 
Nährsubstanzen  zu  liefern.  Nach  der  von  Giardina  und  Günthert 
gegebenen  Darstellung  treten  aus  den  Nährzellkernen  feinste  Chromatin- 
kürnchen  als  Chromidien  aus.  Sie  wandern  auf  Plasmastraßen,  die 
infolge  ihrer  dunklen  Färbung  besonders  an  jüngeren  Nährfächern 
deutlich  zu  erkennen  sind  (Fig.  17),  zum  Keimbläschen  hin.  Das  Auf- 
treten von  konzentrischen  Ringen  um  den  Kern  der  Nährzellen  suchen 

die  genannten  Autoren  mit  der  er- 
nährenden Funktion  der  Nährzel- 
len in  Zusammenhang  zu  bringen 
und  erklären  sie  als  abgestoßene 
Kernmembranen  (Fig.  17).  Wie 
bereits  vorher  erwähnt  wurde, 
konnte  es  nicht  die  Aufgabe  die- 
ser die  Morphologie  des  ganzen 
Geschlechtsapparates  behandeln- 
den Arbeit  sein,  die  mehr  auf 
cytologischem  Gebiete  liegenden 
Erscheinungen  an  den  Ei-  und 
Nährzellen  der  Ei  röhren  ein- 
gehend zu  verfolgen,  weshalb  sich 
die  hier  gegebene  Darstellung  an 
diejenige  der  neueren  Autoren 
anlehnt.  Die  hier  mitgeteilten 
Beobachtungen  und  Abbildungen 
sollen  nur  eine  übersichtliche 
Darstellung  der  Verhältnisse  geben,  beanspruchen  jedoch  nicht,  eine 
Entscheidung  dieser  zum  Teil  recht  schwierig  zu  beurteilenden  Frauen 
herbeizuführen. 

Die  von  den  Nährzellkernen  ausgeschiedenen  Chromidien  sollen 
nun  bei  Dytiscus  bald  nach  ihrem  Austritte  aus  dem  Kern  aufgelöst 
werden  und  in  flüssiger  Form  auf  das  Ei  übergehen.  Demgegenüber 
ist  zu  erwähnen,  daß  diese  Körnchen  sehr  oft  bis  an  den  Rand  der 
Nährzellen  hin,  auf  günstigen  Schnitten  auch  bis  in  das  Eiplasma 
hinein,  gut  zu  erkennen  sind  (Fig.  17).  Daß  sie  vor  ihrem  Austritte 
aus  der  Nährzelle  aufgelöst  werden,  ist  deshalb  nicht  besonders  wahr- 
scheinlich oder  doch  nach  meinen  eigenen  Beobachtungen  zum  mindesten 


kbl 


Fig.  17. 

Einzelnes  Eifach  mit  anhängendem  Nährfach.  Figur 
zeigt  den  Zusammenhang  der  Oocyte  mit  den  Nahr- 
zellen   durch   Plasmaverbindungen   Üist).     Bezeich- 
nungen wie  in  Fig.  15.    Vergr.  395   l. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  205 

nicht  nötig,  jedoch  mögen  sie  oft  so  fein  sein,  daß  sie  nicht  mehr  erkannt 
werden  können.  Auch  findet  man  in  den  Eianlagen,  welche  dicht  unter 
der  Endkammer  liegen  (Fig.  15 — 17)  in  dem  Plasma  der  Eizelle,  und 
zwar  besonders  an  dem  Pol,  welcher  dem  zugehörigen  Nährfache  zu- 
gewandt ist,  starke  Anhäufungen  einer  körnigen  Substanz,  welche 
man  mit  derjenigen  in  den  Nährzellen  in  Verbindung  bringen  möchte. 
Freilich  sind  diese  Körnchen,  welche  sich  mit  Eisenhämatoxylin  tief- 
schwarz färben,  von  gröberer  Struktur  und  könnten  innerhalb  des 
Ooplasmas  neugebildet  sein.  Diese  Körnchen  liegen  dem  Oocyten- 
kerne  oft  derart  dicht  an,  daß  dessen  Begrenzung  nicht  zu  erkennen 
ist.  Je  weiter  die  Eianlagen  von  der  Endkammer  entfernt  liegen,  desto 
geringer  werden  diese  Anhäufungen;  auch  treten  die  Körnchen  spärlich 
um  das  Keimbläschen  herum  verteilt  auf  (Fig.  15).  Die  Vermutung 
liegt  jedenfalls  nahe,  daß  es  sich  dabei  um  Nährsubstanz  handelt,  die 
von  den  Nährzellen  abgeschieden  wurde.  Ob  diese  nun  von  den  Nähr- 
zellen direkt  abgeschieden  oder  im  Ooplasma  erst  einer  weiteren  Be- 
arbeitung unterworfen  wurde,  die  zu  einer  Umformung  führte,  ist 
schwer  zu  entscheiden.  Erwähnt  sei  noch,  daß  man  besonders  in 
den  jungen  Eianlagen  oft  rings  um  das  Keimbläschen  herum  kleine 
Vacuolen  findet,  welche  die  resorbierten  Körnchen  hinterlassen  haben. 
Giardina  kommt  auf  Grund  eingehender  Untersuchungen  zu  dem 
Resultate,   daß   diese   Körnchen   als   Fetttröpfchen  anzusehen  sind. 

Die  aktive  Betätigung  des  Keimbläschens  bei  diesem  Prozesse  ist 
sehr  leicht  im  Frühjahr  an  lebenden  Eiröhren  zu  erkennen,  da  die  Eier 
um  diese  Zeit  vor  der  Ablage  in  starker  Entwicklung  begriffen  sind. 
In  physiologischer  Kochsalzlösung  betrachtet,  zeigen  die  Keimbläschen 
pseudopodienartige  Fortsätze.  Die  eingehenden  Untersuchungen  Kor- 
schelts  (1887)  haben  dargetan,  daß  es  sich  dabei  nicht  um  Schrump- 
fungen handeln  kann.  Außerdem  möchte  ich  noch  hinweisen  auf 
Brandt,  welcher  ähnliche  Formveränderungen  des  Keimbläschens  für 
die  Eier  verschiedener  Insekten,  Würmer  usw.  beschreibt.  Das  Auf- 
treten dieser  Pseudopodien  wird  übrigens  auch  von  Giardina  be- 
stätigt, doch  steht  er  auf  dem  Standpunkte,  daß  es  sich  hier  nicht  um 
Vorgänge  zu  handeln  braucht,  die  durch  die  Nahrungsaufnahme  des 
Eies  bedingt  sind. 

In  der  Endkammer  bilden  die  reuellos  verstreuten  Epithelzellen 
ein  Gerüst  zwischen  den  Oogonien  und  Rosetten.  Unterhalb  der  End- 
kammer  sind  die  Rosetten  bereits  so  umfangreich,  daß  sie  die  Eiröhren 
fast  in  ihrer  ganzen  Breite  erfüllen.  Hier  legen  sich  nun  die  Epithel- 
zellen als  kontinuierliches  Epithel  um  das  junge  Ei  herum  und  bilden 

14* 


206  Carl  Demandt, 

so  seinen  Follikel  (Fig.  15./o/).  Einzelne  Zellen  schieben  sich  auch  zwi- 
schen die  Nährzellen  ein.  Der  Eifollikel  ist  insofern  unvollständig,  als 
er  den  Eipol,  der  dem  zugehörigen  Nährfache  zugewandt  ist,  frei  läßt, 
da  hier  die  Plasma  Verbindungen  das  Ei  mit  den  Nährzellen  verbinden. 
Der  entgegengesetzte  Eipol  wird  hingegen  von  dem  Follikel  überzogen. 
Er  stellt  hier  ein  Pflasterepithel  dar,  während  er  sonst  ein  mäßig  hohes 
Cylinderepithel  ist.  In  der  Umgebung  der  jüngeren  Eianlagen  sind 
weniger,  um  die  älteren  dagegen  mehr  Follikelzellen  vorhanden,  auch 
wird  ihre  Lagerung  nach  hinten  zu  regelmäßiger.  Wie  aus  der  Betrach- 
tung der  Fig.  14  hervorgeht,  muß  eine  recht  beträchtliche  Vermehrung 
der  Epithelzellen  von  den  jüngeren  zu  den  älteren  Follikeln  stattfinden. 

Die  Kerne  der  Follikelzellen  sind  relativ  groß.  An  dem  ausge- 
bildeten Follikel  der  reiferen  Eianlagen  sind  die  Kerne  chromatin- 
reicher  als  an  den  jüngeren  Oocyten.  Man  erkennt  in  ihnen  meist  einen 
oder  zwei  Nucleoli,  doch  stellen  dieselben  Zusammenhäufungen  feinster 
Körnchen  dar.  Der  Kern  weist  außerdem  noch  feine  Granula  auf, 
so  daß  er  starke  Ähnlichkeit  mit  Drüsenkernen  gewinnt.  Diese  Diffe- 
renzierung des  Kernes  hängt  jedenfalls  zusammen  mit  der  Aufnähe 
des  Follikels,  Substanzen  an  das  Ei  abzugeben  und  späterhin  das  Chorion 
zu  liefern. 

Das  Chorion  ist  an  den  letzten  Eianlagen  der  Eiröhren  zu  erkennen 
und  zwar  besonders  deutlich,  wenn  der  Eikörper  etwas  geschrumpft 
ist.  Man  erkennt  es  in  solchen  Fällen  als  abgehobene,  feine  Membran, 
welche  stark  gefärbt  erscheint.  Es  weist  eine  unregelmäßige  Felderung 
auf.  die  an  abgelegten  Eiern  gut  zu  erkennen  ist.  Bezüglich  der  Bildung 
des  Chorions  darf  auf  die  von  Korschelt  an  andern  Insekten  angestellten 
Untersuchungen  sowie  auf  die  neueren  Arbeiten  von  Gross  und  Köhler 
verwiesen  werden. 

Nachdem  im  Vorhergehenden  der  Bau  der  Eiröhre  eines  erwachsenen 
Käfers  geschildert  wurde,  dürfte  es  nicht  ohne  Interesse  sein,  die  Be- 
schaffenheit der  Eiröhre  eines  jungen,  12  Stunden  alten  Tieres  kennen 
zu  lernen,  ohne  daß  der  Vergleich  freilich  im  Rahmen  dieser  andre 
Zwecke  verfolgenden  Untersuchung  im  Einzelnen  durchgeführt  werden 
könnte. 

Die  Eiröhre  dieses  jungen  Käfers  ist  noch  sehr  kurz;  ihre  Länge 
von  der  Spitze  der  Endkammer  bis  zum  Hinterende  der  letzten  Eianlage 
beträgt  nur  0,8  mm  gegen  7  mm  im  ausgebildeten  Zustand.  Die  End- 
kammer (Fig.  18  endk)  ist  nicht  umfangreicher  als  der  an  sie  sich  an- 
schließende Teil  der  Eiröhre,  stellt  also  keine  Anschwellung  des  Schlau- 
ches dar.     Die  Zahl  der  schon  an<>eleijten  Nähr-  und  Eifächer  beträgt 


Der  Geschlechtsapparat  \<m   Dytiscus  marginalis. 


207 


drei,  selten  vier,  dabei  läßt  nur  das  letzte 
Nährfach  die  typische  regelmäßige  Lagerung 
der  einzelnen  Nährzellen  erkennen.  Dieses 
Nährfach  (Fig.  18  m/3)  ist  stets  umfang- 
reicher als  das  zugehörige  Eifach,  wölbt 
sich  aus  der  Eiröhre  hervor  und  bildet  eine 
für  die  junge  Eiröhre  charakteristische  An- 
schwellung. Der  Endfaden  der  Eiröhre 
weist  dem  des  alten  Käfers  gegenüber  keine 
Abweichungen  auf,  jedoch  tritt  das  ab- 
schließende Polster  der  spindelförmigen 
Zellen  (Fig.  18  zp)  hier  tiefer  in  die  End- 
kammer hinein  und  ist  von  größerer 
Mächtigkeit. 

Der  Inhalt  der  Endkammer  weicht 
ebenfalls  nicht  wesentlich  von  demjenigen 
einer  alten  Endkammer  ab.  Hervorzu- 
heben ist,  daß  auch  hier  schon  die  Propa- 
gati onszellen  scharf  von  den  somatischen 
Zellen  gesondert  erscheinen.  Die  Zellgren- 
zen sind  stets  deutlich  zu  erkennen.  An 
Größe  kommen  die  an  der  Spitze  der  End- 
kammer liegenden  Keimzellen  (kz)  denen, 
die  man  in  den  Endkammern  alter  Käfer 
findet,  völlig  gleich,  nach  hinten  nehmen 
sie  etwas  an  Größe  zu.  Im  mittleren  Teile 
der  Endkammer  sind  bereits  die  später  sich 
zu  Oocyten  (ooc)  entwickelnden  Zellen  zu 
erkennen,  denn  sie  weisen  meist  die  beiden 
charakteristischen  Ckromatinbezirke  oder 
ein  fädiges  Chromatin  auf,  zum  Unter- 
schiede von  dem  grobkörnigen  Chromatin 
der  Nährzellen. 

Die  Epithelzellen  (epz),  welche  später 
den  Eifoilikel  bilden,  finden  sich  sehr 
zahlreich  in  der  Endkammer.  Sie  sind  leicht 


Eiröhre  eines  12  Stunden  alten  Käfers  mit  anschließendem 
Eiröhrenstiel  (est).     Drei  Ei-  bzw.   Nahrfächer  sind   ausge- 
bildet.   Unter  dem  letzten  Ja  ein  mächtiger  Zellpfropf  (zpj). 
Bezeichnungen  wie  in  Fig.  14.     Vergr.  180/1. 


zp 


zPr 


-ep 


Fig.  IS. 


208  Carl  Demandt, 

an  ihren  Chromat  inarmen  Keinen  zu  erkennen,  in  denen  der  Nucleolus 
stark  hervortritt. 

Die  Rosettenform  der  Oogonien  mit  den  daran  hängenden  Nähr- 
zellen tritt  auch  in  der  jungen  Eiröhre  schon  zu  Tage,  jedoch  finden 
sich  die  Rosetten  hier  weniger  häufig  als  in  der  alten  Eiröhre.  Während 
der  Kern  der  ältesten  Oogonien  stets  einige  Chromatinballen  aufweist, 
verteilt  sich  das  Chromatin  im  Oocytenkern  und  löst  sich  zunächst 
in  Fäden  auf  (Fig.  18).  Die  Verteilung  wird  allmählich  gleichmäßiger, 
und  in  der  ältesten  Eianlage  findet  sich  schon  ein  typisches  Keim- 
bläschen (kbl).  Die  Anlagerungen  grobkörniger  Nährsubstanz  (ns)  an 
der  dem  zugehörigen  Nährfach  zugewandten  Seite  des  Keimbläschens 
sind  auch  hier  vorhanden  und  zwar  am  stärksten  in  der  dicht  an  der 
Endkammer  liegenden  Oocyte.  Auch  in  dem  Plasma  der  durch  einen 
sehr  chromatinreichen  Kern  ausgezeichneten  Nährzellen  finden  sich 
feinste  Chromatinpartikelchen. 

Die  Eiröhre  des  jungen  Käfers  stimmt  demnach  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  mit  derjenigen  des  alten  Käfers  überein.  Vor  allem 
ist  von  Bedeutung,  daß  eine  scharfe  Sonderung  der  Keim-  und  Follikel- 
zellen  in  der  jungen  Eiröhre  schon  vorhanden  ist.  Die  große  Anzahl 
der  Keimzellen  in  der  Endkammer  und  ihre  bedeutende  Größe  deutet 
darauf  hin,  daß  die  Differenzierung  und  Vermehrung  derselben  schon 
in  Larve  und  Puppe  vor  sich  gehen  muß.  Wo  und  wie  sie  erfolgt, 
darüber  sollen  Untersuchungen  Auskunft  geben,  die  von  andrer  Seite 
in  Angriff  genommen  wurden. 

c.  Der  Eiröhrenstiel. 

Form  und  Struktur  des  Eiröhrenstieles  sind,  der  Literatur  nach 
zu  urteilen,  recht  verschieden,  so  daß  es  nicht  weiter  Wunder  nimmt, 
daß  der  Eiröhrenstiel  bei  Dytiscus  einige  Besonderheiten  aufweist. 
Es  liegen  überhaupt  nur  von  wenigen  Autoren  Angaben  über  den  Ei- 
röhrenstiel vor.  Von  den  älteren  Forschern,  Leydig  und  Brandt, 
wird,  wie  schon  früher  erwähnt,  für  verschiedene  Gattungen  unterhalb 
des  letzten  Eies  eine  »Klappe  «  und  darüber  eine  Einkerbung  beschrieben 
und  abgebildet,  doch  sind  die  Angaben  sehr  wenig  eingehend,  so  daß 
aus  ihnen  wenig  zu  entnehmen  ist.  Umfassendere  Untersuchungen 
stellte  Korschelt  (1887)  an;  er  beschreibt  diese  Verhältnisse  auch 
für  Dytiscus.  Es  wird  sich  später  Gelegenheit  bieten,  auf  die  Resultate 
dieser  Arbeit  näher  einzugehen. 

Wie  schon  früher  (Seite  177)  ausgeführt  wurde,  befindet  sich  unter- 
halb des  letzten  Eies  der  Eiröhre  eine  schmale  Einschnürung  und  darauf 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  tuarginalis.  209 

folgend  eine  becherförmige  Anschwellung  des  anschließenden  Schlauches. 

Auf  Schnitten  durch  diesen  Abschnitt,  der  den  Übergang  der  Eiröhre 
in  den  Eiröhrenstiel  darstellt,  erhalten  wir  folgendes  Bild:  Der  Follikel 
des  letzten  Eies  zeigt  an  dem  hinteren  Eipole  spindelförmige  Epithel- 
zellen in  mehrschichtiger  Lage  (Fig.  11  spz).  Diese  Zellen  gehen  über 
in  einen  Zellpfropf  {zpf),  der  die  Einschnürung  unter  dem  letzten  Ei 
größtenteils  erfüllt.  Dieser  Pfropf  wird  gebildet  durch  die  unregel- 
mäßige Anhäufung  von  Zellen,  deren  Grenzen  nur  stellenweise  zu 
unterscheiden  sind,  deren  Kerne  aber  dafür  sprechen,  daß  es  sich  um 
Follikelzellen  handelt,  die  teilweise  der  Auflösung  verfielen.  Die  Wan- 
dung des  Schlauches  zeigt  hier  keine  einschichtige  epitheliale  Aus- 
kleidung wie  im  Bereiche  der  Eikammern,  sondern  die  Zellen  bilden 
eine  unregelmäßige,  mehrschichtige  Lage  an  der  Wandung. 

Auf  diesen  eingeschnürten  Abschnitt  folgt  nach  hinten  der  Becher, 
welcher  vom  Eiröhrenstiel  gebildet  wird.  Auf  Fig.  14  ist  zu  erkennen, 
daß  das  Epithel  des  Eiröhrenstieles  (ep)  an  den  Zellpfropf  von  außen 
herantritt,  sich  nach  innen  einschlägt  und  so  den  Pfropf  becherförmig 
abschließt.  Nach  dem  Bechergrunde  hin  wird  das  eingeschlagene 
Epithel  flacher  und  verliert  sich  allmählich  ganz.  Da  bei  jungen  Käfern 
das  Epithel  auch  hier  vorhanden  ist,  ist  das  Schwinden  der  Zellen 
hier  als  sekundäre  Erscheinung  aufzufassen.  Im  Centrum  des  Bechers 
bildet  also  nur  die  Intima  (Fig.  14  i)  den  Abschluß  des  Bechers  gegen 
den  ableitenden  Schlauch. 

Die  Angaben  Korschelts  weichen  von  den  vorhergehenden  Aus- 
führungen etwas  ab,  wie  aus  seiner  Darstellung  hervorgeht:  »Das 
zottenbildende  Epithel  reicht  im  Eiröhrenstiel  sehr  weit  hinauf  und 
hilft  mit  dessen  Abschluß  nach  oben  bilden,  indem  es  sich  zu  einer 
Kuppel  wölbt.  Ein  Teil  davon  wird  deshalb  beim  Austritt  des  Eies 
wahrscheinlicherweise  ebenfalls  zerstört.«  Wir  sahen  jedoch  im  Vorher- 
gehenden, daß  es  sich  hier  nicht  um  eine  Kuppel,  sondern  um  ein  becher- 
förmiges Gebilde  handelt.  Dieser  Unterschied  erklärt  sich  jedoch  leicht, 
denn  während  in  den  vorstehenden  Ausführungen  die  Gestalt  des 
Eiröhrenstieles  beschrieben  wurde,  wie  sie  sich  einige  Zeit  nach  der 
Eiablage  herausgebildet  hat,  geben  die  Figuren  Korschelts  diese  Ver- 
hältnisse wieder,  wie  sie  unmittelbar  nach  der  Eiablage  zu  konstatieren 
sind.  In  diesem  Zustande  ist  die  Becherform  des  Stieles  nur  sehr 
schwach  angedeutet  durch  einig»1  geringe  Einfaltungen,  die  in  das 
Lumen  des  Eiröhrenstieles  hineinragen,  welche  auch  die  Abbildungen 
Korschelts  erkennen  lassen. 

Um  nun  zu  erfahren,  wie  dieser  Becher  des  Eiröhrenstieles  zustande 


210 


Carl  Demandt. 


kommt,  ist  es  nötig,  die  Eiröhrenstiele  junger  Käfer,  die  noch  keine 
Eier  abgelegt  haben,  zu  untersuchen.  Die  in  Fig.  18  dargestellte  Eiröhre 
eines  eben  der  Puppe  entschlüpften  Käfers,  zeigt  an  ihrem  unteren 
Ende  den  anschließenden  Eiröhrenstiel.  Es  fällt  sofort  auf,  daß  auch 
hier  unter  dem  letzten  Ei  ein  starker  Zellpfropf  (:pf)  sitzt,  welcher  die 

Eiröhre  gegen  das  Lu- 
men ihres  Stieles  ab- 
schließt. Die  Zellen  die- 
ses Pfropfes  zeigen  große 
Ähnlichkeit  mit  der 
beim  alten  Käfer  an 
derselben  Stelle  vorhan- 
denen Zellmasse.  Es 
sind  ebenfalls  Follikel- 
zellen,  doch  ist  eine 
Degeneration  derselben 
hier  noch  nicht  einge- 
treten   und    ihre     Zell- 

-,-     1ft  grenzen     sind     deutlich 

rig.  iy.  ° 

Längsschnitt  durch  den  Zellpfropf  [zpf)  eines  4— 6  Wehen  alten  ZU  erkennen.     All  diesen 

Kiiiers  mit  dem  anschließenden  Eiröhrenstiel  (est),  ep,  Epithel;  Zellpfropf  tritt  11U11  VOn 
Im,   Längsmuskulatur  des  Eiröhrenstieles;  x,  Ansatz  des  Stiel-  • 

epithel«  an  den  Zellpfropf.     Vergr.  204  1.  Ullteil  das  Epithel  des  El- 

röhrenstieles  (ep)  heran 
und  schließt  sich  ohne  Abgrenzung  an  den  Pfropf  an.  Dicht  unterhalb 
desselben  bildet  nun  der  Eiröhrenstiel  eine  kugelige  Aufbauchung, 
dagegen  ist  ein  Becher  hier  nicht  vorhanden.  Wir  werden  jedoch  sehen, 
daß  durch  Umformung  dieser  Aufbauchung  der  Becher  zustande  kommt. 

Ein  älteres  Stadium  des  Eiröhrenstieles  zeigt  Fig.  20,  welche 
einen  Längsschnitt  durch  die  in  Frage  kommende  Region  der  Eiröhre 
eines  etwa  10  Wochen  alten  WTeibchens  darstellt.  An  die  Spindel- 
zellen (spz)  unterhalb  des  letzten  Eies  schließt  sich  auch  hier  ein  Zell- 
pfropf an,  der,  ganz  median  geschnitten,  ein  schmales  Lumen  auf- 
weist, welches  offenbar  durch  Auseinanderweichen  der  seither  an  Zahl 
stark  vermehrten  Zellen  zustande  kam.  Dementsprechend  erscheint 
die  Begrenzung  dieses  Lumens  unregelmäßig;  der  zellige  Wandbelag 
ist  mehrschichtig,  Zellgrenzen  sind  an  ihm  ziemlich  gut  zu  erkennen. 

Wichtig  ist  hier  das  Verhalten  des  Epithels  des  Eiröhrenstieles  (ep) ; 
da  es  sich  dunkler  färbt  als  die  Zellen  des  Pfropfes,  so  ist  es  sehr  scharf 
gegen  letzteren  abgegrenzt.  Die  Fig.  20  läßt  erkennen,  daß  die  beim 
Weichkäfer  vorhandene  Aufbauchung  (Fig.  18)  nicht  mehr  vorhanden 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


211 


— er 


spz 


V? 


—zpr 


ist  und  nur  auf  der  linken  Seite  noch  schwach  angedeutet  erscheint. 
Das  Epithel  tritt  hier  an  den  Zellpfropf  heran  und  schlägt  sich  nunmehr 
nach  innen  ein.  Zum  Verständnis  des  Folgenden  ist  es  jedoch  nötig, 
noch  auf  ein  jüngeres  Stadium  einzugehen,  welches  Fig.  19  wiedergibt. 
Es  zeigt  diese  einen  Teil  des  Zellpfropfes  (2/;/)  mit  dem  anschließenden 
Epithel  des  Eiröhrenstieles  (ep)  eines  Käfers 
im  Alter  von  etwa  4 — 6  Wochen.  Man  er- 
kennt hier,  daß  an  dem  hinteren  Ende  des 
Zellpfropfens  die  einzelnen  Zellen  sich  regel- 
mäßiger lagern  und  sich  gegenüber  den 
übrigen  Zellen  des  Pfropfes  durch  stär- 
keres Färbungs vermögen  auszeichnen.  Ihr 
Zusammenhang  mit  dem  letzteren  ist  jedoch 
auf  diesem  Stadium  noch  vollkommen  ge- 
wahrt. Es  bildet  sich  aber  allmählich 
eine  schärfere  Begrenzung  dieser  einschich- 
tigen Zellenlage  gegen  den  Pfropf  aus,  so 
daß  sie  nunmehr  (Fig.  20)  wie  ein  scharf 
gesondertes  Epithel  in  direkten  Zusam- 
menhang mit  dem  Stielepithel  tritt  und 
mit  diesem  zusammen  den  Zellpfropf  am 
Hinterende  becherförmig  umfaßt.  An  der 
Becherbildung  beteiligen  sich  also  Stiel- 
epithel und  Zellpfropf.  Der  umgeschlagene 
Teil  des  Stielepithels  ist  nur  sehr  kurz. 
Die  Stelle,  an  welcher  sich  die  aus  dem 
Zellpfropf  hervorgegangene  Zellschicht  an 
das  Epithel  des  Eiröhrenstieles  ansetzt,  ist 
in  Fig.  19  auf  der  rechten  Seite  sehr  gut 
zu  erkennen  (x),  da  hier  die  Verbindung 
mit  dem  Stielepithel  noch  nicht  hergestellt 

ist.      Auf   älteren   Stadien  (Fig.  20)  ist  diese    Letzte  Eianlage  (ef)   eines  3  Monate 
a      -,■•        -,         1         ■  ■  tt      ■  t         alten  Käfers  mit  anschließendem  Zeil- 

Stelle  durch   eine  geringe  Verjüngung   des   pfropf  {zpf)  und  Kirölirenstiel  (est). 

Epithels    gekennzeichnet.  Anlage  des  Bechers  durch  das  Epithel 

.  ..  i  •     !  c<       t  1         lles  Eiröhrenstieles  tepK    Im,  Längs- 

Aus    den    verschiedenen    Stadien    der         mUskuiatur.    Vergr.    108/1. 
Umformung  des    Eiröhrenstieles  ist  zu  er- 
sehen, daß  der  Zellpfropf  jedenfalls  infolge  Heranwachsens  der  Eiröhren 
abwärts    in    die    auf   Fig.   18    dargestellte   Aufbauchung    hineinrückt. 
Dabei   rückt   die    Ansatzstelle    des    Stielepithels    etwas    mit  abwärts 
und    führt    so    zur    Einfaltung    dieses    Epithels.      Da    der    Zellpfropf 


'^sig^--''  I 


-ep 


es/- 


Fig.  20. 


212  Carl  Demandt, 

etwas  in  das  Lumen  des  Eiröhrenstieles  hineingeschoben  erscheint, 
so  erhält  dadurch  das  abschließende  Epithel  Becherform,  welche 
allerdings  hier  noch  nicht  so  stark  hervortritt,  wie  wir  sie  beim  alten 
Käfer  kennen  lernten. 

Auf  dem  in  Fig.  20  dargestellten  Stadium  beharrt  nun  der  Eiröhren- 
stiel  bis  zur  erstmaligen  Eiablage.  Wenigstens  zeigten  Käfer,  welche 
über  4  Monate  alt  waren,  keine  Abweichungen  von  dieser  Form.  Da 
nun  bei  älteren  Tieren  der  Becher  bedeutend  besser  ausgebildet  er- 
scheint, so  muß  der  Prozeß  der  Eiablage  von  wesentlicher  Bedeutung 
für  die  definitive  Ausgestaltung  dieses  Abschnittes  sein.  Leider  war 
es  mir  trotz  reichlichen  Materials  nicht  möglich,  diesen  Prozeß  in 
bezug  auf  den  Eiröhrenstiel  näher  zu  verfolgen,  da  infolge  des  starken 
Heranwachsens  der  reifenden  Eier  die  Einfaltungen  des  Stielepithels 
die  Untersuchungen  im  höchsten  Grade  erschwerten.  Dagegen  war 
zu  konstatieren,  daß  beim  Übertritt  des  reifen  Eies  der  Becher  am  Grunde 
durchbrochen  wird,  wie  auch  Korschelt  angibt,  daß  aber  der  Zu- 
sammenhang zwischen  Eiröhre  und  Eiröhrenstiel  dabei  nicht  gelöst 
wird. 

Die  Bedeutung  des  Bechers  des  Eiröhrenstieles  liegt  nun  darin, 
daß  er  die  Aufgabe  hat,  den  Follikel  und  das  Nährfach  des  ausge- 
tretenen Eies  zurückzuhalten.  Sie  fallen  in  dem  Becher  der  Auflösung 
anheim  und  verbleiben  dort  als  »Corpus  luteum«  (Fig.  14  cl)  bis  die 
neue  Eiablage  erfolgt.  Es  färbt  sich  bei  Osmiumsäurekonservierung 
mit  Eisenhämatoxylin  tiefschwarz.  Nach  erfolgter  Eiablage  enthält 
nun  die  Einschnürungsstelle  unterhalb  des  letzten  Eies  wieder  einen 
Zellpfropf  (Fig.  14  zpf),  welcher  teilweise  von  den  Resten  des  alten 
Follikels  gebildet  wird.  Der  enge  Anschluß  des  Pfropfes  an  den  Follikel 
des  anschließenden  Eies  spricht  jedoch  dafür,  daß  schon  während 
der  Entwicklung  dieses  Eies  Follikelzellen  in  größerer  Anzahl  abge- 
schoben werden. 

Auch  bei  jungen  Käfern,  die  noch  keine  Eier  abgelegt  haben,  finden 
sich  mitunter  in  dem  Becher  dem  Corpus  luteum  ähnliche  Substanzen. 
Es  sind  dies  die  Reste  degenerierter  Ei-  und  Nährfächer,  denn  an  den 
jungen  Eiröhren  kann  man  sehr  oft  die  Beobachtung  machen,  daß  das 
letzte  Ei  und  sein  Nährfach  der  Degeneration  verfielen. 

Es  ist  nunmehr  noch  die  Frage  zu  beantworten,  wo  die  Tunica 
propria  der  Eiröhre  ihr  Ende  findet.  Nach  Leydig  soll  sie  sich  auf  den 
Eileiter  fortsetzen.  Die  Untersuchung  über  den  Verlauf  der  Tunica 
bereitet  einige  Schwierigkeiten  wegen  der  Zartheit  dieser  Hülle.  Als 
günstig  für  die  Untersuchung  erwiesen  sich  die  nach  van  Gieson  mit 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  213 

Pikrinsäure-Säurefuchsin  gefärbten  Präparate,  da  sich  die  Tunica  für 
den  roten  Farbstoff  sehr  aufnahmefähig  zeigte.  Bei  dem  Weichkäfer 
ließ  sie  sich  deutlich  verfolgen,  wie  sie  den  Zellpfropf  außen  umkleidet 
(Fig.  18  lp)  und  auf  die  Aufbauchung  des  Eiröhrenstieles  übergeht. 
Weiter  abwärts  wird  sie  derart  zart,  daß  man  sie  dem  Stielepithel  zu- 
rechnen darf  und  sie  als  dessen  Basalmembran  ansprechen  kann.  Sie 
dürfte  hier  ihre  Bedeutung  als  elastische  Membran  verloren  haben. 
An  den  Eiröhren  älterer  Käfer  (Fig.  14  u.  20)  läßt  sich  die  Tunica  (tp) 
deutlich  bis  an  den  oberen  Rand  des  Bechers  verfolgen,  wie  sie  stellen- 
weise stark  gefaltet  den  Zellpfropf  überzieht.  Beim  Zerren  von  frischen 
Eiröhren  reißt  man  auch  stets  an  dieser  Stelle  die  Verbindung  der 
Eiröhre  mit  ihrem  Stiele  durch  und  zieht  den  Zellpfropf  mit  dem  Corpus 
luteum  aus  dem  Becher  heraus.  Es  deutet  dies  darauf  hin,  daß  an 
dieser  Stelle  die  Resorption  der  Tunica  nach  der  Eiablage  stattfindet, 
da  sich  hier  der  Zusammenhang  am  leichtesten  löst.  Diese  Stelle 
ist  infolgedessen  auch  als  Ende  der  Eiröhre  aufzufassen,  wie  dies  auch 
von  Korschelt  in  ähnlicher  Weise  begründet  wird. 

Die  Einschnürungsstelle  gehört  also  mit  dem  Zellpfropf  noch  der 
Eiröhre  an.  Sie  ist  jedoch  nur  beim  alten  Käfer  als  entleerte  Eikammer 
aufzufassen.  Bei  jungen  Käfern  aber,  die  noch  keine  Eier  abgelegt 
haben,  enthält  dieser  Abschnitt  Epithelzellen,  die  schon  auf  frühesten 
Stadien  der  Imago  auftreten  und  über  deren  Herkunft  nur  eine  Unter- 
suchung der  Geschlechtsanlagen  der  Larven  oder  Puppen  Klarheit 
schaffen  kann. 

Das  Epithel  des  Eiröhrenstieles  (ep)  ist  besonders  bei  älteren 
Käfern  (Fig.  14)  ein  typisches  Cylinderepithel  mit  kleinen  Kernen. 
Das  Plasma  ist  fein  granuliert  und  deutet  auf  die  secretorische  Funktion 
der  Zellen  hin.  Auf  Schnitten  erscheint  das  Lumen  des  Stieles  mit 
dem  abgesonderten,  fädigen  Secrete  erfüllt.  Die  Intima  des  Epithels 
ist  sehr  fein  und  wegen  des  Secretüberzuges  oft  sehr  schwer  zu  erkennen. 
Die  Wandung  des  Eiröhrenstieles  ist  von  großer  Elastizität.  Beim 
Austritt  der  reifen  Eier  wird  sie  derart  gedehnt,  daß  sie  diese  nur  als 
dünne  Kontur  überzieht.  Zellgrenzen  sind  in  diesem  Fall  nicht  mehr 
zu  erkennen  und  selbst  die  Kerne  schwer  aufzufinden. 

Dem  Epithel  außen  aufgelagert  ist  eine  sehr  feine  Längsmuskulatur 
(Fig.  14  u.  20  Im) ;  dieselbe  ist  nur  einschichtig  und  besteht  aus  äußerst 
dünnen  Fasern.  Sie  setzt  sich  nach  hinten  auf  den  Eierkelch  fort. 
Ringmuskelfasern  sind  am  Eiröhrenstiele  nicht  nachzuweisen,  und  wir 
werden   sehen,  daß  solche  erst  am  Eiergange  auftreten. 


214 


Carl  Demandt, 


der 


d.  Der  Eierkelch. 
Ein  Querschnitt  durch  den  Eierkelch  zeigt  uns  die  starke  Faltung 
Kelchwandung    (Fig.  22).     Das    Epithel,    welches   den    Eierkelch 

bildet  (Fig.  21  ep2),  ist 
sehr  charakteristisch. 
Bei  Färbung  mit  Eisen- 
hämatoxylin  erscheint 
es  bedeutend  heller  als 
das  Epithel  der  Eiröh- 
renstiele  (Fig.  21  epi); 
das  Zellplasma  ist  von 
feinwabiger  Struktur. 
Die  Kerne  sind  umfang- 
reicher als  in  dem  Stiel- 
epithel    und     besitzen 

außer      granuliertem 
Chromatm  ein  oder  zwei 
Kernkörperchen . 

Interessant  ist  die 
Art  und  Weise,  wie  die 
Eiröhrenstiele  in  den 
Eierkelch  übergehen. 
Fig.  21  zeigt  diesen 
Übergang.  —  Daß  der 
Eierkelch  hier  als  röh- 
renförmige Forsetzung 
des  Eiröhrenstieles  er- 
scheint, liegt  an  der  star- 
ken Faltung  der  Kelch- 
wandung. —  Das  dunk- 
lere Eiröhrenstielepithel 
(ep±)  schiebt  sich  über 
die  Falten  des  Eier- 
kelchepithels (ep2)  hin- 
weg, indem  es  die 
Buchten  desselben  auf  der  Innenseite  des  Kelches  ausfüllt.  Auf  diese 
Weise  wird  eine  feste  Verbindung  des  Eierkelches  mit  den  Eiröhren- 
stielen  erzielt. 


Fig.  21. 

Übergang  des  Eiröhrenstieles  in  den  Eierkelch.     Das  Epithel 

des  Stieles  epjx schiebt  sieh  über  das  Epithel  des  Kelches  ep2. 

Im,  Längsmuskelfasern.    Vergr.  216/1. 


Der  Geschlechtsapparat  von   Dytiscus  marginalis. 


215 


2.  Der  Leitungsapparat. 
Die  unter  dem  Namen  Leitungsapparat  zusammengefaßten  Organe 
unterscheiden  sich  von  den  vorhergehenden,  besonders  dem  ihnen  im 
Bau  äußerlich  ähnlichen  Eierkelch,  durch  ihren  ectodermalen  Ursprung : 


tr< 


^r~eP 


Fig.  22. 

Querschnitt  durch  den  Eierkelch,  zeigt  die  starke  Faltung  der  Wandung,    ep,  Epithel;  Im,  Längs- 

muskulatur  von  Tracheen  itr)  durchzogen.     Vergr.  216/1. 

das   Epithel   dieser   Organe   besitzt   eine  deutliche,   chitinöse  Intima, 
welche  teilweise  mit  Gleitschuppen  besetzt  ist. 

a.  Der  Eileiter. 
Nach  hinten  verengert  sich  der  Eierkelch  allmählich  und  geht  in 
den  als  Eileiter  zu  bezeichneten  Abschnitt  über.  Äußerlich  eine  Grenze 
zwischen  beiden  zu  erkennen,  ist  unmöglich.  Auf  Schnitten  jedoch 
kann  man  die  Grenze  zwischen  beiden  scharf  ziehen,  da  das  Eileiter- 
epithel grundverschieden  ist  von  dem  des  Kelches.  Der  Übergang 
beider  Epithelien  erfolgt  scharf  abgesetzt  und  nicht  in  der  Weise,  wie 
es  oben  für  die  Eiröhrenstiele  beschrieben  wurde. 


216 


Carl  Demandt, 


--Im 


-ep 


Das  Epithel  des  Eileiters  (Fig.  23  ep)  besteht  aus  mäßig  hohen 
Zellen  mit  körnigem  Protoplasma.  Die  Kerne  besitzen  einen  Nucleolus 
und  sind   außerdem  reich   an   granuliertem  Chromatin.     Das   Epithel 

weist  eine  deutliche  In- 
tima  auf,  welche  mit  zahl- 
losen feinen  Gleitschuppen 
besetzt  ist.  Dieselben  er- 
scheinen schwach  klauen- 
förmig  gekrümmt  und 
sind  dem  Ausgange  des 
Eileiters  zu  geneigt.  Bei 
sehr  starken  Vergröße- 
rungen (Fig.  25)  erkennt 
man,  daß  die  Intima  (i) 
diese  Gleitschuppen  über- 
zieht. Das  Innere  der 
Schuppe  zeigt  eine  feine 
Granulation,  welche  dem 
Plasma  der  darunter 
liegenden  Zellen  aufsitzt, 
durch  eine  sehr  feine 
Kontur  (c)  von  ihm  aber 
abgetrennt  erscheint.  Auf  Querschnitten  (Fig.  23)  zeigt  der  Eileiter 
anfangs  die  starke  Faltung  des  Eierkelches,  stellt  also  einen  weiten 
Schlauch  dar,  der  sich  aber  nach  hinten  mehr  und  mehr  verengt  bis 
zu  der  Vereinigung  mit  dem  Eileiter  des  zweiten  Ovariums  zum  Eier- 
gange. 


Fig.  23. 

Querschnitt  durch   den  Eileiter,     ep,  Epithel   des   Eileiters 

auf  der  Innenseite   mit  Gleitschuppen   besetzt;    Im,  Längs 

muskelfasern.     Vergr.  112/1. 


b.  Der  Eiergang. 

Der  Eiergang,  welcher,  wie  früher  beschrieben,  einen  äußerlich 
scharf  umgrenzten  Teil  des  Leitungsapparates  bildet,  zeigt  hinsichtlich 
seiner  Struktur  größte  Übereinstimmung  mit  dem  vorhergehenden 
Abschnitte,  dem  Eileiter.  Das  Epithel  des  Eierganges  (Fig.  24  ep) 
bildet  die  Fortsetzung  des  Eileiterepithels  und  stimmt  mit  diesem  voll- 
ständig überein.  Zum  Unterschiede  von  dem  Eileiter  ist  jedoch  das 
Lumen  des  Eierganges  von  durchweg  gleicher  Weite.  Es  ist  gewöhn- 
lich bis  auf  einen  schmalen  Spalt  zusammengefallen  (Fig.  27)  und  weist 
geringe  Ausbuchtungen  auf. 

Die  Muscularis  des  Eierkelches  stellt  die  Fortsetzung  der  Längs- 
muskelfasern  der   Eiröhrenstiele   dar.     Eine   Ringmuskulatur  ist  am 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


217 


Eierkelche  und  an  den  Eileitern  nicht  vorhanden.  Die  Längsmusku- 
latur  ist  am  Eierkelche  schon  bedeutend  kräftiger  wie  an  den  Eiröhren- 
stielen.  In  mehrschichtiger  Lage  schiebt  sie  sich  zwischen  die  Ein- 
buchtungen der  Kelchwandung  ein  (Fig.  22  Im).  Diese  Muskelschicht 
ist    von    zahlreichen    Tracheenverästelungen    (tr)    durchsetzt.      Nach 

hinten  nimmt  sie  an  Stärke  zu,  so 
daß  sie  am  Eileiter  wieder  kräftiger 
erscheint  als  am  Eierkelche.  Am 
Eiergange  ist  die  Längsmuskulatur 
recht  bedeutend  geworden  (Fig.  27 
Im),  und  die  einzelnen  Faserbündel 
kreuzen  sich  meist  stark  (Fig.  24), 
so  daß  sie  nicht  mehr  parallel  der 
Längsachse  des  Ganges  verlaufen. 
Kurz  vor  der  Vereinigung  der  Ei- 
leiter zum  Eiergange  tritt  zu  der 
Längsmuskulatur  noch  eine  all- 
mählich an  Stärke  zunehmende 
Schicht  Ringmuskulatur,    die   bei 


-ep 


Im 


k~- 


Fig.  24. 
Längsschnitt  durch  die  Wandung  des  Eierganges. 
Das  Epithel  ep  mit  Intima  (£),  welche  mit  Gleit- 
schuppen (gs)  bedeckt   ist.    Im,  stark  gekreuzte 
Längsmuskelfasern.    Vergr.  216/1. 


Fig.  25. 

Zeigt  eine  einzelne   Gleitschuppe,    i,   Intima; 
k.  Kern  des  Epithels;  c,  Kontur  zwischen 
Schuppe  und  Zellplasma.     Vergr.  1040  1. 


der  Einmündung  des  Eierganges  in  die  Scheide  die  Längsmuskulatur 
an  Mächtigkeit  erreicht  (Fig.  27  rm). 

Durch  die  Kontraktion  dieser  Ringmuskelfasern  und  die  nach  hinten 
gerichteten  Gleitschuppen  des  Eierganges  wird  jedenfalls  bei  der  Be- 
gattung ein  Eindringen  der  Spermatozoen  in  den  Eiergang  verhindert, 
wie  anderseits  durch  die  schräge  Längsmuskulatur  und  die  Gleitschuppen 
das  Vorrücken  der  legereifen   Eier  bewirkt   bzw.   gefördert  wird. 


218 


Carl  Demandt, 


c.  Die  Scheide. 
Die  Scheide  oder  Vagina  bildet  den  letzten,  muskulösesten  Teil 
des  Leitungsapparates.  Ein  Querschnitt  durch  den  vorderen  Teil  der 
der  Vagina  zeigt  hinsichtlich  der  Muscularis  große  Ähnlichkeit  mit  dem 
Eiergang,  abgesehen  davon,  daß  dieselbe  an  der  Scheide  bedeutend 
kräftiger  entwickelt  ist  (vgl.  Fig.  27  u.  28).  Die  äußerste  Schicht  wird, 
wie  beim  Eiergange,  gebildet  von  einer  starken  Lage  von  Ringmuskel- 
fasern,   welcher   außen   dorsal    ein    Polster    Längsmuskulatur   aufliest 


Fig.  26. 

Schematlscher  Längsschnitt  durch  den  Leitungs-  und  Befruchtungsapparat,    el,  Eileiter;  e<j,  Eier- 
gang;  bt,   Begattungstasche;    hbt,   deren  Hals;    recs,  Receptaculum;    bg,  Befruchtungsgang;   drp, 

Drtisenpolster;  va,  Vagina. 


(Fig.  28).  Die  Ringmuskulatur  umschließt  ein  mächtiges,  sichelför- 
miges Bündel  von  Längsmuskelfasern,  welches  ventral  vom  Scheiden- 
lumen liegt  und  die  exzentrische  Lage  desselben  bedingt.  Zu  beiden 
Seiten  des  Lumens  liegt  je  ein  kleines  Drüsenpolster  (Fig.  28  drp2), 
welches  nach  hinten  allmählich  an  Stärke  abnimmt  und  kurz  vor  dem 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


219 


Eintritt  der  Scheide  in  den  Legesäbel  endigt.  Die  ausführenden  Gänge 
dieser  Drüsenzellen  münden  in  das  Lumen  der  Vagina.  Wegen  der 
starken  Epithelfalten  sind  sie  jedoch  nur  an  besonders  günstigen  Schnit- 


& 


. 


S 


ep2 


sJm 


drp. 


hbr 


%  jf ......  » , ,  > 

■.  g 


■  -  -drp 2 


--/m 


Fig.  27. 

Querschnitt  durch  den  Eiergang  (eg)  und  den  Hals  der  Begattungstasche  (hbt)  kurz  vor  ihrer  Ver- 
schmelzung, ep,  Epithel;  h».  Längs-,  rm,  Ringmuskulatur  des  Eierganges;  ep,  Epithel  des  Halses 
drp!  und  drp.2,  Drüsenpolster;  w,  Muskelwulst,  der  den  Befruchtungsgang  trägt  (bg).     Vergr.  88/1. 


ten  zu  verfolgen.  Die  Drüsenzellen  stimmen  vollkommen  mit  denen 
des  Befruchtungsapparates  überein  und  werden  dort  näher  beschrieben 
werden. 

Das  Epithel  der  Vagina  ist  ziemlich  flach  und  sehr  stark  gefaltet, 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  15 


220 


Carl  Demandt, 


seine  Zellgrenzen  sind  nicht  zu  erkennen.  Die  Kerne  der  Zellen  sind 
sehr  klein  und  färben  sich  stark  mit  Hämatoxylin.  Nach  innen  haben 
die  Zellen  eine  helle  chitinöse  Intima  (Fig.  28  i)  abgeschieden,  welche 
das  Epithel  an  Stärke  übertrifft  und  fein  lamelliert  erscheint.  Gegen 
die  Muscularis  ist  das  Epithel  begrenzt  von  einer  starken  Basalmembran. 


~&&--drp2 


-im 


Fig.  28. 

Querschnitt  durch  die  Scheide  unterhalb  der  Vereinigung  von  Eiergang  und  Hals  der  Begattun<:s- 

tasche.    ep,  Epithel  mit  Intima;  ja,  Falten  desselben;  drp2,  Drüsenpolster  (entsprechend  drp.2  in 

Fig.  27),  Im,  Längs-,  rm,   Ringmuskulatur.     Vergr.  108/1. 


Auffallend  stark  sind  die  zottigen  Falten  des  Epithels  {ja),  welche  be- 
sonders von  der  Ventralseite  her  in  das  Lumen  hineinragen  und  das- 
selbe zum  großen  Teil  erfüllen.  Es  gibt  uns  dies  einen  Begriff  von  der 
starken  Dehnbarkeit  der  Scheide,  welche  ihr  Lumen  beim  Ablegen 
der  Eier  ganz  bedeutend  erweitern  muß. 

Die  Längsmuskulatur  der  Scheide  nimmt  an  Mächtigkeit  nach 
hinten  allmählich  ab,  und  sie  ist  kurz  vor  dem  Eintritt  der  Scheide 
m  den  Legesäbel,  wie  Fig.  29  zeigt,  zu  einem  kleinen,  kompakten  Bündel 
reduziert,  welches  auf  der  Ventralseite  des  nunmehr  ins  Centrum  ver- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginales. 


221 


lagerten  Lumens  liegt.  Das  Ganze  wird  umschlossen  von  einer  mäch- 
tigen Schicht  Ringmuskulatur  (Fig.  29  rm),  in  welche  noch  vereinzelte 
Längsmuskelfasern  (Im)  eingebettet  sind.  Die  äußeren  Lagen  der 
Ringmuskulatur  inserieren  hier  an  einer  chitinösen  Einlagerung  auf 
der  Dorsalseite  der  Vagina  (Fig.  29  er),  an  welcher  anderseits  der  kurze 
Retractor  der  Scheide  (rvb,  vgl.  S.  173)  entspringt.  Diese  Einlagerung 
hat  die  Form  einer  etwas  deformierten  Kugel  und  sieht  infolgedessen 


ep 


-Im 


Fig.  29. 
Querschnitt  durch  die  Scheide  kurz  vor  ihrem   Eintritt  in  den    Legesäbel,    mit  dem  Ansatz  des 
kurzen  Scheidenretractors  (rvb),  er,  Chitineinlagerung.     Bezeichnungen  wie  in  Fig.  28.    Vergr.  88/1. 

auch  auf  Längsschnitten  durch  die  Vagina  ganz  ähnlich  aus,  wie  auf 
dem  Querschnitt  Fig.  29.  Sie  besitzt  bedeutende  Wandstärke  und 
ist  umgeben  von  einem  flachen  Epithel  mit  kleinen  Kernen,  an  welches 
die  Muskelfasern  sich  ansetzen. 

Der  hintere  Abschnitt  der  Scheide  ist  umschlossen  von  den  beiden 
Legesäbelscheiden,  zwischen  deren  ventralen  Kanten,  von  den  Styli 
bedeckt,  die  Geschlechtsöffnung  liegt  (Fig.  2  u.  3  v).  Auf  einem  Quer- 
schnitt durch  den  Legesäbel  (Fig.  30)  erscheint  das  Epithel  der  Vagina 

15* 


222 


Carl  Demandt, 


weniger  stark  gefaltet,  sonst  aber  genau  so  ausgebildet,  wie  im  vorderen 
Abschnitt  der  Scheide  (ep).  Zellgrenzen  sind  auch  hier  nicht  zu  er- 
kennen.    Die   Ringmuskulatur   fehlt   diesem   Abschnitt   der   Scheide, 

statt  dessen  findet  sich  dem  Epithel 
dorsal  und  ventral  aufgelagert  je  ein 
Polster  sehr  feiner  Längsmuskelfasern. 
Verfolgt  man  diese  Muskelbündel  auf 
einer  Schnittserie,  so  ergibt  sich,  daß 
das  dorsale  Bündel  allmählich  schwindet, 
d.  h.  im  vorderen  Abschnitte  des  Lege- 
säbels endigt;  das  ventrale  Bündel  bildet 
dagegen  die  direkte  Fortsetzung  des  in 
Fig.  29  dargestellten  Längsmuskelbündels. 

3.  Der  Befruchtungsapparat. 

a.  Der  Hals  der  Begattungstasche  und 

die  Begattungstasche 
weisen  in  ihrem  Aufbau  nur  geringe 
Unterschiede  von  der  Scheide  auf.  Das 
Epithel  des  Halses  (Fig.  27  e<p2)  ist  ebenso 
flach  und  stark  gefaltet  wie  das  der  Va- 
gina, und  besitzt  eine  ziemlich  dicke,  chi- 
tinöse  Intima.  Dicht  hinter  der  Einmün- 
dung des  Eierganges  in  die  Scheide  zeigt 
ein  Querschnitt  durch  den  Hals  (Fig.  27) 
an  seiner  dem  Eiergange  anliegenden 
Wandung  einen  in  das  Lumen  vorragen- 
den muskulösen  Wulst  (w).  Die  Falten  des 
styii;   va,   Scheide;        intima   des  Epithels  sind  hier  wieder  sehr  stark  aus- 

Scheidenepithels;    Im.    Längsmuskelfa-         ,  .,  ,    ,  ,       .  ..  .   ,      .  , 

sein,    vergr.  5o/i.  gebildet  und  schlingen  sich,  besonders  von 

den  beiden  Seiten  in  das  Lumen  hinein- 
ragend, derart  ineinander,  daß  es  den  Eindruck  macht,  als  wäre  der 
an  den  Wulst  anstoßende  Teil  des  Lumens  von  dem  übrigen  getrennt. 
An  der  Hand  einer  vollkommenen  Schnittserie  kann  man  sich  aber 
leicht  von  der  Einheitlichkeit  des  Lumens  überzeugen,  da  dieselbe 
zeigt,  wie  die  Falten  des  Epithels  nach  der  Begattungstasche  hin  immer 
unbedeutender  werden  und  sich  auseinander  lösen.  Sehr  klar  zeigte 
diese  Verhältnisse  eine  Schnittserie  durch  den  Hals  der  Begattungs- 
tasche eines  Käfers,  dessen  Geschlechtsorgane  vor  der  Konservierung 
mit    leichtflüssigem    Paraffin    von    der    Scheide    aus    injiziert    worden 


Fig.  30. 

Querschnitt    durch  den   mittleren  Teil 
des    Legesäbels.     Is,   Säbelscheide;    st, 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


223 


waren.  Es  gelang  auf  diese  Weise,  das  Lumen  derart  zu  er- 
weitern, daß  die  Einfaltungen  des  Epithels  größtenteils  geglättet 
waren. 

Das  Epithel  der  Begattungstasche  (Fig.  31  ep)  ist  etwas  höher  als 
dasjenige  des  Halses,  die  Intima  (i)  dagegen  ist  sehr  fein  geworden. 
Zellgrenzen  sind  auch  hier  kaum  zu  erkennen.     Auch  sind  die  Falten 

Jm 


:  - 


ag~~ 


■cfrp, 


drp2~~ 


-drp2 


Fig.  31. 
Querschnitt  durch  die  Begattungstasche,     ep,  Epithel  mit  Intima  (i);  rm,  Ringmuskulatur;  Inj, 
Befruchtungsgang;    drp1  und  drp.2,  Drüsenpolster;  ag,  Ausführungsgänge  der  Drüsen;  er,  Chitin- 
röhrchen;  Im,  Längsmuskelfasern.     Vergr.  140/1. 


des   Epithels   nicht   mehr   so   bedeutend   wie   in   dem   vorangehenden 
Abschnitte. 

Im  Vergleiche  zur  Vagina  ist  die  Muscularis  der  Begattungstasche 
und  ihres  Halses  stark  reduziert.  Die  Längsmuskulatur,  welche  am 
Halse  der  Begattungstasche  noch  vereinzelt  auftritt,  fehlt  der  Be- 
gattungstasche, und  nur  die  Ringmuskulatur  (rm)  ist  an  beiden  Organen 
noch  ziemlich  kräftia  entwickelt. 


224 


Carl  Demandt, 


b.  Das  Receptaculum  seminis  oder  der  Samenbehälter 
ist,  wie  schon  im  ersten  Abschnitte  gezeigt  wurde,  gegen  die  Begattungs- 
tasche durch  eine  Einkerbung  äußerlich  abgesetzt.  Eine  deutliche  Ab- 
grenzung finden  wir  auch  bei  der  Betrachtung  der  feineren  Struktur 
dieser  Organe.  Ein  Längsschnitt  durch  die  Samentasche  (Fig.  32) 
zeigt,  daß  das  Epithel  (ep^  der  Begattungstasche  (bt)  scharf  abgesetzt 
in  das  hohe  Cylinderepithel  des  Receptaculums  (Fig.  32  ep2)  übergeht. 


Fig.  '32. 
Längsschnitt  durch  das  Receptaculum.     ep,  Epithel  desselben  mit  Intima  (i);  bt,  Begattungs 

ta  sclie.     Yergr.  88/1. 


Die  Zellen  erscheinen  bei  der  Färbung  mit  Hämatoxylin -Eosin  sehr 
hell,  und  die  Kerne  liegen  an  ihrer  Basis.  Das  Epithel  besitzt  eine 
mehr  oder  weniger  stark  gewellte  chitinöse  Intima  (?')  von  beträcht- 
licher Dicke.  An  dem  Receptaculum  jüngerer  Käfer  kann  man  an  der 
Intima  deutlich  zwei  Schichten  unterscheiden.  Die  innere,  das  Lumen 
auskleidende  Schicht  ist  dunkler,  braun  gefärbt  und  weist  eine  grobe 
Lamellierung  auf,  während  die  dem  Epithel  aufliegende  Schicht  be- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginal ix. 


225 


deutend  heller  erscheint.  An  Samentaschen,  welche  diese  Verhältnisse 
noch  deutlich  aufwiesen,  zeigte  das  Epithel  eine  Struktur,  die  darauf 
hinzudeuten  schien,  daß  die  Abscheidung  des  Chitins  noch  nicht  be- 
endet sei.  Es  zogen  nämlich  nach  der  Intima  hin  kegelförmig  ver- 
breiterte, hyaline  Plasmastränge,  die  sich  mit  Eosin  färbten  und  dem 
Chitin  der  Intima  ähnlich  sahen. 

Im  Gegensatze  dazu  fand  ich  bei  andern  Objekten,  die  von  älteren 
Käfern  herrührten,  daß  die  Intima  der  Samentasche  bedeutend  kräf- 
tiger entwickelt  war  und  sehr  starke  Falten  aufwies,  die  auf  Querschnitten 
den  Eindruck  scharfkantiger  Zähne  machten  (Fig.  33).  An  einer  solchen 
Intima  waren  die  beiden  Schichten  nicht  mehr  so  scharf  zu  unterschei- 
den. Die  Epithelzellen  aber  erschienen  geschrumpft,  und  ihr  Plasma 
hatte  sich  von  der  Intima  zurückge- 
zogen (Fig.  33).  Jedoch  war  der  Zu- 
sammenhang mit  der  Intima  dadurch 
gewahrt,  daß  von  den  Zellen  stark 
lichtbrechende  Säulen  (s)  zu  ihr  hin 
zogen,  die  den  dazwischen  liegenden 
Hohlräumen  an  Breite  ziemlich  gleich- 
kamen. Diese  Säulen  machten  ganz 
den  Eindruck  des  Chitins,  wie  es  in 
der  hellen  Intimaschicht  vorliegt.  Sie 
sind  gegen  das  Chitin  nicht  scharf  ab- 
gesetzt und  treten  in  die  Epithelzellen 
als  helle,  mit  Eosin  färbbare  Stränge 
tief  hinein.  Man  kann  sich  die  Säulen 
derart  entstanden  denken,  daß  die 
Epithelzellen  in  ihrer  Tätigkeit,  Chitin 
zu  bilden,  schon  erschöpft  waren,  in  diesem  Zustande  aber  doch  noch 
Chitin  abschieden,  aber  nicht  mehr  in  dem  Maße,  daß  neue  Lamellen 
zustande  kamen.  Es  fanden  also  die  Chitinablagerungen  nicht  mehr 
in  der  ganzen  Breite  der  Einzelzellen  statt,  und  durch  weitere  Aus- 
scheidung oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  durch  Umwandlung  des  Plas- 
mas, bildeten  sich  die  Chitinsäulen,  welche  schließlich  die  einzige  Ver- 
bindung der  geschrumpften  Zellen  mit  der  Intima  bilden  (Fig.  33). 

Die  Muskulatur  des  Receptaculums  (Fig.  32)  besteht  aus  nur 
wenigen  Lagen  von  Längsmuskelfasern,  die  nach  der  Spitze  desselben 
flach  auslaufen  und  letztere  nicht  mehr  umschließen.  Eine  Ring- 
muskulatur  fehlt.  Überhaupt  ist  das  Receptaculum  infolge  seiner 
starken    Intima    ein    derart    fester    Behälter,    daß    eine    Kontraktion 


— im 


Fig.  33. 

Schnitt  durch  die  Wandung  des  Kecepta- 

culums.  s,  Chitinsäulen,  die  die  Zellen  mit 

der  Intima  verbinden.     Sonst  wie  Fig.  32. 

Vergr.  364/1. 


226  Carl  Demandt, 

desselben  durch  die  Muskelfasern  nur  in   sehr  geringem  Maße  mög- 
lich ist. 

c.  Der  Befruchtungsgang. 

Nach  der  STEiNschen  Nomenklatur  gehören  Scheide  und  Begattungs- 
tasche zu  den  Begatfrungsorganen,  während  das  Receptaculum  seminis 
dem  Befruchtungsapparat  zuzurechnen  wäre.  Zu  diesem  Befruchtungs- 
apparate gehört  nun  der  von  Stein  für  die  Käfer  nachgewiesene  Be- 
fruchtungsgang, welchen  dieser  Autor,  wie  besonders  aus  seinen  Ab- 
bildungen hervorgeht,  allgemein  als  einen  geschlossenen  Kanal,  ein 
Rohr  auffaßt,  das  von  der  Samentasche  zur  Einmündung  des  Eierganges 
in  die  Scheide  führt  und  die  Aufgabe  hat,  die  Spermatozoen  aus  dem 
Receptaculum  zurückzuleiten  zwecks  Befruchtung  der  austretenden 
Eier.  Da  nun  die  Verhältnisse  bei  Dytiscus  marginalis  und  bei  den 
Dytisciden  überhaupt  insofern  etwas  schwieriger  liegen,  als  der  Be- 
fruchtungsgang hier  kein  selbständiges,  isoliertes  Organ  darstellt,  so 
ist  es  zu  verstehen,  daß  Stein  auch  für  die  Dytisciden  den  Befruch- 
tungsgang  als  geschlossenes  Rohr  ansah,  zumal  er  diese  Verhältnisse 
am  Totalpräparate  studieren  mußte.  Diese  STEiNschen  Befunde  sind 
nun  bisher  nicht  wieder  nachgeprüft  worden,  und  so  erklärt  es  sich, 
daß  wir  in  der  neuesten  Literatur  noch  die  STEiNsche  Auffassung  vor- 
finden (Beklese). 

Der  Befruchtungsgang  bleibt  bei  Dytiscus  mit  der  Begattungs- 
tasche und  ihrem  Halse  in  ständiger  Verbindung  und  nicht  nur  das, 
sondern  er  bildet  direkt  einen  Teil  dieser  beiden  Organe  (vgl.  Fig.  26, 
welche  den  Verlauf  des  Befruchtungsganges  (bg)  klar  erkennen  läßt). 
Ein  Querschnitt  durch  den  Hals  der  Begattungstasche  (Fig.  27)  zeigt, 
daß  das  Epithel  desselben  auf  der  Höhe  des  früher  beschriebenen  musku- 
lösen Wulstes  (w)  in  ein  Cylinderepithel  mit  kleinen  Kernen  an  der 
Basis  der  Zellen  übergeht.  Die  Zellen  desselben  nehmen  eine  halb- 
kreisförmige Fläche  ein,  denn  sie  strahlen  radiär  aus  von  einer  dem 
Lumen  zugekehrten  Rinne,  welche  das  flach  auslaufende  Ende  des 
Befruchtungsganges  (bg)  darstellt.  Nach  der  Begattungstasche  hin 
vertieft  sich  nun  die  Befruchtungsrinne,  und  gleichzeitig  nimmt  in 
demselben  Maße  der  Längsmuskel wulst,  welcher  die  Rinne  trägt,  an 
Höhe  ab.  Auf  diese  Weise  senkt  sich  die  Befruchtungsrinne  allmählich 
tiefer  in  die  Wandung  des  Halses  der  Begattungstasche  und  besonders 
der  Begattungstasche  selbst  ein,  wie  ein  Querschnitt  durch  letztere 
zeigt  (Fig.  31).  Auf  Kosten  des  muskulösen  Wulstes,  der  in  das  Lumen 
des  Halses  hineinragte,  hat  sich  hier  das  Drüsenpolster  (drpx)  zu  be- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  227 

deutender  Mächtigkeit  entwickelt,  wie  ein  Vergleich  mit  dem  Drüsen- 
polster des  Halses  (Fig.  27  drp^  zeigt,  und  es  ist  der  Begattungstasche 
nunmehr  als  Wulst  außen  aufgelagert.  Von  der  Längsmuskulatur  des 
Wulstes  finden  sich  nur  noch  einige  Reste,  welche  das  Drüsenpaket 
außen  überziehen  (Fig.  31  Im).  Das  Lumen  der  Begattungstasche  ist, 
wie  bereits  beschrieben,  ausgekleidet  von  einem  schwach  gefalteten 
Epithel  (Fig.  31).  Auf  der  dem  Drüsenpolster  zugewandten  Seite 
schneidet  nun  das  Epithel  tief  ein,  und  bildet  auf  diese  Weise  eine 
Rinne:  es  ist  dies  der  Befruchtungsgang  (bg).  Das  Epithel  ist  an  der 
Basis  der  Rinne  stark  chitinisiert  und  wird  hier  durchsetzt  von  einigen 
Bündeln  feiner  Chitinröhrchen  (er),  welche  die  Endigungen  der  Aus- 
führimgsgänge  von  den  Drüsen  des  Befruchtungsganges  darstellen. 
Von  diesen  Chitinröhrchen  strahlen  die  Ausführungsgänge  aus  zu  den 
Drüsen  hin.  Als  tiefe  Rille  in  der  Wandung  der  Begattungstasche 
zieht  der  Befruchtungsgang  nun  zum  Receptaculum,  wo  er,  ohne  sich 
wesentlich  zu  verflachen,  sein  Ende  findet.  Aus  den  beschriebenen 
Querschnitten  geht  also  hervor,  daß  der  Befruchtungsgang  eine  be- 
sonders differenzierte  Stelle  der  Wandung  der  Begattungstasche  und 
ihres  Halses  ist.  Er  steht  mit  denselben  seiner  ganzen  Länge  nach 
in  offener  Kommunikation.  Vom  Samenbehälter  aus  betrachtet  stellt 
er  sich  dar  als  allmählich  flach  auslaufende  Rinne,  welche  an  der  Ver- 
einigungsstelle  des  Halses  der  Begattungstasche  mit  dem  Eiergang 
ihr  Ende  findet.  Ich  konnte  mich  davon  überzeugen,  daß  der  Be- 
fruchtungsgang bei  Coh/mbetes  und  Acilius  genau  so  gebaut  ist  wie 
bei  Dytiscus,  daß  also  auch  hier  kein  geschlossenes  Rohr  vorliegt. 

An  dem  Drüsenpolster  des  Befruchtungsganges  sind  zwei  Regionen 
zu  unterscheiden:  die  Hauptmasse  der  Drüsenzellen  (Fig.  31  drpx)  liegt 
hervorgewölbt  aus  der  Begattungstasche  als  Wulst  nach  außen,  der 
andre  Komplex  {drp»)  liegt  zwischen  Ringmuskulatur  und  Epithel  der 
Begattungstasche  zu  beiden  Seiten  des  Befruchtungsganges.  Dieser 
zweite  Drüsenkomplex  bildet  die  Fortsetzung  der  in  der  Scheide  zu 
beiden  Seiten  des  Lumens  liegenden  Drüsenpolster  (Fig.  28  drp.2).  Diese 
gehen  direkt  von  der  Scheide  auf  den  Hals  der  Begattungstasche  über, 
dabei  ihre  Lagerung  zu  beiden  Seiten  des  Lumens  bewahrend. 

Die  Drüsenpolster  des  Befruchtungsganges  setzen  sich  zusammen 
aus  einer  großen  Menge  von  Drüsenzellen,  welche  sehr  locker  aneinander 
gelagert  sind  (Fig.  31  drpx  u.  drp2).  Die  Polster  werden  durchzogen 
von  zahlreichen  Bindegewebsfibrillen  (um  das  Bild  nicht  zu  verwirren, 
wurden  sie  in  Fig.  31  nicht  dargestellt).  Die  ausführenden  Gänge  der 
Drüsenzellen   (ag)  ziehen,   ohne  sich   miteinander  zu  vereinigen,   zum 


228 


Carl  Demandt, 


*----if 


app 


Befruchtungsgange  hin,  das  Secret  jeder  einzelnen  Zelle  wird  also 
direkt  in  die  Kinne  geleitet.  Nach  seinem  Eintritt  in  die  Zelle  bildet 
der  Ausführungsgang  stets  ein  oder  zwei  Schleifen  (Fig.  34)  und  endigt 
dann  in  einen  komplizierten  Apparat  (Fig.  34  app).  Derselbe  ist  ver- 
schieden geformt:  birnförmig,  walzenförmig  oder  fast  kugelig.  Dieser 
Körper  besteht  aus  einer  großen  Anzahl  feinster  ellipsoidischer  Tuben, 
die  alle  in  den  centralen  Ausführungsgang  einmünden.  Um  ihn  herum 
liegt  ein  großer,  runder,  heller  Hof,  der  als  Sammelblase  (sb)  anzusehen 
ist.     Das  Plasma  der  Zelle  zeigt  um  die  Blase  herum  eine  schwache, 

radiäre  Strahlung.  Der  Kern  der 
Drüsenzelle  (k)  ist  sehr  chromatin- 
reich  und  besitzt  einen  umfang- 
reichen Xucleolus.  Für  die  Unter- 
suchung der  Drüsen  erwiesen  sich 
mit  Osmiumsäure  schwach  gefärbte 
Totalpräparate  in  Glyzerin  sehr 
günstig.  Auf  Schnitten  war  meist 
die  Blase  und  die  chitinöse  Endi- 
gung des  ausführenden  Kanales 
nicht  deutlich  zu  erkennen. 

Ist  denn  nun  der  Befruchtungs- 
gang, der  kein  geschlossenes  Rohr 
darstellt,  für  die  Rückleitung  der 
Spermatozoen  bedeutungslos  ge- 
worden? Diese  Frage  muß  ent- 
schieden verneint  werden.  Die 
sehr  starke  Faltung  des  Epithels 
der  Begattungstasche  und  ihres 
Halses  würde  eine  Rückwanderung  der  Spermatozoen  sehr  erschweren. 
Auch  würden  die  Spermatozoen  jedenfalls  sehr  oft  ihr  Ziel  verfehlen,  wenn 
sie  einfach  im  Lumen  dieser  Organe  zurückwandern  sollten.  Durch 
den  Befruchtungsgang  ist  aber  vor  allen  Dingen  gewährleistet,  daß  der 
Samen  dicht  an  die  Einmündung  des  Eierganges  und  somit  auch  leicht 
auf  die  vorbeigleitenden  Eier  gelangt.  Außerdem  begünstigt  die 
glatte  Wandung  des  Kanales  und  das  reichlich  abgesonderte  Drüsen- 
secret  die  Rückwanderung  der  Spermatozoen  ganz  außerordentlich. 

4.  Die  Drüsen  des  Scheidenrohres. 
Auf  die  feinere  Struktur  des  Chitinskeletes  und  der  Hypodermis 
des  Legeapparates  näher  einzugehen,  erübrigt  sich  hier,  da  diese  kaum 


Fig.  34. 

Drüsenzelle   des    Befruchtungsganges   stark    ver- 
größert: /,-.  Zellkern;  sb,  Sammelblase;  app,  aus- 
führender  Apparat;  ag,  Ausführungsgang. 
Vergr.  612/1. 


Der  Geschlechtsapparal   von  Dytiscus  marginalis. 


229 


wesentliche  Abweichungen  vom  Körperskelet  überhaupt  zeigen  dürften, 
und  bei  andern  Arbeiten  über  Dytiscus  mehr  Berücksichtigung  finden 
werden.  Es  sollen  daher  hier  nur  kurz  die  Drüsen  des  Scheidenrohres 
behandelt  werden. 

Bei  der  Beschreibung  des  Legeapparates  wurde  schon  erwähnt, 
daß  die  Membran  des  Scheidenrohres  in  dem  Abschnitte,  welcher  von 
der  Naht  der  Seitenspangen  zu  den  Genitalklappen  zieht  (Fig.  3  m2), 
infolge  eines  aufgelagerten  Drüsenpolsters  schwammig  aufgetrieben 
erscheint.  Die  Drüsen  liegen  auf  der  Innenseite  des  ausgestülpten 
Scheidenrohres.     Ihre  Ausführungsgänge,  welche  die  Membran  durch- 


,t>PP 


Fig.  35. 

Drüsen  des  Scheidenrohres:   ep,  Hypodermis  mit  Chitinbelag  (eh);  u,  schlauchförmige,  b,  kugelige 

Drüsenzellen;  <ii>i>-  ausführender  Apparat;  ag,  Ausführungsgang.     Vergr.  216/1. 


setzen,  münden  also  in  diesem  Falle  nach  außen.  In  der  Ruhelage 
(Fig.  10b)  liegen  sie  auf  der  den  Genitalklappen  zugewandten  Seite  der 
Membran,  münden  also  in  den  Raum,  welcher  den  Legesäbel  enthält, 
die  Sperma tophorentasche.  Daraus  geht  hervor,  daß  sie  nur  für  die 
Ruhelage  von  Bedeutung  sein  können  und  ihre  Aufgabe  ist  es  jeden- 
falls, den  Legesäbel  und  besonders  die  Membran  selber  einzufetten, 
damit  das  Ausstülpen  des  Säbels  erleichtert  wird. 

Ein  Querschnitt  durch  die  Membran  und  ihr  Drüsenpolster  (Fig.  35) 
zeigt  uns  ein  Epithel,  dessen  Zellgrenzen  mit  Sicherheit  nicht  zu  er- 
kennen sind.  Die  Kerne  der  Zellen  sind  klein  und  enthalten  einen 
Nucleolus.  Dem  Epithel  außen  aufgelagert  ist  eine  mächtige  Chitin- 
schicht (ch),  welche  fein  lameliiert  erscheint.  Sie  ist  ebenso  wie  das 
Epithel  durchzogen  von  den  stark  chitinösen  Ausführungsgängen  der 


230  Carl  Demandt, 

Drüsen.  An  dem  Drüsenpolster  kann  man  zweierlei  Drüsenzellen 
unterscheiden.  Die  innere  Lage  des  Polsters  wird  hauptsächlich  ge- 
bildet von  einzelligen  schlauchförmigen  Drüsen  (Fig.  35  a).  Sie  sind 
keulenförmig  und  von  mäßiger  Länge.  Der  Ausführungsgang  zieht  sich 
durch  sie  hindurch  fast  bis  zu  ihrem  Ende  und  ist  in  seinem  hinteren 
Abschnitte  umsäumt  von  einem  hellen  Hofe,  welcher  bei  starker  Ver- 
größerung eine  sehr  schwache  Strahlung  nach  dem  Ausführungsgange 
hin  erkennen  läßt.  Nicht  weit  von  dem  hinteren  Ende  der  Drüse 
liegt  der  nicht  sehr  große,  chromatinreiche  Kern.  Das  Plasma  der 
Drüsenzelle  ist  granuliert  und  in  der  Nähe  des  hellen  Hofes  an  dem 
ausführenden  Kanäle  (ag)  dichter,  so  daß  die  Zelle  hier  dunkler  er- 
scheint. 

Die  äußere  Lage  des  Drüsenpolsters  wird  gebildet  von  Zellen, 
welche  ebenfalls  schlauchförmig,  jedoch  an  ihrem  Ende  kugelartig 
verbreitert  sind.  Es  handelt  sich  auch  hier  um  einzellige  Drüsen. 
In  ihrem  schlauchförmigen  Abschnitte,  der  von  dem  stark  chitinösen 
Ausführungsgang  ((ig)  durchzogen  wird,  sind  sie  den  oben  beschriebenen 
Drüsen  sehr  ähnlich,  doch  fehlt  ihnen  der  helle  Hof  (Fig.  35  6).  Der 
Ausführungsgang  bildet  in  dem  kugelförmig  verdickten  Ende  der 
Drüsenzelle  eine  oder  zwei  Schleifen  und  endet  in  einen  Apparat  [apy), 
der  die  Secrete  zu  sammeln  und  in  den  Ausführungsgang  zu  leiten  hat. 
Derselbe  stellt  einen  länglich  ovalen,  mitunter  schwach  gekrümmten 
Körper  dar,  welcher  eine  radiäre  Strahlung  zu  dem  Ausführungsgange 
hin  aufweist.  Letzterer  ist  deutlich  bis  über  die  Mitte  des  Apparates 
zu  erkennen.  Der  Kern  der  Drüsenzelle  liegt  gewöhnlich  in  der  Nähe 
der  Endigung  des  Ausführungsganges  und  besitzt  außer  granuliertem 
Chromatin  einen  deutlichen  Nucleolus.  Das  Plasma  der  Drüsenzelle 
besitzt  wabige  Struktur,  in  der  Nähe  des  Kernes  weist  es  jedoch  starke 
Granulierung  auf,  so  daß  hier  die  Zelle  bedeutend  dunkler  erscheint. 
Das  Plasma  zeigt  außerdem  oft  Vacuolen  wechselnder  Größe,  die  mit 
einer  schmutzig  grauen  Substanz  erfüllt  sind,  welche  jedenfalls  als 
vorgebildetes  Secret  anzusehen  ist.  Die  Ausführungsgänge  der  Drüsen- 
zellen sind  ziemlich  weit,  so  daß  man  ihr  Lumen  gut  erkennen  kann. 
Sie  münden  einzeln  oder  auch  in  Bündeln  von  zwei  bis  vier  nach  außen. 

B.  Der  männliche  Geschlechtsapparat. 
I.  Die  Orientierung  im  Körper. 
Der  hintere  Abschnitt  der  Höhlung  des  Abdomens  wird  beim  Männ- 
chen wie  beim  Weibchen  von  dem  Copulationsapparat  eingenommen, 
welcher  fast  bis  zum  Hinterrande  des  sechsten  Segmentes  nach  vorn 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  231 

reicht  (Fig.  36  kop.app).  Der  Ductus  ejaculatorius  (Fig.  36  de)  tritt 
am  Vorderraude  etwas  rechts  seitlich  aus  dem  Copulationsapparat 
hervor  und  biegt  direkt  nach  unten  um.  Er  ist  bei  normaler  Lage  des 
Geschlechtsapparates  nicht  sichtbar,  da  dem  Copulationsapparate 
dicht  vorgelagert  die  beiden  Nebenhoden  liegen  (Fig.  36  nh).  Letztere 
erstrecken  sich  als  einheitlicher  Körper  quer  durchs  Abdomen1.  Seit- 
lich treten  aus  den  Nebenhoden  die  beiden  Vasa  efferentia  (Fig.  36  ve) 
hervor,  welche  von  den  Hoden  herkommen.  Die  Hoden  liegen  im 
vorderen  Teile  der  Höhlung  des  Abdomens  und  zwar  seitlich  dicht 
am  Körperrande.  Zwischen  ihnen  treten  die  Windungen  der  Anhangs- 
drüsen hervor  (Fig.  36  ect).  Diese  werden  erst  nach  Entfernung  der 
Hoden  und  Nebenhoden  vollständig  sichtbar.  Sie  liegen  in  der  Tiefe 
des   Abdomens  in  mehrfachen  Windungen. 

Die  Befestigung  der  Weichteile  des  Geschlechtsapparates  an  dem 
Körperskelet  ist  hier  nicht  so  weitgehend  wie  beim  weiblichen  Apparate. 
Die  Verbindung  mit  dem  chitinösen  Copulationsapparate  stellt  einzig 
der  Ductus  ejaculatorius  her;  verbindende  Muskeln  fehlen  hier  ganz. 
Eine  besondere  Befestigung  der  Anhangsdrüsen  erscheint  auch  wegen 
der  kräftigen  Entwicklung  dieser  Organe  überflüssig,  und  es  kommen 
hier  nur  einige  Nerven  und  Tracheenstränge  in  Betracht.  Die  Hoden 
dagegen,  als  der  empfindlichste  Teil  des  Geschlechtsapparates,  sind 
mit  der  Körperdecke  fest  verbunden  und  zwar  durch  die  Tracheen  des 
vierten  und  besonders  des  fünften  Abdominalsegmentes.  Die  büschel- 
förmig vom  Stigma  des  fünften  Segmentes  ausstrahlenden  Tracheen 
umspinnen  den  Hoden  und  dringen  mit  ihren  feinen  Verästelungen 
zwischen  die  Windungen  des  Hodenschlauches  ein.  Auf  diese  Weise 
wird  eine  feste  Verbindung  des  Hodens  mit  dem  Körper  des  Käfers 
erzielt. 

Ferner  sei  hier  noch  der  Fettkörper  erwähnt,  in  welchen  die  Ge- 
schlechtsorgane eingebettet  sind.  Um  die  Hoden-  und  Nebenhoden 
bildet  er  eine  besondere,  schützende  Hülle,  die  Peritonealhülle.  Ais 
Ligamente  des  Hodens  sind  aber  noch  je  zwei  vom  Fettkörper  gebildete 

1  Wegen  des  bedeutenden  Umfanges  des  männlichen  Geschlechtsapparates 
wäre  es  unzweckmäßig  gewesen,  die  Weichteile  des  Apparates  in  der  normalen 
Lage  im  Körper  darzustellen,  da  ein  großer  Teil  der  Organe  dann  nicht  sichtbar 
ist.  Man  kann  sich  aus  Fig.  36  die  normale  Lage  leicht  konstruieren,  wenn  man 
sich  den  Nebenhoden  dem  Copulationsapparat  dicht  vorgelagert  denkt.  Die 
Hoden  würden  in  das  Abdomen  an  die  Stelle,  die  sie  in  Fig.  36  mit  ihrem 
hintereren  Abschnitte  verdecken,  zu  liegen  kommen,  während  die  mehrfach 
gewundenen  Ectadenien  von  Hoden  und  Nebenhoden  zum  Teil  verdeckt  am 
Grunde  des  Abdomens  liegen. 


232 


Carl  Demandt, 


Bänder  zu  nennen,  welche  sich  seitlich  am  Hinterende  des  Hoden- 
knäuels anheften  und  ähnlich  wie  die  Verbindungsstränge  der  Ovarien 
in  der  Mittellinie  des  Körpers  nach  vorn  verlaufen,  um  sich  im  Thorax 
mit  dem  übrigen  Fettkörper  zu  vereinigen. 


Fig.  36. 
Zeigt  den  gesamten  männlichen  Geschlechtsapparat:  den  Copulationsapparat  (kopapp),  Neben- 
hoden (nh),  Hoden  (h),  und  Anhangsdrüsen  (ect).    Weitere  Bezeichnungen  siehe  S.  -298.    Vergr.  6/1. 

II.  Morphologie  des  männlichen  Geschlechtsapparates. 

Die  Insekten  weisen  hinsichtlich  des  Baues  der  männlichen  Ge- 
schlechtsorgane eine  sehr  große  Mannigfaltigkeit  auf,  und  es  läßt  sich 
eine  größere  Anzahl   Typen  unterscheiden.     Eine  Zusammenstellung 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  233 

wurde  erst  in  neuerer  Zeit  von  Berlese  gegeben,  welcher  in  einer 
Reihe  schematischer  Bilder  die  verschiedenen  Arten  recht  anschaulich 
darstellt.  Nach  dieser  Zusammenstellung  gehören  die  Dytisciden 
zu  der  Gruppe,  welche  außerdem  die  Carabiden,  Cicindeliiden, 
Gyriniden,  Mordelliden  und  andre  Coleopteren  umfaßt,  und 
welche  gekennzeichnet  sind  durch  das  Fehlen  der  mesodermalen 
Anhangsdrüsen  (Mesadenien  nach  Escherich). 

Der  männliche  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  gliedert  sich  in 
verschiedene,  ziemlich  scharf  getrennte  Abschnitte  (vgl.  Fig.  36) : 

1)  Die    keimbereitenden   Organe,    gebildet    von   den  beiden 
Hoden  (A). 

2)  Der  Speicherungsapparat     der    Geschlechtsprodukte,     be- 
stehend aus: 

a.  dem  zuführenden  Vas  efferens  (ve), 

b.  dem  Nebenhoden  oder  Epididymis  (nh), 

c.  dem  abführenden  Vas  deferens  (vd,  Fig.  37). 

3)  Die  Anhangsdrüsen  oder  Ectadenien  (ect). 

4)  Der  Leitungsapparat  gebildet  von  dem  Ductus  ejaculatorius 
(de). 

5)  Der  Copulationsapparat  und  zwar 

a.  das  Chitinskelet, 

b.  die  Muskulatur. 

Die  unter  1.  und  2.  genannten  Organe  sind  mesodermalen  Ur- 
sprungs (primäre  Geschlechtsorgane  nach  Escherich),  die  übrigen 
(3.  u.  4.)  dagegen  sind  auf  ectodermale  Einstülpung  der  Körperbe- 
deckung zurückzuführen,  wie  ihre  chitinöse  Intima  beweist  (sekundäre 
Geschlechtsorgane  nach  Escherich). 

Wie  schon  erwähnt,  werden  die  primären  Geschlechtsorgane  um- 
hüllt von  der  Peritonealhülle,  einem  lockeren,  maschigen  Gewebe, 
welches  als  besondere  Differenzierung  des  Fettkörpers  erscheint.  Durch 
die  zahlreichen  Tracheenverästelungen  ist  sie  mit  den  umhüllten  Organen 
ziemlich  fest  verbunden,  so  daß  es  einige  Schwierigkeiten  bereitet, 
dieselben  frei  zu  legen. 

1.  Die  Hoden. 
Der  Hode  (Fig.  36  h)  bildet  zur  Zeit  intensiver  Samenerzeugung  — 
Sommer  und  Herbst  —  einen  ellipsoidischen  Körper  von  etwa  9  mm 
Länge  und  6  mm  Breite  und  Dicke.  Er  besteht  aus  einem  knäuel- 
förmig  aufgewundenen,  feinen  Schlauch,  dessen  Windungen  durch  die 
Maschen   der    Peritonealhülle   hindurch    gut   zu   erkennen   sind.      Die 


234  Carl  Demandt, 

Windungen  zeigen  insofern  eine  gewisse  Regelmäßigkeit,  als  stets  das 
blinde  Ende  und  die  sich  daran  anschließende  erste  Hälfte  des  Schlau- 
ches den  ventralen  Teil  des  Hodenknäuels  bilden,  so  daß  also  das  Vas 
efferens  (Fig.  36  ve)  stets  dorsal  aus  ihm  heraus  tritt.  Es  ist  dies  gut 
zu  erkennen  an  Hoden,  welche  noch  nicht  ganz  mit  Samenelementen 
angefüllt  sind.  Der  in  Fig.  36  dargestellte  Hode  ist  allerdings  schon 
ziemlich  weit  in  der  Entwicklung  vorgeschritten,  doch  läßt  er  immer- 
hin noch  erkennen,  daß  der  gefüllte  Abschnitt  des  Schlauches  eine 
muldenartige  Vertiefung  bildet,  in  welche  der  zweite,  leere  Abschnitt 
eingebettet  liegt.  Da  letzterer  zusammen  gefallen  ist.  sind  seine  Win- 
dungen durch  die  Peritonealhülle  hindurch  nicht  zu  erkennen,  infolge- 
dessen zeigt  uns  Fig.  36  besonders  am  rechten  Hoden  die  Schlauch- 
windungen nur  an  der  Peripherie  des  Knäuels.  Die  Länge  des  Hoden- 
schlauches beträgt  30 — 40  cm,  und  nicht  nur  8 — 10  cm,  wie  Schäfer 
angibt.  Genau  läßt  sie  sich  nicht  bestimmen,  da  sie  davon  abhängt, 
wie  stark  der  Schlauch  auch  beim  Aufrollen  gedehnt  wird.  Das  Auf- 
wickeln des  Knäuels  bereitet  nämlich  einige  Schwierigkeiten,  da  die 
Windungen  des  Schlauches  durch  die  Tracheen  sehr  fest  untereinander 
verbunden  sind. 

Der  Inhalt  des  Hodens  ist  von  außen  bei  Lupenvergrößerung  als 
helle,  körnige  Masse  zu  erkennen.  Der  gefüllte  Schlauch  weist  in  semer 
zweiten  Hälfte  gewöhnlich  eine  gut  zu  erkennende  Achse  von  gelb- 
gefärbter Substanz  auf,  die  wir  später  als  degenerierende  Samenele- 
mente, die  als  Nährmaterial  dienen,  kennen  lernen  werden.  Abwärts 
von  dem  mit  normalen  Elementen  gefüllten  Abschnitt  ist  oft  ein 
mehrere  Centimeter  langes  Stück  des  Hodens  nur  von  degenerierten 
Substanzen  erfüllt,  kenntlich  an  der  starken  Gelbfärbung.  Man  könnte 
diesen  Pfropf  mit  dem  Corpus  luteum  der  Eiröhre  vergleichen,  denn 
er  wird  von  den  nachdrängenden  Samenelementen  allmählich  weiter 
abwärts  geschoben,  ähnlich  wie  das  Corpus  luteum  vom  reifen- 
den Ei.  v 

Das  Aussehen  des  Winterhodens  weicht  von  dem  strotzend  an- 
gefüllten Sommerhoden  wesentlich  ab.  Am  blinden  Ende  erkennt  man 
alsdann  eine  etwa  2  cm  lange  Verdickung,  die  den  normalen  Umfang 
aufweist.  Dagegen  ist  der  ganze  übrige  Teil  des  Schlauches  leer  und 
daher  zusammengefallen  und  unscheinbar  geworden.  Das  ganze  Hoden- 
knäuel ist  demgemäß  auch  stark  geschrumpft,  so  daß  es  sich  besonders 
bei  fettreichen  Käfern  kaum  vom  Fettkörper  abhebt.  Das  blinde 
Ende  des  Hodens  ragt  dann  gewöhnlich  um  ein  winziges  Stück  aus 
dem  Knäuel  hervor.     Die   Verdickung  am  Ende   des   Hodens   ist   zu 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  235 

vergleichen    mit   der   Endkammer   der   Eiröhre,   denn   sie   enthält  wie 
diese  die  Keimzellen. 

2.  Der  Speicherungsapparat, 
a.  Das  Vas  efferens 
tritt  am  Hinterende  dorsal  aus  dem  Hoden  hervor  (Fig.  36  ve).  Es  ist 
ein  4 — 6  mm  langer  Schlauch,  der  den  Umfang  des  Hodenschlauches 
aufweist  und,  seiner  Füllung  entsprechend,  im  Sommer  ebenfalls  um- 
fangreicher ist  als  im  Winter.  Es  ist  von  der  Peritonealhülle  umschlossen 
und  geht  nach  kurzem  Verlauf  in  den  Nebenhoden  über. 

b.  Der  Nebenhoden  oder  die  Epididymis  (Fig.  36  nh) 
trägt  diesen  Namen,  weil  er  ebenso  wie  der  Hoden  einen  zu  einem  Knäuel 
zusammengeballten  Schlauch  darstellt.  Er  hat  die  Funktion  einer 
Samenblase  zu  erfüllen,  denn  in  ihm  wird  der  Same  aufgespeichert. 
Er  ist  im  Gegensatz  zu  dem  Hoden  besonders  im  Herbst  und  Winter 
stark  gefüllt,  da  alsdann  der  Samen  aus  dem  Hoden  in  ihn  übergetreten 
ist.  Seine  Länge  beträgt  ungefähr  15 — 17  cm,  und  man  kann  zwei 
Abschnitte  an  ihm  erkennen.  Der  an  das  Vas  efferens  sich  anschließende 
Teil  ist  weniger  dick  und  hat  eine  Länge  von  etwa  9  cm.  Der  zweite 
Abschnitt  weist  je  nach  seiner  Füllung  einen  Durchmesser  von  0,8 
bis  1,2  mm  auf  und  ist  6  cm  lang.  Wegen  des  geringen  Raumes,  der 
zur  Verfügung  steht,  liegen  die  beiden  Nebenhoden  dicht  aneinander 
getrennt  im  Abdomen,  so  daß  sie  als  einheitlicher,  walzenförmiger 
Körper  sich  quer  durchs  Abdomen  erstrecken  (Fig.  36  nh).  Bei  vor- 
sichtiger Präparation  gelingt  es  leicht,  die  beiden  Nebenhoden  un- 
versehrt zu  trennen. 

c.  Das  Vas  deferens  (Fig.  37  vd) 
tritt  auf  der  Ventralseite  aus  den  Nebenhoden  heraus  und  besitzt  eine 
Länge  von  nur  3 — -1  mm.  Es  ist  von  etwas  geringerer  Stärke  als  der 
letzte  Abschnitt  des  Nebenhodens  und  mündet  von  der  dorsalen  Seite 
her  in  die  Anhangsdrüsen  des  männlichen  Apparates  ein  (Fig.  37  ect). 
An  seiner  Mündung  verjüngt  es  sich  plötzlich  sehr  stark;  es  ist  dies 
auf  starke  Kontraktion  der  Muskulatur  zurückzuführen,  wodurch  der 
Austritt  des  Samens  verhindert  wird. 

Es  soll  noch  darauf  hingewiesen  werden,  daß  die  vorbeschriebenen 

Abschnitte,  Vas  efferens,  Nebenhoden  und  Vas  deferens  auch  in  ihrer 

Gesamtheit  als  Vas  deferens,  d.  h.  als  die  Samenelemente  ausführender 

Schlauch  aufgefaßt  werden  kann.    Es  läßt  sich  jedoch  nicht  bezweifeln, 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  16 


236 


Carl  Demandt, 


daß  ihre  Funktion  nicht  durchweg  dieselbe  ist,  und  infolgedessen  ist 
es  berechtigt,  diese  äußerlich  schon  gesonderten  Abschnitte  zu  unter- 
scheiden und  die  von  Auerbach  für  dieselben  eingeführten  Bezeichnun- 
gen zu  verwenden. 

3.  Die  Anhangsdrüsen. 
Die    Anhangsdrüsen    oder    Ectadenien    (nach    Escherich),    auch 
Kittdrüsen  genannt,  (Fig.  36  ect)  sind  zwei  blindendigende  Schläuche, 

welche  im  gefüllten  Zustande  durch- 
schnittlich 31/2  cm  Länge  und  1  mm 
Durchmesser  besitzen.  In  den  Mona- 
ten Mai  bis  Juli  sind  sie  weniger 
dick,  da  sie  zu  dieser  Zeit,  in  wel- 
cher keine  Copulationen  stattfinden, 
kein  Secret  enthalten.  Ihre  blin- 
den Enden  sind  durch  einen  feinen 
Muskelstrang  (siehe  Fig.  36  ms)  mit- 
einander verbunden.  Man  kann  an 
ihnen  zwei  Abschnitte  unterscheiden. 
Das  erste  Stück  in  einer  Länge  von 
9 — 12  mm  ist  von  milchweißer  Farbe 
und  schwach  durchscheinend.  Der 
übrige  Teil  bis  zur  Vereinigung  der 
beiden  Schläuche  ist  gelbweiß  und 
übertrifft  den  ersten  Abschnitt  etwas 
an  Durchmesser.  Das  Endstück  der 
Drüse  ist  stets  derart  gekrümmt,  daß 
es  dem  zweiten  Teile  ziemlich  parallel 
verläuft  (Fig.  36!).  Kurz  unterhalb 
der  Krümmungsstelle  weist  der 
Drüsenschlauch  zwei  dicht  aufeinan- 
der folgende  Verdickungen  auf. 

In  die  Ectadenien  münden  nun 
pi„t  2,1.  v,,n    c^er    Dorsalseite    her    die    Vasa 

Penis  (pe)  und  Parameren  ipa)  isoliert  mit  defereiltia  ein  (Fig.  37).  In  dem 
.lern  Ductus  ejacnlatorius  und  der  Mündung  ahwärts  von  dieser  Einmündung  Ver- 
der  \asa  deferentia  (ni)  in  die  Anhangsdrusen  . 

(ect).    vergr.  7/i.  laufenden  Abschnitt  nähern  sich  die 

Drüsenschläuche    und     verschmelzen 

allmählich  miteinander.     Sie  bewahren  aber  ihre  getrennten   Lumina 

noch   weiter,    wie   schon   äußerlich   an   der  bedeutenden  Breite  dieses 


Der  Geschlechtsappurat  von  Dytiscus  marginalis.  237 

Abschnittes  zu  bemerken  ist.  Dieser  Abschnitt,  welcher  morphologisch 
den  Kittdrüsen  zuzurechnen  ist,  hat  also  die  Aufgabe,  sowohl  das 
Drüsensecret  als  auch  die  Spermatozoen  in  den  folgenden  Teil  des 
Geschlechtsapparates,  den  Ductus  ejaculatorius,  zu  leiten. 

4.  Der  Ductus   ejaculatorius. 

Der  Ductus  ejaculatorius  (Fig.  36  u.  37  de)  ist  ein  nicht  besonders 
starker,  unpaarer  Schlauch  von  etwa  6 — 7  mm  Länge  und  0,8  mm 
Durchmesser.  Er  beginnt  kurz  unterhalb  der  Vereinigungsstelle  der 
beiden  Ectadenien.  Diese  Stelle  ist  gekennzeichnet  durch  eine  chitinöse 
Einlagerung,  welche  die  Form  eines  etwas  schiefen  Hufeisens  hat  (Fig.  37 
cb).  Sie  wird  noch  genauer  beschrieben  werden.  Der  Ductus  ejacula- 
torius mündet  in  der  von  dem  chitinösen  Penis  gebildeten  Kinne  nach 
außen.  Seine  Mündung  ist  eingefaßt  von  zwei  Chitinspangen  (Fig.  41 
csf),  welche  mit  dem  Penis  gelenkig  verbunden  sind  und  durch  je  einen 
sehr  feinen  Muskelfaden,  der  sich  in  der  Penisrinne  ansetzt,  bewegt 
werden  können. 

5.  Der  Copulationsapparat. 

a.  Die  Skeletteile. 

Bei  der  Beschreibung  des  Legeapparates  wurde  gezeigt,  daß  der 
chitinöse  Apparat  ein  Rohr  darstellt,  welches  als  Fortsetzung  der 
Körperbedeckung  den  hinteren  Abschluß  des  Abdomens  bildet.  Wir 
weiden  sehen,  daß  beim  männlichen  Käfer  die  Verhältnisse  ganz  ähnlich 
liegen.  Da  die  männlichen  Copulationsorgane  jedoch  weit  komplizierter 
gebaut  sind,  soll  zur  Erleichterung  des  Verständnisses  zunächst  an  der 
Hand  zweier  schematischer  Sagittalschnitte  durch  das  Abdomen  die 
Lage  der  Chitinteile  und  Membranen,  die  den  chitinösen  Apparat  auf- 
bauen, erläutert  werden. 

Das  erste  Schema  (Fig.  38«)  ist  so  gedacht,  daß  die  verbindenden 
Membranen  teilweise  sehr  stark  verlängert  angedeutet  und  derart  weit 
aus  dem  Abdomen  hervor  gezogen  wurden,  daß  sämtliche  Einfaltungen 
sich  glätteten.  In  Wirklichkeit  ist  es  also  nicht  möglich,  die  Organe 
so  weit  aus  dem  Körper  hervorzuziehen.  Fig.  38«  läßt  erkennen,  daß 
auch  der  männliche  Apparat  ein  membranöses  Rohr  ist,  in  welches 
verschiedene  Chitinplatten  und  -bogen  eingelagert  sind.  Es  soll  als 
Genitalrohr  bezeichnet  werden.  Die  chitinöse  Membran  des  Rohres 
setzt  sich  dorsal  am  Hinterrande  des  neunten  Tergits  an  (Fig.  38« 
u.  b  9t).  In  sie  eingelagert  sind  zunächst  zwei  kleinere  Chitinplatten, 
die  Analplatten  (ap),  ferner  ein  dünner  Chitinstab,  die  Gräte  {gr)  (vgl. 

lt;* 


238 


Carl  Deniandt, 


weiter  unten  S.  243).    Die  Membran  endet  dorsal  an  den  Parameren  (pa) 
und  am  Penis  (pe). 

Auf  der  Ventralseite  ist  die  Membran  des  Genitalrohres  weit  um- 
fangreicher ausgebildet,  da  sie  hier  im  eingezogenen  Zustande  sich  ver- 
schiedentlich einschlägt.  Sie  beginnt  am  Hinterende  des  achten  Ster- 
nits  (8s)  und  umschließt  zunächst  die  Genitalklappen  mit  ihrem  Bogen 


Fig.  38  a. 

Schema:    Der  Copulationsapparat  völlig  auseinandergezogen,  um  seinen  Zusammenhang  mit  dem 

Abdonun  zu  zeigen.     Die  Membranen  sind  durch  Wellenlinien  angegeben,     die  punktierte  Linie 

gibt  die  Richtung  des  oberen  Bogens  und  damit  dm  vorderen  Abschluß  des  Präputiums  an. 


Fig.  386. 

Der  Apparat  in  Copulationsstellung.  sonst  wie 
Fig.  38a. 


Fig.  39. 
Der  "Apparat  in  der  Ruhelage,  sonst  wie  Fig.  :J8«. 
Erklärung  der  Abkürzungen  siehe  S.  298. 


(gk  u.  üb).  Vom  hinteren  Rande  der  Genitalklappen  zieht  sie  zu  einem 
oberen  Bogen  (ob),  welcher  mit  den  Analplatten  auf  der  dorsalen  Seite 
des  Rohres  endigt  und  somit  das  Genitalrohr  ringförmig  umschließt. 
Vom  oberen  Bogen  zieht  die  Membran  weiter  zur  Ventralseite  von 
Penis  und  Parameren.  In  diesem  ihrem  letzten  Abschnitte  ist  noch 
eine  längliche  Chitinplatte  (vp)  eingelagert. 

Das  zweite  Schema  (Fig.  386)  stellt  den  Copulationsapparat  in  der 
Lage  dar,  die  er  bei  der  Begattung  einnimmt.    Die  verschiedenen  Ein- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginales.  239 

faltungen  der  Membranen  sind  hier  also  in  natürlicher  Lage  zu  erkennen. 
Es  ist  zunächst  die  Membran,  welche  vom  oberen  Bogen  zu  den  Genital- 
klappen zieht,  nach  hinten  eingeschlagen,  ebenso  die  Membran,  die  die 
Genitalklappen  mit  dem  Hinterrande  des  achten  Sternits  verbindet. 

Ich  komme  nunmehr  zur  Beschreibung  des  männlichen  Copulations- 
apparates  und  beginne  mit  dem  letzten  Abschnitt  des  Genitalrohres, 
den   Parameren  und  dem  Penis. 

Die  Parameren  (Fig.  37  u.  42  pa)  sind  zwei  schwach  gekrümmte 
Chitinplatten,  die  rinnenförmig  ausgehöhlt  sind.  In  der  Mitte  am 
breitesten,  laufen  sie  nach  hinten  spitz  zu.  Nach  vorn  verjüngen  sie 
sich  ebenfalls,  nehmen  jedoch  am  Vorderende  wieder  an  Breite  zu. 
Der  vordere  Teil  ist  zu  dem  übrigen  Abschnitte  nahezu  rechtwinklig- 
gebogen.  Die  hintere  Hälfte  der  Ventralkanten  der  Parameren  trägt 
eine  Fahne  aus  langen,  steifen  Haaren  (Fig.  37).  Mit  dem  Penis  sind 
die  Parameren  an  ihrem  Vorderende  durch  einen  kleinen  Höcker 
(Fig.  4(3  gh)  gelenkig  verbunden.  In  der  Ruhe  legen  sie  sich  wie  zwei 
Klappen  um  den  Penis  herum,  so  daß  nur  sein  Vorder-  und  Hinterende 
daraus  hervorsieht  (Fig.  37). 

Der  Penis  bildet  im  wesentlichen  eine  nach  hinten  flach  auslaufende 
starke  Chitinrinne,  die  in  einen  kleinen  Knopf  endigt  (Fig.  37  u.  40). 


Fig.  40. 
Der   Penis  vollkommen  isoliert  in  seitlicher  Ansicht,  sw,  membranöse  Seitenwand.    Vergr.  8  I. 

Nahe  seinem  Hinterende  trägt  er  auf  der  Unterseite  eine  zweireihige 
Haarfahne.  In  seinem  mittleren  Teile  ist  der  Penis  gleichmäßig  schwach 
gekrümmt,  kurz  vor  dem  Hinterende  ist  die  Krümmung  jedoch  etwas 
stärker.  Der  vorderste  Teil  des  Penis,  der  mit  den  Parameren  gelenkig 
verbunden  ist,  ist  so  stark  hakenartig  nach  hinten  umgebogen,  daß  er 
mit  dem  mittleren  Abschnitte  einen  spitzen  Winkel  bildet  (Fig.  40). 
Fast  zum  Rohr  geschlossen  ist  die  Penisrinne  an  der  Ausmündungs- 
stelle des  Ductus  ejaculatorius.  Letzterer  verläuft  auf  der  dorsalen 
Seite  des  Penis  und  mündet  nahe  seiner  Mitte  nach  außen.  Die  Wan- 
dung der  Penisrinne  wird  hier  beiderseits  von  einer  stark  chitinösen 


240  Carl  Demandt, 

Membran  gebildet  (Fig.  40  sw),  welche  dem  Kiele  seitlich  ansitzt  und 
nach  hinten  allmählich  an  Breite  abnimmt.  Diese  Wände  des  Penis 
können  seitlich  herabgeklappt  werden,  was  in  der  Tat  in  einem  ge- 
wissen Stadium  der  Begattung  geschieht,  wie  die  Untersuchungen  von 
Blunck  ergeben  haben. 

Die  Geschlechtsöffnimg  ist  bedeckt  von  einem  komplizierten  Appa- 
rate. Da  derselbe  hauptsächlich  von  der  Membran  des  Genitalrohres 
gebildet  wird,  so  ist  es  zweckmäßig,  zuerst  die  Membranen,  die  an  den 
Parameren  und  an  dem  Penis  ansetzen,  zu  beschreiben.  Zur  Erleich- 
terung des  Verständnisses  möchte  ich  für  den  membranösen  Teil  des 
Genitalrohres,  welcher  mit  dem  später  zu  beschreibenden  oberen  Bogen 
abschließt,  den  auch  in  der  Literatur  (Burmeister)  in  diesem  Sinne 
gebrauchten   Ausdruck    »Praeputium«   anwenden. 

Dorsal  spannt  sich  der  letzte  Abschnitt  des  Präputiums  zwischen 
den  oberen  Kanten  der  Parameren  aus  (Fig.  42  m^.  Da  diese  Membran 
an  den  hinteren  Ecken  der  Parameren,  immer  an  den  Kanten  inserierend, 
auf  die  Ventralkanten  derselben  übergeht,  so  bildet  das  Präputium 
zwischen  den  Parameren  einen  blindgeschlossenen  Beutel,  der  nach 
vorn  mit  der  Leibeshöhle  offen  kommuniziert.  Die  hintere  Begrenzungs- 
linie dieses  Beutels  bildet,  wie  Fig.  42  zeigt,  keine  gerade  Linie,  sondern 
die  Membran  ist  in  der  Mitte  eingezogen,  so  daß  der  Beutel  zweispitzig 
wird.  Der  Abschnitt  des  Präputiums,  der  sich  zwischen  den  ventralen 
Kanten  der  Parameren  ausspannt,  ist  äußerst  dick  und  gallertig,  da 
ihm  im  Innern  des  Beutels  zwei  keilförmige  Drüsenpakete  aufliegen. 
Diese  Drüsen  münden  nach  außen  auf  den  unterhalb  der  Membran 
gelagerten  Penis  aus. 

Von  den  Ventralkanten  der  Parameren  springt  das  Präputium 
nun  auf  den  Penis  über  und  bildet  hier  die.  von  hinten  gesehen,  trichter- 
förmige Geschlechtsöffnung,  indem  sie.  den  Ductus  ejaculatorius  um- 
faßt. In  Wirklichkeit  handelt  es  sich  hier  um  eine  Aussackung  des 
Präputiums.  Dieselbe  besteht  hauptsächlich  aus  einem  nach  hinten 
zugespitzten  Beutel  (Fig.  41  b).  der  dorsal  von  einem  in  die  Membran 
gelagerten  Chitinstachel  (csj)  gestützt  wird.  Mit  seinem  ventralen 
Vorderrande  ist  dieser  Beutel  am  Penis  befestigt,  und  zwar  setzt  sich  die 
Membran  seitlich  an  den  nach  innen  umgeschlagenen  Wänden  der 
Penisrinne  an  und  bildet  hier  beiderseits  eine  weitere  Aussackung, 
die  wieder  durch  zwei  seitliche,  dornförmige  Chitineinlagerungen  ge- 
stützt sind  (Fig.  41  cs2).  Dieselben  sind  in  der  Ruhelage  nicht  sichtbar 
(Fig.  40),  da  sie  in  der  Penisrinne  verborgen  liegen.  Von  den  Seiten- 
wänden des   Penis  springt  die  Membran  in  die   Penisrinne  über  und 


Der  Geschlechts  i|>|ur.it   von   Dytiscus  marginalis. 


241 


heftet  sich  hier  an,  die  Mündung  des  Ductus  ejucalatorius  fest  um- 
schließend. Von  dieser  ringförmigen  Ansatzstelle  gehen  wieder  zahl- 
reiche Chitinstrahlen  in  die  Membran  über.  Dicht  vor  diesem  Punkte 
wird  der  Ductus  von  den  schon  früher  erwähnten  lyraförmig  gebogenen 
Chitinspangen  (Fig.  41  csf)  umschlossen,  welche  zwrei  kurzen  Vor- 
sprüngen der  Penisrinne  gelenkig  ansitzen.  An  diesen  Spangen  setzt 
sich  auch  die  Membran  des    die  Rinnen    bedeckenden   Apparates   an. 


Fig.  41. 

Seitliche  Ansicht  der  Chitinteile  des  Copulationsapparates  bei  vorgestrecktem  Penis  {pe).     Der  den 

Penis  bedeckende  Apparat  in  gespreizter  Stellung.    Die  Seitenwand  des  Penis  ist  wegpräpariert, 

um  die  Stacheln  (es)  und  Spangen  (esp)  des  Penisdeckapparates  zu  zeigen.    Das  achte  Sternit  und 

das  neunte   Tergit   teilweise  mit  eingezeichnet.      Erklärung  der  Abkürzungen  siehe  s.  298. 

Vergr.  8/1. 

Letzterer  ist  also  infolge  seiner  umfangreichen  Insertion  an  den  Wänden 
und  dem  Kiele  des  Penis  als  Teil  dieses  Organes  aufzufassen,  zumal 
er  auch  bei  dem  Copulationsakt  eine  sehr  wesentliche  Rolle  hinsichtlich 
der  Übertragung  der  Spermatophoren  spielt. 

Von  den  Spangen  in  der  Penisrinne  zieht  das  Präputium  weiter 
nach  vorn,  inseriert  an  den  dorsalen  Kanten  des  Penis  (Fig.  37  m2) 
und  springt  dann  wieder  auf  die  Ventralkanten  der  Parameren  über. 
Dieser  Abschnitt  des   Präputiums  enthält  wieder  ein  großes  Drüsen- 


242 


Car]  Demandt, 


polster.  Die  Drüsen  münden  in  den  Raum,  der  von  den  Parameren 
und  der  starken  Krümmung  des  Penis  umschlossen  wird  (Fig.  37). 
Daher  stammt  auch  das  gelbe,  flockige  Secret,  welches  sich  zu  jeder 


n 


pa ■ 


-pa 


\ 


vi/ 


pe  \9 

Fig.  42. 

l»ie  Chitinteile  und  Membranen   (mx — fn6)  des  Copulationsapparates  von  der   Dorsalseite  gesehen. 

Penis  (pe)  und  Parameren  (pa)  stark  hervorgezogen.     J>ie  verdeckt  liegenden  Teile  der  Gräte  (gr) 

des  unteren  Bogens  (w&)  und  der  Analplatten  (ap)  durch  punktierte  Linien  begrenzt.    Abkürzungen 

siehe  S.  298.     Vergr.  8/1. 


Infolge  dieses  eigenartigen  Verlaufes  des 


Zeit  in  diesem  Räume  vorfindet 

ventralen  Abschnittes  des  Präputiums  gewinnt  man  den  Eindruck,  als  ob 

der  Penis  durch  eine  Öffnung  dieser  Membran  hervorgeschoben  würde. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  243 

In  seiner  Fortsetzung  nach  vorn  zieht  das  Präputium  dorsal  von 
den  Parameren  zu  den  Analplatten  (Fig.  42  ap),  und  zwar  zieht  es 
unter  ihnen  durch,  nur  an  den  seitlichen  Kanten  der  Platten  inserierend. 
So  bleibt  zwischen  Analplatten  und  dieser  Membran  eine  Öffnung  für 
die  Mündung  des  Enddarmes.  Zwischen  den  Parameren  und  den 
Analplatten  ist  ein  dünner  Chitinstab  aufgehängt,  die  Gräte  (Fig.  42  gr), 
deren  beide  Enden  verbreitert  sind.  Sie  durchsticht  sozusagen  die 
Membran,  so  daß  ihr  hinterer  Teil,  der  am  meisten  verbreitert  ist  und 
eine  Einkerbung  aufweist  (Fig.  42).  dem  Präputium  dorsal  aufliegt, 
während  der  ganze  übrige  Teil  frei  in  das  Genitalrohr  hineinragt 
(Fig.  386  gr). 

Auf  der  Ventralseite  zieht  das  Präputium  von  den  Parameren 
zu  dem  oberen  Bogen  (Fig.  41  u.  42  ob),  einem  ziemlich  umfangreichen 
bogenförmigen  Chitinstück,  welches  den  Seitenspangen  des  Weibchens 
entspricht.  Derselbe  ist  stark  asymmetrisch  gebaut.  Während  sein 
linker  Schenkel  gleichmäßig  stark  ist,  verbreitert  sich  der  rechte  ganz 
bedeutend.  Er  trägt  einen  ziemlich  umfangreichen  vorderen  (vv)  und 
einen  kleinen  hinteren  Vorsprung  {hü).  Dieselben  sind  schwach  nach 
innen  umgebogen.  Die  Hinterenden  der  beiden  Schenkel  des  Bogens 
sind  zu  den  Analplatten  («p)  verbreitert.  Diese  Platten  sind  etwas 
größer  als  die  Analplatten  des  Weibchens  und  tragen  an  ihrem  Vorder- 
rande einen  kurzen,  schräg  nach  vorn  gerichteten  Stachel.  Über  die 
Form  des  oberen  Bogens  ist  noch  zu  sagen,  daß  die  Analplatten  am 
weitesten  dorsal  liegen,  und  daß  die  Schenkel  des  Bogens  sich  nach 
vorn  tiefer  in  den  Körper  hineinsenken  (Fig.  41).  Infolgedessen  bildet 
das  Präputium,  welches  sich  ventral  an  den  Rändern  des  Bogens  an- 
setzt, eine  muldenförmige  Vertiefung  (Fig.  41  m2).  Rechtsseitig  in 
dieser  .Mulde  liegt  die  Ventralplatte  des  Präputiums  (Fig.  42  vp),  eine 
Chitinplatte,  die  an  ihrem  Hinterende  abgerundet  ist,  nach  vorn  aber 
in  zwei  Spitzen  ausläuft.  Mit  den  Vorderenden  stößt  sie  fast  an  den 
oberen  Bogen,  wo  derselbe  sich  zum  vorderen  Vorsprunge  verbreitert. 
Nach  hinten  zieht  sie  bis  zu  der  starken  hinteren  Krümmung  des  Bogens. 
Diese  Chitinplatte  ist  aus  zwei  gleichen  Teilen  durch  Verwachsung 
gebildet.  Jedenfalls  konnte  ich  bei  einem  Käfer  konstatieren,  daß 
sich  die  Spaltung  in  die  beiden  vorderen  Spitzen  soweit  ausdehnte, 
daß  die  Platte  nur  noch  am  Hinterrande  zusammenhing.  Auf  dieser 
Platte  ruht  der  Penis  mit  den  Parameren  im  eingezogenen  Zustande, 
und  sie  stellt  eine  glatte  Fläche  dar,  auf  der  diese  Organe  beim  Aus- 
stülpen bequem  nach  hinten  gleiten. 

Die  Insertion  des  Präputiums  am  oberen  Bogen  umfaßt  nicht  dessen 


244  Carl  Demandt, 

Ventralkanten  bis  an  die  Analplatten  heran,  sondern  sie  endet  kurz 
vor  denselben.  Auf  diese  Weise  wird  für  den  Penis  unterhalb  der 
Analplatten  eine  Öffnung  geschaffen,  durch  welche  er  zwecks  Begattung 
hervorgeschoben  werden  kann.  Bei  eingezogenem  Penis  schlägt  sich 
daher  das  Präputium  an  der  Verbindungslinie  der  beiden  Grenzpunkte 
der  Insertion  nach  innen  um  (Fig.  39.4).  Bei  eingezogenem  Penis  wird 
also  der  ganze  hintere  Teil  des  Präputiums  nach  innen  eingestülpt, 
so  daß  auf  diese  Weise  Penis  und  Parameren  von  demselben  eingehüllt 
sind,  und  nur  ihr  vorderer  Teil  und  ihre  hinteren  Spitzen  daraus  hervor- 
ragen (Fig.  39).  Auch  wird  der  ausgestülpte  Penis  nicht  soweit  aus  dem 
Hautrohre  hervorgeschoben,  daß  dieses  ganz  ausgezogen  wird.  Viel- 
mehr überzieht  der  hintere  Abschnitt  des  Präputiums  Penis  und  Para- 
meren ein  kurzes  Stück  nach  hinten,  und  dann  erst  schlägt  sich  die  Mem- 
bran nach  vorn  um  (Fig.  38 &  B).  Auf  diese  Weise  ist  bei  vorgestrecktem 
Penis  und  Parameren  ein  kleiner,  vorderer  Teil  derselben  doppelt  ein- 
gehüllt. Erst  wenn  man  sämtliche  Muskeln  des  Copulationsapparates 
wegpräpariert,  kann  man  das  Präputium  vollständig  ausziehen.  Pey- 
toureau  hat  den  Zusammenhang  der  einzelnen  Membranen  an  dieser 
Stelle  nicht  richtig  erfaßt,  wie  aus  seiner  letzten  Abbildung  hervorgeht. 
Er  zeichnet  hier  vor  den  Analplatten  eine  Öffnung  in  die  muldenförmige 
Membran  des  Präputiums  (vgl.  Fig.  41),  durch  welche  der  Penis  vor- 
geschoben werden  soll.  Eine  weitere  Unrichtigkeit  zeigt  seine  Ab- 
bildung in  bezug  auf  die  Analplatten,  welche  zur  unpaaren  Platte 
verschmolzen  dargestellt  sind. 

Da  das  Präputium  dorsal  an  den  Analplatten,  ventral  am  oberen 
Bogen  ansetzt,  diese  Chitinteile  aber  einen  fast  einheitlichen  Ring 
darstellen  (Fig.  41  u.  42),  so  geht  das  Präputium  hier,  ringförmig  vom 
oberen  Bogen  umfaßt,  in  die  Höhlung  des  Abdomens  über.  Von  der 
Unterseite  des  oberen  Bogens  schlägt  sich  nun  die  chitinöse  Membran 
des  Genitalrohres  nach  hinten  wieder  um  und  inseriert  an  den  medianen 
Tfcennungskanten  der  Genitalklappen  (Fig.  42  m3). 

Die  Genitalklappen  (Fig.  41  u.  42  gk)  sind  in  ihrem  Bau  von  denen 
des  Weibchens  verschieden.  Sie  sind  nämlich  nur  in  ihrem  hinteren 
Abschnitte  zweiteilig,  während  sie  vorn  durch  einen  Chitinbogen  und 
eine  zwischen  ihm  sich  ausspannende  Membran  zu  einem  Ganzen  ge- 
schlossen sind.  (Man  vergleiche  Fig.  44 :  Die  Genitalklappen  (gk)  sind 
auf  der  rechten  Seite  der  Figur  dargestellt,  während  auf  der  linken 
Seite  ihre  Grenze  durch  eine  punktierte  Linie  angegeben  ist.)  Infolge- 
dessen kann  man  beim  Männchen  an  den  Genitalklappen  vier  Teile 
unterscheiden :  den  Bogen,  die  beiden  hinteren  Platten  und  die  zwischen 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  245 

ihnen  sich  ausspannende  Membran  (Fig.  41,  42  u.  44  m4).  Der  Bogen, 
den  ich  zum  Unterschiede  vom  oberen  Bogen  den  unteren  Bogen  nenne 
(üb),  trägt  zwei  paar  Fortsätze,  nämlich  beiderseits  einen  kleinen  vor- 
deren und  einen  großen  hinteren  (Fig.  41  kv  u.  gv).  Dieselben  sind 
jedoch  weit  weniger  umfangreich  als  die  Vorsprünge  der  weiblichen 
Genitalklappen  (vgl.  Fig.  3).  Die  Platten  der  Genitalklappen  sind  am 
hinteren  Rande  abgerundet  und  laufen  nach  vorn  in  je  zwei  Spitzen 
aus.  Mit  dem  unteren  Bogen  sind  sie  beweglich  verbunden.  Ihr  Hinter- 
rand ist  wie  beim  Weibchen  etwas  dorsal  umgeschlagen  (Fig.  42  u.  43). 

Von  der  hinteren  Kante  des  oberen  Bogens  auf  der  Ventralseite 
der  Genitalklappen  zieht  die  Membran  des  Genitalrohres  (Fig.  41  m5) 
schließlich  wieder  nach  hinten  und  heftet  sich  am  umgeschlagenen 
Hinterrande  des  achten  Sternits  an  (Fig.  41  8s).  Sie  bildet  so  auf  der 
Ventralseite  des  Copulationsapparates  den  Abschluß  des  Abdomens. 
Dorsal  wird  dieser  Abschluß  erzielt  durch  die  Membran,  welche  am 
Hinterrande  des  neunten  Tergites  ansetzt  und  zunächst  dorsal  auf 
den  Analplatten  und  zwar  an  deren  vorderen  Rande  inseriert  (Fig.  42  m6) 
und  von  da  hinabzieht  zum  umgeschlagenen  Hinterrande  der  Genital- 
klappen. 

Zum  Schluß  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  die  Genitalklappen  des 
Männchens  von  denen  des  Weibchens  in  der  Funktion  verschieden  sind. 
Sie  werden  beim  Vorstrecken  des  Penis  nur  in  geringem  Maße  aus  dem 
Abdomen  hervorgeschoben  und  schwach  gespreizt  (Fig.  47).  Sie  spielen 
also  beim  Aufbau  des  Genitalrohres  nicht  eine  so  wesentliche  Rolle 
wie  beim  Weibchen,  zumal  sie  auch  nicht  in  die  seitliche  Stellung  ge- 
bracht werden  können,  die  für  die  Genitalklappen  des  Weibchens 
charakteristisch  ist.  Ferner  ist  über  den  Penis  noch  zu  erwähnen,  daß 
er  in  der  Ruhelage  seitlich,  also  asymmetrisch  zu  liegen  kommt.  Er 
wird  nämlich  beim  Einziehen  um  90  Grad  gedreht,  und  zwar  derart, 
daß  das  rechte  Paramer  auf  die  Ventralseite  gelangt  (vgl.  Fig.  39  u.  46). 
Diese  infolge  der  gekrümmten  Form  des  Penis  notwendige  Drehung 
hat  auch  die  Asymmetrie  des  oberen  Bogens  bedingt,  da  an  seinem  rech- 
ten Schenkel  Vorsprünge  geschaffen  werden  mußten,  die  den  Dreh- 
muskeln des  Penis  als  Ansatzstellen  dienen  konnten. 

Bezüglich  der  Literaturangaben  über  den  männlichen  Geschlechts- 
apparat gilt  dasselbe,  was  schon  für  den  Legeapparat  gesagt  wurde. 
Neben  Burmeister,  Verhoeff  und  Peytoureau  gibt  auch  Berlese 
zwei  Abbildungen  des  männlichen  Apparates  von  Dytiscus.  Er  sucht 
die  einzelnen  Teile  folgendermaßen  zu  deuten :  die  letzte  äußerlich  sicht- 
bare Rückenplatte  ist  das  neunte  Tergit,  die  letzte  sichtbare  Ventral- 


246 


Carl  Demant]  t. 


platte  das  achte  Sternit.  Die  Analplatten  mit  dem  oberen  Bogen 
stellen  das  zehnte  Tergit,  die  Genitalklappen  das  neunte  Sternit  dar, 
während  Penis  und  Parameren  als  das  stark  modifizierte  zehnte  Sternit 
anzusehen  sind.  Die  Bezeichnungen  für  die  einzelnen  Skeletteile 
wurden  zum  Teil  von  Burmeister  und  Verhoeff  übernommen,  und 
nur,  wo  es  wegen  des  Vergleiches  mit  dem  weiblichen  Apparate  zweck- 
mäßig erschien,  neue  eingeführt. 

b.  Die  Muskulatur. 
Dem  komplizierteren  Bau  der  Chitinteile  des  männlichen  Copula- 
tionsapparates  entsprechend  ist  auch  die  Anzahl  der  ihn  betätigenden 


7S- ~ 


Fig.  43. 
Der  Copulationsapparat  mit  seiner  Muskulatur  in  der  Ruhelage  von  der  Dorsalseite  gesehen.     Er- 
klärung der  Muskelabkürzungen  siehe  S.  299.     Vergr.  8/1. 

Muskeln  eine  größere  als  beim  weiblichen  Käfer.  Hinsichtlich  ihres 
Ursprunges  kann  man  die  Muskeln   in  gewisse   Gruppen   einteilen: 

1)  die  Muskeln,  die  am  neunten   Tergit  entspringen. 

Einige  der  beim  Weibchen  beschriebenen  Muskeln  treten  in  der- 
selben  Ausbildung  beim  Männchen  auf  und  zwar  (siehe  Fig.  43): 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


247 


der  lange  Heber  (?/)  und  der  kurze  Heber  (1b)  der  Genital  - 
klappen,  ferner  die  drei  Muskelpaare,  die  von  dem  Vorderrande  de? 
neunten  Tergites  zur  Cloake  ziehen,  nämlich  die  drei  Paar  Retrac- 
toren  der  Analplatten  (rla)  und  der  Spanner  der  Cloakhaut  (tm). 
Diese  Muskeln  inserieren  au  Skeletteilen,  den  Analplatten  und  dem 
neunten  Tergit,  welche  von  dem  geschlechtlichen  Dimorphismus  kaum 
berührt  werden,  und  daher  gleichen  sie  hinsichtlich  ihrer  Ausbildung, 
ihres  Verlaufes  und  ihrer  Funktion  vollständig  denen  des  Weibchens, 
so  daß  ich  hier  nicht  noch  einmal  näher  darauf  einzugehen  brauche. 


Fig.  44. 
Uie  Muskulatur  des  Copulationsapparates  von  der  Ventralseite  gesehen.    Die  (in  der  Figur)  linke 
Genitalklappe  wegpräpariert,  die  Umrisse  des  achten  Sternites  (8s)  punktiert  angedeutet.    Vergr.  8   L. 


Dem  Retractor  der  Seitenspangen  des  Weibchens  entspricht  hier 
der  kleine  Retractor  des  oberen  Bogens  (M.  retractor  parvus 
arcus  superioris,  Fig.  45  rpa),  ein  sehr  flacher  Muskel,  welcher  nahe 
dem  Vorderrande  des  neunten  Tergits  entspringt  und  zum  oberen 
Bogen  zieht.  Er  ist  von  untergeordneter  Bedeutung.  Noch  zu  er- 
wähnen ist,  daß  die  zwei  Paar  seitlichen  Suspensoren  der  Genital- 
klappen (M.  suspensor  anterior  und  M.  posterior  laminarum 
genitalium)  des  Weibchens  (vgl.  Fig.  5  sa  u.  sp)  auch  beim  Männchen 


248 


Carl  Demandt, 


vorhanden  sind  und  zwar  in  derselben  Ausbildung,  so  daß  sich  erübrigt, 
nochmals  darauf  einzugehen. 

2)  Die  Muskeln,  die  am  achten  Sternit  entspringen. 

Die  drei  Muskelpaare,  welche  die  Genitalklappen  mit  dem  letzten 
Sternit  verbinden,  stimmen  ziemlich  mit  den  Muskeln  des  Weibchens 
überein. 

Der  Suspensor  der  Genitalklappen  (M.  suspensor  magnus 
laminarum  genitalium,  Fig.  43,  44,  47  sm)  entspringt  seitlich  an  der 
Gelenkverbindung  des  achten  Sternits  mit  dem  vorhergehenden  siebenten 


Fig.  45. 

Die  Muskulatur  des  Copulationsapparates  von  der  rechten  Seite  gesehen.     Oberer  Bogen  (ob)  und 
Gräte   (gr)  stellenweise  punktiert  angedeutet.     Figur  zeigt  den  größten  Teil  der  Muskeln,  die  an 
der  Gräte  inserieren.     Vergr.  10/1. 

(Fig.  47)  und  inseriert  am  Vorderrande  des  unteren  Bogens  und  an 
seinem  vorderen  Vorsprung  (Fig.  44).    Er  ist  ziemlich  kräftig  entwickelt. 

Der  Protractor  der  Genitalklappen  (M.  protractor  la- 
minarum genitalium,  Fig.  44^)  entspringt  seitlich  am  Rande  des 
achten  »Sternits  und  zieht  nach  vorn  zum  hinteren  Vorsprang  (r/ü)  des 
unteren  Bogens,  an  dessen  Vorderrande  er  endigt.  Seine  Fasern  ver- 
laufen parallel. 

Der    Retractor    und    Schließer    der    Genitalklappen    (M. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiseus  marginalis. 


249 


retractor  laminarum  genitalium,  Fig.  44  rl)  entspringt  an  der 
Gelenkverbinduni:  des  achten  Sternits  mit  dem  siebenten,  an  der  Mittel- 
linie des  Körpers.  Er  zieht  nach  außen  und  inseriert  an  dem  unteren 
Bogen  und  zwar  hauptsächlich  an  seiner  Innenkante.  Er  ist  schwächer 
entwickelt  als  beim  Weibchen,  entsprechend  den  nur  geringen  Lage- 
verschiebungen der  Genitalklappen  des  Männchens. 

3)  Die  Muskeln,  die  von  den  Genitalklappen  zum  oberen  Bogen 
ziehen. 

Die  jetzt  zu  beschreibenden  Muskeln  entsprechen  ganz  ähnlichen 
des  Weibchens,  doch  muß  wegen  der  abweichenden  Form  der  Chitin- 
stücke, an  denen  sie  inserieren,  näher  darauf  eingegangen  werden. 

Die  Lage  des  oberen  Bogens  den  Genitalklappen  gegenüber  regeln 
zwei  Muskelpaare.  Hierher  gehört  zunächst  der  Protractor  des 
oberen  Bogens  (M.  protractor  arcus  susperioris,  Fig.  43  u.  47 


spd 


-  -af. 


Fig.  46. 

Co]  ulationsapparat  von  der  linke»  Seite  gesehen.    Figur  läßt  besonders  die  .Muskeln,  welche  vom 

Penis  zu  den  Parameren  verlaufen,  erkennen.     Muskelabkürzungen  siehe  S.  299.  Vergr.  8/1. 

pas).  Dem  Protractor  des  Scheidenrohres  entsprechend  ist  er  der  kräf- 
tigste Muskel  des  männlichen  Copulationsapparates.  Er  entspringt  auf 
der  dorsalen  Seite  des  hinteren  Vorsprunges  des  unteren  Bogens., 
doch  erstrecken  sich  seine  Fasern  auch  auf  die  Platten  der  Genital- 
klappen. Er  zieht  schräg  nach  vorn  und  inseriert  an  der  Ventralseite 
des  oberen  Bogens  (Fig.  44).  Ganz  auffallend  ist  die  Asymmetrie 
dieses  Muskelpaares.  Der  rechtsseitige  ist  fast  doppelt  so  stark  aus- 
gebildet als  der  linksseitige,  ganz  entsprechend  der  stärkeren  Ent- 
wicklung des  rechten  Schenkels  des  oberen  Bogens  (vgl.  Fig.  44).    Diese 


250  Carl  Demandt, 

Asymmetrie  ist  jedoch  nur  bei  Präparationen  von  der  Ventralseite  zu 
erkennen,  da  man  von  der  Rückenseite  nur  den  Ursprung  des  Muskei- 
paares  sieht.  Auch  bei  diesen  Muskeln  läßt  sich  die  Zusammensetzung 
aus  zwei  zusammengefalteten  Lagen  erkennen,  genau  wie  beim  Pro- 
tractor  des  Scheidenrohres. 

Den  Antagonisten  zu  dem  soeben  beschriebenen  Muskel  bildet  der 
Retractor  des  oberen  Bogens  (M.  retractor  magnus  arcus 
superioris,  Fig.  44,  45,  48  rma).  Er  entspringt  am  mittleren  Teile 
des  unteren  Bogens  (Fig.  44  urnia)  und  zieht  zu  dem  oberen  Bogen 
nach  hinten  und  oben,  um  an  ihm  kurz  vor  den  Analplatten  zu  inse- 
rieren (Fig.  45).  An  seiner  Ventralseite  ist  er  mit  der  Membran  (m2), 
die  sich  zwischen  dem  unteren  Bogen  ausspannt,  verwachsen.  Er 
entspricht  dem  langen  Retractor  der  Seitenspangen  des  weiblichen 
Käfers.  Ein  Muskel,  der  dem  kurzen  Retractor  der  Seitenspangen 
entsprechen  würde,  ist  beim  Männchen  nicht  vorhanden. 

4)  Die  Muskeln,  die  vom  oberen  Bogen  zum  Penis  ziehen. 

Die  Muskeln,  welche  jetzt  beschrieben  werden  sollen,  haben  gar 
keine  Beziehungen  zu  irgendwelchen  Muskeln  des  weiblichen  Käfers. 
Die  erste  Gruppe  inseriert  fast  ausschließlich  an  Penis  und  Para- 
meren  oder  an  der  Gräte.  Zunächst  zu  nennen  sind  hier  die  antaüo- 
nistischen  Rotatoren  des  Penis. 

Der  dorsale  Rotator  (M.  rotator  penis  superior,  Fig.  43. 
45 — 48  rps)  entspringt  auf  der  Innenfläche  des  großen  Vorsprunges 
des  oberen  Bogens  (vv)  und  zieht  quer  über  Penis  und  Parameren 
hinweg  nach  links,  um  an  der  Gelenkverbindung  des  Penis  mit  dem 
linken   Paramer  zu  inserieren. 

Sein  Antagonist,  der  ventrale  Rotator  (M.  rotator  penis 
inferior,  Fig.  44,  46 — 48  rpi)  entspringt  etwas  ventralwärts  von  dem 
Ursprung  des  dorsalen  Rotators  und  zieht  ebenfalls  nach  links,  dem 
oberen  Bogen  aufliegend,  und  inseriert  an  der  Gelenkverbindung  des 
rechten  Paramers  mit  dem  Penis.  Auf  diese  Weise  werden  Penis  und 
Parameren  von  den  beiden  Rotatoren  dorsal  und  ventral  umschlossen. 
Beide  Muskeln  sind  sehr  kräftig  entwickelt  und  ziemlich  breit;  ihre 
Fasern  verlaufen  am  Insertionspunkt  konvergent  zusammen. 

Anschließend  an  diese  Rotatoren  sind  zwei  weitere  Muskeln  von 
ähnlicher  Funktion  zu  nennen.  Zunächst  der  Protractor  des  Penis 
(M.  protractor  penis,  Fig.  43,  46,  47  pp).  Er  entspringt  an  der 
Innenseite  des  linken  Schenkels  des  oberen  Bogens  und  zieht  direkt 
nach  vorn  zur  Gelenkverbindung  des  rechten  Paramers  mit  dem  Penis. 
Er  ist  ziemlich  kurz  und  nicht  sehr  kräftig. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  251 

Der  zweite  Muskel  ist  der  lange  Protractor  des  Penis  (M. 
protractor  penis  longus,  Fig.  43,  45 — 48  jypl).  Sein  Ursprung  liegt 
an  der  Innenfläche  des  kleinen  Vorsprunges  des  oberen  Bogens,  und 
er  zieht  schräg  nach  vorn  über  Parameren  und  Penis  hinweg  (Fig.  43) 
zu  dem  Gelenkfortsatze  des  linken  Pararaers  (Fig.  46).  Dieser  Muskel 
ist  sehr  flach  und  von  geringer  Breite.  Aus  Fig.  46  geht  hervor,  daß 
diese  beiden  Protractoren  ein  Paar  zusammengehöriger  Muskeln  dar- 
stellen, da  sie  in  ihrem  Ursprung  und  ihrer  Insertion  einander  sym- 
metrisch gleich  sind.  Infolge  der  seitlichen  Drehung  des  Penis  sind 
jedoch  die  beiden  Muskeln  in  ihrer  Ausbildung  derart  verschieden, 
daß  man  in  der  Ruhelage  (Fig.  43)  sie  nicht  sofort  als  Paar  ansprechen 
wird. 

5)  Die  Grätenmuskulatur. 

Für  die  jetzt  zu  besprechenden  Muskeln  ist  die  Gräte  von  großer 
Bedeutung.  Wie  schon  bei  der  Beschreibung  des  chitinösen  Skelettes 
ausgeführt  wurde,  ist  die  Gräte  mit  ihrem  Hinterende  im  Präputium 
aufgehängt.  Sie  ist  rechts  seitlich  gelagert  und  erscheint  in  der  Ruhe- 
lage so  weit  nach  vorn  gezogen  (Fig.  43  gr),  daß  sie  mit  ihrem  Vorder- 
ende in  die  Höhe  der  Krümmung  des  Penis  zu  liegen  kommt.  An  den 
oberen  Bogen  ist  die  Gräte  durch  mehrere  Muskeln  befestigt.  Es  han- 
delt sich  hier  meist  um  kurze,  flache  Muskeln.  Vom  Hinterende  der 
Gräte  ziehen  zum  großen  Vorsprung  des  oberen  Bogens  drei  Retrac- 
toren  der  Gräte,  oder  besser  des  Präputiums,  denn  die  Gräte  stellt 
doch  nur  eine  für  Muskelansätze  geeignete  Chitineinlagerung  des  Prä- 
putiums dar. 

Der  obere  Retractor  des  Präputiums  (M.  retractor  prae- 
putii  superior,  Fig.  45  u.  47  rs)  zieht  von  dem  großen  Vorsprung 
des  oberen  Bogens  zur  hinteren  Verbreiterung  der  Gräte.  Er  ist  ziem- 
lich breit,  aber  sehr  flach  und  verläuft  längs  der  dorsalen  Kante  der 
Gräte.  Ihm  entspricht  ein  schwächerer  Muskel  auf  der  ventralen  Seite 
der  Gräte  mit  demselben  Verlaufe  (M.  retractor  praeputii  infe- 
rior, Fig.  45  ri).  Dazu  kommt  noch  ein  dritter  kurzer  Retractor 
(M.  retractor  praeputii  inferior  brevis,  Fig.  45  rb),  welcher  an 
der  ventralen  Kante  der  Gräte  entspringt  und  ebenfalls  am  vorderen 
Vorsprung  des  oberen  Bogens  sich  ansetzt,  jedoch  etwas  weiter  ventral, 
eo  daß  sich  seine  Fasern  mit  denen  des  unteren  Retractors  (ri)  kreuzen. 

Ein  kurzer,  flacher  Muskel  zieht  auch  von  der  Innenseite  des 
kleinen  Vorsprunges  des  oberen  Bogens  (hv)  zur  Gräte,  an  ihr,  etwas 
vom  Hinterende  entfernt,  inserierend.  Es  ist  der  Suspensor  des 
Präputiums  (M.   suspensor  lateralis   praeputii,  Fig.  45  slf). 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  17 


252  Carl  Demandt, 

Am  Vorderende  der  Gräte  inserieren  zwei  Protractoren  des  Prä- 
putiums, der  eine  (M.  protractor  brevis  praeputii,,  Fig.  43  u.  45 
pbp)  ist  ziemlich  kurz  und  zieht  zum  Vorderrände  des  großen  Vorsprun- 
ges des  oberen  Bogens  (vv).  Der  zweite  (M.  protractor  longus 
praeputii,  Fig.  45  plp)  entspringt  dorsal  am  Hinterrande  der  Ventral- 
platte des  Präputiums  (vp)  und  inseriert  an  der  rechten  unteren  Kante 
der  Gräte  in  deren  ganzer  Ausdehnung  vom  Vorderrande  bis  zur  Mitte 
der  Gräte.  Er  ist  sehr  lang  und  breiter  als  die  übrigen  Muskeln  der 
Gräte. 

Von  der  Ventralplatte  des  Präputiums  zieht  noch  ein  weiterer 
Muskel  zur  Gräte.  Dieser  kleine  Heber  des  Präputiums  (M.  le- 
vator  parvus  praeputii,  Fig.  45  Ip)  entspringt  ebenfalls  am  Hinter- 
rande der  Ventralplatte,  und  sein  Insertionspunkt  fällt  mit  dem  des 
Suspensors  (slp)  zusammen. 

Ein  zweiter  Heber  (M.  levator  magnus  praeputii,  Fig.  45  Im)  zieht 
vom  hinteren  Vorsprang  des  oberen  Bogens  (hv)  zum  Hinterrande 
der  Ventralplatte  des  Präputiums.  Er  ist  wesentlich  kräftiger  als 
der  kleine  Heber. 

An  der  Gräte  haben  nun  noch  zwei  weitere  Paare  stärker  ent- 
wickelter Muskeln  ihren  Ursprung.  An  ihrem  Vorderende  setzt  sich 
zunächst  links-  und  rechtsseitig  je  ein  Muskel  an,  welcher  allmählich 
sich  verflachend  zum  Penis  zieht  und  sich  in  der  Penisrinne  anheftet. 
Es  ist  der  Retractor  des  Penis  (M.  retractor  penis,  Fig.  43 — 45 
rpe). 

Vom  Hinterende  der  Gräte  kommt  ferner  ein  Paar  langer,  flacher 
Muskeln,  die  Protractoren  der  Parameren  (M.  protractor 
paramerorum,  Fig.  43 — 47  ppa).  Der  eine  von  ihnen  zieht  dorsal 
über  Penis  und  Parameren  hinweg  (Fig.  47)  und  inseriert  an  der  vor- 
deren Kante  des  linken  Paramers,  kurz  vor  dem  Gelenke  (Fig.  43). 
Der  zweite  zieht  auf  der  Ventralseite  herum,  ebenso  am  rechten  Paramer 
inserierend.  So  umfassen  sie  Parameren  und  Penis  ähnlich  wie  die 
beiden  Penisrotatoren. 

An  der  Gräte  inserieren  also  folgende  Muskeln: 
a.  an  ihrem  Vorderende : 

1)  drei  Retractoren  des  Präputiums  (rs,  riu.  rb),  welche  am  vor- 
deren Vorsprunge  des  oberen  Bogens  entspringen, 

2)  ein  Heber  des  Präputiums  (Ip),  der  am  Hinterrande  der  Ventral- 
platte (vp)  entspringt, 

3)  ein  Suspensor  des  Präputiums  (slp),  der  am  hinteren  Vorsprunge 
des  oberen  Bogens  entspringt, 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


253 


4)  die  Protractoren  der  Parameren   (ppa). 
b.  an  ihrem  Hinterende: 

1)  zwei  Protractoren  des  Präputiums  (pbp  u.  plp),  von  denen  der 
erste  am  vorderen  Vorsprung  des  oberen  Bogens,  der  zweite  an  der 
Ventralplatte  des  Präputiums  entspringt. 

2)  die  beiden  Penisretractoren  (rpe). 

6.  Die  Muskeln,  die  den  Penis  mit  den  Parameren  verbinden. 
Die  Bewegungen  von   Penis  und   Parameren   werden  durch  drei 


pa 


pa 


Fig.  47. 
Der  männliche  Apparat  in  Copulationsstelhmg  von  der  Dorsalseite  gesehen.     Oberer  Bogen  (oft) 
der  Genitalklappen  nach  hinten  gezogen,  letztere  auch  gespreizt  (vgl.  Fig.  43).    Penis  und  Para- 
meren (pa)  unter  das  Abdomen  geschlagen,  daher  ersterer  überhaupt  nicht,  letztere  nur  zum  Teil 

sichtbar.     Vergr.  8  1. 


Muskelpaare  bedingt.  Es  sind  hier  zunächst  die  Spreizer  der  Para- 
meren (M.  distensor  paramerorum  (Fig.  46  dpa)  zu  nennen.  Sie 
entspringen  an  dem  kurzen  Gelenkhöcker  der  Parameren  und  ziehen, 
in  dem  vordersten  Teile  der  Penisrinne  verlaufend,  bis  zum  Punkte 
der  stärksten  Krümmung  des  Penis.  Ihre  Insertion  umfaßt  den  Rinnen- 
rand, und  ihre  Lagerung  in  der  Rinne  bedingt  ihren  parallelen  Verlauf. 
Ein  zweites  Paar  kurzer  aber  kräftiger  Muskeln  liegt  zu  beiden 
Seiten  des  Penis  (M.  protensor  penis,  Fig.  43,  44  u.  46  prp).  Sie 
nehmen  ihren   Ursprung  an  den  äußeren  dorsalen  Kanten  der  Para- 

17* 


254 


Carl  Demanclt, 


meren  und  inserieren  an  den  äußeren  Rinnenkanten  des  vorderen 
Teiles  des  Penis  (Fig.  43  u.  46).  Ihre  Aufgabe  ist,  den  Penis  aus  den 
Parameren  hervorzuklappen. 

Das  letzte  Paar  hierher  gehöriger  Muskeln  bilden  die  beiden  Be- 
weger der  Parameren  (Musculus  motorius  paramerorum, 
Fig.  43  u.  44  mpa).  Sie  inserieren  zu  beiden  Seiten  am  längeren  Schen- 
kel des  Penis,  dicht  an  seiner  vorderen  Umbiegung.  Ihr  Ursprung 
umfaßt  die   Innenfläche   der   Parameren,   weit  nach  hinten  sich  aus- 


las  


Fig.  48. 

Copulationsapparal  mit  vorgestrecktem  Penis  (pe)  und  Parameren  (pa).    Ein  Vergleich  mit  Pig.  46 

zeigt   die  großen  Unterschiede  im  Verlaufe  der  Muskeln  in  der  Kuhekige  bzw.  hervorgestrecktem 

Penis.     Muskelabkürzungen  siehe  S.  299.     Vergr.  8/1. 


dehnend.     Sie  sind  bedeutend  länger  als  der  Protensor  des  Penis,  je- 
doch etwas  weniger  kräftig. 

Zum  Schluß  ist  noch  ein  Paar  schwacher,  flacher  Muskeln  von 
sehr  untergeordneter  Bedeutung  zu  nennen.  Es  sind  die  dorsalen 
Suspensoren  des  Präputiums  (M.  suspensor  dorsalis  prae- 
putii,  Fig.  43  spd).  Sie  ziehen  von  der  Dorsalkante  des  oberen  Bogens 
schräg  nach  hinten  zum  Präputium,  und  zwar  entspringt  der  rechts- 
seitige am  kleinen  Vorsprung  des  oberen  Bogens,  der  linksseitige  dicht 
neben  dem  Ursprünge  des  Protractors  des  Penis  (Fig.  43). 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  255 

Ferner  soll  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  auch  das  Männchen  ein 
Paar  Transversalmuskeln  des  Abdomens  (M.  transversalis 
abdominis  nach  Bauek)  aufweist,  welche  vom  achten  fSternit  zum 
achten  Tergit  ziehen.  Sic  gelangten  auf  den  gegebenen  Abbildungen 
nicht  zur  Darstellung,  da  sie  den  analogen  Muskeln  des  Weibchens 
vollkommen  entsprechen . 

Was  nun  die  Funktion  aller  dieser  Muskeln  betrifft,  so  wird  man 
sie  am  besten  verstehen,  wenn  man  sich  klar  macht,  wie  das  Vor- 
strecken und  Einziehen  des  Penis  zustande  kommt.  Beim  Ausstülpen 
des  Penis  werden  die  Genitalklappen  und  die  Analplatten  mit  dem 
oberen  Bogen  nur  wenig  aus  dem  Abdomen  her  vorgeschoben.  Diese 
Bewegung  wird  für  erstere  durch  ihren  auf  der  Ventralseite  gelegenen 
Protractor  (Fig.  44  pl)  herbeigeführt.  Weiter  wird  die  Kontraktion 
des  Protractors  des  oberen  Bogens  (Fig.  43  pas)  in  der  Hauptsache 
bewirken,  daß  dieser  Bogen  etwas  nach  hinten  gezogen,  die  Anal- 
platten also  aus  dem  Abdomen  hervorgeschoben  werden  (Fig.  47). 
Da  dieser  Protractor  aber  seitlich  an  den  ziemlich  beweglichen  Genital- 
klappen entspringt  (Fig.  47),  so  führt  seine  Kontraktion  zugleich  zum 
Spreizen  der  Klappen.  Ein  gar  zu  weites  Hervortreten  der  Genital- 
klappen wird  durch  ihren  Suspensor  (Fig.  44  sm)  verhindert.  Es  ent- 
steht so  ein  klaffender  Spalt  zwischen  den  Klappen,  durch  welchen 
nunmehr  der  Penis  und  die  Parameren  austreten  können. 

Durch  eine  gleichzeitige  Kontraktion  des  ventralen  Rotators 
(Fig.  44  rpi)  und  des  Protractors  des  Penis  (Fig.  43  pp)  wird  der  Penis 
mit  den  Parameren  in  seine  richtige,  symmetrische  Lage  gedreht  und 
um  ein  bedeutendes  Stück  aus  dem  Abdomen  hervorgeschoben.  Das 
weitere  Hervortreten  wird  durch  die  Muskulatur  der  Gräte  erreicht, 
und  zwar  wird  durch  Kontraktion  der  kurzen  und  langen  Protractoren 
des  Präputiums  (Fig.  45  php  u.  plp)  die  Gräte  (gr),  an  der  sie  inserieren, 
nach  hinten  gezogen  (Fig.  47).  In  dieser  Stellung  wird  nun  durch  Kon- 
traktion des  Protractors  der  Parameren  (Fig.  40  ppa)  die  Ausstülpung 
des  Penis  vervollständigt. 

Nunmehr  treten  die  Muskeln  in  Tätigkeit,  welche  Parameren  und 
Penis  verbinden,  und  zwar  ist  ihre  Funktion  eine  gleichzeitige,  da  es 
kaum  möglich  ist,  die  Aufgabe  der  einzelnen  Muskelpaare  scharf  zu 
umgrenzen,  doch  soll  versucht  werden,  durch  einige  Bemerkungen  zu 
erläutern,  wie  die  Bewegungen  des  Penis  und  der  Parameren  zustande 
kommen.  Eine  Kontraktion  der  Spreizer  der  Parameren  (Fig.  46  dpa) 
wird  die  Parameren  spreizen,  und  durch  die  Muskeln  prp  (Fig.  43  u.  46) 
wird  der  Penis  aus  ihnen  hervorgeklappt.    Die  tastenden  Bewegungen 


256  Carl  Deman.it. 

des  Penis  beim  Suchen  der  weiblichen  Geschlechtsoffnung  werden  wohl 
erzielt  durch  abwechselnde  Kontraktion  der  Vorstülper  und  Retrac- 
toren des  Penis  (Fig.  45  u.  46  jorj)  u.  rpe).  Um  die  Parameren  gegen 
das  Abdomen  des  Weibchens  zu  pressen,  erfolgt  die  Kontraktion  des 
Bewegers  der  Parameren  (Fig.  44  u.  47  rwpa),  doch  können  hierfür  auch 
noch  die  Protractoren  der  Parameren  (Fig.  43  u.  47  ppa)  in  Betracht 
kommen,  da  sie  am  Punkte  der  stärksten  Krümmung  der  Parameren 
inserieren. 

Wieder  eingezogen  werden  Penis  und  Parameren  auf  folgende 
Weise:  Durch  ihre  beiden  Retractoren  (Fig.  45  u.  47  rs u.  ri)  wird  die 
Gräte  allmählich  zurückgezogen  und  dadurch  das  Präputium  einge- 
stülpt. Durch  die  gleichzeitige  Kontraktion  der  Retractoren  des 
Penis  (Fig.  45  rpe)  wird  der  Penis  zwischen  die  Parameren  gelegt  und 
mit  diesen  ins  Abdomen  hineingezogen.  Endgültig  in  die  Ruhelage 
gebracht  wird  der  Penis  durch  starke  Kontraktion  seines  ventralen 
Rotators  (Fig.  46  u.  48  rpi).  Durch  den  seitlichen  Zug,  den  durch 
gleichzeitige  schwache  Kontraktion  die  Muskeln  pp,  rps  und  ppl 
(Fig.  46)  auf  den  Penis  ausüben,  wird  derselbe  gedreht  und  mit  den 
Parameren  in  seine  normale  seitliche  Lage  gebracht  (Fig.  43).  Da  die 
Gräte  nunmehr  in  ihre  Ruhelage  gekommen  ist.  wird  sie  durch  Kon- 
traktion des  Muskels  rpe  auch  den  Penis  soweit  einziehen  können,  daß 
seine  Krümmung  mit  dem  Vorderende  der  Gräte  in  gleiche  Höhe 
kommt  (Fig.  43). 

Hand  in  Hand  mit  dem  Zurückziehen  von  Penis  und  Parameren 
erfolgt  das  Einziehen  der  übrigen  Teile  des  Copulationsapparates. 
Die  Genitalklappen  werden  geschlossen  und  in  die  Ruhelage  gebracht 
durch  die  Kontraktion  ihres  Retractors  und  Schließers  (Fig.  ilrl), 
und  der  obere  Bogen  wird  durch  seine  Retractoren  (Fig.  45  vpa  u.  rma), 
sowie  durch  die  Retractoren  der  Analplatten  (Fig.  43  rla)  zurück- 
gezogen. Durch  die  Levatoren  der  Genitalklappen  (Fig.  43  U  u.  Ib), 
welche  die  Klappen  gegen  das  neunte  Tergit  anziehen,  kann  nun  auch 
noch  der  hintere  Spalt  des  Abdomens  zwischen  dem  neunten  Tergit 
und  dem  achten  Sternit  vollständig  geschlossen  werden. 

III.  Struktur  des  männlichen  Geschlechtsapparates. 

Die  Peritonealhülle.  Wie  schon  früher  erwähnt  (S.  231), 
werden  die  primären  Geschlechtsorgane  umhüllt  von  der  Peritoneal- 
hülle. Sie  tritt  mit  dem  Fettkörper  in  enge  Verbindung  durch  die  bei- 
den von  letzterem  gebildeten  Bänder,  welche  sich  an  sie  ansetzen.  Auf 
Schnitten  durch  Hoden  oder  Nebenhoden  ist  sie  zu  erkennen  als  ein- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  257 

fache  Schicht,  welche  das  Schnittbild  rings  umgibt.  Sie  umhüllt  also 
den  Hodenknäuel  in  seiner  Gesamtheit,  nicht  die  einzelnen  Windungen. 
Der  Hodenspitze  liegt  sie  dicht  auf,  besonders  bei  fast  entleertem 
Hodenschlauche,  da  jene  dann  etwas  aus  dem  Knäuel  hervorragt 
(Fig.  51  ph) .  Bezüglich  ihrer  feineren  Struktur  ist  dem  bei  der  Be- 
schreibung der  Peritonealhülle  der  Ovarien  Gesagten  nichts  mehr 
hinzuzufügen  (vgl.  Fig.  11).  Es  soll  nur  noch  erwähnt  werden,  daß 
das  Netz  von  Muskelfasern,  wie  wir  es  beim  Ovarium  fanden,  bei  der 
Peritonealhülle  des  männlichen  Apparates  nicht  vorhanden  ist. 

1.  Der  Hode. 

Die  Wandung  des  Hodens  von  Dytiscus  marginalis  zeigt  hinsicht- 
lich ihrer  Struktur  mit  derjenigen  von  Cybister  Roeselii,  wie  sie  von 
Voinow  geschildert  wird,  eine  derartige  Übereinstimmung,  daß  man 
das  von  Cybister  Gesagte  größtenteils  auf  unser  Objekt  übertragen 
kann.  Die  Wandung  des  Hodenschlauches  ist  durchweg  zweischichtig, 
sie  wird  gebildet  von  einem  äußeren  Epithel  (Fig.  51 — 57  he)  und  einer 
inneren,  elastischen  Membran  (Fig.  51 — 57  em). 

Das  Außenepithel  überzieht  den  ganzen  Hodenschlauch  und  endet, 
allmählich  flach  auslaufend,  am  Vas  efferens.  Es  ist  von  mäßiger  Höhe, 
und  Zellgrenzen  sind  an  ihm  nirgends  zu  erkennen,  eine  Tatsache, 
welche  Voinow  für  Cybister  ebenfalls  konstatiert.  Dieser  Autor  hält 
das  Fehlen  der  Grenzen  für  günstig  für  die  Elastizität  der  Hoden- 
wandung.  Das  Plasma  des  Epithels  hat  körnige  Struktur,  und  die  Kerne 
sind  länglich  oval,  mit  Nucleolus  oder  feinen  Chromatinpartikelchen 
versehen.  In  den  stark  gefüllten  Hodenabschnitten  ist  das  Epithel 
derart  gespannt,  daß  es  zur  sehr  dünnen  Schicht  wird,  welche  die  Kerne 
an  Breite  kaum  übertrifft  (Fig.  56).  Es  tingiert  sich  in  solchen  Stadien 
sehr  stark  mit  Eisenhämatoxylin,  so  daß  es  schwierig  ist,  die  Kerne 
zu  erkennen.  Dagegen  erscheint  es  bei  entleertem  Hoden  sehr  stark 
vaeuolisiert.  In  diesem  Zustande  tritt  die  jetzt  sehr  stark  erscheinende 
Basalmembran  (Fig.  49  bm)  deutlich  hervor,  welche  das  Hodenepithel 
außen  überzieht  und  sich  ebenso  wie  die  sehr  feine  Intima  mit  van 
GiESONschem  Gemisch  schön  rot  färbt  und  sich  so  gegen  das  dunkle 
Plasma  sehr  scharf  abhebt. 

Das  äußere  Hodenepithel  zeigt  auf  Schnitten  im  Inneren  sehr  oft 
Tracheenzweige  und  zwar  besonders  an  der  Spitze  des  Hodenschlauches 
(Fig.  51  tr).  Es  läßt  diese  innige  Verbindung  mit  den  Tracheen  schon 
darauf  schließen,  daß  das  Epithel  von  großer  Bedeutung  für  die  Er- 
nährung der  Samenelemente  sein  muß.     Auf  geeigneten  Querschnitten 


258 


Carl  Deniandt, 


durch  nicht  zu  stark  gefüllte  Hodenschläuche  erscheint  es  sehr  stark 
vacuolisiert  (Fig.  50).  Das  Plasma  zeigt  wabige  Struktur,  und  die 
Vacuolen  sind  erfüllt  von  einem  Secrete  (s),  welches  sich  mit  Eisen- 
hämatoxylin  tief  grau  färbt.  Das  Epithel  hat  also  secretorische  Funk- 
tion und  zeigt  ein  Aussehen,  wie  es  für  Drüsenzellen  charakteristisch 
ist.  Das  Plasma  ist  oft  beladen  mit  kleinen,  tiefschwarz  sich  färbenden 
Körnchen,  welche  als  Fetttröpfchen  anzusehen  sind  (Fig.  50  ft).  Das 
von  dem  Epithel  gebildete  Secret  ist  bei  günstigen  Präparaten  be- 
sonders  in   der   Spermatogonienregion   und   zwar  beim   Einsetzen  der 


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Fig.  4(1. 
Querschnitt  durch  den  leeren  Hodenschlauch,  Hodenepithel  [he), 
innen,  davon  abgehoben,  die  elastische  Membran  (em)  und  zwi- 
schen beiden  die  Kerne  (k)  mit  feinen  Gewebsfasern.    Weitere 
Abkürzungen  siehe  S.  298.     Vergr.  364   1. 


Fig.  50. 
Teil  der  Hodenwandung,  das  Epi- 
thel [he)  stark  vacuolisiert  und  mit 
Secreten  (&)  und  Fetttröpfchen  [ft) 
beladen.     Vergr.  612  1. 


Spermatogenese  im  Frühlinge  zu  konstatieren,  da  es  dann  als  dicker 
Belag  die  Hodenwandung  innen  überzieht  (Fig.  53  s). 

Die  elastische  Membran  bildet  die  innere  Auskleidung  des  Hoden- 
schlauches. Voinow  spricht  sie  als  Gleitschicht  für  die  Samenelemente 
an  und  ist  der  Ansicht,  daß  sie  das  Ergebnis  der  Umbildung  einer  Zellen- 
schicht ist,  da  sie  auf  der  Außenseite  kleine  ovale  Kerne  trägt.  Leider 
sagt  er  nicht,  welcher  Art  diese  Zellen  sein  sollen.  Bei  Dytiscus  kleidet 
die  Elastica,  wie  die  elastische  Membran  kurz  bezeichnet  werden  soll, 
den  Hodenschlauch  bis  zum  Beginn  des  Vas  efferens  aus  (Fig.  49 — 57 
em).  Am  leichtesten  ist  sie  auf  Schnitten  durch  den  entleerten  Schlauch 
zu  erkennen,  da  sie  stark  geschrumpft  erscheint  und  sich  vom  Epithel 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  259 

abgehoben  hat  (Fig.  49).  Weniger  deutlich  tritt  sie  auf  Schnitten  durch 
den  straff  gefüllten  Hoden  zutage,  doch  ist  sie  auch  hier  überall  nach- 
zuweisen. An  der  Hodenspitze  läßt  sich  ihre  feinere  Struktur  am  besten 
studieren,  da  die  Elastica  hier  von  beträchtlicher  Dicke  ist  (Fig.  51  em). 
Bei  starken  Vergrößerungen  erscheint  sie  fein  gefasert  und  weist  eine 
große  Anzahl  kleiner,  mit  Eisenhämotoxylin  sich  tief  dunkel  färbender 
Kerne  auf,  welche  in  unregelmäßigen  Abständen  aufeinander  folgen. 
Es  handelt  sich  also  bei  dieser  inneren  wie  bei  der  äußeren  Schicht 
ebenfalls  um  ein  Epithel,  welches  infolge  starker  Umbildung  als  solches 
meist  nicht  so  deutlich  zu  erkennen  ist  wie  das  Außenepithel. 

Dieselben  Verhältnisse  zeigt  auch  Fig.  52,  welche  einen  Längs- 
schnitt durch  die  Hodenwandung  etwa  1  mm  unterhalb  der  Spitze 
darstellt.  Weiter  abwärts  wird  die  Elastica  jedoch  bedeutend  dünner 
(Fig.  53),  und  die  Kerne,  welche  auch  hier  noch  zu  erkennen  sind, 
haben  weit  geringere  Größe  als  an  der  Hodenspitze.  Noch  weiter  unter- 
halb des  blinden  Endes  des  Hodens  ist  sie  nur  noch  als  starke  Kontur 
zu  erkennen  (Fig.  54 — 58).  Kerne  treten  in  ihrem  Inneren  nicht  mehr 
auf.  Sie  scheinen  in  der  Tat  zu  fehlen  und  sind  jedenfalls  zurück- 
gebildet worden.  Auch  auf  dem  in  Fig.  49  wiedergegebenen  Quer- 
schnitte, wo  die  Elastica  infolge  starker  Kontraktion  wieder  von  be- 
deutenderer Dicke  erscheint,  sind  Kerne  in  ihr  nicht  nachzuweisen. 
Dagegen  finden  sich  auf  solchen  Schnitten  stets  kleine,  stark  gefärbte, 
rundliche  Kerne  (Fig.  49  k),  die  »noyaux  ovales«  Voinows,  zwischen 
Hodenepithel  und  Elastica;  sie  sind  meist  umsponnen  von  sehr  feinen 
Fasern,  welche  anscheinend  eine  Verbindung  zwischen  Epithel  und 
Elastica  darstellen.  Daß  es  sich  hier  nur  um  eine  sehr  lockere  Ver- 
bindung handeln  kann,  geht  daraus  hervor,  daß  sich  bei  leerem  Hoden 
die  Elastica  sehr  weit  vom  Epithel  zurückzieht  (Fig.  49).  Vereinzelt 
finden  sich  solche  Kerne  auch  auf  den  Schnitten  durch  die  Hodenspitze 
(Fig.  51  k).  Es  fragt  sich,  ob  diese  Kerne  der  Elastica  angehören. 
Voinows  »noyaux  ovales«  sollen  allerdings  die  Kerne  der  Elastica 
darstellen  imd  an  ihrer  Außenseite  liegen.  Es  ist  jedoch  dann  schwer 
zu  verstehen,  wie  die  Umbildung  der  Elastica  aus  einer  Zellenschicht 
vor  sich  gegangen  sein  soll,  denn  die  Kerne  dieser  umgebildeten  Zellen 
würden  doch  nicht  an  der  Außenseite  («sur  sa  face  externe»)  der- 
selben liegen,  sondern  im  Innern,  wie  es  bei  der  Elastica  unsres  Objektes 
stellenweise  tatsächlich  der  Fall  ist.  Man  darf  daher  bei  Dytiscus  diese 
Kerne  kaum  der  Elastica  zurechnen,  was  auch  schon  ihre  Lage  verbietet 
(Fig.  49).  Als  Kerne  des  Hodenepithels  sind  sie  jedoch  auch  nicht 
anzusehen,  denn  dieses  ist  eine  von  der  Intima  (Fig.  49)  innen,  d.h. 


260  Carl  Demandt, 

auf  der  Seite,  an  welcher  die  Kerne  liegen,  scharf  begrenzte  Hülle. 
Die  Kerne  bilden  vielmehr  mit  ihren  feinen  Fasern  ein  sehr  lockeres 
Gewebe,  welches  zwischen  Elastica  und  Hodenepithel  liegt.  Es  tritt 
jedoch  den  letzteren  gegenüber  sehr  zurück  und  ist  nur  an  leeren  Hoden- 
schläuchen nachzuweisen.  Es  ist  offenbar  von  ganz  untergeordneter 
Bedeutung  und  mit  Elastica  und  Außenepithel  nicht  auf  gleiche  Stufe 
zu  stellen. 

Die  Frage  nach  der  Herkunft  und  Ausbildung  der  einzelnen  Schich- 
ten ist  nur  auf  Grund  entwicklunosüeschichtlicher  Untersuchungen  zu 
beantworten.  Sie  kann  also  hier  nicht  geklärt  werden,  zumal  auch 
über  verwandte  Objekte  keine  Arbeiten,  die  sich  mit  der  Entwicklung 
der  Geschlechtsanlagen  befassen,  vorliegen.  Es  soll  hier  nur  kurz 
auf  die  Arbeit  von  Zick  verwiesen  werden,  welche  sich  mit  der  Ent- 
stehung der  Genitalanlage  bei  Lepidopteren  befaßt.  Danach  besteht 
die  Wandung  des  Hodens  bei  der  Raupe  aus  einer  inneren  und  äußeren 
Hülle,  welche  bindegewebigen  Ursprungs  sind.  Während  nun  die 
äußere  Hülle  erhalten  bleibt,  nimmt  die  innere,  welche  auf  dem  Raupen- 
u nd  Puppenstadium  ernährende  Funktion  hat,  an  Stärke  ab :  » im 
Hoden  der  Imago  ist  sie  zu  einem  unscheinbaren  Belag  der  äußeren 
Hülle  reduziert«.  Bei  Dytiscus  scheinen  die  Verhältnisse  ähnlich  zu 
liegen.  Die  starke  Rötung  bei  Färbung  mit  van  GiESO-Nschem  Gemisch 
deutet  den  bindegewebigen  Charakter  der  Elastica  an,  und  die  besonders 
an  der  Hodenspitze  zahlreich  auftretenden  Kerne  lassen  auf  ihren 
früheren  epithelartigen  Aufbau  schließen. 

Die  Keimzellen. 

Bei  einer  zusammenfassenden  Arbeit  über  die  Morphologie  des 
männlichen  Geschlechtsapparates  ist  es  natürlich  erforderlich,  auch  auf 
den  Inhalt  der  keimbereitenden  Organe,  also  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  auf  die  Spermatogenese  einzugehen.  Es  kann  sich  dabei  aber  nicht 
um  eingehende  Untersuchungen  handeln,  welche  den  spermatogeneti- 
schen  Fragen  ins  Detail  nachgehen,  zumal  gerade  für  Dytiscus  zwei 
neuere  Arbeiten,  von  Henderson  und  Schäfer,  vorliegen,  welche  die 
Spermatogenese  behandeln.  Trotzdem  dürfte  es  dieser  kurzen  Ab- 
handlung vergönnt  sein,  eine  Lücke  auszufüllen,  denn  es  ist  in  der  Lite- 
ratur ein  äußerst  merkbarer  Mangel  an  Übersichtsbildern  über  die 
einzelnen  Stadien  in  der  Entwicklung  der  Spermatozoen  zu  konstatieren. 
Daher  soll  im  folgenden  an  der  Hand  von  solchen  Übersichtsbildern 
die  Spermatogenese  von  Dytiscus  kurz  behandelt  werden. 

Aber  auch  von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus  bietet  die  Sper- 


Der  Geschlechtsapparat   von   Dytiscus  marginalis.  261 

matogenese  ihr  Interessantes,  nämlich  hinsichtlich  der  Periodizität  der 
Samenentwicklung.  Diese  Verhältnisse  wurden  bis  auf  die  Arbeit  von 
Voinow  sehr  vernachlässigt,  und  in  vielen  Arbeiten  werden  nicht  ein- 
mal Angaben  gemacht,  um  welche  Jahreszeit  das  Material  konserviert 
wurde.  Es  mögen  daher  die  nachfolgenden  Ausführungen  dahin  wirken, 
daß  bei  weiteren  spermatogenetisehen  Studien  diese  Vorgänge  auch 
bei  andern  Objekten  mehr  berücksichtigt  weiden. 

Die  Samenentwicklung  wird  naturgemäß  stark  beeinflußt  von  den 
äußeren  Umständen,  und  es  können  infolge  ungünstiger  Witterung 
Verschiebungen  auftreten.  Diese  Untersuchungen  wurden  angestellt 
im  Frühjahr  und  Sommer  1911,  welche  infolge  ihrer  Wärme  die  Sperma- 
togenese beschleunigt  haben  dürften.  Es  wurden  nur  frisch  gefangene 
Käfer  untersucht,  da  Aquariumstiere  starke  Abweichungen  zeigten  und 
daher  unbrauchbar  erschienen. 

Die  Frage,  ob  die  Spermatogenese  zeitweise  ruht,  ist  für  Dytiscus 
mit  nein  zu  beantworten,  denn  man  findet  in  der  Spermatogonien- 
region  stets  mitotische  Teilungsfiguren.  In  den  Wintermonaten  De- 
zember bis  Februar,  zu  einer  Zeit,  wo  der  Hoden  bis  auf  ein  2  cm  langes 
Stück  leer  ist,  sind  die  Mitosen  allerdings  sehr  selten,  und  die  Ent- 
wicklung ist  dann  auf  ein  Minimum  reduziert.  Dieses  Stadium  dauert 
bis  ins  Frühjahr  hinein,  und  vor  Anfang  oder  Mitte  April  ist  äußerlich 
eine  Vermehrung  der  Spermatogonien  nicht  zu  erkennen.  Nunmehr 
setzt  aber  eine  stärkere  Entwicklung  ein,  und  man  findet  fast  auf  jedem 
Querschnitte  Cysten,  in  denen  sämtliche  Spermatogonien  in  mitotischer 
Teilung  begriffen  sind.  Anfang  Mai  treten  in  den  Hodenschläuchen 
die  ersten  Spermatozyten  auf,  welche  infolge  starker  Vermehrung  bald 
einen  beträchtlichen  Teil  des  Hodens  einnehmen.  Der  Hoden  enthält 
also  zu  dieser  Jahreszeit  Spermatogonien  und  Spermatocyten  erster 
Ordnung.  Während  sich  nun  die  Spermatogonien  fortgesetzt  weiter 
teilen  und  zu  Spermatocyten  heranwachsen,  machen  letztere  ein  Ruhe- 
stadium durch,  während  dessen  man  nur  Größenzunahme,  niemals 
aber  Teilungen  der  Spermatocyten  konstatieren  kann.  Dieses  Stadium 
dauert  etwa  7 — 8  Wochen,  denn  die  ersten  Spermatocyten  fanden 
sich,  wie  gesagt,  Anfang  Mai,  und  in  Hoden,  die  am  20.  Juni  unter- 
sucht wurden,  waren  ebenfalls  noch  keine  Spermatocytenteilungen 
vorhanden.  Dagegen  fanden  sich  diese  von  Anfang  Juli  ab  in  jedem 
Hoden.  Infolge  der  starken  Vermehrung  der  Spermatogonien  und  des 
Heranwachsens  der  Spermatocyten  ist  der  Hodenschlauch  bis  auf  das 
letzte  Drittel  gefüllt.  Nunmehr  setzt  aber  die  Weiterentwicklung  der 
Spermatocyten  mit  voller  Kraft  ein,  und  vom  10.  Juli  ab  fanden  sich 


262  Carl  Demandt, 

in  den  Hoden  stets  sämtliche  Stadien  der  Spermatogenese^  also  auch 
Spermatiden  und  reife  Spermien.  Der  Hoden  ist  nunmehr  vollkommen 
angefüllt,  und  die  ältesten  Spermatocyten  haben  sich  zu  Spermatiden 
und  schließlich  zu  Spermatozoen  umgewandelt.  Die  reifen  Spermien 
treten  jetzt  in  das  Vas  efferens,  um  in  den  Nebenhoden  zu  wandern. 
Die  Spermatogonien  sind  immer  noch  in  reger  Teilung  begriffen.  Die 
Spermatocyten  erster  Ordnung  nehmen  etwa  zwei  Fünftel  des  Hoden- 
schlauches für  sich  in  Anspruch,  während  die  andern  Stadien  der  reifen- 
den Keimzellen  den  Kest  erfüllen.  Der  Hoden  steht  also  Ende  Juli 
auf  der  Höhe  seiner  Tätigkeit.  Die  Spermien  treten  in  den  Neben- 
hoden über,  bis  derselbe  von  ihnen  erfüllt  ist,  was  Ende  August  der 
Fall  zu  sein  pflegt.  Der  Nebenhodenschlauch  enthält  dann  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  Spermatozoen,  doch  ist  seine  Füllung  keine  voll- 
ständige, und  daher  können  die  noch  im  Hoden  befindlichen  Spermien 
ebenfalls  noch  in  den  Nebenhoden  aufgenommen  werden,  zumal  auch 
Anfang  September  die  Copulationen  der  Käfer  wieder  beginnen.  Der 
Hoden  zeigt  zu  dieser  Jahreszeit  auch  noch  beträchtlichen  Umfang  und 
ist  größtenteils  noch  von  Keimzellen  erfüllt,  doch  ist  es  wesentlich, 
daß  dieses  nur  Spermatogonien  und  Spermien  sind,  von  denen  die 
ersteren  ein  kurzes  Stück  am  Beginn  des  Schlauches  einnehmen.  Sper- 
matocyten und  Spermatiden  fehlen,  es  hat  also  ihre  Reifung  schon 
stattgefunden,  und  eine  Neubildung  von  Spermatocyten  ist  unter- 
blieben. Ein  kurzer  Abschnitt  zwischen  den  Spermatogonien  und 
Spermatozoen  ist  jetzt  nur  mit  degenerierten  Substanzen  erfüllt.  Es 
sind  dies  die  Reste  der  Nährsubstanz ,  welche  zurückblieb,  während 
die  Spermien  abwärts  rückten.  Der  Übertritt  des  Samens  aus  dem 
Hoden  ist  Anfang  Oktober  vollendet  und  der  Hoden  nunmehr  bis  auf 
die  Spermatogonien  und  die  zurückgebliebenen  degenerierten  Sub- 
stanzen entleert1. 

Die  geschilderten  Verhältnisse  haben  nur  Gültigkeit  in  bezug  auf 
ein-  oder  mehrjährige  Käfer.  Bei  jungen  Käfern  setzt  die  Spermato- 
genese sofort  nach  dem  Entschlüpfen  aus  der  Puppe  ein.  Da  dies 
jedoch  frühestens  Mitte  Juni  stattfindet,  also  zu  einer  Zeit,  wo  die  älteren 
Käfer  bereits  die  größte  Menge  von  Spermatocyten  gebildet  haben, 
so  ergibt  sich,  daß  wir  hier  eine  Verschiebung  der  Spermatogenese  um 


1  Eine  ähnliche  Darstellung  für  die  Bildung  der  Eier  zu  geben,  erübrigt  sich, 
da  die  Eiröhren  stets  mit  Keimzellen  erfüllt  sind  und  fast  zu  jeder  Jahreszeit 
sämtliche  Stadien  der  Oogenese  zeigen.  Eine  andre  Frage  würde  die  sein,  ob  sich 
in  den  Eiröhren  zu  bestimmten  Zeiten  durchgehende  Degenerationsvorgänge  be- 
merkbar machen,  doch  würde  dies  eine  eingehende  Untersuchung  erfordern. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytisous  marginalis. 


263 


etwa  2  Monate  haben.  Eine  Winterspermatogenese,  wie  sie  Voinow 
für  Cybister  Roeselii  erwähnt,  existiert  bei  Dytiscus  nicht,  und  es  liegt 
die  Vermutung  nahe,  daß  es  sich  bei  Cybister  auch  nur  um  die  Spermato- 
genese junger  Käfer  handelt. 


Es  soll  nunmehr  an  Hand  einer  Reihe  von  Übersichtsbildern  eine 
kurze  Beschreibung  der  einzelnen  Stadien  der  Spermatogenese  erfolgen, 


264  Carl  Demandt, 

Der  in  Fig.  51  dargestellte  Längsschnitt  durch  die  Hodenspitze  wurde 
angefertigt  von  einem  im  März  konservierten  Hoden.  Er  stellt  also 
ein  Stadium  dar,  welches  noch  geringe  Vermehrung  der  Spermato- 
gonien  zeigt.  Die  Spermatogonienkerne  liegen  unregelmäßig  verteilt 
in  einer  sehr  fein  granulierten  Plasmamasse,  welche  den  Schlauch  hier 
ganz  erfüllt  und  hellere  und  dunklere  Regionen  aufweist.  In  dem 
Plasma  treten  vereinzelte  Vacuolen  auf  (va).  Die  Kerne  sind  von  ver- 
schiedener Größe,  meist  gekennzeichnet  durch  wandständige  Chromatin- 
körnchen,  und  besitzen  einen  Nucleohis.  Es  treten  aber  auch  Kerne 
auf,  welche  auf  ihrer  ganzen  Fläche  fein  verteiltes  Chromatin  auf- 
weisen, dafür  aber  den  Nucleohis  vermissen  lassen.  Während  diese 
Kerne,  besonders  die  größeren  unter  ihnen,  kreisrund  erscheinen,  sind 
auch  solche  von  länglich  ovaler  Gestalt  zu  finden,  welche  meist  gleich- 
mäßig verteiltes  Chromatin  aufweisen  und  kleiner  als  die  andern  sind. 
Diese  Verschiedenheiten  der  Kerne  hinsichtlich  ihrer  Größe  und  Struktur 
lassen  vermuten,  daß  es  sich  hier  einerseits  um  Keimzellen  verschiedenen 
Alters,  anderseits  um  somatische  Zellen  handelt,  und  zwar  würden  die 
zuletzt  beschriebenen  Kerne  wohl  solche  von  somatischen  Zellen  sein 
können,  doch  ist  es  unmöglich,  dieselben  hier  schon  mit  einiger  Be- 
stimmtheit als  solche  ansprechen  zu  können.  Es  wird  Gelegenheit  sein, 
weiter  unten  hierauf  noch  einmal  zurückzukommen. 

In  dem  in  Fig.  51  dargestellten  Längsschnitte  liegen  die  Spermato- 
gonienkerne in  einer  gemeinsamen  Plasmamasse;  die  Keimzellen  bilden 
also  hier  ein  Syncytium.  Zellgrenzen  sind  auch  mit  stärksten  Ver- 
größerungen nicht  zu  erkennen  (vgl.  auch  Schäfer).  Demgegenüber 
muß  ich  aber  hervorheben,  daß  ich  bei  einem  andern  Hoden  auf  Schnitten 
durch  dieselbe  Region  sehr  deutliche  Zellgrenzen  fand.  Vielleicht  hängt 
das  Auftreten  derselben  mit  dem  Alter  des  Hodens  zusammen,  so  daß 
wir  hier  ähnliche  Verhältnisse  hätten,  wie  sie  Tönniges  für  Litliobius 
beschreibt,  doch  kann  dies  nur  auf  Grund  eingehender  Untersuchungen 
entschieden  werden.  Entsprechend  der  Endkammer  der  Eiröhren 
dürfte  man  ja  auch  hier  sehr  deutliche  Zellgrenzen  und  vor  allem  scharfe 
Sonderimg  der  Keim-  und  Follikelzellen  erwarten.  Allerdings  ist  der 
Abschnitt  des  Hodens,  welcher  zeitweise  die  Zellgrenzen  vollkommen 
vermissen  läßt,  von  sehr  geringer  Ausdehnung,  seine  Länge  beträgt 
höchstens  0,8  mm.  Die  von  Schäfer  beschriebene  und  abgebildete 
kernfreie  Plasmazone  war  auf  meinen  zahlreichen  durch  die  Hoden- 
spitze gelegten  Schnitten  nicht  zu  konstatieren. 

Die  zweite  Zone  der  Spermatogonienregion  unterscheidet  sich  von 
der  ersten  durch  die  Beschaffenheit  des   Plasmas.     Fig.  52.   ein  Bild 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


265 


; 


von  einem  Längsschnitt  etwa  1  mm  unterhalb  der  Hodenspitze,  zeigt, 
daß  die  Spermatogonienkerne  sich  mit  einem  Plasmahofe  umgeben 
und  sich  mit  demselben  von  den  Nachbarzellen  gesondert  haben.  Mito- 
tische Teilungsfiguren  sind  in  dieser  Region  häufiger.  Die  Zellen  soma- 
tischen Charakters  sind  auch  hier  noch  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
kennen, und  die  Kerne  zeigen 
durchweg  noch  dasselbe  Aus- 
sehen wie  an  der  Hoden- 
spitze. 

In  diesem  Abschnitt  des 
Hodenschlauches  dürfte  man 
Bilder  erwarten,  wie  sie 
Henderson  in  Fig.  3  für  den 
Hoden  einer  älteren  Larve  an- 
gibt, nämlich  daß  eine  Zelle, 
die  spätere  Cystenzelle,  die 
Spermatogonienzelle  mit  horn- 
förmigen  Fortsetzungen  um- 
wächst. Es  war  jedoch  nicht 
möglich,  solche  Zellen  nach- 
zuweisen, wie  denn  auch 
Henderson  selbst  angibt, 
daß  er  solche  »einzellige« 
Cysten  nicht  finden  konnte. 
Daß  diese  Stadien  vorhanden 


Fig.  52. 

Sein  können,  ist  wohl  anzimeh-     Längsschnitt   durch    den    Hoden   dicht  unterhalb   der 
.  Spitze:    Zone    der   Absonderung   der   Spermatogonien. 

men;  latsache  ist  jedoch,  daß  vergr.  364/1. 

man  die  Cystenzellen  mit  Be- 
stimmtheit erst  erkennen  kann,  wenn  die  Spermatogonien  schon  mehrere 
Teilungen  durchgemacht  und  sich  in  Rosettenform  angeordnet  haben 
(Fig.  53).  Diese  Rosetten  finden  sich  schon  sehr  weit  oben  im  Hoden- 
schlauch, etwa  1 1/2  mm  unterhalb  der  Hodenspitze,  und  das  Aussehen  der 
Spermatogonien  weiter  abwärts  ist  ein  ganz  andres  als  an  der  Spitze  des 
Schlauches,  und  zwar  infolge  ihrer  Lagerimg  in  den  Cysten.  Auf  Fig.  53 
erscheint  der  Hodenschlauch  nicht  straff  gefüllt  mit  Samenelementen , 
denn  der  Schnitt  ist  geführt  durch  den  Abschnitt,  wo  die  Spermato- 
goniencysten  abwärts  rücken  und  daher  locker  aneinander  gelagert 
sind.  Die  Spermatogonien  besitzen  hier  eine  kegelförmige  Gestalt  und 
gruppieren  sich  mit  ihren  spitzen  Enden  um  eine  dunklere  Achse,  welche 
nach  Henderson  dadurch  sich  erklärt,  daß  die  Spermatogonien  nach 


2(36 


Carl  Deuiandt, 


erfolgter  Kernteilung  sich  nicht  vollkommen  durchtrennen,  sondern 
mit  ihren  Spitzen  zusammen  hängen  bleiben.  Bezüglich  der  an  der 
Spitze  der  Zellen  sich  findenden  Mitochondrien  soll  auf  die  einschlägige 
Literatur  verwiesen  werden  (Schäfer).  Der  große,  runde  bis  ovale 
Kern  der  Spermatogonie  liegt  am  Grunde  der  Zelle  und  zeigt  nicht 
mehr  das  wandständige  Chromatin.  sondern  eine  gleichmäßige  Verteilung 
desselben  über  den  ganzen  Kernraum.  Die  Zahl  der  auf  5  «-Schnitten 
getroffenen  Sperma togonien  beträgt,  wie  Schäfer  angibt,  sieben. 
Meine  Präparate  zeigen  bei  einer  Schnittdicke  von  6  //  sechs  bis  zehn 


« 


Fig.  53. 

Längsschnitt  durch  den  Hoden.  2  mm  unterhalb  der  Spitze,  die  Spermatogonien    haben  sich  wieder- 
holt geteilt  und  in  Rosetten  in  den  Cysten  (cz)  angeordnet.     I>ie  Hodenwandung  mit  Secret  über- 
zogen (s).     Vergr.  300/1. 


Spermatogonien  in  solchen  Cysten,  die  median  getroffen  waren.     Das 
Plasma  der  Keimzellen  ist  fein  granuliert. 

Diese  Spermatogonienrosetten  sind  nun  umgeben  von  einer  Cyste, 
welche  gewöhnlich  von  zwei  Zellen  gebildet  wird.  Die  Kerne  der  Cysten- 
zellen  sind  länglich  oval  und  liegen  in  einem  Plasmahofe,  welcher  sich 
zu  feinen  Lamellen  auszieht,  die  die  Rosetten  umfassen.  Solche  vom 
Follikelepithel  ausgehenden  Fäden  gehen  auch  von  der  einen  Cyste 
auf  die  benachbarten  über,  so  daß  die  Cystenzellen  ein  weitmaschiges 
Gewebe  bilden,  in  dessen  Hohlräume  die  Spermatogonien  in  größerer 
oder  kleinerer  Anzahl  eingelagert  sind,  derart,  daß  sie  von  dem  Gewebe 
ziemlich  fest  umsponnen  werden.  Klarer  zu  erkennen  ist  dies  in  Fig.  54, 
die  einen  Querschnitt  durch  den  Hoden  in  der  Region  der  ältesten 
Spermatogonien  wiedergibt.    Wie  ein  Vergleich  mit  Fig.  51 — 53  ergibt, 


Der  Geschlechtsapparat  von   Dytiscus  marginalis. 


267 


sind  die  Spermatogonien  bedeutend  kleiner  geworden.  Sie  haben  sich 
noch  mehrere  Male  geteilt,  und  ihre  Zahl  betraut  in  den  einzelnen 
Cysten  25  und  mehr.  Bei  diesen  Teilungen  ist  der  Kern  verkleinert 
worden,  aber  auch  das  Plasma  wurde  auf  einen  kleinen  Hof  reduziert, 
da  es  nicht  Zeit  hatte,  bei  den  rasch  aufeinanderfolgenden  Teilungen 
sich  zu  ergänzen.  Man  vergleiche  hierzu  die  Abbildungen  von  Hen- 
dersox  und  Schäfer,  welche  diese  Vorgänge  näher  erläutern.  Der  cha- 
rakteristischste Unterschied  der  Fig.  53  gegenüber  liegt  in  der  Anord- 
imng  der  Sperma togonien :  die  Rosettenform  ist  geschwunden  und  die 


Fig.  54. 

Ältere  Spermatogonien  in  großer  Anzahl  regellos  in  den  Cysten  liegend,  mit  Mitosen.    Vergr.  284   1. 

Zellen  liegen  regellos  in  den  Cysten  verstreut.  Teilungfiguren  (mi), 
wohl  die  letzten  Teilungen  der  Spermatogonien,  finden  sich  auch  hier 
noch  vor.  Die  Kerne  der  Keimzellen  weisen  hier  meist  einen  oder  zwei 
wTanclständige  Nucleoli  auf.  Das  Chromatin  ist  oft  regellos  verteilt, 
sehr  viele  Kerne  zeigen  jedoch  noch  die  wandständige  Lagerung  des- 
selben. 

Infolge  der  unregelmäßigen  Anordnung  der  Spermatogonien  zeigen 
auch  die  Cysten  unregelmäßige  Formen.  Die  Kerne  der  Cystenzellen 
(cz)  sind  sehr  stark  herangewachsen  und  übertreffen  im  Gegensatz  zu 
den  früheren  Stadien  die  Kerne  der  Keimzellen  ganz  bedeutend  an 
Größe.  Sie  sind  sehr  chromatinreich  und  besitzen  ein  deutliches  Kern- 
körperchen.    Nachdem  durch  die  vielen  Teilungen  der  Spermatogonien 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  18 


268  Carl  Demandt, 

die  Samenelemente  des  Hodens  sich  stark  vermehrt  haben,  gehen  nun- 
mehr die  Spermatogonien  in  die  Spermatocyten  erster  Ordnung  über, 
während  die  Vermehrung  der  Spermatogonien  weiter  ihren  Fortgang 
nimmt. 

Für  die  Darstellung  der  Spermatocyten  erster  Ordnung  wurde  das 
für  diese  so  charakteristische  Synapsisstadium  gewählt.  Fig.  55  zeigt 
einen  Längsschnitt  durch  die  Spermatocytenregion  eines  am  5.  Mai 
konservierten  Hodens.  Das  sicherste  Kriterium,  die  Spermatocyten 
sofort  aufzufinden,  bildet  das  Auftreten  zahlreicher  degenerierender 
Cysten,  besonders  im  Centrum  des  Hodenschlauches.  Bezüglich  der 
näheren  Ausführungen  soll  hauptsächlich  die  Arbeit  von  Schäfer 
berücksichtigt  werden,  da  sich  hier  einige  Abweichungen  von  den  Aus- 
führungen Hendersons  vorfinden.  Die  einzelnen  Angaben  auf  ihre 
Richtigkeit  zu  prüfen,  erachte  ich  nicht  als  meine  Aufgabe,  sondern 
möchte  nur  auf  die  Abweichungen  hinweisen,  soweit  sie  für  die  vor- 
liegende Darstellung  in  Betracht  kommen. 

Der  Übergang  der  Spermatogonien  in  die  Spermatocyten  ist,  rein 
äußerlich  betrachtet,  gekennzeichnet  durch  das  starke  Heranwachsen 
der  Zellen  und  besonders  ihrer  Kerne.  Ein  Vergleich  der  Fig.  54  und  55, 
von  denen  letztere  allerdings  etwas  stärker  vergrößert  ist,  zeigt  deut- 
lich die  Größenunterschiede.  Die  Kerne  zeigen  in  dem  dargestellten 
Synapsisstadium  der  Spermatocyten  (Fig.  55)  sehr  starke  Abweichungen 
von  den  Spermatogonienkernen :  das  Chromatin  ist  zusammengeballt 
zu  einem  fädigen  Knäuel,  welches  an  dem  einen  Pole  des  Kernes  liegt. 
Der  den  Kern  umgebende  Plasmahof  ist  im  Vergleich  zum  Kern  sehr 
klein  und  von  unregelmäßiger  Form.  Gewöhnlich  liegt  dem  Pole  des 
Kernes,  welcher  durch  das  Chromatinknäuel  ausgezeichnet  ist,  die 
größere  Menge  des  Plasmas  an,  so  daß  die  Lage  des  Kernes  eine  ex- 
zentrische wird.  Das  fein  granulierte  Plasma  färbt  sich  sehr  wenig 
mit  Eisenhämatoxylin,  und  da  die  Spermatocyten  in  ziemlich  großen 
Abständen  voneinander  in  den  Cysten  liegen,  so  erscheinen  die  mit 
Spermatocyten  erfüllten  Schläuche  auf  Schnitten  bedeutend  heller  als 
diejenigen,  welche  Spermatogonien  enthalten.  Nach  Schäfer  soll  in 
dem  Synapsisstadium  die  Chromatinreduktion  erfolgen,  während  Hen- 
derson  dieselbe  in  die  erste  Reifungsteilung  verlegt. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  ist  die  Spermatocytenregion  gekenn- 
zeichnet durch  das  Auftreten  zahlreicher  degenerierender  Cysten  im 
Centrum  des  Hodenschlauches.  Es  kommen  jedoch  auch  unter  den 
Spermatogonien  ganz  vereinzelt  degenerierende  Zellen  vor,  doch  sind 
diese  nur  bei  genauer  Durchsicht  zu  entdecken,  und  es  handelt  sich 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


269 


hier  wahrscheinlich  um  pathologische  Prozesse.  Ganze  degenerierende 
ISpermatogoniencysten  waren  auf  meinen  Präparaten  nicht  zu  kon- 
statieren. Dagegen  ist  aber  die  Degeneration  der  central  im  Hoden- 
schlauch gelegenen  Spermatocytencysten  von  großer  Bedeutung  für 
die  Ernährung  der  sich  weiter  entwickelnden  Keimzellen  und  daher 
nicht  als  pathologische  Erscheinung  anzusprechen,  wie  auch  Hender- 
son  ausdrücklich  betont.  Die  degenerierenden  Cysten  (Fig.  55  de) 
besitzen  als   Inhalt  tief  dunkel   sich   färbende   Ballen,   welche  wie  in 


~-IH  '-^M^vm 


^V-^\f£'# 


^\%)Ä#^^ 


-he 


sx 


efc  *c 


Fig.  55. 

Spermatocyteii  erster  Ordnung  im   Synapsisstadium.     Eine  große  Anzahl  der  centralen  Cysten 

ist  der  Degeneration  verfallen  (de).     Vergr.  300/1. 


Vacuolen  gebettet  erscheinen,  da  die  Spermatocyteii  infolge  der  Degene- 
ration stark  geschrumpft  sind.  Bei  starker  Vergrößerung  zeigen  diese 
Ballen  auf  hellerem  C4 runde  schwarze,  meist  rundliche  Partien,  und 
zwar  besonders  diejenigen,  die  in  ihrer  Degeneration  noch  nicht  sehr 
weit  vorgeschritten  sind.  Es  sind  in  diesem  Falle  oft  noch  die  ehe- 
maligen Spermatocytenkerne  zu  erkennen.  Bezüglich  der  einzelnen 
Phasen  des  Degenerationsprocesses  sei  auf  die  Angaben  von  Schäfer 
und  besonders  Henderson  verwiesen. 

18* 


270  Carl  Demandt, 

Die  Vacuolen  im  centralen  Teile  des  Hodensclilanches  deuten 
darauf  hin,  daß  die  Degenerationsprodukte  von  den  umgebenden 
Spermatocyten  resorbiert  werden,  und  zwar  halte  ich  die  Ansicht 
Hendersons,  daß  die  Resorption  durch  die  Cvstenzelle  und  besonders 
ihre  Kerne  vermittelt  wird,  für  zutreffend.  Fig.  55  zeigt,  daß  die 
Cystenzellen  bedeutende  Ausdehnung  erlangen  (vc),  und  in  ihrem  Plasma 
finden  sich  auch  kleinere  Tröpfchen  von  degenerierter  Substanz  vor, 
welche  an  ihrer  dunklen  Färbung  zu  erkennen  sind.  Es  deutet  dies 
alles  darauf  hin.  daß  die  Cystenzellen  die  Hohlräume,  welche  sich 
infolge  der  Degenerationserscheinungen  bilden,  schließen  und  die  De- 
generationsprodukte allmählich  resorbieren.  Inwieweit  der  Kern  der 
Cystenzelle  dabei  beteiligt  ist.  ist  schwer  zu  entscheiden,  jedenfalls 
bestätigen  meine  Präparate  die  Angaben  Hendersons,  welcher  sagt, 
daß  die  Kerne  ihr  Volumen  vergrößern  und  ihr  Chromatin  gleichmäßig 
über  ihren  ganzen  Raum  verteilen,  sodaß  sie  Drüsenzellkernen  nicht 
unähnlich  erscheinen. 

Daß  Eintritt  und  Ausdehnung  der  Degenerationsvorgänge  von  den 
Ernährungsverhältnissen  des  Tieres  abhängen,  ist  als  sehr  wahrschein- 
lich anzusehen.  Bei  schlechter  Ernährung  des  Käfers  dürften  mehr 
Cysten  als  Nährmaterial  der  Keimzellen  verbraucht  werden,  und  in 
diesem  Falle  können  auch  Cysten,  welche  an  der  Peripherie  des  Hoden- 
schlauches liegen,  der  Auflösung  verfallen  (Fig.  55).  Anderseits  liegen 
aber  mitunter  auch  zwischen  den  degenerierenden  Cysten  normale 
Cysten,  welche  dann  wohl  fast  ausschließlich  von  den  Degenerations- 
produkten, nicht  aber  von  außen  ernährt  werden. 

Nachdem  nun  die  Spermatocyten  unter  ständigem  Heranwachsen 
verschiedene,  nach  der  Form  des  Chromatins  zu  unterscheidende  Stadien 
durchlaufen  haben,  treten  sie  nach  Schäfer  nunmehr  in  ein  Ruhestadium, 
während  dessen  der  Kern  durch  eine  netzförmige  Beschaffenheit  seines 
Chromatins  ausgezeichnet  ist.  Diese  Ruheperiode  wird  von  Hender- 
son  allerdings  nicht  angenommen. 

Um  die  weitere  Entwicklung  der  Spermatocyten  zu  verfolgen,  ist 
es  erforderlich,  Material  zu  untersuchen,  welches  nicht  vor  Ende  Juni 
konserviert  wurde.  Fig.  56,  welche  die  späteren  Entwicklungsstadien 
der  Spermatocyten  zeigt,  stellt  einen  Längsschnitt  durch  einen  am 
10.  Juli  konservierten  Hoden  dar.  Der  wiedergegebene  Schnitt  ist 
insofern  ganz  besonders  günstig,  als  er  außer  Spermatocyten  erster  und 
zweiter  Ordnung  auch  junge  Spermatiden  zeigt. 

Ein  Vergleich  mit  Fig.  55  läßt  erkennen,  daß  sich  das  Aussehen 
der  Cysten  sehr  stark  verändert  hat.    Die  Cysten  sind  bedeutend  um- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  271 

fangreicher  und  ihre  Wände  viel  zarter  geworden.  Der  Hodenschlauch 
ist  straff  angefüllt,  und  die  großen  Vacuolen  des  Follikelgewebes  sind 
größtenteils  geschwunden.  Es  ist  dies  bedingt  durch  das  Heran- 
wachsen und  die  starke  Wucherung  der  Keimzellen.  WTie  alle  Cysten 
in  Fig.  56  zeigen,  haben  die  Keimzellen  ihr  Plasma  soweit  ergänzt, 
daß  die  ganze  Cyste  davon  angefüllt  ist.  Zellgrenzen  sind  nur  un- 
deutlich zu  erkennen  und  zwar  besonders  in  den  ( lysten,  welche  zahlreiche 
Teilungsspindeln  aufweisen. 

Die  Spermatocyten  erster  Ordnung  sind  also  nunmehr  in  das 
Stadium  der  Reifungsteilungen  eingetreten.  Über  den  Verlauf  desselben 
finden  sich  Abweichungen  in  den  Arbeiten  von  Henderson  und  Schä- 
fer. Zunächst  ist  dem  ersteren  die  V  "  bzw.  Stäbchenform  der  Centro- 
somen entgangen.  Auch  ist  Henderson  der  Ansicht,  daß  nach  der 
ersten  Reifungsteilung  ein  Ruhestadium  der  Spermatocyten  folgt, 
charakterisiert  durch  eine  gleichmäßige  Verteilung  des  Chromatins 
im  Zellkern,  während  Schäfer  die  Existenz  eines  Ruhestadiums  be- 
streitet. Meine  Präparate  zeigen  Verhältnisse,  welche  für  die  Ansicht 
Schäfers  sprechen,  denn  auf  dem  in  Fig.  56  abgebildeten  Längsschnitt 
ist  neben  mehreren  Cysten  mit  zweiten  Reifungsteilungen  {'2rft)  auch 
eine  mit  ersten  Reifungsteilungen  (cj)  vorhanden,  wobei  zur  Bestimmung 
derselben  die  Form  der  Centrosomen  in  Rechenschaft  gezogen  wurde, 
die  nach  Schäfer  als  Kriterium  für  die  Unterscheidung  dienen  kann. 
Es  zeigt  sich  hier  wieder  die  Übereinstimmung  mit  Cybister,  von  dem 
Voinow  sagt:  «Chez  le  Cybister  Roeselii  ont  ne  peut  parier  que  des 
spermatocytes  de  premier  ordre,  car  ce  sont  les  seules,  qu'on  trouve 
sur  une  grande  etendue  du  testicule;  les  spermatocytes  de  deuxieme 
ordre  n'existent  pas  isoles  et  ne  representent  qu'un  stade  des  syneses 
sexuelles.  Les  deux  divisions  de  maturations  se  succedent  tres  vite.» 
Die  Spermatocyte  zweiter  Ordnung,  welche  aus  der  ersten  Reifungs- 
teilung hervorgeht,  ist  also  nur  ein  ganz  kurzes  Übergangsstadium 
zwischen  den  Reifungsteilungen. 

Betrachten  wir  nunmehr  einige  der  in  Fig.  56  dargestellten  Cysten 
etwas  genauer!  Die  Cyste  cx  zeigt  neben  zahlreichen  in  der  Längs-  oder 
Querachse  geschnittenen  Reifungsspindeln  noch  einige  Spermatocyten 
erster  Ordnung  (sp  1.  o),  welche  noch  nicht  in  Teilung  getreten  sind  und 
eine  deutliche  Kernmembran  aufweisen.  Auf  Flächenschnitten  durch 
die  Äquatorialplatte  der  Teilungsfiguren  ist  die  Chromosomenzahl  oft 
deutlich  zu  erkennen.  Es  sind  nie  mehr  als  18  Chromosomen,  woraus 
hervor  gehen  dürfte,  daß  die  Reduktion  tatsächlich  schon  früher,  also 
wohl  im   Synapsisstadium   erfolgt   ist.     Einzelne   von   den   getroffenen 


272 


Carl  Demandt, 


Spindeln  ließen  in    dieser   Cyste   die    \/  -Form  der   Centeosomen   er- 
kennen. 


i/^'i 


<?./■/> 


<?♦?  - 


Fig.  56. 
Umwandlung  der  Spermatocyten  in  Spermatiden,     c,,  Cyste  mit  Spermatocyten  erster  Ordnung 
und  ersten  Reifungsteilungen  (i.r/O.  Andre  Cysten  (c,)  mit  .Spermatocyten  in  der  zweiten  Reifungs- 
teilung (2.r#),  e3,  Cyste  mit  sehr  jungen  Spermatiden:  rik,  Xebenkern;  c4.  Cysten  mit  etwas  alteren 

Spermatiden.     Vergr.  216/1. 

Aus  der  ersten  Reifungsteilung  gehen  die  Spermatocyten  zweiter 
Ordnung  hervor.     Ihr  Chromatm  zeigt  oft  Tetradenbildung.    Die  Sper- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  273 

matocyten  zweiter  Ordnung  finden  sich  im  oberen  Teile  der  Cyste  c2. 
Neben  den  Spermatocyten  liegen  wieder  mehrere  Kernspindeln,  welche 
an  der  Stäbchenform  ihrer  Centrosomen  als  Spindeln  der  zweiten  Rei- 
fungsteirung  zu  erkennen  sind.  Einen  weiteren  Fortschritt  in  der 
Entwicklung  zeigt  die  Cyste  c3 :  die  Teilungen  sind  bis  auf  zwei  vollzogen, 
und  die  Teilungsprodukte  sind  an  ihrem  Nebenkern  (nk)  als  junge 
Spermatiden  anzusprechen.  Der  eigentliche  Kern  der  Spermatide  hat 
sich  noch  nicht  rekonstituiert. 

Die  Abgrenzungen  der  jungen  Spermatiden  gegeneinander  sind 
erst  in  einem  etwas  späteren  Stadium,  welches  die  Cysten  c4  zeigen, 
deutlicher  zu  erkennen.  Auch  hier  tritt  der  Nebenkern,  der  sich  aus 
den  bei  der  Beschreibung  der  Spermatogonienrosetten  erwähnten  Mito- 
chondrien  gebildet  hat  (vgl.  Schäfer),  sehr  stark  hervor,  während  der 
eigentliche  Kern  vacuolenhaft  aussieht,  da  sein  Chromatingehalt  sehr 
gering  ist  und  sichelförmig  der  Wandung  anliegt.  Charakteristisch 
für  die  Lage  des  Nebenkernes  ist,  daß  er  meist  an  der  Seite  des  Sperma  - 
tidenkernes  liegt,  welche  den  Chromatinbelag  aufweist. 

Es  wurde  schon  oben  erwähnt,  daß  infolge  der  starken  Anschwellung 
der  Cysten  die  Nährsubstanz,  welche  vorher  (Fig.  55)  einen  großen  Teil 
des  Lumens  des  Hodens  für  sich  beanspruchte,  bis  auf  eine  schmale 
Achse  im  Centrum  des  Schlauches  zusammengepreßt  ist  (Fig.  56  a). 
Dieser  »Achse«  des  Hodens  widmet  Henderson  eine  längere  Be- 
trachtung, doch  geht  aus  seiner  Darstellung  nicht  so  recht  klar  hervor, 
wie  er  sich  dieselbe  entstanden  denkt.  Vor  allen  Dingen  soll  betont 
werden,  daß  die  Begrenzung  der  normalen  Cysten  gegen  diese  Achse 
hin  meist  recht  gut  zu  erkennen  ist  (Fig.  56).  Daß  die  Achse  selbst  aus 
degenerierten  Cystenzellen  besteht,  geht,  wie  auch  Hehnderson  angibt, 
ohne  weiteres  hervor  aus  den  Kernen,  die  sich  in  ihr  vorfinden.  Die 
stellenweise  auftretenden,  stark  färbbaren  Körnchen  sind  als  nicht 
resorbierte  Teile  von  degenerierten  Spermatocyten  aufzufassen.  Die 
Entstehung  der  Achse  ist  leicht  zu  verstehen,  wenn  man  Fig.  55  u.  56 
vergleicht:  während  das  in  den  Cystenvacuolen  enthaltene  Nähr- 
material resorbiert  wird,  wachsen  die  Spermatocyten  stark  heran  und 
dehnen  ihre  Cysten  derart,  daß  das  Gewebe  der  nunmehr  leeren  Cysten 
zur  Achse  zusammengepreßt  wird.  Diese  ist  also  sozusagen  der  nicht 
resorbierte  Rest  im  Ernährungsprozeß  der  Spermatocyten  durch  de- 
generierte Keimzellen. 

Die  jungen  Spermatiden  liegen,  wie  Fig.  56,  Cyste  ci  zeigt,  gleich- 
mäßig in  der  ganzen  Cyste  verteilt  und  entwickeln  sich  weiter.  All- 
mählich zeigen  sie  die  Tendenz,  sich  regelmäßiger  zu  lagern,  und  in 


274  Carl  Deman.lt, 

dem  Stadium,  welches  Fig.  57  zeigt,  haben  sie  sich  alle  so  angeordnet, 
daß  sie  mit  ihren  Köpfen,  d.  h.  dem  Abschnitte,  der  den  Kern  enthält, 
der  Cystenwandung  angelagert  sind.  Dabei  drängen  sie  sich  besonders 
dicht  an  der  der  Peripherie  des  Hodens  zugewandten  Seite  zusammen, 
während  sie  an  der  centralen  Wand  nur  vereinzelt  auftreten,  ein  Zeichen, 
daß  die  Ernährung  jetzt  hauptsächlich  vom  Hodenepithel  aus  erfolgt. 
Die  Schwanzfäden,  welche  hier  schon  deutlich  zu  erkennen  sind,  strahlen 
von  den  Wänden  aus  und  ragen  in  den  hier  im  Inneren  der  Cyste  auf- 
tretenden Hohlraum  hinein.  Der  Kern  der  Spermatide  zeigt  hier  un- 
gefähr dasselbe  Aussehen  wie  im  vorhergehenden  Stadium  (Fig.  56  c4), 
und  auch  der  Nebenkern  ist  noch  deutlich  zu  erkennen  (nk).  Die  Cysten- 
zellen  (cz)  sind  noch  sehr  gut  erhalten  und  zeigen  sehr  große,  chromatin- 


*    Q 

6 


•■?**-Vr?    *      'r 


I 


Fig.  .3  i . 

Cyste  mit  reiferen  Spermatiden,  die  einen  umfangreichen  Nebenkern  (nk)  besitzen  und  den  Schwanz; 

faden  schon  ausgebildet  haben.     Vergr.  364   1. 

reiche  Kerne.  Bei  der  Weiterentwicklung  der  Spermatiden  wird  nach 
Schäfer  »der  überschüssige  Plasmarest,  von  der  sich  immer  mehr 
differenzierenden  Spermatide  abgeworfen  .  .  . ;  es  tritt  eine  Degene- 
ration und  chemische  Umsetzung  seiner  Bestandteile  ein,  und  er  wird 
dann  zum  Zweck  der  Ernährung  der  heranwachsenden  Samenelemente 
auf  indirektem  Wege  wieder  resorbiert.« 

Auf  diese  Weise  bilden  sich  die  Spermatiden  allmählich  zu  Sper- 
matozoon (Spermien)  um,  welcher  Vorgang  aus  den  angegebenen  Grün- 
den in  der  vorliegenden  Arbeit  nicht  verfolgt  werden  sollte  und  einer 
eignen  cytologischen  Untersuchung  bedurft  hätte,  wie  sie  von  andrer 
Seite  bereits  vorgenommen  wurde. 

Fig.  58  zeigt  eine  Cyste,  welche  fast  vollständig  ausgebildete  Sper- 
matozoen  enthält.     Die  Köpfe  derselben  sind  sämtlich  nach  der  Peri- 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiseus  marginalis. 


275 


pherie  des  Hodens  gerichtet.  Die  Schwanzfäden  sind  bereits  fertig  aus- 
gebildet, nur  die  Köpfe  haben  noch  nicht  die  typische  langgestreckte 
Form  erhalten,  sie  sind  noch  kugelig,  mit  seitlich  aufgesetzter  Spitze. 
Zwischen  den  Schwanzfäden  liegt  eine  feinkörnige  Substanz,  die  als 
Rest  der  durch  Umbildung  des  Plasmas  der  Spermatiden  gebildeten 
Nährsubstanz  aufzufassen  ist. 

Wenn  die  Entwicklung  weiter  geht,  werden  die  Cysten  zerstört, 
d.  h.  ihre  Wände  schwinden.  Trotzdem  bewahren  auch  die  nunmehr 
freien  Spermien  ihre  charakteristische  Lagerung  senkrecht  zur  Längs- 
achse des  Hodenschlauches  (Fig.  59).  Hier  kann  man  auch  nochTdie 
Reste  der  ehemaligen  Cystenzellen 
und  ihrer  Kerne  (ck)  erkennen.  Die 
Spermatozoen  sind  in  Bündeln  ange- 
ordnet (sp),  welche  dem  Inhalt  der 


-ck 


Fig.  58. 

Fast  ausgereifte  Spermien:  dem  Kopf  fehlt  noch 

die  langgestreckte  Form.    Wandung  der  Cysten- 

zelle  (cz)  teilweise  schon  geschwunden. 

Vergr.  216/1. 


Fig.  59. 

Längsschnitt    durch    den'  Hodenschlauch    mii 

vielfach  durchschnittenen  Spermienbündeln  {sp), 

Cystenzellkerne  teilweise  noch  erhalten  {ck). 

Vergr.  72/1. 


einzelnen  Cysten  entsprechen.  Da  die  Schwanzfäden  der  Spermien 
meist  in  Wellenlinien  verlaufen,  so  sind  die  Bündel  oft  mehrfach  durch- 
schnitten. Neben  den  im  Längsschnitt  getroffenen  Bündeln  treten 
infolgedessen  auch  quergeschnittene  auf,  so  daß  das  Bild  ein  sehr  un- 
regelmäßiges wird.  Im  centralen  Teile  des  Hodenschlauches  treten 
zuweilen  Cystenzellen  auf,  deren  Plasma  sich  im  Stadium  einer  fettigen 
Degeneration  befindet.  Sie  fallen  sofort  auf  durch  die  zahlreichen, 
tief  dunkel  sich  färbenden  Tröpfchen,  die  in  eine  bindegewebige  Grund- 
masse gebettet  erscheinen  (Fig.  59  ft).  Derartige  Degenerationsprodukte 
sind  besonders  in  solchen  Hodenschläuchen  zu  konstatieren,  in  denen 
die   letzten    Spermatozoen  im   Begriffe   sind,    in   den   Nebenhoden   zu 


276  Carl  Demandt, 

wandern.  Hoden,  in  denen  die  Spermatozoenentwicklung  noch  in  den 
Anfängen  liegt,  zeigen  meist  diese  Erscheinimg  nicht.  Es  liegt  daher 
nahe,  dieses  Auftreten  der  Fetttröpfchen  als  ein  Zeichen  von  Erschöp- 
fung des  Hodens  anzusehen,  so  daß  bei  der  Beschaffung  von  Nähr- 
material auch  noch  eine  weitergehende  Zersetzung  von  Cystenzellen 
erfolgt. 

Mit  dem  Beginn  des  Wanderns  der  Spermatozoen  ändert  sich  das 
Aussehen  des  Hodens  insofern,  als  die  Spermatozoenbündel  sich  nun- 
mehr parallel  der  Längsachse  des  Hodens  einstellen.  Von  den  Cysten- 
zellen kann  man  dann  nur  noch  verschwindende  Beste  an  der  Peri- 
pherie des  Hodens  erkennen. 

Die  in  dem  Hoden  degenerierten  und  nicht  zugleich  resorbierten 
Substanzen,  also  der  größte  Teil  der  Cystenzellen,  bleiben  nach  dem 
Austritt  der  Spermatozoen  im  Hodenschlauche  zurück.  Man  findet 
sie  daher  als  leuchtend  gelb  gefärbte  Substanz  in  dem  Winterhoden  vor. 
Durch  die  nachdrängenden  Samenelemente  wird  sie  während  der  Sper- 
matogenese allmählich  abwärts  geschoben,  und  man  findet  dieses  »Cor- 
pus luteum«  als  dicken  Pfropf  vor  den  Spermatozoen.  Auf  Schnitten 
(Fig.  60  ds)  erscheint  es  als  undefinierbares  Konglomerat  von  Gewebs- 
fasern  mit  dazwischen  liegenden,  mehr  oder  weniger  stark  degenerierten 
Kernen,  die  mitunter  noch  einige  Ähnlichkeit  mit  Cystenzell kernen 
aufweisen.  Außerdem  sind  in  die  stark  vacuolisierte  Grundmasse  noch 
tief  dunkel  gefärbte  Körnchen  eingelagert,  welche  teilweise  von  un- 
regelmäßiger Form,  teilweise  jedoch  kreisrund  erscheinen  und  an  die 
Körnchen  erinnern,  welche  sich,  wie  beschrieben,  oft  zwischen  den 
Spermatozoen  finden  (Fig.  59).  Auf  die  letzteren  wird  weiter  unten 
(S.  281)  nochmals  kurz  einzugehen  sein. 

II.  Der  Speicherungsapparat. 
Der  Speicherimgsapparat  des  Samens,  welcher  sich  hinsichtlich 
seiner  Funktion  in  die  drei  Abschnitte:  Vas  efferens,  Nebenhoden  und 
Vas  deferens  gliedert,  zeigt  in  seiner  feinen  Struktur  diese  Unterschiede 
weniger,  denn  das  Epithel  ist  im  ganzen  Verlaufe  dieses  Organes  ziem- 
lich gleichmäßig  ausgebildet.  Seine  Abgrenzung  gegen  den  Hoden- 
schlauch  einerseits  und  die  Anhangsdrüse  andrerseits  ist  jedoch  sehr 
scharf  ausgeprägt. 

a.  Das  Vas  efferens. 
Ein  Längschnitt  durch  den  Übergang  von  Hoden  und  Vas  efferens 
(Fig.  60)   zeigt   uns   zunächst,    daß   das   Hodenepithel    (he)   in   dünner 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


277 


Schicht  das  Vas  efferens  außen  überzieht.  Innerhalb  dieses  Epithels 
liegt  die  Elastica  des  Hodens  (em),  gut  zu  erkennen  als  kräftige  Kontur. 
Wir  haben  also  hier  noch  dieselben  beiden  Schichten,  wie  sie  der  Hoden- 
schlauch selbst  zeigt.  Hierzu  tritt  aber  nach  innen  weiter  ein  das 
Hodenepithel  an  Höhe  übertreffendes  Epithel  (ep).  Es  ist  zunächst 
sehr  flach  und  steigt  allmählich  zu  seiner  normalen  Höhe  an,  wie  es 
das  Vas  efferens  gleichmäßig  auskleidet.  Zwischen  den  beiden  Epi- 
thelien  liegt  also  eine  bindegewebige  Schicht,  welche  die  direkte  Fort- 


he 


Fig.  60. 

Längsschnitt  durch  den  Übergang  des  Hodens  in  das  Vas  efferens.    he,  Hodenepithel;  ep,  Epithel 

des  VAs  efferens;  em,    elastische  Membran.      Lumen  mit  degenerierter  Substanz  (tfs)  erfüllt. 

Vergr.   108  1. 

setzimg  der  Elastica  des  Hodens  darstellt.  Die  Wand  des  Vas  efferens 
ist  hier  infolgedessen  dreischichtig.  Weiter  abwärts  wird  aber  das 
Hodenepithel  flacher  und  schwindet  völlig.  Es  muß  jedoch  hervor- 
gehoben werden,  daß  die  Bindegewebslage  des  Leitungsapparates  einen 
andern  Charakter  als  die  Elastica  des  Hodens  hat.  Denn  während 
letztere  eine  scharf  umgrenzte,  selbständige  Hülle  darstellt,  ist  die 
Bindeirewebslage  des  Nebenhodens,  und,  wie  wir  sehen  werden,  auch 


278 


Carl  Demandt, 


die  der  übrigen  ausleitenden  Organe  eine  vom  Epithel  nicht  zu  trennende 
Schicht,  die  man  als  Basalmembran  auffassen  kann. 

Das  Epithel  des  Vas  efferens  (Fig.  60  ep)  besteht  aus  mäßig  hohen 
Zellen  mit  ziemlich  großen  Kernen  und  stark  granuliertem  Plasma. 
Von  den  Zellen  wird  ein  Secret  abgesondert,  welches  man  am  leeren 
Schlauche  als  fädigen  Belag  des  Epithels  erkennen  kann.  Letzteres  trat 
auf  allen  meinen  Schnitten  in  gleichmäßiger  Form  auf.  Es  zeigte  nie 
Schrumpfungen,  sondern  war  stets  glatt,  ungeachtet  ob  das  Yas  efferens 
mit  Spermien  gefüllt  oder  leer  war.  Daraus  geht  hervor,  daß  dieser 
Abschnitt  des  Speicherungsapparates  wenig  elastisch  ist  und  das  Epithel 
sich  sehr  wenig  dehnt.  Daher  ist  auch  die  Bindegewebslage  in  bezug 
auf  ihre  feinere  Struktur  am  Vas  efferens  schlecht  zu  untersuchen.  Gun- 
st iger  für  die  Untersuchung  liegen  die  Verhältnisse  beim  Nebenhoden. 


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b.  Der  Nebenhoden  oder  die  Epididymis 
bildet  den  zweiten  Abschnitt  des  Speicherungsapparates.  Die  Bilder, 
welche  Querschnitte  durch  den  Nebenhoden  zeigen,  können  sehr  ver- 
schieden sein,  je  nachdem  der 
Schlauch  gefüllt  oder  leer  ist.  Bei 
schwach  gefülltem  Hoden  sind 
die  einzelnen  Schichten  seiner 
Wandung  für  die  Untersuchung 
am  günstigsten.  Eine  feste  Ab- 
grenzung des  Nebenhodens  ist 
auch  dann  nicht  zu  finden,  wenn 
man  das  Schwinden  des  dem  Vas 
efferens  aufgelagerten  Hodenepi- 
thels berücksichtigt.  Es  läuft 
dieses  sehr  flach  aus.  so  daß  man 
nicht  mit  Bestimmtheit  erkennen 
kann,  wo  es  sein  Ende  findet. 

In  dem  eisten  Abschnitte  des 
Nebenhodens    ist    die    Wandung" 
zweischichtig.     Sie  wird  gebildet 
von  dem   Epithel   und  von   der 
ihm  aufgelagerten  Bindegewebs- 
lage.    Fig.   61    zeigt  uns  diesen 
Abschnitt  des  Nebenhodens  im  kontrahierten  Zustande.    Infolgedessen 
erscheint  die  Bindegewebslage  (bg)  von  bedeutender  Mächtigkeit,  während 
das  Epithel  (ep)  stark  zusammen  gepreßt  ist  und  eine  ausgefranste  Ober- 


Fig.  61. 
Querschnitt     durch    den    hinteren    Abschnitt    des 
Nebenhodens.     Schlauch  stark  kontrahiert,  Lumen 
infolgedessen  unregelmäßig,  ep,  Epithel;  bg,  Binde- 
gewebslage.    Vergr.  300/1. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  27(.) 

fläche  zeigt.  Infolge  der  starken  Pressung  erscheint  das  grobkörnige 
Plasma  der  Zellen  am  Grunde  dunkler,  d.  h.  dichter,  als  in  den  oberen 
Teilen  der  Zellen.  Die  Kerne  zeigen  dieselbe  Struktur  wie  im  Bereiche 
des  Vas  efferens:  einen  Nucleolus  und  feinere  Chromatinkörnchen,  die 
oft  wandständig  gelagert  sind. 

Die  Bindegewebslage  zeigt  vereinzelte  runde  Kerne.  Zahlreiche 
Tracheen  treten  an  sie  heran  und  durchsetzen  sie.  Der  Nebenhoden 
ist  in  diesem  Abschnitt  von  ziemlicher  Dehnbarkeit,  und,  wenn  er  mit 


|~ 


-ep 


Im  — 


Mg.  62. 
Querschnitt  durch  den  vorderenjAbschnitt  des  Nebenhodens  (»Samenblase«).     Epithel  (ep)  um- 
hüllt von  einer  dicken  Ringmuskulatur  (rm),  zwischen  beiden  eine  dünne  Bindegewebslage  (hg). 

Vergr.  140/1. 

Spermien  erfüllt  ist,  erscheint  sein  Epithel  ganz  ähnlich  wie  es  Fig.  62 
für  den  zweiten  Abschnitt  des  Nebenhodens  zeigt.  Die  Zellen  sind 
dann  bedeutend  niedriger,  aber  trotzdem  noch  höher  als  im  Vas  efferens, 
und  die  Innenfläche  des  Epithels  vollkommen  glatt. 

Weiter  abwärts  tritt  zu  dem  Epithel  und  der  Bindegewebslage 
am  Nebenhoden  noch  eine  äußere  Muscularis.  Sie  besteht  fast  aus- 
schließlich aus  Ringmuskelfasern  (Fig.  62  rm),  ist  anfangs  äußerst  fein 
und  nimmt  allmählich  an  Stärke  zu.  Eine  typische  Längsmuskel- 
schicht,  wie  sie  Escherich  für  Carabus  morbillosus  abbildet,  ist  hier 


280  Carl  Demandt, 

nicht  vorhanden.  Wohl  zeigen  sich  zwischen  den  Ringmuskelfasern 
vereinzelte  quergeschnittene  Längsmuskelfasern  (Fig.  62  Im),  doch 
bilden  diese  keine  geschlossene  Schicht.  Nach  dem  Vas  deferens  hin 
zeigt  die  Mnscularis  beträchtliche  Stärke.  Die  Fasern  verlaufen  jedoch 
nicht  vollkommen  ringförmig,  sondern  kreuzen  sich  bündelweise 
(Fig.  (52). 

Die  Bindegewebslage,  welche  innerhalb  der  Muscularis  liegt  (Fig.  62 
hg),  ist  hier  sehr  fein,  da  der  Schlauch  hier  nicht  stark  kontrahiert  ist. 
Die  Zellgrenzen  des  Epithels  sind  ziemlich  gut  zu  erkennen.  Das 
Epithel  stellt  hier  ein  ausgesprochenes  Cylinderepithel  dar,  und  die 
Kerne  liegen  im  mittleren  Teile  der  Zellen.  Bei  straff  angefülltem 
Schlauche  wird  das  Epithel  in  diesem  Abschnitte  des  Nebenhodens 
noch  viel  stärker  gedehnt,  so  daß  es  ganz  flach  erscheint.  Zellgrenzen 
sind  in  solchen  Fällen  nicht  mehr  zu  erkennen,  und  selbst  die  Kerne 
können  nur  bei  sehr  genauer  Durchsicht  gefunden  werden.  Dieser 
Teil  des  Nebenhodens  ist  der  eigentliche  Sammelbehälter  des  Samens, 
in  seiner  Funktion  begünstigt  durch  die  enorme  Elastizität  seiner 
Wandung.  Er  bildet  einen  vollkommenen  Ersatz  für  die  bei  andern 
Insekten  auftretende  Samenblase. 

Das  Epithel  des  Vas  efferens  und  der  Epididymis  besitzt  durch- 
weg secernierende  Funktion.  Besonders  in  den  leeren  Schläuchen  ist 
das  Secret  als  fädiger  oder  körniger  Belag  der  Zellen  zu  erkennen. 
Sehr  stark  ist  die  Secretion  im  Vas  efferens  und  dem  daran  sich  an- 
schließenden Teile  des  Nebenhodens.  Diese  Abschnitte  haben  also 
die  Aufgabe  der  mesodermalen  Anhangsdrüse  oder  Mesadenie  (nach 
Escherich)  zu  erfüllen.  Das  abgesonderte  Secret  zeigt  sich  gegen 
Farbstoffe  ziemlich  indifferent  und  färbt  sich  z.  B.  mit  Eisenhäma- 
toxylin  nur  sehr  schwach. 

c.  Das  Vas  deferens 
unterscheidet  sich  in  seiner  Struktur  nur  wenig  von  dem  letzten  Ab- 
schnitte des  Nebenhodens.  Seine  Muscularis  ist  jedoch  von  bedeuten- 
derer Mächtigkeit  (Fig.  63  rm),  und  die  einzelnen  Bündel  sind  sehr 
stark  gekreuzt.  Kurz  vor  der  Mündung  des  Vas  deferens  in  die  Ecta- 
denie  (Fig.  64)  bildet  sie  einen  starken  Sphincter,  dessen  Aufgabe  es 
ist,  den  Spermaaustritt  zu  verhindern.  Der  mächtigen  Muscularis 
gegenüber  tritt  das  Lumen  des  Vas  deferens  sehr  zurück  (Fig.  63). 
Die  Bindegewebslage  (by)  zeigt  infolge  der  starken  Kontraktion  wieder 
bedeutende  Mächtigkeit.  Das  Epithel  (ep)  ist  stark  zusammengepreßt, 
so   daß   stellenweise   die   Zellen   keulenförmig  geworden   sind   und  als 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


281 


Wülste  in  das  Lumen  hineinragen.  Die  Zellgrenzen  sind  aber  trotzdem 
zu  erkennen.  Auch  hier  zeigen  die  Zellen  noch  seeretorische  Funktion, 
so  daß  also  das  Epithel  des  ganzen  Speicherungsapparates  gleichwertig 
erscheint. 

Es  war  im  Vorhergehenden  schon  öfters  Gelegenheit,  auf  den  In- 
halt des  Speicherungsapparates  Bezug  zu  nehmen.    Dieser  Apparat  ist 


-  -ep 


Fig.  63. 

Querschnitt  durch  das  Vas  deferens,  stark  kontrahiert,  dem  Epithel  (ep)  aufgelagert  eine  bedeutende 

Schicht  Bindegewebe  (bg)  und  weiter  eine  mächtige  Ringmuskulatur  (r»),    Vergr.  216/1. 

jedoch  auch  für  die  Genese  der  männlichen  Keimzellen  von  Bedeutung, 
denn  mit  dem  Freiwerden  und  Wandern  der  Spermatozoen  in  den 
Nebenhoden  ist  deren  Entwicklung  noch  nicht  beendet.  Es  treten  im 
Nebenhoden  vielmehr  noch  jene  interessanten  Copulationsstadien  auf, 
die  für  Dytiscus  zuerst  von  Ballowitz  und  Auerbach  gesehen  und 
beschrieben  wurden.  Dieselben  Vorgänge  konnte  Ballowitz  auch  bei 
verwandten  Formen  (Hydaticus,  Acilius,  Colymbetes  und  Graphoderes) 
konstatieren,  und  es  sollen  hier  kurz  die  Resultate  der  Untersuchungen 
dieses  Autors,  soweit  sie  sich  auf  Dytiscus  marginalis  beziehen,  ange- 
fügt werden. 


282 


Carl  Demandt, 


Die  Spermatozoen,  welche  den  Hoden  verlassen  und  in  die  Epidi- 
dymis wandern,  haben  ihre  definitive  Form  erlangt.  Die  Spermie  hat 
eine  Länge  von  etwa  1.06  mm.  wovon  0.011  mm  auf  den  Kopf  ent- 
fallen. Der  erste  Abschnitt  der  Geißel  ist  in  der  Länge  von  0,08 — 0,09mm 
abgeplattet,  breiter  als  das  Endstück,  und  trägt  einen  Flimmersaum. 
Der  Kopf  des  Spermatozoons  ist  schmal,  lang,  nach  vorn  spitz  zulaufend 


6y    tefi 

Fig.  64. 
Die  Mündung  des  Vas  deferens  [vd)  in  die  Ectadenie  [ect).    ep,  Epithel  des  Vas  deferens;  <ii ...  Epi- 
thel der  Ectadenie.     Vergr.  46/1. 

und  trägt  einen  feinen  Randsaum.  An  seinem  Hinterende  trägt  er 
einen  borstenf  orangen  Widerhaken  (Fig.  65  a  u.  b.  ich.  nach  Ballo- 
witz).  Die  Köpfe  der  copulierenden  Spermien  liegen  mit  zwei  Flächen 
aufeinander,  wobei  die  Widerhaken  sich  kreuzen  und  verklammern. 
Dabei  ist  auch  noch  Kittsubstanz  vorhanden,  welche  die  Köpfe  ver- 
klebt und  als  helle  Kontur  zwischen  ihnen  zu  erkennen  ist  (Fig.  65  b). 
Diese  Kittsubstanz  wird  vermutlich  geliefert  von  dem  Spitzenknopf, 
welcher  anfangs  den  copulierten  Köpfen  aufsitzt  und  allmählich  schwin- 
det. Die  Doppelspermatozoen  sind  zu  vergleichen  mit  den  »Spermato- 
zeugmen«  der  Heuschrecken  und  haben  vielleicht  die  Bedeutung,  eine 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


283 


größere  Beweglichkeit  zu  erzielen.     An  den  Spermien  kann  man  vor 
und  nach  der  Copulation  keine  morpho- 
logischen  Unterschiede  wahrnehmen. 

Bezüglich  des  Vorkommens  der 
Doppelspermatozoen  kann  ich  die  An- 
gaben von  Ballowitz  bestätigen.  Sie 
finden  sich  sowohl  im  Nebenhoden  als 
auch   im  Receptaculum  des  Weibchens. 


3.  Die  Anhangsdrüsen. 

Die  Anhangsdrüsen  sind  nach  Esche- 
eich  dem  ectodermalen  Abschnitte  des 
männlichen  Genitalapparates  zuzurech- 
nen. Er  bezeichnet  sie  daher  als  Ecta- 
denien.  Als  Beweis  für  die  ectodermale 
Natur  dieser  Drüsen  ist  die  chitinöse  In- 
tima  derselben  anzusehen.  Auf  Quer- 
schnitten durch  den  Drüsenschlauch  ist 
jedoch  die  chitinöse  Intima  auch  mit 
starken  Vergrößerungen  nicht  als  solche 
zu  erkennen.  Bei  Macerationen  der  Drüse 
durch  Kalilauge  bleibt  aber  ein  zarthäu- 
tiger, heller  Schlauch  zurück,  der  auch 
bei  wochenlangem  Liegen  in  Kalilauge 
nicht  aufgelöst  wird.  Es  handelt  sich 
hier  ohne  Zweifel  um  die  Intima  der 
Drüse,  und  mit  deren  Vorhandensein 
würde  dann  der  ectodermale  Ursprung 
dieses  Organs  erwiesen  sein. 

Abgesehen  von  geringen  Modifika- 
tionen weist  die  Anhangsdrüse  durchweg 
gleichmäßige  Struktur  auf.  Ihre  Wan- 
dung besteht  aus  drei  Schichten,  die 
überall  deutlich  zu  erkennen  sind 
(Fig.  64,  66—68).  Die  äußerste  Schicht 
wird  gebildet  von  zwei  bis  drei  Lagen 
ziemlich  feiner  Längsmuskelfasern, 
welche  dem  Drüsenschlauche  dicht  an- 
liegen und  seiner  Achse  vollkommen 
parallel    verlaufen     (Fig.    68  Im).       Sie 

Zeitschrift  f.  vvissensch.  Zoologie.   CHI.  Bd. 


Fig.  65. 
a)  Doppelspermatozoon  (Spermosyszygie) 
aus  dem  Vas  deferens,  frisch  in  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung,  die  copulierenden 
Köpfe  von  der  Fläche  gesellen  (nach 
Ballowitz).  —  b)  Köpfe  (ko)  und  vordere 
Geißelenden  eines  Ooppelspermatozoons 
von  der  Kante  gesehen.  An  der  Spitze 
(I:  i  K;_:pfe  Intensrv  gefärbtes  Kügelchen 
(ft).  Helle  Linie  zwischen  beiden  Köpfen. 
(Kombiniert  nach  Ballowitz). 

19 


284 


Carl  Demandt, 


überzieht  die  blinden  Enden  und  springt  hier  als  sehr  feiner  Strang 
von  dem  einen  Schlauch  auf  den  andern  über  (Fig.  36  ms). 

Nach  innen  von  dieser  Muskularis  liegt  nunmehr  eine  ziemlich  feine 
Bindegewebsschicht  (Fig.  66 — 68  bg).  Sie  umzieht  in  gleichmäßiger 
Stärke  den  ganzen  Drüsenschlauch.  In  sie  eingelagert  sind  feinste 
Ringmuskelfasern  (Fig.  68  r»^),  welche  in  ziemlich  gleichen  Abständen 
aufeinander  folgen,  den  Reifen  eines  Fasses  zu  vergleichen.  Wegen 
ihrer  außerordentlichen  Feinheit  sind  sie  leicht  zu  übersehen,  besonders 
auf   Querschnitten  durch  die  Drüse.     Auf  Längsschnitten  durch  die 


>r- 


Fig.  66. 

Querschnitt  durch  die  Ectadenie:    innen  das  hohe  Drüsenepithel  (dep)  mit  der  Längsfurche  (//). 
Außen  die  Bindegewebslage  (bg)  und  die  Längsmuskulatur  (Im).    Vergr.^108/1. 

Ectadenie  treten  sie  dagegen  besonders  bei  Anwendung  von  van  Gieson- 
scher  Färbemethode  ziemlich  deutlich  hervor  als  gelbe  Punkte  in  dem 
rot  gefärbten  Bindegewebe.  Auffallenderweise  finden  sich  in  der  Lite- 
ratur nirgends  Angaben  von  dem  Auftreten  von  Ringmuskulatur  im 
Innern  der  Bindegewebsschicht.  Auch  Bordas  beschreibt  nichts  Der- 
artiges, obwohl  er  Dytiscus  circumcinctus  untersucht  hat,  und  dieser 
nahe  Verwandte  doch  wohl  dieselben  Verhältnisse  zeigen  dürfte  wie 
Dytiscus  marginalis.  Dieser  Autor  bezeichnet  jedoch  bei  Colymbetes 
eine  Schicht  als  Ringmuskulatur,  während  er  die  derselben  der  Lage 
nach  entsprechende  Schicht  bei  Broscus  als  bindegewebige  Basal- 
membran anspricht.    Es  liegt  daher  die  Vermutung  nahe,  daß  es  sich, 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


285 


e  } ? ' 


t] 


tA  W 


wenigstens  bei  Colymbetes,  um  eine  von  Ringmuskulatur  durchsetzte 
Bindegewebsschicht  handelt.  Nach  Escherich  liegt  bei  Cardbus  mor- 
billosus  innerhalb  der  Längsmuskulatur  eine  feine  Bindegewebslage  und 
weiter  darauf  folgend  eine  nach  der  gegebenen  Abbildung  ziemlieh 
starke  Ringmuskulatur.  Bindegewebe  und  Ringmuskulatur  sind  also 
hier   vorhanden,   jedoch   in   zwei   Schichten   getrennt  angeordnet. 

Die  innere,  das  Lumen  auskleidende  Schicht  bildet  nun  das  Drüsen- 
epithel (Fig.  64,  66 — 68  dep).     Es  ist  dieses  ein  sehr  hohes  Cylinder- 
epithel,  dessen  Zellen  stellenweise  die  Höhe  von  520  //  erreichen  (Fig.  67). 
Dabei  sind  sie   aber  äußerst   schmal, 
nur  7  'u   im  Durchmesser  haltend,   so 

daß  man   auf   7,5  «-Schnitten    schon  '     :  ' 

keine  Zellgrenzen  mehr  erkennen  kann, 

während    sie    bei    einer    Schnittdicke  '|| 

von  4 — 5  u  sehr  deutlich  zu  erkennen 

sind.  Die  Kerne  des  Drüsenepithels  ,  *  \  j  .'  j  f[  (  /'\ 
sind  sehr  klein.  Sie  liegen  in  der 
Mitte  der  Zellen,  der  Basis  etwas  ge- 
nähert (Fig.  66).  Das  Zellplasma  ist 
sehr  fein  granuliert  und  von  gleich- 
mäßiger Verteilung,  wie  dies  bei  der 
Doppelfärbimg  mit  Hämatoxylin-DELA- 
field  und  Eosin  zu  erkennen  ist. 
Nur  rings  um  das  Lumen  ist  die  Kör- 
nung etwas  dichter  (Fig.  66  u.  67). 
Das  mit  FLEMMiNGsehem  Gemisch 
konservierte  und  mit  Eisenhämatoxy- 
lin  gefärbte  Material  erwies  sich  für  die  Untersuchung  unbrauchbar 
wegen  der  sehr  ungleichmäßigen  Färbung  des  Epithels. 

Das  Drüsenepithel  weist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  ein  gleich- 
mäßiges Aussehen  auf,  nur  die  Höhe  der  Zellen  ist  Abweichungen 
unterworfen.  So  sind  sie  an  den  blinden  Enden  und  noch  3/4  cm 
weiter  abwärts  weniger  hoch,  und  das  Lumen  ist  entsprechend  weiter. 
Daher  erscheint  auch  die  Diü^e  in  diesem  Abschnitte  durchsichtiger. 
Die  beiden  kugeligen  Verdickungen,  welche  sich  daran  anschließen 
(vgl.  Fig.  36),  zeigen  außer  der  unregelmäßigen  Höhe  des  Epithels 
ebenfalls  keine  Abweichungen. 

Das  Lumen  ist  durchweg  von  unregelmäßiger  Form,  bedingt  durch 
die  wechselnde  Höhe  des  Epithels.  Es  zeigt  konstant  eine  einseitige 
Ausbuchtung   (Fig.  66  //),   welche   als   Längsfurche   durch    den  ganzen 

19* 


5  fr  —  k 

m dep 


-_6y 
— Im 


Fig.  67. 

Teil   eines    Quersciinittes  durch    die   Ecta- 

denie  sonst  wie   Fig.  66.     Vergr.  140/1. 


286 


Carl  Demandt, 


\dep 


4  -' 


-b9 


iep 

Fig.  68. 

Längsschnitt  durch  den  Übergang  der  Ectadenie  (ect)  in  den  Ductus  ejaculatorius  (de).    Epithel  des 
letzteren  iep)  mit  deutlicher  Intima  (i),  Bindegewebslage  der  Ectadenie  (bg)  von  feinen  Ring- 
muskelfasern  (rm^)  durchsetzt.    Vergr.  88/1. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  287 

Drüsenschlauch  verläuft.  An  dieser  Rinne  sind  die  Zellen  des  Epithels 
kaum  höher  als  100  fi.  Die  Höhe  schwankt  also  zwischen  100  und 
520  ii !  Auch  auf  Längsschnitten  durch  die  Drüse  erscheint  das  Epithel 
unregelmäßig  gewellt,  wie  Fig.  68  zeigt. 

Im  allgemeinen  stimmen  diese  Verhältnisse  überein  mit  den  An- 
gaben, die  sich  in  der  Literatur  über  die  Ectadenien  finden.  Die  von 
Escherich  für  Cambus  morbillosus  beschriebenen  Regenerationszellen 
des  Epithels  fehlen  bei  Dytiscus  marginalis.  Ebenso  war  auf  meinen 
Präparaten  ein  Stäbchensaum  nicht  zu  konstatieren. 

Das  von  den  Ectadenien  gebildete  Drüsensecret  zeigt  gegen  Häma- 
toxylin  eine  sehr  verschiedene  Farbstoffaufnahme.  An  den  blinden 
Enden  der  Drüse  erscheint  es  ziemlich  hyalin  und  nimmt  wenig  Farbe 
an,  während  es  weiter  abwärts  und  zwar  besonders  im  centralen  Teile 
des  Lumens  grobkörniger  ist  und  sich  ziemlich  stark  färbt. 

Es  sei  hier  nochmals  auf  die  Mündung  des  Vas  deferens  in  die 
Ectadenie  hingewiesen.  Wie  aus  Längsschnitten  durch  diese  Teile 
hervorgeht  (Fig.  64),  kann  kein  Zweifel  bestehen,  daß  tatsächlich  die 
Spermien  beim  Austritt  aus  dem  Samenleiter  in  die  Ectadenien  ge- 
langen, denn  unterhalb  dieser  Mündungsstelle  zeigt  das  Epithel  dieselbe 
Struktur,  wie  wir  sie  für  die  Ectadenie  soeben  kennen  lernten.  Auch 
ist  es  nicht  denkbar,  daß  zwischen  der  Ectadenie,  die  ectodermalen 
Ursprungs  ist,  und  dem  ebenfalls  ectodermalen  Ductus  ejaeulatorius 
ein  mesodermaler  Abschnitt  des  Vas  deferens  eingeschaltet  ist.  Das 
Epithel  der  Drüse  (dep)  setzt  sich,  allmählich  flacher  werdend,  an  das 
Epithel  des  Samenleiters  (ep)  an,  und  ebenso  geht  die  Bindegewebs- 
schicht  der  Drüse  (bg)  in  diejenige  des  Samenleiters  über.  Die  Ring- 
muskulatur des  Vas  deferens  {rm)  schließt  sich  an  die  Längsmuskulatur 
(Im)  der  Drüse  an.  Auffallend  ist,  daß  der  Sphincter  des  Samenleiters 
sich  besonders  auf  der  in  Fig.  64  oberen  Wandung  sehr  dicht  an  die 
Drüse  anlegt  und  an  ihr  etwas  hinauf  zieht,  so  daß  bei  seiner  Kontrak- 
tion das  Drüsenepithel,  weniger  das  Epithel  des  Samenleiters  zum  Ver- 
schluß zusammengepreßt  wird.  Es  handelt  sich  hier  nicht  um  eine 
zufällige  Verzerrung,  denn  verschiedene  Präparate  zeigten  diese  Lage 
des  Sphincters. 

Der  Grund,  warum  der  Samenleiter  in  die  Anhangsdrüse  mündet, 
ist  jedenfalls  darin  zu  suchen,  daß  dieser  Teil  der  Ectadenie  für  die 
Bildung  der  Spermatophoren  in  Betracht  kommt,  von  denen  zwei,  also 
aus  jeder  Ectadenie  eins,  bei  der  Copulation  übertragen  werden,  wie  die 
Untersuch un gen  von  Blunck  ergeben  haben. 


288 


Carl  Demandt, 


4.  Der  Leitungsapparat. 
Der  Leitungsapparat  wird  gebildet  von  dem  Ductus  ejaculatorius. 
Er  ist,  äußerlich  genommen,  als  unpaarer  Schlauch  aufzufassen,  welcher 
die  Produkte  der  beiden  Hoden  und  Ectadenien  nach  außen  leitet. 
Eine  genauere  Untersuchung  läßt  aber  erkennen,  daß  der  Ductus  in 
seinem  vorderen  Teile  ein  paariges  Organ  ist,  welches  nach  allerdings 
nur  kurzem  Verlaufe  in  den  unpaaren  Schlauch  übergeht.  Diese  Paarig- 
keit ist  dadurch  bedingt,  daß  die  Ectadenien   sich  nur  äußerlich  mit- 


ep 


rrrif 


Fig.  69. 

Querschnitt  durch  den  paarigen  Teil  des  Ductus  ejaculatorius.    Epithel  (ep)  mit  starken  Wülsten. 

Ihm  aufgelagert  eine  starke  Bindegewebslage  (bg).     Außen  Kingmuskulatur  (rm)  mit  vereinzelten 

Längsmuskelfasern  (Im).     Verar.  140  i. 

einander  vereinigen  (Fig.  37),  ihre  Lumina  jedoch  getrennt  in  den 
Ductus  übergehen.  Fig.  68  zeigt  den  Übergang  einer  Ectadenie  in  den 
Ductus  im  Sagittalschnitte.  Das  Drüsenepithel  (dep),  ausgezeichnet 
durch  seine  Höhe,  hört  plötzlich  auf,  und  seine  Ecken  ragen  weit  in  das 
Lumen  hinein.  Das  neu  auftretende  Epithel  des  Ductus  (ep),  welches 
eine  deutliche  chitinöse  Intima  (i)  besitzt,  ist  bedeutend  niedriger  und 
schiebt  sich  keilförmig  unter  das  Drüsenepithel.  Die  Bindegewebslage 
der  Ectadenie  (bg)  setzt  sich  auf  den  Ductus  fort,  jedoch  fehlen  ihr, 
hier  die  Ringmuskelfasern.  Diese  sind  auch  überflüssig  geworden, 
denn  die  Längsmuskulatur  der  Ectadenie  (Im)  wird  am  Ductus  ersetzt 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


289 


durch  eine  mehrschichtige  Ringmuskulatur  (rm).  Ectadenie  und  Ductus 
ejaculatorius  sind  also  in  allen  drei  Schichten  ihrer  Wandung  scharf 
aeoeneinander  abgesetzt. 

Die  Fig.  69  zeigt  uns  einen  Querschnitt  durch  den  paarigen  Teil 
des  Ductus.  Ein  Vergleich  dieses  Schnittes  mit  den  Fig.  71  und  73 
zeigt  ohne  weiteres  die  große  Übereinstimmung  der  Struktur  dieser 
Schläuche  und  läßt  keinen  Zweifel  aufkommen,  daß  man  den  paarigen 
Abschnitt  dem  Ductus  zurechnen  muß. 

Das  den  Ductus  auskleidende  Epithel  (Fig.  69 — 73  e/p)  besteht  aus 


Fig.  70. 

Zeigt  die  Epithelwülste   (vgl.  Fig.  09)  stärker  vergrößert.     Keulenform  der  Epithelzellen,  die  auf 
einer  feinen  Basalmembran  (hm)  aufsitzen.     Vergr.  250/1. 

Zellen,  deren  Form  infolge  der  starken  Faltung  des  Epithels  sehr  ver- 
schieden ist.  Während  an  einigen  Stellen,  wo  das  Epithel  niedrig  ist, 
die  Zellen  kurz  und  breit  erscheinen,  sind  sie  an  andern  Stellen  typische 
Cylinderzellen.  In  den  starken  Falten  jedoch  (Fig.  70)  sind  sie  derart 
zusammengepreßt,  daß  sie  lange,  keulenförmige  Form  angenommen 
haben.  An  der  Basis  sind  sie  dann  gewöhnlich  so  schmal,  daß  sie 
büschelförmig  von  einem  Punkte  auszustrahlen  pflegen  (Fig.  70  rechts). 
Am  Grunde  der  Epithelwülste  haben  sich  oft  zwischen  den  Zellen 
Zwischenräume  gebildet.  Die  Zellen  sitzen  also  gestielt  der  Basal- 
membran (bm)  auf.  Diese  ist  meist  gegen  das  Epithel  nicht  scharf 
begrenzt,  an  ihrer  hyalinen  Struktur  jedoch   unschwer  zu  erkennen. 


290  Carl  Demandt, 

Die  Kerne  liegen  gewöhnlich  nahe  der  Spitze  der  Zellen  und  haben 
meist  ein  oder  zwei  Kernkörperchen.  Das  Plasma  der  Zellen  ist  fein 
giannliert;  an  der  Basis  und  Spitze  der  Zellen  erscheint  die  Granulation 
weniger  dicht  als  im  mittleren  Teile  (Fig.  70).  Das  Epithel  ist  über- 
zogen von  einer  starken  chitinösen  Intima  (i).  B'ordas  konstatiert  in 
seinen  «conclusions»  ausdrücklich,  «que  l'intima  chitineuse  n'est  pas 
un  produit  de  secretion  cellulaire,  comme  on  pourrait  le  croire,  mais 
bien  un  differenciation  de  la  region  cytoplasmique  interne  de  l'assise 
chitinogene  ».  Bei  Dytiscus  ist  jedoch  die  Begrenzung  der  Zellen  gegen 
das  Chitin  hin  eine  sehr  deutliche  und  Übergänge  nicht  zu  konstatieren, 
so  daß  die  Auffassung  von  Bordas  hier  kaum  zutreffen  dürfte,  sondern 
das  Chitin  wohl  doch  ein  Secretionsprodukt  der  Zellen  ist. 

Die  epithelialen  Falten  des  Ductus  ejaculatorius  zeigen  in  ihrer 
Form  eine  auffallende  Regelmäßigkeit,  wie  ein  Vergleich  der  Fig.  69, 
71  und  73  zeigt.  In  dem  paarigen  Abschnitte  (Fig.  (39)  bildet  der  eine 
Schlauch  das  genaue  Spiegelbild  des  andern.  Ebenso  zeigen  die  Fig.  71 
und  73,  daß  die  beiden  Hälften  fast  genau  symmetrisch  sind.  Das 
Zusammenfalten  des  Epithels  erfolgt  demnach  stets  auf  dieselbe  Art 
und  Weise.  Es  soll  noch  hervorgehoben  werden,  daß  die  Fig.  73  auf- 
fallende Ähnlichkeit  mit  dem  von  Bordas  gegebenen,  allerdings  nur 
teilweise  ausgeführten  Querschnitte  durch  den  Ductus  ejaculatorius 
von  Broscus  cephalotes  besitzt. 

Das  Epithel  überzieht  außen  eine  Bindegewebsschicht  (Fig.  69 
bis  73  bg)  von  wechselnder  Dicke.  An  den  Epithelwülsten  ist  sie  be- 
deutend stärker  als  an  den  übrigen  Stellen,  ein  Beweis,  daß  sie  bei 
erweitertem  Lumen  das  Epithel  nur  als  sehr  dünne  Schicht  umgibt. 
Das  Bindegewebe  zeigt  stellenweise  fädige  Struktur  und  besitzt  sehr 
kleine  Kerne,  die  sich  vereinzelt  in  ihm  vorfinden. 

Die  Muscularis  des  Ductus  ejaculatorius  wird  gebildet  von  einer 
bedeutenden  Schicht  Ringmuskulatur  (Fig.  69 — 73  rm).  der  außen 
stellenweise  einige  Längsmuskelfasern  (Im)  aufliegen.  Sie  ist  von 
ziemlich  gleicher  Stärke  im  ganzen  Verlaufe  des  Ductus.  Der  Quer- 
schnitt durch  den  paarigen  Abschnitt  des  Ausführungsganges  (Fig.  69) 
zeigt,  daß  die  inneren  Lagen  der  Ringmuskulatur  (rmx)  die  Schläuche 
einzeln  rings  umfassen,  während  die  äußeren  Fasern  (rm2)  den  paarigen 
Ductus  gemeinsam  umziehen  und  auf  diese  Weise  die  beiden  Schläuche 
fest  miteinander  verbinden.  Dadurch  wird  äußerlich  der  Eindruck  eines 
unpaaren  Organes  erzielt.  An  der  Stelle  nun,  wo  die  beiden  Lumina 
verschmelzen,  muß  diese  innere  trennende  Muscularis  schwinden.  Die 
Vereinigung  der  beiden  Schläuche  wird  erläutert  durch  Fig.  71  und  72. 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis. 


291 


Legt  man  eine  Serie  von  Querschnitten  durch  den  paarigen  Abschnitt 
des  Ductus,  so  kommt  man  abwärts  schließlich  an  eine  Stelle,  wo  die 
Muscularis  zwischen  den  Lumina  geschwunden  ist  und  an  ihrer  Stelle 
sich  eine  breite  chitinöse  Einlagerung  (Fig.  71  cb)  quer  durch  den 
Ductus  erstreckt.  Es  ist  dies  der  Punkt,  wo  die  bei  der  Beschreibung 
der  Morphologie  des  Geschlechtsapparates  erwähnte  Reuse  in  den 
Ductus  eingelagert  ist  (vgl.  Fig.  37).  Die  Querschnitte,  welche  weiter 
abwärts  folgen,  zeigen  nunmehr  ein  einheitliches  Lumen,  ausgezeichnet 
durch  ein  Paar  äußerst  starker,  epithelialer  Wülste  (Fig.  73),  durch 
welche  das  Lumen  bis  auf  einen  geringen  Raum  ausgefüllt  wird. 


mg. 


-ep 


*W 


Fig.  71. 

Querschnitt]  durch    den   Ductus   ejaculatorius  in   der   Höhe    der   Reuse    (cb),   sonst    wie  Fig.  69. 

Vergr.  118/1. 


Betrachten  wir  nunmehr  die  Fig.  72,  welche  einen  Sagittalschnitt 
durch  den  Ductus  darstellt.  Da  die  Reuse  (cb),  auf  die  es  hier  ankommt, 
in  dorso-ventraler  Richtung  im  Ausführungsgange  liegt,  so  ist  sie  hier 
im  Längsschnitt  getroffen  und  ihre  Form  gut  zu  erkennen.  Ebenso 
ist  die  die  beiden  Lumina  trennende  Ringmuskulatur  {rmx)  längs  ge- 
schnitten, während  die  äußeren  Lagen  (rm2),  welche  die  beiden  Schläuche 
verbinden  (vgl.  Fig.  69),  naturgemäß  quer  getroffen  sind.  Im  unteren 
Teile  zeigt  Fig.  72  das  Lumen  des  anschließenden  unpaaren  Abschnittes 
des  Ausführungsganges.  Die  Reuse  (cb)  bildet  also,  wie  aus  Fig.  71 
und  72  hervorgeht,  den  letzten  Abschnit  der  die  beiden  Lumina  des 


292 


Carl  Demandt, 


paarigen  Ductus  trennenden  Wand.  Sie  ist  ein  ziemlich  breiter  Chitin- 
bogen (Fig.  71),  dessen  Enden  spitz  zulaufen.  In  seinem  mittleren 
Teile  ist  er  mit  langen  Chitinborsten  besetzt,  die  membranellenähnlich 
zu  Büscheln  vereinigt  in  das  Lumen  hineinragen,  so  eine  Art  Reuse 
bildend.  —  Da  sie  etwas  seitlich  abstehen,  liegen  sie  nicht  ganz  in  der 
Schnittebene  der  Fig.  72,  hätten  also  etwa  in  der  Mitte  durchschnitten 

\rmj 


rm -f,Y 


Fig.  72. 
Sagittaler  Längsschnitt  durch  den  Ductus  mit  der  Reuse  (cb).     Oben  ist  die  muskulöse  Scheide- 
wand des  paarigen  Ductus  (vgl.  Fig.  69)  getroffen.     Vergr.  108/1. 


sein  müssen.  Um  Abbildungen  zu  sparen,  wurden  sie  aber  nach  den 
folgenden  Schnitten  ergänzt  und  in  Fig.  72  in  ihrer  ganzen  Länge  ein- 
gezeichnet. —  Während  das  Mittelstück  des  Bogens  quer  durch  den 
Ductus  hindurchzieht,  liegen  die  beiden  Enden,  von  denen  das  dorsale 
(Fig.  72  links)  die  größere  Länge  hat,  der  Wand  des  Ductus  innen  auf. 
Wie  aus  Fig.  72  hervorgeht,  ist  dieser  Apparat  als  lokale  Verdickung 
der  chitinösen  Intima  (i)  des  Ausführungsganges  aufzufassen.    Er  wird 


Der  Geschlechtsapparal   von   Dytiscus  marginalis. 


293 


überzogen  von  dem  Epithel  (ep)  des  Ductus  und  weiter  auch  von  der 
Bindegewebslage  (bg),  und  hieran  schließt  sich  nun  aufwärts  die  Ring- 
muskulatur (rmj). 

Die  chitinöse  Einlagerung,  wie  wir  sie  soeben  kennen  lernten, 
kommt  nach  den  Literaturangaben  auch  bei  andern  Familien  vor.  So 
findet  sie  sich  nach  Bordas  auch  bei  Ophonus  ruficornis,  doch  wird 
sie  nicht  näher  beschrieben.  Welche  Bedeutung  diesem  Apparate  bei- 
zumessen ist,  ist  schwer  zu  sagen.  Vielleicht  ist  er  als  Verschluß  des 
Ductus  anzusprechen,  welcher  das  Secret  der  Ectadenien  am  Austritt 


Fig.  73. 

Querschnitt  durch  den  unpaaren  Abschnitt  des  Ductus.    Epithel  (ei>)  mit  zwei  besonders  starken 
Wülsten   und  Intima  li).    ihm  aufgelagert  eine  Bindegewebslage  (bg)  und  außen  eine  starke  Ring- 
muskulatur.    Vergr.  140/1. 

verhindern  soll.  Da  das  Drüsensecret  ziemlich  zähflüssig  ist.  so  wird 
der  reusenartige  Verschluß  genügen,  um  es  zurückzuhalten.  In  der 
Tat  ist  mitunter  ein  Secretpfropf  oberhalb  der  Reuse  zu  finden,  während 
der  Ausführungsgang  weiter  abwärts  leer  ist. 


5.  Die  Drüsen  des  Präputiums1. 
Wir  sahen  bei   der   Beschreibung  des   Copulationsapparates,    daß 
dem    Präputium   an   verschiedenen    Stellen   Drüsenpakete   aufgelagert 
sind.    Die  Drüsenzellen  besitzen  stets  dieselbe  Form,  und  Fig.  74  zei^t 


1  Es  sei  hier  auf  das  bei  der  Beschreibung  der  Drüsen  des  Scheidenrohres 
Gesagte  verwiesen  (S.  22S). 


294 


Carl  Demandt, 


ty*-~ 


einen  Schnitt  durch  die  Membran  des  Präputiums  mit  dem  aufgelagerten 
Drüsenpolster. 

Das  Epithel  (ep)  dieser  Membran  ist  sehr  niedrig,  und  Zellgrenzen 
sind  an  ihm  nicht  zu  erkennen.  Die  Kerne  sind  ziemlich  klein  und  be- 
sitzen einen  Nucleolus.  Im  Gegensatz  zu  dem  niedrigen  Epithel  steht 
die  äußerst  mächtige  Chitinschicht  des  Präputiums  (c//),  welche  das 
Epithel  um  das  acht-  bis  zehnfache  an  Höhe  übertrifft.    Sie  ist  deutlich 

lameliiert  und  die  Zahl  der 
Lamellen  ist  ziemlich  bedeu- 
tend. Auf  der  Oberfläche  trägt 
sie  feine  Stacheln  (st),  die  den 
Stacheln  der  Rose  sehr  ähnlich 
gestaltet  sind.  Dieser  Stachel- 
besatz macht  die  Oberfläche  des 
Präputiums  rauh  und  ermög- 
licht dadurch,  daß  beim  Copu- 
lationsakt  die  Parameren,  zwi- 
schen denen  sich  diese  Membran 
ausspannt,  am  Abdomen  des 
Weibchens  haften  können. 

Das  dem  Epithel  aufge- 
lagerte Drüsenpolster  wird  ge- 
bildet von  zahlreichen  Drüsen- 
zellen, die  in  zwei  bis  drei 
Schichten  übereinander  liegen. 
Überall  zwischen  den  Drüsen- 
zellen und  ihren  Ausführungs- 
gängen treten  Bindegewebszel- 
Fg-  74-  len     (bgz)     auf.     durch     deren 

Schnitt  durch  ein  Drüsenpolster  des  Präputiums.  Aus-    Fibrillen     die    Dlüsenzellen     ZU 
tuhnmgsgaiige  (ag)    mit    radiär  gestreifter  Blase  (hl) 

in  den  Drüsenzellen  endigend.     Das  Epithel  des  Prä-     einem  festen  Polster  ZUSammen- 
putiums  (ep)  mit  sehr  starker  chitinöser  Cuticula  (ch),     geschlossen    Werden 
welche  mit    Stacheln   {st)   besetzt    ist.     Vergr.  300  1.     ° 

Die  Drüsenzellen  haben 
meist  runde  oder  ovale  Gestalt.  Ihr  Kern  ist  sehr  groß  und  besitzt 
einen  umfangreichen  Nucleolus.  Im  übrigen  sind  die  Kerne  sehr 
chromatinreich ;  das  Zellplasma  ist  grobkörnig,  es  färbt  sich  ge- 
wöhnlich in  der  Umgebung  des  Kernes  und  der  Endigung  des  Aus- 
führungsganges dunkler  als  in  den  übrigen  Teilen  der  Zelle.  Einige 
der  abgebildeten  Zellen  zeigen  Zeichen  von  Erschöpfung,  ihr  Plasma 
ist  stark   vacuolisiert.     Der  Drüsenausführungsgang   bildet  an  seinem 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  marginalis.  l>(.>~> 

Ende  in  der  Drüsenzelle  eine  walzenförmige,  radiär  gestreifte  Blase 
(bl),  in  deren  Innern  das  Lumen  des  Ganges  meist  deutlich  zu 
erkennen  ist.  Diese  Blase  besitzt  im  Vergleiche  zur  Zelle  eine  sehr 
bedeutende  Größe.  Der  ausführende  Gau-  zeigt  ein  auffallend  weites 
Lumen,  was  auf  eine  große  Leistungsfähigkeit  der  Zellen  schließen  läßt. 
Er  mündet  direkt  nach  außen,  ohne  sich  vorher  mit  den  ausführenden 
Gängen  benachbarter  Zellen  zu  vereinigen.  Doch  treten  die  Aus- 
führungsgänge zu  Bündeln  zusammen,  in  denen  sie  parallel  verlaufend 
am  Grunde  einer  grubenförmigen  Einsenkung  des  Chitinbelages  des 
Präputiums  nach  außen  münden. 

Marburg  i.  H.,  im  Dezember  1911. 


Zum  Schlüsse  sei  mir  gestattet,  Herrn  Professor  Korschelt,  auf 
dessen  Anregung  ich  diese  Arbeit  vornahm,  für  das  stete,  gütige  Interesse 
meinen  ergebensten  Dank  auszusprechen.  Auch  bin  ich  Herrn  Prof. 
Melsenheimer,  Herrn  Dr.  Tönniges,  Herrn  Dr.  Kautzsch  und  Herrn 
Dr.  Harms  für  ihre  freundliche  Unterstützung  zu  Dank  verpflichtet. 


Verzeichnis  der  benutzten  Literatur. 

1.  L.  Auerbach,  Über  merkwürdige  Vorgänge  am  Sperma  von  Dytiscus  margi- 

nalis.    Sitzungsb.   K.  preuß.  Akad.  Wiss.   Berlin.     1893. 

2.  E.  Ballowitz,  Die  Doppelspermatozoen  der  Dytisciden.    Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.     Bd.  LX.     1895. 

3.  A.  Bauer,  Die    Muskulatur    von    Dytiscus    marginalis.      Zeitschr.    f.    wiss. 

Zool.     Bd.  XCV.     1910. 

4.  A.  Berlese,  Gli  Insetti.     Volume  primo.     Milino  1909. 

5.  H.  Blunck,  Das   Geschlechtsleben   von  Dytiscus  marginalis.     1.  Teil:    Die 

Begattung.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  CIL     1912. 

6.  L.  Bordas,  Recherches  sur  les  organes  reproducteurs  mäles  des  Coleopteres 

(anatomie  comjiaree,  histologie,  matiere  fecondante).    Ann.  d.  Sc.  Nat. 
Tome  XI.     1900. 

7.  K.  Brandt,  Das  Ei  und  seine  Bildungsstätte.     Leipzig  1878. 

8.  P.  Buchner,  Das   accessorische    Chromosom    in    der  Spermatogenese   und 

Oogenese  der  Orthopteren.    Arch.  f.  Zellforsch.   Bd.  III.    Leipzig.  1909. 

9.  P.  Debaisieux,  Les   debuts  de   l'ovogenese  dans   le   Dytiscus  marginalis. 

Cellule.     Tome  XXV.     1909. 

10.  K.  Escherich,  Anatomische    Studien    über   das  männliche    Genitalsystem 

der  Coleopteren.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  EVTL     1894. 

11.  H.  Euscher,  Das  Chitinskelet  von  Dytiscus  marginalis.    Inaugural-  Disser- 

tation.    Marburg  1910. 


296  Carl  Demandt, 

1:!.  A.  Giardlsta,  Origine  dell'oocite  e  delle  cellule  nutrici  nell  Dytiscus.  Primo 
contributo  allo  studio  delPoogenesi.  Internat.  Monatsschr.,  Anat. 
Phys.     Bd.  XVIII.     1901. 

12a.  —  Sui  pretesi  movimenti  ameboidi  della  vesicola  germinativa.  Riv.  Sc. 
Biol.     Como  1900. 

13.  J.  Gross,  Untersuchungen  über  die  Histologie  des  Insektenovariums.    Zool. 

Jahrb.,  Abt.  Morphologie.     Bd.  XVIII.     1903. 

14.  Th.  Günthert,  Die  Eibildung  der  Dytisciden.    Zool.  Jahrb.,  Abt.  Morpho- 

logie.    Bd.  XXX.     1910. 

15.  W.  D.  Henderson,  Zur  Kenntnis  der  Spermatogenese  von  Dytiscus  margi- 

nalis,  nebst  Bemerkungen  über  den  Xucleolus.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool. 
Bd.  LXXXVII.     1907. 

16.  R.  Heymons,  Die    Entwicklung     der    weiblichen     Geschlechtsorgane    von 

Phyllodromia  (Blatta)  germanica  L.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  LIII. 
1891. 
16a.  ■ —  Die  Segmentierung  des  Insektenkörpers.    Abh.  Akad.  Wiss.    Berlin  1895. 

17.  A.  Köhler,  Untersuchungen  über  das  Ovarium  der  Hemipteren.     Zeitschr. 

f.  wiss.  Zool.     Bd.  LXXXVII.     1907. 

18.  J.  H.   Kolbe,  Einführung   in  die  Kenntnis  der  Insekten.      Berlin  1893. 

19.  E.  Korschelt,  Über  die   Entstehung    und   Bedeutung  der  verschiedenen 

Zellelemente  des  Insektenovariums.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  XLIII. 

1886. 
19a.  —  Über   einige   interessante   Vorgänge  bei   der   Bildung   der   Insekteneier. 

Zeitschr.  f.   wiss.  Zool.     Bd.  XLV.     1887. 
19b.  —  Zur  Bildung  der  Eihüllen,  der  Micropylen  und  Chorionanhänge  bei  den 

Insekten.     Halle  1887. 
19c.  —  Beiträge  zur  Morphologie  und  Physiologie  des  Zellkernes.     Zool.  Jahrb., 

Abt.  Anat.  u.  Ontog.     Bd.  IV.     1889. 

20.  Korschelt    und    Heider,    Lehrbuch    der    vergleichenden    Entwicklungs- 

geschichte der  wirbellosen  Tiere.     Jena  1910. 

21.  Leydig,  G.  Der  Eierstock  und  die  Samentasche  der  Insekten.     Nova  Acta 

Acad.  Leop.  Carbi.     Vol.  XXXIII.     1867. 

22.  Peytoureau,   Contribution  ä  l'etude  de  la  Morphologie  de  l'Armure  geni- 

tale des  Insects.     These,     Bordeaux  1895. 

23.  M.  Regimbart,  Recherches  sur  les  organes  copulateurs  et  sur  les  fonctions 

genitales  dans  le  genre  Dytiscus.    Ann.  soc.  entom.  de  France.    3a  serie. 
1877. 

24.  P.  Schäfer,  Spermatogenese  von  Dytiscus  marginalis.     Beitrag  zur  Frage 

der  Chromatinreduktion.    Zool.  Jahrb.,  Abt.  Morphologie.    Bd.  XXIII. 
1907. 

25.  F.   Stein,   Vergleichende  Anatomie  und  Physiologie  der  Insekten  in  Mono- 

graphien   bearbeitet.       1.    Monographie:    die    weiblichen    Geschlechts- 
organe der  Käfer.     Berlin  1847. 

26.  C.  Töxxiges,  Beiträge  zur  Sjjermatogenese  und  Oogenese  der  Myriopoden. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  LXXI.     1902. 

27.  C.  Verhoeff.    Zur  Kenntnis  der  vergleichenden  Morphologie  des  Abdomens 

der   weiblichen   Coleopteren.      Deutsche   Entomol.   Zeitschr.      1894. 


Der  Geschlechtsapparal   von  Dytiscus  marginalis. 


297 


28.  D.  N.    Vonsrow,   La   Spermatogenese   chez   le   Cybister   Roeselii.     Coniptes 

Rendues  Acad.  Sc.     Paris  1902. 
28a.  —  La  Spermatogenese  d'ete  chez  le  Cybister  Roeselii.     Arch.  Zool.  Exper. 
Tome  I.     1903. 

29.  B.  Wandolleck,  Zur  vergleichenden  Morphologie  des  Abdomens  der  weib- 

lichen Käfer.     Zool.  Jahrb.     Bd.  XXII.     1905. 

30.  K.  Zick,  Beiträge  zur  Kenntnisder  postembryonalen  Entwicklungsgeschichte 

der  Genitalorgane  bei  Lepidopteren.    Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XCVTII. 
1911. 


Erklärung  der  Abkürzungen, 


1.  Der  weibliche 

af,  Achsenfaden; 

ag,  Ausführungsgang; 
ap,  Analplatten; 

app,  ausführender  Apparat; 

bg,  Befruchtungsgang ; 

bt,  Begattungstasche ; 

bz,  Blutzellen; 

c,  Kontur; 

cb,  Chitinbogen; 

cl,  Corpus  luteum; 

eh,  Chitinbelag; 

clo,  Cloake; 

er,  Chitinröhrchen ; 

degros,  degenerierte  Rosetten; 

drp,  Drüsenpolster; 

ef,  Eilach; 

eg,  Eiergang; 
ek,  Eierkelch; 
el,  Eileiter; 
endf,  Endfaden; 
endlc,  Endkammer; 
ep,  Epithel; 

epz,  Epithelzellen; 

est,  Eiröhrenstiel ; 

ja,  Falten; 

fol,  Eifollikel; 

ft,  Fetttröpfchen; 

gf,  Gelenkfortsatz; 

gfa>  geschrumpfte  Faser; 

gk,  Genitalklappen; 

gs,  Gleitschuppe; 

übt,  Hals  der  Begattungstasche; 

hv,  hinterer  Vorsprung; 

i,  Intim a  ; 


Geschlechtsapparat. 

.  ,        Insertion  der  Muskeln  pl  u.  rl; 
vi    | 

k,  Kern; 

kbl,  Keimbläschen ; 

kz,  Keimzellen; 

l,  Lamelle; 

legapp,  Legeapparat; 

Im,  Längsmuskulatur; 

Is,  Legesäbel; 

m,  Membran  des  Scheidenrohres; 

n,  Naht; 

ii f.  Nährfach; 

ii\.  Nährzelle; 

nst,  Nährstrang; 

«...  Nährzelle; 

ooe,  Oocyte; 

oog,  Oogonie; 

oogk,  Oogonienkern ; 

ph,  Peritonealhülle; 

///,   Pleuren; 

recs,  Receptaculum  seminis; 

rect,  Rectum; 

im,  Ringmuskulatur; 

ros,  Rosette; 

rvb,  kurzer  Scheidenretractor; 

rvl,  langer   Scheidenretractor; 

s,  Säule; 

7.5,  8.5  usw.  siebentes,  achtes  Sternit: 

sb,  Sammelblase; 

sp,  Spalt; 

spz,  spindelförmige  Zellen; 

ssp,  Seitenspangen; 

st,  Styli; 

l.t,  St.  usw.,  siebentes,  achtes  Tergit; 


298 


Carl  Demandt, 


tp,  Tunica  propria; 

tr,  Trachee; 

ur,  umgeschlagener  Rand; 

V,  Vulva; 

va,  Vagina; 

vb,  Verbindungsstrang; 

n .   vordere  Ecke; 


vs,  Vorsprung  der  Seitenspangen; 

vv,  vorderer  Vorsprung; 

u\  Wulst; 

z,  Zelle; 

zk,  Zellkern; 

zp,  Zellpolster; 

zpf,  Zellpfropf. 


Die  Muskeln  des  Legeapparates. 

eo,  Musculus  extensor  ovipositoris ; 

fo,  Musculus  flexor  ovipositoris; 

Ib,  Musculus  levator  brevis  laminarum  genitalium; 

11,  Musculus  levator  longus  laminarum  genitalium; 

pl,  Musculus  protractor  laminarum  genitalium; 

ptv,  Musculus  protractor  tubi  vaginalis; 

rbt,  Musculus  retractor  brevis  tubi  vaginalis; 

rfl,  Musculus  retractor  fibularum  lateralium; 

rl,  Musculus  retractor  laminarum  genitalium; 

rla,  Musculus  retractor  laminarum  analium.; 

rlt,  Musculus  retractor  longus  tubi  vaginalis; 

sa,  Musculus  suspensor  anterior  laminarum  genitalium; 

sm,  Musculus  suspensor  magnus  laminarum  genitalium; 

smv,  Musculus  suspensor  membranae  tubi  vaginalis; 

sp,  Musculus  suspensor  posterior  laminarum  genitalium; 

Im,  Musculus  tensor  membranae  cloacae. 


2.  Der  männliche 

a,  Achse  des  Hodens; 
ag,  Ausführungsgang; 
ap,  Analplatte; 

app,  Apparat; 

b,  Beutel; 

bg,  Bindegewebe; 
bgz,  Bindegewebszelle; 
bl,  Sammelblase; 
bm,  Basalmembran; 

c,  Cyste; 

cb,  Chitinbogen; 

ch,  Chitinbelag; 

ck,  Cystenzellkern ; 

es,  Chitinstachel; 

csp,  Chitinspange; 

cz,  <  'vstenzelle; 

de,  degenerierte  Cyste; 

dep,  Drüsenepitlirl; 

drp,  Drüsenpolster ; 

ds,  degenerierte  Substanz; 


Geschlechtsapparat. 
ec',  Ectadenie; 
em,  Elastica; 
ep.  Epithel; 
/'.  Fetttröpfchen; 
gh,  Gelenkhöcker; 
gk,  Genitalklappen; 
gr,  Gräte; 

gv,  großer  Vorsprung; 
/(,  Hode; 
he,  Hodenepithel; 
hv,  hinterer  Vorsprung; 
i,  Intima; 
k.  Kern; 
ko,  Kopf; 

ko papp,  Copulationsapparat; 
ho,  kleiner  Vorsprung; 
//,  Längsfurche; 
Im,  Längsmuskulatur; 
m,  Membran; 
mi,  Mitosen; 


Der  Geschlechtsapparat  von  Dytiscus  inarginalis.  299 

ms,  Muskelstrang;  st,  Stachel; 

nh,  Nebenhode;  sw,  Seiten  wand; 

nk,  Nebenkern;  8.t,  9.t.  achtes,  neuntes  Tergit; 

ob,  oberer  Bogen;  fr,  Trachee; 

pa,  Paramer;  üb,  unterer  Bogen; 

pe,  Penis;  urma,  Ursprung   des   Muskels   rvvi; 

ph,  Peritonealhülle;  va,  Vacuole; 

rjt,  Reifungsteilung;  vc,  verbreiterte  Cystenzelle; 

rm,  Ringmuskulatur;  vd,  Vas  deferens; 

s,  Secret ;  ve,  Vas  ef f erens ; 

7.s,  8.-s,  siebentes,  achtes  Sternit;  vp,  Ventralplatte; 

sp,  Sperrnatozoen;  vv,  vorderer  Vorsprung; 

spl.o,  Spermatocyten  erster  Ordnung;       wh,  Widerhaken. 

sp2.o,  Spermatocyten  zweiter  Ordnung; 

Die  Muskeln  des  Copulationsapparates. 

dpa,  Musculus  distensor  paramerorum; 

Ib,  Musculus  levator  brevis  laminarum  genitalium; 

11,  Musculus  levator  longus  laminarum  genitalium; 

Im,  Musculus  levator  niagnus  praeputii; 

Ip,  Musculus  levator  parvus  praeputii; 

mpa,  Musculus  motorius  paramerorum; 

pas,  Musculus  protractor  arcus  superioris; 

pbp.  Musculus  protractor  brevis  praeputii; 

pl,  Musculus  ^irotractor  laminarium  genitalium; 

p'p,  Musculus  protractor  longus  praeputii; 

pp,  Musculus  protractor  penis; 

ppa,  Musculus  protractor  paramerorum; 

'pp1,  Musculus  protractor  longus  penis; 

prp,  Musculus  protensor  penis; 

rb,  Musculus  retractor  brevis  praeputii; 

ri,  Musculus  retractor  inferior  praeputii; 

rl,  Musculus  retractor  laminarum  genitalium; 

rma,  Musculus  retractor  magnus  arcus  superioris; 

rla,  Musculus  retractor  laminarum  analium; 

rpa,  Musculus  retractor  parvus  arcus  superioris; 

rpe,  Musculus  retractor  penis; 

rpi,  Musculus  rotator  penis  inferior; 

rps,  Musculus  rotator  penis  superior; 

rs,  Musculus  retractor  superior  praeputii; 

sa,  Musculus  suspensor  anterior  laminarum  genitalium; 

slp,  Musculus  suspensor  lateralis  praeputii; 

sm,  Musculus  suspensor  magnus  laminarum  genitalium; 

sp,  Musculus  suspensor  posterior  laminarum  genitalium ; 

spd,  Musculus  suspensor  dorsalis  praeputii; 

tm,  Musculus  tensor  membranae  cloacae. 


Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI  Bd.  20 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von 
Microdon  Meigen. 

Von 

Maria  Andries 

(Bonn). 
(Aus  dem  zoolog.  und  vergleichend-anatomischen  Institut  der  Universität  Bonn). 


Mit  23  Figuren  im  Text  und  Tafel  III— V. 

Inhalt. 

Seite 

Historisches 301 

Systematik .  304 

Larven 305 

Puppen 306 

Imagines 307 

Biologie 309 

Äußere    Morphologie 319 

Ei 319 

Eben  ausgeschlüpfte  Larve 321 

Larve  nach  der  ersten  Häutung 324 

Larve  nach  der  zweiten  Häutung 327 

Ausgewachsene  Larve 330 

Puppenstadium 330 

Inne  re  Morphologie 331 

Segmentzahl 332 

Schlundgerüst 334 

Darmsystem 337 

Tracheensystem      340 

Nervensystem ' 341 

Rückengefäß 345 

Körpermuskulatur 347 

Fettkörper 350 

Haut 350 

Imaginalscheiben 351 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      30] 


Historisches. 

Die  Larve  von  Microdon  hat  seit  ihrer  Entdeckung  lebhaftes 
Interesse  erregt,  weil  sie  in  der  äußeren  Gestalt  und  in  der  Art  der  Fort- 
bewegung von  allen  anderen  Dipterenlarven  bedeutend  abweicht.  Es 
ist  daher  leicht  erklärlich,  daß  ihre  systematische  Stellung  lange  Zeit 
nicht  erkannt  wurde. 

In  seiner  »Beschreibung  der  europäischen  Dipteren«  (1822)  führt 
Meigen  mehrere  Arten  der  Gattung  Microdon  an,  mit  der  Bemerkung  : 
»Von  ihren  ersten  Ständen  ist  nichts  bekannt«.  Aber  schon  im  folgen- 
den Jahre  wurde  die  Larve  von  Spix  und  von  Heyden  entdeckt  und 
äußerlich  beschrieben. 

von  Heyden  (1823)  hatte  ein  einzelnes  Exemplar  bei  Königstein 
im  Taunus  auf  einem  Eichenstumpf  gefunden  und  vergleicht  das  »sonder- 
bar gestaltete  Tierchen«  einer  großen  Schildlaus.  Er  nennt  es  deshalb 
Parmula  cocciformis;  über  seine  nähere  Stellung  im  System  wagt  er 
sich  nicht  zu  erklären  und  schreibt  darüber:  »Daß  es  die  Larve  eines 
Insekts  (etwa  einer  Fliegenart)  ist,  glaube  ich  nicht,  indem  der  ganze 
Bau  und  besonders  der  der  Mundteile  von  den  aller  mir  bekanni<n 
Insektenlarven  zu  verschieden  ist.  Weit  eher  würde  es  ein  Molluske 
sein,  aber  dann  eine  neue,  sehr  ausgezeichnete  Gattung  bilden  müssen.« 

Auf  die  Arbeit  von  Spix  (1824)  möchte  ich  etwas  näher  eingehen, 
weil  sie  in  mehrfacher  Hinsicht  interessant  ist.  Spix  fand  die  Larve 
von  Microdon  bei  Ammerland  am  Starenberger  See,,  in  alten,  in  der 
Erde  noch  wurzelnden  Eichen  -und  Fichtenstümpfen,  und  zwar  imme] 
in  Gemeinschaft  mit  Formica  lierculeana  und  Formica  rufa.  Nach 
seinen  eigenen  Worten  erschien  sie  ihm  beim  ersten  Anblick  wie  ein 
Gespinst  von  Spinnen,  oder  eine  fußlose  Insektenlarve,  endlich  gar 
wie  ein  schildkrötenartiges  Tierchen.  »In  dem  Grade,  als  mir  der 
näheren  Untersuchung  die  Täuschung  verschwindet«,  fährt  er  dann 
fort,  »steigt  die  Verwunderung  über  ihre  sonderbare  Form,  und  die 
Überzeugung  gewinnt  bei  der  Wahrnehmung,  wie  sie  auf  dem  fußlosen 
nackten  Bauche  beinahe  unmerklich  einherkriechen  und  nahe  Gegen- 
stände durch  plötzliches  Einziehen  und  Ausdehnen  der  fleischigen 
Tentakeln  mühsam  erforschen,  immer  mehr  die  Oberhand,  daß  dieses 
sonderbare  Tierchen  nicht  zu  den  mit  Füßen  und  geringelten  Fühl- 
hörnern versehenen  Insekten,  sondern  zu  der  Klasse  der  Schnecken 
gehöre.«  Er  gibt  dann  seiner  Freude  Ausdruck,  eine  neue  Gattung, 
einen  so  schönen  Zuwachs  zur  Schneckenfauna  im  eigenen  Vaterlande 
aufgefunden  zu  haben.     Die  nähere  Untersuchung  hätte  ihn  auf  die 

20* 


302  Maria  Andries, 

richtige  Fährte  führen  müssen;  aber  durch  die  vorgefaßte  Meinung 
beeinflußt,,  sucht  er  alles  damit  in  Übereinstimmung  zu  bringen.  So 
vermutet  er  in  dem  kleinen  Höcker  auf  der  Rückenseite  der  Larve 
die  Testa  der  Schnecken  und  sieht  die  reichlichen  Fettmassen  für 
Geschlechtsorgane  an,  obwohl  ihm  die  Ähnlichkeit  mit  dem  Fett- 
körper der  Insekten  auffällt.  Die  auf  der  Bauchseite  beobachteten 
kleinen  Wärzchen  hält  er  für  Drüsen  oder  Ausführwege  des  Eierstockes. 
Daß  an  der  Spitze  jedes  der  vorderen  Tentakeln  statt  der  Augen  zwei 
feine,  haarartige  Borsten  stehen,  ist  nach  seiner  eigenen  Angabe  bei 
keiner  Schnecke  der  Fall.  Vergebens  sucht  er  nach  einem  pulsierenden 
Herzen  und  der  großen  Leber  der  Schnecken.  Selbst  nach  Feststellung 
von  Tracheen  in  diesem  vermeintlichen  Schneckenkörper,  die  heute 
sofort  über  die  Stellung  des  Tierchens  im  System  aufklären  würde, 
bleibt  er  bei  seinem  Irrtum.  Er  beobachtete  nämlich  zwei,  von  dem 
Rückenhöcker  ausgehende  weiße  Schläuche,  die  sich  gabeln  und  nach 
allen  Richtungen  hin  verzweigen  und  schreibt  darüber:  »Ich  bin  ge- 
neigt zu  glauben,  daß  diese  weißen  Schläuche  nicht  weißes  Blut  führende 
Gefäße,  sondern  Tracheen  sind,  welche  durch  die  Poren  des  Rücken- 
höckerchens  die  Luft  aufnehmen  und  zu  den  gerinnbaren  Säften  sämt- 
licher Organe  führen.  Da  alle  Schnecken  nur  durch  Branchien,  ähnlich 
den  Fischen,  und  nur  die  Insekten  durch  vielseitig  geöffnete  Luft- 
kanäle, (Tracheen)  atmen,  so  muß  es  freilich  höchst  sonderbar  und 
merkwürdig  scheinen,  daß  diese  neue  Schnecke  auch  in  Hinsicht  der 
Respirationsorgane  von  den  übrigen  Schnecken  verschieden,  wohl  aber 
den  Insekten  ähnlich  sei. «  Trotz  all  dieser  Hinweisungen  auf  eine 
Insektenlarve  hält  er  seinen  Fund  für  eine  Schneckenart.  Er  sieht 
sie  eben  als  eine  ganz  neue,  außergewöhnliche  Form  an  und  begründet 
seine  Ansicht  damit,  daß  derartige,  vom  Typus  abweichende  Formen 
in  jeder  Tierklasse  vorkommen.  »So  klein  auch  dieses  Tierchen  ist«, 
bemerkt  er  zum  Schluß,  »und  so  geringfügig  es  manchem  vorkommen 
wird,  so  groß  und  wichtig  ist  es  doch  für  den  Zoologen  und  für  die  Er- 
forschung des  aus  einzelnen  Gliedern  bestehenden  Naturgebäudes.  Wer- 
den das  lippenlose  Schnabeltier,  die  Beuteltiere  und  Balänen  unter  den 
Säugetieren,  die  mit  Kiemen  und  zugleich  mit  Füßen  versehenen  Pro- 
teus unter  den  Amphibien,  die  Knorpelfische  und  der  Gastrobranchus 
glutinosus  unter  den  Fischen  usw.  als  rätselhafte  Formen  angesehen, 
so  ist  es  nicht  minder  in  der  Klasse  der,  wenn  auch  beschälten,  doch 
sämtlich  nackten  Schnecken  die  hier  geschilderte,  nach  oben  nicht 
nackte,  sondern  mit  einem  rauhen  Panzer  ausgerüstete  Molluske, 
welche  wir  nach  ihrem  ausgezeichneten  Kennzeichen   und  nach  dem 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      303 

Fundorte  in  Bayern  » Scutelligera  Ammerinndia«  hiermit  benennen 
und  als  eigne  Gattung  aufstellen. «  —  Ob  ihn  nicht  doch  der  Gedanke, 
eine  Insektenlarve  vor  sich  zu  haben,  beschäftigt  hat?  denn  einmal 
entschlüpft  ihm  die  Bemerkung:  »Diese  Insektenform  steht  von 
allen  bisherigen  abweichend  und  auch  den  besten  Conchyologen  un- 
bekannt da.«   — 

Unter  diesen  Namen  Parmula  cocciformis  und  Scutelligera  Ammer- 
landia  geht  nun  unser  Tierchen  in  die  Systematik  über,  bis  Schlott- 
hauber  (1839)  es  als  die  Larve  der  Fliegengattung  Microdon  erkennt 
und  auf  der  Naturforscherversammlung  in  Pyrmont  über  ihre  Ver- 
wandlungsgeschichte und  Anatomie  ausführlichen  Bericht  erstattet. 
Er  legt  dabei  die  Originalabbildungen  vor  zu  einem  unter  folgendem 
Titel  herauszugebenden  Werke:  Über  die  Identität  der  Fliegenmaden 
von  Microdon  mutabilis  Meig.  mit  den  vermeintlichen  Landschnecken 
Scutelligera  (Spix)  und  Parmula  (v.  Hey  den)  sowie  morphologische, 
anatomische  und  physiologische  Beschreibung  und  Abbildung  ihrer 
Verwandlungsphasen  und  ausführliche  Naturgeschichte  derselben. 
Zur  Kenntnis  der  Organisation,  der  Entwicklungs-  und  Lebensweise 
aller  zweiflügeligen  Insekten  überhaupt.«  Wäre  dieses  ausführliche 
und  vielversprechende  Werk  wirklich  erschienen,  so  würde  wohl  über 
den  Gegenstand  nicht  viel  mehr  hinzuzufügen  sein,  aber  es  blieb  bei 
der  mündlichen  Mitteilung.  1845  findet  Elditt  die  Puppe  von  Mi- 
crodon, erzieht  daraus  die  Fliege  und  gibt  eine  ziemlich  ausführliche 
Beschreibung  des  Puppenstadiums.  Später,  1862  berichtet  er,  mm, 
auch  die  Larve  gefunden  zu  haben,  aber  ohne  irgend  etwas  Neues  dar- 
über hinzuzufügen,  Er  verspricht  weitere  eingehende  Mitteilungen, 
die  jedoch  nicht  erfolgt  sind. 

Wissmann  erwähnt  1848  eine  zweite  Larvenart  von  Microdon 
(s.  S.  308),  aus  der  ihm  nach  vielfach  fehlgeschlagenen  Versuchen  gelang, 
die  Imago  zu  erziehen.  1877  zeigt  Bertkau  in  einer  Sitzung  des 
naturhistorischen  Vereins  in  Bonn  ein  lebendes  Exemplar  der  Micro- 
don-La,vve  vor  und  gibt  dort  im  folgenden  Jahre  einen  kurzen  Bericht 
über  Puppe  und  Imago.  1889  folgen  weitere  Mitteilungen,  worin  er 
zum  ersten  Male  die  Sinnesorgane  auf  der  Bauchseite  der  Larve  erwähnt 
und  ziemlich  genau  beschreibt;  es  sind  die  von  Spix  beobachteten 
Wärzchen.  Kurze  Mitteilungen  von  Poujade  und  Laboulbene  (1882) 
in  verschiedenen  Sitzungen  der  Societe  entomologique  de  France  er- 
gaben nichts  Neues.  Poujade  gibt  dann  1883  eine  ausführlichere 
Beschreibung  der  äußeren  Körperform  von  Puppe  und  Imago.  Was- 
mann  hat  Larve  und  Puppe  oft  gefunden  und  die  Fliege  daraus  erzogen. 


304  Maria  Andries. 

I  □  mehreren  kurzen  Mitteilungen  (1891,  1894,  1898  und  1909),  be- 
sonders in  seinen  Arbeiten  über  »Ameisen  und  Ameisengäste «,  finden 
sich  interessante  biologische  Beobachtungen,  auf  die  ich  noch  zurück- 
kommen werde.  Die  letzten  Arbeiten  über  die  Larve  von  Microdon 
sind  von  Hecht  (1899)  und  von  Cerfontaine  (1907).  Es  sind  dies 
außer  Spix  die  einzigen  Autoren,  von  denen  die  Larve  auch  in  ana- 
r oi nischer  Hinsicht  untersucht  worden  ist.  Hecht  geht  von  der 
Schneckenähnlichkeit  unseres  Tierchens  aus  und  wiil  durch  seine  Unter- 
suchung feststellen,  ob  diese  Ähnlichkeit  nur  auf  die  äußere  Form 
beschränkt  ist  oder  ob  auch  die  innere  Organisation  davon  beeinflußt 
wird.  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  Microdon-Lairven  und  Schnecken 
in  letzter  Hinsicht  nichts  miteinander  gemein  haben.  Auf  Cerfon- 
taine werde  ich  im  Verlaufe  dieser  Arbeit  wiederholt  Gelegenheit 
haben,  zurückzukommen. 

Systematik. 

Die  Fliegengattung  Microdon  gehört  zur  Familie  der  Syrphiden 
oder  Schwebfliegen.  Sie  hat  ihren  Namen  von  zwei  kleinen  Chitin- 
zähnen am  Rückenschildchen.  Schiner  berichtet  in  »Diptera  Au- 
striaca« (1857),  daß  Repräsentanten  der  Gattung  aus  allen  Weltteilen 
bekannt  sind.  Er  zählt  drei  europäische  Arten  auf,  Microdon  muta- 
bilis  L.,  devius  L.  und  latifrons  Loew.  Die  letztere  war  1856  durch 
Loew  bekannt  geworden.     18» ;_  fce  sich  als  vierte  Art  Microdon 

brevicomis  Egg.  hinzu,  die  von  Mik  1897  umgetauft  wurde  in  Microdon 
Eggen'  Mik.  Mik  gibt  1899  zum  ersten  Male  eine  systematische  Über- 
sicht der  vier  Arten.  Er  erklärt  sich  mit  Schiners  Nomenklatur  ein- 
verstanden und  fügt  den  bisher  bekannten  Merkmalen  neue,  bestimmtere 
hinzu. 

Unter  dem  von  mir  gesammelten  Material  befanden  sich  viererlei 
Larven  mit  charakteristischen,  unterscheidenden  Merkmalen.  Die  aus- 
schlüpfenden Imagines  ließen  sich  nicht  alle  der  MiKschen  Beschreibung 
unterordnen,  wodurch  die  Bestimmung  derselben  ziemlich  erschwert 
wurde.  Durch  Vermittlung  von  P.  E.  Wasmann  konnte  ich  mit  Sicher- 
heit feststellen,  daß  nur  zwei  Arten  mit  den  von  Mik  angeführten 
identisch  sind.  Er  war  so  liebenswürdig,  meine  Exemplare  mit  den 
Typen  im  K.  K.  naturhist.  Hofmuseum  in  Wien  zu  vergleichen  und 
mir  von  Schiner,  Egger  und  Mik  bestimmte  Vergleichsexemplare 
der  vier  Arten  von  dort  mitzubringen.  Die  mit  diesen  übereinstimmen- 
den Arten  meines  eigenen  Materials  sind  Microdon  mutabüis  L.  und 
Eggeri  Mik.    Von  den  beiden  anderen  weist  die  erste  als  Larve,  Puppe 


Zur  Systematik.  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      305 

und  Imago  unterscheidende  Merkmale  auf  und  scheint  eine  bis  jetzt 
nicht  bekannte  oder  unterschiedene  Art  zu  sein,  die  zweite  eine  Varietät 
von  Microdon  Eggeri  Mik,  von  der  sie  hauptsächlich  im  Larven-  und 
Puppenstadium  abweicht,  als  fertiges  Insekt  dagegen  nur  durch  die 
Größe. 

Die  einzelnen  Arten  sind  einander  sehr  ähnlich  und  daher  in  der 
Literatur  viel  verwechselt  worden. 

Loew  (1856)  und  Verall  (1901)  führen  die  zahlreichen  Synonyme 
ziemlich  vollständig  an.  Auch  in  bezug  auf  die  Larven  haben  sich 
viele  Irrtümer  in  die  Literatur  eingeschlichen. 

Von  dem  mir  zur  Verfügung  stehenden  Material  der  vier  ver- 
schiedenen Larven  und  Puppen  gebe  ich  im  folgenden  eine  kurze  Cha- 
rakteristik und  von  den  betreffenden  Imagines  die  wichtigsten  unter- 
scheidenden Merkmale.  Im  übrigen  verweise  ich  für  die  Bestimmung 
der  letzteren  auf  Schiner  (1862),  Egger  (1862)  und  Mik  (1899). 

Larven. 

I.  Microdon  mutabilis  L.  und  rhenanus  n.  sp.  weiß,  Chitin  struk- 
tur des  Rückens  auf  einen  äußeren  zweireihigen  Kranz 
beschränkt,  nur  aus  Höckern,  wie  bei  Stad.  II  von  Eggeri  Mik 
(s.  S.  325)  bestehend,  ohne  Haare  und  pilzförmige  Gebilde.  Tra- 
cheenhöcker  oben  glatt,  stark  glänzend,  höher  als  bei  der  anderen 
Art.     Borstensaum  silbergrau. 

1)  mutabilis  L.  (Taf.  III.  Fig.  10a)  grauweiß,  11  mm  lang  und 
91/2mm  breit,  Rückenseite  hochgewölbt,  plumpe  Form,  am 
meisten  von  allen  einer  Schnecke  ähnlich;  Chitin  des  Rückens 
matt,  undurchsichtig,  grobe  Runzeln  in  der  Längs-  und  Quer- 
richtung, große,  unregelmäßige  Vielecke  andeutend.  Obere 
Platten  des  Tracheenhöckers  (Taf.  III,  Fig.  14)  gelblich  braun 
mit  dunkelrotbrauner  Umrahmung. 

2)  rhenanus  n.  sp.  (Taf.  III,  Fig.  IIa)  gelblich-weiß,  stets  kleiner 
als  die  vorige  Art,  81/2mm  lang,  6  mm  breit,  Rückenseite 
ziemlich  flach,  durchsichtig,  in  dem  ovalen  Innenraum  des 
Kranzes  die  Chitinstruktur  nach  Art  von  Eggeri  Mik  (s.  S.  325) 
durch  feine,  hellbraune,  punktierte  Linie  angedeutet,  außer- 
dem aus  kleinen,  polygonalen  Plättchen  zusammengesetzt; 
Tracheenhöcker  heller  als  bei  mutabilis;  seine  oberen  Platten 
hellfuchsfarben. 


306  Maria  Andries, 

II.  Eggeri  Mik  u.  Eggeri  var.  major  nov.  var.  braun,  auf  der 
ganzen  Rückenfläche  die  S.  328  beschriebene  Chitin- 
struktur. 

1)  Eggeri  Mik  (Taf.  III,  Fig.  8«)  8— 10  mm  lang,  572— 772mm 
breit,  Färbung  wie  die  eines  Haselnußkerns;  Unterseite  und 
Grundfläche  des  Rückens  fleischfarbig;  Innenraum  der  Poly- 
gonale fast  verdeckt  durch  das  Gewirre  der  Chitinstrukturen; 
Sinnesorgane  darin  verschwindend.  Wölbung  des  Rückens 
wie  die  einer  Kaffeebohne;  hauptsächlich  von  der  Variation 
unterscheidendes  Merkmal  ist  der  Tracheenhöcker  (s.  S.  329 
und  Taf.  III,  Fig.  12). 

la.  Eggeri  var.  major  (Taf.  III,  Fig.  9a)  10 — 13  mm  lang,  8 — 11  mm 
breit,  macht  im  ganzen  einen  platteren,  breiteren  Eindruck, 
Unterseite  und  Grundfläche  des  Rückens  grauweiß;  Chitin- 
struktur  dunkelgraubraun,  zu  Leisten  miteinander  verfloch- 
ten, Sinnesorgane  dazwischen  hervorstehend;  Flächen  der 
Polygonale  sehr  deutlich;  Tracheenhöcker  verhältnismäßig 
niedriger,  breiter,  nach  vorn  und  hinten  flacher  abfallend 
als  bei  Eggeri  Mik;  sein  Umfang  aus  gröberen  Erhöhungen 
zusammengesetzt,  deren  Innenstriche  (s.  S.  329)  und  Um- 
rahmung  weniger  deutlich;  seine  beiden  oberen  Platten 
größer,  die  Haupt  Öffnungen  einschließend,  fast  schwarz,  in 
der  Mitte  dunkelrot;  nach  vorn  bis  etwa  zur  Hälfte  der 
Höhe  etwas  eingesunken;  diese  Partie  mit  schwärzlichen 
Höckern  (Tai.  III,  Fig.  13). 

Puppen 

immer  auf  der  Rückenseite  höher  uewölbt  als  die  Larven. 
I.  Microdon   mutabilis   L.    und   rhenanus  n.  sp.,    kurze,    rundliche 
Stigmenhörnchen. 

1.  mutabilis  L.  (Taf.  III,  Fig.  10  b,  e)  kupferrotbraun,  10  mm  lang, 
8  mm  breit,  stark  gewölbt,  Runzeln  des  Rückenchitins  wie  bei 
der  Larve;   Stigmenhörnchen   dunkelrot   (Taf.  III,   Fig.  17). 

2)  rhenanus  n.  sp.  (Tai.  III,  Fig.  11  b,  c)  hellbraun,  71/2  mm  lang, 
51/,  mm  breit;  Rückenchitin  glatt,  dünn,  so  daß  die  absprin- 
genden Deckelstücke  sich  seitlich  einrollen;  hellbraune  punk- 
tierte Linie  nicht  mehr  deutlich ;  Stigmenhörnchen  etwas  heller 
als  bei  der  vorigen  Art  (Taf.  III,  Fig.  18). 

II.  Microdon  Eggeri  Mik  und  Eggeri  var.  major,    längere,    zapfen- 
artige Stigmenhörnchen. 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      307 

1 )  Eggeri  Mik  (Taf .  III,  Fig.  86)  braun,  die  leere  Hülle  oft  fuchsig, 
durchsichtig,  7 — 10mm  lang,  51/2 — 71/2mm  breit;  Stigmen- 
hörnchen heller  als  bei  der  Var.,  schwärzlichrot,  an  der  Spitze 
rundlich  abschließend  und  lebhafter  rot  (Taf.  III,  Fig.  15). 
la)  Eggeri  var.  major  (Taf.  III,  Fig.  96)  dunkelbraun,  9 — lO1/^  mm 

lang,  71/2 — 8V2  mm  breit;  verhältnismäßig  weniger  gewölbt; 

die  leere  Hülle  derber,  undurchsichtig;  die  grobe,  verflochtene 

Chitinstruktur    bei    der    trockenen,    leeren    Hülle    hellgrau; 

Stigmenhörnchen   breiter,   schwarz,   an   der   Spitze   ziemlich 

platt  endend  (Taf.  III,  Fig.  16). 

Imagines. 

I.  Microdon  mutabilis  L.  und  rhenanus  n.  sp.,  Schild  che  n  fuchsig. 

1)  mutabilis  L.  auf  der  Oberseite  des  Abdomens  dichte,  schuppen- 
artige Punktierung,  die  über  die  Mittellinie  gleichmäßig  hin- 
weggeht; Größe  12  mm. 

2)  rhenanus  n.  sp.,  Mittellinie  der  Oberseite  des  Abdomens  fast 
frei  von  Punktierung  und  in  ihrer  Nähe  zerstreute  Punktierung 
von  verschiedener  Größe  der  einzelnen  Punkte,  die  größten 
wie  schwarze  Lackspritzen ;  Größe  9  mm. 

II.  Microdon    Eggeri    Mik     und     Eggeri     var.     major,      Schildchen 
schwärzlich. 

1)  Eggeri  Mik:  drittes  Fühlerglied  höchstens  zweimal  so  lang 
wie  das  zweite;  Größe  7 — 10mm. 

la.  Eggeri  var.  major:  Größe  10 — 11  mm. 

Unter  den  Wiener  Exemplaren  waren  auch  die  beiden  mir  fehlenden 
bekannten  Arten  Microdon  devius  L.  und  Microdon  latifrons  Loew. 
Sie  gehören  zu  der  Gruppe  mit  schwärzlichem  Schildchen. 

2)  devius  L.  Auf  der  Stirn  und  auf  dem  Thorax  zwischen  den 
Flügeln  schwarze  Behaarung. 

3.  latifrons  Loew.  Drittes  Fühlerglied  31/2 — 3mal  so  lang  wie 
das  zweite. 

Auf  dieses  unterscheidende  Merkmal  der  relativen  Länge  des  dritten 
Fühlergliedes  bei  latifrons  hat  erst  Mik  aufmerksam  gemacht.  Da 
Loew  selbst  es  nicht  angibt,  hielt  ich  anfangs  Microdon  Eggeri  var. 
major  für  latifrons,  fand  aber  an  den  Wiener  Exemplaren  das  Merkmal 
deutlich  ausgeprägt.  Verall  in  »British  Flies«  (1901)  führt  drei 
Arten,  mutabilis,  devius  und  latifrons  als  britische  an.  Auf  der  Ab- 
bildung, die  er  von  latifrons  gibt,  ist  das  dritte  Fühlerglied  etwa  zwei- 
mal so  lang  wie  das  zweite.    Wahrscheinlich  hat  ihm   nicht  latifrons 


308  Maria  Andries, 

vorgelegen,  vielleicht  ebenfalls  meine  var.  major.  Verall  bemerkt 
zum  Schluß:  "I  cannot  say,  that  I  have  at  present  found  any  clear 
and  unmistakable  characters  for  the  Separation  of  any  of  the  European 
species  of  Microdon.  It  is  recorded  from  Germany,  Austria  and  Russia 
but  is  not  yet  well  recognised".  Außerdem  kommt  Microdon,  soviel 
bis  jetzt  bekannt  ist,  in  Frankreich.  Belgien.  Holland  und  Luxem- 
burg vor. 

Mik  teilt  die  vier  europäischen  Microdon- Arten  nach  einem  Haupt- 
merkmal in  zwei  Gruppen  ein:  »An  den  Seiten  des  Mesothorax  be- 
findet sich  eine  kahle  Stelle  von  keilförmiger  Gestalt,  mit  der  Spitze 
nach  oben  gerichtet.  Dieses  keilförmige  Fleckchen  ist  ein  Teil  der 
Mesopleura  Osten-Sackens  und  liegt  über  den  Vorderhüften.  Die 
Verlängerung  dieses  Fleckchens  führt  nach  aufwärts  zur  Quernaht 
des  Mesothorax.  Die  kahle  Stelle  unter  der  Flügelwurzel  kommt 
nicht  in  Betracht.  Bei  Microdon  mutdbilis  und  devius  ist  dieses  Fleck- 
chen stark  glänzend,  wie  poliert  und  wenigstens  auf  seinem  konvexen 
Teile  glatt  (höchstens  sind  hier  und  da  kleine  Längsrisse,  aber  nur 
bei  starker  Vergrößerung  sichtbar) ;  bei  Microdon  latifrons  und  Eggeri 
ist  dieses  Keilfleckchen  infolge  der  Skulptur  entweder  überhaupt  oder 
auf  seinem  vorderen  Teile  matter  und  zeigt,  wenigstens  auf  dem  vor- 
deren Teil,  deutliche,  dichtstehende,  ..quergestellte  Nadelrisse,  fast 
gerunzelt  erscheinend.« 

Microdon  rhenanus  n.  sp.  gehört  nach  diesem  leicht  aufzufindenden 
Merkmal  der  ersten  Gruppe  an. 

Microdon  devius  L.  und  latifrons  Loew  scheinen  in  hiesiger  Gegend 
nicht  vorzukommen  oder  sehr  selten  zu  sein.  Es  würde  interessant 
sein,  ihre  Larven  und  Puppen  kennen  zu  lernen.  In  einer  Mitteilung 
an  Poujade  (1883)  schreibt  Osten-Sacken  :  «que  toutes  les  observa- 
tions  et  figures  publiees  jusqu'ici  se  rapportent  ä  la  larve  reticulee, 
et  qu'il  a  vu  pour  la  premiere  fois  la  larve  lisse  ä  la  Seance  de  la  So- 
ciete  entomologique  de  Londres,  en  juin  1883.»  Diese  einzige,  bis  jetzt 
kenntlich  beschriebene  und  abgebildete  Larve  ist  die  von  Microdon 
Eggeri,  vielleicht  auch  von  devius  und  latifrons,  wenn  diese  der  ersteren 
sehr  ähnlich  sein  sollten1.  »La  Larve  lisse«  Osten-Sackens  ist  jeden- 
falls identisch  mit  der  von  Wissmann  (1848)  als  oberwärts  völlig  glatt 
bezeichneten  und  zwar  eine  von  mutabilis  L.     Wissmann  betont  be- 


1  Nach  der  Größe  des  fertigen  Insekts  zu  schließen  muß  die  Larve  von  lati- 
frons sehr  groß  sein;  Latzel  (1876)  erwähnt  eine  14  mm  lange  Larve,  aber  ohne 
nähere  Kennzeichen  anzugeben  oder  die  Fliege  daraus  erzogen  zu  haben. 


Zur  Systematik.  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      309 

sonders  ihr  Vorkommen  bei  Formica  fusca  (s.  S.  303  u.  310).     Verall 
gibt  eine  Abbildung  der  Puppe  von  Microdon  mutabilis  L. 

Biologie. 

Ende  Oktober  1909  fing  ich  an,  im  Kottenforst  bei  Bonn  Micro- 
don-Lavven  zu  sammeln  und  habe  von  da  bis  jetzt  durchschnittlieh 
alle  14  Tage  Baumstümpfe  sowohl  wie  auch  Ameisennester,  die  unter 
Steinen  angelegt  waren,  daraufhin  untersucht.  Die  Larven  von  Mi- 
crodon Eggeri  Mik  und  Microdon  Egger i  var.  major  finden  sich  an 
Baumstümpfen  in  Waldlichtungen  und  zwar  meist  in  Kiefern-  und 
Fichtenstümpfen,  seltener  in  Eichen-  oder  Buchenstümpfen.  Hin  und 
wieder  kommen  sie  auch  an  abgehauenen  Stämmen  vor  und  unter 
Steinen.  Stets  sind  sie  in  Gesellschaft  von  Ameisen.  Die  Stümpfe 
müssen  noch  in  der  Erde  wurzeln,  morsch  und  ziemlich  feucht  sein, 
mit  leicht  abzulösender  Rinde,  aber  nicht  verschimmelt.  An  solchen 
Stümpfen  sitzen  die  Larven  sowohl  unter  der  Rinde  als  auch  überall 
in  den  von  den  Ameisen  geschaffenen  Gängen  des  fauligen  Holzkörpers. 
Im  Anfang  übersieht  man  sie  leicht  weil  sie  meist,  besonders  diejenigen 
von  Microdon  Eggeri  Mik,  dieselbe  Farbe  haben,  wie  der  von  den 
Ameisen  aus  dem  Holz  herausgefressene  Mulm,  mit  dem  sie  dicht 
bedeckt  sind. 

Laboulbene  gibt  in  einem  seiner  Berichte  an,  daß  Mayet,  dem 
er  sein  Material  verdankte,  die  Larven  stets  innerhalb  der  Baum- 
stümpfe oder  in  Erdnestern  bis  zu  25  cm  unter  der  Erde,  die  Puppen 
dagegen  immer  dicht  unter  der  Rinde  oder  direkt  unter  den  Steinen 
angetroffen  habe.  Diese  Beobachtung  habe  ich  nicht  gemacht,  sondern 
die  verschiedenen  Stadien  überall  gleichmäßig  gefunden.  Außer  im 
Kottenforst  konnte  ich  das  Vorkommen  von  Microdon-L&iven  fest- 
stellen bei  Rolandseck  am  Rhein,  Oberwinter  am  Rhein,  Gerolstein  i.  d. 
Eifel,  am  Laacher  See,  am  Nordostabhang  der  Schneifei,  bei  Koblenz, 
im  Königsforst  bei  Köln,  auf  der  Wahnerheide,  am  Hummelsberg  bei 
Linz  am  Rhein  und  bei  Winterberg  im  Sauerland.  Manchmal  kamen 
die  Larven  vereinzelt  vor,  zu  zweien  oder  dreien  an  einem  Baumstumpf, 
manchmal  aber  auch  etwa  100  Stück  und  mehr  dicht  beieinander. 
Strenge  Kälte  scheint  ihnen  nicht  schädlich  zu  sein;  denn  an  einem 
sehr  kalten  Dezembertage  1909  fand  ich  50 — 60  Stück  fest  in  Eis  zwi- 
schen Rinde  und  Holz.  Trotzdem  entwickelten  sie  sich  in  normaler 
Weise. 

Die  Larven  von  Microdon  Eggeri  Mik  und  Microdon  Eggeri  var. 
major  fand  ich  in  Gesellschaft  von   Lantus  niger,  Formica  sangumea 


310  Maria  Andries, 

und  Formica  jusca.  Dr.  Reichensperger  fand  sie  an  der  Ahr  ferner 
bei  Formica  exsecta;  die  von  Microdon  mutabilis  und  rhenanus  waren 
dagegen  stets  nur  bei  Formica  jusca  oder  bei  var.  jusco-rujibarbis  und 
zwar  fast  immer  unter  Steinen.  Einmal  traf  ich  die  Larve  von  Microdon 
mutabilis  in  einem  Baumstumpf  an,  aber  auch  hier  bei  Formica  jusca. 
Da  nun  diese  Ameisenart  Erdnester  zu  bauen  pflegt  und  sich  nur  aus- 
nahmsweise in  Baumstümpfen  ansiedelt,  scheinen  mir  Beziehungen 
zwischen  Microdon  mutabilis  und  rhenanus  und  Formica  jusca  vor- 
handen zu  sein.  Von  dem  reichlichen  Material,  das  ich  im  Laufe  des 
Jahres  gesammelt  hatte,  gehörten  weitaus  die  meisten  Exemplare 
zu  Microdon  Eggeri  Mik,  weniger  zu  Microdon  Eggeri  var.  major,  und 
nur  einzelne  zu  Microdon  mutabilis  und  rhenanus. 

Von  den  draußen  gesammelten  Larven  wurden  immer  einige 
fixiert,  der  größte  Teil  aber  in  einen  Glaskasten  mit  Rindenstücken 
und  Mulm  gebracht,  einzelne  auch  auf  Rinde  in  kleinere  Glasschalen 
zur  besonderen  Beobachtung.  Die  Rinde  mußte  gut  feucht  gehalten 
und  sorgfältig  vor  Schimmel  bewahrt  werden.  Mit  besonderer  Vor- 
liebe kriechen  die  Larven  immer  wieder  von  den  Rindenstücken  weg 
an  die  Wände  des  Glases,  wo  sie  bald  austrocknen  und  so  festkleben, 
daß  man  sie  nur  unter  Verletzung  loslösen  kann.  Daher  wird  es  nötig, 
sie  ein  wenig  anzufeuchten  und  immer  wieder  auf  die  Rinde  zurück- 
zubringen. So  ist  es  mir  gelungen,  fast  alle  zur  Verpuppung  und  zur 
weiteren  Entwicklung  zu  bringen. 

Zur  Zeit  der  Verpuppung.  im  März  1910.  brachte  ich  zufällig  einen 
Teil  in  wärmere  Temperatur.  Diese  Individuen  waren  sämtlich  früher 
verpuppt  und  ausgeschlüpft,  als  die  anderen.  Von  den  wärmer  ge- 
haltenen schlüpfte  das  erste  fertige  Insekt  am  7.  April  1910  aus,  von 
den  anderen  das  erste  am  3.  Mai. 

Im  folgenden  Jahre  hatte  ich  viel  reichlicheres  Material.  Diesmal 
hielt  ich  einen  Teil  den  ganzen  Winter  durch  in  ungeheiztem,  den 
anderen  in  geheiztem  Raum.  Außerdem  wurden,  wie  im  vorhergehenden 
Jahre,  eine  größere  Anzahl,  etwa  75,  in  Einzelhaft  gehalten,  um  die 
Zeit  und  die  äußere  Veränderung  zwischen  den  verschiedenen  Stadien 
genau  beobachten  zu  können.  Unter  diesen  befanden  sich  auch  die 
wenigen  Exemplare  der  beiden  selteneren  Arten.  Die  im  Warmen 
gehaltenen  waren  den  andern  in  der  Verpuppung  3 — 4  Wochen  voraus. 
Bis  Anfang  April  hatten  sich  die  einen  sowohl  wie  die  anderen  fast  alle 
wenigstens  bis  zum  Puppenstadium  entwickelt.  Der  Übergang  von 
der  Larve  zur  Puppe  vollzieht  sich,  äußerlich  wenigstens,  ziemlich 
rasch.     Die  Larve,  die  heute   noch  lebhaft  umherkriecht,  von  heller 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      311 

Farbe,  schwach  gewölbt  ist  und  die  Mundwerkzeuge  gebraucht,  bewegt 
sich  am  folgenden  Tage  nicht  mehr,  die  Mundwerkzeuge  sind  in  Ruhe; 
sie  färbt  sich  dunkler,  nimmt  eine  schmälere  Form  an  und  wird  auf 
der  Rückenseite  hoch  und  prall  gewölbt.  Bei  Berührung  zieht  sie 
noch  schwach  die  Berührungsstelle  ein.  Wenn  man  die  Larve  in  diesem 
Stadium  von  der  Unterlage  loslöst,  so  findet  man  die  Bauchseite  schlei- 
mig und  gebräunt.  Am  3.  Tage  ist  sie  auf  Rücken-  und  Bauchseite 
dunkelgraubraun  und  klebt  fest  auf  der  Unterlage.  Die  ganze  Chitin- 
hülle ist  vollständig  gehärtet.  In  diesem  Zustande  abgelöste  Larven 
befestigten  sich  nicht  wieder  und  kamen  nicht  bis  zum  Ausschlüpfen 
der  Imago.  Unterdessen  werden  in  den  Endpunkten  der  beiden  Rücken- 
linien (s.  morphol.  Teil,  S.  327)  runde,  helle  Flecke  bemerkbar,  und 
etwa  5 — 6  Tage  nach  dem  Anfang  der  Verpuppung  brechen  an  dieser 
Stelle,  meist  über  Nacht,  die  beiden  Stigmenhörnchen,  die  typischen 
Atemröhren  der  Syrphidenpuppe,  hervor.  Diese  sind  zuerst  lebhaft 
rot  und  färben  sich  allmählich  schwärzlich  braun.  Zwei  oder  dreimal 
habe  ich  beobachtet,  daß  nur  eins  der  beiden  Hörnchen  ausgebildet 
war.     Diese  Exemplare  entwickelten  sich  trotzdem. 

Die  Verpuppung  der  Larven  von  Microdon  Eggeri  var.  major 
geht  auf  dieselbe  Weise  vor  sich. 

Von  den  weißen  Microdon-Lawen  fing  am  24.  März  die  erste,  und 
zwar  eine  von  Microdon  mutabilis,  morgens  an.  sich  zu  bräunen,  saß 
fest  und  war  bald  ganz  prall,  schmal  und  hoch  gewölbt,  nachmittags 
erschienen  schon  die  Durchbruchsstellen  der  Hörnchen  als  kleine, 
gelblich  weiße  Flecken.  Die  übrige  Färbung  ist  dann  hellbraun,  wie 
die  einer  ungebrannten  Kaffeebohne.  Sie  wird  bis  zum  folgenden 
Tage  kupferrotbraun,  metallig  glänzend  und  allmählich  noch  dunkler. 
Die  Bogennähte,  in  denen  später  beim  Ausschlüpfen  der  Fliege  die 
Chitinhülle  aufspringt,  färben  sich  in  den  ersten  Tagen  nicht  mit  und 
sind  als  deutliche,  helle  Linien  zu  sehen.  Mit  der  weiteren  Dunkler- 
färbung verwischen  sie  sich.  Am  30.  morgens  waren  die  kleinen  Stig- 
menhörnchen durchgebrochen.  Auf  ihrer  Spitze  klebten  jedesmal  bei 
dieser  Microdon-Avt  die  herausgedrückten  hellen  Durchbruchsstellen 
als  kleine,  runde  Scheibchen.  Bis  zum  29.  war  auf  der  Rückenseite 
durch  die  Hülle  hindurch  die  Kontraktion  des  Rückengefäßes  zu  be- 
obachten. Später,  einige  Tage  vor  dem  Ausschlüpfen,  ist  das  fertige 
Insekt  mit  Kopf,  Thorax  und  Schildchen  deutlich  durch  die  Hülle 
hindurch  sichtbar.    Am  20.  April  schlüpfte  es  aus. 

Die  Zeit  zwischen  dem  Erscheinen  der  Hörnchen  und  dem  Aus- 
schlüpfen  schwankte  bei   den   75  Larven,    die    ich   einzeln   verfolgte, 


312 


Maria  Andries, 


Textfig.  1. 

Die  drei  I  leckelstücke  der  Puppenhülle  von  Micr 

dort,  Eggeri  Mik. 


zwischen  15  und  23  Tagen  und  betrug  bei  den  meisten  18  Tage.  Das 
Ausschlüpfen  der  Imagines  geschieht  nachts  oder  morgens,  fast  nie 
nachmittags  und  geht  sehr  schnell,  meistens  in  Zeit  von  kaum  einer 
Minute  vor  sich.  Die  drei  Deckelstücke  (Textfig.  1)  werden  in  der 
Mitte  auseinandergedrängt,  gewöhnlich  ohne  sich  vollständig  von  der 
Hülle  abzulösen  und  mit  lebhaften  Bewegungen  arbeitet  sich  die  Fliege 
heraus.  Diese  ist  anfangs  feucht  und  weich,  von  weißlich  grauer  Farbe, 
die  Flügel  sind  kompliziert  zusammengefalten  und  erscheinen  daher 
ganz  klein.  Sofort  nach  dem  Ausschlüpfen  fangen  die  Tierchen  an, 
lebhaft  umherzukriechen  und  mit  dem  letzten  Beinpaar  eifrig  über 

Flügel  und  Abdomen  zu  streichen. 
Nach  und  nach  schwindet  die 
Feuchtigkeit,  das  Chitin  des  Kör- 
pers erhärtet  und  bekommt  die 
endgültige  dunkle  Färbung.  Die 
goldbraunen  Haare  werden  sicht- 
bar, die  Flügel  entfalten  sich  und 
bleiben  eine  Zeitlang  glatt  ausge- 
streckt. Sie  sind  dann  noch  weich 
und  glashell.  Allmählich  erhärten 
sie  und  werden  alsbald  auf  demRücken  übereinander  gefaltet.  Solange 
die  Flügel  ausgebreitet  sind,  ist  bei  den  Weibchen  die  Legeröhre  gerade 
nach  hinten  ausgestreckt,  später  wird  sie  eingezogen.  Das  Entfalten 
der  Flügel  dauert  manchmal  nur  eine  halbe  Stunde,  manchmal  aber 
auch  2 — 3  Stunden.  Im  ersten  Jahre  meiner  Zucht  versuche  brachten 
viele  Exemplare  die  Flügel  überhaupt  nicht  zur  Entfaltung  und  gingen 
sehr  bald  zugrunde ;  im  2.  Jahre  hatten  alle  bis  auf  wenige  Ausnahmen 
sehr  wohl  entwickelte  Flügel. 

Von  den  im  Warmen  gehaltenen  Larven  schlüpfte  die  erste  Fliege, 
ein  L,  schon  am  2.  März  aus,  die  zweite,  ein  rf,  am  21.  März;  von  den 
kühl  gehaltenen  erschien  die  erste  am  6.  April. 

Es  kam  mir  bei  meiner  Zucht  darauf  an,  die  Weibchen  zur  Eiablage 
zu  bringen  und  die  jüngsten  Larvenstadien  zu  beobachten,  die  bis  jetzt 
noch  nicht  bekannt  waren.  Veehoeff  (1892)  bemerkt  in  einer  kurzen 
Notiz  über  Microdon,  die  Eiablage  sei  überaus  schwer  nachzuweisen; 
er  habe  ein  Microdon-^-  lange  Zeit  beobachtet  und  immer  wieder  auf 
einen  Baumstumpf  mitten  in  einen  Arbeiterschwarm  von  Formica 
sanguinea  hineinfliegen  sehen,  aber  auf  das  Absetzen  der  Eier  habe 
er  vergeblich  gewartet. 

Anfang  April  traf  es  sich  zum  ersten  Male,  daß  ein  C?  und  ein  Q 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      313 

bald  nacheinander  ausschlüpften.  Sie  wurden  mit  Moos  und  feuchten 
Bindenstücken  in  einen  Baupenzuchtkasten  gebracht.  Beide  waren 
am  10.  April  ausgeschlüpft.  Am  folgenden  Tage  beobachtete  ich  sie 
in  Paarung,  ebenso  am  12.  und  13.,  und  jedesmal  sofort  danach  kroch 
das  Weibchen  auf  die  Bindenstücke,  streckte  langsam  die  Legeröhre 
aus  und  strich  mit  den  Hinterbeinen  fortgesetzt  darüber,  aber  es  er- 
folgte keine  Eiablage.  Am  15.  morgens  endlich  klebten  zehn  Eier 
zwischen  dem  Drahtnetz  und  dem  Holz  des  Kastens.  Am  18.  morgens 
fand  ich  an  den  Bindenstücken  im  Zuchtkasten  und  zwar  meist  tief 
in  engen  Spalten,  weitere  35  Eier.  Das  rj1  war  am  18.  April  tot.  Das 
Q  kroch  mühsam  umher,  oft  mit  ausgestreckter  Legeröhre.  Da- 
bei wurde  der  vordere  Teil  des  Abdomens  ein  wenig  gehoben,  der 
Endabschnitt  mit  der  Legeröhre  unter  den  Körper  nach  vorn  umge- 
bogen, und  mit  der  Spitze  der  Legeröhre  tastete  es  sorgfältig  bis  tief 
in  allen  Spalten  der  Binde  umher.  Ein  solches  Bindenstück  konnte 
man  während  dessen  ruhig  in  die  Hand  nehmen,  ohne  das  Tierchen 
zu  verscheuchen.  Es  legte  in  ungefähr  einer  Stunde  noch  40 — 50  Eier, 
jedesmal  5 — 18  Stück.  Die  Eier  glitten  ziemlich  schnell  nacheinander 
durch  die  Legeröhre  hindurch,  mit  dem  stumpfen  Pol  voran  und  wurden 
dicht  nebeneinander  in  geraden  Beihen  bis  tief  in  die  Spalten  hinein 
abgelegt.  Am  19.  beobachtete  ich  das  Q  zuletzt  bei  der  Eiablage. 
Am  20.  war  es  tot.  Es  hatte  etwa  150  Eier  abgelegt.  Die  Eier  wurden 
mit  Binde  und  Moos  nach  den  Tagen  der  Ablage  gesondert,  sorgfältig 
in  verschiedene  Glassehälchen  gebracht  und  teils  sehr  feucht,  teils 
ziemlich  trocken  gehalten  um  desto  sicherer  einige  wenigstens  zur 
Entwicklung  zu  bringen.  Leider  trat  nun  starke  Schimmelbildung  ein, 
so  daß  mehrmals  täglich  aller  Schimmel  sorgfältig  entfernt  werden 
mußte,  wenn  nicht  von  einem  Tage  zum  anderen  Eier  und  Binde  voll- 
ständig davon  überwuchert  sein  sollten.  Unter  Eiern,  die  am  18.  April 
abgelegt  waren,  bemerkte  ich  am  Morgen  des  1.  Mai  15  mit  längs  auf- 
geschlitzter Schale.  Bei  näherer  Untersuchung  fand  ich  sie  leer,  und 
nach  einigem  Suchen  sah  ich  im  Moos  ein  schneckenähnliches  Tierchen, 
schnell  vorwärts  kriechend  und  mit  den  Antennen  lebhaft  umhertastend. 
Von  den  15  ausgeschlüpften  waren  zwischen  Moos  und  Bindenstückchen 
nur  acht  wiederzufinden ;  einige  davon  wurden  sofort  fixiert,  die  andern 
auf  frische,  feuchte  Binde  in  ein  CTlasschälchen  gebracht. 

Nach  dem  ersten  Pärchen  schlüpften  nun  täglich  viele  Fliegen 
aus  und  wurden  sofort  in  den  Zuchtkasten  gebracht,  so  daß  sich  all- 
mählich immer  durchschnittlich  60 — 80  darin  befanden.  Anfangs 
waren  die  Weibchen  in  der  Überzahl,  später  die  Männchen.    An  trüben, 


314  Maria  Andries, 

kalten  Tagen  nahm  das  Ausschlüpfen  ab.  Morgens  saßen  sie  still 
und  unbeweglich  an  den  Wänden  des  Zuchtkastens,  gegen  Mittag 
fingen  sie  an,  träge  umherzukriecken ;  nachmittags  in  der  Sonne  aber 
kam  reges  Leben  in  die  sonst  so  träge  Gesellschaft.  Sie  krochen  dann, 
summend,  und  sich  gegenseitig  an  den  Flügeln  zerrend,  an  dem  Draht- 
netz hinauf  und  zwar  stets  an  der  dem  Licht  zugewandten  Seite.  Nur 
an  ganz  warmen,  sonnigen  Tagen  flog,  wenn  der  Kasten  offen  stand, 
die  eine  oder  andere  heraus  und  dann  nur  eine  kurze  Strecke.  Das 
Flugvermögen  ist  nicht  besonders  ausgebildet.  Nicht  nur  fliegend, 
sondern  auch  umherkriechend  oder  stillsitzend  summen  sie  mit  hohem, 
feinem  Ton,  was  auch  Bignell  (1891)  besonders  erwähnt.  Dabei 
vibrieren  die  übereinandergefalteten  Flügel.  Täglich  waren  jetzt  viele 
Fliegen  in  Paarung  und  die  Weibchen  bei  der  Eiablage  zu  beobachten. 
Wo  diese  sich  begegneten,  zerrten  sie  sich  unter  eigentümlichem 
Brummen  so  lange  an  Flügeln  und  Beinen,  bis  eins  von  der  Rinde 
herunterfiel.  Die  Paarung  findet  meist  kurze  Zeit  nach  dem  Aus- 
schlüpfen statt,  oft  sogar,  ehe  die  Flügel  entfaltet  sind.  Der  Geschlechts- 
instinkt scheint  jedoch  mangelhaft  entwickelt  zu  sein;  denn,  wie  zum 
Beispiel  Henneguy  von  gewissen  Coleopteren  berichtet,  so  konnte 
man  auch  bei  Microdon  häufig  zwei  cfcf  in  Paarungsversuchen  sehen. 

Leider  traf  es  sich  so,  daß  die  drei  Exemplare  der  Microdon  muta- 
bilis-Axt,  die  mir  zur  Verfügung  standen,  in  großen  Abständen  von- 
einander ausschlüpften,  so  daß  das  einzige  L  der  Art  nicht  zur  Be- 
fruchtung und  zur  Eiablage  kam.  Daß  diese  Art  sich  mit  der  anderen 
paarte,  habe  ich  nicht  beobachtet. 

Die  Lebensdauer  der  Imagines  war  durchschnittlich  8 — 14  Tage. 
Die  Imagines  von  mutdbilis  und  rhenanus  waren  im  ganzen  viel  leb- 
hafter und  kräftiger  als  die  beiden  anderen  Arten. 

Die  abgelegten  Eier  wurden  aus  den  Rindenspalten  jeden  Tag- 
sorgfältig  in  verschiedene  Glasschälchen  gebracht,  anfangs  auf  Rinden- 
stückchen, als  aber  die  Schimmelbildimg  überhand  nahm,  ohne  Rinde. 
Zur  Feuchthaltung  wurden  die  kleinen  Behälter  mit  Müller-Gaze 
dicht  zugebunden  und  in  feuchte  Kammern  gesetzt.  So  hielten  sie 
sich  besser  schimmelfrei,  aber  eines  Morgens  waren  sämtliche  aus- 
geschlüpften Larven  durch  die  feinen  Maschen  der  Gaze  hindurch- 
gekrochen, so  daß  ich  125  im  Wasser  wiederfand.  Keine  nahm  dadurch 
Schaden,  sondern  ins  Trockene  gebracht,  entwickelten  sie  sich  un- 
gestört weiter. 

Die  Zeit  zwischen  Eiablage  und  Ausschlüpfen  betrug  durch- 
schnittlich 12  Tage.    Das  Ausschlüpfen  der  jungen  Larve  aus  dem  Ei 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      315 

geschieht  sehr  schnell.  Von  dem  spitzen  Pol,  der  Gegend  der  Mikro- 
pyle  ans,  reißt  die  Eihülle  nach  oben  und  unten  in  gerader  Linie  ein, 
lind  zwar  allmählich  bis  zn  drei  Viertel  der  Ober-  und  ein  Viertel  der 
Unterseite.  Man  sieht  die  Antennenspitzen  sich  lebhaft  hin  und  her 
bewegen,  und  der  weiche  Larvenkörper  wird  so  herausgedrückt,  daß 
der  schon  außerhalb  befindliche  Teil  breit  und  flach,  der  in  der  Eihüllen- 
öffnung  ganz  zusammengepreßt  ist  (Textfig.  2). 

Die  Eischale  wird  dabei  dorsoventral  platt  gedrückt,  rundet  sich 
aber,  wenn  sie  leer  ist.  sofort  wieder  zu  ihrer  früheren  Gestalt  ab. 
Im  Laufe  des  Monats  Mai  schlüpften  über  2000  Lar- 
ven aus,  aber  trotz  dieses  reichen  Materials  ist  es 
mir  nicht  gelungen,  auch  nur  eine  einzige  zur  wei- 
teren Entwicklung  zu  bringen.  Alle  Versuche,  sie 
am  Leben  zu  erhalten,  schlugen  fehl:  8 — 14  Tage 
nach  dem  Ausschlüpfen  gingen  sie  zugrunde,  ohne 
merklich  gewachsen  zu  sein  oder  sich  verändert 
zu  haben.  Zunächst  hatte  ich  versucht,  sie  auf 
Rindenstücken  mit  Mulm  von  verschiedenen  Feuch- 
tigkeitsgraden  zu  halten,  dann  in  fein  zerriebener 
Rinde  und  zwar  in  Glasschälchen.   die  mit  Müller-  Textfig.  2. 

eaze  verschlossen,  in  feuchten  Kammern  gehalten       *   llei    Elhulle    a,ls' 

°  schlupfende  junge  Larve 

wurden.  Eine  ganze  Anzahl  ließ  ich  auch  in  den  (schematisiert).  At,  An- 
Spalten   der    Rindenstücke    im    Zuchtkasten    aus-   tennen;    L'   Lfrvenkör- 

per;  E.   Eihülle. 

schlüpfen.  Sowohl  hier  als  in  einigen  Glasschalen 
brachte  ich  Ameisen  und  zwar  Lasius  niger  hinzu.  Aber  bei  allen  war 
der  gleiche  Mißerfolg.  Es  bildete  sich  auch  hier  wieder  Schimmel; 
aber  aus  einem  später  noch  zu  erwähnenden  Grunde  glaube  ich  nicht, 
daß  er  die  einzige  Ursache  des  Mißerfolges  war.  Es  muß  irgendeine 
wichtige  Bedingung,  die  ihnen  in  der  freien  Natur  geboten  ist,  zur 
Weiterentwicklung  dieser  kleinen  Wesen  gefehlt  haben. 

Zum  Glück  fand  ich  das  auf  diese  jüngste  Larvenform  folgende 
Stadium  in  der  freien  Natur.  Nach  dem  Größenunterschied  und  der 
Veränderung  der  äußeren  Chitinhülle  zu  schließen,  mußte  zwischen 
beiden  eine  Häutung  stattgefunden  haben.  Die  beiden  größten  Larven 
dieses  zweiten  Stadiums  häutfcten  sich  2  Tage  nachdem  ich  sie  draußen 
gefunden  hatte.  Es  erschien  daraus  ein  drittes,  zu  der  allgemein  be- 
kannten, ausgewachsenen  Larve  ohne  Häutung  überleitendes  Stadium, 
so  daß  in  der  Entwicklung  der  Larve  drei  merklich  verschiedene  Formen 
zu  unterscheiden  sind,  deren  morphologische  Unterschiede  im  folgenden 
Teil  meiner  Arbeit  Berücksichtigung  finden  werden. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  21 


316  Maria  Andries, 

Bei  der  Häutung  reißt  die  Chitinhülle  des  Rückens  in  der  Mittel- 
linie des  Körpers,  vorn  beginnend,  bis  zum  Tracheenhörnchen  in  gerader 
Linie  auf;  die  Larve  windet  und  krümmt  sich  lebhaft,  das  Chitin  der 
Bauchseite  oder  vielmehr  nur  das  der  Kriechfläche  klebt  mitsamt  dem 
Schlundgerüst  auf  der  Unterlage  fest.  Zwischen  Rand  und  Kriech- 
fläche reißt  es,  vorn  beginnend,  bis  zu  ungefähr  drei  Viertel  ihres  Um- 
fanges  immer  mehr  ein,  so  daß  vorn  durch  den  dorsalen  Riß  und  die 
Trennung  von  Bauch-  und  Rückenchitin  eine  weite  Öffnung  entsteht. 
Das  Tracheenhörnchen  mit  den  Endabschnitten  der  beiden  Haupt- 
tracheenstämme wird  mitgehäutet.  In  etwa  einer  halben  Stunde  hat 
sich  die  Larve  herausgearbeitet. 

Von  diesen  Larven  des  zweiten  und  dritten  Stadiums  brachte  es 
keine  bis  zur  Puppe.  Die  Exemplare,  die  ich  im  1.  Jahre  draußen 
fand,  sind  teils  sehr  bald  zugrunde  gegangen,  teils  haben  sie  über  den 
Zeitpunkt  der  Verpuppung  hinaus  noch  bis  August  d.  J.  im  Larven- 
zustand  gelebt,  waren  aber  nur  wenig  größer  geworden  und  gingen 
dann  langsam  alle  ein.  Als  von  den  diesjährigen  wieder  eins  nach 
dem  anderen  zugrunde  ging,  habe  ich  die  letzten  Exemplare  fixiert. 
Bei  diesen  größeren  Stadien  hatte  sich  kein  Schimmel  gebildet.  Des- 
halb glaube  ich,  daß  wie  bei  diesen,  so  auch  bei  den  kleinsten  irgendein 
anderer  Grund  sie  bei  der  künstlichen  Aufzucht  nicht  zur  Häutung 
kommen  läßt;  denn  die  vollständige  Aufzucht  ist  mir  nur  gelungen 
bei  Exemplaren,  die  alle  Häutungen  im  Freien  unter  natürlichen  Be- 
dingungen durchgemacht  hatten.  Die  Larve  des  dritten  Stadiums  ist 
beim  Ausschlüpfen  noch  weiß  und  schwach  gewölbt,  wie  die  vorher- 
gehenden Stadien;  sie  bräunt  sich  aber  bald  und  gewinnt  immer  mehr 
das  Aussehen  der  bekannten,  ausgewachsenen  Larve.  Diese  häutet 
sich  nicht  mehr;  denn  von  ihrem  ersten  Erscheinen  im  Freien  bis  zur 
Verpuppung  habe  ich  sie  beobachtet,  und  es  fand  keine  Häutung  statt. 
Die  Verpuppung  geht,  wie  bei  allen  Syrphiden,  innerhalb  dieser  letzten 
Larvenhülle  vor  sich. 

In  der  freien  Natur  waren  die  Puppen  von  Microdon  von  Mitte 
April  bis  Ende  Mai,  die  Imagines  von  Mitte  Mai  bis  Anfang  Juni  zu 
finden,  wie  auch  Wasmanx  (1909)  übereinstimmend  berichtet.  Im 
März  habe  ich  jedoch  mehrfach  beobachtet,  daß  eine  ganze  Anzahl, 
die  ich  als  Larven  fand,  am  anderen  Morgen  sämtlich  verpuppt  waren. 
Die  Veränderung  der  äußeren  Bedingungen  hatte  offenbar  Einfluß 
auf  die  schnellere  Entwicklung  ausgeübt.  Von  Ende  Mai  bis  Anfang 
Juni  fand  ich  die  Eier  in  Rindenspalten,  aber  von  den  jüngsten,  eben 
ausgeschlüpften  Larven  habe  ich.   wahrscheinlich  wegen  ihrer  Klein- 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      317 

heit  und  Durchsichtigkeit,  draußen  nichts  linden  können.  Ich  ver- 
mute, daß  die  Entwicklung  von  diesem  Anfangsstadium  bis  zur  aus- 
gewachsenen  Larve  verhältnismäßig  schnell  vor  sich  geht;  denn  die 
zweiten  und  dritten  Stadien  fand  ich  in  den  Galerien  des  Holzes  und 
unter  der  Rinde  höchstens  von  Mitte  Juni  bis  Mitte  Juli  und  zwar  im 
Juli  schon  zu  gleicher  Zeit  mit  ausgewachsenen  Larven,  so  daß  zwischen 
dem  Erscheinen  der  Eier,  Ende  Mai.  und  dem  endgültigen  Larven- 
stadium also  kaum  ein  Monat  liegt,  da  die  junge  Larve  nach  12  Tagen 
ausschlüpft. 

Über  das  Verhältnis,  in  dem  die  verschiedenen  Stadien  zu  den 
Ameisen  stehen,  ist  es  mir  nicht  gelungen,  positive  Ergebnisse  zu  er- 
langen. Dazu  dürfte  eingehenderes,  mehrjähriges  Studium  nötig  sein. 
Wasmann  hat  von  1892  bis  1905  in  seinen  künstlichen  Ameisennestern 
Beobachtungen  über  Microdon  und  deren  Larven  angestellt  und  stellt 
in  seiner  Arbeit:  »Zur  Kenntnis  der  Ameisen  und  Ameisengäste  von 
Luxemburg«  (1909)  in  Aussicht,  darüber  weiter  zu  berichten.  Wenn  ich 
im  Freien  in  einem  Baumstumpf  oder  unter  einem  Stein  ein  Ameisen- 
nest aufdeckte,  habe  ich  immer  beobachtet,  daß  die  Ameisen  eifrig  sich 
und  ihre  Brut  in  Sicherheit  bringen  und  nach  wenigen  Minuten  in  die 
tieferen  Schichten  geflüchtet  sind,  während  die  Microdon-Jj&rveii  von 
ihnen  vollständig  ignoriert  werden  und  still  an  ihrem  Fleck  zurück- 
bleiben. Diese  Beobachtung  machten  alle,  die  sich  mit  den  Tieren 
beschäftigt  haben.  Wasmann  glaubte  eine  Zeitlang,  daß  die  erwachsenen 
Larven  von  den  Ameisen  gleich  großen  Schildläusen  gepflegt  würden, 
kam  aber  später  zu  dem  Ergebnis,  daß  sie  gänzlich  ignoriert  werden. 
Dagegen  beobachtete  er  eine  Beziehung  zwischen  der  ausschlüpfenden 
Imago  und  den  Ameisen  und  schreibt  darüber  1909:  »Das  dichte, 
goldene  oder  silberne  Haartoment  dieser  Fliegen  dient  dazu,  daß  die 
im  Nest  frisch  ausschlüpfenden  Fliegen  von  den  Ameisen  nur  beleckt, 
aber  nicht  aufgefressen  werden«  (Beobachtungen  von  Linz  am  Rhein, 
Okt.  1896).  Diese  Beobachtung  habe  ich  nicht  machen  können.  Ich 
sah  nur,  sowohl  im  Freien,  als  auch  in  meinem  Zuchtkasten,  daß  die 
Ameisen  stets  sehr  feindlich  auf  die  Fliegen  losgingen  und  sie  an  Flügeln 
und  Beinen  zerrten.  Eier  und  ausschlüpfende  junge  Larven  brachte 
ich  ebenfalls  mit  Ameisen  zusammen  und  zwar  mit  Lasius  niger  und 
Formica  fusca  und  bemerkte  auch  hier,  daß  diese  sich  in  keiner  Weise 
darum  kümmerten.  Daß  sie  in  der  Ernährung  von  ihren  Wirten  direkt 
abhängig  sind,  scheint  mir  deshalb  nicht  der  Fall,  zumal  ich  die  er- 
wachsenen Larven  von  Juli  an  bis  zu  ihrem  Ausschlüpfen  meist  ohne 
Ameisen  hielt.    Der  Nutzen,  den  sie  aus  dem  Zusammenleben  mit  den 

21* 


318  Maria  Andries, 

Ameisen  ziehen,  beschränkt  sich  vielleicht  ciarauf,  daß  sie  beim  Aus- 
schlüpfen aus  dem  Ei  die  mit  Mulm  angefüllten  Gänge  vorfinden,  die 
ihnen  die  nötige  Nahrung  bieten. 

Wissmann  schreibt,  es  würde  interessant  sein  zu  wissen,  wovon 
diese  Larven  sich  ernähren.  Wie  alle  cycloraphen  Larven  vollständig 
an  die  saugende  Ernährungsweise  angepaßt  sind  (Becker  1910)  und 
nur  flüssige  Nahrung  aufnehmen,  so  leben  wohl  auch  die  Larven  von 
Microdon  von  den  Säften  des  faulenden  Holzkörpers  und  der  Feuchtig- 
keit des  Humus.  Jedenfalls  habe  ich  nie  feste  Nahrungsbestandteile 
im  frisch  präparierten  Darm  gefunden. 

Kriechbewegung . 

Die  Fortbewegung  der  eben  aus  dem  Ei  geschlüpften  Larve  hat 
mehr  Ähnlichkeit  mit  der  anderer  Fliegenlarven  als  in  den  späteren 
Stadien.  Sie  kriechen  verhältnismäßig  schnell,  durchschnittlich  1,5  cm 
in  der  Minute.  Der  vordere  Kopf  teil  mit  den  Antennen  ist  dabei  aus- 
gestreckt und  etwas  in  die  Höhe  gerichtet.  Gleichzeitig  mit  jeder 
Kriechbewegung  wird  er  abwechselnd  nach  rechts  und  links  geworfen. 
Ohne  auf  der  Bauchseite  unterstützt  zu  sein,  können  die  jungen  Larven, 
nur  mit  dem  Hinterrande  festhaftend  und  den  Vorderkörper  hin  und 
her  bewegend,  manchmal  stundenlang  in  die  Luft  ausgestreckt  bleiben. 
Vorwärts  und  rückwärts  kriechen  sie  gleich  schnell.  Bei  den  älteren 
Stadien  verlangsamt  sich  die  Kriechgeschwindigkeit  allmählich,  und 
bei  den  ausgewachsenen  ist  schließlich  die  Lust,  sich  überhaupt  fort- 
zubewegen, sehr  gering.  Dies  hängt  wahrscheinlich  mit  der  für  das 
schnelle  Wachstum  nötigen  reichlicheren  Nahrungsaufnahme  bei  der 
jungen  Larve  zusammen.  Später,  wenn  sie  die  endgültige  Größe  erreicht 
und  genügend  Material  in  ihrem  Körper  aufgespeichert  hat,  bietet  ihr 
die  nächste  Umgebung  Nahrung  genug.  Nur  wenn  sie  dem  Licht 
ausgesetzt  wird,  sieht  man  sie  eilig  die  Flucht  ergreifen  und  dunkle 
Stellen  aufsuchen. 

Läßt  man  eine  dieser  großen  Larven  auf  einem  Objektträger  kriechen 
und  betrachtet  sie  von  der  Unterseite  unter  dem  Binocular-Mikroskop, 
so  kann  man  die  Art  der  Kriechbewegung  genau  beobachten:  Nur  das 
mittlere,  ventrale  Feld,  die  eigentliche  Kriechfläche,  gleitet  über  die 
Unterlage,  während  die  Randpartie  diese  kaum  berührt.  Die  Bewegung 
der  Kriechfläche  verläuft  wellenförmig  von  hinten  nach  vorn  und 
zwar  so.  daß  im  letzten  Segment  beginnend  und  nach  vorn  kontinuier- 
lich fortschreitend,  immer  eine  Strecke  sich  kontrahiert  und  von  der 
Unterlage  abgehoben  wird.     Erst  wenn  die  Welle  vorn  angekommen 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      319 

ist,  erfolgt  ein  kleiner  Kuck  vorwärts.  Fast  zu  gleicher  Zeit,  ein  wenig 
früher,  hat  am  Hinterende  die  Wellenbewegung  wieder  begonnen. 
Bei  der  Rückwärtsbewegung  geht  die  Welle  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung. Diese  Art  der  Fortbewegung  unterscheidet  sich  wesentlich  von 
der  der  Schnecken,  bei  denen  immer  die  ganze  Sohle  auf  der  Unterlage 
haftet.  Außerdem  können  Schnecken  nicht  rückwärts  kriechen.  Auf 
den  Zusammenhang  dieser  Art  der  Fortbewegung  mit  der  Muskulatur 
werde  ich  im  morphologischen  Teil  näher  eingehen  (s.  S.  347).  Der 
dichte,  feine  Haarfilz  auf  der  Unterseite  kommt  dadurch,  daß  er  beim 
Kriechen  einen  gewissen  Widerstand  bietet,  noch  zu  Hilfe.  Außerdem 
sieht  man  von  Zeit  zu  Zeit  eine  Flüssigkeitswelle  aus  der  Mundöffnung 
treten  und  sich  über  die  ganze  Bauchfläche  ergießen,  eine  Tatsache, 
die  schon  öfter  erwähnt  worden  ist,  aber  immer  nur  als  unsichere 
Beobachtung.  Diese  klebrige  Flüssigkeit  ist  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  das  Secret  einiger  der  großen  Drüsen,  die  sich  im  Körper  der 
Larve  befinden.  Es  dient  wohl  dazu,  einerseits  die  Kriechfläche  feucht 
zu  halten,  damit  sie  nicht  eintrocknet,  anderseits  sie  durch  seine  Klebrig- 
keit an  der  Unterlage  festzuhalten. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  Art  der  Fortbewegung  beschreibt  Hewitt 
(1908)  die  der  Larve  von  Musca  domestica  so,  daß  sie  mit  dem  Vor- 
strecken der  vorderen  Segmente  beginnt  und  die  Bewegung  von  vorn 
nach  hinten  fortschreitet. 

Äußere  Morphologie. 

Ei. 
Das  Ei  von  Microdon  Egger i  Mik  (Taf.  III,  Fig.  1)  ist  durchschnitt- 
lich 0,7  mm  lang  und  0,3  mm  breit,  von  weißer  Farbe  und  ovaler  Ge- 
stalt, am  hinteren  Pole  stumpfer,  nach  vorn  ein  wenig  verjüngt.  Die 
spätere  Rückenseite  der  Larve  ist  durch  eine  leichte  Abplattung  zu 
erkennen.  Bei  schwacher  Vergrößerung  erscheint  das  Ei  äußerst  zier- 
lich skulpturiert.  In  ziemlich  geraden  Längsreihen,  die  von  einem 
Pole  zum  andern  verlaufen,  erheben  sich  gleichmäßige,  schneeweiße 
Zotten,  schmale  Zwischenräume  freilassend.  Ihre  Erhebungen  er- 
scheinen auch  in  Quer-  oder  Schrägzeilen  angeordnet.  Wo  die  Breite 
der  Oberfläche  zunimmt,  werden  neue  Längsreihen  eingeschaltet.  Diese 
äußerste  Hülle  mit  ihren  kleinen  Erhebungen  ist  das  Chorion.  Es  ist 
sehr  zart  und  leicht  verletzbar  und  besteht  aus  einer  weichen,  leicht 
zusammenfallenden  Substanz.  Betrachtet  man  ein  zusammenhängendes 
Stück  des  Chorions  bei  stärkerer  Vergrößerung  von  der  Außenseite, 
so  bekommt  man  ein  Bild,  wie  es  Taf.  III,  Fig.  2,  wiedergibt.     Auf 


320  Maria  Andries, 

der  Unterseite  (Taf.  III,  Fig.  3)  sieht  man  ziemlich  regelmäßige,  dicht 
aneinanderschließende  Rechtecke  mit  kleinwelligen,  hellen  Begren- 
zungslinien und  dunklerem  Innenraum.  Mit  Hilfe  von  Schnitten  und 
diesen  beiden  Bildern  kann  man  sich  den  Bau  der  kleinen  Zotten 
klar  machen.  Auf  rechteckigen  Feldern  erheben  sich  nach  oben 
etwas  verjüngte,  rundliche  Höcker.  Diesen  ist  ein  kurzer,  röhren- 
förmiger Teil  aufgesetzt,  der  sich  oben  sternchenförmig  erweitert 
(Textfig.  3).    Von  den  Zacken  der  Sternchen  hängen  abgerissene  Fetzen 

herunter.  Ahnliche  Chorionstrukturen  erwäh- 
nen Korschelt  und  Heider  (Vergleichende 
Entwicklungsgeschichte  :  S.  275)  von  manchen 
Orthoptereneiern  und  erklären  ihre  Ent- 
Textfio-.  3.  Stellung  so,  daß  die  polygonale  Felderung  der 

Chorionstruktur  des  Eies  von  Ausdruck  der  Follikelepithelzellen  ist.  von 
Microdon  Eggen  Mik.  von  der  denen  das  Chorion  ausgeschieden  wird:    »die 

Seite  gesehen.  _  ° 

Leisten  entsprechen  den  Zellgrenzen.  Durch 
Erhöhung  der  Leisten  bilden  sich  die  Höcker  und  röhrenförmigen 
Aufsätze,  von  denen  jeder  sich  über  einem  Felde  erhebt,  wenn  im 
Verlauf  der  Ausscheidung  die  einzelnen  Felder  sich  voneinander  ab- 
sondern. Ihre  Bildung  wird  dadurch  ermöglicht,  daß  die  Follikel- 
zellen  lange  Fortsätze  bilden,  um  welche  herum  die  Schalensubstanz 
ausgeschieden  wird.  Ist  dieser  Prozeß  abgeschlossen,  so  werden  die 
Zellfortsätze  eingezogen,  die  Innenfläche  des  Epithels  glättet  sich 
wieder  und  es  wird  nun  nochmals  eine  zarte  Platte  über  jedem  der 
röhrenförmigen  Aufsätze  abgeschieden.«  —  Diese  an  Heuschrecken- 
eiern beobachtete  Chorionbildung  macht  auch  die  Entstehung  der 
oben  beschriebenen  Höcker  an  Eiern  von  Microdon  verständlich.  Bei 
dem  Auseinanderweichen  von  Follikelzellen  und  Chorion  würden  die 
zarten  Fetzen  entstehen,  die  von  den  Zipfeln  der  sternckenförmigen 
Platte  herabhängen.  Die  Micropyle  hat  nichts  besonderes.  Um  die 
Micropylöffnung  herum  am  spitzen  Pol  des  Eies  stehen  die  Zotten  in 
dichtem  Kreise.  Unter  dem  Chorion  liegt  die  derbere,  glashelle  Dotter- 
haut. Sie  ist  glänzend,  strukturlos,  nur  um  die  Micropylöffnung  herum 
etwas  dicker  und  bräunlich  gefärbt.  Das  Chorion  ist  mit  feinen  Nadeln 
leicht  von  der  Dotterhaut  abzulösen,  und  letztere  scheint  dem  Eiinhalt 
genügenden  Schutz  zu  bieten;  denn  Eier  mit  teilweise,  oder  in 
späteren  Stadien  gänzlich  abgelöstem  Chorion,  haben  sich  bei  meinen 
Versuchen,  wenn  sie  entsprechend  feucht  gehalten  wurden,  weiter 
entwickelt. 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      321 

Eben  ausgeschlüpfte  Larve. 
(Taf.  III.  Fig.  4.) 
Die  eben  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Larve  von  Microdon  ist  durch- 
schnittlich 0.8  mm  lang  und  0,36  mm  breit.  Sie  ist  so  zart  und  glas- 
hell, daß  man  sie  mit  bloßem  Auge  kaum  sieht  und  hauptsächlich 
durch  ihre  Bewegung  wahrnimmt.  Deshalb  ist  sie  wohl  auch  bis  jetzt 
im  Freien  nicht  gefunden  worden.  Bei  näherem  Zusehen  erkennt  man 
ein  weißliches,  schnell  dahinkriechendes  Tierchen  von  länglicher  Form 
mit  einem  schwarzen  Pünktchen  vorn  auf  der  Rückenseite.  Dieses 
Pünktchen  ist  das  durchscheinende  Cephalopharyngealskelet.  Be- 
trachtet man  es  unter  dem  Binocular,  so  würde  man  in  dem  zierlichen, 
äußerst  lebhaften  Tierchen  die  spätere,  plumpe  Larvenform  nicht 
leicht  erkennen,  wenn  nicht  die  charakteristischen  Antennen,  der 
Borstensaum  und  das  Tracheenhöckerchen  auf  der  Rückenseite  sofort 
in  die  Augen  fielen.  In  diesem  Stadium  erinnert  es  in  seinem  Habitus 
noch  mehr  als  später  an  kleine  Nacktschnecken.  Es  ist  ganz  weiß, 
der  Körper  schlank  gestreckt.  Auch  die  bei  der  späteren  Larve  nicht 
mehr  sichtbaren  vorderen  Thoracalsegmente  und  die  Antennen  mit 
den  Fühlspitzen  sind  meist  so  ausgestreckt,  daß  der  Körper  eine  hinten 
breitere,  rundliche  und  nach  vorn  zugespitzte  Form  annimmt.  Der 
vorderste  Körperabschnitt,  der  die  Antennen  trägt,  und  auf  dessen 
Unterseite  die  Mundöffnung  liegt  (Taf.  IV,  Fig.  19),  hat  die  Form 
eines  abgestumpften  Kegels  und  ist  glänzend  grauweiß.  Er  stellt  den 
häutigen  Teil  des  Kopfes  dar,  auf  den  ich  bei  der  Besprechung  der 
Segmentierung  noch  zurückkommen  werde.  Die  Chitinhülle  des 
Rückens  liegt  als  ein  leichtgewölbter,  ovaler  Schild  mit  zartem,  rundum 
abstehendem  Saum  dem  walzenförmigen,  dorsoventral  abgeplatteten 
Körper  auf,  die  ersten,  nach  vorn  sich  verjüngenden  Segmente  frei- 
lassend. Nur  vorn,  in  der  Mittellinie  des  Körpers,  ist  der  Saum  durch 
einen  deutlichen,  ungefähr  viereckigen  Ausschnitt  des  Schildes  unter- 
brochen. Durch  diesen  Ausschnitt  ist  das  schwärzlich  erscheinende 
Schlundgerüst  sichtbar,  das  beim  Kriechen  immer  vor  und  zurück- 
geschoben wird.  Das  Rückenschild  läßt  die  beiden  Haupttracheen- 
stämme als  deutliche,  weiße  Stränge  durchscheinen,  die  zu  beiden  Seiten 
der  Mittellinie  des  Rückens  verlaufen  und  im  Tracheenhöcker  enden. 
Wenn  das  Tierchen  sich  zusammenzieht,  nähern  sie  sich  einander  bis 
zur  Berührung.  Nach  vorn  kann  man  sie  bis  in  die  Gegend  des  Schlund- 
kopfes verfolgen.  Innerhalb  des  Tracheenhöckers  biegen  sie  nach 
außen    tun.      Dieser    selbst    ist    nur    wenia    hervorstehend    und    von 


322  Maria  Andries, 

gelblich  brauner  Färbimg  (Textfig.  4).  Auf  kreisförmiger  Basis  erheben 
sich  vier  durch  tiefe  Einschnitte  voneinandergetrennte,  zackige  Höcker, 
zwei  hintere  höhere  und  zwei  vordere,  etwas  niedrigere.  In  der  Mitte 
hängen  sie  durch  eine  kleine  Fläche  zusammen,  die  zwischen  den  beiden 
vorderen  Zacken  flach  abfällt.  In  den  beiden  vorderen  münden  die 
Haupttracheenstämme,  in  dem  hinteren  sind  kleine  Nebenöffnungen 
(Taf.  IV,  Fig.  20).  Die  beiden  Längsstreifen,  die  auf  dem  Rücken  der 
erwachsenen  Larve  das  mittlere  Feld  begrenzen,  sind  auch  hier  schon 
als  feine,  leuchtend  weiße  Linien  sichtbar.  Die  spätere,  komplizierte 
Chitinstruktur  des  Rückens  ist  in  diesem  Stadium  noch  nicht  aus- 
gebildet. LTm  so  deutlicher  treten  daher  als  leuchtend 
weiße  Punkte  in  regelmäßiger  Verteilung  die  Sinnesorgane 
hervor,  und  zwar  befinden  sich  62  auf  dem  Rückenschild 
(Taf.  III,  Fig.  4  u.  Taf.  IV.  Fig.  20).  Sie  sind,  je  nach- 
dem  das  Tierchen   sich   streckt  oder  zusammenzieht,  in 

rraeneenhocker- 

der  eben  ausge-    mehr   oder  weniger  geraden  Quer-  und  Längsreihen  an- 
-■ii lüpften        geordnet.      Dicht    hinter    dem    viereckigen    Ausschnitt 

Larve. 

stehen  vier  in  gleichen  Abständen  nebeneinander,  hinter 
diesen  zwei  etwas  weiter  auseinander  und  von  hier  an  in  gleichen 
Zwischenräumen  nach  dem  Hinterende  zu  sechs  Querreihen  von  jeder- 
seits  vieren.  Darauf  folgt  vor  dem  Tracheenhöcker  rechts  und  links 
eine  Querreihe  von  dreien  und  schließlich  hinter  diesen  auf  jeder  Seite 
noch  ein  einzelnes.  Die  beiden  mittleren  jeder  Querreihe  bilden  gerade 
Längsreihen  von  neun  Paaren,  die  von  dem  vorderen  Ausschnitt  des 
Schildes  zwischen  den  beiden  Tracheenstämmen  bis  zum  Stigmen- 
höcker verlaufen.  In  der  Gegend  des  Stigmenhöckers  ist  dunkel  und 
verschwommen  der  Darm  sichtbar  und  die  MALPiGHischen  Gefäße  sind 
als  gelbe  Flecke  zu  erkennen.  Der  das  Rückenschild  rings  einfassende, 
überstehende  Saum  erscheint  verhältnismäßig  breiter  als  bei  der  aus- 
gewachsenen Larve  und  macht  den  Eindruck  eines  fein  gestrichelten 
Bandes  mit  glatter  Kante.  Elf  Stellen  auf  jeder  Seite  des  Saumes  sind 
dadurch  ausgezeichnet,  daß  die  Strichelung  etwas  dichter  wird  und 
am  distalen  Ende  in  einer  Spitze  aus  dem  Saum  hervorsteht.  Diese 
hervortretenden  Stellen  befinden  sich  im  allgemeinen  in  gleichen  Ab- 
ständen voneinander  und  zwar  übereinstimmend  mit  den  Querreihen 
der  Sinnesorgane.  Nur  nach  hinten  zu  stehen  sie  etwas  näher  zu- 
sammen. Die  äußere  Chitinstruktur  ist  in  ihren  Einzelheiten  am  leben- 
den Tier,  da  es  immer  lebhaft  umherkriecht,  schwer  zu  studieren. 
Bringt  man  eine  dieser  jüngsten  Larven  auf  einen  Objektträger  in  einen 
Wassertropfen,  legt  vorsichtig  ein  Deckglas  auf  und  sorgt  dafür,  daß 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      323 

sie  nicht  eintrocknet,  so  kann  man  sie  mehrere  Stunden  am  Leben 
halten  und  bekommt  ein  sehr  klares  Bild  (Taf.  IV,  Fig.  20).  Man  sieht 
durch  die  Chitinhülle  hindurch  die  Kontraktion  des  Kückengefäßes 
und  des  Darmes,  die  MALPiGHischen  Gefäße  und  vor  allem  bei  stärkerer 
Vergrößerung  die  Verzweigung  der  Tracheenstämme  bis  in  die  fein- 
sten Verästelungen.  Auch  das  Chitinschild  des  Kückens  erscheint 
nicht  mehr  glatt  und  strukturlos,  sondern  aus  dicht  aneinanderschließen- 
den,  schuppenartigen  Höckern  zusammengesetzt,  zwischen  denen  sich 
wie  krause  Köpfchen  die  Sinnesorgane  erheben  (Textfig.  5).  Die  kleinen 
Höcker  sind,  mit  Ausnahme  der  vorhererwähnten  Längslinien,  die  das 
mittlere  Feld  begrenzen,  über  die  ganze 
Kückenfläche  hin  rosettenförmig  angeord- 
net. Die  Mitte  jeder  Rosette  wird  von 
sehr  kleinen  Höckern  gebildet,  auf  die 
rundum  nach  außen  hin  immer  größere 
folgen.  In  den  schmalen,  hellen  Längs- 
streifen  stehen  nur  diese  kleinsten  Höcker 
imd  zwar  in  ziemlich  geraden  Längsreihen. 
Auf   der   Grenze   des  mittleren   Feldes  sind  Textfig.  5. 

die    Höcker    etwas     Stärker    entwickelt    und    Chitinstruktur  auf  der  Rückenseite 

bilden   längs  verlauf  ende,   kleine   Bogen,  die     der  eben  ausgeschlüpften  Larve. 

°  .  ">  Sinnesorgan. 

vielleicht    mit    der    inneren    Segmentierung 

zusammenfallen.  Zwischen  den  Rosetten  der  jungen  Larve  und  der 
polygonalen  Felderung  der  ausgewachsenen  finde  ich  keine  Beziehung. 
Ein  Komplex  dieser  polygonalen  Felder  würde  erst  einer  Rosette  ent- 
sprechen. 

Die  Bauchseite  des  Tierchens,  die  ebenfalls  unter  dem  Binocular 
glatt  und  strukturlos  zu  sein  scheint,  ist  in  ein  ovales  mittleres  und 
ein  dieses  rings  umgebendes  äußeres  Feld  eingeteilt.  Das  mittlere 
Feld,  die  eigentliche  Kriechfläche,  wölbt  sich  etwas  vor  und  wird  in 
der  Mitte  von  einer  seichten  Längsfurche  durchzogen.  Die  ganze  Bauch- 
fläche ist  mit  sehr  feinen,  langen  Haaren  dicht  bedeckt,  zwischen  denen 
regelmäßig  verteilt,  ähnliche  Sinnesorgane  wie  auf  der  Rückenseite 
stehen,  und  zwar  in  der  Zahl  und  Anordnung,  wie  Cerfontaine  (1907) 
sie  von  der  erwachsenen  Larve  beschreibt  (S.  387)  und  abbildet  (Fig.  2, 
Taf.  XII).  Sie  sind  wegen  der  dichten  Behaarung  nicht  so  leicht  zu 
sehen  wie  die  der  Rückenseite.  Auf  den  Bau  der  verschiedenen  Sinnes- 
organe werde  ich  bei  Besprechung  des  Nervensystems  näher  eingehen. 

Die  feine  Strichelung  des  Chitinsaumes  ist  durch  dicht  neben- 
einanderstehende,   verklebte    Borsten    hervorgerufen,    deren    distales, 


324 


Maria  Andries, 


freies  Ende  leicht  nach  dem  Hinterende  des  Körpers  hin  umgebogen 
ist  (Textfig.  6).  Über  das  proximale  Ende  lagern  sich  in  mehreren 
Reihen,  dachziegelartig  sich  deckend,  kürzere,  spitzkegelförmige  Bor- 
sten, die  allmählich  in  die  viel  kleineren  Höcker  des  Rückenchitins 
übergehen.    Die  oben  erwähnten,  vorstehenden  Stellen  werden  gebildet 

durch  einige  längere, 
spitze  Borsten  in  Ver- 
bindung mit  einem  von 
diesen  bedeckten  Sin- 
nesorgan. Auf  der  Unter- 
seite sind  die  verklebten 
Randborsten  ihrer  gan- 
zen Länge  nach  unbe- 
deckt, so  daß  hier  die 
Strichelung  noch  deut- 
licher ist.  Nach  der 
Bauchseite  hin  schließen 

Randborsten  der  jüngsten  Larve  mit  Sinnesorgan    N.  sich    Unregelmäßig    ver- 

teilte, warzenartige,  im- 
mer kleiner  werdende  Höckerchen  an,  die  allmählich  in  winzige 
Papillen  der  Bauchfläche  übergehen,  auf  denen  die  feinen,  seiden- 
artigen Haare  stehen. 


Textfig.  6. 


Larve  nach  der  ersten  Häutung. 

Die  Larve  nach  der  ersten  Häutung  (Taf.  III,  Fig.  5),  d.  h.  die 
kleinste,  die  ich  im  Freien  gefunden  habe,  ist  31/2  mm  lang  und  3  mm 
breit.  Ob  es  zwischen  diesem  und  dem  jüngsten  noch  ein  Zwischen- 
stadium gibt,  kann  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  weil  ich  die 
jüngste  Larve  leider  nicht  bis  zur  Häutung  gebracht  habe,  wie  aus 
dem  biologischen  Teil  dieser  Arbeit  hervorging.  Ich  halte  es  aber  nicht 
für  wahrscheinlich,  da  die  äußeren  Veränderungen,  hauptsächlich  was 
Größe  der  Larve  und  Struktur  der  Chitinhülle  angeht,  zwischen  diesem 
und  dem  dritten  Stadium  die  Mitte  halten.  Auch  diese  Larve  ist  noch 
ganz  weiß,  aber  schon  weniger  durchsichtig  als  die  jüngste.  Sie  hat 
nicht  mehr  die  längliche,  sich  nach  vorn  verjüngende  Gestalt  des  ersten 
Stadiums,  sondern  ist  gleichmäßig  vorn  und  hinten  abgerundet.  Die 
vorderen  Segmente  und  der  häutige  Kopfabschnitt  sind  wie  bei  der 
ausgewachsenen  Larve  unter  das  Rückenschild  zurückgezogen,  so  daß 
beim  Kriechen  nur  noch  die  Antennen  mit  ihren  Fühlspitzen  unter 


Zur  Systematik,   Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.       325 

dem  breiter  und  weniger  durchsichtig  gewordenen  Rückenschild  her- 
vorschauen. Der  viereckige  Ausschnitt  am  Vorderende  ist  enger,  so 
daß  das  Schlundgerüst  nicht  mehr  durchscheint.  Die  Rückenfläche 
ist  auch  hier  nur  schwachgewölbt,  erscheint  sogar  vollständig  eben, 
wenn  sich  die  Bauchfläche,  wir  es  oft  geschieht,  in  Vertiefungen  der 
Unterlage  vorwölbt.  Die  ganze  Gestalt  ist  breit  und  flach,  nicht  mehr 
abgeplattet  walzenförmig.  Darm  und  MALPiGHische  Gefäße  sind  noch 
durch  die  Chitinhülle  des  Rückens  als  schwarze  und  gelbe  Flecken 
sichtbar,  ebenso  als  zarte,  grauweiße  Linien  die  beiden  Haupttracheen- 
stämme. Bei  schwacher  Vergrößerung  erkennt  man  auf  der  Rücken- 
seite dieselbe  Einteilung  in  ein  mittleres  und  zwei  seitliche  Felder, 
wie  bei  der  jüngsten  Larve;  die  Zeichnung  der  Felder  hingegen  ist 
schon  der  des  folgenden  Stadiums  ähnlich.  »Sie  sind  ausgefüllt  von 
unregelmäßigen,  kleinen  Vielecken,  die  von  zarten,  hellbraunen  Linien 
begrenzt  werden.  Ihre  Anordnung  ist  sehr  regelmäßig.  Sie  findet 
sich  beim  folgenden  Stadium  wieder  und  ist  von  Cerfontaine  1907 
genau  beschrieben  worden.  Es  folgen  immer  auf  eine  Querreihe  von 
dreien  zwei  Querreihen  von  je  vier  Polygonalen.  In  den  seitlichen 
Feldern  lassen  sich    sieben    ziemlich 

regelmäßige    Längsreihen    verfolgen.  ,'  -,„■ 

Die  Zusammensetzung  der  Polygo- 
nale ist  noch  nicht  so  kompliziert 
wie  bei  der  ausgewachsenen  Larve. 
Sic  kommen  durch  kegelförmig  ab- 
geplattete Höcker  von  hellbrauner 
Färbung  zustande,  die  in  an- 
nähernd gleichen  Abständen  vonein- 
ander stehen  und  von  einem  schma- 
len, hellen  Hof  umgeben  sind  (Text- 
fig.  7).    Auf  der  abgeplatteten  Fläche  Textfig.  7. 

der  Höcker  befindet  sich  in  der  Mitte    Chitinstruktur  auf  der  Rückenseite  der  ein- 
_        .     ..  mal  gehäuteten   Larve.     S,  Sinnesorgan; 

ein  runder,  heller  hleck  umgeben  von  "   Hö  kegeiförmige  Höcker, 

vielen    kleineren,    blassen    Punkten, 

wodurch  die  bei  der  Larve  des  folgenden  Stadiums  so  komplizierten 
Chitinbildungen  schon  angedeutet  sind.  Der  Innenraum  der  so  be- 
grenzten Polygone  ist  ausgefüllt  von  unregelmäßig  verstreuten,  kleine- 
ren Höckern,  der  Art,  wie  sie  sich  bei  der  aus  dem  Ei  geschlüpften 
Larve  fanden.  In  den  hellen  Streifen,  die  Mittel-  und  Seitenfelder 
voneinander  abgrenzen,  verlaufen  Längsreihen  von  ovalen,  schwachen 
( 'hitinerhöhungen  mit  dazwischen  liegenden  kleinen  Höckern.    Durch 


u 

" 

' 

• 

. 

-v.-' 

- 

■. 

326 


Maria  Andries, 


stärkere  Ausbilduno'  der  daran  grenzenden  Polygonseiten  treten  die 
schmalen  Streifen  deutlich  hervor. 

Der  Tracheenhöcker  ist  schon  sehr  ähnlich  dem  der  ausgewach- 
senen Larve  und  bei  schwacher  Vergrößerung  als  abgeplatteter  Kegel 
von  braunrötlicher  Farbe  zu  erkennen.  Rund  um  den  Tracheen- 
höcker läuft  eine  dunkelrote  Rille  und  in  deren  Umkreis,  auf  den  eben 
beschriebenen  Höckern,  ein  Kranz  von  kräftigen,  ungegabelten  Borsten. 

Die  Bauchseite  zeigt  keine  wesentlichen  Unterschiede  von  dem 
vorhergehenden    Stadium.      An    eingetrockneten    oder    konservierten 


Textfig.  8. 
Randborsten  der  einmal  gehäuteten  Larve  und  zwar  am  vorderen  Ausschnitt. 

Exemplaren  zeigt  sich  die  Segmentierung  der  Larve  durch  Querfurchen 
auf  der  Kriechfläche  mit  ziemlicher  Deutlichkeit. 

Der  Borstenrand  (Textfig.  8)  besteht  in  diesem  Stadium  nicht 
mehr  aus  einfachen  Haaren.  Es  wechselt  regelmäßig  ein  einfaches 
mit  einem  dichotom  gegabelten  ab.  Die  Gabelung  erfolgt  ziemlich 
nahe  am  distalen  Ende.  Dabei  decken  sich  immer  der  linke  Ast  der 
einen  und  der  rechte  der  andern  Borste  mit  ihren  Spitzen.  Über  diesen 
liegt,  beide  deckend,  die  einfache  ungegabelte  Borste.  So  entsteht 
bei  schwacher  Vergrößerung  der  Anschein  kleiner,  nach  innen  gewölbter 
Bogen.  Diesen  Hauptborsten  sind  kürzere,  einfache  aufgelagert,  und 
zwar  die  nächsten  mit  ihrem  distalen  Ende  bis  an  den  Gabelungs- 
punkt  reichend,  die  folgenden  etwas  tiefer  zwischen  zwei  solchen  und 
so  weiter,  immer  kleiner  werdend  und  schließlich  in  die  kleinen  Höcker 
des  Rückenchitins  übersehend.    Die  freien  Enden  der  größeren  Borsten 


Zur  Systematik,  Biologie  und   Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      327 

verdicken  sich  zu  einem  krausen  Köpfchen,  die  kleineren,  mehr  kegel- 
förmigen, haben  einen  knopfartigen  Aufsatz.  An  dem  vorderen  Aus- 
schnitt sind  diese  Chitinborsten  dichter  und  kräftiger  (Textfig.  8). 

Die  Sinnesorgane  des  Borstensaumes  und  die  der  Rücken-  und 
Bauchseite  treten  weniger  deutlich  hervor  als  bei  der  jüngsten  Larve. 
Der  Borstensaum  erscheint  von  unten  wieder  gestrichelt.  Nach  innen 
leiten  rundliche  Höcker  mit  abgesetzter,  kurzer  Spitze,  allmählich  zu 
den  kleineren  über^  auf  denen  die  Bauchhaare  stehen. 

Larve  nach  der  zweiten  Häutung. 

Die  Larve  des  folgenden  Stadiums  (Taf.  III,  Fig.  6)  ist  i1/2mm 
lang  und  4  mm  breit,  wenn  sie  bei  der  Häutung  aus  der  ebenbeschrie- 
benen Hülle  ausschlüpft.  Sie  ist  noch  ganz  weiß,  fängt  aber  bald  an, 
sich  gelblich  zu  färben  und  wird  in  einigen  Tagen  gelblich  braun.  Die 
Oberseite  ist  etwas  stärker  gewölbt  als  bei  dem  vorigen  Stadium,  der 
neue  Tracheenhöcker  zunächst  lebhaft  rot,  wird  allmählich  braunrot 
und  hat  nun  seine  endgültige  Gestalt  und  Färbung  (Taf.  111.  Fig.  12). 
Durch  das  Rückenchitin  ist  der  Darm  noch  immer  sichtbar,  die 
Tracheenstämme  nicht  mehr.  Die  Einteilung  der  Rückenseite  in 
die  verschiedenen  Felder  und  die  Anordnung  der  Polygone  in  diesen 
Feldern  ist  dieselbe  wie  bei  der  jüngeren  Larve.  Die  schmalen 
Streifen  zwischen  Mittel-  und  Seitenfeldern  werden  durch  vier  Quer- 
leistchen in  fünf  Rechtecke  eingeteilt.  Sie  verlaufen  seitlich  vom 
Tracheenhöcker  aus  in  leichter  Kurve  nach  vorn  auf  den  mittleren 
Einschnitt  zu.  Aber  ohne  diesen  zu  erreichen,  bilden  sie  vorher  eine 
kleine  Erweiterung  an  der  Stelle,  wo  später  die  Stigmenhörnchen  der 
Puppe  durchbrechen.  In  den  Seitenfeldern  ist  eine  der  Längsreihen 
aus  regelmäßigen  Vierecken  zusammengesetzt,  so  daß  sie  besonders 
hervortritt.  Sie  verliert  sich  vorn  und  hinten  in  der  übrigen  Struktur. 
Die  Grenzen  der  Polygone  sind  schon  makroskopisch  deutlich  sichtbar 
als  hohe,  feste  Leisten  von  gelblich  brauner  Färbung,  die  wie  ein  zier- 
liches Gitterwerk  auf  dem  weißen,  glatten  Untergrund  liegen.  Sie 
reichen  rundum  nicht  ganz  bis  an  den  Borstensaum  heran.  Von  dem 
Einschnitt  am  Vorderrande  ist  nur  noch  ein  Spalt  übrig  geblieben. 
Zwischen  Borstensaum  und  Rückenwölbung  verläuft  im  Umkreis  eine 
dunklere  erhabene  Linie,  der  Borstensaum  erscheint  mit  bloßem  Auge 
zart  und  spitzenartig.  Die  dunkle  Linie  erweist  sich  bei  schwacher 
Vergrößerung  als  eine  bürstenartige  Leiste,  die  aus  hellbraunen  Borsten 
zusammengesetzt  ist.  Das  bürstenartige  dieser  Leiste  kommt  dadurch 
zustande,    daß   die    kürzeren   Reihen   der   Randborsten,    die   bei   den 


328  .Maria  Andries, 

früheren  Stadien  den  Hauptborsten  flach  aufliegen,  sich  hier  aufge- 
richtet haben,  wie  Cerfontaine  (1907)  in  einem  Schnittbild  (Taf.  XII, 
Fig.  9)  durch  die  Randpartie  darstellt.  Die  Gabeluno;  der  Randborsten 
erfolgt  näher  am  proximalen  Ende,  so  daß  der  Saum  tiefer  eingebuchtet 
erscheint.  Die  Randsinnesorgane  treten  jetzt  wieder  ziemlich  deutlich 
hfi vor.  Von  den  Sinnesorganen  der  Rückenseite  ist  nichts  mehr  zu 
sehen;  sie  verschwinden  ganz  in  der  hohen,  gitterartigen  Chitinstruktur. 
Bei  schwacher  Vergrößerung  erkennt  man.  daß  dieses  Gitterwerk 
aus  einem  feinen  Geflecht  von  verklebten  Haaren  besteht.  Mit  dem 
weiteren  Wachstum  der  Larve  und  der  Ausdehnung  des  Chitins  wird 
das  dichte  Flechtwerk  der  Leisten  lockerer  und  die  Einzelheiten  seiner 
Zusammensetzung  lassen  sich  erkennen.  Von  einem  frischen,  noch 
weichen  Exemplar  in  70%igem  Alkohol  kann  man  mit  Hilfe  von  Nadeln 
ein  zusammenhängendes  Stückchen  der  Leiste  loslösen.  Nimmt  man 
zur  Ergänzung  noch  Schnitte,  senkrecht  zur  Rückenfläche  hinzu,  so 
wird  die  komplizierte  Zusammensetzung  derselben  klar.  Hecht  und 
Cerfontaine  haben  schon  gute  und  ausführliche  Beschreibungen  und 
Abbildungen  hiervon  gegeben.  Aber  der  Vollständigkeit  halber,  und 
um  die  fortschreitende  Entwicklung  durch  die  verschiedenen  Stadien 
hindurch  zu  zeigen,  glaube  ich  noch  einmal  kurz  darauf  eingehen  zu 
dürfen.  Die  kleinen  Polygone  werden  wie  beim  vorigen  Stadium 
durch  kegelförmige,  abgeplattete  Höcker  gebildet,  die  dicht  aneinander 
schließen.  Auf  der  Mitte  der  Höcker  erhebt  sich  ein  kurzer,  kräftiger 
Schaft,  aus  dem  ein  ziemlich  langes,  zweispaltiges  Haar  hervorsteht. 
Diese  Haare  sind  weich  und  geschmeidig.  Sie  gehen  über  dem  Schaft 
leicht  umgebogen  nach  verschiedenen  Seiten  auseinander  und  ver- 
flechten ihre  gewundenen  Enden  meist  mit  benachbarten  Haaren. 
Bei  stärkerer  Vergrößerung  erscheint  ihre  Oberfläche  rauh  und  die 
Spitze  vielfach  gesplissen.  Um  den  Schaft  herum  erheben  sich  auf 
dem  Plateau  des  Höckers  ungefähr  20  kleine,  pilzförmige  Gebilde  mit 
kurzem  Stiel,  flachem,  breitem  Hut  und  leicht  aufgeklappter  oder 
unregelmäßig  gebogener  Krempe  (Taf.  IV,  Fig.  24).  Der  Innenraum 
der  so  gebildeten  Polygone  ist  gelblich  weiß.  Er  wird  ausgefüllt  von 
winzigen,  schwachgewölbten  Vielecken,  welche  die  eigentliche  Grund- 
fläche des  Rückens  bilden.  Auf  Schnitten,  die  senkrecht  zur  Rücken- 
fläche geführt  werden,  verläuft  deshalb  die  äußere  Begrenzung  der 
Cuticula  in  kleinen  Bögen.  Da  diese  hellen  Flächen  von  den  ver- 
flochtenen Haaren  fast  bedeckt  werden,  sieht  die  ganze  Rückenseife 
auf  den  ersten  Blick  einheitlich  braun  ans  und  läßt  von  inneren  Organen 
nichts  mehr  durchscheinen. 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      329 

Mau  traut  sich,  wozu  eine  so  komplizierte  Chitinbildung  dienen 
kann.  Hecht  sieht  ihre  Hauptaufgabe  darin,  einerseits  Fremdkörper 
von  dem  Körper  der  Larve  fernzuhalten,  anderseits  sie  dadurch  ihrer 
Umgebung  möglichst  ähnlich  zu  machen,  daß  Sand  und  kleine  Teil- 
chen von  Mulm  in  dem  dichten  Gewirre  der  Höcker  und  Haare  fest- 
gehalten werden.  Die  Larven  sind  damit  allerdings  immer  dicht  be- 
deckt und  meist  nur  schwer  von  ihrer  Umgebung  zu  unterscheiden. 
Aber  daraus  kann  ihnen  wohl  kaum  ein  Nutzen  entstehen;  denn  da 
sie  im  Dunkeln  leben,  können  sie  von  ihren  Feinden,  wenn  sie  über- 
haupt solche  haben,  jedenfalls  nicht  durch  das  Gesicht  wahrgenommen 
werden.  Im  übrigen  stimme  ich  aber  Hecht  zu,  wenn  er  sagt:  «Mais 
pour  atteindre  ce  but  la  complication  de  certaines  de  leurs  formes 
n'etait  par  absolument  necessaire.  II  est  donc  probable  que  dans  ce 
cas  comme  dans  bien  d'autres  similaires  (colorations  compliquees, 
formes  etranges)  il  faut  renoncer  a  chercher  ä  toute  force  une  raison 
finale  et  se  resigner  ä  ne  voir  ä  la  complication  inusitee  de  ces  poils 
que  le  resultat  d'une  sorte  d'exuberance  formative,  d'un  elan  de  vitesse 
acquise  depassant  les  limites  des  formes  strictement  necessaires  ä  l'ani- 
mal,  saus  du  reste  lui  nuire. » 

Der   Tracheenhöcker   der   ausgewachsenen   Larve    von   Microdon 
Eggen'.   Mik   macht   bei   schwacher   Vergrößerung   den   Eindruck,    wie 
ihn    Taf.   III,    Fig.   12,    wiedergibt.     Genauer    be- 
trachtet, ist  der  Umfang  des    kleinen    Kegels    aus 
ovalen ,    hellbraunen    Plättchen    zusammengesetzt, 
die  dunkelbraun   umrandet   sind  und  in  der  Mitte  Textfie  9 

einen  dunkeln  Längsstrich  zeigen.  Auf  Schnitten  pmttchen  des  Kegels. 
stellt  sich  dieser  Längsstrich  als  schmaler  Spalt 
heraus,  in  dessen  Lumen  eine  feine,  dichte  Behaarung  nach  der  Mitte 
zu  hineinragt,  wie  in  manchen  Stigmen.  An  der  Basis  des  Höckers 
läuft  rund  herum  eine  tiefe,  dunkelbraune  Rille,  die  aber  ganz  von 
dem  umgebenden  Haarkranz  verdeckt  wird.  Das  Chitin  des  Kegels 
reicht  als  glatter  Ring  noch  ein  Stück  in  den  Larvenkörper  hinein. 
Nach  oben  bildet  der  Höcker  zwei  seitliche,  erhöhte  Platten  von 
braunroter  Farbe.  Auf  diesen  befinden  sich  zahlreiche  helle  Punkte, 
Öffnungen  der  kleineren  Tracheenäste.  In  einer  Furche  zwischen  den 
Platten  Hegt  rechts  und  links  eine  größere,  leicht  sichtbare  Öffnung, 
durch  welche  die  Hauptstämme  mit  der  Außenwelt  in  Verbindung 
stehen.  Der  Tracheenhöcker  des  vorhergehenden  Stadiums  ist  nach 
oben  stärker  verjüngt,  die  eben  beschriebenen  Plättchen  sind  eher 
warzenförmig,  der  dunlke  Strich  in  der  Mitte  derselben  ist  heller  braun 


330  Maria  Andries. 

und  ziemlich  rund,  die  Umrahmuno;  schmäler.     Die  oberen   Platten 
sind  lebhafter  rot  und  warzig. 

Erwachsene  Larve. 

Allmählich  wird  die  Rückenseite  höher  gewölbt,  das  ganze  Tierchen 
erreicht  eine  durchschnittliche  Länge  von  9 — 10  mm  und  7  mm  Breite 
und  hat  dann  in  der  Form  viel  Ähnlichkeit  mit  einer  Kaffeebohne. 
Die  Bauchseite  weist  keine  wesentlichen  Unterschiede  mit  den  vorher- 
gehenden Stadien  auf.  Sie  ist  fleischfarbig,  feuchtglänzend.  Beim 
Austrocknen  sieht  man  deutlich  die  langen,  seidenartigen  Haare.  Von 
der  mittleren  Längsfurche  gehen  feine  Querrunzeln  aus,  und  durch 
Furchen,  die  sich  quer  über  die  Kriechfläche  ziehen,  ist  die  Segmen- 
tierung angedeutet.  Taf.  IV,  Fig.  19,  stellt  die  vordere  Partie  der  aus- 
gewachsenen Larve,  von  der  Bauchseite  gesehen  dar,  und  zwar  den 
häutigen  Kopf  abschnitt  mit  den  zweispitzigen  Antennen  und  der 
Mundöffnimg.  Die  Abgrenzung  der  vorderen  Thoracalsegmente  ist 
in  diesem  Stadium  äußerlich  nicht  zu  erkennen. 

Manche  noch  genauere  Einzelheiten  über  die  äußere  Morphologie 
der  ausgewachsenen  Larve  sind  in  der  Arbeit  von  Cerfontaine 
zu  finden. 

Puppenstadium. 

Da  die  Larven  von  Microdon  sich  in  der  letzten  Larvenhaut  ver- 
puppen, ist  von  der  äußeren  Puppenhülle  wenig  neues  zu  berichten, 
außer,  daß  sie  in  der  Gestalt  höher  gewölbt  und  schmäler,  in  der  Fär- 
bung dunkler  wird.  Das  Chitin  wird  hart  und  spröde,  öffnet  man  die 
Hülle  einige  Tage  nach  der  Verpuppimg,  so  findet  man  die  Entwicklung 
schon  weit  vorgeschritten.  Taf.  IV,  Fig.  30,  veranschaulicht  dieses 
Stadium  von  der  Bauchseite,  Fig.  31  von  der  Rückenseite  gesehen. 
Die  einzelnen  Teile  des  Körpers  sind  von  einer  zarten,  durchsichtigen 
Haut  umhüllt,  die  drei  Beinpaare  liegen  dicht  beieinander  gegen  den 
Kopf  gepreßt  und  lassen  schon  die  spätere  Gliederung  erkennen.  Vom 
Rücken  her  schlagen  sich  die  Flügel  als  breite  Lappen  nach  der  Bauch- 
seite um.  Die  Stigmenanlage  und  die  Segmentierung  des  Abdomens 
sind  deutlich  zu  sehen.  Die  Querfurchen  zwischen  den  Segmenten 
ziehen  sich  auch  hier  nur  über  die  bei  der  Larve  als  Kriechfläche  be- 
zeichnete Partie.  Zwischen  den  Beinpaaren  kommen  als  drei  rund- 
liche Erhöhungen  jederseits  die  Thoracalsegmente  hervor.  Der  Kopf 
ist  gegen  die  Bauchseite  gepreßt.  In  seiner  Verlängerung  sieht  man 
die  Anlage  des  Rüssels,  nämlich  in  der  Mitte  die  Oberlippe  und  seit- 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      331 

lieh  als  längliche,  bläschenförmige  Gebilde,  die  Maxillen.  Auf  dem 
Scheitel  des  Kopfes  stehen  als  zwei  kurze  Zapfen  die  Antennen,  die 
schon  die  spätere  Dreigliedrigkeit  erkennen  lassen.  Zwischen  den 
Antennen  zieht  sich  eine  schwache  Furche  längs  über  die  Gesichtsfläche, 
und  seitlich  davon  liegen  als  knöpf  artige  Anlage  die  Facettenaugen. 

Auf  der  Rückenseite  (Taf.  IV,  Fig.  31)  herrscht  noch  dieselbe 
Einteilung  in  ein  mittleres  und  zwei  seitliche  Felder,  wie  bei  der  Larve 
der  letzten  Häutung.  Selbst  die  Begrenzung  des  mittleren  Feldes 
durch  die  Bogenlinie,  wie  sie  schon  bei  der  aus  dem  Ei  schlüpfenden 
Larve  ausgeprägt  war,  ist  noch  vorhanden,  ebenso  am  Hinterende 
die  weiten  Tracheenöffnungen  der  Larve.  Anderseits  sind  Thorax 
und  Schildchen  schon  gegen  das  Abdomen  abgesetzt.  Der  Hinterleib 
läßt  noch  keine  Gliederung  erkennen.  Die  Stigmenhörnchen  der  Puppe 
sitzen  auf  zarten,  durchsichtigen  Kugeln,  die  von  der  Puppenhülle 
gebildet  werden  und  einfache  Tracheenstämme  durchtreten  lassen. 
Elditt  hatte  bei  seinen  Beobachtungen  irrtümlich  behauptet,  die 
Puppenhörnchen  gingen  aus  dem  hinteren  Kopfabschnitt  hervor,  bis 
Bertkau  ihre  Lage  am  vorderen  Prothorax  feststellte.  Die  hellen, 
runden  Flecke  auf  der  Rückenseite  der  Puppe  sind  Überreste  des 
larvalen  Fettkörpers. 

Innere  Morphologie. 
Methoden. 
Um  eine  Übersicht  über  die  inneren,  morphologischen  Verhält- 
nisse der  Larve  zu  bekommen,  wurden  hauptsächlich  die  ausgewachsenen 
Larven  benutzt,  einerseits,  weil  sie  reichlicher  zur  Verfügung  standen 
als  die  jüngeren,  anderseits,  weil  die  jüngsten  Stadien  ihrer  Kleinheit 
wegen  ungeeignet  waren.  Zwei  Methoden  kamen  dabei  zur  Verwen- 
dung, nämlich  das  Präparieren  unter  dem  ZEissschen  Binocularmikro- 
skop  und  die  Schnittmethode.  Die  beiden  Methoden  haben  sich  erfreu- 
lich ergänzt;  denn  mancher  Irrtum,  der  sich  bei  der  Anwendung  nur 
einer  Untersuchungsmethode  eingestellt  hatte,  wurde  durch  die  andere 
wieder  beseitigt.  Das  Schneiden  der  ausgewachsenen  Larven  war  mit 
einigen  Schwierigkeiten  verbunden,  und  es  hat  lange  gedauert,  bis 
gute  lückenlose  Serien  gelangen.  Die  verschiedensten  Fixation sflüssig- 
keiten  wurden  angewandt,  aber  alles  scheiterte  an  der  dicken  Chitin- 
hülle des  Objekts.  Folgende  Methode  hat  sich  schließlich  als  erfolg- 
reich erwiesen:  Die  Larven  wurden  in  eine  Fixationsflüssigkeit  von 
gleichen  Teilen  absoluten  Alkohols,  konzentrierten  Kochsalzsublimats 
und  konzentrierter  Pikrinsäure  in  Glasröhrchen  gebracht  und  diese  in 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  22 


332  Maria  Andries, 

kochend  heißes  Wasser  gesetzt.  Die  Larven  streckten  sich  darin  schön 
glatt  und  waren  bald  prall  gewölbt.  Die  Segmentierung  tritt  dann 
auf  der  Bauchseite  deutlich  hervor.  Nach  5 — 6  Stunden  waren  sie 
gut  fixiert,  wurden  mit  dem  Rasiermesser  quer  durchschnitten,  dann 
in  70%igen,  95%igen,  absoluten  Alkohol,  Äther  und  Celloidin  über- 
geführt. Von  nicht  durchschnittenen  oder  wenigstens  angeschnittenen 
Larven  ist  es  mir  nicht  gelungen,  brauchbare  Serien  zu  erhalten.  Das 
Celloidin  drang  nicht  genügend  ein.  Die  Schnitte  blieben  inwendig 
weich.  Die  Hälften  wurden  mit  dem  JuNGschen  Schlittenmicro tom 
geschnitten  in  Serien  von  20 — 40/f,  einzelne  Schnitte  zu  feineren  Unter- 
suchungen von  5  u;  die  Färbung  der  Celloidinschnitte  geschah  meist 
mit  Delafields  Hämatoxylin  und  Eosin.  Nach  der  Färbung  wurden 
sie  entwässert  und  zur  Erhaltung  des  Celloidins  aus  95%igem  Alkohol 
in  Karbol-Xylol  und  schließlich  in  Kanadabalsam  übergeführt. 

Segmentzahl. 

Die  Frage  nach  der  Segmentzahl  der  cycloraphen  Dipterenlarven 
bietet  manche  Schwierigkeiten  und  ist  von  den  verschiedenen  Autoren, 
die  sich  damit  beschäftigt  haben,  verschieden  beantwortet  worden. 
Newport  (1839),  dessen  Arbeit  mir  nicht  vorgelegen  hat,  zählt  nach 
Angabe  Hewitts  bei  Musca  vomitoria  14  Segmente,  eventuell  sogar  15, 
da  zwei  der  vorderen  verschmolzen  sein  sollen.  Weismann  (1863)  nimmt 
zwölf  Segmente  an  mit  dem  Kopfsegment,  van  Rees  acht  Abdominal- 
segmente, Beauer  (1883)  ebenfalls  zwölf  für  alle  Cycloraphen,  nämlich 
hinter  dem  fühlertragenden  Ring  nur  elf  wahre  Segmente,  drei  Thoracal- 
und  acht  Abdominalringe,  bei  denen  aber  der  letzte  bei  vielen  sicher 
aus  zwei  Segmenten  gebildet  sei.  Lowne  (1900)  zählt  sogar  15  postorale 
Segmente.  Hewitt  (1908)  richtete  sich  bei  der  Bestimmung  der  Seg- 
mentzahl von  Musca  domestica  nach  der  Anordnung  der  Körpermusku- 
latur und  kam  zu  der  Annahme  von  13  Körpersegmenten,  einschließ- 
lich des  problematischen  Kopf  Segmentes,  eine  Zahl,  die  Schiner  (1862) 
als  die  gewöhnliche  bei  Dipterenlarven  angibt.  Dabei  neigt  aber  Hewitt 
zu  der  Ansicht,  daß  das  erste  postorale  Segment  ein  Rudiment  der 
in  den  Körper  eingezogenen  Kopfregion  sei,  also  das  folgende,  zweite, 
erst  das  Prothoracalsegment  vorstelle.  Nach  dieser  Auffassung  käme 
man  dann  doch  wieder  auf  Brauers  elf  wahre  Körpersegmente  heraus. 
Bei  der  vorliegenden  Larve  ist  die  Frage  dadurch  noch  besonders  er- 
schwert, daß  die  Segmentgrenzen  beim  lebenden  Tier  kaum  wahrzu- 
nehmen und  die  Thoraxsegmente  sehr  unscheinbar  und  zum  Teil  ein- 
gezogen sind,  so  daß  man  sie  bei  der  erwachsenen  Larve  kaum  sieht. 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      333 

An  der  kleinen,  jüngsten  Larve  dagegen  treten  die  Thoracalsegmente 
bei  einer  besonderen  Behandlung  ziemlich  deutlich  hervor,  die  Seg- 
mente des  Abdomens  sehr  schwach.  Wenn  man  die  jungen  Larven 
in  70%igen  Alkohol  bringt,  so  bläht  sich  meist  die  Bauchseite  dick 
auf,  werden  sie  dann  in  Kalilauge  gekocht,  so  streckt  sich  der  vordere 
Teil  glatt  aus;  die  ganze  Chitinhülle  ist  prall  gewölbt.  Mit  Kongorot 
gefärbt,  bekommt  man  unter  dem  Binocular  die  günstigste  Ansicht  der 
vorderen  Partie  der  Larve.  Poujade  ist  der  erste,  der  die  Segment- 
zahl erwähnt.  In  der  Beschreibung  der  lebenden  Larve  heißt  es: 
«Annulis  non  conspicuis»,  von  der  in  Alkohol  konservierten,  daß  acht 
Segmente  vorhanden  zu  sein  scheinen.  Cerfontaine  geht  etwas 
ausführlicher  darauf  ein:  «Sur  un  individu  durci  .  .  .  j'ai  pu  nettement 
distinguer  dans  l'etendue  de  la  surface  de  reptation  des  sillons  indi- 
quant  une  segmentation  metamerique.  Les  Segments  paraissent  etre 
au  nombre  de  dix,  l'anterieur  correspond  ä  la  partie  cephalique,  les 
3  suivants  sont  les  anneaux  thoraciques,  et  les  six  derniers  seront 
les  segments  abdominaux.  La  bouche  se  trouve  sur  le  segment 
cephalique.»  Am  lebenden  Tier  sieht  man  manchmal  auch  auf  der 
Rückenseite  eine  schwache  Segmentierung.  Wenn  man  nämlich  die 
ausgewachsene  Larve  reizt ,  z.B.  durch  öfteres  Berühren  auf  der 
Rückenseite,  so  zeigen  sich  hier  meist  segmentale  Einschnürungen,  aber 
nur  in  den  mittleren  Segmenten  deutlich.  Bei  der  oben  besprochenen 
Behandlung  der  jungen  Larve  sieht  man  hinter  dem  häutigen,  antennen- 
tragenden Teil  des  Kopfes  noch  zwei  deutlich  abgegrenzte,  walzenförmige 
Segmente  frei  ausgestreckt,  auf  die  nach  hinten  neun  mit  dem  Rücken- 
schild in  Verbindung  stehende  folgen,  so  daß  bei  der  Larve  von  Micro- 
don ebenfalls  elf  wahre  Körpersegmente  vorhanden  sind.  In  dieser 
Auffassung  der  Segmente  werde  ich  bestärkt  durch  die  Lage  der  später 
zu  besprechenden  thoracalen  Imaginalscheiben. 

Der  nach  Brauer  bei  allen  acephalen  Dipterenlarven  häutig- 
bleibende,  antennentragende  Ring,  auf  dessen  Unterseite  sich  die 
Mundöffnung  befindet,  ist  nicht  als  eigentlicher  Kopf  aufzufassen. 
Henneguy  (1904)  gibt  ihm  den  treffenden  Namen:  Pseudocephalon. 
Der  eigentliche  Kopf  ist  durch  Hypodermiseinfaltung  vollständig  in 
die  Thoracalsegmente  eingezogen  und  mit  dem  Pharynx  zu  einem 
kompakten,  einheitlichen  Gebilde,  dem  Cephalopharyngealskelet1  oder 


1  Das  Wort  Cephalopharyngealskelet  scheint  mir  für  dieses  Gebilde  nicht 
sehr  geeignet,  da  der  Schlundkopf  aus  einem  »Komplex  von  Chitin,  Muskeln 
und  Geweben«  besteht.  Becker  (1910).  Richtiger  würde  es  wohl,  um  Miß- 
verständnisse zu  vermeiden,  gleichbedeutend   mit  Schlundkopfgerüst  angewandt. 

22* 


334  Maria  Andries, 

Schlundkopf  verschmolzen.  In  diese  Verschmelzung  ist  sogar  ein  Teil 
des  ersten  Thoracalsegmentes  hineingezogen,  der  sich  mit  dem  Zurück- 
weichen des  hinteren  Kopfabschnittes  notwendigerweise  einstülpen 
mußte.  Am0  Schnitten  durch  die  vordere  Partie  der  Larve  läßt  sich 
die  Fortsetzung  des  Schlundkopfepithels  in  die  Hypodermis  des  Pseudo- 
cephalon  einerseits  und  der  Tlioraxhypodermis  anderseits  genau  ver- 
folgen. Die  Cuticularauskleidung  dieser  Hypodermiseinfaltung,  also 
das  eigentliche  Kopfskelet,  bildet  mit  dem  Chitin  des  Pharynx  das 
einheitliche  Schlundgerüst,  eigentlich  richtiger  Schlundkopfgerüst,  den 
Hakenapparat  Weismanns.  Weismann  hat  bei  der  Embrvonalent- 
wicklung  der  Museiden  die  Einstülpung  des  Vorderkopf-  und  Man- 
dibularsegmentes  direkt  beobachtet;  Becker  dagegen  kommt  in  seiner 
Arbeit:  »Über  die  Reduktion  des  Kopfes  der  Dipterenlarven«  (1910) 
durch  vergleichende  Studien  an  eucephalen  und  acephalen  Dipteren- 
larven zu  der  Überzeugung,  daß  der  Kopf  der  Muscidenlarven  ein- 
gezogen, nicht  eingestülpt  ist.  Er  stimmt  in  dieser  Deutung  des 
Muscidenkopfes  mit  Holmgren  (1904)  überein,  der  seinen  Unter- 
suchungen eine  andre  Formenserie  zugrunde  legte.  Zu  seinem  Ver- 
gleichsmaterial gehört  auch  die  Larve  einer  südamerikanischen  Micro- 
don- Art.  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  »die  Kopf  falte  dieser  Larve, 
die  oben  in  der  Mundhöhle  beginnt,  von  Kopf-  und  Thoracalsegment 
gebildet  wird.  Die  Teile  dieser  Falte  wachsen  miteinander  zusammen 
und  bewirken  hierdurch  das  Festhalten  des  Kopfes  in  eingezogenem 
Zustande.  Morphologisch  besteht  somit  bei  diesen  Arten  die  biologisch 
als  Kopf  fungierende  Partie  teils  aus  dem  Kopf,  teils  aus  einer  Thora- 
calpartie  «. 

Schlundgerüst. 

Das  Schlundkopfgerüst  hat  bei  einer  Larve  von  Microdon  nach 
der  zweiten  Häutung  eine  Länge  von  lx/^m.va  (Taf.  V,  Fig.  32).  Es 
lassen  sich  drei  gesonderte  Abschnitte  daran  unterscheiden  (Textfig.  10). 
Der  erste  hintere  Abschnitt  besteht  aus  zwei  Platten,  einer  breiten, 
ventralen,  schauf eiförmig  gebogenen  und  einer  dorsalen,  die  sich,  in 
spitzem  Winkel  von  der  ventralen  ausgehend,  nach  hinten  erstreckt. 
Die  Dorsalplatte  ist  an  ihrem  distalen  Ende  in  der  Mitte  tief  gespalten 
und  steht  gleich  zwei  Flügeln  von  der  ventralen  ab.  Diese  letztere 
zeigt  an  ihrem  seitlich  umgebogenen  Teile  polygone  Felderung,  der 
mittlere  Teil  ganz  feine  Längsstreif ung:  er  stellt  die  Ventralwand  des 
Pharynx  dar.  Gemäß  ihrer  Entstehung  durch  Einfaltung  der  Hypo- 
dermis weisen  diese  Platten   eine  innere  und  eine  äußere  Epithellage 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      335 


auf.    An  dem  inneren  Epithel  der  dorsalen  Platte  setzen  seitlich  kräftige 
Dilatatormuskeln  an   (Textfig.  11),  die  an  der  oberen  Pharynxwand 


Textfig.  10. 

Schlundkopfgerüst  von  der  Seite  gesehen.    Dp,  Dorsalplatte;  Vp,  Ventralplatte;  H,  Halsteil;  Mh, 

Mundhaken;  L,  Labinm. 

inserieren.  Durch  Kontraktion  erweitern  sie  das  Lumen  des  Pharynx 
beträchtlich  und  rufen  auf  diese  Weise  eine  kräftige  Saugwirkung 
hervor.  Nach  vorn  stehen  Dorsal-  und 
Ventralplatte  unten  und  seitlich  mitein- 
ander in  Verbindung  und  bilden  den  mittle- 
ren Abschnitt  des  Schlundkopfgerüstes, 
den  röhrenförmigen  Halsteil.  Den  dorsalen 
Verschluß  des  Halsteiles  bildet  die  obere 
Pharynxwand.  Der  Hals  ist  seitlich  stark 
verdickt  und  endet  jederseits  in  einem 
kräftigen,  nach  oben  gerichteten  Haken, 
die  als  Stützpunkte  der  Mundhaken  dienen. 
Das  dünnere,  ventrale  Chitin  des  Halsteiles 
setzt  sich  allmählich  in  die  normale  Chitin- 
auskleidung der  Mundhöhle  fort.  Von  den 
Seiten  der  Pharynxwand  erstrecken  sich 
zwei  dünne  Chitinspangen  nach  vorn,  ver- 
einigen sich  an  ihren  Enden  und  ragen  als 
Spitze  dorsal  in  die  Mundhöhle  hinein 
(Taf.  V,  Fig.  33).  Auf  den  Halsteil  folgen 
nach  vorn  als  letzter  Abschnitt  die  Mund- 
anhänge. Mit  den  hakenartigen  Seiten- 
teilen des  Halses  gelenkig  verbunden  sind 
die  beiden  kräftigen  Mundhaken,   «la  piece  medio- dorsale  anterieure 


^ 


*~Di 


Textfig.  11. 

Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil 
des  Sehlundkopfes.  Dil,  Dilatator- 
muskulatur;  Dp,  Dursalplatte ;  E,  Epi- 
thel; Ph,  Pharynx;  oPhiv,  obere  Pha- 
rynxwand; De,  gemeinsamer  Drüsen- 
ausfiihrgang. 


336 


Maria  Andries, 


Cerfontaine's».  Es  sind  rundlich  gebogene,  vertikal  gestellte  Platten 
(Textfig.  12).  die  mit  ihren  distalen  Enden  zusammenneigen  und  an 
ihrem  ventralen  Rande  scharf  gezähnt  sind.  Die  Einschnitte  der 
Zähne  setzen  sich  auf  dem  Rücken  als  Streifung  fort.  Holmgren 
erklärt  diese  Mundhaken  für  homolog  mit  den  gegenständigen  Man- 

dibeln  der  orthoraphen  Dipterenlarven.  Weis- 
mann dagegen  hat  bei  der  embryonalen  Ent- 
wicklung der  Musca-Lavve  außer  diesen  noch 
andere  Gebilde  beobachtet,  die  er  als  Ober- 
kiefer anspricht,  und  hält  die  ersteren  für 
Neubildungen.  Dicht  unter  dem  vorderen 
Ende  des  Halsteiles  liegen  zwei  weitere  Mund- 
anhänge, zunächst  zwei  schlanke,  zarte  Platten  in  horizontaler  Lage 
(Textfig.  13  Mx)  mit  glatten  Rändern  und  abgerundetem  distalen  Ende. 
Holmgren  vermutet  in  dieser  paarigen  Anlage  die  Maxillen.  Ihnen 
aufgelagert  liegt  das  komplizierteste  Stück  der  Mundanhänge  (Text- 
fig. 13  L);  es  ist  schon  von  Holmgren  und  Cerfontaine  erwähnt,  aber 


Textfig.  12. 
Mundhaken. 


Textfig.  13. 
Mx,  Maxillen;  L.  Labium;  daran:  mP,  mittleres.  s.P,  seitliches,  u.P,  unteres  Plättchen;  U,  Über- 
gang der  Ober-  in  die  Unterseite;  bV,  bogenförmige  Verdickung  des  unteren  Plättchens;  Z,  nach 
lünten  gerichtete   Zähne  der  oberen   Plättchen. 

nicht  beschrieben  worden,  und  die  Abbildungen  lassen  die  komplizierte 
Zusammensetzung  nicht  erkennen.  Das  Ganze  bildet  eine  Art  Tüte, 
deren  Öffnung  nach  hinten  und  deren  Spitze  nach  vorn  gerichtet  ist. 
Ms  liat  ungefähr  die  Gestalt  eines  Dreiecks  und  ist  etwa  0,1  mm  lang. 
Die  Oberseite  der  Tüte  besteht  aus  einem  mittleren  und  zwei  seitlichen 
Plättchen,  die  nur  oben  zusammenhänaen.     Vorn  ist  der  Rand  der 


%fF 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.     337 

Plättchen  ausgekuppt,  hinten  mit  kräftigen,  langen  Zähnen  versehen. 
Die  äußeren  Ränder  der  seitlichen  Plättehen  biegen  ventralwärts  um 
und  setzen  sieh  fort  in  eine  darunter  liegende  Platte,  die  nach  der 
Spitze  der  Tüte  zu  mit  der  oberen  verschmolzen  ist,  im  übrigen  mit 
ihr  einen  Hohlraum  umschließt.  Den  Zähnen  gegenüber,  etwas  weiter 
nach  hinten  reichend,  schließt  sie  mit  einer  bogenförmigen  Verdickung 
ab.  Nach  der  Spitze  hin  ist  die  Tüte  ventralwärts  gebogen,  nach  hinten 
zu  mit  den  Seitenrändern  leicht  aufgebogen.  Die  Muskeln,  die  an  diesem 
Gebilde  ansetzen,  bewirken,  daß  die  Spitze  noch  mehr  nach  unten 
gezogen  wird.  Holmgren  bezeichnet  es  nur  als  unpaare,  dreieckige 
Platte  und  hält  es  für  das  Labium.  Bei  der  aus  dem  Ei  geschlüpften 
Larve  ist  die  seitliche  Chitinverdickung  des  Hals- 
teiles schlanker,  (Taf.  V,  Fig.  33),  das  Labium  (?),  /  \ 
soviel  ich  bei  der  Kleinheit  des  Objektes  erkennen 
konnte,  einfacher  gebaut;  es  besteht  aus  einer 
dreieckigen,  seitlich  umgebogenen  Platte  (Textfig.  14) 

mit  verhältnismäßig  noch   kräftigeren  nach   hinten 

•  Textfie  14 

gerichteten  Zähnen.    Wahrscheinlich  bildet  es  aber 

,     .         .  ct  ■  •    c      i       t-»i  t-v-       Labium  der  eben  ausge- 

auch  in  diesem  Stadium  keine  einfache  Platte.  Die  schlüpften  Larve, 
übrigen  Mundteile  sind  wie  die  der  ausgewachsenen 
Larve.  Die  verdickten  Partien  des  Schlundkopfgerüstes  und  seiner 
Anhänge  sind  braunschwarz,  das  übrige  gelblichbraun.  Es  wäre  zweck- 
los, über  die  Homologie  dieser  verschiedenen  Mundteile,  besonders 
über  die  Bedeutung  der  Mundhaken,  Vermutungen  auszusprechen, 
ohne  sie  durch  vergleichende  entwicklungsgeschichtliche  Studien  stützen 
zu  können. 

Darmsystem. 
(Taf.  V,  Fig.  34.) 
Die  Mundöffnung  liegt  ganz  vorn  auf  der  Mittellinie  der  Bauch- 
seite und  bildet  einen  X-förmigen  Spalt.  Sie  führt  in  die  geräumige 
Mundhöhle.  Vorn,  dorsal  in  der  Mundhöhle,  liegen  die  beiden  Mund- 
haken,  die  beim  öffnen  des  Mundes  sichtbar  werden,  aber  nicht  daraus 
hervortreten.  Ventral  von  diesen,  etwas  weiter  nach  hinten  schließt 
sich  das  Labium  (?)  an.  Dicht  hinter  dem  Labium  mündet  der  ge- 
meinsame, enge  Ausführungsgang  von  vier  Paar  Drüsen  in  die  Mund- 
höhle. Dieser  gemeiname  Ausführungsgang  (Textfig.  15  De)  gabelt  sich, 
dicht  unter  dem  Schlundkopf  verlaufend,  bald  in  zwei  Aste,  die  sich 
zu  einer  kleinen  Ampulle  erweitern.  Von  den  beiden  Ampullen  gehen 
jederseits  vier  Drüsenschläuche  aus,  und  zwar  drei  mehr  seitlich  und 


338 


Maria  Andries, 


einer  dicht  neben  dem  entsprechenden  der  anderen  Seite  liegend,  gerade 
aus  nach  hinten.  Diese  vier  Drüsenpaare  haben  merklich  verschiedene 
äußere  und  histologische  Beschaffenheit  und  daher  jedenfalls  auch 
verschiedene  Funktion.  Die  beiden  mittleren  sind  am  längsten  und 
weitesten.  Sie  verlaufen  mit  ziemlich  gleichbleibendem  Lumen  dicht 
über  der  Bauchseite  ungefähr  bis  zum  letzten  Drittel  der  Körperlänge 
und  sind  mit  ihren  Enden  umeinander  gewunden.  Sie  bestehen  aus 
einer  einfachen  Lage  sehr  großer,  flacher,  polygonaler  Zellen  mit  auf- 
fallend großen,  runden  Kernen  und  färben  sich  mit  Hämatoxylin  sehr 
dunkel.     Das  erste  seitliche  Drüsenpaar  ist  dem  mittleren  histologisch 


Textfig.  15. 

Vier  Drüsenpaare  gsl,  ijs'2,  gs'Z,  gsi,  De,  gemeinsamer  Ausführgang. 

sehr  ähnlich,  nur  sind  die  Zellen  und  Kerne  etwas  kleiner.  Die  beiden 
übrigen  Drüsenpaare  sind  viel  zarter  und  durchsichtiger  und  färben 
sich  schwach.  Die  Kerne  sind  kreisrund,  kleiner  und  lockerer  als  bei 
den  anderen  Drüsen.  Das  zweite  dieser  beiden  Paare  ist  das  kürzeste 
und  engste  von  allen.  Die  Chitinauskleidimg  des  gemeinsamen  Aus- 
führ imgsganges  zeigt,  wie  die  Intima  der  Tracheen,  Spiralverdickimg. 
Über  die  Funktion  dieser  verschiedenen  Drüsenpaare  kann  ich  nichts 
t  m sst  immtes  sagen.  Die  beiden  längsten,  nach  hinten  verlaufenden,  schei- 
nen nach  ihrer  histologischen  Ähnlichkeit  mit  denen  anderer  Dipteren 
die  eigentlichen  Speicheldrüsen  zu  sein,  die  die  Umsetzung  der  Nahrung 
befördern.  Die  beiden  durchsichtigen  Paare  liefern  wahrscheinlich 
das  flüssige  Secret,  das  von  Zeit  zu  Zeit  stoßweise  aus  der  Mundöffnung 
austritt  und  bei  der  Fortbewegung  hilft:  das  vierte  Paar  tritt  vielleicht 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      339 

bei  der  Verpuppung  oder  auch  schon  bei  den  Häutungen  in  Funktion, 
da  sich  die  Larve  in  diesen  Stadien  mittels  eines  schleimigen  Secretes 
auf  der  Unterlage  festklebt.  Die  Mundöffnung  führt  in  den  mit  dem 
reduzierten  Kopfskelet  verschmolzenen  Pharynx.  Die  Innenwandung 
des  Pharynx  ist  stark  chitinisiert ;  aber  vergebens  habe  ich  auf  Schnitten 
durch  diese  Partie  nach  den  sogenannten  T-Eippen  auf  der  ventralen 
Pharynxwand  gesucht,  von  denen  Becker  (1910)  schreibt:  »Diese 
T-Rippen  sind  bei  allen  bis  jetzt  untersuchten,  freilebenden  cycloraphen 
Dipterenlarven  vorhanden.  Sie  fehlen  dagegen  bei  den  parasitisch 
lebenden  Larven.«  Er  hat  sie  für  Anihomyia  und  Musca  festgestellt 
und  abgebildet.  Es  handelt  sich  um  neun  T-förmige  Chitinleisten, 
die  sich  auf  der  unteren  Pharynxwand  erheben  und  in  deren  Längs- 
richtung verlaufen.  Auf  diese  Weise  bilden  sie  zunächst  oben  offene 
Kanäle,  nach  hinten  aber  verschmelzen  ihre  oberen  Querbalken  mit 
einander  und  mit  der  seitlichen  Pharynxwand,  die  Vertikalbalken 
schwinden.  Sie  ragen  somit  als  Platten  frei  in  das  Lumen  des  Pharynx 
hinein  und  teilen  diesen  in  zwei  übereinanderliegende  Hohlräume. 
De  Meyere  (1001)  beschreibt  sie  von  der  Lonchoptera-Lawe,  Hewitt 
von  Musca  domestica,  Holmgren  von  einer  schon  vorher  erwähnten 
südamerikanischen  Microdon- Axt.  Bei  der  von  mir  untersuchten 
Larve  von  Microdon  Eggeri  fand  ich  die  untere  Pharynxwand  auf 
allen  Schnitten,  sowohl  älterer  als  jüngerer  Stadien,  völlig  glatt. 
Nach  den  deutlichen  und  übereinstimmenden  Abbildungen,  die  Holm- 
gren, Hewitt  und  Becker  davon  geben,  scheinen  diese  Gebilde  doch 
leicht  dort  zu  erkennen  zu  sein,   wo  sie  wirklich   vorhanden  sind. 

Am  hinteren  Ende  ist  der  Pharynx  etwas  aufwärts  gebogen  und 
mündet  am  Ende  des  Schlundkopfes  in  den  engen  Oesophagus.  Dieser 
verläuft  in  gerader  Linie  zwischen  den  Hirnanhängen  und  nach  seinem 
Durchtritt  durch  den  Schlundring  über  dem  Bauchmark  hin,  bis  er 
kurz  hinter  dem  Ende  des  Bauchmarkes  in  den  birnförmigen  Proven- 
triculus  eintritt.  Der  Proventriculus  ist  nach  den  Beobachtungen 
von  Weismann,  Kowalewsky  und  van  Rees  über  die  Musciden- 
entwicklung  aus  einer  Einstülpung  des  Oesophagus  hervorgegangen 
und  besteht  demnach  histologisch  aus  einer  dreifachen  Zellenlage. 
Der  eingestülpte  Teil  des  Oesophagus  hängt  ein  wenig  in  den  Mittel- 
darm hinein.  (Taf.  V,  Fig.  34).  Die  innere  Schicht  wird,  wie  der  ganze 
Oesophagus,  aus  einer  einfachen  Lage  mittelgroßer  Zellen  mit  falten- 
reicher Chitinauskleidung  gebildet,  die  mittlere  Schicht  aus  großen, 
klaren  Zellen,  die  in  einfacher  Lage,  in  der  Richtung  ihrer  Längsachse 
radial  um  die  innere  Schicht  angeordnet  sind.    Sie  sind  von  der  Fläche 


340  Maria  Andries, 

gesehen  länglich  polygonal  und  haben  ziemlich  große,  kreisrunde 
Kerne.  Beim  Übergang  der  mittleren  in  die  äußere  Schicht  (Taf.  IV, 
Fig.  21)  befindet  sich  ein  Ring  von  sehr  kleinen,  stark  gefärbten  poly- 
gonalen Zellen,  die  nach  Kowalewskys  Ansicht  bei  Musca  vomitoria 
die  Imaginalanlage  des  Anfangsdarmes,  nach  Lowne  die  des  Proven- 
triculus  darstellt.  Zu  letzterer  Ansicht  neigt  auch  Hewitt  für  Musca 
domestica.  Die  äußere  Schicht  besteht  aus  einer  einfachen  Lage  un- 
deutlich abgesetzter  Zellen,  mit  großen,  ovalen  Kernen,  die  sich  sehr 
dunkel  färben.  Sie  gehen  allmählich  in  die  kleineren  Zellen  des  Mittel- 
darmes über.  Auf  der  Grenze  von  Proventriculus  und  Mitteldarm 
münden  nach  hinten  vier  rundliche  Blindsäcke.  Das  Lumen  dieser 
Blindsäcke  ist  sehr  eng.  Ihre  Wandung  besteht  im  Querschnitt  aus 
zwei  oder  drei  in  das  Lumen  vorspringenden,  ziemlich  großen  Zellen. 
Der  Mitteldarm  verläuft  in  mehreren  Windungen  auf  der  Rücken- 
seite. In  den  Anfangsteil  des  Enddarmes  münden,  wie  bei  allen 
Dipterenlarven,  vier  MALPiGHische  Gefäße,  die  im  Leben  intensiv 
gelb  gefärbt  sind  und  in  einen  dichten  Knäuel  verwickelt  auf  der  Rücken- 
seite der  Larve  im  Fettkörper  liegen.  Sie  münden  getrennt,  nicht, 
wie  Weismann  für  Musca  vomitoria  angibt,  und  Hewitt  für  Musca 
domestica,  je  zwei  mit  gemeinsamem  Ausführgang.  Der  Mitteldarm 
geht  ohne  Veränderung  der  histologischen  Beschaffenheit  in  den  End- 
darm über.  Dieser  verläuft  gerade  aus  nach  hinten  und  mündet  mit 
vertical  verlaufendem  erweitertem  Rectum  auf  der  Bauchseite  im  letzten 
Segment.  Die  quergestreifte  Ringmuskulatur  des  Enddarmes  ist  deut- 
lich zu  erkennen.  Dicht  neben  dem  spaltförmigen  After  münden  mit 
langem,  fadendünnem  Ausführgang  rechts  und  links  je  eine  mächtig 
entwickelte,  aufgerollte  Analdrüse  nach  außen. 

Tracheensystem. 

(Taf.  IV.  Fig.  20.) 
Das  Tracheensystem  läßt  sich  am  besten  an  der  eben  aus  dem  Ei 
geschlüpften  Larve  studieren.  Betrachtet  man  diese  lebend  unter 
Deckglas  in  einem  Wassertropfen,  so  sind  die  Tracheen  schon  bei  mäßiger 
Vergrößerung  bis  in  ihre  feinsten  Verästelungen  deutlich  sichtbar. 
Von  dem  Tracheenhöcker  aus  gehen  zwei  Hauptstämme  geradlinig 
bis  in  die  Thoracalregion.  In  ihrem  Verlauf  durch  den  Körper  ver- 
jüngen sie  sich  allmählich;  nach  rechts  und  links  geben  sie  Neben- 
zweige ab  und  zwar  in  jedem  der  letzten  acht  Segmente  einen  inneren 
und  einen  äußeren,  die  sich  ihrerseits  wieder  weiter  verzweigen.  Die 
Hauptstämme   sind   in   jedem   Segment   durch    Queräste    miteinander 


Zur  Systematik,  Biologie  und    Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      341 

verbunden.  In  der  Thoracalregion  lösen  sich  die  Hauptstämme  in  ein 
Bündel  von  feineren  Ästen  auf  und  strahlen  in  die  vordere  Partie 
der  Larve  aus.  Dagegen  erwähnt  Cerfontaine  nur  fünf  von  den 
Hauptstämmen  nach  außen  abgehende  Nebenäste,  die  ihm  nach  ihrer 
Lage  im  Körper  der  Larve  den  fünf  ersten  Abdominalsegmenten  an- 
zugehören scheinen.  Er  vermutet,  daß  sie  den  fünf  Abdominalstämmen 
entsprechen,  die  von  Künckel  d'Herculais  für  die  Volucellen  be- 
schrieben worden  sind.  Der  Endverlauf  der  Hauptstämme,  wie  Cer- 
fontaine ihn  ausführlich  beschrieben  und  abgebildet  hat,  stimmt  mit 
meinen  Beobachtungen  überein.  Bei  ihrem  Eintritt  in  den  Tracheen- 
höcker nähern  sie  sich  bis  zur  Berührung  und  erweitern  sich  zu  kleinen 
Ampullen,  welche  durch  einen  kurzen,  weiten  Stamm  mit  der  Haupt- 
öffnung der  entsprechenden  Seite,  und  durch  viel  kleinere  mit  den 
Nebenöffnungen  in  Verbindung  stehen. 

In  denselben,  vorher  erwähnten  fünf  Segmenten  beobachtete 
Cerfontaine  auf  Querschnitten  durch  den  Körper  der  Larve  an  der 
Bauchseite  Hypodermiseinfaltungen,  die  er  mit  den  seitlichen  Tra- 
cheenstämmen in  Verbindung  bringt.  Er  hält  sie  nämlich  für  die 
Stigmenanlagen  der  Imago.  Ich  kann  Cerfontaines  Deutung  dieser 
Gebilde  schon  deshalb  nicht  beistimmen,  weil  sie  sich  nicht  nur  auf  der 
Bauchseite,  sondern  auch  auf  der  Kückenseite  der  Larve  vorfinden. 
Vielmehr  halte  ich  sie  für  imaginale  Abdominalscheiben. 

Nervensystem. 

Das  Centralnervensystem  der  M icrodon-L&we  (Taf.  IV,  Fig.  22 
u.  23)  hat,  wie  bei  allen  Syrphidenlarven,  die  weitgehendste  Verschmel- 
zung erfahren.  Die  Ganglien  des  Bauchmarks  sind  mit  den  Unter- 
schlundganglien zu  einem  einzigen,  rundlichen  Zapfen  verwachsen,  an 
dem  keine  Spur  von  Segmentierung  mehr  zu  sehen  ist.  Dieser  Zapfen 
liegt  unter  dem  Oesophagus  und  reicht  bis  zum  Proventriculus.  Er 
ist  dorsoventral  etwas  abgeplattet  und  nimmt  von  vorn  nach  hinten 
an  Breite  ab.  Über  seinem  breiten,  vorderen  Ende  wölben  sich  als 
ungefähr  kugelige  Gebilde  die  Oberschlundganglien,  zwischen  sich  und 
dem  Bauchstrang  eine  enge  Öffnung  zum  Durchtritt  des  Oesophagus 
freilassend  (Textfig.  16). 

Vom  Bauchstrang,  gehen  neun  Nerven  ab  und  zwar  die  letzten 
gerade  aus  zu  den  hinteren  Segmenten,  die  weiteren  immer  schräger 
zu  den  mittleren  und  vorderen  Segmenten.  Zwei  weitere  Nerven  ver- 
laufen von  der  Unterseite  des  Bauchmarks  nach  vorn.  Jeder  der  er- 
wähnten Nerven  ist  begleitet  von  einer  Trachee,  die  gemeinsam  mit 


342 


Maria  Andries, 


ihm  aus  dem  Bauchstrang  heraustritt.  Anfangs  hatte  ich  beide  neben- 
einanderlaufenden, feinen  Stränge  für  Nerven  gehalten,  bis  ich  an 
Totalpräparaten  bei  stärkerer  Vergrößerung  unter  dem  Mikroskop 
die  tracheale  Natur  des  einen  erkannte.  Ein  elftes  Nervenpaar  geht 
ventral  von  der  vorderen  Grenze  des  Bauchmarks  aus  und  verläuft 
rechts  und  links  neben  dem  Oesophagus,  unterhalb  des  Schlundgerüstes, 
bis  zu  den  dort  liegenden  Imayinalseheiben. 


X 


i  \ 


ßm    \     Oe  \ 
Dr         Dr 

Textfig.  16. 

Querschnitt  durch  den  vorderen  Teil  einer  reifen  Larve.   E,  Epithel;  Cu,  Cuticula;  F.  Fettkörper; 

OS,  Oberschlundganglien;  Bm,  Bauchmark;  Dr,  Drüsen;  Oe,  Oesophagus;  M,  Muskeln. 

Hautsinnesorgane . 
In  dem  durch  Fig.  35,  Taf.  V,  wiedergegebenen  Schnitt  sind  drei 
Sinnesorgane  der  Bauchseite  im  Zusammenhang  mit  dem  hinzutretenden 
Nerven  getroffen.  Diese  Sinnesorgane  sind  zuerst  von  Bertkau  (1889) 
erwähnt,  dann  auch  von  Hecht  (1899)  und  Cerfontaine  (1907)  be- 
schrieben und  abgebildet  worden.  Da  meine  Beobachtungen  bezüglich 
des  Baues  dieser  Organe  etwas  von  den  bisherigen  abweichen,  möchte 
ich  sie  kurz  mitteilen.  In  kontinuierlichem  Zusammenhang  mit  der 
Cuticula  erhebt  sich  ein  ungefähr  kegelförmiges  Gebilde,  manchmal 
kurz  und  gedrungen  (Textfig.  17),  manchmal  schlank  gestreckt  (Text- 
fig. 18).  Im  Centrum  dieses  Chitinkegels  liegt  ein  Hohlraum,  der  bei 
den  gedrungenen  Formen  ungefähr  kugelig,  bei  den  schlankeren  mehr 
kegelförmig  ist  und  nach  unten  von  einer  kelchförmigen  Chitinhülle 
mit  gewelltem  Rande  umschlossen  wird.  Dieser  Kelch  bildet  im  Schnitt 
zwei  auseinanderstrebende,  gestielte  Blättchen.  Nach  unten  ver- 
engert er  sich  in  eine  feine  Eöhre.    Nach  außen  ist  der  Chitinkecel  von 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      343 

einer  Kosette  von  meist  vier,  manchmal  auch  drei  oder  fünf  starren 
Blättchen  gekrönt,  die  bei  den  schlankeren  Formen  mehr  oder  weniger 
aufgerichtet  sind,  bei  den  andern  flach  liegen.     Hecht  vergleicht  sie 


Textfig.  17. 

Sinnesorgan   auf   der   Bauchseite   der  Larve. 

treffend  mit  den  Blättchen  einer  Fliederblüte.  Der  Blütenröhre  gleich, 
senkt  sich  zwischen  den  Blättchen  ein  Kanal  in  den  Chitinkegel  bis 
an  den   kugelförmigen   Hohlraum  ein,   von  dessen   Grunde   sich  ein 


Textfig.  18. 
Sinnesorgan  auf  der  Bauchseite  der  Larve. 

schlanker  Kolben  erhebt.  Dicht  unter  der  Hypodermis  liegt  eine 
Sinneszelle,  aus  der  ein  Nerv  in  das  feine,  untere  Kanälchen  eintritt, 
den  Hohlraum  durchsetzt  und  bis  in  das  Ende  des  Kolbens  verläuft. 


314 


Maria  Andries, 


Von  einem  zweiten,  ringförmigen  Hohlraum,  den  Cerfontaine  unter 
der  äußersten  Schicht  des  Chitinkegels  beobachtet  hat,  war  auf  meinen 
Schnitten  nichts  zu  sehen.  Die  Sinnesorgane  der  Rückenseite  (Text- 
fig. 19)  sind,  wie  auch  Cerfontaine  bemerkt,  nach  demselben  Typus 
gebaut.  Ihre  äußere  Form  ist  mehr  cylinderförmig,  der  Kelch  im 
Innern  schlanker  gestreckt  und  dem  oberen  Kolben  näher  gerückt, 
so  daß  der  Hohlraum  fast  verdrängt  ist. 

Der  Bau  der  Randsinnesorgane  ist  bei  der  erwachsenen  Larve 
schwer  zu  erkennen.     Beim  Schneiden  brechen  sie  leicht  ab,  weshalb 

wohl  auch  Cerfontaine 
nur  ihre  äußere  Struktur 
beschreibt.  Die  äußere 
Hülle  setzt  sich  aus  vier 
oder  fünf  an  ihrer  Basis 
vereinigten  und  mit  den 
distalen  Enden  anein- 
anderschließenden ,  lan- 
zettförmigen Borsten  zu- 


Textfig.  19. 

Sinnesorgan  auf  der  Rüekenseite  der  Larve. 


Textfig.  20. 
Randsinnesorgan . 


sammen,  zwei  kürzeren  und  zwei  längeren,  die  über  die  andern 
Randborsten  hinausragen.  An  Totalpräparaten  der  jüngsten  Larve 
konnte  ich  auch  das  Innere  dieser  Sinnesorgane  ziemlich  deutlich 
erkennen  (Textfig.  20).  Es  gleicht  dem  inneren  Teil  der  Sinnes- 
organe der  Rückenseite;  auf  dem  Kelch  erhebt  sich  anscheinend  ein 
starres  Haar.  Die  Verbindung  des  den  Becher  durchziehenden  feinen 
Stranges  mit  einer  Nervenzelle  konnte  ich  wegen  der  Kleinheit  des 
Objektes  nicht  beobachten.  Aber  aus  der  Ähnlichkeit  mit  den  übrigen 
Sinnesorganen  darf  doch  wohl  auf  die  nervöse  Natur  dieses  Stranges 
und  des  ganzen  Gebildes  geschlossen  werden. 

Soviel  bei  starker  Vergrößerung  zu  erkennen  ist,  sind  die  Sinnes- 
organe der  jüngsten  Larve  im  allgemeinen  mit  denen  der  erwachsenen 
übereinstimmend   gebaut.     Der  äußere  Chitinkeoel  ist  ebenfalls  von 


Zur  »Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      345 

vier  starren  Blättchen  gekrönt,  außerdem  aber  scheint  er  ganz  mit 
schuppenförmigen  Höckerchen  besetzt  zu  sein,  wodurch  er  in  der 
Aufsicht  den  Eindruck  eines  krausen  Köpfchens  macht. 

Was  die  Funktion  dieser  verschiedenen  Sinnesorgane  betrifft,  so 
sind  sie  von  allen,  die  sich  damit  beschäftigt  haben,  für  Tastorgane 
gehalten  worden,  und  diese  Annahme  hat  wohl  auch  die  größte  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich.  Ich  halte  jedoch  bei  der  großen  Lichtempfind- 
lichkeit dieser  Larven  nicht  für  ausgeschlossen,  daß  ein  Teil  der  Organe 
licht-  oder  temperaturempfindlich  sein  könnte.  Henneguy  (1904) 
bringt  allerdings  die  Lichtempfindlichkeit  vieler  Larven  mit  der  An- 
wesenheit imaginaler  Augenanlagen  tief  im  Innern  des  Larvenkörpers 
in  Verbindung. 

Rückengefäß. 

Das  Rückengefäß  der  Microdon-Jj&Tve  verläuft,  im  zweit-  oder 
drittletzten  Segment  beginnend,  zunächst  dicht  unter  der  Rücken- 
wand und  senkt  sich  allmählich  bis  zu  den  Oberschlunduanulien  herab, 
wo  es  im  WEiSMANNschen  Ring  endet.  Es  bildet  einen  Schlauch  mit 
zarter,  strukturloser  Innen-  und  Außenschicht  und  dazwischen  ge- 
legenen ringförmigen,  quergestreiften  Muskelfasern.  Der  hintere  Ab- 
schnitt, das  eigentliche  Herz,  hat  im  Querschnitt  etwa  die  Größe  einer 
Fettzelle  und  geht  allmählich  in  den  engen,  vorderen  Teil,  die  Aorta 
über.  Vom  WEiSMANNschen  Ring  aufsteigend  (Taf.  IV,  Fig.  22),  ist 
die  Aorta  nackt,  im  weiteren  Verlauf  wird  sie  begleitet  von  zunächst 
kleinen,  dann  größer  werdenden  kugeligen  Zellen  mit  körnigem  Proto- 
plasma und  mittelgroßen,  runden  Kernen  mit  deutlicher  Membran. 
Die  letzten  dieser  Zellen  sind  etwa  doppelt  so  groß  wie  die  ersten. 
Sie  hängen  locker  zusammen  und  bilden  Stränge,  die  sich  kranzförmig 
anordnen.  Welsmann  hat  sie  bei  Musca  vomitoria  zuerst  gefunden 
und  den  »guirlandenförmigen  Zellstrang«  genannt.  Hieran  anschließend 
folgen  auf  der  Grenze  von  Aorta  und  Herzschlauch  innerhalb  des  Peri- 
cardialraumes  große,  ovale  Zellen,  die  Pericardialzellen.  Sie  sind  wohl 
sechsmal  so  groß  wie  die  des  guirlandenförmigen  Zellstranges  und  haben 
wie  diese  körniges  Protoplasma,  aber  zwei  größere,  dunkle  Kerne  von 
kreisförmigem  Querschnitt.  Der  WEisMANNsche  Ring  (Taf.  IV,  Fig.  22) 
ist  lateral  zusammengedrückt  und  liegt  den  Oberschlundganglien  dicht 
auf.  Er  besteht  aus  einer  feinen,  strukturlosen  Hülle  und  einem 
Inhalt,  der  keine  Zellurenzen,  wohl  aber  kreisrunde,  große  Kerne  auf- 
weist. 


346 


Maria  Andries, 


Körpermuskulatur. 

Die  Muskulatur  der  Körperwand  ist  regelmäßig  segmental  ange- 
ordnet (Textfig.  21).  Zu  den  Hauptmuskelzügen  gehören  zunächst 
die  ventralen  Längsmuskeln  M.  recti  ventrales.  Sie  verlaufen  rechts 
und  links  von  der  Mittellinie  des  Körpers  kontinuierlich  von  hinten 
nach  vorn  und  bestehen  aus  fünf  dicht  nebeneinanderliegenden  Muskel- 
fasern,   die    auf    der    Grenze    jedes   Segments    Knotenpunkte    bilden. 


Köf\ 


w.rtf. 


Textfig.  21. 
Körpermuskulatur  der  Larve  (schematisch).    M.r.v,  ML  recti  ventrales;  M.r.d.  M.  recti  dorsales; 
M.r.l,  M.  recti  laterales;  d.v.M,  dorsoventrale  Muskeln;   v.Q.M,  ventrale   Quermuskeln;   l.Q.M, 
laterale  Quermuskeln;  R.M,  Kingmuskulatur;    Vd,  Vas  dorsale. 


Seitlich  von  den  ventralen  Längsmuskeln,  auf  der  Grenze  von  Kriech- 
fläche und  Bandfeld,  verlaufen  in  derselben  Weise,  aus  drei  neben- 
einander liegenden  Muskelfasern  bestehend,  die  seitlichen  Längsmuskeln, 
die  M.  recti  laterales,  auf  der  Rückenseite  die  entsprechenden  M.  recti 
dorsales.  Von  den  Knotenpunkten  der  M.  recti  ventrales  gehen  kräftige 
Muskelfasern  dorsalwärts,  teils  nach  hinten  und  teils  nach  vorn,  auf 
die  Mittellinie  des  Rückens  zu,  vereinigen  sich  aber,  ohne  diese  zu  er- 
reichen, in  einem  Knotenpunkt  mit  den  entgegengesetzten  des  folgenden 
Segmentes  und  strahlen  von  hier  nach  der  Rückenseite  aus.  Die  Mitte 
der  Rückenseite  bleibt  für  das  Rückengefäß  frei.  Unterhalb  der 
M.  recti  ventrales  spleißen  sie  sich,  von  den  Knotenpunkten  ausgehend, 
auf  und  verlaufen  fächerförmig  nach  der  Bauchseite.     Außer  diesen 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      347 

gehen  von  den  ventralen  und  lateralen  Längsmuskeln  dorsale  Quer- 
muskeln  aus,  die  auf  der  Rückenseite  inserieren,  ebenso  seitlich  von 
der  Rückenseite  einige  schwächere  nach  dem  Randfeld  der  Bauchseite. 
Hierzu  kommt  noch  in  jedem  Segment  die  dorsale  und  laterale  Ring- 
muskulatur and  entsprechende  ventrale  Muskeln,  die  von  der  Grenze 
der  Kriechfläche  ihren  Ursprung  nehmen  und  auf  dieser  nach  der 
Mitte  zu  inserieren,  die  innersten,  längsten,  nicht  ganz  in  der  Mittel- 
linie, sondern  ein  wenig  übereinandergreifend.  Die  im  biologischen 
Teil  geschilderte  Fortbewegung  ist  bei  dieser  Anordnung  der  Musku- 
latur wohl  auf  folgende  Weise  zu  erklären:  Zunächst  kontrahieren 
sich  die  ventralen  Längsmuskeln  des  letzten  Segmentes;  dieses  wird 
durch  Kontraktion  der  dorsalen  Quermuskeln  von  der  Unterlage  ab- 
gehoben. Während  dieser  Vorgang  sich  im  folgenden  Segment  ab- 
spielt erschlaffen  die  Muskeln  des  letzten.  Dieses  streckt  sich  wieder 
auf  der  Unterlage  und  zwar  nach  vorn  aus,  und  so  fort,  bis  das  vor- 
derste Segment  sich  gestreckt  hat  und  damit  das  Tierchen  ein  kleines 
Stück  vorwärts  gekommen  ist.  Daß  das  fortschreitende  Abheben  von  der 
Unterlage  nicht  ruckweise  von  Segment  zu  Segment,  sondern  wellen- 
förmig, kontinuierlich  vor  sich  geht,  wird  durch  die  feine  Aufspaltung 
und  fächerförmige  Ausstrahlung  der  dorsalen  Quermuskeln  unterhalb 
der  M.  recti  ventrales  bewirkt. 

Muskelinsertion. 

Im  Anschluß  an  die  Besprechung  der  Muskulatur  mögen  einige 
Beobachtungen  über  die  Muskelinsertion  bei  der  Microdon-La.rve  Er- 
wähnung finden.  Hecht  und  Cerfontaine  sind  zu  dem  übereinstim- 
menden Resultat  gekommen,  daß  die  direkte  Insertion  in  überzeugender 
Weise  vorliegt.  Cerfontaine  faßt  dies  Ergebnis  mit  folgenden  Worten 
zusammen:  «Hecht  admet  cjue  chez  la  larve  de  Microdon  l'insertion 
des  fibres  musculaires  est  cuticulaire  et  se  fait  avec  continuite,  c'est 
ä  dire  que  les  fibres  musculaires,  qui  en  partant  des  noeux  signales 
plus  haut  gagnent  la  face  ventrale,  passent  entre  quelques  cellules 
s'engagent  en  s'amincissant  entre  les  cellules  epidermiques,  abordent 
la  face  profonde  de  la  cuticule  sans  entrer  en  rapport  avec  les  cellules 
epidermiques,  et  se  continuent  dans  l'epaisseur  de  la  cuticule,  dans 
l'epaisseur  de  laquelle  chaque  faisceau,  retreci  au  point  d'entree,  s'elar- 
git  ä  nouveau  et  forme  une  sorte  de  cöne,  strie  longitudinalement.  D'ac- 
cord  avec  Hecht  je  puis  conf inner  l'existence  de  cette  continuite 
entre  les  fibres  musculaires  et  la  cuticule.»  Einen  so  deutlichen  Be- 
weis für  die  direkte  Insertion  scheint  mir  die  Larve   von  Microdon 

Zeitscluift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  23 


348  Maria  Andries, 

nicht  zu  liefern,  da  ich  an  demselben  Objekt  ziemlich  abweichende 
Beobachtungen  gemacht  habe.  Hecht  und  Ceefontaine  erläutern 
ihre  Ausführungen  durch  entsprechende  Schnittbilder,  die  auch  mit  den 
meinigen  nicht  übereinstimmen.  In  bezug  auf  die  Hypodermiszellen 
bemerkt  Hecht:  «Leurs  contours  sont  bien  delimites,  sans  depressions 
ni  empreintes  pouvant  faire  penser  qu'elles  donnent  insertion  ä  des 
elements  musculaires.  Leur  cytoplasme,  assez  homogene,  ne  presente 
pas  de  stries,  pas  plus  ä  la  base  de  la  cellule  qu'ä  la  peripherie  accolee 
ä  la  cuticule.  Elles  ne  sont  pas  toujours  exactement  contigues  par 
leurs  faces  laterales;  au  contraire,  elles  laissent  souvent  entre  elles 
de  vrais  vides  au  niveau  des  insertions  musculaires. »  Auf  seinem 
Querschnittbild  Taf.  XI,  Fig.  9,  liegen  die  Hypodermiszellen  scharf 
abgegrenzt  und  große  Lücken  zwischen  sich  lassend.  Bis  zum  inneren 
Rande  dieser  Zellen  reicht  die  Querstreifung  der  inserierenden  Muskel- 
fibrillen,  die  von  da  frei  durch  die  Lücken  zwischen  den  Hypodermis- 
zellen bis  an  die  Cuticula  verlaufen  und  scheinbar  in  diese  eindringen. 
Im  Gegensatz  zu  Hechts  Darstellung  habe  ich  auf  Querschnitten 
immer  einen  fest  zusammenhängenden  Saum  von  Epithelzellen  ge- 
funden, deren  seitliche  Grenzen  nicht  zu  unterscheiden  sind.  Die 
Querstreifung  der  inserierenden  Muskelfaser  hört  ebenfalls  am  inneren 
Rande  dieses  Epithels  auf,  setzt  aber  mit  ganzer  Breite  an  eine  Hypo- 
dermiszelle  an,  in  der  auf  dünnen  Schnitten  von  etwa  5  /<  und  bei  starker 
Vergrößerung  eine  feine  Fibrillierung  in  der  Verlängerung  der  Muskel- 
fibrillen  sichtbar  ist.  Zwischen  Muskel-  und  Hypodermisfibrillen  setzt 
sich  die  innere  Membran  der  angrenzenden  Epithelzellen  kontinuierlich 
fort.  In  der  direkten  Fortsetzung  der  Hypodermisfibrillen  durchsetzt 
ein  Bündel  von  Fibrillen,  nach  der  Peripherie  hin  seitlich  ausstrahlend, 
die  ganze  Dicke  der  Cuticula. 

Diese  Insertionsweise  scheint  mir  eher  mit  der  übereinzustimmen, 
die  Stamm  (1904)  und  Janet  (1907)  als  typisch  indirekte  geschildert 
haben.  Die  Fibrillierung  der  Hypodermiszellen  betreffend  schreibt 
Janet:  «Pour  resister  ä  l'effort  exerce  par  la  fibre  musculaire  lors 
de  sa  contraction  et  pour  transmettre  cet  effort  au  squelette  chitineux, 
les  cellules  dermiques  d'insertion  doivent  acquerir  une  resistance  consi- 
derable.  Elles  y  arrivent  en  formant  dans  leur  interieur,  et  cela  dans 
la  direction  de  la  fibre  musculaire,  des  filaments  que  j'ai  denommes 
filaments  de  resistance.  Ces  filaments  relient  au  travers  du  cyto- 
plasme dermique,  la  fibre  musculaire,  ou  plutöt  la  membrane  basale 
ä  laquelle  eile  adhere  solidement,  avec  le  squelette  chitineux.»  Daß 
diese  fibrilläre  Partie  zwischen  Muskelquerstreifung  und  Cuticula  nicht 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.       349 

etwa  eine  zur  Muskelfaser  gehörige  Seime  ist,  beweist  außer  dem  Vor- 
handensein der  inneren  Epithelmembran  auch  ihr  Verhalten  gegen 
Farbstoffe,  da  sie  sich  immer  wie  die  Hypodermiszellen  und  nicht 
wie  Muskelsubstanz  färbt.  Innerhalb  der  Hypodermisfibrillen  habe 
ich  keinen  Kern  gefunden;  von  Stamm  und  Janet  aber  sind  derartige 
Insertionsstellen  auch  mit  Kern  beschrieben  und  abgebildet  worden. 
Diese  beiden  Autoren  erklären  das  häufige  Fehlen  des  Kernes  in  Schnitt- 
bildern so,  daß  der  Kern  durch  die  Ausbildung  der  Fibrillen  an  die 
Seite  gedrängt  worden  ist  (Janet  1904,  S.  55,  Fig.  22).  Die  von  den 
»Filaments  dermiques  de  resistance«  kontinuierlich  in  die  Cuticula 
ausstrahlenden  Fibrillen  erklären  sich  leicht  aus  dem  fibrillären  Bau 
des  Chitinskelettes,  wie  er  von  Camillo  Schneider  (S.  468,  Fig.  417), 
Heidenhain,  Plotnikow  (1904)  u.  a.  beobachtet  wurde  und  der 
ebenfalls  bei  der  Larve  von  Microdon  deutlich  zu  erkennen  ist. 
Auf  dünnen  Schnitten  werden  bei  starker  Vergrößerung  auch  da,  wo 
keine  Muskeln  inserieren,  feine  Fibrillen  sichtbar,  die  von  dünnen, 
horizontalen  Lagen  von  Kittsubstanz  gekreuzt  werden.  Dadurch  ent- 
steht auf  Querschnitten  der  Eindruck  einer  netzartigen  Struktur  der 
Cuticula.  Zerzupft  man  solche  dünnen  Schnitte,  so  sieht  man  an  den 
zerrissenen  Stellen  die  einzelnen  Fibrillen  herausstehen.  Es  ist  nun 
sehr  wohl  denkbar,  daß  an  den  Insertionsstellen  der  Muskeln  diese 
Fibrillen  durch  den  starken  Zug,  den  sie  zu  erleiden  haben,  stärker 
ausgebildet  werden.  Man  könnte  sie  deshalb  »filaments  chitineux  de 
resistance«  nennen. 

Hecht  sieht  in  dem  besonders  festen  Aneinanderhaften  von  Hypo- 
dermis  und  Cuticula  an  den  Insertionsstellen,  da  im  übrigen  diese 
beiden  Schichten  beim  Schneiden  häufig  voneinandergerissen  werden, 
einen  Beweis  für  die  Kontinuierlichkeit  zwischen  Muskel  und  Chitin. 
Ich  glaube,  durch  die  obige  Erklärungsweise  wird  der  feste  Zusammen- 
hang ebenso  verständlich. 

Cerfontaine  schildert  außer  diesem  einfacheren  einen  zweiten, 
noch  öfter  vorkommenden  Insertionsmodus,  der  sich  von  dem  ersten 
dadurch  unterscheidet,  daß  die  quergestreifte  Partie  der  Muskelfaser 
durch  eine  Sehne  von  der  Körperwand  getrennt  ist.  Diese  Art  der 
Insertion  ist  immer  da  vorhanden,  wo  zwei  Muskeln  sich  in  einem 
Knotenpunkt  vereinigen  und  gemeinsam  inserieren.  Sie  ist  wahr- 
scheinlich auf  die  von  Janet  als  » insertion  mobile  «  bezeichnete  zurück- 

i 

zuführen  und  ebenfalls  eine  indirekte.  Es  handelt  sich  dabei  um  eine 
Verlagerung  der  Insertionsstelle  von  der  Hypodermis  weg  nach  innen 
und  zwar  dadurch,  daß  eine  Hypodermisfalte  mit  auskleidender  Chitin- 

23* 


350  Maria  Andries, 

lamelle  dem  Muskel  entgegenstrebt.  Aber  mit  dieser  Struktur  habe 
ich  mich  nicht  eingehend  genug  beschäftigt,  um  Bestimmtes  darüber 
sagen  zu  können.  Die  Larve  von  Microdon  würde  gewiß  ein  lohnendes 
Objekt  sein,  die  Frage  der  Muskelinsertion  klären  zu  helfen. 

Fettkörper. 

Der  Fettkörper  der  Microdon-havve  (Textfig.  16)  ist  mächtig  ent- 
wickelt und  füllt  fast  allen  Kaum  zwischen  den  Organen  aus.  Er  be- 
steht aus  einzelnen,  schneeweißen  Strängen,  die  mit  benachbarten  lose 
zusammenhängen.  Die  Zellen  sind  sehr  groß,  fast  kugelig  und  lassen 
sich  leicht  voneinander  trennen.  Ihr  Protoplasma  ist  von  Fetttröpf- 
chen erfüllt,  die  großen  Kerne  sind  unscharf  begrenzt. 

Hypodermis. 

Die  Hypodermis  setzt  sich  aus  ziemlich  flachen,  polygonalen  Zellen 
mit  rundlichen  Kernen  zusammen.  Im  Querschnitt  sind,  wie  schon 
vorher   erwähnt,    keine    seitlichen   Zellgrenzen   zu   unterscheiden. 

Cutikula. 

An  der  Cuticula  lassen  sich  drei  Schichten  deutlich  unterscheiden, 
eine  sehr  dünne,  äußere  Schicht,  die  sich  mit  Eosin  stark  färbt,  eine 
etwas  dickere,  mittlere,  die  sich  ebenfalls  stark  färbt,  und  eine  innere 
sich  schwach  färbende  Schicht  von  beträchtlicher  Dicke. 

Exuvialdrüsen. 

Im  Chitin  der  Kückenseite  der  Larve  befinden  sich  Drüsen,  wie 
sie  in  einfacher  Form  zuerst  Verson  (1890)  für  die  Raupen  von  Bom- 
byx  mori,  später  andere  Beobachter  bei  Macrolepidopterenraupen  als 
Exuvialdrüsen  beschrieben  haben.  Dies  entnehme  ich  aus  Plotnikow 
(1904),  der  sie  außerdem  bei  den  Larven  von  Tenebrio  molitor  und 
einigen  Chrysomeliden-  und  Coccinellidenlarven  nachwies.  Ob  sie 
seitdem  auch  bei  Dipterenlarven  gefunden  worden  sind,  ist  mir  nicht 
bekannt.  Ihre  genaue  Zahl  bei  der  Microdon-Lawe  kann  ich  nicht 
angeben.  Sie  scheinen  aber  in  jedem  Abdominalsegment  zu  zwei 
Paaren  vorhanden  zu  sein  je  zwei  rechts  und  links  von  der  Mittellinie 
in  geraden  Querreihen.  Anfangs  hatte  ich  sie  für  Sinnesorgane  gehalten, 
aber  nie  war  ihre  Verbindung  mit  einer  Nervenzelle  festzustellen,  wohl 
aber  mit  einer  charakteristisch  differenzierten  Hypodermiszelle. 

Von  außen,  meist  zwischen  zwei  Höckern  der  Chitinstruktur 
(Taf.  IV,  Fig.  24  u.  25)  führt  ein  haarfeines  Kanälchen  durch  die  äußeren 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.       351 

Chitinlagen  in  einen  Hohlraum,  der  von  einer  dünnen,  tulpenförmigen 
Chitinhülle  begrenzt  wird.  Oben  schließt  diese  Hülle  dicht  um  das 
Kanälchen  herum,  unten  hat  sie  eine  ziemlich  weite,  runde  Öffnung. 
Das  Kanälchen  selbst  erweitert  sich  an  seinem  distalen  Ende  ein  wenig, 
und  seine  Wände  gehen  hier  kontinuierlich  in  das  Chitin  der  Ober- 
fläche über;  innerhalb  des  Hohlraumes  bildet  es  eine  trichterförmige 
Erweiterung,  die  im  Schnitt  ein  nach  oben  spitzes  Dreieck  bildet. 
Aus  einer  umgestalteten  Hypodermiszelle  kommt  diesem  durch  die 
Öffnung  der  Hülle  ein  anderes,  gewundenes  Kanälchen  entgegen.  Die 
tulpenförmige  Hülle  liegt  inmitten  einer  etwas  abgeplatteten  Kugel, 
in  der  eine  deutliche,  konzentrische  Schichtung  bemerkbar  ist.  Auf 
Schnitten,  die  mit  Delafields  Hämatoxvlin  und  Eosin  gefärbt  sind, 
besteht  die  Schichtung  aus  abwechselnd  rosa  und  weißlichen  Lagen. 
Diese  Kugel  ruht  meist  auf  einer  mächtig  vergrößerten,  eingedellten 
Hypodermiszelle,  wie  auf  einem  Polster;  manchmal  aber  auch  ist  sie 
mehr  oder  weniger  in  der  Cuticula  in  die  Höhe  gerückt  und  durch 
das  gerade  gestreckte  Kanälchen  von  der  secernierenden  Zelle  getrennt. 
Die  Drüsenzelle  hängt  kontinuierlich  mit  den  benachbarten  Hypo- 
dermiszellen  zusammen,  unterscheidet  sich  aber  von  ihnen  außer  durch 
Form  und  Größe,  besonders  durch  ihr  helles,  vaeuolisiertes  Proto- 
plasma und  den  großen,  locker  gebauten  Kern.  Das  Secret,  das  bei 
der  Häutung  die  alte  Cuticula  von  der  neuen  abheben  soll,  gelangt 
wahrscheinlich  aus  der  secernierenden  Zelle  in  das  untere  Kanälchen, 
durch  dieses  in  den  Hohlraum  und  von  da  in  den  Ausführungsgang, 
aus  dem  es  sich  zwischen  die  beiden  Chitinschichten  drängt.  Die  Be- 
deutung der  Kugel  und  ihrer  konzentrischen  Schichtung  kann  ich 
mir  nicht  erklären. 

Die  von  mir  beobachteten  und  in  Fig.  24  und  25,  Taf.  IV,  abge- 
bildeten Drüsen  der  erwachsenen  Larve  müssen  also  schon  bei  der 
letzten  Häutung  in  Tätigkeit  gewesen  und  danach  funktionslos  ge- 
worden sein.  Die  Entwicklung  dieser  Drüsen  habe  ich  nicht  durch 
die  verschiedenen  Larvenstadien  verfolgt  und  verweise  deshalb  auf 
die  Arbeit  von  Plotnikow  (1904),  der  die  Entstehungsweise  ähnlicher 
Gebilde  bei    Tenebrio  molilor-L&vven  beobachtet   und  abgebildet  hat. 

Imaginalscheiben. 

Die  wunderbare  Tatsache,  daß  der  Körper  des  fertigen  Insektes 
schon  auf  früher  Entwicklungsstufe  im  Innern  des  Larvenkörpers 
angelegt  wird,  wurde  durch  Weismanns  Studien  über  die  postembryo- 
nale Entwicklung  der  Museiden  (1864)  zuerst  bekannt.    Schon  vor  ihm 


352  Maria  Andries, 

hatten  einige  Forscher  diese  weißen  Gebilde  im  Larvenkörper  be- 
obachtet, aber  nicht  zu  deuten  gewußt.  Seit  Weismanns  Entdeckung 
winden  sie  sowohl  bei  anderen  Insektenlarven  als  auch  von  Künckel 
d'Herculais,  Kowalewsky,  van  Eees,  Lowne,  Wahl,  Hewitt  u.  a. 
für  mehrere  cycloraphe  Dipterenlarven  nachgewiesen.  Weismann 
nannte  diese  Anlagen  Imaginalscheiben,  Künckel  d'Herculais,  der 
für  Volucelkt  ihren  Zusammenhang  mit  der  Hypodermis  erkannte, 
Histoblasten.  Aber  der  Name  Imaginalscheiben  ist  allgemein  gebräuch- 
lich geworden,  obwohl  diese  mehr  sack-  oder  blasenartigen  Körper 
mit  einer  Scheibe  wenig  Ähnlichkeit  haben.  Die  Auffassung  Künckel 
d'Herculais'  und  van  Rees',  daß  es  sich  hierbei  um  Einfaltungen 
der  Hypodermis  handelt,  hat  sich  bei  den  späteren  Untersuchungen 
als  richtig  erwiesen. 

Bei  der  Larve  von  Microdon  sind  die  Imaginalanlagen  leicht  auf- 
zufinden und  ihr  Zusammenhang  mit  der  Hypodermis  deutlich  zu  er- 
kennen, und  zwar  an  Totalpräparaten  sowohl  als  auf  Schnittserien. 
In  der  Kopf-  und  Thoracalregion  konnte  ich  durch  Präparation  neun 
Paare  von  Imaginalscheiben  feststellen,  die  alle  vom  Epithel  ihren 
Ursprung  nehmen.  Es  sind  dies  die  Anlagen  der  Augen,  der  Antennen, 
je  ein  Paar  obere  und  untere  Pro-,  Meso-  und  Metathoracalscheiben 
und  ein  Paar  zur  Bildung  der  imaginalen  Mundwerkzeuge.  Um  eine 
klare  Übersicht  über  diese  Imaginalscheiben  und  ihre  Lage  zu  gewinnen, 
schneidet  man  eine  Larve  in  70%igem  Alkohol  vom  Rücken  her  auf 
und  entfernt  unter  dem  Binocularmikroskop  vorsichtig  alle  in  der 
Vorderpartie  nach  oben  gelegenen  Organe.  Man  trifft  zunächst  auf 
die  Anlagen  der  imaginalen  Facettenaugen  (Taf.  IV,  Fig.  22  u.  23),  die 
wie  ein  Becher  jeder  Hälfte  der  Oberschlundganglien  aufsitzen  und 
mit  denselben  durch  den  Nervus  opticus  seitlich  in  Verbindung  stehen 
(Taf.  IV,  Fig.  26).  In  der  faltigen  Verlängerung  der  Augenanlagen 
nach  vorn  und  in  direkter  Verbindung  mit  ihr  liegen  die  imaginalen 
Antennenanlagen  (Taf.  IV,  Fig.  22  u.  23).  Sie  sind  als  helle  und  dunklere 
konzentrische  Ringe  zu  erkennen,  welche  die  späteren  Antennenglieder 
repräsentieren.  Einstweilen  liegen  sie  noch,  wie  van  Rees  es  aus- 
drückt, »wie  die  Ringe  eines  einschiebbaren  Reisebechers«  ineinander- 
geschachtelt. Augen  und  Antennenanlage  jeder  Seite  sind  von  einer 
gemeinsamen  Hülle  umgeben  und  nehmen  seitlich  vom  Schlundkopf- 
epithel ihren  Ursprung.  Den  Beobachtungen  von  Weismann,  van 
Rees  u.  a.  zufolge,  verschmelzen  in  der  Puppenperiode  diese  rechten 
und  linken  Imaginalanlagen  dorsal  miteinander  imd  bilden  die  Kopf- 
blase, aus  der  nicht  nur  Augen  und  Antennen,  sondern  fast  die  ganze 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      353 

Kopfpartie  des  fertigen  Insekts  hervorgehen.  Entfernt  man  nun  das 
Nervensystem  mit  dem  Schlundkopf  und  den  darunter  liegenden 
Drüsen,  sowie  das  Fettgewebe,  so  sieht  man  die  sechs  Paare  von  thora- 
calen  Imaginalscheiben  dicht  beieinanderliegen  (Textfig.  22).  Mit  län- 
geren oder  kürzeren,  dünnen  Stielen  gehen  sie  in  die  ventrale  Hypo- 
dermis  der  vorderen,  ineinandergeschachtelten  Segmente  über  (Text- 
fig. 23).  Von  der  Mittellinie  des  eisten  Segmentes  her  kommt  der 
gemeinsame,  kurze  Stiel  der  unteren  Prothoracalscheiben.  Er 
erweitert  sich  zu  einer  sackförmigen,  durchsichtigen  Hülle,  in  der  als 
kompaktere,  weiße  Masse  die  Anlage  des  ersten  Beinpaares  liegt.    Die 


2  ff 


Textfig.  22. 

Imaginalscheiben  des  Thorax  1.2?,  erstes,  2.2?,  zweites,  3.2?,  drittes  Beinpaar;  St,  Anlage  des  Stig- 
menhörnehens  der  Puppe;  F,  Flügelanlage;  H,  Anlage  der  Halteren;    Th,  Thoraxsegmente  von 

innen  gesehen. 


einzelnen  Glieder  jedes  Beines,  besonders  die  Tibia  und  die  fünf  Tarsal- 
glieder,  haben  sich  bereits  deutlich  abgegrenzt  und  lassen  sich  schon 
makroskopisch  erkennen.  Sie  sind  aber  noch  kurz  und  gedrungen  und 
liegen  wie  Scheiben  übereinander  (Taf.  IV,  Fig.  27).  Während  alle 
übrigen  Thoracalscheiben  paarig  sind,  eine  rechte  und  linke,  mit  eigenem 
Stiel  und  eigener  Hülle,  liegen  die  Anlagen  des  ersten  Beinpaares  dicht 
beieinander  in  gemeinsamer  Hülle. 

Die  Stiele  der  unteren  Mesothoracalscheiben  nehmen  vom 
zweiten  Segment,  weiter  von  der  Mittellinie  entfernt  ihren  Ursprung 
(Textfig.  23).  Sie  haben  etwas  schlankere  Form  und  viel  längere  Stiele 
als  die  vorderen,  sind  ihnen  aber  im  übrigen  ähnlich.  Die  unteren 
Metathoracalscheiben   gehen    mit    ihren   ziemlich    langen    Stielen 


354  Maria  Andries, 

auf  das  dritte  Segment  zurück.  Es  ist  das  erste,  mit  dem  Rückenschild 
in  Verbindung  stehende  Segment.  Diese  Imäginalscheiben  sind  noch 
gestreckter  als  die  zweiten.  Nach  den  Untersuchungen  von  Weis- 
mann, van  Rees  und  anderen  Autoren  wird  bei  den  unteren  Thoracal- 
scheiben  während  des  Puppenstadiums  die  im  Innern  der  Hülle  gelegene 
Beinanlage  durch  das  Lumen  des  Stieles  ausgestülpt  und  kommt  auf 
diese  Weise  an  die  Oberfläche.  Die  Hülle  selbst  verschmilzt  mit  der 
entsprechenden  der  oberen  Scheiben  und  bildet  die  imaginale  Hypo- 
dermis  des  Thorax. 

Ganz  seitlich  vom  ersten  Segment  (Textfig.  '22)  her  kommen  mit 
langen  Stielen  die  oberen  Pr o th or a cals ch ei b e n.  Es  sind  rundliche, 
durchsichtige  Blasen,  größer  als  alle  unteren  Thoracalscheiben.     Aus 


Textfig.  23. 
Teil  eines  Querschnittes  durch  die  Thoraxregion  der  Larve,  auf  dem  der  Übergang  des  Stieles  der 
oberen  Prothoracalscheiben  Pr  in  das  Epithel  des  Prothorax  getroffen  ist,  ebenso  die  Einfaltungs- 
stelle der  Flügelanlagen  F\  Mh,  Mundhaken. 

ihnen  gehen  nach  Weismann  bei  Musca  und  Künckel  d'Herculais 
bei  Volucella  die  Prothoracalstigmen  der  Puppe  und  der  entsprechende 
Teil  des  imaginalen  Prothorax  hervor.  Wenn  die  bei  Microdon  vor- 
handenen oberen  Prothoracalscheiben  denen  von  Musca  vomitoria  und 
Volucella  homolog  sind,  was  wohl  anzunehmen  ist,  so  entwickeln  sich 
daraus  die  beiden  Stigmenhörnchen  der  Puppe  (Taf.  IV,  Fig.  31). 
Rechts  und  links  im  zweiten  Segment  entspringen  die  größten  aller 
Imaginalanlagen,  die  Flügelscheiben.  In  ihnen  sind  die  späteren 
Flügel  nicht  zu  verkennen.  Es  sind  flache,  birnförmige,  vielfach  ge- 
gefaltene  Gebilde  mit  langen  Stielen.  Außer  den  Flügeln  entsteht 
aus  ihnen  die  obere  Mesothoracalpartie.  Am  unscheinbarsten  und 
am  wenigsten  ausgebildet  ist  das  letzte  Paar  der  Thoracalanlagen,  die 
oberen  Metathoracalscheiben;  ihre  Stiele  stehen  rechts  und  links 
von  denen  der  unteren  Scheiben  mit  dem  Epithel  des  dritten  Segmentes 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      355 

in  Verbindung.  Sie  erweitern  sich  nur  zu  einer  schmalen,  länglichen 
Blase,  aus  der  die  Halteren  und  der  obere  Metathorax  hervorgehen. 

Die  Imaginalanlagen  der  Mund  Werkzeuge,  wahrscheinlich  nur  der 
Unterlippe,  liegen  als  kleine  Bläschen  fest  auf  der  Unterseite  des  Schlund- 
gerüstes und  hängen  durch  kurze  Stielchen  mit  dem  Epithel  des  Hals- 
teiles zusammen  (Taf.  IV,  Fig.  23). 

Der  Stiel  und  die  Hülle  oder  peripodale  Membran  (van  Eees)  der 
Imaginalscheiben  sind  äußerst  dünn  und  bestehen  aus  einer  einfachen 
Epithelschicht  mit  flachen,  kleinen  Kernen  und  einer  zarten  Chitin- 
auskleidung. Die  Anlage  der  Extremität  (Taf.  IV,  Fig.  27)  liegt  als 
Verdickung  der  peripodalen  Membran  immer  von  der  Mittellinie  des 
Körpers  nach  außen  gerichtet  und  ragt  als  Einstülpung  in  das  Lumen 
der  Hülle,  den  peripodalen  Raum,  hinein,  ohne  ihn  auszufüllen  (Taf.  IV, 
Fig.  27).  Auf  die  Verdickungsstelle,  »den  Kern«  der  Imaginalanlage 
zu,  mehren  sich  die  kleinen  Kerne  der  peripodalen  Membran  und  bilden 
schließlich  eine  dicke  Schicht  länglich  runder  Kerne,  die  dicht  gedrängt 
nach  dem  Centrum  gerichtet  liegen.  Zellgrenzen  sind  nicht  zu  unter- 
scheiden. Der  Innenraum  der  Verdickung  besteht  aus  einer  fein- 
körnigen Masse,  in  der  die  dunkeln,  kleinen  Kerne  unregelmäßig  verstreut 
liegen. 

Die  Imaginalanlagen  des  Abdomens  sind  so  klein,  daß  ich 
sie  nur  auf  Schnitten  feststellen  konnte.  In  jedem  Abdominalsegment 
sind  drei  Paar  vorhanden,  zwei  dorsale  und  ein  ventrales.  Es  sind 
kleine,  bläschen-  oder  schlauchförmige  Einfaltungen  der  Hypodermis, 
die  einen  schmalen  Hohlraum  umschließen  und  deren  Wände  aus 
dichten  Schichten  kleiner,  embryonaler  Zellen  bestehen  (Taf.  IV, 
Fig.  28).  Allmählich  größer  werdend  gehen  diese  Zellen  in  die  Hypo- 
dermis über.  Die  ventralen  Säckchen  liegen  rechts  und  links  von  der 
Medianlinie,  auf  der  Grenze  von  Kriechfläche  und  Randfeld.  Es  sind 
dies  wohl  die  Gebilde,  die  Cerfontaine  für  imaginale  Stigmenanlagen 
gehalten  hat  (s.  S.  341).  Die  dorsalen  Paare  liegen  ebenfalls  symme- 
trisch auf  beiden  Seiten  der  Mittellinie  und  zwar  in  der  Längsrichtung 
des  Körpers  aufeinanderfolgend.  Nach  Künckel  d'Herculais,  van 
Rees,  Wahl  u.  a.  verschmelzen  diese  abdominalen  Hypodermisein- 
faltungen  miteinander  zur  Bildung  der  imaginalen  Hypodermis  des 
Abdomens. 

Im  oberen  Teil  des  Abdomens,  in  den  Fettkörper  eingebettet,  liegt 
rechts  und  links,  ziemlich  weit  von  der  Mittellinie  die  Anlage  der  Ge- 
schlechtsdrüsen (Taf.  IV,  Fig.  29).  Diese  haben  etwa  die  Größe  einer 
der  benachbarten  Fettzellen.     Aus  einem  dichten  rundlichen  Komplex 


356  Maria  Andries, 

embryonaler  Zellen  differenzieren  sich  allmählich  die  einzelnen  Ei- 
bzw.  Hodenschläuche  heraus;  sie  sind  auf  den  untersuchten  Stadien 
noch  nicht  sicher  zu  unterscheiden. 

In  der  Abdominalregion  befindet  sich  außerdem  endlich  die  un- 
paare  Anlage  der  Genitalanhänge.  Sie  liegt  dicht  vor  dem  After  und 
besteht  aus  einem  Säckchen,  dessen  obere  Wand  nach  innen  vier  bläs- 
chenförmige Verdickungen  aufweist. 


Mit  Freuden  nehme  ich  zum  Schlüsse  Gelegenheit,  Herrn  Geheim- 
rat Ludwig  meinen  herzlichen  Dank  auszusprechen  für  die  Anregung 
zu  diesem  Thema  und  für  das  wohlwollende  Interesse,  welches  er  meiner 
Arbeit  entgegengebracht  hat,  besonders  für  die  Bereitwilligkeit,  mit 
der  er  mir  die  Mittel  des  Instituts  jederzeit  zur  Verfügung  stellte. 

Herrn  Prof.  Strubell,  Herrn  Dr.  Reichensperger  und  Herrn 
Dr.  Schmidt  bitte  ich  auch  an  dieser  Stelle,  meinen  aufrichtigen,  herz- 
lichsten Dank  entgegenzunehmen  für  die  liebenswürdige  Hilfe,  die  sie 
mir  stets  zuteil  werden  ließen. 

Bonn,  im  Januar  1912. 


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Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      359 

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Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  III. 

Fig.  1.     Ei  von  Microdon  Eggeri  Mik.     Vergr.  39fach. 

Fig.  2.     Außenseite  der  Eischale  von  Microdon  Eggeri  Mik.     Vergr.  16fach. 

Fig.  3.     Innenseite  der  Eischale  von  Microdon  Eggeri  Mik.     Vergr.  16fach. 

Fig.  4.  Larve  von  Microdon  Eggeri  Mik.,  eben  ausgeschlüpfte,  von  oben 
gesehen.     Vergr.  70fach. 

Fig.  5.  Larve  von  Microdon  Eggeri  Mik,  nach  der  ersten  Häutung.  Von 
oben  gesehen.     Vergr.  17fach. 

Fig.  6.  Larve  von  Microdon  Eggeri  Mik,  nach  der  zweiten  Häutung,  von 
oben  gesehen.     Vergr.  17fach. 

Fig.  7.  Larve  von  Microdon  rhenanus  n.  sp.,  von  oben  gesehen.  Vergr. 
12fach. 

Fig.  8.  Larve  (a)  und  Puppe  (b)  von  Microdon  Eggeri  Mik,  natürliche  Größe, 
von  oben  gesehen. 

Fig.  9.  Larve  (a)  und  Puppe  (b)  von  Microdon  Eggeri  var.  major,  natürl. 
Größe,  von  oben  gesehen. 

Fig.  10.  Larve  (a)  und  Puppe  von  oben  {b)  und  seitlich  (c)  von  Microdon 
mutabilis,  natürl.  Größe. 

Fig.  11.  Larve  (a)  und  Puppe  von  oben  (6)  und  seitlich  (c)  von  Microdon 
rhenanus  n.  sp.,  natürl.  Größe. 

Fig.  12.  Tracheenhöcker  der  Larve  von  Microdon  Eggeri  Mik.  Vergr. 
24fach. 

Fig.  13.  Tracheenhöcker  der  Larve  von  Microdon  Eggeri  var.  major.  Vergr. 
24fach. 

Fig.  11.     Tracheenhöcker  der  Larve  von  Microdon  mutabilis  h.    Vergr.  18fach. 

Fig.  15.  .Stigmenhörnchen  der  Puppe  von  Microdon  Eggeri  Mik.  Vergr. 
21fach. 

Fig.  16.  Stigmenhörnchen  der  Puppe  von  Microdon  Eggeri  var.  major. 
Vergr.  21  fach. 


360  Maria  Andries, 

Fig.  17.  Stigmenhörnchen  der  Puppe  von  Microdon  mntahilis  L.  Vergr. 
16fach. 

Fig.  18.  Stigmenhörnchen  der  Puppe  von  Microdon  rhenanus  n.  sp.  Vergr. 
16fach. 

Tafel  IV. 

Fig.  19.  Vordere  Partie  der  ausgewachsenen  Larve  mit  Antennen  At, 
Mundöffnung  M  und  Sinnesorganen   S.     Vergr.  25fach. 

Fig.  20.  Eben  ausgeschlüpfte  Larve  lebend  unter  Deckglas  mit  Tracheen- 
verästelung und  Sinnesorganen  des  Rückenschildes.     Winckel  Oc.  2,  Obj.  3a. 

Fig.  21.  Querschnitt  durch  den  Proventriculus.  Oe.E,  Oesophagusepithel ; 
m.Z,  mittlere  Zellschicht;  i.z,  imaginale  Zellschicht;  M.e,  Mitteldarmepithel. 
Winckel,  Oc.  2,  Obj.  3a,  Tubusl.  140  mm. 

Fig.  22.  Centralnervensystem  von  oben.  OQ,  Oberschlundganglien;  Bm, 
Bauchmark;  Au,  Imaginal-Augenscheiben;  At,  Imaginal-Antennenscheiben;  Oe, 
Oesophagus;  Schk,  Schlundkopf;  Wr,  WEiSMANNscher  Ring;  Vd,  Rückengefäß; 
Pr,  Proventriculus;  Bl,  Blindsäcke;  D,  Darm;  Tr,  Tracheen.     Vergr.  29fach. 

Fig.  23.  Centralnervensystem  von  unten.  N,  Nerven;  Tr,  Tracheen;  J.L, 
Imaginalanlagen  des  Labiums;  alles  übrige  wie  Fig.  22.     Vergr.  29fach. 

Fig.  24.  Exuvialdrüse.  E,  Epithel;  Cu,  Cuticula;  Dz,  Drüsenzelle;  X, 
Kern  derselben;  H,  Hohlraum;  Ch,  Chitinhülle;  Ka,  Kanälchen;  P,  pilzförmiges 
Chitingebilde;  Hö,  Chitinhöcker;  Zh,  zweispaltiges  Haar,  oben  abgebrochen. 
Winckel,  Oc.  4,  Obj.  3a. 

Fig.  25.  Dieselbe  Drüse  bei  stärkerer  Vergrößerung;  gleiche  Bezeichnung. 
Winckel,  Oc.  4,  Obj.  7a,  Tubusl.  170  mm. 

Fig.  26.  Schnitt  durch  die  Imaginal-Augenanlage.  OG,  Oberschlundgan- 
glion; no,  Nervus  opticus;  Au,  Augenscheibe;  Oe,  Oesophagus;  Tr.  Tracheen. 
Winckel,  Oc.  4,  Obj.  7a,  Tubusl.  170  mm. 

Fig.  27.  Schnitt  durch  untere  Prothoracalscheibe.  Ex,  Extremität;  pM, 
peripodale  Membran;  pR,  peripodaler  Raum;  De,  Drüsenausführgang.  Zeiss, 
Oc.  1,  Obj.  A. 

Fig.  28.  Schnitt  durch  abdominale  Imagmalanlage.  E,  Epithel;  Cu, Cuticula. 
Winckel,  Oc.  2,  Zeiss,  Obj.  A. 

Fig.  29.     Imaginale  Genitalanlage.     Es,  Eischläuche.     Oc.  2,  Obj.  A. 
Fig.  30.     Puppe  von  Microdon  Eggeri  von  der  Bauchseite.     Vergr.  51/2. 
Fig.  31.     Dieselbe  von  der  Dorsalseite.     Vergr.  51/2. 

Tafel  V. 

Fig.  32.  Schlundgerüst  der  ausgewachsenen  Larve,  auseinandergebreitet, 
mit  Labium  (?)  L,  und  Maxillen  (?)  M.  Mundhaken  nicht  eingezeichnet.  Dp, 
Dorsalplatte;  Vp,  Ventralplatte;  St,  Mundhakenstütze.  Winckel,  Oc.  4.  Zeiss, 
Obj.  al. 

Fig.  33.  Verdickte  Teile  des  Schlundgerüstes  der  jungen  Larve  mit  Stütze 
der  Mundhaken  8/ ;  Mundhaken  Mh;  Labium  L;  Chitinspange  8p.  Winckel, 
Oc.  4,  Obj.  3a. 


Zur  Systematik,  Biologie  und  Entwicklung  von  Microdon  Meigen.      361 

Fig.  34.  Darmsystem  der  Larve  von  Microdon  Eggeri  Mik;  Darm-  und 
Drüsen  nach  Rekonstruktion,  das  übrige  nach  Totalpräparaten  gezeichnet.  D, 
Darm;  Oe,  Oesophagus;  g.s.l,  g.s.2,  g.s.Z,  g.sA,  erstes,  zweites,  drittes,  viertes 
Drüsenpaar;  Ad,  Analdrüsen;  Ma,  MALPiGHische  Gefäße;  Pr,  Proventriculus ; 
Bl,  Blindsäcke;  Bm,  Bauchmark;  OG,  Oberschlundganglien;  Schg,  Schlund- 
gerüst; Mh,  Mundhaken;  L,  Labium;  De,  gemeinsamer  Drüsenausführgang. 
Vergr.  16fach. 

Fig.  35.  Sinnesorgane  der  Bauchseite  mit  zutretenden  Nerven.  S,  Sinnes- 
organ; Gz,  Ganglienzelle;  N,  Nerv;  E,  Epithel;  Cu,  Cuticula.  Winckel,  Oc.  2, 
Obj.  3a. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schale  und  Schalen- 
regeneration von  Anodonta  cellensis  Schrot. 

Von 

Richard  Raßbach. 

(Aus  dein  Zoologischen  Institut  der  Universität  zu  Marburg.) 


Mit  64  Figuren  im  Text. 


Die  heute  allgemein  anerkannte  Ansicht,  daß  die  Molluskenschale 
ein  Secretionsprodukt  des  Mantels  ist,  geht  hauptsächlich  auf  Reau- 
mur  (1709)  zurück,  der  sie  auf  experimentellem  Wege  zu  erweisen 
suchte.  —  Da  Mery  (1710)  sich  das  Fortrücken  der  mit  der  Schale 
fest  verbundenen  Schließmuskeln  nicht  erklären  konnte,  schrieb  er 
ihr  ein  selbständiges  inneres  Wachstum  durch  Intussuszeption  zu.  —  In 
einer  weiteren  Arbeit  machte  Reaumur  (1716)  darauf  aufmerksam, 
daß  die  Muskeln  nicht  in,  sondern  an  der  Schale  fortrückten.  --  Un- 
gefähr 50  Jahre  später  fand  Mery  einen  Anhänger  seiner  Theorie  in 
Herissant  (1766);  nach  seiner  Auffassung  ähnelt  die  Schale  in  ihrem 
Aufbau  dem  des  Knochens,  in  dem  der  organische  Teil  die  Haupt- 
rolle spielt  und  die  Kalksubstanz  darin  abgelagert  ist.  —  Bournon 
(1808)  betrachtet  die  Molluskenschale  einzig  und  allein  als  Produkt 
der  Kristallisation  von  kohlensaurem  Kalk,  »welchem  vorzüglich  als 
färbende  Materie  eine  geringe  Menge  von  Gelatine  beigegeben  ist  und 
der  nur  in  bezug  auf  die  Gesamtform  durch  die  Gestalt  des  tierischen 
Körpers,  seine  Krümmungen  und  Häute  bei  seiner  Ablagerung  be- 
schränkt und  bedingt  wird«  (S.  211).  Obwohl  also  Bournon  die  An- 
wesenheit einer  organischen  Grundmasse  nicht  unbekannt  war,  ist 
nach  ihm  der  Kalk  einmal  abgelagert,  unabhängig  von  der  Muschel 
nur  den  Kristallisationsprozessen  unterworfen.  Bowerbank  (1844) 
und  Carpenter  (1844)  schreiben  der  Schale  einen  cellulären  Ursprung 
zu.  Ersterer  faßt  sie  als  knochenähnliche  Struktur  auf,  während  der 
zweite  sie  eher  mit  den  Cuticulargebilden  der  Wirbeltiere  als  mit  den 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  24 


364  Richard  Raßbach, 

Knochen  derselben  vergleichen  will.  —  Über  die  chemische  Zusammen- 
setzung der  anorganischen  Teile  der  Schale  finden  wir  eine  Zusammen- 
stellung und  Erweiterung  der  bis  dahin  bekannten  Tatsachen  in  der 
ausführlichen  Arbeit  von  G.  Rose  (1858).  Er  kommt  zu  dem  Resultat, 
daß  bei  Unio  und  Anodonta  die  äußere  Faserlage  (Prismenschicht) 
aus  Kalkspat  und  die  innere  Perlmutterschicht  aus  Aragonit  besteht.  — 
In  der  Arbeit  von  Nathusius  von  Königsborn  (1877)  finden  wir  den 
Gedanken  Merys  wieder.  Zum  größten  Teil  kommt  Nathusius  von 
Königsborn  deshalb  zu  falschen  Schlüssen,  weil  er  die  Schalen  ohne 
Berücksichtigung  des  Zusammenhanges  mit  den  Weichteilen  der  Mu- 
scheln vorgenommen  hat.  So  konnte  er  dazu  kommen,  daß  er  es  als 
einen  Unsinn  bezeichnet,  »eine  Cuticularbildung  anzunehmen,  au 
Stellen,  wo  der  Weichkörper  nicht  mit  der  Schale  zusammenhängt.«  — 
Der  letzte  Anhänger  der  Intussuszeptionstheorie  ist  Felix  Müller 
(1885).  An  den  Muskelansätzen  jedoch  gibt  er  ein  Appositionswachs- 
tum zu,  aber  nicht  ein  solches  im  Sinne  früherer  Autoren  durch  Secre- 
tion,  sondern  durch  organische  Membranen,  welche  am  Rande  des 
Muskelansatzes  hervorwachsen.  —  T.  Tullberg  (1882)  kommt  nach 
seinen  Untersuchungen  an  verschiedenen  Muscheln  zu  dem  Resultat, 
daß  die  Bildung  der  Schale  auf  zwei  verschiedene  Weisen  vor  sich  geht; 
nämlich  an  den  Stellen,  wo  die  Muskeln  befestigt  sind,  sowohl  an  der 
Kalkschale  wie  am  Periostracum,  entsteht  durch  allmähliche  Umbil- 
dung der  Zellen  Schalensubstanz,  es  ist  also  eine  wirkliche  Cuticular- 
bildung; zweitens  der  übrige  Teil  der  Schale,  folglich  ihre  Hauptmasse, 
ist  ein  Absonderungsprodukt  der  darunter  liegenden  Zellen.  —  Die 
Widerlegung  der  Ansicht,  daß  gewisse  Schalenteile  durch  chemische 
Metamorphose  der  oberflächlichen  Zonen  der  Zellkörper  entständen, 
machte  sich  Ehrenbaum  (1884)  zur  Aufgabe.  Nach  Untersuchung 
mehrerer  mariner  Muscheln  gelangt  er  zu  der  Meinung,  daß  alle  Teile 
der  Schale  »von  gewissen  Zellen  durch  den  Prozeß  der  Secretion  oder 
Ausschwitzung«  erzeugt  werden.  —  Moynier  de  Villepoix  (1893)  gibt 
ausführliche  Beschreibungen  von  Schalenstrukturen  verschiedener  Mol- 
lusken, und  ferner  außer  größeren  Abschnitten  über  Schalenbildung 
auch  solche  über  Schalenregeneration  an  Anodonta  und  Helix.  Seine 
Untersuchungen  lieferten  einen  sehr  wichtigen  Beitrag  zur  Lehre  von  der 
Bildung  der  Schale,  die  als  Secretionsprodukt  der  anliegenden  Gewebe 
entsteht.  Drüsenzellen,  welche  er  im  Bindegewebe  des  Mantels  von 
Mytilus  fand,  stehen  in  keinerlei  Beziehung  zur  Schalenbildung.  Das 
Mantelepithel  ist  aus  specifischen  Kalk-  und  Conchyolinzellen  zu- 
sammengesetzt, die  sich  durch  verschiedenes  Aussehen  und  ihre  ver- 


-ßeitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.   365 

schiedene  Reaktionsfähigkeit  auf  Farbstoffe  voneinander  unterscheiden. 
Bei  Anodonta  finden  sich  am  Mantelrand  drei  Regionen,  von  denen 
jede  nur  eine  bestimmte  Schalenschicht  zu  bilden  imstande  ist.  — ■ 
Thiele  (1892)  betont  außer  den  vergleichend  morphologischen  Unter- 
suchungen, die  er  an  den  Schalenteilen  verschiedener  Mollusken  an- 
stellte, daß  vorzüglich  auch  subepitheliale  Drüsen  an  dem  Aufbau  der 
Schale  beteiligt  sind.  —  In  der  Zusammenstellung  über  das  Wachstum 
der  Muschel-  und  Schneckenschalen  von  W.  Stempell  (1900)  stellt  er 
ähnlich  wie  Villepoix  bei  Anodonta  specifische  Kalkzellen  bei  Malletia 
chilensis  fest.  »Ob  allerdings  bei  sämtlichen  Mollusken  specifische 
Conchyolin-  und  Kalkzellen  vorhanden  sind,  muß  angesichts  der  bis- 
herigen Erfahrungen  mit  Recht  bezweifelt  werden«  (vgl.  S.  668).  — 
Biedermann  (1901)  widmet  außer  den  Beschreibungen  vom  Bau  der 
Muschel-  und  Schneckenschalen  längere  Ausführungen  den  optischen 
Eigenschaften  der  Perlmutter-  und  Prismenschicht,  ebenso  den  phy- 
sikalisch-chemischen Prozessen  bei  der  Schalensecretion.  Sie  geschieht 
durch  Epithelzellen  des  Mantels  und  vielleicht  auch  zum  Teil  von 
Drüsenzellen.  Jeder  im  Bau  und  ihrer  sonstigen  Beschaffenheit  ver- 
schiedenen Schalenschicht  entspricht  auch  eine  besondere  Zellenlage 
des  Mantels.  Aus  den  Resultaten  seiner  Versuche  über  Schalenregene- 
ration schließt  er  auf  eine  gewisse  Verschiedenheit  des  von  den  Mantel- 
epithelien  gelieferten  Secretes,  durch  welches  die  ungleichen  Formen 
und  Strukturen  der  einzelnen  kalkigen  Schalenschichten  bedingt  werden. 
Die  besonders  an  den  Muskelansätzen  vorkommende  helle  Schicht  ist 
bei  der  Beschreibung  der  Schale  von  Anodonta  nicht  erwähnt  worden.  — 
List  (1902)  gibt  eine  ausführliche  Darstellung  der  Schalenverhältnisse 
bei  den  Mytiliden.  Nach  seiner  Ansicht  entsteht  das  Conchyolin 
durch  Umwandlung  des  Protoplasmas  der  Epithelzellen.  »Es  bildet 
sich  in  den  Zellen  zu  einer  faserigen  Substanz  aus,  welche  durch 
die  Zellwand  hindurch  nach  außen  tritt.«  Auf  ähnliche  Weise  dürfte 
nach  List  die  Bildung  der  organischen  Bestandteile  der  Perlmutter- 
schichten erfolgen.  Die  Periostracumsubstanz  geht  in  der  Mantel- 
randfalte,  »aus  der  chemischen  Umwandlung  von  Epithelzellen-  und 
Muskelsubstanz  hervor«  (vgl.  S.  58).  Die  letztere  wird  von  Muskeln 
geliefert,  welche  zwischen  den  Epithelzellen  hindurch  an  das  Perio- 
stracum  herantreten.  Das  reiche  Vorkommen  von  granulierten  Drüsen- 
zellen in  dem  äußeren  Mantelepithel  macht  es  wahrscheinlich,  daß 
sie  zur  Kalkbildung  in  irgendwelcher  Beziehung  stehen.  —  0.  Römer 
(1903)  wendet  sich  hauptsächlich  den  allerfeinsten  Alveolarstrukturen 
der    Schalenbestandteile    von    Margaritana    und    Anodonta    zu.      Die 

24* 


366  Richard  Raßbach, 

gröberen  Verhältnisse  der  Schalen  kommen  nur  beiläufig  in  Frage.  Her- 
vorzuheben ist  seine  Auffassung  über  den  Bau  der  Prismen,  worauf 
noch  ausführlich  einzugehen  sein  wird.  Die  helle  Schicht  findet  auch 
bei  Kömer  keine  Erwähnung. 

Zur  Systematik  von  Anodonta. 

Ehe  mit  der  Untersuchung  der  Schale  begonnen  werden  soll,  wollen 
wir  mit  ein  paar  Worten  die  Systematik  unsrer  Anodonten  berühren, 
da  sich  dieselbe  im  wesentlichen  nur  auf  die  Umrißformen  der  Schale 
stützt.  Interessant  sind  folgende  Daten,  die  aus  der  Arbeit  von 
F.  Haas  hervorgehen. 

Während  Linke  nur  zwei  Arten,  Mytilus  cygneus  und  Mytilus 
anatinus,  aufstellte,  vereinigte  Draparnaud  diese  in  eine  einzige  Grund- 
form, die  er  Anodontides  variabilis  nannte.  Die  Zahl  der  Anodonten- 
arten  vermehrte  sich  hernach  beträchtlich,  bis  Clessin  die  Einteilung 
Draparnauds  wieder  aufnahm  und  alle  Arten  auf  eine  Grundform 
zurückführte,  die  er  Anodontides  mutabilis  nannte  und  die  später  von 
Buchner  als  Anodontides  cygneus  bezeichnet  wurde.  Haas  ist  nun 
der  Ansicht,  daß  man  in  Deutschland  zwei  Vertreter  des  Genus  Ano- 
dontides hat.  »Im  allgemeinen  wird  man  zwei  Haupttypen  in  der 
Gestalt  unterscheiden  können,  die  den  Arten  Anodontides  piscinalis 
Nilss.  und  Anodontides  cellensis  Schrot,  entsprechen.  Die  erstere 
umfaßt  alle  Formen,  deren  Höhe  im  Verhältnis  zur  Länge  verhältnis- 
mäßig groß  ist,  und  bei  denen  der  tiefste  Punkt  des  gekrümmten  Unter- 
randes bedeutend  hinter  dem  Lote  vom  Wirbel  auf  die  Längsachse  der 
Muschel  liegt;  zur  letzteren  gehören  die  niedrigeren,  gestreckteren 
Formen,  bei  denen  der  tiefste  Punkt  des  verhältnismäßig  schwach 
gekrümmten  Unterrandes  nahe  dem  Lot  vom  Wirbel  auf  die  Längs- 
achse liegt.  Diese  Unterschiede  zeigen  sich  schon  in  dem  frühesten 
Alter  deutlich«  (S.  173).  Auch  in  den  Glochidien  der  beiden  in 
Frage  stehenden  Arten  glaubt  Haas  Unterschiede  nachweisen  zu 
können. 

Wie  Kobelt  festgestellt  hat,  ändern  die  Muscheln  ihr  Aussehen, 
je  nach  den  von  ihnen  bewohnten  Flüssen.  So  versteht  Haas  unter 
»Lokalform«  einer  Species  »diejenige  Form,  die  sich  aus  der  Species 
eines  geographisch  begrenzten  Gebietes  entwickelt  hat  und  die  für 
dieses  geographische  Gebiet  charakteristisch  ist.«  Aus  den  Arten 
können  Abarten  entstehen,  die  Haas  aber  nicht  Varietäten,  sondern 
»Standortsformen«  nennt,  und  die  er  folgendermaßen  definiert:  »Unter 
Standortsformen   einer   Species   verstehe   ich   diejenige   Form,   die   in 


\ 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  367 

vollkommen  übereinstimmender  Gestalt  die  Species  in  deren  ganzen 
Verbreitungsbezirk  begleitet  und  durch  die  besonderen  Bedingungen 
des  umgebenden  Mediums,  wie  Kohlensäuregehalt  des  Wassers,  Unter- 
grund, Strömung  usf.  aus  ihr  entsteht«  (vgl.  S.  151  u.  152).  Es  kann 
auch  noch  aus  einer  Lokalform  eine  Standortsform  sich  bilden,  woraus 
sich  die  Zahl  der  abweichenden  Formen  und  Beschaffenheit  der  Schalen 
einzelner  Species  leicht  ergibt. 

Meine  Schalenuntersuchungen  wurden  speziell  an  Anodonta  cellensis 
vorgenommen,  die  leicht  aus  einem  Teich  bei  Marburg  zugänglich  war. 
Sie  besitzt  eine  längliche,  gestreckte  Form,  wie  sie  Fig.  1  wiedergibt. 
Der  obere  und  der  untere  Rand  laufen  annähernd  parallel.  An  dem 
rechten  Ende  spitzt  sich  die  Schale  allmählich  etwas  zu,  während  die 
linke  Seite  halbkreisförmig  abgerundet  ist.  Besonders  bemerkenswerte 
Abweichungen  von  diesem  Normaltypus  wurden  nicht  beobachtet. 
Gerade  diese  Species  von  Anodonta  liefert  uns  die  größten  und  schönsten 
Exemplare,  die  wir  von  unsern  Najaden  kennen.  Oftmals  erreichen 
sie  eine  Größe  bis  zu  20  cm  und  darüber.  Für  die  Schalenuntersuchung 
an  und  für  sich  ist  die  Artzugehörigkeit  von  nebensächlicher  Bedeutung, 
da  die  Struktur  der  Schale  bei  den  verschiedenen  Arten  im  ganzen 
übereinstimmen  dürfte. 

Methoden  zur  Schalenuntersuchung. 

Aus  der  Schale  wurden  mit  einer  Laubsäge  kleine  Stückchen 
herausgeschnitten,  die  mit  erhitztem  Kanadabalsam  auf  einem  Objekt- 
träger befestigt  wurden.  Diese  kleinen  Schalenteilchen  wurden  dann 
auf  beiden  Seiten  so  glatt  wie  möglich  geschliffen,  bis  sie  eine  hinrei- 
chende Dünne  zur  Beobachtung  erreicht  hatten.  Um  einzelne  feinere 
Strukturen  noch  besser  sehen  zu  können,  wurden  kleine  Schalenstück- 
chen längere  Zeit  in  erwärmte  Kalilauge  gelegt,  bis  sie  in  ihre  einzelnen 
Bestandteile,  isolierte  Prismen  und  Perlmutterblättchen  zerfielen.  Die 
organischen  Bestandteile  lösten  sich  durch  diese  Behandlung  vielfach 
von  der  Kalkmasse  der  Schale  ab.  Ferner  wurden  Schnitte  durch 
verschiedene  Schalenteile  gemacht,  die  zuvor  mit  salzsaurem  Alkohol 
entkalkt  waren.  Die  Schnitte  ließen  sich  am  besten  in  einer  Ein- 
bettungsmasse von  Kollodium-Nelkenöl  herstellen.  Um  den  Zusammen- 
hang des  Weichkörpers  mit  der  Schale  vollständig  zu  übersehen,  wurden 
sagittale  Quer-  und  Längsschnitte  durch  jüngere  10 — 12  mm  große 
Exemplare  angefertigt.  Außerdem  wurden  einzelne  Teile  älterer  Tiere 
geschnitten,  z.  B.  Mantelrand  mit  ansetzendem  Periostracum,  ferner 
die    Teile    der    Schale,    an   denen    die    Muskeln    befestigt    sind.      Als 


368 


Richard  Raßbach, 


Konservierungsflüssigkeiten  dienten  Sublimat  und  ZENKERsche  Lösung. 
Die  Präparate  wurden  mit  Hämatoxylin-Eosin,  Heidenhain  und 
Alauncarmin  gefärbt. 

Die  äußere  Morphologie  der  Schale. 

Orientieren  wir  die  Schale  so,  daß  der  spitzere  Teil  nach  rechts 
liegt,  so  unterscheiden  wir  oben  den  Wirbel  (Fig.  1  w)  auch  Apex  oder 
Umbo  genannt,  der  den  ältesten  Teil  der  Schale  bildet.     Nach  links 


seh 


Fig.  1. 


sc/? 


i/r 


Fig.  2. 
Außenansicht  der  Schale  einer  älteren  und  einer  jüngeren  Muschel  mit  Jahresringen  [j).     Fig.  1 
4/5  nat.  Größe.     Fig.  2  nat.  Große. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  eellensis  Schrot.  369 

liegt  der  Vorderrand  (vr),  der  den  abgerundeten  Teil  der  Muschel  ein- 
nimmt. Der  Hinterrand  (hr)  wird  von  dem  rechts  gelegenen  sich  ver- 
jüngenden Teil  der  Schale  gebildet.  Der  Unterrand  (ur)  wird  von  dem 
fast  geradlinig  verlaufenden  unteren  Teil  der  Muschel  gebildet.  Am 
Wirbel  sind  die  beiden  Schalenklappen  durch  das  Ligament  verbunden. 
Dieses  wird  durch  ein  elastisches  Band  gebildet,  das  die  beiden  Schalen- 
hälften automatisch,  also  gegen  den  Willen  des  Tieres  zu  öffnen  be- 
strebt ist.  Darüber  lagert  nach  außen  ein  zweites  unelastisches  Liga- 
mentband. Der  Teil,  der  von  dem  Wirbel  nach  dem  Hinterrande 
etwas  ansteigt,  wird  Schild  (seh)  genannt.  Bei  jüngeren  Tieren  (Fig.  2) 
tritt  öfters  die  Ausbildung  desselben  etwas  stärker  hervor,  die  aber 
später,  durch  das  stärkere  Wachstum  der  Muschel  nach  dem  Hinter- 
ende wieder  zurücktritt. 

Junge  Anodonten  von  nur  wenigen  Millimetern  Größe  zeigen 
noch  keine  ausgesprochene  Färbung,  sondern  eine  weißliche,  durch- 
sichtige Schale.  Bei  den  älter  werdenden  Exemplaren  tritt  eine  gelb- 
lich braune  Farbe  hervor,  die  bei  noch  älteren  Tieren  einer  dunkel- 
bis  schwarzbraunen  Färbung  Platz  macht. 

Auf  der  Schale  befinden  sich  in  nahezu  konzentrischer  Anordnung 
die  Anwachsstreifen,  welche  man  auch  als  Jahresringe  bezeichnet  hat 
(Fig.  1  /).  Diese  entsprechen  immer  einer  bestimmten  Wachstums- 
periode, und,  wie  wir  später  noch  sehen  werden,  findet  tatsächlich  der 
Schalenzuwachs  von  einem  bis  zum  nächst  folgenden  stärker  hervor- 
tretenden Streifen  in  einem  Jahre  statt.  Bei  älteren  Muscheln  findet 
man  am  oberen  Hinterrande  in  der  Nähe  des  Schildes  (Fig.  1  seh),  ein 
charakteristisches  Aussehen,  das  teilweise  auch  an  dem  entsprechenden 
Teil  des  Vorderrandes,  hier  aber  weniger  stark  ausgeprägt,  anzutreffen 
ist.  Man  bemerkt  nämlich  besonders  an  diesen  Stellen  ein  blättriges, 
schuppiges  Aussehen,  das  durch  Übereinanderlagerung  der  die  eigent- 
liche Kalkschale  bedeckenden  organischen  Schicht,  dem  Periostracum, 
von  früheren  Autoren  auch  Epicuticula  oder  Epidermis  genannt, 
hervorgerufen  wird.  Die  einzelnen  Blätter  entsprechen  auch  hier  den 
Anwachsstreifen,  die  an  diesen  Stellen  auf  einen  engeren  Raum  als 
auf  der  Schalenmitte  zusammengedrängt  sind.  Die  schützende  Perio- 
stracumschicht  findet  sich  schon'  vielfach  bei  jüngeren  Tieren  am 
Wirbel  nicht  mehr  vor,  da  sie  hier  in  noch  nicht  allzugroßer  Stärke 
abgelagert  wird  und  daher  leichter  der  Zerstörung  anheimfällt. 

Für  das  Verständnis  des  Schalenbaues  ist  der  Zusammenhang 
der  Schale  mit  dem  Weichkörper  des  Tieres  von  größter  Bedeutung. 
Unter  den  beiden  Schalenhälften  befinden  sich  die  zwei  Mantellappen, 


370  Richard  Raßbach, 

die  am  Rücken  in  der  sogenannten  Mantelnaht  verwachsen  sind.  Im 
wesentlichen  bestehen  die  Mantellappen  aus  einer  Bindegewebsmasse, 
die  innen  und  außen  von  einem  einschichtigen  Epithel  begrenzt  werden. 
Das  Bindegewebe  ist  von  Längs-  und  Quermuskeln  durchzogen.  Kurz 
vor  dem  Schalenrande  treten  Quermuskeln  nach  außen  und  heften 
sich  parallel  dem  Rande  an  die  Innenseite  der  Schale,  die  Mantellinie 
bildend  (Fig.  59  ml).  Diese  verläuft  nach  dem  vorderen  und  hinteren 
Ende  der  Muschel,  in  die  Ränder  der  entsprechenden  Schließmuskel- 
ansätze übergehend.  Längs  der  Mantelränder  findet  sich  eine  Falte, 
in  der  das  Periostracum  entspringt,  um  nach  außen  umzubiegen, 
die  Schale  zu  bedecken.  Im  Innern  der  Schale  bemerkt  man  Eindrücke, 
die  von  verschiedenen  Muskeln  herrühren.  Die  beiden  größeren  ent- 
sprechen den  Muskelenden  des  hinteren  (Fig.  59  hsa)  und  vorderen 
Schließmuskels  (vsa).  Diese  beiden  zum  Schließen  der  Schale  dienenden 
Adductoren  durchziehen  quer  den  Körper  des  Tieres.  Der  Weg,  welchen 
die  Schließmuskeln  beim  Fortrücken  an  der  Schale  genommen  haben,  ist 
je  durch  einen  nahezu  dreieckigen  Abdruck  gekennzeichnet,  an  dem  man 
die  Wachstumszunahme  der  Muskeln  verfolgen  kann.  Gleichzeitig  läßt 
sich  erkennen,  daß  der  Adductor  posterior  in  derselben  Zeit  sich  um 
eine  größere  Strecke  an  der  Schale  fortgeschoben  hat,  als  der  Adductor 
anterior  (Fig.  59).  Am  oberen  Ende  des  hinteren  Schließmuskels  heftet 
sich  der  Retractor  pedis  posterior  (Fig.  59  Jim)  an  die  Schale.  Dieser 
zieht  schräg  nach  vorn,  um  mit  dem  gleichen  Muskel  der  andern  Schalen- 
hälfte zu  verschmelzen.  Dieser  gemeinsame  Teil  des  hinteren  Fuß- 
retractors  steht  dann  mit  dem  hinteren  Teil  des  muskulösen  Fußes  in 
Verbindung.  An  dem  unteren  Ende  des  vorderen  Schließmuskels  be- 
findet sich  die  Ansatzstelle  des  Retractor  pedis  anterior  (Fig.  59  vra). 
Die  zwei  Teile  des  vordem  Fußretractors  laufen  von  beiden  Schalen- 
klappen schräg  nach  hinten,  um  sich  ebenfalls,  kurz  bevor  sie  mit  der 
vorderen,  oberen  Seite  des  Fußes  in  Zusammenhang  treten,  zu  einem 
gemeinsamen  Muskel  zu  vereinigen.  Am  Vorderrande  kurz  vor  Beginn 
des  Ligamentes  finden  sich  an  der  Innenseite  der  Schale,  ungefähr 
3 — 4  mm  vom  Rande  entfernt,  die  Ansätze  von  drei  bis  vier  kleinen 
Muskeln,  die  mit  den  Muskelbündeln  der  Mantellappen  in  Verbindung 
stehen.  Die  Ansätze  dieser  kleinen  Muskeln  sind  besonders  gut  an 
den  Schalen  älterer  Muscheln  zu  erkennen.  Ein  weiterer,  aber  nur 
sehr  zarter  Zusammenhang,  den  wir  später  noch  ausführlich  zu  be- 
sprechen haben,  findet  längs  des  inneren  Ligamentbandes  und  an  den 
demselben  anliegenden  Nymphenleisten  statt. 

Ein  Schloß  fehlt  den  Anodonten.     Nach  Neumayr  (vgl.  S.  415) 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  371 

»wird  man  vom  Standpunkte  der  Selektionstheorie  sehr  natürlich 
folgern,  daß  das  Vorhandensein  einer  festen  Zahnverbindimg  als  ein 
Schutz  gegen  Verschiebung  der  beiden  Schalenklappen  von  großem 
Nutzen  ist.«  »Dem  steht  aber  die  andre  sehr  auffallende  Tatsache 
gegenüber,  daß  in  einer  Menge  von  Abteilungen  reduktive  Formen 
auftreten,  bei  welchen  das  Schloß  wieder  verloren  geht  oder  wenigstens 
ganz  bedeutungslos  wird«,  wie  es  z.  B.  bei  Anodonta  der  Fall  ist.  »Ent- 
weder ist  demnach  das  Schloß  nicht  durch  Zuchtwahl  erworben,  oder 
es  muß  sich  nachweisen  lassen,  daß  der  Besitz  eines  solchen  nur  unter 
gewissen  Umständen  von  Nutzen,  unter  andern  aber  ohne  Bedeutung 
ist  und  daß  gut  entwickelte  Zähne  bei  solchen  Gruppen  vorkommen, 
welche  vorwiegend  unter  jenen,  daß  sie  fehlen  bei  solchen,  welche 
unter  diesen  Verhältnissen  leben.  In  der  Tat  läßt  sich  z.  B.  anführen, 
daß  die  mit  kräftigen  Zähnen  versehenen  Unionen  vorwiegend  im 
bewegten  Wasser  der  Flüsse,  die  zahnlosen  Anodonten  in  Teichen 
vorkommen. « 

Die  Schale  wird  von  drei  Schichten,  der  Periostracum-,  der  Pris- 
men- und  von  der  Perlmutterlage  gebildet,  die  sich  in  ihrer  Zusammen- 
setzung und  ihrem  Bau  unterscheiden.  Außerdem  finden  wir  besonders 
an  allen  Muskelansätzen  eine  vierte  Schalenschicht,  die  bisher  als 
durchsichtige  Substanz  oder  helle  Schicht  bezeichnet  wurde. 

Die  Periostracumschicht. 

Das  Periostracum  besteht  aus  organischer  Substanz  und  hat  ein 
gelbes  bis  dunkelbraunes,  chitinähnliches  Aussehen.  Nach  den  Unter- 
suchungen von  0.  Römer  stimmt  jedoch  die  Periostracumsubstanz 
nicht  mit  Chitin  überein,  das  ein  stickstoffhaltiges  Derivat  eines  Kohle- 
hydrats sei,  während  man  es  hier  mit  Stoffen  zu  tun  habe,  die  zu  den 
Albuminoiden  gehören.  An  dem  Schalenrande  biegt  es  nach  dem 
Innern  um,  indem  es  sich  immer  mehr  verjüngt  und  endigt  als  eine 
sehr  dünne  Membran  in  der  schon  oben  erwähnten  Falte  des  Mantel- 
randes, der  es  seine  Entstehung  verdankt  (Fig.  6  u.  7  mrf).  Die  ersten 
Anfänge  des  Periostracums  liegen  in  dem  Grunde  der  Mantelrandfalte, 
dort  wo  das  niedrige  kubische  Epithel  in  das  hohe  Cvlinderepithel 
allmählich  übergeht.  An  dieser  Stelle  ist  die  Periostracumsubstanz 
als  eine  äußerst  feine  Membran  zu  erkennen,  die  gewöhnlich  dem 
kubischen  Epithel  fest  anliegt.  Dieser  Teil  des  Periostracums,  den 
Tullberg  als  »inneres  Periostracum«  bezeichnet,  nimmt  vielfach  eine 
Färbung  mit  Heidenhain  oder  Eosin  an,  während  das  »äußere  Perio- 
stracum«,  das  die   Schale   bedeckt,   auf  diese   Farben   nicht  reagiert. 


372  Richard  Raßbach, 

Im  Querschnitt  zeigt  der  in  der  Mantelrandfalte  befindliche  Teil  des 
Periostracums  ein  homogenes  Aussehen.  Nur  selten  läßt  es  sich  mit 
sehr  starken  Systemen  in  einzelne  Lamellen  auflösen,  die  auf  die  Ent- 
stehungsweise  durch  Aufeinanderlagern  äußerst  feiner  Membranen  hin- 
deuten. Die  Mantelrandfalte  läuft  in  Form  einer  Rinne  am  ganzen 
Mantelrand  entlang,  um  allmählich  auf  dem  Rücken  des  Tieres  mit  dem 
Beginn  der  Mantelnaht  aufzuhören,  dort  wo  die  beiden  Mantellappen 
verwachsen  sind. 

An  Querschnitten  sieht  man  auf  der  Strecke  von  der  Mantel- 
randfalte bis  zum  Schalenrand,  daß  das  Periostracum  zahlreiche  Fal- 
tungen bildet   (Fig.  3).     Nach   F.   Müller    sollen  dies  keine  Falten, 

sondern  Auswüchse  des  Periostra- 
cums sein.  »Man  sieht,  wie  das 
Periostracum  unterhalb  der  Schlin- 
gen ruhig  weiter  verläuft  und  an 
Dicke  allmählich  zunimmt,  wäh- 
rend jene  membranösen  Auswüchse 
überall  dieselbe  Stärke  besitzen. 
Sie  beginnen  überhaupt  erst,  wenn 
das  Periostracum  eine  gewisse  Dicke 
.,   .    .  , ,,    ,,'.',       ,,    . ,  erreicht    hat    und    finden   sich  nur 

Periostracumtalte    (/)    zwischen    Mantel-    uml 

Schalenrand.    Vergr.  700  :  i.  auf  der  nach  außen  gelegenen  Seite 

desselben.  Dort,  wo  das  Perio- 
stracum schon  sehr  stark  geworden  ist.  erkennt  man  deutlich,  daß 
die  die  Schlinge  bildende  Membran  sich  nur  von  dem  äußersten  Teil 
des  Periostracums  aus  erhebt  und  an  dieser  Erhebungsstelle  zugleich 
geschlossen  ist  und  über  derselben  durch  abermaliges  öffnen  und 
Schließen  mannigfache  Formen  bildet.  Die  Auswüchse  verschmelzen 
nicht  miteinander,  um  zur  Verdickung  des  Periostracums  beizutragen, 
sondern  bleiben  bestehen  und  rücken  beim  weiteren  Wachstum  der 
Schale  auf  dieselbe  hinauf  und  bilden  dort  jene  blättrigen  Rauhig- 
keiten der  Epidermis,  welche  man  als  Anwachsstreifen  bezeichnet.« 
(vgl.  S.  229).  Diese  Gebilde  sind  keine  Auswüchse  des  Periostracums, 
sondern  wirkliche  Faltungen  desselben,  wie  dies  ja  auch  schon  von 
M.  de  Villepoix  beschrieben  ist.  Sie  sind  durch  stärkere  Produktion 
von  Periostracumsubstanz  entstanden  als  notwendig  war,  um  die 
Verbindung  zwischen  Mantelrandfalte  und  Schalenrand  in  Form  einer 
glatten  Membran  herzustellen.  Im  Querschnitt  durch  eine  solche 
Periostracumfalte  erkennen  wir  in  der  Mitte  eine  längs  verlaufende 
Linie,  dort  wo  sich  die  beiden  Teile  zusammengelegt  haben.    An  ihrem 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  373 

distalen  Ende  sind  die  Falten  nicht  völlig  verschmolzen,  so  daß  wir 
im  Querschnitt  eine  Öse  erkennen  (Fig.  3).  Ein  weiterer  Beweis,  daß 
wir  Faltungen  vor  uns  haben,  ergibt  sich  aus  der  im  Gegensatz  zu 
F.  Müller  fast  an  jedem  solchen  Gebilde  am  basalen  Teil  sich  findenden 
dreieckigen  Öffnung  (Fig.  3),  die  so  entstanden  ist,  daß,  nachdem  die 
Falte  gebildet  ist,  von  innen  her  neue  Periostracumlamellen  angelagert 
wurden.  Auch  der  Ansicht  Müllers,  daß  diese  blättrigen  Rauhigkeiten 
auf  die  Schale  rücken  und  dort  die  Ansatzstreifen  bilden,  kann  man 
nicht  beistimmen.  Die  Anwachsstreifen  sind  lediglich,  wie  schon 
oben  erwähnt,  die  Ränder  der  Schale  in  früheren  Altersstadien.  Die 
Falten  ergeben  auf  dem  Periostracum  Gebilde,  wie  man  sie  im  Quer- 
schnitt in   Fig.  4  sehen   kann,   von  teils  sehr  komplizierten  Formen. 


Fig.  4. 

Periostracuinfalte  (/)  von  komplizierterer  Gestalt  auf  der  Oberfläche  der  Schale.    Vergr.  144  :  1. 

Eine  Spaltung  des  Periostracums,  wie  sie  F.  Müller  beschreibt, 
ist  ebenso  wie  es  Moynier  de  Villepoix  festgestellt  hat,  nicht  vor- 
handen. »Ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Mantel  und  Schalenrand 
findet  eine  stärkere  Verdickung  des  Periostracums  statt,  an  welcher 
eine  Spaltung  eintritt.  Diese  Verdickung  und  damit  verbundene 
Spaltung  des  Periostracums  ist  besonders  in  dem  ganzen  mittleren 
Teil  des  Schalenrandes  zu  konstatieren,  nach  vorn  und  hinten  wird 
die  Verdickung  geringer  und  hört  allmählich  auf.  Der  äußere  Fortsatz 
dieser  Verdickung,  das  eigentliche  Periostracum,  überzieht  die  Ober- 
fläche der  Schale,  der  andre  Fortsatz  geht  an  die  Innenfläche  des 
Schalenrandes  über«  (vgl.  S.  213  u.  214).  Diese  Beschreibung  von 
Müller  sei  deswegen  angeführt,  weil  sie  für  ihn  einer  seiner  Beweise 
gegen  das  Appositionswachstum  der  Schale  ist;  nämlich  gerade  durch 
den  Teil  des  Periostracums,  der  von  der  Verdickung  nach  der  Innen- 
seite der  Schale  gehen  soll,  wird  der  äußere  Teil  des  Periostracums, 


374  Richard  Raßbach, 

der  die  Oberfläche  überzieht,  von  dem  Epithel  des  Mantels  getrennt 
und  kann  von  diesem  keinen  Zuwachs  zur  Verstärkung  erlangen.  Ein 
solches  Bild,  das  Müllee  als  eine  Spaltung  des  Periostracums  be- 
schreibt, war  wahrscheinlich  ein  Secretprodukt,  das  von  dem  Außen- 
epithel (Fig.  6  aep)  ausgeschieden  wurde,  um  zur  Verstärkung  des 
Periostracums  beizutragen.  Diese  beiden  Teile  waren  aber  noch  nicht 
verschmolzen.  Solche  Bilder  erhält  man  öfters  bei  Schnitten  durch  den 
Mantelrand  von  Tieren,  die  gerade  Stoffe  zur  Verstärkung  der  Schalen- 
schichten ausgeschieden  haben. 

Von  der  Fläche  gesehen  läßt  das  Periostracum  am  Anfang  keine 
Struktur  erkennen,  außer  den  oben  erwähnten  Falten,  die  in  der  Auf- 
sicht sich  als  dunklere  Streifen  von  ihrer  Umgebung  abheben,  die  dem 
Schalenrand  vielfach  parallel  laufen.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  findet 
man  jedoch  auf  dem  Periostracum  bläulich  gelbe  Kügelchen,  die 
F.  Müller  folgendermaßen  beschreibt  (vgl.  S.  231  u.  232).  »In  einiger 
Entfernung  vom  Mantelrande  bemerkt  man,  allerdings  nur  bei  sehr 
starker  Vergrößerung  und  sehr  scharfer  Einstellung,  kleine  helle,  regel- 
los zerstreute  Punkte.«  »Bei  durchfallendem  Licht  zeigten  jene  Pünkt- 
chen eine  matt  bläuliche  Farbe.  Von  den  zerstreut  auf  der  Oberfläche 
der  Membran  liegenden  Kalkkörperchen  unterscheiden  sie  sich  deutlich 
durch  ihre  regelmäßige  Rundung. «  »Als  Bildungen,  welche  zur  Pris- 
menschicht gehören,  sind  sie  jedenfalls  nicht  zu  betrachten,  denn  sie 
unterscheiden  sich  von  den  Jugendzuständen  der  Prismen  einmal  durch 
ihre  überall  gleichbleibende  Größe,  was  bei  jenen  nicht  der  Fall  ist, 
ferner  sind  die  jüngsten  Prismen  bereits  größer,  als  jene  Pünktchen. 
Man  findet  letztere  auch  noch  zwischen  den  größeren  Stadien  der 
Prismen  an  der  Oberfläche  der  organischen  Zwischensubstanz  so  lange, 
als  dieselbe  noch  einige  Dicke  besitzt.«  Dieser  Schilderung  Müllers 
ist  vorläufig  nichts  weiter  hinzuzufügen,  als  daß  diese  Gebilde  sich  an 
der  Innenfläche  des  Periostracums  befinden.  Bei  einer  jungen  Anodonta 
von  etwa  12  mm  Größe  mit  noch  fast  vollständig  durchsichtiger  Schale 
ließ  sich  beobachten,  daß  das  ganze  Periostracum,  auch  dort  wo  die 
Prismenschicht  schon  vollständig  ausgebildet  war,  mit  solchen  matt 
bläulichen  Kügelchen  besetzt  war.  Auf  diese  Gebilde  werden  wir  noch 
später    zurückzukommen  haben. 

Moynier  de  Villepoix  fand  bei  einer  jungen  Anodonta  von  21  mm 
Größe  die  Innenfläche  des  noch  ganz  jungen  Periostracums  zwischen 
Mantelrand  und  der  Zone,  wo  die  jungen  Prismen  beginnen,  bedeckt 
mit  «petits  globules  jaunätres  et  refrigents»,  die  von  einem  hellen  Hof 
umgeben  waren  (vgl.  S.  476).     Von  dem  Vorkommen  solcher  Gebilde 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  375 


konnte  ich  mich  ebenfalls  überzeugen.  Sie  hoben  sich  von  der  Unter- 
lage, dem  Periostracum,  als  gelbe  bis  dunkelbraune,  rundliche  Gebilde 
ab.  Teilweise  waren  auch  zwei  oder  mehrere  zusammen  verschmolzen 
(Fig.  5).  Diese  Gebilde  zeigten  sich 
bei  hoher  Einstellung  dunkel  und 
dann  mit  einem  hellen  Saum;  bei 
tiefer  Einstellung  wurden  sie  hell. 
Sie  ließen  eine  schwache,  konzen- 
trische Schichtung  erkennen,  und 
bei  gewisser  Einstellung  im  Innern 
einen  centralen  Punkt,  der  stärker 
lichtbrechend  hervortrat. 


Besonders  sei  noch  einmal  dar- 
auf hingewiesen,  daß  die  »matt- 
bläulichen Kügelchen  «  von  F.  Mül- 


Fig. 


Conchyolinkügelchen  {cok)  (Globules  jaunätres), 
LERimddie  »globules  jaiinätres«  VOll     die   sich   auf   dem    Periostracum  des  Schalen- 

M.  DE  VlLLEPOIX,  die   Sich    in  ihrem    randeS    Um\.af    jU""en    ^nregeneraten 

vorfinden.     Vergr.  1000  :  1. 

Äußeren    durch    ihre    verschiedene 

Größe  unterscheiden,  keineswegs  gleichen  Strukturverhältnissen  ent- 
sprechen, wie  Biedermann  geneigt  ist  anzunehmen.  Die  »globules 
jaunätres«  werden  ebenfalls  später  noch  zu  erwähnen  sein. 

Die  Epithelzellen  der  Mantelrandfalte. 

Im  allgemeinen  sehen  die  Zellen,  welche  die  Mantelrandfalte  aus- 
kleiden, so  aus,  wie  es  in  dem  Übersichtsbild  (Fig.  6)  wiedergegeben 
ist,  das  einen  Querschnitt  aus  der  Mitte  des  Mantelrandes  mit  ansetzen- 
dem Periostracum  darstellt.  Dasselbe  liegt  hier  einem  niedrigen 
kubischen  Epithel  an  (nep),  mit  dem  die  organische  Membran  stets 
fest  verbunden  ist.  Nach  dem  Faltengrund  werden  diese  Zellen  noch 
kleiner  und  laufen  schließlich  in  eine  Spitze  aus.  Nach  F.  Müller 
ist  dieses  Epithel  bei  Anodonta  gerade  in  der  Mitte  des  Schalenrandes 
nicht  vorhanden,  sondern  das  Periostracum  soll  sich  direkt  an  die 
Muskelenden  ansetzen,  die  von  der  Mantellinie  nach  den  beiden  Lappen 
der  Mantelrandfalte  verlaufen;  nach  dem  vorderen  und  hinteren  Ende 
des  Mantelrandes  gibt  er  jedoch  ein  Epithel  zu  (S.  230). 

Die  Kerne  des  kubischen  Epithels  sind  deutlich  sichtbar,  von  runder 
oder  ovaler  Gestalt.  Nach  dem  Innern  des  Mantellappens  sind  die 
Zellen  stets  durch  eine  gut  sichtbare  Basalmembran  gegen  die  sich 
anschließenden  Bindegewebsmassen  und  Muskelzüge  abgegrenzt.  Ein 
Eindringen  von  Muskelenden  in  dieses  Epithel  bis  zum  Periostracum, 


376 


Richard  Raßbach, 


wie  es  List  bei  Mytilus  beobachtete,  findet  bei  Anodonta  nicht  statt. 
Bei  der  letzten  zeigt  das   Protoplasma  der   genannten  Epithelzellen 


sass%A\ 


nep 


Fig.  6. 

Übersichtsbild  eines  Querschnittes  durch  die  Mantelrandfalte  (mrf)  mit  dem  jung  sich  anlegenden 
Periostracum  (pe)  an  dem  niedrigen  Epithel  (nep).     Gegenüber  hohes  Cylinderepithel  (hep).     Im 
Grunde  der  Falte  drüsenartig  aussehende  Zellen  (drz).     Vergr.  112  :  1. 


- 


->ep 


?W^-:'±^ 


Fig.  7. 

Stark  vergrößerter  Teil  der  im  Grunde  der  Mantelrandfalte  gelegenen  Epithelzellen.   Vergr.  520:1. 

eine  feine,  faserige  Struktur,  die  man  besonders  deutlich  an  den  Zell- 
elementen im  Grunde  der  Falte  beobachten  kann  (Fig.  7  nep).  T. 
Tullberg  beschreibt  bei  Mytilus  diese  Zellen  als  kleine  Elemente  mit 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  377 

undeutlichen  Kernen,  deren  Formen  er  erst  nach  Härtung  mit  Osmium- 
säure erkennen  konnte.  Bemerkenswert  ist  nach  ihm  eine  Streif ung 
des  Zellinhaltes,  die  gerade  auf  der  dem  Periostracum  zugewandten 
Seite  deutlich  ist  (vgl.  S.  21),  ähnlich  wie  es  auch  Rawitz  beschreibt 
(vgl.  III.  Teil,  S.  196).  Ehrenbaum  dagegen  sah  sie  als  deutlich  be- 
grenzte Gebilde  von  wechselnder  Höhe  mit  gleichmäßig  körneligem 
Inhalt.  Niemals  konnte  er  eine  faserige  Struktur  der  Zellen  beobachten 
(S.  38). 

Das  junge  Periostracum  verläuft  nicht  immer  gleichmäßig  an  der 
Oberfläche  des  kubischen  Epithels  der  Mantelrandfalte  entlang,  sondern 
häufig  beobachtet  man  an  der  organischen  Membran  Falten,  die  gegen 


Fig.  8. 

Übergang  des  niedrigen,  kubischen  Epithels  (nep)  der  Mantelrandfalte  in  das  Epithel  der  inneren 
Seite  des  Mantels  (iep).     Vergr.  800  :  1. 

das  ihr  anliegende  Epithel  gerichtet  sind  (Fig.  8  /).  Ob  diese  Fal- 
tungen künstlich  dadurch  entstanden  sind,  daß  bei  der  Konservierung 
starke  Kontraktionen  stattgefunden  haben,  wobei  sich  der  fest  mit  dem 
Epithel  verbundene  jüngste  Teil  des  Periostracums  in  Falten  legen 
mußte,  sei  dahingestellt.  Jedenfalls  ließen  sich  solche  Bilder  an  allen 
Präparaten  beobachten.  Vielleicht  dient  dieses  Ineinandergreifen  von 
Periostracum  und  Epithel  dazu,  die  Befestigung  zwischen  den  beiden 
zu  erhöhen,  was  besonders  erforderlich  erscheint,  wenn  beim  Schließen 
der  Schale  der  Mantelrand  in  die  Schalenklappen  zurückgezogen  wird. 
An  der  tiefsten  Stelle  der  Mantelrandfalte  findet  sich  gewöhnlich 
zwischen  den  kubischen  Epithelzellen  und  den  darauf  folgenden  hohen 
Cylinderzellen  ein  Vorsprung,  dessen  Zellen  einen  blasigen,  drüsenartigen 


378  Richard  Raßbach, 

Eindruck  machen  (Fig.  7  drz).  Dieser  Komplex  besteht  aus  ungefähr 
acht  bis  zehn  Zellen,  die  unregelmäßig  in  mehreren  Schichten  über- 
einander lagern.  Sie  besitzen  einen  großen,  deutlichen  runden  Kern. 
Auf  diesen  Zellenkomplex  folgt  das  Epithel,  welches  die  dem 
Periostracum  gegenüberliegende  Seite  der  Mantelrandfalte  auskleidet. 
Es  zeigt  eine  ganz  andre  Beschaffenheit.  Man  sieht  ein  typisches 
Cylinderepithel,  das  dicht  zusammengedrängt  erscheint  (Fig.  6,  7  lief). 
In  dem  basalen  Teil  der  Zellen  liegt  der  langgestreckte  Kern;  der  distale 
Teil  besteht  aus  dem  dichten  körneligen  Plasma.  Die  Zellgrenzen  sind 
nur  deutlich  bei  sehr  dünnen  Schnitten  zu  erkennen.  »Die  aneinander 
gepreßten  Zellen  bieten  beim  ersten  Anblick  das  Charakteristische 
eines  Drüsenepithels,  besonders  ist  dies  bei  größeren  ausgewachsenen 
Exemplaren  zu  sehen.  Oft  findet  man  auch  Bilder  dieses  Epithels, 
deren  Zellen  sich  nur  an  ihren  Enden  berühren,  sodaß  ein  nach  zwei 
Seiten  spitz  zulaufender  Zwischenraum  entsteht.«  Diese  Epithelien, 
müssen,  wie  es  Moynier  de  Villepoix  beschreibt,  »beträchtliche  An- 
schwellungen erreichen,  eine  Folse  übrigens  ihrer  secretorischen  Tätig- 
en o  o  ö 

keit«  (vgl.  S.  494).  Das  Epithel  behält  noch  eine  kurze  Strecke  außer- 
halb der  Mantelrandfalte  dieses  Aussehen  bei.  Dann  werden  die  Zellen 
etwas  niedriger  und  breiter,  um  kurz  vor  dem  Übergang  in  das  Außen- 
epithel, das  die  größte  Oberfläche  des  Mantels  bedeckt,  wieder  eine 
kleine  Strecke  an  Höhe  zuzunehmen.  An  Querschnitten  durch  junge 
Muscheln  mit  Schale  ließen  sich  diese  hohen  Cylinderzellen  des  Mantel- 
außenepithels im  Zusammenhang  mit  der  Prismenregion  des  Schalen- 
randes beobachten.  Es  handelt  sich  also  wohl  um  die  Zellen  des  Mantel- 
randes, die  hier  das  Material  zur  Prismenbildung  liefern  (Fig.  44  pep). 
Dieselbe  Rolle  schreibt  M.  de  Villepoix  den  hohen  Cylinderzellen 
des  Mantelaußenepithels  zu. 

In  dem  Mantelaußenepithel  bemerken  wir  öfters  rundliche  Zellen 
mit  eosinophilem  Inhalt,  auf  deren  genaue  Beschreibung  erst  später 
im  Zusammenhang  mit  der  Besprechung  der  Zellen  der  Mantelnaht 
eingegangen  werden  soll.  Außer  den  Becher-  oder  Schleimzellen  des 
Mantelepithels  sind  noch  Einschlüsse  von  größeren  gelben  Ballen  zu 
erwähnen,  die  von  einem  Amöbocyt  aus  dem  Bindegewebe  durch  das 
Epithel  nach  außen  geschafft  werden  (Fig.  48  gb),  wie  sie  schon  von  de 
Beuyxe  beschrieben  worden  sind.  Ob  diese  größeren  gelben  Massen 
zum  Schalenaufbau  benutzt  werden,  sei  dahingestellt,  da  wir  sie  in  fast 
gleicher  Zahl  auch  in  dem  Mantelinnenepithel  vorfinden.  Das  Epithel 
der  Innenseite  des  Mantels  findet  man  auch  häufig  mit  Pigment  ver- 
sehen, das  aus  kleinen  gelben  Körnchen  besteht. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  379 

Bei  Mytilus  fand  Tullberg  (vgl.  S.  21)  dort,  wo  das  Periostracum 
die  Mantelfalte  verläßt,  an  dem  Übergang  des  niedrigen,  cubischen 
Epithels  in  das  Mantelinnenepithel,  Zellen  von  blasiger,  bindegewebs- 
artiger  Beschaffenheit.  Bei  Anodonta  läßt  sich  ähnliches  nicht  beob- 
achten; der  Übergang  der  Zellen  erfolgt  allmählich,  wie  es  in  Fig.  8  nep 
wiedergegeben  ist.  Am  Ausgang  der  Falte  strecken  sich  die  kubischen 
Zellen  mehr  in  die  Höhe  und  sie  lassen  auch  hier  noch  eine  sehr  feine 
streifige  Struktur  ihres  Plasmas  erkennen.  Die  Kerne  nehmen  eben- 
falls eine  längliche  Gestalt  an.  Das  Periostracum  läßt  sich  genau  bis 
an  die  Zelle  verfolgen,  mit  der  es  noch  in  festem  Zusammenhang  steht. 

Über  das  Fortrücken  des  Periostracums  an  den  Zellen,  mit  denen 
es  fest  verbunden  ist,  gibt  es  meines  Wissens  nur  die  Angabe  Tull- 
bergs  (vgl.  S.  28),  nach  dem  es  klar  erscheint,  »daß  dies  in  derselben 
Weise  geschieht  wie  die  Muskeln  wandern,  und  nach  meiner  Ansicht 
würden  also  die  äußersten  Zellen  unaufhörlich  resorbiert  oder  in  wirk- 
liche Cylinderzellen  umgebildet  werden,  je  nachdem  sich  neue  Zellen 
an  dem  inneren  Rande  des  Periostracums  entwickeln. «  Die  am  äußeren 
Ende  des  kubischen  Epithels  befindlichen  bindegewebsartigen  Zellen 
bei  Mytilus  hält  Tullberg  für  Übergänge  der  eben  erwähnten  resor- 
bierten Zellen.  Da  aber  bei  Anodonta  ähnliches  sich  nicht  beobachten 
läßt,  so  kann  auch  diese  Erklärung  kaum  hier  Anwendung  finden. 
Vielleicht  findet  an  dem  cubischen  Epithel  nur  eine  Loslösung  an  einigen 
Stellen  statt,  so  immer  noch  mit  den  befestigten  Stellen  den  Zusammen- 
hang zwischen  Periostracum  und  Weichteilen  garantierend.  Ist  das 
Periostracum  am  äußersten  Ende  der  Mantelrandfalte  losgelöst,  so 
kann  ein  Stück  der  organischen  Membran,  vielleicht  durch  die  oben 
erwähnte  Faltenbildung  begünstigt,  herausgeschoben  werden. 

Die  Prismenschicht. 

Unter  dem  Periostracum  liegt  in  sehr  engem  Zusammenhang  da- 
mit die  Prismenschicht,  deren  Bildungsstadien  man  an  der  die  ganze 
Kalkschale  bedeckenden  Membran,  kurz  nachdem  diese  auf  die  Ober- 
seite umgebogen  ist,  beobachten  kann.  Man  bemerkt  hier  von  der 
Fläche  gesehen  auf  dem  sich  immer  mehr  verdickenden  Periostracum 
Meine,  unregelmäßig  zerstreute,  rundliche  Gebilde  verschiedener  Größe, 
welche  die  ersten  Anfänge  der  Prismen  darstellen  (Fig.  9).  Von  ihrer 
Umgebung  heben  sie  sich  durch  stärkeres  Lichtbrechungsvermögen  ab, 
bei  hoher  Einstellung  erscheinen  sie  heller,  bei  tiefer  Einstellung  jedoch 
dunkler  als  ihre  Umgebung.  In  der  Mitte  jedes  einzelnen  Gebildes 
findet  sich  ein  Punkt,  der  sich  gerade  umgekehrt  verhält,  und  mit  der 

Zeitschrift  f.  wissenseh.  Zoologie.   CHI.  Bd..  25 


380 


Richard  Raßbach, 


Lichtbrechung  der  oben  erwähnten  »globules  jaunätres«  überein- 
stimmt. Um  diesen  central  gelegenen  Punkt  befinden  sich  in  jedem 
einzelnen  Prisma  konzentrisch  angeordnete  Kreise  (Fig.  9),  die  je  nach 
der  Größe  der  Prismenanfänge  nach  der  Schalenoberfläche  zu  an  Zahl 
zunehmen.  Wie  Biedermann  schon  beobachtet  hat  (vgl.  S.  37),  ȟber- 
zeugt man  sich  bei  Betrachtung  des  Präparates  von  der  äußeren,  d.  h. 

der  .Schalenoberfläche  leicht,  daß  der  kleine 
Kern  eines  jeden  jungen  Prismas  in  einem 
höheren,  also  dem  Beschauer  näheren 
Niveau  liegt,  als  die  peripheren  konzen- 
trischen Schichten,  von  denen  wieder  die 
äußerste  jeweils  am  weitesten  von  der 
Außenfläche  des  Periostracums  entfernt 
liegt. « 

Moynier  de  Villepoix  schließt  aus 
seinen  Beobachtungen  an  den  Bildungs- 
stadien der  Prismenschicht,  daß  sich  in 
den  jüngsten  Prismenanlagen  einecolloidale 
Masse  befindet,  die  aus  einem  Gemisch 
von  Kalksalzen  und  Eiweißstoffen  besteht. 
Bei  der  weiteren  Ausbildung  der  Prismen 
kristallisiert  kohlensaurer  Kalk  aus,  was 
sich  in  Form  der  beschriebenen  konzen- 
in  der  Flächenansicht 
bemerkbar  macht.  Ferner  scheidet  sich 
eine  organische  Membran  ab,  welche  die  Conchyolinhülle  der  Prismen 
bildet. 

Bei  stärkerer  Vergrößerung  bemerkt  man  auch  eine  zarte  radiäre 
Streif ung  der  Prismenanfänge  (Fig.  10).  Der  centrale  Kern  wird  mit 
stärkeren  Systemen  in  winzige  Körnchen  zerlegt,  die  eine  gelbliche 
Färbung  besitzen.  Nach  ihrem  Aussehen  dürften  sie  aus  Periostracum 
ähnlicher  Substanz  bestehen.  Bei  hoher  Einstellung,  also  wenn  der 
centrale  Körper  dunkel  erscheint,  sieht  man  um  ihn  einen  hellen  Hof, 
so  daß  dann  dieser  Teil  noch  mehr  an  das  schon  oben  angedeutete 
ähnliche  Aussehen  der  »globules  jaunätres«  erinnert.  Solche  Gebilde 
ließen  sich  auch  an  Querschnitten  durch  die  Schale  einer  jungen  Ano- 
donta  von  12  mm  Größe  in  dem  obersten  der  Außenfläche  des  Perio- 
stracums zu  gelegenen  Teile  der  Prismen  beobachten.  In  Fig.  10« 
sehen  wir  einen  öfters  zu  Gesicht  kommenden  Querschliff  durch  ein 
Prisma,  bei  dem  der  höchst  gelegene  centrale  Kern  weggeschliffen  ist. 


Fig.  9. 

Flächenansieht    junger     Prismenan-    trischen      Kreige 
lagen  am  Sehalenrand.   Vergr. 368: 1. 


Beitr.  z.  Ken  ntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  381 

Im  Innern  erblickt  man  ein  Polygon,  von  dessen  Ecken  Leisten  nach 
der  Peripherie  des  Prismas  zu  laufen. 

Die  jüngsten  Prismenanlagen  haben  rundliche  Gestalt  (Fig.  9).  Sie 
befinden  sich  am  äußersten  Ende  des  Schalenrandes.  Nach  der  Schalen- 
oberfläche nehmen  die  Prismen  an  Größe  zu,  wodurch  sie  zusammen- 
gedrängt erscheinen.  Sind  die  jungen  Prismen  durch  beständiges 
Dickenwachstum  einander  noch  näher  gerückt,  so  beginnen  sie  sich 
gegenseitig  abzuplatten.  Ehe  die  Prismenanlagen  durch  allseitige 
Berührung  in  die  polygonale  Felderung  übergehen,  wie  sie  uns  ein 
Querschliff   durch    eine   ausgebildete    Prismenschicht   zeigt    (Fig.  21), 


Ve 


Fig.  10  und  10«. 
Querschliffe  durch  die  oberen  Regionen  ausgebildeter  Prismen.     Im  Innern  von  Fig.  10  der  cen- 
tral gelegene  Punkt  {gl).     Vergr.  864  :  1. 

nehmen  sie  vielfach  unregelmäßige  Formen  an.  Es  kommt  zu  tiefen 
Einkerbungen  des  Randes  und  zeitweise  zeigen  die  Umrißformen  ein 
strahliges,  gezacktes  Aussehen,  wie  es  noch  einmal  im  Anschluß  an  die 
Fig.  32  und  56  zu  erwähnen  sein  wird.  Die  größten  Zacken  bleiben 
auch  noch  bei  der  ausgebildeten  Prismenschicht  erhalten  und  machen 
sich  dort  als  nach  dem  Innern  der  einzelnen  Prismen  vorspringende 
Leisten  bemerkbar  (Fig.  10,  10«,  21  pel).  Diese  radiär  in  manche 
Prismen  vordringende  Periostracumleisten  stellen  sich  als  Querschnitte 
von  Längssepten  in  den  Prismenscheidewänden  heraus.  Die  Septen 
verlaufen  an  dem  nach  der  Perlmutterschicht  zugewandten  Teile  der 
Prismen  ungefähr  parallel  der  Längsachse  derselben,  während  sie  nach 
dem  entgegengesetzten  äußeren  Ende  zu  konvergieren  (Fig.  11,  12  pel). 
Auch  Biedermann  hat  diese  Längsleisten  beobachtet,  welche  von  der 
Peripherie  mehr  oder  weniger  tief  in  die  Substanz  der  Prismen  ein- 
schneiden und  so  eine  Art  von  Kanellierung  oder  Faltung  derselben 
erzeugen,  die  aber  niemals  die  Prismenachse  erreichen. 

An  Längsschnitten  durch  junge   Prismenanlagen   bemerkt  man, 


382 


Richard  Raßbach, 


daß  diese  mit  ihrem  abgerundeten  äußeren,  der  Schalenoberfläche 
zugewandten  Ende  in  der  Periostracumsubstanz  stecken  (Fig.  11,  12). 
Den  äußersten  Teil  nimmt  die  Stelle  ein,  die  in  der  Aufsicht  als  central 
gelegenes,  stärker  lichtbrechendes  Centrum  zu  erkennen  war.  Die  in 
der  Flächenansicht  beschriebenen  konzentrischen  Kreise  zeigen  sich  im 
Längsschnitt  als  rundliche  Scheibchen,  die  an  einer  bestimmten  Stelle 
ihren  größten  Durchmesser  erreichen  (Fig.  11,  12).  Die  nächstfolgen- 
den Schichten  werden  bis  zu  einer  bestimmten  Region  wieder  kleiner. 
Dieser  äußere,  kugelige  Teil  der  jungen  Prismen,  der  aus  dünnen  Scheib- 
chen zusammengesetzt  erscheint,   zei<>t  gewöhnlich  ein  helleres  Aus- 


ce/ 


e     pe 


~^t— 


Fig.  11.  Fig.  12. 

i  ängsschnitte  durch  junge  Prismenanlagen.    Fig.  12  stellt  die  Kombination  zweier  nahe  aneinander- 
liegender Prismen  dar.     Vergr.  800  :  1. 


sehen.  Die  sich  anschließende  Partie  besitzt  meist  die  dunkelgelbe 
bis  braune  Färbung  des  Periostracums  und  stellt  die  Umhüllung  des 
inneren  nach  der  Schaleninnenfläche  zu  gelegenen  Teiles  der  jungen 
Prismen  dar.  Die  organische  Querscheidewand  ist  längs  und  quer  in 
dickere  und  dünnere  Conchyolinleisten  differenziert.  Die  Längsleisten 
entsprechen  den  oben  erwähnten  Gebilden,  die  an  Flächenschliffen 
als  radiär  in  das  Innere  der  Prismen  vorspringende  Falten  zu  sehen 
sind,  während  die  den  beiden  Außenflächen  des  Periostracums  parallel 
laufenden  Verdickungen  mit  den  später  noch  ausführlich  zu  bespre- 
chenden Querstreifungen  der  Prismen  identisch  sind.  Im  ausgebildeten 
Zustand  tritt  der  nach  der  Außenfläche  der  Schale  zugewandte  hellere, 
kugelige  Teil  der  Prismen  zurück  und  macht  einer  sanften  Abrundimg 
Platz,  die  eine  entsprechende  Aushöhlung  des  Periostracums  einnimmt, 
öfters  beobachtet  man  bei  jungen  Prismen  eine  Verschmelzung- 
benachbarter  Anlagen  (Fig.  9).  Nach  Biedermann  (vgl.  S.  37)  »ge>- 
schieht  dies  regelmäßig,  wenn  zwei  noch  in  die  Dicke  wachsende  junge 
Prismen  so  nahe  zu  liegen  kommen,  daß  sie  sich  zunächst  nur  an  einem 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  383 

Punkte  berühren.  Durch  weitere  Kalkablagerungen  entsteht  dann 
eine  flächenhafte  Berührung  und  man  erhält  vielfach  Bilder,  welche 
lebhaft  an  sich  teilende  Zellen  erinnern.«  Diese  Bilder  erinnern  in 
der  Aufsicht  auch  an  die  Kombination  zweier  oder  mehrerer  Stärke- 
körner, besonders  wenn  man  noch  die  radiäre  Streifung  der  jungen 
Prismenanlagen  in  Betracht  zieht.  In  Fig.  12  haben  wir  eine  Ansicht 
solcher  Bildungen,  wie  diese  sich  uns  im  Längsschnitt  zeigen. 

Nach  der  Entkalkung  eines  Stückes  vom  Schalenrand  mit  jungen 
Prismenanlagen  bleiben  die  Strukturverhältnisse  zum  größten  Teil 
erhalten.  »Insbesondere  erscheint  die  konzentrische  Schichtung  der 
jungen  Prismen  in  der  Flächenansicht  außerordentlich  deutlich  und 
schon  bei  den  aller  jüngsten  Anlagen  insofern  angedeutet,  als  dieselben 
bei  einer  gewissen  Einstellung  im  Centrum  ein  Pünktchen  erkennen 
lassen,  welches  vor  Entfernung  des  Kalkes  nicht  sichtbar  war  und 
offenbar  den  allerersten  Beginn  der  Ablagerung  markiert.  Es  darf 
hier  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  während  und  vor  der  Entkalkung 
die  jüngsten  Prismenformen  bei  hoher  Einstellung  heller,  bei  tiefer 
dunkler  als  die  Umgebung  erscheinen,  sich  dies  nach  Entfernung  des 
Kalkes  gerade  umgekehrt  verhält.  Sehr  deutlich  läßt  sich  wieder  die 
Tatsache  konstatieren,  daß  in  jedem  Falle,  wo  bereits  mehrere  kon- 
zentrische Ringe  entwickelt  sind,  dieselben  niemals  bei  einer  bestimmten 
Einstellung  gleich  deutlich  erscheinen  und  daher  auch  nicht  in  einer 
Ebene  gelegen  sein  können«  (vgl.  S.  38).  Daß  der  central  gelegene 
Kern  der  jungen  Prismen  auch  schon  vor  der  Entkalkung  an  geeigneten 
Schliffen  zu  sehen  ist,  ebenso  an  Totalpräparaten  ist  schon  früher 
erwähnt  worden.  Von  der  Richtigkeit  der  Beobachtungen  von  Bieder- 
mann an  Flächenansichten  kann  man  sich  leicht  an  den  Längsschnitt- 
bildern (Fig.  11  u.  12),  die  er  wohl  noch  nicht  gekannt  hat,  überzeugen. 
»Stets  liegt  bei  Betrachtung  von  der  Außenseite  der  Schale  her  der 
innerste  kleinste  Kreis  dem  Beschauer  zunächst,  und  man  muß  den 
Tubus  um  so  tiefer  senken,  einen  je  weiter  nach  außen  gelegenen  Ring 
man  scharf  sehen  will«  (vgl.  S.  38). 

An  den  Flächenansichten  der  jung  sich  anlegenden  Prismen  be- 
merkt man  um  den  central  gelegenen  Punkt  einen  hellen,  stärker  her- 
vortretenden Ring,  der  bei  den  größer  werdenden  Prismen  ebenfalls 
an  Umfang  zunimmt  (Fig.  9).  Dieser  hellere  Kreis  entspricht  im  Längs- 
schnitt durch  die  Bildungsstadien  der  Stelle,  wo  an  dem  oberen  helleren 
Teil  des  Prismas  sich  der  an  die  organische  Masse  angrenzende  engste 
Durchmesser  befindet  (Fig.  11  u.  12).  Dieser  Teil  erweitert  sich  beim 
Größerwerden  der  Prismen  immer  mehr,  so  daß  in  der  Aufsicht  gesehen, 


384  Richard  Raßbach, 

der  hellere  Kreis  einen  größeren  Durchmesser  annimmt,  der  schließlieh 
mit  der  die  Prismen  peripher  umgebenden  Hülle  zusammenfällt,  so 
daß  völlig  ausgebildete  Stadien  von  der  Fläche  ohne  Unterschied  der 
Helligkeit  in  ihrem  ganzen  Durchmesser  erscheinen. 

Sind  die  jungen  Prismen  so  nahe  aneinander  gerückt,  daß  sie  die 
schon  erwähnte  polygonale  Felderimg  bilden,  so  kann  natürlich  ein 
Wachstum  in  die  Dicke  nicht  mehr  erfolgen,  sondern  die  weiter  ange- 
lagerten Substanzen  werden  nur  noch  dazu  verwendet,  die  Prismen 
in  der  Länge  zu  vergrößern. 

Im  Querschliff  betrachtet,  haben  die  Prismen  das  ihren  Namen 
verdankende  Aussehen.     Sie  sitzen  dicht  gedrängt  nebeneinander  und 


pm 


Fig.  13. 
Schalenquerschliff.     Vergr.  144  :  1. 

sind  stets  voneinander  auf  allen  Seiten  durch  Conchyolinmembranen 
getrennt,  die  mit  dem  Periostracum  der  Schalenoberfläche  in  direktem 
Zusammenhang  stehen  (Fig.  13).  An  entkalkten  Flächenschliffen  kann 
man  sich,  besonders  wenn  man  durch  Verschiebung  des  Präparates 
eine  etwas  seitliche  Ansicht  bekommt,  leicht  von  dem  Vorhandensein 
einer  die  Prismen  allseitig  umhüllenden  organischen  Membran  über- 
zeugen. Wegen  dieses  Baues  sind  die  Prismen  von  Leydig  als  »Kalk- 
säckchen«  bezeichnet  worden.  Teils  stehen  sie  senkrecht,  teils  aber 
etwas  geneigt  zur  Horizontalen.  Es  finden  sich  sowohl  kürzere  ge- 
drungene Prismen  als  auch  lange  schmale  Individuen.  Während  die 
meisten  Prismen  durch  die  ganze  Dicke  der  Schicht  hindurchgehen, 
indem  sie  nach  dem  Innern  etwas  an  Umfang  zunehmen,  finden  sich 
auch  solche,  welche  die  Innenseite  der  Prismenschicht  nicht  erreichen, 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  (Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  385 


sondern  mehr  oder  weniger  tief  endigen,  indem  sie  sich  nach  dieser 
Seite  zuspitzen.  In  Fig.  14  sehen  wir  ein  solches  in  isoliertem  Zu- 
stande wiedergegeben.  Die  spitz  endigenden  Prismen  kommen  auf 
folgende  Weise  zustande.  An  der  Periostracumschicht  wird  eine  be- 
stimmte Anzahl  Prismen  angelegt.  Im  Verlaufe  des  Längenwachstums 
nach  der  Perlmutterschicht  zu  werden  nicht  alle  Prismen  in  gleicher 
Stärke  weiter  gebildet,  sondern  einige  in  ihrem  Wachstum  unterdrückt. 
Diese  Prismen  spitzen  sich  dann  zu  und  endigen  an  verschiedenen 
Stellen  innerhalb  der  Prismenschicht.  Die  spitz 
zulaufenden  Elemente  der  Prismenschicht  haben 
eine  Besonderheit  aufzuweisen,  die  später  bei  der 
Besprechung  des  Flächenschliffs  ausführlich  behan- 
delt werden  soll. 

Bei  stärkerer  Vergrößerung  bemerkt  man,  daß 
die  Prismen  eine  Querstreifung  zeigen,  die  etwas 
gebogen  zur  senkrecht  stehenden  Prismenachse 
verläuft.  Diese  Struktur  kann  man  von  dem  Perio- 
stracum  schräg  nach  unten  vom  Schalenrand  nach 
dem  Innern  der  Schale  bis  zu  den  Perlmutter- 
lamellen verfolgen  (Fig.  14).  Die  Querstreifen  zei- 
gen sich  als  dunkle  von  ihrer  Umgebung  abge- 
hobene Linien,  die  bald  in  engeren  oder  etwas 
weiteren  Abständen  von  einander  verlaufen.  Die 
Streifen  lassen  sich  durch  die  ganze  Prismenlage 
zusammenhängend  verfolgen,  woraus  Biedermann 
sehr  richtig  schließt,  »daß  sich  die  Gleichzeitigkeit 
der  Bildung  dieser  Strukturen  ohne  weiteres  ergibt «. 
Bei  dieser  Schichtung  handelt  es  sich  »um  eine  Aufeinanderfolge  phy- 
sikalisch und,  wie  gleich  hinzugefügt  sei,  auch  chemisch  verschiedener 
Stoffe,  welche  wie  die  Verdickungsschichten  einer  Pflanzenzellen- 
membran  successive  von  innen  her  abgelagert  wird«  (vgl.  S.  13).  In 
wieweit  dies  letztere  seine  Kichtigkeit  hat,  werden  wir  aus  den  weiteren 
Erörterungen  ersehen. 

Die  breiteren  Querstreifen,  deren  Ursprung  das  Periostracum  selbst 
ist,  bilden  an  den  Prismenhüllen  besonders  deutliche  Verdickungen 
mit  denselben,  was  man  gut  an  geeigneten  entkalkten  Querschliffen 
beobachten  kann.  Nathusius  von  Königsborn  nahm  an,  daß  diese 
Querstreifung  der  optische  Ausdruck  ist  von  feinen  quer  durch  die 
Prismen  laufenden  Membranen,  die  jedes  Prisma  in  »ein  System  über- 
einanderliegender dünne   Scheibchen  zerlegen,   welche  durch   parallel 


Fig.  14. 

Isoliertes,  nach  der  Perl- 
mutterschicht    spitz   zu- 
laufendes Prisma.  Vergr. 
640  :  1. 


386  Richard  Raßbach, 

gespannte  Membranen  gesondert  sind«  (vgl.  S.  89).  Auch  will  er  von 
der  Flächenansicht  her  auf  den  durch  die  Prismen  laufenden  organischen 
Lamellen  Hohlräumchen  gesehen  haben.  Daß  es  solche  nicht  sein 
können,  werden  wir  im  Verlauf  der  weiteren  Untersuchung  erkennen. 

Dieselbe  Ansicht  vertritt  von  Gümbel.  »Die  Querwände  in  den 
Prismen  rühren  daher,  daß  an  den  Wänden  stellenweise  quer  über 
Zwischenwände  von  sehr  dünnen  Häuten  angesetzt  sind.  Ich  habe 
mich  an  entkalkten  zerfetzten  Exemplaren  auf  das  Bestimmteste  von 
diesen  Querwänden  überzeugt.  Höchst  bemerkenswert  ist  die  feine 
Textur  dieser  Querwände,  welche  nach  dem  Ätzen  neben  unregel- 
mäßigen Fältchen  mit  kleinsten  netzförmigen  meist  eckigen  Grübchen 
dicht  besetzt  erscheinen,  vor  dem  Atzen  aber  fein  punktiert  erscheinen« 
(vgl.  S.  390).  Diese  »Grübchen«  stimmen  wohl  mit  den  »Hohlräum- 
chen« von  Nathusius  von  Königsborn  überein.  Leider  hat  von  Güm- 
bel keine  Zeichnung  hiervon  gegeben,  an  der  man  sich  hätte  orien- 
tieren können.  Auf  die  eben  erwähnten  Gebilde  wird  ebenfalls  noch 
einmal  zurückgekommen  werden. 

Bei  der  Querstreifung  der  Prismen  konnte  sich  Biedermann  nicht 
mit  Sicherheit  davon  überzeugen,  »ob  es  sich  hier  um  den  optischen 
Ausdruck  von  organischen  Querscheiben  handelt,  welche  die  ganze 
Dicke  der  betreffenden  Prismen  von  Stelle  zu  Stelle  durchsetzen  oder 
nur  um  ein  Strukturverhältnis  der  organischen  Längswände  der  Pris- 
men.« Die  Resultate  seiner  optischen  Untersuchungen  »sprechen  so 
weit  es  sich  um  die  feineren  und  feinsten  Querstreifen  handelt,  ent- 
schieden für  die  letztere  Annahme,  obwohl  es  keinem  Zweifel  unter- 
worfen sein  kann,  daß  gewisse  dickere  Querlinien  in  der  Tat  organischen 
Querscheidewänden  entsprechen,  die  längere  Segmente  der  Prismen 
voneinander  trennen«  (vgl.  S.  14  u.  15). 

Selten  erscheinen  die  Querstreifen  geradlinig,  sondern  sie  sind 
meistens  etwas  gekrümmt,  so  daß  sie  in  der  Längsrichtung  der  einzelnen 
Prismen  ein  System  konzentrisch  aufeinanderfolgende  Kreise  dar- 
stellen, die  sich  im  Querschliff  durch  die  Schale  uns  natürlich  nur  in 
Gestalt  von  schwach  gekrümmten  Bogen  zeigen  (Fig.  14).  Diese 
Streifen  machen  schon  so  den  Eindruck,  als  ob  sie  den  umhüllenden 
Conchyolinmembranen  angehören  und  nicht  im  Innern  der  Prismen 
in  Form  von  organischen  Querscheidewänden  liegen.  Stellt  man  bei 
starker  Vergrößerung  den  Tubus  auf  den  mittleren  Teil  eines  Prismas 
ein,  d.  h.  auf  die  Stelle,  wo  sich  in  seinem  Innern  die  horizontale  und 
verticale  Achse  schneiden  würden,  so  sieht  man  an  dieser  Stelle 
die    Querlinien  sehr  undeutlich   oder   überhaupt   nicht,   während   die 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  387 


Streifen  in  der  Peripherie  des  Prismas  stets  deutlich  hervortreten. 
Diese  Beobachtung  macht  die  Ansicht  wahrscheinlicher,  daß  die  Quer- 
streifung  der  Prismen  durch  eine  Struktur,  in  Form  von  ringförmigen 
Verdickungen,   in   der  umhüllenden   Membran  hervorgerufen   wird. 

An  Querschnitten  durch  die  Schale,  die  nach  Heidenhain  gefärbt 
waren,  traten  die  Streifen  der  Prismenwände  deutlich  gefärbt  hervor, 
während  die  übrigen  Teile  der  die  Prismen  umgebenden  Membranen 
ungefärbt  blieben.  Weiter  konnte  man  sich  sehr  deutlich  von  den 
ringförmigen  Verdickungen  der  Prismenhüllen  überzeugen,  besonders 
an  den  Stellen,  wo  diese  im  Querschnitt  ge- 
troffen, knotenartige  Verdickungen  mit  den 
längs  getroffenen  Prismenwänden  bildeten. 

Nach  0.  Römer  entsteht  ähnlich  wie  bei 
Biedermann  die  verschiedene  Helligkeit  der 
Prismenteile  zwischen  den  einzelnen  Streifen 
dadurch,  »daß  diese  Querlinien  durch  Auf- 
einanderfolge von  Zonen  der  Prismensubstanz 
entstehen,  die  sich  durch  verschieden  helles 
Aussehen,  d.  h.  durch  etwas  verschiedenes 
Lichtbrechungsvermögen  voneinander  unter- 
scheiden. Zuweilen  liegt  zwischen  zwei  solchen 
Zonen  noch  eine  feine,  gleichsam  aus  dunklen 
Körnchen  zusammengesetzte  Grenzlinie«  (vgl. 
S.  441).  Diese  »Körnchen«  dürften  mit  den 
früher  von  Nathusius  v.  Königsborn  und 
Gümbel  erwähnten   Gebilden   identisch  sein. 

An  isolierten  Prismen  kann  man  gut  die 
feinsten  Strukturen  erkennen.  Die  Ränder  be- 
sitzen größere  und  weniger  tiefe  Kerben,  die 
den  ringförmigen  Verdickungen  der  umhül- 
lenden ^Membranen  entsprechen  (Fig.  15),  wie 
es  auch  Römer  schon  beobachtet  hat.     »Die 

Umrisse  der  Prismen  sind  nicht  immer  ganz  glatt,  sondern  sie  erscheinen 
wellig,  bisweilen  auch  zackig.  Wenn  dies  nicht  eine  Wirkung  der 
Kalilauge  sein  sollte  —  und  ich  habe  allen  Grund  künstliche  Verände- 
rungen an  diesen  Objekten  zu  bestreiten  —  so  darf  man  hier  wohl  an 
die  aufeinandergesetzten  Scheiben  bei  Margaritana  denken  und  an- 
nehmen, daß  die  welligen  Konturen  der  Anodonta-V rismen  auf  den 
gleichen  Bauverhältnissen  beruhen«  (vgl.  S.  442). 

In  Fig.  15  rv  sehen  wir  eine  Lücke,  die  vor  der  Behandlung  mit 


Fig.  15. 

Isolierte  Prismengrupne,  welche 
deutlich  die  Einschnürungen  zeigt 
(rv),  welche  durch  stärkere  ring- 
örmige  Verdickungen  der  Pris- 
menscheidewände hervorgerufen 
werden.     Vergr.  240  :  1. 


388  Richard  Raßbach, 

Kalilauge  von  Conchyolin  erfüllt  war,  und  hier  eine  der  besprochenen 
Verdickungen  mit  der  vertical  verlaufenden  Prismenhülle  gebildet 
hatte.  Würden  die  organischen  Massen  an  solchen  Stellen  quer  durch 
die  Prismen  hindurch  gehen,  so  könnten  Bilder,  wie  Fig.  15  eins  wieder- 
gibt, nicht  zustande  kommen.  Der  obere  Kopf  würde  sich  vollständig 
ablösen,  was  sich  jedoch  niemals  bei  diesen  häufig  anzutreffenden  Bil- 
dern isolierter  Prismen,  die  nur  mit  Kalilauge  behandelt  waren,  beob- 
achten ließ.  Gehen  diese  stärkere  Conckyolinstreifen  nicht  durch  die 
Prismen,  so  kann  man  wohl  außer  den  oben  schon  angeführten  Gründen 
annehmen,  daß  die  feineren  und  feinsten  Streifen  erst  recht  nicht  die 
Prismen  als  Querscheidewände  durchziehen.  Ein  Prisma  besteht  also 
in  seinem  Innern  nur  aus  einer  zusammengesetzten  Kalkmasse. 

Bei  Gelegenheit  ist  schon  darauf  hingewiesen  worden,  daß  die 
dickeren  Querstreifen  ihren  Ursprung  in  dem  äußeren  die  Schale  be- 
deckenden Periostracum  nehmen.  Sie  verlaufen  schräg  nach  unten 
in  das  Innere  der  Schale,  und  sie  werden  dabei  immer  dünner.  Für 
diese  Conchyolinstreifen  nimmt  Biedermann  an,  »daß  sie  tatsächlich 
organischen  Querscheiben  entsprechen.«  Dies  ist  wohl  nur  an  dem 
ganz  nahe  dem  äußeren  Periostracum,  das  die  Schale  überzieht,  ge- 
legenen Teile  der  Fall.  An  diesem  Ende  sehen  wir  junge  Prismen 
als  kleine  rundliche  helle  Stellen  in  dem  Conchyolin  liegen.  Wir  können 
aber  hier  nicht  sagen,  daß  die  durch  das  Periostracum  getrennten  Teile 
zueinandergehörige  Stücke  ein  und  desselben  Prismas  seien,  sondern 
in  einer  bestimmten  Zone  hörte  die  Bildung  der  Prismen  auf,  und 
es  erfolgte  eine  Ablagerung  von  Conchyolin,  in  der  die  darauf  folgenden 
Prismen  wieder  neu  angelegt  werden  mußten. 

An  solchen  stärkeren  Periostracummassen,  die  in  das  Innere  der 
Prismenschicht  einstreichen,  setzt  sich  oftmals,  wenn  die  Perlmutter- 
schicht erreicht  ist,  die  prismatische  Gliederung  in  das  Innere  der 
letzteren  fort,  hier  »eine  auskeilende  Prismenschicht«  bildend,  wie 
es  Biedermann  bezeichnet  hat  (Fig.  16  apr).  Ehe  der  Übergang  in 
die  Perlmutterschicht  stattfindet,  sehen  wir  schon  nach  dem  inneren 
Ende  der  Prismenschicht  eine  größere  Ablagerung  von  Conchyolin 
in  Gestalt  von  kleinen  Längssepten.  Dann  wird  die  Bildimg  derselben 
zahlreicher,  je  mehr  die  auskeilende  Prismenschicht  in  die  Peilmutter- 
schicht übergeht.  Gleichzeitig  werden  die  Septen  der  einzelnen  kleinen 
Prismen  immer  kleiner  und  undeutlicher  in  kleinen  körneligen  oder 
auch  klumpigen  Ansammlungen  von  Conchyolin  abgelagert,  die  schließ- 
lich, je  weiter  wir  sie  nach  dem  Innern  der  Perlmutter  verfolgen,  voll- 
ständig verschwinden. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Sckalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  389 

Nathusius  von  Königsborn  und  Biedermann  haben  an  Schliffen 
der  Schale  von  Meleagrina  festgestellt,  daß  sich  zwischen  den  Lamellen 
der  Prismen  Hohlräume  befinden,  und  zwar  beobachtete  letzterer, 
»daß  an  entkalkten  Querschliffen  unter  Glyzerin  beobachtet  die  Quer- 
streifen als  helle  Spalten  hervortreten,  und  ein  eventueller  Zweifel 
wird  dadurch  behoben,  daß  den  Spalten  entsprechend  an  zahlreichen 
Stellen  des  Präparates  eine  wirkliche  Trennung  der  Conchyolinhülse 
in  übereinanderliegende  ring-  oder  gürtelförmige  Segmente  erfolgt  ist.« 
»Es  scheint  dies  darauf  hinzuweisen,  daß  diese  ziemlich  gleich  breiten 
Streifen   schon   ursprünglich   ganz   voneinandergetrennte   Gürtel   dar- 


.■~»ci.=  ;  •  ■  ^ä'"')??!!'!?] 


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Fig.  16. 
Entkalkter  Querschliff  der  Schale  mit  auskeilender  Prismenlage  (apr).     Vergr.  108  :  1. 


stellen,  deren  schmale  Zwischenräume  sich  leicht  mit  Luft  füllen« 
(vgl.  S.  16).  Diese  Spalten  benachbarter  Prismenwände  stoßen  genau 
aufeinander  und  »daß  es  daher  auf  diese  Weise  zur  Entstehung  ganz 
schmaler  ringförmiger  Lücken,  Spalten,  innerhalb  der  gemeinsamen 
Zwischensubstanz  kommen  muß,  ist  nicht  zu  bezweifeln«  (vgl.  S.  17). 
»Neben  den  ringsum  laufenden  Spalten  finden  sich  in  den  organischen 
Prismenscheidewänden  bei  Meleagrina  an  vielen  Stellen  auch  runde 
lufterfüllte  Hohlräume  von  wechselnder  Größe,  welche  oft  sehr  dicht 
beisammen  stehen  und  dann  ganze  Strecken  der  Prismen  wie  punktiert 
erscheinen  lassen.« 

Solche  lufterfüllte  Hohlräume,  wie  eben  beschrieben,  ließen  sich 
an  der  Schale  von  Anodonta  niemals  feststellen.  Doch  an  vielen  Stellen 
von  Schliffpräparaten  lassen  sich  Bilder  beobachten,  die  lebhaft  an 


390 


Richard  Raßbach, 


die  zuletzt  besprochenen  von  Biedermann  gemachten  Angaben  er- 
innern. An  manchen  Prismen  bemerkt  man,  ähnlich  wie  dieser  in 
Fig.  8  seiner  Arbeit  es  abgebildet  hat,  kleine  rundliche  Gebilde  von 
wechselnder  Größe  und  gelblicher  Farbe.  Zeitweise  folgen  diese 
Körperchen  den  Linien,  die  durch  die  Querstreifung  der  Prismenum- 
hüllung hervorgebracht  werden;  sie  können  auch  durch  zahlreiches 
Auftreten  eine  Färbung  hervorrufen  (Fig.  17  cok).  Manchmal  findet 
man  sie  zu  zweien  oder  mehreren   verschmolzen.     Bei  sehr  starken 


cok 


Fig.  17. 

Querschliff  durch  die  Schale  mit  C'onchyolinkügelchen  (cok)  an  den  Prismenscheidewänden. 

Vergr.  240  :  1. 

Vergrößerungen  kann  man  stellenweise  eine  schwach  angedeutete 
konzentrische  Struktur  in  ihrem  Innern  erkennen,  die  es  ebenso  wie 
die  vorher  schon  erwähnte  Farbe  ausschließt,  daß  wir  es  hier  mit 
»lufterfüllten  Hohlräumchen«  zu  tun  haben.  Bei  hoher  Einstellung 
erscheinen  sie  dunkel,  bei  tiefer  Einstellung  hell  und  bei  größeren 
Exemplaren  erscheint  der  central  gelegene  Teil  lichtbrechend.  In 
ihrem  ganzen  Äußeren  erinnern  sie  an  die  früher  erwähnten  »matt 
bläulichen,  runden  Kügelchen«  von  F.  Müller. 

An  den  oberen  der  Schalenaußenfläche  zugewandten  Teilen  mancher 
Prismen  zeigen  sich  öfters  größere  Ansammlungen  solcher  gelber 
Kügelchen;  sie  nehmen  den  ganzen  oberen  abgerundeten  Teil  ein  und 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  .Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  391 


cok 


bestehen  augenscheinlich  aus  Conchyolinsubstanz  (Fig.  18  cok).  In 
ihrer  Gesamtheit  rufen  sie  eine  gelbe  bis  braune  Färbung  hervor.  Ferner 
erkennt  man  an  solchen  isolierten  Prismen,  daß  die  zerstreut  liegenden 
gelben  Kügelchen  sich  nicht  in  ihrem  Innern,  sondern  außen  auf  den 
Prismenscheidewänden  befinden,  besonders  gilt  dies  für  die  Conchyolin- 
körperchen,  die  gerade  an  dem  Rande  liegen  und  dort  im  Profil  erschei- 
nen. An  entkalkten  Schliffen  waren  diese  Gebilde  viel  seltener  zu  sehen 
und  zwar,  wohl  nur  aus  dem  Grunde,  weil  sie  sich  nicht  genügend  von 
dem  übrigen  Conchyolin  abhoben.  Die  gelben 
Küoelchen  sind  wohl  mit  den  oben  erwähnten 
Hohlräumchen  von  Nathusius  von  Königsborn 
und  den  Grübchen  von  v.  Gümbel  identisch, 
die  ja  allerdings  bei  ihnen  an  den  quer  durch 
die  Prismen  laufenden  Membranen  zu  finden 
sein  sollen.  Wahrscheinlich  sind  diese  Gebilde 
an  schräg  stehenden  Prismenwänden  von  sich 
zuspitzenden  Prismen  von  der  Aufsicht  aus 
beobachtet  worden,  oder  von  v.  Gümbel  bei 
einem  entkalkten  Schliff,  dessen  Prismenhüllen 
zum  Teil  umgelegt  waren,  und  sich  dem  Be- 
schauer dann  in  der  Flächenansicht  gezeigt 
haben.  Auch  0.  Römer  hat  an  den  Prismen- 
kuppen solche  Gebilde  gefunden,  die  er  folgender- 
maßen   beschreibt :     »  Das 

Ende  der   Prismen  ist  bisweilen  braun  gefärbt, 
was    von    anhaftendem    Conchyolin    herrühren 

dürfte.  Dieser  gefärbte  Teil  geht  manchmal  ganz  allmählich  in  den 
ungefärbten  über,  manchmal  ist  er  scharf  abgesetzt,  zuweilen  derart, 
daß  eine  kleine  braune  Scheibe  sich  durch  eine  scharfe  Einschnürung 
von  der  ungefärbten  Substanz  abhebt«  (vgl.  S.  442). 

Außer  den  eben  beschriebenen  gelben  Conchyolinkügelchen  fanden 
sich  an  manchen  isolierten  Prismen,  ebenfalls  auf  der  Außenfläche, 
die  Gebilde,  die  früher  als  »globules  jaunätres«  beschrieben  worden 
sind  (Fig.  19  gl).  Wir  finden  hier  wieder  einen  centralen  Teil,  der  bei 
gewisser  Einstellung  deutlich  hervortritt,  ferner  ließ  sich  bei  hoher 
Einstellung  auch  der  helle  Saum  beobachten.  Diese  Gebilde  zeigen 
sich  an  den  Prismen  viel  deutlicher,  da  sie  sich  von  dem  hellen  Unter- 
grund besser  abheben. 

Zu  erwähnen  ist  schließlich  noch  eine  längsstreifige  Struktur  der 
Prismen,  die  an  Schliffen  zurücktritt,  aber  an  isolierten  Prismen  recht 


Fig.  18. 

Isoliertes  Prisma,  dem  Con- 
chyolinkügelchen    (cok)     an 
abgerundete     äußere    <lem  der  Schalenaußenfläche 
zugewandten     Ende    auflie- 
gen.    Vergr.  520  :  1. 


392 


Richard  Raßbach, 


.?'- 


deutlich  zu  sehen  ist  (Fig.  13,  15,  18,  19).  Diese  Längsstreifung  ver- 
läuft nicht  parallel  der  verticalen  Prismenachse,  sondern  etwas  gegen 
dieselbe  geneigt.  Diese  Struktur  dürfte  wohl  dem  Innern  der  Prismen 
angehören.  Die  Bedeutung  dieser  Längsstreifung  werden  wir  besser 
erst  später  nach  der  Besprechung  der  Bildimgsweise  der  Prismen  ver- 
stehen, wonach  diese  in  der  Längsrichtung  verlaufende  Linien  als 
sphärokristallinische   Strukturen  aufzufassen  sind. 

Im  allgemeinen  kann  man  eine  Grenze  zwischen  Prismen-  und 
Perlmutterschicht  an  solchen  Stellen  der  Schale  unterscheiden,  wo  die 

Elemente  der  Prismenschicht  senkrecht  auf 
den  Lamellen  der  Perlmutterschicht  stehen 
(Fig.  14,  16,  17).  An  andern  Stellen  jedoch, 
vor  allen  Dingen  am  Schalenrand  scheinen 
die  Perlmutterlamellen  in  die  Querstreifen 
der  Prismen  überzugehen  (Fig.  24  a),  wie  wir 
schon  früher  festgestellt  haben.  Eine  Grenze 
zwischen  den  beiden  Schichten  wird,  wie  man 
sich  an  entkalkten  Schliffen  leicht  überzeugen 
kann  (Fig.  16),  dadurch  hervorgerufen,  daß 
die  umhüllenden  Membranen  der  Prismen 
ziemlich  scharf  konturiert  mit  einer  sanft 
nach  unten  gewölbten  Linie  aufhören,  die 
manchmal  mit  kleinen  Conchyolinkügelchen 
besetzt  ist,  wodurch  die  Deutlichkeit  der 
Fig-  19-  Begrenzungslinie  erhöht  wird.     Unter  isolier- 

isoliertes Prisma,  auf  dessen  ^  SchalenteiIen  fand(?n  sich  auch  Stücke  der 
Oberfläche  ConcnyoJinkugelcneii 

(cok)  und  größere,  strukturierte  Perlmutterschicht ,  die  von  der  Fläche  ge- 
Körperchen  (,/)  (giobu.es  jau-   flehen  die  Grenzschic]lt  zwiscüen  den  beiden 

natres)  liegen.     \  ergr.  o20  :  1. 

genannten  Schalenschichten  erkennen  ließen. 
Man  sieht  hieran  deutlich  (Fig.  20),  daß  auch  die  inneren  Enden  der 
Prismen  sanft  abgerundet  sind  und  in  der  Perlmutterschicht  in  ent- 
sprechenden Aushöhlungen  sitzen.  Die  breiteren  dunkleren  Begren- 
zungen dieser  Löcher  stellen  die  dem  Beschauer  näher  gelegenen  Perl- 
mutterteile dar,  welche  sich  an  den  Stellen  befinden,  wo  jedesmal 
Prismenränder  zusammenstoßen. 

Nach  Biedermann  sieht  man  »an  manchen  Stellen  von  Quer- 
schliffen durch  die  Schale,  welche  es  gestatten,  die  Grenzebene  zwischen 
Prismen-  und  Perlmutterschicht  zu  überblicken,  daß  dort  die  Konturen 
der  Prismen  wie  mit  dunklen  Knötchen  besetzt  erscheinen,  welche, 
wie  ein  Querschliff  lehrt,  als  optische  Querschnitte  kurzer  Stäbchen- 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  393 


Fig.  20. 
Grenzschicht    zwischen    Prismen- 
i im  1     Perlmutterschicht    von    der 

Fläche  gesehen.    Vergr.  160  :  1. 


förmiger  Fortsätze  anzusehen  sind,  mittels  deren  einzelne  Prismen 
sozusagen  in  der  Perlmuttersubstanz  wurzeln.  Auch  bei  Meleagrina 
sind  derartige,  aus  organischer  Substanz 
bestehende  »Füßchen «  der  Prismen  von 
Nathusius  von  Königsborn  beschrieben 
und  abgebildet  worden.  Besonders  mächtig 
entwickelt  fand  ich  sie  an  Stellen,  wo 
Prismenlagen  in  der  Perlmutterschicht  aus- 
keilen« (vgl.  S.  23  u.  24). 

Ein    Querschliff    durch    die     Prismen- 
schicht zeigt  uns  ihre  bekannte  polygonale 
Felderung  (Fig.  21).    Die  einzelnen  Prismen- 
querschnitte    erscheinen    in    verschiedenen 
Färbungen,    gelb    bis    braun,    ferner   weiß 
durch   mehrere  Schattierungen  bis  zu  voll- 
ständigem Schwarz.      Nach  Rose  sind  diese 
schwarzen   Prismen  hohl  und   mit  Luft   ge- 
füllt, während  nach  Villepoix   die  dunkle 
Färbung  der  Prismen  durch 
Ablagerung    von     Pigment 
zwischen  je  zwei  Querstreifen 
hervorgerufen    werden    soll. 
Nach  Biedermann  läßt  sich 
endlich  zeigen,  »daß  an  den 
kleinen    grauen   bis  schwar- 
zen   Prismen    der    äußeren 
Schalenlage    von    Anodonta, 
unmittelbar  unter  der  Cuti- 
cula,  die  Pigmentierimg  teils 
der  Kalkmasse  der  Prismen, 
teils    aber    auch    der    orga- 
nischen      Zwischensubstanz 
zukommt.   Man  findet  näm- 
lich auch  nach  Entfernung  Fig.  21. 

des  Kalkes   die  bleichen  Ver-     Querschliff  durch  die  Prismenschicht,   welche  verschie- 
&  den  helle  (auch  gefärbte)  Prismenquerschnitte  zeigt. 

schiedenheiten  der  Helligkeit  Vergr.  368  :  l. 

der  Prismen  erhalten,  aller- 
dings   aber    in    wesentlich    geringerer    Schärfe    ausgeprägt.       Es    ist 
dies     zugleich    ein    weiterer     und     ganz     schlagender     Beweis,     daß 
die    »black   cells«  (von  Rose),    wenigstens  in  dem  eben  erwähnten 


-pei 


394 


Richard  Raßbach, 


Falle,  nicht  durch  lufthaltige  Räume  erzeugt  werden.  Ähnlich 
wird  es  sich  wohl  auch  bei  den  in  verschiedenen  Nuancen  gelb- 
lich bis  braun  gefärbten  Prismen  verhalten,  welche  sich  allent- 
halben bei  Anodonta  finden.  Sehr  häufig  erscheint  hier  die  Schale 
bei  jüngeren  Exemplaren  schön  flaschengrün  gefärbt.  Nach  Ent- 
kalkung findet  man  in  jedem  solchen  Falle  nicht  nur  den  äußersten 
Überzug  der  Schale  (das  Periostracum),  sondern  auch  die  Scheide- 
wände der  Prismen  in  gleicher  Weise  schön  gefärbt,  so  daß  die  Ge- 
samtfärbung hier  sicher  nicht  auf  eine  Pigmentierung  der  Prismen 
selbst,  sondern  lediglich  auf  eine  solche  der  Zwischensubstanz  zu  be- 
ziehen ist«  (vgl.  S.  19).  Diese  Ansicht  Bieder- 
manns läßt  sich  nur  teilweise  bestätigen,  da  nur 
ein  geringer  Teil  der  Prismen  in  derselben  Farbe  er- 
scheint, welche  ihre  umhüllende  Conchyolinmembran 
besitzt.  Wie  aIoynier  de  Villepoix  beschreibt, 
läßt  sich  beobachten,  daß  die  Färbung  von  Prismen 
vielfach  auch  auf  Pigment  beruht,  das  im  Innern 
der  Prismen  eingelagert  ist  (Fig.  22).  0.  Römer 
bezweifelt  das  Vorhandensein  von  solchem  in  der 
Kalkmasse  der  Prismen.  »Zuweilen  liegt  zwischen 
zwei  Zonen  noch  eine  feine,  gleichsam  aus  dunklen 
Körnchen  zusammengesetzte  Grenzlinie.  Daß  diese 
nicht,  wie  es  von  Villepoix  angenommen  wurde, 
von  eingelagerten  Pigmentkörnchen  herrührt«,  er- 
gibt sich  für  Römer  daraus,  »daß  da,  wo  die 
seinem  Innern  Pigment  feinen  Längs-  und  Querlinien  (von  Römers  Alveo- 
16q*.'j  e"  larstruktur  der  Prismen  herrührend)  sich  schneiden 
bzw.  verbunden  sind,  sehr  oft  dunkle  Punkte 
hervortreten,  die  also  als  Knotenpunkte  der  Maschen  erscheinen, 
und  diese  sind  offenbar  das,  was  Villepoix  für  Pigmentkörnchenreihen 
gehalten  hat«  (vgl.  S.  441  u.  442).  Dieser  Erklärung  kann  man  kaum 
beistimmen,  da  die  Pigmentschichten  von  isolierten  Prismen  schon 
bei  schwacher  Vergrößerung  deutlich  zu  sehen  sind,  während  Römer 
seine  Beobachtungen  mit  den  stärksten  uns  zur  Verfügung  stehenden 
Systemen  gemacht  hat.  Daß  dieser  auch  Pigment  in  den  Prismen 
gesehen  hat,  ohne  weiter  darauf  zu  achten,  läßt  sich  seiner  Beschrei- 
bung auf  S.  442  entnehmen :  »Der  gefärbte  Teil  der  Prismen  geht  manch- 
mal ganz  allmählich  in  den  ungefärbten  über,  manchmal  ist  er  scharf 
abgesetzt,  zuweilen  derart,  daß  eine  kleine  braune  Scheibe  sich  durch 
eine  scharfe   Einschnürung   von  der   ungefärbten   Substanz   abhebt.« 


Fig.  22. 

Isoliertes  Prisma    <l  i 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  395 

Diese    »braune  Scheibe«  kann  man  sich  wohl  kaum  vorstellen,  ohne 
daß  sie  das  betreffende  Prisma  durchsetzt. 

Das  Pigment  liegt  in  Form  von  kleinen  dunkelgelb  bis  schwarz- 
braunen Körnchen  in  der  Kalkmasse  der  Prismen  (Fig.  22  fi).  Es 
liegt  meistens  nicht  zerstreut,  sondern  in  Eeihen  bzw.  Schichten,  die 
der  Querstreifung  der  Prismen  parallel  laufen,  und  gewöhnlich  in  dem 
der  Schalenoberfläche  zugewandten  Teil  derselben.  Daß  sich  solches 
Pigment  im  Innern  der  Prismen  befindet,  beweist  folgender  Umstand. 
Wie  wir  aus  Fig.  22  ersehen,  reicht  das  Pigment  fast  niemals  vollständig 
bis  zum  Prismenrand;  es  findet  sich  daher  dort  ein  heller  Raum.  Be- 
fände sich  das  Pigment  auf  der  Außenfläche  der  Prismen,  wie  die  früher 
erwähnten  Conchyolinkügelchen,  so  müßte  man  auch  Bilder  erhalten, 
bei  denen  das  Pigment  nur  die  eine  Seite  bedeckte,  während  die  andre 
vollständig  pigmentfrei  wäre.  Ein  solches  Verhalten  war  aber  niemals 
zu  beobachten,  sondern  stets  befindet  sich  das  Pigment  in  einem  ge- 
wissen Abstand  von  dem  Prismenrand,  woraus  sich  sein  Vorhanden- 
sein central  im  Innern  der  betreffenden  Prismen  gelegen  ergibt. 

Eine  weitere  Ursache,  welche  Färbungen  von  Prismen  hervorruft, 
beruht  auf  den  oben  erwähnten  gelbbraunen  Conchyolinkügelchen, 
die  sich  auf  der  Außenseite  mancher  Prismenkuppen  anhäufen. 

Diese  beiden,  vorzüglich  in  den  der  Schalenoberfläche  zugewandten 
Teilen  der  Prismen  sich  befindlichen  Färbungen,  bringen  es  auch  mit 
sich,  daß  man  an  Flächenschliffen  durch  tiefer  gelegene  Regionen 
der  Prismenschicht  weniger  farbige  Prismenquerschnitte  antrifft  als 
an  Schliffen,   die  näher  dem   Periostracum  zu  hergestellt  sind. 

Das  graue  bis  schwarze  Aussehen  mancher  Prismen,  im  Querschliff 
gesehen,  hat  seine  Ursache  in  der  verschiedenen  Art  und  Weise,  wie 
das  Licht  beim  Durchgang  durch  den  Schliff  reflektiert  wird,  wie  dies 
Bütschli  einmal  kurz  angedeutet  hat.  Eine  solche  Lichtreflektion 
findet  an  den  schräg  stehenden  Wänden  der  nach  unten  spitz  zu- 
laufenden Prismen  statt,  wodurch  die  dunklen  Prismenquerschnitte 
hervorgerufen  werden. 

Die  Ansicht  von  Rose,  daß  die  schwarzen  Prismen  hohl  und  mit 
Luft  gefüllt  sind,  ist  außer  dem  von  Biedermann  angegebenen  Grunde, 
auch  deswegen  nicht  zu  halten,  weil  man  bei  gewisser  Beleuchtung 
die  Dunkelheit  zum  Verschwinden  bringen  kann.  Ferner  ergeben  die 
genannten  Prismen  bei  Beobachtung  im  polarisierten  Licht  mit  ge- 
kreuzten Nikols,  wie  alle  andern  Polygone,  denselben  Charakter  der 
Doppelbrechung,  ein  weiterer  Beweis,  daß  in  ihrem  Innern  Kalkspat 
vorhanden  ist. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  26 


396  Richard  Raßbach, 

Die  Dunkelheit  der  Prismenquerschnitte  ist  auf  folgende  Ur- 
sachen zurückzuführen.  Erstens  werden,  und  dies  wohl  in  geringerem 
Maße,  die  schräg  nach  unten  laufenden  Conchyolinhüllen  der  sich 
zuspitzenden  Prismen  vermöge  ihrer  geringeren  Durchsichtigkeit  als 
der  Kalk,  die  Ansicht  von  oben  verdunkeln.  Zweitens  wird  zum  größten 
Teil  an  den  Wänden  der  genannten  Prismen  das  Licht  reflektiert. 
Daß  die  dunklen  Polygone  in  Querschliffen  von  den  spitz  zulaufenden 
Prismen  herrühren,  beweisen  die  zwei  folgenden  Tatsachen.  An  ent- 
kalkten Prismenquerschliffen  bemerkt  man,  wie  auch  schon  Bieder- 
mann festgestellt  hat,  daß  auch  jetzt  noch  manche  Polygone  etwas 
dunkler  erscheinen  als  die  umgebenden,  und  zwar  hier  aber  in  weit 
geringerem  Maße  wie  bei  unentkalkten  Schliffen.  Doch  dürfte  hierbei 
die  Dunkelheit,  nicht  wie  Biedermann  annimmt,  auf  die  Farbe  der 
umhüllenden  organischen  Membranen  zurückzuführen  sein,  sondern 
darauf,  daß  durch  die  schiefstehenden  Conchyolinhüllen  nicht  sovM 
Licht  dringt,  wie  bei  den  geraden  Prismen,  bei  denen  die  Lichtstrahlen 
parallel  ihren  Wänden  hindurchgehen.  Stellt  man  auf  ein  solches 
dunkleres  Polygon  eines  entkalkten  Schliffes  ein  und  geht  man  mit 
dem  Tubus  allmählich  tiefer,  so  bemerkt  man  im  Innern  des  Polygons 
eine  drei-  bis  mehrstrahlige  Figur,  je  nachdem  das  spitz  endigende 
Prisma  Seiten  hat.  Die  einzelnen  Strahlen  entsprechen  den  Kanten 
der  zusammenstoßenden  Prismenwände  in  der  horizontalen  Projektion 
gesehen. 

Legt  man  einen  Flächenschliff  durch  die  Schale  nahe  deren  Ober- 
fläche, dicht  unter  das  Periostracum,  so  sieht  man  die  schwarz  aus- 
sehenden Polygone  im  Gesichtsfeld  in  einer  gewissen  Anzahl  und  Größe. 
Auf  einem  Schliff  durch  dieselbe  Wachstumszone,  d.  h.  aus  der  Region 
desselben  Anwachsstreifens,  aber  tiefer  näher  der  Perlmutterschicht 
durch  die  Prismenlage  gelegt,  sieht  man  bei  derselben  Vergrößerung 
eine  viel  geringere  Anzahl  schwarzer  Polygone,  die  auch  den  vorigen 
gegenüber  an  Größe  eingebüßt  haben.  Diese  Beobachtung  erklärt  sich 
aus  der  früher  erwähnten  Tatsache,  daß  die  Prismen  im  allgemeinen 
nach  der  Perlmutterschicht  zu  an  Dicke  zunehmen  und  daß  gleich- 
zeitig die  pyramidenförmigen  mit  der  Spitze  nach  dieser  Seite  gerich- 
teten Prismen  in  derselben  Richtung  an  Größe  abnehmen  und  mehr 
oder  weniger  tief  in  der  Prismenschicht  endigen.  Diese  pyramiden- 
förmigen Prismen  werden  bei  dem  tiefer  gelegten  Schliff  entweder  gar 
nicht  mehr  getroffen,  da  sie  nicht  so  tief  in  die  Prismenschicht  hinein- 
reichen, oder  es  wird  nur  noch  der  am  weitesten  nach  der  Perlmutter- 
schicht zu  reichende  spitze  Teil  der  Prismen  angeschliffen,  der  natür- 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.   397 

lieh  einen  viel  kleineren  Umfang  besitzt  als  die  Stellen,  welche  der 
Schalenoberfläche  näher  gelegen  sind.  Diese  Beobachtungen  zeigen 
ebenfalls,  daß  die  im  Querschliff  dunkel  aussehenden  Polygone  den 
Querschnitten  der  spitz  zulaufenden   Prismen  entsprechen. 

öfters  kann  man  beobachten,  daß  die  schwarzen  Polygone  an 
ihrem  Rande  dunkler  erscheinen  als  in  der  Mitte.  Dies  wird  wohl 
dadurch  hervorgerufen,  daß  durch  die  Seitenwände  kein  Licht  gelangt, 
während  durch  die  Spitze  noch  einige  in  dem  Prisma  central  gelegene 
Strahlen  gehen  können. 

Bei  abgeblendetem  Licht  kann  man  die  dunklen  Prismen  hell 
erscheinen  lassen,  dadurch  daß  das  von  oben  seitlich  auf  den  Objekt- 
tisch fallende  Licht  von  den  schief  stehenden  Pyramiden  wänden  jetzt 
nach  dem  Auge  durch  den  Tubus  reflektiert  wird.  Ferner  erscheinen 
die  dunklen  Prismen  heller  als  die  Umgebung,  wenn  wir  einen  Schliff 
umdrehen,  also  nicht  von  der  Außenseite,  sondern  von  der  Innenseite 
betrachten,  so  daß  der  spitz  zulaufende  Teil  dem  Beobachter  zuge- 
wandt ist.  Bei  dieser  Betrachtung  wird  das  von  dem  Mikroskopspiegel 
kommende  Licht  ebenfalls  von  den  schief  stehenden  Prismenwänden 
reflektiert,  aber  in  diesem  Falle  nach  dem  Innern  des  Prismas,  das 
dadurch  hell  erscheint,  während  die  angrenzenden  Prismenquerschnitte 
jetzt  dunkel  aussehen.  An  den  Rändern  dieser  letzteren  ist  die  Dunkel- 
heit am  stärksten,  da  an  den  dort  befindlichen  Wänden,  die  gleich- 
zeitig die  Umgrenzung  des  jetzt  hell  aussehenden  Prismas  bilden,  das 
Licht  in  dasselbe  hinein  reflektiert  wurde.  Wir  können  nun  in  dieser 
Ansicht  die  dunkel  aussehenden  Prismen  als  Pyramiden  auffassen, 
die  nur  zum  Teil  dunkel  erscheinen,  da  ja  auch  nur  die  Partie  der 
Prismenwände,  welche  dem  jetzt  heller  erscheinenden  Querschnitt  zu 
liegt,  schräg  verläuft.  Auch  von  dieser  Seite  betrachtet,  sehen  wir 
viele  Nuancen  von  weiß  bis  schwarz,  nur  daß  man  jedes  Prisma  in 
dem  gerade  entgegengesetzten  Farbenton  sieht,  als  sie  von  der  Schalen- 
oberseite betrachtet,  besitzen.  Die  Abstufungen  der  verschiedenen 
Helle  und  Dunkelheit  werden  wohl  dadurch  hervorgerufen,  daß  die 
Licht  reflektierenden  Prismenwände  mehr  oder  weniger  geneigt  gegen 
die  Horizontale  des  Schliffes  stehen.  Hierdurch  ist  auch,  wie  schon 
oben  angedeutet,  die  Möglichkeit  gegeben,  daß  ein  Prisma,  dessen 
Wände  oder  nur  ein  Teil  derselben  etwas  geneigt  sind  gegen  die  Rich- 
tung der  von  unten  senkrecht  einfallenden  Lichtstrahlen,  einen  dunk- 
leren Eindruck  machen  kann.  Vor  allen  Dingen  aber  steht  fest,  daß 
die  Pyramidenformen  der  Prismenschicht  das  Hauptkontingent  der 
dunkel  erscheinenden  Polygone  im  Querschliff  durch  die  Prismenlage 

26* 


398  Richard  Raßbach, 

stellen.  Die  besonders  am  Schalenrande  in  sehr  großer  Zahl  auftretenden 
schwarzen  Prismen  rühren  wohl  daher,  daß  gerade  hier,  wo  durch  die 
aufgelagerten  Perlmutterlamellen  nach  der  Innenseite  der  Schale  zu 
ein  schnelles  einseitiges  Dickenwachstum  eintritt,  sehr  schwer  Schliffe 

herzustellen  sind,  die  genau  senk- 
recht zu  den  verticalen  Prismen- 
achsengeführt  sind.  Um  das  Ge- 
sagte nochmals  zusammenzufassen, 
kann  man  sagen,  daß  die  verschie- 
denen Färbungen  der  Prismen  durch 
die  vier  folgenden  Ursachen  bedingt 
werden,    1)   durch    Lichtreflektion, 

2)  durch     eingelagertes     Pigment, 

3)  durch  Conchyolinkügelchen,  wel- 
che an  der  Außenseite  der  Prismen 
sitzen,  4)  durch  die  umhüllende 
Conchyolinmembran . 

An  Totalpräparaten  von  Schalen- 
rändern,   die    eine    solche    Dünne 
haben,  daß  sie  einer  direkten  Beob- 
hV/^vl^^^^S^         achtung  zugänglich  sind,  kann  man 
-^n$*  ftifc$>,   >Si  f^"^^ >)rO  *°         nach  Biedekmann  folgendes  beob- 
k^^^fel^l^^         achten.      »Man   bemerkt    bei    Be- 
^^^r^^^-^^^t^^S-        trachtung    des   Schalenrandes    von 
1^sV-^^*7(n (^  cs~^y^>         innen  her  in  sehr  vielen,  man  kann 
^^^^äcl^J^S*         sagen    vielleicht    in    der    Mehrzahl 
i-tk^ffe^^V^T^^?         der  Fälle,  dicht  unter  den  jüngsten 

Perlmutterschichten  ein  System 
dunkler,  mäandrischer  Linien  von 
ziemlicher  Breite  und  dunkler  Fär- 
bung. So  ohne  weiteres  ist  es  nicht 
ganz  leicht,  sich  über  die  wirkliche 
Lage  derselben  zu  orientieren,  und 
£•  man    könnte    sie    bei    Anwendung 

~~ier  auskeilenden  Prismenlage.        ,      ..    ,  „.  , 

vergr.  204 :  i.  schwächerer    Systeme    ebenso    gut 

über  wie  unter  der  dünnen  und 
durchsichtigen  Perlmutterlage  befindlich  ansehen.  Bei  stärkerer 
Vergrößerung  freilich  überzeugt  man  sich  sofort,  daß  es  sich  im 
gegebenen  Falle  um  eine  besondere  Struktur  der  Prismenschicht 
handelt.«     »Man  sieht,  wie  sich  das   gewöhnliche  Bild   der   Prismen- 


Flächenansicht  einer  auskeilenden  Prismenlage. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  399 

querschnitte  vom  Rande  her  nach  innen  in  höchst  charakteristi- 
scher Weise  verändert  (Fig.  23).  Es  handelt  sich  dabei  vor  allem 
darum,  daß  die  Kalkmasse  der  Prismen  in  immer  reichlicherem  Maße 
von  organischer  Substanz  durchsetzt  wird.  Zunächst  entwickeln 
sich  nur  von  einer  oder  wenigen  Stellen  der  Peripherie  dünne  Septen, 
oder  es  bildet  sich  ein  organischer  Achsenstrang.  Indem  weiterhin 
derartige  Bildungen  reichlicher  auftreten,  verlieren  die  Prismen  schließ- 
lich vollständig  ihren  einheitlichen  individuellen  Charakter  und  er- 
scheinen aufgelöst  in  ein  System  gefalteter  Kalklamellen,  deren  Quer- 
schnitt ein  Bild  liefert,  welches  im  kleinen  lebhaft  an  die  gefaltete 
Oberfläche  des  Großhirns  erinnert,  wobei  die  Furchen  der  organischen 
Zwischensubstanz,  die  Windungen  aber  der  Kalkmasse  entsprechen« 
(vgl.  S.  22  u.  23).  Der  Beschreibung  dieser  Strukturen  an  und  für 
sich  ist  kaum  etwas  hinzuzufügen.  Doch  der  Erklärung,  daß  es  sich 
um  eine  besondere  Struktur  der  Prismenschicht  handle,  deren  Kalk- 
masse immer  mehr  mit  organischer  Substanz  durchsetzt  wird,  kann 
man  nicht  beistimmen.  Wie  oben  schon  klar  gelegt  wurde,  besitzen  die 
Prismen  in  ihrem  Innern,  außer  Pigment,  keine  organische  Substanz. 
Es  handelt  sich  hierbei  nur,  wie  Biedekmann  später  auch  bemerkt, 
um  auskeilende  Prismenschichten  von  der  Fläche  gesehen,  wie  wir 
solche  in  (Fig.  16  apr)  im  Querschnitte  beschrieben  haben. 

Die  Perlmutterschicht. 

Der  äußerste  Rand  der  Schale  wird  vom  Periostracum  gebildet, 
dem  von  innen  her  die  Prismen  angelagert  sind.  Diese  beiden  Schichten 
bilden  in  einer  schmalen  Zone  allein  den  Schalenrand  (Fig.  24).  In  einiger 
Entfernung,  die  je  nach  dem  Alter  der  Tiere  etwa  0,5 — 3  mm  beträgt, 
werden  dann  der  Prismenschicht  die  Perlmutterlamellen  angefügt. 
An  einem  Querschliff  durch  eine  ganze  Schalenhälfte  läßt  sich  erkennen, 
daß  die  Dicke  der  Perlmutterschicht  von  dem  Rücken  nach  dem 
Schalenrande  immer  mehr  abnimmt,  um  kurz  vor  seinem  freien  Ende 
ganz  aufzuhören.  Die  beiden  Figuren  24  und  24a  stellen  die  beiden 
äußersten  Enden  eines  solchen  Querschliffes  dar;  sie  zeigen  uns  die 
Stärkeverhältnisse  der  einzelnen  Schalenschichten  an  verschiedenen 
Regionen.  Weiter  erkennt  man,  daß  die  Perlmutterschicht  da  am 
dicksten  ist,  wo  die  Prismenlage  ihre  geringste  Stärke  im  Querschliff 
zeigt  (Fig.  24a).  In  dieser  gegen  den  Wirbel  zu  gelegenen  Partie  wurden 
die  Prismen  von  dem  Mantelrand  des  Tieres  gebildet,  als  es  sich  in 
noch  jugendlichen  Stadien  befand,  während  die  Perlmutterschicht 
dieser  Gegend  stets  durch  Anlagerung  von  neuem  Material  auch  in 


400 


Richard  Raßbach, 


älteren  Stadien  verdickt  wird.  Die  Stärke  des  Periostracums  verhält 
sich  ebenfalls  wie  die  der  Prismen,  sodaß  wir  nach  dem  Umbo  hin 
eine  viel  dünnere  organische  Schicht  vorfinden  als  am  Schalenrande. 
Hieraus  erklärt  sich  auch  die  leichtere  Zerstörbarkeit  des  Periostracums 
in  der  Wirbelgegend,  so  daß  wir  sehr  selten  ältere  Schalen  finden,  die 
dort  ihren  ursprünglichen  organischen   Überzug  noch  besitzen. 

Die  Perlmutterschicht  ist  in  ihrem  äußeren  Aussehen  und  in  ihrem 
Bau  sehr  verschieden  von  der  Prismenschicht.  In  einem  Querschliff 
erkennt  man  eine  feine  lamelläre  Schichtung,  die  der  inneren  Schalen- 
fläche parallel  läuft.     Diese  Lamellen  gehen   allmählich  in  die  Quer- 


■  pr 

pm 


Fig.  24. 
Die  beiden  äußersten  Enden  ein  und  desselben  Querschliffs  durch  eine  Schalenhälfte,  welche  die 
ungleiche  Stärke  der  einzelnen  Schalenschichten  in  den  verschiedenen  Wachstumsregionen  zeigt. 

Vergr.  26  :  L. 

streifung  der  Prismen  über,  was  besonders  gut  am  Schalenrande  zu 
beobachten  ist  (Fig.  24).  Die  Perlmutterschicht  besitzt  zarte  Conchyo- 
linmembranen,  die  der  lamellären  Struktur  entsprechen.  Zum  Unter- 
schied aller  übrigen  organischen  Bestandteile  der  Schale  färben  sich  die 
äußerst  feinen  Häute  der  Perlmutterschicht  mit  Hämatoxylin  blau. 
Zwischen  den  Lamellen  findet  sich  Kalk  eingelagert,  der  sich  nach 
Moynier  de  Villepoix  dort  amorph  vorfinden  soll,  während  andre 
Autoren,  wie  G.  Rose,  annehmen,  daß  er  kristallinisch  ist.  Außer 
dieser  lamellären  Anordnung  bemerkt  man  an  Querschliffen  eine  zweite 
Streifung,  die  allerdings  nicht  ganz  so  deutlich  hervortritt  und  die 
in  einem  Winkel  von  etwa  45°  gegen  die  erste  Streif ung  verläuft.  Wenn 
eine  der  Schaleninnenfläche  parallele  Lamelle  den  einen  Schenkel 
des  Winkels  bildet,  so  liegt  der  andre  dem  Wirbel  der  Schale  zugeneigt, 
so  daß  die  zweite  Streif  ung  von  der  Außenseite  der  Schale  schräg  nach 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  401 

der  Innenfläche  der  Perlmutter  zu  verläuft  (Fig.  14).  Diese  Struktur 
ist  schon  von  Nathusius  von  Königsborn  und  später  noch  von  andern 
Autoren  gesehen  worden,  während  sie  Biedermann  merkwürdigerweise 
gerade  bei  Anodonta  nicht  feststellen  konnte. 

An  manchen  Stellen  von  Querschliffen  reichen  Periostracum- 
schichten  mit  ansetzenden  Prismenlagen  bis  in  die  Perlmutterlamellen 
hinein;  wir  haben  diese  als  »auskeilende  Prismenschichten«  kennen 
gelernt.  Ferner  finden  sich  parallel  zur  Innenfläche  der  Schale  zwischen 
Perlmutterlamellen  die  von  Tullberg  benannten  »braunen  Schichten«, 
die  aus  Periostracumsubstanz  bestehen.  Diese  kann  man  auf  weite 
Strecken  von  dem  Ligament  bis  zum  Schalenrand  hin  verfolgen  (Fig.  42, 
64).  Nach  diesem  Befund  spricht  schon  Tullberg  den  Gedanken  aus, 
daß  die  Manteloberfläche  imstande  ist,  verschiedene  Schalenschichten 
zu  bilden. 

Die  Ansicht  eines  Perlmutterquerschliffes  beschreibt  Ehrenbaum 
folgendermaßen  (S.  11):  »Man  bemerkt  hier  regelmäßig  als  Ausdruck 
einer  lamellären  Schichtung  Systeme  von  äußerst  zahlreichen,  fast 
ganz  gerade  und  parallel  miteinander  verlaufenden  Linien,  die  bei 
ihren  geringen  Abständen  voneinander  oft  eine  solche  Feinheit  zeigen, 
daß  sie  jeder  Wiedergabe  durch  die  Zeichnung  zu  spotten  scheinen.« 
Stellenweise  sind  diese  Linien  durch  Querwände  unterbrochen,  die 
dem  Ganzen  »ein  auffälliges  backsteinähnliches  Aussehen  verleihen«. 
Dieses  letzterwähnte  Strukturverhältnis  soll  mit  einer  durchgehenden 
prismatischen  Gliederung  der  Perlmutterschicht  im  engsten  Zusammen- 
hang stehen. 

Ein  »backsteinähnliches  Aussehen«,  wie  es  Ehrenbaum  bei  My- 
tilus  und  Römer  bei  Margaritana  feststellte,  ließ  sich  auf  meinen 
Schliffen  durch  die  Perlmutterschicht  von  Anodonta  nicht  zur  An- 
schauung bringen,  ebensowenig  wie  die  »linsenförmigen  Hohlräumchen« 
die  teilweise  noch  durch  feine  Kanälchen  verbunden  sind,  wie  es  Römer 
auf  Taf.  XXX,  Fig.  11  und  12,  abgebildet  hat.  Eine  prismatische 
Gliederung  der  Perlmutterschicht,  wie  sie  Ehrenbaum  annimmt,  kann 
bei  Anodonta  nicht  zugegeben  werden,  aus  Gründen,  die  wir  später 
noch  anzuführen  haben. 

Tullberg  führt  die  gegen  die  Lamellen  schief  gerichteten  Streifen 
der  Perlmutterschicht  auf  »äußerst  feine  Kanäle  zurück,  die  auf 
trockenen  Präparaten  mit  Luft  gefüllt  sind  und  dann  bei  durchfallen- 
dem Licht  als  dunkle  gegen  die  Schicht  winkelrechte  Linien  erscheinen  « 
(vgl.  S.  18). 

Zu  bemerken   ist  hier   noch,   daß  auf  entkalkten   Schnitten   v  n 


4Ü2 


Richard  Raßbach, 


der  schrägen  Streifung  der  Perlmutterschicht  nichts  mehr  zu  sehen 
ist,  so  daß  diese  Struktur  nicht  von  der  Anordnung  organischer  Be- 
standteile, sondern  wohl  nur  von  der  des  eingelagerten  kohlensauren 
Kalkes  abhängen  kann.  Die  Perlmutterschicht  ist  also  aus  zahlreichen 
feinsten  Conchyolinlamellen  mit  Kalkeinlagerungen  zusammengesetzt, 
die  regelmäßig  alternieren,  und  deren  Zahl  ständig  mit  dem  Alter  der 
einzelnen  Tiere  wächst. 

In  einem  Flächenschliff  durch  die  Perlmutterschicht  bemerkt  man 
ein  System  feiner  wellig  gebogener  Linien,  die  einander  parallel  ge- 
richtet sind  (Fig.  25),  teils  gerade  Strecken,  teils  in  sich  zurücklaufende 
Kurven  bilden.  Nach  Biedermann  kommt  ein  solches  charakteristi- 
sches Bild  eines  Perlmutterflächenschliffes 
auf  folgende  Weise  zustande.  Jede  der 
vielen  parallel  zueinander  verlaufenden 
Lamellen  der  Perlmutterschicht  wird 
»  eben  und  ungef altet  abgelagert ,  und 
zwar  entgegen  der  Behauptung  Ehren- 
baums als  kontinuierliche  Schichten«. 
Die  Lamellen  der  Perlmuttersubstanz 
überziehen  nun  » nicht  eine  ebene  son- 
dern eine  gekrümmte  Fläche.  Dazu 
kommt  noch,  daß  vom  Schloßrande,  als 
dem  ältesten  Schalenteil  der  Muschel,  aus- 
gehend, jede  folgende  neu  gebildete  Lamelle  merklich  über  die  nächst 
vorhergehende  übergreift.  Dementsprechend  ist  die  Perlmutterschicht 
in  der  Wirbelhöhlung  der  Schale  am  dicksten,  am  Schalenrand  am  dünn- 
sten. Das  Übergreifen  der  Lamellen  bezwecks  ganzer  Lamellensysteme 
erfolgt  nun,  wie  man  sich  leicht  durch  Betrachtung  der  Perlmutterlage 
nach  Abschleifen  der  Prismenschicht  überzeugen  kann,  keineswegs  in 
einer  dem  Schalenrande  genau  parallelen  Linie,  sondern  es  verläuft  der 
Rand  der  Lamellen  vielfach  unregelmäßig  geschwungen  oder  gezackt. 
Es  ist  klar,  daß  unter  diesen  Umständen  jeder  Flächenschliff  durch  die 
Perlmuttersubstanz  ein  System  konzentrischer,  untereinander  paral- 
leler Linien  wird  darbieten  müssen,  welche  am  Rand  des  Schliffes  be- 
sonders dicht  stehen  und  teils  den  natürlichen  Rändern  entsprechen« 
(vgl.  S.  24).  Dieser  Auffassung  Biedermanns  kann  man  sich  kaum 
anschließen,  da,  wie  es  schon  oben  beschrieben  worden  ist,  am  Schalen- 
rand die  Lamellen  der  Perlmutterschicht  allmählich  in  die  Querstrei- 
fung der  Prismen  übergehen  (Fig.  24).  Nach  dieser  Ansicht  kann  es 
keine    »natürlichen  Ränder«  der  Perlmutterschicht  geben,   was  auch 


Fig.  25. 
Perlmutterflächenschliff.  Vergr.  204: 1. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  403 


nur  durch  eine  scharf  begrenzte  Epithelzone,  die  ausschließlich  Perl- 
muttersubstanz produziert,  bedingt  sein  müßte.  Eine  solche  mit  be- 
stimmten Grenzen  ist  aber  nicht  vorhanden.  Die  scheinbaren  Ränder 
der  Perlmuttersubstanz,  die  man  nach  Abschleifen  der  Prismenschicht 
beobachten  kann,  werden  nur  durch  unsre  unvollkommenen  Schleif- 
methoden hervorgerufen.  Auch  die  Erklärung,  daß  das  charakteristische 
Bild  eines  Perlmutterflächenschliffes  dadurch  bedingt  wird,  daß  die 
Lamellen  eine  gekrümmte  Fläche  überziehen,  kann  aus  folgenden 
Erwägungen  nicht  in  Betracht  kommen.  Bei  einem  Flächenschliff, 
den  wir  betrachten,  greifen  wir  nur  ein  sehr  kleines  Stückchen  der 
Perlmutterschicht  heraus,  für  das  der  Verlauf  der  Lamellen  und  erst 
recht  bei  der  starken  Vergrößerung,  wodurch  wir  eine  noch  viel  kleinere 
Partie  beobachten,  als  ebene  Fläche  angenommen  werden  muß.  Unsre 
Schleifmethoden  sind  jedoch  im  Verhältnis  zu  den  sehr  dünnen  Schichten 
der  Perlmutter  so  unvollkommen,  daß  wir  nicht  imstande  sind,  den 
Flächenschliff  absolut  parallel  zu  den  äußerst  feinen  Lamellen  zu 
führen,  eine  Ansicht,  die  sich  der  von  Römer  geäußerten,  nähert. 
Hieraus  erklärt  sich  auch  leicht  ein  Bild  mit  konzentrisch  ineinander 
laufenden  Linien,  wie  es  List  auf  Taf.  VI,  Fig.  4,  wiedergegeben  hat. 


Fig.  26. 

Polygonale   Felderung  auf   der  Innenseite  der 
Perlmutterschicht.     Vergr.  1000  :  1. 


Fig.  27. 

Isolierte    Polygone    der    Ierlniuttersclüclit. 

Vergr.  1000  :  1. 


Ein  solcher  Schliff  ist  annähernd  parallel  zu  den  Lamellen  gelegt,  von 
denen  jede  nach  allen  Richtungen  ungefähr  in  derselben  Höhe  ge- 
troffen ist. 

Betrachtet  man  die  Innenfläche  der  Perlmutterschicht,  nachdem 
man  von  der  Außenseite  soviel  weggeschliffen  hat,  um  ein  dünnes, 
durchsichtiges  Stück  zu  erhalten,  so  bemerkt  man  die  schon  öfters 
beschriebene  polyedrische  Struktur  (Fig.  26).  Behandelt  man  dünne 
Perlmutterblättchen    mit  Kalilauge,    so   erhält   man   kleine,    einzelne, 


404  Richard  Raßbach, 

teils    auch    noch    zusammenhängende    Polygone    von   unregelmäßiger 
Gestalt  (Fig.  27).    Am  Rande  derselben  findet  sich  bei  gewisser  Ein- 
stellung  ein    heller    Saum.      Diese    beiden    Strukturen    sind   offenbar 
dieselben  Gebilde,  die  wahrscheinlich  den  von  Rose  auf  der  Innenseite 
der  Perlmutterschicht  gefundenen  regelmäßigen  Sechsecke  bei  Pinna 
entsprechen.     Er  bringt  diese  Gebilde  mit  dem  Querschnitt  von  Ara- 
-onitkristallen  in  Verbindung.    Nach  Camillo  Schneider  weist  die 
polygonale  Feiderimg  der  Perlmutterschicht  »auf  die  Entstehung  der 
einzelnen   Territorien   von  je   einer  Zelle  hin«   (vgl.   S.  544)   eine  Be- 
hauptung, deren  Beweis  aber  bis  jetzt  noch  nicht  erbracht  ist.    Bie- 
dermann hat  dieselbe  Ansicht,  daß  nämlich  die  polyedrische  Struktur 
der  Ausdruck  eines  flächenhaft  ausgebreiteten  Epithels  ist,  mit  der 
die  Perlmuttersubstanz  während  ihrer  Bildung   »in  so  engen  und  un- 
mittelbarem  Zusammenhang   stand,    daß   jede   einzelne    Zelle    in  der 
fertigen,  mit  Kalk  imprägnierten  Lamelle  einen  nach  Form  und  Größe 
genau  entsprechenden  Eindruck  hinterläßt«  (vgl.  S.  25).    Ehrenbaum 
glaubt  in  der  polyedrischen  Struktur  die  Querschnitte  der  prismatischen 
Gliederung  der  Perlmutterschicht  zu  sehen.    Doch  steht  der  ziemlich 
große  Durchmesser  der  polyedrischen  Felderung  der  Perlmutterlage,, 
bei    einer    gewissen  Vergrößerung    betrachtet,    in    einem    allzugroßen 
Mißverhältnis  zu  der  Größe  der  im  Querschliff  zu  bemerkenden  schrägen 
Streifung,   die  man  mit  den  stärksten  Vergrößerungen  kaum  in  ihre 
einzelnen  Bestandteile  aufzulösen  vermag,   so  daß  die  beiden  Struk- 
turen auch  nicht  im  entferntesten  in  Zusammenhang  gebracht  werden 
können. 

Von  Schalen,  die  längere  Zeit  trocken  gelegen  haben,  läßt  sich 
von  der  Innenseite  vielfach  eine  organische,  dünne  Membran  loslösen, 
auf  der  man  noch  einige  andre  Strukturen  beobachten  kann.  Manchmal 
bemerkt  man  ein  Bild,  das  das  Aussehen  eines  zusammenhängenden 
Zellkomplexes  hat  mit  stark  hervortretendem  Kern.  Tatsächlich 
stellten  sich  solche  Gebilde  als  Teilstücke  des  Mantelepithels  heraus, 
die  beim  Loslösen  des  Mantels  an  der  Schale  haften  geblieben  waren, 
woraus  sich  offenbar,  und  wahrscheinlich  bei  der  Bildung  der  organischen 
Bestandteile  der  Perlmutterschicht,  ein  zeitweiser  festerer  Zusammen- 
hang des  Mantelepithels  mit  der  größeren  inneren  Schalenfläche  ergibt. 
Dieselben  Bilder  ließen  sich  künstlich  auf  folgende  Weise  erzielen. 
Ein  erwärmter  Objektträger  wurde  auf  das  abgetrocknete  Mantel- 
epithel gedrückt  und  dann  plötzlich  weggerissen.  Die  auf  dem  Glas 
hängengebliebenen  Teile  des  Epithels  ergaben  nach  dem  Färben  die- 
selben  Bilder,   die   sich   auf  der  Membran   vorgefunden  hatten.     Auf 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  405 

andern  Teilen  einer  von  dem  Innern  der  Schale  losgelösten  Membran 
fanden  sich  Zeichnungen,  die  kaum  anders  als  die  Abdrücke  der  Zellen- 
oberflächen der  Mantelepithelzellen  zu  deuten  sind  (Fig.  28).  Die 
einzelnen  Zellenabdrücke  waren  deutlich  gegeneinander  durch  helle 
breite  Linien  abgegrenzt.  Auf  der  Oberfläche  befanden  sich  in  je 
einer  Zelle  entsprechendem  Teilstück  helle  größere  Stellen,  welche 
fast  den  Eindruck  von  Poren  machten. 

Bei  einem  Vergleich  zwischen  den  Fig.  26  und  28,  die  bei  der- 
selben Vergrößerung  gezeichnet 
^,  sind,    erscheint    die.    oben    er- 

wähnte Ansicht  Biedekmanns, 
daß  die  polyedrische  Struktur 
der  Innenfläche  der  Perlmutter- 

?  j;  ■' v-i.., .  ■•  •  -  ■  ••- 

U&^V1-^  ?""*"<     ''* 

Fig.  28.  Fig.  29. 
Oberflächenabdrücke  von  Mantelepithel  Zeilen  auf  Wabenförmige     Anordnung     kleiner    Kalk- 
einer organischen  Membran  der  Perlmutterschicht.  körnchen  auf  einer  organischen  Perlniutter- 
Vergr.  1000  :  1.                                                     lamelle.    Vergr.  255  :  1. 

schicht  der  Abdruck  der  darunter  liegenden  Epithelzellen  ist  wegen 
der  verschiedenen  Größen  und  den  ungleichen  Umrißformen  wenig 
wahrscheinlich . 

Weiter  fanden  sich  auf  der  organischen  Membran  eine  waben- 
förmige Anordnung  kleiner  Körnchen,  (Fig.  29)  die  sich  nach  Behand- 
lung mit  salzsaurem  Alkohol  auflösten  und  somit  aus  kohlensaurem 
Kalk  bestehen  dürften.  Zuletzt  seien  die  allerdings  nur  spärlich  an- 
zutreffenden, einzelnen  Kalkkristalle  von  verschiedenen  Formen  er- 
wähnt. Die  einen  bildeten  einen  vielstrahligen  Stern  mit  einer  größeren 
Anzahl  dünnerer  Strahlen  (Fig.  30),  die  andern  besaßen  wenigere,  aber 
kräftigere  Kalknadeln  (Fig.  30a).  Diese  Kalkgebilde  sind  wohl  als 
Reservestoffe  anzusprechen,  als  ein  Produkt  größerer  Kalkabsonderung, 
wie  gerade  zur  Bildung  der  betreffenden  Perlmutterlamelle  not- 
wendig war. 

Auf  der  Innenseite  der  Perlmutterschicht  bemerkt  man,  vorzüg- 
lich bei  älteren  Tieren,   häufig   gelbe  Flecken    verschiedener  Gestalt, 


406 


Richard  Raßbach, 


die  von  Hessling  zuerst  beschrieben  und  als  »Ölflecken«  bezeichnet 
wurden,  öfters  trifft  man  sie  in  rundlichen  Formen  an.  In  ihrem 
Mittelpunkte  läßt  sich  vielfach  noch  ein  dunklerer,  bis  schwarzbrauner 
Teil  erkennen.  Gerade  an  dieser  Stelle  sieht  man  von  der  Schalen- 
außenfläche, daß  die  Schale  nach  Verlust  des  schützenden  Periostra- 
cums  bis  auf  ein  Minimum  an  Dicke  von  dem  Wasser  zerstört  ist. 


Fig.  30.  Fig.  30  a. 

Kalkkristalle,    die  sich  auf  organischen  Perlmutterlarnellen  vorfinden.     Vergr.  460  :  1. 

Auf  einem  Querschliff  (Fig.  31)  überzeugt  man  sich,  daß  dieser  »Öl- 
flecken «  durch  eine  Ablagerung  von  Periostracumsubstanz  (rpe)  hervor- 
gerufen wird.  Die  Dicke  desselben  kann  die  der  äußeren  die  Schale 
bedeckende   Membran   bei   weitem   übertreffen   und   dient   dazu,    der 


*■ — «» 


rpe 


Fig.  31. 
Querschliff  durch  einen  Ölflecken,  der  aus  einer  Periostracumschicht  (rpe)  mit  anliegender  Prismen- 
schicht (rpr)  besteht.     Vergr.  26  :  1. 


weiteren  Auflösung  der  Kalkbestandteile  der  Schale  Einhalt  zu  tun. 
An  dieser  Conchyolinlamelle,  die  hier  vollständig  getrennt  vom  Mantel- 
rand ist  und  durch  die  ihm  unten  anliegenden  Mantelzellen  gebildet 
wird,  sieht  man  im  Querschnitt  deutliche  Anfänge  von  Prismenbil- 
dungen bis  zu  ausgebildeten  Stadien  (rpr).  Auch  diese  können,  nach- 
dem die  Periostracumsubstanz  abgelagert  ist,  ebenfalls  nur  von  den 
darunterliegenden  Mantelzellen  gebildet  worden  sein.  Die  Entwicklung 
der  Prismen  können  wir  besser  in  der  Flächenansicht  an  Totalpräpa- 
raten beobachten.    Es  lassen  sich  hier  alle  Stadien  verfolgen,  die  wir 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  407 

früher  bei  der  Prismenbildung  am  Schalenrand  beschrieben  haben. 
Die  ältesten  Stadien  finden  wir  vielfach  an  dem  Mittelpunkte  des 
»ölfleckens«,  während  sich  nach  den  Rändern  zu  jüngere  Prismen- 
anlagen finden.  Als  solche  heben  sie  sich  auch  hier  wieder  stärker 
lichtbrechend  als  rundliche  Gebilde  ab,  an  denen  man  bald  die  be- 
kannte konzentrische  radiäre  Struktur  wahrnimmt  und  in  dem  Mittel- 
punkt den  centralen  Kern.  An  Größe  immer  mehr  zunehmend,  kommt 
es  zur  Bildung  der  polygonalen  Felderung  der  Prismenschicht.  Dabei 
nimmt  die  Deutlichkeit  der  sphäritischen  Struktur  ab,  um  schließlich 
gänzlich  zu  verschwinden.  Auch  finden  sich  in  der  Flächenansicht 
Bilder,  die  an  Stellen  von  auskeilenden  Prismenschichten  erinnern; 
man  findet  nämlich  auf  manchen  Teilen  Conchyolin  in  sehr  unregel- 


Fig.  32. 

Umrisse    junger     Prismenanlagen    auf    einem 
Ölflecken  (entkalkt).     Vergr.  20-4  :  1. 


Fig.  33. 

Kalkkristalle,  die   sich   auf    Ölflecken  vorfan- 
den.    Vergr.  460  :  1 . 


mäßigen  Formen  abgelagert,  woraus  sich  schließen  läßt,  daß  die  eigent- 
liche Prismenbildung  nicht  so  scharf  ausgeprägt  ist,  sondern  teilweise 
die  Tendenz  noch  vorherrscht,  Periostracumsubstanz  abzuscheiden. 
Erwähnt  sei  noch,  daß  man  vielfach  bei  Prismenanlagen,  ehe  sie  sich 
zur  polygonalen  Felderung  zusammenschließen,  die  schon  früher  be- 
obachtete eigenartige,  strahlige  Struktur  des  Randes  zeigen,  dessen 
einzelne  Teile  nach  dem  Prismenmittelpunkt  hinzeigen  (Fig.  32). 
Diese  sternförmige  Anordnung  läßt  sich  auch  noch  an  der  fertigen 
Prismenschicht  bemerken.  Ferner  ließen  sich  auf  den  Ölflecken  Kalk- 
kristalle in  verschiedenen  Stadien  sehen.  In  kleineren  Exemplaren 
machten  sie  den  Eindruck  von  jungen  Prismenanlagen  mit  sphäro- 
kristallinischem  Bau  (Fig.  33a).  Bei  größeren  Kristallen  fand  man 
an  der  ursprünglichen  rundlichen  Form  eine  Anlagerung  von  dickeren 
Kalknadeln,  wodurch  sie  verschiedene  Gestalten  annehmen  (Fig.  336, 
33c).     In  ihren  Umrißformen  machen  sie  ganz  den  Eindruck  der  Kalk- 


408  Richard  Raßbach, 

kristalle,  die  Moynier  de  Villepoix  am  Schalenrande  bei  Änodonta 
gefunden  und  sie  als  Doppelquaste  (»doubles  houppes«)  bezeichnet  hat. 
In  ihrem  Innern  konnte  man  jedoch  stets  einen  centralen  Kern  beob- 
achten, manchmal  auch  zwei,  die  der  ersten  Anlage  des  Kristalls  (Fig.  33a 
entsprechen.  Auch  diese  Kalkgebilde  dürften  als  Reservestoffe  anzu- 
sprechen sein.  Die  Dicke  der  Prismenschicht  an  den  »Ölflecken« 
erreicht,  soweit  sich  an  meinen  Präparaten  feststellen  ließ,  niemals  die- 
jenige der  äußeren  Prismenlage.  Beim  weiteren  Wachstum  der  Schale 
werden  die  »Ölflecken«  von  Perlmuttersubstanz  überwallt,  und  sie 
entsprechen  dann  den   »braunen  Schichten«  von  Tullberg. 

Die  helle  Schicht. 

An  Querschliffen  durch  die  Schale  bemerkt  man  an  solchen  Stellen, 
wo  Muskeln  an  dieselbe  herantreten  eine  Schicht,  die  sich  von  der 
Perlmuttersubstanz  durch  ihre  größere  Helligkeit  abhebt  (Fig.  34  h). 


pm 


Fig.  34. 

Schalenqu erschuf f  mit  heller  Schicht  (h)  des  hinteren  Schließmuskelansatzes.     Vergr.  80  :  1. 

Sie  vermittelt  den  festen  Zusammenhang  der  Muskeln  mit  der  Schale. 
Von  früheren  Autoren  ist  sie  als  »helle  Schicht«  oder  als  »durchsichtige 
Substanz«  bezeichnet  worden.  Sie  ist  stets  scharf  getrennt  von  der 
Perlmutterschicht.  Von  einer  Muskelansatzstelle  verläuft  die  helle 
Schicht  nach  dem  Wirbel  der  Schale,  die  Lamellen  der  Perlmutter- 
substanz  von  der  Schaleninnenseite  nach  der  Oberfläche  schräg  durch- 
setzend, indem  so  der  Weg  bezeichnet  wird,  den  die  Muskeln  beim 
Fortrücken  an  der  jeweiligen  Schaleninnenseite  genommen  haben. 
Hierdurch  kann  man  noch  immer  die  Dicke  der  Schale  feststellen, 
welche  dieselbe  besaß,  als  der  Muskel  gerade  an  der  beobachteten 
Stelle  befestigt  war.  Die  Vertreter  der  Intussuszeptionstheorie,  welche 
diesen  Verlauf  und  die  Bedeutung  der  hellen  Schicht  kannten,  hätten 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  409 

eigentlich  durch  diesen  Befund  darauf  aufmerksam  werden  müssen, 
daß  die  Perlmutterschichten,  die  später  der  hellen  Schicht  angelagert 
werden,  nicht  durch  Intussuszeptionswachstum  hätten  entstehen 
können,  da  die  beiden  Perlmutterteile  immer  scharf  von  der  hellen 
Schicht  geschieden  sind. 

Die  helle  Schicht  zeigt  an  Querschliffen  ihre  größte  Dicke  unge- 
fähr in  der  Mitte  der  Schließmuskelansätze,   während  sie  nach  dem 
vorderen  Ende,  d.  h.  nach  der  Seite  hin,  nach  welcher  sich  der  Muskel 
an  der  Schale  fortbewegt,  an  Höhe  abnimmt.     Nach  dem  Wirbel  zu 
nimmt  sie  ebenfalls  an  Stärke  ab,  um  schließlich  nur  noch  als  feiner 
heller  Streifen  sichtbar  zu  sein.     Nach  diesem  Befund  ist  es  für  List 
auffällig  (vgl.  S.  73),   »daß  die  durchsichtige  Substanz,  sobald  sie  von 
Perlmutterschichten  bedeckt  wird,  stets  an  Größe  abnimmt,  wie  man 
deutlich   an   einem    Querschliff   beobachten   kann.      Dieselbe  Schicht, 
an  der  sich  klar  und  deutlich  in  der  Adductorgegend  die  einzelnen 
Prismen  unterscheiden  lassen,  ist  später  in  demselben  Präparat,  wenn 
sie  weiter  nach  innen  hin  von  vielen  Perlmutterschichten  bedeckt  ist, 
gerade  noch  als  strukturlose,  schmale,  weiße  Linie  zu  erkennen.     Die 
Prismen  müssen  also  nachträglich  zusammengepreßt  werden.«     Eine 
solche    nachträgliche    Zusammenpressung    einer    so    stark    verkalkten 
Schicht  läßt  sich  schwer  vorstellen.     Eine  einfachere  Erklärung  der 
verschiedenen   Dicke   der   hellen   Schicht   wird   durch   folgende    Über- 
legung gegeben.     An  den  Stellen  der  hellen  Schicht,   die   nach   dem 
Wirbel  der  Schale  zu  viel  dünner  erscheinen  und  die  feineren  Strukturen 
nicht  so  deutlich  erkennen  lassen,  war  der  Muskel  befestigt,  als  er  in 
den  jüngeren  Stadien  der  Muschel  noch  eine  geringere  Größe  besaß.  Aus 
diesem  Grunde  war  auch  damals  eine  weniger  starke  helle  Schicht  zum 
Befestigen  des  Muskels  an  der  Schale  notwendig.    Die  Höhe  der  hellen 
Schicht  wächst  also  mit  der  Stärke  des  Muskels  bei  dessem  Fortrücken 
an  der  Schale.     Nach  dem  äußeren  Ende  des  Muskelansatzes  nimmt, 
wie  schon  oben  erwähnt,  die  Dicke  der  hellen  Schicht  wieder  ab,  was 
sich  leicht  daraus  erklärt,  daß  an  dieser  Seite,  nach  welcher  der  Muskel 
an  der  Schale  fortrückt,  eine  ständige  Neubildung  der  hellen  Schicht 
auf  der  Perlmutterlage  erfolgt. 

Bei  stärkerer  Vergrößerung  erkennt  man  in  der  hellen  Schicht 
verschiedene  Strukturen.  Am  auffälligsten  ist  eine  prismatische  Glie- 
derung, die  von  allerfeinsten  Lamellen  durchzogen  wird  (Fig.  35).  Die 
prismatische  Gliederung  ist  eine  durchgreifende,  wovon  man  sich  leicht 
an  solchen  Quer-  oder  auch  Flächenschliffen  überzeugen  kann,  bei 
welchen  die  Ränder  der  hellen  Schicht  ausgebrochen  sind  und  in  die 


410 


Richard  Raßbach, 


Fig.  35. 
Helle  Schicht,  welche  deutlich  ihre  ein 
zelnen  Bestandteile  zeigt.   Vergr.  800  :  1 


einzelnen  Glieder  zerfallen,  die  den  Teilen  der  Fig.  35  entsprechen.  Die 
Begrenzungslinien  der  einzelnen  prismatischen  Bestandteile  der  hellen 
Schicht  dürften  den  »Kanälen,  die  bei  trocknen  Schalen  mit  Luft 
gefüllt  sind«,  von  Tullberg  entsprechen  (vgl.  S.  19,  Taf.  VI,  Fig.  3a). 
Außer  der  prismatischen  Gliederung  der  hellen  Schicht  sind  pyramiden- 
oder  kegelförmige  Gebilde  bemerkenswert,  die  Ehrenbaum  auch  bei 
Mytilus  feststellen  konnte,  während  List  sie  dort  in  Abrede  stellt. 
Bei  Anodonta  treten  sie  heller  und  noch  etwas  stärker  lichtbrechend 
als  die  helle  Schicht  selbst  auf;  mit  ihrer  Spitze  zeigen  sie  stets  nach 
der  Außenfläche  der  Schale  (Fig.  34).     An  manchen  Stellen  der  hellen 

Schicht  findet  man  sie  so  zahlreich  vor, 
daß  sie  die  übrige  prismatische  Struktur 
in  den  Hintergrund  drängen.  Nach 
EhrenbaujI  »besteht  aber  die  durch- 
sichtige Substanz  gar  nicht  aus  ein- 
fachen, geraden,  regelmäßig  nebenein- 
ander liegenden  Fasern,  sondern  ihre 
prismatische  Gliederung  wird  durch 
sehr  unregelmäßige  vielfach  konische  Einlagerungen  oder  sekundär 
ausgefüllte  Höhlungen  hervorgerufen.  Außerdem  besitzt  sie  wirk- 
liche Höhlungen  von  mannigfach  verschiedener  Gestalt,  wie  das 
schon  Nathusius  von  Königsborn  beschrieben  hat.  Die  große 
Festigkeit  der  Verbindung  zwischen  Schale  und  Muskel  macht  es 
nun  wahrscheinlich,  daß  die  zerfaserten  Enden  der  Muskeln  in  diese 
Höhlungen  hineingreifen,  die  ihrerseits  erst  durch  die  secretorische 
Tätigkeit  der  Muskelzellen  entstanden  sind«  (vgl.  S.  43).  An  Schliffen 
wie  an  Schnitten  durch  die  Schließmuskelenden  mit  ansetzender  Schale 
konnte  jedoch  bei  Anodonta  niemals  ein  Eindringen  der  Muskelfasern 
in  die  helle  Schicht  festgestellt  werden,  ebensowenig  wie  an  dieser 
wirkliche  Höhlungen  sich  beobachten  ließen.  Eine  »secretorische  Tätig- 
keit der  Muskelzellen  selbst«  kommt  bei  dem  Aufbau  der  hellen  Schicht 
nicht  in  Betracht,  vielmehr  dürfte  die  Bildung  dieser  Schalenschicht 
dem  Epithel  zukommen,  das  sich  an  allen  Muskelenden  befindet  und 
welches  der  Beobachtung  Ehrenbaums  entgangen  ist. 

Nach  Entkalkimg  eines  Stückes  der  Schale  mit  Muskelansatz, 
kann  man  das  Muskelende  loslösen,  so  daß  die  helle  Schicht  an  dem- 
selben vielfach  haften  bleibt  (Fig.  36  h).  An  Schnitten  durch  solche 
Partien  läßt  sich  feststellen,  daß  die  helle  Schicht  außer  kohlensaurem 
Kalk  auch  aus  einer  organischen  Grundsubstanz  besteht,  wie  es  auch 
Tullberg  schon  beobachtet  hat.     Allerdings  fand  sich  der  organische 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  »Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  411 

Bestandteil  immer  nur  in  einer  sehr  geringen  Höhe  im  Verhältnis  zu 
der  Stärke  der  nicht  entkalkten  hellen  Schicht.  Hieraus  läßt  sich 
wohl  schließen,  daß  diese  eine  intensiv  verkalkte  Schicht  ist,  während 
die  organische  Grundmasse  in  den  Hintergrund  tritt.  Bei  den  ent- 
kalkten Schnitten  durch  die  helle  Schicht  kann  man  weiter  beobachten, 
daß  die  prismatische  Struktur  fast  nicht  mehr,  an  manchen  Stellen 
überhaupt  nicht  mehr  zu  erkennen  ist,  während  man  jetzt  einen  sehr 
deutlichen  lamellären  Bau  wahrnehmen  kann,  dessen  einzelne  Lamellen 
sich  teilweise  durch  Spaltung  in  der  Längsrichtung  abheben  (Fig.  36). 
Diese  lamelläre  Schichtung  der  hellen  Schicht  wird  vielleicht  für  die 
Anheftung  des  Muskels  eine  wesentliche  Bedeutung  haben,   da  eine 


Fig.  36. 

Querschnitt  durch  die  entkalkte  helle  Schicht  (h)  mit  ansetzenden  Muskeln  und  Mantelhaftepithel 

{mhep).    Vergr.  800  :  1. 


Befestigung  desselben  in  der  Flächenrichtung  der  Schaleninnenseite 
beim  Zusammenziehen  der  Adductoren  einen  festeren  Halt  gibt.  Auf 
einem  mit  Hämatoxylin-Eosin  gefärbten  Präparat  ließ  sich  stets  eine 
Rotfärbung  der  organischen  Grundsubstanz  der  hellen  Schicht  beob- 
achten, während  die  Lamellen  der  Perlmutterlage  sich  immer  nur  mit 
Hämatoxylin  bläuen.  Vielleicht  läßt  diese  verschiedene  Reaktions- 
fähigkeit dieser  beiden  organischen  Substanzen  auf  eine  ungleiche  Art 
der  Entstehung  hindeuten.  Auf  Flächenschliffen  durch  die  helle 
Schicht,  die  durch  Abschleifen  der  nach  außen  gelegenen  Schalenteile 
hergestellt   waren,   ließ   sich   keine    besondere   Struktur   erkennen. 

F.  Müller  stellte  bei  Anodonta  ebenfalls  schon  die  helle  Schicht 
fest,  die  er  als  Stäbchenschicht  bezeichnet.  »Durch  Isolierung  der 
einzelnen  Stäbchen  konnte  er  sich  überzeugen,  daß  die  Querstreifung 
auch  hier  nicht  durch  das  Vorhandensein  von  Lamellen  hervorgerufen 
wird,  sondern  daß  sie  lediglich  darauf  beruht,  daß  die  Stäbchen  aus 
zwei  das  Licht  verschieden  brechenden  und  sich  regelmäßig  abwech- 
selnden Substanzen  zusammengesetzt  sind,  die  in  den  einzelnen  Stäb- 
chen korrespondieren«  (vgl.  S.  219).  »Diese  Stäbchen  sind  durch 
Erhärtung  von  Muskelfaserenden  entstanden.    Es  spricht  dafür  erstens 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIII.  Bd.  27 


412 


Richard  Raßbach, 


der  Umstand,  daß  die  Anfänge  der  Stäbchen  sich  stets  unter  der  Grenz- 
membran, in  welche  die  Muskelfasern  des  Schließmuskels  verlaufen, 
enden.«  Schließlich  steht  für  F.  Müller  die  Tatsache  fest,  »daß  die 
Stäbchen  organische  Gebilde  sind,  nicht  etwa  Kalkkörperchen,  denn 
diese  hätten  sich  bei  der  Härtung  des  Muskels  in  verdünnter  Chrom- 
säure aufgelöst«  (vgl.  S.  220).  Nur  an  diesen  Enden  will  er  vielleicht 
ein  Wachstum  durch  Apposition  zugeben.  Daß  die  Querstreifung  der 
hellen  Schicht  doch  durch  Lamellen  hervorgerufen  wird,  ist  eben  be- 
wiesen worden,  und  daß  die  »Stäbchen«  auch  vorzüglich  aus  kohlen- 
saurem Kalk  bestehen,  beweisen  zur  Genüge  die  Vergleiche  zwischen 
Querschliffen  und  entkalkten  Schnitten,  die  bei  F.  Müller  sicherlich 
einer  nicht  genügenden  Einwirkung  von  Säure  unterworfen  waren. 


Fig.  37. 

Querschnitt  durch  den  Schließmuskelansatz  einer  jungen     Anodonta.    Yergr.  368  :  1. 


W.  Stempell  gelangt  zu  der  Ansicht,  »daß  die  Stäbchenschicht 
nichts  andres  als  eine  fibrillär  in  der  Richtung  des  Muskelzuges  diffe- 
renzierte Partie  des  Körperepithels  ist,  allein  mit  dem  physiologischen 
Unterschiede,  daß  sie  nicht  nur  wie  die  gewöhnlichen  Mantelepithel- 
zellen Schalenstoff  secerniert,  sondern  zugleich  auch  den  innigen  Zu- 
sammenhang zwischen  Muskel  und  Schale  herstellt,  indem  sich  ihre 
distalen  Regionen  direkt  in  Schalensnbstanz  umwandeln«  (vgl.  S.  379). 
Die  Befestigung  der  Muskeln  an  die  helle  Schicht  erfolgt  stets 
mit  Hilfe  eines  Epithels,  das  schon  von  Tullberg  festgestellt  wurde 
(Fig.  37  mhep)  und  von  Thiele  und  List  als  Haftepithel  bezeichnet 
wird.  Es  steht  in  innigstem  Zusammenhang  mit  den  Muskeln,  welche 
in  die  Epithelzellen  eindringen.  In  diesen  bemerkt  man  an  dem  distalen 
Teil  allgemein  eine  Zerfaserung  der  Muskelenden  in  Fibrillen,  die  sich 
gewöhnlich  beim  Ansatz  an  die  helle  Schicht  etwas  verbreitern  (Fig.  37). 
Dieser  Schnitt  durch  den  Muskelansatz  einer  12  mm  langen  Muschel 
läßt   zwischen    Perlmuttersubstanz   (pm)   und  Haftepithel    (mhep)   die 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  413 


helle  Schicht  nicht  erkennen,  da  sie  bei  derartig  jungen  Tieren  nur 
in  äußerst  feinen  Lagen  vorhanden  ist,  die  nach  der  Entkalkunu'    wie 

CD  J  O" 

schon  früher  angedeutet  ist,  nichts  mehr  von  sich  erkennen  lassen. 

Das  Plasma  des  Haftepithels  zeigt  eine  deutliche,  faserige  Struktur, 
deren  Einzelelemente  aber  nicht  mit  den  Fasern  der  Muskelenden  in 
Zusammenhang  treten,  sondern  getrennt  nebeneinander  durch  die 
Epithelzellen  verlaufen  (Fig.  37).  List 
stellte  bei  Mytilus  folgendes  fest  (vgl. 
S.  86,  Taf.  11,  Fig.  9).  »Verfolgt  man 
eine  Muskelfaser  nach  ihrer  Ansatz- 
stelle hin,  so  läßt  sich  stets  konstatie- 
ren, daß  ihre  homogene  Substanz  sich 
im  distalen  Abschnitt  in  einzelne 
Fasern  auflöst,  auf  eine  kurze  Strecke, 
um  dann  wieder  zu  einer  kompakten 
Masse  zu  verschmelzen.  Dieser  fase- 
rige Abschnitt,  die  Epithelzelle  des 
Mantels  ist  stets  schwächer  färbbar  als 
die  Muskelzelle  und  kann  bei  Doppel- 
färbung sich  anders  färben.  Er  ent- 
hält immer  den  ovalen  Kern  der 
Epithelzelle. «  Wie  aus  dieser  Beschrei- 
bung zu  ersehen  ist,  weicht  bei  Ano- 
donta der  Bau  der  Mantelhaftzellen  mit 
den  eindringenden  Muskeln  wesentlich 
von  dem  ab,  was  List  von  Mytilus 
mitteilt.  Vor  allen  Dingen  müssen  die 
Kerne  der  Epithelzellen  und  die  der 
Muskelzellen  scharf  getrennt  werden; 
es  entspricht  je  ein  Kern  einer  Haft- 
epithelzelle. Niemals  ließen  sich  bei 
Anodonta  in  dem  Haftepithel  Drüsen 
bemerken  wie  sie  List  bei  Mytilus  be- 
schreibt. Außer  einigen  hier  und  da  auftretenden  Intercellularräumen 
(Fig.  38  i)  ist  das  Haftepithel  stets  eine  vollständig  in  sich  abge- 
schlossene einzellige  Schicht,  die  deutlich  gegen  das  Innere  mit  einer 
Basalmembran  abgegrenzt  ist  (Fig.  36,  37,  38).  Ein  allmählicher  Über- 
gang des  Haftepithels  in  das  gewöhnliche  Mantelepithel  findet  nicht 
statt,  sondern  stets  ist  eine  scharfe  Grenze  vorhanden  (Fig.  38). 

Zu  ähnlichen  Resultaten  gelangt  Camillo  Schneider  bei  Anodonta. 


mhep 


pm 


Fig.  38. 
Querschnitt  durch  den  Muskelansatz  an 
Vergr.  240 


der  Mantellinie. 


1. 


414  Richard  Raßbach, 

Er  beobachtete  ebenfalls  an  allen  Stellen,  wo  Muskeln  an  die  Schale 
herantreten,  eine  deutliche  längsfädige  Struktur  der  Mantelhaftzellen. 
Die  Faserenden  der  Muskeln  müssen  scharf  von  den  eigentlichen 
Zellfäden,  die  weniger  kräftig  hervortreten,  unterschieden  werden. 
Auch  er  konnte  nirgends  Drüsenzellen  in  dem  Mantelhaftepithel  fest- 
stellen (S.  544).  Nur  die  eine  Ansicht  Schneiders  sei  berichtigt,  daß 
nämlich  »die  innerste  Schicht  der  Schale«  stark  verkalkt  ist.  Bei 
seinen  entkalkten  Schnitten  hat  er  nur  die  kalkfreie  organische  Grund- 
substanz der  hellen  Schicht  beobachtet. 

Nach  den  über  alle  Arthropodengruppen  ausgedehnten  Unter- 
suchungen von  Stamm  und  nach  den  im  hiesigen  Institut  angestellten 
Beobachtungen  von  Wege  erfolgt  der  Ansatz  der  Muskulatur  am 
Chitin  der  Arthropoden  mit  Hilfe  der  modifizierten  Hypodermis, 
der  STAMMschen  »epithelialen  Sehne«.  Demnach  bestände  ein  prinzi- 
pieller Unterschied  zwischen  den  Muskelansätzen  der  Arthropoden 
und  dem  von  mir  untersuchten  Objekt  darin,  daß  bei  den  ersten  der 
Muskel  an  der  Basalmembran  der  Hypodermis  aufhört,  während  bei 
dem  letzteren  die  Muskelfibrillen  durch  die  Mantelhaftzellen  hindurch 
bis  zur  hellen  Schicht  vordringen.  Ein  genaueres  Eingehen  auf  diese 
nicht  einfach  zu  entscheidende  Frage,  die  vor  allem  bei  den  Arthro- 
poden eingehend  diskutiert  wurde  (Snethlage,  Stamm,  Wege)  ist 
hier  nicht  beabsichtigt. 

Über  das  Fortrücken  der  Muskeln  an  der  Schale  wird  man  wohl 
die  schon  von  Reaumur  und  später  von  Tullberg  geäußerte  Ansicht 
annehmen  müssen,  daß  sich  nämlich  bei  der  Vergrößerung  der  Muskeln 
nach  dem  fortrückenden  Ende  zu  neue  Muskelfibrillen  gebildet,  während 
an  der  entgegengesetzten  Seite  solche  resorbiert  werden.  Dieses 
Verhalten  erlaubt,  daß  trotz  der  Wanderung  der  Muskel  stets  in  den 
größeren  mittleren  Partien  des  Ansatzes  ein  ständig  fester  Zusammen- 
hang mit  der  Schale  gewährleistet  wird. 

Das  Ligament. 

»Unter  dem  Schalenligament  der  Lamellibranchiaten  muß  man, 
ganz  allgemein  gefaßt,  sämtliche  unpaare  und  median  dorsal  vom 
Schloß  oder  zwischen  den  Schloßhälften  befindliche  an  die  beiden 
Schalenhälften  angefügten  Verbindungssubstanzen  verstehen,  welche 
einerseits  die  Klappen  einfach  verbinden  und  anderseits  durch  ihre 
physikalischen  Eigenschaften  den  Attraktionsmuskeln  der  Schale  ent- 
gegen wirken«  (0.  M.  Reis,  vgl.  S.  181). 

Bei  Anodonta  haben  wir  ein  sogenanntes  äußeres  Ligament,  das 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  415 

die  beiden  Schalenhälften  in  der  Weise  verbindet,  »etwa  wie  der  Kücken 
eines  Bücherbandes,  der  von  einer  Decke  zur  andern  verläuft«  (Bronn, 
III.  Teil,  S.  333).  Von  außen  gesehen,  bemerken  wir  von  dem  Hinter- 
ende der  Muschel  nach  dem  Wirbel  zu  eine  spitz  zulaufende,  kegel- 
förmige Vorwölbung,  die  aus  Periostracumsubstanz  besteht  (Fig.  39  al). 


Fig.  39. 
Außenansicht    des    Ligamentes    mit    deut- 
licher Querstreifung  (j)  des  äußeren  Ligament- 
bandes   (al).     (Jahresringe,   j).    */s    natürl. 
Größe. 


sbw 


Fig.  40. 
Innenansicht   des  Ligamentes  (il).    Seitlich  ver- 
laufen   längs    die    Schloßbandwälle    (sbio).      Am 
Hinterende     befindet     sich    die     postnympheale 
Grube  [pn).     4,5  natürl.  (iröße. 


Das  hinterste  Ende  dieses  äußeren  Ligamentbandes  liegt  etwas  tiefer 
ungefähr  in  dem  Niveau  des  Schalenrandes  (pn).  Auf  der  Außenseite 
des  Ligamentes  sieht  man  quer  verlaufend  einige  Streifen,  die  wohl 
den  einzelnen  Wachstumsperioden  desselben  entsprechen.  Jenseits  des 
Wirbels,  nach  dem  Vorderende  der  Schale  zu  bemerkt  man,  daß  die  beiden 
Klappen  auch  hier  mit  einer  organischen  Substanz  verbunden  sind. 


416 


Richard  Raßbach. 


Betrachtet  man  das  Ligament  von  der  Innenseite  der  Schale,  so 
bemerkt  man,  daß  die  Schalenränder  an  der  Anheftungsstelle  verdickt 
sind  und  als  zwei  längs  des  Ligaments  verlaufende  hellere  Leisten  zu 
sehen  sind,  die  am  Vorderende  allmählich  in  den  Schalenrand  übergehen, 
am  Hinterende  jedoch  gegen  denselben  scharf  abgesetzt  sind  (Fig.  40  sbiv ) 
Von  früheren  Autoren  sind  sie  als  Schloßband-  oder  Nymphenleisten 
bezeichnet  worden.  Am  hinteren  Ende  derselben  befindet  sich  eine 
Verbreiterung,  die  von  Reis  postnympheale  Grube  genannt  wurde 
(Fig.  40  pn).  An  der  vorderen  Begrenzung  derselben  beginnt  scharf 
abgesetzt  das  innere  Ligamentband  (Fig.  40  il) ,  das  nach  dem  Wirbel 
spitz  zuläuft.  An  diesem  selbst  stoßen  die  Schloßbandleisten  anein- 
ander; jenseits  davon  finden  wir  wieder  die  schon  vorhin  erwähnte 
organische  Verbindung  am  Vorderende  der  Schale. 

Aus  dem  eben  beschriebenen  Bau  läßt  sich  leicht  erklären,  wie  das 

Ligament  an  seinen  An- 
satzstellen in  die  Perl- 
mutterschicht eingekeilt 
wird.  An  der  postnym- 
phealen  Grube  befindet 
sich  die  Bildungsstätte 
des  äußeren  Ligament- 
bandes ;  die  scharf  abge- 
setzten Nymphenleisten 
werden  beim  Wachstum 
mit  dem  inneren  Liga- 
ment nach  hinten  ver- 
größert und  bedecken 
somit  die  Teile,  die  in  der 
postnymphealen  Grube 
gebildet  wurden.  In 
demselben  Maße  wie  die 
Nymphenleisten  nach 
dem  Hinterende  der  Muschel  verlängert  werden,  rückt  die  postnympheale 
Grube  beim  Längenwachstum  des  Tieres  in  derselben  Richtung  an 
der  Rückenseite  der  Schale  weiter. 

Ein  Schnitt  durch  das  hinterste  Ende  des  Ligamentes  zeigt,  daß 
es  hier  nur  aus  einer  Periostracumschicht  mit  ansetzender  Prismenlage 
besteht  (Fig.  41  pe,  pr).  Querschnitte,  die  näher  nach  der  postnym- 
phealen Grube  zu  liegen,  lassen  erkennen,  daß  von  der  Schaleninnen- 
seite her  an  die  Prismenlage  Periostrac umschichten  angelagert  werden, 


Fig.  41. 

Querschnitt  durch  den  jüngsten  nach  hinten  gelegenen  Teil  des 

Ligamentes,  bestehend  aus  Periostracum  {pe),    Prismenschicht 

(pr)  und  äußerem  Liüamentband  («/).     Vergr.  32  :  1. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.   417 

die  den  jüngsten  Teil  des  äußeren  Ligamentbandes  darstellen  (Fig.  41  al). 
Seitlich  werden  die  Lamellen  der  jungen  Ligamentanlage  in  dünneren 
Schichten  gebildet,  die  schließlich  in  die  Perlmutterschicht  verlaufen 
und  dort  einen  Teil  der  »braunen  Schichten«  Tullbergs  ausmachen. 
Aus  Fig.  41  ist  also  deutlich  ersichtlich,  daß  das  äußere  Ligamentband 
(al)  nicht  mit  der  Periostracumschicht,  welche  die  Schale  bedeckt,  in 
direktem  Zusammenhang  steht.  Dort  wo  dem  äußeren  Ligamentband 
das  innere  elastische  angefügt  wird  (Fig.  40)  findet  eine  starke  Vor- 
wölbimg des  Ligamentes  nach  der  Außenseite  der  Schale  statt  (Fig.  39). 
Die  dem  äußeren  Ligamentband  ansitzende  Prismenschicht  (Fig.  41  pr) 
wird  dadurch  gewöhnlich  längs  des  ganzen  Ligamentes  gesprengt,  so- 
daß  das  äußere  Ligamentband  dort  zum  Vorschein  kommt  (Fig.  42,  i6al). 
Ein  Schliff  durch  den  mittleren  Teil  des  Ligamentes  zeigt  uns,  daß 
es  im  geschlossenen  Zustand  der  Schale  eine  halbkreisförmige  Gestalt  be- 


Fig.  42. 

Querschliff  durch  den  mittleren  Teil  des  Ligamentes.    Es  setzt  sich  hier  aus  dem  äußeren  Ligament- 
band (al)  und  dem  inneren  Ligamentband  (il)  zusammen.    Dieses  geht  seitlich  in  die  Schloßband- 
wälle  über  (sbiv).     Vergr.  17:1. 

sitzt.  Das  äußere  Ligamentband  (Fig.  42  al)  zeigt  einen  lamellären  Bau ; 
etwas  oberhalb  der  Nymphenleisten  (sbiv )  ist  es  in  der  oben  beschrie- 
benen Weise  zwischen  Perlmutterlagen  eingekeilt.  Im  Gegensatz  zu  den 
Angaben  von  F.  Müller  ließen  sich  in  der  organischen  Substanz  des 
genannten  Ligamentbandes  keine  Kalkeinlagerungen  feststellen. 

Unterhalb  des  äußeren  Ligamentbandes  liegt  fest  mit  ihm  ver- 
bunden das  innere  Ligamentband,  welches  den  elastischen  Teil  der 
dorsalen  Verbindung  der  beiden  Schalenklappen  ausmacht.  Das  letztere 
zeigt  im  Querschliff  eine  zweifache  Schichtung.  Außer  einer  sehr  feinen 
senkrechten  Streifung  erkennt  man  noch  eine  lamelläre  Struktur,  welche 
in  einem  rechten  Winkel  zu  der  ersten  verläuft.  Die  senkrechte  Streifung 
wird  durch  feine  organische  Fasern  hervorgerufen,  welche  mit  starken 
Kalkeinlagerungen  versehen  sind.  Nach  F.  Müller  wird  die  kon- 
zentrische, lamelläre  Struktur  auf  folgende  Art  hervorgerufen  (vgl. 
S.  216).  »Jede  einzelne  Faser  besteht  aus  zwei  das  Licht  verschieden 
brechenden  und  sich  reoelmäßio-  abwechselnden  Substanzen.    Da  diese 


418  Richard  Raßbach, 

beiden  Substanzen  in  den  nebeneinander  liegenden  Fasern  korrespon- 
dieren, so  erhält  das  innere  Band  eine  gleichmäßige  konzentrische 
Querstreifung,  welche  der  Muskelstreifung  ähnlich  ist.  Einzelne 
korrespondierende  Stellen  der  Fasern  brechen  das  Licht  stärker,  so- 
daß  die  Querstreifung  dort  in  dunkler  markierten  Linien  sich  zeigt.« 
Eine  einfachere  Erklärung  über  das  Zustandekommen  der  lamellären, 
der  Oberfläche  des  Ligamentes  parallelen  Struktur  werden  wir 
nach  Betrachtung  eines  Längsschliffes  geben.  An  entkalkten  Zupf- 
präparaten von  den  Fasern  des  inneren  Ligamentbandes  kann  man 
sich  von  deren  homogenen  Aussehen  überzeugen.  Nur  an  solchen 
Stellen,  wo  die  Fasern  noch  wenig  isoliert  sind,  kann  man  noch  die 
konzentrische  Streif ung  bemerken.  Teilweise  läßt  sich  auch  ein 
Reißen  an  den  Stellen  dieser  Struktur  quer  zur  Richtung  der  Fasern 
feststellen,  ein  Zeichen,  daß  der  Zusammenhang  dort  ein  weniger  fester 
ist.  Im  Gegensatz  zu  dem  äußeren  Ligamentband  färbt  sich  das  innere 
mit  verschiedenen  Reagentien,  an  Schnitten  ließ  sich  an  der  konzen- 
trischen Streif  ung  eine  größere  Tinktionsfähigkeit  beobachten.  Im 
ungefärbten  Zustand  hat  das  elastische  Ligamentband  einen  in  ver- 
schiedenen Farben  schillernden  Glanz,  den  Villepoix  mit  dem  der 
Sehnen  bei  Wirbeltieren  vergleicht.  Nur  im  feuchten  Zustand  zeigt 
sich  das  innere  Ligamentband  elastisch ;  außerhalb  des  Wassers  erhärtet 
es  und  wird  leicht  zerbrechlich. 

Seitlich  geht  das  innere  Ligamentband  allmählich  seine  ihm  eigen- 
tümliche Struktur  verlierend  in  die  Nymphenleisten  (Fig.  42  sbiv),  auch 
Schloßbandwälle  genannt,  über.  Auf  Querschnitten  tritt  die  senk- 
rechte, faserige  Struktur  derselben  stärker  hervor  als  die  lamelläre 
Streifung,  die  mit  der  konzentrischen  Anordnung  des  elastischen  Liga- 
mentbandes im  Zusammenhange  zu  verfolgen  ist,  woraus  sich  auch 
für  diese  Strukturen  die  Gleichzeitigkeit  ihrer  Bildung  ergibt.  An  den 
Schloßband  wällen  jüngerer  entkalkter  Schalen  erkennt  man  öfters 
einzelne  stärkere  Septen,  die  im  Zusammenhang  mit  dem  oben  an- 
setzenden äußeren  Ligamentband  teilweise  den  Eindruck  einer  aus- 
keilenden Prismenschicht  machen  (Fig.  46  sbw).  Besonders  dieser  Teil 
der  Schale  steht  mit  den  darunter  liegenden  Epithelzellen  der  Mantel- 
naht in  festerem  Zusammenhang. 

Das  Bild  eines  Ligamentlängsschliffes  zeigt  Fig.  43.  Dieser  Schliff 
ist  möglichst  median  gehalten,  an  dem  vorderen  Teil  ist  jedoch  ein 
Stück  der  Nymphenleiste  (sbiv)  angeschliffen.  Man  sieht,  daß  die  Stärke 
des  äußeren  Ligamentbandes  nach  dem  hinteren  Ende  immer  zunimmt 
und  seine  größte  Stärke  an  der  postnymphealen  Grube  (pn)  besitzt, 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  419 


an  der  im  Gegensatz  zu  F.  Müller  das  äußere  Liga- 
mentband mit  den  dort  befindlichen  Epithelzellen 
der  Mantelnaht  in  Berührung  steht.  Die  lamelläre 
Streifung  dieses  Ligamentteiles  im  Längsschliff  ent- 
spricht derselben  Struktur  im  Querschliff. 

Das  innere  Ligamentband  zeigt  im  Längsschliff 
(Fig.  43)  eine  spindelförmige  Gestalt.  Der  stärkste  Teil 
liegt  jedoch  etwas  über  die  Mitte  hinaus  nach  dem 
hinteren  Ende  der  Muschel   zu.     Diese  verschiedene 
Stärke  des  inneren  Ligamentbandes  erklärt  sich  ähnlich 
wie  das  Dickenwachstum  der  hellen  Schicht  an  den 
Muskelansätzen  (siehe  S.  409).    Am  Vorderende  wurde 
das  elastische  Ligamentband  bei  der  jungen  Muschel 
in  einer  gewissen  Stärke  angelegt.    Bei  dem  Wachs- 
tum    der    Schale    wird    das    innere    Ligamentband 
entsprechend   durch   Anlagerung   dickerer    Schichten 
verstärkt,    die    infolge    des    gleichzeitigen    Längen- 
wachstums des  Ligamentes  weiter  nach  dem  Hinter- 
ende  zu  reichen  und  an  der  postnymphealen  Grube 
(pn)    jeweils    über    die     vorhergehende    Lage  etwas 
vorstehen.     Diese  Schichten  machen  sich  im  Längs- 
schliff   als   dunklere    Linien    bemerkbar,    die    schräg 
von  der  Innenseite  des  inneren  Ligamentbandes  nach 
der  Außenfläche  desselben  verlaufen.    Sie  stellen  die 
Anwachsstreifen  des  elastischen   Ligamentteiles  dar. 
Einige  von  diesen  treten  in  weiteren  Abständen  be- 
sonders  deutlich   hervor,  die  wohl  als  die  Produkte 
größerer  Wachstumsperioden  anzusprechen  sind  und 
deren  Ende  in  der  Querstreifung  auf  der  Oberseite 
des  äußeren  Ligamentbandes  ihren  Ausdruck  finden 
(Fig.  39  j).    Die  Dauer  einer  solchen  längeren  Wachs- 
tumsperiode   dürfte,     aus    später    noch    ausführlich 
anzugebenden    Gründen,    vermutlich    ein    Jahr    be- 
tragen.    Die  Anwachsstreifen  werden  nicht  wie  der 
Längsschliff  zeigt,  in  einer  ebenen  Fläche  abgelagert, 
sondern   halbkreisförmig,    der   Form    des    Ligaments 
entsprechend,  was  sich  im  Querschliff  (Fig.  42)  deut- 
lich aus  der  konzentrischen  Streifung  ergibt.    Außer 
diesen  Anwachsstreifen  des  inneren  Li^amentbandes 


sbw- 


Längsschliff  durch  das  Ligament.     Vergr.  8:1. 


Fig.  43. 


420  Richard  Raßbach, 

bemerkt  man  im  Längsschliff  wieder  die  ungefähr  senkrecht  zu  den 
Außenflächen  des  Ligamentes  stehenden  organischen  Fasern.  Zu  er- 
wähnen ist  schließlich  noch,  was  besonders  deutlich  an  den  öfters 
auftretenden  Bruchstellen  in  der  Richtung  der  Fasern  zu  beobachten 
ist,  daß  dies"e  nicht  genau  senkrecht  zu  den  Außenflächen  des  Liga- 
mentes stehen,  sondern  nur  senkrecht  zu  den  Anwachsstreifen  der 
einzelnen  Wachstumsperioden,  so  daß  die  Fasern  im  Verlauf  durch  die 
Dicke  des  inneren  Ligamentes  etwas  gekrümmt  erscheinen  (Fig.  43). 

Das  Epithel  der  Mantelnaht. 

Bevor  auf  die  einzelnen  Zellelemente  der  Mantelnaht  eingegangen 
wird,  soll  an  der  Hand  einiger  Schemata  ihr  Zustandekommen  er- 
läutert werden.  Auf  Querschnitten  durch  eine  Anodonta  bemerkt 
man  nach  dem  hinteren  Ende  der  Muschel  zu.  daß  sich  an  den 
Innenseiten  der  beiden  Mantellappen  je  ein  Vorsprung  befindet 
(Fig.  44a).  An  den  gegenüberliegenden  Stellen  der  Mantelaußenseite 
liegen  die  schon  früher  erwähnten  hohen  Cylinderzellen  (pep),  die  der 
prismenbildenden  Zone  des  Mantelrandes  entsprechen.  Nach  dem 
Wirbel  zu  werden  die  Vorsprünge  immer  größer,  indem  sie  sich  dabei 
einander  immer  mehr  nähern  (Fig.  44  b),  um  schließlich  miteinander 
zu  verschmelzen  (Fig.  44  c).  Eine  Strecke  weit  bleibt  die  auf  diese 
WTeise  entstandene  Brücke  bestehen,  um  sich  wieder  an  der  Stelle  zu 
trennen,  die  von  früheren  Autoren  als  »dorsaler  Mantelschlitz«  be- 
zeichnet wurde.  Dann  treten  die  beiden  Teile  wieder  zusammen,  die 
Brücke  wird  kräftiger  und  füllt  den  Raum  zwischen  Darm  und  Mantel- 
rand aus.  Gleichzeitig  bemerkt  man,  daß  die  Bildung  des  Periostra- 
cums  in  der  Mantelrandfalte  aufgehört  hat  und  daß  das  cylindrische 
Epithel  an  der  Außenseite  des  Mantels  an  Ausdehnung  nach  oben  hin 
zugenommen  hat,  um  schließlich  mit  den  hohen  cylindrischen  Zellen 
der  Mantelrandfalte  in  Verbindung  zu  treten  (Fig.  44  d).  Noch  weiter 
nach  dem  Wirbel  zu  beobachtet  man  eine  Größenabnahme  der  Mantel- 
randfalten und  des  nach  dieser  Seite  auslaufenden  Endes  des  dorsalen 
Mantelschlitzes  (Fig.  44e,  dm).  Diese  beiden  Teile  verschwinden  schließ- 
lich vollständig,  und  wir  haben  die  ausgebildete  Mantelnaht  vor  uns, 
die  nur  von  dem  hohen  cylindrischen  Epithel  bekleidet  ist  (Fig.  44  /). 
Am  Vorderende  löst  sich  die  Mantelnaht  in  ähnlicher  Weise,  wie  sie 
hier  zustande  gekommen  ist,  d.  h.  aber  ohne  Unterbrechung  eines  dor- 
salen Mantelschlitzes,  in  die  beiden  Mantelhälften  wieder  auf. 

Die  Mantelnaht  selbst  ist  mit  bloßem  Auge  als  ein  nach  dem 
vorderen  Ende  der  Muschel  sich  zuspitzender  Wulst  zu  erkennen,  dessen 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  421 
mrf^ 


pep 


b 


c/m 


rnnep 


e  Fig.  44.  / 

Schematische  Darstellung  des  allmählichen  Zustandekommens  der  Mantelnaht  (rnnep),  durch  Ver- 
wachsung der  freien  Mantelränder  am  hinteren  Ende  der  Muschel.     Vergr.  32  :  1. 


422 


Richard  Raßbach, 


dm- 


Gestalt  der  rundlichen  Aushöhlung  an  der  Innenseite  des  Ligamentes 
entspricht.  Die  Mantelnahtzellen  besitzen  ein  ähnliches  Aussehen  wie 
die  schmalen,  hohen  Cylinderzellen  der  Mantelrandfalte.  Am  Beginn 
des  hinteren  Endes  der  Mantelnaht  stehen  diese  Zellen  dicht  zusammen- 
gedrängt. Ihr  Protoplasma  zeigt  eine  grobkörnelige  Beschaffenheit. 
Der  Kern  liegt  im  basalen  Teil  der  Zelle  und  nimmt  dort  fast  deren 
ganze  Breite  ein.  Er  besitzt  eine  längliche,  ovale  Gestalt  und  zeigt 
in  seinem  Innern  einen  oder  mehrere  Nucleolen  (Fig.  45).     Zwischen 

diesen  Zellen  finden  sich, 
wenigstens  in  dem  genann- 
ten Teile  der  Mantelnaht,  in 
ziemlicher  Anzahl  große 
Becherzellen  (bz).  Ferner 
lassen  sich  teils  rundlich  oder 
länglich  gestaltete  Zellen  be- 
merken, mit  geformtem  In- 
halt, aus  rundlichen  Kügel- 
chen  bestehend,  die  sich  mit 
Eosin  intensiv  färbten. 

Längs  der  Mantelnaht 
behält  das  Epithel  ungefähr 
dieselbe  Höhe,  nur  gegen 
das  Vorderende  nimmt  es 
etwas  an  Höhe  ab.  Die  den 
Schloßband  wällen  anliegen- 
den Zellen  sind  stellenweise 
durch  ihre  besonders  hohen 
Elemente  ausgezeichnet.  Das  Mantelnahtepithel  steht  mit  dem 
inneren  Ligamentband  in  mehr  oder  weniger  festem  Zusammenhang. 
Beim  Loslösen  desselben  bleiben  vielfach  die  einzelnen  Zellen  am 
Ligament  haften.  Das  Epithel  garantiert  durch  seinen  Zusammen- 
hang mit  dem  Ligament  eine  konstante  und  regelmäßige  Ablagerung 
der  dasselbe  bildenden  Substanzen.  F.  Müller  beschreibt  diese  Ver- 
hältnisse folgendermaßen  (vgl.  S.  213) :  »Auch  am  Ligament  findet  ein 
zarter  Zusammenhang  von  Weichteilen  mit  den  Schalenteilen  statt. 
Es  sind  dort  keine  ausgeprägten  Muskelbündel,  welche  sich  an  die 
Schale  setzen,  sondern  zahlreiche  einzelne  Muskelfasern.  An  der  Stelle 
nämlich,  wo  bei  Unio  das  Ligament  in  den  Zahn,  bei  Anodonta  in  die 
Zahnleiste  übergeht,  verschwinden  an  den  betreffenden  Mantelstellen 
die  Epithelzellen  vollständig.     Es  treten  aus  dem  darunter  liegenden 


Fig.  45. 
Zellen   des  Mantelnahtepithels   mit  Becherzelle  (&, 
Amöbocyten  (am).    Vergr.  800  :  1. 


und 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  .Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  423 

Muskelgewebe  lange,  wellig  verlaufende  Muskelfasern  hervor,  welche 
in  der  spindelförmigen  Erweiterung  den  charakteristischen  langen  Kern 
unterscheiden  lassen,  der  oft  durch  eine  Anzahl  kleiner  Kerne  ersetzt 
wird.  Diese  Fasern  vereinigen  sich  mit  ihren  Enden  zu  einem  dichten 
Filz,  mit  welchem  gelockerte  Fasern  des  Ligamentrandes  zusammen- 
hängen. «  Diese  von  F.  Müllee  gesehenen  Gebilde  sind  keine  Muskel- 
fasern, sondern  Elemente  des  Mantelnahtepithels,  die  hier  öfters  ein 
etwas  ungewöhnliches  Aussehen  zeigen  (Fig.  46  mnep).  Zwischen  den 
einzelnen  Zellen  finden  sich  häufig  Intercellularräume  (i).  Infolge  der 
Konservierung  kontrahiert  sich  das  Tier  innerhalb  der  Schalenklappen 


mnep 


<SÖtv 


Fig.  46. 

Querschnitt  durch  das  Ligament  mit  ansetzendem  Mantelnahtepithel  {mnep)  an  dem  inneren  Liga- 
mentband  (il).     Zwischen  den  Epithelzellen  befinden  sich  Intercellularräume  (i)  (Artefakte). 

Vergr.  324  :  1. 


sehr  stark  nach  den  Stellen  zu,  an  denen  es  durch  die  beiden  Schließ- 
muskeln fest  mit  den  Schalen  verbunden  ist.  Da  nun  das  Mantelnaht- 
epithel infolge  des  Zusammenhanges  mit  dem  inneren  Ligamentband 
der  Kontraktion  nicht  folgen  kann,  werden  die  Epithelzellen  besonders 
in  ihrem  mittleren  Teil  lang  gestreckt,  wodurch  zwischen  ihnen  die 
Intercellularräume   entstehen   dürften. 

Weiter  ist  nach  Felix  Müller  anzunehmen  (vgl.  S.  217),  »da 
die  Muskelfasern  sich  alle  aus  dem  subepithelialen  Muskelgewebe  erheben, 
daß  diese  kurzen  Fasern  nur  die  Enden  von  Muskelfasern  sind,  deren 
übriger  Teil  in  jenem  Muskelgewebe  liegt.    Auch  das  Epithel  der  Mantel- 


424:  Richard  Raßbach, 

naht  wird  von  solchen  Fasern  durchsetzt,  welche  ebenfalls  mit  ihren 
Enden  einen  Filz  bilden  als  Fortsetzung  des  Filzwerkes  der  langen 
Muskelfasern«.  Somit  ist  es  für  F.  Müller,  ausgeschlossen,  »durch 
die  Art  und  Weise  des  Zusammenhanges  des  Ligamentes  mit  den  Weich- 
teilen des  Tieres  durch  ein  Filzwerk  von  Muskelfasern,  das  Wachstum 
des  Ligamentes  auf  eine  Secretion  des  Mantelnahtepithels  zurück- 
zuführen«. Die  ganze  Anschauung  Felix  Müllers  über  die  Schalen- 
bildung hat  ihn  wohl  nicht  zu  einer  vorurteilsfreien  Beobachtung  der 
Tatsachen  kommen  lassen,  denn  man  kann  sich  leicht,  wie  man  aus 
dem  vorher  Beschriebenen  und  aus  der  Zeichnung  (Fig.  46)  entnehmen 
kann,  von  dem  rein  epithelialen  Charakter  der  Elemente  der  Mantel- 
naht überzeugen.  Ein  Eindringen  von  Muskelfasern  in  das  Mantel- 
nahtepithel ließ  sich  an  meinen  Präparaten  nicht  feststellen.  Stets 
fand  sich  eine  deutliche  Basalmembran  vor,  die  an  Längs-  und  Quer- 
schnitten durch  die  Mantelnaht  gut  zu  verfolgen  war. 

Moynier  de  Villepoix  unterscheidet  auch  unter  dem  Ligament 
chitinogene  Zellen  der  Mantelnaht,  die  an  dessen  hinterem  Ende  liegen 
und  das  äußere  Ligamentband  liefern.  Diese  unterscheiden  sich  von 
den  specifischen  Kalkzellen,  die  unter  dem  inneren  Ligamentband 
liegen  durch  verschiedenes  Aussehen  und  durch  verschiedenen  Inhalt. 
Die  Ungleichheiten,  die  er  in  der  Färbbarkeit  der  Kalkzellen  bei  jüngeren 
und  älteren  Tieren  fand,  führt  er  auf  verschiedene  Secernierungs- 
stadien  zurück.  Auf  Schnitten  durch  die  Herzgegend  scheinen  unter  den 
Nymphenleisten  die  Epithelzellen  verschwunden.  Sie  sind  durch  Zell- 
elemente von  fibrillärem  Aussehen  ersetzt,  welche  sehr  zusammenge- 
drängt stehen  und  einen  spindelförmigen  Kern  besitzen.  Es  sind  dies 
dieselben  Zellen,  welche  F.  Müller  als  Muskelfasern  angesprochen  hat. 
Moynier  de  Villepoix  will  diesen  Zellelementen  keine  wirkliche 
Muskelnatur  zuschreiben,  sondern  nur  einen  »myo-epithelialen«  Cha- 
rakter. Aber  auch  dieses  scheint  nicht  notwendig,  ebensowenig  wie 
dies  bei  andern  Epithelien  geschah,  welche  an  Schalenteilen  inserieren, 
z.  B.  dem  Mantelhaftepithel  der  Muskelansätze  und  bei  dem  Epithel, 
welches  das  Periostracum  in  der  Mantelrandfalte  befestigt. 

Die  schon  früher  bei  der  Beschreibung  des  Epithels  vom  Mantel- 
rand erwähnten  Zellen  mit  geformtem,  eosinophilen  Inhalt,  traten  in 
der  Epithelschicht  der  Mantelnaht  in  ganz  bedeutender  Anzahl  auf. 
Sie  stellen  sich  als  Amöbocyten  oder  Wanderzellen  heraus,  die  aus 
dem  Innern  des  Tieres  in  die  Epithelien  gelangen.  Moynier  de  Ville- 
poix konnte  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  wie  diese  Amöbocyten  in 
das  Mantelepithel  einwandern. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.    425 


Fast   überall   im   Bindegewebe   findet   man   in   den   Mantellappen 
solche  Wanderzellen;  sie  gelangen  ans  den  Blutgefäßen  in  die  Lacunen 


mnep 


Fig.  47. 

Im  Bindegewebe  (bi)  des  Mantels  liegen  Amöbo- 

cyten  {am),  die  nach  dem  Mantelnahtepithel  (mnep) 

wandern.     Vergr.  800  :  1. 

und  von  hier  leicht  in  das  Binde- 
gewebe (Fig.  47).  Dort  treten  sie 
gewöhnlich  als  rundliche  Zellen 
auf,  die  mit  grobkörnigen,  rund- 
lichen Granulis  erfüllt  sind.  Der 
stets  runde  Kern  läßt  niemals  einen 
größeren  Nucleolus  erkennen,  son- 
dern er  zeigt  viele  kleinere  Chroma- 
tinteilchen  in  seinem  Innern.  Diese 
Wanderzellen  gelangen  an  die  Epi- 
thelzellen, in  welche  sie  durch  die 
Basalmembran  hindurch  eindrin- 
gen (Fig.  48).  Vielfach  nehmen 
diese  Amöbocyten  beim  Durch- 
dringen des  Epithels  eine  längliche 
Form  an,  wobei  der  Kern  hingegen 
immer  seine  rundliche  Gestalt 
beibehält.     In  Fier.  49  sieht  man 


mnep 


Fig.  48. 

Amöbocyte  (am),  die  gerade  im  Begriffe  ist 

in  das  Mantelnahtepithel  einzudringen. 

Vergr.  800  :  1. 


mnep 


bi 


Fig.  49. 

Amöbi  cyte  (am),  die  schon  fast  vollständig  in  das 

Epithel   eingedrungen   ist.    Andre  befinden  sich 

schon  innerhalb  der  Epithelschicht.     Vergr. 

800  :  1. 


426 


Richard  Raßbach, 


eine  solche  Wanderzelle,  welche  schon  über  die  Hälfte  ihrer  Länge, 
andre  dagegen,  die  schon  vollständig  in  das  Epithel  eingedrungen  sind. 
Das  stark  secernierende  Epithel  der  Mantelaußenseite  (Fig.  50)  zeigt, 
wie  ein  Amöbocyt  gerade  nach  außen  gelangt,  seine  ursprünglich  rund- 
liche Gestalt  wieder  annehmend.  Gerade  am  Mantelrand  sah  man,  wie 
es  Fig.  51  wiedergeben  soll,  vielfach  diese  Wanderzellen  außerhalb  des 

Epithels  zwischen  diesem  und  der 
Schale  liegen.  Häufig  ließen  sich 
auch  dort  Wanderzellen  beobach- 
ten, in  denen  kein  Kern  zu  erkennen 


Fig.  50.  Fig.  51. 

Fig,  50.    Amöbocyte  {am),  die  gerade  aus  dem  iu  Sezernierungszustand  befindlichen  Mantelaußen- 
epithel  (aep)  austritt.     Im  Bindegewebe  und  an  der  Basalmembran  liegen  andre  Amöbocyten, 

die  mit  gelben  Ballen  (gb)  beladen  sind.     Vergr.  800  :  1. 
Fig.  51.    Amöbocyten  (am),  die  zwischen  dem  Mantelepithel  und  der  Schale  liegen.    Vergr.  800  :  1. 


ist,  wie  anderseits  auch  isolierte  Kerne  vorkommen,  doch  war  nicht  zu 
entscheiden,  ob  es  sich  dabei  um  eigenartige  Zustände  der  Amöbocyten 
handelt  oder  ob  sie  künstlich  entstanden  sind. 

^  Diese  eosinophilen  Wanderzellen  fanden  sich  also  in  gleicher  Weise 
beim  Epithel  des  Mantelrandes  sowie  der  Mantelnaht.  Sie  entsprechen 
wohl  den  Drüsenzellen,  die  List  zwischen  dem  Epithel  unter  dem 
Ligament  beschreibt  als  »breitere  Drüsenzellen  mit  grobgranuliertem 
Inhalt,  die  denen  entsprechen,  die  man  sonst  im  Mantelepithel  antrifft « 
(vgl.  S.  93).     Diese  beschreibt  er  weiter  folgendermaßen  (vgl.  S.  121 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.   427 

u.  122):  »Außer  den  verschiedenen  geformten  und  sehr  mannigfaltigen 
Elementen  des  Bindegewebes  treten  noch  in  den  Gefäßen  des  Mantel- 
randes und  außerhalb  Blutzellen  auf.  Diese  besitzen  als  Wanderzellen 
eine  sehr  verschiedene  Funktion;  dadurch,  daß  sie  oft  mit  Granula 
beladen  sind,  können  sie  leicht  Verwechslungen  mit  Rundzellen  ver- 
anlassen. Ohne  auf  ihre  histologischen  Differenzierungen  hier  näher 
einzugehen,  möchte  ich  eine  Funktion  hervorheben,  die  von  ganz 
allgemeinem  Interesse  ist  und  bisher  noch  nicht  beobachtet  wurde. 
Zur  Zeit  des  Wachstums  der  Schale  und  des  Periostracums  kann  man 
beobachten,  daß  in  den  Amöbocyten  oder  Wanderzellen  der  Nucleolus, 
der  in  dem  rundlichen  Kern  eingeschlossen  liegt,  sehr  groß  ist  und  durch 
seine  starke  Tinktionsfähigkeit  mit  Eosin  sehr  auffällt.  Zugleich  läßt 
sich  eine  Wanderung  dieser  Zellen  nach  dem  Epithel  der  Außenfläche 
des  Mantels  und   der  Mantelaußenfalte  feststellen.     In  diesen  dahin 

dk 


S-  rpe 


COk 

am 

Fig.  52. 

Querschnitt  durch   ein  junges  3  Monate  10  Tage   altes  Periostracumregenerat  mit  anhaftenden 

Amöbocyten.     Teilweise  sind  in  der  organischen  Masse  degenerierte  Kerne  [dk)  der  Wanderzellen 

eingeschlossen.     Vergr.  368  :  1. 

wandernden  Zellen  wird  der  Nucleolus  immer  größer ;  vom  Chromatin, 
das  sich  stets  mit  Hämalaun  distinkt  blau  färbt,  sind  nur  noch  wenige 
Körnchen  vorhanden  und  schließlich  ist  alles  verschwunden,  d.  h.  an 
Stelle  des  Kernes  ist  ein  stark  glänzender  homogener  Körper  verhanden, 
der  sich  intensiv  grell  leuchtend  rot  mit  Eosin  fingiert.  Nach  den  Befun- 
den, welche  die  verschiedenen  W^anderzellen  darbieten,  scheint  es  sicher, 
daß  auch,  durch  Aufnahme  von  weiterem  Protoplasma  auf  dem  Wege 
zu  den  Epithelien  hin,  der  Einschlußkörper  noch  zunimmt.  Ist  der 
Amöbocyt  am  Epithel  angekommen,  so  tritt  er  zwischen  bzw.  in  die 
Epithelien  ein,  und  bald  kann  man  nur  noch  den  großen  stark  glänzen- 
den Körper  in  einer  Epithelzelle  auffinden,  während  die  schmale  Proto- 
plasmahülle verschwunden  ist.  Daß  aus  dem  Epithel  der  Innenfläche 
der  Außenfalte  diese  stark  glänzenden  eosinophilen  Körper,  wie  die 
übrigen  in  dem  Epithel  selbst  produzierten  Secretmassen  in  das  neue 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  28 


428  Richard  Raßbach, 

Periostracum  aufgenommen  werden,  konnte  auf  Schnitten  deutlich 
und  einwandfrei  festgestellt  werden.«  Obwohl  einige  Differenzen  vor- 
handen sind,  die  in  dem  Bau  dieser  Amöbocyten  bei  der  Wanderung 
vor  sich  gehen,  kann  es  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  daß  diese 
Wanderzellen  bei  Mytilus  dieselben  Gebilde  sind  wie  die  vorher  bei 
Anodonta  beschriebenen. 

An  Schnitten  durch  solche  Teile  von  Epithelien,  die  sich  unter 
verletzten  Stellen  regenerierender  Schalenteile  befanden,  ließen  sich 
solche  Amöbocyten  in  sehr  großer  Zahl  beobachten.  Moynier  de 
Villepoix  schreibt  ihnen  hier  den  ersten  Schutz  des  Epithels  zu.  Be- 
merkenswert ist  ferner,  daß  sich  an  Schnitten  durch  regeneriertes 
Periostracum  in  demselben  eingeschlossen  degenerierte  Amöbocyten 
vorfanden  (Fig.  52  am),  ferner  ließen  sich  in  einer  jungen  Periostracum- 
anläge  blau  gefärbte  unregelmäßige  Körper  beobachten  (Fig.  53  dk), 
welche  man  sich  wohl  nur  als  degenerierte  Zellkerne  genannter  Zell- 
elemente erklären  kann,  ähnliche  Befunde  übrigens  wie  sie  neuerdings 
von  A.  Rubbel  als  Einschlüsse  von  Perlen  beobachtet  worden  sind. 
Über  die  eigentliche  Bedeutung  dieser  aus  den  Epithelien  des  Mantels 
austretenden  Amöbocyten  wird  nur  eine  darauf  gerichtete  spezielle 
Untersuchung  Aufschluß  geben  können. 

Über  Schalenregenerationen. 

Neben  den  Untersuchungen  über  de:i  Bau  der  Schale  wurden 
auch  Regenerationsversuche  an  der  Schale  von  Anodonta  cellensis 
angestellt,  die  mit  den  von  A.  Rubbel  an  Margaritana  margaritifera 
vorgenommenen  Versuchen  in  ihren  Ergebnissen  übereinstimmen. 

Die  Muscheln  waren  einem  Altwasser  der  Lahn  bei  Marburg  ent- 
nommen und  wurden  nach  den  Schalenverletzungen  in  Kästen  gesetzt, 
deren  Böden  mit  einer  Schlammschicht  bedeckt  waren.  Die  Deckel 
waren  durch  Drahtnetze  ersetzt,  während  die  Wände  zahlreich  durch- 
löchert waren,  um  die  nötige  Wasser-  und  Nahrungszufuhr  zu  ermög- 
lichen. Am  20.  August  1910  wurden  die  Behälter  auf  den  Grund  des 
Teiches,  dem  die  Muscheln  entnommen  waren,  gesenkt.  An  den  natür- 
lichen Lebensbedingungen  war  also  nicht  viel  geändert;  im  Voraus 
sei  bemerkt,  daß  alle  Tiere  ihre  Schale  regenerierten,  im  Gegensatz 
zu  den  Ergebnissen  von  G.  Techow,  der  an  Najaden,  die  er  in  Aquarien 
hielt,  keine  Erfolge  erzielen  konnte. 

Die  Verletzungen  der  Schale  bestanden  darin,  daß  an  verschie- 
denen Stellen  derselben  am  Schalenrand,  auf  der  Mitte  und  am  Liga- 
ment kleine  Stücke  herausgesägt  wurden,  die  mit  Kork  oder  Papier 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Kchalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.    429 


und  darübergelegten  Celloidin-  oder  Schellackschichten  geschützt 
waren;  einige  Stellen  blieben  unverschlossen.  Die  Versuchsanordnung 
war  ähnlich  derjenigen,  die  Moyniee,  de  Villepoix  anwandte.  Im 
ganzen  wurden  auf  diese  Weise  21  Muscheln  hergerichtet,  von  denen 
innerhalb  Jahresfrist  nur  zwei  eingingen.  Zur  Verwendung  kamen 
Muscheln  verschiedener  Größen,  zwischen  etwa  80 — 145  mm  Länge.  Sie 
werden  in  fortlaufenden  Nummern  nach  der  Reihenfolge  bezeichnet, 
wie  sie  in  den  einzelnen  Zeitabständen  wieder  aus  dem  Teiche  heraus- 
geholt wurden. 

Am  30.  November  1910,  nach  einer  Dauer  von  3  Monaten  10  Tagen, 
wurden  vier  Muscheln  den  Kästen  entnommen.  Bei  der  ersten  Muschel, 
die   eine   Länge   von    145,8  mm 


hatte,  war  aus  dem  einen  Schalen- 
rande ein  Stück  von  3  mm  Breite 
und  6  mm  Höhe  entfernt.  Die 
Stelle  war  mit  Papier  und  Schel- 
lack geschützt.  Der  andre  Scha- 
lenrand besaß  eine  Verletzung 
von  22  mm  Breite  und  6  mm 
Höhe ;  diese  wurde  ohne  schützen- 
den Verschluß  gelassen.  Beide 
Verletzungen  der  Schalenränder 
waren  nach  Ablauf  der  genann- 
ten Frist  von  innen  mit  einer 
Periostracumschicht  verschlos- 
sen. An  den  verletzten  Stellen 
zeigten  diese  Regenerate  noch 
keine  Prismenanfänge,  während 
in  den  angrenzenden  Partien 
solche  in  Mengen  anzutreffen 
waren,  die  sich  in  einer  deutlich 
gegen  Perlmutter-  und  Periostra- 
cumschicht begrenzten,  hellen, 
ungefähr  2  mm  breiten  Zone 
parallel  zum  Schalenrande  nach 
dem  vorderen  und  hinteren  Ende 
der  Muschel  hinzogen.  Auf  einem 
Querschliff  konnte  man  sehen, 
daß  das  nur  aus  Periostracum  bestehende  Regenerat,  etwa  2  mm  von 
dem  Rande  der  Bruchstelle  an  der  Perlmutterschicht  befestigt  war. 


Fig.  53. 
Querschnitt  durch  ein  3  Monate  10  Tage  altes  Re- 
generat (rpe),  das  von  innen  an  den  Schalenrand 
der  alten  Sehale  angelagert  ist.    Vergr.  120  :  1. 


430 


Richard  Raßbach, 


pm 


I  ~pm 


Besser  konnte  man  diese  Verhältnisse  an  Schnitten  beobachten.  In 
Fig.  53  erkennt  man,  daß  das  gegen  die  mit  Hämatoxylin  blau  ge- 
färbte Perlmutterschicht  hell  hervortretende  Regenerat  (rpe)  sich  mit 
dem  äußersten  Ende  als  eine  feine,  gelbe  Membran  an  die  Perlmutter- 
schicht ansetzt.  Dort  sind  an  der  Innenseite  schon 
wieder  Perlmutterlamellen  (rpm)  über  das  Regenerat 
gelagert.  Nach  dem  Schalenrande  hin  nimmt  es 
schnell  an  Dicke  zu  und  erreicht  ungefähr  die  drei- 
fache Stärke  des  die  Schale  überziehenden  Perio- 
stracums. 

Die  zweite  Muschel  hatte  eine  Länge  von 
117  mm.  Aus  dem  linken  Schalenrand  war  ein 
Dreieck  von  5  mm  Höhe  und  3  mm  Basis  entfernt. 
Die  verletzte  Stelle  war  mit  Papier  und  Celloidin- 
schichten  verschlossen.  Dieses  Regenerat  war  in 
derselben  Zeit  am  weitesten  vorwärts  geschritten. 
Es  zeigte  sich  ein  Verschluß  von  consistenter  Be- 
schaffenheit aus  Periostracum  und  Prismenschicht 
bestehend.  Ein  Querschnitt  (Fig.  54)  läßt  folgendes 
erkennen.  Wie  bei  Regenerat  1  ist  das  neu  gebil- 
dete Periostracum  (rpe)  an  der  Innenseite  der  Schale 
angelagert ;  hier  ist  es  aber  schon  von  einer  dickeren 
Perlmutterschicht  (rpm)  überdeckt.  An  der  Innen- 
seite des  neu  gebildeten  Periostracums  ist  eine  Pris- 
menschicht (rpr)  vollständig  ausgebildet,  welche 
die  Höhe  des  alten  Schalenrandes  schon  erreicht 
und  stellenweise  überholt  hat.  Die  Dicke  des  rege- 
nerierten Periostracums  zeigt  ebenfalls  größere 
Stärke  als  das  der  alten  Schale. 

Auf  beiden  Schalenhälften  der  dritten  Muschel, 


\rpe 


pr 


rpr 


Fig.  54. 

Querschnitt  durch  den 
Sehalenrand  mit  voll- 
ständig ausgebildetem  3 

Monate  io  Tage  altem   die  eine  Länge  von  146,3  mm  hatte,  war  aus  der 

Regenerat.     Es   besteht    MiUe    ejn    gtück    yQn   ßtwa    1Q  mm   Höh(?  und  g  mm 
aus    Periostracum   {rpe), 
Prismenlage    {rpr)     und 
Perlmutterschicht  {rpm). 
Vergr.   16  :  1. 


Breite  entfernt.  Von  den  zwei  Öffnungen,  die  ge- 
schützt waren,  hatte  noch  keine  einen  vollständigen 
Verschluß;  nur  an  den  Rändern  zeigten  sich  die 
Anfänge  des  sich  bildenden  Regenerates.  Dafür  hatte  das  Tier  in 
der  rechten  Schalenhälfte  eine  dicke,  gelbe  Membran  ausgeschie- 
den, die  sich  in  der  Schale  zwischen  den  beiden  Adductoren  auf  eine 
Länge  von  95  mm  ausdehnte  und  die  ganze  Höhe  der  Schale  ein- 
nahm.   Eine  derartig  umfangreiche  Neubildung  konnte  ich  beim  öffnen 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Sehale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  431 

des  Tieres  kaum  vermuten,  so  daß  die  Membran  leider  in  der  Nähe 
der  Mantellinie  zerriß.  Das  Regenerat  war  ungefähr  2  mm  vom  Rande 
der  Schale  an  ihrer  Innenseite  befestigt,  außerdem  längs  des  Liga- 
mentes.  Im  Querschnitt  zeigte  sich  das  ansetzende  Regenerat  am 
Schalenrande  in  einem  ähnlichen  Bilde  wie  es  in  Fig.  57  wiedergegeben 
ist.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  organische  Membran  auch  an  der 
Mantellinie  im  kontinuierlichen  Zusammenhange  gestanden  hat;  es 
würde  mithin  das  Regenerat  ein  Jugendstadium  einer  neuen  Schale  unter 
der  alten  darstellen,  eine  Tatsache,  die  Moynier  de  Villepoix  (vgl. 
Taf.  XX,  Fig.  54)  bei  Mytüus  im  ausgebildeten  Zustand  beobachtet 
hat.  Auf  dem  vorderen  unteren  Ende  des  Regenerates  befanden  sich 
bis  stecknadelkopfgroße  Kristalldrusen  von  sphäritischem  Bau  (Fig.  55), 


Fig.  55. 

Sphärisch  gebaute  Kristalldruse,  die  sich  in 
großer  Zahl  auf  einem  3  Monate  10  Tage  altem 
Periostracumregenerat  vorfand.    Vergr.  92  :  l. 


'  »\  -"        'Cll^ 


Fig.  56. 

Junge    Prismenanlagen    auf    einem    3  Monate 

10  Tage  altem  Regenerat  (Flächenansicht)  aus 

der  Schalenmitte  (entkalkt).    Vergr.  280  :  1. 


die  wohl  als  Reservestoffe  anzusprechen  sind,  Gebilde  von  ähnlichem 
Aussehen,  wie  sie  Biedermann  (vgl.  Taf.  III,  Fig.  17  u.  17a)  auf  einer 
embryonalen  Austernschale  angetroffen  hat. 

Aus  der  rechten  Schalenhälfte  der  vierten  Muschel,  deren  Länge 
114  mm  betrug,  war  nahe  dem  Umbo  ein  Dreieck  von  12  mm  Höhe 
und  4,5  mm  Grundlinie  herausgenommen.  Als  Schutz  diente  ein 
Stückchen  Kork,  darüber  mit  Celloidin  befestigtes  Papier.  Von  innen 
war  über  den  Kork  eine  dunkle,  braune  Periostracumschicht  gelagert, 
die  das  Aussehen  wie  die  von  Hessling  beschriebenen  »Ölflecken« 
zeigte.  Die  Größe  des  Regenerates  betrug  im  Durchmesser  etwa  16  mm, 
es  war  also  bedeutend  umfangreicher  als  die  verletzte  Stelle.  Auf 
einem  Teil  des  abgelösten  Regenerates  konnte  man  deutlich  den  Beginn 
der  polygonalen  Felderung  der  Prismenschicht  bemerken.  Das  Re- 
generat war  leider  so  fest  an  der  Schale  befestigt,  daß  ich  es  erst  nach 


132  Richard  Raßbach, 

Entkalkung  ohne  Verletzung  loslösen  konnte.  Nach  der  Behandlung 
mit  verdünnter  Säure  waren  aber  die  sphäritischen  Strukturverhält- 
nisse  der  Jugendzustände  der  Prismen  nicht  mehr  deutlich  zu  sehen. 
Wie  in  Fig.  56  wiedergegeben  ist,  ließ  sich  eine  strahlige  Randkontur 
der  Prismen  erkennen,  die  aber  wieder  größtenteils  bei  der  fertigen  poly- 
gonalen Felderung  verschwindet.  Es  sind  genau  dieselben  Bilder,  die 
sich  auf  den  »  Ölflecken «  beobachten  lassen  und  die  ebenfalls  mit  den 
Bildimgsstadien  junger  Prismenanlagen  am  Schalenrande  übereinstim- 
men. In  der  Mitte  jedes  Polygones  liegt  ein  centraler,  durch  seine 
besondere  Lichtbrechung  hervortretender  Kern.  Außerdem  konnte  man 
in  der  Flächenansicht  Kalkreservestoffe  in  verschiedenen  Formen  von 
sphäritischem  Bau  beobachten.  Auf  einem  Querschnitt  durch  das 
Regenerat  (Fig.  57)  bemerkt  man,  daß  das    Periostracum  (rpe)  etwa 


msP 


rpe 


Fig.  57. 

Querschnitt  durch  die  Ausatzstelle  eines  3  Monate  10  Tage  alten  Regenerates  (rpe)  aus  der  Schalen- 
mitte.    Vergr.  90  :  1. 

4  mm  vom  Rande  der  verletzten  Stelle  an  die  Perlmutterschicht  (pm) 
angelagert  ist.  In  der  Nähe  der  Ansatzstelle  kann  man  sehen,  daß 
dort  dem  Periostracum  eine  feine  Prismenschicht  angelagert  ist,  die 
jedoch  bald  aufhört,  um  sich  in  der  kompakteren  Masse  der  organischen 
Membran  zu  verlieren,  eine  Bildung,  die  sich  häufig  an  den  jüngsten 
Ansatzstellen  von  regeneriertem  Periostracum  beobachten  läßt.  Die 
Dicke  des  Regenerates  (rpe)  übertrifft  auch  hier  wieder  um  ein  Viel- 
faches diejenige  des  die  Schale  überziehenden  Periostracums. 

Die  Eisdecke  auf  dem  Weiher  verhinderte  vor  März  neue  Proben 
aus  den  Kästen  zu  entnehmen.  Am  7.  März  1911  winden  fünf  weitere 
Exemplare  aus  dem  Teich  entnommen.  Sie  hatten  eine  Länge  von 
90 — 120  mm.  Alle  hatten  ihre  Schale  regeneriert,  jedoch  hatten  die 
Regenerate  gegen  die  31/2  Monate  vorher  untersuchten  nur  eine  sehr 
geringe  Größenzunahme  zu  verzeichnen,  die  wohl  nur  noch  in  der 
wärmeren  ersten  Hälfte  des  Novembers  im  vorhergehenden  Jahre 
stattgefunden  hatte.     Es  war  also   in  den  kalten  Monaten  Dezember, 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  433 

Januar  und  Februar  eine  Ruhepause  im  Wachstum  eingetreten,  wie 
es  auch  von  Hazay  (vgl.  S.  154)  festgestellt  worden  ist. 

In  Fig.  58  ist  ein  Schnitt,  parallel  zum  Rande,  durch  eins  der 
imgefähr  gleich  weit  fortgeschrittenen  Schalenrandregenerate  der 
fünften,  sechsten  und  siebenten  Muschel  wiedergegeben.  Er  zeigt  ein 
sehr  stark  ausgebildetes  Periostracum  (rpe)  mit  ansetzender  Prismen- 
schicht (rpr).  Besonders  schön  war  an  einer  Stelle  derselben  der  Über- 
gang von  blau  gefärbten  Perlmutterlamellen  (rpm)  in  die  mit  Häma- 
toxylin  nicht  färbbare   Querstreifung  der  Prismen  zu  beobachten. 

Bei  der  achten  und  neunten  Muschel  waren  auf  der  Mitte  der 
Schale  kleine  Stückchen  entfernt.  Das  erste  dieser  beiden  Tiere  zeigte 
wie  Regenerat  4  als  Schalenverschluß  eine  dicke  Periostracumsckicht, 


Fig.  58. 
Querschnitt  (parallel  dem  Schaleurand)  durch  ein  vollständig  ausgebildetes  6  Monate  6  Tage  altes 
Schalenrandregenerat,   welches  aus  drei  Schalenschichten  besteht  (rpe,  rpr,  rpm).     Vergr.  76  :  1. 


auf  der  sich  ebenfalls  die  polygonale  Felderung  jung  angelegter  Prismen 
beobachten  ließ.  Eine  Längenzunahme  derselben  hatte  auch  hier  nicht 
stattgefunden,  was  sich  aus  dem  oben  erwähnten  Stillstand  des  Wachs- 
tums in  den  kalten  Monaten  erklärt. 

Ein  sehr  umfangreiches  Regenerat  zeigte  die  neunte  Muschel. 
Aus  der  Mitte  der  Schale  war  ein  Rechteck  von  10  mm  Höhe  und 
2,5  mm  Breite  entfernt  (Fig.  59  v).  Als  Schutz  diente  wieder  Kork, 
darüber  mit  Celloidin  befestigtes  Papier.  Auf  der  Innenseite  der 
Schale  befand  sich  ein  dunkel  aussehendes  äußeres  Regenerat  (ar),  das 
in  seiner  größten  Ausdehnung  etwa  50  mm  aufwies  und  eine  Höhe 
von  25  mm.  In  dem  mittleren  frei  gebliebenen  Teil  war  ein  zweites 
inneres  Regenerat  (ir)  abgelagert,  das  eine  Länge  von  20  mm  und  eine 
Höhe  von  12  mm  zeigte.  Dies  letztere  hob  sich  durch  seine  hellere 
gelbbraune  Farbe  ab.  Daß  das  äußere  Regenerat  zuerst  gebildet  war, 
läßt  sich  erstens  aus  der  dunkleren  Färbung  schließen,  ferner  daraus, 
daß  sich  auf  dem  inneren  Regenerat  nur  ganz  spärlich  kleinere  Kalk- 
kristalle vorfanden.  Das  darunter  liegende  Mantelepithel  war  jeden- 
falls bei  der  Schalenverletzunu  beschädigt  worden,  so  daß  gerade  an 


434  Richard  Raßbach, 

dieser  Stelle  erst  später  der  Schalenverschluß  gebildet  werden  konnte. 
Auf  dem  äußeren  Kegenerat  fanden  sich  wieder  Kalkdrusen  sphäriti- 


oe    frra 


Fig.  59. 

Totalansicht  eines  6  Monate  6  Tage  alten  Regenerates,  das  zwischen  den  beiden  Schließmuskelan- 
sätzen {vsa  u.  hsa)  liegt.  Es  besteht  aus  zwei  Teilen  einem  äußeren  (ar)  und  einem  inneren  Regenerat 
(ir).    Außerdem  befinden  sich  auf  der  Schaleninnenseite  mehrere  Ölflecken  (oe).    4/5  nat.  Größe. 

sehen  Baues,  in  ähnlichen  Rosettenformen,  wie  sie  in  Fig.  55  wieder- 
gegeben sind.  Stellenweise  traten  sie  in  so  großer  Zahl  auf,  daß  sie  sich 
allseitig  berührten,  eine  kontinuierliche   Kalklaoe    bildend.     Aus  der 


J 


Fig.  60. 

Außenansieht  einer  Schale  mit  einem  11  Monate  12  Tage  altem  Randregenerat.     Es  dehnt  sich 
von  der  inneren  Begrenzung  der  verletzten  Stelle  (v)  bis  zum  Schaleurand  aus.    Auf  dem  Regenerat 
|        ist  deutlich  ein  Jahresring  (j)  ausgebildet.    4/s  nat.  Größe. 

sphärokristallinischen  Form  gingen  sie  auch  vielfach  in  eine  polygonale 
über,  die  an  das  Aussehen  der  polygonalen  Flächenstruktur  der  Perl- 
mutterschicht erinnerte. 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.   435 

Die  übrigen  elf  Muscheln  wurden  am  8.  August  1911   also  nach 
Jahresfrist  aus  dem  Weiher  entnommen.    An  dreien  dieser  Tiere,  deren 
Schalenrand  verletzt   worden   war,   konnte   man   den  Schalenzuwachs 
in  auffallender  Weise  erkennen  (siehe  Fig.  60).    Die  Länge  der  Schalen 
betrug  80 — 101  mm.     Die  zehnte  Muschel  hatte   in  der  Krümmung, 
vom  Wirbel  bis  zum  Schalenrand  gemessen,  eine  Höhe  von  64,5  mm, 
während  vom  inneren  Rand  der  verletzten  Stelle  (v)  bis  zum  neuen 
Schalenrande  12  mm  zu  verzeichnen  waren,  was  fast   1/5  der  ganzen 
Schalenhöhe  ausmachte.    Die  beiden  andern  Muscheln  zeigten  ähnlichen 
Zuwachs.     Bei  der  elften  waren  die   Maßverhältnisse   59,0  mm  bzw. 
9,5  mm  bei  der  zwölften  betrugen  sie  52,5  bzw.  8,5  mm.     Bei  allen 
drei  Schalen  bemerkte  man  etwas  entfernt  von  dem  vorjährigen  Schalen- 
rand einen  Anwachsstreifen,  die  man  auch  als  Jahresringe  bezeichnet 
hat.     Hazay   (vgl.   S.  154,  155)  stellte  fest,    »daß  während  der  Ruhe 
des  Schalenrandes  namentlich  die  zarte  vorstehende  Epidermis  (Perio- 
stracum)   von  dem   Bodenschlamm  angegriffen  und  durchsetzt  wird, 
so  daß  der  ganze  Rand  eine  dunklere  Färbung  annimmt.    Dieser  Um- 
stand macht  sich  an  den  Schalen  und  den  dunklen  Jahresringen  be- 
merkbar,   welche   daher   ganz   richtig   als   ein   jeweiliger   Wachstums- 
abschluß anzusehen  sind.     Je  nach  der  Bodenbeschaffenheit  werden 
diese  sehr  natürlich  auch  mehr  oder  minder  auffallend  markiert  sein.« 
Dies  findet  insofern  eine  Bestätigung,  als  tatsächlich  alle  drei  Muscheln 
innerhalb  Jahresfrist  auf  dem  Regenerat  einen  deutlichen  Anwachs- 
streifen, Jahresring,  aufweisen.    Der  jährliche  Zuwachs  der  Schale  ist 
jedoch  sehr  verschieden;  er  ist  bekanntlich  von  mehreren  Umständen 
abhängig,  wie  z.  B.  vom  Alter  des  betreffenden  Individuums,  Kalk- 
gehalt des  umgebenden  Mediums  usf.    Bei  den  Messungen  der  Größen- 
zunahme derjenigen  Muscheln,  die  sich  ein  Jahr  in  dem  Teich  befunden 
hatten,  ließ  sich  feststellen,  daß  jüngere  Tiere  einen  größeren  Schalen- 
zuwachs erfahren  hatten,  als  ältere;    bei  den  größten  Muscheln  war 
kaum  eine  Vergrößerung  der  Schale  festzustellen.  Diese  Beobachtungen 
stimmen  im  Grunde  mit  den  während  mehrerer  Jahre  durchgeführten 
Messungen  von  Hazay   überein.     Auf  Grund  seiner  Untersuchungen 
kommt  er  zu  dem  Resultat,  daß  TJnio  und  Anodonta  ein  Alter  von  10 
bis   12   Jahren   erreichen.      Es   sei   nochmals   hervorgehoben,   daß  als 
Jahresringe   nur  stärker  hervortretende,   in  größeren  Abständen  sich 
zeigende   Anwachsstreifen    (Fig.  60 ;)    anzusehen   sind,    die    wie   schon 
oben  erwähnt,   bei  älteren   Exemplaren  am  Schalenrande  in  engeren 
Zwischenräumen  aufeinander  folgen. 

Sechs    weitere    Muscheln,    deren    durchschnittliche    Länge    etwa 


436 


Richard  Raßbach, 


113mm  betrug,  hatten  Schalenverletzungen  auf  der  Mitte;  bei  zwei 
waren  auch  dabei  kleinere  Stückchen  der  Schließmuskelansätze  ent- 
fernt. Bei  allen  Tieren  fanden  sich  Regenerate  aus  Periostracum, 
Prismenschicht  und  Perlmutterschicht  vor,  und  zwar  in  verschieden 
weit  fortgeschrittenen  Stadien.  In  Fig.  61  ist  ein  Schliff  durch  ein 
solches  Regenerat  wiedergegeben  (rpe,  rpr,  rpm).  Leider  waren  die 
Schalenverschlüsse  noch  so  dünn,  daß  es  nicht  gelang,  dieselben  im 
Zusammenhang  mit  der  alten  Schale  zu  schleifen,  sondern  sie  konnten 
nur  an  entkalkten  Schnitten  zur  Darstellung  gebracht  werden,  um  die 
Größenverhältnisse  zu  zeigen  (Fig.  62).     An  beiden  Bildern  erkennt 


TT 

rpe 
rpr 

-  Sa 

rpm 

Fig.  61. 
Querschliff  durch  ein  vollständiges  11  Monate  12  Tage   altes  Regenerat   von   der  Schalenmitte. 

Vergr.  144  :  1. 

man,  daß  eine  sehr  starke  Periostracumschicht  (rpe)  gebildet  ist.  Die 
Stärke  der  Prismenschicht  (rpr)  steht  jedoch  gegen  die  der  alten  Schale 
(pr)  zurück. 

^     Bei   den  zwei   Muscheln,    an   welchen   Teile    von   Schließmuskel- 
ansätzen entfernt  waren,  ließ  sich  ebenfalls  eine  Periostracumschicht 


I     % — ij 


^^-rry^m~Pr 


Fig.  62. 

Querschnitt  (entkalkt)  durch  ein  vollständig  ausgebildetes  11  Monate  12  Tage  altes  Regenerat 

von  der  Schalenmitte  im  Zusammenhang  mit  der  alten  Schale.    Vergr.  10  :  1. 

mit  ansetzender  Prismenschicht  feststellen.  Besonders  gut  konnte 
man  diese  Verhältnisse  bei  einem  zufällig  gefundenen  natürlichen  Re- 
generat beobachten.  Leider  gelang  es  auch  hier  nicht,  wegen  zu  geringer 
Festigkeit,  dasselbe  im  Zusammenhang  mit  den  alten  Schalenteilen 
zu  schleifen.  In  Fig.  63  sehen  wir  ein  starkes  Periostracum  (rpe)  mit 
sich  anschließender  Prismenschicht  (rpr);  daran  setzt  sich,  ohne  Ver- 
mittlung von  Perlmuttersubstanz,  die  besonders  für  die  Muskelansätze 
charakteristische  helle  oder  durchsichtige  Schicht  (rh),  mit  teils  mehr 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  437 

hervortretender  prismatischer  Gliederung,  teils  mehr  lamellärer  Struktur, 
die  vielfach  ineinander  übergehen.  An  einer  Stelle  ist  zum  zweiten 
Male    Periostracum   mit   sich   anschließenden   Prismen  gebildet. 

Zuletzt  seien  noch  die  Regenerate  erwähnt,   die  sich  nach  Ver- 
letzung des  Ligamentes  erzielen  ließen.     Diese  Tiere  unterlagen  nur 


■ 


Fig.  63. 
Querschliff  durch  regenerierte  helle  Schicht  (rh)  eines  Schließmuskelansatzes.     Vergr.  144  :  1. 

einer  Regenerationsdauer  vom  5.  März  1911  bis  zum  8.  August  desselben 
Jahres. 

An  drei  älteren  Schalen,   die  eine   durchschnittliche   Länge   von 
120  mm  hatten,  wurden  Stücke  des  hinteren  und  vorderen  Teiles  des 


Fig.  64. 

Querschnitt  durch  ein  5  Monate  altes  Ligamentregenerat  (rpe).     An  den  Stellen,  wo  es  nach  der 

Schalenaußenfläche  ausbiegt,  sind  die  ersten  Anfänge  der  sich  regenerierenden  Schloßbandwälle 

zu  bemerken.    Vergr.  10  :  1. 

Ligamentes  entfernt,  von  der  Breite  desselben  und  4  mm  Länge.  Die 
Stellen  wurden  mit  Papier  und  Celloidinschichten  geschützt.  Nach 
Ablauf  der  5  Monate  war  bei  allen  drei  Muscheln  ein  Regenerat  in 
Gestalt  eines  starken  Periostracums  (Fig.  64  rpe)  eingetreten,  trotzdem 
der  schützende  Verschluß,  jedenfalls  infolge  der  Bewegung  der  sich 
öffnenden  und  schließenden  Schale,  überall  verloren  gegangen  war. 
An  den  verletzten  Stellen  wölbte  sich  das  Regenerat  (rpe)  halbkreis- 


438  Richard  Raßbach, 

förmig,  der  Form  der  darunter  liegenden  Mantelnaht  entsprechend, 
nach  außen.  Seitlich  verlief  es,  an  die  Innenseite  der  Schale  befestigt, 
ein  Stück  an  derselben  entlang  und  wurde  dort  von  einigen  Perlmutter- 
lamellen (rpm)  überlagert.  An  der  Innenseite  des  Regenerates  sehen 
wir  bei  rsbw  auch  schon  eine  schmale  prismatische  Gliederung,  die  wohl 
der  faserigen  Struktur  des  alten  Schalenbandwalles  (Fig.  42  sbw),  dem 
Übergang  von  Schale  zum  inneren  Ligamentband  entspricht.  Die 
vollständige  Bildung  dieser  Ligamentteile  mit  späterer  Anfügung  des 
elastischen  Bandes  wäre  wohl  hier  nur  eine  Frage  der  Zeit  gewesen. 

Aus  den  vorliegenden  Untersuchungen  geht  hervor,  daß  das 
ganze  Außenepithel  des  Mantels  imstande  ist,  verschie- 
dene Schalenschichten  zu  produzieren,  eine  Vermutung,  die 
schon  Tullberg  (vgl.  S.  35)  im  Anschluß  an  die  »braunen  Schichten« 
in  der  Perlmutterschicht  bei  Margaritana  ausgesprochen  hat.  Im  Gegen- 
satz zu  W.  Stempell  (vgl.  S.  701)  muß  man  nach  den  gemachten  Ver- 
suchen an  Margaritana  und  Anodonta  daran  festhalten,  daß  am  Mantel- 
rand sowie  auf  der  gesamten  Mantelaußenseite  gleiche  Produkte  ent- 
stehen können.  Besonders  ist  noch  hervorzuheben,  daß  auch  das 
Haftepithel  der  Muskelansätze,  das  sonst  nur  helle  Schicht  bildet, 
und  das  Epithel  der  Mantelnaht  befähigt  sind,  das  Produkt  ihrer 
Secretion  zu  wechseln.  So  ist  auch  wohl  die  Trennung  in  specifische 
Conchyolin-  und  Kalkzellen,  wie  sie  Moynier  de  Villepoix  betont, 
nicht  so  streng  aufzufassen.  Eine  Umwandlung  des  Inhaltes  der  unter 
den  Regeneraten  liegenden  Epithelzellen  ließ  sich  nicht  feststellen. 
An  Schnitten  durch  das  Mantelnahtepithel,  das  sich  unter  einem  Liga- 
mentregenerat befand,  konnte  man  im  angrenzenden  Bindegewebe, 
dasselbe  fast  vollständig  verdeckend,  die  schon  von  Rubbel  an  andern 
Stellen  des  Mantelepithels  erwähnten  kleinen,  gelben,  stark  licht- 
brechenden Kügelchen  von  der  Periostracumsubstanz  ähnlichem  Aus- 
sehen beobachten,  die  vielleicht  beim  Aufbau  des  Periostracums  mit- 
benutzt werden.  Tatsächlich  ließen  sich  auch  außerhalb  der  Epithelien 
an  den  Regeneraten  solche  Conchyolinkügelchen  bemerken  (Fig.  52  coli), 
die  auch  noch  bei  ausgebildeten  Schalen  am  Periostracum  und  an  den 
Prismenscheidewänden  anzutreffen  sind  und  schon  oben  von  F.  Müller 
als  »matt  bläuliche  Kügelchen«  beschrieben  worden  sind. 

Die  Ansicht  von  Villepoix,  die  er  im  Anschluß  an  auskeilende 
Prismenschichten  (vgl.  S.  482)  und  an  ein  von  ihm  zufällig  gefundenes 
Ligamentregenerat  (vgl.  S.  491)  kundgibt,  daß  nämlich  bei  dem  letzteren 
die  spezifischen  Conchyolinzellen  der  postnymphealen  Grube  durch 
Bewegung  der  ganzen  Mantelnaht   nach  der  Stelle  verlagert  werden, 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  439 

wo  die  Regeneration  stattfinden  soll,  dürfte  nach  den  vorliegenden 
Untersuchungen  kaum  zu  halten  sein. 

An  allen  Stellen  der  verletzten  Schalen  haben  wir  bei  den  Neu- 
bildungen Regenerate  mit  den  normalen  Bestandteilen  der  Schale  an- 
getroffen. Überall  jedoch  fand  sich  die  Periostracumschicht  besonders 
stark  ausgebildet,  da  sie  einzig  für  die  kalkigen  Bestandteile  der  Schale 
einen  sicheren  Schutz  gegen  die  zerstörenden  Einflüsse  kalkarmer 
Gewässer  bietet. 

Über  Schalenbildung. 

Bei  der  Besprechung  der  Schalenbildung  kann  nur  auf  die  wesent- 
lichsten Punkte  derselben  hingewiesen  und  nur  solche  ergänzt  oder 
berichtigt  werden,  die  durch  die  angestellten  Versuche  über  Schalen- 
regeneration bewiesen  sind.  Im  übrigen  muß  ich  auf  die  ausführlichen 
Arbeiten  Moynier  de  Villepoix,  Stempell,  Biedermann  und  Römer 
hinweisen,  die  sich  näher  mit  den  chemisch-physikalischen  Problemen 
bei  der  Schalenbildung  beschäftigt  haben. 

Es  ist  heute  keine  umstrittene  Tatsache  mehr,  daß  alle  Teile 
der  Schale  als  Produkt  der  anliegenden  Epithelien  des  Mantels  aufzu- 
fassen sind.  Subepithelialen  Drüsen,  wie  sie  Thiele  am  Mantelrande 
bei  Area  festgestellt  hat  und  deren  Gesamtheit  er  als  »Drüse  des 
Periostracums «  bezeichnet,  dürften  wohl  kaum  eine  allgemeine.  Be- 
deutung bei  der  Bildung  der  organischen  Schalensubstanzen  zukommen. 
Bei  Anodonta  lassen  sich  wenigstens  am  Mantelrande  solche  Anhäu- 
fungen subepithelialer  Drüsen  nicht  nachweisen. 

Ehrenbaum  gelangt  nach  seinen  Untersuchungen  zu  der  Ansicht, 
daß  alle  Schalenteile  von  den  Epithelien  durch  den  Prozeß  der  Secretion 
oder  Ausschwitzung  erzeugt  werden.  Tullberg  dagegen  vertritt  die 
Anschauung,  daß  an  den  Stellen,  wo  Tier  und  Schale  sehr  fest  und 
innig  zusammenhängen,  die  Bildung  auf  eine  andre  Art  und  Weise 
stattfindet.  Es  erfolgt  hier  eine  allmähliche  chemische  Metamorphose 
der  distalen  Zellabschnitte  in  Schalensubstanz.  Rawitz  äußert  sich 
in  gleicher  Weise  bei  der  Bildung  des  Periostracums  in  der  Mantel- 
randfalte. Ebenso  hat  Moynier  de  Villepoix  bei  den  Zellen  der 
Mantelnaht  von  Anodonta  einen  allmählichen  Übergang  der  oberfläch- 
lichen Zone  dieser  Zellkörper  in  die  Fasern  des  inneren  Ligamentes 
beobachtet.  Den  unbedingten  Vorzug  hat  diese  von  den  letzten  Autoren 
ausgesprochene  Ansicht  aus  dem  Grunde  gegenüber  der  einfachen 
Secretion,  daß  nämlich  bei  dieser  Umwandlung  der  distalen  Zellen- 
abschnitte, der  an  diesen  Stellen  erforderliche    feste  Zusammenhang 


440  Richard  Raßbach, 

zwischen  Weichteilen  und  Schale  gewahrt  bleibt.  Demnach  findet 
diese  chemische  Metamorphose  der  oberflächlichen  Teile  in  Periostra- 
cum  nur  an  dem  niedrigen,  kubischen  Epithel  der  Mantelrandfalte 
statt  (Fig.  6  nep).  Die  gegenüberliegenden  hohen  Cylinderzellen  (hep) 
verstärken  die  organische  Substanz  durch  Anlagerung  von  sehr  feinen 
Membranen,  die  sich  öfters  an  Schnitten  durch  diesen  Teil  zwischen 
Weichteilen  und  Schale  beobachten  lassen.  Aus  der  Dickenzunahme 
des  Periostracums,  zwischen  dem  Mantel-  und  Schalenrande,  läßt  sich 
ohne  weiteres  schließen,  daß  der  am  äußersten  Ende  gelegene  Teil 
des  Mantelaußenepithels  (Fig.  6  aep)  an  der  weiteren  Verstärkung  der 
die  Schale  bedeckenden  organischen  Membran  mitbeteiligt  ist. 

Eine  weitere  Frage  ist  es,  wie  wir  uns  den  Secretionsmodus  an 
den  Stellen  vorzustellen  haben,  der  bei  der  weiteren  Verdickung  des 
Periostracums  von  den  hohen  Cylinderzellen  (Fig.  6  hep)  und  den 
Zellen  des  Mantelaußenepithels  und  ferner  bei  der  Bildung  der  orga- 
nischen Lamellen  der  Perlmutterschicht  vorkommt,  also  an  allen  den 
Teilen  der  Schale,  wo  kein  inniger  Zusammenhang  zwischen  dieser 
und  Weichkörper,  stattfindet.  Tullbeeg  und  Eheenbaum  sind  der 
Ansicht,  daß  an  diesen  Stellen  Secret  in  flüssiger  Form  an  die  alten 
Schalenteile  angelagert  wird  mit  nachträglicher  Erhärtung.  Dem- 
gegenüber steht  die  von  Huxley  geäußerte  Erklärung,  daß  an  die 
Schale  cuticulaähnliche  Membranen  gelagert  werden.  Sehr  berechtigt 
macht  Stempell  den  Einwurf,  »daß  es  in  der  Tat  ja  auf  den  ersten 
Blick  nicht  recht  zu  verstehen  ist,  wie  eine  an  der  Oberfläche  der  Zellen 
vollkommen  fertig  gebildete  Schicht  nachträglich  an  der  Schale  be- 
festigt werden  soll. «  Er  modifiziert  deshalb  die  Ansicht  Huxleys 
dahin,  »daß  an  den  genannten  Stellen  mehr  oder  weniger  bestimmt 
geformte  aber  noch  ganz  weiche  Membranen,  wie  man  sie  oft  an  der 
Innenseite  frischer  Schalen  vorfindet,  vom  Epithel  abgestoßen  werden, 
daß  aber  außerdem  noch  flüssige  Secretprodukte  entstehen,  welche  in 
den  Zwischenräumen  jener  Membranen  erstarren  und  zusammen  mit 
ihnen  die  einheitliche  Schale  aufbauen«  (vgl.  S.  671).  Von  dem  Vor- 
handensein solcher  Membranen  und  weniger  bestimmt  geformter  Secret- 
massen  kann  man  sich  auf  geeigneten  Schnitten  durch  den  Mantelrand 
überzeugen.  Einer  derartigen  Erklärung  muß  man  sich  auch  bei  dem 
Zustandekommen  der  organischen  Lamellen  der  Perlmutterschicht  um 
so  mehr  anschließen,  da  man  sich  sonst  kaum  an  diesen  feinen  Membra- 
nen die  Oberflächenabdrücke  ganzer  Zellenkomplexe  erklären  könnte, 
wie  wir  sie  schon  früher  kennen  gelernt  haben  (Fig.  28).  Solche  Bilder 
können    doch    wohl    nur    dadurch    entstanden    sein,    daß    tatsächlich 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  441 

zwischen  den  ausgeschiedenen  Secreten,  die  schon  bestimmtere  Formen 
von  weichen  Membranen  besitzen  mußten,  und  dem  Mantelepithel  ein 
wenn  auch  lockerer  Zusammenhang  bestanden  hat. 

Wahrscheinlich  nehmen  auch  bei  der  Bildung  des  Periostracums 
und  der  organischen  Bestandteile  der  Prismenschicht  die  gelben  Con- 
chyolinkügelchen  teil,  die  wir  dort  schon  früher  kennen  gelernt  haben 
(Fig.  17,  18,  19  cok).  Sie  gelangen,  wie  es  am  Ende  des  vorigen  Kapi- 
tels angedeutet  wurde,  wohl  aus  dem  Bindegewebe  in  das  Epithel,  aus 
dem  sie  Moynier  de  Villepoix  heraustreten  sah  und  wie  sie  dann 
mit  feinen  organischen  Membranen  verschmelzen.  Auch  an  jungen 
Periostracumregeneraten  kann  man  stets  diese  Kügelchen  beobachten, 
wie  sie  im  Begriffe  sind  mit  dessen  jüngsten  Lamellen  zu  verschmel- 
zen (Fig.  52  cok).  Dort,  wo  wir  diese  Conchyolinkügelchen  an  den 
Prismenscheidewänden  der  fertigen  Prismenschicht  stark  hervortreten 
sahen,  waren  sie  wohl  im  Überschuß  vorhanden,  entsprechend  wie 
wir  bei  Kalküberschuß  größere  Ansammlungen  von  Kalkkristallen 
feststellen  konnten. 

Die  erste  Grundlage  der  Schale  ist  stets  die  organische  Substanz, 
der  dann  Kalk  in  verschiedenen  Formen  an-  beziehungsweise  einge- 
lagert wird.  Moynier  de  Villepoix  betont,  daß,  wenn  das  kalk- 
liefernde Secret  die  Epithelzellen  verlassen  hat,  dasselbe  nur  rein 
mechanischen  Einflüssen,  der  Kristallisation  unterliegt.  Nach  Bieder- 
mann sind  ebenfalls  »unter  allen  Umständen,  ob  homogen  kristallinisch 
ob  sphäritisch  gebaut,  die  Prismen  der  Lamellibranchier  als  Produkte 
eines  spezifischen  Kristallisationsprozesses  anzusehen,  wie  nicht  minder 
auch  die  Kalkschichten  der  Perlmuttersubstanz«.  Doch  ist  er  »weit 
davon  entfernt  zu  glauben,  daß  mit  dem  sicheren  Nachweis,  daß  Kri- 
stallisationsprozesse bei  der  Bildung  der  Kalkschichten  der  Schalen 
die  wesentlichste  und  wichtigste  Rolle  spielen,  alle  Schwierigkeiten 
behoben  seien,  welche  einer  mehr  ins  einzelne  gehenden  Erklärung  der 
feineren  Schalenstrukturen  entgegen  stehen.  Vielmehr  erscheinen  die- 
selben eher  noch  gesteigert,  wenn  wir  uns  nicht  noch  auf  den  form- 
bestimmenden Einfluß  der  lebendigen  Zellen  berufen  können«  (vgl. 
S.  140).  Dagegen  steht  die  Ansicht  Stempells,  daß  die  kalkbildenden 
Secrete  außerhalb  der  Zellen  nur  dem  formbestimmenden  Einfluß 
derselben  unterworfen  sind.  Die  bei  den  Prismen  vorkommenden 
sphärokristallinischen  Strukturen  machen  jedoch  einen  rein  mechani- 
schen Kristallisationsprozeß  wahrscheinlicher. 

Der  Ansicht  Biedermanns,  daß  die  Prismen  als  Säulen  über- 
einandergeschichteter  scheibenförmiger  Sphäriten  in  ihrer  ganzen  Länge 


442  Richard  Raßbach, 

aufzufassen  sind,  können  wir  aber  weniger  beistimmen.  Demnach 
müßte  man  auch  an  Querschliffen,  welche  durch  die  tiefer  gelegenen 
Regionen  der  Prismenschicht  geführt  sind,  sphäritische  Strukturen 
immer  nachweisen  können,  die  aber  nur  in  den  obersten  Zonen  an 
den  nach  dem  Periostracum  zugewandten  Teile  der  Prismen,  vor- 
handen sind.  Dagegen  erklärt  uns  Römer  den  Bau  der  Prismen  in  be- 
friedigenderer Weise.  »Jedes  Prisma  erscheint  in  seiner  Totalität  wie 
ein  langes  prismatisches  Stück,  das  aus  einem  großen  Sphärokristall 
längs  eines  Radius  herausgeschnitten  wurde.  Nach  dieser  Ansicht 
Bütschlis  repräsentiert  demnach  jedes  Prisma  einen  unvollständig  aus- 
gebildeten Sphärokristall.  Daß  die  Sphärokristalle  der  einzelnen  Pris- 
men so  unvollständig  ausgebildet  sind,  rührt  daher,  daß  gleichzeitig 
und  dicht  nebeneinander  die  Anfänge  der  einzelnen  Prismen  oder 
Sphärokristalle  gebildet  wurden,  die  bald  seitlich  aufeinanderstießen 
und  sich  so  gegenseitig  in  der  weiteren  Ausbildung  hemmten;  nur  an 
ihren  inneren  Enden  vermochten  sie  einseitig  weiter  zu  wachsen« 
(vgl.  S.  453  und  Textfig.  2).  »Natürlich  geht  aus  dieser  Auffassung 
hervor,  daß  die  äußere  Form  der  Prismen  gar  nichts  mit  eigentlichen 
Kristallformen  zu  tun  hat,  sondern  wie  schon  Bütschli  bemerkte,  das 
Ergebnis  des  Zusammenstoßes  von  Sphärokristallen  ist,  eine  Erschei- 
nung, die  ja  bei  Sphärokristallen  so  häufig  beobachtet  wird«  (vgl.  S.454). 

In  bezug  auf  die  Bildungsweise  der  Perlmuttersubstanz  kann  es 
für  Biedermann  gar  nicht  zweifelhaft  sein,  »daß  das  ganze  Mantel- 
epithel mit  Ausnahme  einer  Randzone,  welche  die  prismenbildenden 
Zellen  umfaßt,  aktiv  beteiligt  ist  und  zwar  direkt  formgebend,  indem 
jede  einzelne  Zelle  eine  der  Fläche  ihres  freien  Endes  entsprechenden 
Bezirk  der  betreffenden  Perlmutterlamelle  bildet«  (vgl.  S.  42).  Schon 
früher  ist  auf  die  Unähnlichkeit  der  Zellenoberflächenabdrücke  und 
der  polygonalen  Felderung  der  Perlmutterschicht  an  ihrer  Innenfläche 
hingewiesen  worden  (vgl.  Fig.  26,  27  u.  28).  Deshalb  werden  wir  hier 
mehr  der  Ansicht  Römers  zuneigen  müssen,  nach  dem  es  für  die  so 
dünnen  Perlmutterblättchen  dagegen  richtiger  erscheint,  »sie  als  ganz 
dünne  Sphäritenscheiben  aufzufassen,  um  so  mehr  als  konzentrische 
Strukturen  an  ihnen  häufig  beobachtet  werden«  (vgl.  S.  454).  Be- 
stärkt wird  diese  Ansicht  dadurch,  daß  ich  allmähliche  Übergänge 
sphärokristallinischer  Strukturen  in  die  polygonale  Felderung  der  Perl- 
muttersubstanz an  einem  Regenerat  beobachten  konnte  (siehe  S.  434). 

Wir  haben  gesehen,  daß  die  Prismen  stets  an  Periostracum  an- 
gelagert werden,  so  daß  niemals  Prismenlagen  ohne  diese  organische 
Grundlage  entstehen  können.    Im  Verlaufe  der  Untersuchungen  lernten 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  443 

wir  die  Gebilde  kennen,  welche  uns  von  Moynier  de  Villepoix  als 
»  globules  jaunätres «  beschrieben  worden  sind,  und  die  wir  isoliert  am 
Periostracum  des  Mantelrandes  und  ferner  als  Mittelpunkt  der  sphäro- 
kristallinischen  Anlagen  der  Prismen  eingeschlossen,  wiederfanden. 
Vielleicht  stellen  diese  Gebilde  einen  Konzentrationspunkt  dar,  um  den 
sich  der  Kalk  in  der  oben  beschriebenen  Weise  in  Form  von  Sphäro- 
kristallen  anlagert.  Gerade  auf  jüngeren  Teilen  von  Regeneraten,  die 
nur  aus  Periostracumsubstanz  bestanden,  ließen  sich,  ehe  die  geringste 
Andeutung  junger  Prismenanlagen  zu  bemerken  waren,  solche  »globules 
jaunätres«  in  Mengen  auf  denselben  feststellen.  Diese  Befunde  lassen 
wohl  eine  größere  Wahrscheinlichkeit  der  erwähnten  Bedeutung  dieser 
Gebilde  zu. 

Moynier  de  Villepoix  und  Biedermann  sind  der  Ansicht,  »daß 
man  entsprechend  den  drei  verschiedenen  Schalenschichten,  Perio- 
stracum, Prismenschicht  und  Perlmutterlage  auch  drei  verschiedene 
Zonen  des  Mantelepithels  unterscheiden  kann,  von  denen  jede  durch 
besondere  specifische  Eigentümlichkeiten  ihrer  Elemente  befähigt 
erscheint,  eine  gewisse  Schalenschicht  und  zwar  nur  diese  zu  erzeugen« 
(vgl.  Biedermann  S.  30).  Das  Vorhandensein  dieser  drei  Epithelzonen 
muß  man  zugeben,  die  allerdings  nur  bei  dem  normalen  Dickenwachs- 
tum die  verschiedenen  Schalenschichten  getrennt  produzieren.  Jedoch 
sind  bestimmte  Grenzen,  durch  welche  diese  Zonen  scharf  voneinander 
geschieden  wären,  nicht  vorhanden,  ebensowenig  wie  wir  in  der  Schale 
die  drei  entsprechenden  Schichten  streng  voneinander  getrennt  vor- 
fanden, sondern  im  Gegenteil  alle  möglichen  Übergänge  feststellen 
konnten.  Nach  den  Ergebnissen  der  Regenerationen  am  Schalen- 
rande muß  man  die  Ansicht  Biedermanns  berichtigen,  daß  die  ver- 
schiedenen Zonen  imstande  seien,  nur  eine  bestimmte  Schalenschicht 
zu  bilden,  ebenso  wie  die  Erklärung  von  Moynier  de  Villepoix,  die 
dieser  im  Anschluß  an  die  Neubildung  von  Periostracum  bei  Regene- 
rationen am  Schalenrand  macht.  Es  soll  sich  der  Mantelrand,  nach  der 
Loslösung  des  Periostracums  von  demselben,  hinter  die  verletzte  Stelle 
zurückziehen,  damit  die  Periostracum  bildende  Zone  imstande  sei, 
dort  die  neue  organische  Membran  an  die  Schale  anzulagern.  Eine 
solche  Verschiebung  der  Mantelteile  ist  nicht  notwendig,  da  alle  Stellen 
des  Epithels  der  Manteloberfläche  befähigt  sind,  je  nach  Bedarf  das 
Produkt  ihrer  Secretion  zu  wechseln.  Die  Erklärung  Biedermanns,  die 
er  im  Anschluß  an  Schalenregenerationen  bei  Helix  gibt,  und  die  er 
auch  ohne  weiteres  auf  die  Lamellibranchiaten  überträgt,  daß 
nämlich  niemals  vom  Epithel  der  Manteloberfläche  Cuticulasubstanz 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  29 


444  Richard  Raßbach, 

mit  den  Eigenschaften  des  normalen  Periostracums  abgeschieden 
werden  könne,  ist  wohl  genügend  durch  die  Resultate  meiner  Schalen- 
regenerationen widerlegt,  wonach  bewiesen  werden  konnte,  daß  alle 
Teile  der  Manteloberfläche,  auch  diejenigen,  welche  für  gewöhnlich  die 
Perlmutterlage  bilden,  befähigt  sind,  normales  Periostracum  mit  an- 
setzender Prismenschicht  zu  bilden.  Eine  derartige  Fähigkeit,  das 
Produkt  der  Secretion  zu  wechseln,  erklärt  uns  auch  leicht  am  Schalen- 
rande die  Bildung  der  treppenartig  übereinander  gelagerten  Abteilungen, 
die  durch  schräg  in  die  Prismenlage  einstreichende  Periostracumschich- 
ten  voneinander  getrennt  sind.  Wie  früher  festgestellt  wurde,  findet  in 
den  kalten  Monaten  eine  Ruhepause  in  dem  Wachstum  der  Schale  statt. 
Im  Frühjahr  wird  nun  zuerst  von  dem  Außenepithel  des  Mantelrandes 
nach  dem  Innern  der  Schale  auf  eine  kürzere  oder  weitere  Strecke  an 
die  Prismenschicht  der  vorhergehenden  Wachstumsperiode  eine  Perio- 
stracumlage  angelagert,  die  natürlich  an  dem  freien  Schalenrande  mit 
der  organischen  Substanz,  welche  in  der  Mantelrandfalte  entsteht, 
um  die  äußerste  Schalenschicht  zu  bilden,  im  Zusammenhang  steht. 
Dieser  Periostracumlage  wird  dann  von  demselben  Epithel  wieder  eine 
Prismenlage  angelagert,  die  weiter  nach  dem  Innern  der  Schale  öfters 
als  auskeilende  Prismenschichten  zu  beobachten  sind.  Bei  jungen 
Anodontenschalen  liegen  nun  diese  Abteilungen  weiter  auseinander, 
da  in  den  einzelnen  Wachstumsperioden  noch  ein  größerer  Längen- 
zuwachs einer  ununterbrochenen  Prismenlage  erfolgt,  während  bei 
Schalen  älterer  Tiere,  deren  Jahresringe  infolge  weniger  starker  Zu- 
nahme am  Rande  näher  zusammengedrängt  liegen,  auch  im  Querschliff 
eine  entsprechend  schnellere  Aufeinanderfolge  der  Jahresproduktionen 
zu  verzeichnen  ist. 

Was  die  Bildung  der  durchsichtigen  Substanz  anbetrifft,  so  können 
wir  uns  wohl  kaum  aus  dem  oben  schon  erwähnten  Grund  der  Ansicht 
Tullbergs  verschließen,  daß  die  helle  Schicht  auch  durch  Umbildung 
der  distalen  Zellenabschnitte  entsteht,  ebenso  wie  Moynier  de  Ville- 
poix  die  Entstehung  des  inneren,  elastischen  Ligamentbandes  beob- 
achtet hat.  Bei  beiden  Schalenteilen  erfolgt  nachträglich  durch  das 
anliegende  Epithel  eine  mehr  oder  weniger  starke  Verkalkung.  Die 
früher  erwähnte  verschiedene  Reaktionsfähigkeit  der  organischen  Sub- 
stanz der  Perlmutterlage  und  der  hellen  Schicht  läßt  vielleicht  darauf 
schließen,  daß  bei  der  letzteren  auch  die  äußersten  Enden  der  an  die 
helle  Schicht  herantretenden  Muskeln  bei  dem  Aufbau  der  organischen 
Bestandteile  derselben  durch  Umbildung  mitbeteiligt  sind. 

Die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  gab  mir  mein  hochverehrter  Lehrer 


Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  445 

Herr  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  E.  Korschelt,  dem  ich  für  seine  jeder- 
zeit bereite  Unterstützung  meinen  herzlichsten  Dank  ausspreche. 
Ferner  bin  ich  Herrn  Prof.  Dr.  C.  Tönniges  und  Herrn  Privatdo- 
zenten Dr.  W.  Harms  zu  großem  Dank  verpachtet. 

Zusammenfassung. 

Die  Periostracumsubstanz,  welche  die  äußerste  Schalenschicht 
bildet,  wird  von  den  Epithelzellen  der  Mantelrandfalte  und  von  einem 
Teil  der  sich  anschließenden  Epithelzellen  der  Mantelaußenseite  ge- 
bildet. Die  organische  Substanz  des  äußeren  unelastischen  Ligament- 
bandes entsteht  als  Produkt  der  Mantelnahtzellen,  die  unter  der  post- 
nymphealen  Grube  gelegen  sind.  Ferner  ist  das  gesamte  Mantelaußen- 
epithel imstande,  organische  Substanz  mit  den  Eigenschaften  des  nor- 
malen Periostracums  zu  bilden. 

Außerdem  ist  in  besonderen  Fällen  das  gesamte  Außenepithel  des 
Mantels  befähigt,  Prismenschicht  zu  erzeugen,  nachdem  die  Bildung 
einer  organischen  Grundlage  in  Form  von  Periostracumsubstanz  vor- 
ausgegangen ist. 

Gewissermaßen  als  Konzentrationspunkt  jeder  einzelnen  Prismen- 
anlage dient  stets  ein  gelb  bis  braun  aussehendes,  rundliches  Gebilde, 
das  wiederum  aus  kleinen  periostracumähnlich  aussehenden  Teilchen 
zusammengesetzt  erscheint. 

Die  Perlmutterschicht,  die  gewöhnlich  der  Prismenschicht  ange- 
lagert wird,  trägt  vorzugsweise  zur  Verstärkung  der  kalkigen  Bestand- 
teile der  Schale  bei.  Sie  wird  vom  größten  Teil  des  Epithels  der  Mantel- 
oberfläche gebildet. 

Als  besondere  Schalenschicht  ist  wohl  die  helle  Schicht  aufzufassen. 
Sie  entsteht  gewöhnlich  an  den  Muskelansätzen  der  Schale  und  zwar 
unabhängig  von  andern  Schalenschichten,  im  Gegensatz  zur  Prismen- 
schicht,  die  nur  auf  einer  organischen  Grundlage,  in  Form  von  Perio- 
stracumsubstanz, sich  bilden  kann. 

Die  auf  der  Schalenaußenseite  in  größeren  Abständen  und  stärker 
hervortretenden  Streifen,  die  nahezu  konzentrisch  verlaufen,  sind  als 
jeweiliger  Abschluß  einer  bestimmten  Wachstumsperiode  aufzufassen. 
Sie  stellen  die  Jahresringe  der  Muschel  dar.  Die  gleiche  Bedeutung 
haben  wohl  die  am  Hinterende  des  Ligamentes,  besonders  bei  älteren 
Tieren  gut  sichtbaren  parallelen  Streifen,  die  in  gewissen  Abständen 
quer  über  das  äußere  Ligamentband  von  einer  zur  andern  Schalen- 
klappe verlaufen. 

Alle    Teile    der   Schale,    sowohl    Schalenrand    wie    Schalenmitte, 

29* 


446  Richard  Raßbach, 

Muskelansätze  und  Ligament,  können  bei  entsprechenden  Verletzungen 
regeneriert  werden.  Bei  allen  Schalenregeneraten  finden  sich  stets  die 
normalen  Bestandteile  der  entsprechenden  Stellen  der  Schale  vor,  und 
zwar  werden  die  verschiedenen  Schalenschichten  Periostracum,  Prismen- 
schicht, Perlmutterschicht  bzw.  helle  Schicht  oder  inneres  Ligament- 
band, alle  nacheinander  von  dem  anliegenden  Epithel  der  verletzten 
Stelle  gebildet,  infolge  der  Fähigkeit,  je  nach  Bedarf,  verschiedene 
Schalenschichten  zu  produzieren. 

Marburg,  im  Februar  1912. 


Literaturverzeichnis. 

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Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Schale  u.  Schalenregener.  v.  Anodonta  cellensis  Schrot.  447 

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21.  Felix  Müller,  Über  die    Schalenbildung    bei    Lamellibranchiaten.      In: 

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Annee  1709.     Paris  1711. 

25.  —  De  la  formation  et  de  l'accroissement  des  coquilles  des  aniniaux  tant 

terrestres  qu'aquatiques  soit  de  mer  soit  de  riviere.     In:  Ibid.    Annee 
1709.     Paris  1716. 

26.  O.  M.  Reis,  Das  Ligament  der  Bivalven.    In:  Jahreshefte  des  Vereins  für 

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27.  O.  Römer,  Untersuchungen  über  den  feineren  Bau  einiger  Muschelschalen. 

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28.  G.  Rose,  Über  die  heteromorphen   Zustände  der  kohlensauren  Kalkerde. 

In:  Abhdl.  d.  Akad.  der  Wiss.     Berlin  1858. 

29.  A.  Rubbel,  Zur  Kenntnis  der  Schalenregeneration  bei  der  Flußperlmuschel. 

In:  Zool.  Anz.     Bd.  XXXVII.     Nr.  819.     1911. 

30.  —  Über    Perlen   und    Perlenbildung    bei  Margaritana  margaritifera  nebst 

Beiträgen  zur  Kenntnis  ihrer  Schalenstruktur.    In:  Zool.  Jahrb.    Abt. 
f.  Anat.     Bd.  XXXII.     1911. 

31.  Camillo  Schneider,  Lehrbuch  der  vergl.  Histologie  der  Tiere.    Jena  1902. 

32.  R.  Stmma,  Über   die   Muskelinsertionen    an    dem    Chitin    bei   den   Arthro- 

poden.    In:   Anat.  Anz.     Bd.  XXXIV.     1909. 

33.  W.  Stempell,  Über   die   Bildungsweise   und  das   Wachstum    bei   Muschel 

und  Schneckenschalen.     In:   Biol.  Centralbl.     Bd.  XX.     1900. 

34.  G.  Techow,  Zur  Kenntnis  der  Schalenregenerationen  bei  Gastropoden.    In: 

Arch.  f.  Entwicklungsmech.  der  Organismen.    Bd.  XXXI.  Hft.  2.    1910. 

35.  Joh.  Thiele,  Über  die  Molluskenschale.    In :  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  LV. 

1893. 

36.  T.  Tullberg,  Studien   über  den   Bau  und  das   Wachstum   des  Hummer- 

panzers und  der  Molluskenschalen.     In:  Kgl.  Svensk.  Vetensk.  Akad. 
Handl.  XIX.     Nr.  3. 

37.  Moy.  de  Villepoix,  Recherches  sur  la  formation  et  l'accroissement  de  la 

coquille  des  Mollusques.     In:  Journ.  de  I'Anat.  et  de  la  Phys.  Paris. 
28.  Annee.     1893. 

38.  W.  Wege,  Morphologische  und  experimentelle  Studien  an  Asellus  aquaticus. 

In:  Zool.  Jahrb.     Bd.  XXX.     Abt.  f.  Zool.  u.  Physiol.     1911. 


448 


Richard  Raßbach,  Beiträge  z.  Kenntnis  d.  Schale  usw, 


aep,  Außenepithel  des  Mantels; 

al,  äußeres  Ligamentband; 

am,  Amöbocyten; 

apr,  auskeilende  Prismenschicht; 

ar,  äußeres  Regenerat; 

bi,  Bindegewebe; 

bz,  Becher zellen; 

cok,  Conchyolinkügelchen ; 

dk,  degenerierte  Kerne  von  Amöbo- 
cyten ; 

dm,  dorsaler  Mantelschlitz; 

drz,  drüsenartig  aussehende  Zellen  im 
Grunde  der  Mantelrandfalte; 

/,  Periostracumfalten ; 

gb,  gelbe  Ballen; 

gl,  gelbe  strukturierte  Körperchen  (glo- 
bules  jaunätres); 

h,  helle  »Schicht; 

hep,  hohes  Cylinderepithel  der  Mantel- 
randfalte; 

lir,  Hinterrand  der  Schale; 

hra,  Ansatzstelle  des  hinteren  Fuß- 
retractors ; 

hsa,  Ansatzstelle  des  hinteren  Schließ- 
muskels ; 

i,  Intercellularraum ; 

iep,  Epithel    der   Mantelinnenseite; 

il,  inneres  Ligamentband; 

ir,  inneres  Regenerat; 

j,  Jahresring; 

mhep,  Mantelhaftepithel ; 


Erklärung  der  Abbildungen, 

Buchs  tabenerklärungen. 

ml,  Mantellinie; 


mnep,  Mantelnahtepithel; 

mrf,  Mantelrandfalte ; 

nep,  niedriges  Epithel  der  Mantelrand- 
falte; 

oe,  Ölflecken; 

pe,  Periostracum ; 

pel,  Periostracumleisten,  die  in  das 
Prismeninnere  vorspringen; 

pep,  prismenbildende  Epithelzone; 

pi,  Pigment; 

pm,  Perlmutterschicht; 

pn,  postnympheale  Grube; 

pr,  Prismenschicht; 

rh,  regenerierte  helle  Schicht; 

rpe,  regeneriertes  Periostracum; 

rpm,  regenerierte  Perlmutterschicht; 

rpr,  regenerierte  Prismenschicht; 

rsbw,  regenerierter  Schloßband  wall; 

rv,  ringförmige  Verdickungen  der  Pris- 
menscheidewände ; 

sbw,  Schloßbandwall; 

seh,  Schild  der  Schale; 

ur,  Unterrand  der  Schale; 

v,  verletzter  Schalenteil; 

vr,  Vorderrand  der  Schale; 

vra,  Ansatzstelle  des  vorderen  Fuß- 
retractors ; 

vsa,  Ansatzstelle  des  vorderen  Schließ- 
muskels; 

w,  Schalenwirbel. 


Paramoebenstudien. 

(P.  pigmentifera  Grassi  und  P.  chaetognathi  Grassi.) 

Von 
C.  Janicki. 

Privatdozent  und  Assistent  an  der  Zoologischen  Anstalt  der  Universität   Basel. 


Mit  4  Figuren  im  Text  und  Tafel  VI— IX. 


Im  Jahre  1881  hatte  G.  B.  Grassi  zwei  parasitische  Amoeben, 
A.  chaetognathi  Gr.  und  A.  'pigmentifera  Gr.  aus  der  Schwanzleibes- 
höhle von  Chaetognathen  beschrieben  und  zwar  auf  Grund  von 
Untersuchungen,  welche  in  Kleinenbergs  Laboratorium  in  Messina 
ausgeführt  worden  waren  (18).  Die  für  ihre  Zeit  an  trefflichen  Beob- 
achtungen reiche  Arbeit  Grassis  umfaßt  die  Morphologie  der  Amoeben 
sowie  gewisse  Phasen  aus  dem  Entwicklungscyclus,  vor  allem  geißel- 
tragende Jugendformen  (»elementi  flagelliferi «)  und  deren  angebliche 
Bildung.  Besonderes  Interesse  schien  die  eine  der  genannten  Formen 
zu  bieten,  A.  pigmentifera:  sie  führt  neben  dem  Kern  «im  cosi  detto 
ocello»,  einen  großen,  von  schwarzem  Pigment  überdeckten,  augen- 
ähnlichen Körper. 

Während  meiner  Studien  im  Laboratorium  des  Herrn  Prof.  Grassi 
in  Rom  bin  ich  auf  diese  in  Chaetognathen  parasitierenden  Amoeben 
aufmerksam  gemacht  worden.  Auf  mein  Gesuch  ist  mir  vom  Kais. 
Russischen  Unterrichtsministerium  ein  Arbeitsplatz  an  der  Zoolo- 
gischen Station  in  Neapel  vom  März  bis  Juli  v.  J.  überlassen 
worden  und  ich  widmete  mich  daselbst  in  erster  Linie  der  Untersuchung 
der  genannten  Parasiten.  Der  Leitung  der  Zoologischen  Station  in 
Neapel  spreche  ich  für  alle  Förderung  meiner  Arbeit,  insbesondere  für 
die  oft  mühsame  Materialbeschaffung,  meinen  verbindlichsten  Dank  aus. 
Zum  Zweck  einer  weiteren  Ausdehnung  meiner  diesbezüglichen 
Studien  habe  ich  durch  freundliche  Vermittlung  des  Herrn  Prof.  Grassi 
Gelegenheit  gehabt  mehrere  Wochen  lang  im  Hochsommer  im  Labora- 
torium des  Regio  Comitato  Talassografico  in  Ganzirri  bei 
Messina  zu  arbeiten.  Herrn  Prof.  Grassi  auch  an  dieser  Stelle  meinen 
herzlichen  Dank! 


450  C.  Janicki, 

Der  ständige  Wohnort  der  Amoeben  ist,  wie  gesagt,  die  Schwanz- 
leibeshöhle, wo  die  männlichen  Keimzellen  des  Wirtstieres  ihre  Ent- 
wicklung im  flottierenden  Zustand  durchmachen;  außerdem  werden 
die  Amoeben  in  den  Samenblasen,  bis  dicht  vor  deren  äußeren  Öffnung, 
angetroffen.  Sehr  viel  seltener  findet  man  die  Amoeben  in  der  Rumpf- 
leibeshöhle ;  Grassi  bemerkt  zu  diesem  letzteren  Aufenthalt  mit  Recht : 
«Ritengasi  perö  che,  quando  ne  sono  nel  celoma  del  tronco,  non  man- 
cano  quasi  mai  nella  cavitä  caudale»  (18,  S.  185).  Der  Übergang  der 
Amoeben  von  der  Schwanz-  in  die  Rumpfleibeshöhle  geschieht  viel- 
leicht, gemäß  einer  Vermutung  von  Grassi,  unter  Durchbruch  des 
feinen,  zwischen  beiden  angebrachten  Dissepiments.  Als  Ausnahme 
schließlich  habe  ich  hier  das  Vorkommen  der  Amoeben  (es  handelt 
sich  um  die  Species  pigmenti  fem)  auch  in  der  Kopfleibeshöhle  der 
Sagitta,  an  den  Kopfmuskeln  herumkriechend,  zu  verzeichnen;  in 
diesem  Fall  ist  die  Schwanzleibeshöhle  frei  von  Amoeben  gewesen, 
hingegen  ließen  sich  im  Kopf  außer  den  Amoeben  auch  Spermatozoen, 
offenbar  von  Sagitten,  nachweisen.  Im  Darm  erinnere  ich  mich  nicht 
Amoeben  gesehen  zu  haben,  und  auch  Grassi  tut  davon  keine  Er- 
wähnung. 

In  Übereinstimmung  mit  Grassi  hebe  ich  hervor,  daß  vor  dem 
Eintritt  der  männlichen  Geschlechtsreife  die  Parasiten  in  keinem  Fall 
zu  finden  sind.  So  konnte  ich  denn  auch  bei  der  großen  Spadella 
hexaptera  während  der  Monate,  auf  welche  sich  meine  Untersuchungen 
erstreckten,  niemals  eine  Infektion  feststellen.  Grassi  gibt  folgende 
vier  Arten  von  Pfeilwümern  an,  welche  er,  seitdem  seine  Aufmerk- 
samkeit auf  die  Amoeben  gelenkt  worden  war,  in  der  Meerenge  von 
Messina  infiziert  fischen  konnte:  Spadella  injlata  Gr.,  Sp.  bipunctata 
Quoy  et  Gaimard,  Sp.  serratodentata  Krohn  und  Sagitta  Claparedi  Gr. 
Doch  vermutet  Grassi,  daß  die  Amoeben  auch  sechs  andre  Species  von 
Sagitten,  welche  in  der  Meerstraße  von  Messina  heimisch  sind,  in- 
fizieren. 

Aus  eigner  Erfahrung  möchte  ich  zunächst  die  Beobachtung 
Grassis  bestätigen,  daß  die  beiden  parasitischen  Amoeben  in  auffallen- 
der Weise  auf  verschiedene  Species  der  Wirtstiere  verteilt  sind ;  ob  frei- 
lich diese  Scheidung  durchaus  streng  durchgeführt  wird,  wie  es  Grassi 
will,  kann  ich  zurzeit  nicht  sicher  entscheiden.  Nach  meinen  Beob- 
achtungen ist  P.  pigmentifera  für  Sp.  injlata  Gr.  charakteristisch, 
während  Sp.  bipunctata  mit  Vorliebe  P.  chaetognathi  beherbergt,  was 
freilich  mit  Grassis  Angaben  sich  nicht  genau  deckt.  Die  im  Golf  von 
Neapel  häufigste  Form,    Sp.  serratodentata  Krohn,  erwies  sich  trotz 


Paramoebenstudien.  451 

ihrer  stets  vollständig  erreichten  Geschlechtsreife  als  konstant  frei  von 
Parasiten.  Sp.  inflata,  welche  relativ  sehr  häufig  mit  P.  pigmentifera 
infiziert  erscheint,  tritt  im  Golf  von  Neapel  namentlich  nach  starkem 
Scirocco  auf,  offenbar  ist  hohe  See  ihr  eignes  Gebiet.  Sp.  bipnnctata 
ist  im  Golf  von  Neapel  eine  Seltenheit,  und  dementsprechend  ist  es 
auch  P.  chaetognathi.  Die  Zusammensetzung  der  Sagittenfauna  in  der 
Straße  von  Messina  ist  nicht  unwesentlich  anders  als  im  Golf  von 
Neapel;  vor  allem  gehört  dort  die  kleinere  Sp.  serratodentata  nicht 
zu  vorherrschenden  Formen,  was  ohne  weiteres  günstigere  Verhältnisse 
zum  Studium  der  parasitischen  Amoeben  mit  sich  bringt.  Für  die 
Quantität  der  Sagittenausbeute  bieten  ferner  die  Meeresströmungen 
bei  Ganzirri  und  beim  Faro  die  besten  Bedingungen.  —  In  Prozent- 
zahlen die  Häufigkeit  der  Infektion  wiederzugeben  fällt  sehr  schwer, 
weil  außerordentlich  wechselnde  und  schwer  mit  irgendwelchen  äußeren 
Bedingungen  vereinbare  Verhältnisse  obwalten.  Im  allgemeinen  ist 
der  Prozentsatz  der  in  Neapel  infizierten  Sp.  inflata  ziemlich  hoch; 
schon  eine  Ausbeute  von  etwa  bloß  zehn  Sagittenexemplaren  wird 
sicher  ein  infiziertes  Tier  enthalten.  Hingegen  fällt  wieder  die  Selten- 
heit dieser  Chaetognathenspecies  im  Golf  von  Neapel  erschwerend 
für  die  Untersuchung  in  die  Wagschale.  In  der  Straße  von  Messina 
habe  ich  ungefähr  den  gleichen  Prozentsatz  angetroffen.  Zweimal 
habe  ich  bei  Ganzirri  (Ende  Juni  und  am  22.  Juli  1911)  in  einem 
enorm  reichen  Fang  von  Sagitten  keine  Infektion  vorgefunden,  trotz- 
dem die  Species  die  gleichen  gewesen  sind,  welche  sonst  die  Amoeben 
beherbergen.  Derartige  Befunde,  mit  genauen  meteorologischen  sowie 
Strömungsangaben  verknüpft,  könnten  vielleicht  für  das  Auffinden 
des  Infektionsmodus,  der  mir  noch  dunkel  geblieben  ist,  von  Belang 
sein.  In  Anbetracht  der  schwankenden  Infektionsbefunde  ist  es  mir 
nicht  möglich  näher  auf  das  Vorkommen  der  Infektion  bei  sämtlichen, 
namentlich  nicht  bei  den  selteneren  Chaetognathenarten  einzugehen. 
Im  ganzen  muß  ich  das  Vorkommen  der  Amoeben  als  ein  seltenes 
bezeichnen;  wenn  hingegen  freilich  ein  infiziertes  Tier  gefunden  wird, 
so  ist  die  Anzahl  der  Amoeben  in  demselben  meistens  recht  beträcht- 
lich. So  mußte  ich  mit  dem  mir  zur  Verfügung  stehenden  Material 
recht  sparsam  umgehen,  und  das  war  auch  der  Grund,  warum  ich  die 
Untersuchung  im  lebenden  Zustand  sowie  Anwendung  von  mikro- 
chemischen Reaktionen  zugunsten  des  Festhaltens  der  eigentümlichen 
Parasiten  auf  konserviertem  Präparat  zum  Teil  vernachlässigen  mußte. 
Als  Untersuchungsmethoden  kamen  somit  in  erster  Linie  Ausstrich- 
präparate auf  Deckglas  unter  Einschränkung  auf  gut  bewährte  Vor- 


452  C.  Janicki, 

Schriften  in  Betracht.     Im  Einzelnen  werde  ich  auf  die  angewandten 
Methoden  im  Laufe  der  Darstellung  zurückkommen. 

Schon  die  ersten  von  mir  angefertigten  Präparate  hatten  mir  gezeigt, 
daß  in  den  Parasiten  von  Chaetognathen  die  Gattung  Paramoeba  Schau- 
dinn  vorliegt,  worüber  im  lebenden  Zustand  sich  kein  Entscheid  treffen 
läßt.  Bekanntlich  ist  zurzeit  von  dieser  interessanten  Gattung  nur 
eine  einzige  im  Meer  freilebende,  von  Schaudinn  beschriebene  Species, 
P.  eilliardi,  verzeichnet  (47);  mit  dieser  werde  ich  die  parasitischen 
Formen  mehrfach  zu  vergleichen  haben1. 

Spezieller  Teil. 
1.  Bau  beider  Paramoeba-Arten. 

Die  Gestalt  der  Amoeben  ist  meistens  rundlich  bis  unregelmäßig 
oval  (Taf.  VI,  Fig.  1  u.  2);  besonders  P.  pigmentifera  nimmt  außerdem 
oftmals  stab-  bzw.  fingerförmige  Gestalt  an  (Fig.  \b,  3c),  wie  das  schon 
Gkassi  in  der  allgemeinen  Charakteristik  der  Amoeben  hervorhebt  und 
abbildet.  Die  Größe  variiert  innerhalb  ziemlich  weiter  Grenzen;  bei 
P.  pigmentifera  beträgt  der  mittlere  Durchmesser  0,034  mm,  P.  chaeto- 
gnathi  ist  stets  etwas  kleiner  und  mißt  etwa  0,027  mm.  Außer  diesen 
typischen  Amoeben  werden  bei  P.  cliaetognathi  nicht  selten  auch  viel 
kleinere  Individuen  angetroffen,  deren  Durchmesser  etwa  die  Hälfte 
von  demjenigen  der  vorherrschenden  Formen  ausmacht;  ihre  oft  mehr 
oder  weniger  gestreckte  Gestalt  im  gefärbten  Präparat  weist  auf  starke 
Beweglichkeit  während  des  Lebens  hin  (Fig.  6)2. 

Das  Plasma  ist  bei  beiden  Arten  im  lebenden  Zustand  durch  außer- 
ordentlich starke  Körnelung  charakterisiert.  Ein  Ectoplasma  ist  bei 
ruhenden  Amoeben  kaum  zu  unterscheiden,  deutlich  tritt  hingegen 
dasselbe  als  hyaline  homogene  Schicht  während  der  in  der  Kegel 
trägen  Bewegung  der  Amoeben  auf,  d.  h.  bei  der  Bildung  von  plumpen 
Vorwölbungen  des  Randes  oder  beim  Entsenden  kleiner,  tentakel- 
artiger Pseudopodien:  beide  bestehen  ausschließlich  aus  Ectoplasma. 
Die   reichliche   Granulation   des   Entoplasmas   läßt   am   Leben   außer 


1  Ob  die  von  Craig  in  einer  mir  unzugänglichen  Arbeit  beschriebene  P. 
hominis  aus  dem  Darm  des  Menschen  auf  den  Philippinen  (6)  wirklich  zur  Gattung 
Paramoeba  gehört,  erscheint  mir  sehr  zweifelhaft;  ich  teile  die  Meinung  Dofleins, 
daß,  wenn  sich  Craigs  Angaben  bestätigen,  eine  neue  Gattung  geschaffen  werden 
muß  (11,  S.  603). 

2  Bezüglich  der  Größe  der  in  Fig.  6  abgebildeten  Form  beachte  man,  daß 
die  hier  angewandte  Vergrößerung  viel  stärker  ist  als  diejenige  der  Fig.  3  a,  b  und  c. 


Paramoebenstudien.  453 

einigen  Vacuolen,  die  nicht  contractu  sind,  keine  feinere  Struktur  des 
Plasmas  durchblicken.  Die  verschiedenartigen  Körner  des  Entoplas- 
mas  schildert  Grassi  nach  dem  Leben  wie  folgt.  «I  granelli  sono 
tondi,  assai  rifrangenti  a  riflessu  lievemente  giallognolo;  e,  se  sono 
un  po'  grossi,  hanno  im  contorno  brunastro.  La  loro  grandezza  e  in- 
determinata;  questa  incleterminazione  si  verifica  anche  pei  granelli 
d'un  medesimo  individuo;  in  cui  inoltre  non  sono  mai  uniformemente 
sparsi»  (18,  S.  186). 

Nach  meinen  Beobachtungen  ist  die  Plasmagranulation  besonders 
stark  bei  P.  cliaetognathi  entwickelt.  Sie  wird  von  stark  lichtbrechen- 
den, runden,  annähernd  gleich  großen  Körnern  gebildet,  welche  sehr 
zahlreich  im  ganzen  Plasma  zerstreut  erscheinen;  fast  immer  lassen 
sich  aber  ein  bis  drei  etwa  maulbeerartig  geformte  Gruppen  von  Körnern 
beobachten.  Diese  letzteren  stehen,  wie  ich  vorgreifend  bemerken  will, 
in  keinerlei  Beziehung  zum  Nebenkörper,  worüber  gefärbte  Präparate 
Aufschluß  geben.  Dank  wohl  den  besonderen  Lichtbrechungsverhält- 
nissen  der  geschilderten  Körner  erscheint  das  Körperplasma  bei  der 
in  Rede  stehenden  Species  im  Ganzen  viel  dunkler,  als  das  bei  P.  pig- 
mentifera  der  Fall  ist.  Meine  anfängliche  Befürchtung,  die  —  wie 
ich  jetzt  weiß,  viel  seltenere  —  P.  cliaetognathi  zwischen  den  mannig- 
fachen Zellelementen  in  der  Schwanzleibeshöhle  der  Sagitten  über- 
sehen zu  haben,  da  sie  kein  so  augenfälliges  Merkmal  trägt,  wie  die 
P.  pigmentifera  es  in  ihrem  eingangs  genannten  »ocello«  besitzt,  hatte 
sich  in  der  Folge  als  nichtig  erwiesen ;  eben  die  auffallend  dunkle  Plasma- 
färbung schließt  es  aus,  bei  einiger  Übung  die  Amoebe  unter  den  im 
ganzen  ähnlich  gestalteten  Spermatogonien-  bzw.  Spermatocyten- 
gruppen  nicht  zu  bemerken.  —  Auch  Schaudinn  hebt  für  P.  eilhardi 
das  dunkle  Aussehen  des  Protoplasmas  hervor  und  schreibt  dasselbe 
den   zahlreichen   eingeschlossenen   Granulationen   zu. 

Zum  Studium  des  feineren  Baues  des  Protoplasmas  ist  das  Hinzu- 
ziehen konservierten  und  gefärbten  Materials  unerläßlich.  Bezüglich 
des  Ectoplasmas  zeigen  auch  gefärbte  Präparate  nicht  viel;  dasselbe 
ist  meist  nur  schwach  vertreten,  ja  vielfach  kommt  es  überhaupt  nicht 
zur  Geltung.  Nur  bei  den  vorhin  genannten  kleineren  Formen  von 
P.  cliaetognathi  ist  dasselbe  in  der  Regel  sehr  deutlich  entwickelt; 
färberisch  läßt  sich  das  Ectoplasma  in  diesem  Fall  kenntlich  machen, 
indem  es  u.  a.  bei  Färbung  mit  Eisen-Hämatoxylin  und  nachfolgender 
Behandlung  mit  Eosin  den  letztgenannten  Farbstoff  im  Gegensatz  zum 
Endoplasma  regelmäßig  nicht  aufnimmt  (Taf.  VI,  Fig.  6). 

Mehr   Beachtenswertes   bietet   hingegen    das   übrige    Plasma   der 


454  C.  Janicki, 

Paramoeben  auf  gefärbten  Präparaten.  Erst  jetzt  überzeugt  man 
sich  von  der  weitgehenden  Vacuolisation  des  gesamten  Endoplasmas. 
Die  Vacuolen  sind  von  rundlicher  bis  ovaler  Gestalt,  seltener  erscheinen 
sie  durch  gegenseitigen  Druck  schwach  polyedrisch.  Sie  entsprechen 
den  »Flüssigkeitsvacuolen «  Schaudinns  bei  P.  eilhardi.  Ein  deut- 
licher Unterschied  zwischen  größeren  centralen  und  kleineren  rand- 
ständigen Vacuolen,  wie  das  bei  der  letztgenannten  Species  der  Fall 
ist,  läßt  sich  bei  den  parasitischen  Formen  nicht  verzeichnen.  Daß  die 
Vacuolen  nicht  etwa  Kunsterzeugnisse  infolge  der  Einwirkung  des 
Konservierungsmittels  sind,  dürfte  u.  a.  schon  daraus  hervorgehen, 
daß  dieselben  sowohl  bei  Verwendung  der  ScHAUDiNNschen  Lösung 
wie  des  ÜERMANNschen  Gemisches  übereinstimmend  zum  Vorschein 
kommen;  auch  nach  Pikrinessigsäure-Behandlung  fehlen  sie  nicht, 
bleiben  aber  freilich  bei  der  schwachen  Affinität  des  Plasmas  zu  dem 
in  diesem  Fall  angewandten  Boraxearmin  viel  weniger  deutlich.  — 
Die  meisten  der  von  mir  beigegebenen  Figuren  sind  geeignet  über  die 
in   Rede   stehenden  Vacuolen  Aufschluß  zu  erteilen. 

Inwiefern  die  großen  Vacuolen  der  beiden  Paramoebenarten,  wie 
übrigens  auch  diejenigen  von  P.  eilhardi,  als  Ausdruck  einer  elemen- 
taren Wabenstruktur  aufzufassen  wären,  möchte  ich  nicht  mit  Sicher- 
heit entscheiden.  Wahrscheinlicher  dürfte  es  sich  aber  um  eigentliche 
Zellorganellen  handeln,  welche  weit  über  etwaigen  Einheiten  der  Ele- 
mentarstruktur stehen.  Daß  dieselben  nicht  contractu  sind,  wurde 
schon  oben  nach  eigner  Beobachtung  in  Übereinstimmung  mit  Grassi 
erwähnt.  Die  Vacuolen  sind  ferner  entschieden  nicht  in  gewöhnlichem 
Sinne  als  Nahrungsvacuolen  anzusprechen;  der  von  Schaudinn  ge- 
brauchte Ausdruck  »Flüssigkeitsvacuolen«  erscheint  mir  bei  seiner 
Indifferenz  passender.  Trotzdem  dürften  dieselben  bei  der  Aufnahme 
fester  Nahrung  zu  echten  Nahrungsvacuolen  werden,  und  zwar  durch 
Zusammenfließen  von  mehreren,  weil  Nahrungsvacuolen  in  der  Regel 
umfangreicher  sind  als  Flüssigkeitsvacuolen. 

Als  Nahrung  dienen  den  beiden  Paramoebenarten  männliche 
Keimzellen  der  Sagitten  von  verschiedenen  Entwicklungsstufen,  wie 
solche  während  der  männlichen  Reife  in  der  Schwanzleibeshöhle  sich 
regelmäßig  vorfinden.  Damit  hängt  das  schon  eingangs  erwähnte 
Vorkommen  von  Amoeben  nur  zur  Zeit  der  männlichen  Geschlechts- 
reife ihrer  Wirte  zusammen.  Während  es  aber  freilich  bei  P.  pigmenti- 
fera  ein  Leichtes  ist  auf  gefärbten  Präparaten  die  gekennzeichneten 
Nahrungselemente  von  Nahrungsvacuolen  umschlossen  im  Körper- 
plasma zu  finden,  fällt  es  in  der  Regel  schwer  das  Gleiche  für  P.  chaeto- 


Paramoebenstudien.  455 

gnathi  zu  konstatieren.  Diese  auffallenden  negativen  Befunde  lassen 
sich  vielleicht  zunächst  am  ungezwungensten  durch  besonders  rasche 
und  energische  Verdauungstätigkeit  von  P.  chaetognathi  erklären. 
Außerdem  aber  dürfte  wohl  hier  bestimmt  die  Flüssigkeit,  in  welcher 
die  Samenfäden  und  ihre  Entwicklungsstadien  flottieren,  direkt  er- 
nährend wirken.  —  Sonst  enthält  die  Schwanzleibeshöhle  von  Sagitten 
keine  andern  Inhaltsbestandteile,  welchen  ernährende  Bedeutung  zu- 
kommen könnte.  Bakterien  sind  nach  meiner  Beobachtung  keine 
vorhanden  und  lassen  sich  auch  innerhalb  des  Körperplasmas  von 
Amoeben  keine  nachweisen. 

Zu  den  Flüssigkeitsvacuolen  selbst  zurückkehrend,  mag  nochmals 
wiederholt  werden,  daß  dieselben  im  Ectoplasma,  soweit  ein  solches 
sich  überhaupt  deutlich  abhebt,  fehlen.  In  manchen  Fällen,  während 
der  Bewegung  der  Amoebe,  können  die  beiden  Teile,  d.  h.  das  vacuoli- 
sierte  Endoplasma  und  das  vacuolenfreie  Ectoplasma  voneinander  sehr 
deutlich  als  zwei  aufeinander  folgende  Abschnitte  des  Amoebenkörpers 
geschieden  sein,  wie  das  Fig.  3  c  veranschaulicht.  Unter  bestimmten 
nicht  näher  feststellbaren  Bedingungen  zeigt  P.  chaetognathi  einen 
peripheren,  mit  Delafields  Hämatoxylin  stärker  färbbaren,  nicht 
vacuolisierten  Plasmabelag,  der  sich  deutlich  von  dem  centralen  va- 
cuolisierten  Hauptplasma  des  Körpers  abhebt;  es  handelt  sich  gewöhn- 
lich um  abgerundete  Amoeben,  welche  auf  den  ersten  Blick  cysten- 
ähnlich  aussehen,  eine  bloße  Ähnlichkeit,  die  bei  genauerem  Zusehen 
sich  als  unbegründet  erweist.  Es  ist  sehr  wenig  wahrscheinlich,  daß 
dieses  in  gewissen  Fällen  zutage  tretende  dichte  Randplasma  mit  dem 
echten  Ectoplasma,  welches  in  der  Regel  nur  wenig  entwickelt  erscheint, 
zu  identifizieren  wäre.  Die  Bedeutung  dieser  abgerundeten  Amoeben- 
formen  ist  mir  noch  unklar  geblieben.  —  Die  Vacuolisierung  fehlt  bei 
den  früher  genannten  kleineren  Formen  von  P.  chaetognathi  sei  es 
gänzlich,  sei  es  daß  dieselbe  nur  sehr  schwach  angedeutet  ist. 

Die  schon  im  Leben  mehr  oder  weniger  deutlich  sichtbaren  reich- 
haltigen Einschlüsse  des  Plasmas  erweisen  sich  beim  Studium  des 
konservierten  Materials  als  mindestens  von  zweierlei  Art.  Es  ist  in 
der  Regel  nicht  möglich  sämtliche  Inhaltsgebilde  auf  einem  Präparat 
zu  Gesicht  zu  bekommen;  erst  durch  Anwendung  verschiedener  Metho- 
den gewinnt  man  Einsicht  in  diese  recht  komplizierten  Zustände. 
Zunächst  fallen  oei  Sublimatkonservierung  und  Färbung  mit  Dela- 
fields Hämatoxylin  feine,  regelmäßig  verteilte  Granulationen  an  der 
Umgrenzung  der  eben  geschilderten  Flüssigkeitsvacuolen  auf.  Diese 
Befunde   selten   übereinstimmend   für   beide    Paramoebenarten.     Die 


456  C.  Janicki, 

Granula  sind  untereinander  in  der  Größe  nur  wenig  verschieden,  die 
Farbe  gibt  ihnen  einen  tief  dunkelblauen  Ton.  Die  meisten  der  von 
mir  gegebenen  Figuren  illustrieren  das  Gesagte.  Die  genaue  Lage 
dieser  Körnchen  in  der  Umgebung  der  Vacuole  läßt  sich  nicht  immer 
leicht  feststellen;  doch  erlauben  besonders  günstige  Fälle  zu  erkennen, 
daß  die  Granula  sowohl  außerhalb  des  eigentlichen  Vacuolenhäutchens, 
also  im  Endoplasma,  vorkommen,  wie  auch,  daß  dieselben  die  innere 
Fläche  der  Vacuole  selbst  auskleiden.  Außer  dieser  in  weiter  Verbrei- 
tung anzutreffenden  Ausbildung  der  Granula  ist  hier  ein  feiner,  in  der- 
selben Weise  sich  färbender  Staub  im  Umkreis  der  Vacuolen  zu  er- 
wähnen, ein  Zustand,  der  gewiß  als  Vorstufe  zu  dem  eben  Dargestellten 
aufgefaßt  werden  soll.  Im  übrigen  Endoplasma,  unabhängig  von  den 
Begrenzungsflächen  der  Vacuolen,  werden  derartige  oder  größere 
Granula  nur  ausnahmsweise  angetroffen,  —  das  gilt  für  den  hier  zum 
Ausgangspunkt  benutzten  stark  vacuolisierten  Zustand  der  Para- 
moeben.  Die  eben  geschilderte  Anordnung  der  Granula  erlaubt  wohl 
den  Schluß  zu  ziehen,  daß  dieselben  im  Endoplasma  an  dem  Vacuolen- 
häutchen  entstehen,  dieses  letztere  durchwandern  und  so  an  die  innere 
Fläche  zu  liegen  kommen.  Diese  Schlußfolgerung  wird  dadurch  be- 
stätigt, daß  in  einem  bestimmten  Zustand  der  Amoeben  neben  den 
peripheren  Körnchen  in  der  Vacuole  ein  einzelnes,  größeres,  centrales 
vorgefunden  wird,  das  offenbar  durch  Zusammenfließen  der  kleinen 
Granula  seinen  Ursprung  nimmt  (Fig.  19).  Dieses  centrale  Korn 
wächst  immer  weiter  an  Größe,  und  schließlich  liegt  es  allein  in  der 
Vacuole,  die  randständigen  Granula  sind  nicht  mehr  zu  finden.  Nicht 
immer  hat  das  centrale  Korn  eine  regelmäßige  Gestalt,  manchmal 
erscheint  es  in  Zacken  und  Fortsätze  ausgezogen,  so  daß  die  ganze 
Granulation  mehr  schlackenartigen  Charakter  annimmt. 

Neben  derartigen  Phasen  in  der  Bildung  der  Granula  werden 
speciell  bei  P.  chaetognothi  in  den  kleineren,  schon  mehrfach  genannten, 
Amoeben  mit  dichterem  Plasma  sehr  große,  runde  bis  ovale  Körner 
von  dem  gleichen  färberischen  Verhalten  und  durchaus  homogenem 
Aussehen  angetroffen,  welche  allem  Anschein  nach  direkt  im  Plasma 
liegen  (Fig.  7);  diese  Körner  stehen  an  Größe  hinter  kleineren  Flüssig- 
keitsvacuolen  andrer  Individuen  oft  nur  wenig  zurück.  Amoeben  mit 
solchen  groben  und  stark  färbbaren  Granulationen  nehmen  sich  im 
Präparat  recht  auffallend  aus. 

Nach  einer  anderen  Richtung  hin  geht  die  extreme  Entwicklung 
der  Granula  bei  P.  pigmenti  fem.  Es  handelt  sich  um  einige  wenige 
nach  der  vollendeten  Gametenbildung  übrigbleibende  Amoeben,  deren 


Paramoebenstudien.  457 

Plasma  meist  aufgequollen  und  abnorm  gelockert  erscheint  und  deren 
Kerne  wie  Nebenkörper  in  einem  gänzlichen,  übrigens  schwer  analy- 
sierbaren, Zerfall  begriffen  sind.  Diese  Amoeben  nun  sind  über  und  über 
mit  Inhaltsgebilden  gefüllt,  welche  sich  mit  Delafields  Hämatoxylin 
stark  färben  und  welche  ohne  Zweifel  eben  auf  die  geschilderten  Granu- 
lationen sich  zurückführen  lassen.  Sie  erscheinen  in  zweierlei  Form: 
als  dichte,  homogene,  grobe  Körner,  sowie  als  kernähnliche  aus  mehre- 
ren feinen  Granula  zusammengesetzte  Körper.  Beide  Arten  von 
Einschlüssen  zeigen  gegenüber  sonstigen  zelligen  Elementen  in  dem 
gleichen  Präparat,  so  auch  gegenüber  den  Gameten,  in  ihrer  Färbung 
einen  Stich  ins  Rötliche  oder  Violette,  woraus  vielleicht  auf  ihre  schwach 
saure  Natur  geschlossen  werden  kann.  —  Solche  Exemplare  von  P. 
figmentifera  sind  entschieden  in  Degeneration  und  gänzlicher  Auf- 
lösung begriffene  Formen.  Der  Versuch,  die  stark  färbbaren  Inhalts- 
körper mit  der  Kernbildung  für  die  Gametengeneration  in  Zusammen- 
hang zu  bringen,  mußte  endgültig,  trotz  manchem  anfänglichen  Zweifel 
und  mancher  Verlockung,  aufgegeben  werden. 

Damit  komme  ich  auf  die  Natur  der  Granulationen  zu  sprechen. 
Dieselben  sind  sicher  kein  Chromatin,  wie  das  vielleicht  beim  ersten 
Anblick  der  Delafields  Hämatoxylinpräparate  geurteilt  werden 
könnte.  Von  Pikrinessigsäure  nach  Boveri  werden  diese  Körnchen 
aufgelöst  und  treten  somit  auf  derartig  fixierten  und  mit  Boraxcarmin 
gefärbten  Präparaten  nicht  zum  Vorschein,  im  Gegensatz  zu  sonstigem 
Chromatin  von  Paramoeba  selbst  sowohl,  wie  von  allerlei  übrigen  zelligen 
Elementen  in  dem  gleichen  Präparat  (Fig.  4  und  Taf.  VIII,  Fig,  206 
und  23).  Ferner  gelangen  sie  bei  Eisen-Hämatoxylinfärbung  nach 
Konservierung  in  ScHAUDiNNscher  Lösung  gleichfalls  nicht  zur  Dar- 
stellung (Fig.  6,  9;  Taf.  VII,  Fig.  14 b;  Taf.  VIII,  Fig.  21).  Außer 
dem  Versagen  dieser  sonst  das  Chromatin  mitfärbender  Farbstoff- 
mittel ist  zu  erwähnen,  daß  keinerlei  Beziehungen  zwischen  den 
in  Rede  stehenden  Granula  und  dem  Kern  festzustellen  waren.  — 
Mit  Fettsubstanzen  haben  die  Granulationen  entschieden  nichts 
Gemeinsames;  sie  bleiben  unsichtbar  —  wenigstens  als  allgemeine 
Regel  —  auf  Präparaten,  wo  sonstiges  in  Paramoeba  vorhandenes 
Fett  durch  die  Behandlungsweise  deutlich  zum  Ausdruck  kommt.  — 
Mit  einigem  Vorbehalt  will  ich  auf  die  Ähnlichkeit  mit  den  soge- 
nannten metachromatischen  Körperchen,  wie  diese  in  der  neueren 
Zeit  namentlich  durch  die  Arbeiten  Guilliermonds  bekannt  geworden 
sind,  hinweisen  (20).  Sehr  wünschenswert  wäre  freilich  in  dieser  Be- 
ziehung die   Ausführung   der   vitalen   Neutralrotreaktion,   welche   ich 


458  C.  Janicki, 

noch  nachzuholen  habe.    Die  Reaktionen,  welche  im  konservierten  Zu- 
stand durch  die  gebräuchlichen  Farben  erzielt   werden,   stimmen  im 
wesentlichen  mit  den  von  Guilliermond  für  metachromatische  Körper 
gemachten  Angaben  überein;  bei  verschiedenen  Objekten  sind  aller- 
dings die  betreffenden  Reaktionen  nicht  immer  die  gleichen.    Daß  die 
metachromatischen  Körperchen  in  Vacuolen  eingeschlossen  vorkommen, 
läßt   sich   aus   Guilliermonds   Resultaten   entnehmen.      Bekanntlich 
werden  die  fraglichen  Körper  von  dem  genannten  Autor  als  Reserve- 
stoffe aufgefaßt;  in  dieser  Hinsicht  wäre  es  von  Interesse,  das  Schicksal 
der  kleineren  Formen  von  P.  chaetognathi  mit  stark  entwickelten  färb- 
baren Kugeln  zu  kennen.    Die  Hypothese  A.  Meyers,  die  Körperchen, 
die  er  übrigens  mit  dem  Namen  Volutin  belegt,  bestünden  aus  einer 
Kombination    der    Nucleinsäure    mit   einer    unbekannten    Base    (39), 
gewinnt  speziell  im  vorliegenden  Fall  an  Interesse,  wenn  man  bedenkt, 
daß  die  Nahrung  der  parasitischen   Paramoeben  gewiß  überreich  an 
Nucleinsubstanzen  ist.     Nach  Untersuchungen   von   Rosenbusch  an 
Trypanosomen  (17)  sowie  von  Erdmann  an  Sarcosporidien  (12)  scheinen 
Beziehungen    der   metachromatischen   Körperchen   zur   Kernsubstanz 
vorzuliegen;  ja,  Rosenbusch,  welcher  die  Körperchen  bei  Tr.  lewisi 
beobachtet  und  deren  Charakter  als  Volutin  hervorhebt,  fügt  schließlich 
hinzu:  »Vorerst  wollen  wir  sie  als  Chromidien  bezeichnen«  (17,  S.  280). 
In  meinem  Fall  liegt,  wie  schon  gesagt,  kein  Grund  vor,  die  Gra- 
nulationen aus  dem  Kern  abzuleiten.     Es  dürfte  hier  auch  kaum  die 
Beobachtung  von  Prandtl  bei  Degenerationszuständen  von  Amoeba 
proteus  zu  verwerten  sein,  wonach  die  Chromidien  die  bemerkenswerte 
Eigenheit  haben,  »daß  sie  sich  den  Nahrungsvacuolen  stets  mit  großer 
Vorliebe  dicht  anlagern«  (42,  S.  286).    Nicht  wenig  Übereinstimmung 
läßt  sich  hingegen  beim  Vergleich  mit  dem  Verhalten  der  »Endoplasma- 
körnchen«  im  Umkreis  der  Nahrungsvacuole  am  Grunde  des  Schlundes 
von    Paramaeeium    nach    Nirensteins   Untersuchungen    konstatieren. 
Auch  hier  liegen  die  Körnchen,  welche  sich  übrigens  mit  Neutralrot 
deutlich  darstellen  lassen,   ursprünglich  außerhalb  des  Vacuolenhäut- 
chens,  diesem  eng  angeschmiegt;  sie  durchwandern  in  der  Folge  die 
Vacuolenhaut   und   kommen  an  deren   innere    Oberfläche   zu  liegen; 
gleichzeitig  wird  jedes  einzelne  Korn  größer  und  es  treten  auch  Ver- 
schmelzungen der  Körner  untereinander  ein.     Später  unterliegen  die 
Granula  der  Auflösung  (41a,  S.  467—478,  Taf.  XV).    Trotz  der  überein- 
stimmenden Züge  bleibt  es  sehr  fraglich,  ob  die  angeführten  Erschei- 
nungen bei  Paramaeeium  bzw.  Paramoeba  überhaupt   gleicher  Natur 
sind;  es  muß  wiederholt  werden,  daß  in   dem  mir  vorliegenden  Fall 


Paramoebenstudien.  459 

keine  direkten  Beziehungen  zwischen  dem  Auftreten  der  Körnchen 
und  Nahrungsaufnahme  festzustellen  sind.  —  Bei  der  Deutung  als 
Keservekörner  wären  die  in  Rede  stehenden  Granulationen  mit  ent- 
sprechenden Gebilden  von  Actinosphaerium  nach  neueren  Untersuchun- 
gen Borowskys  (1)  zu  vergleichen.  —  Schließlich  soll  die  Möglichkeit, 
es  lägen  Excretkörner  vor,  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden. 
Irgendwelche  direkte  Beziehungen  zwischen  Granulabildung  und  Ver- 
arbeitung von  Nahrungskörpern  ließen  sich  nicht  feststellen.  Wie  dem 
auch  sei,  zur  definitiven  Klärung  der  Frage  sind  weitere  mikroche- 
mische Untersuchungen  im  lebenden  Zustand  notwendig1. 

Als  zweite  Art  von  Plasmaeinschlüssen  kommt  bei  beiden  Para- 
moebenarten  echtes  Fett  vor.  Dasselbe  läßt  sich  nur  mit  osmium- 
säurehaltiger Flüssigkeit  (HERMANNsche  Lösung  im  vorliegenden  Fall) 
nachweisen,  und  zwar  sowohl  nach  Delafields-  wie  nach  Eisenkäma- 
toxylinfärbung.  Die  von  Osmiumsäure  gebräunten  Fettkugeln  treten 
in  sehr  verschiedener  Größe  auf,  im  Maximum  können  sie  den  Flüssig- 
keitsvacuolen  an  Ausdehnung  ungefähr  gleich  kommen;  doch  bleiben 
sie  immer  rund  und  scheinen  in  keiner  Abhängigkeitsbeziehung  zu 
den  Vacuolen  zu  stehen.  —  Fettkugeln  sind  auch  bei  P.  eilhardi  von 
Schaudinn  beschrieben  worden. 

Eine  besondere  Modifikation  von  Fettsubstanzen  dürfte  speziell 
bei  P.  chaetognathi  in  den  schon  früher  erwähnten  im  Leben  stark 
lichtbrechenden  Inhaltsgebilden  vorliegen,  welche  zum  Teil  einzeln  im 

1  Leider  bin  ich  erst  während  des  Druckes,  durch  Untersuchungen  anderer 
Art  dazu  geführt,  auf  die  in  der  Arbeit  Reichenows  über  Haematocncrus  ent- 
haltenen Beiträge  zur  Kenntnis  des  Volutins  aufmerksam  gemacht  worden. 
Hätte  ich  die  Angaben  dieses  Autors  früher  berücksichtigt,  so  würde  ich  mich 
bestimmter  für  die  Natur  der  Körner  als  metachromatische  Körperchen  bzw. 
Volutin  ausgesprochen  haben.  Daß  die  Ursprungsstätte  des  Volutins  im  Proto- 
plasma erblickt  wird,  gibt  mir  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Gewähr  für  die 
Richtigkeit  meiner  diesbezüglichen  Aussage.  Von  besonderem  Interesse  sind  mir 
aber  die  Beobachtungen  Reichenows  betreffend  Verbrauch  der  großen  Volutin - 
körner  bei  der  Erschöpfung  der  Nährlösung.  Die  Auflösung  des  Volutins  findet 
in  diesem  Fall  von  innen  heraus  statt,  und  »die  äußere  Schale  zerfließt  zu  kleinen 
Tröpfchen,  so  daß  wir  schließlich  das  eigentümliche  Bild  in  einem  Kreise  ge- 
legener kleiner  Volutinkörner  erhalten. . . .«  (vgl.  Ed.  Reichenow,  Untersuchungen 
an  Haematococciis  pluviatilis  usw.  Arb.  a.  d.  Kais.  Gesundheitsamte,  Bd.  XXXIII, 
1910,  S.  27).  Sollte  die  von  mir  für  einzelne  Stadien  im  Verhalten  färbbirer 
Körner  gegebene  Succession  vielleicht  gerade  im  umgekehrten  Sinne  zu  denken 
sein?  Ich  kann  mich  zu  dieser  Annahme  nicht  gut  entschließen,  weil  ich  bei  P. 
pigmentifera  niemals  die  Vacuolen  vollständig  von  färbbarer  Substanz  erfüllt  ge- 
sehen habe.  —  Bezüglich  der  Prioritätsfrage  in  der  Namengebung  —  ob  Volutin 
oder  »corpuscules  metachromatiques«  —  mögen  andere  entscheiden. 
Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  30 


460  C.  Janicki. 

Plasma  zerstreut,  zum  Teil  zu  den  genannten  etwa  maulbeerförmigen 
Conglomeraten  vereint  angetroffen  werden.  Dieselben  sind  gleichfalls 
nur  nach  Fixierung  in  einem  Osmiumsäuregemisch  darstellbar  und 
treten  in  diesem  Fall  als  kleine,  mit  einer  bräunlichen  gekörnelten 
Membran  umgebene  helle  Bläschen  auf.  welche  meist  zu  mehreren 
anscheinend  durch  eine  Art  Knospung  zusammenhängen  und  in  der 
Reu'el  etwa  an  zwei  oder  drei  Stellen  im  Plasma  zu  traubenförmigen 
Strukturen  zusammentreten  (Fig.  5).  Sehr  wahrscheinlich  sind  diese 
Gebilde,  welche  — wie  nochmals  erwähnt  werden  mag  —  an  Sublimat- 
und  Pikrinessigsäurepräparaten  fehlen,  mit  den  scharf  konfluierten, 
unregelmäßig  eckigen  Körnern  zu  homologisieren,  welche  Schaudinn 
bei  P.  eilhardi  nach  dem  Leben  beobachtet  hatte ;  » dieselben  sind 
doppeltbrechend,  haben  einen  grüngelblichen  Schimmer  und  liegen 
häufig  zu  Conglomeraten  vereinigt;  sie  lösen  sich  leicht  in  Mineral- 
säuren und  dürften  Excretkörnchen  sein,  wofür  besonders  ihre  Ähnlich- 
keit mit  den  durch  Schewiakoffs  Untersuchungen  bekannt  gewordenen 
Excretkörnern  von  Paramaecium  spricht«  (47,  S.  33,  34). 

Nach  meinem  Dafürhalten  kommt  den  zuletzt  geschilderten  In- 
haltskörpern im  Plasma  von  P.  chaetognathi  fettartiger  Charakter  zu; 
damit  möchte  ich  aber  nicht  ausschließen,  daß  auch  Excretstoffe  den- 
selben beigemengt  sind,  und  halte  diese  Vermutung  sogar  für  sehr 
wahrscheinlich.  Echtes  Fett  kommt  ja  außerdem  noch,  wie  schon 
dargestellt,  sowohl  P.  chaetognathi  wie  der  zweiten  parasitischen  Art 
zu.  —  Es  wurde  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  die  dunklere  Farbe 
des  Plasmas  bei  P.  chaetognathi  sehr  wahrscheinlich  auf  besonderem 
Lichtbrechungsvermögen  der  geschilderten  Conglomerate  beruht.  In 
dieser  Hinsicht  ist  es  von  Interesse  nochmals  hervorzuheben,  daß  die 
in  Rede  stehenden  Plasmaeinschlüsse  bei  P.  pigmentifera  fehlen,  d.  h., 
sie  fehlen  in  der  eben  beschriebenen  Gestalt  und  Anordnung.  Es  ist 
hingegen  sehr  naheliegend  in  den  Pigmentkörnern  von  P.  pigmenti  f  er  a, 
welche  bei  dieser  Species  den  Nebenkörper  ständig  begleiten,  ein  in 
der  Hauptsache  analoges  Plasmaprodukt  zu  erblicken.  Von  diesen 
Pigmentkörnern  werde  ich  weiter  unten  bei  Besprechung  des  Neben- 
körpers berichten.  —  Bekanntlich  sind  in  der  neueren  Zeit  Beziehungen 
der  Mitochondrien  zu  Liposomen  nachgewiesen  worden,  indem  die 
charakteristischen  Reaktionen  auf  Mitochondrien  eben  durch  die 
Gegenwart  von  Fettsubstanzen  bedingt  sein  sollen  (Regaud,  Fauke- 
Fremiet).  Ob  die  geschilderten  Conglomerate  von  P.  chaetognathi, 
welche  freilich,  wie  gesagt,  bereits  am  Leben  sichtbar  sind,  in  diese 
Kategorie  von  Plasmaeinschlüssen  einzubeziehen  wären,  entzieht  sich 


Paramoebenstudien.  4G1 

zurzeit  der  Beurteilung.  —  In  wie  weit  das  Plasma  von  P.  chaetognathi 
mit  dem  u.  a.  von  R.  Hertwig  bei  verschiedenen  Protozoen  und 
unter  verschiedenen  Umständen  beobachteten  schwarz  verfärbten 
Protoplasma  zu  vergleichen  wäre,  ist  schwer  ohne  specielle  daraufhin 
gerichtete  Untersuchung  zu  sagen.  Immerhin  erscheint  es  erwähnens- 
wert, daß  R.  Hertwig  bei  Actinosphaerium  u.  a.  auch  bei  starker 
Fütterung  die  Plasmaschwärzung  beobachtete,  ferner  die  Ablagerung 
der  die  Schwärzung  bedingenden  stark  lichtbrechenden  Körner  lokali- 
siert im  Umkreis  der  Riesenkerne  feststellen  konnte,  —  alles 
Verhältnisse,  welche  das  spätere  genauere  Studium  der  parasitischen 
Paramoeben  nicht  unberücksichtigt  lassen  darf. 

Damit  mag  die  Schilderung  von  der  Zusammensetzung  des  Proto- 
plasmas abgeschlossen  werden.  — 

Der  Kern  ist  ein  rundliches  bis  ovales  Bläschen  und  wird  nament- 
lich bei  P.  chaetognathi  bereits  im  Leben  in  den  meisten  Fällen  deutlich 
sichtbar.  Bei  P.  pigmenti fera  beträgt  sein  längerer  Durchmesser  bis 
0,018  mm,  bei  P.  chaetognathi  —  bis  0,013  mm;  im  Verhältnis  zu  den 
Körperdimensionen  ist  der  Kern  bei  der  letzteren  Axt  größer  als  bei  der 
ersteren.  Bei  P.  chaetognathi  nimmt  der  Kern  mit  Vorliebe  die  Lage 
am  äußersten  Körperrande  ein,  so  daß  er  nur  von  einer  minimalen 
Plasmaschicht  bedeckt  bleibt;  und  zwar  liegt  der  Kern  an  einer  Stelle, 
welche  dem  die  schwachen  Pseudopodien  bildenden  Körperende  mehr 
oder  weniger  entgegengesetzt  ist  (Fig.  2).  Ob  etwa  zwischen  dieser 
ausgesprochen  excentrischen  Lage  des  Kernes  im  vorliegenden  Fall  und 
dem  gleichen  Verhalten  bei  einkernigen  Heliozoenf ormen ,  wo  nach 
Schaudinn  der  Kern  durch  das  Centralkorn  verhindert  ist  centrale 
Lage  einzunehmen,  einige  Beziehung  sich  statuieren  ließe,  mag  dahin- 
gestellt bleiben.  —  Im  Leben  ist  der  große,  ovale,  stark  lichtbrechende 
Binnenkörper  des  Kernes  kenntlich;  die  Kernmembran  kommt  gleich- 
falls deutlich  zum  Vorschein.  Bezüglich  der  übrigen  Struktur  aber 
ist  man  auf  konserviertes  Material  angewiesen. 

Der  eben  erwähnte  Binnenkörper  wird  auf  gefärbten  Präparaten 
in  ovaler  bis  nierenförmiger  Gestalt  angetroffen.  Er  ist  sehr  chromatin- 
reich,  wie  seine  intensive  Färbbarkeit  mit  Delafields  Hämatoxylin 
sowie  vor  allem  mit  Boraxcarmin  beweisen  dürfte  (Fig.  4).  In  der  Regel 
erscheint  er  im  Kernraum  gut  und  scharf  abgegrenzt,  in  seinen  mehr 
centralen  Partien  ist  er  oftmals  mehr  oder  weniger  stark  vacuolisiert. 
In  manchen  Fällen  lassen  sich,  besonders  mit  Eisen-Hämatoxylin, 
mehrere  distinkte  Körner  von  dichterer  Zusammensetzung,  unter- 
einander oft   von   ungleicher   Größe,   im  Binnenkörper  unterscheiden. 

30* 


4(52  C.  Janicki, 

Irgendwelche  gesetzmäßige  Beziehungen  zwischen  deren  Auftreten 
und  dem  Verhalten  der  übrigen  Substanz  des  Binnenkörpers  waren 
nicht  festzustellen.  Auch  sonst  läßt  der  Chromatinreichtum  des  Binnen- 
körpers nähere  Struktur  an  diesem  letzteren,  etwa  ein  achromatisches 
Gerüst,  nicht  erkennen.  —  Im  übrigen  Kernraum  findet  sich  das  Chro- 
matin staubförmig,  bald  fein-  bald  grobkörnig  verteilt  (Fig.  Sa,  6).  Die 
Beziehungen  dieses  Chromatins  zum  Kerngerüst  treten  erst  bei  der 
Vorbereitung  zur  Teilung  deutlicher  zutage,  worüber  weiter  unten 
berichtet  wird  (Fig.  Sb).  Vergeblich  habe  ich  bis  jetzt  im  ruhenden 
Kern  und  besonders  in  dessen  Binnenkörper  nach  einem  Centriol  ge- 
sucht; es  wurden  namentlich  zahlreiche  Eisenhämatoxylinpräparate 
zu  diesem  Zweck  angefertigt,  doch,  wie  gesagt,  ein  sicheres  Resultat 
ließ  sich  nicht  erzielen.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich  denn  auch  für 
das  chromatinreiche  Gebilde  im  Kern  zunächst  den  indifferenten  Aus- 
druck Binnenkörper  gewählt.  Ich  kann  noch  nicht  sicher  verbürgen, 
ob  die  in  seltenen  Fällen  während  des  Teilungszustandes  in  reduzierter 
Form  nachweisbare  locomotorische  Komponente  (s.  weiter  unten)  vom 
Binnenkörper  stammt,  in  welchem  Fall  dieser  letztere  als  ein  echtes 
Caryosom  im  Sinne  Hartmanns  aufzufassen  wäre.  —  Nach  dem  Geschil- 
derten wiederholt  der  Kern  bei  parasitischen  Paramoeba- Arten  in  wesent- 
lichen Zügen  den  durch  Schaudinn  bei  P.  eilhardi  festgestellten  Bau. 
Der  ScHAUDiNNsche  »Nebenkörper«  ist  bei  beiden  Paramoeba- 
Arten  dem  äußeren  Aussehen  im  lebenden  Zustande  nach  sehr  ver- 
schieden, dem  inneren  Baue  nach  dagegen  fast  vollkommen  überein- 
stimmend ausgebildet.  Die  Fig.  1  a  und  b  mit  Fig.  2  verglichen  mögen 
nochmals  veranschaulichen,  wie  verschieden  die  beiden  Paramoeba- 
Arten  im  lebenden  Zustande  infolge  der  abweichenden  Beschaffenheit 
des  Nebenkörpers  sind:  bei  P.  chaetognathi  ist  der  Nebenkörper  im 
Leben  überhaupt  nicht  zu  sehen.  Der  eigentümliche  Charakter  des 
Nebenkörpers  bei  P.  pigmentifera  erlaubt  es,  die  Gegenwart  dieses 
Parasiten  in  der  Schwanzleibeshöhle  der  Sagitten  schon  mit  Hilfe  einer 
schwachen  Lupe  auf  den  ersten  Blick  festzustellen.  Bereits  Geassi 
hatte  gute  Abbildungen  von  dem  Nebenkörper  bei  P.  pigmentifera 
geliefert  (18,  Taf.  IX,  Fig.  1,  2  u.  a.);  allerdings  finde  ich  den  Grundton 
des  Pigments  nicht  schwarz  genug  wiedergegeben.  In  der  Beschreibung 
Grassis  heißt  es:  «Nelle  Amibe  deWlnflata  e  della  Bipunctata  l'endo- 
plasma  contiene  sempre  alla  sua  periferia  e  vicino  al  nucleo  un  cosi 
detto  ocello,  di  color  nero  alla  periferia  e  nerognolo  appena  al  centro: 
questo  ocello  di  solito  e  piu  grande  del  nucleo.  E  costante  nelle  Amibe 
delle  nominate  due  specie  di  Chetognati  e  manca  con  altrettanta  co- 


Paramoebenstudien.  463 

stanza  nelle  altre.  Risulta  di  pimmento  granelloso  e  non  si  puö 
credere  alimento  assunto  dall'Amibe,  perche  nelFambiente  che  le 
accoglie,  manca  una  sostanza  uguale  od  almeno  simile«  (18,  S.  187). 

Oft  liegt  der  Nebenkörper  bei  beiden  Paramoeba- Arten  in  der 
nächsten  Nähe  des  Kernes,  wie  bei  P.  eilhardi.  Doch  besteht  zwischen 
beiden  Gebilden  keinerlei  feste  Beziehung,  und  beide  können  unter 
Umständen  sehr  weit  voneinander  im  Plasma  der  Amoeben  entfernt 
werden.  Demnach  gilt  die  ScHAUDiNNsche  Beobachtung,  der  Neben- 
körper liege  »stets  der  Oberfläche  des  Kernes  dicht  auf«  (47,  S.  34),  für 
die    mir    vorliegenden   beiden   Fälle   nicht. 

In  die  genaue  Zusammensetzung  des  Nebenkörpers  volle  Einsicht 
zu  gewinnen  ist  keineswegs  leicht.  Namentlich  muß  hervorgehoben 
werden,  daß  jede  Behandlungsmethode  nur  einseitig  den  Bau  des 
Nebenkörpers  zu  beleuchten  erlaubt :  gewisse  seiner  Bestandteile  werden 
auf  Kosten  andrer  zum  Ausdruck  gebracht.  Erst  durch  ein  kritisches 
Vergleichen  läßt  sich  das  Gesamtbild  zustande  bringen. 

Der  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera  ist  von  gestreckt-ovaler 
Gestalt,  seltener  rundlich;  sein  längerer  Durchmesser  beträgt  0,013  mm. 
Am  Leben  läßt  sich  nichts  weiter  feststellen,  als  daß  der  Nebenkörper 
allseitig  von  grobkörnigem,  im  durchfallenden  Licht  tiefschwarzen 
Pigment  bedeckt  ist;  in  einzelnen  Fällen  schimmert  die  centrale  Partie 
lichter  durch.  Die  eigentliche  Struktur  des  Nebenkörpers  wird  erst 
auf  fixierten  und  gefärbten  Präparaten  sichtbar. 

Was  zunächst  das  äußerlich  dem  Nebenkörper  angelagerte  Pigment 
anbetrifft,  so  wird  dasselbe  bei  Fixierung  mit  ScHAUDiNNscher  Lösung 
(Sublimat- Alkohol-Essigsäure)  im  großen  und  ganzen  als  solches  er- 
halten. Es  erscheint  nach  Färbung  der  Amoeben  mit  Delafields 
Hämatoxylin  in  Form  von  stark  leuchtenden,  gelblichen  bis  gelblich- 
braunen  Concrementen,  welche  rundliche  Gestalt  und  meist  ein  va- 
cuolenartiges  Centrum  aufweisen  (Fig.  36) ;  mit  Eisenhämatoxylin  lassen 
sich  die  Pigmentkörner  schwärzen  (Fig.  9).  Gleichfalls  nicht  aufgelöst 
wird  das  Pigment  bei  Konservierung  mit  ÜERMANNscher  Lösung  und 
es  tritt  in  diesem  Fall  in  Form  von  dunkelbraunen  Körnern  entgegen 
(Fig.  8);  besonders  bei  dieser  Behandlungsart  kann  man  erkennen, 
daß  die  Pigmentkörner  durch  dichtes  Aneinanderschließen  undeutlich 
ausgeprägte  polygonale  Gestalt  annehmen.  Anders  als  die  beiden  ge- 
nannten Fixierungsmittel  wirkt  Pikrinessigsäure  nach  Boveri:  sie 
löst  bei  einer  Einwirkungsdauer  von  10 — 15  Minuten  das  schwarze 
Pigment  spurlos  auf,  und  der  Nebenkörper  liegt,  wie  bei  P.  chaetognathi, 
nackt  im  Körperplasma  (Fig.  4;  Taf.  VII,  Fig.  13;  Taf.  VIII,  Fig.  206 


464  C.  Janicki. 

und  23).  —  Die  Pigmentkörner  scheinen  dem  Nebenkörper  nicht  nur 
locker  anzuliegen,  sondern  in  einer  Art  Stroma  an  dessen  äußerer 
Umgrenzung  angebracht  zu  sein;  es  läßt  sich  wenigstens  bei  einer  teil- 
weisen Extraktion  der  Körner,  wie  eine  solche  z.  B.  auch  bei  Behand- 
lung mit  HERMANNscher  Lösung  +  Delafields  Hämatoyxlin  da  und 
dort  nicht  zu  vermeiden  ist,  eine  deutliche  mosaikartige  Zeichnung  an 
der  Oberfläche  des  Nebenkörpers,  hervorgerufen  durch  den  Eindruck 
der  Pigmentkörner,  wahrnehmen. 

Zusammenfassend  läßt  sich  sagen,  daß  das  Pigment  nicht  durch 
Alkohol,  wohl  aber  durch  Pikrinsäure  gelöst  wird.  Dieser  letztere 
Umstand  könnte  vielleicht  auf  eine  kalkige  Grundlage  des  Pigments 
hinweisen.  Nicht  unerwähnt  soll  es  auch  bleiben,  daß  das  leuchtend- 
gelbe Aussehen  des  Pigments  auf  gewissen  Präparaten  genau  dem- 
jenigen der  sogenannten  Kalkkörperchen  im  Cestodenparenchym  ent- 
spricht. Auf  der  andern  Seite  darf  aus  dem  früher  Gesagten  auch 
auf  fettartigen  Charakter  der  Pigmentkörner  geschlossen  werden.  Das 
Auftreten  des  Pigments  etwa  mit  Chromidienbildung  in  Beziehung 
zu  setzen,  ist  gar  kein  Grund  vorhanden:  Chromidien  sind  überhaupt 
bei  den  zwei  parasitischen  Arten  von  mir  nicht  beobachtet  worden. 
Im  Übrigen  muß  die  Frage  nach  der  chemischen  Natur  des  Pigments 
offen  gelassen  werden,  und  damit  auch  diejenige  nach  der  physiolo- 
gische^ Bedeutung  des  Pigments.  Der  von  Grassi  angewandte  Aus- 
druck »Ocello«,  d.h.  Augenfleck,  ist  kaum  in  der  Absicht  gewählt 
worden,  die  Gesichtsfunktion  wirklich  dem  Nebenkörper  zuzuschreiben. 
Nicht  wahrscheinlicher  wird  die  zuletzt  genannte  Deutung  auch  bei 
Berücksichtigung  des  Umstandes  werden,  daß  die  Chaetognathen  voll- 
kommen durchsichtig  sind  und  vorwiegend  an  der  Oberfläche  des 
Meeres  leben.  Gleichfalls  kaum  zu  diskutieren  wäre  etwaiges  Ab- 
hängigkeitsverhältnis zwischen  Atmung  und  Pigment  in  unserm  Fall. 
Die  meiste  Wahrscheinlichkeit  dürfte  hingegen  die  Auffassung  des 
Pigments  als  besonderes  Stoffwechselendprodukt,  als  eine  Art  Excret- 
körner  für  sich  haben.  Etwas  näheres  darüber  auszusagen  ist  nur 
zurzeit  nicht  möglich;  doch  mag  hier  nochmals  an  die  anscheinend 
parallel  gehende  Bildung  von  eigentümlichen  Conglomeraten  im  Plasma 
von  P.  chaetognathi  erinnert  werden,  vielleicht  auch  an  die  Körner  mit 
»  grüngelblichem  Schimmer«  bei  P.  eilkardi  nach  Schaudinn  —  durch 
welche  Parallelisierung,  wenn  sie  begründet  ist,  P.  pigmentifera  ihre  in 
bezug  auf  Ausbildung  des  Nebenkörpers  anscheinend  exceptionelle 
Stellung  einbüßen  würde.  —  Stets  habe  ich  bei  P.  pigmentifera  das 
Pigment  um  den  Nebenkörper  gefunden.     In  sehr  seltenen   Fällen  ist 


Paramoebenstudien.  405 

das  Pigment  zugleich  spärlich  im  Plasma  zerstreut,  ohne  daß  etwa 
Beziehungen  zu  den  Vacuolen  festzustellen  wären.  Vielleicht  sind  das 
Zustände,  welche  auf  die  Teilung  von  Paramoeba  folgen:  bei  der  Durch- 
schnürung  des  Nebenkörpers  (s.  weiter  unten)  wird  ein  Teil  des  Pig- 
ments den  beiden  Hälften  des  Nebenkörpers  zugewiesen,  ein  andrer 
Teil  bleibt  im  Plasma  zerstreut  liegen. 

Alles  in  allem  dürfte  als  feststehend  betrachtet  werden,  daß  das 
Pigment  von  P.  pigmentifera  ein  Plasmaprodukt  ist,  das  sekundär  erst 
an  der  Oberfläche  des  Nebenkörpers  abgelagert  wird.  Zu  einer  wesent- 
lichen Charakteristik  dieses  letzteren  Gebildes  gehört  das  Pigment 
sicher  nicht:  es  fehlt  ja  in  dieser  Form,  als  ständiger  Begleiter  des 
Nebenkörpers,  sowohl  bei  der  freilebenden  P.  eilhardi  wie  bei  der  para- 
sitischen P.  chaetognathi. 

Über  den  eigentlichen  Nebenkörper  können  nach  dem  Leben 
keine  Angaben  gemacht  werden;  in  dem  einen  Fall  bleibt  er  vom 
Pigment  ganz  und  gar  verdeckt,  in  dem  andern  ist  er  gleichfalls  unter 
den  mannigfaltigen  Inhaltskörpern  des  Plasmas  nicht  sichtbar.  Be- 
kanntlich schildert  Schaudinn  den  Nebenkörper  bei  P.  eilhardi  in  fri- 
schem Zustande  als  ein  stark  lichtbrechendes,  scharf  konturiertes 
Gebilde.  Somit  ist  man  bei  den  parasitischen  Arten  auf  konser- 
viertes Material  angewiesen.  —  Der  Nebenkörper  von  P.  chaetognathi 
ist,  den  Körperdimensionen  der  Amoebe  entsprechend,  kleiner  als 
derjenige  von  P.  pigmentifera ;  er  mißt  0.009  mm  im  längeren  Durch- 
messer. 

In  Übereinstimmung  mit  der  von  Schaudinn  gebrauchten  Nomen- 
klatur werden  bei  beiden  hier  vorliegenden  Paramoeba- Arten  am  Neben- 
körper ein  »Mittelstück«  sowie  zwei  polar  angebrachte  »halbkugelige 
Seitenteile«  unterschieden.  Es  ist  die  starke  Ausdehnung  des  Mittel- 
stückes in  die  Länge,  welche  im  ScHAUDiNNschen  Fall  dem  ganzen 
Nebenkörper  in  ausgewachsenen  Amoeben  »wurstförmige  Gestalt «  ver- 
leiht. Derartig  gestreckte  Form  des  Nebenkörpers  wird  bei  para- 
sitischen Arten  im  Ruhezustande  nicht  beobachtet;  wohl  aber  während 
der  Teilung  des  Nebenkörpers.  —  Während  die  sogenannten  Seiten- 
teile bei  Behandlung  mit  den  üblichen  Präparationsmethoden  ein  in 
der  Hauptsache  übereinstimmendes  Bild  liefern,  verhält  es  sich  in  bezug 
auf  das  Mittelstück  ganz  anders. 

Mit  Delafields  Hämatoxylin  nach  Fixierung  in  der  Schaudinn- 
schen  Lösung  wird  das  Mittelstück  gleichmäßig  dunkelblau  gefärbt 
{Fig.  3a,  b);  bei  P.  chaetognathi  namentlich  kann  diese  Färbung  außer- 
ordentlich intensiv  ausfallen,  viel  intensiver  als  das  für  alles  in  gleichem 


466  C.  Janicki. 

Ausstrichpräparat  vorhandene  Chromatin  gilt.  Die  Gestalt  eines 
derartig  gefärbten  Mittelstückes  ist  die  einer  schwach  gewölbten  bi- 
convexen  Linse,  öfters  läßt  sich  bei  P.  pigmentifera  beobachten,  daß 
das  gefärbte  .Mittelstück  äquatorial  in  zwei  freie  Zipfel  ausläuft,  auf 
welche  Erscheinung  ich  noch  zurückkommen  werde.  Gleichfalls  erst 
aus  weiterer  Darstellung  wird  es  verständlich,  wie  Bilder  zu  verstehen 
sind,  welche  in  der  äquatorialen  Begrenzung  des  Mittelstückes  eine 
dunkel  färbbare,  anscheinend  stabartige  Bildung  aufweisen. 

Durch  das  Eisenhämatoxylin  nach  der  Konservierung  im  Schau- 
DiNNschen  Gemisch  wird  das  Mittelstück  stets  gefärbt,  und  zwar 
wechselt  die  erzielte  Farbe  je  nach  dem  Grad  der  Differenzierung  von 
dunkelschwarz  bis  grau.  Speziell  bei  P.  chaetognaihi  nimmt  das  Mittel- 
stück bei  dieser  Behandlungsart  und  Nachfärbung  mit  Eosin  unter 
starker  Differenzierung  einen  hellblauen  bis  blauvioletten  Ton  an 
(Fig.  6,  21). 

Sehr  überraschend  war  das  Ergebnis  der  Anwendung  von  Borax- 
carmin  nach  vorheriger  Konservierung  in  Boveris  Pikrin«s>ig>;iure: 
Von  dem  sonst  tief  dunkel  tingierbaren  Mittelstück  ist  absolut  nichts 
zu  sehen  gewesen  (Fig.  4;  Tai.  VII,  Fig.  13:  Taf.  VIII,  Fig.  20 6  und  23). 
Dieses  Resultat  fällt  vollkommen  übereinstimmend  für  beide  Par- 
ainoeba-Avten  aus,  und  wurde  von  mir  mehrmals  erzielt.  Die  Frage, 
inwiefern  die  färbbare  Substanz  des  Mittelstücks  etwa  durch  Pikrin- 
säure aufgelöst  worden  ist,  oder  aber  ob  keine  Affinität  zu  Borax- 
karmin  vorliegt,  erscheint  hier  zunächst  von  sekundärer  Bedeutung 
und  dürfte  nicht  leicht  zu  entscheiden  sein.  Es  mag  zunächst  ge- 
nügen an  dem  bloßen  Ergebnis  festzuhalten,  daß  auf  Präparaten, 
wo  alles  Chromatin  im  Kern  der  Paramoeba  in  typischer  Weise  stark 
gefärbt  wird,  das  Mittelstück  ungefärbt  bleibt.  Zur  Illustration 
dieser  Verhältnisse  ist  absichtlich  ein  Exemplar  von  P.  pigmenti- 
fera  gewählt  worden,  welches  im  Körperplasma  eine  vor  kurzem 
aufgefressene  Spermatogonie  (oder  Spermatocyte?)  des  Wirtstieres  in 
einer  Nahrungsvacuole  eingeschlossen  führt  (Fig.  4):  das  Chromatin 
der  Keimzelle  zeigt  die  charakteristische  starke  Färbung  (zum  Er- 
zielen einer  guten  Färbung  der  Paramoeben  mit  Boraxcarmin  war 
eine  Färbungsdauer  von  bis  über  24  Stunden  nötig).  —  Aus  dem  eigen- 
tümlichen Verhalten  des  Mittelstücks  bei  der  eben  genannten  Methode 
ist  meiner  Ansicht  nach  zu  entnehmen,  daß  die  Gesamtmasse  des 
Mittelstückes,  welche  auf  Hämatoxylinpräparaten  durchaus  den 
Eindruck  von  echtem  Chromatin  erweckt,  eben  kein  Chromatin 
ist,  wenigstens  sicher  keines  in  gewöhnlichem   Sinne   dieses   Wortes. 


Paramoebenstudien.  467 

Da  in  beiden  Fällen  basische  Farbstoffe  zur  Verwendung  kommen,  so 
ist  es  nicht  statthaft  zur  Unterscheidung  von  Chromatinarten  etwa 
zu  ihrem  basophilen  bzw.  acidophilen  Charakter  Zuflucht  zu  nehmen. 
—  Die  Frage  nach  eventueller  Identität  der  Mittelstücksubstanz  mit 
metachromatischen  Körpern,  dürfte  kaum  in  positivem  Sinne  beant- 
wortet werden.  Mit  den  im  Plasma  von  Paramoeben  reichlich  vor- 
kommenden metachromatischen  Körperchen  hat  zwar  die  Substanz 
des  Mittelstücks  die  starke  Färbbarkeit  in  Delafields  Hämatoxylin 
gemeinsam;  außerdem  aber  färbt  sich  diese  auch  mit  Eisenhämatoxylin 
nach  Sublimatkonservierung,  was  die  erstgenannten  Körperchen  nicht 
tun.  Immerhin  sind  diese  Reaktionen  zur  Entscheidung  der  Frage 
nicht  ausreichend  und  es  müssen  speziell  in  dieser  Richtung  vorge- 
nommene Untersuchungen  abgewartet  werden.  —  Betonen  möchte 
ich  noch,  daß  die  Gesamtmasse  des  Mittelstückes  gemeint  ist,  wenn 
im  Vorstehenden  von  nicht-chromatischer  Natur  dieses  Gebildes  die 
Rede  gewesen;  innerhalb  des  Mittelstückes  lassen  sich  bei  Anwendung 
einer  andern  Methode  winzige  Körnchen  —  von  fast  verschwindender 
Masse  gegenüber  der  gesamten  Substanz  des  Mittelstückes  —  nach- 
weisen, und  diese  Körnchen  werde  ich  als  Chromosomen  deuten. 

Es  ist  die  HERMANNsche  Lösung,  welche  als  Konservierungsflüssig- 
keit angewandt,  die  meiste  Einsicht  in  den  Bau  des  Nebenkörpers  und 
speziell  des  Mittelstückes  zu  gewinnen  erlaubt ;  P.  chaetognathi  mit  ihrem 
nackten  Nebenkörper  eignet  sich  zu  dieser  Untersuchung  besser  als 
P.  pigmenti  fem.  Zunächst  ergibt  sich  bei  der  Färbung  mit  Eisen- 
hämatoxylin und  richtiger  Differenzierung,  daß  das  Mittelstück  eine 
eigne,  scharf  ausgeprägte  Membran  besitzt,  daß  es  sich  somit  auf  ein 
Bläschen  zurückführen  läßt,  welchem  freilich  meistens,  wie  schon  er- 
wähnt, die  Gestalt,  einer  biconvexen  Linse  zukommt.  Die  Membran 
erscheint  an  den  beiden  Flächen  der  Linse  pol  plattenartig  ausgebildet, 
während  äquatorial  der  Zusammenschluß  durch  ein  viel  feineres  Häut- 
chen vermittelt  wird  (Fig.  10a,  b).  Genauere  Untersuchung  macht  es  sehr 
wahrscheinlich,  daß  die  polplattenartigen  Bildungen  nicht  Produkte 
der  Membran  selbst  sind,  sondern  derselben  von  außen  dicht  auf- 
lagern; doch  muß  ich  die  Schwierigkeit  der  diesbezüglichen  Unter- 
suchung betonen.  In  der  Regel  werden  die  Pol  platten  nur  mit  Eisen- 
hämatoxylin zur  Darstellung  gebracht;  ausnahmsweise  habe  ich  sie 
auch  mit  Delafields  Hämatoxylin  beobachtet,  was  mich  in  der  An- 
nahme, es  liegen  tatsächlich  besondere  Differenzierungen  vor,  nur 
bestärkt.  Ein  derartig  membranös  umgrenztes  Mittelstück  mit  pol- 
plattenartiger  Ausbildung  der  Flächen  erinnert  an  Kerne  mit  ihren 


468  C.  Janicki. 

Polplatten  während  der  Teilung  bei  Amoeba  binucleata,  Actinophrys 
sol  und  Actinosphaerium  eichhorni  nach  Schaudinns  bzw.  R.  Hertwigs 
Schilderungen;  auf  diesen  Vergleich  komme  ich  später  noch  zurück. 

Manchmal,  bei  Einstellung  des  Tubus  auf  den  äquatorialen  Umkreis 
des  Mittelstückes,  kann  man  in  Form  einer  feinen  scharfen  Linie  die 
Kante  der  Linse,  wo  ihre  beiden  Flächen  aneinanderstoßen,  beobachten. 
—  Der  Feststellung,  daß  das  Mittelstück  von  einer  eignen  Membran 
umgrenzt  ist,  schreibe  ich  bei  der  Beurteilung  der  Natur  des  Neben- 
körpers besondere   Bedeutung  zu. 

Auch  der  Inhalt  des  Mittelstückes  läßt  bei  Anwendung  der  Her- 
MANNschen  Lösung  und  Eisenhämatoxylin  seine  feinere  Structur  näher 
erkennen;  es  eignen  sich  zu  diesem  Zweck  am  besten  Präparate,  wo 
durch  starke  Differenzierung  mit  Eisenalaun  das  Mittelstück  als  Ganzes 
kaum  oder  nur  sehr  unbedeutend  gefärbt  bleibt.  Die  das  Mittelstück 
bildende  Substanz  zeigt  ein  grobgranuläres,  schwach  sich  abzeichnendes 
Gefüge  (Fig.  10);  ich  habe  nicht  den  Eindruck,  daß  sich  dieses  Gefüge 
auf  Wabenstruktur  zurückführen  ließe.  Dieser  granulöse  Inhalt  ist  es, 
der  mit  Hämatoxylin  nach  Sublimatkonservierimg  so  überaus  stark 
gefärbt  wird,  daß  alle  Struktur  des  Mittelstückes  dadurch  verdeckt 
und  unkenntlich  gemacht  wird.  In  sehr  seltenen,  besonders  günstigen 
Fällen  lassen  sich  nun  äquatorial  im  Mittelstück  in  einer  bis  zwei 
Reihen  bzw.  ringförmig  angeordnet  winzige  Körnchen  nachweisen ;  ihre 
Darstellung  ist,  wie  gesagt,  sehr  schwierig  und  launisch.  Ausnahms- 
weise kann  man  auch  bei  einer  mit  Delafields  Hämatoxylin  gefärbten 
Amoebe   bei  geeigneter  Differenzierung  die   Körnchen  nachweisen. 

Die  genannten  Körnchen  fasse  ich  als  Chromosomen  auf.  In  dem 
Mittelstück  des  Nebenkörpers  erblicke  ich  einen  echten,  aber  besonders 
modifizierten  zweiten  Kern  von  Paramoeba.  Diese  Zurückführimg 
gründet  sich  auf  einen  Komplex  von  Eigenschaften,  auf  die  ich  im 
allgemeinen  Teil  besonders  zu  sprechen  komme. 

Erst  nachdem  der  Bau  des  Mittelstückes  auf  Präparaten,  die  mit 
ÜERMANNscher  Lösung  behandelt  worden  sind,  klargelegt  ist,  lassen 
sich  die  Bilder,  welche  ScHAUDiNNsche  Lösung  mit  Delafields  Häma- 
toxylin erzeugt,  richtig  deuten.  Ich  habe  absichtlich  hier  zur  Be- 
schreibung der  Mittelstückstruktur  den  gleichen  —  nicht  den  kürze- 
sten —  Weg  eingeschlagen,  den  ich  während  der  Beobachtung  durch- 
gemacht habe.  Dadurch  mag  dem  Leser  der  Eindruck,  daß  die  uns  be- 
schäftigenden Strukturverhältnisse  keineswegs  immer  auf  den  ersten 
Blick  deutlich  in  die  Augen  fallen,  zum  Bewußtsein  gebracht  werden. 
Außerdem  ergab  sich  bei  der  gewählten  Darstellungsart  zunächst  ein 


Paramoebenstudien. 


469 


direkter  Anschluß  an  die  von  Schaudinn  bei  P.  eilhardi  beschriebenen 
oder  vielmehr  in  den  allbekannten  Figuren  geschilderten  Verhältnisse. 
Die  Schwierigkeit  in  der  Deutung  von  Bildern,  die  von  Delafields 
Hämatoxylinpräparaten  nach  Konservierung-  in  Schaudinns  Lösung 
stammen,  liegt  erstens  darin,  daß  die  Inhaltmasse  des  Mittelstückes 
sich  homogen  und  sehr  tief  färbt,  wodurch  —  von  wenigen  Ausnahme- 
fällen abgesehen  —  die  innere   Struktur  einfach  verdeckt  wird,   und 


■ 


d  e  f  g 

Textfig.  \a — g. 

Die  verschiedene  Ansicht  des  Mittelstücks  im  Nebenkörper  von  Paramoeba  (parasitische  Species)  nach 

Behandlung  mit  SCHAUDiXN'scher  Lösung  und.  Delafields  Hämatoxylin.    Halbschematisch. 

zweitens  in  dem  Umstand,  daß  —  ungeachtet  des  ausgezeichneten 
Konservierungszustandes  aller  übrigen  Bestandteile  des  Paramoeba- 
Körpers  —  bald  mehr  bald  weniger  ausgesprochene  Schrumpfungen 
zustande  kommen,  was  sodann  ungleichmäßige  Verteilung  der  färb- 
baren Substanzen  zur  Folge  hat.  Die  verschiedenen  Ansichten  des 
Mittelstückes,  welche  auf  derartigen  Präparaten  sowohl  bei  P.  chaeto- 
gnathi  wie  bei  P.  pigmentifera  angetroffen  werden,  sind  schwach 
schematisiert  in  den  Textfig.  \a — g,  wiedergegeben.     Die  Fig.  \a  stellt 


470  C.  Janicki, 

zunächst  den  typischen  Bau  des  Mittelstückes  unter  Weglassung  der 
Polplatten,  die  bei  der  hier  angewandten  Methode  nur  ausnahmsweise 
zum  Ausdruck  gelangen,  dar;1,  der  übrige  Teil  des  Nebenkörpers  soll 
jetzt  nicht  näher  berücksichtigt  werden.  Ein  derartig  gleichmäßig- 
dunkles Aussehen  des  Mittelstückes  wird  oft,  besonders  bei  P.  chaeto- 
gnathi,  beobachtet;  dasselbe  wird  übrigens  auch  bei  Anwendung  von 
Eisenhämatoxylin  erzielt.  Nun  zieht  sich  der  Inhalt  des  Mittelstückes 
in  vielen  Fällen  äquatorial  von  der  Membran  zurück;  die  an  dieser 
letzteren  zweiseitig  haftenbleibenden  Partien  erzeugen,  in  Profilansicht 
betrachtet,  die  namentlich  bei  P.  pigmentifera  oft  anzutreffenden  zwei 
Zipfel;  diese  können  mehr  oder  weniger  gleichartig  oder  ungleichartig 
ausgebildet  zum  Vorschein  kommen  (Fig.  16,  c).  Zudem  kommt  nicht 
selten  eine  starke  Schrumpfung  des  ganzen  Mittelstückes  in  der  Rich- 
tung der  Längsachse  des  Nebenkörpers  hinzu ;  das  Mittelstück  erscheint 
alsdann  ausnehmend  flach  (Fig.  16 — e).  Dagegen  tritt  die  äquatoriale 
Umgrenzung  des  Mittelstückes  infolge  von  Farbstoffspeicheiung  zwischen 
den  eng  aneinander  schließenden  Membranen  in  vielen  Fällen  sehr 
deutlich  in  Form  eines  stark  gefärbten,  meist  bogenförmig  schwach 
gekrümmten  Stabes  zum  Vorschein  (Fig.  1^,  g).  Gerade  diese  Bilder, 
welche  P.  pigmentifera  sehr  oft  bietet,  scheinen  zunächst  der  Inter- 
pretation große  Schwierigkeit  zu  bereiten;  ja  manchmal  wäre  man 
beinahe  versucht  in  der  scheinbar  stabartigen  Bildung  etwa  eine  Cen- 
trodesmose  zu  vermuten.  Vergleichendes  Studium  anders  behandelter 
Präparate  zerstreut  aber  die  Bedenken  und  verweist  die  zunächst 
frappierende  Erscheinung  in  das  Gebiet  der  Kunsterzeugnisse.  Die 
Grundlage  freilich  für  diese  Bildung  ist  reell,  und  besteht  in  der 
äquatorialen  Berührungslinie  der  das  linsenförmige  Mittelstück  be- 
grenzenden Flächen1.  —  In  andern  Fällen  wiederum  scheint  die  Be- 
rührung dieser  Flächen  nicht  in  einer  Linie  zu  geschehen,  sondern  durch 
eine  Art  schmalen  Gürtel  vermittelt  zu  werden  (Fig.  1/).  —  Sämtliche 
Varianten  im  Aussehen  des  Mittelstückes  lassen  sich,  wie  gesagt,  un- 
gezwungen auf  die  früher  besprochene  Grundform  zurückführen. 
Nachträglich  wäre  hier  noch  die  Frage  zu  berühren,  wie  ist  es  zu 


1  Weitgehende  Übereinstimmung  mit  der  eben  besprochenen  stabartigen 
Bildung  scheint  mir  in  einem  Befund  Alexeieffs  am  Kern  von  Amoeba  punc- 
tata Dang,  vorzuliegen;  in  der  Figurenerklärung  zu  dem  nach  gefärbtem  Präparat 
entworfenen  Kern  heißt  es:  »Noyau  tendu  sur  un  bätonnet  siderophile,  probable- 
ment  un  cristalloide  intranucleaire.«  (Vgl.  A.  Alexeiff.  Sur  la  division  nucleaire 
et  l'enkystenient  chez  quelques  Amibes  de  groupe  Limax.  C.  R.  Soc.  Biol.  1911. 
p.  589.  Fig.  22.) 


Paramoebenstudien.  471 

erklären,  daß  die  —  wenn  auch  selten  —  so  doch  immerhin  nachweis- 
baren Chromosomen  im  Mittelstück  bei  Behandlung  der  Amoeben  mit 
Pikrinessigsäure  +  Boraxcarmin  niemals  zum  Ausdruck  gelangen. 
Die  Antwort  kann  freilich  zunächst  nur  wenig  befriedigend  ausfallen 
und  bewegt  sich  in  Vermutungen.  Es  dürfte  die  besondere  chemische 
Zusammensetzung  des  granulösen  Inhaltes  des  Mittelstückes  sein, 
welche  auch  das  färberische  Verhalten  der  eingeschlossenen  Chromo- 
somen mitbeeinflußt.  Bekanntlich  wird  die  Gesamtmasse  des  Mittel- 
stückes bei  Anwendung  der  genannten  Kombination  von  Reagen- 
tien,  sei  es  gänzlich  aufgelöst,  sei  es  in  einen  dem  Farbstoff  absolut 
widerstehenden  Zustand  übergeführt.  Dabei  werden  offenbar  die 
winzigen  Chromosomen  in  Mitleidenschaft  gezogen.  —  Auch  das  Alaun- 
carmin,  welches  ich  nur  zur  Kontrolle  angewandt  habe,  und  das  aus- 
gezeichnet scharfe  Chromatinfärbung  im  Kern  wie  auch  an  den  übrigen 
chromatischen  Teilen  des  Nebenkörpers  (s.  weiter  unten)  gibt,  war  nicht 
geeignet,  die  kleinen  Chromosomen  des  Mittelstückes  zur  Darstellung 
zu  bringen.  Das  Mittelstück  nimmt  mit  diesem,  übrigens  leicht  ma- 
cerierenden,  Farbstoff  einen  offenbar  je  nach  dem  verschiedenen  Zu- 
stand der  Amoeben  wechselnden  diffusen  bald  helleren,  bald  dunkleren 
Ton  an.  — 

An  die  gewölbten  Flächen  des  Mittelstückes  schließen  sich  polar 
die  annähernd  halbkugeligen  oder  kalottenförmigen  »Seitenteile« 
Schaudinns  an;  sie  ergänzen  gewissermaßen  die  Gestalt  des  Mittel- 
stückes zu  einem  durchaus  einheitlich  erscheinenden  ovalen  Neben- 
körper. Die  Grundlage  dieser  Seitenteile  wird  von  einem  schwach- 
granulösen, bald  mehr  bald  weniger  vacuolisierten  Plasma  gebildet, 
welches  unter  allen  Umständen  von  dem  umgebenden  Körperplasma 
sehr  deutlich  absticht.  Was  aber  besonders  in  die  Augen  fällt,  sind 
zwei  polständig  innerhalb  der  Seitenteile  angebrachte,  runde  bis  ovale 
Körper;  ich  benenne  dieselben  jetzt  schon  Centrosomen,  wenn  auch 
die  Begründung  hierzu  sich  erst  aus  dem  allgemeinen  Teil  ergeben  wird. 
Für  das  die  Centrosomen  bergende  schwachgranulöse  Plasma  werde 
ich  den  Ausdruck  Archoplasma  verwenden. 

Auf  Präparaten,  die  mit  ScHAUDiNNscher  Lösung  konserviert  und 
mit  Delafields  Hämatoxylin  gefärbt  sind,  treten  die  Centrosomen 
nur  mäßig  stark,  grau  bis  graublau  gefärbt  zum  Vorschein;  nicht 
selten  zeigt  das  Centrosoma  bei  dieser  wie  bei  andern  Behandlungs- 
methoden eine  Vacuole  im  Innern.  Das  Plasma  der  Seitenteile,  oder 
das  Archoplasma,  erscheint,  wenigstens  bei  P.  chaetognaihi,  noch  viel 
weniger  gefärbt  als  die  Centrosomen.     Ein  im  Umkreis  der  Centro- 


472  C.  Janicki, 

somen  regelmäßig  feststellbarer  heller  Hof  dürfte  wohl  sicher  auf 
Schrumpfung  im  umgebenden  Medium  zurückzuführen  sein,  was  ja 
öfters  in  der  Umgebung  der  Plasmaeinschlüsse  geschieht.  —  Mit  Eisen- 
hämatoxylin  lassen  sich  die  Centrosomen  außerordentlich  tief  schwärzen; 
sie  stechen  bei  entsprechender  Differenzierung  sehr  deutlich  von  ihrer 
Umgebung  ab,  indem  weder  das  sie  umgebende  Archoplasma,  noch  das 
Mittelstück  gleich  dunkle  Färbung  annehmen  (Fig.  9).  Nach  besonders 
starker  Differenzierung  mit  Eisenalaun  und  Nachfärbung  mit  Eosin  tritt, 
namentlich  bei  P.  chaetognathi,  der  eosinophile  Charakter  der  Centro- 
somen sehr  eklatant  zum  Vorschein:  dieselben  leuchten  geradezu  rot, 
gegenüber  dem  grünlich-blauen  Mittelstück  (Fig.  6,  21). 

Wie  für  das  Mittelstück  so  ist  auch  für  die  Centrosomen  das  Er- 
gebnis der  Färbung  mit  Boraxcarmin  nach  Fixierung  in  Boveri's 
Pikrinessigsäure  ein  Überraschendes.  Im  Gegensatz  zu  dem  gänzlich 
ungefärbt  bleibenden  Mittelstück  nehmen  die  Centrosomen  bei  beiden 
Paramoeba- Arten  die  typische  grellrote  Carminfärbung  an  (Fig.  4,  20&, 
23).  Auch  das  Archoplasma  in  der  Umgebung  der  Centrosomen  weist 
wenige  gefärbte  Granula  auf.  Dieses  färberische  Verhalten  habe  ich 
stets  mit  strenger  Regelmäßigkeit  feststellen  können.  Ich  glaube  dem- 
nach nicht  fehl  gehen  zu  dürfen,  wenn  ich  den  Centrosomen,  und  in 
schwächerem  Grade  ihrer  Umgebung,  Chromatingehalt  zuschreibe. 
Chromatische  Centrosomen  bzw.  deren  Homologa  bei  Protozoen  sind 
ja  nach  unsern  heutigen  Kenntnissen  keine  Ausnahmen  mehr  (Schau- 
dinn,  R.  Hertwig,  Keuten,  Zuelzer),  worauf  ich  im  allgemeinen 
Teil  noch  eingehen  werde.  —  Auf  welche  Weise  chromatische  Sub- 
stanzen nicht  nur  in  die  Centrosomen,  sondern  auch  in  deren  Umgebung 
gelangen,  läßt  sich  nicht  feststellen. 

Deutlich  werden  die  Centrosomen  in  der  Regel  mit  ÜERMANNscher 
Lösung  und  nachfolgender  Anwendung  von  Delafields  oder  Eisen- 
hämatoxylin  zur  Darstellung  gebracht  und  nehmen  je  nach  der  In- 
tensität der  Färbung  einen  helleren  bis  tief  dunklen  Ton  an.  Es  darf 
freilich  nicht  verschwiegen  werden,  daß  in  seltenen  Fällen  aus  nicht 
näher  zu  ermittelndem  Grunde  gerade  die  genannte  Methode,  welche 
ja,  wie  oben  gesagt,  zum  Aufdecken  der  Zusammensetzung  des  Neben- 
körpers große  Dienste  leistet,  bei  der  Sichtbarmachung  von  Centro- 
somen vollkommen  versagt. 

Die  Struktur  der  Centrosomen  erscheint  übereinstimmend  bei 
allen  angewandten  Untersuchungsmethoden  als  außerordentlich  dicht 
und  ist  eher  homogen  zu  bezeichnen;  auf  keinen  Fall  läßt  sich  hier 
etwa   spongiöses  Gefüge  antreffen.     Centriolen  innerhalb   der  Centro- 


Paramoebenstudien.  473 

somen  sind  keine  nachzuweisen.  Form  und  Zusammensetzung  der 
Centrosomen  zeigen  - —  abgesehen  von  Teilungszuständen  —  keinen 
veränderlichen  Charakter;  namentlich  ist  hier  nichts  von  den  in  neuerer 
Zeit  mehrfach  beschriebenen  cyclischen  Abbauerscheinungen  an  Centro- 
somen zu  bemerken. 

Strahlungserscheinungen  werden  weder  in  den  Seitenteilen  des 
Nebenkörpers  noch  außerhalb  desselben  beobachtet.  Desgleichen  läßt 
sich  keine  longitudinale  Streifung  im  Archoplasma  feststellen.  — 
Wenn  auch  normalerweise  das  Archoplasma  der  Seitenteile  direkt  sich 
an  die  Flächen  des  Mittelstückes  anschließt,  so  kann  durch  Schrump- 
fung oftmals  zwischen  beiden  Bestandteilen  des  Nebenkörpers  eine 
mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Lücke  entstehen  (vgl.  oben).  Ebenso 
mag  die  wechselnde  Ausbreitung  des  Archoplasmas  in  dünnerer  oder 
dickerer  Schicht  äquatorial  um  das  Mittelstück  herum  von  Fall  zu 
Fall  durch  Einwirkung  der  Konservierungsflüssigkeit  beeinflußt  sein.  — 

Ich  wende  mich  jetzt  der  Frage  zu,  wie  ist  der  Nebenkörper  als 
Ganzes  gegen  das  umgebende  Plasma  von  Paramoeba  abgegrenzt? 
Selbstverständlich  kommt  in  dieser  Beziehung  die  Pigmentkörner- 
schicht von  P.  pigmentifera  nicht  in  Betracht;  dieselbe  ist,  wie  schon 
erwähnt,  dem  eigentlichen  Nebenkörper  nur  äußerlich  aufgelagert. 
Zum  Studium  der  vorgelegten  Frage  eignet  sich  außerdem  P.  pigmenti- 
fera, wie  leicht  ersichtlich,  nur  wenig;  es  können  nämlich  nur  die  Pikrin- 
essigsäurepräparate,  wo  das  störende  Pigment  aufgelöst  erscheint, 
Verwendung  finden1.  In  diesem  Fall,  wie  auch  auf  sämtlichen  Prä- 
parationen von  P.  chaetognathi,  tritt  der  Nebenkörper  immer  gut  und 
scharf  gegen  das  umgebende  Plasma  abgesetzt  zum  Vorschein ;  etwaige 
Fortsatzbildungen  des  Archoplasmas  in  die  Körpersubstanz  von  Para- 
moeba sind  nicht  vorhanden.  Der  Nebenkörper  imponiert  demnach 
stets  als  ein  ins  Plasma  eingesenktes  abgeschlossenes  Ganzes.  Damit 
soll  zunächst  nur  der  Eindruck,  den  der  Nebenkörper  auf  den 
Beschauer  macht,  unvoreingenommen  wiedergegeben  werden.  Eine 
weitere  Frage  ist  die,  wie  kommt  dieser  einheitliche  Charakter  des 
Nebenkörpers  zustande,  besitzt  etwa  der  Nebenkörper  eine  eigne,  ihn 
abgrenzende  Membran?  Diese  Frage  kann  ich,  was  P.  chaetognathi 
anbetrifft,  bestimmt  in  verneinendem  Sinne  beantworten.  Besonders 
deutlich  kommen  die  in  Rede  stehenden  Verhältnisse  auf  Präparaten 
zum  Ausdruck,  wo  unter  Einwirkung  des  Konservierungsmittels  das  den 
Nebenkörper  umgebende  Plasma  sich  von  diesem  letzteren  zurückgezogen 

1  Die  Umgrenzung  des  gesamten  Nebenkörpers  ist  bei  der  Reproduktion 
von  Fig.  4  gegenüber  dem  Originalbild  viel  zu  deutlich  ausgeprägt  ausgefallen. 


474  C.  Janicki, 

hatte,  —  ein  Vorkommnis,  das  da  und  dort  unter  sonst  gutgelungenen 
Präparaten  sich  nicht  vermeiden  läßt  (Taf.  VII,  Fig.  IIa  und  b).  Als- 
dann sieht  man,  daß  das  Archoplasma  jederseits  am  Mittelstück  etwa  in 
Halbkugelform,  sozusagen  als  selbständiges  Gebilde  angebracht  er- 
scheint, und  daß  eine  alle  drei  Teile  umschließende  Membran  fehlt;  sie 
hätte  sonst  unbedingt  in  diesem  Fall  zum  Vorschein  kommen  müssen. 
Der  einheitliche  Charakter  des  Nebenkörpers  wird  durch  dichten  Zu- 
sammenschluß des  Körperplasmas  um  den  Nebenkörper  herum  erreicht, 
und  als  bedingendes  Moment  für  ein  derartiges  Verhalten  kann  wohl 
mit  Recht  die  Ausbildung  einer  minimalen  Berührungsfläche  zwischen 
Nebenkörper  und  Plasma  in  Anspruch  genommen  werden.  Das  nach- 
weislich von  einer  Membran  umgrenzte  Mittelstück  auf  der  einen  Seite 
sowie  eine  bestimmte,  polar  verteilte  Quantität  von  Archoplasma  auf 
der  andern  Seite  sind  zusammengenommen  ausschlaggebend,  wie  weit 
der  Nebenkörper  als  Ganzes  die  zunächst  sich  bietende  sphärische 
Gestalt  zu  übertreffen  hat.  —  Für  P.  chaetognathi  schließe  ich  somit 
das  Bestehen  einer  eignen  Membran  des  Nebenkörpers  aus;  für  die 
so  nahe  verwandte  P.  pigmenti fem  ist  der  gleiche  Sachverhalt  im 
hohen  Grade  wahrscheinlich.  — 

Bis  jetzt  habe  ich  das  durchschnittlich  anzutreffende  Aussehen 
der  Centrosomen  im  Nebenkörper  geschildert.  In  durchaus  nicht  selte- 
nen Fällen  werden  nun  die  Centrosomen  bereits  geteilt,  also  je  zwei 
an  jedem  Pol  des  Nebenkörpers  beobachtet  (Fig.  36).  Dieses  Verhalten 
deutet  entschieden  auf  bevorstehende  Teilung  der  Amoebe  hin,  wenn 
auch  nicht  immer  die  verdoppelte  Centrosomenzahl  mit  kenntlicher 
Vorbereitung  des  Hauptkernes  zur  Teilung,  wie  es  in  Fig.  36  der  Fall 
ist,  Hand  in  Hand  geht.  Eine  ähnliche  frühzeitige  Verdoppelung  der 
Centralorgane  während  des  Kernteilungsvorganges  ist  auch  bei  Proto- 
zoen bereits  in  mehreren  Fällen  bekannt;  mit  besonderer  Regelmäßig- 
keit tritt  z.  B.  die  verfrühte  Centriolenteilung  bei  Spongomonas  uvella 
nach  Hartmann  und  Chagas  auf  (23,  S.  80  und  Taf.  VI,  Fig.  34—39). 
Im  Ruhezustand  von  Paramoeba,  zwischen  zwei  Teilungsperioden, 
sind  die  Centrosomen  stets  in  der  Einzahl  polar  angebracht;  von  einem 
Diplosomazustand  während  der  Ruheperiode  kann  hier  keine  Rede 
sein.  Die  Teilung  des  Centrosoma  scheint  bei  Paramoeba  unverkennbar 
auf  dem  Zustand  seiner  größten  Massenentwicklung  vor  sich  zu  gehen.  — 
Auffallender  ist  das  Vorkommen  von  drei,  vier  und  mehr  Centrosomen 
jederseits  am  Nebenkörper,  so  daß  deren  im  Ganzen  bis  über  acht,  jedes 
von  einem  hellen  Hof  umgeben,  gezählt  werden  können  (Fig.  12).  Der 
Hauptkern  befand  sich  in  einem  solchen  Fall  jeweilen  im  Ruhezustand. 


Paramoebenstudien.  475 

Möglich,  daß  eine  derartige  Vermehrung  von  Centrosomen  mit  Ga- 
metenbildung  in  Zusammenhang  zu  bringen  wäre;  doch  leider  konnte 
ich  diese  selten  anzutreffende  Erscheinung  nicht  weiter  verfolgen.  — 
Umgekehrt  begegnet  man,  gleichfalls  sehr  selten,  Amoeben  mit  einem 
einzigen  Centrosom  im  Nebenkörper;  offensichtlich  ist  hier  eine  Ver- 
doppelung der  Centrosomen  während  der  Teilung  unterblieben. 

In  der  Regel  bleiben  die,  zumeist  wie  gesagt,  sehr  frühzeitig  sich 
teilenden  Centrosomen  nur  vorübergehend  durch  eine  feine  Brücke 
miteinander  verbunden.  Ausnahmsweise  läßt  sich  zwischen  den  bereits 
polar  angebrachten  Centrosomen  eine  Verbindung  nachweisen.  Fig.  13 
zeigt  ein  solches  Verhalten  nach  einem  Pikrinessigsäure-Boraxcarmin- 
prä parat;  ein  dünnes,  schwach  geschlängeltes  Fädchen  zieht  seitlich 
am  Mittelstück  vom  Centrosom  zu  Centrosom.  Auffallend  stark,  in 
einem  Bogen  das  Mittelstück  umgreifend,  erscheint  die  Centrodesmose 


. 


Textfig.  2. 
P.  chaetognatki.    Centrodesmose  im  Nebenkörper.    SCHAUDiNNsche   Lösung.    Eisen-Hämatoxylin, 

Eosin.     Vergr.  2700. 

in  Fig.  14  a  und  namentlich  14  b,  in  beiden  Fällen  nach  Eisenhäma- 
toxylinfärbung.  Die  Amoebe  der  Fig.  14  &  stammt  aus  einem  Prä- 
parat mit  vielen  Gameten  und  ist  auch  durch  die  Konstitution  ihres 
Hauptkernes  ausgezeichnet.  Während  die  genannten  Fälle  sich  auf 
P.  figmentifera  beziehen,  illustriert  die  Textfig.  2  ein  ähnliches  Ver- 
halten von  P.  chaetognatki.  Auf  diese  vereinzelt  zu  konstatierenden 
Befunde  der  Centrodesmosen  komme  ich  noch  im  allgemeinen  Teil 
der  Arbeit  zurück. 

Ein  andrer  Bildungsmodus  von  Centrosomen  als  derjenige  durch 
Teilung  bereits  vorhandener,  wurde  nicht  beobachtet. 

2.  Teilung  bei  beiden  Paramoeba-Arten. 

Was  Schaudinn  über  Teilungsvorgänge  bei  P.  eilhardi  mitteilen 
konnte,  war  nicht  viel.     »Die  Teilung  der  Amöbe  habe  ich  leider  nur 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  31 


476  C.  Janicki, 

zweimal  am  lebenden  Tier  beobachten  können,  sie  erfolgt,  ähnlich 
wie  bei  anderen  Amoeben  als  allmähliche  Zerreißung  in  zwei  Stücke. 
Das  Verhalten  des  Kernes  und  Nebenkörpers  bei  der  Teilung  konnte 
ich  bisher  nicht  vollständig  ermitteln.  In  den  beiden  Fällen,  in  denen 
ich  die  Teilung  beobachtete,  besaßen  die  Tiere  schon  zwei  Kerne  und 
zwei  Nebenkörper.  Nun  habe  ich  aber  unter  den  konservierten  Amoeben 
solche,  die  schon  zwei  Nebenkörper  auf  entgegengesetzten  Seiten  des 
Kernes  aufweisen;  hieraus  dürfte  folgen,  daß  die  Teilung  des  Neben- 
körpers vor  der  des  Kernes  erfolgt.  In  den  betreffenden  Amoeben 
zeigten  die  Kerne  bereits  Veränderungen,  die  auf  eine  mitotische  Kern- 
teilung hinwiesen«  (47,  S.  35).  Weitere  Angaben  hatte  Schaudinn 
für  die  ausführliche  Publikation  in  Aussicht  gestellt.  Damit  sind 
unsre  Kenntnisse  von  der  Kern-  und  Nebenkörperteilung  bei  Para- 
moeba  im  Amoebenzustande  erschöpft. 

Bei  den  parasitischen  Paramoeba- Arten  lassen  sich  Teilungs- 
zustände  relativ  nicht  selten  antreffen.  Meine  diesbezüglichen  Beob- 
achtungen beziehen  sich  sämtlich  auf  konserviertes  Material.  Bei 
beiden  Arten  verläuft  die  Teilung  im  wesentlichen  übereinstimmend. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  geht  der  Kern  in  der  Teilung  dem  Neben- 
körper voraus,  ausnahmsweise  kann  das  umgekehrte  Verhalten  statt- 
finden. 

Als  erstes  Anzeichen  der  bevorstehenden  Kernteilung  ist  eine 
reichere  Abgabe  des  Chromatins  vom  Binnenkörper  auf  das  Kern- 
gerüst zu  konstatieren.  Dieses  letztere  läßt  sich  mit  einiger  Deutlich- 
keit nur  in  der  Circumferenz  des  Binnenkörpers  beobachten,  wo  es 
Bahnen  für  den  Chromatintransport  abgibt  (Fig.  36).  Einen  ähnlichen 
Vorgang  beschreibt  Schaudinn  während  der  Vorbereitung  der  Kern- 
teilung bei  A.  binucleata  Gruber  (46,  S.  137—138  und  Fig.  VI,  S.  131). 
Infolge  dieser  Chromatin  Wanderung  nimmt  der  Chromatingehalt  im 
Außenkern  gegenüber  den  Ruhephasen  zu;  gleichzeitig  geschieht  da- 
selbst eine  stärkere  Kondensation  des  sonst  staubförmig  verteilten 
Chromatins  zu  deutlichen,  meist  mit  gezackter  Peripherie  versehenen 
Körnern.  Dieselben  erscheinen  oftmals  mit  einer  auffallenden  Regel- 
mäßigkeit im  Kerngerüst,  offenbar  in  dessen  Knotenpunkten,  verteilt, 
und  treten  so  scharf  gesondert  hervor,  daß  man  sie  abzählen  kann. 
Manchmal  begegnet  man  den  Körnern  in  besonders  lockerer  Kon- 
stitution. Die  in  Rede  stehenden  Körner  dürften  bestimmt  die 
Grundlage  für  spätere  Chromosomen  abgeben.  In  einem  Fall  von 
P.  chaetognathi  glaubte  ich  eine  Anordnung  der  Körner  in  Dyaden 
wahrzunehmen    (Textfig.   3).    —    Beim    weiteren    Vorrücken    in    den 


Paramoebenstudien.  477 

Prophasen  löst  sich  der  Binnenkörper  auf,  ohne  daß  es  in  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  möglich  gewesen  wäre,  irgendein  von  ihm  übrig  bleiben- 
des Organeil  festzustellen.  ^  ■/."?:' 
Dem  Stadium  der  Äquatorialplatte  begegnet  man  öfters,  wie  es 
mehrere   Figuren    illustrieren.     In  bezug    auf  die  Bildung  derselben 
scheinen  die  ihrer  Entstehung  nach  im  ganzen  Kernraum  verteilten 
Chromosomen    einem    bestimmten    Äquator    zuzustreben    (Taf.  VII, 
Fig.  15).     Die  Chromosomen  sind  rundliche,  scharf  gesonderte  Körner, 
ihre  Anzahl  ist  sehr  groß  und  beträgt  vor  der  Verdoppelung  bei  P. 
chaetognathi  etwa  über  30,  bei  P. 
pigmentifera    bis    über    50.     Die 
Chromosomen  erscheinen  bald  in 
dichterer  (Fig.  17),  bald  in  mehr                     ,  ••  ■'-•: 
lockerer    (Fig.    16)    Ansammlung,                 ..     .••'..• 
was  zum  Teil  vielleicht  auch  auf                :.-','.    ;: 
die     verschiedene     Wirkung    der 
Konservierungsflüssigkeit  zurück-               .._■■'.  .;   . 
geführt    werden    kann.     Wie    in                   •'. 
mehreren  Fällen  bei  beiden  Spe-                  •-.'-•' 
cies   übereinstimmend  festgestellt 
werden  konnte,  nehmen  die  Chro- 
mosomen ringförmige  Anordnung                          lexttig.  3. 

V  j.         j        TT-  P-  chaetognathi.    Dyaden  im  Hauptkern.  Schau 

im  Äquator  des  Kernes  an,  eme      MNNSche  Lösung,  delafields  Hämatoxyiin. 
Anordnung,  die    freilich   nur   bei  vergr.  2700. 

günstiger   Lage    des  Kernes   sich 

richtig  zu  erkennen  gibt  (Fig.  17,  18&,  c).  Diese  ringförmige  Chromo- 
somenverteilung erinnert  z.  B.  an  einen  analogen  Befund  Hartmanns 
bei  Amoeba  hyalina.  Um  die  Einzelheiten  der  Chromosomenspaltung 
zu  studieren  ist  das  Material  wenig  geeignet.  In  Fig.  19  und  in 
Fig,  20  b,  Taf.  VIII  liegen  bereits  zwei  Tochterplatten,  richtiger  wohl 
auch  in  diesem  Fall  zunächst  noch  Ringe,  beim  Beginn  der  dicentri- 
schen  Wanderung  vor. 

Bis  zur  Bildung  der  Äquatorialplatte  bleibt  die  Kernmembran 
stets  erhalten,  was  ja  mehrfache  Analogie  bei  Protozoen  findet.  Am 
Ausgang  der  Metaphase  —  bald  früher,  bald  später  —  erfolgt  die  voll- 
ständige Auflösung  der  Kernmembran  (Fig.  17,  186).  Innerhalb  dieser 
letzteren  läßt  sich  in  manchen,  aber  bei  weitem  nicht  in  allen  Fällen 
eine  schwache  achromatische  Spindel  wahrnehmen;  dieselbe  ist  dem- 
nach, entsprechend  der  R.  ÜERTwiGschen  Bezeichnungsweise  als  nucleare 
Spindel  aufzufassen   (Fig.  18  a,  c,  20«,  b).     Mit   der   Auflösung   der 

31* 


478  C.  Janicki, 

Kernniembran  kommen  die  Spindelfasern  anscheinend  direkt  ins  Plasma 
zu  liegen  (Fig.  17).  Daß  die  Spindelfasern  polar  gegen  einen  Punkt 
konvergierten,  läßt  sich  mit  Deutlichkeit  nicht  nachweisen.  Ja,  in 
manchen  Fällen  beobachtet  man  sogar,  daß  die  Spindelfasern  parallel 
verlaufen  und  so  die  bekannte  »tonnenförmige«  Spindelfigur  erzeugen. 

In  der  überwiegenden  Anzahl  der  von  mir  beobachteten  Kern- 
teilungsfiguren  habe  ich  vergeblich  nach  einem  Centralorganell  als 
locomotorischer  Komponente  gesucht.  Nur  in  drei  Fällen  waren 
meine  Bemühungen  von  Erfolg  begleitet;  alle  drei  beziehen  sich  auf 
P.  chaetognathi  und  sind  in  den  Fig.  18  c,  20  a,  b  wiedergegeben.  Es 
liegt  hier  ohne  Zweifel  eine  stark  reduzierte  Centralspindel  vor,  die 
mehr  oder  weniger  stabförmige  Gestalt  annimmt  und  deutlich  die 
Richtung  der  Polaxe  einhält.  An  ihren  Enden  Centriolen  nachzu- 
weisen  war  mir  nur  in  einem  Falle  möglich,  und  zwar  auffallender- 
weise auf  einem  Pikrinessigsäure-Boraxcarminpräparat.  Auf  weiter 
fortgeschrittenen  Teilungsphasen  konnte  nichts  mehr  von  der  Central- 
spindel wahrgenommen  werden,  sie  unterliegt  wahrscheinlich  einer 
Resorption.  Weitgehende  Ähnlichkeit  in  bezug  auf  das  geschilderte 
Verhalten  läßt  sich  mit  Amoeba  hyalina  nach  Hartmanns  Darstellung 
konstatieren  (21,  Taf.  X,  Fig.  10,  12,  S.  161,  162);  auch  hier  erhält 
sich  die  Centrodesmose  nicht  über  die  ersten  Schritte  der  Metaphase 
hinaus. 

Die  Anaphasen  sind  durch  dichte  Verbackung  der  Chromosomen 
zu  scharf  sich  abhebenden  Tochterplatten  charakterisiert  (Fig.  21,  22). 
Der  Ausdruck  Tochterplatte  ist  hier  nicht  im  strengen  Sinne  richtig, 
indem  die  Chromosomen  noch  von  der  Metaphase  her  die  annähernd 
ringförmige  Anordnung  beibehalten.  Im  Umkreis  der  Chromosomen 
erscheint  das  Plasma  dicht  granulös,  die  typische  Vacuolisation  des 
Endoplasmas  ist  innerhalb  ziemlich  weiter  Grenzen  hinausgeschoben. 
—  Strahlungserscheinungen  sind  weder  jetzt  noch  auf  früheren  Stadien 
zu  beobachten. 

Während  der  Rekonstruktion  der  Kerne  gelangt  eine  sehr  deut- 
lich ausgeprägte  Heteropolie  in  jedem  Kern  zum  Ausdruck.  Von  den 
dicht  aneinanderschließenden  Chromosomen  der  Tochterplatten  aus  geht 
nämlich  die  Rekonstruktion  des  Kernes  zunächst  nur  nach  dem  einen 
Pol  vor,  indem  hier  das  Chromatin  an  einem  sich  jetzt  bildenden  Kern- 
gerüst entlang  auswandert  und  so  die  Grundlage  für  die  eine  Hälfte 
des  späteren  Kernes  abgibt.  Auf  diese  Weise  entstehen  kegel-  bis 
halbkugelförmige,  asymmetrisch  in  bezug  auf  die  Tochterplatte  ange- 
brachten  Aufsätze    (Fig.  23,  25,  26).     Die   andre  Kernhälfte    bleibt 


Paramoebenstudien.  479 

in  dem  Rekonstruktionsprozeß  zurück;  die  Begrenzimg  der  Tochter- 
platte nach  dieser  Seite  zu  behält  ihren  ursprünglichen  Charakter  und 
in  geeigneten  Fällen  kann  man  noch  Spindelfasern  sich  an  die  Chromo- 
somen ansetzen  sehen.  (Fig.  26).  Eine  derartige  Heteropolie  wird 
regelmäßig  in  den  Telophasen  beobachtet.  In  der  Regel  liegen  die  in 
Rekonstruktion  begriffenen  Teile  der  beiden  Kerne  nach  außen  von  der 
Medianlinie  der  sich  teilenden  Amoebe;  eine  solche  Lage  der  Kerne 
läßt  sich  auch  gut  mit  der  Anordnung  des  eben  genannten  Spindel- 
restes in  Einklang  setzen.  Es  kommt  allerdings  ausnahmsweise,  offen- 
bar durch  eine  nachträgliche  Drehung  der  Kerne  um  180°,  eine  um- 
gekehrte Orientierung  vor.  —  Ein  direkter  Parallelfall  zu  der  geschil- 
derten Erscheinung  ist  mir  nicht  bekannt.  Allerlei  Übergänge  hingegen 
zu  dieser  extremen  Heteropolie  lassen  sich  verzeichnen,  und  es  ist 
u.  a.  klar,  daß  die  Telophasen  gegenüber  den  bald  in  dieser,  bald  in 
jener  Form  von  zwei  Centren  beherrschten  Metaphasen  heteropolen 
Charakter  tragen  müssen.  Vielleicht  ist  hier  der  GoLDSCHMiDTsche 
Befund  einer  »besonders  aussehenden  Plasmamasse«,  welche  bei 
Mastigella  vitrea  nach  der  Kernteilung  sich  zwischen  den  beiden  Kernen 
ausspannt  ( »Archoplasma «)  zu  nennen  (17,  S.  124,  Taf .  VII,  Fig.  38); 
außer  dem  einseitig  anlagernden  »Archoplasma«  zeigen  freilich  die 
Kerne  anscheinend  keine  Heteropolie. 

In  der  Folge  nimmt  der  Kern  seine  normale  bläschenförmige 
Gestalt  an,  die  Kernmembran  ist  bereits  ausgebildet  (Fig.  27).  Das 
Chromatin  ist  auf  dem  Kerngerüst  verteilt  unter  mehrfacher  Bildung 
von  dichten  Ansammlungen.  Ein  Binnenkörper  ist  nicht  vorhanden. 
Diesem  Rekonstruktionsstadium  kommt  relativ  lange  Dauer  zu  und 
dasselbe  wird  oft  angetroffen.  —  Die  Einzelheiten  der  weiteren  Vor- 
gänge entziehen  sich  der  genaueren  Untersuchung.  Der  augenfälligste 
Fortschritt  bezieht  sich  auf  die  Konzentration  eines  Teiles  des  Chro- 
matins  in  einem  großen  Binnenkörper,  wodurch  der  Chromatingehalt 
im  übrigen  Kern  bedeutend  abgeschwächt  wird. 

Ob  außer  dem  dargestellten,  ausgesprochen  mitotischen  Kern- 
teilungstypus auch  eine  einfache  direkte  Kerndurchschnürung  bei  den 
Paramoeba-Aiteiß.  vorkomme  —  ein  Nebeneinander  von  zwei  Teilungs- 
arten, wie  es  für  manche  Amoeben  bekannt  ist  ■ —  dürfte  nach  meinen 
Untersuchungen  im  negativen  Sinne  beantwortet  werden.  Die  von 
mir  manchmal  beobachtete  biscuitförmige  Durchschnürung  des  Binnen- 
körpers läßt  sich  in  anderer  Weise,  nämlich  im  Zusammenhang  mit 
der  später  zu  schildernden  Mehrfachteilung  des  Binnenkörpers,  ver- 
stehen.     Vielleicht   aber   gehört   eine   Beobachtung   Grassis   hierher. 


480  C.  Janicki, 

Indem  Gkassi  von  Amoeben  berichtet,  welche  an  der  inneren  Körper- 
wand der  Wirte  festsitzen,  fährt  er  fort:  »In  certi  individui  forse  ü 
li  per  immobilitarsi,  il  nucleo  diventa  a  cifra  otto,  quasi  tendesse  a  divi- 
dersi«  (18,  S.  189).  Ein  mitotisch  nach  obigem  Typus  sich  teilender 
Kern  kann  kaum  dieses  Bild  darbieten.  — 

Der  Nebenkörper  beginnt  in  der  Regel  nach  dem  Kern  sich  zu 
teilen,  doch  ist  hier  der  Teilungsvorgang  von  viel  kürzerer  Dauer,  so 
daß  in  der  Mehrzahl  der  Fälle,  bevor  noch  die  Tochterplatten  zur  Re- 
konstruktion der  Kerne  schreiten,  bereits  zwei  gesonderte  Nebenkörper 
vorliegen  (Fig.  22,  25).  Im  Einzelnen  lassen  sich  aber  allerlei  Schwan- 
kungen in  bezug  auf  den  Teilungsmoment  des  Nebenkörpers  feststellen 
und  ausnahmsweise  können,  wie  schon  gesagt,  zwei  Nebenkörper  in 
Gegenwart  eines  einzigen,  sich  noch  nicht  zur  Teilung  anschickenden 
Kernes  vorliegen. 

Der  Teilungsprozeß  des  Nebenkörpers  macht  zunächst  den  Ein- 
druck einer  bloßen  Durch- 
schnürung,  indem  das  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  stark  ge- 
färbte Mittelstück  in  zwei  Teile 
zerfällt  und  diese,  mitsamt  den 
jederseits  angebrachten  plas- 
matischen Kappen  und  Centro- 
somen, nach  den  entgegen- 
■•  gesetzten    Richtungen    ausein- 

andergehen   (Textfig.  4).      Ob 
vor    der    eigentlichen    Teilung 
Textfig.  4.  die  Centrosomen  an  jedem  Pol 

P.  chaetognathi.    Teilung  des  Nebenkörpers.    Schau-    in  der  Einzahl  oder  bereits  Ver- 
mische Lösung.  Eisen-Hämatoxyiin,  Eosin.        doppelt  sich  vorfinden,  scheint 

Vergr.  2700.  L  r 

keinen  Einfluß  auf  den  Ver- 
lauf der  Teilung  zu  haben.  Im  ganzen  ist  der  Teilungsvorgang  am 
Nebenkörper  schwieriger  zu  beobachten,  als  am  Kern.  Nicht  selten 
bei  ausgezeichnet  zum  Vorschein  tretender  chromatischer  Figur  des 
Kernes  macht  der  Nebenkörper  den  Eindruck  eines  schlecht  konser- 
vierten Organells.  —  Äußerst  selten  gelingt  es,  durch  richtige  Ab- 
stufung der  Färbung  und  durch  die  Gunst  sonstiger  Bedingungen 
genauere  Einsicht  in  die  Zusammensetzung  des  Mittelstückes  wäh- 
rend der  Teilung  zu  gewinnen.  Die  Fig.  18  a  stellt  ein  derartiges 
Stadium  bei  P.  chaetognathi  dar.  Die  Centrosomen  mit  dem  sie 
umgebenden    Archoplasma     zeigen     bereits    die    deutliche     Tendenz 


Paramoebenstudien.  481 

nach  entgegengesetzten  Seiten  auseinanderzu weichen ;  der  Nebenkörper 
nimmt  infolgedessen  stark  gestreckte  Gestalt  an.  Im  Mittelstück 
werden  nun  zwei,  gleichfalls  offenbar  in  dizentrischer  Wanderung  be- 
griffene Gruppen  von  Körnchen  sichtbar;  es  sind  das  die  für  den 
Ruhezustand  des  Nebenkörpers  früher  beschriebenen  Chromosomen.  - — 
Den  geschilderten  Vorgang  bekommt  man  zu  selten  zu  Gesicht,  als  daß 
genaueres  Eingehen  auf  das  Verhalten  der  einzelnen  Bestandteile  des 
Mittelstückes  möglich  wäre. 

Die  Centrosomen  sind  anscheinend  Dauerorgane,  welche  nie  zu- 
grunde gehen.  So  läßt  sich  denn  auch  als  die  einzige  Vermehr  ungs- 
und  überhaupt  Entstehungsart  der  Centrosomen  nur  diejenige  durch 
Teilung,  wie  schon  früher  gesagt,  nachweisen.  Insbesondere  liegen 
keinerlei  Anzeichen  für  etwaige  Abstammung  der  Centrosomen  aus 
dem  Mittelstück  vor.  — 

Auf  die  Teilung  des  Kernes  und  Nebenkörpers  folgt  die  Durch- 
schnürung  der  Amoebe,  was  mehrfach  im  Endresultat  auf  Präparaten 
beobachtet  wurde  (Fig.  24).  Das  stimmt  auch  mit  der  von  Schaudinn 
zweimal  am  Leben  bei  P.  eilhardi  gemachten  Erfahrung  überein.  Mei- 
stens scheint  die  Plasmadurchschnürung  zu  geschehen  bevor  noch  die 
Tochterplatten  sich  zu  rekonstruieren  beginnen.  Als  durchaus  kon- 
stante Regel  konnte  festgestellt  werden,  daß  in  der  sich  teilenden 
Amoebe  die  Nebenkörper  in  bezug  auf  die  Kerne  nach  innen,  also  der 
Medianlinie  näher  zu  liegen  kommen.  Es  läßt  sich  vielleicht  diese  An- 
ordnung mit  der  meistens  später  als  am  Kern  einsetzenden  Teilung  des 
Nebenkörpers  in  Zusammenhang  bringen.  Es  ist  wohl  überflüssig  zu 
erwähnen,  daß  stets  bei  der  Teilung  der  Amoebe  jede  Teilhälfte  einen 
Kern  und  einen  Nebenkörper  mitbekommt.  Niemals  habe  ich  Amoeben 
beobachtet,  die  mit  zwei  Kernen  oder  zwei  Nebenkörpern  versehen 
gewesen  wären.  Es  wird  wohl  somit  ein  starkes  Bestreben  polaren 
Auseinanderweichens  für  die  Teile  des  Kernes  wie  des  Nebenkörpers 
angenommen  werden  müssen,  wodurch  immer  heterogene  Gebilde  sich 
zusammenfinden.  Etwaiges  Vorhandensein  näherer  Beziehungen  je- 
weilen  zwischen  Kern  und  Nebenkörper  läßt  sich  hingegen  durch  Be- 
obachtung nicht  stützen  und  erscheint  wenig  wahrscheinlich. 

Während  des  Teilungszustandes  behält  das  Plasma  der  Amoeben 
sein  gewöhnliches  Aussehen  bei.  Die  aus  der  Teilung  hervorgegangenen 
Exemplare  sind  kaum  nennenswert  kleiner  als  die  übrigen  Amoeben 
und  nur  die  abweichenden  Kern-  bzw.  Nebenkörperverhältnisse  ver- 
raten den  soeben  überstandenen  Vermehrungsprozeß.  Bei  P.  pigmenti- 
fera  speziell  deutet  oft  das  im  Plasma   zerstreute   Pigment   auf  die 


482  C.  Janicki, 

vorausgegangene  Teilung;  die  Hauptmasse  der  Pigmentkörner  begleitet 
aber  ständig,  wie  schon  früher  gesagt,  die  Teilhälften  des  Nebenkörpers. 

Nach  dem  eben  geschilderten  sind  die  schon  oft  besprochenen 
kleineren  Formen  von  P.  chaetognathi,  welche  vor  allem  durch  ihr  dicht 
gebautes  Plasma  charakterisiert  erscheinen,  sicher  nicht  als  bloße 
Derivate  von  der  gewöhnlichen  Zweiteilung  aufzufassen.  Die  oftmals 
auf  konservierten  Präparaten  beobachtete  starke  Vorbuchtung  des 
Ectoplasmas  in  einer  Richtung  (Fig.  6),  läßt  bestimmt  auf  lebhafte 
Beweglichkeit  dieser  Amoeben  im  Lebenszustand  schließen.  Wenn  der 
letztgenannte  Charakterzug  der  Vermutung,  es  lägen  Jugendzustände 
vor,  einige  Wahrscheinlichkeit  einräumen  würde,  so  tritt  dem  anderseits 
der  Befund  entgegen,  daß  die  kleinen  Amoeben  oft  überaus  reichhaltig 
mit  der  oben  besprochenen  färbbaren  Substanz  in  Form  von  auffallend 
großen  Körnern  (metachromatische  Körperchen?)  beladen  erscheinen. 
Manchmal  sind  gerade  diese  kleineren  Formen  allein  mit  sehr  viel  und 
zu  groben  Kugeln  zusammengeballter  färbbarer  Substanz  ausgestattet, 
während  in  den  größeren  Amöben  des  gleichen  Ausstrichs  davon  nur 
wenig  und  in  fein  verteiltem  Zustand  zu  bemerken  ist1.  In  Teilung 
begriffen  wurden  die  kleineren  Formen  von  P.  chaetognathi  niemals 
beobachtet.  —  Weitere  Untersuchungen  sind  nötig,  um  die  Natur  dieser 
Formen  mit  Sicherheit  zu  entscheiden.  Aus  eigner  Erfahrung  will  ich 
freilich  erwähnen,  daß  bei  A.  blattae  kleine  und  auffallend  stark  be- 
wegliche Amöben  zur  Cystenbildung  schreiten;  sie  sind  allerdings 
mehrkernig.  Sollten  vielleicht  auch  bei  P.  chaetognathi  die  kleineren, 
beweglichen   Individuen   Vorstufen   von   Dauerformen 'sein? 

Cystenzustand  unter  natürlichen  Verhältnissen  innerhalb  des 
Wirtstieres  ist  mir  von  keiner  der  beiden  parasitischen  Arten  bekannt. 
Dagegen  verfüge  ich  über  eine,  allerdings  vereinzelt  gebliebene  Be- 
obachtung, aus  welcher  sich  entnehmen  läßt,  daß  die  Tiere  außerhalb 
ihres  eigentlichen  Wohnsitzes  in  einen  cystenähnlichen  Dauerzustand 
übergehen  können.  Es  handelt  sich  hierbei  um  accidentelle,  nicht 
durch  inneren  Entwicklungsgang  physiologisch  bedingte  Cystenbildung. 
Eine  Anzahl  aus  der  Schwanzleibeshöhle  einer  Sagitta  künstlich  be- 
freiter Exemplare  von  P.  pigmenti  fem,  haben  sich  während  eines 
24 stündigen  Verbleibens  im  Meerwasser  zu  cystenähnlichen  Formen 


1  Die  schon  früher  genannten  Beobachtungen  Reichenoms  an  Kulturen 
von  Haematococcus  ließen  allerdings  den  Gedanken,  es  lägen  in  den  kleinen 
Amoeben  jüngere  Formen  vor,  wohl  aufkommen;  die  färbbare  Substanz  wäre  in 
diesem  Fall  bei  großen  Amoeben  als  aufgebraucht  zu  betrachten.  (Vgl. 
Reichenow,  1.  c.) 


Paramoebenstudien.  483 

abgerundet.  Die  scharf  begrenzte  äußere  Schicht  war  ausschließlich 
aus  Ectoplasma  zusammengesetzt;  eine  richtige,  vom  übrigen  Inhalt 
durchaus  gesonderte  Cystenhaut,  wie  sie  sonst  bei  Amoeben  bekannt  ist, 
war  allerdings  nicht  nachzuweisen.  Der  Nebenkörper  sowie  der  in  diesem 
Falle  im  frischen  Zustande  sehr  gut  sichtbare  Kern  zeigten  keine  Be- 
sonderheiten. 

Nach  Grassi  kommen  bei  den  parasitischen  Paramoeben  Aggre- 
gationserscheinungen vor;  oftmals  sollen  zwei  oder  mehrere  Amoeben 
sich  miteinander  vereinigen  unter  Bildung  eines  kugelförmigen  Körpers. 
Während  sich  das  Endoplasma  der  einzelnen  Amoeben  jeweilen  in  Form 
von  besonderen  Gruppen  abhebt,  wird  das  Ectoplasma  zu  einer  ver- 
kittenden Substanz,  welche  zugleich  die  gemeinsame  Plasmamasse  nach 
außen  begrenzt.  In  derartigen  Amoebenassoziationen  geht  nach 
Grassi  die  Bildung  der  geißeltragenden  Elemente  vor  sich;  doch  soll 
dieser  letztere  Vorgang  auch  in  isoliert  bleibenden  Amoeben  Platz 
greifen.  Auf  diese  Frage  der  Schwärmer-  oder  richtiger  Gameten- 
bildung  komme  ich  im  nächsten  Kapitel  zurück. 

Aus  eigner  Anschauung  kann  ich  über  die  nach  Grassi  geschil- 
derten plasmogamischen  Erscheinungen  nicht  berichten.  In  größerer 
Anzahl  dicht  beisammenliegende  Amoeben,  besonders  bei  P.  chaeto- 
gnathi,  habe  ich  beobachtet;  echte  Plasmogamie  hingegen  nicht.  Viel- 
leicht daß  die  Untersuchungen  auch  über  eine  andre  Jahreszeit  aus- 
gedehnt werden  müssen. 

3.  Die  Gameten  von  P.  pigmentifera. 

Bereits  Grassi  waren  geißeltragende  Formen,  die  er  eben  mit  dem 
indifferenten  Namen  »elementi  f lagellif eri «  belegt  hatte,  aus  dem 
Entwicklungscyclus  von  Paramoeba  bekannt.  Aus  der  Beschreibung 
Grassis  scheint  hervorzugehen,  daß  er  dieselben  nur  bei  P.  pigmenti- 
fera beobachtet  hatte1.  Ein  derartiges  Verhalten  stimmt  mit  meinen 
Befunden  überein;  niemals  habe  ich  die  Gameten  bei  P.  chaetognathi 
zu  Gesicht  bekommen. 

Die  Darstellung  Grassis  knüpft  an  die  Entstehungsweise  der 
»elementi  f lagelliferi «  an.  Grassi  hebt  das  gleichmäßige  Auftreten 
von  vielen  rundlich-ovalen  Körperchen  mit  dem  maximalen  Durch- 
messer von  3  Mikromillimeter  im  Plasma  der  Amoeben  hervor.  Die 
Vorgänge  beziehen  sich  sowohl  auf  isoliert  bleibende  wie  auf  plasmo- 


1  Die  einzige  Angabe,  die  in  dieser  Hinsicht  Aufschluß  erteilt,  besteht  in 
einer  Bemerkung  bei  der  Tafelerklärung  und  lautet:  «Tutti  gli  elementi  f lagelli- 
feri qui  disegnati  appartengono  alle  Amibe  Pigmentif ere. »    (18,  S.  224). 


484  C.  Janicki, 

gamisch  untereinander  vereinigte  Amoeben.  In  diesem  Sinne  heißt 
es  weiter:  »In  appresso  tanto  i  corpicciuoli  delle  Amibe  isolate  quanto 
quelli  delle  Amibe  aggregate  sogliono  separarsi  gli  uni  dagli  altri;  in- 
grandiscono  e  raggiungono  perfino  la  lunghezza  di  sette  e  la  larghezza 
di  tre  micromillimetri;  conservano  perö  la  forma  irregolarmente  ovoidale. 
Tutti  questi  corpicciuoli  una  volta  separatisi  l'uno  dalPaltro  sono  evi- 
dentemente  appiattiti  tanto  che  la  lor  grossezza  e  forse  appena  un 
micromillimetro ;  da  uno  dei  due  poli  dell'ovoide  parte  un  flagello 
lungo  circa  due  volte  l'asse  maggiore  dell'ovoide  stesso;  in  grazia  di 
questo  flagello  il  corpicciuolo  e  mobile.  Quando  e  come  si  formi  il 
flagello  io  non  ho  potuto  osservare.  Alla  parte  centrale  dei  corpicci- 
uoli isolati  si  trovano  ancora  quei  granelli  che  vi  avevamo  avvertiti 
quando  erano  ancora  associati.  Parecchie  volte  mi  parve  evidente  che 
questi  elementi  flagelliferi  si  conjugassero  a  due  a  due  «.  Die  weitere 
Beschreibung  dieser  Elemente  schließt  Grassi  mit  der  Bemerkung  ab : 
»Infine  e  degna  di  nota  la  costante  assenza  di  un  nucleo«  (18,  S.  190). 

Zu  eignen  Beobachtungen  übergehend  hebe  ich  zunächst  hervor, 
daß  die  Gameten  —  wenn  überhaupt  vorhanden  —  fast  immer  in 
sehr  großer  Anzahl  in  der  Schwanzleibeshöhle  der  Sagitten  auftreten, 
meistens  gleichzeitig  mit  den  Amoeben,  niemals  ohne  einen  Überrest 
von  einigen  wenigen  Amoebenindividuen.  Nicht  selten  habe  ich  die 
Erfahrung  gemacht,  daß  die  Gameten  anscheinend  mit  einer  gewissen 
Vorliebe  besonders  bei  Sagittenexemplaren  auftreten,  deren  männliche 
Keimzellen  ihre  volle  Reife  erlangt  haben,  ja,  wo  die  Mehrzahl  der 
Spermatozoen  bereits  entleert  worden  ist.  Dieses  Zusammentreffen 
stimmt  mit  der  von  Grassi  festgestellten  Tatsache  überein,  daß,  je 
älter  das  Wirtstier  desto  älter  auch  die  ihn  bewohnenden  Amoeben 
zu  sein  pflegen,  vorausgesetzt  —  worüber  kein  Zweifel  herrschen  kann  — 
daß  die  Gameten  einen  gewissen  Abschluß  in  der  Entwicklung  der 
Amoeben  darstellen.  In  der  leer  gewordenen  Schwanzleibeshöhle  be- 
wegen sich  die  Gameten  lebhaft  unregelmäßig  wackelnd  und  lassen 
am  Leben  einen  winzigen  Pigmentfleck  erkemien.  i 

Die  Größe  des  Gametenkörpers  beträgt  7 — 9  u.  Die  Gestalt  der 
Gameten  ist  ungefähr  keilförmig,  im  Querschnitt  sind  sie  schwach  ab- 
geplattet (Taf .  VIII,  Fig.  28  a  u.  folgende).  Das  breitere  Vorderende  trägt 
eine  äußerst  feine,  nicht  immer  leicht  nachweisbare,  den  Körper  zwei- 
bis  dreimal  an  Länge  übertreffende  Geißel.  Das  Plasma  der  Gameten 
ist  wenig  färbbar  und  erscheint  grob  und  unregelmäßig  vacuolisiert, 
worauf  schon  auch  Grassi  hingewiesen  hatte.  Eine  sehr  zarte  Pelli- 
cula  umgrenzt  den  Körper,  unter  Umständen  kann  man  ein  Sichzurück- 


Paramoebenstudien.  485 

ziehen  des  Inhaltes  von  der  Pellicula  bemerken.  Kern  und  Neben- 
körper sind  in  der  Nähe  des  Vorderendes  im  Plasma  eingebettet,  in 
der  Regel  rechts  und  links  von  der  Medianlinie,  der  rundliche  Kern 
zumeist  vor  dem  ovalen  mit  seiner  längeren  Achse  quergestellten  Neben- 
körper. Der  Kern  zeigt  vorwiegend  spärliches,  staubförmig  im  ganzen 
Kernraum  verteiltes  Chromatin;  seltener  tritt  ein  runder  Binnen- 
körper zutage.  (Fig.  286,  c).  Manchmal  scheint  das  gesamte  Chromatin 
des  Kernes  in  einer  einzigen  Schleife  kondensiert  zu  sein  (Fig.  28d). 

Der  Nebenkörper,  wie  man  ihn  gewöhnlich  an  den  Gameten  zu 
Gesicht  bekommt,  entspricht  nur  dem  Mittelstück  des  Nebenkörpers 
im  Amoebenzustande.  Dementsprechend  gibt  er  auch  das  gleiche 
Bild  in  gefärbten  Präparaten,  wie  jenes.  Der  Nebenkörper  nimmt 
außerordentlich  begierig  Delafields-  sowie  Eisenhämatoxylin  auf;  mit 
diesen  Färbemethoden  behandelt  erscheint  er  als  ein  einfaches  intensiv 
dunkles  Korn  (Fig.  28a,  c  usw.).  Gänzlich  ungefärbt  bleibt  hingegen 
dieses  Gebilde  nach  Anwendung  von  Boraxcarmin,  in  vollkommener 
Übereinstimmung  zum  respektiven  Verhalten  des  Mittelstückes  im 
Amoebenzustand  (Fig.  286).  Der  im  frischen  Zustande  am  Gameten- 
körper  wahrnehmbare  winzige  Pigmentfleck  (vgl.  Geassis  Fig.  38, 
Taf.  IV)  dürfte  wohl,  wie  bei  der  Amoebe,  dem  Nebenkörper  entsprechen; 
leider  läßt  sich  an  konservierten  Präparaten  keine  Pigmentlage  am 
Nebenkörper  feststellen.  —  Im  übrigen  besteht  kein  Zweifel,  welches 
von  den  beiden  im  Vorderteil  des  Gameten  angebrachten  Gebilden 
als  Kern  bzw.  Nebenkörper  anzusprechen  ist.  Auffallenderweise  be- 
tont Grassi,  trotz  Anwendung"  der  Färbemittel,  den  konstanten  Mangel 
eines  Kernes  (s.  oben) ;  durch  diesen  Umstand  veranlaßt,  belegt  Grassi 
die   Gameten  gelegentlich   mit   dem  Namen    »larve   monadiformi«. 

Es  muß  hervorgehoben  werden,  was  die  Figuren  übrigens  ohne 
weiteres  klar  zum  Ausdruck  bringen,  daß  das  Mittelstück  des  Neben- 
körpers im  Gametenzustand  relativ,  d.  h.  im  Verhältnis  zum  Kern 
viel  umfangreicher  erscheint,  als  das  im  Amoebenzustand  der  Fall  ist. 

Die  im  Amoebenzustand  so  reichlich  vorkommenden  metachroma- 
tischen Körperchen  werden  bei  den  Gameten  nicht  beobachtet.  Auch 
sonst  fehlen  jegliche  Einschlüsse ;  die  Ernährung  wird  auf  osmotischem 
Wege  besorgt.  Mitunter  hat  man  den  Anschein,  als  ob  unterhalb  des 
Hauptkernes  zwei  Vacuolen  mit  einer  gewissen  Konstanz  aufträten. 
<Fig.  28/). 

Über  den  Ursprung  der  Geißel  im  Plasma  sich  Klarheit  zu  ver- 
schaffen, fällt  sehr  schwer;  selbst  Eisenhämatoxylinpräparate  ver- 
sagen meistens  in  dieser  Hinsicht.     Nach  einer  ausgedehnten  Prüfung 


486  C.  Janicki, 

finde  ich  in  seltenen  Fällen  ein  Basalkorn  als  Geißelwurzel;  dasselbe 
liegt  am  vorderen  Körperende,  median  vor  dem  Kern  und  Neben- 
körper und  steht  anscheinend  mit  dem  Kern  in  fädiger  Verbindung.  — 
Ein  axiales  Stützorganell  im  Körper  der  Gameten  ist  nicht  nachzuweisen. 

Chromate» phoren  irgend  welcher  Art  fehlen  vollkommen. 

Eine  gewisse  Bedeutung  sehe  ich  mich  veranlaßt  der  Beobachtung 
zuzuschreiben,  daß  Kern  und  Nebenkörper  auf  einem  bestimmten 
Zustand  durch  einen  deutlich  darstellbaren  Faden  miteinander  ver- 
bunden erscheinen;  der  Faden  ist  auch  mit  Delafields  Hämatoxylin 
darstellbar  (Fig.  28  d,  g,  h).  Dieser  Befund  könnte  vielleicht  auf  die 
Entstehung  des  Kernes  und  des  Nebenkörpers  aus  einem  einzigen  Kern 
auf  dem  Wege  einer  heteropolen  Teilung  hinweisen,  doch  fehlen  mir 
die  entscheidenden  Stadien  um  eine  solche  Annahme  sicher  zu  be- 
gründen. 

Am  Kern  wie  am  Nebenkörper  lassen  sich  in  bestimmten  Fällen,  also 
durchaus  nicht  immer,  Centriolen  nachweisen.  Dieselben  liegen  je- 
weilen  in  der  Zweizahl  außerhalb  der  genannten  Gebilde  und  sind  je 
ein  Paar  untereinander  durch  eine  mehr  oder  weniger  deutliche  Centro- 
desmose  verbunden,  wie  die  Fig.  29  a  es  veranschaulicht.  Es  liegen  somit 
in  beiden  Fällen  extranucleäre  Centralspindeln  vor;  diejenige  des  Haupt- 
kernes nimmt  oft  bogenförmigen  Verlauf,  die  des  Nebenkörpers  ist 
geradlinig  und  vielleicht  zum  Teil  in  denselben  schwach  eingesenkt. 
Einiges  scheint  dafür  zu  sprechen,  daß  die  Centriolen  des  Kernes  ur- 
sprünglich intranucleär  angebracht  sind  (Fig.  29  c),  in  Welchem  Fall 
Übereinstimmung  mit  der  reduzierten  und  nur  während  der  Teilung 
in  günstigen  Fällen  nachweisbaren  Centrodesmose  des  Kernes  im  Amoe- 
benzustand  vorliegen  würde.  Die  Centriolen  des  Nebenkörpers  dürften 
bestimmt  den  Centrosomen  im  Amoebenzustand  entsprechen,  dagegen 
ist  in  deren  Umkreis  kein  besonders  differenziertes  Plasma,  wie  im 
letztgenannten  Fall,  wahrzunehmen.  Während  ferner  der  Nebenkörper 
der  Amoebe  dauernd  mit  Centrosomen  versehen  ist,  scheinen  diese 
letzteren  im  Gametenzustand  nur  in  bestimmten  Phasen  aufzutreten. 
Vielleicht  wäre  ein  manchmal  in  der  Nähe  des  Nebenkörpers  nach- 
weisbares Korn  mit  der  Bildung  der  extranucleären  Spindel  in  Be- 
ziehung zu  setzen.  (Fig.  29 d). 

Die  Gameten  werden  somit  des  öfteren  in  Vorbereitung  zur  Teilung 
vorgefunden  und  in  der  Tat  läßt  sich  dieser  Vorgang  mit  Leichtigkeit 
auf  Präparaten  beobachten.  Mit  Nachdruck  hebe  ich  hervor,  daß  ich 
mich  hier  wie  im  Amoebenzustand  von  vollständig  unabhängig  ver- 
laufendem Teilungsmodus  am  Kern  und  am  Nebenkörper  überzeugen 


Paramoebenstudien.  487 

konnte.  Aus  ihrer  für  die  Ruhe  normalen  Lage  werden  Kern  und 
Nebenkörper  derart  herausgebracht,  daß  der  letztere  vor  den  ersteren 
zu  liegen  kommt;  beide  teilen  sich  gleichzeitig  (Fig.  30a — i);  zum 
mindesten  für  den  Kern  steht  die  Beteiligung  seiner  eignen  Spindel 
am  Teilungsvorgang  fest;  die  Spindelaxen  beider  Gebilde  liegen 
parallel  zueinander,  stets  aber  weit  voneinander  entfernt ;  ihre  Richtung 
ist  senkrecht  zur  Längsachse  des  Gameten.  In  keiner  Weise  hat  der 
sich  teilende  Nebenkörper  mit  Spindel  und  Spindelpolen  des  Kernes 
etwas  zu  tun.  Über  die  Richtigkeit  dieser  Angaben  ist  jeder  Zweifel 
ausgeschlossen. 

Der  Nebenkörper  färbt  sich  auch  während  der  Teilung  so  stark 
mit  Hämatoxylin,  daß  er  als  ein  einfaches  dunkles,  sich  hanteiförmig 
durchschnürendes  Korn  erscheint.  Auch  das  Verhalten  der  Centriolen 
des  Nebenkörpers  ist  kaum  zu  verfolgen;  die  zwischen  den  Teilhälften 
sich  ausspannende  fadenförmige  Brücke  scheint  mir  nicht  auf  die 
Centralspindel,  sondern  auf  bloße  ausgezogene  Membran  des  Neben- 
körpers zurückzuführen  zu  sein,  wie  ja  das  manchmal  auch  sonst  an 
Kernen  von  Protozoen  beobachtet  wird.  —  Am  winzigen  Kern  lassen  sich 
in  bezug  auf  Chromatinverhältnisse  nicht  alle  Stadien  der  Teilung  be- 
obachten. Es  scheint  anfangs  eine  periphere  Verteilung  des  Chromatins 
Platz  zugreifen  (Fig.  306).  Deutliche  Tochterplatten  werden  in  der 
Telophase  sichtbar  (Fig.  30  i) x ;  diese  letztere  Phase  scheint  übrigens 
inbezug  auf  die  Körperteilung  bald  früher  bald  später  aufzutreten. 
Die  Centriolen  liegen  meistens  direkt  über  den  Teilhälften  des  Keines 
und  heben  sich  infolgedessen  zu  wenig  von  den  Chromatinkörnchen 
ab.  Die  faserige  Spindel  wird  oft  als  ein  breites,  zwischen  den  Tochter- 
kernen sich  ausspannendes  Band  beobachtet. 

Es  scheint,  daß  das  Basalkorn  der  Geißel  gleichfalls  eine  Teilung 
durchmacht  (Fig.  30a).  Das  Verhalten  der  Geißel  selbst  entzieht  sich 
einer  unmittelbaren  genauen  Beobachtung.  Doch  kann  man  wohl  aus 
dem  Befund,  daß  ein  noch  nicht  vollkommen  durchgeschnürter  Gamet 
bereits  zwei  gleich  große  Geißeln  aufzuweisen  hatte  (Fig.  30h),  darauf 
schließen,  daß  die  alte  Geißel  abgeworfen  wird  und  zwei  neue  an  den 
Teilhälften  sich  bilden. 

Die  Durchschnürung  des  Gametenkörpers  geschieht  in  Form 
einer  Längsteilung. 


1  In  Rücksicht  auf  die  weit  fortgeschrittene  Phase  sind  vielleicht  in  den 
genannten  Gebilden  nicht  Tochterplatten  zu  sehen,  sondern  Schleifen,  wie  sie  in 
der  Einzahl  manchmal  dem  ruhenden  Kern  zukommen  (vgl.  Taf.  VIII,  Fig.  28  d). 


488  C.  Janicki, 

Die  Teilungsfähigkeit  der  geschilderten  geißeltragenden  Formen 
könnte  vielleicht  Zweifel  aufkommen  lassen,  ob  denn  dieselben  überhaupt 
als  Gameten  aufzufassen  wären.  Diesem  Zweifel  wäre  eine  gewisse 
Berechtigung  nicht  abzusprechen,  wenn  ich  nicht  Reifungserschei- 
nungen  am  Kern  der  Gameten  beobachtet  hätte.  Die  eigentliche  Rei- 
fungsteilung  entzieht  sich  freilich  der  Beobachtung.  Hingegen  werden 
nicht  sehr  selten  zwei  winzige  Kerne  am  Hauptkern  angetroffen,  sei 
es  beidseitig  polar,  sei  es  einseitig  an  ihm  angebracht  (Fig.  31a,  b) ; 
für  diese  erblicke  ich  die  nächstliegende  Deutung  als  Eeifungskerne. 

Grassi  schrieb  von  den  geißeltragenden  Formen,  wie  schon  einmal 
zitiert :  »  Parecchie  volte  ini  parve  evidente  che  questi  elementi  flagelli- 
feri  si  coniugassero  a  due  a  due  «,  und  er  bildet  dicht  aneinander  klebende 
Körperchen  als  Konjugationsstadien,  allerdings  mit  Fragezeichen  ver- 
sehen, ab.  Der  Zweifel  ist  hier  berechtigt  gewesen,  denn  das  bloße 
paarweise  Auftreten  von  Gameten  ohne  die  nähere  Berücksichtigung 
der  Kernverhältnisse,  entscheidet  noch  nicht,  ob  Teilung  oder  Copulation 
vorliegen. 

Ich  glaube  ein  einziges  Mal  einem  Copulationsstadium  begegnet 
zu  sein,  welches  in  Fig.  32  abgebildet  wird.  Während  bei  der  Teilung 
je  weilen  Kern  mit  Kern,  Nebenkörper  mit  Nebenkörper  bald  mehr 
bald  weniger  deutlich  verbunden  erscheinen,  ist  es  im  vorliegenden 
Fall  gerade  umgekehrt,  wenigstens  was  das  eine  an  der  Copulation 
beteiligte  Individuum  anbetrifft:  sein  Kern  und  Nebenkörper  sind 
untereinander  durch  einen  deutlichen  Faden  verbunden,  wie  das  oben 
für  bestimmte  Zustände  der  Gameten  geschildert  worden  ist.  Feiner 
erscheinen  Kerne  und  Nebenkörper  in  einer  gegenseitigen  Lage,  welche 
während  der  Teilung  durchaus  ungewohnt  ist ;  die  betreffenden  Spindel- 
achsen müßten  sich  in  diesem  Fall  kreuzen.  Schließlich  weist  der  Haupt- 
kern einen  merkwürdig  dreiteiligen  Bau  auf,  welcher  wohl  als  Bildung 
zweier  Richtungskerne  zu  deuten  wäre.  Es  würde  freilich  danach  eine 
sehr  spät  eingreifende  Richtungsteilung  vorliegen.  Allzuweitgehende 
Konsequenzen  will  ich  an  diesen  einzig  gebliebenen  Fall  nicht  anknüpfen, 
und  es  müssen  weitere  Beobachtungen  abgewartet  werden.  —  Immerhin 
dürfte  genügendes  Material  beisammensein,  um  die  Auffassung  der 
geißeltragenden  Formen  als  Gameten  zu  rechtfertigen.  Es  liegt  nach 
meinem  Dafürhalten  Isogamie  vor. 

Was  die  Entstehungsweise  der  Gameten  anbetrifft,  so  schicke  ich 
gleich  voraus,  daß  es  mir  nicht  gelungen  ist,  dieselbe  aufzuklären. 
Der  von  Schaudinn  für  P.  eilhardi  geschilderte  und  wohl  allgemein 
bekannte  Vorgang  der  multiplen  Teilung  des  Kernes  und  des  Neben- 


Paramoebenstudien.  489 

körpers  innerhalb  einer  Cyste,  wurde  von  mir  niemals  bei  den  para- 
sitischen Arten  angetroffen.  Auch  die  früher  erwähnten  abgerundeten 
Formen  von  P.  chaetognathi  mit  einigermaßen  modifiziertem  Ecto- 
plasma  sind  kaum  als  Vorstufe  zu  einer  solchen  Cystenbildung  aufzu- 
fassen. Als  einzige  Parallele  zu  den  von  Schaudinn  innerhalb  der  Cyste 
geschilderten  Teilungsvorgängen  könnte  ich  nur  einige  Fälle  von  eigen- 
tümlichem Zerfall  des  Binnenkörpers  im  Kern,  bei  unverändert  blei- 
bendem Nebenkörper,  anführen.  Die  Fig.  33  ist  gewählt  worden,  um 
einen  solchen  Fall  zu  illustrieren.  Die  Zerfallsprodukte  des  Binnen- 
körpers (vielleicht  bereits  als  Sekundärkerne  aufzufassen?)  scheinen 
den  Hauptvorrat  vom  Chromatin  des  Kernes  in  sich  zu  bergen;  sie 
sind  nicht  alle  an  Größe  untereinander  gleich  und  auch  nicht  alle  von 
regelmäßig-ovaler  Gestalt.  Über  ihr  Schicksal  kann  ich  leider  nichts 
aussagen,  doch  scheinen  sie  mir  entschieden  nicht  in  die  gewöhnlichen 
Phasen  des  sich  teilenden  Kernes  zu  gehören.  Mit  aller  Reserve  mag 
diese  Erscheinung  hier  bei  Anlaß  der  Besprechung  des  noch  unbe- 
kannten Modus  der  Gametenbildung  erwähnt  werden.  —  Als  Vorstufe 
zu  dieser  multiplen  Teilung  des  Binnenkörpers  kann  vielleicht  das  in 
Fig.  146  dargestellte  Verhalten  des  Kernes  betrachtet  werden;  das 
betreffende  Exemplar  von  P.  'pigmenti j er a  stammt  aus  einem  Wirt, 
der   auch    zahlreiche    Gameten    beherbergte. 

Grassi  hatte  zwar  für  die  Amoeben  aus  Chaetognathen  (es  ist 
wohl  immer  P.  pigmentifera  gemeint)  eine  recht  bestimmt  lautende 
Darstellung  von  der  Gametenbildung  gegeben;  diese  ist  auch  vorhin 
ausführlich  zitiert  worden.  Man  muß  sich  aber  vergegenwärtigen, 
daß  Grassi  selbst  diesem  Abschnitt  seiner  Arbeit  eine  Bemerkung 
vorausschickt,  wonach  es  unmöglich  erscheint,  die  verschiedenen  Ent- 
wicklungsstadien der  Amoeben  in  ihrer  Succession  direkt  zu  beob- 
achten, daß  man  vielmehr  auf  eine  Kombination  von  einzeln  gemachten 
Befunden  angewiesen  ist.  Nach  meinen  fruchtlosen  Bemühungen  den 
Entstehungsmodus  der  Gameten  zu  finden,  halte  ich  es  für  sehr  wahr- 
scheinlich —  und  übrigens  in  Anbetracht  der  Anwendung  primitiver 
Methoden  durchaus  verständlich  —  daß  Grassi  indifferente  Granula- 
tionen im  Plasma  von  Paramoeba  mit  Anlagen  der  geißeltragenden 
Elemente  verwechselt  hatte.  Außerordentlich  dichte  Scharen  von 
Gameten  habe  ich  beobachtet,  offenbar  waren  dieselben  eben  gebildet 
worden  und  Fig.  34  stellt  ein  Fragment  von  einer  solchen  dichten  An- 
häufung der  Gameten  dar;  doch  ließ  sich  kein  Rückschluß  auf  die  Art 
ihrer  Entstehung  machen.  Das  einzige,  was  jüngeren  Charakter  solcher 
Gameten  verrät,  ist  ihre  zum  Teil  unregelmäßige,  weniger  differenzierte 


t  90  C.  Janicki, 

Gestalt.  Erschwert  wird  die  Untersuchung  u.  a.  auch  dadurch,  daß 
in  der  Spermatogenese  von  Chaetognathen,  welche  sich  ja  in  der  Schwanz- 
leibeshöhle abspielt,  kleine  einkernige  Elemente  vorkommen,  die  in  der 
Größe,  Konstitution  und  Färbungscharakter  des  Plasmas  sowie  im 
Aussehen  des  Kernes  den  weniger  differenzierten  Gameten  sehr  nahe 
kommen  und  namentlich  bei  der  Entscheidung  der  oben  berührten 
Frage,  ob  die  Gameten  ursprünglich  mit  einem  einzigen  Kern  ver- 
sehen sind,  hinderlich  in  den  Weg  treten. 

Wie  schon  erwähnt,  dürfte  die  Gametenbildung  einen  gewissen 
Abschluß  der  Entwicklungsperiode  der  Amoeben  in  der  Schwanzleibes- 
höhle von  Sagitten  bedeuten,  worauf  mit  Kecht  Grassi  hingewiesen 
hatte,  und  was  auch  aus  dem  Umstand  zu  entnehmen  ist,  daß  oft 
Gameten  in  bereits  entleerter  Schwanzleibeshöhle  angetroffen  werden. 
Damit  stimmt  es  gut  zusammen,  daß  nicht  selten  gleichzeitig  mit  den 
Gameten  offensichtliche  Degenerationszustände  der  Amoeben  auftreten, 
—  es  ist  hier  immer  von  P.  pigmentifera  die  Rede.  Diese  in  Zerfall 
begriffenen  Formen  sind  schon  oben  besprochen  worden,  und  insbe- 
sondere wurde  auf  ihre  mit  Delafields  Hämatoxylin  sich  stark  färben- 
den, zum  Teil  kernähnlichen  Granulationen  im  Plasma  hingewiesen. 
Eine  Zeitlang  habe  ich  geglaubt,  es  lägen  —  beim  zerfallenden  Kern  und 
Nebenkörper  —  Chromidien  vor,  welche  für  die  Bildung  der  Gameten- 
kerne  bestimmt  wären.  Eingehende  Untersuchung  hatte  mir  aber  das 
Verfehlte  dieser  Idee  gezeigt.  Die  betreffenden  Amoeben  sind  keine 
Entwicldungsstadien  der  Gametenbildung,  sondern  degenerierende 
Formen,  welche  nach  vollendeter  Gametenbildung  übrig  bleiben;  daher 
das  trügerische  zeitliche  Zusammenfallen  von  Gameten  und  eigen- 
tümlichen Amoeben. 

Weitere  Untersuchungen  sind  nötig,  um  die  Entwicklungsgeschichte 
der  Gameten  klarzustellen. 


Wenn  derart  in  morphologischer  Hinsicht  Lücken  im  Entwicklungs- 
cyclus  der  parasitischen  Paramoeben  bestehen  bleiben,  so  gilt  das 
auch  in  bezug  auf  die  Art  und  Weise  der  Übertragung  der  Parasiten 
von  Wirt  zu  Wirt.  Daß  P.  chaetognathi  andre  Species  der  Chaetognathen 
bevorzugt,  als  P.  pigmenti fem,  ist  schon  eingangs  erwähnt  worden;  ob 
freilich  eine  wirklich  scharfe  Sonderung  in  dieser  Hinsicht,  wie  Grassi 
es  will,  vorliegt,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen.  Über  die  Lebens- 
fähigkeit der  Amoeben  wie  der  Gameten  außerhalb  ihrer  Wirte  syste- 
matische Untersuchungen  anzustellen,  ist  mir  nicht  möglich  gewesen. 
Die  gelegentliche  Beobachtung  der  Cystenbildung  im  Meerwasser  wurde 


Paramoebenstudien.  491 

bereits  erwähnt.  In  Anbetracht  des  Umstandes,  daß  die  Sagitten  in 
der  Regel  scharenweise  auftreten,  dürfte  die  Annahme  nicht  unwahr- 
scheinlich sein,  daß  die  Amoeben  (vielleicht  auch  die  Gameten?)  aus  den 
Samenblasen,  wo  sie  ja  beobachtet  worden  sind,  austreten  und  nach 
kurzem  Flottieren  im  Meer  andre  Wirtsexemplare  wohl  wieder  auf  dem 
Wege  durch  die  männliche  Geschlechtsöffnung  befallen.  Im  Körper 
der  Sagitten  dürften  die  Amoeben  übrigens  weitgehende  Wanderungen 
ausführen  können.  Grassi  vermutet  z.  B.,  daß  dieselben  durch  das 
dünne  Septum  an  der  Grenze  von  Rumpf-  und  Schwanzleibeshöhle 
zu  passieren  vermögen.  Anderseits  führt  Grassi  das  konstante  Fehlen 
der  Amoeben  in  jungen  Exemplaren  von  Sagitten  auf  den  Mangel 
einer  Kommunikation  zwischen  der  Schwanzleibeshöhle  und  der  Außen- 
welt zurück.  Im  Darmkanal  sind  die  Paramoeben,  wie  schon  erwähnt, 
niemals  beobachtet  worden,  so  daß  eine  Infektion  durch  den  Mund  — 
trotz  des  gelegentlichen  Vorkommens  der  Parasiten  in  der  Kopfleibes- 
höhle —  wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat.  Auch  dürfte  die 
Gewohnheit  der  räuberischen  Chaetognathen  ihresgleichen  aufzu- 
fressen, was  übrigens  in  der  freien  Natur  wohl  seltener  als  unter  ab- 
normen Bedingungen  in  einem  Behälter  mit  Meerwasser  vorkommen 
wird,   kaum  als    regelrechter  Weg   der   Infektion    betrachtet    werden. 

Allgemeiner  Teil. 

Zunächst  soll  der  Vergleich  zwischen  den  beiden  parasitischen 
Arten  und  P.  eilhardi  Schaudinns,  obschon  da  und  dort  im  Lauf  der 
Darstellung  bereits  berührt,  systematisch  durchgeführt  werden.  In 
dem  allgemeinen  äußeren  Charakter  stehen  alle  drei  Formen  einander 
sehr  nahe,  wenn  man  von  dem  besonderen  in  die  Augen  springenden 
Kennzeichen  von  P.  pigmentifera  absieht.  Die  für  P.  eilhardi  als 
Maximum  angegebene  Größe  von  90  \i  wird  freilich  von  keiner  der 
zwei  hier  beschriebenen  Formen  erreicht.  Auch  scheint  Pseudopodien- 
bildung  bei  der  freilebenden  Species  in  viel  reicherem  Maße  Platz  zu 
greifen.  Die  nach  Schaudinn  in  seltenen  Fällen,  namentlich  bei  ganz 
jungen  Exemplaren  konstatierbare  diffuse  gelblich-braune  Färbung 
des  Plasmas  wird  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  mit  den  Chromato- 
phoren  der  Flagellatengeneration  in  Beziehung  gebracht  (doch  Vgl. 
auch  weiter  unten).  Gegenüber  dem  sonst  farblosen  Plasma  ist  das 
dunklere  Aussehen  desselben  bei  P.  chaetognathi  zu  erwähnen.  Der 
Gedanke  ist  bereits  früher  gestreift  worden,  daß  möglicherweise  diese 
Eigenschaft  des  Plasmas  von  P.  chaetognathi  in  der  Pigmentbildung 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  32 


492  C.  Janicki, 

um  den  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera  ihr  Gegenstück  findet.  Die 
überaus  reiche  Entwicklung  von  Flüssigkeitsvacuolen  im  Entoplasma 
haben  alle  drei  Formen  miteinander  gemein.  In  bezug  auf  die  Nahrungs- 
körper ist  selbstverständlich  ein  weitgehender  Unterschied  durch  die 
abweichende  Lebensweise  gegeben:  P.  eilhardi  ernährt  sich  von  ein- 
zelligen Algen,  Diatomeen  und  Bacterien,  die  Parasiten  der  Chaeto- 
gnathen  hingegen  sind,  soweit  mir  bekannt,  ausschließlich  auf  männ- 
liche in  Entwicklung  begriffene  Keimzellen  bezw.  das  Serum,  in  welchem 
diese  flottieren,  angewiesen.  Bakterien,  die  ja  sonst  viel  von  Amoeben 
aufgelesen  werden,  habe  ich  als  Nahrung  nie  beobachtet.  Über  das 
besondere  Verhalten  der  verschiedenartigen  Plasmaeinschlüsse  mag  auf 
die  diesbezügliche  Darstellung  im  speziellen  Teil  verwiesen  werden. 
Als  merkwürdig  muß  ich  allerdings  hervorheben,  daß  Schaudinn  bei 
P.  eilhardi  die  sonst  so  leicht  nachweisbaren,  ja  in  die  Augen  springen- 
den »metachromatischen  Körperchen«  gar  nicht  erwähnt.  Vielleicht 
ist  dieser,  so  viel  es  scheint,  tatsächlich  existierende  Unterschied 
zwischen  P.  pigmentifera  bzw.  chaetognathi  und  P.  eilhardi  auf  die 
grundverschiedene  Ernährungsweise  der  Amoeben  zurückzuführen; 
es  ließe  sich  möglicherweise  mit  mehr  Berechtigung  ein  Zusammen- 
hang zwischen  der  stark  nucleinhaltigen  Nahrung  und  den  metachro- 
matischen Körpern  bei  parasitischen  Arten  statuieren. 

In  bezug  auf  die  Konstitution  des  Hauptkernes  sind  keine  nennens- 
werten Differenzen  zu  verzeichnen;  immerhin  scheint  kugelige  Gestalt 
bei  P.  eilhardi  gegenüber  der  mehr  ovalen  bei  parasitischen  Arten 
vorzuwiegen. 

Mehr  Abweichungen  hingegen  ergeben  sich  beim  Vergleich  des 
»Nebenkörpers«.  Zunächst  ist  hier  schon  dessen  äußere  Gestalt  zu 
nennen:  nach  Schaudinn  ist  der  Nebenkörper  bei  den  »kleinsten 
Amoeben «  kugelig ;  » mit  dem  Wachstum  der  Amoeben  streckt  er  sich 
in  die  Länge  und  nimmt  wurstförmige  Gestalt  an «  (47,  S.  34),  Verhält- 
nisse, welche  weder  für  P.  pigmentifera  noch  für  P.  chaetognathi  Geltung 
haben.  »Der  wurstförmige  Körper  liegt  stets  der  Oberfläche  des 
Kernes  dicht  auf «,  eine  Beobachtung,  die  —  wie  schon  früher  gesagt  — 
auf  die  zwei  parasitischen  Arten  nicht  direkt  übertragen  werden  kann. 
Zum  Studium  am  Leben  scheint  der  Nebenkörper  von  P.  eilhardi  un- 
gleich geeigneter  zu  sein,  als  bei  den  mir  vorliegenden  Amoeben.  Wäh- 
rend des  größten  Teiles  des  Amoebenzustandes  sind  im  Schaudinn- 
schen  Fall  bereits  im  Leben  »drei  scharf  gesonderte  Abschnitte  zu 
erkennen,  ein  mittlerer,  stark  lichtbrechender  Abschnitt  hebt  sich 
scharf  von  zwei  blassen  halbkugeligen  Seitenteilen   ab.     Das  Mittel- 


Paramoebenstudien.  493 

stück  erscheint  am  lebenden  Tier  grobgrannliert  und  zeigt  bisweilen 
eine  feinnetzige  oder  auch  längsstreifige  Struktur.  Die  ihm  zu  beiden 
Seiten  aufsitzenden  hellen  Halbkugeln  enthalten  im  Innern  ein  oder 
wenige  stärker  lichtbrechende  Körnchen«  (47,  S.  34).  Angaben  über 
die  genauere  Anzahl  dieser  letzteren  werden  auch  in  der  weiteren  Dar- 
stellung Schaudinns  nicht  gegeben,  aus  Schaudinns  Fig.  II  wäre 
aber  wohl  sicher  zu  entnehmen,  daß  in  den  »halbkugeligen  Seiten- 
teilen« normalerweise  je  ein  großes  Korn  —  ohne  Zweifel  das  von 
mir  als  Centrosoma  bezeichnete  Gebilde  —  sich  vorfindet.  Somit  ließe 
sich  in  bezug  auf  diesen  wichtigen  Punkt  Übereinstimmung  fest- 
stellen. —  In  Abhängigkeit  von  der  allgemeinen  Gestalt  des  Neben- 
körpers, oder  vielleicht  eher  umgekehrt  diese  bedingend,  erscheint  dsa 
Mittelstück  von  P.  eilhardi  viel  mehr  in  der  Richtung  der  Längsachse 
des  Nebenkörpers  ausgezogen,  als  das  bei  den  parasitischen  Formen 
der  Fall  ist. 

Was  das  Verhalten  des  Nebenkörpers  gegen  Farbstoffe  anbetrifft, 
so  läßt  sich  leider  ein  Vergleich  in  dieser  Hinsicht  nicht  in  allen  Einzel- 
heiten durchführen,  weil  Schaudinns  diesbezügliche  Resultate  nur 
äußerst  summarisch  —  dem  Charakter  seiner  Abhandlung  als  vor- 
läufiger Mitteilung  entsprechend  —  registriert  worden  sind.  So  be- 
richtet Schaudinn  in  bezug  auf  den  Nebenkörper:  »Während  er  mit 
den  gewöhnlichen  Kernfärbemitteln,  wie  Safranin,  Boraxcarmin,  Eosin, 
Hämatoxylin  sich  wenig  oder  gar  nicht  färbt,  nimmt  sein  Mittelstück 
bei  Anwendung  der  Eisenhämatoxylinfärbung  nach  Benda-Heiden- 
hain  eine  tief  dunkelblaue  Färbung  an.«  Durch  eine  geringfügige 
Modifikation  dieser  Methode  konnte  Schaudinn  eine  tiefschwarze 
Färbung  des  Mittelstückes  erzielen,  während  das  Chromatin  des  Kernes 
ungefärbt  geblieben  war;  »doch-  ist  zu  bemerken,  daß  hierbei  nur  die 
im  Leben  stark  lichtbrechenden  Körnchen,  die  dasselbe  (  =  Mittelstück) 
dicht  erfüllen,  die  Färbung  annehmen,  die  Zwischensubstanz  bleibt 
farblos;  ebenso  färben  sich  in  den  seitlichen  Halbkugeln  nur  die  Körnchen 
schwarz.  Die  im  Nebenkörper  enthaltenen  Körnchen  verhalten  sich 
also  den  Farbstoffen  gegenüber  ebenso,  wie  die  Centrosomen  (bzw. 
Microcentren)  in  den  Sphären  der  Metazoenzellen «  (47,  S.  35).  Trotz 
der  gedrängten  Kürze  dieser  Darstellung  glaube  ich,  daß  man  überein- 
stimmendes färberisches  Verhalten  in  Schaudinns  bzw.  meinem  Fall 
annehmen  kann;  besonders  auffallend  bleibt  es  mir  freilich,  daß  Schau- 
dinn keine  nennenswerte  Affinität  des  Mittelstückes  zu  Delafields 
Hämatoxylin  (denn  dieses  ist  wohl  mit  »Hämatoxylin«  gemeint)  her- 
vorhebt.    Schaudinns  Hinweis  auf  die   Centrosomenähnlichkeit  der 

32* 


494  C.  Janicki, 

»Körnchen«  im  Nebenkörper  kann  nicht  ohne  Weiteres  im  Sinne  der 
von  mir  im  Speziellen  Teil  vertretenen  Auffassung  verwertet  werden: 
Schaudinn  hatte  damit  sicher  sowohl  die  im  Mittelstück  eingeschlosse- 
nen wie  die  den  seitlichen  »Halbkugeln«  zukommenden  Körnchen  ge- 
meint, —  meiner  Ansicht  nach  eine  Vermengung  von  durchaus  hetero- 
genen Gebilden. 

Schaudinns  Beobachtungen  über  die  Teilung  der  Amoeben  sind 
nur  sehr  fragmentarisch  geblieben.  Aus  dem  Studium  des  lebenden 
Materials  konnten  keine  Daten  in  bezug  auf  den  Teilungsmodus  des 
Kernes  und  des  Nebenkörpers  eruiert  werden.  An  konservierten  Amoe- 
ben hatte  Schaudinn  in  manchen  Fällen  festgestellt,  daß  die  Teilung 
des  Nebenkörpers  vor  der  des  Kernes  erfolgt,  ein  Verhalten,  das  — 
wie  früher  dargestellt  — ■  auch  bei  P.  pigme?itifera  und  P.  chaetognathi 
angetroffen  werden  kann,  aber  keineswegs  eine  Eegel  bildet.  Die  Kerne 
zeigten  nach  Schaudinn  Veränderungen,  »welche  auf  eine  mitotische 
Kernteilung  hinwiesen«  (47,  S.  35).  Daß  der  Nebenkörper  den  Kern 
zuletzt  im  Wachstum  bedeutend  überflügelte,  kann  ich  für  die  para- 
sitischen Formen  nicht  verzeichnen.  »Die  größten  Amoeben,  die  ich 
beobachtet  habe  (90  /i  Durchmesser)  zeigten  einen  Nebenkörper  von 
doppelter  Größe  als  der  Kern ;  auch  hatte  er  seine  Struktur  verändert. « 
(47,  S.  35).  Ebensowenig  konnte  ich  jemals  die  genannte  Strukturver- 
änderung des  Nebenkörpers  beobachten,  von  der  Schaudinn  weiter 
folgendes  Bild  entwirft:  »Die  Differenzierung  im  Mittelstück  und 
Seitenteilen  war  verschwunden,  und  der  ganze  Körper  erschien  als 
Kugel  mit  netzartiger  Struktur;  in  den  Knotenpunkten  des  Maschen- 
werkes befanden  sich  größere  kugelige  Körner  (etwa  1  u  groß),  die  bei 
der  HEiDENHAiNschen  Centrosomenfärbung  tief  schwarz  gefärbt  wurden. 
Wenn  die  Nebenkörper  diese  Struktur  zeigen,  befinden  sich  die  Amoeben 
häufig  schon  im  Beginn  der  Enzystierung  «  (47,  S.  35 — 38). 

Während  somit  zunächst  nach  dem  Vorstehenden  die  drei  Para- 
moe&a- Arten  in  ihrem  gewöhnlichen,  vegetativen  Zustand  weitgehende 
Übereinstimmung  ihrer  Struktur  zeigen,  so  läßt  sich  in  Anbetracht 
der  soeben  zitierten  Erscheinungen  das  Gleiche  für  den  Cystenznstand 
nicht  behaupten:  im  Gegensatz  zu  P.  eilhardi  habe  ich  bei  den  parasiti- 
schen Arten  diesen  Zustand  bis  jetzt  niemals  zu  Gesicht  bekommen. 
Die  von  Schaudinn  innerhalb  der  Cyste  beobachtete  Kern-  und 
Nebenkörpervermehrung  ist  zu  bekannt,  als  daß  ich  nötig  gehabt 
hätte  auf  diese  multiple  Teilung  näher  einzugehen,  zumal  da  ich, 
wie  gesagt,  dieser  Erscheinung  aus  eignem  Studium  nichts  Ahnliches 
zur   Seite   zu  stellen  habe.     Höchstens  ist  es  die  früher  erwähnte  in 


Paramoebenstudien.  495 

ihrer  Bedeutung  noch  unbekannte  Zerfallsteilung  des  Binnenkörpers 
im  Kern. 

Vollends  scheint  der  »Flagellatenzustand«  in  der  von  Schaudinn 
beschriebenen  Form  ausschließlicher  Besitz  von  P.  eilhardi  zu  sein1. 
Bekanntlich  bezeichnet  dieser  Autor  die  Flagellatengeneration  als 
Schwärmer.  Dieselben  sind  »oval,  seitlich  etwas  komprimiert  und  am 
Vorderende  schräg  abgestutzt  oder  etwas  ausgebuchtet.  Vom  Grunde 
dieser  Ausbuchtung  senkt  sich  ein  nicht  sehr  scharf  ausgeprägter, 
röhrenförmiger  Schlund  in  das  Innere  etwa  bis  zur  Mitte  des  Körpers; 
neben  der  Mundöffnung  inserieren  die  beiden  gleich  langen  Geißeln. 
Der  Kern  liegt  im  hinteren  Teil  des  Körpers,  der  Nebenkörper  in  der 
Richtung  der  Längsachse  dicht  vor  ihm«  (47,  S.  37).  Die  ausgewach- 
senen Schwärmer  sind  etwa  12//  lang  und  braungelb  gefärbt;  die 
Färbung  rührt  von  zwei  großen  plattenförmigen  Chromatophoren, 
welche  den  größten  Teil  der  Bauch-  und  Rückenseite  einnehmen.  Der 
von  den  Chromatophoren  frei  gelassene  Raum  in  der  Mitte  des  Körpers 
ist  häufig  dicht  mit  Stärkekörnchen  erfüllt.  —  Diesem  Befund  Schau- 
dinns  stehen  bei  P.  pigmentifera  keilförmige,  bis  9  /t  große,  mit  einer 
einzigen  sehr  langen  Geißel  ausgestattete  Gameten  gegenüber,  welchen 
Chromatophoren  oder  vergleichbare  Gebilde  vollständig  fehlen.  Kern 
und  Nebenkörper  liegen  im  vorderen  Körperteil  nebeneinander. 

Sowohl  den  Schwärmern  Schaudinns  wie  den  Gameten  in  meinem 
Fall  kommt  die  Fähigkeit  sich  durch  Längsteilung  zu  vermehren  zu. 
Während  die  Schwärmer  von  P.  eilhardi  sich  direkt  in  kleine  Amoeben 
umwandeln,  wonach  der  Zeugungskreis  von  P.  eilhardi  nach  Schau- 
dinn geschlossen  erscheint,  lassen  sich  bei  den  Gameten  von  P.  pig- 
mentifera  untrügliche  Anzeichen  einer  Vorbereitung  zur  Copulation 
wahrnehmen. 

Es  ist  aber  das  spezielle  Verhalten  des  Kernes  und  des  Neben- 
körpers bei  der  Teilung  von  Schwärmern  bzw.  Gameten,  welches  einen 
besonders  markanten  Unterschied  zwischen  P.  eilhardi  und  P.  pig- 
mentifera  stabiliert.  Allbekannt  sind  heute  die  diesbezüglichen  Vor- 
gänge in  den  Schwärmern  von  P.  eilhardi  nach  Schaudinns  Dar- 
stellung: die  Streckung  des  Nebenkörpers  zur  Spindelfoim,  deren  Pole 
aus  färbbaren,  deren  Mittelstück  aus  nicht  färbbaren  Bestandteilen 
gebildet  wird;  Einstellung  des  Kernes  in  die  Nebenkörperspindel, 
wobei  die  Kernsubstanz  die  Spindel  ringförmig  umfließt;  Ausbildung 


1  Daß  der  Flagellatenzustand  Schaudinns  möglicherweise  überhaupt  nicht 
in  den  Entwicklungskreis  von  Paramoeba  eilhardi  gehört,  bespreche  ich  weiter 
unten. 


496  C.  Janicki, 

einer  Kernspindel  und  Aquatorialplatte,  die  Pole  der  Nebenkörper- 
spindel liegen  an  den  Polen  der  Kernspindel;  »eine  sehr  zarte,  feinstrei- 
fige Struktur  deutet  an,  daß  die  Chromosomen  mit  den  Polkörpern 
durch  Fäden  in  Verbindung  stehen«  (47,  S.  40);  indem  sich  die  Tochter- 
platten mit  ihren  Polkörpern  bzw.  Nebenkörpern  voneinander  ent- 
fernen, geht  der  Teilungsprozeß  seinem  Ende  entgegen.  —  Von  alledem 
ist  bei  den  Gameten  von  P.  pigmentifera  nach  dem  früher  Geschil- 
derten nichts  zu  sehen:  Kern  wie  Nebenkörper  besitzen  die  Fähigkeit 
einer  selbständigen  Teilung,  beide  teilen  sich  gleichzeitig  und  durchaus 
unabhängig  voneinander;  kommen  denn  auch  dem  Kern  sowohl  wie 
dem  Nebenkörper  eigne  Centriolen  zu. 

Demnach  ergeben  sich  tiefgreifende  Differenzen  in  bezug  auf  Bau 
und  Teilungserscheinungen  bei  den  Schwärmern  bzw.  Gameten  von 
P.  eilhardi  und  P.  pigmenti fera.  In  Anbetracht  dieser  nicht  unbe- 
deutenden Unterschiede  kann  ich  die  Vermutung  nicht  unterdrücken, 
es  gehörten  die  Flagellaten  Schaudinns  überhaupt  nicht  in  den  Ent- 
wicklungskreis  von  P.  eilhardi.  Meines  Wissens  ist  Doflein  der  erste 
gewesen,  welcher  in  diesem  Sinne  Schaudinns  Abhandlung  kritisch 
beurteilt:  »Die  Angaben  über  das  Verhalten  der  Chromatophoren 
mahnen  sehr  zur  Vorsicht  und  erregen  den  Verdacht,  daß  zwei  ver- 
schiedene Formen  kombiniert  wurden«  (11,  S.  602).  Dieser  Verdacht 
erhält  eine  gewichtige  Stütze  in  dem  Umstand,  daß  bereits  in  zwei 
Fällen  bei  Rhizopoden  kommensale  Zooxanthellen  bekannt  geworden 
sind,  welche  im  freien  Zustand  Cryptomonas-Fovm.  annehmen,  genau 
wie  bei  P.  eilhardi:  ich  meine  Cr.  brandti  Schaudinn  bei  Trichosphaeri- 
um  sieboldi  (50)  und  Cr.  schaudinni  Winter  bei  Peneroplis  (53).  Schau- 
dinn selbst  ist  freilich  von  dem  Zusammenhang  der  beiden  Formen 
so  sehr  überzeugt  gewesen,  daß  er  den  Gattungsnamen  »Paramoeba« 
als  »durchaus  provisorisch«  erklärte;  »denn  ich  glaube  sicher,  daß 
man  bei  vergleichendem  Studium  gewisser  Flagellaten  den  Schwärmer- 
zustand unsres  Organismus  bei  einer  schon  bekannten  Gattung  dieser 
Protozoen  wird  unterbringen  können«  (47,  S.  33).  Ich  glaube  kaum, 
daß  die  vorliegenden  Differenzen  sich  aus  verschiedener  Lebensweise 
ableiten  ließen.  Sollte  aber  wirklich  eine  Vermengung  vorliegen,  wie  sind 
alsdann  die  Cystenzustände  zu  deuten  ?  Sind  es  vielleicht  aufgefressene 
Gruppen  von  Flagellaten?  Auch  steht  diesem  Verdacht  die  Versiche- 
rung Schaudinns,  »die  Umwandlung  der  Flagellaten  in  Amoeben  direkt 
beobachtet«  zu  haben  (47,  S.  36),  schwerwiegend  gegenüber.  —  Doch 
kommt  allen  diesen  Vermutungen,  die  sich  auch  weiter  fortspinnen 
ließen  (z.  B.  eventuelle  Auffassung  des  Nebenkörpers  im  Flagellaten- 


Pararaoebenstudien.  497 

zustand  als  Parabasalapparat),  kein  positiver  Wert  zu;  nur  weitere 
Nachprüfung  des  Zeugungskreises  von  P.  eilhardi  kann  ausschlag- 
gebend sein  und  eine  solche  erscheint  zurzeit  dringend  wünschenswert. 
In  der  nachfolgenden  Auseinandersetzung  werde  ich  die  Resultate 
Schaudinns  bezüglich  des  Flagellatenzustandes,  trotzdem  ich  per- 
sönlich an  ihrer  Richtigkeit  zweifle,  einfach  als  Tatsachen  hinnehmen. 


Was  die  Gattung  Paramoeba  nicht  nur  vor  den  nahe  verwandten 
Gattungen,  sondern  auch  vor  allen  übrigen  Rhizopoden  besonders  aus- 
zeichnet, ist  bekanntlich  der  Besitz  des  eigentümlichen  »Nebenkörpers« 
Schaudinns,  eines  Gebildes,  das  nach  dem  oben  Mitgeteilten  bei  allen 
drei  bis  jetzt  vorliegenden  Arten  im  wesentlichen  übereinstimmenden 
oder  wenigstens  in  seinen  einzelnen  Teilen  vergleichbaren  Bau  auf- 
weist. Von  selbst  bietet  sich  hier  die  Aufgabe,  die  Frage  nach  der  Natur 
des  Nebenkörpers  auf  Grund  unsrer  erweiterten  Kenntnisse  von  dem- 
selben wieder  neu  zu  untersuchen.  Dabei  muß  der  geschichtlichen 
Darstellung  von  Bestrebungen  in  dieser  Hinsicht  genügend  Rechnung 
getragen  werden;  hatte  doch  die  Gattung  Paramoeba  seit  ihrer  Ent- 
deckung durch  Schaudinn  bis  in  unsre  Tage  hinein  bei  Anlaß  von 
theoretischen  Spekulationen  über  die  Zusammensetzung  der  Protisten- 
zelle  und  über  die  Genese  des  Centrosoms  stets  bedeutende  Rolle  gespielt. 

In  seiner  Originalmitteilung  konnte  sich  Schaudinn  für  keine 
bestimmte  Auffassung  des  Nebenkörpers  entschließen.  Er  hatte  aber 
nach  drei  verschiedenen  Richtungen  hin  den  Vergleich  mit  bereits 
bekannten  Zellorganen  durchzuführen  versucht.  Zunächst  lenkte 
Schaudinn  seine  Aufmerksamkeit  den  Pyrenoiden  von  Flagellaten 
zu,  von  der  Beobachtung  ausgehend,  daß  bei  den  Schwärmern  von 
Paramoeba  in  der  Mitte  des  Körpers  häufig  stark  lichtbrechende  Körn- 
chen sich  in  dichter  Ansammlung  vorfinden,  welche  bei  Anwendung 
von  Jodreaktion  sich  als  Stärke  erwiesen  haben.  »Am  dichtesten  waren 
sie  in  der  Nähe  des  Nebenkörpers  gedrängt,  und  wenn  nur  wenige 
Amylumkörner  vorhanden  waren,  befanden  sie  sich  stets  auf  der  Ober- 
fläche oder  in  der  nächsten  Umgebung  des  Nebenkörpers.  Dieser  Um- 
stand legte  die  Vermutung  nahe,  daß  der  letztere  ein  dem  Pyrenoid 
der  Chlamydomonadinen  und  anderer  Flagellaten  vergleichbares  Ge- 
bilde sei.  Leider  sind  aber  die  Amylumkerne  der  Flagellaten,  besonders 
ihr  Verhalten  bei  der  Teilung,  so  wenig  genau  untersucht,  daß  ein  Ver- 
gleich aus  diesem  Grunde  vorläufig  unmöglich  ist.  Gegen  die  Auf- 
fassung des  Nebenkörpers  als  Pyrenoid  dürfte  geltend  gemacht  werden 
können,  daß  dieses  Gebilde  hier  nicht,  wie  gewöhnlich,  in  Verbindung 


498  C.  Janicki, 

mit  den  Chromatophoren  steht  und  daß  bei  dieser  Auffassung  seine 
Bedeutung  im  Amoebenzustand  vollständig  rätselhaft  bliebe.  Übrigens 
will  ich  noch  besonders  betonen,  daß  kein  Bestandteil  des  Neben- 
körpers selbst,  auch  nicht  seine  blasse  Hülle,  sich  bei  Jodbehandlung 
blau  färbt;  die  Stärkekörner  liegen  stets  außerhalb  des  hellen  Hofes, 
der  den  Nebenkörper  umgibt«  (47,  S.  39). 

Für  eine  zweite  Deutung  entnimmt  Schaudinn  die  Begründung 
aus  seinen  Beobachtungen  über  die  Kernteilung  im  Flagellatenzustand. 
»Die  Details  der  hier  nur  angedeuteten  Kernteilung  werden  in  meiner 
ausführlichen  Abhandlung  mitgeteilt  werden.  Die  hier  gegebene 
Schilderung  genügt  aber  doch,  wie  ich  glaube,  um  auf  die  große  Über- 
einstimmung in  dem  Verhalten  des  Nebenkörpers  mit  der  Bildung 
der  HERMANNschen  Centralspindel  bei  den  Metazoenzellen  hinzuweisen. 
Ob  aber  diese  Ähnlichkeit  genügt,  um  daraus  auf  eine  Homologie  des 
Nebenkörpers  mit  den  Sphären  der  Metazoen  zu  schließen,  will  ich  hier 
nicht  entscheiden.  Daß  außerdem  das  Verhalten  gegen  Farbstoffe 
übereinstimmt,  ist  schon  erwähnt  worden«  (47,  S.  40). 

Schließlich  wendet  sich  Schaudinn  einem  weiteren  Erklärungs- 
weg zu.  »Nachdem  ich  auf  die  Beziehungen  des  Nebenkörpers  zu  den 
Pyrenoiden  und  zu  den  Sphaeren  hingewiesen  habe,  bleibt  noch  eine 
dritte  Möglichkeit  übrig,  nämlich  eine  Homologisierung  mit  den  Neben- 
kernen der  Infusorien.  Doch  scheint  mir  dieselbe  vorläufig  ebenso 
unwahrscheinlich,  wie  die  Auffassung  des  Nebenkörpers  als  Pyrenoid. 
Zum  mindesten  müßte  man  das  Verhalten  des  Nebenkörpers  bei  einer 
etwaigen  Copulation  der  Flagellaten  kennen,  um  ihn  mit  den  Neben- 
kernen der  Infusorien  vergleichen  zu  können.  Schließlich  scheint  mir 
die  Idee,  daß  der  Nebenkörper  Beziehungen  zu  allen  drei  Gebilden 
(Pyrenoiden,  Sphaeren,  Nebenkernen)  haben  könnte,  nicht  zu  absurd, 
um  ausgesprochen  zu  werden.  Ich  kann  mir  vorstellen,  daß  durch 
Differenzierung  nach  verschiedenen  Richtungen  aus  nebenkörperähn- 
lichen  Gebilden  sowohl  Pyrenoide,  als  Sphären,  als  Nebenkerne  hervor- 
gegangen seien.  Doch  ist  eine  Discussion  dieser  Frage'  bei  unsern 
geringen  Kenntnissen  der  Protozoenstammesgeschichte  vorläufig  noch 
unmöglich«  (47,  S.  40). 

Nochmals  ist  Schaudinn  zu  dem  gleichen  Gegenstand  zurück- 
gekehrt und  zwar  bei  Besprechung  des  Ursprunges  des  Centrosomas 
bei  Protozoen  im  Anschluß  an  seine  Beobachtungen  über  das  Central- 
korn  der  Heliozoen.  Bekanntlich  suchte  Schaudinn,  im  Gegensatz 
zu  Heidenhain,  das  Centrosoma  der  Rhizopoden  und  den  Nebenkern 
(Micronucleus)  der  Infusorien  genetisch  unabhängig  voneinander  auf 


Paramoebenstudien.  499 

denselben  Ursprung  zurückzuführen:  auf  einen  zweiten  Zellkern,  der 
sich  in  der  Stammesgeschichte  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
differenziert  hatte.  Amoeba  binucleata  Gruber  mit  zwei  sowohl  in  der 
Struktur  wie  in  der  Funktion  sich  gleich  verhaltenden  Kernen  bildete 
den  Ausgangspunkt.  »Eine  weitere  Etappe  in  der  Entwicklung  des 
einen  Kernes  zum  Teilungsorgan  kann  die  von  mir  beschriebene 
P.  eilhardi  darstellen.  Während  bei  dieser  Form  das  von  mir  als 
Nebenkörper  beschriebene  Gebilde  im  Amoebenzustand  noch  ganz  kern- 
ähnlich ist  (es  hat  fast  dieselbe  Struktur  wie  der  Hauptkern,  last  färb- 
bare und  nicht  färbbare  Substanzen  erkennen  und  zeigt  noch  insofern 
seine  Selbständigkeit,  als  es  sich  bei  der  Enzystierung  meist  allein 
teilt)  funktioniert  es  im  Flagellatenzustand  bereits  als  Centralspindel. 
Es  streckt  sich  in  die  Länge  und  rückt  in  den  Kern  hinein.  Die  färb- 
bare Substanz  sammelt  sich  hierbei  an  den  Polen  der  Spindel  an.  Von 
diesem  Verhalten  führt  zu  den  Diatomeen  nur  ein  Schritt.  Durch  die 
Untersuchungen  Lauterboens  wurde  festgestellt,  daß  die  Central- 
spindel eine  Abgliederung  des  neben  dem  Kern  gelegenen  Central- 
körpers  ist.  Die  erstere  rückt  in  den  Kern  hinein  und  funktioniert 
wie  die  Centralspindel  bei  den  Paramoe&a-Flagellaten.  Ahnlich  ver- 
hält sich  vielleicht  nach  Ishikawas  Beobachtungen  Noctiluca.  Die 
typischen  Centrosomen  wären  hiernach  phylogenetisch  vielleicht  als 
polare  Abgliederungen  eines  der  Centralspindel  der  Diatomeen  ähn- 
lichen Gebildes  aufzufassen.«  »Während  wir  von  dem  Nebenkörper 
der  Paramoe&a-Flagellaten  über  den  Centralkörper  der  Diatomeen  zu 
den  typischen  Centrosomen  gelangen,  kann  man  den  Nebenkörper  des 
Amoebenzustandes  als  Ausgangspunkt  für  die  Nebenkerne  der  Infu- 
sorien ansehen,  wie  ich  bereits  früher  angedeutet  habe.  Paramoeba 
oder  ein  ähnlicher  Organismus  wäre  also  die  Stufe,  auf  der  eine  Schei- 
dung in  Nebenkern  und  Centrosoma  eintrat«  (49,  S.  128). 

Diesem  Gedankengang  Schaudinns  hatte  sich  Lauterborn  unter 
besonderer  Berücksichtigung  der  Von  ihm  studierten  Verhältnisse  bei 
Diatomeen  angeschlossen.  In  bezug  auf  das  uns  hier  interessierende 
Gebilde  gelangt  Lauterborn  zu  folgender  Schlußfolgerung:  »Ich 
glaube  mich  berechtigt,  den  »  Nebenkörper  «  von  Paramoeba  mit  Centro- 
som  +  Centralspindel  der  Diatomeen  zu  homologisieren.  Daneben 
zeigen  Centrosom  und  Centralspindel  der  Diatomeen  aber  auch  schon 
so  viele  Übereinstimmungen  mit  den  entsprechenden  Gebilden  in  den 
Zellen  der  Metazoen,  daß  wir  sie  wohl  einander  ebenfalls  direkt  ver- 
gleichen können«  (36,  S.  133). 

In    seiner    eingehenden    Besprechung    der    Beziehungen,    welche 


500  C.  Janicki, 

zwischen  Centrosoma  und  Kern  existieren,  streift  R.  Hertwig  auch 
P.  eilhardi,  deren  Organisation  er  im  ScHAUDiNNschen  Sinne  beurteilt. 
»Paramoeba  eilhardi  zeigt,  wie  der  eine  Kern  sein  Chromatin  fast  ganz 
verloren  hat  und  ein  Zellorgan  geworden  ist,  welches  die  Teilung  des 
chromatinhaltigen  Kerns  einleitet.  Nehmen  wir  an,  daß  ein  solches 
Teilungsorgan  eine  Reduktion  seiner  Größe  erfährt,  so  erhalten  wir  ein 
neben  dem  Kern  liegendes  Centrosoma.  Diese  Entwicklungsweise  würde 
somit  einen  Dualismus  der  Zellkerne  voraussetzen  ähnlich  demjenigen, 
welcher  bei  Infusorien  zur  Differenzierung  von  Haupt-  und  Nebenkern 
geführt  hat«  (26,  S.  701).  Im  übrigen  hält  R.  Hertwig,  wie  bekannt, 
diese  Lehre  von  der  Herkunft  des  Centrosoma  von  einem  zweiten  Kern 
nur  für  die  eine  von  den  drei  Möglichkeiten  in  der  Genese  dieses  Zell- 
organells.  —  Auch  Lang  vertritt  die  durch  Schaudinn  begründete 
Auffassung  von  der  centrosomalen  Natur  des  Nebenkörpers  (35,  S.  87). 

Durchaus  verfehlt,  sowohl  in  ihrem  Grundgedanken  wie  in  dessen 
Durchführung  im  Einzelnen  sind  die  Spekulationen  Goldschmidts  und 
Popoffs,  welche  neben  andern  Protozoen  sich  auch  auf  P.  eilhardi  be- 
ziehen. Es  soll  hier  der  exstremste  Fall,  der  der  »  dauernden  Sonderung 
der  Chromidialsubstanz  vom  Kern«  in  Gestalt  des  Nebenkörpers  vor- 
liegen (16,  S.  336).  Der  Nebenkörper  von  Paramoeba  sei  u.  a.  der  Sphäre 
von  Noctiluca  und  dem  spongiösen  Centrosom  von  Actinosphaerium 
gleichzustellen ;  in  allen  diesen  Fällen  handelt  es  sich  um  den  vom  Kern 
gesonderten  trophischen  Kernanteil  in  Form  von  somatischen  Chro- 
midien.  Bemerkenswert  ist  der  Gegensatz,  in  welchen  sich  die  Verfasser 
zu  Schaudinns  Auffassung  stellen:  »Es  erscheint  ja  von  vornherein 
unwahrscheinlich,  daß  der  Nebenkörper  von  Paramoeba  eilhardi  einem 
Centrosom  zu  vergleichen  ist.  Das  Vorkommen  von  echten  Centro- 
somen scheint  bei  diesem  Rhizopoden  ausgeschlossen  su  sein«  (16, 
;S.  337). 

In  die  theoretischen  Auseinandersetzungen  Hartmanns  und 
Prowazeks  über  die  Homologie  von  Blepharoplast,  Caryosom  und 
Centrosom  und  über  die  daraus  abgeleitete  Doppelkernigkeit  der  Proto- 
zoenzelle paßte  es  —  nach  der  damaligen  Kenntnis  von  der  Zusammen- 
setzung des  Nebenkörpers  —  recht  gut,  in  P.  eilhardi  einen  Organismus 
mit  zwei  gegensätzlichen  Kernen  zu  besitzen,  von  denen  der  eine  im 
Anschluß  an  Schaudinn  als  Homologon  und  Vorläufer  des  Centrosoma 
aufgefaßt  wurde  (25). 

Eine  eigne  Stellung  nimmt  Chatton  ein  (5),  indem  er  die  Kern- 
natur des  Nebenkörpers  bestreitet,  wie  er  es  übrigens  auch  für  das 
Centralkorn  der  Heliozoen  tut,  welch  letzterer  Ansicht  ich  durchaus 


Paranioebenstudien.  501 

beipflichte  (vgl.  weiter  unten).  Chatton  erblickt  im  Nebenkörper 
nur  ein  Caryosom  oder  einen  Teil  eines  solchen1.  «  Chez  Paramoeba 
il  semble  que  le  nebenkör  per  corresponde  ä  un  caryosome  ou 
tout  au  moins  ä  une  partie  du  caryosome  (l'autre  persistant  au 
centre  du  noyau)  qui,  sortant  du  noyau  dont  Ia  membrane  disparait 
ä  chaque  division,  serait  finalement  reste  en  dehors  de  lui  pen- 
dant  les  periodes  de  repos.  II  ne  constitue  en  aucune  facon  un 
second  noyau  complet.  II  n'en  a  pas  la  structure;  sa  division  n'a 
jamais  les  apparences  d'une  mitose;  il  est  etroitement  solidaire  du 
noyau  pendant  toute  la  phase  gamogonique  et  il  se  divise  toujours 
en  meme  temps  que  lui  et  a  ses  cötes  pendant  la  phase  schisogonique» 
(5,  S.  318,  319).  Bereits  Hartmann  hatte  auf  die  Haltlosigkeit  des 
CHATTONschen  Standpunktes  hingewiesen,  meiner  Ansicht  nach,  was 
Paramoeba  anbetrifft,  durchaus  mit  Recht;  anders  denke  ich  freilich 
bezüglich  des  Centralkornes  der  Heliozoen  (5,  S.  25). 

Von  der  modifizierten  Doppelkernigkeitslehre  Hartmanns  ist  der 
Teil,  welcher  sich  u.  a.  auf  das  Centralkorn  von  Acanthocystis,  auf  den 
Nebenkörper  von  Paramoeba  sowie  die  Sphäre  von  Noctiluca  bezieht, 
unverändert  geblieben.  In  allen  drei  Gebilden  werden  im  Anschluß 
an  die  Doppelkernigkeit  der  Trypanosomenzelle  vom  Hauptkern 
physiologisch  differente  zweite  Kerne  erkannt,  indem  hier  die  loko- 
motorisch- generative  Komponente  einseitig  auf  Kosten  der  idiochro- 
matischen  spezialisiert  erscheinen  soll.  In  bezug  auf  Paramoeba  wird 
berichtet:  »Hier  teilen  sich  im  Amoebenstadium  beide  Kerne  wie  bei 
Trypanosomen  selbständig  mitotisch  bzw.  promitotisch,  während  im 
Flagellatenzustand  der  sogenannte  Nebenkörper,  d.  i.  der  überwiegend 
locomotorische  Kern,  eine  Centralspindel  bildet,  in  die  der  andre  Kern 
hineinrückt,  so  daß  hier  wie  bei  Acanthocystiden  die  locomotorische 
Komponente  und  die  idiochromatische  einer  scheinbar  einheitlichen 
Mitosefigur  von  zwei  getrennten  Kernen  abstammen.  Auch  die  so- 
genannte Sphäre  von  Noctiluca  sowie  die  Centrosome  der  Diatomeen, 


1  In  funktioneller  Hinsicht  suchte  die  gleiche  Parallele  schon  früher  Moroff 
durchzuführen  in  einer  allerdings  wenig  klaren  Auseinandersetzung.  Bei  Be- 
sprechung von  P.  eilhardi  sagt  dieser  Autor:  »Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß 
dieser  Nebenkörper  chromatischer  Natur  sei  und  funktionell  mit  einem  Caryosom 
(Nucleolus)  zu  vergleichen  ist.  Es  muß  allerdings  hervorgehoben  werden,  daß 
im  Kern  selbst  ein  caryosomähnliches  Gebilde  vorhanden  ist,  welches  mit  den 
trophischen  Funktionen  der  Zelle  betraut  ist,  so  daß  die  Annahme,  daß  der 
Nebenkörper  bei  P.  eilhardi  und  das  Caryosom  in  dessem  Kern  sich  in  ihrer  Funk- 
tion ergänzen,  sehr  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt«  (40,  S.  200). 


502  C.  Janicki, 

die  Lauterborn  beschrieben  hat,  sind  derartige  einseitig  locomotorisch 
differenzierte  Kerne «  (22,  S.  24). 

Ich  gehe  jetzt  zur  Begründung  meiner  eignen  Stellungnahme  in 
der  uns  hier  beschäftigenden  Frage  über.  Während  die  früheren  Autoren 
sämtlich  auf  die  knappe  Darstellung  Schaudinns  bezüglich  der  P. 
eilliardi  angewiesen  waren,  befinde  ich  mich  in  der  günstigeren  Lage 
eigne  Beobachtungen  an  zwei  weiteren  Species  der  interessanten  Gat- 
tung zum  Vergleich  und  als  sichere  Basis  heranziehen  zu  können. 

Lange  Zeit  hindurch  bin  ich  durchaus  im  Unklaren  geblieben,  in 
welchem  Sinne  der  Nebenkörper,  der  doch  aus  differenten  Bestand- 
teilen zusammengesetzt  erscheint,  als  Ganzes  einem  Zellorganell  zu 
vergleichen  wäre,  ohne  neue  und  unvermittelte  Verhältnisse  vorauszu- 
setzen. Die  Aufgabe  wurde  keineswegs  leichter  gemacht  durch  den 
Umstand,  daß  je  nach  den  angewandten  Untersuchungsmethoden  das 
Bild  des  Nebenkörpers,  wie  im  speziellen  Teil  es  dargetan  wurde,  nicht 
unbeträchtlichen  Schwankungen  unterworfen  war,  indem  bald  dieser 
bald  jener  seiner  Bestandteile  besonders  deutlich  und  wohl  dem  natür- 
lichen Verhalten  entsprechend  zur  Darstellung  gebracht  werden  konnte. 
Erst  ein  eingehender  Vergleich  der  auf  verschiedenem  Wege  erreichten 
Bilder  konnte  Klarheit  —  wie  ich  es  jetzt  wohl  endgültig  annehmen 
darf  ■ —  über  die  wahre  Natur  des  viel  diskutierten  Organells  von 
Paramoeba  verschaffen. 

Zwei  Momente  sind  es,  welche  in  dieser  Richtung  bestimmend 
wirken.  Erstens  der  Befund,  daß  das  Mittelstück  ein  von  eigner  Mem- 
bran umgrenztes  Bläschen  ist,  welchem  meistens  die  Gestalt  einer  bi- 
convexen  Linse  zukommt,  sowie  die  Tatsache,  daß  an  die  beiden  Flächen 
des  linsenförmigen  Mittelstückes  polplatteriartige  Bildungen  sich  an- 
schließen. Zweitens  das  konstante  Vorkommen  von  polar  gegenüber 
dem  Mittelstück  angebrachten,  deutlich  umschriebenen  und  in  einem 
besonderen,  granulierten  Plasma  eingebetteten  Körperchen,  welche 
in  der  Kegel  an  einem  jeden  Pol  in  der  Einzahl,  bei  bevorstehender 
Teilung  in  der  Zweizahl  beobachtet  werden.  Schon  die  Kombination 
der  genannten  Charaktere  allein,  unter  Berücksichtigung  außerdem 
des  Umstandes,  daß  wenigstens  bei  der  einen  der  von  mir  untersuchten 
Formen  (P.  chaetognathi)  dem  Nebenkörper  als  Ganzen  keine  besondere 
eigne  Umgrenzung  im  Körperplasma  zukommt,  führt  mich  dazu,  in 
dem  Mittelstück  einen  stark  modifizierten  Kern,  in  den  Seitenteilen 
Schaudinns  von  Archoplasma  umgebene  Centrosomen  zu  erblicken. 
Die  dauernd  polare  Lage  der  Centrosomen  sowohl,  wie  die  Existenz 
von  polplattenähnlichen  Gebilden  lassen  sich  meiner  Meinung  nach 


Paranioebenstudien.  503 

nicht  anders  erklären,  als  durch  die  Annahme,  der  Nebenkörper  wäre 
die  Gesamtheit  von  Organellen  eines  sich  teilenden  Kernes.  Und  in 
dieser  Deutung  werde  ich  auf  das  beste  unterstützt  durch  Vergleich 
mit  Kernteilungszuständen  bei  Actinosphaerium  eichhorni  nach  R. 
Hertwigs  eingehender  Darstellung,  bei  Amoeba  binucleata  nach  Schau- 
dinn  und  bei  Actinophrys  sol  nach  demselben  Autor;  außerdem  werde 
ich  die  diesbezüglichen  Verhältnisse  bei  Noctiluca  zum  Vergleich  heran- 
ziehen. 

Zunächst  aber  möchte  ich  die  einzelnen  Bestandteile  des  Neben- 
körpers von  Paramoeba  näher  charakterisieren.  Das  auf  einen  Kern 
zurückführbare  Mittelstück  besteht  aus  einer  dichten  granulösen 
Masse,  welche  mit  bestimmten  Farbstoffen  (Delafields  Hämatoxylin, 
Eisenhämatoxylin)  sich  außerordentlich  intensiv  färbt,  sicher  aber 
kein  Chromatin  ist.  Ausnahmsweise  lassen  sich  auf  besonders  günstig 
ausgefallenen  Präparaten  Chromosomen  in  größerer  Anzahl  als  kleine 
Körnchen  im  Mittelstück  nachweisen.  An  diesem  Teil  des  Neben- 
körpers beobachtete  Schaudinn  am  Leben  in  manchen  Fällen  eine 
»längsstreifige  Struktur«,  —  wahrscheinlich  eine  Spindelformation. 
Damit  dürfte  die  Kernnatur  des  Mittelstückes  noch  sicherer  zum  Aus- 
druck gelangen.  —  Die  Centrosomen  sind  in  dem  mir  vorliegenden 
Fall  entschieden  chromatinhaltig ;  auch  dem  Archoplasma  kommt 
staubförmig  verteiltes  Chromatin  zu.  Centriolen  waren  keine  nach- 
zuweisen. 

Man  vergleiche  nun  die  von  mir  gegebene  Beschreibung  des  Neben- 
körpers sowie  Abbildungen  desselben  mit  den  Angaben  bzw.  Figuren, 
welche  R.  Hertwig  von  der  Kernteilung  bei  Actinosphaerium  entwirft 
(26).  Namentlich  kommt  hier  die  sogenannte  Richtungscaryokinese 
in  Betracht,  wie  sie  auf  Taf.  V,  Fig.  8 — 12,  sich  dargestellt  findet. 
Der  seine  Membran  bewahrende  Kern  ist  von  annähernd  linsenförmiger 
Gestalt  und  wird  in  der. Richtung  der  Spindelachse  von  starken  Pol- 
platten begrenzt.  Diese  letzteren  werden  nach  R.  Hertwig  innerhalb 
des  Kernes,  als  Derivate  des  Kernnetzes,  angelegt.  In  der  Bildungsart 
der  Polplatten  dürfte  Paramoeba  sich  anders  verhalten.  In  beiden 
Fällen  sind  die  Polplatten  besonders  durch  Eisenhämatoxylin  nach- 
weisbar; R.  Hertwig  hatte  sie  freilich  auch  am  Leben  beobachtet, 
was  für  Paramoeba  noch  nachzuholen  wäre.  Die  intranucleare  Spindel 
R.  Hertwigs  läßt  sich  im  Mittelstück  von  Paramoeba  nicht  als  Regel 
nachweisen;  wohl  aber  werden  in  wenigen  günstigen  Fällen  Chromo- 
somen beobachtet,  welche  in  ihrer  Anordnung  in  großen  Zügen  an  die 
Verhältnisse  im  Kern  von  Actinosphaerium  erinnern.    Die  Plasmakegel 


504  C.  Janicki, 

von  Actinospliaerium  entsprechen  den  Archoplasmakappen  im  Neben- 
körper von  Paramoeba;  auch  hier  fehlt  die  Längsfaserung,  Ausdruck 
der  protoplasmatischen  Spindel  bei  Actinosphaerium.  R.  Hertwig 
will  freilich  kein  besonderes  Archoplasma  anerkennen,  und  Kernnetz 
sowie  Protoplasmanetz  in  ihren  wechselnden  Erscheinungsformen  ge- 
nügen nach  diesem  Autor  vollkommen,  um  die  bei  der  Kernteilung 
auftretenden  Strukturen  zu  erklären.  Diese  Fragen  können  hier  im 
Einzelnen  nicht  diskutiert  werden,  soll  doch  auch  der  Vergleich  mit 
Actinosphaerium  nur  in  großen  Linien  durchgeführt  werden.  Immerhin 
muß  ich  bemerken,  daß  das  Plasma,  welches  die  »Seitenteile«  des  Ne- 
benkörpers ausmacht  und  die  Centrosomen  umschließt  durchaus 
specifischen,  von  dem  übrigen  Körperplasma  verschiedenen  Charakter 
trägt,  folglich  mit  Recht  im  BovEEischen  Sinne  mit  einem  besonderen 
Namen  ausgezeichnet  werden  darf.  Daß  dieses  Plasma  bei  Paramoeba 
chromatinhaltig  ist,  findet  keine  Parallele  in  den  Plasmakegeln  von 
Actinosphaerium.  Wohl  zeigt  sich  aber  wieder  Übereinstimmung  in 
der  Zusammensetzung  der  Centrosomen  aus  chromatinhaltigen  Be- 
standteilen. Daß  die  Centrosomen  bei  den  parasitischen  Paramoeben 
sich  ausnehmend  intensiv  mit  Boraxcarmin  färben  würden,  entsprach 
durchaus  nicht  meinen  Erwartungen.  Ich  könnte  gerade  so  gut  R. 
Hertwigs  Ausdrucksweise  auf  meinen  Fall  beziehen:  »Diese  Färbbar- 
keit  mit  Carmin  hatte  etwas  Überraschendes  für  mich  .  .  .«  (26, 
S.  662).  Freilich  ist  R.  Hertwig  imstande  gleich  weiter  hinzuzufügen: 
»Sie  verliert  aber  an  Merkwürdigkeit,  wenn  man  bedenkt,  daß  es  der 
chromatinhaltige  Teil  des  Kernnetzes  ist,  welcher  das  Centrosoma 
liefert. «  In  bezug  auf  den  Ursprung  des  Centrosoma  kann  ich  nichts 
derartiges  berichten;  stets  habe  ich  in  meinem  Fall  die  Centrosomen 
sich  nur  durch  Teilung  vermehren  sehen.  Es  ist  mir  auch  sehr  unwahr- 
scheinlich, daß  im  Nebenkörper  von  Paramoeba  sich  jemals  Centro- 
somen de  novo  bilden  sollten.  Was  die  feinere  Struktur  der  Centro- 
somen anbetrifft,  so  liegen  keine  vergleichbaren  Verhältnisse  vor; 
zwischen  dem  spongiösen  Centrosoma  von  Actinosphaerium  und  dem 
immer  scharf  umgrenzten,  aus  mehr  oder  weniger  homogenem  Plasma 
zusammengesetzten  entsprechenden  Gebilde  von  Paramoeba,  das  höch- 
stens da  und  dort  eine  Vacuole  im  Innern  aufweist,  scheint  ziemlich 
weitgehender  Unterschied  zu  bestehen.  Zuletzt  die  Kernteilungsfigur 
von  Actinosphaerium  als  Ganzes  genommen:  sie  ist  nach  R.  Hertwig 
von  dem  Körperplasma  gut  gesondert  und  macht  in  ihren  mittleren 
Phasen  sowohl  bei  der  Primär-  wie  in  der  Ricktungscaryokinese  den 
Eindruck  von  einem  einheitlichen  Gebilde,  das  mit  dem  Nebenkörper 


Paramoebenstudien.  505 

von  Paramoeba- Arten  durchaus  vergleichbar  ist,  worauf  ich  übrigens 
noch  zurückkomme. 

So  ergibt  sich  eine  auffallende  Übereinstimmung  zwischen  dem 
Bau  des  Nebenkörpers  von  Paramoeba  und  der  Kernteilungsfigur  von 
Actinosphaerium  zur   Zeit   etwa   der   Metaphase. 

Auch  die  Kernteilungszustände,  welche  Amoeba  binucleata  (46, 
S.  131,  Fig.  VIII  und  IX)  sowie  Actinophrys  sol  (48,  S.  86,  Fig.  III 
und  IV)  beide  nach  Schaudinn  darbieten,  lassen  entschieden  Ähnlich- 
keit mit  der  allgemeinen  Struktur  des  Nebenkörpers  wiedererkennen1. 
Bemerkenswert  ist  u.  a.,  daß  Schaudinn  in  diesen  beiden  Fällen  die 
Polplatten  auf  direkte  Verdickung  der  Kernmembran  zurückführt,  ein 
Verhalten,  das  vielfach  auch  im  Nebenkörper  von  Paramoeba  vorzu- 
liegen scheint,  das  aber  doch  kaum  der  Wirklichkeit  entsprechen 
dürfte. 

Schon  vor  Jahren  hatte  Bütschli  auf  die  Ähnlichkeit  der  Kern- 
teilungsvorgänge bei  Actinosphaerium  und  Noctiluca  hingewiesen 
(3,  S.  1071),  und  R.  Hertwig  hatte  sich  gelegentlich  in  gleichem  Sinne 
ausgesprochen  (26,  S.  700).  Nicht  ohne  Interesse  ist  es  somit  zu  kon- 
statieren, daß  der  Nebenkörper  von  Paramoeba,  als  ein  in  Teilung 
begriffener  Kern  aufgefaßt,  nach  beiden  Richtungen  hin  Vergleichs- 
momente darbietet.  Zwar  herrscht  bekanntlich  über  den  Prozeß  der 
Kernteilung  bei  Noctiluca  keine  volle  Übereinstimmung,  und  namentlich 
ist  es  die  Frage  der  Beteiligung  eines  Centrosoma  an  der  Caryokinese, 
worüber  die  Meinungen  der  drei  Forscher,  denen  wir  diesbezügliche 
Beobachtungen  an  Noctiluca  verdanken,  Ishikawa,  Calkins  und 
Doflein,  durchaus  auseinandergehen.  Dessenungeachtet  kann  ich 
hier  die  einfache  sachliche  Feststellung  nicht  unterdrücken,  daß  eine 
frappante  Analogie  zwischen  dem  Bau  des  Nebenkörpers  von  Paramoeba 
und  der  Zusammensetzung  der  Kernteilungsfigur  von  Noctiluca  nach 
Ishikawas  Darstellung,  speziell  bei  der  Knospungsteilung  sowie  bei 
der  Sporenbildung  sich  ergibt.  Die  weitgehende  Analogie  verstellt 
sich  von  selbst,  wenn  ich  namentlich  auf  Ishikawas  Taf.  III  (29)  be- 
züglich der  Knospungsteilung  und  Taf.  XIX,  Fig.  5  (31)  bezüglich  der 
Kernteilung  bei  der  Sporenbildung  verweise.  Im  besonderen  scheinen 
mir  die  großen  Centrosomen  bei  Paramoeba  wie  bei  Noctiluca  durchaus 
vergleichbare  Gebilde  zu  sein,  und  bei  aller  Berücksichtigung  der 
Kritik  von  Calkins  und  Doflein  kann  ich  nicht  gut  annehmen,  daß 
Ishikawa  bezüglich  der  Centrosomen  wiederholt  in  Irrtum  und  Täu- 


i  Vgl.  hierzu  auch  Dislaso  (7)  Taf.  XX,  Fig.  28. 


506  C.  Janicki, 

schung  verfallen  sollte.  Von  der  Archoplasmaspindel  (Centralspindel) 
muß  man  freilich  bei  diesem  Vergleich  absehen,  doch  läßt  sich  wenig- 
stens die  Grundlage  einer  solchen,  die  Centrodesmose,  in  beiden  Fällen 
wohl  sicher  homologisieren ;  man  vergleiche  hierzu  meine  Fig.  13  mit 
Ishikawas  Taf.  III,  Fig.  9  und  14  (29).  Weiter  erscheint  es  sehr  be- 
merkenswert, daß  die  sogenannte  Sphäre  von  Noctiluca  (=  Archo- 
plasma  Ishikawas)  auf  gewissen  Entwicklungsstadien  wenigstens  chro- 
matinhaltig  ist,  worauf  besonders  Doflein  hingewiesen  hatte:  »In 
diesem  Stadium  ist  sie  am  lebenden  Tier  infolge  ihrer  dichten  Beschaffen- 
heit viel  deutlicher  sichtbar  als  der  Kern;  sie  ist  von  manchen  Beob- 
achtern des  lebenden  Tieres  mit  dem  Kern  verwechselt  worden.  Der 
Übertritt  von  Chromatin  aus  dem  Kern  macht  sie  auch  im  konservierten 
Zustande  so  stark  färbbar,  daß  sie  —  intensiver  gefärbt  als  der  Kern — 
bei  oberflächlicher  Betrachtung  mit  schwacher  Vergrößerung  regelmäßig 
für  den  Kern  gehalten  wird«  (9,  S.  13,  14). 

Schließlich  noch  die  Frage  der  Abgrenzung  des  Nebenkörpers 
gegenüber  dem  Körperplasma.  Entschieden  tritt  der  Nebenkörper 
bei  allen  drei  Paramoeba-Aiten  als  eine  in  sich  geschlossene  Einheit 
auf.  Dies  dürfte  aber  in  allen  drei  Fällen  nicht  auf  der  Existenz  einer 
besonderen,  den  ganzen  Nebenkörper  umschließenden  Membran  be- 
ruhen. Für  P.  cliaetognaihi  kann  ich  das  Vorhandensein  einer  solchen 
direkt  ausschließen,  hier  scheinen  mir  die  Archoplasmakappen,  welche 
die  Gesamtgestalt  des  Nebenkörpers  bestimmen,  sich  nicht  anders  zu 
verhalten,  als  die  aus  homogenem  Plasma  bestehenden  Protoplasma- 
kegel R.  Hertwigs  bei  Actinosphaerium;  zum  mindesten  muß  ich  aus 
den  gewissenhaften  Zeichnungen  R.  Hertwigs  eine  deutliche  Abgrenzung 
der  Plasmakegel  gegenüber  der  übrigen  Masse  des  Tieres  entnehmen 
und  doch  kami  von  einer  Membran  hier  kerne  Rede  sein  (vgl.  zudem 
die  neueren  Abbildungen  Borowskys  vom  Actinosphaerium-Kem  in 
Teilung,  welche  durchaus  an  Paramoeba- Nebenkörper  erinnern  (1, 
Taf.  XVIII,  Fig.  19 — 23).  Was  P.  pigmentifera  anbetrifft,  so  sind 
ähnliche  Verhältnisse  sehr  wahrscheinlich;  sollte  es  aber  doch  anders 
sein,  so  bleibt  noch  die  Frage  zu  diskutieren,  ob  nicht  das  Körperplasma 
die  mit  der  Zelle  nicht  mehr  in  Fühlung  stehende,  zum  Dauerorgan 
gewordene  Kernteilungsfigur  —  auf  welchen  Gegenstand  ich  noch 
zurückkommen  werde  —  wie  etwas  Fremdes  kapselartig  abschließt. 
Kurz,  in  dieser  Hinsicht  scheinen  mir  dem  hier  durchgeführten  Ver- 
gleich sich  keine  Hindernisse  in  den  Weg  zu  stellen. 

Wenn  ich  hiermit  die  Parallelisierung  des  Nebenkörpers  als  Ganzes 
mit  bekannten  Strukturen  der  Protozoenzelle  abschließe,  so  möchte  ich 


Paramoebenstudien.  507 

die  einzelnen  Bestandteile  des  eigentümlichen  Organells  von  Paramoeba 
nochmals  vergleichend  ins  Auge  fassen.  Zunächst  erwähne  ich  in  bezug 
auf  die  Centrosomen  des  Nebenkörpers  das  durchaus  parallel  gehende 
Verhalten  des  Centralkornes  bei  Acanthocystiden  nach  Schaudinns 
Untersuchungen.  Das  Centralkorn  ist  durch  seine  starke  Tinktions- 
fähigkeit  mit  verschiedenen  Kernfarbstoffen  ausgezeichnet  (49,  S.  113), 
es  teilt  sich  unter  Bildung  einer  Centrodesmose  (49,  S.  117,  Fig.  5), 
welche  an  die  schon  erwähnte  von  Paramoeba  stark  erinnert  (Taf.  VIII, 
Fig.  13),  seine  Teilprodukte  nehmen  schließlich  in  bezug  auf  den  Kern  die 
bekannte  polare  Anordnung  an.  Bei  Acanthocystis,  wie  am  Paramoeba- 
Nebenkörper  teilt  sich  stets  bei  der  Teilung  des  Tieres  das  Centralkorn 
bzw.  das  Centrosom  mit,  darum  wird  auch  kein  andrer  Modus  der 
Centrosomenbildung  beobachtet  (im  Gegensatz  zur  Knospung  von 
Acanthocystis).  —  Hier  wäre  ferner  das  schwachchromatische  Central- 
korn von  Wagnerella  borealis  nach  Zuelzer  zu  nennen  (54). 

Was  das  von  mir  als  echter  Kern  gedeutete  Mittelstück  anbe- 
trifft, so  liegt  es  am  nächsten  dieses  mit  dem  Hauptkern  von  Para- 
moeba selbst  zu  vergleichen.  Da  ergeben  sich  freilich  fast  lauter  Unter- 
schiede, ein  Umstand,  der  mich  bewogen  hatte  von  vornherein  von 
einem  »  stark  modifizierten  Kern  «  zu  reden ;  außerdem  liegt  entschieden 
ein  gegenüber  dem  Hauptkern  physiologisch  differenter  Kern  vor. 
Diese  physiologische  Differenz,  um  damit  anzufangen,  gibt  sich  in 
erster  Linie  darin  kund,  daß  der  Hauptkern  intranucleär  seine,  wenn 
auch  stark  reduzierte  und  nur  während  der  Teilung  nachweisbare 
locomotorisch-generative  Komponente  nach  Hartmanns  Terminologie 
führt;  er  ließe  sich  einem  Centronucleus  im  Sinne  Boveris  vergleichen. 
Die  dem  Mittelstück  als  einem  Kern  zukommenden  Centrosomen  hin- 
gegen mitsamt  ihrem  Archoplasma  liegen  stets  extranucleär,  wenig- 
stens in  der,  meiner  Ansicht  nach,  im  Nebenkörper  dauernd  sich  aus- 
drückenden Teilungsphase.  Mit  dieser  essentiellen  Differenz  dürfte 
sodann  u.  a.  das  Fehlen  der  Polplattenbildung  in  der  Mitose  des  Haupt- 
kernes zusammenhängen,  eine  Beziehung,  welcher,  soweit  ich  die  ein- 
schlägige Literatur  übersehe,  genereller  Charakter  zuzukommen  scheint. 
Dem  Grund  der  physiologischen  Verschiedenheit  der  beiden  Kerne 
nachzuspüren  wäre  entschieden  verfrüht  und  fruchtlos.  —  Was  ich 
mit  dem  schon  mehrfach  für  das  Mittelstück  angewandten  Ausdruck 
»stark  modifizierter  Kern«  meine,  bezieht  sich  zunächst  auf  die  be- 
deutende Größenreduktion  gegenüber  dem  Hauptkern  und  zweitens 
auf  eigentümliche  Umbildung  des  Kerninhaltes  zu  einer  granulierten 
Masse,    welche    durch    besonders   intensive    Färbung   namentlich    mit 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  33 


508  C.  Janicki, 

Delafields  Hämatoxylin  sich  auszeichnet,  aber  kein  Chromatin  ist. 
Ich  bin  mir  bewußt,  daß  namentlich  die  erstgenannte  Modifikation 
des  Kernes  —  welche  übrigens  bei  P.  eilhardi  nicht  so  weitgehend  zu 
sein  scheint,  wie  bei  den  parasitischen  Arten  —  eine  nähere  Begrün- 
dung erforderlich  machen  würde.  Doch  bietet  aber  die  Gattung  Para- 
moeba  in  ihrem  Nebenkörper  des  Aberrauten  und  Unvermittelten  genug, 
und  so  muß  auch  der  Versuch,  den  Bau  des  Nebenkörpers  aus  be- 
kannten Elementen  abzuleiten,  notgedrungen  mit  Vorgängen  rechnen, 
die  wir  eben  nicht  überall  antreffen. 

Zusammenfassend  läßt  sich  sagen,  daß  der  Nebenkörper  von 
Paramoeba  als  ein  im  Teilungszustand  zur  Dauerform  gewordener,  in 
der  Teilung  gewissermaßen  erstarrter  zweiter  Kern  aufzufassen  ist.  Ein 
sonst  vorübergehender,  auf  den  Kern  sowie  das  Archoplasma  mit  Cen- 
trosomen sich  beziehender  Zustand  ist  hier  gleichsam  zum  Dauerorgan 
der  Zelle  geworden.  Dieses  macht  nun  annähernd  in  dem  gleichen 
Rhythmus  mit  dem  Hauptkern,  aber  durchaus  unabhängig  von  dem- 
selben, die  einzelnen  Teilungsschritte  der  Zelle  durch;  dabei  wird  der 
Teilungsprozeß  am  zweiten  Kern  sozusagen  zu  Ende  geführt.  Der 
Teilungsprozeß  greift  aber  sofort  weiter  über  den  Ruhezustand  hinaus, 
bis  in  der  Metaphase  etwa  Stillstand  erreicht  wird.  Aus  der  Umkehrung 
des  Verhältnisses  zwischen  Teilungs-  und  Ruhezustand  ist  die  Natur 
des  Nebenkörpers  als  zweiten  Kernes  von  Paramoeba  zu  begreifen. 
Es  leuchtet  ein,  daß  ein  Kern  wohl  nur  in  seinem  Ruhezustand  den 
Zellfunktionen  eigentlich  dienlich  sein  kann.  Somit  wäre  der  Neben- 
körper als  ein  aus  dem  Betrieb  der  Zelle  ausgeschalteter  zweiter  Kern 
zu  betrachten.  Vielleicht  ist  als  einziges  Überbleibsel  seiner  einstigen 
normalen  Vitalität  eben  seine  Teilungsfähigkeit  zu  bezeichnen,  welche, 
trotz  der  enormen  Inkongruenz  der  einzelnen  Teilungsphasen,  im  End- 
resultat doch  kongruent  mit  derjenigen  des  Hauptkernes  sich  abspielt, 
wodurch  es  erreicht  wird,  daß  jeder  Tochterzelle  stets  je  ein  Kern 
und  je  ein  Nebenkörper  zukommen. 

Das  Gesagte  deutet  unzweifelhaft  auf  degenerativen  Charakter 
des  die  Grundlage  des  Nebenkörpers  abgebenden  zweiten  Kernes  hin. 
Mit  dieser  Auffassung  läßt  sich  die  früher  betonte  starke  Modifikation 
des  Kernes,  sowohl  was  seinen  Inhalt  als  auch  was  seine  Größe  anbe- 
trifft, gut  in  Einklang  bringen.  Selbstverständlich  werden  wohl  auch 
das  Archoplasma  und  Centrosomen  durch  den  Degenerationszustand 
nicht  unbeeinflußt  bleiben;  vielleicht  wäre  hier  die  —  abgesehen  von 
ihrer  Teilung  —  durchaus  anscheinend  passive  Rolle  der  Centrosomen 
zu  nennen.     Ja  der  einheitliche,  in  sich  abgeschlossene  Charakter  des 


Paramoebenstudien.  509 

ganzen  Nebenkörpers,  wie  sich  das  am  deutlichsten  im  Erstreben 
der  kleinsten  Berührungsfläche  zwischen  Plasma  und  Nebenkörper 
kundgibt,  dürfte  eben  mit  der  degenerativen  Ausschaltung  seiner 
sämtlichen  Bestandteile  von  dem  aktiven  Zellenleben  in  Zusammen- 
hang zu  bringen  sein:  die  mächtigen  Centrosomen  sind  niemals  im- 
stande eine  Strahlung  im  Plasma  zu  erzeugen,  wie  eine  solche  bei  Acan- 
thocijstis  z.  B.  offenbar  so  leicht  zu  beobachten  ist.  Möglicherweise 
freilich  wäre  in  letztgenannter  Hinsicht,  was  die  Aktivität  der  Centro- 
somen anbetrifft,  eine  Reserve  speziell  aus  Rücksicht  auf  das  Ver- 
halten des  Nebenkörpers  bei  der  Teilung  der  Schwärmer  von  P.  eühardi 
nach  Schaudinns  Darstellung  hier  anzubringen,  worauf  ich  noch 
zurückkommen  werde. 

Als  Degenerationszeichen  könnte  ferner  die  Erscheinung  verwertet 
werden,  daß  um  den  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera  stets  das  cha- 
rakteristische Pigment  sich  ablagert,  dessen  Natur  als  wertloses  Ex- 
cretionsprodukt  zum  mindesten  sehr  wahrscheinlich  ist.  —  Für  das 
Zusammenfallen  von  Pigmentbildung  und  Degeneration  sind  auch  bei 
Protozoen  zahlreiche  Beispiele  anzuführen;  ich  erinnere  nur  u.  a.  an 
Pigmentbildung  aus  Chromidien  bei  der  Degeneration  von  Actino- 
sphaerium  eichhorni  nach  R.  Hertwig.  Im  vorliegenden  Fall  sind 
freilich  die  Beziehungen  komplizierterer  Natur,  insofern  als  Paramoeba 
selbst,  als  Organismus,  nicht  entfernt  im  Degenerationszustande 
sich  befindet;  nur  ein  Organeil  der  Zelle  ist  eben  in  Entartung  be- 
griffen. 

Für  den  von  Schaudinn  ausdrücklich  provisorisch  geschaffenen 
und  allzu  indifferenten  Namen  »Nebenkörper«  schlage  ich  auf  Grund 
meiner  Untersuchungen  vor,  den  Ausdruck  Nucleus  secundus  zu 
gebrauchen.  Zwar  bildet  der  zweite  Kern  im  strengen  Sinne  nur  einen 
Teil  des  »Nebenkörpers«  aus;  doch  sind  ja  die  Archoplasmakappen 
in  überaus  feste  Verbindung  mit  dem  eigentlichen  Kern  getreten  und 
Sinn  hat  die  gesamte  Einrichtung  nur  insofern,  als  sie  auf  die  Teilung 
eines  Kernes  sich  bezieht,  alles  Gründe,  die  wohl  für  die  Einbürgerung 
des  neuen  Namens  sprechen  dürften.  Unbestimmt  bleibt  der  Name 
immer  noch,  und  das  muß  er  auch  sein;  es  ist  aber  doch  bereits  das 
Wesentliche  dieses  eigentümlichen  Organeiis  im  neuen  Namen  hervor- 
gehoben, gegenüber  dem  »Nebenkörper«,  unter  welchen  Begriff  man 
alles  Mögliche  subsumieren  kann.  Außerdem  entspricht  der  Name 
der  schon  längst  eingewurzelten,  wenn  auch  im  einzelnen  nicht  richtigen 
Auffassung,  welche  von  Schaudinn  selbst  begründet  worden  war.  — 
Im  Speziellen  ist  sodann  der  eunucleäre  Teil  (=  Mittelstück  Schau- 

33* 


510  C.  Janicki, 

dinns)  von  dem   archoplasmatischen  bzw.   perinucleären  Teil 
mit  Centrosomen  ( =  Seitenteile  Schaudinns)  zu  unterscheiden. 


Bevor  ich  die  allgemeinen  Betrachtungen  über  die  eigentümlichen 
Kernverhältnisse  von  Paramoeba  abschließe,  möchte  ich  selbst  die 
oben  vertretene  Auffassung  von  der  Zusammensetzung  des  Nebenkörpers 
bzw.  Nucleus  secundus  kritisch  beleuchten,  indem  auch  eine  andre 
Deutungsmöglichkeit  hier  zum  Worte  kommen  mag.  Die  Auseinander- 
setzung wird  sich  freilich  nur  in  engen  Grenzen  bewegen,  denn  an  der 
Natur  des  Nebenkörpers  als  zweiter  Kern  ist  schlechthin  nicht  zu 
zweifeln.  Hingegen  könnte  die  Ansicht  ausgesprochen  werden,  der 
gesamte  Nebenkörper  sei  auf  einen  Kern,  das  Mittelstück  auf  einen 
Binnenkörper  (Caryosom)  desselben  zurückzuführen;  die  Centrosomen 
lägen  als  dann  intranuclär  und  auf  diese  Weise  würde  sowohl,  was 
Konstitution  wie  auch  was  die  Größe  des  zweiten  Kernes  anbetrifft, 
weitgehende  Übereinstimmung  mit  dem  Hauptkern  vorliegen.  Es 
wäre  in  diesem  Fall  eine  gewisse  Analogie  zu  den  Vorgängen  im  Kern 
von  Amoeben  des  Limax-Typus  zu  konstatieren,  ganz  besondere  Über- 
einstimmung ließe  sich  aber  mit  dem  von  Goldschmidt  auf  Taf .  VII, 
Fig.  34  (17),  für  Mastigella  vitrea  abgebildeten  Stadium  am  Beginn 
der  vegetativen  Teilung  erblicken.  Dieser  anscheinend  sehr  plausiblen 
und  namentlich  bei  Betrachtung  von  Delafields  Hämatoxylinpräpa- 
raten  sich  zunächst  bietenden  Deutung  stehen  schwerwiegende  Gründe 
gegenüber.  Erstens,  das  Vorhandensein  einer  eignen  Membran  am 
Mittelstück  und  Differenzierung  von  polplattenartigen  Gebilden,  Eigen- 
schaften, welche  einem  Binnenkörper  bzw.  Caryosom  nicht  zukommen. 
Zweitens,  die  Existenz  von,  allerdings  nur  selten  nachweisbaren,  Chro- 
mosomen im  Mittelstück.  Drittens,  die  Übereinstimmung,  welche  mit 
der  Zusammensetzung  des  Nucleus  secundus  im  Gametenzustand  sich 
ergibt:  die  Centriolen  sind  hier  extranucleär1.  —  Es  ließe  sich  hier  viel- 
leicht dennoch  an  sogenannte  Kerne  mit  kernähnlichem  Binnenkörper 
(Doflein)  denken,  wie  ein  solcher  z.  B.  in  Schaudinns  Amoeba  cry- 
stalligera  vorliegt;  Schaudinns  Nucleolus  würde  dem  Mittelstück 
entsprechen,  das  Fehlen  einer  echten  Kernmembran  sowie  die  periphere 
Chromatinschicht  wären  mit  respektiven  Eigenschaften  am  Neben- 
körper  zu   parallelisieren ;   namentlich   die  Fig.  116   Schaudinns   (45, 


1  Ich  verweise  außerdem  auf  den  hohen  Grad  von  Selbständigkeit,  den 
die  Centrosomen  während  der  Teilung  des  Nebenkörpers  unter  Umständen  be- 
kunden (vgl.  Textfig.  4,  S.  480);  dieselben  als  intranucleäre  Gebilde  aufzufassen, 
würde  mir  schwer  fallen. 


Paramoebenstudien.  511 

S.  1032)  käme  beim  Vergleich  in  Betracht.  Ich  muß  gestehen,  daß 
trotz  einer  gewissen  nicht  zu  leugnenden  Ähnlichkeit  die  früher  ge- 
schilderten Beziehungen  zu  Actinosphaerium,  Am.  binucleata  und 
Noctiluca  mir  natürlicher  und  bindender  erscheinen;  die  Überein- 
stimmung mit  den  zuletzt  genannten  Fällen  spricht  sich  mehr  in  wesent- 
lichen Punkten  der  Organisation  aus.  Dem  Einwand,  durch  die  von 
mir  gegebene  Erklärung  werde  den  beiden  Kernen  von  Paramoeba 
je  ein  eigner  Teilungsmodus  zugeschrieben,  während  übereinstimmendes 
Verhalten  in  dieser  Hinsicht  doch  das  wahrscheinlichere  wäre,  kann 
ich  erstens  durch  den  Hinweis  begegnen,  daß  auch  bei  der  zuletzt  als 
möglich  gestreiften  Deutimgsweise  die  Verschiedenheit  in  der  Art 
der  Teilung  der  beiden  Kerne  bestehen  bleibt,  und  daß  zweitens  dem 
Hauptkern  selbst  im  Amoeben-  bzw.  Gametenzustand  verschiedene 
Konstitution  und  abweichender  Teilungsverlauf  zukommen.  —  Alle 
die  hier  angeführten  Gründe  bestimmen  mich  an  der  von  mir  oben 
vertretenen  Auffassung  festzuhalten. 

Bemerken  möchte  ich  noch,  daß  auch  im  Fall,  wenn  die  hier  ver- 
worfene Anschauung  richtig  sein  sollte,  die  Grundlage  meiner  Er- 
klärung betreffend  die  Natur  des  Nebenkörpers  dennoch  richtig 
bleibt:  in  diesem  Zellorgan  bleibt  immer  ein  Kernteilungszustand 
verkörpert. 

Die  oben  zitierte  Deutung  Chattons  von  der  caryosomalen  Natur 
des  Nebenkörpers  läßt  sich  mit  den  tatsächlichen  Verhältnissen  in 
keiner  Weise  vereinbaren.  Namentlich  die  Meinung  Chattons  be- 
züglich des  Nebenkörpers:  »II  ne  constitue  en  aucune  facon  un  second 
noyau  complet.  II  n'en  a  pas  la  structure  .  .  . «  (5,  S.  318),  steht  mit 
meinen  Resultaten  im  Widerspruch. 


Es  sei  mir  zum  Schluß  gestattet  von  dem  neugewonnenen  Stand- 
punkt aus  auf  die  bekannte  Verwertung  der  Kernverhältnisse  von 
P.  eilhardi  für  theoretische  Spekulationen  über  die  Genese  des  Centro- 
soms  einen  Rückblick  zu  tun.  Ich  kann  mich  allerdings  kurz  fassen, 
hatten  doch  meine  Untersuchungen  in  klarer  Weise  ergeben,  daß  der 
»Nebenkörper«  bereits  einem  Kern  +  Centrosoma  entspricht,  zum 
mindesten  ist  hier  auf  jeden  Fall  —  allgemein  gesprochen  —  die  loco- 
motorisch-generative  Komponente  neben  dem  Kern  (oder  wenn  man 
will  im  Kern)  bereits  vorhanden.  Der  Hauptkern  ist  seinerseits  mit 
einem,  wenn  auch  stark  reduzierten  Centralorgan  versehen,  und 
demgemäß  teilen  sich  die  beiden  Kerne  bei  P.  pigmentifera  sowohl  im 
Amoeben-     wie     im     Gametenzustand     durchaus     unabhängig     von- 


512  C.  Janicki, 

einander1.  Der  Anfang  einer  Centrosomendifferenzierung  kann  folglich 
bei  Paramoeba  nicht  gesucht  werden :  die  Differenzierung  ist  schon  in 
vollem  Maße  da . 

Es  bietet  sich  aber  die  Frage:  wie  sind  meine  Resultate  mit  den 
Befunden  Schaudinns  bezüglich  der  Rolle,  welche  der  Nebenkörper 
bei  der  Teilung  der  Schwärmer  von  P.  eilhardi  spielt,  in  Einklang  zu 
bringen?  Abgesehen  von  dem  von  mancher  Seite  nicht  ohne  Be- 
gründung gehegten  Verdacht,  Schaudinn  hätte  zwei  verschiedene 
Formen  zu  einem  Cyclus  kombiniert  und  es  lägen  andre,  durchaus 
nicht  vergleichbare  Verhältnisse  vor,  will  ich  auf  einige  Tatsachen 
hinweisen,  welche  recht  gut  zur  Erklärung  des  in  der  Flagellaten- 
generation  durch  Schaudinn  festgestellten  Sachverhalts  verwendet 
werden  können.  Zunächst  ist  es  die  Beteiligung  des  Blepharoplasten 
an  dem  Teilungsprozeß  des  Hauptkernes  bei  einer  Trypanosomenspecies 
nach  Fr  an  ca  und  Athias.  Leider  ist  mir  die  Originalarbeit  dieser 
Forscher  nicht  zugänglich  und  bin  ich  an  eine  kurze  Darstellung  der 
diesbezüglichen  Vorgänge  durch  Hartmann  angewiesen.  Nach  der 
Schilderung,  daß  »beim  Hauptkern  die  trophische  Komponente  stärker 
ausgebildet  ist  im  Gegensatz  zu  der  locomotorischen,  beim  Kineto- 
nucleus  umgekehrt«  (22,  S.  21),  sagt  dieser  Autor  weiter:  »Das  kann 
soweit  gehen,  daß  letzterer  z.  B.  bei  Trypanosoma  rotatorium  nach 
Franca  und  Athias  die  Rolle  der  locomotorischen  Komponente  für 
den  Hauptkern  übernimmt,  indem  er  als  Centrosom  die  Pole  der  Haupt- 
kernspindel einnimmt.«  Über  ähnliche  Vorgänge  berichtet  Rosen- 
busch in  gewissen  Fällen  bei  Haemoproteus-  und  Trypanosoms  lewisi- 
Kulturen,  »in  denen  während  der  Spindelbildung  des  Caryosoms  die 
Blepharoplastkerne  auseinandergehen  und  sich  in  der  Nähe  der  Pole 
des  Hauptkernes  lagern«  (44,  S.  290).  Ferner  wäre  hier  die  höchst 
interessante  Erscheinung  anzuführen,  daß  in  der  Befruchtung  nach 
Boveri  das  Centrosom  des  Spermakernes  die  Teilung  des  Eikernes 
auch  in  dem  Fall  dirigiert,  wenn  der  Spermakern  selbst  gelähmt  wird. 
Wir  haben  hier  also  ein  Übergreifen  der  Wirkung  des  Centrosomas 
auf  einen  fremden  Kern,  was  ja  auch  sonst  bei  gewissen  pathologischen 
Zuständen  in  der  Zelle  vorkommt.  Die  geschilderten  Vorgänge  recht- 
fertigen vielleicht  die  Vermutung,  daß  bei  den  Schwärmern  von  P. 
eilhardi  der  zweite  Kern  mit  seinem  Centrosom  dirigierend  auf  den 


1  Der  Nachweis  der  Centralorgane  am  Hauptkern  sowohl  wie  am  Neben- 
körper mag  übrigens  u.  a.  als  Beleg  dazu  dienen,  daß  Gläser  (15)  in  seiner 
Kritik  der  Centriolenfrage  bei  Protozoen  nicht  immer  das  Richtige  getroffen 
hatte. 


Paramoebenstudien.  513 

Hauptkern  übergreifen  kann;  im  Einzelnen  ist  dieser  ScHAUDiNNsche 
Kernteilungsmodus  viel  zu  wenig  bekannt,  als  daß  er  eingehender 
diskutiert  werden  könnte. 

Damit  dürfte  der  weitverbreiteten  Homologisierung  des  Centro- 
somas  mit  dem  Nebenkörper  von  Paramoeba  endgültig  der  Boden 
entzogen  werden.  Als  irrtümlich  betrachte  ich  ferner  die  Homologie 
des  Centralkornes  der  Heliozoen  mit  dem  Paramoe&a-Nebenkörper, 
an  welcher  Homologie  Hartmann  bis  zuletzt  festhält  (22).  Das  Central- 
korn  von  Acanthocystis  kann  nur  mit  den  Centrosomen  des  Neben- 
körpers homologisiert  werden,  nicht  mit  dem  Nebenkörper  als  Ganzes; 
folglich  ist  Acanthocystis  einkernig.  In  dieser  Hinsicht  schließe  ich 
mich  vollkommen  der  Meinung  Chattons  an,  welcher  die  Doppel- 
kernigkeit von  Acanthocystis  leugnet  (5,  S.  319).  Das  Gleiche  gilt  ent- 
schieden für  das  Centralkorn  von  Wagnerella  borealis,  wie  es  namentlich 
der  Verlauf  von  Knospungsteilungen  nach  M.  Zuelzer  zeigt.  Meiner 
Ansicht  nach  geht  Hartmann  viel  zu  weit,  wenn  er,  um  die  Kern- 
natur des  Centralkornes  aufrecht  zu  erhalten,  in  der  willkürlichen  An- 
nahme, die  trophisch-generative  Komponente  sei  hier  vollkommen 
rückgebildet  (22,  S.  23),  Begründung  sucht.  R.  Hertwig,  der  über 
einen  ähnlichen  Fall  bei  Actinosphaerium  zu  urteilen  gehabt  hatte, 
ist  zu  folgender  Schlußfolgerung  gelangt:  »Man  könnte  ja  die  Bildung 
des  Centrosoma  bei  der  Richtungscaryokinese  dieses  Rhizopoden  als 
eine  Kernknospung  deuten  und  sie  so  dem  von  Bütschli,  Schaudinn 
und  Lauterborn  aufgestellten  Schema  unterordnen.  Indessen  wäre 
das  ein  Spiel  mit  Worten.  Keinesfalls  entsteht  zurzeit  ein  echter 
Kern,  der  alle  Funktionen  eines  Zellkernes  zu  leisten  vermöchte«  (26, 
S.  705).  —  Wenn  man  Acanthocystis  zwei  differente  Kerne  zuschreiben 
will,  so  muß  man  bei  Paramoeba  deren  drei  anerkennen. 

Die  Gattung  Paramoeba  ist  somit  nicht  geeignet  über  die  Genese 
des  Centrosoms  Aufschluß  zu  erteilen.  Wir  stehen  hier  keineswegs 
den  erwarteten  primitiven  Verhältnissen  gegenüber;  der  Kernbestand 
von  Paramoeba  bildet  einen  besonders  specialisierten,  anscheinend  ganz 
isoliert  bleibenden  und  kaum  als  Stammform  verwertbaren  Fall,  an 
dessen  Zustandekommen  Degenerationsprozesse  entschieden  wohl  mit- 
gespielt haben. 

Wie  etwa  der  eigentümliche  Paramoe&a-Zustand  mag  erreicht 
gewesen  sein  —  ob  im  Anschluß  an  Am.  binucleata  Gruber,  wie  Schau- 
dinn es  selbst  vermutet  hatte,  ob  in  einiger  Parallele  zu  der  merk- 
würdigen Bildung  von  überzähligen  Kernen  bei  Entamoeba  blattae, 
welche  nach   Grassis  und   meinen  Beobachtungen  aus  dem   Plasma 


514  C.  Janicki, 

ausgestoßen  werden  und  eine  Zeitlang  anscheinend  selbständig  exi- 
stieren, ob  schließlich  etwa  durch  Vorgänge  veranlaßt,  welche  den 
weitgehenden  Umwälzungen  im  Kernbestand  von  Actinosphaerium 
nach  R.  Hertwigs  Untersuchungen  im  normalen  wie  im  pathologischen 
Zustand  sich  zur  Seite  stellen  ließen  —  darüber  ein  Urteil  abzugeben, 
liegen  heute  noch  viel  zu  wenig  tatsächliche  Grundlagen  vor. 

Basel,  im  April  1912. 


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48.  —  Über  die  Copulation  von  Actinophrys  sol.     Ibid. 

49.  —  Über  das  Centralkorn  der  Heliozoen,  ein  Beitrag  zur  Centrosomenfrage. 

Verb.,  deutsch.  Zool.  Ges.     1896. 

50.  —  Untersuchungen    über    den    Generationswechsel     von    Trichosphaerium 

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Arch.  f.  Protist.     Bd.  XVIV.     1909. 


Erklärung  der  Abbildungen, 

Tafel  VI. 

Fig.  1  a,  1  b.     P.  pigmentifera,  nach  dem  Leben.     Vergr.  etwa  1300. 

Fig.  2.     P.  chaetognathi,  nach  dem  Leben.     Vergr.  etwa  1300. 

Fig.  3a,  b,  c.  P.  pigmentifera.  b,  Vorbereitung  zur  Teilung;  c,  Stabform, 
ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delaeields  Hämatoxylin.     Vergr.  1800. 

Fig.  4.  P.  pigmentifera.  Im  Plasma  eine  aufgefressene  männliche  Keim- 
zelle von   Sagitta.     Pikrinessigsäure,  Boraxcarmin.     Vergr.  1800. 

Fig.  5.  P.  chaetognathi.  Conglomeratenbildung  im  Plasma.  HERMANNsche 
Lösung,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  2700. 

Fig.  6.  P.  chaetognathi.  Kleinere  Form  mit  dichtem  Plasma  in  stark  ge- 
strecktem Zustand.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Eisenhämatoxylin ,  Eosin.  Vergr. 
2700. 

Fig.  7.  P.  chaetognathi.  Kleinere  Form  mit  extremer  Entwicklung  der 
»metachromatischen  Körperchen«.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delaeields  Häma- 
toxylin.    Vergr.  2700. 


Paramoebenstudien.  517 

Fig.  8.  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera.  HermannscIic  Lösung  (1  Stunde). 
Vergr.  2700. 

Fig.  9.  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Eisen- 
hämatoxylin,  Eosin.     Vergr.  2700. 

Fig.  10«,  b.  Nebenkörper  von  P.  chaetognathi.  Schwach  schematisiert. 
HERMANNsche  Lösung,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  etwa  3500. 

Tafel  VII. 

Fig.  IIa,  b.  Nebenkörper  von  P.  chaetognathi.  ScHAUDiNNsche  Lösung, 
Eisenhämatoxylin,  Eosin.     Vergr.  2700. 

Fig.  12.  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera,  mit  starker  Centrosomenver- 
mehrung. Mittelstück  undeutlich.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delafields  Häma- 
toxylin.     Vergr.  2700. 

Fig.  13.  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera.  Centrodesmose.  Pikiünessig- 
säure,  Boraxkarmin.     Vergr.  2700. 

Fig.  14  a.  Nebenkörper  von  P.  pigmentifera.  Centrodesmose.  ScHAUDiNN- 
sche Lösung,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  2700. 

Fig.  14  6.  P.  pigmentifera.  Centrodesmose  im  Nebenkörper.  Zerfall  des 
Binnenkörpers  im  Hauptkern.  ScHAUDiNNsche  Lösung.  Eisenhämatoxylin,  Eosin. 
Vergr.  2700. 

Fig.  15.  P.  pigmentifera.  Prophase  der  Kernteilung.  ScHAUDiNNsche 
Lösung,  Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  1800. 

Fig.  16  u.  17.  P.  pigmentifera.  Metaphasen  der  Kernteilung.  ScHAUDiNN- 
sche Lösung,  Delafields  Hämatoxylin.  Fig.  16  Vergr.  2000,  Fig.  17,  Vergr. 
1800. 

Fig.  18a,  o,  c.  P.  chaetognathi.  Metaphasen  der  Kernteilung,  a,  b,  ScHAU- 
DiNNsche Lösung,  Delafields  Hämatoxylin;  c,  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Eisen- 
hämatoxylin.    Vergr.  3650. 

Fig.  19.  P.  pigmentifera.  Anaphase  der  Kernteilung.  ScHAUDiNNsche 
Lösung,  Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  2700. 

Tafel  VIII. 

Fig.  20  a,  b.  P.  chaetognathi.  Anaphasen  der  Kernteilung,  o,  Pikrinessig- 
säure,  Boraxcarmin;  a,  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Alauncarmin.  Fig.  a,  Vergr.  3650, 
b,  Vergr.  2700. 

Fig.  21.  P.  chaetognathi.  Fortgeschrittene  Anaphase  der  Kernteilung. 
ScHAUDiNNsche  Lösung,  Eisenhämatoxylin,  Eosin.     Vergr.  3650. 

Fig.  22.  Das  gleiche.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delafields  Hämatoxylin. 
Vergr.  2700. 

Fig.  23.  P.  pigmentifera.  Telophase  der  Kernteilung.  Pikrinessigsäure, 
Boraxcarmin.     Vergr.  1800. 

Fig.  24.  Das  gleiche.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delafields  Hämatoxylin. 
Vergr.  1800. 

Fig.  25.  P.  chaetognathi.  Telophase  der  Kernteilung.  ScHAUDiNNsche  Lö- 
sung, Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  2700. 

Fig.  26.  P.  pigmentifera.  Telophase.  ScHAUDiNNsche  Lösung.  Delafields 
Hämatoxylin.     Vergr.  1801». 


518  C.  Janicki,  Paramoebenstudien. 

Fig.  27.  P.  pigmentifera.  Abschluß  der  Kernrekonstruktion.  Schatjdinn- 
sche  Lösung,  Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  1800. 

Fig.  28  a — h.  Gameten  von  P.  pigmentifera.  a,  c,  d,  f,  g,  h,  ScHAUDiNNsche 
Lösung,  Delafields  Hämatoxylin ;  e,  mit  Eosin;  b,  Pikrinessigsäure,  Borax- 
earmin.     (Die  Geißel  nur  selten  färbbar.)     Vergr.  3650. 

Tafel  IX. 
Sämtliche  Figuren  beziehen  sich  auf  P.  pigmentifera. 

Fig.  29  a — d.  Gameten  mit  verschiedener  Ausbildung  von  Spindeln  bzw. 
Centriolen.     Fig.  a,  Vergr.  4300,  die  übrigen  3650. 

Fig.  30  a — i.  Teilung  von  Gameten.  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delafields 
Hämatoxylin.     Vergr.  3650. 

Fig.  31  a,  b.  Bildung  von  Reduktionskernen.  ScHAUDiNNsche  Lösung, 
Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  3650. 

Fig.  32.  Copulation  von  Gameten  (?).  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Dela- 
fields Hämatoxylin.     Vergr.  3650. 

Fig.  33.  P.  pigmentifera.  Zerfall  des  Binnenkörpers  im  Kern.  (Als  Vor- 
stufe der  Gametenbildung?)  ScHAUDiNNsche  Lösung,  Eisenhämatoxylin.  Vergr. 
2700. 

Fig.  34.  Fragment  einer  dichten  Anhäufung  von  Gameten.  Geißel  nicht 
gefärbt.     ScHAUDiNNsche  Lösung,  Delafields  Hämatoxylin.     Vergr.  2700. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten. 
tll.  Die  Embryonalentwicklung  von  Isotoma  cinerea  Nie. 

Von 

Jur.  Philiptschenko 

(St.  Petersburg). 
Mit  Tafel  X— XIV. 

Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

Einführung 519 

I.  Historischer  Überblick  der  Literatur  über  Apterygotenembryologie  .   520 
II.  Die  erwachsene  Form.     Material  und  Untersuchungsmethoden   .    .   526 

III.  Erste  Entwicklungsperiode.  —  Furchung,  Bildung  des  Blastoclerms 

und  der  Dotterzellen,  Auftreten  der  Genitalanlage 528 

IV.  Zweite  Entwicklungsperiode.   —  Bildung  des   unteren   Blattes,   des 

Dorsalorgans  und  der  embryonalen  Hüllen 536 

V.  Dritte  Entwicklungsperiode.  —  Anlage  und  Differenzierung  des  Keim- 
streifens, Umrollung  des  Embryos 550 

VI.  Vierte  Entwicklungsperiode.  —  Entwicklung  der  Körpergestalt  und 

Organogenese 575 

VII.  Allgemeiner  Teil 617 

.  1.  Über  die  frühzeitige  Sonderung  der  Genitalanlage  bei  Insekten   .   617 

2.  Die  Bedeutung  der  Dotterzellen  bei  Arthropoden 624 

3.  Die  Keimblätter  der  Insekten 630 

4.  Über  das  Dorsalorgan  und  die  Embryonalhüllen  der  Insekten  .    .    638 

5.  Apterygoten  und  Diplopoden 646 


Im  Sommer  1904,  während  meines  Aufenthaltes  auf  der  biolo- 
gischen Süßwasserstation  der  Kais.  Naturforscher-Gesellschaft  zu 
St.  Petersburg  in  Bologoje  (Gouv.  Novgorod),  hatte  ich  Gelegenheit 
ein  reiches  Material  über  die  Entwicklung  eines  Vertreters  der  Col- 
lembolen  —  Isotoma  cinerea  Nie.  —  zu  sammeln. 

Verschiedene  Ursachen  hatten  mich  lange  Zeit  daran  verhindert 
mit  der  Bearbeitung  dieses  Materials  zu  beginnen,  trotz  des  bedeuten- 
den Interesses,  welches  die  Embryologie  der  Apterygota  auch  heute 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  15d.  34 


520  Jur.  Philiptschenko, 

noch  bietet.  Erst  im  Jahre  1910  fand  ich  die  nötige  Zeit  für  diese 
Untersuchungen,  deren  Ergebnisse  in  nachstehender  Arbeit  niedergelegt 
sind.  Einen  großen  Teil  meiner  Untersuchungen  habe  ich  in  dem 
Laboratorium  des  Zootomischen  Instituts  der  St.  Petersburger  Uni- 
versität im  Herbstsemester  des  Jahres  1910  und  im  Frühlingssemester 
des  Jahres  1911  ausgeführt,  während  ich  dieselben  im  Münchener 
Zoologischen  Institut  im  Sommer  und  Winter  des  Jahres  1911  zu  Ende 
geführt  habe.  Ich  benütze  die  Gelegenheit,  den  Leitern  dieser  beiden 
Institute,  den  Herren  Professoren  W.  Schewiakoff  und  R.  Hertwig 
auch  hier  meinen  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen  für  das  ent- 
gegenkommende Verhalten  und  das  Interesse  an  meiner  Arbeit,  welches 
sie  während  meiner  an  den  genannten  Instituten  angestellten  Unter- 
suchungen stets  an  den  Tag  gelegt  haben. 

I.  Historischer  Überblick  der  Literatur  über  die  Embryologie  der 

Apterygoten. 

Wenn  auch  viele,  die  Embryonalentwicklung  der  niederen  Insekten 
betreffenden  Fragen  noch  zu  wenig  gründlich  untersucht  worden  sind, 
besitzen  wir  doch  viele  Arbeiten  über  die  Embryologie  der  Apterygoten. 

Was  die  Collembolen  betrifft,  so  finden  sich  die  ersten  Angaben 
über  ihre  Entwicklung  in  der  einstmals  als  klassisch  geltenden  Mono- 
graphie von  Nicolet,  welche  schon  im  Jahre  1842  erschien.  Dieser 
Autor  beschreibt  das  Äußere  der  Eier,  den  Bau  des  Eies  im  Ovar  und 
nach  der  Ablage,  gewisse  Erscheinungen  während  der  Entwicklung  des 
Eies,  sowie  den  Bau  der  bereits  ausgebildeten  Embryonen,  alles  durch 
eine  Tafel  von  Abbildungen  verdeutlicht.  Die  Angaben  von  Nicolet 
entbehren  heute  jeglicher  Bedeutung,  allein  für  uns  ist  es  von  be- 
sonderem Interesse,  daß  seine  Beobachtungen  hauptsächlich  an  Eiern 
und  Embryonen  derselben  Art,  Isotoma  cinerea,  ausgeführt  wurden, 
welche  auch  von  uns  in  dieser  Hinsicht  untersucht  worden  ist:  die 
Abbildungen  3 — 15  seiner  ersten  Tafel  beziehen  sich  gerade  auf  diese 
Form.  1871  beschrieb  Packard  die  Entwicklung  einer  amerikanischen 
Art  der  gleichen  Gattung,  welche  er  Isotoma  walJcerii  benannte.  Es 
gelang  ihm,  die  Bildung  des  Keimstreifens,  dessen  Segmentation,  sowie 
die  weitere  Differenzierung  des  Embryos  zu  studieren;  ebenso  konnte 
er  das  Fehlen  von  zelligen  Embryonalhüllen,  sowie  die  paarige  Anlage 
der  Springgabel  (Furca)  konstatieren.  In  der  Entwicklung  von  Isotoma 
erblickt  Packard  eine  gewisse  Analogie  mit  der  Entwicklung  der 
Phryganiden. 

Fast  gleichzeitig  mit  der  Arbeit  Packards  erschien  die  vorläufige 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  521 

Mitteilung  und  darauf  auch  die  ausführliche  Arbeit  von  Uljanin 
»Beobachtungen  über  die  Entwicklung  der  Poduriden«  (1875).  Dieser 
Autor  untersuchte  vier  Arten:  zwei  Arten  der  Gattung  Entomöbrya 
(■»Degeeria«),  Neanura  muscorum  (»Achorutes  tuberculatus «)  und  eine 
Art  der  Gattung  Orychiurus,  wahrscheinlich  0.  ambulans  (»Anuro- 
phorus fimetarius«).  Durch  Uljanin  wurde  zuerst  die  eigenartige 
totale  Furchung  der  Collemboleneier  beschrieben,  ferner  die  Bildung 
zweier  Embryonalhüllen  unter  dem  Chorion,  die  Anlage  des  Dorsal- 
organs, die  Differenzierung  der  Keimblätter,  endlich  die  Entwicklung 
des  Keimstreifens  und  der  Extremitäten,  darunter  auch  diejenige  der 
ihnen  homodynamen  Springgabel  und  des  Tubus  ventralis.  In  der 
Entwicklung  der  Poduriden  erblickt  Uljanin  am  meisten  Überein- 
stimmung mit  derjenigen  der  niederen  Crustaceen  und  Myriapoden, 
was  unter  anderm  auch  in  der  Entwicklung  des  Mitteldarmes  zutage 
tritt.  Überhaupt  muß  hervorgehoben  werden,  daß  diese  Arbeit  durch 
außerordentliche  Gründlichkeit  und  durch  Genauigkeit  der  Beobach- 
tungen ausgezeichnet  ist,  so  daß  die  Angaben  von  Uljanin  auch  heute 
noch   in   Betracht   zu   ziehen   sind.  , 

Die  im  Jahre  1879  erschienene  Arbeit  von  Barrois  ist  mir 
unbekannt  geblieben.  Vier  Jahre  darauf  veröffentlichte  Lemoine 
(1883)  seine  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  von  Anurophorus 
laricis  und  Sminthurus  fuscus.  Das  größte  Interesse  bietet  hierin  die 
ausführliche  Beschreibung  der  Veränderungen  in  der  äußeren  Gestalt 
des  Embryos  von  Tag  zu  Tag,  welche  von  zahlreichen  Abbildungen 
begleitet  ist.  Diese  Beobachtungen  unterscheiden  sich  in  vielen  Hin- 
sichten von  den  Angaben  von  Uljanin:  bei  Sminthurus  ist  die  Fur- 
chung eine  totale  (aber  inäquale),  bei  Anurophorus  dagegen  verläuft 
die  Bildung  des  Blastoderms  nach  dem  bei  den  Insekten  üblichen 
Typus  und  die  totale  Furchung  erfolgt  sekundär;  dem  Amnion  und 
der  Serosa  der  höheren  Insekten  entspricht  die  ebenfalls  zellige  mem- 
brane  amniotique;  der  Tubus  ventralis  entsteht  unabhängig  von  den 
Extremitäten. 

Im  Jahre  1886  erschien  ein  kurzer  Aufsatz  von  Ryder  über  die 
Entwicklung  von  Anurida  maritima,  welche  späterhin  von  Claypole 
und  Folsom  ausführlicher  untersucht  wurde.  Die  Entwicklung  der 
gleichen  Form  behandelt  Wheeler  auf  wenigen  Seiten  seiner  um- 
fangreichen Arbeit  "Contribution  to  insect  embryology"  (1893).  Dieser 
Autor  beschäftigt  sich  übrigens  nur  mit  dem  Bau  des  Dorsalorgans 
bei  den  Embryonen  von  Anurida,  wobei  er  dieses  Organ  mit  dem 
eigenartigen  Indusium  bei  Xiphidium  homologisiert  und  auf  das  Vor- 

34* 


522  Jur.   Philiptschenko, 

handensein  eines  Paares  von  rudimentären  Anhängen  des  Intercalar- 
segmentes  bei  den  genannten  Embryonen  hinweist. 

Ebenso  unvollständig  sind  auch  die  Angaben  über  die  Entwick- 
lung der  Collembola  in  der  vorläufigen  Mitteilung  von  Heymons 
über  die  embryonale  Entwicklung  von  Lepisma  (1896b).  Dieser  Autor 
bestätigt  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  an  Orchesella  rafescens  die 
Abwesenheit  zelliger  Embryonalhüllen  und  das  Vorhandensein  eines 
Dorsalorgans  bei  den  Collembolen  und  gibt  an,  daß  die  Furchung  bei 
Tetrodontophora  gigas  eine  superfizielle  ist. 

Im  Jahre  1897  erschienen  zwei  vorläufige  Mitteilungen  von  Uzel, 
denen  im  Jahre  1898  die  umfangreiche  Arbeit  dieses  Autors  über  die 
Entwicklung  der  Apterygoten  folgte,  in  der  zwar  die  Entwicklung  von 
Campodea  am  eingehendsten  behandelt  ist,  allein  auch  von  den  Collem- 
bolen Achorutes  armatus  und  zwei  Arten  der  Gattung  Tomocerus  ( »Ma- 
crotoma«) —  insbesondere  T.  vulgaris  —  untersucht  werden.  Uzel 
beschreibt  die  Eifurchung  und  die  Differenzierung  der  Keimblätter 
(im  allgemeinen  übereinstimmend  mit  Uljanin),  die  Anlage  des  Dorsal- 
organs und  des  Keimstreifens,  dessen  allmähliche  Differenzierung  in 
die  einzelnen  Segmente,  wie  auch  die  Embryonalhüllen  und  die  Ver- 
änderungen in  der  allgemeinen  Lage  des  Embryos. 

Im  Jahre  1898  erschien  auch  die  Arbeit  von  Miss  Claypole,  welche 
die  Oogenese  und  Entwicklung  von  Anurida  maritima  behandelt,  einer 
an  den  Ufern  des  Atlantischen  Ozeans  überaus  zahlreich  vorkommenden 
kleinen  Collembole.  Miss  Claypole  wandte  schon  die  Schnittmethode 
an,  so  daß  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  von  besonderem 
Interesse  sind  und  wir  häufig  auf  dieselben  zurückkommen  werden 
müssen.  Es  genügt  hier  darauf  hinzuweisen,  daß  von  Miß  Claypole 
hauptsächlich  die  ersten  Stadien  der  Entwicklung  ausführlich  unter- 
sucht wurden,  und  zwar  die  Furchung,  die  Bildung  der  Keimblätter, 
die  Anlage  des  Dorsalorgans  (»procephalic  organ«)  und  der  blasto- 
dermalen  Hüllen;  die  Bildung  der  äußeren  Gestalt  des  Embryos  wird 
in  dieser  Arbeit  nur  in  ganz  allgemeinen  Zügen  beschrieben  und  aus 
der  Organogenese  ist  nur  die  Entwicklung  der  Genitalorgane  genauer 
untersucht  worden.  —  Gleichsam  eine  Ergänzung  dieser  Untersuchungen 
bildet  die  etwas  später  erschienene  Arbeit  von  Folsom  über  die  Ent- 
wicklung der  Mundwerkzeuge  derselben  Art,  A.  maritima  (1900),  wobei 
dieser  Autor  sowohl  die  Schnittmethode  wie  auch  die  Präparation  der 
Embryonen  mit  Nadeln  anwandte.  In  der  Entwicklung  des  Embryos 
unterscheidet  er  acht  Stadien,  auf  Grund  deren  er  denn  auch  die  Ent- 
wicklung eines  jeden  Paares  von  Mundgiiedmaßen,  der  Kopflappen, 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  523 

der  Antennen  und  der  übrigen  Teile  des  Kopfes  beschreibt.  Dies  alles 
wird  von  Folsom  bis  in  die  feinsten  Details  hinein  untersucht  und 
von  einer  Menge  Abbildungen  und  zahlreichen  Literaturhinweisen  be- 
gleitet, welche  sich  hauptsächlich  auf  die  Insekten,  aber  auch  auf 
andre  Arthropoden  beziehen.  Folsom  bestätigt  die  vor  ihm  schon 
von  Hansen  (1893)  ausgesprochene  Auffassung,  wonach  die  lateralen 
Teile  des  Hypopharynx  (die  Superlinguae)  gleich  den  ersten  Mund- 
werkzeugen differenzierte  Extremitäten  darstellen  und  ihr  eignes  Neu- 
romer  besitzen,  so  daß  der  Kopf  der  Insekten  einen  Protozonit 
mehr  enthält,  als  für  gewöhnlich  angenommen  wird.  Gegen  eine  solche 
Auffassung  hat  sich  Heymons  in  seinem  Referat  der  Arbeit  von  Folsom 
ausgesprochen1.  Dank  der  Arbeiten  von  Miss  Claypole  und  Folsom 
kann  Anurida  als  das  von  allen  Collembolen  in  embryologischer  Hinsicht 
am  besten  untersuchte  Objekt  gelten. 

Im  Jahre  1900  veröffentlichte  Pkowazek  seine  Beobachtungen 
über  die  Entwicklung  der  Eier  einer  Isotoma-Avt,  welche  er  nach  Lub- 
130CK  (wahrscheinlich  unrichtig)  als  /.  grisea  bestimmt  hatte.  Wie 
in  der  Beschreibung  des  anatomischen  Baues  dieser  Form,  so  auch 
in  den  Angaben  über  deren  Entwicklung  fällt  die  ungenügende  Bear- 
beitung des  untersuchten  Materials  in  die  Augen,  wobei  die  Entwick- 
lung augenscheinlich  nur  intra  vitam  studiert  wurde.  In  Anbetracht 
dieser  Umstände  bietet  diese  Arbeit  sehr  wenig  Neues  für  die  uns  be- 
schäftigende Frage  und  bleibt  in  dieser  Hinsicht  hinter  vielen  andern 
Arbeiten  zurück. 

Kürzlich  erschien  eine  vorläufige  Mitteilung  über  die  Entwicklung 
der  Mundwerkzeuge  bei  Tomocerus  plumbeus  von  Hoffmann  (1911), 
welcher  schon  vorher  drei  überaus  ausführliche  Arbeiten  über  den 
anatomischen  Bau  des  Kopfes  dieser  selben  Form  veröffentlicht  hatte 
(1904,  1905,  1908).  Für  uns  sind  seine  Angaben  von  ganz  besonderem 
Interesse,  da  Tomocerus  unsrer  Isotoma  viel  näher  steht  als  Anurida, 
indem  beide  Formen  ein  und  derselben  Familie  der  Entomobryidae 
angehören.  Es  muß  hier  bemerkt  werden,  daß  Hoffmann  die  Ent- 
stehung der  lateralen  Teile  des  Hypopharynx  (Paraglossae  nach  der 
Terminologie  dieses  Autors)  im  allgemeinen  mit  Folsom  überein- 
stimmend beschreibt  und  es  nicht  für  ausgeschlossen  hält,  daß  dieselben 
als  kieferartige  Bildungen  angesehen  werden  könnten,  indem  sie  auf 
einem  ziemlich  frühen  Entwicklungsstadium  in  Gestalt  zweier  Hügelchen 
zwischen  den  Mandibeln  ane;eleo;t  werden.  —  Schließlich  erschien  zu 


Zoolog.  Centralblatt,  8.    1900. 


524  Jur.  Philiptschenko, 

Beginn   dieses   Jahres   meine   vorläufige   Mitteilung   über  die  Unter- 
suchungen der  vorliegenden  Arbeit  (1912). 

Alle  Angaben  über  die  Entwicklung  der  andern  Gruppe  von  nie- 
deren Insekten,  der  sogenannten  Thysanuren1,  verdanken  wir  den 
Arbeiten  von  Uzel  und  Heymons. 

Es  liegt  allerdings  noch  eine  kleine  Mitteilung  von  Grassi  über 
die  Entwicklung  von  Japyx  vor,  welche  in  seiner  Monographie  von 
Japyx  und  Campodea  (1886)  zu  finden  ist,  allein  dieselbe  enthält  nur 
eine  kurze  Beschreibung  einiger  Embryonen,  welche  sich  dazu  noch 
auf  einem  ziemlich  späten  Stadium  der  Entwicklung  befanden. 

Wir  haben  bereits  oben  die  vorläufige  Mitteilung  zu  der  Arbeit 
von  Heymons  über  die  Embryologie  von  Lepisma  erwähnt,  welche 
im  Jahre  1897  erschienen  ist  (1897a).  Dank  dieser  inhaltsreichen  Arbeit 
ist  die  Embryologie  von  Lepisma  ausführlicher  bekannt  geworden, 
als  diejenige  irgendeines  andern  Vertreters  der  Apterygota;  wir 
werden  auch  späterhin  noch  oft  auf  dieselbe  zurückkommen  müssen. 
Zwischen  den  Collembola  und  Lepisma  besteht  in  vielen  Hinsichten 
ein  sehr  schroffer  Unterschied:  die  Furchimg  ist  bei  letzterem  eine 
superfizielle,  die  Keimscheibe  ist  sehr  klein  und  versinkt  sehr  bald 
m  den  Dotter,  wobei  sich  der  von  ihr  mitgezogene  Teil  der  das  Ei 
umhüllenden  Serosa  in  das  Amnion  verwandelt.  Durch  das  Vorhanden- 
sein dieser  zelligen  embryonalen  Hüllen  unterscheidet  sich  Lepisma 
demnach  sehr  scharf  von  den  Collembolen  und  Campodea.  Die  Diffe- 
renzierung des  Keimstreifens  und  des  Mesoderms,  wie  auch  die  Organo- 
genese verlaufen  bei  Lepisma  ziemlich  übereinstimmend  mit  der  der 
Orthop tera  genuina.  Der  Mitteldarm  dagegen  entwickelt  sich  hier 
nach  Heymons  nicht  durch  Hervorwachsen  aus  dem  Storno-  und 
Proctodäum,  wie  dies  nach  seinen  Beobachtungen  bei  den  Der  map  tera 
und  Orthoptera  der  Fall  ist,  sondern  aus  Dotterzellen,  d.h.  er  ist 
entodermalen  Ursprungs.  Auf  diese  Frage  kommt  Heymons  nochmals 
in  einer  Spezialarbeit  zurück,  welche  den  Darm  der  niederen  Insekten 
zum  Gegenstande' hat  (1897b)  und  er  gelangt  dabei  auf  Grund  seiner 
Untersuchungen  über  die  Verhältnisse  bei  jungen  Larven  von  Lepisma 
und  Campodea  zu  dem  Schlüsse,  daß  deren  Mitteldarm  im  Gegensatz 


1  Schon  mehrfach  ist  auf  das  Unnatürliche  dieser  Ordnung  hingewiesen 
worden,  in  welcher  sowohl  ectognathe,  als  auch  entognathe  Formen  enthalten 
•sind.  Ich  persönlich  würde  es  für  viel  zweckmäßiger  halten,  dieselbe,  wie  dies 
von  Börner  (1904)  geschehen  ist,  in  zwei  Ordnungen  einzuteilen,  die  D  i  p  1  u  r  a 
(Farn.  Projapygidae,  Campodeidae  und  Japygida  e)  und  die 
Thysanura  (Fam.  M  a  c  h  i  1  i  d  a  e  und  L  e  p  i  s  m  a  t  i  d  a  e). 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  525 

zu  allen  Pterygota  aus  Dotterzellen  hervorgeht,  wobei  an  der  Bil- 
dung des  Mitteldarmepithels  bei  Campodea  alle  Dotterzellen  teilnehmen, 
während  bei  Lepisma  ein  Teil  derselben  degeneriert  und  zerfällt.  — 
In  Anbetracht  der  Wichtigkeit  dieser  Frage  wollen  wir  später  etwas 
ausführlicher  auf  die  Angaben  von  Heymons  eingehen. 

Uzel  (1898)  untersuchte  hauptsächlich  die  Entwicklung  von 
Campodea,  während  alle  seine  Angaben  über  die  Entwicklung  von 
Lepisma  saccharina  im  Vergleich  mit  der  Arbeit  von  Heymons  nichts 
Neues  bieten.  Die  Entwicklung  von  Campodea  staphylinus  erinnert 
in  manchen  Beziehungen  an  diejenige  der  Collembola,  während  sie 
sich  in  andrer  Hinsicht  von  ihr  unterscheidet.  Die  Eifurchung  ist 
hier,  wie  auch  bei  Lepisma,  eine  typisch  superficielle,  wobei  alle  Fur- 
chungszellen  bei  der  Bildung  des  Blastoderms  an  die  Oberfläche  des 
Eies  treten.  Die  Bildung  der  Keimblätter,  welche  Uzel  eingehend 
bespricht,  erfolgt  an  dem  vegetativen  Eipole;  der  lange  Keimstreifen 
wird  an  der  Ventralseite  angelegt ;  seine  Segmentierung  und  die  Bildung 
der  Extremitäten  erfolgt  auf  die  gewöhnliche  Weise,  wobei,  wie  dies 
bei  den  Collembola  der  Fall  ist,  auch  bei  Campodea  Anhänge  an  dem 
Intercalarsegment  sowie  ein  Dorsalorgan  vorhanden  sind.  Mit  der 
Organogenese  beschäftigt  sich  Uzel  nicht,  beschreibt  aber  ausführ- 
lich die  Entwicklung  der  abdominalen  Extremitäten  und  der  Mund- 
werkzeuge; letztere  verläuft  in  vielen  Hinsichten  übereinstimmend 
mit  der  Entwicklung  der  Mund  Werkzeuge  bei  den  Collembola. 

Wir  haben  nunmehr  nur  noch  eine  kurze  vorläufige  Mitteilung 
des  Ehepaares  Heymons  über  die  Entwicklung  von  Machilis  alternata 
(1905)  zu  erwähnen,  in  der  die  Embryonalhüllen  dieser  Form,  sowie 
besondere  Lateralorgane  beschrieben  werden,  welche  ebenfalls  nur  bei 
Embryonen  an  dem  ersten  Abdominalsegment  zur  Bildung  gelangen. 
Das  größte  Interesse  bieten  die  Embryonalhüllen  von  Machilis,  welche 
aus  zwei  Teilen  bestehen,  der  Proserosa  und  dem  Proamnion,  wobei 
sie  der  Serosa  und  dem  Amnion  der  Pterygota  völlig  homolog  erscheinen, 
mit  denen  sie  durch  die  Embryonalhüllen  von  Lepisma  verknüpft 
sind.  Anderseits  gestatten  diese  Hüllen  bei  Machilis  auch  das  Dorsal- 
organ der  Collembola  (wie  auch  dem  anderer  Arthropoda,  welche 
ein  solches  besitzen)  mit  den  Hüllen  der  Pterygota  in  Zusammen- 
hang zu  bringen ;  mit  einem  Worte,  wir  besitzen  eine  ununterbrochene 
phylogenetische  Reihe  von  diesem  Organ  bis  zum  echten  Amnion  und 
zur  echten  Serosa  der  Pterygota  über  die  Hüllen  von  Machilis 
und    Lepisma. 

Wir  werden  noch  später  auf  diese  Betrachtungen  zurückkommen 


526  Jur-  Philiptschenko, 

müssen,  wenn  von  dem  Dorsalorgan  bei  den  Embryonen  von  Isotoma 
die  Rede  sein  wird. 

II.  Die  erwachsene  Form.  —  Material  und  Untersuchungsmethoden. 

Als  Objekt  für  meine  Untersuchungen  über  die  Embryonaientwick- 
lung  der  Collembolen  diente  Isotoma  cinerea  Nie,  eine  Art,  welche 
Börner  (1906)  als  Typus  der  kürzlich  von  ihm  aufgestellten  Unter- 
gattung Vertagopus  wählte;  diese  Untergattung  ist  durch  den  Besitz 
von  Härchen  mit  keulenförmigen  Auftreibungen  (Keulenhaaren,  ge- 
knöpften »Spürhaaren«)  an  den  Enden  der  Tibiotarsen  ausgezeichnet. 
Die  Gattung  Isotoma  (Desoria  der  älteren  Autoren)  gehört  zu  der  Unter- 
familie der  Entomobryidae,  welche  gewissermaßen  die  Mitte  zwischen 
den  niederen  Collembolen,  den  Poduridae  (zu  denen  unter  andern 
auch  Anurida  gehört)  und  den  höher  spezialisierten  Sminthuridae 
einnimmt. 

Isotoma  cinerea  ist  eine  kleine  Form  (1 — l1/2mm)  von  gräulicher 
Färbung  mit  stärkeren  Ansammlungen  von  blauem  Pigment  auf  der 
Dorsalseite,  welche  in  Europa  ziemlich  weit  verbreitet  ist  und  zu  den- 
jenigen Collembolen  gehört,  die  am  häufigsten  unter  der  Rinde  von 
Bäumen  angetroffen  werden. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort  auf  eine  Beschreibung  des  äußeren  und 
inneren  Baues  dieser  Art  näher  einzugehen;  eine  ungefähre  Vorstellung 
desselben  kann  man  sich  nach  der  Fig.  37  machen,  welche  eine  junge, 
soeben  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Isotoma  darstellt. 

Auf  dem  Kopfe  befinden  sich  die  viergliederigen  Antennen  (ant),  je 
acht  Ommatidien  jederseits  auf  einem  dunklen  Fleck  (oc)  und  ein  kleines, 
gewöhnlich  kaum  bemerkbares,  ovales  Postantennalorgan.  Das  Ab- 
domen besteht  aus  den  einander  fast  gleichen  vier  ersten  Segmenten 
und  zwei  kleinen  hinteren  Segmenten  (Genital-  und  Analsegment). 
Auf  dem  ersten  Abdominalsegment  befindet  sich  der  Ventraltubus  (tv), 
auf  dem  dritten  das  kleine  Retinaculum,  auf  dem  vierten  die  Furca  (frc). 
Von  inneren  Organen  tritt  das  aus  zwei  Kopf-,  drei  Brust-  und  einem 
langen  Bauchganglion  bestehende  Nervensystem  deutlich  hervor.  Es 
muß  bemerkt  werden,  daß  eine  so  scharf  ausgesprochene  Absonderung 
dieses  letzteren  bei  den  erwachsenen  Entomobryidae  nicht  beob- 
achtet wird:  gewöhnlich  ist  dasselbe  mit  dem  dritten  Thoracalganglion 
inniger  zu  einer  gemeinsamen  Masse  verschmolzen.  Unter  den  er- 
wachsenen Formen  findet  sich  ein  ebenso  selbständiges  Abdominal- 
ganglion nur  bei  den  mehr  primitiven  AnuropJiorus  nach  Willem  (1900) 
und  Folsomia  fimetaria  nach  meinen  Beobachtungen.     Auf  der  Fig.  37 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  527 

ist  auch  der  aus  drei  Abschnitten,  wie  bei  allen  Collembolen,  bestehende 
Darm  gut  zu  sehen;  die  Mund  Werkzeuge  und  die  Kopfdrüsen  sind  auf 
derartigen  Totalpräparaten  gewöhnlich  nicht  sichtbar.  Ebenso  ist  das 
sich  in  Gestalt  eines  dünnen  Rohres  über  dem  Darm  hinziehende  Herz 
auf  unsrer  Figur  nicht  abgebildet:  seine  vordere  und  hintere  Grenze 
entsprechen  annähernd  den  Grenzen  des  Mitteldarmes. 

Das  erwachsene  Weibchen  unterscheidet  sich  von  dem  in  unsrer 
Figur  wiedergegebenen  jungen  Exemplare  nur  durch  die  stark  ent- 
wickelten paarigen  Ovarien,  welche  im  Hinterleibe  unter  dem  Darme 
liegen  und  sogar  in  die  Brust  hereinragen.  Der  gemeinsame  Genital- 
kanal mündet  an  der  Ventralseite  des  fünften  Segmentes. 

Das  Material  über  die  Entwicklung  von  Isotoma  cinerea  habe  ich 
im  Sommer  1904  in  Bologoje,  Gouv.  Novgorod,  gesammelt.  Am  24.  Juni 
fand  ich  an  den  Wurzeln  einiger  Fichten  unter  Moos  eine  große  Monge 
von  Weibchen  dieser  Art,  während  dieselben  Eier  ablegten.  Letztere 
waren  so  zahlreich,  daß  ich  mich  während  der  3  Wochen,  welche  ihre 
Entwicklung  dauerte,  Tag  für  Tag  an  diese  Stelle  begeben  und  die  zum 
Fixieren  notwendige  Anzahl  Eier  mit  Stückchen  Moos  und  Humus 
nach  Hause  bringen  konnte.  Die  jungen  Tiere  schlüpften  am  13.  und 
14.  Juli  aus  den  am  24.  Juni  abgelegten  Eiern  aus,  d.  h.  die  gesamte 
Embryonalentvvicklung  verlief  innerhalb  20  Tagen.  Die  aus  den  Eiern 
ausgeschlüpften  Jungen  lebten  bei  mir  etwa  4  Wochen,  allein  während 
dieser  Zeit  veränderte  sich  ihre  Größe  nur  sehr  wenig.  Wahrscheinlich 
erreichen  sie  die  Größe  des  erwachsenen  Tieres  erst  im  Sommer  des 
nächsten  Jahres.  Überhaupt  scheint  sowohl  für  Isotoma  cinerea  wie 
auch  für  viele  andre  Collembolen,  wie  ich  schon  an  andrer  Stelle  be- 
merkt habe  (1905b),  eine  einjährige  Generation  charakteristisch  zu  sein. 

Leider  hatte  ich  mich  darauf  beschränkt,  das  von  mir  gesammelte 
Material  zu  fixieren,  ohne  dasselbe  seinerzeit  intra  vitam  zu  unter- 
suchen, was  natürlich  einige  Resultate  ergeben  hätte,  welche  man  an 
konserviertem  Material  nicht  mehr  erhalten  konnte.  Als  fixierende 
Flüssigkeit  wurde  hauptsächlich  eine  heiße  Lösung  von  Jod  in  Jod- 
kalium verwendet  (Jodjodkalium),  welche  bei  der  Fixierung  erwachsener 
Collembolen  überhaupt  gute  Resultate  ergab  und  sich  auch  bei  der 
Behandlung  von  Embryonen  als  günstig  erwies. 

Die  größte  Schwierigkeit  in  der  weiteren  Behandlung  des  gesammel- 
ten Materials  bestand  sowohl  bei  der  Anfertigung  von  Totalpräparaten, 
wie  auch  bei  der  Einbettung  in  Paraffin,  in  der  Notwendigkeit  die  für 
Reagentien  undurchlässigen  Hüllen  des  Embryos  zu  entfernen  oder  zu 
zerreißen.     In  Anbetracht  der  äußerst  geringen  Größe  der  Eier  war  es 


528  Jur-   Philiptschenko, 

zu  schwierig  und  zu  umständlich  diese  Arbeit  mit  der  Nadel  auszuführen ; 
nach  einer  Anzahl  mißlungener  Versuche  iernte  ich  es  endlich  die  Hüllen 
zum  Platzen  zu  bringen,  ohne  den  Embryo  zu  verletzen,  indem  ich 
vorsichtig  mit  der  Nadel  auf  das  Deckgläschen  drückte,  unter  welches 
ein  oder  mehrere  Eier  in  einem  Tropfen  Alkohol  gebracht  wurden. 
Auf  späteren  Stadien,  nachdem  das  Chorion  schon  durchgerissen  war, 
gelang  diese  Operation  viel  leichter,  während  das  erste  Stadium,  mit 
besonders  festem  Chorion  und  einer  größeren  Menge  von  Dotter,  be- 
trächtliche Vorsichtsmaßregeln  erforderte:  das  Deckgläschen  mußte 
mit  Wachsfüßchen  versehen,  das  Drücken  unter  dem  Mikroskop  vor- 
genommen werden  und  dergl.  m.  Da  ich  genügend  Material  zu  meiner 
Verfügung  hatte,  so  war  es  für  mich  von  keinerlei  Bedeutung,  wenn 
einige  Eier  bei  der  Behandlung  zugrunde  gingen.  Die  Embryonen  wur- 
dem  am  häufigsten  in  toto  mit  Boraxcarmin  und  nachfolgender  Ent- 
säuerung durch  Alkohol  mit  Pikrinsäure  gefärbt,  wobei  häufig  die 
Schnitte  noch  auf  dem  Objektträger  mit  Pikrinsäure  +  Wasserblau 
nach  Blochmann  nachgefärbt  wurden. 

Das  Einschmelzen  erfolgte  über  Cedernöl  in  Paraffin;  das  Orien- 
tieren der  gefärbten  "Embryonen  im  Paraffin  vor  dem  Schneiden  machte 
keine  Schwierigkeiten,  indem  dieselben  in  dessen  oberflächlicher  Schicht 
unter  dem  Mikroskop  sehr  gut  zu  sehen  waren. 

Die  Schnitte  der  ersten  Stadien  wurden  in  einer  Dicke  von  5  // 
geschnitten,  während  für  die  mittleren  und  späteren  Stadien  sich  noch 
dünnere  Schnitte  von  3  ;t  als  günstiger  erwiesen.  In  Anbetracht  der 
geringen  Größe  der  zu  untersuchenden  Objekte  ließen  sich  solche 
Schnitte  ohne  jede  Schwierigkeit  herstellen. 

III.  Erste  Entwicklungsperiode,   —  Furchung,  Bildung  des  Blastoderms 
und  der  Dotterzellen,  Auftreten  der  Genitalanlage. 

(Tafel  X.) 
Die  Eier  unsrer  Isotoma  besitzen  eine  kugelförmige  Gestalt  und 
sind  durch  ihre  sehr  geringen  Dimensionen  ausgezeichnet:  der  Durch- 
messer eines  jeden  Eies  beträgt  ungefähr  0,15  mm.  Jedes  Ei  ist  von 
einem  völlig  strukturlosen  Chorion  umgeben;  eine  Dotterhaut  (Mem- 
brana vitellina)  ist  hier  nicht  vorhanden,  was  während  der  Furchung 
besonders  deutlich  zutage  tritt.  Betrachtet  man  ein  frisch  abgelegtes 
Ei,  bei  welchem  die  Furchung  noch  nicht  begonnen  hat,  in  einem 
Tropfen  Alkohol  (Fig.  1),  so  fällt  es  auf,  daß  zwischen  ihm  und  dem 
Chorion  (ch)  ein  ziemlich  großer  Zwischenraum  vorhanden  ist,  welcher 
wahrscheinlich  bei  dem  Fixieren  entstanden  ist;  außerdem  liegt  das  Ei 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  529 

meistens  etwas  excentrisch  in  bezug  auf  das  dasselbe  umgebende 
Chorion  (vgl.  z.  B.  Fig.  2),  während  in  seinem  Mittelpunkte  eine  centrale 
Protoplasmaanhäufung  (die  sogenannte  Plasmainsel  —  pi)  in  Gestalt 
eines  dunklen  Fleckens  hindurchschimmert. 

Auf  Schnitten  durch  dieses  Stadium  (Fig.  6)  bemerken  wir,  daß 
die  Hauptmasse  des  Bildungsdotters  in  der  Mitte  in  Gestalt  einer  solchen 
runden  oder  ovalen  mit  einem  Kern  versehenen  Plasmainsel  (pi)  an- 
gehäuft liegt,  auf  besonders  gut  getroffenen  Schnitten  auch  mit  stern- 
förmig von  derselben  ausstrahlenden  Ausläufern,  welche  in  das  zarte 
protoplasmatische,  den  Dotter  durchziehende  Netzwerk  übergehen. 
Auf  nach  Heidenhain  gefärbten  Präparaten  (und  gerade  nach  einem 
solchen  ist  unsre  Fig.  6  angefertigt)  ist  dieses  Netzwerk  meistens  nicht 
zu  sehen.  Eine  Oberflächenschicht  des  Protoplasmas  (das  sogenannte 
Keimhautblastem),  wie  sie  bei  vielen  Insekten  vorhanden  und  nach 
CJzel  z.  B.  bei  Campodea  gut  entwickelt  ist,  fehlt  hier  fast  vollständig. 
Der  den  größten  Teil  des  Eies  einnehmende  Nahrungsdotter  besteht 
nur  aus  runden  Dotterkugeln  (dk),  indem  die  vor  dem  Fixieren  in 
demselben  enthaltenen  Fetttropfen  sich  in  dem  Alkohol  aufgelöst 
haben.  Diese  Dotterkügelchen  werden  von  sauren  Anilinfarben  intensiv 
gefärbt,  was  für  ihre  albuminoide  Natur  spricht,  aber  sie  werden  auch 
von  basischen  Färbemitteln,  wie  auch  von  Eisenhämatoxylin  u.  a.  ge- 
färbt. —  Ihre  Größe  ist,  wie  dies  aus  der  Zeichnung  hervorgeht,  eine 
verschiedene,  wobei  diese  Dotterkügelchen  in  der  Umgebung  der  cen- 
tralen Plasmaanhäufung  das  Aussehen  sehr  kleiner  Körnchen  haben 
und  bedeutend  kleiner  sind,  als  diejenigen,  welche  von  der  Plasma- 
insel weiter  entfernt  liegen,  was  auf  eine  assimilierende  Tätigkeit  dieser 
letzteren  hindeutet.  Diese  Erscheinung  war  schon  bei  den  Eiern  von 
Insekten  [Friederichs  (1906)]  und  Spinnen  [Schimke  witsch  (1911)] 
beschrieben  worden.  Auf  mit  Eisenhämatoxylin  gefärbten  Präparaten 
(Fig.  6)  kann  man  deutlich  sehen,  daß  ebenso  kleine  Dotterkügelchen, 
wie  sie  in  der  Umgebung  der  centralen  Anhäufung  zu  bemerken  sind, 
auch  in  den  alleroberflächlichsten  Plasmaschichten  vorkommen.  Dieser 
Umstand  weist  darauf  hin,  daß  auch  an  der  Peripherie  des  Eies  eine 
unbedeutende  Oberflächenschicht  des  Plasmas  vorhanden  ist,  welche 
indessen  so  schwach  ausgesprochen  ist,  daß  sie  sonst  fast  anbemerk- 
bar bleibt. 

Erscheinungen  der  Eireife  habe  ich  an  dem  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Materiale  nicht  beobachtet;  ebenso  habe  ich  auch  keine 
Bilder  angetroffen,  welche  auf  die  Befruchtung  des  Eies,  die  Verschmel- 
zung des  männlichen  und  des  weiblichen  Kernes  u.  dergl.  m.  Bezug 


530  Jur.  Philiptschenko, 

hatten.  Ich  wage  es  aus  diesem  Grunde  nicht  mich  darüber  auszu- 
sprechen, ob  der  von  mir  beschriebene  Bau  des  Eies  das  Bild 
darstellt,  welches  das  Ei  vor  der  Reifung  oder  aber  nach  derselben 
bietet. 

Die  Furchung  der  Eier  ist,  wie  auch  bei  den  übrigen  Collembolen, 
eine  totale  und,  wenigstens  auf  den  ersten  Stadien,  eine  äquale  (vgl. 
Fig.  1- — 5).  Auf  die  erste  Teilung  des  Eies  bezügliche  Bilder  habe  ich 
ziemlich  häufig  angetroffen;  eines  derselben  ist  in  der  Fig.  7  wieder- 
gegeben. Diese  Teilung  geht,  wie  auch  alle  nachfolgenden,  auf  karvo- 
kinetischem  Wege  vor  sich;  die  Chromosomen  waren  übrigens,  dank 
der  für  cytologische  Zwecke  nicht  ganz  geeigneten  Konservierung 
meines  Materiales,  auf  Schnitten  meistens  nicht  zu  sehen.  Das 
Ergebnis  der  ersten  Teilung  ist  ein  Zerfall  der  centralen  Plasma- 
anhäufung in  zwei  Zellen,  welche  in  einer  gewissen  Entfernung  von 
einander  im  Dotter  liegen  (Fig.  8) ;  die  Anordnung  des  letzteren  ist  hier 
die  gleiche,  wie  in  dem  einzelligen  Stadium,  d.  h.  kleine  Körnchen  des 
Dotters  umgeben  eine  jede  dieser  Furchungszellen  (fz)  und  liegen 
außerdem  an  der  Peripherie  des  ganzen  Eies  zerstreut.  Der  Dotter 
hat  um  diese  Zeit  noch  keine  Furchung  erlitten,  allein  sobald  eine 
jede  dieser  Zellen  eine  neue  Teilung  eingeht,  tritt  in  dem  Dotter  eine 
Furche  auf,  welche  denselben  in  zwei  Hälften  abteilt. 

Die  äußere  Gestaltung  des  vierzelligen  Stadiums  ist  auf  der  Fig.  2 
wiedergegeben:  sowohl  der  Dotter,  wie  auch  das  Protoplasma  sind 
durch  zwei  Furchen  (welche  als  meridionale  Furchen  angesehen  werden 
können)  in  vier  gleiche  Teile  abgegrenzt;  ein  jeder  derselben  bildet 
eine  Zelle,  welche  nach  demselben  Typus  gebaut  ist,  wie  das  Ei  vor  der 
ersten  Furchung,  d.  h.  in  ihrem  Innern  schimmert  eine  centrale  Plasma- 
masse {pa)  mit  einem  Kern  durch  (doch  wäre  es  natürlich  nicht  richtig, 
sie  hier  als  Furchungszelle  zu  bezeichnen),  und  sie  ist  von  Dotter  um- 
geben. Bei  dem  Übergang  in  das  achtzellige  Stadium  wird  eine  jede 
dieser  Blastomeren  in  gleicher  Weise  durch  eine  äquatoriale  Fruche 
in  eine  obere  und  eine  untere  Hälfte  geteilt,  und  wir  erhalten  zwei 
Reihen  von  Zellen,  zu  je  vier  in  einer  Reihe  (Fig.  3).  Ein  Schnitt 
durch  dieses  Stadium  ist  in  Fig.  9  abgebildet,  wobei  auf  demselben 
vier  Zellen  (der  oberen  und  der  unteren  Hälfte  des  Eies)  zu  sehen  sind, 
welche  durch  scharfe  Grenzen  voneinander  getrennt  sind;  eine  jede 
derselben  weist  in  ihrem  Mittelpunkt  eine  Plasmaanhäufung'  mit  Kern 
(pa)  auf,  während  ihr  übriger  Teil  mit  Dotterkügelchen  angefüllt  ist  (dk)~ 
Zwischen  diesen  vier  Zellen  befindet  sich  ein  kleiner  freier  Zwischen- 
raum, die  Furchungshöhle  (fh),  deren  Auftreten  wohl  kaum  der  Wirkung 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  531 

von  Reagentien  zugeschrieben  werden  kann,  wie  Um  an  in  dies  ver- 
mutet hatte. 

Bis  zu  diesem  Zeitpunkt  war  die  Furchung  des  Eies  auffallend 
regelmäßig  verlaufen,  allein  von  Beginn  des  lözelligen  Stadiums  an 
geht  diese  Regelmäßigkeit  verloren,  wovon  man  sich  auch  ohne  Hilfe 
von  Schnitten,  schon  durch  das  äußere  Aussehen  des  Eies  (Fig.  4) 
überzeugen  kann.  Auf  Schnitten  durch  dieses  Stadium  (Fig.  10) 
können  wir  uns  davon  überzeugen,  daß  hier  außer  den  peripheren 
Zellen  auch  schon  innere  Zellen  vorhanden  sind,  welche  allseitig  von 
den  an  die  Oberfläche  des  Eies  tretenden  Zellen  umgeben  werden. 
Augenscheinlich  ist  bei  dem  Übergang  in  das  16zellige  Stadium  die 
Teilungsrichtimg  einiger  Zellen  des  Szelligen  Stadiums  eine  solche, 
daß  ein  Teil  der  dabei  entstehenden  Blastomeren  in  das  Innere  des 
Eies  versinkt,  indem  er  die  früher  vorhandene  Furchungshöhle  aus- 
füllt, so  daß  schließlich  eine  kompakte  Morula  entsteht.  Meistens  kann 
man  auf  durch  den  Mittelpunkt  des  Eies  geführten  Schnitten  dasjenige 
Bild  erblicken,  welches  in  Fig.  10  dargestellt  ist,  d.  h.  sieben  periphere 
und  eine  innere  Zelle.  Hier  sind  demnach  (wie  auch  auf  dem  nächsten 
Stadium)  die  wirklichen  Querschnitte  identisch  mit  den  optischen, 
was  aus  der  Vergleichung  der  Fig.  10  mit  der  Fig.  4  mit  völliger  Deut- 
lichkeit hervorgeht.  Die  Schnitte  durch  das  32zellige  Stadium  (Fig.  11) 
unterscheiden  sich  von  denen  des  16zelligen  Stadiums  ausschließlich 
durch  die  größere  Anzahl  von  Zellen:  gewöhnlich  sieht  man  deren  auf 
solchen  centralen  Schnitten  acht  bis  neun  an  der  Peripherie  und  drei 
bis  vier  im  Innern.  Der  Charakter  einer  jeden  Zelle  bleibt  der  gleiche: 
eine  centrale  Plasmaanhäufung  mit  Kern  und  der  dieselbe  in  Gestalt 
von  Kügelchen  umgebende  Dotter. 

Späterhin  wird  das  Zählen  der  Zellen  sogar  auf  Schnitten  sehr 
schwierig:  so  kann  man  z.  B.  für  das  auf  das  32zellige  folgende  Stadium, 
dessen  äußere  Gestalt  in  Fig.  5  wiedergegeben  ist,  nur  annäherungs- 
weise angeben,  daß  dasselbe  aus  einer  64  nahestehenden  Zahl  von  Zellen 
besteht.  Seiner  äußeren  Gestalt  nach  unterscheidet  sich  dieses  Stadium 
in  keiner  Weise  von  den  vorhergehenden  Stadien,  allein  auf  Schnitten 
stoßen  wir  auf  neue  Erscheinungen.  Die  Zellen,  aus  denen  das  Ei 
besteht,  sind  durch  deutliche  Grenzen  voneinander  getrennt  und  ent- 
halten, wie  auch  früher,  Dotter  und  eine  plasmatische  Anhäufung, 
allein  letztere  liegt  nicht  mehr  in  der  Mitte  der  Dottermasse,  sondern 
ist  stets  bei  den  peripheren  Zellen  nach  dem  äußeren  Rande,  bei  den 
inneren  Zellen  nach  einem  beliebigen  Rande  verlagert  (Fig.  12).  Diese 
plasmatischen   Anhäufungen   besaßen   auch   auf   den   vorhergehenden 


532  Jur-  Philiptschenko, 

Stadien  mehr  oder  weniger  unregelmäßige  Ränder,  aber  hier  sind  an 
ihnen  noch  viel  deutlicher  sternförmige  Ausläufer  zu  beobachten,  welche 
einer  derartigen  Anhäufung  ein  amoebenartiges  Aussehen  verleihen. 
Augenscheinlich  erreicht  auf  diesem  Stadium  die  auf  den  Dotter  über- 
gegangene totale  Furchung  ihr  Ende  und  geht  in  eine  superficielle 
Furchung  über;  zu  diesem  Zwecke  muß  eine  jede  der  Plasmaanhäufungen 
sich  notwendigerweise  von  dem  sie  allseitig  umgebenden  Dotter  be- 
freien  und  nachdem  sie  aus  demselben  herausgetreten  ist,  sich  in  eine 
vom  Dotter  unabhängige  Furchungszelle  verwandeln.  Dies  wird  nun 
offenbar  dadurch  erreicht,  daß  solche  plasmatische  Anhäufungen  bei 
den  peripheren  Zellen  aktiv  an  die  Oberfläche  des  Eies  hervortreten, 
bei  den  inneren  dagegen  an  einem  Rande,  um  späterhin  ihren  Dotter- 
bezirk ganz  zu  verlassen. 

In  der  Tat  kann  bei  dem  nächstfolgenden  Stadium  (Fig.  13)  schon 
nicht  mehr  von  Plasmaanhäufungen  mit  einem  Kern  im  Innern  dotter- 
reicher Zellen  die  Rede  sein,  sondern  vielmehr  von  selbständigen  Fur- 
chungszelle n  (fz),  welche  zum  Teil  an  der  Peripherie  des  Eies  angeordnet 
sind,  zum  Teil  aber  noch  im  Dotter  liegen,  und  weiche  von  jenen  Dotter- 
bezirken (db)  unabhängig  sind,  mit  denen  sie  auf  früheren  Stadien, 
in  ihrem  Mittelpunkte  liegend,  ein  gemeinsames  Ganzes  bildeten. 
Nunmehr  liegen  jene  im  Innern  des  Eies  befindlichen  Furchungszellen 
meistens  zwischen  den  Bezirken,  in  welche  der  Dotter  eingeteilt  ist. 
Wie  man  aus  der  gleichen  Abbildimg  erkennen  kann,  dauert  die  Teilung 
der  Furchungszellen  auch  auf  diesem  Stadium  noch  an  (tf),  allein  sie 
erfolgt  nunmehr  ganz  unabhängig  von  dem  Dotter. 

Die  Oberfläche  des  Eies  ist  jetzt  bereits  an  einigen  Stellen  mit 
Blastoderm  bedeckt,  an  andern  Stellen  aber  enthält  sie  noch  keine 
Zellen:  die  Ausfüllung  solcher  Zwischenräume  erfolgt  augenscheinlich 
durch  Hervorkriechen  neuer  Furchungszellen  aus  dem  Dotter  an  die 
Oberfläche  des  Eies.  Da  die  Furchung  bei  Isotoma  cinerea  anfangs 
eine  totale  ist,  und  die  Plasmaanhäufungen  der  peripheren  Zellen 
zuerst  die  Oberfläche  des  Eies  erreichen  (auf  dem  Stadium  von  64  und 
sogar  von  32  Blastomeren),  so  kann  die  Entstehung  des  Blastoderm- 
nicht  an  irgendeinen  bestimmten  Punkt  der  Eioberfläche  gebunden 
sein,  sondern  sie  beginnt  sozusagen  fleckenweise  an  der  gesamten 
Oberfläche,  worauf  die  freien  Zwischenräume  zwischen  diesen  ersten 
Vorläufern  des  Blastoderms  durch  das  Hervorkriechen  neuer  Furchungs- 
zellen aus  dem  Dotter  an  die  Oberfläche  des  Eies  ausgefüllt  werden, 
wahrscheinlich  aber  auch  (obgleich  ich  mich  nicht  mit  Gewißheit  davon 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  533 

überzeugen  konnte)  durch  Teilung   der  ersten  an  die  Oberfläche  her- 
vorgetretenen Zellen. 

Diese  erste  Periode  in  der  Entwicklung  des  Eies,  deren  Dauer  ich 
mit  Uljanin  auf  einige  Stunden  ■ —  sicherlich  aber  auf  weniger  als 
einen  Tag  —  festsetzen  kann,  endet  mit  einem  Stadium,  von  welchem 
ein  Schnitt  in  der  Fig.  14  dargestellt  ist.  Das  ganze  Ei  ist  schon  mit 
einer  durchgehenden  Schicht  von  Blastodermzellen  (bl)  bedeckt,  welche 
hier  den  gleichen  Charakter  aufweisen,  wie  die  Furch imgszellen  auf 
dem  vorhergehenden  Stadium.  Der  Dotter  ist,  wie  vorher,  in  einzelne 
Bezirke  eingeteilt  (db),  aber  es  sind  nur  noch  sehr  wenige  Zellen  in 
demselben  enthalten,  da  die  meisten  Furchungszellen  zur  Bildung  des 
Blastoderms  an  die  Oberfläche  des  Eies  hervorgetreten  sind.  Die  einen 
dieser  im  Dotter  zurückgebliebenen  Zellen  liegen  einzeln,  in  ziemlich 
großem  Abstände  voneinander,  in  demselben  zerstreut  und  stellen 
Dotterzellen  oder  Vitellophagen  (dz)  dar.  Außerdem  befindet  sich  im 
Dotter,  und  zwar  näher  zum  zukünftigen  Hinterende  des  Embryos, 
ein  kleines  Häufchen  dicht  aneinander  liegender  Zellen  (g) :  diese  Zellen 
repräsentieren  die  Genitalanlage,  welche  demnach  bei  unsrer  Isotoma 
schon  sehr  früh,  und  zwar  gleichzeitig  mit  der  Bildung  des  Blastoderms, 
differenziert  wird.  Auf  dem  hier  beschriebenen  Stadium  sind  zwischen 
den  Blastodermzellen,  den  Dotterzellen  und  den  Zellen  der  Genital- 
anlage, wie  aus  der  Abbildung  zu  ersehen  ist,  noch  keine  einigermaßen  be- 
merkbaren Unterschiede  vorhanden,  sondern  diese  treten  erst  später  auf. 

Was  nun  den  Ursprung  dieser  Genitalanlage  anbetrifft,  so  konnte 
ich  leider  nicht  mit  Gewißheit  feststellen,  aus  welcher  Zelle  oder  aus 
welchen  Zellen  des  vorhergehenden  Stadiums  sie  hervorgeht.  Allein 
die  stets  genau  bestimmte  Lage  dieser  Anlage  im  Dotter  sowohl  auf 
diesem  Stadium,  wie  auch  auf  den  nachfolgenden  (vgl.  die  Figuren  der 
folgenden  Tafeln)  berechtigen  mich  zu  der  Annahme,  daß  dieselbe  viel- 
leicht aus  einer  bestimmten  inneren  Zelle  des  32zelligen,  vielleicht 
auch  schon  des  16zelligen  Stadiums  hervorgeht.  —  Verhält  sich  dies 
in  der  Tat  so,  dann  würden  wir  bei  einer  Collembola-Art  eine  ebenso 
frühe  Differenzierung  der  Urgeschlechtszelle  vor  uns  haben,  wie  sie 
kürzlich  von  Hasper  (1911)  für  Chironomus  beschrieben  worden  ist. 
Allein  auch  unabhängig  von  der  Richtigkeit  einer  solchen  Annahme 
steht  doch  fest,  daß  wir  es  bei  Isotoma  cinerea  mit  einer  äußerst  frühen 
Differenzierung   der  Genitalanlage  im  Keime  zu  tun  haben. 

Die  Dotterzellen  entstehen  zweifellos  aus  denjenigen  Furchungs- 
zellen, welche  während  der  Bildung  des  Blastoderms  im  Dotter  zurück- 
gehalten  werden.      Abgesehen   von    dieser   Entstehungsweise,    welche 


534  Jur.  Philiptschenko, 

jedenfalls  die  hauptsächlichste  Rolle  spielt,  halte  ich  die  Möglichkeit 
nicht  für  ausgeschlossen,  daß  einige  der  bereits  an  die  Oberfläche  des 
Eies  gewanderten  Zellen  sich  teilen,  und  daß  eines  der  Produkte  einer 
solchen  Teilung  sich  wieder  in  den  Dotter  zurückbegibt,  um  sich  später 
in  eine  Dotterzelle  zu  verwandeln.  Zugunsten  dieser  Annahme  sprechen 
einige  Bilder,  wie  z.  B.  dasjenige  Bild,  welches  man  auf  der  Fig.  13 
erblicken  kann.  Da  um  diese  Zeit  das  Blastoderm  noch  nicht  zur 
Bildung  gelangt  ist,  so  besteht  natürlich  keinerlei  prinzipieller  Unter- 
schied zwischen  diesem  und  jenem  Modus  in  der  Entstehung  der 
Dotterzellen.  Späterhin,  wenn  die  gesamte  Oberfläche  des  Eies  mit 
einer  Schicht  von  Blastodermzellen  bedeckt  ist,  habe  ich  keine  Ab- 
trennung von  in  das  Innere  des  Eies  zur  Ergänzung  der  Dotterzellen 
wandernden  Elementen  beobachten  können. 

Von  früheren  Autoren  ist  die  Eifurchung  mit  Hilfe  der  Schnitt- 
methode von  Miss  Claypole  bei  Anurida  untersucht  worden,  wobei 
unsre  Befunde  fast  in  allen  Punkten  übereinstimmen.  Geringe  Ab- 
weichungen lassen  sich  darauf  zurückführen,  daß  nach  den  Be- 
obachtungen dieses  Autors  das  Ei  außer  dem  Chorion  auch  noch  eine 
Dotterhülle  besitzt,  deren  Vorhandensein  auch  Nicolet,  Lemoine, 
Wheeler  und  Folsom  bestätigen  und  daß  Miss  Claypole  außerdem 
das  Vorhandensein  einer  Furchungshöhle  leugnet.  Es  will  mir  dagegen 
scheinen,  als  würde  die  Anwesenheit  dieser  letzteren  auf  dem  acht- 
zelligen  Stadium  auch  durch  die  entsprechende  Zeichnung  (Fig.  31)  in 
der  Arbeit  von  Claypole  bestätigt;  außerdem  wurde  eine  Furchungs- 
höhle  auch  von  Uzel  und  Prowazek  beobachtet. 

Unter  den  auf  diese  Entwicklungsperiode  bezüglichen  Angaben 
andrer  Autoren  wird  man,  außer  den  alten  Beobachtungen  von  Ul- 
janin  und  Lemoine,  von  denen  die  letzteren  wahrscheinlich  auf  Irrtum 
beruhen,  bei  den  Beobachtungen  von  Uzel  und  Prowazek  verweilen 
können.  Diese  Angaben  weichen  in  einigen  Einzelheiten  von  den 
meinigen  ab,  was  ganz  begreiflich  erscheint,  indem  dieselben  sich  auf 
andre  Formen  beziehen,  allein  ein  Punkt  derselben  ist  dazu  angetan, 
einige  Zweifel  in  mir  zu  erwecken.  Prowazek  hält  die  Furchung  bei 
den  von  ihm  untersuchten  Formen  für  eine  inäquale,  obgleich  sie  nach 
ihm  einer  adäqualen  sehr  nahe  kommt.  Uzel  dagegen  schreibt  Achoru- 
tes  armatus  eine  echte  inäquale  Furchung  zu,  mit  der  Bildung  von 
Macro-  und  Micromeren.  Die  wahre  inäquale  Furchung,  wie  sie  z.  B. 
bei  Telyphonus  vorkommt  [Schimke witsch  (1906)]  bildet  eine  große 
Seltenheit  im  Typus  der  Arthropoden,  so  daß  wir  berechtigt  sind  der- 
artigen Angaben  gegenüber  die  größte  Vorsicht  walten  zu  lassen.    Bei 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  535 

der  Untersuchung  in  der  Furchung  begriffener  Eier  in  Alkohol  konnte 
ich  sehr  oft,  und  zwar  namentlich  auf  dem  achtteiligen  Stadium,  Bilder 
beobachten,  welche  an  die  Zeichnungen  von  Uzel  erinnerten,  da  hier 
die  Zellen  der  oberen  oder  der  unteren  Hälfte  des  Eies  gewöhnlich 
kleiner  erscheinen  und  den  Eindruck  von  »Micromeren«  hervorrufen. 
Allein  durch  vorsichtiges  Umdrehen  des  Eies  unter  dem  Deckgläschen, 
hauptsächlich  aber  durch  Aufzeichnen  eines  jeden  Blastomers  dieses 
Stadiums  mit  dem  Zeichenapparat,  kann  man  sich  leicht  davon  über- 
zeugen, daß  dieselben  alle  von  völlig  gleicher  Größe  sind.  Es  drängt 
sich  die  Frage  auf,  ob  nicht  die  Macro-  und  Micromeren  von  Uzel 
ebenfalls  solche  nur  scheinbare  Bildungen  darstellen? 

Kein  einziger  unter  den  früheren  Autoren  hat  bis  jetzt  die  weiter 
oben  von  mir  beschriebene  Genitalanlage  im  Dotter  beobachtet.  Es 
ist  natürlich  durchaus  nicht  unmöglich,  daß  sich  Isotoma  cinerea  in 
dieser  Hinsicht  scharf  von  den  andern  auf  ihre  Embryologie  hin  unter- 
suchten Collembolen  unterscheidet,  allein  in  den  Arbeiten  meiner 
Vorgänger  kann  man  einen  gewissen  Hinweis  auf  das  Vorhandensein 
einer  ebensolchen  Genitalanlage  auch  bei  andern  Formen  finden.  Wie 
wir  weiter  unten  sehen  werden,  entwickelt  sich  der  Mitteldarm  bei 
unsrer  Isotoma  gänzlich  unabhängig  von  irgendwelchen  Dotterelementen : 
es  erscheint  äußerst  unwahrscheinlich,  daß  dieser  Prozeß  bei  andern 
Formen  der  gleichen  Ordnung  in  dieser  Beziehung  einen  abweichenden 
Verlauf  nehmen  sollte.  Indessen  hat  Ul janin  bei  den  von  ihm  unter- 
suchten Embryonen  ein  ziemlich  früh  im  Dotter  auftretendes  Häuf- 
chen von  Zellen  beschrieben,  aus  denen  sich,  seiner  Ansicht  nach, 
der  Mitteldarm  entwickelt.  Vergleicht  man  seine  Fig.  7  der  Taf.  V 
z.  B.  mit  unsrer  Fig.  20,  so  erscheint  es  ziemlich  wahrscheinlich,  daß 
hier  vielmehr  von  der  Genitalanlage  die  Rede  ist.  Aus  einem  eben- 
solchen Häufchen  von  Zellen  im  Dotter  entsteht  der  Mitteldarm  auch 
nach  den  Beschreibungen  von  Uzel  und  Pkowazek  (vgl.  im  Gegen- 
satz zum  Texte  des  letzteren  Autors  dessen  Fig.  4  und  die  Erklärung 
dazu),  wobei  diese  Autoren  offenbar  den  Irrtum  von  Ul  janin  wieder- 
holen. Auch  Miss  Claypole  hält  zwei  oder  mehr  mit  den  Dotter- 
zellen im  Dotter  zurückbleibende  Zellenhäufchen  für  das  Entoderm, 
aber  ihrer  Beschreibung  nach  liegen  dieselben  näher  beim  Dorsalorgan, 
so  daß  hier  offenbar  nicht  von  der  Genitalanlage,  sondern  von  etwas 
anderm  die  Rede  ist.  Wie  wir  sehen  werden,  sprechen  auch  andre 
Befunde  von  Miss  Claypole  zugunsten  der  Anwesenheit  einer  derartigen 
Genitalanlage.  Eine  endgültige  Beantwortung  dieser  Frage  läßt  sich 
naturgemäß  nur  durch  eine  neue  Untersuchung  herbeiführen. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CHI.  Bd.  35 


536  Jur-  Phüiptschenko, 

Auf  die  frühe  Differenzierung  der  Genitalanlage  und  die  morpho- 
logische Bedeutung  der  Dotterzellen  werde  ich  nochmals  in  dem  letzten 
Kapitel  dieser  Arbeit  zurückkommen,  welches  allgemeinen  Betrach- 
tungen gewidmet  sein  wird. 

IV.  Zweite   Entwicklungsperiode.  —   Bildung   des  unteren  Blattes,   des 
Dorsalorgans  und  der  embryonalen  Hüllen. 

(Tafel  XL) 

Die  zweite  Periode  in  der  Entwicklung  des  Eies  beginnt  mit  der 
Entstehung  des  unteren  Blattes.  Ich  ziehe  diese  Bezeichnung  den  andern 
vor,  indem  die  Begriffe  des  »primären«  und  »sekundären«  Entoderms 
bei  den  Insekten  gänzlich  untereinander  verwirrt  sind,  und  der  Aus- 
druck »Entomesoderm «  bisweilen  zur  Bezeichnung  derjenigen  Fälle 
einer  Mesodermanlage  verwendet  wird,  wenn  das  Mesoderm  aus  dem 
Entoderm  hervorgeht  [vgl.  z.  B.  die  neueste  Auflage  des  Lehrbuches 
von  Korschelt  und  Heider  (1910)].  In  Anbetracht  dieser  Umstände 
erscheint  die  Bezeichnung  »unteres  Blatt«,  besonders  wenn  es  sich 
um  Insekten  handelt,  als  die  bequemste. 

Die  Bildung  dieses  unteren  Blattes  ist  an  keinen  bestimmten 
Punkt  der  Oberfläche  des  Eies  gebunden,  sondern  geht  unter  dem  ge- 
samten Blastoderm  vor  sich.  Auf  der  Fig.  15  ist  der  Teil  eines  Schnittes 
durch  ein  Ei  bald  nach  der  Bildung  des  Blastoderms  dargestellt:  wir 
erkennen  hier,  daß  das  Blastoderm  stellenweise  noch  einschichtig  ist, 
allein  meistens  hat  sich  zwischen  den  oberflächlichen  Zellen  und  dem 
Dotter  bereits  eine  zweite  Schicht  von  Zellen  gebildet,  und  diese  unteren 
Zellen,  welche  sich  noch  in  keiner  Weise  von  den  oberflächlichen  Zellen 
unterscheiden,  sind  nun  eben  die  ersten  Elemente  des  unteren  Blattes 
(üb).  Auch  ihr  Ursprung  geht  deutlich  aus  der  gleichen  Zeichnung 
hervor,  da  auf  derselben  stellenweise  Bilder  einer  Zweiteilung  der 
Blastodermzellen  zu  sehen  sind,  und  zwar  einer  Teilung  in  eine  obere 
oberflächliche  und  in  eine  untere  Zelle  (tf).  Das  untere  Blatt  entsteht 
demnach  bei  Isotoma  cinerea  sofort  nach  der  Bildung  des  Blastoderms 
und  zwar  durch  Teilung  seiner  Zellen  in  zwei  Schichten,  eine  obere, 
welche  als  Ectoderm  anzusehen  ist,  und  eine  untere,  d.  h.  das  untere 
Keimblatt.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  neben  der  Teilung  der  Blasto- 
dermzellen einige  Elemente  des  unteren  Keimblattes  auch  durch  ein- 
fache Einwanderung  von  Blastodermzellen  nach  unten  entstehen,  und 
dies  um  so  mehr,  als  ich  auf  meinen  Präparaten  bisweilen  Bilder  an- 
getroffen habe,  welche  sich  in  diesem  Sinne  am  ehesten  erklären  ließen 
(vgl.  Fig.  15e).     Allein  eine  solche  Einwanderung,  wenn  sie  in  der  Tat 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  537 

stattfindet,  muß  auch  durch  die  Teilung  von  Blastodermzellen  hervor- 
gerufen werden,  wobei  diese  Teilung  aber  nicht  in  radialer,  sondern  in 
tangentialer  Richtung  vor  sich  gehen  muß;  wir  können  demnach, 
auch  diese  Möglichkeit  in  Betracht  ziehend,  immerhin  sagen,  daß  die 
Elemente  des  unteren  Blattes  unter  der  gesamten  Oberfläche  des  Eies 
durch   Teilung  der  Blastodermzellen  in  zwei   Schichten  entstehen. 

Die  Fig.  16  stellt  einen  Schnitt  durch  das  Ei  dar,  wenn  dieser 
Prozeß  bereits  sein  Ende  erreicht  hat  und  wir  auf  der  Oberfläche  des 
Eies  zwei  schärfer  ausgesprochene  Schichten  vor  uns  haben:  das  Ecto- 
derm  (ect)  und  das  untere  Blatt  (üb).  Auf  diesem  selben  Stadium  ent- 
steht, was  auch  aus  der  Figur  zu  ersehen  ist,  zum  ersten  Mal  ein  schär- 
ferer Unterschied  zwischen  den  Elementen  der  beiden  primären  Keim- 
blätter einerseits  und  den  Dotterzellen  anderseits:  in  den  letzteren  (dz) 
ist  das  Protoplasma  um  diese  Zeit  mit  großen  Vacuolen  angefüllt,  welche 
wahrscheinlich  die  Resorptionsprodukte  des  Dotters  enthalten  und  sich 
infolgedessen  durch  Farben  gar  nicht  färben  lassen,  so  daß  nur  die 
Kerne  der  Dotterzellen  deutlich  im  Dotter  hervortreten.  Sie  liegen 
zum  Teil  in  der  Mitte,  zum  Teil  näher  zum  Rande  der  Bezirke,  in  welche 
der  Dotter  wie  früher  zerfällt.  —  Die  Zellen  der  Genitalanlage  (g) 
nehmen  im  Dotter  ihre  frühere  Lage  ein;  ihre  Zahl  hat  im  Vergleich 
zu  dem  auf  Fig.  14  abgebildeten  Stadium  etwas  zugenommen  und 
die  Zellen  selbst  sind  infolgedessen  etwas  kleiner  geworden  und  erinnern 
ihrer  äußeren  Gestalt  nach  mehr  an  die  Zellen  der  Keimblätter:  ob- 
gleich ihr  Protoplasma  auch  ziemlich  stark  vacuolisiert  ist,  so  färben 
sie  sich  doch  stärker,  weshalb  sie  viel  schärfer  im  Dotter  hervortreten, 
als  die  Dotterzellen.  Die  ganze  Anlage  nimmt  eine  mehr  regelmäßig 
runde  Gestalt  an  und  liegt,  wie  auch  auf  allen  nachfolgenden  Stadien, 
näher  zur  späteren  Ventralseite  und  dem  späteren  Hinterende  des 
Embryos. 

Die  von  mir  beschriebene  Entstehungsweise  des  unteren  Blattes 
bei  unsrer  Isotoma  unterscheidet  sich  in  beträchtlicher  Weise  von  dem 
gleichen  Prozesse,  wie  er  für  die  meisten  Insekten  charakteristisch  ist, 
und  zwar  erstens  durch  das  Fehlen  einer  Primitivrinne  (welche  hier 
natürlich  nicht  vorhanden  sein  kann)  und  zweitens  dadurch,  daß  seine 
Entstehung  nicht  an  eine  bestimmte  Stelle  gebunden  ist.  sondern 
unterhalb  der  gesamten  Oberfläche  des  Eies  vor  sich  geht. 

Bedienen  wir  uns  der  allgemein  angenommenen  Terminologie,  so 
können  wir  diese  Entstehungsweise  als  eine  multipolare  Entoderm- 
bildung  bezeichnen,  speziell  eine  gemischte  Delamination  (Metschni- 
koff  (1886)],  indem  das  untere  Blatt  hier  sowohl  durch  Zellteilung 

35* 


538  Jur-  Philiptschenko, 

als  auch  durch  Einwanderung  von  Zellen  ins  Innere  entsteht.  Allein 
dieser  Prozeß  steht  nicht  ganz  vereinzelt  unter  analogen  Erscheinungen 
bei  den  übrigen  Insekten  und  den  Myriopoden  da:  nach  dem  gleichen 
Typus  erfolgt  auch  die  Bildung  des  unteren  Blattes  (des  »Mesoderms «) 
nach  Heymons  bei  Gryllotalpa,  Phyllodromia  (1895)  und  ßcoloyendra 
(1901),  nach  Knower  (1900)  bei  Eutermes  und,  nach  einer  kurzen  vor- 
läufigen Mitteilung  von  Lignau  (1911a)  zu  urteilen,  vielleicht  auch  bei 
Polydesmus.  Am  Schlüsse  meiner  Arbeit  werde  ich  ausführlicher  bei 
der  Frage  über  die  Keimblätter  verweilen  und  will  hier  nur  bemerken, 
daß  ich  eine  solche  Entstehungsweise  des  unteren  Blattes  in  der  Gruppe 
der  Tracheata  für  die  primitivere  halte  (und  dies  um  so  mehr,  als 
sie  nur  bei  ziemlich  tief  stehenden  Vertretern  dieser  Gruppe  gefunden 
wurde).  Die  Gastrulation  und  die  Bildung  der  Primitivrinne  hat  sich, 
wie  mir  scheint,  bei  den  Insekten  (und  vielleicht  auch  im  ganzen  Tier- 
reiche) aus  dieser  primitiveren  Entstehungsweise  —  der  multipolaren 
Immigration  —  herausgebildet,  und  dies  zum  Zwecke  einer  Verkürzung 
des  Entwicklungsprozesses  und  aus  rein  mechanischen  Gründen,  was 
schon  unter  andern  von  Heymons  (1895)  bemerkt  worden  ist,  welcher 
das  untere  Blatt  irrtümlicherweise  für  das  Mesoderm  hielt. 

In  den  Arbeiten  der  vorhergehenden  Autoren  wird  der  Ursprung 
dieses  unteren  Blattes  nicht  richtig  beschrieben.  Miss  Claypole  hält 
dasselbe  für  das  Mesoderm;  indem  sie  ganz  richtig  bemerkt,  daß  dieses 
untere  Blatt  anfänglich  unter  der  ganzen  Oberfläche  des  Eies  entsteht, 
vermutet  sie  indessen,  daß  beide  Schichten  gleichzeitig  durch  das 
Heraustreten  von  Furchungszellen  an  die  Oberfläche  angelegt  werden. 
Augenscheinlich  hatte  sie  keine  Embryonen  mit  einschichtigem  Blasto- 
derm  zur  Verfügung,  an  denen  auf  durch  sie  geführten  Schnitten,  wie 
z.  B.  auf  unserer  Fig.  14,  ganz  deutlich  zu  sehen  ist,  wie  im  Dotter 
um  diese  Zeit  so  wenige  Zellen  zurückbleiben,  daß  das  untere  Blatt 
überhaupt  nur  aus  dem  Blastoderm  entstehen  kann.  Uljanin  beob- 
achtete den  Zerfall  des  Blastoderms  in  zwei  Schichten,  welchen  er  auch 
richtig  beschrieb,  allein  er  bezeichnet  diese  beiden  ersten  primären  Keim- 
blätter als  ein  mehrschichtiges  Blastoderm,  indem  er  die  Entstehung 
des  oberen  und  des  unteren  Blattes  auf  ein  späteres  Stadium  bezieht. 
Von  einer  Mehrschichtigkeit  des  Blastoderms  schreiben  auch  Uzel 
und  Prowazek,  ohne  sich  bei  der  Frage  nach  der  Entstehung  des  unteren 
Blattes  aufzuhalten  (über  die  in  den  Arbeiten  aller  dieser  Autoren 
erwähnte  angebliche  entodermale  Anlage  habe  ich  schon  weiter  oben 
gesprochen). 

Es  verdient  Beachtung,  daß  bei  Lepisma  das   »Mesoderm«  (d.h. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  539 

unser  unteres  Blatt)  durch  Abspaltung  vom  Blastoderm  in  den  beiden 
hinteren  Dritteln  der  kleinen  Keimscheibe  entsteht,  und  zwar  augen- 
scheinlich ohne  die  Bildung  einer  Kinne  und  Einstülpung.  Leider  ist 
es  mir  nicht  gelungen,  jene  ziemlich  genaue  Beschreibung  der  Anlage 
der  Keimblätter  bei  Cam/podea,  wie  sie  Uzel  in  seiner  Arbeit  mitteilt, 
in  irgendwelchen  Zusammenhang  mit  meinen  Beobachtungen,  wie  auch 
überhaupt  mit  den  Angaben  über  die  Entwicklung  der  andern  In- 
sekten zu  bringen,  und  zwar  wegen  ihres  so  überaus  eigenartigen  Cha- 
rakters. —  Eine  neue  Untersuchung  dieser  Beziehungen  wäre  von  um 
so  größerem  Interesse,  als  die  ferneren  Entwicklungsprozesse,  angefangen 
von  dem  Momente  der  Anlage  des  Keimstreifens,  bei  Cam/podea  mit 
unsrer  Isotoma  außerordentlich  übereinstimmen. 

Wir  sind  bei  dem  Momente  in  der  Entwicklung  stehen  geblieben, 
wo  die  beiden  Keimblätter  auftraten  und  Unterschiede  in  dem  Charakter 
dieser  beiden  Blätter,  der  Genitalanlage  und  der  Dotterzellen,  ent- 
standen. Auf  diesem  Stadium  besitzt  der  Embryo  nicht  mehr  eine  runde, 
sondern  eine  ovale  Gestalt,  mit  einem  etwas  zugespitzten  Pole  (Fig.  16). 
Diese  Erscheinung  ist  von  den  späteren  Autoren,  mit  Ausnahme  von 
Uljanin  und  Nicolet,  garnicht  vermerkt  worden,  wobei  dieser  letztere 
Autor  dieses  Stadium  den  »birnförmigen  Embryo«  nannte.  Nach 
Uljanin,  welcher  die  Entwicklung  der  Poduren  intra  vitam  beob- 
achtete, »entsteht  eine  solche  Gestalt,  infolge  Zusammenziehens  des 
Eiinhaltes  innerhalb  des  Chorions,  was  zur  Folge  hat,  daß  der  In- 
halt des  Eies  an  zwei  einander  gegenüberliegenden  Punkten  von  der 
Eihülle  absteht,  an  zwei  andern  einander  gegenüberliegenden  Punkten 
dagegen  dieselbe  fast  berührt«  (Seite  4).  —  Späterhin  nimmt  das  Ei 
von  Neuem  eine  kugelförmige  Gestalt  an. 

Eben  auf  diesem  Stadium  des  birnförmigen  Keimes  beginnt  an 
dessen  etwas  zugespitztem  Pole  die  Bildung  des  eigenartigen  Dorsal- 
organs der  Collembola  aus  Zellen  des  Ectoderms.  Wir  haben  schon 
auf  der  Fig.  16  gesehen,  daß  die  Ectodermzellen  sich  an  dieser  Stelle 
durch  ihre  beträchtlichere  Höhe  von  den  benachbarten  Zellen  unter- 
scheiden: dies  ist  nun  eben  die  erste  Anlage  des  Dorsalorgans  (aDO). 
Die  Zunahme  der  Dimensionen  der  Ectodermzellen  dieses  Häufchens 
dauert  auch  später  noch  an,  so  daß  diese  Anlage  des  Dorsalorgans  sich 
recht  bald  ziemlich  scharf  von  den  an  sie  anstoßenden  beiden  Keim- 
schichten abhebt  (Fig.  17).  An  seiner  Bildung  nehmen  ausschließlich 
Zellen  des  Ectoderms  teil:  anfänglich  ist  das  untere  Blatt  auch  unter 
derjenigen  Stelle  entwickelt,  wo  das  Dcrsalorgan  entsteht  (wie  über- 
haupt unter  der  gesamten  Oberfläche  des  Eies),  später  aber  verschwin- 


540  Jur-  Philiptschenko, 

den  seine  Zellen  hier.  —  In  einigen  Fällen  geht  dieses  Verschwinden 
sehr  früh  vor  sich,  und  zwar  auf  dem  in  Fig.  16  dargestellten  Stadium, 
wo  unterhalb  der  ersten  Anlage  des  Dorsalorgans  schon  keine  Elemente 
des  unteren  Blattes  mehr  vorhanden  sind.  In  diesem  Falle  scheinen 
mir  diese  letzteren  durch  die  in  ihren  Dimensionen  zunehmenden  Zellen 
einer  solchen  Anlage  einfach  nach  unten  weggedrängt  zu  werden.  In 
andern  Fällen  wird  das  untere  Blatt  unter  dieser  Stelle  länger  erhalten, 
selbst  noch  auf  dem  Stadium  der  Fig.  17.  Auf  letzterer  kann  man 
dabei  sehen,  daß  die  Zellen  des  unteren  Blattes  unter  dem  Dorsalorgan 
selbst  ein  einigermaßen  eigenartiges  Aussehen  angenommen  haben: 
sie  haben  hier  den  Zusammenhang  miteinander  verloren,  lösen  sich 
auch  von  dem  Ectoderm  ab  und  liegen  unmittelbar  am  Dotter,  in  den 
sie  beinahe  hereinragen  (par).  Das  Protoplasma  dieser  freigewordenen 
und  augenscheinlich  in  den  Dotter  einwandernden  Zellen  ist  stark 
vacuolisiert  und  ihr  Kern  hat  häufig  das  Aussehen  mehrerer  einzelner 
Anhäufungen,  welche  sich  mit  Boraxcarmin  intensiv  färben,  oder  aber 
er  ist  nach  dem  Rande  der  Zelle  hin  verlagert. 

Diese  Bilder  lassen  sich  am  leichtesten  in  dem  Sinne  deuten,  daß 
diese  Zellen  des  unteren  Blattes  unterhalb  des  Dorsalorgans  überflüssig 
werden  und,  indem  sie  in  den  Dotter  einwandern,  einer  Degeneration 
unterliegen.  Es  muß  hierbei  die  Ähnlichkeit  dieser  Zellen  mit  den 
bei  den  höherstehenden  Insekten  schon  längst  bekannten  Gebilden 
hervorgehoben  werden,  welche  von  Heymons  (1895)  den  Namen  Para- 
cyten  erhalten  haben.  Am  charakteristischsten  für  die  Paracyten  sind 
die  Veränderungen  in  der  Kernsubstanz,  welche  nach  Friederichs 
(1906),  dem  wir  die  ausführlichsten  Angaben  über  solche  Gebilde 
verdanken,  vielleicht  im  Zusammenhange  mit  ihrer  secretorischen  Tätig- 
keit im  Dotter  stehen.  Paracyten  sind  bei  den  Embryonen  verschie- 
dener Ordnungen  der  Insekten  beschrieben  worden,  wobei  deren  Ab- 
lösung von  den  verschiedensten  Zellen  beobachtet  wurde  (so  von  denen 
des  Blastoderms,  des  Dotters,  von  den  Genitalzellen,  den  Mesoderm- 
zellen  u.  dergl.  m.). 

Bei  den  Embryonen  von  Isotoma  habe  ich  diese  Paracyten  ziemlich 
selten  beobachtet,  wobei  fast  stets  eine  Lostrennung  derselben  von 
den  Elementen  des  unteren  Blattes  vorlag.  Einen  solchen  Zerfall 
dieser  letzteren  habe  ich  bei  Embryonen  sowohl  während  der  zweiten 
Entwicklungsperiode  als  auch  auf  späteren  Stadien  beobachtet,  wo  der 
Keimstreifen  schon  ausgebildet  war.  Das  weitere  Schicksal  dieser 
Zellen  und  die  an  ihnen  vorgehenden  Veränderungen  habe  ich  nicht 
verfolgen  können,  um  so  mehr  als  die  außerordentlich  geringe  Größe 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  541 

aller  Elemente  bei  Isotoma  cinerea  diese  Form  zu  einem  wenig  ge- 
eigneten Objekt  für  histologische  Untersuchungen  machte.  ■ —  Ich  bin 
indessen  der  Überzeugung,  daß  wir  es  hier  einfach  mit  Degenerations- 
erscheinungen bei  einigen  Zellen  zu  tun  haben.  Zu  meiner  Verfügung 
standen  einige  Embryonen  von  deutlich  pathologischem  Charakter  und 
zwar  sowohl  vor  der  Anlage  des  Dorsalorgans,  wie  auch  nach  diesem 
Prozesse,  bei  denen  der  größte  Teil  der  Zellen  des  unteren  Blattes  einem 
derartigen  Zerfall  unterlegen  war  und  das  Aussehen  von  Paracyten  hatte ; 
daß  ich  es  in  diesem  Falle  mit  zweifellos  pathologischen  Fällen  zu  tun 
hatte,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  ich  auch  auf  späteren  Stadien, 
ungeachtet  der  großen  Anzahl  der  von  mir  untersuchten  Embryonen, 
nichts  gesehen  habe,  was  an  derartige  Bilder  erinnert  hätte.  Hieraus 
wird  man,  glaube  ich,  den  Schluß  ziehen  können,  daß  die  Umwand- 
lung eines  großen  Teils  der  Elemente  des  unteren  Blattes  in  Paracyten 
von  einem  anormalen  Verlauf  der  Entwicklung  des  Embryos  Zeugnis 
ablegt,  welch  letzterer  denn  auch  bald  zugrunde  geht,  während  dieser 
Prozeß  in  kleinerem  Maßstabe  dagegen  zum  Zweck  der  Vernichtung 
der  nicht  mehr  notwendigen  Elemente,  so  z.  B.  der  Zellen  des  unteren 
Blattes,  unter  dem  in  der  Ausbildung  begriffenen  Dorsalorgan  noch 
weiter  vor  sich  geht. 

Ziemlich  bald  nach  dem  ersten  Auftreten  der  Anlage  des  Dorsal- 
organs nimmt  letzteres  schon  seine  ganz  fertige  Gestalt  an.  Ein  der- 
artiges Aussehen  besitzt  es  bei  dem  im  Schnitte  auf  Fig.  18  dargestellten 
Embryo.  —  Ein  großer  Teil  seiner  Oberfläche  ist  hier,  wie  auch  auf 
dem  vorhergehenden  Stadium,  von  den  Zellen  der  zwei  primären  Keim- 
blätter bedeckt,  während  sich  auf  dem  dorsalen  Pole  das  Häufchen 
größerer,  langgestreckter  Zellen  des  Dorsalorgans  befindet,  welche 
tief  in  den  Dotter  hereinragen  {DO).  Die  Grenzen  zwischen  den  Zellen 
dieses  und  der  darauffolgenden  Stadien  bis  zu  dem  Zerreißen  des  Chorion 
sind  für  gewöhnlich  nicht  zu  sehen,  da  zu  der  gleichen  Zeit  unter  dem 
Chorion  die  Abscheidung  der  cuticularen  Keimhülle  beginnt,  weshalb 
diese  Stadien  sich  viel  schlechter  fixieren  lassen,  als  die  vorhergehenden 
und  die  darauffolgenden.  Dafür  treten  bald  nach  dem  Zerreißen  des 
Chorion  die  Grenzen  zwischen  den  Zellen  äußerst  scharf  hervor  und 
der  histologische  Charakter  aller  Elemente  wird  dann  bei  dem  Embryo 
viel  deutlicher,  so  daß  es  besser  ist,  sich  mit  dem  Bau  des  Dorsalorgans 
erst  auf  späteren  Stadien  bekannt  zu  machen. 

Die  Fig.  26  stellt  einen  Schnitt  durch  den  dorsalen  oberen  Teil 
eines  solchen  späteren  Embryos  dar  (welcher  schon  der  dritten  Ent- 
wicklungsperiode  angehört),  auf  dem  auch  das  Dorsalorgan  {DO)  sehr 


542  Jur-  Philiptschenko, 

gut  zu  erkennen  ist.  Wir  sehen  hier,  daß  die  Zellen  des  letzteren  um 
ein  Vielfaches  größer  sind,  als  die  daranstoßenden  Zellen  des  Ectoderms, 
deren  Fortsetzung  sie  gewissermaßen  bilden.  Eine  jede  der  Zellen 
ist  stark  in  die  Länge  gestreckt,  mit  erweitertem  inneren  und  stark 
verjüngtem  äußeren  Ende,  wobei  diese  äußeren  zugespitzten  Enden 
der  Zellen  des  Dorsalorgans  in  der  Mitte  seiner  äußeren  Oberfläche 
dicht  bei  einander  liegen.  Die  inneren,  erweiterten  Enden  der  Zellen 
enthalten  je  einen  ziemlich  großen  Kern;  ihr  Protoplasma  ist  in  diesem 
Teile  stark  vacuolisiert.  Nach  außen  zu  nimmt  die  Vacuolisierung  mit 
zunehmender  Verschmälerung  der  ganzen  Zelle  im  Gegenteil  an  Inten- 
sität ab,  wobei  sie  schließlich  gänzlich  verschwindet  und  durch  einen 
auf  das  Deutlichste  ausgesprochenen  fibrillären  Bau  ersetzt  wird,  so 
daß  der  Eindruck  hervorgerufen  wird,  als  ob  die  Zellen  des  Dorsalorgans 
sich  nach  der  Peripherie  zu  stark  verschmälern  und  in  ein  Bündel 
dünner  Fäden  übergehen,  unter  denen  die  Grenzen  der  einzelnen  Zellen 
nicht  mehr  zu  erkennen  sind.  Ein  derartiges  Bild  spricht  natürlich 
für  eine  intensive  secretorische  (oder  excretorische)  Tätigkeit  des  Dorsal- 
organs und  verleiht  demselben  den  Charakter  einer  Drüse :  der  f ibrilläre 
Bau  der  in  die  Länge  gezogenen  äußeren  Enden  der  Zellen  kann  durch 
die  Anhäufung  eines  nach  außen  strömenden  Secrets  in  denselben  er- 
klärt werden,  welches  wahrscheinlich  in  der  Nähe  des  Kernes,  in  ihren 
erweiterten  inneren  Enden  hervorgebracht  wird,  wo  das  Protoplasma 
viele  Vacuolen  enthält. 

Aus  der  Fig.  26,  auf  die  sich  unsre  Beschreibung  bezieht,  ist  zu 
ersehen,  daß  die  äußeren  Enden  der  Zellen  des  Dorsalorgans  gleichsam 
aus  dem  Embryo  hervortreten  und  über  dessen  Oberfläche  hervorragen, 
indem  sie  sich  mit  der  das  Ei  umgebenden  Hülle  verbinden.  Letzteres 
ist  nur  für  ein  späteres  Stadium,  nach  erfolgter  Zerreißung  des  Chorions, 
charakteristisch;  während  der  zweiten  Entwicklungsperiode  hingegen 
und  speciell  bald  nach  der  Bildung  des  Dorsalorgans  ist  ein  solches 
Verhalten  noch  nicht  zu  bemerken,  und  seine  äußere  Oberfläche  bildet 
eine  direkte  Fortsetzung  der  Oberfläche  des  Ectoderms,  über  welches 
das  Dorsalorgan  in  keiner  Weise  hervorragt  (Fig.  18).  —  Mit  dieser 
Ausnahme  besitzen  die  Zellen  des  Dorsalorgans  (DO),  und  zwar  sowohl 
gleich  nach  dessen  völliger  Ausbildung,  wie  auch  überhaupt  während 
der  gesamten  zweiten  Entwicklungsperiode  (Fig.  18,  19,  21,  22)  den- 
selben Charakter,  wie  er  von  uns  nach  einem  späteren  Stadium  (Fig.  26) 
abgebildet  und  beschrieben  worden  ist,  d.  h.  sie  bestehen  eine  jede  aus 
einem  breiteren  inneren  Teile  mit  stark  vacuolisiertem  Protoplasma 
und  einem  in  die  Länge  gestreckten  äußeren  Teile  mit  fibrillärem  Bau, 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  543 

obgleich  die  Grenzen  zwischen  diesen  Zellen  hier  meistens  nicht  zu 
sehen  sind.  Nach  der  völligen  Ausbildung  des  Dorsalorgans  sind  unter- 
halb desselben  keine  Spuren  mehr  von  den  Zellen  des  unteren  Blattes 
zu  sehen,  welche  einst  auch  an  dieser  Stelle  vorhanden  waren,  während 
die  Zellen  des  Ectoderms  dicht  bis  an  die  Zellen  des  Dorsalorgans 
heranreichen,  so  daß  dieses  letztere,  wie  aus  der  Fig.  18  u.  v.  a.  zu 
ersehen  ist,  den  Eindruck  eines  nach  innen  ausgewachsenen  Ectoderm- 
bezirks  hervorruft,  welchen  es  denn  auch  in  der  Tat  darstellt.  Was 
nun  endlich  die  allgemeine  Gestaltung  dieses  Gebildes  anbetrifft,  so 
wird  dasselbe  am  besten  durch  die  alte  Bezeichnung  eines  »kugelförmigen 
Organs«  (Uljanin)  charakterisiert,  obgleich  diese  Gestalt  bisweilen 
durch  diejenige  eines  weniger  regelmäßigen  Sphaeroids  ersetzt  wird. 

Sofort  nach  der  Anlage  des  Dorsalorgans  beginnt  die  Abscheidung 
der  ersten  cuticulären  Hülle  durch  den  Embryo,  wobei  diese  Hülle 
unter  dem  Chorion  durch  die  gesamte  Oberfläche  des  Ectoderms  ab- 
geschieden wird.  Auf  demselben  Schnitte,  wo  das  Dorsalorgan  seine 
endgültige  Größe  erreicht  hat  (Fig.  18),  wie  auch  auf  dem  Schnitte 
durch  das  darauffolgende  Stadium  (Fig.  19),  sehen  wir,  daß  der  äußere 
Rand  der  Ectodermzellen  eine  scharf  ausgesprochene  Kontur  {ah^ 
besitzt,  wobei  nach  der  Färbung  mit  Wasserblau  nach  Blochmann 
dieser  Saum  stark  gefärbt  erscheint,  wie  sich  auf  älteren  Stadien  auch 
die  cuticulären  Keimhüllen  mit  diesem  Färbemittel  färben.  Offenbar 
haben  wir  es  hier  mit  dem  Entstehen  einer  solchen  Hülle  zu  tun,  welche 
als  das  Ergebnis  einer  Verwandlung  der  äußeren  Schicht  der  Ectoderm- 
zellen gebildet  wird.  —  Untersucht  man  solche  Embryonen  in  einem 
Tropfen  Alkohol,  so  kann  man  bisweilen  durch  vorsichtiges  Drücken 
mit  der  Nadel  auf  das  mit  Wachsfüßchen  versehene  Deckgläschen  die 
Loslösung  dieser  cuticulären  Hülle  von  der  Oberfläche  des  Keimes 
bewirken,  obgleich  sie  dieser  letzteren  auf  diesen  Stadien  noch  sehr 
fest  anliegt. 

Damit  eine  solche  Loslösung  auf  natürlichem  Wege  erfolgen  kann, 
beginnt  die  Oberfläche  des  Embryos  sofort  nach  der  Bildung  dieser 
denselben  bedeckenden  Cuticula  eine  Menge  von  Falten  zu  bilden, 
wobei  auch  die  Keimhülle  anfangs  alle  diese  Unebenheiten  mit  an- 
nimmt, bis  sie  sich  vollständig  von  der  Oberfläche  des  Embryos  ab- 
getrennt hat. 

Dieser  Vorgang  beginnt  mit  der  Bildung  einer  sehr  tiefen  Furche, 
welche  um  das  ganze  Ei  herum  längs  dessen  Meridian  verläuft,  wie 
dies  sowohl  an  dem  Ei  in  toto,  wie  auch  auf  Schnitten  durch  dasselbe 
zu  sehen  ist  (Fig.  19).     Diese  Furche  (/)  beginnt  auf  der  Dorsalseite 


544  Jur.  Philiptschenko, 

des  Eies,  gleich  hinter  dem  Dorsalorgan  (d.  h.  sie  verläuft  auf  derjenigen 
Seite  dieses  letzteren,  welche  der  Genitalanlage  (g)  zugewandt  ist)  und 
verbreitet  sich  von  hier  auf  die  lateralen  Seiten  des  Embryos,  wobei 
sie  auch  auf  dessen  ventrale  Seite  übergeht,  d.  h.  denselben  ringsherum 
umgibt.  Die  Ventralseite  des  Eies  durchschneidet  diese  Furche  näher 
an  dessen  vorderem  (von  der  Genitalanlage  entfernten)  Ende,  indem 
sie  auf  diese  Weise  einen  Winkel  von  etwa  45°  mit  der  Hauptachse 
des  Eies  bildet,  wenn  man  die  Längsachse  des  birnförmigen  Embryos, 
oder  aber  (auf  späteren  Stadien,  wenn  der  Keim  von  Neuem  rund 
geworden  ist)  die  von  dem  Dorsalorgan  zur  Ventralseite  des  Eies  parallel 
zu  der  Genitalanlage  verlaufende  Gerade  als  solche  auffaßt. 

Diese  Furche  ist  so  scharf  ausgesprochen  und  sowohl  auf  diesem 
Stadium,  wie  auch  auf  den  darauf  folgenden  (Fig.  20,  21)  so  deutlich 
zu  sehen,  daß  sich  einem  unwillkürlich  die  Annahme  aufdrängt,  daß 
irgendwelche  Vorgänge  in  der  inneren  Entwicklung  des  Keimes  mit 
dieser  Furche  im  Zusammenhange  stehen  müssen.  Allein  diese  An- 
nahme ist  durchaus  unberechtigt,  indem  nach  dem  Zerreißen  des  Cho- 
rion, wenn  die  Oberfläche  des  Keimes  sich  glättet,  von  dieser  Furche, 
wie  auch  von  den  kleineren,  keine  Spur  mehr  zu  bemerken  ist.  Die 
lateralen  Seiten  der  Furche  sind  mit  Zellen  des  Ectoderms  und  des 
unteren  Blattes  ausgekleidet,  während  ihr  Boden,  wie  dies  aus  der 
Fig.  19  zu  ersehen  ist,  gewöhnlich  nur  aus  einer  Schicht  von  Ectoderm- 
zellen  gebildet  wird,  indem  die  Zellen  des  unteren  Blattes  zur  Seite 
verdrängt  werden. 

Anfänglich  ruft  diese  tiefe  meridionale  Furche  keine  Veränderung 
in  der  Lage  des  Dorsalorgans,  neben  welchem  sie  vorläuft,  hervor; 
allein  je  tiefer  die  Furche  wird,  um  so  mehr  zieht  sie  dieses  Organ  mit 
sich,  welches  sich  allmählich  um  einen  ziemlich  beträchtlichen  Winkel 
von  seiner  früheren  Lage  abwendet.  Wenn  dieser  Prozeß  sein  Maxi- 
mum erreicht  hat,  so  erweist  sich  das  Dorsalorgan  als  um  fast  90°  ge- 
dreht und  seine  freie  Oberfläche  ist  um  diese  Zeit  nicht  mehr  nach  außen, 
sondern  nach  der  Höhlung  der  Furche  gewendet  (Fig.  21),  sowie  in  der 
Richtung  nach  dem  Hinterende  des  Embryos  (vgl.  Fig.  21  mit  der 
Fig.  20,  wo  auch  die  Genitalanlage  abgebildet  ist;  beide  beziehen  sich 
auf  ein  und  denselben  Embryo). 

Zu  dieser  Zeit  bedeckt  sich  die  gesamte  Oberfläche  des  Embryos, 
abgesehen  von  der  oben  beschriebenen  tiefen  meridionalen  Furche, 
auch  noch  mit  einer  Menge  von  Falten  und  kleinen  Furchen,  welche 
zum  Teil  auch  auf  Schnitten  zu  sehen  sind  (Fig.  20,  21,  22).  Auf  diesem 
Stadium  ist  der  Embryo  gänzlich  undurchsichtig  und  bei  seinem  Stu- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  545 

dium  im  Alkoholtropfen  kann  man  sich  nur  von  dem  Vorhandensein 
dieser  faltigen  Oberfläche  überzeugen,  ohne  eine  Vorstellung  von  dem 
inneren  Bau  zu  gewinnen.  Und  doch  kann  man  dabei  sowohl  vor  dem 
Auftreten  dieser  Falten,  wie  auch  nach  ihrem  Verschwinden,  wenn 
■das  Chorion  bereits  geplatzt  ist,  viele  Einzelheiten  im  inneren  Baue 
des  Eies  bemerken. 

Die  cuticuläre  Hülle  des  Embryos  {hx)  macht  alle  Unregelmäßig- 
keiten der  Eioberfläche  mit,  löst  sich  aber  sodann  infolge  des  Auf- 
tretens dieser  Fältchen  und  Furchen  von  derselben  ab  und  liegt  frei 
zwischen  Embryo  und  Chorion  (Fig.  20,  21,  22).  Auf  ihr  kann  man 
um  diese  Zeit  stets  noch  die  gleichen  Erhöhungen  und  Vertiefungen 
bemerken,  wie  auf  der  Oberfläche  des  Ectoderms;  sie  erstreckt  sich 
auch  in  die  Vertiefung  der  meridionalen  Furche  herein,  wobei  das 
Wasserblau,  wie  auch  früher,  diese  bereits  abgetrennte  Hülle  intensiv 
färbt. 

Die  zweite  Periode  in  der  Entwicklung  des  Eies  erreicht  ihr  Ende 
mit  dem  Zerreißen  des  Chorion  und  der  Abscheidimg  einer  zweiten 
ebensolchen  embryonalen  Cuticula  unter  der  ersten  Embryonalhülle. 
Für  das  Studium  gerade  dieser  zwei  Prozesse  muß  die  Entwicklung 
intra  vitam  verfolgt  werden,  was  von  mir  seiner  Zeit  leider  nicht  aus- 
geführt worden  war ;  nach  Präparaten  allein  ist  es  hingegen  sehr  schwer 
sich  über  diese  Vorgänge  völlige  Klarheit  zu  verschaffen,  und  dies  um 
so  mehr,  als  auch  die  Fixierung  des  Materials  infolge  des  Vorhanden- 
seins zweier  Hüllen  (des  Chorions  und  der  ersten  Embryonalhülle)  viel 
zu  wünschen  übrig  läßt. 

Auf  Eiern  kurz  vor  dem  Zerreißen  des  Chorions  (letzteres  kann 
leicht  daraus  ersehen  werden,  daß  das  Chorion  bei  schwachem  Druck 
außerordentlich  leicht  zerreißt)  ist  die  Oberfläche  des  Ectoderms  noch 
ebenso  uneben  und  die  embryonale  Cuticula  (Äx)  ist  ganz  von  ihr  los- 
gelöst (Fig.  23).  Allein  die  meridionale  Furche  (/)  ist  hier  viel  weniger 
tief  und  das  Dorsalorgan  (DO)  nimmt  seine  frühere  Lage  ein,  indem  es 
mit  den  äußeren  Enden  seiner  Zellen  nicht  mehr  nach  der  Höhlung 
der  Furche,  sondern  wiederum  wie  früher  nach  außen  gerichtet  ist. 
Dabei  fällt  der  Umstand  in  die  Augen,  daß  das  Dorsalorgan  im  Ver- 
gleiche mit  seiner  früheren  Lage,  wie  sie  zum  Beispiel  auf  der  Fig.  18 
dargestellt  ist,  nunmehr  weiter  über  die  allgemeine  Oberfläche  des 
Embryos  hervorragt.  —  Derartige  Bilder  lassen  sich,  wie  mir  scheint, 
am  ehesten  in  dem  Sinne  deuten,  daß  das  von  der  Furche  in  eine  seit- 
liche Lage  mitfortgezogene  Dorsalorgan  sich  von  neuem  nach  außen 
vorstülpt,  wobei  es  zum  Teil  auch  das  Ectoderm  von  dem  Boden  der 


546  Jur-  Philiptschenko, 

Furche  mit  sich  zieht,  was  eine  Verringerung  der  Dimensionen  dieser 
letzteren  zur  Folge  hat.  Es  dürfte  äußerst  schwer  fallen,  dieser  Rück- 
kehr des  Dorsalorgans  in  seine  frühere  Lage  eine  andre  Deutung  zu 
geben;  anderseits  bin  ich  vollkommen  davon  überzeugt,  daß  die  von 
mir  beschriebene  Aufeinanderfolge  der  Stadien,  trotz  des  Fehlens  von 
Beobachtungen  intra  vi  tarn,  der  Wirklichkeit  entspricht.  Abgesehen 
von  dem  Charakter  selbst  eines  jeden  Stadiums  (so  z.  B.  der  stärkeren 
oder  schwächeren  Entwicklung  der  ersten  Keimhülle,  der  äußerst 
geringen  Widerstandsfähigkeit  des  Chorions  vor  seiner  Zerreißung)  habe 
ich  mich  auch  noch  durch  die  Verteilung  des  Materials  in  meinen  Gläs- 
chen leiten  lassen.  Die  auf  den  Fig.  18,  19,  20,  21  abgebildeten  Ent- 
wicklungsstadien kommen  immer  zusammen  vor  und  dabei  in  an- 
nähernd gleicher  Anzahl,  während  das  Stadium  der  Fig.  22  nur  in 
dem  am  nächsten  Tage  fixierten  Materiale  vorkommt,  wobei  in  diesem 
letzteren  schon  Embryonen  mit  abgeworfenem  Chorion  vorwiegen, 
welche  zur  dritten  Entwicklungsperiode  gehören. 

In  Anbetracht  dieses  Umstandes  scheint  es  mir,  als  ob  die  Vor- 
stülpung des  Dorsalorgans  nach  der  Oberfläche  einen  Anstoß  zu  der 
Zerreißung  des  Chorions  gäbe,  welches  um  diese  Zeit  dem  Embryo 
zu  eng  wird.  Unter  der  Einwirkung  der  Vorstülpung  nimmt  der  von 
innen  auf  das  Chorion  ausgeübte  Druck  an  Intensität  zu,  dasselbe 
platzt  in  zwei  Hälften  und  seine  Stelle  nimmt  die  zu  dieser  Zeit  be- 
reits völlig  ausgebildete  erste  cuticulare  Hülle  ein.  —  Verläuft  die 
Sache  wirklich  in  dieser  Weise,  so  wird  man  auch  die  Bedeutung  der 
tiefen  meridionalen  Furche  um  das  Ei  begreifen  können,  welche  weiter 
oben  beschrieben  wurde.  Die  kleineren  Furchen  und  Falten  an  der 
Oberfläche  des  Eies  stehen  in  zweifellosem  Zusammenhange  mit  der 
Loslösung  der  ersten  embryonalen  Cuticula,  während  der  meridionalen 
Furche  außerdem  noch  eine  specielle  Aufgabe  zukommt,  und  zwar 
das  Dorsalorgan  aus  seiner  normalen  Lage  zu  bringen,  indem  sie  dasselbe 
um  90%  zur  Seite  neigt  und  dadurch  ermöglicht,  das  es  sich  später 
wiederum  nach  außen  vorstülpt,  was  dann  ein  Zerreißen  des  Chorions 
bewirkt.  Zugunsten  einer  selbständigen  Bestimmung  der  meridionalen 
Furche  scheint  mir  auch  deren  frühere  Anlage  zu  sprechen,  noch  bevor 
an  der  Oberfläche  die  kleinen  Falten  und  Furchen  auftreten. 

Dieses  ist  die  Deutung,  welche  ich  den  von  mir  auf  Präparaten 
beobachteten  Bildern  geben  kann  und  so  stelle  ich  mir  die  Ursachen 
vor,  welche  das  Zerreißen  des  Chorions  am  Ende  der  zweiten  Periode 
der  Entwicklung  des  Eies  hervorrufen.  Ich  muß  nochmals  betonen, 
daß  alle  diese  Betrachtungen  nicht   auf  direkten  Beobachtungen  be- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  547 

ruhen,  sondern  auf  indirekten  Angaben,  weshalb  für  eine  endgültige 
Lösung  dieser  Frage  und  eine  Nachprüfung  meiner  Annahme  das 
Studium  intra  vi  tarn  erforderlich  ist.  Leider  sind  alle  Angaben  über 
diese  Periode  in  der  Entwicklung  in  den  Arbeiten  meiner  Vorgänger, 
welche  die  Entwicklung  an  lebendem  Materiale  studiert  haben,  nur 
sehr  spärlich  vorhanden  und  dazu  noch  größtenteils  irrtümlich. 

Es  mag  hier  gleich  hervorgehoben  werden,  daß,  wenn  meine  Er- 
wägungen richtig  sind,  das  Zerreißen  des  Chorions  bei  unserm  Embryo 
nicht  auf  rein  mechanischem  Wege,  und  zwar  infolge  des  Wachstums 
des  Embryos  und  des  von  innen  auf  das  Chorion  ausgeübten  passiven 
Druckes  vor  sich  geht,  sondern  durch  die  aktive  Tätigkeit  des  Embryos 
selbst  hervorgerufen  wird,  welcher  zu  diesem  Zwecke  im  Verlaufe 
seiner  Entwicklung  eine  Reihe  spezieller  Prozesse  durchmacht  (Bildung 
einer  meridionalen  Furche,  Verlagerung  des  Dorsalorgans,  dessen  Vor- 
stülpimg nach  außen).  Es  kann  dies  mit  der  Auffassung  von  Kautsch 
(1909)  in  eine  Reihe  gestellt  werden,  nach  welcher  die  Umrollung  des 
Embryos  bei  den  Spinnen  (eine  analoge  Erscheinung  haben  wir  auch 
bei  den  Embryonen  von  Isototna)  nicht  durch  einen  mechanischen 
Druck  erklärt  werden  kann,  wie  dies  von  Montgomery  (1909)  be- 
hauptet wurde,  eine  Auffassung,  deren  Richtigkeit  Kautsch  kürzlich 
auch  durch  experimentelle  Versuche  an  Embryonen  nachgewiesen 
hat  (1910b). 

Während  der  Vorstülpung  des  Dorsalorgans  nach  der  Oberfläche 
vor  dem  Zerreißen  des  Chorions,  d.  h.  auf  dem  in  Fig.  22  dargestellten 
Stadium,  kann  man  von  neuem  die  Bildung  der  Paracyten  beobachten, 
von  denen  oben  die  Rede  war.  Auf  Schnitten  durch  derartige 
Embryonen  sind  solche  degenerierende  Zellen  gewöhnlich  im  Dotter 
dicht  neben  dem  Dorsalorgan  und  der  im  Verschwinden  begriffenen 
meridionalen  Furche  zu  bemerken  (Fig.  22  par).  Wahrscheinlich  wird 
ein  Teil  der  Elemente  vom  Boden  dieser  letzteren  bei  der  beginnenden 
Glättung  der  Keimoberfläche  nicht  noch  außen  vorgestülpt,  sondern 
zerfällt  in  einzelne  Zellen,  welche  in  den  Dotter  wandern  und  dort 
der  Degeneration  verfallen.  Diesen  Zellen  vom  Boden  der  meridionalen 
Furche  schließen  sich  andere  Zellen  an,  welche  größtenteils  ebenfalls 
aus  den  zunächstliegenden  Bezirken  des  Dorsalorgans  stammen  und 
dasselbe  Schicksal  erleiden,  d.  h.  in  den  Dotter  auswandern  und  dort 
zugrunde  gehen.  Auf  den  darauffolgenden  Stadien  sind  im  Dotter 
in  der  Nähe  des  Dorsalorgans  schon  keine  Paracyten  mehr  zu  sehen. 

Das  Chorion  zerreißt  in  zwei  gleiche  Hälften,  welche,  wie  dies 
schon  von  den  früheren  Autoren  (Nicolet,  Uljanin,  Uzel)  beschrieben 


548  Jur.  Philiptschenko, 

worden  ist,  unter  dem  Andränge  der  ersten  embryonalen  Cuticula 
auseinandertreten  und  schließlich  in  Gestalt  zweier  Mützen  auf  der- 
selben hängen  bleiben.  Die  embryonale  Cuticula  nimmt  ein  glattes 
Aussehen  an,  indem  alle  bis  dahin  auf  ihr  vorhandenen  Falten  und 
Vertiefungen  verschwinden  und  zwischen  ihr  und  dem  Embryo  tritt 
ein  ziemlich  großer  Zwischenraum  auf.  Auf  unsrer  Fig.  23  ist  das 
erste  Stadium  der  dritten  Periode  in  der  Entwicklung  dargestellt,  auf 
welchem  auch  diese  Embryonalhülle  (Aj)  gut  zu  sehen  ist,  wie  auch 
die  auf  derselben  einander  gegenübersitzenden  Chorionhälften  {ch), 
welche  die  Gestalt  zweier  zusammengedrückter  Hüte  oder  Mützen 
besitzen.  Letztere  verbleiben  in  dieser  Gestalt  auf  der  äußeren  Em- 
bryonalhülle während  der  ganzen  dritten  und  vierten  Entwicklungs- 
periode bis  zu  dem  Ausschlüpfen  des  Embryos  aus  dem  Ei.  Irgend- 
welche Fortsätze  auf  der  äußeren  Embryonalhülle,  wie  sie  bei  andern 
Collembola  beobachtet  wurden  (Nicolet,  Uljanin  u.  a.),  sind  bei 
Isotoma  cinerea  nicht  vorhanden:  diese  Hülle  ist  hier  vollständig  glatt 
und   strukturlos. 

Die  Fig.  23  ist  bei  der  gleichen  Vergrößerung  gezeichnet,  wie  die 
äußere  Gestalt  des  Eies  und  der  ersten  Furchungsstadien  auf  den 
Fig.  1 — 5  (300  :  1):  eine  Vergleichung  der  ersteren  mit  letzteren  zeigt 
deutlich,  daß  das  nach  dem  Zerreißen  des  Chorions  nunmehr  von  der 
cuticularen  Keimhülle  umgebene  Ei  beträchtlich  größer  geworden 
ist.  Einen  gewissen  Teil  dieser  Vergrößerung  wird  man  bei  meinem 
Materiale  übrigens  auf  Kosten  der  Wirkung  der  Fixierungsflüssigkeit 
und  des  Alkohols  setzen  müssen,  indem  die  Vergrößerung  nach  den 
von  Uljanin  an  lebendem  Materiale  angestellten  Messungen  etwas 
geringer  ist  (bei  einer  Form  mit  0,2  mm  z.  B.  nur  bis  zu  0,28  mm). 
In  Anbetracht  dieses  Umstandes  will  ich  meine  Zahlen  hier  nicht 
anführen . 

Während  des  Zerreißens  des  Chorions  wird  auch  die  dritte  Hülle 
des  Embryos,  die  zweite  embryonale  Cuticula  abgeschieden.  Un- 
mittelbar vor  dem  Zerreißen  des  Chorions  (Fig.  22)  ist  dieselbe  noch 
nicht  vorhanden,  während  sie  auf  allen  darauffolgenden  Stadien  sowohl 
auf  Totalpräparaten  (Fig.  23),  wie  auch  auf  Schnitten  (Fig.  24,  25) 
gut  zu  sehen  ist  (h2).  Diese  Hülle  liegt  zwischen  der  äußeren  Cuticula 
und  dem  Embryo,  welch  letzterem  sie  näher  anliegt;  sie  ist  ebenso 
strukturlos,  bedeutend  dünner  als  die  erste  und  ebenso  durch  Wasser- 
blau färbbar. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Uljanin  und  Miss  Claypole  wird 
diese  zweite   embryonale   Cuticula,   gleich  der   ersten,   durch   die  ge- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  549 

samte  Oberfläche  des  Embryos  abgeschieden.  Auf  Stadien,  welche  dem 
Zerreißen  des  Chorions  vorangehen  und  wo  sich  die  erste  Hülle  bereits 
abgelöst  hat  (Fig.  20,  21,  22),  habe  ich  in  den  Oberflächenschichten 
der  Ectodermzellen  keinen  solchen  mit  Wasserblau  färbbaren  Saum 
beobachten  können,  wie  er  vor  der  Loslösung  der  ersten  Cuticnla  zu 
sehen  war  (Fig.  18,  19  dh^).  Indessen  trug  vielleicht  auch  die  nicht 
besonders  gelungene  Fixierung  aller  Elemente  auf  diesen  Stadien  die 
Schuld  hieran. 

Mit  dem  Abwerfen  des  Chorion  erreicht  die  zweite  Periode  in  der 
Entwicklung  ihr  Ende.  Ihre  Dauer  übertrifft  diejenige  der  ersten 
Periode  um  ein  Bedeutendes  und  beträgt  etwa  4  Tage  (wie  dies  auch 
Lemoine  für  Anurophorus  laricis  festgestellt  hat).  Das  erste  Stadium 
der  dritten  Entwicklungsperiode  habe  ich  5  Tage  nach  der  Eiablage 
beobachtet. 

Die  Angaben  über  alle  diese  Vorgänge  in  den  Arbeiten  früherer 
Autoren  sind  sehr  unvollständig  und  häufig  unklar.  Uljanin  be- 
schreibt ganz  richtig  die  Bildung  der  circularen  Hüllen,  die  Falten  an 
der  Oberfläche  des  Embryos,  welche  der  Loslösung  der  ersten  Hülle 
vorangehen,  das  Zerreißen  des  Chorions  und  die  darauffolgende  Ver- 
größerung der  Dimensionen  des  Eies.  Allein  seiner  Ansicht  nach  wird 
die  erste  Keimhülle  noch  vor  der  Anlage  des  Dorsalorgans  abgeschieden, 
welches  in  Gestalt  eines  eine  Vertiefung  des  Blastoderms  umgebenden 
Wulstes  entsteht,  unter  dem  auch  das  untere  Keimblatt  gebildet  wird. 
Uljanins  Zeichnung  (Taf.  V,  Fig.  7),  welche  diese  Beschreibung  er- 
läutert, stellt  das  gleiche  Bild  dar,  wie  unsre  Fig.  20,  wobei  die  Ver- 
tiefung des  Blastoderms  nichts  andres  darstellt,  als  unsre  meridionale 
Hülle,  während  das  schon  lange  vorher  gebildete  Dorsalorgan  auf 
dieser  Zeichnung  überhaupt  nicht  vorhanden  sein  kann,  da  es  nur  auf 
näher  zur  Mitte  des  Eies  geführten  Schnitten  (wie  auf  unsrer  Fig.  21) 
zu  sehen  ist.  Eine  Vergleichung  dieser  Zeichnung  aus  der  Uljanin- 
schen  Arbeit  mit  unsrer  Fig.  20  ist  auch  in  andrer  Hinsicht  von  Inter- 
esse: man  wird  sich  auf  Grund  derselben  unzweifelhaft  davon  über- 
zeugen können,  daß  Uljanin  die  Genitalanlage  für  die  seiner  Beschrei- 
bung nach  inmitten  des  Dotters  liegende  Anlage  des  Mitteldarmes 
gehalten  hat. 

Auch  Lemoine  hat  das  Dorsalorgan  und  beide  cuticularen  Hüllen 
beschrieben,  allein  seine  Beschreibung  ist  fast  durchwegs  unrichtig: 
so  ist  die  erste  Keimhülle  (»membrane  amniotique«)  nach  Lemoine 
ein  zelliges  Gebilde  und  entspricht  dem  Amnion  und  der  Serosa  der 
Insekten;   mit    dem  Dorsalorgan  ist  sie  vermittels  eines  besonderen 


550  Jur.   Philiptschenko, 

Apparates,  der  »  ampoule  amniotique «  verbunden,  welche  durch  Aus- 
stülpung von  Elementen  des  Hypoblasts  gebildet  wird  usw.  Die  meri- 
dionale  Hülle  hält  er  für  den  Blastoporus,  auf  dessen  Grunde  die  Diffe- 
renzierung des  unteren  Keimblattes  vor  sich  geht. 

Unter  den  späteren  Arbeiten  sind  die  Angaben  von  Wheeler, 
Uzel  und  Prowazek  nur  sehr  kurz  und  geben  wenig  wesentlich  Neues, 
doch  haben  die  beiden  ersteren  Autoren  erstmals  die  kompakte  Anlage 
des  Dorsalorganes  beschrieben.  Miss  Claypole  hat  alle  diese  Vor- 
gänge am  ausführlichsten  besprochen.  Die  Anlage  des  Dorsalorgans 
und  sein  Bau  wird  in  ihrer  Arbeit  im  allgemeinen  ganz  übereinstimmend 
mit  meinen  Befunden  beschrieben,  doch  spricht  sie  kein  Wort  von  den 
Paracyten.  Ebenso  wird  auch  die  tiefe  meridionale  Furche,  die  Ver- 
lagerung des  Dorsalorgans  und  seine  Rückausstülpung  auf  die  Ober- 
fläche mit  keinem  Worte  erwähnt,  ebenso  wie  Miss  Claypole  auch 
nicht  bei  dem  Prozesse  des  Zerreißens  des  Chorions  verweilt.  Ander- 
seits wird  nach  ihrer  Beschreibung  noch  vor  der  Bildung  jener  beiden 
cuticularen  Hüllen,  welche  auch  von  mir  und  den  vorhergehenden 
Autoren  beschrieben  worden  sind  ("first  and  second  crenated  mem- 
brane"  nach  Miss  Claypoles  Terminologie)  durch  die  Oberfläche  des 
Embryos  noch  eine  Hülle  abgeschieden,  und  zwar  die  "preparatory 
membrane".  Das  Vorhandensein  dieser  letzteren  bei  Anurida  wird 
übrigens  durch  Folsom  nicht  bestätigt. 

Alle  früheren  Autoren  haben  diese  cuticularen  Hüllen  als  blasto- 
dermale  Hüllen  bezeichnet,  welcher  Ausdruck  auch  von  Miss  Claypole 
verwendet  wird,  obgleich  sie  die  oberflächlichen  Zellen  des  Embryos 
auf  diesen  Stadien  ganz  richtig  als  das  Ectoderm  ansieht.  In  diesem 
Falle  ist  eine  solche  Bezeichnung  natürlich  nicht  anwendbar,  weshalb 
ich  auch  keinen  Gebrauch  davon  gemacht  habe,  obgleich  anderseits 
kein  Zweifel  darüber  bestehen  kann,  daß  diese  embryonalen  Cuticulae 
bei  den  Collembola  durchaus  den  blastodermalen  Hüllen  vieler  Arthro- 
poden entsprechen,  bei  denen  ein  großer  Teil  des  Eies  von  dem  Blasto- 
derm  bedeckt  ist,  während  die  Keimblätter  nur  an  einem  genau  fest- 
gestellten Teil  des  Eies  entwickelt  sind.  —  Auf  die  Bedeutung  dieser 
Keimhüllen  werden  wir  noch  am  Schlüsse  unsrer  Arbeit  zurückkommen. 

V.  Die   dritte  Periode  der  Entwicklung.     -  Anlage  und  Differenzierung 
des  Keimstreifens,  Umrollung  des  Embryos. 

(Tafeln  XI,  XII,  XIII.) 
Die  dritte  Periode  in  der  Entwicklung  beginnt  sofort  nach  dem 
Abwerfen  des  Chorions  mit  der  Anlage  und  Differenzierung  des  Keim- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  551 

Streifens;  um  diese  Zeit  werden  alle  Extremitäten  angelegt  und  es  geht 
die  Umrollung  des  Embryos  vor  sich,  welcher  seine  ursprüngliche 
dorsale  Krümmung  in  eine  ventrale  abändert.  —  Die  Dauer  dieser 
Periode,  welche  schon  recht  schwer  von  der  letzten  abzugrenzen  ist, 
ist  mehr  oder  weniger  übereinstimmend  mit  der  Dauer  der  zweiten 
Periode  der  Entwicklung,  d.  h.  sie  beträgt  ungefähr  4  Tage. 

Indem  ich  durchaus  mit  der  Bemerkung  von  Carriere  (1897) 
übereinstimme:  »die  Zahl  und  die  Leichtigkeit  oder  Schärfe  der  Ab- 
grenzung von  Entwicklungsstadien  bei  Embryonen  steht  bekanntlich 
im  umgekehrten  Verhältnis  zur  Menge  des  verfügbaren  Materials« 
(S.  299),  halte  ich  es  doch  für  bequemer,  sowohl  diese  Entwicklungs- 
periode wie  auch  die  vierte  in  eine  Reihe  von  Stadien  zu  zerlegen  und 
nach  diesen  die  Beschreibung  weiter  zu  führen.  Obgleich  dank  der 
großen  Menge  des  zu  meiner  Verfügung  stehenden  Materials  fast  zwischen 
allen  diesen  Stadien  Übergänge  vorhanden  sind,  so  wird  die  Sache 
durch  eine  solche  Behandlungsweise  doch  bedeutend  vereinfacht,  da 
die  Embryonen  um  diese  Zeit  schon  einen  weit  komplizierteren  Bau 
besitzen.  —  Die  Stadien  bezeichne  ich  durch  einzelne  Buchstaben, 
während  ihre  äußere  Gestalt  in  den  Fig.  23  (Taf.  XI)  und  Fig.  27—36 
(Taf.  XII)  wiedergegeben  ist. 

Stadium  A.  Das  Aussehen  des  jüngsten,  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Stadiums  dieser  Periode  ist  auf  der  Fig.  23  dargestellt. 

Hier  fällt  uns  vor  allem  der  Umstand  in  die  Augen,  daß  um  das  Ei 
herum  schon  der  Keimstreifen  angelegt  ist,  welcher  sich  mit  seinem 
vorderen  und  seinem  hinteren  Ende  an  das  Dorsalorgan  (DO)  an- 
schließt. An  diesem  Keimstreifen  sind  die  dicht  unter  dem  Dorsai- 
organ  liegenden  Kopflappen  (Kl)  und  die  vier  ersten  Segmente  (segm) 
differenziert,  während  seine  hintere  Hälfte  noch  das  Aussehen  eines 
nicht  segmentierten  Stranges  besitzt,  welcher  ebenfalls  bis  an  das 
Dorsalorgan  heranreicht.  Diese  ersten  Segmente  repräsentieren  die 
Segmente  der  Mundwerkzeuge  und  das  erste  Brustsegment,  was  durch 
Vergleichung  dieses  Stadiums  mit  dem  darauffolgenden  festgestellt 
werden  kann. 

Allein  nicht  die  gesamte  Oberfläche  des  Eies  ist  von  dem  Keim- 
streifen bedeckt:  schon  auf  Totalpräparaten  solcher  Embryonen,  deren 
einer  in  unsrer  Fig.  23  abgebildet  ist,  kann  man  deutlich  sehen,  daß 
der  Keimstreifen  die  ganze  Ventralfläche  des  Embryos  umfaßt  und 
an  dessen  vorderer  und  hinterer  Seite  näher  zum  Dorsalorgan  eine 
Erweiterung  bildet  (für  die  Kopflappen  und  das  Schwanzende),  während 
die  lateralen  Seiten  des  Eies  frei  von  ihm  sind  und  aus  diesem  Grunde 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  36 


552  Jur-  Philiptschenko, 

heller  erscheinen.  Eine  völlig  deutliche  Vorstellung  von  allen  diesen 
Verhältnissen  erhalten  wir  übrigens  erst  durch  Querschnitte  durch  den 
Embryo,  etwa  wie  sie  auf  den  Fig.  24  und  25  abgebildet  sind. 

Auf  der  Fig.  25  ist  ein  Schnitt  dargestellt,  welcher  das  Dorsal- 
organ  und  die  Genitalanlage  (g)  getroffen  hat  und  den  Keimstreifen 
auf  der  Ventralseite  des  Eies  durchschneidet,  wo  derselbe  noch  nicht 
segmentiert  ist.  Hier  ist  ein  scharfer  Unterschied  zwischen  den  Zellen 
des  Keimstreifens  und  denjenigen  der  lateralen  Seiten  des  Eies  ober- 
halb desselben  zu  bemerken.  —  Im  Bereiche  des  ersteren  sehen  wir 
zwei  Schichten  cylindrischer,  durch  scharf  ausgesprochene  Grenzen  von- 
einander getrennter  Zellen:  die  äußere  Schicht  ist  das  Ectoderm  (ect), 
die  innere  stellt  das  untere  Blatt  (üb)  dar.  Auf  den  lateralen  Seiten 
des  Embryos  dagegen,  zwischen  dem  Keimstreifen  und  dem  Dorsal- 
organ, sind  im  Gegensatz  zu  den  vorhergehenden  Stadien  der  zweiten 
Entwicklungsperiode,  gar  keine  Elemente  des  unteren  Blattes  mehr 
zu  sehen;  Ectoderm  ist  hier  vorhanden,  aber  es  besteht  nicht  aus 
cylindrischen,  sondern  aus  flachen  Zellen  (he),  deren  es  verhältnis- 
mäßig viel  weniger  sind,  als  im  Bereiche  des  Keimstreifens. 

Die  Fig.  24  stellt  einen  Schnitt  durch  den  vorderen  Teil  des  Em- 
bryos dar:  das  Dorsalorgan  ist  hier  nicht  mehr  vorhanden,  und  im 
oberen  Teil  des  Schnittes  (Kl)  treffen  wir  keine  flachen  ectodermalen 
Zellen,  sondern  wiederum  hohe  cylindrische  an  und  unter  denselben 
eine  Schicht  ebensolcher  Elemente  des  unteren  Blattes:  es  ist  dies 
ein  Teil  der  auf  den  Schnitt  geratenen  Kopf  läppen.  Auf  dem  unteren 
Teile  unsrer  Zeichnung  sehen  wir  die  gleichen  beiden  Schichten,  aber 
mit  einer  Einschnürung  in  der  Mitte  und  in  Gestalt  zweier  Vorsprünge 
zu  beiden  Seiten  derselben  (segm),  da  dieser  Schnitt  eines  der  Segmente 
des  Keimstreifens  getroffen  hat.  Die  seitlichen  Erweiterungen  eines 
solchen  Segmentes  ergeben  auf  den  darauffolgenden  Stadien  Fortsätze 
für  die  in  der  Bildung  begriffenen  Extremitäten.  Der  kleine  Zwischen- 
raum zwischen  den  Kopflappen  und  dem  ventralen  Teil  des  Keim- 
streifens ist  auch  auf  diesem  Schnitte  mit  ebensolchen  ectodermalen 
Zellen  ohne  Unterlage  von  Elementen  des  unteren  Blattes  bedeckt, 
wie  die  lateralen  Seiten  des  Embryos  auf  Fig.  25. 

Auf  Querschnitten  durch  das  allerhinterste  Ende  des  Embryos 
werden  wir  diese  flachen  ectodermalen  Zellen,  wie  dies  bei  Betrachtung 
seiner  äußeren  Gestalt  (Fig.  23)  leicht  ersichtlich  ist,  gar  nicht  mehr 
antreffen,  indem  hier  das  ganze  Ei  von  den  zwei  Schichten  des  Keim- 
streifens  umgeben  ist.  i 

Mit  einem  Worte,  auf  diesem  Stadium  beginnt  sich  ein  schroffer 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  553 

Gegensatz  zwischen  dem  Keimstreifen,  welcher  die  ganze  vordere, 
hintere  und  ventrale  Seite  des  mittleren  Teiles  des  Eies  einnimmt 
und  dessen  lateralen  Seiten  bemerkbar  zu  machen:  ersterer  besteht 
nach  wie  vor  aus  den  beiden  Keimschichten,  während  die  lateralen 
Seiten  nur  mit  flachen  ectodermalen  Zellen  bedeckt  sind,  welche  auf 
durch  die  Mitte  des  Eies  geführten  Schnitten  demnach  dessen  gesamte 
obere  Hemisphäre  bedecken  (Fig.  25).  —  In  meinen  ferneren  Dar- 
legungen werde  ich  mich  für  diese  Zellen  des  Ausdruckes  »Hüllen- 
ectoderm«  bedienen,  mit  welchem  Hirschler  (1909b)  bei  Donacia  die 
Anlage  der  Serosa,  im  Gegensatz  zum  Keimectoderm  für  den  Keim- 
streifen und  das  Amnion,  bezeichnet,  indem,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  diese  flachen  Zellen  des  Ectoderms  durchaus  der  Serosa  der 
Insekten  entsprechen.  Ich  möchte  hier  noch  bemerken,  daß  dieser 
Ausdruck  für  die  Collembola  vollständig  angebracht  ist,  da  ihr 
Hüllenectoderm  in  Wirklichkeit  Ectoderm  ist,  in  bezug  auf  die  Ptery- 
gota  hingegen  in  Hüllenblastoderm  umgeändert  werden  muß,  weil 
Hirschler,  als  er  diesen  Namen  verwendete,  unter  dem  Ectoderm  das 
Blastoderm  verstand,  indem  er  sich  der  Auffassung  von  Heymons 
von  der  entodermalen  Natur  der  Dotterzellen  anschloß ;  letztere  Auffas- 
sung, auf  welche  wir  weiter  unten  noch  ausführlicher  zurückkommen 
werden,  läßt  sich  indessen  gegenwärtig  wohl  kaum  mehr  aufrecht 
erhalten. 

Die  oben  beschriebenen  Verhältnisse  gestatten  es  auch  uns  eine 
Vorstellung  davon  zu  machen,  wie  der  Keimstreifen  angelegt  wird. 
Augenscheinlich  entsteht  er  durch  eine  größere  Ansammlung  von  Zellen 
des  Ectoderms  wie  auch  des  unteren  Blattes  in  jenem  ziemlich  be- 
trächtlichen Teile  der  Eioberf lache,  welche  von  ihm  bedeckt  ist:  diese 
größere  Ansammlung  von  Zellen  im  Bereiche  des  Keimstreifens  kommt 
dadurch  zustande,  daß  ein  Teil  der  Ectodermzellen  und  alle  Zellen 
des  unteren  Blattes  von  den  lateralen  Seiten  des  Embryos  entweder 
nach  der  Ventralseite  oder  nach  dem  Vorder-  und  Hinterende  aus- 
wandern, was  zur  Folge  hat,  daß  diese  lateralen  Seiten  nur  noch  von 
einer  dünnen  Schicht  flacher  Ectodermalzellen  -  -  dem  sogenannten 
Hüllenectoderm  —  bedeckt  erscheinen. 

Diese  Auswanderung  der  Zellen  des  unteren  Blattes  (des  »Meso- 
derms  «)  bei  der  Bildung  des  Keimstreifens  erwähnt  auch  Miss  Claypole 
in  ihrer  Arbeit.  —  Auf  ganz  analoge  Weise  entsteht  der  Keimstreifen 
nach  Uzel  auch  bei  Campodea,  wo  ebenfalls,  wie  dieser  Autor  sich 
ausdrückt,  eine  Zusammenziehung  des  Blastoderms  nach  einer  Hemi- 
sphäre des  Eies   stattfindet;  hier  entsteht  denn  auch  die  Anlage  des 

36* 


554  Jur.   Philiptschenko, 

Keimstreifens,  welcher  in  Bälde  zwei  Drittel  der  Eioberf lache  einnimmt. 
Eine  ähnliche  Zusammenziehung  der  Elemente,  wenn  auch  nicht  der 
Keimblätter,  sondern  des  Blastoderms,  findet  auch  bei  der  Bildung 
des  Keimstreifens  bei  einigen  Pterygota  statt,  wie  dies  unter  anderm 
von  Knower  (1900)  für  Eutermes  angegeben  wird;  in  andern  Fällen 
hat  der  Keimstreifen  der  höheren  Insekten  indessen  eine  andre  Ent- 
stehung, und  zwar  durch  Verschmelzung  besondrer  Bildungscentren 
miteinander,  was  für  die  Orthoptera  charakteristisch  zu  sein  scheint 
[Cholodkowsky  (1891),  Wheeler  (1893),   Heymons  (1895)]. 

Vergleichen  wir  das  von  uns  beschriebene  Stadium  A  mit  dem 
letzten  Stadium  der  zweiten  Periode,  so  ist  der  Unterschied  zwischen 
ihnen  ein  recht  beträchtlicher.  Abgesehen  davon,  daß  die  gesamte 
Oberfläche  schon  ganz  eben  geworden  ist,  so  daß  von  den  früheren 
Falten  und  Furchen  nichts  mehr  übrig  bleibt,  und  daß  durch  Zu- 
sammenziehung der  Zellen  der  Keimstreifen  entstanden  ist,  finden 
wir  auf  dem  letzteren  außer  den  Kopf  läppen  auch  schon  vier  Segmente. 
Augenscheinlich  besteht  hier  eine  Lücke,  und  vor  unserm  Stadium  A 
besteht  in  Wirklichkeit  noch  ein  Stadium,  welches  in  meinem  Material 
nicht  vertreten  ist.  In  den  Arbeiten  von  Uzel  und  Prowazek  finden 
sich  ganz  bestimmte  Hinweise  darauf,  daß  bei  den  von  ihnen  unter- 
suchten Embryonen  ein  Stadium  mit  angelegten  Kopflappen  und 
Mandibelsegment  vorhanden  war,  wobei  der  übrige  Keimstreifen  noch 
keine  Segmentierung  aufwies.  Dieses  Stadium  bildet  denn  auch  offen- 
bar das  fehlende  Bindeglied  zwischen  dem  Stadium  A  und  dem  Ende 
der  zweiten  Entwicklungsperiode. 

Da  der  Charakter  des  Dorsalorgans  sich  während  des  Verlaufs 
der  ganzen  dritten  Periode  der  Entwicklung  nicht  verändert,  so  können 
wir  dasselbe  gleich  hier  bei  dem  Stadium  A  beschreiben.  Während 
der  zweiten  Periode  der  Entwicklung  war  die  Oberfläche  dieses  Organs, 
wie  wir  bereits  mitgeteilt  haben,  völlig  glatt  und  bildete  eine  direkte 
Fortsetzung  der  Oberfläche  des  Ectoderms ;  nunmehr  erblicken  wir  aber 
ein  ganz  andres  Bild  (Fig.  26).  Der  Charakter  seiner  Zellen  bleibt  der 
frühere  (ein  vacuolisierter  innerer  und  ein  fibrillärer  äußerer  Teil), 
allein  nach  dem  Zerreißen  des  Chorions  ragen  die  äußeren  Enden  dieser 
Zellen  über  die  Oberfläche  des  Hüllenectoderms  hervor  und  gehen 
gleichsam  in  ein  Bündel  feiner  Fäden  über,  welches  hierauf  eine  pilz- 
förmige Gestalt  annehmend  breiter  wird  und  mit  einer  der  cuticularen 
Hüllen  des  Embryos  in  Verbindung  tritt.  Es  kann  als  allgemeine 
Regel  angesehen  werden,  daß  eine  solche  Verbindung  zwischen  dem 
Dorsalorgan  und  der  zweiten  embryonalen  Hülle  (h2)  stattfindet,  wie 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  555 

dies  auf  Fig.  23  und  25  zu  sehen  ist.  Allein  bisweilen  traf  ich  Embryonen 
an,  bei  denen  eine  solche  pilzförmige,  über  die  Oberfläche  des  Ecto- 
derms  hervorragende  Verlängerung  der  Zellen  des  Dorsalorgans  bis 
zu  der  äußeren  embryonalen  Hülle  (h±)  reichte  und  sich  dicht  an  deren 
innerer  Oberfläche  befestigte,  indem  sie  auf  diese  Weise  den  ganzen 
Embryo  mit  dieser  Hülle  verband  (Fig.  26).  Eine  solche  Erscheinung 
wurde  übrigens  bedeutend  seltener  beobachtet. 

Fügen  wir  hier  noch  hinzu,  daß  sowohl  die  Fibrillen  an  den  äußeren 
Enden  der  Zellen  des  Dorsalorgans,  als  auch  besonders  dieser  pilzförmige 
äußere  Fortsatz  desselben  sich  mit  Wasserblau  intensiv  färben  ließen, 
so  wird  man  diese  ganze  Erscheinung  ebenfalls  als  ein  Ergebnis  jener 
secretorischen  oder  excretorischen  Tätigkeit  des  Dorsalorgans  ansehen 
können,  von  der  schon  oben  die  Rede  war.  Die  in  seinen  Zellen  hervor- 
gebrachte Substanz  tritt  nach  außen,  und  zwar  in  Gestalt  eines  Bündels 
von  höchstwahrscheinlich  klebrigen  Fäden,  welche  gleichsam  eine  Fort- 
setzung der  Zellen  des  Dorsalorgans  darstellen,  und  befestigt  sich  an 
der  inneren,  bei  sehr  intensiver  Ausscheidung  dagegen  an  der  äußeren 
Hülle  des  Embryos. 

Es  dürfte  meines  Erachtens  recht  schwer  halten,  diesen  Bildern 
eine  andre  Deutung  zu  geben. 

Stadium  B.  Auf  diesem  Stadium  umgibt  der  Keimstreifen  das 
ganze  Ei,  wie  dies  auch  auf  dem  Stadium  A  der  Fall  war,  und  ist  dem- 
nach noch  durchaus  co'nvex.  Allein  es  sind  dennoch,  wie  dies  schon 
bei  der  äußerlichen  Betrachtung  der  Embryonen  dieses  Stadiums 
(Fig.  27)  zu  sehen  ist,  gewisse  Veränderungen  in  denselben  vor  sich 
gegangen.  —  Neben  dem  unteren  Rande  der  Kopflappen  (Kl)  finden 
sich  die  Anlagen  der  Antennen  (ant),  die  auf  dem  vorhergehenden 
Stadium  noch  nicht  vorhanden  waren  und  hier,  wie  bei  den  übrigen 
Insekten,  durch  Abtrennung  von  dem  unteren  oder  hinteren  Rande 
dieser  Lappen  gebildet  werden.  Segmente  sind  auf  dem  Keimstreifen 
in  größerer  Anzahl  zu  sehen  und  dieselben  sind  dank  dem  Umstände 
viel  schärfer  ausgesprochen,  daß  an  ihnen  die  Extremitäten  hervor- 
zuwachsen beginnen.  Für  gewöhnlich  besitzen  die  Embryonen  auf 
diesem  Stadium  hinter  den  Antennen  bereits  sechs  wohl  ausgebildete 
Segmente,  von  denen  ein  jedes  mit  Extremitätenanlagen  in  Gestalt 
zweier  seitlicher  Fortsätze  versehen  ist,  welche  auf  solchen  Total- 
präparaten scharf  hervortreten,  wie  sie  der  Fig.  27  als  Modell  gedient 
haben.  Augenscheinlich  stellen  diese  Fortsätze  auf  unsrer  Zeichnung 
die  Mandibeln  (md),  das  erste  und  das  zweite  Maxillenpaar  (mx-^  und 
mx2),   sowie  die  drei   Paare   von   Thoracalfüßen    dar   (thx — ih3).     An 


556  Jur.  Philiptschenko, 

Embryonen,  welche  dem  Anfang  dieses  Stadiums  angehören,  sieht 
man  für  gewöhnlich  nur  fünf  Segmente,  indem  das  letzte  Thoracal- 
segment  noch  mit  der  nicht  segmentierten  hinteren  Hälfte  des  Keim- 
streifens verschmolzen  ist:  ein  Sagittalschnitt  durch  einen  derartigen 
Embryo  ist  auf  Fig.  38  dargestellt.  Im  Dotter  liegt  in  der  Nähe  von 
diesem  nicht  segmentierten  Teil  des  Embryos  nach  wie  vor  die  Genital- 
anlage (g);  die  Oberfläche  des  Eies  ist  da,  wo  sie  nicht  von  dem  Keim- 
streifen eingenommen  ist,  wie  früher  auf  dem  Stadium  A  mit  flachen 
ectodermalen  Zellen  bedeckt,  welche  wir  das  Hüllenectoderm  genannt 
haben  (Fig.  39  he). 

Elemente  des  unteren  Blattes  (üb)  sind,  wie  auch  früher,  überall 
unter  dem  Ectoderm  (ect)  des  Keimstreifens  enthalten  (Fig.  38),  allein 
dieses  Blatt  bleibt  nicht  überall  einschichtig,  wie  dies  auf  dem  Sta- 
dium A  und  während  der  zweiten  Periode  der  Entwicklung  der  Fall 
war,  sondern  es  läßt  in  den  bereits  gebildeten  Segmenten  die  Somiten 
entstehen.  Auf  einem  Querschnitt  durch  den  Embryo,  welcher  durch 
eines  seiner  Segmente  geführt  ist  (Fig.  39),  sehen  wir,  daß  im  mittleren 
Teile  des  Keimstreifens  das  untere  Blatt  wie  vorher  einschichtig  ist, 
während  sich  seine  Zellen  in  den  lateralen  Teilen  desselben,  aus  denen 
die  Extremitäten  hervorwachsen,  in  zwei  Schichten  anordnen,  wobei 
sie  geschlossene  Bläschen,  d.  h.  die  Somiten  bilden  (so).  — ■  In  einem 
jeden  der  Segmente  befindet  sich  demnach  auf  diesem  Stadium  je  ein 
Paar  oberhalb  der  aus  dem  Segmente  hervorwachsenden  Extremitäten 
liegender  Somiten,  wobei  zwischen  den  Somiten  eines  Segmentes,  die- 
selben miteinander  verbindend,  eine  Schicht  von  Zellen  des  unteren 
Blattes  verläuft  (isb).  Dieses  einschichtige  Brücken en  zwischen  den 
Ursegmenten,  welches  auch  bei  den  Embryonen  der  Pterygota  vor- 
handen ist,  spielt  in  der  weiteren  Entwicklung  eine  beachtenswerte 
Rolle,  indem  es  eine  der  Anlagen  des  Mitteldarmes  darstellt. 

Die  Bildung  der  Somiten  erfolgt  bei  Jsotoma  cinerea  nach  dem 
gleichen  Typus  wie  bei  vielen  Orthopteren  [Heymons  (1895)],  bei 
Scolopendra  [Heymons  (1901)]  und  bei  einigen  andern  Arthropoden, 
wenn  ein  solches  Ursegment  durch  stellenweise  Verwandlung  eines 
einschichtigen  Plättchens  des  unteren  Blattes  (oder  Mesoderms  der 
Autoren)  in  ein  zweischichtiges  Plättchen  entsteht,  einerlei  auf  welche 
Weise  diese  Zweischichtigkeit  erzielt  wird  (durch  Teilung  der  Zellen 
und  Auseinandertreten  der  Teilungsprodukte  oder  durch  Einkrümmen 
der  Ränder  —  was  in  den  meisten  Fällen  nur  sehr  schwer  genau  fest- 
zustellen ist).  Diese  Art  und  Weise  der  Entstehung  der  Somiten  noch 
vor  dem  Hereinwachsen  der  Elemente  des  unteren  Blattes  in  die  Ex- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  557 

tremitäten  scheint  mir  primitiver  zu  sein  als  die  von  Heymons  (1891) 
und  Cholodkovsky  (1891)  bei  den  Blattidae  beschriebenen  Ver- 
hältnisse, wo  der  in  die  Extremität  hereingezogene  Somit  an  der 
dem  Dotter  zugewendeten  Seite  noch  offen  ist.  Letztere  Biidungs- 
weise  entstand  wahrscheinlich  als  eine  Modifikation  der  ersteren  und 
zwar  infolge  früheren  Hervorwachsens  der  Extremitäten  oder  späterer 
Anlage  der  Somiten.  Es  mag  hier  auf  die'  interessante  Tatsache  hin- 
gewiesen werden,  daß  die  Somiten  bei  Lepisma  nach  Heymons  in  der 
gleichen  Weise  wie  bei  den  Blattidae  angelegt  werden. 

Das  Stadium  C  ist  vor  allem  dadurch  charakterisiert,  daß  der 
wie  zuvor  das  Ei  umfassende  Keimstreifen  sich  von  der  Ventralseite 
her  abplattet,  was  den  Beginn  seiner  Invagination  darstellt,  sowie  durch 
den  Beginn  der  Umrollung  des  Embryos.  Diese  Abplattung  des  Em- 
bryos erstreckt  sich  von  dem  Segmente  der  ersten  Maxillen  bis  zu  dem 
dritten  Thoracalsegment  (Fig.  28).  —  Auf  dieser  einen  ganzen  Embryo 
darstellenden  Zeichnung  sehen  wir,  daß  die  Antennen  und  Extremitäten 
beträchtlich  an  Größe  zugenommen  haben;  letzteres  ist  namentlich 
dann  zu  sehen,  wenn  man  den  Embryo  nicht  von  der  Seite,  sondern 
von  der  Ventralfläche  betrachtet,  wobei  man  denselben  vorsichtig 
unter  dem  Deckgläschen  hin  und  her  dreht  (Fig.  29).  Als  Neubildungen 
treten  hier  auf:  erstens  die  Differenzierung  des  ersten  Abdominal- 
segmentes (Ahäi)  hinter  dem  letzten  Beinpaare,  hinter  dem  sich  bis 
zu  dem  Dorsalorgan  (DO)  der  noch  nicht  segmentierte  Keimstreifen 
hinzieht  und  zweitens  die  Oberlippe  (Ibr).  —  Letztere  entsteht,  wie 
auf  diesen  beiden  Figuren  zu  sehen  ist,  gleich  ihrer  gewöhnlichen  An- 
lage bei  den  Insekten,  in  Gestalt  eines  unpaaren  Fortsatzes  zwischen 
beiden  Kopf  läppen  (Kl)  an  deren  unteren  oder  hinteren  Grenze.  Auf 
Sagittalschnitten  (Fig.  40)  ist  deutlich  zu  sehen,  daß  gleich  nach  dem 
Ectoderm  auch  Elemente  des  unteren  Blattes  an  der  Bildung  des  Labrum 
beteiligt  sind,  welche  nicht  an  der  Bildung  der  Somiten  teilgenommen 
haben.  —  Es  mag  hier  bemerkt  werden,  daß  es  richtiger  wäre,  auf 
diesem  Stadium  noch  nicht  von  einer  Oberlippe,  sondern  vielmehr  von 
einer  gemeinsamen  Clypeo-Labrumanlage  zu  sprechen,  wie  dies  Hoff- 
mann in  seiner  vorläufigen  Mitteilung  auch  tat,  indem  der  Clypeus  sich 
erst  später  von  der  Oberlippe  abtrennt.  Da  ich  indessen  in  meiner 
Arbeit  nicht  besonders  ausführlich  bei  der  Entwicklung  der  äußeren 
Körpergestalt  verweile,  will  ich  hier  keinen  Unterschied  zwischen  der 
Clypeo-Labrumanlage,  wie  sie  von  Hoffmann  genannt  wird,  und  dem 
Labrum  schlechtweg  machen. 

Die  Fig.  29,  welche  den  größten  Teil  des  Keimstreifens  von  der 


558  Jur-   Philiptschenko, 

Ventralseite  (gleichsam  en  face)  darstellt,  ist  noch  in  einer  anderen 
Beziehung  von  Interesse.  Aus  derselben  ist  erstens  zu  ersehen,  daß 
die  Antennen  auf  diesem  Stadium  mehr  lateral  als  alle  übrigen  Extremi- 
täten und  etwas  unterhalb  der  Oberlippe,  d.  h.  postoral  liegen.  Letzteres 
ist  die  Regel  bei  den  Pterygota  und  ist  für  die  Collembola  schon 
von  Folsom  und  Hoffmann  beschrieben  worden.  Noch  mehr  Interesse 
verdient  indessen  das  aus  dieser  Figur  deutlich  hervorgehende  gänz- 
liche Fehlen  irgendwelcher  zwischen  den  Antennen  und  den  Mandibeln 
liegender  Extremitäten  bei  unserer  Isotoma,  d.  h.  das  Fehlen  von  Rudi- 
menten des  Intercalarsegmentes.  Dieselben  sind  auch  auf  dem  darauf- 
folgenden Stadium  D  nicht  zu  sehen;  überhaupt  habe  ich  mich,  bei 
aller  Aufmerksamkeit,  welche  ich  diesem  Gegenstande  zuwandte,  davon 
überzeugen  können,  daß  diese  Gebilde  auf  keinem  einzigen  Stadium 
in  der  Entwicklung  von  Isotoma  cinerea  auftreten.  Und  doch  haben 
alle  Autoren,  welche  die  Entwicklung  von  Anurida  maritima  unter- 
suchten, angefangen  von  Wheeler,  das  Vorhandensein  von  Anhängen 
des  Intercalarsegmentes  bei  dieser  Form  signalisiert;  solche  Anhänge 
wurden  auch  bei  Tomocerus  vulgaris  durch  Hoffmann  aufgefunden  und 
finden  sich  vielleicht  auch  bei  Sminthurus  juscus  (?  Lemoine  —  paarige 
Anlage  der  Oberlippe).  Indessen  hat  Pkowazek  bei  der  von  ihm 
untersuchten  Isotoma- Art  keine  derartigen  Anhänge  gefunden.  In  An- 
betracht des  rudimentären  Charakters  dieser  Gebilde  ist  es  übrigens 
durchaus  verständlich,  daß  dieselben  selbst  bei  einander  ziemlich  nahe- 
stehenden Formen  bald  vorhanden  sein,  bald  fehlen  können.  Es  muß 
hier  bemerkt  werden,  daß  Anhänge  des  Intercalarsegmentes  bei  Cam- 
podea  vorhanden  sind  (Uzel),  bei  Lepisma  dagegen  fehlen  (Heymons); 
ebenso  verhält  sich  die  Sache  auch  bei  den  Chilopoda:  bei  Geophilus 
sind  diese  Anhänge  anscheinend  vorhanden  [Zograf  (1883)  —  Uzel], 
während  sie  bei   Scolopendra  fehlen  [Heymons  (1901)]. 

Gleichzeitig  mit  der  Anlage  der  Oberlippe  wird  auch  das  Stomo- 
däum  angelegt,  welches  bis  jetzt  bei  dem  Embryo  noch  nicht  vorhanden 
war.  Dasselbe  ist  auf  Sagittalschnitten  (Fig.  40  std)  besonders  gut  zu 
sehen,  wobei  wir  bemerken,  daß  die  für  dieses  Organ  bestimmte  ecto- 
dermale  Invagination  dicht  unter  der  Oberlippe  (Tbr)  liegt  und  die 
Oberfläche  des  Dotters  nicht  erreicht ;  auf  diesem  Stadium  befindet  sich 
zwischen  dem  Boden  des  Stomodäum  und  dem  Dotter  noch  eine  Schicht 
von  Elementen  des  unteren  Blattes  (üb),  welche  sodann  in  eine  An- 
häufung von  Zellen  dieses  selben  Blattes  im  Innern  des  Labrum  über- 
geht. —  In  dieser  Anlage  des  Vorderdarmes  ist  im  Vergleich  mit  andern 
Insekten  nichts  besonderes  zu  bemerken. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  559 

Auf  solchen  Sagittalschnitten,  wie  auch  auf  Querschnitten  (Fig.  41), 
kann  man  deutlich  sehen,  daß  die  Somiten  (so)  schon  in  die  beträchtlich 
herangewachsenen  Extremitäten  hineinreichen.  Nach  dem  Dotter  zu 
sind  die  Ursegmente  verschlossen  und  in  jedem  Segmente  durch  ein 
einschichtiges  Brückchen  des  unteren  Blattes  (isb)  miteinander  ver- 
bunden. Auch  in  den  Antennen  kann  man  auf  diesem  Stadium  die 
in  dieselben  sich  erstreckenden  Somiten  des  Antennalsegmentes  auf 
das  Deutlichste  erkennen ;  in  dem  Intercalarsegment  habe  ich  Rudimente 
der  Somiten  erst  auf  einem  beträchtlich  späteren  Stadium  (E)  ange- 
troffen. 

Die  Somiten  erstrecken  sich  demnach,  wie  dies  bei  den  Ortho- 
ptera  und  Odonata  [bei  letzteren  —  Heymons  (1896a)]  sowie  bei 
Lepisma  der  Fall  ist,  auch  bei  unsrer  Isotoma  und,  wie  dies  aus  den 
Zeichnungen  von  Folsom  hervorgeht,  auch  bei  Anurida  und  wahr- 
scheinlich wohl  bei  allen  Collembolen,  bis  in  die  Extremitäten  hinein. 
Auf  den  primitiven  Charakter  dieser  Erscheinung,  wie  auf  ihre  Über- 
einstimmung mit  den  Verhältnissen  bei  den  Myriopoden  und  Peripatus 
ist  schon  mehrfach  hingewiesen  worden. 

Endlich  wird  auf  dem  Stadium  C  auch  das  Nervensystem  angelegt. 
Auf  Querschnitten  durch  den  Keimstreifen  (Fig.  41)  kann  man  im 
Ectoderm  zwischen  den  hervorwachsenden  Extremitäten  deutlich  große 
Zellen  (nbl)  unterscheiden,  welche  ziemlich  scharf  vor  den  ihnen  be- 
nachbarten gewöhnlichen  ectodermalen  Elementen  hervortreten.  Da 
auf  dem  nächstfolgenden  Stadium  an  der  Stelle  dieser  großen  Zellen 
die  bereits  mehrschichtige  Anlage  des  Nervensystems  auftritt  (Fig.  42 
bis  46  n),  so  wird  man  diese  Zellen,  wie  mir  scheint,  für  die  bei  der  Ent- 
wicklung der  höheren  Insekten  so  charakteristischen  Neuroblasten  an- 
sehen können. 

Weder  auf  diesem,  noch  auf  dem  folgenden  Stadium  habe  ich  auf 
Querschnitten  eine  Neuralrinne  beobachtet,  so  daß  man  hier  auch  nicht 
von  Primitivwülsten  sprechen  kann,  obgleich  alle  diese  Gebilde  überaus 
charakteristisch  für  die  Embryonen  der  Arthropoden  sind.  Auf  der  die 
äußere  Gestalt  des  Embryos  des  darauffolgenden  Stadiums  (D)  en  face 
darstellenden  Fig.  31  ist  wohl  eine  hellere  Linie  zwischen  den  Extremi- 
täten zu  bemerken,  allein  Querschnitte  durch  Embryonen  dieses  Sta- 
diums (Fig.  46)  überzeugen  uns  davon,  daß  das  Nervensystem  (n)  hier 
ziemlich  stark  entwickelt  ist,  und  daß  die  Herkunft  dieser  hellen  Linie 
sich  nur  dadurch  erklären  läßt,  daß  wir  es  einfach  mit  einem  helleren 
Zwischenraum  zwischen  der  rechten  und  linken  Hälfte  des  Nerven- 
systems zu  tun  haben,  welche  sich  getrennt  haben. 


560  Jur-   Phiüptschenko, 

Ich  muß  hier  übrigens  bemerken,  daß  das  Nervensystem  bei  den 
mir  zu  Gebote  stehenden  Embryonen  für  gewöhnlich  recht  ungenügend 
fixiert  wurde,  schlechter  als  alle  anderen  Organe,  was  sich  namentlich 
auf  jüngeren  Stadien  deutlich  bemerkbar  machte.  Aus  diesem  Grunde 
gelang  es  mir  auch  nur  weniges  aus  seiner  Entwicklung  festzustellen 
und  wage  ich  es  deshalb  nicht  besonders  fest  auf  der  Abwesenheit  einer 
Neuralrinne  zu  bestehen,  indem  ich  zugebe,  daß  dieselbe  die  Folge 
schlechter  Konservierung  darstellen  konnte.  Über  das  Vorhandensein 
der  Neuroblasten  dagegen  kann  wohl  kaum  ein  Zweifel  bestehen. 

Es  sei  daran  erinnert,  daß  schon  Heymons  Neuroblasten  bei 
Lepisma  saccharina  gefunden  hat,  und  daß  bei  dieser  Form  auch  Primi- 
tivwülste mit  einer  dazwischen  liegenden  Furche  deutlich  zu  sehen 
waren.  Miss  Claypole  erwähnt  bei  ihrer  flüchtigen  Besprechung  der 
Entwicklung  des  Nervensystems  bei  Anurida,  daß  "the  brain  and 
ventral  cord  both  arise  in  the  same  way  as  that  described  by  Wheeler 
for  Xiphidium,  —  by  the  proliferation  from  single  ectoderm  cells 
until  row  of  nerve  cells  arise"  (p.  279).  —  Augenscheinlich  wird  man 
die  Entwicklung  des  Nervensystems  mit  Hilfe  von  Neuroblasten  als 
allgemein  gültige  Regel  für  alle  Insekten,  sowohl  die  Pterygota,  wie 
auch  die  Apterygota,  ansehen  können. 

Stadium  D.  Auf  diesem  Stadium  beginnt  die  Invagination  des 
mittleren  Teiles  des  Keimstreifens  in  den  Dotter  und  die  sogenannte 
Umrollung  des  ganzen  Embryos,  welcher  dabei  statt  seiner  früheren 
dorsalen  Krümmung  eine  ventrale  annimmt.  Wie  dies  an  dem  ganzen 
Embryo  (Fig.  30),  sowie  auf  Sagittalschnitten  (Fig.  42)  deutlich  zu 
sehen  ist,  erleidet  gerade  derjenige  Teil  des  Keimstreifens  eine  Invagina- 
tion, welcher  auf  dem  vorhergehenden  Stadium  eine  mehr  abgeplattete 
Gestalt  annahm,  d.  h.  der  Teil  von  dem  ersten  maxillaren  bis  zu  dem 
letzten  thoracalen  Segmente:  das  Mandibular-  und  das  erste  Abdomi- 
nalsegment verbleiben  noch  ganz  und  gar  auf  der  convexen  Oberfläche 
des  Eies.  Die  Umbiegungsstelle  des  Keimstreifens  fällt  um  diese  Zeit, 
wie  dies  auf  den  Zeichnungen  zu  sehen  ist,  mit  dem  ersten  Thoracal- 
segment  zusammen.  —  Im  allgemeinen  kann  man  dieses  Stadium  als 
das  Stadium  der  unvollkommenen  Umrollung  des  Embryos  bezeichnen, 
da  die  Invagination  des  Keimstreifens  ihr  Maximum  erst  auf  dem 
nächstfolgenden  Stadium  (E)  erreicht.  —  Zwischen  dem  Stadium  des 
abgeplatteten  Keimstreifens  (C),  dem  Stadium  der  unvollkommenen  (D) 
und  demjenigen  der  vollkommenen  Umrollung  des  Embryos  (E)  liegt 
nun  eine  Reihe  von  Übergängen  vor,  wie  übrigens  fast  zwischen  allen 
Stadien. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  561 

Die  ursprünglich  dorsale  Krümmung  des  Keimstreifens  und  der 
darauf  folgende  Übergang  zu  ihrer  ventralen  Krümmung  ist  eine  ge- 
meinsame Erscheinung  für  alle  Collembola,  deren  Entwicklung  von 
irgend  einem  der  Autoren  beobachtet  worden  ist.  Eine  genau  ebensolche 
Umrollung  findet  nach  den  Beobachtungen  von  Uzel  auch  bei  Cam- 
podea  statt,  während  bei  L&pisma  der  Keimstreifen,  wahrscheinlich 
wohl  rein  sekundär,  sofort  eine  ventrale  Krümmung  besitzt.  Auch  bei 
vielen  Pterygota  haben  wir  einen  anfänglich  dorsal  gekrümmten 
superficiellen  Keimstreifen,  und  der  Überrest  seiner  Umrollung  auf  die 
ventrale  Seite  bildet  hier  die  sogenannte  Caudalkrümmung  bei  einigen 
Formen  (Forficula,  Gryllotal'pa,  Donacia  u.  a.  m.).  Eine  ebenso  voll- 
kommene Umrollung  des  Embryos  wie  bei  den  Collembola  findet  end- 
lich auch  bei  den  Embryonen  der  Chilopoda  und  der  Spinnen  statt. 
i  Es  fragt  sich  nunmehr,  wodurch  diese  Erscheinung  hervorgerufen 
wird  und  welche  Bedeutung  ihr  zukommt?  —  Wir  haben  schon  weiter 
oben  erwähnt,  daß  Montgomery  (1909)  kürzlich  den  Versuch  gemacht 
hat,  die  Umrollung  bei  den  Spinnen  auf  rein  mechanischem  Wege  zu 
erklären,  und  zwar  durch  die  Verlängerung  der  Beine  und  den  von 
diesen  auf  die  Seitenwandungen  des  Embryos  ausgeübten  Druck. 
Gegen  eine  solche  rein  mechanische  Erklärung  hat  sich  Kautsch  (1909) 
ausgesprochen  und  später  hat  dieser  Autor  auch  das  Unrichtige  von 
Montgomery 's  Gesichtspunkt  durch  Versuche  mit  dem  Entfernen  des 
Dotters  nachgewiesen  (1910b).  Ich  kann  mich  vollständig  der  Ansicht 
von  Kautsch  anschließen  und  halte  dafür,  daß  dieser  ganze  Prozeß  sich 
nur  durch  die  rein  aktive  Tätigkeit  des  Embryos  selbst  erklären  läßt. 
Dotter  ist  namentlich  in  den  Eiern  der  Collembola  nicht  besonders  viel 
enthalten  und  die  Beine  der  Embryonen  des  Stadiums  D  (vgl.  Fig.  30, 
31,  46)  sind  noch  garnicht  so  groß,  und  doch  hat  die  Umrollung  bereits 
begonnen  und  etwa  ihre  Hälfte  erreicht.  Was  nun  die  Bedeutung  dieser 
Erscheinung  betrifft,  so  erklärt  Wheeler  (1893)  die  Krümmung  des 
Embryos  (»blastokinesis«)  dadurch,  daß  letzterer  gezwungen  sei,  frische 
Portionen  Dotters  aufzusuchen,  während  Heymons  (1896a)  diesen 
Übergang  der  dorsalen  Krümmung  in  die  ventrale  mit  der  Bildung  des 
Rückens  in  Zusammenhang  bringt.  Es  erscheint  sehr  wahrscheinlich, 
daß  sowohl  das  eine,  wie  das  andre  im  gegebenen  Falle  eine  gewisse 
Bedeutung  hat. 

Der  superficielle  Keimstreifen  der  Insekten  galt  lange  Zeit  hin- 
durch als  sekundäre  Erscheinung,  als  hervorgegangen  aus  dem  invagi- 
nierten  Keimstreifen,  wie  bei  den  Libellulidae,  Rhynchota,  Di- 
plopoda   [Will   (1888),    Korschelt   und   Heider,    1.  Aufl.    (1892)]. 


562  Jur-  Philiptschenko, 

Eine  Zurechtstellung  dieser  Auffassung  verdanken  wir  Heymons  durch 
eine  ganze  Reihe  seiner  vorzüglichen  Arbeiten  (1895,  1896,  besonders 
aber  1901);  dieser  Autor  hat  festgestellt,  daß  der  dorsal  gekrümmte 
Keimstreifen  ohne  Amnion  (wie  bei  den  Spinnen,  den  Chilopoda  und 
den  meisten  Apterygota)  den  ursprünglichen  primären  Fall  darstellt 
und  daß  aus  ihm  erst  alle  andern  Krümmungsweisen  der  Embryonen 
hervorgegangen  sind.  In  neuerer  Zeit  wurde  die  alte  Auffassung  durch 
Willey  (1899)  und  Hieschler  (1909b)  aufrecht  erhalten,  und  zwar 
betonten  beide  Autoren  dabei  die  Übereinstimmung  in  der  ventralen 
Krümmung  bei  Lepisma  und  den  Diplopoda.  Allein  die  letzten 
Beobachtungen  von  R.  u.  H.  Heymons  (1905)  an  Machilis  scheinen 
mir  die  Theorie  des  ersteren  vollauf  zu  bestätigen  und  nicht  nur  zu 
zeigen,  wie  das  Amnion  entstanden  ist,  sondern  auch  den  Nachweis 
dafür  zu  liefern,  daß  die  ventrale  Krümmung  bei  Lepisma  durch  Ver- 
lust der  einst  vorhanden  gewesenen  dorsalen  Krümmung  hervorgegan- 
gen ist,  welch  letztere  bei  Machilis  noch  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
erhalten  geblieben  ist.  Abgesehen  davon  spricht  die  Übereinstimmung 
aller  dieser  Verhältnisse  bei  den  Spinnen,  den  Chilopoda  und  den 
Apterygota  für  den  primitiven  Charakter  des  dorsal  gekrümmten 
Keimstreifens  mit  darauf  folgender  Umrollung.  In  Anbetracht  alles 
hier  Gesagten  schließe  ich  mich  der  Ansicht  von  Heymons  in  betreff 
der  Krümmung  der  Embryonen  bei  den  Arthropoden  völlig  an. 

Indem  wir  wieder  auf  unsre  Embryonen  des  Stadiums  D  zurück- 
kommen, wollen  wir  uns  zunächst  mit  ihrem  äußeren  Bau  (Fig.  30,  31) 
beschäftigen.  In  dem  Dorsalorgan  (DO),  den  Kopflappen  (Kl)  und 
der  Oberlippe  sind  keinerlei  irgendwie  bemerkbaren  Veränderungen 
vor  sich  gegangen.  Die  Antennen  (ant)  und  die  thoracalen  Beine 
(thx,2,  3)  haben  beträchtlich  an  Länge  zugenommen  und  an  ihnen  ist 
schon  eine,  wenn  auch  noch  sehr  schwache  Gliederung  zu  bemerken. 
Die  Antennen  bestehen  auf  diesem  Stadium  aus  drei  Gliedern  von 
mehr  oder  weniger  gleicher  Länge:  wie  dies  schon  von  Hoffmann 
für  Tomocerus  angegeben  wurde,  trennt  sich  das  erste  —  proximale 
—  dieser  Glieder  etwas  früher  ab,  als  die  Grenze  zwischen  dem  zweiten 
und  dritten  —  dem  mittleren  und  dem  distalen  —  Gliede  auftritt.  Ein 
jedes  thoracale  Bein  besteht  aus  zwei  scharf  abgegrenzten  Gliedern, 
von  denen  das  proximale  kürzer  ist  als  das  distale. 

Von  den  zukünftigen  Mundwerkzeugen  haben  sich  die  Mandibeln 
(Fig.  31  md),  abgesehen  von  der  Zunahme  ihrer  Dimensionen,  nur 
wenig  verändert;  um  diese  selbe  Zeit  treten  zwischen  ihnen  die  An- 
lagen der  paarigen  Teile  des  Hypopharynx  auf,  die  sogenannten  Para- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  563 

glossae  (prgl),  doch  werden  wir  bei  diesen  etwas  später  ausführlicher 
verweilen.  In  den  Maxillen  des  ersten  und  zweiten  Paares  ist  eine 
wesentlichere  Veränderung  vor  sich  gegangen,  welche  nicht  nur  ihre 
Länge,  sondern  auch  ihre  ganze  Gestalt  betrifft,  wie  dies  an  der  auf 
der  gleichen  Fig.  31  abgebildeten  ersten  und  zweiten  Maxille  (mx1 
und  mx2)  zu  ersehen  ist.  Der  distale  (End-)Teil  eines  jeden  solchen 
Anhanges  erweitert  sich  merklich  und  verlängert  sich  in  seitlicher 
Richtung,  so  daß  die  ganze  Anlage  der  Maxille  Ähnlichkeit  mit  der 
Gestalt  eines  Stiefels  erhält,  namentlich  wenn  man  sie  nicht  von  unten, 
wie  sie  auf  Fig.  31  abgebildet  ist,  betrachtet,  sondern  von  vorn  oder 
auf  einem  Querschnitt  (Fig.  51,  52).  Dieser  seitliche  Fortsatz  (plp) 
oder  »Conus«,  wie  er  von  Hoffmann  bezeichnet  wird,  bildet  die  Anlage 
des  Maxillar-  oder  Labialpalpus,  der  übrige  Teil  dagegen  den  Maxillen- 
stamm,  an  dem  ein  solcher  Palpus  befestigt  ist.  —  Ich  gehe  hier  nicht 
weiter  auf  diese  Verhältnisse  ein,  da  wir  bereits  ausführliche  Arbeiten 
über  die  Entwicklung  der  Mundwerkzeuge  bei  den  Collembola  be- 
sitzen (Folsom,  Hoffmann). 

Auf  dem  ersten  Abdominalsegmente  besitzen  die  Embryonen  des 
Stadiums  D  bereits  ein  Paar  von  Anhängen  (Fig.  30,  31,  42  abd±), 
welche  sich  später  in  den  Tubus  ventralis  verwandeln:  diese  Anhänge 
sind  bedeutend  kürzer  als  die  Beine  und  weisen  einstweilen  keine 
Gliederung  auf.  In  dieselben  erstrecken  sich,  wie  in  alle  Extremitäten, 
die  Somiten  (Fig.  42).  —  Der  bisher  ungegliedert  gebliebene  hintere 
Teil  des  Keimstreifens  hinter  dem  ersten  Abdominalsegment  zer- 
fällt nunmehr,  wie  dies  aus  der  gleichen  Figur  zu  ersehen  ist,  in  ein- 
zelne Segmente.  Um  diese  Zeit  kann  man  hinter  den  Anlagen  des 
Tubus  ventralis  für  gewöhnlich  drei  solche  Segmente  zählen  (Äbd2, 
Abd3,  Abd±),  welche  übrigens  das  zweite,  dritte  und  vierte  Abdominal- 
segment darstellen.  Extremitäten  sind  an  ihnen  auf  diesem  Stadium 
noch  nicht  vorhanden,  allein  die  Elemente  des  unteren  Blattes  be- 
ginnen schon  sich  zu  Somiten  (so)  zusammenzulegen.  Äußerlich  ist 
die  beginnende  Segmentierung  des  Abdomens  gewöhnlich  weniger 
deutlich  zu  sehen  und  von  ihrem  Vorhandensein  wird  man  sich  am 
besten  an  der  Hand  solcher  Sagittalschnitte  überzeugen  können,  wie 
derjenige,  nach  welchem  die  Fig.  42  angefertigt  worden  ist.  Hinter 
dem  in  der  Bildung  begriffenen  vierten  Abdominalsegment  ist  ein 
kleiner  Bezirk  des  Keimstreifens  noch  nicht  in  die  zwei  letzten  Seg- 
mente differenziert. 

Gerade  in  diesem  Endabschnitt  des  Keimstreifens  wird  auf  dem 
Stadium  D  das  Proctodäum  angelegt,  während  später  die  Analöffnung 


564  Jur-  Philiptschenko, 

dem  letzten  (sechsten)  Abdominalsegment  angehört  (dem  sogenannten 
Analsegment  der  erwachsenen  Collembola).  Die  Invagination  des 
Ectoderms  für  die  Bildung  des  Enddarmes  ist  auf  Sagittalschnitten 
(Fig.  43  prd)  besonders  deutlich  zu  sehen :  um  diese  Zeit  reicht  sie  noch 
nicht  bis  an  den  Dotter  heran  und  zwischen  diesem  letzteren  und  dem 
Boden  der  Einsenkung  befinden  sich  Elemente  des  unteren  Blattes  (üb). 
Mit  einem  Worte,  die  Entwicklung  des  Proctodäum  auf  dem  Stadium  D 
entspricht  vollkommen  den  Verhältnissen,  welche  wir  bei  dem  Stomo- 
däum  auf  dem  vorhergehenden  Stadium  (C)  gesehen  haben.  Die  erste 
Anlage  des  Enddarmes  erfolgt  also  nach  dem  für  alle  Insekten  üblichen 
Typus. 

Was  die  Anlage  des  Vorderdarmes  betrifft  (Fig.  44  std),  so  haben 
dessen  Dimensionen  im  Vergleiche  mit  dem  Stadium  C  beträchtlich 
an  Größe  zugenommen,  namentlich  aber  seine  Länge,  und  derselbe 
reicht  nunmehr  bis  an  den  Dotter  heran,  indem  er  sich  mit  seinem  blin- 
den Ende  auf  denselben  stützt.  Zwischen  letzterem  und  dem  Dotter 
sind  keine  Elemente  des  unteren  Blattes  mehr  vorhanden,  sondern 
diese  umgeben  das  Stomodäum  von  vorn,  von  hinten  und  von  den 
Seiten.  Wie  dies  aus  der  Fig.  44  zu  ersehen  ist,  legt  sich  eine  Anhäu- 
fung des  unteren  Blattes  innerhalb  des  Labrum  (Ihr)  den  Zellen  des 
Vorderdarmes  von  vorn  an,  von  hinten  dagegen  eine  ebensolche  An- 
häufung, welche  ebenfalls  nicht  an  der  Bildung  der  Somiten  teilnimmt. 
Wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  wird  eben  auf  Kosten  dieser 
letzten  Anhäufung  die  vordere  Mitteldarmanlage  gebildet. 

Auf  diesen  zwei  Zeichnungen  sind  außer  den  Elementen  des  Keim- 
streifens auch  die  mehr  flachen  Elemente  des  Hüllenectoderms  (he) 
abgebildet:  wie  dies  auch  auf  allen  vorhergehenden  Stadien  der  Fall 
war,  bedecken  dieselben  hier  die  dorsale  und  die  lateralen  Seiten  des 
Embryos.  Diese  Zellen  sind  auch  auf  Totalpräparaten  gut  zu  sehen, 
so  z.  B.  auf  unsrer  Fig.  30. 

An  dem  unteren  Blatte  sind  im  Vergleich  zu  dem  vorhergehenden 
Stadium  keinerlei  besondere  Veränderungen  vor  sich  gegangen.  Nur 
nehmen  infolge  der  Verlängerung  der  Extremitäten  auch  die  sich  in 
dieselben  erstreckenden  Somiten  merklich  an  Länge  zu,  was  aus  unsren 
Fig.  45  und  46  deutlich  zu  ersehen  ist,  von  denen  die  erstere  einen 
Querschnitt  durch  das  Mandibularsegment,  die  zweite  dagegen  einen 
solchen  durch  eines  der  Thoracalsegmente  darstellt.  Die  Somiten 
eines  jeden  Segmentes  bleiben  wie  früher  durch  eine  Schicht  von  Zellen 
des  unteren  Blattes  (isb)  über  dem  Nervensystem  miteinander  in  Ver- 
bindung.    Von  der  Vermehrung;  der  Zahl  der  Somiten  durch  Bildung 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  565 

von  neuen  in  den  entstehenden  Abdominalsegmenten  ist  schon  oben 
die  Rede  gewesen. 

Die  Entwicklung  des  Nervensystems  hat,  wie  aus  den  Fig.  42 — 46 
zu  ersehen  ist,  bedeutende  Fortschritte  gemacht.  Statt  einer  Schicht 
von  Neuroblasten  in  dem  Ectoderm  der  Ventralseite  zwischen  den 
Extremitäten,  wie  wir  sie  auf  dem  Stadium  C  gesehen  haben,  befindet 
sich  hier  nunmehr  schon  eine  mehrschichtige  Anlage  des  Nerven- 
systems. Ich  habe  oben  darauf  hingewiesen,  daß  infolge  der 
schlechten  Fixierung  namentlich  des  Nervensystems  dessen  Ent- 
wicklung auf  diesen  Stadien  nicht  ausführlicher  untersucht  werden 
konnte.  Allein  auf  einigen  Schnitten  war  die  Anordnung  der  Zellen 
in  dieser  Anlage  jener  säulen-  oder  reihenförmigen  Anordnung  der- 
selben ziemlich  ähnlich,  wie  sie  bei  der  Abtrennung  der  Ganglienzellen 
von  den  Neuroblasten  so  charakteristisch  ist  (s.  die  Fig.  42 — 46). 
Man  könnte  vermuten,  daß  dieser  Prozeß  bei  den  Collembola  wie 
bei  allen  übrigen  Insekten  verläuft. 

Die  Anlage  des  Nervensystems  wird  nicht  allein  mehrschichtig, 
sondern  wir  bemerken  auch  noch  eine  weitere  Differenzierung  in  der- 
selben. Auf  Querschnitten  kann  man  nunmehr  schon  deutlich  be- 
merken, daß  sie  aus  zwei  Längshälften  besteht  (Fig.  46),  was  denn  auch 
das  Auftreten  jener  hellen  Linie  an  der  Ventralseite  der  Embryonen, 
wenn  man  dieselben  en  face  untersucht  (Fig.  31),  zur  Folge  hat, 
von  welcher  schon  oben  die  Rede  war.  Eine  deutlichere  Einteilung 
dieser  Anlage  in  einzelne  Ganglien  ist  noch  nicht  vorhanden,  doch 
beginnen  letztere  in  dem  Kopf-  und  Brustabschnitt  schon  bemerkbar 
zu  werden,  wobei  ein  jedes  von  ihnen  aus  zwei  Hälften  besteht  (Fig.  46), 
was  indessen  auf  dem  nächsten  Stadium  (E)  noch  deutlicher  wird. 
Bei  der  Besprechung  eben  dieses  Stadiums  werden  wir  die  Bildung 
des  Gehirns  im  Bereiche  der  Kopflappen  und  unterhalb  derselben  aus- 
führlich beschreiben,  obgleich  der  Anfang  dieses  Prozesses  sich  auch 
auf  das  Stadium  D  bezieht. 

Wir  haben  nunmehr  nur  noch  bei  den  Paraglossen  zu  verweilen. 
Ihre  erste  Anlage  zwischen  den  Mandibeln  tritt  gerade  auf  diesem 
Stadium  auf;  zwar  ist  sie  auf  Totalpräparaten  auch  ziemlich  deutlich 
zu  sehen  (Fig.  31),  doch  ist  es  besser  hier  Querschnitte  heranzuziehen. 
Ein  solcher  Querschnitt  durch  das  Mandibularsegment  ist  auf  Fig.  45 
abgebildet  und  es  ist  auf  demselben  die  Anlage  dieser  Paraglossae  {prgl) 
in  Gestalt  zweier  Höckerchen  zwischen  den  Mandibeln  (md)  auf  das 
Deutlichste  zu  sehen.  —  Eine  ähnliche  paarige  Anlage  der  Paraglossae 
wurde  bereits  von  Folsom  und  von  Hoffmann  beschrieben,  allein  keiner 


566  Jur.   Philiptschenko, 

dieser  Autoren  hat  dabei  ein  außerordentlich  wichtiges  Detail  beachtet : 
auf  demselben  Schnitte  bemerkt  man  im  Innern  der  ersten  Höckerchen 
für  die  Paraglossae  eine  Anhäufung  von  Ganglienzellen  (n),  d.  h.  hier 
befindet  sich  die  Anlage  des  Mandibularganglions.  Genau  dasselbe 
Bild  kann  man  auch  auf  Schnitten  durch  das  Mandibularsegment  auf 
dem  nächsten  Stadium  (E)  beobachten,  wo  sich  die  Anlage  dieses  Gan- 
glions schon  weiter  ausgebildet  hat;  überhaupt  geht  aus  dem  Studium 
der  Embryonen  der  nächstfolgenden  Stadien  mit  unzweifelhafter 
Deutlichkeit  hervor,  daß  das  Mandibularganglion  sich  eben  aus  dem- 
jenigen Teile  der  Anlage  des  Nervensystems  entwickelt,  welcher  inner- 
halb der  Paraglossae  liegt.  Ein  selbständiges  Ganglion  der  Para- 
glossae, wie  es  Folsom  beschrieben  hat,  ist  hier  nicht  vorhanden: 
will  man  indessen  das  in  denselben  gelegene  Ganglion  als  ein  solches 
auffassen,  so  wird  man  annehmen  müssen,  daß  das  Mandibularsegment 
eines  Ganglions  entbehrt,  was  natürlich  nichts  andres  sein  würde,  als 
eine  deductio  ad  absurdum. 

~  Bei  Folsom  finden  wir  auf  einem  Schnitte  durch  ein  späteres, 
unserm  Stadium  E  oder  F  entsprechendes  Stadium  (Fig.  28  seiner 
Arbeit)  die  Abbildung  eines  selbständigen  Ganglions  des  Segmentes  der 
Paraglossae  (superlinguae)  zwischen  dem  Mandibularsegment  und  dem 
ersten  Maxillarsegment,  doch  muß  ich  das  Vorhandensein  eines  solchen 
auf  das  Entschiedenste  in  Abrede  stellen  und  bin  überhaupt  geneigt, 
die  erwähnte  Zeichnung  in  dieser  außerordentlich  gründlichen  Arbeit 
als  einen  lapsus  calami  anzusehen. 

Dank  der  Feststellung  der  Tatsache,  daß  das  Mandibularganglion 
im  Innern  der  Paraglossae  angelegt  wird,  kann  man  die  Auffassung 
als  endgültig  erwiesen  ansehen,  wonach  diese  Paraglossae  das  in  zwei 
Hälften  zerfallene  Sternit  des  Mandibularsegmentes  darstellen.  Der 
entgegengesetzte  Gesichtspunkt,  wonach  ein  selbständiges  Segment  der 
Paraglossae  vorhanden  wäre,  wie  er  von  Hansen  (1893)  und  Folsom 
verteidigt  und  auch  von  Hoffmann  zugegeben  wird,  scheint  mir  völlig 
ausgeschlossen  zu  sein,  indem  die  paarige  Anlage  dieser  Gebilde  allein, 
bei  Abwesenheit  selbständiger  Somiten  und  Ganglien,  nicht  im  geringsten 
als  beweiskräftig  angesehen  werden  kann.  Auch  bei  den  Collembola 
sind  demnach  die  Teile  des  Hypopharynx  den  Extremitäten  durchaus 
nicht  homodynam,  wie  dies  für  die  Pterygota  und  Chilopoda  von 
Heymons  schon  längst  festgestellt  worden  ist. 

Es  sei  hier  bemerkt,  daß  die  Paraglossae  der  Collembola  durch- 
aus dem  ganzen  Hypopharynx  der  Chilopoda  entsprechen,  welcher, 
wie  dies  von  Heymons  (1901)  festgestellt  wurde,  nur  aus  dem  Sternit 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  567 

des  Mandibularsegmentes  hervorgeht.  Die  vollkommene  Homologie 
dieser  Gebilde  untereinander  geht  aus  der  Vergleichung  der  Fig.  24 
und  XIX  in  der  oben  erwähnten  Monographie  von  Heymons  mit 
unsren  Fig.  31  und  45  mit  besonderer  Deutlichkeit  hervor.  Die  Glossa 
der  Collembola,  d.  h.  der  unpaare,  aus  dem  Sternit  des  ersten  Maxillar- 
segmentes  später  als  die  Paraglossae  hervorgehende  Teil  ihres  Hypo- 
pharynx,  fehlt  dagegen  bei  den  Chilopoda  und  stellt  eine  Bildung 
dar,  welche  nur  den  Insekten  zukommt,  bei  denen  der  Hypopharynx 
sich  gewöhnlich  aus  den  Sterniten  des  Segmentes  der  Mandibelu  und 
der  ersten  Maxillen  entwickelt. 

Das  Stadium  E  erweist  sich,  wie  schon  oben  erwähnt  worden  ist, 
als  das  Stadium  der  völligen  Umrollung  des  Embryos  (Fig.  32).  Die 
Versenkung  des  Keimstreifens  in  den  Dotter  erreicht  um  diese  Zeit 
ihr  Maximum,  wobei  sein  thoracaler  Abschnitt,  wie  dies  aus  unsrer 
Zeichnung  hervorgeht,  in  dem  centralen  Teile  des  Eies  liegt,  während 
der  vordere  und  der  hintere  Teil  des  Embryos  einander  parallel  an- 
geordnet liegen.  Jetzt  werden  das  Mandibularsegment  und  die  Ab- 
dominalsegmente nach  den  Maxillarsegmenten  und  den  Thoracalseg- 
menten  mit  fortgezogen,  was  dazu  führt,  daß  die  Analöffnimg  (a) 
stark  nach  unten  verlagert  wird,  und  daß  zwischen  dem  Hinterende 
des  Keimstreifens  und  dem  Dorsalorgan  (DO)  ein  ziemlich  großer  Zwi- 
schenraum entsteht,  welcher  nur  von  dem  Hüllenectoderm  (he)  be- 
deckt wird.  Auf  der  convexen  Oberfläche  des  Eies  bleiben  von  An- 
hängen des  Keimes  nunmehr  nur  noch  die  Antennen  (ant)  und  die 
um  diese  Zeit  zur  Bildung  gelangten  Anlagen  der  Springgabel  (Furca) 
(abd±).  Die  Umbiegungsstelle  des  Embryos  bildet  auf  diesem  Stadium 
nicht  mehr  das  erste,  wie  auf  dem  Stadium  D,  sondern  das  zweite 
Thoracalsegment . 

Diese  gekrümmte  Lage  des  Embryos  bleibt  von  dem  Stadium  E 
angefangen,  bis  zum  Ausschlüpfen  des  Embryos  bestehen,  d.  h.  während 
der  gesamten  vierten  Periode  der  Entwicklung  (vgl.  Fig.  34 — 36). 
In  Anbetracht  dieses  Umstandes  kann  man  jetzt  keine  durchgehenden 
Serien  von  Quer-  oder  Frontalschnitten  durch  den  Embryo  mehr  er- 
halten, indem  in  jeder  Serie  von  Schnitten  (ausgenommen  natürlich 
solche  von  reinen  Sagittalschnitten)  sowohl  erstere,  wie  auch  letztere 
vorkommen  werden.  Ist  der  Kopf  und  das  Abdomen  frontal  ange- 
schnitten, so  erhalten  wir  aus  dem  Thoracalabschnitt  Querschnitte 
und  umgekehrt,  wenn  der  vordere  und  der  hintere  Teil  der  Embryos 
quer  geschnitten  sind,  so  wird  der  Thoracalabschnitt  durch  Frontal- 
schnitte dargestellt  sein.  —  Man  wird  diesen  Umstand  bei  den  ferneren 

Zeitschrift  f.  wissenscli.  Zoologie.    CHI.  Bd.  37 


568  Jur.  Philiptsclienko, 

Darlegungen  im  Auge  behalten  müssen:  die  Ausdrücke  »frontal«  und 
»quer«  werden  sich  dabei  niemals  auf  die  ganze  Serie,  sondern  stets 
nur  auf  einen  oder  einige  bestimmte  Schnitte  beziehen. 

Von  den  Anhängen  des  Keimstreifens  haben  die  zukünftigen 
Mundwerkzeuge  —  die  Mandibeln  mit  den  Paraglossae,  die  ersten  und 
zweiten  Maxillen  —  denselben  Charakter  beibehalten,  welchen  sie  auf 
dem  vorhergehenden  Stadium  aufwiesen.  Außerdem  tritt  über  den 
Mundwerkzeugen,  wie  dies  am  besten  auf  Querschnitten  durch  den 
Kopf  zu  sehen  ist,  jederseits  eine  Erhöhung  des  Ectoderms  in  Gestalt 
eines  kleinen  Wulstes  oder  einer  Falte  auf  (Fig.  51  mf);  letztere  be- 
ginnt an  der  Befestigungsstelle  der  Antenne  (etwas  mehr  medianwärts 
als  diese)  und  verläuft  über  der  Mandibel  und  dem  ersten  Maxillenpaar, 
ohne  sich  jedoch  auf  das  zweite  Maxillarsegment  zu  erstrecken.  Dieser 
Wulst,  oder  diese  Mundfalte,  wie  wir  diese  Bildung  von  jetzt  ab  nennen 
werden,  umwächst  die  Mundwerkzeuge  auf  den  nächsten  Stadien  von 
beiden  Seiten,  indem  sie  dieselben  zu  entognathen  Organen  verwandelt, 
während  sie  selbst  zu  der  sogenannten  Wange  des  fertigen  Embryos 
und  der  erwachsenen  Form  wird.  —  Diese  Mundfalte  ist  schon  von 
Uzel  (die  Entwicklung  der  Mundwerkzeuge  bei  Campodea  ist  der- 
jenigen bei  den  Collembola  sehr  ähnlich),  von  Miss  Claypole  und 
besonders   ausführlich    von    Folsom   beschrieben   worden. 

Die  Gliederung  der  Antennen  (Fig.  32  anl)  und  der  Füße  (th1}  2,  3) 
tritt  jetzt  bei  den  Embryonen  viel  schärfer  hervor,  als  auf  dem  Sta- 
dium D;  auch  ihre  Dimensionen  haben  merklich  zugenommen.  Die 
Antennen  bestehen  meist,  wie  dies  auch  früher  der  Fall  war,  aus  drei 
Gliedern  (vgl.  Fig.  32),  allein  gegen  das  Ende  dieses  Stadiums  und 
bei  dem  Übergang  in  das  nächste  kommt  auch  noch  ein  viertes  Glied 
hinzu,  indem  das  erste  oder  proximale  dieser  drei  Glieder  eine  Zwei- 
teilung erfährt.  In  dieser  Hinsicht  kann  ich  die  Angaben  von  Hoff- 
mann über  die  Reihenfolge  des  Auftretens  der  einzelnen  Glieder  an 
den  Antennen  durchaus  bestätigen  (vgl.  die  Fig.  2  der  vorläufigen 
Mitteilung  dieses  Autors).  Die  zu  der  vierten  Entwicklungsperiode 
gehörenden  Embryonen  besitzen  schon  die  volle  Zahl  von  Antennen- 
gliedern (4)  wie  bei  den  erwachsenen  Formen. 

Die  Zahl  der  Glieder  an  den  Füßen  beträgt  auf  dem  Stadium  E 
vier,  seltener  (am  Anfange  dieses  Stadiums)  sind  nur  drei  Glieder  vor- 
handen. Von  diesen  vier  Gliedern  (vgl.  Fig.  32)  entspricht  das  erste 
oder  proximale  Glied  dem  proximalen  Glied  des  vorhergehenden  Sta- 
diums, welches  bei  dem  Übergang  in  das  Stadium  E  keine  Teilung 
erfährt;  die  drei  darauffolgenden  Glieder  dagegen  (die  zwei  mittleren 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  569 

und  das  distale)  werden  durch  Teilung  des  distalen  Gliedes  des  Sta- 
diums D  gebildet,  während  dessen  nur  zwei  Glieder  an  den  Füßen 
vorhanden  waren.  Die  Füße  sind  demnach  auf  dem  Stadium  E  noch 
nicht  völlig  ausgebildet,  da  zu  den  vier  Gliedern  während  der  letzten 
Entwicklungsperiode  noch  ein  fünftes  hinzutritt.  Wir  werden  etwas 
später  nochmals  auf  diese  Frage  zurückkommen. 

Das  Abdomen  des  Embryos  ist  bei  der  Beendigung  der  Umrollung 
in  jene  sechs  Segmente  eingeteilt,  welche  auch  für  die  erwachsene  Form 
charakteristisch  sind,  so  daß  die  Segmentierung  des  Keimstreifens 
gegen  das  Ende  der  dritten  Periode  vollendet  wird.  Zu  den  vier  Ab- 
dominalsegmenten des  Stadiums  D  treten  nunmehr  das  fünfte  und 
das  sechste  (Abd5,  AbdQ),  welche  noch  auf  der  convexen  Seite  des  Eies 
liegen  (Fig.  33).  —  Das  letzte  Abdominalsegment  ist,  wie  bei  der  er- 
wachsenen Form,  durch  die  Anwesenheit  der  Analöffnimg  (a)  und  des 
Proctodäums  (prd)  gekennzeichnet,  weshalb  es  von  den  Systematikern 
als  Analsegment  bezeichnet  wird.  Diese  Bezeichnung  wird  man  in- 
dessen kaum  im  embryologischen  Sinne  auffassen  können,  d.  h.  im 
Sinne  eines  Telson.  Allerdings  besitzt  dieses  Segment  weder  Somiten 
noch  Gliedmaßen,  noch  Ganglien  (in  dem  fünften  Gliede  sind  nur  So- 
miten enthalten),  allein  es  scheint  mir  doch  nicht  richtig,  dasselbe  für 
das  Telson  zu  halten,  da  es  auch  bei  der  erwachsenen  Form  das  Aus- 
sehen eines  selbständigen  Gliedes  hat.  Heymons  beobachtete  bei 
Embryonen  von  Lepisma,  daß  an  deren  Abdomen  anfangs  sechs  Seg- 
mente differenziert  werden  und  erst  später  die  übrigen:  dieses  Stadium 
mit  sechs  Abdominalsegmenten  wird  man  (ohne  dem  eine  phylogene- 
tische Bedeutung  beizulegen)  als  das  den  Collembola  entsprechende 
ansehen  können,  welche  alle  hinteren  Abdominalsegmente  völlig  ein- 
gebüßt haben.  Was  das  Telson  betrifft,  so  ist  es  bei  Isotoma  in  dem- 
selben reduzierten  Zustande  vorhanden,  wie  bei  Lepisma  und  Campodea 
und  zwar  in  Gestalt  dreier  mit  dem  sechsten  Segmente  völlig  verschmol- 
zener Höckerchen  in  der  Nähe  des  Anus,  d.  h.  in  Gestalt  der  sogenannten 
Lamina  supraanalis  und  zweier  Laminae  subanales  (l.sub).  —  Letztere 
sind  in  der  Nähe  des  Analöffnung  auf  der  Fig.  33  deutlich  zu  sehen, 
welche  das  hintere  Ende  des  Embryos  en  face  darstellt.  —  Diese  drei 
Höckerchen  sind  schon  von  Uzel  bei  Tomocerus  (Macrotoma)  vulgaris 
beschrieben  worden. 

Um  diese  selbe  Zeit  sind  die  Abdominalsegmente  mit  den  An- 
lagen aller  jener  Anhänge  versehen,  welche  der  erwachsenen  Form 
zukommen.  Die  paarigen  Anlagen  des  Tubus  ventralis  waren  schon 
vor  diesem  Stadium  aufgetreten;  auf  demselben  sitzen  sie  noch  weit 

37* 


570  Jur.  Philiptschenko, 

voneinander  entfernt  (wie  die  Thoracalfüße),  haben  im  Vergleiche  mit 
dem  Stadium  D  an  Größe  zugenommen  und  erscheinen  undeutlich 
in  zwei  Glieder  eingeteilt  (Fig.  47  abd^.  Im  Gegensatz  zu  den  An- 
tennen und  den  Thoracalfüßen,  bei  denen  während  ihrer  Teilung  in 
zwei  Glieder  das  proximale  Glied  kleiner  ist,  als  das  distale,  ist  bei 
diesen  Anhängen  das  distale  Glied  viel  kleiner.  Es  muß  hier  auf  ihre 
Übereinstimmung  mit  den  gleichen  Bildungen  auf  den  entsprechenden 
Segmenten  des  Embryos  von  Lepisma  hingewiesen  werden  (vgl.  die 
Fig.  3  in  der  Arbeit  von  Heymons),  wie  auch  mit  den  Anhängen  an 
dem  ersten  Abdominalsegmente  bei  der  erwachsenen  Campodea. 

Auf  dem  zweiten  Abdominalsegmente  sind  keine  Anhänge  vor- 
banden,  wie  dies  auf  Querschnitten  durch  den  hinteren  Teil  des  Em- 
bryos deutlich  zu  sehen  ist:  in  dieser  Beziehung  steht  Isotoma  näher 
an  Tomocerus,  bei  welchem  Uzel  Anhänge  ebenfalls  nicht  beobachtet 
hatte,  während  bei  Anurida  solche  nach  Miss  Claypole  vorhanden  sind. 
An  dem  dritten  Segmente  befindet  sich  ein  Paar  kleiner  Auswüchse, 
welche  die  Anlage  des  Retinaculum  oder  Hamulus  darstellen,  an  dem 
vierten  ein  Paar  größerer  Anhänge  für  die  Springgabel  (vgl.  Fig.  47 
abds,  abd±).  Spuren  von  Gliederung,  wie  auf  den  früher  angelegten 
Extremitäten,  sind  an  diesen  Anhängen  noch  nicht  zu  bemerken.  Im 
übrigen  hat  der  Embryo  aber  nunmehr  alle  Segmente  und  alle  Ex- 
tremitäten. 

Ein  großer  Teil  der  Eioberf lache,  welcher  nicht  von  dem  Keim- 
streifen eingenommen  wird,  ist  auf  dem  Stadium  E,  wie  dies  auch 
früher  der  Fall  war,  von  den  flachen  Zellen  des  Hüllenectoderms  be- 
deckt (Fig.  32,  47,  48,  49,  50  he).  Allein  auf  solchen  Totalpräparaten, 
von  denen  eines  z.  B.  der  Fig.  32  als  Vorlage  gedient  hat,  fällt  der 
Umstand  in  die  Augen,  daß  auf  den  lateralen  Seiten  des  Embryos, 
näher  zum  Keimstreifen,  im  thoracalen  und  in  der  ersten  Hälfte  des 
abdominalen  Abschnittes,  mitten  in  dem  blassen  Hüllenectoderm  sich 
einige  etwas  dunkler  gefärbte  Flecken  scharf  hervorheben,  welche 
gleichsam  aus  dem  Keimstreifen  nach  oben  herauswachsen  (owe).  Das 
Studium  von  Schnitten  ergibt,  daß  wir  es  hier  in  der  Tat  mit  nach  oben 
wucherndem  Ectoderm  des  Keimstreifens  zu  tun  haben,  welchem  sodann 
auch  Elemente  des  unteren  Blattes,  d.  h.  die  Somiten  nachfolgen. 
Da  diese  Wucherung  in  jedem  Segmente  für  sich  erfolgt,  so  hat  ein 
solches  nach  oben  wucherndes  Ectoderm  dann  auch  auf  den  Seiten 
das  Aussehen  einzelner  Flecken  oder  Inselchen.  Infolge  dieses  Vor- 
ganges werden  die  Elemente  des  Hüllenectoderms  verdrängt  und 
allmählich  durch  das  Ectoderm  des  Keimstreifens  ersetzt,  welches  die 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  571 

Seiten  und  den  Rücken  des  fertigen  Embryos  und  der  erwachsenen 
Form  ergibt,  wie  dies  z.  B.  auch  bei  dem  Verdrängen  des  Amnions 
bei  den  höherstehenden  Insekten  der  Fall  ist.  Da  dieser  Prozeß  sich 
hier  hauptsächlich  auf  die  vierte  Entwicklungsperiode  bezieht,  so  soll 
später  ausführlicher  von  ihm  die  Rede  sein. 

Was  den  inneren  Bau  des  Embryos  anbetrifft,  so  erleiden  weder 
das  Stomodäum  noch  das  Proctodäum  irgend  welche  Veränderungen 
im  Vergleiche  mit  dem  Stadium  D.  Das  Proctodäum  wird,  wie  wir 
schon  erwähnt  haben,  stark  nach  unten  verlagert  (Fig.  32,  47  prd), 
allein  sein  Aussehen  bleibt  das  gleiche,  und  zwischen  dem  Boden  dieser 
ectodermalen  Einstülpung  und  dem  Dotter  befinden  sich,  wie  dies 
aus  der  Fig.  47  zu  ersehen  ist,  noch  immer  Elemente  des  unteren  Blattes, 
welche  das  Proctodäum  außerdem  noch  von  allen  Seiten  umgeben. 

Auf  dem  Stadium  E  besitzt  der  Embryo  nicht  nur  die  volle  Anzahl 
von  Segmenten  und  Extremitäten,  sondern  auch  schon  alle  Somiten. 
Das  erste  Paar  bilden  die  Somiten  des  Antennensegmentes  (Fig.  49  so), 
welche  in  die  Antennen  (ant)  hereinreichen  und  auf  dem  Deutocerebrum 
(De)  durch  ein  einschichtiges  Brückchen  aus  Elementen  des  unteren 
Blattes,  welches  wir  schon  mehrfach  erwähnt  haben,  miteinander  ver- 
bunden sind.  Vor  den  Antennensomiten  befindet  sich,  wie  auch  auf 
den  zwei  vorhergehenden  Stadien,  eine  Anhäufung  von  Elementen  des 
unteren  Blattes  im  Inneren  des  Labrum  (Fig.  48  üb)  und  hinter  dem 
Stomodäum;  an  der  Bildung  der  Somiten  nehmen  diese  Anhäufungen 
keinen  Anteil.  Zwischen  dem  Somitenpaare  in  dem  Antennensegmente 
und  dem  Somitenpaare  in  dem  Mandibularsegmente  befindet  sich  in 
der  Höhe  des  Tritocerebrum  (Trc)  ein  Paar  ebenfalls  in  der  Mitte 
miteinander  verbundener  und  sehr  schwach  entwickelter  Ursegmente 
(Fig.  50  so.ics) :  es  sind  dies  die  Somiten  des  Intercalar-  oder  Vorkiefer- 
segmentes, welche  auch  bei  den  Pterygota  vorhanden  sind.  Wie 
auch  auf  dieser  Figur  zu  sehen  ist,  sind  bei  unsrer  Isotoma  keinerlei 
Spuren  entsprechender  Extremitäten  zu  bemerken. 

In  den  drei  Maxillarsegmenten  sind  deren  Somiten  (so)  immer 
noch  stark  entwickelt  und  erstrecken  sich  in  die  Anlagen  der  Mund- 
werkzeuge hinein,  wobei  sie  bei  denMaxillen  sogar  in  den  Palpus  herein- 
ragen (Fig.  51,  52  mxx,  mx2  und  plp).  Allein  in  diesen  Segmenten  ist 
eine  Verbindung  zwischen  dem  Somiten  der  rechten  und  demjenigen 
der  linken  Hälfte,  wie  aus  diesen  Zeichnungen  zu  ersehen,  infolge  der 
stärkeren  Entwicklung  des  Nervensystems  schon  nicht  mehr  vorhanden : 
das  Ganglion  (ggl)  tritt  hier  bis  an  den  Dotter  heran  und  die  einschichtige 
Brücke  aus  Elementen  des  unteren  Blattes  zerfällt  in  einzelne  Zellen 


572  Jur.  Philiptschenko, 

und  verschwindet.  Von  dem  Schicksal  dieser  Zellen  wird  noch  weiter 
unten  die  Rede  sein.  In  den  drei  Paaren  von  Thoracalsegmenten  bleibt 
dieser  Zusammenhang,  wie  dies  auf  dem  vorhergehenden  Stadium  der 
Fall  war  (Fig.  46),  noch  bestehen,  um  auf  dem  nachfolgenden  Stadium 
(F)  ebenfalls  zu  verschwinden.  Entwickelt  ist  diese  einschichtige 
Brücke  auch  noch  zwischen  den  abdominalen  Somiten. 

Von  letzteren  sind  fünf  Paare  vorhanden,  und  zwar  von  dem»ersten 
bis  zu  dem  fünften  Abdominalsegment:  da,  wo  die  entsprechenden 
Extremitäten  entwickelt  sind,  d.  h.  in  dem  ersten,  dritten  und  vierten 
Segmente,  treten  die  Somiten  auch  in  dieselben  ein,  wie  dies  aus  der 
Fig.  47  zu  ersehen  ist.  In  dem  sechsten  Abdominalsegmente  sind 
augenscheinlich  keine  Somiten  vorhanden,  wenigstens  konnte  ich  ihre 
Anwesenheit  daselbst  nicht  feststellen.  Dagegen  liegt  in  diesem  selben 
Segmente  nunmehr  jene  Anhäufung  von  Elementen  des  unteren  Blattes 
(üb),  welche  das  Proctodäum  umgibt  (Fig.  47)  und  gleich  der  vorderen 
am  Stomodäum  nicht  an  der  Bildung  der  Somiten  beteiligt  ist.  Von 
letzteren  sind  demnach  bei  Isotoma  cinerea  2  +  3  +  3  +  5  Paare  vorhanden, 
d.  h.  im  ganzen  13  Paare. 

Die  Zahl  der  Ganglienpaare  ist  um  diese  Zeit  die  nämliche.  Am 
schwächsten  entwickelt  sind  von  diesen  die  Ganglien  des  Hinterleibes, 
wie  dies  auch  wegen  der  späteren  Anlage  der  Abdominalsegmente  zu 
erwarten  war,  wobei  die  Ganglien  des  vor  den  andern  auftretenden 
ersten  Abdominalsegmentes  in  bezug  auf  den  Grad  ihrer  Entwicklung 
den  thoracalen  Ganglien  näher  stehen.  Mit  völliger  Bestimmtheit 
konnte  ich  das  Vorhandensein  einer  Nervenanlage  nur  in  den  vier 
ersten  Segmenten  feststellen,  wo  aus  derselben  die  auch  auf  späteren 
Entwicklungsstadien  bemerkbaren  Ganglien  hervorgehen.  In  dem 
fünften  Abdominalsegmente  sind  Neuroblasten  zwar  vielleicht  vor- 
handen, allein  es  kommt  zu  keiner  Entwicklung  einer  mehrschichtigen 
Anlage  aus  denselben:  die  Neuroblasten  verschwinden  wieder  und 
auf  dem  darauffolgenden  Stadium  erreicht  das  Nervensystem  in  dem 
vierten  Abdominalsegment  sein  Ende.  Das  sechste,  letzte  Abdominal- 
segment enthält  gar  keine  Nervenelemente. 

Die  thoracalen  Ganglien  und  diejenigen  der  Kiefersegmente  er- 
scheinen nunmehr  bereits  stärker  entwickelt  als  auf  dem  vorher- 
gehenden Stadium:  die  Fig.  51  zeigt  einen  Schnitt  durch  das  Ganglion 
der  ersten  Maxillen,  die  Fig.  52  einen  solchen  durch  einen  Teil  des 
Ganglions  des  zweiten  Maxillensegmentes  (ggl),  wo  auch  noch  die 
reihenweise  Anordnung  der  aus  den  Neuroblasten  hervorgegangenen 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  573 

Nervenzellen  zu  bemerken  ist.  Die  Punktsubstänz  ist  in  den  Ganglien 
dieses  Stadiums  noch  nicht  vorhanden. 

Wir  hatten  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  auf  dem  Stadium  D 
im  Bereiche  der  Kopflappen  und  unterhalb  dieser  letzteren  die  Bildung 
des  Oberschlundganglions  oder  Gehirns  ihren  Anfang  nimmt.  Auf  dem 
Stadium  E  sind  alle  seine  drei  Abschnitte  völlig  ausgebildet  und  man 
kann  dieselben  hier  am  besten  auf  Frontalschnitten  durch  den  vorderen 
Teil  des  Embryos  sehen  (vgl.  Fig.  48 — 50,  nach  einer  Schnittserie  an- 
gefertigt). Zu  beiden  Seiten  der  Oberlippe  (Fig.  48  Ihr)  liegen  die 
Hälften  des  ersten  Gehirnabschnittes,  des  Protocerebrum  (Prc)  [des 
Syncerebrum  nach  der  neueren  Terminologie  von  Heymons  (1901)]: 
eine  jede  derselben  nimmt  fast  die  ganze  Breite  des  früheren  Kopf- 
lappens ein  und  besteht  ihrerseits  aus  drei  deutlichen  Abschnitten 
oder  Lappen.  Dieses  Bild  erinnert  außerordentlich  an  die  von  Vtial- 
lanes  (1891)  und  Wheeler  (1893)  bei  den  Orthopteren  und  nament- 
lich von  Heymons  (1895)  bei  Forficula  beschriebenen  Verhältnisse, 
wo  die  vorderen  Ganglien  des  Gehirnes  aus  drei  ähnlichen  Loben  be- 
stehen (Lobi  I — III).  Einige  Schnitte  weiter,  beinahe  auf  der  Höhe 
der  Mundöffnung  und  der  Befestigungsstelle  der  Antennen,  erreicht  das 
Protocerebrum  sein  Ende  und  wir  erblicken  nunmehr  den  mittleren 
Abschnitt  des  Gehirnes,  das  Deutocerebrum  (Fig.  49  De)  [Mesocere- 
brum  von  Heymons],  dessen  Hälften  einander  längs  der  Medianlinie 
schon  fast  berühren  und  beträchtlich  kleiner  sind,  als  die  Hälften  des 
vorderen  Abschnittes.  Nach  dem  Deutocerebrum  endlich  folgt  der 
hintere  Abschnitt  des  Gehirns,  das  Tritocerebrum  (Fig.  50  Trc)  [Meta- 
cerebrum  nach  Heymons]:  die  Ganglien  dieses  Abschnittes  sind  noch 
kleiner  als  diejenigen  des  mittleren  Abschnittes,  sie  sind  miteinander 
verbunden  und  liegen  schon  ganz  postoral.  —  Alle  hier  beschriebenen 
Verhältnisse  sind  mit  den  für  die  niederen  Pterygota,dieOrthoptera 
und  Dermaptera,  bekannten  Verhältnissen  durchaus  identisch  und 
auch  der  Entwicklung  des  Gehirns  von  Scoh'pendra  sehr  ähnlich.  Eine 
Homologie  zwischen  den  Teilen  des  Gehirns  bei  letzteren  und  denen 
der  Insekten  ist  bereits  von  Heymons  (1901)  festgestellt  worden. 

Alle  diese  Gehirnganglien  entwickeln  sich  gleich  der  Bauchnerven- 
kette  aus  Neuroblasten.  Die  Ganglien  des  Tritocerebrum  liegen  den 
ersten  Ganglien  dieser  letzteren  im  Mandibularsegment  (in  den  Para- 
glossen)  dicht  an.  —  Ahnliche  Verhältnisse  finden  wir  auch  bei  den 
höheren  Insekten. 

Die  Zusammensetzung  des  Gehirnes  bei  Anurida  aus  einem  Proto-, 
einem  Deuto-  und  einem  Tritocerebrum  wurde  auch  von  Miss  Claypole 


574  Jur.  Philiptschenko, 

flüchtig  erwähnt,  welche  sich  nicht  eingehender  mit  dieser  Frage  be- 
schäftigt hat.  Dieser  Autor  erwähnt  ferner,  daß  in  dem  Abdomen 
sechs  Ganglienpaare  enthalten  sind,  welche  späterhin  zu  einer  gemein- 
samen Masse  verschmelzen;  ich  kann  mich  auf  keinen  Fall  mit  dieser 
Angabe  einverstanden  erklären,  da  in  dem  fünften  Segmente  nur 
schwache  Spuren  des  Nervensystems  vorhanden  sind  und  in  dem 
sechsten  dasselbe  gänzlich  fehlt.  Es  erscheint  mir  wenig  wahrscheinlich, 
daß  diese  Verhältnisse  bei  Anuri&a  anders  liegen  sollten,  als  bei  Isotoma. 

Die  Genitalanlage  bewahrt  auch  auf  diesem  Stadium  ihre  Lage 
im  Dotter  in  der  Nähe  des  Hinterendes  des  Embryos  bei  (Fig.  47  g) ; 
die  diese  Anlage  zusammensetzenden  Zellen  haben  an  Zahl  etwas 
zugenommen.  Das  Dorsalorgan  weist  am  Ende  der  dritten  Entwick- 
lungsperiode (vgl.  Fig.  49,  50  DO)  den  gleichen  Charakter  auf,  wie  wir 
ihn  schon  oben  beschrieben  haben. 

Mit  dem  Stadium  E  erreicht  unsre  dritte  Periode  in  der  Ent- 
wicklung ihr  Ende. 

Was  die  auf  die  dritte  Entwicklungsperiode  bezüglichen  Angaben 
in  der  Literatur  betrifft,  so  haben  wir  die  das  meiste  Interesse  verdie- 
nenden bereits  gelegentlich  der  Beschreibung  der  einzelnen  Stadien 
erwähnt.  Die  übrigen  Angaben  der  früheren  Autoren  beziehen  sich 
fast  ausschließlich  auf  die  Veränderungen  der  äußeren  Gestalt  des 
Embryos  und  viele  dieser  Angaben  in  älteren  Arbeiten  sind  irrtümlich. 
Ich  will  hier  zum  Beispiel  darauf  hinweisen,  daß  Packard  das  Vor- 
handensein eines  zweiten  Maxillenpaares  bei  den  Collembola  leugnet, 
ferner  auf  die  Auffassung  von  Lemoine,  wonach  die  Abdominalanhänge 
Bildungen  sui  generis  darstellen,  die  den  Gliedmaßen  nicht  homo- 
dynam  sind  u.  a.  m.  Äußerst  wenig  wahrscheinlich  erscheint  mir  auch 
die  Beobachtung  von  Uljanin,  wonach  die  Umrollung  des  Embryos 
durch  das  Auftreten  einer  besonderen  Falte  hinter  dem  Dorsalorgan 
hervorgerufen  wird,  welche  in  das  Innere  des  Dotters  hereinwächst. 
Es  scheint  mir  kaum  notwendig  jetzt  ausführlich  auf  alle  diese  irr- 
tümlichen Angaben  einzugehen. 

Zum  Schlüsse  halte  ich  es  nicht  für  überflüssig  hier  die  Analogie 
zwischen  den  von  mir  unterschiedenen  Entwicklungsstadien  bei  Iso- 
toma cinerea  und  den  gleichen  Stadien  bei  Anurida  maritima  festzu- 
stellen, wie  sie  von  Folsom  aufgestellt  und  in  seiner  Arbeit  über  die 
Entwicklung  der  Mundwerkzeuge  auf  den  Fig.  1 — 7  dargestellt 
worden  sind. 

Das  Stadium  1  der  Embryonen  von  Anurida  nähert  sich  unserm 
Stadium  B,  obgleich  es  etwas  älter  ist  als  dieses ;  das  Stadium  2  stimmt 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  575 

in  gleicher  Weise  nicht  völlig  mit  imserm  Stadium  C  überein,  da  die 
Differenzierung  des  Keimstreifens  hier  schon  weiter  fortgeschritten, 
der  Embryo  aber  noch  vollständig  rund  ist.  Das  Stadium  3  steht 
zwischen  unsern  Stadien  C  und  D,  das  Stadium  4  zwischen  D  und  E. 
Diese  vier  ersten  Stadien  können  demnach  nur  annäherungsweise  mit 
den  Stadien  der  Entwicklung  von  Isotoma  in  Einklang  gebracht  werden. 
Im  Laufe  der  weiteren  Entwicklung  läßt  sich  indessen  eine  größere 
Übereinstimmung  beider  feststellen:  das,  was  Folsom  als  das  fünfte 
Entwicklungsstadium  bezeichnet,  fällt  vollständig  mit  dem  Stadium  E 
überein,  mit  welchem  unsre  dritte  Periode  in  der  Entwicklung  ihr  Ende 
erreicht.  Um  nicht  nochmals  auf  diese  Frage  zurückkommen  zu  müssen, 
wollen  wir  gleich  hier  hervorheben,  daß  eine  gleiche  Übereinstimmung 
auch  zwischen  den  späteren  Entwicklungsstadien  von  Anurida  und 
unsern  Stadien  F,  G-,  H  besteht,  welche  bei  der  vierten  Periode  der 
Entwicklung  beschrieben  werden  sollen.  F  fällt  durchaus  mit  Nr.  6 
von  Folsom  überein,  G  mit  Nr.  7  und  endlich  H  (und  zum  Teil  auch 
unser  Stadium  I)  mit  dem  letzten  —  achten  —  Stadium  in  der  Ent- 
wicklung von  Anurida. 

Im  allgemeinen  gehen,  unbedeutende  Eigentümlichkeiten  aus- 
geschlossen, die  Veränderungen  in  der  äußeren  Form  bei  den  Embryonen 
von  Anurida  wie  auch  bei  den  übrigen  Collembola  in  der  gleichen 
Weise  vor  sich,  wie  dies  von  uns  für  Isotoma  cinerea  beschrieben  worden 
ist.  Wahrscheinlich  entsprechen  dieser  äußeren  Ähnlichkeit  der  Em- 
bryonen auch  die  in  ihrem  Inneren  vor  sich  gehenden  Prozesse  der 
Organogenese. 

VI.  Vierte  Entwicklungsperiode.  --  Entwicklung  der  Körpergestalt 
und  Organogenese. 

(Tafel  XII  und  XIV.) 

Die  vierte  und  letzte  Periode  der  embryonalen  Entwicklung, 
während  derer  die  Entwicklung  der  Körpergestalt  der  Isotoma  und  die 
endgültige  Ausbildung  aller  ihrer  inneren  Organe  vor  sich  geht,  unter- 
scheidet sich  durch  ihre  besonders  lange  Dauer  von  den  vorhergehenden 
Perioden.  Im  Durchschnitte  beträgt  sie  10  Tage,  d.  h.  diese  Periode 
dauert  ebenso  lange,  wie  die  drei  vorhergehenden  zusammen.  —  Wir 
wollen  zunächst  die  Entwicklung  der  Körpergestalt  besprechen  und 
erst    dann  zu  den  einzelnen  Organen  übergehen. 

Die  Ausbildung  der  Körpergestalt.  Das  erste  Stadium  der 
vierten  Periode,  welches  wir  mit  dem  Buchstaben  F  bezeichnen,  unter- 
scheidet sich  äußerlich  nur  sehr  wenig  von  dem  Stadium  E,  weshalb 


576  Jur.  Philiptschenko, 

ich  keine  spezielle  Abbildung  desselben  gebe.  Der  Unterschied  zwischen 
E  und  F  besteht  in  deren  innerem  Bau,  welchen  wir  in  betreff  des 
Stadiums  F  weiter  unten  besprechen  werden.  Äußerlich  kann  man 
nur  bemerken,  daß  die  aus  dem  Keimstreifen  hervorwachsenden  Ecto- 
dermflecken  (Fig.  32  oive)  nunmehr  größer  und  bemerkbarer  geworden 
sind  (um  diese  Zeit  sind  zwei  Paare  solcher  Flecken  in  der  Brust  und 
vier  im  Hinterleibe  gut  entwickelt),  und  daß  die  Analöffnung  ihre 
definitive  Lage  am  hinteren  Ende  des  Abdomens  eingenommen  hat. 
Der  Unterschied  in  der  Lage  der  Analöffnung  ist  bei  der  Vergleichung 
der  Fig.  55  (F)  und  47  (E)  deutlich  zu  erkennen,  welche  Sagittalschnitte 
durch  das  Hinterende  des  Abdomens  und  das  Proctodäum  (prd) 
darstellen.  —  Der  Umstand,  daß  die  Antennen  bei  dem  Übergange 
auf  dieses  Stadium  endlich  viergliedrig  werden,  ist  bereits  oben  er- 
wähnt worden;  die  übrigen  Anhänge  des  Keimstreifens  bewahren  ihren 
bisherigen  Charakter  bei,  mit  Ausnahme  der  Springgabel.  Auf  dem 
Stadium  F  werden  die  beiden  Anlagen  dieser  letzteren  bereits  zwei- 
gliederig, indem  sie  je  in  einen  proximalen  und  einen  distalen  Abschnitt 
zerfallen,  von  denen  der  letztere  bedeutend  kürzer  ist  als  der  erstere. 
In  dieser  Beziehung  stimmt  die  Segmentierung  der  Anhänge  des  vierten 
Abdominalsegmentes  durchaus  überein  mit  der  Segmentierung  der 
Anlagen  des  Tubus  ventralis,  von  der  oben  die  Rede  gewesen  ist,  unter- 
scheidet sich  aber  von  der  Segmentierung  der  Antennen  und  Beine,  wo 
der  proximale  Abschnitt  des  zweigliederigen  Stadiums  im  Gegenteil 
bedeutend  kleiner  ist  als  der  distale. 

Auf  das  Stadium  F  folgt  das  Stadium  G,  dessen  äußere  Gestalt 
in  der  Fig.  34  abgebildet  ist.  Dasselbe  unterscheidet  sich  gut  von  den 
andern  durch  die  Anwesenheit  der  Ocellen  (oc),  welche  auf  diesem 
Stadium  das  Aussehen  einzelner  Flecke  besitzen,  während  sie  später 
infolge  der  Entwicklung  von  Pigment  auch  zwischen  denselben  gleich- 
sam zu  einem  einzigen  schwarzen  Flecken  verschmelzen.  Bei  Em- 
bryonen, welche  sich  auf  den  Beginn  dieses  Stadiums  beziehen,  sind 
anfangs  jederseits  zwei,  dann  aber  drei  Ocellen  vorhanden,  von  denen 
später  gleichsam  eine  untere  (etwas  gebogene)  Reihe  gebildet  wird; 
hierauf  treten  bei  etwas  älteren  Embryonen  zu  diesen  drei  Paaren 
noch  zwei  Paare  hinzu,  welche  etwas  höher  und  näher  zur  Dorsalseite 
gelegen  sind  (vgl.  Fig.  34).  Wie  aus  derselben  Figur  zu  ersehen  ist, 
schimmert  unter  den  Ocellen  deutlich  das  Gehirn  hervor  und  der  ganze 
Kopf  erscheint  überhaupt  viel  weiter  ausgebildet,  als  auf  den  vorher- 
gehenden Stadien. 

Was  die  Mundwerkzeuge  betrifft,  so  will  ich  mich  infolge  des  Er- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.     III.  577 

scheinens  der  Arbeit  von  Hoffmann,  welcher  deren  Entwicklung  bei 
einer  unsrer  Isotoma  nahestehenden  Form  eingehend  untersucht  hat, 
nicht  bei  den  Einzelheiten  ihrer  Entwicklung  auf  späteren  Stadien 
aufhalten,  indem  dies  die  Anwendung  gewisser  spezieller  Untersuchungs- 
methoden notwendig  machen  würde,  wie  Rekonstruktionen,  Prä- 
parieren mit  Nadeln  usw.,  ohne  wesentlich  neue  Befunde  in  Aussicht 
zu  stellen.  Aus  diesem  Grunde  will  ich  dieselben  hier  auch  nur  in- 
sofern berücksichtigen,  als  dies  für  das  Verständnis  der  übrigen  Ent- 
wicklungsprozesse erforderlich  ist.  ' 

Auf  dem  Stadium  G  gehen  in  den  Mundwerkzeugen  wichtige  Ver- 
änderungen vor  sich,  welche  sich  in  dem  ganzen  Bau  des  Kopfes  fühlbar 
machen.  Diese  Veränderungen  bestehen  erstens  in  einer  Verlängerung 
der  Mandibeln  und  der  ersten  Maxillen  bei  gleichzeitiger  Reduktion 
des  zweiten  Maxillarpaares  (in  betreff  der  Einzelheiten  dieser  Vor- 
gänge verweise  ich  auf  die  Arbeiten  von  Folsom  und  namentlich  von 
Hoffmann)  und  zweitens  in  einer  vollständigen  Umwachsung  derselben 
durch  die  Mundfalte.  Einige  Vorstellung  von  diesen  Vorgängen  können 
unsere  Fig.  57  und  58  geben.  Die  erstere  stellt  einen  schiefen  Schnitt 
dar  (in  einer  Ebene  zwischen  der  frontalen  und  der  transversalen  Rich- 
tung) durch  den  vorderen  Kopfabschnitt  eines  Embryos  auf  dem 
Stadium  G:  wir  bemerken  auf  derselben  die  stark  verlängerten  Man- 
dibeln (md),  welche  von  der  Seite  her  zur  Hälfte  durch  die  stark  ange- 
wachsene Mundfalte  (mf)  bedeckt  sind.  Zwischen  den  Mandibeln  sind 
wie  zuvor  die  Paraglossae  {prgl)  in  Gestalt  zweier  nur  stärker  entwickelter 
Höcker  zu  bemerken,  allein  das  Mandibularganglion  (welches  jetzt 
zu  dem  Bestände  des  unteren  Schlundganglions  gehört)  liegt  nunmehr 
bedeutend  höher,  als  auf  den  vorhergehenden  Stadien.  In  gleicher 
Weise  verläuft  die  Mundfalte  seitlich  von  jeder  Maxille  des  ersten 
Paares;  zwischen  diesen  letzteren  ist  um  diese  Zeit  in  Gestalt  eines 
unpaaren  Vorsprunges  die  Glossa  zur  Bildung  gelangt,  d.  h.  der  un- 
paare  Teil  des  Hypopharynx,  welcher  demnach  den  durch  Wucherung 
vergrößerten  Sternit  des  ersten  Maxillensegmentes  darstellt.  Nach 
Umwachsung  der  Mandibeln  und  der  ersten  Maxillen  erreichen  die 
Mundfalten  die  zweiten  Maxillen  und  beginnen  mit  denselben  zu  ver- 
wachsen, oder  richtiger  gesagt  dieselben  von  unten  zu  umwachsen, 
wobei  ein  großer  Teil  der  von  der  Mundfalte  umwachsenen  zweiten 
Maxille  nach  den  Beobachtungen  von  Hoffmann  verschwindet.  Unsre 
Fig.  58  stellt  einen  Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil  des  Kopfes 
(im  Niveau  der  ösophagealen  Kommissur)  eines  auf  dem  Stadium  G 
befindlichen  Embryos  dar.    Auf  derselben  sind  die  basalen  Abschnitte 


578  Jur.  Philiptschenko, 

der  Mandibeln  (md)  und  der  ersten  Maxillen  (mx-^)  gut  zu  sehen,  welche 
seitlich  durch  die  Mundfalte  (mf)  bedeckt  sind;  letztere  reicht  rechts 
bis  zur  zweiten  Maxille  (mx2),  während  sie  links  bereits  mit  derselben 
verschmolzen  ist.  Die  Mundorgane  werden  demnach,  wie  dies  auch 
schon  von  Folsom  festgestellt  worden  ist,  durchaus  nicht  in  das  Innere 
des  Kopfes  verlagert,  sondern  sie  werden  von  beiden  Seiten  durch  die 
Mundfalten,  welche  sich  bei  der  erwachsenen  Form  in  die  Wangen 
verwandeln,  umwachsen.  Indem  diese  selben  Mundfalten  mit  den 
Maxillen  des  zweiten  Paares  verwachsen,  von  denen  nur  ein  kleiner 
Teil  ihrer  früheren  Anlagen  übrig  bleiben  (vgl.  Hoptmann),  nehmen 
sie  auch  an  der  Bildung  der  Unterseite  des  Kopfes  teil.  Als  Endergebnis 
dieses  Umwachsungsprozesses  erweisen  sich  die  stark  verlängerten 
Mandibeln  und  ersten  Maxillen  als  in  der  Mundhöhle  liegend;  der 
Embryo  wird  demnach  schon  von  dem  Ende  unsres  Stadiums  G 
angefangen,  zu  einer  entotrophen  Form  wie  die  erwachsenen  Collem- 
bola. 

Um  die  gleiche  Zeit  bildet  sich  die  definitive  Gliederzahl  auch  an 
den  Thoracalfüßen,  welche  bis  dahin  viergliederig  waren.  Zu  diesem 
Zwecke  erfolgt  eine  Zweiteilung  ihres  proximalen  Gliedes  der  Stadien  E 
und  D,  welches  sich  seit  seiner  Differenzierung  von  dem  distalen  Gliede 
noch  kein  einziges  Mal  geteilt  hat,  während  dieses  letztere  schon  auf 
dem  Stadium  E  in  drei  Glieder  zerfallen  ist.  Auf  dem  Stadium  G 
sind  die  Thoracalfüße  demnach  schon  fünf  gliederig,  wie  bei  der  er- 
wachsenen Form  (vgl.  Fig.  34  th). 

Auch  in  den  abdominalen  Anhängen  sind  merkliche  Veränderungen 
wahrzunehmen.  Die  bisher  ziemlich  weit  voneinander  entfernten 
Anhänge  des  ersten  Abdominalsegmentes  beginnen  sich  einander  zu 
nähern,  wobei  ihre  Basalteile  miteinander  verschmelzen  und  nur  die 
distalen  Enden  einzeln  nach  außen  vorspringen,  wie  dies  aus  der  Fig.  59 
(tv)  zu  ersehen  ist,  welche  einen  Querschnitt  durch  das  erste  Abdo- 
minalsegment darstellt.  Die  Grenze  zwischen  dem  proximalen  und 
dem  distalen  Gliede,  in  welche  eine  jede  der  Anlagen  des  Tubus  ven- 
tralis  zuvor  zerfallen  ist  (vgl.  Fig.  47),  verschwindet  auf  dem  Stadium  G 
und  den  darauffolgenden  Stadien  und  die  spätere  Teilung  dieses 
Organes  in  seine  definitiven  Abschnitte  (Tubuscylinder,  -kragen 
und  -bläschen)  entsteht  ganz  unabhängig  von  der  primären  Zusammen- 
setzung aus  zwei  Gliedern.  Man  kann  nur  sagen,  daß  die  früheren 
kleinen  distalen  Glieder  das  hauptsächlichste  Material  für  die  ausstülp- 
baren Säckchen  abgeben,  die  größeren  proximalen  Abschnitte  dagegen 
—  das  Material  für  die  beiden  übrigen  Teile.    Wie  dies  bei  der  Betrach- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  579 

tung  der  Embryonen  von  der  Seite  oder  auf  Sagittalschnitten  gut  zu 
sehen  ist,  sind  die  noch  nicht  miteinander  verschmolzenen  freien  Enden 
des  Tubus  ventralis  stark  erweitert,  woher  die  ganze  Anlage  eine  pilz- 
förmige Gestalt  annimmt.  Letzteres  ist  auf  der  Abbildung  des  darauf- 
folgenden Stadiums  H  deutlich  zu  sehen  (Fig.  35  tv),  während  auf  der 
dem  Stadium  G  angehörenden  Fig.  34  der  darauf  abgebildete  Tubus 
ventralis  des  Embryos  von  den  Thoracalfüßen  bedeckt  ist.  Im  allge- 
meinen kann  man  sagen,  daß  die  aus  einem  kurzen  basalen  Abschnitt 
und  zwei  noch  nicht  miteinander  verschmolzenen  terminalen  Erhöhun- 
gen bestehende  Anlage  des  Tubus  ventralis  auf  dem  Stadium  G  (Fig.  59) 
ungefähr  denselben  Bau  besitzt,  wie  er  der  niedersten  Familie  der 
Collembola  —  den  Poduridae  —  zukommt.  Bei  letzteren  besteht 
dieses  Organ,  wie  bekannt,  im  Gegensatz  zu  den  Entomobryidae, 
zu  denen  auch  Isotoma  cinerea  gehört,  aus  zwei  durch  eine  Vertiefung 
voneinander  getrennten  Hälften  mit  einem  kurzen  Basalabschnitt  und 
ohne  Valvulae.  Die  Auffassung,  wonach  derartige  Verhältnisse  als 
mehr  ursprünglich  anzusehen  sind,  findet  demnach  auch  in  der  Em- 
bryologie eine  völlige  Bestätigung. 

Die  Anhänge  des  dritten  Abdominalsegmentes  nähern  sich  ein- 
ander ebenfalls  und  ergeben  auf  dem  Stadium  G,  indem  sie  miteinander 
verschmelzen,  ein  vollständig  ausgebildetes  Retinaculum  (Fig.  60  ret), 
welches  um  diese  Zeit  verhältnismäßig  nur  wenig  größer  ist,  als  bei 
der  erwachsenen  Form.  Auf  diesem,  wie  auch  auf  den  darauffolgenden 
Stadien  sind  in  demselben  keinerlei  Spuren  einer  Einteilung  in  Ab- 
schnitte zu  bemerken,  aber  auf  dem  Stadium  F  habe  ich  sogar  in  seinen 
Anlagen  einen  schwachen  Hinweis  auf  einen  Bestand  aus  zwei  Gliedern 
(einem  größeren  proximalen  und  einem  kleineren  distalen)  gesehen, 
wie  er  auf  diesem  Stadium  bei  den  Anhängen  des  ersten  und  des  vierten 
Abdominalsegmentes   deutlich   ausgesprochen   ist. 

Bei  dem  Übergänge  von  dem  Stadium  F  nach  dem  Stadium  G 
werden  die  zweigliederigen  Anlagen  der  Springgabel  zu  dreigliederigen, 
indem  der  größere  proximale  Abschnitt  eine  Zweiteilung  erfährt  (Fig.  34 
und  63  frc).  Es  sind  demnach  nunmehr  jene  drei  Abschnitte  der 
Gabel  angedeutet,  welche  auch  für  die  erwachsene  Form  charakte- 
ristisch sind  (Manubrium,  Dentes;  Mucrones),  allein  zum  Unterschiede 
von  letzterer  sind  alle  diese  Teile  noch  von  etwa  gleicher  Größe.  Um 
dieselbe  Zeit  geht  eine  rasche  Annäherung  beider  Gabelanlagen  vor  sich 
und  deren  Basalglieder  beginnen  allmählich  miteinander  zu  verschmelzen, 
wobei  sie  das  unpaare  Manubrium  bilden,  während  die  Dentes  und 
die  Mucrones,  wie  bei  der  erwachsenen  Form,  frei  bleiben.     Die  Ent- 


580  Jur.  Philiptschenko, 

wicklung  der  Gabel  spricht  im  allgemeinen  zweifellos  zugunsten  der 
Annahme,  daß  deren  Keduction  bei  vielen  Collembola  eine  sekundäre 
Erscheinung  darstellt. 

Was  die  laterale  und  die  dorsale  Seite  des  Embryos  anbetrifft, 
so  gehen  auch  hier  auf  dem  Stadium  G  einige  Veränderungen  vor 
sich.  Das  auf  den  beiden  vorhergehenden  Stadien  von  dem  Keim- 
streifen nach  oben  wuchernde  Ectoderm  hatte  das  Aussehen  einzelner 
Flecken  zu  beiden  Seiten  des  Embryos  (Fig.  32  owe).  Jetzt  haben  diese 
einzeln  aus  jedem  Segmente  hervorwachsenden  Flecken  so  sehr  an 
Größe  zugenommen,  daß  sie  zu  einem  gemeinsamen  Streifen  ver- 
schmelzen, welcher  jede  der  lateralen  Seiten  des  Embryos  bedeckt 
(Fig.  34  owe)  und  nur  auf  dessen  Dorsalseite  (wie  dies  auf  derselben 
Figur  und  einigen  andern,  Schnitte  durch  den  Embryo  darstellenden 
zu  sehen  ist  —  Fig.  57,  59,  60,  62,  63)  flache  Zellen  des  Hüllenecto- 
derms  (he)  erhalten  bleiben.  —  Querschnitte  durch  den  Embryo  (Fig.  59, 
60)  zeigen  bei  dem  Vergleiche  mit  den  auf  der  Taf .  XIII  abgebildeten 
Querschnitten  der  vorhergehenden  Stadien  auf  das  Deutlichste,  wie 
sehr  sich  das  Ectoderm  der  Keimscheibe  nach  oben  verbreitet  hat, 
indem  es  die  Stelle  des  Hüllenectoderms  einnahm.  Bei  dem  Studium 
solcher  Schnitte  kann  man  sich  leicht  davon  überzeugen,  daß  die  Ele- 
mente des  Hüllenentoderms  durchaus  nicht  durch  das  definitive  Ecto- 
derm nach  oben  verdrängt  werden  (da  sonst  ihre  Anzahl  auf  Querschnit- 
ten oben  beträchtlicher  sein  müßte  als  früher,  was  durchaus  nicht  der 
Fall  ist),  sondern  offenbar  mit  zunehmendem  Wachstum  des  letzteren 
allmählich  absterben  und  verschwinden,  ohne  an  der  Bildung  der  Seiten 
und  des  Rückens  Anteil  zu  nehmen.  Mit  einem  Worte,  dieser  ganze 
Vorgang  erinnert  außerordentlich  an  die  Verdrängung  des  definitiven 
Ectoderms  des  Amnions  bei  vielen  höheren  Insekten. 

Wie  dies  sowohl  auf  Totalpräparaten  (Fig.  34)  wie  auch  auf  Schnit- 
ten (Fig.  62)  deutlich  zu  sehen  ist,  bewahrt  das  Dorsalorgan  (DO)  auch 
noch  auf  dem  Stadium  G  denselben  Charakter  wie  während  der  dritten 
Entwicklungsperiode. 

Das  auf  das  Stadium  G  folgende  Stadium  H  erinnert  nach  der 
allgemeinen  Configuration  des  Körpers  und  seiner  Anhänge  schon  mehr 
an  die  erwachsene  Form  (Fig.  35).  Bei  dem  Übergange  des  Embryos 
auf  dieses  Stadium  vermehrt  sich  die  Zahl  seiner  Ocellen  jederseits  bis 
zu  acht  (der  für  Isotoma  cinerea  überhaupt  charakteristischen  Anzahl) : 
es  kommen  zu  den  auf  dem  Stadium  G  vorhanden  gewesenen  fünf 
Ocellen  noch  weitere  drei  hinzu,  welche  etwas  höher  liegen  als  die 
ersteren.     Allein  gleichzeitig  entwickelt  sich  zwischen  ihnen  Pigment, 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  581 

weshalb  die  einzelnen  Ommatidien  auf  Totalpräparaten  nicht  mehr  zu 
erkennen  sind,  sondern,  wie  bei  der  erwachsenen  Form,  nur  ein  ge- 
meinsamer schwarzer  Augenfleck  zu  unterscheiden  ist  (Fig.  35  oc).  — 
Wie  aus  der  gleichen  Figur  ersichtlich  ist,  erinnern  der  Kopf  und  die 
Mundwerkzeuge  schon  sehr  an  ihren  Bau  bei  der  erwachsenen  Form; 
die  Füße  (auf  der  Fig.  35  sind  nur  deren  basale  Glieder  abgebildet) 
erlangen  allmählich  ebenfalls  ihre  definitive  Gestalt. 

Die  abdominalen  Anhänge  stehen  nunmehr  ihrem  Baue  nach  den 
Abdominalanhängen  der  aus  dem  Ei  geschlüpften  Isotoma  viel  näher. 
Die  pilzförmige  Gestalt  des  Tubus  ventralis  (Fig.  35  tv)  haben  wir 
schon  bei  der  Beschreibung  des  vorhergehenden  Stadiums  erwähnt. 
Auf  Querschnitten  durch  das  erste  Abdominalsegment  von  Embryonen 
dieses  Stadiums  (Fig.  69)  kann  man  sich  davon  überzeugen,  daß  die 
Verschmelzung  der  Hälften  dieses  Organes  bereits  vollständig  beendigt 
ist,  und  daß  dasselbe  sich  in  ein  ebensolches  unpaares  Organ  verwandelt 
hat,  wie  bei  der  erwachsenen  Isotoma  (tv).  In  seinem  Innern  beginnt 
um  diese  Zeit  die  Entwicklung  von  Muskeln  und  an  seinem  distalen 
Ende  diejenige  jener  großen  Zellen,  welche  schon  die  Aufmerksamkeit 
vieler  Autoren  auf  sich  gezogen  haben  und  fälschlicherweise  für  Drüsen- 
zellen gehalten  wurden,  bis  Willem  (1901)  feststellte,  daß  es  bloß 
große  hypodermale  Zellen  sind,  denen  keinerlei  specielle  drüsige  Funktion 
zukommt.  Diese  großen  Hypodermiszellen  in  dem  Terminalabschnitt 
des  Tubus  ventralis  sind  sowohl  auf  der  Fig.  69,  wie  auch  auf  der 
Fig.  73  deutlich  zu  sehen,  welche  sich  auf  das  letzte  Stadium  der  vierten 
Periode  (I)  beziehen  und  auf  denen  der  Schnitt  durch  den  Tubus  ven- 
tralis (tv)  nicht  mehr  quer,  sondern  sagittal  verlaufen  ist.  —  Bei  der 
Entwicklung  der  weiteren  Einzelheiten  des  inneren  wie  auch  des  äußeren 
Baues  dieses   Organs   will   ich   mich  nicht  weiter  aufhalten. 

Das  Retinaculum  bietet  auf  dem  Stadium  H  keine  Veränderungen 
dar ;  die  Gabel  besteht  wie  zuvor  aus  drei  Abschnitten,  wobei  das  Manu- 
brium  bereits  unpaar  geworden  ist.  Auf  dem  Stadium  G  waren  alle 
drei  Abschnitte  der  Gabelanlagen,  wie  wir  schon  oben  bemerkt  haben, 
ungefähr  von  der  gleichen  Größe ;  bei  dem  Übergang  auf  das  Stadium  H 
werden  die  Endglieder  (Mucrones)  bedeutend  kleiner  als  die  andern, 
während  die  mittleren  Abschnitte  (Dentes)  in  ihrem  Wachstum  sowohl 
die  ersteren,  als  auch  das  Manubrium  überholen,  was  auch  aus  der 
Fig.  35  (frc)  zu  ersehen  ist.  So  erwirbt  demnach  auch  die  Gabel  nun- 
mehr die  für  die  erwachsene  Isotoma  charakteristische  Configuration. 

Der  Vorgang  des  Verschlusses  des  Rückens  durch  das  von  den 
Seiten  nach  oben  wachsende  Ectoderm  erreicht  auf  dem  Stadium  H 


582  Jur-  Philiptschenko, 

sein  Ende.  Auf  der  Fig.  35  können  wir  die  flachen  Zeilen  des  Hüllen- 
ectoderras  nicht  mehr  sehen  und  der  ganze  Embryo  ist  um  diese  Zeit 
sowohl  auf  den  Seiten  wie  auch  auf  dem  Rücken  von  Ectoderm  be- 
deckt. —  Selbst  in  denjenigen  Fällen,  wo  an  irgend  einer  Stelle  des 
Embryos  das  Ectoderm  der  rechten  und  der  linken  Seite  noch  nicht 
miteinander  verwachsen  ist,  wie  auf  der  Fig.  65  unterhalb  des  Dorsal- 
organs oder  auf  der  Fig.  68  oberhalb  des  Dotters,  sind  keine  Zellen 
des  Hüllenectoderms  an  solchen  Steilen  zu  bemerken,  da  dieses  letztere 
um  diese  Zeit  bereits  vollständig  reduziert  ist.  Alles  dieses  beweist 
natürlich  nur,  daß  diese  Zellen  an  der  Bildung  des  Integuments  des 
erwachsenen  Tieres  überhaupt  nicht  beteiligt  sind. 

Im  Zusammenhange  mit  dem  Verschlusse  des  Rückens  beschränkt 
sich  die  Segmentierung  des  Embryos  nunmehr  nicht  mehr  auf  die 
Ventralseite,  sondern  sie  geht  zuerst  auch  auf  die  lateralen  Seiten 
und  schließlich  auf  den  Rücken  über.  Zuerst  differenzieren  sich  die 
letzten  Abdominalsegmente :  so  sind  z.  B.  bei  dem  auf  Fig.  35  dar- 
gestellten Embryo  die  drei  hintersten  Abdominalsegmente  (Abdö,  Äbdb, 
Abd±)  auch  schon  am  Rücken  abgeteilt.  Hierauf  differenzieren  sich 
die  vorderen  Abdominalsegmente  und  nach  ihnen  die  thoracalen,  d.  h. 
dieser  Prozeß  verläuft  von  hinten  nach  vorn,  in  der  Richtung  nach  dem 
Kopfe. 

Was  das  Dorsalorgan  betrifft,  so  ist  dasselbe  während  des  ganzen 
Verlaufes  dieses  Stadiums  vorhanden.  Bei  Embryonen,  welche  dem 
Anfang  oder  der  Mitte  desselben  entsprechen,  hebt  sich  das  Dorsalorgan 
wie  bisher  auch  auf  Totalpräparaten  (Fig.  35  DO)  scharf  ab ;  bei  späteren 
Embryonen  hingegen,  bei  denen  der  ganze  Rücken  mit  Ectoderm 
bedeckt  ist,  bedarf  es  eines  leichten  Druckes  mit  dem  Deckgläschen  auf 
den  Embryo,  um  sich  von  dem  Vorhandensein  dieses  Organs  in  toto  über- 
zeugen zu  können.  —  Die  Untersuchung  von  Schnitten,  besonders  aber 
von  sagittal  geführten,  wie  der  auf  Fig.  65  abgebildete,  gibt  uns  die 
Überzeugung,  daß  der  histologische  Charakter  des  Dorsalorgans  {DO) 
und  die  Zahl  der  dasselbe  zusammensetzenden  Zellen  auf  dem  Sta- 
dium H  genau  die  gleichen  sind,  wie  zuvor.  Immerhin  bemerken  wir 
jetzt  eine  gewisse  Veränderung  in  seiner  Lage:  wie  aus  der  angeführten 
Figur  zu  ersehen  ist  liegt  das  Dorsalorgan  nur  mit  einem  geringen 
Teile  seines  Umfanges  der  äußeren  Oberfläche  an  und  ist  tiefer  in 
den  Dotter  versenkt.  Diese  Lageveränderung  ist  die  Folge  einer 
Wucherung  des  definitiven  Ectoderms  (ect)  auch  über  dem  Organ, 
so  daß  das  Dorsalorgan  gegen  das  Ende  des  Stadiums  H  endlich 
jeglichen    Zusammenhang   mit   der   zweiten   Embryonalhülle   einbüßt 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  583 

und  unterhalb  des  Ectoderms  in  den  Dotter  versinkt.  Bis  zum  Ab- 
laufe des  Stadiums  H  ist  nicht  die  geringste  Degeneration  in  dem 
Organe  selbst,  noch  irgendwelche  Zerstörung  mit  Hilfe  der  Leucocyten 
zu  bemerken. 

Das  letzte  Stadium  der  vierten  Entwicklungsperiode,  welches  dem 
Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  unmittelbar  vorangeht,  oder  das  Stadium  J, 
ist  auf  der  Fig.  36  dargestellt.  ^Vie  aus  derselben  zu  ersehen  ist,  hat 
der  Embryo  nunmehr  seine  völlige  Ausbildung  erfahren,  sein  Körper 
ist  vollständig  segmentiert  und  alle  seine  Anhänge  weisen  denselben 
Charakter  auf,  wie  bei  der  aus  dem  Ei  geschlüpften  Isotoma  (Fig.  37), 
von  der  er  sich  nur  durch  seine  gekrümmte  Lage  unterscheidet.  — 
In  der  Haut  hat  sich  um  diese  Zeit  bereits  das  blaue  Pigment 
herausgebildet,  welches  für  die  erwachsene  Form  charakteristisch  ist; 
durch  diese  hellblaue  Färbung  unterscheiden  sich  die  Embryonen 
des  Stadiums  J  auf  das  schärfste  von  denen  aller  vorhergehenden 
Stadien. 

Ich  halte  es  für  überflüssig  eine  genauere  Schilderung  dieses  Sta- 
diums zu  geben,  muß  jedoch  bei  dem  Schicksal  eines  Gebildes  verweilen, 
welches  hier  gänzlich  fehlt,  und  zwar  des  Dorsalorganes.  Im  Gegensatz 
zu  allen  vorhergehenden  Stadien  ist  dasselbe  jetzt  sowohl  auf  Total- 
präparaten (Fig.  36),  wie  auch  auf  Schnitten  (Fig.  73)  gar  nicht  mehr 
zu  unterscheiden.  Dieses  unerwartete  Verschwinden  des  Dorsalorganes, 
welches  noch  auf  dem  vorhergehenden  Stadium  (Fig.  65  DO)  so  gut 
entwickelt  erschien,  war  auch  mir  ein  Eätsel,  bis  es  nur  gelang  bei 
Embryonen  aus  dem  ersten  Anfang  des  Stadiums  J  Überreste  desselben 
aufzufinden.  —  In  der  Mitte  und  gegen  das  Ende  dieses  Stadiums 
entbehrt  der  Mitteldarm  des  Embryos  gänzlich  des  Dotters  (Fig.  73  D), 
während  er  bei  Beginn  des  Stadiums  J,  wie  dies  auch  vorher  der  Fall 
gewesen  war,  dicht  mit  Dotter  angefüllt  ist  (Fig.  71  D).  Gerade  bei 
solchen  Embryonen  nun  kann  man  innerhalb  des  Mitteldarmes  zwischen 
dem  Dotter  Reste  des  Dorsalorganes  finden  (Fig.  71  DO),  welches  offen- 
bar nach  seiner  Loslösimg  von  dem  Ectoderm  zusammen  mit  dem 
Dotter  von  dem  Darmepithel  umhüllt  (vgl.  Fig.  68)  und  wiederum  mit 
dem  Dotter  in  dem  Darme  verdaut  wird,  wobei  es  bei  älteren  Em- 
bryonen restlos  verschwindet. 

Das  Dorsalorgan  der  Collembola  unterliegt  demnach  nicht  einer 
langsamen  Degeneration  oder  Zerstörung  unter  Beihilfe  der  Leucocyten, 
gleich  vielen  embryonalen  Organen,  sondern  es  erfährt  das  gleiche 
Schicksal  wie  die  Embryonalhüllen  einiger  Insekten,  so  zum  Beispiel 
von  Hydrophilus ,  welche  schließlich   in  den  Dotter  geraten  und  mit 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  38 


584  Jur.  Philiptschenko, 

diesem  zusammen  im  Darme  verdaut  werden.  Ein  ähnliches  Schicksal 
erleidet  bekanntlich  auch  das  Dorsalorgan  vieler  Amphipoda.  — 
Pkowazek  beschreibt  bei  der  von  ihm  untersuchten  Isotoma-Ait  eine 
Resorption  des  Dorsalorganes  mit  Hilfe  von  mesodermalen  Zellen,  doch 
kann  ich  diese  Beobachtung  in  keiner  Weise  bestätigen  und  vermute, 
daß  sie  auf  einem  Irrtum  beruht. 

Den  Prozeß  des  Ausschlüpf ens  des  Embryos  aus  dem  Ei  habe  ich 
nicht  beobachtet;  ebenso  fehlen  mir  jegliche  Beobachtungen  über  den 
Zeitpunkt  des  Beginnes  der  ersten  Häutung  der  jungen  Isotoma.  Es 
muß  hier  bemerkt  werden,  daß  sowohl  Campodea  wie  auch  Tomocerus 
(Macrotoma)  nach  den  Untersuchungen  von  Uzel  mit  einer  embryo- 
nalen Cuticula  (d.  h.  offenbar  mit  einer  zweiten  cuticularen  Embryonal- 
hülle) bekleidet  das  Ei  verlassen,  dieselbe  jedoch  bald  darauf  ab- 
werfen. Pkowazek  weist  darauf  hin,  daß  bei  seiner  Isotoma  die  erste 
Häutung  am  7.  Tage  eintrat,  wie  dies  nach  Heymons  auch  bei  Lepisma 
der  Fall  ist.  i 

Auf  die  Frage  nach  dem  Dorsalorgan  und  den  die  Bildung  des 
Rückens  begleitenden  Prozessen  werden  wir  später  nochmals  zurück- 
kommen ;  um  mit  der  Entwicklung  der  Körpergestalt  bei  Isotoma,  cinerea 
abzuschließen,  wollen  wir  hier  nur  noch  kurz  bei  den  Angaben  ver- 
weilen, welche  wir  oben  mitgeteilt  haben  und  die  die  Segmentierung 
verschiedener  Körperanhänge,  d.  h.  der  Extremitäten  betreffen.  Dabei 
erwecken  einige  in  die  Augen  fallende  Eigentümlichkeiten  ein  gewisses 
Interesse. 

Die  Segmentierung  der  Antennen  war  bei  Tomocerus  plumbeus 
von  Hoffmann  untersucht  worden,  dessen  Befunde,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  auch  für  unsre  Form  durchaus  passen.  Bei  beiden 
zerfällt  die  noch  ungegliederte  Anlage  der  Antennen  zuerst  in  ein 
größeres  distales  und  ein  kleineres  proximales  Glied;  hierauf  teilt  sich 
das  erstere  derselben,  um  die  zwei  Endglieder  der  völlig  ausgebildeten 
Antenne  zu  bilden  (III  u.  IV)  und  schließlich  teilt  sich  auch  noch  das 
proximale  primäre  Glied,  wobei  seine  Hälften  das  I.  und  II.  Glied  der 
fertigen  Antenne  abgeben.  Dieser  Vorgang  läßt  sich  am  besten  durch 
nachstehende  Gleichung  ausdrücken : 

P     <       D 

ant  (I  +  II  +  III  +  IV)=(I  +  n)+(III  +  IV)=(I  +  II)  +  III  +  IV=I  +  II  +  III  +  IV. 

Die  Segmentierung  der  Füße  haben  wir  oben  beschrieben;  sie 
verläuft  nach  demselben  Grundplane.    Ebenso  wie  dies  auch  bei  den 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  585 

Antennen  der  Fall  ist,  teilt  sich  die  ungegliederte  Anlage  der  Füße  in 
zwei  Glieder,  von  denen  das  distale  größer  ist  und  den  Femur  (III), 
die  Tibia  (IV)  und  den  Tarsus  (V)  enthält,  das  proximale  dagegen  die 
Coxa  (I)  und  den  Trochanter  (II)  und  dabei  kleiner  ist1.  Späterhin 
segmentiert  sich  zuerst  das  primäre  distale  Glied,  wobei  der  Tarsus 
sich  zu  allererst  differenziert,  worauf  sich  dann  Femur  und  Tibia  ab- 
teilen. Die  Gliederung  des  primären  proximalen  Gliedes  tritt  be- 
trächtlich später  auf,  und  zwar  erst  auf  dem  Stadium  G,  während  das 
distale  Glied  schon  auf  dem  Stadium  E  gänzlich  in  seine  drei  Ab- 
schnitte geteilt  ist.  Die  Gleichung  für  die  Segmentierung  der  Füße 
wird  sich  offenbar  folgendermaßen  gestalten: 

P     <         D 
th  (I  +  II  +  III  +  IV  +  V)=(I  +  II)  +  (III  +  IV  +  V)=(I  +  II)  +  (III  +  IV) 
+  V  =  (I  +  II)  +  III  +  IV  +  V  =  I  +  II  +  III  +  IV  +  V. 

tarsus  femur  tibia        coxa  trochanter 

Vergleicht  man  diese  beiden  Gleichungen,  so  ergibt  es  sich  in  un- 
zweifelhafter Weise,  daß  die  Segmentation  der  Füße  und  der  Antennen 
nach  ein  und  demselben  Typus  verläuft ;  charakteristisch  sind  für  diesen 
Typus:  erstens  die  ursprüngliche  Einteilung  dieser  Anlagen  in  zwei 
primäre  Glieder  —  ein  größeres  distales  und  ein  kleineres  proximales  — 
und  zweitens  die  vom  distalen  nach  dem  proximalen  Ende  zu  fort- 
schreitende, d.  h.  wenn  man  sich  so  ausdrücken  darf,  centripetale  Diffe- 
renzierung der  definitiven  Glieder.  Wie  bei  den  Antennen,  so  auch 
bei  den  Füßen  werden  die  Endglieder  zuerst  und  die  Basalglieder  zuletzt 
differenziert.  —  Es  ist  von  Interesse,  daß  dieses  Gesetz  auch  in  der 
postembryonalen  Entwicklung  der  Collembola  eine  Anwendung  findet. 
Bekanntlich  besitzen  mehrere  Vertreter  der  Familie  Entomobryidae 
nicht  vier-,  sondern  fünf-  oder  sechsgliederige  Antennen  (so  z.  B.  Orche- 
sella,  Heteromurus  [Templetonia]).  Börner  (1901)  stellte  fest,  daß  die 
soeben  aus  dem  Ei  ausgeschlüpften  Vertreter  dieser  Gattungen  vier- 
gliederige  Antennen  besitzen,  daß  sich  aber  später  die  Zahl  dieser 
Glieder  sekundär  vermehrt.  Außerdem  beobachtete  dieser  Autor 
sowohl  bei  Orchesella  cincta  wie  auch  bei  Heteromurus  nitidens,  daß 
die  Verwandlung  der  viergliederigen  Antenne  in  eine  fünfgliederige 
durch  die  Teilung  ihres  basalen  Gliedes  (I  der  übrigen  Formen)  in 
zwei  Glieder  vor  sich  geht  (vgl.  Fig.  33  auf  Seite  78  der  angeführten 

1  Ich  kann  die  Angaben  von  Willem  (1900)  in  keiner  Weise  bestätigen, 
wonach  die  Füße  der  Collembola  nicht  fünf,  wie  dies  für  die  Insekten  typisch 
ist,  sondern  sieben  Glieder  besitzen. 

38* 


586  Jur.  Philiptschenko, 

Arbeit).  In  diesem  Falle  ist  die  Analogie  mit  der  Gliederung  des 
Beines  eine  durchaus  vollständige. 

Obwohl  heutigen  Tages  wohl  niemand  mehr  an  der  Extremitäten- 
natur der  Antennen  zweifeln  wird,  so  bietet  die  Übereinstimmuno- 
ihrer  Segmentierung  mit  derjenigen  der  Beine  doch  immer  ein  ge- 
wisses Interesse. 

Es  muß  hervorgehoben  werden,  daß  auch  die  Differenzierung  des 
ersten  und  des  zweiten  Maxilienpaares  nach  dem  gleichen  Gesetze 
verläuft,  wie  diejenige  der  Beine  und  der  Antennen.  —  Wie  wir  oben 
gesehen  haben,  teilt  sich  die  Anlage  jeder  Maxille  zuerst  in  ihren 
basalen  Teil  und  den  Palpns,  wobei  dieser  letztere,  d.  h.  das  ursprüng- 
liche distale  Glied  auch  hier  von  etwas  größeren  Dimensionen  ist  (vgl. 
Fig.  31).  Hierauf  tritt  die  Segmentierung  des  Palpus  ein  und  endlich 
diejenige  des  Maxillenstammes ;  die  Einzelheiten  dieser  Vorgänge  habe 
ich  nicht  verfolgt,  doch  verlaufen  dieselben,  soweit  man  dies  nach  den 
Beobachtungen  von  Hoffmann  beurteilen  kann,  im  allgemeinen  wie 
es  scheint  wie  bei  den  Beinen.  Aus  dem  hier  Mitgeteilten  ist  deutlich 
ersichtlich,  daß  der  Palpus  maxillaris  und  der  P.  labialis  den  drei 
distalen  Beingliedern  (Femur,  Tibia,  Tarsus)  völlig  entsprechen,  die 
Basalglieder  der  Maxillen  dagegen  den  Basalgliedern  der  Beine  (Coxa 
und  Trochanter).  Zu  dem  gleichen  Ergebnis  gelangte  auch  Heymons 
(1897a)  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  von 
Lepisma,  doch  ist  dieser  Autor  der  Ansicht,  daß  Submentum  +  Men- 
tum  und  Cardo  +  Stipes  der  Coxa  allein  entsprechen. 

Indem  wir  nunmehr  zu  der  Segmentierung  der  Abdominalanhänge 
übergehen,  können  wir  uns  davon  überzeugen,  daß  jenes  für  alle  Kopf- 
und  Brustextremitäten  gültige  Gesetz  bei  der  Segmentierung  der  ab- 
dominalen Extremitäten  nicht  mehr  in  vollem  Umfange  in  Kraft 
bleibt.  Wie  wir  schon  oben  bemerkt  haben,  teilen  sich  auch  die  Ab- 
dominalanhänge des  ersten,  dritten  und  vierten  Segmentes  ursprüng- 
lich in  zwei  Glieder,  allein  von  diesen  ist  nicht  das  distale  größer  als 
das  proximale,  sondern  umgekehrt.  Bei  den  Anlagen  des  Tubus  ven- 
tralis  und  des  Retinaculum  bleibt  es  auch  bei  dieser  Segmentierung, 
wobei  die  Grenze  zwischen  dem  proximalen  und  dem  distalen  Abschnitt 
verwischt  wird;  so  kann  man  für  die  Anlagen  des  Tubus  ventralis  nur 
annäherungsweise  angeben,  daß  die  distalen  Glieder  die  Hauptmasse 
des  Materiales  für  die  ausstülpbaren  Bläschen  abgeben.  Bei  der 
Anlage  der  Gabel  wird  diese  Teilung  in  zwei  Abschnitte  nicht  ver- 
wischt und  die  Segmentierung  geht  noch  weiter,  wobei  das  kleinere 
distale  Glied  späterhin  den   Mucro   abgibt,    während   das   proximale 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  587 

Glied  sich  in  zwei  Abschnitte  teilt  —  das  Manubrium  und  die  Dens 
s.  Ramus. 

P         >  D 

frc  (Man.  +  ram.  +  muc.)  =  (Man.  +  ram.)  +  muc.  =  Man.  +  rani.  +  muc. 

Im  allgemeinen  verläuft  aber  die  Differenzierung  dieser  drei  Glieder 
auch  hier  vom  distalen  zum  proximalen  Ende. 

Es  drängt  sich  unwillkürlich  die  Frage  auf,  warum  die  primären 
Glieder  bei  den  Abdominalanhängen  von  andrer  Größe  sind,  als  bei 
allen  übrigen  Gliedern  (bei  allen  ist  P<D,  bei  den  Abdominalgliedern 
P]>D)  und  ob  es  nicht  möglich  wäre,  eine  Parallele  zwischen  den  Ab- 
schnitten des  Tubus  ventralis  und  der  Gabel  einerseits  und  den  Beinen 
anderseits  zu  ziehen.  —  Was  die  erstere  Frage  betrifft,  so  geben  uns 
die  den  Collembola  nahestehenden  niedersten  Apterygoten,  nämlich 
Cam'podea  und  die  Protura  eine  Antwort  auf  dieselbe, 

Bei  Cam'podea  sind  abdominale  Extremitäten  (Styli  und  Cerci 
lasse  ich  hier  unberücksichtigt)  an  dem  ersten  Abdominalsegment  ent- 
wickelt und  bestehen  aus  zwei  Gliedern,  einem  größeren  proximalen 
und  einem  kleineren  distalen.  Dasselbe  findet  auch  bei  den  Vertretern 
der  Familie  der  Acerentomidae  statt,  während  bei  Eosentomon  genau 
ebensolche  Anhänge  an  den  drei  ersten  Abdominalsegmenten  sitzen. 
Das  kleine  distale  Glied  der  zweigliederigen  Abdominalbeine  der  Pro- 
tura trägt  an  seinem  Ende  ein  ausstülpbares  Bläschen  (über  Protura 
siehe  die  Arbeiten  von  Silvestri  [1907,  1909],  Berlese  [1909]  und 
Rimsky-Korsakow  [1911a  u.  b]).  Es  ist  unschwer  zu  erkennen,  daß 
ein  solches  zweigliederiges  Bein  durch  den  Verlust  von  Gliedern  aus 
einem  normalen  fünfgliedrigen  Beine  hervorgegangen  ist,  wie  sie  bei 
Scolopendrella  und  einigen  andern  Myriopoden  an  allen  Segmenten 
entwickelt  sind.  Sein  kleines  distales  Glied  entspricht  wahrscheinlich 
mehreren  Gliedern,  die  schließlich  eine  rudimentäre  Form  angenommen 
haben,  während  das  ausstülpbare  Bläschen  an  seinem  Ende  bei  den 
Protura  eine  Neubildung  darstellt.  In  welchen  Beziehungen  die  Styli 
zu  solchen  Beinen  stehen,  ist  recht  schwer  zu  sagen,  allein  alles  was  wir 
über  ihre  Entwicklung  wissen,  spricht  gleichsam  dafür,  daß  der  un- 
gegliederte Stylus  ein  bereits  endgültig  reduziertes  Abdominalbein  dar- 
stellt, aber  vielleicht  stellen  die  Styli,  wie  Heymons  (1897a)  dies 
angenommen  hat,  nur  Anhänge  völlig  verschwundener  abdominaler 
Beine  dar. 

Da  bei  den  Collembola  alle  Abdominalanhänge  ein  Stadium 
durchmachen,  während  dessen  sie  aus  zwei  Gliedern  bestehen,  —  einem 


588  Jur.  Philiptschenko, 

größeren  proximalen  und  einem  kleineren  distalen  —  so  spricht  dies 
dafür,  daß  ihre  Vorfahren  an  dem  Abdomen  halbreduzierte  Beine  in 
der  Art  derer  getragen  haben,  welche  noch  jetzt  an  einem  Segmente 
bei  Campodea  und  Acerenlomon  und  an  dreien  bei  Eosentomon  vor- 
handen »sind.  Aus  derartigen  zweigliedrigen  Beinen  haben  sich  wahr- 
scheinlich der  Tubus  ventralis,  das  Retinaculum  und  die  Furca  der 
Collembola  entwickelt  und  hierdurch  läßt  sich  erklären,  warum  bei  der 
Entwicklung  dieser  Gebilde  ihr  distales  Glied  kleiner  ist  als  das  proxi- 
male. Es  dürfte  ziemlich  gewagt  sein,  wollte  man  die  proximalen 
Glieder  der  Abdominalanhänge  mit  den  primären  proximalen  Gliedern  der 
Beine  und  der  Antennen  homologisieren  (und  ebenso  die  distalen  —  mit 
den  primären  distalen),  solange  wir  nicht  wissen,  einem  Rudiment  von 
wie  viel  Gliedern  das  kleine  Glied  an  den  abdominalen  Beinen  von  Cam- 
podea und  den  Protura  entspricht,  so  daß  es  ratsamer  erscheint, 
einen  solchen  Versuch  zu  unterlassen.  Es  mag  noch  daran  erinnert 
sein,  daß,  wie  wir  schon  oben  bemerkt  haben,  bei  den  Embryonen 
von  Lepisma  nach  Heymons  die  Anhänge  des  ersten  Abdominalseg- 
mentes wie  die  abdominalen  Anhänge  der  Embryonen  von  Isotoma 
gegliedert  sind,  wodurch  unsre  Annahme  von  dem  Vorhandensein 
zweigliedriger  Abdominalbeine  bei  den  Vorfahren  der  heutigen  Apte- 
rygota  eine  Bestätigung  erfährt. 

Was  nun  die  Frage  nach  einer  Analogie  zwischen  den  Teilen  des 
Tubus  ventralis,  des  Retinaculum  und  der  Furca  und  den  Gliedern 
der  Beine  betrifft,  so  sind  derartige  Versuche  schon  mehrmals  unter- 
nommen worden.  —  Ich  will  hier,  als  Beispiel,  darauf  hinweisen,  daß 
Willem  in  seiner  Monographie  der  Collembola  und  Thysanura 
(1900)  den  basalen  Teil  des  Retinaculum  für  die  miteinander  ver- 
schmolzenen Coxae  hält,  seine  Rami  dagegen  —  für  den  Tibiae  homo- 
loge Gebilde ;  auch  homologisiert  er  das  Manubrium  der  Gabel  mit  den 
miteinander  verschmolzenen  Coxae,  Trochanteres  und  Femora,  die 
Rami  s.  Dentes  mit  den  Tibiae,  die  Mucrones  mit  dem  Tarsus. 

Die  Embryologie  spricht  indessen  sowohl  gegen  diesen,  wie  auch 
gegen  alle  ähnlichen  Versuche  die  Abschnitte  der  abdominalen  An- 
hänge auf  die  Teile  der  Beine  zurückzuführen,  indem  die  primäre  Seg- 
mentierung bei  den  ersteren,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  einen  andern 
Charakter  aufweist,  als  bei  den  letzteren;  sie  spricht  nur  dafür,  daß 
bei  den  Vorfahren  der  jetzt  lebenden  Collembola  die  Abdominal- 
anhänge den  gleichen  Charakter  aufwiesen,  wie  gegenwärtig  das  Paar 
abdominaler  Extremitäten  von  Campodea.  Hieraus  wird  man  schließen 
müssen,  daß  sowohl  die  Abschnitte  des  Tubus  ventralis  (Tubuscylinder, 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  589 

-kragen,  -bläschen),  wie  auch  die  Abschnitte  der  Gabel  (Manubrium, 
Dentes,  Mucrones)  schon  im  Bereiche  der  Ordnung  der  Collembola 
entstanden  sind  und  daher  nicht  auf  einen  der  Abschnitte  der  Beine 
zurückgeführt  werden  können.  Zugunsten  dieser  letzteren  Annahme 
spricht,  abgesehen  von  den  Ergebnissen  der  Embryologie  auch  noch 
der  primitive  Bau  des  Tubus  ventralis  innerhalb  der  Familie  der 
Poduridae,  wovon  schon  oben  die  Rede  gewesen  ist,  wie  auch 
die  Tatsache,  daß  bei  den  Vertretern  einer  Familie  der  Collembola, 
nämlich  bei  den  Neelidae,  die  Gabel  nicht  aus  drei,  sondern  aus  vier 
Gliedern  besteht,  indem  zwischen  Manubrium  und  Mucrones  zwei  zwei- 
gliederige Dentes  angebracht  sind. 

Indem  wir  es  für  unmöglich  halten,  eine  Homologie  zwischen  den 
Gliedern  der  Beine  und  denen  der  Abdominalanhänge  durchzuführen, 
beabsichtigen  wir  in  keiner  Weise  die  Extremitätennatur  dieser  letzteren 
zu  leugnen.  Alles  oben  Angeführte  spricht  im  Gegenteil  unzweifelhaft 
dafür,  daß  alle  abdominalen  Anhänge  der  Collembola  Modifikationen 
von  in  früheren  Zeiten  am  Abdomen  entwickelten  (bei  den  älteren 
Vorfahren  —  fünf  gliederigen,  bei  jüngeren  —  zweigliederigen)  Beinen 
darstellen.  Die  ältere  Auffassung  von  Haase  (1889),  wonach  der  Tubus 
ventralis  nur  durch  Verschmelzung  zweier  abdominaler  Bläschen  ge- 
bildet worden  sein  soll,  während  die  Furca  eine  Modifikation  der  zwei 
Styli  darstellt,  welche  Haase  einfach  für  hypodermale  Bildungen  an- 
sieht, ist  natürlich  vollständig  irrtümlich,  obgleich  das  Retinaculum 
und  die  Furca  auch  in  der  Arbeit  von  Börner  (1901)  immer  noch  als 
differenzierte  Styli   figurieren. 

Die  ausstülpbaren  Bläschen  in  dem  Endabschnitt  des  Tubus  ven- 
tralis sind  den  abdominalen  Bläschen  bei  Scolopendrella,  den  Diplura 
und  Machilis  durchaus  homolog  und  diese  Homologie  hat  niemals 
irgendwelche  Zweifel  hervorgerufen.  Ganz  besonders  klar  wird  sie 
nach  der  Entdeckung  der  Protura,  welche,  wie  wir  bereits  oben 
angeführt  haben,  am  Ende  des  zweiten  Gliedes  der  abdominalen  Beine 
je  ein  solches  ausstülpbares  Bläschen  besitzen.  Wahrscheinlich  waren 
ebensolche  Saugnäpfe  an  den  Enden  der  Beine  wenigstens  am  ersten 
Abdominalsegment  den  Vorfahren  aller  Insekten  eigentümlich,  indem 
auch  bei  den  Vertretern  der  verschiedensten  Ordnungen  der  Ptery- 
gota  im  embryonalen  Zustande  an  diesem  Segmente  die  eigenartigen 
»  Pleuropoden «  her  vor  wachsen.  Schon  Cholodkowsky  (1891)  hatte 
seinerzeit  hervorgehoben,  daß  das  erste  Paar  von  Abdominalanhängen 
wahrscheinlich  ursprünglich  zur  Fortbewegung  diente  und  erst  später 
die  sekundäre  Rolle  von  Saugnäpfen  übernommen  hat.     Ebenso  weist 


590  Jur.  Philiptschenko, 

auch  Hieschler  (1906),  anläßlich  der  Beschreibung  von  drüsigen 
Bildungen  an  diesem  Segmente  bei  den  Embryonen  von  Catocala  nupta, 
darauf  hin,  daß  dieselben  wahrscheinlich  den  Abdominalbläschen  der 
Thysanura  und  Myriopoda  homolog  sind. 

In  der  oben  erwähnten  ausgezeichneten  systematischen  Arbeit 
von  Börner  (1901)  findet  man  die  Angabe,  daß  im  allgemeinen  Cerci 
bei  den  Collembola  nicht  entwickelt  sind,  daß  aber  letzte  Reste  der- 
selben bei  den  Vertretern  der  Gattung  Tomocerus  angetroffen  werden. 

Wir  haben  bereits  oben  von  der  Entwicklung  des  hinteren  Endes 
des  Embryos  unsrer  Isotoma  gesprochen,  wobei  wir  unsre  Beobach- 
tungen mit  den  auf  Tomocerus  bezüglichen  Angaben  von  Uzel  ver- 
glichen ;  aus  allem  diesem  geht  deutlich  hervor,  daß,  obgleich  ein  Telson 
bei  den  Collembola  vorhanden  ist,  die  Cerci  doch  vollständig  fehlen. 
Letztere  können  schon  aus  dem  Grunde  nicht  vorhanden  sein,  weil  die 
Collembola  augenscheinlich  eine  ziemlich  beträchtliche  Zahl  von  hinte- 
ren Abdominalsegmenten  (wahrscheinlich  fünf)  eingebüßt  haben. 

Fassen  wir  alles  auf  die  Entwicklung  der  Körperanhänge  Bezügliche 
zusammen,  so  werden  wir  demnach  sagen  müssen,  daß  die  Segmentierung 
der  abdominalen  Extremitäten  in  andrer  Weise  verläuft,  als  diejenige 
der  Extremitäten  der  Brust  und  des  Kopfes.  Für  die  Antennen,  Maxillen 
und  thoracalen  Beine  ist  der  ursprüngliche  Zerfall  ihrer  Anlagen  in 
zwei  primäre  Glieder  charakteristisch  —  ein  größeres  distales,  und  ein 
kleineres  proximales  —  und  die  darauffolgende  fortschreitende  Diffe- 
renzierung der  definitiven  Glieder  in  centripetaler  Richtung.  [  Auf 
Grund  dieser  Verhältnisse  wird  das  Ziehen  einer  Parallele  zwischen  den 
Abschnitten  der  Beine  und  z.  B.  den  Maxillen  durchaus  möglich.  Die 
Abdominalanhänge  hingegen  teilen  sich  zuerst  in  ein  größeres  proxi- 
males und  ein  kleineres  distales  Glied,  indem  sie  hierbei  ein  Stadium 
durchmachen,  welches  den  halbreduzierten  zweigliedrigen  Beinen  am 
Abdomen  von  Campodea  und  den  Protura  entspricht.  Infolgedessen 
kann  auch  deren  spätere  Teilung  in  die  definitiven  Abschnitte,  wie  sie 
wahrscheinlich  schon  im  Bereiche  der  Gruppe  der  Collembola  auf- 
getreten ist,  nicht  mit  der  definitiven  Segmentierung  der  Extremitäten 
des  Kopfes  und  der  Brust  verglichen  werden.  —  Es  wäre  recht  inter- 
essant, diese  Verhältnisse  an  Embryonen  der  Pterygota  zu  studieren, 
worüber,  so  viel  mir  bekannt  ist,  keinerlei  Angaben  vorliegen. 

Die  Entwicklung  des  Darmes.  Während  der  dritten  Ent- 
wicklungsperiode hatten  wir  es  ausschließlich  mit  den  ectodermalen 
Anlagen  des  Vorder-  und  Enddarmes  zu  tun;  irgendwelche  Anlagen 
des  Mitteldarmes  waren  um  diese  Zeit  noch  nicht  zu  bemerken.  — 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  591 

Auf  dem  Stadium  F  kann  man  dieselben  erstmals  bemerken  und  um 
diese  Zeit  treten  drei  solcher  Mitteldarmanlagen  auf:  eine  vordere, 
eine  hintere  und  eine  mittlere  oder  diffuse  Mitteldarmanlage.  Am 
deutlichsten  sind  diese  Anlagen  auf  solchen  Sagittalschnitten  zu  sehen, 
wie  jene  drei  auf  unsern  Fig.  53 — 55  abgebildeten  aufeinander  folgenden 
Schnitte  durch  ein  und  denselben  Embryo.  '£  >    - 

Auf  der  Fig.  53  sehen  wir,  wie  das  Stomodäum  (std)  sich  wie  früher 
mit  seinem  Ende  auf  den  Dotter  stützt  und  an  diesem  Ende  keine 
Elemente  des  unteren  Blattes  aufweist.  Letztere  liegen  dem  Stomo- 
däum nur  von  oben  und  unten  an:  oberhalb  desselben  liegt  eine  An- 
häufung dieser  Zellen  innerhalb  der  Oberlippe  {Ihr) ;  dabei  verwandelt  sich 
der  hintere,  der  oberen  Wandung  des  Stomodäum  (mm)  dicht  anliegende 
Teil  dieser  Anhäufung  späterhin  in  die  Muskelschicht  des  Vorderdarms, 
so  daß  man  diesen  Teil  für  die  Anlage  der  Muscularis  des  Vorderdarmes 
ansehen  kann.  Unterhalb  des  Stomodäums,  an  dessen  hinteren  Wand 
(und  zwar  zwischen  dieser  und  dem  Nervensystem  n)  liegt  eine  andre 
Anhäufung  von  Elementen  des  unteren  Blattes  (vDa):  dies  ist  nun 
eben  die  vordere  Anlage  des  Mitteldarmes.  —  Es  sei  bemerkt,  daß  sich 
aus  dieser  selben  Anlage  nicht  nur  das  Mitteldarmepithel  entwickelt, 
sondern  daß  ein  Teil  derselben  später  auch  die  Muscularis  der  unteren 
Stomadäumwand  entstehen  läßt  (vgl.  Fig.  62  mm) ;  allein  auf  dem 
Stadium  F  ist  es  schlechterdings  unmöglich  irgendwelchen  Unterschied 
zwischen  den  Elementen,  welche  die  Muscularis  abgeben  werden  und 
denjenigen  Elementen  zu  bemerken,  welche  sich  in  das  Mitteldarm- 
epithel verwandeln. 

Die  vordere  Anlage  des  Mitteldarmes  tritt  daher  auf  dem  Stadium  F 
noch  nicht  in  reiner  oder  einfacher  Gestalt  auf,  sondern  es  sind  derselben 
auch  fremde  Elemente  in  Gestalt  der  zukünftigen  Muskelzellen  des 
Vorderdarmes  beigemischt,  so  daß  diese  Anlage  als  eine  zusammen- 
gesetzte Primitivanlage  im  Sinne  Meisenheimeks  (1900,  1908)  ange- 
sehen werden  muß.  Natürlich  ist  die  Bezeichnung  als  »vordere  Anlage 
des  Mitteldarmes«  in  bezug  auf  das  Stadium  F  nicht  ganz  richtig, 
doch  benutze  ich  dieselbe  um  die  Einführung  neuer  Bezeichnungen 
zu  vermeiden. 

Eine  ebensolche  zusammengesetzte  Primitivanlage  stellt  auf  dem 
Stadium  F  auch  die  hintere  Anlage  des  Mitteldarmes  dar,  da  auch  dieser 
um  diese  Zeit  unzweifelhaft  noch  Elemente  der  zukünftigen  Muscularis 
des  Proctodäum  beigemischt  sind.  Letzteres  (prä)  ist  auf  der  Fig.  55 
dargestellt:  wie  dies  schon  früher  der  Fall  war,  stützt  es  sich, 
zum  Unterschiede  vom  Stomodäum,  mit  seinem  Ende  nicht  direkt  auf 


592  Jur-  Phiüptschenko, 

den  Dotter,  sondern  es  ist  von  demselben  durch  eine  Anhäufung  von 
Elementen  des  unteren  Blattes  (hDa)  geschieden,  welche  die  hintere 
Anlage  des  Mitteldarmes  darstellt.  Außer  dieser  dem  Ende  des  Procto- 
däum  anliegenden  Anhäufung,  wird  dieses  letztere  noch  allseitig  von 
Elementen  des  unteren  Blattes  umgeben  (Fig.  55, 56  mm)  und  aus 
diesen  wird  späterhin  die  Muskelschicht  des  Hinterdarmes  gebildet.  Wie 
auf  diesen  Figuren  zu  erkennen  ist,  läßt  sich  zwischen  der  hinteren 
Anlage  des  Mitteldarmes  und  der  Anlage  der  Muscularis  des  Procto- 
däum  um  diese  Zeit  keinerlei  Grenze  ziehen,  weshalb  es  richtiger  wäre, 
auch  hier  von  einer  einzigen  zusammengesetzten  Primitivanlage  zu 
sprechen. 

Sowohl  die  vordere,  wie  auch  die  hintere  Anlage  des  Mitteldarmes 
(welche  um  diese  Zeit  noch  mit  den  Anlagen  der  Muscularis  der  ecto- 
dermaien  Darmabschnitte  zu  gemeinsamen  zusammengesetzten  Primi- 
tivanlagen vermischt  sind)  entstehen  demnach  aus  einer  vorderen  und 
einer  hinteren  Anhäufung  des  unteren  Blattes,  die  nicht  in  den  Be- 
stand der  Somiten  aufgegangen  sind.  An  der  Bildung  dieser  letzteren 
hat  außerdem  auch  noch  eine  kleine  Anzahl  von  Elementen  des  unteren 
Blattes  keinen  Anteil  genommen,  welche  zwischen  den  Somiten  der 
rechten  und  der  linken  Seite  eine  Brücke  gebildet  hat  und  schon 
oben  beschrieben  worden  ist  (vgl.  Fig.  39,  41,  45,  46  isb).  Auf  Kosten 
dieses  zwischen  den  Somiten  verlaufenden  Stranges  des  unteren  Blattes 
entsteht  nun  die  dritte  Anlage  des  Mitteldarmes  —  seine  mittlere  oder 
diffuse  Anlage. 

Bei  der  Beschreibung  des  Stadiums  E  (des  letzten  Stadiums  der 
dritten  Entwicklungsperiode)  haben  wir  bereits  hervorgehoben,  daß 
infolge  eines  starken  Wucherung  des  Nervensystems  nach  oben  der 
Zusammenhang  zwischen  den  Somiten  der  Kiefersegmente  eingebüßt 
wird  und  die  zwischen  ihnen  bestehende  Brücke  verschwindet.  Auf 
dem  Stadium  F  breitet  sich  dieser  Prozeß  aus  den  Kopfsegmenten 
auf  die  thoracalen  und  schließlich  auch  auf  die  abdominalen  Segmente 
aus:  das  Nervensystem  wächst  rasch  nach  oben  und  die  Brücke 
zwischen  den  Somiten  der  rechten  und  der  linken  Seite  wird  reduziert. 
Schließlich  haben  wir  auf  dem  Stadium  F  auf  der  Mittellinie  längs  der 
Ventralseite  zwischen  den  Somiten  statt  eines  Stranges  des  unteren 
Blattes  nur  noch  eine  Keine  von  einzelnen  Zellen,  in  welche  der  Strang 
zerfallen  ist,  und  einige  dieser  Zellen  dringen  oberflächlich  in  den 
Dotter  ein  und  bleiben  in  Gestalt  isolierter  Zellen  an  dessen  unterer 
Oberfläche  (Fig.  54  dDa).  Diese  Zellen  bilden  denn  auch  die  mittlere 
oder  diffuse  Anlage  des  Mitteldarmes :  auf  dem  Stadium  F  sind  dieselben 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  593 

sowohl  auf  Sagittal-,  wie  auch  auf  Querschnitten  gut  zu  sehen,  ver- 
mischen sich  aber  später  mit  den  Auswüchsen  der  vorderen  und  hinteren 
Anlage  des  Mitteldarines  (deren  Beschreibung  wir  etwas  weiter  unten 
geben  werden)  und  verschmelzen  mit  ihnen  zu  der  epithelialen  Wand 
des    Mesenteron. 

Der  von  uns  beschriebene,  zwischen  den  Somiten  verlaufende  Strang 
des  unteren  Blattes,  aus  welchem  späterhin  die  diffuse  Anlage  des 
Mitteldarmes  gebildet  wird,  ist  bei  vielen  Pterygota  bekannt  ge- 
worden. Zuerst  wurde  er  von  Nusbaum  (1891)  bei  Meloe  unter  dem 
Namen  Chordastrang  beschrieben,  darauf  von  Heymons  bei  Forjicula 
und  den  Orthoptera  (1895),  wobei  letzterer  Autor  feststellte,  daß 
die  Blutzellen  eben  aus  diesem  Strange  hervorgehen,  was  später  auch 
von  andern  Autoren  bestätigt  worden  ist.  Von  Nusbaum  und  Fu- 
linski  (1906)  wurde  erstmals  festgestellt,  daß  außer  den  Blutzellen  aus 
diesem  mittleren  Strange  auch  noch  Elemente  hervorgehen,  welche 
an  der  Bildung  des  Mitteldarmes  beteiligt  sind;  diese  Angaben  wurden 
später  durch  Hirschler  (1906,  1909a  u.  b)  an  verschiedenen  Lepi- 
dopteren  und  Coleopteren  und  durch  Hammerschmidt  (1910)  an 
Phasmatiden  durchaus  bestätigt  (die  von  letzterem  vorgeschlagene 
Terminologie  —  »sekundäres  Entoderm  mesoder malen  Ursprunges« 
u.  dgl.   m.   lasse  ich  unberücksichtigt). 

Der  »mittlere  Strang«  vieler  Pterygota  gibt  demnach  das  Ma- 
terial ab  nicht  nur  für  den  Mitteldarm,  sondern  auch  noch  für  die  Blut- 
zellen. Es  ist  mir  leider  nicht  gelungen  die  Entwicklung  dieser  letzteren 
bei  Isotoma  cinerea  zu  verfolgen,  doch  scheint  mir  nach  Analogie  mit 
den  Pterygota  die  Annahme  am  wahrscheinlichsten,  wonach  sie  sich 
auch  hier  aus  den  Elementen  des  zwischen  den  Somiten  verlaufenden 
Stranges  entwickeln.  Verhält  sich  dies  in  der  Tat  so,  dann  gehört 
auch  die  dritte  (die  sogenannte  diffuse)  Anlage  des  Mitteldarmes  gleich 
der  vorderen  und  der  hinteren  Anlage  bis  zu  ihrer  Differenzierung  zu 
dem  Bestände  der  zusammengesetzten  Primitivanlage,  in  der  außer 
ihm  auch  noch  ganz  fremde  Elemente,  und  zwar  das  Material  für  die 
zukünftigen  Blutzellen,  enthalten  sind.  Für  die  Pterygota  trifft 
das  letztere  zweifellos  zu.  Auf  diese  äußerst  wichtigen  Verhältnisse 
werden  wir  in  dem  allgemeinen  Teil  dieser  Arbeit  nochmals  zurück- 
kommen. 

Auf  den  beiden  darauffolgenden  Stadien  —  G  und  H  —  treten 
in  allen  drei  Abschnitten  des  Darmes  merkliche  Veränderungen  ein. 
Das  bis  jetzt  mehr  oder  weniger  gerade  Stomodäum  nimmt  infolge 
seines  Wachstums  eine  knieförmig  üeboeene  Gestalt  an,  indem  seine 


594  Jur.  Philiptschenko, 

hintere  Hälfte  um  etwa  45°  von  der  früheren  Richtung  abweicht,  welch 
letztere  in  der  vorderen  Hälfte  des  Stomodäum  erhalten  bleibt  (vgl. 
Fig.  62).  Da  die  vordere  Anlage  des  Mitteldarmes  um  diese  Zeit  schon 
vollständig  abgesondert  ist,  so  können  wir  auf  Sagittalschnitten  nun- 
mehr bemerken,  daß  die  Wandungen  des  Vorderdarmes  nicht  nur 
oben,  sondern  auch  unten  mit  einer  Schicht  von  Zellen  des  unteren 
Blattes  bedeckt  sind  (Fig.  62  mm),  aus  welcher  später  ihre  Muscularis 
hervorgeht. 

Von  einer  ebensolchen  einschichtigen  Anlage  der  zukünftigen 
Muscularis  ist  auf  den  Stadien  G  und  H  auch  das  Proctodäum  allseitig 
umgeben  (Fig.  63  u.  67  mm),  während  die  hintere  Anlage  des  Mittel- 
darmes, gleich  der  vorderen,  um  diese  Zeit  schon  vollständig  abgeson- 
dert ist.  Im  Gegensatze  zu  dem  Vorderdarme  bleibt  der  Hinter  darin, 
wie  dies  aus  den  beiden  angeführten  Zeichnungen  zu  ersehen  ist,  wie 
früher  gerade,  allein  sein  inneres  Ende  liegt  nunmehr  dem  Dotter  un- 
mittelbar an,  indem  die  hintere  Mitteldarmanlage,  wie  wir  später  sehen 
werden,  eine  andre  Lage  einnimmt  und  eine  neue  Gestalt  annimmt. 
Das  Lumen  des  Proctodäum  ist  nunmehr  durch  eine  dünne  Schicht 
seinen  Boden  bildender  Zellen  von  dem  Dotter  geschieden,  d.  h.  es 
wird  hier  die  für  die  Entwicklung  des  Hinterdarmes  bei  den  Ptery- 
gota  charakteristische  sogenannte  hintere  Grenzlamelle  gebildet 
(Fig.  63,  67  hgl).  Eine  ebensolche  vordere  Grenzlamelle  auf  dem  Boden 
des  Stomodäum  gelangt   beträchtlich   später  zur  Bildung. 

Das  proximale  Ende  des  Proctodäum,  vor  dessen  Grenzlamelle, 
ist  um  diese  Zeit  etwas  erweitert,  wie  dies  auf  unsren  Zeichnungen 
deutlich  zu  sehen  ist.  Eine  ähnliche  Erweiterung  an  dieser  Stelle 
findet  sich  auch  bei  den  Embryonen  der  Pterygota,  bei  denen  aus 
derselben  späterhin  die  MALPiGHischen  Gefäße  hervorgehen.  Bei 
unsrer  Isotoma,  wie  auch  bei  allen  Collembola,  bleibt  diese  Erweiterung 
während  der  späteren  Entwicklung  völlig  unverändert  (vgl.  z.  B.  die 
auf  einen  zum  Ausschlüpfen  bereiten  Embryo  bezügliche  Fig.  73  prd) 
und  es  werden  gar  keine  MALPiGHischen  Gefäße  gebildet.  Eine  solche 
Erweiterung  findet  sich  im  erwachsenen  Zustande  nicht  nur  bei  Isotoma 
cinerea,  sondern  auch  bei  vielen  andern  Collembola,  worauf  schon 
Heymons  (1897b)  hingewiesen  hat,  welcher  dieselbe  ganz  richtig  mit 
den  MALPiGHischen  Gefäßen  verglichen  hat,  welche  bei  Campodea  die 
Gestalt  kleiner  Divertikel  besitzen.  Die  Vorfahren  der  Collembola 
haben  demnach  wahrscheinlich  echte  MALPiGHische  Gefäße  besessen, 
wie  sie  auch  die  jetzt  lebenden  Thysanura  s.  str.  besitzen. 

Indem  wir  nun  zu  den  Anlagen  des  Mitteldarmes  übergehen,  wollen 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  595 

wir  nur  von  der  vorderen  und  der  hinteren  Anlage  sprechen,  indem 
von  dem  Schicksal  der  diffusen  Anlage  schon  oben  die  Hede  ge- 
wesen ist  und  ihre  Zellen  sich  um  diese  Zeit,  infolge  der  Wucherung 
der  beiden  ersteren,  mit  deren  Zellen  vermischen  und  schließlich  gar 
nicht  mehr  zu  unterscheiden  sind.  —  Sowohl  die  vordere,  wie  auch 
die  hintere  Anlage,  sondern  sich  vom  Stadium  G  angefangen  von  den 
Anlagen  der  Muscularis  der  ectodermalen  Darmabschnitte  ab,  mit 
denen  sie  zuvor  zu  zusammengesetzten  Primitivanlagen  verbunden 
waren,  worauf  sie  anfangen  rasch  an  Größe  zuzunehmen  und  dabei 
eine  eigenartige  Gestalt  annehmen.  Letztere  ist  die  gleiche  wie  bei 
den  Pterygota  und  hat  zuerst  das  Aussehen  eines  Uhrglases,  sodann 
diejenige  eines  Hufeisens,  dessen  Gipfel  dem  proximalen  Ende  des 
Stomodäums  oder  Proctodäums  anliegt,  je  nachdem  ob  wir  es  mit  der 
vorderen  oder  mit  der  hinteren  Anlage  zu  tun  haben. 

Am  deutlichsten  sind  diese  Anlagen  auf  Frontalschnitten  durch 
den  vorderen  oder  den  hinteren  Teil  des  Embryos  zu  sehen,  von  denen 
zwei  auf  den  Fig.  66  und  67  abgebildet  sind.  Die  erstere  derselben 
stellt  den  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  das  Kopfende  dar:  wir 
sehen  hier  das  Stomodäum  (std),  welches  mit  seinem  Ende  an  den  Dotter 
stößt  und  sogar  etwas  in  denselben  eindringt,  während  seitlich  von 
ihm,  an  der  Oberfläche  des  Dotters,  jederseits  eine  dünne  Epithel- 
lamelle liegt  (vDa);  auf  Schnitten,  welche  der  Ventralseite  etwas  näher 
liegen,  und  auf  denen  das  Stomodäum  nicht  mehr  zu  sehen  ist,  ver- 
schmelzen dabei  beide  Lamellen  zu  einer  gemeinsamen  hufeisenförmigen 
Anlage  um  das  Vorderende  des  Dotters  herum.  Diese  hufeisenförmige 
Epithellamelle  verdankt  ihren  Ursprung  jener  Anhäufung  von  Ele- 
menten des  unteren  Blattes  an  der  hinteren  Wandung  des  Stomodäums 
auf  dem  Stadium  F,  von  der  oben  die  Rede  gewesen  ist  (Fig.  53  vDa), 
d.  h.  sie  stellt  gleich  dieser  Anhäufung  die  vordere  Anlage  des 
Mitteldarmes  dar,  allein  sie  enthält  im  Gegensatz  zu  dieser  keine  Bei- 
mischung mehr  von  irgendwelchen  fremden  Elementen.  Unsre  Fig.  66 
bezieht  sich  auf  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  H,  bei  dem  die  vordere 
Mitteldarmanlage  sich  ziemlich  beträchtlich  von  jenem  Zellhäufchen 
unterscheidet,  welches  wir  auf  dem  Stadium  F  angetroffen  haben: 
das  Studium  von  Schnitten  durch  Embryonen  des  zwischen  den  Sta- 
dien F  und  H  liegenden  Stadiums  G  zeigt  uns  indessen,  daß  eine  solche 
hufeisenförmige  Lamelle  in  Wirklichkeit  aus  der  Anhäufung  des  unteren 
Blattes  unterhalb  des  Stomodäum  gebildet  wird,  wobei  letzteres 
zuerst  eine  mehr  uhrglasförmige  und  dann  erst  eine  hufeisenförmige 
Gestalt  annimmt. 


596  Jur.   Philiptschenko, 

Die  Fig.  67  zeigt  einen  Frontalschnitt  durch  das  Hinterende  des- 
selben Embryos,  und  wir  erkennen  auf  derselben  die  gleichen  Ver- 
hältnisse. Von  dem  Boden  des  Proctodäum  (prä)  gehen  ebenso  längs 
der  Oberfläche  des  Dotters  zwei  Epithellamellen  (hDa)  aus,  welche 
auf  andern  Schnitten  zu  einer  gemeinsamen  hufeisenförmigen  Anlage 
verschmelzen,  welche  an  der  oben  beschriebenen  Anhäufung  von 
Elementen  des  unteren  Blattes  am  Ende  des  Proctodäum  auf  dem 
Stadium  F  ihren  Ausgangspunkt  hat  (Fig.  55  hDa).  Auch  hier  hat 
diese  Anhäufung  zuerst  das  Aussehen  eines  Uhrglases  und  streckt  sich 
erst  später  zu  einem  Hufeisen  mit  längeren  Schenkeln  aus:  mit  einem 
Worte,  alle  Verhältnisse  bei  der  Entwicklung  der  hinteren  Mitteldarm- 
anlage sind  die  gleichen  wie  bei  der  vorderen  Anlage. 

Infolge  der  gekrümmten  Lage  des  Embryos  erhalten  wir  gewöhnlich 
auf  ein  und  derselben  Serie  Frontalschnitte  durch  dessen  vorderes  und 
hinteres  Ende  und  Querschnitte  durch  den  mittleren  Körperabschnitt. 
Aus  diesem  Grunde  gelingt  es  sehr  leicht  den  ganzen  Verlauf  beider 
hufeisenförmigen  Anlagen  des  Mitteldarmes  und  deren  fortschreitende 
Wucherung  und  Verschmelzung  miteinander  zu  verfolgen.  —  Auf  dem 
Stadium  G  sind  diese  Aniagen  noch  sehr  kurz  und  ihre  Enden  liegen 
dem  Dotter  in  dessen  unteren  Hälfte  nur  von  den  Seiten  an,  während 
der  mittlere  Teil  der  Ventralfläche  des  Dotters,  welcher  über  dem 
Nervensystem  liegt,  wie  auch  die  dorsale  und  die  lateralen  Oberflächen 
einstweilen  noch  eines  solchen  epithelialen  Belages  entbehren.  Ein 
solches  Bild  gerade  sehen  wir  auf  der  Fig.  60,  welche  einen  Querschnitt 
durch  das  dritte  Abdominalsegment  eines  auf  dem  Stadium  G  be- 
findlichen Embryos  darstellt,  wo  die  Enden  der  hinteren  Mitteldarm- 
anlage deutlich  hervortreten  (hDa).  Da  das  vordere  und  das  hintere 
Hufeisen  auf  diesem  Stadium  noch  nicht  aneinander  herantreten,  so 
werden  wir  in  der  Mitte  des  Leibes,  so  z.  B.  auf  Schnitten  durch  das 
erste  Abdominalsegment  (Fig.  59)  unter  dem  Dotter  keine  solchen 
Epithellamellen  finden,  sondern  es  werden  hier  an  seiner  Ventralfläche 
nur  einzeln  zerstreute  Zellen  der  diffusen  Anlage  anzutreffen  sein  (dDa). 

Auf  dem  Stadium  H  treffen  die  Enden  des  vorderen  und  des  hinteren 
Hufeisens  aufeinander  und  verschmelzen  miteinander,  so  daß  ihre 
Epithellamellen  unter  dem  Dotter  in  dem  Bereiche  aller  Segmente 
entwickelt  sind,  somit  auch  am  ersten  Abdominalsegmente  (Fig.  69 
hDa),  und  der  Dotter  hat'  jetzt  an  seiner  Ventralfläche  zwei  ununter- 
brochene Stränge  des  zukünftigen  Darmepithels.  Die  Zellen  der  diffusen 
Anlage  treten  um  diese  Zeit  in  den  Bestand  dieser  zwei  Stränge  ein 
und  sind  nunmehr  nicht  mehr  zu  erkennen.    Hierauf  wird  das  Längen- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  597 

Wachstum  der  Epithellamellen  durch  ein  ebenso  energisches  Wachstum 
in  der  Höhe  ersetzt  und  dieselben  beginnen  den  Dotter  rasch  von  den 
Seiten  her  zu  umwachsen  (Fig.  68  vDa);  es  erfolgt  schließlich  eine 
Verschmelzung  der  Lamellen  der  rechten  und  der  linken  Seite,  und 
zwar  zuerst  an  der  Ventralfläche  und  sodann  auch  an  der  Dorsalfläche. 
Am  Ende  dieses  Prozesses  erscheint  der  Dotter  als  von  allen  Seiten 
von  Darmepithel  umgeben  und  es  entsteht  der  von  allen  Seiten  ver- 
schlossene Mitteldarm,  welcher  einstweilen  noch  mit  Dotter  angefüllt 
ist  (Fig.  71  D).  —  Mit  einem  Worte,  alle  Einzelheiten  dieses  Prozesses 
weisen  genau  denselben  Charakter  auf  wie  bei  den  Pterygota,  wo  sie 
schon  oft  beschrieben  worden  sind,  weshalb  wir  uns  nicht  länger  hierbei 
aufzuhalten  brauchen. 

Bei  dem  Übergange  auf  das  letzte  Stadium  J  tritt  an  dem  Ende 
des  Stomodäum  ein  kleines  Zellplättchen  auf,  welches  dessen  Höhle 
von  dem  Dotter  abgrenzt  und  auf  Sagittalschnitten  deutlich  zu  sehen 
ist  (Fig.  72  vgl).  Wir  haben  es  hier  natürlich  mit  der  vorderen  Grenz- 
lamelle zu  tun,  welche  beträchtlich  später  auftritt,  als  die  hintere 
Grenzlamelle  an  dem  Proctodäum,  von  der  schon  oben  die  Rede  ge- 
wesen ist.  —  Zu  Beginn  dieses  Stadiums  ist  der  Mitteldarm  noch 
von  Dotter  überfüllt  (vgl.  Fig.  71),  welcher  indessen  später  rasch  ver- 
schwindet, indem  er  offenbar  verdaut  wird;  mit  ihm  verschwinden 
auch  das  in  dem  Dotter  eingeschlossene  Dorsalorgan  (Fig.  71  DO)  und 
die  Kerne  der  Dotterzellen  (dk  auf  vielen  Figuren  der  Taf.  XIV),  so  daß 
der  Embryo  vor  dem  Ausschlüpfen  einen  Mitteldarm  besitzt,  dessen 
Höhlung  von  nichts  angefüllt  ist  (Fig.  73  D).  Um  dieselbe  Zeit  beginnt 
an  dem  Mitteldarme  dessen  Muscularis  bemerkbar  zu  werden  (welche 
auf  dieser  Zeichnung  nicht  abgebildet  ist).  Er  entwickelt  sich,  wie 
dies  überhaupt  bei  allen  Insekten  der  Fall  ist,  aus  der  splanchnischen 
Wandung  des  Somiten. 

Noch  bevor  der  Dotter  aus  dem  Darme  verschwindet,  wird  die 
hintere  Grenzlamelle  am  Proctodäum  resorbiert  und  zwischen  den  Höh- 
lungen des  Mitteldarmes  und  des  Hinterdarmes  wird  eine  Verbindung 
hergestellt.  Die  vordere  Grenzlamelle,  welche  um  diese  Zeit  eben  erst 
entstanden  ist,  verschwindet  später,  wenn  der  Dotter  bereits  ganz 
aufgebraucht  worden  ist.  —  Von  Interesse  ist  noch  eine  den  Vorder- 
nnd  Hinterdarm  des  zum  Ausschlüpfen  bereiten  Embryos  betreffende 
Eigentümlichkeit.  Wir  haben  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  bei 
den  auf  dem  Stadium  J  befindlichen  Embryonen  blaues  Pigment  ge- 
bildet wird,  welches  auch  für  die  erwachsene  Form  charakteristisch  ist. 
Dieses  Pigment  wird  indessen  nicht  nur  in  der  Hypodermis  abgelagert 


598  Jur.  Philiptschenko, 

(Fig.  71, 73  hyp),  sondern  auch  in  den  Wandungen  des  Storno-  und  Procto- 
däum  (Fig.  73  std,  prd),  wodurch  sich  der  Vorder-  und  der  Hinter- 
darm scharf  von  dem  Mitteldarme  unterscheiden  und  für  den  ectoder- 
malen  Ursprung  der  beiden  ersteren  Zeugnis  abgelegt  wird.  Diese 
Eigentümlichkeit  bleibt  auch  bei  den  erwachsenen  Exemplaren  unsrer 
Art  bestehen:  das  Pigment  verschwindet  während  der  Häutung  nicht 
aus  den  ectodermalen  Darmabschnitten,  sondern  bleibt  in  diesen 
wahrscheinlich  wohl  bis  zum  eintretenden  Tode  des  Tieres  erhalten, 
indem  ich  dasselbe  auch  noch  bei  Weibchen,  welche  mit  der  Abläse 
ihrer  Eier  beschäftigt  waren,  konstatieren  konnte.  —  Die  gleiche  Er- 
scheinung beobachtete  auch  Heymons  (1897b)  bei  erwachsenen  Exem- 
plaren von  Isotoma  saltans  (Desoria  glacialis),  bei  denen  die  Zellen  des 
Vorder-  und  des  Hinterdarmes  ebenfalls  gleich  denen  der  Hypodermis 
mit  Pigment  angefüllt  waren.  Ich  weiß  nicht  ob  dieser  Erscheinung 
eine  biologische  Bedeutung  zukommt,  und  welcher  Art  dieselbe  sein 
könnte. 

Die  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  des  Mitteldarmes  der 
Collembola  und  der  Apterygota  überhaupt,  waren  bis  zur  aller- 
letzten Zeit  durch  äußerste  Ungenauigkeit  ausgezeichnet.  Uljanin 
ließ  den  Mitteldarm  aus  einem  Häufchen  Zellen  des  unteren  Blattes 
entstehen,  welche  in  das  Innere  des  Dotters  hereinwachsen ,  doch 
haben  wir  schon  oben  nachgewiesen,  daß  er  einfach  die  Genitalanlage 
für  die  Anlage  des  Mesenteron  angesehen  hatte.  Uzel  und  Miss  Clay- 
pole  bestätigen  indessen  die  Angaben  von  Uljanin,  indem  sie  eine 
Entsteh  ang  des  Mitteldarmes  in  Gestalt  einer  kompakten  Anlage  in- 
mitten des  Dotters  (wie  bei  den  Diplopoda)  beschreiben,  wobei  der 
Ursprung  dieser  Anlage  auf  ein  Häufchen  besonderer  entodermaler 
Zellen  im  Dotter  zurückgeführt  wird.  —  Heymons  kommt,  gestützt 
auf  seine  Untersuchungen  an  Campodea  und  Lepisma  zu  dem  Schlüsse, 
daß  deren  Mitteldarm  (wie  wohl  bei  allen  Apterygota,  im  Gegensatz 
zu  den  Pterygota)  einfach  aus  Dotterzellen  hervorgeht,  welche  zuvor 
ihren  Dotter  verlieren.  Prowazek  bestätigt  diese  Angaben  von  Hey- 
mons in  betreff  der  von  ihm  untersuchten  Isotoma. 

Die  oben  von  uns  mitgeteilten  Beobachtungen  stehen  in  völ- 
ligem  Widerspruch  zu  den  Angaben  aller  dieser  Autoren.  Es  sind 
keinerlei  Zellanhäufungen,  welche  man  für  Entoderm  ansehen  könnte, 
bei  Isotoma  cinerea  zu  bemerken,  und  der  Dotter  enthält  bei  dieser 
Form  nur  Dotterzellen  und  die  Genitalanlage.  Ein  Ursprung  des 
Mitteldarmepithels  aus  Dotterzellen  wird  in  keiner  Weise  bestätigt 
und  letztere  bewahren  bis  zu  ihrem  völligen  Verschwinden  mit  dem 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  599 

Dotter  ihren  früheren  Charakter  bei,  indem  sie  einzeln  in  dem  Dotter 
zerstreut  liegen  und  höchst  wahrscheinlich  eine  wichtige  Rolle  bei 
dessen  Assimilierung  spielen.  —  Während  der  zweiten  Entwicklungs- 
periode ist  in  einer  jeden  Dotterzelle  ein  Kern  und  stark  vaeuolisiertes 
Protoplasma  deutlich  zu  unterscheiden  (siehe  dz  auf  den  Figuren  der 
Taf .  XI) ;  während  der  zwei  letzten  Perioden  wird  das  Plasma  fast  unbe- 
merklich  und  in  dem  Dotter  treten  nur  noch  die  Kerne  dieser  Zellen  deut- 
lich hervor  (siehe  dk  auf  den  Figuren  der  Taf.  XIII  u.  XIV).  Vergleicht 
man  diese  Dotterkerne  bei  starker  Vergrößerung  mit  den  Elementen, 
aus  denen  das  Mitteldarmepithel  hervorgeht,  so  bleibt  nicht  der  geringste 
Zweifel  darüber  bestehen,  daß  die  Dotterzellen  an  diesem  Vorgange 
nicht  den  geringsten  Anteil  nehmen.  —  Im  Gegensatz  zu  allen  früheren 
Beobachtungen  müssen  wir  daher  annehmen,  daß  der  Mitteldarm  bei 
den  Collembola,  und  wohl  auch  bei  allen  andern  Apterygota, 
aus  Elementen  des  unteren  Blattes  in  Gestalt  dreier  Anlagen  —  einer 
vorderen,  einer  hinteren  und  einer  diffusen  —  gebildet  wird. 

Diese  Angaben  stimmen,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  durchaus  mit 
den  Angaben  überein,  welche  nicht  nur  die  Pterygota,  sondern  auch 
alle  andern  Arthropoda  betreffen;  es  ist  aus  diesem  Grunde  höchst 
unwahrscheinlich,  daß  innerhalb  der  Gruppe  der  Apterygota  noch 
irgendwelche  andre  Entstehungsweisen  des  Mesenteron  vorkommen 
sollten. 

In  Anbetracht  dieser  Erwägungen  neige  ich  zu  der  Annahme,  daß 
alle  früheren,  die  Entwicklung  des  Mitteldarmes  betreffenden  Beob- 
achtungen auf  Irrtum  beruhen.  —  Miss  Claypole  und  Uzel  haben 
wahrscheinlich  gleich  Ul janin  den  Fehler  begangen,  entweder  die 
Genitalanlage,  oder  ein  Häufchen  Dotterzellen  für  Entoderm  anzu- 
sehen. Was  nun  die  Angaben  von  Heymons  betrifft,  so  ist  zu  be- 
merken, daß  er  schon  früher  geneigt  war,  gerade  die  Dotterzellen  für 
das  wahre  Entoderm  bei  den  Insekten  zu  halten,  und  daß  außerdem 
seine  Beobachtungen  über  die  Entstehung  des  Mitteldarmes  bei  Lepisma 
und  Campodea  (für  erstere  hauptsächlich,  für  letztere  ausschließlich) 
auf  der  Untersuchung  bereits  aus  dem  Ei  geschlüpfter  Larven  begründet 
sind.  So  spät  der  Prozeß  der  Organogenese  auch  eintreten  mag,  so 
sind  doch  immer  nur  die  im  Ei  vor  sich  gehenden  Prozesse  als  der 
Schlüssel  für  sein  Verständnis  anzusehen  und  die  Untersuchung  junger 
Larven  allein  vermag  eine  so  schwierige  und  verwickelte  Frage  nicht 
aufzuklären.  Bei  Lepisma  hat  Heymons  allerdings  auch  die  embryonale 
Entwicklung  untersucht,  allein  auch  hier  ist  die  Frage  nach  der  Her- 
kunft der  kleinen  »Darmbildungszellen«,  wie  er  sie  nennt,  nicht  völlig 

Zeitschrift  i'.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  39 


600  Jur.   Philiptschenko, 

aufgeklärt  geblieben.  In  seiner  ersten  Arbeit  (1897a)  vermutete  Hey- 
mons, daß  dieselben  durch  Mitose  aus  großen  Dotterzellen  entstehen, 
in  seiner  zweiten  (1897b)  neigt  er  zu  der  Ansicht,  daß  eine  solche  große 
Dotterzelle  sich  durch  Verlust  des  Dotters  direkt  in  eine  kleine  Darm- 
bildungszelle verwandelt,  indem  letztere  »unzweifelhaft  Abkömmlinge 
der  großen  dotterhaltigen  Elemente  sind«.  —  Mit  einem  Worte,  auch 
die  Angaben  dieses  hervorragenden  Forschers  rufen  selbst  beim  bloßen 
Durchlesen  dieser  beiden  Arbeiten  große  Zweifel  hervor  und  machen 
unwillkürlich  den  Eindruck  mangelhafter  Begründung,  so  daß  eine 
erneute  Untersuchung  aller  dieser  Verhältnisse  sowohl  bei  Lepisma 
wie  auch  bei  Campodea  äußerst  wünschenswert  erscheint.  In  Anbe- 
tracht der  vollkommenen  Übereinstimmung  in  der  Entwicklungsweise 
des  Mitteldarmes  bei  unsrer  Isotoma  mit  der  Entwicklungsweise  desselben 
bei  vielen  andern  Arthropoden,  halte  ich  es  für  außerordentlich  wahr- 
scheinlich, daß  sich  auch  in  den  Gruppen  der  Diplura  und  der  Thysa- 
nura  s.  str.  bei  aufmerksamerer  Untersuchung  die  gleichen  Verhältnisse 
herausstellen  werden. 

Über  die  Frage  nach  der  Entwicklung  des  Mitteldarmes  der  höhe- 
ren Insekten,  der  Pterygoten,  war  lange  Zeit  hindurch  viel  hin  und 
her  gestritten  worden.  Ende  der  80er  und  Anfang  der  90er  Jahre 
schien  es,  als  wäre  die  alte  Theorie  seiner  Entstehung  aus  Dotterzellen, 
die  von  einer  Reihe  älterer  Autoren  aufrecht  erhalten  und  unter  andern 
auch  von  den  Gebrüdern  Hertwig  in  deren  »Cölomtheorie«  (1881) 
angenommen  worden  war,  fallen  gelassen  worden  und  hatte  den  zuerst 
von  Grassi  (1884)  und  Kowalewsky  (1886)  entwickelten  Auffassungen 
Platz  gemacht,  wonach  der  Mitteldarm  ein  Derivat  des  unteren  Blattes 
oder  des  Entomesoderms  darstellt.  Diese  Theorie  ist  durch  die  Arbeiten 
solcher  Forscher  wie  Heider  (1889),  Wheeler  (1889,  1893),  Cholod- 
kovsky  (1891),  Carriere  (1897)  und  vieler  andrer  vollauf  bestätigt 
worden.  —  Indessen  wurde  von  Heymons  in  einer  Reihe  seiner  Arbeiten 
(1895  u.  a.  m.)  ein  neuer  Gesichtspunkt  aufgestellt,  und  zwar  daß  bei 
den  Pterygota  der  Mitteldarm  aus  Auswüchsen  des  Storno-  und  Procto- 
däums  gebildet  wird,  d.  h.  daß  der  ganze  Darm  durchwegs  ectodermal 
ist,  während  das  Entoderm  durch  die  Dotterzellen  vertreten  ist,  welche 
bei  allen  höheren  Insekten1  keinerlei  Anteil  an  dem  Aufbau  des  Darmes 
nehmen.  Zugunsten  dieser  Auffassung  haben  sich  bis  vor  verhältnis- 
mäßig kurzer  Zeit  auch  viele  andre  Autoren  ausgesprochen,  so 
Rabito  (1898),  Lecaillon  (1898),  Schwarze  (1899),  Deegener  (1900), 
Toyama  (1902),  Czerski  (1904)  und  Friederichs  (1906).     Außer  der 

1  Mit  Ausnahme  der  Odonaten:  Heymons  (1896a),  Tschuproff  (1903). 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  601 

Theorie  von  Heymons,  welche  man  nur  als  eine  gewisse  Modification 
der  früheren  Auffassungen  der  Dotterzellen  als  Entoderm  auffassen 
kann,  sind  noch  zwei  Versuche  gemacht  worden  den  Beweis  dafür  zu 
liefern,  daß  die  Dotterzellen  überhaupt  an  der  Bildung  des  Mitteldarm- 
epithels bei  den  Pterygota  Anteil  nehmen:  die  Urheber  dieser  Ver- 
suche sind  Dickel  (1904)  und  Schwangart  (1904,  1905). 

Trotz  der  großen  Anzahl  von  Arbeiten,  insbesondere  solcher  zu- 
gunsten der  ersteren  Richtung,  kann  gegenwärtig  doch  dieser  wie  auch 
jener  Gesichtspunkt  als  bereits  abgetan  angesehen  werden  und  neuere, 
mit  besonderer  Sorgfältigkeit  angestellte  Untersuchungen  veranlassen 
uns  wieder  zu  der  alten  Auffassung  von  Grassi,  Kowalevsky  u.  a. 
zurückzukehren.  Diese  neueren  Untersuchungen  stammen  von  Esche- 
rich (1900),  Noack  (1901),  Schwangart  (1904),  hauptsächlich  aber 
von  Nusbaum  und  Fulinski  (190G,  1909)  und  Hirschler  (1906, 
1909  a  u.  b)  her. 

Wie  Nusbaum  und  Fulinski  dies  nachgewiesen  haben,  hat  Hey- 
mons einen  Irrtum  begangen,  indem  er  dem  Mitteldarm  seinen  Ursprung 
aus  dem  Boden  des  Stomodäum  und  Proctodäum  zuschrieb,  wobei 
er  dessen  vordere  und  hintere  Anlage  übersah,  welche  bei  einigen 
Formen  in  der  Tat  mit  den  Enden  des  Vorder-  und  Hinterdarmes  dicht 
verschmolzen  sind,  während  der  Ausgangspunkt  für  den  Ursprung 
des  Mesenterons  doch  immer  von  diesen  beiden  Anlagen  plus  dem 
unsrer  diffusen  Anlage  entsprechenden  »mittleren  Strange«  gebildet 
wird.  Dasselbe  fand  bei  den  Coleoptera  und  Lepidoptera  auch 
Hirschler,  welcher  auf  Grund  seiner  Befunde  (gleich  Nusbaum  und 
Fulinski)  die  Möglichkeit  einer  Teilnahme  der  Dotterzellen  an  dem 
Aufbaue  des  Mitteldarmepithels,  wie  sie  von  Schwangart  und  Dickel 
zugegeben  wurde,  auf  das  Entschiedenste  von  sich  weist.  Vergleichen 
wir  unsre  Beobachtungen  an  Isotoma  cinerea  mit  den  Angaben  der  drei 
obengenannten  Autoren,  so  wird  man  annehmen  müssen,  daß  die 
Entwicklung  des  Mitteldarmes  auf  Kosten  des  unteren  Blattes  eine 
Regel  für  alle  Insekten  darstellt,  für  die  Pterygota  sowohl,  wie  auch 
für  die  Apterygota;  in  typischen  Fällen  wird  er  aus  drei  Anlagen  ge- 
bildet, aber  dann  ist  der  »mittlere  Strang«  oder  die  diffuse  Anlage 
schwach  entwickelt  und  ergibt  nur  Blutzellen,  ohne  sich  an  der  Bildung 
des  Mitteldarmes  zu  beteiligen  (Gryllotalpa).  —  Mit  einem  Worte, 
wir  kehren  wieder  zu  den  Ansichten  von  Grassi,  Kowalevsky  und 
andrer  zurück,  indem  wir  nur  die  ihnen  allein  bekannten  zwei  Anlagen 
durch  die  dritte  oder  diffuse  Anlage  ergänzen,  welche  gleichzeitig  auch 
die  Blutzellen  bildet. 

39* 


602  Jur.  Philiptschenko, 

Es  muß  hier  darauf  hingewiesen  werden,  daß  ein  ähnlicher  Ent- 
wicklungsmodus des  Mitteldarmes  auch  vielen  andern  Arthropoden 
eigentümlich  ist.  Was  die  Myriapoden  betrifft,  so  wollen  wir  unter 
Übergehung  der  älteren  Arbeiten  darauf  hinweisen,  daß  bei  den  Diplo- 
poden die  Entwicklung  des  Mesenterons  aus  Elementen  des  unteren 
Blattes  in  Gestalt  zweier  Anlagen  schon  vor  langer  Zeit  durch  Cholod- 
kovsky  (1895)  nachgewiesen  worden  ist,  und  daß  die  neueren  Be- 
obachtungen von  Lignau  (1911a)  über  Polydesmus  abchasius,  wie  der 
Verfasser  selbst  hervorhebt,  mit  dem  von  Nusbaum  und  Fulinski  und 
Hirschler  für  die  Insekten  aufgestellten  Schema  durchaus  überein- 
stimmen, und  von  demselben  nur  durch  einige  specielle  Einzelheiten 
abweichen.  Bei  Scolopendra  wird  der  Mitteldarm  nach  den  Beobach- 
tungen von  Heymons  (1901)  aus  einzelnen  entodermalen  Zellen  ge- 
bildet, so  daß  hier  nur  von  einer  diffusen  Anlage  die  Rede  sein  könnte; 
allein  von  dem  Autor  selbst  wird  an  dem  Ende  des  Proctodäum  eine 
besondere  »entodermale  Scheibe«  aus  kubischen  Zellen  beschrieben 
und  abgebildet  (Fig.  49  in  seiner  Arbeit),  welche,  wie  mir  scheint, 
durchaus  mit  der  hinteren  Anlage  des  Mitteldarmes  bei  den  Insekten 
verglichen  werden  kann. 

Ein  allgemeines  Schema  für  die  Entwicklung  des  Mitteldarmes 
bei  den  Arachnoidea  wurde  zuerst  von  Schimkewitsch  in  dessen 
russischer  Arbeit  über  die  Entwicklung  ihres  Darmes  (1898)  gegeben 
und  später  in  dessen  Arbeit  über  die  Entwicklung  von  Thelyplionus 
(1906):  der  Darm  entsteht  hier  aus  dem  Meso-Entoderm  in  Gestalt 
zweier  Anlagen,  einer  hinteren  und  einer  diffusen,  und  zwar  kann  in 
einigen  Gruppen  die  eine  dieser  Anlagen  nur  sehr  schwach  entwickelt 
sein  oder  selbst  ganz  fehlen.  Dieses  Schema  hat  durch  die  Arbeiten 
von  Montgomery  (1909),  Hamburger  (1910)  wie  auch  durch  die  letzte 
Arbeit  von  W.  und  L.  Schimkewitsch  über  die  Embryonalentwicklung 
der  Tetrapneu  mones  (1911)  eine  volle  Bestätigung  erhalten  und  kann 
trotz  der  ihm  widersprechenden  Beobachtungen  von  Kautsch  (1909, 
1910a)  als  fest  begründet  angesehen  werden. 

Was  die  Onychophora  betrifft,  so  entsprechen  die  Angaben  über 
die  Entwicklung  ihres  Mitteldarmes  einstweilen  in  keiner  Weise  dem 
für  die  lnsecta,  Myriopoda  und  Arachnoidea  gültigen  Schema. 
Die  Embryologie  dieser  Gruppe  kann  übrigens,  ungeachtet  einer  Reihe 
bisher  vorliegender  einschlägiger  Arbeiten,  noch  bei  weitem  nicht  als 
in  genügender  Weise  erforscht  angesehen  werden.  Ebenso  verhält  es 
sich  mit  den  Crustacea,  was  sich  vielleicht  zum  Teil  dadurch  erklären 
läßt,  daß  in  letzterer  Zeit  Arbeiten  erschienen  sind,  welche  sich  Vorzugs- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  603 

weise  auf  Formen  mit  determinativen  Furchungstypus  beziehen,  während 
über  die  Embryologie  der  andern  Crustaceen  meistenteils  nur  ältere 
Arbeiten  vorliegen.  Es  muß  hier  indessen  auf  die  Beobachtungen  von 
J.  Wagner  über  Neomysis  (1896)  und  von  Pedaschenko  über  Lernaea 
(1899)  hingewiesen  werden,  nach  denen  der  Mitteldarm  dieser  Formen 
aus  zwei  entodermalen  Anlagen  hervorgeht,  und  zwar  einer  Anlage 
im  Bereiche  des  Stomodäum  und  einer  andern  im  Bereiche  des  Procto- 
däum,  was  sehr  an  die  bei  den  Insekten  vorliegenden  Verhältnisse 
erinnert. 

Wie  dem  nun  auch  sein  mag,  so  wird  man  auf  Grund  der  uns  jetzt 
vorliegenden  Angaben  doch  annehmen  können,  daß  eine  Entwicklung 
des  Mitteldarmes  aus  Elementen  des  unteren  Blattes  höchstwahrschein- 
lich für  alle  Arthropoda  die  Regel  bildet.  Für  die  drei  Klassen  der 
luftatmenden  Arthropoden  gilt  als  ebensolche  Regel  auch  die  Ent- 
stehung des  Mesenterons  aus  drei  Aulagen :  einer  vorderen,  einer  hinteren 
und  der  diffusen,  wobei  die  eine  derselben  (bisweilen  sogar  zwei)  bei 
einigen  Formen  sehr  schwach  entwickelt  sein  oder  sogar  gänzlich  fehlen 
kann,  so  zum  Beispiel  die  vordere  bei  den  Arachnoiden,  die  diffuse 
bei  einigen  Insekten.  Die  Entwicklung  unsrer  Isotoma  stimmt  aus- 
gezeichnet mit  diesem  Schema  überein. 

Die  Entwicklung  des  Nervensystems.  In  Anbetracht  der 
frühen  Anlage  und  der  raschen  Entwicklung  des  Nervensystems  erreicht 
dasselbe,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  gegen  das  Ende  der  dritten  Ent- 
wicklungsperiode eine  ziemlich  weitgehende  Differenzierung.  Das  erste 
Stadium  der  vierten  Periode  F  (vgl.  Fig.  53 — 55  osg,  n)  unterscheidet 
sich  in  bezug  auf  die  Entwicklungsstufe  des  Nervensystems  des  Em- 
bryos in  keiner  Weise  von  dem  Stadium  E,  welches  wir  schon  früher 
beschrieben  haben.  Auf  dem  darauffolgenden  Stadium  G  ist  auch  bei 
dem  Nervensystem  der  Eintritt  einer  Reihe  wesentlicher  Veränderungen 
zu  bemerken. 

Vor  allem  fällt  auf  Schnitten  durch  Embryonen  dieses  Stadiums 
das  Auftreten  der  fibrillären  Nervensubstanz  oder  der  sogenannten 
Punktsubstanz  in  die  Augen  (siehe  Fig.  58,  59,  64,  65  —  pst,  ebenso 
auch  auf  andern).  Dieselbe  wird  zuerst,  wie  bei  den  Pterygota,  in 
dem  dorsalen  Teile  eines  jeden  Ganglions  angelegt,  hierauf  aber  rasch 
von  allen  Seiten  von  Ganglienzellen  umgeben.  —  Nach  den  Beobach- 
tungen von  Heymons  (1897a)  bei  Lepisma  verbleiben  die  Ganglienzellen 
auch  nach  der  Bildung  der  fibrillären  Substanz  noch  in  dem  ventralen 
Teil  des  Ganglions,  so  daß  diese  weiße  Substanz  hier  von  der  Dorsal- 
seite her  nur  mit  einem  dünnen  Neurilemm  bedeckt  ist,  wodurch  sich 


604  Jur.  Philiptschenko, 

Lepisma  von  den  Pterygota  unterscheidet.  Wie  dies  aus  unsern  Ab- 
bildungen hervorgeht,  ist  bei  Isotoma  cinerea  die  Anordnung  der 
fibrillären  Substanz  und  der  Ganglienzellen  im  Nervensystem  die 
gleiche  wie  auch  bei  den  höheren  Insekten,  so  daß  die  Collembola 
in  dieser  Beziehung  den  Pterygota  näher  stehen  als  Lepisma. 

Weiterhin  wird  auf  dem  Stadium  G  auch  das  obere  Schlund- 
ganglion aus  seinen  drei  Abschnitten  endgültig  gebildet  (Fig.  57,  58, 
62  osg)  und  es  geht  die  Verschmelzung  der  Kieferganglien  (Mandibular  — , 
erstes  und  zweites  Maxillarganglion)  zu  einem  gemeinsamen  unteren 
Schlundganglion  vor  sich  (Fig.  57,  58,  62  usg).  Um  dieselbe  Zeit  diffe- 
renziert sich  auch,  wie  bei  den  höheren  Insekten,  zwischen  dem  oberen 
und  unteren  Schlundganglion  die  Schlundcommissur  (Fig.  58  sks).  Das 
Nervensystem  des  Kopfes  nimmt  daher  gegen  das  Ende  des  Stadiums  G 
schon  mehr  oder  weniger  das  dem  erwachsenen  Insekte  zukommende 
Aussehen  an.  —  Miss  Claypole  erwähnt  die  Anlage  eines  sympathi- 
schen Nervensystems  bei  Anurida  maritima,  welche  indessen  bald 
wieder  verschwindet;  eine  solche  Anlage  habe  ich  bei  Isotoma  nicht 
beobachtet. 

Die  Brust-  und  Bauchganglien  bieten  auf  dem  Stadium  G,  ab- 
gesehen von  der  Anwesenheit  der  Fibrillarsubstanz,  nichts  Bemerkens- 
wertes dar  (Fig.  64  ggl.th ;  59,  60  ggl.abd) ;  ihr  Bau  bleibt  auch  auf  dem 
darauffolgenden  Stadium  H  unverändert  (Fig.  65, 68, 70  ggl.th,  69  ggl.abd), 
indem  sie  auf  diesen  Stadien  im  allgemeinen  schon  das  für  die 
erwachsenen  Tiere  charakteristische  Aussehen  besitzen.  Von  dem 
Stadium  H  angefangen  beginnt  die  Verschmelzung  der  Bauchganglien 
zu  einer  gemeinsamen  Masse,  deren  hinteres  Ende  allmählig  nach  vorn 
verlagert  wird.  Als  Schlußergebnis  dieses  Prozesses  finden  wir  auf 
dem  Stadium  J  (Fig.  73  ggl.abd)  und  bei  der  soeben  aus  dem  Ei  ge- 
schlüpften Isotoma  (Fig.  37,  wo  dies  besonders  deutlich  zu  sehen  ist), 
nur  noch  ein  einziges  Abdominalganglion,  welches  in  den  beiden  ersten 
Abdominalsegmenten  liegt.  Wie  wir  bereits  oben  hervorgehoben  haben, 
ist  eine  so  scharfe  ausgesprochene  Differenzierung  dieses  Abdominal- 
ganglions von  dem  hinteren  Thoracalganglion  und  seine  verhältnismäßig 
bedeutende  Länge  durchaus  nicht  charakteristisch  für  die  Mehrzahl 
der  Collembola,  sondern  sie  bleibt  nur  bei  wenigen  Formen  dieser 
Ordnung  erhalten. 

Im  allgemeinen  wird  man  zugeben  müssen,  daß  die  Entwicklung 
des  Nervensystems  bei  Isotoma  cinerea  von  uns  nur  in  ihren  allge- 
meinsten und  gröbsten  Zügen  untersucht  worden  ist,  und  daß  viele 
Einzelheiten  derselben  (so  z.  B.  der  Ursprung  der  verschiedenen  Com- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  6U5 

missuren,  die  Anlage  und  Differenzierung  des  Mittelstranges)  noch 
ganz  unaufgeklärt  geblieben  sind.  Die  Schuld  hieran  trägt  zum  Teil 
der  bereits  hervorgehobene  Umstand,  daß  das  Nervensystem  auf  den 
der  dritten  Entwicklungsperiode  angehörenden  Stadien  schlechter  als 
alle  übrigen  Gewebe  des  Embryos  fixiert  worden  ist,  und  daß  die  Un- 
vollständigkeit  der  auf  den  Anfang  der  Entwicklung  des  Nervensystems 
bezüglichen  Angaben  ein  Verständnis  der  Einzelheiten  in  den  späteren 
Stadien  erschwerte.  Jedenfalls  weist  alles  von  uns  in  dieser  Hinsicht 
Festgestellte  darauf  hin,  daß  die  Entwicklung  des  Nervensystems  bei 
den  Collembola  genau  nach  dem  gleichen  Typus  verläuft,  wie  bei  den 
Pterygota  und  abgesehen  vielleicht  von  irgendwelchen  unwichtigen 
Einzelheiten  nichts  wesentlich  Besonderes  darbietet. 

Die  Entwicklung  der  Augen,  von  deren  erstem  Auftreten  schon 
oben  die  Rede  gewesen  ist,  lasse  ich  ganz  unberücksichtigt,  da  mein 
Material  se*iner  geringen  Größe  wegen  für  derartige  Untersuchungen 
wenig  geeignet  war.  Ebenso  ist  es  mir  nicht  gelungen,  etwas  über 
die  Entwicklung  des  Tentoriums  und  des  Postantennalorganes  fest- 
zustellen. 

Die  Derivate  der  Sonnten.  Von  der  Anlage  der  Somiten 
und  ihrer  Anzahl  bei  dem  Embryo  ist  schon  gelegentlich  der  Beschrei- 
bung der  dritten  Entwicklungsperiode  die  Rede  gewesen.  Ihre  Diffe- 
renzierung beginnt  bedeutend  später,  erst  auf  dem  Stadium  G,  und 
zwar  sind  auch  hier,  ebenso  wie  bei  der  Entwicklung  des  Nervensystems, 
fast  gar  keine  besonderen  Erscheinungen  zu  verzeichnen,  welche  die 
Collembola  von  den  Pterygota  unterscheiden,  so  daß  dieser  Prozeß 
offenbar  bei  allen  Insekten  in  der  gleichen  Weise  verläuft. 

Auf  dem  Stadium  F,  mit  welchem  die  vierte  Entwicklungsperiode 
eingeleitet  wird,  weisen  die  Somiten  noch  ihren  früheren  Charakter 
auf  und  reichen,  wie  dies  auf  der  Fig.  56  (so)  zu  sehen  ist,  noch  immer 
in  die  Extremitäten  herein  (abd1}  3,  4).  Späterhin  verliert  der  sich 
in  die  Extremität  erstreckende  Teil  der  Somiten  den  Zusammenhang 
mit  seinem  Rumpf  abschnitt  und  ergibt  die  Muskulatur  der  Füße. 

Auf  dem  Stadium  G  beginnt  die  Differenzierung  der  Somiten  in 
jene  Abschnitte,  welche  von  Heymons  (1895)  erstmals  genau  fest- 
gestellt worden  sind;  um  diese  Zeit  ist  es  indessen  infolge  der  außer- 
ordentlich geringen  Größe  aller  Elemente,  zum  Teil  auch  wegen  ihrer 
ungenügenden  Fixierung,  außerordentlich  schwer  sich  in  allen  Einzel- 
heiten dieses  Prozesses  zurechtzufinden.  Dabei  fällt  das  Fehlen  eines 
sogenannten  Epineuralsinus  in  die  Augen,  wie  er  bei  allen  Pterygoten 
zwischen  dem  Nervensystem  und  dem  Dotter  vorhanden  ist:  bei  den 


606  Jur.  Philiptschenko, 

Embryonen  von  Isotoma  liegt  das  abdominale  Nervensystem  im  Gegen- 
teil die  ganze  Zeit  hindurch  dem  Dotter  dicht  an  (vgl.  Fig.  59  u.  60). 
Es  ist  schwer  zu  sagen,  ob  dieser  Umstand  eine  Folge  der  Fixierung 
darstellt,  oder  ob  wir  in  ihm  eine  den  Collembola  zukommende 
Eigentümlichkeit  vor  uns  haben:  ich  persönlich  möchte  mich  eher  für 
die  erstere  Annahme  aussprechen.  —  Bei  dem  Übergange  auf  das  Sta- 
dium H  sind  an  der  Stelle  eines  jeden  Somiten  nunmehr  deutlich  dessen 
Derivate  zu  sehen,  d.  h.  die  Muskulatur  und  der  Fettkörper;  aus  deren 
Anordnung  zu  dieser  Zeit  läßt  sich  nun  darauf  schließen,  daß  der 
Differenzierungsprozeß  der  Somiten  hier  wie  bei  den  Pterygota  ver- 
läuft. Zu  diesem  Zwecke  bedient  man  sich  am  besten  solcher  Quer- 
schnitte, wie  sie  in  Fig.  68  und  69  dargestellt  sind.  Wir  erblicken  auf 
denselben  vor  allem  die  dem  Ectoderm  anliegenden  latero-dorsalen 
Muskeln  (msk),  welche  augenscheinlich  aus  den  somatischen  Wänden 
der  Somiten  hervorgehen;  mehr  medianwärts  liegt  der  Fettkörper  (fk) 
und  noch  näher  zur  Medianlinie  die  Anlage  der  ventralen  Längsmuskeln 
(vmp):  sowohl  diese  letztere  Anlage,  wie  auch  diejenige  des  Fettkörpers 
gehen  aus  dem  medianen  Bezirk  derselben  somatischen  Wandung  der 
Somiten  hervor.  Ihre  splanchnische  Wandung  ergibt  die  Muscularis 
des  Mitteldarmes  (welche  auf  unsern  Zeichnungen  nicht  abgebildet  ist) 
und  nimmt,  wie  wir  dies  später  sehen  werden,  an  der  Bildung  der 
Gonaden  Anteil.  Außer  diesen  Bildungen  sind  an  dem  äußersten 
dorsalen  Abschnitte  des  bereits  differenzierten  und  nach  oben  wuchern- 
den Somiten  auf  dem  Stadium  H  äußerst  kleine  aber  deutlich  hervor- 
tretende Elemente  (cbl)  zu  bemerken.  Wie  dies  aus  andern  Schnitten 
(Fig.  69)  zu  ersehen  ist,  nehmen  dieselben  augenscheinlich  an  der 
Bildung  des  Herzens  (hz)  Anteil,  d.  h.  sie  stellen  Cardioblasten  dar. 
Wie  aus  den  angeführten  Bildern  hervorgeht,  erfolgt  die  Diffe- 
renzierung der  Somiten  demnach  nach  dem  gleichen  Typus,  wie  dies 
auch  bei  den  Pterygota  der  Fall  ist:  die  splanchnische  Wandung  der 
Somiten  ergibt  die  Darmmuskulatur  und  ist  an  der  Bildung  der  Go- 
naden beteiligt,  die  somatische  Wandung  dagegen  bringt  die  Körper- 
mus kulatur  hervor  und  in  ihrem  medianen  Abschnitt  auch  den  Fett- 
körper; an  der  Übergangsstelle  der  splanchnischen  Wandung  in  die 
somatische  werden  diejenigen  Elemente  gebildet,  aus  denen  das  Herz 
hervorgeht.  —  Für  ein  eingehenderes  Studium  der  Entwicklung  aller 
dieser  Organe  war  mein  Material  völlig  ungeeignet;  außerdem  bot  ein 
solches  Studium  in  Anbetracht  der  Übereinstimmung  der  oben  mit- 
geteilten Befunde  mit  den  Angaben  aus  der  Embryologie  der  höheren 
Insekten  auch  nur  ein  geringes  Interesse. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  607 

Von  großem  Interesse  ist  die  Entstehung  eines  weiteren  Derivates 
der  Somiten,  welches  bei  den  Pterygota  fehlt,  und  zwar  der  tubulösen 
Kopfdrüsen.  —  Den  früheren  Erforschern  der  Collembola  waren  nur 
diese  letzteren  bekannt,  allein  späterhin  waren  durch  die  Arbeiten 
von  Willem  und  Sabbe  (1897),  Folsom  (1899),  Willem  (1901),  Becker 
(1903)  und  Hoffmann  (1904)  im  Kopfe  dieser  Insekten  noch  drei  Paare 
ähnlicher  Organe  entdeckt  worden.  Das  Gleiche  ist  später  von  mir 
(1905a,  1908)  und  Bruntz  (1908)  auch  bei  den  Diplura  und  Thysanui  a 
festgestellt  worden.  Die  meisten  Kopfdrüsen  der  Apterygota  weisen 
den  gleichen  Charakter  auf,  wie  die  der  Pterygota,  d.  h.  sie  sind 
unzweifelhaft  ectodermale  Bildungen;  eine  Ausnahme  hiervon  bilden 
nur  die  obenerwähnten  tubulösen  Drüsen.  Es  wurde  zuerst  von  Bruntz 
(1904a  u.  b)  bei  Machilis  festgestellt,  daß  eine  jede  dieser  Drüsen  aus 
einem  dünnwandigen  Endbläschen  ( »saccule  «)  und  einem  langen,  anfangs 
stark  gewundenen  Abschnitt,  oder  »labyrinthe«  besteht,  welcher  in 
den  Ausführgang  übergeht;  dabei  wurde  festgestellt,  daß  das  Endbläs- 
chen in  den  Körper  des  Tieres  eingespritztes  ammoniakalisches  Carmin 
abscheidet,  das  Labyrinth  dagegen  Indigocarmin.  Auf  Grund  dieses 
Befundes  kam  Bruntz  zu  dem  Schlüsse,  daß  hier  ebensolche  »reins 
labiaux«  vorliegen,  wie  sie  auch  bei  andern  Arthropoden  (Crustacea, 
Diplopoda)  angetroffen  werden.  Späterhin  war  es  mir  gelungen  einen 
ähnlichen  Bau  dieser  Drüsen  auch  bei  Campodea,  Japyx,  Machilis  und 
Lepisma  nachzuweisen,  d.  h.  bei  fast  allen.  Familien  der  Diplura  und 
Thysanura,  wobei  ich  schon  damals  hervorhob,  daß  wir  es  in  diesen 
auch  bei  den  Collembola  vorhandenen  tubulösen  Drüsen,  wie  dies 
aus  ihrem  Bau  und  ihrer  excretorischen  Tätigkeit  hervorgeht,  mit 
Kopfnephridien  des  Labialsegmentes  zu  tun  haben:  die  niederen  In- 
sekten und  die  Myriopoden  (und  zwar  die  Apterygota  und  die  Diplo- 
poda) behalten  demnach  in  ihrem  Kopfe  noch  Drüsen  bei,  welche 
nach  dem  Typus  von  Nephridien  gebaut  sind,  wie  dies  bei  den  Cru- 
stacea und  Peripatus  der  Fall  ist,  während  die  höher  organisierten 
Tracheaten  (die  Chilopoda  und  die  Pterygota)  derselben  bereits 
verlustig  gegangen  sind  (1908). 

Bis  in  die  gegenwärtige  Zeit  hinein  war  diese  Auffassung  von  einem 
Paare  Kopfdrüsen  bei  den  Apterygota  ausschließlich  auf  die  physiolo- 
gischen Versuche  mit  Injektionen  von  ammoniakalischem  und  Indigo- 
Carmin  begründet,  wie  sie  von  Bruntz  und  später  auch  von  mir  ange- 
stellt worden  waren,  ohne  durch  embryologische  Befunde  bestätigt  zu 
sein.  Durch  die  Embryologie  von  Isotoma  cinerea  wird  die  völlige 
Richtigkeit  dieser  Auffassung  unzweifelhaft  nachgewiesen.  —  Es  mag 


608  Jur.  Philiptschenko, 

hier  bemerkt  werden,  daß  bei  den  Collembola  (und  zwar  bei  Tomo- 
cerus  flumbeus)  das  Vorhandensein  eines  ebensolchen  dünnwandigen 
Abschnittes  am  Ende  der  tubulösen  Drüse  unabhängig  von  den  Arbeiten 
von  Bkuntz  und  den  meinigen  auch  von  Hoffmann  (1904)  festgestellt 
worden  ist,  welcher  diesen  Abschnitt  als  Reservoir  bezeichnet.  Wir 
wollen  für  denselben  die  Bezeichnung  eines  Endbläschens  beibehalten 
und  den  gewundenen  Abschnitt  der  tubulösen  Drüse  (bis  zu  deren 
nicht  secernierenden  Ausführgang)  einfach  den  Kanal  nennen. 

Die  erste  Anlage  der  tubulösen  Drüse  tritt  schon  sehr  früh  auf, 
lange  vor  der  obenbeschriebenen  Differenzierung  der  Somiten,  und  zwar 
auf  dem  Stadium  E,  dem  letzten  Stadium  der  dritten  Entwicklungs- 
periode.  Auf  der  Fig.  51  erblicken  wir  einen  Schnitt  durch  das  erste 
Maxillarsegment,  dessen  Somiten  (so)  sich  in  keiner  Weise  von  den  übri- 
gen unterscheiden.  Im  Segmente  der  zweiten  Maxillen  dagegen  (Fig.  52) 
trennt  sich  in  jedem  seiner  Somiten  auf  dem  Niveau  des  Ganglions  ein 
Bläschen  (tdr)  mit  deutlich  ausgesprochener  epithelialer  Wandung  ab,  in 
dessen  Höhlung  gewöhnlich  eine  feinste  Körnelung  zu  bemerken  ist. 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  befindet  sich  beim  lebenden  Embryo 
in  diesem  Bläschen  irgendeine  Flüssigkeit,  welche  beim  Fixieren  ge- 
rinnt, woher  dann  die  erwähnte  Körnelung  hervorgerufen  wird.  Das 
Paar  solcher  Bläschen  im  Labialsegmente  stellt  nun  die  erste  Anlage  der 
tubulösen  Kopfdrüsen  dar. 

Ebenso  deutlich  sind  diese  Gebilde  im  Bereiche  des  zweiten  Maxillar- 
segmentes  auch  auf  dem  nächstfolgenden  Stadium  F  zu  sehen.  Bei 
dem  Übergange  in  das  Stadium  G  treten  in  den  Mundwerkzeugen, 
wie  schon  oben  angedeutet  wurde,  starke  Veränderungen  auf;  die- 
selben verwandeln  sich  in  entotrophe  Organe,  weshalb  auch  die  Topo- 
graphie aller  übrigen  Organe  des  Kopfes  einen  etwas  veränderten 
Charakter  annimmt.  Es  ist  um  diese  Zeit  nicht  so  leicht  die  Anlage  der 
tubulösen  Drüse  aufzufinden,  doch  tritt  dieselbe  nichtsdestoweniger  auch 
hier  namentlich  auf  etwas  schrägen  Schnitten  ziemlich  deutlich  hervor. 
Der  Teil  eines  solchen  schrägen  Schnittes  durch  den  hinteren  Teil  des 
Kopfes  (welcher  auch  das  erste  Fußpaar  th1  getroffen  hat)  eines  Em- 
bryos auf  dem  Stadium  G  ist  auf  der  Fig.  64  wiedergegeben.  Auf 
derselben  sehen  wir  wiederum  ganz  deutlich  die  Anlage  der  tubulösen 
Drüse  (trd),  welche  ihren  früheren  Charakter  in  Gestalt  eines  geschlos- 
senen  epithelialen  Bläschens  beibehalten  hat. 

Eine  merkliche  Veränderung  ihrer  Gestalt  tritt  erst  auf  dem  Sta- 
dium H  ein,  wobei  die  tubulösen  Drüsen  um  diese  Zeit  auf  Sagittal- 
sehnitten  durch  den  lateralen  Teil  des  Kopfes  ganz  besonders  deutlich 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  609 

zu  sehen  sind.  Wie  dies  auf  unsrer  Fig.  70  deutlich  zu  sehen  ist,  hat 
die  Anlage  einer  jeden  derselben  nunmehr  nicht  mehr  das  Aussehen 
eines  mehr  oder  weniger  wie  früher  kugelförmigen  Bläschens,  sondern 
vielmehr  eine  retorten-  oder  flaschenförmige  Gestalt,  indem  von  dem 
breiteren  oberen  Teil  (etd)  ein  enger  Ausführgang  (ktd)  nach  unten  führt, 
welcher  nach  dem  Ectoderm  des  unteren  Teiles  des  Kopfes  gerichtet 
ist.  Es  ist  unschwer  zu  erkennen,  daß  wir  es  in  der  Enderweiterung 
(etd)  mit  der  Anlage  des  Endbläschens  der  tubulösen  Drüse  zu  tun  haben, 
während  der  nach  unten  führende  Gang  nichts  anders  darstellt,  als  die 
Anlage  des  einstweilen  noch  oeraden  Kanals.  —  Die  Ähnlichkeit  der  beide 
Teile  der  zukünftigen  Drüse  bildenden  Elemente,  wie  auch  der  all- 
mähliche Übergang  der  Enderweiterung  in  die  Anlage  des  Kanals 
sprechen  beide  zweilfelos  zugunsten  der  Annahme,  daß  sich  diese  beiden 
Bildungen  aus  derjenigen  gemeinsamen  Anlage  entwickelt  haben,  welche 
auf  den  vorhergehenden  Stadien  das  Aussehen  eines  runden  Bläschens 
hatte,  und  zwar  durch  Verlängerung  einer  seiner  Wandungen  nach 
unten  in  Gestalt  eines  Ausführganges.  Indem  die  Anlage  des  Kanals 
(ktd)  um  diese  Zeit  bloß  an  das  Ectoderm  herantritt,  ohne  eine  Öffnung 
nach  außen  zu  besitzen,  so  liegt  keinerlei  Anlaß,  vor  derselben  einen 
ectodermalen  Ursprung  zuzuschreiben. 

Auf  dem  Stadium  J  nimmt  die  Anlage  des  Kanals  bereits  eine 
gewundene  Gestalt  an;  um  dieselbe  Zeit  wird  wahrscheinlich  auch. der 
nicht  secernierende  Ausführgang  der  Drüse  gebildet.  Es  ist  mir  nicht 
gelungen  die  Art  und  Weise  seiner  Entstehung  festzustellen,  doch  kann 
wohl  kaum  ein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  derselbe  durch  eine 
einfache  Einstülpung  des  Ectoderms  zustande  kommt. 

Die  Art  und  Weise  der  Anlage  und  der  Entwicklung  der  tubulösen 
Kopfdrüsen,  und  speciell  die  Herkunft  ihres  größten  Teiles  aus  den 
Somiten,  bestätigen  durchaus  die  schon  früher  von  mir  ausgesprochene 
Auffassung  von  diesen  Drüsen,  als  von  erhalten  gebliebenen  Nephridien 
des  Labialsegmentes.  —  Von  Wichtigkeit  ist  auch  der  Umstand,  daß 
nicht  nur  das  ammoniakalisches  Karmin  ausscheidende  Endbläschen 
(»saccule«)  der  Drüse  ein  Derivat  des  Somiten  darstellt,  sondern  auch 
deren  gewundener  Kanal  (labyrinthe«),  welcher  Indigocarmin  aus- 
scheidet. Dieses  Verhalten  steht  in  völliger  Übereinstimmung  mit 
dem,  was  uns  von  der  Entwicklung  der  erhaltengebliebenen  Nephridien 
bei  andern  Arthropoden  bekannt  ist,  welche  überall  mit  Ausnahme 
eines  unbedeutenden  Teiles  des  Ausführganges  ausschließlich  aus  Meso- 
derm  gebildet  werden,  d.  h.  aus  dem  Material  der  Somiten.  —  Für  die 
Nephridien  von  Peripatus  ist  dies  schon  von  Sedgwick  (1885 — 1888) 


610  Jur-  Philiptschenko, 

festgestellt  worden,  während  die  ihm  widersprechenden  Angaben  von 
Kennel  (1885 — 1886)  in  der  neueren  Arbeit  von  Evans  (1902),  der 
sich  mit  den  Beobachtungen  des  ersteren  Autors  einverstanden  erklärt, 
keine  Bestätigung  erfahren  haben.  Ebenso  verhält  sich  die  Sache 
auch  bei  den  Kopfnephridialdrüsen  der  Crustaceen:  ich  will  hier  nur 
auf  die  Beobachtungen  von  J.  Wagner  (1896)  über  die  Entwicklung 
der  Antennaldrüse  von  Neomysis  hinweisen  (in  dieser  Arbeit  sind  auch 
analoge  Beobachtungen  von  Kingsley  und  Butschinsky  über  andre 
Crustaceen  angeführt).  Bezüglich  der  Coxaldrüsen  bei  den  Arachnoideen 
genügt  es  auf  die  gleichen  Beobachtungen  von  Brauer  (1895)  über 
den  Scorpion  hinzuweisen,  mit  welchen  auch  die  Angaben  von  Schimke- 
witsch  (1911)  über  den  Charakter  der  Coxaldrüsen  bei  den  Embryonen 
der  Tetrapneu mones  übereinstimmen.  Mit  einem  Worte,  überall 
wo  wir  bei  irgendwelchen  Arthropoden  Nephridien  antreffen,  zeigt  die 
Entwicklung,  daß  nicht  nur  ihr  Endbläschen  einen  Überrest  des  Cöloms 
darstellt,  sondern  daß  fast  das  ganze  Nephridium,  mit  Ausnahme  des 
kurzen  ausführenden  Teiles,  ein  Derivat  des  Somiten  bildet.  —  Die 
tubulösen  Kopfdrüsen  der  Apterygota  passen  sich  dieser  Kegel 
sehr  gut  an. 

Was  nun  die  übrigen  Kopfdrüsen  von  Isotoma  betrifft  —  die 
Speicheldrüsen,  acinösen  Drüsen  und  Wangendrüsen,  —  so  sind  die- 
selben bei  dem  Embryo  fast  bis  zu  seinem  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei 
gar  nicht  zu  bemerken.  An  ihrem  ectodermalen  Ursprünge  läßt  sich, 
trotz  des  Fehlens  direkter  diesbezüglicher  Beobachtungen,  indessen 
wohl  kaum  zweifeln:  schon  Becker  (1903)  war  auf  Grund  des  Stu- 
diums ihres  Baues  zu  dem  Schlüsse  gelangt,  daß  man  alle  diese  drei 
Paare  »als  Derivate  anfangs  einfacher,  einzelliger,  zerstreut  oder  zu- 
sammengehäuft liegender  Haut-Schmierdrüsen  aufzufassen  habe,  wie 
wir  sie  in  segmentaler  Anordnung  bei  den  übrigen  Insekten  antreffen«. 
Ich  halte  diesen  Gesichtspunkt  nur  in  bezug  auf  die  zwei  Paare  von 
Drüsen  —  den  acinösen  und  die  Wangendrüsen  —  für  völlig  anwendbar, 
während  die  Speicheldrüsen  der  Collembola  meiner  Ansicht  nach  den 
Speicheldrüsen  vieler  Pterygota  durchaus  homolog  sind.  Diese  Frage 
habe  ich  schon  früher  in  einer  andern  Arbeit   (1908)  berührt. 

Die  Entwicklung  der  Genitalorgane.  Im  Verlaufe  der 
zweiten  und  dritten  Entwicklungsperiode  behielt  die  Genitalanlage 
die  ganze  Zeit  über  die  gleiche  Lage  bei,  welche  sie  schon  nach  der 
Furchung  und  der  Bildung  des  Blastoderms  (Fig.  14  g)  innegehabt 
hatte,  d.  h.  sie  stellte  ein  Zellhäufchen  im  Dotter  näher  zum  Hinter- 
ende des  Embryos  dar  (siehe  Taf.  XI  u.  XIII  g).     Bei  dem  Anfang 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  611 

der  vierten  Entwicklungsperiode,  d.  h.  schon  auf  dem  Stadium  F, 
tritt  auch  in  der  Genitalanlage  eine  Veränderung  ein. 

Auf  diesem  Stadium  beginnt  das  Auseinanderweichen  der  einzelnen 
Zellen  der  Genitalanlage,  welche  bis  dahin  ziemlich  beieinander  ge- 
legen hatten,  deren  Austritt  aus  dem  Dotter  und  das  Eindringen  in 
die  Gewebe  des  Embryos.  Am  deutlichsten  tritt  dieser  Prozeß  auf 
Frontalschnitteu  durch  das  Abdominalende  des  Embryos  hervor:  ein 
solcher  ist  in  unserer  Fig.  56  abgebildet.  —  Wir  sehen  hier  im  Dot- 
ter  außer  den  Dotterkernen  (dk)  wie  früher  auch  die  Genitalanlage  (g), 
allein  von  diesen  verläuft  zu  den  dem  Dotter  anliegenden  Somiten  der 
Abdominalsegmente  gleichsam  ein  Strahl  oder  ein  Strom  einzelner 
Genitalzellen,  in  welche  diese  Anlage  zerfällt.  Die  Fig.  56  stellt  einen 
etwas  schrägen  Schnitt  dar,  auf  dem  die  Somiten  nur  links  getroffen 
sind,  weshalb  der  Strom  der  einzelnen  Genitalzellen  von  der  Genital- 
anlage aus  auch  nur  nach  der  linken  Seite  gerichtet  ist.  Auf  mehr 
geraden,  völlig  frontal  geführten  Schnitten  bemerkt  man,  daß  ein  Teil 
der  Zellen  der  Genitalanlage  sich  durch  den  Dotter  hindurch  in  die 
Somiten  der  einen  Seite,  der  andre  Teil  in  die  Somiten  der  entgegen- 
gesetzten Seite  begibt,  und  diese  Wanderung  dauert  während  des 
ganzen  Stadiums  F  und  sogar  noch  ganz  am  Anfange  des  darauf- 
folgenden Stadiums  G  an,  und  zwar  so  lange  bis  die  ganze  Genital- 
anlage zerfallen  ist  und  alle  ihre  Zellen  den  Dotter  verlassen  haben 
und  in  die  Gewebe  des  Embryos  eingedrungen  sind.  Natürlich  lassen 
sich  solche  Bilder  nur  dadurch  erklären,  daß  auf  dem  Stadium  F  die 
Zellen,  aus  denen  bis  dahin  die  Genitalanlage  bestanden  hatte,  an- 
fangen sich  aktiv  (wahrscheinlich  amoeboid)  zu  bewegen,  die  einen 
nach  rechts,  die  andern  nach  links,  bis  sie  alle  aus  dem  Dotter  in  die 
Somiten  herübergewandert  sind. 

Wie  aus  der  Fig.  56  zu  ersehen  ist,  erfolgt  das  Eindringen  der 
Genitalzellen  nicht  in  alle  abdominalen  Somiten,  sondern  nur  in  die- 
jenigen, welche  am  nächsten  von  der  Genitalanlage  liegen,  d.  h.  in  die 
Somiten  des  dritten  und  vierten  Abdominalsegmentes  (so).  Nur  in 
den  Somiten  dieser  zwei  Segmente  kann  man  zu  Beginn  des  Stadiums  G, 
wenn  der  Dotter  endlich  keine  Genitalelemente  mehr  enthält,  Genital- 
zellen antreffen.  Wie  man  dies  auf  Querschnitten  durch  das  hintere 
Ende  des  Embryos  (so  z.  B.  auf  der  einen  solchen  Schnitt  durch  das 
dritte  Abdominalsegment  darstellenden  Fig.  60)  deutlich  zu  erkennen 
ist,  dringen  die  Genitalzellen  (gz)  in  die  viscerale  Wandung  der  Sonnten 
ein  und  verbleiben  in  derselben,  um  späterhin  hier  die  Gonaden  zu 
bilden.     Von  den  Elementen  der  Somiten   selbst  unterscheiden  sich 


612  Jur-  Philiptschenko, 

diese  Zellen  sehr  scharf,  und  zwar  erstens  durch  ihre  etwas  bedeutendere 
Größe  und  dann  auch  durch  die  hellere  Färbung,  namentlich  des  Kernes. 
Letzteres  hat,  wie  dies  bei  stärkeren  Vergrößerungen  leicht  festzustellen 
ist  (vgl.  Fig.  61,  welche  die  Genitalzellen  bei  HOOfacher  Vergrößerung 
darstellt),  seinen  Grund  in  der  geringen  Menge  von  Chromatin  in  den 
Kernen.  Durch  das  gleiche  Merkmal  unterscheiden  sich  auch  nach 
Heymons  (1895,  1897a)  die  Genitalzellen  von  den  somatischen  bei 
Lefisma  und  den  Orthopteren  und  diese  Eigentümlichkeit  kommt 
wahrscheinlich  auch  vielen  anderen  Insekten  zu  [siehe  die  Beobach- 
tungen von  Schwangart  (1905)  über  Lepidopteren,  von  Hasper  (1911) 
über  Chironomus  u.  a.  m.]. 

Bei  ihrer  Verlagerung  aus  dem  Dotter  in  die  Somiten  verlieren 
die  Genitalzellen  indessen  nicht  ihre  Befähigung  zur  aktiven  Bewegung 
und  diese  letztere  hält  auch  noch  in  den  Somiten  an.  —  Gegen  das 
Ende  des  Stadiums  G  sind  in  den  Somiten  des  vierten  Abdominal- 
segmentes schon  viel  weniger  Genitalzellen  zu  bemerken  als  früher, 
dafür  finden  wir  sie  nunmehr  nicht  mehr  allein  in  diesem  und  in  dem 
dritten  Segmente,  sondern  auch  in  dem  zweiten,  wo  bis  dahin  keine 
anzutreffen  waren.  Auf  dem  darauffolgenden  Stadium  H  sind  in  dem 
vierten  Abdominalsegmente  gar  keine  Genitalzellen  mehr  zu  finden,  da- 
gegen kann  man  dieselben  nunmehr  nicht  nur  in  den  Somiten  des 
zweiten,  sondern  auch  schon  in  denjenigen  des  ersten  Abdominal- 
segmentes antreffen  (siehe  den  Schnitt  durch  letzteres  auf  Fig.  69  gz). 
Mit  einem  Worte,  die  Genitalzellen,  welche  sich  anfänglich  nur  in  den 
Somiten  des  vierten  und  dritten  Segmentes  konzentrieren,  können 
späterhin  im  ersten  bis  dritten  Abdominalsegment  angetroffen  werden, 
was  natürlich  nur  durch  ein  aktives  Kriechen  derselben  nach  vorn 
erklärt  werden  kann.  Hiermit  nimmt  die  Bewegung  der  Genitalzellen 
ein  Ende  und  auf  dem  Stadium  H  werden  aus  ihnen  in  den  drei  ersten 
Abdominalsegmenten  die  Gonaden  gebildet. 

Auf  dem  in  Fig.  67  dargestellten  Frontalschnitt  durch  das  hintere 
Ende  des  Abdomens  sehen  wir  bereits  die  zwei  ausgebildeten  Gonaden 
(gon).  Beide  besitzen  keinerlei  Höhlung  in  ihrem  Innern,  sondern 
sie  stellen  eine  kompakte  Anhäufung  von  Genitalzellen  dar,  welche 
gewöhnlich  von  äußerst  zarten  und  durchaus  nicht  immer  bemerk- 
baren Zellen  umgeben  sind,  die  aus  jener  splanchnischen  Wandung 
der  primären  Segmente  hervorgehen,  in  welche  die  Genitalzellen 
aus  dem  Dotter  eingedrungen  waren.  Diese  aus  den  Somiten- 
wandungen  hervorgegangenen  Elemente  (welche  auf  unsrer  Zeichnung 
nicht  abgebildet   sind)   stellen  augenscheinlich   die   Follikelzellen   der 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  613 

Gonade  dar.  —  Wie  dies  auf  derselben  Fig.  67  zu  sehen  ist,  geht  von 
dem  hinteren  Ende  einer  jeden  Gonade  der  Genitalgang  (gd)  ab,  welcher 
durch  das  ganze  vierte  Segment  verläuft.  Seine  Lage  und  sein  Bau 
lassen  erkemien,  daß  er  aus  der  gleichen  visceralen  Wandung  der 
Somiten  des  vierten  Abdominalsegmentes  hervorgeht,  in  welche  zuvor 
die  Genitalzellen  aus  dem  Dotter  eingedrungen  sind.  Für  die  Ptery- 
gota  ist  es  charakteristisch,  daß  ihre  Genitalgänge  ursprünglich  (gleich 
den  Gonaden)  kompakt  erscheinen:  wie  sich  die  Sache  bei  Isotoma 
cinerea  verhält,  wage  ich  wegen  der  außerordentlich  geringen  Größe 
des  Gebildes  nicht  zu  sagen.  Ebenso  ist  es  mir  nicht  gelungen,  irgend- 
welche Aufklärung  über  die  Verbindung  der  Genitalgänge  der  rechten 
und  der  linken  Seite  miteinander  zu  schaffen,  wie  auch  über  die  Anlage 
des  unpaaren  Endabschnittes  des  Genitalapparates,  welcher  bei  den 
Pterygota  aus  dem  Ectoderm  hervorgeht. 

Ein  solches  Aussehen  bewahrt  der  Genitalapparat  auch  noch  bis 
zu  dem  Ausschlüpfen  der  Isotoma  aus  dem  Ei  bei:  in  den  drei  ersten 
Abdominalsegmenten  ist  ein  Paar  kompakter  Gonaden  angeordnet, 
welche  ventral  vom  Darme  liegen  (wodurch  sich  die  Apterygota 
von  den  Pterygota  unterscheiden),  im  vierten  Segmente  dagegen  das 
Paar  von  den  Gonaden  nach  hinten  auslaufender  Genitalgänge,  welche 
mit  der  Follikelwand  der  Gonade  einen  gemeinsamen  Ursprung  be- 
sitzen, d.  h.  sich  gleich  dieser  aus  der  splanchnischen  Wand  der  Somiten 
entwickeln.  Der  unpaare  Endabschnitt  des  Genitalapparates  war 
weder  auf  dem  Stadium  J  noch  bei  den  soeben  ausgeschlüpften  Larven 
irgendwie  zu  bemerken,  was  indessen  noch  nicht  für  ein  Fehlen  desselben 
spricht,  sondern  vielmehr  für  die  Zerstörung  dieses  zarten  Gebildes 
bei  der  Fixierung  zu  erklären  ist:  wenigstens  hat  Miss  Claypole  bei 
Anurida  einen  ectodermalen  Ausführgang  beobachtet,  welcher  durch 
eine  Einstülpung  am  hinteren  Ende  des  fünften  Abdominalsegmentes 
gebildet  wird. 

Es  muß  hier  auf  den  Unterschied  in  dem  Bau  der  Gonaden  bei 
soeben  ausgeschlüpften  Larven  mit  demjenigen  bei  der  erwachsenen 
Form  hingewiesen  werden.  Bekanntlich  ist  für  die  Familie  der  Ento- 
mobryidae,  zu  der  unsre  Isotoma  gehört,  das  Vorhandensein  doppelter 
Gonaden  charakteristisch,  von  denen  eine  jede  aus  zwei  Lappen  ge- 
bildet ist  —  einem  Lobus  externus  und  einem  Lobus  internus,  wie  sie 
seinerzeit  von  Tullberg  (1871)  bezeichnet  worden  sind.  Außerdem 
verlaufen  diese  Gonaden  gewöhnlich  bis  zum  Ende  des  vierten  Abdo- 
minalsegmentes, an  dessen  Grenze  mit  dem  fünften  die  Vereinigung 
ihrer  kurzen  paarigen  Ausführgänge  (oviductus  oder  Vasa  deferentia) 


614  Jur.  Philiptschenko, 

miteinander  zu  einem  gemeinsamen  unpaaren  Gang  (Vagina  oder  Ductus 
ejaculatorius)  denn  auch  stattfindet. 

In  der  niedersten  Familie  der  Collembola,  den  Poduridae, 
sind  die  Gonaden  dagegen  einfach  und  enden  etwas  früher,  gewöhnlich 
schon  im  Anfange  des  vierten  Abdominalsegmentes.  —  Der  Bau  der 
Gonaden  bei  den  soeben  ausgeschlüpften  Tierchen  hat  demnach  viel 
mehr  Ähnlichkeit  mit  deren  Bau  bei  den  niedersten  Collembolen,  den 
Poduridae,  deren  Stadium  sie  um  diese  Zeit  gleichsam  durchlaufen, 
während  die  für  die  Familie  der  Entomobryidae  charakteristischen 
Eigentümlichkeiten  erst  später  auftreten.  In  dieser  Beziehung  vermag 
ich  die  Beobachtungen  von  Willem  (1900)  über  die  postembryonale 
Differenzierung  der  Gonaden  bei  denCollembola  durchaus  zu  bestätigen, 
wonach  deren  Entwicklung  in  diesen  beiden  Familien  von  einem  gemein- 
samen Anfangsstadium  ausgeht.  Auf  die  rein  äußerliche  Ähnlichkeit  einer 
aus  dem  Ei  geschlüpften  Isotoma  mit  den  Vertretern  von  solchen  Gat- 
tungen, wie  Achorutes  und  Onychiurus  (Lipura),  hat  schon  Packard  in 
seiner  Arbeit  über  die  Entwicklung  von  Isotoma  walckerii  hingewiesen. 

Im  großen  ganzen  erinnert  die  Entwicklung  der  Genitalorgane 
von  Isotoma  cinerea  außerordentlich  an  den  gleichen  Vorgang  bei  den 
höheren  Insekten,  wo  er  erstmals  von  Heymons  (1891,  1895)  eingehend 
studiert  worden  ist,  dessen  Beobachtungen  dann  auch  von  späteren 
Forschern  bestätigt  wurden.  Wie  bei  Isotoma,  so  ist  auch  bei  vielen 
Pterygota  eine  sich  früh  differenzierende  und  von  den  Keimblättern 
unabhängige  Genitalanlage  vorhanden,  deren  Zellen  bei  einigen  Formen 
ebenfalls  auf  rein  aktive  Weise  aus  dem  Dotter  in  die  Gewebe  des  Em- 
bryos herein  und  wiederum  aktiv  aus  den  hinteren  Somiten  in  die 
vorderen  herüberwandern.  Das  Eindringen  der  Genitalzellen  erfolgt 
gleich  wie  bei  unsrer  Isotoma  in  die  splanchnische  Wandung  des  Somiten 
und  zwar  in  den  Abschnitt  derselben,  welchen  Heymons  die  Geschlechts- 
leiste genannt  hat.  Endlich  sind  auch  die  paarigen  Genitalgänge  der 
Pterygota  Derivate  der  Somiten,  indem  sie  sich  aus  der  visceralen 
Wandung  der  hinteren  Somiten  entwickeln.  Letzterer  Umstand  macht, 
worauf  schon  mehrfach  hingewiesen  worden  ist,  die  Annahme  ziemlich 
wahrscheinlich,  daß  wir  es  in  ihnen  mit  den  Nephridien  homologen 
Gebilden  zu  tun  haben.  Die  hier  oben  beschriebene  Entwicklung 
der  Kopfnephridien  von  Isotoma  spricht  ebenfalls  durchaus  zugunsten 
einer  solchen  Annahme.  —  Der  einzige  Unterschied  der  Apterygota 
von  den  Pterygota  besteht  darin,  daß  bei  ersteren  kein  Zusammen- 
hang zwischen  der  Gonadenanlage  und  dem  Pericardialseptum  ver- 
mittelst der  sogenannten    »Endfadenplatte«  vorhanden  ist.     Es  läßt 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  615 

sich  dies  natürlich  dadurch  erklären,  daß  bei  den  niederen  Insekten, 
ebenso  wie  auch  bei  den  Diplopoden,  die  Gonaden  ventral  vom  Darme 
liegen,  bei  den  höheren  Insekten  und  den  Chilopoden  dagegen  dorsal 
von  demselben. 

Wenn  unsre  Beobachtungen  demnach  mit  den  Erscheinungen 
aus  der  Entwicklung  der  Genitalorgane  der  Pterygota  übereinstim- 
men, stehen  sie  anderseits  vielfach  im  Widerspruch  mit  den  Beobach- 
tungen von  Miss  Claypole  über  die  Entwicklung  der  Genitalorgane 
bei  Anurida  maritima.  Da  diese  letzteren  bis  jetzt  die  einzigen  Angaben 
über  die  Entwicklung  der  Genitaiorgane  bei  den  Collembolen  darstellen, 
werden  wir  ausführlicher  bei  denselben  verweilen  müssen. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Miss  Claypole  bilden  sich  die  Ge- 
nitalzellen bei  den  Embryonen  von  Anurida  in  den  Wandungen  der 
Somiten  des  zweiten  und  dritten  Abdominalsegmentes,  wobei  ihr 
Schicksal  ein  zweifaches  sein  kann.  —  In  dem  einen  Falle  verbleiben 
sie  in  dem  Somiten  seibst,  vermehren  sich  in  demselben  und  ergeben 
die  Gonade,  welche  anfangs  durch  die  splanchnische  Schicht  des  Meso- 
derms  von  dem  Dotter  abgeteilt  ist.  Im  andern  Falle  verläßt  eine 
solche  Zelle  den  Somiten  und  verwandelt  sich  in  ein  Zellhäufchen 
zwischen  Mesoderm  und  Dotter :  ein  Teil  dieser  Anhäufung  ( »stationary 
germ  cells«)  bleibt  wie  zuvor  an  dieser  Stelle,  ein  andrer  Teil  (»migrat- 
ing  germ  cells«)  wandert  in  den  Dotter.  Hierauf  trat  in  den  Beobach- 
tungen des  Autors  eine  Unterbrechung  ein,  allein  er  behauptet,  daß 
auch  aus  dieser  Zellenanhäufung  ihrerseits  Gonaden  gebildet  werden 
(vielleicht  männliche ,  im  Gegensatz  zu  den  auf  die  erstere  Weise 
entstehenden  weiblichen?  —  diese  Frage  ist  ganz  unaufgeklärt  ge- 
blieben). Die  aus  dem  Ei  ausschlüpfende  Anurida  besitzt  demnach 
eine  Gonade,  in  deren  Höhlung  Dotter  enthalten  ist,  der  für  die  Ernäh- 
rung der  Genitalelemente  verwendet  wird;  außerdem  gerät  er  auch 
in  die  Blutkörperchen,  fehlt  dagegen  gänzlich  in  dem  Mitteldarme, 
welcher  wie  bei  den  Diplopoden  keinen  Dotter  enthält. 

Die  guten  Zeichnungen,  welche  diese  ziemlich  unklare  Beschreibung 
illustrieren,  gestatten  es  sich  in  den  Beobachtungen  von  Miss  Claypole 
zurechtzufinden  und  das  richtige  von  dem  irtümlichen  zu  unterscheiden. 
—  Der  erste  Entwicklungsweg  der  Genitalzellen  in  den  Somiten  und 
die  hier  vor  sich  gehende  Entstehung  der  Gonaden  aus  denselben 
(Fig.  50,  52,  53,  58)  in  der  Arbeit  von  Miss  Claypole  stimmen  völlig 
mit  dem  überein,  was  wir  bei  der  Entwicklung  von  Isotoma  cinerea 
kennen  gelernt  haben.  Auf  den  Zeichnungen  Fig.  55 — 57  dagegen, 
welche  den  zweiten  Entwicklungsweg  der  Genitalzellen  außerhalb  der 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  40 


616  Jur.  Philiptschenko, 

Somiten  und  ihr  Eindringen  in  den  Dotter  verdeutlichen,  erkennen 
wir  nichts  andres,  als  das  schon  früher  von  uns  beschriebene  Ausein- 
anderkriechen der  Zellen  der  bis  dahin  in  dem  Dotter  eingeschlossenen 
Genitalanlage  und  ihr  Eindringen  in  die  abdominalen  Somiten.  Der 
Irrtum  von  Miss  Claypole  bestand  darin,  daß  sie  von  der  Entstehung 
der  Genitalzellen  aus  den  Wandungen  der  Somiten  überzeugt  war, 
weshalb  sie  das  Auseinanderkriechen  der  Zellen  der  Genitalanlage  und 
ihr  Eindringen  in  die  Somiten  für  die  von  ihr  beschriebene  zweite 
Entwicklungsweise  der  Genitalzellen  außerhalb  der  Somiten  angesehen 
hat.  In  Wirklichkeit  stellen  ihre  Fig.  50 — 58  jene  einzige  Entwicklungs- 
weise der  Gonaden  dar,  wie  sie  auch  bei  unsrer  Isotoma  vorliegt:  die 
Fig.  55 — 57  beziehen  sich  auf  die  erste  Phase  dieses  Prozesses,  das 
Hineindringen  der  Zellen  der  Genitalanlage  aus  dem  Dotter  in  die 
Somiten,  die  übrigen  Figuren  dagegen  auf  die  zweite  Entwicklungs- 
phase, d.  h.  auf  die  in  diesen  Somiten  vor  sich  gehende  Bildung  der 
Gonaden.  —  Diese  Zeichnungen  können  unter  anderm  auch  als  Beweis 
dafür  gelten,  daß  eine  ebensolche  Genitalanlage  wie  bei  Isotoma  wahr- 
scheinlich auch  bei  vielen  andern  Collembola  vorhanden  ist,  unter 
andern  auch  bei  Anurida  maritima. 

Was  den  Dotter  in  den  Gonaden  des  ausgeschlüpften  Tieres  betrifft, 
so  habe  ich  bei  Isotoma  nichts  derartiges  bemerkt.  Es  wäre  zu  kühn 
auf  Grund  meiner  Beobachtungen  dessen  Anwesenheit  in  den  Gonaden 
von  Anurida  direkt  widersprechen  zu  wollen,  doch  muß  ich  immerhin 
bemerken,  daß  auch  diese  Beobachtung  von  Miss  Claypole  mir  zweifel- 
haft erscheint.  Miss  Claypole  färbte  ihre  Präparate  mit  Orange-G, 
welches  nicht  nur  den  Dotter  färbt,  sondern  auch  noch  alle  möglichen 
oxyphilen  (albuminoiden)  Körner,  wie  sie  bei  den  Collembola  ziem- 
lich stark  verbreitet  sind  [bezüglich  dieser  Körner  vgl.  eine  meiner 
früheren  Arbeiten  (1906)].  Auf  der  Fig.  64  der  Arbeit  von  Miss  Clay- 
pole sind  unzweifelhaft  solche  Körner  abgebildet  {f.g),  allein  der 
Autor  hält  auch  sie  für  Überreste  des  Dotters.  Vielleicht  waren  der- 
artige Dotterkörnchen  auch  in  den  Genitalorganen  der  aus  dem  Ei 
geschlüpften  Anurida  enthalten? 

Die  Beobachtungen  von  Miss  Claypole  einer  kompakten  Mittel- 
darmanlage wie  bei  den  Diplopoda  und  des  Fehlens  von  Dotter  in 
deren  Höhlung  beruhen,  wie  dies  aus  eben  dieser  Fig.  64  zu  ersehen  ist, 
auf  schwerem  Irrtum,  indem  auf  dieser  Figur  der  Mitteldarm  gerade 
noch  dicht  mit  Dotter  angefüllt  abgebildet  ist.  In  seinem  Texte  be- 
zeichnet der  Autor  ihn  als  "a  large  irregulär  sac  filled  with  yellow 
material"  und  bringt  ihn  in  irgendeinen  (mir  nicht  ganz  verständlichen) 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  617 

Zusammenhang  mit  dem  Genitalapparat.  —  Mit  einem  Worte,  alle 
(dabei  sehr  sorgfältig  ausgeführten)  Zeichnungen  in  der  Arbeit  von 
Miss  Claypole  sprechen  in  der  entschiedensten  Weise  gegen  alles,  was 
dieser  Autor  in  derselben  über  die  Entwicklung  des  Genitalapparates 
mitteilt,  und  man  kann  aus  denselben,  im  Gegensatz  zu  den  Angaben 
des  Autors,  darauf  schließen,  daß  seine  Entwicklung  bei  Anurida  ebenso 
verläuft,  wie  bei  Isotoma,  d.  h.  nach  dem  gleichen  Typus,  wie  dies  sowohl 
bei  den  Pterygota,  als  auch  bei  den  Apterygota  der  Fall  ist. 

Bei  der  Entwicklung  der  Gonaden  von  Anurida  differenziert  sich 
in  diesen  schon  frühe  eine  schmale  »cephalic  elongation«  oder  ein 
Ligament,  welches  eine  Fortsetzung  der  Gonade  nach  vorn  bildet  und, 
ohne  Genitalzellen  in  sich  zu  enthalten,  nur  aus  mesodermalen  Ele- 
menten besteht.  Miss  Claypole  erblickt  in  diesem  Gebilde  den  Über- 
rest des  Genitalganges  der  Gonade,  welcher  einstmals,  wie  dies  noch 
jetzt  bei  den  Symphyla  und  Diplopoda  der  Fall  ist,  im  ersten 
Abdominalsegmente  ausmündete . 

Bei  unsrer  Isotoma  ist  ein  solches  Verhalten  nicht  vorhanden, 
doch  scheint  mir  diese  Annahme  nichtsdestoweniger  recht  glaubwürdig. 
Die  Theorie  von  dem  Vorhandensein  zweier  Paare  Genitalöffnungen 
bei  den  Vorfahren  der  Insekten,  und  zwar  einer  am  Ende  des  Abdomens, 
der  andern  im  vierten  Rumpfsegmente,  war  schon  längst  von  Grassi 
(1888)  aufgestellt  worden,  welcher  zu  deren  Bekräftigung  auf  das 
Vorhandensein  einer  Zone  besonderer  Härchen  zwischen  den  rudimen- 
tären Füßen  des  ersten  Abdominalsegmentes  von  Campodea  hingewiesen 
hatte,  die  ein  sekundäres  Geschlechtsmerkmal  des  Männchens  dar- 
stellt. Späterhin  war  es  mir  gelungen,  bei  dieser  Form  das  Vorhanden- 
sein von  Anhäufungen  eigenartiger  einzelliger  Drüsen  unter  den  er- 
wähnten Härchen  nachzuweisen,  welche  ebenfalls  nur  bei  den  Männ- 
chen vorhanden  waren  (1905a).  —  Wenn  wir  diese  Tatsachen  mit  den 
Beobachtungen  von  Miss  Claypole  über  die  frühe  Anlage  des  Liga- 
ments bei  Anurida  vergleichen,  so  werden  wir  der  Theorie  von  Grassi 
einen  beträchtlichen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  zusprechen  müssen. 

VII.  Allgemeiner  Teil. 
1.  Über  die  frühzeitige  Sonderung  der  Genitalanlage  bei  den  Insekten. 
Vor  20  Jahren  sind  in  dem  klassischen  Lehrbuche  der  Embryologie 
der  wirbellosen  Tiere  von  Korschelt  und  Heider  (1892)  nur  zwei 
Fälle  frühzeitiger  Sonderung  der  Genitalanlage  bei  den  Insekten  an- 
geführt worden,  und  zwar  bei  den  Diptera  und  bei  den  Aphidae; 
diese  Fälle  waren  schon  im  Jahre  1866  von  Metschnikoff  entdeckt 

40* 


618  Jur.   Philiptschenko, 

und  hierauf  von  einer  Reihe  späterer  Autoren  bestätigt  worden.  Auch 
die  Verfasser  zweier  spezieller  Untersuchungen  über  die  Entwicklung 
der  Genitalorgane  bei  den  Insekten,  welche  fast  gleichzeizig  mit  dem 
oben  erwähnten  Lehrbuche  erschienen,  und  zwar  Heymons  (1891) 
und  Wheeler  (1893)  hielten  die  Annahme  von  einem  mesodermalen 
Ursprung  der  Genitalzellen  der  Insekten,  wie  dies  auch  bei  den  Anneliden 
der  Fall  ist,  aufrecht.  Gegenwärtig  sind  jedoch  schon  so  viele  Fälle 
einer  frühzeitigen,  von  den  Keimblättern  unabhängigen  Sonderung 
dieser  Zellen  beschrieben  worden,  daß  man  wohl  eher  diese  Entstehungs- 
weise als  die  Regel  und  die  Fälle  einer  mesodermalen  Entstehung  als 
Ausnahmen  ansehen   kann,    statt   des   umgekehrten   Verhaltens. 

Im  Jahre  1895  stellte  Heymons  die  frühzeitige  Entstehung  der 
Genitalanlage  bei  Forficula  und  den  Orthopteren  fest,  wobei  er  seinen 
früheren  Standpunkt  aufgab  und  nunmehr  annahm,  daß  die  Genital- 
zellen Bildungen  sui  generis  darstellen  und  keinem  der  Keimblätter 
angehören.  Nach  den  späteren  Untersuchungen  des  gleichen  Autors 
(1896a,  1897a)  findet  eine  ebenso  frühe  Absonderung  dieser  Zellen 
auch  bei  Lepisma  und  vielleicht  auch  bei  den  Odonaten  statt. 

Etwas  später  fand  Lecaillon  (1898)  die  gleichen  Verhältnisse 
auch  bei  der  Entwicklung  der  Chrysomeliden,  was  späterhin  durch 
Friederichs  (1906),  Hirschler  (1909b)  und  Hegner  (1901)  bestätigt 
worden  ist.  Eine  frühzeitige  Anlage  der  Genitalanlage  hält  auch 
Saling  (1907)  bei  Tenebrio  molitor  für  sehr  wahrscheinlich. 

Für  die  Schmetterlinge  war  das  gleiche  Verhalten  schon  in  der 
alten  Arbeit  von  Woodworth  über  die  Entwicklung  von  Vanessa 
antiopa  (1889)  beschrieben,  hierauf  dann  auch  von  Schwangart  (1905) 
bei  Endromis,  Sphinx  und  Zygaena  nachgewiesen  worden.  —  Hierher 
gehören  auch  die  Beobachtungen  von  Petrunke  witsch  über  die  Ent- 
stehung der  Genitalzellen  bei  den  Drohnen  (1903),  obgleich  der  von 
ihm  beschriebene  Fall  (Herkunft  aus  den  Richtungskörpercken)  ganz 
vereinzelt  unter  allen  andern  Fällen  dasteht. 

Bei  Isotoma  cinerea  ist  die  Genitalanlage,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  zu  der  Zeit,  wo  das  Ei  sich  mit  dem  Blastoderm  umgibt,  schon 
völlig  deutlich  abgesondert,  wobei  die  Differenzierung  dieses  letzteren 
in  die  primären  Keimblätter  erst  später  vor  sich  geht.  Diese  Anlage 
verbleibt  hier  lange  Zeit  hindurch  in  Gestalt  eines  selbständigen  Zell- 
häufchens im  Dotter  und  erst  zu  Beginn  der  vierten  Entwicklungs- 
periode  erfolgt  das  Eindringen  der  Genitalzellen  in  die  Somiten.  — 
Oben  ist  auch  schon  darauf  hingewiesen  worden,  daß  die  gesamte 
Genitalanlage    sehr    möglicherweise    aus    einer    bestimmten    Zelle    des 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  .  619 

16-  oder  32zelligen  Stadiums  hervorgeht,  obgleich  es  mir  nicht  gelungen 
ist,  dies  völlig  genau  festzustellen.  Sollte  diese  Annahme  der  Wirklich- 
keit entsprechen,  so  würden  wir  bei  Isotoma  cinerea  eine  ebenso  früh- 
zeitige Sonderung  der  Genitalanlage  vor  uns  haben,  wie  die  kürzlich 
von  Hasper  bei  Chironomus  (1911)  beschriebene.  —  Die  Vergleichung 
der  früheren  Angaben  über  die  Entwicklung  der  Collembola  mit  der 
Embryologie  unsrer  Isotoma  endlich  gestattet  es  uns  anzunehmen, 
daß  bei  einigen  andern  Vertretern  dieser  Ordnung  eine  ebenso  früh- 
zeitige Absonderung  der  Genitalanlage  stattfindet,  wie  bei  dieser 
Form. 

Die  Collembola  schließen  in  dieser  Hinsicht  die  Reihe  ähnlicher 
Fälle  in  andern  Gruppen  und  man  kann  jetzt  mit  vollem  Rechte  behaup- 
ten, daß  es  nicht  eine  einzige  größere  Ordnung  von  Insekten  mehr 
gibt,  in  welcher  nicht  wenigstens  ein  oder  mehrere  Fälle  einer  Ab- 
sonderung der  Genitalzellen  vor  der  Differenzierung  der  Keimblätter 
und  unabhängig  von  diesen  bekannt  wären.  —  In  dieser  Frage  entbehren 
die  negativen  Befunde,  mehr  als  irgendwo  anders,  irgendwelcher  Be- 
deutung: sind  bei  dem  Embryo  irgendeines  Insektes  Genitalzellen  erst 
nach  erfolgter  Bildung  der  Somiten  bemerkt  worden,  so  wird  man, 
gestützt  auf  eine  Reihe  entgegengesetzter  positiver  Befunde,  viel  eher 
annehmen  können,  daß  entweder  der  betreffende  Autor  diese  Zellen 
auf  früheren  Entwicklungsstadien  nicht  beachtet  hat,  oder  aber  daß 
diese  Zellen  um  diese  Zeit  noch  nicht  von  den  übrigen  Zellen  zu  unter- 
scheiden sind.  Beide  Annahmen  sind  durchaus  zulässig:  man  braucht 
sich  nur  daran  zu  erinnern,  welch  große  Rolle  bisweilen  diese  oder  jene 
Methode  der  Fixierung  und  Färbung  spielt,  ohne  welche  gewisse  Einzel- 
heiten des  Baues  ganz  unbemerkt  bleiben,  um  die  erstere  Annahme 
selbst  für  die  Arbeiten  der  hervorragendsten  Autoren  für  durchaus 
möglich  anzusehen.  Was  nun  die  zweite  Annahme  betrifft,  so  sind 
angesichts  des  Vorhandenseins  morphologisch  nicht  zu  unterscheidender 
»physiologischer«  Arten,  Fälle  einer  völligen  äußerlichen  Übereinstim- 
mung bereits  differenzierter  Genitalzellen  mit  den  sie  umgebenden 
somatischen  Zellen  gewiss  mehr  als  möglich. 

Gegenwärtig  sind  wir,  wie  mir  scheint,  durchaus  in  der  Lage,  die 
Frage  über  die  Herkunft  der  Genitalzellen  bei  den  Insekten  in  folgender 
Weise  zu  formulieren:  als  Regel  für  alle  Insekten  gilt  eine  Son- 
derung der  Genitalzellen  noch  vor  der  Differenzierung  der 
Keimblätter  aus  den  Zellen  des  Blastoderms,^"  bisweilen 
sogar  aus  bestimmten  Furchungszellen;  in  einigen  Fällen 
werden    die    wahrscheinlich    bereits    zuvor    differenzierten 


620  Jur.   Philiptschenko, 

Genitalzellen  erst  in  den  Wandungen  der  Somiten  be- 
merkbar. 

Höchstwahrscheinlich  wird  sich  diese  Formulierung  indessen  nicht 
nur  auf  alle  Insekten,  sondern  auch  noch  auf  andre  Klassen  der  Arthro- 
poden anwenden  lassen.  Es  mag  hier  auf  zahlreiche  diesbezügliche, 
die  Crustaceen  betreffende  Angaben  hingewiesen  sein,  und  zwar  auf 
die  Beobachtungen  von  Grobben  (1879),  Schimkewitsch  und  Peda- 
schenko  (1893,  zitiert  nach  Schimkewitsch),  J.  Wagner  (1896), 
Hacker  (1897)  und  Pedaschenko  (1899),  welche  Vertreter  der  ver- 
schiedensten Ordnungen  dieser  Klasse  zum  Gegenstande  haben.  Für 
die  Arachnoideen  liegen  ganz  analoge  Angaben  vor,  und  zwar  bezüglich 
der  Phalangiden  [Faussek  (1891)  und  eine  Berichtigung  dieser  Be- 
obachtungen von  Schimkewitsch  (1898)],  des  Scorpiones  [Brauer 
(1894)]  und  Solpuga  [Heymons  (1905)];  es  mag  hier  auch  auf  die 
interessanten  Betrachtungen  von  Schimkewitsch  (1906)  bezüglich  der 
Bedeutung  des  Cumulus  primitivus  bei  den  Spinnen  hingewiesen 
werden.  Eine  frühzeitige  Sonderung  der  Genitalanlage  ist  endlich 
auch  bei  einem  Vertreter  der  Myriopoda  sehr  wahrscheinlich,  und 
zwar  für  Scolopendra,  nach  den  Beobachtungen  von  Heymons  (1901). 
Gar  keine  diesbezüglichen  Angaben  liegen  für  die  Onychophora  vor, 
deren  Entwicklung,  trotz  einer  recht  beträchtlichen  Menge  von 
Arbeiten,  noch  nicht  erschöpfend  aufgeklärt  ist. 

Eine  frühzeitige  und  von  den  Keimblättern  unabhängige  Sonderung 
der  Genitalanlage  bildet  demnach  die  Regel  nicht  nur  für  alle  Insekten, 
sondern  wohl  auch  für  alle  Arthropoden  überhaupt,  und  wir  haben 
diese  Erscheinung  als  eine  primäre  anzusehen,  worauf  unter  andern  auch 
schon  Heymons  (1895),  J.  Wagner  (1896)  und  Pedaschenko  (1899) 
hingewiesen  haben. 

Eine  Besprechung  der  Frage  nach  der  Entwicklung  der  Genital- 
zellen in  andern  Typen  des  Tierreiches  geht  über  die  Grenzen  der  vor- 
liegenden Arbeit  hinaus,  doch  kann  ich  trotzdem  nicht  umhin  darauf 
hinzuweisen,  daß  eine  Verbreitung  unsrer  Auffassung  auf  sämtliche 
Metazoa  mir  am  wahrscheinlichsten  und  als  am  besten  mit  allem  dem 
in  Übereinstimmung  erscheint,  was  uns  überhaupt  über  die  Genital- 
zellen und  deren  Beziehungen  zu  den  somatischen  Zellen  bekannt  ge- 
worden ist.  Allerdings  sind  in  andern  Typen  viel  weniger  derartige 
Fälle  bekannt  [ich  führe  hier  keine  Aufzählung  derselben  an,  da  eine 
Zusammenstellung  der  diese  Frage  berührenden  Angaben  in  der  zweiten 
Auflage  des  Lehrbuches  von  Korschelt  und  Heider  (1902)  enthalten 
ist],  doch  ist  dabei  Folgendes  zu  berücksichtigen.    Erstens  sind  diese 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  621 

Fälle  über  das  gesamte  Tierreich  zerstreut,  indem  sie  bei  so  weit  von- 
einander stehenden  Tieren  angetroffen  werden,  wie  Sagitta,  Ascaris, 
den  Teleostei  und  Selachia,  den  Mollusca  und  augenscheinlich 
auch  bei  den  Coelenterata.  Zweitens  bedarf  diese  Frage  in  Bezug 
auf  eine  ganze  Reihe  von  Formen,  über  deren  Entwicklung  wir  nur 
Arbeiten  besitzen,  die  um  20 — 30  Jahre  zurückliegen,  unbedingt  einer 
erneuten  Untersuchung.  Daß  eine  solche,  mit  Hilfe  neuerer  Methoden 
ausgeführte  Nachprüfung  älterer  Befunde  sehr  wichtige  Resultate  er- 
geben kann,  ersieht  man  aus  dem  Vergleiche  dessen,  wie  viele  Fälle 
einer  frühzeitigen  Sonderung  der  Genitalanlage  bei  den  Insekten  bis 
zu  dem  Jahre  1895  bekannt  waren,  und  wie  viele  wir  deren  jetzt 
kennen. 

Wir  haben  uns  hier  eingehender  mit  dieser  Frage  beschäftigt,  ob- 
gleich die  Auffassung  von  der  primären  Natur  einer  frühzeitigen  Son- 
derling der  Genitalanlage  schon  recht  viele  Anhänger  zählt,  und  zwar 
zum  Teile  aus  dem  Grunde,  weil  Erwiderungen  gegen  diese  An- 
schauung gerade  in  einigen  Arbeiten  über  die  Embryologie  der  Arthro- 
poden ausgesprochen  wurden.  Diese  Erwiderungen  erfordern  eine 
etwas  eingehendere  Besprechung. 

Wir  haben  bereits  bemerkt,  daß  Heymons  in  seiner  Arbeit  über 
die  embryonale  Entwicklung  der  Dermaptera  und  Orthoptera 
(1895)  die  Theorie  von  der  Unabhängigkeit  der  Genitalzellen  von. den 
Keimblättern  sowohl  für  die  Insekten  wie  auch  für  das  gesamte  Tier- 
reich aufrecht  erhalten  will.  In  seinen  späteren  Arbeiten  teilt  er  eine 
Reihe  neuer  Beispiele  ähnlicher  Art  mit,  allein  in  einer  seiner  letzten 
Arbeiten  scheint  er  meiner  Ansicht  nach  seine  Auffassung  wiederum 
schroff  zu  ändern,  indem  er  schreibt:  »Es  unterliegt  keinem  Zweifel, 
daß  es  bei  den  letztgenannten  Insekten«  (mit  frühzeitiger  Sonderung 
der  Genitalanlage)  »wohl  erst  sekundär  zu  einer  solchen  Beschleunigung 
in  der  deutlichen  Absonderung  und  Differenzierung  der  Fortpflanzungs- 
zellen gekommen  sein  wird,  denn  die  Verlegung  der  Genitalzellen- 
bildung  in  die  frühesten  Stadien  des  Embryonallebens  hinein,  kann 
unmöglich  als  eine  ursprüngliche  Eigenschaft  aufgefaßt  werden.«  (1901, 
S.  186).  —  Mir  ist  die  Ursache  dieses  neuen  Gesichtspunktes  des  Autors 
um  so  weniger  verständlich,  als  derselbe  bei  den  Embryonen  der  gleichen 
Scolopendra,  auf  welche  sich  diese  Arbeit  bezieht,  das  Vorhandensein 
eines  besonderen  Zellhäufchens  am  hinteren  Ende  der  Keimscheibe  für 
sehr  wahrscheinlich  hält,  dessen  Elemente  sich  zur  Zeit  der  Keimblätter- 
bildung differenzieren  und  die  Rolle  von  »Trägern  des  Keimplasmas« 
spielen,   »welches  ....  bei  den  Eiern  aller  oder  doch  wenigstens  der 


622  Jur.  Philiptschenko, 

Mehrzahl  der  Arthropoden  am  vegetativen  Eipole  oder  dem  Hinterende 
der  Keimanlage  gelegen  ist«  (S.  187). 

In  der  schon  mehrfach  angeführten  Arbeit  von  Hirschler  über 
die  Entwicklung  von  Donacia  (1909b)  treffen  wir  ebenfalls  die  Auf- 
fassung, daß  die  frühe  Absonderung  der  Genitalzellen  wie  bei  dieser 
Form,  so  auch  bei  andern  Insekten  eine  sekundäre  Erscheinung  dar- 
stelle. Der  Verfasser  hält  dieselbe  für  eine  Neubildung  in  der  Klasse 
der  Insekten,  da  sie  bei  den  Onychophora,  Myriopoda  und  Aptery- 
gota  fehlt.  —  Letztere  Behauptung  beruht  indessen  offenbar  auf 
Irrtum,  indem  schon  lange  vor  dem  Erscheinen  der  HiRSCHLERschen 
Arbeit  diesbezügliche  Beobachtungen  von  Heymons  über  Scolopendra 
und  Lepisma  vorlagen.  Darauf,  daß  die  Apterygota  viel  mehr  durch 
frühe  Absonderung  der  Genitalanlage  charakterisiert  sind,  als  durch 
die  Abwesenheit  dieser  Eigenschaft,  ist  schon  oben  hingewiesen  worden. 
Von  Myriopoden  ist  einstweilen  nur  Scolopendra  in  embryologischer 
Hinsicht  mit  genügender  Vollständigkeit  untersucht  worden;  dagegen 
sind  neue  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  Onychophora 
ebenfalls  im  höchsten  Maße  erwünscht,  wobei  zu  bemerken  ist,  daß, 
falls  diese  Erscheinung  bei  ihnen  auch  nicht  festgestellt  werden  sollte, 
dieses  negative  Ergebnis  trotzdem  nicht  zu  Ungunsten  unsres  Gesichts- 
punktes sprechen  würde. 

Auf  einen  recht  interessanten  Standpunkt  in  bezug  auf  die  frühe 
Sonderung  der  Genitalzellen  hat  sich  Schimke  witsch  gestellt,  welchen 
er  schon  im  Jahre  1896  erstmals  eingenommen  und  in  seiner  Arbeit 
über  die  Entwicklung  von  Telyphonus  (1906)  eingehender  entwickelt  hat. 
Nach  der  Auffassung  dieses  Autors  hat  man  alle  derartigen  Fälle  als 
einen  Übergang  zu  der  teloblastischen  Anlage  der  Genitalorgane  an- 
zusehen: »berücksichtigt  man  jedoch  die  Fälle  von  noch  frühzeitigerer 
Differenzierung  der  Genitalanlage,  so  kann  man  diese  als  Anzeichen 
einer  teloblastischen  Anlage  der  Genitalanlage  betrachten«  (S.  15  des 
Separatabdruckes).  —  Dieser  Auffassung  haben  sich  auch  die  Anhänger 
der  Genitocöltheorie  —  E.  Meyer  (1901)  und  Lang  (1903)  —  ange- 
schlossen. 

Einige  Fälle  frühzeitiger  Sonderung  der  Genitalzellen  bei  den 
Insekten,  so  z.  B.  bei  den  Diptera,  in  Gestalt  einiger  Polzellen  am 
hinteren  Eiende,  erinnern  in  der  Tat  an  die  Entwicklung  mit  Hilfe 
von  Teloblasten.  Allein  auf  andre  Fälle  der  gleichen  Art  läßt  sich 
diese  Auffassung  nur  schwer  ungezwungen  anwenden:  ich  will  hier 
zum  Beispiel  auf  Forficula  und  die  Orthopteren  hinweisen,  bei  denen 
die  gleichzeitige  Versenkung  eines  ganzen  Häufchens  von  Zellen  in  den 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  623 

Dotter  mit  Hilfe  der  Genitalgrube  statt  hat.  Ferner  auf  überein- 
stimmende Verhältnisse  bei  den  Embryonen  der  Schmetterlinge  nach 
Schwangart  (1905),  endlich  auf  die  mehrzellige  Genitalanlage  bei 
unsrer  Isotoma.  Ebenso  verhält  sich  die  Sache  nach  Brauer  auch  bei 
dem  Scorpione  und,  wenn  die  Betrachtungen  von  Schimke  witsch 
über  den  Cumulus  richtig  sind,  auch  bei  den  Spinnen. 

Allerdings  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  ja  es  ist  vielleicht 
sogar  wahrscheinlicher,  daß  in  allen  solchen  Fällen  eine  derartige  mehr- 
zellige Anlage  von  einer  bestimmten  Zelle  irgendeines  Furchungs- 
stadiums  abstammt,  und  vielleicht  sogar  schon  in  einem  bestimmten 
Teile  des  Eies  lokalisiert  ist.  Allein  eine  solche  Entwicklung  kann  als 
determinativ,  in  keiner  Weise  aber  als  teloblastisch  bezeichnet  werden : 
diese  beiden  Begriffe  stimmen  natürlich  nicht  miteinander  überein  und 
sind  keine  Synonyme.  —  Die  Determination  der  Genitalanlage  hindert 
uns  in  keiner  Weise  daran,  deren  frühe  Absonderung  als  eine  primäre 
Erscheinung  anzusehen,  da  nach  den  Arbeiten  der  letzten  Jahre,  die 
Annahme  meiner  Ansicht  nach  wohl  kaum  mehr  möglich  ist,  daß  die 
mosaikartige  Entwicklung,  gleich  der  teloblastischen,  zum  Zwecke 
einer  Beschleunigung  der  Entwicklung  entstanden  sei  und  einen  se- 
kundären Charakter  trage.  Gegenwärtig  wird  man  sich  eher  der  direkt 
entgegengesetzten  Auffassung  anschließen  können. 

Was  jene  Fälle  betrifft,  wo  bei  einer  frühzeitigen  Absonderung 
der  Genitalanlage  ihre  Entwicklung  an  die  teloblastische  Entwicklungs- 
weise erimiert,  so  wird  die  Annahme  richtiger  sein,  daß  letztere  sich 
hier  aus  der  noch  zuvor  stattgehabten,  ebenfalls  frühen  Sonderung 
dieser  Anlage  herausgebildet  hat.  Zugunsten  einer  derartigen  Auf- 
fassung kann  ich  auf  eine  andre,  übereinstimmende  Erscheinung  in 
der  Entwicklung  der  Insekten  hinweisen,  und  zwar  auf  die  Bildung 
ihres  Nervensystems  nach  der  teloblastischen  Entwicklungsweise  aus 
Neuroblasten.  Wheeler  (1893)  war  bestrebt  eine  Homologie  zwischen 
diesen  letzteren  und  den  Neuroteloblasten  der  Oligochaeta  und 
Hirudinea  durchzuführen,  allein  Heymons  (1895)  bewies  die  völlige 
Unannehmbarkeit  eines  solchen  Gesichtspunktes  und  stellte  fest,  daß 
im  gegebenen  Falle  nur  von  zwei  analogen  Fällen  die  Rede  sein  kann. 
Ebenso  wie  die  teloblastische  Anlage  des  Nervensystemes  bei  den  In- 
sekten rein  sekundär  und  zwar  zweifellos  später  als  die  übrigen,  für  die 
Insekten  und  andern  Arthropoden  gemeinsamen  Eigentümlichkeiten 
ihrer  Entwicklung  und  unabhängig  von  ihnen  entstanden  ist,  so  sind 
auch  die  Polzellen  der  Dipteren  und  die  ihnen  ähnlichen  Genitaltelo- 
blasten  der  übrigen  Arthropoden  unabhängig  voneinander  und  bereits 


624  Ju1-'  Philiptschenko, 

nach  der  allen  Arthropoden  gemeinsamen  frühzeitigen  Absonderung 
der  Genitalanlage  entstanden. 

Was  nun  die  Beziehungen  dieser  Erscheinung  zu  der  Genitocöl- 
theorie  betrif f t,  so  wollen  wir  uns  hier  nicht  bei  dieser  Frage  aufhalten ; 
letztere  Theorie  erscheint  mir  nur  als  eine  Hypothese,  die  frühzeitige 
Absonderung  der  Genitalanlage  dagegen  ist  eine  Tatsache,  und  die 
Auslegung  ihrer  Bedeutung  kann  naturgemäß  nicht  in  Abhängigkeit 
von  irgendeiner  Hypothese  gebracht  werden.  —  Die  Anerkennung  der 
Unabhängigkeit  der  Genitalzellen  selbst  von  den  primären  Keimblättern 
(wie  dies  unter  andern  auch  Korschelt  und  Heider  in  der  zweiten 
Auflage  ihres  Lehrbuches  getan  haben)  scheint  mir  gegenwärtig  durch 
die  vorliegenden  Beobachtungen  durchaus  begründet  zu  sein. . 

2.  Die  Bedeutung  der  Dotterzellen  bei  den  Arthropoden. 

Als  wir  oben  über  die  Entwicklung  des  Mitteldarmes  sprachen, 
haben  wir  auch  die  Auffassung  der  Dotterzellen  als  Entoderm  berührt. 
Diese  früher  allgemein  anerkannte,  dann  eine  Zeitlang  fast  verlassene 
und  hierauf  in  der  von  Heymons  aufgestellten  Theorie  von  neuem 
aufgenommene  Auffassung  kann  gegenwärtig  in  bezug  auf  die  Insekten 
nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden.  Das  primäre  Entoderm  dieser 
letzteren  ist  das  untere  Blatt  und  der  Mitteldarm  entsteht  überall 
nicht  aus  den  Dotterzellen,  sondern  aus  den  Elementen  dieses  unteren 
Blattes.  —  Unsre  Beobachtungen  über  Isotoma  cinerea  bieten  insofern 
Interesse,  als  durch  sie  eine  gleiche  Entstehung  des  Mitteldarmes 
auch  für  die  Apterygota  nachgewiesen  wird,  welche  bis  dahin  als 
wichtigstes  Bollwerk  für  die  HeymonsscIic  Theorie  gegolten  hatten. 
»  .  .  .  Für  die  Gruppe  der  Insekten  durch  die  Untersuchungen  an 
Lepisma  saccharina  zum  erstenmal  mit  Sicherheit  und  Bestimmtheit 
das  Entoderm  als  solches  nachgewiesen  worden  ist«  schreibt  dieser 
Autor  in  seiner  Arbeit  über  die  Entwicklung  von  Scolopendra  (1901, 
S.  202).  Oben  haben  wir  gesehen,  daß  dieser  Gesichtspunkt  kaum 
auf  Richtigkeit  Anspruch  machen  kann. 

Allerdings  besitzen  wir  bezüglich  der  Embryologie  der  Pterygota 
mehrere  neuere  Untersuchungen,  durch  welche  die  Annahme  einer 
Teilnahme  der  Dotterzellen  an  dem  Aufbau  des  Mesenteron  bestätigt 
wird:  hierher  gehören  die  Arbeiten  von  Tschuproff  (1903),  Dickel 
(1904)  und  Schwangart  (1904,  1905).  Allein  der  erste  dieser  Autoren 
beschreibt  gleichzeitig  auch  eine  Entstehung  des  vorderen  und  hinteren 
Mitteldarmdrittels  in  Gestalt  von  Auswüchsen  des  Storno-  und  Procto- 
däum  und  dieser  Umstand  veranlaßt  uns  allen  Beobachtungen  desselben 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  625 

mit  gewissem  Zweifel  gegenüberzutreten,  indem  alle  derartigen  Fälle 
nimmehr  als  auf  Irrtümern  begründet  angesehen  werden  können.  Dickel 
und  Schwangart,  welche  die  Dotterzellen  als  Entoderm  ansehen, 
stützen  sich  hauptsächlich  auf  indirekte  Angaben,  nicht  aber  auf  direkte 
Beobachtungen,  ferner  auch  auf  theoretische  Betrachtungen.  So  weist 
Schwangart  dabei  auf  den  Umstand  hin,  daß  er  alle  Übergänge  von 
den  Darm  bildenden  »blasigen  Zellen«  zu  echten  Dotterzellen  beobachtet 
hat,  was  ihn  zu  der  Annahme  veranlaßt,  daß  auch  letztere  an  der 
Bildung  des  Mesenteron  teilnehmen.  Das  Vorhandensein  solcher  Über- 
gänge ist  von  Hirschler  (1906)  nicht  bestätigt  worden,  allein  wenn 
solche  auch  existieren,  so  lassen  sie  sich  natürlich  viel  leichter  durch 
die  Entstehung  eines  Teiles  der  Dotterelemente  auf  Kosten  der  »blasigen 
Zellen«  erklären,  und  von  hier  bis  zur  Auffassung  der  Dotterzellen  als 
Entoderm  ist  noch  ein  weiter  Weg.  —  Überhaupt  muß  daraufhingewie- 
sen werden,  daß  sich  in  den  Arbeiten  von  Dickel  und  Schwangart 
ein  allzugroßer  Einfluß  der  Cölomtheorie  bemerkbar  macht,  wodurch 
diese  Autoren  sich  denn  auch  veranlaßt  fühlten,  eine  so  sonderbare 
Bildung,  wie  den  »dorsalen  Blastoporus«  zu  beschreiben,  welcher  sich 
später  nach  den  Beobachtungen  von  Hirschler  (1909a  u.  b)  einfach 
als  Kudiment  des  Dorsalorgans  der  Collembola  und  andrer  Arthro- 
poden erwiesen  hat.  —  Man  wird  sich  daher  jetzt  mit  den  Worten  von 
Nusbaum  und  Fulinski  einverstanden  erklären  müssen,  welche  in 
ihrer  letzten  Arbeit  folgendes  schreiben :  »Die  Vitellophagen  der  Insekten 
als  Entoderm  zu  bezeichnen,  halten  wir  für  ganz  unberechtigt«  (1909, 
S.  347),  und  die  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  von  Isotoma 
sind  nur  dazu  angetan  diesen  Gesichtspunkt  zu  bestätigen. 

Es  war  ferner  oben  schon  davon  die  Rede,  daß  auch  für  die  My- 
riopoda  und  Arachnoidea  eine  Teilnahme  der  Dotterzellen  an  der 
Mitteldarmbildung  nunmehr  als  ganz  ausgeschlossen  angesehen  werden 
muß,  da  dieselben  auch  bei  diesen  Arthropoden  nach  neueren  Beob- 
achtungen, wie  bei  den  Insekten,  aus  Elementen  des  unteren  Blattes 
hervorgehen. 

Eine  ziemlich  beträchtliche  Anzahl  von  Angaben  über  eine  Bildung 
des  Mitteldarmes  aus  Dotterzellen  liegt  gegenwärtig  für  die  Crustaceen 
vor  [vgl.  die  gute  Zusammenfassung  in  der  zweiten  Ausgabe  des  Lehr- 
buches von  Korschelt  und  Heider  (1910)].  Allein  es  fällt  hierbei 
auf,  daß  die  Zahl  solcher  Angaben  in  älteren  Arbeiten  zunimmt,  in 
allen  neueren  dagegen,  wo  die  Entstehung  des  Darmes  schon  in  andrer 
Weise  beschrieben  wird,  merklich  abnimmt;  dieser  Umstand  spricht 
stark  zu  Gunsten  der  Annahme,  daß  wir  auch  bei  den  Crustacea 


ß26  Jur>   Philiptschenko, 

nach  erneuter  Untersuchung  aller  dieser  Verhältnisse,  wie  bei  den  In- 
sekten, gezwungen  sein  werden,  uns  von  der  alten  Auffassung,  wonach 
die  Vitellophagen  den  Mitteldarm  entstehen  lassen,  loszusagen.  Wenig- 
stens hält  es  Nusbaum,  indem  er  sich  in  dem  oben  angeführten  Citat 
davon  enthält,  in  den  Dotterzellen  der  Insekten  deren  Entoderm  zu  er- 
blicken, schon  jetzt  für  möglich,  dies  damit  zu  begründen,  daß  »auch  bei 
sehr  vielen  Crustaceen  außer  den  gut  ausgesprochenen  Entoderm-  und 
Mesodermelementen  undifferenzierte  und  zugrunde  gehende  Vitellopha- 
gen im  Dotter  hervortreten«.  Wir  wollen  schließlich  noch  bemerken,  daß 
auch  bei  den  Onychophora  die  früheren  Autoren  in  den  Dotterzellen 
Entoderm  erblickt  haben,  während  in  einer  neueren  Arbeit  Evans 
(1902)  bereits  von  einem  selbständigen  Entoderm  spricht,  aus  dem 
später  Vitellophagen  hervorgehen  [welche  nach  seinen  Beobachtungen 
immerhin  an  der  Mitteldarmbildung  teilnehmen,  worüber  Heider  (1910) 
schon   Zweifel   ausgesprochen  hat]. 

Mit  einem  Worte,  die  uns  jetzt  vorliegenden  Angaben  sprechen 
stark  zugunsten  der  Annahme,  daß  die  Dotterzellen  nicht  nur  bei  den 
Insekten,  Myriopoden  und  Spinnen  (wo  dies  als  völlig  erwiesen  ange- 
sehen werden  kann),  sondern  wahrscheinlich  bei  allen  Arthropoden 
keinerlei  Anteil  an  dem  Aufbau  des  Mitteldarmes  nehmen  und  dem- 
nach kein  Entoderm  darstellen.  Nachdem  wir  dies  anerkannt  haben, 
werden  wir  nunmehr  feststellen  müssen,  was  denn  diese  Elemente 
eigentlich  darstellen. 

Die  Auffassung  der  Dotterzellen  als  Entoderm  war  hauptsächlich 
Dank  dem  Bestreben  entstanden,  bei  den  Insekten  eine  typische  zwei- 
schichtige Gastrula  nachzuweisen,  als  deren  Ectoderm  das  Blastodeim 
und  als  deren  Entoderm  der  Dotter  angesehen  wurde.  Selbst  Hey- 
mons  (1901)  geht  zur  Verbildlichung  seiner  Ansicht  von  der  emboli- 
schen Gastrula  der  Anneliden  aus  und  gibt  ein  ganzes  Schema  für 
die  Verwandlung  ihrer  Macromeren  und  eines  Teiles  der  Micromeren 
in  Dotterzellen  usw.  Mir  scheint  es,  daß  derartige  phylogenetische 
Spekulationen  im  Gebiete  der  Embryologie  nur  sehr  wenig  Nutzen 
bringen;  wenn  wir  auch  die  Abstammung  einer  Tiergruppe  von  einer 
andern  für  sehr  wahrscheinlich  ansehen  können,  so  folgt  doch  hieraus 
keinesfalls,  daß  man  die  Ontogenie  dieser  ersteren  direkt  von  der 
Ontogenie  ihrer  Vorfahren  ableiten  kann.  Die  Abstammung  der  In- 
sekten und  der  Arthropoden  überhaupt  von  annelidenähnlichen  Vor- 
fahren ist  im  speziellen  durchaus  wahrscheinlich,  allein  woher  wissen 
wir,  ob  letztere  eine  ebensolche  Gastrula  besessen  haben,  wie  die  jetzt 
lebenden  Anneliden  usw.    Das  Ergebnis  derartiger  »Phylogenien  der 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  627 

Ontogenien«  sind  denn  auch  solche  Begriffe  wie  »doppelte  Gastru- 
lation«,  »dorsaler  Blastoporus«  u.  a.  m.,  deren  Nutzen  für  die  Em- 
bryologie mehr  als  zweifelhaft  erscheint.  —  Indessen  besitzen  wir 
ganz  unanfechtbare  Angaben  für  die  Feststellung  der  Herkunft  und 
Bedeutung  der  Dotterzellen,  deren  Besprechung  wir  uns  nunmehr  zu- 
wenden wollen. 

Die  Anwesenheit  von  Vitellophagen  bei  den  Insekten  steht  zweifel- 
los im  Zusammenhange  mit  dem  Reichtum  ihrer  Eier  an  Dotter,  sowie 
mit  der  bei  ihnen  vorhandenen  superfiziellen  Furchimg.  Die  Ent- 
stehung dieser  letzteren  aus  der  totalen  kann  ebenfalls  keinem  Zweifel 
unterliegen,  da  eine  Reihe  von  Formen  vorliegt,  bei  denen  die  Furchung 
anfangs  eine  totale  ist,  sodann  aber  eine  superfizielle  wird:  diese 
Fälle  sind  besonders  gut  dazu  geeignet,  die  Bedeutung  der  Dotterzellen 
aufzuklären.  —  Gerade  dieser  Fall  ist  es,  welcher  bei  den  meisten 
Collembola  vorliegt,  darunter  auch  bei  unsrer  Isotoma.  Aus  der  Be- 
schreibung ihrer  Furchimg  haben  wir  bereits  ersehen,  daß  zuerst  eine 
kompakte  Morula  entsteht,  worauf  eine  Auswanderung  der  plasma- 
tischen Massen,  d.  h.  der  Furchungszellen,  nach  der  Eioberfläche  be- 
ginnt, während  ein  Teil  derselben  im  Dotter  verbleibt  und  sich  in 
Vitellophagen  verwandelt  (Taf.  X).  Diese  letzteren  sind  demnach 
einfach  die  im  Dotter  nachgebliebenen  Blastomeren,  welche  späterhin 
nicht,  wie  die  an  die  Oberfläche  getretenen,  an  dem  Aufbau  des  Embryo- 
körpers teilnehmen,  sondern  nur  zur  Resorption  des  Dotters  dienen. 
Für  die  Annahme,  daß  im  Dotter  nur  die  zukünftigen  Entoderm- 
elemente  zurückbleiben,  liegen  nicht  die  geringsten  Angaben  vor,  um 
so  mehr  als  die  Differenzierung  der  Keimblätter  erst  viel  später 
eintritt  und  vor  diesem  Zeitpunkt  keinerlei  Unterschied  zwischen  den 
Blastomeren  zu  bemerken  ist. 

Es  scheint  mir,  als  finde  hier  eine  vollständige  Wiederholung  der 
Phylogenie  durch  die  Ontogenie  statt:  bei  den  Vorfahren  der  recenten 
Arthropoden  war  die  Furchimg  eine  totale,  als  aber  ihre  Eier  reicher 
an  Dotter  wurden,  begann  dieselbe  in  ihren  letzten  Stadien  (wie  noch 
jetzt  bei  den  Collembola  und  vielen  andern)  in  eine  superfizielle 
Furchimg  überzugehen  und  verwandelte  sich  endlich  in  eine  typisch 
superfizielle.  Dabei  mußten  die  Furchungszellen  schon  aus  dem  Dotter 
an  die  Eioberfläche  herauswandern,  um  den  Körper  des  Embryos  an 
derselben  zu  bilden,  gleichzeitig  mußte  aber  auch  im  Dotter  eine  ge- 
wisse Anzahl  von  zelligen  Elementen  zurückbleiben,  um  denselben 
zu  resorbieren.  Letztere  Bedingung  wurde  auf  die  Weise  erfüllt,  daß 
ein  Teil  der  Blastomeren  gleichsam  im  Dotter  stecken  blieb  und  gar 


628  Jur.  Philiptschenko, 

nicht  an  die  Eioberfläche  wanderte,  sondern  sich  in  Vitellophagen  ver- 
wandelte. —  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet,  welcher  mir 
der  einfachste  und  daher  auch  der  wahrscheinlichste  zu  sein  scheint, 
erscheinen  die  Dotterzellen,  sowohl  während  der  Ontogenie  als  auch 
in  phylogenetischer  Hinsicht,  einfach  im  Dotter  stecken  gebliebene 
Blastomeren  darzustellen:  da  dieses  vor  der  Differenzierung  der  Keim- 
blätter vor  sich  geht,  wo  noch  kein  Unterschied  zwischen  den  Fur- 
chimgsprodukten  besteht,  so  ist  es  ganz  unrichtig,  die  Dotterzellen 
mit  irgendeinem  der  Keimblätter  in  Verbindung  zu  bringen  oder  Ento- 
derm  in  ihnen  zu  erblicken.  Cholodkovsky  (1891)  hatte  die  Dotter- 
zellen schon  längst  als  Parablast  bezeichnet,  indem  er  unter  dieser 
Bezeichnung  die  Produkte  der  Furchung  verstand,  welche  in  keines 
der  Blätter  übergehen;  dieser  Ansicht  wird  man  sich  auch  jetzt  noch 
voll  und  ganz  anschließen  können. 

Dieses  ist  die  morphologische  Bedeutung  der  Vitellophagen;  was 
deren  physiologische  Bedeutung  betrifft,  so  hatte  dieselbe  zu  keiner 
Zeit  besondere  Bedenken  hervorgerufen.  Es  wurden  allerdings  Ver- 
suche unternommen,  in  ihnen  ein  »Schutzgerüst«  des  Embryos  zu 
erblicken  (Noak),  allein  die  meisten  Autoren  sind  jedenfalls  der  An- 
sicht, daß  diese  Zellen  vorzugsweise  eine  Kolle  in  dem  Prozesse  der 
Assimilation  des  Dotters  spielen,  d.  h.  daß  sie  embryonale  Trophocyten 
darstellen,  wie  Heymons  sie  in  sehr  treffender  Weise  genannt  hat. 

Wir  haben  nunmehr  nur  noch  einige  Worte  darüber  zu  sagen, 
welche  Entstehungsweise  der  Dotterzellen  als  die  ursprüngliche  an- 
zusehen ist.  Bekanntlich  werden  die  Dotterzellen  bei  einigen  Insekten, 
wie  bei  unsrer  Isotoma,  nur  aus  den  im  Dotter  verbliebenen  Furchungs- 
zellen  gebildet,  allein  viel  häufiger  wird  die  Zahl  außerdem  noch  durch 
Lostrennung  neuer  Elemente  vom  Blastoderm  ergänzt;  bei  sehr  wenigen 
Formen  endlich  (wie  z.  B.  bei  Campodea,  Gryllotalpa  u.  a.)  treten  alle 
Furchungsprodukte  an  die  Oberfläche  hervor  und  der  Dotter  enthält 
eine  Zeitlang  keinerlei  zellige  Elemente,  worauf  alle  Dotterzellen  durch 
Abspaltung  vom  Blastoderm  gebildet  werden.  Als  primäre  Erschei- 
nung kann  natürlich  entweder  diese  letztere  Bildungsweise  gelten, 
oder  aber  die  erstere,  welche  bei  Isotoma  cinerea  statthat;  der  am 
weitesten  verbreitete  Fall  —  die  Entstehung  der  Vitellophagen  sowohl 
aus  im  Dotter  zurückgebliebenen  Blastomeren,  wie  auch  aus  dem 
Blastoderm,  —  bildet  jedenfalls  den  Übergang  von  dem  einen  dieser 
äußersten  Typen  (dem  primären)  zum  andern  (dem  secundären). 

Lange  Zeit  hindurch  wurden  diejenigen  Verhältnisse  für  die  ur- 
sprünglicheren gehalten,  welche  bei  Campodea  und    Gryllotalpa  statt 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  b29 

haben,  d.  h.  die  ausschließliche  Bildung  der  Dotterzellen  auf  Kosten 
des  Blastoderms.  Diese  Auffassung  hatte  sowohl  in  dem  Lehrbuche 
von  Korschelt  und  Heider,  wie  auch  in  den  Arbeiten  vieler  späteren 
Autoren  Aufnahme  gefunden;  die  gleiche  Auffassung  vertrat  auch 
Heymons  (1895)  in  seiner  Arbeit  über  die  Entwicklung  der  Derma  - 
ptera  und  Orthoptera.  In  seiner  späteren  Arbeit  über  die  Ent- 
wicklung von  Sooh'pendra  ändert  er  indessen  seine  Meinung  und  ist 
der  Ansicht,  daß  die  Entfernung  nicht  aller,  sondern  nur  eines  Teiles 
der  Blastomeren  aus  dem  Dotter  an  die  Oberfläche  das  ursprünglichere 
Verhalten  darstelle:  »der  ursprüngliche  Entwicklungstypus«,  schreibt 
dieser  Autor,  »besteht  vermutlich  darin,  daß  der  Dotter  bereits  bei 
den  ersten  Teilungen  abgefurcht  wurde,  daß  die  Dottersubstanz  nicht 
intercellulär,  sondern  intracellulär  verblieb,  und  daß  mithin  die  Seg- 
mentation  eine  totale  war«  (1911,  S.  22). 

Ich  schließe  mich  dem  von  Heymons  aufgestellten  Gesichtspunkte 
voll  und  ganz  an.  Hält  man  in  der  Tat  die  Dotterzellen  für  Entoderm, 
so  ist  deren  Entstehung  ein  Gastrulationsprozeß,  und  dann  stellen 
diejenigen  Fälle,  wo  sich  sämtliche  Dotterzellen  vom  Blastoderm  ab- 
ablösen,  eine  ursprünglichere  Erscheinung  dar.  In  dieser  Hinsicht 
begeht  Heymons  immerhin  eine  kleine  Inkonsequenz,  indem  er  die 
Vitellophagen  für  Entoderm  ansieht  und  deren  Abspaltung  von  dem 
Blastoderm  keinen  primären  Charakter  beimessen  will.  Sieht  man 
indessen  von  dieser  jetzt  unbegründeten  Ansicht  ab,  so  erkennt  man 
deutlich,  daß  Heymons  vollständig  recht  hat,  und  daß  man  gerade 
diejenige  Erscheinung  für  den  primitiveren  Fall  ansehen  muß,  wo  nicht 
alle  Blastomeren  an  die  Oberfläche  treten,  sondern  ein  Teil  derselben 
in  dem  Dotter  zurückbleibt  und  sich  in  Vitellophagen  verwandelt. 

Die  Entstehung  der  superfiziellen  Furchung  aus  der  totalen  muß, 
dank  dem  Vorhandensein  einer  ganzen  Reihe  von  Übergängen  zwischen 
beiden,  als  eine  außer  allem  Zweifel  stehende  Tatsache  angesehen  werden. 
Diese  Tatsache  hat  uns  bereits  zu  der  Erkenntnis  geführt,  daß  die 
Dotterzellen  phylogenetisch  so  entstanden  sind,  wie  sie  jetzt  beständig 
während  der  Ontogenie  entstehen,  und  zwar  aus  im  Dotter  zurück- 
gebliebenen Furchungsprodukten.  Die  Loslösung  der  Vitellophagen 
von  dem  Blastoderm  dabei  als  die  primäre  Erscheinung  anzusehen,ist 
ganz  unmöglich,  da  dies  sowohl  unsrer  Auffassung  von  der  Entstehung 
der  Dotterzellen  wie  auch  sogar  der  noch  wesentlicheren  Voraussetzung 
einer  Entstehung  der  superfiziellen  Furchung  aus  der  totalen,  direkt 
widersprechen  würde. 

Man  würde  natürlich  noch  zugeben  können,  daß  bei  dem  Über- 


630  Jui'-   Philiptschenko, 

gange  von  der  totalen  zu  der  superfiziellen  Furchung  ursprünglich  alle 
Blastomeren  an  die  Oberfläche  traten,  worauf  ein  Teil  derselben  wieder- 
um in  den  Dotter  zurückkehrte.  Allein  dem  widersprechen  solche 
Fälle  von  Übergangsfurchungen,  wie  wir  sie  bei  den  Collembola, 
Myriopoda,  Arachniden  usw.  kennen;  vor  allem  aber  ist  diese  Vor- 
aussetzung an  und  für  sich  wenig  wahrscheinlich,  da  bei  dem  Vorhanden- 
sein einer  totalen  Furchung  eine  Bereicherung  der  Eier  an  Dotter  un- 
weigerlich dazu  führen  muß,  daß  ein  Teil  der  Blastomeren  in  demselben 
verbleibt  und  in  der  Rolle  von  Vitellophagen  funktioniert.  Mit  einem 
Worte,  mir  scheint,  daß  ihre  physiologische  Funktion  als  solche  erst 
später  entstanden  ist,  und  daß  der  erste  Anstoß  zu  ihrer  Differenzierung 
bei  dem  Embryo  der  Umstand  gewesen  ist,  daß  ein  Teil  der  Blasto- 
meren einfach  in  dem  Dotter  stecken  blieb. 

Alles  oben  Gesagte  zusammenfassend  sind  wir  der  Ansicht,  daß 
die  Dotterzellen  der  Insekten  und  andrer  Arthropoden 
durchaus  nicht  deren  Entoderm  darstellen  und  überhaupt 
in  keinerlei  Beziehung  zu  den  Keimblättern  stehen;  es 
sind  dies  einfach  im  Dotter  zurückbleibende  Furchungs- 
produkte,  welche  zu  dessen  Resorption  dienen  und  an  dem 
Aufbau  des  Embryokörpers  keinen  Anteil  nehmen;  ihre 
Entstehung  aus  im  Dotter  zurückbleibenden  Furchungs- 
zellen  während  der  Ontogenese  muß  als  die  ursprünglichere 
Erscheinung  angesehen  werden. 

3.  Die  Keimblätter  der  Insekten. 

Unser  Gesichtspunkt  bezüglich  der  Dotterzellen  führt  uns  auch 
zu  einer  durchaus  bestimmten  Ansicht  darüber,  als  was  man  das  be- 
reits mit  Blastoderm  bedeckte  und  in  seinem  Dotter  Dotterzellen 
enthaltende  Ei  (Fig.  14)  aufzufassen  hat.  Bilden  diese  letzteren,  wie 
auch  die  Genitalanlage,  nicht  einen  Teil  eines  der  Keimblätter,  so 
repräsentiert  dieses  Stadium  das  Blastulastadium  oder  das  Periblastula- 
stadium,  wie  Haeckel  es  genannt  hatte.  Von  dem  Gesichtspunkte 
Heymons'  und  seiner  Anhänger  aus  betrachtet,  entspricht  dieses 
Stadium  dagegen  der  Gastrula  andrer  Formen;  dieselbe  Auffassung 
hiervon  hat  auch  Hieschler  (1909b),  welcher  sogar  vorschlägt,  die 
Namen  Blastoderm  und  Dotterzellen  durch  Ectoderm  und  Entoderm 
zu  ersetzen.  Unsre  Ansicht  von  den  Dotterzellen  schließt  jede  Mög- 
lichkeit für  uns  aus,  dieser  Auffassung  beizutreten. 

Der  Prozeß,  welcher  der  Gastrulation  andrer  Formen,  d.  h.  der 
Bildung  des  unteren  (von  Heymons  nur  als  Mesoderm  angesehenen) 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  631 

Blattes  entspricht,  tritt  etwas  später  ein.  Wir  haben  bereits  gesehen, 
daß  bei  Isotoma  cinerea  dessen  Sonderung  von  dem  Ectoderm  in  etwas 
andrer  Weise  vor  sich  geht,  als  bei  den  andern  Insekten,  d.  h.  nicht  mit 
Hilfe  der  Primitivrinne,  sondern  durch  multipolare  Immigration  unter- 
halb der  gesamten  Eioberf lache  (Fig.  14,  15,  16).  Oben  war  ferner 
darauf  hingewiesen  worden,  daß  diese  Entwicklungsweise  des  primären 
Entoderms  uns  als  die  ursprünglichere  erscheint,  während  der  Prozeß 
der  Gastrulation  mit  Bildung  einer  Primitivrinne  von  ersterer  abzu- 
leiten ist. 

Zugunsten  dieser  Annahme  spricht  vor  allem  eine  allgemeine  Be- 
trachtung, und  zwar  die,  daß  ich  mich  der  Ansicht  von  Metschnikoff 
(1886)  vollkommen  anschließe,  wonach  die  multipolare  Immigration  die 
ursprünglichste  Absonderungsweise  des  Entoderms  darstellt,  während 
die  Invagination  und  andre  Gastrulationsweisen  von  ihr  entstanden 
sind.  In  bezug  auf  die  Insekten  wurde  schon  von  Heymons  (1895) 
der  Gedanke  ausgesprochen,  daß  der  Gastrulation  mit  Bildung  einer 
Primitivrinne  keine  phylogenetische  Bedeutung  zukomme,  sondern 
daß  sie  sich  auf  rein  mechanischem  Wege  entwickelt  habe;  dabei 
weist  dieser  Autor  auf  die  Übereinstimmung  mit  einer  derartigen 
Invagination  der  Geschlechtsgrube  und  andre  ähnliche  Prozesse  hin, 
wo  die  Einstülpung  nur  eine  auf  die  Beschleunigung  des  Vorganges 
gerichtete  Rolle  spielt.  Die  diffuse  Abtrennung  der  Zellen  des  unteren 
Blattes  (des  »Mesoderms«)  hält  auch  Knower  (1900)  für  das  ur- 
sprüngliche Verhalten,  glaubt  aber  gleichzeitig  in  der  Primitivrinne 
eine  wahre  Gastrula  erblicken  zu  können. 

Abgesehen  von  Betrachtungen  rein  allgemeiner  Natur  wird  die 
Ursprünglichkeit  der  multipolaren  Immigration  bei  den  Insekten  und 
den  Tracheaten  überhaupt  auch  schon  dadurch  bewiesen,  daß  dieses 
Verhalten  gerade  den  am  niederst  stehenden  Formen  eigen  ist.  Außer 
den  Collembola  findet  es  sich  auch  bei  Scolopendra  (Heymons)  und 
augenscheinlich  auch  bei  Polydesmus  (Lignau),  d.  h.  bei  Vertretern 
der  beiden  Hauptgruppen  der  Myriopoda,  ferner  bei  Phyttodromia 
und  Gryllotalpa  (Heymons,  Nusbaum  und  Fulinski),  endlich  bei 
Eutermes  (Knower),  d.  h.  bei  Vertretern  der  niedersten  Pterygota.  — 
Alles  dies  veranlaßt  uns  in  diesem  Prozesse  eine  ursprüngliche  Er- 
scheinung zu  erblicken,  in  der  Invagination  dagegen  (da,  wo  sie  kein 
Artefakt  darstellt,  wie  dies  wohl  oft  der  Fall  gewesen  ist)  nur  ein  be- 
sonderes Verhalten  um  die  Entwicklung  abzukürzen,  welches  dazu 
noch  wahrscheinlich  unabhängig  in  verschiedenen  Gruppen  vor- 
gegangen ist. 

Zeitschrift  f.  wissenseh.  Zoologie.   CHI.  Bd.  41 


632  Jur-  Philiptschenko, 

Bei  allen  Insekten,  und  demnach  auch  bei  unsrer  Isotoma,  sind 
demnach  beide  primären  Keimblätter  —  das  Ectoderm  und  das  primäre 
Entoderm,  oder  das  untere  Blatt,  wie  es  hier  bequemer  zu  bezeichnen 
ist,  —  gut  ausgebildet.  Weiterhin  muß  die  Differenzierung  der  primären 
Keimblätter  in  die  sekundären  vor  sich  gehen  —  in  das  sekundäre 
Entoderm  und  das  Mesoderm,  welche  denn  in  der  Tat  auch  in  den  Ar- 
beiten aller  Autoren  figurieren.  Ich  habe  es  indessen  vorgezogen  diese 
Ausdrücke  in  meinen  Darlegungen  zu  vermeiden  und  ohne  dieselben 
auszukommen,  indem  ich  es  nur  mit  den  primären  Keimblättern,  dem 
oberen  und  unteren  Blatte,  und  sodann  mit  den  Anlagen  der  einzelnen 
Organe  zu  tun  habe,  wobei  letztere  anfänglich  zu  zusammengesetzten 
Primitivanlagen  miteinander  verbunden  sind,  von  denen  eine  jede 
mehrere  Organe  entstehen  läßt.  Der  Grund,  welcher  mich  zu  diesem 
Verfahren  veranlaßte,  besteht  darin,  daß  bei  Isotoma  cinerea,  wie 
wohl  auch  bei  vielen  andern  Insekten,  meiner  Ansicht  nach  keine 
Grenze  zwischen  den  sekundären  Blättern  —  dem  sekundären  Ento- 
derm und  dem  Mesoderm  —  gezogen  werden  kann,  indem  beide  hier 
nicht  voneinander  zu  unterscheiden  sind. 

Betrachten  wir  die  oben  beschriebenen  Verhältnisse  während  der 
Entwicklung  unsrer  Isotoma,  so  sehen  wir,  daß  die  erste  Differenzierung 
des  unteren  Blattes  in  der  Bildung  der  Somiten  auf  dem  Stadium  B 
besteht.  Es  kann  natürlich  kein  Zweifel  darüber  obwalten,  daß  die 
Somiten  das  Mesoderm  darstellen,  ganz  anders  verhält  es  sich  aber  mit 
dem  an  ihrer  Bildung  nicht  beteiligten  medialen  Teile  des  unteren 
Blattes.  —  Die  Ansicht,  daß  letzterer  nach  dem  Schema  der  Gebrüder 
Hertwig  (1881)  in  drei  Teile  zerfällt  —  einen  unpaaren  Medianstreif en 
des  Entoderms  und  zwei  laterale  Mesodermstreifen  —  besteht  schon 
lange  und  hat  in  den  Arbeiten  von  Nusbaum  und  Fulinski  (1906) 
und  Hirschler  (1909b)  gleichsam  ihre  volle  Bestätigung  gefunden. 
Dabei  wird  indessen  außer  acht  gelassen,  daß  der  unpaare  mediane 
Abschnitt  des  unteren  Blattes  zwischen  den  Somiten  mit  gleichem 
Rechte  als  sekundäres  Entoderm  wie  als  Mesoderm  angesehen  werden 
kann,  und  dabei  als  keines  derselben  ausschließlich. 

In  der  Tat  kann  man  sowohl  bei  Isotoma  cinerea,  wie  auch  bei 
vielen  andern  Insekten  in  diesem  unpaaren  Abschnitte  drei  Teile  unter- 
scheiden: einen  vorderen  an  dem  Stomodäum  und  der  Oberlippe, 
einen  hinteren  am  Proctodäum  und  einen  mittleren,  in  Gestalt  des 
oben  beschriebenen,  zwischen  den  Somiten  liegenden  Stranges  (»Mittel- 
strang« von  Nusbaum  und  Fulinski).  Auf  dem  Stadium  F  hatten  wir 
dieselben  bereits  als  die  Anlagen  des  Mitteldarmes  bezeichnet  —  die 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  633 

vordere,  die  hintere  und  die  mittlere  oder  diffuse  Anlage  —  wobei  wir 
indessen  bemerkten,  daß  wir  uns  dieser  Bezeichnungen  nur  zu  dem 
Zwecke  bedienten,  um  die  Einführung  neuer  Namen  zu  vermeiden. 
In  Wirklichkeit  stellt  ein  jeder  dieser  Teile  des  unpaaren  Abschnittes 
des  unteren  Blattes  durchaus  nicht  eine  reine  oder  einfache  Darm- 
anlage dar,  da  er  auch  noch  die  Anlagen  andrer  Organe  in  sich  enthält. 
So  geht  aus  der  vorderen  Anhäufung  außer  der  vorderen  Anlage  des 
Mesenteron  auch  noch  die  Muskelschicht  des  Stomodäum  hervor,  aus 
der  hinteren  Anhäufung  —  die  hintere  Anlage  des  Mesenteron  und  die 
Muscularis  des  Proctodäum,  während  der  zwischen  den  Somiten  ver- 
laufende Strang  (wenigstens  bei  den  Pterygota)  nicht  nur  die  Zellen 
der  diffusen  Mitteldarmanlage,  sondern  auch  noch  die  Blutzellen  ent- 
hält. Die  Zerlegung  einer  jeden  dieser  Anlagen  in  ihre  Bestandteile 
erfolgt  erst  auf  den  Stadien  F  und  G,  bis  dahin  aber  haben  wir  es  mit 
zusammengesetzten  Primitivanlagen  zu  tun.  wie  sie  Meisenheimer 
genannt  hat. 

Ebensolche  zusammengesetzte  Primitivanlagen  stellen  natürlich 
auch  die  Somiten  dar,  indem  dieselben  sowohl  die  Muskeln,  wie  auch 
den  Fettkörper,  das  Herz,  sowie  die  Peritonealschicht  des  Mitteldarmes 
und  der  Gonaden  hervorbringen.  In  letzterem  Falle  haben  wir  es  in- 
dessen nur  mit  mesodermalen  Gebilden  zu  tun,  während  jede  der 
drei  Anlagen  des  unpaaren  Abschnittes  des  unteren  Blattes  sowohl 
meso-  wie  auch  entodermale  Gebilde  aus  sich  hervorgehen  läßt.  — 
Der  zwischen  den  Somiten  verlaufende  Mittelstrang  ergibt  außer  dem 
Darmepithel  auch  die  Blutzellen.  Schwangart  (1906)  und  Hirschler 
(1909  b)  bringen  diese  Tatsache  mit  der  neuen  Hämocöltheorie  von 
Vejdovsky  (1905)  in  Verbindung,  nach  welcher  bei  den  Arthropoden  die 
Blutkörperchen  aus  dem  entodermalen  Vasothel  hervorgegangen  sind. 
Obgleich  dieser  Amiahme  eine  ganze  Reihe  von  Angaben  widersprechen, 
welche  fast  allen  andern  Formen  entnommen  sind,  wo  die  Blutkörperchen 
gewöhnlich  einen  mesodermalen  Ursprung  besitzen,  so  erlaubt  dieser 
Versuch  doch  immerhin,  den  zwischen  den  Somiten  verlaufenden  Strang 
auf  Entoderm  zurückzuführen.  Allein  die  vordere  und  die  hintere 
Anhäufung  des  unteren  Blattes  lassen  wiederum  nicht  nur  Elemente 
des  Mesenteron,  sondern  auch  die  Muscularis  des  Vorder-  und  End- 
darmes aus  sich  hervorgehen  und  an  dem  mesodermalen  Ursprünge 
der  Muskeln  bei  allen  Tieren  kann  doch  wohl  kein  Zweifel  bestehen. 
Indessen  läßt  sich  bei  Isotoma  anfangs  auf  keine  Weise  feststellen, 
welche  Elemente  der  vorderen  und  der  hinteren  Anhäufung  für  das 
Mitteldarmepithel  verwendet  werden,  d.  h.  Entoderm  darstellen,  und 

41* 


634  Jur.   Philiptschenko, 

welche  auf  den  Aufbau  der  Muskulatur  gehen,  also  zum  Mesoderm  ge- 
hören; ebenso  verhält  es  sich,  wenn  man  hauptsächlich  auf  Grund  der 
in  vielen  Arbeiten  enthaltenen  Abbildungen  urteilen  will,  auch  bei  der 
Entwicklung  vieler  andrer  Insekten.  Beschränkt  man  sich  auf  die 
in  den  letzten  Jahren  erschienenen  Arbeiten,  so  kann  ich  als  Beweis 
hierfür  auf  die  Beobachtungen  von  Schwangart  (1904),  Hirschler 
(1909b)  und  Hammerschmidt  (1910)  hinweisen.  Schwangart  gelangt 
zu  dem  Schlüsse,  daß  bei  Endromis  im  allgemeinen  keine  schroffe 
Trennung  des  Mesoderms  von  dem  Entoderm  vorhanden  ist:  in  dem 
mittleren  Abschnitte  des  Embryos  verwandelt  sich  ein  großer  Teil  der 
Elemente  des  unteren  Blattes  in  Mesoderm,  im  Bereiche  des  »Gastrula- 
keil«  dagegen  —  in  Entoderm.  Auf  den  die  Entwicklung  von  Donacia 
betreffenden  Zeichnungen  von  Hirschler  läßt  sich  nicht  der  geringste 
Unterschied  zwischen  den  Elementen  des  unteren  Blattes,  welche  den 
Vorder-  und  Enddarm  umgeben  (der  zukünftigen  Muscularis)  und  den 
Anlagen  des  Mitteldarmes  unterscheiden,  welche  an  deren  innere  Enden 
anstoßen.  Hammerscmidt  bezeichnet  bei  den  Phasmatidae  das 
ganze  untere  Blatt  als  Mesoderm  und  läßt  auch  den  Mitteldarm  aus 
demselben  entstehen,  woher  denn  auch  ein  »Entoderm  mesodermalen 
Ursprunges«  entsteht.  Mit  einem  Worte,  bei  diesen  drei  verschiedenen 
Ordnungen  (Lepidoptera,  Coleoptera,  Orthoptera)  angehörenden 
Formen  ist  das  untere  Blatt  ebensowenig  in  Mesoderm  und  sekundäres 
Entoderm  differenziert,  wie  bei  Isotoma  cinerea.  —  Ein  noch  innigerer 
Zusammenhang  zwischen  den  entodermalen  und  den  mesodermalen 
Elementen  findet  nach  Heymons  (1901)  bei  Scolopendra  statt,  wo  die 
Entodermzellen  sich  gleichzeitig  mit  den  Mesenchymzellen  ablösen  und 
dabei  in  keiner  Weise  voneinander  zu  unterscheiden  sind. 

Alle  diese  Tatsachen  lassen  mich  zur  Überzeugung  gelangen,  daß 
bei  vielen  Insekten  (wie  auch  wahrscheinlich  bei  andern  Arthropoden) 
die  beiden  sekundären  Keimblätter  so  wenig  voneinander  differenziert 
sind,  daß  sie  sich  nur  in  künstlicher  Weise  von  einander  unterscheiden 
lassen.  Dabei  zerfällt  das  untere  Blatt  während  seiner  Entwicklung 
in  solche  Anlagen,  welche  Organe  entstehen  lassen,  die  bei  andern  Formen 
zum  Teil  aus  dem  Mesoderm  und  zum  Teil  aus  dem  Entoderm  hervor- 
gehen. Ist  dem  aber  wirklich  so,  dann  wäre  es  viel  natürlicher,  bei 
der  Beschreibung  der  Entwicklung  von  Insekten  nur  von  den  zwei 
primären  Keimblättern  — ■  dem  Ectoderm  und  dem  unteren  Blatte 
zu  sprechen  und  dann  bei  der  Differenzierung  dieses  letzteren  einfach 
nur  zusammengesetzte  Primitivanlagen  zu  unterscheiden.  Solche  An- 
lagen sind  erstens  die  Somiten,  dann  die  unpaare  vordere  und  hintere 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  635 

Anhäufung  von  Elementen  des  unteren  Blattes,  endlich  der  zwischen 
den  Somiten  liegende  Strang.  Im  Laufe  der  weiteren  Entwicklung 
zerfällt  eine  jede  dieser  zusammengesetzten  Primitivanlagen  in  die  ein- 
fachen Anlagen  der  einzelnen  Organe. 

Unter  den  Insekten  gibt  es  Formen,  bei  denen  nach  der  Beschrei- 
bung verschiedener  Autoren  das  Mesoderm  und  das  Entoderm  unab- 
hängig von  einander  angelegt  werden  (ein  Verhalten,  welches  man 
wohl  kaum  als  ursprünglich  ansehen  kann,  indem  die  Differenzierung 
zuvor  in  zwei  primäre,  und  dann  erst  in  sekundäre  Keimblätter  die 
allgemeine  Regel  bildet).  Zu  solchen  Formen  gehören  Chalicodoma 
[Caeeieee  und  Bürgee  (1897)],  gewisse  Museiden  [Escheeich  (1900), 
Noak  (1901)],  Phyllodromia  [Nusbaum  und  Fulinski  (1906)].  In 
solchen  Fällen  wird  man  natürlich  auch  von  sekundären  Blättern 
sprechen  können,  obgleich  auch  hier  (wenigstens  ist  dies  bei  Phyllo- 
dromia der  Fall)  der  »entodermale«  mittlere  Strang  auch  die  Blut- 
elemente hervorgehen  läßt. 

Wie  dem  nun  auch  sein  mag,  so  sind  doch  das  Mesoderm  und  das 
sekundäre  Entoderm  bei  Isotoma  cinerea  und  wohl  auch  bei  vielen 
andern  Insekten  so  sehr  untereinander  vermischt,  daß  es  viel  bequemer 
ist,  in  dem  unteren  Blatt  nur  die  Primitivanlagen  zu  unterscheiden. 
Ich  leugne  übrigens  durchaus  nicht  die  Möglichkeit,  auch  hier  von 
sekundären  Blättern  zu  sprechen,  muß  dies  aber  als  ein  rein  künst- 
liches Verfahren  ansehen,  welches  speziell  der  Theorie  der  Keimblätter 
angepaßt  ist. 

Die  Keimblätter  erweisen  sich  wie  eine  jede  weitausgreifende  Ver- 
allgemeinerung, nur  solange  als  nützlich,  so  lange  die  Summe  der  von 
uns  beobachteten  Erscheinungen  auf  Grund  dieser  Theorie  eine  allge- 
meinere und  umfassendere  Beleuchtung  erfährt;  ist  dieses  aber  nicht 
der  Fall,  so  kann  eine  solche  Theorie  nur  zu  Irrtümern  und  zu  offenbar 
voreingenommenen  Deutungen  führen.  Die  auf  die  Embryologie  der 
Insekten  bezügliche  Literatur  hat  im  Verlaufe  der  letzten  20  Jahre 
nicht  wenig  derartiger,  in  methodologischer  Hinsicht  sehr  lehrreicher 
Beispiele  geliefert  und  eine  ganze  Reihe  von  Fehlern,  deren  Zurecht- 
stellung nicht  wenig  Zeit  und  Mühe  gekostet  hat,  hätte  vermieden 
werden  können,  wenn  die  betreffenden  Autoren  sich  nicht  hätten  von 
einem  voreingenommenen  Gedanken  leiten  lassen.  Hierher  gehören 
namentlich  die  Auffassung  der  Dotterzellen  als  Entoderm,  das  Be- 
streben, die  Bildung  der  Keimschichten  bei  den  Insekten  auf  den 
gleichen  Typus  zurückzuführen,  welcher  nur  Sagitta  eigentümlich  ist 
(wie  überhaupt  den  enteroeölen  Formen,  welche  mit  den  Arthropoden 


636  Jur.  Philiptschenko, 

nichts  gemeinsames  aufweisen),  ferner  derartige  merkwürdige  Gebilde, 
wie  der  »dorsale  Blastoporus«,  welcher  nur  als  Beispiel  einer  contra  - 
dictio  in  adjecto  dienen  kann,  und  vieles  andre  mehr. 

Das  hier  Gesagte  darf  indessen  nicht  in  dem  Sinne  aufgefaßt  werden, 
als  ob  ich  die  Keimblättertheorie  für  überflüssig  oder  sogar  für  schäd- 
lich hielte.  Im  Gegenteil,  dieselbe  stellt,  meiner  Ansicht  nach,  eine 
der  allerwertvollsten  Verallgemeinerungen  in  der  Embryologie  dar, 
und  die  Homologie  der  beiden  primären  Keimblätter  in  dem  gesamten 
Tierreiche,  welche  schon  von  Huxley  (1849)  festgestellt  worden  ist, 
kann  keinerlei  Zweifel  hervorrufen.  Dies  kann  man  aber  von  dem 
später  aufgestellten  dritten  Keimblatt  —  dem  Mesoderm  —  nicht  be- 
haupten, dessen  Theorie  hauptsächlich  von  den  Gebrüdern  Hertwig 
(1881)  ausgearbeitet  worden  ist.  Die  schon  oft  wiederholten  Ein- 
würfe gegen  die  Homologie  des  Mesoderms  bei  allen  Tieren  [ich  will 
hier  nur  auf  die  Arbeit  von  Kleinenberg  (1886)  und  die  von  Bergh 
in  dessen  »Allgemeiner  Embryologie«  (1895)  ausgesprochenen  An- 
sichten hinweisen]  scheinen  mir  durchaus  begründet  zu  sein. 

Es  will  mir  persönlich  überhaupt  so  scheinen,  als  wäre  es  ganz 
unmöglich,  die  Homologie  zwischen  den  sekundären  Keimblättern  im 
ganzen  Tierreiche  durchzuführen,  und  daß  es  viel  bequemer  wäre,  die- 
selben ebenfalls  als  zusammengesetzte  Primitivanlagen  aufzufassen, 
welche  bei  den  verschiedenen  Formen  nicht  gleichwertig  sind.  Man 
wird  zum  Beispiel  wohl  kaum  annehmen  können,  daß  man  das  sekun- 
däre Entoderm  derjenigen  Insekten  oder  derjenigen  Arthropoden,  wo 
dasselbe  gut  ausgesprochen  ist,  mit  dem  Entoderm  der  Vertebraten 
und  Echinodermen  streng  homologisieren  kann,  ebensowenig  das  Meso- 
derm der  ersteren  mit  dem  Mesoderm  der  letzteren;  in  diesen  Typen 
sind,  wie  mir  scheint,  nur  ihre  primären  Blätter,  der  Ectoblast  und 
der  Entoblast  einander  homolog. 

Es  gibt  natürlich  eine  Eeihe  von  Formen,  wie  zum  Beispiel  die 
Echinodermata  und  viele  andre,  in  deren  Embryologie  die  Begriffe 
des  Mesoderms  und  Mesenchyms  durchaus  natürlich  erscheinen.  Da- 
gegen erscheint  bei  andern  Formen,  wie  zum  Beispiel  bei  den  Mollusken, 
die  Unterscheidung  der  sekundären  Keimblätter  außerordentlich 
schwierig  und  kann  nur  zu  einer  unnützen  Schematisierung  des  Pro- 
zesses ihrer  Entwicklung  führen.  Gerade  durch  das  Studium  dieses 
letzteren  wurde  Meisenheimer  (1900)  veranlaßt,  den  Begriff  der 
Blätter  durch  den  Begriff  der  Primitivanlagen  zu  ersetzen,  welche 
bisweilen  mit  einem  der  Blätter  übereinstimmen,  was  aber  durchaus 
nicht  unbedingt  notwendig  ist.     Diese  Auffassung  wurde  darauf  von 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  637 

demselben  Autor  in  seiner  kurzen  Embryologie  (1908)  weiter  ent- 
wickelt. 

Meisenheimer  schlägt  indessen  vor,  den  Begriff  aller  Keimblätter 
(sowohl  der  primären  wie  auch  der  sekundären)  durch  den  Begriff  der 
Primitivanlagen  zu  ersetzen,  wobei  letzterer  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  mit  dem  Begriffe  des  Entoderms  übereinstimmt;  jedoch  zerlegt 
er  den  Begriff  des  Mesoderms  in  Componenten,  deren  Homologie  zum 
mindesten  zweifelhaft  erscheint.  Dabei  schließt  er  sich,  wie  er  dies 
auch  selbst  hervorhebt,  den  alten  Anschauungen  Reicherts  (1840) 
an,  welcher  seinerzeit  ein  Gegner  der  Keimblättertheorie  gewesen  war. 
Ich  selbst  gehe  in  dieser  Hinsicht  nicht  so  weit  und  komme  auf  die 
(gegenwärtig  ganz  unverdienterweise  vergessenen)  Anschauungen  des 
Begründers  der  Embryologie,  K.  E.  von  Baer  (1828,  1837)  zurück. 

Dieser  letztere  unterschied  bekanntlich  zwei  primäre  oder  Haupt- 
blätter, aus  denen  während  der  weiteren  Entwicklung  eine  Reihe  von 
Schichten  hervorgeht,  welche  sich  bei  den  Embryonen  der  Wirbeltiere 
in  Röhren  verwandeln.  »Diese  Röhren«  schreibt  K.  E.  von  Baer 
in  dem  ersten  Teile  seiner  klassischen  Arbeit  (1828,  S.  164)  »nenne  ich 
Fundamentalorgane,  da  aus  ihnen  die  speziellen  Organe  sich  allmählich 
ausbilden. «  In  dem  zweiten,  bekanntlich  viel  später  (1837)  erschienenen 
Teile  dieser  Arbeit,  ersetzt  er  den  Ausdruck  »Fundamentalorgane«  durch 
einen  andern,  unsrer  Terminologie  noch  näher  kommenden,  und  zwar 
spricht  er  hier  von  »Primitivorganen«.  »Diese  Röhren  enthalten  alle 
einzelnen  Organe,  und  da  sich  die  letzteren  .  .  .  aus  ihnen  allmählich 
herausbilden,  so  wollen  wir  sie  Primitivorgane  nennen«  (S.  64).  —  Im 
allgemeinen  verweilt  Baer  nur  wenig  bei  den  Hauptblättern,  sondern 
beschäftigt  sich  fast  ausschließlich  mit  seinen  Fundamentalorganen 
oder  Primitivorganen. 

Es  muß  hier  hervorgehoben  werden,  daß  die  Anschauungen  von 
Baer  häufig  falsch  ausgelegt  werden  (was  vielleicht  durch  die  Seltenheit 
seiner  klassischen  Arbeiten  zu  erklären  ist).  Für  gewöhnlich  wird  diesem 
Forscher  die  Auffassung  zugeschrieben,  als  teilten  sich  seine  beiden 
Hauptkeimblätter  ein  jedes  in  zwei  sekundäre  Keimblätter,  wobei  der 
Begriff  von  diesen  letzteren  mit  dem  BAERschen  Begriffe  von  den 
»Fundamentalorganen«  oder  »Primitivorganen «  verwechselt  wird. 
Einen  solchen  Fehler  begeht  zum  Beispiel  0.  Hertwig  in  seinem 
speziell  der  Keimblättertheorie  gewidmeten  Aufsatze  im  »Handbuch 
der  vergleichenden  und  experimentellen  Entwicklungslehre  der  Wirbel- 
tiere. « 

In  Wirklichkeit  aber  ist  der  viel  später  aufgestellte  Begriff  von 


638  Jur-  Phiüptschenko, 

den  sekundären  Blättern  durchaus  nicht  identisch  mit  dem  BAERschen 
Begriffe  von  den  »Fundamentalorganen«,  worauf  auch  in  dem  allge- 
meinen Teile  des  Lehrbuches  von  Korschelt  und  Heider  (1910)  hin- 
gewiesen wird.  —  Zu  seinen  Fundamental-  (oder  Primitiv- )organen 
rechnet  Baer  auch  das  Nervenrohr;  hierauf  schreibt  er  z.  B.,  daß: 
».  .  .  die  Schleimhautröhre  für  sich  allein  keine  Umbildungen  eingeht, 
sondern  immer  nur  in  Verbindung  mit  dem  sie  umgebenden  Teile  der 
Gefäßschicht.  Wir  müssen  daher  beide  Schichten  als  ein  Primitiv- 
organ zusammenfassen  und  können  für  dasselbe  das  längst  gebrauchte 
Wort  Darmkanal  gebrauchen«  (1837,  S.  64).  In  dem  letzteren  Falle 
ergibt  sich  eine  sehr  große  Übereinstimmung  dieses  »Primitivorgans« 
mit  unsern  zusammengesetzten  Anlagen  für  den  Mitteldarm  der  Insekten. 

Späterhin  unterlagen  die  Anschauungen  von  Baers  wesentlichen 
Abänderungen.  Der  Begriff  von  den  »Fundamentalorganen«  oder 
»Primitivorganen«  geriet  in  Vergessenheit  und  zu  den  beiden  Keim- 
blättern wurde  von  Remak  (1855)  noch  ein  drittes  (das  mittlere  oder 
motorisch  germinative  Blatt)  hinzugefügt;  gleichzeitig  entstanden  auch 
die  Begriffe  von  den  primären  und  sekundären  Keimblättern,  welche 
von  den  Gebrüdern  Hertwig  besonders  ausführlich  bearbeitet  wurden. 
Die  Einwürfe  von  Kleinenberg  (1886),  Bergh  (1895)  und  einigen 
andern  Autoren  gegen  den  Begriff  von  dem  Mesoderm  hatten  keinen 
besonderen  Erfolg. 

Gegenwärtig  ist  unsre  Kenntnis  von  der  Embryologie  der  Tiere 
indessen  so  weit  vorgeschritten,  daß  selbst  die  eifrigsten  Anhänger 
der  Keimblättertheorie  anerkennen  müssen,  daß  die  Lage  in  dieser 
Beziehung  sich  heutigen  Tages  durchaus  nicht  so  einfach  verhält, 
wie  dies  zur  Zeit  des  Auftretens  der  »Cölomtheorie «  der  Fall  war. 
Mir  persönlich  scheint  es,  daß  ein  Sichlossagen  von  dem  Begriffe  der 
sekundären  Blätter  und  eine  Rückkehr  zu  der  einfacheren  und  um- 
fassenderen Anschauung  von  K.  E.  von  Baer  einen  beträchtlichen 
Schritt  vorwärts  bedeuten  wird,  indem  wir  damit  von  einer  bedeutenden 
Menge  rein  scholastischer  Spekulationen  über  Mesoderm,  Leibeshöhle 
u.  a.  m.  befreit  werden  und  der  Auslegung  der  komplizierten  Entwick- 
lungsprozesse ein  weiter  Spielraum  geboten  wird. 

4.  Über  das  Dorsalorgan  und  die  Embryonalhüllen  der  Insekten. 

Das  Dorsalorgan  ist  eine  Bildung,  welche  nur  bei  den  Embryonen 

der  verschiedensten  Arthropoden  angetroffen  wird.     Sehr  verbreitet 

ist  diese  Bildung  bei  den  Crustacea,  und  zwar  bei  den  Malacostraca, 

ferner  bei  Limulus  und  einigen  Arachnoidea,  unter  den  Myriopoden 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  639 

bei  Scolopendra  und  von  Apterygoten  bei  allen  Collembola,  Cam- 
podea  und  Japyx.  Unlängst  fand  Hirschler  (1909a  u.  b)  auch  bei 
einigen  Pterygota  ein  Rudiment  dieser  Bildung.  Mit  einem  Worte, 
wir  haben  es  hier  mit  einem  embryonalen  Organe  zu  tun,  welches  für 
einen  ganzen  Typus  des  Tierreiches  charakteristisch  ist:  es  fragt  sich 
nunmehr,  welches  die  Bedeutung  dieses  Gebildes  ist. 

Es  sind  sehr  viele  Versuche  unternommen  worden,  diese  Frage 
zu  beantworten:  Fr.  Müller  (1864)  und  Grobben  (1879),  welche 
dieses  Gebilde  auf  die  Crustaceen  beschränkt  glaubten,  leiteten  es  von 
der  Nackendrüse  der  Phyllopoden  ab;  Della  Valle  (1893)  hielt  es 
für  ein  Homologon  des  Amnions  der  Insekten;  J.  Wagner  (1896)  und 
Nusbaum  und  Schreiber  (1898)  erblicken  in  dieser  Bildung  nur  eine 
Anhäufung  von  absterbenden  Zellen  des  Blastoderms.  Zwischen  den 
Anschauungen  dieser  beiden  letzten  Autoren  finden  sich  indessen 
wesentliche  Unterschiede:  während  ^usbaum  seine  Anschauung  auf 
alle  Dorsalorgane  der  Crustacea  ausdehnt,  sowohl  auf  die  unpaaren 
wie  auf  die  paarigen,  tut  J.  Wagner  dies  nur  in  bezug  auf  die  ersteren, 
indem  er  die  paarigen  für  cänogenetische  Bildungen  in  der  Art  der 
Nieren  des  Embryos  ansieht.  —  Wheeler  (1893),  welcher  das  Dorsal- 
organ bei  Anurida  maritima  erstmals  ausführlich  beschrieben  hat, 
verglich  dasselbe,  wie  auch  alle  ähnlichen  Organe  bei  andern  Arthro- 
poden, einerseits  mit  dem  eigenartigen  Indusium  der  Locustidae, 
anderseits  aber  mit  der  Saugscheibe  hinter  dem  Kopfe  der  Embryonen 
von  Clepsine.  Willey  (1899)  leitet  das  Dorsalorgan  der  Collembola 
und  das  Indusium  der  Locustidae  von  dem  Trophoblasten  ab, 
welcher  bei  den  Embryonen  von  Peripatus  novae-britanniae  vorhanden 
ist.  Heymons  (1901)  endlich  erkennt  letztere  Homologie  an,  indem 
er  gleichzeitig  annimmt,  daß  die  Dorsalorgane  den  Keimhüllen  der 
Pterygota  homolog  sind;  die  Bedeutung  des  Auftretens  der  ersteren 
besteht  darin,  einen  Teil  der  überflüssigen  Ectodermsehicht  zu  ver- 
nichten, welche  Dank  dem  Reichtum  der  Eier  an  Dotter  eine  starke 
Wucherung  erlitten  hat. 

Aus  dieser  kurzen  und  wohl  auch  unvollständigen  Übersicht  der 
verschiedenen  Ansichten  ist  vor  allem  zu  ersehen,  daß  es  sich  hier 
um  zwei  durchaus  voneinander  verschiedene  Bildungen  handelt.  In 
den  einen  Fällen  erscheinen  das  Dorsalorgan  oder  die  paarigen  Dorsal- 
organe in  der  Tat  als  eine  einfache  Anhäufung  absterbender  und  an  der 
Bildung  des  Rückens  keinen  Anteil  nehmender  Zellen  des  Blastoderms : 
zu  dieser  Kategorie  gehören  derartige  Gebilde  bei  vielen  Crustacea 
(so  z.  B.  das  unpaare  Organ  der  Mysidae),  über  welche  J.  Wagner 


640  Jm-  Phüiptschenko, 

und  Nusbaum  und  Schreiber  geschrieben  haben ;  hierher  gehört  ferner 
zweifelsohne  auch  das  Dorsalorgan  von  Scolopendra.  Diese  Bildungen 
verdienen  natürlich  nicht  die  Bezeichnung  von  »Organen«  und  ihr 
Sinn  und  ihre  Bedeutung  sind  ohne  weiteres  verständlich.  —  Die  andern 
Dorsalorgane  passen  gar  nicht  in  diese  Kategorie,  da  sie  sehr  früh- 
zeitig, noch  lange  vor  der  Degeneration  des  primären  dorsalen  Inte- 
guments  angelegt  werden  und  einen  deutlichen  drüsigen  Charakter 
aufweisen :  hierher  gehört  gerade  das  oben  von  uns  beschriebene  Dorsal- 
organ von  Isotoma,  wie  auch  aller  übrigen  Collembola.  Ahnliche 
Bildungen  trifft  man  auch  bei  vielen  Crustacea:  ich  will  hier  unter 
anderm  nur  auf  die  Beschreibung  eines  solchen  Organes  bei  Gammarus 
fulex  in  der  Arbeit  von  Rossijskaya-Korhewnikowa  (1896)  hinweisen, 
wo  aus  demselben,  wie  bei  den  Collembola,  das  Ausfließen  eines 
klebrigen  Secretes  stattfindet,  vermittels  dessen  sich  der  Embryo  an 
der  Hülle  befestigt.  J.  Wagner  ist,  meiner  Ansicht  nach  ganz  mit 
Unrecht,  bemüht  auch  diese  Bildung  auf  eine  Anhäufung  absterbender 
Blastodermzellen  zurückzuführen,  während  er  doch  selbst  den  drüsigen 
Charakter  bei  den  Seitenorganen  der  Mysidae  anerkennt.  —  Es  ist 
viel  bequemer  die  Bezeichnung  »Dorsalorgan«  nur  in  bezug  auf  Bil- 
dungen eben  dieser  Kategorie  anzuwenden,  die  erstere  dagegen  ganz 
beiseite  zu  lassen. 

Es  liegen  demnach  schon  Versuche  vor,  das  Dorsalorgan  von  irgend- 
einer Bildung  bei  niederen  Formen  abzuleiten,  doch  wird  man  die- 
selben schwerlich  als  gelungen  bezeichnen  können.  Das  heute  so  weit 
verbreitete  Bestreben,  ein  jedes  embryonale  Organ  unbedingt  auf  das 
Rudiment  eines  Organs  von  niedriger  stehenden  Gruppen  zurückführen 
zu  wollen,  scheint  mir  überhaupt  keine  Berechtigung  zu  haben,  indem 
dabei  außer  acht  gelassen  wird,  daß  der  Embryo  auf  jeder  beliebigen 
Entwicklungsstufe  der  gleiche  Organismus  bleibt  und  an  und  für  sich, 
nicht  aber  vom  Gesichtspunkte  einer  erwachsenen  Form  ausgehend, 
betrachtet  werden  muß.  In  letzterem  Verfahren  muß  man  das  Er- 
gebnis einer  schrankenlosen  Anwendung  des  biogenetischen  Grund- 
gesetzes erkennen,  welches  naturgemäß  nicht  als  grundlegende  Voraus- 
setzung der  Embryologie  dienen  kann;  man  wird  den  Wunsch  aus- 
sprechen müssen,  daß  wir  als  Gegengewicht  gegen  diese  Bestrebungen 
zu  der  alten  Regel  von  K.  E.  von  Baer  (1828)  zurückkehren  mögen, 
wonach  die  Embryonen  untereinander,  nicht  aber  mit  erwachsenen 
Tieren  zu  vergleichen  sind.  —  Was  nun  die  rein  embryonalen  Organe 
betrifft,  so  finden  sich  unter  denselben  zweifellos  viele  Rudimente. 
Allein  es  erscheint  logischerweise  sehr  wahrscheinlich,  daß  ein  neues 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  641 

Organ  nicht  nur  bei  der  erwachsenen  Form,  sondern  auch  bei  dem 
Embryo  entstehen  kann  (mir  persönlich  scheint  das  Entstehen  eines 
ganz  neuen  Organes  nur  auf  letzterem  Wege  möglich).  Ein  solches 
zuerst  bei  dem  Embryo  entstandenes  Organ  kann  in  einigen  Fällen 
auch  auf  die  erwachsene  Form  übergehen,  in  andern  dagegen  bleibt 
es  eine  rein  embryonale  Bildung  und  besitzt  unter  den  Embryonen 
seine  eigne  Phylogenie,  wobei  ihm  gleichzeitig  nicht  die  geringste  phylo- 
genetische Bedeutung  im  Sinne  des  biogenetischen  Grundgesetzes  zu- 
kommt. In  den  Fällen,  wo  wir  nicht  die  Möglichkeit  haben  ein  embryo- 
nales Organ  rasch  und  bequem  auf  das  Rudiment  irgendeiner  Bildung 
niederer  Formen  zurückzuführen,  scheint  es  mir  viel  richtiger,  dasselbe 
als  ein  rein  embryonales  Organ  anzusehen. 

Dieser  Gesichtspunkt  läßt  sich  gerade  bei  den  Dorsalorganen  der 
Arthropoden  besonders  passend  anwenden,  welche  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  bei  den  Ausgangsformen  dieses  Typus  entstanden  sind; 
dagegen  dürfte  es  eine  recht  fruchtlose  Arbeit  sein,  etwas  ähnliches 
bei  Clepsine  und  den  Anneliden  überhaupt  suchen  zu  wollen.  —  Was 
die  physiologische  Bedeutung  dieser  Bildung  betrifft,  so  kann  ich  mich 
durchaus  der  Auffassung  J.  Wagners  betreffend  die  Seitenorgane  der 
Mysidae  anschließen,  indem  ich  dieselbe  auf  alle  wahren,  d.  h.  drüsigen 
Dorsalorgane  der  Arthropodenembryonen  ausdehne  und  der  Ansicht 
bin,  daß  wir  es  in  diesem  Falle  mit  rein  embryonalen  Excretionsorganen 
zu  tun  haben.  Die  Notwendigkeit  des  Vorhandenseins  derartiger  Organe 
bei  den  Embryonen  hat  in  der  posthumen  Arbeit  des  verstorbenen 
Faussek  (1911)  eine  vortreffliche  Beleuchtung  erfahren,  allein  dieser 
Forscher  sucht  sie  bei  den  Arthropoden  in  den  Somiten  der  Insekten 
und  den  mesodermalen  Phagocyten  der  Spinnen.  Die  Möglichkeit 
eines  Funktionierens  des  Dorsalorganes  als  embryonale  Niere,  wird 
dadurch  natürlich  nicht  ausgeschlossen.  Die  zweite  Funktion  des 
Dorsalorganes  — ■  nämlich  die  Befestigung  des  Embryos  mit  Hilfe  eines 
von  ihm  ausgeschiedenen  Secretes  (d;  h.  eines  Excretes)  an  der  Hülle  — 
scheint  mir  sekundärer  Natur  zu  sein  und  ist  erst  nach  dem  Auftreten 
seiner  excretorischer  Funktion  entstanden.  Es  ist  natürlich  kaum 
möglich,  sich  mit  voller  Gewißheit  von  letzterer  bei  den  Collembola, 
mit  ihren  mikroskopisch  kleinen  Eiern,  zu  überzeugen;  für  diesen 
Zweck  sind  die  Embryonen  andrer  Formen,  wie  z.  B.  von  Gammarus 
und  vielen  andern  Crustaceen  durchaus  geeignet. 

Wir  haben  gesehen,  daß  das  Dorsalorgan  außerdem  auch  noch 
mit  den  embryonalen  Hüllen  der  Pterygota  in  Verbindung  gebracht 
worden  ist  (Della  Valle,  Heymons)  und  die  von  Heymons  (1897a, 


642  Jur.  Philiptschenko, 

1905)  entwickelte  Theorie  der  Entstehung  dieser  letzteren  aus  dem 
Dorsalorgane  ist  das  neueste  auf  diesem  Gebiet.  Bei  den  älteren  Ver- 
suchen die  Bedeutung  dieser  Hüllen  klarzulegen,  deren  Zurückführung 
auf  den  Panzer  der  Crustaceen,  auf  Überreste  der  Trochophora  usw. 
brauchen  wir  natürlich  nicht  zu  verweilen.  Nach  Heymons  ist  unter 
den  embryonalen  Hüllen  der  Insecta  die  Serosa  die  ältere,  während 
sich  das  Amnion  später  entwickelt  hat,  wie  dies  aus  der  Entwicklung 
von  Lepisma  und  Machilis  zu  ersehen  ist,  bei  denen  die  Verhältnisse 
einen  primitiveren  Charakter  aufweisen,  als  bei  den  Pterygota.  Was 
die  Serosa  betrifft,  so  ist  sie  dem  Dorsalorgane  völlig  analog  und  homolog, 
was  das  Vorhandensein  gleicher  Hüllen  bei  den  Insekten  und  dem 
Scorpion  verständlich  macht. 

Dieses  schöne  Schema  wurde  indessen  zerstört  durch  die  Entdeckung 
des  Homologons  eines  wahren  Dorsalorganes  bei  einigen  Pterygota 
durch  Hirschler  (1909b),  was,  wie  dieser  Autor  selbst  bemerkt,  auf 
keine  Weise  der  Fall  sein  könnte,  wenn  die  Serosa  sich  aus  letzterem 
entwickelt  hätte.  Wir  werden  demnach  für  die  Serosa  eine  neue  Aus- 
gangsbildung suchen  müssen. 

Eine  derartige  Bildung  läßt  sich  am  besten  in  dem  schon  oben  von 
uns  beschriebenen  Hüllenectoderm  der  Collembola  erkennen,  sowie 
in  dem  außerhalb  des  Keimstreifens  liegenden  Blastoderm  derjenigen 
Arthropoden,  bei  denen  die  Bildung  der  Keimblätter  auf  die  Keim- 
scheibe beschränkt  ist;  man  kann  dasselbe  auch  als  Hüllenblastoderm 
bezeichnen,  wenn  es  auch  nicht  an  dem  Aufbau  des  Rückens  teilnimmt. 
—  In  dieser  Hinsicht  ist  der  oben  bei  Isotoma  beschriebene  Prozeß  der 
Verwandlung  eines  Teiles  ihres  Ectoderms  in  Hüllenectoderm,  eines 
andern  Teiles  —  in  embryonales  Ectoderm,  unzweifelhaft  ursprünglicher 
als  der  bei  den  Embryonen  der  meisten  Arthropoden  beobachtete 
Unterschied  zwischen  dem  Keimstreifen  mit  seinen  zwei  primären 
Blättern  und  dem  extraembryonalen  Blastoderm.  Es  kann  nicht  der 
geringste  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  ursprünglich  das  ganze  Blasto- 
derm, worauf  auch  schon  Heymons  (1896a)  und  Hirschler  (1909b) 
hingewiesen  haben,  für  die  Bildung  des  Embryos  verwendet  wurde, 
und  daß  erst  infolge  einer  größeren  Überfüllung  der  Eier  mit  Dotter 
schließlich  eine  Teilung  des  Blastoderms  in  einen  embryonalen  und  einen 
extraembryonalen  Abschnitt  stattgefunden  hat.  Die  Entwicklung  des 
unteren  Blattes  unterhalb  der  gesamten  Eioberf  lache  erscheint  bei  Isotoma 
gerade  als  der  Überrest  jener  früheren  primitiveren  Verhältnisse. 

Das  Schicksal  des  Hüllenectoderms  von  Isotoma  ist  oben  ausführ- 
lich von  uns  beschrieben  worden.    Es  entsteht  aus  dem  anfangs  überall 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  643 

gleichartigen  Ectoderm  durch  Verwandlung  eines  Teiles  dieses  letzteren 
in  flache,  spärlich  auf  der  dorsalen  und  den  lateralen  Seiten  des  Em- 
bryos zerstreuten  Zellen.  Diese  Zellen  spielen  ziemlich  lange  Zeit  hin- 
durch die  Rolle  eines  primären  Integuments  des  Rückens  und  der 
Seiten,  gehen  aber  nicht  als  solche  auf  die  erwachsene  Form  über, 
indem  sie  während  der  vierten  Entwicklungsperiode  durch  das  nach 
oben  wachsende  Ectoderm  des  Keimstreifens  verdrängt  werden.  Letz- 
terer Vorgang  erinnert  außerordentlich  an  den  Prozeß  der  Verdrängung 
des  Amnions  (nach  der  Reduktion  der  Serosa)  durch  das  definitive 
Ectoderm  bei  vielen  Pterygoten.  Auch  die  Collembola  sind  dem- 
nach, gleich  Lepisma  und  Machilis,  für  welche  dies  von  Heymons 
(1897a,  1905)  festgestellt  worden  ist,  durchaus  nicht  im  vollen  Sinne 
des  Wortes  »Insecta  anamnia«,  wie  man  dies  früher  annahm:  sie  be- 
sitzen allerdings  noch  keine  wahren  zelligen  Hüllen,  wie  bei  den  Ptery- 
gota,  allein  die  Rolle  der  Serosa  und  des  Amnions  spielt  bei  ihnen 
das  Hüllenectoderm,  welches  anfänglich  ebenfalls  eine  primäre  Hülle 
des  Rückens  darstellt,  später  aber  durch  das  definitive  Ectoderm 
ersetzt  wird.  —  Der  Ursprung  des  Hüllenectoderms  während  des  Pro- 
zesses der  Entwicklung  ist  derselbe,  wie  bei  der  Serosa  und  dem  Amnion 
bei  den  höheren  Insekten  [vgl.  namentlich  die  Beobachtungen  von 
Hirschler  über  Donacia  (1909b)],  ihr  definitives  Schicksal  das  gleiche: 
wir  haben  es  demnach  mit  einander  durchaus  homologen  Bildungen 
zu  tun.  Allerdings  umwachsen  die  zelligen  Hüllen  bei  den  Pterygota 
den  Embryo,  allein  dies  ist  bei  Machilis  in  keiner  Weise  der  Fall,  wo 
der  ganze  Unterschied  von  den  Collembola  hauptsächlich  darauf 
beruht,  daß  das  extraembryonale  Hüllenectoderm  (hier  eigentlich 
schon  Hüllenblastoderm)  sich  bereits  in  zwei  Teile  differenziert  hat  — 
die  Proserosa  und  das  Proanmion  — ,  welche  nach  den  Untersuchungen 
von  R.  und  H.  Heymons  der  Serosa  und  dem  Amnion  der  Insekten 
homolog  sind.  Mit  einem  Worte,  in  dem  Hüllenectoderm  der  Collem- 
bola besitzen  wir  gerade  jenes  Ausgangsglied,  durch  welches  der  Ur- 
sprung der  embryonalen  Hüllen  der  Insekten  völlig  klargelegt  wird, 
und  wir  erhalten  nachstehende  Reihe: 


Collembola              Machilis 

Lepisma             P  t  e  r  y 

und  wahrscheinlich  Diplura. 

TT..,,                         f  proserosa 
Hüllenectoderm    < 

^  proanmion 

m.     ->  serosa      - —  *-  serosa 
— — ►■  amnion   — — >  amnion 

(eigenartig) 

Ein  zwar  das  primäre  Integument  des  Rückens  bildendes,  aber  nicht 
auf  die  erwachsene  Form  übergehendes  Hüllenectoderm  ist  nicht  für  die 


644  Jur.  Philiptschenko, 

Collembola  allein  charakteristisch,  sondern  ist  augenscheinlich  auch 
bei  vielen  andern  Arthropoden  verbreitet,  allein  hier  schon  in  Gestalt 
eines  Hüllenblastoderms  oder  extraembryonalen  Blastoderms,  indem 
die  Blätter  hier  auf  den  Keimstreifen  beschränkt  sind.  Die  meisten 
Autoren  haben  diesem  extraembryonalen  Blastoderm  keine  besondere 
Bedeutung  zugemessen,  indem  sie  größtenteils  annehmen,  dasselbe 
nehme  späterhin  an  der  Bildung  des  Rückens  des  erwachsenen  Tieres 
Teil.  Es  liegen  indessen  einige  Beobachtungen  vor,  welche  einer 
solchen  Annahme  direkt  widersprechen. 

Was  die  Crustaceen  betrifft,  so  ist  hier  dieser  Frage  von  J.  Wagner 
(1896)  besondere  Beachtung  geschenkt  worden.  Dieser  Autor  bezeichnet 
die  Zellen  des  extraembryonalen  Blastoderms  als  Vitellocyten  und  stellt 
fest,  daß  derartige  Vitellocyten  bei  Neomysis  nur  das  primäre  Rücken- 
integument  bilden,  später  aber  degenerieren,  und  daß  der  Rücken  des 
erwachsenen  Tieres  aus  dem  nach  oben  wuchernden  Ectoderm  des 
Keimstreifens  gebildet  wird.  Offenbar  liegen  hier  die  gleichen  Ver- 
hältnisse vor,  wie  bei  unsrer  Isotoma,  wobei  das  Hüllenectoderm  durch 
eine  Schicht  von  Vitellocyten  (Hüllenblastoderm)  ersetzt  wird.  Es 
läßt  sich  wohl  kaum  annehmen,  daß  Neomysis  eine  Ausnahme  unter 
allen  andern  Crustaceen  bildet.  —  Bezüglich  der  Arachnoideen  kann 
ich  eine  ganz  bestimmte  Angabe  von  Schimke witsch  betreffend  die 
Embryonen  von  Telyphonus  anführen,  wonach  bei  ihnen  ähnliche  flache 
Vitellocyten  durch  cylindrische  Zellen  des  Ectoderms  ersetzt  werden 
(1906,  S.  24  des  Separatabdr.),  d.  h.  auch  hier  ist  das  Wesen  des  Pro- 
zesses offenbar  das  gleiche.  Bei  Scolopendra  nimmt  indessen  die  von 
einschichtigem  Ectoderm  (d.  h.  Blastoderm)  gebildete  Membrana  dorsalis 
nach  Heymons  (1901)  Anteil  an  dem  Aufbau  des  Rückens  des  er- 
wachsenen Tieres,  obgleich  ein  Teil  ihrer  Zellen  ebenfalls  degeneriert. 

Jedenfalls  werden  wir  annehmen  können,  daß  im  Zusammenhange 
mit  der  Bereicherung  der  Arthropodeneier  an  Dotter  bei  ihnen  eine 
Einteilung  der  Eioberfläche  in  eine  Regio  germinalis,  oder  den  Keim- 
streifen, und  eine  Regio  embryonalis  eintritt,  welch  letztere  bei  den 
Embryonen  der  Collembola  vom  Hüllenectoderm  bedeckt  ist  (was  mit 
dem  Umstände  zusammenhängt,  daß  bei  ihnen  die  Elemente  des  unteren 
Blattes  unter  der  gesamten  Eioberfläche  entwickelt  sind),  bei  den 
meisten  Formen  aber  einfach  vom  Blastoderm.  Gerade  aus  diesem 
Hüilenblastoderm  entstehen  bei  den  Insekten  während  ihrer  Entwick- 
lung deren  embryonale  Hüllen,  während  dieses,  wie  das  Hüllenectoderm 
der  Collembola,  bei  gewissen  (wenn  nicht  bei  den  meisten)  andern 
Arthropoden  späterhin  degeneriert  und  durch  das  definitive  Ectoderm 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  645 

ersetzt  wird.  In  diesem  Hüllenblastoderm  und  Hüllenectoderm  haben 
wir  es  denn  auch  mit  jenen  Bildungen  zu  tun,  aus  denen  die  zelligen 
Hüllen  der  Insektenembryonen  hervorgegangen  sind,  wie  auch  die- 
jenigen bei  den  Scorpionen,  wobei  die  Übereinstimmung  in  den  Keim- 
hüllen so  weit  voneinander  stehender  Formen  von  diesem  Gesichts- 
punkte aus  betrachtet  ganz  begreiflich  erscheint. 

Was  die  cuticularen  embryonalen  Hüllen  der  Collembola  be- 
trifft, so  haben  dieselben  mit  denjenigen  Bildungen,  von  denen  oben 
die  Rede  war,  natürlich  nichts  zu  tun,  und  ihr  Zusammenhang  rnit 
dem  Dorsalorgan  ist  erst  secundär  zustande  gekommen.  Derartige 
embryonale  Cuticulae  sind  auch  bei  vielen  andern  Arthropoden  be- 
kannt: unter  den  Crustaceen  bei  den  Malacostraca  (wo  bisweilen, 
wie  bei  Gammarus  pulex,  ebenfalls  ein  Zusammenhang  zwischen  einer 
solchen  Hülle  und  dem  Dorsalorgane  besteht),  bei  vielen  Arachnoideen 
(Spinnen,  Milben,  Pentastomiden),  endlich  bei  den  Myriopoden.  Es 
muß  hervorgehoben  werden,  daß  bisweilen  auch  bei  den  Pterygoten 
etwas  diesen  Cuticulae  Ähnliches  beobachtet  wird,  wobei  die  cuticulare 
Hülle  hier  durch  die  Serosa  abgeschieden  wird,  was,  nebenbei  bemerkt, 
einen  weiteren  Beweis  für  deren  Homologie  mit  dem  Hüllenectoderm 
abgibt.  Eine  derartige  Abscheidung  einer  Cuticula  durch  die  Serosa 
wurde  erstmals  von  Graber  bei  Melolontha  beschrieben  [ich  zitiere 
nach  Heider  (1892)],  hierauf  von  Wheeler  (1893)  bei  Xiphidium  und  • 
von  Selys-Longchamps  (1904)  bei  Tenebrio  molitor  beobachtet.  Der 
gleiche  Vorgang  findet  nach  Heymons  (1897a)  auch  bei  Lepisma  statt. 

In  seiner  Arbeit  über  die  Entwicklung  von  Scolopendra  (1901) 
bezeichnet  der  letztgenannte  Autor  die  Abscheidung  einer  embryonalen 
Cuticula  bei  dieser  Form  einfach  als  eine  Häutung,  und  man  wird  sich 
hiermit  ganz  einverstanden  erklären  können.  Wir  haben  es  hier  dem- 
nach mit  einer  Übertragung  desjenigen  Prozesses  in  das  embryonale 
Leben  zu  tun,  welcher  eigentlich  während  der  postembryonalen  Ent- 
wicklung vor  sich  gehen  sollte:  vielleicht  weist  dieses  Verhalten  auf 
eine  einstmals  stattgehabte  und  nunmehr  verschwundene  Anamor- 
phose  hin. 

Wir  gelangen  demnach  zu  dem  Schlüsse,  daß  das  Dorsalorgan 
und  die  zelligen  Keimhüllen  der  Insekten  voneinander 
ganz  unabhängig  sind;  ersteres  ist  ein  rein  embryonales 
(am  ehesten  wohl  excretorisches)  Organ  der  Arthropoden- 
embryonen,  letztere  sind  aus  dem  nicht  am  Aufbau  des 
Embryokörpers  beteiligten  Blastoderm  oder  Hüllenecto- 
derm bei  den  niedersten  Formen  entstanden;   die  Abschei- 


646  Jur.   Philiptschenko, 

dung  der  embryonalen  Cuticulae  bei  den  Collembola  und 
vielen  andern  Arthropoden  ist  weiter  nichts  als  eine  Häu- 
tung des  Embryos. 

5.  Apterygoten  und  Diplopoden. 

Nachdem  der  größte  Teil  der  vorliegenden  Arbeit  bereits  nieder- 
geschrieben  war,  wurde  ich  mit  der  kürzlich  erschienenen  russischen 
Arbeit  von  Lignau  über  die  Entwicklung  von  Polydesmus  abchasius 
(l$llb)  bekannt,  deren  vorläufige  Mitteilung  (1911a)  bereits  oben 
erwähnt  worden  ist.  Die  Angaben  dieses  Autors  bieten  indessen  so 
viel  Interesse  für  uns,  daß  es  vorzuziehen  ist,  dieselben  hier  ab- 
gesondert zu  besprechen. 

Als  die  nächsten  Verwandten  der  Insekten  werden  gewöhnlich 
Scolopendrella  und  hierauf  die  Chilopoden  angesehen;  die  Diplopoden 
dagegen  gelten  als  eine  weiter  von  den  Insekten  entfernt  stehende 
Gruppe.  »Die  Diplopoden  dürften  überhaupt  wegen  ihrer  entfernten 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  Insekten  als  Vergleichs- 
objekte  kaum  geeignet  sein«  schreibt  zum  Beispiel  Heymons  (1896a, 
S.  13).  Diese  Ansicht  finden  wir  meist  auch  in  den  Lehrbüchern  ver- 
treten. —  Bei  dem  Studium  der  phagocytären  Organe  von  Clenolepisma 
lineata  (1907)  und  hierauf  der  Kopfdrüsen  der  Diplura  und  Thysa- 
nura  (1908)  bin  ich  indessen  zu  einem  direkt  entgegengesetzten  Schlüsse 
gelangt,  und  zwar  daß  alle  Verhältnisse  (und  zwar  die  primitiveren) 
bei  den  Apterygota  viel  mehr  an  die  Diplopoda  erinnern,  als  an 
die  Chilopoda.  Diese  Auffassung  wird  durch  die  Arbeit  von  Lignau 
vollauf  bestätigt,  welcher,  ohne  die  Entwicklung  der  Apterygota 
in  Betracht  ziehen  zu  können,  dennoch  zu  dem  Schlüsse  gelangte, 
daß  »die  Klasse  der  Diplopoda  enger  mit  der  Klasse  der  Insecta 
verknüpft  ist,  während  die  Klasse  der  Chilopoda  einen  äußerst  eigen- 
artigen Charakter  aufweist  und  in  ihrer  Stellung  einsam  dasteht.«  Die 
Berechtigung  einer  solchen  Annahme  tritt  noch  deutlicher  zutage, 
wenn  man  die  Angaben  über  die  Entwicklung  von  Isotoma  cinerea 
mit  den  Beobachtungen  von  Lignau  über  Polydesmus  vergleicht. 

Vor  allem  fällt  hierbei  die  außerordentliche  Übereinstimmung  in 
der  Furchung  der  Eier  beider  Formen  in  die  Augen,  wobei  sich  dieselbe 
sogar  auch  auf  geringste  Einzelheiten  erstreckt.  Wie  bei  Isotoma,  so 
ist  auch  bei  Polydesmus  die  Furchimg  eine  totale  und  äquale,  und 
führt  zu  der  Bildung  einer  kompakten  Morula  aus  äußeren  und  inneren 
Blastomeren  und  zwar  ist  das  erste  Auftreten  letzterer  auch  hier  mit 
dem  16zelligen  Stadium  verknüpft.     Dank  dem  Hervorwandern  der 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  647 

plasmatischen  Massen  der  äußeren  Blastomeren  an  die  Oberfläche 
entsteht  das  Blastoderm,  und  hauptsächlich  aus  den  inneren  werden 
die  Dotterzellen  gebildet.  Bei  den  Diplopoda  und  Collembola 
haben  wir  es  demnach  im  Gegensatz  zu  den  andern  Myriopoden  und 
Insekten  mit  einem  zweifellos  primitiveren  Furchungstypus  zu  tun.  — 
Eine  so  frühzeitig  wie  bei  unsrer  Isotoma  auftretende  Genitalanlage 
hat  Lignau  nicht  beobachtet,  jedenfalls  aber  haben  wir  auch  bei  Poly- 
desmus  eine  frühzeitige  und  von  den  Keimblättern  unabhängige  Son- 
derung eines  Häufchens  von  Genitalzellen  am  hinteren  Ende  des  Em- 
bryos aus  dem  Blastoderm  der  Bauchseite:  der  Autor  selbst  bemerkt, 
daß  dieser  Prozeß  außerordentlich  an  die  von  Heymons  für  die  Ortho- 
pteren beschriebenen  Verhältnisse  erinnert.  Dieser  neue  Fall  einer 
frühen  Differenzierung  der  Genitalzellen,  und  dazu  noch  bei  den  Myrio- 
poden, dient  wiederum  als  Beweismaterial  für  den  oben  von  uns 
entwickelten  Gesichtspunkt. 

Außerordentlich  interessant  ist  die  Bildung  der  Keimblätter  bei 
Pohjdesmus  abchasius.  Zuerst  bildet  sich  das  Mesoderm  in  Gestalt 
zweier  mehr  oder  weniger  lokalisierter  Bezirke  zu  beiden  Seiten  des 
Eies:  wie  dies  aus  der  Beschreibung  sowie  aus  den  Abbildungen  des 
Autors  zu  ersehen  ist,  umfassen  diese  Bezirke  im  großen  ganzen  fast 
das  gesamte  Ei.  Die  Elemente  des  Mesoderms  bilden  sich  aus  dem 
Blastoderm  durch  Teilung  und  Einwanderung  seiner  Zellen  an  diesen 
Stellen,  was  denn  schließlich  ein  Zerfallen  desselben  in  zwei  Schichten 
zur  Folge  hat.  Das  Entoderm  entsteht  längs  der  Medianlinie  der 
Bauchseite  in  Gestalt  eines  »Medianstreifens«  und  dringt  dann,  indem 
es  sich  rasch  von  dem  Blastoderm  absondert,  in  Gestalt  eines  mas- 
siven Stranges  in  den  Dotter  ein.  Die  den  Medianstreifen  des  Keim- 
fleckes bildenden  Elemente  entstehen  auf  dessen  ganzer  Ausdehnung 
durch  Teilung  der  Blastodermzellen ;  außerdem  findet  sich  in  dessen 
vorderem  Teile  eine  schwache  Andeutung  einer  Invaginationsfurche. 
Aus  dem  massiven  entodermalen  Strange  im  Dotter  entsteht  später 
der  Mitteldarm. 

Lassen  wir  die  Teilung  in  Mesoderm  und  Entoderm  für  einen 
Augenblick  außer  acht  und  sprechen  nur  von  dem  unteren  Blatt,  so  ist 
der  Absonderungsprozeß  dieses  letzteren  bei  Pohjdesmus  zweifellos  genau 
der  gleiche,  wie  bei  unsrer  Isotoma.  Hier  wie  dort  wird  das  untere 
Blatt  diffus  unter  der  gesamten  Oberfläche  des  Blastoderms  gebildet 
[hierfür  sprechen  die  Worte  Lignaus:  »mit  dem  Auftreten  des  Meso- 
blasts  und  des  Entoderms  muß  die  gesamte  äußere  Bedeckung  des 
Eies  als  Ectoderm  bezeichnet  werden«  (S.  67)];  dabei  geht  seine  Ab- 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  42 


(348  Jur-  Philiptschenko, 

sonderung  divrch  Teilung  und  Einwanderung  der  Blastodermzellen  vor 
sich,  d.  h.  durch  multipolare  Immigration.  Die  kurze  Invaginations- 
furche  am  vorderen  Ende  des  »Medianstreifens«  stört  diese  Auffassung 
in  keiner  Weise,  indem  sie  offenbar  eine  sehr  unbedeutende  Rolle 
spielt  und  sich,  wie  mir  scheint,  gleichsam  noch  während  ihres  Ent- 
stehungsprozesses befindet.  Mit  einem  Worte,  wir  haben  es  bei  Poly- 
desmus  mit  einem  neuen  Falle  einer  Bildung  des  unteren  Blattes  durch 
multipolare  Immigration  zu  tun,  von  deren  Bedeutung  bereits  oben 
die  Rede  gewesen  ist. 

Einen  in  der  Tat  wesentlichen  Unterschied  zwischen  Polydesmus 
und  unsrer  Isotoma  cinerea  und  auch  den  meisten  andern  Insekten 
bildet  die  scharfe  Abgrenzung  in  Zeit  und  Raum  der  beiden  sekundären 
Keimblätter,  so  daß  man  hier  mit  vollem  Rechte  von  Entoderm  und 
Mesoderm  sprechen  kann.  Dabei  kann  leicht  der  Eindruck  entstehen, 
als  ob  bei  den  Diplopoda  gleichsam  ein  primärer  Fall  im  Vergleiche 
mit  den  Insekten  vorliege:  bei  ersteren  sind  Entoderm  und  Meso- 
derm unabhängig  voneinander,  bei  letzteren  verschmelzen  sie  rein 
sekundär  zu  einem  gemeinsamen  unteren  Blatte.  Den  gegenwärtig 
bestehenden  Verhältnissen  bei  der  Entwicklung  der  Insekten  mußte 
demnach  wahrscheinlich  eine  scharfe  Absonderung  der  sekundären 
Keimblätter  vorangegangen  jsein,  wie  sie  jetzt  noch  bei  Polydesmus 
vorliegt. 

Selbst  wenn  eine  derartige  Annahme  richtig  wäre,  so  würde  dies 
natürlich  unsere  Ansicht  von  der  größeren  Bequemlichkeit,  bei  der 
Mehrzahl  der  Insekten  statt  der  sekundären  Blätter  zusammengesetzte 
Primitivanlagen  zu  unterscheiden,  nicht  ausschließen.  Ich  persönlich 
halte  es  indessen  für  wahrscheinlicher,  daß  bei  Polydesmus  bei  der 
Entwicklung  der  Blätter  eher  sekundäre  als  primäre  Verhältnisse  vor- 
walten. Als  letztere  wird  man,  wie  mir  scheint,  stets  die  anfängliche 
Absonderung  der  beiden  primären  Blätter  —  des  oberen  und  des 
unteren  —  ansehen  müssen,  worauf  dann  erst  die  Differenzierung  dreier 
sekundärer  Blätter  folgt  —  des  Ectoderms,  des  Entoderms  und  des 
Mesoderms.  Hier  hingegen  entstehen  die  letzteren  einzeln,  wobei  das 
Mesoderm  sich  vor  dem  Entoderm  absondert,  und  ich  vermute,  daß 
derartige  Verhältnisse  (wie  die  ihnen  völlig  analogen  unter  den  Insekten, 
so  z.  B.  bei  Chalicodoma)  rein  sekundär  entstanden  sind  und  daß  ihnen 
ein  Stadium  mit  ursprünglicher  Teilung  des  Blastoderms  in  die  zwei 
primären  Keimblätter  vorangegangen  ist. 

In  dem  Entoderm  und  dem  Ectoderm  von  Polydesmus  erblicke  ich 
nur  die  Primitivanlagen,  in  welche  sein  unteres  Blatt  zerfällt  und  die 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  649 

vielleicht  mit  den  gleichen  Anlagen  bei  Chalicodoma  völlig  überein- 
stimmen, den  Primitivanlagen  vieler  andrer  Insekten  aber  nicht  völlig 
homolog  sind. 

Bis  jetzt  wurde  angenommen,  daß  die  Krümmung  der  Embryonen 
bei  den  Diplopoda  eine  ganz  andre  sei,  als  bei  den  Chilopoda  und 
den  Apterygota:  als  äußerst  wichtig  ist  eine  Beobachtung  von  Lignau 
anzusehen,  auf  Grund  deren  er  die  Tatsache  feststellen  konnte,  daß 
bei  Polydesmus  (und  auf  Grund  früherer  Arbeiten  wohl  auch  bei  andern 
Formen)  keinerlei  Unterschied  in  dieser  Beziehung  besteht.  Der  Embryo 
von  Polydesmus  hat  ursprünglich  eine  dorsale  Krümmung,  allein  später 
tritt  eine  Querfurche  auf  und  die  dorsale  Krümmung  wird  durch  eine 
ventrale  ersetzt.  —  Äußerst  wichtig  ist  auch  die  volle  Bestätigung  der 
Angaben  von  Heymons  (1897c)  und  Silvestri  (1898)  über  das  Vor- 
handensein eines  postmaxillaren  Segmentes,  was  eine  vollkommene 
Analogie  zwischen  dem  Bestände  des  Kopfes  bei  den  Diplopoden  einer- 
seits und  den  Insekten  anderseits  ermöglichte. 

In  bezug  auf  die  Entwicklung  der  Kopfdrüsen  scheint  Lignau 
in  einen  Irrtum  zu  verfallen.  Die  mesodermale  Abstammung  des 
einen  Paares  derselben,  und  zwar  der  tubulösen  Drüsen  [deren  Bau 
imd  secretorische  Fähigkeit  dieselben  sind,  wie  bei  den  tubulösen  Kopf- 
drüsen der  Apterygota  —  Bruntz  (1904a)],  ist  schon  in  der  älteren 
Arbeit  von  Heathcote  (1886)  vermerkt  worden.  Lignau  hat  die 
ersten  Stadien  in  der  Entwicklung  dieser  Drüsen  nicht  gesehen,  nimmt 
aber  auf  Grund  indirekter  Schlußfolgerungen  an,  daß  die  ganze  tubu- 
löse  Drüse  aus  dem  Ectoderm  entsteht,  und  nur  einen  Kanal  der  hinteren, 
aus  dem  Mesoderm  entstehenden  Speicheldrüse  darstellt.  — ■  Dieser 
Annahme  widersprechen  vor  allem  die  rein  anatomischen  Befunde  von 
Krug  (1907),  Effenberger  (1909)  und  Wernitzsch  (1910),  welche 
diese  Verhältnisse  bei  verschiedenen  Diplopoda  untersucht  haben: 
beide  Drüsenpaare  sind  (wie  auch  bei  den  Apterygota)  gänzlich  un- 
abhängig voneinander  und  der  Charakter  der  hinteren  Speicheldrüse 
spricht  gegen  deren  mesodermalen  Ursprung,  während  die  tubulösen 
Drüsen  den  nephridialen  Speicheldrüsen  bei  Peripatus  äußerst  ähnlich 
sind.  Zweitens  hat  die  von  Lignau  beobachtete  erste  Anlage  der 
tubulösen  Drüse  (vgl.  S.  162,  163  und  Fig.  2  im  Texte  seiner  Arbeit) 
eine  außerordentliche  Ähnlichkeit  mit  der  Anlage  der  tubulösen  Drüse 
unsrer  Isotoma,  wie  sie  auf  der  Fig.  70  abgebildet  ist.  Die  Entstehung 
dieser  letzteren  aus  dem  Somiten  des  zweiten  Maxillarsegmentes  wurde 
von  uns  sicher  festgestellt,  was  zu  der  Annahme  veranlaßt,  daß  die 
alte  Beobachtung  von  Heathcote  völlig  richtig  ist,  und  daß  Lignau 

42* 


650  Jur.   Philiptschenko, 

sich  geirrt  hat,  indem  er  die  tubulöse  Drüse  von  Polydesmus  für  eine 
ectodermale  Bildung  hielt. 

Die  Vergleichung  der  Befunde  von  Lignau  über  die  Entwicklung 
von  Polydesmus  abchasius  mit  unsern  Beobachtungen  über  die  Ent- 
wicklung von  Isotoma  cinerea  bestätigen  demnach  durchaus  dessen 
Auffassung,  wonach  nicht  die  Chilopoda,  sondern  die  Diplopoda 
den  Insekten  näher  stehen,  indem  sie  uns  gleichzeitig  zeigt,  daß  letztere 
besonders  viel  mit  den  Apterygota  gemein  haben.  Diese  Tatsache 
wird  durchaus  verständlich,  wenn  wir  anerkennen,  daß  nicht  nur  die 
Apterygoten  die  niedersten  Insekten  sind,  sondern  auch  daß  die  Diplo- 
poden (mit  den  Symphyla  und  Pauropoda)  die  niedersten  Myrio- 
poden  dartellen,  die  Chiiopoden  dagegen  eine  höher  stehende  und 
spezialisierte  Gruppe.  Zugunsten  der  größeren  Ursprünglichkeit  der 
Diplopoda  spricht,  abgesehen  von  ihrer  Embryologie,  auch  noch  eine 
ganze  Reihe  anatomischer  Angaben,  wie  auch  ihr  Auftreten  in  der 
Geologie  in  älteren  Schichten.  Augenscheinlich  haben  wir  es  hier  mit 
der  Tatsache  einer  größeren  gegenseitigen  Nähe  zwischen  den  nieder- 
sten Vertretern  zweier  Gruppen  (der  Myriopoden  und  Insekten)  zu  tun, 
welche  sich  aus  einer  gemeinsamen  Wurzel  entwickelt  haben. 

Ich  glaube  letzteres  hervorheben  zu  müssen,  obgleich  die  Theorie 
der  Abstammung  dieser  Arthropoden  von  gemeinsamen  Vorfahren  in 
der  Art  der  Onychophora  fast  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat. 
Gegenwärtig  ist  das  Interesse  an  phylogenetischen  Spekulationen  fast 
völlig  geschwunden,  was  man  im  allgemeinen  als  eine  recht  erfreuliche 
Tatsache  begrüßen  muß,  dafür  ist  aber  die  Phylogenie  aus  den  Händen 
der  Morphologen  in  die  Hände  der  Systematiker  übergegangen,  welche 
unter  geringer  Berücksichtigung  der  anatomischen  und  embryologischen 
Befunde  in  diesem  Gebiete  nicht  selten  mehr  als  kühne  und  völlig 
unwahrscheinliche  Hypothesen  aufstellen.  Hierher  gehört  vor  allen 
die  Hypothese  von  Handlirsch  (1908)  über  die  Abstammung  der 
Insekten  von  den  Trilobiten,  wobei  dieser  Autor  keinen  Anstand  nimmt, 
nicht  nur  die  Myriopoden,  sondern  sogar  die  Campodeoidea  und 
Collembola  (sie!)  direkt  von  letzteren  als  selbständige  Reihen  ab- 
zuleiten. 

Die  Versündigungen  der  alten  Phylogenie  waren  natürlich  nicht 
gering,  doch  hat  letztere  eine  Reihe  wertvoller  und  unbestreitbarer 
Tatsachen  ergeben,  welche  als  dauerhafte  Eroberungen  der  Zoologie 
gelten  müssen  und  vor  den  Versuchen  zu  schützen  sind,  sie  durch 
solche  Spekulationen  zu  ersetzen,  wie  die  Phylogenie  der  Arthropoden 
nach  Handlirsch. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  651 

Zu  solch  wertvollen  Beiträgen  von  Seiten  der  alten  phylogeneti- 
schen Kichtung  gehört  zum  Beispiele  die  Lehre  von  der  Evolution  der 
Wirbeltiere,  hierher  gehört  auch  die  Campodea-  (oder  besser  Insekten-) 
—  Myriopoden  —  Peripatustheorie,  wie  Handlirsch  dieselbe  nennt. 

München,  im  Februar  1912. 


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Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III. 


657 


Erklärung  der  Abbildungen, 


Allgemeine 

a,  Anus; 

Abd  l5  2>  3,  ±,  5,  6»  Abdominalsegmente 
(erstes,  zweites  usw.); 

übd  i,  3>  i,  abdominale  Extremitäten 
(des  ersten,  dritten,  vierten  Seg- 
mentes); 

aDO,  Anlage  des  Dorsalorganes ; 

ah1,  hervortretende  erste  Embryonal- 
hülle; 

ant,  Antenne; 

bl,  Blastoderm; 

cbl,  Cardioblasten ; 

ch,  Chorion; 

D,  Mitteldarm; 

db,  Dotterbezirke; 

De,  Deutocerebrum ; 

dDa,  diffuse  Mitteldarmanlage; 

dk,  Dotterkerne; 

dku,  Dotterkügelchen ; 

DO,  Dorsalorgan; 

dz,  Dotterzellen; 

e,  Einwanderung  einer  Zelle  des  unteren 
Blattes  aus  dem  Blastoderm ; 

ect,  Ectoderm; 

etd,  Endbläschen  der  tubulösen  Kopf- 
drüse ; 

/,  Furche; 

fh,  Furchungshöhle ; 

fk,  Fettkörper; 

fre,  Springgabel  (Furca); 

fz,  Furch ungszellen ; 

g,  Genitalanlage; 

gd,  Genitalgang; 

ggl,  Ganglion; 

ggl  abd,  Abdominalganglion ; 

ggl  th,  Thoracalganglion ; 

gon,  Gonade; 

gz,  Genitalzellen; 

hi,  erste  cuticulare  Embryonalhülle; 

h2,  zweite  cuticulare  Embryonalhülle; 

hDa,  hintere  Mitteldarmanlage; 

he,  Hüllenectoderm ; 

hgl,  hintere  Grenzlamelle; 


Abkürzungen: 

hyp,  Hypodermis; 

hz,  Herz; 

isb,  medialer  Strang  des  unteren  Blattes 
zwischen  den  Somiten; 

Kl,  Kopf  läppen; 

ktd,  Kanal  der  tubulösen  Kopfdrüse; 

Ibr,  Oberlippe; 

l.sub,  Laminae  subanales; 

M d,  Mandibularsegment ; 

md,  Mandibeln; 

mf,  Mundfalte; 

mm,  Anlage  der  Muscularis  des  Vorder- 
oder Hinterdarmes; 

msk,  Muskeln; 

Mxx,  Segment  der  ersten  Maxillen; 

mxi,  erste  Maxillen; 

Mx2,  Segment   der   zweiten   Maxillen; 

mx2,  zweite  Maxillen; 

n,  Nervensystem; 

nbl,  Neuroblasten; 

oc,  Ocellen; 

osg,  oberes  Schlundganglion; 

owe,  aus  dem  Keimstreifen  nach  oben 
(dorsalwärts)  wucherndes  Ecto- 
derm ; 

-pa,  Plasmaanhäufung  im  Dotter  eines 
Blastomers ; 

par,  Paracyten; 

pi,  centrale  Anhäufung  des  Plasmas  im 
Ei  (Plasmainsel); 

plp,  Palpus; 

Prc,  Protocerebrum ; 

prd,  Proctodäum; 

prgl,  Paraglossae; 

pst,  fibrilläre  Substanz  (Punktsubstanz) 
des  Nervensystems; 

ref,  Retinaculum; 

segm,  in  Bildung  begriffene  Segmente 
des  Keimstreifens; 

sks,  Schlundcommissur; 

so,  Somiten; 

so.ics,  Somiten  des  Intercalarsegments; 

std,  Stomodäum; 


658  Jur-  Philiptschenko, 

tdr,  Anlage  der  tubulösen  Kopfdrüse;  Trc,  tritocerebrum ; 

tf,  Teilungsfigur;  tv,  tubus  ventralis; 

Thlt  2,  3,  tkoracale  Segmente  (erstes,  üb,  unteres  Keimblatt; 

zweites,  drittes);  usg,  unteres  Schlundganglion; 

th,  Füße;  vDa,  vordere  Mitteldarmanlage; 

thi,  2j  3>  Füße  des  ersten,  zweiten,  drit-  vgl,  vordere  Grenzlamelle; 

ten  Thoracalsegmentes;  vmp,  ventrale  Muskelplatte. 

Tafel  X. 
Erste  Entwicklungsperiode: 

Fig.  1.     Ei  vor  der  Furchung.     300/1. 

Fig.  2.     Vierzelliges  Stadium.     300/1. 

Fig.  3.     Achtzelliges  Stadium.     300/1. 

Fig.  4.     16zelliges  Stadium.     300/1. 

Fig.  5.     Späteres  Furchungsstadium  (etwa  64  Zellen).     300/1. 

Fig.  6.  Schnitt  durch  ein  Ei  vor  der  Furchung.  Färbung  nach  Heiden- 
hain.    350/1. 

Fig.  7.  Teil  des  Schnittes  durch  ein  Ei  im  Stadium  der  ersten  Teilung. 
500/1. 

Fig.  8.  Schnitt  durch  das  Stadium  von  zwei  Zellen.  Färbung  nach  Hei- 
denhain.    350/1. 

Fig.  9.     Schnitt  durch  das  achtzellige  Stadium.     350/1. 

Fig.  10.     Schnitt  durch  das  16zellige  Stadium.     350/1. 

Fig.  11.     Schnitt  durch  das  32zellige  Stadium.     400/1. 

Fig.  12.  Schnitt  durch  das  auf  Fig.  5  dargestellte  Stadium  (etwa  64  Zellen). 
400/1. 

Fig.  13.  Schnitt  durch  das  darauffolgende  Stadium:  Wanderung  der  Fur- 
chungszellen  nach  der  Oberfläche  des  Eies.     400/1. 

Fig.  14.  Schnitt  durch  ein  Ei  nach  beendigter  Furchung  mit  dem  Blasto- 
derm,  den  Dotterzellen  und  der  Genitalanlage.    400/1. 

Tafel  XI. 
Zweite    Entwicklungsperiode. 

Fig.  15.  Teil  des  Schnittes  durch  ein  Ei  während  der  Bildung  des  unteren 
Blattes.     500/1. 

Fig.  16.  Schnitt  durch  das  zweischichtige  Stadium  (eines  »birnförmigen« 
Embryos).     500/1. 

Fig.  17.  Oberer  Teil  des  Schnittes  durch  einen  Embryo  mit  Anlage  des 
Dorsalorganes.     500/1. 

Fig.  18.     Schnitt  durch  einen  Embryo  mit  Dorsalorgan.    500/1. 

Fig.  19.     Schnitt  durch  einen  Embryo  mit  meridionaler  Furche.     400/1. 

Fig.  20 — 21.  Zwei  aufeinanderfolgende  Schnitte  durch  einen  Embryo, 
welcher  mit  zahlreichen  Falten  versehen  ist  und  mit  verlagertem  Dorsalorgan 
(beide  aus  einer  Serie).     400/1. 

Fig.  22.  Schnitt  durch  den  oberen  Teil  eines  Embryos  unmittelbar  vor 
dem  Zerreißen  des  Chorions.     500/1. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III.  659 

Dritte    Entwicklungsperiode. 

Fig.  23.  Äußere  Gestalt  eines  Embryos  auf  dem  Stadium  A,  von  der  Seite 
gesehen.     300/1. 

Fig.  24.  Querschnitt  durch  den  vorderen  Teil  dieses  Embryos  (Kopflappen 
und  eines  der  Segmente).     350/1. 

Fig.  25..  Querschnitt  durch  den  hinteren  Teil  eines  ebensolchen  Embryos. 
350/1. 

Fig.  26.     Dorsalorgan  auf  dem  Stadium  B  im   Querschnitt.     800/1. 

Tafel  XII. 

Äußere    Gestalt    der    Embryonen    während    der     dritten 
und    vierten    Periode   der   Entwicklung. 
Fig.  27.     Stadium  B  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  28.     Stadium  C  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  29.     Stadium  C  —  Keimstreifen  von  der  Ventralseite  gesehen.    300/1. 
Fig.  30.     Stadium  D  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  31.     Stadium  D  —  von  der  Ventralseite  gesehen  (en  face).     300/1. 
Fig.  32.     Stadium  E  — ■  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  33.     Stadium  E  —  hinteres  Ende  des  Embryos  von  der  Ventralseite 

gesehen.     300/1. 
Fig.  34.     Stadium  G  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  35.     Stadium  H  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  36.     Stadium  J  —  von  der  Seite  gesehen.     300/1. 
Fig.  37.     Junge  Isotoma  cinerea,  eben  aus  dem  Ei  geschlüpft.     140/1. 

Tafel  XIII. 
Dritte    Entwicklungsperiode. 

Fig.  38.     Sagittalschnitt  durch  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  B.     350/1. 

Fig.  39.  Unterer  Teil  eines  Querschnittes  durch  einen  ebensolchen  Embryo 
im  Bereiche  eines  der  Segmente.     500/1. 

Fig.  40.     Sagittalschnitt  durch  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  C.     350/1. 

Fig.  41.  Unterer  Teil  eines  Querschnittes  durch  einen  ebensolchen  Embryo 
im  Bereiche  eines  der  Segmente.     500/1. 

Fig.  42.  Sagittalschnitt  durch  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  D,  wobei 
die  Extremitäten  und  die  Somiten  getroffen  sind.     300/1. 

Fig.  43.  Sagittalschnitt  durch  den  hinteren  Teil  eines  solchen  Embryos  im 
Bereiche  des  Proctodäum.     400/1. 

Fig.  44.  Sagittalschnitt  durch  den  vorderen  Teil  eines  Embryos  auf  dem 
Stadium  D,  wobei  das  Stomodäum  getroffen  ist.    400/1. 

Fig.  45.  Teil  eines  Querschnittes  durch  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  D 
im  Bereiche  des  Mandibularsegmentes.     500/1. 

Fig.  46.  Teil  eines  ebensolchen  Schnittes  aus  der  gleichen  Serie  durch 
eines  der  Thoracalsegmente.     500/1. 

Fig.  47.  Sagittalschnitt  durch  den  hinteren  Teil  eines  Embryos  auf  dem 
Stadium  E,  wobei  die  Abdominalextremitäten,  die  Somiten  und  das  Proctodäum 
getroffen  "sind.     400/1. 

Fig.  48 — 50.     Drei  aufeinanderfolgende  Frontalschnitte  (einer  Serie)  durch 


660      Jur.  Philiptschenko,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Apterygoten.  III. 

den  vorderen  Teil  eines  Embryos  auf  dem  Stadium  E,  wobei  das  Gehirn,  das 
Antennen-  und  das  Intercalarsegment  getroffen  sind.     400/1. 

Fig.  51.  Querschnitt  durch  einen  Embryo  des  gleichen  Stadiums  durch 
das  Segment  der  ersten  Maxillen.     400/1. 

Fig.  52.  Teil  eines  Querschnittes  aus  der  gleichen  Serie  im  Bereiche  des 
zweiten  Maxillen paares.     800/1. 

Tafel  XIV. 

Vierte    Entwicklungsperiode. 

Fig.  53 — 55.  Teile  dreier  aufeinanderfolgender  Sagittalschnitte  durch  einen 
Embryo  auf  dem  Stadium  F,  welche  die  Anlagen  des  Mitteldarmes  getroffen  haben. 
500/1. 

Fig.  56.  Frontalschnitt  durch  die  hintere  Hälfte  eines  ebensolchen  Embryos, 
welcher  die  Abdominalextremitäten  und  die  Genitalanlage  getroffen  hat.     500/1. 

Fig.  57.  Schräger  Schnitt  durch  den  vorderen  Teil  des  Kopfes  eines  Em- 
bryos auf  dem  Stadium  G,  im  Bereiche  der  Mandibeln.     500/1. 

Fig.  58 — 60.  Querschnitte  durch  einen  ebensolchen  Embryo,  durch  den 
Kopf,  das  erste  und  das  dritte  Abdominalsegment.     500/1. 

Fig.  61.     Genitalzellen  auf  dem  Stadium  G.     1100/1. 

Fig.  62.  Sagittalschnitt  durch  den  vorderen  Teil  eines  Embryos  auf  dem 
Stadium  G.     400/1. 

Fig.  63.     Ebensolcher  Schnitt  durch  dessen  hinteren  Teil.     500/1. 

Fig.  64.  Schräger  Schnitt  durch  den  hinteren  Teil  des  Kopfes  eines  Em- 
bryos auf  dem  Stadium  G,  welcher  die  Anlage  der  tubulösen  Drüse  getroffen  hat. 
500/1. 

Fig.  65.  Teil  eines  Sagittalschnittes  durch  einen  Embryo  auf  dem  Sta- 
dium H  (Dorsalorgan  und  Thoracalganglien).     500/1. 

Fig.  66 — 67.  Frontalschnitte  durch  den  vorderen  und  hinteren  Teil  eines 
ebensolchen  Embryos,  wobei  die  Mitteldarmanlagen  getroffen  wurden.     500/1. 

Fig.  68.  Querschnitt  durch  den  vorderen  Teil  des  Thorax  aus  der  gleichen 
Serie.     500/1. 

Fig.  69.  Querschnitt  durch  das  erste  Abdominalsegment  eines  Embryos 
auf  dem  Stadium  H.     500/1. 

Fig.  70.  Sagittalschnitt  durch  den  lateralen  Teil  des  Kopfes  eines  eben- 
solchen Embryos  (Anlage  der  tubulösen  Drüse).     500/1. 

Fig.  71.  Schräger  (fast  frontaler)  Schnitt  durch  den  vorderen  Teil  des 
Thorax  eines  aus  dem  Stadium  H  in  das  Stadium  J  übergehenden  Embryos.  500/1. 

Fig.  72.  Sagittalschnitt  durch  das  Stomodäum  eines  ebensolchen  Embryos. 
800/1. 

Fig.  73.  Sagittalschnitt  (die  vordere  und  hintere  Hälfte  nach  zwei  Schnitten 
einer  Serie  gezeichnet)  durch  einen  Embryo  auf  dem  Stadium  J.     400/1. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen. 

Von 
Dr.  M.  Nowikoff. 

Mit  13  Figuren  im  Text  und  Tafel  XV— XVII. 


Inhalt. 

Seite 

I.  Einleitung 661 

II.  Material  und  Methode 664 

III.  Das  Knorpelgewebe  der  Mollusken 665 

1.  Der  Kopfknorpel  der  Cephalopoden 666 

Literaturübersicht 666 

Eigne  Untersuchungen 668 

2.  Der  Subradularknorpel  der  Gastropoden 673 

Literaturübersicht 673 

Eigne  Untersuchungen 675 

Patella  coerulea 675 

Fissurella  graeca 680 

Haliotis  tuberculata 683 

IV.  Das  Knorpelgewebe  der  Würmer 686 

Literaturübersicht 686 

Eigne  Untersuchungen 687 

V.  Der  Knorpel  und  das  knorpelähnliche  Gewebe  bei  Arthropoden  .    .    .   696 

Literaturübersicht     ..." 696 

Eigne  Untersuchungen 698 

VI.  Das  knorpelähnliche  Gewebe  der  Coelenteraten 704 

VII.  Vergleichende  Bemerkungen 706 

1.  Über  die  Klassifikation  des  Knorpelgewebes  der  Wirbellosen  .    .   706 

2.  Über  den  Bau  der  Knorpelgrundsubstanz 708 

Verzeichnis  der  zitierten  Literatur 714 

Erklärung  der  Abbildungen 716 


I.  Einleitung. 

Die  umfangreiche  Literatur  über  den  Korpel  ist  in  neuerer  Zeit 
durch  eine  Reihe  eingehender  Arbeiten  (von  Hansen,  Schaffer, 
Studnicka)  bereichert  worden.  Diese  Arbeiten,  welche  ein  reiches 
und   neues   Tatsachenmaterial   nebst   mehreren  interessanten   verglei- 


662  M.  Nowikoff, 

chenden  Bemerkungen  liefern,  lassen  jedoch  manche  Fragen  in  bezug 
auf  die  Histologie  des  Knorpels  ungelöst;  so  z.  B.  die  Fragen  über 
die  sogenannten  Zellenterritorien,  über  die  Herkunft,  die  morpho- 
logische Bedeutung  und  die  feinere  Struktur  der  Grundsubstanz  usw. 
Alle  diese  morphologischen  Fragen  haben  jedoch  an  Interesse  noch 
mehr  gewonnen ,  seitdem  durch  die.  Untersuchungen  von  Mörner 
(1888),  Schmiedeberg  (1891)  und  Hansen  (1905)  die  chemische  Natur 
der  Knorpelgrundsubstanz  aufgeklärt  wurde.  Wir  wissen  jetzt  näm- 
lich, daß  diese  Substanz  aus  Chondromukoiden  (d.  h.  verschiedenen 
Verbindungen  der  Chondroitinschwefelsäure  mit  eiweißartigen  Körpern) 
und  aus  Kollagen  besteht.  Die  weichere  oder  härtere  Beschaffenheit 
der  Grundsubstanz,  ebenso  wie  ihre  verschiedene  Tinktionsfähigkeit 
hängt  von  der  Menge  dieser  oder  jener  der  genannten  Hauptbestand- 
teile ab. 

In  einer  Anzahl  von  Arbeiten  waren  Studnicka  (1897,  98,  1903) 
und  Schaffer  (1901,  06,  11)  bemüht  einige  der  oben  erwähnten 
Fragen  auf  Grund  des  Studiums  des  einfacheren  Knorpels  der  Cyclo- 
stomen  zu  beantworten.  So  behauptet  Schaffer  (1901,  S.  115),  »daß 
die  verwickelten  Formen  des  Knorpelgewebes  der  höheren  Tiere  auf 
das  einfache  Schema  des  Cyclostomenknorpels  zurückgeführt  werden 
können«,  und  daß  »durch  diese  Betrachtungsweise  auch  manche  bis 
heute  noch  unentschiedene  Frage  in  der  Histologie  und  Histogenese 
des  Knorpelgewebes  ihre  Lösung  finden«  würden. 

Einem  ähnlichen  Gedanken  folgend,  habe  ich  im  Jahre  1908,  nach- 
dem meine  Arbeit  über  die  Zellen  und  die  Grundsubstanz  des  Wirbel- 
tierknorpels abgeschlossen  war,  eine  Untersuchung  über  den  Knorpel 
von  wirbellosen  Tieren  unternommen.  Das  von  mir  gewählte 
Thema  verdient  auch  dadurch  einiges  Interesse,  als  über  den  Bau  des 
Knorpels  von  Wirbellosen  nur  ältere  Literaturangaben  existieren.  Die 
modernen  technischen  Mittel  wurden  für  die  Untersuchung  dieses 
Gewebes  noch  gar  nicht  angewendet. 

Meine  Hoffnung  jedoch,  im  Knorpel  der  verhältnismäßig  einfach 
organisierten  Tierformen  auch  einen  einfacheren  histologischen  Bau 
zu  treffen,  ist  nur  teilweise  erfüllt  worden.  Beim  Studium  der  ver- 
schiedenen Vertreter  von  Mollusken,  Arthropoden,  Würmern  und 
Coelenteraten  ergab  sich  zunächst,  daß  nur  die  drei  erstgenannten 
Abteilungen  echtes  Knorpelgewebe  besitzen,  daß  bei  den  Coelenteraten 
dagegen  nur  ein  knorpelähnliches  Bindegewebe  vorkommt.  Zweitens 
konnte  ich  feststellen,  daß  der  Knorpel  von  Wirbellosen  ziemlich 
mannigfaltig  und  zum  Teil  ebenso  kompliziert  wie  der  von  höheren 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  663 

Vertebraten  gebaut  ist.  Dennoch  hoffe  ich,  daß  einige  der  oben  gestellten 
Fragen  in  den  nachfolgenden  Zeilen  eine  Entscheidung  finden  und  die 
andern  mehr  oder  weniger  aufgeklärt  werden. 

Die  zweite  Hauptaufgabe  meiner  Arbeit  besteht  darin,  eine  kritische 
Zusammenstellung  der  bis  jetzt  publizierten  Angaben  über  das  Knorpel- 
gewebe von  Wirbellosen  zu  geben,  nebst  einigen  eignen  Beobachtungen, 
welche  eine  natürliche  Klassifikation  der  genannten  Gewebe  durch- 
zuführen ermöglichen. 

Das  von  mir  gewonnene  Tatsachenmaterial  will  ich  in  vier  Kapiteln, 
entsprechend  den  vier  oben  erwähnten  Tierstämmen  betrachten.  Jedem 
Kapitel  werde  ich  eine  kiuze  Literaturübersicht  vorausschicken.  An 
dieser  Stelle  möchte  ich  nur  an  einigen  aus  der  Literatur  entnommenen 
Beispielen  zeigen,  wie  wenig  Aufmerksamkeit  dem  Knorpel  der  Wirbel- 
losen von  den  bisherigen  Forschern  gewidmet  wurde.  Man  findet 
nämlich  in  den  Lehr-  und  Handbüchern  entweder  keine  oder  mangel- 
hafte Angaben  über  dies  Gewebe. 

Das  ältere  »Lehrbuch  der  Histologie  des  Menschen  und  der  Tiere« 
von  Leydig  (1857,  S.  164)  enthält  eine  sehr  kurze  Beschreibung  des 
Knorpelgewebes  der  Cephalopoden  und  Kiemenwürmer. 

Im  großen  Handbuch  der  Gewebelehre  von  Kölliker  (1889,  Bd.  I 
S.  114)  findet  man  nur  die  folgende  Bemerkung:  »Bei  Wirbellosen  kom- 
men viele  in  der  Festigkeit  dem  Knorpel  ähnliche  Gewebe  vor,  doch 
ist  hyaliner  Knorpel,  zum  Teil  in  ausgezeichnet  schönen  Formen,  bisher 
nur  gefunden  bei  Tintenfischen  und  Knorpel  ohne  Grundsubstanz-  in 
den  Branchien  mehrerer  Annelida  capitibranchiata  (Quatrefages, 
Leydig,  ich),  in  dem  Zungengestell  von  Mollusken  (Lebert,  Claparede), 
nach  dem  bedeutungsvollen  Funde  von  Gegenbaur  beim  Mollukken- 
krebse in  der  Nähe  des  Hauptnervenstranges  und  am  Scheibenrande 
der  Geryoniden  (E.  Haeckel).« 

In  seinen  vor  kurzem  veröffentlichten  Vorlesungen  über  ver- 
gleichende Anatomie,  in  welchen  neben  den  Wirbeltieren  auch  die 
Wirbellosen  in  einer  eingehenden  Weise  besprochen  werden,  äußert 
sich  Bütschli  (1910,  S.  163)  in  bezug  auf  das  uns  interessierende 
Gewebe  folgendermaßen:  »Schon  bei  manchen  Wirbellosen  tritt  in 
gewissen  Körperteilen  knorpelartiges  Mesodermgewebe  auf.  So  wird 
der  Zellgewebsstrang,  der  die  Kiemenfäden  mancher  Kopfkiemer  unter 
den  Polychaeten  durchzieht,  meist  als  Knorpelgewebe  gedeutet,  ob- 
gleich seine  Intercellularsubstanz  nur  wenig  entwickelt  ist;  selbst  das 
entodermale  Stützgewebe  der  Cölenteratententakel  ist  schon  ähnlich 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  43 


664  M.  Nowikoff, 

aufgefaßt  worden.  —  Typischem  Knorpel  begegnen  wir  bei  den  gastro- 
poden  und  vor  allem  den  cephalopoden  Mollusken.« 

Schließlich  möchte  ich  auch  eine  vollständig  unbegründete  An- 
gabe von  K.  Camillo  Schneider  nicht  unerwähnt  lassen.  Dieser 
Autor  behauptet  nämlich  in  seinem  Lehrbuch  der  vergleichenden 
Histologie  der  Tiere  (1902,  S.  83),  daß  das  Knorpelgewebe  »in  typischer 
Ausbildung  nur  den  Vertebraten  zukommt.« 

II.  Material  und  Methode. 

Als  Untersuchungsmaterial  dienten  mir  folgende  Tierformen: 
I.  Mollusca: 

1)  Cephalopoda: 

Sepia  officinalis, 
Eledone  moschata ; 
2)  Gastropoda: 

Patella  coerulea, 
Fissurella  graeca, 
Haliotis  tuberculata ; 
II.  Arthropoda: 

1)  Crustacea: 

Cypris  puber  a, 
Nebalia   Geoffroyi ; 

2)  Arachnoidea: 

Euscorpius  europaeus ; 

3)  Xiphosura: 

Limulus  polyphemus ; 
III.  Vermes: 

Spirographis   Spallanzani  (Sabella  unispira), 
Sabella  reniformis, 
Myxicola  (Sabella)  infundibulum, 
Branchiomma  Köllikeri ; 
IV.  Coelenterata : 

Carmarina  hastata, 
Periphylla  sp. 

Die  meisten  der  oben  genannten  Seetiere,  ebenso  wie  die  Skorpione  wurden 
von  mir  auf  den  zoologischen  Stationen  in  Triest  und  Rovigno  gesammelt;  die 
Kiemenwürmer  habe  ich  von  der  zoologischen  Station  in  Neapel  bezogen ;  Limulus 
polyphemus  erhielt  ich  aus  der  Sammlung  des  vergleichend-anatomischen  Instituts 
zu  [Moskau;  Periphylla  sp.  verdanke  ich  Herrn  Dr.  N.  Kassianow. 

Das  Material  wurde  in  konzentrierter  Sublimatlösung,   in   Pikrinessigsäure 
oder  in  70°  Alkohol  konserviert. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  665 

Von  einer  großen  Anzahl  der  von  mir  ausprobierten  Färbungsniethoden 
möchte  ich  hier  nur  die  folgenden,  welche  sich  für  meine  Zwecke  als  die  geeignet- 
sten erwiesen,  hervorheben.  Eine  intensive  Tinktion  der  Knorpelgrundsubstanz 
erzielt  man  nach  den  Methoden  von  Blochmann  (triphenylrosanilintrisulfosaures 
Natrium  +  Pikrinessigsäure)  und  von  Mallory.  Diese  Färbungen  geben  jedoch 
keine  deutliche  Differenzierung  der  beiden  Hauptbestandteile  der  Grundsubstanz, 
namentlich  der  Chondromucoide  und  des  Collagens.  Eine  solche  Differenzierung 
wird  dagegen  bei  der  Anwendung  der  von  Hansen  (1905)  beschriebenen  Drei- 
fachfärbung (Methylenblau,  Pikrinsäurefuchsin,  Essigsäure)  erreicht.  Die  besten 
Resultate  erzielte  ich  durch  folgende  Modifikation  der  Methode  Hansens.  Ich 
färbte  meine  Schnitte  in  einer  l%igen  wässerigen  Lösung  von  Methylenblau 
etwa  3 — 5  Minuten  lang.  Nach  kurzem  Auswaschen  in  destilliertem  Wasser 
werden  die  Schnitte  in  ein  frisch  zubereitetes  Gemisch  von  5  ccm  einer  0,l%igen 
wässerigen  Lösung  von  Fuchsin  S.,  5  ccm  konzentrierter  wässeriger  Pikrinsäure- 
lösung und  1 — 2  Tropfen  Eisessig  übertragen.  Nach  2 — 3  Minuten  langem  Ver- 
bleiben in  diesem  Gemisch  werden  sie  in  Wasser  abgespült  und  nachher  möglichst 
rasch  durch  Alkohol  steigender  Konzentration  und  Xylol  in  Kanadabalsam  über- 
geführt. Die  chondromucoidhaltigen  Elemente  werden  dabei  dunkelblau  bzw. 
grünlichblau,  das  Collagen  gewöhnlich  intensiv  rot  gefärbt.  Die  genannte  Methode, 
welche  von  Hansen  (1905,  S.  620)  als  eine  zuverlässige  Bindegewebsreaktion 
betrachtet  wird,  habe  auch  ich  mit  gutem  Erfolg  bei  der  Untersuchung  der  sämt- 
lichen obenangeführten  Tiere,  mit  Ausnahme  der  Mollusken,  angewendet.  Bei 
letzteren  bekommt  man  bei  Anwendung  der  HANSENschen  Methode  nur  un- 
deutliche Differenzierungen.  Zur  Färbung  ihrer  Knorpelgrundsubstanz  ist  die 
von  mir  auch  für  den  Vertebratenknorpel  gebrauchte  Methode  —  Boraxcarmin, 
Bleu  de  Lyon,  Bismarckbraun  —  viel  geeigneter.  Ich  will  hier  auf  diese  Methode 
nicht  näher  eingehen,  da  ich  sie  schon  früher  (1908,  S.  213)  ausführlich  besprochen 
habe.  Hier  bemerke  ich  nur,  daß  nach  ihrer  Anwendung  die  Chondromucoide 
des  Knorpels  braun,  das  Collagen  dagegen  blau  erscheint. 

Zur  Färbung  der  Zellkerne  habe  ich,  abgesehen  von  Boraxcarmin  undHäma- 
toxylin,  auch  Jodgrün -Säurefuchsin  (zur  Differenzierung  der  Nucleolen)  gebraucht. 

Der  chemische  Charakter  der  verschiedenen  Bestandteile  des  Knorpel- 
gewebes kann  heutzutage  sehr  leicht  und  ziemlich  sicher  mit  Hilfe  der  Färbungs- 
reaktionen  ermittelt  werden.  Natürlich  muß  man  dabei  äußerst  vorsichtig  ver- 
fahren. Man  darf  eine  Reaktion  nur  in  dem  Falle  als  sicher  betrachten,  wenn 
sie  auf  vielen  Schnitten  mit  gleichem  Erfolg  gelingt,  und  wenn  sie  außerdem 
auch  durch  die  andern  Färbungsreaktionen  bestätigt  wird.  Ich  hoffe,  daß  meine 
Präparate  in  dieser  Hinsicht  ganz  instruktive  Bilder  zeigen,  weshalb  ich  in  meinen 
Abbildungen  die  Farben  naturgetreu  wiedergab. 

IM.  Das  Knorpelgewebe  der  Mollusken. 

Ein  typisch  ausgebildetes  Knorpelgewebe  trifft  man,  wie  bekannt, 
unter  den  Mollusken  in  der  Subradularmasse  der  Gastropoden  und 
in  manchen  Körperteilen  der  Cephalopoden  (Kopf-,  Arm-,  Nacken-, 
Rücken-,  Flossenknorpel).  Der  Knorpel  der  Gastropoden  gehört  zu 
demjenigen  Typus,  welcher  für  die  jüngeren  Cyclostomen  besonders 

43* 


666  M.  Nowikoff, 

charakteristisch  ist  und  von  Kölliker  als  »Knorpel  ohne  Grund- 
substanz«, von  späteren  Autoren  als  »Parenchymknorpel «  (Studnicka) 
oder  »Zeilenknorpel«  (Schaffer)  bezeichnet  wurde.  Die  Cephalopoden 
besitzen  dagegen  ein  Knorpelgewebe,  welches  ebenso  reich  an  Grund- 
substanz ist  wie  dasjenige  der  höheren  Wirbeltiere.  Die  Knorpel- 
zellen der  Gastropoden  sind  meist  unverzweigt,  die  der  Cephalopoden 
dagegen  stets  mit  reich  verästelten  Ausläufern  versehen.  Alle  diese 
Umstände,  nebst  einer  gewissen  Verschiedenheit  der  Färbungsreak- 
tionen veranlassen  mich  die  beiden  Knorpelarten  getrennt  zu  be- 
sprechen. 

1.  Der  Kopfknorpel  der  Cephalopoden. 

Literatur  Übersicht. 

Das  Knorpelgewebe  der  Cephalopoden  kann  makroskopisch  leicht  nach- 
gewiesen Meiden,  und  war  daher  schon  den  älteren  Forschern  bekannt.  Schon 
1789  hebt  Scaspa1  bei  seiner  Beschreibung  der  Augenkapsel  der  Cephalopoden 
deren  knorpelige  Beschaffenheit  hervor. 

1844  bemerkt  Kölliker  (S.  76),  daß  der  Knorpel  von  Sepia  und  Loligo 
membranlose  Knorpelhöhlen  und  eine  verschiedenartige  Grundsubstanz  enthält. 
Diese  letztere  »ist  entweder  feinkörnig,  fast  homogen,  blaß  und  ins  gelbliche 
spielend,  oder  faserig,  mit  Fasern,  die  ähnlich  denen  der  Muskeln,  nur  leicht  ge- 
schlängelt verlaufen,  jedoch  weniger  regelmäßig  zu  größeren  oder  kleineren  Bün- 
deln vereinigt  und  von  blasser  Färbung  sind. « 

Valenciennes  (1851,  S.  521)  vergleicht  den  Cephalopodenknorpel  mit  dem 
der  Knorpelfische. 

In  der  ersten  Auflage  von  Bronns  Klassen  und  Ordnungen  der  Weichtiere 
(1862,  S,  1329)  treffen  wir  eine  ziemlich  genaue  Beschreibung  des  mikro- 
skopischen Baues  des  Cephalopodenknorpels.  Diese  Knorpel,  lesen  wir  dort, 
bestehen  »aus  einer  hyalinen,  nach  der  Oberfläche  zu  mehr  oder  weniger  faserigen 
Grundsubstanz,  in  der  zahlreiche  sternförmige,  kernhaltige  Zellen  mit  langen, 
meistens  verzweigten  Ausläufern  eingelagert  sind.  Bei  Nautilus  haben  die  Zellen 
noch  keine  Kapseln  gebildet  und  stellen  gleichsam  einen  embryonalen  Zustand  dar, 
bei  Sepia  dagegen  unterscheidet  man  gewöhnlich  leicht  die  Knorpelkapsel  und 
bemerkt  auch  sofort  die  verschiedensten  Stadien  der  Teilung  der  Knorpelzellen  «. 
Der  angeführten  Beschreibung  sind  auch  zwei  Originalzeichnungen  beigegeben, 
welche  den  Charakter  der  Knorpelzellen  im  allgemeinen  ganz  richtig  wiedergeben. 

Einige. neue  und  wichtige  Angaben  enthält  Hensens  Arbeit  (1865,  S.  159). 
Er  beschreibt  den  Cephalopodenknorpel  als  eine  »hyaline  Grundsubstanz  mit  ein- 
gestreuten sternförmigen  Zellen« ,  welche,  ebenso  wie  bei  Wirbeltieren,  eine  Nei- 
gung haben  sich  zu  Haufen  zu  aggregieren.  In  der  Augenkapsel  unterscheidet 
Hensen  zwei  Knorpellagen:  eine  äußere,  gefäßfreie  und  eine  innere,  gefäßhaltige. 
In  der  Gefäßzone  liegen  die  Zellen  »ungleich  dichter,  sind  kleiner  und  mit  weniger 
Ausläufern  versehen. «    Die  Grundsubstanz  dieser  Zone  besitzt  die  Fähigkeit  sich 

1  Anatomicae  Disquisitiones  de  auditu.  Ticini.  1789.  Zitiert  nach  Hensen 
(1865). 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  667 

mit  Carmin  stärker  als  die  der  äußeren  Zone  zu  imbibieren,  woraus  Hensen  schließt, 
daß  sie  saftreicher  sein  soll.  Die  Unrichtigkeit  eines  solchen  Schlusses  wurde  erst 
in  der  neuesten  Zeit  nachgewiesen,  nachdem  man  festgestellt  hat,  daß  die  ver- 
schiedene Färbbarkeit  der  Grundsubstanz  hauptsächlich  darauf  zurückzuführen 
ist,  ob  im  Aufbau  derselben  Collagen-  oder  chondromucoidhaltige  Stoffe  dominieren. 

In  seinen  Beiträgen  zur  vergleichenden  Histologie  des  Molluskentypus  macht 
Boll  (1869,  S.  14)  auf  den  längsgestreiften  Charakter  der  Grundsubstanz  des 
Kopfknorpels  aufmerksam.  Diese  feine  Längsstreifung  soll  nach  ihm  »durch 
die  letzte  und  feinste  Verästelung  der  von  den  Knorpelzellen  ausgehenden  Fort- 
sätze bedingt«  werden. 

Die  zahlreichen,  die  Grundsubstanz  durchsetzenden  Verästelungen  der 
Knorpelzellen  werden  auch  von  M.  Fürbringer  (1877)  eingehend  besprochen. 
Eine  oberflächliche  Orientierung  auf  Querschnitten  durch  den  ganzen  Kopf- 
knorpel zeigt  diesem  Autor,  daß  der  Knorpel  »keineswegs  in  allen  seinen  Teilen 
gleichmäßig  gebaut  ist,  sondern  daß,  wie  dies  bereits  Bergmann  (1850)  andeutet, 
an  ihm  periphere  und  centrale  Schichten,  welche  beide  allerdings  allmählich  in- 
einander übergehen,  unterschieden  werden  müssen.  Die  peripheren  Schichten 
setzen  sich  zusammen  aus  spindelförmigen,  linsenförmigen  oder  ovalen  Zellen, 
welche  bei  der  Untersuchung  ohne  Reagentien  in  der  Regel  isoliert,  ohne  Aus- 
läufer oder  mit  nur  kurzen  Fortsätzen  versehen,  in  der  Grundsubstanz  liegen, 
wobei  sie  mannigfache  Teilungszustände  darbieten  können  und  nur  selten  zu 
kleineren  Haufen  von  zwei  bis  vier  Zellen  vereinigt  sind;  die  centralen  Schichten 
bestehen  aus  meist  ansehnlicheren  rundlichen  Zellen,  welche  in  größerer  Anzahl 
zu  inselförmigen  Gruppen  gehäuft  sind  und  von  hier  aus  nach  allen  Richtungen 
radial  abgehende,  lange  und  sich  verästelnde  Fortsätze  abschicken,  welche  unter- 
einander, sowohl  mit  denen  derselben  Zellengruppe  als  auch  mit  denen  der  be- 
nachbarten anastomosieren. «  Die  Untersuchung  der  mit  Hämatoxylin,  Eosin 
und  Methylgrün  gefärbten  Schnitte  durch  ganz  junge  Exemplare  von  Loligo, 
»an  denen  noch  Reste  des  Dottersackes  persistieren«,  führte  jedoch  Fürbringer 
zur  Überzeugung,  daß  der  Kopfknorpel  durchweg  aus  Zellen  zusammengesetzt 
war,  die  denen  der  peripheren  Schicht  glichen.  Waren  die  ursprünglichen  ein- 
fachen Beziehungen  dieser  letzteren  erkannt,  so  konnte  es  keine  Schwierigkeit 
bereiten,  die  höheren  Differenzierungszustände  der  centralen  zu  verstehen«.  Die 
periphere  Knorpelschicht  sieht  nämlich  bei  stärkeren  Vergrößerungen  folgender- 
maßen aus:  »Von  den  spindelförmigen  oder  ovalen  Zellen,  die  bald  einfach  sind, 
bald  mannigfache  Teilungszustände  darbieten,  geht  ein  reiches  System  regel- 
mäßiger Ausläufer  aus,  die  entweder  ohne  weiteres  mit  denen  der  benachbarten 
Zellen  anastomosieren,  oder  erst  einfache  Verästelungen  eingehen,  worauf  dann 
die  sekundären  Äste  sich  mit  denen  der  Nachbarzellen  verbinden. «  (1877,  S.  454 
bis  457). 

Von  den  späteren  Literaturangaben  über  den  Cephalopodenknorpel  möchte 
ich  hier  nur  derjenigen  von  Bütschli  und  von  Hansen  erwähnen,  da  sie  uns  bei 
unseren  weiteren  Besprechungen  interessieren  werden.  Im  Gegensatz  zu  der 
früheren  Auffassung  der  Grundsubstanz  als  einer  homogenen  bzw.  faserigen  Masse 
schreibt  ihr  Bütschli  (1898),  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  der  ausgetrock- 
neten Schnitte  durch  den  Kopfknorpel  von  Sepia  officinalis,  eine  wabige  Struktur 
zu.  Hansen  dagegen  (1905),  indem  er  die  Angaben  Bütschlis  einer  scharfen 
Kritik  unterwirft,  kehrt  zur  älteren  Auffassung  zurück  und  behauptet,  daß  die 


668 


M.  Nowikoff, 


Knorpelgrundsubstanz  der  Cephalopoden,  ebenso  wie  die  der  Vertebraten,  ent- 
weder strukturlos  oder  fibrillär  ist,  je  nachdem  sie  mehr  Chondromucoide  oder 
mehr  Collagen  enthält. 

Eigne  Untersuchungen. 

Meine  eignen  Untersuchungen  behandeln  sowohl  den  Charakter 
der  Knorpelzellen  als  auch  die  Struktur  der  Grundsubstanz. 

Auf  einem  Querschnitt  durch  den  Kopfknorpel  einer  jungen  Sepia 
officinalis  kann  man  ohne  Schwierigkeit  die  zwei,  von  Bekgmann 
angedeuteten  und  von  Fürbringer  näher  untersuchten  Schichten 
bemerken  (Textfig.  1).    Die  innere  Schicht  (b)  ist  sehr  reich  an  Grund- 


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Textfig.  1. 

Querschnitt  durch  den  Kopfknorpel    einer   jungen    Sepia  officinalis.     Färbung    nach  Mallort. 

Vergr.  175.    «,   äußere   Knorpellage;   b,  innere  Knorpellage;   gf,  Blutgefäß;  grs,  Grundsubstanz; 

Knz,  Knorpelzelle;  Prck,  Perichondrium. 

Substanz  (grs)  und  enthält  rundliche  Zellen  (Knz),  welche  durch  Aus- 
läufer untereinander  verbunden  sind.  Die  letzteren  treten  so  deutlich 
hervor,  daß  sie  sogar  bei  schwächeren  Vergrößerungen  leicht  fest- 
gestellt werden  können.  Die  Zellen  der  inneren  Schicht  liegen  ent- 
weder vereinzelt  oder  in  den  für  das  Knorpelgewebe  charakteristischen 
Gruppen.  An  der  Oberfläche  der  Zelle  sieht  man  zuweilen  eine  feine 
Lage  einer  sich  dunkler  färbenden  Grundsubstanz.     Diese  Lage  kann 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  669 

eventuell  als  Knorpelkapsel  aufgefaßt  werden,  sie  ist  jedoch  bei  weitem 
nicht  so  scharf  von  der  übrigen  Grundsubstanz  gesondert,  wie  die 
Knorpelkapseln  der  Gastropoden  und  Würmer.  Jede  Knorpelzelle 
enthält  gewöhnlich  einen,  seltener  zwei  Kerne.  Manchmal  zeigen  die 
letzteren  verschiedenartige  Zerschnürungsfiguren,  sie  vermehren  sich 
also  auf  amitotischem  Wege.  Die  Zellen  sind  reich  an  Protoplasma, 
welches  auch  in  die  Zellenverästelungen  eindringt,  wodurch  die  letzteren 
auf  elektiv  gefärbten  Schnitten  scharf  hervortreten.  Die  Grundsub- 
stanz (grs)  dieser  Schicht  enthält  eine  bedeutende  Menge  Chondro- 
mucoide  und  nimmt  daher  nach  der  Behandlung  mit  Bleu  de  Lyon, 
Bismarckbraun  eine  braune,  nach  der  HANSENschen  Dreifachfärbung 
eine  blaue  Farbe  ein.  Die  Chondromucoide  scheinen  jedoch  in  der 
Grundsubstanz  nicht  gleichmäßig  verteilt  zu  sein.  Sie  sammeln  sich 
hauptsächlich  in  der  Nähe  der  Knorpelzellen,  weshalb  diese  Partien 
der  Grundsubstanz  mit  den  genannten  Farben  am  intensivsten  tingiert 
werden  (Textfig.  1).  Die  zwischen  diesen  dunkleren  Flecken  gelegenen, 
chondromucoidärmeren  Räume  entsprechen  ihrem  Tinktionsvermögen 
nach  ungefähr  der  Grundsubstanz  der   äußeren   Knorpelschicht. 

Die  äußere  Schicht  (Textfig.  1  a),  welche  einerseits  in  die  innere, 
anderseits  in  das  faserige  Perichondrium  (Prch)  unmerklich  übergeht, 
ist  viel  ärmer  an  Grundsubstanz  und  enthält  abgeplattete  Zellen,  an 
deren  Oberfläche  kaum  bemerkbare  Knorpelkapseln  existieren  und  deren 
Ausläufer  bei  schwächeren  Vergrößerungen  sehr  schwer  zu  beobachten 
sind.  Die  Grundsubstanz  erscheint  hier  nach  Behandlung  mit  Bleu 
de  Lyon  und  Bismarckbraun  bläulich,  nach  Anwendung  der  HANSEN- 
schen Methode  rötlich,  woraus  zu  schließen  ist,  daß  sie  mehr  Kollagen 
bzw.  weniger  Chondromucoide  als  die  der  inneren  Knorpelschicht  ent- 
hält. Eine  ganz  typische  Kollagenfärbung  konnte  ich  allerdings  bei 
den  Cephalopoden  weder  im  Knorpel  noch  im  Bindegewebe  beobachten. 
Ich  möchte  daher  annehmen,  daß  das  Kollagen  hier  stets  in  Verbindung 
mit  andern  Stoffen,  hauptsächlich  wohl  mit  Mucoiden,  vorkommt. 

In  beiden  oben  beschriebenen  Knorpelschichten  trifft  man  in  ver- 
schiedenen Richtungen  verlaufende  Blutgefäße  (Textfig.  1  gf). 

Was  die  Zellverästelungen  angeht,  so  bin  ich  mit  Fürbringer 
einverstanden,  daß  sie  in  beiden  Knorpelschichten  existieren.  Ich 
möchte  jedoch  hervorheben,  daß  die  vom  genannten  Autor  abgebil- 
deten regelmäßig  angeordneten  Verästelungen  der  äußeren  Schicht  in 
Wirklichkeit  Kunstprodukte  darstellen,  welche  in  der  Grundsubstanz 
des  Cephalopodenknorpels,  ebenso  wie  in  derselben  des  Vertebraten- 


670 


M.  Nowikoff, 


knorpels,  wo  sie  von  Studnicka  (1905)  eingehend  untersucht  wurden, 
sehr  häufig  vorkommen. 

Die  Grundsubstanz  des  Cephalopodenknorpels  ist  nämlich  sogar 
bei  den  jüngeren  Tieren  ziemlich  hart,  so  daß  sie  beim  Schneiden  ge- 
wöhnlich mehr  oder  weniger  deformiert  wird.  Die  nebenstehenden 
Textfiguren  2  und  3  zeigen  verschiedene  Arten  einer  solchen  Deforma- 


,«nz 


Knz 


Textfig.  2. 


Knz 


sp 

Textfig.  4.  Textfig.  5. 

Pseudostrukturen   in  der   Grundsubstanz   des   Kopfknorpels   von    Sepia   officinalis.     Vergr.  500. 

Textfig.  2,  3,  5  —  innere  Knorpellage.     Textfig.  i  —  äußere  Knorpellage.     Knz,  Knorpelzelle; 

sp,  Spalten  in  der  Grundsubstanz. 

tion.  An  einigen  Schnittstellen  bemerkt  man  in  der  Grundsubstanz 
eine  faserige  Struktur,  wobei  die  verschieden  dicken  Fasern  (Textfig.  2) 
äußerst  regelmäßig  und  meistens  in  der  Richtung  der  Bewegung  des 
Mikrotommessers  angeordnet  sind.  Dieselbe  Struktur  hat  wahrschein- 
lich Boll  (1869,  S.  14)  als  »die  letzte  und  feinste  Verästelung  der  von 
den  Knorpelzellen  ausgehenden  Fortsätze«  aufgefaßt.  Die  Fasern  sind 
jedoch  meist  nur  an  der  Oberfläche  des  Schnittes  zu  sehen,  die  innere 
Lage  desselben  erscheint  gewöhnlich  vollständig  homogen.    An  andern 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  671 

Stellen,  ebenfalls  an  der  Oberfläche  des  Schnittes,  findet  man  das  auf 
Textfig.  3  abgebildete  Netz  mit  unregelmäßigen  Maschen.  Es  kommt 
auch  vor,  daß  die  beiden  beschriebenen  Strukturen  an  einer  und  der- 
selben Steile  des  Schnittes,  namentlich  an  dessen  entgegengesetzten 
Flächen,  zu  beobachten  sind.  Alle  diese  Bilder  stellen  ohne  Zweifel 
Pseudostrukturen  dar,  welche  hauptsächlich  infolge  der  Keibung  des 
Mikrotommessers  an  die  Oberfläche  der  Grundsubstanz,  zum  Teil 
vielleicht  auch  infolge  der  Schrumpfung  der  Grundsubstanz  während 
der  Fixation  entstehen. 

In  der  Grundsubstanz  entwickeln  sich  außerdem  auch  stärkere 
Deformationen,  welche  bis  in  die  inneren  Schnittregionen  reichen. 
Sowohl  durch  die  Wirkung  der  Fixierungsmittel,  als  auch  des  Mikro- 
tommesserdrucks werden  in  der  Grundsubstanz  Spalten  gebildet,  welche 
den  von  mir  früher  (1908,  Fig.  72)  im  Hyalinknorpel  des  Froschs  be- 
schriebenen vollkommen  entsprechen.  Sie  verlaufen  meist  einander 
parallel  (Textfig.  4  sp),  seltener  verzweigen  sie  sich  und  bilden  Ana- 
stomosen. Von  den  Zellfortsätzen,  welche  stets  mehr  oder  weniger 
Protoplasma  enthalten,  sind  die  stets  leeren  Spalten  auf  gut  gefärbten 
Präparaten  leicht  zu  unterscheiden.  Auf  weniger  gelungenen  Schnitten 
können  sie  jedoch  den  Eindruck  von  Zellverbindungen  hervorrufen, 
da  sie  oft  zwischen  zwei  benachbarten  Knorpelhöhlen  verlaufen.  Ein 
Vergleich  der  von  mir  beobachteten  Bilder  (Textfig.  4)  mit  Fürbrin- 
gers  Abbildung  (1877)  beweist  ganz  klar,,  daß  der  genannte  Autor 
mit  typischen  Pseudostrukturen  zu  tun  gehabt  hat. 

Genau  ebensolche  Spalten  finde  ich  stellenweise  auch  in  der  inneren 
Knorpelschicht  (Textfig.  5  sp),  wo  sie  gleichfalls  keine  Zellausläufer, 
sondern  Kunstprodukte  darstellen. 

Zum  Studium  der  Zell  Verbindungen  sind  diejenigen  Schnitte  am 
geeignetsten,  deren  Grundsubstanz  farblos  ist,  deren  plasmatische 
Teile  dagegen  intensiv  gefärbt  werden.  Ein  solcher  Schnitt  durch  die 
innere  Schicht  des  Kopfknorpels  einer  jungen  Sepia  ist  auf  meiner 
Textfig.  6  abgebildet.  Die  in  der  Grundsubstanz  eventuell  vorhandenen 
Pseudostrukturen  stören  hier  beim  Studium  der  Zellverbindungen  gar 
nicht.  Die  letzteren  entspringen  von  sternförmigen,  oft  sehr  kompli- 
ziert gelappten  Zellen,  verlaufen  in  allen  möglichen  Richtungen,  ver- 
zweigen sich  und  bilden  zahlreiche  Anastomosen.  Nur  stellenweise 
liegen  einige  solcher  Zellausläufer  einander  parallel,  meist  ist  ihre 
Anordnung  ganz  unregelmäßig. 

Ein  ähnliches  Aussehen  bieten  auch  die  Zellverbindungen  der 
äußeren  Knorpelschicht  dar.     Die   Zellen  sind  hier  allerdings   abge- 


672 


M.  Nowikoff, 


plattet  (Fig.  1  Knz),  sehen  also  auf  Querschnitten  spindelförmig  aus. 
Die  von  ihnen  entspringenden  Fortsätze  (Knza)  sind  oft  reichlich  ver- 
zweigt, verlaufen  jedoch  vorwiegend  in  einer  Richtung,   parallel  der 


Hl 


-v- 


m 


/  u 


l 


Textfig.  6. 
Verzweigte  Zellen  in  der  inneren  Lage  des  Kopfknorpels  von   Sepia  officinalis.     Vergr.  500. 

Knorpeloberfläche.  Der  Übergang  zwischen  diesen  Zellen  und  den 
sternförmigen  Zellen  der  inneren  Knorpelschicht  ist  ganz  allmählich. 
p  In  bezug  auf  die  feinere  Struk- 

tur der  Grundsubstanz  bemerke 
ich  zuerst,  daß  letztere  auf  den 
in  Kanadabalsam  eingeschlossenen 
Schnitten  von  Sepia  und  Eledone  in 
beiden  Knorpelschichten  vollstän- 
/    X  dig    homogen    aussieht.     Ich    bin 

\    ,  jedenfalls  nicht  imstande  in  solchen 

,/'    i  Schnitten,  sogar  mit  den  stärksten 

y  Vergrößerungen ,    einen    fibrillären 

f  Bau     nachzuweisen.      Nur     einige 

|  Schnittstellen    (Textfig.  7)    zeigen, 

obgleich  nicht  ganz  deutlich,  das- 
selbe Bild,  welches  ich  im  Frosch- 
knorpel (1908,  Fig.  72)  beobachten 
konnte.  Man  sieht  an  solchen  Stel- 
len ein  schwach  hervortretendes 
Netz  mit  verdickten  Knotenpunkten 
(grsiv).  Die  Maschen  des  Netzes,  welche  zwischen  zwei  Spalten  (sp) 
liegen,  sind  gewöhnlich  reihenartig  angeordnet,  so  daß  ihre  mittleren, 


1 


V(  A 


\  / 

sp 


9' 


Textfig.  7. 
Kopfknorpel  einer  jungen  Sepia  officinalis. 
Vergr.  2250.  grsw,  Wabenstruktur  der  Grund- 
substanz; N,  Kern  der  Knorpelzelle;  P,  Proto- 
plasma der  Knorpelzelle;  sp,  Spalten  in  der 
Grundsubstanz. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  673 

zusammenhängenden  Wände  eine  etwas  dunkler  hervortretende  Linie 
bilden.  Dasselbe  Bild  tritt  beim  Studium  der  Schnitte  in  schwächer 
lichtbrechenden  Medien,  wie  z.  B.  im  Wasser,  etwas  deutlicher  hervor; 
es  darf  wohl  als  eine  Bestätigung  der  Auffassung  Bütschlis  (1898)  be- 
trachtet werden,  welcher  der  Grundsubstanz  des  Äe^a-Knorpels  einen 
wabigen  Bau  zuschreibt. 

Höchst  eigentümlich  sieht  die  Knorpelmasse  an  einigen  Muskel- 
insertionsstellen  aus  (Fig.  2).  Die  Muskelbündel  (M)  dringen  nämlich 
oft  sehr  tief  in  die  Knorpelgrundsubstanz  (Grs)  ein,  in  welcher  sie, 
von  ihren  Zellkernen  begleitet,  in  allen  Richtungen  verlaufen.  Sowohl 
Quer-  (Fig.  2  oben)  als  auch  Längsschnitte  durch  diese  Bündel  (Fig.  2 
unten  links)  können  nach  der  Anwendung  von  elektiven  Färbungen 
von  der  Grundsubstanz  sehr  deutlich  unterschieden  weiden.  Die  oben 
zitierte,  ältere  Angabe  Köllikers  (1844)  über  muskelähnliche  Faser- 
bündel, welche  der  Knorpelgrundsubstanz  einen  faserigen  Charakter 
verleihen,  bezieht  sich  wohl  nicht  auf  die  Grundsubstanz  selbst,  sondern 
auf  solche  in  sie  eingedrungene  Muskulatur. 

2.  Der  Subradularknorpel  der  Gastropoden. 

Literatur  üb  ersieht. 

Die  knorpelige  Beschaffenheit  des  Stützapparats  der  Gastropodenradula 
ist  schon  seit  dem  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  bekannt.  So  beschreibt 
Cuvier  (1806,  S.  155)  diesen  Apparat  von  Limax  und  Helix,  welchen  er  noch 
für  eine  Zunge  hält,  mit  folgenden  Worten:  »La  langue,  comme  dans  les  autres 
gasteropodes  aussi,  est  une  petite  plaque  cartilagineuse  et  elastique,  placee  sur  le 
plancher  de  la  bouche. « 

Die  erste  genauere  histologische  Schilderung  des  Subradularapparates  findet 
man  in  Leberts  Arbeit  (1846,  S.  443,  4).  Der  knorpelartige  Teil  des  Mundes 
von  Buccinum  undatum,  lesen  wir  in  dieser  Untersuchung:  »auf  welchen  die 
Hakenchorda  (Radula)  in  ihrer  ganzen  Länge  gespannt  ist  und  welcher  äußerlich 
von  Muskelsubstanz  bedeckt  ist,  besteht  aus  Zellen,  welche  den  Pflanzenzellen 
oder  den  kernhaltigen  Zellen  der  Chorda  dorsalis  einiger  Batrachierembryonen 
nicht  unähnlich  sind  .  .  .  Diese  Zellen  scheinen  gruppenweise  zusammengestellt, 
zwischen  welchen  durchsichtige  Intercellularsubstanz  sich  befindet.  In  den 
Gruppen  nehmen  die  Zellen  eine  polygonale  Form  mit  abgerundeten  Winkeln  an.  « 

Valenciennes  (1851,  S.  522)  weist  auf  die  Tatsache  hin,  daß  der  Subradular- 
knorpel in  seiner  histologischen  Beschaffenheit  mehr  dem  Cyclostomenknorpel  als 
dem  der  Cephalopoden  gleicht. 

Eine  ausführliche  Beschreibung,  sowohl  des  anatomischen  als  auch  des 
histologischen  Baues  des  Zungenknorpels  der  Gastropoden  enthält  die  Abhand- 
lung Claparedes  über  die  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Neritina 
fluviatilis  (1857).  Auf  Grund  des  Studiums  einer  bedeutenden  Anzahl  von  Gastro- 
podenarten  kommt  Claparede  zum  Schluß,  daß  man  im  Bau  des  Zungenknorpels 
»zwei  bis  drei  Varietäten«  unterscheiden  kann.     Die  eine  Varietät,  welche  bei 


674  M.  Nowikoff, 

Neritina  und  Buccinum  zu  treffen  ist,  besteht  aus  großen  geräumigen  Zellen  und 
einer  spärlichen  Grundsubstanz.  Die  Zellen  sind  äußerst  regelmäßig  in  Gruppen 
von  vier,  acht  oder  sechszehn  Zellen  angeordnet.  Jede  solche  Gruppe  entsteht 
infolge  der  Vermehrung  einer  Urmutterzelle.  Die  zweite  Knorpelform  findet 
Clap arede  bei  Vitrina.  Hier  sind  die  Zellen  sehr  klein  und  die  Zelhvände  besitzen 
»nur  eine  unmeßbare  Dicke  «,  so  daß  das  Gewebe  mehr  einem  Epithel  als  einem 
Knorpel  ähnlich  wird.  Der  Zungenapparat  der  meisten  andern  Pulmonaten  ent- 
hält eine  dritte  Varietät  des  Knorpels.  Dieser  besteht  aus  einer  mit  zahlreichen 
Knorpelkörperchen  besäten  Grundsubstanz.  Die  Teilung  des  Inhalts  von  Knorpel- 
körperchen  »scheint  sehr  unregelmäßig  vor  sich  zu  gehen,  so  daß  man  gewöhnlich 
in  derselben  Mutterzelle  Tochterzellen  von  den  verschiedenen  Größen  findet. « 
Bei  vielen  Helix- Arten  »scheint  die  Grundsubstanz  faserig  zu  sein«.  (1857,  S.  158 
bis  165.) 

Die  angeführten  Angaben  Claparedes  werden  von  Boll  (1869,  S.  4 — 6) 
in  vollem  Maße  bestätigt.  Im  Gegensatz  dazu  schlägt  Loisel  (dessen  Arbeit 
auch  eine  ziemlich  vollständige  Übersicht  der  Literaturangaben  enthält)  eine 
andere,  der  Wirklichkeit  mehr  entsprechende  Einteilung  der  Radulastützapparate 
der  Mollusken  vor.  Er  unterscheidet  nämlich  die  muskulös-bindegewebigen 
Apparate  der  Pulmonaten,  einiger  Nudibranchiaten  und  Cephalopoden  und  die 
knorpeligen  Appai'ate  einiger  anderer  Mollusken  (Buccinum),  welche  aus  echten 
Knorpelzellen  bestehen  und  keine  Muskelfasern  enthalten.  Nur  die  letzteren 
Gebilde  verdienen  den  Namen  Zungenknorpel,  die  Apparate  der  ersten  Gruppe 
dürfen  nur  als  Stützorgane  (pieces  de  soutien)  bezeichnet  werden  (1893,  S.  518). 

Eine,  mit  der  Auffassung  Loisels  übereinstimmende  Angabe  über  den 
Stützbalken  der  Radula  der  Pulmonaten  finden  wir  auch  in  der  vor  kurzem  er- 
schienenen Zusammenstellung  Simroths  (1911,  S.  310).  »Sempers  richtige  An- 
gabe«, bemerkt  dieser  Autor:  daß  der  Stützbalken  von  Pulmonaten  »rein  musku- 
lös sei,  wurde  von  Clap  arede,  Sicard,  Lacaze-Duthiers,  Joyeux-Laffuie  u.  a. 
wieder  durch  die  Behauptung  der  knorpeligen  Beschaffenheit  getrübt.  Diese 
ist  durch  die  neueren  Untersuchungen,  namentlich  von  Plate  widerlegt,  wenn 
auch  über  die  Natur  der  Elemente  noch  keine  völlige  Einigkeit  herrscht.  Echtes 
Knorpelgewebe  ist  jedenfalls  ausgeschlossen«. 

Was  die  neuere  Literatur  im  allgemeinen  anbetrifft,  so  findet  man  in  derselben 
keine  wichtigeren  Angaben  über  die  Histologie  des  Subradularknorpels. 

Die  umfangreiche  Arbeit  über  das  Verdauungssystem  der  Gastropoden  von 
Amaudrut  (1898)  enthält  viele  interessante  vergleichend-anatomische  Bemerkun- 
gen über  den  Subradularknorpel,  beschäftigt  sich  aber  garnicht  mit  dem  histo- 
logischem Bau  desselben. 

Das  Kapitel  über  den  knorpeligen  Stützapparat  der  Radula  in  der  zweiten 
Auflage  von  Bronns  Klassen  und  Ordnungen  (Simroth,  1896 — 1907),  welches 
hauptsächlich  auf  Grund  der  Untersuchungen  Amaudrtjts  zusammengestellt  ist, 
bespricht  ebenfalls  nur  den  anatomischen  Bau  des  uns  hier  interessierenden  Organs. 

In  Längs  Lehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie  der  wirbellosen  Tiere 
(1900,  S.  285)  findet  man  eine  kurze,  unbegründete  Angabe  von  Hescheler  über 
den  Bau  des  Gewebes,  aus  welchem  der  Subradularapparat  der  Gastropoden 
besteht.  Hescheler  meint  nämlich,  daß  in  diesem  Apparat  »es  sich  nicht  um 
echten  Knorpel,  sondern  um  ein  Gewebe,  das  eine  Zwischenstufe  zwischen  blasig- 
zelligem  Bindegewebe  und  echtem  Knorpelgewebe  einnimmt«  handeln  soll. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen. 


675 


Eigne  Untersuchungen. 
Patella  coerulea. 

Von  den  drei  untersuchten  Gastropodenarten  —  Patella  coerulea, 
Fissurella  graeca  und  Haliotis  tuberculata  besitzt  die  erstere  den  am 
kompliziertesten  gebauten  Knorpelapparat.  Schon  Claparede  konnte 
in  demselben  vier  Knorpelpaare  unterscheiden  (1857,  Taf.  V,  Fig.  18). 
Amaudrut  (1898,  S.  46)  bezeichnet  sie  als  Vorderknorpel  (cartilages 
anterieurs),  als  Hinterknorpel  (c.  posterieurs),  als  obere  Seitenknorpel 
(c.  lateraux  superieurs)  und  als  untere  Seitenknorpel  (c.  lateraux  in- 
ferieurs).  Die  von  mir  angefertigten  Totalpräparate  (Textfig.  8)  zeigen 
jedoch  im  Bau  des  Subradu- 
larknorpels  eine  noch  größere 
Komplizierung.  Ich  unter- 
scheide in  ihm  zehn  Knorpel- 
stücke: zwei  vordere  (V), 
zwei  hintere  (//),  zwei  seit- 
liche obere  (SO)  und  vier 
seitliche  untere  (SU1  und 
SU2).  Die  letzteren  vier 
werden  beim  Präparieren  des 
Schneckenkopfes  von  der 
dorsalen  Seite  nur  dann  sicht- 
bar, wenn  man  die  seitlichen 
oberen  Stücke  vorsichtig  ent- 
fernt (Textfig.  8).  Auf  der 
Abbildung  Amaudruts  sind 
diese  seitlichen  unteren 
Stücke  als  zwei  einheitliche  Platten  dargestellt  worden,  auf  meinen 
Präparaten  sieht  man  aber  ganz  deutlich,  daß  jede  solche  Platte  aus 
zwei  Teilen  besteht:  einem  ovalen  (SU^  und  einem  etwa  halbmond- 
förmigen (SU2),  welcher  den  ovalen  an  dem  äußeren  und  hintereu 
Rande  umgibt.  Die  beiden  Teile  sind  durch  Bindegewebe  ziemlich 
fest  miteinander  verbunden,  weshalb  sie  beim  Präparieren  sehr  schwer 
auseinandergehen  und  gewöhnlich  als  eine  zusammenhängende  Platte 
entfernt  werden.  Die  mikroskopische  Untersuchung  lehrt  jedoch,  daß 
in  dem  Gewebe,  welches  die  beiden  Teile  verbindet,  keine  Knorpelele- 
mente vorhanden  sind. 

Schon  beim  Studium  der  Totalpräparate  überzeugt  man  sich,  daß 
die  beiden  Vorderknorpel  eine  von  den  übrigen  vier  Knorpelpaaren 


Textfig.  8. 
Patella  coerulea.  Knorpeliger  Subradularapparat  von  der 
dorsalen  Seite  gesehen.  Vergr.  10.  II,  Hinter knorpel; 
SO,  oberer  Seitenknorpel;  SU1,  SU2,  hinterer  Seiten- 
knorpel; V,  Vorderknorpel.  An  der  linken  Seite  ist  der 
obere  Seitenknorpel  wegpräpariert. 


676  M.  Nowikoff, 

abweichende  Beschaffenheit  haben  (Textfig.  8).  Im  einfallenden  Licht 
erscheinen  sie  nämlich  bedeutend  heller,  und  nach  dem  Einlegen  des 
ganzen  Knorpelapparats  in  Glyzerin  bleiben  sie  viel  länger  undurch- 
sichtig als  die  übrigen  Knorpelstücke.  Das  Glyzerin  dringt  also  in  den 
Vorderknorpel  langsamer  ein,  woraus  zu  schließen  ist,  daß  dieser 
Knorpel  eine  besonders  dichte  Konsistenz  besitzt. 

Eine  solche  Vermutung  wird  auch  durch  die  mikroskopische 
Untersuchung  bestätigt.  Auf  den  nach  Mallory  gefärbten  Schnitten 
(Fig.  3)  kann  man  die  beiden  Knorpelarten  sogar  bei  schwächerer  Ver- 
größerung unterscheiden.  Die  Hauptmasse  des  Vorderknorpels  (VK) 
färbt  sich  gelb,  die  übrigen  Knorpelstücke,  darunter  auch  der  Hinter- 
knorpel (HK)  —  blau.  Nach  Behandlung  der  Schnitte  mit  Bleu  de 
Lyon  und  Bismarckbraun  sehen  allerdings  die  sämtlichen  Knorpel  des 
Subradularapparats  braun  aus.  Die  Grundsubstanz  des  Vorderknorpels 
ist  aber  intensiver  als  die  der  übrigen  Knorpel  gefärbt,  und  außerdem 
fällt  sie  durch  ihre  besonders  starke  Lichtbrechung  auf.  Auf  solchen 
Präparaten  läßt  sich  nur  im  Perichondrium  eine  feine  Lage  der  bläu- 
lich gefärbten,  also  collagenhaltigen  Substanz  nachweisen.  Die  be- 
schriebenen Färbungsreaktionen  zeigen  uns,  daß  die  sämtlichen  Teile 
des  Subradularknorpels  reich  an  Chondromucoiden  sind,  daß  aber  die 
letzteren  verschiedene  chemische  Beschaffenheiten  haben,  welcher  Um- 
stand besonders  deutlich  bei  Anwendung  der  MALLORYschen  Methode 
hervortritt.  Die  beiden  Knorpelarten  unterscheiden  sich  auch  in 
morphologischer  Hinsicht.  Der  Hinterknorpel  (Fig.  3  HK)  stellt  einen 
typischen  »Knorpel  ohne  Grundsubstanz«  Köllikers  dar  mit  großen, 
blasenartigen  Zellen  und  feinen  Zwischenwänden.  Im  Vorderknorpel 
(VK)  sind  die  Zellen  durchschnittlich  kleiner,  die  Grundsubstanz  da- 
gegen etwas  reichlicher  ausgebildet.  In  den  beiden  Knorpelarten  ist 
eine  gruppenweise  Anordnung  der  Zellen  nachzuweisen,  welche  im 
Hinterknorpel  jedoch  viel  charakteristischer  erscheint. 

Bei  der  Anwendung  stärkerer  Vergrößerungen  tritt  der  Unter- 
schied zwischen  den  beiden  Knorpelarten  noch  klarer  hervor.  Die 
großen  mittleren  Zellen  des  Hinterknorpels  (Fig.  4)  bestehen  vor- 
wiegend aus  Vacuolen  (v);  Protoplasma  (P)  ist  in  ihnen  nur  spärlich, 
in  Form  feiner,  blaß  gefärbter  Züge  vertreten  und  enthält  eine  ver- 
hältnismäßig geringe  Anzahl  runder  Körnchen  (b),  welche  nach  Borax- 
carmin  und  MALLORY-Färbung  violett  aussehen,  d.  h.  sowohl  die  Kern- 
(rot)  als  auch  die  Plasmafarbe  (blau)  in  sich  aufnehmen.  Solche  Körn- 
chen findet  man  gewöhnlich  auch  in  den  Knorpelzellen  der  Vertebraten. 
Es  ist  mir  nicht  gelungen  mit  Sicherheit  festzustellen,  ob  sie  in  irgend- 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  677 

einer  Beziehung  zur  Tätigkeit  des  Zellkernes  und  zur  Bildung  der 
Grundsubstanz  stehen.  Eine  solche  Vermutung  ist  allerdings  nach 
der  Analogie  mit  den  später  zu  besprechenden  Knorpeln  von  Fissurella 
und  Haliotis  sehr  wahrscheinlich.  Die  Kerne  der  mittleren  Zellen  des 
Hinterknorpels  von  Patella  (Fig.  4  Nk)  sind  kreisrund,  reich  an  Chro- 
matin  und  liegen  gewöhnlich  unmittelbar  in  der  Nähe  der  sich  neu 
bildenden  Knorpelscheidewände.  Dasselbe  Verhalten  der  Zellkerne 
habe  ich  früher  (1908,  S.  240)  auch  im  Vertebratenknorpel  konstatiert 
und  habe  schon  damals  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  solche 
Scheidewände  unter  dem  direkten  Einfluß  der  Zellkerne  angelegt  werden. 

Die  peripheren  Zellen  des  Hinterknorpels  sind  abgeplattet  und 
zeigen  keine  gruppenweise  Anordnung.  Ihre  knorpeligen  Scheidewände 
werden  bei  der  Annäherung  an  die  Oberfläche  des  Knorpels  immer 
feiner,  bis  sie  schließlich  an  den  Zellen  des  Perichondriums  (Fig.  3 
Prch),  in  welches  die  Knorpelmasse  allmählich  übergeht,  vollständig 
verschwinden. 

Die  neu  gebildeten  knorpeligen  Scheidewände  im  Hinterknorpel 
von  PateUa  (Fig.  4)  bestehen  aus  zwei  dicht  aneinanderliegenden,  homo- 
gen aussehenden  Kapseln,  zwischen  welchen  die  Grenze  in  Form  einer 
dunkel  gefärbten  Linie  deutlich  hervortritt.  In  den  älteren,  dickeren 
Scheidewänden  bemerkt  man  zwischen  den  hellen  Kapseln  noch  eine 
mittlere  Grundsubstanzlage.  Diese  färbt  sich  auf  meinen  Präparaten 
dunkler  als  die  Kapseln  und  läßt  in  sich  zweierlei  Strukturen  unter- 
scheiden. In  den  polygonalen  Zwickeln  zwischen  den  Zellen  sieht 
man  ein  Netz  mit  ziemlich  regelmäßigen  Maschen  (Fig.  4  Grsiv).  Das 
Netz  entspricht  genau  dem  Bilde  der  alveolären  Struktur,  welche  ich 
auch  im  Knorpel  von  Wirbeltieren  beschrieben  habe  (1908).  Zwischen 
den  Alveolenreihen  verlaufen  hier  und  da  dunkler  gefärbte  Linien 
(Fibrillen),  welche  der  Struktur  ein  faserig-wabiges  Aussehen  verleihen. 
In  den  älteren  Scheidewänden  (nicht  in  den  Zwickeln)  dominieren  solche 
Fibrillen  sehr,  so  daß  die  Struktur  einen  andern,  ausgesprochen  fibril- 
lären  Charakter  bekommt  (Fig.  4  Grsj). 

Wie  sich  bei  stärkeren  Vergrößerungen  ergibt,  sind  die  Zellen  des 
Vorderknorpels  etwas  reicher  an  Protoplasma  (Fig.  5  P)  als  die  des 
Hinterknorpels.  Besonders  fällt  das  Vorhandensein  einer  sehr  großen 
Menge  der  oben  beschriebenen  dunkel-violetten  Körnchen  in  diesen 
Zellen  auf,  welche  im  ganzen  Protoplasma  zerstreut,  besonders  dicht 
aber  in  der  Nähe  des  Zellkernes  angehäuft  sind.  Letztere  (Nk)  gleichen 
genau  denen  des  Hinterknorpels.  Sehr  eigenartig  erscheint  dagegen 
die    Grundsubstanz   des   Vorderknorpels.      Sie    besteht   aus   Knorpel- 


678  M.  Nowikoff, 

kapseln  und  einer  mittleren  Lage.  Die  ersteren  (Fig.  5  Kk)  sind  auf 
den  mit  Mallory  gefärbten  Schnitten  vollständig  homogen  und  grün- 
lich-blau, so  daß  sie  vom  ebenfalls  bläulich  aussehenden  Protoplasma 
schwer  zu  unterscheiden  sind.  Erst  beim  genaueren  Zusehen  über- 
zeugt man  sich,  daß  die  grünlich-blauen  Säume  typische  Knorpel- 
kapseln, d.  h.  Ausscheidungsprodukte  des  Protoplasmas  und  nicht 
das  Protoplasma  selbst  darstellen.  Keines  der  zahlreichen,  im  Proto- 
plasma zerstreuten  Körnchen  (b)  dringt  nämlich  in  die  genannten 
Säume  ein.  Die  Kapseln  sind  nur  an  den  mittleren  größeren  Zellen 
zu  sehen;  in  den  mehr  oberflächlichen,  kleineren  Zellen  scheint  das 
Protoplasma  unmittelbar  mit  der  gelb  gefärbten  Grundsubstanz  in 
Berührung  zu  treten. 

Die  mittlere  Grundsubstanzlage  (Fig.  5  Grsw)  färbt  sich,  wie  gesagt, 
mit  Mallory  gelb  und  zeigt  einen  typischen  alveolären,  bzw.  wabigen 
Bau.  Die  Waben  sind  gleichmäßig  rundlich  polygonal;  an  den  Kreu- 
zungsstellen ihrer  Wände  bemerkt  man  verdickte  Knotenpunkte.  In 
der  Grundsubstanz  findet  man  keine  Spur  von  Fibrillen.  Die  jüngsten 
Scheidewände  bestehen  aus  zwei  Knorpelkapseln  und  einer  zwischen 
diesen  liegenden,  kaum  wahrnehmbaren  gelben  Lage.  In  den  älteren 
Scheidewänden  wird  diese  Lage  immer  dicker  und  bekommt  einen 
alveolären  Bau. 

Nur  an  der  Stelle,  wo  der  Vorder knorpel  durch  eine  Lage  von 
Bindegewebsfasern  (Fig.  3  Bg)  mit  dem  Hinterknorpel  in  Verbindung 
steht,  ist  die  Oberfläche  der  gelb  gefärbten  Grundsubstanz  unmittelbar 
von  einem  faserig-bindegewebigen  Perichondrium  bedeckt.  Hier  werden 
die  Knorpelzellen  der  Oberfläche  flacher  und  gehen  so  allmählich  in 
die  Bindegewebszellen  des  Perichondriums  über.  Die  ganze  übrige 
Oberfläche  des  gelb  gefärbten  Vorderknorpels  ist  von  einer  Hülle 
umgeben,  welche  aus  verhältnismäßig  kleinen,  verschiedenartig  ge- 
stalteten, kapselfreien  und  zum  Teil  mit  Ausläufern  versehenen  Knorpel- 
zellen und  aus  einer  reichlichen,  mit  Mallory  sich  blau  färbenden 
Grundsubstanz  besteht.  Die  Zellen  dieser  Hülle,  ebenso  wie  die  meisten 
andern  Knorpelzellen,  besitzen  einen  pflanzenzellähnlichen  Charakter, 
indem  sie  ansehnliche  Vacuolen  und  wenig  Protoplasma  enthalten. 
Im  letzteren  sind  die  oben  erwähnten  dunkelvioletten  Körnchen  in 
geringerer  Menge,  als  in  der  mittleren  Vorderknorpelregion  zerstreut. 
Solche  Körnchen  trifft  man  übrigens,  obgleich  selten,  auch  in  einigen 
Bindegewebszellen  des  Perichondriums  (Fig.  5).  In  der  knorpeligen 
Hülle  beobachtet  man  sehr  oft  zwei-  bis  mehrkernige  Zellen,  welche  in 
der  Mitte  des  Vorderknorpels,  ebenso  wie  im  Hinterknorpel  von  Patella, 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  679 

nur  ausnahmsweise  vorkommen.  Diese  mehrkernigen  Zellen  scheinen 
das  Resultat  einer  direkten  Kernteilung  zu  sein,  da  verschiedenartige 
Zerschnürungsstadien  der  Kerne  in  den  Zellen  der  Knorpelhülle  nicht 
selten  sind  (Fig.  5).  Die  feinere  Struktur  der  Grundsubstanz  dieser 
Hülle  ist  derjenigen  im  Hinterknorpel  sehr  ähnlich.  Stellenweise, 
hauptsächlich  in  der  Nähe  der  gelben  Grundsubstanz,  erscheint  die 
Struktur  ausgesprochen  wabig.  Mehr  peripheriewärts  trifft  man  zwi- 
schen den  Wabenreihen  dunkel  gefärbte  Fibrillen  (Fig.  5  Grsf).  An 
der  Oberfläche  schließlich  zerfällt  die  Grundsubstanz  in  bindegewebige 
Fasern  des  Perichondriums  (Prch).  —  Die  verästelten  Knorpelzellen, 
welche  für  die  Cephalopoden  so  charakteristisch  sind,  konnte  ich  bei 
Gastropoden  nur  in  der  Knorpelhülle  des  Vorderknorpels  von  Patella 
beobachten.  Sie  bilden  hier  eine  Übergangsform  zwischen  echten 
Knorpelzellen  und  Bindegewebszellen.  Die  Grenze  zwischen  der  gelb 
und  der  blau  gefärbten  Grundsubstanz  des  Vorderknorpels  ist  stellen- 
weise scharf  ausgesprochen  (Fig.  5  oben);  stellenweise  aber  gehen  die 
beiden  Grundsubstanzarten  ganz  allmählig  ineinander  über  (Fig.  5 
unten).  Oft  kann  man  sogar  beobachten,  wie  eine  und  dieselbe  Zelle 
an  einer  Seite  von  blauer,  faserig-wabiger,  an  andrer  Seite  von  gelber, 
rein  wabiger  Grundsubstanz  umgeben  wird. 

Die  eben  erörterte  Eigenartigkeit  der  Architektur  des  Vorder- 
knorpels darf  wohl  als  Ausdruck  einer  funktionellen  Anpassung  be- 
trachtet werden.  Das  Vorderknorpelpaar  bildet  nämlich  den  un- 
mittelbar unter  der  Radula  liegenden  Teil  des  Stützapparates  und 
bedarf  daher  eine  besonders  große  Druckfestigkeit  im  Vergleich  mit 
andern  Knorpelstücken.  Solche  Druckfestigkeit  wird  schon  in  einem 
gewissen  Maße  durch  die  dickeren,  mit  Mallory  sich  gelb  färbenden 
Grundsubstanzwände  der  mittleren  Region  des  Vorderknorpels  erzielt. 
Diese  Wände  sind  auf  Fig.  3,  wo  das  hintere  Ende  des  Vorderknorpels 
abgebildet  ist,  unregelmäßig  angeordnet,  in  den  übrigen  Teilen  des 
Vorderknorpels  bilden  sie  ein  System  von  Balken,  bzw.  Platten,  welche 
in  der  Richtung  der  Druckkräfte,  die  auf  den  Knorpel  ausgeübt  werden, 
gestellt  sind.  Eine  solche  Architektur  tritt  noch  deutlicher  im  Knorpel 
von  Fissurella  graeca  hervor,  wo  ich  sie  noch  etwas  eingehender  be- 
sprechen werde.  Für  die  mechanische  Beanspruchung  des  Vorder- 
knorpels von  Patella  spielt  außerdem  die  aus  kleineren  Zellen  und 
einer  reichlicheren  Grundsubstanz  bestehende  Knorpelhülle  eine  sehr 
wichtige  Rolle.  Diese  Hülle  umgibt  namentlich  den  Vorderknorpel 
in  Form  eines  festen  Cylinders  und  verleiht  ihm  auf  diese  Weise  einen 
bedeutenderen  Grad  von  Druck-  und  Biegungsfestigkeit. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CHI.  Bd.  44 


680 


M.  Nowikoff, 


Ähnliche  mechanische  Einrichtungen  treten,  wie  bekannt,  in 
einigen  Pflanzenstengeln  und  in  Röhrenknochen  hervor.  Sie  wurden 
jedoch  auch  in  den  knorpeligen  Skeletteilen  der  Vertebraten  beobachtet. 
So  bemerkt  Schaffer  (1901,  S.  161,  2),  daß  die  Flossenstrahlen  von 
Petromyzon  marinus  aus  einem  weichen  Knorpel  bestehen,  daß  aber 
ihre  Basalteile  von  einer  dünnen,  jedoch  harten  Knorpelhülle  bedeckt 
werden.  Den  mechanischen  Effekt  einer  solchen  Architektur  vergleicht 
Schaffer  mit  dem  der  Röhrenknochen.  In  beiden  Fällen  soll  »eine 
möglichst  starke  Versteifung  eines  Stützorgans«  erreicht  werden.  In 
der,  von  Schaffer  beschriebenen  Architektur  sind  jedoch  keine  Balken, 
bzw.  keine  Kraftlinien  zu  konstatieren.  Dieser  Umstand  kann  wohl 
damit  in  Zusammenhang  gebracht  werden,  daß  die  Flossenstrahlen 
nur  auf  Biegungs-  und  nicht  auf  Druckfestigkeit  beansprucht  werden. 

Eine  auffallende  Ähnlichkeit,  welche  zwischen  Schaffers  Fig.  28 
(Flossenstrahl  von  Petromyzon)  und  meiner  Fig.  5  (Subradularknorpel 
von  Patella)  existiert,  bildet  ein  schönes  Beispiel  dafür,  daß  unter  dem 
Einfluß  der  funktionellen  Anpassung  identische  und  dabei  höchst  eigen- 
tümliche histologische  Bildungen  bei  systematisch  weit  entfernten  Tier- 
formen auftreten  können.  Einem  weiteren,  nicht  weniger  interessanten 
Beispiel  werden  wir  bei  der  Besprechung  des  Würmerknorpels  begegnen. 

Fissurella  graeca. 
Im   Subradularapparat   von   Fissurella   unterscheidet   Amaudrut 
(1898,  S.  58)  nur  drei  Knorpelpaare,  nämlich  das  vordere,  das  hintere 


Textfig.  9. 

Querschnitt  durch  den  Vorderknorpel  des  Subradularapparates  von  Fissurella  graeca. 
Vergr.  41.     M,  die  beiden  Vorderknorpel  verbindender  Muskel. 

und  das  seitliche  ventrale  Paar,  welch  letzteres  in  Form  zweier  dünner 
knorpeliger  Streifen  entwickelt  ist.    Aus  meinen  Untersuchungen  folgt, 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen. 


681 


daß  alle  genannten  Knorpel  ähnlich  gebaut  sind  und  zwar  entspricht 
ihr  Bau  dem  der  Hinter-  und  Seitenknorpel  von  Patella.  Die  Zellen 
sind  in  Gruppen  angeordnet  (Textfig.  9),  wobei  jede  Gruppe  gewöhn- 
lich aus  mehreren,  durch  äußerst  feine  Grundsubstanzwände  geschie- 
denen Zellen  besteht.  An  beiden  Enden  des  länglichen  Querschnittes 
durch  den  Vorderknorpel  von  Fissurella  (Textfig.  9a  und  b)  werden 
die  Grenzen  zwischen  den  Zellgruppen  undeutlicher,  die  Grimdsubstanz- 
menge  wird  hier  äußerst  gering,  so  daß  man  mehr  den  Eindruck  eines 
blasigen  Stützgewebes  als  eines  typischen  Knorpels  gewinnt.  An  der 
Oberfläche  des  Knorpels  werden  die  Zellen  flacher  und  gehen  in  die 
Bindegewebszellen  des  Perichondriums  unmerklich 
über.  Nur  stellenweise  ist  die  äußere  Knorpellage 
etwas  reicher  an  Grundsubstanz  als  die  innere, 
man  kann  hier  aber  von  keiner  ununterbrochenen 
Knorpelhülle,  wie  am  Vorderknorpel  von  Patella 
reden. 

Die  Versteifung  des  Organs  wird  bei  Fissurella 
hauptsächlich  durch  die  Anordnung  der  Grundsub- 
stanz in  der  inneren  Knorpelregion  erzielt.  Auf 
Textfig.  9  sieht  man,  daß  die  ganze  Knorpelmasse 
von  einer  Art  verticaler  Balken  durchzogen  wird. 
Diese  Balken,  oder  richtiger  Grundsubstanzplatten 
bilden  die  Grenzen  zwischen  den  ältesten  Zell- 
gruppen; sie  sind  aber  stets  in  der  Richtung  der 
Druckkräfte  angeordnet,  welche  während  der  Kau- 
bewegungen von  der  Radula  auf  den  Knorpel  aus- 
geübt werden.  Die  Zweckmäßigkeit  einer  solchen 
mechanischen  Einrichtung  tritt  auch  bei  Betrach- 
tung der  Textfig.  10  hervor,  auf  welcher  eine  Serie 
von  Querschnitten  durch  den  Knorpelapparat 
nebst  der  darauf  liegenden  Radula  (R)  schema- 
tisch abgebildet  ist.  Man  erkennt,  daß  beim 
Drücken  auf  die  Radula  von  oben  die  beiden 
Vorderknorpel  (VK)  etwas  auseinander  geschoben 
werden,  wobei  die  Drucklinien  bzw.  Trajektorien  in   Querschnitt,  he,  Hinter- 

•  t  T  i  ir     i      i    i  i  -1  knorpel;    R,  Radula;   VK, 

ihrem  Innern  mit  dem  V  er  laut  der  obenerwähnten  vorderknorpei 

Balken,  bzw.  Platten,  zusammentreffen  sollen. 

Nach  Färbung  der  Schnitte  des  Fissurella-K.nov\)eh  mit  Bleu  de 
Lyon  und  Bismarckbraun  erscheinen  sie  bei  Betrachtung  mit  bloßem 
Auge  gleichmäßig  braun.    Die  stärkeren  Vergrößerungen  zeigen  jedoch, 

44* 


Textfig.  10. 

Eine  Serie  der  Querschnitte 
durch  den  knorpeligen  Sub- 
radularapparat  von  Fissu- 
rella graeca.  Vergr.  10.  a,  der 
vorderste,  c,  der  hinterste 


682  M.  Nowikoff, 

daß  in  solchen  Schnitten  (Fig.  6)  nur  das  Protoplasma  (P),  die  Knorpel- 
kapseln (Kk)  und  die  jüngeren  Scheidewände  braun  gefärbt  sind.  Die 
ältere  Grundsubstanz  dagegen,  welche  die  Hauptmasse  der  oben  be- 
schriebenen Balken  bildet,  erscheint  bläulich,  besteht  also  vorwiegend 
aus  Collagen.  Aus  den  früheren  Untersuchungen  von  Schaffer, 
Hansen  und  von  mir  ist  bekannt,  daß  das  Collagen  ein  Merkmal  des 
älteren,  besonders  harten  Knorpels  bildet.  Dieser  Umstand  bestätigt 
nochmals  unsre  Auffassung  der  vertikalen  Balken  als  einer  mecha- 
nischen Vorrichtung. 

Die  feinere  Struktur  der  collagenen  Grundsubstanz  (Fig.  6  Grs) 
ist  genau  dieselbe  wie  die  der  Chondro mucoiden  Substanz  im  Hinter- 
knorpel von  Patella.  In  den  Zwickeln  trifft  man  gewöhnlich  einen 
schön  ausgesprochenen  Wabenbau  (Fig.  7  Grsiv)  mit  unregelmäßig 
angeordneten  Alveolen  von  verschiedener  Größe  und  mit  deutlich 
hervortretenden  Knotenpunkten ;  in  den  Zwischenwänden  dagegen 
findet  man  fast  immer  eine  typische  fibrilläre  Struktur  (Fig.  7  Grsf). 
Als  Übergang  zwischen  den  beiden  Strukturformen  betrachte  ich  die 
reihenweise  angeordneten  Alveolen,  zwischen  welchen  die  feinsten, 
dunkel  färbbaren  Fibrillen  eingelagert  sind. 

Was  die  Chondro mucoidhaltigen ,  jüngeren  Knorpelscheidewände 
(Fig.  6  Schiu)  anbetrifft,  so  erscheinen  sie  auf  Querschnitten  in  Form 
von  feinen,  doppelkonturierten  Streifen,  welche  von  den  Knorpel- 
kapseln der  dickeren  Scheidewände  entspringen.  Nach  der  Behand- 
lung der  Schnitte  mit  Blochmanns  Gemisch,  welches  die  Knorpel- 
grundsubstanz besonders  intensiv  färbt,  kann  man  in  jüngeren  Scheide- 
wänden (Fig.  8  Schw)  eine  feinste  Querstreifung  nachweisen,  deren 
Vorhandensein  darauf  hindeutet,  daß  die  Scheidewand  aus  einer 
einreihigen  Lage  von  Alveolen  besteht.  Die  Scheidewandbildung  ver- 
läuft wohl  in  der  Weise,  daß  zuerst  eine  der  benachbarten  Zellen  flüssige, 
chondromucoidhaltige  Substanz  an  ihrer  Oberfläche  ausscheidet.  Diese 
Substanz  verhärtet  sich  und  wird  dabei  zu  einer  einreihigen  Alveolen- 
lage.  Erst  später  beginnt  auch  die  zweite  der  benachbarten  Zellen 
die  Grundsubstanz  zu  bilden,  wodurch  die  junge  Scheidewand  dicker 
wird;  sie  besteht  jetzt  aus  zwei  Alveolenreihen,  bzw.  aus  zwei  Kapseln. 
Bei  weiterer  Ausscheidung  der  Grundsubstanz,  d.  h.  bei  der  Bildung 
der  neuen  Kapseln,  verwandeln  sich  die  früheren  Alveolenlagen  in 
eine  collagene  Masse,  in  welcher  die  konzentrische  Anordnung  der 
Alveolen  um  die  Knorpelzellen  eine  Zeitlang  erhalten  bleibt  (Fig.  8 
Grsw).  Später  erfolgt  unter  dem  Einfluß  des  Zellenwachstums  und  der 
sich  in  der  Grundsubstanz  entwickelnden  Spannungen,  eine  Verschie- 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen. 


683 


bung  der  Alveolen,  welche  ihre  regelmäßige  Anordnung  verlieren,  und 
stellenweise  erfolgt  auch  die  Umwandlung  der  alveolären  Struktur 
in  eine  fibrilläre. 

Das  Protoplasma  der  Knorpelzollen  von  Fissurella,  ebenso  wie 
das  der  übrigen,  von  mir  untersuchten  Gastropoden,  ist  reich  an  Chon- 
dromucoiden  und  tritt  auf  den  mit  Bleu  de  Lyon,  Bismarckbraun 
gefärbten  Schnitten  in  Form  von  braunen  Strängen  (Fig.  6  P)  hervor, 
zwischen  welchen  geräumige  Yacuolen  eingeschlossen  sind.  Neben 
dem  kugelförmigen  Zellkern  beobachtet  man  gewöhnlich  einige  bläu- 
lich gefärbte  Körnchen  verschiedener  Größe  (Fig.  6  Chr),  deren  Her- 
kunft ich  nicht  näher  verfolgen  konnte,  welche  jedoch  den,  von  mir 
im  Knorpel  von  Haliotis  ge- 
nauer  untersuchten,    eine    Art 


eben  durchaus  ähnlich  sind. 


Haliotis  t> iherculata . 
Die  Vereinfachung  des 
Knorpelapparates  geht  bei  Ha- 
liotis noch  weiter  als  bei  Fissu- 
rella. Das  ganze  Stützorgan 
der  Radula  von  Haliotis  besteht 
nur  aus  zwei  Knorpelpaaren: 
einem  vorderen  und  einem  hin- 
teren. Die  gegenseitige  Bezie- 
hung dieser  Knorpel  zueinander 
und  zur  Radula  ist  aus  der 
Textfig.  11  ersichtlich.  Jeder 
Vorderknorpel  stellt  eine  läng- 
liche, auf  Querschnitten  etwa 
birnförmig  aussehende  Platte 
dar.  In  ihrer  vorderen  Region 
(Textfig.  IIa)  sind  die  Platten 
(VK)  so  angeordnet,  daß  sie 
einen  spitzen  Winkel  bilden,  in 
welchem  die  Radula  (R)  liegt. 
Je  weiter  nach  hinten  (Text- 
fig. 116  u.  c),  um  so  stumpfer 

wird  der  Winkel  und  schließlich  in  der  hintersten  Region  der  Knorpel- 
platten (Textfig.  12)  erscheinen  ihre  distalen  Ränder  sogar  etwas  nach 


HK 


Textfig.   11. 

Eine  Serie  der  Querschnitte   durch  den  knorpeligen 

Subradularapparat  von  Haliotis  tuberculata  Verar.  10. 

Die  Bezeichnungen  wie  in  Textfig.  10. 


684 


M.  Nowikoff, 


unten  gebogen.  Die  beiden  Hinterknorpel  (Textfig.  11,  12  HR)  liegen  in 
Form  von  dünnen  Platten  unter  dem  Vorderknorpel  und  ragen  hinten 
nur  wenig  über  die  letzteren  hinaus. 

Die  Architektur  der  inneren  Regionen  des  Vorderknorpels  ent- 
spricht der  des  Fissureüa-Kiiovpeh.  Dieselbe  gruppenweise  Anord- 
nung der  Knorpelzellen  und  dieselben,  obgleich  nicht  so  regelmäßig 
angeordneten  Querbalken  (Textiig.  12  VK).  Die  Druckfestigkeit  der 
Knorpelstücke  wird  außer  durch  diese  Balken  noch  dadurch  vergrößert, 
daß  die  oberflächliche  Knorpellage  meist  aus  einem  grundsubstanz- 
reicheren  Knorpel  mit  kleineren,  kapselfreien  verzweigten  Zellen  (Fig.  9 


Textfig.  12. 

Querschnitt  durch  die  hintere  Region  des  knorpeligen  Subra&ularapparates  von  Haliotis  tuberculata. 
Vergr.  25.     Bgw,  Bindegewebe;  HK,  Hinterknorpel;  M,  Muskel;   FZ,  Vorderknorpel. 

unten)  besteht.  Hier  sehen  wir  also,  ähnlich  wie  am  Vorderknorpel 
von  Patella,  eine,  obgleich  stellenweise  unterbrochene,  Hülle  aus  festerer 
Knorpelmasse.  Die  Hülle  ist  an  den  Insertionsstellen  der  Muskeln 
(Fig.  91)  besonders  stark  entwickelt:  in  die  inneren  Knorpelregionen 
geht  sie  ganz  allmählich  über.  Die  chemische  Natur  der  beiden  Knorpel- 
arten, soweit  ich  sie  durch  Färbungsreaktionen  ermitteln  konnte,  war 
genau  identisch.  Mit  Bleu  de  Lyon  und  Bismarckbraun  färben  sich 
nämlich  das  Protoplasma,  die  Knorpelkapseln  und  die  jüngeren  Scheide- 
wände braun,  die  älteren,  grimdsubstanzreicheren  Scheidewände,  so- 
wohl im  Innern  als  auch  an  der  Oberfläche  des  Knorpels,  blau. 

Was  die  feinere  Struktur  der  Grundsubstanz  angeht,  so  tritt  sie  auf 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen,  685 

feinen,  mit  Malloky  gefärbten  Schnitten  oft  sehr  deutlich  hervor 
(Fig.  9).  In  der  Knorpelhülle  ist  sie  ausgesprochen  wabig  (Grsu>); 
nur  hie  und  da  sieht  man  in  ihr  dunkler  gefärbte  Fibrillen,  welche 
jedoch  stets  zwischen  die  Alveolenreihen  eingelagert  sind.  In  inneren 
Knorpellagen  wird  sie  immer  reicher  an  Fibrillen,  so  daß  sie  im  Centrum 
des  Knorpelstückes  einen  typischen  fibrillären  Charakter  besitzt  ( Grsf) ; 
nur  in  den  größeren  Zwickeln  bleibt  die  Wabenstruktur  erhalten.  Es 
schien  mir  zuerst,  daß  das  Bild  der  Fibrillen  als  Ausdruck  einer  streifig- 
wabigen  Struktur  aufzufassen  sei;  das  genauere  Studium  überzeugte 
mich  jedoch,  daß  man  es  mit  einem  echt  fibrillären  Bau  zu  tun  hat 
und  daß,  ebenso  wie  im  fibrillären  Bindegewebe,  keine  Querverbin- 
dungen zwischen  den  einzelnen  Fibrillen  existieren  (Fig.  9  Grsfx). 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  sich  die  Knorpelmasse 
teils  durch  inneres  Wachstum,  teils  durch  Anlagerung  neuer  Schichten 
an  der  Oberfläche  vergrößert.  Auf  Fig.  9  kann  man  verfolgen,  wie 
die  Bindegewebszellen  des  Perichondriums  (Prch)  zu  Knorpelzellen 
werden.  Indem  sie  Knorpelgrundsubstanz  auszuscheiden  beginnen, 
werden  sie  größer,  bekommen  ein  blasiges  Aussehen,  verlieren  all- 
mählich ihre  Ausläufer,  umgeben  sich  mit  deutlichen  Kapseln  und 
vermehren  sich  schließlich  zu  den,  für  das  Knorpelgewebe  charakte- 
ristischen Zellengruppen. 

Mit  einem  solchen  Wachstum  der  Knorpelmasse  hängt  wohl  auch 
die  oben  geschilderte  Umwandlung  der  Grundsubstanzstruktur  zu- 
sammen. Die  erst  vor  kurzem  gebildete  Grundsubstanz  der  peripheren 
Knorpellagen  zeigt  eine  primitive,  wabige  Struktur.  Infolge  des 
Wachstums  der  ganzen  Knorpelmasse  wird  deren  oberflächliche  Lage 
tangential  gespannt.  Eine  solche  Spannung  ruft  die  uns  bekannte 
reihenweise  Anordnung  der  Alveolen  und  die  Bildung  der  Fibrillen 
zwischen  den  letzteren  hervor.  In  den  inneren  Knorpelpartien  erfolgt 
eine  Vermehrung  und  Vergrößerung  der  Zellen,  wodurch  die,  zwischen 
den  Zellgruppen  vorhandene  Grundsubstanz  in  bedeutenderem  Grade 
als  an  der  Knorpelperipherie  gepreßt,  bzw.  ausgedehnt  wird.  In  Zu- 
sammenhang mit  einer  dabei  sich  vollziehenden  Verhärtung  der  Grund- 
substanz werden  immer  mehr  Fibrillen  gebildet,  welche  schließlich  die 
Wabenstruktur  fast  vollständig  ersetzen.  Nur  in  den  Zwickeln,  wo 
kein  so  starker  Druck,  wie  in  den  Zwischenwänden  herrscht,  wo  sich 
also  die  Grundsubstanz  in  einem  etwas  weicheren  Zustande  erhält, 
kann  die  Struktur  ihren  ursprünglichen  wabigen  Charakter  behalten. 

Das  Protoplasma  der  Knorpelzellen  (Fig.  9  P)  erscheint  genau 
ebenso  wie  im  Knorpel  von  Fissurella.     Neben  den  Zellkernen  {Nk) 


686  M.  Nowikoff, 

liegen  in  vielen  Zellen  Körnchenhaufen  (Chr),  welche  ich  als  einen 
von  Nucleolen  abstammenden  Chromidialapparat  auffasse.  Diesen 
Apparat  habe  ich  schon  früher  ausführlicher  beschrieben;  ich  brauche 
daher  auf  die  Einzelheiten  nicht  nochmals  einzugehen  und  verweise 
auf  meine  diesbezügliche  Mitteilung  (1909b).  Hier  möchte  ich  nur 
den  Umstand  hervorheben,  daß  die  haufenweise  um  die  Zellkerne  an- 
geordneten Körnchen  (Chr)  im  Knorpel  von  Fissurella  und  Haliotis 
mit  den  im  Protoplasma  der  Knorpelzellen  von  Patella,  Limulus  und 
manchen  Vertebraten  zerstreuten  Körnchen  (b)  eine  große  Ähnlichkeit 
besitzen.  Alle  diese  Körnchen  stellen  wohl  Produkte  der  Kerntätigkeit 
dar.  Sie  können  entweder  dem  Protoplasma  eine  formative  Energie 
(zur  Grundsubstanzbildung)  verleihen  oder  von  demselben  als  Material 
für  den  Aufbau  der  Grundsubstanz  verwendet  werden. 

IV.  Das  Knorpelgewebe  der  Würmer. 

Literatur  über  sieht. 

Das  Knorpelgewebe  kommt  nur  bei  den  Sabelliformia  unter  den 
Chaetopoden  vor.  Es  entwickelt  sich  als  ein  Stützapparat  in  den  Kiemen  - 
fäden.  Die  Knorpelzellen  sind  hier  im  Vergleich  mit  den  übrigen  histologischen 
Elementen  so  groß,  daß  sie  schon  vor  der  Begründung  der  allgemeinen  Zellen- 
lehre, im  Jahre  1838  von  Grube  beschrieben  wurden.  Die  Hauptfäden  der  Kiemen 
sind,  nach  dem  genannten  Autor  »sehr  biegsam,  aber  doch  von  einer  hornigen 
Textur  und  so  konsistent,  daß  man  von  ihnen  Epidermis  und  Pigmentschicht 
entfernen  kann?  ohne  sie  selbst  zu  verletzen;  sie  bestehen  aus  einer  Reihe  dicht 
hintereinander  stehender  Scheidewände  und  Kämmerchen «.  Aus  ähnlichen 
Kämmerchen,  in  welchen  »hin  und  wieder  runde  Kügelchen,  wie  Blutkügelchen  « 
liegen,  besteht  auch  das  Innere  der  Nebenfäden,  was  den  letzteren  ein  gegliedertes 
Aussehen  verleiht.  In  den  beiden  Basisblättern,  welche  vom  Kopf  des  Wurmes 
entspringen  und  auf  welchen  die  Hauptfäden  sitzen,  bemerkt  Grube  »ein  ganz 
eigentümliches,  sehr  zartes,  fast  schwammiges  Gebilde«,  welches  ihm  »aus  klaren 
eiförmigen  Bläschen  zusammengesetzt«  zu  sein  scheint  (1838,  S.  28).  Ich  brauche 
kaum  hervorzuheben,  daß  die  Kämmerchen  und  die  eiförmigen  Bläschen  Grubes 
nichts  andres  als  Knorpelzellen,  seine  runden  Kügelchen  aber  die  Zellkerne  waren. 
In  der  etwas  später  veröffentlichten  Arbeit  Quatrefages'  (1850,  S.  295 
bis  296)  findet  man  schon  eine  genauere  Beschreibung  des  Annelidenknorpels. 
«A  la  partie  anterieure  du  corps  des  Sabelles,  des  Serpules  etc.»,  sagt  er:  «on 
trouve  un  veritable  squelette  interieur  sur  lequel  viennent  s'inserer  les  muscles 
du  corps  et  ceux  de  la  tete.  Ce  squelette  se  prolonge  de  maniere  ä  former  une 
sorte  de  charpente  dont  la  forme  est  reproduite  au  dehors  par  celle  des  branchies 
elles-memes.  La  portion  branchiale  de  ce  squelette  adhere  intimement  ä  la  portion 
cephalique  chez  les  Serpuliens.  Au  contraire,  chez  les  Sabelles,  ces  deux  portions 
ne  sont  que  tres  faiblement  reunies  l'une  ä  l'autre,  et  voilä  pourquoi  la  couronne 
de  branchies  des  Sabelles  se  detache  si  aisement  du  corps  de  Tanimal.  Dans  le 
corps  comme  dans  la  branchie,  le  squelette  presente  l'aspect  d'un  cartilage  moins 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  687 

resistant  que  les  muscles  ou  les  tendons  qui  s'y  inserent.  Sa  substance  est  par- 
faitement  transparente  et  entierement  composee  de  ccllules  juxtapposees.  Ces 
cellules  sont  generalement  allongees  et  disposees  sur  plusieurs  rangs  dans  les 
troncs  branchiaux.  Dans  les  barbules,  eile  ne  forment  qu'une  seule  rangee  qui 
commence  par  une  cellule  spherique  logee  au  milieu  de  celles  du  tronc.  Des  cellules 
ovoi'des  decroissant  rapidement  de  diametre  forment  la  base  du  squelette  de  la 
barbule,  qui  conserve  ensuite  les  memes  dimensions  jusqu'a  son  extremite.  Une 
membrane  fibreuse  tres  resistante  revet  tout  le  squelette  et  represente  une  sorte 
de  perioste. » 

Im  nächsten  Jahr  beobachtet  Leydig  (1851,  S.  328 — 329)  dasselbe  Gewebe 
in  den  Kiemen  von  Ämphicora  mediterranea.  »Bemerkenswert«,  schreibt  er,  »ist 
der  feinere  Bau  dieser  Kiemen:  sie  besitzen  in  den  Stämmen  eine  Art  Skelet,  das 
von  Kalilösung  nicht  angegriffen  wird  und  in  seinem  Aussehen  sehr  an  den  Knorpel 
erinnert,  welcher  bei  den  Fischen  die  Kiemenblättchen  stützt.  Es  besteht  das 
betreffende  Skelet  aus  zwei  Reihen  viereckiger  Körper,  die  hell  und  scharf  kon- 
touriert  sind  und  nach  Essigsäure  in  jedem  einen  kleinen  Kern  erkennen  lassen. 
Sie  nehmen  sich  dann  aus  wie  Zellen  mit  verdickten  Wänden. «  Ein  ähnliches 
Kiemengerüst  findet  Leydig  (1854,  S.  313)  auch  bei  Serpula,  wo  es  »aus  sehr 
dicht  aneinander  liegenden,   gewissermaßen  knorpelähnlichen   Zellen«  besteht. 

Eine  eingehende  Darstellung  des  Knorpelapparates  der  Anneliden  lieferte 
Kölliker  in  seinen  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Gewebelehre  (1858, 
S.  114 — 116).  In  der  Mitte  jedes  Kiemenhauptstrahles  von  Sabella  unispira 
findet  er  einen  knorpeligen  Achsenstrang,  dessen  »Zellen  eine  rundlich  polygonale 
Form,  eine  Größe  von  0,02 — 0,04'"  und  darüber,  eine  Wandung  von  0,0005  bis 
0,0001"'  Dicke  und  einen  wasserklaren  Inhalt  mit  einem  kleinen  runden  Kern 
samt  Kernkörperchen  besitzen«.  In  bezug  auf  ihr  Verhalten  gegen  Säuren. und 
Alkalien  stimmen  diese  Zellen  ebenfalls  mit  Knorpelzellen  von  Wirbeltieren  überein. 
In  den  Nebenstrahlen  liegen  die  Knorpelzellen  in  einer  Reihe  und  zeigen  eine 
sehr  regelmäßige  Bildung.  Alle  Stränge  der  Hauptstrahlen  setzen  sich  auch  in 
die  beiden  die  Kiemenstrahlen  stützenden  Blätter  und  verschmelzen  dort  zu 
zwei  mächtigen  Knorpelplatten,  welche  an  der  Rückenseite  miteinander  ver- 
wachsen,  an   der  Bauchseite  dagegen  nur  dicht  zusammentreten. 

In  neuerer  Zeit  wurden  meines  Wissens  keine  speziellen  Untersuchungen 
über  den  Knorpel  der  Anneliden  angestellt.  Einige  kurze  beiläufige  Bemerkungen 
darüber,  welche  wir  in  andern  Organen  gewidmeten  Arbeiten  finden,  enthalten 
nichts  Neues. 

Eigne  Untersuchungen. 

Das  Knorpelskelet  der  Sabelliden  besteht,  wie  es  die  früheren 
Autoren  richtig  schilderten,  aus  zwei  Platten,  welche  in  den  basalen 
Kiemenblättern  liegen,  sowie  aus  den  die  Hauptstrahlen  der  Kiemen 
durchziehenden  Knorpelfäden  und  schließlich  aus  ebensolchen  jedoch 
feineren  Fäden  der  Nebenstrahlen. 

Im  Knorpelgewebe  unterscheidet  man  blasige,  polygonale,  bzw. 
rundliche  Zellen  und  eine  spärliche  Gnmdsubstanz,  welche  einen  sehr 
gut  ausgesprochenen  chondromucoiden  Charakter   besitzt.     Sie  färbt 


688  M.  Nowikoff, 

sich  nämlich  intensiv  mit  Thionin,  erhält  eine  dunkelblaue  Farbe 
nach  der  Anwendung  der  ÜANSENschen  Methode  und  wird  braun 
nach    Behandlung   mit  Bleu  de  Lyon  und  Bismarckbraun. 

Wenn  man  die  basalen  Knorpelplatten  auf  Querschnitten  (Fig.  32 
Bp)  untersucht,  so  erscheinen  die  Knorpelzellen  unregelmäßig  ange- 
ordnet. Sie  sind  verschieden  groß  und  recht  mannigfaltig  gestaltet. 
Nur  selten  findet  man  hier  von  der  übrigen  Knorpelmasse  abgesonderte 
Zellengruppen.  Auf  Längsschnitten  bietet  dagegen  derselbe  Knorpel 
ein  ganz  andres  Aussehen  dar  (Fig.  10  Bp).  Die  Zellen  erscheinen 
dann  gewöhnlich  viereckig,  plattgedrückt  und  in  Form  von  Säulchen 
angeordnet.  Einige  dieser  Säulchen  setzen  sich  auch  in  die  Haupt- 
strahlen der  Kiemen  fort. 

Das  Knorpelskelet  der  Hauptstrahlen  ist  sehr  regelmäßig  gebaut. 
Bei  einigen  Sedentariern  (Sabella  infundibulum  —  Fig.  19  Hs)  besteht 
es  aus  einer  Reihe  abgeplatteter  Zellen,  welche  an  der  Oberfläche  des 
Stranges  eine  dickere  Grundsubstanzmasse  ausscheiden,  voneinander 
dagegen  nur  durch  ganz  feine  Zwischenwände  getrennt  werden.  Die 
Architektur  eines  solchen  Hauptstrahles,  welche  man  mit  einem  hohlen 
dickwandigen  Cylinder  vergleichen  kann,  gleicht  der  der  Chorda  von 
Amphioxus.  Der  übereinstimmende  morphologische  Bau  ist  auch  hier 
als  Ausdruck  einer  und  derselben  Funktion  der  beiden  genannten  Ge- 
bilde zu  betrachten.  Sowohl  die  knorpeligen  Hauptstrahlen  der  Chäto- 
podenkiemen  als  auch  die  Chorda  dorsalis  der  Acranier  sind  elastische 
Achsen,  deren  Hauptaufgabe  darin  besteht,  die  Kieme,  bzw.  den  ganzen 
Körper  zu  stützen,  d.  h.  ihnen  eine  gestreckte  Form  zu  verleihen. 

Eine  ähnliche  Architektonik  beobachtete  Schaffer  (1901,  S.  129, 
Fig.  10)  auch  in  den  Flossenstrahlen  von  Ammocoetes,  wo  sie  gleich- 
falls zur  Biegungsfestigkeit  beiträgt. 

Die  Knorpelachsen  in  den  Hauptstrahlen  der  Sabella  infundi- 
bulum bestehen,  wie  gesagt,  je  aus  einer  Reihe  von  Knorpelzellen. 
In  ihren  dickeren,  basalen  Regionen  kann  man  jedoch  zwei  bis  vier 
solcher  Reihen  unterscheiden  (Fig.  18  Es).  Eine  noch  größere  Anzahl 
von  Knorpelzellen  findet  man  auf  Querschnitten  durch  die  Haupt- 
strahlen andrer  von  nur  untersuchter  Sedentarier  (Fig.  11,  12).  Bei 
Spirographis  Spallanzani  sind  gewöhnlich  sämtliche  Zellen  eines  solchen 
Querschnittes  (Fig.  12  Hs)  durch  eine  dickere  Scheidewand,  welche  den 
ovalen  Querschnitt  der  Länge  nach  durchzieht,  in  zwei  Gruppen  geteilt. 
In  den  Hauptstrahlen  von  Branchiomma  Köllikeri  (Fig.  11  Hs)  sieht 
man,  daß  jede  solche  primäre  Zellengruppe  in  eine  Anzahl  von  kleineren, 
sekundären  Gruppen  zerfällt. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  689 

Die  in  den  Nebenstrahlen  verlaufenden  Knorpelstränge  werden  je 
aus  einer  Reihe  von  Zellen  gebildet,  die  jedoch  nur  selten  plattgedrückt, 
gewöhnlich  aber  mehr  oder  weniger  stark  in  die  Länge  ausgezogen  sind. 
Die  durchschnittliche  Größe  dieser  Zellen  ist  viel  geringer  als  die  der 
Hauptstrahlzellen.  Bei  einigen  Anneliden,  wie  z.  B.  bei  Sabella  in- 
fundibulum (Fig.  19  Ns),  sind  die  äußeren,  mit  dem  Perichondrium 
in  Berührung  tretenden  Knorpelwände  der  Nebenstrahlen  dicker  als 
die  inneren,  die  benachbarten  Zellen  voneinander  trennenden  Knorpel- 
wände. Hier  erscheint  also  der  ganze  Strang  in  Form  eines  dickwan- 
digen Cylinders,  dessen  Hohlraum  durch  feine  Querwände  in  einzelne 
Zellen  geteilt  wird.  In  andern  Fällen  (Branckiomma  Köllikeri  —  Fig.  11 
Ns)  sind  einige  Zellen  in  der  basalen  Region  des  Nebenstrahls  allseitig 
von  gleichdicken  Grundsubstanzlagen  umgeben,  weshalb  eine  solche 
Region  bei  Betrachtung  von  außen  gegliedert  erscheint  und  mehr  an 
eine  Kette  als  an  einen  glattwandigen  Cylinder  erinnert.  In  den  distalen 
Partien  des  Stranges  sind  die  peripheren  Knorpelwände  gewöhnlich 
auch  hier  (Fig.  11  Ns)  dicker  als  die  Zwischenwände. 

Die  erste  basale  Knorpelzelle  des  Nebenstrahls  ist  stets  viel  größer 
als  die  übrigen  Nebenstrahlzellen.  Bei  Branchiomma  Köllikeri  (Fig.  10 
Bz)  übertrifft  sie  sogar  diejenige  der  meisten  Hauptstrahlzellen.  Die 
Gestalt  dieser  Basalzelle  ist  im  Vergleich  mit  andern  Knorpelzellen 
gleichfalls  abweichend.  Bei  Sabella  infundibulum  (Fig.  18,  19  Bz)  er- 
scheint sie  kugelförmig,  wobei  ihre  knorpelige  Membran  sich  in  einer 
losen  Verbindung,  vielleicht  sogar  nur  in  Berührung  mit  der  Knorpel- 
masse des  Hauptstrahls  befindet.  Sie  bildet  also  eine  Art  Scharnier, 
durch  welches  die  Skeletachse  des  Nebenstrahls  an  der  des  Haupt- 
strahls beweglich  befestigt  ist.  Bei  Br.  Köllikeri  erscheint  die  Basal- 
zelle auf  Querschnitten  durch  die  Nebenstrahlen  kreisrund  (Fig.  10  Bz), 
auf  Längsschnitten  dagegen  (Fig.  11  Bz)  viereckig,  wobei  sie  mit  ihrer 
breiteren  Basis  an  der  Oberfläche  des  Hauptstranges  festsitzt,  an  ihrem 
distalen,  schmaleren  Ende  den  Knorpelstrang  des  Nebenstrahls  trägt. 
Die  Einrichtung  der  Basalzelle  verleiht  also  hier  dem  Nebenstrahl 
keine  so  leichte  Beweglichkeit  wie  bei  S.  infundibulum.  Die  Beweg- 
lichkeit wird  aber  in  diesem  Nebenstrahl  auf  anderm  Wege,  nämlich 
durch  den  oben  erwähnten  gegliederten  Bau  seiner  proximalen  Partien 
erreicht. 

Im  Anschluß  an  die  obige  Betrachtung  der  Skeletelemente  der 
Chaetopodenkiemen  möchte  ich  auch  die  sie  bewegenden  Muskeln  be- 
schreiben. In  den  von  mir  untersuchten  Kiemen  konnte  ich  drei  Arten 
von  Muskeln  nachweisen,  erstens  die  Längsmuskeln  der  Hauptstrahlen 


690  M.  Nowikoff, 

(Mx),  zweitens  die  Muskeln,  welche  die  Knorpelstränge  der  benach- 
barten Hauptstrahlen  (M2)  und  drittens  diejenigen,  welche  die  Knorpel- 
stränge der  benachbarten  Nebenstrahlen  miteinander  verbinden  (Ms). 

Die  Längsmuskeln  sind  in  den  Hauptstrahlen  von  Spirographis 
Spallanzani  (Fig.  12)  besonders  mächtig  entwickelt.  Die  Muskelbündel 
treten  hier  in  die  Kiemenstrahlen  aus  den  basalen  Kiemenplatten,  wo 
sie  in  Form  eines  mächtigen  Stranges  (M)  verlaufen.  Dieser  Strang 
teilt  sich,  ebenso  wie  der  dicke  Nervenstrang  (Nv)  und  das  starke 
Blutgefäß  (Gf)  der  Kiemenplatte,  in  mehrere  kleinere  Aste,  welche  die 
Hauptstrahlen  versorgen.  In  jeden  Hauptstrahl  tritt  also  ein  Knorpel- 
strang (Hs),  ein  Muskelstrang  {Mx),  ein  größeres  Blutgefäß  (Gf)  und 
zwei  Nervenstränge  (Nv)  ein,  welche  letzteren  den  beiden  Seitenwänden 
des  Strahls  dicht  anliegen.  Auf  einem  etwas  schief  geführten  Quer- 
schnitt durch  den  Wurm  (Fig.  12)  kann  man  beobachten,  daß  der 
Muskelstrang  in  der  Basalregion  des  Hauptstrahls  eine  bedeutendere 
Dicke  als  der  Knorpelstrang  besitzt,  daß  er  aber  entsprechend  dem 
weiteren  Verlauf  des  Hauptstrahls  immer  feiner  wird,  um  schließlich 
vollständig  zu  verschwinden  (Fig.  12  rechts).  Der  Muskelstrang  ver- 
läuft auf  diese  Weise  nur  in  der  basalen  Partie  des  Hauptstrahls,  welche 
mit  benachbarten  Hauptstrahlen  durch  eine  dünne  Membran  —  Fort- 
setzung der  Basalplatte  —  verbunden  wird.  Der  Muskelstrang  ver- 
läuft stets  an  der  centralen,  der  elastische  Knorpelstrang  dagegen  an 
der  peripheren  Seite  des  Hauptstrahles,  so  daß  der  letztere,  infolge 
der  Muskelkontraktion,  in  der  Richtung  zur  Kopfspitze  gebogen  wird. 
Außer  den  beschriebenen  Längsmuskeln  konnte  ich  in  den  Kiemen 
von   Sp.  Spallanzani  keine  weitere  Muskulatur  nachweisen. 

Bei  sämtlichen  andern  von  mir  untersuchten  Sedentariern  setzt 
sich  die  Längsmuskulatur  auch  in  distale  Regionen  der  Hauptstrahlen 
fort,  wo  sie  aber  eine  abweichende  Form  erhält.  Sie  zerfällt  hier  näm- 
lich in  kurze  Abschnitte  (Fig.  10,  19  Ms),  welche  die  Basalteile  der 
Nebenstrahlen  miteinander  verbinden  und  eine  Verschiebung  der 
letzteren  gegeneinander  verursachen  können.  Bei  stärkerer  Kontrak- 
tion sind  diese  Muskeln  wohl  imstande,  auch  eine  Einrollung  des  ganzen 
Hauptstrahls  in  der  Richtung  zur  Kopfspitze  zu  bewirken.  In  den 
mit  Nebenstrahlen  versehenen  Basalteilen  der  Hauptstrahlen  von 
Sabella  infun&ibulum  sind  die  Längsmuskeln  der  Hauptstrahlen  (Fig.  18 
Mx)  zugleich  auch  die  Muskeln  der  Nebenstrahlen  (Ms). 

Eine  dritte  Art  von  Kiemenmuskeln  verbindet  die  basalen  Partien 
der  Hauptstrahlen  miteinander,  bedingt  also  bei  ihrer  Kontraktion 
ein  Zusammenschieben  derselben.    Solche  Quermuskeln  sind  bei  Sabella 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  691 

reniformis  sehr  schwach,  bei  S.  infundibulum  (Fig.  18  M2)  schon  ganz 
deutlich,  am  mächtigsten  aber  bei  Branchiomma  Köllikeri  (Fig.  10  M2) 
entwickelt. 

Die  Knorpelzellen  sämtlicher  von  mir  untersuchten  Anneliden 
haben  dasselbe  blasige  pflanzenzellenähnliche  Aussehen  wie  die  Zellen 
im  Knorpel  der  Gastropoden  und  Vertebraten.  Die  Hauptmasse  der 
Zelle  ist  mit  Flüssigkeitsvacuolen  erfüllt,  das  Protoplasma  (Fig.  13, 
15  P)  umgibt  nur  den  Zellkern  in  Form  einer  Hülle,  von  welcher  einige 
protoplasmatische  Ausläufer  entspringen,  die  jedoch  (wenigstens  auf 
dem  fixierten  Material)  ganz  kurz  sind  und  im  Inneren  der  Zellen  kein 
zusammenhängendes  Netz  bilden,  wie  es  in  den  Knorpelzellen  der 
Gastropoden  zu  beobachten  ist.  Jede  Knorpelzelle  enthält  gewöhnlich 
einen,  seltener  zwei  Kerne.  Ich  war  nicht  imstande  im  Protoplasma 
irgendwelche  körnige  Einschlüsse  zu  konstatieren. 

Der  Bau  der  Knorpelgrundsubstanz  erscheint  bei  schwächeren 
und  auf  dunkel  gefärbten  Schnitten  sogar  bei  den  stärksten  Vergröße- 
rungen vollständig  homogen  (Fig.  10,  11,  12,  18,  19).  Nur  auf  feinen, 
nach  Hansens  Methode  sehr  vorsichtig  behandelten  Schnitten  unter- 
scheidet man  in  den  knorpeligen  Scheidewänden  zweierlei  Schichten. 
Die  die  Knorpelzelle  unmittelbar  umhüllende  Schicht,  welche  man  als 
Knorpelkapsel  bezeichnen  kann  (Fig.  13,  15  Kk),  bildet  gewöhnlich  die 
Hauptmasse  der  Scheidewand.  Zwischen  den  Knorpelkapseln  der  be- 
nachbarten Zellen  befindet  sich  eine  meist  sehr  feine  Schicht  der  eigent- 
lichen Grundsubstanz  (Fig.  13,  15  Grs),  welche  nach  Hansens  Methode 
ebenso  wie  die  Knorpelkapseln  blau,  jedoch  viel  intensiver  als  letztere 
gefärbt  wird.  Nur  in  den  Zwickeln  zwischen  drei  oder  vier  Knorpel- 
zellen tritt  die  mittlere  Grundsubstanz  in  größeren  Mengen  hervor, 
indem  sie  hier  auf  Schnitten  in  Form  von  drei-  bis  viereckigen  Feldern 
erscheint.  Ausnahmsweise  findet  man  im  Kiemenknorpel  allerdings 
Stellen,  wo  die  mittlere  Grundsubstanz  eine  ebenso  dicke  Lage  wie 
die  Knorpelkapseln  oder  eine  noch  dickere  bildet   (Fig.  17). 

Unmittelbar  an  der  Grenze  des  Perichondriums  (Fig.  15,  17  Prch) 
liegt  immer  eine  mehr  oder  weniger  feine  Lage  der  eigentlichen  Grund- 
substanz (GrSi).  Es  läßt  sich  denken,  daß  die  Knorpelzelle  an  ihrer 
Oberfläche  zuerst  diese  Lage  und  erst  sekundär  die  Knorpelkapsel 
ausscheidet.  Die  mittlere  Grundsubstanzlage  stellt  also  ebenso  wie 
bei  den  Gastropoden,  nichts  andres  als  die  modifizierte  Knorpelkapsel  dar. 

Nicht  alle  Zwickel  werden  jedoch  von  Knorpelgrundsubstanz  aus- 
gefüllt. In  den  größeren  von  ihnen  finde  ich  auf  meinen  Präparaten 
nicht  selten  einen  protoplasmatischen  Inhalt  (Fig.  13  x).    Es  ist  schwer 


692  M.  Nowikoff, 

zu  sagen,  ob  man  es  in  diesem  Fall  mit  degenerierten  Knorpelzellen 
oder  mit  Resten  der  in  die  Knorpelmasse  einbezogenen  Epithelzellen 
zu  tun  hat. 

Auf  Querschnitten  durch  die  Knorpelscheidewände  kann  man  in 
letzteren  keine  feinere  Struktur  nachweisen.  Sogar  mit  stärksten  Ver- 
größerungen sehen  sowohl  die  Knorpelkapseln  als  auch  die  mittleren 
Grundsubstanzlagen  vollständig  homogen  aus.  Wenn  man  dagegen 
die  dünneren  Scheidewände,  deren  Dicke  oft  nur  2 — 3  f.i  beträgt,  von 
der  Fläche  betrachtet  (solche  Flächenansichten  sind  in  jedem  Knorpel- 
schnitt zu  finden),  so  tritt  eine  regelmäßig  netzige  bzw.  wabige  Struktur 
ziemlich  deutlich  hervor  (Fig.  13,  15  Kw).  Es  ist  unmöglich  in  der 
letzteren  irgendeine  Spur  von  Fibrillen  nachzuweisen.  Ich  war  nicht 
imstande  festzustellen,  ob  diese  Struktur  den  Knorpelkapseln  oder  der 
mittleren  Grundsubstanzlage  angehört. 

Nach  Hansens  Methode  färbt  sich  die  ganze  knorpelige  Scheide- 
wand, wie  schon  oben  erwähnt,  blau.  Sie  enthält  also  Chondromucoide, 
welche  jedoch,  ebenso  wie  im  Vorderknorpel  von  Patella  (Fig.  5),  ver- 
schiedener chemischer  Natur  sind.  Nach  Anwendung  der  Dreifach- 
färbimg Mallorys  erscheint  auch  im  Annelidenknorpel  die  mittlere 
Grundsubstanz  (Fig.  17  Grs)  gelblich-braun,  die  Knorpelkapseln  da- 
gegen (Kk)  bläulich. 

Eine  besondere  Besprechung  verdient  die  collagenartige  Masse, 
welche  die  Knorpeloberfläche  sowohl  in  Basalplatten  als  auch  in  Haupt- 
und  Nebenstrahlen  der  Würmerkiemen  umhüllt.  Diese  mit  Bleu  de 
Lyon,  Bismarckbraun  blau  und  nach  Hansens  Methode  rot  sich  färbende 
Masse  habe  ich  als  Perichondrium  (Prch)  bezeichnet,  obgleich  sie  mit 
dem  typischen  bindegewebigen  Perichondrium  der  Mollusken  und 
Wirbeltiere  nicht  identifiziert  werden  darf.  Um  die  Knorpelachse 
jedes  Kiemenstrahls  bildet  diese  feste  collagenartige  Masse  eine  Art 
Cylinder,  welcher  die  Biegungsfestigkeit  des  Strahls  bedeutend  erhöht. 
Außerdem  füllt  diese  Masse  in  den  Kiemen  fast  alle  freien  Räume 
zwischen  der  Epidermis  und  den  inneren  Organen  aus.  In  den  größeren 
Räumen  der  basalen  Kiemenplatte  bekommt  sie  einen  spongiösen  Cha- 
rakter (Fig.  12  oben),  indem  sie  in  Bündel  collagener  Fasern  zerfällt, 
welche  sich  miteinander  in  verschiedenartigen  Richtungen  kreuzen. 
Die  Fasern  treten  auch  in  die  Muskulatur  (M)  ein,  wodurch  letztere 
auf  Querschnitten  in  größere  oder  kleinere  Felder  geteilt  erscheint. 

Die  perichondrale  collagenhaltige  Masse  erscheint  bei  schwächeren 
Vergrößerungen  entweder  strukturlos  (Fig.  10,  12  Prch)  oder  gestreift 
(Fig.  11,  18,  19  Prch).    Stärkere  Vergrößerungen  (Apochr.  2  mm,  Oc.  4) 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  693 

enthüllen  in  ihr  jedoch  eine  typische  und  sehr  deutliche  alveoläre 
Struktur.  Auf  Querschnitten  durch  den  Hauptstrahl  der  Kieme  von 
Sahella  reniformis  (Fig.  15)  besteht  dies  Perichondrium  aus  unregel- 
mäßig angeordneten,  polygonal-rundlichen,  durchschnittlich  etwa  1  it 
großen  Waben,  deren  Wände  mit  Fuchsin  rot  gefärbt  werden,  während 
ihre  Hohlräumchen  farblos  bleiben.  Stellenweise  ordnen  sich  die  Waben 
in  Reihen,  welche  der  Perichondriumoberfläche  parallel  verlaufen  und 
das  oben  erwähnte  streifige  Aussehen  des  Perichondriums  hervorrufen. 
Sehr  charakteristisch  erscheint  die  oberflächliche,  an  die  Epidermis 
grenzende  Lage  des  Perichondriums  (ah).  Die  Alveolenwände  sind  hier 
senkrecht  zur  Oberfläche  gestellt,  wodurch  ein  sogenannter  Alveolarsaum 
Bütschlis  entsteht,  welcher  in  der  äußersten  Lai>e  wabig  strukturierter 
Substanzen   überall  zu  finden  ist. 

Auf  Fig.  16  ist  ein  Stück  des  nach  Malloky  gefärbten  Perichon- 
driums (Prch)  nebst  einigen  Epidermiszellen  (Ep)  von  einer  jungen 
Sabella  reniformis  abgebildet.  Die  collagenartige  Masse  erscheint  hier 
blau  und  zeigt  einen  deutlichen  und  typischen  Wabenbau.  Sowohl  die 
Größe,  als  auch  die  Gestalt  der  Waben  sind  verschieden.  Ihr  Durch- 
messer schwankt  von  1/2  bis  3  (.i,  wobei  die  kleineren  Waben  oft  einen 
Alveolarsaum  um  die  größeren  bilden.  Die  reihenweise  angeordneten 
Waben  sind  gewöhnlich  in  der  Richtung  der  Reihe  mehr  oder  weniger 
ausgezogen.  Der  Alveolarsaum  an  der  Berührungsstelle  mit  der  Epi- 
dermis tritt  auch  hier  stellenweise  ganz  deutlich  hervor  (ah). 

Auf  der  Grenze  zwischen  dem  Perichondrium  und  der  Knorpel- 
grundsubstanz (Fig.  17)  sind  die  äußersten  Waben  des  Perichondriums 
ebenfalls  in  Form  eines  Alveolarsaums  (ah)  angeordnet. 

Das  obenbeschriebene  Perichondrium  wurde  auch  von  Kölliker 
(1858)  in  den  Hauptstrahlen  der  Chaetopodenkiemen  beobachtet  und 
abgebildet.  Es  wurde  jedoch  von  dem  genannten  Autor  ganz  irrtüm- 
lich   als    »longitudinale  Muskellage«  aufgefaßt. 

In  bezug  auf  die  Histogenese  des  Perichondriums  möchte  ich 
folgendes  bemerken.  Bei  Branchiomma  Köllikeri  (Fig.  11),  Sabella 
infundibulum  (Fig.  18,  19)  und  S.  reniformis  (Fig.  15 — 17)  findet  man 
in  ihm  keine  Zellen,  welche  man  eventuell  als  Bildnerinnen  seiner  Sub- 
stanz auffassen  könnte.  Die  letztere  kann  auch  keinesfalls  von  den 
Knorpelzellen  stammen.  Es  bleibt  also  nur  eine  einzige  Vermutung- 
übrig,  diejenige  nämlich,  daß  die  perichondrale  Masse  von  den  Epi- 
dermiszellen ausgeschieden  wird.  Die  auf  meinen  Fig.  15  und  16 
wiedergegebenen  Bilder  sprechen  ganz  entschieden  für  eine  solche  Ver- 
mutung.  Die  Epidermiszellen  sind  nämlich  stark  in  die  Länge  gezogen, 


694  M.  Xowikoff, 

wobei  ihr  Protoplasma  eine  deutliche  Längsstreifung  zeigt,  welcher  Um- 
stand in  den  Epithelzellen  gewöhnlich  mit  einer  secretorischen  oder 
excretorischen  Tätigkeit  in  Zusammenhang  steht.  Wir  wissen  allerdings, 
daß  eine  solche  Tätigkeit  sich  an  der  äußeren  Oberfläche  der  Epidermis 
vollzieht,  wo  die  Cuticula  ausgeschieden  wird.  Es  scheint  mir  jedoch, 
daß  sie  an  der  inneren  Epidermisfläche  noch  viel  intensiver  ist.  Schon 
oben,  bei  der  Besprechung  des  Molluskenknorpels  hob  ich  hervor,  daß 
die  Zellkerne  sich  gewöhnlich  in  derjenigen  Zellregion  finden,  wo  sich 
eine  besonders  intensive  forma tive  Tätigkeit  entwickelt.  Die  meisten 
Zellkerne  der  Epidermis  einer  jungen  S.  reniformis  (Fig.  15  Ne)  liegen 
in  der  nächsten  Nachbarschaft  des  Perichondriums,  welches  also  ver- 
mutlich unter  dem  Einfluß  der  Kernstoffe  auf  das  Protoplasma  ge- 
bildet wird.  Die  dem  Perich ondrium  unmittelbar  anliegende  Lage 
des  Protoplasmas  ist  viel  dunkler  tingierbar  als  das  übrige  der  Epi- 
dermiszellen.  Die  Grenze  zwischen  der  Epidermis  und  dem  Perichon- 
drium  ist  jedoch  ebenso  scharf  ausgesprochen,  wie  die  zwischen  dem 
Protoplasma  und  der  Grundsubstanz  des  Knorpels.  In  beiden  Fällen 
müssen  wir  also  annehmen,  daß  die  Grundsubstanz  von  entsprechenden 
Zellen  in  Form  eines  Secrets  ausgeschieden  wird,  im  Gegensatz  zum 
Knochengewebe,  wo,  wie  ich  schon  früher  zeigte  (1909,  Fig.  24),  das 
Protoplasma  der  Osteoblasten  in  die  Grundsubstanz  ganz  allmählich 
übergeht,  wo  also  die  letztere  durch  einen  Umbildungsprozeß  aus 
dem  ersteren  entsteht. 

Weiteren  Aufschluß  über  den  Bildungsprozeß  des  Perichondriums 
aewinnt  man  beim  Studium  des  Baues  der  Zellkerne.  Bei  Anwendung 
der  MALLORY-Färbung  (Fig.  16)  unterscheidet  man  in  den  Kernen 
der  Epidermiszellen  zwei  Arten  von  Chromatinkörnchen :  bräunlich- 
gelbe und  blaue.  Diese  Doppelartigkeit  des  Chromatins  tritt  übrigens, 
obgleich  nicht  so  deutlich,  auch  auf  den  nach  Hansen  gefärbten  Schnit- 
ten hervor  (Fig.  15).  Sie  ist  allerdings  nur  bei  jüngeren  Tieren  nach- 
zuweisen (auf  Fig.  13  und  14,  welche  Querschnitte  durch  erwachsene 
Würmer  darstellen,  sehen  alle  Chromatinkörnchen  blau  aus)  und  darf 
wohl  als  Ausdruck  einer  besonders  lebhaften,  mit  der  Perichondrium- 
bildung  in  Zusammenhang  stehenden  Funktionierung  des  Zellkernes 
betrachtet  werden.  Diejenigen  Epidermiskerne,  welche  in  der  Mitte 
der  Zellen  (Fig.  15  Ep  rechts)  bleiben,  enthalten  nur  eine  Art  Chro- 
matinkörner. 

In  den  dem  Perichondrium  benachbarten  Regionen  der  Epidermis- 
zellen findet  man  eine  Anzahl  von  Körnchen  (Fig.  16  Je),  welche  nach 
MALLORY-Färbung  sich  durch  ihre  blaue   Farbe   vom  gelben   Proto- 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  695 

plasma  unterscheiden.  Diese  Körnchen  können  mit  den  von  mir  im 
Gastropodenknorpel  beobachteten  Chromidien  verglichen  werden.  Sie 
sind  an  der  Oberfläche  des  Perichondriums  besonders  dicht  angehäuft 
und  stellen  wohl  diejenigen  Produkte  der  Epidermiszellen  dar,  welche 
zum  Aufbau  des  Perichondriums  dienen. 

Ein  etwas  abweichendes  Aussehen  bietet  das  Perichondrium  der 
erwachsenen  Spirographis  Spallanzani.  In  der  deutlich  wabigen, 
collagenartigen  Mas*se  dieses  Perichondriums  (Fig.  13,  14  Prch)  findet 
man  hier  und  da  verzweigte,  sowohl  miteinander  als  auch  mit  den 
Zellen  der  Epidermis  durch  Ausläufer  verbundene  Zellen  (Fig.  13  Epzlt 
Fig.  14  Epz).  Nach  einer  vergleichenden  Untersuchung  mehrerer 
Schnitte  kam  ich  zur  Überzeugung,  daß  solche  Zellen  von  der  Epi- 
dermis stammen.  Auf  dieselbe  Weise  nämlich,  wie  die  in  die  Knochen- 
zellen sich  umwandelnden  Osteoblasten,  werden  einige  Epidermiszellen 
(Fig.  13  Epz)  von  der  sich  bildenden  Substanz  des  Perichondriums 
umhüllt.  An  einigen  Stellen  erinnert  das  Perichondrium  mit  seinen 
verästelten  Zellen  lebhaft  an  das  Knochengewebe,  an  andern  Stellen 
(Fig.  13  rechts)  sieht  es  jedoch  mehr  der  Dentinsubstanz  ähnlich. 
Im  letzteren  Falle  senden  die  Epidermiszellen,  ebenso  wie  die  Odonto- 
blasten  der  Vertebraten,  in  die  von  ihnen  gebildete  Grundsubstanz 
feine  Ausläufer  (Fig.  13,  14  Za),  welche  sich  zum  Teil  verästeln,  vor- 
wiegend aber  einander  parallel  verlaufen.  Solche  Ausläufer,  bzw. 
Kanälchen,  ziehen  oft  durch  die  ganze  Dicke  des  Perichondriums, 
reichen  also  bis  zur  Oberfläche  des  Knorpels.  Das  Vorhandensein  von 
grün  gefärbtem  Protoplasma  in  den  meisten  Kanälchen  (nach  Han- 
sens Methode)  kann  als  Beweis  dienen,  daß  man  es  hier  mit  wirklichen 
Zellfortsätzen  und  nicht  mit  einer  Kunststruktur  des  Perichondriums 
zu  tun  hat. 

Ich  habe  schon  hervorgehoben,  daß  das  wabige  Perichondrium 
ganz  allmählich  in  die  faserige,  der  bindegewebigen  Grundsubstanz 
von  Vertebraten  ähnliche  Masse  übergeht,  welche  das  Innere  der 
Kiemenbasalplatte  ausfüllt.  Stellenweise,  obgleich  ziemlich  selten, 
kann  man  die  Bildung  collagener  Fibrillen  auch  im  Perichondrium, 
namentlich  in  den  Wänden  der  reihenweise  angeordneten  Waben  be- 
obachten. Man  begegnet  hier  wohl  demselben  Prozeß  der  Umwand- 
lung einer  wabigen  in  eine  fibrilläre  Struktur,  den  ich  schon  im  Knorpel 
der  Mollusken  und  Vertebraten  beschrieben  habe. 

Es  war  mir  leider  bis  jetzt  unmöglich  die  Entwicklung  der  Kiemen 
von  Spirographis  Spallanzani  zu  untersuchen,  daher  kann  ich  nicht 
bestimmt  sagen,  ob  die  Zellen,  bzw.  die  Zellgruppen,  welche  im  Innern 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  45 


696  M.  Nowikoff, 

der  Kiemenplatte  zwischen  den  collagenen  Bündeln  liegen,  ebenso  wie 
die  Zellen  des  Perichondriums,  von  der  Epidermis  stammen,  oder  ob 
sie  richtige  Bindegewebszellen  darstellen.  Wäre  letzteres  der  Fall,  so 
müßten  wir  annehmen,  daß  die  collagenartige  Grundsubstanz  bei  einer 
und  derselben  Tierform  sowohl  von  Ectoderm-  als  auch  von  Mesoderm- 
zellen  geliefert  werden  kann. 

V.  Der  Knorpel  und  das  knorpelähnliche  Gewebe  bei  Arthropoden. 

Literat  urÜbersicht. 

Typisches  Knorpelgewebe  ist  bis  jetzt  zwischen  den  Arthropoden  nur  bei  der 
Gattung  Limulus  bekannt.  Schon  im  Jahre  1858  veröffentlichte  Gegenbattr 
ganz  richtige  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Knorpel  in  der  Basalregion 
der  Kiemen  von  Limulus  moluccanus.  Die  inneren  Fortsätze  des  Chitinskelettes, 
bemerkt  er:  »die  zwei  vom  Rücken  des  Abdomens  hereinragende  starke  Leisten 
bilden,  setzen  sich  durch  Bindegewebe  mit  pyramidalen  Fortsätzen  des  Abdo- 
minalinteguments  der  Bauchfläche  in  Verbindung,  und  zwar  findet  sich  je  einer 
der  letzteren  Fortsätze  in  der  Basis  einer  Kieme,  und  ein  Paar  derselben  entspricht 
somit  einem  Abdominalsegmente.  Innerhalb  der  Bindegewebsmassen,  welche 
von  dem  Rücken  nach  dem  Bauche  ziehen,  von  den  Leisten  zu  den  Pyramiden 
gehen,  liegen  die  Knorpelstücke,  so  daß  für  jedes  Segment  deren  zwei  vorhanden 
sind «  (S.  238).  Bei  mikroskopischer  Untersuchung  beobachtet  Gegenbaur  in 
diesen  Knorpelstücken  ovale,  rundliche  oder  polygonale,  gruppenweise  angeordnete 
Kapseln.  Die  Dicke  der  Kapselwände  steht  mit  der  Größe  der  Kapseln  in  gleichem 
Verhältnis.  Die  dickeren  Wände  sehen  oft  geschichtet  aus.  Stellenweise,  in  den 
inneren  Knorpelpartien  kann  man  zwischen  den  Kapseln  drei-,  Vier-  oder  fünf- 
eckige freie  Räume  nachweisen.  »Nach  außen  hin,  d.  h.  gegen  die  Bindegewebs- 
begrenzung,  werden  die  Kapseln  kleiner,  enthalten  weniger  sekundäre  Hohlräume, 
bis  ganz  an  der  Grenze  die  Schichtenbildung  der  Kapselwände  erlischt,  und  nur 
noch  eine  homogene,  höchstens  feinkörnige  Intercellularsubstanz  auftritt,  die 
kontinuierlich  in  die  Grundsubstanz  des  Bindegewebes  übergeht«  (S.  239).  Die 
chemische  Untersuchung  der  Kapselsubstanz  führt  Gegenbaur  zur  Vermutung, 
»daß  hier  vielleicht  ein  chemischer  Körper  vorliegt,  der  sich  in  die  ohnedies  schon 
verwandte  Reihe  der  Chitin-  und  Chondrinbildungen  einfügt«  (S.  240). 

Die  obenangeführte  Beschreibung  wird  in  ihren  Hauptzügen  auch  von 
Ray  Lankester  (1884,  S.  147 — 150)  bestätigt.  Dieser  Autor  behauptet  jedoch, 
daß  das  von  Gegenbatjr  entdeckte  Gewebe  mehr  einem  Pflanzenparenchym 
als  einem  Vertebratenknorpel  ähnlich  ist,  da  man  hier  keine  hyaline,  für  den 
Vertebratenknorpel  so  charakteristische  Interkapsularsubstanz  findet.  Daher 
bezeichnet  Ray  Lankester  das  Gewebe  nicht  als  Knorpel,  sondern  als  »cartilage- 
like  capsuligenous  connective  tissue«.  —  Mehr  Ähnlichkeit  mit  einem  typischen 
Knorpel  von  Wirbeltieren  findet  Ray  Lankester  in  einem  anderen  Gewebe  von 
Limulus,  namentlich  in  seinem  Endosternit.  Im  letzteren  unterscheidet  man  eine 
reichliche,  teils  homogene,  teils  fibrilläre  Grundsubstanz,  in  welcher  die  Zellen 
eingebettet  sind,  die  jedoch  nicht  in  Haufen  wie  die  Zellen  des  Vertebratenknorpels, 
sondern  reihenweise  liegen.  In  chemischer  Hinsicht  unterscheidet  sich  der  Endo- 
sternit allerdings  ganz  scharf  vom  Knorpel,  da  seine  Grundsubstanz  nicht  aus 


Studiea  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  697 

Chondrin  oder  Collagen,  sondern  hauptsächlich  aus  Chitin  und  Mucin  besteht. 
Eine  dem  Endosternit  von  Limulus  ähnliche  Struktur  beobachtet  Ray  Lankester 
auch  im  Endosternit  von  Scorpio,  Mygale  und  Apus  (S.  133 — 140). 

Die  Tatsache,  daß  der  Endosternit  der  Arachnoideen  aus  Zellen  und  aus 
einer  Intercellularsubstanz  besteht,  wurde  von  mehreren  Autoren  beschrieben, 
welche  jedoch  keine  Ähnlichkeit  zwischen  dem  genannten  Gewebe  und  dem  Knorpel 
der  Wirbeltiere  konstatieren  konnten.  In  seiner  Arbeit  über  die  Struktur  und 
die  Bedeutung  der  Endosternite  der  Spinnen  bemerkt  Schimkewitsch  (1893), 
daß  die  Endosternitmasse,  welche  aus  einer  fibrillären  Grundsubstanz  und  aus, 
zum  Teil  isolierten,  zum  Teil  in  Gruppen  vereinigten  Zellen  aufgebaut  wird,  rein 
mesodermaler  Herkunft  ist,  indem  sie  durch  Umbildung  eines  transversalen,  dem 
Schalenadductor  der  Crustaceen  entsprechenden  Muskels  und  einer  oder  einiger 
bindegewebigen  Sehnen  entsteht. 

Eine  weitgehende  Analogie  wird  zwischen  den  beiden  knorpelähnlichen 
Geweben  von  Limulus  und  dem  Knorpel  der  Vertebraten  in  dem  Buche  Gaskells 
"The  Origin  of  Vertebrates"  (1908)  durchzuführen  versucht.  Gaskell  bemüht 
sich  zu  beweisen,  daß  die  Wirbeltiere  von  Arthropoden,  und  zwar  von  den  fossilen 
Palaeostraca  stammen.  Zu  den  letzteren  kann  aber  auch  Limulus  ge- 
rechnet werden,  und  manche  Züge  der  Organisation  von  Limulus  sollen  nach 
Gaskell  mit  der  niederer  Vertebraten  vollkommen  identisch  sein.  Eine  solche 
Identität  versucht  er  unter  anderm  auch  in  den  Skeletten  von  Limulus  und  von 
Ammocoetes  nachzuweisen.  »In  Limulus«,  sagt  er  (S.  145):  "the  only  living' 
representative  of  the  Palaeostraca,  and  in  Limulus  alone,  we  find  a  skeleton 
marvellously  similar  to  the  earliest  vertebrate  skeleton  —  that  found  in  Ammo- 
coetes". Dabei  berücksichtigt  Gaskell  fast  garnicht  die  Angaben  früherer  Forscher 
über  das  Vorkommen  eines  knorpeligen  Skelettes  bei  Vertretern  mancher  andern 
Gruppen  von  Wirbellosen.  "In  the  invertebrate  kingdom",  behauptet  er:  "true 
cartilage  occurs  but  scantily.  There  is  a  cartilaginous  covering  of  the  brain  of 
cephalopods.  It  is  never  found  in  crabs,  lobsters,  bees,  wasps,  centipedes,  butter- 
flies, or  any  of  the  great  group  of  Arthropoda,  except,  to  a  slight  extent,  in  some 
members  of  the  scorpion  group,  and  niore  fully  in  one  Single  animal,  the  king-crab 
or  Limulus"  (S.  147).  Bei  letzterem  unterscheidet  Gaskell,  genau  ebenso  wie  beim 
Ammocoetes,  zwei  voneinander  unabhängige  Teile  des  Knorpelskelettes :  einen  proso- 
matischen Teil  und  einen  mesosomatischen.  Der  mesosomatische  besteht,  wie  es 
auch  von  Gegenbattr  angegeben  wurde,  aus  segmental  angeordneten,  in  den 
Kiemenplatten  liegenden  Querstangen.  Er  soll,  sowohl  in  seiner  Struktur  als  auch 
seiner  chemischen  Zusammensetzung  nach  vollständig  dem  Kiemenknorpel  von 
Ammocoetes  entsprechen.  Die  beiden  Knorpel  enthalten  eine  nur  geringe  Menge 
von  Grundsubstanz;  sie  gehören  also  zur  Gruppe  der  sogenannten  weichen,  bzw. 
parenchymartigen  Knorpel.  Ihre  Grundsubstanz  färbt  sich  intensiv  mit  Thionin, 
zeigt  also  einen  ausgesprochenen  mucoiden  Charakter.  Das  prosomatische  Skelet 
von  Limulus  oder  der  Endosternit  soll  nach  Gaskell  dem  subcranialen,  aus  dem 
harten  Knorpel  bestellenden  Skelet  von  Ammocoetes  (trabeculae  +  parachordalia) 
entsprechen.  Der  Endosternit  ist  allerdings  nach  Gaskell  nur  halb-knorpelig 
( »semi-cartilaginous «) ;  es  stellt  eine  breite  Platte  dar,  welche  vorwiegend  aus 
collagenen  Fasern  zusammengesetzt  wird,  in  welcher  man  aber  außerdem  Reihen 
und  Xester  von  Knorpelzellen  unterscheiden  kann.  Einen  ähnlichen  Bau  des 
Endosternits  konstatiert  Gaskell  auch  bei  einigen  Arachnoideen. 

45* 


698  M.  Xowikoff, 

Eigne  Untersuchungen. 

Es  war  für  mich  von  Interesse  erstens  den  eigenartigen  Bau  des 
inneren  Skelets  von  Limulus  zu  studieren  und  zu  verfolgen,  insofern 
derselbe  dem  des  Vertebratenknorpels  entspricht,  und  zweitens  zu 
prüfen,  ob  ähnliche  Skeletstrukturen  auch  bei  andern  Arthropoden 
vorkommen.  Als  Material  für  meine  Untersuchung  benutzte  ich  in 
Sublimat  fixierte  Scorpione  und  niedere  Crustaceen,  sowie  ein  junges 
Exemplar  von  Limulus  polyphemus  aus  der  Sammlung  des  Moskauer 
vergleichend-anatomischen  Instituts.  Obgleich  dieser  Limulus  wahr- 
scheinlich in  Alkohol  konserviert  wurde,  waren  seine  histologischen 
Elemente  vollständig  gut  erhalten. 

Auf  den  anatomischen  Bau  der  beiden  Hauptteile  der  Kiemen- 
knorpel und  des  Endosternits  von  Limulus  brauche  ich  hier  nicht  näher 
einzugehen,  da  der  Bau  von  früheren  Forschern  genügend  aufgeklärt 
wurde.  Was  die  histologische  Beschaffenheit  betrifft,  so  finde  ich  im 
Gegensatz  zur  Angabe  Gaskells,  daß  die  beiden  Skeletteile  von  Limu- 
lus zwei  verschiedene  Gewebsarten  darstellen,  welche  sich  voneinander 
sowohl  ihrem  Bau  als  auch  ihrer  Entwicklung  nach  viel  mehr  unter- 
scheiden, als  der  subcraniale  und  der  branchiale  Knorpel  von  Ammo- 
coetes. 

Die  mesosomatischen,  segmental  angeordneten,  in  die  Basalregionen 
der  Kiemen  eintretenden  Skeletstücke  von  Limulus  polyphemus  be- 
stehen aus  einem  typischen  Knorpelgewebe,  welches  eine  große  Ähn- 
lichkeit mit  den  oben  beschriebenen  Knorpeln  der  Schnecken  und 
Würmer  zeigt.  In  der  Architektur  des  Limulus- Knorpels  kann  ich 
allerdings  sowohl  auf  Längs-  (Textfig.  13)  als  auch  auf  Querschnitten 
(Fig.  20)  keine  solche  Kegelmäßigkeit  feststellen,  wie  bei  anderen 
wirbellosen  Tieren.  Die  stärkeren  Grundsubstanzscheidewände  verlaufen 
im  Limulus- Knorpel  in  verschiedenen  Richtungen  (Textfig.  13  grs) 
und  bilden  auf  diese  Weise  ein  Netz,  in  welchem  man  keine  balken-  oder 
säulenartigen  Bildungen,  d.  h.  keine  trajectoriellen  Strukturen  unter- 
scheiden kann.  Von  außen  geht  die  Knorpelmasse  in  das  Gewebe  des 
Perichondriums  (Fig.  20  Prcli)  allmählich  über,  so  daß  die  Knorpel- 
stücke auch  mit  den  hohlen  Cylindern  der  Kiemenknorpel  der  Chäto- 
poden  nicht  verglichen  werden  können.  Die  Skeletstücke  von  Limulus 
bestehen  also  aus  einem  primitiv  gebauten  Knorpelgewebe,  und  jeder 
von  ihnen  stellt  eine  in  allen  bzw.  mehreren  Richtungen  gleichmäßig  feste 
und  elastische  Masse  dar.  Bemerkenswert  in  diesem  Gewebe  ist  die 
gruppenweise  Anordnung  der  Zellen.    In  den  mittleren  Regionen  jedes 


.Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen. 


699 


Schnittes  kann  man  nämlich  die  Umrisse  von  drei  Zellengenerationen 
ganz  deutlich  verfolgen  (Textfig.  13).  Die  Räume  der  früheren  Groß- 
mutterzellen sind  von  dickeren  Grundsubstanzlagen  umgeben  und  durch 
feinere  Zwischenwände  in  zwei,  vier  bzw.  mehrere  Mutterzellräume  ge- 
teilt.   In  den  letzteren  bilden  sich  oft  noch  ganz  feine  Scheidewände, 


Textfig.  13. 

Längsschnitt   durch    den   Kiemenknorpel   von   Limulus  polyphemus. 

Substanz;  N,  Zellkern. 


Vergr.  320.     grs,  Grund- 


welche  die  benachbarten  Tochterzellen  voneinander  trennen.  Die  dicke- 
ren Scheidewände  verlaufen  gewöhnlich  in  gerader  Richtung,  die  feineren 
sind  mehr  oder  weniger  gebogen.  An  der  Peripherie  des  Knorpelstücks, 
wo  ein  appositionelles  Wachstum  durch  die  Bildung  neuer  Knorpel- 
zellen aus  dem  umgebenden  Perichondrium  geschieht,  wo  also  die 
Knorpelmasse  nur  aus  jungen  Zellen  besteht,  findet  man  dement- 
sprechend auch  keine  Gruppenbildung. 

An  der  Oberfläche  des  Knorpels  kann  man  nicht  selten  beobachten, 
wie  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Partien  der  Bindegewebsorund- 


700  M.  Nowikoff, 

Substanz  zwischen  den  neu  sich  bildenden  Knorpelzellen  eingeschlossen 
werden  (Fig.  20  oben  links).  Diese  Partien  erleiden  eine  allmähliche 
chemische  Umwandlung,  indem  ihre  collagene  oder  collagenartige,  mit 
Fuchsin  rot  sich  färbende  Masse  chondromucoidhaltig  wird  und  nach 
Hansens  Methode  sich  grün  bis  blaugrün  färbt.  Gleichzeitig  mit 
dieser  chemischen  Umwandlung  verliert  die  Grundsubstanz  des  Binde- 
gewebes auch  ihre  charakteristische  fibrilläre  Struktur;  sie  sieht  jetzt 
entweder  homogen  oder  körnig,  bzw.  wabig  aus.  In  den  centralen 
Knorpelregionen  sind  solch  größere  Grundsubstanzmassen  zwischen 
den  Knorpelzellen  äußerst  selten.  Infolge  einer  intensiven  Vermehrung 
der  Knorpelzellen  und  des  dadurch  auf  die  Grundsubstanz  ausgeübten 
Drucks  bekommen  nämlich  die  sämtlichen  Scheidewände,  welche  die 
größeren  Zellgruppen  voneinander  trennen,  eine  fast  gleiche  Dicke 
(Textfig.  13). 

Der  Bau  der  Knorpelzellen  (Fig.  20,  21)  entspricht  demjenigen 
der  meisten  andern  Wirbellosen.  Das  Protoplasma  ist  nur  in  Form 
spärlicher  Stränge  vorhanden,  zwischen  welchen  umfangreiche  Vacuolen 
liegen.  In  jeder  Zelle  findet  man  im  Protoplasma  eingeschlossene 
Kügelchen  (b).  Die  Zellen  sind  einkernig,  wobei  die  Kerne  stets  in  der 
Nähe  der  Scheidewände  (Textfig.  13  N),  oft  in  den  Ecken  zwischen 
zwei  Scheidewänden  liegen. 

Die  Knorpelgrundsubstanz  zeigt  große  Ähnlichkeit  mit  der  der 
Gastropoden,  Anneliden  und  Cyclostomen.  Bei  stärkeren  Vergröße- 
rungen (Fig.  21)  kann  man  in  den  dickeren  Knorpelscheidewänden 
feine,  homogene  Kapseln  (Kk)  und  eine  mittlere  Grundsubstanzlage 
unterscheiden.  Die  Kapseln  färben  sich  mit  Mallok y,  ebenso  wie  die 
mittlere  Grundsubstanzlage,  blau,  jedoch  nicht  so  intensiv  wie  die 
letztere.  Die  mittlere  Grundsubstanzlage  erscheint  in  den  Zwickeln 
unregelmäßig  wabig  (Grsw),  in  den  Scheidewänden  fibrillär  (Grsf). 
Die  jüngeren  Scheidewände  bestehen  aus  einer  einzigen  homogenen 
Lage,  welche  in  die  Kapseln  der  dickeren  Wände  kontinuierlich  über- 
geht (Fig.  21).  Die  oben  angeführten  Beobachtungen  sprechen  ganz 
entschieden  dafür,  daß  das  Kiemenskelet  von  Limulus  ein  echtes 
Knorpelgewebe  ist. 

Einen  andern  Eindruck  erhält  man  beim  Studium  des  sogenannten 
prosomatischen  Skelettes,  des  Endosternites.  Der  Vergleich  der  Fig.  20 
und  22  zeigt  den  Unterschied  beider  Skeletgewebe  mit  genügender 
Deutlichkeit.  Der  Endosternit  der  Arthropoden  stellt,  wie  es  Schim- 
kewitsch  (1893)  und  andre  Autoren  ganz  richtig  nachwiesen,  eine 
Art  Sehne  dar,  welche  an  der  Kreuzungsstelle  mehrerer  Muskeln  ge- 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  701 

bildet  wird  und  ihren  bindegewebigen  Charakter  stets  behält.  Die 
Grundsubstanz  des  Endosternits  von  Limulus  (Fig.  22  Grs)  ist  eben- 
falls rein  bindegewebig,  indem  sie  nach  Hansens  Methode  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  intensiv  rot  gefärbt  wird,  d.  h.  die  typische  Fär- 
bungsreaktion auf  Collagen  zeigt.  Die  Hauptmasse  der  Grundsubstanz 
besteht  aus  Fibrillen  (Grsf),  welche  gewöhnlich  einander  parallel  (in 
der  Kichtung  der  Zugkräfte)  verlaufen  und  ganz  allmählich  in  die  vom 
Endosternit  entspringenden  Muskelfasern  (M)  übergehen.  Neben 
dieser  fibrillären  Grundsubstanz  findet  man  im  Endosternit  stellen- 
weise Flecke  einer  ebenfalls  rot  gefärbten  Grundsubstanz,  in  welcher 
jedoch  sogar  bei  den  stärksten  Vergrößerungen  keine  Spur  von  Fibrillen 
nachzuweisen  ist.  Diese  Flecke  erscheinen  entweder  homogen  (Fig.  23 
Grs),  oder  zeigen  eine  ziemlich  deutliche  Wabenstruktur  (Fig.  23  Grsw), 
welche  ich  am  besten  mit  der  Struktur  des  ebenfalls  aus  einem  collagen- 
artigen Stoff  gebauten  Perichondrium  der  Würmerkiemen  (Fig.  13 — 15 
Prch)  vergleichen  möchte. 

Die  Zellen  des  Endosternits  sind  ebenso  wie  seine  Grundsubstanz 
verschieden.  Diejenigen  Zellen,  welche  in  der  fibrillären  Grundsubstanz 
liegen,  sind  typische  Bindegewebszellen.  Die  meisten  von  ihnen  er- 
scheinen spindelförmig  und  nur  mit  einer  geringen  Menge  Protoplasma 
versehen,  welches  von  der  umgebenden  Grundsubstanz  nicht  scharf 
abgegrenzt  wird.  An  den  Stellen  des  Endosternits  dagegen,  wo  die 
Grundsubstanz  homogen  oder  wabig  wird  (Fig.  23),  sind  die  Zellen 
rundlich-polygonal,  durch  Ausläufer  (Za)  miteinander  verbunden  und 
oft  nach  Art  der  Knorpelzellen  zu  Gruppen  vereinigt.  —  Die  meisten 
Zellen  sind  einkernig;  es  gibt  aber  auch  solche,  die  zwei  bis  mehrere 
Kerne  enthalten.  Eine  weitere  Ähnlichkeit  mit  Knorpelzellen  besteht 
darin,  daß  die  rundlichen  Endosternitzellen  von  einer  Lage  dichterer 
Grundsubstanz,  von  einer  Art  Kapsel  (Zk)  umgeben  werden.  Im 
Gegensatz  zu  den  echten  Knorpelkapseln,  welche  stets  chondromucoid- 
haltig  sind,  zeigen  die  kapselartigen  Zellhüllen  im  Endosternit  von 
Limulus  eine  ausgesprochene  Färbungsreaktion  auf  Collagen.  Das 
Protoplasma  der  rundlichen  Endosternitzellen  (Fig.  23  P)  füllt  den 
Zellraum  als  eine  kompakte  Masse  aus  und  enthält  keine  Flüssigkeits- 
vacuolen.  Im  Protoplasma  der  meisten  Zellen  liegen  dieselben  Körn- 
chen (Fig.  23  b),  welche  man  auch  in  vielen  Knorpelzellen  beobachtet 
und  welche  darauf  hindeuten,  daß  die  Grundsubstanz  als  Ausscheidimgs- 
produkt der  Zellen  gebildet  wird. 

Ich  betrachte  also  das  Endosternitgewebe  von  Limulus  als  ein 
Bindegewebe,   welches  stellenweise  eine  morphologische   Modifikation 


702  M.  Xowikoff, 

erfährt,  indem  seine  Zellen  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  Knorpel- 
zellen der  Cephalopoden  erlangen.  Ich  halte  daher  die  Behauptung 
Gaskells,  daß  das  Endosternitgewebe  von  Limulus  mit  dem  Kopf- 
knorpel von  Ammocoetes  übereinstimmen  soll,  für  ganz  unbegründet. 
Die  beiden  Gewebsarten  sehen  sich  nur  auf  den  schematischen  Ab- 
bildungen Gaskells  einander  ähnlich,  in  Wirklichkeit  sind  sie  sowohl 
morphologisch  als  chemisch  total  verschieden. 

Was  die  Homologisierung  des  Kiemenknorpels  von  Limulus  mit 
dem  des  Ammocoetes  betrifft,  so  könnte  Gaskell  den  letzteren  ebenso 
gut  auch  mit  dem  oben  beschriebenen  Kiemenknorpel  der  Anneliden 
vergleichen,  welchen  er  jedoch  gar  nicht  erwähnt.  Ich  denke  über- 
haupt, daß  das  Vorhandensein  von  Knorpel  für  phylogenetische  Unter- 
suchungen kaum  verwertet  werden  kann,  da  die  Knorpelbildung  eine 
rein  physiologische  Erscheinung  darstellt,  welche  bei  systematisch  weit 
voneinander  entfernten  Tierformen  auftritt,  stets  jedoch  in  denjenigen 
Körperregionen,  wo  eine  spezifische  Beanspruchung  auf  Druck-  oder 
Biegungsfestigkeit  existiert. 

Da  meine  Befunde  in  bezug  auf  die  morphologische  Bedeutung  des 
Endosternits  von  Limulus  mit  den  Angaben  Gaskells  nicht  überein- 
stimmen, hielt  ich  für  notwendig  diese  Befunde  durch  das  Studium  der 
Endosternite  einiger  andrer  Arthropoden  zu  kontrollieren.  Dabei 
wurde  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung,  wie  es  aus  nachfolgenden 
Zeilen   ersichtlich   ist,    durchaus  bestätigt. 

In  erster  Linie  habe  ich  den  Endosternit  von  Euscorpius  euro- 
paeus  untersucht.  Seine  Hauptmasse  (Fig.  24  End)  liegt  über  dem 
Bauchmark  (Bm)  und  zeigt  in  ihrem  Bau  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit 
demselben  Organ  von  Limulus.  Seine  Grunclsubstanz  besteht  aller- 
dings ausschließlich  aus  Fibrillen,  welche  zum  Teil  einander  parallel 
verlaufen,  zum  Teil  sich  miteinander  kreuzen  (Fig.  25  Grsf).  Die  zahl- 
reichen, in  diese  Grundsubstanz  eingeschlossenen  Zellen  verleihen  dem 
Gewebe  einen  ausgesprochen  bindegewebigen  Charakter.  Sie  sind  klein, 
spindelförmig,  miteinander  durch  Ausläufer  verbunden  und  besitzen 
eine  geringe  Protoplasmamenge  (Fig.  25  P)  nebst  einem  ovalen  bis 
stäbchenförmigen  Kern  (N)  und  entbehren  jeder  Spur  von  Kapsel- 
bildung. 

Ein  etwas  abweichender  und  sehr  bemerkenswerter  Bau  findet 
sich  im  Endosternit  der  Ostracoden.  Sowohl  bei  diesen,  als  auch  bei 
andern  der  untersuchten  Crustaceen  und  Arachnoideen  ist  der  Endo- 
sternit das  einzige  collagenhaltige  Gewebe,  welches  auf  den  mit  Han- 
sens Methode  behandelten  Schnitten  intensiv  rot  erscheint,  im  Gegen- 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  703 

satz  zu  den  gelb,  grün  oder  bläulich  gefärbten  übrigen  Körperteilen. 
Bei  der  etwas  näher  studierten  Cypris  puber  a  besteht  der  Endosteini t 
(Fig.  26  End),  ebenso  wie  bei  vielen  andern  Arthropoden,  ans  einer 
Medianplatte,  von  welcher  mehrere,  zur  Anheftimg  der  Muskulatur 
dienende  Fortsätze  entspringen.  Letztere  bestehen  aus  parallel  ver- 
laufenden Fibrillen  und  enthalten  keine  Zellen.  In  der  Medianplatte 
unterscheidet  man  dagegen  Grundsubstanz  und  Zellen.  Die  Haupt- 
masse der  ersteren  erscheint  sogar  bei  den  stärksten  Vergrößerungen 
homogen  (Fig.  27  Grs);  nur  stellenweise  kann  man  in  ihr  feine,  unter- 
einander sich  kreuzende  Fibrillen  erkennen  (Fig.  27  Grsf).  Die  Zellen 
der  Medianplatte  sind  rundlich  polygonal;  sie  besitzen  gewöhnlich 
keine  Ausläufer,  vereinigen  sich  oft  zu  Gruppen  und  zeigen  auch  in 
ihrem  inneren  Bau  weitgehende  Analogien  mit  Knorpelzellen.  Ihr 
Protoplasma  (Fig.  27  P)  enthält  mehr  oder  weniger  ansehnliche  Va- 
cuolen  (7)  und  Kügelchen  oder  Körnchen  (6),  deren  Färbungsver- 
mögen das  der  Nucleolen  ist.  Diese  Kügelchen  sind  wohl  dieselben 
Chromidialbildungen,  welche  ich  im  Subradularknoipel  der  Gastio- 
poden  näher  untersucht  habe  (1909b)  und  welche  überhaupt  in  den 
Zellen,  welche  intensiv  Grundsubstanz  ausscheiden,  nicht  selten  vor- 
kommen. Die  auf  Fig.  27  naturgetreu  abgebildete,  aus  zwei  Zellen 
des  Endosternits  von  Cypris  pubera  bestehende  Gruppe  bietet  viel 
mehr  Ähnlichkeit  mit  typischem  Knorpelgewebe  dar  als  die  oben  be- 
schriebenen rundlichen  Zellen  des  Endosternits  von  Limulus.  Ich 
halte  es  jedoch  für  sicher,  daß  das  Endosternitgewebe  der  Ostracoden 
ebenfalls  nur  eine  modifizierte  bindegewebige  Sehne  ist.  Der  prin- 
zipielle Unterschied  zwischen  einer  solchen  Sehne  und  dem  typischen 
Knorpel  kann  wohl  darin  gefunden  werden,  daß  die  Sehne  von  vorn- 
herein als  eine  collagene  Masse  angelegt  wird,  die  Knorpelgrundsubstanz 
dagegen  in  ihrem  embryonalen  Zustande  stets  chondromucoidhaltig 
ist;  erst  im  späteren  Alter  können  im  Knorpel  collagene  Fibrillen 
gebildet  werden,  welche  jedoch  nie  die  ganze  Chondromucoidsubstanz 
ersetzen.  Im  Endosternit  hingegen  findet  man  von  letzterer  keine  Spur. 
Schließlich  widmete  ich  meine  Aufmerksamkeit  auch  dem  Endo- 
sternit von  Nebalia,  dieser  unzweifelhaft  recht  primitiven  Ciustaceen- 
form.  Der  Endosternit  von  Nebalia  Geoffroyi  (Fig.  28  End),  besteht 
ebenso  wie  die  von  mir  schon  früher  untersuchten  Endosternite  andrer 
primitiv  organisierter  Crustaceen  (Limnadia,  Branchipus)  aus  typischem 
Bindegewebe,  d.  h.  aus  dicht  aneinander  gepreßten,  parallelen  collagen- 
haltigen  Fibrillen,  zwischen  welchen  nur  wenige,  von  kaum  bemerk- 
baren Protoplasmalagen  umgebene  Zellkerne  zu  finden  sind. 


704  M.  Nowikoff, 

VI.  Das  knorpelähnliche  Gewebe  der  Coelenteraten. 

Als  ich  meine  vorliegende  Untersuchung  anfing,  stand  ich  vor 
der  Aufgabe,  das  von  mehreren  früheren  Autoren  (Gegenbaur,  Kölli- 
ker,  Haeckel  u.  a.)  beschriebene  Knorpelgewebe  bei  Hydroidpolypen 
und  einigen  Medusen  einer  nochmaligen  Prüfung  mit  Anwendung  der 
neuesten  technischen  Hilfsmittel  zu  unterwerfen.  Indessen  ist  vor 
kurzem  der  dritte  Teil  von  Schaffers  Arbeit :  Ȇber  den  feineren  Bau 
und  die  Entwicklung  des  Knorpelgewebes  und  über  verwandte  Formen 
der  Stützsubstanz«  erschienen  (1911).  Die  Arbeit  enthält  sowohl  eine 
ausführliche  geschichtliche  Literaturübersicht  als  auch  die  Resultate 
der  eignen  Untersuchungen  Schaffers  über  den  sogenannten  Coelen- 
teratenknorpel.  Sowohl  in  den  basalen  Polstern  der  Tentakel  von 
Tubularia  als  auch  in  den  Tentakeln  und  den  elastischen  Reifen  des 
Schirmrandes  von  Carmarina  hastata  findet  Schaffer  große,  blasige, 
voneinander  nur  durch  eine  äußerst  feine  Membran  getrennte  Zellen. 
Nirgends  ist  eine  stärker  entwickelte  Intercellularsubstanz  vorhanden. 
Der  blasige  Charakter  der  Zellen  verleiht  allerdings  dem  Gewebe  einen 
hohen  Grad  von  Elastizität,  so  daß  es  als  Skeletgewebe  funktionieren 
kann.  Es  muß  indessen  nur  als  »chordoides  Stützgewebe«  und  keines- 
falls als  Knorpel  bezeichnet  werden  (1910,  S.  79). 

Dieser  Angabe  Schaffers  kann  ich  durchaus  beistimmen  und 
glaube,  daß  der  von  Kölliker  eingeführte  Name  »Knorpel  ohne  Grund- 
substanz« weder  bei  Coelenteraten  noch  bei  andern  Wirbellosen  an- 
gewendet werden  darf.  Wir  sahen  doch  schon  oben,  daß  in  sämtlichen 
Knorpeln  bei  Mollusken,  Würmern  und  Limulus  eine  mehr  oder  weniger 
reichliche  Grundsubstanz  vorhanden  ist.  Denselben  Gedanken  spricht 
auch  Schaffer  (1910,  S.  2)  in  bezug  auf  die  Vertebraten  aus,  indem 
er  behauptet,  daß  ein  Teil  der  »Knorpel  ohne  Grundsubstanz«  .  .  . 
»dem  Knorpelgewebe  überhaupt  nicht  zugerechnet  werden  kann, 
während  der  andre  Teil,  ebenso  wie  die  Knorpel  der  Petromyzonten 
und  Myxinoiden,  echte  Grundsubstanzgewebe  darstellt,  welche  nur 
durch  die  Spärlichkeit  ihrer  Grund-  oder  Intercellularsubstanz  aus- 
gezeichnet sind.« 

In  Schaffers  Arbeit  wird  jedoch  Haeckels  Angabe  über  den 
»Faserknorpel«  von  Medusen  nicht  berücksichtigt.  Diesem  Gewebe 
schreibt  Haeckel  (1881)  eine  bedeutende  Verbreitung  zu.  »Sehr 
verschieden«,  behauptet  er,  »ist  die  Konsistenz  des  Gallertgewebes, 
welches  einerseits  in  äußerst  weiches  und  wasserreiches  Schleimgewebe 
übergeht  (z.  B.  Umbrella  der  Aurelia),  anderseits  in  sehr  festen  und 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  705 

harten  Faserknorpel  (z.  B.  Cathamnien  der  Peromedusen).  Besonders 
in  der  Nähe  der  Cathammalplatten,  dieser  festen  Verwachsungsstreifen, 
nimmt  das  Gallertgewebe  vieler  Acraspeden  eine  Beschaffenheit  an, 
welche  sowohl  in  Bezug  auf  histologische  Struktur,  wie  auf  physika- 
lische Qualität  dem  echten  »Faserknorpel«  der  Wirbeltiere  zum  Ver- 
wechseln ähnlich  ist.  In  diesem  Falle  wird  die  außerordentliche  Festig- 
keit des  zellenreichen  Gewebes  vorzugsweise  durch  Verdichtung  und 
durch  faserige  Differenzierung  der  Intercellularsubstanz  gebildet,  wäh- 
rend gewöhnlich  die  weichere  oder  festere  Beschaffenheit  des  Gallert- 
gewebes von  der  qualitativen  und  quantitativen  Entwicklung  der 
elastischen  Fasern  in  demselben  abzuhängen  scheint«  (1881,  S.  146). 
Der  Faserknorpel  tritt  nach  Haeckel  am  deutlichsten  bei  Periphema 
regina  hervor,  er  ist  aber  auch  bei  Periphylla  mirabilis  ganz  gut  zu 
beobachten  (1881,  S.  68).  Alis  den  Abbildungen  Haeckels  (Taf.  XXV, 
Fig.  8  u.  9)  ist  ersichtlich,  daß  der  Knorpel  aus  blasigen,  voneinander 
durch  ziemlich  dicke,  faserige  Grundsubstanzscheidewände  getrennten 
Zellen  besteht. 

Für  meine  Untersuchungen,  deren  Zweck  nur  darin  bestand,  die 
Richtigkeit  der  Angaben  Haeckels  nachzuprüfen,  benutzte  ich  einige 
junge  Exemplare  von  Periphylla  sp.  Das  von  Haeckel  beschriebene 
harte  Gewebe  war  bei  diesen  Exemplaren  noch  nicht  vollständig  ent- 
wickelt, was  jedoch  für  die  Beurteilung  der  morphologischen  Bedeutung 
des  Gewebes  gerade  günstig  erscheint.  Hier  und  da  trifft  man  in  dem- 
selben (Fig.  29)  rundliche  bis  ovale,  von  einer  faserigen,  collagenhaltigen 
Grundsubstanz  (Grsf)  umgebene  Räume,  in  welchen  ein  bis  mehrere 
Zellkerne  (N)  und  eine  gewisse  Menge  Protoplasma  (P)  eingeschlossen 
sind.  Letzteres  bildet  gewöhnlich  eine  Hülle  um  den  Kern,  sowie  eine 
Anzahl  Stränge,  die  ähnlich  dem  Protoplasma  der  Knorpelzellen  von 
der  Hülle  nach  allen  Richtungen  entspringen  und  den  von  der  faserigen 
Grundsubstanz  begrenzten  Raum  durchsetzen.  Die  geschilderten 
Räume  wurden  von  Haeckel  als  Knorpelzellen  aufgefaßt.  Wenn 
man  aber  die  Anordnung  der  faserigen  Grundsubstanz  genauer  verfolgt 
(Fig.  29,  30  Grsf),  so  wird  es  klar,  daß  es  sich  hier  nicht  um  Knorpel- 
gewebe  handelt.  Die  faserige  Substanz  bildet  sich  nämlich  durch  die 
Vereinigung  der  feinsten  im  Schleimgewebe  (Grs)  der  Medusenglocke 
verteilten  Fibrillen  (/).  Sowohl  die  letzteren,  als  auch  die  faserige 
Substanz  färben  sich  nach  der  Anwendung  der  HANSENschen  Methode 
rot,  welcher  Umstand  auf  ihren  collagenen  Charakter  hindeutet.  An 
einigen  Stellen  der  Medusenglocke  (besonders  in  der  Nähe  der  Catham- 
malplatten) entstehen  aus  den  Fibrillen  dickere  Stränge,  welche  durch 


706  M.  Nowikoff, 

verschiedenartige  Anastomosen  untereinander  verbunden  sind,  und  so 
ein  Netz  bilden  mit  polygonalen,  runden  oder  ovalen  Maschen.  Solche 
Maschen  bieten  oft  eine,  allerdings  nur  äußerliche  Ähnlichkeit  mit 
Knorpelzellen  dar;  in  Wirklichkeit  aber  bestehen  sie,  wie  gesagt,  aus 
Strängen  und  nicht  aus  Platten,  so  daß  die  ganze  Gewebsmasse  ein 
schwammartiges  Gerüst  und  kein  Alveolen  werk  darstellt.  Im  Innein 
der  Maschen  findet  man  das  gewöhnliche  Schleimgewebe  (Grs),  welches 
aus  einer  schwach  färbbaren,  homogenen  Intereellularsubstanz  besteht, 
in  die  zum  Teil  verzweigte  und  durch  Ausläufer  verbundene  (Fig.  29), 
zum  Teil  aber  abgerundete,  unverzweigte  Zellen  (Fig.  30)  eingeschlossen 
sind. 

Meine  Untersuchung  bestätigt  also  die  Angabe  Schaffers  und 
zeigt,  daß  ein  »Medusenknorpel«  im  Sinne  Haeckels  nicht  existieit. 
Das  von  mir  beobachtete  Skeletgewebe  des  Medusenschirms  erscheint 
sowohl  seiner  chemischen  Zusammensetzung,  als  auch  seinem  morpholo- 
gischen Bau  nach  dem  oben  geschilderten  typischen  Bindegewebe  des 
Endosternits  der  Arthropoden  durchaus  ähnlich. 

[VII.  Vergleichende  Bemerkungen. 
|1.  Über  die  Klassifikation*  des  Knorpelgewebes  der  Wirbellosen. 
Das  Knorpelgewebe  tritt  sowohl  bei  Wirbeltieren  als  auch  bei 
Wirbellosen  in  überaus  verschiedenen  Modifikationen  auf,  so  daß  eine 
strenge  Definition  des  Begriffes  »Knorpel«  recht  schwierig  ist.  Sogar 
für  die  von  nur  beschriebenen  Knorpel  der  Wirbellosen  hat  man  keine 
morphologischen  Merkmale  feststellen  können,  welche  für  alle  charak- 
teristisch wären.  In  einigen  dieser  Knorpel  trifft  man  nämlich  ver- 
zweigte, miteinander  in  Verbindung  stehende  Zellen  (Cephalopoden), 
in  andern  sind  die  Zellen  abgerundet  und  unverzweigt  (Gastropoden, 
Anneliden,  Limulus).  Die  erstere  Art  von  Knorpelzellen  ist  dicht 
protoplasmatisch,  während  die  Zellen  der  zweiten  Art  von  großen,  den 
Hauptteil  des  Zellkörpers  erfüllenden  Flüssigkeitsvacuolen  durchsetzt 
sind.  Ähnliche  Unterschiede  zeigt  auch  die  Grundsubstanz.  Bei  den 
Cephalopoden  ist  sie  eine  einheitliche  Masse,  in  welcher  man  entweder 
gar  keine,  oder  nur  sehr  schwach  entwickelte  Knorpelkapseln  unter- 
scheidet; bei  andern  Wirbellosen  dagegen  ist  sie  in  deutliche  Knorpel- 
kapseln und  eine  mittlere  Grundsubstanzlage  differenziert.  Die  feinere 
Struktur  der  Intereellularsubstanz  kann  sowohl  wabig  als  auch  faserig 
sein.  In  bezug  auf  das  Knorpel  Wachstum  bestehen  ebenfalls  Ver- 
schiedenheiten. In  den  meisten  Knorpeln  geschieht  es  sowohl  durch 
Intussusception  als  auch  durch  Apposition.     Für  den  Kiemenknorpel 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  707 

einiger  Anneliden  erscheint  der  letztgenannte  Prozeß  jedoch  vollständig 
ausgeschlossen,  da  das  von  der  Epidermis  ausgeschiedene  Perichon- 
drium  dieses  Knorpels  keine  Zellen  enthält.  Alle  angeführten  Merk- 
male können  also  nicht  als  Unterscheidungsmerkmale  des  Knorpels 
von  den  übrigen  Bindesubstanzen,  sondern  nur  zur  Klassifikation  der 
Knorpelgewebe  benutzt  werden.  Das  einzige  sichere  Unterscheidungs- 
merkmal des  Knorpelgewebes  bildet,  meiner  Ansicht  nach,  die  chemische 
Beschaffenheit  der  Knorpelgrundsubstanz.  Jeder  typische  Knorpel 
nämlich,  sei  es  nach  Schaffers  Terminologie  der  weiche  oder  der 
harte  Hyalinknorpel,  sei  es  der  faserige  oder  elastische  Knorpel,  oder 
schließlich  der  Knorpel  von  Wirbellosen,  enthält  eine  größere  oder 
kleinere  Menge  Chondromucoide,  welche  zwar  nicht  alle  chemisch 
identisch,  stets  aber  von  collagenhaltigen  Stoffen  durch  ihre  Färbungs- 
reaktionen leicht  zu  unterscheiden  sind.  Am  häufigsten  wird  der 
Knorpel  mit  Bindegewebe  und  mit  jungem,  noch  im  verkalktem  Knochen 
verwechselt;  von  diesen  beiden  Geweben  kann  er  wohl  nur  durch  die 
Anwesenheit  der  Chondro mucoide  unterschieden  werden. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  ausgehend,  muß  man  die  oben  beschrie- 
benen, knorpelartigen  Skeletgewebe  der  Wirbellosen  in  zwei  Haupt- 
gruppen zerlegen:  1)  echte  Knorpel,  welche  man  bei  Mollusken, 
Anneliden  und  im  Kiemenskelet  von  Limulus  findet,  und  2)  knorpel- 
ähnliches Bindegewebe  des  Endosternits  des  Limulus  und  der 
Ostracoden.  Im  letzteren  Gewebe  trifft  man  einige  morphologische  Merk- 
male des  Knorpels,  wie  z.  B.  die  abgerundete  Form  und  die  Vacuolen 
der  Ostracodenzellen,  die  gruppenweise  Anordnung  der  Zellen,  sowie 
kapselartig'  verdichtete  Grundsubstanzlagen  um  die  Zellen  im  Endo- 
sternit  von  Limulus.  In  den  beiden  genannten  Gewebsarten  ist  jedoch 
keine  Spur  von  Chondromucoiden  nachzuweisen ;  sogar  die  kapselartigen 
Zellmembranen  (Fig.  23  Zk)  bestehen  ausschließlich  aus  collagen- 
haltiger  Substanz. 

Was  die  echten  Knorpel  von  Wirbellosen  betrifft,  so  zer- 
fallen sie  in  zwei  Gruppen.  Zur  ersten  gehören  der  Cephalopoden- 
knorpel  und  die  peripheren  Partien  einiger  Subradularknorpel  der 
Gastropoden  mit  verzweigten  Zellen  und  reichlicher  Grundsubstanz ; 
zur  zweiten  Gruppe  rechne  ich  den  parenchymartigen  Knorpel  der 
Gastropoden,  Anneliden  und  Poecilopoden.  Diese  beiden  Knorpel- 
arten entsprechen  ihrem  Bau  nach  den  jüngeren  oder  embryonalen 
Vertebratenknorpeln.  Letztere  werden  gewöhnlich  in  Form  von  Paren- 
chymknorpeln  angelegt  und  bei  den  primitivsten  Wirbeltieren  — 
den    Cyclostomen,   verharren   sie,   ebenso   wie   bei   manchen   Wirbel- 


708  M.  Nowikoff, 

losen,  lebenslang  auf  diesem  Entwicklungsstadium.  Der  Knorpel  der 
Cephalopoden,  sowie  die  äußeren  Lagen  des  Vorderknorpels  von  Patella 
(Fig.  5)  und  Haliotis  (Fig.  9),  weichen  allerdings  von  diesem  embryo- 
nalen Typus  ab,  aber  auch  in  ihrem  Bau  sind  Merkmale  des  jugend- 
lichen Zustandes  vorhanden,  besonders  die  Zellverbindungen,  welche 
bei  den  Wirbeltieren,  wie  ich  früher  (1908,  S.  250,  Textfig.  5)  zeigte, 
in  den  peripheren,  durch  Apposition  der  Perichondralzellen  neu  ge- 
bildeten, also  jugendlichen  Knorpelpartien  recht  oft  vorkommen,  da- 
gegen im  älteren  Knorpel  gewöhnlich  verschwinden. 

Die  parenchymartigen  Knorpel  der  Gastropoden,  Anneliden  und 
Poecilopoden  gleichen  sich  sehr.  Die  Zellen  sind  überall  mit  großen 
Vacuolen  versehen;  die  Grundsubstanz  besteht  aus  deutlichen  Kapseln 
und  einer  mittleren  Lage.  Die  drei  genannten  Knorpelformen  sind 
nur  durch  die  Besonderheiten  ihrer  Architektur  zu  charakterisieren. 
Der  hauptsächlich  druckfeste  Subradularknorpel  der  Gastropoden 
zeichnet  sich  durch  das  Vorhandensein  der  balken-  oder  säulenartigen 
Grundsubstanzplatten  aus.  Die  biegungsfesten  Knorpelachsen  der 
Annelidenkiemen  werden  von  dickeren,  cylinderförmigen  Grundsub- 
stanzlagen oder  festen  Perichondrien  umgeben.  Im  Kiemenknorpel 
von  Limulus  konnte  ich  nur  eine  netzartige  Anordnung  der  dickeren 
Grundsubstanzplatten  nachweisen. 

2.  Über  den  Bau  der  Knorpelgrundsubstanz. 

Auf  Grund  meiner  oben  angeführten  Beobachtungen,  ebenso  wie 
der  von  mir  früher  (1908)  veröffentlichten  Angaben  über  den  Knorpel 
der  Vertebraten  möchte  ich  einige  Fragen  bezüglich  der  gröberen  und 
feineren  Struktur  der  Knorpelgrundsubstanz  zu  beantworten  versuchen. 

In  neuerer  Zeit  wird  öfters  behauptet,  daß  die  Knorpelgrundsub- 
stanz eine  Art  Ectoplasma  der  Knorpelzelle  darstelle.  So  gibt  Stud- 
nicka  (1903,  S.  336)  folgende  Schilderung  des  Bildungsprozesses  des 
Knorpels  aus  jungem  Bindegewebe:  »Die  ziemlich  weit  voneinander 
liegenden  und  durch  verhältnismäßig  dünne  Brücken  untereinander 
verbundenen  Zellen  vergrößern  sich  am  Anfange  des  Prozesses;  das 
feine  intercelluläre  Netz  .  .  .  wird  dabei  immer  dichter,  und  es  fließen 
dabei  dessen  einzelne  Fädchen  untereinander,  sowie  mit  den  Körpern 
der  einzelnen  Zellen  sozusagen  zusammen.  Die  Lücken  zwischen  den 
Zellen  verschwinden  gleichzeitig,  so  daß  dadurch  eigentlich  eine  Art 
von  Syncytium  zustande  kommen  muß,  das  die  erste  Anlage  des 
Knorpelgewebes  vorstellt.  Die  im  jungen  Bindegewebe  sich  befindenden 
feinen  Faserungen  werden  in  dem  erwähnten  Syncytium  eingeschlossen 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  709 

und  liegen,  da  sie  sich  unterdessen  noch  vermehrt  haben,  sehr  dicht 
aneinander  und  bedingen  die  eigentümliche  Struktur  der  Grundsubstanz 
des  jungen  Knorpels,  die  man  sich  nicht  so  ohne  weiteres  als  durch 
Fixation  hervorgerufen  vorstellen  kann.  Nun  ist  dieses  Syncytium 
doch  nicht  vollkommen  einheitlich.  Gleichzeitig  als  die  Zellen  mit- 
einander zu  verschmelzen  anfangen,  differenzieren  sich  die  dem  Kern 
nächsten  Partien  als  ein  Endoplasma  schärfer  vom  übrigen  Proto- 
plasma; diese  Partien  sind  es  eben,  die  uns  die  eigentlichen  künftigen 
Knorpelzellen  vorstellen;  solche  haben  demnach  nur  den  Wert  von 
Endoplasmazellen.  Alles  übrige,  was  wir  jetzt  zwischen  den  Zellen 
als  Grundsubstanz  des  Gewebes  sehen  können,  die  ganze,  die  feinen 
Faserungen  enthaltende  Masse  hat  die  Bedeutung  eines  Exoplasma.« 

Eine  ähnliche  Auffassung  vertritt  auch  Hansen  (1905,  S.  747 — 751), 
indem  er  behauptet,  »daß  wir  dasjenige  des  Knorpels,  was  wir  gewöhn- 
lich 'Knorpelzellen'  nennen,  als  ein  Endoplasma  zu  betrachten  haben, 
während  die  Grundsubstanz  der  echten  hyalinen  Knorpel  eventuell 
als  ein  gemeinschaftliches  und  mit  Bezug  auf  das  Endoplasma  mehr 
oder  weniger  selbständiges  Ectoplasma  aufzufassen  ist«.  Hansen 
meint  überhaupt,  daß  »eine  prinzipielle,  theoretische,  scharfe  Sonde- 
rung der  Bindegewebsgruppen  in  Zellen  und  Grundsubstanz«  sich  nur 
auf  künstliche  Weise  aufstellen  läßt,  und  weiter  daß  »die  sogenannten 
Grundsubstanzen  als  lebend  zu  betrachten  sind,  ebensowohl  als  die 
Zellen,  d.  h.  daß  sie  innerhalb  gewisser  Grenzen  von  den  Zellen,  dem 
Endoplasma,  unabhängig  eine  'formative'  Tätigkeit  entfalten  können«. 

Die  Kesultate  meiner  Untersuchungen  sowohl  über  den  Bau  des 
erwachsenen  Knorpels  der  Wirbeltiere  und  Wirbellosen,  als  auch  über 
die  Histogenese  des  Vertebratenknorpels ,  können  mit  den  Angaben 
der  beiden  genannten  Forscher  nicht  in  Übereinstimmung  gebracht 
werden.  Die  erste  Bildung  des  Knorpels  erfolgt  bei  den  von  mir  stu- 
dierten Reptilien  und  Amphibien  in  der  Weise,  daß  die  Bindegewebs- 
zellen sich  sehr  dicht  aneinanderlegen,  wobei  aber  ihre  Grenzen  nach 
geeigneten  Färbungen  ganz  deutlich  hervortreten.  Diese  Grenzen 
werden  immer  deutlicher  dadurch,  daß  sich  zwischen  den  Zellen  die 
Grundsubstanz  als  ein  ununterbrochenes  Alveolenwerk  bildet,  welches 
durch  sein  Färbungsvermögen  vom  Protoplasma  der  Knorpelzellen 
sehr  scharf  unterschieden  ist  (s.  meine  Textfig.  3,  S.  236,  1908). 

Die  Entwicklung  der  Knorpelgrundsubstanz  geschieht  aber  nicht 
nur  in  embryonalen,  sondern  auch  in  späteren  Entwicklungsstadien, 
oft  auch  bei  erwachsenen  Tieren  als  eine  Folge  der  Zellteilung.  Ich 
habe  jedoch  nie  beobachtet,  daß  zwei  Tochterzellen,  sowohl  nach  einer 


710  M.  Nowikoff, 

mitotischen  als  amitotischen  Teilung  zusammenschmelzen,  um  nachher 
in  ihrer  Mitte  eine  Grundsubstanzmasse  zu  bilden  —  d.  h.  Ectoplasma 
im  Sinne  Studnickas  und  Hansens.  Stets,  sowohl  bei  Wirbeltieren 
als  auch  bei  Wirbellosen,  erfolgt  nach  einer  Kernteilung  eine  Zellkörper- 
teilung  (im  Falle  einer  Amitose  können  die  beiden  Prozesse  sogar 
gleichzeitig  verlaufen),  wobei  zwischen  den  Tochterzellen  zuerst  eine 
plasmatische  Scheidewand  sich  bildet,  welche  nachher  allmählich  durch 
eine  knorpelige,  chondromucoide  Platte  ersetzt  wird.  In  einigen 
Fällen  konnte  ich  nachweisen,  daß  die  Zellkerne  regelmäßig  in  der  näch- 
sten Nähe  der  sich  neu  bildenden  Knorpelscheidewände  liegen,  welche 
also  augenscheinlich  unter  ihrem  direkten  Einfluß  entstehen ;  in  andern 
Fällen  beobachtete  ich  in  den  Zellen  der  wachsenden  Knorpelregionen 
das  Heraustreten  von  Chromidien  in  das  Protoplasma,  wo  sie  sicherlich 
die  Entwicklung  der  chondromucoiden  Substanz  beeinflussen.  Die 
Grenze  zwischen  der  Grundsubstanz  und  dem  Protoplasma  der  Knorpel- 
zellen ist  überall  ganz  deutlich  zu  sehen,  wenn  nur  die  Zelle  durch 
ihre  Mitte  (d.  h.  nicht  tangential)  geschnitten  wird.  Alle  angeführten 
Umstände  sprechen  ganz  entschieden  dafür,  daß  die  Knorpelgrund- 
substanz  ein  Ausscheidungsprodukt  der  Zellen  darstellt. 

Die  chondromucoide  Substanz  kann  sowohl  im  embryonalen  als 
auch  im  erwachsenen  Knorpel  ihre  chemische  Zusammensetzung  ver- 
ändern und  sich  in  eine  collagene  Substanz  umbilden.  Eine  solche 
Umwandlung  ist  jedoch  kein  selbständiger  Prozeß;  sie  ist  eine  Folge 
der  Tätigkeit  der  Knorpelzellen,  welche  wohl  imstande  sind,  einige 
Stoffe  in  die  umgebende  Grundsubstanz  auszuscheiden,  andre  dagegen 
aus  derselben  auf  osmotischem  Wege  zu  entfernen.  Zum  Beweis  der 
Existenz  eines  selbständigen  Stoffwechsels  und  eines  selbständigen 
Wachstums  der  Knorpelgrundsubstanz  können,  meiner  Ansicht  nach, 
keine  sichere  Tatsachen  angeführt  werden. 

Gegen  die  Auffassung  der  beiden  oben  genannten  Autoren  spricht 
außerdem  noch  das  Vorkommen  von  Zellausläufern  in  einigen  Knor- 
peln. Wozu  würden  solche  Ausläufer  dienen,  wenn  die  benachbarten 
Zellen  schon  ohnedies  durch  eine  lebendige  Ectoplasmamasse  mit- 
einander verbunden  sind?  Anderseits  aber  widerspricht  das  Fehlen 
der  Zellverbindungen  in  der  Mehrzahl  der  Knorpel  der  Auffassung  der 
Grundsubstanz  als  eines  Ausscheidungsproduktes  gar  nicht.  Die  ge- 
lösten Stoffe  können  nämlich  durch  eine  solche  Grundsubstanz,  zwar 
nicht  so  leicht  wie  durch  die  Zellenausläufer,  jedoch  ebenso  gut  wie 
durch  jede  Membran  diffundieren. 

Was  die  andern  Bindesubstanzen  (Bindegewebe,  Knochen)  angeht, 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  711 

so  kann  ich  für  dieselben  eine  entsprechende  Annahme  von  Ento-  und 
Ectoplasma  ebenso  wenig  als  für  den  Knorpel  anerkennen,  aus  dem 
Grunde  hauptsächlich,  daß  in  diesen  Substanzen  überall  gut  entwickelte 
Zellverbindungen  existieren. 

Schließlich  möchte  ich  noch  auf  die  Ähnlichkeit  zwischen  der 
Grundsubstanz  und  den  cuticularen  Bildungen  hinweisen.  »Es  ist 
unmöglich,«  behauptet  Grobben  (1911,  S.  7),  »eine  scharfe  Grenze 
zwischen  den  Produkten  der  Hypodermiszellen  und  des  mesodermalen 
Bindegewebes  festzustellen,  wie  bereits  Braun  für  den  Flußkrebs  her- 
vorgehoben hat  und  wie  auch  meine  eignen  Untersuchungen  bei  Argulus 
lehren.«  Es  wäre  aber,  meiner  Ansicht  nach,  unmöglich,  den  Chitin- 
panzer als  eine  lebendige  Masse,  als  einen  Komplex  von  ectoplasmati- 
schen  Zellregionen  aufzufassen. 

Die  von  mir,  ebenso  wie  von  einigen  andern  Autoren,  vertretene 
Ansicht,  daß  die  Knorpelgrundsubstanz,  ähnlich  den  Cuticular-  und 
Chitinsubstanzen,  als  Produkt  der  Zellensecretion  entsteht,  erlaubt  es, 
die  sich  widersprechenden  Angaben  über  das  Vorhandensein  der  soge- 
nannten Zellterritorien  im  Knorpel  zu  versöhnen.  Im  Gegensatz  zu 
den  Angaben  mehrerer  Autoren  (z.  B.  Schaffer)  behauptet  Hansen 
(1905,  S.  700),  daß  »die  alte  Theorie  von  der  Zusammensetzung  der 
Grundsubstanz  aus  Zellenterritorien  wie  eine  Mauer  aus  Backsteinen 
völlig  unhaltbar  «  sei.  —  In  meiner  Arbeit  über  den  Vertebratenknorpel 
(1908,  S.  246)  machte  ich  schon  darauf  aufmerksam,  daß  in  einigen 
älteren  Knorpeln  die  ursprünglichste,  also  von  den  Zellen  zuerst  aus- 
geschiedene Lage  der  Grundsubstanz  »durch  ihre  hellere  Beschaffen- 
heit ausgezeichnet«  bleibt,  wodurch  die  Grenzen  zwischen  den  Zellen- 
territorien zustande  kommen.  In  andern  Fällen  unterscheidet  sich  die 
ursprünglichere  Grundsubstanz  von  der  später  gebildeten  gar  nicht, 
weshalb  hier  auch  keine  Zellenterritorien  nachzuweisen  sind. 

In  den  inneren  Regionen  des  Cephalopodenknorpels  beobachtet 
man  oft  (Textfig.  Ib)  Zellenterritorien,  welche  jedoch  voneinander  nicht 
durch  feine  Linien,  wie  es  bei  den  Vertebraten  gewöhnlich  ist,  sondern 
durch  dickere  Lagen  schwach  färbbarer  Grundsubstanz  abgegrenzt 
werden.  Diese  Lagen  gehen  in  die  dunklere  Grundsubstanz  der  Terri- 
torien allmählich  über.  —  Was  die  parenchymartigen  Knorpel  der 
Gastropoden,  Anneliden  und  Poecilopoden  betrifft,  so  kann  man  hier 
eventuell  die  Zellen  nebst  ihren  Kapseln,  welche  die  von  den  Zellen 
zuletzt  ausgeschiedenen  Grundsubstanzlagen  darstellen,  als  Zellen- 
territorien, die  mittleren  Lagen  der  Grundsubstanz  dagegen  als  Terri- 
toriengrenzen betrachten.     Gegen  eine  solche  Betrachtungsweise  kann 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CHI.  Bd.  46 


712  M.  Nowikoff, 

man  jedoch  einwenden,  daß  die  innere  Grmidsubstanzlage  oft  eine 
im  Vergleich  mit  den  Knorpelkapseln  große  Dicke  erreicht.  In  den 
dickeren  Partien  der  Grundsubstanz  des  parenchymartigen  Knorpels 
der  Wirbellosen  vermochte  ich  nirgends  Linien  nachzuweisen,  welche 
als  die  Grenzen  der  Zellenterritorien  gelten  konnten. 

In  bezug  auf  die  feinere  Struktur  der  Knorpelgrundsub- 
stanz habe  ich  schon  früher  (1908,  S.  245 — 248)  hervorgehoben,  daß 
die  Grundsubstanz  eines  jungen,  in  Kanadabalsam  eingeschlossenen 
Yertebratenknorpels  gewöhnlich  ganz  homogen  erscheint  und  daß  sie 
nur  bei  Untersuchung  der  fixierten,  stark  gefärbten  Schnitte  in  schwächer 
lichtbrechenden  Medien,  am  besten  im  Wasser,  einen  wabigen  Bau 
zeigt.  In  der  wabigen,  chondromucoidhaltigen  Grundsubstanz  des  älteren 
Knorpels  konnte  ich  die  Bildung  von  feinsten  collagenen  Fibrillen, 
welche  sich  in  den  Wabenwänden  hervordifferenzieren,  verfolgen.  Der 
Knorpel  der  Wirbellosen  zeigte  (abgesehen  von  dem  der  Cephalopoden, 
wo  ich  nur  ein  undeutliches  Bild  der  Wabenstruktur  beobachtete) 
die  beiden,  von  mir  bei  Vertebraten  festgestellten  Strukturelemente 
mit  großer  Deutlichkeit.  In  den  meisten  parenchymartigen  Knorpeln 
kann  man  schon  beim  Studium  der  in  Kanadabalsam  eingeschlossenen 
Schnitte  die  Struktur  der  Grundsubstanz  verfolgen,  welche  allerdings 
bei  der  Untersuchung  im  Wasser  noch  klarer  hervortritt.  In  den 
jüngeren  Partien  der  Grundsubstanz,  ebenso  wie  in  solchen,  die  keiner 
einseitigen  Spannung  und  keinem  besonders  starken  Druck  unter- 
worfen sind,  tritt  eine  typische  alveoläre  Struktur  hervor.  In  etwas 
älteren  Knorpelregionen  begegnet  man  sehr  oft  zwischen  den  Alveolen- 
reihen  feinsten  Fibrillen,  die  jedoch  dieselbe  Färbungsreaktion  geben, 
wie  die  übrige  chondromucoidhaltige  Grundsubstanzmasse,  von  welcher 
sie  sich  nur  durch  ihr  etwas  intensiveres  Tinktionsvermögen  unter- 
scheiden. Die  alten,  stark  ausgedehnten  Knorpelscheidewände  bestehen 
vorwiegend  aus  solchen  Fibrillen,  welche  stellenweise  ganz  dicht  und 
einander  parallel  verlaufen,  so  daß  zwischen  ihnen  schon  keine  Alveolen 
mehr  nachzuweisen  sind. 

Eine  analoge  Strukturumwandlung  konstatierte  ich  auch  beim 
Studium  der  Histogenese  des  Knochens  (1909).  Die  Knochengrund- 
substanz entwickelt  sich  als  eine  collagene  Masse,  deren  wabige  Struktur 
ohne  große  Schwierigkeiten  zu  beobachten  ist,  besonders  an  den  Stellen 
(z.  B.  an  den  Epiphysen  der  Röhrenknochen),  wo  die  Bindegewebs- 
fasern an  der  Knochenbildimg  unbeteiligt  sind.  Später  und  wohl  unter 
dem  Einfluß  einseitiger  Spannungen,  differenzieren  sich  zwischen  den 
Alveolenreihen  der  Grundsubstanz  collagene  Fibrillen,  welche  jedoch 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  713 

in  der  Knochengrandsubstanz  die  Wabenstruktur  nie  vollkommen 
ersetzen. 

Derselbe  Prozeß  der  Bilduno  von  collagenen  Fibrillen  in  einer 
collagenen  wabigen  Masse  wurde  von  mir  auch  im  Perichondrium  der 
Anneliden  verfolgt. 

Aus  dem  Gesagten  folgt,  daß  die  Waben  und  die  Fibrillen  nicht 
als  einander  ausschließende  Strukturelemente  angesehen  werden  dürfen. 
Die  herrschende  Rolle  dieser  oder  jener  Elemente  hängt  von  den  funk- 
tionellen Bedingungen  ab,  welchen  die  betreffende  Grundsubstanz 
unterworfen  ist. 

Zum  Schluß  möchte  ich  bemerken,  daß  ich  denselben  Gedanken 
auch  in  bezug  auf  die  Struktur  des  Protoplasmas  für  sehr  wahrschein- 
lich halte,  wie  ich  es  schon  vor  einigen  Jahren  in  einer  meiner  russischen 
Abhandlungen  auseinandergesetzt  habe.  Ich  behaupte  nämlich,  daß 
das  Protoplasma,  ebenso  wie  die  Grundsubstanz,  in  seinem  primitiven 
Zustande  stets  eine  alveoläre  Struktur  besitzt,  und  daß  es  in  sich 
erst  sekundär  fibrilläre  Elemente  entwickeln  kann.  Die  Tatsache,  daß 
das  Protoplasma  der  am  einfachsten  organisierten  Protisten  (Amoeba, 
Aethalium  septicum)  einen  alveolären  Bau  zeigt,  welcher  sogar  an 
lebenden  Objekten  zuweilen  ganz  deutlich  hervortritt,  wird  zurzeit 
kaum  von  jemandem  ernstlich  bezweifelt.  Was  die  Metazoen  betrifft, 
so  kann  hier  eine  Wabenstruktur  im  Plasma  der  Zellen  ohne  Schwierig- 
keit nachgewiesen  werden,  welche  ihre  ursprünglichere  Organisation 
behalten,  wie  z.  B.  in  den  Epithel-  oder  Drüsenzellen.  In  hochdifferen- 
zierten Zellen,  wie  z.  B.  Muskelzellen,  kann  dagegen  diese  Struktur 
kaum  mit  Sicherheit  festgestellt  werden.  Ein  in  dieser  Hinsicht  lehr- 
reiches Beispiel  liefern  auch  die  Nervenfasern.  In  den  Nerven  der 
Branchiopoden,  einer  der  primitivsten  Crastaceengruppe,  konnte  ich 
(1905,  Fig.  3,  3a)  eine  typische  Wabenstruktur  beobachten.  Bei  den 
Osträcoden  war  ich  imstande  (1908b,  Fig.  9,  10)  die  Anwesenheit  von 
Neurofibrillen  festzustellen,  welche,  hier  höchstwahrscheinlich  ein  Pro- 
dukt der  Differenzierung  der  Wabenwände  sind,  etwa  ebenso  wie  wir 
es  in  der  Knorpelgrundsubstanz  beobachtet  haben.  In  den  Nerven- 
fasern der  höher  organisierten  Formen,  der  Vertebraten,  dominiert 
schließlich  der  fibrilläre  Bau,  so  daß  hier  eine  Wabenstruktur  nicht 
mehr  nachweisbar  ist. 

Man  kann  also  annehmen,  daß  das  Protoplasma  in  seinem  primi- 
tiven Zustande  eine  Emulsion  von  zwei  miteinander  nicht  mischbaren 
Flüssigkeiten  darstellt,  wie  es  von  Bütschli  an  vielen  Objekten  gezeigt 
wurde.     Infolge  einer  Anpassung  der  Zelle,  bzw.  ihres  Protoplasmas, 

46* 


714  M.  Nowikoff, 

an  kompliziertere  oder  spezifische  Funktionen  modifiziert  sich  die  Pro- 
toplasmastruktur, indem  zuerst  die  Alveolen  eine  bestimmte,  am 
häufigsten  reihenweise  Anordnung  erfahren,  wodurch  die  sogenannte 
gestreift- wabige  Struktur  entsteht,  in  welcher  später  zwischen  den 
Wänden  der  Wabenreihen  feste  Fibrillen  ausgeprägt  werden  können. 
In  einigen  hochdifferenzierten  Objekten  entwickeln  sich  die  Fibrillen 
in  einer  so  bedeutenden  Menge,  daß  sie  die  primitive  Wabenstruktur 
entweder  maskieren  oder  total  ersetzen. 

Moskau,  im  Februar  1912. 


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Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  715 

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Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XC. 
1908b.  —  Über  den  Bau  des  Medianauges  der  Ostracoden.     Zeitschr.  f.   wiss. 
Zool.     Bd.  XCI. 

1909.  —  Untersuchungen  über  die  Struktur  des  Knochens.     Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.     Bd.  XCII. 
1909b.  —  Über  den  Chromidialapparat  in  den  Zellen  des  Subradularknorpels  von 

Haliotis  tuberculata.     Anat.  Anz.     Bd.  XXXIV. 
1850.     M.  A.  Quatrefages,  Etudes  sur  les  types  inferieurs  de  l'embranchement 

des  Anneies.     Annales  d.  sc.  natur.  Zoologie.     T.  XIV. 
1884.     E.  Ray  Lankester,  On  the  Skeleto-trophic  Tissues  and  Coxal  Glands 

of  Limulus,   Scorpio  and  Mygale.     Quart.  Journ.  of  mikrosc.  Science. 

Vol.  XXIV. 

1901.  J.  Schaffer,  Über  den  feineren  Bau  und  die  Entwicklung  des  Knorpel- 

gewebes und  über  verwandte  Formen  der  Stützsubstanz.  I.  Teil.  Zeit- 
schrift f.  wiss.  Zool.     Bd.  LXX. 

1906.     —  Dasselbe.     IL  Teil.     Ebenda.     Bd.  LXXX. 

1911.     —  Dasselbe.     III.  Teil.     Ebenda.     Bd.  XCVII. 

1893.  W.  Schimkewitsch,  Sur  la  structure  et  sur  la  Signification  de  l'Endo- 
sternite  des  Arachnides.    Zool.  Anz.     Jahrg.  16. 

1891.  O.  Schmiedeberg,  Über  die  chemische  Zusammensetzung  des  Knorpels. 
Arch.  f.   experim.    Pathol.   u.    Pharmakol.     Bd.  XXVIII. 

1902.  K.  C.  Schneider,    Lehrbuch    der    vergleichenden    Histologie    der    Tiere. 

Jena. 
1896—1907.     H.  Simroth,  Mollusca.    IL  Abt.  Gastropoda  prosobranchia.  Bronns 

Klassen  und  Ordnungen.     2.  Aufl.     Bd.  III. 
1911.     —  Mollusca.     Bronns   Klassen   und   Ordnungen.      Bd.  III.     Liefer.  113 

bis  115. 

1897.  F.  K.  Studnicka,  Über  die  Histologie  und  die  Histogenese  des  Knorpels 

der  Cyclostomen.     Arch.  f.  mikr.  Anat.     Bd.  XLVIII. 

1898.  —  Weitere  Bemerkungen  über  das  Knorpelgewebe  der  Cyclostomen  und 

seine  Histogenese.     Arch.  f.  mikr.  Anat.    Bd.  LI. 


716 


M.  Nowikoff, 


1898.     F.  K.  Studnicka,  Die  Knorpelkapseln  in  den  Knorpeln  von  Petromyzon. 

Anat,  Anz.    Bd.  XIV. 
1903.     —  Histologische  und  histogenetische  Untersuchungen  über  das  Knorpel-, 

Vorknorpel-  und  Chordagewebe.     Anat.  Hefte.    Bd.  XXI. 
1905.     —  Über  einige  Pseudostrukturen  der  Grundsubstanz  des  Hyalinknorpels. 

Arch.  f.  rnikr.  Anat.     Bd.  LXVI. 
1851.     M.  A.  Valenciennes  ,   Recherches  sur  la  structure  du  tissu  elenientaire 

des   cartilages   des  poissons  et   des  mollusques.      Archives  d.  Museum 

d'Hist.  natur.   Paris.     T.  V. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Gemeinsame 
alv ,  Alveolarsaum ; 
b,  im    Protoplasma  der  Knorpelzellen 

eingeschlossene  Kügelchen; 
Bg,  Bindegewebe; 
BP,  Basalplatte; 
Bz,  Basalzelle; 

C,  Cuticula; 
Chr,  Chromidialmasse; 

D,  Darm  wand; 
Drz,  Drüsenzelle; 
End,  Endosternit; 
Ep,  Epithel; 
Epz,  Epzx,  Epithelzelle; 
/,  Fibrillen; 
Gf,  Blutgefäß; 
Grs,   Grsi,  Grundsubstanz; 
Grsf,    Grsfx,   fibrilläre  Grundsubstanz; 
Grsw,  wabige  Grundsubstanz; 
HK ,  Hinterknorpel ; 
Hs,  Hauptstrahl ; 
k,  im    Protoplasma  der    Epithelzellen 

eingeschlossene  Kügelchen; 

Die  Figuren  sind  mit  Hilfe  des  AßBEschen  Zeichenapparates  (Mikroskop  von 
Zeiss)  entworfen  und  in  den  Farben  der  Präparate  wiedergegeben. 

Tafel  XV. 

Fig.  1.  Sepia  officinalis  (junges  Tier).  Kopfknorpel.  Schnitt  durch  die 
äußere    Lage.     70°  Alkohol,  Mallory.     Vergr.  500. 

Fig.  2.  Eledone  moschata  (junges  Tier).  Schnitt  durch  den  Kopfknorpel. 
Sublimatessigsäure,    Boraxcarmin,    BLOCHMAKNsche    Flüssigkeit.      Vergr.  175. 

Fig.  3.  Patella  coerulea.  Querschnitt  durch  den  Subradularknorpel.  Sub- 
limat, Boraxcarmin,  Mallory.     Vergr.  41. 

Fig.  4.  Dasselbe.  Hinterknorpel.  Schnittdicke  5  u.  Sublimat,  Borax- 
carmin, Mallory.     Vergr.  1000. 


Bezeichnungen. 
Kk,  Knorpelkapsel ; 
Knz,  Knorpelzelle; 
Knza,  Knorpelzellenausläufer ; 
Kw,  Flächenansicht  der  Knorpel- 
scheidewand ; 
M,  Mx,  M2,  M3,  Muskel; 
N,  Zellkern; 

iVe,  Kern  der  Epithelzelle; 
Nk,  Kern  der  Knorpelzelle; 
Ns,  Xebenstrahl; 
Nv,  Nerv; 
P,  Protoplasma; 
Prch ,  Perichondrium ; 
Schw,  Knorpelscheidewand ; 
v,  Flüssigkeitsvacuole; 
VK,  Vorderknorpel; 
x,   zwischen  den   Knorpelzellen  einge- 
schlossene protoplasmatische  Masse ; 
Za,  Zellenausläufer; 
Zk,  Zellenk^psel. 


Studien  über  das  Knorpelgewebe  von  Wirbellosen.  717 

Fig.  5.  Dasselbe.  Vorderknorpel  mit  Knorpelhülle  und  Perichondrium. 
»Schnittdicke  5  /<.     Sublimat,  Boraxcarmin,  Mallory.     Vergr.  1000. 

Fig.  6.  Fissurella  graeca.  Querschnitt  durch  den  Subradularknorpel  (Vorder- 
knorpel).   Sublimat,  Boraxcarmin,  Bleu  de  Lyon,  Bismarckbraun.  Vergr.  500. 

Fig.  7.  Dasselbe.  Schnittdicke  5  (a.  Sublimat,  Boraxcarmin,  Bloch- 
MANNsche  Flüssigkeit.     Vergr.  1500. 

Fig.  8.  Dasselbe.  Schnittdicke  5  /n.  Sublimat,  Boraxcarmin,  Blochmann- 
sche  Flüssigkeit.  Vergr.  2250.  Bildung  der  Knorpelscheidewand  zwischen  zwei 
Knorpelzellen. 

♦      Fig.  9.    Haliotis    tuberculata.     Querschnitt    durch    den    Subradularknorpel 
(Vorderknorpel).     Sublimat,  Boraxcarmin,  Mallory.    Vergr.  500. 

Tafel  XVI. 

Fig.  10.  Brauch iomma  Köllikeri.  Längsschnitt  durch  die  Kiemenhaupt- 
strahlen.     Sublimat.  Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  41. 

Fig.  11.  Dasselbe.  Querschnitt  durch  einen  Kiemenhauptstrahl.  Sublimat, 
Färbung   nach  Hansen.     Vergr.  75. 

Fig.  12.  Spirograpliis  Spallanzani.  Schräger  Querschnitt  durch  die  basale 
Kiemenregion.     Sublimat,  Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  41. 

Fig.  13  u.  14.     Aus  demselben  Schnitt.     Vergr.  500. 

Fig.  15.  Sabella  reniformis.  Ein  Teil  des  Querschnittes  durch  den  Kiemen^ 
hauptstrahl.     Schnittdicke  5  fi.     Sublimat,  Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  500. 

Fig.  16  u.  17.   Dasselbe.  Schnittdicke  3  tu.  Sublimat,  Mallory.  Vergr.  1500. 

Fig.  18.  Sabella  infundibulum.  Querschnitt  durch  die  basale  Region  der 
Kiemenhauptstrahlen.     Sublimat,  Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  75. 

Fig.  19.  Dasselbe.  Längsschnitt  durch  einen  Hauptstrahl  mit  zwei  Neben- 
strahlen.    Sublimat,  Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  75. 

Tafel  XVII. 

Fig.  20.  Limulus  polyphemus.  Querschnitt  durch  den  Kiemenknorpel. 
Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  500. 

Fig.  21.  Dasselbe.  Aus  einem  Längsschnitt  durch  den  Kiemenknorpel. 
Schnittdicke  5  u.     Boraxcarmin,  Mallory.     Vergr.  1500. 

Fig.  22.  Limulus  polypliemus.  Ein  Teil  des  Endosternites.  Färbung  nach 
Hansen.     Vergr.  75. 

Fig.  23.     Aus  demselben  Schnitt.     Vergr.  500. 

Fig.  24.  Euscorpius  europaeus.  (Junges  Tier  von  1,5  cm  Länge.)  Prosoma. 
Querschnitt  durch  den  Endosternit.    Sublimat,  Färbung  nach  Hansen.    Vergr.  75. 

Fig.  25.     Aus  demselben  Schnitt.    Ein  Teil  des  Endosternites.    Vergr.  500. 

Fig.  26.  Cijpris  pubera.  Querschnitt  durch  das  Endosternit.  Sublimat, 
Färbung  nach  Hansen.    Vergr.  175. 

Fig.  27.     Dasselbe.     Schnittdicke  5  «.     Sublimat,  Mallory.     Vergr.  500. 

Fig.  28.  Nebalia  Qeoffroyi.  Querschnitt  durch  das  Endosternit.  Sublimat, 
Färbung  nach  Hansen.     Vergr.  175. 

Fig.  29  u.  30.  Periphylla  sp.  (junges  Tier).  Aus  einem  Horizontalschnitt. 
Bindegewebe,  des  Medusenschirmes.  Pikrinessigsäure ,  Färbung  nach  Hansen. 
Vergr.  175. 


Druck  von  Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


Zeitschrift  f.  wiss.  Zoologie  ßd.  CM. 


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Verlag  von  Wilhelm  Engelmann  inLeipzig. 


lith.Anstv.A.  GiltscA,  Jena,. 


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Tai:  III. 


Verlag  vcnWhcbVngelmunn 


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