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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLÖGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker - und Ernst Ehlers 


4 hr], 
Professora.d. Universitätzu Warzbpre Professor.a. d. Universitätzu Göttingen 
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 Dreiundsechzigster Band 


Mit 45 Tafeln und 73 Figuren im Text 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


1898. 


Inhalt des dreiundsechzigsten Bandes. 


IINNNNNNn 


Erstes Heft. \ 
"Ausgegeben den 17. September 1897. 


Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe in der Schnauze von Säugern. 
2 Blei, 0 Dar AN) ea) OR 
Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Von O0. Frankl. 
a EN ea ee ee Se a PR NENE  RR R 2 Ae 
Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus der Adria. Von 
ee (Ni 2 Fig. im Dext.) . .... 0.20.2200. 
Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). Von H. Stauffacher. (Mit Taf. III 
En De ER ee ee a ei a 
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibien- 
gliedmaßen, besonders von Carpus und Tarsus. Von W. Zwick. (Mit 
N a ER ERS BL 
Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus dem Maul- 
Bee Bott: (Mis Taf. VEu VIL). . ... 0. ..000..&5 
Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonge zanclea und Acanthometriden- 
arten vorkommenden Parasiten (Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). 
eorsert‘ (Mit Lat. VIIL) 2. .0.... 000.02 »02 88. 


Zweites Heft. 
Ausgegeben den 12. November 1897. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Von 

Bnosiın. (Mit TaR X u XL)... 0.220 
Die Facettenaugen der Ephemeriden. Von C. Zimmer. (Mit Taf. XII 
eh er ee. Ra A 
Uber histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regenerationsprocessen 

ger Naiden Von P. Hepke., (Mit Taf. XIV u.XV)........ 
Einiges über die Entwicklung der Scyphopolypen. Von A. Goette. (Mit 
Be RX u. 25 Big. im Text). 2... 2... Hrn 


Seite 


115 


141 


292 


IV 


Drittes Heft. 


Ausgegeben den 29. März 1598. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. Von R. W. Hoffmann. (Mit 
Taf. XX—XXI u. 7 Eig. im Texte... 2 N 20,20 
Epiphysis und Hypophysis von Rana. Von F. Braem. (Mit Taf. XXTII.). 
Über die periodische Abstoßung und Neubildung des gesammten Mittel- 
darmepithels bei Hydrophilus, Hydrous und Hydrobius. Von €. Rengel. 
{Mit Tafel XXIIL). 02. es ee 
Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. 


IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Von R. Hesse. (Mit Taf. xXIV) 


Zur Systematik der Hydroiden. Von Kristine Bonnevie. (Mit Taf. XXV 
— XXVII und-1.Fis} im ext) u. 
Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. Theil. Von C. Rabl. 
(Mit Taf. XXVIII--XXXI und 14 Fig. ım Text.) 


nn er a er ae Melle, 8). —_E 


Viertes Heft. 
Ausgegeben den 20. Mai 1898. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. Theil. Die Larven- 
periode. Von J. Meisenheimer. (Mit Taf. XXXII—XL u. 20 Fig. 
im ‘Text.). "1. a8 2 a 
Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose von Oscarella 
(Halisarea). Von 07Maası (Mit "Dar xl Sr 
Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata, Triton taeniatus und 
Spelerpes fuscus; mit Betrachtungen über den Ort der Athmung beim 
lungenlosen Spelerpes fuscus. VonE.Bethge. (Mit Taf. XLIIu. XLIII.) 
Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis)bei Schneekengehäusen. 
Von Gräfin M. v. Linden. (Mit Taf. XLIV u. XLV.) 


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578 


665 


680 


Te 


Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe 
in der Schnauze von Säugern. 


Von 


Georg Huss 


aus München. 


Aus dem Zoologischen Institute zu Tübingen.) 


Mit Tafel I. 


Den ersten Anstoß zu einer Reihe von Untersuchungen über Nerven in 
der allgemeinen Körperdecke hatte LANGERHANS gegeben durch die Auffindung 
verästelter Zellen in der Oberhaut des Menschen, die er für Nervenzellen er- 
klärte; er glaubte, dass feine Nerven, aus der Lederhaut kommend, in diesen 
Zellen endigen. Die Nachuntersuchung zeigte, dass Nerven in reicher Menge 
in die Epidermis eintreten und dort mit Knöpfchen endigen; die meisten For- 
scher (EBERTH, PALADINO, EIMER, MOJSISOVICZ, MERKEL) konnten jedoch einen 
Zusammenhang dieser Nerven mit den LANGERHANS’schen Zellen nicht fest- 
stellen, andere (SERTOLI, KROHN) ließen die Frage offen. 

Besonders interessante Nervenendigungen fand EImEr (8) in der Epidermis, 
die die Schnauze des Maulwurfs überzieht; sie sind in den Papillen gelegen, 
die von der Epidermis aus gegen die Cutis pufferförmig vorspringen; diesen 
inneren Vorsprüngen entsprechen außen kuppenartige Erhebungen der Epi- 
dermis, die auf der Oberfläche als feine Punkte wahrnehmbar sind. EIMER 
vergleicht diese Bildungen mit zwei Kegeln, die mit ihrem abgestumpften 
oberen Ende auf einander sitzen und nannte den oberen derselben, zu dem die 
Nerven in engere Beziehung treten, Tastkegel. In der Achse eines solchen 
Organs liegt ein sanduhr- oder eylinderförmiger Raum, in dem die Nerven- 
fasern in eigenthümlicher Anordnung verlaufen; im inneren Theile hat dieser 
Raum keine besondere Wandung, im äußeren (im Tastkegel) ist er von einem 
Epithelialrohr bekleidet, dessen Wand aus eingerollten spindelförmigen Zellen 
besteht, deren spitze Enden sich über einander lagern. Im inneren Theile ist 
der Raum mit einer strukturlosen Bindegewebsmasse erfüllt, den äußeren Theil, 
den Tastkegel, betrachtet Eımer als leere Röhre, die auf der Oberfläche der 
Papillenkuppe offen nach außen mündet; zuweilen erschien auch dieser Raum 
von einer strukturlosen Masse ausgefüllt. Der Tastkegel zeigte sich von Epithel 
bedeckt, das gewissermaßen den Deckel desselben bildet; zuweilen erschien 
der Deckel von einem kleinen Loche mit eingerissenen Rändern durchbohrt, als 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 1 


92 Georg Huss, 


ob seine Auflösung begonnen hätte. — Die durch Goldfärbung sichtbar ge- 
machten Nerven verfolgte Eımer in den tieferen Cutislagen als dicke Stränge, 
die sich nach außen zu mehrfach in dünnere Bündel theilen; jedes Bündel dieser 
Art tritt in einen pufferartig vorspringenden Zapfen der Schleimschicht, die 
Nervenfasern verlieren hier plötzlich ihr Mark und steigen fast durch die ganze, 
Epidermis empor, die meisten der Innenwand des sanduhrförmigen Tastraumes 
dicht anliegend, zwei oder drei andere in der Achse des letzteren; auf Quer- 
schnitten erscheinen jene Fasern auf einer Kreislinie um die im Mittelpunkte 
des Kreises stehenden drei letzteren angeordnet. Im eigentlichen Tastkegel 
befestigen sich die Nerven an den spindelförmigen Wandzellen, indem sie 
jeweils mit einer knopfförmigen Anschwellung in eine solche Zelle ein- 
dringen; so geht es bis unter die äußersten Lagen der Hornschicht; an den 
axialen Nervenfasern waren gleiche knopfartige Anschwellungen nicht erkenn- 
bar. Um die Säule strukturlosen Gewebes, welche die letzteren Fasern um- 
fasst, scheint ein Nervenfaden sich spiralig herumzuwinden; mit voller Be- 
stimmtheit konnte wohl EImER dies spiralige Gebilde wegen der Schwierigkeit 
einer vollkommenen Goldimprägnirung nicht bestätigen. 

Eine Nachuntersuchung von MoJsısovicz (20) stimmt Betrefis der Ver- 
zweigung der Cutisnerven und der Ausbreitung und Anordnung der Achsen- 
cylinder in den wesentlichen Punkten mit Eımer’s Darstellung überein. Die 
»sanduhrförmigen Räume« dagegen erkannte er als solide Epitheleylinder, die 
sich aus »speciell modifieirten Epithelzellen< aufbauen; sie sind von der Cutis 
und der übrigen Epidermis scharf abgegrenzt, doch in engem Zusammenhang 
mit letzterer. Auf Querschnitten durch die »sanduhrförmigen Gebilde< sah er 
nach Osmiumfärbung große, unregelmäßige, mehr oder weniger rundliche Zellen 
mit schönen runden Kernen und Nucleolen; nach oben zu erscheinen diese 
Zellen mehr abgeplattet und gehen schließlich, wie die umgebende Epidermis, 
in eine dicke Hornlage über. Die Lage der Nervenendknöpfchen hält MoJ- 
sısovicz für intercellulär, trotzdem die Knöpfehen häufig der Lage nach den 
Nucleolis entsprechen. Was die centralen Achseneylinder anlangt, so stimmt 
Mossısovicz mit EIMER überein, kann jedoch die spiralig um dieselben ver- 
laufende Nervenfaser nicht auffinden. 

RANVIER (22), der in den achtziger Jahren die Maulwurfsschnauze unter- 
suchte, entdeckte, dass an der Basis der Epidermiszapfen in der Cutis kleine 
Pacınr'sche Körperchen liegen, und dass sich in der Tiefenlage der Epithel- 
masse, welche diese Papille bildet, fünf bis sechs runde Körperchen finden, 
über deren Bestimmung er sich nicht ausspricht. Er erkennt, dass die Nerven- 
fasern im Centrum der EımeEr’schen Organe Ziekzacklinien bilden, die nach 
außen zu ausgesprochener werden und an deren Winkeln zunächst Verdiekungen, 
weiter außen wahre gestielte Knöpfehen vorhanden sind. Die Randnervenfasern 
des Eımer’schen Organs verlaufen gestreckt; auch sie tragen Anschwellungen, 
die in einer Querlinie für alle Fasern liegen. Diese Anschwellungen ragen 
gegen die Mitte des Organs vor und sitzen weiter nach außen an einem Stiel. 


Eigene Untersuchungen. 


Wenn ich trotz dieser eingehenden Untersuchungen so bedeuten- 
der Forscher es unternehme, mich mit dem merkwürdigen Organ 
der Maulwurfsschnauze zu beschäftigen, so geschah es in Hinblick 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. B} 


auf die Meinungsverschiedenheiten, die sich bei der Vergleichung 
der bisherigen Darstellungen ergeben. Mit Hilfe der jetzt dem Unter- 
sucher zu Gebote stehenden vorzüglichen mikroskopischen Hilfsmittel 
und insbesondere unter Zuhilfenahme der erprobtesten Färbungs- 
methoden glaubte ich, mein Ziel erreichen zu können. Durch mög- 
licehst genaue Nachuntersuchung der von einander abweichenden 
Befunde konnte ich nach meinen erhaltenen Bildern die Wahrneh- 
mung des einen oder anderen Forschers bestätigen; in einzelnen 
Punkten gewann ich nach reiflicher Überlegung auch eine besondere 
Ansicht. Vor Allem war ich bestrebt, die Epithelauskleidung der 
Eımer’schen »sanduhrförmigen Gebilde«, wie sie abweichend von 
EIMER zuerst Mossısovicz beschrieben hat, näher zu studiren und 
ihre Beziehungen zu den Nerven einerseits und zu dem umliegenden 
Gewebe außerhalb der EımEr’schen Organe andererseits zu erkennen. 
Weiter war es von Wichtigkeit, den Zusammenhang von Nervenfaden 
und Nervenknöpfehen näher zu beleuchten und die Befestigungsstelle 
der letzteren an den Zellen oder im Zellkörper festzustellen. Im An- 
schluss daran beschäftigte ich mich mit der Frage nach einer etwaigen 
Wechselbeziehung zwischen Kernkörperchen der Epithelzellen und 
Nervenendknöpfchen, bezw. einer weiteren Verbindung des letzteren 
mit dem Kernkörperchen. Außerdem suchte ich die von RANVIER 
schon aufgefundenen in der Tiefenlage der Epithelmasse sitzenden 
fünf oder sechs kleinen, runden Körperchen zu erklären. Endlich 
machte ich mir zur Aufgabe, ähnliche Gebilde, wie sie als »EIMER- 
sche Organe« in der Maulwurfsschnauze jetzt bekannt sind, auch 
bei anderen mit diesem Thiere verwandten Arten aufzusuchen. 

1) Epithelzellen im sanduhrförmigen Gebilde. MoJsıso- 
vıcz wandte mit Vortheil zur Färbung der Ermer’schen Organe Über- 
osmiumsäure an. Doch erreichte ich mit Hilfe der Goldimprägnation 
Färbungen, die mir jenes Mittel entbehrlich erscheinen ließen: es 
wurden dabei einerseits die Nerven zur Darstellung gebracht, anderer- 
seits auch Zellgrenzen, Kern und Kernkörperchen deutlich gefärbt. 
Ich bediente mich dabei der von RAnvIER angegebenen Behandlungs- 
weise. 

Von frisch getödteten oder von nicht länger als vor fünf Stunden zum 
Tode gebrachten Maulwürfen wurden '!/; cm lange und 3 mm dicke Stücke der 
Schnauze in eine Mischung von acht Theilen 1%/yiger Goldchloridlösung und 
zwei Theilen 25%/,iger Ameisensäure, die vorher bis zum dreimaligen Aufwallen 
gekocht war, nach dem Erkalten derselben eingelegt, in die Dunkelkammer 


gebracht und zugleich kalt gestellt. Nach zweistündigem Einwirkenlassen dieser 
Mischung auf die Präparate wurden diese mittels Hornpincette vorerst zum 


1* 


4 Georg Huss, 


flüchtigen Abwaschen in destillirtes Wasser und dann in eine 200/gige Ameisen- 
säure gebracht und 36—48h dem Sonnenlichte ausgesetzt. Hier findet ein 
Reduktionsprocess statt, wodurch die Präparate, die in der Goldlösung einen 
gelben Ton angenommen hatten, nun eine dunkelviolette Färbung erhalten. 
Die Intensität der dunkelvioletten Färbung giebt zugleich den Maßstab für 
die Dauer der zeitlichen Einwirkung der Ameisensäure und des Sonnenlichtes 
an. Hierauf geschah die Härtung durch 96%/yigen und absoluten Alkohol, und 
zwar wurden zur Verhütung weiterer Reduktion die Stücke im Dunkeln ge- 
halten. Bisweilen färbte ich die Goldpräparate im Schnitt mit Hämalaun (nach 
PAUL MAYER) nach, wodurch ich schöne Bilder erhielt. 


Wie ist nun die Gestalt und die Aneinanderlagerung dieser Epi- 
thelzellen im sanduhrförmigen Gebilde ? 

Mossısovicz giebt nur im Allgemeinen an, dass diese Gebilde 
von großen, unregelmäßigen, mehr oder weniger rundlichen Zellen 
mit schönen, runden Kernen und Nucleolen ausgefüllt seien, die nach 
oben zu gegen die Basis des Eımer’schen Tastkegels mehr keilförmig 
abgeplattet sind und schließlich mit der das sanduhrförmige Gebilde 
umgebenden Epidermis in eine dieke Hornlage übergehen. Auf sehr 
dünnen Längsschnitten durch die sanduhrförmigen Gebilde kann man 
eine erstaunlich gleichmäßige Anordnung der Epithelzellen sehen. 
An der Basis des unteren Kegels liegen zu beiden Seiten des Cen- 
tralachseneylinders je eine große Zelle mit einem großen, runden 
Kern (Fig. 1). So liegen Zelle über Zelle von gleicher Gestalt ihres 
Leibes bezw. Kernes bis ungefähr zur Höhe des Gebildes, wo EIMER 
den eigentlichen Tastkegel beginnen lässt. Hier treten nun ganz all- 
mählich Veränderungen an den Zellen auf, indem diese mehr und 
mehr in der Höhe abgeplattet, dafür aber breiter werden. Man kann 
sich den Aufbau klar machen, wenn man annimmt, dass die Zellen 
von oben her einen gewissen Druck erfahren haben und so jede 
einzelne Zelle, dem Drucke ausweichend, mehr in die Breite ge- 
gangen ist und sich zwischen andere Zellen mit einem Theil ihres 
Protoplasmas hineingedrängt hat. Diese Veränderung der Zellen 
geht ganz allmählich vor sich, indem die Zellen auf beiden Seiten 
des Centralachseneylinders, Anfangs einander gegenüber liegend, mit 
ihren mehr ausgezogenen Enden sich jetzt über einander legen, 
später dann eine Zelle die ganze Breite des Tastkegels einnimmt 
und sich wie ein Keil zwischen zwei andere der gegenüber liegen- 
den Seite hineingeschoben hat, wodurch endlich Zelle über Zelle zu 
liegen kommt. Dabei muss freilich ein Ausschnitt übrig bleiben, der 
den Centralachseneylindern den Weg frei lässt. Schiebt man die 
Finger der einen Hand zwischen die der anderen, so hat man, die 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 5 


Finger mit den Zellen verglichen, ein Bild, wie die Zellen in den 
Eımer’schen Organen im Tastkegel in einander stecken. Dabei wäre 
der Grund der Finger der Sitz des großen Kermes, hier auch der 
srößte Durchmesser der ganzen Zelle, während die Finger selbst die 
schmal ausgezogenen Fortsätze darstellen und so gegenseitig in 
einander greifen. Dieser Zellenaufbau ist bis zur dritten oder vier- 
ten obersten Epithellage in gleicher Anordnung zu verfolgen; von 
hier an deutet die nur stückweise noch erfolgte Imprägnirung den 
Beginn des Verhornungsprocesses an. 

Recht deutlich ist auch die geschilderte Anordnung der Epithel- 
zellen auf Querschnitten der Eımer’schen Organe zu erkennen. Legt 
man einen solchen in der Nähe der Basis des unteren Kegels durch, 
so sieht man zwei gleichgroße Zellen den ganzen Innenraum aus- 
füllen (Fig. 4). Gegen die Mitte stoßen sie mit ihren Wänden hart 
an einander und lassen, wenn ein Centralachsencylinder vorhanden, 
denselben im Centrum des kreisrunden, quergeschnittenen Tastkegels, 
wenn zwei oder drei solcher vorhanden, diese in ihrem mehr ex- 
centrischen Verlaufe hindurchtreten. Die Berührungslinie beider 
Zellen bildet meist eine Gerade, und die Kerne wiederum nehmen 
je den Mittelpunkt der Hälften ein. Vergleicht man nun einen Quer- 
schnitt aus dem Tastkegel damit, so bemerkt man zwei ungleiche 
Hälften, indem ein schmälerer Theil der einen an einen breiteren 
der anderen Hälfte stößt und umgekehrt. Dazu liegt der Central- 
achseneylinder, selbst wenn nur einer vorhanden ist, nicht ganz in 
der Mitte des drehrunden, quergeschnittenen Tastkegels, sondern 
nimmt, wie das EIMER auch erwähnt hat, zuweilen eine mehr ex- 
centrische Stellung ein, wodurch der eine oder andere Kern dem 
Centralachseneylinder, auf dessen Verlauf ich später eingehend zu 
sprechen kommen werde, näher gerückt ist. 

An den Kernen der Zellen des Tastkegels fiel mir eine eigen- 
artige Gestaltung auf (Fig. 4 und 5), und es war desshalb nöthig, 
an bestkonservirtem Material mit den erprobtesten Kernfärbemitteln 
diesen Befund zu bestätigen. Ich benutzte dazu Hämalaun und die 
Eisen-Hämatoxylinfärbung nach HEIDENHAIN. 

Die mit diesen Methoden erzielten Bilder stimmten alle in der 
Gestaltung der Kerne überein. Diese Kerne haben ihre runde Form 
ganz verloren; sie sind langgestreckt und zeigen gegen die Außen- 
fläche mehrfache deutliche Einbuchtungen; gegen die Innenseite ist 
meist nur eine ausgesprochene Einbuchtung zu erkennen. Ein Kern 
ist gewöhnlich deutlicher als der gegenüberliegende Zellkern am 


6 Georg Huss, 


gleichen Querschnitt eingebuchtet. Auf diese Einbuchtungen der 
Kerne einerseits und das merkwürdige Verhalten des Centralachsen- 
eylinders andererseits werde ich später noch zurückkommen. 

Ich versuche jetzt, den Zusammenhang der im Tastkegel vor- 
handenen Epithelzellen mit dem außerhalb davon gelegenen Gewebe 
zu schildern. Bei Durchmusterung von Schnitten sehr geringer Größe 
schon bemerkt man die auf einen Schnitt treffenden 25 bis 30 charak- 
teristischen sanduhrförmigen Gebilde auch bei schwacher Vergröße- 
rung sehr deutlich; ohne Darstellung der Nerven sind sie schon 
wohl zu erkennen. Vor Allem fällt die durchwegs intensivere Fär- 
bung der Organe auf; außerdem ist ein festeres Gefüge der Zellen 
unverkennbar. Von den Seiten werden die Gebilde nun, so weit sie 
in dem pufferförmigen Fortsatz stecken und dem unteren Kegel 
angehören, von mehrfach über einander geschichteten, hohen, mit 
schmalen, sehr langen, ovalen Kernen versehenen, dem Rete Mal- 
pighii angehörigen Stiftzellen umgeben (Fig. 1); darauf folgen viel- 
eckige, große Stachel- oder Riffzellen des Rete Malpishii mit 
deutlichen, runden Kernen, und ungefähr von der Basis des eigent- 
lichen Tastkegels ab werden diese von mehr oder weniger abge- 
platteten, mit ihren ausgezogenen Enden in einander greifenden, 
kernhaltigen Epithelzellen umhüllt. Diese Epithelzellen werden nach 
oben zu allmählich flacher, aber desto breiter und besitzen, ihrem 
vergrößerten Breitendurchmesser entsprechend, wieder einen länglich- 
runden Kern, bis sie in der Hornschicht ganz abgeplattet und kernlos 
seworden sind. 


2) Nerven im sanduhrförmigen Gebilde. Den wahren 
Werth erlangen nun diese in ihrem Zellenaufbau eben beschriebenen 
Gebilde durch die Nerven, die in ihnen verlaufen und enden. 

Zum Nachweis des Nervenverlaufs bediente ich mich neben der RANVIER- 
schen Goldmethode auch der Färbung mit Methylenblau: es wurden 1—1'/, cm 
sroße Stücke auf zwei Stunden bis zu drei Tagen in eine !/o/sige Lösung von 
Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung gebracht, dann mit BETHE- 


scher Flüssigkeit im Eisschrank fixirt und nach BETHE’s Vorschrift bis zur 
Paraffineinbettung weiter behandelt. 


Ich beginne nun mit der Betrachtung der in der Achse der 
Eımer’schen Organe verlaufenden Achsencylinder, der sogenannten 
Centralachsenceylinder. EIMER hat das gewöhnliche Vorhandensein 
von zwei bis drei in der Mitte der Tastkegel verlaufenden Achsen- 
eylindern festgestellt. Auf fast allen Querschnitten konnte ich — wie 
Mossısovicz und RANVIER — diese zwei bis drei Achseneylinder. 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 7 


sehen; in den seltensten Fällen war nur ein Centralachseneylinder 
vorhanden. Wie erklärt sich nun die von Eimer berührte, oft sicht- 
- bare excentrische Lage dieser Centralachseneylinder? Wir betrach- 
ten vorerst, zusammengehalten mit Querschnitten, seinen Verlauf an 
Längsschnitten. An genügend feinen, genau senkrecht zur Oberfläche 
seführten Schnitten trifft man stets einen Achseneylinder, da nicht 
alle drei in eine Ebene fallen. Ein Centralachseneylinder liegt aber 
sewöhnlich in seinem ganzen Verlaufe fast nur in einer Ebene, und 
eine glücklich getroffene Schnittrichtung lässt denselben von seinem 
Anfang an im sanduhrförmigen Gebilde bis zu seinem Ende in 
sleicher Deutlichkeit erkennen. Im Vergleiche mit anderen, eben- 
falls im Eımer’schen Organe verlaufenden Achsencylindern erscheinen, 
was MoyJsısovicz auch beobachtet hat, diese centralen im Bereiche 
des unteren Tastkegels etwas dieker. Es hat dies lange Zeit die 
Vermuthung in mir wach erhalten, es könnten dieselben zum Unter- 
schied von den übrigen, nackten Achseneylindern etwa mit einer 
Markscheide umgeben sein. Specielle Untersuchungen darüber und 
Prüfungen mit entsprechenden Färbemethoden ließen aber bald er- 
kennen, dass man es auch hier nur mit nackten, wenn auch diekeren 
Achseneylindern zu thun hat. Ein solcher steigt nun vom Grunde 
des Eimer’schen Organs aus zwischen den ihm anliegenden Zellen 
in ziemlich gestreckter Richtung hindurch, wobei er regelmäßig auf 
der Höhe je einer Epithelzelle bald einerseits, bald beiderseits eine 
in das Protoplasma der Zelle eingesenkte Erhebung zeigt. 
Den Beweis dafür, dass die Erhebungen innerhalb der Zelle gelegen 
sind, werde ich weiter unten erbringen. So ist der Verlauf im Be- 
reiche des unteren Kegels. Nach aufwärts nun, woselbst, wie früher 
erwähnt, der Übergang von den Anfangs gleichmäßigen, runden, 
einander gegenüberliegenden zu den nach und nach mehr und mehr 
abgeplatteten, breitgedrückteren, Anfangs theilweise, später ganz über 
einander liegenden Zellen stattfindet, zeigt der Centralachsencylinder 
in strenger Anordnung zur Lage der von rechts oder links herein- 
ragenden Zelle je auf der Höhe einer solehen eine im Vergleich zum 
unteren Kegel viel deutlichere, knopfförmige, in die Epithelzelie 
vollkommen eingesenkte Erhebung. Diese wunderbare Gestal- 
tung wird nun ganz eigenthümlich an Schnitten, in denen, wie 
RANVIER dies schon schildert, der Achseneylinder ziekzackförmig 
verläuft und die knöpfehenförmigen Erhebungen wie abgeschnürt 
_ vom eigentlichen Achseneylinder mit diesem durch ein feinstes Fäd- 
- chen erst verbunden sind. Es giebt hierbei die Lage der Kerne in 


S Georg Huss, 


den Zellen die Richtungslinie für den Achseneylinder an. Dadurch, 
dass der Centralachseneylinder den Kernen zustrebt, diese aber schräg 
einander gegenüber liegen, wie ich durch den Vergleich der Lage 
der Zellen mit in einander geschobenen Fingern und ihrer Kerne 
am Grunde der Finger klar zu machen versuchte, kommt dieser 
zickzackförmige Verlauf zu Stande. An den Winkeln sitzen hier im 
unteren Theile des Tastkegels die knöpfehenförmigen Erhebungen 
dieht auf; allmählich werden diese aber von dem eigentlichen Achsen- 
cylinder mehr und mehr abgeschnürt, und in den oberen Partien des 
Tastkegels sieht man die Knöpfcehen durch feinste Fädehen mit dem 
eigentlichen Centralachseneylinder verbunden. 

Die Erscheinung, dass die Knöpfehen an besonderen Stielen auf- 
sitzen, die gegen die Oberfläche zu immer deutlicher hervortreten, 
führte mich zu der Ansicht, dass man es überhaupt in den Erhe- 
bungen nicht mit Anschwellungen des betreffenden Achseneylinders 
selbst zu thun hat, wie dies bisher allseits angenommen wurde, son- 
dern mit besonderen, für sich bestehenden knopfförmigen Endver- 
zweigungen, und zwar in der Weise, dass diese unterhalb des 
eigentlichen Tastkegels dem Achsencylinder einfach dicht anliegen, 
im oberen, dem Bereich des Tastkegels angehörigen Theil durch 
feine Nervenfäden mit diesem verbunden sind. Es ist dies sehr 
wahrscheinlich, indem die als Varikositäten bezeichneten Anschwel- 
lungen nackter Achseneylinder nirgends so halbseitig am Nerven- 
faden auftretend gesehen wurden, sich vielmehr als kugelige Ver- 
diekungen der Nervenfäden darstellen. Wie früher von Anderen, so 
wurden in neuester Zeit diese Varikositäten von SCYMONoVIcz als 
postmortale Änderungen bezeichnet, denn im Augenblicke, in welchem 
die Färbung entsteht — genannter Forscher beobachtete die Fär- 
bung der Nervenfäden mit Methylenblau an Schnitten durch frisches 
Gewebe — lassen sie sich nicht beobachten und treten erst mit der 
Zeit auf. Der etwaigen Vermuthung einer hier gleichfalls bestehen- 
den postmortalen Erscheinung steht die Thatsache gegenüber, dass 
die Erhebungen am Achsencylinder eine regelmäßige Anordnung 
und so eine gewisse Beziehung zu den Epithelzellen nicht verkennen 
lassen. Die Knöpfchen, die dem Achseneylinder entweder direkt 
anliegen oder mit diesem durch ein feines Fädehen verbunden sind, 
liegen stets auf der Seite vom Achseneylinder, auf welcher der 
Kern der die ganze Breite des Tastkegels einnehmenden Zelle liegt. 
Da dieser abwechselnd bald links, bald rechts vom Centraleylinder 
seine Lage in der Zelle hat, so ist auch eine alternirende Anordnung 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 9 


der Knöpfehen am Achsencylinder wahrzunehmen. Daraus lässt sich 
wohl mit aller Deutlichkeit ersehen, dass die Knöpfchen selbst 
dort, wo sie nicht an besonderen Stielen aufsitzen und nur mit einer 
Seite dem Achseneylinder dicht anliegen, nicht einfache Verdickungen 
des Achsencylinders sind, sondern als Abzweigungen vom Achsen- 
eylinder Innervationsorgane für eine Epithelzelle dar- 
stellen, wobei das Fädchen, wenn es vorhanden ist, als Verbin- 
dungsglied zwischen Achseneylinder und Knöpfchen fungirt. Damit 
lässt sich ohne Weiteres auch die Einbuchtung des Zellkernes er- 
klären, die, abgesehen vorerst von derjenigen an der Außenseite, 
an der inneren, dem Centralachseneylinder zugewendeten Seite des 
Kernes vorhanden ist, wie ich oben dargelegt habe. Gegen diese 
Einbuehtung vorgerückt konnte ich nämlich das Knöpfchen in der 
Epithelzelle sehen (Fig. 4), womit ein Theil des Beweises erbracht 
ist, dass das Knöpfchen eine intracelluläre Lage hat. 

Ich will nun im Anschluss hieran den Verlauf der übrigen in 
das sanduhrförmige Gebilde eintretenden Nerven einer näheren Be- 
trachtung unterziehen. Ein Querschnitt durch dasselbe zeigt, wie 
EIMER zuerst festgestellt hat, dass etwa 19 Achsencylinder, auf dem 
Querschnitt kreisförmig angeordnet, in ihm verlaufen. Diese be- 
zeichne ich im Gegensatz zu den centralen als Randachseneylinder, 
weil sie an den äußeren Rändern des Tastkegels verlaufen und so 
sewissermaßen die Epithelzellen des Tastkegels von dem übrigen 
Epithel abgrenzen. Je nachdem man an Längsschnitten mit dem 
Mikroskop oberflächlicher oder tiefer einstellt, treten die Randachsen- 
eylinder der entsprechenden Ebenen deutlich hervor; die Schilderung 
des Verlaufes eines solchen passt für alle, und ich benutze zu meiner 
Beschreibung zwei Randachsencylinder, die auf dem Längsschnitt mit 
einem Centralachsencylinder in eine Ebene fallen (Fig. 1 ra). In 
ihrem Verlaufe zeigen sie nicht viele Verschiedenheiten gegenüber 
den Centralachseneylindern. Sie sind nur dünner, auch im unteren 
Theil des Tastkegels, wo sonst jene viel dieker erscheinen als oben; 
außerdem nehmen sie durchwegs eine gerade Richtung nach oben. 
Hart am Rande der Epithelzellen des Tastkegels emporsteigengd, 
lassen sie nun eben so, wie die Centralachseneylinder allmählich 
stärker und deutlicher werdende Erhebungen wahrnehmen, die im 
eigentlichen Tastkegel sich als wirkliche Knöpfehen, entweder dicht 
dem Nervenfaden anliegend, oder wiederum durch feinste Fädchen 
mit diesem verbunden, erkennen lassen. Abweichend vom Central- 


-  achseneylinder liegen diese Knöpfehen nicht auf. beiden Seiten des 


10 Georg Huss, 


Nervenfadens, sondern nur nach innen, auf der der Epithelzelle des 
Tastkegels zugewendeten Seite und sind wie jene in den Körper 
der in gleicher Höhe mit ihnen liegenden Epithelzelle eingesenkt. 
Aus der bestimmt gerichteten Anordnung der Knöpfehen ist auch 
hier zu ersehen, dass die Knöpfehen keineswegs einfache Anschwel- 
lungen der Achseneylinder vorstellen. In eine Epithelzelle sind nun 
neun bis zehn solcher Endknöpfchen eingesenkt, und es werden so 
die in einer Zelle hervorgerufenen Eindrücke durch eben so viele 
Nervenendigungen weiter befördert. Die mehrfachen Einbuchtungen 
der Kerne der Epithelzellen an ihrer Außenseite entsprechen nun 
gleichfalls den gegen sie vorgerückten Endknöpfchen (Fig. 4). 

Eine eigenartige Erscheinung brachte die Färbung mit Häm- 
alaun hervor. Während die Zellen des Tastkegels mit deutlicher 
Markirung ihrer Grenzen violette Färbung erhielten und die Kerme 
darin sich scharf durch dunklere Färbung abhoben, blieben die 
Nervenknöpfehen völlig farblos, so dass sie im Querschnitte des 
Tastkegels als weiße Pünktchen ersichtlich waren. Fig. 5 ist nach 
einem solchen Präparate gezeichnet. Auch auf Längsschnitten er- 
kannte man die Nerven als weiße Linien in dem sonst violett ge- 
färbten übrigen Gewebe. 

Besondere Beachtung verdienen nun noch die Nerven, die in 
dem zwischen zwei sanduhrförmigen Gebilden liegenden Epithel 
verlaufen. In geringerer Weise wird hier das Epithel mit Nerven 
von der Cutis aus versorgt, ein Beweis dafür, dass die sanduhr- 
förmigen Gebilde zu ganz specifischen Tastorganen umgebildet sind. 
Außerdem stehen die im Zwischenepithel verlaufenden Nerven nicht 
in der strengen Anordnung zu einander, wie sie die Achsencylinder 
im Eımer’schen Organ aufweisen. Als marklose Fasern treten sie 
gleichfalls aus der Cutis in die Epidermis ein, verlaufen aber dort 
nieht in der mehr oder weniger geraden Richtung, wie die Achsen- 
cylinder im Tastkegel, sondern gehen vorerst im Epithel meist eine 
nochmalige Verästelung ein, treten alsdann mit ihren Verzweigungen 
aus einander und erhalten, während sie gegen die Oberfläche hin- 
streben, die gleichen Endknöpfchen, wie sie von den Achsencylindern 
des Tastkegels her bekannt sind. Einfache, dicht den Nervenfädchen 
anliesende Knöpfehen kommen auch hier vor neben solchen, die 
durch letzte, feinste Fädchen mit den Endästchen des ursprünglichen 
Nervenfadens in Verbindung stehen. Es ist also im Allgemeinen 
dieselbe Endigungsweise vorhanden, wie ich sie von den im Tast- 
kegel verlaufenden Achseneylindern gegeben habe. Auch in diesen 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 11 


Knöpfehen erkenne ich, um meine Ansicht kurz zu wiederholen, 
nicht dem eigentlichen Nervenaste zukommende, einfache Ver- 
diekungen oder Anschwellungen, sondern selbständige Innervations- 
apparate anliegender Epithelzellen. Die Lage der Knöpfehen ist 
auch hier, wie dies an Querschnitten am besten zu erkennen ist, 
im Protoplasma der Zellen gegeben. 

Wenn auch Eimer die Knöpfchen an den Nerven für Anschwel- 
lungen des Nervenfadens gehalten hat, so bin ich doch, was die 
Lage derselben zu den Zellen anbelangt, wie er zu dem Schlusse 
sekommen, dass die Knöpfchen innerhalb einer Zelle ge- 
legen sind. 

Abweichend davon vertritt nämlich Mossısovıcz (20) die Annahme, dass 
nur eine intercelluläre Endigungsweise der Epithelzellen stattfinde, wenngleich 
die knöpfchenartigen Anschwellungen häufig der Lage nach den Nucleolis ent- 
sprechen und je nach der Schnittrichtung mehr oder weniger den Epithelzellen 
angeheftet erscheinen. Zu gleichem Ergebnis gelangten auch Rerzıus (24) und 
VAN GEHUCHTEN (11), die beide im Schweinsrüssel die intercelluläre Endigung 
der Nervenfasern haben feststellen können. RANVIER (21), der eingehende Unter- 
suchungen über Nervenendigungen in der Epidermis gemacht hat, spricht sich 
über die Endigungsweise, bezw. die Lage der Endknöpfchen in oder zwischen 
den Zellen nicht direkt aus; doch ist er zu der festen Überzeugung gekommen, 
dass die Endknöpfchen, je mehr sie sich der Oberfläche nähern, mit den ver- 
hornten Epidermiszellen abgestoßen werden. Ob die Endknöpfchen nun mit 
den Zellen, weil sie in diese eingesenkt sind, oder unabhängig von diesen nur 
eben so wie sie zeitweisem Abstoßungsprocess anheimfallen, ist nicht gesagt. 
WALDEYER (27) hatte die Endigung der Nerven im Hornhautepithel studirt und 
dort eine celluläre Endigung nicht feststellen können; auf Grund der tadellosen 
Präparate IsQUIERDO’s aber, der am gleichen Material arbeitete, hat sich 
WALDEYER von der Verbindung der Nervenfäden mit dem Protoplasma der 
Hornhautzellen vollständig überzeugt. 

Durch die Erkenntnis, dass die Nervenendknöpfchen nicht ein- 
fache Verdickungen oder Anschwellungen der Achseneylinder dar- 
stellen, sondern für sich bestehende, mit dem eigentlichen Achsen- 
eylinder meist erst durch ein weiteres Fädchen in Verbindung 
tretende Gebilde sind, ist ihre physiologische Bedeutung in erster 
Linie Gegenstand viel höheren Interesses geworden, da man sich 
doch sagen muss, dass solche Einrichtungen ganz besonderen Zwecken 
dienen müssen. Verfolgt man einen einzelnen Achsencylinder, und 
beobachtet man, wie viele solcher Endknöpfehen mit oder ohne 
Fädehen mit diesem in Verbindung stehen, so wird man überzeugt 
werden, dass in vielfältigster Weise Apparate für Zellen geschaffen 
sind, mittels deren die Empfindungen dieser durch die Endknöpf- 
chen zum Achsencylinder und von dort zum Hauptnervenstamm 


12 


ui 


Georg Huss, 


übertragen werden. Gleichzeitig wird es durch diese Betrachtung 
einleuchtend, dass die Endknöpfehen zur richtigen Aufnahme der 
Empfindungen ihren Sitz innerhalb der Zellen haben müssen, da sie 
nur auf diese Weise ihre ganze Oberfläche in den Dienst der Zelle 
zu Empfindungswahrnehmungen stellen können; bei Lagerung zwi- 
schen den Zellen wäre das nicht möglich, und es käme immer nur 
die Seite, mit der das Knöpfchen einer Zelle anliegt, hierzu zur 
Verwendung. 

Diese aus rein physiologischen Betrachtungen gezogenen Schlüsse 
erhalten ihre vollste Bestätigung durch folgende Thatsachen. Wenn 
die Endknöpfehen mit ihren feinen Stielen zwischen den Zellen ge- 
legen wären, so müsste man entweder auf Quer- oder auf Längs- 
schnitten sie auf der Zellgrenze liegend finden, je nachdem sie den 
seitlichen, oder den äußeren bezw. inneren Wänden der Zelle an- 
liegen würden. Stets jedoch sieht man auf Schnitten jeder Art die 
Endknöpfehen zwischen zwei benachbarten Zellgrenzen im Proto- 
plasma der Zelle liegen (Fig. 1, A, 5). Ferner weise ich nochmals 
darauf hin, dass den Endknöpfehen besondere Einbuchtungen der 
Zellkerne im Allgemeinen entsprechen, was besonders deutlich bei 
den Endknöpfehen der centralen Achseneylinder der Fall ist. Durch 
beides wird es zweifellos, dass die Endknöpfchen der Nerven 
in den EIMEr’schen Organen der Maulwurfsschnauze intra- 
cellulär endigen. Dies Ergebnis verdient besonders betont zu 
werden, weil neuerdings eine intracelluläre Endigung von Nerven- 
fasern auf Grund von Untersuchungen, die mit GoreI’s Chrom- 
silberimprägnation ausgeführt wurden, von vielen Forschern völlig 
abgeleugnet wird. Es giebt kaum ein besseres Objekt als die 
Maulwurfsschnauze mit den EIMEr’schen a um diese Ansich- 
ten zu widerlegen. 


Mit gewissem Recht könnte man die Zellen, die so im Besitz eines 
Nervenendknöpfchens sind, zu den wirklichen Tastzellen rechnen. Die Zellen 
mit den intracellulären Endknöpfehen könnte man nach W. KrAuse’s Vorgang 
als Terminalkörperchen bezeichnen, eine Eintheilung, die von WALDEYER 
zweckmäßiger durch eine den physiologischen und auch morphologischen Prin- 
cipien mehr entsprechende ersetzt wurde. Dieser Forscher unterscheidet näm- 
lich im Gegensatz zu den Endigungen in freies Auslaufen der Nervenfäden 
eine Endigung in oder mit einer Zelle, wobei er bei der Endigung in einer 
Zelle das Nervenende im Inneren der Zelle liegend annimmt, ohne dass dasselbe 
mit der Zellsubstanz selbst verschmilzt, während bei der Endigung des Nerven 
mit einer Zelle dieser mit der Zelle derart verschmilzt, dass seine Substanz in 
die Zellsubstanz kontinuirlich und ohne Grenze übergeht. In letzterem Falle 
schlägt er die Bezeichnung »terminale Ganglienzelle« vor. In radikalerer Weise 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer'schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 13 


geht, wie auch WALDEYER schreibt, DITLEVSEN (5) zu Werke, indem er bei 
Untersuchung der Gefühlsnerven die Annahme freier Endigungen der Gefühls- 
nerven überhaupt für unerwiesen hält und.als einzige Endigungsweise die 
celluläre gelten lässt. 

Bei einer Anzahl von Forschern findet sich die Angabe, dass 
sie die Nervenendigung innerhalb der Zelle bis in das Kernkörper- 
chen verfolgen konnten. 


So ist es LIPMAnn (17) gelungen, die Nerven des Hornhautgewebes in den 
Nucleolis der Hornhautkörperchen endigen zu sehen, wenn auch der Nachweis 
dieses Verhaltens nicht ohne Schwierigkeit war. Die feinsten Nerven kamen, 
wie LIPMAnNn schildert, nicht gerade häufig in genügender Weise zur An- 
schauung, und gerade in solchen Fällen waren wiederum die Corneakörper- 
chen für die Beobachtung meist nicht günstig. Am besten konnte LIPMANN 
die Nervenendigung in Nucleolis beobachten an den Präparaten, in denen der 
Nerv direkt in den Zellkörper selbst einer Hornhautzelle eindrang, während 
ihm die Verfolgung desselben durch einen Ausläufer hindurch bis an den 
Nucleolus nicht möglich war. Vor Lıpmann hat HENSEN (13) bereits Nerven- 
endisungen in den Nucleolis der Epithelzellen des Schwanzes der Froschlarven 
festgestellt, welche Angaben jedoch von anderer Seite nicht bestätigt wurden; 
KÖLLIKER und EBERTH (6), die sich mit Nachuntersuchung befassten, erhielten 
nur negative Ergebnisse. Trotzdem hielt HENnsSEN seine Angaben in einer 
zweiten Arbeit in vollem Umfang aufrecht. 

Da schon Eimer in seiner Abhandlung »Die Schnauze des Maul- 
wurfs als Tastwerkzeug« die Ansicht äußerte, dass solche Nerven- 
endigungen im Kernkörperchen vielleicht auch in der Maulwurfs- 
schnauze gegeben sein könnten, so fühlte ich mich veranlasst, weitere 
Untersuchungen in dieser Richtung an der Maulwurfsschnauze vorzu- 
nehmen. Da hier gerade die Goldchloridmethode zur Untersuchung 
feinster Nervenendverzweigungen von unschätzbarem Werthe ist, so 
behandelte ich meine Präparate nach der erwähnten Methode auch 
zu diesem Zweck. Es ist mir nun wiederholt gelungen, allerfeinste 
Fädchen aufzufinden, die entweder in continuo, oder aus lauter feinsten 
Pünktchen zusammengesetzt, eine Verbindung von Endknöpfchen mit 
Kernkörperchen andeuteten; öfters konnte ich auch diese Fädchen 
wenigstens bis zum Kern hin verfolgen. Berücksichtige ich aber, 
dass selbst bei gewissenhaftester und genauester Durchführung der 
Färbungsmethode feinste Niederschläge oft nicht hintanzuhalten und 
dadurch Täuschungen möglich sind, ferner, dass nur in selteneren 
Fällen solche Verbindungsfädehen zu sehen waren, so darf ich meinen 
Befund in diesem Punkte nicht für einwandfrei erklären. Auch ließ 
die Beobachtung, dass das Verbindungsfädchen nicht in seinem ganzen 
_ Verlaufe in einer Ebene zur Darstellung kam, trotzdem das intra- 
celluläre Nervenendknöpfehen und das Kernkörperchen in gleicher 


14 Georg Huss, 


Ebene lagen, berechtigten Zweifel zu. Die manchmal ungleich hel- 
lere Färbung des Verbindungsästchens gegenüber anderer Nerven- 
substanz, sowohl der Nervenfäden als der Endknöpfchen, ließ eine 
in tieferer Ebene verlaufende Zellgrenze vermuthen. Es dürfte also 
bei Berücksichtigung aller dieser Punkte zu gewagt erscheinen, zu er- 
klären, dass ich feinste Verbindungsrädchen von intracellulären End- 
knöpfchen mit den Kernkörperchen gesehen hätte. 

Ich komme jetzt zu den fünf bis sechs runden Körper- 
chen, die RAnvIER an der Basis der in die Cutis hineinragenden 
Epidermiszapfen im Epithel aufgefunden hat, über deren Bedeutung 
und Wesen er jedoch keine weitere Aufklärung giebt. An inten- 
siver gefärbten Präparaten beobachtet man an der Basis des in die 
Outis hineingeschobenen, pufferförmigen, epidermoidalen Fortsatzes 
des Eımer’schen Organs auf Längsschnitten bei tieferer Einstellung 
des Mikroskopes vier bis fünf durchaus schwarz gefärbte Zellen, die 
im Vergleiche zu den neben ihnen gelegenen schlank säulenförmigen 
Epithelzellen kreisrund sind und den doppelten Breitendurchmesser 
von letzteren besitzen (Fig. 2). Auf Querschnitten sieht man sie in 
der Zwei- bis Fünfzahl um den Centralachseneylinder des EımEr- 
schen Organs herumgelagert (Fig. 2 ik) und von den Randachsen- 
cylindern nach außen begrenzt. 

Welches ist nun ihre Bedeutung? Nachdem ich weder mit der 
Hämalaun- noch mit der HEIDENHAIN’schen bezw. BEnDA’Schen Eisen- 
hämatoxylinfärbung zu einem Ziele kam, griff ich auch hier wieder 
zur Goldimprägnirung und erreichte auch diesmal mit dieser meinen 
Zweck. Ließ ich nämlich nur auf kürzere Zeit Goldchloridlösung 
einwirken, so blieben die Zellen in ihrem Inneren ungefärbt; die Zell- 
grenzen waren schwach rosaroth imprägnirt, jedoch die der Basis 
des pufferförmigen Fortsatzes zugewendete Hälfte der Zellgrenze 
durchwegs dunkler als auf der entgegengesetzten Seite. Es war 
nun zu erforschen, wodurch in jedem Präparate der untere Rand 
breiter erschien und sich stets dunkler färbtee An sehr dünnen 
Schnitten sah ich, dass fast senkrecht aus der Tiefe der Epidermis 
je ein Nervenfaden auf die Zellen hinzutrat und sich dann verbrei- 
ternd wie eine Schale um die untere Hälfte dieser Zellen herum- 
legte. Der untere Rand bestand also aus der Zellhülle und dem 
beceherförmig umliegenden Nerven und erschien desshalb dieker und 
dunkel gefärbt. Diese Innervationsweise konnte ich nun auf Längs- 
schnitten bei allen diesen Zellen beobachten. 

Hier ist also die Verbindung mit dem Nerven auf andere Weise 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 15 


bewerkstellist, als bei den übrigen Zellen des Eımer’schen Organs. 
Doch wird durch die verschiedenen Einrichtungen in beiden Fällen 
das Gleiche erreicht; hier wie dort kommt es darauf hinaus, den 
Nerven mit dem Plasma der Zelle auf einer möglichst großen Fläche 
in Berührung zu bringen: das eine Mal geschieht dies dadurch, dass 
‚eine Verdiekung der Nervenfaser in die Zelle eindringt und so rings 
von dem Plasma umgeben wird; das andere Mal liegt das Zellplasma 
nur auf der einen Seite des Nervenendes; aber dieses ist dafür 
tellerförmig verbreitert und kommt dadurch in möglichst ausgiebige 
Berührung mit dem Plasma. Beide Mal ist der physiologische Zweck, 
durch große Oberfläche der nervösen Organe die feinsten Eindrücke 
von den Zellen aufnehmen zu können, unverkennbar. 

Solche Zellen, die mit einem Nerven in unmittelbarer Berührung stehen, 
wurden zuerst von MERKEL (19) aufgefunden; er glaubt, dass die Nervenfaser 
in das Plasma der Tastzelle übergeht; BoNNET (3) bestätigte MERKEL’s Angaben 
und will den Nerven bis in den Kern verfolgen. Dagegen erkannte RANVIER 
(21), dass der Nerv sich an die Zelle mit einem Meniscus anlegt; auch BonnET 
fand später diesen Meniscus, lässt ihn aber zwischen Zellmembran und Zell- 
kern, also innerhalb der Zelle liegen. Neuerdings hat Scymonovicz (25) mit 
der Methylenblau-Methode diese Tastzellen untersucht und äußert sich eben- 
falls dahin, dass der Meniscus außerhalb der Zelle liege. Er vergleicht sehr 


passend das Verhältnis von Nervenfaser, Meniscus und Zelle mit Stiel, Frucht- 
becher und Nuss bei einer Eichel. 


Es erübrigt noch, die VATErR-PacınTschen Körperchen, die 
RANVIER (22) in der Maulwurfsschnauze zuerst gesehen und erwähnt 
hat, kurz etwas näher zu betrachten. In der Cutis, unmittelbar 
unterhalb jeden Tastkegels, findet man zwischen den Fasern des 
Nervenbündels, das seine Achsencylinder in den Tastkegel hinein- 
sendet, meist ein, selten zwei VATER-PacınT’sche Körperchen. Das 
markhaltige Nervenbündel, das aus den 19 zur Versorgung des Tast- 
kegels verwendeten Nervenfasern besteht, theilt sich in den meisten 
Fällen gerade unterhalb des Tastkegels in zwei Hälften, indem je 
eine Hälfte von links bezw. rechts um das VArtEr’sche Körperchen 
herum läuft, dasselbe so in ihre Mitte schließt und dann in den 
Tastkegel eintritt. 

Eine solch vielfältige Innervation, wie ich sie in der Maulwurfs- 
Schnauze gesehen habe, wird man kaum in gleichen Hautgebilden 
bei anderen Thieren mehr finden. Eimer hat berechnet, dass die 
Tastfläche bei einer Ausdehnung von etwa 30 qmm mehr als 5000 
Papillen besitzt, wonach sich bei den Tastkegeln allein eine Ge- 
sammtsumme von beiläufg 105000 Nerven ergiebt, abgesehen von 


16 Georg Huss, 


denjenigen Nerven, welche außerhalb der Tastkegel noch zwischen 
den Papillen vorhanden sind. 

Ihre Bestimmung ist wohl durchwegs auf die Übertragung der 
feinsten Tasteindrücke gerichtet, die dem Maulwurf auf seinen unter- 
irdischen Wegen bei fast völligem Mangel von Sehvermögen die 
Ausführung seiner Höhlenbauten und die Erreichung seiner täglichen 
Nahrung ermöglichen. 

Ähnliche Gebilde wie die Eımer’schen Organe der Maulwurfs- 
schnauze fand Mossısovicz (20) bei Condylura cristata und 
Chrysochloris inaurata, und es ist wahrscheinlich, dass sie der 
ganzen Familie der »Talpina« zukommen. ARNSTEIN (1) stellt in 
seinem Aufsatz über »die Nerven der behaarten Haut« eine beson- 
dere Abhandlung über die Innervirung der Schnauze von Myogale 
moschata in Aussicht. Es ist jedoch, wie mir Herr Professor ARrN- 
STEIN in liebenswürdiger Weise brieflich mittheilte, nicht zum Ab- 
schluss dieser Untersuchung gekommen, da die Nervenendigungen 
wegen des Pigmentes, das in dem Epithel in großen Mengen ange- 
häuft ist, nicht aufzufinden waren. Jedoch konnte er sich, wie er 
weiter schreibt, davon überzeugen, dass auch bei Myogale die 
Eımer’schen Organe sehr schön ausgebildet und hauptsächlich auf 
der vorderen und unteren, spärlicher auf der Rückenfläche der 
Schnauze vertheilt seien; an jeden Epithelzapfen sah er ein Bündel 
markhaltiger Nervenfasern treten, das sich vor dem Eintritt in die 
Epidermis in seine Fasern auflöst; die Nerven verlieren ihre Mark- 
scheide und steigen als blasse Fädchen ziemlich geradlinig im Epi- 
thel empor. 


Einen Übergang zu den Eımer’chen Organen glaube ich 
in der Schnauze von Spitzmäusen (Crocidura leucodon) gefun- 
den zu haben. Dieselbe, im Ganzen betrachtet, stellt die Fortsetzung 
und Endigung der im Vergleich zur Unterlippe bedeutend verlänger- 
ten Oberlippe dar und besteht aus zwei haarlosen, mäßig pigmen- 
tirten, mit ihrer Innenfläche zusammenstoßenden und durch den 
Nasenknorpel gestützten, auf der Außenseite durch eine tiefe Furche 
getrennten, kuppelartigen Hauttheilen, die vorn, etwas nach außen 
und unten je eine Öffnung für die Nasen besitzen. Diese 
kuppelartigen Erhebungen habe ich einer genaueren Untersuchung 
unterworfen und habe bei Betrachtung des ganzen Gebildes auf der 
Oberfläche ebenfalls wie bei den talpinen Formen mit Lupenver- 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d Schnauze v. Säugern. 17 


srößerung feinste Körnelungen wahrnehmen können, die sich auf 
die Ausdehnung der beiden kuppelartigen Hautausstülpungen bis zum 
Übergang zu der mit Tasthaaren reichlich besetzten Haut erstreck- 
ten. Diesen äußerst feinen Erhebungen entsprechend konnte ich 
auch auf Durchschnitten in der angegebenen Ausdehnung das 
Vorhandensein von soliden, deutlich abgegrenzten Epitheleylindern 
feststellen, die auch gegen die Cutis theils schwächere, theils stär- 
kere, doch überall scharf abgesetzte Fortsätze vorschieken. Letztere 
werden an ihren Rändern von hohen, aber schmalen, theilweise 
spindelförmigen Zellen mit eben so langgestreckten Kernen in mehr- 
facher Übereinanderlagerung umsäumt und sind im Übrigen von 
sleichmäßigen, runden bis vieleckigen Zellen mit großen Kernen 
ausgefüllt, während die eigentlichen Epitheleylinder am Grunde 
zwar noch dieselben runden bis vieleckigen Zellen besitzen, nach 
oben zu jedoch mehr breitere, abgeplattete und eng auf einander 
geschichtete Zellen mit eben so abgeplatteten Kernen führen. Dabei 
bilden die einzelnen Zelllagen flache Bögen, so dass die äußeren 
Zellen der einzelnen Epitheleylinder im Winkel zu einander zu stehen 
kommen, wodurch die Abgrenzung dieser recht deutlich hervortritt. 
Gegen das Bereich der Hornschicht zeigen sich die Kerne nur noch 
in ihren Umrissen, bis sie ganz verschwinden und von den Zellen 
nur einzelne Linien die aufgetretene Verhornung anzeigen. 

Zur Untersuchung der Nervenvertheilung habe ich die Schnauze 
gleichfalls mit Goldehlorid nach RanvIer’s Methode behandelt. Die 
sehr zarte Epidermis litt hier beim Liegen in der Ameisensäure 
während des Reduktionsprocesses einigen Schaden, indem sich das 
Stratum corneum von den übrigen Schichten der Epidermis theil- 
weise ablöste.e Sonst hat mir aber das Goldehlorid auch hier recht 
gute Dienste geleistet. Die Nerven konnte man im Bereich der 
Cutis als dicke, schwarzroth gefärbte, markhaltige Stränge leicht 
verfolgen, in der Epidermis waren sie als schwarze Fädchen von 
anderen Gebilden wohl zu unterscheiden; auch die Zellen wurden 
in rosarother Färbung mit deutlicher Erkennung ihrer Grenzen sicht- 
bar; nur die Begrenzungen der Kerne blieben hin und wieder durch 
das schwarze Pigment, das sich über sie hinlagerte, verborgen. 

Zuerst schicke ich nun einen Vergleich über die Art des 
Nerveneintrittes in die Epidermis bei Spitzmäusen mit den bei an- 
deren von mir untersuchten Thierarten voraus. Zu meinen Unter- 
suchungen benutzte ich weiße und graue Mäuse, Kaninchen, Meer- 
schweinchen, Katzen, Hunde, Füchse, Igel, Fledermäuse, Schweine 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 2 


r 


18 ' Georg Huss, 


und Kälber, und bei diesen allen sah ich die Nervenbündel durch 
die Cutispapillen in die Epidermis übertreten, während bei Spitz- 
mäusen (Croeidura leucodon) die Art des Nerveneintrittes in die Epi- 
dermis den Verhältnissen bei der Maulwurfsschnauze gleicht. Bei 
letzterer haben wir gesehen, dass die Nervenbündel in die von der 
Epidermis in die Cutis vorgeschobenen, pufferförmigen Fortsätze ein- 
treten; das Gleiche findet sich bei den Spitzmäusen (Fig. 6). Es 
werden hier eben so den, wenn auch bedeutend einfacheren, epi- 
dermoidalen Fortsätzen an ihrem der Cutis zugewendeten Ende 
markhaltige Nervenbündel, zum Theil von beträchtlicher Stärke, zu- 
geführt, deren einzelne Nervenfasern als marklose Fädchen in die- 
selben eindringen. In welcher Art und Zahl die Nervenfäden in 
dieselben eintreten, ist leider wegen des am Grunde meist reichlicher 
angehäuften Pigmentes nicht besonders deutlich zu erkennen. Meist 
sieht man die Nerven in die mit langgestreckten, spindelförmigen 
Stiftzellen besetzten Ränder der Epidermisfortsätze eintreten und 
zwischen den Zellen alsdann in die Höhe steigen. Bevor ein Nerven- 
bimmdel in die Epidermis eindringt, sieht man dasselbe zuweilen noch 
unterhalb des Fortsatzes in zwei Hälften sich theilen, von denen je 
eine von der linken bezw. rechten unteren Seite des Fortsatzes in 
denselben eindringt; zwischen beiden Zügen findet man unterhalb 
des Fortsatzes ähnlich wie beim Maulwurf ein VATER-PAcınT'sches 
Körperchen eingeschlossen liegen (Fig. 6 p%). 

Am Grunde der Fortsätze, aber schon innerhalb derselben, sieht 
man auch, wie in den pufferförmigen Fortsätzen der Maulwurfs- 
schnauze zwei, selten mehr große, runde, meist durch Goldbehand- 
lung sich intensiv schwarz färbende Zellen (Fig. 7 tk). Bei weniger 
intensiv gefärbten Präparaten kann man leicht erkennen, dass man 
es, analog den Zellen in der Maulwurfsschnauze, hier gleichfalls mit 
Zellen zu thun hat, an die je ein Nervenfaden herantritt und sich 
in der Art einer Schale von der unteren Seite um die Zelle herum- 
lest. Eine strenge Anordnung der marklosen Nervenstämmchen zu 
einander, sowie eine solche ihres Verlaufes innerhalb der Fortsätze 
und der eigentlichen Epitheleylinder schien mir eben so wenig zu 
bestehen, als eine bestimmte Zahl der jeweilig vorhandenen Nerven- 
stämmchen; jedoch konnte ich feststellen, dass sie ebenfalls als 
nackte Achseneylinder im Epithel ihren Verlauf haben und dabei, 
eine ziemlich gestreckte Richtung einhaltend, selten eine Theilung 
in mehrere Nervenfädchen eingehen. Es treten vielmehr eben so, wie 
ich es in der Maulwurfsschnauze habe feststellen können, von den 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 19 


nackten Achseneylindern in ziemlicher Regelmäßigkeit bald links, 
- bald rechts feinste Fädchen ab, die unendlich kurz sind und an 
ihren Enden je ein Knöpfehen tragen. Diese Knöpfchen konnte 
ich auch in der Schnauze dieser Thiere in eine der jeweilig an- 
liegenden Epithelzellen zwischen Zellgrenze und Kern im Proto- 
plasma eingesenkt finden. Mitunter konnte man das Fädchen 
auch gar nicht wahrnehmen; es war dann das Knöpfchen mit einer 
Seite dem Nervenstämmchen dicht angelegt, aber gleichwohl in eine 
Zelle eingesenkt. Wo die letztere Erscheinung bemerkbar war, 
dürfte vielleicht das Endfädchen mit dem Knöpfchen in der Richtung 
sesen das Auge des Beschauers abgetreten sein, so dass das End- 
fädchen verdeckt blieb und das Knöpfehen dem Nervenfaden direkt 
aufzusitzen schien. Ich konnte mich also auch in der Schnauze von 
Spitzmäusen mit Sicherheit davon überzeugen, dass die Knöpfchen 
nicht Anschwellungen des Nervenfadens, sondern für sich bestehende 
Gebilde sind, die mit dem Nervenstämmchen noch durch ein aller- 
feinstes Fädchen in den meisten Fällen in Verbindung treten und nicht 
zwischen zwei Zellen, sondern innerhalb einer Zelle liegen, wodurch 
sie befähigt werden, die von der Zelle aufgenommenen Eindrücke 
durch die Verbindungsfädchen zu den Hauptnervenfäden fortzuleiten. 
Diese Verzweigung konnte ich nur bis zur vierten oder fünften ober- 
sten Zellenlage der Epithelzapfen verfolgen. Hin und wieder war 
es mir auch möglich, ein mit seinem Stielehen vom Faden losge- 
stoßenes Knöpfehen in den bereits der Verhornung anheimgefallenen 
Zellen der Epidermis zu erblicken. 


Stelle ich zum Schlusse die Ergebnisse meiner Untersuchungen 
zusammen, so ergiebt sich Folgendes: 

Die Eımer’schen Organe in der Mankerisichkänze sind solide, 
epitheliale Gebilde, die sanduhrförmige oder eylindrische Gestalt 
besitzen. Sie zeigen vom Grunde der pufferförmigen Fortsätze bis 
zur Oberfläche zelligen Aufbau, wobei die Zellen eine streng regel- 
mäßige Anordnung nicht verkennen lassen. Zu jedem Fortsatz tritt 
ein markhaltiges Nervenbündel, das sich unmittelbar vor dem Ein- 
tritt in das Eımer’sche Organ in seine einzelnen Nervenfasern auf- 
löst. Diese steigen als marklose Achseneylinder theils am Rande 
_ der Zellen als Randachsencylinder, theils zwischen zwei Zellen bezw. 
über die Zellen hinweg als sogenannte Centralachseneylinder bis zur 
dritten oder vierten obersten Zellenschicht empor. Die Knöpfchen, 


die auf der Höhe je einer Zellenlage. an den Achseneylindern sich 
2% 


20 Georg Huss, 


zeigen, sitzen feinsten Fädchen auf, die von den Achseneylindern 
sich abzweigen, und sind im Protoplasma der jeweilig anliegenden 
Epithelzelle eingesenkt. Letztere werden dadurch zu besonderen 
Tastzellen umgebildet. 

Am Grunde der EımEr’schen Organe findet eine Differenzirung 
epithelialer Zellen zu bestimmten Tastzellen in wechselnder Anzahl 
statt, und zwar dadurch, dass zu den Zellen je eine Nervenfaser 
herantritt und durch schalenartige Umkleidung der unteren Hälfte 
derselben einen Tastmeniscus bildet. 

Bemerkenswerth für die Eimer’schen Organe bleibt auch, dass 
man durchwegs unmittelbar unterhalb der pufferförmigen Fortsätze 
ein bis zwei VATER-PAcınIsche Körperchen von dem in zwei Hälf- 
ten getrennten Nervenbündel eingeschlossen findet. 

In dem Epithelgewebe zwischen zwei EıImMER’schen Organen 
verlaufen in unregelmäßiger Anzahl marklose Achseneylinder, von 
denen auch seitlich Fädchen abzweigen und deren Endknöpfchen 
ebenfalls intracelluläre Lage aufweisen. 

Einen Übergang zu den Eimer’schen Organen glaube ich in den 
Schnauzen von Spitzmäusen gefunden zu haben, da auch das Epi- 
thel hier deutlich abgesetzte Cylinder erkennen lässt, in denen die 
Zellen eine bestimmte Anordnung zeigen und die Nerven nach ihrem 
Eintritt durch die gegen die Cutis vorgeschobenen Epidermisfort- 
sätze in diesen als nackte Achsencylinder verlaufen, wobei ebenfalls 
seitlich feinste Fädchen abzweigen, die ihr Ende mit einem Knöpf- 
chen innerhalb einer anliegenden Zelle finden. Außerdem sind auch 
hier wie in der Maulwurfsschnauze am Grunde der Fortsätze epi- 
theliale Zellen durch das Herantreten eines Nervenfadens und die 
Bildung eines Tastmeniseus zu Tastzellen umgewandelt. Endlich 
sind noch unterhalb der epidermoidalen Fortsätze die VATER- 
Pacıstschen Körperchen in der Ein-, selten Zweizahl vertreten. 


Tübingen, im Februar 1897. 


=1 


22. 


23. 


Beitr. zur Kenntnis d. Eimer’schen Org. in d. Schnauze v. Säugern. 91 


Litteraturverzeichnis, 


ARNSTEIN, Die Nerven der behaarten Haut. Sitzungsberichte der kaiser- 
lichen Akademie. Bd. LXXIV. III. Abth. 1876. 

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blatt. München 1885. 

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Vırcaow’s Archiv für pathol. Anatomie. Bd. XXX VII. 

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von WALDEYER. 

EBERTH, Über Nervenendigungen in der Haut. Sitzungsber. Naturforschende 
Gesellsch. Halle a/S. 1892. l 

EHRLICH, Über die Methylenblaureaktion der lebenden Nervensubstanz. 
Deutsche mediein. Wochenschrift Nr. 4. 1886. 

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Derselbe, Über die Nervenendigung in der Haut der Kuhzitze. Archiv für 
mikr. Anatomie. Bd. VIII. 1871. 

FLEMMING, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 

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Verhandlungen der anatom. Gesellsch. 6. Versamml. in Wien 1892. 

HEIDENHAIN, Über Kern und Protoplasma. Festschrift für KÖLLIKER. 1892. 

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für mikr. Anatomie. Bd. VI. 

LiPmAnn, Über die Endigungen der Nerven im eigentlichen Gewebe und 
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path. Anatomie. 

MERKEL, Über die Endigung der sensiblen Nerven in der Haut von Wirbel- 
thieren. Rostock 1880. 

Derselbe, Tastzellen und Tastkörperchen bei den Hausthieren und bei den 
Menschen. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI. 1876. 

v. Mossısovicz, Über die Nervenendigung in der Epidermis der Säuger. II. 
Sitzungsberichte der kaiserl. Akad. der Wiss. zu Wien. Math.-naturw. 
Klasse. Bd. LXXIII. 1876. 

RANVIER, Nouvelles recherches sur les organes du tact. Comptes rendus. 
XCI. 1880. 

Derselbe, On the Terminations of Nerves in the Epidermis. Quart. Journ. 
of Mierose. Seience. N. S. XX. 1880. 

Rerzıus, Einige Beiträge zur Kenntnis der intraepithelialen Endigungsweise 
der Nervenfasern. Biolog. Untersuchungen. N. F. Bd. VI. 1894. 


93 Georg Huss, Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe etc. 


24. Rerzıus, Über die sensiblen Nervenendigungen in den Epithelien bei den 
Wirbelthieren. Biolog. Untersuchungen. N. F. Bd. VI. 1894. 

25. SCYMONoVIcz, Beiträge zur Kenntnis der Nervenendigungen in den Haut- 
gebilden. Archiv für mikr. Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. XLV; 
4. Heft. 

26. SCHWALBE, Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane. Erlangen 1887. 

27. WALDEYER, Über die Endigungsweise der sensiblen Nerven. (Nach Unter- 
suchungen von Dr. IZQUIERDO.) Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XVII. 


Erklärung der Abbildungen. 


Abkürzungen: 
ca, eentraler Achsencylinder; pk, VATER-PAcınTsche Körperchen; 
ek, Endknöpfehen eines Nervenäst- ra, Randachsencylinder; 
chens; tk, Tastkörperchen. 
Tafel I. 


Fig. 1. Eımer’sches Organ aus der Maulwurfsschnauze im Längsschnitt. 
Vergr. 450fach. | 

Fig. 2. Querschnitt durch den pufferförmigen Fortsatz des EIMEr’schen 
Organs, mit Tastzellen; die schwarzen Punkte sind Nervenquerschnitte. Vergr. 
560fach. 

Fig. 3. Tastzellen im Grunde des Eımer’schen Organs aus der Maulwurfs- 
schnauze. Vergr. 700fach. 

Fig. 4. Querschnitt durch ein Ermer’sches Organ, auf halber Höhe der 
Epidermis. Vergr. 560fach. 

Fig. 5. Querschnitt durch ein Eımer’sches Organ, mit Hämalaun gefärbt; 
die hier schwarz gezeichneten Nervenendknöpfchen erschienen auf dem Präpa- 
rate ungefärbt. Vergr. 560fach. 

Fig. 6. Nervenvertheilung in der Schnauze der Spitzmaus. Vergr. 500fach. 

Fig. 7. Tastzellen im Grunde eines Epidermisfortsatzes aus der Spitzmaus- 
schnauze. Vergr. 500fach. 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 
Von 
Oscar Frankl. 


(Aus dem Laboratorium der I. anatomischen Lehrkanzel 
Prof. ZUCKERKANDL, Wien.) 


Mit Tafel II. 


Als ich im Verlaufe meiner Studien über das Urogenitalsystem 
der Wirbelthiere von ungefähr das Lehrbuch der vergleichenden Ana- 
tomie der Wirbelthiere von Vor und Yung! durchsah, fiel mir 
darin eine Stelle besonders auf. Die Autoren beschreiben den Weg, 
welchen bei den Amphibien der Same vom Hoden durch die Niere 
in den Harnsamenleiter nimmt: »Die reifen Spermatoblasten, die in 
den Hodenröhrchen enthalten sind, gehen in die Kanäle über, welche 
im Parenchym der Niere verlaufen. Dieser Verlauf ist sehr schwer 
zu verfolgen und erheischte wohl weitere Untersuchungen, die wir 
nicht angestellt haben....« Mit Bestimmtheit sagen sodann die Au- 
toren von den Anuren, wofür auch ein Schema vom Frosche bei- 
 gefügt ist, Folgendes: »Nachdem diese Querkanälchen die Nieren- 
substanz in ihrer ganzen Breite durchsetzt haben, münden sie in 
den, an den äußern Rand der Niere verlaufenden Harnleiter, ohne 
in irgend eine Verbindung mit den eigentlichen MALPIGHI- 
schen Körperchen zu treten. Der Same wird so durch den 
Harnleiter in die Kloake eingeführt und von dort .... bei der Be- 
gattung ausgespritzt.« 

Die Negirung des Zusammenhanges der Ductus efferentes des 
Hodens mit den MauricHr’schen Körperchen der Niere, welcher für 
Coeeilien und Urodelen eben so bestimmt zugegeben wird, fiel mir 


! Vogt und Yung, Praktische vergleichende Anatomie. Braunschweig 
1889— 1894. 


34 Oscar Frankl, 


auf und regte mich an, die Sache speciell einer eingehenden Unter- 
suchung zu würdigen. Die von mir durchgesehene, auf dieses Thema 
Bezug nehmende Litteratur schwoll zwar von Tag zu Tag an, konnte 
mir aber doch nicht entscheidend Aufschluss geben; und so entschloss 
ich mich, die günstige Frühjahrszeit zu benutzen und wenigstens am 
_ Frosch, da anderes Material in ausreichender Menge mir nicht zur 
Verfügung stand, der Frage an den Leib zu gehen. Dass der ein- 
zige Weg hierzu die Injektion sei, war mir von vorn herein klar. 

So will ich denn in den folgenden Blättern die Technik der 
Injektion und deren Ergebnisse beschreiben; doch kann ich mir 
nicht versagen, vorher Einiges über den derzeitigen, und zwar 
den allerneuesten Stand unserer entwicklungsgeschichtlichen und 
morphologischen Anschauungen der Amphibienniere zu referiren, ohne 
freilich dieselben als ganz unumstößlich hinstellen zu wollen. Haben 
ja doch gerade in der letzten Zeit die Angaben Semonx’s! lebhafte 
Anfechtung erfahren. Gleichwohl folge ich denselben, nicht etwa, weil 
ich sie nachgearbeitet, sondern weil plausiblere und gleich gründlich 
durchdachte Arbeiten gerade auf diesem Gebiete bislang fehlen. Ich 
schalte diesen, wenngleich sehr kurzen Überblick, der sich demnach 
an SEMON’s geistvolle Studie an Ichthyophis, sowie an die Arbeiten 
von BRAUN? und HorrmAnn?® anlehnt, an dieser Stelle ein, weil ich 
an diese Prämissen später meine Folgerungen zu schließen gedenke. 


Entwicklungsgeschichtliches. 


Der Marrisyr’sche Körper der Vorniere ist nichts Anderes als 
das abgeschnürte Leibeshöhlendivertikel mit seinem Glomerulus. Doch 
hat sich an einer Stelle eine offene Kommunikation mit der unseg- 
mentirten Leibeshöhle, dem Cölom, erhalten; es ist dies der Außen- 
trichter der Vorniere (SEmon). Das MaArpisursche Körperchen der 
Urniere ist nach HorrFMmANN als blasig aufgetriebene Kanalstrecke 
des Urnierenkanälchens aufzufassen, in die ein Gefäßknäuel einge- 
stülpt ist. Auch Braun beschreibt Ähnliches von den Reptilien, in- 


! R. SEMON, Studien über den Bauplan des Urogenitalsystems bei den 
Wirbelthieren. — Über die morphologische Bedeutung der Urniere etc. Anat. 
Anz. Bd. V. 1890. — Notizen über den Zusammenhang der Harn- und Ge- 
schlechtsorgane bei den Ganoiden. Morphol. Jahrb. 1891. 

2 M. Braun, Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien. 

3 ©. K. HorrMmAnn, Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den 
Anamnia. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. — Zur Entwicklungsgeschichte der 
Urogenitalorgane bei den Reptilien. 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 35 


dem er sagt, dass derjenige Theil des Urnierenkanälchens, welcher 
der Aorta am nächsten ist, sich einstülpt und zum MarPpicHT'schen 
Körper wird. Nach Semon’s trefflichen Untersuchungen an Ichthyo- 
phis glutinosus sind wir bemüßigt, uns zu einer anderen Anschauung 
zu bequemen: »Von den Vornierenkanälchen spaltet sich eine zweite 
Generation ab, die Urnierenkanälchen. Eben so spaltet sich der 
MaArpicHr’sche Körper der Vorniere in einen ventralen und dorsalen 
Absehnitt. In den ersteren münden die Vornierenkanälchen, in den 
letzteren die Urnierenkanälchen ein..... Indem sich aber an das 
Auftreten der dorsalen Generation von Exkretionskanälen bald eine 
fortschreitende Rückbildung der ventralen und eine Umbildung 
des Marpigarschen Körperchens der letzteren in Nebenniere an- 
schließt, kann das Keimdrüsensekret nur noch durch die dorsalen, 
unverändert gebliebenen MAarpıGHr'schen Körperchen, die der Urniere, 
fließen. « 

Die Sache verhält sich demnach so: Aus dem ventralen Theil 
des abgeschnürten Leibeshöhlendivertikels nebst seinem Glomerulus 
wird die Nebenniere, während der dorsale Theil als MaLpıGnHT'sches 
Körperchen der Urniere persistirt. 

Es erübrist nun bloß noch, über den Zusammenhang des vom 
Cölomepithel abstammenden Keimwulstes mit dem Mar rıcur’schen 
Körperchen zu sprechen. Ein solcher besteht nach Semon’s Unter- 
suchungen zwischen dem MarriGHr’schen Körper der Vorniere und 
dem Keimepithelwulst ohne Zweifel. Nach Spaltung des Leibes- 
höhlendivertikels (Marrıcarsches Körperchen der Vorniere) in zwei 
Theile, dessen ventrales Derivat eben Nebenniere wird, stellen sich 
die Dinge in folgender Weise dar. Vom dorsalen Derivat, dem 
nunmehrigen MaArri6Hrschen Körper der Urniere, geht ein Strang 
ab, Segmentalstrang genannt; von diesem zweigt ein Ast zur Keim- 
drüsenanlage ab, der Sexualstrang, indess ein zweiter zur Neben- 
niere geht, daher sein Name Nebennierenstrang. In diesem letzteren 
dokumentirt sich klar die einstige Verbindung des MaLrıcar'schen 
Körperchens der Vorniere mit dem Keimepithelwulst. 

Von den Anuren speciell beschreibt Horruann die Entwicklung 
der Verbindungen der MALpigHr’chen Körperchen mit der Geschlechts- 
drüse mittels der »Genitalkanäle«. Aus diesen wird, wie ja selbst- 
verständlich, das spätere intra- und extratestikuläre Hodennetz. Ihrer 
Bedeutung nach sind die oben genannten Stränge nichts Anderes 
als Derivate der ursprünglichen Verbindung zwischen Nephrotom und 
Seitenplatten (SEMoN). 


26 Oscar Frankl, 


Endlich wäre noch daran zu erinnern, dass beim Amphibien- 
embryo der Außentrichter der Urmiere eben so ins Cölom mündet, 
wie jener der Vorniere. 


Morphologisches. 


Nach Darlegung des heutigen Standes der Meinungen über die 
allgemeinen Entwicklungsvorgänge erscheint es mir wünschenswerth, 
Einiges darüber zu referiren, wie sich die Autoren über den Zu- 
sammenhang der ausführenden Geschlechtswege mit dem MALPIGHI- 
schen Körperchen beim erwachsenen Thiere aussprechen. 

Was die Anuren anlangt, sind die Meinungen der Forscher 
vollkommen different. 

BippEr! wusste schon (1846), dass das Sperma, nachdem es 
den Hoden verlassen, die Ductus efferentes und durch Vermittelung 
derselben die Niere passiren müsse, um in die Kloake zu gelangen. 

Bronx? weiß über die Vereinigung der Vasa efferentia mit den 
Harnkanälchen keine übereinstimmende Angaben wiederzugeben. 
Die Unklarheit der Begriffe vermehren nur noch die einander dia- 
metral entgegenstehenden Angaben HyrrrL’s? und HEIDENHAIN’s*. 

Hyrru (1863), der auf Grund von Injektionspräparaten urtheilt, 
sagt in seiner kurzen Abhandlung Folgendes: »An einer oder der 
anderen Niere findet man die Gruben (sc. der MALpıcaTschen Körper- 
chen) mit Masse ausgefüllt, welche nicht bloß die Kapseln der 
MaArri6Hrschen Körperchen einnimmt, sondern auch in die Aus- 
führungsgänge der Hoden eindringt, welche bekanntlich bei Fröschen 
in diese Kapseln einmünden.« Doch betont im Weiteren HyrTL 
nachdrücklichst, es sei ihm nie gelungen, alle Kapseln vom Ureter 
aus zu injieiren, sondern bloß die oberflächlichen, von denen allein 
er auch annimmt, dass sie zu den Hodenausführungsgängen in Be- 
ziehung stehen. Allerdings muss man damit zusammenhalten, dass 
HYRTL mit einer für die feinen Strukturen der Amphibienniere allzu 
groben Masse arbeitete, wenngleich man sagen muss, dass seine 


1 BIDDER, Männliche Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Am- 
phibien. Dorpat 1846. 

2 Bronn’s Thierreich. Bd. Amphibien. Leipzig und Heidelberg 1873— 
1878. 

3 HyrtL, Über die Injektion der Wirbelthierniere und deren Ergeb- 
nisse. Wiener Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wissensch. Bd. XLVII. 
1. Abth. 

4 HEIDENHAIN, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physiologie 
der Niere. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. 1874. 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 27 


Injektionen nicht bloß für jene, sondern für alle Zeiten als muster- 
gültig, ja geradezu als vollkommen angesehen werden müssen, — 
wohlgemerkt, für den mit der Lupe arbeitenden Untersucher, nicht 
den Mikroskopiker. Doch soll darüber später noch ausführlicher 
gesprochen werden. 

HEIDENHAIN (1874) ist anderer Meinung. Was BıpDEr für die 
Tritonenniere beschrieben hat, dass nämlich in jede MALrıGar’sche 
Kapsel an der dorsalen Seite ein Samenkanälchen einmünde, kann 
er weder für Triton, noch für die Batrachier bestätigen. Mit vollster 
Bestimmtheit sagt er: »Für mich ist es ganz sicher, dass in dem 
zweifellos den Harn bereitenden Theil der Niere von einer Ver- 
bindung der Marricutschen Kapseln mit den Samenwegen nicht 
die Rede ist; sie findet erst in den großen Ausflussröhren des Harns 
statt.«c Die aus dem Hoden führenden Kanäle seien an der Nieren- 
oberfläche, und zwar an der ventralen durch Druck des Hodens leicht 
ersichtlich zu machen. 

Dazu ist nur zu bemerken, dass HEIDENHAIN sich einer Unter- 
suchungsmethode bedient hat, die geeignet ist, ein exquisit physio- 
logisches, nicht aber ein anatomisches Resultat zu liefern. Ich meine 
die bekannte Fütterung mit indoxylschwefelsaurem Natron. 

Auch Ecker! leugnet in seiner bestbekannten Arbeit den Zu- 
sammenhang der Samenwege mit den Marpıcar’schen Kapseln, und 
schließt sogar daran die Bemerkung, dass bei Rana sich das Be- 
streben von Seiten der Samenwege, sich von den Harnwegen zu 
emancipiren, geltend mache, was dann bei Bombinator und Disco- 
glossus, insbesondere aber bei Alytes weiter gedeiht. 

Zum Schlusse will ich noch die Worte SPENGEL's? wiedergeben, 
welcher sagt: »Ich habe viel Mühe darauf verwendet, zu ermitteln, 
‚welche von den einander so widersprechenden Angaben Hyrrr’s und 
HEIDENHAIN’s die richtige ist. So sehr ich dafür eingenommen war, 
diejenige Hyrrr’s für die richtige zu halten, so entschieden muss 
ich die HEIDEnHAIN’sche bestätigen. Obwohl sich sehr schnell der 
Harnleiter mit der weißen Samenmasse füllte, fand ich doch niemals 
eine Spur derselben in den MArrpısHr’schen Körperchen.« 

Diese einander vollkommen widersprechenden Angaben bewogen 


1 A. ECKER, Die Anatomie des Frosches. Braunschweig 1864. 

2 J. W. SPENGEL, Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arbeiten aus dem 
zoologisch-zootomischen Institut zu Würzburg. Bd. III. — Die Segmentalorgane 
der Amphibien. Verhandlungen der physikalisch-medieinischen Gesellschaft zu 
Würzburg. Bd. X. 1874. 


38 Oscar Frankl, 


mich also, der Frage meine Aufmerksamkeit zuzuwenden, und ich 
that dies nicht bloß, indem ich allein der Litteratur noch weiter 
nachging, um zu erfahren, was über die Verbindung der MALPIGHI- 
schen Kapseln mit den Samenwegen bei Fischen, Coecilien und 
Urodelen bereits bekannt und beschrieben sei, sondern, indem ich 
die Niere des Frosches, des mir am leichtesten zu erlangenden 
Anuren, eingehender Untersuchung würdigte. Den Weg, welchen 
ich hierbei verfolgte, will ich nun in den folgenden Zeilen kenn- 
zeichnen. 


Technik. 


In unserem Museum befinden sich Injektionspräparate von Fisch- 
und Amphibiennieren, die noch von Hyrrr’s Hand herrühren: Die 
letzten Reste, wohl auch nicht die besten Exemplare jener Menge 
von Präparaten, die derzeit allenthalben in der Welt zu finden 
sind, — der berühmten Hyrrr-Injektionen. Mit der Lupe betrachtet 
zeigen freilich auch diese Präparate, wie groß die Kunst des In- 
jektors gewesen sei. Allein das mir vorliegende Präparat der Niere 
von Rana erscheint mir nicht, vielleicht sollte ich sagen nicht mehr 
für exakte wissenschaftliche Studien geeignet. Aus ihm allein wäre 
Hyrrr’s Aussage über den bereits mehrfach gedachten Zusammen- 
hang nicht klar, und dürften ihn hierzu andere Präparate bewogen 
haben, die indess mir nicht zu Handen sind. 

Die Masse, mit welcher HyrTL injieirte, bestand aus Kremser- 
weiß oder Chromgelb, mit Terpentinöl oder Schwefeläther verrieben. 
Die Objekte wurden nach der Injektion getrocknet, von der Ober- 
fläche wurde ein mäßig dünner Schnitt genommen und auf schwar- 
zem Holz unter Glas aufgelegt. Mir aber erschien es unbedingt 
nothwendig, Injektionen zu machen, welche die mikroskopische 
Untersuchung‘ gestatten, und so machte ich denn Leiminjektionen 
der Froschniere. Da meine Injektionsmasse vom gebräuchlichen 
Recept in einigen Punkten abweicht, will ich hierbei ein wenig 
verweilen. 

Ich lasse 10—15 Platten feinster Gelatina animalis, die ganz 
durchsichtig sein muss, einen Tag lang in Wasser aufquellen. Am 
nächsten Tag setze ich der weichen Masse das gleiche Quantum 
Glycerin zu, koche durch kurze Zeit, setze sodann 4—5 Gramm kon- 
centrirter Sublimatlösung zu und filtrire durch ein nicht zu grob- 
maschiges Linnen. Die so gewonnene Glyceringelatine lasse ich 
erstarren, fertige am nächsten Tage eine kalte Lösung von löslichem 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 39 


Berlinerblau in Wasser im Verhältnis von 1:20 an, setze es der 
erwärmten Glyceringelatine zu, erwärme beide mit einander noch 
eine Weile und filtrire abermals durch ein Linnen. Wenn die nun- 
mehr fertige Injektionsmasse etwas erkaltet ist, senke ich an einem 
Faden einen großen Thymolkrystall in die noch halb flüssige Masse, 
welche so geradezu Jahre hindurch aufbewahrt werden kann. Beim 
Gebrauche mäßig erhitzt wird sie bald schön dünnflüssig, leistet — 
so viel mir bekannt — allen üblichen Konservirungs- und Fixirungs- 
mitteln Widerstand und hat die gute Eigenschaft, während des In- 
jektionsaktes nicht leicht zu erstarren. Das zu injieirende Gewebe 
braucht daher nicht erwärmt zu werden. 

Will man die Masse roth haben, so nimmt man als färbende 
Lösung 1:20 Karmin. Alles Andere bleibt sich gleich. 

Zur Injektion verwendete ich gut entwickelte Frösche, an denen 
der Frühling 1896 nicht eben arm war; an den kräftigen Exempla- 
ren ist der sonst allzu dünne Leyvig’sche Gang doch von annehm- 
barer Dicke. Ich tödtete die Thiere mit Chloroform, schnitt das 
Abdomen auf, legte das Objekt in physiologische Kochsalzlösung 
und führte nach Ablauf des höchsten Grades der Todtenstarre die 
Kanüle meiner Spritze in den Leypıg’schen Gang ein. 

Die Spritze zu dieser und allen ähnlichen Arbeiten sei klein, 
handlich, — am besten ist es, sich einer gewöhnlichen Ohrenspritze 
aus Hartgummi zu bedienen. Dieselbe hat den Vortheil, dass man 
bei einmaligem, kurzem, aber energischem Drucke auf den Stempel 
die Masse durch längere Zeit aus der Kanüle spritzen sehen kann, 
so lange, bis das innerhalb der Spritze aufgespeicherte Druckquan- 
tum, oder, wenn man will, die entbundenen Elastieitätskräfte der 
Kautschukwand aufgezehrt sind. Dieses Vorgehen gab mir immer 
gute Resultate und schützte mich vor Extravasaten. 

Parenchymatöse Injektionen in die Niere ergeben ganz konstant, 
wie auch schon HyrrTL wusste, Veneninjektionen. Auf eine halb- 
' wegs verlässliche Injektion der Harnkanälchen kann man hierbei 
nicht rechnen. 

Ich habe die Technik der Injektion etwas genauer geschildert, 
weil dieselbe dem Leser auch für andere, ähnliche Arbeiten einiges 
Wissenswerthe in sich bergen dürfte. Und nun will ich an die 
Schilderung der Injektionsresultate und deren Erläuterung gehen. 


30 Öscar Frankl, 


Resultate der Injektion. 


Die Kombination, auf Grund derer ich die Injektion des LEYDIG- 
schen Ganges beim Frosch ausführte, war folgende: 

Wenn ich den Duetus urospermaticus injieire, muss die Injek- 
tionsmasse in die Harnkanälchen der Niere eindringen, denn die- 
selben münden in jenen. Aber auch in den Kanälchen, welche vom 
Hoden kommend, die Niere durchsetzen, und die ich der Bequem- 
lichkeit halber fortan nur Querkanäle nennen will, muss sich Injek- 
tionsmasse finden, denn auch sie münden in den Leypig’schen Gang. 
Weiter muss ich, vorausgesetzt das Gelingen der Injektion, mit 
der Masse bis in den Hoden emporgelangen, natürlich auf dem Wege 
der Ductus efferentes. Ist damit aber schon irgend etwas über die 
Kommunikation der Samenwege mit den MAnpiGHrschen Körperchen 
der Niere gesagt? Gewiss nicht! Denn sind die beiden Wege von 
einander vollkommen getrennt, so können Nieren- und Hodenkanäl- 
chen zugleich, aber von einander ganz unabhängig injieirt werden, 
ohne dass zwischen beiden in der Niere ein nachweislicher Zu- 
sammenhang besteht. Wenn aber ein soleher besteht, so müssen 
‚sich bei der mikroskopischen Untersuchung der Niere die Kommuni- 
kationen zeigen. 

Meine Voraussetzungen bestätigten sich vollinhaltlich. Wenn 
die Spritze im Leypıg’schen Gang festgebunden ist, was durch die 
distal gelegene Erweiterung desselben, die sogenannte Samenblase, 
wesentlich erleichtert wird, so genügt ein leichter Druck auf den 
Spritzenstempel, um die Niere in ihrem unteren Antheil blau zu 
färben; bald sieht man tief blaue Streifen quer über die Oberfläche 
des Organs laufen, die sich, wenngleich unter Krümmungen, auf das 
Mesorchium fortsetzen, und in ungemein zierlichen Figuren schießen 
am weißen Hoden blaue Sterne und Punkte auf. Dieser, vielmehr 
noch die Nieren, werden bei weiterer Fortsetzung der Injektion 
stets diffuser blau, was man aber nur bis zu einem mäßigen Grade 
geschehen lassen soll. 

Ich fixirte sodann die Objekte in Pikrinsublimat, härtete in 
Alkohol, färbte sie mit Kochenillealaun und zerlegte sie endlich in 
vollständige Schnittserien. Und nun der mikroskopische Befund: 

Injektionsmasse in den Hodenampullen sowie in den intratesti- 
culären Hodenkanälen, und zwar typisch die Masse central, wand- 
ständig die massenhaften Spermatozoen, respektive an einzelnen 
Objekten Spermatoblasten. Die extratesticulären Hodenkanäle, das 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 31 


sogenannte Hodennetz, zeigt den gleichen Inhalt. Am medialen 
Rande der Niere angelangt, erweitert sich an. einzelnen Schnitten 
der Ductus efferens, beziehungsweise der die Ductus efferentes ver- 
bindende Längskanal zu den sogenannten Ampullen, welche gleich- 
falls mit Injektionsmasse gefüllt sind. Und nun sieht man an vielen 
Schnitten den Querkanal durch die Niere laufen, zwar nicht rein 
quer, sondern in leichtem Bogen, etwa so, wie die halbschematische 
Zeichnung (Fig. 1) es andeutet, gegen den lateralen Rand der Niere, 
woselbst derselbe in den Leypi@’schen Gang einmündet. Der Quer- 
kanal ist immer mit Berlinerblau gefüllt. Die Anzahl der Quer- 
kanäle ist großen Schwankungen unterworfen; SPENGEL nimmt die 
Zahl der Hodenausführungsgänge als 18 an. Nach meinen Präpa- 
raten schwankt dieselbe zwischen 5 und 18. 

Wenn man die Schnittserien durchsieht, merkt man, dass nicht 
bloß sagittal verlaufende Harnkanälchen, von der ventralen Nieren- 
fläche zur dorsalen ziehend, in die Querkanäle einmünden, sondern 
dass von der dorsalen Seite der MaurısHr’schen Körperchen Kanäle 
gesen die dorsale Nierenfläche ziehen, dieselbe aber nicht erreichen, 
und entweder in den Querkanal einmünden, oder öfter eine Strecke 
vor demselben aufhören. An den entsprechenden weiteren Schnitten 
sieht man dann mühelos das fehlende Stück, und es bedarf durch- 
aus nicht der Anfertigung eines Modells, sondern einige wenige 
Zeichnungen auf einander folgender Schnitte genügen, die Kom- 
munikation der Mauri@HT’schen Kapsel mit den Quer- 
kanälen mittels sagittaler, mit Injektionsmasse erfüllter 
Kanäle darzuthun (Fig. 3). Ich schlage demnach vor, diese 
Kanäle als Sagittalkommissuren zu bezeichnen. 

Der Ductus efferens des Hodens tritt, wie oben erwähnt, am 
medialen Rande der Niere in das Parenchym ein. Da er jedoch 
auf der ventralen Seite an die Nierenoberfläche tritt, und der intra- 
renal liegende Querkanal näher der dorsalen als der ventralen Fläche 
der Niere zu liegen kommt, wird es begreiflich, dass das Anfangs- 
stück des Querkanals die Krümmung der Nierenoberfläche an der 
medialen Schmalseite mitmacht, wie dies aus Fig. 1 ersichtlich ist. 

Vor Beginn dieser Krümmung, also unmittelbar nach dem Ein- 
tritt des Kanals in die Niere, geht ein ventraler, fast rein quer ver- 
laufender Kanal ein kurzes Stück, etwa 1/;—!/, der Nierenbreite ins 
Parenchym (in Fig. 1 mit z bezeichnet), und Injektionen beweisen, 
dass auch dieser Kanal, für dessen Bezeichnung ich die Worte 
ventraler Querkanal wählen möchte, mit einigen wenigen, ventral 


32 Oscar Frankl, 


und medial gelegenen MaArricntschen Körperchen zusammenhängt. 
Diese MArrıgHr'schen Körperchen sind es, von welchen vermuthlich 
HyrRrL unter der Bezeichnung »ventrale Reihe« spricht. In Fig. 1 
habe ich die drei bis vier ventralen MArLrı@ur’schen Körperchen, 
welche. bis zz reichen würden, der Einfachheit halber nicht ein- 
gezeichnet. 

Nun könnte Jemand sagen, die Resultate einer solchen Injektion 
seien nicht beweisend, weil durch die vis a tergo die Injektionsmasse 
an Stellen gedrängt worden sei, an die sie unter normalen Verhält- 
nissen nie hätte gelangen können. Ein Anderer könnte mir vielleicht 
gar das Wort entgegenhalten, das so viel sagt und so wenig be- 


deutet, und jedweder mikroskopischen Injektion, die Einem nicht‘ 


gelegen ist, vorgehalten wird: das Extravasat. Abgesehen davon, 
dass Extravasate, Gewebsrupturen u. dgl. m. sich mir gewiss in den 
Präparaten augenfällig gezeigt hätten, da ich auch darauf prüfte, 
machte ich mir selbst als strenger Beobachter den gleichen Einwand. 
Doch gelang es mir, denselben auf folgende Weise abzuwehren. 

Ich nehme den Frosch, der eben im Coitus begriffen ist, vom 
Weibchen, tödte ihn und injieire ihn entweder gar nicht, oder bloß 
‘ die Niere der einen Körperhälfte, schneide das Organ in Serien 
und färbe es mit Hämatoxylin, welches, wie bekannt, geradezu ein 
Reagens auf Froschspermatozoen ist und dieselben intensiv violett 
färbt. 

Es zeigt sich nun in Folge der natürlichen Injektion das 
Sperma in all den Wegen, welche zuvor bei der Injektion als 
Samenwege blaue Masse enthalten hatten. Die Querkanäle voll- 
gepfropft mit violetten Samenfäden, eben so die Sagittalkommissuren, 
oft genug finden sich Spermatozoen in den MaALPrıGHL'schen 
Kapseln, zumal in denjenigen, welche dem ventralen Querast ent- 
sprechen. Dieser selbst ist fast überall mit Sperma angefüllt. 

Freilich enthalten nicht alle Maurıcar'schen Körperchen Sper- 
matozoen, obwohl zuvor alle eine Kommunikation mit dem Quer- 
kanale und Injektion ihrer Kapseln zeigten. Aber das ist auch gar 
nicht anders zu erwarten. Der Spermastrom nimmt einen möglichst 
geraden Weg, und nur wenn er ganz besonders reichlich ist, oder 
wenn eine vis a tergo ihn hemmt, wie zum Beispiele eine komplete 
Anschoppung des unteren Theiles des Leypie’schen Ganges mit 
Sperma oder Injektionsmasse, ergießt sich das Sekret bis in die 
MaArrıiscHurschen Kapseln. Doch auch in gar nicht injieirten Objek- 
ten, die Thieren zur Brunstzeit entnommen sind, findet man zuweilen 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 33 


Spermatozoen in den Maupicurschen Kapseln, wofern nur der 
 Spermastrom genügend stark ist. 

Besonders klar ist das Bild, wenn an injieirten Objekten ein 
Bezirk von der Injektion frei geblieben ist. Hier handelt es sich 
denn allerdings um Folgen des Druckes, ohne dass aber irgend eine 
Extravasation im Spiele wäre. Ein solches Marrıcnr'sches Körper- 
chen mit dem Anfang der Sagittalkommissur habe ich auch in Fig. 5 
wiedergegeben. 

Interessant ist auch der Befund an Objekten, die bei reichem 
Spermastrom injieirt wurden. Es zeigt dann der mikroskopische 
Schnitt die Interferenz, respektive Konkurrenz der beiden Massen. 
In den breiten Querkanälen vermengen sie sich, während in den 
engeren Fährten die eine die andere vor sich herschiebt. 

Dem denkenden Leser drängt sich hier natürlich die Frage auf: 
Wie sind die oben dargelegten Befunde zu deuten, wie verhalten 
sie sich zu den bisher gemachten Angaben, und welche Analogien 
lassen sich zu den Verhältnissen an anderen Thieren finden? In- 
dem ich an die Beantwortung dieser Frage gehe, will ich vorher 
nur das Eine bemerken. Auf rein histologische Weise lassen sich 
solche Dinge nicht abthun; die vergleichende und entwicklungs- 
geschichtliche Betrachtung im Vereine mit der Anwendung aller 
modernen technischen Hilfsmittel vermögen für sich das Recht in 
Anspruch zu nehmen, der Lösung solcher Fragen näher gerückt zu 


- sein. 


Mit der Erfahrung, dass beim Frosche eine vollständige Kom- 
munikation zwischen MarrıgHar’schen Körpern der Niere und den 
Samenwegen dauernd bestehe, fällt von selbst die Angabe EckEr’s, 
dass Rana die Reihe derjenigen Anuren eröffne, bei: welchen sich 
die Samenwege von den Harnwegen loszulösen beginnen. Ich bin 
vielmehr geneigt, Rana in Bezug auf den Urogenitaltract auf eine 
morphotisch tiefere Stufe zu stellen. 

Bei Coeecilien setzt sich, wie bekannt, je ein Ductus efferens 
immer nur mit einem, und zwar dem primären Marpıschrschen 
Körperchen in Verbindung, welch letzteres dann vom Sperma durch- 
lossen wird (SPENGEL, SEMON). Dadurch bleibt die Segmentirung der 
Niere auch beim geschlechtsreifen Thiere deutlich erkennbar. 

Bei Urodelen verwischen sich die Verhältnisse in so fern, 
als keines der Maupısurschen Körperchen überschlagen wird, son- 
dern sämmtliche ventralen Kanäle jedes Nierensegmentes besitzen 


Sexualstränge, wie SPENGEL sich ausdrückt. Dabei finden sich im 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 3 


34 Oscar Frankl, 


Geschlechtstheile der Niere auch mehr MarricHrsche Körperchen, 
als der Anzahl der Urwirbel entsprechen sollten. Zu besonders reich- 
licher sekundärer Vermehrung der Marrıeurschen Körper kommt es 
in der Beckenniere. 

Was die Anuren betrifft, so ist es nur bei Bufo sichergestellt 
(SPENGEL), dass sich eben so wie bei den Urodelen und Coecilien das 
Sperma aus dem Längskanal in die bei Bufo zahlreich vorhandenen 
Querkanäle und dureh Vermittelung derselben in die MaLpiGHrTschen 
Kapseln ergießt. Sodann muss es, um in den Leypıg’schen Gang 
zu gelangen, die betreffenden Harnkanälchen ihrer ganzen Länge 
nach passiren und in die Sammelröhren einströmen. Doch stehen 
bei Bufo wie bei den Gymnophionen nicht alle, sondern nur die 
primären Urnierenkanälchen mit der Keimdrüse in Verbindung 
(SEMON). 

Die Litteratur lehrt mich, dass bei Bombinator und Discoglossus 
die Trennung der beiden Systeme, der Harn- und der Samenwege, 
weitergedeihe, bis sich dieselben endlich bei Alytes von einander 
fast vollständig isoliren. Ich bin, aufrichtig gestanden, nicht sehr 
geneigt, diesen Angaben vollständig Glauben zu schenken, da keine 
auf Grund subtiler mikroskopischer Arbeiten gemacht worden ist. 
Ich behalte mir jedenfalls vor, diese Frage noch näher zu unter- 
suchen, sofern es die Gunst äußerer Verhältnisse gestatten sollte. 

Halten wir nunmehr noch Umschau über das, was von den 
Fischen in Bezug auf das in Rede stehende Kapitel bereits sicher- 
gestellt ist, so wäre Folgendes zu erwähnen. 

SEMPER’S! Verdienst ist es, die Urogenitalbildung der Plagio- 
stomen vollkommen sichergestellt zu haben, und zwar gelang ihm 
dies bei Chiloseyllium, Mustelus, Squatina vulgaris, Seymnus lichia, 
Centrophorus granulosus und Acanthias. An diesen Thieren gelang 
es ihm nachzuweisen, dass das Sperma aus den Ductus efferentes 
des Hodens in die Maupisar’schen Kapseln fließen müsse, bevor es 
die Niere verlasse. 

Bei Ganoiden findet SEMoN, dass im Gegensatz zu Selachiern 
und Coecilien eine große Menge von MarriscHrschen Körperchen 
mit dem Keimdrüsennetz in Verbinndung stehen, und deutet dies in 
der Weise, dass sekundär entsprechend der riesigen Vergrößerung 


! SEMPER, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Bedeutung 
für das der übrigen Wirbelthiere. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen 
Institute zu Würzburg. Bd. II. 1876. 


» Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 35 


der Keimdrüsen ein viel größerer Antheil der Niere zu der Leistung 
- der Abfuhr herangezogen werde. 

Nach den von mir erhobenen Thatsachen wäre ich geneigt, 
über den von mir untersuchten Vertreter der Anuren, den Frosch, 
Folgendes auszusagen: Die MatrpısHr'schen Körperchen, welche wir 
in der Froschniere finden, die zweifellos sekundären Ursprunges 
sind, zeigen Verbindungen mit den Querkanälen, natürlich auch 
sekundärer Natur. Wie diese entstehen, darüber fehlt es zur Zeit 
noch ganz an Angaben. Aber der Typus, der sich in der allerersten 
Anlage zeigt, indem das primäre MArLricHTsche Körperchen der Ur- 
niere zur Keimdrüse in Beziehung tritt, was beim ausgebildeten 
Frosch in der Verbindung der ampullären Erweiterungen des Längs- 
kanales mit dem Hoden (durchs Hodennetz) zum Ausdruck gelangt, 
der gleiche Typus, sage ich, ist auch bei allen sekundären MAL- 
pıGHTschen Körperchen festgehalten, indem sie die Sagittalkommis- 
suren zu den Querkanälchen senden. Demnach sind die Harn- und 
Samenwege beim Frosch von einander durchaus noch nicht getrennt, 
wie dies angeblich bei einzelnen Anuren, so zum Beispiel bei Bom- 
binator, Discoglossus, Alytes zur Beobachtung kommt. Sollte Letz- 
teres wahr sein, würden die Anuren von den übrigen Amphibien- 
gruppen, bei welchen beide Systeme mit einander vollkommen 
vereint sind, zu den Reptilien allmählich hinüber führen, bei welchen 
die beiden Systeme von einander vollständig isolirt sind. Einzelne 
Anuren würden sich mehr den Urodelen, einzelne mehr den Amnio- 
_ ten nähern, bei welch letzteren, wie bekannt, die Geschlechts- 
niere zum Ausführungsgang für das Sperma er, während die 
Beckenniere unter Änderung ihrer Form und Ehtstehne eines Ureters 
allein der Harnbereitung zu dienen bestimmt wird. Dass auch bei 
Cyelostomen Samen- und Harnwege von einander sich lösen, ist ja 
wahr; aber die Art und Weise, in welcher dies geschieht, bedeutet 
keinen morphologischen oder physiologischen Fortschritt, sondern 
vielmehr einen tiefen Rückschlag in der Entwicklung des Urogenital- 
apparates. 

Die vom Hoden herkommenden Ductus efferentes vereinigen sich 
bei Rana durch einen sekundär entstandenen Längskanal mit einander, 
welcher am medialen Rande der Niere liegt und dem im Mesorchium 
liegenden, deutlich sichtbaren Längskanal der Urodelen ganz homo- 
log ist. Die Erweiterungen des Längskanals, Ampullen genannt, 
werden von ©. K. HorFmann als Reste der primären Marrısar'schen 
Körperchen angesprochen, deren Glomerulus sich zurückgebildet habe. 


3% 


36 Oscar Frankl, 


»Denn bei ganz jungen Fröschen«, sagt HoFFMmAnn, »hat der Längs- 
kanal kurze Abzweigungen, welche in MarrıGursche Körperchen 
einmünden.« Nach meinen eigenen Beobachtungen möchte ich dieser 
Anschauung beipflichten. Die Ampullen liegen genau in der gleichen 
Linie und sind gleichgerichtet den sekundären MArrıcHTschen Körper- 
chen der Niere, und die Abzweigungen, von welehen HoFFMANN 
spricht, habe ich, wenngleich nicht oft, so doch an einzelnen Schnit- 
ten gesehen. Es liegt gar kein Grund vor, HOFFMANNS Ansicht zu 
bezweifeln. 

Die Reihe der MarrıscHr’schen Körperchen, welche quer durch 
die Niere zu verfolgen ist, muss man natürlich als sekundär ent- 
standen erachten. Das primäre MarpisHarsche Körperchen ist nur 
im Rudiment zu sehen. Aber die Verbindung des primären MAL- 
pıGHrschen Körperchens mit den Ductus efferentes des Hodens persi- 
stirt, — wir sehen die Ampulle mit Sperma erfüllt. Liegt da nicht 
die Deutung nahe — und ich möchte sie nicht leichtweg von der 
Hand weisen —, dass die primäre MarrIcHrsche Kapsel, welche 
schon bei den nächst höheren Species verloren geht, hier noch be- 
stehen bleibt, einzig desshalb, weil ihr eine Funktion geworden? 
Sie ist, meine ich, ein Reservoir für den sich rückstauenden Sperma- 
strom. 
Ich möchte diese Abhandlung nicht schließen, ohne noch Einiges 
über die Peritonealtrichter gesprochen zu haben. Diese bleiben nach 
HoFrMmANN bei Urodelen im Zusammenhang mit dem Halse des MAL- 
pIGuHfschen Körperchens, während sie sich bei Anuren von ihm 
loslösen und als blind geschlossene Röhren weiterwachsen. Das 
Gleiche hatte schon durch Autoinjektion, nach Einspritzung von 
Karmin in das Abdomen des narkotisirten Thieres 1877 NussBAuM! 
nachgewiesen. Durch ähnliche Versuche bewogen schließt sich der 
gleichen Ansicht WıcHMmAnN? an. Meine eigenen Resultate bestätigen, 
wenngleich auf anderem Wege gewonnen, die Angabe obiger Autoren. 
Denn wenn die Harnkanälchen im erwachsenen Thier mit den 
Triehtern kommunieiren würden, müsste sich Injektionsmasse in den 
Außentriehtern deutlich nachweisen lassen. Davon ist nun nicht die 
Rede. Alle sind frei von Injektionsmasse, wie klar ersichtlich aus 
Fig. 6. 


! NussBAUM, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Niere. Sitzungs- 
berichte der niederrheinischen Gesellschaft zu Bonn. 1877. 

” RALF WICHMANN, Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung 
der Nierenorgane der Batrachier. Bonn 1884. 


Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 37 


Um die Resultate meiner Untersuchungen kurz noch einmal zu 
- resumiren, will ich bloß das Folgende sagen. Die Injektion der Frosch- 
niere vom LEYDIG schen Gang aus ergiebt ein Aufsteigen der Masse bis 
in den Hoden, natürlich durch die Ductus efferentes; in der Niere 
selbst zeigt sich deutlich der vollständige Zusammenhang 
zwischen MarPpıcHrI’schen Körperchen und Querkanälen 
mittels sagittaler Kommissurkanäle. Ob letztere zugleich mit 
dem Sperma auch Harn führen, oder ob die Harnsekretion und der 
Spermastrom periodisch, zeitlich von einander getrennt erfolgen, wer- 
den vielleicht später noch anzustellende Experimente mich lehren. 
An geeigneten Objekten sind alle diese Wege mit Spermatozoen 
erfüllt zu sehen, auch die MArrısHarschen Kapseln enthalten unter 
Umständen Samenfäden, sei es in Folge des Injektionsdruckes, oder 
in Folge des reichen Spermastroms, indem der Same nicht rasch 
senug abfließen kann, und also jeden ihm verfügbaren Raum für 
sich in Anspruch nimmt, — natürliche Injektion der MALPIGHI- 
schen Kapseln (Fig. 2 deutet mit Pfeilen den Weg des Sperma 
und den der Injektionsmasse an). Geschieht die Injektion an 
spermareichen Objekten, so mengen sich Spermafäden und Injek- 
tionsmasse in den Querkanälen, Sagittalkommissuren und MALPIGHI- 
schen Kapseln (Fig. 4). 

So wäre die Gestalt der ausgebildeten Froschniere, auch mit 
Bezug auf ihre Genitalverbindungen, erläutert. Die der embryonalen 
Niere, zumal für die allerersten Entwicklungsphasen, ist durch die 
Eingangs erwähnten Beobachter geklärt. Mir drängt sich nun die 
Frage auf: Wie kommen die sekundären Wege alle zur Ausbildung, 
wie sind die Übergänge zwischen Anfangs- und Endstadien? Sollten 
es die äußeren Verhältnisse gestatten, so gedenke ich, an die Beant- 
wortung dieser Fragen mich zu wagen. Dessgleichen behalte ich 
mir vor, allenfalls Berichte über Injektionen des Leyvı@’schen Ganges 
anderer Anuren folgen zu lassen. 

Nicht der allgemeine Brauch nöthigt mich, es ist mir vielmehr 
Herzenssache, an dieser Stelle meinem vielverehrten Lehrer, Herınm 
Prof. Dr. E. ZUCKERKANDL, für seine stete Unterstützung mit Rath 
und Anregung den geziemenden Dank auszusprechen. 


38 Oscar Frankl, Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. 


Erklärung der Abbildungen, 


Gemeinsame Abkürzungen für alle Figuren: 


T, Testikel; L.G, LEyDiG’scher Gang; 
K, Hodenkanälchen; N, Niere; 

Sp, Spermatozoen; A, Peritonealtrichter; 

I, Injektionsmasse; Q, Querkanal; 

D.e, Duectus efferens; S, Sagittalkommissur ; 
G!, Glomerulus; ‘Nr, Nierenkanälchen. 


M.K, MAupıGHr sche Kapsel; 


Tafel II. 


Fig. 1. Injektion des Hodens und der Niere vom Frosch, gemacht vom 
Leypi@’schen Gang aus. Halbschematisch. ZEıss Komp. 4, Obj. Lupe. 

Fig. 2. Schema der Kommunikation zwischen Hodenausführungswegen 
und den MarrıGHr’schen Kapseln. Die rothen Pfeile bedeuten den Weg des 
Sperma, die blauen den der Injektionsmasse. Lupenvergrößerung der Kontouren. 

Fig. 3. Vollständiger Zusammenhang des MArrıcHrschen Körperchen mit 
dem Querkanal auf einem Schnitte, genau nach einem Schnitte der injieirten 
Froschniere. ZEIss Komp. 4, Obj. 4,0 mm, Apert. 0,95. 

Fig. 4. Sperma und Injektionsmasse in der MALpIGHr’schen Kapsel. ZEısS 
Komp. 8, Obj. Apochr. 4,0 mm, Apert. 0,95. 
| Fig. 5. Autoinjektion der MALPrIGHTschen Kapsel mit Sperma. Zeıss 
Komp. 4, Obj. Apochr. 4,0 mm, Apert. 0,95. 

Fig. 6. Von der Injektionsmasse vollkommen frei gebliebener Peritoneal- 
trichter. Dieselbe Vergrößerung. 


Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm 
aus der Adria. 


Von 
L. L. Breitfufs. 


Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Berlin.) 
Mit zwei Figuren im Text. 


Im Herbst 1896 fand ich während meines Aufenthaltes auf der 
Zoologischen Station des Berliner Aquariums zu Rovigno, in der 
Bucht der Stadt in der Tiefe von etwa 5 Meter, ein horizontal 
ausgebreitetes, polsterförmiges, durch Anastomosen entstandenes 
Röhrennetzgebilde auf Algen sitzend. 

Es ist nach HAEcKEr’scher Bezeichnung ein Auloplegmastock von 
27 mm Länge, 18 mm Breite und S mm Höhe mit Pseudogastern 
und Pseudostomen, dessen massige Netze aus 0,2—1,5 mm weiten 
Röhren bestehen, und welcher sich seiner äußeren Erscheinung nach 
_ wenig von der so häufig an der dalmatinischen Küste vorkommen- 

den Ascandra reticulum 0. S. unterscheidet, daher sehr leicht mit 
derselben zu verwechseln ist. 

Die Oberfläche ist kurz stachelig. Das Skelett besteht aus 
kolossalen Rhabden und regulären Tri- und Tetractinen. 

Die großen spindelförmigen, an den Enden zugespitzten Rhabde 
(Fig. 1a) von 0,5—0,9 mm Länge und 0,03—0,05 mm Dicke (in der 
Mitte) kommen im Vergleich zu den Tetraetinen in geringer Menge 
vor und lagern ohne besondere Anordnung in der Masse des Schwam- 
mes, dabei durchbohren sie die dünne Dermal- und Gastralmembran 
und ragen frei aus der Ober- und Gastralfläche heraus. Da, wo der 
Schwamm in der Unterlage eingesenkt ist, befinden sich etwas kleinere 
Rhabde von 0,5—0,6 mm Länge und 0,04 mm Dicke, bei welchen 
das eine Ende mit zweizähnigen (Fig. 19) Auswüchsen versehen ist, 


40 L. L. Breitfuß, 


die zum Festhaften bestimmt sind. Außerdem treffen sich noch in 
Ausnahmefällen dünne Rhabde (Fig. 1 e), keulenförmige Rhabde 
(Fig. 1 %) und Rhabde mit griffelförmiger Spitze (Fig. 1 f) vor. 

Die regulären geradschenkeligen Tri- und Tetractinen (Fig. 15, c,d) 
sind von gleicher Größe, doch kommen die ersteren nur sehr spär- 
lieh vor. Auf diese Weise wird das Hauptskelett des Schwammes 
wesentlich aus Tetractinen gebildet, welche gleich den Rhabden ohne 
Ordnung in der Fleischmasse lagern. 


Bıc 
Spicula. S0mal vergr. a, gewöhnliche Rhabde; b, Triactine; c, Tetractine in horizontaler Projektion; 


d, Tetractine in vertikaler Projektion; e, f und A, seltene Formen von Rhabden; g, Rhabde zum 
Festhaften. 


Die Tetractine der Außenschicht besitzen an Stelle des Apical- 
strahls kleine knopfförmige Gebilde, dagegen zeichnen sich die in 
der Gastralmembran tangential gelagerten Tetraetinen durch lange, 
dünne und sehr spitze Apicalstrahlen aus. 

Was die Dimensionen der Tri- und Tetractinen anbelangt, so 
beträgt ihre Schenkellänge 0,08—0,12 mm bei einer Dicke von 
0,008—0,009 mm, der dünne Apicalstrahl erreicht bei einer Stärke 
von 0,004 mm nicht selten eine Länge bis zu 0,09—0,20 mm, ist 
gerade und senkrecht zur Ebene der Basalstrahlen eingepflanzt. 

Die Farbe des lebenden Thieres, sowie auch bei Alkoholpräpa- 
raten ist schmutzig weiß oder graugelb. 

Die Dermalporen bei dem lebenden Thiere (auch auf frischen 


Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus d. Adria. 41 


Messerschnitten) erscheinen kreisrund, sind unregelmäßig an der Ober- 
fläche zerstreut und haben (je nach der Kontraktion) einen Durch- 
messer von 0,009—0,02 mm. 

Die Kragenzellenschicht (Fig. 2 d) gleicht in ihrer Form derjeni- 
sen der meisten Asconen. Die frischen feinen Schnitte zeigten Kragen- 
zellen von 0,004 mm Breite und 0,009 mm Höhe mit einem Kerne 
in den Proximalenden. Bei den Alkoholpräparaten sind diese Dimen- 
sionen bedeutend geringer. 

Das Kragenepithel bildet um den in die Magenhöhle vorspringen- 
den Apicalstrahl keine Papillen, wie es z. B. bei Leucosolevria 
eanariensis M. Mel. der Fall ist, sondern wird, wie bei Ascandra 


Ascandra hermesi. Querschnitt durch eine Röhrenwand im Inneren des Schwammes. 600mal vergr, 
a, Eizelle; 5, Kragenzellenschicht; c, koncentrirtes Plasma um den Kern; d, Kern; e, große Chroma- 
tinballen (ca. 0,004 mm); /, kleine Chromatinballen (ca. 0,001 mm). 


reticulum ©. S., von dem Apicalstrahl einfach durchbrochen (Fig. 2). 
In der Bindesubstanz, meist dicht unter der Kragenzellenschicht 
befinden sich viele, mehr oder weniger reife Eizellen (Fig. 2 a) von 
0,068—0,17 mm im Durchmesser. Diese Eizellen sind theils kugelig, 
theils etwas abgeplattet und fehlen nur an jenen Stellen der Röhren- 
wände, welche die äußere Oberfläche des Schwammes bilden. 

In stark granulirtem Plasma dieser Eizellen liegt ein großer 
Kern von ovaler Gestalt (Fig. 2 d) und 0,008 bis 0,015 mm im 
Durchmesser, in welchem sich ein größerer und mehrere (bis zehn) 
kleinere auffallend glänzende Chromatinballen (Nucleoli) von 0,001 
bis 0,004 mm im Durchmesser befinden (Fig. 2 e und f). Der Kern 


43 L.L. Breitfuß, Ascandra hermesi, ein neuer homoc. Kalkschw. ete. 


ist von einer stark körnigen Plasmapartie (Fig. 2 c) umgeben, welche 
bei schwächeren Vergrößerungen von dem peripheren helleren Ei- 
plasma, an frischen Präparaten, so scharf abgesetzt erscheint, dass 
man versucht sein könnte, diese ganze centrale dunklere Fihanal 
masse als Kern zu deuten, was auch wohl in ähnlichen Fällen schon 
gelegentlich geschehen sein dürfte, wodurch dann die Dimensionen 
des eigentlichen Kernes wesentlich verändert würden. 

Wie schon vorher erwähnt, erinnert dieser Ascon, den ich zu 
Ehren des Herrn Direktors und Gründers der Rovigner Station, 
Dr. Orro Hermes, Ascandra hermesi nenne, in seinem äußeren 
Bau sehr an Ascandra reticulum ©. S., unterscheidet sich aber 
von letzterer durch Größe und Form der Rhabden, welche 1) bei dem 
ersteren eine Länge bis zu 1 mm erreichen, dagegen bei A. reti- 
culum nicht länger als 0,3 mm sind (vgl. HAECKEL und v. LENDEN- 
FELD!), 2) sind hier die Rhabden spindel- und manchmal keulen- 
förmig, dagegen bei dem letzteren Schwamme leicht, meist spiralig 
sekrümmt und erscheinen desshalb in der einen Ansicht bogen- 
förmig, in der anderen $-förmig gekrümmt (v. LENDENFELD). Endlich 
besteht die Hauptmasse des Skelettes bei Ascandra reticulum aus 
in gleichem Theile zerstreuten Tri- und Tetractinen, hier aber fast 
ausschließlich aus Tetractinen und Triactinen mit einer knopfförmigen 
Anlage des Apicalstrahles. 


Berlin, im April 1897. 


1 len, Die Kalkschwämme. 1872. Bd. II. p. 89. — v. LENDENFELD, 
Die Spongien der Adria. I. Kalkschwämme. Diese Zeitschr. Bd. LIII. p. 223. 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 
Von 
Dr. Heh. Stauffacher 


in Frauenfeld (Schweiz). 


Mit Tafel III und 4 Figuren im Text. 


Die Urniere ist ein sehr charakteristisches Organ im Trocho- 
phorastadium der Mollusken. Während aber einzelne Abtheilungen 
der letzteren wiederholt auf Bau und Entstehung ihrer Urniere 
untersucht wurden, blieben diesbezügliche Studien bei den Lamelli- 
branchiaten seit längerer Zeit Sanz aus, trotzdem die ersten Befunde 
sehr lückenhaft waren. In beiden bis jetzt zu unserer Kenntnis ge- 
kommenen Fällen, sowohl bei Teredo (HATScHER) als bei Cyelas 
(ZIEGLER), wurden bloß Bruchstücke des Organs sicher konstatirt. 

Um diese fühlbare Lücke auszufüllen, ganz besonders um An- 
fangs- und Endtheil der Lamellibranchier-Urniere genauer zu er- 
forschen, wurden Untersuchungen an Cyelas cornea Lam. angestellt, 
deren Ergebnisse im Folgenden mitgetheilt werden sollen. 

Merkwürdigerweise fand sich die Urniere stets unpaarig vor, 
trotzdem viele Serien auf dieselbe abgesucht wurden; sie lag be- 
ständig auf der linken Seite des Embryo. Ich habe mich ferner 
davon überzeust, dass der Verlauf des ganzen Organs ungemein 
schwer festzustellen ist. Hätte sich unter meinen Präparaten nicht 
zufällig ein Schnitt vorgefunden, der die Urniere in ihrer Gesammt- 
ausdehnung enthielt, es wäre mir kaum möglich gewesen mit Sicher- 
heit anzugeben, welche Zellen zusammengehören und wo diese gegen- 
seitig ihren Anschluss finden. Dieser Schnitt ist dargestellt in Fig. 1. 
Das Präparat wurde mit dem Assü'schen Zeichnungsapparat so 
genau als möglich kopirt; selbst die Färbung mit Boraxkarmin ver- 
suchte ich, zur leichteren Demonstration einiger Details, nachzu- 
ahmen. Auch die anderen Figuren der Tafel sind genau nach- 


44 Hceh. Stauffacher, 


gezeichnet und möglichst in der Färbung ihrer Originale wieder- 
segeben worden. | 

Fig. 1 ist ein Längsschnitt ziemlich parallel der Medianebene 
durch die linke Seite der Trochophora. Er zeigt deutlich! die Zellen 
des Cerebralganglions (cg), die Kopfblase (X), einen Theil des Meso- 
derms (M7), die Zellen (pg), die bestimmt sind, Pedalganglion und 
Byssusdrüse zu bilden, die angeschnittene Wand der linken Leber- 
ausstülpung (Z), den Fuß (7), die Zellen, welche den Mundeingang 
(m) begrenzen und endlich das Organ, das uns hier am meisten 
interessirt: die Urniere (Un). 


I. Beschreibung. 


Auf der linken Seite des Embryo, an der hinteren und unteren 
Grenze der Kopfblase, dicht hinter dem Cerebralganglion fallen zwei 
große Zellen auf (Fig. 1 Z und IT), die in innigem Kontakt mit ein- 
ander stehen. Eine Furche zwischen diesen Zellen ist außen in 
ihrem ganzen Umfang vorhanden, eben so eine innere Scheidewand. 
Letztere ist sehr dünn und enthält ein deutliches, fast kreisrundes 
Loch, das aber nicht vollständig in der Mitte der Wand liegt, sondern 
dem unteren Rand derselben genähert erscheint (Fig. 4 2). Die Inhalte 
der Zellen stehen somit in direkter Kommunikation mit einander. 
Die Zellen selbst sind rundlich, stimmen auch in der Größe ganz 
mit einander überein, während ihre Kerne ein total verschiedenes 
Aussehen haben. Der Kern der Zelle 7 (Fig. 1), der dicht an der 
Zelle IZ liegt, ist bohnenförmig, normal tingirt und mit zwei starken 
Kernkörperchen versehen, während der Nucleus der Zelle 77, im 
Centrum derselben gelegen, Kugelform besitzt. Er ist ferner be- 
deutend umfangreicher als derjenige der Zelle /; sein Inhalt ist 
ziemlich gleichmäßig fein gekörnelt und auffallend schwach färbbar. | 
Nur eine Stelle, die aber nicht scharf kontourirt ist, hat relativ be- 
deutend Farbstoff aufgenommen (Fig. 1 und 4). Die Kerne werden 
sanz von Protoplasma umhüllt, während der übrige Theil der Zellen Z 
und /Z leer und daher vollständig farblos ist. Besonders deutlich 
zeigt sich diese Erscheinung in Zelle /, deren Kern offenbar passiv 
an die hintere obere Wand angedrückt wurde; in jener Ecke (Fig. 1 
und 4), zwischen Kern und Zellmembran, findet sich ganz deutlich 
eine kleine Portion von gefärbtem Plasma, das wahrscheinlich den 
Kern an der oberen Zellwand befestigt. In der Zelle 77 wurde zwar 


! Die Schalendrüse wurde von dem Schnitt nicht mehr getroffen. 


Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 45 


neben Kern und der aus ihm entspringenden Geißel nichts Tingir- 
bares bemerkt, aber rings um den Kern herum verläuft eine sehr 
feine Linie (Fig. 4), welche möglicherweise als der äußere Kontour 
einer den Kern allseitig umgebenden Plasmahülle aufgefasst werden 
kann. Bei starken Vergrößerungen glaubte ich an mehreren Stellen 
Verbindungsstränge derselben mit der Zellwand zu sehen; sicher 
kann ich dies nicht behaupten, aber es machte mir immer den Ein- 
druck, wie wenn der Kern // an einem Plasmanetz in der Zelle 
aufgehängt wäre. ! 

Jede der beiden großen Zellen besitzt einen kegel- oder trichter- 
förmigen Fortsatz. Derjenige (la, Fig. 1 und 4) der Zelle / erstreckt 
sich über das Cerebralganglion nach oben und vorn und sucht An- 
schluss an eine Zelle der Kopfblase, während der andere (//a, 
Fig. 1 und 4) nach unten und hinten tief in das »primäre Schizo- 
coel« hineinreicht. 

Dieses Hauptstück der Urniere ist an der Leibeswand (wahr- 
scheinlich auch am linken Leberlappen) befestigt. Die langgestreck- 
ten Zellen, welche als Aufhängeband dienen, setzen in der Furche 
zwischen den großen Zellen / und // an, wo ihr Protoplasma noch 
etwas tingirt wurde, während es nachher vollständig hyalin ist. Die 
kugeligen Kerne (in Fig. 1 und 4 mit « und ß bezeichnet) sind gut 
färbbar. Sie erscheinen allerdings bedeutend blasser (und kleiner) 
als der Kern der Zelle / und nur um einen kleinen Betrag stärker 
tingirt als derjenige der Zelle ZZ. Kernkörperchen fanden sich 
keine; das Chromatin war in ziemlich starken Körnern gleichmäßig 
vertheilt. Die Kerne « und £ liegen auf dem Schnitt Fig. 1 höher 
als die Kerne der Zellen Z und II. | 

Die rechte seitliche Wand der trichterförmigen Verlängerung Ja 
(Fig. 4) ist weggeschnitten und man sieht in den vollständig freien 
Raum dieses Gebildes hinein. Von der oberen Wand des Conus 
ragen lange, auswärts gerichtete Wimpern nach unten in die Höh- 
lung hinein; sie sitzen auf einer kleinen aber deutlichen wulst- 
förmigen Erhöhung der Wand (Fig. 2 und 4 w).. An anderen Stellen 
dieses Trichters habe ich weder im konservirten noch im lebenden 
Zustand des Embryo Wimpern nachweisen können. 

Der Trichterfortsatz /a geht schließlich in einen sehr feinen 
Kanal (Fig. t und 2) über, der in eine kleine kugelige Blase (d2 
Fig. 1 und 2) mündet. Links und rechts dicht neben der Einmün- 
dungsstelle des Kanals liegt je ein winzig kleines aber markirtes 
Klümpchen einer sehr gut tingirbaren Substanz (r, Fig. 1 und 2). 


46 Hch. Stauffacher, 


Der ebenfalls sehr feine Kanal ex (Fig. 1 und 2), der aus diesem 
bereits in der Kopfblase liegenden Hohlraum wegführt, zeigt bei 
seinem Ursprung dieselben Klümpchen (r’, Fig. 1 und 2).. Er wendet 
sich im Bogen nach oben und vorn und mündet in einer kleinen 
Öffnung des Ektoderms nach außen (Fig. 1 und 2 p). Es kommen 
jedoch in meinen Präparaten Fälle vor, wo dieser Porus näher an 
den Zellen des Cerebralganglions liest. Die Klümpehen r und r’ 
liegen in der Wandung der Kanäle und nicht auf derselben, was 
allerdings erst bei sehr starken Vergrößerungen deutlich hervortritt 
(Fig. 10). Da auf dem Schnitt Fig. 1 sowohl bei r als r’ jederseits 
ein solches Körperchen auftritt, so liest die Vermuthung nahe, es 
möchte sich hier um Ringe, und zwar um kontraktile Ringe handeln; 
jedenfalls haben wir es, wie später noch aus einander gesetzt werden 
soll, nicht mit zufälligen, sondern mit konstanten Gebilden zu thun. 

Wie bereits bemerkt, trägt auch Zelle // einen kegelförmigen, 
nach hinten und unten sich erstreckenden Fortsatz (Z/a, Fig. 1), der 
in Form und Größe vollständig demjenigen der Zelle 7 entspricht. In 
dem ganz farblosen Hohlraum dieses Trichters verläuft nun aber eine 
prachtvoll tingirte, korkzieherartig gewundene Geißel, die im Kern 
der großen Zelle // selbst entspringt, und zwar in jener Partie, die 
sich durch stärkere Färbung von der übrigen Kernsubstanz deutlich 
abhebt (Fig. 1 und 4). Der Conus //a ist zwar von seiner Zelle 7 
durch eine sehr feine Scheidewand getrennt, aber in der Mitte der- 
selben befindet sich ein Loch, dessen Rand nach unten zu einen 
hyalinen Aufsatz trägt (Fig. 1 und 4). Die Geißel verläuft in dieser 
kurzen Röhre ganz excentrisch (der oberen Wand derselben näher 
gerückt) und durchzieht den Fortsatz //a in seiner ganzen Länge. 
Ich betone: Die Geißel war so intensiv gefärbt, dass man sie leicht 
schon bei 150facher Vergrößerung sah, während durch stärkere 
Linsen jede einzelne Windung verfolgt werden konnte. 

Auch der Trichterfortsatz //a verjüngt sich allmählich in einen 
äußerst feinen Kanal, der tief im primären Schizocoel Anschluss an 
die Zelle /7/ (Fig. 1) findet, welche wiederum ganz specifische Eigen- 
schaften besitzt. Sie liegt etwa in der Hohe der Mundöffnung und 
stimmt in den meisten Eigenschaften mit den gewöhnlichen, zahlreich 
im Inneren des Embryo zerstreuten Mesoderm- (resp. Mesenchym-) 
Zellen überein; nur in der Form weicht sie von diesen Elementen 
ab und erinnert in diesem Punkt auffallend an ein Glockenthierchen. 
Der in einen Stiel sich verjüngende obere Theil der Zelle 777 schließt 
sich an den oben erwähnten Kanal, der von dem Trichter //a 


Die Urniere bei Cyelas cornea (Lam... 47 


herunterreicht, während das stark verbreiterte gegenüberliegende Ende 
— einstweilen noch von der Membran überzogen — sich der geräu- 
migen Höhle des Embryo zukehrt (Fig. 1 und 5). Der Kern ist 
kugelrund, nähert sich dem Stielende und besitzt zwei deutliche 
Kernkörperchen. Diese merkwürdige Zelle lehnt sich an einen 
Zellenhöcker an, der seinerseits wieder fest der linken Körperwand 
aufsitzt und offenbar dazu dient, die Zelle /// in die Leibeshöhle 
vorzuschieben und zugleich zu stützen. 

Der Höcker ist im Ganzen auf drei Schnitten sichtbar. Auf 
dem ersten, also dem der Leibeswand zunächst liegenden (Fig. 6), 
schließen die Zellen noch relativ fest zusammen; nachher aber tre- 
ten sie immer weiter aus einander, so dass ein Hohlraum zwischen 
ihnen entsteht (Fig. 1 A). Die Inhalte erscheinen noch blasser und 
die inneren Zellgrenzen mehr oder weniger verwischt. Einige diese 
Bildung an ihrer Außenseite begrenzenden Zellen sind sichelförmig 
gestreckt (Fig. 1). 

Beachtenswerth erscheint mir hier noch die mit z bezeichnete 
Zelle in Fig. 6. Sie ist nicht etwa identisch mit Zelle Z/7 im Fig. 1, 
sondern liegt links hinter derselben, scheint aber einer ähnlichen 
Metamorphose zu unterliegen wie jene. Besonders interessant ist die 
sroße Vacuole (v, Fig. 6), die den Kern an die gegenüberliegende 
Wand presst. Diesem Druck verdankt derselbe offenbar seine 
bohnenförmige Gestalt, wie sie uns bereits beim Kern der Zelle 7! 
(Fig. 1) begegnete. Auch in der Zelle ZIZZ (Fig. 1 und 5) bilden 
sich bereits Vacuolen, und zwar scheint dies hier an verschiedenen 
Stellen zugleich, besonders aber vom Stiel aus vor sich zu gehen, 
der indess einstweilen mit dem Kanal //a noch nicht kommunieirt. 

Überblicken wir das ganze bisher beschriebene und in Fig. 1 
abgebildete Organ, so muss sich uns wohl die Überzeugung auf- 
' drängen, dass wir es allerdings mit einem noch unfertigen?, aber 
sicher nicht mit einem rudimentären Gebilde zu thun haben. Würde 
die Zelle ZI/ in ihrer einmal eingeschlagenen Tendenz Vacuolen zu 
bilden fortfahren, bis schließlich ein zusammenhängender innerer 
Hohlraum zu Stande käme, der nach oben mit dem Kanal I/a, 
nach unten mit dem primären Schizoecoel Kommunikation schaffen 


1 Auch das Plasma in der Ecke der Zelle Z (Fig. 1 und !) zeigt in seiner, 
dem Hohlraum der Zelle zugekehrten Partie diesen Druck deutlich an. 
| ? Die Urniere endigt auf diesem Stadium in der That nach innen blind. 
Das ist auch der Grund, wesshalb in den mittleren und äußeren Partien der- 
selben keine Sekretkörner zu finden sind. 


48 Hch. Stauffacher, 


könnte, so bedürfte die Zelle 777 nur noch eines geeigneten Strudel- 
apparates, und sie wäre befähigt, allfällig in der Leibeshöhle sich 
ansammelnde Flüssigkeit unter Mithilfe des bereits funktionsfähigen 
Abschnittes nach außen zu befördern. Es war daher wünschens- 
werth, diese Zelle /ZZ irgendwo in einem vorgerückteren Stadium 
anzutreffen und dies gelang mir in der That nach langem Suchen 
in einer Serie, welcher der in Fig. 3 dargestellte Schnitt angehört. 
Er würde ungefähr einem in der Richtung a—b senkrecht zur Tafel- 
ebene geführten Querschnitt durch Fig. 1 und 7 entsprechen!. Zur 
Färbung des Präparates war Hämalaun verwendet worden. Wir 
finden hier eine Zelle (mit /Z/ bezeichnet), welche uns das in Fig. 1 
angetroffene Organ vervollständigt. Sie liegt wieder auf der linken 
Seite des Embryo, und zwar (wie Zelle //Z in Fig. 1) in der Höhe 
des oberen Mundrandes. Während dieser noch angeschnitten wurde, 
zeigt nur ein Streifen loser Zellen den Verlauf des Vorderdarmes an. 

Wir sehen hier eine deutliche wimpernde Zelle, deren Strudel- 
apparat indess nicht aus Haaren besteht, sondern dadurch zu Stande 
kam, dass die sichtlich stark verbreiterte untere Randzone der Zelle 
zerschlitzte, etwa so, wie die ursprünglich ungetrennte Blattspreite 
einer Fächerpalme zerreißt. Während die übrigen Theile der Zelle 
(mit Ausnahme des Kernes) vollständig hyalin sind, erkennt man m 
jenen wimpernden Partien viele, regelmäßig in Reihen geordnete, 
sehr feine und intensiv gefärbte Körnchen, die ohne Ausnahme ihren 
Zug nach dem Kern hin nehmen. In dem mittleren, der in Zelle 
III Fig. 3 dargestellten Wimperplättchen erkennt man leicht den 
Zusammenhang zwischen dem Kern und der Körnchenreihe; in den 
anderen vier Fällen ist er wohl nur durch den Schnitt unterbrochen 
worden. Zu erwähnen ist auch der Umstand, dass die Körnchen 
nicht in der Mitte der Wimperplättchen, sondern peripher verlaufen. 
Der Kern ist sehr deutlich mit feinkörnigem, fast ganz peripher an- 
selagertem Chromatin versehen. Der Stiel dieser Zelle 777 ist quer 
abgeschnitten, hyalin, jedenfalls hohl und setzt sich nach oben links 
in einen Apparat fort, wie wir ihh bereits in Fig. 1 kennen gelernt 
haben. Eine Scheidewand zwischen Stiel und Kanal der oberen 
Zelle ist nicht mehr zu konstatiren. 

Die strudelnde Zelle /Z/ der Fig. 3 ist wie die entsprechende 
Zelle der Fig. 1 durch einen Aufhängeapparat fixirt. Dieser be- 
steht aus mehreren fast ganz hyalinen Zellen (e, Fig. 3), die einer- 


! Die Zelle ZII in Fig. 1 liegt etwas anders als diejenige in Fig. 3. 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 49 


seits gesen die linke Körperwand, andererseits gegen die Zelle ZZ 
Protoplasmafortsätze schicken. Eben so scheinen sich Ausläufer von 
Zellen des Mundrandes an der Fixirung der Zelle //7 zu betheiligen. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die in Fig. 1 auf dem Wege 
der Metamorphose angetroffene Zelle /// hier in Fig. 3 die ihrer 
Bestimmung entsprechende Form erlangt hat. Durch Vereinigung 
der verschiedenen, in der Zelle entstandenen Vacuolen ist ein zu- 
sammenhängender innerer Hohlraum gebildet worden, der sich am 
Stielende der Zelle /77/ in den Kanal des kegelförmigen Fortsatzes 
/Ia, am breiteren Ende dagegen in das primäre Schizocoel ötinet; 
der Rand dieser Partie wird in einen Strudelapparat umgewandelt. 

Es gelang mir nicht, den äußerst feinen Stiel der Zelle = (Fig. 6), 
welcher dieselbe Richtung einschlägt wie das dünne Ende der Nach- 
barzelle 777 in Fig. 1, bis zu irgend einem Anschluss zu verfolgen, 
aber es ist nicht ausgeschlossen, dass auch dieser Fortsatz, wenn 
nicht schon jetzt, so doch vielleicht später mit dem Raum //a in 
Beziehung resp. Kommunikation tritt. Sollte sich diese Vermuthung 
bestätigen, so würden — möglicherweise nicht konstant, aber doch 
gelegentlich — am inneren Ende der Urniere mehrere wimpernde 
Zellen anzutreffen sein, was bei Annelidenlarven (z. B. Polygordius) 
Ja in der That vorkommt, von mir aber an Cyelas bis jetzt in keinem 
einzigen Fall konstatirt werden konnte. 

Abbildung 7 zeigt den bereits in Fig. 1 funktionsfähigen äußeren 
Theil der Urniere mit dem in Fig. 3 fertig gestellten Endapparat 
kombinirt. Der Kanal ez und der Hohlraum 57 liegen in der Kopf- 
blase, während der ganze übrige Abschnitt frer in der Leibeshöhle 
des Beabryo hängt und nur an zwei Punkten fixirt wird: bei Zelle 
III und zwischen den Zellen I und IT. 

Dieser Umstand verhilft übrigens noch zur Erklärung einer Er- 
scheinung, die mir im Verlaufe der Untersuchung auffiel. Trotzdem 
nämlich die Embryonen einer großen Zahl von Serien auf die An- 
wesenheit der Urniere geprüft wurden, konnte ich nur in relativ 
wenigen Fällen dieses Organ mit Sicherheit konstatiren. Die Schnitt- 
richtung durch die in den Kiemen eingeschlossenen Entwicklungs- 
stadien war natürlich eine rein zufällige. Nicht nur wurde dadurch 
sehr oft die Urniere an verschiedenen Stellen unterbrochen, so dass, 
besonders im Bereich der feinen Kanäle von /a und //Ia der An- 
schluss dieser Elemente unmöglich weiter zu verfolgen war, sondern 
es wurden gelegentlich gewisse Stücke des Organs bei der Präpa- 
ration geradezu entfernt. Ein Schnitt z. B., der zwischen dem oberen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. Es 


90 | Heh. Stauffacher, 


und unteren Aufhängepunkt durchgeht, kann unter Umständen die 
sanze darin enthaltene Partie der Urniere verlieren; eben so ist es 
ieicht möglich, dass in anderen Fällen die wimpernde Zone der 
Zelle Z/I entfernt und dadurch der Urniere ein sehr charakteristi- 
scher Theil amputirt wird. Es ist, nach meiner Erfahrung, auch 
zum mindesten sehr unwahrscheinlich, auf Querschnitten mit Sicher- 
heit. den ausführenden Kanal ex zu verfolgen: Wo die vollständig 
hyalinen Partien — gleichgültig ob nach innen oder außen — be- 
ginnen, da verliert der Suchende auf den Querschnitten sofort jeden 
Anhaltspunkt, es mögen, wie dies in meinen Präparaten nicht selten 
der Fall war, die anderen Bruchstücke noch so unverkennbar her- 
vortreten. 

An lebenden Embryonen ist die Untersuchung nicht minder 
schwierig. Sicher habe ich hier nur die Wimperbewegung im Raume 
ITa beobachtet, ohne andere Theile der Urniere deutlich sehen zu 
können. | 


il. Entwicklung. 


Die Bildung der Urniere bei Cyclas cornea beruht ganz beson- 
ders auf einer Eigenschaft, welche sowohl den Mesenchymzellen als 
den Elementen der Kopfblase in hohem Grade zukommt, nämlich 
zu vacuolisiren. Daneben ist allerdings der amöboide Charakter der 
ersteren nicht außer Acht zu lassen, die Fähigkeit also, nach ver- 
schiedenen Richtungen sich zu strecken oder gar Ausläufer zu sen- 
den, die oft von bedeutender Länge sein können. 

An dem Aufbau der Cyelas-Urniere nehmen sowohl mesodermale 
als ektodermale Zellen Antheil. Der ganze in der Larvenhöhle 
suspendirte Abschnitt, welcher an der unteren Grenze des linken 
Mesodermstreifens liegt, entsteht aus Mesoderm- (Mesenchym-) Zellen, 
während der in der Kopfblase liegende ektodermalen Ursprungs ist. 
Der innere Theil der Urniere geht wesentlich aus zwei Zellen her- 
vor. Die hintere und untere dieser beiden Zellen wandelt sich, wie 
wir bereits gesehen, allmählich in einen strudelnden Trichter um, 
indem der erweiterte, der Leibeshöhle des Embryo zugekehrte Rand 
zerschlitzt, während im Inneren der Zelle Vacuolen entstehen, die 
nach und nach zusammenfließen und das Plasma sammt dem Kern 
an die Zellwand zurückdrängen. Jedenfalls bleiben aber noch Ver- 
bindungsstränge zwischen den Wimperplättchen und dem Kern be- 
stehen, worauf der Zug von Chromatinkörnchen der Zelle 2/7 in 
Fig. 3 hinweist. Die Bewegungen des Strudelapparates werden 


- 


Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 51 


offenbar vom Kern aus besorgt. Die ovale, in anderen Fällen bohnen- 
förmige Gestalt des letzteren rührt von dem Druck her, den die sich 
auscdehnenden Vacuolen auf denselben ausübten. Benachbarte Mesen- 
chymzellen stützen und fixiren die strudelnde Zelle. — Es unterliegt 
meiner Ansicht nach keinem Zweifel, dass der innere Endabschnitt 
der Urniere ursprünglich aus lauter äquivalenten Zellen bestand, 
von denen eine die Funktion eines Strudelapparates übernahm. Da 
hierzu kein Element der Zellgruppe besonders prädestinirt sein 
dürfte, so werden wir auch aus diesem Grunde der bereits ange- 
deuteten Eventualität, es möchten gelegentlich mehrere wimpernde 
Zellen anzutreffen sein, Rechnung tragen müssen. 

Die zweite große, weiter oben und vorn gelegene Zelle theilt 
sich in zwei gleich große Zellen und liefert das sog. Hauptstück der 
Urniere. Eine Scheidewand zwischen den Tochterindividuen kommt 
zwar zur Ausbildung, aber sie ist sehr zart und zeigt, dem unteren 
Rand genähert, ein deutliches Loch. Wenn schon Größe, Form und 
gegenseitige Lage die Annahme der Entstehung dieser Doppelzelle 
durch Theilung einer Mutterzelle viel plausibler erscheinen ließen, 
als die ebenfalls denkbare Bildung derselben aus zwei ursprünglich 
getrennten Elementen, so wird durch Fig. 9 diese Annahme zur 
vollen Gewissheit erhoben. Genau an der Stelle, und zwar auf der 
linken Seite des Embryo, wo in Fig. 1 die Doppelzelle 7 und /I 
liest, findet sich in Fig. 9 eine mächtige Mesodermzelle (Mz) in 
‚ Theilung. Benachbarte Mesenchymzellen übernehmen die Funktion 
eines Aufhängeapparates, ganz so, wie wir es bei Zelle //Z ange- 
troffen haben. 

Im Prineip unterliegen nun die Zellen /Z und // ganz denselben 
Veränderungen wie Zelle //I: Die Zellen strecken sich in die Länge, 
und zwar in zwei einander diametral gegenüberliegenden Rich- 
tungen, und bilden dadurch jene trichterförmigen Fortsätze, die mit 
Ta und //a bezeichnet sind. Sowohl in den letzteren wie in den 
Zellen selbst treten Vacuolen auf, die sich wahrscheinlich schon vor- 
her angelegt und mit den Zellen in die Länge gestreckt haben. In 
Zelle 7 und ihrem Fortsatz 7a fließen die Vacuolen zu einem ge- 
meinsamen Hohlraum zusammen, so dass diese Gebilde, mit Aus- 
nahme jener Ecke, in welche Plasma und Kern zurückgedrängt 
werden, vollständig leer sind. Etwas anders verläuft wohl die 
Metamorphose in Zelle ZZ: Der Kern, der eine aktivere Rolle spielt, 
wie derjenige der Zelle Z, bleibt im Centrum der Zelle ZZ suspendirt 
und erfüllt dieselbe fast ganz. Das den Fortsatz Z/a ursprünglich 

alas 


52 Hceh. Stauffacher, 


durchziehende Plasma sammelt sich in einem eentralen Strang und 
ich nehme an, dass die Geißel aus demselben hervorgeht. 

Betrachtet man ferner die Ecken des Trichterfortsatzes //a in 
Fig. 1 etwas genauer, so kommt man wohl zur Überzeugung, dass 
sich hier die Vacuolen von dem kanalartigen Ende des Stieles aus 
zu bilden begannen, wie es ganz deutlich bei der Zelle 777 hervor- 
trat, und wie es sicher auch im Abschnitt /a der Fall gewesen. 
Während sich aber die Vacuolen der Zelle 7 mit denjenigen des 
Trichters /a vereinigen und dadurch einen zusammenhängenden 
Hohlraum bilden, verschmelzen diese Bildungen der Zelle ZZ und 
ihres Fortsatzes //a nicht mit einander; ihre Wandungen begegnen 
sich, platten sich ab, und dadurch entsteht die sog. Scheidewand 
zwischen Zelle // und Trichter 77a. Hierbei zieht sich aber weder 
die periphere noch die den centralen Plasmastrang bekleidende 
Vacuolenwand des Fortsatzes //a vollständig auf die Zelle 77 zu- 
rück: Jene erkennt man noch zum Theil in den Eeken, diese da- 
sesren in dem kurzen Aufsatz, durch den die Geißel in den Raum 
I/Ia hineinragt. 

Die Bildung der kleinen Blase 5/ (Fig. 1) wurde ebenfalls in 
einer Serie angetroffen und ist in Fig. S dargestellt. Die Zelle 
der Kopfblase hat eine Vacuole (vo) gebildet und von dem übrigen 
Zellleib abgegrenzt, an welche sich der von. der Zelle 7 herauf- 
reichende Kanal anlehnt. Woher die kontraktilen Ringe r und 7’ 
(Fig. 1) stammen, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dafür aber 
kann ich bestimmter angeben, wie der Kanal ex zu Stande kommt. 
Die zwei Kontouren, welche diesen Theil der Urniere begrenzen 
(Fig. 1 und 2), sind zwar sehr deutlich zu sehen; dennoch aber ist 
die innere der beiden Linien. ziemlich kräftiger als die äußere: Ich 
halte jene für eine wirkliche Zellgrenze, diese für eine bloße 
Vacuolenwand. Wäre der Kanal intercellulär, z. B. durch Einstül- 
pung von außen nach innen entstanden, so hätte er allerdings den- 
selben Weg verfolgen können, dann aber würde offenbar die andere 
Linie ebenfalls eine Zellmembran vorstellen müssen. Diese An- 
nahme scheint mir aber unter den angedeuteten Umständen unmög- 
lich zu sein, da hierdurch die verschiedene Dicke der Begrenzungs- 
linien schwer zu erklären sein dürfte. Nach meiner Auffassung ist 
also der Kanal ex ein intracellulärer Gang, welcher unter Zuhilfe- 
nahme einer an die Vacuole 52 anstoßenden Kopfblasenzelle ent- 
steht. Gänzlich ausgeschlossen ist dadurch die Entstehung dieses 
Abschnittes der Urniere durch Einstülpung allerdings noch nicht. 


Die Urniere bei Cycelas cornea (Lam.). 53 


Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Urniere bei Uyclas cornea 
_ paarig angelegt wird, und dieses Verhalten ist, wenigstens in der 
Abtheilung der Lamellibranchiaten, jedenfalls ein primäres; aber ich 
zweifle sehr daran, dass diese beiden Urnieren wirklich in Funktion 
treten, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil, meiner Ansicht 
nach, eine solche vollständig genügt. Das beschriebene, kräftig 
funktionirende Organ reicht gewiss vollauf hin, den Körper der 
noch kleinen Larve vollständig zu reinigen. 


Ill. Funktion. 


Die Funktionen des inneren und mittleren Abschnittes der Ur- 
niere sind aus den im beschreibenden Theil gemachten Angaben 
leicht ersichtlich. Man sollte nun allerdings meinen, die Bewegungen 
der Wimperzelle //Z, der Geißel und der starken Haare des Trich- 
ters /a würden zusammen genügen, um die Sekrete endgültig aus 
dem Körper zu entfernen, aber es erscheint mir durchaus unstatt- 
haft, den als kontraktile Ringe gedeuteten Bildungen bei r und »’ 
jede Bedeutung abzusprechen, obgleich dadurch die Einrichtung 
wesentlich komplicirter erscheint. 

Über die Funktion dieser Gebilde mache ich mir einstweilen 
folgende Vorstellung: Die Blase d/ (Fig. 1) ist ein Reservoir, das von 
unten her mit Sekreten gefüllt wird. Möglicherweise ist sie selbst 
kontraktil. Im einen wie im anderen Fall soll der Ring bei r offen- 
bar verhüten, dass die in den tieferen Abschnitten des Organs ge- 
machten Anstrengungen, Flüssigkeit aus dem Körper herauszuheben, 
dadurch eliminirt werden, dass letztere wieder zurückfließt. Die- 
selbe Bedeutung kommt jedenfalls auch dem Ring r’ zu, der das 
aus der Blase 52 nach außen entfernte Sekret am Zurückfließen 
hindert. — Die Existenz eines kontraktilen Ringes bei r’ scheint 
meiner Ansicht nach entschieden eine Kontraktilität der Blase d/ 
vorauszusetzen, die zu gleicher Zeit mit der Schließung des Ringes 
bei » abwechselnd mit derjenigen des Ringes bei r’ funktionire 
müsste. 


IV. Litteratur. 
Wir haben es, wie Eingangs erwähnt, lediglich mit zwei Angaben 
zu thun, die über die Urniere bei Lamellibranchiaten berichten. HAT- 
SCHEK schreibt über dieses Organ bei Teredo zuerst (1!, p. 13 u. 14). 


1 s. Litteraturverzeichnis. 


94 Heh. Stauffacher, 


Mehr Vergleichungspunkte bietet uns die Abhandlung von ZıEG- 
LER über Cyelas cornea Lam., wo er p. 544 und 545 schreibt: »An 
der hinteren und unteren Grenze der Kopfblase, wenig höher als 
das Ganglion, liegt die Urniere. Sehr nahe am Ektoderm verläuft 
von vorn oben nach hinten unten ein äußerst feiner flimmernder 
Kanal (Textfig.! 1 und 2 9); die einzelnen Cilien kann man der Klein- 
heit und der raschen Bewegung wegen nicht sehen; ich glaubte 
Anfangs, es sitze am oberen Ende eine lange 
Wimperflamme an, wie solche bei Plathelmin- Ä 
ten und Rotatorien vorkommen und ich sie oft 
bei Uercarien gesehen habe; erst später, als ich 
den Kanal einmal ausnahmsweise etwas erweitert 


sah, kam ich zu der Ansicht, dass das feine Rohr eine gleichmäßige 
Flimmerung besitzt. Dieser Kanal geht in eine auffallend große, mit 
Srobem. .... Kern (Textfig. 1 z und Textfig. 2) versehene Zelle hin- 
ein; ein kleiner Theil des Protoplasmas dieser Zelle liegt vor dem 
Kern, der größere hinter demselben in der Richtung nach hinten und 
unten. Die hinter dem Kern liegende Protoplasmamasse ist im Trocho- 
phorastadium kleiner als später. Das Protoplasma der Zelle ist mit 
feinen und gröberen Körnchen erfüllt. Mit sehr starken Verößerungen 
bemerkt man, dass vom Hinterende der großen Zelle aus ein äußerst 
feiner kurzer Kanal seitwärts durch das Ektoderm nach außen führt; 
man kann die Öffnung dieses Kanals am lebenden Thier zwischen 
den Ektodermzellen sehen (Fig. 333 — Textfig. 4) und kann den 
Kanal auf den Schnitten erkennen. Den oben genannten flimmern- 


1 Zur leichteren Kontrolle erlaubte ich mir, die die Urniere betreffenden 
Figuren aus ZIEGLER’s Abhandlung im Text beizufügen. Textfig. 1 = Fig. 37, 
Textfig. 2 = Fig. 38A, Textfig. 3 = Fig. 35, Textfig. 4 = Fig. 38B in ZIEG- 
LER’s Abhandlung. 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam... 55 


den Kanal kann man bis in den hinteren Theil der großen Zelle 
hinein verfolgen, und zwar gelang mir dies mit sehr starken Ver- 
srößerungen am frischen Thier und auf den Schnitten; es ist also 
sehr wahrscheinlich, dass die große Zelle von dem Kanal ganz 
durchsetzt wird, dass sie demnach eine sog. durch- 
bohrte Zelle ist. 

In Betreff des oberen Endes des flimmernden 
Kanales sieht man am lebenden Thier, dass das- 
selbe ein wenig trichterförmig erweitert ist; ob 
dieser fliimmernde Trichter sich in die Leibeshöhle 
öffnet oder nicht, habe ich am lebenden Thier nicht entscheiden 
können, weil viele Mesenchymzellen das obere Ende umgaben. Was 
ich mit ausgezeichneten optischen Mit- 
teln an einer günstigen Schnittserie 
über das obere Ende beobachten konnte, 
ei ın Fie. 35 (= Textfig. 3) darge- 
Ball ...... 

Zu den Seiten des oberen Endes 
des fimmernden Kanals liegt meistens 
je ein Klümpchen einer eigenthüm- 
lichen lichtbrechenden tingirbaren Sub- 
stanz (Fig. 37 »& = Textfig. 1); da die- 
ses mn Fig. 35 (— Textfig. 3), wie ich 
‚glaube, bei » sich befindet, so scheint 
der flimmernde Kanal oben in einen schmalen kanalartigen Raum 
überzugehen, in welchem ich eine Flimmerung nicht bemerkt habe. 
Dass dieser Raum bei * oder sonst irgendwo mit dem primären 
Schizocoel in Verbindung stehe, also ein Theil desselben sei, kann 
' ich nicht mit Bestimmtheit in Abrede stellen, aber ich zweifle daran; 
ich habe auch keine theoretischen Gründe es anzunehmen. 

Da der Urniere zahlreiche Mesenchymzellen anliegen, kann ich 
nicht mit Sicherheit angeben, welche der umliegenden Kerne der- 
selben zugehören, also aus wie viel durchbohrten Zellen sie besteht; 
es ist mir wahrscheinlich, dass der ganze flimmernde Kanal von der 
sroßen Zelle allein umschlossen wird, und dass dem oberen kanal- 
artigen Raum nur der am Ende gelesene Kern zugehört...... < 

Es geht zwar aus der Beschreibung ZiEsLeEr’s nicht mit Gewiss- 
heit hervor, ob er wirklich nur eine Urniere gesehen hat, oder ob 
er bloß von einem Organ spricht mit Rücksicht darauf, dass der 


bilateral-symmetrische Bau der Lamellibranchier a priori ein Paar 
8 


Fig. 4. 


3 Leber 


56 ; Heh. Stauffacher, 


solcher voraussehen lässt. Immerhin glaube ich, dass jene erstere 
Ansicht zu Grunde liegt, was mit dem durch meine Untersuchung 
erhaltenen Resultat prineipiell übereinstimmen würde. Auch in ver- 
schiedenen Details erkennt man unschwer Übereinstimmung in den 
beiden Arbeiten. 

Diskutiren wir zuerst die »große Zelle«. ZIEGLER spricht nur 
von einem derartigen Gebilde mit einem Kern, und im Einverständ- 
nis hiermit findet sich v. ERLANGER, der jene Zelle Riesenzelle 
nennt. 

Ganz abgesehen davon, dass der in Fig. 9 abgebildete Schnitt 
diese Angaben endgültig widerlegt, sprechen gewichtige theoretische 
Gründe, die wir, in Ermangelung jenes Präparates, schon aus der 
Fig. 1 hätten abstrahiren können, durchaus gegen die Behauptung 
der beiden Forscher. Es wäre in diesem Fall, um möglicherweise 
Übereinstimmung zu schaffen, die Frage zu prüfen, ob nicht viel- 
leicht eine der Zellen / oder ZZ in Fig. 1 ihres selbständigen zel- 
ligen Charakters entkleidet und als bloßer Anhangstheil der anderen 
aufgefasst werden könnte. Bei einem derartigen Versuch kann zum 
Vornherein nur Zelle / in Betracht fallen, deren Kern dann irgend 
einer Aufhängezelle zugeschrieben werden müsste. Diese Möglich- 
keit ist aber völlig ausgeschlossen, und zwar aus folgenden Gründen: 

1) Die in Fig. 1 auffallende Symmetrie des »Hauptstückes« 
würde dadurch zerstört. 

2) Die Nothwendigkeit des trichterförmigen Ansatzes /a wäre 
kaum einzusehen. 

3) Die charakteristische Form des Kernes / in Fig. 1 könnte 
nicht erklärt werden. 

4) Der mit / bezeichnete Raum ist vollständig entzwei geschnit- 
ten, und der in Frage stehende Kern / liegt im Inneren und nicht 
auf der Wandung desselben. Er liest in unserer Fig. 1 genau auf 
der Höhe des Kernes //: Beide verschwinden bei höherer Einstel- 
lung zugleich, bei tieferer tauchen beide zugleich in derselben 
Schärfe auf. Würde der Kern / einer Aufhängezelle oder einer 
anderen neben der Urniere liegenden. Zelle angehören, so könnte 
nur ein zum Verlauf des Organs schief stehender Schnitt die beiden 
Kerne // und / in demselben Maße zugleich treffen und die Fort- 
setzung der Urmiere nach oben und unten müsste dadurch ohne 
Zweifel einen Unterbruch erleiden, was leider bei ZIEGLER’S Sehnitt- 
präparaten gerade der Fall war. \ 

5) Die Abbildungen ZIEGLER’s werden, wie wir gleich sehen, 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 57 


eigentlich erst dadurch verständlich, dass wir die an mehreren Orten 
Sezeichneten sroßen Zellen (x) nicht als identisch auffassen, wie er 
es thut, sondern auf zwei differente Zellen zurückführen, die wohl 
ohne Weiteres den Zellen / und Z/I/ in Fig. 1 gleichgesetzt werden 
dürfen. 

Sehen wir uns nunmehr ZIEGLER'sS Fig. 37 (— Textfig. 1) etwas 
näher an. Der »äußerst feine, fiimmernde Kanal » verläuft sehr 
nahe am Ektoderm von vorn oben nach hinten unten« und ent- 
spricht daher dem Kanal /«a unserer Fig. 1. Die Richtigkeit dieser 
Annahme wird noch ganz besonders erwiesen durch die »zwei 
Klümpchen einer eigenthümlichen, lichtbrechenden, tingirbaren Sub- 
stanz &«, die in Fig. 37 in der Nähe des oberen Endes des Kanals 
p verzeichnet sind. Sie hängen an einer (von ZIEGLER nicht be- 
zeichneten) Zelle, in der selbst ein Kern vorhanden sein soll. 

Es widerspricht wohl nichts der Annahme, dass diese Klümp- 
chen identisch seien mit den Körperchen r in Fig. 3. ZIEGLER hat 
also bereits die »kontraktilen Ringe« gesehen, ohne dass er sie, der 
in nächster Nähe erfolgten Unterbrechung des Kanals p wegen, 
mit diesem in sicheren Zusammenhang hätte bringen können. 

Die Zelle, an welcher die eigenthümlichen Körperchen bei w 
hängen, ist ohne Zweifel identisch mit der kleinen Blase 52 in Fig. 1, 
die nach meinen Beobachtungen allerdings bloß der vacuolisirte Theil 
einer Zelle ist. Auch die Anschauung ZıEsLer’s über die Verthei- 
lung der Wimpern im Kanal kann ich nicht bestätigen. 

Da der Kern x in Fig. 37 unmittelbar an der unteren Grenze 
des Kanals p liest, so muss er identisch sein mit dem Kern / 
unserer Figuren. Eben so könnten die‘(von ZIEGLER nicht bezeich- 
neten) in unmittelbarer Nähe des Kermes x gelegenen, auffallend 
gestreckten Zellen wohl in Zusammenhang gebracht werden mit den 
Aufhängezellen «& und £ der Fig. 1. 

ZIEGLER glaubt nun, der Kern x seiner Fig. 33 A sei identisch 
mit dem Kern x der besprochenen Abbildung. Das kann aber nur 
dann der Fall sein, wenn der Kanal p (Fig. 33 4) identisch ist mit 
dem Kanal „ der Fig. 37, was ZIEGLER offenbar annimmt, und 
worauf die gleichnamige Bezeichnung der beiden Kanäle 9 sowohl 
als der ihnen gegenüberliegenden Öffnungen ı) hinweist. 

Diese Deutung ZriesLer’s kann wohl kaum richtig sein; denn auf 
den ersten Blick erweisen sich jene zwei Kanäle als total verschie- 
‚den. Während y in Fig. 33 A ein die Zelle durchbohrender Kanal ist, 
scheint p in Fig. 37 nichts weniger als ein intercellulärer Gang zu 


58 Hch. Stauffacher, 


sein. Aus der bildlichen Darstellung dieses Kanals geht vielmehr 
hervor, dass er eine Verlängerung der großen Zelle ist, was bei 
dem analogen Theil (7«) der Urniere in Fig. 1 ja in der That der 
Fall war. Es mangelt dem Kanal @ der Fig. 35 4 ferner nicht nur 
jegliche Flimmerung, sondern er entbehrt ganz besonders auch der 
beiden charakteristischen Klümpcehen. Die gestrichelte, trichter- 
förmige Erweiterung (Fig. 38 A) darf als rein hypothetisches Ge- 
bilde überhaupt nicht in Betracht gezogen werden. Es würde übri- 
gens schwer fallen, dieselbe mit irgend einem in Fig. 37 dargestell- 
ten Theil in Einklang zu bringen. 

Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass in (Fig. 384) 
- überhaupt ein neuer Kanal vorliegt, und dass er dem in unserer 
Fig. 1 gezeichneten Kanal //a entspricht; denn von dem Hinter- 
ende (der großen Zelle geht kein Kanal durch das Ektoderm nach 
außen, wie ZIEGLER meint. Er bemerkt zwar, dass man diesen 
Kanal auf den Schnitten erkennen könne, und dass ferner die 
äußere Öffnung desselben am lebenden Thier zwischen den Ekto- 
dermzellen zu sehen sei, aber eine Abbildung dieses Kanals findet 
sich in ZIEGLER’s Abhandlung nirgends, und die Möglichkeit, eine 
so feine Öffnung am lebenden Thier sicher zu sehen, scheint mir 
recht zweifelhaft zu sein. Da ZIEGLER diesen Porus mit Yu bezeich- 
net (Fig. 335), so betrachtet er ihn offenbar als identisch mit den 
Öffnungen ıv in den Fig. 37 und 38 A, und dadurch wird auch der 
endgültige Beweis erbracht, dass ZIEGLER seine Fig. 37 und 334 
vollständig identifieirt hat. 

Entspricht nun aber der Kanal 9 in Fig. 38 A dem Kanal I//a 
unserer Fig. 1, so kann der Kern x der Fig. 38 A nicht identisch 
sein mit dem Kern x in Fig. 37. Wir haben dann vielmehr zwei 
verschiedene Kerne vor uns, von denen Kern x in Fig. 37 den Kern 
T, Kern x der Fig. 38 A dagegen dem Kern // unserer Fig. 1 ent- 
spricht. Der Kern x der Fig. 38 A gehört demnach der großen, 
hinter und unter dem Kern z der Fig. 37 gelegenen Protoplasma- 
masse an, und die Fig. 38A ist die Fortsetzung des in Fig. 37 dar- 
gestellten Theiles der Urniere nach hinten und unten. Die sich in 
einer gewissen Entfernung von der Zelle bemerkbar machende 
trichterförmige Erweiterung des Kanals p der Fig. 38 A kann uns 
in dieser Annahme nur bestärken. 

ZIEGLER wurde in seiner Untersuchung über die Urniere von 
Öyclas cornea, wie wir sehen, nur irre geführt durch die zum Ver- 
lauf des Organs mehr oder weniger schief stehenden Schnitte, aber 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). 59 


gerade dadurch liefert uns die Arbeit den gewünschten, vollgültigen 
Beweis für die wiederholt aufgestellte Behauptung, es sei kaum 
rathsam, die Urniere aus Bruchstücken zusammenzusetzen, diese letz- 
teren mögen noch so unzweifelhaft vorliegen. | 

Was ZIEGLER »mit ausgezeichneten optischen Mitteln an einer 
günstigen Schnittserie über das obere Ende (des wimpernden Kanals) 
beobachten konnte, ist in Fig. 35 (= Textfig. 3) dargestellt (Zeiss, 
homog. Imm. 1/18, Oc. IV, Aps£’scher Beleuchtungsapparat)«, und 
man erkennt chi wirklieh ohne Weiteres die große Übereinstim- 
mung dieser Abbildung mit dem entsprechenden in unseren Fig. 1 
und 4 dargestellten Theil der Urmiere, nur mündet bei * (Fig. 35) 
der »schmale, kanalartige Raum« nicht ins primäre Schizocoel (was 
auch ZIEGLER für das Wahrscheinlichere hielt), sondern in die,‚kleine 
Blase 52 unserer Fig. I, 2 und 7. 


V. Resume. 

1) Die Urniere von Oycelas cornea Lam. ist nicht rudimenfär, 
sondern ein kräftig funktionirendes Organ. 

2) Bis jetzt konnte sie nur auf der einen (linken) Seite der 
Trochophora konstatirt werden. 

3) Die Urniere öffnet sich in das primäre Schizocoel mittels 
einer wimpernden Zelle; in der »Kopfblase« mündet sie durch einen 
feinen Porus des Ektoderms nach außen. | 

4) Die mittlere Partie, das sog. Hauptstück der Umiere, besteht 
aus zwei großen Zellen mit zwei trichterförmigen Fortsätzen, die 
beide in feine Kanäle übergehen. Derjenige der unteren (hinteren) 
Zelle kommunieirt mit dem Wimpertrichter, derjenige der oberen 
Zelle erreicht eine kleine Blase. Der von hier nach dem ausmün- 
denden Porus sich erstreckende Kanal steht Anfangs fast in einem 
rechten Winkel zum vorigen. 

5) Die in der Leibeshöhle der Larve sich ansammelnden Se- 
krete werden gehoben: 

a. Durch einen Strudelapparat der untersten Zelle, 

b. durch eine korkzieherartig gewundene Geißel, die im Trichter- 

fortsatz der unteren großen Zelle verläuft, 

e. dureh einen Büschel starker Wimpern im Fortsatz der oberen 

sroßen Zelle, 

d. durch zwei kontraktile Ringe an der Einmündungsstelle der 

beiden Kanälchen in den kleinen Hohlraum der Kopfblase 
gelegen, 


60 Heh. Stauffacher, 


6) An der Bildung der Urniere betheiligen sich sowohl meso- 
dermale als auch ektodermale Zellen. Der ganze in der Larven- 
höhle suspendirte Absehnitt des Organs entsteht, wenn wir von den 
Aufhängezellen absehen, aus zwei Mesodermzellen. Von diesen 
liefert die eine den Strudelapparat, die andere das sog. Hauptstück 
der Urniere. — Die kleine Blase mit dem nach außen mündenden 
Kanal nimmt ihren Ursprung aus zwei Zellen des Ektoderms. 

7) Das Hohlraumsystem der Cyelas-Urniere ist durchwegs ein 
intracelluläres. 


Frauenfeld (Schweiz), im April 1897. 


Litteraturverzeichnis, 


1. B. HATSCHEK, Über Entwicklungsgeschichte von Teredo. in: Arb. Zool. 
Institut Wien. Bd. III. 1. Heft. 1880. 

2. H.E. ZIEGLER, Die Entwicklung von Cyclas cornea Lam. in: Diese Zeitschr. 
Bd. XLI: 1885. 

3. R. v. ERLANGER, Etudes sur le developpement des Gastöropodes pulmon&s. 
in: Arch. de Biologie. T. XIV. p. 127—138. 1895. 

Im Übrigen verweise ich auf das Litteraturverzeichnis der Arbeit v. ER- 
LANGER’S. 


Erklärung der Abbildungen. 


Durchgehende Bezeichnungen: 


bl, kleine Blase im ausmündenden Theil der Urniere; 

cg, Zellen des Cerebralganglions; 

I Ruß: 

K, Kopfblase; 

L, Leberausstülpung; 

m, Mund (resp. Zellen, die den Mundeingang begrenzen); 
p, Ausmündungsporus der Urniere; 

n, Urniere; 

v, Vacnole. 


Tafel III. 


Fig. 1. Längsschnitt parallel der Medianebene durch die linke Seite der 
Trochophora. Es ist zugleich ein Längsschnitt durch die Urniere. Das Präpa- 
rat war mit Boraxkarmin gefärbt. / und II, die zwei großen Zellen, welche 
das sog. Hauptstück der Urniere bilden. Za und ZIa, ihre trichterförmigen 


Be 


TREE RT 


Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam.). | 


Fortsätze. « und ?3, die Kerne der Aufhängezellen dieser Partie. ex, aus- 
mündender Kanal der Urniere. III, Zelle, die den Strudelapparat der Urniere 
bildet. Sie repräsentirt den innersten Abschnitt der Urniere. Ah, Zellenhöcker, 
welcher die Zelle /7Z an der (linken) Leibeswand befestigt. Vergr. 260/1. 

Fig. 2. Die in Fig. 1 dargestellten oberen äußeren) Partien der Urniere 
stark wergrößert. » und r’, kontraktile Ringe; w, Wulst an der oberen Wand 
des Trichterfortsatzes Z/a. In ihm entspringen starke Wimpern. Vergr. 500/1. 

Fig. 3. Querschnitt durch die Trochophora. Er entspricht einem un- 
sefähr in der Richtung a—D senkrecht zur Tafelebene durch die Fig. 1 geleg- 
ten Schnitt. Das Präparat war mit Hämalaun gefärbt. ZZ, wimpernde Zelle. 
Sie entspricht der Zelle 777 in Fig. 1. «, Aufhängeapparat der Zelle III. vd, 
einzelne Zellen, die den Vorderdarm begleiten (vgl. hierzu die Fig. 9). Vergr. 
260/1. 

Fig. 4. Stark vergrößertes »Hauptstück« der Urniere. /, Loch in der 
Scheidewand zwischen den beiden großen Zellen (die übrigen Bezeichnungen 
wie in Fig. 1). Vergr. ca. 600/1. 

Fig. 5. Zelle 777 der Fig. 1 stark vergrößert. v, Vacuolen. Vergr. ca. 
600/1. 

Fig. 6. Erster Schnitt durch den der linken Leibeswand aufsitzenden 
Zellenhöcker A (Fig. 1). z, eine Zelle dieses Höckers, welche dieselbe Meta- 
morphose anstrebt, wie die ihr benachbarte Zelle /1Z (Fig. 1). Vergr. 260/1. 

Fig. . Kombination von Fig. 1 und 3. Durch gestrichelte Linien wurden 
angedeutet: Vorderdarm, Leberausstülpung, Enddarm und Schalendrüse. Die 
Urniere (Un) liegt links neben diesen Organen. Vergr. 260/1. 

Fig. 8. Stück eines Längsschnittes durch die linke Seite der Trocho- 
phora. Das Stadium ist etwas jünger als die in Fig. 1 und 3 dargestellten. 
Das Präparat war mit Boraxkarmin gefärbt. Vergr. 260/1. 

Fig. 9. Längsschnitt durch die linke Seite der Trochophora. Der Schnitt 
steht etwas schief zur Medianebene. Am oberen und vorderen Ende des (auf 
diesem Schnitte nicht mehr getroffenen) Mesodermstreifens findet sich eine 
sroße Mesodermzelle (Mz) in Theilung. Sie liefert die beiden Zellen Z und 
11 (Fig. 1) des »Hauptstückes« der Urniere. Färbung mit Boraxkarmin. Vergr. 
260/1. 

Fig. 10. Das obere Ende des Kanals Za, die Blase 5! und der Ausführ- 
gang ex (Fig. 1) der Urniere sehr stark vergrößert, um die Lage der Klümp- 
chen r und r’ in der Wandung der beiden Kanälchen zu zeigen. Vergr. ca. 
1000/1. 


Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung 
der Amphibiengliedmafsen, besonders von Garpus 
und Tarsus. 

Von 
Wilhelm Zwick. 


(Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) 


Mit Tafel IV und V. 


Darstellungen der Hand- und Fußwurzel der Amphibien wurden 
schon von älteren Forschern, wie UUVIER (14), Owen (30), Duges (15), 
MEcKEL (29) u. A. gegeben. Dieselben waren jedoch entweder rein 
beschreibender Natur, oder enthielten höchstens in so fern ver- 
sleichende Angaben, als sie die bei den Amphibien vorliegenden 
Verhältnisse den entsprechenden am menschlichen Skelett an die 
Seite stellten, die hier gebräuchlichen Benennungen auch auf jene 
übertragend. | 

Dass ein solches Verfahren, welches einerseits den verbinden- 
den Anschluss an einfache und ursprüngliche Formen vernachlässigte, 
andererseits die Kluft nicht achtete, welche Anfangs- und Endglieder 
der großen Wirbelthierreihe trennt, wenig im Interesse einer ver- 
gleichenden Forschung liegen konnte, dürfte nach unserer heutigen 
Anschauung wohl selbstverständlich sein. 

In richtiger Erkenntnis dieser Lücken unternahm es daher 
GEGENBAUR (19) in seinem im Jahre 1864 erschienenen klassischen 
Werke »über Carpus und Tarsus«, das Vorhandene in kritischer 
Weise benutzend und gestützt auf zahlreiche selbständige Unter- 
suchungen, das Hand- und Fußwurzelskelett der Wirbelthiere in 
methodisch-übersichtlicher Weise von einem einheitlichen Gesichts- 
punkte aus zu bearbeiten. Dabei fasste dieser Forscher — und zwar 
seschah das von ihm auf diesem Gebiete zum ersten Mal — neben 


ER ERBE WELLE np 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 63 


vergleichend-anatomischen auch embryologische Verhältnisse ins Auge. 
Er stellte den Aufbau der Hand- und Fußwurzel der Salamander- 
larve als typisch und ursprünglich auf und benutzte das hieraus 
sewonnene Schema als Leitfaden bei der Beurtheilung der ent- 
sprechenden Extremitätenabschnitte der einzelnen Wirbelthierklassen. 

Danach besteht die Handwurzel oder der Oarpus aus einer 
proximalen oder — weil dem Unterarm direkt folgenden — auch 
antebrachialen, und einer distalen oder — weil den Metacarpus 
stützenden — auch metacarpalen Querreihe von Skelettstücken. 
Ersterer gehören drei Elemente an, von denen die beiden äußeren 


ihrer Lagebeziehung zum Radius bezw. Ulna wegen als Radiale 


bezw. Ulnare, und das zwischen beiden eingekeilte Stück als Inter- 
medium bezeichnet wurden. Die Metacarpalreihe setzt sich aus vier 
Stücken zusammen, die nach GEGENBAUR von der radialen zur ulna- 
ren Seite als Carpale 7/7— V gezählt werden. Diese genannten sieben 
Stücke bilden einen Kreis und umschließen ein inmitten desselben 
liegendes und desshalb Centrale benanntes Knorpelelement. Die hier 
gegebene Schilderung des Handwurzelbaues einer Salamanderlarve 
lässt sich sinngemäß anwenden auf die Zusammensetzung der Fuß- 
wurzel. Wir finden bei dieser in der proximalen Reihe ein Tibiale, 
Intermedium und Fibulare, in der distalen die Tarsalia 7—V, und 
umgeben von all diesen wiederum ein Centrale. 

Der Hinweis auf eine derartige ursprüngliche Übereinstimmung 
von Hand- und Fußwurzelbau war für das Gedeihen einer einheit- 
lichen und ersprießlichen Fortarbeit auf diesem Gebiete von größtem 
Nutzen; und wenn auch spätere Untersucher Abweichungen von 
GEGENBAUR’S Schema feststellen konnten, so waren diese doch nur 
untergeordneter Art, ohne aber dieses selbst in seinem Grundplan zu 
erschüttern. 

Eine Erweiterung des Schemas bezog sich auf das Centrale, das 
Hyrru (23) bald nach dem Erscheinen von GEGENBAUR’s (19) Werk 
an der Fußwurzel von Cryptobranchus und Menopoma in der Zwei- 
zahl nachweisen konnte. Fernere hierauf gerichtete Untersuchungen 
ergaben, dass eine Vermehrung des Centrale, sogar zum Theil über 
die Zweizahl hinaus, noch weiter in der Reihe der geschwänzten 
Batrachier verbreitet sei. Dies musste zu der Aufgabe führen, die 
ursprünglich typische Zahl der Centralia und ihre bestimmten Be- 
ziehungen zu der Handwaurzel festzustellen. 

Auf diesen hier nur berührten Erörterungspunkt, sowie auch 
auf andere sich aufdrängende, werde ich später näher eingehen. 


64 Wilhelm Zwick. 


Zunächst möchte ich die Untersuchungsergebnisse aus dem mir ver- 
fügbaren Material mittheilen, wobei ich gleich im Voraus beifügen 
will, dass dieselben nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen, und 
desshalb auch die schwebenden Fragen nicht endgültig lösen können. 
Dieselben sind vielmehr als Beiträge zur Lösung einer Frage aufzu- 
fassen, welche nur durch reichliches Zusammentragen von Einzel- 
beobachtungen in ihrem ganzen Umfang abgeschlossen werden kann. 

Da einzelne Fragen die Untersuchung embryonaler Zustände 
wünschenswerth erscheinen ließen, so suchte ich denselben an der 
Hand eines reichen Larvenmaterials von Triton taeniatus und erista- 


er 


tus näher zu treten. EG 


Vergleichende Untersuchungen. 


Archegosaurus. Von den ausgestorbenen Formen, die als Vor- 
läufer unserer heutigen geschwänzten Amphibien gelten, sind uns 
zu wenige so gut erhaltene Hand- und Fußwurzeln als Versteine- 
rungen überkommen, um hieraus durch Vergleich mit den betreffen- 
den Skelettabschnitten der jetzt lebenden Formen nutzbringende 
Schlussfolgerungen ziehen zu können. Auf einen verhältnismäßig 
gut erhaltenen Fuß von Archegosaurus wurde ich durch Baur’s (4) 
Arbeit aufmerksam, in welcher die Beschreibungen und Abbildungen 
von QUENSTEDT und FRORIEP wiedergegeben sind. Da derselbe 
Eigenthum der Tübinger paläontologischen Sammlung ist, so wurde 
es mir durch die dankenswerthe Güte des Vorstandes derselben, 
Herrn Professor Dr. KoKEn, ermöglicht, eine eingehende Nachprü- 
fung vorzunehmen. | 

Der Fuß ist, wie bekannt, bei der Spaltung der Gesteinsplatte 
dadurch so günstig zur Ansicht gebracht worden, dass die Spaltungs- 
ebene annähernd mit der Medianfiläche des eingeschlossenen Fußes 
zusammenfiele Der größere Theil desselben liest in der zurück- 
gebliebenen, das entsprechende ergänzende Negativ in der abge- 
hobenen Platte; zur Gewinnung eines richtigen Bildes ist die Zu- 
sammenstellung aus beiden nothwendig. 

Auffällig ist, dass dieser Fuß von Archegosaurus nur vier deutlich 
erkennbare Zehen aufweist. Man könnte versucht werden, ein 
tibialwärts von 2, gelegenes längliches Stück (7, Fig. 1) als Rück- 
bleibsel des Metatarsus einer fünften, bezw. der ersten Zehe anzu- 
sehen; andererseits liegt es nahe, dasselbe als Ergänzungsstück des 
zweiten Metatarsus zu betrachten, da beide bei z zusammenzuhängen 
scheinen. Eine bestimmte Entscheidung für diese oder jene Auffassung - 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 65 


möchte ich nicht geben. Übrigens ist ja durch Meyer! schon fest- 
gestellt, dass der Hinterextremität von Archegosaurus fünf Zehen 
angehörten. 

Was die Zusammensetzung des Tarsus betrifft, so finde ich, dass 
hieran im Ganzen neun Stück theilnehmen. Ich stimme mit FRORIEP 
darin überein, dass die Anhängsel a und 5 (Fig. 1a) mit ihren größe- 
ren Nachbarstücken in Zusammenhang zu bringen sind; unzweifel- 
haft ist dies für 5. Auch die Stücke z und { (Fig. 1a) sind zusammen 
als ein einziges zu betrachten. Eine Trennung wurde dadurch vor- 
getäuscht, dass an der Stelle von z die Platte eine glatte, und nicht 
jene, den anderen Stücken zukommende, poröse Beschaffenheit dar- 
bietet; im unteren Bereich von x lässt sich jedoch deutlich wahr- 
nehmen, wie die poröse Masse auch auf # übergreift. Auberdem 
stellt die scheinbar vorhandene Trennungslinie zwischen x und ? nur 
einen Riss in der Platte dar; es wird dies dadurch zur Gewissheit, dass 
in der abgehobenen Hälfte der Gesteinsplatte an Stelle der beiden 
nur ein einheitliches großes Stück vorhanden ist. Auffallend an 
der Skizze FRORIEP’s ist noch, dass der Zwischenraum zwischen # und 
IV (Fig. 1a) so groß ist. Thatsächlich füllt denselben eine Gesteins- 
erhöhung y (Fig. 1) aus, welche bei der Spaltung stehen geblieben war; 
nach deren Abmeißelung lässt sich in ihrem Inneren eine poröse Masse 
feststellen, die ohne Zweifel mit i, (Fig. 1) im Zusammenhang stand. 
Damit ist auch für mt, ein enger Anschluss an den Tarsus gewonnen. 

Die Deutung der einzelnen Stücke kann nach dem Gesagten 
keine Schwierigkeiten bereiten. Die Elemente f, © und (+ x) Fig. 1 
bilden die proximale Tarsusreihe und entsprechen dem Fibulare, 
Intermedium und Tibiale. In der distalen Reihe finden sich vier 
Stücke, zu jedem Metatarsale ein zugehöriges Basalstück, davon ist 
Tarsale V am größten. Die noch übrig bleibenden Stücke c und c, 
sind als Centralia zu deuten. 

Menopoma (Fig. 2). Die Handwurzel des mir vorliegenden 
ausgewachsenen Exemplars enthält, und zwar übereinstimmend 
rechts. wie links acht Carpalia. Hiervon sind das Ulnare und Inter- 
medium dem distalen Ende der Ulna angefügt — im Gegensatz zu 
GEGENBAUR’s Angabe, wonach letzteres zwischen beiden Vorderarm- 
knochen emporragen soll —, während das Radiale die distale Ge- 
lenkfläche des Radius vollständig für sich allein in Anspruch nimmt. 
Von den Carpalstücken der distalen Reihe unterhalten nur die 


i Vgl. BAUR (4). 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 5 


66 ‚Wilhelm Zwick, 


beiden mittleren strengere Beziehungen zu den zugehörigen Mittelhand- 
stücken, während Carpale / und Carpale ZV nur mit dem kleineren 
ulnaren bezw. radialen Antheil ihrer distalen Gelenkfläche dem proxi- 
malen Ende des entsprechenden Metacarpale aufliegen. Hervorzuheben 
ist neben dem distalwärts sehr hervortretenden Auseinanderweichen 
der beiden Vorderarmstücke deren Verhalten zu den Handwurzel- 
stücken sowie die Anordnung der letzteren selbst. Diese sind, wie 
sich leicht erkennen lässt, in drei parallelen Längsreihen gestellt. 
Die eine davon setzt die Richtung des Radius fort und besteht aus 
Radiale und Carpale Z; in ihrer Fortsetzung würde sie in den ersten 
Finger auslaufen. Die beiden anderen Längsreihen stehen in der 
Verlängerung der Ulna, die radiale derselben enthält das Intermedium 
des Centrale und Carpale Z/7, während die ulnare, die gegen den 
ulnaren Seitenrand in geringem Maße ausbiegt, das Ulnare Car- 
pale ZV und Carpale /// aufnimmt. Beide Handwurzeln enthalten 
das Centrale nur in der Einzahl, die Fußwurzeln dagegen haben 
eine Vermehrung dieses Stückes zu verzeichnen. Der rechte Tarsus 
(Fig. 3) enthält drei Centralia; davon nimmt eines den ursprünglich 
centralen Standort ein (c, Fig. 3), das zweite liegt lateral (c,), das 
dritte distal von diesem (c)). Im linken Tarsus (Fig. 4) lassen sich 
nur zwei Üentralia zählen, die unter einander liegen. Auch im 
Tarsus lässt sich die Anordnung in drei Längsreihen deutlich wieder 
finden. 

In der neuesten Auflage des Grundrisses der vergleichenden 
Anatomie der Wirbelthiere (p. 190) führt WIEDERSHEIM (38) einen 
Fall an, wo ein junges, nur 12 cm messendes Exemplar von Meno- 
poma im Carpus wie Tarsus beiderseits nur ein Centrale besaß. 

Siredon piseiformis. Von diesem Thiere konnte ich neun 
Zuchtexemplare untersuchen, von denen einige der Besonderheiten 
wegen, die sie an Hand bezw. Fuß boten, eine genauere Beschrei- 
bung beanspruchen können. 

1. Exemplar. Die Handwurzeln dieses sehr alten wohlgenähr- 
ten Exemplars lassen nichts Bemerkenswerthes verzeichnen. Die 
Zahl der Carpalstücke beträgt beiderseits acht. Das Centrale ist 
verhältnismäßig klein; mit Ausnahme des Intermedium sind sämmt- 
liche Stücke knorpelig. 

Die rechte Hinterextremität weist nur vier Zehen, und diesen 
entsprechend auch nur vier distale Tarsalstücke auf. Dem Meta- 
tarsale /7I, dessen distale Epiphyse etwas verdickt erscheint, folgen 
zwei Anfangs mit den Metacarpalia verwachsene, späterhin gabelig 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 67 


auslaufende Äste, die je drei Phalangen besitzen. Es mag vielleicht 
zutreffen, dass zwischen dieser Abnormität und dem Fehlen einer 
fünften Zehe ein Zusammenhang besteht, sei es nun, dass dieselbe 
von Anfang an vorhanden war, oder dass erst nach Verlust der 
fünften Zehe der Regenerationsprocess in dieser Richtung eintrat; 
dabei deutet allerdings nichts auf eine Verschmelzung zweier ur- 
sprünglich getrennter Tarsalstücke zum einheitlichen Tarzale 7/77 hin. 
"Eine überaus reiche Vermehrung der Fußwurzelsticke bietet die 
linke Hinterextremität; es lassen sich im Ganzen 15 einzelne Ele- 
mente zählen (Fig. 5). Die distale Reihe weist nur ein accessori- 
sches Stück auf (fa), welches wie die übrigen Angehörigen dieser Reihe 
von runder Form ist und mit dem Metatarsale 7 in Berührung steht, 
so dass das eigentliche Tarsale 7 die proximale Epiphyse des Meta- 
tarsus / überhaupt nicht erreicht. In der Antebrachialreihe liegen vier 
einzelne Stücke, das überzählige erscheint zwischen Intermedium und 
Ulnare eingekeilt. Die übrige Vermehrung betrifft den mittleren 
Fußwurzelantheil, in dessen Bereich sich also statt des in der Regel 
einheitlichen Centrale fünf Elemente zählen lassen. Eine solch reiche 
Vermehrung der Hand- bezw. Fußwurzelstücke, wie im vorliegenden 
Falle, war bisher meines Wissens beim Axolotl nicht bekannt. BAUR 
(4) erwähnt einen ähnlichen Fall, in dem der Carpus eines über 50 
Jahre alten Exemplars von Cryptobranchus maximus drei und der 
eine Tarsus fünf accessorische Knorpelstücke enthielt. 

Bei einem zweiten noch verhältnismäßig jungen Exemplar 
erstrecken sich die vorhandenen Abweichungen nur auf die Vorder- 
extremitäten. Dabei kann die linksseitige außer Acht gelassen wer- 
den, da es sich hier um einen noch nicht vollendeten Regenerations- 
process handelt, wie sich an der reichen, noch nicht differenzirten 
Blastemmasse, die den Carpus zusammensetzt, sowie an den drei 
vorhandenen zarten Fingern erkennen lässt. Die rechte Vorder- 
extremität besitzt fünf Finger, der überzählige ist der ulnaren Hand- 
seite angefügt, sein Metacarpus ist mit demjenigen des vierten 
Fingers verwachsen. Der Finger selbst, der sehr zart ist, besteht 
aus einem Metacarpus und zwei Phalangen; die Zahl der Carpalia 
ist dabei nicht vermehrt. 

Ebenfalls eine Vermehrung der Fingerzahl finden wir bei einem 
dritten Exemplar (Fig. 6). Während der vorerwähnte Finger Be- 
ziehungen zu Muskeln nicht unterhielt, lassen sich hier nach dieser 
Richtung. keinerlei Unterschiede von den übrigen vier Fingern er- 


kennen; so schickt z. B. der Muse. palmaris superfieialis platte Sehnen 
5*+ 


68 Wilhelm Zwick, 


zu sämmtlichen vorhandenen fünf Fingern. Dazu kommt noch, dass 
auch die Zahl der distalen Carpalstücke um eines vermehrt ist, so 
dass jedem Metacarpus auch ein Carpale zukommt. Zu entscheiden 
wäre noch, welcher der fünf Finger als überzählig anzusehen ist. 
Da accessorische Finger und Zehen, wie die Erfahrung lehrt, an den 
seitlichen Hand- bezw. Fußrändern auftreten, so könnte man daran 
denken, dass ein sonst fehlender erster oder fünfter Finger sich den 
übrigen zugesellt hat. Die charakteristische, langgestreckte und 
distal etwas zugespitzte Gestalt des Carpale / sowie dessen Ver- 
halten zum Metacarpale J weichen jedoch in keiner Weise von dem 
sewöhnlichen ab, wesshalb nicht wohl anzunehmen ist, dass der 
erste Finger der überzählige sei; somit käme zunächst nur noch der 
fünfte oder einer der mittleren in Frage. Die Zahl der Phalangen 
bei Siredon pisciformis ist gewöhnlich in radio-ulnarer Reihenfolge 
2, 2, 3, 2; in vorliegendem Falle von Pentadactylie: 2223 2 
Danach wäre also viel wahrscheinlicher, dass der zweite oder dritte 
Finger neu hinzukam. Damit wäre zugleich die Vermuthung, dass 
es sich hier um Rückschlag handeln könne, hinfällig. Zu erwähnen 
ist noch, dass an dieser linken Vorderextremität zwei Centralia in 
querer Anordnung sich vorfinden (ce und ce,). Die rechte Vorder- 
extremität bietet keine Besonderheiten; Verknöcherungspunkte zeigen 
Intermedium, Centrale und Ulnare. 

Ein viertes Exemplar besitzt an einer Hand nur drei Finger, 
die von der medialen zur lateralen Seite ein, zwei, drei Phalangen 
zählen lassen. Die vorhandenen Handwurzelstücke 7, z, v, Centrale 
und drei Carpalia sind sämmtlich knorpelig. Die übrigen Extremi- 
täten dieses Thieres zeigen normale Beschaffenheit, das Centrale findet 
sich durchweg nur in der Einzahl. 

Außer diesen näher beschriebenen habe ich noch sechs weitere 
Exemplare von Siredon piscif. untersucht, welche an den Hand- 
wurzeln stets acht Stück zählen lassen; von diesen sind entweder 
sämmtliche knorpelig oder einzelne zeigen Verknöcherungspunkte. 
Die Reihenfolge in der Verknöcherung ist beim Axolotl deutlich 
wahrzunehmen, und zwar ergiebt sich stets, dass dieselbe nur die 
Glieder des mittleren und ulnaren Strahles trifft, niemals auch die- 
jenigen des radialen. Am häufigsten zeigten einen Verknöcherungs- 
punkt das Intermedium, dann das Ulnare und Centrale, zuweilen 
auch die Carpalia, ausgenommen dasjenige des ersten Fingers. 

An den Hinterextremitäten dieser sechs Exemplare konnte ich 
nur einmal eine Verdoppelung des Centrale beobachten. Die Ver- 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 69 


hältnisse in der Verknöcherung entsprechen ganz den für die Vorder- 
extremitäten angeführten. 

Wie bei Menopoma, lässt sich auch beim Axolotl eine Anordnung 
der Carpus- und Tarsuselemente in drei Längsreihen leicht erkennen. 

Triton. /. Carpus. Von der Gattung Triton konnte ich unsere 
sämmtlichen vier Arten, Triton taeniatus, eristatus, helveticus und 
alpestris in großer Anzahl untersuchen; stets zeigten sie den über- 
einstimmenden Aufbau der Handwurzel aus sieben Stücken. GOETTE 
(21) hat in Taf. V, Fig. 29 einen Carpus von Triton ceristatus ab- 
gebildet, in dem nur fünf Theile angegeben sind (r +ca)l,ec-+ u, 
C, 69, €3, c,); eine derartige Zusammensetzung der Handwurzel von 
Triton ceristatus konnte ich eben so wenig finden wie die Verschmel- 
zung von Radiale und Carpale 7, welche nach GEGENBAUR (19) für 
Triton taeniatus zutreffen soll. Bemerkenswerth ist für sämmtliche 
Tritonen, dass das Carpale 7 mit seiner distalen Gelenkfläche das 
zugehörige Metacarpale / nur in ganz geringer Ausdehnung berührt; 
GOETTE (21) und GEGENBAUR (19) bezeichnen dieses Verhältnis als 
ein sekundäres; auf Grund meiner entwicklungsgeschichtlichen Unter- 
suchungen stimme ich STRASSER (33) bei, wonach schon von Anfang 
an das Carpale /7 Beziehungen zum Metacarpale I unterhält und 
dadurch das Carpale 7 verdrängt. 

Die Zahl der Phalangen ist für sämmtliche Tritonen in radio- 
ulnarer Reihenfolge 2, 2, 3, 2; ich hebe dies besonders hervor, da 
BAur (4) für den ersten Finger von Triton taeniatus und palmatus 
nur eine Phalange verzeichnet. 

Tarsus. Den verschiedenen vorhandenen Beschreibungen ver- 
mag ich nichts Neues hinzuzufügen; für den Tarsus von Triton 
palmatus fand ich im Gegensatz zu WIEDERSHEIM (36) stets acht 
Theile wie bei den übrigen. 

Salamandra. Die Untersuchung erstreckte sich auf viele Exem- 
plare von Salamandra atra und maculosa; nie waren jedoch Ab- 
weichungen in Hand- und Fußwurzel von den vielfachen Abbildungen 
und Beschreibungen anderer Untersucher festzustellen. | 

‚ Beifügen möchte ich noch, dass sich für Triton wie für Sala- 
mandra die Längsreihenanordnung im Carpus und Tarsus verfolgen 
lässt; dieselbe ist für den Carpus in so fern abgeändert, als der ulnare 
und mittlere Strahl nicht mehr ganz getrennt neben einander ver- 
laufen, vielmehr in dem hier verschmolzenen Ulno-intermedium kon- 
vergiren. Die Verknöcherung ist stets am weitesten vorgeschritten, 
bezw. allein vorhanden in den beiden ulnaren Strahlen, während der 


70 : or Wilhelm Zwick, 


radiale am längsten knorpelig bleibt; entsprechend liegen diese Ver- 
hältnisse für die Hinterextremität. 


Zi smehlassung: 


1) Über das Os centrale. Nach dem Auffinden eines doppelten 
Centrale lag es nahe, die Annahme einer ursprünglichen Einheitlich- 
keit dieses Stückes, wie sie das Schema GEGENBAUR’s (19) wiedergiebt, 
fallen zu lassen und dafür dessen ursprüngliche Doppelnatur als 
wahrscheinlich anzunehmen, wobei allerdings auf Grund anderer 
Befunde die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden durfte, dass 
vielleicht noch mehr als zwei Centralia dem Hand- bezw. Fußwurzel- 
absehnitt älterer Formen ursprünglich einverleibt sein konnten. Von 
den Forschern, welche diesen Fragen zuerst nahe traten, sprachen 
sich WIEDERSHEIM (37) und dessen Schüler KEHRER (26) auf Grund 
zahlreicher Untersuchungen an niederen Urodelenformen in diesem 
Sinne aus; seine Mittheilung über die Vermehrung des Os centrale im 
Carpus und Tarsus des Axolotl schließt WIEDERSHEM (37) folgender- 
maßen: »Diese Vielheit der Centralia im Carpus und Tarsus weist 
dem Axolotl eine in der Stammesgeschichte der geschwänzten Amphi- 
bien sehr weit zurückliegende Stellung an und nähert ihn einerseits 
den ostasiatischen Salamandriden, andererseits den Derotremen 
(Menopoma, Cryptöbranchus). Das ungemein häufige Vorkommen 
eines mehrfachen Centrale deutet übrigens darauf hin, dass die Zeit 
vielleicht noch gar nicht weit hinter uns liegt, in der jeder Axolotl 
ein doppeltes oder dreifaches Os centrale besessen hat.« Auch 
GEGENBAUR (20) änderte später sein Schema zu Gunsten eines doppel- 
ten Oentrale ab. Baur (4) lässt die Frage nach der ursprünglichen 
Zahl der Centralia vorläufig noch unentschieden. Emery (17) dagegen 
vertritt neuerdings bestimmt die Ansicht, dass das Centrale bei den 
ursprünglichen Formen der Urodelengruppe zwei- oder vielfach vor- 
handen war. 

Bei der Beurtheilung eines mehrfachen Centrale stehen nun 
folgende drei Möglichkeiten offen: 

1) Die Vermehrung des Centrale bedeutet einen Rückschlag auf 
ursprüngliche Formen. 

2) Das zwei- oder mehrfache Centrale ist eine phylogenetische 
Neuerwerbung, die nunmehr in der Reihe der Amphibien typisch zu 
werden beginnt. 

3) Das Vorkommen eines mehrfachen Centrale beruht auf einem 


/ 


sekundären Vorgang des Zerfalls. 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 71 


Für die erste Erklärung wird hauptsächlich geltend gemacht, 
dass in der Phylogenese des Carpus die Tendenz zur Reduktion der 
Zahl und zur Verschmelzung der Stücke unter einander hervortrete 
und sich nur in wenigen Fällen eine Vermehrung der Zahl durch 
Neubildung oder Differenzirung beweisen lasse. Dies im Allgemeinen 
zugegeben, kommt doch, wie die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen 
über den Axolotl übereinstimmend mit den meinigen ergeben, nicht 
selten eine Vermehrung sogar zuweilen über die Zwei- und Drei- 
zahl hinaus vor, und zwar dies bei älteren und alten Thieren, 
während, wie BAur (4) mittheilt, bei jungen Thieren nie mehr als 
ein Centrale sich im Carpus und Tarsus nachweisen ließ. Eine Be- 
stätigung hierfür würde auch der von mir mitgetheilte Fall bei 
Menopoma im Zusammenhalt mit dem von WIEDERSHEIM (38) ange- 
führten erbringen. Auch ist die Annahme, dass ursprünglich Formen 
vorhanden waren, welche mehrere Centralia besaßen, bis jetzt noch 
in keiner Weise einwandfrei durch paläontologische Befunde gestützt. 
Bei der Besprechung der Fußwurzel von Archegosaurus stellt BAUR 
(4), meiner Ansicht nach mit Recht, in Frage, ob der Tübinger Fuß 
normal sei. Zugleich weist er darauf hin, dass das Vorkommen 
eines mehrfachen Centrale in dieser Fußwurzel ganz wohl auf einen 
sekundären Zerfall zurückgeführt werden könne. 

Der zweite Erklärungsversuch würde es in sich schließen, dass 
Zustände, die sich bei den niederen Urodelenformen einzubürgern 
begannen, bei den höheren eine bleibende, bestimmtere Gestalt ge- 
wonnen haben. Man müsste demnach erwarten können, dass z. B. 
die Salamandrinen oder Tritonen stets oder häufig ein zweites Cen- 
trale besitzen. Dies trifft aber keineswegs zu, ja es ist sogar meines 
Wissens bei diesen Gruppen ein vermehrtes Centrale noch niemals 
zur Beobachtung gekommen. Eine Zusammenstellung der höheren 
und niederen Formen lässt vielmehr die Thatsache zum Ausdruck 
kommen, dass eine Vermehrung des Centrale da vorkommt, wo der 
Carpus ganz oder zum größten Theil aus knorpeligen Elementen sich 
aufbaut, und wo der Gebrauch der Gliedmaßen sich weniger im 
Auftreten auf festem Boden äußert, während andererseits für die- 
Jenigen Formen, welche dem Landleben mehr angepasst sind, solche 
Erscheinungen nicht zu finden sind. Im Anschluss hieran könnte 
man auf den Gedanken kommen, dass die niederstehenden Urodelen- 
abtheilungen in einem allgemeinen Rückbildungsprocess begriffen 
seien, dass sie von höheren Landformen ausgingen, und dass nun 
mit der Anpassung an das Wasserleben die in Rede stehenden 


72 Wilhelm Zwick, 


Umwandlungen an Hand- und Fußwurzel sich vollzogen haben. Es 
müssten sich unter dieser Voraussetzung analoge Vorgänge, z. B. bei 
den Wassersäugethieren, finden lassen; es ergiebt sich aber aus den 
Untersuchungen KÜKENTHAL’s (26a), dass diese wohl eine reiche 
Vermehrung der Fingerglieder, aber nicht auch derjenigen der Hand- 
wurzel aufweisen. 

Viel näher liegend, besonders auch weil durch That- 
sachen gestützt, scheint mir die Annahme, dass die Ver- 
mehrung des Centrale auf einem sekundären Zerfall be- 
ruht. WIEDERSHEIM (38), dessen ursprüngliche Stellungnahme zu 
dieser Frage ich oben wiedergegeben habe, ist bei weiteren Unter- 
suchungen am Axolotl zu anderer Ansicht gelangt. In der neuesten 
Auflage seines Werkes über vergleichende Anatomie spricht er sich 
folgendermaßen aus: »Die Thatsache, dass die Häufigkeit eines 
doppelten Öentrale mit dem Alter des Thieres stetig zunimmt, wäh- 
rend wir demselben bei jungen Thieren nur ausnahmsweise begegnen, 
alles Dies kann die oben als typisch hingestellte ursprüngliche Doppel- 
natur dieses Stückes als zweifelhaft und eine Art sekundärer Ab- 
spaltung in mehrere Stücke als plausibler erscheinen lassen.« Dieser 
Ausspruch findet seine Bestätigung in den von mir mitgetheilten 
Fällen. 

Hinzuweisen wäre noch auf die große Unbeständigkeit in der 
Zahl der vorkommenden Centralia. Spricht aber diese schon dafür, 
dass es sich dabei nicht um Fälle handeln kann, die in früherer 
Zeit bleibend waren, so trägt die Veränderlichkeit in der Lage — 
sie liegen theils quer neben einander, theils hinter einander, theils 
in schräger Richtung — nur dazu bei, diese Ansicht zu bestätigen. 

Unter Beachtung von all Dem werde ich in der Annahme be- 
stärkt, dass es sich hier nicht um Verhältnisse handeln kann, die 
bei früheren Formen typisch waren, oder es bei den jetzt lebenden 
werden wollen, sondern dass das Vorkommen eines mehrfachen Cen- 
trale einem Zerfall während des individuellen Lebens zuzuschreiben 
ist. Über die Ursache desselben vermag ich zwar nichts Bestimm- 
tes zu sagen, jedoch wäre in Erwägung zu ziehen, ob nicht abge- 
änderte Ernährungsbedingungen, der Mangel an Bewegung hierbei 
wirksam sind, da die von WIEDERSHEIM und mir mitgetheilten Fälle 
von Vermehrung des Centrale beim Axolotl sich stets auf in der 
Gefangenschaft gezüchtete Exemplare beziehen, während BAur’s 
(4) Material, bei dem nie mehr als ein Centrale zu finden war, aus 
im Freien gefangenen Thieren bestand. Hierüber könnten nur auf 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 73 


breiter Grundlage reichen Materials und zahlreicher Versuche an- 
gestellte Untersuchungen bestimmte Ergebnisse erzielen. 

2) Über die ursprüngliche Zahl der Finger an der Hand 
der Urodelen. GEGENBAUR (19) nahm bei seinen Untersuchungen 
über den Carpus und Tarsus an, dass die Hand der Urodelen ur- 
sprünglich fünf Finger besaß, und dass der erste Finger bei den 
heutigen Formen als ausgefallen anzusehen sei. Zur Stütze der 
letzteren Ansicht weist dieser Forscher auf die Anuren hin, bei denen 
der erste Finger nur noch als Rudiment erscheine. Eine solche 
Schlussfolgerung muss aber bedenklich erscheinen, da meiner An- 
sicht nach — und ich werde dieselbe bei Gelegenheit der Bespre- 
chung des Anurencarpus noch näher begründen — durchaus noch 
nicht feststeht, dass die bei den Anuren als Präpollex bezeichnete 
Bildung auch in der That das Rudiment eines Fingers darstellt. Ja 
selbst wenn dies der Fall wäre, so muss doch andererseits daran 
erinnert werden, dass die Anuren systematisch eine höhere Stellung 
als die Urodelen einnehmen. Es kann aber gewiss nicht im Sinn 
des biogenetischen Grundsatzes liegen, dass Zustände, die sich bei 
jenen finden, unbedingt auch bei diesen ursprünglich vorhanden ge- 
wesen sein müssen. Erscheint es dessenungeachtet nicht auffällig, 
dass die Anuren so viel von dem Ursprünglichen erhalten haben, 
während die Urodelen, die doch der angenommenen pentadactylen 
Urform viel näher stehen müssen, entweder gar nichts oder nur sel- 
ten Reste dieses fünften Fingers bewahrt haben? Mehr Berechti- 
gung hätte die Annahme, dass die Anuren im Laufe der Weiter- 
entwicklung sich den Präpollex angeeignet haben. 

Wie wenig sich überdies die Anuren und Urodelen in Beziehung 
auf ihre Extremitäten gleichen, lässt sich schon aus der entwicklungs- 
geschichtlichen Thatsache entnehmen, dass bei jenen sich die beiden 
äußeren, bei diesen die beiden inneren Finger zuerst anlegen. 

In Anbetracht des einen von mir angeführten Falles, wo neben 
einem vollständig ausgebildeten fünften Finger noch das zugehörige 
Carpale vorhanden war, könnte man an einen Rückschlag denken; wie 
ich oben ausgeführt, verbieten jedoch andere Gründe eine solche 
Annahme. Die verschiedensten Variationen in der Zahl der Finger 
und Zehen, wie ich sie beschrieben und wie ich sie auch von an- 
deren Untersuchern angegeben finde, legen es vielmehr nahe, all 
diese Fälle zu den Abnormitäten zu rechnen. Dieselben sind zwar 
in so fern interessant und von Werth, als sie uns zeigen, wie inkon- 
stant die Verhältnisse bei jenen Formen sind, und wie vorsichtig 


74 Wilhelm Zwick, 


man bei der Beurtheilung sein müsse. Einen morphologischen Werth 
können dieselben aber sicherlich nicht beanspruchen. Daraus geht 
auch hervor, dass wir die Vorgänge, die sich beim Regenerations- 
process abspielen, nicht ohne Weiteres der normalen Entwicklung 
an die Seite stellen dürfen, wie dies von GoETTE (21) geschehen. 

Zwar hat KEHRER (26) bei Cryptobranchus japonicus, Ranodon 
sibiricus und Isodaetylium Schrenckii sowohl am radialen Carpal- als 
am tibialen Tarsalrand kleine überzählige Knorpel gefunden, und ist 
auf Grund dieser Funde zu dem Ergebnis gekommen: »So hätten 
wir also bei der Beurtheilung des Hand- und Fußskeletts der Wirbel- 
thiere künftighin nicht mehr von einer pentadacetylen, sondern von 
einer heptadactylen Urform auszugehen, und von diesem Gesichts- 
punkt aus betrachtet werden auch fürderhin die überzähligen Finger 
und Zehen, sofern sie am äußeren oder inneren Fuß- oder Handrand 
auftreten, nicht mehr ohne Weiteres als solche, sondern als atavisti- 
sche Bildungen angesehen werden dürfen.« | 

Eine solche Folgerung muss aber als übereilt erscheinen, zumal 
diese Funde sehr vereinzelt sind. Hyrrı (23) fand bei Crypto- 
branchus auch ein derartiges Knorpelstück, betrachtete es aber als 
»Sesambein der Peroneussehne<. WIEDERSHEIM, der ebenfalls ein 
überzähliges Knorpelstück bei Ranodon sibiricus nachwies, fügte bei, 
dass dasselbe in Bindegewebe eingebettet und von diesem schwer 
abzulösen gewesen sei; eine Deutung dieses Stückes im Sinne Hyrrr’s 
(23) dürfte demnach auch nicht zu fern liegen. 

Jedenfalls geht KEHRER (26) zu weit, wenn er Hauthöcker, die 
sich nach seinen Angaben bei einzelnen ostsibirischen Formen im 
Bereich des Fußabschnittes finden, als Reste eines Prähallux ansieht. 
Solehe Hautwarzen finden sich auch beim Axolotl und den Tritonen, 
namentlich bei Triton helveticus, stehen jedoch in durchaus keinem 
Zusammenhang mit dem Skelett, und der Beweis, dass dies jemals 
der Fall war, dürfte wohl schwer zu erbringen sein. 

Es geht somit aus obigen Ausführungen hervor, dass nicht eine 
einzige wohlbegründete Thatsache für die Annahme einer die Vier- 
bezw. Fünfzahl ursprünglich überschreitende Anzahl von Fingern 
bezw. Zehen spricht. | 

Viel wahrscheinlicher, weil besonders durch die Ontogenese _ 
gestützt, erscheint mir die Annahme, dass die Vorgänger 
unserer Urodelen weniger als vier Finger besaßen. Die 
Entwicklungsgeschichte lehrt, dass sich zuerst nur die beiden ersten 
Finger anlegen, und dann in größeren zeitlichen Abständen auch 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 75 


die übrigen folgen. Da der Zustand der Zweifingrigkeit in der 
Larvenperiode ein ziemlich langer und sich stets wiederholender ist, 
so dürfte man auf Grund des biogenetischen Grundgesetzes berechtigt 
sein zu sagen, dass dieser Zustand in der Stammesgeschichte einmal 
eine längere Dauer hatte. | | i 

3) Über die Strahlenanordnung im Carpus und Tarsus. 
Schon frühere Forscher, wie GEGENBAUR (19), GOETTE (21), WIEDERS- 
HEIM (36) u. A. hatten auf die Längsstrahlenanordnung in Hand- und 
Fußwurzel aufmerksam gemacht. GOoETTE wies sogar entwicklungs- 
geschichtlich einen ununterbrochenen Zusammenhang der einzelnen 
‚Glieder dieser Reihen nach, den ich, wie ich später ausführen werde, 
nicht bestätigen kann. Hier möchte ich noch einmal an die vor- 
herrschende Ausbildung der beiden ulnaren Strahlen erinnern, welche 
zu den beiden mittleren Fingern in Beziehung stehen. Wenn wir 
nun einerseits sehen, dass der Verknöcherungsprocess nur die beiden 
mittleren Strahlen trifft, und andererseits die überwiegende Länge 
der beiden mittleren Finger in Betracht ziehen, so dürften wir mit 
der Annahme nicht fehl gehen, dass diese beiden Faktoren durch 
ein ursächliches Moment verknüpft sind, das nur in der Funktion 
liegen kann. Eine Beobachtung des Gebrauchs der Gliedmaßen be- 
stätigt dies, und zeigt, dass beim Abstoßen des Körpers von der 
Unterlage nur die beiden mittleren Finger in Anspruch genommen 
sind, während die beiden äußeren nur zur Verbreitung der Stütz- 
fläche des ruhenden Fußes dienen. Eine Bestätigung für diese 
meine Anschauung finde ich bei KEHRER (26), der anlässlich der 
Besprechung des Carpus und Tarsus von Isodaetylium Schrenckii in 
richtiger Erkenntnis folgendermaßen urtheilt: »Offenbar handelt es 
sich beim Zustandekommen eines ulnarwärts (fibularwärts) platz- 
sreifenden Ossifikationsprocesses um mechanische Einflüsse, wobei 
äußere Bedingungen höchst wahrscheinlich eine große Rolle zu 
spielen berufen sind. Ich will damit sagen, dass bei der Art und 
Weise der Fortbewegung, d. h. also bei der Abhebelung des Körpers 
von der Unterlage, die Druck- und Stützverhältnisse sich auf der 
ulnaren (fibularen) Seite ungleich früher bemerkbar machen werden, 
als auf der entgegengesetzten.« 


Zur Entwicklungsgeschichte des Gliedmafsenskeletts der Tritonen. 


Die von GOETTE (21) und Strasser (38) über die Entwicklung 
der Tritonextremitäten gegebenen Schilderungen weichen in vielen 
Punkten von einander ab, ja enthalten sogar in wesentlichen Fragen 


716 Wilhelm Zwick, 


geradezu entgegengesetzte Ansichten; vor Allem gilt letzteres auch 
für die Entwicklung von Hand- und Fußwurzel. 


Nach GoFrTTE (21) würde sich der Entwicklungsgang für die Vorder- 
extremität kurz folgendermaßen gestalten: 

Als erste Anlage zeigt sich der Humerus, der bei weiterem Auswachsen 
der Gliedmaße ununterbrochen in zwei getrennt neben einander verlaufende 
Äste, einen ulnaren und einen radialen, sich fortsetzt, welche kontinuirlich in 
‘den ersten bezw. zweiten Finger übergehen sollen. Durch gegenseitige An- 
näherung bis zur Berührung an einer umschriebenen Stelle und nachträglich 
hier stattfindende Verschmelzung bildet sich ein Centrum (Carp. rm III GOETTE 
— Basale commune STRASSER = Carpale 7II GEGENBAUR). Dieses Centrum be- 
wirkt die Trennung zwischen den beiden Fingern einerseits, Handwurzel und 
Vorderarm andererseits. Die Abgrenzung der beiden letzteren von einander 
soll sich in der Weise vollziehen, dass die Skelettäste proximal von dem Carp. 
rmIII auf kurze Strecke, aber ohne zu verschmelzen, nahe an einander rücken 
um in ihrem weiteren Verlauf nach oben bis zum Ausgangspunkt der Gabelung 
für immer durch eine große Lücke getrennt zu bleiben. Die Berührungsstrecke 
entspricht der Gegend des Carpus, die zwischen diesen und den Oberarm ein- 
geschalteten beiden Säulen stellen die Anlage von Radius und Ulna dar. Dem- 
nach würde sich also die Handwurzel zunächst aus einem radialen und ulnaren 
Strahl zusammensetzen. Durch Wucherung und Abspaltung soll aus dem proxi- 
malen Ende des letzteren ein Seitenstrahl hervorsprossen, der neben diesem 
entlang verläuft, sich nach oben mit der Ulna, nach unten mit dem Carp. rm III 
verbindet und in den vorletzten Finger auswächst. Der vordere ulnare Strahl 
wird dadurch zum mittleren und die Handwurzel würde also jetzt aus einem 
radialen, mittleren und ulnaren Strahl bestehen. Als nächster Vorgang stellt 
sich in den Skelettästen eine Sonderung in Einzelstücke durch Quertheilung 
ein, die zunächst zur Abtrennung des Radius und der Ulna von der Hand- 
wurzel führt. Fast gleichzeitig damit vollzieht sich die Gliederung der Finger 
in die einzelnen Abschnitte. In zweiter Linie zerfallen dann auch die Hand- 
wurzeläste, und zwar spalten sich vom radialen Ast das Radiale, Carpale 17 
und ein Theil des Carpale /IZI ab; aus dem medianen Strahl gliedert sich die 
eine Hälfte des Ulno-intermedium, das Centrale und die andere Hälfte des 
Carpale Z/IZ ab, aus dem ulnaren der ulnare Antheil des Ulno-intermedium 
und das Carpale ZV. Zuletzt entsteht, gleichsam aus dem Carpale 7V heraus- 
wachsend, das Carpale Y nebst dem letzten Finger. 

Dieser Auffassung des Entwicklungsganges gegenüber bestreitet STRASSER 
(33) namentlich den ursprünglichen Zusammenhang der gesammten Skelettanlage 
und betont eine selbständige Anlage des Humerus ohne jeglichen Zusammen- 
hang mit der Scapula und auch dessen vom Vorderarm gesonderte knorpelige 
Bildung. Radius und Ulna sollen distalwärts in die zunächst noch eine ein- 
heitliche Masse axialen Blastems darstellende Handwurzel übergehen, deren 
distaler Abschnitt unmittelbar die beiden Finger ausschickt. An der Basis 
derselben wird dann ein von Anfang an einheitliches Basale commune deutlich, 
das sowohl im prochondralen Stadium wie auch bei eintretender Verknorpelung 
mit den Fingern in Zusammenhang bleibt. In der Folgezeit soll sich in dem 
noch keinerlei Differenzirung aufweisenden Blastem des übrigen Carpus eine 
Umwandlung dergestalt geltend machen, dass es nunmehr zur Bildung zweieı 
nur undeutlich von einander gesonderter Zellsäulen kommt, welche zwischen 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 77 


das Basale commune und das distale Ende von Radius und Ulna sich ein- 
schieben; ulnarwärts von diesen bildet sich beim Auswachsen des dritten 
Fingers eine weitere Säule, so dass sich eine radiale, mittlere und ulnare 
“unterscheiden lassen. Der Verknorpelungsvorgang vollzieht sich in den beiden 
Vorderarmsäulen je für sich und zunächst noch unabhängig von demjenigen in 
der Handwurzel; erst nachträglich kommt auch eine zarte Knorpelnetzverbin- 
dung mit dieser zu Stande. Im Carpus selbst schreitet die Verwandlung in 
Knorpelgewebe vom Basale commune proximalwärts auf die mittlere Säule 
fort, wobei dieselbe im Bereich zweier sich später sondernder Oentren beson- 
ders intensiv vor sich gehen soll; in gleicher Weise vollzieht sich die Ver- 
knorpelung an der radialen Säule und greift zuletzt auch auf die ulnare über. 
Hervorzuheben wäre, dass nach STRASSER’s Auffassung ein knorpeliger Zu- 
sammenhang sämmtlicher Theile im Carpus angenommen werden muss. Ab- 
geschlossen wird die Entwicklung durch eine Gliederung in Einzelabschnitte, 
die im Wesentlichen so vor sich geht, wie sie die obige Darlegung der An- 
schauung GoETTE’s wiedergiebt. 


Aus der kurz gefassten Wiedergabe der über vorliegendes Thema 
bestehenden Litteratur ist also ersichtlich, dass betreffs der Ent- 
wicklung der Tritonextremitäten durchaus noch keine einheitliche 
Auffassung erzielt ist. Zugleich geht aber daraus hervor, dass wir 
gleich von vorn herein ganz wohl berechtigt sind, mit zwei Möglich- 
keiten der gegenseitigen Verbindung von Gliedmaßenabschnitten zu 
rechnen. Die eine Vorstellung geht davon aus, dass eine von Anfang 
an einheitliche Skelettanlage bis zu einem gewissen Stadium sich 
auch einheitlich weiter entwickelt und erst durch nachträgliche 
Sonderung in gleichartige Abschnitte sich abgliedert. Die zweite 
Art, wie die Gelenke entstehen können, — denn um deren Bildung 
handelt es sich — wäre die, dass in einem noch nicht zu bestimm- 
tem Gewebe herausgebildeten Blastem sich schon in früher Zeit be- 
sondere Skelettanlagen differenziren, die einander entgegenwachsen 
und sich so erst nachträglich einander angliedern. GoETTE’sS 
Ansicht vertritt folgerichtig den ersten Typus der Gelenkbildung, 
diejenige von STRASSER nimmt gleichsam einen vermittelnden Stand- 
punkt ein, indem sie für einzelne Abschnitte die Abgliederung, für 
andere die Angliederung als zutreffend bezeichnet. EmERY (17) be- 
stätigt die Befunde STRASSER’S. | 

Diese Meinungsverschiedenheiten mussten zu einer neuen Unter- 
suchung auffordern. 


Dass die beiden Forscher abweichende Schilderungen des Entwicklungs- 
ganges gaben, findet seine theilweise Erklärung in der Verschiedenheit der von 
ihnen angewandten Untersuchungsmethoden. 

GOETTE (21) ließ die frisch abgeschnittenen Extremitäten kurze Zeit in 
reinem Wasser liegen und brachte sie dann in toto mit Zusatz von solchem 
unter das Deckglas, worauf sich die Epidermis ablöste; späterhin wurde dann 


18 Wilhelm Zwick. 


noch ein Färbemittel zugesetzt. Ich ahmte dieses Verfahren nach, ohne jedoch 
selbst im günstigsten Falle Bilder zu erhalten, die auch nur annähernd in Be- 
ziehung auf Klarheit und Deutlichkeit Serienschnitten vergleichbar gewesen 
wären und die den oft erforderlichen Einblick in Einzelheiten gestatteten. 
In der Folgezeit bediente ich mich daher ausschließlich folgender Methode: 
Die Larven wurden in erwärmter Sublimatlösung abgetödtet, darin behufs 
Fixirung etwa 15 Minuten belassen und sodann nach dem Vorgehen STRASSER’s, 
der dabei sehr günstige Bilder erhielt, mit Hämatoxylin nach BÖHMER oder 
mit PAur MAver’schem Hämalaun im Stück gefärbt. Einige Präparate färbte 
ich auch mit Boraxkarmin, jedoch boten die Hämatoxylinpräparate stets die 
günstigsten Bilder. Die gewonnenen Resultate beziehen sich daher immer auf 
Schnitte, die mit letzterem Färbemittel behandelt waren. Dabei will ich aber 
anfügen, dass ich die von STRASSER (33) angegebene Hämatoxylinreaktion auf 
Knorpel nicht immer in solchen Fällen erhielt, in denen man sie nach Maß- 
gabe der Entwicklung der Gliedmaßen hätte sicher erwarten können; außer- 
dem kam es vor, dass gewisse Schnitte einer und derselben Reihe die Reaktion 
erkennen ließen, während sie bei zwischenliegenden nicht eingetreten war; es 
ist daher bei Folgerungen aus derselben eine gewisse Vorsicht geboten, zu der 
ja auch STRASSER selbst mahnt; in anderen Fällen, und es war dies die größere 
Anzahl, war dieselbe überraschend schön gelungen. Die Extremitäten wurden 
nach entsprechender Vorbehandlung in Paraffin eingebettet und der Fläche 
nach in Serienschnitte zerlegt, deren Dieke 5—10 u betrug. 

Eigene Untersuchungen. Als erste Spur einer Gliedmaßen- 
anlage zeigt sich eine wulstige Zellwucherung innerhalb der von 
GOETTE sogenannten äußeren Segmentschicht. Dieselbe macht sich 
bald in Form eines Höckers schon makroskopisch hinter dem Kiemen- 
apparat bemerkbar. Durch Längsstreekung gewinnt der Gliedmaßen- 
spross eine zapfenförmige Gestalt, und auf diesem Stadium sind in 
seinem Innern schon gewisse Umbildungen vor sich gegangen. Wäh- 
rend die ursprünglichste Anlage sich aus Zellen mit wenig Proto- 
plasma und runden oder in Folge gegenseitigen Druckes polyedrisch 
erscheinenden Kernen zusammensetzt und als ein gleichmäßiges 
Ganzes erscheint, lässt sich nunmehr im Inneren dieses Zapfens 
schon eine axiale dichtere Partie, in der die Zellen eine zur Wachs- 
thumsriehtung quere Abplattung zeigen, von einer peripheren zell- 
ärmeren unterscheiden. An das untere Ende dieser Achse, welche 
den Humerus in seiner ersten Entwicklung darstellt, schließt sich 
ohne besonders deutliche Abgrenzung von diesem eine Zellmasse an, 
von einer Beschaffenheit, wie sie die allersten Anfänge der Glied- 
maßen darbot. Distalwärts verbreitert sich dieselbe, an manchen 
Stellen bietet sie in Folge des Vorhandenseins von Lücken ein zer- 
klüftetes Aussehen, lässt aber im Ubrigen noch durchaus keine An- 
ordnung in bestimmter Weise erkennen. | 

Auf dem beschriebenen Stadium bleibt jedoch die Gliedmaße 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 79 


nicht lange stehen. Ein zunächst noch seichter Einschnitt an ihrem 
distalen Ende lässt zwei Zacken sich herausbilden, welche als Vor- 
läufer der beiden ersten Finger anzusehen sind. Serienschnitte, 
welche der Länge nach durch eine so weit entwickelte Gliedmaße 
— die Länge der Larve beträgt etwa Smm — geführt sind, lassen 
Folgendes erkennen (Fig. 7): 

Die Humerusanlage (77) tritt schon bei schwacher Vergrößerung 
durch ihr helleres Aussehen, das sie vor den übrigen auf dieser Stufe 
erkennbaren Anlagen auszeichnet, hervor. Diese Aufhellung ist in 
der Diaphyse am weitesten vorgeschritten und nimmt an Intensität 
sesen die beiden Epiphysen ab. Im Bereich der ersteren hat sich 
das Knorpelgewebe am weitesten entwickelt, ohne dass jedoch schon 
vollkommen ausgebildete Knorpelzellen vorhanden wären. Wir 
finden vielmehr bei Untersuchung mit starken Systemen große runde 
oder ovale Kerne, die von einem mehr oder weniger breiten hellen 
Hof ungefärbten Protoplasmas umlagert sind, an das sich nach außen 
die diehtere Alveolarsubstanz anschließt, welche die einzelnen Zellen 
von einander trennt!. Zwischen den in verhältnismäßig noch ge- 
ringer Zahl vorhandenen primären Alveolen finden sich zahlreiche 
dunkle prochondrale Elemente eingekeilt. Gegen die beiden Epi- 
physen, und zwar schneller gegen die distale als gegen die proxi- 
male, gewinnt der Oberarm ein mehr und mehr dunkles Aussehen. 
Die Kerne nehmen an Menge zu, werden dunkler und kleiner, je 
näher sie der Peripherie liegen, sind auch stark im Querschnitt ab- 
seplattet und eng zusammengepresst. Der Übergang von der mitt- 
leren zu den beiden peripheren Zonen ist jedoch ein ganz allmäh- 
licher, und wir vermögen den Vorgang zu verfolgen, wie sich jene 
auf Kosten dieser entwickelt. Man erkennt das Bestreben der 
peripheren unter Druck befindlichen Elemente, »mehr Luft zu be- 
kommen«, was sich besonders in der allmählich sich ändernden 
Form und Größe der Keme und dem Verhalten des peripheren 
Protoplasmas ausdrückt. Die Kerne suchen sich von ihren Genossen 
frei zu machen, behalten zwar zunächst noch eine etwas plattge- 
drückte Form bei, haben jedoch schon an einer oder beiden Schmal- 

! Im Lauf der Gewebsentwicklung treten zwischen den einzelnen Kernen 
Schaltstücke von dichterer Substanz auf, die nach STRASSER durch Umwand- 
lung der peripheren Protoplasmaschichten entstehen soll. Diese Substanz hängt 
überall zusammen, ordnet sich »in Flächenwinkeln, Drei- und Vierkantern um 
die Protoplasmabezirke der einzelnen Zellen und bildet durch das ganze Ge- 


webe ein zelltrennendes Alveolenwerk<« (STRAssER). In den Alveolen selbs 
liegen die mit einem Hof hellen Protoplasmas umgebenen Kerne. 


80 Wilhelm Zwick, 


seiten dichteres Protoplasma angesammelt, das in einen scharf zu- 
gespitzten Fortsatz ausläuft. Während die Kerne eine mehr eirunde 
Gestalt erlangen, sammelt sich um dieselben ein Hof hellen Proto- 
plasmas, die dichteren protoplasmatischen Fortsätze verschwinden 
allmählich, dabei verbreitert sich der helle Ring und die Kerne. 
betten sich so in große runde oder polyedrische Alveolen ein. 
Gleichzeitig mit dieser Umgestaltung der zusammengepressten 
dunklen Elemente zu Alveolen macht sich eine Längsstreckung der 
Säule bemerkbar, die besonders in der sich ändernden Gestalt der 
perichondralen Randzellenkerne ihren Ausdruck findet (Az, Fig. S). 
Dieselben zeigen in der Gegend, wo die großen Alveolen im Innern 
der Anlage am zahlreichsten vertreten sind, die Neigung, sich mit 
ihrer Längsachse in der Wachsthumsrichtung zu strecken. Es macht 
sich dies hauptsächlich in der Umgrenzung der Diaphyse geltend, 
in geringerem Maße in der Grenzzellenschicht der proximalen Epi- 
physe, während sie im Bereich der distalen Epiphyse ihre runde 
Form noch beibehalten haben und sich sehr eng, perlschnurartig an 
einander reihen. In der Gegend, wo sich das Humerusende gegen 
die oberen Enden von Ulna und Radius andrängt, ist es nicht so 
leicht wie in den oberen Theilen, die äußere Begrenzung mit Sicher- 
heit festzustellen, und an diekeren Schnitten mag es sogar unmög- 
lich werden, sie von der dichten Ansammlung der chondrogenen 
Zellen einerseits und den nunmehr von außen an das untere Ende 
des Humerus herantretenden embryonalen Muskelzellen, die auf dieser 
Entwicklungsstufe durchaus noch nichts Charakteristisches an sich 
tragen, sicher zu trennen. Die Abgrenzung gegen die oberen Enden 
der Vorderarmsäulen ist besonders desshalb auch schwierig, da noch 
keinerlei Andeutung der späteren Gelenkspalte sich zeigt. Ver- 
hältnismäßig leicht fällt dies gegenüber dem gegen die Streckseite 
des Humerus emporstrebenden oberen Ende der Ulna, da dieses in 
seiner geweblichen Entwicklung noch ganz auf der Stufe des axialen 
Blastems steht und sich dadurch von dem histologisch schon weiter 
vorgeschrittenen Humerusende deutlich abhebt; das obere Radiusende 
dagegen ist ungefähr gleich weit entwickelt wie das distale Hume- 
rusende. Nur eine genaue Beobachtung an dünnen Schnitten ge- 
stattet es, am Oberarm die mehr längsgestreckten Randzellen des 
Mittelstückes in ihrem Übergang zu jenen runden an der unteren 
Epiphyse besonders auch da zu verfolgen, wo die Kernreihe in 
scharfer Abbiegung das untere Ende des Humerus umgreift und be- 
grenzt (vel. Fig. 7 Rz). Es zeigt sich dabei, dass es sich hier nur 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. $1 


um eine dichte gegenseitige Anlagerung der hier zusammenstoßenden 
Skelettenden handelt; ja man ist sogar im Stande, an besonders 
dünnen Schnitten noch eine Zwischenzelllage zu erkennen, deren 
Zugehörigkeit weder zu dem einen noch zu dem anderen Skelett- 
stück aus dem indifferenten Verhalten ihrer Kerne hervorgeht. 

Gestützt auf obige Ausführungen ist es mir nicht möglich, einer 
Ansicht beizustimmen, wonach die Humerusanlage ununterbrochen 
in die beiden Skelettäste übergehen soll. Es ist dies eine Täuschung, 
der ich bei der Anwendung der Präparirmethode GoETTE’s (21) auch 
unterlag. Schnitte dagegen — namentlich solche von möglichster 
Feinheit, etwa 5 « diek — lassen unter Anordnung starker Systeme 
leicht ein Bild erkennen, wie es Fig. 7 wiedergiebt. Ich kann da- 
her Strasser (33) vollkommen beipflichten, wenn er sagt: »Der 
Humerus stellt also gegenüber der Scapula nicht nur vermöge der 
abweichenden Anordnung der Zellen, sondern auch mit Bezug auf 
die gewebliche Entwicklung schon sehr frühe und vor der Verknorpe- 
lung ein besonderes Centrum dar.« Ich möchte nur noch beifügen, 
dass auch die distale Grenze des Humerus gegen die beiden Vorder- 
armsäulen schon im prochondralen Stadium zu erkennen ist. Es wird 
diese Thatsache nicht widerlegt durch den Einwand, dass die sich an- 
legenden Vorderarmsäulen zu dieser Zeit aus einem Gewebe bestehen, 
welches auch dem Humerus beim Beginn seines Auftretens zukam. 
Dies beweist ja nur die Gleichartigkeit der Bildungen; für die Be- 
stimmung dagegen, ob eine Anlage als isolirt von einer anderen 
zu betrachten ist, kann nur ein zeitlicher Unterschied in der Ent- 
wicklung oder eine sicher erkennbare Formumgrenzung maßgebend 
sein. 

Vereinigen wir die einzelnen Serienschnitte, um hieraus ein 
körperliches Bild vom Oberarm zu erhalten, so finden wir, dass 
derselbe im Verlauf wie auch bezüglich seiner Form noch in keiner 
vollen Übereinstimmung mit den fertigen Verhältnissen steht. Er 
nimmt noch nicht jene Winkelstellung zum Vorderarm ein, verfolgt 
vielmehr noch die Richtung des übrigen Extremitätenstummels; seine 
Achse würde in ihrer Verlängerung zwischen die beiden ersten 
Finger eindringen. An seinem unteren Ende sind die beiden Con- 
dyli noch nicht ausgeprägt, es fehlt daher auch die Fossa intercon- 
dyloidea.. Der Gelenkkopf ist angelegt, wenn auch nicht in jener 
dem ausgebildeten zukommenden Gestalt; die beiden Muskelhöcker 
an seinem oberen Halse fehlen. 


Die Muskulatur ist in der Umgebung des Humerus in voller 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bad. 6 


Ss) Wilhelm Zwick, 


Entwicklung, sie befindet sich jedoch viel näher dem embryonalen 
als dem fertigen Zustand. Am weitesten gediehen ist sie in der 
Nähe des oberen Humerusendes; hier besitzen die Zellen die Form 
von lang ausgezogenen Spindeln, an denen der langgestreckte Kern 
besonders vorspringt; in den in der Nähe des unteren Humerus- 
endes gelegenen Muskelzellen haben die Kerne noch eine runde oder 
ovale Gestalt. 

Zu einer Zeit, wo der Humerus in seiner Form, die zwar von 
der fertigen noch ziemlich abweicht, schon deutlich bestimmbar ist, 
sind die Vorläufer der beiden Vorderarmknochen nur annähernd als 
zwei durch eine kleine Lücke getrennte, gebogene und etwa gleich 
lange Säulen erkennbar. In der ulnaren derselben (U) bieten die 
Zellen noch ganz das Aussehen des axialen Blastems, im Radius 
(R) dagegen, der auch schon aufgehellt erscheint, sind sie schon in 
der Querrichtung abgeplattet, daneben sind zahlreiche dunkle, pro- 
chondrale Elemente bemerkbar. Die Abplattung der Zellen nimmt 
gegen das untere Ende der radialen Säule ab, die Zellkerne haben 
hier noch ihre rundliche Form beibehalten und ermöglichen daher 
noch keine sichere Erkennung der Grenze zwischen distalem Radius- 
ende und Handwurzel. Die distale Grenze der Ulna lässt sich Dank 
dem Vorhandensein einer Gefäßlücke (G/) an ihrem unteren Ende, 
welche den Querdurchschnitt der späterhin zwischen Ulnare und Inter- 
medium von der Volar- zur Dorsalfläche übertretenden Arteria per- 
forans carpi darstellt, zwar annähernd vermuthen, aber noch 
keineswegs bestimmt feststellen; es besteht vielmehr hier noch ein 
kontinuirlicher Zusammenhang von axialem Blastem. 

In der Handwurzel sind auf diesem Stadium noch keinerlei 
Differenzirungen vor sich gegangen. Den Raum zwischen Vorderarm 
und Handwurzel sieht man vielmehr auf Schnitten von einem un- 
seordneten Zellhaufen angefüllt, der sich ulnarwärts in einen Wulst 
verhreitert, aus dem sich mit der Zeit die beiden äußeren Finger 
mit ihren Carpalstücken entwickeln. In der Nähe der Basis der 
beiden Finger zeigt das Carpusgewebe an einer Stelle in so fern 
etwas Auffälliges, als hier die Zellen etwas lockerer gelagert sind, 
was dieser Stelle ein helleres Aussehen verleiht. Dies ist der erste 
Anfang der Entwicklung eines Carpale (Be, Fig. 7). Distalwärts 
schließen sich an das Gewebe des Carpus, jedoch, wie ich gleich 
bemerken will, schon auf diesem Stadium von ihm getrennt, die 
beiden ersten Finger an; dieselben. sind zu dieser Zeit etwa eben 
so weit entwickelt wie der Radius. - Die Zellen zeigen jene abge- 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 83 


plattete spindelförmige Gestalt, mit ihrer Längsachse sind sie quer 
zur Wachsthumsrichtung gestellt, zwischen diesen finden sich zahl- 
reiche dunkle prochondrale Elemente, die, wie sich durch Doppel- 
färbung mittels Hämatoxylin-Eosin erkennen lässt, theils von Kern- 
masse, theils von dunklem komprimirtem Protoplasma gebildet fand. 
Die Umgrenzung der Finger wird durch Zellen hergestellt, deren 
Kerne durchweg noch runde Gestalt aufweisen; dieselben sind dicht 
neben einander gestellt und lassen sich in ihrer Gesammtheit als 
zusammengehörige Kernreihe an den beiden Enden wie auch an den 
Fingerseiten deutlich verfolgen. 


Larven von 8,5—9,5 mm (Fig. 3). 


Die vorliegende Entwicklungsstufe der Gliedmaße gehört zu 
Larven (Triton taeniatus) von 8,5—9,5 mm Kopfschwanzlänge. Makro- 
skopisch betrachtet fällt an den Extremitäten dieser Stufe im Ver- 
gleich zu der vorigen besonders eine Längenzunahme auf; auch tritt 
der ulnare Randwulst bestimmter hervor; der Oberarm hält mit dem 
Unterarm und der Hand auch noch dieselbe Richtung ein. Die 
Lage der Gliedmaßen ist noch unverändert: sie sind in sagittaler 
Richtung mit der späteren Beugefläche an die seitliche Rumpfwand 
angelehnt, während die Streckfläche nach außen schaut; der ulnare 
Rand ist nach oben, der radiale nach unten gerichtet. 

Serienschnitte bieten Folgendes: Die Aufhellung des Humerus 
ist bedeutend vorgeschritten; das obere Ende hat die Entwicklungs- 
höhe des Mittelstückes erreicht; in beiden finden sich schön aus- 
gebildete Alveolen mit großen, blass gefärbten, runden Kernen; im 
unteren Dritttheil des Humerus macht sich auch ein Bestreben der 
embryonalen Knorpelzellen geltend, sich auszudehnen und ihre 
gegenseitigen Abstände zu vergrößern. Die Kerne sind in diesem 
Bereich noch dunkler gefärbt, von eirunder Gestalt und an einem 
ihrer Pole oder an beiden ist dichtere protoplasmatische Substanz 
angesammelt, die in einen spitzen Fortsatz ausläuft. So zeigt sich 
auch in diesem wie im vorigen Stadium, dass der Knorpelbildungs- 
process in der Mitte des Oberarms einsetzte und sich von da gegen 
die beiden Epiphysen ausbreitete, schneller gegen die proximale als 
gegen die distale..e Am äußersten distalen Ende besteht noch eine 
Zone von zwei oder drei Zellreihen, deren Kerne noch dichtgedrängt 
stehen, und klein, rund oder eirund sind; zwischen diesen findet sich 
nur spärliches Protoplasma eingestreut. Diese Zone erscheint bei 
schwacher Vergrößerung als schmaler, dunkler Grenzstreifen zwischen 

6* 


. 84 Wilhelm Zwick, 


den hier an einander stoßenden helleren Nachbaranlagen und liefert 
damit den Beweis, dass diese nicht unmittelbar in einander fließen. 
Ein weiteres Merkmal bietet uns dafür sicheren Anhalt, auf das 
auch STRASSER aufmerksam machte; den Oberarm wie auch die 
beiden Vorderarmsäulen durchsetzt nunmehr ein rosa-violetter Schim- 
mer, von dem sich in jener dunklen Zwischenzone nichts bemerken 
lässt. Wie starke Vergrößerung ergiebt, knüpft sich diese Färbung 
an die spitzen Ausläufer der zusammengepressten Elemente, wie 
auch an die Alveolenwände; je nach der Dichte des Substrats ist 
der Farbenton dunkler oder heller. Da diese röthliche Färbung 
stets auch der Knorpelgrundsubstanz des fertigen Knorpels eigen 
ist, so ist es berechtigt, dieselbe als Erkennungsmittel der ersten 
Knorpelbildung zu benutzen, wie dies von Seiten STRASSER’S (33) 
geschehen, und damit einen genetischen Zusammenhang zwischen 
genannten Gewebstheilen herzustellen. Die seitliche Umgrenzung 
des Oberarms ist sehr scharf, da die perichondralen Zellen mit ihren 
Kernen stark in die Länge gezogen sind und sich der Säule dicht 
anschmiegen. Bezüglich der Form lässt sich dem früher Gesagten 
nicht viel Neues hinzufügen: Die Säule ist länger und schlanker 
geworden, der obere Gelenkkopf hat seine Rundung vervollkommnet 
und an der distalen Epiphyse scheint es nun auch zur Ausbildung 
der Condylen kommen zu wollen, was sich in der Verschiedenheit 
ihres Durchmessers in den einzelnen Schnitten äußert. Außerdem 
zeigt auch der radiale Rand des Humerus in der Nähe der unteren 
Epiphyse eine geringe Einziehung. In Zusammenhang mit dieser 
dürfte es wohl zu bringen sein, dass auf den der Dorsalfläche 
näher gelegenen Schnitten zwischen den benachbarten Enden von 
Humerus und Radius Lücken sich bemerkbar machen, die oft nur 
durch eine schmale Brücke, hergestellt durch eine stark abge- 
plattete Zelle, getrennt sind. An einem besonders dünn gerathenen 
Schnitt konnte ich sogar die beiden Enden durch einen zusammen- 
hängenden Spalt in ihrer ganzen Breitenausdehnung geschieden 
sehen. In dieser Spalte liegen einzelne mehr oder weniger platte, 
spindelförmige Zellen, die nicht etwa von einer der Epiphysen 
losgerissen sind, sondern einer den Gelenkspalt durchsetzenden 
Bindegewebsmembran anzugehören scheinen. Von derartigen Spalt- 
lücken ist im ulnaren Antheil des Ellbogengelenks selbst unter 
Anwendung schärfster Systeme nichts nachzuweisen; die Enden 
legen sich vielmehr hier noch dieht an einander, ohne aber zu ver- 
schmelzen. | 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 85 


Das den Humerus umgebende Muskelgewebe ist schon weiter 
entwickelt; man kann nunmehr, namentlich in seinem oberen Be- 
reich, Muskelfibrillen als an ihren Enden sich verjüngende Fäden 
erkennen, an denen ich Querstreifung noch nicht bemerken konnte, 
und die noch nicht zu Bündeln vereinigt sind. Neben den Fasern 
finden sich noch zahlreiche spindelförmige Zellen. 

Radius und Ulna treten in ihren Umrissen bestimmter hervor, 
sie sind ziemlich länger geworden, beide an Länge etwa gleich. Sie 
stellen gebogene Säulen dar, die einander ihre konkaven Ränder 
zukehren und dadurch eine große Lücke zwischen sich lassen; die 
lateralen Ränder sind entsprechend konvex. Die damit verbundene 
Längenverschiedenheit der Ränder ist auf Unterschiede im Wachs- 
thum zurückzuführen. Dasselbe geht am konvexen Rand schneller 
vor sich als am konkaven. Es drückt sich dies auch darin aus, 
dass die Grenzzellen in Folge eines hier kräftiger wirkenden Zuges 
längsgestreckt sind, während sie an den Innenrändern wie auch an 
den Epiphysen eine runde oder ovale Form beibehalten haben. Wie 
ich schon oben anführte, lässt sich die Grenze gegen den Oberarm 
schon bei schwacher Vergrößerung sicher bestimmen, nicht eben so 
leicht gegen die Handwurzel. Bei Betrachtung einzelner Schnitte 
dieser Serie mit schwachen Systemen bieten sich Bilder, für die 
man die Schilderungen und Figuren GoETTE’s theilweise als zu- 
treffend erachten möchte; man kann zu der Annahme kommen, als 
ob Radius und Ulna sich ununterbrochen durch den Carpus hindurch 
fortsetzten. Dabei scheint auf den einen Schnitten der radiale Ast 
in den ersten Finger überzugehen, auf anderen endigt er vor dessen 
Basis. Die ulnare Säule dagegen giebt den Eindruck, als ob sie 
sich oberhalb der Gefäßlücke in zwei Gabeläste theile, von denen 
der radialwärts gelegene in S-förmiger Biegung gegen den radialen 
Carpalast abbiegt und eine Strecke weit an diesen angeschmiegt 
verläuft; vor der Basis der beiden Finger erfährt er eine knoten- 
förmige Anschwellung, um dann ununterbrochen in den zweiten 
Finger zu endigen. Der ulnar von der Gefäßlücke verlaufende da- 
sesen setzt sich, wie es scheint, nach mehrfachen geringeren 
Biegungen in die Anlage des dritten Fingers fort. Zuhilfenahme 
der starken Vergrößerung giebt uns den sicheren Aufschluss, dass 
ein Zusammenhang in angedeuteter Weise nicht besteht. Die Säulen- 
strecke, so weit wir sie als Radius bezw. Ulna bezeichnen müssen, 
tritt gegenüber der Handwurzel durch das hellere Aussehen hervor; 
in ihnen finden sich jene oft beschriebenen, in der Quere abgeplat- 


Ss6 Wilhelm Zwick, 


teten Elemente eng auf einander geschichtet, die man in der Hand- 
wurzel vergebens sucht; eben so vermisst man jene charakteristische 
rosa-violette Färbung im proximalen Abschnitt der Handwurzel, end- 
lich vermag man die äußerste Grenzzellenreihe an den abgerundeten 
Vorderarmenden so genau zu verfolgen, dass wir über die distale 
Grenze des Vorderarms eben so wenig im Zweifel sein können wie 
über die proximale. 

Zu dieser Auffassung wird man sicher geführt, wenn man ganze 
Schnittserien durchmustert und dabei besonders auch sich an die 
Schnitte hält, welche der Medianebene näher liegen; weniger über- 
zeugend sind die der Dorsal- oder Ventralfläche benachbarten. 

In der Handwurzel haben sich nunmehr, wie wir bei Anwen- 
dung scharfer Systeme erkennen können, auch bedeutende Verände- 
rungen im Sinne einer fortschreitenden Sonderung der Anlagen 
vollzogen: Das auf der vorigen Stufe durch Auflockerung und 
gleichzeitige Aufhellung seiner Elemente in der Nähe der Basis der 
beiden ersten Finger in seiner ersten Anlage sichtbar gewordene 
Centrum (B.c, Fig. 8 und 9) hat sich bedeutend vergrößert. Die 
Zellen, die anfänglich ordnungslos neben einander lagen, gruppiren 
sich gleichsam einer vom Mittelpunkt des sich anlegenden Oentrums 
aus wirkenden Anziehungskraft folgend, zwiebelschalenartig in kon- 
centrischen Ringen um einander. Diese Umordnung schreitet vom 
Mittelpunkt gegen die Peripherie allmählich und gleichmäßig weiter. 
Die äußerste Bogenlinie des Basale commune oder Carpale //I be- 
rührt fast unmittelbar die proximalen Endstücke der beiden Finger- 
basen. Hervorheben muss ich, dass dieses Centrum sich schon von 
Anfang an einheitlich und gesondert von den Fingern anlegt, wie 
eine große Anzahl von mir hierauf untersuchter Schnitte überein- 
stimmend ergab. Durch Vertretung dieser Ansicht gerathe ich in 
Widerspruch sowohl mit STRASSER’s (33) wie GOETTE’s (21) Angaben. 
Obwohl ich letzterem Forscher, der das Basale commune als Ver- 
schmelzungsprodukt der Endstücke zweier Carpaläste auffasst und 
diese Zusammensetzung noch zu einer Zeit beobachten will, wo bei 
Triton taeniatus schon drei Finger ausgebildet sind (vgl. GoETTE's 
Fig. 9), hierin ganz entschieden entgegentreten muss, so nähern sich 
seine weiteren Ausführungen über die Sonderung dieses Stückes viel 
eher meinen Beobachtungen als diejenigen STRASSER’s (33). GOETTE 
(21) sagt nämlich Folgendes: »Dieses Vorderende zeigt sehr frühe die 
schon beschriebene Umbildung in embryonales Knorpelgewebe, wel- 
ches bisher ohne merkliche Unterbrechung mit dem gleichen Gewebe 


ie 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 87 


der Finger zusammenfließt, um sich erst später wieder von demselben 
zu sondern; gewöhnlich bleibt es aber von Anfang an von demselben 
durch eine dunklere, weiche Zwischenschicht, d. h. die noch unver- 
änderte indifferente Zellmasse der ursprünglichen Anlage geschieden. 
Diese bald diekere bald schmälere Zwischenschicht bezeichnet das 
Gelenk der beiden ersten Mittelhandstücke mit dem sogenannten 
Carpale ///aut. oder dem Carpale rmIII nach der von mir vorge- 
schlagenen Bezeichnung. Abgesehen von dieser histiologischen Sonde- 
rung der Mittelhand und Handwurzel ist die Grenze zwischen beiden 
auch durch eine Einschnürung der Bildungsmasse an jener Gelenk- 
stelle angedeutet, welche auch dort nicht zu verkennen ist, wo die 
Knorpelbildung ohne Unterbrechung von der Handwurzel in die 
Mittelhand übergeht. Endlich ist die Anlage des Carpale rm III ge- 
wöhnlich etwas schmäler als der quere Durchmesser beider Skelett- 
äste, was auf eine wirkliche Zusammenziehung der Bildungsmasse 
während der Verschmelzung schließen lässt. Ähnlich wie gegen die 
Mittelhand ist jenes Stück auch in proximaler Richtung gegen die 
übrige Handwurzel durch eine leichte Einschnürung und meist auch 
durch die deutlich abgesetzte Knorpelbildung geschieden, so dass 
Carpale rm/II frühzeitig als ein besonderes, rundes Knorpelstück 
hervortritt.« Ich glaubte diese Stelle, die sich auf die Bildung des 
Carpale //I bezieht, desshalb ausführlich wiedergeben zu müssen, 
weil daraus hervorgeht, dass die Annahme einer Gewebskontinuität 
eine hypothetische ist, und nicht den Thatsachen entspricht. Denn 
obwohl GoETTE (21) die Diskontinuität der Anlage als den »gewöhn- 
lichen« Befund bezeichnet, glaubt er dennoch dem bisweilen vor- 
kommenden gegentheiligen Fall größeres Recht für eine allgemeine 
Schlussfolgerung einräumen zu müssen. Wäre es den Thatsachen 
nicht viel entsprechender, die selteneren Fälle als Ausnahmen zu be- 
handeln, die wahrscheinlich der Ungunst des Objektes zuzuschreiben 
sind? Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass sich obige Be- 
schreibung GOoETTE’s auf Untersuchungen an Triton cristatus be- 
ziehen. Präparate dieser Art mögen allerdings mehr geeignet sein, 
manchmal Zweifel über Zusammenhang bezw. Trennung von Skelett- 
anlagen zu veranlassen, jedoch konnte ich immer noch Merkmale 
finden, die mir hierüber sichere Auskunft verschaffen. Viel zuver- 
lässiger sind die von Triton taeniatus angefertigten Schnittserien. 
Diese lassen erkennen, dass an den vermeintlichen Übergängen 
des Basale commune in die Finger die Kerne verschiedene aber 
ganz bestimmte Verlaufsrichtungen einhalten. — Es ist hier noch 


88 Wilhelm Zwick, 


nachträglich anzuführen, dass während der Anordnung der Zellen 
um einen Mittelpunkt deren Kerne eine geringe Gestaltsveränderung 
annehmen, in so fern sie eine leichte konkave Einbiegung an der 
dem Mittelpunkt der Anlage zugekehrten Breitseite, eine entsprechende 
Konvexität an der gegen die Peripherie gelegenen aufweisen. Achtet 
man auf diese Merkmale genau, so lässt sich an Nachbaranlagen, 
die mit ihren peripheren Grenzen hart an einander stoßen, die Zu- 
gehörigkeit der einzelnen Kerne nicht allzu schwer bestimmen. 
Selbstverständlich sind zu diesem Zwecke neben starken Systemen 
auch dünne Sehnitte erforderlich. Erleichtert wird die Grenzbestim- 
mung, wenn eine die Anlagen trennende Zwischenschicht, wenn auch 
nur von geringer Ausdehnung, vorhanden ist, da die Zellkerne in 
ihrem Bereich eine indifferente, mehr gerade Verlaufsrichtung er- 
kennen lassen. Diese verschiedene Kernrichtung beim Übergang des 
Carpus in die beiden Finger haben GOETTE und STRASSER offenbar 
übersehen, obwohl sie gerade hier sehr in die Augen fällt. Die 
äußerste Grenzzellenreihe des Basale commune verläuft in einer 
Bogenlinie, deren Konvexität gegen die Fingerbasis gerichtet ist. 
Andererseits lässt sich gut verfolgen, wie die seitliche Grenzzellen- 
reihe der Finger mit ihren durchweg kleinen, runden Kernen am 
proximalen Ende in eine gegen den Carpus sich vorwölbende Bogen- 
linie übergeht; der Krümmungsradius der letzteren ist viel geringer 
als der für den äußeren Begrenzungskreis des Basale commune. 
Dadurch, dass hier zwei Bogenlinien nahe an einander rücken, ohne 
dass es jedoch zu einer vollständigen Berührung kommt, bleibt 
zwischen beiden ein bikonvexer Spalt übrig, der sich zu beiden 
Seiten buchtartig erweitert. An diesen seitlichen Buchten (@ und 5 
in Fig. 8) hat sich ein dieht gedrängter Haufen von Zellen mit 
kleinen runden Kernen angesammelt, von denen man einzelne gegen 
den Spalt vordringen sehen kann, ohne dass sie ihn in seiner 
Sanzen Breite durchsetzten; es finden sich vielmehr an der Stelle 
des geringsten Querdurchmessers des Meniscus Zellen, die durch ihre 
äußerst schmale plattgedrückte Gestalt auffallen und als solche eine 
Scheidung des Basale commune von den Fingern bewirken. 

Eben so wie distalwärts gegen die Finger lässt sich die Grenze 
des Basale commune auch gegen den übrigen Carpus bestimmen. 
An dünnen Schnitten findet man nämlich bei Benutzung starker Ver- 
srößerung, dass die Zellmasse, welche den Carpus in seiner Ge- 
sammtheit zusammensetzt, nicht mehr wie im vorhergehenden Stadium 
einen ungeordneten Haufen bildet, noch dass sie sich in Zellsäulen 


EEE 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 89 


angeordnet hat, wie dies GOETTE und Strasser behaupten, sondern 
es ist vielmehr zu einer Sonderung in einzelne Bezirke oder Cen- 
tren gekommen; der Bildungsvorgang ist dabei derselbe, wie ich ihn 
oben für das Basale commune beschrieben habe. Wie aus Fig. 8 
hervorgeht, lassen sich auf dieser Entwicklungsstufe außer dem 
Basale commune fünf weitere Centren bestimmt erkennen. Proxi- 
malwärts von der Anlage des Basale commune hat sich ein Centrum 
sebildet, das dem Centrale (c) entspricht; es besitzt nicht ganz den- 
selben Umfang wie ersteres, namentlich nicht denselben Querdurch- 
messer, woher es auch kommt, dass bei schwacher Vergrößerung 
der mittlere Handwurzelstrahl an seinem unteren Ende eine knotige 
Verdiekung zu haben scheint. Proximal von dem Centrale schließt 
sich die Anlage des Intermedium () an, welche den Querschnitt der 
A. interossea (A.r) radialwärts und auch theilweise distalwärts um- 
greift. Das Intermedium drängt sich zwischen die unteren Enden 
der beiden Vorderarmsäulen in die Vorderarmlücke ein; seine Ent- 
wieklungsstufe steht noch etwas hinter derjenigen der beiden vor- 
senannten Centren, jedoch hat in seinem unteren Theil die Auf- 
hellung als Zeichen einer beginnenden Knorpelbildung eingesetzt. 
Die Abgrenzung dieses Stückes gegen Ulna und Radius ist deutlich 
wahrzunehmen. Außer diesen drei Centren sind noch in der Ver- 
längerung des Radius zwei weitere in Bildung begriffen. Dieselben 
stehen in ihrer geweblichen Zusammensetzung fast noch ganz auf 
der Stufe des axialen Blastems, sind aber gleichwohl als solche 
durch die Centrirung der Kerne deutlich gekennzeichnet. Das mehr 
proximal gelegene entspricht offenbar dem Radiale (r); es ist wie 
das distalwärts von ihm gelegene von runder Form, übertrifft jedoch 
dieses an Größe und ist von ihm durch eine noch nicht differenzirte 
Gewebsmasse geschieden. Das distal gelegene Stück entspricht 
dem Carpale // (GEGENBAUR) (c,), dasselbe liegt entfernt von dem 
Metacarpale //, es legt sich sogar ein radialer Antheil des Basale 
commune zwischen beide ein; STRASSER (33) hat daher Recht, wenn 
er die späteren Beziehungen genannter Elemente als sekundäre be- 
zeichnet. Die übrige ulnarwärts gelegene Handwurzelanlage hat den 
Entwicklungsgrad des radialen Antheils noch nicht erreicht. Vom 
späteren Ulnare und Carpale V vermag ich noch nichts zu erkennen; 
dagegen macht sich ulnarwärts vom Basale commune eine kreis- 
förmige dichtere Zellansammlung bemerkbar, in der wir das Bil- 
dungscentrum des Carpale /V (c,) zu sehen haben. Die ulnare 
wulstförmige Zellwucherung, aus der später die beiden äußeren 


90 Wilhelm Zwick, 


Finger auswachsen, zeigt im Ganzen das Bestreben, eine mehr läng- 
liche Form zu gewinnen. | 

Aus obiger Schilderung ist zu entnehmen, dass zusammenhängende 
Zellsäulen im Carpus nicht vorhanden sind. Gleichzeitigkeit der Ent- 
wicklung der Stücke einer Längsreihe, Gleichartigkeit oder wenig- 
stens geringe Verschiedenheit in der Form, Mangel einer ausgepräg- 
ten, die einzelnen Knorpelstücke trennenden Gewebsschicht, das sind 
die Faktoren, welche bei der Feststellung einer thatsächlich bestehen- 
den Trennung Berücksichtigung erheischen, und welche auf der 
anderen Seite geeignet sind, zu den mehrfach erwähnten Täuschungen 
Veranlassung zu geben. Die Entwicklung der beiden ersten Finger hält 
ungefähr gleichen Schritt mit derjenigen des Radius, jedoch sind 
die Zellen in den Fingersäulen noch mehr abgeplattet als in diesem. 
Beide Finger sind in der Entwicklung gleich weit gediehen, an 
Länge steht der erste dem zweiten nach. Näheres über den Ent- 
wicklungsvorgang werde ich weiter unten erwähnen. 


Larven von 9—12 mm Länge (Fig. 10). 


In den folgenden Perioden der Entwicklung behält der Humerus 
nicht mehr jene gleichsam indifferente Lage gegenüber dem Unter- 
arm bei, sondern setzt sich in einem etwa 130—140° betragenden 
Winkel gegen denselben ab. Diesen Grad der Abbiegung hat die 
Extremität schon bei 11 mm langen Larven von Triton taeniatus er- 
reicht. Gleichzeitig damit vollzieht sich auch die Entwicklung des 
Ellbogengelenks. So hat die schon im vorigen Stadium bemerkbar 
gewordene Einschnürung des radialen Randes am unteren Ende des 
Oberarms nach und nach einen deutlichen Gelenkkopf von einem 
schlanken Hals sich abschnüren lassen. Der Oberarm ist dadurch - 
zu einer leicht S-förmig gebogenen Säule geworden, die in der Haupt- 
sache schon ihre endgültige Gestalt zeigt. Auch die beiden auf den 
Oberarm folgenden Knorpelsäulen, Radius und Ulna, zeigen schon 
sanz die Verhältnisse des Erwachsenen. Dieselben sind vom Hume- 
rus durch eine verhältnismäßig breite Spalte getrennt. 

An dieser Stelle soll auf die Entwicklung des Ellbogengelenkes 
etwas näher eingegangen werden, wobei ich hauptsächlich die von 
HENKE und REYHER über die Gelenkbildung aufgestellten Beobach- 
tungen und Folgerungen im Auge habe. Diese beiden Forscher haben 
in ihren »Studien über die Entwicklung der Gliedmaßen des Men- 
schen, insbesondere der Gelenkflächen« den Nachweis zu erbringen 
sich bemüht, dass die Bildung der Gelenke und namentlich der 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 91 


Gelenkflächen nicht ohne Weiteres auf Vererbung zurückgeführt 
werden könne, dass vielmehr ein schon während der Entwicklung 
sich bethätigender und allmählich auf die Ausbildung der fertigen 
Formen hinarbeitender Mechanismus in Gang komme. Sie räumten 
der gleichzeitig mit den Skeletttheilen sich entwickelnden Muskula- 
tur einen bestimmenden und modellirenden Einfluss auf die Form der 
Gelenkflächen ein und leiteten im Besonderen das »hypothetische 
Gesetz« ab, »dass aus einem Stadium der Amphiarthrose — d. h. 
einem Indifferenzstadium, das sich besonders durch die geringe Ver- 
schiedenheit der Gelenkflächen kennzeichnet — die Pfanne auf der 
Seite gebildet wird, auf welcher die Insertionen der überspringenden 
Muskeln wenig weit vom Gelenk entfernt sind«. Eine derartige Bei- 
ziehung mechanischer Einflüsse mag ja hypothetisch sehr naheliegend 
sein und es wäre zu erwarten, dass ähnliche physiologische Ver- 
hältnisse wie für die Extremitäten des Menschen auch für diejenigen 
der Tritonen in Betracht kommen. Wie verhält es sich nun aber 
damit thatsächlich? Die früher besprochenen ersten Anfänge der 
Bildung von Gelenkkopf und Pfanne kamen, wie wir mit Bestimmt- 
heit feststellen können, ohne jegliche Einwirkung der Muskulatur 
zu Stande, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil derselben noch 
sämmtliche Merkmale fehlten, welche das Muskelgewebe als solches 
kennzeichnen, und die es befähigten, durch seine Kontraktion Skelett- 
abschnitte in bestimmter Weise gegen einander zu bewegen. Ja 
selbst, wenn auch schon ein funktionsfähiges aktives Bewegungs- 
organ vorhanden wäre, so schließt doch schon die gegenseitige 
innige Anlagerung der an der Bildung des Gelenkes betheiligten 
Skeletttheile jede ausgiebigere Lageveränderung aus. Noch viel auf- 
fallender als für den unteren Gelenkkopf des Humerus ist der Aus- 
schluss der Muskelwirkung bei der Bildung des oberen Gelenk- 
kopfes, da dieser schon zu einer Zeit, wo die ihn umgebende 
Muskulatur noch in dem frühesten Stadium der Entwicklung steht, 
in einer dem ausgebildeten Zustand schon sehr ähnlichen Gestaltung 
sich zeigt. Auch für spätere Entwicklungsstadien des Humero- 
Antebrachialgelenks ist die Einwirkung der Muskeln nicht einwands- 
frei festzustellen. Zwar macht dasselbe in seiner Entwicklung rasch 
Fortschritte, und es beginnen sich die Abkömmlinge der vordem 
spindelförmigen Muskelzellen, die Muskelfasern schon zu Bündeln 
zu vereinigen,. jedoch kann ich weder von dem diese zusammen- 
haltenden Perimysium externum, wie auch von einer Querstreifung 
an den einzelnen Fasern zu einer Zeit etwas bemerken, wo die 


92 Wilhelm Zwick, 


Gelenktheile schon fertig in die Erscheinung treten. Gerade auf 
letzteren Punkt möchte ich ganz besonderes Gewicht legen, da ja, 
wie EIMER bestimmt nachwies, die Querstreifung an der Skelett- 
muskulatur als Ausdruck ihrer Thätigkeit aufzufassen ist. 

Kann ich also der Muskulatur für die Ontogenese der Gelenke 
der Tritonextremitäten eine ausschließlich wirksame Antheilnahme 
an der Bildung der Gelenkformen nicht zuerkennen und muss ich 
vielmehr den auf Vererbung beruhenden Wachsthumsvorgängen für 
die erste typische Gestaltung der Gelenkflächen den alleinigen Ein- 
fluss zugestehen, so ist andererseits die Muskelwirkung für die 
phylogenetische Bildung der Gelenke durchaus nicht zu unterschätzen. 
Die Versuche Fıck’s (18a) haben in letzter Hinsicht einwandsfreie 
Beweise erbracht. Wir werden daher unsern Standpunkt dieser 
Frage gegenüber am besten kennzeichnen, wenn wir die während 
der Ontogenese der Gelenke sich abspielenden Vorgänge als auf 
langem Wege der Phylogenese erworbene ansehen, und zwar in der 
Weise, dass die im Lauf der Stammesentwicklung durch Thätigkeit 
entstandenen Umbildungen in der Ontogenese sich wiederholen, auch 
nachdem die sie erzeugende Ursache aufgehört hat zu wirken. 

Die Verknorpelung in der Handwurzel, welche an Larven von 
9,5 mm Länge im Basale commune eingesetzt hatte, hat sich all- 
mählich über den ganzen radialen Handwurzelabschnitt ausgedehnt. 
Die Grenzen der einzelnen Handwurzelstücke sind nunmehr schwie- 
riger zu erkennen, da die letzteren in Folge der Ausbildung der 
Alveolen mit ihren Peripherien eng an einander stoßen. Die Beob- 
achtung der Kernrichtung bietet hier zur richtigen Beurtheilung den 
hauptsächlichsten Anhaltspunkt. Ein Zusammenfließen des Gewebes 
der einzelnen Carpusstücke, und zwar sowohl der in querer als der 
in der Längsrichtung an einander stoßenden kann ich in Rücksicht 
auf die ursprünglich gesonderte Bildung auch für diese Stufe nicht 
zugeben. 


Ich möchte einer gegentheiligen Anschauung besonders auch folgenden 
Satz GoETTE’s entgegenstellen: »Überhaupt ist wohl zu beachten, dass der 
Eindruck eines Zusammenfließens der knorpeligen Handwurzeltheile um so eher 
erzeugt wird, als an ihrer Oberfläche der Faserzug fehlt, den die langen als- 
bald mit Knochenröhren sich umgebenden Knorpel des Armes und der Finger 
besitzen und der ihnen schon frühe eine schärfere Abgrenzung verleiht.< In 
gleichem Sinne spricht sich STRASSER p. 285 aus: »Bedenkt man freilich, dass 
selbst vollständig getrennte Knorpelflächen sich so vollständig an einander legen 
können, dass genaue mikroskopische Untersuchung a priori kaum zum Entscheid 
über die Art des Zusammenhanges verhilft, so begreift man, dass Beobachter, _ 
die mit gröberen Methoden arbeiten, hier leicht der Täuschung verfallen können.< 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 93 


Im Verlauf der weiteren Ausbildung der Stücke treten übrigens 
bald an ihrer Peripherie dunkle, stark plattgedrückte Zellen auf, 
welche dann schon bei schwacher Vergrößerung die Grenzbestim- 
mung der einzelnen Stücke ermöglichen. Das Carpalstück des dritten 
Fingers hat sich sehr rasch entwickelt und geht in der Verknorpelung 
dem zugehörigen Finger voran. Noch mehr tritt dieser zeitliche 
Unterschied in der Ausbildung zwischen dem Basalstück des vierten 
Fingers und diesem selbst hervor. 

Bisher habe ich die Entwicklung der Finger als von zusammen- 
hängenden Säulen geschildert, ohne dabei ihrer Gliederung in Unter- 
abschnitte zu gedenken. Über eine solche vermag man an den bei- 
den ersten Fingern nicht ohne Weiteres klar zu werden, sie tritt 
vielmehr erst an dem sich entwickelnden dritten und vierten Finger 
hervor, da bei diesen der Vorgang ein langsamerer ist. An geeig- 
neten Präparaten ist mit Bestimmtheit zu entscheiden, dass eine 
Gliederung schon bei dem frühesten Auswachsen dieser Finger sich 
einstellt. Metacarpus und Phalangen sondern sich aus dem undiffe- 
renzirten Blastem des ulnaren Randwulstes in runder Form ähnlich 
wie die Carpusstücke, um erst nachträglich mit der Streckung der 
Fingersäule die langgezogene Gestalt zu erhalten. Die Centrirung 
der einzelnen Theile erfolgt in proximo-distaler Reihenfolge, dess- 
gleichen die Verknorpelung. Bei etwas vorgeschrittener Entwicklung 
der Finger bis zu dem Grad, wie ihn die beiden ersten Finger im 
vorhergehenden Stadium zeigten, verwischen sich die Gliederungs- 
stellen, da die Einzelabschnitte in der Entwicklung auf gleicher 


‚ Stufe stehen. Der einzige Anhalt ist darin geboten, dass die Enden 


der Fingerabschnitte mit abgerundeten Flächen gegen einander stoßen, 
so dass seitlich an den Gelenkstellen Einbuchtungen entstehen, ähn- 
lich wie ich sie für die Zusammentrittstelle der proximalen Epi- 
physe mit dem Basale commune beschrieben. Besonders deutlich 
gekennzeichnet sind die Gliederungsstellen an den Fingerdurchschnit- 
ten, welche Sehnenanlagen der Flexoren enthalten, da man hier 
deutlich verfolgen kann, wie ursprünglich drei Zellreihen neben 
einander verlaufen, und wie die eine nach der anderen am Meta- 
carpo-Phalangealgelenk, ersten Interphalangealgelenk etc. ihr Ende 
finden (vgl. Fig. Se, und &). Mit dem Fortschreiten der Verknorpe- 
lung verbreitern sich die Gelenkanlagen — was namentlich bei Triton 
eristatus hervortritt —; an diesen Stellen fallen auch dunkle, dichte 
Zwischenscheiben auf, hergestellt durch quer liegende, lang aus- 
gezogene, spindelförmige Zellen; an gut gerathenen Schnitten lässt 


94 Wilhelm Zwick, 


sich erkennen, dass die Scheibe aus drei Zellreihen sich zusammen- 
setzt, von denen je eine zur Abgrenzung der betreffenden Gelenk- 
enden dient, während eine zwischenliegende als Querdurchschnitt 
einer dieselben trennenden Gewebsschicht aufzufassen ist (Fig. 10a 
und d. Späterhin wölben sich die distalen Enden der Metacarpen 
bezw. Phalangen leicht vor, während die proximalen eine seichte 
Pfanne bilden. Schon auf früherer Stufe zeigte sich auch die An- 
lage des Kapselbandes, auf Schnitten als eine zu beiden Seiten der 
Gelenke vom einen zum anderen Gelenkende verlaufende Kernreihe 
kenntlich. 

Aus den bisherigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die 
einzelnen Theile des Extremitätenskeletts sich sämmtlich 
aus einem urspünglich gemeinsamen Grundgewebe schon 
sehr frühe als Sonderanlagen entwickeln. Mit diesem Ergeb- 
nis ist also die übereinstimmende Entwicklung der säulenförmigen und 
der runden Skelettstücke je unter sich wie auch dieser beiden Grup- 
pen unter einander dargethan und sind auch gewisse Widersprüche 
beseitigt, welche sowohl die Anschauung von STRASSER (33) wie die- 
jenige von GOETTE (21) nach dieser Richtung enthielt. 

Die Beschreibung des Entwicklungsganges der Tritonextremitä- 
ten bezog sich durchweg auf Larven von Triton taeniatus; die 
Untersuchung erstreckte sich jedoch auch auf solche von Triton eri- 
status. Ich konnte bei Durchmusterung der vielfachen Schnittserien 
durch Extremitäten von Larven letzterer Art auf nichts stoßen, was 
den an jenen gewonnenen Ergebnissen widersprach. Dass ich der 
Beschreibung Larven von Triton taeniatus zu Grunde legte, ist ein- 
zig und allein auf die langsamere gewebliche Entwieklung ihres 
Extremitätenskeletts zurückzuführen, welche uns in deren einzelne 
Phasen viel besseren Einblick gewährt und damit ein viel zuver- 
lässigeres Urtheil ermöglicht. 


Über Hand- und Fufswurzel der Anuren. 


Schon zu Anfang meiner Arbeit habe ich darauf hingewiesen, 
dass GEGENBAUR (19) bei der Aufstellung eines typischen Grundplans 
für den Carpus und Tarsus sich von dem Gedanken leiten ließ, die 
Hand- und Fußwurzelbildungen der über den Urodelen stehenden 
Abtheilungen der Wirbelthiere von dem bei jenen gewonnenen Ge- 
sichtspunkt aus vergleichend zu untersuchen, um etwaige Abwei- 
chungen richtig zu beurtheilen. Eine Prüfung dieser Extremitäten- - 
abschnitte bei den Änuren lässt nun die eigenthümliehe Erscheinung 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 95 


erkennen, dass diese, die schon so weitgehende Formabweichungen 
von denen ihrer nächsten Verwandten bieten, es erschweren, hierin 
den für den Carpus und Tarsus der Salamanderlarve aufgestellten 
Typus wiederzufinden. Es ist wohl naheliegend, diese Veränderungen 
mit der eigenartigen Gebrauchsweise der Gliedmaßen der Anuren in 
Zusammenhang zu bringen. Während beide Gliedmaßenpaare der 
seschwänzten Amphibien noch in gleichmäßiger und ursprünglicher 
Weise zu einfacher Schreitbewegung dienen, ist bei den schwanz- 
losen diese Gleichmäßigkeit in der Benutzungsweise aufgehoben 
und hat mit dem Übergang in die ausgiebigere Sprungbewegung in 
so fern einer ausgeprägten Arbeitstheilung Platz gemacht, als die 
Hintergliedmaßen, welche im Ruhezustand unter dem Körper eng 
zusammengefaltet liegen, die Aufgabe übernommen haben, bei ihrer 
Streckung den Körper rasch und kraftvoll von der Unterlage abzu- 
stoßen, eine Strecke weit zu scehleudern und damit eine Bewegungs- 
form herzustellen, die wir als »Springen« bezeichnen. Die Ausübung 
dieser Springthätigkeit hat an dem Skelett der Hintergliedmaßen 
Veränderungen hervorgebracht, die sich vor Allem in einer bedeu- 
tenden Verlängerung der beiden Röhrenknochen, des Ober- und 
Unterschenkels aussprechen, sowie darin, dass dem Extremitäten- 
stiel noch zwei weitere säulenförmige Knochen (Calcaneus und 
Astragalus) einverleibt sind, welche ursprünglich dem Mittelfuß ange- 
hörten. Diese Verlängerung der Hintergliedmaßen ist verhältnis- 
mäßig am bedeutendsten bei Laubfröschen (Hylidae), welchen sich 
die Frösche (Ranidae) anschließen, während andererseits die Hinter- 
sliedmaßen der Kröten (Bufonidae) denen der vorgenannten an Länge 
ziemlich nachstehen. Dem entsprechend stuft sich auch das Spring- 
vermögen ab. Nach Kenntnis solch enger Beziehungen zwischen 
Skelettbildung und Gebrauch dürften wir auch keinen Fehlschluss 
begehen, wenn wir letzteren in ursächlichen Zusammenhang mit 
gewissen Umbildungen am Knochengerüst bringen und für diesen 
besonderen Fall der Ausübung der Springthätigkeit die bedeutende 
Verlängerung der Hintergliedmaße auf Kosten der Wirbelsäule zu- 
schreiben. Als Beweis hierfür dürfte auch die Thatsache gelten, 
dass Thiere, die systematisch weit von einander abstehen, denen 
aber ähnliche Bewegungsformen eigen sind, auch analog gebaute 
Hintergliedmaßen aufweisen. Solche physiologische Beziehungen 
mit den Fröschen finden sich beispielsweise beim Känguruh (Halma- 
turus), der Springmaus (Dipus) und etwa noch dem Hasen (Lepus). 
Wenn nicht volle Übereinstimmung des Gliedmaßenbaues bei den 


96 } Wilhelm Zwick, 


erwähnten Thieren besteht, so beruht dies naturgemäß auf Besonder- 
heiten im Gebrauch oder auf Benutzung der Extremitäten zu be- 
stimmten Nebenfunktionen. So musste z. B. der Fuß der Anuren, 
da diese nicht ausschließliche Landbewohner sind, sondern mehr 
oder weniger lange Zeit im Wasser verbringen, die Funktion des 
verloren gegangenen Schwanzes übernehmen und als Schwimmorgan 
dienen. Dem entsprechend ist derselbe stark verbreitert und abge- 
plattet und vermag gleichsam als Ruderschaufel am Ende eines 
langen Ruderstiels das Wasser kräftig zu schlagen und den Körper 
energisch vorwärts zu treiben. 

Die Vordergliedmaßen spielen bei der Bewegung im Wasser 
wie auf dem Lande eine mehr oder weniger unthätige Rolle. Wäh- 
rend des Schwimmens schmiegen sie sich der seitlichen Rumpfwand 
dicht an, bei der Bewegung auf dem Lande fangen sie nach dem 
Sprung den wieder zu Boden fallenden Körper auf und stützen den 
Vorderkörper während der Ruhe. Neben dieser Funktion als Stütz- 
und Haftorgan, zu welch letzterem Zweck die breitflächige Hand 
durch Spreitzen der Finger eine möglichst breite Unterlage zu ge- 
winnen sucht, kommt der Hand bei vielen Anuren noch die Aufgabe 
eines Greiforgans zu, und zwar dies vermöge eines gegenüberstell- 
baren Daumens, der sich mit Kraft den übrigen Fingern entgegen- 
stemmt und damit der Hand dieser Thiere, welche bekanntlich zur 
Zeit der Begattung die höchste Kraftleistung zu erzielen vermag, die 
Fähigkeit verleiht wie eine Zange zu wirken. 

Die Kenntnis solch enger Beziehungen zwischen dem Skelett 
der Gliedmaßen und deren Gebrauch muss bei der Beurtheilung des 
ersteren sehr in die Wagschale fallen, da wir nur hierdurch mancherlei 
sonst unverständliche Formgestaltungen am Knochengerüst verstehen 
lernen. 


A. Handwurzel. 


Die Arbeiten, welche sich mit dem Bau der Handwurzel der 
schwanzlosen Amphibien beschäftigen, sind sehr zahlreich; mehrere 
Forscher, wie Cuvıer (14), Owen (30), Duszs (15), MEcker (29), 
EcKER (16), GEGENBAUR (19), Emery (17), Howes und RıpEwooD (22) 
u. A. haben hierüber schon Untersuchungen veröffentlicht, ohne dass 
bis jetzt eine einheitliche Auffassung bezüglich der Deutung der 
einzelnen Stücke erzielt worden wäre; im Gegentheil wäre man 
berechtigt zu sagen, dass fast mit jeder neuen Arbeit auch eine 
neue Ansicht aufgetaucht ist. Auf die Darlegung der verschiedenen 


Be; 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 97 


Meinungen will ich hier nicht eingehen, möchte sie vielmehr in eine 
am Schluss dieser Abhandlung folgende Besprechung verflechten. 


Beschreibender Theil. 


Anmerkung. Bei der Beschreibung der Handwurzel der verschiedenen 
Anurengruppen will ich mich nicht ganz genau an die systematische Ordnung 
halten; ich behandle die Aglossa statt in erster in letzter Reihe, weil sie in 
ihrem Carpusbau Besonderheiten bieten, welche erst nach Kenntnis der mehr 
typischen Formen richtig beurtheilt werden können. Zunächst benutze ich die 
von ECKER (16) geübte Bezeichnungsweise (für die zweite Handwurzelreihe in 
etwas abgeänderter Form). Die vorläufige Umgehung der GEGENBAUrR'schen 
Benennungsweise geschieht desshalb, weil diese an und für sich schon eine 
gewisse Bedeutung für die einzelnen Stücke in sich schließt; am Schluss werde 
ich dann wieder auf diese zurückkommen. Die Beschreibung der Handwurzel 
der mit einem Stern versehenen Anurenformen ist der durch Benutzung reich- 
haltigen Materials sich auszeichnenden Abhandlung von HowEs und RIDEWOOD 
(22) entnommen. 


Unterordnung Phaneroglossa. 
I. Sektion. Raniformia. 


1. Familie. Ranidae. 


Gattung Rana (Fig. 11). Die Untersuchung erstreckte sich auf 
Rana temporaria, R. viridis, R. fascigula; von R. temporaria wurden 
Gliedmaßen von Larven in den verschiedensten Altersstufen in 
Schnittserien zerlegt. 

Die Handwurzel sämmtlicher Angehöriger der Gattung Rana. 
setzt sich übereinstimmend aus sechs Stücken zusammen. Den mit 
der Ulna artikulirenden, etwas volarwärts verschobenen Knochen 
bezeichnet Ecker (16) als Pyramidale (p), seinen den Radius stützen- 
den Nachbar als Lunatum (?) und das einwärts sich an dieses an- 
lehnende Knochenstück als Naviculare (2); das letztere erreicht beim 
Männchen mit seiner oberen randförmigen Fläche das untere Radius- 
ende, während es beim Weibchen etwas von diesem entfernt bleibt. 
Durch seine Breiten- wie Höhenausdehnung fällt ein Knochen (AA, 
Fig. 11) auf, der sich zwischen die zwei erstgenannten Elemente 
und die proximalen Enden der drei äußeren Mittelhandknochen ein- 
schiebt und zur Artikulation mit diesen drei Gelenkhöcker besitzt; 
an seiner Streckfläche ist eine rinnenförmige Vertiefung sichtbar, 
herrührend von den beim Stützen der Hand sich eindrückenden 
oberen Gelenklippen der Metacarpuspfannen; am ulnaren Seitenrand 
sendet er einen starken Fortsatz gegen das distale Ende der Ulna 


empor. In die distale ausgehöhlte- Fläche des Naviculare (2) senkt 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. H 


98 Wilhelm Zwick, 


sich ein rundliches Stück (m) ein und bildet mit jenem zusammen 
einen Gelenkkopf, zu welchem die carpalen Gelenkflächen des Meta- 
carpale / und des sich seitlich an diesen anlehnenden napfartigen 
Knochens R%A/ die zugehörige Pfanne abgeben. Auf R%/ folgt ein 
längliches Stück ZAII, dasselbe ist beim Männchen knöchern, beim 
Weibchen knorpelig. 

Gattung Pseudes. Howes und RıDEWooD (22) untersuchten die 
Handwurzel von Pseudes paradoxa*, welche sich von derjenigen der 
Gattung Rana dadurch unterscheidet, dass das Naviculare unter dem 
Lunatum liegt, also keine Beziehungen zum Radius unterhält; der 
erste Randknochen! ist in die Länge gezogen und fast eben so lang 
wie der zweite. 

In der Handwurzel der Gattungen Ceratophrys (Fig. 12), Cysti- 
snathus (Fig. 13) und Leptodactylus* stößt das Navieulare an das 
untere Radiusende an und bildet mit dem Lunatum und Pyramidale 
die antebrachiale Knochenreihe, bei Limnodynastes* erreicht das 
Naviculare das Radiusende nicht ganz. In der distalen Handwurzel- 
reihe liegen bei Ceratophrys cornuta und Limnodynastes tasmaniensis 
zwei Knochen, deren besondere Verhältnisse mit den für Rana er- 
wähnten übereinstimmen. Bei Cystignathus (Fig. 13) stützt das Capi- 
tato-hamatum (AA) nur zwei Mittelhandknochen, da den beiden ersten 
je ein besonderes kleines rundliches Stück aufliegt. An der radia- 
len Randseite weisen Ceratophrys (Fig. 12) und Leptodaetylus drei, 
. Cystignathus (Fig. 13) und Limnodynastes nur zwei Randknochen auf. 
Die Größe des proximalen derselben übertrifft mehr oder weniger 
diejenige des Multangulum maius (m). Der distale Randknochen ist 
bei Limnodynastes besonders groß und breit, auch erwähnen Howes - 
und RIiDEwooD (22) besonders noch von ihm: »This consists of a 
single element, which is in the male shovel-shaped and beset by a 
horny investment, much in the manner of the Calear in Pelobates 
or Helioporus.« M 


2. Familie. Discoglossidae. 


In dieser Familie finden wir so ziemlich alle Variationen ver- 
einigt, welche bei den verschiedenen Anuren in der Handwurzel 
überhaupt vorkommen. | 

Bei Megalophrys montana (Fig. 14) strebt das Naviculare in die 
erste Reihe empor, ohne jedoch das untere Radiusende zu erreichen; 
sonst verhält sich der Carpus wie der von Rana. 


! Diese Bezeichnung ist der Arbeit von A. CARLSSON entnommen. 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 99 


Chiroleptes*. Howes und RIDEwooD (22) geben von der Hand- 
wurzel dieser Gattung zwar keine besondere Beschreibung, jedoch 
ist zu entnehmen, dass, abgesehen von der besonderen Beschaffen- 
heit des zweiten Randknochens im Handwurzelbau vollständige Über- 
einstimmung mit demjenigen von Limnodynastes besteht. 

Pelodytes*. Bei Pelodytes punctatus artikulirt das Navieculare 
mit dem unteren Radiusende; dem ersten und zweiten Metacarpale 
kommt je ein gesondertes Carpalstück zu. Die Randknochen sind 
stark ausgebildet und in der Dreizahl vorhanden. 

Discoglossus*. Den Vorderarm stützen bei Discoglossus pietus* 
nur zwei Knochen. Das Naviculare ist durch das Lunatum radio distal- 
wärts verdrängt. In der zweiten Reihe findet sich für jedes Meta- 
carpale ein besonderer Stützknochen, von denen das Hamatum am 
srößten ist. Nach der Angabe von HoweEs und RıDEWooD zieht vom 
Capitatum zum Kopf des Metac. ZV ein Band, das ihrer Auffas- 
sung gemäß den Überrest des eigentlichen vierten Carpalknochens 
darstellen soll. Die vorhandenen zwei Randknochen sind verhält- 
nismäßig groß, der zweite übertrifft den ersten, dieser die drei ersten 
distalen Carpusknochen an Größe. 

Xenophrys. Xenophrys monticola* stimmt mit der vorhergehen- 
den Gattung darin überein, dass auch hier der distalen Reihe vier 
einzelne Knochen zukommen, außerdem soll sich hier auch wieder 
ein eben solcher Bandzug finden, der in der Nähe seines metacar- 
palen Ansatzes einen Knorpel in seinem Gewebe enthalten soll; da- 
segen ist das Navieulare hier Angehöriger der ersten Carpusreihe, 
die Randknochen verhalten sich ähnlich wie bei Rana. 


3. Familie. Alytidae. 


Gattung Alytes. Alytes obstetricans (Fig. 15) schließt sich in 
der Zusammensetzung seiner Handwurzel an Discoglossus an. Bei 
zwei vierbeinigen Alyteslarven fand Born (9) inmitten des Carpus 
ein freies, wohl abgegrenztes Knorpelehen von halbmondförmiger 
Gestalt, das bei zwei anderen Handwurzeln von Alytes mit c; (A in 
Fig. 15) verwachsen war und an demselben einen deutlichen zungen- 
förmigen Fortsatz bildete. Born (9) hält diesen Knorpel für ein Centrale. 


4. Familie. Bombinatoridae. 


Gattung Bombinator. Der Bau der Handwurzel von Bombinator 
igneus (Fig. 16) ist derselbe wie von Discoglossus, die Zahl der Rand- 


knochen ist um einen vermehrt. 
15 


100 Wilhelm Zwick, 


Gattung Pelobates. Für Pelobates fuscus (Fig. 17) ist die An- 
näherung des Naviculare an das Radiusende eine ausgesprochenere 
als für Bombinator; in der zweiten Reihe finden sich vier Stücke, 
deren Lage und Größenverhältnis aus Fig. 17 zu ersehen ist. Hin- 
sichtlich der Randknochen gilt das von Rana Gesagte. Wie bei 
Larven von Alytes fand Born (9) auch bei solchen von Pelobates 
dasselbe unabhängige Centrale. Auch EmeryY fand an Larven von 
Pelobates fuscus ein kleines, wohl unterscheidbares und auf einem 
sewissen Stadium konstantes Knorpelstück, welches später mit dem 
Carpale /// verschmilzt und mit dem von Born (9) erwähnten iden- 
tisch sein soll. Unter den von mir untersuchten verschiedenalterigen 
Larven von Pelobates konnte ich in einem Fall ein ovales Knorpel- 
stück als Sonderanlage erkennen, das sich zwischen das Hamatum 
und das Lunatum einschob und später jedenfalls mit dem Carpal- 
stück des äußeren Fingers verwächst. 


II. Sektion. Bufoniformia. 


1. Familie. Phryniscidae. 


Gattung Phryniscus. Bei Phryniscus albifrons (Fig. 18) liegt das 
Naviculare dem distalen Radiusende nahe, ohne es jedoch zu er- 
reichen; im Übrigen liegen die Verhältnisse wie bei Rana. Howes 
und RıpEwoop fanden bei Phryniscus varians* eine Verschmelzung 
des Carpalstücks des Daumens mit dem Navieulare; bei Phryniscus 
cruciger* waren sogar die beiden ersten Carpalstücke, die zuge" 
hörigen Metacarpalia und das Naviculare verwachsen. 

Bei Brachycephalus“® ist nach Angabe derselben Forscher das 
Carpale des Daumens mit seinem Metacarpale verwachsen. Pseudo- 
phryne Bibronii bietet eine Abweichung dahin, dass den beiden 
ersten Metacarpalia je ein besonderes Carpusstück aufliegt. 


3. Familie. Bufonidae. 


Gattung Bufo. Die von mir untersuchten Arten dieser Gattung 
(Bufo vulgaris, viridis, agua [Fig. 19], pantherinus) weisen mit an- 
deren von Howes und RIDEWooD geprüften übereinstimmende Merk- 
male in ihrer Handwurzel auf: bei allen finden sich in erster Reihe 
drei Knochen; das große Capitato-hamatum ist gemeinsames Basal- 
stück für die drei äußeren Metacarpalia. Der Innenseite des ersten 
Fingers sind drei Randknochen angefügt, von denen der erste am 
größten und etwa eben so groß wie das Multangulum maius (7) ist. 


er 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 101 


III. Sektion. Hylaeformia. 


1. Familie. Polypedatidae. 

Gattung Polypedates. Von dieser Gattung habe ich Polypedates 
leucomystax (Fig. 20) untersucht, dessen Handwurzel sich eben so 
verhält wie diejenige von Rana; erwähnenswerth wäre nur die sichel- 
föürmige Gestalt des zweiten Randknochens. Limnodytes (Fig. 21) 
verhält sich wie Megalophrys. Mit Rana stimmen ferner nach Howes 
und RIDEwooD (22) überein: Ixalus leucorhinus, Megalixalus mada- 
gascariensis, Rappia marmorata, Rhacophorus und Üornufer. 


2. Familie. Hylidae. 


Gattung Ayla. So weit Untersuchungen vorliegen (H. arborea, 
cyanea, rubra, peronii, coerulea*, freycineti”, lichenata*, ewingii*) 
kennzeichnen durchgreifende gemeinsame Merkmale im Handwurzel- 
bau die Angehörigen dieser Familie (Fig. 22). Das Naviculare liegt 
unterhalb und einwärts vom Lunatum. Gewöhnlich sind drei Rand- 
knochen vorhanden. Bei einem der beiden von mir untersuchten 
Exemplare von Hyla eyanea fand ich jedoch fünf wohl gesonderte 
Einzelstücke. Die beiden proximalen waren vollständig verknöchert, 
das dritte und vierte enthielten einen Verknöcherungspunkt, wäh- 
rend das Endstück noch rein knorpelig war; an den beiden Händen 
eines weiteren Exemplars waren nur drei Randstücke vorhanden 
(Fig. 22), ohne dass deren Gesammtlänge derjenigen der fünf Stücke 
nachstand. 


Unterordnung Aglossa. 
Pipidae. 

Gattung Pıpa. Bei Pipa surinamensis (Fig. 23) sind die beiden 
Vorderarmknochen innig verwachsen, der fast einheitlich erscheinende 
Knochen ist stark abgeplattet, der ulnare und der radiale Rand sind 
sehr zugeschärft. Im Bau der Handwurzel weicht dieses Thier 
wesentlich von den übrigen Anuren ab. Dieselbe setzt sich ein- 
schließlich des radialen Randknochens aus sechs Stücken zusammen, 
deren gegenseitige Lagebeziehung aus Fig. 23 zu ersehen ist. Ich 
will es unterlassen, die einzelnen Stücke näher zu beschreiben, da 
ja dies von JUNGERSEN (25) in ausführlicher Weise geschehen. Dieser 
Forscher hat auch darauf hingewiesen, dass frühere Untersucher bei 
der Beschreibung der Handwurzel von Pipa entweder die ulnare 
und radiale Seite (SCHNEIDER, MECKEL, MAYvER) oder die Streck- und 


102 Wilhelm Zwick, 


Beugefläche verwechselten (BrRühL, HoweEs und RıDEwooDp). Erstere 
Verwechslung hat dazu geführt, dass man früher der Wabenkröte 
in so fern eine Ausnahmestellung zuerkannte, als sie an den inneren 
Fingern drei, an den beiden äußeren zwei Phalangen besitzen sollte, 
während sie in der That wie die übrigen Anuren an den inneren 
Fingern zwei, an den äußeren drei Phalangen aufweist. Die Dor- 
salfläche ist besonders dadurch gekennzeichnet, dass sich hier im 
Bereich des unteren Radiusendes ein Sesambein vorfindet (s in Fig. 23). 
EmeErY (17) ist geneigt, in demselben das Intermedium zu sehen. 
Dieser Vermuthung kann ich nicht beipflichten; ich fand ein der- 
artiges Sesambein auch bei vielen anderen Anuren an derselben 
Stelle, namentlich auch bei den Fröschen und Kröten (vgl. Fig. 24). 
Dasselbe ist bei allen in die Sehne der hier zusammentretenden 
beiden Köpfe des M. antibrachii lateralis superfieialis (ECKER) ein- 
sebettet (Fig. 24 M.ant.lat.s).. Von der Stelle, welche das Sesambein 
enthält, zweigen sich zwei Endsehnen ab, von denen die eine das untere 
Ende der Ulna umgreift, und lateralwärts ihr Ende findet, während 
die andere sich zum Naviculare begiebt. Derjenige Theil der Sehne, 
welcher jenes Sesambein einschließt, unterliegt einer stetigen Rei- 
bung seitens des unteren Radiusendes; der fortwährend ausgeübte Reiz 
hat dortselbst eine Umbildung des Sehnengewebes in Knochengewebe 
bewirkt. Howes und RıDEwooD (22) konnten dieses Sesambein bei 
jungen Exemplaren von Pipa nicht auffinden. Nach all Dem dürfte 
wohl einwandfrei angenommen werden können, dass dieser Knochen 
in Folge der Thätigkeit erworben wurde und keinen typischen Hand- 
wurzelknochen darstellt. Volarwärts artikulirt mit dem proximalen 
Ende des ersten Mittelhandknochens ein rundliches Knöchelchen, 
das dem ersten Randknochen an der Hand der übrigen Anuren ent- 
spricht. Über denselben zieht, wie ich an dem mir zur Verfügung 
gestandenen einzigen Exemplar sehen konnte, die Sehne eines Mus- 
kels hinweg, der an der Beugefläche des ulnaren Vorderarmtheils in 
dessen mittlerem Bereich entspringt, und dessen Sehne am ersten 
Mittelhandknochen endigt. — Versuchen wir eine Übereinstimmung 
im Bau der Handwurzel mit derjenigen der übrigen Anuren zu er- 
zielen, so müssen wir in dem großen ulnaren Knochen (R + p) ein 
vereinigtes Pyramidale und Hamatum sehen. Das radiale keilförmige 
Stück (2) entspricht dem Lunatum, das unter ihm gelegene dem 
Naviculare. Das Multangulum maius ist mit dem proximalen Meta- 
carpusende verwachsen, da die Epiphyse stark konvex und ver- 
knöchert ist (vgl. Brachycephalus*). Den beiden mittleren Mittel- 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen etc. 103 


handknochen liegt je ein besonderes Stück auf, die beide etwas 
volarwärts verschoben sind. 


Familie Dactylethridae. 


Gattung Xenopus*. Bei Xenopus laevis finden wir statt des 
sroßen ulnaren Stückes je ein gesondertes Pyramidale und Hama- 
tum. Dem ersten Mittelhandstück liegt wie den übrigen ein geson- 
dertes Carpale auf; im Übrigen sind die Verhältnisse dieselben wie 
bei Pipa. Eine nähere Beschreibung der Handwurzel dieses Thieres 
findet sich bei JUNGERSEN. 


Zusammenfassende Besprechung. 


Es ist eine der am meisten umstrittenen Fragen über den 
Anurencarpus, ob der ersten Reihe desselben drei oder nur zwei 
Stücke zuzurechnen seien, da, wie eine vergleichende Betrachtung 
der Handwurzel der verschiedenen Angehörigen dieser Gruppe er- 
seben hat, das Naviculare bei den einen Thieren innigere Be- 
ziehungen zu der proximalen Reihe unterhält, bei anderen von der- 
selben mehr entfernt liegt. Die Ansichten der Forscher, die sich 
mit dieser Frage beschäftigten, gehen hierüber sehr aus einander. 
Die älteren, wie Cuvıer (14), Ducks (15), Ecker (16), stellen das- 
selbe auf Grund ihrer Untersuchungen über die Handwurzel der 
Kröten und Frösche in die erste Reihe, EckER (16) fügt noch be- 
sonders bei: »Offenbar ist die von Ducks und hier gebrauchte 
Benennung die allein richtige, nur dass hier das Os naviculare ganz 
außer Berührung mit der Gelenkfläche des Os antibrachii gekommen 
ist.«e Dieser Auffassung trat GEGENBAUR (19) zum ersten Mal ent- 
gegen. Nach ihm ist das Naviculare Ecker’s das Üentrale, das 
Lunatum gleich dem Radiale und das Pyramidale gleich dem Ulnare, 
während das Intermedium ausgefallen sein soll. GEGENBAUR lässt 
es dabei dahingestellt, ob, wie dies der entsprechende Vorgang bei 
den Salamandrinen lehrt, das Intermedium mit dem Ulnare ver- 
wachsen, oder ob es — was er für wahrscheinlicher hält — in die 
Verwachsung der beiden Vorderarmknochen eingegriffen sei, wobei 
seine Masse also gleichsam als Verbindungskitt der beiden vordem 
getrennten Vorderarmknochen verbraucht wurde. Allerdings betont 
GEGENBAUR (19), dass einer derartigen Aufstellung nur der Werth 
einer Annahme beizumessen sei. Dass sie aber,auch als solche nicht 
stichhaltig sein dürfte, geht einmal daraus hervor, dass einerseits 
für den Fall einer Verwachsung das Intermedium mit dem Ulnare 


104 Wilhelm Zwick, 


auch die Hohlhandpartie der A. interossea ([ZUCKERKANDL) bezw. die 
A. perforans (Emery) die Masse dieses Stückes durchbohren müsste, 
wie dies z. B. bei den Salamandrinen für das verwachsene Ulno- 
intermedium zutrifft, während sie in Wahrheit auswärts vom Luna- 
tum, zwischen diesem und dem Pyramidale von der Beuge- zur 
Streckfläche des Carpus dringt. Gegenüber einer Mitbetheiligung 
des Intermedium an der Verwachsung der beiden Vorderarmknochen 
wäre andererseits zu betonen, dass es zahlreiche Fälle in der 
Wirbelthierreihe giebt, wo bei gleichzeitigem Fortbestehen eines 
Intermedium beide Vorderarmknochen verwachsen sind. Außerdem 
findet sich das entgegengesetzte Verhältnis, ein Fehlen des Inter- 
medium neben einer vollständigen Trennung von Radius und Ulna 
in ausgesprochener Weise bei den Sauriern (Born). In Anbetracht 
dessen schließe ich mich vollständig der Auffassung Born’s (9) an, 
dem es viel wahrscheinlicher erscheint, dass beim Zusammenrücken 
der Vorderarmknochen bis zur Verschmelzung ein am Rande des Car- 
pus gelegenes Stück, wie das Naviculare, bei einem Theil der Anu- 
ren seine Unterlage verliert, als dass ein Stück, wie das Intermedium, 
vollständig verschwindet. Vielmehr müsste ein Zusammenrücken der 
beiden Vorderarmknochen, wie dies andere Fälle aufs beste bestätigen, 
die funktionelle Bedeutung des Intermedium erhöhen. Zwar sollen 
nach Emery’s Untersuchungen bei Larven von Rana esculenta und 
Pelobates Spuren dieses Intermedium in Form eines nicht mehr ver- 
knorpelnden Rudiments sich vorfinden, jedoch konnten meine hierauf 
gerichteten Beobachtungen an demselben Material ein derartiges 
Vorkommnis nicht bestätigen. Als weiteren und hauptsächlichen 
Einwand macht GEGENBAUR geltend, die Entwicklungsgeschichte 
lehre, dass das Navieculare ursprünglich den distalen Vorderarmepi- 
physen entrückt sei und erst nachträglich bei einigen Formen diese 
erreiche. Dies könnte aber eben so gut dem Lunatum und Pyra- 
midale gegenüber behauptet werden, und hängt damit zusammen, 
dass die Anlage eines jeden Carpusstückes von einem gewissen 
Centrum ausgeht, das sich durch besondere Merkmale, auf die ich 
hier nicht näher eingehen will, kennzeichnet; derselbe liegt für das 
Navieulare allerdings entfernt vom Vorderarm, es trifft dies aber auch 
für die beiden anderen Stücke der ersten Reihe zu. Sämmtliche drei 
Knochen kommen der distalen Vorderarmepiphyse erst dadurch näher, 
dass sich die gewebliche Umbildung, welche ursprünglich nur im 
Centrum besteht, allmählich auch auf die Peripherie ausdehnt. 

Von anderen Untersuchern haben JUNGERSEN (25), der sich mit 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 105 


dem Carpus von Pipa und Xenopus beschäftigte, sowie HOFFMANN 
(10) in »Bronn’s Thierklassen« die Deutung GEGENBAUR’s angenom- 
men, während Emery (17) auf Grund ontogenetischer Untersuchungen 
am Carpus von Rana esculenta und Pelobates fuscus zu einer ganz 
neuen Auffassung gelangt. Danach verschmilzt das Radiale GEGEN- 
BAUR'S mit einem Oentrale / und einem Pisciforme schon sehr. früh- 
zeitig während des Embryonallebens zu einem Radio-Centrale. Das 
Naviculare rechnet er der distalen Reihe zu und sieht in ihm das 
»Carpale ‚praepollieis«. Er begründet diese Auffassung mit der Ähn- 
lichkeit, welche das Naviculare carpi mit dem gleichnamigen Ele- 
ment der Fußwurzel hat, und das WIEDERSHEIM als Tarsale des 
Prähallux bezeichnete. Eine derartige Schlussfolgerung ist jedoch 
meiner Ansicht nach verfehlt, da bekanntlich an dem Anurenfuß 
durch die Funktion herbeigeführte Verhältnisse vorliegen, welche 
von dem ursprünglichen Typus sehr abweichen, und da fernerhin 
die Bedeutung der einzelnen Fußwurzelstücke durchaus noch nicht 
einwandsfrei feststeht. Außerdem zeigt sich das Naviculare so sehr 
als berechtigtes und bleibendes Stück des eigentlichen Carpus, und 
so wohl ausgebildet, dass man es unmöglich als zu einem Rudiment 
gehörig auffassen kann. Die Entwicklungsgeschichte lässt auch 
einen derartigen Zusammenhang durchaus nicht erkennen. Die 
Stücke des »Präpollex« entwickeln sich vollständig unabhängig von 
dem Naviculare, das erste Auftreten desselben fällt in eine Zeit, wo 
von Einzelstücken des »Präpollex« noch keine Spur vorhanden ist. 
Die Entwicklungsgeschichte bietet auch, wie ich an Larven von 
Pelobates, Rana esculenta und temporaria, Bufo vulgaris überein- 
stimmend erkennen konnte, keinen Anhalt dafür, dass in dem Radiale 
GEGENBAUR’S noch ein Centrale enthalten sei; ich sah dieses Stück 
stets einheitlich zur Entstehung kommen. Eben so wenig lieferte 
die Entwicklungsgeschichte Belege für das Vorhandensein eines Pisi- 
forme oder eines überzähligen Carpale an der ulnaren Handseite, 
welche damit die Voraussetzung zu einer ehemaligen Existenz eines 
weiteren Fingers an der ulnaren Handseite aufkommen ließen. 
Howes und RıpEwoop (22) haben an der Hand eines reichhal- 
tigen Materials es unternommen, den Carpus der Anuren vergleichend- 
anatomisch zu untersuchen. Sie kamen dabei zu einer ganz neuen 
Auffassung. Das Naviculare betrachten sie als Centrale, und zwar 
 »präaxiales Centrale«, während sie das Carpale 5 (% in meinen Figu- 
ren) als postaxiales Centrale ansehen. Diese Ansicht schien ihnen 
nahegelest durch die Untersuchung der Handwurzel von Bombinator, 


106 Wilhelm Zwick, 


Discoglossus und besonders von Xenophrys, wo ein Bandzug vom 
Capitatum zum proximalen Ende des äußersten Metacarpus verlaufen 
soll. Bei Bombinator fand ich ein derartiges Band, dasselbe zieht 
aber mehr über die Dorsalseite hinweg und nicht zwischen der Ge- 
lenkfläche des Metac. /V und dem Hamatum, wie man erwarten 
sollte. Was den Knorpel betrifft, der bei Xenophrys in die Band- 
masse eingeschlossen ist, so möchte ich darauf hinweisen, dass in 
der betreffenden Figur (22, Fig. 16) der dorsale Antheil der proxi- 
malen Metacarpusfläche sehr ausgeschweift erscheint, und es daher 
viel naheliegender sein dürfte, dasselbe als losgelösten Theil jener 
Gelenklippe anzusehen. Der Vergleich, den HoweEs und RIDEWOoD 
mit dem Tarsus der Anuren ziehen, erscheint mir durchaus nicht 
gerechtfertigt. An der Fußwurzel ist es erklärlich, dass starker 
Druck einen Tarsalknochen bis auf einen Bandrest zum Schwinden 
bringen kann, die stetige Abnahme der distalen Knochen bezw. 
Knorpel vom tibialen zum fibularen Rand legt dies sehr nahe. Einen 
gleichen physiologischen Grund können wir für die Handwurzel 
nicht konstatiren. Im Gegentheil ist das Größenverhältnis der dista- 
len Carpusstücke gerade ein umgekehrtes: je näher sie dem ulnaren 
Handrand liegen, um so größer sind sie. Ich kann daher die von 
Howes und RIDEwooD angeführten Gründe nicht als maßgebend 
genug erachten, um damit die für GEGENBAUR'S Deutung der dista- 
len Carpusreihe sprechenden aufzuheben. Von vorn herein erscheint 
auch die Annahme zweier Centralia im Sinne von Howes und-RiDE- 
wooD wegen deren excentrischer Lage zweifelhaft. Außerdem steht, 
wie ich schon früher bei Besprechung der Handwurzel der Urodelen 
ausführte, durchaus noch nicht fest, ob in der That zwei Centralia 
als der typische Bestandtheil des ursprünglichen Carpus angenom- 
men werden dürfen. 

Wenn ich also die Deutung GEGENBAURr’s für die distale Carpus- 
reihe annehme, so möchte ich dagegen die Stellung des Naviculare 
in die erste Reihe besonders vertheidigen. Erwägt man, dass der 
Vorderarm der Anuren eine Auswärtsdrehung derart erfahren hat, dass 
nunmehr das untere Radiusende an der aufgestützten Hand ganz 
ulnarwärts sich befindet, und zieht man weiterhin in Betracht, dass 
mit der Drehung des Vorderarms gleichzeitig eine mäßige gleich ge- 
richtete Drehung und Hebung der äußeren Handwurzelstücke vor 
sich ging, so ist es begreiflich, dass dadurch das Naviculare seinen 
Anschluss an den Vorderarm etwas verlor. Durch die Drehung wurde 
radialwärts eine freiere Beweglichkeit des Daumens erzielt. Von 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 107 


dieser Drehung des Unterarms konnte das Centrale als ein ursprüng- 
lieh inmitten der Handwurzel gelegenes Stück entweder gar nicht, 
oder gegebenen Falls nur in der Weise beeinflusst werden, dass es 
an den ulnaren, nicht aber an den radialen Rand rückte. Diese 
physiologische Erwägung ergänzt daher den entwicklungsgeschicht- 
liehen Befund an Pelobates vollständig, wonach das Centrale mit 
dem Hamatum bezw. Capitato-hamatum verwachsen ist. Die Größe 
dieses Stückes ist mit einer derartigen Verschmelzung aus zwei Ele- 
menten sehr wohl zu vereinbaren. Das von Born bei Larven von 
Alytes obstetricans gefundene Centrale halte ich für identisch mit 
dem meinisen, zweifelhaft dagegen ist mir dies in Beziehung auf 
das Centrale // von EMmERY. 
Radiale Randknochen (Präpollex). Wie aus dem beschrei- 
benden Theil zu entnehmen ist, kommen an der radialen Randseite 
der Anuren »überzählige Handwurzelelemente< vor, und zwar fand sich 
bei Pipa und Xenopus nur ein derartiges überzähliges Knochensttick, 
bei dem übrigen Anuren waren dagegen zwei oder drei, und bei Hyla 
cyanea sogar fünf solche Stücke vorhanden. Diese Randstücke sind 
entweder sämmtlich verknöchert, oder können alle oder nur ein 
Theil derselben zeitlebens knorpelig bleiben; für den letzteren Fall 
betrifft die Verknöcherung nur das eine bezw. zwei proximale Stücke. 
Sehr wechselvoll ist die Form, welche der sogenannte »Präpollex«< 
annimmt. Besser als eine Beschreibung vermag eine Vergleichung 
an der Hand der Figuren dies zu zeigen; zugleich ist dabei die 
Manmnigfaltigkeit der Größenunterschiede der einzelnen Randstücke 
unter sich wie auch im Verhältnis zu den eigentlichen Handwurzel- 
stücken ersichtlich. Beständiger dagegen sind die Lagebeziehungen 
dieser Elemente, und die für Rana nach dieser Richtung gemachten 
Angaben treffen fast durchweg auch für die übrigen Formen zu. 

Auf all die berührten Abweichungen in Zahl, Größe und Form 
stoßen wir nur bei einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen 
Familien oder mehrerer Gattungen einer Familie, innerhalb einer 
und derselben Gattung und noch mehr innerhalb der Art sind diese 
Verhältnisse typisch und bleibend. | 

Was die Bedeutung der in Rede stehenden überzähligen Rand- 
knochen betrifft, so gehen die Ansichten fast aller Forscher, die sich 
damit beschäftigt haben, übereinstimmend dahin, dass sie in ihrer 
Gesammtheit einen rudimentären Finger, einen Atavismus darstellen, 
der die Abstammung der Anuren von einer fünf-, oder nach EMERY 
(18) sogar sechsfingerigen Urform verrathe. Eine solche Annahme 


108 Wilhelm Zwick, 


wird nahe gelegt durch die Lage des »Präpollex« sowie durch die 
Zusammensetzung desselben aus mehreren sich an einander anglie- 
dernden Einzelstücken. Über die Bedeutung dieser letzteren gehen 
die Ansichten etwas aus einander. Duezs (15) sieht das proximale 
Knochenstück als ein Metacarpale, das folgende als erste Phalanx 
an ete. EwerY’s (18) Auffassung schließt dieselbe Deutung in sich. 
GEGENBAUR, und mit ihm viele andere Forscher, bezeichnen das 
proximale Stück als Carpale, das zweite als Metacarpale ete. Unter 
der vorläufigen Voraussetzung, dass die Gesammtheit der Rand- 
knochen in der That einen rudimentären Finger darstellt, möchte ich 
ersterer Anschauung beitreten, und zwar desshalb, weil der erste 
Randknochen sich an das benachbarte Metacarpale in ganz derselben 
Weise anlegt und mit ihm durch ein Band eben so verbunden ist, 
wie dies für die übrigen Metacarpalia unter einander zutrifft. Diese 
Deutung würde es in sich schließen, dass bei dem erwähnten Exem- 
plar von Hyla eyanea der Daumen ein Metacarpale und vier Pha- 
langen, also mehr als jeder der übrigen vier Finger besaß. Dies 
ist sehr unwahrscheinlich, da ja im Gegentheil die beiden inneren 
Finger der Anuren nur zwei Phalangen, also weniger als die mit 
drei Phalangen versehenen äußeren Finger besitzen; zugleich wird 
aber dadurch die Auffassung der Randknochen als Rudiment eines 
Daumens sehr in Frage gestellt. Der Einwand, dass der Fund von 
fünf Einzelstücken eine große Ausnahme sei, und desshalb wohl 
auch keinen morphologischen Werth beanspruchen könne, kann wohl 
nicht mit Recht erhoben werden, da diese Fünfzahl sich an beiden 
Händen zeigte; ich halte sogar dafür, dass eine die Dreizahl über- 
schreitende Anzahl von Gliedern ursprünglich stets den »Präpollex< 
bei Hyla eyanea zusammensetzte und erst nachträglich eine Ver- 
minderung durch Verschmelzung eintritt; ganz denselben Vorgang hat 
ja Born für den »Prähallux« von Rana und Bufo festgestellt. 
Einer Erklärung der Randknochen als Rudiment eines Daumens 
steht auch der Umstand entgegen, dass keine mehr als vierfingerige 
Form bekannt ist, von der mit Bestimmtheit die Anuren abgeleitet 
werden könnten, und unter der bloßen Voraussetzung einer solchen 
müssten wir doch erwarten, dass die Urodelen dieses Rudiment 
mindestens in eben so ausgeprägter Weise besitzen wie die Anuren. 
Der »Rudimenttheorie« KoLLmann’s, wonach der »Präpollex« und 
»Prähallux< von rudimentären Strahlen abzuleiten wären, welche bei 
der Umformung der Fischflosse in die Batrachierhand mit aufge- 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 109 


nommen wurden, muss dasselbe eben ausgesprochene Bedenken ent- 
segengesetzt werden. 

Ist somit die Deutung der Randknochen als »Präpollex« nicht 
einwandsfrei, so muss auch der Versuch, dieselbe der Anschauung 
TORNIER’S (35) anzupassen, beanstandet werden. Dieser Forscher 
fasst den bei einer großen Zahl von Säugern vorkommenden »Prä- 
hallux« als eine theilweise Verknöcherung der Sehne des M. abduc- 
tor hallueis auf, die erst postembryonal eintreten soll. Zu den 
Randknochen begeben sich bei den Anuren zwei Muskeln, die nach 
Ecker als M. abduetor und adductor pollieis bezeichnet werden 
(Fig. 25). Ersterer entspringt vom distalen Ende der Ulna und endet 
mit einer Portion am proximalen Ende des ersten Fingers, mit seiner 
mehr radial gelegenen setzt er sich an die beiden Randknochen an; 
jedoch findet er nicht immer hier sein Ende, verläuft vielmehr, wie 
ich besonders beim männlichen Frosch feststellen konnte, mit einer 
Endsehne weiter bis zum Ende des Metacarpale Z/ und endet an der 
hier befindlichen Rauhigkeit. Man müsste demnach TORNIERr’s An- 
schauung zufolge annehmen können, dass die Randknochen in der 
Sehne des letzteren Muskels durch Verknöcherung entstanden sind. 
Die überaus starke Ausbildung der Randknochen bei einigen Anuren- 
formen, welche zur Breite der Sehne in einem starken Missverhältnis 
steht, lässt jedoch daran zweifeln. Auch ist darauf hinzuweisen, 
dass die Randknochen der Anuren sich schon in der Larvenperiode 
anlegen wie die Finger, zwar etwas später als diese, aber in ganz 
derselben Weise. Die Anlage der einzelnen Stücke erfolgt in proximo- 
distaler Reihenfolge, und zwar hyalinknorpelig, nicht faserknorpelig, 
wie es für Sesambeine verlangt werden müsste, und wie dies für 
das erwähnte Sesambein am Ende des Radius zutrifft. 

Eine von den dargelegten Ansichten abweichende ist die neuer- 
dings von ALBERTINA CARLSSON (11) aufgestellte. Von der Voraus- 
setzung ausgehend, dass sie keine unübersteigliche Kluft zwischen 
einem Sesamknochen und einem Skelettknochen herausfinden könne, 
da sich beide ontogenetisch gleich verhalten, sowie unter Berufung 
auf die Thatsache, »dass die sogenannten überzähligen Knochen 
als wirkliche Sesamknochen, d. i. eine Ossifikation in einem Liga- 
ment oder in einer Sehne entstanden sind«, kommt zunächst CARLS- 
son zu dem Schluss, »dass Hand und Fuß durch Incorporirung von 
ursprünglich als Sesamknochen entstandenen Bildungen ihr Volumen 
vergrößern können«. »Von diesem Stadium leiten sich Zustände ab, 
wo der Knochen sich vergrößert, Gelenkflächen und Ligamente 


110 Wilhelm Zwick, 


erhält und mehrere Muskeln mit ihm in Verbindung treten, und so 
an der betreffenden Stelle die Bedingung oder nothwendige Voraus- 
setzung eines neuen Strahls abgiebt.< In dieser Erklärung, welche 
also die Randknochen als typisch gewordene Neubildung auffasst, 
findet A. CARLSSoN zugleich einen Aufschluss für das häufige Vor- 
kommen der Randknochen bei solchen Thieren, welche graben, 
klettern oder schwimmen, und desshalb eines breiten Fußes bedürfen, 
sie zieht weiterhin die Schlussfolgerung, dass »die sechste Zehe« 
(und wohl auch der »Präpollex«) der Anuren und der Randknochen 
der Säugethiere als »konvergente Bildungen« zu betrachten seien. 

Zu Gunsten letzterer Ansicht könnte angeführt werden, dass 
der Präpollex sich ontogenetisch später anlegt und auch häufig zeit- 
lebens knorpelig bleibt, während die übrigen Skeletttheile der Hand 
verknöchern. Daraus kann ein verschiedenes Alter der beiderlei 
Handwurzeltheile und die phylogenetisch jüngere Stellung der Rand- 
knochen in Folge späterer Erwerbung abgeleitet werden. 

Nicht ohne Weiteres vermag ieh dagegen A. CARLSSON beizu- 
stimmen, wenn sie den Unterschied zwischen Sesambein und eigent- 
lichen Skelettknochen unter Berufung auf PFIiTzxer's (32) Anschauung 
von Sesambeinen gering achtet. Diesen Unterschied verwischt aller- 
dings der von PFITZNER aufgestellte Begriff von Sesambeinen, der- 
selbe schließt aber andererseits die Betheiligung der Funktion bei 
der Bildung dieser Sesambeine aus und bezeichnet sie als echte, 
aber rudimentäre Skelettstücke. Damit, dass A. CARLSSoN die Ent- 
stehung von Sesambeinen in Sehnen zugiebt, andererseits aber sie 
zu typischen Skelettstücken werden lässt, muss sie auch in letzter 
Linie die Umwandlung von Faserknorpel in Hyalinknorpel zugeben, 
wogegen die Forschungen’ in der Gewebelehre streiten. Dem wider- 
spricht die histologische Untersuchung, welche feststellt, dass der 
Vorgang in der umgekehrten Reihenfolge stattfindet. 

Aus dem Vorhergehenden ist zu entnehmen, dass keine der be- 
stehenden Auffassungen eine durchaus befriedigende Erklärung für 
die Bedeutung der Randknochen der Anuren zu geben vermag. Wir 
wollen daher versuchen, aus den vorhandenen Thatsachen eine be- 
stimmte Schlussfolgerung zu gewinnen. Aus der hyalin-knorpeligen 
Anlage der in Rede stehenden Bildung ist abzuleiten, dass dieselbe 
zu den typischen Theilen des Skeletts gehört; dies spricht sich auch 
in der Beständigkeit ihrer Form-, Größen- und sonstiger Verhält- 
nisse bei einer und derselben Gattung bezw. Art aus. Andererseits 
legt es der große Wechsel dieser Verhältnisse bei den verschiedenen 


* en 


a 


EEE ENT 


Beitr. zur Kenntn. des Baues u. d. Entw. der Amphibiengliedmaßen ete. 111 


Gruppen und die besondere Betrachtung der Randknochen bei ein- 
zelnen Formen, wie z. B. von Limnodynastes nahe, in den Rand- 
knochen Bildungen von besonderem funktionellem Werth zu sehen. 
Die mehr oder weniger selbständige Funktion der Randknochen 
hängt im Einzelnen von ihrer Größe und ihren Beziehungen zu den 
benachbarten Handtheilen ab. Dieselbe wird eine selbständige sein 
können bei Limnodynastes und Discoglossus, während die Bewe- 
sungen des »Präpollex< mehr solidarisch zusammengehen werden 
mit denjenigen des ersten Fingers bei den übrigen Formen. Dabei 
ist es naheliegend, demselben eine Mitwirkung bei der Entgegen- 
stellung des Daumens zuzuschreiben, wozu er sich durch seine Lage 
und seine Muskelverbindung sehr wohl eignet. Die Wirkung der 
Muskeln geschieht der Art, dass das proximale Ende des »Präpollex« 
auf dasjenige des ersten Metacarpus drückt und denselben dadurch 
zum Spreitzen veranlasst; verstärkt wird die Wirkung, wenn der 
M. abductor pollieis sich auch noch an der Gräte des ersten Meta- 
carpus mittels einer Sehne ansetzt, wie dies für das Männchen von 
Rana u. a. zutrifft. Diese engen Beziehungen zwischen Präpollex 
und Daumen geben auch HoweEs und RıDEwooD (22) zu, wenn sie 
sagen: »In some forms there is a great tendeney for it (i. e. prae- 


‚pollex) to enter into direct connection with the 2nd matacarpal 


either by simple apposition or by fusion with the warted crest of 
the same.« Da diese Gegenüberstellung des Daumens besonders bei 
der Begattung zur Geltung kommt, so dürfte auch die Wirkung der 
Randknochen hierbei von besonderer Wichtigkeit sein; ein Beleg 
hierfür findet sich darin, dass die Randstücke viel früher bei den 


männlichen Anuren verknöchern als bei den Weibchen, bei denen 


dieselben sogar zeitlebens knorpelig bleiben können. 

Über den Tarsus der Anuren habe ich an Larven von Rana, 
Bufo und Pelobates Untersuchungen angestellt, welche die aus der 
Litteratur bekannten, und in vieler Beziehung übereinstimmenden 
Ergebnisse bestätigen konnten; namentlich möchte ich die von An- 
fang an einheitliche Entwicklung von Astragalus und Calcaneus 
besonders hervorheben. Was die Deutung der Stücke der distalen 
Reihe betrifft, so stimme ich am meisten der ganz neuerdings von 
ÜBOMIAKOFF (12) aufgestellten Ansicht bei. Den sogenannten »Prä- 
hallux« halte ich eben so wie die meisten übrigen Untersucher, im 
Gegensatz aber zu Emery (18) und PERRIN (31), nicht für das Rudi- 
ment einer sechsten Zehe, sondern für eine typische Bildung des 
Anurenfußes von besonderem morphologischem und funktionellem 


112 


Wilhelm Zwick, 


Werth. Hauptsächlich bestimmend für diese Meinung war für mich 
ein schon von Dugss (15) und Borx (7) mit Bufo viridis angestellter 
physiologischer Versuch, dessen Ergebnis ich bestätigen kann, und der 
deutlich zeigt, dass der sog. »Prähallux< als »Scharrkralle« zum Ein- 
wühlen in die Erde ähnlich wie diejenige des Maulwurfs benutzt wird. 


und 


12, 


19. 


14. 


15. 


16. 


7 


18. 


Tübingen, im Juni 1897. 


Litteraturverzeichnis, 


K. BARDELEBEN, Zur Morphologie des Hand- und Fußskelets. Jen. Zeit- 
schrift für Naturw. Bd. XIX. 1885. p. 27—32. 

Derselbe, Über neue Bestandtheile der Hand- und Fußwurzel der Säuge- 
thiere, sowie die normale Anlage von Rudimenten »überzähliger« 
Finger und Zehen beim Menschen. Ibid. p. 149—164. 

Derselbe, Hand und Fuß. Referat in Verhandlungen der Anat. Gesellsch. 
Jena 1894. 

G. BAUR, Beiträge zur Morphologie des Carpus und Tarsus der Vertebra- 
ten. I. Thl. Batrachier. Jena 1888. 

Derselbe, Neue Beiträge zur Morphologie des Carpus der Säugethiere. 
Anat. Anzeiger Bd. IV. 1889. 

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26a. 


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Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


taeniatus 


Fig. 


(8 
8. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel IV. 


Fuß von Archegosaurus (Tübinger Exemplar). 
. Derselbe. Skizze von FRORIEP. 

Linke Hand von Menopoma (Dorsalfläche). 

Rechter Fuß von Menopoma (Dorsalfläche). 

Linker Fuß von Menopoma. 

Linker Hinterfuß von Siredon pisciformis (erstes Exemplar vgl. Text). 
Linke Hand von Siredon pisciformis (drittes Exemplar vgl. Text). 
Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Triton 
mm Kopfschwanzlänge). Vergr. 150. 

Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Tri- 


ton taeniatus (9,5 mm Kopfschwanzlänge). Vergr. 175. 


Fig. 


I: 


Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Tri- 


tion cristatus (zur Zeit des Auswachsens des dritten Fingers). Vergr. 130. 


Fig. 


10. 


Tafel V. 
Flächenschnitt durch die Vorderextremität einer Larve von Triton 


taeniatus (12 mm Kopfschwanzlänge). Vergr. 110. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


118 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 
17. 
18. 
19. 
20. 
21. 
22. 
23. 
24. 
25. 


Rechte Hand von Rana temporaria (Dorsalfläche). 

Linke Hand von Ceratophrys cornuta (Dorsalfläche). 
Linke Hand von Cystignathus bronnii (Dorsalfläche). 
Rechte Hand von Megalophrys montana (Dorsalfläche). 
Rechte Hand von Alytes obstetricans (Dorsalfläche). 
Linke Hand von Bombinator igneus (Dorsalfläche). 
Rechte Hand von Pelobates fuseus (Dorsalfläche). 

Rechte Hand von Phrynisceus albifrons (Dorsalfläche). 
Linke Hand von Bufo agua (Dorsalfläche). 

Rechte Hand von Polypedates leucomystax (Dorsalfläche). 
Rechte Hand von Limnodytes (Dorsalfläche). 

Linke Hand von Hyla cyanea (Dorsalfläche). 

Linke Hand von Pipa surinamensis (Dorsalfläche). 

Linke Hand von Rana temporaria (s, Sesambein). Volarfläche. 
Rechte Hand von Rana temporaria (Volarfläche). 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden 
Cysticercus aus dem Maulwurf. 


Von 
Dr. med. Amandus Bott. 


(Aus dem zoologischen Institut Würzburg.) 


Mit Tafel VI und VII. 


1. Befund, Konservirung, Untersuchungsmethode. 


Das Material, das zu den vorliegenden Untersuchungen verwen- 
det wurde, stammt aus einem Maulwurf, den der Präparator am 
hiesigen zoologischen Institute, Herr A. Hock, vor etwa zehn Jahren 
von einem seiner Freunde erhielt. Das Thier war durch seine enorme 
Größe aufgefallen, es schien wassersüchtig zu sein. Beim Einschnei- 
den in die Haut quoll eine schleimig körnige Masse hervor, die nach 
den Worten des Herrn Hock das Aussehen einer dicken Sagosuppe 
hatte. Die Masse bestand aus einer serösen Flüssigkeit, in der eine 
Menge kleiner, weißer Blasen suspendirt war. Bei genauerem Zu- 
sehen ergab sich, dass diese Blasen Finnen waren; nur musste 
auffallen, dass die einzelne Finne nicht in einer bindegewebigen 
Cyste des Wirthes eingeschlossen war, sondern frei im Unterhaut- 
zellogewebe lag. Aber nicht nur unter der Haut fanden sich jene 
Blasen, sondern auch in der Bauch- und Brusthöhle und in den 
verschiedensten Organen, das ganze Thier war von denselben durch- 
setzt. Ungefähr die Hälfte der Cysticerken wurde in Alkohol kon- 
servirt und aufbewahrt; die andere Hälfte ging verloren, jedenfalls 
weil man bei der ungemeinen Anzahl der Blasen kein Gewicht 
darauf legte, sie alle zu konserviren. Von den aufbewahrten Finnen 
waren im Laufe der Jahre viele im zoologischen Kurs verarbeitet 
worden. .Das noch vorhandene Material besteht nach meiner Schätzung 
aus etwa 17000 Exemplaren, so dass man die Zahl der von dem 

S* 


116 Amandus Bott, 


einen Maulwurf beherbergten Finnen auf mindestens 30 000 angeben 
darf. Herr Prof. Boverı hatte, als er aus diesem Material Demon- 
strationspräparate für seine Vorlesungen anfertigte, Zustände gefun- 
den, welche ihm eine Vermehrung der Finnen durch am Hinterende 
der Blasen sprossende Knospen unzweifelhaft machten. Da über 
eine derartige ungeschlechtliche Fortpflanzung von Cysticerken in 
den einschlägigen Sammelwerken nichts zu finden war, überwies 
mir Herr Prof. Boverı das vorhandene Material behufs einer ein- 
gehenderen Untersuchung, deren Ergebnisse im Folgenden nieder- 
gelegt sind. 

Aus den in Alkohol aufbewahrten Finnen suchte ich zunächst 
eine große Anzahl wohlerhaltener Exemplare aus, färbte sie in 
Boraxkarmin und hellte sie in Nelkenöl auf. So gewann ich Ob- 
jekte, welche zum Studium der Formverhältnisse des ganzen Thieres 
sehr gut brauchbar waren. Da mir sofort eine große Mannigfaltig- 
keit in der Gestalt und Größe der einzelnen Individuen auffiel, 
wählte ich nun aus dem gefärbten Material Repräsentanten jeder 
Form und Größe aus und schloss sie in Kanadabalsam ein. Die- 
jenigen Exemplare, welche zum Studium der Histologie dienen 
sollten, übertrug ich aus dem Nelkenöl in Xylol, nachdem ich vor- 
her bei schwacher Vergrößerung mit Hilfe des ABgE’schen Zeichen- 
apparates eine Skizze der Formverhältnisse zum Zwecke der späte- 
ren Orientirung entworfen hatte. Hierauf bettete ich die Objekte in 
Paraffin ein und fertigte Schnittserien mittels des Jung’schen Mikro- 
toms. Die Schnitte wurden mit Wasser oder mit Eiweiß-Glycerin 
aufgeklebt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Da aber die Fär- 
bung die Details der Struktur nieht genügend hervortreten ließ, 
auch eine nochmalige Tinktion der Schnitte in Boraxkarmin keine 
befriedigenden Resultate lieferte, so wurde die Schnittfärbung mit 
Hämatoxylin versucht, deren Ergebnisse sehr gute waren. Die Iso- 
lirung der Haken durch Maceration des Gewebes glückte mir nicht, 
da stets die Haken durch verdünnte Kalilauge ete. eher zerstört 
waren als der Körper des Thieres. Doch gelang es, an den ge- 
färbten und in Kanadabalsam eingeschlossenen Cysticerken, sowie 
auch an zwei ungefärbten, in Glycerin aufbewahrten Exemplaren 
die Formverhältnisse der Haken genau zu studiren. 


2. Beschreibung der verschiedenen Entwicklungsstadien. 


3ei der Beschreibung der an Gestalt und Größe so verschie- 
denen Cysticerken ist es zweckmäßig, mit der Schilderung der 


ei 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc: 117 


kleinsten freien Blasen zu beginnen, weil diese die jüngsten Ent- 
wicklungsstufen darstellen, von denen ausgehend es mir leicht gelang, 
eine Reihe von Exemplaren aufzufinden, welche die verschiedenen 
Entwieklungsstadien bis zum fertigen Cysticereus mit ausgebildetem 
Skolex repräsentiren. Die kleinsten Blasen, die meist von kugel- 
runder, seltener von ovaler Gestalt sind, und die noch keine Spur 
von Skolexanlage erkennen lassen, haben als Mittel zahlreicher 
Messungen einen Durchmesser von 0,45 mm. Es finden sich aber 
auch schon junge Finnen von 0,25 mm, andererseits solche von 
0,78 mm, die ebenfalls noch keine Spur einer Skolexanlage auf- 
weisen. Den Beginn der Skolexbildung habe ich an einzelnen 
Blasen beobachtet, die nur 0,51 mm Durchmesser hatten, während 
sie in der Regel erst beginnt, wenn die Blasen eine Größe von 
0,77 mm erreicht haben. Unter fortwährender Vergrößerung der 
Blase bildet sich der Kopfzapfen allmählich aus, und wenn Saug- 
näpfe und Haken vorhanden sind, hat der Blasenwurm eine durch- 
schnittliche Länge von 2,35 mm und einen Querdurchmesser von 
1,28 mm. Dabei ist vorausgesetzt, dass der Skolex noch vollstän- 
dig in die Blase eingestülpt ist. In diesem Zustande haben die 
Finnen, wie schon aus den angegebenen Maßen ersichtlich ist, eine 
ovale, eiförmige Gestalt; doch ist das Verhältnis zwischen dem 


- Längen- und Querdurchmesser durchaus nicht konstant, sondern es 


kommen auch Formen vor, die sich der Kugelgestalt nähern, und 
wieder andere, die walzenartig in die Länge gezogen sind. Diese 
Unterschiede scheinen vor Allem durch verschiedene Kontraktions- 
zustände bedingt zu sein. 

Die Wandung des Kopfzapfens zeigt im eingestülpten Zustande 
mehrfache Falten oder Runzeln, die mehr oder weniger weit in den 
Centralraum des Kopfzapfens vorspringen und ein Bild auf Längs- 
schnitten erscheinen lassen, wie es Taf. VI, Fig. 6 darstellt. In der 
Regel ist der Kopfzapfen gerade in den Blasenhohlraum hinein- 
gewachsen, die Fälle, in welchen ich eine Knieckung oder Biesung 
desselben henkisetei dürften als Ausnahme gelten. 

An den Exemplaren mit ausgestülptem Skolex lassen sich die 
Formverhältnisse des Kopfes sehr gut studiren (Taf. VI, Fig. 1). Der 
Kopf ist walzenförmig, gewinnt aber in der Höhe der Saugnäpfe 
auf einem Querschnitt fast das Aussehen eines Quadrates, weil die 


vier kräftigen Saugnäpfe ziemlich weit vorspringen. Der Durch- 


messer der Saugnäpfe beträgt im Mittel 0,22 mm, die größte Breite 
des Kopfes in der Höhe der Saugnäpfe 0,585 mm. Der Scheitel des 


118 Amandus Bott, 


Kopfes springt zapfenartig ziemlich weit über die Region der Saug- 
näpfe vor und enthält zu äußerst das linsenförmige Rostellum, das 
eine Breite von 0,24 mm aufweist. Es trägt zwei Kränze von je 
12, seltener 14 Haken. Die Haken des vorderen Kranzes sind 
größer als die des hinteren und alterniren mit diesen. Der Haken 
zeigt eine schön gekrümmte Sichel, einen ziemlich schlanken nach 
vorn gerichteten Fortsatz, den Wurzelfortsatz, und einen kürzeren, 
nach hinten und außen gerichteten Zahnfortsatz. Letzterer zeigt an 
der Stelle, mit der er auf dem Rostellum aufsitzt, eine knopfartig 
verbreiterte basale Fläche, wie aus Fig. 1Se, Taf. VII ersichtlich 
ist. Taf. VII, Fig. 18 a—d zeigt die Gestalt der großen und kleinen 
Haken bei seitlicher Betrachtung. Der Kontour der Sichel geht auf 
der konvexen Seite in der Weise auf den Wurzelfortsatz über, dass 
die Grenze zwischen Sichel und Wurzel bei den kleinen Haken 
durch einen deutlichen Einschnitt markirt ist, während bei den großen 
Haken an jener Stelle eine buckelartige Erhebung vorhanden ist, 
die ihrerseits gegen Sichel und Wurzelfortsatz durch mehr oder 
minder deutliche Einschnitte abgegrenzt wird. Die Gesammtlänge 
(«—b) der großen Haken beträgt nach vielen Messungen 0,19 mm, 
die der kleinen 0,14 mm. Bei den ersteren misst die Entfernung 
(a—c) der Sichelspitze von der Spitze des Zahnfortsatzes 0,096 mm, 
bei den anderen 0,075 mm, der Abstand (d—c) zwischen den Enden 
von Wurzel und Zahn 0,081 bezw. 0,096 mm; die Länge («—d) der 
Sichel beträgt 0,1 und 0,12 mm. Der Kopf geht mit einer unbe- 
deutenden Verjüngung in den Hals über, wie ich der Einfachheit 
halber den zwischen Kopf und Schwanzblasen liegenden Theil 
nennen will. Der Hals ist rund, lässt in der Regel fünf bis acht 
quere Runzeln oder Falten erkennen und nimmt nach hinten an 
Breite etwas zu. Der Hohlraum des Halses steht mit dem der 
Schwanzblase in Zusammenhang; letztere ist länglich oval, in an- 
deren Fällen hat sie eine mehr kugelförmige Gestalt. Im Innern 
der Blase bemerkt man mitunter Anhäufungen von dem durch die 
Alkoholbehandlung geronnenen Inhalt. Die Exemplare unseres Blasen- 
wurms mit ausgestülptem Skolex haben eine Gesammtlänge von 
2,8 mm, wobei auf den Hals mit Kopf 1,1, und auf die Schwanz- 
hlase 1,7 mm treffen. Auch hier sind die Maße nicht starr in 
ihrem Verhältnis, es kommt, wenn auch selten, vor, dass die 
Schwanzblase kürzer ist als das Vordertheil. Der kleinste, voll- 
ständig ausgebildete Cysticercus mit ausgestülptem Skolex maß 
1,9 mm (Kopf mit Hals 1, Schwanzblase 0,9 mm), der größte 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 119 


33 mm (1,3 bezw. 2 mm). Diese Variabilität scheint mir ganz 
sut mit den bei den vorausgehenden Entwicklungsstufen gefun- 
denen Größenschwankungen übereinzustimmen. Das eine Thier ent- 
wiekelt sich rascher und erreicht schon bei geringerer Größe den 
fertigen Zustand, während in einer anderen Blase der Skolex erst 
später angelegt wird, so dass der Blasenwurm eine bedeutendere 
Größe erreichen kann, bis der Skolex vollständig ausgebildet ist. 
Nach der Ausstülpung erfährt unser Cysticereus keine Größenzunahme 
mehr, da gerade das Ausstülpen gewöhnlich die Einleitung zu einem 
Entwicklungsprocess ist, der zu einer völligen Obliteratioen der 
Schwanzblase führt, wie unten näher beschrieben werden soll. 


3. Histiologie der Blasenwandung. 


Zur Beurtheilung des unten zu beschreibenden Knospungsvor- 
Sanges war es geboten, die Histiologie der Blasenwandung so weit 
als möglich zu analysiren. Neue Beobachtungen auf diesem schwie- 
rigen Gebiet zu machen, dies war bei der Art der Konservirung von 
vorn herein nicht zu hoffen, und um so weniger, nachdem inzwischen 
BLOCHMANN (39) und seine Schüler gezeigt haben, welche ungemein 
komplieirten Verhältnisse hier vorliegen, und welche speeifischen 


. und verschiedenartigen Methoden erforderlich sind, um die einzelnen 


Elemente, welche das Cestodengewebe zusammensetzen, darzustellen 
und unterscheidbar zu machen. Immerhin ist zu betonen, dass die 
Bilder, die ich auf Schnitten durch fertige Skoleces erhielt, eine 
sehr große Übereinstimmung mit dem von BLOCHMANN entworfenen 
schematischen Durchschnitt (Fig. 1) darbieten: Das Maschenwerk der 
Grundsubstanz, die Parenchymzellen, die Epithelzellen, die Art, wie 
deren periphere Enden sich zwischen den hier gelegenen Muskel- 
fibrillen ausfasern, um an die Cuticula heranzutreten, die Exkretions- 
kanäle mit ihren Wimperorganen — all Dies stellt sich aufs deut- 
lichste dar. Es darf also angenommen werden, dass auch die Bilder 
der Blasenwand im Großen und Ganzen zuverlässig sind. Taf. VI, 
Fig. 14 zeigt einen Längsschnitt durch den indifferenten Theil einer 
ausgewachsenen Blase. Die Dicke der Wand beträgt circa 0,05 mm. 
Zu äußerst erkennt man die Cuticula, die hier im Vergleich zur 
Skolexanlage sehr dünn ist. Trotzdem lässt sich eine undeutliche 
Struktur, eine Art von Körnelung oder Strichelung erkennen. Ihre 


- Innenfläche setzt sich mit einer in Hämatoxylin dunkel färbbaren 


Grenzschicht scharf gegen das darunter gelegene Parenchym ab. 
Dieht unter der Cuticula findet sich eine einfache Lage von 


120 Amandus Bott, 


cirkulären Muskelfasern, und weiter nach innen ein System von 
Längsmuskeln, die zusammen als peripheres Muskelsystem bezeichnet 
werden können im Gegensatz zu dem in der Skolexanlage und bei 
der später zu besprechenden Solidifikation auftretenden inneren 
Muskelsystemen. 

Das Parenchym lässt das von BLOCHMANN genauer beschriebene 
Maschenwerk mit spärlich eingestreuten Zellen erkennen. Letztere 
zeigen die Form multipolarer Ganglienzellen; ihre Ausläufer gehen, 
indem sie sich verästeln und mit einander anastomosiren, kontinuir- 
lich in das Faserwerk der Grundsubstanz über, so dass an meinen 
Präparaten eine Scheidung zwischen beiderlei Bildungen nicht mög- 
lich ist. In den mittleren Theilen der Wand bilden die Fäserchen 
ein ziemlich gleichmäßiges Netz mit polygonalen Figuren, nach innen 
sind die Maschenräume mehr der Fläche nach gestreckt. Durch eine 
dichtere Verfilzung in den innersten Theilen stellen sie den Ab- 
schluss der Wand gegen den Hohlraum der Blase her. Eine beson- 
ders charakteristische Anordnung endlich zeigt dieses Faserwerk 
unter der Cuticula. Die Bälkchen treten zwischen den Längsmuskeln 
hindurch, und das Maschenwerk besteht nach außen von dieser 
Muskelschicht vorwiegend aus radiär gerichteten Zügen, die, sich 
verästelnd und dadurch entsprechend dichter gedrängt, die Ring- 
muskeln förmlich umspinnen und mit den peripheren Enden an die 
Cuticula herantreten. 

Einzelne Zellen des Parenchyms könnten nach ihren Lage- 

beziehungen zu den Längsmuskeln vielleicht Myoblasten sein; doch 
“ist hierüber keine Sicherheit zu erlangen. Schr deutlich heben sich 
überall die in den verschiedensten Richtungen durchschnittenen 
Äste des Wassergefäßsystems mit ihren Endorganen ab. 

Sehr schwierig gestaltet sich für die Blasenwand die von 
BLOCHMANN auf Grund seiner ausgezeichneten Untersuchungen kürz- 
lieh erörterte Epithelfrage. Eine epitheliale Zellenanordnung wie 
im Skolex ist sicher nicht vorhanden; die äußersten Zellen sehen 
sanz eben so aus, wie die Parenchymzellen, sie liegen in weiten 
Abständen von einander und zeigen die gleichen Beziehungen zu 
dem Maschenwerk der Grundsubstanz wie die tiefer gelegenen Zellen. 
Auf der anderen Seite ist hervorzuheben, dass diese äußeren Zellen 
mit ihren peripheren Ausläufern in der gleichen Beziehung zur Cuti- 
cula zu stehen scheinen, wie nach den Untersuchungen von BLOCH- 
MANN (39) und ZERNECKE (40) sonst die Epithelzellen. Ob dies genügt, 
um an der Blasenwand von einem »Epithel« zu sprechen, dürfte 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 121 


zweifelhaft sein. Zum Begriff: »Epithel« gehört eben doch, worauf 
BLOCHMANN in seinem Aufsatz merkwürdigerweise gar keine Rück- 
sicht nimmt, eine bestimmte Zellenanordnung, und wenn man hierin 
auch eine große Freiheit zugestehen will, so wird man weit zer- 
streuten, verästelten Zellen, wie sie in unserem Falle vorliegen, doch 
kaum die Bezeichnung von »Epithelzellen« zuerkennen dürfen. Wollte 
man es aber doch thun, so besteht gar kein Grund, die tiefer ge- 
legenen Zellen nicht auch als Epithelzellen zu bezeichnen und die 
sanze Blasenwand als ein mehrschichtiges Epithel aufzufassen. 
Jedenfalls kann die Epithelfrage bei den COestoden nicht als völlig 
selöst betrachtet werden, ehe die Verhältnisse bei den Blasenwürmern 
vollständig klar liegen. Im Übrigen drängt sich bei Betrachtung der 
beschriebenen Schnitte die Annahme geradezu auf, dass die ganze 
Wand der Cysticercusblase aus gleichartigen Parenchymzellen be- 
steht, und dass die specifische Ausbildung der peripheren Zellen — 
ihre Beziehung zur Cuticula — lediglich eine Folge ihrer Lage ist. 
Da nun aus der so beschaffenen Blasenwand Skoleces hervorgehen 
können, so würde daraus folgen, dass auch das am Skolex auf- 
tretende Epithel nicht eine specifische Zellenart repräsentirt, die zu 
den inneren Bindegewebszellen in scharfem Gegensatz steht, son- 
dern dass wir es hier eben mit epithelial angeordneten Parenchym- 
zellen zu thun haben, wie ja auch bei den Wirbelthieren Binde- 
gewebszellen eine epitheliale Anordnung gewinnen können. 


4. Progressive Entwicklung der Finne im Zwischenwirth. 


Wie bereits erwähnt, finden sich in meinem Material Cysticerken 
mit ausgestülptem Skolex, und zwar dürfte deren Zahl etwa 2% 
aller vollständig entwickelten Exemplare betragen. Es ist dies eine 
ungewöhnliche Erscheinung, und man könnte vielleicht annehmen, 
dass dieselbe erst nach dem Tode des Wirthes, sei es durch einen 
ungewohnten Reiz innerhalb des erkalteten und sich zersetzenden 
Körpers, sei es durch die Einwirkung der Konservirungsflüssigkeit, 


- bedingt sei. Wenn ich nun auch diese Möglichkeit nicht für sämmtliche 


ausgestülpte Exemplare ausschließen kann, indem ein Theil der- 
selben ganz den Eindruck macht, als könne die Umstülpung un- 
mittelbar vor der Konservirung erfolgt sein, so verhält es sich doch 
bei einem anderen Theil wesentlich anders. 

Es zeigt sich nämlich bei einer nicht unbeträchtlichen Anzahl 
der Finnen eine mehr oder weniger vorgeschrittene Umbildung, mit 
der, wenn auch nicht immer, eine Vorstülpung der Kopfanlage ver- 


122 Amandus Bott, 


bunden ist. Die Tendenz dieser Entwicklung ist Kontraktion der 
Blase bis zum völligen Schwund des Hohlraumes. Die betreffenden 
Verhältnisse sind deutlich aus Taf. VI, Fig. 4, 6, 11, 12, 13 zu er- 
kennen. Die Solidifikation der Blase scheint stets von der Region 
der Skolexanlage auszugehen und allmählich nach hinten vorzu- 
schreiten. Der Beginn des Processes giebt sich darin zu erkennen, 
dass der Hohlraum der Blase, der bei den meisten Finnen nur 
Flüssigkeit enthält, von einem zuerst ganz spärlichen, dann immer 
dichteren Schwammwerk durchsetzt wird, in welchem auffallender 
Weise zunächst Kerne nicht nachweisbar sind. Vielleicht dürfen 
schon die spärlichen Faserzüge, welche die in Taf. VI, Fig. 4 dar- 
gestellte Finne im vorderen Theil durchsetzen, als erster Beginn zur 
Ausfüllung des Hohlraumes angesehen werden. Erst auf späteren 
Stadien finden sich Zellen in dem Maschenwerk zerstreut und lassen 
sich Muskelfasern nachweisen. Bei diesem Wucherungsprocess be- 
sitzt das Parenchym keine scharfe Begrenzung mehr gegen den noch 
übrig bleibenden Hohlraum, sondern es erscheint zersetzt, einzelne 
Faserzüge eilen im Wachsthum voraus und ragen in den Hohlraum 
hinein oder durchsetzen denselben vollständig (Taf. VI, Fig. 6). So 
wird allmählich die ganze Finne von typischem Cestodengewebe 
ausgefüllt (Taf. VI. Fig. 12 und 13), und es bilden sich, von vorn 
nach hinten fortschreitend die Systeme der »Parenchymmuskeln« 
(LEUCKART) aus. Eine Grenze zwischen »Hals« und Schwanzanhang 
ist nicht mehr nachweisbar, auch in der äußeren Form nicht mehr, 
indem mit der Solidifikation eine sehr beträchtliche Verkleinerung 
der Blase Hand in Hand geht, bis ihr Querdurchmesser dem des 
Halses ungefähr gleichkommt. Das ganze Gebilde macht nach 
Struktur und Gestalt den Eindruck eines Skolex. Der Einwand, 
dass diese in Fig. 12 und 13 dargestellten Finnen die Schwanz- 
blase bereits durch »Abstoßung« verloren haben könnten, wird hin- 
reichend widerlegt einerseits durch das Vorhandensein kontinuir- 
licher Übergangsformen, andererseits dadurch, dass auch diese 
Finnen an ihrem Hinterende noch Knospen tragen können, eine 
Erscheinung, die, wie unten dargelegt wird, mit verschwindenden 
Ausnahmen auf eine bestimmte Zone im hinteren Bereich der Blase 
beschränkt ist. 

Wie die beigegebenen Figuren lehren, ist mit der Solidifikation 
gewöhnlich die Umstülpung des Kopfes verbunden, so dass derselbe 
schon auf dem Stadium der Fig. 11, Taf. VI meist seine richtige 
Stellung hat. Doch besitze ich ein Präparat, wo noch auf einem 


Er 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 123 


etwas späteren Stadium die Kopfanlage ungefähr das Bild der Fig. 6, 
Taf. VI, gewährt. 

Vielleicht könnte noch die Vermuthung auftauchen, dass solche 
Finnen, wie sie in Fig. 12 und 13, Taf. VI abgebildet sind, gar 
nicht den Zustand eines echten Cysticercus mit großer, hohler 
Blase durchgemacht hätten, sondern direkt aus mehr oder weniger 
soliden Jugendzuständen hervorgegangen seien. Mein Material ge- 
stattet jedoch, diese Annahme mit aller Bestimmtheit auszuschließen; 
alle jugendlichen Finnen kurz vor der Kopfanlage oder während 
derselben sind »Blasen« mit der oben genauer beschriebenen dünnen 
Wand. — Die geschilderte Umwandlung kann ein gewisses Interesse 
dadurch in Anspruch nehmen, dass ihr Endzustand dem »plero- 
cerken« oder »plerocerkoiden« Jugendzustand anderer Bandwürmer 
sehr nahe kommt. Da unsere Finne erst sekundär plerocerk wird, 
so kann man sie wohl kaum als eine Zwischenstufe zwischen Plero- 
cereus und Cysticereus betrachten, indem ja die erstere Form gewiss 
als die ursprünglichere anzusehen ist. Gleichwohl verräth sich in 
der Solidifikation der Schwanzblase ein primitiver Zustand; die Blase 
hat, wenn ich es bildlich ausdrücken darf, noch nicht vergessen, 
dass sie nichts Anderes als das blasig aufgetriebene Hinterende eines 
Skolex ist; sie vermag sich wieder in den ursprünglichen Zustand 
umzubilden. 

Es fragt sich, wie unsere Finne sich bei dem Übergang in den 
definitiven Wirth verhält. In seinem Handbuche sagt Braun (p. 173): 
Alles was solche Finnen außer dem oder den Skoleces besitzen, 
z. B. die Mutter- oder Tochterblase, ein zwischen dieser und dem 
Skolex befindliches, mitunter gegliedertes Zwischenstück stirbt ab, 
wird verdaut, resorbirt, oder vielleicht auch ausgestoßen. Ob bei 
den Bothriocephalus-Finnen irgend ein Theil verloren geht, ist nicht 
sicher, wahrscheinlich jedoch nicht.< Gewiss wird also auch bei 
unserer Finne, wenn sie im Stadium der Fig. 1, Taf. VI, in den 
Magen des zweiten Wirthes gelangt, die Schwanzblase abgeworfen. 
Dagegen muss eine solche Abstoßung des Hinderendes für die plero- 
cerkoiden Endzustände unseres Thieres wie für die Bothriocephalus- 
Finne als unwahrscheinlich bezeichnet werden. 


9. Regressive Umbildung unserer Finne. 
Bei der Durchmusterung des Materials fielen mir bald einige 
Exemplare auf, deren Körper durch eine oder mehrere hellere Stellen 
von rundlicher Form ausgezeichnet waren. Es zeigte sich bald, dass 


124 Amandus Bott, 


diese durchscheinenden Partien zwar überall in der Finne vorkommen 
können, gewöhnlich aber am Vorderende sich befinden und dass in 
diesem Falle der Skolex mehr oder weniger degenerirt ist. Bei 
der Untersuchung auf Schnittserien ergab sich, dass jene hellen 
Stellen im Finnenkörper durch blasenförmige Hohlräume im Gewebe 
des Thieres veranlasst sind, in welchen auf einigen Schnitten noch 
Detritus zu finden war (Fig. 16, Taf. VII). Von diesen Degenerations- 
blasen aus wird also der Skolex zerstört (Fig. 17, Taf. VID. In der 
Umgebung des eingestülpten Skolex oder in seinem Gewebe selbst 
treten solche Blasen in größerer oder geringerer Anzahl auf, sie 
vergrößern sich in dem Maße, in welchem die Resorption des Ge- 
webes vor sich geht, und können in einige wenige oder auch in 
einen einzelnen Hohlraum zusammenfließen. Ist der Skolex sammt 
dem ganzen Kopfzapfen geschwunden, so stellt das ganze Thier nur 
mehr eine einfache Blase dar mit der typischen Finnenwand, und 
an Stelle des Kopfzapfens liegen eine oder mehrere Degenerations- 
blasen. Doch sterben während dieser Vorgänge die Blasenwürmer 
nicht ab, was einerseits hervorgeht aus der Thatsache, dass auch 
diese degenerirten Cysticerken noch Knospen an dem Hinterrande der 
Blase erzeugen können, andererseits aus der fortdauernden Größen- 
zunahme der Blase. Die Größenzunahme wäre nun an und für sich 
kein Beweis für die Lebensdauer des Thieres, denn es könnte durch 
Vorgänge rein physikalischer, z. B. osmotischer Natur, die Flüssig- 
keitsmenge im Hohlraum der Blase vermehrt und dadurch das Vo- 
lumen der Blase vergrößert werden. Wenn nun die Blasenwand 
keines Wachsthums mehr fähig wäre, so müsste sie sich, wenn das 
Volumen wächst, das sie zu umspannen hat, gleich einer gedehnten 
Kautschukmembran verdünnen; da aber die Wand der Finne mit 
degenerirtem Skolex nicht verschieden ist von der Wand der in- 
takten, so ist klar, dass die Größenzunahme jener » Acephalocysten« 
durch dieselben Wachsthumsvorgänge bedingt ist, wie bei den nor- 
malen Individuen. Die beschriebenen » Acephaloeysten« erreichen 
in der Regel eine Länge von 2,6 mm und eine Breite von 4,5 mm; 
die größte, die ich fand, zeigte die Maße 2,99 bezw. 7,4 mm. Da 
ich niemals an einem ausgestülpten Skolex Degenerationsblasen ge- 
funden habe, so scheint es, dass die Rückbildung des Skolex durch 
das Ausbleiben der Umstülpung bedingt ist. Wenn letztere inner- 
halb einer gewissen Zeit nicht erfolgt, tritt Degeneration ein. Beide 
Processe stehen in Wechselwirkung. Doch nicht nur am Skolex, 
treten die Degenerationsblasen auf, sondern auch, jedoch nur in 


0 u u 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. - 125 


seltenen Fällen, in der Wand der Schwanzblase, wie aus Fig. 2, 9, 
10, 16 ersichtlich ist. Doch ist die Zerstörung hier geringer. 

Wenn wir in der Litteratur Umschau halten nach Angaben über 
Degeneration bei Blasenwürmern, so finden wir die erste bei Göze (1). 
Doch entsprechen seine Beobachtungen eben so wenig, wie die von 
KÜCHENMEISTER (22) zusammengestellten Fälle von BREMSER und 
SENDLER den von mir beschriebenen Degenerationsvorgängen, da dort 
von dem Tode der Finnen und darauf folgender Verkalkung die 
Rede ist. 

Der einzige beschriebene Fall, der, wie ich aus der Abbildung 
zu ersehen glaube, ein Gegenstück zu der erwähnten Degeneration 
bildet, ist der sogenannte Oysticercus pileatus, den BoJANUSs (5) unter 
der Haut von Simia inuus in einem Exemplar ohne Hakenkranz und 
Sauggruben fand. R. LEUCKART (15) erklärte diese Form mit der 
Entartungstheorie SIEBOLD’s, der er damals noch huldigte und stellte 
die Degeneration des Skolex auf eine Stufe mit der vermeintlichen 
hydropischen Entartung der Schwanzblase. Ich glaube, dass dieser 
Cysticereus pileatus auf dieselbe Weise entstanden ist, wie unsere skolex- 
losen Blasenwürmer. Wenn ich noch die Angaben von Naunyn (23) 
heranziehe, der bei Echinokokken die Entwicklung von Tochterblasen 
durch Degeneration eines Skolex beschreibt, so ergeben sich wieder 
interessante Vergleichspunkte, denn auch unsere Finnen mit degene- 
rirtem Skolex haben noch die Fähigkeit, Knospen (Tochterblasen) zu 
erzeugen. Übrigens ist bei unserem Cysticercus neben der blasigen De- 
generation des fertigen Kopfes auch noch eine abnorme Entwicklung 
der jugendlichen Stadien zu beobachten. Diese kann in doppelter Weise 
auftreten: entweder indem gar kein Skolex angelegt wird, oder 
indem die Entwicklung desselben auf einer niedrigen Stufe stehen 
bleibt. In beiden Fällen wird die abnorme Bildung verursacht durch 
verfrühtes Vorstülpen des Theiles der Blasenwand, wo sich der 
Skolex anlegen sollte, oder bereits angelegt hatte. Die Ausstülpung, 
welche in der Entwicklungsgeschichte des Cysticercus mit ausge- 
bildetem Skolex ein normales Moment bildet, geschieht zu früh; der 
Process, welcher normaler Weise nach der Bildung des Skolex auf- 
treten sollte, tritt vor derselben schon ein; ein Theil der Entwick- 
lung, nämlich die Anlage der Kopforgane, des Hakenkranzes, der 
Saugnäpfe ete., wird vollständig ausgelassen. So sind die Formen 


unter dem vorhandenen Material zu erklären, welche als einfache 


Blasen von ovaler Gestalt erscheinen, deren Wandung an einer als 
Vorderende zu bezeichnenden Stelle eine zapfenförmige, hohle Vor- 


126 Amandus Bott, 


wölbung mit stark verdickter Wandung zeigt. Diese abnorme Ent- 
wicklung kann sehr früh beginnen, ich habe solche Blasen von 
0,31 mm Länge und 0,52 mm Breite gefunden. Sie wachsen wei- 
ter, ohne dass sich an dem ausgezogenen Theil der Blase eine 
Skolexanlage bemerkbar macht. Für die Lebenskraft dieser Blasen 
spricht wieder die Größenzunahme und die Fähigkeit, Knospen am 
hinteren Ende zu erzeugen. Die durch die beschriebene abnorme 
Entwicklung entstandenen »Acephalocysten« können mit den durch 
die blasige' Degeneration hervorgerufenen nicht verwechselt werden, 
selbst wenn sie ihnen an Körpergröße gleichkommen, denn bei den 
letzteren sind im Innern der Finne noch Resorptionsblasen vorhanden, 
während jene eine einheitliche Oysticercusblase darstellen. 


6. Vermehrung der Finne durch Knospung. 


Die auffallend große Zahl der in dem einen Maulwurf gefun- 
denen Cysticerken legte zuerst den Gedanken nahe, dass eine un- 
gemein reichliche Infektion stattgefunden habe. Ferner musste das 
Vorhandensein einer kontinuirlichen Serie der verschiedenen Ent- 
wicklungsstadien zu der Annahme führen, dass die Infektion durch 
lange Zeit ununterbrochen fortgedauert habe. Beides wäre, wenn 
auch unwahrscheinlich, doch nicht unmöglich. Allein es zeigte sich, 
wie schon mehrfach erwähnt wurde, dass unsere Finnen die Fähig- 
keit besitzen, durch reichliche Knospung neue Finnen aus sich her- 
vorsprossen zu lassen, die heranwachsend offenbar wieder durch 
Knospung sich vermehren können. Und so wäre es sehr wohl 
denkbar, dass die ganze ungeheure Zahl von Finnen auf eine ein- 
malige, nicht sehr reichliche Infektion zurückzuführen wäre und alle 
die verschiedenen Stadien durch Knospung aus jener entstanden 
wären. Schon eine flüchtige Betrachtung mit der Lupe lehrt, dass 
am hinteren Ende zahlreicher Finnen Blasen von verschiedener 
Größe anhängen, die mit der Schwanzblase in organischem Zu- 
sammenhang stehen. Eine genauere Untersuchung dieser Anhängsel 
ergiebt, dass sie mit den oben erwähnten jüngsten freien Finnen 
vollständig übereinstimmen. Überdies dokumentiren einzelne ihre 
Finnennatur sofort noch dadurch, dass sie, noch im Zusammenhang 
mit der Mutterblase, ihrerseits wieder eine Skolexanlage zeigen. 

Diese Beobachtungen lassen also keinen Zweifel, dass es sich 
hier um einen Vermehrungsprocess handelt, der Art, dass aus der 
Blase einer Finne Bläschen hervorsprossen, die, früher oder später 


en 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 127 


sich loslösend, zu neuen Finnen heranwachsen und selbst wieder 
die Fähigkeit haben, Knospen zu erzeugen. 


7. Beschreibung des Knospungsvorganges. 

Die Fähigkeit, Knospen zu erzeugen, ist bei unserem Cysti- 
cercus fast auf allen Entwicklungsstufen vörhanden. Schon bei 
kleinen Bläschen von 0,5 mm Durchmesser, wo noch keine Spur 
einer Skolexanlage vorhanden war, habe ich Knospen beobachtet. 
Doch waren diese Fälle selten. Am reichlichsten ist die Knospen- 
bildung bei den Finnen mit fertigem, ausgestülptem Skolex, doch 
auch die in progressiver und rückschreitender Umbildung begriffenen 
erzeugen noch Tochterblasen. Lässt man die noch unentwickelten 
Stadien außer Betracht, so darf man sagen, dass etwa ein Drittel 
aller Finnen das Phänomen der Knospenbildung aufweist. 

Die Bildungsstätte der Knospen ist das hintere Ende der Blase, 
serade gegenüber der Bildungsstätte des Skolex. Die Regel ist, 
dass nur wenige (3—8) Knospen vorhanden sind, welche auf eine 
kleine Stelle zusammengedrängt sind. Ein Bild dieser typischen 
Erscheinung giebt Fig. 5, Taf. VI. Häufig ist jedoch auch der Fall, 
dass der ganze hintere Abschnitt der Blasenwand von zahlreichen 
Knospen besetzt ist, wie Fig. 9 und 16 erläutern. Dann ist nicht 
selten die Knospungszone von dem übrigen Blasenkörper durch eine 
Ringfurche abgegrenzt (Fig. 2, Taf. VI. In ganz wenigen Fällen 
fand ich die Knospung so extensiv, dass keine Knospungszone ab- 
zugrenzen war, indem multiple Knospen auch am vorderen Theil der 
Blase hervorsprossten. Die Zahl der Knospen ist manchmal sehr 
groß; in einer Knospungszone habe ich bei schwacher Vergrößerung 
über S0 kugelige Hervorragungen von größerem oder geringerem 
Durchmesser gezählt. Die Trennung der Knospen von der Mutter- 
blase geschieht durch einfache Abschnürung. Es finden sich Exem- 
plare, die mit der mütterlichen Wand durch einen soliden gewun- 
denen Strang zusammenhängen, während in anderen Fällen die Ver- 
bindung nur mehr durch einen ganz feinen Faden erhalten ist. Die 
Zeit der Trennung ist sehr verschieden: einzelne Knospen lösen 
sich sehr bald von der Mutterblase, andere später, wenn der Skolex 
der Tochterfinne, welcher an dem der Ansatzstelle gerade gegenüber- 
liegenden Ende der Knospe angelegt wird, bereits eine höhere Stufe 
der Ausbildung erreicht hat. In einem Falle fand ich eine der 
Mutterblase noch anhängende Tochterfinne, welche einen Durch- 
messer von 1,17 mm hatte und einen vollständig fertigen Skolex 


128 Amandus Bott, 


mit Haken und Saugnäpfen besaß. An einigen Knospen lassen sich 
schon wieder Enkelknospen nachweisen, während andere in jener 
oben beschriebenen abnormen Entwicklung begriffen sind, wobei die 
Stelle, an welcher der Skolex sich bilden sollte, in der beschriebenen 
Weise :zapfenförmig vorgewölbt ist. 

Bevor ich nun zur Histiologie der Knospung übergehe, möchte 
ich an dieser Stelle einige Monstra schildern, weil deren Entstehung 
mit dem Knospungsvorgang in einem gewissen Zusammenhang steht. 
Dreimal fand ich einen Oysticerecus biceps (Fig. 8, Taf. VI). Es 
schienen zwei Finnen mit dem hinteren Ende ihrer Schwanzblase 
verwachsen zu sein. Die einfachste Erklärung dieses Gebildes ist 
die, dass eine einzige Knospe gebildet worden und so lange mit 
der Mutterfinne im Zusammenhang geblieben ist, dass sie die gleiche 
Ausbildung wie diese erreicht hat. Wahrscheinlich sind auch andere 
in der Litteratur beschriebene Fälle von Doppelfinnen, so die von 
Monısz (30) bekannt gemachten, in solcher Weise zu erklären. Kein 
Analogon finde ich in der Litteratur für die nun zu schildernden 
Monstrositäten, doch dürfte eine Erklärung für das Zustandekommen 
derselben leicht zu geben sein. In etwa 10 Fällen fand ich Kon- 
volute von Bläschen in Traubenform in der Art, dass von einem 
Öentrum aus nach allen Seiten viele kleinere und größere Blasen 
entsprossen (Fig. 3 und 10, Taf. VD. Von den größeren Knospen 
hängen einige durch einen gewundenen Strang oder bloß noch durch 
einen feinen Faden mit der Traube zusammen. Einzelne der Blasen 
haben Skolexanlagen auf verschiedener Stufe der Entwicklung. Bei 
einer dieser Trauben (Fig. 10, Taf. VI) finden sich zwei Tochter- 
blasen, von denen jede eine Skolexanlage besitzt, seitlich mit einander 
verwachsen. Die Entstehung dieser Trauben ist am einfachsten so 
zu erklären, dass sich eine der oben beschriebenen Knospungszonen 
von der Mutterblase vollständig abschnürt, die Tendenz dazu ist ja 
vorhanden, wie ein Blick auf Fig. 2, Taf. VI lehrt. Durch die 
Wucherung der zahlreichen Tochterblasen wird dann die Knospungs- 
zone verdeckt, vielleicht verkleinert sie sich auch. 

Das wunderlichste Gebilde, das ich fand, ist in Fig. 7, Taf. VI 
dargestellt. Der deutlich erkennbare, eiförmige Kopf mit den Über- 
resten der Hakentaschen beweist, dass das Ganze ein, allerdings 
übel aussehender Cysticercus ist. Ein langer, vielfach gewundener, 
theilweise erweiterter, theilweise obliterirter Schlauch verbindet den 
Kopf mit einer Blase, welche an ihrem hinteren Ende zwei einge- 
stülpte gut entwickelte Skoleces neben einander erkennen lässt. 


E 


Über einen dureh Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 129 


Offenbar ist durch irgend welche unbekannte Einflüsse der Kopf 
und Hals des Cysticereus in der normalen Entwicklung gehemmt 
worden, die enorme Produktionskraft der Finne aber hat dieses 
Gebilde geschaffen und an dem intakten Rost der Schwanzblase 
gleich zwei Skoleces erzeugt. 

Was nun die histiologischen Verhältnisse bei der Knospung be- 
trifft, so habe ich darüber Folgendes ermittelt. Vor Allem fällt die 
starke Verdickung der Blasenwand im Bereich der Knospungszone 
auf (Fig. 15, Taf. VI), welche das Zwei- bis Dreifache der gewöhn- 
lichen Dicke betragen kann. Der Übergang in die Knospungszone 
ist ein ganz allmählicher. Die Verdiekung ist einfach durch Vermeh- 
rung der Parenchymzellen und der Grundsubstanz bedingt; Hand in 
Hand damit geht eine reichere Ausbildung des Wassergefäßsystems. 
Die Längsmuskeln sind im Bereich der Knospungszone viel zahl- 
reicher und erscheinen zu leicht geschlängelten Bündeln mit langen, 
schmalen Lücken angeordnet, wie das besonders an Flächenpräpa- 
raten deutlich hervortritt. Die Ringmuskelfasern dagegen liegen 
wie im übrigen Bereich der Blase in einfacher Schicht unter der 
Cutieula. Auch die Cuticula nimmt an der Verdickung der Blasen- 
wand innerhalb der Knospungszone Antheil. 

Die auffallendste Erscheinung im Bereich der Knospungszone 
ist jedoch die Vermehrung des Parenchyms in der Schicht zwischen 
den Ring- und Längsmuskeln. Während in dem indifferenten Be- 
reich der Blase (Fig. 14, Taf. VII) die Längsmuskeln fast direkt 
unter den eirkulären Fasern liegen, schiebt sich in der Knospungs- 
zone zwischen diese beiden Lagen eine sehr beträchtliche Schicht 
von Grundsubstanz und Parenchymfasern ein (Fig. 15, Taf. VII). 
Diese Verdickung ist jedoch keine gleichmäßige, sondern sie ist, wie 
die Längsschnitte und Flächenpräparate zeigen, in Gestalt von größe- 
ren und kleineren, breiteren und schmaleren cirkulären Leisten ent- 
wickelt, die gegen das Centrum der Knospungsregion im Allgemeinen 
an Höhe zunehmen. Es liegt nahe, diese Veränderung, wenigstens 
in ihrer ersten Entstehung, auf eine starke Kontraktion der Längs- 
muskeln zurückzuführen. So lange die Falten niedrig sind, findet 
man keine Parenchymzellen, d. h. eben keine Kerne in ihnen vor. 
Erst in den höheren Falten treten sie auf, und man kann deutlich 
konstatiren, wie sie in den Lücken zwischen den Längsmuskelfasern 


| | nach außen treten. Diese Falten oder Leisten nun bilden den Aus- 


gSangspunkt für die Knospung. Es treten aus ihnen da und dort 
stärkere Papillen hervor — besonders die Flächenpräparate zeigen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 9 


130 Amandus Bott, 


die Differenzirung dieser zuerst sehr unscheinbaren Papillen aus den 
Leisten sehr gut — jede solche Papille ist die Anlage einer Tochter- 
blase. Sie wächst allmählich zu einem annähernd kugeligen Körper- 
chen heran, welches durch einen relativ immer dünner werdenden 
Stiel mit der Mutterblase zusammenhängt. Bei diesem Wachsthum 
wird die Cuticula offenbar passiv gedehnt, wie aus ihrer starken 
Verdünnung zu entnehmen ist (Fig. 15, Taf. VII). Auch die Ring- 
muskelfasern vermehren sich zunächst nicht entsprechend, und so 
zeigen sich diese vorher dicht neben einander gelegenen Fibrillen 
nun weit von einander abgedrängt. Das Parenchym der jungen 
Knospe zeigt dieselbe Beschaffenheit wie die Wand der Mutterblase: 
gleichmäßig zerstreute Zellen und das polygonale Maschenwerk, 
dessen Fäserchen nur in dem Stiel der Knospe eine Verdichtung 
und eine Orientirung parallel zur Längsachse des Stieles erkennen 
lassen. Wassergefäßtrichter sind in den jungen Knospen, wie eine 
solche in Fig. 15, Taf. VII, getroffen ist, noch nicht nachweisbar. 
Den genauen Zeitpunkt ihres Auftretens konnte ich überhaupt nicht 
feststellen. Doch zeigen sie sich bereits wohl entwickelt in Knos- 
pen, welche noch völlig solid sind, und ich konnte in einem Fall 
mit voller Sicherheit den Zusammenhang der Wassergfäßkanäle der 
Knospe mit dem System der Mutterblase verfolgen. Es darf also 
wohl angenommen werden, dass der Exkretionsapparat der Knospe 
aus demjenigen der Mutterblase durch Einwucherung entsteht. Da- 
gegen scheint ein Übergang von Längsmuskelfasern aus der Wand 
der Mutterblase in die Knospe nicht stattzufinden. Diese Fasern 
vermochte ich erst auf einem Stadium nachzuweisen, wo die Knospe 
anfängt hohl zu werden. Ich muss also annehmen, dass sie zu 
dieser Zeit neu gebildet werden. Der Übergang der soliden Knospe 
in die Blase geschieht einfach in der Weise, dass sich im Centrum 
Flüssigkeit ansammelt, wodurch das Parenchym nach außen ver- 
drängt wird. Hier ordnet es sich nun mit den inzwischen aufge- 
tretenen Längsmuskeln und mit dem gleichfalls peripherwärts ver- 
drängten Wassergefäßapparat in der Weise an, dass die Wand schon 
bei Knospen, welche die für die kleinsten freien Blasen oben ange- 
sebene Größe erreicht haben, sich in ihrer Struktur nicht mehr von 
der Wand der erwachsenen Finne unterscheidet. 


8. Über die ungeschlechtliche Vermehrung der Finnen im Allgemeinen. 


Die Durchsicht der hauptsächlichsten Parasitenwerke bei Beginn 
dieser Arbeit hatte vermuthen lassen, dass die vorstehend beschrie- 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus etc. 131 


bene Vermehrung eines Cysticercus durch nach außen hervorsprossende 
Knospen bisher noch nicht beobachtet worden sei. Dies stellte sich 
jedoch bei genauerem Studium der Litteratur als ein Irrthum heraus. 
Schon BREMSER (2) hat eine diesbezügliche Beobachtung gemacht. 
In der Brusthöhle der Feldmaus fand er zweimal freischwimmende 
Blasenwürmer (Cysticereus longieollis), unter denen er auch sein bereits 
erwähntes Monstrum biceps entdeckte. An mehreren der Cysticerken 
sah er an der Schwanzblase einen, öfter noch zwei, seltener drei 
junge Blasenschwänze heraushängen. Er deutete diese Erscheinung 
bereits als Knospung, als eine Art »Fortpflanzung gleichsam durch 
Ableger«. Auch hat er in seinen »Icones helminthum« Abbildungen 
solcher COysticerken gegeben. Der zweite hierher gehörige Fall ist 
von Hausmann gefunden und von BEnDz (7) beschrieben worden. Die 
Finnen, um die es sich dabei handelt, sind wohl ohne Zweifel mit 
den von mir beschriebenen identisch. Wie diese wurden auch die 
von Benpz bearbeiteten unter der Haut einer wassersüchtigen Talpa 
europaea in Menge gefunden. BEnDzZ fand die kleinen Bläschen 
immer an dem der Skolexanlage gegenüberliegenden Theil der Blase, 
sie waren in verschiedenen Größen vorhanden, einzelne hingen nur 
noch vermittels eines dünnen Stieles mit der Mutterblase zusammen. 
Auch Benpz betrachtete die Erscheinung als einen Modus, durch 
den sich der Blasenwurm vermehrt. Andere Fälle dieser Art sind 
mir aus der Litteratur nicht bekannt geworden. 

Es dürfte nun von einem gewissen Interesse sein, die übrigen 
bekannten Modi, durch welche aus einer zunächst einfachen Finnen- 
-blase zahlreiche Skoleces sich ableiten, kurz zu betrachten und mit 
unserem Fall in Vergleich zu setzen. 

Bei gewissen Cysticerken scheint eine ungeschlechtliche Ver- 
mehrung in der Weise stattzufinden, dass von der Wand aus Tochter- 
blasen ins Innere des Hohlraumes sich durch Knospung entwickeln. 
Wenn auch die Angabe von Göze (1), der in der Schwanzblase 
eines ÜOysticercus fasciolaris eine Tochterfinne beobachtet haben 
will, als zweifelhaft bezeichnet werden muss, so bürgt für diese Art 
von Fortpflanzung doch die Mittheilung LeuckArr’s (14), dass der 
Cysticereus tenuicollis durch innere Knospung Tochterblasen erzeugt, 
so dass man in einer Schwanzblase mitunter eine große Anzahl 
kleiner Bläschen findet. Auch Tscuupr’s (6) Beobachtung, dass bei 
Cysticercus pisiformis in einer »Blase« eine große Menge kleinerer 
Blasen mit mehr oder weniger ausgebildeten Skoleces gefunden 
wurden, dürfte vielleicht für die Möglichkeit einer inneren Knospung 

gx* 


132 Amandus Bott, ; 


sprechen; allein, wie schon LEuckArT (10) hervorgehoben hat, ist 
aus Tscuuprs Darstellung nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob er 
wirklich die Schwanzblase eines Cysticereus, oder die Bindegewebs- 
cyste des Wirthes vor sich hatte, so dass auf seine Angabe kein 
Gewicht gelegt werden kann. 

Jedenfalls geht aus den mitgetheilten Beobachtungen hervor, 
dass von der als Cysticereus bezeichneten Finnenform, dadurch, dass 
die Blase durch äußere oder innere Knospung Tochterblasen hervor- 
bringt, die ihrerseits wieder je einen Skolex bilden, zahlreiche Band- 
würmer abstammen können, während es früher als Hauptcharak- 
teristikum für Cysticercus galt, dass er nur einen Skolex und 
also nur einen Kettenwurm liefere. Dadurch wird der Gegensatz, 
der zwischen CÖysticerceus einerseits und Coenurus und Echinoeoceus 
andererseits bestand, wesentlich vermindert, und dies ist noch mehr 
der Fall, wenn man weiterhin den Polymorphismus in Betracht zieht, 
der sich für die beiden letztgenannten Finnenformen allmählich 
herausgestellt hat. 

Für Coenurus wurde ursprünglich als wesentlich erachtet die 
Entwicklung zahlreicher Skoleces, die zu Gruppen vereinigt in den 
Blasenwurm hineinhängen. Seither ergaben sich von diesem Typus 
nach verschiedener Richtung Abweichungen. So hat bereits 1847 
GERVAIS einen Coenurus serialis beschrieben, der, wie ich aus 
ReEinıtz (31) entnehme, nach der genauen Beschreibung BAILLET’s 
charakterisirt ist einerseits durch die reihenweise Anordnung des 
Skolex an der Innenwand der Blase, andererseits durch die Er- 
zeugung von fertilen Tochterblasen, die sowohl an der inneren als 
an der äußeren Seite der Blasenwand sprossen und eben so Skoleces 
produeiren wie die Mutterblase. Reınırz beschreibt selbst noch 
einige Fälle von Coenurus serialis Gervais in Übereinstimmung mit 
den Angaben BAıLLErT’s und führt noch mehrere, theils mit den 
seinigen übereinstimmende, theils mehr oder minder abweichende 
Fälle aus der Litteratur an, bezüglich deren ich jedoch auf seine 
Abhandlung verweise, da uns hier die Einzelheiten derselben nicht 
interessiren. | | 

Über eine andere Form berichtet Bexnz. Er beobachtete eine 
Multiplikation bei Coenurus cerebralis des Schafes, durch Abschnü- 
rung einzelner Theile der Mutterblase. Die Tochterblasen können 
sich vollständig trennen und liegen frei neben der Mutterblase. Un- 
vollständige Abschnürung einzelner Theile der Blase bei Coenurus 
beobachtete M&GnIn (29). Der französische Forscher hat einen 


on ee ee este 


ENTE A 


u ERTETE 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc. 133 


Blasenwurm aus der Schenkelmuskulatur von Dipus beschrieben und 
Coenurus polytubereulosus genannt. Dieser hatte eine unregelmäßig 
verzweigte Gestalt, bedingt durch herzförmige Abschnürungen von 
der Hauptblase. Das Lumen der Hauptblase setzte sich fort in die 
Absehnürungen, auf deren Innenfläche mehrere Skoleces mit vier 
Saugnäpfen und doppeltem Hakenkranz saßen. 

Die außerordentliche Vielförmigkeit, welche für Echinococeus 
beschrieben worden ist, dürfte sich auf eine verschiedene Kombina- 
tion zweier Vorgänge zurückführen lassen, einerseits die Bildung 
der sogenannten Brutkapseln, andererseits die Erzeugung von 
Tochterblasen. Das Specifische der Echinococeusfinne wäre darin 
zu sehen, dass weder sie selbst, noch die von ihr abstammenden 
Tochterblasen jemals direkt einen Skolex erzeugen, sondern erst 
durch Vermittelung der aus dem Parenchym nach innen vorsprossen- 
den Brutkapseln, welche offenbar nicht mit den nach innen kospen- 
den Tochterblasen identifieirt werden dürfen, sondern als besondere 
Bildungen anzusehen sind. Dies zeigt einmal ihre Struktur und 
Entstehung, andererseits ihre Produktionskraft. Die Tochterblasen 
des Echinococcus, mögen sie nach innen oder außen sprossen, 
besitzen stets eine Cutieula und entstehen aus Parenchymgewebe, 
welches sich zwischen die einzelnen Schichten der Cuticula einge- 
sprengt findet'. Wie die ursprüngliche Blase selbst, können auch 
sie entweder abermals neue Tochterblasen auf dem gleichen Weg 
erzeugen, oder sie können Brutkapseln bilden. — Die Brutkapseln 
bestehen nur aus Parenchym, sie stellen wahrscheinlich eine be- 
sondere Differenzirung der inneren Parenchymschichten dar, sie 
vermögen nicht neue Blasen zu erzeugen, sondern ihre einzige 
Funktion ist die Bildung von Skoleces. Nach den Angaben der Litte- 
ratur können diese Skoleces sowohl nach außen, wie nach innen 
sprossen, woraus hervorgeht, dass ihre Wand andere Eigenschaften 
besitzt als die gewöhnliche Finnenwand, welche eine differente 
Innen- und Außenseite besitzt und demgemäß Skoleces nur nach 
einer Richtung entwickeln kann. Diese Doppelseitigkeit der Wand 
der Brutkapseln ist in so fern interessant, als sie von einer ganz 
anderen Seite her die oben bei der Analyse des Finnengewebes auf- 
gestellte Vermuthung stützt, dass die ganze zellige Blasenwand aus 
essentiell gleichartigen Elementen besteht. 


i Der oben referirte LEUCKArRT'sche Fall einer inneren Knospung von 
Tochterblasen bei Cysticercus pisiformis ist wohl in ähnlicher Weise zu erklären. 


134 | Amandus Bott, 


Sehen wir nun von dieser Einrichtung besonderer Brutkapseln 
ab, welche, wie gesagt, als etwas dem Echinococcus Specifisches 
angesehen werden müssen, und die, um in ihrer morphologischen 
Bedeutung völlig klar zu werden, noch einer genaueren Untersuchung 
bedürfen, so dürften alle aufgeführten Modi von ungeschlechtlicher 
Vermehrung im Finnenstadium sich als untergeordnete Modifikationen 
eines gleichartigen Bildungstriebes darstellen. Alle zielen darauf ab, 
dass aus einem Bandwurm-Ei zahlreiche Bandwürmer hervorgehen; 
allen ist gemeinsam, dass ein Stück der ursprünglichen Schwanzblase, 
deren primäre Bedeutung offenbar die ist, eine Schutzhülle für die 
Kopfanlage zu bilden, die Fähigkeit gewinnt, neue Skoleces zu er- 
zeugen. Dieser Process ist entweder in der Weise realisirt, dass 
ein Theil der Blasenwand zuerst zu einer neuen Blase auswächst, 
die, sich abschnürend, wieder einen neuen Skolex hervorbringt, oder 
es entstehen die neuen Skoleces in unvollständig abgeschnürten 
Divertikeln der Mutterblase (Coenurus polytubereulosus), oder einfach 
direkt an der stark vergrößerten primären Blase. Dieser letztere 
Modus kann dann wieder mit der Abschnürung von Blasen kom- 
binirt sein. Ob ein phylogenetischer Zusammenhang zwischen diesen 
verschiedenen Modifikationen besteht, dürfte schwer zu entscheiden 
sein; sollte aber ein solcher angenommen werden, so halte ich es 
für das Wahrscheinlichste, dass die Entstehung wirklicher Tochter- 
finnen als Knospen an einer Mutterfinne den ursprünglichsten Modus 
darstellt. 


Den at unserer End 


Die Frage nach dem Namen und nach der systematischen Stel- 
lung unseres Parasiten gliedert sich in zwei Unterabtheilungen, 
nämlich 1) gehören die verschiedenen geschilderten Formen einer 
einzigen Species an, oder ist etwa eine Mischinfektion vorauszu- 
setzen, 2) ist unser Cysticereus mit einer der in der Litteratur 
bereits beschriebenen Formen identisch oder ist er als Vertreter 
einer neuen Species anzusehen? Bei der Entscheidung der ersten 
Frage kommen natürlich hauptsächlich die ausgebildeten Cysticerken 
mit vollständig entwickeltem Skolex in Betracht. Das Hauptkriterium 
seben die Zahl und Gestalt der Haken ab. In diesen beiden Rich- 
tungen herrscht nun völlige Übereinstimmung zwischen den Exem- 
plaren mit eingestülptem und denen mit ausgestülptem Skolex. Es 
gelang mir in einigen Fällen, in denen der eingestülpte Kopf seine. 
Vorderfläche gegen die Seitenwand der Blase gekehrt hatte, Zahl 


SE VER 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus etc. 135 


und Gestalt der Haken genau festzustellen. Dazu kommt, dass von 
den Formen mit eingestülptem Skolex ausgehend, alle Stadien der 
Umstülpung bis zur Vollendung derselben beobachtet werden können. 
Unter den Exemplaren mit ausgestülptem Skolex finden sich aller- 
dings mehrere, welche die Haken, die, wie es scheint, leicht aus- 
fallen, vollständig verloren haben. Doch kann man immer noch die 
Hakentaschen am Rostellum erkennen, auch stimmt der ganze übrige 
Habitus dieser Blasenwürmer mit dem der intakten so gut überein, 
dass kein Zweifel an der Identität der einzelnen Cysticerken be- 
stehen kann. Eben so wenig ist ein Grund vorhanden, die noch in 
der Entwicklung begriffenen Blasen oder die bereits blasig degene- 
rirten Formen einer anderen Species zuzurechnen, da ja alle Über- 
Sangsstadien vorhanden sind sowohl von den skolexlosen Bläschen 
zu den ausgebildeten Finnen, als auch von diesen durch die einzelnen 
Stadien der Rückbildung des Skolex bis zu den »Acephalocysten«. 
Es steht also fest, dass wir es mit einer einzigen Species zu thun 
haben. 

Ist nun diese Species identisch mit einer der in.der Litteratur 
beschriebenen Formen? Bei der Beantwortung dieser Frage kommt 
als Hauptkriterium die morphologische Beschaffenheit des Blasen- 
wurmes und nach LEUCKART vor Allem Zahl, Größe und Gestalt der 
Haken in Betracht, in zweiter Linie das Phänomen der Knospen- 
bildung und schließlich der Wirth des Parasiten. Nach v. Liwstow 
(28) kommen an Cysticerken im Maulwurf (Talpa europaea) vor: 
1) Cyst. longieollis Rud. und 2) Cyst. talpae Rud. 

Da der von Benpz beschriebene, oben erwähnte Fall von knospen- 
den Cysticerken aus einem wassersüchtigen Maulwurf mit unserem 
Falle die allergrößte Ähnlichkeit hat, ist natürlich die allerwahr- 
scheinlichste Annahme die, dass unsere Finne dieselbe Species re- 


_ präsentirt, wie die von BENDZ untersuchte. BEnnz selbst hat seinen 


Cysticereus als Cysticerceus talpae bezeichnet, indem er glaubte, die 
von RUDOLPHI mit diesem Namen belegte und unter den »Species 
dubiae« angeführte Finne vor sich zu haben. Nun hat aber KrABBe, 
wie ich aus Bronw’s (38) Klassen und Ordnungen, aus LEUCKART’S 
(13) Bericht in TroscHEL’s Archiv und aus Moxızz (30) ersehe, auf 
das bestimmteste nachgewiesen, dass der Cyst. talpae Bendz mit 
Cyst. longieollis Rud. identisch ist und dass er den Jugendzustand 


der Taenia crassiceps darstellt, was für Cyst. longicollis schon 


LEUCKART unzweifelhaft nachgewiesen hatte. Der Name Cyst. talpae 
Bendz hat also keine Berechtigung in der Litteratur. 


136 Amandus Bott, 


Nun zu Cyst. talpae Rud.! RuporrHı hat, was auch MonIEz 
mit Recht tadelt, sich damit begnügt, einen Blasenwurm aus dem 
Maulwurf, den er aber nicht einmal gesehen hat, mit Cyst. talpae 
zu bezeichnen und unter die Species dubiae zu stellen. Es kann 
nicht Wunder nehmen, wenn im Laufe der Zeit von den Autoren 
die verschiedensten Angaben über diesen ungenügend beschriebenen 
Cysticereus gemacht wurden. In seiner Monographie sprieht LEUCKART 
(16) die Vermuthung aus, dass der Cyst. talpae vielleicht der Taenia 
polyacantha des Fuchses zugehöre; KÜCHENMEISTER (21) bestreitet 
jedoch diese Meinung und behauptet die Identität von Cyst. talpae 
und Oyst. innominatus Hypudaei, welchen er bei Feldmäusen und 
Maulwürfen gefunden hatte; LEUCKART pflichtet dem später bei 
und beide Gelehrten stimmen darin überein, dass der Cyst. talpae zur 
Taenia intermedia des Iltisses gehöre. 

Es war also meine Aufgabe, festzustellen, ob meine Finne den 
senannten Tänien zugehören könne. Als Grundlage dienten mir 
dabei die trefflichen Beschreibungen der einzelnen Bandwürmer und 
die genauen Abbildungen ihrer Haken, die LEUCKART in seiner 
mehrfach erwähnten Monographie gegeben hat. Das Resultat der 
eingehenden Vergleichung der Haken unseres Blasenwurmes nach 
Zahl, Größe und Gestalt mit den Haken der Taenia polyacantha, 
der T. tenuicollis und der T. intermedia ist die Gewissheit, dass 
unser Cysticerecus zu keinem der genannten Bandwürmer gehört. 
Wenn nun einer derselben aus dem Cyst. talpae Rud. hervorgeht, 
so ist klar, dass unser Cysticercus mit jenem nicht identisch sein 
kann. Auch bei den übrigen allenfalls zu berücksichtigenden Tänien 
und Cysticerken habe ich, so weit Beschreibungen vorhanden und 
mir zugänglich sind, die Verhältnisse: speciell der Haken geprüft, 
aber nirgends eine Übereinstimmung mit unserem Blasenwurm 
gefunden. 

Nach diesem negativen Resultat schien es nun ganz sicher, dass 
unsere Finne, wie diejenige von BEnDz (HAUsmAnN) mit dem Cysti- 
cercus longicollis identisch sein müsse. Doch abgesehen von den 
mehrfach hervorgehobenen gemeinschaftlichen Momenten ergab sich 
bei der genaueren Vergleichung unserer Finne mit Cysticereus longi- 
collis eine Reihe von Thatsachen, welche die Identifieirung beider 
nicht ohne Weiteres zulassen. Die Größe des Cysticercus longi- 
collis wird von allen Autoren etwas höher angegeben, als wir an 
unserem Oysticereus gefunden haben. Was die Haken anlangt, so 
hat LEuUCKART in seiner Monographie die Zahl, Größe und Form 


N Ze 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus ete. 137 


der Haken, der zum Cysticereus longicollis gehörigen Taenia crassi- 
ceps angegeben; diese Tänie hat 16—17 Paare Haken, während 
unser Blasenwurm nur 12, seltener 14 Paare trägt. Auch die Form 
der Haken ist verschieden, wie ein Blick auf Leuckarrs Abbil- 
dungen und meine Zeichnungen lehrt. Schließlich wurde es mir 
noch möglich, Exemplare von Cyst. longicollis, aus BREMSER's Fund 
stammend, mit unserem Blasenwurm zu vergleichen. Durch die 
sütige Vermittelung des Herrn Prof. BovErt stellte mir das Direk- 
torium des Wiener Museums einige Exemplare zur Verfügung, wofür 
ich öffentlich den gebührenden Dank abstatte. Die Finnen des 
Wiener Museums sind etwas größer als die unsrigen, auf gleicher Ent- 
wicklungsstufe stehenden. Die Haken sind kleiner und schlanker 
und ihre Anzahl ist größer als bei unserer Finne. Von zwei genauer 
untersuchten Exemplaren zählte das eine 32, das andere 38 Haken. 

Ob es nun gerechtfertigt ist, auf Grund dieser Differenzen unsere 
Finne als eine neue Species anzusehen, dürfte zu bezweifeln sein. 
Es würde dies zwar der gewöhnlichen Praxis entsprechen, nach 
welcher der Zahl, Form und Größe der Haken ein so großes Gewicht 
beigemessen wird. Allein es ist sehr wohl möglich, dass in diesen 
Verhältnissen bei einer und derselben Species eine viel größere Varia- 
bilität besteht, als wir gegenwärtig wissen. Ich selbst möchte einst- 
weilen dem Phänomen der Knospenbildung sowie dem Wohnort eine 


srößere Bedeutung zuerkennen als den namhaft gemachten Unter- 


schieden und glaube, dass wir es in unserem Falle mit einer Varietät 
des Cysticereus longicollis Rud. zu thun haben. 

Nachschrift. Nachdem die vorliegende Schrift bereits abge- 
schlossen und von der medicinischen Fakultät der Universität Würzburg 
als Inaugural-Dissertation angenommen war (Juli 1896), hat Braun (41) 
in mehreren Mittheilungen über einen knospenden Cysticercus berichtet. 
Der Fall stimmt, so weit ich es beurtheilen kann, aufs vollkommenste 
mit dem meinigen überein. Da Braun seine Finne als Cysticereus 
longicollis bestimmen konnte, wird dadurch die oben ausgesprochene 
Vermuthung, dass auch unser Cysticercus zu dieser Species gehört, 
noch wahrscheinlicher. 

Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hoch- 
verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. BovErı, für die Überlassung 
des werthvollen Materials und für die gütige Unterstützung bei der 
Arbeit den gebührenden Dank abzustatten. 

Würzburg, im Juni 1897. 


138 


ao 


22 


Amandus Bott, 


Litteraturverzeichnis. 


GÖZE, Versuch einer Naturgeschichte der Eingeweidewürmer thierischer 
Körper. Blankenburg 1782. 


 BREMSER, Über lebende Würmer im lebenden Menschen. Wien 1819. 


Derselbe, Icones helminthum 1824. 

RUDOLPHI, Entozoorum synopsis. Berlin 1819. 

BOJANUS, in OKen’s Isis 1821. p. 163. 

TscHhupı, Die Blasenwürmer. 1837. 

BENDZ, in Oken’s Isis 1844. p. 813. 

DUJARDIN, Histoire naturelle des Helminthes ou vers intestinaux. Paris 
1845. 

v. SIEBOLD, Über den Generationswechsel der Cestoden. in: Diese Zeitschr. 
1850. Bd. IT. p. 226. 

RuD. LEUCKART, Beobachtungen und Reflexionen über die Naturgeschichte 
der Blasenwürmer. in: TROSCHEL’s Archiv 1848. 

Derselbe, Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der niede- 
ren Thiere. Ibid. 1857. 

Derselbe, Bericht ete. Ibid. 1859. 

Derselbe, Bericht ete. Ibid. 1864. 

Derselbe, Bericht etc. Ibid. 1865. 

Derselbe, Parasitismus und Parasiten. in: Archiv für physiol. Heilkunde. 
11. Jahrg. 1852. 

Derselbe, Die Blasenwürmer und ihre Entwicklung. Gießen 1856. 

Derselbe, Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden 
Krankheiten. I. Aufl. 1863. 2. Aufl. 1879—1886. 

DiESInG, Systema Helminthum. Wien 1850. 
Derselbe, Revision der Cephalocotyleen. Abth. Cyciocotyleen. in: Sitzungs- 
bericht der kaiserl. Akademie. Bd. XLIX. 1864. 
KÜCHENMEISTER, Über Cestoden im Allgemeinen und die des Menschen 
insbesondere. Zittau 1853. 

Derselbe, Amtlicher Bericht über die 32. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Ärzte zu Wien im Sept. 1856. Wien 1858. 

Derselbe, Quellenstudien über die Geschichte der Cestoden. im: Deutschen 
Archiv für Gesch. d. Med. u. med. Geographie. Bd. III. 1880. 

NAUNYN, Entwicklung des Echinococeus. im: Archiv für Anatomie, Physio- 
logie ete. von REICHERT u. Du Boıs-ReyMmonxD. Jahrg. 1862. 

KRrRABBE, 1863; siehe Bronn’s Klassen u. Ordn. von Prof. BRAun. Bd. IV. 
1894. p. 1026. 

RASMUSEN, 1866; siehe ibid. p. 1032. 

FRIEDREICH, Über multilokulären Leberechinococeus. in: VIRCHOW’s Archiv. 
Bd. XXXIII. 1865. 

PROUGEANSKY, Über multilokuläre uleerirende Echinococeusgesehwulst in 
der Leber. Dissertation. Zürich 1873. 

v. Linstow, Compendium der Helminthologie. Hannover 1878. 

MEGnIn, Sur une nouvelle forme de ver vesieulaire trouvee chez une Ger- - 
boise. in: Comptes rendus Ac. sc. Paris. T. LXXXIX. 1879. p. 1045. 


Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticereus ete. 139 


30. Monızz, Essai monographique sur les Cysticerques. in: Travaux de l'institut 
zoologique de Lille. Tome III. Fascicule I. Paris 1880. 

31. Remırtz, Mittheilungen über einen bisher noch wenig bekannten Blasen- 
wurm. Dissertation. Dorpat 1885. 

32. VIERORDT, Abhandlung über den multilokulären Echinococeus. Freiburg 
i. B. 1886. 

33. MOoRROoT, Quelques eonsiderations sur la degenerescence des Cysticerques 
ladriques du pore. (Journ. med. veterin. et Zootechnie 1890.) Referat 
im Centralblatt f. Bakt. u. Parasitenkunde. Bd. IX. 239. 

34. GUILLEBEAU, Helminthologische Beiträge. in: VIRCHOW’s Archiv. Bd. CXIX. 
1890. p. 116. 

35. VoGEL, Über Bau und Entwicklung des Cysticereus faseiolaris Rud. Disser- 
tation. Erlangen 1888. 

36. LürkE, Zweiköpfiger Cysticercus fasciolaris. im: Repert. der Thierheil- 
kunde. 53. Jahrg. Heft 9. Stuttgart 1892. p. 271. Referat bei BRAUN 
(siehe 38) p. 1124 u. 1173. 

37. BRAun, Die thierischen Parasiten des Menschen. Würzburg 1895. 

38. Derselbe, BRonn’s Klassen u. Ordnungen. Bd. IV. 1895. 

39. BLOCHMANN, Die Epithelfrage bei Cestoden u. Trematoden. Hamburg 1896. 

40. ZERNECKE, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Jena 
1895. 

41. Braun, Mittheilungen über einen proliferirenden Cysticereus ete. in: Zool. 
Anz. Bd. XIX, Nr. 514 u. Bd. XX, Nr. 521, sowie im Centralblatt für 
Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankheiten. Bd. XX. Nr. 16/17. 


Erklärung der Abbildungen. 


Abkürzungen: 


h, Haken; 7, Rostellum; sz, Saugnapf; sbl, Schwanzblase; sc, Skolex oder 
Anlage desselben; %, Knospen; dbl, Degenerationsblasen; dA, Hohlraum der Blase; 
kz, Knospungszone; c, Cutieula; /m, Längsmuskeln; rm, Ringmuskeln;; vn, innere 
Muskelsysteme; %p, Körperparenchym; pz, Parenchymzellen; wg, Wassergefäß- 
kanäle; wir, Wimpertrichter. 


Tafel VI. 


Fig. 1. Ausgestülpter normaler Cysticercus. «, Falte zwischen Hals und 
Schwanzblase. Vergr. 32. | 

Fig. 2. Cysticercus mit eingestülptem Skolex und abgegrenzter Knospungs- 
zone (k2). Vergr. 32. 

Fig. 3 u. 10. Monstrositäten. Vergr. 32. 

Fig. 4, 6, 11, 12 u. 13 stellen Längsschnitte durch Cysticerken dar, welche 
die verschiedenen Stadien der Obliteration der Schwanzblase veranschaulichen. 
In der Reihenfolge 6, 4, 12, 11, 13 geben diese Figuren ein Bild von der all- 
mählichen Umstülpung des Kopfzapfens. Fig. 11 zeigt einen Schnitt, auf wel- 
chem keine Saugnäpfe und Haken getroffen sind. Vergr. 32. 

Fig. 5. Hintertheil einer Schwanzblase mit typischer Knospung. Vergr. 45, 


140 Amandus Bott, Über einen durch Knospung sich verm. Cysticereus ete. 


Fig. 7. Abnormer Cysticercus mit zwei Skolices an einer Blase. hf, Haken- 
taschen. Vergr. etwa 12. 

Fig. 8. Monstrum biceps. Vergr. 32. 

Fig. 9. Cysticercus mit eingestülptem Skolex, reichlicher Knospenbildung 
und Degenerationsblasen. Vergr. 32. 


Tafel VII. 


‚Fig. 14. Längsschnitt durch die normale Blasenwand eines ausgebildeten 

Cysticercus. Vergr. etwa 400. 

Fig. 15. Längsschnitt durch eine Knospungszone. Vergr. etwa 400. 

Fig. 16. Längsschnitt durch eine Knospungszone. Degenerationsblasen 
mit Detritus. Vergr. 80. 

Fig. 17. Längsschnitt durch das Vorderende eines Cysticercus mit degene- 
rirtem Skolex. sc, Rest des Skolex. Vergr. 32. 

Fig. 18a u. db große, ce u. d kleine Haken von der Seite. s, Sichel; z/, Zahn- 
fortsatz; wf, Wurzelfortsatz. Fig. 18e, Haken von oben gesehen. 5bf, Basalfläche 
des Zahnfortsatzes. Vergr. 330. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche zanclea und 
Acanthometridenarten vorkommenden Parasiten 
(Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). 

Von 
Dr. A. Borgert, 


Assistent am zoolog. und vergl.-anatom. Institut der Universität Bonn, 


Mit Tafel VII. 


Als ieh mich im Frühjahr 1895 zum Zwecke verschiedenartiger 
Untersuchungen an der Zoologischen Station in Neapel aufhielt, fand 
ich Gelegenheit, mich unter Anderem auch mit dem merkwürdigen 
Parasiten zu beschäftigen, der in Sticholonche zanclea und verschie- 
denen Acanthometridenarten angetroffen wird. 

Wie mir Herr Dr. Lo Bıauco mittheilte, war ihm unter den 
Organismen des Golfes die Stzcholonche früher nicht zu Gesicht ge- 
kommen!. Im Jahre 1895 war nun diese Form von Anfang Februar 
bis in den Mai hinein in wechselnder, bisweilen sogar recht bedeu- 
tender, Menge im Auftrieb vorhanden, allein es gelangten weder im 
Anfang noch am Schluss der Periode ihres Auftretens Exemplare 
mit Parasiten zur Beobachtung. Das erste derartige Individuum 
wurde am 10. März gefunden. Von da an bis zum Ende des Monats 
sah ich solche Fälle dann noch in großer Zahl. Im April und Mai 
fand ich bei Sticholonche keine Parasiten mehr vor, dagegen wurden 
nun wiederholt Acanthometriden beobachtet, welche einen ganz ähn- 
lichen Organismus beherbergten. 

Im folgenden Jahre konnte ich an der Neapler Station meine 
Resultate noch in einigen Punkten ergänzen. Dieses Mal wurden 
bereits in der letzten Hälfte des Januar Sticholonchen, und unter 


1 Sticholonche zanclea wurde von R. HrrrwiG bei Messina entdeckt und 
später von FoL und Anderen auch bei Villafranea gefunden. 


142 A. Borgert, 


ihnen auch solche mit Parasiten gefangen!. Auch jetzt zeigte es 
sich wieder, dass nach Verlauf einiger Zeit, und zwar schon gegen 
Ende des Februar, die Parasiten bei Sticholonche immer seltener 
wurden und im Anfang des März gänzlich verschwanden, während 
bei den in Betracht kommenden Acanthometridenspecies um diese 
Zeit etwa die ersten Parasiten enthaltenden Exemplare zur Beob- 
achtung gelangten. 

Erwähnen will ich auch noch, dass es fast stets der in geringer 
Tiefe (ca. 20 m) gefischte Auftrieb war, der die meisten Sticholon- 
chen enthielt. In dem unmittelbar an der Meeresoberfläche ge- 
sammelten Material fand ich bisweilen nicht ein einziges Exemplar, 
selbst wenn solche in tieferen Fängen vom gleichen Orte in Menge 
vorgefunden wurden. | 

Wegen anderer Untersuchungen, die meine Zeit stark in An- 
spruch nahmen, sowie wegen der Schwierigkeit, mit welcher die 
Erforschung der Organisations- und Lebensverhältnisse des Parasiten 
verknüpft ist, ist es mir leider nicht gelungen, in allen sich dar- 
bietenden Fragen Klarheit zu schaffen. Wenn ich dennoch nicht 
davon abstehe, meine Beobachtungen zu veröffentlichen, so thue ich 
dies einerseits desswegen, weil ich nicht weiß, ob ich die begon- 
nenen Untersuchungen einmal werde wieder aufnehmen können, 
andererseits, weil bei der Unvollkommenheit unserer Kenntnisse 
über die in Rede stehende Thierform jeder Beitrag erwünscht 
sein wird. 

Die Litteratur über unseren Parasiten ist wenig umfangreich. 
Zuerst wurde er 1879 von R. HerrwIe (18) bei gewissen Acantho- 
metridenarten gefunden. Ein Austreten des Thieres aus seinem 
Wirthe wurde jedoch nicht beobachtet, und so hielt Herrwıc den 
dem Kerne dicht anliegenden Organismus irrthümlich für einen Theil 
des letzteren? Vier Jahre später wurde das Vorkommen eines ganz 
ähnlichen Gebildes bei Stecholonche durch FoL (7) konstatirt. Ihm 
verdanken wir die beste Beschreibung dieser interessanten Thier- 
form. Da indessen For über die Natur des mit Cilien besetzten 
Körpers, den er frei werden und mit großer Geschwindigkeit sich 


! Nach einer mündlichen Mittheilung von Herrn Dr. ArstEın befanden 
sich schon Ende December 1895 Stieholonchen im Auftrieb. 

? Diese Auffassung HErTwıqG’s, auf die ich später noch einmal zurück- 
kommen werde, ist in Bürscuur’s Bearbeitung der Protozoen in Bronn’s Klassen 
und Ordnungen des Thierreichs (5, p. 424—428) übergegangen und wird auch von | 
HAECKEL (14, p. 6) getheilt. 


N LENESIIEIRER N NE. GE, 


EEE TER ET I u 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 143 


durch das Wasser bewegen sah, nicht klar werden konnte, so be- 
zeichnete er ihn mit dem indifferenten Namen »Spiralkörper«. Er 
zieht dabei in Betracht, dass es sich möglicherweise um einen Fall 
von Parasitismus, wahrscheinlicher jedoch um ‘den Austritt eines 
Fortpflanzungskörpers des Wirthsthieres, einer Art von Spermato- 
phore, handle. Eben so ist es For’'s Verdienst, als Erster auf die 
nahen Beziehungen zwischen den in Acanthometriden und Sticho- 
lonche zanclea sich findenden Bildungen hingewiesen zu haben. Nach 
For haben noch 1891 KOROTNEFF (27) und später, 1894, KöppEn (26 
den Spiralkörper zum Gegenstand ihrer Untersuchungen gemacht. 
Beide stimmen darin überein, dass sie den austretenden Körper für 
einen Parasiten halten. Während jedoch KOROTNEFF ihn als einen 
den Orthonectiden sehr nahe stehenden Organismus in Anspruch 
nimmt, verweist KöPpEn ihn unter die Suctorien und giebt ihm den 
Namen Amoebophrya. Er unterscheidet zwei Arten dieser Gattung: 
A. sticholonchae und A. acanthometrae. 

Ich will gleich hier erwähnen, dass ich die Ansicht von der 
parasitären Natur des Spiralkörpers vollkommen theile.. Ehe ich 
jedoch näher auf meine eigenen Beobachtungen eingehe, möge es 
mir gestattet sein, mit einigen Worten die Methode der Untersuchung 
zu schildern. 

Wie es der Gegenstand erforderte, wurde sowohl lebendes als 
auch konservirtes Material untersucht. Um den Parasiten zum Aus- 
treten zu veranlassen, genügt es, das betreffende Wirthsthier mit 
einem nur geringen Wasserquantum auf einen Objektträger zu 
bringen. Bei Gebrauch etwas größerer Wassermengen wird man 
stets längere Zeit auf den gewünschten Augenblick zu warten haben. 
Die Zunahme des Salzgehaltes, vielleicht auch die der Temperatur, 
wirkt augenscheinlich als Reiz. Lässt dennoch das Freiwerden des 
Parasiten zu lange auf sich warten, so gelingt es auch wohl ge- 
legentlich, dasselbe durch vorsichtiges Auflegen eines Deckglases 
mit Wachsfüßchen zu erzwingen. 

Unter den angewandten Fixirungsflüssigkeiten lieferten koneen- 
trirte Sublimatlösung, ein Gemisch aus Sublimatlösung und Eisessig 
im Verhältnis 5:1 und FLemmine’sche Chromosmiumessigsäure die 
besten Resultate. Bis auf eine Anzahl von Exemplaren, die zur Her- 
stellung von Totalpräparaten Verwendung fanden, wurden sämmtliche 
konservirten Individuen einzeln in Schnitte zerlegt!. 


i Von den früheren Untersuchern war die Schnittmethode auf dieses Ob- 
jekt noch nicht angewandt worden. 


144 A. Borgert, 


Bei der Einbettung in Paraffın, die bei so kleinen Objekten 
ihre Schwierigkeiten zu haben pflegt, schlug ich folgenden einfachen 
Weg ein: Nachdem die Thiere mit KLEINENBERG’schem Hämatoxy- 
lin vorgefärbt waren, und die verschiedenen Alkoholgrade durch- 
laufen: hatten, wurden dieselben in Benzol überführt. Als Einbettungs- 
sefäß benutzte ich ein Uhrschälchen. Dieses wurde zunächst mit 
seschmolzenem Paraffın gefüllt, wobei zu beachten ist, dass letzteres 
möglichst frei von Verunreinigungen sein muss, da durch etwa vor- 
handene Staubtheilchen ete. das Wiederauffinden der minimalen Ob- 
jekte bedeutend erschwert wird. War das Paraffin im Schälchen 
erstarrt, so wurde in der Mitte ein kleines, bis auf den Boden des 
Gefäßes führendes Loch gemacht. In die Höhlung wurden die zu 
schneidenden Thiere mit einigen Tröpfehen Benzol gebracht und das 
Schälchen dem Einschmelzofen übergeben. Schon nach kurzer Zeit 
sind die kleinen Objekte mit Paraffin durchtränkt, und die einge- 
tragenen Benzolmengen so vollkommen verdunstet, dass mit dem 
Schneiden begonnen werden kann. Das Wiederauffinden der ein- 
sebetteten Thiere mittels Lupe oder Mikroskop bereitet keine 
Schwierigkeit, da dieselben sich nahe dem Boden des Uhrschäl- 
chens ansammeln. Bei längerem Belassen in kaltem Wasser löst 
sich, vorausgesetzt, dass die innere Fläche des Glases sauber und 
glatt war, die Paraffinschicht selbständig von der Wandung los oder 
kann doch mit leichter Mühe von ihr getrennt werden. 

Die Schnitte wurden mit destillirtem Wasser aufgeklebt. Nach- 
trägliche Färbung der Schnitte mit Eosin lieferte mit der voraufge- 
sangenen Hämatoxylintinktion zusammen eine gute Doppelfärbung. 
In vielen Fällen wurde auch die HEIDENHAIN’sche Eisenhämatoxylin- 
färbung angewandt. > 


Untersuchungen an Sticholonche. 
Hierzu Taf. VIII, Fig. 1—26. 


So lange der Parasit sich innerhalb der Sticholonche befindet, 
stellt er ein annähernd kugeliges Gebilde dar, welches stets an der 


i Ohne Kenntnis gehabt zu haben von der Anwendung eines ähnlichen 
Verfahrens durch Andere, bediene ich mich seit Jahren des vorstehend be- 
schriebenen Modus procedendi bei der Einbettung kleiner Objekte. Derselbe 
hat vor der von RHUMBLER (32, p. 312—314, 33, p. 303—306) angegebenen 
Methode den Vorzug, dass die Objekte allmählich mit Paraffin durchtränkt 
werden und außerdem auch nicht einem so plötzlichen Temperaturwechsel aus- 
gesetzt sind. Eben so wird die Verunreinigung des Paraffins durch Nelkenöl . 
oder Glycerin vermieden. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 145 


konkaven Seite der eigenthümlichen bohnenförmigen Kapsel des Wirths- 
thieres und hier wiederum etwas seitlich, gelegen ist. Die Kugel 
besitzt je nach dem Entwicklungszustande des Parasiten einen größeren 
oder kleineren Durchmesser. Bei weit fortgeschrittenen Stadien bildet 
sie einen im Verhältnis zur Größe des Wirthes mächtigen Auswuchs am 
Körper desselben. Nach außen ist die Kugel rings durch einen 
scharfen Kontour begrenzt. Der protoplasmatische Inhalt ist durch- 
sichtig und von blassgelblicher Färbung. 

Schon bei relativ schwacher Vergrößerung erkennt man im Innern 
der Kugel einen kegel- oder bienenkorbförmigen Zapfen, dessen abge- 
rundete Spitze dicht unter der Körperoberfläche der Sticholonche 
liest. An seiner Außenfläche zeigt der Kegel eine Anzahl von pa- 
rallelen Querfurchen, die von der Spitze her gesehen sich in ihrem 
Verlaufe als eine zusammenhängende links gewundene Spirale dar- 
stellen. Bei jugendlichen Thieren ist die Zahl der Touren eine nur 
geringe; ältere Exemplare weisen dagegen zahlreiche Windungen auf. 

Die genaueren Organisationsverhältnisse treten erst deutlich zu 
Tage, wenn man das Thier dem gelinden Druck eines Deckgläs- 
chens aussetzt. Man sieht alsdann, dass die Außenfläche des Kegels 
an seiner Basis sich umschlägt und in ihrer Fortsetzung die Innen- 
fläche der Kugelwandung bildet, sowie, dass auch die Furchen sich 
ununterbrochen von ersterer auf die letztere fortsetzen. Weiter be- 
merkt man, dass gegenüber der Spitze des Kegels sich die Dicke 
der Kugelwandung von den Seiten her stark vermindert!. For hat 
die Form, die der Parasit in diesem Stadium besitzt, treffend mit 
der eines zur Hälfte umgestülpten Handschuhfingers verglichen. Das 
Austreten des Thieres stellt — um in dem Bilde zu bleiben — eine 
völlige Umwendung des Fingers dar. 

Bei Beginn dieses Vorganges sieht man zunächst die Spitze des 
inneren, kegelförmigen Theiles die vor ihr liegende dünne Stelle der 
Kugelwandung durchbrechen und langsam aus der entstandenen Öff- 
nung hervortreten. Gleichzeitig beginnt ein lebhaftes Flimmern von 
Cilien an seiner Oberfläche und eine Längsstreckung des Körpers. 


! Da bei dem lebenden Thiere unter normalen Verhältnissen die Flächen 
dieht an einander liegen, so sind diese Dinge ohne Weiteres nur schwer zu 
sehen. Der Druck des Deckgläschens wirkt aber oft als Reiz, der ein vor- 
zeitiges Ausschlüpfen des Parasiten zur Folge hat. Am besten erkennt man 


den Bau an konservirten Exemplaren. In der Fixirungsflüssigkeit zieht sich 


der innere Kegel regelmäßig etwas zusammen, so dass zwischen den Wan- 
dungen ein srößerer Raum entsteht (s. Fig. 1). 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 10 


146 A. Borgert, 


Während der vordere Abschnitt des Thieres! allmählich immer weiter 
hervortritt, vollzieht sich am hinteren Körperende die Umstülpung, 
dergestalt, dass hier die innere Wandung der Kugel zur äußeren 
Körperwandung des freien Parasiten wird und umgekehrt, die äußere 
Schicht der ersteren im Innern des letzteren zu liegen kommt. Bei 
dem geschilderten Process bilden sich innerhalb des Thieres ein oder 
mehrere Hohlräume aus, die in den einzelnen Fällen von sehr ver- 
schiedener Gestalt und Größe sein können. Die Öffnung, durch die 
der Parasit hindurchgetreten ist, kommt bei der Umstülpung natur- 
semäß am hinteren Körperende des Thieres zu liegen. Nach dem 
Durchtritt des letzteren verengert sie sich wieder und kann sich sogar 
vollständig schließen. In anderen Fällen bleibt sie bestehen, so dass 
durch sie der innere Hohlraum mit der Außenwelt kommunicirt. 

Schon vor der völligen Umstülpung sieht man den Parasiten oft 
durch seine Cilien in eine rotirende Bewegung versetzt. Ist der Zu- 
sammenhang mit dem Wirthsthiere gelöst, so schießt er mit großer 
Geschwindigkeit, beständig um seine Längsachse sich drehend, gerad- 
linig davon. Stößt er auf irgend einen Widerstand, so stockt die 
Bewegung für einen Augenblick, um gleich darauf in veränderter 
Richtung fortgesetzt zu werden. 

Wie ich bereits erwähnte, kann man den Parasiten sehr leicht 
zum Ausschlüpfen veranlassen. Sogar bei verhältnismäßig jugend- 
lichen Stadien gelangt man auf die angegebene Weise zum Ziele. Im 
letzteren Falle erhält man ein kurzes plumpes Individuum, bei welchem 
die spiralige Furche nur wenige Touren aufweist (s. Fig. 7). Voll 
entwickelte Thiere zeichnen sich durch eine gestreckte schlanke 
Köperform und zahlreiche Windungen der Spiralfurche aus (s. Fig. 2). 

Ist der Parasit ausgetreten, so thut man gut daran — will man 
ihn einige Zeit am Leben erhalten — etwas frisches Seewasser zu- 
zusetzen. Doch auch unter Anwendung aller Vorsicht wollte es mir 
nie gelingen, die Lebensdauer des Thierchens über etwa eine halbe 
Stunde hinaus auszudehnen. Gewöhnlich fand der Parasit schon 
früher seinen Tod dadurch, dass er an den Rand des Tropfens ge- 
langte oder auf ein anderes Hindernis innerhalb desselben stieß. 
Die Folge davon war, dass er sich im Moment in minimale Theil- 
chen auflöste, die, wie von einem inneren Druck getrieben, nach 
allen Seiten aus einander sprühten, ohne eine Spur zu hinterlassen 2. 


! Die Bezeichnungen »vorn« und »hinten« sind nur aus der Lage des 
Körpers bei der Fortbewegung abstrahirt. 
? Schon FoL beobachtete diese Erscheinung bei zwei von ihm isolirten 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten: 147 


Auch das Ausschlüpfen selbst ist für den Parasiten, wie es 
scheint, ein kritischer Vorgang. Mehrfach sah ich, namentlich 
wenn man einmal etwas längere Zeit vergeblich auf den Augenblick 
des Freiwerdens hatte warten müssen, dass das Thierchen nicht 
mehr die Kraft besaß, sich seinen Ausweg aus dem Wirthsthiere 
zu erzwingen. Es rotirte dann eine Zeit lang innerhalb der Höhlung, 
wobei es dieselbe bisweilen stark erweiterte und bohrte sich schließ- 
lich nicht selten tief in das Plasma seines Wirthsthieres ein, wo es 
dann allmählich abstarb; oder auch es knäuelte sich, nachdem das Aus- 
treten missglückt war, zusammen und zerfiel in mehrere Theilstücke, 
die selbständig weiter rotirten. In einem Falle wurden dieselben nach- 
träglich sogar noch frei. Ein anderes Mal floss der Körper des 
Thierehens, als ihm das Freiwerden misslang, innerhalb des Wirthes 
aus einander. Die unregelmäßig gelappte Masse ging zusammen mit 
dem letzteren zu Grunde. Öfter kommt es vor, dass beim Aus- 
schlüpfen der vordere Theil des Thieres sich abschnürt und allein 
fortschwimmt oder dass die Umstülpung nicht ganz bis zu Ende 
ausgeführt wird und der Organismus in diesem Zustande frei wird 
(s. Fig. 6). Wiederholt beobachtete ich auch, dass die bohnen- 
förmige Kapsel der Sticholonche, vereinzelt sogar der ganze proto- 
plasmatische Inhalt des Wirthsthieres, bei dem Ausschlüpfen des 
Parasiten von hinten in denselben hineintrat, gewissermaßen von 
ihm aufgesogen wurde. Der Parasit schwamm dann stets wie ge- 
wöhnlich davon. Unter solchen Umständen zeigt jedoch sein Körper 
an der Stelle wo die Kapsel im Innern desselben liegt, eine An- 
schwellung (s. Fig. 5). Je nach der Lage der Kapsel ist die Körper- 
gestalt mehr keulen- oder spindelförmig. Bemerken will ich hier 
ferner noch, dass man das Austreten des Parasiten oftmals selbst 
dann noch beobachten kann, wenn das Wirthsthier bereits abgestor- 
ben oder gar schon zerfallen ist. 

Die bisherigen Angaben über den feineren Bau des Parasiten 
sind ziemlich unsicher und widersprechend. For (7, p. 17 u. 18) 
schreibt über die Strukturverhältnisse des unausgeschlüpften Organis- 
mus: »Deja de bonne heure il est creuse d’une cavite qui, de profil, 
a la forme d’un 8. Ses parois presque homogenes renferment ce- 
pendant quelques taches rondes qu’on serait tente de comparer ä 


frei gewordenen Parasiten, doch vermochte er die Thiere etwas länger lebend 
zu erhalten. Das eine Exemplar ging nach zwei Stunden zu Grunde, das an- 
dere theilte das gleiche Schieksal etwa eine Stunde später. 

10* 


148 A. Borgert, 


des noyaux, mais qui sont bien moins nets que des noyaux de cel- 
lules d’animaux superieurs.< Bei voll entwickelten Individuen 
schildert er die Wandungen als »toujours fort epaisses«, aber 
scheinbar »homogenes et sans texture histologique«.. An einer 
anderen Stelle (l. ec. p. 21) giebt For dagegen an, dass bei späteren 
Entwicklungsstadien die homogen erscheinende Wandung eine Menge 
kleiner kernartiger Körperchen einschließe, die ohne Ordnung durch 
ihre ganze Dicke zerstreut seien und von denen jedes mehrere kleine 
lichtbreehende Granulationen enthalte. Das ausgeschlüpfte Thier 
weise an seiner Oberfläche eine spiralige Rinne auf, die (in mathe- 
matischem Sinne) von rechts nach links gewunden sei; außerdem 
sei sein Körper vollständig mit kurzen feinen Cilien bedeckt, die 
an allen Stellen die gleiche Länge zeigten. Die Körperwandung 
erscheine zwar homogen, doch würde eine etwa vorhandene Struktur 
bei der lebhaften Bewegung der Beobachtung sehr wohl entgehen 
können. Nach KOoROTNEFF (27, p. 625) ist der Spiralkörper eine 
»zellige Bildung«. Das jüngste von ihm beobachtete Stadium wird 
als »ein birnförmiger Körper, der aus vier Zellen besteht und vier 
längliche Zellkerne einschließt«, beschrieben. Ein anderes, späteres 
Entwicklungsstadium besteht, wie KOROTNEFF festgestellt haben will, 
»aus einer inneren Masse und einer Hülle; die innere Masse ist von 
zwei großen mandelförmigen Zellen gebildet, die zwei große Kerne 
besitzen; diese Zellen sind nur am Boden der Hülle angewachsen, 
sonst liegen sie frei und ihren Zipfeln entspricht eine Öffnung der 
zelligen Hülle Die Hülle ist ganz topflörmig, einschichtig, sie 
schließt eine bedeutende Anzahl von länglichen Kernen ein und hat, 
wie gesagt, eine Öffnung«. Bezüglich des frei gewordenen Thieres 
giebt KOROTNEFF an, dass es eine »längliche Larve« sei, die nicht 
eine spiralige Furche besitze, sondern aus fünf durch eirkuläre Furchen 
von einander abgegrenzten Segmenten bestehe. Die Oberfläche des 
Thierchens sei nicht mit feinen Wimpern, sondern mit großen, geißel- 
förmigen, einzeln stehenden Cilien besetzt. Weiter bemerkt KoOROT- 
NEFF, »dass dieser Körper aus einer äußeren mehr homogenen 
Schicht und einer inneren mit einem Plasmanetze durchsetzten Masse 
gebildet wird«. Obgleich es ihm nicht gelang, das Thier zu färben, 
behauptet KoROTNEFF »mit Entschiedenheit«, »dass die innere Masse 
aus wenigen Entodermelementen gebildet, die äußere, cilientragende 
Schicht aber ein zelliges Ektoderm ist«e. KörPrEn endlich will nur 
einen einzigen Kern in dem Parasiten gefunden haben; er giebt von 
dem feineren Bau des Organismus (26, p. 418) folgende Beschreibung: 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 149 


»Son corps eonsiste en un protoplasma et en un noyau. Le proto- 
plasma est tantöt elair et homogene, tantöt granuleux ou reticuleux, 
et la couche superficielle en est plus ou moins condensce. Au lieu 
de noyau, on y remarque souvent de petits globules qui se colorent 
comme le noyau, ou bien encore les m&mes globules, mais entoures 
d’une couche claire et souvent aussi d'une membrane. Ils sont dis- 
perses dans tout le corps de l’Acinetien, et lorsque celui-ei contient 
un embryon, ce dernier peut en etre aussi rempli, et dans ce cas 
lui non plus ne contient pas de noyau!.« Der Parasit besitzt nach 
KÖrpeEn’s Angabe in einem gewissen Stadium die Fähigkeit, nach 
Art einer Amöbe seine Gestalt zu verändern, während er auf einer 
anderen Entwicklungsstufe einen mit Cilien besetzten infusorien- 
artisen Organismus darstellt. Weiter erwähnt KörrpEn kontraktile 
Vaeuolen, die er sehr selten bei dem im Wirthsthiere eingeschlossenen 
Parasiten, immer dagegen bei dem frei gewordenen gefunden zu 
haben berichtet. Endlich theilt Köppen mit KOROTNEFF die Ansicht, 
dass die Furchen an der Oberfläche des Parasiten parallele, ge- 
schlossene Ringe, nicht aber eine zusammenhängende Spirale bilden, 
doch lässt er im Gegensatz zu FOL und KOROTNEFF die Uilien in 
den Furchen stehen. 

Ich will bei der Darstellung meiner eigenen Untersuchungs- 
resultate von dem unausgeschlüpften Thiere ausgehen und zum 
besseren Verständnis seiner Organisationsverhältnisse auf einen me- 
dianen Längsschnitt durch ein annähernd ausgewachsenes Exemplar 
des Parasiten verweisen, wie ein solcher auf Taf. VIII, Fig. 9 sich ab- 
gebildet findet. Wie ich schon oben aus einander setzte, besteht 
der Körper des Parasiten in diesem Stadium gewissermaßen aus zwei 
Abschnitten: einem inneren, massiven Kegel und einer ihn umgeben- 
den dünneren Kugelschale.e An der Basis des Kegels gehen beide 
in einander über. Gegenüber der Spitze des Kegels vermindert sich 
die Dicke der Kugelwandung zu einem dünnen Häutchen, welches 
den zwischen der äußeren Kegel- und der inneren Kugelwandung 
gelegenen kappenförmigen Hohlraum nach außen zu abschließt. 
Das ganze Thier ist von einer scharfen Grenzlinie umgeben, die von 


i Wie bereits hervorgehoben wurde, deutet KörpEn den Spiralkörper als 
eine in Stecholonche lebende Suctorienform. Den im Inneren des unausgeschlüpf- 
ten Thieres gelegenen kegelförmigen Theil desselben spricht er als Embryo an. 
.  ” Bisweilen schien es mir, als ob vor der Spitze des Kegels sich eine 
Offnung in der Membran befände (s. hierzu FoL, 7, p. 19, Taf. II, Fig. 14 p), 
doch konnte ich dieselbe auf Schnitten nicht nachweisen. 


150 A. Borgert, 


einer kräftigen, deutlich doppelt kontourirten Membran herrührt!. 
Die beim Ausschlüpfen zur Körperoberfläche werdenden Wandungen 
des Hohlraumes sind dagegen von einer sehr zarten Membran über- 
kleidet. Das Protoplasma des Parasiten zeigt in den äußeren Par- 
tien des Kegels, namentlich an der Spitze, hin und wieder ein klares, 
durchsichtiges Aussehen; im Übrigen besitzt es eine gröbere Struktur. 
Mittels starker Objektive war vielfach eine schaumige Beschaffen- 
heit desselben deutlich zu erkennen. Bei verschiedenen Exemplaren 
fand ich in dem kegelförmigen Körperabschnitte einen mehr oder 
minder großen kugeligen vacuolenähnlichen Hohlraum; in einem 
Falle besaß fast das ganze Protoplasma ein blasiges Aussehen. Die 
Kerne, deren unser Parasit eine große Zahl besitzt, sind von kuge- 
liger oder länglich runder Gestalt. Sie liegen nahe der Körperober- 
fläche, und zwar in den zwischen den Furchen sich vorwölbenden 
Wülsten, wo sie sich dicht neben einander zu Reihen angeordnet 
finden. An gut orientirten Längsschnitten findet man ferner gegen- 
über der Spitze des Kegels in der Mitte der Basis einen eigenartigen 
Zapfen, der auf der einen Seite im Plasma des Kegels seinen Ur- 
sprung nimmt, auf der anderen Seite an die Außenwandung des 
Thieres herantritt. In seinem Innern erkennt man eine sehr zarte 
Längsstreifung. Der Zapfen ist von einer Höhlung umgeben, wie 
diese Dinge auf dem Längsschnitte (Fig. 9) dargestellt sind. Ein 
Theil desselben Schnittes ist in Fig. 10 bei etwas stärkerer Ver- 
srößerung wiedergegeben. Man sieht hier an der Oberfläche der 
Wülste des kegelförmigen Körperabschnittes feine Kanäle nach außen 
münden, die eine Strecke weit in das Körperinnere hinein zu ver- 
folgen sind. Ich konnte derartige Bildungen nur an einem einzigen 
Exemplare deutlich nachweisen. Bei diesem waren sie an jeder Vor- 
wölbung des Kegels zu finden, doch wage ich nicht zu entscheiden, 
ob dieselben wirklich am lebenden Thiere vorhanden waren oder 
nicht vielleicht durch Schrumpfungen bei der Konservirung ent- 
standen sind. Endlich muss ich noch auf das regelmäßige Vor- 
handensein feiner Fasern hinweisen, die ringsum die Außenfläche 
des Kegels mit der inneren Kugelwandung verbinden und jederseits 
in den Furchen inserirt sind. Bei dem Ausschlüpfen des Parasiten 


! Die scharfe Abgrenzung des Parasiten gegen das Wirthsthier tritt bei 
der angewandten Doppelfärbung (Hämatoxylin und Eosin) besonders klar her- 
vor, indem sich das Plasma der Sticholonche roth, der Parasit dagegen blau 
tingirt. Bei parasitenführenden Acanthometriden war dieser Unterschied in 
der Färbung nicht zu konstatiren. 


at nd Fe 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 151 


werden dieselben zerstört und da sich am gleiehen Orte die Cilien 
ausbilden, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese aus jenen 
hervorgehen. 

Jüngere Individuen unterscheiden sich von den älteren nicht 
allein durch geringere Größe, sondern auch durch eine weniger be- 
deutende Anzahl von Windungen der Spiralfurche sowie durch eine 
kleinere Menge der Kerne. In Fig. 12 und 13 sind die jüngsten 
Stadien des Parasiten, die als solche mit Sicherheit noch zu erkennen 
waren, im Längsschnitt dargestellt. Besonders auffallend ist auch 
die Gestalt der Kerne, die hier eine gestreckte, stäbchen- oder 
kommaförmige ist. Bei dem größeren der beiden Exemplare schien 
mir schon eine Andeutung des Zapfens vorhanden zu sein. 

Der frei gewordene Parasit besitzt eine mehr oder weniger ge- 
streekte, annähernd cylindrische Gestalt!, und ist in seinem Aus- 
sehen wohl am besten mit einem kleinen Wurme zu vergleichen. 
Am vorderen Ende ist er kegelförmig zugespitzt. Dicht unterhalb 
der Spitze beginnt die Spiralfurche, deren parallele, linksläufige 
Windungen sich von hier bis zum entgegengesetzten Ende des Thier- 
chens erstrecken. An seiner Körperoberfläche trägt der Parasit 
einen Besatz von kleinen feinen Cilien, die jedoch in ihrem Vor- 
kommen auf die Spiralfurche beschränkt sind. Das Körperinnere 
des Organismus bietet einen verschiedenartigen Anblick dar. Bei 
jugendlich frei gewordenen Exemplaren findet man meist eine Höh- 
lung von runder oder länglicher Gestalt, die bald ringsum abge- 
schlossen erscheint (s. 7, Taf. II, Fig. 15), bald durch eine Öffnung 
am hinteren Körperende mit der Außenwelt kommunicirt (s. Fig. 7). 
Von älteren Individuen lässt die Mehrzahl nach dem Ausschlüpfen 
im Inneren einen gestreckten, das Thier fast der ganzen Länge nach 
durchziehenden rohrartigen Hohlraum erkennen. Vorn endet der- 
selbe blind, während er hinten offen ausmündet. Das Bemerkens- 
wertheste daran ist, dass der innere Kanal von einem anderen Hohl- 
raume rings umgeben wird, der einerseits durch die dünne Rohr- 
wand, auf der anderen Seite durch die diekere Körperwandung des 
Thieres begrenzt wird. Das Innere des Raumes wird von zahlreichen, 
die Wandungen mit einander verbindenden Strängen quer durchsetzt 
(8: Fig. 4). Ob der Hohlraum völlig abgeschlossen ist, vermag ich 
nieht anzugeben, da ich im Vorderende des Thieres die Einzelheiten 
in keinem Falle genau genug unterscheiden konnte. Hatte der 


i Über gewisse Ausnahmefälle s. p. 147. 


192 A. Borgert, 


Parasit vor dem Austreten den plasmatischen Inhalt seines Wirthes 
in sich aufgenommen, so sah ich nie einen Hohlraum in seinem 
Körperinneren; auch die Öffnung am hinteren Ende pflegte sich 
bei solchen Exemplaren zu schließen. Meist blieb dann jedoch 
als Überbleibsel ein ins Innere führender dunklerer Strang bestehen 
(8::E1&,55). 

Was den feineren Bau betrifft, so fand sich bei manchen Exem- 
plaren unterhalb des dünnen, den Körper äußerlich überkleidenden 
Häutehens eine Schicht von klarerem körnerfreien Protoplasma, die 
namentlich an der Spitze des Vorderendes eine bedeutendere Dicke 
und eine deutliche Querstrichelung zeigen konnte (s. Fig. 8). Auch 
an unausgeschlüpften Thieren habe ich Derartiges gelegentlich beob- 
achten können. Überhaupt entsprechen die Strukturverhältnisse des 
frei gewordenen Parasiten denen des unausgeschlüpften Thieres. 
Wie bei letzterem so sind auch bei jenem die Kerne in parallelen 
(Juerreihen oder, richtiger gesagt, in einer zusammenhängenden 
spiraligen Kette angeordnet. Auffallend ist dabei nur, dass bei dem 
frei umherschwimmenden Organismus die Kernreihe allgemein dicht 
neben der Furche herläuft, während man sie bei dem noch in der 
Sticholonche eingeschlossenen Thierchen mehr in der Mitte zwischen 
den Windungen liegend findet. Bezüglich der Kerne des Parasiten 
möchte ich noch auf den bedeutenden Unterschied in ihrer Größe 
selbst bei gleichen Entwicklungsstadien hinweisen, wie er in den 
Figuren 2 u. 3, 9 u. 11 zu Tage tritt. Wo die Kerne kleiner sind, sind 
sie gleichzeitig dichter bei einander gelegen und damit auch in 
größerer Zahl vorhanden. Ihr Durchmesser schwankt — wenn ich 
von den stäbehenförmigen Kernen junger unausgeschlüpfter Individuen 
absehe — zwischen 1 und 3,5 u. 

Ich will hiermit meine Beschreibung des in Stscholonche vor- 
kommenden Parasiten schließen, werde jedoch im letzten Abschnitte 
bei der Erörterung seiner systematischen Stellung auf ihn zurück- 
kommen. 

Ich wende mich nunmehr der Besprechung jener eigenartigen 
Haufen von kleinen Kügelchen zu, die man stets bei denjenigen 
Exemplaren von Sticholonche vorfindet, die keinen Spiralkörper ein- 
schließen. FoL meint sogar, dass man sie ausschließlich bei solchen 
Individuen beobachte, doch kann ich KoROTNEFF's gegentheilige 
Angabe bestätigen, wonach bisweilen — ich besitze allerdings nur 
ein derartiges Schnittpräparat — bei demselben Thiere beide Arten 
von Bildungen angetroffen werden. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 153 


Die Kugelanhäufung liegt stets in der Ausbuchtung der bohnen- 
förmigen Kapsel. Bei kleinen Exemplaren bildet sie hier einen 
Ballen von geringem Durchmesser. Große Individuen weisen da- 
gegen einen umfangreichen Klumpen auf, der die Kapsel von der 
konkaven Seite her beiderseitig umfasst, und, wie schon For be- 
merkt, den Körper der Sticholonche in dieser Gegend so stark er- 
weitern kann, dass derselbe im Schnitt fast dreieckig erscheint. 
FoL giebt weiter (7, p. 17) an, dass die Kügelchen einen helleren 
sphärischen Raum einschließen, der das Aussehen eines Kernes hat 
oder, dass man im Inneren auch noch ein stärker lichtbrechendes, 
einem Nuceleolus ähnelndes Körperchen vorfindet. KOROTNEFF (27, 
p- 624) berichtet bezüglich der Kugelanhäufung Folgendes: Als 
Jüngstes Entwicklungsstadium dieser Bildung habe er eine scheinbar 
von einer feinen Membran umschlossene Zelle beobachtet, die außer 
srobkörnigem Plasma zwei homogene Kerne mit stark lichtbrechen- 
den Nucleolen aufgewiesen habe. Durch Theilung der Kerne ent- 
stehe ein Haufen. Die Kerne oder Kügelchen, welche nebst wenigem 
Protoplasma denselben bilden, seien von ganz verschiedener Größe, 
aber alle mit einem glänzenden Punkte versehen. Der Haufen stelle 
einen kompakten, von einer sehr resistenten Membran umgebenen 
Körper dar. Später zerreiße die Hüllmembran, worauf sich die 
Kerne durch den ganzen Protoplasmaleib der Stecholonche zerstreu- 
ten. Die Theilung der Kerne schreite auch dann noch weiter fort. 
Dabei bleibe die mütterliche Kernmembran erhalten, doch seien nie 
mehr als vier Tochterkerne innerhalb derselben Membran angetroffen 
worden. KÖrPEn unterscheidet (26, p. 418 u. 419) kleine kernartige 
Kügelehen und eben solche, die aber mit einer hellen Schicht sowie 
oft auch noch mit einer Membran umgeben seien. Letztere stellen 
ein späteres Stadium der ersteren dar. Im Inneren der Membran 
erfolge wiederholte Theilung. Auf diese Weise entstehe ein Haufen 
von Kügelchen, die Anfangs durch eine Quantität Protoplasma mit 
einander verbunden seien. Später verschwinde dieses, so dass die 
mit Membran und Kern ausgestatteten Kügelchen frei im Körper der 
Sticholonche zu liegen kämen. 

Von den sich auf diese Dinge beziehenden bisherigen Angaben 
muss ich die von KörpEn gemachten als die zutreffendsten be- 
zeichnen, wenn auch im Einzelnen meine Resultate hier und da von 
‘den seinigen Abweichungen zeigen. So sah ich z. B. nie den 
Spiralkörper mit den in Rede stehenden Kügelchen erfüllt, wie 


194 A. Borgert, 


Körrpen dies angiebt!. Auch theile ich nicht die von dem russischen 
Forscher vertretene Ansicht bezüglich des Ursprunges der genannten 
Bildungen (nämlich aus dem Kerne des Spiralkörpers), ein Punkt, 
auf den ich weiter unten einzugehen Gelegenheit nehmen werde. 
Ganz richtig hat dagegen KÖPrEn Kerne und Bläschen mit Kernen 
als zwei verschiedene, auf einander folgende, Stadien unterschieden. 
In Fig. 14 u. 22—25 habe ich einige Schnitte abgebildet, welche 
mir eine fortlaufende Reihe von Entwicklungsstadien einer Kugel- 
anhäufung darzustellen scheinen? Nach meinen Schnitten habe ich 
mir folgendes Urtheil gebildet: Fig. 14 stellt das jüngste der be- 
treffenden Stadien dar. Der Haufen besteht aus einer relativ ge- 
ringen Anzahl großer, in einer besonderen Protoplasmamenge ein- 
gebettet liegender, kugeliger Kerne. Durch wiederholte Theilung 
entsteht ein großer Haufen aus unzähligen kleineren Kernen (s. Fig. 22). 
Nun tritt eine Lockerung des Kernhaufens ein, indem sich einzelne 
Kerne mit einer kugeligen hellen Schicht und einer Membran um- 
geben (s. Fig. 23). Die Kerne selbst zeichnen sich in diesem Zu- 
stande durch besonders starke Färbbarkeit aus. Die Auflockerung 
schreitet immer mehr fort und führt schließlich zur Ausbildung einer 
Anhäufung von lauter kernhaltigen Bläschen (s. Fig. 24). Diese 
liegen, da sich inzwischen auch die Plasmamasse des früheren Kern- 
haufens aufgelöst hat, frei im Körper der Sticholonche, doch treten 
sie, so weit meine Erfahrung reicht, nie völlig auf die konvexe Seite 
der bohnenförmigen Kapsel hinüber, wie ich dies KOROTNEFF’sS ent- 
segengesetzter Angabe gegenüber glaube hervorheben zu müssen. 
Die Kerne zeigen jetzt ein anderes Aussehen, indem sie größer 
seworden sind und in ihrer sich weniger intensiv färbenden homogen 
erscheinenden Hauptmasse ein, bisweilen auch zwei oder drei, dunk- 
lere Körperchen erkennen lassen. Bei einzelnen Exemplaren hatten 
die Kerne eine bedeutende Größe erreicht (s. Fig. 25)3. Auffallend 
ist es übrigens, dass schon auf einer sehr frühen Entwiecklungsstufe 
des Kernhaufens (s. Fig. 14) sich außerhalb desselben ganz ähnliche 


1 Es das Citat p. 149. 

2 Auch hier zeigt sich bei Anwendung det erwähnten Doppelfärbung der- 
selbe scharfe Unterschied wie bei den spiralkörperführenden Individuen, indem 
das Plasma der Stecholonche einen rothen, der Kernhaufen mit dem zu ihm ge- 
hörenden Protoplasma einen violetten oder blauen Farbenton annimmt. 

3 Eine andere Möglichkeit wäre die, dass nur die dunkler gefärbten 
Körperchen als Kerne aufzufassen sind, die sich mit einer (heller gefärbten) 
Protoplasmaschicht umgeben haben. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 155 


Bläschen mit dunklen Körperehen im Inneren finden können, wie 
sie bei späteren Stadien beobachtet werden'. 

Über den feineren sehr verschiedenartigen Bau der die Kern- 
haufen bildenden Nuclei und über die Vorgänge, die sich bei ihrer 
Theilung abspielen, kann ich leider nur einige wenige Angaben 
machen, was ich um so mehr bedauere, als in diesen Punkten eigen- 
artige Verhältnisse bestehen ’?. 

Betrachtet man einen Schnitt durch einen ernhanken in dem 
Stadium, wie es in Fig. 14 dargestellt ist, bei stärkerer Vergröße- 
rung (s. Fig. 14a), so lassen die bei Anwendung schwächerer Systeme 
homogen erscheinenden Kerne eine wabige Struktur erkennen. Jeder 
Kern umschließt einen sphärischen, mit Eosin sich rosa färbenden, 
"nueleolusartigen Körper?. Weiter ist überall ein einzelnes oder zwei 
dieht neben einander liegende, durch Eisenhämatoxylin geschwärzte 
kleine Körnehen nachweisbar, die dem Kerne unmittelbar anliegen‘. 
Von diesen Bildungen aus sieht man eine Anzahl — meist waren 
es sechs — feine Fasern in regelmäßiger Anordnung radiär nach 
den verschiedensten Seiten in das Kerninnere ausstrahlen. Waren 
an den eben geschilderten Kernen die Strukturverhältnisse theil- 
weise nur schwer auszumachen, so traten dieselben bei den in 
Fig. 15 u. 154 abgebildeten Kernen recht deutlich hervor. Die 
centrosomenähnlichen Gebilde an der Kernoberfläche sind hier 
wesentlich größer und regelmäßig als paarige, durch einen schma- 
len Zwischenraum von einander getrennte, länglich runde Körper- 
chen entwickelt. In vereinzelten Fällen fanden sich außerdem noch 
an einer anderen Stelle der Kernoberfläche derartige Körnchen. Die 


1 Anmerkungsweise möge hier noch erwähnt sein, dass bei einigen weni- 
sen Individuen der Bläschenhaufen mit zooxanthellenartigen gelben Zellen 
durchsetzt war. 

2 Da bei der in der größten Zahl der Fälle von mir angewandten Färbung 
mittels Hämatoxylin und Eosin sich die einzelnen Bestandtheile der Kerne für 
eine genaue Untersuchung nicht deutlich genug von dem umgebenden Proto- 
plasma abhoben, so entschloss ich mich, alle Schnittserien mit Kernhaufen- 
stadien, so weit sie anders tingirt waren, nachträglich noch nach der HEIDENHAIN- 
schen Methode und mit Eosin nachzufärben. So trat Manches zu Tage, was 
vorher der Beobachtung entgangen war; Anderes, was vorher zwar schon zu 
sehen war, wurde jetzt doch wesentlich deutlicher unterschieden. 

3 Der Umstand, dass diese Gebilde durch Eisenhämatoxylin nicht tingirt 
‚werden, deutet wohl darauf hin, dass sie als echte Nucleolen nicht aufgefasst 
werden können. 

* Gelegentlich erblickt man auch an zwei oder gar drei Stellen der Kern- 
oberfläche derartige Körperchen. 


156 A. Borgert, 


Fasern im Inneren, die bei den in Rede stehenden Kernen gleichfalls, 
nur noch bedeutend sicherer, nachzuweisen waren, schienen mir auf 
der einen Seite mit dem nucleolusartigen Körper in Verbindung zu 
stehen. | 

Bei einem anderen Kernhaufen befanden sich die Kerne sämmt- 
lich in einem mehr oder minder vorgeschrittenen Stadium der Knäuel- 
bildung. In einzelnen Kernen zeigte der Faden eine höckerige 
Oberfläche, von der man zahlreiche, die Fäden unter einander ver- 
bindende Fäserchen entspringen sah (s. Fig. 16 u. 16«). Übergangs- 
stadien, an denen außer der ursprünglichen Maschenstruktur die 
beginnende Anordnung des Chromatins zu Fäden zu bemerken war, 
wurden gleichfalls beobachtet. In manchen Fällen ließ sich an dem 
Chromatinfaden auch schon eine deutliche Längsspaltung nachweisen. 
Einen zur Abbildung geeigneten derartigen Kern konnte ich leider 
nicht entdecken, da bei dem einen in Frage kommenden Exemplare 
die Kerne theils angeschnitten waren, theils eine zu ungünstige Lage 
hatten; doch war festzustellen, dass die Chromatirfäden immer nach 
einer Stelle der Kernoberfläche orientirt waren. Centrosomen habe 
ich nicht mit Sicherheit auffinden können, wenngleich ich hin und 
wieder solche zu sehen glaubte. 

Einen vollkommen abweichenden Bau zeigen die in Fig. 17 
u. 17a abgebildeten Kerne!. Sie besitzen oft eine abgeplattete 
scheibenartige Gestalt, wobei die Dicke im Mittelpunkt geringer als 
an dem Rande ist; andere sind von mehr kugeliger, eckiger oder 
beinahe gelappter Form? Im Centrum liegt ein eigenthümlicher 
Körper, der in seinem Aussehen zwei durch eine junge Spindel- 
anlage mit einander verbundenen Centralkörpern nicht unähnlich 
sieht. Die Längsachse dieses Gebildes steht bei den scheibenförmigen 
Kernen senkrecht zu den beiden Hauptflächen, so dass man das- 
selbe genauer nur von der schmalen Seite des Kernes her erkennen 
kann. Die Entfernung der beiden mit Centrosomen verglichenen 


i Die eigenartige Struktur dieser Kerne erinnert lebhaft an Verhältnisse, 
wie man sie bei den bläschenförmigen Makronuelei gewisser Ciliaten beobachtet 
hat, wo gleichfalls ein im Centrum des Kernes gelegener Körper (Nucleolus?) 
vorhanden ist, der durch feine radiäre Fäden mit der dünnen Kernrindenschicht 
in Zusammenhang steht (s. hierzu 5, p. 1513, Taf. LX). 

? Über die Gestalt dieser Kerne habe ich nicht zu voller Klarheit kom- 
men können. Diejenigen Kerne, bei denen die Längsachse des im Centrum 
sich findenden Körpers parallel zur Schnittebene lag, besaßen regelmäßig die 
abgeplattete Form, während mir daneben untrügliche Anzeichen für das Vor- 
handensein annähernd kugeliger Kerne zu bestehen schienen. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 157 


Körper von einander ist eine wechselnde (s. Fig. 17). - Außerdem 
gelang es mir hin und wieder, jederseits zwei durch einen schmalen 
Spalt von einander getrennte Körperchen nachzuweisen (s. Fig. 17). 
Erwähnt sei auch noch, dass die spindelartige Bildung, wo sie stark 
in die Länge gestreckt war, oftmals aus zwei kugelisen Hälften zu 
bestehen schien, sowie ferner, dass die an den Polen gelegenen 
Körper durch Eisenhämatoxylin schwarz tingirt wurden, während 
der sie verbindende Theil die rothe Färbung des Eosins annahm. 
Von dem soeben beschriebenen Gebilde strahlen eine Anzahl radiär 
angeordneter blasser Fäden nach der Peripherie des Kernes. Hier 
sieht man den Kernraum von einer Gitterwand begrenzt, deren 
Maschenwerk sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färbt. Dieser 
eigenartige Bau findet sich, wie ein Vergleich der Fig. 17a u. 18 
lehrt, bei Kernen verschiedenster Größe; nur bei den am weitesten 
fortgeschrittenen Kernhaufenstadien, wo die Kerne einen ziemlich 
kleinen Durchmesser besitzen, konnte ich denselben mit Sicherheit 
nicht mehr erkennen. In einem solchen Falle schienen mir die 
kleinen Kerne dagegen eine ganz ähnliche Struktur wie die in Fig. 14a 
dargestellten zu besitzen. 

Über die Vorgänge, die sich bei der Kerntheilung abspielen, 
habe ich mich bemüht, Genaueres festzustellen, doch kann ich nur 
über einige wenige einschlägige Beobachtungen berichten. An dieser 
Stelle sei erwähnt, dass alle Kerne eines Haufens regelmäßig etwa 
auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen. Bei zwei Individuen nun 
fand ich eine Reihe merkwürdiger Kernstadien, die ich nur als 
Theilungszustände aufzufassen vermag. In Fig. 19a«a—f habe ich 
eine Anzahl derselben wiedergegeben. Sie entstammen sämmtlich 
einem und demselben Kernhaufen, der aus einer großen Menge 
kleinerer Kerne vom Typus der zuletzt beschriebenen bestand. 
Wenn meine Deutung richtig ist, so beginnt der Theilungsvorgang 
damit, dass an zwei einander gegenüberliegenden Punkten der Peri- 
pherie des Kernes sich zwei neue Centren anlegen. Im weiteren 
Verlaufe rücken diese mehr ins Innere! und die radiär vom Mittel- 
punkt ausstrahlenden Fäden, die Anfangs nur in einem Halbkreis 
entwickelt waren, treten rings um den letzteren herum auf. Je 
weiter der Process der Theilung vorschreitet, um so mehr streckt 


! Die Einbuchtung an dem unteren Kerne von Fig. 19d, die sich auch 
an einer ganzen Zahl einzelner Kerne desselben Haufens noch erhalten zeigte, 
scheint mir beachtenswerth. 


158 A. Borgert, 


sich das ganze Kerngebilde in die Länge, und um so stärker schnürt 
sich die mittlere Partie desselben ein. Schon auf einem frühen Zeit- 
punkte geht der im Mittelpunkte des Mutterkernes gelegene Körper 
zu Grunde. Statt seiner findet man alsdann einen sich stark tin- 
girenden derben Faden, der nach der Mitte an Dieke zunehmend, 
die Centren der beiden Tochterkerne mit einander verbindet. Die 
Überreste dieses Fadens fanden sich noch bei im Übrigen schon 
völlig getrennten, voll entwickelten Tochterkernen in Gestalt eines 
kräftigen dunkel gefärbten Zwischenstückes (s. Fig. 19e) oder in 
späteren Stadien gelegentlich als lange feine verbindende Faser vor 
(s. Fig. 19 f). In ihrer Struktur entsprechen die Tochterkerne dem 
Mutterkern. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, handelt es sich hier 
um eine vollständige Reihe fortlaufender Entwicklungsstadien. Die 
Zahl der in Theilung begriffenen Kerne war bei beiden in Frage 
kommenden Kernhaufen relativ groß, so dass ich von einzelnen Sta- 
dien mehrere in günstiger Lage zu Gesicht bekam. 

Außer dem eben geschilderten Theilungsmodus und der nach 
den voraufgegangenen Angaben höchst wahrscheinlich vorkommen- 
den Mitose trifft man bei den in Rede stehenden Kernen jedoch auch 
noch die gewöhnliche direkte Kernvermehrung oder Kernzerschnü- 
rung an. Über die letztere habe ich nur einiges Wenige zu bemer- 
ken. Sie fand sich nur bei jüngeren, noch aus größeren Kemen 
bestehenden Haufen (s. Fig. 20). Die Kerne ließen einen wabigen 
Bau erkennen und es wurden an denselben die verschiedensten Sta- 
dien der Durchschnürung beobachtet. Bemerkenswerth ist noch, dass 
auch hier die aus den obigen Ausführungen bekannten kleinen 
Körperchen an der Oberfläche der Kerne vorhanden waren. Bei den 
in Theilung begriffenen, länglichen Kernen waren mehrfach mit voller 
Deutlichkeit zwei, an den Polen der Längsachse gelegene, derartige 
Körperchen nachweisbar, während solche bei den übrigen Kernen 
sich nur in der Einzahl fanden. Sie lagen bisweilen in ziemlich 
tiefen Einsenkungen der Kernoberfläche und zeigten in ihrer Um- 
sebung die schon bei der Beschreibung anderer ähnlich gebauter 
Kerne (Fig. 14a) erwähnte Strahlung. 

Meine Bemühungen, über die erste Anlage der Kernhaufen 
Näheres zu ermitteln, hatten nur geringen Erfolg. Das jüngste Sta- 
dium, welches ich hierher beziehe, bestand aus unregelmäßig ver- 
zweigten chromatischen Massen (s. Fig. 21), die an ihrer Oberfläche, 
zuweilen gerade an der Spitze der Ausläufer, ein einzelnes oder 
zwei durch Eisenhämatoxylin schwarz gefärbte Körnchen aufwiesen. 


ve 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 159 


Hierauf folgt wahrscheinlich ein ähnlicher wie in Fig. 14 abgebil- 
deter Entwicklungszustand. 

Wie die verschiedenen Kernformen in einander übergehen, habe 
ich nicht feststellen können, dass sie in einem genetischen Zu- 
sammenhange mit einander stehen, ist die Voraussetzung, von der 
ich ausging. Wie es scheint kann bisweilen die Entwicklung aber 
auch einen anderen Verlauf nehmen. In einem Falle fand ich eine 
sroße, reich verzweigte, aus chromatischer Substanz bestehende Masse, 
in deren Umgebung sich isolirte Kerne von ganz ähnlichem Bau 
wie die in Fig. 17 abgebildeten fanden. Offenbar war die Masse 
im Begriff, in einzelne Kerne zu zerfallen. Den Übergang vermit- 
telten größere abgetrennte Klumpen von unregelmäßiger Gestalt, die 
an ihrer Oberfläche die netzartige Struktur der fertigen Kerne er- 
kennen ließen, sowie zu zusammenhängenden Haufen vereinigte, 
noch nicht isolirte Kerne. Dass dieser Entwicklungsmodus häufiger 
vorkommt, darauf deuten vielleicht die im Inneren mehrerer Kern- 
haufen angetroffenen Bildungen hin, die wohl die Reste der ursprüng- 
lichen Masse darstellen könäten. So sieht man z. B. auch bei dem 
in Fig. 17 abgebildeten Schnitt in der Mitte, die frei von Kernen 
ist, eine Stelle, an welcher das Protoplasma eine von derjenigen des 
umgebenden abweichende Beschaffenheit zeigt und einen kleinen 
dunkel gefärbten Körper umschließt. 

Hiermit will ich meine Angaben über den Bau der Kernhaufen 
schließen. Wer Gelegenheit hat, an frischem Material eingehendere 
Untersuchungen anzustellen, wird wahrscheinlich mit leichter Mühe 
die bestehenden Lücken ausfüllen können, was mir nicht möglich 
war, der ich auf eine verhältnismäßig kleine Zahl für diese Unter- 
suchung speeiell in Betracht kommender, auch gar noch nachträg- 
lich in geeigneter Weise umzufärbender, Schnittserien angewiesen war. 

Auf die muthmaßliche Bedeutung der im Vorstehenden behan- 
delten Bildungen werde ich erst weiter unten einzugehen haben, 
dagegen möchte ich mir an dieser Stelle noch einige Bemerkungen 
über den Kern der Stecholonche erlauben. 

So eingehend diese interessante Protozoenform, über deren 
Stellung im System bis heute noch Unklarheit herrscht, auch be- 
schrieben worden ist, so ist doch weder durch ihren Entdecker 
R. HertwIG, noch auch durch irgend einen der anderen Autoren, 
die sich mit derselben befasst haben, über die Struktur ihres Kernes 
Ausführlicheres bekannt geworden. Ja, man ist sich sogar nicht einmal 
einig, ob die ganze bohnenförmige Kapsel oder nur der rundliche 


160 I A. Borgert, 


Körper in ihrem Inneren als Kern zu bezeichnen sei. Ir seiner Be- 
schreibung der Stecholonche (17, p. 329) spricht HEerTwIG sich mit 
einiger Reserve für die letztere Auffassung aus, doch ändert er 
später (18, p. 48, 49) seine Ansicht und ist mehr geneigt, die Kapsel 
als Kern, das von ihr umschlossene rundliche Gebilde als Nucleolus 
zu deuten. Fo entscheidet sich (7, p. 13) für die gleiche Anschauung. 
Aus zwei Gründen kann ich mich dieser Ansicht nicht anschließen: 
Erstens weil das mikrochemische Verhalten des intracapsularen 
Protoplasmas, zweitens aber auch der Bau des in letzterem einge- 
bettet liegenden Körpers gegen dieselbe spricht. Es ist mir nicht 
gelungen, die Fortpflanzungsverhältnisse bei Sticholonche klar zu 
stellen und ich kann auch nur über einige wenige Stadien des 
Kernes hier berichten!; das Eine aber scheint mir sichergestellt zu 
sein, dass es sich bei der bohnenförmigen Kapsel der Sticholonche 
um ein der Centralkapsel der Radiolarien vergleichbares Gebilde, 
nicht um einen Kern handelt, dass vielmehr der vermeintliche 
Nucleolus der früheren Autoren der Kern des Thieres ist. 

Über den Bau des Kernes findet sich bei Herrwie (17, p. 327) 
nur die Angabe, dass er »ein rundlicher, undeutlich kontourirter 
Körper« sei, welcher ein excentrisch gelegenes, scharf hervortretendes 
Korn einschließe. Nach For (7, p. 12) ist der Kern von Stcholonche 
ein annähernd kugelförmiges homogenes Gebilde ohne äußere Mem- 
bran mit meist einem weniger stark lichtbrechenden sphärischen 
Körper in seinem Innern, der wie eine Vacuole aussehe. In anderen 
Fällen fehle die große Vacuole und sei durch mehrere kleinere er- 
setz. Außerdem bemerkt FoL noch, eine kleine Anzahl feiner 
‚Körnchen gesehen zu haben, über deren Natur er jedoch nichts 
aussagen könne. Hiermit sind meines Wissens die über diesen Punkt 
in der Litteratur vorhandenen Angaben erschöpft. 

Was zunächst die Kapsel als Ganzes betrifft, so besitzt dieselbe 
als Umhüllung eine feine aber sehr resistente Membran, deren Außen- 
fläche mit zahlreichen kleinen Erhebungen bedeckt ist?. Letztere 


i Obgleich ich eine große Zahl von Exemplaren geschnitten habe, fand 
ich doch niemals einen Kern in Theilung. Da jugendliche Individuen in großer 
Menge vorhanden waren, so vermag ich mir das Fehlen der gewünschten Sta- 
dien nur dadurch zu erklären, dass ich meine Thiere zu einer für diese Unter- 
suchungen ungeeigneten Tageszeit konservirte. Vielleicht beginnen bei Sticho- 
lonche die Theilungsvorgänge auch erst nach Eintritt der Dunkelheit, wie dies 
bei so mancher anderen Form beobachtet worden ist. 

? For verlegt die Vorsprünge auf die Innenfläche der Membran (7, p. 11, 12). 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 161 


stehen entweder in den Knotenpunkten dreier sich unter Winkeln 
von 60° schneidenden Liniensysteme, wie dies aus den früheren Be- 
schreibungen schon zur Genüge bekannt ist, oder aber sie finden sich 
in den Sehnittpunkten zweier, sich rechtwinklig durchsetzenden 
Systeme (s. Fig. 1). Bei genauerer Untersuchung erweckten sie mir 
den Eindruck von feinen Röhrchen, die auf minimalen Öffnungen der 
Kapselmembran sitzen. Unerwähnt ist bisher geblieben, dass die 
kleinen Erhebungen sich durch eine sehr starke Tingirbarkeit aus- 
zeichnen. Sowohl durch Eosin wie durch Eisenhämatoxylin werden 
sie intensiv gefärbt. 

Der Inhalt der Kapsel besteht aus einem fast homogen erscheinen- 
den Protoplasma. Bei Anwendung von Kernfärbemitteln wird es gar 
nicht oder doch nur ganz blass tingirt. In dieser Masse, und zwar dem 
einen Kapselende etwas genähert, liegt der Kern des Thieres. Er be- 
sitzt eine annähernd kugelige oder länglich runde Gestalt und ist 
äußerlich durch einen scharfen Kontour begrenzt, der wahrscheinlich 
auf das Vorhandensein einer zarten Membran zurückzuführen ist. Das 
Innere des Kernes zeigt ein wechselndes Aussehen. In Fig. 260«—g 
ist eine Anzahl verschiedener Zustände des Kernes dargestellt. 

Im einfachsten Falle (a) bietet sich der Kern als ein homogenes 
Gebilde dar, in welchem ein kleiner kugeliger Körper von anders- 
artiger Beschaffenheit eingelagert ist. Meistens trifft man jedoch 
im Kernraume außerdem noch eine Anzahl mit Kernsaft erfüllter 
Vacuolen an, deren Menge, Größe und Anordnung eine sehr wech- 
selnde ist. Bald bemerkt man zahlreiche kleine (d), bald eine geringe 
Menge größerer Vacuolen (ce und d), bald endlich eine große central 
gelegene, die von kleineren oder sehr kleinen umgeben ist (e, f, g)- 
Die Größe der centralen Vaeuole kann dabei zuweilen einen solchen 
Grad erreichen, dass die chromatischen Bestandtheile des Kernes 
auf eine dünne Schale redueirt sind. 

Während die Hauptmasse des Kernes nach Einwirkung von 
Hämatoxylin und Eosin einen blauen Farbenton aufweist, zeigt sich 
die eingelagerte Kugel leuchtend roth gefärbt. Dieses Verhalten 
würde die Annahme gerechtfertigt erscheinen lassen, dass man es 
hier mit einem Nucleolus gewöhnlicher Art zu thun habe, wenn nicht 
die weiteren Schicksale des Körperchens dasselbe in anderem Lichte 
erscheinen ließen. Nicht selten beobachtet man nämlich Kerne, bei 
. denen der kugelige Körper bis dieht unter die Kernoberfläche 
gerückt ist (s. Fig. 26e), ja, man findet ihn sogar aus dem Kernraume 


herausgetreten, der Oberfläche des Nucleus an einer abgeplatteten 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 11 


162 A. Borgert, 


oder ein wenig vertieften Stelle anliegen. Weiter ist noch zu bemerken, 
dass derselbe stets sehr scharf kontourirt und von einem schmalen 
Hofe umgeben ist, wo das Plasma ungefärbt bleibt. Irgend welche 
feinere Struktur im Inneren der Bildung war selbst bei Anwendung 
sehr starker Objektive nicht zu erkennen. Ihren Durchmesser stellte 
ich auf durchschnittlich etwa 2 u fest. 

Obgleich ich weder vor noch nach seinem Herausrücken aus 
dem Kerne eine Zweitheilung des sphärischen Körpers, ferner in 
seiner Umgebung auch keinerlei Strahlung beobachtete, so ist es 
mir dennoch höchst wahrscheinlich, dass das in Rede stehende Ge- 
bilde ein Centrosom darstellt. Für diese Annahme spricht meines 
Erachtens auch sein Verhalten gegenüber Eisenhämatoxylin, dureh 
welches es selbst dann noch pechschwarz gefärbt bleibt, wenn beim 
Differenziren in der Eisensalzlösung das Chromatin des Kernes bereits 
vollständig entfärbt ist. 

Bekanntlich ist es die Ansicht O. Herrwıe’s (15, p. 48 u. 165) 
und Anderer, dass die Centralkörper aus dem Kerne hervorgehen; 
ja, Einzelne haben das Centrosom auch geradezu aus dem Nucleolus 
hergeleitet. Wenn auch diese Anschauung in verallgemeinerter Form 
sich nicht wird aufrecht erhalten lassen, so scheint ihre Richtigkeit 
doch für eine Reihe von Fällen erwiesen zu sein!. Ob der vor- 
liegende ihre Zahl vermehren wird oder nicht, werden weitere Unter- 
suchungen lehren müssen. 

Zum Schlusse habe ich noch kurz ein Stadium zu erwähnen, 
dessen Bedeutung mir zwar unklar ist, welches ich aber der Voll- 
ständigkeit wegen doch nicht ganz unberücksichtigt lassen möchte. 
In zwei Fällen fand ich außer dem Kerne im Kapselplasma noch 
einen kleineren durch Eosin intensiv roth gefärbten runden Körper. 
Derselbe war etwas größer als das fragliche Centrosom und ließ 
beide Male in seinem Inneren zwei dunklere Körnchen erkennen. In 
Fig. 269 ist der eine der beiden Fälle zur Darstellung gebracht. 
Außer dem centrosomaähnlichen Gebilde, welches aus dem Kerne 
herausgetreten ist, und dem in Rede stehenden Körper sieht man 
noch einige sehr kleine, im Präparat roth gefärbte Körnchen im 
Protoplasma liegen. Mich erinnert jener größere Körper in seinem 
Aussehen etwas an die von KEuTeEn (24, p. 223, Taf. XI, Fig. 15—18) 
bei Kuglena viridis beo bachteten Einschlüsse, über deren Natur aller- 
dings auch nichts Näheres bekannt ist. 


1 Vergl. die Untersuchungen von KARSTEN (22), Vv. WASIELEWSKI (36), 
JuLin (21), BALBIANI (1) u. A. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 163 


Untersuchungen an Acanthometriden. 
Hierzu Taf. VIII, Fig. 27—33. 

Wie ich bereits Eingangs erwähnte, war R. HerTwiıc der Erste, 
welcher das Vorkommen unseres Parasiten bei gewissen Acanthome- 
triden-Arten beobachtete (s. 18, p. 20 ff., Taf. I, Fig. 9; Taf. III, 
Fig. 2, 3, 10, 14, 15), doch ist es For’s Verdienst, zuerst die spiral- 
körperähnliche Beschaffenheit des von Herrwıg und Anderen! irr- 
thümlich als ein Bestandtheil des Acanthometridenkernes aufgefassten 
Gebildes erkannt zu haben?. Neuerdings hat dann KörpEn das 
Austreten des Thieres direkt verfolgen und so die Angabe For’s, 
dass es sich hier um eine analoge Bildung wie bei Sticholonche 
handle, bestätigen können. 

Vier Arten sind es, bei denen Herrwıg den Parasiten ange- 
troffen hat. Ihre Namen werden von ihm wie folgt angegeben: 
Acanthometra serrata, Acanthometra Olapareder; Acanthostaurus pur- 
purascens und Amphiüonche belonoides. HAECKEL fand den Eindring- 
Ems bei zwei weiteren Speeies (s..13,- Taf. 129, Fig. 6 u. 10): 
Acanthometron dolichoscıon und Acanthonia tetracopa. Ich selbst 
sah ihn hauptsächlich bei einer Acanthostaurus-Art, bei der die 
Stacheln im Centrum zu einem einzigen sternförmigen Stücke ver- 
schmolzen sind. Sie scheint mir mit der im Challenger-Report (13, 
p- 771) unter dem Namen Acanthostaurus ceruciatus aufgeführten 
Species identisch zu sein? Wahrscheinlich werden alle Acantho- 
metriden-Arten, bei denen nicht gerade die Ausbildung des Skeletts 
hinderlich ist und sofern sie nur mit dem Parasiten das gleiche 
Gebiet bewohnen, gelegentlich von demselben befallen werden können. 

Ehe ich auf die Besprechung des Parasiten selbst näher eingehe, 
dürfte es sich empfehlen, die Organisationsverhältnisse des Wirths- 


1 S. die Anmerkung 2 auf p. 142. 

* Auch BRAnDT zieht in seiner Monographie der koloniebildenden Radio- 
larien (2, p. 209) die von HERTwıG vertretene Ansicht in Zweifel, doch weicht 
seine Deutung nur in so fern von derjenigen HERTwIG’s ab, als er noch einen 
Schritt weiter geht, indem er vermuthet, dass es sich bei den mit jener eigen- 
thümlichen Bildung ausgestatteten Acanthometriden um innere Knospenbildung 
handle. Dieselbe Auffassung scheint BRAnDT auf Grund der von FoL gemach- 
ten Beobachtungen auch von den einen Spiralkörper beherbergenden Sticho- 
lonchen zu haben. 

' 3 Da eine genaue Bestimmung während der Untersuchungen am lebenden 
_ Thiere unterblieben war, und bei den in Präparaten eingeschlossenen Exemplaren 
die angewandten Reagentien die Stacheln stark korrodirt hatten, war eine ganz 
sichere Identifieirung nicht möglich. 


11* 


164 A. Borgert, 


thieres, so weit sie hier in Betracht kommen, sowie die Abgrenzung 
des Parasiten gegen das letztere klar zu stellen. Ich verweise zu 
diesem Zwecke auf die Fig. 27, welche einen Acanthostaurus eru- 
ciatus mit seinem Parasiten wiedergiebt. 

Nach HERTWIG würde die scharf umschriebene große Kugel, 
die man in der unteren Hälfte der Figur zwischen den Stacheln er- 
bliekt, den in der Centralkapsel gelegenen und von einer kräftigen 
Membran umgebenen Kern des Acanthostaurus darstellen. Der im 
Inneren der Kugel sich befindende Körper wird von ihm als Nucleolus 
sedeutet und soll aus zwei Substanzen bestehen: einer sich dunkler 
färbenden Hauptmasse von rundlicher Gestalt und einem schwächer 
färbbaren kegelförmigen Theile, der »wie eine Mütze dem dunkleren 
Abschnitt aufsitzt«. Gegenüber der Spitze des Nucleolus soll sich 
die Kernmembran in das Innere einstülpen, den Kegel überkleiden 
und um denselben einen nicht mit Kernsubstanz erfüllten Raum 
bilden. Innerhalb des Kernes zeige die Membran cirkuläre, an der 
Einstülpungsstelle radiale Falten. KörrEen (26, p. 423) hat eine 
andere Auffassung. Nach seiner Ansicht stellt das ganze von 
Herrwig als Kern bezeichnete Gebilde den Parasiten dar. Der 
sroße rundliche Körper im Inneren desselben, den HErTwIe als 
Nucleolus anspricht, wird von KÖörpEn als der Kern der Suetorie, 
die kegelförmige Bildung als Embryo und der Hohlraum als Brut- 
höhle gedeutet. 

Ich vermag weder die eine noch die andere Auffassung zu 
theilen. Ich halte das, was HerrwIg Nucleolus nennt, für den Kern 
des Wirthsthieres, nicht wie KörpEn will, für den Kern des 
Parasiten, betrachte dagegen die ganze den Kern umgebende 
Schicht mitsammt der äußeren Membran als zu dem Parasiten gehörig. 

Wenn ich mich hiernach der Darstellung meiner Resultate zu- 
wende, so muss ich vorausschicken, dass dieselben noch weniger als 
bei Sticholonche Anspruch auf Vollständigkeit haben. Dies hängt 
vor allen Dingen damit zusammen, dass Acanthometriden mit Pa- 
rasiten nie so zahlreich vorhanden waren wie Sticholonchen, sowie 
ferner damit, dass es bei den vorhandenen Exemplaren der ersteren 
obendrein viel seltener gelang, das Ausschlüpfen des Eindringlings zu 
beobachten als bei letzteren. 

Es waren immer nur einkernige Acanthometriden, bei denen 
ich einen Spiralkörper fand'!, doch war bei derartigen Individuen 


! BRANDT (2, p. 209) giebt an, eine derartige Bildung einerseits bei 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 165 


sein Vorkommen so konstant, dass mir jener Zustand geradezu als 
eine Folge der Anwesenheit des Parasiten erschien. Ich denke nun 
nieht daran, den Unterschied zwischen präcoceinen und serotinen 
- Aecanthometriden! allgemein auf das Fehlen oder Vorhandensein 
eines Spiralkörpers in der Centralkapsel zurückführen zu wollen. 
Für sicher halte ich es jedoch, dass sogenannte präcocine Arten 
gelegentlich durch die Anwesenheit des Parasiten serotin erscheinen 
können? Dringt dieser Organismus nämlich, wie es offenbar der 
Fall ist, schon sehr frühzeitig, also noch zur Zeit des Vorhanden- 
seins eines einzelnen Kernes bei dem Radiolar ein, so wird er in 
Folge seines Lageverhältnisses zum Kerne des Wirthsthieres bei 
diesem einen Übergang in das vielkernige Stadium unmöglich machen. 
Die betreffende Form wird daher, da sie sich im Übrigen ungestört 
weiter entwickelt, der Einfluss des Parasiten aber so lange andanert, 
wie dieser in seinem Wirthe verweilt, das Aussehen einer serotinen 
Art annehmen, selbst wenn sie zu den präcoeinen gehört. Tritt 
der Parasit endlich aus, so scheint er regelmäßig den Kern der 
Aecanthometride mit sich zu nehmen. | 
Was nun zunächst den unausgeschlüpften Parasiten betrifft, so 
fallen die abweichenden Verhältnisse auf, unter denen man im Ver- 
sleich mit Sticholonche das Thierchen hier antrifft. Während man 
bei letzterer den Spiralkörper gesondert für sich im Protoplasma 
seines Wirthes findet, sieht man ihn bei den Acanthometriden in die 
Centralkapsel eingelagert, wo er zusammen mit dem von ihm um- 
hüllten Kerne des Radiolars einen runden, mehr oder minder volu- 
minösen und von einer derben Membran umschlossenen Körper bildet. 
Derselbe hat eine stark excentrische Lage und steht an der distalen Seite 
mit der Kapselmembran in enger Berührung. In dieser Gegend er- 
blickt man auch im Inneren die für den Parasiten charakteristische 


Acanthometriden »mit ziemlich zahlreichen Kernen«, andererseits >»in ganz 
jugendlichen Individuen, die eben erst beginnen, ein Skelett zu bilden«, ge- 
funden zu haben, während sie in den Zwischenstufen fehlten. Wie gesagt, sah 
ich nie einen Spiralkörper in mehrkernigen Acanthometriden, dagegen bei 
einkernigen Individuen des verschiedensten Alters. 

1 Präcoein nennt HAECKEL (14, p. 5) diejenigen Acanthometriden, bei 
denen »der primäre Nucleus schon frühzeitig in viele kleine Kerne sich spal- 
tet«.. Die Formen, bei denen der einkernige Zustand lange bestehen bleibt, 
und erst spät bei dem ausgebildeten Radiolar dem vielkernigen weicht, be- 
zeichnet er als serotin. 

2 Ob Acanthostaurus eruciatus zur einen oder anderen Gruppe von Arten 
gehört, ist bisher nicht festgestellt worden. 


166 A. Borgert, 


Streifung. Die Organisation des Thierchens entspricht in den Haupt- 
zügen den Verhältnissen, wie man sie bei dem Parasiten der Sticho- 
lonche beobachtet. Dieselben zwei Körperabschnitte, die man an 
diesem, so lange er sich in seinem Wirthe befindet, unterscheiden 
kann, lassen sich auch an dem Parasiten der Acanthometriden er- 
kennen: eine kegelförmige im Inneren gelegene Körperpartie und ein 
dieselbe rings umgebender, bei letzterem allerdings auch noch den 
Kern des Wirthsthieres mit umschließender Theil. An seiner Basis, 
mit welcher der konische Zapfen auf dem Kerne des Radiolars ruht, 
schlägt sich seine Wandung nach vorn um, so dass zwischen dem Kegel 
und dem ihn äußerlich umhüllenden Theile des Körpers ein kappen- 
förmiger Hohlraum entsteht. Die Oberfläche des Kegels weist eine 
durch parallele Furchen hervorgerufene Querstreifung auf, die sich 
ohne Unterbrechung auch auf die gegenüberliegende Wandung des 
Hohlraumes fortsetzt. Gegenüber der Spitze des inneren Kegels, 
die übrigens bei dem Spiralkörper der Acanthometriden im Allge- 
meinen stärker zugespitzt zu sein pflegt als bei dem Parasiten von 
Sticholonche, befindet sich die Stelle, an welcher das erwachsene 
Thier beim Ausschlüpfen hindurchtritt. Hier vermindert sich plötz- 
lich die Dieke der äußeren Schicht bedeutend, so dass ein konischer 
Fortsatz des den Zapfen umgebenden Hohlraumes entsteht. Eine 
Öffnung, wie Herrwig (18, p. 21) sie an der Spitze des trichter- 
förmigen Kanals vermuthet, ist nach meinen Schnittpräparaten jedoch 
augenscheinlich nicht vorhanden. Betrachtet man den Parasiten von 
der Spitze her, so bemerkt man im Umkreis der Austrittsöffnung 
eine radiäre Streifung (s. 18, Taf. IH, Fig. 15). Dieselbe hat ihren 
Sitz in der äußeren Schicht des Körpers. Auch auf Längsschnitten 
findet man sie angedeutet, wie aus Fig. 31 und 32 ersichtlich ist. 
Diese Eigenthümlichkeit wird bei dem in Sticholonche vorkommen- 
den Parasiten vermisst. Vielleicht stellt sie eine Einrichtung dar, 
die das Austreten des Parasiten erleichtert und steht so in Beziehung 
zu gewissen Erscheinungen, auf die ich weiter unten zurückkommen 
werde. 

Während sich bei Stcholonche das Ausschlüpfen des Parasiten 
in der größeren Zahl der Fälle beobachten ließ, gelang mir dies, 
wie bereits erwähnt, bei Acanthometriden nur ganz vereinzelt. Der 
Process selbst spielt sich übrigens in beiden Fällen in der gleichen 
Weise ab. Wie bei Stscholonche beginnt auch bei den Acantho- 
metriden der Vorgang damit, dass der innere Kegel des Parasiten 
mit seiner dicht unter der äußeren Schicht gelegenen Spitze an der 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 167 


Austrittsstelle hervortritt. Mit dem weiteren Vorrücken des vorderen 
Körperendes geht eine Umstülpung des hinteren Abschnittes Hand 
in Hand, in Folge deren die Innenfläche des den Kegel bisher 
umgebenden Hohlraumes zur Außenfläche des freien Organismus 
wird. Die eigenartigen Lageverhältnisse des Thieres bringen es bei 
den Acanthometriden mit sich, dass scheinbar regelmäßig der Kern 
des Radiolars von dem austretenden Parasiten in sich aufgenommen 
wird. Die gleiche Erscheinung wurde bezüglich der Kapsel oder 
selbst des gesammten Protoplasmaleibes auch bei Sticholonche beob- 
achtet, gehörte hier aber offenbar zu den Ausnahmen. In Folge 
des geschilderten Verhaltens bekommt der Körper des Acantho- 
metriden-Parasiten beim Ausschlüpfen eine diekere, plumpere Gestalt 
als derjenige von Sticholonche und es scheint mir die Annahme nahe- 
liegend, dass die Strahlung im Umkreise der Austrittsöffnung bei 
ersterem auf eine Einrichtung zurückzuführen ist, die zur Erleich- 
terung des Umstülpungsgeschäftes dient. Von weiteren auf das 
lebende Thier sich beziehenden Beobachtungen will ich nur noch 
erwähnen, dass ich in einem Falle bei einem ausschlüpfenden Indi- 
viduum, ähnlich wie bei dem Parasiten von Stecholonche, eine Ab- 
schnürung des vorderen Körperendes erfolgen sah, das allein fort- 
schwamm, während die andere Hälfte des Organismus im Wirthsthiere 
zurückblieb. Züchtungsversuche, die ich anstellte, blieben auch bei 
dem Parasiten der Acanthometriden wegen des schnellen Absterbens 
der Thiere erfolglos. 

Was nun die Einzelheiten der Organisation des Parasiten be- 
trifft, so existiren über diesen Punkt in der Litteratur nur spärliche 
Angaben von HErrwıG und Körpen. Letzterer konstatirt (26, p.422)!, 
dass derselbe aus einem mehr oder weniger körnigen Protoplasma 
bestehe und einen Kern mit einem Nucleolus enthalte, sowie ferner, 
dass sein Körper durch Furchen, die mit Cilien besetzt seien, in 
8—10 Segmente getheilt werde. Aus der von Herrwic (18, p. 22) 
gegebenen Darstellung ist nur das Eine hervorzuheben, dass dieser 
Forscher an Zerzupfungspräparaten das Vorhandensein einer Membran 
feststellen konnte, die den inneren, kegelförmigen Theil des Para- 
siten überkleidet und deren Fortsetzung auf die gegenüber liegende 
Seite er richtig zu vermuthen scheint. Über die Anordnung der 


1 Die hier angezogene Stelle bezieht sich nicht, wie dort irrthümlich an- 
gegeben wird, auf den Parasiten von Sticholonche (Amoebophrya sticholonchae), 
‘ sondern, wie aus KÖPpEn’s Anmerkung auf p.418 hervorgeht, auf den in Rede 
stehenden Organismus (Amoebophrya acanthometrae). | 


168 A. Borgert, 


Furchen äußert sich Herrwie in widersprechender Weise, indem 
er einerseits ihren Verlauf mit demjenigen der »Windungen eines 
aufgerollten Taues« vergleicht, also offenbar eine spiralige Aus- 
bildung annimmt, andererseits aber wiederholt ihre »eirkuläre« An- 
ordnung betont, die ihn an diejenige der Reifen eines Fasses erinnert. 
Ich selbst habe über die letztere Frage nicht zu völliger Klarheit 
selangen können, glaube jedoch nicht annehmen zu sollen, dass in 
diesem Punkte ein Unterschied zwischen dem Parasiten von Sticho- 
lonche und dem der Acanthometriden besteht, sondern vermuthe, dass 
trotz der gegentheiligen Angabe KÖPpEn’s auch im vorliegenden Falle 
die Furchen eine zusammenhängende Spirale bilden. 

Wenn auch die Organisationsverhältnisse bei dem Parasiten von 
Sticholonche und demjenigen der Acanthometriden im Großen und 
Ganzen als ähnlich bezeichnet werden mussten, so lassen sich doch, 
abgesehen von den schon erwähnten, im Einzelnen noch eine Reihe 
von Abweichungen feststellen. Auf die schärfere Zuspitzung des 
vorderen Körperendes bei letzterem möchte ich nicht allzuviel Ge- 
wicht legen, da dieselbe auch bei manchen Individuen des Sticho- 
lonche-Parasiten beobachtet wird und, wie ein Blick auf die in Fig. 32 
und 33 abgebildeten jugendlicheren Stadien lehrt, bei dem hier be- 
handelten Thiere nicht ganz konstant ist. Weit auffallender ist die 
Verschiedenheit in der Form der zwischen den Furchen gelegenen 
Vorsprünge. Dieselben zeigen bei dem Spiralkörper der Acantho- 
metriden an Längsschnitten durch denselben ein wechselndes Profil, 
indem sie bald als breite Dreiecke, bald als schmale spitze Zacken, bald 
als fingerförmige Aussackungen in den von dem unausgeschlüpften 
Thiere umschlossenen Hohlraum hineinragen. An dem mittleren 
kegelförmigen Körperabschnitt liegen die Vorsprünge bisweilen so 
dicht, dass sie sich fast wie Schuppen decken. Mit dem Alter des 
Thieres nimmt ihre Zahl zu; die Neubildung scheint am vorderen 
Ende des Kegels stattzufinden. 

Das Protoplasma zeigt im Allgemeinen eine ähnliche Struktur 
wie bei dem Parasiten der Sticholonche, besitzt jedoch bisweilen, 
hauptsächlich in der dem Mittelpunkt des Wirthsthieres zugewendeten 
Körperhälfte, eine viel lockerere, vacuolisirte Beschaffenheit. An 
der Oberfläche des Kegels kann man bei vorgeschritteneren Stadien 
eine dünne klare Protoplasmaschicht unterscheiden, die bei stärkerer 
Vergrößerung eine deutliche Querstrichelung erkennen lässt. Im 
Inneren des Kegels traf ich bei verschiedenen Exemplaren eine 
kugelige vacuolenartige Bildung an (s. Fig. 32). Ein ähnlicher Zapfen, 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 169 


wie man ihn bei dem Parasiten von Stecholonche an der Basis des 
Kegels entwickelt findet, konnte dagegen in keinem Falle beobachtet 
werden. Die äußere Körperoberfläche wird von einer ziemlich dieken 
Membran überkleidet, während die Wandungen des den Kegel um- 
sebenden Hohlraumes von einem feinen Häutehen bedeckt sind. Der 
Hohlraum selbst ist von einem aus zarten Fasern bestehenden Netz- 
werk durchsetzt, welches die Wandungen mit einander verbindet. 
Die Kerne liegen auch hier wieder in den Vorsprüngen der Körper- 
oberfläche, oftmals unmittelbar der Wandung an; ihr Durchmesser 
ist jedoch außerordentlich klein. Gewöhnlich betrug derselbe kaum 
I u, selten 2 «. In einzelnen Fällen, namentlich bei sehr jungen 
Exemplaren gelang es mir überhaupt nicht, Kerne aufzufinden. Das 
Plasma zeigte alsdann eine gleichmäßig dunklere Färbung, als ob 
das Chromatin in feinen Theilchen durch dasselbe vertheilt sei. 
Bevor ich mich der Besprechung anderer Dinge zuwende, möchte 
ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, den ich bisher un- 
erwähnt gelassen habe. Jeder, der den unausgeschlüpften Parasiten, 
namentlich an Längsschnitten, genauer untersucht, wird sich von 
dem Vorhandensein einer sehr zarten aber bei starker Vergrößerung 
deutlich erkennbaren Membran überzeugen, welche den Kern des 
Radiolars nebst der distal von ihm gelegenen, den Hohlraum ein- 
schließenden Körperpartie des Parasiten gegen das übrige Proto- 
plasma abgrenzt. Auf der dem Mittelpunkt der Acanthometride 
zugekehrten Seite liegt die Membran der Kernoberfläche dicht an 
oder wird doch nur durch eine dünne Protoplasmaschicht von ihr 
getrennt. Von dort zieht sie sich nach der entgegengesetzten Seite, 
wo sie allmählich an die den Parasiten äußerlich umhüllende Mem- 
bran herantritt. In Fig. 30, 31 u. 32 ist der Verlauf des Häutchens 
durch eine feine Linie angedeutet. Anfangs glaubte ich, dass die 
erwähnte zarte Membran die Grenze des Spiralkörpers gegen das 
Wirthsthier bezeichne, doch habe ich diese Ansicht aufgegeben, weil 
keinerlei Unterschied, weder in der Struktur noch in dem Verhalten 
Farbstoffen gegenüber zwischen dem auf der einen und dem auf 
der anderen Seite der Membran gelegenen Protoplasma besteht. 
Unter solchen Umständen ist die feine Membran oft nur schwer zu 
entdecken, doch dürfte sie wohl in keinem Falle fehlen. Bemerkens- 
werth ist auch noch eine andere Sache: dass trotz der vollständigen 
Umschließung seines Kernes durch den Parasiten, das betreffende 
Radiolar am Leben bleibt und sogar nieht einmal in seinem Wachs- 
thum gehindert erscheint. | 


170 A. Borgert, 


Über den frei gewordenen Parasiten habe ich meinen bisherigen 
Angaben nur noch Weniges hinzuzufügen. Nur in einem einzigen 
Falle gelang es mir, das ausgetretene Thier der weiteren Untersuchung 
zugänglich zu machen. Leider wurde auch dieses Exemplar noch in 
Folge eines unglücklichen Zufalles stark gequetscht. Da eine Ab- 
bildung von dem ausgeschlüpften Organismus überhaupt noch nicht 
gegeben worden ist, so habe ich das betreffende Individuum dennoch 
in Fig. 28 zur Darstellung gebracht. Im Inneren sieht man die Kern- 
substanz des Wirthsthieres als unregelmäßig begrenzte Masse liegen. 
Die Furchen an der Oberfläche sind in Folge des Druckes nicht 
mehr zu erkennen; nur an den seitlichen Kontouren des Thieres 
findet man sie noch schwach angedeutet. Die Cilien, die in den 
Furchen stehen, sind stark entwickelt. Ihre Länge ist viel beträcht- 
licher als bei dem Parasiten von Sticholonche. Am hinteren Körper- 
ende bemerkt man das Vorhandensein eines in das Innere führenden 
kurzen Kanals. Ähnliche Hohlräume, wie man sie im Körper des 
ausgeschlüpften Stcholonche-Parasiten beobachtet, fehlen, gelangen 
hier, wie es scheint, überhaupt nie zur Ausbildung. Wendet man 
stärkere Vergrößerung an, so erblickt man am vorderen Körperende 
in der dünnen äußeren Protoplasmaschicht, die sich durch ihre klare, 
durchsichtige Beschaffenheit vor dem übrigen Körperplasma aus- 
zeichnet, eine sehr deutliche, in Fig. 29 wiedergegebene Quer- 
strichelung. 

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergiebt, handelt 
es sich bei dem Parasiten von Stcholonche und demjenigen der 
Acanthometriden um zwei ganz ähnliche Formen von Organismen 
und es ist weiter von Interesse, zu erfahren, ob bei Acanthometriden 
außer dem Spiralkörper auch noch jene anderen bei Sticholonche 
beobachteten Einschlüsse gefunden werden, die sich als rundliche, 
mit einem Kern versehene Bläschen darstellen. FoL sowohl wie 
KörprEn geben — Beide jedoch vielleicht nur auf Grund der Angaben 
Herrwig’s — das Vorkommen ähnlicher oder gar analoger Körper 
bei den betreffenden Radiolarien an, fügen jedoch keine Beschreibung 
derselben bei. Unter diesen Umständen dürfte es erwünscht sein, 
zu sehen, wie die von Herrwıe (18, p. 23) geschilderten Bildungen 
beschaffen sind. Die Gebilde, die hier nur in Betracht kommen 
können, wurden bei vielkernigen Exemplaren von Acanthometra Cla- 
paredei, Acanthostaurus purpurascens und anderen Arten beobachtet. 
Es sind wurstförmige gekrümmte Körper, in deren homogener Grund- 
masse sich zahlreiche stärker gefärbte, von hellen Höfen umgebene, 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 171 


Körperehen eingebettet finden. Die Körperchen sind durchschnitt- 
lich 1,5 « groß und auf die konvexe Seite des wurstförmigen Ge- 
bildes beschränkt, wo sie in einer Schicht so dicht gedrängt liegen, 
dass sie nur durch dünne, von der Grundsubstanz gebildete Scheide- 
wände getrennt werden'!. 

So nahe hiernach — zumal da neben den erwähnten Bildungen 
gleichzeitig auch noch zahlreiche der gewöhnlichen kleinen Acantho- 
metridenkerne vorgefunden wurden, — so nahe, sage ich, hiernach 
auch die Vermuthung liegen mag, dass die wurstförmigen Körper 
den bei Stzcholonche vorkommenden Anhäufungen von Bläschen ent- 
sprechen, so scheint mir die Richtigkeit dieser Annahme doch nicht 
über jeden Zweifel erhaben zu sein. Ich selbst habe mich bei meinen 
Untersuchungen in der Hauptsache auf die einkernigen, einen Spiral- 
körper beherbergenden Individuen beschränkt und habe nur in einem 
Falle außer jenem kleine vereinzelt liegende Kügelchen angetroffen, 
die wohl mit den bei Sticholonche sich findenden manches Überein- 
stimmende. zeigen, jedoch desswegen durchaus noch nicht mit ihnen 
identisch zu sein brauchen. Ich muss daher meinerseits die Frage 
noch offen lassen. 


Über die systematische Stellung des bei Sticholonche und Acanthome- 
triden sieh findenden Parasiten (Spiralkörper) und die Natur der 
bläschenförmigen Einschlüsse dieser Thierformen. 

Die Frage, wo der Parasit im System unterzubringen sei, lässt 
sich nicht mit einem Worte entscheiden, sondern erfordert einige 
Erwägung. Natürlich wird man die systematische Stellung, die man 
dem Thiere anzuweisen gedenkt, von dessen Organisationsverhält- 
nissen abhängig zu machen haben, und bezüglich dieser stehen, wie 
schon erwähnt, zwei verschiedene Ansichten einander gegenüber. 
Nach der einen, von KOROTNEFF vertretenen, handelt es sich um 
einen Organismus, dessen Körper aus einem zelligen Ektoderm und 
wenigen Entodermelementen besteht. Auf Grund hiervon rechnet 
KOROTNEFF ihn zu den Metazoen. Er glaubt, dass derselbe »den 
Orthonectiden sehr nahe steht und möglicherweise ein Stadium ihrer 
Entwicklung darstellt. Nach Köppen’s Angaben dagegen, der den 
Parasiten als eine einkernige Bildung beschreibt, kann nur der 


| ! Nach Herrwig’s Ansicht bilden sich durch Zerfall der wurstförmigen 
Körper die vielen kleinen Nuclei der vielkernigen Stadien bei den Acantho- 
metriden. Die gleiche Auffassung findet sich auch bei HAECKEL (14, p. 6, 
Acantharia, Taf. I, Fig. 8). 


172 A. Borgert, 


Typus der Protozoen in Betracht kommen. Innerhalb dieses Thier- 
kreises reiht er ihn der Gruppe der Suctorien ein. 

Prüfen wir zunächst die Berechtigung der Auffassung KoRoT- 
NEFF’S und sehen wir, in wie weit seine Ansicht mit der oben ge- 
gebenen Schilderung von dem Bau unseres Parasiten in Einklang 
zu bringen ist. Bezüglich des vermeintlichen Entoderms dürfte es 
nach den voraufgehenden Ausführungen feststehen, dass KOROTNEFF 
im Irrthum ist, dagegen könnte man im Hinblick auf die äußere 
Körperschicht wohl zweifelhaft sein, ob dieselbe nicht doch vielleicht 
ein zelliges Ektoderm darstelle; ja, jeder unbefangene Forscher 
würde sogar kaum umhin können, den in Fig. 11 wiedergegebenen 
Theil eines Schnittes durch die äußere Körperpartie eines unaus- 
geschlüpften Parasiten von Sticholonche auf ein Epithel zu beziehen. 
Der Einwand, dass keine Zellgrenzen zu bemerken seien, würde 
nicht allzu sehr ins Gewicht fallen können, da ein sicherer Nach- 
weis derselben in vielen Fällen selbst da schwer fällt, wo ihr Vor- 
handensein außer Frage steht. Mehr Bedenken gegen die .epitheliale 
Natur der äußeren Körperschicht würde allerdings wohl die selbst 
bei gleichen Entwicklungsstadien stark wechselnde Größe der Kerne 
erwecken. Sucht man nach weiteren Stützen für KOROTNEFF’s An- 
sicht, so ließe sich noch auf das beim Zusammentreffen mit irgend 
welchen Hindernissen erfolgende Zerfallen des frei gewordenen Para- 
siten hinweisen. Dieser Vorgang erinnert entfernt an eine Erscheinung, 
welche Juris (20, p. 13 u. 14, Taf. I, Fig. 4—7) bei Orthoneetiden- 
männchen beobachtete, dass nämlich die Spermatozoen durch Los- 
lösung der oberflächlichen Zellen des Thieres frei wurden. Ich hätte 
vielleicht auf die Anführung dieses Punktes verzichten können, da 
es sich offenbar nur um eine rein äußerliche Ähnlichkeit handelt, 
doch gewinnt die erwähnte Erscheinung für den vorliegenden Fall an 
Interesse, wenn man an die Auffassung For’s denkt, nach welcher 
der austretende Spiralkörper eine Spermatophore des Thieres dar- 
stellt, in welchem er sich entwickelt. 

Ich muss gestehen, dass ich anfänglich selbst an die Vielzellig- 
keit des Parasiten geglaubt und mir unter demselben ein eigen- 
thümliches, durch parasitäre Lebensweise stark rückgebildetes 
Metazoon vorgestellt habe, das vielleicht innerhalb eines neuen 
Wirthes zu einer höheren Organisationsstufe gelange, doch erscheint 
mir heute die Richtigkeit dieser Annahme so wenig wahrscheinlich, 
dass ich von derselben vollständig zurückgekommen bin und Amoebo- 
phrya als zweifelloses Protozoon ansehe. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche eic. vork. Parasiten. 173 


Betrachten wir nun einmal die von KÖPPEN vertretene Ansicht 
etwas genauer. KÖPPEN deutet bekanntlich die im Inneren des un- 
ausgetretenen Parasiten gelegene kegelförmige Partie desselben als 
den dureh innere Knospung entstandenen »Embryo« der Suctorie, der 
von dem mütterlichen Organismus umhüllt werde. Das Freiwerden 
des Sprösslings kann nun, wie KÖPpEN meint, auf zweierlei Art und 
Weise vor sich gehen: wie bei Dendrocometes paradoxzus oder wie 
bei Tokophrya. Bei ersterer Species erfolgt nach den Untersuchungen 
Bürschurs (4) und Prare’s (30) die Trennung der Knospe von dem 
Mutterthiere nicht innerhalb der Bruthöhle, sondern außerhalb der- 
selben, nachdem die Knospe durch die Geburtsöffnung hindurchge- 
treten ist und sich dadurch aus einer inneren in eine äußere umge- 
wandelt hat. Köppen überträgt diese Verhältnisse in etwas modifieirter 
Form auf seine Amoebophrya und glaubt, dass unter gewissen Umstän- 
den, wo der mütterliche Theil des Suctorienkörpers stark geschwächt 
sei und seine Kontraktilität verloren habe, der austretende Sprössling 
sieh nicht abtrenne, sondern das Mutterthier umstülpe und als hinteres 
Körperende mit sich fortnehme. — Bei Zokophrya quadripartita 
schnürt sich nach BürscaLı (3) die Knospe schon innerhalb der 
Bruthöhle vom mütterlichen Organismus ab. Dieser Vorgang vollzieht 
sich, wie KöPpEn berichtet, bei dem zweiten Modus der Schwärmer- 
bildung von Amoebophrya. In diesem Falle bleibe der Embryo nur 
auf einer kurzen Strecke mit dem Mutterthiere in Verbindung, bis 
schließlich der Zusammenhang durch die Bewegungen der Knospe 
unterbrochen werde und diese unter Zurücklassung des mütterlichen 
Organismus frei werde. Rücksichtlich der Veränderungen des Kernes 
bei der Knospenbildung giebt Köppen an, dass ein Theil desselben 
sich abtrenne und den Kern des Sprösslings bilde. Während der 
Theilung werde der Kern fibrillär, wie man dies auch bei anderen 
Suetorien beobachte. Weiter erwähnt Köppen, dass bisweilen zwei 
Knospen in demselben Individuum zu finden seien. Er führt diese 
Erscheinung auf eine Zweitheilung des Embryo zurück. Endlich 
weiß Köppen auch noch über Tentakelbildung bei dem frei gewor- 
denen Parasiten zu berichten. In einem Falle sah er, wie der aus 
einer Acanthometride ausgetretene Organismus nach einiger Zeit 
freien Umherschwimmens unbeweglich wurde. Seine Cilien ver- 
schwanden, eben so verwischten sich die Furchen allmählich voll- 
kommen. In seinem Inneren zeigten sich kontraktile Vaeuolen, wäh- 
rend an einer Stelle der Körperoberfläche kurze und sehr zarte 
Tentakeln auftraten. Die letzteren verschwanden jedoch bald wieder, 


174 A. Borgert, 


ohne eine Spur zu hinterlassen. Dann wurde die Körperform un- 
regelmäßig und der Organismus begann langsame, amöboide Bewe- 
sungen auszuführen!. 

Was die von Körpzn geschilderten Vorgänge beim Freiwerden 
des ‚Parasiten betrifft, so habe ich, wie erinnerlich, die erwähnten 
Verschiedenheiten vollkommen bestätigen können.: Dagegen hat der 
russische Gelehrte im Hinblick auf die Kernverhältnisse sich bei 
seinen Angaben offenbar allzusehr durch die bei verschiedenen Suc- 
torien gemachten Beobachtungen leiten lassen. Wenigstens bin ich bei 
meinen Untersuchungen zu durchaus anderen Resultaten gelangt. 

Trotz der abweichenden Kernverhältnisse aber glaube ich den- 
noch, dass man bezüglich der Frage nach der systematischen Stel- 
lung des Parasiten zu dem gleichen Schlusse wie KörrzEn kommen 
muss. Ich sehe dabei ganz ab von der von KÖPPEN beobachteten 
Ausbildung von Tentakeln bei dem ausgeschlüpften Thiere. Wenn 
auch im Zusammenhange mit den übrigen Thatsachen diese Notiz 
höchst beachtenswerth ist, so möchte ich der einzelnen Beobachtung 
doch keine allzugroße Bedeutung beimessen. 

Gehen wir von dem frei gewordenen Thiere aus, so fällt schon 
bei oberflächlicher Betrachtung die Ähnlichkeit auf, die dasselbe in 
seiner äußeren Gestalt mit den Schwärmern gewisser Suctorienarten 
aufweist. Ich erinnere z. B. an die von Maupras (28) unter dem 
Namen Acineta foetida beschriebene Species. Die Schwärmer dieser 
gleichfalls marinen Art besitzen eine längliche, gestreckte Körper- 
form und sind am vorderen Ende zugespitzt. Die Cilien stehen in 
(Juerfurchen, die in schräger Richtung zur Längsachse um den 
Körper herumlaufen und zwischen denen die Körperoberfläche wul- 
stig vorgewölbt ist. Wie es scheint, bilden auch in diesem Falle 
die Furehen eine einzige Spirale, denn, wenngleich MaAurAs bei 
seinen ersten Untersuchungen (in Roscoff) fünf geschlossene „Ringe 
zu erkennen glaubte, die den Körper in sechs nach hinten an Breite 
zunehmende Segmente zerlegen, so erweckten ihm, wie er angiebt, 
doch später (in Algier) die Furchen den Eindruck einer zusammen- 


!ı Ein anderes Mal beobachtete Körpkn, wie der Embryo in zwei Theile 
zerfiel, von denen der eine aus granulirtem Protoplasma mit mehreren kon- 
traktilen Vacuolen, der andere aus einem klareren, homogenen Protoplasma 
bestand. Bald nach der Trennung vereinigten sich jedoch die beiden Theil- 
stücke wieder. Dieser Vorgang trägt so deutlich den Stempel des Abnormen, 
dass ich mich darauf beschränke, denselben hier nur anmerkungsweise zu er- 
wähnen. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 175 


hängenden Spirale. Mauras hält es für nicht ausgeschlossen, dass 
beide Arten der Ausbildung neben einander‘ bestehen, doch bin ich 
eher geneigt, für den ersten Fall eine Täuschung anzunehmen, deren 
Möglichkeit übrigens MAaupas selbst zugiebt. 


Bezüglich der inneren Organisation kommen nur die Vacuolen- 
und Kernverhältnisse in Frage. 


Die kontraktilen Vacuolen sind ein weit verbreiteter Bestand- 
theil des Suctorienkörpers und finden sich auch bei den Schwärmern 
derselben in der Einzahl oder zu mehreren vor. Nach Körrkx trifft 
man solche regelmäßig bei dem ausgeschlüpften Spiralkörper an, 
während sie bei dem im Wirthsthiere eingeschlossenen Organismus 
nur sehr selten zu beobachten sein sollen. Obgleich ich nie Ge- 
legenheit hatte, ein »Pulsiren« direkt zu beobachten, so glaube ich 
doch, dass man die kugeligen Hohlräume, die man hin und wieder 
bei unausgeschlüpften Thieren in dem Plasma des inneren kegel- 
förmigen Körperabschnittes findet (s. Fig. 32), als kontraktile Vacuo- 
len anzusehen hat. Dagegen scheint mir diese Deutung für die bei 
frei gewordenen Individuen zu beobachtenden verschieden gestalteten 
Hohlräume nicht sehr wahrscheinlich. Übrigens würde, wie ich noch 
hinzufügen will, ein eventuelles Fehlen kontraktiler Vacuolen noch 
nicht als ausschlaggebend gegen die Suetoriennatur einer Thierform 
anzuführen sein, da es unter den marinen Suctorien auch sonst noch 
Fälle giebt, in denen es nicht gelang, ihr Vorhandensein festzu- 
stellen. 

Die röhrenförmige Einstülpung am hinteren Körperende, die sich 
namentlich bei vorgeschritteneren Entwicklungsstadien des Parasiten 
findet, lässt sich gut mit ähnlichen Bildungen vergleichen, wie sie 
HERTwIG (16) an den Schwärmern von Podophrya (Ephelota) gemmi- 
para und STEIN (35) an denjenigen einer anderen, von ihm als Vorti- 
cella microstoma Ehbg. bezeichneten Suctorienart entdeckte. Bei der 
erstgenannten Form ist die Einstülpung, wenigstens in dem der Aus- 
mündung zunächst gelegenen Abschnitt, bewimpert. In dem zweiten 
Falle handelt es sich um einen einfachen, geschlängelten, blind 
endenden Kanal. Auch außerdem ließen sich, wenn man wollte, 
noch Beispiele aus der Litteratur anführen. 


Eine bedeutendere Abweichung in der Organisation besteht augen- 
scheinlich nur in Bezug auf die Kernverhältnisse. Während bei den 
nahe verwandten Ciliaten durch die Untersuchungen von MAuPpas (29), 
GRUBER (J—12), und Anderen eine nicht geringe Zahl von viel- 


176 A. Borgert, 


kernigen Arten! bekannt geworden ist, von denen einzelne sogar 
eine gewisse Gesetzmäßigkeit in der Anordnung der bisweilen in un- 
zählbarer Menge vorhandenen Nuclei erkennen lassen, ist innerhalb 
der Gruppe der Suctorien eine Vielkernigkeit doch nur als vorüber- 
sehender Zustand, hervorgerufen durch Zerfall des primären Nucleus 
nach voraufgegangener Konjugation, beobachtet worden. Derartige 
Fälle können hier jedoch nicht zum Vergleich herangezogen werden 
und so würde rücksichtlich dieses Punktes die Amoebophrya aller- 
dings eine isolirte Stellung unter den Suctorien einnehmen. Da die 
jüngeren Stadien des Thieres aber nicht untersucht sind, so ist 
immerhin die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass in der frühesten 
Jugend nur ein einziger größerer Kern vorhanden ist. Vielleicht 
besitzt dieser eine ähnlich verzweigte Gestalt, wie man sie bei den 
Kernen zahlreicher Suctorien-Arten beobachtet. Bei dieser Annahme 
ließe sich auf die stäbchenähnliche Form der Kerne junger Indivi- 
duen hinweisen, die man sich wohl durch Zerschnürung eines größeren 
verästelten Nucleus entstanden denken könnte. 

Auf die Übereinstimmung, die der unausgeschlüpfte Parasit mit 
einer fruktifieirenden, durch innere Knospung sich fortpflanzenden 
Suctorie zeigt, hat KÖPpen bereits hingewiesen, doch weiß ich nicht, 
ob nicht in einem Punkte die besonderen Verhältnisse des Parasiten 
eine modifieirte Deutung erfordern. Ich glaube nämlich kaum, dass 
man die innere kegelförmige Partie des Thieres als Knospe auf- 
fassen darf; vielmehr bin ich der Meinung, dass jene nur das vordere 
Körperende des Parasiten darstellt, welches sich allerdings unter be- 
sonderen Umständen einmal abschnüren und selbständig davon- 
schwimmen kann. Ich stütze meine Ansicht auf die Thatsache, dass 
man bei allen Individuen, selbst in den jugendlichsten Stadien, den 
kegelförmigen Abschnitt entwickelt findet. Ich möchte das Frei- 
werden des Parasiten am ehesten mit der bei Suetorien vorkom- 
menden gelegentlichen Umwandlung des ganzen Individuums in 
einen Schwärmer vergleichen, wie sie bei 4Asellicola digitata und 
Dendrocometes paradozus festgestellt werden konnte. Hier pflegt 
nach PLATE (31, p. 152; 30, p. 178 u. 189) die erwähnte Erscheinung 
dann aufzutreten, wenn die Thiere durch Häutung des Wirthes, dem 
sie aufsitzen (Asellus, Gammarus), zu einer Ortsveränderung ge- 


! Bürschui (5) äußert Bedenken, ob es sich bei den betreffenden Formen 
wirklich überall um einzelne isolirte Kernchen, oder nicht vielleicht mehr oder 
minder häufig um einen rosenkranzförmisen Kern handle, bei welchem die 
feinen Verbindungsfäden übersehen seien. 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 177 


zwungen sind. Der Vorgang vollzieht sich in der Weise, dass sämmt- 
liehe Stadien der Knospenbildung durchlaufen werden, dass aber 
schließlich die Knospe nicht zur Ablösung gelangt, sondern bei ihrem 
Austritt das Plasma des mütterlichen Organismus ganz oder mit Aus- 
nahme eines kleinen zurückbleibenden Restes mit sich fortnimmt. 
Ein Unterschied würde nur darin bestehen, dass in den von mir 
angezogenen Fällen das Ausschlüpfen eine Folge des Eintritts un- 
Sünstiger Lebensbedingungen ist, während der ganz ähnliche Process 
bei Amoebophrya, wenn auch durch letztere beschleunigt, doch ein 
vollkommen normaler Vorgang zu sein scheint. Dass bei der er- 
wähnten Abschnürung des vorderen Körperendes für unseren Para- 
siten nebenbei auch Fortpflanzungsvorgänge mit ins Spiel kommen, 
will ich nieht in Abrede stellen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass 
der abgetrennte Theil in seinem weiteren Verhalten einem vollstän- 
digen Individuum gleicht und dass die zurückbleibende Hälfte die 
verloren gegangene durch Neubildung ersetzt. Immerhin stellt nach 
meiner Auffassung der Vorgang einen Ausnahmefall dar, über den 
auch For nichts zu berichten weiß, obgleich er das Austreten des 
Parasiten zu wiederholten Malen beobachtet hat. Mehr Bedeutung 
für die Fortpflanzung scheint mir wegen der größeren Zahl der ent- 
stehenden Individuen der andere Vorgang zu haben, dass vor oder 
bei seinem Austritt aus dem Wirthe der Parasit bisweilen in eine 
Anzahl selbständiger Theilstücke zerfällt. Derartige Fälle sind bei 
den Suetorien mehrfach beschrieben worden. Am ähnlichsten habe 
ich die Verhältnisse bei der schon einmal zum Vergleich heran- 
sezogenen Acıneta foetida geschildert gefunden. Auch hier sollen 
nach Maurpas’ Meinung die wiederholt bis zu vieren in einer 
Bruthöhle angetroffenen Schwärmer durch Theilung eines einzigen 
srößeren Embryo entstehen. Die Abbildung, die MAupas (28, Taf. XIX, 
Fig. 6) von einem solchen Individuum giebt, erinnert so sehr an Zu- 
stände, wie man sie gelegentlich bei Stecholonche beobachtet, dass 
man fast versucht sein könnte, die vier Sprösslinge im Inneren des 
Thieres für die Theilstücke eines amoebophrya-ähnlichen in der Acinete 
lebenden Organismus zu halten. Allerdings ist die Ähnlichkeit nur eine 
rein äußerliche, denn die Schwärmer von Acineta foetida sind ein- 
kernig und außerdem konnte Maupas die Betheiligung des Kernes 
der Suetorie an der Ausbildung derselben feststellen. 

Nach alle dem Gesagten trage ich kein Bedenken mehr, unsern 
Parasiten der Gruppe der Suctorien einzureihen und somit auch den 


Gattungsnamen, den Köppzn dem Thiere im Hinblick auf seine 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 12 


178 A. Borgert, 


systematische Stellung gegeben, weiterhin beizubehalten. Eben so 
erscheinen mir die zwischen dem Parasiten von sSticholonche und 
demjenigen der Acanthometriden bestehenden Unterschiede aus- 
reichend, um mit KöpPpEn die beiden Formen als selbständige Arten 
— Amoebophrya sticholonchae und A. acanthometrae — von einander 
zu trennen. Es bliebe jetzt nur noch die Frage zu erörtern, in 
welcher Weise wohl der Entwicklungsgang des Parasiten verläuft. - 

KÖörPpEn will in einem Falle das Eindringen eines Parasiten bei 
Sticholonche beobachtet haben. Dieser Vorgang soll sich m der 
Weise vollzogen haben, dass nachdem der erstere mit seinem Wirths- 
thiere in Berührung gekommen, er sich langsam in dessen Plasma 
eingesenkt und sich schließlich vollständig in dasselbe eingebettet 
habe. Über das Aussehen des Thierchens vor oder nach dem Ein- 
dringen macht KÖPPpen leider keinerlei Angabe. Es ist jedoch wohl 
als ausgeschlossen zu betrachten, dass es sich hierbei um ein so weit 
vorgeschrittenes Entwicklungsstadium gehandelt haben könne, wie es 
der ausgeschlüpfte Parasit oder selbst Theilstücke desselben dar- 
stellen; denn, wie die Befunde lehren, muss die Infektion durch 
allerfrüheste Troendansänd. erfolgen. 

Ich stelle mir den Entwicklungsgang für Amoebophrya Be 
cirter vor. Nach Allem, was bis jetzt über diese interessante Thier- 
form bekannt geworden ist, vermuthe ich Folgendes: Nachdem der 
Parasit innerhalb des Wirthsthieres seine vollständige Ausbildung 
erlangt hat, schlüpft er — bisweilen unter Zerfall in mehrere Theil- 
sticke — aus, um nach einiger Zeit freien Umherschwärmens sich 
in eine festsitzende, tentakeltragende Suctorie umzuwandeln. Wo 
die Anheftung geschieht, ob der schwärmerähnliche Organismus den 
Meeresboden aufsucht oder ob er bei irgend einem anderen pela- 
gischen Wesen ein neues Unterkommen findet, ist fraglich. Suetorien- 
Arten, die auf der äußeren Körperoberfläche oder in inneren Hohl- 
räumen anderer Thierformen leben, sind genug bekannt und es würde 
die letztere Annahme an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn es 
gelingen sollte, mit Amoedophrya infieirte Sticholonchen oder Acantho- 
metriden auch auf hoher See zu beobachten. In diesem Entwick- 
lungsstadium, das, wie gesagt, durch den Besitz von Tentakeln aus- 
gezeichnet ist, findet eine Fortpflanzung durch (innere oder äußere) 
Knospung statt. Die jungen Schwärmer sind es, welche nach ihrem 
Freiwerden in Sticholonchen oder Acanthometriden einwandern. Mit 
dem Ausschlüpfen des Spiralkörpers würde der Cyclus von Neuem 
beginnen. | 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 179 


Sollten derartige Verhältnisse für unsern Parasiten wirklich be- 
stehen, so dürfte man daraus vielleicht auf das Vorhandensein näherer 
Beziehungen zu der Gattung Ophryodendron schließen. Bei den 
Arten dieses Suetoriengenus, die gleichfalls Meeresbewohner sind, 
kommen zwei verschieden gestaltete Formen von Individuen vor: 
sogenannte rüsseltragende und rüssellose (wurm- oder flaschenförmige) 
Thiere. Die Beziehungen zwischen den beiden Formen von Indi- 
viduen sind noch nicht genügend aufgeklärt. Das Eine scheint mir 
durch die Untersuchungen von ÜCLAPAREDE und LACHMANN 6), 
WriecHTr (37), Hıncks (19), FrAIPoNT (8), GRUBER (10) u. A. sicher- 
gestellt, dass die wurmförmigen Thiere durch äußere Knospung an 
den tentakelführenden entstehen. Ob aber, wie man nach den An- 
saben von CLAPAREDE und LACHMANN (l. e.), KENT (23), FrAIPoNT (]. e.) 
und GRUBER (l. e.) vermuthen könnte, die ersteren Entwicklungszu- 
stände der letzteren sind, oder ob ein wirklicher Dimorphismus der 
Individuen vorliegt, wie Hincks (l. e.) annimmt, ist zur Zeit noch 
eine offene Frage!. Außer den durch äußere Knospung erzeugten 
wurmförmigen Individuen, die sich nach ihrer Loslösung vom rüssel- 
tragenden Mutterthier in dessen Nähe festsetzen, werden nach CLA- 
PAREDE und LACHMANN (l. e.) und WRIGHT (l. c.) auch noch durch 
innere Knospung Schwärmer gebildet. WRIGHT giebt an, dass sich 
diese Schwärmer zu rüsseltragenden Thieren entwickeln. 

Es wäre an und für sich nicht undenkbar, dass das Spiral- 
körperstadium der Amoebophrya dem Stadium der wurmförmigen 
Individuen von Ophryodendron entspricht; doch ich will mich hier 
nicht weiter in Vermuthungen ergehen, die bei dem Mangel irgend 
welcher direkten Beobachtungen in der Luft schweben würden und 
mich auf das Gesagte beschränken. Weiterer Forschung bleibt es 
vorbehalten, alle fraglichen Punkte aufzuklären. 

Zum Schlusse bleibt noch die Frage nach der Natur der bläs- 
chenförmigen Bildungen zu erörtern. Abgesehen von HERTWIG, 


! Der Vollständigkeit wegen möge hier noch erwähnt sein, dass v. KocH 
(25) die von anderen Autoren als Knospung gedeutete Erscheinung als Kopu- 
lation zweier dimorpher Individuen auffasst. Diese Ansicht erscheint jedoch 
aus verschiedenen Gründen, die bereits von anderer Seite aus einander gesetzt 
worden sind, unhaltbar. — Auch als Parasiten sind die wurmförmigen Indivi- 
duen in Anspruch genommen worden. So betrachtet z. B. RoBIn (34), dem es 
nicht gelang, einen Kern in ihrem Inneren nachzuweisen, dieselben als para- 
_ sitisch lebende Wurmlarven unbekannter Zugehörigkeit, eine Auffassung, deren 
Unhaltbarkeit sich schon aus den voraufgegangenen genaueren Untersuchungen 
Anderer ergiebt. 


12* 


180 A. Borgert, 


dessen Ansicht hierüber bereits weiter oben mitgetheilt wurde, haben 
nur FoL und KÖPrEn Angaben über diesen Gegenstand gemacht. 
FoL konstatirt bezüglich Stscholonche (7, p. 20), dass es sich bei 
dem Spiralkörper einerseits und den Bläschen andererseits um zwei 
selbständige Bildungen handle, in welche sieh die Individuen gleich- 
mäßig theilen und zwischen denen keinerlei Übergang bestehe. For 
neigt der Ansicht zu, dass man es hier mit sexuell differenzirten 
Fortpflanzungsprodukten der Sticholonche zu thun habe, wobei er 
die Bläschen als eiartige Keime, den ceilienbesetzten Spiralkörper 
als eine Art von Spermatophore deutet. Auf Grund dieser Ver- 
muthung versuchte FoL sogar künstlich Befruchtung zu erzielen, doch 
verlief das Experiment resultatlos. Die Unhaltbarkeit der Annahme 
For’s wird übrigens auch schon durch die Thatsache erwiesen, 
dass bei der Entstehung beider Arten von Bildungen der Kern der 
Sticholonche unbetheiligt bleibt. Nach Körprpen’s Auffassung stellen 
die Haufen von Kügelchen nur ein bestimmtes Stadium des Para- 
siten dar, der sich bald in dieser Form, bald als Spiralkörper dem 
Beobachter darbiete.e. KÖöPrEn kommt zu dem Schlusse, dass die 
»globules elairs« die Fortpflanzungsprodukte der Amoebophrya seien. 
Ihre Entstehung stellt er sich in der Weise vor, dass die Ausbildung 
des Spiralkörpers auf einer mehr oder minder vorgeschrittenen Ent- 
wicklungsstufe zum Stillstand gelange. Durch Zerfall des Kernes 
entständen zahlreiche kleine Kerne, die sich mit einer hellen Sub- 
stanz und einer Membran umgäben. Im Inneren der Bläschen voll- 
ziehe sich eine weitere Vermehrung durch Ausbildung einer Reihe 
von Kugelgenerationen. Die von KÖrPpEn als eine Art Sporen ge- 
deuteten Bildungen würden Anfangs noch von den Plasmaresten des 
mütterlichen Organismus umschlossen; später zerfalle der Körper 
des Mutterthieres, so dass die Bläschen sich nunmehr direkt in der 
Leibessubstanz der Sticholonche eingelagert finden. In einem Falle 
giebt KÖPPEN an, das Austreten eines amöboiden Körpers aus einer 
solchen Cyste gesehen zu haben. Beobachtungen über die weiteren 
Schicksale desselben wurden jedoch nicht gemacht. Bezüglich der 
Entstehungsweise der Bläschen giebt KöPren noch an, dass auch 
FoL im Inneren des Spiralkörpers die jugendlichen Stadien derselben 
gefunden, die bestehenden Beziehungen zu den frei in der Sticho- 
lonche sich findenden jedoch nicht erkannt habe. 

Ich muss hierzu bemerken, dass sowohl nach For’s wie auch 
nach meinen eigenen Beobachtungen die von KÖPPpEn vertretene Auf- 
fassung sich mit den bestehenden Thatsachen nicht recht in Einklang 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 1s1 


bringen lässt. Was zunächst den Ursprung der Bläschen betrifft, so 
kann ich Köppex’s Interpretation der Angaben For’s nicht beistimmen. 
For betont sogar ausdrücklich die scharfe Trennung, die zwischen 
beiden Arten von Einschlüssen bei Sticholonche besteht. Ich selbst 
habe auch nie ein Übergangsstadium, wie Körrpen es erwähnt, gesehen: 
einen Spiralkörper, der in seirem Inneren die in Rede stehenden 
Kügelehen enthalten hätte!. Vielmehr sieht man sowohl Bläschen- 
haufen wie Spiralkörper aus minimalen Anlagen selbständig sich 
entwickeln. Schließlich wäre auch noch anzuführen, dass ein der- 
artiger Fortpflanzungsmodus, wie KÖPPEN ihn für Amoebophrya an- 
nimmt, kein Analogon innerhalb der Gruppe der Suetorien besitzen 
würde. 

Meine Meinung betreffs der Bläschen geht dahin, dass man in 
denselben kleine parasitäre Organismen vor sich hat. Obgleich diese 
Möglichkeit auch von KÖPPEn zugestanden wird, so lassen doch 
seine Ausführungen keinen Zweifel darüber, dass er diese Annahme 
für die unwahrscheinlichere hält. Auch würde Körpen, entsprechend 
seiner Ansicht über die nahen Beziehungen zwischen Spiralkörper 
und Bläschen, diese als Parasiten des ersteren aufgefasst wissen 
wollen, während ich sie in ein direktes Verhältnis zu der Sticho- 
lonche vesp. Acanthometride bringen möchte. Für die Erscheinung, 
dass man meistens nur eine Form der beiden Arten von Einschlüssen 
bei demselben Wirthsthiere antrifft, giebt schon FoL eine ganz be- 
friedigende Erklärung, indem er annimmt, dass das Vorhandensein 
einer der beiden Bildungen die Entwicklung der anderen bei dem 
infieirten Thiere verhindert. 


Bonn, im Mai 1897. 


Nachschrift. 


Nachdem ich die Untersuchungen, über deren Resultate ich im 
Vorstehenden berichtet habe, bereits abgeschlossen hatte, unterwarf 
ich die Präparate einer nochmaligen Durchsicht. Die Mühe war bei 
der großen Zahl der Schnittserien und der geringen Größe des Ob- 
Jekts keine kleine, doch wurde sie belohnt durch die Auffindung 
einiger weniger (drei) einkernigen Individuen der Amoebophrya sticho- 
lonchae, die, bisher meiner Beachtung entgangen waren. Wenn ich 


1 $. Citat auf p. 149. 


182 A. Borgert, 


mich auch einerseits freue, dadurch bezüglich der Kernverhältnisse 
des Parasiten in einen weniger schroffen Gegensatz zu KöPPEN’s An- 
gaben zu treten, so kann ich doch auf der anderen Seite meine 
Bedenken, ob KöPpen wirklich einkernige Individuen vor sich gehabt 
hat, nicht unterdrücken. Denn, wollte man annehmen, dass KöÖPPEN 
richtig beobachtet hat, so müsste man schon von der unwahrschein- 
lichen Voraussetzung ausgehen, dass gelegentlich das Verhältnis zwi- 
schen einkernigen und mehrkernigen Individuen geradezu ein um- 
gekehrtes ist, als ich es bei meinen Untersuchungen in Neapel an- 
getroffen. Im Vergleich mit den vielkernigen stellten hier die ein- 
kernigen Exemplare Seltenheiten dar. Ich verzichte darauf, aus den 
mehr oder minder unsicheren einschlägigen Angaben der früheren 
Autoren (s. p. 147 u. 148) eine Bestätigung für meine Ansicht herleiten 
zu wollen; dagegen möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der 
mir hier Erwähnung zu verdienen scheint, dass ich nämlich in keinem 
Falle einen ausgeschlüpften Parasiten gesehen habe, der nur einen 
einzigen großen Kern besessen hätte. Für einen solchen Organismus 
wäre eine Fortpflanzung durch simultanen Zerfall in mehrere Theil- 
stücke, wie ich sie für Amoebophrya sticholonchae oben wahrscheinlich 
zu machen suchte, undenkbar, da nur eines der Theilstücke mit 
einem Kerne ausgestattet, die übrigen dagegen kernlos sein würden. 
Ferner muss ich bemerken, dass bei keinem der drei von mir beob- 
achteten einkernigen Individuen der Kern irgend welche Anzeichen 
der Theilung, wie KÖPpEn sie bei der Embryobildung beobachtet 
haben will, erkennen ließ. 

Das Vorkommen einkerniger Individuen neben vielkernigen ist 
desswegen besonders bemerkenswerth, weil es sich bei ersteren nicht 
etwa um kleine, noch jugendliche Thiere handelt, vielmehr waren 
die kleinsten Exemplare, welche ich beobachtete, sämmtlich mit 
mehreren Kernen versehen (s. Fig. 12 u. 13). Meine drei einkernigen 
Amoebophryen sind Thiere von mittlerer Größe. Die Körperform ist 
im Großen und Ganzen die gleiche wie bei den vielkernigen Indi- 
viduen, doch ist der innere Theil voluminöser entwickelt und besitzt 
statt der konischen Gestalt eine mehr kugelige Form. In Folge davon 
ist auch der Zwischenraum, der die kompakte innere Körperpartie 
von der dünnen umhüllenden trennt, wesentlich kleiner als sonst. 
Endlich ist noch zu erwähnen, dass die Furchen, resp. die zwischen 
ihnen gelegenen Vorwölbungen, nicht so deutlich wie bei den viel- 
kernigen Individuen hervortreten. Der große, länglich runde Kern 
liest im Mittelpunkt des Thieres. Sein größter Durchmesser wurde 


Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 183 


auf S—10 u festgestellt. Er besitzt eine deutlich erkennbare Mem- 
bran. Die chromatische Substanz bildet ein grobes Maschenwerk, 
dessen Zwischenräume mit Kernsaft erfüllt sind (s. Fig. 34). 

Über die weiteren Schicksale der einkernigen Individuen kann 
ich keinerlei Angaben machen. Dass dieselben eben so wie die viel- 
kernigen als bewimperte Körper das Wirthsthier verlassen, glaube 
ich aus verschiedenen Gründen nicht annehmen zu sollen. 

Da nach Lage der Dinge Manches unaufgeklärt bleiben musste, 
in mehrfacher Beziehung jedoch eigenartige Verhältnisse vorliegen, 
so wäre zu wünschen, dass erneute Untersuchung bald weitere Auf- 
klärung über die behandelten interessanten Thierformen brächte. 


Litteraturverzeichnis, 


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Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche etc. vork. Parasiten. 185 


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37. T. Sr. WRIGHT, Observations on British Protozoa and Zoophytes. Ann. mag. 
nat. hist. 3. Series. Vol. VIII. 1861. p. 120—135. Taf. III—V. 


Erklärung der Abbildungen. 


Mit Ausnahme der Totalabbildungen Fig. 1—7, 27 und 28, bei deren Her- 
stellung SEIBERT’'sche Systeme {achromat. Obj. III, periscop. Ocul. 2) zur An- 
wendung gelangten, wurden sämmtliche Figuren mittels Zeıss’scher Apochromate 
hergestellt. Die verschiedenen Vergrößerungen, die sich bei den einzelnen 
Figuren angegeben finden, wurden durch folgende Kombinationen erzielt: 

Apochr. Obj. 4,0 mm, Compens. Ocul. 4, Tubuslänge 175 mm, Vergr. 400fach. 

» » 4, 0 >» » >» 6, » 175 > >» 600fach. 
» ».20 > » 2 6, » 160 >» » 1000fach. 

Alle Abbildungen wurden mit Hilfe des Aspe’schen Zeichenapparates ent- 

worfen. 


Tafel VIII. 


Fig. 1. Sticholonche zanclea wit Spiralkörper (Amoebophrya sticholonchae). 
Gefärbtes Balsampräparat. Vergr. 260fach. 

Fig. 2. Voll entwickelter Spiralkörper nach seinem Ausschlüpfen aus der 
Sticholonche. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 3. Vorderes Körperende eines anderen Exemplares. Kerne bedeu- 
tend kleiner und zahlreicher als in voriger Figur. Gef. Balsampräp. Vergr. 
260fach. 

Fig. 4 Ein anderes Individuum, bei welchem die Hohlräume im Inneren 
des Thieres wiedergegeben sind. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 5. Ein Spiralkörper, in dessen Inneren man die von ihm entführte 
bohnenförmige Kapsel der Strcholonche erblickt. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 6. Ein Exemplar des Spiralkörpers aus Sticholonche, welches vor Be- 
endigung der Umstülpung frei wurde. Gef. Balsampräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 7. Ein besonders kleines Thier. Ungef. Glycerinpräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 8. Vorderstes Körperende des in Fig. 2 abgebildeten Parasiten im 
eG Längsschnitt; stärker vergrößert. Versr. 600fach. 

Fig. 9. Medianer Längsschnitt durch den unausgeschlüpften Spiralkörper 
einer Sticholonche. Die untere Hälfte der Figur zeigt das Wirthsthier im Schnitt. 
Die Kapsel der Sticholonche ist unter einem spitzen Winkel getroffen. Färbg.: 
Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 10.. Ein Theil desselben Schnittes stärker vergrößert. Auf den Wül- 
sten des inneren kegelförmigen Körperabschnittes sieht man feine Kanäle aus- 
münden. Vergr. 600fach. 

Fig. 11. Theil eines Querschnittes durch die äußere Körperpartie eines 
unausgeschlüpften Parasiten. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 12 u. 13. Zwei jugendliche unausgeschlüpfte Spiralkörper im Längs- 
schnitt. Fig. 12, isolirtes Exemplar; Fig. 13, ein anderes innerhalb des Wirths- 
 thieres. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 14. Schnitt durch eine Sticholonche mit jungem, aus relativ wenigen 


großen Kernen bestehenden Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 
400fach. 


186 A. Borgert, Beitr. zur Kenntn. des in Sticholonche ete. vork. Parasiten. 


Fig. 14a. Drei einzelne Kerne stärker vergrößert, Färbg: Eisenhämatox. 
u. Eos. Vergr. 1000fach. 

Fig. 15. Einige (etwas kleinere) Kerne aus einem anderen Kernhaufen. 
Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 15a. Mehrere derartige Kerne stärker vergrößert. Färbg.: Eisen- 
hämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. 

Fig. 16. Einzelner Kern aus einem anderen Kernhaufen. Das Chroma- 
tin zeigt fadenförmige Anordnung. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 
1000fach. 

Fig. 16a. Ein Stück des Fadens stärker vergrößert. 

Fig. 17. Schnitt durch einen anderen Kernhaufen. Die Kerne besitzen 
einen vollkommen abweichenden Bau. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 
400fach. 

Fig. 17a. Eine Anzahl derartiger Kerne stärker vergrößert. Vergr. 
1000fach. 

Fig. 175. Zwei spindelähnliche Gebilde aus den vorigen Kernen, unter 
rechtem Winkel zur Längsachse gesehen. Vergr. etwas mehr als 1000fach. 

Fig. 18. Kleinere Kerne von dem gleichen Bau wie die in Fig. 17 dar- 
gestellten. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. 

Fig. 19a—f. Verschiedene Theilungsstadien derartiger Kerne. Färbg.: 
Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 1000fach. 

Fig. 20. Schnitt durch einen jüngeren Kernhaufen. Einzelne der Kerne 
sind in Durchschnürung begriffen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 21. Schnitt durch ein jugendliches Entwicklungsstadium eines Kern- 
haufens. Färbg.: Eisenhämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 22. Schnitt durch eine Stzcholonche mit einem aus unzähligen kleinen 
Kernen bestehenden Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 23. Schnitt durch eine Stecholonche mit in Auflösung begriffenem 
Kernhaufen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 24 u. 25. Zwei Schnitte durch spätere Entwicklungsstadien. Die 
Auflockerung hat ihr Ende erreicht. An Stelle der Kerne finden sich Bläs- 
chen mit Kernen. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 260 —g. Verschiedene Stadien des Kernes von Sticholonche. Färbg.: 
theils Eisenhämatox., theils Hämatox. u. Eos. Vergr. 1006fach. 

Fig. 27. Acanthostaurus eruciatus mit Spiralkörper. (Amoebophrya acantho- 
metrae), zum Theil nach einem lebenden Exemplare, zum Theil nach einem ge- 
färbten Balsampräparat. Vergr. 260fach. 

Fig. 28. Ausgeschlüpfter Parasit, stark gequetscht. Im Inneren des Thie- 
res erblickt man die Kernsubstanz des Wirthes als unregelmäßig geformte 
Masse. Ungef. Glycerinpräp. Vergr. 260fach. 

Fig. 29. Vorderstes Körperende desselben Exemplares im optischen Längs- 
schnitt; stärker vergrößert. Vergr. 600fach. 

Fig. 30 u. 31. Längsschnitte durch zwei ältere unausgeschlüpfte Spiral- 
körper. Die Lücken zwischen dem Parasiten und dem Kerne des Wirthsthieres 
sind durch Schrumpfungen bei der Behandlung entstanden. Färbg.:. Hämatox. 
u. Eos. Vergr. 400fach. 

Fig. 32 u. 33. Zwei jüngere unausgeschlüpfte Individuen mit dem Kerne 
des Wirthsthieres im Längsschnitt. Färbg.: Hämatox. u. Eos. Vergr. 400fach. 


Zur Nachsehrift. 


Fig. 34. Zwei Kerne aus einkernigen Individuen des Parasiten der 
Sticholonche zanclea (Amoebophrya sticholonchae), Schnitte. Färbg.: Eisenhämatox. 
Vergr. 1000fach. 


Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 
Von 


S. Prowazek, 
stud. phil. (Wien). 


Mit Tafel IX. 


Die Methode in das Plasma lebender Protozoen zum Zwecke 
besonderer Studien Farbstoffe einzuführen, wandte schon GLEICHEN 
(1777, 81), in der Folgezeit EHRENBERG (1830) an, indem sie die 
Thiere ihrer mannigfachen Infusionen mit Karmin und Indigo fütter- 
ten; später bedienten sich dieser Art und Weise der Untersuchung 
in mehr oder weniger modifieirter Form viele Forscher. In der 
neueren Zeit stellte BRanpr! Versuche mit Tinktionen von gelösten 
Farbstoffen, wie Hämatoxylin und Bismarckbraun, an und erzielte 
mit dem ersteren Mittel, besonders bei Amöben und Heliozoen, blass- 
violette Kernfärbungen und konnte derart feststellen, dass das 
Nuclein nicht auf die Kerne allein beschränkt ist, sondern meist 
noch in Form von kleineren und größeren Körnern vorkommt; mit 
Bismarckbraun färbten sich bei lebenden Protozoen nur die Fett- 
körnehen sowie die eigenthümliche celluloseartige Schleimsubstanz 
braun; CERTES? gelang es, die Fettkörnchen bei Protozoen mit Cya- 
nine und Bleu de Quinoleine zu tingiren; auch MARIAN PRZESMYCKT? 
versuchte Methylenblaufärbungen an Infusorien während des Lebens 
und fixirte sie sodann zum Zwecke der Untersuchung entweder mit 
gesättigter Sublimatlösung oder behandelte sie nach zwei besonderen 
Methoden von ALTMANN; auf diese Weise konnte er Körnchen und 


! BRANDT, Biologisches Centralblatt. Bd. I. 1881—1882. p. 203. 
2 CERTES, Comptes rend. Ac. sc. Paris. T. XCII: No. 8. Zool. Anz. 1881. 
Nr. 81 u. 84. 
3 MARIAN PRZESMYcKI, Biolog. Centralbl. Bd. XIV. 1894. p. 621. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 13 


188 S. Prowazek, 


Zellgranulationen, die entweder in den Vacuolen auftraten oder ihren 
Sitz im Entoplasma hatten, feststellen. 

In den nachfolgenden Zeilen sollen die Resultate der Vitalfär- 
bung, die mit Neutralroth an Protozoen vorgenommen wurde, mit- 
getheilt werden. 

Zur Untersuchung wurden hauptsächlich Paramaecien (P. bursaria 
und aurelia' herangezogen, die direkt auf dem Objektträger unter 
dem Deckglase mit Wachsfüßchen gezüchtet wurden!. Der Farbstoff, 
der intensiv und rasch wirkt, schädigt die Thiere scheinbar nicht, 
da sie in wässerigen Lösungen desselben doch Theilungen eingingen 
und dabei keine abnormen Erscheinungen zeigten. Das Neutralroth 
ist selbst bei den größten Verdünnungen wirksam, und seine Färbe- 
kraft geht sogar so weit, dass die Instrumente, mit denen man eben 
arbeitete, durch längere Zeit gleichsam mit ihm »infieirt< erscheinen. 

Setzt man zu einer derartigen Objektträgerkultur von Paramae- 
cium einen kleinen Tropfen sehr schwacher Neutralrothlösung hinzu, 
so tritt nach kurzer Zeit am äußeren Rande der sich eben bilden- 
den Nahrungsvacuole des Paramaeciums eine schwach röthlich ge- 
färbte, zarte Zone auf, die aus sehr feinen Körnchen zu bestehen 
scheint. Nach einiger Zeit werden diese Körnchen immer deutlicher, 
bis sie bestimmte Umrisse und eine bestimmte Farbennuance erlangt 
haben; sie sind dann schwach lichtbrechend, doch kommen vielfach 
neben ihnen größere fettähnliche, lichtbrechende, runde dunkle Körn- 
chen vor, die bei hoher Einstellung des Mikroskops heller roth er- 
scheinen und den Farbstoff ziemlich stark speichern. Die sich ab- 
lösende Nahrungsvacuole führt diese Körnchen an ihrer Peripherie 
theilweise mit sich fort, theilweise werden aber viele durch die 
auftretenden Strömungen sowie durch die zwei- bis dreimalige Rota- 
tion der Nahrungsvacuole abgelöst und strömen längs des Bewegungs- 
schattens der früheren Vacuole gegen die sich von Neuem bildende 
Nahrungsvacuole zurück. 

Bekanntlich findet im Zellleib des Paramaecium sowie vieler 
Ciliaten eine Protoplasmaströmung statt, die, wie schon früher beob- 
achtet wurde (an Paramaecium bursaria von Focke 1836, an P. aurelia 
v. dems. 1842), auf der rechten Körperseite nach rückwärts verläuft, 
um auf der linken ihren Verlauf nach vorn zu nehmen; diese wird 


'‘ Die Ciliaten wurden zumeist mit Coccen aus faulenden Substanzen 
oder Heuinfusionen, die auf einem Agaragarnährboden gezüchtet wurden, in 
der Weise gefüttert, dass man mit einem häkchenförmig gekrümmten Drahte 
etwas von der Bakterienkultur zum Rande der Objektträgerinfusion hinzusetzte. 


Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 189 


nun im nicht unbedeutenden Maße durch die Bewegungen der Körn- 
chen gleichwie die Strömung in der Pflanzenzelle durch die Chloro- 
phylikörner verdeutlicht. Die Körnchen, die sich besonders am 
Grunde des Schlundes anhäufen, führen an manchen Stellen lebhafte 
Brown’sche Molekularbewegungen aus und scheinen sich manchmal 
zu nähern oder zu entfernen!. 

Da Neutralroth in alkalischen Rinsstekeiten sefällt wird, so 
könnte man leicht zu der Annahme kommen, dass die erwähten 
Körnehen nichts Anderes als gefällte Farbstofftheilchen sind; dies- 
bezüglich ist hervorzuheben, dass sie später immer vom Plasma aus 
gegen die sich bildenden Nahrungsvacuolen herantreten, in bestimm- 
ter Menge erscheinen, und sich eine längere Zeit im Körper des 
Infusors erhalten. Krankhaft aussehende Paramaecien färben sich 
nicht oder nur schwach diffus; auch verhielten sich bezüglich der 
Körnehenfärbung ausgehungerte Paramaecien, die wenig Nahrungs- 
ballen sowie »Exkret<-Körnchen enthielten, in verschiedener Weise 
als angefressene Individuen. 

Auf Grund der oben geschilderten Verhältnisse scheinen die 
Körnehen zur Verdauung und Assimilation in Beziehung zu stehen; 
nicht unberechtigt wäre vielleicht die Annahme, sie als Träger von 
»Fermenten« aufzufassen. 

Da in Folge der Färbung die Peripherie der Nahrunesvacnole 
wegen der Körnchenansammlung sich deutlicher vom Entoplasma 
abhob, war man im Stande die Ablösung der Nahrungsvacuolen 
leichter zu beobachten. Der Vorgang hat im Allgemeinen, wie auch 
BüTscHLı erwähnt, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, wenn ein 
Flüssigkeitstropfen aus einem sich verjüngenden Röhrchen sich in 


i Diese sowie verwandte Erscheinungen könnte man sich in folgender 
Weise erklären: 1) Die Körnehen werden durch die Zufälligkeiten der aktiven 
Bewegungen des Inhaltes hervorgerufen; oder 2) die Körnchen ruhen oder be- 
wegen sich langsamer (oder umgekehrt) als der Strom, der sie von der Seite 
trifft, und es entsteht so um diese ein Wirbelsystem, die zwischen ihnen gegen 
die Symmetrieebene befindlichen Theilchen verharren mehr in der Ruhe und 
werden einander genähert, wodurch eben wieder nach Ablauf der Welle ein 
Schein einer »Abstoßung« hervorgerufen wird. Dieser Punkt gilt wohl in 
unserem Fall. 3) Sind die Körnehen elastisch liquid, so treten je nach der 
Druckverschiedenheit an ihnen Pulsationen auf, die entgegengesetzt oder gleich- 
gerichtet die erwähnten »Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen« bewir- 
ken. 4) Das scheinbare Nacheilen, Anziehen und Abstoßen geschieht wohl 
in der Weise, dass das erste Körnchen dem zweiten einen Druckschutz gegen 
den Strom bietet, gegen dieses gedrückt, ihm die halbe Bewegungsenergie mit- 
theilt, es derart »abstößt« ete. 


13* 


190 S. Prowazek, 


eine zähflüssige Substanz ablöst. Das Wasser, in dem Bakterien 
und andere Protophyten stets in Menge fortgeführt werden, gelangt 
bei der ziemlich lebhaften Bewegung der undulirenden Membran an 
der Dorsalseite des Schlundes gegen das das Schlundende begren- 
zende Entoplasma, mit dem es aber keine Mischung eingeht und 
sich der Art unter dem Druck des immer nachströmenden Wassers 
am Schlundende zu einem Tropfen formt, der alsdann langsam bis 
zu einer bestimmten Größe heranwächst; in diesem werden die 
Nahrungstheilchen, falls sie klein sind, von den innen entstehenden 
Strömungen herumgewirbelt. Auch größere Theile, wie Spirillen, 
Algenfragmente ete. sind stets von dem Tropfen, der in Folge dessen 
oft eine längliche Gestalt annehmen muss, ja manchmal auch in eine 
Spitze ausgezogen erscheint, umhüllt. Die Form der Vacuole wird 
der erwähnten Rotationsströmung des Plasmas angepasst und ist oft 
derart nach der einen Seite unten mehr ausgebuchtet, an welcher 
Stelle sich auch mehr Körnehen ansammeln. Ihre Größe (d —= ca. 
0,071 mm) ist unter normalen Verhältnissen fast immer gleich; be- 
merkenswerth ist es nur, dass die mit Wasser gefüllte Nahrungs- 
vacuole ungefähr dasselbe Wasservolumen wie eine der kontraktilen 
Vacuolen (Größe d = ca. 0,09 mm) fasst; da aber zwei kontraktile 
Vacuolen vorhanden sind, und diese sich unter den gegebenen Ver- 
hältnissen bei einer Temperatur von 16° C. in ungefähr 25 Sek. ent- 
leerten, während die einzige Nahrungsvacuole ungefähr in 120— 
125 Sek. sich ablöste — wobei noch der Umstand in Erwägung zu 
ziehen ist, dass sie nicht in ihrer Gänze Wasser, sondern auch 
Nahrungspartikeln enthält — so findet wohl auch durch die Um- 
srenzung der Nahrungsvacuole unter dem Wasserdruck oder sonst 
wie ein Diffusionsvorgang statt; zu einer. derartigen oder analogen 
Annahme müsste man wohl auch seine Zuflucht nehmen, sobald die 
Paramaeecien ungünstigen Einflüssen ausgesetzt, keine eigentlichen 
Nahrungsvaeuolen bilden, trotzdem aber in dieser Zeit die kontrak- 
tilen Vacuolen entleeren. In dem Moment der Ablösung kontrahirt 
sich auf Grund eines Reizes entweder in Folge der allgemeinen 
Eigenschaft der Plasmakontraktilität oder besonderer Vorrichtungen 
das Schlundende, was man oft aus dessen Gestalt, da schon wieder 
neues Wasser nachströmt, entnehmen kann, und die Nahrungsvacuole 
bewegt sich, da auf diese Weise der Zusammenhang mit der Außen- 
welt unterbrochen wurde und sie durch die Kontraktion — sie ist 
unten dann meist gleichsam zugeschärft — sowie die Kraft des 
nachdrängenden Wassers einen Stoß erhielt, nach oben. Die Ab- 


Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 191 


lösung der Nahrungsvacuole unterstützt auch die Rotationsströmung 
im Entoplasma, für die, sobald die Nahrungsvacuole ihre definitive 
Größe erlangt hatte, von unten her eine genügende Angriffsfläche 
seboten war. Die abgelöste Nahrungsvacuole bewegt sich unter 
Rotationen gegen das Körperende, welche Bewegungen sich aus dem 
excentrischen Stoß ergeben, der einerseits aus der Kraft des nach- 
strömenden Wassers und der der Kontraktion, sowie andererseits der 
erwähnten Plasmaströmung resultirt. Durch diese Bewegung drückt 
die neue Vacuole die vor ihr abgelöste Nahrungsvacuole tiefer in 
den Strom herab, während sie selbst einen geringen Rückstoß von 
dem Plasma empfing, das sie auf ihrer Bahn vor sich hertrieb, und 
das an der rascheren äußeren Rotationszone des Entoplasmas sowie 
dem inneren Theile des »Ektoplasmas« abprallte. 

Die Ablösung der Nahrungsvacuole kann nicht allein den ento- 
plasmatischen Strom, wie STEIN meinte, erzeugen, weil dieser theil- 
weise schon bei der Ablösung eine Rolle spielt, sowie von der 
bewegten Vacuole zuerst durchkreuzt wird; der Process mag in 
sekundärer Weise erst das Strömen erhöhen. Durch die weiteren 
Bewegungen der abgelösten Nahrungsvacuolen wird die Vertheilung 
der Nahrung durch den ganzen Körper befördert, ja es kann auch, 
sobald der Verdauungsvorgang weiter vorgeschritten und fast alles 
Wasser aus der Vacuole entfernt worden ist, die Zertheilung und 
Chymifieirung des Nahrungsrestes noch weiter vorgenommen und 
ausgenutzt werden. Die Nahrungsvacuole ist Anfangs groß, bei mit 
Neutralroth gefärbten Individuen schwach diffus gefärbt und mit 
einem Körnchenbesatz, der später verschwindet, versehen; sobald 
die Nahrungsvacuole mehr gegen die Mitte oder das Ende gelangt 
ist, vermindert sich schon ihr Wasserinhalt bis auf eine geringe 
Menge, während der Nahrungsinhalt sich ungefähr in der Mitte der 
Bahn dunkler färbte, bei welchem Vorgange die Thätigkeit des 
Großkernes irgendwie eine Rolle spielen dürfte. Der Verdauungs- 
process scheint zuerst im Centrum zu beginnen, da die äußere Partie 
des Nahrungsballens sich meist noch lange erhält, gegen die viel- 
leicht auch durch innere Strömungen und Diffusionen die unverdau- 
ten Theile gedrängt oder geführt werden. Während die Nahrungs- 
vacuole im Entoplasma umhergeführt wurde, bildeten sich in ihr, 
wie W. SCHEWIAKOFF beobachtete, aus phosphorsaurem Kalk die 
Exkretkörner. | / 

Nach einigen Stunden — oft aber auch schon früher — traten 
nach der Behandlung mit Neutralroth auf den beiden Enden sowie 


192 S. Prowazek, 


in ein bis drei Streifen um die Schlundregion, dunkelroth gefärbte 
hyaline Tröpfchen auf; Anfangs wäre man geneist sie als patho- 
logische Bildungen aufzufassen, doch dürften sie wegen ihres be- 
stimmten Vorkommens auf einen geringeren Zusammenhang in der 
feineren Molekularstruktur der äußeren Schichten des Ektoplasmas 
an jenen Stellen hindeuten, die vielleicht Orte besonderer Diffusions- 
vorgänge, an denen gewisse ergastische Gebilde als Ausscheidungen 
des Protoplasten zum Austritt gelangen, darstellen; bemerkenswerth 
ist die verschiedene Zeitdauer sowie Unregelmäßigkeit in der Ver- 
theilung der Körnchen. Hans WALLENGREN (Zoolog. Studien, Fest- 
schrift für W. LILLJEBORG, Upsala 1897, p. 63) machte mit sehr 
schwachen Lösungen von Bismarckbraun Versuche an Pleurocoptes 
Hydractiniae und fand gleichfalls 1 u große unregelmäßig angeord- 
nete Körner unter oder in der Pellicula, die in sich einen Central- 
körper bargen und nicht selten abgelöst von der lebhaften Cilien- 
bewegung weggeschleudert wurden; der genannte Forscher legt ihnen 
eine exkretorische Bedeutung bei und fasst sie als kleine Exkret- 
vacuolen mit einem central ruhenden Exkretkorn. 

Bei Monas vivipara kommen auch zahlreiche kleine »Körnchen«, 
die sich in großer Anzahl in der äußersten Schicht vorfinden, vor; 
bei Monas lens zeichnete seiner Zeit schon PErTY an der Oberfläche 
der Protozoen kleine (neun) Höcker, die er als Blastien auffasste; 
auch ich hatte einmal die Gelegenheit einen kleinen Flagellaten, der 
wahrscheinlich in den Entwicklungseyklus einer Amoeba radiata 
verwandten Form gehörte, zu beobachten, der mehrere hervorragende 
Tröpfehen an seiner Oberfläche besaß. Bei Pleuronema chrysalis 
erschienen nach der Vitalfärbung zumeist ähnliche, ungefähr in 
Reihen angeordnete tröpfehenförmige Körner; auch bei dem sonst 
diffus sich färbenden Prorodon konnten derartige dem Ektoplasma 
angehörende Bildungen beobachtet werden, gleichwie am Peristom 
von Epistylis, nur dass sie hier einer tieferen Schicht zukamen. 
Neben den genannten Protozoen wurde auch die Vitalfärbung mit 
Neutralroth an Trachelius ovum versucht, bei dem das Entoplasma 
diffus roth mit einer gelblichen Nuance und die Nahrungsballen dunkel- 
roth sich färbten, wobei der langgestreckte Kern deutlicher wurde. 
Bei Bursaria erschienen besonders die runden und die länglichen 
scharf kontourirten Körnchen, die hart an der Oberfläche des 
Körpers lagern, in dunkelrother Farbe. Bei den ciliatenfressenden 
Heterotrichen, wie z. B. Stentor coeruleus und polymorphus, wurde 
keine besondere Färbung, abgesehen von der des Kernes, wahrgenom- 


Vitaifärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 193 


men, höchstens dass sich weiter unverdaute Nahrungspartikel, neben 
diesen aber auch Körnchen roth färbten. Bestand aber die Nahrung 
aus einem unverdauten Stentor coeruleus, so färbte sich auch ohne 
Anwendung des Farbstoffes nach einiger Zeit der Inhalt der Nah- 
rungsvacuole, insbesondere aber die Peristomgegend des Nahrungs- 
thieres röthlich; bei der Anwendung von Kalilauge und der darauf 
folgenden Behandlung mit Säuren nahm gleichfalls von selbst das 
Pisment des Peristoms bei Stentor coeruleus eine röthliche Farbe 
an. An dem Stielmuskel von Carchesium polypinum färbten sich 
auch gewisse Körnchen, die schon GREEFF seiner Zeit in seine Zeich- 
nung von dem besagten Thier eintrug, und die in unregelmäßiger 
Folge in einer Längsreihe dem Muskel folgten, dunkelroth, bei höherer 
Einstellung erschienen sie heller, stark lichtbrechend. 

Das Plasma von Opalina ranarum tingirte sich schön rosig roth, 
wobei sich die Kerne etwas deutlicher abhoben. Schöne Färbungen 
der doppelten Körnchen erzielte man bei Actinosphaerium Eich., 
wodurch zugleich die Plasmabewegung verdeutlicht wurde, — oft trat 
aber nach der Anwendung des Farbstoffes der Tod des Organismus 
ein. Beim Absterben der Protozoen machte sich vielfach eine Ent- 
färbung bemerkbar, die man sich in der Weise erklären könnte, 
dass entweder die sich färbenden Substanzen heraustraten, oder 
weitgehenden chemischen Veränderungen unterlagen. — Bei den 
Metazoen färbten sich besonders Drüsenzellen, wie z. B. beim Vortex, 
Ophryotrocha puerilis, die Anhangsdrüsen der Rotiferen, sowie die 
obere Partie in den gekörnten Avicularien der Bugula avicularia und 
zwei Arten von Körnchen oder Tröpfehen in den »Zooecien« in einer 
hellrothen und dunkelrothen Nuance, besonders aber auch kleine 
Körnchen, die unregelmäßig in der Wandung des oben sich ver- 
ästelnden räthselhaften »hohlen Astes« eingelagert waren. Auch ge- 
wisse kleine Körnchen in den amöboiden Zellen in der Leibeshöhle 
nahmen einen gelblich rothen Farbenton an, welche Erscheinung 
mit gewissen alkalischen Reaktionen in Zusammenhang zu bringen 
wäre. 

Die Vitalfärbung mit Neutralroth bringt uns derart nicht bloß 
gewisse ergastische Strukturen des Protoplasten, sei es, dass sie 
Einschlüsse oder Ausscheidungen dieses sind, die vielfach mit der 
Verdauung und Assimilation im engen Zusammenhang stehen, zur 
Anschauung, sondern es wird auch auf diese Art und Weise die 
 mannigfache Plasmaströmung verdeutlicht, ferner mag sie aber auch, 
sofern sich das ganze Plasma verfärbt, dazu dienen, das Studium 


194 S. Prowazek, Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. 


bezüglich der Permeabilität der äußeren Schichten des lebenden 
Zellkörpers zu erleichtern; wie MARGHERITA TRAUBE-MENGARINTI fand, 
sollen die Infusorien mit Ausnahme der parasitisch lebenden von 
einer impermeablen Schicht umgeben sein, so dass allenfalls nur an 
der Schlundöffnung eine Osmose eintreten kann, es scheint aber doch 
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein, dass auch eine ander- 
weitige, allerdings nicht so bedeutende Osmose bei einigen Formen 
vor sich geht, da beispielsweise bei einem Prorodon in kurzer Zeit 
mit ziemlicher Intensität die Vitalfärbung eintrat, selbst wenn sich 
keine Nahrungsvacuolen bildeten, und so die eigentliche Diffusionen 
ermöglichende innere Schlundfläche eine kleinere Wirkungsfläche 
darbot. 

Zum Schlusse erlaube ich mir Herrn Professor Dr. BERTHOLD 
 HarTscHEk und Herrn Privatdocenten Dr. C. J. CorI, die mich bei 
dieser Arbeit mit wichtigen Rathschlägen unterstützten, meinen wärm- 
sten Dank auszusprechen. 


Wien, im Juni 1897. 


Erklärung der Abbildungen. 


Nv, Nahrungsvacuole; Cv, kontraktile Vacuole; Nd, Nahrungsballen; 
Nucl, Kern. 


Tafel IX. 


Fig. 1. Paramaecium aurelia, während des Lebens mit Neutralroth gefärbt, 
die Zahlen —9 bedeuten die Reihenfolge der Nahrungsvacuolen, wobei die 
mit 1 bezeichnete die älteste, die mit 9 die sich eben bildende ist. 

Fig. 2. Paramaecium aürelia, im Umriss mit hervortretenden »Exkret- 
perlen«. 

Fig. 3. Pleuronema chrysalis, mit »Exkretperlen«. 

Fig. 4 Trachelius ovum, mit diffus gefärbtem Plasma. 

Fig. 5. Ein Segmenttheil von Actinosphaerium Eich. mit roth gefärbten 
Plasmakörnchen. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte 
von Platygaster. 
Von 
Nic. Kulagin, 


Professor in Moskau. 


Mit Tafel X und XI. 


I. Die Bildung der Keimblätter. 


Die Lebensart von Platygaster instricator ist bis jetzt sehr wenig 
untersucht. Die in Bezug auf diese Frage existirenden Litteratur- 
angaben bestehen in Folgendem: 

Professor GAnın! fand Eier von Platygaster sp. in den Larven von 
Cecidomyia, die in den Rändern eingerollter Weidenblätter lebten; es 
fanden sich in einer Larve 12—15 Eier, für gewöhnlich aber weniger; 
die Eier wurden in verschiedenen Entwicklungsstadien angetroffen, 
und daher muss man sie, nach der Annahme von Professor GANIN, 
als nicht auf einmal, sondern als zu verschiedenen Zeiten gelegt be- 
trachten. Die Eier wurden in den Larven von Cecidomyia in den 
Lappen des Fettkörpers, im supraösophagealen Ganglion und im 
Magen angetroffen. Die weiteren Entwicklungsstadien der Eier, die 
embryonalen sowie die postembryonalen, fand GAnIn in den gleichen 
Larven von Cecidomyie. Aus einer Larve von Cecidomyia kam 
schließlich nur ein Exemplar von Platygaster hervor. Die Art des 
hervorgekommenen Platygaster hat GAanIn nicht bestimmt; er spricht 
aber die Vermuthung aus, dass in ein und dasselbe Individuum von 
Cecidomyra dreierlei Arten von Platygaster Eier ablegen, welche 
durch die Größe der Eier, sowie durch die Formen der aus ihnen 
hervorgehenden Larven sich von einander unterscheiden. 

Später fand A. K. SENGER?, eben so wie ich, Platygaster in den, 

! GAnm, diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. p. 381. 


? SENGER, Mitth. der k. Gesellsch. der Liebhaber von Naturwissenschaft, 
Anthropologie und Ethnographie. Bd. III. Lief. 2. p. 158. (Russisch.) 


196 Nie. Kulagin, 


in den Winkeln eingebogener Eichenblätter lebenden Larven von 
Cecidomyia. 

Nachher erhielt Professor RıLEY! Platygaster Herricki Pack., der 
aus den Larven der amerikanischen Cecidomyia destructor Say her- 
vorgegangen ist. Nach den Angaben von K. LINDEMAN findet sich 
in Russland in den Larven der gleichen Fliege Platygaster minutus 
Lind. bis zu elf Exemplaren in einer Larve, und Platygaster sp. 
Außerdem erhielt Linpeman? noch Platygaster sp. aus den Larven 
von Lasioptera cerealis. Schließlich beschreibt Professor PACKARD 
Platygaster lecanıı Fitsch. als in Lecanıum querecitronis Fitsch. parasi- 
tirend °. 

Nach meinen Beobachtungen legt Platygaster instricator seine 
Eier in die Larven von Cecidomyia, die in den eingewickelten Rär- 
dern der Eichenblätter leben. Die Larven von Cecidomyia erscheinen 
in den Umgebungen von Moskau bei frühem warmen Frühling 
Anfangs Mai, bei spätem und kaltem Frühling am Ende dieses 
Monats. Sie zerfressen gewöhnlich die obere Haut an den Rär- 
dern der Eichenblätter auf; in Folge dessen biegt sich der untere 
Rand des Blattes auf die obere Fläche um, und dieser Theil des 
Blattes nimmt eine weißliche Färbung an. In einer solehen Ein- 
biegung des Blattes verbleibt eine, manchmal auch zwei Larven von 
Cecidomyia bis zu dem Zeitpunkte, wo die ganze Epidermis des 
Blattes aufgefressen ist; nachher kriechen sie auf den benachbarten 
Blattrand, wo das Gleiche erfolgt. Die Ernährung der Larven und 
ihr Ortswechsel geschieht in der Nacht. Bis zur Verpuppung er- 
leiden die Larven vier Häutungen. Die Zeit des Verpuppens wie 
die Zeit des Erscheinens der Larven ist vom Wetter abhängig und 
erfolgt am Ende Mai oder im Juni. 

Ich fand Puppen von Cecidomyia in der Erde in der Nähe jener 
Eichen, wo die Larven lebten; solche Puppen fanden sich aber auch 
in den Falten des Blattes — dem Aufenthaltsort der Larven. Larven, 
die in Gefangenschaft auf Eichenzweigen, die unter einer Glasglocke 
in Wasser gestellt wurden, erzogen wurden, verpuppten sich immer 
in den Blattfalten. 


! RıLey, On the parasites of the Hessian Fly. in: Proc. U. S. Nat. Museum. 
Vol. VIII. No. 27. 1885. p. 413. 

2 LINDEMAN, Bullet. de la Soc. Imp. des Natur. de Moscou 1870. No. +. 
p. 388 u. No-21.21887.29. 118192. 

3 U. S. Departement of agriculture. Fifth Report of the United States 
Entomological commission 1890. p. 98. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 197 


Am Ende Juni oder im Juli erscheint die zweite Generation 
Cecidomyia, deren Larven eben so wie die der Frühlingsgeneration 
in den Falten der Eichenblätter leben; die Verpuppung geschieht 
hierbei ausschließlich in der Erde. Die Puppen der Herbstgeneration 
überwintern unter den abgefallenen Blättern in der Erde in einer 
Tiefe von '/, Meter. 

Das Legen der Eier von Platygaster habe ich nicht beobachtet. 
In den von mir untersuchten Larven fanden sich schon gelegte Eier. 
Die Larven von Cecidomyia, in die von Platygaster Eier gelegt 
waren, hatten am Körper schmutzige Flecken an jenen Stellen, wo 
vom Platygaster ein Stich ausgeführt worden war. Auch konnte man 
in den Blattfalten an den Stichstellen von Platygaster Öffnungen be- 
bemerken. Es ist Grund vorhanden anzunehmen, dass das Legen 
der Eier am Abend geschieht (nach 6 Uhr), denn nur zu dieser 
Tageszeit findet man auf den Eichenblättern erwachsene Exemplare 
von Platygaster. Platygaster legt seine Eier in Larven, die auf 
kleinen, am Waldsaume wachsenden Eichen leben. Die Blätter 
werden von Platygaster an der der Sonne zugewendeten Seite ge- 
troffen. Das Legen der Eier in die Larven geschieht nach ihrer 
zweiten Häutung, in der ersten Hälfte des Mai oder im Juni. Ich fand 
Eier von Platygaster in der Frühlings- sowie auch in der Herbst- 
generation. Es fanden sich dann zweierlei Eier: längliche im Fett- 
‘körper der Larve in der Nähe der Wandungen des Darmkanals an 
der Grenze zwischen Kropf und Magen (Fig. 1), die anderen — 
runde im Kropf und im Magen. Es fanden sich auch Individuen 
von Cecidomyia, die Eier sowohl im Fettkörper wie im Darmkanal 
hatten. Die einen wie die anderen Eier besaßen im Gegensatz zu 
den von Professer GAnIn gefundenen keine Stielchen. Eier fand ich 
im Herbst 1890 und 1891 außer in Cecidomyva auch im Darmkanal 
der Larven von Dryophanta similis. Die Anzahl der Eier in einem 
Individuum schwankte von einem bis fünf (Fig. 2). 

Die Larven, die aus den in den Darmkanal gelegten Eiern her- 
vorgehen, leben vor der Verpuppung im Fettkörper von Cecidomyia. 
Die Verpuppung von Platygaster geschieht gleichzeitig mit der 
Verpuppung von Cecidomyia. Dabei verwandelt sich Cecidomyia in 
eine Puppe, wenn in sie nur ein Ei von Platygaster gelegt wurde, 
stirbt aber im Larvenzustande ab, wenn einige Eier in sie gelegt 
wurden. 

Die Puppen von Platygaster sind von mir gefunden worden 
sowohl in Cecidomyien, die sich in den Falten von Eichenblättern 


198 Nie. Kulagin, 


verpuppten, wie auch in solchen, die sich in der Erde verpuppten. 
Im Winter trifft man die Puppen von Platygaster im Inneren von 
Cecidomyia-Puppen. Aus einer Cecidomyia-Puppe gehen nicht mehr 
als zwei erwachsene Platygaster hervor. 

Die Gattung Platygaster erscheint nach meinen Beobachtungen 
als ein Parasit, der nicht nur in Larven von Dipteren und Hemipte- 
ren, sondern auch in Larven von Hymenopteren lebt, folglich ist die 
Gattung kein polyphager, wie früher angenommen wurde, sondern 
ein pantophager Parasit. 

Die ersten Stadien der. Furchung beobachtete ich an Eiern von 
. Platygaster, die in den Darmkanal von Cecidomyia gelegt waren. 
Ein soeben gelegtes Ei von Platygaster hat das Aussehen einer riesi- 
sen ovalen Zelle mit deutlich kennbarem Kern (Fig. 2c). Die Größe 
des Eies ist in der Längsrichtung 0,09 mm, in der Querrichtung 0,07 mm. 
Außen ist das Ei von einer sehr dünnen und zarten Membran um- 
kleidet (Fig. 3, 4 u. 5 ), deren Natur sich bei der geringen Größe 
des Objektes schwer feststellen lässt. 

Der Inhalt des Eies erscheint wie aus einer gleichmäßigen hellen, 
körnigen plasmatischen Masse bestehend (Fig. 2 u. 5 d). Dotter- 
kügelchen, die für die Eier anderer Insekten charakteristisch sind, 
fehlen in diesem Falle ganz. Im Centrum des Eies liegt ein sich mehr 
oder weniger stark färbender Kern, in ihm sind kleine Körnchen 
bemerkbar (Fig. 2 ec). Bei seinem Aufenthalt im Darmkanale des 
Wirthes macht das Ei amöbenartige Bewegungen. Bei der weiteren 
Entwicklung bemerkt man im Ei eine fast bis zur doppelten Größe 
reichende Zunahme seines Inhaltes; dabei zerfällt sein vorher gleich- 
mäßiger plasmatischer Inhalt in zwei Schichten: in eine äußere, der 
Membran des Eies anliegende, die mehr oder weniger dicht und 
körnig ist (Fig. 3 d’), und eine innere helle und flüssige, die den 
Kern des Eies umgiebt. Gleichzeitig mit der Bildung der hellen, 
den Kern umgebenden Schicht erfolgt aueh eine Vergrößerung des 
Inhaltes des Kernes, wobei dieser eine mehr oder weniger ovale Form 
annimmt und in ihm Uhromatinfäden bemerkbar werden. In späte- 
ren Entwicklungsstadien sah ich an der Stelle, wo früher ein Kern 
war, zwei etwas kleinere, die offenbar auf dem Wege der Theilung 
des ersten großen Kernes (Fig. 2 c,, c,r) entstanden waren. Die nun 
entstandenen Kerne haben bei der Färbung mit Karmin eine rund- 
liche Form und mehr oder minder scharfe Begrenzung. Anfangs 
liegen zwei Kerne neben einander (Fig. 2 c,, cz), nachher rücken 
sie an die Peripherie des Eies (Fig. 4 cr, cr). Ferner fand ich Ent- . 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 199 


wieklungsstadien der Eier, wo anstatt zwei Kernen 4, 8 etc. vor- 
handen waren (Fig. 5 c, c, ern Cıır). Diese waren von der gleichen 
Form wie die ersten und lagen näher an der Peripherie des Eies. 
Dabei erscheinen auf einigen Präparaten die einen von diesen 
Kernen größer als die anderen, während auf anderen Präparaten 
alle Kerne von gleicher Größe sind; es scheint, dass dieses Ver- 
halten eine rein individuelle Bedeutung besitzt. In allen diesen 
Fällen habe ich niemals eine Vermehrung der Kerne auf endogenem 
Wege beobachtet, wie es GAnIn von der von ihm untersuchten Form 
von Platygaster beschreibt; vielmehr fand ich auf einigen Präparaten 
deutlich die Vermehrung der Kerne auf dem Wege der Theilung 
(Fig. 2 ec, cr, diese Abbildung zeigt den Kern, soeben nach der 
Theilung in zwei Theile). — Zu dieser Zeit verwischt sich der Unter- 
schied zwischen der äußeren dichten und der inneren hellen Plasma- 
schicht des Eies mehr oder weniger. 

Die weitere Entwicklung der von mir studirten Art. von Platy- 
gaster instricator, besteht nun zunächst darin, dass die Kerne sich 
in großer Zahl vermehren und die Peripherie des Eies erreichen. Was 
die Frage betrifft, ob man diese Produkte der Furchung für »innere 
Körperchen«, für Kerne, oder schließlich für echte Zellen halten soll, 
so scheint mir in dieser Hinsicht die Ansicht von Professor CHOLOD- 
KOwS&yY! der Wahrheit am nächsten zu kommen, wonach die Thei- 
lungsprodukte des Insekteneies ein Syneytium sind, das aus eben 
so vielen Zellen besteht, als in ihm Kerne enthalten sind. Die Eier 
von Platygaster, die keinen Dotter besitzen, stehen vor der Furchung 
dem Schema einer einfachen Zelle näher als die Eier irgend welcher 
anderer Insekten, ihre Furchung führt aber zu der Bildung eines 
Syneytiums, wie es bei anderen Insekteneiern auftritt; demnach sind 
die Produkte der Theilung auch hier Zellen. Indem sich nun diese 
Zellen an der Peripherie in bedeutendem Abstand von einander an- 
ordnen, bilden sie das Blastoderm des Embryos (Fig. 6 52). Dabei 
ist aber zu bemerken, dass in den Eiern, die ich in Dryophanta 
similis gefunden habe, die Zellen des Blastoderms sich nicht immer 
direkt an der Peripherie des Eies anordnen, sondern sie liegen hier 
auch manchmal in einiger Tiefe im plasmatischen Inhalt des Eies 
und sind außen von dieser Schicht umkleidet. Es ist möglich, dass 
diese Anordnung des Blastoderms davon abhängt, dass die in Dryo- 


! N. A. CHoLODKOWSKY, Entwicklung von Phyllodromia germanica. St. 
Petersburg 1891. p. 110. (Russisch.) 


200 Nie. Kulagin, 


phanta befindlichen Eier ein an Nährstoffen reicheres plasmatisches 
Material erhalten, als die Eier in den Larven von Cecidomyia, 
daher erscheint auch das Ei von Platygaster in den Larven von 
Dryophanta größer als in denjenigen von Cecidomyria. Eier mit sol- 
chem Blastoderm entwickeln sich eben so wie Eier mit normalem 
Blastoderm. Einen ähnlichen anormalen Fall bei der Bildung von 
einem Embryo im Nährdotter erwähnt GRABER von Zueihia und Callı- 
phora!. Bei der fortschreitenden Bildung des Blastoderms erreichen 
die Furchungszellen, wie eine Anzahl von Querschnitten zeigt, die 
Peripherie des Eies eher auf der Bauch- als auf der Rückenseite 
(Fig. 6 52, bl), und schneller in der Mitte des Körpers als an seinem 
vorderen oder hinteren Ende. | 
Zellen, die an die Peripherie des Eies zur Bildung von Blasto- 
derm gerückt sind, setzen ihre Theilung fort, worauf das Vorhanden- 
sein von karyokinetischen Figuren in den Kernen deutet, sowie die 
Thatsache, dass die so entstehenden Zellen kleiner sind als die 


Kerne der Blastodermzellen. Die Zellen des Blastoderms ordnen 


sich schließlich ringförmig an der ganzen Peripherie des Eies an. 
Sofort nach dem Anlegen des Blastoderms beginnt der Process der 
Bildung des Primitivstreifens, d. h. jener Provinz, wo die Sonderung 
der beiden Grundschichten des zukünftigen Insektes geschieht. Das 
Zusammenziehen der Zellen des Blastoderms zur Bildung des embryo-. 
nalen Streifehens, welches an einigen Insekten beobachtet wurde (z. B. 
von Professor TicHoMIROW an Bombyxz mor:) findet bei Platygaster 
nicht statt. In diesem Falle erscheint das Blastoderm zunächst als 
ein aus einer Schicht von Zellen bestehender geschlossener Ring; 
nachher erhalten an der Bauchfläche des Embryos die Zellen des 
Blastoderms eine mehr oder weniger eylindrische Form, sie rücken 
nah an einander und erleiden, wie die karyokinetischen Figuren in 
ihren Kernen zeigen, eine rege Theilung. Diese Stelle muss man 
als den Embryonalstreif von Platygaster ansehen. Die Bildung dieses 
Embryonalstreifens geschieht bei Platygaster eher in dem mittleren 
oder hinteren als auf dem vorderen Theile. Der Embryonalstreifen 
erscheint Anfangs als ein ganz schmaler Bezirk, wird nachher immer 
breiter, und nimmt schließlich die Hälfte des Kreisumfanges des 
Embryos ein. Als Resultat der Furchung der Zellen des embryonalen 
Streifens erscheint augenscheinlich auch die Thatsache, dass man 


! GRABER, Vergleichende Studien über d. Embryo d. Insekten. Denkschr. 
d. k. Akad. der Wissensch. Wien 1889. Bd. LVI. p. 259. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 201 


in ihm zwei (Fig. 8 dl, end), manchmal auch drei Schichten von 
Zellen unterscheiden kann, die über einander liegen (Fig. 7 bl, end, 
mes); der übrige Theil des Blastoderms besteht indessen aus un- 
regelmäßigen, weit von einander abstehenden und nicht scharf ab- 
segrenzten Zellen. 

Die Vermehrung der Zellen des embryonalen Streifens geht im 
mittleren Theil energischer vor sich als im vorderen oder hinteren. 
Die Fig. S stellt einen Querschnitt durch die Mitte des Embryos 
vor, und hier sehen wir schon die Sonderung aller drei Keimblätter 
(end, mes). Auf der Fig. 7, die den Querschnitt des Embryos näher 
zum vorderen Ende darstellt, sieht man nur den Anfang der Ento- 
dermbildung (end), und eine Zelle des Mesoderm (mes). Der embryonale 
Streifen bleibt hier während der ganzen Zeit flach oder schwach 
konvex. Eine der Primitivrinne anderer Insekten homologe Ver- 
tiefung ist bei Platygaster nicht vorhanden. Energischer vermehren 
sich die Zellen in der Mitte des embryonalen Streifens, weniger 
stark findet diese Vermehrung an seinen Rändern statt, daher erscheint 
im Querschnitt die innere, aus den Zellen des embryonalen Streifens 
hervorgegangene Schicht in der Mitte stärker als an den Rändern. 
Gleichzeitig mit der Theilung der Zellen des Blastoderms erfolgt 
auch ihre Einwanderung nach innen zur Bildung der inneren Schich- 
ten. Zellen, die sich von den Zellen der embryonalen Schicht ab- 
gesondert haben, rücken in das Innere des Eies und theilen sich 
hier. Übrigens sondern sich Zellen der inneren Schicht nicht nur 
von den Zellen des embryonalen Streifens, sondern einzelne Zellen 
des Blastoderms auf der Rückenfläche theilen sich ebenfalls und 
dienen zur Bildung der inneren Schicht. Schließlich bildet sich auf 
der ganzen Länge des Embryos eine innere Schicht, die an der 
Bauchfläche aus drei oder vier Zellschichten, und an der Rücken- 
Näche aus zwei Zellschiehten besteht. Folglich entsteht das Ento- 
derm und Mesoderm gleichzeitig auf dem Wege der Theilung der 
Zellen des Blastoderms und ihrer Einwanderung. Interessant ist das 
verschiedene Verhalten der peripherischen und inneren Zellen gegen- 
über der Färbung nach der Methode von E#HrricH-Bıoxpı. Die 
ersteren erhalten dabei eine rosa, die letzteren eine blaue Fär- 
bung. 

Gleichzeitig mit der Bildung des Blastoderms wandert ein Theil 
der Furchungszellen nach außen und ordnet sich um das Ei Anfangs 
mehr oder weniger unregelmäßig (Fig. 6, 7 u. 8 am), später aber in 
Form einer Haube. Die nach außen gewanderten Zellen bilden eine 


202 Nie. Kulagin, 


einschichtige, dem Amnion und der Serosa anderer Insekten analoge 
Membran des Embryos. Die Zellen der embryonalen Membran sind 
am Anfang ihrer Bildung nicht scharf von einander gesondert und 
bestehen aus einem köpnigen Plasma und ovalem Kern. Zwischen 
dem Blastoderm und der dasselbe umgebenden embryonalen Mem- 
bran bleibt ein Raum, der von einer körnigen Eiweißmasse er- 
füllt ist. 

Am nächsten der von mir studirten Form des Platygaster instri- 
cator steht Platygaster sp.?, der von Professor GAnIN studirt wurde. 

Zwischen den Angaben von GAnIn und den meinigen bestehen 
Unterschiede, die sich auf die Form des Eies, wie auf den Vorgang 
der Furchung und die Bildung des Keimstreifens beziehen. Die von 
(GANIN untersuchten Eier hatten ein Stämmchen, an den von mir 
beobachteten fehlte das Stämmcehen. Nach GAnIn wird mit dem 
Beginn der Furchung des Eikernes ein Theil desselben zur Bildung 
des Blastoderms des Embryos verwendet, aus dem anderen Theil geht 
die embryonale Membran, das Amnion, hervor, wobei der erste 
Theil sich auf endogenem Wege vermehrt. Nach meinen Beobach- 
tungen geht die Vermehrung des Eikernes auf dem gewöhnlichen 
Wege der Theilung vor sich, die embryonale Membran, das Amnion, 
entsteht aus den Furchungszellen gleichzeitig mit der Bildung des 
Blastoderms des Embryos. 

Dieser Unterschied zwischen meinen Angaben und denjenigen 
von GAnIN erklärt sich wohl dadurch, dass wir es mit verschiedenen 
Arten von Platygaster zu thun hatten. Darauf deuten die verschie- 
denen Fundstellen, an welchen von mir und Gaxn die Eier von 
Platygaster gefunden wurden, sowie die verschiedene Form dieser 
Eier. 

Außer der oben erwähnten Arbeit von Ganm ist über die Ent- 
wicklung von Platygaster eine kleine Notiz von mir in Form einer 
vorläufigen Mittheilung erschienen !'. In dieser Notiz wurde von mir 
die Vermuthung ausgesprochen, dass die Zellen, die nach GAnw die 
embryonale Membran, das Amnion, bilden, als gesonderte Eier von 
Platygaster angesehen werden könnten. 

Zur Begündung dieser Ansicht wies ich darauf hin, dass ich 
manchmal in einer Membran drei Eier im Furchungsstadium sah, 
und dass bis zum Furchungsstadium kein ausgeprägter Unterschied 


! N. KurAcın, Zur Entwicklungsgeschichte von Platygaster instrieator. 
Tageblatt der Zoolog. Abtheilung. Lief. 2. (Russisch.) 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 203 


zwischen jenen Zellen, die später den Furchungsprocess durchmachen 
und denjenigen, die GAnIN für den Anfangszustand von Amnion hält, 
besteht. Daraus zog ich die Schlussfolgerung, dass Platygaster seine 
Eier nicht einzeln, sondern in Kokon legt. Spätere Beobachtungen 
zeigten, dass ich es in diesem Falle mit einer verunstalteten anor- 
malen Form von Platygaster zu thun gehabt hatte, und zwar mit 
einer solehen, wo in ein Ei eines Individuums mehrere Eier von 
einem anderen Individuum gelegt waren, und wo diese Eier sich 
weiter entwickelten. Einen ähnlichen Fall beobachtete auch GANIN 
(Taf. XXX, Fig. 14). 

Es ist interessant die Befunde über die Furchung, sowie die 
Bildung der Schichten und der embryonalen Hülle bei Platygaster 
instricator mit den Angaben zu vergleichen, die in Bezug hierauf 
von anderen Insekten bekannt geworden sind. Am nächsten den 
von mir untersuchten Formen kommen selbstverständlich nach den 
Bedingungen ihrer Entwicklung die parasitischen Arten der Hymen- 
opteren. 

Aus der Familie Pieromalinae stehen der von mir untersuchten 
Form von Platygaster am nächsten die Arten der Gattung Teleas, 
die von METSCHNIKOFF! und AYyERs studirt wurden. METSCHNI- 
KOFF untersuchte diejenige Art der Gattung Teleas, die ihre Eier 
in die Eier von Gerris lacustris legt, welche an den Blättern der 
Wasserpflanze Polygonum amphibium sitzen, und AyErS? diejenige 
Art von Teleas, welche ihre Eier in die Eier von Oecanthus ni- 
veus legt. x 

Leider geben sowohl METSCHNIKOFF wie AYERS nur eine sehr 
kurze Beschreibung ihrer Beobachtungen; dennoch kann man dar- 
aus entnehmen, dass die Ähnlichkeit in der Entwicklung von Platy- 
gaster und Teleas in Folgendem besteht: 1) Die Eier der bezeich- 
neten Arten von Teleas besitzen wie die Eier von Platygaster keinen 
Dotter; 2) als Resultat der Furchung erscheint ein kugelförmiger 
Embryo, der aus peripherisch angeordneten Zellen besteht, folglich 
fehlen hier die sog. Dotterzellen; 3) die inneren Blätter entstehen 
durch Theilung der Blastodermzellen. Was die embryonalen Hüllen 
betrifft, so .beschreibt METSCHNIKOFF bei der von ihm untersuchten 
Art ein Amnion, das aus runden Zellen besteht, die über dem 


! E. METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Insekten. Diese Zeitschr. 
Bd. XVI. p. 479. 
? Ayers, On the develop. of Oecanthus niveus and its paras. Teleas. Mem. 
of the Bost. Soc. of nat. hist. Vol. III. 1884. p. 225. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 14 


204 Nie. Kulagin, 


Blastoderm des Embryos liegen und diesen auf seiner ganzen Ober- 
fläche umgeben. Bei der von Ayers untersuchten Art fehlen die 
embryonalen Hüllen gänzlich. Noch weniger Angaben finden sich 
über die Entwicklung von Pferomalına sp., welche ihre Eier in das Ei 
von Chrysomela fastuosa legt, über die Entwicklung von Polynema sp., 
die ihre Eier in die Eier von Agrion virgo legt, und über Ophioneu- 
rus, welcher in den Eiern von Pieris brassicae parasitirt. 

Eine vorläufige Mittheilung über die Entwieklungsgeschichte von 
Pteromalina sp. ist von Professor N. P. WAGNER gegeben!. Die Ent- 
wieklungsgeschichte von Polynema und Ophroneurus beobachtete Pro- 
fessor Ganin?. Die Eier der bezeichneten Formen enthalten im 
Gegensatz zum Ei von Platygaster eine geringe Anzahl von Dotter- 
körnchen. 

In Bezug auf die ersten Entwieklungsstadien von Pteromalına sp. 
weist Professor WAGNER darauf hin, dass das Blastoderm aus Fur- 
chungszellen entsteht, und dass sich nachher im Ei ein embryo- 
naler Streifen bildet; embryonale Hüllen fehlen. Professor GAnIn hat 
keine Bildung von Keimblättern bei Polynema und Ophioneurus beob- 
achtet, hat aber die Vermuthung ausgesprochen, dass deren Bildung 
hier in der gleichen Weise erfolgt, wie bei Platygaster, mit Aus- 
nahme des Fehlens der embryonalen Hülle, welche bei Platygaster 
vorhanden ist. Ferner beobachtete GAnIn, dass die Keime von 
Polynema und Opfhioneurus in den ersten Entwicklungsstadien 
aus einer kompakten Zellmasse bestehen, die keine Differenzirung 
zu Keimblättern zeigt. Die bezeichneten Entwicklungsstadien von 
Ophioneurus und Polynema haben große Ähnlichkeit mit den ersten 
Entwicklungsstadien des von mir untersuchten Mesochorus?; ein 
Unterschied besteht nur in einer größeren morphologischen Differen- 
zivrung der Elemente bei Mesochorus. Das kann übrigens daraus 
erklärt werden, dass die Entwicklung bei Ophroxzeurus und Polynema 
nicht auf dem Wege der Methode der Schnitte untersucht wurde, 
und dass daher die Einzelheiten dieser Vorgänge nicht beobachtet 
wurden. Daraus ergiebt sich die Möglichkeit, dass die Bildung der 
Keimblätter bei Polynema und Ophioneurus nicht in derselben Weise 
erfolgt wie bei Platygaster, sondern wie bei Mesochorus. 


! N. WAGNER, Arbeiten der ersten Versammlung der russischen Natur- 
forscher. 1868. p. 11. (Sektion Zoologie.) 

2 GANIN, 1. c. 

> N. Kurasıs, Mittheil. der k. Gesellsch. der Liebh. von Naturwissensch., 
Anthropol. und Ethnographie. Bd. LXXXV. 1894. (Russisch.) 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 205 


Schließlich steht nach den Beobachtungen von Bugnion' die 
Entwicklung von Zneyrtus fuscicollis ganz vereinzelt da. Die Em- 
bryonen dieser Art finden sich in den Larven von Hyponomeuta 
eognatella, und sind mehrere auf einmal in einem, außen von einer 
Cutieula umkleideten und innen aus Epithelialzellen bestehenden, 
Röhrchen eingeschlossen. Im Inneren des Röhrchens findet sich 
Nährmaterial für die Keime. Nach der Annahme des Verfassers 
entsteht das bezeichnete Röhrchen auf dem Wege der Verschmel- 
zung der embryonalen Hüllen von einzelnen Individuen. Leider 
kann man sich auf Grund der vom Verfasser gegebenen Zeichnungen 
mit dieser Erklärung nicht einverstanden erklären; diese Zeichnungen 
lassen eher die Vermuthung zu, dass das beschriebene Röhrchen 
nicht den Embryonen des Parasiten gehört, sondern dass es den 
jungen Fettkörper des Wirthes bildet. 

Eine Zusammenfassung aller dieser Angaben ergiebt Folgendes: 
1) Bei einigen Formen von parasitischen Hymenopteren besitzen die 
Eier keinen Dotter (Platygaster, Mesochorus, Teleas), bei anderen 
Formen besitzen die Eier nur unbedeutende Spuren vem Dotter 
(Polynema, Ophioneurus und Pteromalina sp... 2) Die Bildung der 
embryonalen Keimblätter kommt auf zweierlei Art zu Stande. Bei 
einer Anzahl von Arten (Platygaster, Teleas) erscheint als Resultat 
der Furchung das typische Stadium einer Blastula. Die Zellen der 
inneren Blätter bilden sich dann durch Delamination und Einwande- 
rung von den Zellen der Blastula, wobei ihre Bildung sich nicht 
auf diejenige Stelle beschränkt, wo der sogenannte Embryonal- 
streifen liegt, sondern sich auf alle Zellen des Blastoderms ausdehnt. 
Wir sehen also das, was METSCHNIKOFF? sehr richtig als die pri- 
märe Art der Bildung vielschichtiger Thiere aus einschichtigen be- 
schreibt. Dagegen lässt die Bildung der Keimblätter bei Mesocho- 
rus, vielleicht auch bei Polynema und Ophioneurus nur eine Deutung 
zu, dass nämlich das erste Entwicklungsstadium dieser Formen das 
typische Stadium einer Morula vorstellt. Später geht die Bildung 
der Keimblätter auf folgende Art vor sich: die äußere Schicht der 
Morula sondert sich als ein vielschichtiges Ektoderm des Embryos 
ab (eigentlich als Ektoderm und embryonale Hülle), die inneren 
Schichten als ein Mesoderm und Entoderm. Mit anderen Worten, 


_ 1 Bu@nıon, Recherches sur develop. postembryon., l’anatom. et les moeurs 
de !’Encyrtus fuscicollis. Recueil. Zoolog. Suisse. Tom V. No. 3. p. 453. 
2 METSCHNIKOFF, Embryologische Studien an Medusen. Wien 1886. p. 126. 


14* 


206 Nie. Kulagin, 


bei diesen Formen der parasitischen Hymenopteren erfolgt die Bil- 
dung der Keimblätter durch typische Delamination. Bei diesen und 
anderen Formen geht die Bildung der Keimblätter im mittleren 
Theile des Embryos schneller vor sich, als auf seinem vorderen 
und hinteren Pol. 3) Der embryonale Streifen kennzeichnet sich 
durch eine Reihe dicht stehender eylindrischer Zellen. Die Primi- 
tivrinne fehlt entweder ganz (Platygaster, Mesochorus), oder ist nur 
schwach ausgesprochen (Teleas, Pteromalina sp... 4) Die embryo- 
nalen Hüllen fehlen entweder ganz (Pieromalına sp., Polynema, Ophro- 
neurus), oder erscheinen in Form eines den Embryo von außen ganz 
umkleidenden Sackes. Sie entstehen aus den allerersten Furchungs- 
produkten auf dem Wege der Theilung (Platygaster nach GANIN) 
oder aus abgesonderten Zellen des Blastoderms, die an die Peri- 
pherie des Eies gerückt sind (Platygaster nach meinen Beobach- 
tungen), oder trennen sich in Form einer ganzen Schicht von den 
peripherischen Zellen (Mesochorus). 


Il. Die Entwicklung der äufseren Form des Embryos. 


Die Bildung des Ektoderms bei Platygaster geschieht, wie schon 
gesagt wurde, fast auf der ganzen Länge des Embryos gleichzeitig, 
nur auf der Abdominalseite und in der Körpermitte bildet es sich 
etwas früher als auf der Rückenseite und auf dem vorderen und 
hinteren Körperende. Nach der Bildung des Ektoderms ändert sich 
die ganze äußere Form des Embryos. Der Anfangs kugelförmige 
Embryo nimmt eine mehr oder weniger längliche Form an, wobei 
das vordere Ende rundoval, das hintere mehr oder weniger ver- 
jüngt erscheint. Dann wird der Embryo der ganzen Länge nach 
plattgedrückt. Das Ektoderm besteht zu dieser Zeit auf der ganzen 
Oberfläche des Embryos aus cylindrischen Zellen, die in zwei oder 
drei Reihen geordnet sind. Ferner erscheint auf der Abdominal- 
fläche des Embryos eine seichte Querfurche, die den Embryo in 
zwei Theile theilt, einen größeren und einen kleineren. Das Er- 
scheinen der Furche erklärt sich, wie unten gezeigt wird, durch die 
Vertheilung des Mesoderms auf die obengenannten Theile (Fig. 9 fr). - 

Die Stelle, wo die Furche liegt, entspricht der Grenze zwischen 
zwei Segmenten. Auf der Abdominalfläche gehen die Ektoderm- 
zellen des vorderen Theiles direkt auf den hinteren .über. Die 
Länge des Embryos ist zu dieser Zeit 0,381 mm. Ferner erfolgt 
wahrscheinlich in Folge des ungleichmäßigen Wachsthums des vor- 
deren und hinteren Theiles des Embryos ein Biegen des letzteren. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 207 


in der Art, dass sein hinterer Theil sich an derjenigen Stelle, wo 
die Furche erschien, an die Abdominalfläche allmählich anlegt und 
in der Riehtung zum vorderen Ende fortwächst. Mit der weiteren 
Entwicklung des Embryos wird der vordere Theil, Dank dem Unter- 
schiede im Wachsthum, viel größer als der hintere. Nachher er- 
scheinen auf dem vorderen Kopfabschnitt des Embryos an bestimm- 
ten Stellen Anhäufungen von hypodermischen Zellen, die kleiner 
sind als auf den anderen Kopftheilen. Diese Anhäufungen sind die 
Anfänge der zukünftigen Gliedmaßen der Larve. Sie treten in folgen- 
der Ordnung auf: Anfangs erscheinen ein Paar Anhänge seitlich am 
vorderen Ende des Kopfabschnittes, das sind die zukünftigen Fühler 
der Larve (Fig. 10 ant); gleichzeitig bilden sich zur Seite des Mun- 
des ein Paar Auswüchse, deren Basen weit aus einander gerückt 
sind. ° Diese Anhänge liefern, wie weitere Beobachtungen zeigen, 
die sogenannten Krallenfüße (Fig. 10 mx). In dem Maße, wie die 
Bildung der genannten Anhänge vor sich geht, bemerkt man eine 
mehr oder weniger scharfe Sonderung der Segmente im hinteren 
Theil des vorderen Abschnittes des Embryokörpers (in der Nähe 
jener Stelle, wo die Furche liegt, die den Körper des Embryos in 
zwei Theile theilt). Es erscheinen drei solcher Segmente. Nach der 
Bildung der bezeichneten Segmente besteht der Embryo aus drei 
Theilen: aus einem vorderen großen Theil, der nieht segmentirt ist, 
aus drei schmalen Segmenten, und aus dem hinteren Abschnitt, der 
sich gegen die Abdominalfläche des vorderen Abschnittes einbiegt. 
Beim Betrachten des Embryos von oben ist nur das Kopfsegment 
zu sehen. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der bezeichneten Seg- 
mente erscheinen am hinteren Theile des vorderen nicht segmentirten 
Abschnittes ein Paar Extremitäten in Form konischer Auswüchse 
(Fig. 10 f}) 

Bei Platygaster Herrickiü, welchen ich in den Larven der mi- 
nirenden Fliege Agromyza gefunden habe, bemerkt man ebenfalls 
ein Zerfallen des Embryos in zwei große Segmente, wobei der Em- 
bryo Anfangs in seiner ganzen Länge gestreckt ist, später biegt sich 
das hintere Ende schwach gegen die Abdominalfläche des vorderen 
um. Fermer besteht ein zweiter Unterschied in der Entwicklung 
der äußeren Form des Embryos von Platygaster Herricküi im Ver- 
gleich zu derjenigen des Embryos von Platygaster instricator darin, 
dass am vorderen Ende des Embryos sich der Kopf und drei Thora- 
kalringe absondern (Fig. 11 7, IT, III). Gleichzeitig erscheinen am 
Kopfe zwei Paar Anhänge, die zukünftigen Krallenfüße und Antennen 


208 Nie. Kulagin, 


(Fig. 11 ant und Ar). Auf jedem der Thorakalsegmente erscheinen 
ebenfalls ein Paar Anhänge (Fig. 11 f). Der hintere Theil bleibt 
ungegliedert. 

Bei Platygaster sp., welcher von mir in der Larve der Fliege 
Phytomyza gefunden worden ist, geht die Entwicklung der äußeren 
Form in der gleichen Weise vor sich wie bei Platygaster instricator, 
nur mit dem Unterschiede, dass die ersten Anhänge, die am vor- 
deren Theil des Embryos erscheinen, nicht in einer Anzahl von drei 
Paaren, sondern von vier Paaren erscheinen. Das erste Paar bildet 
die zukünftigen Antennen der Larve, die folgenden zwei Paare die 
Mundanhänge und das vierte Paar an der Grenze des vorderen un- 
segmentirten Theiles lappenförmige Auswüchse. Fermer liegt bei 
der letzten Art im Gegensatz zu Platygaster instricator das zweite 
Paar der Anhänge in der Nähe der Mundöffnung, wobei die Basen 
sich einander nähern. 

Die Larve von Platygaster, welche ich in der Larve von Hypono- 
meuta pomonella gefunden habe, hat folgenden äußeren Habitus: ein 
großes Kopfsegment mit ebensolchen Anhängen wie bei Platygaster 
instricator, mit der Ausnahme, dass die sogenannten Pseudopodien 
fehlen. Dem Kopfsegment reihen sich acht Körpersegmente ohne 
Auswüchse an, schließlich folgt das große hintere Segment. 

Zur Zeit, wenn bei den von mir beschriebenen Platygaster-For- 
men die Endglieder am vorderen Ende erscheinen, modifieirt sich 
auch das hintere Ende; es bildet sich nämlich in der Mittellinie eine 
kleine Furche, die diesen Körpertheil in zwei Lappen, in die soge- 
nannten Caudalfortsätze, theilt (Fig. 1 pl). Etwas später bemerkt 
man im hinteren Theil, dass er sich in zwei Segmente getheilt hat, 
wobei beide Paare der oben bezeichneten Anhängsel am Endsegment 
bleiben. 

Das Wachsen der erschienenen Gliedmaßen geht bei der weite- 
ren Entwicklung der Platygaster-Embryonen nicht gleichmäßig vor 
sich. Während ihr vorderes Paar in der Form eines kleinen Hügels 
verbleibt, wächst das zweite und dritte Paar mehr in die Länge und 
spitzt sich am freien Ende zu. Noch mehr verlängern sich bei 
Platygaster instricator die Anhänge des analen Segmentes, und dabei 
besonders ihr letztes Paar. Ihre Länge erreicht 0,118 mm. Der 
hintere nicht gegliederte Theil dieses Insektes wird ebenfalls in vier 
Segmente getheilt, wobei die Auswüchse des letzten Segmentes mehr 
in die Länge ausgezogen erscheinen, als bei der ersten Art. Etwas 
später biegt sich ihr freies Ende hakenförmig ein. 


a: 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 209 


Die Thorakalgliedmaßen verbleiben bei Platygaster Herrickii in 
der Form von kleinen Hügelehen. Später erscheint am ersten Paar 
der Anhänge von Platygaster (Fig. 10 ant) eine Querfurche, die 
sie in zwei Gliederchen theilt: in ein breiteres basales und ein 
schmäleres terminales. Das äußere Aussehen der Platygaster-Larven 
erinnert zu dieser Zeit an dasjenige eines Cyclops aus der Klasse 
der Crustaceen. Dabei ist diese äußere Ähnlichkeit am stärksten 
bei der Art Platygaster instricator ausgeprägt, bei welcher der vor- 
dere nieht gegliederte Theil viel breiter erscheint im Vergleich zu 
dem hinteren gegliederten, und außerdem besitzt das hintere letzte 
Segment vier lange dünne Anhänge (Fig. 10 hf). Bei der Art Platy- 
gaster Herrickü ist diese äußere Ähnlichkeit mit einem Cyelops ge- 
ringer, da der vordere nicht gegliederte Theil wenig breiter als die 
hinter ihm liegenden Segmente ist, und die Anhänge des letzten 
Segmentes viel weniger entwickelt sind als bei der vorangehenden 
Art. Ihre Größe ist 0,018 mm. 

Gleichzeitig mit den ersten Anfängen der Extremitäten wird auf 
der Abdominalseite des Embryos von Platygaster das Ektoderm nach 
innen zur Bildung des Mundes eingezogen. Dabei verdickt sich der 
vordere Rand der Mundöffnung und wird nachher zur Oberlippe. 
Die Unterlippe wird entweder aus einem Paar nicht scharf abge- 
setzter, sehr kleiner Hügelchen gebildet, die am unteren Rande der 
Mundöffnung liegen, so z. B. bei Platygaster sp. aus der Larve der 
Phytomyza, oder durch die Verdiekung des unteren Randes der 
Mundöffnung, ähnlich der Oberlippe. Letzteres beobachtet man bei 
Platygaster instricator und Platygaster Herrickü. Diese Hügelchen 
verschmelzen bald zu einem Plättehen. — Die anale Öffnung erscheint 
in Form einer kleinen Vertiefung zwischen dem letzten Paar der 
Anhänge. Bei Platygaster Herrickü erscheint die anale Öffnung 
früher als die Mundöffnung. 

Zur Zeit der Bildung der Gliedmaßen verändern sich bei Platy- 
gaster instricator und Platygaster Herrickii die embryonalen Hüllen. 
Die embryonale Hülle hat bei der ersten Art, bis zur Bildung der 
Gliedmaßen, das Aussehen eines den Embryo von allen Seiten um- 
kleidenden Sackes; die Wandungen des Sackes bestehen aus großen, 
von einander nicht gesonderten Zellen mit deutlich bemerkbaren 
Kernen. Ein Theil soleher Zellen kommt manchmal zwischen der 
Wandung des Embryos und der Hülle vor. Nach der Bildung der 
Extremitäten verwischen sich die Grenzen der Zellen der embryonalen 
Hülle noch mehr; später werden die Zellkerne nach und nach 


210 Nie. Kulagin, 


resorbirt, wobei sie in kleine einzelne Körnchen zerfallen, und schließ- 
lich erscheint der Embryo, und namentlich sein vorderes Körperende, 
wie von einer eiweißartigen kleinkörnigen Masse umgeben. Bei 
Platygaster Herrickii wächst die embryonale Hülle Anfangs sehr 
stark, so dass sie die Form eines vielgefalteten Sackes erhält. Die 
Wandungen des Sackes bestehen aus großen kubischen, scharf von 
einander abgesrenzten Zellen mit runden Kernen (Fig. 12 am). Spä- 
ter bildet sich auf der äußeren Seite der embryonalen Hülle eine 
Schicht von Chitin. Vor dem Ausschlüpfen des Embryos nach außen 
wird die Hülle in Form eines Sackes abgeworfen. 

Was die äußere Form der Embryonen der parasitischen Hymen- 
opteren betrifft, so existiren theils Angaben über die Art, wie die 
eine oder die andere äußere Form der Larve sich bildet, theils sehr 
viele Beschreibungen der äußeren Form solcher Parasitenlarven, die 
sich schon fertig gebildet haben. Zu den Beobachtungen ersterer 
Art gehören folgende. Nach den Angaben von METSCHNIKOFF ! 
nimmt der Embryo von Teleas zunächst eine verlängerte Form an, 
krümmt sich nachher bogenförmig und bildet schließlich am vor- 
deren Körperende den abgesetzten Kopf aus. An diesem erscheinen 
dann die Anfänge der Kiefer. Bei fernerer Entwicklung des Em- 
bryos verlängert sich sein hinteres Körperende, das in einer zuge- 
spitzten Cauda ausläuft. An den Seiten des Embryos erscheinen 
feine Härchen. | 

Nach GanIn? geht die Bildung der äußeren Form des Embryos 
von Platygaster in folgender Weise vor sich. An dem ovalen Em- 
bryo erscheint in der Mitte eine kleine quere Furche, die ihn in 
zwei Theile theilt — in einen vorderen Kopftheil und in einen 
hinteren Caudaltheil. Nachher biegt sich in Folge des ungleich- 
mäßigen Wachsthums der beiden Theile der hintere Theil stärker 
segen die Abdominalseite des vorderen und wächst in der Richtung 
des letzteren. Ferner theilt sich der Caudalschnitt des Embryos in 
zwei Segmente, wobei am Ende des letzten Segmentes eine kleine 
Vertiefung erscheint. Bei weiterer Entwicklung des Embryos son- 
dern sich deutlich an dem Caudalabschnitt vier Segmente, urd an 
der Kopfabtheilung erscheinen die Anfänge von drei Extremitäten- 
paaren: Antennen (Fühler), Krallenfüße und lappenförmige Gebilde. 
Gleichzeitig damit erscheint am Kopfsegment die Mundöffnung und 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. ir 


am Caudalabscehnitt der After. Die weitere Entwicklung des Em- 
bryos besteht in der Vergrößerung der Zahl der Segmente des 
Caudaltheiles (bis 5) und in der Differenzirung der Anhänge des hinter- 
sten Segmentes. Dabei werden diese Anhänge sehr lang und es 
erscheinen an ihren Seiten entweder zähnchen- oder fadenförmige 
Gebilde Vor dem Verlassen der Eischale hat der Embryo eine 
eyclopsartige Form, die Rückenseite ist mehr oder weniger konvex, 
die Abdominalseite ist flach. Am Kopftheil des Embryos, welcher 
breiter ist als das Caudalende, findet sich ein Paar Antennen, stark 
entwickelte Krallenfüße, und ein Paar lappenförmiger Gebilde. 
Außerdem ist die Mundöffnung von der unteren Seite her begrenzt 
dureh ein unpaares Plättchen, die Unterlippe, und unweit von dieser 
steht hinter ihr ein kleiner unpaariger Haken. Der Caudalabschnitt 
besteht aus fünf Segmenten, von denen das letzte ein oder zwei 
Paar Anhänge mit seitlichen Auswüchsen trägt. 

Die Bildung der äußeren Form der Embryonen von Polynema 
kommt, ‘nach den Beobachtungen von GAnNIn, auf anderem Wege 
zu Stande, als bei Platygaster. Bei Polynema hat der Embryo in den 
ersten Entwicklungsstadien eine verlängerte Form. Später sondern 
sich am Körper des Embryos Anfangs zwei Theile: der Rumpf und 
der Caudalabschnitt, nachher drei: ein Kopffortsatz, ein mittlerer 
ovaler Theil und ein hinterer kurzer und schmaler Theil. An der 
Grenze zwischen dem Kopftheil und dem mittleren Rumpfsegment 
erscheint die Mundöffnung. Bei weiterer Entwicklung des Embryos 
wird sein Körper in sechs Segmente gegliedert. Am Kopfsegment 
vor der Mundöffnung erscheinen folgende Fortsätze: ein Paar Fühler 
und ein Paar Krallen, hinter dem Munde vier kleine Cutieularhügel- 
chen, die in zwei Reihen geordnet sind. Ein Paar ähnlicher Hügel- 
chen wird auch auf dem Segment gebildet, das hinter dem Kopf 
liest, und schließlich ein Paar zapfenförmiger Auswüchse auf dem 
hinteren Segment. 

Der Embryo von Ophioneurus hat nach den Beobachtungen von 
GAnIn eine ovale ungegliederte Form; auf seinem einen Ende findet 
sich die Mundöffnung, auf dem anderen die anale Öffnung. Bei der 
ferneren Entwicklung bilden sich in der Nähe der Mundöffnung ein 
Paar Mandibeln. Der Körper ist vollständig ungegliedert. — Die 
Entwicklung der äußeren Form des Embryos von Teleas geht in 
folgender Weise vor sich: der ovale Leib des Embryos zerfällt in 
zwei Theile: in den Kopftheil und Caudaltheil. Die Mundöffnung 
erscheint am ersten Segment etwas früher als die anale am letzten 


212 Nie. Kulagin, 


Segment. Nachher stehen am vorderen Segment folgende Fortsätze: 
ein Paar Antennen, ein Paar Krallenfüße, und ein verhältnismäßig 
fern von der Mundöffnung abstehender unpaariger Anhang, die 
Unterlippe.e Am Caudaltheil erscheinen Borstchen, die in drei 
Bündel geordnet sind: zwei an den Seiten und einer am hinteren 
Ende. 

Die äußere Form des Teleas-Embryos', welcher von Ayers 
studirt wurde, bildet sich etwas anders als der der vorangehenden 
Art. Nach den Beobachtungen von Ayers hat der Embryo die Form 
eines Halbmondes mit einer Furche, die auf der von ihm gegebenen 
Zeichnung wenig deutlich bemerkbar ist, dabei ist sein zukünftiger 
Kopftheil etwas breiter als der hintere Abdominaltheil. Nachher bildet 
sich unweit des zugespitzten Endes des Kopftheiles die Mundöffnung, 
um welche in Form von vier Chitinhügelchen die Anfänge der Kiefer 
erscheinen. Bei weiterer Entwicklung wird die Larve gegliedert, die 
Anzahl der Glieder variirt zwischen fünf bis acht. Auf der Mittel- 
linie von jedem Gliede erscheinen zahlreiche Börstehen; das anale 
Segment wird zum langen Schweifauswuchs ausgezogen, welcher an 
den Seiten Börstechen und Hügelchen in Form von Zähnchen trägt. 
Außerdem traf Ayers Larven, bei denen Auswüchse, die dem oben 
beschriebenen Schweifauswuchs ähnlich waren, sich auf der Rücken- 
seite des Kopfes, auf dem Thorax und über der Basis des Schweif- 
ansatzes befanden. 

Diese Larve von Teleas geht nach den Bee von 
ÄYERS in ein zweites Stadium über, welches der von Professor GANIN 
beschriebenen cyelopsähnlichen Larve von Platygaster sehr ähnlich 
ist. In diesem Stadium hat die Larve am Kopfsegment ein Paar 
Fühler, ein Paar Krallenfüße und eine Unterlippe; letztere erscheint 
zunächst in Form eines Chitinauswuchses auf der unteren Seite des 
Mundes, und nimmt später einen komplicirteren Bau an, entweder 
die Form einer Rinne, oder eines an den Schnabel eines Raubvogels 
erinnernden Schnabels. Außerdem befinden sich zwischen den Kie- 
fern und der Unterlippe jederseits ein Paar Hügelchen, die in ihrem 
Bau sehr variiren. Der Kopftheil wird vom Abdominaltheil durch 
eine Furche getrennt; auf dem Rande dieser Furche befindet sich 
eine kleine Cutieularwelle, von verschiedener Form bei verschiedenen 
Larven. Das Abdomen erweitert sich an der Basis flaschenförmig, 
sein anales Ende ist nach unten gebogen und endet mit einem hohlen 


tl. ec. p. 266. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 313 


eylindrischen Ansatz mit zahnähnlichen Auswüchsen an den Seiten. 
Außerdem befindet sich an der Basis des Abdomens jederseits ein 
mit Borsten bedeckter Auswuchs. 

Ferner ist von mir! eine Larve besehrieben worden, die im 
Darmkanal von Cecidomyia gefunden worden ist; bei ihr war das 
vordere Kopfsegment im Verhältnis zum hinteren Abdominalsegment 
wenig erweitert und die Anhänge des hinteren Segmentes sehr 
verkürzt. Diese Larve nimmt nach der äußeren Form ungefähr den 
Mittelplatz zwischen der cyclopsähnlichen Larve und der gewöhn- 
liehen wurmartigen ein. Ihre Mundtheile wurden von mir nicht 
untersucht, da ich nur ein Exemplar von derselben gefunden habe. 
Nach den Beobachtungen von BuGnxIon? hat der Embryo von En- 
cyrtus fusevcollis Anfangs eine ovale, verlängerte Form, später son- 
dert sich an ihm der Kopf, noch später die Rumpfsegmente in der 
Zahl von zwölf. Am Kopfe bilden sich Mundanhänge. 

Über die Form völlig ausgebildeter Parasitenlarven giebt es schr 
viele Angaben. So z. B. beschrieb Leon Durour? eine Larve von 
Chaleis foscolombei, die von ihm in der Puppe der Fliege Sarco- 
phaga gefunden worden ist; RıLey* die Larve von Pimpla con- 
quisitor, die in der Larve des Schmetterlings Aletia parasitirt, 
' PEREZ> die Larve von Pteromalus macronychiworus, RATZEBURG die 
fischartige Larve von Ichneumon sp., die er in einem Käfer der Gat- 
tung Polygraphus® gefunden hat. Die gleiche Larve fand später J. 
SCHEWYREW”? in den Puppen von Pieris crataegi, die in Russland 
und an vielen anderen Orten vorkommen. Alle bis jetzt beschrie- 
benen Larven haben eine wurmartige Form; auf dem vorderen 
- Körperende befindet sich ein abgesonderter Kopf, manchmal von 
großen Dimensionen; das hintere Ende geht nicht selten in einen 
Caudalauswuchs über. Die Anzahl der Körpersegmente variirt zwi- 
schen 12 und 14. Am Kopfe befinden sich Fühler, ein Paar stark 


1 N. KuLAcın, Zur Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Tageblatt der 
Zoolog. Abtheil. der Gesellsch. der Liebhaber von Naturwissenschaften und des 
Zoolog. Museums. Lief. 2. p. 15. (Russisch.) 

2 BuGnIon, 1. c. p. 437. 

3 Ann. Soc. ent. France 1841. p. 11. 

4 RıLEy, U. S. Departement of Agricult. Entomol. Commission 1885. 
pP. 112, 

5 PEREZ, Ann. Soc. entom. France 1863. p. 631. 

6 RATZEBURG, Die Ichneumonen der Forstinsekten. T. III. p. VIII. 

7 SCHEWYREW, Über die schädlichen Insekten der Steppenforsten. St. 
Petersburg 1892. (Russisch.) 


214 Nie. Kulagin, 


entwickelter oberer Kiefer, ein Paar unterer Kinnladen, welche wenig 
entwickelt sind, eine Ober- und eine Unterlippe. 

Nach alle Dem kommt bei den parasitischen Hymenopteren die 
Entwicklung der äußeren Form der Larve in der einen Gruppe, 
wie es scheint, auf dem gleichen Wege zu Stande, wie bei den frei 
lebenden Formen. Wenigstens spricht dafür die Thatsache, dass als 
Endresultat bei diesen wie bei den parasitären Formen die wurm- 
artige Form der Larve erscheint. Bei den anderen parasitischen 
Hymenopterenlarven tritt zunächst die Theilung der Larve in zwei 
Theile auf: in den vorderen Kopftheil und den hinteren Caudaltheil, 
wobei bei den einen Formen die Larve mit einer solchen Gliede- 
rung des Körpers das Ei verlässt (Teleas, Ophioneurus), bei den an- 
deren Formen sich noch eine weitere Theilung des Abdominaltheils 
in Segmente vollzieht, wobei dessen hintere Strecke entweder ge- 
gliedert (Platygaster instricator), oder ungegliedert (Platygaster Her- 
rickit) erscheint. Bei denjenigen parasitären Larven, bei denen eine 
Theilung in zwei Abschnitte auftritt, unterscheidet sich der vordere 
Körpertheil entweder wenig an Größe vom hinteren Caudaltheil, 
oder übertrifft den letzteren ganz bedeutend. 

Zwischen der Körpergliederung bei den parasitischen Larven 
der letzteren Art und der Gliederung bei frei lebenden Formen, 
lässt sich kein scharfer Unterschied konstatiren. Die Bildung der 
äußeren Körperform bei den frei lebenden Formen beginnt damit, 
dass das Kopfsegment sich absondert, nachher vollzieht sich eine 
weitere von vorn nach hinten vorschreitende Segmentirung. Ganz 
zuletzt sondern sich die Segmente im Caudaltheil des Embryos. 
Solche Beobachtungen sind von CHOLODKOWSKI an Phyllodromia, von . 
HEYDER an HAydrophilus, und von vielen Anderen gemacht worden. 

Die Meinung GRABER’s über die sogenannte Segmentation wird 
Angesichts der ungenügenden Untersuchung dieser Frage zur Zeit 
kaum von irgend einem Zoologen getheilt. In einem bestimmten 
Entwicklungsstadium besteht der Embryo der frei lebenden Formen 
aus zwei Theilen: aus dem vorderen Kopf- und dem hinteren Thora- 
kaltheil, welcher mit dem Abdominaltheil verschmolzen ist. Das 
Gleiche beobachten wir auch bei den Parasiten. Der ganze Unter- 
. schied lässt sich damit ausdrücken, dass bei einigen Parasiten der 
Kopftheil von gleicher Größe oder nur etwas kleiner als der Ab- 
dominaltheil erscheint. Übrigens ist bei einigen Formen, wie z. B. 
bei der Larve von Platygaster sp., die von mir im Darmkanal von 
Cecidomyia gefunden wurde, auch dieser Unterschied nicht deutlich 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 215 


ausgesprochen, da in diesem Falle der Kopftheil an Größe im 
gleichen Verhältnis zum Rumpf steht, wie bei frei lebenden Formen. 
Später vollzieht sich bei den frei lebenden Formen eine weitere 
Theilung des Körpers in Segmente von vorn nach hinten, wobei, 
wie schon gesagt, die Segmente im Caudaltheil sich ganz zuletzt 
absondern. | 

Bei den parasitischen Larven erfolgt bei den einen eine Gliede- 
rung in nicht mehr als zwei Segmente, wie z. B. bei Ophioneurus 
und Teleas, bei den anderen Formen, wie z. B. bei Platygaster 
Herrickii erfolgt eine Gliederung nur im Caudaltheil, und schließlich 
findet sich bei Platygaster instricator und Platygaster sp. die Gliede- 
rung auf dem ganzen Körper. Es scheint somit, als ob die para- 
sitische Lebensart der Larven ihre Metamerie aufhält, wobei letztere 
entweder nur im hinteren Theil fehlt, wo später die Gliederung auch 
bei frei lebenden Formen erfolgt, oder es ist die Gliederung bei der 
definitiven Form des Parasiten nur durch zwei Segmente repräsen- 
tirt, durch das allererste Stadium der frei lebenden Formen. 

Was die definitive Form der Parasitenlarven betrifft, so bemer- 
ken wir hier: erstens kommen wurmartige Larven vor, die nach dem 
gesammten Habitus ganz mit den Larven der frei lebenden Formen 
verwandt sind. Solche sind z. B. die Larven von Mesochorus, Micro- 
gaster und anderer Arten. Bei anderen Larven erhält sich zwar die 
alloemeine Gliederung des Körpers, aber zur gleichen Zeit bemerkt 
man auch eine Modifieirung des vorderen und hinteren Körperendes 
im Vergleich mit dem, was bei freilebenden Hymenopteren der Fall 
ist. Eine solche ist z. B. die Larve von Platygaster sp., die von mir 
im Darmkanal von Cecidomyia gefunden worden ist, und die, leider 
wegen Mangel an Material, nicht bestimmt wurde. Hierher gehört 
auch das erste Stadium der Larve der Gattung Polynema, die von 
GANIN studirt wurde. Eine dritte Gruppe von Larven bilden die 
sogenannten cycelopsartigen. Von diesen Larven erscheint als am 
wenigsten modifieirt die Larve von Platygaster Herrickü, an welcher 
ein Kopf, eine gegliederte Brust mit drei Paaren von Extremitäten, 
und ein ungegliederter Bauch vorhanden ist, ferner findet sich bei 
_Platygaster instricator und bei Platygaster sp., die von mir und Prof. 
GANIN untersucht wurden, ein vorderer, breiter, ungegliederter Kopf- 
theil und ein hinterer, sich allmählich verjüngender gegliederter Theil, 
mit Anhängseln am Ende, folglich fehlt bei denselben ein gesonderter 
Thorax. Schließlich gehören zu der letzten Larvengruppe die Lar- 
_ ven von ‘Ophioneurus und die Larven der.Familie Teleas, die von 


216 Nie. Kulagin, 


GAnINn studirt wurden. Bei diesen Larven bemerkt man nur zwei 
Theile, einen Kopf- und einen Rumpftheil, welche beide unge- 
gliedert sind. 

Die Extremitäten der parasitirenden Hymenopteren zeigen folgen- 
des ungleiches Verhalten: einmal giebt es Larven, bei denen die 
Kopfanhänge gut entwickelt sind, und die aus einem Paar Fühler, 
der Oberlippe, den Mandibeln, Maxillen und der Unterlippe be- 
stehen, und wo daneben sich Anlagen von Extremitäten an den Seg- 
menten des Thorax und des Abdomens finden. Solche haben z. B. 
die Larven von Pimpla conquisitor, Chalcıs foscolombei, in den spä- 
teren Stadien die Larve von Mecrogaster und viele andere. Ferner 
finden sich bei Platygaster sp. aus der Larve der Fliege Phytomyza 
am Kopfe folgende Anhänge: ein Paar Antennen, ein Paar Man- 
dibeln und ein Paar Maxillen. Die Oberlippe ist durch eine Haut- 
falte repräsentirt, und die Anlage der Unterlippe besteht aus zwei 
Hügelchen, welche nachher mit einander verschmelzen. Die Thorakal- 
und Abdominalsegmente, mit Ausnahme des allerletzten (wovon unten 
die Rede sein wird), haben keine Anhänge. Nach der Form der 
Extremitäten steht der bezeichneten Platygaster-Art die von GANIN 
beschriebene Polynema sp. sehr nahe. Bei dieser Form stehen am 
Kopfe ein Paar Antennen, ein Paar Mandibeln und vier Hügelchen, 
die zu je zwei in einer Reihe stehen (die Maxillen und eine paarige 
Unterlippe). Ähnliche Hügelchen finden sich auch an den Brust- 
segmenten. 

Bei anderen parasitären Hymenopterenlarven sind Extremitäten 
nur am Kopfe vorhanden, und bestehen aus einem Paar Fühler und 
einem Paar Mandibeln; die Unterlippe ist ein Chitinauswuchs auf 
der unteren Seite des Mundes. Eine solche Bildung ist z. B. die 
Larve von Teleas, die von AYERs studirt wurde. 

Die Arten von Platygaster instricator, Platygaster Herrickii, 
Platygaster sp., welche von Professor GAnIN studirt wurden, haben 
am Kopfe ein Paar Fühler, ein Paar Mandibeln und ein Paar lappen- 
förmiger Anhänge, die sich an der Grenze zwischen Kopf und 
Thorax befinden; die Maxillen fehlen. Die Ober- und Unterlippe er- 
scheint als eine Verdickung des oberen und unteren Mundrandes. 
Außerdem finden sich bei Platygaster Herrickn Anfänge von Ex- 
tremitäten an den Thorakalsegmenten. Am schwächsten sind die 
Extremitäten bei der von METSCHNIKOFF beschriebenen Ophroneurus sp. 
und Teleas sp. entwickelt. Bei diesen Formen findet sich am Kopfe 
nur ein Paar Mandibeln. Schließlich fehlen bei den Larven von 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 217 


Mierogaster in den ersten Entwicklungsstadien Anhänge gänzlich 
am Kopfe wie am übrigen Körper. 

Um das Kapitel über die Entwicklung der äußeren Form der 
Embryonen der parasitischen Hymenopteren abzuschließen, ist es 
nothwendig, ihre Extremitäten mit denjenigen der freilebenden For- 
men zu vergleichen und zu zeigen, welche Extremitäten der frei- 
lebenden Formen den Extremitäten der Parasiten entsprechen. Bei 
vielen solchen Parasiten, wie bei Pıimpla conqguisitor, Chalcıs fosco- 
lombei und anderen, zeigen die Extremitäten des Kopfes wie des 
Thorax keine Unterschiede von denen der freilebenden Formen. 
Andere Parasitenformen, wie z. B. Platygaster sp. aus der Larve von 
Phytomyza, unterscheiden sich von den freilebenden Formen haupt- 
sächlich durch, im Verhältnis zu den anderen Mundanhängen, stark 
entwickelte Mandibeln. Dieser Unterschied ist noch stärker bemerk- 
bar als bei der vorangehenden Form, bei Polynema, bei welcher 
die Mandibeln und die Unterlippe nur in Form von ganz kleinen 
Hügelchen erscheinen. Übrigens bemerkt man manchmal eine starke 
Entwicklung der Mandibeln im Verhältnis zu den anderen Mund- 
anhängen auch bei den freilebenden Formen der Hymenopteren. 
Ferner finden sich unter den Parasiten, wie schon bemerkt, auch 
solche Formen, wie Platygaster instricator, Platygaster Herrickii, die 
von Professor GAnIN untersuchte Form Platygaster sp., die am Kopf- 
theil nur ein Paar Fühler, ein Paar stark entwickelter Anhänge, 
die sogenannten Krallenfüße, und ein Paar lappenförmiger Fortsätze 
‚an der Grenze zwischen dem Kopfsegment und den Bauchsegmenten 
haben. Die letzten zwei Paare der Anhänge unterscheiden sich 
nach Form und Lage (seitlich am Kopfe) so scharf von dem, was wir 
an freilebenden Arten sehen, dass sich von selbst die Frage auf- 
drängt, welchen Fortsätzen der freilebenden Formen sie homolog 
sind. Eine richtige Lösung dieser Frage kann freilich wohl nur 
auf Grund des Studiums der Innervation dieser Fortsätze gefunden 
werden. Leider erscheinen die verschiedenen Nervenganglien der 
parasitären Larven in eine gesammte Masse koncentrirt, so dass von 
einzelnen gesonderten Nervenknoten für die verschiedenen Fortsätze 
nicht die Rede sein kann. Andererseits sind das supra- und das 
infraösophageale Kopfganglion so nahe an einander gelegen, dass es 
sehr schwierig ist zu sagen, wo diejenigen Nerven entspringen, die 
zu den sogenannten Krallenfüßen gehen. Daher kann eine Homo- 
logie zwischen den Kopfanhängen der parasitischen mit denjenigen 


218 Nie. Kulagin, 


der frei lebenden Formen zur Zeit nur auf Grund des Studiums ihrer 
äußeren Form durchgeführt werden. 

Die Krallenfüße kann man von diesem Standpunkte aus als 
Homologa der Mandibeln der frei lebenden Formen betrachten, und 
zwar aus dem Grunde, dass bei einigen parasitischen Formen, wie 
z. B. Platygaster sp., aus der Larve von Phytomyza, solche Anhänge 
unzweifelhafte Mandibeln sind, da hier die Maxillen und die Unter- 
lippe in typischer Weise vorhanden sind. 

Über die Homologie der lappenförmigen Ansätze an der Grenze 
zwischen dem Kopf- und Thorakalsegment kann, wie es scheint, nur 
eine Erklärung gegeben werden. Beim Studium der Entwieklungs- 
geschichte von Bomdbyx mori konstatirte zuerst Professor A. TICHOMI- 
row!, dass bei diesem Insekt in Form von zwei paarigen Auswüchsen 
entstehen: 1) eine echte Unterlippe, und 2) eine Pseudounterlippe, die 
zwischen den zwei unteren Kinnladen erscheint. Bei weiterer Ent- 
wieklung erhielt die Pseudolippe das Übergewicht, und das Schicksal 
der echten Lippe bleibt unbekannt, vielleicht erhält sie sich in Form des 
Hypopharynx. Bei den Platygaster-Arten, die von mir untersucht 
wurden, entsteht die Unterlippe, die bei der Larve als ein paariges 
Plättchen besteht, in Form von zwei Hügelchen, und kann mit der 
echten Unterlippe der Insektenlarven, welche von Professor TICHOMI- 
ROW gezeigt wurde, verglichen werden. Die obengenannten lappen- 
förmigen Auswüchse können als paarige Anlagen einer Pseudounterlippe 
betrachtet werden. Bei den von mir untersuchten Platygaster-Arten 
erhalten sich somit Mundwerkzeuge nur in solcher Form, wie sie in 
frei lebenden Formen nur in den allerersten Entwicklungsstadien er- 
scheinen. Es ist von Interesse hervorzuheben, dass bei parasitischen 
Hymenopteren die Schnurrbärtchen bei ihrer Entstehung eine post- 
orale Lage haben, da das nach den Beobachtungen von N. A. CHOLOD- 
KOWSKI auch bei Phyllodromia germanica der Fall ist. 

Die Caudalanhänge aller parasitischen Hymenopteren lassen sich 
in folgende Formengruppen zusammenstellen: bei einigen Arten, wie 
2. B. Pimpla conguisitor, Anomalon, Mesochorus splendidus und an- 
deren, zieht sich das hinterste Segment in die Länge aus und er- 
scheint in Form eines Caudalauswuchses. Eine Veränderung des 
hintersten Segmentes ähnlicher Art wird auch bei einigen freilebenden 
Formen der Hymenopteren beobachtet. Bei anderen Formen dieser 
Parasiten erfolgt, wie es scheint, ein starkes Auswachsen der 


lee parat 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 219 


Caudallappen; so bei der Larve von Platygaster, die von GANIN be- 
schrieben wurde (Taf. XXI, Fig. 3). Analoge Thatsachen sind bei 
freilebenden Insektenformen, so weit mir bekannt, nicht beobachtet 
worden. Schließlich können die Schweifanhänge von Platygaster 
instricator und Platygaster sp. (vgl. GAnmn, Taf. XXXI, Fig. 2, 4) als 
den als Styli bezeichneten Fortsätzen der freilebenden Formen analog 
betrachtet werden. 


Ill. Derivate des Ektoderms. 


Das Ektoderm der von mir untersuchten parasitirenden Insekten- 
arten aus der Gruppe der Hymenopteren, Platygaster instricator und 
Platygaster Herrickiü, wird, wie bereits erwähnt worden war, von 
den Furchungszellen, die an der Peripherie des Eies liegen, gebildet; 
die Bildung des Ektoderms erfolgt gleichzeitig an der ganzen Ober- 
fläche und vollzieht sich rascher als die der inneren Organe. 

Das Hautepithel dieser parasitirenden Hymenopteren bildet sich 
aus dem Ektodern. Die Zellen des Ektoderms, welche den Embryo 
von allen Seiten einschließen, und Anfangs mehr oder weniger rund 
sind, nehmen bald, indem sie näher zusammenrücken, eine eylin- 
drische Form an, und bewahren diese Form während des Larven- 
lebens recht lange (Fig. 12 A). 

Das Chitin bildet sich erst in späteren Stadien, nachdem sämmt- 
liehe innere Organe sich bereits entwickelt haben. Vor der Bildung 
des Chitins habe ich an verschiedenen Stellen des Körpers unter 
der äußeren Schicht der Matrix Zellengruppen wahrgenommen, 
welehe sich wenig von den anfänglichen Zellen des Ektoderms 
unterscheiden. Diese Zellen findet man hauptsächlich an den Seiten- 
flächen und an der Oberfläche der Larve. Vor der Häutung ver- 
mehren sich diese Zellen und sammeln sich unter der Hypodermis. 
Während der Häutung schmilzt sowohl die Zahl der einzelnen Zellen- 
gruppen als auch die Zahl der Zellen selbst zusammen. Die 
erwähnten Zellengruppen haben, wie es scheint, große Ähnlichkeit 
mit den Drüsenzellen, die von VERSoN! bei der Raupe von Bombyx 
morı beschrieben sind, und welche nach seiner Meinung mit der 
Häutung der Larve in Zusammenhang stehen. 

Die Funktion dieser Zellen kann nach meiner Meinung neben 
der drüsigen Bedeutung, die VERsSON annimmt, auch noch eine 


! E. VERSon, Altre cellule glandulari di origine postlarvale. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 15 


220 Nie. Kulagin, 


andere sein. Die Untersuchungen von Vırzou! haben nämlich 
gezeigt, dass das Chitin der Crustaceen nicht als Sekretionsprodukt 
der Matrixzellen aufzufassen ist, sondern dass sich die Zellen der 
äußeren Schicht der Matrix selbst in Chitin umwandeln. Dasselbe 
wurde von mir an der Raupe von Pieris Brassicae und von mehreren 
Studenten, die im zoologischen Museum gearbeitet haben, an den 
Raupen von Pieris rapae und Ichneumon beobachtet. 

Die neue Schicht der Matrix, welche die Stelle der Schicht, die 
in Chitin umgewandelt ist, einnimmt, verdankt bei den von mir 
untersuchten Formen ihre Bildung, wie es mir scheint, den oben 
erwähnten Zellengruppen, die unter dem Hautepithel liegen. Dafür 
spricht wenigstens erstens deren starke Vermehrung vor der Häu- 
tung, und zweitens die Verminderung der Zahl dieser Zellen wäh- 
rend der Häutung der Larve. Die in den Metameren vertheilten 
Zellengruppen, welche von Professor TıcHomIRow beim Embryo von 
Bombyz mori, von VIALLANES? bei Eristalis, von Professor KOROT- 
NEFF bei Gryllotalpa beschrieben wurden, lassen sich möglicherweise 
als ebensolche Elemente auffassen. 

Der Vorder- und der Hinterdarm entsteht bei den von mir 
untersuchten Parasiten durch gleichzeitige Einstülpung der Hypoder- 
mis am vorderen und hinteren Körperende (Fig. 12 Ad). Dabei 
kommt die Mundöffnung auf der ventralen Seite des Embryos zwischen 
dem zweiten Paar der Anhänge zum Vorschein (Fig. 11 md), während 
die Analöffnung bei den Arten der Gattung Platygaster im hinteren 
Theil der Larve zwischen den beiden Caudalanhängen entsteht. Der 
Hinterdarm entwickelt sich rascher als der Vorderdarm und dringt 
viel tiefer in die Leibeshöhle ein (Fig. 12 Ad) als jener. 

In den ersten Stadien der Entwicklung des Embryos erscheint 
der Vorder- und Hinterdarm in Form von cylindrischen Röhren, 
deren blinde Enden sich an Zellenanhäufungen legen, die gleich- 
zeitig dem Mitteldarme Ursprung geben. Nach der Bildung des 
Mitteldarmes, die fast gleichzeitig mit den oben genannten Pro- 
cessen geschieht, wächst der Vorder- und Hinterdarm mit dem 
Mitteldarm zusammen, wobei die blinden eingestülpten Röhren 
allmählich resorbirt werden. Der Hinterdarm verwächst viel später 
mit dem Mitteldarm als der Vorderdarm. In den ersten Stadien 


ı A. Vırzou, Recherches sur la struct. et la format. des tegum. chez les 
une decapod. Archiv de zoolog. experiment. 1892. No. 4. 
?2 VIALLANES, Recherches sur l’Histolog. des insectes. Ann. d. Se. Na 
XIY.. No. 12,6 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 331 


der Bildung des Vorder- und Hinterdarmes bestehen beide aus 
sleichgeformten eylindrischen Zellen, die den Zellen des Hautepi- 
thels sehr ähnlich sind (Fig. 12%, Ad); darauf theilen sich die Zellen 
des Vorderdarmes recht schnell und werden kleiner als die Zellen 
des Hinterdarmes. Außen sind Vorder- und Hinterdarm vom Be- 
sinn ihres Erscheinens an von Derivaten des Mesoderms bekleidet 
(Fig. 12 mes). 

Sehr eigenthümlich erscheint nach meinen Beobachtungen die 
weitere Entwicklung des Hinterdarmes beim Embryo von Microgaster 
glomeratus. Bei diesen geht in den ersten Stadien der Entwicklung 
die Bildung des Hinterdarmes, wie schon erwähnt war, denselben 
Weg, wie bei anderen Insekten. Bei der weiteren Entwicklüng des 
Embryo stülpt sich ein Theil des Hinterdarmes nach außen um. 
Der völlig umgestülpte Theil des Hinterdarmes nimmt die Form 
einer Blase an, die am hinteren Ende der Larve liegt (Fig. 13). 
Die Umstülpung dieses Darmtheiles nach außen geht mehr oder 
minder langsam vor sich. Dabei zieht der Hinterdarm den Mittel- 
darm und die MarpicHr’schen Gefäße nach sich, so dass man im 
Inneren der so entstandenen Analblase der Larve drei Röhren sehen 
kann: den Mitteldarm und zwei MarLricHtTsche Gefäße, welche sich 
an der Seite der Blase öffnen (Fig. 14 u. 15 Ad, mp); die Wand der 
Blase hat an dieser Stelle eine kleine Vertiefung, auf deren Boden 
die Öffnung des Darmes und der MArpigur’schen Gefäße liegen. 

Eine solche Analblase existirt während der ganzen Zeit des 
Larvenlebens von Microgaster glomeratus, verschwindet aber im 
Puppenstadium. Seine Zellen vermehren sich entsprechend dem 
Wachsthum des Embryos, theilen sich, und sondern auf der äußeren 
Oberfläche Chitin ab (Fig. 14 u. 15 ana). 

Auf der inneren Oberfläche der Blase bildet sich später eine 
sehr dünne Schicht ringförmiger Muskeln (Fig. 14 ms). Innerhalb 
der Blase ist vom Moment ihrer Erscheinung an eine koagulirte 
Eiweißmasse vorhanden, in welcher Blutkörperchen schwimmen 
(Fig. 13 u. 14 d/z). Wenn man nach der Methode von A. O. Kowa- 
LEVSKY eine Mischung von Karmin und Indigokarmin in den Körper 
der Larve einbringt, so kann man nach zwei bis drei Stunden die 
Anwesenheit des Indigokarmins im Inneren der Zellen der genannten 
Blase bemerken, sowie auch in den Zellen der Maurısurschen 
Gefäße. : | 

Die Bildung der Spinndrüsen habe ich bei den Microgaster 
glomeratus-Embryonen beobachtet. Sie erscheinen als paarige Ein- 

15* 


292 Nie. Kulagin, 


stülpungen der Haut auf der Bauchseite des Embryo, gleich hinter 
der Mundöffnung. Im Anfange der Einstülpung haben die Drüsen 
die Form von Cylinderröhren: die Zellen, welche ihre Wände bil- 
den, unterscheiden sich gar nicht von den Zellen der Haut (Fig. 18 spd.). 

‘ Die Anfänge der Tracheen sind bei Platygaster von mir nur im 
Puppenstadium gefunden worden. 

Zu den Ektodermbildungen gehören bei den Insekten auch die 
Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane und die inneren Geschlechts- 
anhänge. Es gelang mir die Entwicklung der Ausführungsgänge bei 
Embryonen von Microgaster glomeratus zu verfolgen. Die Geschlechts- 
anhänge und die Geschlechtsgänge erscheinen gleichzeitig in den 
späteren Stadien der Entwicklung, wenn der Darmkanal schon ganz 
entwickelt ist; die Entwicklung von beiden geht folgendermaßen vor 
sich. Auf dem letzten und vorletzten Segmente des Embryokörpers 
erscheinen auf der Bauchseite neben der Längsachse des Thieres 
je ein Paar von Hypodermisfalten (Fig. 16), die ins Innere des Kör- 
pers der Larve hineinragen. Auf der Mittellinie des Embryo ver- 
einigen sich die Falten jeder Seite mit einander. Auf dem Boden 
jeder Falte bilden sich, nahe der Medianebene des Thieres, Er- 
höhungen, die sich schnell verlängern und eine mehr oder weniger 
konische Form annehmen (Fig. 16 :m). Bald nach der Bildung dieser 
Anhänge fängt ihr hinteres Paar an sich durch Längseinschnürung 
in Lappen zu theilen. Das vordere Paar der Anhänge wächst viel 
schneller als das hintere, wobei sie sich sehr nahe an die Bauchseite 
der Larve anlegen. Diese Anhänge liefern in der weiteren Entwick- 
lung bei Microgaster glomeratus die Geschlechtsbewaffnungen des 
Männchens und Weibchens. Die Wand dieser Erhöhung besteht aus 
Cylinderzellen, die mehrere nahe an einander rückende Wülste bil- 
den (Fig. 16 A). In die Höhlung der Anhänge gehen Mesoderm- 
derivate (Fig. 16 mes), Tracheen und Nerven ein. — Gleichzeitig 
mit der Anlage der Geschlechtsanhänge geschieht, wie oben erwähnt 
worden, die Bildung der Geschlechtsgänge. Diese erscheinen auf 
der Bauchseite des vorletzten Segmentes des Körpers, nahe der 
Medianebene des Embryos, in Form von röhrigen Einstülpungen der 
Haut in die Leibeshöhle Bei der weiteren Entwicklung wächst 
jede der Röhren (Fig. 16 vs) in der Richtung gegen eine der Ge- 
schlechtsdrüsen, die rechts und links der Medianebene des Körpers 
liegen, und gelangt zu einer Vereinigung mit ihr. Auf der Stelle 
der Vereinigung mit der Geschlechtsdrüse erweitert sich jeder der 
Geschlechtsgänge trichterförmig (Fig. 16 ir). Diese Erweiterung ist 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 223 


auf dem ersten Stadium der Entwicklung gegen die Geschlechtsdrüse 
hin geschlossen (Fig. 17 es, £\. Die weitere Veränderung der Ge- 
schleehtsgänge besteht darin, dass auf der ventralen Mittellinie des 
Körpers zwischen den zwei oben beschriebenen Falten eine Einstül- 
pung der Haut ins Innere erscheint. Diese Einstülpung vergrößert 
sich mehr und mehr und nimmt die Form einer eylindrischen Röhre 
an, auf deren Spitze sich die oben erwähnten paarigen Geschlechts- 
gänge zeigen. Wie die paarigen Gänge, so besteht auch das unpaare 
Rohr Anfangs aus cylindrischen Zellen, wobei die Zellen der paari- 
sen Geschlechtsorgane weniger hoch erscheinen als die Zellen der 
mittleren Röhre. Die Grenzen der Zellen sind in den paarigen wie 
dem unpaaren Gange schwer zu sehen, und besonders undeutlich in 
dem Theile der paarigen Geschlechtsgänge, mit welchem sie den 
Geschlechtsdrüsen anliegen. Gleich im Anfange der Bildung der Ge- 
schleehtsgänge legen sich von außen her die Mesodermzellen auf sie 
(Fig. 17 mes), welche sie, wie die unpaare Röhre, mit deren weiterer 
Entwieklung mehr und mehr umwachsen. Aus diesen Zellen bildet 
sich mit der Zeit die bindegewebige und die muskulöse äußere 
Hülle der definitiven Ausführungsgänge. 

Das Nervensystem der von mir beobachteten Formen der schma- 
rotzenden Hymenopteren nimmt seinen Anfang in der Form von zwei 
Strängen, die auf der Bauchseite des Embryo längs deren Mittellinie 
liegen. Die Zellen, die diese Stränge bilden, sind so dicht an die unter 
ihnen liegende Hypodermis angelagert und gleichen Anfangs so sehr 
deren Zellen, dass gar kein Zweifel. ist, dass sie hypodermischen 
Ursprungs sind. Ob zwischen den beiden Strängen ein mittlerer 
Strang existirt, wie es bei den freilebenden Insekten der Fall ist, 
kann ich nicht bestimmt sagen, da die Objekte, mit denen ich zu 
thun hatte, sehr klein waren. Die sogenannte Nervenfurche, die 
für die freilebenden Formen charakteristisch ist, fehlt bei den 
Schmarotzern. Der Mangel dieser Furche bei den Schmarotzern ist 
verständlich. Bei den freilebenden Formen steht nämlich die Er- 
scheinung der Nervenfurche, nach den Untersuchungen von N. A. 
CHOLODKOWSKY, in Zusammenhang mit dem Auftreten der Glied- 
maßen des Embryo. Wie nun bei den Schmarotzern die Entwick- 
lung der Gliedmaßen ausbleibt oder ganz gering ist, fällt auch die 
Entwicklung einer Nervenfurche aus. Danach erscheint bei den 
freilebenden Formen die Nervenfurche nicht als der erste Anfang 
des Bauchmarkes, sondern ist eine spätere Bildung; ihre Abwesen- 
heit bei den Schmarotzern weist daher darauf hin, dass deren 


224 Nie. Kulagin, 


Nervensystem im Vergleich mit dem der freilebenden Thiere einen 
embryonalen Charakter trägt. — Das Oberschlundganglion erscheint 
gleichzeitig mit der Bauchkette. Auf den Serien der Präparate, wo 
man die erste Anlage des Bauchmarkes sehen konnte, fand ich 
immer auch die Anlage des Oberschlundganglions. Das Oberschlund- 
ganglion erscheint bei den Embryonen von Mesochorus splendidus 
in Form sehr deutlicher paariger Verdiekungen des Rückenektoderms 
auf dem vorderen Ende des Embryokörpers; bei Platygaster sind 
solche Verdiekungen einander sehr genähert und nur schwach aus- 
geprägt. Antennen- und Opticusganglien, die sich im Kopfe der 
freilebenden Insektenformen entwickeln, sind bei den Embryo- 
nen der untersuchten Schmarotzer nicht vorhanden. Das Fehlen 
dieser Ganglien erklärt sich erstens mit dem Mangel der Augen und 
der geringen Entwicklung der Antennen bei den Schmarotzern, und 
zweitens damit, dass die Kopfsegmente der Schmarotzer viel stärker 
koncentrirt sind als die der freilebenden Formen; danach sind auch 
die den einzelnen Segmenten angehörigen Ganglien zusammen ver- 
einigt. Bei Microgaster glomeratus ist die Bildung des Gehirns 
etwas komplicirter. Hinter dem Munde bemerkt man auf dem vor- 
deren Ende des Embryo zwei Paar Verdiekungen des Ektoderms. 
Die vordere Verdickung bildet sich, wie die Fig. 18 zeigt, durch 
eine Einstülpung des Ektoderms, wobei im Anfange gar kein Unter- 
schied zwischen den Zellen des Ektoderms und denjenigen dieser 
Einstülpung ist; von außen ist sie vom Ektoderm nicht bedeckt. 
Die zweite Verdickung, die hinter der ersten liegt, besteht aus einer 
Menge von Zellen, die unter dem Ektoderm liegen und dessen Zellen 
sehr gleichen (Fig. 18 gr). Bei der weiteren Entwicklung des 
Microgaster glomeratus wachsen die hinteren Verdiekungen schneller 
als die vorderen, worauf sie allmählich mit diesen zusammenwachsen 
(Fig. 18 gn, gm). Durch diese Verwachsung entsteht ein großes, 
paarig symmetrisches Oberschlundganglion.. Bei einem Vergleich 
dieser Bildung des Gehirns von Microgaster glomeratus mit dem, 
was nach den Untersuchungen von CHOLODKOWSKY bei freileben- 
den Insekten vorkommt, finden wir einen Unterschied in zwei 
Punkten; bei den freilebenden Thieren: bildet sich das Gehirn aus 
drei Paar Anlagen, bei Mecrogaster glomeratus aus nur zwei; SO- 
dann liegt bei Phyllodromia germanica das erste Paar der Anlagen 
vor der Mundöffnung, die übrigen hinter ihr; bei Microgaster glome- 
ratus liegen dagegen beide Anlagen hinter dem Munde. Übrigens be- 
segnet man derartigen Unterschieden auch bei verschiedenen Formen 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 335 


der freilebenden Insekten. So giebt z. B. PArTex! an,. dass bei 
Phryganiden das Kopfganglion aus zwei Paar Anlagen entstehe. 
Naeh den Untersuchungen von GrassI? bildet sich das Kopfganglion 
der Biene aus zwei Paar Verdiekungen. Professor CHOLODKOWSKY, 
der auf diese Verschiedenheiten in den Angaben der Zoologen in 
der Frage nach der Zahl der Ganglien, die in die Zusammensetzung 
des Gehirns der Insekten eingehen, hinweist, will sie damit er- 
klären, dass die Forscher nur gewisse Stadien aus der Entwicklung 
des Hirns gesehen und andere außer Acht gelassen hätten. Ich 
habe bei meiner Untersuchung es an der nöthigen Aufmerksam- 
keit auf diesen Punkt nicht fehlen lassen, und wenn dabei nun doch 
Widersprüche mit den Beobachtungen von CHoLopkowskY heraus- 
treten, so scheint mir, dass man diese nicht auf mangelhafte Beob- 
achtungen überhaupt zurückführen, sondern deren Grund in den 
Thatsachen suchen muss; freilich können die von mir untersuchten 
Thiere, als schmarotzende, leicht Ausnahmen von dem zeigen, was 
als Regel anzusehen ist. 

Die weitere Entwieklung des Nervensystems geht bei verschie- 
denen Arten der Schmarotzer ungleich vor sich. Bei Platygaster 
instricator behält das Nervensystem während der ganzen Zeit seines 
Lebens die Form eines Stranges, welcher sich vom Ektoderm völlig 
trennt (Fig. 12 r). Die Zellen, welche diesen Strang bilden, unter- 
scheiden sich von den hypodermischen Zellen nur dadurch, dass sie 
etwas kleiner sind und sich weniger intensiv färben als die Zellen 
der Hypodermis. Bei den anderen von mir untersuchten Formen 
der Schmarotzer sondern sich die Stränge bei ihrer weiteren Entwick- 
lung von der Hypodermis ab, die Verdiekungen der Ganglienknoten, 
die in der Längsachse sehr zusammenrücken, sind weniger deutlich. 
Bei Platygaster Herrickii und Microgaster glomeratus nähern sich 
die paarigen Stränge des Bauchmarkes sowohl in den Nervenknoten, 
wie auch den Konnektiven einander so, dass das Nervensystem auf 
dem Längsschnitt als ein einheitlicher Strang (Fig. 12 ») mit recht 
schwachen Einschnürungen erscheint. Bei Mierogaster glomeratus 
nähern sich die beiden Hälften des Oberschlundganglions, ohne sich ganz 
zu berühren. — Die Bildung der Kommissuren erfolgt bei Mier»- 
gaster glomeratus durch das Zusammenwachsen der Zellen des Ober- 


! W. PATTEn, The development of Phryganids. Quart. Journ. mier. Seience. 
ZU 24. 1884. p. 549, 

?2 GRASsSI, Intorno allo sviluppo delle Api nell’ uovo. Atti Soc. ital. Scienze 
Nat. T. XXVI u. Atti dell. Acad. Gioenia. Vol. XVIII. 


22,0 Nie. Kulagin. 


schlundganglions (Fig. 19 cm). Im Anfange bestehen die Nerven- 
stränge aus Zellen, die sehr denen der Epidermis gleichen, in dem 
Maße aber, wie ihre Vermehrung erfolgt, werden die Nervenzellen 
kleiner als die Hypodermiszellen und die Grenzen zwischen ihnen 
verschwinden. Später sondert sich im Gehirn, sowie im Bauchmark 
die sogenannte Punktsubstanz (Fig. 19 för). Zwischen den Ganglien- 
knoten in den Kommissuren erscheint die Punksubstanz nur in der 
Mitte der Nervenstränge. Das völlig entwickelte Nervensystem des 
DMierogaster ist auf der Fig. 20» abgebildet. 

Als Resultat der Beobachtungen über die Differenzirung des 
Ektoderms bei den schmarotzenden Hymenopteren, welche von GANIN, 
AYERS, N. P. WAGNER, BUGNIoN! und mir erlangt sind, ergiebt sich 
Folgendes: 

I) Unter den schmarotzenden Hymenopteren, welche bis jetzt 
untersucht sind, giebt es zweierlei Larvenarten: die Formen (Platy- 
guster, Teleas, Ophioneurus), welche im Laufe ihres ganzen Larvenlebens 
schmarotzen, haben in dem Larvenstadium eine sehr einfache Or- 
ganisation; die anderen (Mecrogaster, Encyrtus), welche ihre Wirthe 
im Larvenstadium verlassen, zeichnen sich durch eine komplieirtere 
Organisation aus. Die Larven der ersten Art durchlaufen nach den 
Beobachtungen von GANIN und AyErs zwei Stadien; in dem ersten 
Stadium hat der aus dem Ei hervorgehende Embryo kein Nerven- 
system; dieses entwickelt sich bei ihm aus dem Ektoderm gleich- 
zeitig mit den Anhängen der Geschlechtsorgane im zweiten Stadium 
nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. Nach meinen Beobachtungen 
bildet sich bei Platygaster das Nervensystem im Embryo aus dem 
Ektoderm vor seinem Ausschlüpfen aus dem Ei. Womit man diese 
Verschiedenheit erklären kann, ob es darin beruht, dass wir ver- 
schiedene Methoden benutzten (ich benutzte die Methode der Schnitte, 
Gain und AyErs haben keine Schnitte gemacht), oder darin, dass 
wir es mit verschiedenen Larvenarten zu thun hatten, das ist augen- 
blicklich ohne weitere Untersuchungen nicht zu entscheiden. — Das 
Nervensystem ist bei allen Larven der ersten Art nicht aus dem 
Ektoderm abgesondert und besteht aus zwei Kopfganglien und dem 
Bauchstrang. Die Kopfganglien bilden sich entweder als paarige 
Bildungen (Platygaster instricator), oder als unpaarige (Platygaster sp.); 
der Bauchstrang beim Mesochorus ist paarig, hat beim Platygaster 
die Form eines Bandes; die Bauchganglien sind bei Platygaster 


1 BuGNIon, 8. p. 141. 


4 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 297 


Herrickü sehr schwach ausgebildet, bei Teleas findet man nach 
AYERS nur das letzte hintere Ganglion, bei Platygaster fehlen sie. — 
Die Sinnesorgane fehlen bei allen Arten, außer bei Teleas (Cuti- 
eulargrube). 

2) Der Vorder- und der Hinterdarm bilden sich aus dem Ekto- 
derm; Teleas hat nach Gaxin während des ersten Entwicklungs- 
stadiums keinen Hinterdarm. Aus dem Ektoderm entwickeln sich 
die paarigen Speicheldrüsen. Die Drüsen sind von Anfang an 
Röhren oder dichte Zellstränge, in denen der Hohlraum sich später 
bildet. Marrisarsche Gefäße fehlen. 

3) Bei den Larven der zweiten Art, wie z. B. Mierogaster und 
wahrscheinlich Zneyrtus (seine Embryonalentwicklung ist, wie früher 
erwähnt, nicht untersucht) erhält die innere Organisation einen kom- 
plieirteren Bau zur Zeit des Ausschlüpfens der Larve aus dem 
Wirthe. Das Nervensystem wird in den früheren Stadien der Ent- 
wicklung aus dem Ektoderm gebildet. Das Kopfgehirn entsteht 
durch das Zusammentreten zweier Ganglien. Die Bauchkette ist 
stärker von dem Ektoderm gesondert als bei den vorhergehenden 
Formen, und besteht aus einer Reihe von Ganglien und Kommissu- 
ren. Die Speicheldrüsen ektodermischer Herkunft sind sehr ent- 
wickelt. Die MarrıcHrschen Gefäße, welche aus dem Hinterdarım 
entstehen, sind in einem (Encyrius) oder zwei Paaren (Mecrogaster) 
vorhanden. Bei Mecrogaster besteht eine sehr eigenthümliche Aus- 
stülpung des Hinterdarmes. Die Rolle dieser Blase ist nicht eine 
respiratorische, wie RATZEBURG! meint, sondern eine sekretorische. 
Zur Zeit des Ausschlüpfens der Larve aus dem Wirthe werden bei 
Mierogaster aus dem Ektoderm Tracheen, Geschlechtsgänge und die 
Imaginalscheiben zur Bildung der Brustbeine, der Flügel und der 
Geschlechtsbewaffnungen gebildet; bei Meicrogaster werden die Ge- 
schlechtsbewaffnungen von zwei Paar Scheiben gebildet, beim En- 
cyrtus aus drei Paaren. Außerdem bildet sich bei dem letzteren 
noch ein Paar Kopfscheiben. Schließlich sind bei Microgaster be- 
sondere Hautdrüsen auf der vorderen Brust vorhanden. 


IV. Derivate des Meso- und Entoderms. 
Die Bildung des Mesoderms und Entoderms bei den von mir 
untersuchten Formen der parasitirenden Hymenopteren war schon im 
I. Kapitel dieser Arbeit erwähnt worden. In den ersten Entwicklungs- 


! RATZEBURG, Die Ichneumonen der Forstinsekten, Berlin 1844, p. 63. 


228 Nie. Kulagin, 


stadien der Embryonen besteht die Anlage des Meso- und Entoderms 
aus ganz gleichen Zellen. In dieser Zeit kann man die Zellen des 
Mesoderms und Entoderms nur nach ihrer Lage zu der äußeren 
Schicht des Ektoderms unterscheiden (Fig. 7 u. 8 end, mes). Die 
Zellen des Mesoderms erscheinen bei ihrer Bildung .nicht nur an 
der Abdominalfläche des Embryo, sondern auch an den Seiten- 
und sogar an der Rückenfläche (bei Mesochorus). Bei der weiteren 
Entwicklung des Embryo, bei seiner Dehnung in die Länge, ver- 
größert sich die Zahl der Mesodermelemente, ihre größte Anhäufung 
sieht man dann in den mittleren und hinteren Theilen des Embryo, 
sie vertheilen sich von hier an der Abdominalfläche und an den 
Seiten des Embryo. 

Zur Zeit der Segmentirung des Embryo entwickelt sich das 
Mesoderm auf der ganzen Körperlänge des Embryo derartig weiter, 
dass zugleich mit der Segmentirung des Ektoderms auch die des 
Mesoderms erfolgt. 

Bei Platygaster instricator und Platygaster Herrickii zerfällt 
das Mesoderm zuerst in zwei Abschnitte: den Kopf- und den Körper- 
abschnitt, später sondern sich bei der ersten Art eine Reihe Ab- 
dominalsomite ab, bei der zweiten Art drei Somite des Thorax. 
Die Theilung der Segmente in zwei Hälften, eine rechte und eine 
linke, findet bei Platygaster instricator nur am Abdomen statt und 
ist sehr schwach ausgesprochen. Bei Platygaster Herricküi beob- 
achtet man diesen Process nur am Thorax. 

Im Inneren der Somite bemerkt man gleich vom Moment ihrer 
Erscheinung an eine nicht scharf umgrenzte schmale Höhle von un- 
regelmäßiger Form. Am schwächsten ist die Höhle in den meso- 
dermalen Elementen entwickelt, die in dem Kopfabschnitt der von 
mir untersuchten Formen liegen. Bedeutender ist die Höhle im 
Inneren der Somite, die bei den Embryonen von P/latygaster Her- 
rickü ım Thorax liegen (Fig. 21 mes). 

Während der Bildung der thorakalen Anhänge rücken bei dieser 
Art mesodermale Elemente weiter in die Tiefe und bekleiden das 
Ektoderm. Wie sich das Mesoderm vergrößert, vergrößert sich auch 
bedeutend die Höhle der Somite im Thorax, sie dringt sogar in dessen 
Anhänge vor. Die Somite liegen, mit Ausnahme des Kopfsomites, dicht 
an einander, so dass ihre Höhlen nur durch dünne Scheidewände 
getrennt sind. Die Wände der mesodermalen Somite sind nicht 
überall gleich dick. An der der Achse des Körpers zugewendeten 
Seite hat die Wand mehr Schichten als an jener, die dem Ektoderm. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 329 


anliegt. Besonders bemerkt man das an den Somiten des Mittel- 
theiles des Embryo; an den Kopfsomiten ist es dagegen sehr schwach 
ausgesprochen. 

Während der weiteren Entwicklung der von mir untersuchten 
Formen erfahren die mesodermalen Bildungen folgende Abände- 
rungen. Zunächst fließen die Höhlen der einzelnen Segmente zu- 
sammen, dann löst sich der Zusammenhang der Somitenwände, ein 
Theil ihrer Zellen trennt sich von den übrigen ab und legt sich an 
das Ektoderm, der andere Theil bekleidet den Darmkanal, der sich 
zu dieser Zeit bildet. Die der Oberhaut anliegenden Zellen bilden 
später den Anfang der Hautmuskelschicht; die Zellen, welche den 
Darm bekleiden, die Darmmuskelschicht. Beim Zerfalle der Somite 


vereinigt sich ihre Höhle mit der Segmentationshöhle. — Ferner be- 
merkt man, dass das Mesoderm an die Rückenseite des Embryo 
auswächst. — Endlich dienen im Kopfe von Platygaster alle meso- 


dermalen Elemente hauptsächlich zur Bildung der Muskeln, welche 
die Kiefer bewegen. Die volle Entwicklung der Muskeln geschieht 
in späteren Stadien. Am Anfange der Muskelbildung nehmen die 
Mesodermzellen spindelartige Form an, ihre Enden schmelzen da- 
‚ nach zusammen, und es entsteht eine Reihe Zellen in Form eines 
Stranges, In dem anfänglich ganz gleichförmigen Plasma erscheinen 
später dunklere und hellere, nicht scharf umgrenzte Stellen, während 
die Kerne an die Peripherie der Zellen treten. Bei Platygaster 
Herrickiüi bleiben die Muskeln in diesem Zustande bis zur Ver- 
puppuns. 

Von der Bildung der Speiseröhre und des Hinterdarmes war 
früher die Rede. Die Bildung des Mitteldarmes konnte ich genauer 
bei Platygaster Herrickii beobachten. Sie verläuft folgendermaßen. 
Im Stadium der Bildung des Hinterdarmes kann man auf Längs- 
schnitten sehen, dass bei der Einstülpung des Ektoderms zur Bildung 
des Hinterdarmes ein Theil der Zellen, die im Inneren des Embryo 
liegen, vorn sich absondert. Dasselbe sehen wir auch auf Längs- 
schnitten durch das Vorderende des Embryo, wo die Bildung der 
Speiseröhre stattfindet; dabei ist die Zahl der Zellen am Ende der 
Ektodermeinstülpung des Hinterdarmes viel größer als am Ende der 
Speiseröhre. Auf Querschnitten derselben Entwicklungsstadien durch 
die Mitte des Embryo sieht man außen das Ektoderm und im 
Inneren die undifferenzirten Zellen, die Anlagen des Meso- und Ento- 
derms. Die ektodermale Einstülpung des Hinterdarmes drängt die 
Zellen ins Innere, wo sie in zwei Gruppen zerfallen: eine kleine 


230 Nie. Kulagin, 


Gruppe, die unmittelbar vor dem blinden Ende des Hinterdarmes 
liest und eine große Zellengruppe, welche dicht an dem Hintertheile 
des Embryos liegt, theils am Darme, theils an der Haut, Dieselbe 
Zertheilung der inneren Zellen geschieht auch am blinden Ende der 
Speiseröhre. Von diesem Entwicklungsstadium des Embryos an 
kann man am Embryo drei Blätter unterscheiden: das äußere ekto- 
dermale Blatt, das innere, welches unmittelbar auf. dem blinden 
Ende der Speiseröhre und des Hinterdarmes liegt, das Entoderm, und 
die Zellen, die zwischen ihnen liegen, das Mesoderm. Diese drei 
Schichten von Zellen unterscheiden sich unter einander nicht nur 
durch ihre Form, sondern auch dadurch, dass Mesoderm und Ento- 
derm sich verschieden färben. 


Die Untersuchung einer ganzen Schnittserie durch den Embryo 
auf einem weiteren Stadium zeigt, dass die entodermatischen Zellen 
eine Rinne bildern, deren Ränder sich zur Rückenfläche umbiegen, 
und diese Rinne steht in Verbindung mit den beschriebenen Anlagen 
des Entoderms am blinden Ende der Speiseröhre und des Hinter- 
darmes. Außerdem gehören zu den entodermatischen Zellen auch 
die Zellen, die sich von der inneren Seite der gemeinsamen, im 
Mitteltheile des Embryo liegenden Anlage des Meso- und Entoderms 
abschnüren. 


Nach alle dem legt sich der Mitteldarm bei Platygaster Her- 
rickit zunächst mit zwei Zellgruppen an, die an dem vorderen und 
hinteren Ende des Embryo liegen, und entwickelt sich dadurch 
weiter, dass zu den Zellen, die durch Vermehrung in diesen Gruppen 
entstehen, sich die undifferenzirten inneren Zellen gesellen, die im 
Mitteltheile des Embryos liegen. 


Der soeben gebildete Mitteldarm besteht aus vielkantigen Zellen, 
deren Grenzen mehr oder weniger deutlich sichtbar sind, und zwar 
während des ganzen Larvenlebens. Nach der Vereinigung der 
Speiseröhre mit dem Mitteldarm in eine gemeinsame Röhre bemerkt 
man in den Zellen der letzteren viele Fetttropfen. Eine weitere 
Differenzirung der Zellen des Mitteldarmes erfolgt während des 
sanzen Larvenlebens nicht, und das hängt wahrscheinlich davon ab, 
dass der Darmkanal des Parasiten schon fertige, durch die Thätig- 
keit des Wirthes zubereitete Nahrung bekommt. Der Hinterdarm 
öffnet sich in den Mitteldarm viel später als es die Speiseröhre thut. 


Gleichzeitig mit der Bildung des Mitteldarmes und der meso- 
dermalen Somite geschieht auch die Bildung des Herzens. Ich 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. DE, 


habe die Bildung des Herzens bei Embryonen von Platygaster Her- 
rickü ausführlich beobachtet. 

Bei den Embryonen der genannten Art lösen sich zu der Zeit, 
wenn die mesodermalen Somite noch nicht ganz abgesondert sind, 
von deren Rändern einzelne Zellen ab, die an die Rückenfläche des 
Embryo übersiedeln. Bei ihrer Annäherung an diese Fläche nehmen 
diese abgesonderten Zellen immer mehr kugelige Form an, man 
sieht deutlich in ihnen den Kern und den Nucleolus. In der wei- 
teren Entwicklung finden sich diese Zellen an der Rückenfläche des 
Embryo oder, richtiger gesagt, seiner Segmentationshöhle. Diese 
Höhle ist von oben durch Ektoderm, von unten durch Entoderm, an 
den Seiten durch die jederseits nach oben auswachsenden mesoder- 
malen Somite begrenzt. Später wachsen die oberen Wände der 
beiderseitigen mesodermalen Somite immer mehr gegen die Rücken- 
fläche und verengern damit die Höhle mit den erwähnten kugeligen 
Zellen. 

Man sieht auf den Schnittserien desselben Embryo, dass die 
mesodermalen Somite nicht gleichmäßig in der ganzen Länge des 
Thieres gegen die Rückenfläche wachsen; sie wachsen schneller in 
den vorderen und hinteren Theilen als in dem mittleren. Später 
kommen diese mesodermalen Blätter so nahe an einander, dass sie 
auf der Rückenfläche nur noch eine Spalte zwischen sich lassen, 
die oben von dem Ektoderm, unten von dem Entoderm und seitlich 
von dem Mesoderm begrenzt ist. In dem folgenden Stadium wach- 
sen dann die mesodermalen Blätter an der dem Ektoderm zugewen- 
deten Seite zusammen und bilden damit eine Höhle, die gegen das 
Entoderm hin offen ist, und die in ihrem Inneren die kugeligen 
Zellen enthält. 

Später ist diese Höhle von dem Entoderm durch die den Darm- 
kanal bekleidenden Zellen der Darmmuskelschicht getrennt. Sehr 
spät erfolgt das Zusammenwachsen der beiderseitigen mesodermalen 
Somite auf der Seite, die zum Darmkanal gewendet ist. Diese 
zusammengewachsenen mesodermalen Blätter bilden dann am Rücken 
des Embryo eine Röhre, das Herz, und die in der Röhre vorhan- 
denen kugeligen Körper sind nichts Anderes als Blutkörperchen 
Gleich nach dem durch die Verwachsung herbeigeführten Schluss 
sieht man am Herzen die spaltenförmige Öffnung, durch die dessen 
Liehtung mit der umgebenden Leibeshöhle in Verbindung steht. 

Aus den das Herz umgebenden Zellen bilden sich die flügel- 
förmigen Muskeln, welehe vom Herzen zu den Körperwänden gehen. 


332 Nie. Kulagin, 


Gleichzeitig mit der Entwicklung des Herzens und der Bildung 
der Leibeshöhle geschieht auch die Bildung des Fettkörpers. Er 
entwickelt sich bei allen von mir untersuchten Formen ganz gleich. 
Den Ursprung des Fettkörpers bilden die mesodermalen Somite; 
bei ihrem Zerfallen in Zellen, die zum Darmkanal gehen, welche 
die Darmmuskelschicht bilden, und in Zellen, die zur Haut gehen 
(Hautmuskelschicht), lösen sich von der inneren Seite der Somite 
Zellen ab, die in die Höhle gelangen, welche durch das Zerfallen 
der Somite gebildet ist. Diese Zellen gleichen im Anfang den Zellen 
der Somite und bilden unregelmäßige Gruppen. Bei weiterer Ent- 
wicklung der Leibeshöhle vergrößert sich die Menge dieser Zellen, 
um ihre Kerne bemerkt man die größte Anhäufung des Plasmas. 
Später erscheinen im Inneren der Zellen Fetttropfen. Dabei sind 
einige Zellen ganz voll von diesen Fetttropfen; in anderen Zellen 
vermissen wir sie gänzlich, oder es sind nur schwache Spuren davon 
vorhanden. Die Grenzen der Zellen, die mit Fetttropfen überfüllt 
sind, sind gewöhnlich sehr schwach ausgeprägt; die Form der Feitt- 
körperzellen ist bei verschiedenen Arten und an verschiedenen Stellen 
des Embryo mannigfaltig. 

Das allerfrüheste Entwicklungsstadium der Geschlechtsorgane 
habe ich bei der Larve von Platygaster Herricki beobachtet. 
Fig. 12 stellt einen Schnitt des Embryo im Stadium der Entwick- 
lung des Mitteldarmes und der Bildung der mesodermalen Somite 
dar. Wir sehen hier in der Gegend des Hinterdarmes einen Haufen 
von Zellen; das ist die Anlage der Geschlechtsorgane. Die Unter- 
suchung einer ganzen Schnittserie ergiebt, dass die Anlage der Ge- 
schlechtsorgane paarig ist. Diese Zellen sind den inneren noch 
nicht differenzirten Zellen des Meso-Entoderms sehr ähnlich, unter- 
scheiden sich von diesen nur dadurch, dass sie sich intensiver färben 
als die letzteren. 

Während der weiteren Entwicklung der Embryonen beobachtet 
man eine ungleiche Differenzirung dieser Zellen in den männlichen 
und weiblichen Geschlechtsorganen: die Anlagen der männlichen 
Geschlechtsorgane haben eine kugelige Form, während die Anlagen 
der weiblichen Geschlechtsorgane eine lappenartige Form annehmen. 
Woraus diese Anlagen der Geschlechtsorgane ihren Ursprung nehmen, 
konnte ich nicht genau konstatiren. Es scheint, dass er in den 
noch nicht in Meso- und Entoderm differenzirten inneren Zellen zu 
suchen ist. Dafür spricht erstens die frühe Absonderung der Ge- 
schlechtszellen, schon zu einer Zeit, wo das Meso- und Entoderm 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 233 


nicht scharf getrennt ist, und ferner die sehr große Ähnlichkeit 
beider Zellelemente in den ersten Stadien ihrer Entstehung. Die 
Frage von der Differenzirung des Meso- und Entoderms bei an- 
deren parasitischen Formen der Hymenopteren ist bis jetzt sehr 
wenig bearbeitet. Gann und Ayers beschreiben bei den Larven 
der von ihnen untersuchten Formen Muskeln, welche die Kiefer der 
Larven bewegen und Muskeln im Abdomen, ohne die Frage über 
deren Entwicklung zu erörtern. Weiter erwähnen sie die Entwick- 
lung des Magens aus den Zellen des inneren Blattes. Beide Natur- 
forscher sprechen von der Entwicklung der Geschlechtsdrüsen aus 
Zellen der Hypodermis, wobei die Geschlechtsorgane den Anfang 
der Geschlechtsgänge bilden sollen. 

N. P. WAGneEr ist der Ansicht, dass der Mitteldarm einer Pfero- 
malına sp. durch das Zusammenwachsen der Speiseröhre und des 
Hinterdarmes gebildet wird. 

Die Angaben von GAnIn und Ayers über die Bildung des Mittel- 
darmes bei den von ihnen untersuchten Formen stimmen mit meinen 
oben angegebenen Beobachtungen überein. Was aber die Beobach- 
tungen von N. P. WAGNER anbetrifft, so unterscheiden sie sich nicht 
nur von meinen Angaben über die Entwicklung des Mitteldarmes 
bei Platygaster, Mesochorus, Microgaster, sondern auch von den An- 
gaben der meisten Untersuchungen anderer Autoren über die Ent- 
wicklung des Mitteldarmes bei Insekten überhaupt. 

Mit WAGNER stimmen allerdings in der Frage über die Bildung 
des Mitteldarmes überein: GAnIn für Blatta germanica, WITLACZIL 
für Aphiden, und VÖLTZKOW für Musca und Melolontha. Diese An- 
gaben sind aber bereits von GRUBER und CHOLODKOWSKY beanstandet; 
GAnIn und WırtaczıL haben ihre Objekte ohne Anwendung der 
Sehnittmethode untersucht, VÖLTZKOW ist nach GRUBER durch die 
Unvollständigkeit seiner Untersuchungen zu falschen Schlüssen ge- 
kommen. So vermuthe ich, dass der Unterschied in den Angaben 
N. P. Wacner's über die Entwicklung des Mitteldarmes bei Pfero- 
malina und meinen obigen über den gleichen Vorgang bei Platy- 
gaster in ähnlicher Weise darauf zurückzuführen ist, dass N. P. 
WAGNER zu den nur in einer vorläufigen Mittheilung gebrachten Er- 
Sebnissen gekommen ist, da er bei seinen Untersuchungen die von 
mir verwendete Schnittmethode nicht in Anwendung gebracht hat. 


Moskau, im Juni 1897. 


234 Nic. Kulagin, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel X. 


Fig. 1. Der Darmkanal von Cecidomyia mit der Platygaster-Larve. vn, Pro- 
ventriculus; vn,, Ventrieulus; p/, Caudalfortsätze der Platygaster-Larve. 

Fig. 2. Platygaster--Ei im Darmkanal der Cecidomyia (Querschnitt). 3, 
Blastoderm; drm, die Wand des Darmkanals; m, Eimembran; e, e,, c,,, Eikerne. 
3.19, 0 

Fig. 3. Ein Querschnitt des Platygaster-Eies. m, Eimembran; r, Eikern; 
d, Körnehen im Kern; d!, die körnige Schicht des Eies. 

Fig. 4. Platygaster-Ei im Darmkanal von Cecidomyia (Querschnitt). drin, 
Darmwand der Cecidomyia; m, Eimembran; d, plasmatischer Inhalt des Eies; 
€, C5p Kerne. 

Fig. 5. Platygaster-Eier im Darmkanal der Cecidomyia. drm, Grenze der 
Darmwand der Cecidomyia (Querschnitt). ce, C77 €, €7;n Kerne; d, plasmatischer 
Inhalt des Eies; m, Eimembran. 

Fig. 6. Die Bildung der Embryonalblätter bei Plaiygaster. drm, die Wand 
des Darmkanals; am, Amnion; 5/l, Blastoderm. S. 9, ©. 4. 

Fig. 7u.8. Die Bildung der Embryonalblätter bei Platygaster instricator 
(Querschnitt). end, Entoderm; mes, Mesoderm. Die übrigen Buchstaben be- 
zeichnen dasselbe wie auf den vorhergehenden Figuren. Dieselbe Vergröße- 
rung. 

Fig. 9. Platygaster-Embryo. %k, Kopfabschnitt; anl, Analabschnitt; fr, 
Furche. 

Fig. 10. Die Larve des Platygaster instricator. lb, Oberlippe; ldr, untere 
Lippe; mn, Mandibeln; ant, Fühler; /, lappenförmige Gebilde; Af, Hinterfüße. 
8. 8, 0. 4. 

Fig. 11. Die Larve des Platygaster Herricku. md, Mund; Ar, Krallen- 
füße; f, lappenförmige Gebilde; /, Füße. 8. 8, 0.2 

Fig. 12. Ein Schnitt durch die Larve von Platygaster instricator. h, Hypo- 
derm; mid, Mitteldarm; mes, Mesoderm; gr, Anlagen des Kopfganglions; n, 
Nervenstrang; spd, Spinndrüsen; Az, Herz; t, Hoden; am, Amnion. .S. 9, O. 4. 


Tafel XI. 


Fig. 13. Längsschnitt durch das hintere Ende der Microgaster-Larve mit 
der Analblase. A, Hypodermis; spd, Spinndrüsen; Z, Hoden; ms, Muskeln; biz, 
Blutkörperchen; ad, Fettkörper; anz, Zellen der Analblase. 8. 7, O. 3. 

Fig. 14. Längsschnitt der Analblase der Miecrogaster-Larve. hd, Hinter- 
darm; mp. MALPpIGHY'sche Gefäße. Die übrigen Buchstaben bezeichnen dasselbe 
wie auf. der Rio 13, 3.70.2. 

Fig. 15. Querschnitt der Analblase der Microgaster-Larve. Die Buch- 
staben bezeichnen dasselbe wie früher. S. 7, O. 3. 

Fig. 16 u. 17. Schnitt durch die Geschlechtsgänge der Microgaster-Larve. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgesch. von Platygaster. 335 


h, hı, Hypodermis; um, Imaginalscheibe; mes, Mesoderm; vs, Geschlechtsgang; tr, 
triehterförmige Erweiterung; t, Hode. S. 7, 0.3. 

Fig. 18 u. 19. Längsschnitt durch das Vorderende der Microgaster-Larve. 
md, Mund; var, Anfang der Speiseröhre (Ösophagus); oes, Speiseröhre; spd, die 
Anlage der Spinndrüsen; A, Hypodermis; gn, gnı, Kopfganglien; fbr, Fasern des 
Kopfmarkes; cm, Kommissur. 8. 7, O. 3, 

Fig. 20. Längsschnitt durch den mittleren Theil der Microgaster-Larve. 
h, Hypoderm; rn, Nervenstrang; gr, Nervenganglion; mes, Mesoderm. S.7,0.3. 

Fig. 21. Längsschnitt durch die Plaiygaster-Larve. Ah, Hypodermis; mes, 
Mesoderm; f, Fußanlage; td, Mitteldarm. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 16 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 
Von 
Carl Zimmer. 


‘Aus dem Zoologischen Institute zu Breslau.) 


Mit Tafel XII und XIII. 


ExNER weist in seiner »Physiologie des facettirten Auges« (1891, 
p. 112—115) auf den ungleichmäßigen Bau mancher Arthropoden- 
augen hin. Er macht darauf aufmerksam, dass die Augen vieler 
Libellen in ihrem oberen Theile eine Verlängerung der Facetten- 
slieder aufweisen und durch abweichende, meist farbige Pigmentirung 
von dem unteren schwarz pigmentirten Abschnitt sich unterscheiden. 

Wie er ausführt, erspäht das Thier mit dem oberen Theile des 
Auges, der zum Erkennen von Bewegungen geeigneter ist, die in 
der Luft schwebende Beute, während es mit dem unteren Theile 
des Auges das erjagte Wild während des Verzehrens sieht. 

Exner erwähnt dann, dass sich eine solche ungleichmäßige 
Ausbildung des Auges auch bei den Dipteren und dann in hervor- 
ragendem Grade bei Phronima findet. Bei diesem Amphipoden hat 
sich bekanntlich das Auge in zwei Theile gespalten, von denen der 
obere Facettenglieder zeigt, die an Länge die Facettenglieder des 
unteren Theiles um das Neunfache übertreffen. 

CHun fand weiter (1896), dass eine solche Zweitheilung des 
Auges bei den Krustern durchaus nicht einzig dasteht, sondern sich 
bei pelagisch lebenden Tiefseekrebsen sehr verbreitet findet. Es 
selang ihm sogar, die Zwischenformen bis zum völlig getheilten 
Auge nachzuweisen, so dass er sagen. konnte (1896, p. 242): 

»Das Phronimidenauge, vielfach untersucht und bisher als 
ein Curiosum betrachtet, dessen fremdartiger Aufbau unvermittelt 
und unverständlich in die Erscheinung tritt, erweist sich als ein 
Glied einer Reihe von Umbildungen, die unter pelagischen Formen 
weit verbreitet sind.« 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 237 


Er zeigt aber auch, dass eine solche allmähliche Zweitheilung 
des Auges nicht regellos geschieht, sondern Hand in Hand geht mit 
der Veränderung der Lebensbedingungen. Während nämlich die an 
der Meeresoberfläche lebenden Kruster einen ganz regelmäßigen Bau 
des Auges erkennen lassen, weisen die in der Tiefe lebenden eine 
immer merkwürdiger werdende Ausbildung auf. In den Tiefen, zu 
denen nur diffuses Licht dringt, ist natürlich das Pigment im Auge 
nieht mehr nöthig. So findet man dann, dass bei den Formen, die 
den Aufenthalt wechselnd an der Oberfläche und in der Tiefe neh- 
men, auch noch vollständig normale Pigmentirung vorhanden ist und 
Pigmentwanderung auftritt, dass aber bei Formen, die dauernd in 
jenen schwach belichteten Tiefen leben, eine der beiden Pigment- 
arten, sei es nun, wie es meistens geschieht, das Retinapigment, 
oder sei es das Irispigment, verschwindet. Zugleich aber macht 
sich eine immer weiter gehende Theilung des Auges in ein »Front- 
ause« und ein »Seitenauge« geltend. Das Frontauge zeigt dem 
Seitenauge gegenüber eine auffällige Verlängerung der Facetten- 
slieder. Im extremsten Falle bleibt dann allein das Frontauge be- 
stehen und das Seitenauge verschwindet gänzlich. Wir finden in 
diesen Frontaugen der pelagischen Tiefseekruster, mit ihrem Pig- 
mentmangel und ihrem ausgezeichneten Superpositionsbilde »die voll- 
kommensten Dunkelaugen, von denen wir bis jetzt Kenntnis haben«. 
Zugleich aber passt sich das Frontauge durch die Verlängerung 
der Facettenglieder immer mehr dem Erkennen von Bewegungen an. 
Eine solche Fähigkeit muss ja auch dem Krebse, der auf jene durch- 
sichtigen und daher schwer wahrnehmbaren pelagischen Organismen 
Jagd macht, von ganz besonderem Vortheile sein. 

Die auf dem Meeresboden lebenden Tiefseekruster zeigen im 
Gegensatze dazu Augenformen, die, abgesehen von dem Pigmentmangel, 
mit denen der Oberflächenkrebse übereinstimmen. Sie, die ja meist 
von Aas leben, sind auch nicht auf das Erkennen von Bewegungen 
angewiesen. | Een 

CHun weist diese Verhältnisse ausführlich bei den Schizopoden 
nach, macht aber auch darauf aufmerksam, dass sich vollkommen 
konvergente Erscheinungen auch bei anderen Klassen der Kruster 
finden, die gar nicht so nahe im System beisammen stehen, nämlich 
bei den Cladoceren, Decapoden und Amphipoden. 

Es lag nun nahe zu vermuthen, dass auch bei den Insekten 
sich eine ähnliche bis zur Theilung gehende ungleichmäßige Aus- 
‚bildung des Auges in jenen Fällen würde finden lassen, wo Lebens- 

16* 


233 Carl Zimmer, 


bedingungen vorhanden sind, die ein Erkennen von Bewegungen zur 
Voraussetzung haben. 

Auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn 
Professor CHun, machte ich mich nun daran, nach solehen Erschei- 
nungen bei den Hexapoden zu suchen. Von vorn herein behielt ich 
die Ephemeridengattungen Clo& Burm. und Potamanthus Piet. im 
Auge, bei denen eine Zweitheilung des Auges bekannt war. 

Bereits die Altmeister der Entomologie, REAUMUR und DE GEER 
entdeckten die Zweitheilung des Auges bei Qlo&, von der sie auch 
Abbildungen gaben. 

REAUMUR sagt (1738, Tom IV, p. 240): »Diese Fliege aus dem 
Geschlechte der sogenannten Eintagstliegen hat vier Augen. Sie hat 
zwei an derselben Stelle wie die anderen Fliegen, die aber von ge- 
ringer Ausdehnung sind. Sie wird wohl für die geringe Oberfläche 
dieser Augen schadlos gehalten durch zwei andere, deren jedes für 
sich etwas von der Gestalt eines Turbans hat, und die auf dem 
Scheitel neben einander stehen. Sie gleichen auch etwas einem 
Pilze, dessen Hut nur wenig den Stiel überragt, und dessen Ober- 
fläche mit großer Kunst in äußerst kleine Facetten getheilt ist. Die 
zuerst erwähnten Netzaugen, die denen der anderen Fliegen gleichen, 
sind braun. Die Turbanaugen haben eine sehr schöne eitronen- 
gelbe Farbe.« 

DE. GEER erkannte dann schon, dass es sich um einen Ge- 
schlechtsunterschied handelt, in so fern als nur das Männchen die ge- 
_ theilten Augen hat. Er schreibt (1779, Bd. II, 2. Thl, p. 28): 

»Der Kopf dieser kleinen Ephemer, welche ein Männchen 
war, ist darum merkwürdig, weil daran vier netzförmige Augen, 
zwey große und zwey kleine sizen, welche eben so beschaffen 
sind als diejenigen, die REAUMUR an einer anderen Ephemerart 
beschrieben, und Turbansaugen (des yeux en Turban) benennet hat. 
Zu seiner Beschreibung darf ich nichts weiter hinzusezen, als dass 
die großen Turbansaugen unserer Ephemer hellbraun; die kleinen 
aber, die hinterwärts an der Seite der großen liegen, dunkel- 
braun sind. Die Turbansaugen, welche REAUMUR auch sehr gut 
mit den Champignons verglichen hat, nehmen beynahe den ganzen 
Vordertheil des Kopfes ein.« 

Von einer anderen Art schreibt er (p. 33): 

»Außer diesen beyden gewöhnlichen Augen aber haben die 
Männchen dieser Art, oben auf dem Kopf, zwischen denselben, 
noch zwey andere netzförmige, die senkrecht als zwo Säulen in. 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 239 


die Höhe stehen. Bey Gelegenheit einer anderen Art Ephemer- 
männchens haben wir dieser Augen schon gedacht. REAUMUR hat 
sie mit Turbans oder Schwämmen verglichen, deren Huth ein wenig 
über den Fuß hervorstehet. Blos und allein haben sie die Männchen. 

Bey unserer Ephemer waren sie gelb braunröthlich. Sie sehen 
wie ein Paar fast eylindrische Säulen oder Fußgestelle aus, deren 
Oberende flacherhaben und mit sehr feinem Gitterwerk bezeich- 
net ist. Sie sind von ziemlicher Höhe, und geben dem Kopf ein 
sonderbares Ansehen.« 

Eine genauere Darstellung vom äußeren Habitus dieser zwei- 
setheilten Augen der Männchen von Clo& Burm. giebt Pıcrer (1845), 
auf dessen Angaben ich weiter unten zurückkommen werde. EATON 
(1888) übernimmt von REAUMUR die Bezeichnung »Turbanaugen« und 
giebt von einigen Arten sehr genaue Abbildungen. 

Als es mir nun im Herbste vorigen Jahres gelang, ein Exemplar 
von Clo& pumila Burm. zu erbeuten, fand ich zu meinem Erstaunen 
bei der mikroskopischen Untersuchung der inneren Struktur eine 
Ungleichmäßigkeit der beiden Augenpaare, die meine kühnsten Er- 
wartungen übertraf. Man muss sich wundern, dass eine solche un- 
gleichmäßige innere Ausbildung bisher so gut wie unbekannt geblie- 
ben ist. Nur einige kurze Bemerkungen finde ich über diese Augen 
in der Litteratur. Einerseits giebt CIaccıo (1880) eine Notiz, über 
die mir nur ein Referat zu Gebote steht (Journ. of the Royal Micer. 
soc. 1882, p. 609), und andererseits liefert CARRIERE in seinen 
»kurzen Mittheilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die 
Sehorgane« (Zool. Anz. IX, p. 479) eine knappe Beschreibung der 
Augen, ohne aber auf die verschiedene physiologische Wirksamkeit 
der beiden Augenpaare und ihre biologische Bedeutung einzugehen. 
Eine ausführliche Publikation, die er vorbereitet hatte, ist nicht mehr 
erschienen. 

Nachdem ich bei Clo& Burm. die erwähnte Ungleichheit im 
mikroskopischen Bau der beiden Augenpaare gefunden hatte, unter- 
suchte ich auch die Augen der anderen Ephemeriden, so weit sie mir 
zu Gebote standen. Es gelang mir auch hier eine Reihe aufzustel- 
len, die uns den phylogenetischen Entwicklungsgang des einfachen 
ungetheilten Auges bis zu jenem Extrem zeigt. 

Ich will im Folgenden zunächst die Ephemeridenaugen einer 
anatomischen Betrachtung unterziehen, um dann die physiologische 
und biologische Bedeutung der Zweitheilung des Auges bei Clo& Burm. 
und ihre allmähliche Entwicklung zu besprechen. 


240 Carl Zimmer, 


Materialbeschaffung. 


Das Material beschaffte ich mir theils durch Einfangen der aus- 
gebildeten Thiere, theils durch Zucht aus Larven. Clo& pumila Burm. 
fand ich Anfang August an schnell fließendem Wasser, wo sie am 
Schilfe sitzen, mit dem etwas in die Höhe gehobenen Hinterleib und 
den ausgebreiteten Schwanzfäden ständig hin und her wackelnd. In 
demselben Wasser (dem Schwarzwasser hinter dem Scheitniger Parke 
in der Nähe von Breslau) und zur selben Zeit bis tief in den Herbst 
hinein fing ich auch die Larven von Olo& fuscata L. Sie hielten 
sich hier an den Stellen auf, wo das Wasser reißend über Kies hin- 
strömt. Dies deutet schon darauf hin, dass sie sehr sauerstoff- 
bedürftig sind. Hielt man sie in einem nicht gut durchlüfteten 
Gefäße, so gingen sie rasch ein. Im engen Gefäße schwammen sie 
schon nach 12 Stunden fast sämmtlich als Leichen auf der Ober- 
fläche. Wurde durch das Gefäß ein Luftstrom geleitet, so hielten 
sie sich ganz gut. 

Wiederum in demselben Wasser fing ich im Frühjahr die Larven 
von Potamanthus brunneus, und zwar Mitte April ziemlich ausge- 
wachsen. Auch einzelne ausgekrochene Thiere fand ich in der zwei- 
ten Hälfte des April. | 

PICTET giebt an, dass die Larven von Potamanthus Piet. sich mit 
Pflanzenstückehen und Detritus umgeben. Ich konnte nichts davon 
bemerken. Auch seine weitere Angabe, dass sie sich nur schwer- 
fällig im Wasser fortbewegen, kann ich nicht bestätigen. Im Gegen- 
theil bemerkte ich, dass sie sehr gut zu schwimmen verstehen, wenn 
sie allerdings auch nicht die Beweglichkeit der Larven von Clo& 
besitzen. 

Die verschiedenen Arten von Baötis Leach. fand ich das ganze 
Jahr hindurch an Mauern, Bäumen, Sträuchern, Pfählen etc., oft 
ziemlich weit vom Wasser entfernt. 

Ephemera vulgata flog im Mai in großen Schwärmen auf den 
Wiesen an der sanft fließenden Ohle. Palingenia virgo Ol. erhielt 
ich durch Herrn Professor KArscH aus dem Berliner Museum zu- 
gesendet. 


Untersuchungsmethoden. 
Zur Härtung der Augen wandte ich mit gutem Erfolge an: 
Alkohol, warme Sublimatlösung, Pikrinessigsäure, PERENYT'sche Flüs- 
sigkeit, und ein von ROSENSTADT (1896, p. 749) angegebenes Gemisch“ 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 241 


von Sublimatlösung und Perx£xylscher Flüssigkeit. Weniger gute 
Dienste leistete mir Pikrinschwefelsäure, und nach der GoLgT'schen 
Methode erhielt ich nur negative Resultate. 

Einige Schnittserien depigmentirte ich mit einem Gemisch von 
stark verdünnter Salz- und Salpetersäure, wie es ebenfalls RosEx- 
STADT (1896, p. 749) angiebt. 

Die Schnitte färbte ich mit alkoholischem Karmin, Pikrokarmin 
nach CHun und nach WEIGERT, Boraxkarmin und Jodgrün-Säure- 
fuchsin. Mit Hämatoxylin erreichte ich wenig, eben so mit einer 
Beitze von schwefelsaurem Eisenammonoxyd und Hämatoxylin, wie 
es HEIDENHAIN angiebt. Zur Färbung der Kıystallkegel und des 
Rhabdoms wandte ich mit sehr gutem eluloe eine wässerige Lösung 
von Säurefuchsin an. 

Die Schnitte führte ich in einer Dicke von 5—10 u senkrecht 
zur Körperachse, wobei ich sowohl Längs- als Querschnitte durch 
die Facettenglieder erhielt. 

Ich bettete meist in Glycerin ein, Da in Kanadabalsam manche 
Einzelheiten verschwanden. 


Anatomie des Ephemeridenauges. 


Allgemeiner Typus des Ephemeridenauges. 


Das Ephemeridenauge ist mit einem wohl ausgebildeten Krystall- 
kegel ausgestattet, gehört demgemäß nach GRENACHER (1879, p. 75) 
zu dem euconen Typus. 

Jedes Facettenglied, wie ich nach Exner den zu jeder Uornea- 
facette gehörigen Theil des Gesammtauges nennen will, zeigt im 
euconen Auge folgenden Bau: Am distalen Ende liegt die Cornea. 
Sie zeigt fast allgemein eine Schichtung, wie sie nach Onun (1894, 
p- 218) besonders auffallend am Schizopodenauge zu sehen ist. Auch 
bei der bikonvexen Cornea des Ephemeridenauges findet man einen 
starken lichtbrechenden äußeren und einen schwächer lichtbrechen- 
den inneren Theil, die zusammen gleichsam ein achromatisches 
System bilden. 

Betreffs der Entstehung der Cornea nahm man allgemein an, 
dass sie eine Ausscheidung der Krystallkegelzellen sei, bis CLAus 
(1879, p. 73) bei Phronima zwei Hypodermiszellen als Matrixzellen 
der Cornea beschrieb. Dann fand Cuun (1896, p. 219) bei den 
Schizopoden durchgängig Corneakerne, die sich allerdings nur schwach 
färben und daher leicht übersehen werden konnten. 


247 | Carl Zimmer, 


'So waren denn für die Kruster besondere Matrixzellen der 
Cornea nachgewiesen; doch für die Insekten nahm man nach wie 
vor eine Ausscheidung der Cornea durch die Krystallkegelzellen an. 
JAKOBSEN (1893, p. 472) spricht als Resultat seiner Untersuchung 
über die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. seine 
Ansicht mit Entschiedenheit dahin aus, dass sich »kein Zelllager 
nachweisen lässt, das getrennt von den Kıystallkegelzellen die Aus- 
scheidung der Cornealinsen übernimmt«. 

Bei den Ephemeriden fand ich jedoch fast durchgehend den 
zwischen der Cornea und den Krystallkegelzellen liegenden Raum 
deutlich zweigetheilt. Er besteht also offenbar aus zwei Zellen. 
Kerne konnte ich mit Sicherheit allerdings nur im Stirnauge von 
QClo& Burm. nachweisen, doch waren Reste von solchen verschiedent- 
lich vorhanden. Ich gebe in Fig. 20 ein solches Bild. Die granu- 
lirten Massen im Inneren der Zellen sind offenbar Kernrudimente, 
Es ist ja leicht möglich, dass in den Zellen, die ihre Aufgabe er- 
füllt haben, der Kern zu schwinden beginnt. | 

Für das eukone Auge typisch ist der Krystallkegel mit den 
Resten der vier Zellen, die ihn ausgeschieden haben, und ihren 
Kernen. Diese Kerne, welche ULAPAREDE als »SEMPER’Sche Kerne« 
bezeichnet, liegen im Ephemeridenauge kappenförmig über dem 
Krystallkegel, der die Form eines Konus mit abgerundeter Spitze 
und Basis hat. 

Ich brauche wohl nicht erst darauf hinzuweisen, dass sich im 
Ephemeridenauge durchaus kein Zusammenhang des Krystallkegels 
mit dem Rhabdom vorfindet, wie ihn PArTEn bei manchen Arthro- 
poden bemerkt haben will — er hat ja auch seine Ansicht selbst 
zurückgenommen —, dass sich vielmehr allgemein gerade das Gegen- 
theil nachweisen lässt. 

Als lichtpereipirender Apparat fungirt die Reim Sie besteht 
bei den Ephemeriden, wie ja fast überall, aus sieben Zellen, die 
ein centrales Rhabdom ausscheiden. Doch macht sich hier schon 
verschiedentlich die Neigung zum Schwunde einer dieser Zellen 
geltend. Die Kerne liegen am distalen Ende der Zellen. 

Der von GRENACHER (1879, p. 78) aufgestellte Unterschied von 
Haupt- und Nebenpigmentzellen oder von Pigmentzellen erster und 
zweiter Ordnung, tritt auch beim Ephemeridenauge deutlich hervor. 
Die Hauptpigmentzellen umgeben hier in der Zweizahl das untere 
Ende des Krystallkegels. Die spindelförmigen Nebenpigmentzellen 
sind meist in großer Anzahl vorhanden und liegen um den Kıystall- 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 343 


kegel, die Hauptpigmentzellen um den oberen Theil der Retinula. 
Die Hauptpigmentzellen und die Retinulazellen führen ein schwarzes, 
braunschwarzes oder blauschwarzes Pigment im Gegensatze zu dem 
rothgelben oder rothbraunen der Nebenpigmentzellen. Auch im Gan- 
slion opticum liegen oft nicht unbedeutende Pigmentmassen (Fig, 22 P). 

Fassen wir das Gesagte noch einmal kurz zusammen, so ist 
also der Bau des Facettengliedes im Allgemeinen folgender: 

Unter einer bikonvexen mehrschichtigen Cornea (Fig. 4 C) liegen 
zwei Corneazellen (Fig. 20). Dann folgt der Krystallkegel (Fig. 23 X) 
mit den Semper’schen Kernen (Fig. 23 AK). Hinter diesem liegt 
die siebentheilige Retinula, die ein centrales Rhabdom ausscheidet 
(Fig. 23 R). Die Hauptpigmentzellen liegen um den unteren Theil des 
Krystallkegels (Fig. 23 u. 25 ZPZ), die Nebenpigmentzellen in einem 
weiteren Kreise um den oberen Theil des Facettengliedes (Fig. 23 
=a21.NPZ,. 

Von diesem »Normaltypus« jedoch finden sich nicht unbedeu- 
tende Abweichungen. Ich wende mich zur Besprechung der Augen 
der einzelnen Genera. Pıcrer (1845) unterscheidet folgende Gat- 
tungen: Ephemera, Palingenia, Baätis, Potamanthus, Qlo&, Caenis 
und Oligoneuria. 

Eaton (1888) nimmt zwar noch weitere Genera an, doch will 
ich mich an Pıcrer halten, wie ich auch die Bestimmung der unter- 
suchten Arten hauptsächlich nach PıicTET ausgeführt habe. 


Cloe Burm. 


Untersuchte Arten: Cl. fuscata L., Cl. pumila Burm., 
. Cl. translucida Pict. 
Fig. 1—13. 

Das Weibchen hat Augen, die nach dem Normaltypus gebaut 
sind (Fig. 3). Das Männchen (Fig. 2) zeigt außer diesen Seitenaugen 
noch jene auffälligen Stirnaugen. 

PıctTET (1845, p. 48) schreibt über diese accessorischen Augen: 

»Der Kopf zeigt von oben gesehen zwei riesige Augen, die 
ihn fast ganz bedecken, ja die ihn selbst nach hinten zu über- 
ragen. An den Seiten nimmt man zwei andere Augen wahr, 
deren äußerer Rand allein sichtbar ist, und die in ihrer Form an 

- jene des Weibchens erinnern. Betrachtet man den Kopf von der 
Seite, so erkennt man, dass letztere Organe den normalen Platz 
_ des Auges einnehmen, und dass es die eigentlichen Analoga derer 
des Weibchens sind. Man sieht auch, dass die beiden großen 


>44 Carl Zimmer, 


Nebenaugen eine besondere, sehr beachtenswerthe Gestalt haben, 
wie sie REAUMUR und DE GEER unter dem Namen ‚Turban- 
augen‘ beschrieben haben. Sie sind gebildet aus einer halbkuge- 
ligen retieulirten Calotte, oft roth oder gelb gefärbt, die getragen 
‚wird durch einen nach der Basis zu verjüngten obkonischen Ring. «< 
Diese Stirnaugen sind durchaus abweichend vom Normaltypus 
gebaut: 
| Die Cornea (Fig. 4 C) ist nach innen zu auffallend stark ge- 
wölbt. Deutlich ist die stärker und die schwächer liehtbrechende 
Schicht von einander abgesetzt. Der stärker lichtbreehende Theil 
ist schon für sich eben so stark gewölbt wie eine Corneafacette des 
Seitenauges. In dem schwächer lichtbrechenden Theile lässt sich 
wiederum eine Schichtung erkennen. 

Unter der Cornea fand ich zwei sich schwach färbende licht- 
brechende Gebilde, die Kerne der beiden Zellen, welche die Cornea 
ausgeschieden haben (Fig. 4u.5 CX). Der Krystallkegel (Fig. 4 X) 
ist ziemlich konsistent: Er schrumpft wenig und wird durch das Messer 
leicht aus seiner Lage gerissen. Allseitig umgeben ist er von den 
vier Zellen, die ihn ausgeschieden haben (Fig. 4 XZ). Auf Quer- 
schnitten zeigt er sich daher ringförmig von diesen Zeilen umgeben 
(Fig. 7). Die Retinula hat eine ganz eigenartige Ausbildung (Fig. 1 
u. 10). Sie hat sich in zwei Theile getrennt, die durch einen licht- 
brechenden Faden mit einander in Verbindung stehen. Der obere 
Theil, den ich »Kerntheil« im Gegensatze zu dem unteren »Rhab- 
domtheil« nennen will, zeigt eine becherförmige Gestalt (Fig. 4 XT). 
Der Krystallkegel mit seinen Zellen ruht in ihm wie ein Ei 
im Eierbecher. Eine Ausscheidung von irgend welcher lichtbrechen- 
den Substanz findet hier nicht statt. Hingegen liegen in diesem 
Theile die sieben Retinulakerne (Fig. 4, 8, 11 RX). Sehr instruktiv 
ist ein Querschnitt durch diese Region des Facettengliedes, wie ihn 
Fig. 8 zeigt. Hier sieht man zu äußerst einen Kranz gebildet aus 
den sieben Retinulazellen mit ihren Kernen. Ein zweiter Kranz wird 


gebildet von den Krystallkegelzellen, und zu innerst liegt der vier- 


theilige Krystallkegel. Bei Clo& pumila allerdings trifft der Schnitt 
den Krystallkegel nicht mehr. Wir erhalten daher ein Bild, wie es 
Pie. 11 Zerst. | 

Der untere Theil, der Rhabdomtheil, zeigt die sieben Retinula- 
zellen, die nach innen zu das Rhabdom ausgeschieden haben. Außer- 
dem aber findet noch eine Ausscheidung am Rande der Retinula, 
und zwar an der Berührungsstelle je zweier Zellen statt. Hier finden 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 345 


sieh sieben stäbehenförmige, stark lichtbrechende Gebilde, die ich 
als »Nebenstäbehen« bezeiehnen möchte. Sie setzen sich bei Clo& 
fuseata etwas von der Retinula ab (Fig. 9 N.$St), während sie bei 
Clo& pumila in diese eingebettet erscheinen (Fig. 12 NSt). 

Der Abstand beider Theile der Retinula von einander beträgt bei 
Clo& fuscata über ein Drittel, bei Clo& pumila sogar über die Hälfte 
der Länge der ganzen Retinula. Clo& pumila, das kleinere Thier, 
besitzt überhaupt Stirnaugen, welche an Umfang diejenigen von Clo& 
fuscata L. sowohl relativ wie absolut übertreffen. 

Der Zwischenraum zwischen den Kerntheilen und den Rhabdom- 
theilen wird gefüllt von einer homogenen Flüssigkeit, oder dünnen 
Gallerte, durch welche die Fäden, die jene Theile verbinden, hin- 
durchlaufen. Von Hauptpigmentzellen ist nirgends auch nur die ge- 
ringste Spur zu sehen. Die Nebenpigmentzellen (Fig. 4, 5, 6 NPZ) 
sind in ihrem oberen Theile, d. h. oberhalb des Krystallkegels, 
kolbenförmig verdickt. Der untere, fadenförmige Theil zeigt nur 
noch an der Stelle, wo der Kern liegt, eine Anschwellung. 

Die Retinulazellen sind fast vollkommen pigmentlos. Nur ganz 
am Grunde zeigen sich Pigmentreste, und auch diese nur bei einem 
Thiere, das nach Belichtung getödtet worden ist (Fig. 10). Bei 
Thieren, die vor ihrem Tode im Dunkeln gehalten worden waren, 
ist alles Retinapigment hinter die Membrana fenestrata gewandert, 
so dass nun die Retinulae vollkommen pigmentfrei sind (Fig. 1). 
Bei ganz besonders stark pigmentirten Exemplaren fand ich aller- 
dings den ganzen Rhabdomtheil der Retinula, wenn auch nur 
schwach, mit Pigment ausgestattet. Bei solchen Thieren trat auch 
_ Pigment zwischen den Nervenfasern auf, da, wo sie den von BERGER 
(1878) als Retina gedeuteten Theil des Ganglion opticum verlassen. 
Alles Pigment der Stirnaugen zeigt eine gelblichrothe Farbe. Die 
Retinula ist von Tracheen umgeben (Fig. 9 7), die an ihrem oberen 
Ende blasenförmig abschließen. Diese Enden überragen den Rhab- 
domtheil um eine Kleinigkeit (Fig. 1 u. 10 7). Die Krystallkegel 
sind am Rande des Auges klein und rückgebildet (Fig. 1 u. 10 r.X), 
während die zugehörigen Retinulae noch wohl entwickelt sind. Für 
die äußersten Retinulae endlich kommen überhaupt keine Krystall- 
kegel mehr zur Ausbildung. Schnitte durch den Kerntheil der 
Retinula ergeben daher Bilder, wie Fig. 13 zeigt. Diese Kerntheile 
liegen an der Seitenwand des Auges an dem »obkonischen Ringe« 
PICTET’. 

Direkt über der Membrana fenestrata liegen um jedes Facetten- 


246 .  Cari Zimmer, 


slied etwa zehn bis zwölf ziemlich große, sich stark färbende Kerne 
(Fig. 12 *). Über ihre Bedeutung bin ich mir vollkommen unklar. 
Ich vermuthe, dass sie nervöser Natur sind. Was das Ganglion 
opticum betrifft, so ist auch dieses getheilt, und zwar bis zum 
inneren Marklager herunter (Fig. 1). 

Bei dem in Fig. 3 gezeichneten Weibchen fand ich die Tracheen- 
stimme im Kopfe stark mit Pigment umhüllt. Über den feineren 
Bau des hier besprochenen merkwürdigen Stirnauges liegen, wie be- 
reits oben erwähnt, nur die kurzen Mittheilungen von Craccıo und 
ÜARRIERE vor. CIAccIo scheint nach dem oben erwähnten Referate 
nur den ausgezogenen Faden, nicht aber den Kerntheil gesehen zu 
haben. CARRIERE (1886, p. 481) bespricht zunächst die Anlage und 
Entwicklung des Stirnauges. Nach ihm legt es sich bei den Larven 
zugleich mit Beginn der Flügelbildung an. Die Epithelzellen ver- 
längern sich, vom Rande der Seitenaugen aus beginnend, an der 
Stelle des künftigen Auges und spalten sich in zwei Schichten. Nun 
beginnt vom Centrum der Anlage aus die Bildung der Facetten- 
glieder. Aus der oberen Schicht entstehen die Krystallkegelzellen, 
aus der unteren die Retinula- und Nebenpigmentzellen. 

ÜARRIERE fährt dann fort: »Die Erhebung des Turbanauges 
über .die Scheitellläche muss erfolgen, während das Subimago aus- 
schlüpft, doch gelang es nicht, ein Thier in diesem Momente zu 
überraschen. Dabei werden nicht etwa die ganzen Augen in die 
Höhe gehoben, sondern die Retinulaschicht behält annähernd die 
Stelle, welche sie bei der reifen Puppe einnahm, während die 
Krystallkegel mit dem trichterförmigen Ende des Rhabdoms, in 
welchem die Kegelspitze ruht, und den nebenliegenden Retinula- 
kernen sich um fast die ganze Ommatidienlänge von der Retinula 
und dem Rhabdom entfernt. Jeder Kegel bleibt daher von einem, 
von dem Triehter ausgehenden, sehr feinen Faden mit dem übrigen 
Theil — der Hauptmasse — des Rhabdoms verbunden, und es macht 
den Eindruck, als ob der. Faden aus der Achse des Rhabdoms 
herausgezogen sei. Der große Raum zwischen den beiden Schich- 
ten ist mit einer feinkörnigen gerinnenden Masse erfüllt, so dass 
die Erhebung nicht durch ein Einpumpen von Luft — was die 
starken zu den Augen führenden Tracheenstämme nahelegen —, 
sondern von Flüssigkeit zu Stande gebracht wird; nach innen zu 
wird die Flüssigkeit (oder Gallerte?) nicht direkt von den Retinulae, 
sondern von den das distale Ende desselben rosettenförmig umgeben- 
den Tracheenblasen begrenzt.« 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 347 


Auch mir ist es nicht gelungen die Thiere gerade beim Auskriechen 
zu beobachten, doch fand ich bei Thieren, die allerhöchstens seit 
fünf Minuten die Larvenhülle verlassen haben konnten, bereits voll- 
kommen ausgebildete Stirnaugen. 


Maße: 
Olo& fuscata L. J! 


Durehsehnittliche Länge der Facettenglieder des Seitenauges 0,12 mm 


der, Simanse ern z, 0,24 >» 
der Retinula des Stirnauges. ... 0,19 » 
des Rhabdomtheiles. ... ! 2... DEI 
Abstand der Theile von einander. 0,07 » 
Breker der Comet. 0er. 0,017 » 
Breite der -Gornea "lernen: 0,02 »% 
Länge der Krystallkegel.. ... x. 0,032 » 
Dieke der Krystallkesel. 2... ....: 0,009 » 
Clo&ö pumila Burm. J 
Bnse der Retinula des Stirnauges. ..........: 0,28 >» 
des: Bhabdomtheiles . ... .:.......%- 0,127 °% 
Ahstandsbeider Theile.,.*."x.%..0 01a > 


Potamanthus Pict. 
Untersuchte Art: Potamanthus brunneus Pict. 
Fig. 14—18. 

Auch hier zeigt das Männchen getheilte Augen. PıcrEr (1845, 
p. 49) schreibt: »Das Genus Potamanthus hat große Ähnlichkeit mit 
dem vorigen (Clo&), aber auch einige wesentliche Verschiedenheiten. 
Das Weibchen zeigt die normalen Verhältnisse, und das Männchen 
besitzt auch große, den gewöhnlichen aufgesetzte Augen. Der 
retikulirte Theil dieser Augen ist eben so groß wie bei der vorigen 
Gattung, aber abgerundet und getragen von einem viel weniger 
regelmäßigen und weniger sichtbaren Ringe, so dass diese Organe 
weniger über den Kopf erhoben sind, und dass ihr retikulirter Theil 
neben dem normalen Auge liegt, statt einen merklichen Zwischen- 
raum zu zeigen.« 

Auch bei Potamanthus Pict. zeigt sich eine große Verschieden- 
heit im Bau der beiden Augenpaare, wenngleich sie nicht so weit 
geht wie bei Clo& Burm. Das Seitenauge des Männchens und das 
Auge des Weibchens ist ganz nach dem Normaltypus gebaut. Auch 
das Stirnauge zeigt im Allgemeinen den Normaltypus, doch finden 


248 Carl Zimmer, 


sich hier noch folgende Eigenthümlichkeiten: Auf Querschnitten er- 
scheinen die Facettenglieder bis zu einer bestimmten Höhe von 
einem Ring umgeben, wie es Fig. 18 zeigt. Auf Längsschnitten er- 
hält man Bilder wie Fig. 19. Die Facettenglieder sind also bis zum 
zweiten Drittel ihrer Höhe von einer Hülle umgeben, und zwar 
derart, dass die Hüllen benachbarter Facettenglieder sich dieht an 
einander legen oder wohl auch verschmelzen. An ihrem oberen 
Ende laufen diese Hüllen spitz zu und schließen sich an die Facetten- 
glieder an. Im Längsschnitt erscheinen sie fein gestrichelt. Ich 
glaube daher, dass sie aus verschmolzenen Tracheen entstanden sind. 
Auf Schnitten durch das ganze Auge erscheinen die Enden der 
Hüllen als Strich (Fig. 14). Sowohl Haupt- und Nebenpigmentzellen, 
als auch Retinulazellen sind im Stirnauge rothbraun pigmentirt. 


Baötis Leach. 


Untersuchte Arten: B. cerea Pict., B. fluminum Pict., 
B. eyanops Pict., B. armata Eat. 
Fig. 17—22. 

Das Auge ist nach dem Normaltypus gebaut. Bemerkenswerth 
ist die große Zahl der Nebenpigmentzellen, deren zu jedem Facetten- 
sliede etwa 20—24 gehören (Fig. 21 NP). Der untere Theil des 
Auges des Männchens ist bedeutend stärker pigmentirt als der obere. 
Die Grenze zwischen beiden Theilen ist scharf (Fig. 22). 

Die Nebenpigmentzellen sind im unteren Theile stärker pigmen- 
tirt, die Hauptpigmentzellen reichen weiter am Krystallkegel in 
die Höhe, und auch die Retinulazellen zeigen, namentlich am 
Grunde, mehr Pigment. Die Pigmentlage hinter der Membrana 
fenestrata ist hinter dem unteren Theile des Auges bedeutend dicker 
als hinter dem oberen. Auch im Ganglion opticum macht sich die 
ungleichmäßige Ausbildung noch geltend: Im oberen Theile des 
Auges liegt hinter der »Nervenbündelschicht« CrAaccıo’s (1884, p. 618) 
Pigment, auch im unteren Theile des Auges findet sich dieses Pig- 
ment, doch ist es hier etwas weiter nach innen gerückt und nicht 
so dick. An der Grenze greifen beide Pigmentlagen über einander 
(Fig. 22). | 

Maße bei B. cerea Pict. gi. 


Länge der längsten Facettenglieder ......... 0,5 mm 
Länge der länssten Krystallkegel .._ . . „22 27 73 
Länge der längsten Facettenglieder des Weibchens 0,21 » 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 349 


Erwähnen will ich noch eine von PicTer nicht beschriebene Art, 
die nach seiner Eintheilung unter die Gattung Baötis zu rechnen 
wäre, die aber Earon als Chirotonetes ignotus Walk. beschreibt 
(Fig. 23—28). Diese zeigt im Bau der Facettenglieder den Normal- 
typus, nur dass die Retinazellen oben sternförmig aus einander 
weichen (Fig. 26 u. 27). Im Gegensatze zu den bisher beschriebenen 
Arten von Baätis fehlt ihr die auffallende ungleichförmige Pigmen- 
tirung. Näheres darüber weiter unten. 

Die Maße sind folgende: 

Länge des längsten Facettengliedes des Männchens . . 0,5 mm 
Länge des längsten Facettengliedes des Weibchens . . 0,2 » 


Ephemera L. 
Untersuchte Arten: E. vulgata L., E. danica Müll. © 
Fig. 29. 

Das Auge ist nach dem Normaltypus gebaut. Auffällig ist die 
starke Rückbildung einer Retinulazelle (Fig. 29). Sie legt sich an 
manchen Stellen so eng an die Nachbarzellen an, dass es den Ein- 
druck macht, als seien nur sechs Retinulazellen vorhanden. Die 
Retinulazellen sind nur an ihrem inneren Rande pigmentirt. Die 
Verhältnisse liegen also hier ähnlich wie bei Palingenia virgo Ol. 
(siehe weiter unten, vgl. auch Fig. 33). 


Palingenia Burm. 
Untersuchte Art: P. virgo Ol. 
Fig. 30—33. 

Diese Gattung besitzt Augen, welche vollkommen vom Normal- 
typus abweichen. Die Cornea ist nach außen zu konvex, nach innen 
zu konkav. Direkt unter ihr liegen die Krystallkegelzellen (Fig. 30 XZ). 
Diese scheiden jedoch keinen wohlgebildeten Krystallkegel aus. Nur 
in ihrem unteren Theile erfolgt eine Ausscheidung, die sich aber 
nicht scharf gegen die Zelle absetzt. Um daher die Grenze nachzu- 
weisen, musste ich zu Färbemitteln greifen. 

Ich wandte eine wässerige Lösung von Säurefuchsin an, durch 
welche Krystall und Rhabdom intensiv roth gefärbt werden, während 
die übrigen Theile hellroth bleiben. Die Schnitte müssen aber aus 
der Flüssigkeit sofort in Glycerin gebracht werden, da Alkohol und 
Wasser die Färbung wieder auszieht. 

Es zeigte sich nun Folgendes: Die Krystallkegelzellen bilden 
nach unten: zu eine theils mehr, theils minder scharf abgesetzte 


250 Carl Zimmer, 


Ausscheidung, die die Form eines bikonkaven Cylinders hat und als 
Homologon des Krystallkegels zu deuten ist. In der oberen Kavität 
liegen die Krystallkegelzellen, in die untere ragt die Retinula hinein. 

Ist schon dieser Theil des Facettengliedes auffallend gebildet, 
so zeigt auch die Retinula einen ungewöhnlichen Bau: Es sind zwar 
sieben Retinulazellen vorhanden, doch ist eine von diesen ganz kurz 
zeblieben. Sie erreicht kaum den vierten Theil der Länge der 
übrigen. In den oberen drei Viertheilen sind also nur sechs Reti- 
nulazellen vorhanden (Fig. 32). Diese scheiden ein auffallend dickes, 
stark lichtbrechendes Rhabdom aus (Fig. 32). Auf Querschnitten hat 
es etwa die Gestalt eines Rechteckes, bei dem zwei gegenüber- 
liegende Seiten eingebuchtet sind. 

Die Kerne der sechs Retinulazellen liegen in zwei Drittel Höhe, 
der siebente ganz unten (Fig. 30 *). Von Hauptpigmentzellen konnte 
ich nichts wahrnehmen. Die Nebenpigmentzellen ziehen weit ak- 
wärts. Ihre Kerne liegen etwas oberhalb der Retinulakerne (Fig. 30). 
Das Pigment der Nebenpigmentzellen ist vollkommen schwarz. Die 
Retinulazellen sind nur am inneren Rande pigmentirt; nach außen 
zu sind sie fast vollkommen pigmentfrei (Fig. 30—33). Was dem 
Auge an lichtbrechender Substanz durch die rudimentäre Ausbildung 
des Krystallkegels also abgeht, ist ihm wieder ersetzt durch die starke 
Ausbildung des Rhabdoms. Es bildet also gleicham eine Zwischen- 
stufe zu dem pseudoconen und aconen Auge hin, bei denen sich ja 
auch stets umfangreiche Ausscheidungen der Retinulazellen finden. 

Maße: 

Durchschnittslänge des Facettengliedes des Männchens. 0,2 mm 
des Weibcehens . 0,25 » 
Größter Durchmesser des Rhabdoms. ........... 0,075 >» 


Caenis Stephens. 
Untersuchte Art: C. lactea Hoffm. 
Auch dies Auge zeigt ein auffallend stark ausgebildetes Rhabdom, 


doch sind im Gegensatze zu Palingenia virgo Burm. die Krystallkegel 
sut ausgebildet. 


Physiologische und biologische Bedeutung des Geschlechtsdimor- 
phismus der Ephemeridenaugen. 


Fast durch die ganze Reihe der Ephemeriden können wir ver- 
folgen, dass die Männchen mit bedeutend größeren Augen ausgestattet 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 351 


sind, als die Weibchen. Man kann also schon a priori annehmen, 
dass die ersteren mit einem besseren Sehvermögen begabt sind. 
Dieser Geschlechtsdimorphismus ist, wie wir sehen werden, bedingt 
durch die Art, wie das Männchen zum Zwecke der Begattung das 
Weibehen aufsucht. 

Bevor ich nun die Bedeutung des oft monströs entwickelten 
Stirnauges für das geschlechtliche Leben der Ephemeriden aus ein- 
ander setze, wird es zweckdienlich sein, mit wenigen Worten auf die 
Exver’schen Anschauungen über das Sehen der Arthropoden einzu- 
sehen. Die MÜLLERr’sche Theorie vom musivischen Sehen des Facetten- 
auges ist jetzt die allgemein herrschende, nachdem sie von GRE- 
NACHER (1879) auf Grund morphologischer Untersuchungen und von 
ExxEr auf Grund physiologischer Studien als die einzig haltbare 
nachgewiesen worden ist. Nach Exxer (1891) giebt es zwei Möglich- 
keiten, wie ein Thier mit facettirten Augen sieht, nämlich entweder 
durch ein »Appositionsbild« oder durch ein »Superpositionsbild«. 

In jedem Facettengliede eines Auges mit »Appositionsbild« wer- 
den alle Strahlen, die nicht senkrecht auf die Cornea fallen, durch 
den als »Linseneylinder<, d. h. als Cylinder, dessen Lichtbrechungs- 
vermögen nach der Achse zu allmählich zunimmt, wirkenden Krystall- 
kegel nach den Seiten zu eliminirt und durch das Pigment absorbirt. 
Jedes Facettenglied wird also nur von den annähernd senkrecht auf 
die Cornea auffallenden Strahlen eine Lichtempfindung bekommen. 
Aus diesen einzelnen Lichtpunkten baut sich dann mosaikartig, 
»musivisch« das Gesammtbild auf. Ähnlich setzt sich auch das Ge- 
sammtbild im Auge mit Superpositionsbild zusammen, doch tritt hier 
noch Folgendes ein: Strahlen, die annähernd parallel auf das Auge auf- 
fallen, werden von den lichtbrechenden Apparaten mehrerer benach- 
barter Facettenglieder so gebrochen, dass sie sich in einem Licht- 
punkte am distalen Ende desjenigen Facettengliedes vereinigen, das 
von den Strahlen senkrecht getroffen wird. 

Natürlich muss hier zwischen dem lichtbrechenden und dem 
lichtpereipirenden Apparate sich ein durchsichtiger, pigmentfreier 
kaum befinden, d. h. die Krystallkegel müssen sich weit vom Rhab- 
dom entfernt haben. Das ist nach Exner ein Merkmal, woraus man 
auf das Zustandekommen eines Superpositionsbildes schließen kann. 
Ein anderes ist das Phänomen der Pigmentwanderung, die den Zweck 
hat, im Auge mit Superpositionsbild, das dem Lichte ausgesetzt wird, 
durch Abblenden ein Appositionsbild hervorzurufen. 


Es entsteht also auch im Auge mit Superpositionsbild ein aus 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. #1 


352 Carl Zimmer, 


einzelnen Lichtpunkten mosaikartig zusammengesetztes aufrechtes 
Gesammtbild; doch ist hier beim Zustandekommen jedes einzelnen 
Lichtpunktes eine weit größere Anzahl Strahlen thätig, als beim 
Auge mit Appositionsbild: Die Strahlen werden besser ausgenutzt. 
In Folge dessen hat das Auge mit Superpositionsbild den Vorzug 
größerer Lichtstärke und wird also namentlich zum Sehen in der 
Dämmerung und in der Nacht geeignet sein. 


Die Bedeutung des getheilten Auges von Clo&. 


Betrachten wir von diesen physiologischen Gesichtspunkten aus 
das Stirnauge von Clo&@ Burm. 9. Zwischen dem lichtbrechenden 
Apparate und dem oberen Ende des Rhabdomtheiles der Retinula 
liegt ein durchsichtiger Raum. Das Pigment hat bei einem im 
Dunkeln getödteten Thiere (Fig. 1) eine andere Stellung als bei 
einem solchen, das im Hellen getödtet worden ist (Fig. 10). Das 
Stirnauge stellt sich also als Auge mit Superpositionsbild dar. In den 
Seitenaugen hingegen schließt sich die Retinula mit dem ausgeschie- 
denen Rhabdom direkt an den Krystallkegel an; auch findet keine 
Pigmentwanderung statt. Es entsteht also ein Appositionsbild. 

So finden wir denn bei Clo& Burm. 51 ein Augenpaar mit Appo- 
sitionsbild — die Seitenaugen — und eins mit Superpositionsbild, — 
die Stirnaugen —. Bei einem und demselben Thiere sind also die 
beiden Modalitäten des Sehens vermittels Facettenaugen verwirklicht. 
Die Bedeutung eines Auges mit Superpositionsbild ist nun die eines 
Dunkelauges. Wir erkennen also die Stirnaugen von Clo& g' als 
besonders für das Sehen in der Dunkelheit geeignet. Doch hat das 
Stirnauge noch weiterhin seine physiologische Eigenthümlichkeit: 
Wie wir sahen, ist nur der unterste Theil der Retinula mit Pigment 
ausgestattet. Das Auge würde also dem »iridopigmentären« Typus 
. Cuun’s (1896, p. 242) sich nähern. Die Strahlen, die nicht vom 
Rhabdome gefangen werden, und die bei stark pigmentirten Augen 
eine Absorption durch das Retinapigment erfahren, werden hier noch 
eine ganze Reihe der benachbarten Facettenglieder in Erregung 
setzen. Dadurch entstehen Zerstreuungskreise, die zwar die Schärfe - 
des sesehenen Bildes beeinträchtigen, die aber andererseits, wie EXNER 
(1891, p. 182) nachweist, das Sehen von Bewegungen begünstigen. 
Unterstützt wird diese Fähigkeit eben so wie die des Sehens in der 
Dunkelheit wohl noch durch die »Nebenstäbehen«, durch welche die 
pereipirenden Elemente ganz bedeutend vermehrt werden. So finden 
wir denn beim Männchen von Clo& Burm. accessorische Augen, die 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 353 


ihm das Sehen in der Dunkelheit ermöglichen und die -in hohem 
Grade für das Erkennen von Bewegungen eingerichtet sind. 

Fragen wir uns nun, welche biologische Bedeutung dieses Auge 
für das Thier hat, so müssen wir von vorn herein ausschließen, dass 
es irgend wie zu dem Nahrungserwerb in Beziehung steht, da ja 
Subimago und Imago der Ephemeriden verkümmerte Mundwerkzeuge 
haben, und daher gar nicht auf Nahrungssuche ausgehen. Weiter- 
hin könnte das Auge dem Thiere auch den Vortheil bringen, die 
Bewegungen eines nahenden Feindes rechtzeitig erkennen zu lassen 
und vor diesem zu warnen. 

Das mag ja wohl auch der Fall sein, wie aus folgender Beobachtung 
hervorgeht: Während die anderen Gattungen der Ephemeriden den 
Tag über träge an Bäumen, Sträuchern, Wänden etc. sitzen und 
sich ohne einen Fluchtversuch zu machen ergreifen lassen, scheint 
Clo&@ das Herannahen eines Feindes sofort zu bemerken: Wenn man 
sich nähert, huschen sie sofort auf die andere Seite des Schilfblattes 
— an solchen fand ich sie meist, — und, wenn man nach ihnen greift, 
fliegen sie rasch ab. Es ist wohl möglich, dass sie mit den Stirn- 
augen die Bewegungen rechtzeitig wahrnehmen, möglich ist aber 
auch, dass sie schon an und für sich mobileren Temperamentes sind 
als die anderen Ephemeriden. 

Wenn man sich aber erinnert, dass das Stirmnauge nur dem 
männlichen Thiere zukommt, so ist es ohne Weiteres klar, dass die 
Augen in irgend welcher Beziehung zum Geschlechtsleben des Thieres 
stehen. Wir werden sehen, dass die sonderbare Ausbildung des 
Auges sich mit Leichtigkeit aus der Art erklärt, wie die Geschlechter 
bei ihrem Liebesspiel sich suchen und finden. 

EAron (1888, p. 9) beschreibt den Hochzeitsflug der Ephemeriden 
folgendermaßen: 

»Viele kennen die gewöhnliche Flugart einiger der häufigeren 
Eintagsfliegen, besonders der Männchen. In Folge einer unter- 
brochenen Aktion der Flügel besteht sie in einer tanzartigen Be- 
wegung, meist senkrecht auf und nieder: Ein schnelles Aufsteigen 
und dann ein gemächliches sich Sinkenlassen in steter Wieder- 
holung. Der Körper wird während des Aufsteigens in einer wenig 
von der Senkrechten abweichenden Lage getragen, die Füße nach 
vorn gestreckt, die Schwanzfäden nachschleppend. Heptagenia 
(Baetis), die, eben so wie ihre Verwandten, auch diese Lage, den 
Kopf gegen Wind gerichtet, einnimmt, nur dass die Schwanz- 
fäden gespreitzt sind, hat dadurch im Axe-Thale (Devon) den Namen 


11% 


254 Carl Zimmer, 


»gelbe Aufrechte« (Yellow Uprights) erhalten. Während des Sinkens 
wird der weniger steil gehaltene Körper getragen durch die be- 
wegungslos halb ausgebreiteten Flügel und die ausgestreckten 
Schwanzfäden. « 

‘Wenn auch dieser Hochzeitsreigen der männlichen Ephemeriden 
längst bekannt war, so finden sich doch über den Akt der Begattung 
selbst bei den älteren Forschern die verschiedensten Ansichten, und 
erst in der neueren Zeit sind genauere und zuverlässigere Beoh- 
achtungen darüber gemacht und veröffentlicht worden. 

Wiederum ist es EATon, der am genauesten den Vorgang be- 
schreibt (1888, p. 10). REN: 

»Die meisten Ephemeriden begatten sich während des Fluges, 
das Männchen zu unterst. Es schießt von unten an das Weibchen 
heran, umklammert den Prothorax mit seinen verlängerten Vorder- 
tarsen (deren Gelenk mit der Tibia so eingerichtet ist, dass es 
eine Supination des Tarsus gestattet), biegt seinen Hinterkörper 
über den Rücken, packt mit seinen Zangen den hinteren Theil 
des siebenten ventralen Segmentes und mit den äußeren Schwanz- 
fäden umfasst es das sechste Segment. « 

Diese Angaben EATon’s geben uns den Schlüssel zum Verständ- 
nisse für die sonderbaren Stirnaugen des Männchens von Clo& Burm. 
Diese liegen gerade in der Flugrichtung des Thieres, die in der 
Hauptsache senkrecht auf und nieder geht. Sie sind es also, mit 
denen das Männchen bei seinem Hochzeitsfluge, der nach Sonnen- 
untergang stattfindet — daher das Dunkelauge — die Bewegungen 
des über ihm schwebenden Weibehens wahrnimmt. Diese weit- 
gehende Differenz in den Augen der beiden Geschlechter erklärt 
sich als eine Folge der natürlichen Zuchtwahl aus der bedeutenden 
Überzahl der Männchen. Nach TAscHENBERG (»BREHM’s Thierleben«, 
1877, Bd. IX, p. 508) sollen bei den Ephemeriden unter Tausenden 
von Männchen nur wenige Weibchen vorkommen. 

Wenn ich diese Angabe auch für übertrieben halte, so kann 
ich für Clo& Burm. Folgendes erwähnen: 

Von Clo@ pumila Burm. fand ich fast nur Männchen. Während 
des ganzen Herbstes erbeutete ich nur drei oder vier Weibchen, wäh- 
rend ich nie zum Fange ausging, ohne einige Männchen zu finden. 
Andererseits krochen mir von Olo& fuseata L., die ich aus Larven 


zog, Alles in Allem eben so viel Weibchen wie Männchen aus. 


Allerdings ist es möglich, dass sich gerade die männlichen Larven 
schlechter hielten als die weiblichen, eine Vermuthung, die dadurch 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 255 


an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass unter den zuerst ausgekroche- 
nen Thieren die Männchen überwogen, dann später die Weibchen, 
und dass schließlich zuletzt überhaupt keine Männchen mehr, son- 
dern nur noch Weibchen auskrochen. 


Die Augen der anderen Ephemeridengattungen. 


Eine so weitgehende Ungleichmäßigkeit in der Ausbildung des 
Auges, wie sie sich in den beiden Augenhälften von Clo& ausspricht, 
finden wir nicht mehr in der Reihe der Ephemeriden. Hier zeigen 
sich nur noch Augen mit Appositionsbild.e Doch kann man fast 
durchgehend wahrnehmen, dass der Augenbau der Männchen das 
Entstehen von Zerstreuungskreisen begünstigt, dass also die Augen 
dieser besser zum Erkennen von Bewegungen eingerichtet sind als 
die der Weibchen. 

Wie ExxEr (1891, p. 182) bemerkt, arbeiten auch im Auge mit 
Appositionsbild das Pigment und das gleich einem Glasstabe bei 
einer Mikroskopirlampe wirkende Rhabdom nicht so genau, dass 
nicht doch ein größerer oder kleinerer Zerstreuungskreis entstände. 
Ein einfallender Strahl wird nicht bloß ein Facettenglied in Er- 
regung Setzen, sondern mehr oder weniger auch auf die benach- 
barten wirken. Je größer ein Zerstreuungskreis ist, desto besser 
wird das Auge Bewegungen erkennen: Das Zustandekommen eines 
solchen wird nun auf verschiedene Weise erleichtert und zwar 
1) durch farbige Pigmentirung, 2) durch schwarze, aber schwache 
Pigmentirung, 3) durch Verlängerung der Facettenglieder. Wir wer- 
den sehen, in welcher Weise diese Faktoren für Augen der männ- 
lichen Ephemeriden Gültigkeit haben. 

Wie bereits erwähnt, zeigt außer Clo& Burm. unter den deut- 
schen Gattungen noch Potamanthus Piet. getheilte Augen. 

Wenn auch in dem Stirnauge dieser Gattung kein Superpositions- 
bild mehr zu Stande kommt, so ist doch der Dimorphismus der bei- 
den Augenpaare noch ziemlich bedeutend, und das Stirnauge ist 
durchaus für das Erkennen von Bewegungen eingerichtet. Einmal 
sind die Facettenglieder bedeutend länger als im Seitenauge, dann 
findet sich im Stirnauge nur farbiges Pigment, und auch dieses in 
nur sehr geringer Menge. Das Entstehen von Zerstreuungskreisen 
und damit die Fähigkeit des Erkennens von Bewegungen ist also 
auf jede Weise begünstigt. 

Ich will noch erwähnen, dass ich bei Earon ein Auge abge- 
bildet finde, das seiner Ausbildung nach zwischen Potamanthus und 


256 Carl Zimmer, 


Clo& stehen würde. Es ist das Auge der in Europa nicht vorkom- 
menden Gattung Atalophlebia Eat. 

Auf welche Weise das Stirnauge von Clo& Burm. g' aus einem 
Auge, wie es Potamanthus zeigt, entstanden sein mag, dafür geben 
uns die rudimentären Krystallkegel und die Retinulae, zu denen 
keine Krystallkegel ausgebildet werden, im Auge von Clo& einen 
Fingerzeig. Sie weisen darauf hin, dass dieses Auge nicht dadurch 
entstanden zu denken ist, dass alle Facettenglieder im Laufe der 
phylogenetischen Entwicklung immer mehr ihre Richtung der Verti- 
kalen näherten, sondern dass die Facettenglieder, die zwischen den 
annähernd senkrecht nach oben gerichteten und dem unteren Theile 
des Auges lagen, eine Rückbildung erfahren haben. Also auch hierin 
zeigt sich eine Analogie mit den pelagischen Tiefseekrustern, nament- 
lich mit Arachnomysis und Stylocheiron (CHun, 1894, p. 235). 

Eine noch weniger weitgehende Theilung des Auges, wie bei 
Potamanthus Pict., aber doch immerhin noch eine innere Theilung, 
finder wir bei Baetis Leach. 

Hier zeigen sich die Augen des Männchens hoch über den 
Scheitel gewölbt. Die oberen Facettenglieder weisen den unteren 
gegenüber eine ganz bedeutende Verlängerung auf. Endlich lässt 
das Auge jene bereits erwähnte ungleiche Pigmentirung erkennen. 
Hier finden wir also immer noch zwei der oben erwähnten Faktoren 
zur Erzielung von Zerstreuungskreisen angewandt. Gegen Potaman- 
thus Pict. zeigt sich auch der Rückschritt, dass die obere Hälfte 
des Auges nicht farbig pigmentirt ist, sondern ein schwarzes, aller- 
dings weniger dichtes Pigment aufweist als der untere Theil des 
Auges. | | | 

Auch äußerlich ist die Theilung des Auges angedeutet: Wir 
finden hier die tiefe Rinne, die wir bei Potamanthus sahen, als 
zarte seichte Furche wieder. | 

Bei Chirotonetes Walk. findet man diese innere Theilung: des 
Auges nicht mehr. Die Augen sind hier wie bei Baötis Leach. über 
den Kopf zusammengewölbt, die nach oben gerichteten Facetten- 
glieder sind bei Weitem länger als die unteren. Wenn diese unteren 
Facettenglieder immerhin noch etwas dunkler pigmentirt sind als die 
oberen, so ist der Unterschied doch nicht annähernd so auffallend 
wie bei Baötis Leach., und namentlich fehlt die scharfe Grenze. Eine 
äußere Furche ist schwach angedeutet. 

Hier würden sich wahrscheinlich die Augen von Oligoneuria 
Piet. anreihen, die auch noch über den Scheitel zusammengewölbt 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 357 


sind, die aber, wenigstens nach der Beschreibung von EATon (1885, 
p- 29) keine äußere Furche mehr erkennen lassen. | 

Auf der nächst niedrigeren Entwicklungssiufe steht das Auge 
des Männchens von Ephemera L. Während die Augen bisher eine 
so bedeutende Wölbung zeigten, dass sie auf dem Scheitel fast zu- 
sammenstießen, finden wir dies bei Ephemera L. nicht mehr. Wohl 
weist das Männchen noch größere Augen auf als das Weibchen, 
doch sind hier nicht mehr die oberen, sondern alle Facettenglieder 
gleichmäßig verlängert. Um das Sehen nach oben noch zu ermöglichen, 
sind die Augen des Männchens knopfförmig vom Kopfe abgesetzt. 

Aus der bis hierher verfolgten Reihe können wir uns die phylo- 
Senetische Entstehung der Stirnaugen von Clo& klar machen, die 
etwa folgendermaßen zu denken wäre: Die Augen des Männchens 
setzen sich knopfförmig vom Kopfe ab und zeigen eine Verlängerung 
der Facettenglieder (Ephemera). Die oberen Facettenglieder verlängern 
sich mehr; es entsteht zugleich ein Zusammenwölben der Augen 
über den Scheitel (Oligoneuria?). Die obere Hälfte des Auges erfährt 
eine Verminderung des Pigmentes (Chirotonetes). Die untere stark 
pigmentirte Hälfte setzt sich scharf gegen die obere weniger pig- 
mentirte ab; äußerlich tritt eine seichte Furche auf (Baötis). Diese 
Furche wird tiefer, so dass sie das Auge vollkommen in zwei Theile 
theilt. Der obere Theil erhält ein farbiges Pigment (Potamanthus). 
Nur die annähernd senkrechten Facettenglieder des oberen Theiles 
bleiben bestehen, während die anderen verschwinden. Die Krystall- 
kegel entfernen sich von den Rhabdomen (ÜUlo&). 

Palingenia virgo Ol. zeigt auch hier wieder ein völlig. abweichen- 
des Verhalten. Das Weibehenauge übertrifft hier das Männehenauge 
etwas an Größe. Dieses letztere zeigt nicht eine Verlängerung der Fa- 
cettenglieder nach oben hin, sondern eher im Gegentheil der nach unten 
zu gerichteten, wie Fig. 34 zeigt. Eine Erklärung dieser Erscheinung 
wäre gegeben, wenn man annimmt, dass die Begattung hier eben so 
stattfindet, wie sie CORNELIUS (1848) bei Palingenia longicauda Oliv. 
beobachtet hat. Er schreibt hierüber: »Zur Zeit, wenn die Menge 
der fliegenden Thiere ihre größte Höhe erreicht hat, schwimmt eine 
große Zahl von Weibchen ruhig auf der Oberfläche des Wassers, 
indem sie sich ganz passiv verhalten und den Besuch der Männchen 
erwarten, welche über dem Wasser dahinfliegen. Jetzt setzt sich 
ein Männchen auf das Weibchen, das gewöhnlich nur dann unruhig 
wird, wenn mehrere Männchen sich um seinen Besitz streiten. So- 
bald nun beide in Ruhe gekommen sind, weiß das Männchen zur 


258 Carl Zimmer, 


rechten Seite des Weibchens sich so hinabzusenken und zu wenden, 
dass es fast ganz unter das letztere zu liegen kommt..... < 

In diesem Falle wäre es also klar, wesshalb der untere Theil 
des Auges die verlängerten Facettenglieder zeigt und zum Erkennen 
von Bewegungen geeignet ist. Ich halte es für wahrscheinlich, 
dass auch bei Palingenia virgo die Begattung in derselben Weise 
stattfindet. Denn dem Fluge scheint jenes Auf- und Niedertanzen 
zu fehlen. Ich sah die Thiere während der Dämmerung über dem 
Wasser schweben und gegen den Wind gerade so schnell anfliegen, 
dass sie ungefähr auf derselben Stelle blieben (cf. Nachtrag). 

Unter dem Material, das ich durch die Freundlichkeit des 
Herrn Professor KaArscH aus dem Berliner Museum erhielt, fand ich 
ein einziges Männchen, während die übrigen Exemplare — etwa 70 
bis SO an der Zahl — alles Weibchen waren. Wenn dies Verhält- 
nis dem natürlichen auch nur annähernd entspricht, so hätten aller- 
dings die Männchen durchaus nicht nöthig, den Weibchen gegenüber 
irgendwie begünstigt zu sein. 

Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass sich eine Zweithei- 
lung des Auges bei den Insekten durchaus nicht so selten zu finden 
scheint: Bei Ascalaphus ist sie bekannt. RAmBur theilt in seinen 
»Nevropteres« (1842, p. 343) die »Ascalaphidei« ein in solche, deren 
Augen durch eine Furche getheilt sind, und solche, die diese Eigen- 
thümlichkeit nicht zeigen. Auch Exner erwähnt diese Theilung 
(1891, p. 128). Eaton scheint sie als allgemein bekannt vorauszu- 
setzen, denn er beschreibt die getheilten Augen der Ephemeriden 
durchgehend als »ascalophoid« (1888, Bd. IL, p. 82). CARRIERE er- 
wähnt die Augen von Bibio als getheilt. Als ich Ende März ein 
kleines Dipter mit getheilten Augen fing, sah ich die hiesige Dipteren- 
sammlung darauf hin durch und konnte schon nach flüchtigem Suchen 
bei folgenden Gattungen theils mehr theils minder getheilte Augen 
konstatiren: Pentethria, Dilophus, Bibio, Spania, Chrysopila, Callomyia. 

Überall waren es allein die Männchen, die getheilte Augen haben 
(nur bei Callomyia kann ich nicht mit Sicherheit angeben, ob nicht 
vielleicht auch das Weichen solche hat). Ihre Funktion wird also 
wohl ähnlich sein, wie bei Clo&; eine hellere Pigmentirung des oberen 
Theiles lässt sich fast überall schon äußerlich leicht erkennen. 

Eine Anzahl lebender Fliegen, die ich fing, aber noch nicht be- 
stimmt habe, zeigt ebenfalls gefurchte Augen. Weitere Mittheilungen 
hierüber behalte ich mir noch vor. | 

Bei den Formen, welche die weitgehendste Theilung des Auges 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 259 


zeigen, nämlich den Schizopoden und Olo&, sind die accessorischen 
Augen Dunkelaugen. Daraus jedoch darf man durchaus nicht schließen, 
dass ein Leben in der Dunkelheit zum Zustandekommen einer der- 
artigen Erscheinung unbedingt nöthig wäre. Das Gegentheil beweisen 
die Libellen, Ascalaphus, viele Dipteren, alles Thiere, die im hellsten 
Sonnenscheine fliegen. 

Andererseits zeigen die meisten in der Dunkelheit lebenden 
Formen ein ganz normal gebildetes Auge, wie z. B. die auf dem 
Grunde der Tiefsee lebenden Kruster, so weit nicht ihre Augen ver- 
kümmert sind (Cmuun, 1896, p. 256). 

Wir finden eben eine Ungleichmäßigkeit in der Ausbildung des 
Auges da, aber auch nur da, wo die Lebensbedingungen das Thier 
auf ein Erkennen von Bewegungen anweisen. 


Breslau, im Juni 1897. 


Nachtrag. 


Nach Drucklegung der Arbeit ist es mir noch gelungen, Palin- 
genia virgo näher zu beobachten. Ich sah sie des Nachmittags und 
gegen Abend etwa !/, Meter hoch über dem Wasser eines ziemlich 
reißend fließenden Armes der Oder ohne jedes Auf- und Niedertanzen 
dahinfliegen. Ab und zu schien sich dann ein oder das andere Thier 
auf das Wasser niederzustürzen. Leider konnte ich nicht so nahe 
an das Wasser herankommen, dass es mir gelungen wäre, zu kon- 
statiren, ob die fliegenden Thiere Männchen waren, und ob die Weib- 
chen auf dem Wasser dahin schwammen; doch halte ich es für höchst 
wahrscheinlich, dass die Begattung so vor sich geht, wie sie CoR- 
NELIUS von P. longicauda beschreibt. Dass unter dem aus Berlin 
übermittelten Material sich nur ein Männchen befand, beruht wohl 
darauf, dass vielleicht seiner Zeit der Sammler des Materials es nur 
auf Weibehen abgesehen hatte. Unter den Thieren, die ich fing, 
befanden sich ungefähr eben so viel Männchen wie Weibchen. 

TASCHENBERG schreibt über die Häutung der Subimago zur 
Imago der Ephemeriden (BREHw’s Thierleben, 1877, Bd. IX, p. 508): 
»Mir ist aus meiner Jugendzeit, wo ich dergleichen Dinge mit anderen 
Augen ansah als heutigen Tages, noch in der Erinnerung, eine solche 
Häutung in der Luft während des Fluges wahrgenommen zu haben.« 
Eine solehe Häutung in der Luft halte ich bei P. virgo Ol. für ziem- 
lich sicher. In den ersten Abendstunden sah ich unter den fliegen- 


260 Carl Zimmer, 


pn 


den Thieren sehr viele, welche die Subimagohaut noch am Hinter- 
leibe hängen hatten und niemals bemerkte ich ein sitzendes Thier, trotz 
der ungeheuren Menge, in der P. virgo dieses Jahr wieder auftrat. 

Die enormen Augen des Männchens von Baätis und Chirotonetes 
entwickeln sich erst während des Puppenstadiums. Die obere Hälfte 
liegt, wie das Stirnauge von Clo& zunächst noch unter der Haut, um 
erst bei der Subimago in Funktion zu treten. Ganz ähnlich liegen 
übrigens auch die Verhältnisse bei den Libellen. 


Breslau, den 1. September 1897. 


Litteraturangabe., 


E. BERGER, Untersuchungen iber den Bau des Gehirns und der Retina der 
Arthropoden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. Wien. Bd. I. 1878. p. 1 
bis 48. Taf. I—V. 

J. CARRIERE, Kurze Mittheilungen aus fortgesetzten Untersuchungen über die - 
Sehorgane. Zool. Anz. IX. 1893. p. 479—481. 

C. Chun, Atlantis. Biologische Studien über pelagische Organismen. Biblioth. 
zoolog. Heft 19. 1896. p. I—V, 1—260. Taf. I-XX. 

G. V. Cıaccıo, Sopra la notomia minuta degli occhi della Clo& diptera. Rend. 
Accad. Se. Bologna 1880/81. p. 71—81. Referat: Journ. of the R. 
Mier. Soc. 1882. II. p. 609. 

—— Della minuta fabbrieca degli occhi de’ Ditteri. Mem. della R. Accad. dell. 
Se. dell. inst. d. Bologna. T. IV. 1884. p. 605—660. Abbild. p. 45—51. 
Taf. I—XIl. 

C. CrAus, Der Organismus der Phronimiden. Arb. a. d. zool. Inst. d. Univ. 
Wien. Bd. II. 1879. p. 59—88. Taf. I-VII. 

CORNELIUS, Beiträge zur näheren Kenntnis der Palingenia longicauda Oliv. 
Elberfeld 1848. Referat: Arch. f. Naturgesch. 15. Jahrg. Bd. II. 1849. 
p. 189190. 

DE GEER, Abhandl. zur Geschichte der Insekten. Aus dem Franz. übersetzt von 
J. A. E. GöTZzE. 1779. Bd. I—-VI. 

A. E. EATon, A revisional monograph of recent Ephemeridae or Mapyflies. 
Transact. of the Linn. soe. of Lond. 2. Ser. Vol. III. Zoologie. 18SS. 
p. 1—352. Taf. I-LXV. 

S. ExNnER, Die Physiologie der facettirten Augen von Krebsen und Insekten. 
Leipzig u. Wien 1891. p. I—-VII, 1—206. Taf. I-VI. 

H. GRENACHER, Untersuchungen über das Solana der Arthropoden, insbeson- 
dere der Spinnen, Insekten und Crustaceen. Göttingen 1879. p. I-VIII, 
1—188. Taf. I—X1. 

H. JAKOBSEN, Die Entwicklung des Imagoauges von Vanessa urticae L. Zool. 
Jahrb. Abth. f. Anat. Bd. VI. 1893. p. 445—480. Taf. XXIII-XXIV. 

F. J. Pıcter, Histoire naturelle des insectes nevropteres. Famille des Ephöme- 
rines. Geneve 1845. p. 1—X, 1—300. Planches p. 1—19. Pl. I-XLVLH. 


Die Facettenaugen der Ephemeriden. 361 


REAUMUR, Memoires pour servir & l’histoire des insectes. 1742. Bd. I-XIII. 

B. ROSENSTADT, Beiträge zur Kenntnis des zusammengesetzten Auges bei den 
Dekapoden. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. XLVII. 
1896. p. 748—770. Taf. XXIX u. XXX. 

A. VayssıurE, Rechesches sur Porganisation des larves des Ephemörines. Ann. 
d. sc. nat. 6. ser. Zool. T. XIII. 1882. p. 1—137. Pl. I-X1. 


Erklärung der Abbildungen, 


| Die Zeichnungen sind mit dem WiInkEr'schen Zeichenapparate angefertigt. 
Die Bilder der Schnitte durch den ganzen Kopf sind halb schematisch. 


Allgemein gültige Bezeichnungen: 


C, Cornea; KZ, Krystallkegelzelle; 

CK, Corneakern; M, Muskel; 

CZ, Corneazelle; MT, Mundtheil; 

Cm, Kommissur zum unteren Schlund- NPZ, Nebenpigmentzelle; 
ganglion; N St, Nebenstäbchen; 

D, Darm; P,.. Pigment; 

FZ, Fettzellen; R, Retinula; 

G, Gehirn; RK, Kerne der Retinulazellen; 

Go, Ganglion opticum; RZ, Retinulazelle; 

HPZ, Hauptpigmentzellen; T, Trachee; 

K, Krystallkegel; uSG, unteres Schlundganglion. 


KK, Krystallkegelkern; 


Tafel XII. 

Fig. 1—9. Clo& fuscata L. 

Fig. 1. Schnitt durch Seiten- und Stirnauge des d. rK, rudimentäre 
Kegel; *, Kerntheile der Retinulae, zu denen keine Krystallkegel mehr ausge- 
bildet sind. Wiısker III, 3. Vergr. 186. 

Fig. 2. Schnitt durch den Kopf des 3. Vergr. 54. 

Fig. 3. Schnitt durch den Kopf des ©. Vergr. 54. 

Fig. 4. Obere Partie der Facettenglieder des Stirnauges. Rechts ein 
Krystallkegei mit den Nebenpigmentzellen, links einer ohne diese, in der Mitte 
ein Längsschnitt. WinkEL I, 8. Vergr. 530. 

Fig. 5. Querschnitt durch die Region der Corneakerne. Wınken III, 8. 
Vergr. 889. 

Fig. 6. Querschnitt durch die Region der Krystallkegelkerne.. WINKEL 
HI, 5. Vergr. 889. 

Fig. 7. Querschnitt durch die Region der Krystallkegel. Wınken III, 8. 
Vergr. 889. | | 
Fig. 8. Querschnitt durch die Region des Kerntheiles. Wınken III, 8. 
Vergr. 889. 

Fig. 9. Querschnitt durch die Region des Rhabdomtheiles. Winker III, 8. 
Vergr. 889. 

Fig. 10—13. Clo& pumila Burm. 

Fig. 10. Schnitt durch das Stirnauge. rK, rudimentäre Kegel; *, Kern- 


262 Carl Zimmer, Die Facettenaugen der Ephemeriden. 


theile der Retinulae, zu denen kein Krystallkegel mehr ausgebildet ist. WINKEL 
I, 5. Vergr. 288. 

Fig. 11. Querschnitt durch die Region des Kerntheiles. WıxkeEu III, 8. 
Vergr. 889. 

Fig. 12. Querschnitt durch die Basis der Retinula. WınkEL III, 8. 
Vergr. 889. 

Fig. 13. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne am äußersten 
Rande des Auges, wo keine Krystallkegel mehr ausgebildet sind. 


Tafel XIII. 


Fig. 14—18. Potamanthus brunneus Pict. 

Fig. 14. Schnitt durch Stirn- und Seitenauge des 5. Leitz, 1,3. Vergr. 111. 

Fig. 15. Schnitt durch den Kopf des 3. Vergr. 54. 

Fig. 16. Schnitt durch den Kopf des ©. Vergr. 54. 

Fig. 17. Oberer Theil eines Facettengliedes. Leitz I, 6. Verg. 484. 

Fig. 18. Schnitt durch den mittleren Theil eines Facettengliedes. LEITZ 
I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 19—22. Baötis cerea Pict. 

Fig. 19. Oberer Theil eines Facettengliedes. Die Nebenpigmentzellen 
sind in der Zeichnung bis auf zwei weggelassen. LEITZz I, 6. Vergr. 481. 

Fig. 20. Schnitt durch die Region zwischen Cornea und Krystallkegel. 
Leitz I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 21. Schnitt durch die Region der Krystallkegel. LEITZ I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 22. Schnitt durch das Auge des $. WinkEL I, 3. Vergr. 94. 

Fig. 23—28. Chirotonetes ignotus Walk. 

Fig. 23. Oberer Theil eines Facettengliedes. Leitz I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 24. Querschnitt durch die Region der Krystallkegelkerne Leitz 
1, 6. Vergr. Asa. a 

Fig. 25. Querschnitt durch die Region der Hauptpigmentzellen. LEITZz 
I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 26. Querschnitt durch die Region des obersten Theiles der Retinula. 
Leitz I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 27. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne. Leitz I, 6. 
Vergr. 484. 

Fig. 25. Querschnitt durch die Region unter den Retinulakernen. LEITZ 
I, 6. Vergr. 484. 

(In Fig. 26—28 sind die Retinulazellen depigmentirt gezeichnet.) 

Fig. 29. Schnitt durch das obere Ende der Retinula von Ephemera vul- 
gata L. Leitz ], !/ıs- Vergr. 1215. 

Fig. 30—33. Palingenia virgo Ol. =. 

Fig. 30. Längsschnitt durch ein Facettenglied. Bei * sieht man den 
siebenten Retinulakern durchschimmern. Leıtz I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 31. Querschnitt durch den obersten Theil eines Facettengliedes. 
Leitz I, 6. Vergr. 484. 

Fig. 32. Querschnitt durch die Region der Retinulakerne. Leitz I, 6. 
Vergr. 484. 

Fig. 33. Querschnitt durch die Region des siebenten Kernes. LEITz I, 6. 
Vergr. 484. 

Fig. 34. Schnitt durch den Kopf von Palingenia virgo Ol. $. Vergr. 38. 


Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den 
Regenerationsprocessen der Naiden. 
Von 


Paul Hepke, 


prakt. Thierarzt. 


(Aus dem zoologischen Institut zu Breslau.) 


Mit Tafel XIV und XV. 


Die naidomorphen Oligochäten besitzen bekanntlich in hohem 
Maße die Fähigkeit, Organe und Körpertheile, deren sie verlustig 
gegangen sind, zu reproduciren, so dass ein Individuum dieser Fami- 
lie sich immer wieder zu einem vollständigen Thiere ergänzt, so- 
bald es bis zu einem gewissen Grade irgend welcher Körpertheile be- 
raubt wird. 

In der freien Natur erleiden die Naiden derartige Verstiimme- 
lungen außerordentlich häufig durch diejenigen Thiere, welchen sie 
zur Nahrung dienen, und bei der Zartheit und Form des Naiden- 
körpers ist es erklärlich, dass eine solche Verletzung selten als ein- 


_ faches Trauma ausfällt, sondern meist einer vollständigen Amputation 


irgend eines Körpertheils gleichkommt, verursacht durch die Beiß- 
werkzeuge des naidenfressenden Thieres. Dass hierbei die Art der 
Amputationswunde hinsichtlich ihrer Lage und Beziehung zur Längs- 
achse des Thierkörpers die mannigfachsten Verschiedenheiten aufzu- 
weisen vermag, ist ebenfalls denkbar. 

Experimentell lassen sich solche Amputationen durch Anlegen 
von Schnitten am Naidenkörper nachahmen, die in eben so verschie- 
denen Körperregionen und Richtungen zur Längsachse desselben 
angebracht werden können, und alsdann ist auch hier unter &eeig- 
neten Bedingungen eine vollständige Regeneration der fehlenden 
Körpertheile die Folge. 


264 Paul Hepke, 


l. Litterarisches. 


Mit Regenerationsprocessen im Allgemeinen hatte sich im vorigen 
Jahrhundert bereits TREMBLEY beschäftigt, welcher seine Versuche 
an Süßwasserhydren machte. Ihm folgten dann bald Bonxer (1) und 
REAUMUR (13) mit ihren Experimenten an Regenwürmern und später- 
hin hauptsächlich OÖ. F. MÜLLER (10), Duc&s (5), LEUCKART (9) und 
QUATREFAGES (11). 

Unter den Autoren, welche in neuerer Zeit die Regeneration 
zum Gegenstande ihrer Untersuchungen machten, sind besonders 
SEMPER (14, 15) und BüLow (3, 4) zu nennen. 

Ersterer giebt in seinem Werke über die Verwandtschafts- 
beziehungen der gegliederten Thiere (14) an, dass in dem auswachsen- 
den Afterende einer Nais der centrale Theil des Nervensystems (Cen- 
tralganglion) durch eine ungegliederte Ektodermverdiekung entsteht, 
dass dagegen die beiden seitlichen Ganglien (Spinalganglien) aus den 
medialen Partien der Mesodermplatten sich entwickeln und erst 
sekundär mit dem Centralganglion verwachsen. 

Bezüglich der Knospung der Naiden gelangt SEMPER in derselben 
Arbeit zu folgenden Schlüssen: 

Die Knospungszone der Naiden, welche sich aus der Rumpfzone 
des vorderen und der Kopfzone des hinteren Zooids zusammensetzt, 
entsteht durch Vermehrung und Einwucherung der Epidermiszellen 
im Bereiche der Seitenfelder. 

Das neue Mesoderm der Knospungszone bildet sich durch Wuche- 
rung vom Ektoderm her in Form von Platten, welche später in Ur- 
segmente zerfallen. | 

Das Wachsthum des Darmes in der Knospungszone geschieht 
durch Auftreten von Zellnestern in der Darmwandung. 

In der Rumpfzone decken sich die weiteren Entwicklungsvor- 
gänge, besonders auch die des Nervensystems, genau mit denen 
im wachsenden Schwanzende. Die Kopfzone dagegen hat keine 
neurale Ektodermverdickung aufzuweisen; jedoch wächst hier das 
vorderste centrale Rumpfsanglion in diese Zone hinein. 

Der Schlundring und zum Theil das obere Schlundganglion ent- 
steht aus dem Kopfkeimstreifen; zur Bildung des dorsalen Theiles 
des Schlundringes tragen außerdem noch zwei >Sinnesplatten bei, 
welche gesondert aus dem Ektoderm hervorgehen. 

Der Schlundkopf entsteht durch Verschmelzung zweier meso- 


EIN 


Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 365 


dermal entstandener »Kiemenganghöhlen« mit dem Darm, der Mund 
durch Einsenkung des Ektoderms gegen den Schlundkopf hin. 

BüLow fasst in seinem Werke über die Keimschichten im wach- 
senden Schwanzende von Lumbriculus (3) seine Resultate in folgen- 
den Sätzen zusammen: 

1) Das Mesoderm entsteht durch Einwucherung von Zellen, welche 
aus der Übergangsstelle von Ektoderm und Entoderm ihren Ursprung 
nehmen. 

2) Das mittlere Keimblatt bildet bald zwei Mesodermkeimstreifen, 
welche sich früher gliedern als die neurale Ektodermverdickung. 

3) Der centrale Theil des Bauchnervensystems, dessgleichen die 
Spinalganglien entstehen aus einer paarigen Ektodermanlage; es 
kommen zu dem nervösen Theil des Bauchnervenstranges vom Lumhri- 
eulus keine mesodermalen Elemente hinzu, wie SEMPER dies für die 
Naiden angiebt. 

Ferner sagt er: »Die Muskelplatten und die sonstigen musku- 
lösen Elemente sind mesodermalen Ursprungs, dessgleichen Segmen- 
talorgane, Leberzellen und Blutgefäßsystem. — Die Borsten und 
nervösen Seitenlinien stammen aus dem Ektoderm, ihre Nebenappa- 
rate (Muskulatur) aus dem Mesoderm.«< 

Ein zweites Werk von BüLow (4) sowie ein solches von SEMPER 
(15) behandeln die Frage der Regeneration nach einer ganz anderen 
Richtung hin als die vorliegende Arbeit; dasselbe gilt hinsichtlich 
der späteren Abhandlungen von Fraısse (6), BRAEM (2), GIARD (7) und 
HESCHELER (8). 

Dagegen schließt sich eine Arbeit von RANDoLPpH (12) in ihren 
Resultaten der erstgenannten von BÜLow (3) im großen Ganzen an. 
Nur soll nach RawpoLpH das Mesoderm aus großen Peritonealzellen, 
sogenannten »Neoblasten« (SEMPER’s »Chordazellen«) hervorgehen, 
nicht aber aus der Übergangsstelle von Ektoderm und Entoderm. 

Erst nach Abschluss dieser meiner Arbeit erschienen einige an- 
dere sich mit dem gleichen Gegenstande beschäftigende Abhand- 
lungen, die hier kurz diskutirt werden mögen. 

Zunächst kommt eine Arbeit von RIEvEL über »die Regeneration 
des Vorderdarmes und Enddarmes bei einigen Anneliden« (diese 
Zeitschr. Bd. LXII, 1896, p. 289—339) in Betracht, durch deren 
Erscheinen ich mich veranlasst sah, die Resultate meiner nachfolgen- 
den Abhandlung in Form einer vorläufigen Mittheilung (Zool. Anzeiger 
- Nr. 250, 1896) zu veröffentlichen. 

Die Untersuchungen RıEveErL’s führen hinsichtlich der Naiden 


266 Paul Hepke, 


zu folgenden, in wesentlichen Punkten von den meinigen abweichen- 
den Resultaten: 

Am Hinterende tritt kurze Zeit nach der Durchschneidung des 
Thieres ein Verschluss sowohl der Körperwand als auch des Mittel- 
darmes ein, so dass letzterer innerhalb der nunmehr geschlossenen 
Leibeshöhle als Blindsack endigt. Herbeigeführt wird dieser Ver- 
schluss durch »Granulationsgewebe«, welches aus den vorhandenen 
Mesenchymelementen entsteht und in dem RIEVEL mehrere Arten 
von Zellen unterscheidet; nur eine dieser Zellenarten kommt kon- 
stant an einer bestimmten Stelle vor, die übrigen sind als nicht be- 
sonders lokalisirt beschrieben. 

Der in seinem Endtheil geschlossene Darm wächst nun weiter 
nach hinten, gelangt durch das zur Seite tretende Granulationsgewebe 
bis zum Körperepithel und durchbricht auch dieses, während seine 
Wandungen mit der Körperwand in Verbindung treten und gleich- 
zeitig diejenigen Zellen, welche seinen Verschluss bewirken, aus 
einander weichen, so dass nunmehr das Darmlumen mit der Außen- 
welt kommunieirtt. Der Darm wuchert darauf noch eine kurze 
Strecke weit über das Körperende hinaus, zieht sich aber bald wie- 
der zurück, womit dann die Regeneration des Enddarmes einschließ- 
lich des Anus ihr Ende erreicht hat. 

Die Wiederherstellung des Vorderdarmes und Mundes findet in 
sanz analoger Weise statt, nur mit dem Unterschiede, dass sich hier 
die Regenerationsvorgänge durch die Ausbildung des birnförmigen 
Pharynx ein wenig kompliciren. 

Es entsteht also nach RırveL der Vorder- und Enddarm der 
Naiden bei der Regeneration aus dem Entoderm, und die Neubildung 
des Mundes und Afters geht durch Verschmelzung des Mitteldarm- 
epithels mit dem Körperepithel von statten, ohne dass sich hierbei 
eine Einstülpung des letzteren betheiligt. 

Hieraus geht hervor, dass sich die Resultate RiEvEL’s — Re- 
generation des neuen Verdauungstractus aus dem Entoderm — und 
die meinigen — Entstehung desselben aus dem Ektoderm — schroff 
gegenüber stehen. ; 

Zur Beleuchtung dieser Verhältnisse will ich hier lediglich her- 
vorheben, dass dasjenige neue Gewebe, welches RIEVEL schlechthin 
als »Granulationsgewebe« bezeichnet, keineswegs nur so einfach aus 
mehreren durch einander liegenden Zellsorten besteht, sondern dass 
sich dasselbe aus den in meiner Abhandlung ausführlicher beschrie- 
benen, geradezu typisch auftretenden, knospenartigen Organanlagen . 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 267 


zusammensetzt, die schon sehr früh als solche zu erkennen ‚sind und 
in dem steten Zusammenhange ihrer Basis mit dem Ektoderm ein 
untrügliches Kriterium für ihre ektodermale Herkunft besitzen. Diese 
Anlagen wachsen dann mit ihren freien Enden in der Richtung nach 
der Amputationsstelle des von ihnen zu regenerirenden Organs hin, 
bis sie schließlich letzteres erreichen und sich mit ihm verbinden. 

Wohl habe auch ich in meiner Abhandlung angegeben, dass der 
alte Darm an seiner Durchschneidungsstelle einige neue Zellen bildet; 
allein diese haben anscheinend nur den Zweck, den Darm gegen die 
Leibeshöhle hin abschließen zu helfen; für die Förderung der Regene- 
ration selbst ist das Auftreten dieser wenigen Zellen nahezu be- 
deutungslos. er 

Die nebenher erwähnte Beobachtung Rırver’s, dass das obere 
Schlundganglion vom Körperepithel, also vom Ektoderm regenerirt 
wird, stimmt mit meiner Erfahrung überein; jedoch muss ich der 
Behauptung, dass das untere Schlundganglion sich durch Theilung 
derjenigen Zellen ergänzt, welche noch von dem (— wahrscheinlich 
durchsehnittenen —) Ganglion übrig geblieben sind, ganz entschie- 
den widersprechen, und da dieser Punkt von RıEvEL mehr als 
Nebensache behandelt wird, so kann ich hinsichtlich desselben nur 
auf die diesbezüglichen Stellen meiner Arbeit verweisen. 

Während sich nun aber zwischen Rırver’s Resultaten und den 
meinigen fundamentale Unterschiede zeigen, führt eine Arbeit von 
AUGUSTE MICHEL, »Sur le bourgeon de regeneration caudale chez les 
Annelides« (Labor. d’Evolution. — Sorbonne — Paris, 7. et 14. De- 
cembre 1896), fast zu denselben Ergebnissen wie meine Versuche. 

MiıcHEL sagt am Schluss dieser Arbeit der Hauptsache nach 
Folgendes: »Die Regenerationsknospe ist ektodermalen Ursprungs, 
d.h. die Epidermis erzeugt durch Proliferation ein indifferentes Ge- 
webe, welches sich späterhin differenzirt, und zwar entsteht aus den 
oberflächlichen Zellen das neue Ektoderm und Entoderm, aus Zellen 
aber, welche in das Innere eingedrungen sind, Muskelbündel, Binde- 
gewebe, Gefäße etec.« 

Was die Bildungsweise des Nervenstranges anbelangt, so be- 
hauptet MıcHEL, dass derselbe bei den Polychäten ektodermal 
entstehe, bei den Oligochäten dagegen mesodermal; er scheint je- 
doch hier den Ausdruck »mesodermal« nieht in rein entwieklungs- 
geschichtlichem Sinne zu gebrauchen, sondern damit nur topo- 
graphisch (»simple expression topographique sans grande valeur«) 
die weiter innen befindliche Lage des betreffenden Gewebes andeuten 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 18 


268 Paul Hepke, 


zu wollen, zumal er dasselbe als eine »innere ventrale Masse<« be- 
zeichnet, »welche noch eben so indifferent ist als das neue Ekto- 
derm«. 

In dieser Auffassung bestärkt mich andererseits auch noch der 
Umstand, dass MicHeL bei der Erwähnung derjenigen in das Innere 
eindringenden Zellmassen, welche Muskelbündel, Bindegewebe, Ge- 
fäße, also ausgesprochen mesodermale Gebilde produciren, vom Meso- 
derm gar nichts verlauten lässt. 

Wenn ich daher Mıcner richtig verstehe, so will er mit der 
‚inneren ventralen Masse«, welche bei den Oligochäten den Nerven- 
strang bildet und die er »mesodermal« nennt, sicherlich nichts An- 
deres bezeichnen als die ektodermale Neuralanlage, welche das 
Ektoderm mit der Durchschneidungsstelle des alten Nervenstranges 
verbindet. Demnach würden sich unsere Resultate dann auch in 
diesem Punkte decken. 

Ferner giebt F. v. WAGNER in einer Mittheilung über die »Re- 
generation des Vorderdarmes bei Lumbrieulus<« (Zool. Anzeiger vom 
15. März 1897, Bd. XX, Nr. 526, p. 69—70) an, dass hier die zuerst 
entstehende und als Mund bezeichnete Öffnung an der Berührungs- 
stelle des Ektoderms mit dem regenerirten und an die Oberhaut 
herangewachsenen entodermalen Darmabschnitt nur provisorische 
Bedeutung besitzt. Diese Mundöffnung schließt sich nämlich später 
wieder, und es erfolgt dann eine fortschreitend tiefer greifende, 
trichterförmige Einsenkung des Ektoderms, wodurch es zur Bildung 
eines typischen Stomodäums und eines definitiven Mundes kommt, 
welcher mit der früheren, provisorischen Mundöffnung nichts ge- 
mein hat. 

Wie aus meinen Befunden hervorgeht, fällt bei den Naiden das 
Auftreten einer derartigen provisorischen Mundöffnung vollständig 
weg. Hier persistirt stets die erste Mundöffnung als definitiver 
Mund, welcher durch triehterförmige Einsenkung des Ektoderms und 
Zusammenfließen des Lumens derselben mit dem Pharyngeallumen 
zu Stande kommt. 

Die Entwicklungsweise des Mundes der Naiden entspricht also 
nur derjenigen, welche nach v. WAGNER beim Entstehen des defini- 
tiven Mundes von Lumbrieulus in die Erscheinung tritt. 


il. Präparationsmethode. 


Um an den Naiden in bequemer Weise die Amputation vor- 
nehmen zu können, legte ich sie auf Objektträger. Dann führte ich 


Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 269 


den Schnitt meist quer durch die Mitte des Thierkörpers, brachte hier- 
auf die Objekte in geeignete, kleine Aquarien und präparirte sie in 
den verschiedenen Stadien der Regeneration behufs Anfertigung von 
Schnitten für die mikroskopische Untersuchung folgendermaßen: 

Zuerst übergoss ich die in Regeneration befindlichen Thiere auf 
einer größeren Glasplatte mit kochender, koncentrirter Sublimat- 
lösung. Nachdem diese erkaltet war, legte ich die Objekte in ein 
Uhrschälehen mit destillirtem Wasser von 42° Ö©., worin sie 5 Minu- 
ten lang verblieben. Alsdann übertrug ich dieselben in Pikrokarmi- 
num CHun (das Recept hierfür ist noch nicht publieirt), welches sich 
speciell für meine Untersuchungszwecke als ganz vorzügliches Färbe- 
mittel erwies. Diese Flüssigkeit wurde nun mit den Präparaten auf 
42° ©. erwärmt und 8 bis 10 Minuten lang in dieser 'Temperatur- 
höhe erhalten. 

Darauf wusch ich die Objekte zuerst in kaltem, dann in war- 
mem Wasser von 42° C. aus und brachte sie hinter einander für die 
Dauer von je 2 Minuten in 40-, 70- und 90procentigen und zuletzt 
zweimal in absoluten Alkohol von stets 42°C. Nachdem der zuletzt 
verwendete Alkohol bis zur Zimmertemperatur abgekühlt war, führte 
ich die Präparate in Terpentinöl über, welches ich langsam auf ca. 
40° ©. erwärmte. 

Die Erwärmung wurde stets im Uhrschälehen vorgenommen und 
durch öfteres Aufsetzen desselben auf die obere Handfläche kontrol- 
lirt. Wird hierbei ein gerade noch warmes, aber nicht stechendes 
Gefühl erzeugt, so ist die gewünschte Temperatur von annähernd 
42° C. erreicht. 

Nach der Behandlung mit Terpentinöl bettete ich die Objekte 
auf die herkömmliche Weise in Paraffın ein, zerlegte sie je nach 
Bedarf in Sagittal-, Transversal- und Frontalschnitte von durchweg 
'/aod? mm Dicke und verarbeitete sie alsdann zu Dauerpräparaten. 

Die Objekte, an welehen ich meine Studien machte, stammten 
aus Gräben und Tümpeln in der Nähe der Oder bei Breslau; sie 
sehörten vorwiegend Nais elinguis an, und nur selten fanden andere 
Nais-Arten (proboseidea und longiseta) Verwendung. 

Von meinen Präparaten sind einige im Winter, andere im Som- 

mer hergestellt worden, und da diese sich unter einander ergänzen, 

so kann ich im Folgenden die einzelnen Stadien der Regeneration 

nicht als nach numerisch bestimmten Zeiträumen eintretend angeben, 

zumal durch die bisherigen Forschungen festgestellt ist, dass die 

Regeneration im Sommer bedeutend schneller von statten geht als 
182 


270 Paul Hepke, 


im Winter. Auch einige andere kleine Unterschiede, wie z. B. der, 
ob die Amputation in der vorderen oder hinteren Körpergegend oder 
an einem geschlechtsreifen oder im Zustande der Knospung befind- 
lichen Individuum vorgenommen worden ist, haben wohl etwas Ein- 
fluss auf die Gesammtdauer des Regenerationsprocesses, keineswegs 
aber auf die Reihenfolge sowie die Art und Weise des Verlaufs der 
histo- und organogenetischen Vorgänge. Ich lasse daher diese Unter- 
schiede, sofern sie sich lediglich auf die Dauer des ganzen Regene- 
rationsprocesses oder seiner einzelnen Phasen beziehen, vollkommen 
unberücksichtigt. 


Ill. Eigene Beobachtungen. 


A. Verschluss der Wundränder. 


Sobald einer Nais ein Theil ihres Körpers amputirt worden ist, 
ganz gleich ob Kopf- oder Schwanzende, geht Folgendes vor sich: 

Zunächst findet eine heftige Kontraktion der Cirkularmuskel- 
fasern statt, welche in der Nähe der Durchschneidungsstelle gelegen 
sind. In Folge dessen werden die Wundränder der Körperwand, die 
in ihrer Gesammtheit ungefähr einem Kreise entsprechen, einander 
so sehr genähert, dass die Leibeshöhle des Thieres gegen das um- 
gsebende Medium hin vollständig abgeschlossen erscheint. Einige 
Zellen der Epidermis, welche durch den Schnitt etwas gelockert 
worden waren, dem Wundrande ein zerfetztes Aussehen verleihen 
und auch dem sofortigen festen Verschluss der Wunde hinderlich 
sind, werden bald abgestoßen, so dass von denselben schon nach 
wenigen Stunden nichts mehr zu sehen ist und das betreffende Körper- 
ende dann eine mehr oder weniger glatte Außenfläche besitzt (Fig. 1 
und 2). 

Gleichzeitig mit dem schnellen Verschluss dieser Wundränder 
findet auch eine Kontraktion des Darmes statt, welche zur Folge 
hat, dass das Lumen desselben durch Zusammentreten seiner Wund- 
ränder, die auch hier einen Kreis repräsentiren, außer Kommunikation 
mit der Leibeshöhle tritt (Fig. 1). 

Mit der Kontraktion des Darmes ist aber auch eine Retraktion 
desselben verbunden, welche bewirkt, dass sein Ende etwas central- 
wärts zurücktritt. In Folge dessen erscheint nun das Ende des nicht 
kontraktilen Nervenstranges dem Körperende etwas näher gelesen 
als das des Darmes (Fig. 2), und es ist dadurch außerdem zwischen 
der Durchschneidungsstelle der Körperwand einerseits und der des 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 97 1 


Darmes andererseits ein freier Raum geschaffen, welcher nunmehr der 
Leibeshöhle angehört, an dessen Stelle sich aber früher das Darm- 
rohr befand (Fig. 1 und 2). 

Ich verfehle nicht, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam 
zu machen, dass RAnDOLPH (12) für Lumbrieulus hinsichtlich des Ver- 
haltens der Wundränder bei der Theilung des Wurmes angiebt: »The 
outer wall is curved inward, and the wall of the intestine outward, 
so as to almost or quite shut in the coelomie cavity of the end 
‘somite.<e Wir sehen also, dass dort sowohl als auch hier die Leibes- 
höhle des Thieres nach der Durchtrennung schnell gegen die Außen- 
welt hin abgeschlossen wird, nur mit dem Unterschiede, dass bei 
der Theilung von Lumbrieulus nach RAnpoLpH der Wundrand des 
Darmrohres mit dem der Epidermis verwächst, in Folge dessen die 
Kommunikation der Darmhöhle mit der Außenwelt erst gar nicht 
unterbrochen wird, während bei der künstlichen Zertheilung der 
Naiden die Wundränder der Epidermis und die des Darmes je für 
sich allein vernarben, so dass hier das Darmlumen nach der Schnitt- 
stelle hin von dem umgebenden Medium abgeschlossen ist. 


B. Initialstadium des Regenerationsprocesses. 


Hat nun der Naidenkörper auf die Amputation in der oben an- 
segebenen Weise reagirt, so setzen auch bald die regenerativen Vor- 
gänge ein. 

Dieselben beginnen sowohl am Kopf- als auch am Schwanzende 
damit, dass an der Stelle, an welcher sich die Wundränder der 
Epidermis vereinigt hatten, eine lebhafte Neubildung von Zellen 
zwischen den alten Epidermiszellen stattfindet. Diese Zellen doku- 
mentiren sich als neu entstanden dadurch, dass ihre Kerne dichter 
sedrängt stehen und auch stärker gefärbt sind als die der übrigen 
Epidermiszellen, denen sie in ihrem sonstigen Aussehen ziemlich 
gleichen. Dieser neue Zellhaufen ist zuerst einschichtig und besitzt 
die Form einer schwach gewölbten Platte, welche mit ihrer konkaven 
Innenfläche den freien Raum der Peritonealhöhle im Verein mit den 
anderen dazugehörigen Gewebsarten umgrenzt und von der aus sehr 
früh einzelne Zellen in das Innere der Leibeshöhle zu wandern be- 
ginnen (Fig. 3). 

Kaum aber hat diese ektodermale Zellplatte eine gewisse Größe 
und Wölbung erreicht, so dass sie nunmehr als »Ektodermkappe« 
bezeichnet werden kann, so beginnt sie auch schon in die Dieke zu 
wachsen, und außerdem vergrößert sich die Menge der von ihr aus 


212 Paul Hepke, 


in die Leibeshöhle einwandernden Zellen. Diese letzteren verrathen 
vorläufig noch nicht die Tendenz, irgend eine bestimmte Richtung 
einzuschlagen. Der Beweis für den ektodermalen Ursprung dieser 
Zellen dürfte nach meiner Ansicht dadurch erbracht sein, dass sie 
vom Ektoderm durch keinen Kontour getrennt sind, sondern noch 
theilweise zwischen den Ektodermzellen stecken; dass dieselben aber 
neu entstanden sind, zeigt die Häufung und etwas intensivere Fär- 
bung ihrer Kerne (Fig. 4). 

Die Anfangsstadien der Regeneration entsprechen also hier in sol 
fern denjenigen, welche SEMPER (14) für die Knospung der Naiden 
angiebt, als das neue Gewebe ebenfalls durch Wucherung der Epi- 
dermis entsteht. Nur findet dort die Einwanderung der neuen Zellen 
von den Seitenfeldern her statt, während hier die Epidermis erst 
eine kappenartige, ektodermale Matrix bildet, von der aus die Zellen 
in die Leibeshöhle eintreten. 


C. Weiterer Verlauf der Regeneration. 
a) Entwicklung des Neural- und Intestinalapparates. 


Sowie sich nun aber die Zahl jener vom Ektoderm her ein- 
wandernden Zellen vergrößert, macht sich auch alsbald der erste 
Unterschied in den KRegenerationsvorgängen zwischen Kopf- und 
Schwanzende bemerkbar, welcher darin besteht, dass die Zellen nicht 
weiterhin planlos in die Leibeshöhle hineinwandern, sondern an 
einigen Stellen stärker wuchern und dadurch mehrere Zellgruppen 
bilden, deren distaler Theil noch mit der Innenfläche der Ektoderm- 
kappe in Verbindung steht. 


a. Kopfende. 


Am Kopfende kann man nun vier solche Zellgruppen unterschei- 
den. Die eine derselben, welche alle anderen zumeist an Größe über- 
trifft, liegt etwas ventralwärts von der Längsachse des Thierkörpers, 
jedoch genau in dessen Sagittalebene (Fig. 5z u. 62; die beiden Bilder 
müssen hier kompensatorisch wirken, da diese längliche Zellgruppe 
zufällig eine seitliche Biegung beschreibt, so dass sie durch einen 
Sagittalschnitt nicht im Zusammenhange dargestellt werden konnte). 
Die zweite Zellgruppe, welche etwas kleiner ist als die vorige, be- 
findet sich ebenfalls in der Sagittalebene, aber ventralwärts von der 
erstgenannten und dieht am Rande der neugebildeten Ektodermkappe 
dort, wo dieselbe an das alte Gewebe grenzt (Fig. 5»). Die beiden 
letzten Zellgruppen sind meist am kleinsten, aber unter einander von 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 3273 


sleicher Größe; sie befinden sich zu beiden Seiten der Sagittalebene 
des Thieres und etwas dorsalwärts von dessen mittlerer Frontalebene, 
sleichfalls nahe am Rande der Ektodermkappe (Fig. 5c zeigt die 


_ größte Durehschnittsfläche des einen dieser beiden Zellhaufen). 


Bei weiterer Beobachtung merkt man fermer, dass sowohl die 
Zellgruppen in ihrer Gesammtheit als auch jedes der sie bildenden 
Elemente das Bestreben haben, eine ganz bestimmte Richtung ein- 
zuschlagen, und zwar zeigt die erstgenannte, größte Zellgruppe die 
Tendenz, dem geschlossenen Ende des Darmes entgegen zu wachsen 
(Fig. 5: u. 62), während der ventral liegende, kleinere Zellhaufen der 
Durehschneidungsstelle des Bauchnervenstranges zustrebt (Fig. 5); 
die beiden kleinen, dorsolateral liegenden Zellgruppen lassen auf 
Kontrollquerschnitten erkennen, dass ihre Elemente sich beiderseits 
bemühen, einander entgegen zu wachsen. 

Da sich nun im weiteren Verlauf dieser Processe ergiebt, dass 
die größte Zellgruppe den Kopftheil des Darmes, die ventrale aber 
das Bauchnervensystem regenerixs und die beiden kleinen, dorsolateral 
gelegenen Zellhaufen das Gehirnganglion wieder herstellen, so werde 
ich im Interesse einfacherer Ausdrucksweise diese Gebilde ent- 
sprechend obiger Reihenfolge kurz als »Intestinal<-, »Neural<«- und 
»Cerebralanlagen« bezeichnen. 

Mit der fortschreitenden Entwicklung dieser Anlagen sind nun 
aber auch schon anderweitige regenerative Veränderungen vor sich 
gegangen. 

Zunächst ist es der Darm, welcher an seinem geschlossenen 
Ende einige neue Zellen gebildet hat, die durch stärkere Färbung 
und das dichte Zusammenstehen ihrer Kerne sich als neu entstanden 
erweisen; ihre Eigenschaft als Produkte der alten Darmzellen ist 
daran wahrzunehmen, dass sie von diesen letzteren durch keine 


Grenze getrennt, sondern mit ihnen innig verbunden und — abge- 
sehen von der geringeren Größe — denselben auch ähnlich sind 
(Fig. 6:4). R 


Bei den Entwicklungsvorgängen in der Kopfzone der Naiden hat 
SEMPER (14) ebenfalls eine Neubildung von Seiten des alten Darmes 
konstatirt, welche aber dort im Auftreten einzelner »Zellnester« inner- 
halb der Darmwand besteht, die sich in der ganzen Länge des 
Darmes der Kopfzone zeigen. Hier dagegen ist nur ein einziger 
neuer Zellhaufen an der Amputationsstelle des Darmes zu sehen, und 


_ ich konnte bei meinen Untersuchungen »Zellnester« im Sinne SEMPER’S 
_ weder an dem vorliegenden noch an anderen Präparaten entdecken. 


274 Paul Hepke, 


Ferner hat in der Umgebung der Intestinalanlage dort, wo die- 
selbe aus dem Ektoderm hervorsprießt, mittlerweile eine Einwanderung 
einzelner Zellen stattgefunden, welche sich scheinbar ohne bestimmtes 
Ziel im den freien Raum der Leibeshöhle abseits von der Wachs- 
thumsrichtung der Organanlagen begeben. Dem Aussehen nach 
unterscheiden sich diese Zellen von denen, welche in ihrer Gesammt- 
heit die Anlagen repräsentiren, vorläufig nicht (Fig. 5). 

Auch an den Blutgefäßen ist in so fern eine Veränderung einge- 
treten, als in den durch das Wachsthum des Ektoderms vergrößerten 
Theil der Leibeshöhle einige Gefäßschlingen hineingewachsen sind; 
ob dieselben aber nur durch Proliferation der alten Zellen, aus denen 
sich die Blutgefäße zusammensetzen, entstanden sind oder ob auch 
bereits neu eingewanderte Zellen zu ihrer Entstehung beigetragen 
haben, kann ich mit Bestimmtheit nicht angeben (Fig. 4v zeigt den 
schrägen Durchschnitt eines Blutgefäßes). 

Im weiteren Verlaufe der Regenerationsprocesse erreicht nun die 
ektodermale Neuralanlage die Schnittstelle des alten Bauchnerven- 
stranges und tritt mit demselben dort in feste Verbindung (Fig. 7nvs 
u. Snos). Bald darauf gelangt aber auch die nunmehr zu einem 
soliden Strange ausgewachsene Intestinalanlage an die Amputations- 
stelle des alten Darmes, wo sich einige neue Zellen gebildet hatten, 
und verbindet sich dort mit demselben (Fig. 7dovs u. Sdos; auch diese 
beiden Zeichnungen müssen hier einander ergänzen, da die Intestinal- 
anlage durch das starke Wuchern der Blutgefäße Biegungen erlitten 
hat). Die Entwicklung der Cerebralanlage ist an diesem Präparat 
noch verhältnismäßig wenig fortgeschritten; da ich aber in demselben 
Stadium an Schnitten von anderen Objekten die Cerebralanlagen 
schon besser ausgebildet fand, so glaube ich annehmen zu dürfen, 
dass die Entwicklungsgeschwindigkeit dieser Anlagen individuellen 
Schwankungen unterworfen ist. - 

Nach SempeEr (14) kommt es bei dem Knospungsprocess am Kopf- 
ende der Naiden weder zur Bildung einer neuralen Ektodermver- 
diekung noch zu der einer solchen Intestinalanlage, wie ich sie so- 
eben beschrieben habe. 

Der Umstand, dass zuerst der Nervenstrang und dann der Darm 
mit den entsprechenden Anlagen in Verbindung tritt, lässt sich bei 
Voraussetzung gleich schnellen Wachsthums der letzteren dadurch 
erklären, dass die Neuralanlage beim Wachsen keine so weite Strecke 
zurückzulegen hat, um die Durchschneidungsstelle des Bauchstranges 
zu erreichen, als die Intestinalanlage, um das Darmende zu gewinnen, 


Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 375 


weil der Darm vermöge seiner Kontraktionsfähigkeit sich, wie früher 
erwähnt, nach der Amputation etwas centralwärts zurückgezogen 
hatte, was beim Bauchstrang nicht der Fall sein konnte, da diesem 


‚kontraktile Elemente abgehen. Die Zellen, welche der Darm an seiner 


Schnittstelle selbst produeirt, kommen hier hinsichtlich der Begünsti- 
sung des schnelleren Verwachsens zwischen Darm und Intestinalanlage, 
wegen ihrer so geringen Anzahl, fast gar nicht in Betracht. 

Eine Thatsache ist bei dem Regenerationsvorgange bezüglich 
des Verhaltens zwischen dem alten Darm und dem Bauchstrange an 
ihren Amputationsstellen entschieden auffallend. Während nämlich, 
wie bereits bemerkt, der Darm seinerseits doch wenigstens einige 
neue Zellen bildet, um die Reproduktionsprocesse gewissermaßen zu 
unterstützen, so habe ich an der Durchschneidungsstelle des Bauch- 
stranges niemals auch nur eine einzige von ihm neugebildete Zelle 
entdecken können, sondern stets gefunden, dass sich das Bauch- 
nervensystem immer nur aus denjenigen Zellen regenerirt, welche 
ihm von der bauchständigen Neuralanlage geliefert werden. 

Im Gegensatze hierzu hat SEMPER (14) festgestellt, dass bei der 
Knospung der Naiden das vorderste centrale Rumpfganglion in die 
neugebildete Kopfzone hineinwächst. 

Ein weiteres Stadium der Entwicklung zeigt nun, dass sich die 
Ektodermkappe immer mehr vergrößert und zwar in der Art, dass 
hier am Kopfende bei der Partie, welche sich dorsalwärts von der 
Intestinalanlage befindet, das Wachsthum am stärksten ist. Gleich- 


zeitig wächst aber auch die strangförmige Intestinalanlage etwas in 


die Dieke, und die neurale Ektodermverdickung beginnt sich von den 
äußersten Schichten des Ektoderms abzuschnüren (Fig. 9 u. 10). An 
dem Präparat, welchem die Figur 9 entnommen ist, kann man nun 
konstatiren, dass die vorderen Partien der Neuralanlage sich be- 
reits abgeschnürt haben, während die hinteren bis zur Amputations- 
stelle des alten Bauchstranges mit dem Ektoderm noch fest verbun- 
den sind. Der Abschnürungsprocess der Neuralanlage muss demnach 
am Kopfende von vorn nach hinten verlaufen. 

Dieses Verhalten dürfte aber zunächst aus folgendem Grunde 
befremden: die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass der 
alte Bauchnervenstrang im Verlaufe der Regeneration an seiner 
Durehsehneidungsstelle keine neuen Zellen bildet, sondern dass alle 


‚diejenigen Zellen, welehe zum Wiederaufbau des Bauchnervensystems 


erforderlich sind, durch die Neuralanlage vom Ektoderm geliefert 
werden. Unter diesen Zellen sind diejenigen zweifelsohne die ältesten, 


276 Paul Hepke, 


welche von der neuralen Ektodermverdiekung aus direkt mit der 
Schnittstelle des alten Bauchstranges in Verbindung treten. Da man 
nun doch wohl annehmen sollte, dass der Abschnürungsprocess, wie 
am Schwanzende, bei den ältesten Zellen des regenerativen Gewebes 
beginnt und in der Richtung nach den jüngeren zu fortschreitet, so 
müsste dieser Process am Kopfende successive von hinten nach vorn 
verlaufen. 

Es ist nun aber festgestellt worden, dass die Naiden bei der 
Regeneration am Kopfende immer nur fünf neue Segmente bilden, von 
denen bloß vier mit Bauchganglien versorgt werden. Ferner hat 
SEMPER nachgewiesen, dass im wachsenden Schwanzende der Naiden 
diejenigen Partien der neuralen Ektodermverdiekung, welche an der 
Stelle liegen, wo die Abschnürung eben gerade begonnen hat, keine 
neuen Zellen mehr bilden und dass außerdem die spätere, während 
des Wachsthums der dazugehörigen Segmente erfolgende Verlängerung 
dieser Anlage des Bauchstranges lediglich durch Dehnung, mit welcher 
gleichzeitig eine Verdünnung dieses ursprünglich so dieken Stranges 
verbunden ist, nicht aber etwa durch weitere Neubildung von Zellen 
bewirkt wird. 

Betrachtet man von diesem Gesichtspunkte aus in dem hier in 
Frage kommenden Regenerationsstadium die neurale Ektodermver- 
diekung am vorliegenden Präparat (Fig. 9» u. 10x) hinsichtlieh ihrer 
Dieke und berücksichtigt man gleichfalls, dass dieser verhältnis- 
mäßig stark entwickelte Zellhaufen späterhin nur vier Segmente mit 
nervösen Elementen zu versehen hat, so wird man zu der Über- 
zeugung gedrängt, dass hier der Bildungsprocess von Neuralzellen 
aus dem Ektoderm bereits seinen Abschluss gefunden haben muss, 
und damit ist auch der Grund, wesshalb hier die Abschnürung von 
den älteren Zellen nach den jüngeren zu vor sich gehen müsste, — 
wie dies im wachsenden Schwanzende der Fall ist, wo die Neu- 
bildung von neuralen Zellen aus dem Ektoderm bekanntlich nie zum 
Abschluss kommt — vollständig hinfällig geworden, und es wird 
daher nicht mehr befremden, dass hier der Abschnürungsprocess der 
Neuralanlage an einer beliebigen Stelle, in diesem Falle also bei 
den jüngeren Zellen beginnt und nach den älteren, d. h. nach hinten 
zu fortschreitet. | 

In Betreff der Cerebralanlage lässt Fig. 10 erkennen, dass die 
Elemente derselben sich fester an einander geschmiegt haben, wodurch 
sie jetzt als ein birnförmiger Körper erscheint, dessen Stielende nach 
unten und vorn gerichtet ist. Auf Kontrollquerschnitten sieht man 


Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 277 


in dieser Entwicklungsstufe, dass die Stielenden der beiden Cerebral- 
anlagen direkt in das stark verdickte Ektoderm übergehen. 

Das nächste Stadium der Regeneration kann man am besten an 
Querschnitten studiren. Hier zeigt es sich, dass von den Stielenden 
der Cerebralanlagen aus nach hinten zu kontinuirlich ventralwärts 
Zellen von der Innenfläche der Ektodermkappe in die Leibeshöhle 
hineinragen (Fig. 11 com). Diese Zellen repräsentiren in ihrer Ge- 
sammtheit zwei Wülste, welche von oben und vorn nach unten und 
hinten verlaufen, von denen aber auf der Zeichnung in Folge etwas 
schräger Schnittführung nur linkerseits eine solche zu sehen ist; 
dieselben treten nach der ventralen Richtung hin einander immer 
näher, indem ihre unteren Partien durch eine im Querschnitt halb- 
mondförmige Platte (Fig. 12! mp) vom Ektoderm abgedrängt werden, 
bis sie schließlich nur noch durch einen ungefähr dreieckigen Zell- 
haufen von einander getrennt sind (Fig. 12!r). Die Zellen jenes un- 
regelmäßigen, dreieckigen Haufens gehen ohne Grenze in die des 
Ektoderms über, und es steht außer allem Zweifel, dass wir es hier 
mit der Basis der Intestinalanlage zu thun haben, welche in Folge 
stärkeren Wachsens des dorsalen Theils der Ektodermkappe schon 
so weit nach unten gerückt ist. Ein anderer Schnitt, welcher die 
Region dicht hinter der Basis der Intestinalanlage getroffen hat, zeigt, 
dass diese beiden oben erwähnten, dorsoventral von vorn nach hinten 
verlaufenden Zellwülste direkt in eine median gelegene, ziemlich 
starke Ektodermverdickung übergehen, welche sich in diesem Stadium 
von den äußeren Zellschichten des Ektoderms bereits in ihrer ganzen 
Länge abgeschnürt hat, wie die weiteren Schnitte dieser Serie, von 
denen ich hier keine Zeichnung geliefert habe, deutlich ergeben 
(Fig. 13). Dass diese letztgenannte Ektodermverdiekung (Fig. 13 ) 
‚nichts Anderes ist als die ursprüngliche Neuralanlage, leuchtet ein. 
Über ihr liegt die nach oben und hinten gebogene, einen längeren, 
soliden Strang repräsentirende, quer durchschnittene Intestinalanlage, 
deren Zellen sich bereits radiär zu ihrer Längsachse gestellt haben 
(Fig. 132). Die beiden erstgenannten Zellwülste, welehe also von der 
Cerebralanlage jeder Seite schräg nach unten und hinten verlaufen, 
in den oberen, vorderen Partien noch mit ihrer ektodermalen Matrix 
im Zusammenhange stehen, weiter unten in die Neuralanlage über- 
gehen und dadurch die letztere jederseits mit der entsprechenden 
Cerebralanlage verbinden, bilden die Anlagen der Schlundkommissuren 
(Fig. 11, 12! u. 13 com). 

Im Inneren der beiden Cerebralanlagen sowohl als auch im 


278 Paul Hepke, 


dorsalen Theile der Neuralanlage und selbst schon in den Kommissur- 
anlagen zeigt sich auf dieser Entwicklungsstufe eine schwach gefärbte 
Substanz, welche nicht aus zelligem Material besteht (Fig. 13 »f). 
Bei weiterem Fortschreiten der Regenerationsprocesse tritt diese 
schwach gefärbte, zellenlose Substanz auf Sagittalschnitten noch 
besser hervor; sie ist hier vom Gehirnganglion bis an die Durch- 
schneidungsstelle des Bauchstranges ohne Unterbrechung nachzu- 
weisen (Fig. 14 u. 15 »f; sind zu kompensiren!) und zwar liegt sie 
in dem letzteren dorsal, im Gehirn aber fast central und ist in den 
Kommissuren nur von wenigen Zellen bedeckt. Diese Substanz er- 
weist sich nunmehr als der neu entstandene Nervenfaserstrang. 

Da ich denselben an allen Präparaten regenerirender Kopfenden, 
welche mir zu Gesicht kamen, stets, sobald an der Anlage des ner- 
vösen Apparates von diesem Faserstrang überhaupt etwas zu sehen 
war, vom Gehirn bis zur Schnittstelle des alten Bauchstranges hin 
verfolgen konnte, ohne dass ich innerhalb der Neuralanlage von 
irgend einer Stelle an eine Verdickung oder Verdünnung desselben 
bemerkt hatte (die Fig. 15, welche dieser letzten Behauptung schein- 
bar widerspricht, darf nicht Zweifel erregen, da der Schnitt durch 
das betreffende Präparat nicht genau sagittal, sondern etwas schräg 
gerichtet ist), so nehme ich an, dass die Bildung des neuen Nerven- 
faserstranges im großen Ganzen ziemlich gleichzeitig von statten 
geht, und da dieser Vorgang erst einsetzt, nachdem sich die Neural- 
anlage vom Ektoderm abgeschnürt hat, so ist auch kein Grund vor- 
handen, aus welchem hier als in einem abgeschlossenen Ganzen die 
Nervenfaserbildung nicht überall gleichzeitig stattfinden sollte. 

Bald nach diesen Vorgängen zeigt sich auf Sagittalschnitten in 
der Anlage des Kopfdarmes von der Stelle an, wo dieselbe mit dem 
alten Darm verwachsen ist, bis zu der Gegend, in welcher die Kom- 
missuren um die Darmanlage herumtreten, ein schmaler Spalt 
(Fig. 162), der innerhalb der letzteren so gelegen ist, dass sich ven- 
tral von ihm eine nur zweischichtige Zellenlage befindet, während 
das Gros der Zellen dorsalwärts liegt. Das Auftreten dieses Spaltes 
bedeutet den Anfang der Lumenbildung in der Intestinalanlage. 

Im Anschluss hieran entsteht auch bald dort, wo der Intestinal- 
strang in das Ektoderm übergeht, an der Außenseite des letzteren 
eine Einbuchtung, welche schließlich so tief wird, dass sie in den 
Spalt der Intestinalanlage einmündet und dadurch die Verbindung 
zwischen der alten Darmhöhle und dem umgebenden Medium her- 
stellt. Diese so weit gediehene Anlage des Intestinalapparates bildet 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 279 


sich durch Auftreten von Längsfalten, Muskelfasern und Flimmer- 
haaren zum Pharynx aus, und nun braucht das Nervensystem und 
der Verdauungstractus nur noch eine gewisse Länge zu erreichen, 
um als vollständig regenerirt gelten zu können. 

Die Entstehungsweise des Sehnerven einschließlich der »Augen«, 
sowie die Verbindung der »Seitenlinien< mit dem Gehirnganglion 
habe ich nicht verfolgt. 

Wie ich im litterarischen Theil dieser Arbeit angab, entsteht nach 
SEMPER (14) bei der Knospung der Naiden der Schlundring und das 
obere Schlundganglion aus dem »Keimstreifen«, also offenbar aus 
einer Ektodermverdickung; außerdem aber sollen sich an der Bildung 
des dorsalen Theils des Schlundringes auch noch zwei »Sinnesplatten « 
betheiligen, welche gesondert aus dem Ektoderm entstehen. — Dass 
Gehirnganglion und Schlundkommissuren aus ektodermalen Anlagen 
_ hervorgehen, glaube ich für meine Versuche nachgewiesen zu haben; 
es ist mir aber nicht gelungen, zu konstatiren, dass sich an dem 
Aufbau des dorsalen Theils des Schlundringes, also des Gehirn- 
ganglions, noch zwei »Sinnesplatten«, wie sie SEMPER beschreibt, 
betheiligen. 

Auch die weitere Ausbildung des Schlundes scheint nach meinen 
Resultaten bei dieser Art der Regeneration eine einfachere zu sein 
als sie SEMPER (14) für die Knospung der Naiden festgestellt hat. 
Dort entsteht die Pharyngealhöhle durch Vereinigung zweier Kiemen- 
ganghöhlen mit dem ursprünglichen Darmlumen. Einen derartig 
_ komplieirten Vorgang habe ich hier nicht entdecken können, sondern 
nur gefunden, dass die Zellen der Intestinalanlage durch Auseinander- 
weichen und weiterhin durch einfache Faltenbildung dem Schlund- 
kopf seine definitive Form verleihen. 


ß. Schwanzende. 


Durch die genaue Beschreibung der Regenerationsprocesse des 
Neural- und Intestinalapparates am Kopfende ist aber auch der Ver- 
lauf derselben für das Schwanzende im Allgemeinen angegeben. 
Nur existiren hier einige geringfügige Abweichungen, welche ich im 
Folgenden besonders hervorheben will, die sich aber eigentlich von 
selbst verstehen. 

Bald nach dem Beginn der Einwanderung ektodermaler Zellen 
von der Innenfläche der Ektodermkappe her kommt es nämlich auch 
am Schwanzende zur Bildung von Zellgruppen, deren hier aber nur 
zwei vorhanden sind. Die größere dieser beiden Gruppen liegt genau 


280 | Paul Hepke, 


in der Längsachse des Thierkörpers und entspricht der erstgenannten 
Zellgruppe am Kopfende; die zweite, kleinere Gruppe liegt ventral 
von jener, dicht am Rande der Ektodermkappe und bildet das Ana- 
logon des zweitgrößten Zellhaufens am Kopfe. 

Die dorsal liegende Zellgruppe wächst nun der Amputations- 
‚stelle des alten Darmes entgegen und erweist sich dadurch als die 
hintere Intestinalanlage, während die ventrale Gruppe der Durch- 
schneidungsstelle des alten Nervenstranges entgegenwuchert und 
‚daher als hintere Neuralanlage anzusprechen ist. Fig. 5 und 6 ver- 
anschaulichen diese Vorgänge, nur muss man dort die Cerebralanlage 
ienoriren und die Intestinalanlage sich etwas höher gelegen denken. 

Auch am Schwanzende bildet der alte Darm von seiner Schnitt- 
stelle aus einige neue Zellen; ferner wandern abseits von der 
Intestinalanlage einzelne Zellen in die Leibeshöhle, und eben so 
treten auch hier bereits Blutgefäße in dem neuen Theile auf. 

Ganz erheblich früher als am Kopfende erreicht hier aber die 
Intestimalanlage den alten Darm, und ziemlich zu gleicher Zeit die 
Neuralanlage den alten Nervenstrang (vgl. Fig. 7 u. 8). Unterdessen 
wächst die neue Ektodermkappe immer mehr, aber im Gegensatze 
zum Kopfende an allen Seiten ziemlich gleichmäßig, so dass eine 
Verschiebung der Basis der Intestinalanlage in ventraler Richtung 
bier nieht stattfindet. 

Nach sehr kurzer Zeit bekommt nun diese hintere Intestinal- 
anlage in derselben Weise wie die des Kopfendes ein Lumen, wel- 
ches mit dem des alten Darmes in Verbindung tritt. Gleichzeitig 
bildet sich auch an der äußeren Fläche der Ektodermkappe dort, 
wo nach innen zu die Basis des Intestinalstranges liegt, eine kleine 
Einbuchtung, welche immer tiefer wird, bis sie schließlich nach 
Perforation der betreffenden letzten Zellschicht als fertige Anal- 
öffnung die Kommunikation zwischen Darmhöhle und Außenwelt 
vermittelt (Fig. 17! a). 

In demselben Maße wie die Ektodermkappe wächst aber auch 
die Neuralanlage in die Länge, und es beginnt an letzterer alsbald 
der Abschnürungsprocess, welcher hier von vorn nach hinten vor 
sich geht, aber in Folge fortwährender Neubildung von Segment- 
anlagen nie aufhört, sondern kontinuirlich stattfindet (Fig. 17! u. 172). 

Weiterhin tritt auch in dem dorsalen Theile der neuralen Ektoderm- 
verdiekung eine weniger stark gefärbte, nicht aus Zellen bestehende 
Masse auf, die ohne deutliche Grenze an der Durchschneidungsstelle 
der Nervenfasern des alten Bauchstranges beginnt, nach hinten zu. 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 381 


aber immer dünner wird, um schließlich in der Gegend, wo die 
Neuralanlage noch mit dem Ektoderm in Verbindung steht, ganz zu 
verschwinden. Dieses Gebilde stellt den neuen Nervenfaserstrang 
dar (Fig. 17! und 17? nf). 

Auf dieser Stufe der Regeneration sind nunmehr im Hinterende 
dieselben Bedingungen für das weitere Fortwachsen desselben ge- 
seben, wie im normalen wachsenden Sehwanzende, und alle folgen- 
den Processe verlaufen von jetzt ab hier thatsächlich auch eben so 
wie dort. 


Ich kann es an dieser Stelle nieht unterlassen, auf die Erörte- 
rung der Frage näher einzugehen, ob sich der gesammte Bauch- 
nervenstrang wirklich bloß aus dem Ektoderm entwickelt (BüLow, 
RANDOLPH), oder ob nur die ȆOentralganglien< aus letzterem, die 
»Spinalganglien<« dagegen aus den medial gelegenen Partien der 
Mesodermplatten entstehen (SEMPER). 

Bei der Abhandlung über die Regeneration des Kopfendes habe 
ich diesen Punkt absichtlich nicht berührt, da ich kein Präparat 
erzielen konnte, welches diese Verhältnisse klar vor Augen führt; 
dies ist dadurch zu erklären, dass in den vier Kopfsegmenten die 
Entwicklungsvorgänge des Bauchstranges nicht hinter einander, son- 
dern, wie ich mich überzeugen konnte, in Bezug auf die Segmen- 
tirung ziemlich gleichzeitig verlaufen, was ja auch mit der Bildungs- 
weise des Nervenfaserstranges vollkommen im Einklange steht. 

Anders sind die Verhältnisse am Schwanzende. Hier kann man 
an Querschnittserien in progressiver Reihenfolge von hinten nach 
vorm die einzelnen Entwicklungsphasen des Bauchnervensystems 
studiren, und ich will im Folgenden versuchen, die Entstehung des 
Sesammten Bauchnervensystems aus dem Ektoderm durch Quer- 
Schnittserien eines regenerirten Schwanzendes nachzuweisen. 


An einer solchen Serie, deren Schnitte von hinten nach vorn 
angelegt sind, erscheinen die beiden Mesodermplatten, welche sich 
hier eben so wie im normalen wachsenden Schwanzende vorfinden, 
durch einen ganz scharfen, an keiner Stelle unterbrochenen Kontour 
bis zum 15. Schnitt vom Ektoderm getrennt. 


Am 16. Schnitt (Fig. 18) sieht man nun im Bilde rechts diese 
scharfe Grenze an einer Stelle unterbrochen, und dort ganz deutlich 
eine Zelle über das Niveau derselben nach der Mesodermplatte zu 
hervorragen (Fig. 18! u. 182; letztere Figur stellt diesen Vorgang 
erheblich vergrößert dar). 


282 Paul Hepke, 


Der 17. Schnitt (Fig. 19) zeigt wieder deutlich jenen scharfen 
Kontour zwischen Ektoderm und Mesoderm. 

Der 18., hier nicht abgebildete Schnitt lässt ds undeutlich 
auf beiden Seiten unterhalb der Mesodermplatten das Einwandern 
von Ektodermzellen über die scharfe Grenze hinaus erkennen. 

Schnitt 19, welcher bildlich ebenfalls nieht wiedergegeben ist, 
zeigt hinsichtlich der scharfen Linie zwischen Ektoderm und Meso- 
derm wiederum dasselbe Bild wie Schnitt 17 (Fig. 19). 

Am 20. Schnitt (Fig. 20!) sieht man zu beiden Seiten der Median- 
linie von der neuralen Ektodermverdickung aus ganz deutlich Zellen, 
welche die ekto-mesodermale Grenze durchbrochen haben, in das 
Innere der Leibeshöhle eintreten. Fig. 202 veranschaulicht diesen 
Vorgang der rechten Seite stark vergrößert. 

Der 21. Schnitt ist nun der letzte dieser Serie, in welchem zwi- 
schen Ektoderm und Mesoderm ein Kontour auftritt, der an keiner 
Stelle eine Unterbrechung erleidet. Alle weiteren Schnitte stellen 
die beiden Seitentheile der Neuralanlage immer stärker entwickelt 
dar, bis schließlich der 27. Schnitt ein Bild vor Augen führt, wie 
es Fie, 21 wiedergiebt. 

Die Deutung dieser Zeichnungen dürfte nicht a sein: 

Fig. 18 zeigt die Stelle, wo gerade eine Zelle der Neuralanlage 
im Begriff ist, durch Hervorwuchern über das Niveau ihres centralen 
Theiles die Anlage des hintersten, jüngsten, rechtsseitigen Spinal- 
sanglions zu bilden. 

Fig. 19 hat in Folge eines glücklichen Zufalls gerade den inter- 
ganglionären Raum zwischen diesem letzten und dem vorletzten 
Spinalganglion in seiner ganzen Ausdehnung getroffen. 

Der hier nicht abgebildete 18. Schnitt trifft wieder die Anlage 
eines Spinalganglienpaares und Schnitt 19 alsdann den Zwischenraum 
zwischen diesem Ganglienpaare und dem dtrittletzten. 

Fig. 20 lässt nun deutlich die Entstehung der beiden drittletzten 
Spinalganglien erkennen und Fig. 21, in der die letzteren fast schon 
ihre definitive Form besitzen, erbringt gewissermaßen den Beweis 
dafür, dass diese seitlich hervorgewucherten Zellen auch wirklich zu 
nichts Anderem als zur Bildung der Spinalganglien verwendet wor- 
den sind. 

An der Hand dieser Ergebnisse kann ich mich der Ansicht nicht 
verschließen, dass bei den regenerirenden Sehwanzenden der Naiden 
das gesammte Bauchnervensystem aus dem Ektoderm entsteht, und 
da bei Individuen derselben Species ein Organsystem in den vorderen - 


Über histo- und organogenetische Vorgänge etc. der Naiden. 2383 


und hinteren Körperpartien nur aus eben demselben Primitivorgan 
hervorgehen kann, so muss ich annehmen, dass auch am regeneriren- 
den Kopfende der Naiden das ganze Bauchnervensystem ektodermalen 
Ursprungs ist. 


b) Regeneration der mesodermalen Partien. 


Wie bereits mehrfach erwähnt wandern sowohl am Kopf- als 
auch am Schwanzende nach dem ersten Entwicklungsstadium der 
Intestinalanlagen in der Nähe der letzteren Ektodermzellen in das 
Innere der ehemals durchschnittenen Leibeshöhle (Fig. 5 »»). In vor- 
serückteren Stadien der Regeneration kann man nun konstatiren, dass 
diese Zellen die Richtung seitlich von den Intestinalanlagen einschlagen 
und sich hier an die Körperwand anlegen. Fig. 12!, 122 und 14 m 
explieiren diese Verhältnisse für das Kopfende und Fig. 22! und 
22? m, die einen Frontalschnitt wiedergeben, welcher der Partie dicht 
unter der hinteren Intestinalanlage entnommen ist, für das Schwanz- 
ende. 

Jene Zellen rücken allmählieh näher zusammen und bilden auf 
diese Weise zwei Platten, welche nun in gleichem Maße wie die 
Ektodermkappe mit ihren Derivaten in die Länge wachsen, indem 
ihren distalen Enden fortwährend neue Zellen angereiht werden, 
die ihren Ursprung aus dem Ektoderm an der Stelle nehmen, wo 
dasselbe in die Intestinalanlage, also in das Entoderm übergeht. 
Die Platten sind von dem Ektoderm, dem sie anliegen, sowie auch 
von der Neuralanlage durch scharfe Kontouren geschieden und nur 
dort, wo ihre Elemente dem Ektoderm entsprießen, stehen sie mit 
diesem in Zusammenhang. Im Querschnitt haben diese Platten eine 
halbmondförmige Gestalt, dorsalwärts erreichen sie ungefähr die 
Höhe der oberen Grenzlinie des Darmes und ventralwärts stoßen sie 
‚dieht an die neurale Ektodermverdickung an (Fig. 13 u. 20! mp). 
Aus diesen Angaben geht hervor, dass wir es hier mit den Meso- 
dermplatten zu thun haben, welche sich auch im normalen, wachsen- 
den Schwanzende der Naiden vorfinden. 

SEMPER (14) lässt die Mesodermplatten im wachsenden Schwanz- 
ende aus dem Ektoderm entstehen, BüLow (3) leitet sie von der 
Ubergangsstelle des Ektoderms in das Entoderm ab, und RANDoLPH 
(12) führt ihren Ursprung auf die »Neoblasten« zurück. 

Für die Entstehungsweise des Mesoderms im Anschluss an meine 
Experimente scheinen mir Fig. 22! u. 222 die meiste Beweiskraft 
zu besitzen. Aus ihnen geht deutlich hervor, dass das Mesoderm 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 19 


284 Paul Hepke, 


seinen Ursprung allerdings an der Stelle nimmt, wo Ektoderm und 
Entoderm in einander übergehen; da aber die Bildungsstätte des 
Mesoderms doch noch in einer Zellenregion liest, deren Elemente 
ihrem Aussehen nach ausgesprochen ektodermalen Charakter tragen, 
so sehe ich mich veranlasst, das Mesoderm als einen Abkömmling 
‘des Ektoderms aufzufassen. 

Nach Beginn des Abschnürungsprocesses der beiden Neural- 
anlagen haben die Mesodermplatten bereits eine beträchtliche Länge 
erreicht. Ein Sagittalschnitt, welcher eine solche Platte in ihrer 
ganzen Ausdehnung trifft, lässt erkennen, dass in derselben ein 
eigenartiges Arrangement der sie bildenden Zellen stattgefunden hat. 
Die Zellen sind nämlich am Kopfende zu vier, am Schwanzende zu 
mehreren hinter einander liegenden Plättehen zusammengetreten, 
welche im Profil eine nahezu viereckige Gestalt besitzen und am 
Vorderende an Größe einander fast gleichen (Fig. 23 mp), am Hinter- 
ende dagegen von vorn nach hinten zu kleiner werden. Zwischen 
je zwei dieser Plättchen befindet sich eine mehr oder weniger deut- 
liche, vertikal zur Längsachse stehende Zellreihe, welche dieselben 
scheinbar von einander trennt und deren oberste Zellen das Niveau 
des dorsalen Randes der Mesodermplatte meist überragen (Fig. 23 d). 
Diese senkrechten Zellreihen erwecken die Vermuthung, dass sie 
Anlagen der Dissepimente sind, was sich späterhin auch bewahr- 
heitet. An der Zeichnung, welche ich von der Mesodermplatte eines 
Kopfendes entnommen habe, sind diese Verhältnisse ausnehmend gut 
zu sehen. Das vorderste Zellplättehen stößt hier an die Rudimente 
des vom Schnitt zufällig noch getroffenen Kopfdarmes (Fig. 23 >), 
das hinterste dagegen an ein altes Dissepiment, vor dem der Ampu- 
tationsschnitt gerade geführt worden war. Dass dieser Vorgang 
identisch ist mit dem Gliederungsprocess der Mesodermplatten, der 
auch im normalen, wachsenden Schwanzende der Naiden stattfindet, 
lässt sich hieraus unschwer erkennen. 

Mittlerweile sind aber auch einzelne Mesodermzellen in ver- 
schiedenen einschichtigen Gruppen an die Innenfläche der neu ge- 
bildeten Körperwand, welche jetzt schon aus Epidermis und Ring- 
muskelfasern besteht, getreten. — Erstere hatte sich nämlich in der 
Zwischenzeit auf die Weise mit Ringmuskeln versehen, dass einzelne 
Zellen nach Abschnürung der Neuralanlage aus dem Ektoderm her- 
ausgewuchert sind, sich dann verlängert und quer zur Längsachse des 
Körpers an die Innenwand der Epidermis gelest haben (Fig. 16 rm). 
— ‚Jene zu einschiehtigen Gruppen zusammengetretenen Mesoderm- 


u 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 385. 


zellen sind alsdann am Kopf- und Schwanzende allmählich zu 
Längsmuskelplatten ausgewachsen, unter denen sich nun deutlich 
eine cardiale (Fig. 24 cm), eine neurale (Fig. 24 nm) und je zwei 
(dorso- und ventro- [Fig. 24 em! bezw. »mi]) laterale Muskelplatten 
unterscheiden lassen. Am Kopfende verschmelzen die beiden dorso- 
lateralen und die cardiale Platte sehr bald zu einer einzigen, wäh- 
rend am Schwanzende das zuerst geschilderte Verhältnis bestehen 
bleibt. 

Kurz bevor sich nun am Kopfende die Mundöffnung, aber lange 
nachdem sich am Schwanzende bereits die Analöffnung gebildet hat, 
sieht man an Transversalschnitten, dass die Elemente der ehedem 
seitlich gesehenen mesodermalen Zellplättchen zu einzelnen Haufen 
zusammenzutreten beginnen, und zwar ist diese Gruppirung in einem 
jeden der vier Plättchen am Kopfende gleichmäßig erkennbar, tritt 
dagegen am Hinterende, das in diesem Stadium schon dieselben 
Verhältnisse aufweist wie ein normales, wachsendes Schwanzende, in 
der Nähe der ehemaligen Amputationsstelle deutlicher hervor als 
weiter hinter derselben. 

Am Kopfende arrangiren sich nun die Zellen innerhalb eines 
jeden dieser Plättehen im Querschnitt zu drei Zellhaufen. Zwei 
derselben liegen in der Lücke, welche sich zwischen Neural- und 
Ventrolateralmuskel befindet, derart, dass der größere Haufen an 
der Körperwand, der kleinere mehr nach innen zu gelegen ist 
(Fig. 24 vd u. 24 sg). Der dritte Haufen liegt zwischen dem Ventro- 
lateralmuskel und der Muskelplatte, welche durch Verschmelzung 
der dorsolateralen und der cardialen Platte entstanden ist (Fig. 24 sl). 

Am regenerirenden Schwanzende kommt zu diesen drei Zell- 
haufen noch ein vierter hinzu (Fig. 24 db); dieser liegt in der Lücke 
zwischen der cardialen und der dorsolateralen Muskelplatte, welche 
bekanntlich am Schwanzende nicht mit einander verwachsen. 

Von den übrigen Zellen, welche nicht an der Bildung dieser 
Haufen theilnehmen, haben sich inzwischen einige an die Außen- 
fläche des neuen Darmes angelegt (Fig. 24 p), andere dagegen sind 
mit den Blutgefäßen in Verbindung getreten (Fig. 15 vz u. 24 v2), 
und der Rest dieser Zellen befindet sich scheinbar ohne besonderes 
Ziel im freien Raum der Leibeshöhle (Fig. 16 /z u. 24 2). 

Im weiteren Verlaufe der Regeneration treten nun die beiden 
unteren Zellhaufen, welche zwischen der neuralen und ventrolatera- 


len Muskelplatte liegen, mit-dem Ektoderm dadureh in Verbindung, 
dass zuerst in den dem Ektoderm am nächsten gelegenen Haufen 


1 


236 Paul Hepke, 


Ektodermzellen hineinwachsen, welche späterhin die Bauchborsten 
ausbilden, während dieser selbst seine Eigenschaft als Borstenbeutel 
beweist; alsdann tritt auch der andere, centralwärts daneben ge- 
egene Zellhaufen, der in Fig. 24 nur rechts zu sehen ist, mit dem 
Ektoderm in Verbindung und bildet so das Segmentalorgan der ent- 
sprechenden Seite des betreffenden Segments. Der Haufen, welcher 
zwischen den beiden lateralen Muskelplatten liegt, von denen die 
dorsale vorn beiderseits mit der Cardialplatte verwachsen ist, er- 
weist sich demnächst als Bestandtheil der Seitenlinie und der vierte 
Zellhaufen, der sich auf Querschnitten am Hinterende zwischen der 
cardialen und der dorsolateralen Muskelplatte gezeigt hatte, doku- 
mentirt sich später, nachdem ebenfalls einige Zellen in ihn vom 
Ektoderm her hineingewandert sind, welche die langen Rücken- 
borsten abscheiden, als Rückenborstenbeutel seines Segments. 

Diejenigen Zellen, welche sich einzeln an den Darm angelegt 
hatten, bekommen nun mit der Zeit Pigment, so dass sie dann als 
»Leberzellen<« anzusprechen sind. Die anderen zelligen Elemente, 
die an die Blutgefäße herangetreten waren, helfen dieselben weiter 
ausbilden. Die übrigen Zellen aber, welche sich frei und scheinbar 
ohne bestimmtes Ziel in der Leibeshöhle befinden, erweisen sich 
schließlich als identisch mit den in der Leibesflüssigkeit umher 
flottirenden zelligen Gebilden. 


D. Neoblasten und Sexualorgane. 


Endlich will ich nur noch kurz derjenigen Zellen Erwähnung 
thun, welche Semper als »Chordazellen«, RANDOLPH als »Neoblasten« 
bezeichnet. et. 

Zunächst muss ich bemerken, dass ich dieselben an regeneriren- 
den Schwanzenden, sobald sich die Mesodermplatten hier zu ent- 
wickeln begonnen hatten, stets genau nachweisen konnte; sie liegen, 
wie SEMPER (14) für das wachsende Schwanzende angiebt, zwischen 
der Neural- und Intestinalanlage und lassen sich von den hinteren 
Partien des Schwanzendes bis zur Amputationsstelle hin verfolgen, 
so lange die Regenerationsprocesse in den Theilen, welche derselben 
zunächst liegen, ihren Abschluss noch nicht erreicht haben. Später 
konnte ich dort keine Chordazellen mehr entdecken; sie reichten 
dann eben nur so weit nach vorn wie im normalen, wachsenden 
Schwanzende (Fig. 18, 19 u. 20c}). In den regenerirenden Theilen 
des Kopfendes Chordazellen zu finden, ist mir dagegen niemals ge- 
lungen. 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 337 


Was nun RaAwporeH (12) hinsichtlich der Bedeutung seiner 
»Neoblasten«, also der »Chordazellen« SEMPER’s angiebt, nämlich 
dass sie dazu da seien, um möglichst schnell wieder neues Mesoderm- 
sewebe zu bilden, sobald durch irgend einen Umstand dazu Ver- 
anlassung gegeben ist, hat sich bei meinen Regenerationsversuchen 
an den Naiden durchaus nicht bethätigt; denn ich hatte hier nie 
Gelegenheit zu konstatiren, dass von der Gruppe der Neoblasten aus 
sich jemals Zellen abzweigten oder zur Bildung von Mesodermgewebe 
beitrugen, und obwohl mitunter eine Theilung derselben stattfand, 
so behielten die daraus entstandenen Produkte ihren Platz doch be- 
ständig bei. 

Über die Regeneration der Sexualorgane kann ich aus dem 
Grunde nichts berichten, weil ich die regenerativen Processe nur so 
weit verfolgt habe, bis alle anderen Organe sich wieder neu gebildet 
hatten. Es fanden zwar bei meinen Versuchen auch geschlechtsreife 
Thiere Verwendung, aber von einer Regeneration der Geschlechts- 
organe konnte man zu der Zeit, als die anderen Organe bereits 
alle wieder hergestellt waren, noch nicht das Geringste sehen, und 
da diese ersteren, wenn sie überhaupt ersetzt werden, sich offenbar 
erst bedeutend später bilden, so habe ich die Regeneration derselben 
nicht mehr abgewartet. 


. IV. Zusammenstellung der Resultate. 


Wenn ich nun die Ergebnisse meiner Forschungen in einigen kurzen 
Sätzen zusammenfasse, so lauten dieselben, abgesehen von ganz ge- 
ringen Abweichungen unter den einzelnen Nais-Arten, folgendermaßen: 

Bei den Regenerationsprocessen der Naiden, wie sie im An- 
schluss an die Amputation von Körpertheilen stattfinden, bildet sich 
das neue Ektoderm sowohl am Kopf- als auch am Schwanzende aus 
den alten Epidermiszellen an der Stelle, wo die Wundränder kurz 
nach der Durchschneidung zusammengetreten sind. 

Das neue Ektoderm bekommt alsdann die Form einer zunächst 
einschichtigen, später aber mehrschichtigen Kappe, von deren konkaver 
Innenfläche her die Anlagen aller zu regenerirenden Gebilde in letzter 
Instanz ihren Ursprung nehmen. 

Der neue Verdauungstraetus entsteht als eine knospenartige 
Anlage, am Schwanzende in der Mittelachse des Körpers, am Kopf- 
ende etwas mehr ventralwärts, aus dem Ektoderm und wächst dann 
zu einem soliden Strange aus, dessen freies Ende die Richtung nach 
der Durchschneidungsstelle des alten Darmes einschlägt, der dort 


288 Paul Hepke, 


seinerseits ebenfalls einige neue Zellen gebildet hat. Das freie Ende 
jenes ersteren erreicht schließlich den Darm und vereinigt sich mit 
ihm, so dass dieser nun mit der Ektodermkappe durch einen 
soliden Strang verbunden ist, zu dessen Entstehung der Hauptsache 
nach das neue Ektoderm und nur in äußerst geringem Maße der 
alte Darm selbst beigetragen hat. Dieser Strang bekommt später- 
hin ein Lumen, welches bald mit einer im Ektoderm entstehenden 
Einbuchtung konfluirt, so dass nun am Kopfende der Mund mit dem 
Pharynx und am Schwanzende der Anus mit dem Enddarm regenerirt 
und dadurch die vollständige Kommunikation der Darmhöhle mit dem 
umgebenden Medium wieder hergestellt ist. 

Auch der gesammte Nervenapparat einschließlich der »Spinal- 
ganglien« entsteht aus dem Ektoderm, und zwar bildet sich am 
Kopfende das Gehirnganglion aus zwei knospenartigen Verdieckungen 
der neuen Ektodermkappe, welche etwas dorsolateral von der Längs- 
achse des Thierkörpers liegen und sich später erst vereinigen; an 
diese Gehirnanlagen schließen sich die der beiden Schlundkommis- 
suren jederseits als wulstartige Ektodermverdiekungen an und gehen 
dicht hinter dem Schlunde in eine stärkere, neurale Ektodermver- 
diekung über, welche die Anlage des Bauchstranges repräsentirt. 
Die Zellen dieser letztgenannten Ektodermverdickung treten mit dem 
alten Bauchstrange, der seinerseits, im Gegensatze zu dem alten 
Darm, keine neuen Zellen produeirt hat, an der Amputationsstelle in 
feste Verbindung. Von diesen Anlagen entsteht die cerebrale und 
neurale zuerst, die der Kommissuren dagegen etwas später. 

Die weitere Entwicklung des Neuralapparates geht am Kopfende 
in der Art vor sich, dass die gesammte Anlage sich vollständig vom 
Ektoderm abschnürt und an ihr Nervenfasern auftreten, welche ın 
den Gehirnanlagen ungefähr central, in der Anlage des Bauch- 
stranges dorsal von dem zelligen Theile derselben liegen und in den 
Kommissuren nur von wenigen Zellen bedeckt sind. Diese Nerven- 
fasern verbinden sich an der Amputationsstelle mit denen des alten 
Bauchstranges. 

Am Schwanzende geht die Regeneration des Bauchnervensystems 
eben so vor sich, nur behält hier die Neuralanlage in ihren hinteren 
Partien den Zusammenhang mit dem Ektoderm bei, wie in jedem 
normalen, wachsenden Schwanzende. 

Die Ringmuskelfasern entstehen gleichfalls aus dem Ektoderm, 
nachdem die Abschnürung der Neuralanlage stattgefunden hat, und 
zwar auf die Weise, dass einzelne Zellen aus dem Ektoderm in das 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 389 


Innere der Leibeshöhle treten, sich an die Innenfläche desselben an- 
legen und quer zur Längsachse des Thieres in lange Muskelzellen 
auswachsen. 

Die Borsten entwickeln sich dadurch, dass vom Ektoderm her 
in die Anlagen der Borstenbeutel Zellen hineinwuchern, welche ihrer- 
seits allmählich die Borsten abscheiden. | 

Das neue Mesoderm entsteht aus Zellen, welche am Kopfende 
zu beiden Seiten der Intestinalanlage, am Schwanzende ebenfalls 
seitlich von derselben, nur etwas mehr ventralwärts, aus dem Ekto- 
derm in die Leibeshöhle einwandern. Das Gros dieser Zellen ge- 
sellt sich nun, am Vorder- wie am Hinterende des 'Thieres, auf 
jeder Seite zu einer länglichen Platte zusammen, deren laterale 
Fläche konvex ist und sich an die Körperwand anlehnt und deren 
dorsaler Rand etwa das Niveau der oberen Grenzlinie des Darmes 
erreicht, während der ventrale hart an die Anlage des Bauchstranges 
stößt. 

Bei diesen Mesodermplatten tritt am Kopf- und Schwanzende 
schon sehr früh der Länge nach eine Gliederung ein, derart, dass 
am Kopfende jede der Platten seitlich gesehen in vier hinter einander 
liesende, kleinere Plättchen von ziemlich gleicher Größe zerfällt, 
während am Hinterende ebensolche Plättehen in unbestimmter Anzahl 
entstehen, die aber hier, wie im wachsenden Schwanzende, nach 
hinten zu immer kleiner werden. Sowohl das hinterste dieser kleinen 
Plättehen am Kopfende als auch das vorderste derselben am Schwanz- 
ende grenzt mit seinem centralen Rande an die Durchschneidungs- 
stelle des alten Gewebes. 

Charakteristisch ist der Umstand, dass die Gliederung dieser 
Mesodermplatten an beiden Körperenden früher stattfindet, als die 
der sich gleichzeitig mit ihnen bildenden ektodermalen Neural- 
anlagen. 

Aus den Mesodermplatten bilden sich nun am Kopfende un- 
gefähr zu gleicher Zeit, am Schwanzende jedoch von der Schnitt- 
stelle aus in centrifugaler Richtung fortschreitend zuerst die Längs- 
muskelplatten, dann weiterhin Borstenbeutel, Segmentalorgane, Seiten- 
linien (letztere wahrscheinlich aber nur theilweise) und Dissepimente, 
sowie auch schließlich Leberzellen und Blutgefäße. Die Entwicklung 
dieser Organe geht hier durch Bildung einzelner Zellhaufen inner- 
halb jener Zellplättchen genau in derselben Weise vor sich, wie im 
wachsenden, normalen Schwanzende der Naiden, nur mit dem Unter- 
schiede, dass dieser Regenerationsprocess am Kopfende nach Wieder- 


290 Paul Hepke, 


herstellung der vier Kopfsegmente seinen Abschluss erreicht, wogegen 
am Hinterende aus sehr naheliegenden Gründen der eigentliche 
Regenerationsprocess ohne erkennbaren Absatz allmählich in den 
normalen Wachsthumsprocess übergeht, wie er im wachsenden 
Schwanzende der Naiden ständig stattfindet. 

Überblicken wir nun nochmals die einzelnen Entwicklungsphasen 
bei diesen Regenerationsprocessen der Naiden, so können wir uns 
der Erkenntnis nicht verschließen, dass die Natur bestrebt ist, das 
neue Gewebe hier nicht aus dem alten Zellenmaterial direkt aufzu- 
bauen, sondern den Vorgang der Regeneration zunächst auf das Ent- 
wicklungsstadium der drei primären Keimblätter zurückzuführen, da 
ihre Zellen als embryonale Elemente eine ganz außerordentliche 
Differenzirungsfähigkeit besitzen, um dann aus diesen auf dem 
kürzesten und schnellsten Wege alle diejenigen Gewebe und Organe, 
deren das Individuum verlustig gegangen war, wieder aufs Neue 
erstehen zu lassen. 


Breslau, im August 1897. 


Litteraturverzeichnis. 


1. Bonner, Traite d’inseetologie. II part. Paris 1745. 

2. BRAEM, Zur Entwicklungsgeschichte von ÖOphryotrocha puerilis. Diese 
Zeitschr. Bd. LVII. 1894. 

3. BüLow, Die Keimschichten im wachsenden Schwanzende von Lumbrieulus 
variegatus. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. 

4. —— Über Theilungs- und Regenerationsvorgänge bei Würmern. Arch. £. 
Naturgesch. Bd. I. 1883. 

5. Duss&s, Recherches sur la eireulation, la respiration et la reproduetion des 
Annelides abranches. Ann. des Se. natur. 1828. 

6. FrAssse, Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbel- 
thieren. Kassel :und Berlin 1885. 

1. GIARD, Y a-t-il antagonisme entre la Greffe et la Regeneration? Extr. 
des Comptes rendus des seances de la Soc. de Biologie. Seance du 
15. fevrier 1896. Paris. 

8. HESCHELER, Über Regenerationsvorgänge bei Lumbrieiden. Jenaische Zeit- 
schrift f. Naturwiss. Bd. XXX. 1896. 

9. LEUCKART, Über die ungeschlechtliche Vermehrung von Nais proboscidea. 
Arch. f. Naturgesch. 17. Jahrg. 1851. 

10. O.F. MÜLLER, Von den Würmern des süßen und salzigen Wassers. Kopen- 
hagen 1771. 

11. QUATREFAGES, Histoire naturelle des Anne&les marins et d’eau douce. Paris 
1865. 

12. BRANDOLPH, The regeneration of the tail in Lumbrieulus. Boston 1892. 


Über histo- und organogenetische Vorgänge ete. der Naiden. 391 


13. REAUMUR, M&moires pour servir ä l’histoire des Insects. T. VI. Preface 1742. 
14. SEMPER, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. Arbei- 
ten a. d. zoologisch-zootom. Inst. Würzburg. Hamburg 1876. 

15. —— Beiträge zur Biologie der Oligochäten. Ibidem. Würzburg 1877—18. 


Erklärung der Abbildungen. 


a, Anus; c, Cerebralanlage; ch, Chordazelle; en, Cardialmuskel; cen?, dorsaler 
Seitenmuskel; com, Kommissuranlage; d, Dissepimentzellen; db, Rückenborsten- 
beutel; des, Amputationsstelle des Darmes; :, Intestinalanlage; :d, neugebildete 
Zellen des alten Darmes; /, Lumen; /z, Iymphoide Zelle; m, Mesodermzelle; 
mp, Mesodermplatte; n, Neuralanlage; nf, Nervenfaserstrang; rn, Neuralmuskel; 
nmi, ventraler Seitenmuskel; »vs, Amputationsstelle des Nervenstranges; p, 
Leberzellen; »»r, Ringmuskelfasern; sg, Segmentalorgan; s/, Seitenlinie; vd, ven- 
traler Borstenbeutel; v, Blutgefäß; vz, Zelle eines Blutgefäßes. 


Tafel XIV und XV. 


Die kolorirten Zeichnungen (Vergr. Oc. III, Obj. II SEIBERT) wurden mit 
dem AssBE’schen Zeichenapparat, die übrigen (Vergr. Oc. III, Obj. V SEIBERT) 
ohne Hilfsmittel entworfen. 

Fig. 1—10. Sagittalschnitte durch Kopfenden. Fig. 1 u. 2. Verschluss 
der Wundränder. Fig. 3 u. 4. Entstehung der ektodermalen Zellkappe; Ein- 
wanderung von Zellen. Fig. 5 u. 6. Anordnung jener Zellen zu ce, ? und n. 
bei :d neu gebildete Zellen des alten Darmes; »r, abseits einwandernde Meso- 
dermzellen. Fig. 7 u. 8. Verwachsung der Anlagen bei rvs und dvs. Fig. 9 
u. 10. Senkung der Basis von :; Abschnürung von n. 

Fig. 11—13. Transversalschnitte durch Kopfenden. Fig. 11. Entwicklung 
von ce und com linkerseits. Fig. 121. Einwanderung von m (Fig. 12? vergrößert) ; 
Einschiebung von mp. Fig. 13. Auftreten von »f in e und com; radiäre Stel- 
lung der Zellen von v. 

Fig. 14—16. Sagittalschnitte durch Kopfenden. Fig. 14 u. 15. Zusammen- 
hang von nf in c, com und n; einwandernde m; vz bildet Blutgefäß. Fig. 16. 
/, Lumenbildung in :; Entstehung von rm. 

Fig. i7! u. 172. Sagittalschnitt, Schwanzende. Regenerirter a; steter Zu- 
sammenhang von z mit dem Ektoderm; Verjüngung von nf nach hinten zu. 

Fig. 18—21. Querschnitte durch Schwanzenden. Fig. 18!u. 182. Bildung 
des hintersten, jüngsten, rechtsseitigen Spinalganglions; Auftreten von ch. 
Fig. 19. Letzte interganglionäre Partie. Fig. 201. Entstehung der beiden dritt- 
letzten Spinalganglien. Fig. 20°. Das rechtsseitige vergrößert. Fig. 21. Weiter 
vorn gelegenes Spinalganglienpaar. 

Fig. 22! u. 222. Frontalschnitt durch Schwanzende. Seitliche Einwande- 
rung von m. 

Fig. 23. Sagittalschnitt, Kopfende. Zerfall der Mesodermplatten in vier 
kleinere Plättehen mp und Anlagen von Dissepimenten d. 

Fig. 24. Transversalschnitt durch Schwanzende. Entwicklung von nm, 
sg, vb ete. aus den Mesodermplatten. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 
Von 
A. Goette 


(Straßburg). 


Mit Tafel XVI—XIX und 25 Figuren im Text. 


Als ich zum ersten Mal die Entwickelung der Seyphomedusen 
untersuchte, stützte ich meine Vergleiche dieser Thiere mit den 
Scyphopolypen wesentlich auf die Mittheilungen KowALEWSKY’s über 
Cereanthus (23); in der zweiten Abhandlung über denselben Gegen- 
stand erklärte ich zum Schluss, die seither erschienenen Beobachtungen 
H. Wırson’s über die Entwickelung einer Koralle (57) im Sinne jener 
früheren Vergleiche noch nicht verwerthen zu können und dazu 
weitere Beobachtungen anstellen zu müssen (24). Meine damaligen 
Bemühungen, solche entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen an 
Aktinien anzustellen, hatten keinen rechten Erfolg, da ich nur vor- 
geschrittene Larven von Cereactis aurantiaca, Heliactis bellis und 
einer unbekannten Art von Corfu erhielt. Nachdem später mehrere 
einschlägige Arbeiten von anderer Seite erschienen waren, erhielt 
ich von Helgoland und Neapel passenderes Material, was mich 
trotz seiner Unvollständigkeit veranlasste, die Untersuchung aufzu- 
nehmen, in der Hoffnung, dass glücklichere Nachuntersucher bald 
die mancherlei Lücken ausfüllen würden. 


I. Die Entwickelung der Cereanthiden. 


Es ist bisher selten geglückt, die Brut der Cereanthiden direkt 
von den geschlechtsreifen Thieren zu erzielen: nur HAIME, KowA- 
LEWSKY und JOURDAN (28, 34, 40) vermochten die Entwickelung von 
Cereanthus membranaceus auf diesem Wege zu verfolgen. Die ten- 
takeltragenden Larven wurden nur pelagisch gefischt und seit SARS 
unter dem Namen Arachnactis beschrieben. Ihre Zugehörigkeit zur 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 293 


Gattung Cereanthus scheint mir sichergestellt, theils durch den un- 
mittelbaren Anschluss der jüngsten Exemplare an die gezüchteten 
Cereanthuslarven und anderentheils durch das nur dieser Gattung 
eigenthümliche Merkmal des vollkommen einseitigen Zuwachses der 
Septen an einem Ende der Richtungsebene!. Ob aber alle bisher 
beschriebenen echten Arachnactis zu einer Üereanthusart gehören, 
konnte noch nicht entschieden werden; denn die Unterschiede, die 
sich in den verschiedenen Beobachtungen herausstellten, betrafen 
entweder nicht dieselben Altersstufen, wie z. B. das Fehlen oder die 
Anwesenheit der Septalmuskeln, oder konnten, wie das frühere 
oder spätere Erscheinen des unpaaren Tentakels an einem Ende der 
Richtungsebene, als untergeordnete Ausnahmen gelten, so dass aus 
solehen Erscheinungen auf specifische Verschiedenheiten nicht ge- 
schlossen werden konnte, Zufällig fanden sich nun unter den Oere- 
anthuslarven, die ich der Biologischen Anstalt in Helgoland verdanke, 
zwei deutlich getrennte Arten, deren Unterschiede sich sowohl auf 
mehrere Merkmale, darunter auch den ganzen Habitus erstreckten, 
als auch auf gleichen Altersstufen zeigten, so dass ihre Zugehörigkeit 
zu einer Art ausgeschlossen erscheint, obwohl in der Helgoländer 
Fauna bisher nur Cereanthus Lloydii Gosse verzeichnet ist (59). Da 
eine von den beiden Arten nur durch zwei beinahe gleich alte 
Exemplare vertreten war, werde ich sie erst am Schlusse dieses 
Abschnitts beschreiben, in der folgenden Untersuchung mich aber 
wesentlich an die zahlreich vertretene Art halten. So weit es nöthig 
ist, soll die letztere als Cereanthus a, die andere als Cereanthus d 
bezeichnet werden. 


1. Die Entwickelung des Eies bis zur sechszähligen Larve. 


Die ersten Entwickelungsstufen von Cereanthus membranaceus 
sind nur von KowALEwSKY (40) so vollständig verfolgt worden, dass 


1 Die angeblichen Arachnactis-Larven BoveErr’s (6, Fig. 2, 7) können schon 
desshalb, weil sie vollständig dem Edwardsia-Typus entsprechen, nicht zu den 
Cereanthiden gehören, wie schon E. van BENEDEN zeigte (4). Aber auch die 
von Busch pelagisch gefischten und »Dianthea nobilis« genannten Larven kann 
ich als unzweifelhafte Cereanthuslarven nicht anerkennen. v. BENEDEN glaubt 
freilich, die einer solehen Deutung widersprechende Stellung des sechsten Ten- 
takels durch ein Versehen des Beobachters erklären zu dürfen (4, p. 127); un- 
erklärt bliebe aber dann noch immer die Lage der Mundtentakel an der Innen- 
seite von zwei diagonal entgegengesetzten Außententakeln, die gelegentliche 
feste Anheftung des außerordentlich dünnen und langen Körpers mit dem 
aboralen Pol und manches Andere. 


294 A. Goette, 


sie für eine vergleichende Betrachtung alle nöthigen Anhaltspunkte 
bieten. Ich gebe daher seine Beobachtungen hier auszugsweise wieder. 

Aus dem Ei unseres Polypen entwickelt sich eine Cöloblastula 
und daraus durch Einstülpung eine Cölogastrula. Im Grunde der 
letzteren lösen sich einige der abgeplatteten Entodermzellen aus dem 
epithelialen Verbande und verwandeln sich in »Fettkugeln«, die den 
Urdarm mehr oder weniger ausfüllen. Darauf stülpt sich der Pro- 
stomarand in das Innere der etwas verlängerten Wimperlarve ein 
und bildet auf diese Weise den ektodermalen Schlund. Er hänst 
aber nicht mit einem allseitigen Überzug des Entoderms frei in die 
Mitte des Urdarms hinein, sondern veranlasst vielmehr von vorn herein 
eine Zweitheilung desselben. In Folge seiner taschenförmigen Ab- 
plattung liegt er an zwei einander gegenüberliegenden Seiten, also 
an den Enden einer Kreuzachse dem äußeren Ektoderm an, steht 
aber in der anderen Kreuzachse von ihm weit ab; in der ersten 
Richtung oder der späteren »Richtungsebene« bildet er daher eine 
Scheidewand zwischen zwei seitlich davon 
liegenden Räumen, in denen während seiner 
Einsenkung je ein Blindsack des Urdarms 
zurückbleibt (Textfig. 1). Jede dieser »Magen- 
taschen« legt sich mit ihrer Innenwand dem 
Schlund, mit ihrer Außenwand dem äußeren 
Cereanthusurre Onerdurch. Ktoderm an; die Einstülpungsöffnung des 

schnitt nach KowALEwsKr, Schlundes wird zum Munde, das stets offene 

. ee Prostoma im Grunde des Schlundes zur »Schlund- 
| pforte«, an deren Rande das Schlundektoderm 
sich in die entodermale Innenwand der Magentaschen umschlägt (vgl. 
Textfig. 3). 

Die strahlige Gliederung des Cereanthus beginnt also, wie ich 
dies schon früher hervorgehoben habe (23), mit zwei einander ent- 
gegengesetzten Magentaschen, die im Umfange des Schlundes nicht 
zusammenstoßen und folglich auch keine Septen bilden; die Stelle 
solcher trennenden Zwischenwände vertritt vielmehr der Schlund 
selbst. Nach einiger Zeit wird jede der beiden Magentaschen recht- 
winklig zur Richtungsebene durch ein zwischen der Körperwand und 
dem Schlunde sich ausspannendes entodermales Septum halbirt 
(Textfig. 2)!. Über die Entstehung dieser Septen erfahren wir nichts; 


!1 KowALEWSKY hat nur diesen Zustand mit vier Magentaschen abgebildet, 
und bemerkt dazu, dass, um sich den früheren Zustand vorzustellen, die beiden 
Halbirungssepten hinweggedacht werden müssten. Ich erwähne dies, weil keine 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 295 


wahrscheinlich wachsen sie als freie Falten des parietalen Entoderms 
zum Schlund hinüber. Ihr unterer freier Rand setzt sich unterhalb 
der Schlundpforte in eine dieke, in den Darmraum weit vorspringende 
Falte fort (Magenfalte). In der Nähe des Schlundes entwickelt sich 
aus dieser. Falte ein Filament, das offenbar schon von einer Fort- 
setzung des Schlundektoderms überzogen ist, da dies an wenig älteren 
Larven zweifellos der Fall ist (s. u.). Über den vier Magentaschen 
sind die noch kurzen Anlagen der vier 
ersten Tentakel hervorgewachsen, und die 
beiden Seitenränder des Mundes, der gleich 
dem Schlunde in der Richtungsebene ge- 
streckt ist, erheben sich lippenförmig, 
woran außer dem Ektoderm auch die 
darunterliegenden Magentaschen Theil 
nehmen. 


Textfig. 2. 


Weitere Stadien hat KOWwALEWSKY Cereanthuslarve, Querdurchschnitt 
allerdings gesehen, aber nicht näher unter- 1"? Kowsrewssr. 5, Schlund; 


mf, Septum; mg, Magentasche. 


sucht, so dass ihm die Art der späteren 

Taschenbildung unbekannt blieb. Äußerlich bemerkte er eine Ver- 
mehrung der Tentakel, namentlich ein paar Mundtentakel. Ferner 
giebt er an, schon in den 4zähligen Larven, sowohl in der Körper- 
wand zwischen Ektoderm und Entoderm, wie in den Magenfalten 
Längsmuskeln angetroffen zu haben, dort in einfacher, hier in doppel- 
ter Lage. 

An die Beobachtungen von KowaLewsky schließen sich die- 
jJenigen von VogT, BovErı, E. van BENEDEN, H. Wırsox, MCMURRICH, 
Fauror (4, 6, 20, 48, 55, 57) u. A. an, die an pelagisch gefischten 
Larven angestellt wurden und hauptsächlich die weitere Septen- 
bildung betrafen. Die erste Entstehung der 5. und 6. Magentasche 
hat nur vay BENEDEN gesehen; an meinen jüngsten Larven, die jene 
Taschen bereits besaßen, konnte ich trotzdem van BENEDEN’s genaue 
Angaben bestätigen, da das Wachsthum dieser Taschen noch nicht 
abgeschlossen war und daher die dem Munde näher liegenden Quer- 
durehschnitte die früheren Zustände wiedergeben (Fig. 1). Von der 
Theilung der 5. Tasche an bis zum Stadium der 12strahligen Larve 
verfolgte ich die Entwicklung an dem eigenen Material. Der Be- 
schreibung muss ich aber einige Worte über die Orientirung unserer 


seiner Figuren den zweizähligen Zustand erkennen lässt, der russische Text 
aber nur selten gelesen werden dürfte. 


296 A. Goette, 


Larven und die damit zusammenhängende Terminologie voraus- 
schicken. 

Bekanntlich lässt sich bei den meisten Sceyphopolypen eine 
Richtungsebene unterscheiden, die man nach der Anordnung der 
einseitigen septalen Muskelfahnen oder -polster bestimmt. Bei den 
Aleyonarien schneidet die Richtungsebene zwei diametral entgegen- 
gesetzte Magentaschen (Richtungstaschen) so, dass die Muskelpolster 
beider Körperhälften nach einer und derselben Seite gewendet sind. 
Die Richtungstasche, der die Muskelpolster zugekehrt sind, nannte 
KÖLLIker die ventrale, die andere die dorsale (37, p. 301, 418, 
419); an die ventrale Tasche grenzt die Flimmerrinne des kom- 
primirten Schlundes. Da nun die Edwardsien und viele eben so 
gegliederte Aktinien- und Korallenlarven gleichfalls acht Septen 
besitzen, deren Muskelpolster in der Mehrzahl einer Richtungstasche 
zugewendet sind, so wurde dieses Merkmal in demselben Sinne zur 
Orientirung benutzt wie bei den Aleyonarien. Bei Cereanthus schienen 
jedoch septale Längsmuskel ganz zu fehlen; daher hielten die Brüder 
HerTwIG die Schlundrinne dieser Aktinie für das Merkmal einer 
ventralen Seite wie bei den Alcyonarien (32), wogegen HAACKE (25) 
in dem größten Septenpaar von Cereanthus, das unter der Schlund- 
rinne liegt, die dorsalen Richtungssepten der Aleyonarien zu erkennen 
glaubte, so dass die Schlundrinne von Üereanthus umgekehrt die 
.dorsale Seite bezeichnete. Endlich hat CARLGREN (12) neuerdings 
sefunden, dass Cereanthus, wenngleich schwache, doch nachweisbare 
septale Längsmuskeln besitze, die sämmtlich von der Schlundrinne 
abgekehrt seien; nach diesem sonst allgemein benutzten Merkmal 
würde also die Schlundrinne dieses Thieres in der That so wie es 
HaAACKE vorschlug, an der Dorsalseite liegen. 

Angesichts dieser verschiedenen Vergleiche muss vor Allem fest- 
gestellt werden, dass die Namen »dorsal« und »ventral« nicht physio- 
logisch begründet sind, sondern willkürlich zur Bezeiehnung bestimmter 
Körperseiten der Aleyonarien gewählt wurden. Die Übertragung dieser 
Namen auf andere Polypen geschah aber, wie man sieht, in der 
Voraussetzung, dass die gleichbezeichneten Körpertheile auch wirk- 
lich homologe sind. Dies ist für die Aleyonarien einerseits und die 
Hexaktinien (mit Einschluss der Edwardsien) und die Steinkorallen 
andererseits freilich nicht strikt bewiesen, aber, wie noch besonders 
erörtert werden soll, doch sehr wahrscheinlich. Die übliche Termino- 
logie wäre also in diesen Gruppen beizubehalten. Dagegen wird 
sich durch die folgenden Untersuchungen herausstellen, dass der . 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 397. 


Gegensatz der beiden Körperseiten, die man die dorsale und die 
ventrale nennt, bei den eben genannten Polypen und bei den Cere- 
anthiden sich ganz selbständig und verschieden entwickelt hat, so 
dass eine bezügliche Homologie in beiden Abtheilungen gar nicht 
besteht. Es kann daher darüber, welche Seite von Cereanthus ven- 
tral und welche dorsal genannt werden soll, durch Vergleiche gar 
nicht entschieden werden, wie denn die verschiedenen Merkmale zu 
entgegengesetzten Schlüssen geführt haben (s. o.). 

Ich habe mir daher die Frage vorgelegt, ob nicht vielleicht eine 
Rücken- und Bauchseite sich naturgemäß, d. h. physiologisch, be- 
stimmen ließen, indem sich etwa herausstellte, dass die liegenden 
und kriechenden Formen stets dieselbe Körperseite dem Boden zu- 
kehrten. Denn dadurch wäre doch die Willkür und Unsicherheit 
der fraglichen Terminologie bei diesen Formen und ihren näheren 
Verwandten beseitigt. Zur Entscheidung habe ich von allen kriechen- 
den oder liegenden Aktinien nur Cereanthus membranaceus benutzen 
können. v. HEIDER giebt an, dass dieser Polyp in schräger Lage 
im Boden stecke (31); ich selbst habe ihn häufig ganz flach bogen- 
förmig, also eigentlich liegend eingegraben gesehen. Ich ließ nun 
in der Zoologischen Station in Rovigno zweimal an je sechs Cere- 
anthus, nachdem sie acht Tage ungestört gelegen hatten, also sich 
vermuthlich in einer normalen Lage befanden, die nach oben gekehrte 
Seite durch einen Einschnitt am Tentiakelkranz kennzeichnen; das- 
selbe wiederholte ich selbst an drei Stücken in meinen Aquarien. 
Die darauf folgende Untersuchung dieser 15 Cereanthus hatte folgen- 
des Ergebnis: bei neun von ihnen lag die Schlundrinne unmittelbar 
unter dem Einschnitt oder dicht daneben, also an der Oberseite, bei 
dreien lag sie seitlich und bei den drei letzten Exemplaren an der 
Unterseite. Ich glaube daraus folgern zu dürfen, dass die Schlund- 
rinne in der Regel die wirkliche, d. h. die physiologische Rücken- 
seite des Thieres bezeichnet, was mit der Bestimmung CARLGREN’S 
übereinstimmt. Ich werde daher die entsprechende Orientirung bei 
den Cereanthiden anwenden; aus der Bestimmung einer physio- 
logischen Rücken- und Bauchseite ergiebt sich die Berechtigung, von 
rechts und links zu reden. 

Ich nehme jetzt die Entwickelungsgeschichte von Cereanthus 
an dem Punkte wieder auf, wo die beschriebenen 4zähligen Larven 
im Begriff sind, die 5. und 6. Magentasche zu entwickeln. Sie 
entstehen an den beiden Schmalseiten des Schlundes, zwischen 
ihm und.dem Außenektoderm, also in der Riehtungsebene; sie ver- 


298 A. Goette, 


dienen daher den Namen der Richtungstaschen, ohne jedoch, wie 
sich zeigen wird, den Richtungstaschen der Aleyonarien, Hexak- 
tinien und Steinkorallen homolog zu sein. Sie erscheinen aber nicht 
gleichzeitig, sondern nach einander, zuerst die ventrale (5.), etwas 
später die dorsale (6.); ihre Entwiekelung ist jedoch eine durchaus 
gleiche. Dort wo an den Schmalseiten des Sehlundes das Ektoderm 
der Schlundpforte in das Entoderm übergeht, zeigt sich zuerst eine 
plattenförmige Verdickung des letzteren, die gerade abwärts zieht und 
gewissermaßen die Wurzel der neuen Tasche darstellt (Textfig. 3, 4 x). 
Aus ihrem oberen Ende, an der angegebenen Grenze, wächst ein 
solider Fortsatz zwi- 
schen -Schlund- und 
Außenektoderm in die 
Höhe, so dass er ihre 
Verbindung vollständig 
löst und gleichzeitig an 
die rechte und linke 
Magentasche anstößt. 


Textfig. 3. Ver In dem Maße als der 
Cereanthuslarvein derRichtungs- Cereanthuslarve, Querdurch- , 
ebenenach vanBEnEDEN. 0,Mund; schnitt nach van BENEDEN. Fortsatz vorrückt, wird 
s, Schlund; mg, Magentasche mf, Magenfalte; x, Ento- x 

(ventral); &, Entodermplatte. dermplatte. er von unten auf hohl 


und verwandelt sich so 
in eine Anfangs noch enge, allmählich aber sich erweiternde und bis 
zum Munde reichende Magentasche (Fig. 2—4). Durch ihre An- 
lagerung an die beiden seitlichen Magentaschen entstehen zwischen 
den drei Hohlräumen zwei neue entodermale Septen, die von der 
Schlundpforte abwärts sich in zwei niedrige Leisten längs der Ränder 
der beschriebenen Entodermplatte fortsetzen (Fig. 5). Aus diesen 
Leisten entwickeln sich später die entodermalen Magenfalten. 

An der dorsalen Richtungstasche wächst die ganze Schmalseite 
des Schlundektoderms, woraus die Schlundrinne hervorgeht, bis unter 
die Schlundpforte hinab (Fig. 8, 13). Dies geschieht an der ventralen 
Richtungstasche nicht oder in einem viel geringeren Grade; dafür 
fängt sie sehr bald nach ihrer Entstehung, noch bevor die dorsale 
Tasche vollendet ist, sich zu theilen an. Nach van BENEDEN er- 
scheint das Septum, das diese Theilung in der Richtungsebene aus- 
führt, an der Decke der Richtungstasche und wächst von dort ab- 
wärts. An den jüngsten meiner Larven reicht es noch nicht bis zur 
Schlundpforte und hört am Schlunde früher auf als an der Außen- 
wand, so dass es noch innerhalb der ursprünglichen Tasche in eine 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 299 


wandständige freie Falte ausläuft (Fig. 4). Ehe ich aber die weitere 
Entwiekelung dieses neuen Septums und der sich daran schließenden 
Neubildungen verfolge, soll hier der übrige Bau derselben Larven 
beschrieben werden. | 

Sie haben durchweg eine eiförmige bis kugelige Gestalt und 
tragen über den vier ersten, seitlichen Magentaschen je einen kurzen 
Tentakel; die wulstigen Lippen des in der Richtungsebene gestreck- 
ten Mundes ragen über das Peristom hervor (Fig. 6). Die Körper- 
wand ist im Allgemeinen bis zur Durchsichtigkeit verdünnt, ihr 
Ektoderm aus kubischen Zellen!, das Entoderm aus breiten Platten- 
zellen zusammengesetzt. Nur am aboralen Pol (Afterpol), an den 
Lippen und den Tentakeln ist das Außenektoderm, unter Verlänge- 
rung seiner Zellen zu langen Cylindern, verdiekt; in den späteren 
Stadien ließ sich feststellen, dass dort, wo ein Tentakel entstehen 
soll, die Ektodermverdickung seiner Erhebung vorausgeht. Am 
Afterpol bildet die Verdickung eine kreisrunde Platte mit allmäh- 
lichem Übergang in das dünnere Körperektoderm (Fig. 6); diese Platte 
enthält außer zahlreichen Nesselkapseln große annähernd kugel- 
förmige Zellen mit netzförmigem Protoplasma (Drüsenzellen?), die 
ich sonst nirgends antraf. An der Basis des Ektoderms entwickeln 
sich Längsmuskeln, die aber an der Leibeswand außerordentlich 
spärlich, viel dichter an den Tentakeln vorkommen. In den Septen 
der Larven a habe ich eben so wie vAn BENEDEN bei seinen Larven 
die Muskeln vermisst, obgleich KowALEws&KY solche schon an den 
viel jüngeren Larven von Cereanthus membranaceus gesehen hat. 
Dies halte ich für ein sicheres Zeichen, dass meine Larven einer 
anderen Art angehören. 

Das verdickte Ektoderm der Lippen setzt sich unverändert in 
den Schlund fort. Dieser ist in der Mitte etwas weiter als an den 
Schmalseiten, wo er beiderseits in gleicher Weise rinnenförmig ver- 
engt ist (Fig. 1—3); an der Schlundpforte schlägt sich sein Seiten- 
rand jederseits in Gestalt eines dreieckigen Lappens nach außen 
um, der mit dem unteren Rand des seitlichen Septums zusammen- 
hängt, so dass die Spitze des Dreiecks in die das Septum fortsetzende 
Magenfalte ausläuft (Fig. 3, 4). Auf der Oberseite ist der dreieckige 
Ektodermlappen von einer Fortsetzung des septalen Entoderms über- 
zogen, so dass man die ganze Bildung als zwei Flügel des Septen- 


! Die Wimpern dieser Zellen konnte ich am konservirten Material nur 
sSpurenweise erkennen. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL, Ba. 20. 


300 | A. Goette, 


randes betrachten kann (Fig. 11). Wo sie an der Magenfalte auf- 
hören, setzt sich ihr Ektoderm in Gestalt eines wulstigen Saumes 
an der Magenfalte fort (Fig. 4, 5); längs dieses Randwulstes oder 
des Filaments ist auch das Entoderm der Magenfalte verdickt, an 
ihrer Basis und in den eigentlichen Septen jedoch so dünn, dass es 
an Durchschnitten nicht leicht ist ihre beiden Blätter aus einander 
zu halten und eine Stützlamelle zu unterscheiden. Von der Fläche 
gesehen zeigt das septale Entoderm ziemlich langgestreckte und 
schräg gerichtete Zellen. 

Das mit dem seitlichen Septum bogenförmig ninabziehende Fila- 
ment bildet erst in der Nähe der Außenwand jene bekannten Win- 
dungen, die im zusammengezogenen Zustande immer wieder den 
Vergleich mit einem, an einem Mesenterium befestigten Darm her- 
vorrufen (Fig. 6. Da nach KowALewskyY die jüngsten Filament- 
auswüchse unter dem Rande der Schlundpforte sitzen, so muss das 
Schlundepithel seinen weiten Umschlag in verhältnismäßig kurzer 
Zeit ausgeführt, sich also sehr schnell ausgebreitet haben. 

Nachdem Acassız für seine Arachnactis-Larven angegeben hatte, 
dass ihr Darmraum mit großen polygonalen »Dotterzellen« angefüllt 
gewesen sei (1), hat nur noch KowALEwsKY Ähnliches gesehen, wäh- 
rend VoGT, BOVERI und VAN BENEDEN ausdrücklich das Fehlen eines 
solchen Darminhalts hervorheben. Ich habe jene Masse bei meinen 
Helgoländer Larven nicht nur durchweg wiedergefunden, sondern 
kann auch KowALewskyY’s Beobachtung über ihren Ursprung bestä- 
tigen, da ich denselben noch in meinen jüngsten Larven verfolgen 
konnte. Im Grunde des Urdarmes wird ein Theil der entodermalen 
Pflasterzellen vacuolisirt, dabei schwellen sie an und springen weit 
in die Darmhöhle vor, während ihre Kerne an die Wand gedrängt 
und platt werden (Fig. 6). Zuletzt lösen sich diese metamorphosir- 
ten Zellen aus ihrem Verbande und treten frei in die Darmhöhle ein, 
wo sie sich zu einem großen Klumpen zusammenballen (Fig. 5, 6); 
zuweilen erstrecken sich Fortsätze dieses Klumpens in die Magen- 
taschen und den Schlund. In den 12strahligen Larven sah ich 
diese Zellen bereits in Rückbildung begriffen; es kann daher nicht 
zweifelhaft sein, dass sie dem Nahrungsdotter anderer Aktinien- 
und der Korallenlarven homolog sind, wenngleich ihre Bildung etwas 
anders verläuft. In der Regel entsteht dort der Nahrungsdotter in 
der Weise, dass an dem indifferenten massigen Entoderm einer 
Sterrogastrula sich eine peripherische Epithelschicht, das bleibende 
Entoderm, von der centralen Masse absondert, die allmählich ihren 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 301 


zelligen Charakter verliert und als eine Detritusmasse den zelligen 
Darmsack ausfüllt (s. u.); bei Cereanthus lösen sich dagegen einige 
Zellen von dem fertigen epithelialen Darmsack ab, und zwar nicht 
nur in der Coelogastrula (KowALEwsky), sondern, wie ich finde, 
auch später, um den Nahrungsdotter herzustellen. 

Ich erinnere mich nicht, die von mir zuerst ausgesprochene An- 
sicht, dass jede Art von Nahrungsdotter auf ein abgelöstes Stück 
Entoderm zurückzuführen sei (21 u. 22]), besser illustrirt gefunden 
zu haben als bei Cereanthus. 


2. Die weitere Entwickelung der sechszähligen Larven. 


Diese Entwickelung betrifft namentlich die fortgesetzte Vermeh- 
rung der Septen und Taschen und andererseits der Tentakel. Da 
die neuen Taschen immer ventral in der Richtungsebene oder neben 
ihr entstehen !, drängen sie die vorher entstandenen rechts und links 
zur Seite; dabei wird auch das Stück des Schlundes, an das sie an- 
stoßen, seitlich umgelegt, während er ventral so viel Zuwachs erhält, 
als die Breite der neuen Taschen beträgt (Fig. 12—16). Dasselbe 
seschieht natürlich auch am anstoßenden Ektoderm und weiter unten 
an der ganzen Körperwand. Auf diese Weise bleibt der Zuwachs 
an neuen Taschen und Septen auf die Ventralseite beschränkt. Das 
Wachsthum überhaupt erstreckt sich aber natürlich auf die ganze 
Larve und ist, abgesehen von seiner Unregelmäßigkeit, ein recht 
ansehnliches. Sie streckt sich dabei und wird walzenförmig. 

Sowohl BovERI wie VAN BENEDEN sprechen von einer paarweisen 
Entstehung der neuen Septen in der jeweiligen unpaaren ventralen 
Magentasche. Dies trifft aber nach meinen Erfahrungen an zwei 
verschiedenen Cereanthus-Arten nicht zu und geht auch aus keiner 
der bisher publieirten Abbildungen hervor; richtig ist nur, dass die 


1 Diese bereits so vielfach bestätigte Thatsache wurde neuerdings von 
VANHÖFFEN (54) für irrig erklärt, indem er aus der Länge der Septen einer bereits 
19zähligen Arachnactis die zeitliche Reihenfolge der ersteren so konstruirte, 
dass, wenn man von der dorsalen Seite zu zählen anfängt, nach einander er- 
schienen die Septenpaare: 4, 6, 5, 3,2,1, 7,8 etc. Die »einfache Lösung« des 
"Widerspruchs zwischen diesen Angaben und den Beobachtungen von VOGT, 
BOVERI, VAN BENEDEN u. A. findet VANHÖFFEN darin, dass diese Forscher fort- 
gesetzt vorn und hinten mit einander verwechselö hätten. — Wenn es über- 
haupt nöthig ist, wird die folgende Darstellung der wirklichen Entwickelungs- 
geschichte von Cereanthus beweisen, dass VANHÖFFEN mit seiner so zuversichtlich 
vorgetragenen bloßen Vermuthung hinsichtlich dieses Vorganges sich selbst 
gründlich. geirrt hat. 

20* 


302 A. Goette, 


schon zur Seite gedrängten kürzlich entstandenen Taschen und Sep- 
ten sich rechts und links zu symmetrischen Gegenstücken anordnen. 
Alle neuen Septen entstehen hoch oben in der zu theilenden Tasche 
und wachsen dann längs der Körperwand abwärts, dringen aber viel 
langsamer gegen den Schlund vor; desshalb erscheinen sie Anfangs 
neben ihm als freie Falten und erreichen ihn successiv von oben 
nach unten fortschreitend. So wird die Theilung einer Tasche oft 
erst abgeschlossen, nachdem daneben schon ein neues Septum an- 
gelegt ist. — Sobald ein Septum den Rand des Schlundektoderms 
an der Schlundpforte erreicht und sich mit ihm verbunden hat, zieht 
es von ihm eben so wie es von den zwei ersten Septen angegeben 
wurde, beim weiteren Wachsthum einen Ektodermstreifen (Filament) 
mit sich hervor. Längs den in Entstehung begriffenen Taschen ist 
das Ektoderm stets etwas verdickt; über ihnen bedeutet dies die 
Anlage des zugehörigen Tentakels. 

In der folgenden Einzelbeschreibung werde ich zur leichteren 
Übersicht die verschiedenen Taschen durch Zahlen bezeichnen: die 
unpaar bleibende dorsale Richtungstasche mit 1, das sie rechts und 
links begrenzende Paar von Taschen mit 2, das folgende mit 3 u. s. f., 
wobei das rechte und das linke Stück jedes Paares durch r und 1 
unterschieden werden. Jede unpaare ventrale Tasche erhält die- 
selbe Ziffer wie das durch Theilung aus ihm hervorgehende Paar. 
Die 6zählige Larve, von der wir ausgehen (vgl. Fig. 4), enthält 
also die Taschen: 1 (die dorsale, nach der zeitlichen Reihenfolge 
6. Tasche), die Paare 2’—2! und 3'—3! (die vier ersten Taschen) 
und die ventrale Tasche 4 (nach der zeitlichen Reihenfolge die 
5. Tasche). 

Das erste neu hinzukommende Septum entsteht, wie wir sahen, 
in 4, die dadurch Anfangs genau halbirt erscheint; 4" und 4! um- 
fassen dann schon die anstoßende Schmalseite des Schlundes 
(Fig. 2, 3). Aber bevor noch dieses Septum die Schlundpforte er- 
reicht hat, ja meist schon im ersten Anfange der Septenbildung, 
wölbt sieh die linke Taschenhälfte (4!) unter entsprechender Ver- 
diekung des Ektoderms stärker nach außen vor, so dass, wenn durch 
die Halbirung ein diametraler Gegensatz in der Richtungsebene (un- 
paare 1, paarige 4), also eine Bilateralsymmetrie mit einer Median- 
ebene gegeben erscheint, auf der anderen Seite anerkannt werden 
muss, dass das Übergewicht von 4! die spiegelbildliche Gleichheit 
bis zu einem gewissen Grade wieder aufhebt. Dies steigert sich bald 
darauf durch das Auftauchen eines neuen Septums, das wie ein seit- 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 303 


lieher Auswuchs des vorhergehenden in die kleinere Tasche 4” hin- 
einragt (Fig. S, 9). Je weiter dieses neue Septum auswächst, desto 
mehr entfernt es sich vom vorausgehenden, so dass zwischen beiden 
eine unpaare Tasche 5 hervortritt, die allmählich ganz in die Rich- 
tungsebene rückt, wobei auch 4" und 4! sich ausgleichen (Fig. 10). 
Diese neueste Theilung ist also, ungleich der früheren Halbirung 
von 4 in 4" und 4!, vielmehr eine Abspaltung einer unpaaren 5 von 
4", merkwürdigerweise gerade des kleineren Paarlings. Die Folge 
davon ist ein Szähliger Bau der Larve, der nicht nur die vorher 
bestandene Asymmetrie von rechts und links, sondern, so weit es 
sich um Zahl und Lage der Taschen handelt, auch die frühere Bila- 
teralsymmetrie beseitigt und gewissermaßen einen richtigen (biradia- 
len) Strahltypus wieder hergestellt hat (Fig. 12, 13). 

Für die folgenden Stufen kann ich mich kurz fassen, da sie in 
der That nur eine Wiederholung des beschriebenen Überganges vom 
6zähligen zum Szähligen Bau, mit den entsprechend veränder- 
ten Zahlen, sind. Während der Halbirung von 5 wächst die linke 
Hälfte schneller (Fig. 14), und die Egalisirung von 5” und 5! ist 
auch nach dem Erscheinen von 6 (in 5’) noch nicht erreicht, so dass 
5" noch immer hinter 5! zurücksteht (Fig. 15, 16). Bei der Thei- 
lung von 6 ist die linke Hälfte bereits so weit über die rechte Hälfte 
hinausgewachsen, dass in den höheren Querdurchschnitten, die 6! 
schon voll trefien, 6" noch gar nicht zum Vorschein kommt (Fig. 18). 
Endlich ist auch die Entwickelung von 7 von denselben Erscheinungen 
begleitet: es wird in 6” angelegt, bevor die Halbirung von 6 voll- 
endet ist (Fig. 19, 20, 28), und 6! überwiegt alsdann so sehr, dass 
es in der Nähe des Mundrandes über dem zurückgebliebenen 6° wie 
ein unpaares Stück zwischen 5” und 5! erscheint (Fig. 18, 25—28). 
Mit anderen Worten: die neuen Septen und Taschen entwickeln sich 
so ungleichmäßig, dass in den verschiedenen Höhen derselben 
Schlundregion nicht nur ihre Zahl, sondern auch ihre Bedeutung als 
paarige oder unpaare Bildung, und folglich die ganze Orientirung 
wechselt. | 

Diese Entwiekelung der Septen habe ich an meinen Larven ohne 
Ausnahmen angetroffen, auch an den beiden Exemplaren der Art 2. 
Die von anderen Forschern (VoGr, BovERI, Wırson, MCMURRICH, 
VANHÖFFEN) gebrachten Abbildungen einzelner Entwickelungsstufen 
bestätigen meine Darstellung; nur die von van BENEDEN abgebildete 
Szählige Larve — weiter reichen seine Beobachtungen nicht — 
lehrt, dass dort das achte Septum nicht in 4', sondern in 4! ent- 


304 ; A. Goette, 


standen, und 4" die größere Hälfte von 4 war. Nach Allem scheint 
aber eine solehe Umkehrung selten zu sein. 

. Die Tentakelbildung schließt sich in ihrer Zeitfolge durchaus 
der Taschenbildung an mit der Maßgabe, dass die Tentakeln erst 
über denjenigen Taschen hervorwachsen, die schon bis zu einem ge- 
wissen Grade ausgebildet sind. Doch ist schon vorher in der be- 
schriebenen frühzeitigen Verdiekung des Ektoderms über den in der 
Entstehung begriffenen Taschen ein Vorbote der Tentakelbildung 
nicht zu verkennen. Aus den Bildern KowALEwsKY’s entnehme ich, 
dass die vier ersten Tentakel über 2’—2! und 3’—3! gleichzeitig 
und sofort nach der Bildung dieser Taschen entstehen. Darauf er- 
scheint in der Regel gleichzeitig mit der Tasche 5 der Tentakel 4!, 
wodurch die angegebene Asymmetrie gesteigert wird; der Tentakel 
4" folgt bald nach, und um dieselbe Zeit kann nach meinen Beob- 
achtungen schon der Richtungstentakel 1 hervorzuwachsen beginnen, 
wogegen Bovkri ihn erst bei 12zähligen Larven antraf. Auch 
die Tentakel 5! und 6! gehen ihren rechten Gegenstücken voraus: 
den Tentakel 6! sah ich mehrmals in kurzer fingerförmiger Gestalt, 
während von 6°" noch keine Spur vorhanden war. 

Wie regelmäßig das weitere Wachsthum der Tentakel mit dem 
eben beschriebenen Gang ihrer ersten Entstehung übereinstimmt, er- 
sieht man am besten aus einer Reihe von Durchschnitten durch die 
Tentakel einer 11zähligen Larve von der Art d, indem jeder Ten- 
takel ausnahmslos kürzer und schmäler bleibt als der ihm voraus- 
segangene (Fig. 21—27). In Folge der Parallele zwischen Taschen- 
und Tentakelbildung spiegeln jene Durchschnitte auch den Verlauf 
der Taschenbildung wieder, da aber die letztere immer voraus eilt, 
so stellen im vorliegenden Fall die Tentakel nach Zahl und Stel- 


lung — zwei Richtungs- und je vier seitliche Tentakel — einen 
biradialen Typus dar, die Taschen dagegen — eine unpaare (1) und 
fünf Paare — einen Bilateraltypus. 


Die Mundtentakel entstehen bekanntlich zuerst über 3”—3!, 
worauf diejenigen über 4”—4! folgen; von den letzteren eilt eben- 
falls das linke Stück voraus und bleibt das rechte Gegenstück oft 
recht bedeutend zurück. — Eine eigentliche Schlundrinne war an 
meinen ältesten Larven «a noch nicht vorhanden; dafür war das Ekto- 
derm am aboralen Pol bereits von einem Entodermzapfen durchbohrt, 
eine Afteröffnung aber noch nicht vorhanden. | 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 305 


Nach dieser Übersicht der Befunde aus der Entwickelungs- 
geschichte von Cereanthus drängt sich eine Reihe von Schlussfolge- 
rungen auf, die für die Geschichte nicht bloß dieser Form, sondern 
weiter Kreise des Cnidarierstammes von Bedeutung sind. Als die 
charakteristischen Merkmale des Baues der Scyphopolypen sind zu 
nennen: 1) der central ins Innere hineinhängende Schlund, 2) die 
ihn im Kreise umgebenden Magentaschen mit ihren Septen und den 
Tentakeln, 3) die Fortsetzungen der Septen oder die Magenfalten 
mit ihren Filamenten. Schon dieser Bau an sich und gewisse ent- 
wiekelungsgeschichtliche Befunde an verschiedenen Scyphopolypen 
machten es früher wahrscheinlich, dass der Schlund durch eine cen- 
trale Einstülpung des Prostomarandes oder eines homologen Theiles 
der Gastrulawand entstände, und dass der ihn alsdann kreisförmig 
umgebende Darmraum durch centripetal wachsende parietale Ento- 
dermfalten radiär eingetheilt werde. Cereanthus zeigt uns dagegen 
einen merklich abweichenden Entwickelungsverlauf. 

Eine centrale Einstülpung des ganzen zweischichtigen Prostoma- 
randes findet überhaupt nicht statt, sondern der prostomiale Ekto- 
dermring senkt sich, indem er sich zugleich in der zukünftigen 
Richtungsebene streckt, so ins Innere ein, dass seine zwei Schmal- 
seiten am Außenektoderm hingleiten, seine zwei Breitseiten aber 
merklich davon abstehen, in welchen beiden Zwischenräumen die 
zwei primären entodermalen Magentaschen zurückbleiben (Textfig. 1). 
Das Eigenthümliche dieses Vorganges besteht also darin, dass die 
ersten Magentaschen ohne Vermittelung von entodermalen Septen 
und nur im Zusammenhange mit der Schlundbildung entstehen, und 
dass ferner der Schlund Anfangs nur in einer Kreuzachse vom 
Außenektoderm absteht, bezw. durch die beiden Magentaschen von 
ihm getrennt ist. 

Eben so bemerkenswerth ist der weitere Entwickelungsverlauf von 
Cereanthus. Die zwei Richtungstaschen, die nach van BENEDEN’s 
Beobachtung, die ich durchaus bestätigen kann, als selbständige Aus- 
wüchse des Urdarmes erscheinen, drängen den Schlund in der Rich- 
tungsebene vom Außenektoderm ab und schließen den Kreis der ihn 
umgebenden Masentaschen, indem sie sich rechts und links an die 
Seitentaschen anlegen. Die aus dieser Berührung hervorgehenden 
Riehtungssepten erweisen sich daher als Folgeerscheinungen der 
Taschenbildung und nieht als die Urheber der Taschenvermehrung 
wie die seitlichen und alle folgenden Theilungssepten. Andererseits 
erhält der Schlund seine definitive centrale Lage wenigstens in der 


306 A. Goette, 


Richtungsebene durch eine sekundäre passive Verlagerung (vgl. 
Textfig. 3). Es fragt sich daher, ob nicht auch bei der Entstehung 
des ersten Magentaschenpaares ganz ähnliche Beziehungen obwalten. 
Dass diese Taschen passiv durch die zwischen ihnen erfolgende 
Schlundeinstülpung hervorgerufen werden, ist an sich nicht wahr- 
scheinlicher, als dass sie selbständig in die Höhe wachsen und da- 
durch den Schlund seitlich vom Außenektoderm abdrängen. Die 
Entwickelung der Richtungstaschen ist aber ein schwerwiegendes In- 
dieium für das letztere, und die noch zu beschreibende Entwickelung 
anderer Aktinien (s. u.) wird eine volle Bestätigung dafür liefern. 

Dies Alles widerlegt, zunächst für Cereanthus, auf das bündigste 
die vorhin erwähnte ältere Vorstellung, dass der Schlund sich cen- 
tral einstülpt und die Magentaschen von Anfang an durch Theilungs- 
septen in einem kontinuirlichen peripharyngealen Darmraum her- 
sestellt werden. Der gesammte grundlegende Bau unseres Polypen 
lässt sich vielmehr auf zwei von einander unabhängige, aber in ein- 
ander greifende Vorgänge zurückführen: die Einstülpung des Schlundes 
und das entgegengesetzte Wachsthum der zwei ersten Magentaschen 
und beider Richtungstaschen. Ohne diese Taschen würde der Schlund 
von Cereanthus, eben so wie bei anderen, über den Cnidariern stehen- 
den Thieren glatt in den entodermalen Urdarm übergehen; ihr peri- 
pherisches Hinaufwachsen zwängt ihn in ihre Mitte und vollendet 
so den besonderen Bau der Sceyphopolypen, dessen allgemeinere 
Bedeutung sich darin ausspricht, dass er in den jungen Scyphostomen, 
den Larven der Scyphomedusen, sich genau wiederholt. 

In ganz anderer Weise als die vier besprochenen Magentaschen 
von ÜCereanthus entstehen alle seine übrigen Magentaschen, nämlich 
durch centripetal einwachsende Entodermfalten in schon vorhandenen 
Taschen. Dieser Unterschied fällt mit der Thatsache zusammen, 
dass die vier erstgenannten Taschen sich als die ursprünglichsten 
ergeben. Für das erste Taschenpaar ist dies selbstverständlich; dass 
dieses dann durch je ein Theilungsseptum halbirt wird, bevor noch 
die beiden Richtungstaschen entstanden sind (Textfig. 2), erklärt sich 
sehr leicht durch eine Verschiebung in der Zeitfolge der Septen- 
bildung, die, wie wir sehen werden, in der Entwickelung der übrigen 
Zoantharien eine so große Rolle spielt, und kommt ferner gar nicht 
in Betracht gegenüber der Bedeutung der beiden Richtungstaschen 
für den allgemeinen Bau des Cereanthus und der Sceyphopolypen 
überhaupt. Nachdem durch den Schlund und die zwei ersten Taschen 
eine bestimmte erste Anordnung hergestellt ist, die aber noch nicht 


Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 307 


den Typus des Scyphopolypen wiedergiebt, wird durch die Halbirung 
dieser Taschen daran nichts wesentlich geändert, da die Lage- 
beziehungen der vier Seitentaschen zur Richtungsebene und zum 
Schlunde dieselben bleiben wie die Lagebeziehungen der zwei ersten 
Taschen. Erst mit dem Erscheinen der beiden Richtungstaschen wird 
jene Anordnung in jene aller Seyphopolypen übergeführt, indem der 
Schlund in seine definitive centrale Lage innerhalb eines geschlossenen 
Kreises von peripherischen Darmabschnitten hineinrückt. 

Die zwei ersten Magentaschen überhaupt und die zwei kreuz- 
weise zwischen sie sich einkeilenden Richtungstaschen sind nebst 
dem Schlunde die unentbehrlichen und daher ursprünglichen Grund- 
lagen des Scyphopolypenbaues von Cereanthus, wogegen die zwei 
ersten Halbirungssepten wie alle folgenden Vermehrungen der Septen 
und Taschen nur sekundäre Sonderungen innerhalb jener Grundform 
darstellen. Jene vier peripharyngealen Ausstülpungen des Urdarmes 
(zwei Seiten-, zwei Richtungstaschen) sind daher als primäre Magen- 
taschen zu bezeichnen und grundsätzlich von den übrigen oder se- 
kundären Magentaschen zu trennen, die allein der Vorstellung 
entsprechen, die bisher für die gesammte radiäre Gliederung der 
Seyphopolypen maßgebend war. Wie die Magentaschen können auch 
die zugehörigen Septen als vier primäre (Richtungssepten) und fol- 
sende sekundäre unterschieden werden. 

Da die Scyphopolypenform erst mit der vollständigen centralen 
Lage des Schlundes erreicht ist, bezeichnet das Stadium mit vier 
primären Taschen die älteste Seyphopolypenform in der 
Stammesentwicklung von Cereanthus. 


Eine zweite Reihe von Schlussfolgerungen betrifft die Grundform 
im Sinne der Orientirung, die in der Entwickelung von Cereanthus 
zu Tage tritt. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Scypho- 
polypen entweder einen radialen, bez. biradialen oder einen bilate- 
ralen Bau haben, und dass der letztere namentlich während ihrer 
Entwiekelung vorherrsche. Für Cereanthus insbesondere gilt die 
Bilateralsymmetrie als die ausschließliche Grundform. Dies lässt 
sich aber mit den angeführten Beobachtungen seiner Entwickelung 
nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. 

Dass Cereanthus bis zur vollendeten 4zähligen Larvenform, 
abgesehen von unbedeutenden Größenverschiedenheiten der Taschen- 
 paare 2 und 3, strahlig gebaut ist, unterliegt keinem Zweifel (vgl. 
Fig. 1). Daran wird auch durch die genauere Bezeichnung dieses 


308 A. Goette, 


Baues als eines biradialen nichts Wesentliches geändert; denn beide 
Formen haben dieselbe Art der Orientirung durch kongruente Gegen- 
stücke mit einander gemein (vgl. 22 II, p. 71). Dagegen soll nach 
VAN BENEDEN mit dem Erscheinen der ventralen Richtungstasche (4), 
während das dorsale Gegenstück 1 noch fehlt, in den Cereanthus- 
larven eine Bilateralform geschaffen werden; und während 1 ent- 
steht, beginnt thatsächlich die Theilung von 4, so dass die Aus- 
gleichung jenes ersten Gegensatzes verhindert und die Bilateral- 
symmetrie gewissermaßen erneut wird (Fig. 2—4). Kaum eingeleitet 
wird aber diese Orientirung dadurch wieder in Frage gestellt, dass 
4! stärker wächst und früher einen Tentakel entwickelt als 4°, in 
welcher Tasche darauf das neue Septum einen weiteren Unterschied 
gegen die linke Seite hervorruft (Fig. 8, 9). Und sobald diese Stö- 
rung durch eine gewisse Egalisirung von 4" und 4! und durch das 
Einrücken von 5 in die Richtungsebene beseitigt erscheint, hat sich 
die Bilateralsymmetrie gleichzeitig in eine biradiale Anordnung ver- 
wandelt, indem an beiden Enden der Richtungsebene je eine un- 
paare Tasche (1 und 5) liegt (Fig. 19, 12). Will man dagegen ein- 
wenden, dass ja 4’ und 4! viel kleiner sind als die anderen seitlichen 
Taschenpaare 3’"—3!, 2’—2!, und dadurch immerhin eine bloß 
spiegelbildliche Gleichheit beider Körperhälften begründet ist, so 
erwiedere ich, dass auch die Egalisirung von 4’ und 4! noch lange 
nicht vollkommen erreicht ist, was die Tentakel selbst einer älteren 
Larve noch beweisen (vgl. Fig. 13, 21), und daher die Bilateral- 
Symmetrie genau genommen eben so wenig zutrifft. Es ist aber nach 
der vorausgeschickten Beschreibung leicht zu ersehen, dass die an- 
gegebenen Störungen jeder regelmäßigen Grundform in der Folge 
sich noch stärker geltend machen, und dass in Wirklichkeit die 
Cereanthuslarven die bilaterale Grundform so wenig wie 
die bilaterale ganz rein wiedergeben. 

Es liegt hier natürlich der Einwand sehr nahe, dass eine solche 
Auffassung zu kleinlich sei, da die aufgezählten Unregelmäßiskeiten 
stets nur vorübergehende sind und daher unbeachtet bleiben könnten. 
Ich muss dagegen hervorheben, dass sie keineswegs zufällige, sondern 
offenbar ererbte und fixirte Erscheinungen sind und durch das ganze 
Leben des Cereanthus sich erneuern. Auf der anderen Seite zweifle 
ich nicht daran, dass dieser Unregelmäßigkeit ein durchaus regel- 
mäßiger Entwiekelungsverlauf bei den Vorfahren unseres Thieres 
vorausging. Denkt man sich also die Unregelmäßigkeit aus der 
segenwärtigen Einzelentwickelung des Cereanthus eliminirt, so ‚erhält 


Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 309 | 


man nicht etwa, wie wenn es sich um unwesentliche Zufälligkeiten 
handelte, ein klareres Bild dieser selben Entwickelung, sondern jenen 
ursprünglichen, regelmäßigen Entwickelungsverlauf der nächsten Vor- 
fahren. Und eine solehe Untersuchung ist allerdings für die Be- 
urtheilung der Entwickelungserscheinungen der lebenden Cereanthiden 
ganz unerlässlich. 

Ich lege dabei kein sonderliches Gewicht auf die zeitliche 
Differenz in der Entstehung beider Richtungstaschen: denn dieselbe 
Differenz zeigt sich auch ganz beständig in der Entwickelung der 
entsprechenden Magentaschen in der Seyphula, der jüngsten Larven- 
form der Seyphomedusen, ohne dass Spuren davon in den späteren 
Stadien zurückbleiben (24, Fig. 23). Ich halte daher diese Erschei- 
nung bei Cereanthus, die zudem von so kurzer Dauer ist, für be- 
langlos, und in Folge dessen für statthaft, von einer radialen 
6zähligen Larve als einem Abbild einer gleichen Vorfahrenform 
zu sprechen. Auch der darauf folgende einseitige, ventrale Zuwachs 
an Septen und Taschen braucht nicht nothwendig eine wirkliche 
Bilateralform im Gefolge zu haben, indem die jeweiligen neuen 
Glieder in ihrer Zahl und Lage, sowie durch rasche Ausgleichung 
mit den älteren Gliedern sich sehr wohl dem radialen Bau anpassen 
können (8. u... Dagegen zeigt der Verlauf dieses Zuwachses bei 
Cereanthus im Einzelnen unzweifelhaft bilaterale Bilder, die näher 
zu untersuchen sind. 

Dabei sollen, wie bemerkt, vor Allem die beschriebenen quanti- 
tativen Ungleichheiten von rechts und links hinweggedacht werden, 
so dass nur noch Zahl und Lage der Taschen maßgebend bleiben. 
Unter dieser Voraussetzung würde nach dem biradialen 6zähligen 
Stadium das 7zählige Stadium mit der halbirten Richtungstasche 
4 gegenüber der ungetheilten dorsalen Richtungstasche 1 eine un- 
verkennbare Bilateralsymmetrie darstellen (Fig. 2, 3). Sobald sich 
aber die unpaare Tasche 5 zwischen das Paar 4"—4! einschiebt, tritt 
eben so bestimmt an Stelle jener Symmetrie wieder eine biradiale 
Form (Fig. 12). Und jede weitere Halbirung der jeweiligen un- 
paaren ventralen Tasche und Einschiebung einer neuen unpaaren 
Tasche hat denselben Erfolg: die 6—-8—10—12.... zähligen 
Larven müssten daher als biradiale, die 7—9—11....zähligen 
als bilateral-symmetrische betrachtet werden. Es fehlt also nicht 
nur eine einheitliche Grundform, sondern der beständige Wechsel 
zweier entgegengesetzter Grundformen kann auch nicht einen regel- 
mäßigen ursprünglichen Zustand darstellen. Dieser Widerspruch löst 


310 A. Goette, 


sich aber bei genauerem Hinsehen in einfacher und befriedigender 
Weise. 

Die Tasche 5 und jede folgende unpaare Tasche entsteht näm- 
lich nicht wirklich zwischen dem vorausgehenden Paar, sondern stets 
in einer Hälfte desselben, in der Regel rechts von der Richtungsebene 
und dem unpaaren Septum. Daraus folgt, dass von der siebenzähligen 
Larve mit dem Taschenpaar 4’—4! angefangen, der gesammte Zu- 
wachs an Taschen, Septen und Tentakeln ausschließlich auf eine 
ursprüngliche Hälfte der Larve entfällt!, also überhaupt nicht als 
ein ventraler, sondern nur als ein durchaus asymmetrischer aufgefasst 
werden kann. Dies wird dadurch verdeckt und in eine rein äußer- 
liche Regelmäßigkeit gebracht, dass jede neue unpaare Tasche aus 
ihrer Lage neben der Richtungsebene sich alsbald in die letztere 
verschiebt, wobei das unpaare Septum, in 
dem die Richtungsebene vorher auslief, eben- 
falls zur Seite geschoben wird (Textfig. 5). 
In der That liegt also die Sache so: die 
unpaaren ventralen Taschen, durch deren 
Halbirung die eben beschriebenen bilatera- 
len Bilder entstehen, gehen selbst aus asym- 
metrischen Anlagen hervor, die erst nach- 
träglich zurechtgeschoben werden; jene 
intermittirenden Bilder sind also die Folge 
von beständig wiederholten Korrekturen 
einer eben so oft wiederkehrenden Asymme- 

Me trie. Oder mit anderen Worten: die genannte 

Schema der wirklichen Septen. Pllateralsymmetrie in Folge der Halbirungen 

und Taschenvermehrung vonCere- entwickelte sich erst in asymmetrisch abge- 

anthus. &, scheinbare ursprüng- _, ; 2 

Tiche che span änderten Formen, hat daher mit einem ur- 

sprünglichen regelmäßigen Zustand nichts 

zu thun und stellt, was schon das intermittirende Auftreten andeutete 
im Grunde bloß eine gelegentliche Begleiterscheinung dar. 

Dies ändert sich auch keineswegs, wenn man jene Asymmetrie 
in der Entstehung der unpaaren ventralen Taschen zu eliminiren, 
d. h. den ursprünglichen symmetrischen Vorgang zu eruiren sucht. 
Sie äußert sich darin, dass jede unpaare Tasche rechts von der 


! Es ist dabei ganz gleichgültig, ob bei der einseitigen Entstehung der 
unpaaren Taschen ein Wechsel von rechts und links eintritt (s. p. 303); denn 
die erste derart entstandene Tasche entscheidet, wie man aus der Textfig. 5 
leicht verstehen wird, unter allen Umständen für alle folgenden. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 311 


Richtungsebene und dem unpaaren Septum entsteht; dabei muss man 
‚sich aber erinnern, dass die links vom unpaaren Septum gelegene 
Tasche Anfangs die rechte an Größe überwiegt, sie also offenbar aus 
ihrer ursprünglichen Lage verdrängt hat (s. o. und Fig. $, 9, 18—20). 
Sobald man sich daher diese sekundär erworbene Ungleichheit hin- 
wegdenkt, rückt natürlich das unpaare Septum nach links hinüber 
und die erste Anlage der unpaaren Tasche in die Richtungsebene 
(Textfig. 6). Daraus folgt, dass das unpaare Septum früher gar keine 
Halbirung ausführte, sondern als linksseitige Bildung in einer sym- 
metrischen Form ein rechtsseitiges Gegenstück haben musste. Dies 
ist nun zweifellos das in den gegenwärtigen Cereanthuslarven stets 
später erscheinende rechte Septum der neu entstehenden unpaaren 
Tasche, das also nur zeitlich vorgerückt ge- 
dacht zn werden braucht, um die gesuchte 
vollständige Symmetrie zu erhalten. 

Durch diesen ganz natürlichen Gedanken- 
gang kommt man zu der Vorstellung, dass 
jede gegenwärtig zu beobachtende Halbirung 
einer ventralen Tasche, die darauf folgende 
einseitige Bildung einer neuen unpaaren 
Tasche und ihre nachträgliche Verschiebung 
in die Richtungsebene ursprünglich in einen 


Akt zusammenfielen, indem jede unpaare Textfig. 6. 
Tasche durch zwei gleichzeitig entstehende °hema der ursprünglichen Sep- 


ten- und Taschenvermehrung von 


Septen sofort in drei neue Taschen zerfiel, Cereanthus. 

4 in 4°—5—41, 5 m ’—6—5!u:8 L 

(Textfig. 6). Dabei blieb ununterbrochen eine unpaare Tasche 
an der Bauchseite zurück, in die die ursprüngliche Richtungsebene 
auslief, und die daher eben so beständig ein Gegenstück zur dorsalen 
Richtungstasche 1 bildete. Unter diesen Umständen fehlte natürlich 
damals der sesenwärtig stattfindende Wechsel der Grundformen, 
zugleich aber auch jede bilaterale Anordnung der Taschen und 
Septen: ihre beständige Grundform bei den nächsten Vorfahren der 


1 Eine solche Annahme ist nicht gleichbedeutend mit der Angabe einiger 
meiner Vorgänger, dass die Septen sich stets paarweise in der jeweiligen un- 
paaren Tasche vermehrten (s. o.. Denn dies ist in Wirklichkeit nicht der 
Fall, sondern kann nur für die Vorfahren der heutigen Cereanthiden angenom- 
men werden. Und nur, indem man den gegenwärtigen und den früheren Ent- 
wickelungsverlauf aus einander hält, kann man zu einer richtigen Auffassung 
des ersteren gelangen. 


312 A. Goette, 


Cereanthiden war eine biradiale, worauf erst in Folge neu erworbener 
Asymmetrie die beschriebene intermittirende und unvollständige Bi- 
lateralordnung hinzukam. 

Damit ist allerdings das letzte Wort über die gesammte Grund- 
form der Cereanthiden nicht gesprochen. Wenn nach den obigen 
Ausführungen die Taschen- und Septenordnung wesentlich eine asym- 
metrisch abgeänderte biradiale ist, wobei die gelegentlichen bilate- 
ralen Bilder nicht in Betracht kommen, so giebt es doch daneben 
andere ganz unverkennbare und dauernde bilaterale Erscheinungen 
in der Organisation von Cereanthus: die außerordentlich überwiegende 
dorsale Schlundrinne, wogegen die ventrale ganz unkenntlich bleibt 
(v. HEIDER), ferner die größeren dorsalen Taschen mit ihrer beson- 
deren Tentakelordnung (vgl. FAuURoT u. A.), die einseitigen septalen 
Längsmuskeln (CARLGREN) und die Verlängerung bloß des zweiten 
dorsalen Magenfaltenpaares bis zum Afterpol. Freilich gehören alle 
diese Erscheinungen der postlarvalen Zeit an, sind also ein späterer 
Erwerb, der die beschriebene biradiale Vorfahrenform nicht berührt; 
sie genügen aber, um den gegenwärtigen Cereanthiden ein durchaus 
bilaterales Aussehen zu verleihen. Und dennoch ist dadurch ihr 
bilateraler Bau nicht völlig einwandfrei festgestellt. 

In demselben Maße, als sich diese bilateralen Bildungen ent- 
wickeln, nimmt die in der ersten Larvenzeit ziemlich vollständige 
Ausgleichung der ventralen Asymmetrie ab, so dass die neugebildeten 
rechtsseitigen Taschen sich immer unvollständiger in die Richtungs- 
ebene verschieben und endlich ein Überschuss der definitiven rechten 
Taschen entsteht. In dem von Wırsox (57) abgebildeten Exemplar 
stehen 7 linke Taschen gegen 8 rechte, nach CERFONTAINE (16) 11 
gegen 12, nach HEIDER (31) 56 gegen 60, und ich selbst habe ganz 
ähnliche Verhältniszahlen bei erwachsenen Cereanthus membranaceus 
gefunden. 

Diese Asymmetrie beider Körperhälften fällt freilich nicht so 
in die Augen, wie die vorhin genannten bilateralen Bildungen; es 
wäre aber willkürlich sie desshalb für belanglos zu erklären. Denn 
der schwächere Eindruck rührt nicht von einem geringeren Maß 
der Differenz her, sondern nur von ihrer geringeren Kenntlichkeit 
für unser Auge, das ja die schwächeren und vollkommener ausge- 
glichenen Asymmetrien der jungen Larven deutlicher sieht. Es bleibt 
daher die Thatsache bestehen, dass der Gesammtbau von Cereanthus 
trotz sehr auffälliger einzelner Bilateralbildungen im Grunde genom- 
men ein entschieden asymmetrischer ist. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 313 


Die Untersuchung über die Grundform der Cereanthiden lehrt, 
dass sie eine merkwürdig komplexe ist, und nur in ihrer stammes- 
geschichtlichen Entstehung riehtig gewürdigt werden kann. Ich fasse 
daher meine Ergebnisse in einer historischen Reihe zusammen. 

1) Die Vorfahren der Cereanthiden waren vollkommene Strahl- 
formen, in letzter Linie Scyphopolypen mit vier primären Magen- 
taschen, gleich einem 4zähligen Seyphostoma. 

2) Dieser vierzählige Polyp erwarb zunächst die zwei seitlichen 
Theilungssepten (6zähliger Typus), woran sich wahrscheinlich der 
einseitige ventrale Zuwachs der Septen, aber ohne eine eigentliche 
bilaterale Anordnung anschloss. 

3) Auch die folgende Abänderung bestand keineswegs in einem 
direkten und vollständigen Übergang zur Bilateralsymmetrie, sondern 
in der Fixirung von Asymmetrien, die theils selbst gewisse inter- 
mittirende, also nur scheinbare bilaterale Bildungen der Larven her- 
vorriefen (Taschenordnung), theils neben wirklichen bilateralen Bil- 
‚dungen (Schlundrinne, Septalmuskeln etc.) je länger, desto mehr 
zunahmen. 

4) Die Cereanthiden sind folglich asymmetrisch abgeänderte 
Strahlformen, in denen gewisse unverkennbare Ansätze zur bilate- 
ralen Umbildung nicht zur Herrschaft gekommen sind. 


Anhang: Über die Cereanthidenlarven 5b und einige 
Lebenserscheinungen der Art «a. 


Die zwei von mir erwähnten Larven 5 (s. p. 293), die nach 
ihrem allgemeinen Bau unzweifelhaft einer Cereanthidenart ange- 
hören, aber sich in mehreren Stücken ganz präcis von den bisher 
beschriebenen Cereanthidenlarven « unterscheiden, fallen schon äußer- 
lich dadurch auf, dass sie verhältnismäßig viel kleiner und undurch- 
sichtig sind (Fig. 21—28). Ihre schon beschriebenen Tentakel (s. p. 304) 
waren an den konservirten Thieren gerade aufgerichtet und nicht 
breit gespreitzt wie bei den gewöhnlichen Larven «a. Beide Körper- 
schichten sind sehr diek, was namentlich am septalen Entoderm ganz 
ungewöhnlich erscheint. Mund und Schlund sind längs der Septen- 
ansätze regelmäßig tief eingekerbt (Fig. 25—28); am Mundrande 
gehen diese Kerben in die Rinnen zwischen den zusammengedräng- 
ten Tentakelbasen über, und da habe ich es einmal beobachtet, dass 
‚von einer solchen über einem Septum verlaufenden Peristomrinne 
sich ein konischer Zapfen zwischen die beiden Blätter des Septum 


314 A. Goette, 


hinabsenkte, freilich nur bis zu einer geringen Tiefe, aber immerhin 
mit dem Erfolge, dass er das Septum gegen die angrenzenden Taschen 
vorwölbte (Fig. 27 st). Eine solche Bildung ist für die weitere Ent- 
wickelung der Larve sicherlich von keiner Bedeutung, um so mehr 
aber in einer anderen Richtung, worauf ich später zurickkomme. 

Ä Die Anordnung der Septen unserer beiden Larven war dieselbe 
wie bei den gleich alten 11- und 12zähligen Exemplaren der an- 
deren Art. Die dorsalen Richtungssepten und die jüngeren ventralen 
Septen hörten an der Schlundpforte auf, setzten sich also in keine 
Magenfalten fort. Der sogenannte Nahrungsdotter fehlte ganz, da- 
segen besaß gerade das etwas jüngere, 1l1zählige Exemplar schon 
einen After. 

Zum Unterschied von den gewöhnlichen Cereanthuslarven « 
sind die Längsmuskeln dieser Larven 5 sehr deutlich entwickelt. 
Das innere Drittel des Ektoderms besteht aus einer fein granulirten, 
kernlosen und sich wenig färbenden Masse, an deren Rande sich 
die Muskulatur befindet, eine dichte Reihe von glänzenden Fibril- 
len. Von den Tentakeln her setzt sich diese Schicht einmal in die 
Körperwand fort, und dann in das Peristom, d. h. in die erwähn- 
ten Rinnen zwischen den Tentakeln, wo man die Fibrillen von einer 
Tentakelbasis zur anderen, also horizontal verlaufen sieht. In einem 
tieferen Niveau beginnt die entodermale Längsmuskulatur der Sep- 
ten. In jedem der drei ältesten Septenpaare befindet sich eine 
relativ starke, sich lebhaft färbende Stützlamelle, die auf einer Seite 
segen das Entoderm geradlinig abgegrenzt ist, auf der anderen 
Seite aber einen eben so zackigen Rand besitzt wie die Innenseite 
des Ektoderms und ebenfalls mit glänzenden Muskeldurchschnitten 
besetzt ist. Diese septalen Längsmuskeln liegen auf den von der 
dorsalen Richtungstasche und Schlundrinne abgewandten Seiten der 
septalen Stützmembranen (s. p. 296). 


Trotzdem ich in den gewöhnlichen Cereanthuslarven « septale 
Muskeln weder auf Quer- noch auf Längsdurchschnitten zu erkennen 
vermochte, ist doch an der aktiven Bewegungsfähigkeit ihrer Septen 
und Filamente nicht zu zweifeln. Ich schließe dies besonders aus 
einigen Befunden an solehen Exemplaren, die nicht lange nach der 
Aufnahme einer Beute abgetödtet waren. Eine Szählige Larve hatte 
einen Copepoden halb verschlungen, so dass er mit dem Hinter- 
körper noch aus dem übermäßig erweiterten Munde hervorragte, 
während die andere Hälfte sich im Schlunde und Magen befand 


Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 315 


und dort auch schon theilweise zerfallen, aufgelöst war. Der Krebs 
füllte aber den Schlund nicht aus, sondern daneben lag eines der 
beiden Hauptfilamente (erstes Paar von Theilungssepten) in der Weise, 
dass es durch die ganze Breite des Schlundes sich mit konvexer 
Krümmung in den Krebs hineingedrückt hatte. Dieselbe Lage hatte 
es auch noch im Magen. Die zweite Magenfalte desselben Paares 
war von dort an, wo ihre Verdickung gegen den Rand hin beginnt, 
scharf gegen die Körperwand umgebogen und durchbohrte sie, so 
dass der größte Theil des Randes mit dem Filament außerhalb der 
Larve hing (Fig. 17). In dem kleinen Loch der Durchbohrung war 
das Organ zu einem dünnen Stiel zusammengedrückt. 

Ich kann mir nun nicht denken, dass die beiden Magenfalten 
und Filamente in die beschriebene Lage rein passiv hineingerathen 
sind, und nehme vielmehr an, dass während des Ergreifens und 
Schluckens der Beute, wobei die Hauptaktion den Tentakeln und 
der Körperwand zufällt, auch die zwei großen Magenfalten mit ihren 
Filamenten in lebhafte Bewegungen geriethen, worauf die eine sich 
in den Schlund und zugleich in den Krebs hineinzwängte und die 
andere genau so wie die Acontien der Aktinien nach außen ge- 
schleudert wurde. Die Bedeutung dieses letzteren Vorganges dürfte 
keine andere sein als bei den erwachsenen Aktinien: es ist eine 
mehr oder weniger spontane Reaktion auf starke äußere Reize, 
wobei jedoch die Durchbohrung selbst noch einer Aufklärung be- 
darf, da mir von ständigen Cincliden bei Cereanthus nichts bekannt 
ist und die kleine Öffnung während der Durchbohrung bedeutend 
srößer gewesen sein muss. Die Bewegung der anderen Magenfalte 
ist eben so wenig eine ziellose. Denn durch ihre Anlagerung an 
die abgestorbene und zerfallende Beute wird der eigentliche Er- 
nährungsakt, die Überführung kleiner Brocken in das Epithel, sehr 
befördert. Dies ersehe ich aus den folgenden Beobachtungen. 

An allen mit zerfallender Beute oder mit Nahrungsresten ge- 
füllten Larven ist das Entoderm von dunklen, sich lebhaft färbenden 
Broeken durchsetzt, die durch ihr homogenes Aussehen, ihre ganz 
unregelmäßige Größe und Gestalt vollkommen mit dem im Magen 
befindlichen Detritus übereinstimmen und eben die aufgenommene 
in Verdauung begriffene Nahrung darstellen. Ich finde diese Ein- 
schlüsse an den verschiedensten Stellen des Entoderms, auch in den 
Tentakeln, aber nirgends in so reichem Maße wie in dem entoder- 
malen Randpolster der großen Magenfalten, das in der angegebenen 
Weise mit der Beute in Berührung kommt. Es dürfte also dieses 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 21 


316 A. Goette, 


Randpolster in erster Linie dazu bestimmt sein, die Aufnahme der 
Nahrung mitten im Magen und im Schlunde, von wo sie leicht hin- 
ausgespült werden könnte, zu sichern; das Ektoderm der Filamente 
und des Schlundes betheiligt sich an dieser Nahrungsaufnahme nicht, 
wie dies schon WILLEM (56) angegeben hat. 


il. Die Entwickelung von Cereactis aurantiaca und anderen Aktinien. 


Mein Material umfasste die Entwicklungsstufen der Cereactis 
aurantiaca von der Keimschichtung an bis zum Ende des Szähligen 
Stadiums, ferner S—24zählige Larven von Heliactis bellis und 
Bunodes gemmacea, endlich eine Anzahl älterer Larven einer un- 
bestimmten Aktinie von Corfu. Die Cereactis und Heliactis erhielt 
ich aus Neapel, Bunodes aus Rovigno; diese Embryonen und Larven 
wurden sämmtlich den Mutterthieren entnommen. Die Larven von 
Corfu fand ich frei im Wasser. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, 
stellte ich meine Beobachtungen hauptsächlich an Cereactis an; die 
übrigen Aktinien ergänzten sie bloß in den späteren Stadien. 


1. Die Gastrula. 


Die jüngsten meiner ÜCereactis-Embryonen befanden sich im 
Stadium einer einfachen Sterrogastrula, die sich aber äußerlich durch 
kein einziges sicheres Merkmal orientiren ließ. Bei dem Mangel 
eines offenen oder sonst kenntlichen Prostoma hätte nur noch die 
Gestalt über die beiden Pole der Gastrula (Scheitel-, Prostomialpol) 
orientiren können. Aber abgesehen davon, dass unsere Embryonen 
häufig kugelig sind, fällt in den übrigen ovalen Individuen die Haupt- 
achse der Gastrula, die jene beiden Pole verbindet, nicht etwa stets 
mit dem längsten Durchmesser des Ovals, sondern eben so oft mit 
irgend einem queren Durchmesser desselben zusammen, so dass die 
äußere Gestalt über die einzuhaltende Schnittrichtung keine sichere 
Auskunft giebt. Erst an den Durchschnittsserien solcher Gastrulae 
kann man eine Polarität der letzteren daran erkennen, dass die 
Keimschichten an zwei einander entgegengesetzten Seiten verschieden 
sind, die sich in der Folge als die apicale oder aborale und die 


prostomiale oder orale herausstellen. Indem ich nun die Embryonen, 


so weit es anging, stets rechtwinkelig zum längsten Durchmesser 
zerlegte, erhielt ich neben etwas schrägen und queren Durchschnitten 
der Gastrula auch solche, die mehr oder weniger genau parallel zu 
ihrer Hauptachse ‘verliefen, also ihre beiden verschiedenen Pole 
gleichzeitig trafen. 


Einiges über die Entwiekelung der Seyphopolypen. 311 


Auf solehen Durehschnitten unterscheidet man drei verschiedene 
Gewebe: das Ektoderm, das Entoderm und den Nahrungsdotter. Das 
‚Ektoderm ist von der zweiten Keimschicht scharf gesondert, an der 
oralen Seite verdickt und gegenüber ein dünnes Plattenepithel (Fig. 29). 
Die Sonderung des Entoderms vom Nahrungsdotter war ebenfalls 
überall kenntlich, aber noch nicht bis zu der scharfen Trennung 
durchgeführt wie zwischen den beiden epithelialen Schichten, wie 
denn überhaupt die Entwickelung der primären Keimschichten nicht 
selten über die Gastrulationsperiode hinausgeht. Immerhin wird sie 
am natürlichsten hier abzuhandeln sein. 

Der indifferenteste, also auch ursprünglichste Zustand des Ekto- 
derms unserer Embryonen findet sich in den dünnsten Stellen der 
äquatorialen und der aboralen Region. Die Zellen dieses Platten- 
‚epithels erscheinen, von der Fläche (in Tangentialschnitten) gesehen, 
polygonal rundlich, mit einer dichten Zone von Dotterkörnern um 
den Kern (Fig. 30); im senkrechten Durchschnitt zeigen sie in Folge 
der Verdünnung gegen den Rand hin die bekannte Spindelform 
(Fig. 31e#’). Im Übergange zu der oralen Hälfte werden die Ekto- 
dermzellen dieker auf Kosten ihrer Breite, und bis zum Umkreis des 
Mundpols schreitet diese Formveränderung so weit fort, dass sie dort 
zu Cylinderzellen geworden sind (Fig. 31, 32). Damit geht die Auf- 
lösung und der Schwund der Dottersubstanz und eime Art von 
Vaecuolisirung der Zellen Hand in Hand. In den Vacuolen, die nach 
innen bis zur Grundfläche der Zellen reichen, nach außen aber und 
oft auch seitlich eine deutliche Rindenschicht des Protoplasma frei 
lassen, liegen häufig dieselben großen Kerne wie in den Plattenzellen; 
zwischen den Vacuolen und in der Außenrinde befinden sich in 
‚großer Zahl kleine, sich lebhaft färbende Kerne (Fig. 31y). Später 
sieht man diese Kerne in dünnen Zellen liegen, die sich durch die 
ganze Dicke des Ektoderms erstrecken und die Vacuolen mit ihren 
großen runden Kernen zusammenpressen (Fig. 32). Auch an den 
ältesten Szähligen Cereactislarven habe ich ein wesentlich anderes 
Bild des Ektoderms nicht gesehen; über die Entstehung der kleinen 
Kerne und ihrer Zellen gelang es mir aber nirgends völlige Klarheit 
zu gewinnen. 

Im weiteren Verlauf der Entwickelung breitet sich die eben be- 
schriebene Umbildung des ursprünglichen Ektoderms bis zum aboralen 
Pol aus, doch so, dass um den Mundpol stets eine verdickte Zone 
- bestehen bleibt (Fig. 33 u. f.) und andererseits am aboralen Pol 
sich ebenfalls eine kleine hügelförmige Ektodermverdickung ent- 

21* 


318 A. Goette, 


wickelt. Nach dem von mir allein benutzten konservirten Material 
zu urtheilen, entsteht das Wimperkleid dieser Embryonen an den 
metamorphosirten Zellen ihrer oralen Hälfte, bevor die aborale Hälfte 
dieselbe Verwandlung erfahren hat; dieser Zustand einer mehr oder 
weniger halbseitigen Bewimperung dauert aber nicht lange. 

Das Entoderm tritt ebenfalls als ein dünnes Plattenepithel auf, 
dessen Zellen sich darauf verdieken und zusammenschieben, um zu- 
letzt in ein Cylinderepithel überzugehen (Fig. 31, 32). Dieses ver- 
diekt sich an denselben Stellen wie das Ektoderm zu einer stärkeren 
oralen und aboralen Platte und dehnt sich im weiteren Verlauf der 
Entwickelung so sehr aus, dass es sich in zahlreiche radiär gestellte 
Falten legt (Fig. 61, 73—75). Neben den großen Kernen des ur- 
sprünglichen Plattenepithels entwickeln sich im Entoderm eben so wie 
im Ektoderm zahlreiche kleine, durchweg chromatische Kerne (Fig. 32). 
Das Entoderm ist vom Ektoderm Anfangs nur durch einen spalt- 
förmigen Zwischenraum getrennt; an seine Stelle tritt aber noch 
während des Gastrulastadiums die feste, sich intensiv färbende Stütz- 
lamelle. 

Die von dem eben beschriebenen Darmblatt umschlossene cen- 
trale Masse des primären Entoderms besteht schon in den jüngsten 
von mir untersuchten Embryonen aus einem Syneytium mit den mehr- 
fach erwähnten großen Kernen und schließt sich dem zweiten Keim- 
blatt eng an (Fig. 31). In einzelnen Fällen sah ich aber dieses 
Syneytium in der Tiefe des Urdarmes in eine Masse von getrennten 
kugeligen Embryonalzellen übergehen; und da die nächstfolgende 
Metamorphose dieses ganzen Nahrungsdotters darin besteht, dass 
er sich unter Ablösung vom epithelialen Entoderm in eine flockige 
Masse verwandelt, in der die Kerne verschwinden, so ist das Syn- 
eytium nur der Übergang von den vollkommenen Embryonalzellen 
zu jener späteren Detritusmasse. 


Diese Beobachtungen lassen sich mit den Angaben H. WıLson’s 
über die Keimbildung der Koralle Manicina areolata (57) nicht wohl 
vereinigen. Dort entsteht ein im ganzen Umfange des Embryo 
gleich hohes Cylinderepithel, das unzweifelhaft das Ektoderm dar- 
stellt, aber noch bis nach der Einstülpung des Schlundes mit der 
inneren Keimmasse, einem Syneytium, das Entoderm und Nahrungs- 
dotter ungesondert enthält, kontinuirlich zusammenhängt. Erst nach- 
träglich löst sich das Ektoderm vom Syneytium ab, worauf die ober- 
flächliche Schicht des letzteren sich als Entoderm absondert. Eine 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 319 


solche den ganzen Embryo umfassende Syneytiumbildung ist zum 
mindesten sehr auffällig; auch kommt sie nach McMurrıc# (47) bei 
Rhodaectis st. thomae nicht vor. 


2. Die Entwickelung des Schlundes, der ersten Magentaschen 
und Magenfalten. 


Die ersten Anzeichen der Schlundbildung sehe ich schon an 
der Gastrula. Das Centrum der oralen Ektodermplatte verdünnt sich, 
so dass die Oberfläche dort ein wenig einsinkt; die Zellen am Rande 
dieser Delle neigen sich diesen letzteren zu, wie es auch gleich 
darauf nach der wirklichen Einstülpung des Ektoderms zu sehen ist. 
In der Durchschnittsserie Fig. 33—38 sind eigentlich alle Stufen 
dieser Einstülpung und ihres Durchbruchs in den Urdarm zu sehen, 
da dieser Durchbruch nur an einer Stelle der Einsenkung vollzogen, 
daneben aber erst vorbereitet ist. Diese ist so flach, dass sie das 
darunter liegende verdiekte Entoderm kaum merklich zurückdrängt, 
aber keinesfalls wirklich einbuchtet (Fig. 33); ihr Boden breitet sich 
vielmehr seitlich mit zugeschärftem Rand über das Entoderm aus, wor- 
auf beide an einander gepresste Epithelien mit einander verschmelzen 
(Fig. 34). Der Durchbruch dieser Schlundeinstülpung erfolgt in der 
Weise, dass die Mitte der verschmolzenen Partie sich in einen Zellen- 
brei gleich dem Nahrungsdotter auflöst, um darauf zu verschwinden; 
die im Umkreise dieses Durchbruchs verschmolzenen Ränder des 
Schlundektoderms und des Entoderms bleiben aber intakt und bilden 
eine verdickte Ringfalte (Fig. 35). Die von ihr umschlossene Öffnung 
ist Anfangs ziemlich weit und annähernd kreisförmig (Fig. 55), ver- 
engt sich aber sehr bald zu einer äußerlich nicht mehr wahrnehm- 
baren Spalte (Fig. 49, 54). 

Die Verschmelzung beider Keimschichten in der Ringfalte ist 
derart, dass ihre Ränder unmittelbar in einander übergehen, eine 
glatt fortlaufende Epithelschicht bilden; eine scharfe gewebliche 
Grenze zwischen ihnen konnte ich nicht wahrnehmen, sondern nur 
einen solchen kurzen Übergang, wie er in allen solchen Fällen bei 
anderen Thieren bekannt ist. In der Folge rückt das Ektoderm 
über die Ringfalte hinaus vor, indem es an die Stelle des von ihm 
zurückweichenden, dem Außenektoderm anliegenden »parietalen« 
Entoderms tritt; keineswegs wächst es aber von der Ringfalte aus 
gleich als ein frei in den Darmraum hineinragender Cylinder aus. 
Vielmehr greift nach der ersten Anlage des Schlundes in Form der 


0 A. Goette, 


beschriebenen Ringfalte die Thätigkeit des Entoderms in seine weitere 
Bildung ein. 

- 8o weit ich ehe geht der Durchbruch der Schlundeinstülpung 
bei Oereactis in der Hegel den besonderen peripharyngealen Bildungen 
voraus, die aber gleich darauf beginnen!. Sie bestehen aus den 
sackförmigen, radiär und aufwärts gerichteten Magentaschen, den 
sie abwärts fortsetzenden offenen Magenrinnen, den die Taschen 
trennenden Septen und endlich den die Magenrinnen seitlich be- 
srenzenden Magenfalten. Die ersten Anlagen dieser Theile sollen 
hier an einer Serie von Längsdurchschnitten illustrirt werden, die der 
künftigen Richtungsebene? parallel ausgeführt waren (Fig. 39—43). 
In den mittelsten Schnitten (Richtungsebene) zeigt sich der Schlund 
noch genau so, wie er schon beschrieben wurde: sein Epithel schlägt 
sich von der Ringfalte ganz glatt in das parietale Entoderm um, das 
aber in einigem Abstand vom Faltenrand etwas wulstig verdickt 
erscheint (Fig. 41). Die fraglichen Anlagen zeigen sich erst in den 
Schnitten, die sich beiderseits an jene mittleren Schnitte anschließen; 
sie verlaufen also rechiwinkelig zur Richtungsebene. Der Schnitt 
Fig. 40 geht tangential durch die Ringfalte, die seitwärts in die er- 
wähnte, hier noch quer getroffene Anschwellung des parietalen Ento- 
derms übergeht. Jenseits der Ringfalte fallen die Durchschnitte 
tangential durch diese Anschwellung und durch eine meridionale Fort- 
setzung derselben in Form einer unregelmäßig verdiekten Platte 
(Fig. 39). Über ihren beiden Seitenrändern wächst die Stützlamelle 
zu einer niedrigen, im Durchschnitt dreieckigen meridionalen Leiste 
aus, die das Entoderm zu einer eben kenntlichen und in derselben 
Richtung verlaufenden Falte erhebt. Unzweifelhaft sind dies die 
Anlagen von zwei Magenfalten, zwischen denen aber eine Magen- 
rinne kaum angedeutet ist, da das Entoderm dort unregelmäßig auf- 
sewulstet ist. Auf der gegenüberliegenden Körperseite befindet sich 
ein ebensolches Faltenpaar (Fig. 43); die zwischen ihnen liegende 
Entodermplatte läuft aber nicht glatt in die Ringfalte aus, sondern 
entsendet einen soliden zungenförmigen Fortsatz zwischen ihre eigene 
Fortsetzung zur Ringfalte und das Außenektoderm, wie es außer 
Fig. 42 der aus den Sagittaldurchschnitten konstruirte Durchschnitt 
in einer Ebene rechtwinkelig zur Richtungsebene (Fig. 44) zeigt. 


! Nur ein einziges Mal traf ich die ersten peripharyngealen Entodermbil- 
dungen an einem Embryo, an dem eine kenntliche Schlundeinstülpung noch 
nicht erfolgt war (Fig. 45). 

2 Über diese Orientirung s. w. u. 


%5 
RK 

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a 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 391 


Dieser Fortsatz ist die solide Anlage einer Magentasche, die 
sich später vom Darmraum her aushöhlt; und der Ausgangspunkt dieser 
Taschenbildung ist eben jener verdickte Entodermstreif zwischen den 
beiden Magenfalten, der später in Folge der Erhebung der letzteren 
zu einer Magenrinne einsinkt. Es ist daher nicht zu verkennen, 
dass diese Taschenbildung von Cereactis genau so verläuft, wie die 
nach v. BENEDEN geschilderte Bildung der Richtungstaschen von 
Cereanthus. Aber auch die Folgen dieses Vorgangs sind in beiden 
Fällen dieselben. Bei Cereanthus wie Cereactis wird durch die ge- 
nannte Taschenbildung der Schlund vom Außenektoderm abgehoben 
und in eine centrale Lage gerückt. Ein Unterschied besteht nur in 
der Gestalt des Schlundes, in Folge der verschiedenen mit einander 
verglichenen Altersstufen. In den 4zähligen Cereanthus-Larven ver- 
läuft er von seiner äußeren Öffnung oder dem Mund bis zu seinem 
unteren Rande oder der Schlundpforte schlauchförmig und gerade 
abwärts, auch in der Richtungsebene, wo er noch dem Außenekto- 
derm anliegt (Textfig. 3); bei den beschriebenen Cereactis-Embryonen 
mit einer Magentasche besteht er dagegen erst aus einer Ringfalte 
und ihrem Umschlag in das parietale Entoderm in Form eines flachen 
Ringes (Fig. 44), dessen unterer äußerer Rand von allen Seiten so 
nach innen zusammengeschoben werden muss, wie an der ersten 
Magentasche, um zur, wirklichen Schlundpforte eines schlauchförmi- 
sen centralen Schlundes zu werden. Übrigens muss ich nach dem 
Aussehen der Zellen der Ringfalte und ihrer nächsten Fortsetzung 
es bezweifeln, dass das Ektoderm schon in diesem frühen Entwicke- 
lungsstadium bis zur Innengrenze des künftigen Schlundes, d. h. bis 
zu der Stelle reicht, wo er in die Magentaschen umbiegt oder um- 
biegen wird. Vielmehr scheint es langsamer vorzudringen und das 
Entoderm zu verdrängen als die Grenzen des Schlundes abge- 
steckt werden. Dadurch wird bestätigt, was schon aus den bisher 
aufgeführten Thatsachen hervorgeht, dass das fertige Schlundrohr 
weder nach seiner Gestalt noch nach seiner Lage eine selbständige, 
ursprüngliche Bildung ist, sondern beides erst durch die Thätigkeit 
der Magentaschen erhält. Dies ist bei Cereactis um so evidenter, 
als der in Rede stehende Process dort oft einseitig beginnt und erst 
allmählich sich auf den ganzen Umkreis des Schlundes ausdehnt 
(s. w. u.). | 

Die einseitige erste Taschenanlage lässt noch eine andere That- 
sache deutlich hervortreten — den ursprünglichen Mangel der Sep- 
ten: die scharfen Seitenkanten der Tasche und das Fehlen einer 


322 A. Goette, 


anstoßenden ähnlichen Anlage schließen die Möglichkeit einer Septen- 
bildung ganz aus (Fig. 42). An den ersten, ganz selbständig ent- 
wickelten (primären) Magentaschen entstehen die Septen erst nach- 
träglich, und daher hören Anfangs die Magenfalten, wenn sie 
‚überhaupt schon hervortreten, am Eingange der Taschen ohne jede 
Fortsetzung auf, sowie sie andererseits in entgegengesetzter Richtung 
nach kurzem Verlauf verschwinden. Doch befand sich in dem Em- 
bryo Fig. 39—43 in demselben Meridian wie eine jener Falten, nur 
durch einen Abstand von ca. 25 Schnitten von ihrem Ende entfernt, 
eine Entodermfalte mit einer blattartig dünnen Stützlamelle, die sich 
bis gegen den aboralen Pol hinzog. Trotz der ganz unzweifelhaften 
Trennung gehören natürlich beide Falten zusammen und stellen 
durchaus keine seltene Abnormität dar; denn ich habe solehe Unter- 
brechungen noch mehrfach an anderen, selbst älteren Embryonen und 
Larven angetroffen. 

Zur weiteren Erläuterung und Ergänzung dieser Beschreibung 
schließe ich diejenige einiger Querschnitte eines unerheblich älteren 
Embryo an (Fig. 55—61). In Fig. 56, einem Durchschnitt ungefähr 
in halber Höhe des Schlundes, sieht man seine kreisrunde Lichtung 
von den radiär gestellten Zellen seines ektodermalen Epithels um- 
geben, an die sich in etwa ?/, des Umfangs die indifferenteren 
Zellen des parietalen Entoderms, der glatten Fortsetzung jenes Ekto- 
derms anschließen. In dem übrigen !/, des Umfangs ist das parie- 
tale Entoderm durch eine scharf gezeichnete Stützlamelle in Gestalt 
eines Kreisabschnittes von dem ektodermalen Schlundepithel und 
dem übrigen Entoderm getrennt. Dieser Abschnitt ist, wie die 
folgenden Schnitte beweisen, eine solide Magentaschenanlage wie die 
vorhin geschilderte. In einem etwas tieferen Durchschnitt desselben 
Embryo (Fig. 57) ist die Stützlamelle in der Mitte unterbrochen, weil 
der Schnitt dort den Rand der Schlundpforte traf, wo das Schlund- 
epithel sich in die Magentasche umschlägt. Zugleich zeigt sich an 
einer Seite der letzteren eine zweite Magentasche, deren Stützlamelle 
an dem einen Ende nicht ganz bis zum Außenektoderm durchgeht; 
diese Taschenanlage ist also nicht ganz vollständig, indem sie auf 
einer Seite noch ununterbrochen in das übrige Entoderm übergeht. 
Da die beiden Magentaschen sich nur mit scharfen Kanten berühren, 
kann von einem Septum zwischen ihnen nicht die Rede sein. Von 
diesem Grenzpunkt setzt sich die ektodermale Stützlamelle daher un- 
mittelbar in die beiden den Schlund begrenzenden und winklig 
divergirenden Stützlamellen fort. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 338% 


Wenn man nun auch für die erste höher gelegene Magentasche 
annehmen darf, dass sie wie in dem ersten Embryo bis an die 
Rinsfalte heranreicht, so hört doch die zweite Magentasche etwas 
tiefer auf, d. h. das Epithel der Ringfalte schlägt sich darüber zu- 
erst ganz an das Außenektoderm um (Fig. 56), und wird erst nach 
einer kleinen Strecke von ihm abgehoben (Fig. 57), eine Erscheinung, 
die natürlich nur an Längsdurchschnitten sich in voller Deutlichkeit 
zeigen kann (8. u.). 

In den noch tieferen Durchschnitten (Fig. 58 ff.) zeigt sich schon 
der Übergang beider Magentaschen unterhalb der Schlundpforte in 
die entsprechenden Magenrinnen, und zugleich auf der noch freien 
Seite der ersten Magenrinne eine dritte derartige Bildung, die aber 
gleich der zweiten Magenrinne noch unvollständig ist, da sie nur 
einseitig von einer Magenfalte eingefasst ist (Fig. 53 rechts). Bei 
jenem Übergang öffnet sich jedoch die Scheidewand zwischen Schlund 
und Magentasche nur je in der Mitte, während über den Seiten der 
Rinnen Reste der Scheidewand sich noch weiter hinabziehen. Diese 
an der Grenze zweier Rinnen zusammenstoßenden Reste bilden mit 
den V-förmig divergirenden Stützlamellen in ihrem Inneren je eine 
zweiflügelige Falte, die aber mit der einfachen Magenfalte, in die 
sie tiefer unten ausläuft, nicht ohne Weiteres identisch ist. Denn 
die beiden Flügel mit der V-förmigen Stützlamelle, d. h. die unmittel- 
bare Fortsetzung der Schlundwand und zugleich die Anlage der 
ersten Filamente nehmen abwärts sehr bald ab und verschwin- 
den zuletzt vollständig, während in demselben Maße durch die Ver- 
diekung der Rinnenränder unter jenen Filamenten eine einfache 
radiäre Stützlamelle mit einer Entodermduplikatur hervorwächst, was 
eben zuletzt als die eigentliche Magenfalte zurückbleibt. In dieser 
Gestalt erstrecken sich beide Falten bis in die Nähe des aboralen 
Pols. 

Dieses Verhältnis der einfachen Falten zu den vom Schlunde 
hinabziehenden zweiflügeligen Filamenten — dasselbe, was ich bei 
Cereanthus als den halbseitigen Boden der vier ersten Magentaschen 
beschrieb (s. p. 299, Fig. 11) — wird besonders gut illustrirt durch 
eine Querschnittserie eines anderen Embryo, wo zwei benachbarte 
Magentaschen und deren Rinnen so weit aus einander stehen, dass 
auch die bezeichneten Flügel erst nach einem kurzen getrennten 
Verlauf zusammenstoßen, eine gemeinsame Basis erhalten und dann 
verschwinden, während die letztere als die einfache Falte zurück- 
bleibt (Textfig. 7). 


324 A. Goette, 


Eine andere Querschnittreihe von einem Embryo desselben Alters 
wie der vorige bestätigt und ergänzt die obigen Befunde. In diesem 
Embryo (Fig. 62—68) sind zwei solide aber wohlabgegrenzte Magen- 
taschen vorhanden, die in verschiedenem Niveau einander schräg 
gegenüber liegen. Die tiefere von ihnen (Fig. 64, 65) liegt noch 
vollständig im Bereich des glatten parietalen Entoderms; aber auch 
die höher befindliche Tasche reicht noch nicht 
bis in den Grund der Ringfalte, so dass die 
Bildung der centralen Schlundröhre beider- 
seits von unten her erfolgt. An den oberen 
Enden beider Taschen sind Septen noch nicht 
vorhanden (Fig. 62—64); an ihren unteren 
Grenzen, wo sich beide Taschen merklich ver- 
dicken und neben ihnen sich magenrinnenähn- 
ER liche Buchten entwickelt haben (Fig. 63, 65), 

uf da bestehen auch schon Septen, trotzdem der 
Schlund noch nicht fertiggestellt ist. In Fort- 
an setzung dieser Septen zeigen sich daher 
iu, NS am Tascheneingang ausgesprochene radiäre 
Textfie. 7. Magenfalten, theils mit, theils ohne die 
ie schrägen Flügel. Die beiden schräg gegen- 
(ng) und Magenrinnen (mr) mit überliegenden Flügelfalten (As, As’) gehen in 
= Be der Nähe des aboralen Pols bogenförmig in 
einander über (Fig. 68), und trennen daher, 
wie aus den Abbildungen hervorgeht, die rinnenförmigen Fortsetzungen 
beider Taschen (mi u. mt’), die folglich als korrespondirende nicht gelten 
können. Die einfache zweite Falte der Rinne mt verschwindet nach 
kurzem Verlauf; an der Rinne m? ist eine solche zweite Falte noch 
gar nicht entwickelt, weil die zugehörige Tasche sich unregelmäßig 
seitlich öffnet, so dass auch. ihre ganze Innenwand in den langen 
Flügel der einzigen Falte übergeht (Fig. 65, 66). 

Endlich sind hier noch die Längsdurchschnitte Fig. 46—53 — 
parallel zur Richtungsebene wie Fig. 39—43 — eines älteren Em- 
bryo zu erläutern, der trotz der bedeutenden Zunahme der Magen- 
taschen, die den Schlund bereits allseitig umschließen, die Bildung 
des letzteren noch in einem Vorbereitungsstadium zeigt. Denn das 
Schlundepithel legt sich noch im ganzen Umkreise vom Munde aus 
an das Außenektoderm um, wie gleich nach dem Durchbruch der 
Schlundeinstülpung, und erst jenseits dieses Umschlags drängen die 
Magentaschen die weitere Fortsetzung des Schlundepithels nach . 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 395 


innen und unten, bis es an der Schlundpforte in die Tasche umbiest. 
Dies lässt sich nieht nur an den mittelsten Durchschnitten (Rich- 
tungsebene) vollständig übersehen (Fig. 49), sondern auch an den 
von der Richtungsebene sich entfernenden Schnitten successiv fest- 
stellen, indem diesseits und jenseits des Mundes nicht gleich die 
Querdurehschnitte der beiden rechtwinkelig zur Richtungsebene ver- 
laufenden Taschen folgen, sondern vorher der beschriebene Umschlag 
siehtbar wird. Die vier Magenfalten, die von diesen beiden Taschen 
ausgehen, und deren Fortsetzungen die Magenrinnen einfassen, sind 
übrigens ebenfalls noch ungleich wie in den jüngeren Embryonen. 
Ein beiderseits korrespondirendes Paar ist stärker entwickelt, so 
dass es an die Schlundwand in ihrer ganzen Höhe bis zur Schlund- 
pforte hinab anstößt und in Folge dessen auch ein Filament von 
der Sehlundpforte mit sich hinabzieht (Fig. 46, 52, 53 As); das an- 
dere Faltenpaar (d/) erreicht aber diese letztere, und das bis dorthin 
vorgerückte Schlundektoderm noch nicht, sondern nur die obere 
Sehlundpartie. In derselben Schnittserie sind noch einige unvoll- 
ständige Falten (mf) sichtbar, die schräg zur Richtungsebene liegen. 

Diese Befunde bestätigen in präciser Weise, was schon aus den 
vorhin besprochenen Querdurchschnitten entnommen werden konnte, 
dass nämlich das Schlundektoderm, wenn es auch selbstthätig und 
ringförmig geschlossen ins Innere des Embryo einwächst, dabei 
keineswegs eine selbständige Formbildung verfolgt. Wo und so weit 
Ihm noch keine Magentaschen entgegen- 
‚treten, da gleitet es, ähnlich wie bei 
der Schlundbildung anderer Thiere, ein- 
fach im Niveau des mit ihm zusam- 
menhängenden parietalen Entoderms 
hin!, und erst die heranwachsenden 
Magentaschen biegen es nach unten 
und innen um. Erscheinen sie früh 
und dieht an der Ringfalte, so ent- Textfig. 8. 
fernt sich auch das Schlundektoderm  keselförmige, s', ringförmige Schlund- 
sofort nach der Einstülpung von dem NE | 


Außenektoderm (Fig. 42, 44); entstehen die Taschen in einiger 


| t Natürlich hängt es von der Gestalt des ganzen Embryo und namentlich 
seines oralen Endes ab, ob das Schlundektoderm dabei flach ringförmig oder 
in der Form eines Kegelmantels auswächst (Textfig. 8). Wesentlich ist nur, 
dass es bis zur Erscheinung der Magentaschen in der gleichen Flucht mit dem 
parietalen Entoderm dem Außenektoderm anliegt. 


326 A. Goette, 


Entfernung vom Munde, so zeigt es eben die stufenförmige Verbin- 
dung des parietalen und des nach innen abgebogenen Verlaufs 
(Fig. 49). Dieser letztere Zustand des Schlundektoderms wird in die 
‘glatte Schlundröhre dadurch übergeführt, dass die Magentaschen bis 
in den Grund der Ringfalte vorrücken und dabei die stufenförmige 
Ausbiegung des Epithels ausgleichen (Fig. 54). Sobald dies geschehen 
ist, zeigt die Schlundröhre einen stark umgebogenen unteren Rand 
(Schlundpforte); dies bedeutet einerseits unzweifelhaft das fortdauernde 
Vorrücken des Schlundektoderms, andererseits aber nicht minder, 
dass es dabei eben so wie früher dem vom Entoderm vorgeschriebenen 
Wege folgt. 

Die Schlundbildung unserer Aktinien erreicht ihren Abschluss 
natürlich erst dann, wenn der Schlund allseitig von den Magen- 
taschen umgeben ist, d. h. wenn in den Zwischenräumen, die die 
ersten Taschen trennen, und wo das Schlundektoderm noch dem 
Außenektoderm anliegt, sich ebenfalls solche Taschen eingeschoben 
haben und alle sich unter einander berühren. Erst durch diese An- 
einanderlagerung der Taschen entstehen aus ihren zusammenstoßen- 
den Seitenwänden echte Septen, die vorher an den isolirt erscheinen- 
den Taschen gar nicht vorhanden sein konnten. Bevor ich mich 
aber über die Zahl und die Reihenfolge dieser Septen und ihrer die 
Schlundbildung veranlassenden Taschen auslasse, sollen die bisher 
erzielten Ergebnisse noch in einigen Richtungen etwas näher be- 
leuchtet werden. 

Sobald der Schlund in der angegebenen Weise fertiggestellt und 
der Kreis der ihn umgebenden Taschen geschlossen ist, kann von 
einer Fortsetzung derselben Taschenbildung nicht mehr die Rede 
sein; eine Vermehrung der Taschen kann dann nur noch durch 
Theilungen der schon vorhandenen durch frei aus dem parietalen 
Entoderm hervorwachsende Falten stattfinden, wobei die neuen 
Taschen mit der Schlundbildung nichts mehr zu thun haben. Damit 
ändert sich natürlich die genetische Bedeutung der Taschenbildung 
so wesentlich, dass man die zweierlei Arten derselben genau aus 
einander halten muss. Die an der Schlundbildung betheiligten 
älteren Magentaschen von Cereactis nenne ich, wie bei Cereanthus, 
die primären; sie entstehen theilweise entfernt vom Schlunde 
(vgl. Fig. 64 mt’) und gelegentlich selbst vor seiner Einstülpung (Fig. 45), 
also unabhängig von ihm und eben so unabhängig von ihren Septen, 
die erst nachträglich durch die zusammenstoßenden Taschen gebildet 
werden. Die aus Theilungen der primären Taschen hervorgehenden 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 397 


sekundären Magentaschen sind dagegen rein passive Folge- 
erscheinungen der selbständig einwachsenden Theilungssepten und 
als solehe an keinerlei Neubildungen (Schlundröhre, Septen) be- 
theiligt. 

Allerdings stehen auch die primären Taschen mit den paarigen 
Falten in Verbindung, die von beiden Seiten des Taschenostiums aus- 
sehen und in der Regel vor der Taschenbildung vorhanden sind. Aber 
da recht häufig eine dieser Falten entweder ganz fehlt (Fig. 57—60, 
64—66) oder erst in einigem Abstand von der Tasche beginnt (Fig. 45), 
so muss davon Abstand genommen werden, die Taschen als eine Art 
von Fortsetzung der aufwärts wachsenden Faltenpaare oder um- 
gekehrt anzusehen. Bei Cereanthus geht überdies die Entwickelung 
der primären Richtungstaschen derjenigen der Richtungsfalten voraus, 
so dass dabei eine Abhängigkeit der Taschen von den Falten, wie 
bei der sekundären Taschenbildung, gar nicht in Frage kommt. Auf 
der anderen Seite ist aber doch eine gewisse genetische Beziehung 
zwischen beiden Theilen nicht zu verkennen. Die Falten der primären 
Taschen entwickeln sich erstens stets in denselben Meridianen wie 
deren Seitenränder oder die künftigen Septen, so dass beide Theile, 
Falten und Septen, später eben so einheitlich erscheinen wie die 
sekundären Bildungen derselben Art, nämlich die Theilungsfalten, 
die unterhalb des Schlundes freie Falten bleiben, neben ihm aber 
zu Septen werden. Wenn ferner eine primäre Tasche auf einer Seite 
in der Entwiekelung zurückgeblieben ist, unvollständig erscheint, so 
wiederholt sich dies regelmäßig an der zugehörigen Falte. Dieser 
Zusammenhang ihrer Lagebeziehungen und ihres Wachsthums weist 
auf eine gemeinsame Grundursache hin, die ich in der wenigstens 
im Anfanse unverkennbaren und durch die analogen Erscheinungen 
bei Cereanthus bestätigten meridionalen Entodermplatte finde, die 
zwischen beiden Falten liegt (Fig. 39, 42). Denn indem schon die 
Verdickung dieses Entodermstreifens auf ein verstärktes Wachsthum 
hindeutet, so versteht es sich, dass das letztere an beiden Seiten- 
rändern die meridionalen Falten, am oberen Ende den zungen- 
förmigen Fortsatz erzeugt, der zur Tasche wird, so dass beiderlei 
Theile, trotz der gemeinsamen Bildungsursache dennoch unabhängig 
von einander entstehen und auf der anderen Seite doch wieder ge- 
meinsam in der Entwickelung zurückbleiben, wenn jenes Wachsthum 
Sich zuerst einseitig äußert. Weiter folgt daraus, dass die primäre 
Tasche unter allen Umständen eine einfache einheitliche Bildung ist, 
und dass die angeschlossenen zwei Falten, als die beiden Ränder 


328 5 A. Goette, 


einer und derselben Platte, ein genetisch zusammengehörendes Paar 
darstellen, auch wenn sie nach einander auftreten. 


3. Die Reihenfolge der Magentaschen und -falten bis zum 
achtzähligen Stadium. 


Die Abgrenzung einer solchen Periode bis zum vollendeten 
Szähligen Stadium ist ganz natürlich, da das letztere in der Regel 
einen gewissen Ruhepunkt in der Entwickelung der Aktinien und 
Steinkorallen darstellt. Nach der bisherigen Übung wird die Reihen- 
folge der Strahlgliederung in dieser Periode durch die Bezeichnung 
eines 1. bis 4. Paares von Septen oder Falten angegeben. Wie 
aber schon aus den voranstehenden Beobachtungen hervorgeht, ist 
eine solche Bezeichnung in mehrfacher Hinsicht nicht angebracht; ich 
wähle daher für die Beschreibung solche Namen aller peripharyn- 
gealen Bildungen, die sich aus der bekannten Orientirung der Szähligen 
Larven ergeben. Dort bestehen neben den diametral entgegen- 
gesetzten zwei Richtungstaschen — eine dorsale und eine ventrale 
— 3 Paare seitlicher Taschen, die ich als Mitteltaschen, als dorso- 
laterale und ventrolaterale Taschen unterscheide (s. Textfig. 18). 
Die Riehtungssepten bilden ein dorsales und ein ventrales Paar; 
von den vier seitlichen Septen werden aber, wie bei den Taschen, die 
Gegenstücke paarweise zusammengefasst: das in die ventrale Körper- 
hälfte fallende Paar sind die Hauptsepten, das andere die dorso- 
lateralen Septen. Die zugehörigen Magenfalten führen, so weit 
nöthig, dieselben Namen!. Ihre Korrespondenz von einer Körper- 
seite zur anderen ist in Folge häufiger Unregelmäßigkeiten ihres 
Erscheinens und ihrer Abstände aus ihrer Lage allein nicht immer 
sicher zu erkennen. Ganz zweifellos ergiebt sie sich aber aus einem 
Merkmal, das in der Regel schon sehr früh erscheint und sich erst 
in der fertigen Szähligen Larve oder noch später verwischt und 
schwindet: die paarig korrespondirenden Falten gehen im Grunde 
des Magens bogenförmig in einander über (Textfig. 9). 

Die Unterscheidung der dorsalen und ventralen Seite stützt 
sich bekanntlich auf die Anordnung der septalen Längsmuskeln 


ı Es wurde bisher zwischen Septen und Falten wenig Unterschied ge- 
macht, weil jedes Septum für eine mit dem Schlunde nachträglich verbundene 
Falte galt. Nachdem sich aber gezeigt hat, dass die Septen der primären 
Taschen mit den Falten genetisch nichts zu thun haben, müssen diese beiderlei 
Theile, wo Verwechselungen und Missverständnisse drohen, genau aus einander 
gehalten werden. 


Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 329 


(s. 0. p. 296). Da diese aber frühestens im fertigen Szähligen Sta- 
dium, häufig erst später erscheinen, so fehlte bisher die Möglichkeit, 
jene beiden Körperseiten auch schon auf früheren Entwickelungs- 
stufen sicher zu bestimmen und danach die ganze jeweilige Glie- 
derung zu orientiren. Nach meinen Befunden giebt es aber ein 
sehr gutes Kennzeichen dafür in der besonderen Ausbildung der 
Hauptfalten, die als Fortsetzung der Hauptsepten, gleich diesen 
der ventralen Körperhälfte angehören. Sie besitzen nämlich bis 
zum Szähligen Stadium und meist noch darüber hinaus ganz allein 
an ihrer Wurzel die erwähnten zwei 
Flügel, Fortsetzungen derangrenzenden Ab- 
sehnitte des Schlundpfortenrandes. Diese 
alsbald vom Ektoderm überzogenen Flügel 
oder die Anlagen der Filamente sind bis- 
weilen unregelmäßig krausenförmig und 
oft allerdings nur oder überwiegend an 
‘einer Hauptfalte entwickelt, aber schon 
von Anfang an vorhanden; ich habe sie 
kaum einmal vollkommen vermisst. Die Textfie. 9. 
anderen Falten erhalten solche Filamente (uerdurchschnitt durch die Basis einer 
Szähligen Cereactislarve. vrs, drs, Rich- 
frühestens am Ausgange des Szähligen tungsfalten; As, Hauptfalten; dl, dorso- 
Beiums, in der: Regel noch später und !er=!e Falten; in der Mitte ist eine 
Einbuchtung der Fußplatte ange- 
zuerst gewöhnlich in einfacher Form, als schnitten. 
eylindrische Säume, so dass die Haupt- 
falten noch länger kenntlich bleiben und die Orientirung auch ohne 
die septalen Längsmuskeln ermöglichen. 

Mit Hilfe dieser Orientirung auf den verschiedenen Entwickelungs- 
stufen ist es auch leicht, die zeitliche Reihenfolge der Falten fest- 
zustellen, worauf bei der Untersuchung der Gliederung bisher allein 
Gewicht gelegt wurde, obgleich diese Feststellung in Ermangelung 
genügender Merkmale der einzelnen Falten unsicher bleiben musste. 
Die von LAcAzE-DUTHIERS (44) für Aetinia mesembrianthemum an- 
gegebene Reihenfolge: 1) Hauptfalten, 2) dorsale Richtungsfalten, 
3) ventrale Richtungsfalten, 4) dorsolaterale Falten — wurde von 
HERTwIG (32) und Wırsox (57), denen sich CERFONTAIE (15) speciell 
für Cereactis anschloss, für Hexaktinien und Korallen dahin abgeändert, 
dass 1) die Hauptfalten, 2) die dorsolateralen Falten, 3) die ventralen 
Richtungsfalten, 4) die dorsalen Richtungsfalten auf einander folgen 
‚sollten. Aber auch diese Reihenfolge ist nach meinen Beobachtungen 
an Cereactis nieht ganz richtig, indem die dorsalen Richtungsfalten 


330 A. Goette, 


den ventralen vorausgehen. Indessen erleidet diese Regel häufige 
Ausnahmen, sei es, dass die Paare 1 und 2 nicht nach einander, 
sondern gleichzeitig auftreten (Fig. 39—43), oder dass umgekehrt die 
beiden Stücke jedes der vier Paare statt gleichzeitig zu entstehen 
auf einander folgen. Einen Wechsel in der von mir angegebenen 
Zeitfolge der Paare 3 und 4, also die Herrwıg’sche Reihenfolge 
habe ich nur einmal beobachtet. Übrigens ist man sehr leicht 
Täuschungen über den wahren Sachverhalt ausgesetzt, sobald man 
nicht die ganzen Schnittserien von der Schlundpforte an abwärts 
durchmustert; denn da auch gleichzeitig entstandene Falten eine sehr 
verschiedene Ausdehnung haben und manche Falten unterbrochen 
angelegt werden (s. 0. p. 322), so können einzelne Querdurchschnitte 
Falten vermissen lassen, die thatsächlich vorhanden sind. Diese 
Ungleichheit des Wachsthums vereinigt sich also mit dem häufigen 
Wechsel der Reihenfolge zu einer wirklichen Herrschaft der Un- 
regelmäßigkeit in der Bildung der Magenfalten, so dass daraus 
auf einen bestimmten ursprünglichen Typus zu schließen kaum mög- 
lich ist. 

Nach einem solchen Typus der Faltenbildung zu suchen, hat 
aber auch nach meinen oben mitgetheilten Beobachtungen keinen 
rechten Sinn mehr. So lange alle Magentaschen für Erzeugnisse 
von frei hervorwachsenden Magenfalten angesehen wurden, mussten 
allerdings die letzteren als die unter allen Umständen frühesten 
peripharyngealen Theile gelten, die ganz selbständig die gesammte 
Gliederung bestimmten, so dass ihre Reihenfolge und ihre Lage- 
beziehungen für die ganze Entwickelung der Polypen maßgebend 
waren. Nachdem sich aber gezeigt hat, dass bei Cereactis eben so 
wie bei Cereanthus die ersten Magentaschen unabhängig von den 
ersten Magenfalten entstehen (primäre Magentaschen), und dass die 
letzteren bloß auf die Gegend unterhalb des Schlundes beschränkte 
Begleiterscheinungen jener Taschenbildung sind, wird natürlich in 
der Anordnung und Zeitfolge der primären Magentaschen der Aus- 
druck der ursprünglichen peripharyngealen Gliederung zu suchen 
sein, der sich die darunter angeschlossenen Magenfalten nicht nach 
ihrer wechselnden Reihenfolge, sondern nach ihren genetischen Be- 
ziehungen, nämlich nach ihrer paarigen Zugehörigkeit zum selben 
Wachsthumsstreifen unterordnen. Erst nach dem Abschluss dieser 
primären Bildungen beginnt die grundsätzliche Bedeutung der spä- 
teren Theilungsfalten als der die weitere Gliederung ausführenden 
Theile. Es zerfällt daher der Verlauf der gesammten Gliederung 


Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 331 


unserer Polypen in zwei natürliche Abschnitte, wovon der erste die 
Anordnung der primären Magentaschen, der zweite die Reihenfolge 
der Magenfalten, die zur Bildung der sekundären Taschen führen, 
umfasst. Der letztere Abschnitt wird dann durch das Szählige Sta- 
dium in zwei Perioden zerlegt. | 

Die Reihenfolge der primären Magentaschen von Cereactis ist 
nicht so regelmäßig wie diejenige von Cereanthus, sondern erleidet 
mancherlei Abweichungen; trotz derselben ist freilich eine bestimmte 
Regel nicht zu verkennen. Nach der Mehrzahl der von mir unter- 
suchten Larven zu schließen, entstehen zuerst zwei einander dia- 
metral gegenüberliegende primäre Magentaschen, die durch zwei 
srößere aber ungleiche Zwischenräume von einander getrennt werden 
(Taf. XVIH); in einem Fall (Fig. 39—43) war eine von den beiden 
Taschen noch in der Entwickelung zurückgeblieben, aber durch die 
bis an den Schlund reichende meridionale Entodermplatte deutlich 
vorgebildet (p. 320). Jeder dieser Taschen schließen sich abwärts in 
der Regel zwei Magentaschen an, von denen eine bereits durch die 
Flügelform an ihrem oberen Ende, theils durch ihre Ausdehnung 
bis zum aboralen Pol, wo sie bereits mit dem Gegenstück zusammen- 
hängen kann, als Hauptfalte gekennzeichnet ist!. Die ventralen 
Richtungsfalten, die später auf einer Seite neben den Hauptfalten 
liegen, entstehen, wie gesagt, zu allerletzt von den acht Falten; 
folglich können jene ersten, aber weniger vollständigen Seitenstücke 
der Hauptfalten nur die dorsolateralen Falten sein. Die zugehörigen 
ersten Taschen sind dann natürlich die Mitteltaschen (vgl. Fig. 45). 
Sie liegen nicht immer genau in einer Kreuzachse, sondern meist 
der Ventralseite genähert. Die größte Unregelmäßigkeit zeigte sich 
in einem Embryo (Fig. 55—61), in dem von den Magenfalten nur 
die Hauptfalten vorhanden waren. Es war dort nämlich nur die 
linke Mitteltasche und neben ihr eine ventrale Tasche angelegt, die 
rechte Mitteltasche dagegen kaum angedeutet. 

Aus der Durchschnittsserie eines etwas älteren Embryo Pie. 46 
bis 535) war zu entnehmen, dass die vorhin erwähnten Zwischenräume 
zwischen den beiden Mitteltaschen von zwei größeren Taschen, einer 
dorsalen und einer ventralen, ausgefüllt waren. Unterhalb dieser 
letzteren waren freilich schon neue Falten sichtbar, die aber die 


i In einem Embryo (Fig. 62—68) fand sich die schon beschriebene Ab- 
normität, dass die beiden Hauptfalten diagonal, d. h. die Verbindungsebene 
der zwei anderen Falten kreuzend, gegenüberlagen und zusammenhingen. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIH. Bd. 22 


3393 A. Goette, 


Schlundregion noch nicht erreiehten und daher für die Taschenbil- 
dung noch von keiner Bedeutung waren. Mehr als die genannten 
vier primären Taschen, nämlich die beiden Mitteltaschen und die 
zwei sie trennenden großen Taschen, die dorsale und die ventrale, 
habe ich niemals gesehen; eben so wenig aber auch zwei oder drei 
primäre Taschen, die den Schlund allseitig umkreist und daher eine 
weitere Vermehrung der primären Taschen ausgeschlossen hätten. 
Wo es weniger als vier primäre Taschen gab, da befanden sich an 
Stelle der fehlenden die genannten Zwischenräume. Die Embryo- 
nen von Cereactis entwickeln also normalerweise vier 
primäre Magentaschen, und zwar zuerst zwei zu beiden 
Seiten der Richtungsebene, die späteren Mitteltaschen, 
und dann das kreuzweise dazu sich einschaltende Paar, 
die dorsale und die ventrale Tasche. Daran wird natürlich 
durch den Umstand nichts geändert, dass jedes Paar ausnahmsweise 
oder regelmäßig, was zu entscheiden kaum möglich ist, nicht ganz 
gleichzeitig entsteht; denn die Hauptsache bleibt die Vierzahl aller 
primären Taschen und ihre Anordnung in zwei sich kreuzenden und 
auf einander folgenden Paaren. 

Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung, dass dieses Ver- 
halten der primären Magentaschen von Üereactis genau mit dem- 
jenigen von Cereanthus übereinstimmt. Denn dass bei Cereanthus die 
seitlichen primären Taschen die Taschen der Richtungsebene an Größe 
bedeutend übertreffen, während bei Cereactis gerade das Gegentheil 
zutrifft, kommt natürlich für die Homologie nicht in Betracht; und 
selbst die frühzeitige Halbirung der Seitentaschen von Cereanthus, 
was an den entsprechenden Mitteltaschen von Üereaetis erst nach 
dem $zähligen Stadium geschieht, kann die ursprüngliche Überein- 
stimmung beider Formen nicht berühren. Dagegen hat dieses frühe 
Auftreten der ersten Theilungssepten von Cereanthus und ihre übrige _ 
Verschiedenheit von den ersten Theilungssepten der Cereactis (zwei 
Paar Richtungssepten) zur Folge, dass die Reihenfolge aller Septen und 
Taschen in beiden Fällen von Anfang an mit jener Homologie in Wider- 
spruch steht (Textfig. 10). Homolog sind: die ungetheilten Seiten- 
taschen von Cereanthus (erstes Paar) und die Mitteltaschen von Cereactis 
(erstes Paar), dann die beiden Richtungstaschen von Cereanthus (drittes 
Paar) und die dorsoventralen Taschen von Cereactis (zweites Paar); 
homolog sind ferner: die vier Richtungssepten von Cereanthus (zweites 
und drittes Paar) und die Haupt- und dorsolateralen Septen von Cere- 
actis- (erstes und zweites Paar). Es steht also außer aller Frage, 


Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 333 


dass die Zeitfolge der peripharyngealen Bildungen dieser Polypen von 
keiner Bedeutung für ihre Homologie ist, die sich nicht auf die vier ersten 
Taschen überhaupt, sondern auf die vier primären Taschen beschränkt. 

Bedeutsamer ist dagegen ein anderer Unterschied beider Akti- 
nienformen während der Entwickelung ihrer vier primären Taschen: 
bei Cereanthus entstehen sie ganz regelmäßig, bei Cereactis nicht 
selten unregelmäßig. Ich lege dabei kein Gewicht auf die Ausnahmen 
von der normalen Reihenfolge dieser Taschen, 
sondern habe nur ihre häufig unvollkommene Form 
im Auge. Wie wir sahen (Fig. 45, 58, 65), beginnt 
die Ausstülpung einer solchen Tasche auf einer 
Seite höher als auf der anderen; die Stützlamelle 
der kürzeren Seitenwand hört dann oberhalb der 
unteren Grenze der anderen Seitenwand und der 
Innenwand der Tasche auf und lässt das Taschen- 
entoderm dort seitlich mit dem parietalen Ento- 
derm des anstoßenden Darmraums zusammenfließen. 
Ist die Tasche schon hohl, so erscheint sie auf y 
einer Seite von unten her aufgeschlitzt (Fig. 65, 66). 

Geht dieser Defekt einer Seitenwand bis zum 

Scheitel der Tasche, was nach meinen Beob- 2 
achtungen bei Cereactis nur selten geschieht, so 

eg a ; FR Textfig. 10. 
hört der Begriff einer wirklichen Magentasche Die Reihenfolge der pri- 
überhaupt auf; denn es bleibt von ihr nur die "ren Septen (Linien) 
einseitige Bucht neben der intakten Seitenwand ON ren 
übrig, was eben erst durch die später sich ein- RaRHIS, u 
stellende zweite Seitenwand zur Tasche ergänzt | 
wird; dies dürfte ganz natürlich die Auffassung hervorrufen, dass 
eine solche Tasche gar keine selbständige und einheitliche Bildung 
ist, sondern nur durch die unabhängig von einander entwickelten 
beiden Seitenwände hergestellt wird. 

Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass ein solcher Defekt 
einer primären Tasche mit einem entsprechenden Defekt der in dem- 
selben Meridian verlaufenden Magenfalte zusammenfällt (s. o. p. 327), 
so dass die Herstellung jener Tasche irgendwie von der vorausgehenden 
Entwickelung zweier nicht immer gleichzeitig auftretender Magenfalten 
abhängig erscheint. Allerdings habe ich die Gründe bereits angegeben, 
wesshalb diese Ansicht nicht stichhaltig ist; angesichts der Bedeu- 
tung des Gegenstandes halte ich es aber nicht für überflüssig, ihn 
unter einem etwas anderen Gesichtspunkt noch einmal zu erörtern. 

225 


334 A. Goette, 


Die dorsolaterale Falte, um die es sich hier allein handelt, bleibt, 
wie wir sahen, normalerweise im Wachsthum hinter der benachbarten 
Hauptfalte zurück, deren frühzeitige Filamentanlage schon eine relativ 
beschleunigte Entwickelung anzeigt. Diese ständige Asymmetrie ist 
aber der Ausgangspunkt für die spätere Verschiedenheit der dorsa- 
len und ventralen Seite, also für die darin ausgesprochene Bilateral- 
symmetrie der Aktinienlarven. Häufig verstärkt sich nun jene Asym- 
metrie bei Cereactis in der Weise, dass die schwächere dorsolaterale 
Falte in der Nähe ihrer Mitteltasche zunächst nur spurenhaft vor- 
handen oder unterbrochen ist, und gelegentlich fehlt sie selbst ganz 
(Fig. 60, 61, 66). Und gerade mit dieser äußersten Verspätung der 
Falte verbindet sich die gleiche Erscheinung an der darüber liegenden 
dorsalen Seitenwand der Mitteltasche, bis in der Folge die beiden 
Lücken wieder ausgefüllt werden. 

Diese Korrespondenz im Wachsthum der primären Taschen und 
ihrer Magenfalten bedeutet aber, wie ich schon nachwies (s. p. 327), 
keineswegs einen unmittelbaren Causalzusammenhang beider Theile, 
sondern ist nur die Folge davon, dass sie neben einander einer ge- 
meinsamen Grundlage entstammen, der meridionalen Entodermplatte, 
deren Wachsthum am Seitenrande die Falte und am oberen Ende 
die Tasche hervorruft. Daraus folgt weiter, dass eine Verlang- 
samung in der Entwickelung der dorsolateralen Falte und der 
korrespondirenden Taschenwand, gegenüber der Hauptfalte und 
ihrer Taschenwand, nur der Ausdruck für ein entsprechend asym- 
metrisches Wachsthum der Platte ist, so dass endlich auch der be- 
sprochene anfängliche aber nur zeitweilige Ausfall jener schwächeren 
Theile nur eine extreme Steigerung derselben Asymmetrie bedeutet. 
Diese bei Cereactis und wohl auch anderen Aktinien ständige, wenn 
auch in ihrem Maß schwankende, Asymmetrie der meridionalen 
Wachsthumsstreifen kann aber keine ursprüngliche Eigenthümlich- 
keit der ersten Scyphopolypen gewesen sein, die doch nur als regel- 
mäßige Strahlformen gedacht werden können. Wurde sie aber erst 
sekundär erworben, so gilt dies auch für ihre asymmetrischen Folge- 
erscheinungen: die primären Magentaschen entstanden also ursprüng- 
lich ganz symmetrisch, vollständig und einheitlich, und alle abweichen- 
den Erscheinungen, mögen sie noch so häufig auftreten, ja zur Regel 
werden, so dass die primäre Taschenbildung ganz in Wegfall kommt, 
können nur als Ausnahme oder doch nur als sekundär abgeänderte 
Entwickelungsvorgänge aufgefasst werden. | 


Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 333: 


Nach dieser Auseinandersetzung wende ich mich zur Unter- 
suchung darüber, in wie weit die früheren Beobachtungen über die 
Entwickelung anderer Zoantharien mit meinen Ergebnissen bezüglich 
der ersten vier Taschen und Falten übereinstimmen. Die von 
LACAZE- DUTHIERS an Actinia mesembryanthemum (44) und von 
KOwALEWsSKY an einer nahe verwandten Aktinie (40) angestellten 
Untersuchungen ergaben als einzige sichere Thatsache, dass die 
Hauptfalten allen anderen Falten stets vorangehen; über die eigent- 
lichen Magentaschen und Septen wird nichts mitgetheilt, da sie von 
den Magenrinnen und Falten gar nicht unterschieden werden. 
LACAZE-DUTHIERS kennt ferner das 4zählige Stadium, KOWALEWSKY 
lässt dagegen auf das 2zählige Stadium gleich ein 6zähliges folgen. 
— An Rhodactis st. thomae vermochte McMurrichH (47) in Er- 
mangelung ausreichenden Materials nur andeutungsweise die Beob- 
achtungen H. Wırson’s an Manieina (s. u.) zu bestätigen. ÜERFON- 
TAINE giebt an, dass die Falten von Cereactis aurantiaca genau in 
derselben Reihenfolge wie bei Manieina erscheinen, nämlich zuerst 
die Hauptfalten, dann die dorsolateralen Falten (15). Weder sein 
Text noch seine Abbildungen lassen annehmen, dass er mehr als 
Querdurchschnitte durch die mittlere Höhe der Embryonen gesehen 
hat; sonst hätte er finden müssen, dass jene Bilder nicht einmal 
über die wirkliche Faltenbildung einen vollen Aufschluss geben, für 
die peripharyngeale Gliederung aber völlig bedeutungslos sind. So 
habe ich mich auf die Vergleiche mit Wınson’s eingehenden Beob- 
achtungen an Manicina (57) beschränken müssen!. 

Nach ihm geht die Entwickelung dieser Koralle bis zum 
4zähligen Stadium in ganz anderer Weise vor sich als bei Cereactis. 
Der Schlund soll sich in das noch ungesonderte entodermale Syn- 
eytium so einsenken, dass er ringsum von dem letzteren, also ge- 
wissermaßen von einer noch ganz indifferenten ringförmigen Magen- 
taschenanlage umschlossen ist, die dann durch Septen in die ein- 
zelnen Magentaschen getheilt würde. Dies hieße natürlich, dass 
der Schlund von Manieina seine definitive Gestalt und Lage ganz 
selbständig, unbeeinflusst durch irgend welche Magentaschen erhält, 
Ja die Gesammtanlage der letzteren selbst hervorruft und, wie wir 
noch sehen werden, ihre zwei ersten Theilungen durch seine eigene 
Thätigkeit bewirkt. Ein so schroffer Gegensatz zwischen Aktinien 


| 1 Die Untersuchung v. Koc#’s an Caryophyllia (36) kann hier nicht in 
Betracht kommen, da sie erst von dem 4zähligen Stadium ausgeht. 


336 A. Goette, 


und Korallen wäre an sich sehr auffallend, müsste aber angesichts 
der bestimmten Angaben H. Wırsox’s vorläufig zugestanden werden, 
wenn nicht seine bezüglichen Abbildungen sich ungezwungen im 
Sinne meiner Darstellung von Cereactis erklären ließen. 

Die angebliche centrale Einstülpung der Schlundröhre von Mani- 
cina wird scheinhar am vollkommensten durch Wırson’s Fig. 7 
illustrirt, wo der innerste Ring von radiär gestellten Zellen von dem 
Syneytium ebenfalls ringförmig umschlossen, also in dasselbe central 
eingesenkt erscheint. Bei dieser Deutung vermisse ich aber die 
scharf kontourirte Stützlamelle, die die Schlundröhre als Fortsetzung 
des äußeren Ektoderms überziehen muss; statt dessen zeigt sich in 
unserer Figur an der Außengrenze des Schlundektoderms ein unregel- 
mäßiges Ineinandergreifen seiner Zellen und des Syneytiums (vgl. 
Textfig. 12), was zu einem richtigen Querdurchschnitt der Schlund- 
röhre gar nicht passt. Genau dasselbe Bild bietet dagegen meine 
Fig. 56 von Cereactis, wo der Durchschnitt in der Weise durch eine 
einfache Ringfalte der Schlundeinstülpung hindurchgeht, dass er ihre 
radiären Zellen ungefähr nach ihrer Länge, die indifferenten Zellen 
des sich glatt anschließenden parietalen Entoderms (= dem Syn- 
cytium von Maniecina) sat schräg trifft (vgl. Textfig. ila). Dass 
dies sich wirklich so ver- 
hält, beweist derselbe Durch- 
schnitt dadurch, dass an 
einer Seite eine wirkliche 


SUETTT, 


GA U, 
Zn Fe 
7 
Zug 


® a 
IS > 


Textäg. 11. und daher durch eine 
«@, Richtung eines wagerechten, b, eines schrägen Quer- 9 = 
durchschnittes durch die Ringfalte. deutliche Stützlamelle vom 


Schlundepithel getrennte 
Magentaschenanlage vorliegt; folglich kann dieses Epithel in den 
übrigen 3/, des Umfangs nicht ebenfalls von solchen Anlagen um- 
geben und vom Außenektoderm abgedrängt sein, sondern sich nur 
glatt in das parietale Entoderm umschlagen. Daher kann ich auch 
die angezogene Figur WırLson’s nur in demselben Sinn deuten und 
vermisse auch in seinen übrigen Abbildungen eine einwandfreie Be- 
sründung seiner Annahme, dass der Schlund der Manieina-Embryonen 
frei in das entodermale Syneytium eintaucht. 

Diese Annahme wird auch durch die Darstellung WıLson’s, wie 
die beiden Hauptfalten und -septen von Manicina entstehen, nicht gerade 
unterstützt. Wıuson sah den Schlund gleich nach der Einstülpung 
an einer oder zwei einander gegenüberliegenden Stellen das Außen- 
ektoderm berühren, woraus er schloss, dass der vorher angeblich _ 


Einiges über die Entwiekelung der Scyphopolypen. 337 


central eingesenkte Schlund erst nach einer, dann nach der anderen 
Seite sich bis zum Außenektoderm verlagerte und dabei das ihn 
umgebende Entoderm theilte. Indem er sich darauf von der Außen- 
wand wieder entfernte, zöge er von der parietalen Stützmembran eine 
radiäre Lamelle mit sich, wodurch das ringförmige Entoderm dauernd 
getheilt und nach der Aushöhlung der getrennten Stücke von unten 
her in zwei Magentaschen mit ihren Septen verwandelt würde. 

Es liegt auf der Hand, dass diese oder eine ähnliche Auffassung 
vorn der Bildung der ersten Magentaschen und Septen ganz noth- 
wendig ist, sobald man von der Voraussetzung ausgeht, dass der 
Schlund sich vorher in einer centralen Lage innerhalb des soliden 
Entoderms befand. Da jedoch diese Voraussetzung sich als nicht 
stichhaltig erwiesen hat, so ist auch die bezeichnete Vorstellung von 
der ersten Taschen- und Septenbildung weder nöthig noch möglich. 
Und in der That enthalten auch Wırson’s Abbildungen nichts, was 
seine Deutung, namentlich die befremdliche Osecillation des embryo- 
nalen Schlundes, evident machte. 

Es können hier nur die Querdurchsehnitte WILson’s in Betracht 
kommen, da die einzelnen Längsdurchschnitte über das Verhalten 
der Theile im ganzen Umkreise des Schlundes keinen Aufschluss 
geben. Von den bezüglichen Querdurchschnitten stellt nun Fig. 11 
einen schrägen Schnitt dar, der auf einer Seite unterhalb des 
Schlundes hindurchging, also für unsere Zwecke ebenfalls wenig 
brauchbar ist. In einem vollständi- 
gen Querdurchschnitt eines ähnlichen 
Schlundes (Fig. 9) liegt der letztere auf 
einer Seite dem Außenektoderm an und 
ist im übrigen Umfang von ihm schein- 
bar durch das indifferente massige Ento- 
derm getrennt (Textfig. 12). Aber wieder- 
um zeigt sich dort die unbestimmte un- 
dulirende Begrenzung des Schlundekto- 
 derms gegen das Entoderm, ohne eine Textfig. 12. 
Stützlamelle, die sich erst in der Nähe Durchschnitt durch einen Embryo von 
jener Anlagerung des Schlundes an das “ara mach I Wson- = Alan 
Außenektoderm einstellt. Wie aus 
meiner Besprechung der Fig. 7 (s. o. p. 336) hervorgeht, handelt 
es sich also in Fig. 9 um einen Durchschnitt, der einerseits nur 
die Ringfalte selbst, gegenüber aber ihre glatte Fortsetzung in das 
parietale Entoderm traf (Textfig. 115); d. h. in diesem Embryo von 


388 A. Goette, 


Manieina ist so wenig wie in den Embryonen von Üereactis eine 
wirkliche, ringförmige Magentaschenanlage um den Schlund vor- 
handen, der vielmehr vom Munde aus sich glatt in das parietale 
Entoderm umschlägt. Wenn aber dort, wo die Stützlamelle zu 
beiden Seiten von x sichtbar wird, das Entoderm vielleicht im Be- 
srifft war, zungenförmig zwischen Schlund und Außenektoderm 
einzuwachsen, so wäre dies eben ein aktiver Entwickelungsvorgang 
des Entoderms, die erste Anlage von einseitigen primären Magen- 
taschen, wie ich sie vorhin von Cereactis beschrieb. 

Der Wırsox’sche Querdurchschnitt 14 geht, wie die vorher ver- 
misste, jetzt aber vorhandene peripharyngeale Stützlamelle beweist, 
in der That durch einen central verlagerten, von zwei soliden Magen- 
taschenanlagen umschlossenen Schlund (Textfig. 13); diese Magen- 
taschen stoßen auf einer Seite noch nicht, auf der anderen Seite erst 


Textfig. 13. Textfig. 14. Textfig. 15. 
Durchschnitt durch einen Embryo Durchschnitt durch einen Embryo von Durchschnitt durch 
von Manicina nach H. Wıısox.  Manicina nach H. Wırsonx. einen Embryo von 
Manicina nach H. 
WILSoN. 


mit zwei Kanten zusammen, so dass auch noch keine Septen ge- 
bildet sind. Darunter (Textfig. 14, 15) befinden sich aber zwei wirk- 
liche, von Ektoderm überzogene Magenfalten, die nach diesem Befund 
nur die Hauptfalten sein können. Da eine ringförmige Magentaschen- 
anlage, wie wir sahen, vorher nicht bestand, so können die zwei 
eben erwähnten Taschen auch nicht als Theilungsprodukte einer 
solchen Anlage aufgefasst werden (WıLson), sondern müssen als 
selbständige Auswüchse des Entoderms den Schlund vom Außen- 
ektoderm abgehoben haben, d. h. es sind echte primäre Magentaschen 
in dem von mir erläuterten Sinn. Wegen der vollständigen Um- 
kreisung des Schlundes entsprechen sie aber allen vier primären 
Taschen von Cereactis und Cereanthus, so zwar dass, da ihre Grenzen 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 339 


in die Meridiane der beiden Hauptfalten fallen, die kleinere Tasche 
die ventrale Magentasche darstellt, die größere beide Mitteltaschen 
und die dorsale Tasche umfasst. 

Grundsätzlich ist also durch diese nach meiner Ansicht einzig 
mögliche Erläuterung der WıuLson’schen Beobachtungen bereits eine 
Übereinstimmung der Korallen mit den Aktinien hinsichtlich der 
ersten peripharyngealen Bildungen erzielt: in beiden Gruppen ist 
der Schlund Anfangs an das Außenektoderm umgeschlagen und in 
gleicher Flucht mit dem parietalen Entoderm, und wird erst in der 
Folge durch selbständig aus dem Entoderm aufwachsende und ihn 
umkreisende, d. h. eben primäre Magentaschen in die centrale Lage 
gebracht. Aber auch der Unterschied, dass es bei den Aktinien vier, 
bei den Korallen scheinbar nur zwei Taschen von ungleichem Um- 
fang und sehr ungleichem Werth sind, erweist sich nicht als ein 
ursprünglicher und durchgängiger. Denn schon in dem zuletzt be- 
sprochenen Embryo von Manicina findet sich unmittelbar unter der 
Schlundpforte (Textfig. 14, 15) eine Bildung, die durchaus mit den 
unvollkommenen Mitteltaschen von Cereactis (Fig. 65, 66) überein- 


hi 


& I 
N 


Textfig. 16. Textfig. 17. 
Durchschnitt durch einen Embryo von Manicina Durchschnitt durch einen Embryo von Manicina 
nach H. Wırsox. x, primäre Magentasche. nach H. WıLsor. 


stimmt; und dies wird dadurch bestätigt, dass in der Durchschnitts- 
serie Fig. 30—33 von Wıuson an derselben Stelle eine vollständige 
primäre Taschenanlage dargestellt ist (Textfig. 16x), so dass also 
neben bloß zwei auch drei primäre Magentaschen vorkommen. End- 
lich zeigt die Serie Fig. 43—45 einen 4zähligen Embryo mit zwei 
noch ganz platten Mitteltaschen, von denen eine sogar noch solid 
war (Textfig. 17); diese letztere konnte daher nur primär entstanden 
und nieht durch ein Theilungsseptum abgegrenzt sein, da ein solches 
als freie Ektodermfalte innerhalb einer soliden Entodermmasse ein 


340 A. Goette, 


Unding ist!. Aber auch an der anderen Mitteltasche erscheinen die 
Septen zu unvollkommen, um eins davon von einer frei hervor- 
sewachsenen Falte abzuleiten, so dass es danach nicht ausgeschlossen 
ist, dass bei Manieina neben zwei und drei primären Magentaschen 
die typische Vierzahl derselben vorkommt. 

WıLson selbst bezeichnet den Befund seiner Fig. 30—33 (Text- 
fig. 16) als eine Ausnahme und versichert auf das Bestimmteste, dass 
bei Manicina alle Septen nach den zwei ersten selbständig entständen 
und nicht durch das Zusammenrücken der Taschen, die vielmehr 
erst durch die Theilungssepten geschaffen würden. Die Richtigkeit 
dieser Angaben vorausgesetzt, würden sie doch zunächst nichts weiter 
besagen, als dass die zwei Mitteltaschen bei Manicina im der Regel 
rückgebildet erscheinen. Denn wenn W. weiter annimmt, dass jene 
Ausnahmen nicht Reste ursprünglicher Zustände, sondern gelegent- 
liche Neubildungen wären, von denen aus erst die primären Magen- 
taschen, wie sie nach meinen Beobachtungen bei Seyphomedusen 
vorkommen — W. kannte damals noch keine anderen Beispiele für 
solche Taschenbildung — sich herausgebildet hätten, so kann ich ihm 
darin im Hinblick auf meine Beobachtungen an den Aktinien nicht 
zustimmen. Denn dass bei Manicina die Mitteltaschen, wie es scheint, 
nur selten vollkommen primär erscheinen, ist ganz untergeordnet 
gegenüber der Thatsache, die Wırson allerdings entgangen ist, dass 
die zwei ersten Magentaschen dieser Koralle ohne Ausnahme echte 
primäre Magentaschen sind und dadurch die für die Aktinien fest- 
gestellte normale Entwickelung des Schlundes und der ersten radialen 
Gliederung auch für die Korallen als die ursprüngliche erweisen. 
Kommen aber innerhalb dieser grundsätzlich übereinstimmenden 
Embryonalentwickelung aller Zoantharien bei den Korallen neben der 
gewöhnlichen 2zähligen primären Taschenbildung alle Übergänge 
zur Azähligen vor, die nachweislich die älteste Vorfahrenform der 
Aktinien ist, aber auch dort einzelne Rückbildungen erfährt, so be- 
darf es keines weiteren Nachweises mehr, dass dieselbe Rückbil- 
dung bei den Korallen eben nur weiter gegangen ist und dadurch 
eine entsprechend größere Entfernung dieser Gruppe von der ge- 
meinsamen 4zähligen Ausgangsform aller Zoantharien be- 
zeichnet. | Ä 


! Ich nehme als selbstverständlich an, dass Wıuson die Theilung nicht 
durch selbständig auswachsende Stützlamellen erfolgen lässt, denn dafür fehlt 
jeder empirische Anhaltspunkt. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 341 


Die weitere Entwicekelung der Cereactis und der Manieina 
vom 4zählisen bis zum Szähligen Stadium lässt sich mit wenigen 
Worten angeben. Wie schon erwähnt, entstehen alle Taschen nach 
den vier ersten ausschließlich durch Theilungen der schon vor- 
handenen vermittels selbständig einwachsender Falten, die, nachdem 
sie den Schlund erreicht haben, sich in dessen Bereich in Septen 
verwandeln. Die vier ersten von diesen Falien, die Richtungs- 
falten, bez. Richtungssepten, entwickeln sich paarweise in der dor- 
salen und der ventralen primären Tasche, und zwar nach den 
früheren Beobachtungen zuerst ventral und dann dorsal (s. o. p. 329), 
nach meinen Beobachtungen an Cereactis in der Regel umgekehrt 
(Fig. 45, 70, 71). Ich sah diese Falten ferner von unten aufwachsen 
und zuweilen bereits in der Tiefe angelegt, bevor die primäre Tasche, 
die sie theilen sollten, entstanden war. Mit diesem Aufwachsen aus 
der Tiefe hängt es offenbar zusammen, dass sowohl die dorsalen 
wie die ventralen Richtungsfalten gelegentlich — ich traf drei solche 
Fälle — mit ihren oberen Enden noch unterhalb des Schlundes 
bogenförmig in einander übergehen, so dass die eigentlich Szähligen 
Larven nur sechs Taschen besaßen (Fig. 72, 73). Jene bogenförmige 
Verbindung der Richtungsfalten scheint mir anzudeuten, dass jedes 
Paar in einem ähnlichen genetischen Zusammenhange steht wie jede 
Hauptfalte mit der benachbarten dorsolateralen Falte, d. h. dass jedes 
Riehtungsfaltenpaar zu einem gemeinsamen meridionalen Wachs- 
thumsstreifen gehört. 

Wenn aber auf diese Weise die paarige Zusammengehörigkeit 
der beiden dorsalen und der beiden ventralen Richtungsfalten sich 
als eine ursprüngliche erweist, so muss um so bestimmter gegen eine 
Gleichstellung dieser Paare mit denen der beiden Hauptfalten und 
der beiden dorsolateralen Falten Einspruch erhoben werden. Die 
Aufstellung der beiden letzteren Paare von Gegenstücken hat nur 
einen praktischen Werth für die jeweilige Orientirung; ihre entspre- 
_ ehende zeitliche Anordnung — erst die beiden Hauptfalten, dann die 
beiden anderen — beruht aber thatsächlich nur auf der besprochenen 
Asymmetrie des ursprünglichen Verhaltens, nach welch letzteren viel- 
mehr die von einer Mitteltasche - ausgehenden zwei Falten (eine 
Hauptfalte und eine dorsolaterale Falte) paarig zusammengehören. 
Daher können auch phyletische Schlüsse aus jener sekundär. ent- 
standenen Reihenfolge der vier ersten Falten nicht gezogen 
werden; denn so gut wie die zwei ersten (Mittel-) Taschen müssen 


342 A. Goette, 


auch alle vier zugehörigen Falten als gleichzeitige betrachtet 
werden !. 

Die Nichtbeachtung des Unterschiedes zwischen den vier primä- 
.ren Falten und den Theilungsfalten, sowie die einseitige Berück- 
sichtigung ihrer gegenwärtigen Reihenfolge hat ferner zu dem Irr- 
thum geführt, dass die gleiche Ordnungszahl unter allen Umständen 
die Homologie der bezüglichen Stücke bedeute, dass also z. B. ein 
Szähliger Cereanthus und eine Szählige Hexaktinienlarve dieselbe 
Strahlordnung besäßen (BovErI, McMurrıch). Ich zeigte aber 
schon (8. 0. p. 332), dass die Zeitfolge und die Homologie der Septen 
und Falten in beiden Fällen ganz aus einander gehen: bei den Hex- 
aktinienlarven folgen auf einander vier primäre und vier sekundäre 
(Theilungs-) Falten, bei Cereanthus zwei Theilungsfalten, vier pri- 
märe Falten und die übrigen Theilungsfalten (Textfig. 10). 

Die 4- bis 8Szähligen Larven von Cereactis lassen die innere 
Gliederung äußerlich nicht richtig erkennen. Die Zahl der äußeren 
meridionalen Einschnürungen und Verfärbungen, sowie der knopf- 
förmigen Tentakelanlagen bleibt stets hinter der Zahl der bereits 
gebildeten Taschen zurück, und erst in dem vorgeschrittenen 8zäh- 
ligen Stadium lässt sich diese Zahl auch äußerlich feststellen. 


4. Die achtzähligen und älteren Aktinienlarven. 


Solche Larven habe ich von den drei Arten: Cereactis auran- 
tiaca, Heliactis bellis und Bunodes gemmacea genauer untersuchen 
können. Den jüngsten 8Szähligen Larven fehlen die septalen 
Muskelpolster (Längsmuskeln) durchweg; ihre Orientirung ist daher 
nicht anders wie an den Embryonen nur durch die Hauptsepten 
möglich. Am frühesten treten darauf die Muskelpolster bei Heliactis 
auf, bei Bunodes und Cereactis erst nach dem Überschreiten des 
Szähligen Stadiums. Bekanntlich sind sie an den Richtungssepten 
von den Richtungstaschen abgewendet, an den vier seitlichen Septen 
der ventralen Seite zugewendet (vgl. Textfig. 18a). — Eine eigent- 
liche Mesodermbildung ist an denselben Szähligen Larven nicht wahrzu- 
nehmen; auch die Tentakel pflegen erst gegen das Ende dieser Ent- 
wickelungsstufe hervorzuwachsen. 

Der Fortschritt der Entwickelung ist wesentlich an die Vermeh- 


i BovEr1 glaubte daraus, dass zuerst nur ein Faltenpaar (Hauptfalten) er- 
scheine, auf eine älteste 2zählige Vorfahrenform schließen zu dürfen (6). Die 
zwei Hauptfalten allein bedeuten aber schon eine Abänderung des ursprünglichen 
Zustandes. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 343 


rung der Septen und Falten geknüpft. Zur Vereinfachung der fol- 
senden Beschreibung bezeichne ich die acht ersten Taschen so, dass 
ich von der ventralen Richtungstasche als 1 beginnend und rechts 
(r) und links (l) fortschreitend die symmetrischen Seitentaschen zähle: 
2— 21, 3’—31, 4"—4l; 5 ist die dorsale Richtungstasche. 

Nach zahlreichen früheren Beobachtungen entwickeln sich die 
Septen 9—12 gleichzeitig in den Taschen 2’—2!, 3"—3!, also als 
Symmetriepaare (Textfig. 185). Sobald aber an diesen vier neuen 
Septen die Muskelpolster erscheinen, die 
den Nachbarn zugekehrt sind und da- Ron 
durch einschließlich der beiden Richtungs- 
taschen die sechs ersten » Binnenfächer « 
angelest sind, in denen keine neuen 
Septen mehr entstehen, müssen die jedes 
Binnenfach einschließenden zwei Septen ° 7 


durchweg als Paare (Jochpaare) zusammen- ee 

gefasst werden. Diese neue Auffassung 

hat für die Richtungssepten keine Be- 

deutung, da sie schon von Anfang an, 

als Symmetriepaare ihre Binnenfächer, die ee 18. 

Richtungstaschen begrenzen; die Haupt- u, szählige, d, 12zählige Hexak- 

septen und und die dorsolateralen Septen “"enlarve. Rs, di, drs, ors, Haupt-, 
£ dorsolaterale Septen, dorsale und ven- 

werden aber durch die Aufstellung der trale Richtungssepten. 


Binnenfächer ganz neu gepaart (s. 0.p. 327). 

Die Umbildung der Szähligen jungen Aktinie in eine 12zäh- 
lige mit der Grundzahl 6 (Hexaktinie) kann ich für Heliactis und 
Bunodes bestätigen, aber nicht den angegebenen regelmäßigen Gang 
der Septenvermehrung; vielmehr begegneten mir nur folgende Kom- 
binationen: 

1) 9zählige Form mit einer jungen Septenanlage in 2! (Bu- 
nodes); 

2) 10zählise Form mit einem nicht mehr ganz jungen Septen- 
paar in 3" und 3! (Heliactis); 

3) 11zählige Form; zu den genannten ist eine weitere Septen- 
anlage ganz oben in 2" hinzugekommen (Heliactis) ; 

4) 12zählige Form; die Septenanlagen in 3”, 3! und 2! sind 
gleich stark, diejenige in 2" ganz schwach und umgekehrt wie im 
vorigen Fall nur in der Tiefe, weit unter dem Schlunde vorhanden 
(Heliaetis),. Symmetrische aber weit vorgeschrittene 12zählige Formen 
(Textfig. 185) traf ich bei Bunodes. 


344 A. Goette, 


Die vier neuen Septen entstehen also nicht gleichzeitig und be- 
ginnen bald in 2, bald in 3, einmal rechts, das andere Mal links; 
endlich kann dasselbe Septum, bezw. dieselbe Falte entweder ganz 
‚hoch oben oder in der Tiefe zuerst erscheinen. Die Unregelmäßig- 
keit ist nicht geringer als bei der Herstellung der primären Taschen; 
auch setzt sie sich, so weit meine Beobachtungen reichen, auf den 
folgenden Stufen fort. | 

5) 20zähliges Stadium der Heliactis; die sechs ersten Binnen- 
fächer sind vollständig hergestellt, in jedem dorsalen Zwischenfach 
ist ein Septenpaar, in den vier übrigen 
Zwischenfächern je ein Septum angelegt, 
obgleich dort ebenfalls Septenpaare zu 
erwarten sind (Textfig. 19@ und db). Eine 
weitere Unregelmäßigkeit beruht darin, 
dass die neuen dorsalen Septen unter 
dem Schlunde auf eine ansehnliche Strecke 
verschwinden, um dann. in der Tiefe 
wieder aufzutauchen und gegen den abo- 
ralen Pol an Größe zuzunehmen. Dies 
ist eine Wiederholung der diskontinuir- 

Textfig. 19. lichen Faltenbildung in den jüngsten Em- 
a, 20zählige, db, 24zählige Hexaktinien- 
ey bryonen. | 
6) 21zähliges Stadium von Heliactis; 
zu den eben aufgezählten Septen kam noch eins in dem linken seit- 
lichen Zwischenfach hinzu, so dass dort statt des einfachen Septum 
ebenfalls ein Septenpaar vorhanden war. 

7) 24zähliges Stadium (Textfig. 195) von-Bunodes; in allen sechs 
Zwischenfächern befinden sich Septenpaare, die beiden ventralen 
jedoch bloß in der Tiefe, dicht über der Fußscheibe. 

Auf Grund dieser und der im vorigen Abschnitt mitgetheilten 
Beobachtungen über die embryonale und larvale Strahlgliederung der 
Hexaktinien komme ich zu dem Ergebnis, dass darin durchweg eine 
vollständige Unregelmäßigkeit herrscht. Allerdings ergiebt sie sich 
in den meisten Fällen ganz unzweideutig als Folge einer zeitlichen 
Verschiebung, einer vorzeitigen oder :verspäteten Entstehung einzel- 
ner Strahlglieder in regelmäßigen Formen und kann sehon desshalb 
keine ursprüngliche Erscheinung sein. Um aber jene ursprünglichen 
Grundformen überall sicher wiederzuerkennen, sind umfassendere 
Vergleiche nöthig, die noch andere Momente als die zeitliche Ver- 
schiebung zu berücksichtigen haben. 


Einiges über die Entwickelung der Sceyphopolypen. 345 


Bis zum Szähligen Stadium ist es nicht schwer, als die wirk- 
liehe Grundform unserer Aktinien die strahlige herauszufinden 
(Textfig. 10a). Denn da die beiden (primären) Mitteltaschen und ihre 
vier Falten als ursprünglich gleichzeitige aufzufassen sind, so ist die 
erste Strahlgliederung eine biradiale; und durch das Hinzutreten der 
zwei weiteren primären Taschen und der vier Richtungsfalten wird 
daran nichts weiter geändert, als dass jene Gliederung in eine ein- 
fach radiale übergeht. Allerdings wird in dieser ganzen Periode der 
Schein einer bilateralen Grundform dadurch hervorgerufen, dass die 
beiden der Ventralhälfte angehörigen Hauptfalten durch ihre Länge 
und ihre Filamente einen Gegensatz von Rücken- und Bauchseite 
bestimmen (Fig. 73). Dies beruht aber ebenfalls nur auf einem zeit- 
liehen Vorsprung der Hauptfalten vor den dorsolateralen, der schon 
im $zähligen Stadium durch die Entwickelung der Filamente an 
den dorsolateralen Falten ausgeglichen wird. So bleibt bis zum 
Szähligen Stadium die strahlige Grundform bestehen, wenn auch 
aus anderen Gründen die 4zählige Form von allen folgenden scharf 
zu trennen ist. | 

Ganz anders steht es mit der Abänderung der strahligen Grund- 
form durch die Entwickelung der einseitigen Muskelpolster in den 
Septen und Falten der Szähligen Larven. Allerdings besteht die 
dadurch erzeugte Bilateralsymmetrie (Textfig. 18«) nur sehr kurze 
Zeit, da durch die Entwiekelung der nächsten vier Septen und der 
seitlichen Binnenfächer wieder eine ausgesprochene biradiale Form 
geschaffen und jene Bilateralsymmetrie beseitigt wird (Textfig. 18). 
Trotzdem darf sie nicht eben so wie im 2- und 6zähligen Stadium 
aus einer verspäteten Bildung der neunten bis zwölften Falte und 
desshalb‘ ebenfalls für belanglos erklärt werden. Denn in jenen 
früheren Stadien sind die nachrückenden Falten ursprüngliche Seiten- 
und Gegenstücke der vorher gebildeten Falten, die daher gelegent- 
lich oder selbst in der Regel gleichzeitig mit ihnen auftreten; die 
neunte bis zwölfte Theilungsfalten gehören aber genetisch gar nicht 
zu den Haupt- und dorsolateralen Falten, deren ursprüngliche Be- 
ziehungen sie nur durch die neugebildeten einseitigen Muskelpolster 
verdecken und durch die neue Beziehung zu den Binnenfächern er- 
setzen. Mit andern Worten: im ersten Fall ist die Bilateralsym- 
metrie eine alsbald wieder ausgeglichene Unregelmäßigkeit einer Strahl- 
form, im anderen Fall wird aber die Strahlform durch eine Neubil- 
dung (Muskelpolster) bilateral, um durch weitere Neubildungen (neunte 
bis zwölfte Theilungsfalten) zur ersten Grundform zurückzukehren. 


346 A. Goette, 


Zu den zwei ersten, schon erwähnten Grundformen unserer 
Atinien, der 4- und der Szähligen Strahlform, käme also eine 
szählige Bilateralform hinzu, die alsdann in die. 12, 24zäh- 
lige ete. biradiale Strahlform mit der Grundzahl sechs über- 
geht!. Esist also jene Bilateralform für die meisten recenten Aktinien 
und Korallen eine bereits überholte Vorfahrenform, die wahrscheinlich 
unter anderen als den gegenwärtig maßgebenden Lebensbedingungen 
dieser Thiere entstand. 

Über diesen Wechsel der Grundform bei jenen Zoantharien hat 
ja auch bisher kein Zweifel geherrscht; nur ist man in der Regel 
bei der allgemeinen Thatsache stehen geblieben, dass der einfachen 
oder biradialen Strahlform dieser Thiere eine bilaterale vorausging. 
Daraus lässt sich aber eine ausreichende Vorstellung über ihre 
nächsten Vorstufen nicht entnehmen, selbst wenn man hinzufügt, 
dass sie frei lebende waren (ÖRTMANN 50). Es muss vielmehr ver- 
sucht werden festzustellen, wie jene Vorstufen beschaffen waren und 
unter welchen Bedingungen die Bilateralsymmetrie entstand. Ein 
solcher Versuch wurde von HAAKE unternommen, der die Bilateral- 
symmetrie durchweg von der Stockbildung ableitete (25); ihm haben 
sich HEIDER (39) und neuerdings CARLGREN (14) angeschlossen und 
folgerichtig geschlossen, dass die einzeln lebenden Aktinien aus den 
stockbildenden Steinkorallen hervorgingen. Nachgewiesen ist jedoch 
nur der richtende Einfluss des Stockes auf die Stellung der bilate- 
ralen Knospen vieler Polypen, keineswegs jedoch der Ursprung der 
Bilateralsymmetrie selbst aus jenem richtenden Einfluss, was eben 
zwei grundverschiedene Dinge sind, die nicht verwechselt werden 
dürfen. Jener angebliche Ursprung der Bilateralsymmetrie lässt sich 
nicht einmal hypothetisch annehmen, da zahlreiche Thatsachen das 
Gegentheil beweisen. 

Die große Masse der stockbildenden Zoantharia, die Stein- 
korallen sowie die Antipathiden, haben einen einfach strahligen oder 
einen biradialen Bau, genau so wie die große Masse der solitären 
Zoantharia, nämlich die Hexaktinien; und den bilateralen stock- 
bildenden Zoantheen stehen die bilateralen solitären Cereanthiden 


! Die 8zähligen Larven von Aiptasia diaphana (HERTwIG, 32) und Tealia 
sp. (BovERı, 6) durchlaufen niemals das bilaterale Stadium, indem die beiden 
seitlichen Septen einander zugekehrte Muskelpolster besitzen (Textfig. 205). Die 
folgende Septenvermehrung dieser Aktinien verläuft daher auch anders als bei 
den übrigen Hexaktinien. Wahrscheinlich ist die larvale Bilateralsymmetrie 
bei ihnen nachträglich ganz unterdrückt worden. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 347 


und Edwardsien gegenüber!. Die bilateralen Larven der Stein- 
korallen und Hexaktinien beweisen aber nichts weiter als die Ab- 
stammung beider Gruppen von bilateralen Vorfahren, deren Grund- 
form folglich die stockbildenden Korallen, statt sie zu konserviren 
oder wieder hervorzurufen, wie es HaAckeE’s Theorie entspräche, 
genau eben so wie die solitären Aktinien zurückgebildet haben, 
so dass sie nur noch auf das Szählige Larvenstadium beschränkt 
blieb. Wenn aber die Stockbildung diese ererbte Bilateralsymmetrie 
nicht einmal zu fixiren vermag, so kann ihr vollends nicht die Wir- 
kung zugeschrieben werden, sie zu erzeugen. Und in den übrigen 
angeführten Gruppen gleicht sich das Für und Wider hinsichtlich 
der fraglichen Hypothese mindestens aus, so dass sie im Ganzen 
durch die Thatsachen mehr Widerspruch als Zustimmung erfährt. 

Zu den bei einer Untersuchung über den Ursprung der Bilateral- 
symmetrie zu berücksichtigenden Thatsachen gehört ferner der zuerst 
von O. und R. HerTwıG hervorgehobene Zusammenhang zwischen 
den Edwardsien und Hexaktinien. Die Edwardsien sind schon durch 
die geringste Septenzahl als die älteren Formen gekennzeichnet; als 
Vorfahren der Aktinien dokumentiren sie sich aber vor Allem durch 
den Umstand, dass die bestimmt gerichteten acht Muskelpolster in 
den Szähligen Hexaktinienlarven wiederkehren (vgl. HApDpox 26, 
BOVERI 6 u. A.). Dies wurde neuerdings dadurch bestätigt, dass sich 
in den Edwardsien neben den acht ursprünglichen Makrosepten acht 
bis zwölf winzige Mikrosepten gefunden haben (FAuror), darunter 
die uns schon bekannten Septen 9 bis 12 der Hexaktinien als un- 
verkennbare Merkmale des Übergangs zu den letzteren, wobei die 
ebenfalls frei lebenden Ilyanthiden (Halcampa, Ilyanthus) weitere 
Zwischenformen darstellen. An die Hexaktinien schließen sich aber 
ganz natürlich die Steinkorallen an. Denn die Stockbildung, die 
übrigens schon in der gelegentlichen Knospung an Stolonen bei man- 
chen Hexaktinien vorgebildet und bei den Zoantheen zur Regel 
geworden ist, und die Skelettbildung, die ja wesentlich nur der 
durch die Weichtheile hergestellten Architektur folgt, ändern nichts 
an der bei den Steinkorallen wiederholten Grundform der Aktinien, 
können also nur als Merkmale einer weiter fortgeschrittenen Ent- 
wiekelung der letzteren angesehen werden. 


! Will man als weiteres Beispiel stockbildender Bilateralthiere noch die 
Aleyonarien anführen, so darf nicht vergessen werden. dass dagegen die stock- 
bildenden Hydropolypen im Allgemeinen streng radial gebaut sind. 

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXITI. Bd. 23 


348 A. Goette, 


In dieser zusammenhängenden Reihe — Edwardsien, Hexaktinien, 
Steinkorallen — vollzieht sich der Übergang vom bilateralen zum 
Strahltypus lediglich dadurch, dass die später entstehenden Muskel- 
polster nicht mehr wie in dem Szähligen Stadium beinahe sämmt- 
lich nach einer und derselben Seite, sondern in ganz regelmäßigem 
Wechsel dorsal- und ventralwärts schauen. Dieser Unterschied in 
der Muskulatur der Edwardsien einerseits und der Hexaktinien und 
Steinkorallen andererseits lenkt die Aufmerksamkeit natürlich auf 
die verschiedene Lebensweise dieser Thiere. Die frei lebenden 
Edwardsien und Ilyanthiden bohren sich nicht nur nach Art des 
Cereanthus in den Meeresboden ein, sondern können auch recht gut 
mit einer Längsseite kriechen (QUATREFAGES 52, p. 75, FAUROT 20, 
p. 122, 128, 139, 157), während die Hexaktinien in der Regel mit 
ihrer Fußscheibe fest angeheftet sind. Für Cereanthus habe ich 
auch schon den Nachweis geführt (s. 0. p. 297), dass seine Bilateral- 
symmetrie mit seiner schrägen Lage im Boden! in unverkennbarer 
Beziehung steht, indem die sogenannte Dorsalseite regelmäßig nach 
oben, die Ventralseite nach unten gekehrt ist. Andererseits sind die 
mit dem aboralen Ende befestigten Hexaktinien und Korallen auf 
eine allseitig gleiche Muskelthätigkeit angewiesen, wozu die Ver- 
theilung ihrer Muskulatur aufs beste passt. 

Trotzdem gestatten diese Beziehungen zwischen Bau und Lebens- 
weise nicht, daraus den Schluss zu ziehen, dass die veränderte 
Lebensweise den Bau abändertee Denn die 9. bis 12. Septen, 
die den bilateralen Typus in den radialen verwandeln, entstanden 
keineswegs erst bei den angehefteten Aktinien, sondern in rudi- 
mentärer Form schon bei den Edwardsien (s. o.), um bei den eben- 
falls kriechenden und sich einbohrenden Ilyanthiden bereits bis zu 
einer vollkommen radialen Anordnung auszuwachsen. Wenn aber 
die kriechende und liegende Lebensweise aller dieser Polypen die 
Verwandlung der Bilateralform in die Strahlform nicht hindert, so 
ist es auch nicht denkbar, dass sie die Ursache der Bilateral- 
symmetrie gewesen wäre, so wenig wie die Anheftung der Hex- 
aktinien die Ursache ihrer Strahlform war, die ja schon bei den frei 
lebenden Ilyanthiden entstand. Die Lebensweise kann also auf 
keinen Fall eine dieser Grundformen erst hervorgerufen 
haben. 


! Eine ähnliche gebogene Lage nimmt nach ANDRES die Halcampa im 
Sandboden ein (2, Taf. IX). 


‚Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 349 


Dagegen ist es wohl zulässig, anzunehmen, dass die Lebensweise 
den für sie besonders geeigneten Körperbau begünstigte und aus- 
breitete, sowie andererseits eine Veränderung desselben eine ent- 
sprechende Anpassung der Lebensweise begünstigen musste. Es ist 
daher gewiss kein Zufall, dass die Bilateralsymmetrie, wenn auch 
nicht ausschließlich, doch am vollkommensten bei den kriechenden 
Aktinien vorkommt, und dass die Strahlform wiederum bei den fest- 
sitzenden Aktinien am vollständigsten durchgeführt ist, wie z. B. bei 
Gyractis (BOVERI 7), wo jede Spur einer Richtungsebene fehlt, oder 
wie bei Aiptasia diaphana (HErTwIG 32) und einer Tealia sp. 
(BovErI 6), wo die bilaterale Larvenform vollständig ausgefallen ist. 
Solche allgemeine Beziehungen zwischen Bau und Lebensweise lassen 
sich aber doch nur in sehr bescheidenem Maße und jedenfalls nur 
in zweiter Stelle für stammesgeschichtliche Untersuchungen ver- 
werthen; unsere vorläufige Musterung hat uns vielmehr gezeigt, dass 
die bestimmenden Änderungen der Körperform ganz spontan auf- 
traten und dass dabei vor Allem die Entwickelung den Gang der 
Metamorphosen aufdeckt. 


An die Schilderung der fortschreitenden Gliederung unserer 
Larven schließe ich hier noch einige Beobachtungen an, die das 
Mesoderm und gewisse eigenthümliche, rudimentäre Organe derselben 
Larven betreffen. 

Es ist auffallend, wie verschieden das sogenannte Mesoderm 
in den Larven von gleicher Gliederung aber von verschiedenen 
Gattungen entwickelt ist. In den Szähligen Larven aller drei Arten 
ist zwischen den beiden Epithelschichten der Körperwand und der 
Septen und Falten nichts weiter zu sehen als eine sich lebhaft 
färbende dünne und strukturlose Lamelle; eine Veränderung dieser 
Stützlamelle habe ich aber nur in den älteren Larven von Bunodes 
gemm., nicht in denen von Heliactis bellis angetroffen. Nachdem sie 
dicker geworden ist, lassen sich in ihr Faserzüge und Zellen unter- 
scheiden. Die ersteren durchziehen die Körperwand in jeder Rich- 
tung, bald mehr glatt, bald wellenförmig gebogen, und dringen an 
der Basis jedes Septum in dieses ein; die mit Ausläufern versehenen 
Zellen liegen zwischen den Fasern, meistihrem Zuge folgend. Dasparie- 
tale Ektoderm ist alsdann von dieser Stützlamelle nur noch stellenweise 
scharf getrennt; dazwischen ist die Grenze ganz unbestimmt und der 
anstoßende basale Theil des Ektoderms völlig aufgelockert, so dass es 
bei einzelnen Zellen zweifelhaft bleibt, ob sie noch dem Ektoderm oder 

23* 


330 A. Goette, 


schon der Stützlamelle angehören. Ich erblicke darin eine unregel- 
mäßige Einwanderung oder Einverleibung ektodermaler Theile in 
die parietale Stützlamelle, deren zellige Elemente daher insgesammt 
auf das Ektoderm zurückzuführen wären, wie es zuerst KOWALEWSKY 
angegeben hat. In den Septen, wo die Stützlamelle ganz ähnliche 
Verhältnisse aufweist, wird wohl das Entoderm dieselbe Rolle spielen 
wie das Ektoderm der Körperwand. 

Bei den gleich alten Larven von Heliactis habe ich, wie gesagt, 
von der eben beschriebenen Mesodermbildung nichts gesehen, statt 
dessen aber eigenthümliche Einwüchse des Ektoderms in die Stütz- 
lamelle angetroffen, die wiederum den anderen Larven fehlten. Sie 
zeigen sich nur in der aboralen Hälfte der Larve und gehen von 
den scharfkantigen Leisten des Ektoderms aus, die in Folge seiner 
Einsenkung längs der Septenbasen in diese eindringen. Von diesen 
Leisten entspringen in den acht ersten Septen solide eylindrische 
Stränge, die in den Septen hinaufwachsen und unter allmählicher 
Verschmächtigung nach längerem oder kürzerem Verlauf enden. 
Gelegentlich spaltet sich ein solcher Strang in zwei oder drei, und 
bisweilen lässt sich von der äußeren Ektodermbucht her ein feiner 
Spalt oder Kanal bis in die Basis des Stranges verfolgen'. 

Was aus diesen Strängen wird, habe ich nicht feststellen können. 
Vielleicht entwickeln sie sich zu solchen Kanälen, wie sie bei den 
Zoantheen vorkommen (vgl. MÜLLER, 49) und nach HAppon und 
SHACKLETON vom Ektoderm abstammen sollen (27, vgl. auch 11); 
andererseits könnten sie mit den Strängen verglichen werden, die 
bei der von KoROTNEFF beschriebenen Gastrodes parasitica in zwei 
symmetrischen Septen von je einer Ektodermeinstülpung aufwärts 
wachsen (38). Ich erwähne diese Möglichkeit mit allem Vorbehalt, 
da diese selben Septen von Gastrodes bereits in ganz abweichendem 
Sinn gedeutet wurden. EHLERS hält sie für rudimentäre Sclerosepten 
(38, p. 618 Anm.), HEIDER, der Gastrodes für eine Ctenophoren- 
larve erklärt (30), sieht in ihnen die rudimentären Anlagen der 
Tentakel und Tentakeltaschen der Otenophoren. KOROTNEFF selbst 
endlich möchte dieselben Organe von Gastrodes mit den von mir 
aufgefundenen peristomalen Septaltrichtern der Seyphostomen in Be- 
ziehung bringen. Ich könnte nun alle diese Deutungen auf sich be- 
ruhen lassen, wenn nicht diejenige von KOROTNEFF meine weiteren 


' Dieselbe Bildung traf ich einmal in einem Septum der noch zu beschrei- 
benden Tetractis jonica. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 351 


Beobachtungen an den Aktinien unmittelbar berührte. Ich kann näm- 
lieh die Ansicht KoROTNEFF'S nicht theilen, weil die Stränge von 
Gastrodes den entgegengesetzten Ursprung und Verlauf haben wie 
die Septaltrichter — aus der Tiefe der Septen hinauf, statt um- 
sekehrt — und dies keineswegs für die Folge einer Rückbildung 
erklärt werden kann; denn die rudimentären Homologa jener Trichter 
habe ich bei Cereanthus, Cereactis, Bunodes, Heliactis in der nor- 
malen Lage wiedergefunden. Dieser meiner Deutung liegen folgende 
Thatsachen zu Grunde. 

Bei zwei Szähligen Cereactislarven zeigte sich je eine taschen- 
förmige Einsenkung des peristomalen Ektoderms in ein Richtungs- 
septum (Fig. 74). Durch die mit einer weiten Lichtung versehene 
Tasche wurde das Septum gegen eine der angrenzenden Magentaschen 
vorgewölbt. In geringer Tiefe verliert sich allerdings die Lichtung 
der Tasche, aber ihr Boden setzt sich noch in einen kurzen soliden 
Zapfen fort (Fig. 75). In beiden Fällen war die trichterförmige 
Einsenkung gesen das im Übrigen völlig glatte peristomale Ekto- 
derm ganz scharf abgegrenzt; dies und die solide Fortsetzung 
schließen jede zufällige Faltenbildung aus. Ganz gleiche peristomale 
Taschen fand ich bei Heliactis und Bunodes, aber nicht nur in der 
Einzahl, sondern mehrfach an demselben Thier und in ganz ver- 
schiedenen Septen. Bei den 24zählisen Bunodes ließ sich besonders 
gut beobachten, dass die Taschen nach innen von den Tentakelbasen, 
also unzweifelhaft im Bereich ihres Peristoms lagen. Auch bei Cerean- 
thus 5 traf ich auf eine solche Tasche (Fig. 27); dort könnte sie aller- 
dings als eine zufällige Einbuchtung einer der beschriebenen engen 
Peristomfurchen zwischen den Tentakeln erscheinen, wenn nicht der 
Vergleich mit Cereactis und Heliactis, wo die septalen Einsenkungen 
des Peristoms noch vor dem Erscheinen der Tentakel sich am voll- 
kommensten präsentiren, die Deutung der homologen Bildungen bei 
Cereanthus als selbständiger Anlagen sicherstellte!. 

Von einer weiteren Ausbildung dieser peristomalen Taschen in 
den heranwachsenden Aktinien ist mir nichts bekannt; wahrschein- 
lich verschwinden sie im weiteren Verlauf der Entwicklung und er- 
weisen sich folglich als larvale Bildungen, deren unbeständiges Auf- 
treten ihre Bedeutung als Rudimente vollends bestätigt. Als solche 


1 Bei Heliactis beobachtete ich gelegentlich unregelmäßige Peristomfurchen, 
die sich nicht in septale Einsenkungen fortsetzten und wahrscheinlich durch 
Kontraktionen erzeugt waren. Damit haben die regelmäßig en Septal- 
taschen natürlich nichts gemein. 


352 A. Goette, 


weisen sie auf eine Vorfahrenform zurück, die mit ähnlichen aber 
funktionirenden und daher beständigen, regelmäßig angeordneten 
Organen versehen war. Von solchen Organen wüsste ich nur die 
schon genannten Septaltrichter der Scyphostomen und der niede- 
ren Scyphomedusen (Stauro-, Cubomedusen) zu nennen, die nach 
Ursprung, Form und Lagebeziehungen mit jenen peristomalen Taschen 
der Aktinienlarven durchaus übereinstimmen. Dies zwingt uns zur 
Annahme, dass die beiderlei Organe homologe Bildungen sind, und 
dass die Stammform der Cereanthiden und Hexaktinien die Septal- 
trichter der Scyphomedusen besaß. Die natürlichen Folgerungen dieses 
Ergebnisses werden im nächsten Abschnitt zur Sprache kommen. 


5. Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Aktinien. 


Der Versuch, den stammesgeschichtlichen Zusammenhang der 
Aktinien unter einander und mit anderen Scyphopolypen festzu- 
stellen, begegnet dadurch großen Schwierigkeiten, dass die Ent- 
wickelungsgeschichte nur von ganz wenigen dieser Formen bekannt 
ist, und dass ferner bei ihnen oft eine außerordentliche Variabilität 
herrscht, die namentlich auf den späteren Stufen den ursprüng- 
lichen Typus verdeckt (vgl. PARKER, 51). Es muss sich daher ein 
solcher Versuch mehr als sonst auf Übereinstimmungen stützen, 
deren Homologie noch nicht sichergestellt ist. 

Am besten fügen sich die zwei großen Gruppen der Hexakti- 
nien und der Steinkorallen nach Bau und Entwickelung zusammen; 
man könnte die Korallen geradezu als skelettbildende Hexaktinien 
bezeichnen. Aus der Entwickelung dieser Polypen wurde ferner 
alsbald erkannt, dass sie von Edwardsia-artigen Szähligen Formen 
abstammten (HAppox, McMurricH, BovErI); und wenn man davon 
absieht, dass schon die Edwardsien selbst durch ihre rudimentären 
Mikrosepten die Metamorphose in echte Hexaktinien andeuten, so 
offenbaren doch die Halcampa (12zählige Form — HErTwIG, FAv- 
ror), die Gonaktinien (16zählige Form — BLOCHMANN, BOVERI) und 
die Protanthea (20zählige Form — CARLGREN, 10) alle einzelnen Stufen 
jenes Übergangs. 

Daneben giebt es aber eine größere Anzahl von Aktinien, deren 
Beziehungen zu der genannten Reihe Edwardsia-Hexaktinien noch 
nicht unmittelbar festgestellt werden können. Die Monauleae (HERT- 
wıG, 33) mit sieben Binnenfächern (einschließlich ein Richtungsfach) - 
und die Holaktinien (Bovekı, 7) mit lauter gleichen Binnenfächern 
ohne jedes Richtungsfach glaubte Boverr vom Szähligen Edwardsia- 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopoiypen. 353 


typus in der Weise ableiten zu dürfen, dass gleichzeitig mit den 
Haupt- und dorsolateralen Septen auch die dorsalen Riehtungssepten 
(Monauleae) oder die dorsalen und ventralen Richtungssepten (Hol- 
actiniae) durch neue Septen zu Paaren ergänzt würden. Nach dieser 
Auffassung wären also beide Gruppen als selbständige Ausbildungen 
des Edwardsiatypus den Hexaktinien, deren Grundzahl 6 bei ihnen 
fehlt, nur koordinirt. Ich halte es dagegen für wahrscheinlicher, 
dass auch in diesen Fällen, so wie es sonst die Regel ist, zuerst 
die vier Septen 9 bis 12 das i2zählige Stadium mit den sechs 
Binnenfächern, also die einfachste Hexaktinienform herstellen, ehe 
sie durch weitere Septenbildung wieder aufgehoben wird. Diese 
Auffassung wird ganz besonders dadurch unterstützt, dass nach 
PARKER das außerordentlich variable Metridium marginatum M. Edw. 
sehr häufig statt des normalen Hexaktinientypus denjenigen der 
Monauleae entwickelt, was natürlich nur so zu verstehen ist, dass 
nach dem 12zähligen Stadium in den Taschen 4’”—4! statt eines 
neuen Septenpaares (Gonaktinienform) nur ein neues Septum erscheint, 
das sich mit dem benachbarten Richtungsseptum paarte. Wenn aber 
unter diesen Umständen die Monauleae sich als abgeänderte Hex- 
aktinien ergeben, so gilt dies natürlich in gleicher Weise für die 
Holaktinien. 

Für die Paraktinien (Herrwiıs) hat BovEr1 selbst die Abstam- 
mung von echten Hexaktinien angenommen, was mir das Natürlichste 
scheint. Damit ist aber die Möglichkeit 
beseitigt, dass die Paraktinien wegen der 
Grundzahl 4 direkte Beziehungen zu den 
fossilen Tetracorallien offenbarten (33, 
p- 86). 

Ganz anders gestaltet sich die Ent- 
wickelungsgeschichte von Aiptasia dia- 
phana (HERTWIG, 32) und von Tealia sp. 
(BovErı, 7). Auf den weit vorgeschrittenen 
Stufen sind sie vollkommene Hexaktinien; 
vorher durchlaufen sie aber kein Edward- 


siastadıum, da die Muskelpolster beider Textfig. 20. 
1414 “LT ® a, normale 12zählige Hexaktinien- 
seitlichen Septen der Szähligen Larve °, 7. een, 


einander zugekehrt sind und die Septen tasia diaphana und Tealia sp. 

9 bis 12 paarweise innerhalb beider 

Mitteltaschen auftreten (Textfig. 205). Die radiale Abordnung wird 
also zu keiner Zeit durch eine wirkliche Bilateralsymmetrie unter- 


304 A. Goette, 


brochen. Für diese auffallende Erscheinung weiß ich keine andere 
Erklärung anzuführen, als dass das Edwardsiastadium auch in 
diesen Fällen einst bestanden hatte, aber durch die Umkehrung 
eines seitlichen Muskelpolsters beseitigt worden ist, worauf auch 
die Vertheilung der Septen 9 bis 12 sich entsprechend änderte. 
Diese Annahme wird dadurch gerechtfertigt, dass solche Umkeh- 
rungen der Muskelpolster ausnahmsweise auch bei anderen Hex- 
aktinien vorkommen (PArkER), und dass der ganze Vorgang nur 
einen weiteren Schritt in der Gesammtentwickelung der Hexaktinien 
darstellt, die auf die Beseitigung der ererbten Bilateralsymmetrie 
serichtet ist, sie aber in der Regel noch in den Larven konservirt 
hat. Aiptasia diaphana und Tealia sp. haben auch diesen Rest ein- 
gebüßt. 

Am unsichersten ist die genealogische Stellung der Zoan- 
theen, deren vorgeschrittene Bildungsstufen einen von allen übrigen 
Aktinien völlig abweichenden Typus zeigen, während ihre Embry- 
onalentwickelung noch ganz unbekannt ist. Daher ist ihre Ableitung 
vom Edwardsiatypus (McMurrRICH, FAUROT, BOVERI) eine rein hypo- 
thetische, während die von v. BENEDEN vertretene Ansicht, dass sie, 
ganz unabhängig von Edwardsien, von sechszähligen Urformen ab- 
stammen (3), durch manche Befunde ge- 
stützt wird, ohne doch volle Beweiskraft 
zu haben. 

Nicht besser steht es mit einer kleinen 
Aktinie, die ich in verschiedenen Alters- 
stufen an einer seichten, pflanzenreichen 
Stelle des Meeres bei Corfu fischte. Ihr 
größter Durchmesser betrug 0,5—1.23 mm, 
die Farbe war bräunlich; der niedrige Kör- 
per verschmälerte sich von der breiten 
Bee, Basis gegen die Mundscheibe zu einer 

4, Richinnestasche. ‘ konischen Gestalt, die Tentakel blieben 

bei der Konservirung gestreckt (Fig. 80). 

Die ältesten Exemplare besaßen vier ins Kreuz gestellte Makro- 
septenpaare, eines davon mit nach außen gekehrten, die drei an- 
deren mit einander zugekehrten Muskelpolstern (Textfig. 21). Jenes 
erstere Paar umschließt eine breite Richtungstasche (4), mit zwei seit- 
lichen Tentakeln und einem asymmetrisch dazwischen gestellten Mikro- 
septum (Fig. 81), worin ich eine künftige Dreitheilung der Tasche an- 
gedeutet sehe. Die gegenüberliegende Richtungstasche (3) und die. 


Einiges über die Entwiekelung der Seyphopolypen. 355 


beiden seitlichen Taschen (1, 2) waren schmal und ungetheilt. In 
den vier Zwischenräumen befanden sich Mikrosepten in einer nicht 
ganz regelmäßigen Anordnung, doch so, dass man die fortschreitende 
Dreitheilung durch je ein Septenpaar erkennen konnte (Textfig. 21, 
Fig. Si, S2). Jede mittlere Abtheilung blieb einfach, während die 
seitlichen sich wieder in derselben Art und zwar von der Basis her 
theilten. Nach Vervollständigung der eingeleiteten Theilungen mussten 
34 Septen vorhanden sein, thatsächlich zählte ich aber erst 28. 

Unter dem Tentakelkranz buchten sich beide Seitentaschen so 
weit aus, dass dadurch ansehnliche äußere Vorsprünge entstehen, 
an der Unterseite mit kleineren warzenförmigen Ausstülpungen be- 
setzt (Fig. 80, 52). Dicht über der Basis gehen von der einfachen 
Richtungstasche und den mittleren Abtheilungen jeder Dreitheilung 
ähnliche Vorsprünge aus. In der Außenwand, namentlich längs der 
Seitentaschen, liegt eine dünne ektodermale Schicht von Längs- 
muskeln. 

Diese älteren Exemplare waren freilich noch nicht geschlechts- 
reif, aber nach der Zahl der Septen doch schon so weit ausge- 
wachsen, dass eine spätere grundsätzliche Änderung .der Strahlglie- 
derung ausgeschlossen ist. Die jüngeren Thiere dieser Art besitzen 
die Ausbuchtungen noch nicht, nur Spuren der Muskelpolster und 
eine sehr unregelmäßige Septenbildung, so dass daraus überhaupt 
kein bestimmter Typus zu entnehmen war. In einigen Fällen konnte 
ich zwischen zahlreichen Mikrosepten die drei einfachen Binnen- 
-fächer erkennen, aber nicht die getheilte Richtungstasche, so dass 
ihre Septen nicht zu den ältesten Makrosepten zu gehören scheinen. 
Jedenfalls fehlt unserer Aktinie das sonst so weit verbreitete Larven- 
stadium mit acht Makrosepten und die spätere Gliederung nach der 
Grundzahl 6, sowie andererseits die Merkmale der Zoantheen. Nach 
ihrer Größe und den Ausbuchtungen gleicht sie der Bunodeopsis 
strumosa Andres (2) oder der Hoplophoria coralligens Wilson (58); 
doch ist die letztere eine regelmäßige Hexaktinie, und von Bunode- 
opsis ist die innere Gliederung unbekannt, so dass ich die beschrie- 
bene Form vorläufig noch als eine neue Art betrachten muss, für 
die ich den Namen Tetractis joniea vorschlage. Das Einzige, 
was Tetraetis sowie die Zoantheen mit den Hexaktinien und deren 
nächsten Verwandten gemeinsam haben, sind die Binnenfächer; ob 
dies aber der Rest einer ursprünglich viel größeren verwandtschaft- 
lichen Übereinstimmung oder nur eine Parallelbildung ist, wird eine 
Spätere Untersuchung zu entscheiden haben. 


356 A. Goette, 


Sieht man von diesen zweifelhaften Formen ab, so lässt sich 
die Hauptmasse der Aktinien nebst den Steinkorallen auf die bi- 
radiale 12zählige Hexaktinienform, diese auf die bilaterale Szäh- 
lige Edwardsienform und in letzter Linie auf die primäre Azählige 
‚Strahlform zurückführen!. Nur eine Gruppe der Aktinien macht 
hiervon eine Ausnahme — die Cereanthiden. Allerdings weist 
auch ihre Entwickelung ganz unzweideutig auf die 4zählige Ur- 
form hin; statt aber durch eine Dreitheilung der dorsalen und 
ventralen Tasche in die Szählige Edwardsienform überzugehen, 
wird sie bei Cereanthus durch die einfache Halbirung der Seiten- 
taschen in eine 6zählige Form verwandelt, die durch das vorzeitige 
Erscheinen und die Lage jener ersten Theilungssepten sich scharf 
von den folgenden Entwickelungsstufen unterscheidet, die durch 
die fortgesetzten Theilungen der ventralen Richtungstasche gekenn- 
zeichnet sind. Eben desshalb ist das flüchtige Szählige Stadium der 
Cereanthiden mit dem Edwardsienstadium gar nicht vergleichbar 
(p- 332, 342). Ihre Stammesentwicklung divergirte vielmehr schon 
von der 4zähligen Stammform an mit der Stammesentwiekelung der 
übrigen Aktinien. 

In dieser Beziehung schließen sich die Antipathiden durch- 
aus den Cereanthiden an. Sie besitzen unter ihren sechs Tentakeln 
zwei kleinere Richtungstaschen und vier größere Seitentaschen; die 
letzteren sind aber durch vier kurze, nicht bis zur Schlundpforte 
hinabreichende Septen noch einmal getheilt, und bei A. glaberrima 
kommt noch ein sechstes Septenpaar hinzu, wodurch die regelmäßige 
Strahlform bilateral abgeändert wird. Ich habe diese von Koch (35) 
festgestellten Thatsachen bei A. glaberrima durchaus bestätigt ge- 
funden. Bei der Untersuchung der jüngeren Individuen bis hinab 
zu den Knospen, die äußerlich erst durch zwei kleine Höcker (die 
Richtungstentakel) angedeutet sind, zeigte sich aber, dass jene zwei 
bis drei kleinen Septenpaare in den großen Seitentaschen nicht 
gleich Anfangs vorhanden sind, sondern erst später und unregel- 
mäßig auftreten, so dass man auch ohne Kenntnis der Entwickelungs- 
geschichte der Antipathiden, die wohl nicht so bald bekannt werden 
dürfte, annehmen darf, dass die sechs ersten Taschen und Septen 


! Ich gehe dabei von der Voraussetzung aus, dass die Edwardsien selbst 
sich eben so entwickeln wie die entsprechenden Larven der Hexaktinien. MARK 
beobachtete allerdings tentakellose Edwardsialarven (46), zeichnet aber von der 
jüngsten Larve, die übrigens schon 6zählig war, nur einen Querdurchschnitt 
unterhalb des Schlundes, woraus über die Magentaschen nichts zu entnehmen ist. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 357 


die ursprünglichen sind, zu denen auch allein die sechs Tentakel 
gehören. Ein Blick auf dieses früheste 6zählige Stadium der Anti- 
pathiden bezeugt nun die große Übereinstimmung mit der 6zähligen 
Cereanthuslarve (vgl. Fig. 4 und 83), so dass man vorläufig nicht 
umhin kann, beide Gruppen in nähere Beziehung zu bringen und 
vielleicht mit Einschluss der Zoantheen (s. o. p. 354) als Abkömm- 
linge einer 6zähligen Stammform denen einer Szähligen Stamm- 
form (Edwardsien ete.) entgegenzusetzen '. 

Ich hebe hier ausdrücklich hervor, dass die Abgrenzung dieser 
zwei Hauptgruppen der Zoantharia in so fern nur eine vorläufige sein 
kann, als neue Thatsachen, namentlich die Entwickelungsgeschichte 
der Antipathiden, auch ganz neue verwandtschaftliche Beziehungen 
aufdecken könnten. Sicher scheint mir aber die angegebene Diver- 
senz zwischen den Cereanthiden und allen übrigen Aktinien nebst 
den Steinkorallen, und folglich der gemeinsame Ursprung aller dieser 
Polypen und wahrscheinlich aller Zoantharien von einer 4zähligen 
Urform zu sein. Mit nicht geringerer Wahrscheinlichkeit dürfte das 
Letztere auch für die Aleyonarien Geltung finden. Denn obgleich 
die unvollkommenen Daten ihrer Entwickelungsgeschichte (KowA- 
LEWSKY 40) es nicht erkennen lassen?, glaube ich es dennoch aus 
gewissen anderen Beobachtungen erschließen zu dürfen. 

An den allerjüngsten Knospen von Anthelia glauca, die 
einen Schlund noch nicht besitzen, finde ich in den obersten Quer- 
' durchschnitten vier ins Kreuz gestellte Magentaschen, die sich im 
Centrum berühren, aber seitlich entweder gar nicht zusammenstoßen 
oder doch nur sehr unvollkommene Septen bilden (Fig. 76). Sie können 
daher nur selbständig entstanden, d. h. primäre Taschen sein. Zwei 
einander gegenüberliegende von diesen vier primären Taschen er- 
weitern sich abwärts bedeutend (3, 4), die zwei anderen nicht (1, 2); 
in einer gewissen Tiefe öffnen sie sich centralwärts in einander, d.h. 
verwandeln sich in offene Rinnen mit Magenfalten im Umkreise eines 
gemeinsamen Darmraumes (Fig. 78, 79). Die zwei kleineren (1, 2) 
und eine große Tasche (4) gehen ungetheilt in ihre Rinnen über; 
die zweite große Tasche (3) wird aber dort, wo sie sich erweitert, 


1 Auf Grund dieses Ergebnisses kann ich den Versuch von BROok (8), 
die Aktinien überhaupt von Antipathiden-ähnlichen Vorfahren abzuleiten, nicht 
zustimmen. 

_ 2 Übrigens ist hier zu bemerken, dass die eben Szählig gewordenen 
Aleyonarienlarven zwei symmetrische größere Taschen besitzen, von denen 
KowALEwskY selbst vermuthet, dass sie die zuerst entstandenen seien. 


358 A. Goette, 


von einer Falte durchquert (Fig. 77, 78), und ihre Rinne noch von 
einer zweiten Falte (Fig. 79). Diese beiden Falten sind offenbar 
sekundäre Theilungsfalten; dies wird dadurch bestätigt, dass die 
. zwei noch ausstehenden Falten, die doch nur als die Gegenstücke 
der erstgenannten in der anderen großen Tasche 4 zu erwarten sind, 
eben nur als sekundäre Theilungsfalten entstehen können. 

Die in Entwickelung begriffenen Knospen von Anthelia glauea 
zeigen also sehr deutlich eine durch vier primäre Masgentaschen 
hergestellte Gliederung, die durch zwei Dreitheilungen in den bei- 
den größeren Taschen in eine Szählige Form übergeführt wird 
— eine genaue Wiederholung der Entwickelung einer Szähligen 
Aktinie. Allerdings bedarf auch dieser Befund noch der Bestätigung 
durch die Entwickelungsgeschichte. Dafür giebt es aber noch ein 
zweites zustimmendes Indieium. Zu den häufigsten Varietäten des 
Metridium marginatum gehört nach PARKER diejenige mit acht Ma- 
krosepten und acht Muskelpolstern in der für die Aleyonarien ty- 
pischen Anordnung (51). Darin spricht sich unzweifelhaft eine nähere 
Verwandtschaft zwischen den Aleyonarien und den Zoantharien des 
$Szähligen Typus aus; beide erscheinen nur als späte Divergenten 
desselben Stammes, was die geschilderte Entwickelung der Anthelia 
entschieden bestätigt. Daraus folgt, dass die schon charakterisirte 
Stammform der Zoantharien gleichzeitig diejenige aller 
Seyphopolypen ist — eine Stammform, die uns auch, wie ich 
es schon vor Jahren aussprach (23), thatsächlich bekannt ist in dem 
jüngsten polypoiden Scyphostoma. 

Diese Schlussfolgerung lässt sich aber gegenwärtig noch viel 
bestimmter begründen, nachdem ich in den Larven verschiedener 
Aktinien rudimentäre Septaltrichter nachgewiesen habe, die folglich 
in der gemeinsamen Stammform dieser Polypen und daher der Sey- 
phopolypen überhaupt vorhanden gewesen sein müssen!. Danach 
steht es fest, dass diese Stammform der Sceyphopolypen mit den 
Scyphostomen nicht nur in der Gliederung, sondern auch in einem 


i Von der Anwesenheit solcher Rudimente bei anderen Scyphopolypen 
als den Cereanthiden und einigen Hexaktinien ist freilich noch nichts bekannt; 
dies kann aber die Annahme, dass jene Organe der Stammform aller Seypho- 
polypen eigen waren, nicht beeinträchtigen. Denn auch in dem unwahrschein- 
lichen Fall, dass die fraglichen Rudimente nur auf jene von mir untersuchten 
Formen beschränkt seien, liegt es auf der Hand, dass, wenn solche Reste schon 
in der einzelnen Art unbeständig sind, sie in größeren Gruppen ganz in Weg- 
fall gekommen sein können, ohne dass daraus geschlossen werden dürfte, sie 
hätten vorher nicht existirt. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 359 


Merkmal (Septaltrichter) übereinstimmte, das nur noch bei den 
Seyphomedusen vorkommt; oder dass mit anderen Worten das 
polypoide Scyphostoma das Abbild einer gemeinsamen 
Stammform der Scyphopolypen und Scyphomedusen ist. 
Die Septaltrichter des Scyphostoma bleiben bekanntlich nur bei den 
niedersten Scyphomedusen (»Scyphostomiden« 23) erhalten und ver- 
lieren sich bei den weiter vorgeschrittenen Formen dieser Medusen, 
so dass ihre Rückbildung in der Stammesgeschichte der Scypho- 
polypen keineswegs eine Ausnahme bildet. 

Diese Bestätigung meiner in Kürze schon früher vertretenen 
Auffassung von der Stammesverwandtschaft der Seyphomedusen und 
Seyphopolypen enthält auch die bündigste Widerlegung der seither 
dagegen erhobenen Einsprüche. H. Wırson erkannte zwar jene 
Verwandtschaft im Allgemeinen an, hielt aber die Scyphostomaform 
nicht für den gemeinsamen Ausgangspunkt, sondern war der Ansicht, 
dass sie und folglich auch die Scyphomedusen allmählich aus den 
embryonalen Zuständen der Steinkorallen hervorgingen; und zwar 
wesentlich desshalb, weil jene Form in der Entwickelung der Korallen 
fehle. Ich zeigte aber schon, dass die Grundform ‚mit den vier 
primären Magentaschen auch in der Entwickelung der Korallen nicht 
zu verkennen ist (s. p. 340); und nachdem durch die Entdeckung der 
Septaltrichter der Aktinien ihre Abstammung von der Scyphostoma- 
form sichergestellt ist, kann für die Korallen erst recht nicht das 
 Gegentheil angenommen werden. 

Ferner hat sich HEIDER aus ähnlichen Gründen gegen meine 
Auffassung ausgesprochen (39, p. 80). Er hob namentlich hervor, 
»dass die Sceyphopolypen (Seyphostomen!) durch den Besitz von 
Septaltrichtern und die ektodermale Entstehung der Längsmuskeln 
von den Anthozoen sich trennen, wozu noch als weitere unter- 
scheidende Merkmale die verschiedene Art der Entstehung der vier 


1 Von dem früheren Gebrauch, ausschließlich das Scyphostoma oder die 
durch dasselbe repräsentirte Polypenform als »Scyphopolyp<« zu bezeichnen, 
sehe ich nach wie vor ab, und zwar in erster Linie desshalb, weil durch diese 
Bezeichnung der Irrthum immer von Neuem erregt wird, dass alle Scyphosto- 
men Polypen seien. Nachdem ich schon längst nachgewiesen habe, dass die 
Seyphostomen nur eine kurze erste Zeit polypoid und in der viel längeren 
Folgezeit medusoide Formen sind, ist es zur Beseitigung jedes Missverständ- 
nisses empfehlenswerther, diesen Medusenlarven ausschließlich ihren ursprüng- 
lichen Namen >Scyphostoma« zu belassen. Dann liegt aber kein Grund vor, 
den Anthozoen den Namen »Scyphopolypi« vorzuenthalten, der die Beziehung 
zu den Scyphomedusen sehr passend andeutet. 


360 A. Goette, 


ersten Magentaschen und manche Unterschiede im histiologischen 
Gesammtcharakter (stärkere Entwickelung des Mesodermgewebes bei 
den Anthozoen) kommen«. Dies Alles trifft gegenwärtig nieht mehr 
zu. Denn die Scyphopolypen (Anthozoen) besitzen als Abkömmlinge 
von seyphostoma-ähnlichen Vorfahren thatsächlich Rudimente der 
Septaltrichter, nachdem deren Muskelstränge eben so wie bei den 
Medusen durch andere Muskeln ersetzt sind; ferner habe ich die 
von mir zuerst bei den Scyphostomen entdeckte »primäre« Bildung 
der vier ersten Magentaschen und Septen, wenn auch theilweise 
ebenfalls in rudimentärer Form, bei recht verschiedenen Seypho- 
polypen nachgewiesen. Endlich ist das von HEIDER bei den letzteren 
vermisste schwache Mesoderm wenigstens bei den Cereanthiden und 
Edwardsien vorhanden (Herrwıg 32, Taf. I, VIO), im Übrigen aber 
ein sehr fragwürdiges Merkmal, da dieses Gewebe erst spät zur 
Entwickelung kommt und daher bei den jüngsten polypoiden Scypho- 
stomen, den einzigen Vorbildern der eigentlichen Stammform, noch 
gar nicht ausgebildet sein konnte. Es kann daher von einem grund- 
sätzlichen oder nur wesentlichen Unterschied zwischen jenen Scypho- 
stomen und der Stammform der heutigen Scyphopolypen gar nicht 
mehr gesprochen werden. 


6. Die Scyphozoa. 


Nachdem ich die verwandtschaftlichen Beziehungen der Scypho- 
medusen und Scyphopolypen als divergenter Abkömmlinge einer 
gemeinsamen Stammform dargelegt habe, ist ihre von mir gleichfalls 
schon früher vorgeschlagene Zusammenfassung als »Scyphozoa« ganz 
selbstverständlich. Diese Terminologie ist von einigen Seiten (LANG, 
HATScHER) gebilligt worden, von anderen nicht. Die hauptsächlichen 
Einwendungen dagegen stützen sich immer auf den angeblichen, 
wesentlichen Unterschied zwischen den Scyphostomen und den »An- 
thozoen« (vgl. HEIDER a. a. O.); nachdem dieser Grund sich als 
unzutreffend erwiesen hat, ist auch der Widerspruch gegen jene 
Terminologie gegenstandslos geworden. | 

Ich bin aber bei der Aufstellung einer gemeinsamen Abstammung 
der Sceyphomedusen und Scyphopolypen von sceyphostoma-artigen 
Formen nicht stehen geblieben, sondern glaubte aus der Entwicke- 
lungsgeschiehte der Seyphostomen selbst entnehmen zu können, dass 
eine noch weiter zurückliegende Stammform, die Scyphula, neben 
jenen Seyphostomaformen auch den Ctenophoren zum Ausgangspunkt 
diente und sich andererseits unabhängig von den ältesten Hydrozoen 


Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 361 


direkt aus planula-ähnlichen Urformen entwickelt habe. Gegen diese 
Auffassung hat man sich, mit Ausnahme von Lau (45), ablehnend 
verhalten, indem die ältere Anschauung, dass alle Polypen und 
Medusen oder die Gesammtheit der eigentlichen Cnidaria von einem 
hydra-ähnlichen festsitzenden Polyp (Archhydra) abzuleiten seien, 
maßgebend blieb, und außerdem die neue Auffassung Anklang fand, 
dass die Ctenophoren von jenen Cnidaria ganz abzulösen und als 
besonderer Stamm zu behandeln seien. Meines Erachtens geht aber 
die Archhydra-Theorie in der Centralisirung, die zweite Ansicht 
umgekehrt in der Trennung zu weit. 
| Unter der Seyphula verstehe ich die Vorstufe des Scyphostoma, 
in der der ektodermale Schlund und die vier primären Magentaschen 
und Septen schon gebildet sind, aber die Tentakel, die Septaltrichter 
und die festsitzende Lebensweise noch ausstehen (23, p. 14). Sie 
bewegt sich frei durch Wimpern!. Die ihr vorausgehende Planula 
stimmt mit der Planula der Hydropolypen vollkommen überein; ich 
habe desshalb darin das Abbild einer allen Nesselthieren gemeinsamen 
Stammform und ferner eben so anerkannt, dass der daraus unmittel- 
bar hervorgehende Hydropolyp, die Archhydra als Stammform 
aller Hydrozoa anzusehen sei (a. a. 0. p.53). Nun kann man ja 
a priori die Möglichkeit zugeben, wie ich es selbst gethan habe (p. 54), 
dass eben dieselbe Archhydra auch der Ausgangspunkt der Sceypho- 
polypen und Scyphomedusen, d.h. also zunächst der Scyphulaform 
gewesen sei. Die nähere Untersuchung der Scyphula macht jedoch 
einen solchen Ursprung nicht wahrscheinlich, und dagegen hilft auch 
das Anrufen der Cänogenie (vgl. HEIDER 39, p. 80) gar nichts; denn 
dies hieße nur, eine bloße Möglichkeit durch eine andere stützen. 
Die Archhydra ist ein einfach schlauchförmiger Polyp, dessen 
Strahlgliederung allenfalls durch den Tentakelkranz angedeutet ist, 
und der von der vorausgegangenen Stufe der freischwimmenden 
Planula vor Allem durch seine Anheftung unter Verlust der Wimpern 
unterschieden ist. Die Scyphula verliert dagegen ihre Wimpern 
nicht; und da diese sogar bis weit in das Seyphostomastadium hinein 
erhalten und funktionsfähig bleiben, kann eine bei gewissen Arten 
Aurelia aur.) häufige frühere Anheftung der Sceyphula sie nicht 
schlechtweg zu einem sessilen Polyp stempeln. Man muss nur 


! Bei Aurelia aurita befestigt sich allerdings in der Regel schon die 
Scyphula, bei Cotylorhiza tubereulata aber erst das vorgeschrittene Scypho- 
stoma, das übrigens Wimpern und Schwimmfähigkeit noch lange behält. 


362 A. Goette, 


beobachtet haben, wie leicht selbst ältere Seyphostomen sich ablösen 
lassen und wie lebhaft sie alsdann herumschwimmen, um zur Über- 
zeugung zu gelangen, dass diese Larven erst den Übergang zur fest- 
sitzenden Lebensweise vermitteln und dass daher die viel jüngere 
. Seyphula erst recht zu den freien Larven zu rechnen ist. Hand in 
Hand damit geht die späte Entwickelung der Tentakel der Scypho- 
z08, die nicht wie bei den Hydropolypen unabhängig von einer 
inneren Gliederung, sondern im genauen Anschluss an die voraus- 
gegangene Bildung der Magentaschen, gewissermaßen als deren Fort- 
setzungen entstehen und daher sich erst nach dem Scyphulastadium 
einstellen. 

Mit einem Wort: die Merkmale der Archhydra, die sessile 
Lebensweise, der Mangel des Wimperkleides und die Tentakelbildung 
fehlen der Scyphula und stellen sich erst im Seyphostoma ein. Und 
selbst wenn sie sich schon an der Seyphula zeigten, wäre für die 
fragliche Archhydra-Theorie nichts gewonnen; denn zweifellos soll 
doch die mit Schlund und Magentaschen versehene Sceyphula selbst 
nicht ein Abbild der Archhydra sein, sondern dieses ihr vorausgehen. 
Eine solche Vorstufe der Scyphula fehlt aber natürlich vollends; 
denn wenn man ihre besonderen Merkmale, den Schlund und die 
Magentaschen, in Abzug bringt, so bleibt nur eine einfache Planula 
übrig!. Die Seyphula geht eben durch die Entwiekelung von Schlund 
und Magentaschen gerade so unmittelbar aus der Planula hervor, wie 
die Archhydra durch die Entwickelung der ganz anderen Charaktere 
der Hydropolypen. Die Herbeiziehung der Möglichkeit, dass diese 
wesentliche Verschiedenheit nur die Folge einer täuschenden cäno- 
genetischen Abänderung der Entwickelung sei, wäre nur dann statt- 
haft, wenn dies durch andere Thatsachen nothwendig schiene; eine 
solche Nöthigung kann ich aber nirgends entdecken. Folgerichtig 
müssen die Archhydra mitallen sich anschließenden Hydrozoa 
und andererseits die Scyphula mitihrer Nachkommenschaft, 
die ich die Scyphozoa genannt habe, neben und unabhängig 
von einander aus der ihnen gemeinsamen planula-ähnlichen 
Stammform hervorgegangen sein. Die beiden Hauptzweige der 
Nesselthiere divergiren also schon von der Planula aus und nicht erst 
von der Archhydra. 


! Die Mundbildung kommt hier nicht in Betracht, weil in Abwesenheit 
eines Schlundes Mund und Prostoma, sei es ein offenes oder geschlossenes, 
identisch sind. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 363 


Ich komme jetzt zu dem zweiten hier zu erörternden Punkt, 
nämlich zu dem von mir vorgeschlagenen Anschluss der Ctenophoren 
an die Seyphozoen, der, wie sich gleich zeigen wird, in innigster 
Beziehung zu dem eben festgestellten Ergebnis steht. Die Gründe, 
warum die Ctenophoren von den übrigen Onidariern bis zur Planula- 
form rückwärts ganz zu trennen seien, hat HEIDER a. a. O. ausführ- 
lieh erörtert. Er geht natürlich davon aus, dass alle Cnidarier außer 
den Ctenophoren von der Archhydra abstammen und unterscheidet 
unter ihnen nur die festsitzenden Polypen und die freischwimmenden 
Medusen, Die letzteren, also die einzigen freibeweglichen Cnidarier, 
ließen sich auf die erstgenannten Polypen zurückführen und entbehrten 
in Folge dessen ein Wimperkleid als Lokomotionsapparat, wozu viel- 
mehr eine besondere Muskulatur diene. Sie zeigten ferner eine ge- 
ringe Neigung an der exumbralen Seite, insbesondere am aboralen 
Pol, der den polypoiden Vorfahren zur Anheftung diente, besondere 
Organe zu entwickeln. Die Ctenophoren wären im Gegensatz dazu 
mit einem lokomotorischen Wimperapparat und mit wichtigen ab- 
oralen Organen ausgerüstet und bewiesen dadurch eine andere Ab- 
stammung als die Medusen, d. h. könnten nicht von festsitzenden 
Polypen, in letzter Linie von der Archhydra abgeleitet und müssten 
folglich als ein selbständiger Stamm neben den Cnidariern hingestellt 
werden. 

Alle diese von HEIDER angeführten Gründe gegen einen poly- 
poiden Ursprung der Ötenophoren kann ich um so weniger bestreiten, 
als ich selbst die letzteren niemals von festsitzenden Polypen, am 
wenigsten von Hydropolypen (Archhydra), die ich ja grundsätzlich 
von den Seyphozoen trenne, abzuleiten versuchte, und im Gegentheil 
_ als ihre nächste Stammform die Scyphula bezeichnet habe, die ja 
gerade die bei jenen Polypen vermissten Merkmale, die freie Be- 
wegung durch Wimpern und daher den zu jeder Organbildung ge- 
eigneten freien aboralen Pol besitzt. Der Widerspruch in unseren 
Schlussfolgerungen rührt also ausschließlich daher, dass HEIDER die 
Seyphula für eine cänogenetisch abgeänderte Archhydra hält, was 
ich aber für unbegründet erklärte. Thatsächlich ist sie nach ihrem 
inneren Bau eine Scyphozoenform, die weder ein Polyp noch 
eine Meduse genannt werden kann. Ihr ausschließlich in Wim- 
pern bestehender Bewegungsapparat steht in direktem Widerspruch 
mit den muskulösen Bewegungsapparaten eines Polyps und einer 
Meduse; sie unterscheided sich von ihnen ferner durch den Mangel 


der Tentakel, von der Meduse insbesondere durch den Mangel einer 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 24 


364 A. Goette, 


Subumbrella, — beides entsteht erst im polypoiden und medusoi- 
den Seyphostoma. 

Diese indifferente Stellung der Sceyphula gestattet also auch 
nach HEIDER’s Forderungen für die Stammform der Ctenophoren den 
Vergleich dieser beiden Formen. Ihre wesentliche Übereinstimmung 
finde ich.1) in der freien Bewegung durch einen Wimperapparat, 
2) in dem Besitz eines ektodermalen Schlundes und der ihn umge- 
benden Magendivertikel (Taschen oder Kanäle). Allerdings findet 
sich in dem letztgenannten Punkt auch ein Unterschied: die vier 
Magentaschen der Scyphula und eines Otenophorenembryo (vgl. CHhux 
17 p. 114) sind nicht vollständig homolog. Die Einstülpung des 
Schlundes trennt freilich in beiden Fällen das Entoderm oder den 
Urdarm in zwei Hälften, die zwei ersten einander gegenüberliegen- 
den Magentaschen (vgl. Textfigur 1). Darauf entwickelt die Sey- 
phula das zweite Taschenpaar in den Zwischenräumen des ersten, 
in der Richtungsebene; im Ütenophoren-Embryo werden statt dessen 
die beiden schon vorhandenen Entodermhälften rechtwinklig zur 
Richtungsebene (Magenebene) getheilt, genau so wie es bei Cerean- 
thus geschieht, wogegen die Bildung der Richtungstaschen unter- 
bleibt (vgl. Textfigur 2). Dieser Unterschied kann aber nur als ein 
verhältnismäßig untergeordneter gelten, weil er sich erst sekundär, 
nach der Entwickelung des Schlundes und der ersten primären Ma- 
sentaschen einstellt, und der Ötenophorenembryo daher immerhin 
als das Abbild eines früheren Entwickelungszustandes der Sceyphula 
oder eines solchen Abkömmlings derselben wie die erwähnte Cerean- 
thuslarve aufgefasst werden kann!. Ja, ich sehe selbst gar keine 
Schwierigkeit darin, von der 4zähligen Scyphula ihre thatsäch- 
lich vorausgehende 2zählige Vorstufe zu trennen, von der aus 
die ältesten und einfachsten Ctenophoren direkt, die Seyphopolypen 
und Scyphomedusen erst nach der Herstellung der 4zähligen Stufe 
abzuleiten wären. Unter allen Umständen bliebe die Scyphula 
die gemeinsame Stammform dieser drei COnidarierzweige, 


i Der merkwürdigen Gastrodes fehlen die Taschen der Richtungsebene 
ebenfalls, und daraufhin könnte sie mit größerem Recht als in Folge der 
räthselhaften Ektodermeinwüchse (s. 0. p. 350) für eine Ctenophorenlarve er- 
klärt werden. Auf der anderen Seite ist aber auch die Möglichkeit zu be- 
tonen, dass unter den Scyphopolypen Formen wie die 4zählige Cereanthus- 
larve fixirt und u. A. zum Ausgangspunkt für. Gastrodes wurden. Das 
Hauptinteresse bietet also die letztere dadurch, dass auf gewissen mehr indiffe- 
renten Entwickelungsstufen eine grundsätzliche Unterscheidung von Scypho- 
polypen und Ctenophoren unmöglich ist. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 365 


die, wie ich zeigte, sämmtlich von den Hydrozoa zu trennen 
sind und daher als Scyphozoa zusammengefasst werden 
können. 


7. Geschichte und Systematik. 


Bei der Untersuchung über den genetischen Zusammenhang der 
Cnidarier und insbesondere der Scyphozoa habe ich gewisse Gruppen 
enger zusammengefasst, andere strenger gesondert als es bisher üb- 
lieh war; dadurch soll aber keineswegs ohne Weiteres eine Entschei- 
dung über die systematische Anordnung dieser Thiere getroifen sein. 
Ich betone dies besonders desshalb, weil, wie mir scheint, häufig die 
Bedeutung der Genealogie der Thiere für die Systematik übertrieben 
wird. . 

Früher klassifieirte man rein deskriptiv, woraus sich das soge- 
nannte künstliche System ergab, das auch die einzige Übersicht 
über das gesammte Thierreich darbot.. Nachdem aber die Vorstellung 
von einer wirklichen Geschichte der Thiere Platz gegriffen hat, er- 
wachte auch das Verlangen nach einem prägnanten Ausdruck dieser 
Geschichte in einem genetischen oder genealogischen System. Dazu 
dienten und werden auch fernerhin dienen die zahlreichen Stamm- 
bäume der einzelnen Gruppen, die sich zuletzt ganz naturgemäß zu 
einem einzigen Stammbaum des gesammten Thierreichs zusammen- 
fügen müssen. Zweifellos ist ein solcher allgemeine Stammbaum 
ein durchaus natürliches System; wenn aber nun verlangt wird, 
dass dieses natürliche System an Stelle des vorhin genannten künst- 
lichen Systems treten, oder diesem die Klassifikation vorschreiben 
solle, oder endlich beide irgendwie verschmelzen sollen, so wird eben 
Wesen und Zweck beider Systeme vollkommen verkannt. 

Der Zweck des künstlichen Systems, das in der Regel als Sy- 
stem schlechtweg bezeichnet wird, ist eine geordnete Übersicht 
aller uns bekannten Thiere, worin vermittels passender Diagnosen 
jede Einzelform identifieirt werden kann. Dazu dient die Klas- 
sifikation nach Neben- und Unterordnung, so zwar, dass jede Ka- 
tegorie sich als die Summe aller ihr untergeordneten Kategorien und 
jede Einzelform sich als eine letzte Kategorie (Art, Varietät) dar- 
stellt. — Das genealogische System oder der Stammbaum als Schema 
der wirklichen Geschichte muss grundsätzlich alle Formen umfassen, 
die je existirten und in ununterbrochenem Fluss in einander über- 
gingen, mögen sie uns nun bekannt oder bloß hypothetisch angenom- 


men sein. Da der Stammbaum nur den Zweck verfolgt, die Zeitfolge 
24* 


366 A. Goette, 


der stammesgeschichtlichen Metamorphose zu veranschaulichen, so 
fehlen ihm die Diagnosen, deren Kenntnis er vielmehr voraussetzt. 
Seine genetischen Kategorien, die jeweilige Stammform und die von 
ihr ausgehenden Zweigformen stehen auch in einem ganz anderen 
Verhältnis zu einander als die deskriptiven Kategorien; jede höhere 
Kategorie (Stammform) ist nicht die Summe aller ihrer Zweigformen, 
sondern selbst eine Einzelform, eine systematische Art gleich jenen, 
ihnen aber zeitlich nothwendigerweise vorgesetzt und nur dadurch 
als höhere Kategorie von ihnen geschieden. 

Auf Grund dieser Definition beider Systeme lässt sich verstehen, 
dass der Stammbaum das deskriptive System nicht ersetzen kann; 
dazu fehlen ihm nicht nur die zur Artbestimmung nothwendigen 
Diagnosen, sondern vor Allem die Klassifikation. Der Versuch aber, 
ihm beides einzufügen, muss an dem grundsätzlichen Unterschied 
beider Systeme scheitern, wie die folgenden Beispiele erläutern wer- 

„ den. In dem Stammbaum Textfig. 22 ist Aa 

Aa 7” als Stammform die Oberkategorie zu den 
Zweigformen Aa’, Aa”; klassifikatorisch 

müsste, wenn Aa’, Aa” zwei Arten darstellen, 

in die Oberkategorie Aa deren Gattung bezeich- 

nen, Aa ist aber weder die Summe von Aa’ 

und Aa”, noch überhaupt von einem anderen 

Textfig. 22. deskriptiv systematischen Werth wie diese 
Arten, sondern ebenfalls bloß eine Art. 

Denkt man sich ferner Aa neben den daraus entsprungenen Aa’ 
und Aa” fortexistirend, so bilden sie insgesammt drei Arten mit der 
Grundform A und dem variabeln Element a, 

nn d. h. drei Arten derselben Gattung. Die zwei 
Aa da 4a” Kategorien des Stammbaums, Stammform und 
Zweigformen, vereinigen sich also zu den 
koordinirten Elementen der deskriptiven Kate- 
gorie »Gattung«; dann hat auch die Form 
der Verzweigung im Stammbaum überhaupt 
keinen Werth für die Klassifikation, sondern 

Textfig. 23. müsste durch den graphischen Ausdruck der 

Koordinirung und Verbindung ersetzt werden, 
etwa durch das Einrücken von 4a zwischen Aa’ und Aa” und eine 
sie verbindende Klammer (Textfig. 23). 

Diese Konsequenz des Versuchs, den Stammbaum klassifikato- 

risch zu verwerthen, tritt noch prägnanter hervor, wenn man sich 


Einiges über die Entwickelung der Seyphopolypen. 367 


’ 


zu der Gattung «' (Aa, Aa’, Aa”) eine ähnliche zweite Gattung « 
(Ad, Ab’, Ab”) und ihre Verbindung durch eine gemeinsame Stamm- 
form A hinzudenkt (Textfig. 24). Denn nun schiebt sich, nach Ana- 
logie des ersten Beispiels, die gleichfalls einfache Art A als dritte 
Gattung @ zwischen die zwei ersten Gattungen «’ und «” ein, um 
mit ihnen eine Familie (7) zu bilden u. s. f. Es wäre aber eine arge 
Täuschung zu glauben, dass durch solche Schemata die gewünschte 
Vereinigung von Stammbaum und Klassifikation oder die Verwand- 
lung des künstlichen Systems in ein natürliches, genetisches erreicht 
wäre. Der Stammbaum ist in unserem Beispiel vollständig und er- 
reicht seinen Zweck, den genetischen Zusammenhang der als be- 
kannt vorausgesetzten hypothetischen oder empirischen Formen 
übersichtlich darzustellen. Die 
durch die Klammern ange- 
deutete Klassifikation ist aber 
weder richtig noch überhaupt 
brauchbar. Aa und Ab sind 
nicht nur Glieder ihrer zwei 
Gattungen, sondern nach unse- 
rem ersten Beispiel mit 4 zu 
koordiniren, das schon wegen 
seines Einrückens zwischen «’ 
und «” als eine diesen gleich- 
werthige Gattung « erscheint. 
Folgerichtis müssen die drei Textfig. 24. 
Arten A, Aa, Ab, die unter 
sich eben so nahe verwandt sind, wie die Arten der Gattungen «’ 
und «@”, eine neue Gattung «’’ bilden. Dann gehören sie aber noth- 
wendig zu verschiedenen Kategorien, die zuerst völlig getrennt er- 
schienen: A als Gattung « innerhalb der ganzen Familie ist zugleich 
eine Art innerhalb der Gattung «”, Aa gehört als Art zu den beiden 
Gattungen @' und «’’, Ab eben so zu den Gattungen «”’ und «’”. 
Oder mit anderen Worten: jede Gattung ist mit den anderen 
Gattungen derselben Familie unmittelbar verknüpft, geht in sie über. 
Dies wiederholt sich natürlich im weiteren Ausbau unseres Stamm- 
baums, so dass auch alle Familien, Ordnungen, Klassen etc. an 
gewissen Punkten, nämlich da, wo die Stammformen in die Reihe 
der letzten Zweigformen eintreten, nur durch Artunterschiede von 
_ einander getrennt werden, also nach systematischen Grundsätzen zu 
einer einzigen Kategorie zu vereinigen sind, in der schließlich an- 


ı 


368 A. Goette, 


dere als Artgrenzen zu bestimmen nicht möglich ist. Damit ist aber 
die versuchte Klassifikation ad absurdam geführt!. Die scheinbar 
so leichte Verwandlung des künstlichen Systems in ein natürliches 
auf der Grundlage eines Stammbaums beruht eben in der That auf 
einer Täuschung. 

Sobald man aber hier den Einspruch erhebt, dass dieser Miss- 
erfolg nur daher rühre, dass in dem gewählten Beispiel alle Stamm- 
formen in die Reihe der zu klassifieirenden Arten hineingerückt 
seien, wohin sie nach ihrer Mehrzahl, nämlich so weit sie bloß 
hypothetische Formen sind, gar nicht gehören, so wird dadurch. eben 
auf den springenden Punkt des Konflikts hingewiesen. Als Abbild 
des stammesgeschichtlichen Zusammenhangs muss der Stammbaum 
alle Divergenzpunkte der Zweigformen, auf die sich die Untersuchung 
gerade richtet, angeben, also alle bezüglichen Stammformen enthalten, 
mögen sie nun hypothetische oder empirische sein; eine Klassifikation 
ist aber, wie wir sahen, nur dann möglich, wenn die unmittelbaren 
senetischen Verbindungen benachbarter Kategorien, also mindestens 
die Mehrzahl der Stammformen fortfallen, d. h. wenn gerade die 
Grundlage des Stammbaums aufgegeben wird. In diesem Sinne sind 
und bleiben Genealogie und Klassifikation Gegensätze, die 
sich im Allgemeinen ausschließen; und dieser Gegensatz steigert sich 
natürlich, je weiter Geschichte und Genealogie der Thiere ausgear- 
beitet und vervollkommnet werden. 

Trotzdem hebt die historische Untersuchung und Darstellung des 
Thierreichs die Möglichkeit der künstlichen Klassifikation nicht auf. 
Denn die genealogisch zu postulirenden kontinuirlichen Reihen: der 
Thierformen sind in der Empirie durch mehr oder weniger große 
Lücken unterbrochen, da im Laufe der Stammesentwickelung in erster 
Linie gerade die für die Klassifikation hinderlichen älteren Stamm- 


!1 Man darf damit natürlich nicht die häufig benutzten ähnlichen Schemata 
verwechseln, die den allgemeinen genetischen Zusammenhang bloß der größe- 
ren Gruppen veranschaulichen sollen, und daher nur Stammbäume der letzteren 
mit Beifügung ihrer systematischen Namen sind, aber keineswegs eine wirk- 
liche »genetische Klassifikation« darstellen. Denn das deskriptive System er- 
reicht seinen Zweck der Identifieirung der Arten natürlich erst nach seiner 
Vollendung bis zu den letzteren, und ist überhaupt ohne die Kenntnis der 
Arten nicht denkbar, da sie als die einzigen natürlichen, konkreten Kategorien 
das Material liefern, aus welchem allein alle übrigen künstlichen Kategorien 
abstrahirt werden. Jede auf irgend welche Oberkategorien beschränkte Über- 
sicht kann verschiedenen Zwecken erfolgreich dienen, ist aber nicht das ge- 
kennzeichnete deskriptive System, dessen Verhältnis zum Stammbaum hier zur 
Diskussion steht. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 369 


formen ausgemerzt wurden; und diese allerdings nur in unserem 
Wissen bestehenden Lücken bilden die nothwendigen systematischen 
Grenzen zwischen den benachbarten Kategorien, um so bestimmter, 
je breiter sie sind. In dem Maße, als sie sich durch neue Funde 
ausfüllen, nimmt umgekehrt die Sicherheit der Klassifikation ab; und 
theoretisch könnte man sich vorstellen, dass durch eine vollständige 
Ausfüllung aller Lücken die Ausübung der Klassifikation, nach der 
Analogie unseres Beispiels, unmöglich würde. Sie würde aber dann 
weder bloß ihren Charakter ändern, aus einem künstlichen ein na- 
türliches System werden, noch durch das genealogische System 
ersetzt werden können; sondern sie würde einfach aufhören — zum 
größten Nachtheil der historischen Arbeit, die zu ihren nothwendigen 
Voraussetzungen auch eine möglichst vollkommene Klassifikation 
zählt. Da jedoch jener hypothetische Zustand auch nur in erheb- 
liehem Umfang nie eintreten kann, so wird die Klassifikation im 
Ganzen bleiben, was sie bisher war. Bezeichnet man also das genea- 
logische System als das natürliche, die deskriptive Klassifikation als 
das künstliche System, so wird sie oder die Systematik der Thiere 
stets eine künstliche bleiben. 

Eine ganz andere Frage ist die, ob denn die Klassifikation ohne 
jede Beziehung zur Genealogie bestehen könne? — Ganz gewiss 
nicht; aber nicht desshalb, weil sie nach ihrem Wesen und Zweck 
auf die Genealogie angewiesen ist, was eben widerlegt wurde, 
sondern weil beide Aufstellungen zum großen Theil aus demselben 
Material abgeleitet werden und daher ihre Kategorien häufig bis zu 
einem gewissen Grade zusammenfallen. Dieses Material ist die 
Formverwandtschaft der verschiedenen Arten, woraus die histo- 
rische Untersuchung deren Zusammenhang in Divergenz und Auf- 
einanderfolge, die Klassifikation die Neben- und Unterordnung fest- 
stellt. Wie weit dabei die Parallele zwischen den beiderlei Kategorien 
gehen kann, haben wir an den besprochenen Beispielen gesehen. 
Die historische Untersuchung wird ferner oft in der Lage sein, auf 
Grund ihrer besonderen genealogischen Aufschlüsse der Systematik 
zu Hilfe zu kommen, sie zu dirigiren, so dass beide Untersuchungen 
vielfach Hand in Hand gehen. Diese Umstände haben sicher dazu 
beigetragen, dass die Begriffe der Geschichte und der Systematik 
der Thiere nicht immer in wünschenswerthem Maß aus einander ge- 
halten wurden, und die Verwandlung unserer Klassifikation, unseres 
künstlichen Systems in ein genetisches ins Auge gefasst wurde. In 
der That bleiben aber trotz aller oft sehr innigen Beziehungen zu 


370 A. Goette, 


einander beide Diseiplinen durchaus selbständig; und dies 
wird. vollends evident, wenn man sich klar macht, wie weit unter 
Umständen ihre Aufstellungen aus einander gehen können und müssen. 

Diese gelegentlichen Divergenzen beider Diseiplinen sind die 
ganz natürlichen Folgen ihres verschiedenen Vorgehens. Die Genea- 
logie als abgekürzter Ausdruck der Stammesentwickelung kennt keine 
trennenden Grenzen, sondern in den ununterbrochenen Formenreihen 
nur das eine Verhältnis von Stammform und Zweigformen, das je 
nach den ins Auge gefassten Formen seinen Platz wechselt!. Die 
Klassifikation bedarf dagegen sicherer und fixer Grenzen ihrer zahl- 
reichen Kategorien und findet sie in den bezeichneten empirischen 
Unterbrechungen der ursprünglich kontinuirlichen Formenreihen; aus 
der wechselnden Weite dieser Lücken leitet sie ferner nach sub- 
jektivem Werthmaß die zahlreichen verschiedenen Grade der 
Formverwandtschaft ab, aus denen sich das System aufbaut. 
Daher muss der Systematiker je nach Umständen eine Stammform 
mit ihren Zweigformen koordiniren oder sie vollständig trennen, um 
dann wieder Zweigformen verschiedener Abstammung und. von ihren 
Ursprüngen gelöst mit einander zu verbinden, so dass dadurch das 
Bild des Stammbaums ganz verdeckt wird; dies Alles auf Grund der 
von ihm festgestellten systematischen Verwandtschaftsgrade und zum 
besonderen Zweck der Klassifikation, der im System nicht zu Gunsten 
der Genealogie geschädigt werden kann. 

Natürlich ist ein solches Verfahren nicht der reinen Willkür 
preisgegeben, sondern davon abhängig, dass der Systematiker das 
Gewicht der theils genealogisch, theils klassifikatorisch bedeutsamen 
Formverwandtschaft nach beiden Seiten mit richtigem Takt abschätzt. 
Die Inkongruenzen zwischen Genealogie und Systematik sind aber 
überhaupt gar nicht zu vermeiden und bestätigen die oben erörterte 
Thatsache, dass beide Diseiplinen grundsätzlich verschieden sind, 
und dass ihr beständiges Ineinandergreifen niemals auf eine Iden- 
tifieirung beider hinauslaufen kann. 

Diese Auffassung von der Selbständigkeit der Systematik gegen- 
über den Hinweisen auf einen abweichenden genealogischen Zusam- 
menhang ist übrigens keineswegs neu;.selbst in unserem besonderen, 
die Cnidaria betreffenden Fall finde ich bei einem nächstbetheiligten 
Forscher, bei Cuun, Bemerkungen, die mit den letzten Ergebnissen 
meiner Untersuchung in der Hauptsache übereinstimmen. CHUN 


! Jede Stammform ist selbst eine Zweigform früherer Stammformen, und 
jede Zweigform umgekehrt die Stammform späterer Zweigformen. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 371 


erklärt nämlich, dass obgleich sich entwickelungsgeschichtliche An- 
knüpfunsspunkte zwischen den Ütenophoren einerseits und den 
Seyphopolypen und -medusen andererseits gewinnen ließen, er im 
Hinblick auf die Divergenz dieser Gruppen in ihrer weiteren Ent- 
wickelung davon Abstand nehme, sie in einer Kategorie zu vereinigen 
(18, p. 172). Grundsätzlich ist ein solcher Standpunkt ganz korrekt; 
nur ist es nicht überflüssig hinzuzufügen, dass dieses Recht der 
Systematik nicht so gehandhabt werden darf, als wenn die mehr 
oder weniger selbständige und künstliche Klassifikation die nament- 
lieh auf entwickelungsgeschichtlicher Grundlage gewonnenen genea- 
logischen Ergebnisse, besonders unter Berufung auf die sogenannte 
Cänogenie, desavouiren könnte. Denn indem jene Selbständigkeit 
. der Systematik gerade darauf beruht, dass sie auf Grund der für 
sie unentbehrlichen empirischen Unterbrechungen des genealogischen 
Zusammenhangs diesen bis zu einem gewissen Grade vernachlässigen 
darf, kann sie am wenigsten den Anspruch erheben, in die genea- 
logische Forschung bestimmend einzugreifen. 

Dennoch dürften solche Missverständnisse eben so wie die ent- 
segengesetzten, dass die deskriptive künstliche Klassifikation in das 
natürliche genealogische System überzugehen habe, schon vorgekom- 
men sein und noch vorkommen. Ich wiederhole daher, dass Ge- 
schichte und Systematik der Thiere nur als selbständige Disciplinen 
bestehen können, wenn auch vielleicht gerade in Folge dieser Selb- 
ständigkeit Irrthümer hüben und drüben unvermeidlich sind. 


Um nun das, was eben erläutert wurde, auf die Cnidarier an- 
zuwenden, muss zunächst ihr Stammbaum ausgeführt werden, der 
aber Angesichts der bescheidenen Zahl der entwickelungsgeschicht- 
lich untersuchten Formen sich nur auf gewisse Grundzüge beschränken 
muss (Textfig. 25). — Von der planula-ähnlichen gemeinsamen Stamm- 
form aller Cnidarier gingen zuerst die beiden Zweigformen der Arch- 
hydra und der Seyphula aus, jene der Ausgangspunkt aller Hydro- 
zoen, diese der Scyphozoen. Von der Scyphula divergiren wieder 
zwei Zweige, von denen der eine zu den Ctenophoren, der andere 
zu den 4zähligen scyphostoma-ähnlichen Polypen hinführt, der 
Stammform aller Seyphopolypen und Seyphomedusen. Es sind folg- 
lieh die Ctenophoren, Seyphopolypen und Seyphomedusen nicht 
koordinirte Ausläufer der Sceyphula, sondern die Ctenophoren der 
Gesammtheit der übrigen Sceyphozoen entgegengesetzt. Dies könnte 
ganz wohl auch systematisch zum Ausdruck kommen, nur nicht in 


312 A. Goette, 


der Koordinirung: Hydrozoa-Scyphozoa-Ctenophorae, oder gar in 
dem vollständigen Ausschluss der letzteren und dem Stamm der 
Cnidarier: Cnidaria-Otenophorae. Denn der ektodermale Schlund 
und die ihn umgebenden primären Magentaschen bilden einen so 
' prägnanten Charakter der von mir so genannten Scyphozoa, der den 
Hydrozoa völlig fehlt, dass er eine entsprechende systematische Ein- 
theilung: Hydrozoa-Scyphozoa und andererseits die Einordnung der 
Ctenophoren in die letztere Gruppe nothwendig macht. 


Sepphozoa 
Hydrozoa ED 


Planwlaform 


Textfig. 25. 


Unter dieser Voraussetzung lässt sich auch der allseitig an- 
erkannten Forderung, den Ctenophoren eine Sonderstellung zu- 
zuerkennen, in genügendem Maße nachkommen, wenn man ihnen 
sesenüber die Scyphopolypen und Scyphomedusen unter einem neuen 
Namen zusammenfasste. Dann fragt es sich aber noch, ob dieses an 
sich korrekte Vorgehen für die Klassifikation zweckmäßig wäre, 
oder ob nicht unter diesen Umständen die Koordinirung: Sceypho- 
polypen, Seyphomedusen, Ctenophoren- vorzuziehen sei; eine Frage, 
deren Entscheidung ich dem Takt zuständiger Systematiker überlasse. 

Die Hauptmasse der Scyphozoen geht von der 4zähligen seypho- 
stoma-ähnlichen Polypenform aus und zwar in den drei koordi- 
nirten Zweigen der Medusen, der 6- und der Szähligen Polypen. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 373 


Trotzdem ist es systematisch ganz selbstverständlich, jene zweier- 
‚lei Polypen als eine Gruppe den Medusen entgegenzusetzen. — 
Wichtiger als diese unerhebliche Inkongruenz zwischen Genealogie 
und System ist der Widerstreit beider Darstellungen im Gebiet der 
Seyphopolypen. Systematisch werden sie noch immer zunächst in die 
Aleyonaria und die Zoantharia eingetheilt, jene mit gefiederten, diese 
mit glatten Tentakeln; die Zoantharia zerfallen ferner in die Anti- 
pathiden, Malacodermen (Aktinien) und Sklerodermen (Steinkoral- 
len). Eine entsprechende genealogische Verzweigung ist aber nach 
den bisher vorliegenden Thatsachen ausgeschlossen. Die 6zählige 
Stammform, von der die Cereanthiden und Antipathiden ausgingen 
und die Szählige Stammform, die den übrigen Aktinien, den Stein- 
korallen und den Alcyonarien zum Ursprung diente, divergiren 
durch die Art ihrer Entwickelung (Halbirung der zwei Seitentaschen 
— Dreitheilung der dorsalen und der ventralen Tasche) schon von 
der 4zähligen Urform an (Textfig. 10). Die Edwardsien nebst den 
sich anschließenden Hexaktinien und Steinkorallen erscheinen daher 
mit den Aleyonarien weit näher verwandt als mit den Cereanthiden 
und Antipathiden!. Endlich ist es nicht unmöglich, dass neben den 
6- und Szähligen noch andere Zweigformen aus der 4zähligen Ur- 
form hervorgingen, z. B. solche mit der Grundzahl 4 (im Stammbaum 
durch z angedeutet), wie vielleicht Tetractis jonica, die dann eben so 
wie die Cereanthiden von den übrigen Aktinien zu trennen wären. 
| Wie man sieht, gehen also Genealogie und Klassifikation der 
Seyphopolypen noch vollständig aus einander; und es ist nicht leicht 
zu sagen, wie weit eine Annäherung zwischen ihnen, oder was das- 
selbe ist, eine Anpassung des Systems an die Genealogie möglich 
und geboten ist. Denn so wenig sich auch die Mängel des gegen- 
wärtigen Systems verkennen lassen, so bleibt es andererseits doch 
Traglich, ob gerade die Genealogie bessere Anhaltspunkte für die 
praktische Klassifikation liefern kann. 

Jene Mängel beruhen vor Allem in der Aufstellung der Ordnung 
»Zoantharia« und der Unterordnung der »Malacodermata«. Die 
Cereanthiden, Antipathiden, Zoantheen, Hexaktinien und Steinkorallen 
sind zweifellos wohlumgrenzte und systematisch eben so gut definir- 
bare Gruppen wie die Aleyonarien; warum werden sie aber ins- 
gesammt als Zoantharien den Alcyonarien entgegengesetzt? Von 
ihren Unterscheidungsmerkmalen: glatte, nicht gefiederte Tentakel, 


1 Auf die Ähnlichkeit zwischen Edwardsien und Aleyonarien hat schon 
HERTwIG hingewiesen. 


374 A. Goette, 


Besitz von Binnenfächern mit der Grundzahl 6 — stimmt keins aus- 
nahmslos, am wenigsten die Binnenfächer und ihre Grundzahl; ge- 
- meinsam ist ihnen nicht einmal der Mangel der besonderen Kenn- 
zeichen der Aleyonarien (acht gefiederte Tentakel, keine seitlichen 
Binnenfächer), da die Thalassianthinen gefiederte Tentakel, die Ed- 
wardsien, Cereanthiden und Zoantheen ebenfalls keine seitlichen 
Binnenfächer besitzen. Ist aber die Ordnung der Zoantharien hin- 
fällig, so ist es natürlich auch die Unterordnung der Malakodermen, 
und es müssen daher, wenn man nicht alle aufgezählten Gruppen 
einfach koordiniren will, passendere Verbindungen zwischen ihnen 
gesucht werden. 

Genealogisch präsentiren sich als zwei natürliche Abtheilungen 
1) die nach ihrem Ursprung 6zähligen Seyphopolypen, die man daher 
füglich Hexacorallia nennen kann!, nämlich die Cereanthiden 
und Antipathiden, 2) die in demselben Sinn Szähligen Aleyonarien, 
Hexaktinien mit allen ihren Abkömmlingen und die Steinkorallen 
(Octocorallia); die Stellung der Zoantheen und einiger anderer 
Formen bleibt zunächst noch zweifelhaft. Um diese zwei Gruppen 
in systematische Ordnungen zu verwandeln, müssten aber aller- 
dings embryologische Merkmale für sie verwendet werden: die 
6zählige und die Szählige Grundform, jene mit zwei lateralen, 
diese mit vier dorsoventralen Theilungssepten zwischen vier primären 
Septen (Textfig. 10). Die beiden Unterordnungen der Hexacorallien, 
die Cereanthiden und die Anthipathiden, sind natürlich leicht 
zu trennen; unter den Octocorallien ständen zunächst die Aleyona- 
rien mit ihren acht Tentakeln und den ungepaarten seitlichen Septen 
den mit 16 oder mehr Tentakeln und in der Regel mit seitlichen 
Binnenfächern versehenen Aktinien und Steinkorallen (Polyactinia) 
gegenüber, deren gegenseitige Abgrenzung wiederum aufder Hand liegt. 

Dieses System wäre jedoch zunächst bloß ein provisorisches; 
denn die definitive Einreihung der erwähnten zweifelhaften Formen 
könnte nicht nur neue Merkmale verlangen, sondern vielleicht selbst an 
dem einen oder anderen Punkt solche nähere Verbindungen verschie- 
dener Gruppen aufdecken, dass dadurch eine brauchbare Klassifikation 


! Der Name Hexacorallia kann nur so lange unzuträglich erscheinen, als 
man an dem Namen der Hexaktinien festhält, der aber gegenwärtig am besten 
ganz aufgegeben wird. Die Grundzahl 6 der Binnenfächer, auf die er sich 
bezieht, ist ein selbst in der einzelnen Art sehr variabler Charakter, also am 
wenigsten zum Merkmal einer Familie geeignet, besonders da durch dasselbe 
die nächsten Verwandten in unnatürlicher Weise in. verschiedene Familien 
getrennt werden. 


Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 375 


unmöglich würde, so wie es in dem Beispiel auf p. 367 gezeigt wurde. 
Auch braucht man sich nur vorzustellen, dass die von PARKER be- 
sehriebene Variabilität von Metridium marginatum auch bei anderen 
Seyphopolypen nachgewiesen würde, um zu verstehen, wie schwan- 
kend die Systematik dieser Klasse werden kann. Unter solchen 
Umständen bleibt freilich das einzige bestimmte Ziel einer ordnenden 
Untersuchung die Genealogie, die ja bei jeder solchen Variabilität 
wie die genannte ohne Weiteres an die Stelle der Klassifikation tritt, 
indem die Varianten einer Species nicht mehr als Repräsentanten 
verschiedener systematischer Kategorien, sondern nur noch als zwar 
unbeständige Zweigformen einer Stammform gelten können. 


Straßburg, im August 1897. 


Litteraturverzeichnis, 


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Öfvers. K. Vetensk. Akad. Förh. 1891. Stockholm. 
11. —- Über das Vorkommen von Bruträumen bei Aktinien. Ebenda. 1893. 
12, —— Zur Kenntnis der Septenmuskulatur bei Ceriantheen und der Schlund- 
rinne bei Anthozoen. Ebenda. 
13. CARLGREN, Studien über nordische Aktinien. K. Svenska Akad. Handlingar. 
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Golfes von Neapel. I. 1880. 


376 


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35. 


48, 
49. 


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Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 377 


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Neue Folge. I, 1. 1894. 


Erklärung der Abbildungen. 


Allgemeine Bezeichnungen: 


ab, aboraler Pol; d, dorsal; ad/, dorsolaterales Septum (-Falte); dmg, dorsale 
Magentasche; drs, dorsales Richtungsseptum (-Falte); er, Entoderm; ek, Ekto- 
derm; f, Filament; As, Hauptseptum (-Falte); 2, linke Körperseite; /p, Mundlippe; 
lt, Mundtentakel; mf, Magenfalte, Septum; ng, primäre Magentasche; mt, Mittel- 
tasche; nd, Nahrungsdotter; o, Mund; or, oraler Pol; r, rechte Körperseite; rf, 
Ringfalte; rs, Richtungsseptum (-Falte); s, Schlund; sp, Schlundpforte; si, Sep- 
taltrichter; «x, Umschlag des Schlundpfortenepithels; v, ventral; vng, ventrale 
Magentasche; vrs, ventrales Richtungsseptum; x, meridionale Entodermplatte. 


Tafel XVI. 


Fig. 1—5. Querdurchschnitte einer jungen Cereanthuslarve a. Das Ekto- 
derm dunkel, das Entoderm hell; 1 und 4 die Richtungstaschen, 2, 3 die Seiten- 
taschen. 

Fig. 6. Senkrechter Durchschnitt einer gleichen Larve längs den Theilungs- 
septen mf. 

Fig. 7. Schlund dicht neben dem vorigen Durchschnitt. 

Fig. 8, 9. Querdurchschnitte der ventralen Richtungstasche und ihrer 
Rinne mit den Anfängen ihrer Halbirung und der Bildung der Tasche 5 in Ar. 

Fig. 10. Ähnlicher Durchschnitt einer etwas älteren Larve. 

Fig. 11. Das erste Theilungsseptum im Bereich des dreieckigen Umschlags 
des Schlundes (s. Fig. 4) senkrecht und rechtwinkelig durchschnitten. 

Fig. 12, 13. Querdurchschnitte einer 8zähligen Cereanthuslarve a. s, dor- 
sale Fortsetzung des Schlundes. 

Fig. 14. Querdurchschnitt einer 9zähligen Cereanthuslarve a. 

Fig. 15, 16. Dasselbe von einer 10zähligen Larve. 


378 A. Goette, Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. 


Fig. 17. Die von einem Filament durchbohrte Leibeswand einer Cerean- 
thuslarve a. 


Tafel XVII. 

Fig. 18—20. Querdurchschnitte einer 11- bis 12zähligen Cereanthuslarve 
a, in 6r beginnt die Bildung von 7. 

Fig. 21—27. Querdurchschnitte durch die Tentakel und den Schlund einer 
11zähligen Cereanthuslarve 5. 

Fig. 28. Querdurchschnitt einer 12zähligen Cereanthuslarve 5. 6r ist schon 
getheilt, 7 hergestellt. 

Fig. 29. Senkrechter Durchschnitt durch einen Embryo (Gastrula) von 
Cereactis aurantiaca. 

Fig. 30. Dasselbe. Ektodermzellen von der Fläche gesehen. 

Fig. 31. Dasselbe. Keimschichten im Durchschnitt in der Nähe des oralen 
Pols. ek’, Plattenepithel; y, kleine Kerne. 

Fig. 32. Dasselbe. Weiteres Stadium. 

Fig. 33—38. Senkrechte Durchschnitte durch einen Embryo von Cereactis 
aurantiaca, der Nahrungsdotter ist fortgelassen. 


Tafel XVIE 
. Embryonen von Cereactis aurantiaca (in den Durchschnitten ist der 
Nahrungsdotter fortgelassen). 

Fig. 39—43. Durchschnitte parallel zur Richtungsebene. 

Fig. 44. Aus der voranstehenden Serie konstruirter Durchschnitt recht- 
winkelig zur Richtungsebene. 

Fig. 45. Außere Ansicht des Entoderms mit Taschen und Falten eines 
6zähligen Embryo aus einer vollständigen Durchschnittsserie rekonstruirt, vom 
oralen Pol gesehen; der Schlund fehlt, die Mitteltaschen sind dorsalwärts noch 
offen, die dorsalen Richtungsfalten erst in der Tiefe angelegt, die ventralen 
fehlen noch. 

Fig. 46—53. Senkrechte Durchschnitte eines älteren Embryo, parallel zur 
Richtungsebene. 

Fig. 54. Senkrechter Durchschnitt eines etwas älteren Embryo. 

Fig. 55—61. Querdurchschnitte eines jungen Embryo. Fig. 55—57 im 
Bereich des Schlundes, Fig. 58 durch die Schlundpforte, Fig. 59—61 unterhalb 
derselben. 

Fig. 62—68. Querdurchschnitte eines ähnlichen Embryo unterhalb des 
Schlundes. As’ eine abnorm gelagerte Hauptfalte. - 


Tafel XIX. 

Fig. 69—71. Querdurchschnitte durch einen $zähligen Embryo von Cere- 
actis aurantiaca, die ventralen Richtungssepten sind erst in der Nähe des 
aboralen Pols angelegt und daher in diesen Figuren nicht sichtbar. 

Fig. 72, 73. Querdurchschnitte durch eine ältere Szählige Larve von Cere- 
actis aurantiaca, die dorsalen Richtungsfalten vereinigen sich unterhalb des 
Schlundes. 

Fig. 74, 75. Querdurchschnitte durch eine Szählige Cereactislarve. 

Fig. 76—79. Querdurchschnitte durch eine junge Knospe von Anthelia 


glauca vor der Schlundbildung; das Ektoderm ist weiß gelassen, —4 die vier 


primären Taschen. . 

Fig. 80. Tetractis joniea n. g., n. sp., vergrößert. 

Fig. 81, 82. Dasselbe. Querdurchschnitte durch den Schlund und unter- 
halb desselben (vgl. Textfig. 21), —3 die ungetheilten Binnenfächer, £ die ge- 
theilte Richtungstasche. 

Fig. 83. Querdurchschnitt durch eine junge Knospe von Antipathes glaber- 
rima. 1, 2 Riehtungstaschen mit Tentakelbasen, 3, 4 Seitentaschen. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 
Von 
R. Wolfgang Hoffmann. 


Mit Tafel XX und XXI und 7 Figuren im Text. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


Einleitung. 


Die im Nachfolgenden niedergelegten Studien wurden von mir 
zunächst in der Absicht aufgenommen, bei solchen thierischen Zellen, 
welche eine besonders gut ausgebildete Membran aufweisen, deren 
Beziehung zu der Zellplatte festzustellen und zu untersuchen, ob bei 
derartigen Zellen dieses Gebilde regelmäßig und in besser entwickel- 
ter Weise als bei anderen Zellen vorhanden sei. Für eine solche 
Untersuchung erschienen besonders die Hydroiden mit ihren vielfach 
recht starken Zellmembranen als geeignete Objekte, und ich begann 
_ daher meine Beobachtungen mit ihnen; doch stellte sich bald her- 
aus, dass hier keineswegs außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen, 
indem die Membranen, wie wir bald sehen werden, durch Erhärtung 
eines protoplasmatischen Saumes zu Stande kamen. Da außerdem 
in der Litteratur Fälle bekannt sind, in welchen die Zellplatte wie 
bei den pflanzlichen Zellen die direkte Anlage der Membran dar- 
stellt, erschien es mir weniger wichtig, die oben angedeutete Frage 
zu verfolgen, und ich bemühte mich vielmehr an verschiedenen 
- günstigen Objekten (Embryonen vom Limax, Lachs und Forelle) 
ihre Beschaffenheit genauer zu studiren, ihre weitere Umwandlung 
zu verfolgen und vor Allem festzustellen, auf welchen Theil der 
Zellplatte der Freuming’sche Körper zurückzuführen ist, sowie, ob 
er bei dem Modus der Zelltheilung irgend welche aktive Rolle 
spielt. 

Bei meinen Litteraturstudien fand ich, dass eigentlich nur we- 


nige, speciell auf diesen Gegenstand gerichtete Arbeiten vorhanden 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 25 


380 R. Wolfgang Hoffmann, 


sind und dass diese überdies meist verschiedene Seiten desselben 
behandelten. Alle übrigen Angaben beruhen auf kurzen beiläufigen 
‚Notizen, welche in Arbeiten über recht verschiedene Gegenstände 
. enthalten sind. Obgleich ich mich bestrebte, jede, auch die geringste 
Bemerkung aufzufinden, welche die von mir behandelte Frage be- 
rührt, so zweifle ich nicht, dass mir diese und jene Angaben betr. 
Zellplatten oder Zellplattenrudimente entgangen sind, da sich die- 
selben, wie gesagt, nur äußerst zerstreut in der fachwissenschaft- 
lichen Litteratur vorfinden. | | 

Wo ich im historischen Theile meiner Arbeit eine solche An- 
sabe nicht erwähnte, um diesen Theil nieht durch unwesentliche- 
Dinge zu sehr in die Länge zu ziehen, habe ich wenigstens das Werk 
im Litteraturverzeichnis angeführt. 

Trotz den vielen Einzelbetrachtungen fand ich, außer in den 
CarnoY’schen Arbeiten, keineswegs die Bedeutung der Zellplatte und 
deren größere Rudimente im gegebenen Falle für die Theilung der 
Zelle genügend gewürdigt; sodann scheint man vielfach den FLEm- 
Mınaschen Körper, trotzdem man ihn als Zellplattenrudiment an- 
spricht, als etwas Besonderes, wenigstens als ein Gebilde anzu- 
sehen, das in gewisser Weise in konstanter Form auftritt. Die Frage 
nach der Art seiner Entstehung, seiner Morphologie, sowie, welchem 
Theil der ausgebildeten Zellplatte er entspricht, war bis jetzt über- 
dies sehr verschieden und nur sehr unvollkommen beantwortet wor- 
den. Ich hoffe in den folgenden Blättern einen Beitrag zur Klärung 
dieses Gegenstandes gegeben zu haben; wenngleich mir mancher 
Punkt dunkel geblieben ist und ich auch bezüglich der Erklärungs- 
versuche eine gewisse Nachsicht erbitten möchte. 

An dieser Stelle möchte ich es nicht unterlassen, meinem ver- 
ehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. KORSCHELT, meinen herzlich- 
sten, aufrichtigsten Dank auszusprechen für die Liebenswürdigkeit, 
mit der er überall, wo er konnte, meine Arbeit förderte, mir jeder- i 
zeit seinen guten Rath angedeihen ließ und mir bereitwillig verschie- 
denes selbst konservirtes Material opferte. 


Methoden. 


Zur Konservirung der Hydroiden, sowie der Knochenfisch- und 
Limaxembryonen wurden verschiedene Methoden, angewandt. Am 
günstigsten erwies sich für meine Zwecke die FLEmminG’sche und 


Hermann’sche Lösung, so dass ich meine Untersuchungen auch nur 


an solchen Objekten vornahm, die in diesen emischen fixirt wor- 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 381 


den waren. Von Hydroiden konservirte ich Obelia gelatinosa, Aglao- 
phenia pluma, Plumularia pinnata, Eudendrium ramosum, Campa- 
nularia volubilis, Sertularia und Podocoryne carnea. Außerdem 
suchte ich von Wirbellosen noch für meine Zwecke zu verwerthen: 
Die Tentakeln von Aequoria forskalea, junge Appendicularien, sowie 
Embryonen von Phallusia mammillata und Distaplia. Von allen die- 
sen zahlreichen Formen war allein Obelia für meine Zwecke einiger- 
maßen geeignet. 

Die Polypen letzterer saßen in großer Zahl auf einer Braun- 
alge (Fucus vesiculosus), von wo ich sie stets entnahm. Unmittelbar 
nachdem sie aus dem Boot ans Land geschafft worden waren, be- 
gann ich mit der Konservirung. Ich schnitt Ästehen der Polypen von 
1—2 em Größe von den Algen ab und brachte dieselben hierauf 
möglichst schnell in die HEermAann’sche und FLemmin@’sche Lösung. 
Hierin blieben sie drei Stunden; dann wurden sie etwa für sechs 
Stunden in Meerwasser ausgewaschen, kamen hierauf für einige Zeit 
in Ag. dest. und wurden endlich langsam bis zu Alkohol von 95% 
gebracht. 

Da ich guten Erfolg mit den beiden erwähnten Konservirungen 
hatte, so wandte ich dieselben später auch für meine anderen Ob- 
jekte, Limax, Lachs und Forelle an. Bei Lachs und Forelle hatte 
ich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die jüngsten Stadien, 
die für meine Zwecke wohl am günstigsten gewesen wären, weil 
hier die Zellen erst wenige Theilungen durchgemacht haben und 
desshalb sehr groß sind, konnte ich nicht in gutem Erhaltungszu- 
stande bekommen, da sich die Eihüllen Anfangs sehr schwer abprä- 
pariren ließen, ohne dass man den Embryo zerstörte und diese 
Operation unbedingt von Nöthen ist, wenn die FLemminGg sche und 
HErMmAnN’sche Lösung genügend eindringen und das Gewebe gut fixi- 
ren soll. Erst später, kurz vor der Anlage der Augenflecke, gelang 
es mir, die Embryonen lebend aus den Eihüllen zu präpariren. Ich 
warf sie sofort, nachdem dies geschehen war, in die bereit gehaltene 
Lösung, wo sie jedoch erst nach einigen Augenblicken starben; dort 
blieben sie so lange, bis sie äußerlich schwarz geworden waren. 
Dies dauerte je nach dem Entwicklungsstadium, auf dem sie sich 
befanden, verschieden lang (drei bis sechs Stunden). Embryonen, 
die zwölf Stunden und länger in den Fixirungsflüssigkeiten gelegen 
hatten, schienen mir für meine Zwecke nicht mehr recht tauglich zu 
sein. 

Noch eine andere Methode gab mir günstige Resultate. Die- 

25* 


382 R. Wolfgang Hoffmann, 


selbe ist um so vortheilhafter, als sie weniger mühevoll und zeit- 
raubend ist, wie die erstere, wennschon hierbei auch mancher Embryo 
. zu Grunde geht. Die Eier wurden in zwei Theile geschnitten und 
zwar so, dass sich in dem kleineren Theil der Embryo befand. 
Diese Partie warf ich in die Lösung und schüttelte das Gefäß sofort 
mehrere Male tüchtig. Dies hatte den Zweck, den Dotter aus den 
Eihäuten mit dem Embryo herauszuschleudern. War ersterer ge- 
ronnen, so gelang dies freilich nicht mehr. Auch wenn der Embryo 
an der Schale haften blieb und nur der Dotter dieselbe verließ, gab 
es noch eine befriedigende Konservirung. Ich nahm für jeden 
Embryo ein einziges, kleines Reagensgläschen, um die Fixirungs- 
flüssigkeit nicht durch vielen geronnenen Dotter zu verschlechtern 
und brachte die Embryonen, sobald ich deren eine genügende Anzahl 
konservirt hatte, dann noch für einige Zeit in eine frische Lösung. 
Hierauf wurden sie seche Stunden lang in Aqua dest. ausgewa- 
schen und kamen nach allmählicher Erhärtung in Alkohol von 95%. 
Die Embryonen von Limax maximus verblieben dreiviertel bis eine 
Stunde lang in HErMANnN’scher Lösung. FLEMMIng’sche Lösung kam 
nicht zur Anwendung. Sie wurden dann 1!/),—2 Stunden in Aqua 
dest. ausgewaschen und hierauf langsam in Alkohol von Zur 
der Koncentration gehärtet. 

Nach vielem Probiren kam ich zu dem Schluss, dass für das 
Studium der Zellplatten und deren Rudimente die HEIDENHAIN sche 
Hämatoxylin-Eisenlackfärbung, sowie das FrLEmumin@esche Orange- 
verfahren die günstigsten Methoden seien. Im großen Ganzen möchte 
ich erstere noch dem letzteren vorziehen, da die Dreifachfärbung 
den Zellplattenrudimenten keineswegs eine besondere Tinktion ver- 
leiht, wie dies mehrfach angegeben wurde, und auch noch den 
Nachtheil hat, dass sie weniger sicher und bedeutend umständlicher 
ist, als das HEIDENHAIN' sche Verfahren. 

Für das Orangeverfahren hielt ich mich ganz an die Vorschrif- 
ten FLEmMInG’s. Nur fand ich es bei Limax vortheilhaft, die Prä- 
parate nie unter vier bis fünf Tagen in der Safraninlösung zu lassen. 
Die Färbungen mit der HEIDEnHAIN’schen Methode wurden derart 
vorgenommen, dass bei Limax die Objekte eine Stunde in dem 
schwefelsauren Eisenammonoxyd und zwei Stunden in dem wässeri- 
gen Hämatoxylin blieben. Die Schnitte von Obelia, so wie von 
Lachs und Forelle blieben zwei Stunden in der Eisen- und drei 
Stunden in der Hämatoxylinlösung. | 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 3833 


Historischer Theil. 


Hinsichtlich des Historischen gebe ich zunächst einen Überblick 
desjenigen, was bis zu Carnoy’s Arbeit »La Oytodierese des Arthro- 
podes« im Jahre 1885 über das Vorkommen von Zellplatten in den 
thierischen Zellen bekannt war. 

STRASBURGER war es, der die Zellplatte bei Pflanzen, wenn auch 
nicht zum ersten Male beobachtete, so doch zuerst genauer studirte. 
Ihm müssen wir auch die Entdeckung der thierischen Zellplatte zu- 
schreiben. In seinem Werke »Über Zellbildung und Zelltheilung « 
(1875 erste Aufl.) finden wir bei der Beschreibung der Zelltheilung 
in den Knorpelzellen des Kalbohrs folgende Stelle: 

»Auch konnte ich in einigen Fällen deutlich zwischen den wei- 
ter aus einander gerückten Kernhälften feine Fäden ausgespannt 
sehen, ohne dass noch eine Spur von Theilung am Protoplasma der 
Zellen zu bemerken gewesen wäre. Im Ädquator der Fäden und im 
Sanzen Umfang derselben bis an die Mutterzellwand reichend, wurde 
dann eine Trennungsschicht sichtbar, jedenfalls den Anfang der 
Zellplatte andeutend.« 

Nach dieser Entdeckung wurden in rascher Folge von zahl- 
reichen Forschern bei thierischen Objekten gelegentlich Zellplatten 
beobachtet. Noch im selben Jahre (Nov. 1875) sah Bürscauı Zell- 
platten bei Hirudineen, Infusorien und einer Schnecke und erklärte 
dieselben sofort für Homologa der pflanzlichen Zellplatten. Später 
beobachteten solche Gebilde: BALBIanı bei einer Orthopterenlarve, 
MAyzeL (1876—77) in der Hornhaut vom Frosch, bei Triton, 
Kaninchen, verschiedenen Vogelembryonen, sowie in der Epidermis 
und in Cancroiden des Menschen. E. van BENEDEN (1876) bei Di- 


- -eyemiden; einige Jahre danach bei sich furchenden Ascariseiern. 


SCHLEICHER in mehr oder weniger typischer Ausbildung in Knorpel- 
zellen. 1879 berichtete MARK in einer vorläufigen Notiz bezügl. 
seiner Untersuchungen über die Richtungskörperbildung bei Limax 
agrestis von einer Art Zellplatte, die bei der Abschnürung der 
Richtungskörper, sowie in der Spindel des befruchteten Eies auf- 
treten sollte. Trotzdem finde jedoch die Theilung mit Hilfe einer Ein- 
schnürung statt. In einer Arbeit vom Jahre 1880 erwähnt FLEMMING, 
er habe in Tochterplattenstadien von Salamanderhodenzellen äqua- 
toriale Differenzirungen angetroffen, die »offenbar STRASBURGER’S Zell- 
plattenelementen« entsprächen (p. 173). Sodann wurden zellplatten- 


384 R. Wolfgang Hoffmann, 


ähnliche Gebilde noch beschrieben von R. HERTWIG bei »Spirochona 
semmipara« (1877), von A. GRUBER bei Actinosphaerium (1882). 
ÜARNOY war es nun, der zuerst die thierische Zellplatte, und 
zwar bei Arthropoden, näher untersuchte. Er fand Rudimente der- 
selben bei diesen Thieren allgemein verbreitet, jedoch in so außer- 
ordentlich variabler Form, dass ihre mehr oder minder vollkommene 
Ausbildung ganz dem Zufall anheimgegeben schien. Die thierische 
Zellplatte hat nach CArnoy, wie die pflanzliche, eine zweifache 
Konstitution. Sie setzt sich zusammen aus der Cytoplasmaplatte 
(plaque cytoplasmatique) und der Spindelplatte (plaque fusoriale). 
Letztere scheint aus äquatorialen Anschwellungen der Verbindungs- 
fäden hervorzugehen. Wie diese Verdickungen indessen zu Stande 
kommen, darüber ist sich CArnoy nicht klar. Er ist geneigt mit 
STRASBURGER anzunehmen, dass die Verbindungsfasern hohle mit 
einer Substanz erfüllte Schläuche repräsentiren, deren Inhalt kurz 
vor der Zelltheilung nach dem Äquator der Fäden wandert, um sich 
dort in kleinen, runden Aussackungen anzusammeln. Diese Knöt- 
chen können so lange anwachsen, bis sie schließlich mit einander 
verschmelzen und eine geschlossene Zellplatte bilden. Meistens blei- 
ben sie jedoch unverbunden. Weit seltener als die Spindelplatte ist 
die Cytoplasmaplatte. Während erstere oft allein das Rudiment der 
Zellplatte ausmacht, ist letztere (bei den Arthropoden) unbedingt an 
das Vorhandensein einer Spindelplatte gebunden. Nur ausnahms- 
weise ist die Cytoplasmaplatte vollständig. In den meisten Fällen 
erstreckt sie sich nur bis zu einer sehr geringen Entfernung von der 
Spindelplatte in das Protoplasma; auch ist sie sehr delikater Natur. 
Der geringste Druck, die Zufügung eines Reagens, um sie zu fixiren, 
kann sie in ihre Elemente auflösen. Ihr Wachsthum erfolgt von der 
Spindel aus nach der Membran zu. Niemals sah Carnoy Cytoplasma- 
platten, die von der Zellmembran aus nach der Spindel zu wuchsen!'. 
Nicht selten zeigt die Cytoplasmaplatte, wenn sie ganz zur Aus- 
bildung kommt, ein merkwürdiges Verhalten: In verschiedener Ent- 
fernung von der Mutterzellmembran kann sie sich nämlich theilweise 


oder in ihrem ganzen Umkreise gabeln, so dass ein Ring abgegrenzt 


wird, der sich an seinem Innenrande keilförmig zuschärft und die 
Mutterzelle äquatorial umschließt (Textfig. 1). 


! Dies gilt indessen nur für die Zellplatten der Arthropoden; die Zell- 
plattenbildung bei sich furchenden Ascariseiern soll nach CARNOY stets von der 
Muttermembran aus beginnen. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 385 


Der vom Ringe abgegrenzte Cytoplasmatheil fällt nun allmählich 
der Degeneration anheim. Die Elemente der Zellplatte verschmelzen 
mit einander, um schließlich im günstigsten Falle in eine Membran 
überzugehen. Dann reißt für gewöhnlich die äußere Wand des ring- 
förmigen Ausschnitts ein. Hierdurch wird für den oberflächlichen 
Besehauer eine Zelltheilung durch Einschnürung vorgetäuscht, indem 
die Tochterzellen nur noch für ein kurzes Stück mit einander in 
Berührung stehen, peripher jedoch weit aus einander klaffen. 

Wie bei manchen Pilan- 
zenzellen konnte ÜARNOY 
auch bei den Arthropoden- 
zellen Fälle beobachten, wo 
Zellplatten zwar angelegt, 
jedoch nieht verwerthet wer- 
den. Dies geschieht nament- 
lieh dann, wenn nach Bildung 
des Diasters ein zu starkes 
Auswachsen der Verbin- 
dungsfäden erfolgt, so dass 
sich die Theilungsfigur im 
weiten Bogen durch die 
ganze Zelle erstreckt. Im Textfig. 1 (nach CArnoy). 
extremen Falle nähern sich 
hierbei die Tochterplatten bis beinahe zur Berührung. In der 
äquatorialen Zone der Fasern kann dann wohl eine Spindelplatte 
angelegt werden; — vielleicht sogar eine Cytoplasmaplatte — doch 
kommt es weder zu einer Verwerthung derselben, noch zu einer 
Zelltheilung. Auf diese Weise entstehen mehrkernige Zellen. Die 
Platte selbst kann noch einige Zeit, nachdem die Kerne bereits in 
das Ruhestadium zurückgekehrt sind, sichtbar sein; schließlich wird 
sie jedoch von dem Protoplasma resorbirt. Anderenfalls wieder kann 
eine Zellplatte zwar normal angelest werden, ohne dass sie jedoch 
bei der Theilung des Zellleibes eine Rolle spielt. Verläuft die 
Theilung als scharfe Furche, so werden hierbei die Elemente der 
Zellplatte aus einander gerissen und der Resorption anheimgegeben; 
ist hingegen die Einschnürung flach, so dass schließlich die Tochter- 
zellen nur noch durch einen schlanken Faden mit einander in Ver- 
bindung stehen, so verringert sich die Zellplatte progressiv mit der 
Verschmälerung der protoplasmatischen Verbindungsbrücke. 


Kr 
Ei 


02 


Sr 


Sa 
ler 
a 
= 


386 R. Wolfgang Hoffmann, 


Nach den Untersuchungen CArnoyY’s lassen sich in den Hoden- 
zellen der Arthropoden drei Theilungsmoden feststellen: 

1) Theilungen durch einfache Einschnürungen. 

2) Theilungen durch Kombination einer Einschnürung mit einer 
rudimentären Zellplatte. 

3) Theilungen mit alleiniger Hilfe einer Zellplatte. 

Die Trennung zweier Tochterzellen von einander erfolgt durch 
Spaltung der Zellplatten oder der aus ihnen hervorgegangenen Mem- 
branen. 

In einer neueren Arbeit (1888) hat CArnoY nachgewiesen, dass 
sich auch Nematodeneier und zwar ausschließlich mit Hilfe einer 
Zellplatte theilen. Hierbei soll, wie bei Spirogyra, die Plattenbildung 
von beiden Seiten der Muttermembran aus erfolgen. Eine eigent- 
liche Spindelplatte ist nicht vorhanden. (Neuerdings ist sie in Ge- 
stalt eines FLemmin@’schen Körpers, der indessen später auftritt, als 
die Cytoplasmaplatte, nachgewiesen worden.) 

Zellplatten oder Zellplattenrudimente sind seit jener Zeit noch 
oft aufgefunden worden. So beobachtete BLOCHMANN solche bei 
Formica fusca, GEBERG in der Substantia propria der Tritonhornhaut; 
SOLGER im Amnion der Ratte; HEenkInG in Pyrrhocoris apterus. 
VAN DER STRICHT fand in der embryonalen Leber von Säugethieren 
Zelltheilungen durch Bildung einer Zellplatte und nachträgliches 
Spalten derselben; jedoch auch Theilungen durch Einschnürung. — 

Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, alle jene Arbeiten 
aufzuzählen, in welchen beiläufig gesehene Zellplattenrudimente 
flüchtig erwähnt werden. Das lässt sich indessen schon jetzt sagen, 
dass sie eine weite Verbreitung besitzen; wahrscheinlich giebt es 
keine Thierklasse, in welcher sie nicht wenigstens bei einigen Ver- 
tretern vorkommen. Treten sie gelegentlich vollständig und typisch 
auf, wie bei den Arthropodenzellen (CArnoy), so kann kein Zweifel 
darüber obwalten, welche Bedeutung sie für die Zellen haben; sie 
repräsentiren sodann vollständige Homologa der pflanzlichen Zell- 
platten. Anders ist es bei den rudimentären Zellplatten. | 

In letzterer Zeit hat man jenen Gebilden größere Aufmerksam- 
keit geschenkt. Die Veranlassung hierzu gaben namentlich die 
Untersuchungen FLEMMING’s über den sogenannten »Zwischenkörper« 
in Salamanderzellen. In den späteren Dispiremstadien, zur Zeit, wo 
sich die Tochterzellen eben von einander abgeschnürt hatten, sah 
‚dieser Forscher an der Trennungsstelle einen feinen scharf gefärbten 
Körper von walzenförmiger oder runder Gestalt. Einmal schien sich 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 337 


der Körper getheilt zu haben. Auch nach der Zelltrennung und 
dann, wenn die Kerne sich schon im Ruhestadium befanden, war er 
vielfach noch zu sehen. Jederzeit schien er in enger Beziehung zu 
den Verbindungsfäden zu stehen. Letztere vereinigten sich in ihm 
und bildeten so zwei Strahlenkegel mit sich berührenden Spitzen. 
Im Laufe der späteren Phasen verkleinerten sich die Doppelkonen 
allmählich immer mehr, und zwar derart, dass die dem Zwischen- 
körper zunächst gelegenen Theile am längsten persistirten. Die 
Zwischenkörper schienen aus kleinen Körnchen hervorzugehen, die 
in den blassen Verbindungsfasern während der Dispiremphase auf- 
traten. 

FLEuMINnG glaubt, dass die Zwischenkörper »in irgend welcher 
Weise Homologa der pflanzlichen Zellplatte sind«. 

Noch vor FLEMMINnG hatte PRENANT gefunden, dass der Zwischen- 
körper auch in den Zellen wirbelloser Thiere vorkommt. Er beschieb 
ihn für Seolopendra und Lithobius als ein stets zweitheiliges Ge- 
bilde. Am häufigsten soll er zwischen Tochterzellen im Ruhezustande 
— niemals im Diasterstadium — zu finden sein. (Im Gegensatz zu 
GEBER@’s Untersuchungen an Tritonzellen.) Die Zwischenkörperchen 
entstehen nach der Ansicht PREnANTs durch Koncentration der auf 
den Verbindungsfäden ausgestreuten Chromatinstückchen (die Ver- 
bindungsfäden haben nach seiner Ansicht ebenfalls nucleären Ur- 
sprung). Endlich hat er mehrere Male »accessorische Zwischen- 
körper« und »Hauptzwischenkörper« ganz nahe am Kern der einen 
 Tochterzelle gesehen. Die Beobachtungen PREnANT's führen uns zu 
den Untersuchungen v. KostAnEckrts hinüber. | 

Dieser Forscher fand Zwischenkörper in den Embryonalzellen 
mehrerer Säuger, sowie einer großen Anzahl anderer Wirbelthiere. 
Stets sah er, dass die Verbindungsfäden im Diasterstadium jederseits 
vier bis fünf oder auch sechs umfangreichere Körperchen aufwiesen, 
daneben aber immer noch eine größere Anzahl kleinerer Körnchen 
zeigten. Manchmal waren auch nur kleine Körnchen auf den Fibrillen 
zu sehen. Die beschriebenen Gebilde rückten nach dem Aquator 
der Theilungsfigur und ordneten sieh dort zu einer Platte an, worauf 
die Einschnürung des Zellleibes erfolgte. Sobald dieselbe bis zur 
Centralspindel fortgeschritten war, wurden die peripher gelegenen 
Fibrillen zerschnitten. Die Körperehen begaben sich dann mit den 
verkürzten Fasern wiederum polwärts. Die Mehrzahl der Fasern 
wurden jedoch bei weitergehender Einschnürung mit den darin an- 
gesammelten Körperchen zusammengedrängt, wodurch dieselben zur 


338 R. Wolfgang Hoffmann, 


Verschmelzung kamen und ein bis zwei Zwischenkörperchen bildeten. 
Diese theilten sich so, dass je ein Stück die Spitze eines der beiden 
‚'Faserkegel bildete, welche letztere alsdann durch Kontraktion ihrer 
Elemente polwärts geführt wurden. v. KosTAnEckt erblickt in diesen 
Vorgängen »eine Einrichtung, die Substanz der Centralspindelfasern 
wieder an jenen Ort gelangen zu lassen, aus dem sie unzweifelhaft 
stammen, nämlich an die am Polfelde angesammelte Substanz des 
Archoplasmas«. 

Auch vow Kostaneckı hält den Fremuine’schen Körper für 
ein Zellplattenrudiment, das jedoch im Laufe der Zeit einen Funk- 
tionswechsel erlitten hat. Er vermuthet überdies, dass in den Pflanzen- 
zellen zwei neben einander herlaufende Processe zu einem einzigen 
zusammengefasst sind, nämlich eine äquatoriale Differenzirung der 
Centralspindelfasern zum Zwecke ihrer Halbirung und eine eigent- 
liche Zellplattenbildung zur Herstellung einer Scheidewand. Der 
letztere Modus trete nun bei den thierischen Zellen gar nicht auf, 
wodurch der erstere um so unverhüllter zum Vorschein komme. 

Lustig und GALEOTTI, die den Zwischenkörper an einem Ob- 


jekte studirten, das auch von KoSTANEcKI vorlag, — nämlich an 
menschlichen Careinomen — kommen zu wesentlich anderen Resul- 


taten. Sie finden, dass die Verbindungsfäden im Diaster und Di- 
spirem eine zweifache Konstitution aufweisen, sich aus den eigent- 
lichen Centralspindelfasern und einer dieselben umgebenden Schicht 
typisch mikrosomaler Fibrillen, den Mantelfasern, zusammensetzen. 
Letztere sollen sich später in der Mitte erst spindelförmig, dann 
knötchenförmig verdicken und hierdurch einen Ring bilden, der sich 
äquatorial um die nicht differenzirten Verbindungsfasern legt. 

Nun steht nach FLemmine der Zwischenkörper immer in un- 
lässlicher Verbindung mit der Centralspindel. LustiG und GALEOTTI 
glauben indessen, dass der Zwischenkörper nichts mit der Central- 
spindel zu thun hat, sondern einzig und allein aus Differenzirungen 
der Mantelfasern herstammt. Ferner stehe das Zwischenkörperchen 
in keinerlei Beziehung zu der Einschnürung der Centralspindel, 
welche letztere schon vorhanden sei, noch ehe sich von ersterem 
eine Spur nachweisen lasse. 

Diesen Angaben stehen wiederum die Untersuchungen PRENANT'S 
entgegen, der in seiner Arbeit »Sur le corpuscule central« zu folgen- 
dem Schlusse kommt: 

»Je pense que le corps intermediaire de FLEMMING represente 
dans la plaque cellulaire plus specialement cette partie que CARNOY 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. . 389 


a nommee plaque fusoriale, et. qui est constituee sur le trajet du 
fuseau ou de son vestige.< 

BexpA endlich fand den Zwischenkörper bei den Spermatocyten 
des Salamanderhodens in Gestalt eines Ringes; eben so METZNER. 
HEIDENHAIN stimmt ihnen bei; er glaubt, dass der FLEMUINg’sche 
Körper sich aus zwei Theilen zusammensetzt, dem eigentlichen ring- 
förmigen Körper und dem Stück der Centralspindel, das er um- 
schließt. Auf die Frage, woher dieser Ring stammt, weiß er in- 
dessen keine Antwort zu geben. 

Bevor ich auf meine eigenen Untersuchungen an der thierischen 
Zelle eingehe, bedarf es einer kurzen Erläuterung, wie sich die 
Dinge bei den Pflanzenzellen verhalten. Ich werde mich hierbei an 
die Arbeiten STRASBURGER’s halten, der ja zuerst die morphologische 
und funktionelle Bedeutung der pflanzlichen Zellplatten näher unter- 
sucht hat. 


Zellplattenbildung bei Pflanzen. 


Als verbreitetster Theilungsmodus der pflanzlichen Zellen ist 
wohl derjenige zu betrachten, der mit Zuhilfenahme einer zwischen 
den Kernen sich bilden- 
den Scheidewand von 
statten geht. 

Nachdem die Toch- 
terplatten aus einander 
gewichen sind, bleiben 
nur noch die primären 
Verbindungsfäden zurück. 
Dieselben beginnen nun 
bedeutend in die Länge 
zu wachsen. Zu gleicher 
Zeit dringt Cytoplasma 
von außen herein und 
liefert so das Material zu 
sekundären Verbindungs- 
fäden. Beim Auseinander- 
weichen der Tochterplat- 
ten waren die tingirbaren 
Bestandtheile des Kern- 
Saftes, die vordem die 


5 


ganze Spindel erfüllten, Textfig. 3 (nach STRASBURGER). 


390 R. Wolfgang Hoffmann, 


von ersteren polwärts gedrängt worden (Textfig. 2 und 3); sie wan- 
dern nun wieder nach dem Äquator der Mutterzelle und vertheilen 
sich dort auf eine schmale Zone. An ihr Erscheinen ist das Auf- 
treten von knötchenartigen Differenzirungen (Dermatosomen) im Äquator 
der Verbindungsfasern gebunden '. 

Der ganze Komplex der Fäden wölbt sich nun in der Mitte vor, 
und zieht sich hierauf, nachdem die sekundären Verbindungsfäden die 
Dieke der primären erreicht haben, von den Tochterkernen zurück. 
Der hierdurch entstandene Zwischenraum wird mit körnigem Cyto- 
plasma angefüllt. Gleichzeitig werden am Rande des Komplexes 
neue Verbindungsfäden angelegt, die durch lokale Anschwellung so- 
fort zum Wachsthum der Zellplatte beitragen. Dieser Process dauert 
so lange, bis die Muttermembran erreicht ist. Die Dermatosomen 
wachsen hierauf in die Dicke, bis sie sich berühren und mit einan- 
der verschmelzen können. Im Augenblick ihres Auftretens verhalten 
sie sich gegen Reagentien genau wie die Verbindungsfäden. Später 
wächst ihr Lichtbreehungsvermögen; sie erleiden dann, wahrschein- 
lieh durch Imbibition mit Substanzen des Kernsaftes, eine bedeutende 
chemische Umwandlung. In 
den meisten Fällen besitzen 
die Dermatosomen nur ge- 
ringe Dimensionen. Ist je- 
doch der Abstand zwischen 
den Fibrillen ein beträcht- 
licher, so können sie einen 
nicht unbedeutenden Umfang 
erhalten. Derselbe Fall kann 
jedoch auch bei dichter An- 
e ordnung der Verbindungs- 

Textfig. 4 (nach StRASBURGER). fäden eintreten (z. B. häufig 

in der Endospermanlage von 
Allium odorum). Aus der direkten Beobachtung ergiebt sich, dass 
die Scheidewand durch Verschmelzung der Dermatosomen mit ein- 
ander zu Stande kommt und nicht etwa im Inneren der Zellplatte 
nach Spaltung derselben ausgebildet wird (Textfig. 4). 


I STRASBURGER erwähnt ausdrücklich (Kern und Zelltheilung 1888), dass 
nicht der geringste Zweifel darüber obwaltet, dass man es hierbei mit äqua- 
torialen Anschwellungen der Verbindungsfäden, nicht etwa mit zwischenge- 
lagerten Körnchen zu thun hat. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 391 


Die Membranen der Hydroiden. 


Sehen wir uns im Thierreich nach Zellen um, deren Membranen 
einen Vergleich mit denjenigen der Pflanzenzellen aushalten können, 
so sind es vor Allem die Hydroiden, die sich durch die Dieke und 
Starrheit ihrer Zellwände auszeichnen. Ganz besonders auffallend 
verhalten sich in dieser Beziehung die Entodermzellen ihrer Ten- 
takeln. 

Wir haben es hier keineswegs mit einfachen Umhüllungsschich- 
ten zu thun, die sich von dem eigentlichen Zellleibe als dunkler 
sefärbte Linien abheben, sondern mit typischen 
membranösen Wänden, deren pergament- 
artiges Aussehen auf eine hohe Resistenz 
und Elastieität schließen lässt. In Fig. 2a 
u. 25 (Taf. XX) gebe ich das Bild einiger Ten- 
takelentodermzellen einer craspedoten Meduse 
(Obelia) und zum Vergleiche nebenstehend 
(Textfig. 5) die Abbildung einiger Pflanzen- 
zellen. Die Ähnlichkeit beider tritt klar vor 
Augen. Fig. 3 stellt einen Schnitt quer zur 
Längsrichtung der Magenentodermzellen eines 
Polypen von Obelia gelatinosa dar. Sie sehen 
zum Verwechseln pflanzlichen Parenchym- 
zellen ähnlich. Der regelmäßige, im Durch- 
schnitt polygonale Bau, die Vacuolisirung, die 
feste Membran, (die hier indessen doch nicht die Dieke der Tenta- 
kelentodermzellen erreicht) — dies Alles bildet ja Momente, die der 
Pflanzenzelle ihr typisches Gepräge verleihen. Der Gedanke, jene 
thierischen Zellmembranen könnten vielleicht auf dieselbe Weise 
entstehen, wie es im Allgemeinen bei den Pflanzenzellen der Fall 

ist, d. h. durch Präformation von Zellplatten, lag desshalb sehr 
nahe. Die Größe der Zellen, namentlich der Tentakelentoderm- 
' zellen, schien überdies das Studium ihrer Entwicklung sehr zu be- 
günstigen. Leider stellte sich nachträglich heraus, dass die obige 
Vermuthung eine irrige war. 

Zunächst sind die Entodermzellen der Tentakeln im Stadium, 
wo sie sich zu differenziren beginnen, so klein als alle übrigen Zel- 
len. (Wie schon oben erwähnt wurde, zeichnen sich die Zellen der 
Hydroidpolypen embryonal durch besondere Kleinheit aus.) Ihre 
spätere bedeutende Größe ist, wie wir gleich hören werden, das 


Textfig. 5 (nach Sachs). 


392 R. Wolfgang Hoffmann, 


Resultat innerer Umwandlungsprocesse. Die Tentakelentodermzellen 
lassen sich sehr leicht als solche erkennen, da sie ja im Schnitte 
beiderseits von der Stützlamelle begrenzt werden und ganz bedeu- 
tend die sie umhüllenden Ektodermzellen an Größe übertreffen (Fig. 26 
Taf. XX). Ausgewachsen haben sie die Form einer Tonne mit 
schwach gewölbten Seitenwänden und geringer relativer Höhe. Der 
Querschnitt stellt demnach einen Kreis dar. Auf einem Längsschnitt 
bildet der gewölbte Theil der Membran mit der Stützlamelle ein Ar- 
kadensystem (Fig 26), wodurch stets zwischen den gemeinschaftlichen 
Wänden zweier benachbarter Zellen und der Stützlamelle ein im 
Schnitt dreieckiger Zwickel abgegrenzt wird. 

In ihrer frühesten Anlage zeigen diese Zellen noch keinerlei 
regelmäßige Anordnung. Erst nach und nach nehmen sie eine be- 
stimmte Lage an; indem sie sich beiderseits keilförmig in einander 
schieben, ähnlich wie dies von den Zellen der Tunicatenchorda be- 
schrieben wurde (KraArtsch). Bei dem Einschiebungsakt spitzen sie 
sich nach innen zu. Dessgleichen nehmen auch die Kerne, die zuerst 
eine runde Gestalt besaßen, etwa wie ich sie in den Entodermzellen 
der Magenhöhle Fig. 3 gezeichnet habe, eine mehr längliche an einem 
Ende sich verjüngende Form an. Konnte man bis dahin nach außen 
eine Zellgrenze deutlich unterscheiden, wie dies ja bei allen embryo- 
nalen Zellen der Fall ist, so verschmelzen nun die einzelnen Zellen 
dermaßen mit einander, dass man nur noch an der Lage der Kerne 
ihre Anordnung erkennen kann. Letztere rücken jetzt etwa in die 
Mitte des Zelllumens und man sieht deutlich, wie sich rings um sie 
eine Sekretvacuole ausscheidet. Dieser Process kann schon anfangen 
ehe die Entodermzellen ihre definitive lineare Anordnung angenom- 
men haben. Zunächst bildet sich um den Kern eine Sekretvaeuole 
aus, die ihn Anfangs in Gestalt eines feinen koncentrisch zu ihm 
verlaufenden Spaltes im Protoplasma umgiebt. Dieser helle Hof ver- 
größert sich immer mehr und drängt das Protoplasma nach außen 
(Fig. 1, Taf. XX). Dort wo sich die Vacuolen zweier Zellen am 
nächsten kommen, werden sie oft nur durch eine ganz dünne Pro- 
toplasmalamelle von einander geschieden, oder sie berühren sich 
sogar direkt und werden nur durch die beiderseitige Oberflächen- 
spannung am Zusammenfließen verhindert. Durch allmähliche Er- 
härtung dieser Grenzlamellen kommt wohl die erste Anlage der 
zemeinschaftlichen seitlichen Membranen zu Stande. Immer weiter 
wird nun das Protoplasma nach der Stützlamelle hingedrängt, da 
jedoch der Turgor der Vacuole nicht gleichmäßig wirkt, vielleicht 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 393 


auch, weil das Protoplasma nieht überall dieselbe Dichte besitzt, 
weicht letzteres oft der andringenden Sekretvacuole seitlich aus und 
begiebt sich wieder mehr der Mitte zu in die Nähe des Kerns. Im 
ausgewachsenen Zustande der Zelle findet sich das Protoplasma ent- 
weder nur in Gestalt eines flachen Überzugs an einer oder an beiden 
lateralen Wänden angelagert, oder es verbindet als schmale Brücke 
die beiden Trennungsmembranen mit einander (Fig. 2°). Stets findet 
man den Kern, der nun wieder eine runde Gestalt angenommen hat, 
in einer größeren Protoplasmaansammlung. 

Die sekundäre Membran der Tentakelentodermzellen kommt also 
augenscheinlich dadurch zu Stande, dass die feine Protoplasmalamelle, 
welche einerseits zwischen zwei Vacuolen, andererseits zwischen 
Stützlamelle und Vacuole eingegrenzt ist, allmählich erhärtet. Das 
spätere Dickenwachsthum erfolgt dann durch Ablagerung von aus 
der Vacuole ausgeschiedenen Substanzen an die primäre Membran. 
Das übrige Protoplasma hat von nun an an der Bildung der Mem- 
bran wenig oder gar keinen Antheil mehr. Stets kann man dort, 
wo ein protoplasmatischer Beleg vorhanden ist, deutlich die Grenze 
beider Materien erkennen. Schon in frühen Stadien scheint sich das 
Protoplasma sehr vermindert zu haben. Das beruht jedoch zum 
sroßen Theil auf Täuschung; man berücksichtigt hierbei nicht, dass 
die Zellen durch die Vacuolisirung zu außerordentlicher Größe an- 
geschwollen sind, ohne dass sich das Protoplasma im Verhältnis der 
Volumzunahme der Zelle vermehrt hat. Eine geringe Verminde- 
_ rung des Protoplasmas mag: indessen schon früh eintreten. Bei ganz 
‚alten Zellen lässt sich mit Bestimmtheit eine Verringerung des- 
selben konstatiren. Solche Zellen sind nur von ganz dünnen Proto- 
 plasmasträngen durchzogen, der Kern hat ebenfalls an Volumen 
eingebüßt und ist dann fast immer wandständig. Die dieken Mem- 
 branen sind stark lichtbrechend; sie haben alle ein zerknittertes 
Aussehen. Die gemeinschaftlichen Zellwände sind ganz dicht auf 
einander gerückt, so dass die Zellen eine scheibenartige Anordnung 
erhalten. 

Fragen wir uns nach der funktionellen Bedeutung dieser Mem- 
branen, die im ganzen Entoderm der Hydroiden auftreten, jedoch 
in den Tentakeln am typischsten zur Ausbildung kommen, so scheinen 
ihnen namentlich zwei Aufgaben zuzukommen: Sie sollen dem Kör- 
per des Thieres eine Art Stütze und Festigkeit verleihen, sodann 
aber vor Allem seine Elastieität bedeutend erhöhen. Dass nament- 
lich Letzteres ganz hervorragend der Fall ist, leuchtet Jedem sofort 


394 R. Wolfgang Hoffmann, 


ein, der je die schlangenartigen geschmeidigen Bewegungen der 
Tentakeln eines Hydroiden beobachtet hat. 

Man kann die Entodermzellenreihe der Hydroidententakei, wie 
 e8 KORSCHELT treffend thut, mit der Chorda des Amphioxus ver- 
gleichen. Auch hier sind es ja außer den verschiedenen Scheiden, 
durch Vaeuolisirung der Zellen gebildete Membranen, die diesem 
Gebilde seine hohe Elastieität und Festigkeit verleihen. 


Zellplatten bei den Hydroiden. 


Bevor ich zu den eigentlichen Untersuchungen übergehe, möchte 
ich noch einige Worte vorausschicken. Ich habe schon oben er- 
wähnt, dass sich die Zellen der Hydroiden durch besondere Klein- 
heit auszeichnen. Sie bilden desshalb gerade kein günstiges Objekt 
für die folgenden Untersuchungen. Auch sind die Entodermzellen 
in Stadien, wo sie sich noch in lebhafter Theilung befinden, nicht 
größer als die Ektodermzellen. Ihre spätere mächtige Ausdehnung 
erfolgt erst dann, nachdem Theilungen nicht mehr vorkommen, durch 
Vaecuolisirung. Als äußerste Grenze muss für sie der Zeitpunkt an- 
senommen werden, wo sich der Kern gerade mit einem schmalen 
Sekrethof umgiebt. — In diesem Stadium habe ich ausnahmsweise 
noch Theilungen angetroffen. — Etwa noch vor einem Stadium, wie 
es in Fig. 1 abgebildet wurde. 

Nachdem ich gefunden hatte, dass kurz vor oder nach dem 
Beginn der Vacuolisirung die Grenzschicht der Entodermzellen ver- 
schwindet, erwartete ich nicht mehr, dass ein so vergängliches Ge- 
bilde stets mit Hilfe einer vollständigen Zellplatte zu Stande käme. 
Ich hatte mich nicht getäuscht. Wie meine späteren Untersuchungen 
ergaben, kann zwar eine Zellplattenbildung auch in den Tentakel- 
entodermzellen stattfinden, und zwar in allen Abstufungen, wie wir 
noch hören werden, eine konstante Bildung jener Zellen ist sie jedoch - 
nicht. Zellplatten und deren Rudimente sind bei Obelia durch das 
sanze Thier, sowohl im Ektoderm als auch im Entoderm verbreitet. 
Von einem regelmäßigen, vielleicht an ein bestimmtes Gewebe ge- 
bundenes Auftreten derselben kann keine Rede sein. Das Einzige, - 
was sich diesbezüglich ermitteln ließ, war die Thatsache, dass im 
Ektoderm häufiger kleinere Zellplattenrudimente auftreten als im 
Entoderm. Wie wir später noch sehen werden, lässt sich diese 
Thatsache durch die Lagerungsbeziehungen der einzelnen Zellen zu 
einander sehr gut erklären. 

Zunächst muss ich den Befunden Carnor's beistimmen, dass in 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 395 


ein und demselben Gewebe Zellplatten in allen nur denkbaren Ab- 
stufungen zur Ausbildung kommen können. So klein die Zellen der 
Obelia sind, so deutlich treten hier indessen die Theilungsfiguren auf. 

Dort, wo die Zellplatte ganz zur Ausbildung kommt, lässt sich 
mit Sicherheit ihre zweifache Konstitution nachweisen. Fig. 4, Taf. XX 
siebt ein schönes Bild einer vollkommenen Zellplatte. Klar und 
deutlich verläuft inmitten der wohlausgebildeten Figur die Spindel- 
platte, die sich nach beiden Seiten in das Cytoplasma fortsetzt. Der 
Rand der Mutterzelle zeigt nicht die Spur einer Einschnürung (der 
wahrscheinlich durch das Mikrotommesser verursachte Spalt tbut der 
Klarheit des Bildes keinen Eintrag). Da wir es hier schon mit einem 
späten Diasterstadium zu thun haben, so kann kein Zweifel darüber 
obwalten, dass die Zelltheilung jedenfalls mit Hilfe der Zellplatte 
zu Stande gekommen wäre. Über die Natur der einzelnen Zell- 
plattenelemente lässt sich leider wegen ihrer Kleinheit bei den 
Hydroiden nichts Näheres bestimmen; indessen kann man deutlich 
erkennen, dass die Elemente der Spindelplatte größer sind als die- 
jenigen der Cytoplasmaplatte. Dasselbe lässt sich von Fig. 5 sagen. 
Die Spindel nimmt hier fast den ganzen Zellraum ein. Die Centro- 
some, die sich bei allen Obeliazellen deutlich färben, liegen ganz 
am Rande der Zelle. Die Cytoplasmaplatte ist nur klein, weil eben 
kein Platz für sie übrig bleibt. Obgleich wir es nicht mit einem so 
alten Stadium wie in Fig. 4 zu thun haben, ist auch hier eine Thei- 
lung vermittels der Zellplatte vorauszusehen. 

Solehe vollständig ausgebildeten Zellplatten kommen indessen 
relativ selten vor. Das Gegentheil hiervon, d. h. Bilder, wo auch 
nicht die Spur einer Zellplatte vorhanden ist, lässt sich jedoch auch 
nicht allzuhäufig finden; am gewöhnlichsten sind Rudimente von 
einer Form wie in Fig. 9. 

Die Zeit für das Auftreten der ersten Spur einer Zellplatte lässt 
sich nicht genau bestimmen. Zellplatten oder Rudimente derselben 
zeigen sich schon während des Verlaufs der ganzen Diasterphase. 
Am frühesten kommt von der Zellplatte die Spindelplatte zur Anlage. 
Oft sind die Tochterplatten kaum aus einander gewichen und schon 
zeigen sich zwischen ihnen die charakteristischen Verdickungen. 
Ein gutes Beispiel hierfür bietet Fig. 6 Taf. XX. Hier bilden in- 
dessen die einzelnen Elemente der Spindelplatte, die in diesem Falle 
‚besonders groß sind, noch keine kontinuirliche Reihe. Deutlich 
lassen sich zwischen den dunkel gefärbten Elementen derselben 


einzelne Lückenräume erkennen. Dieses Bild erlaubt uns zugleich 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 26 


396 R. Wolfgang Hoffmann, 


einen Einblick in die Entstehungsweise der Cytoplasmaplatte. Wir 
sehen an dem der Muttermembran nächst gelegenen Theil der Spindel, 
als Fortsetzung der Spindelplatte, einige Körnchen liegen, während 
die andere Seite noch völlig frei davon ist. Dieselben repräsentiren 
die erste Anlage der Cytoplasmaplatte. Noch deutlicher ist dies in 
Fig. 7 zu sehen. Auch hier zeigt sich erst an der einen Seite eine 
Körnchenreihe. Wir werden dabei an die Theilung mancher Pflanzen- 
zellen erinnert, wo erst auf der einen Seite eine Ergänzungsplatte 
durch Vorbuchtung des Verbindungsfadenkomplexes zu Stande kommt, 
wonach sich dann die Fibrillen dort zurückziehen und ihre Materie 
zur Ausbauchung und Bildung der zweiten Plattenhälfte auf der 
anderen Seite hergeben. Indessen entsteht hier die Cytoplasmaplatte 
(resp. Ergänzungsplatte) aus äquatorialen Verdiekungen von Fibrillen, 
was sich in unserem Falle nicht nachweisen lässt. 

Bilder, wie sie die Fig. 6 und 7 Tafel XX darstellen, sind durch- 
aus nicht selten. Niemals sah ich dagegen die Cytoplasmaplatte am 
Rand der Muttermembran beginnen. Immer war die Spindelplatte 
schon gebildet, ehe eine Spur der Uytoplasmaplatte auftrat. Stadien, 
wo nur die Spindelplatte angelegt ist, sind natürlich sehr häufig, da 
diese ja stets vor der Öytoplasmaplatte auftritt. 

Manchmal ist es nicht ganz leicht festzustellen, ob eine im Äqua- 
tor der Mutterzelle verlaufende Linie eine Zellplatte repräsentirt, 
oder ob dieselbe durch Aneinanderlagerung der Ränder zweier 
Schwesterzellen zu Stande kam. Oft erfolgt die Einschnürung einer 
Zelle, wie wir später sehen werden, in sehr spitzem Winkel und 
derart, dass sich die Theilungsränder sofort wieder berühren. Da 
hierbei zwei Grenzmembranen zu einer einzigen vereinigt scheinen, 
so hat letztere die doppelte Dicke der Membranen an anderen Stel- 
len der Schwesterzellen und ist desshalb um so augenfälliger. Ein 
solches Bild kann für den flüchtigen Beschauer leicht eine Zell- 
platte darstellen, an deren Enden eine Einschnürung ansetzt. Lässt 
sich freilich die körnige Natur einer derartigen Linie nachweisen, 
oder erstreckt sie sich bis zu einem uneingeschnürten Zellrande, 
so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass wir es mit einer 
echten Zellplatte bezw. einer aus ihr hervorgegangenen Membran zu 
thun haben. Im letzteren Falle handelte es sich dann um eine voll- 
ständige Zellplatte. 

Wie schon erwähnt, können Zellplatten in allen nur denkbaren 
Abstufungen angelegt werden. Bald besteht eine Zellplatte nur aus 
wenigen Körnchen; dann wieder erstreckt sie sich bis zur Mitte des 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 397 


Raumes zwischen Spindel und Zellgrenze; oder sie kommt im gün- 
stigsten Fall vollständig zur Ausbildung. Wie weit ihr Längen- 
wachsthum fortschreiten kann, hängt sehr davon ab, wann am Rand 
an der Äquatorialzone eine Einschnürung auftritt. Geschieht dies, 
ehe sie merklich ausgewachsen ist, so hat sie wohl nicht Zeit zur 
bedeutenden Entfaltung zu kommen. Eben so wie die Cytoplasma- 
platte kann auch die Spindelplatte rudimentär sein. Auch hier haben 
wir alle nur denkbaren Übergänge von einem Rudiment, das nur 
aus einem bis zwei Körnchen besteht, bis zu einer vollständigen 
Spindelplatte, die sich durch den ganzen Faserkomplex erstreckt. 
Die eigentliche Spindelplatte entsteht, wie wir später noch sehen 
werden, aus den knötchenartigen Anschwellungen der Verbindungs- 
fäden. Indem sich erstere immer mehr verdicken bis sie sich be- 
rühren und sodann mit einander verschmelzen, entsteht eine feste 
Platte, aus welcher im günstigsten Falle eine Membran hervorgehen 
kann. In einem Spindelplattenrudiment haben entweder nur wenige 
Fäden äquatoriale Verdiekungen, oder der größte Theil derselben; 
dann jedoch von so geringen Dimensionen, dass sich die einzelnen 
Elemente niemals berühren und mit einander verschmelzen können, 
wofern sie nicht durch gewisse Umstände, die ich gleich erwähne, 
zusammengedrängt werden. Geschieht Letzteres, so ist in beiden 
Fällen der Effekt der, dass die Verbindungsfäden, oder ein Theil 
derselben, einen Doppelconus darstellen, dessen Spitze in das Plat- 
tenrudiment ausläuft. Wir haben es sodann mit einem FLEMMING- 
schen Körper zu thun. 

»Der FLemmin@’sche Körper ist sonach nichts weiter 
als eine sehr rudimentäre Spindelplatte.« Fig. 12 Taf. XX 
zeigt uns einen solchen Fremming’schen Zwischenkörper, der aus 
drei Körnern besteht. In Fig. 9 sind die einzelnen Elemente zu 
einem Ganzen verschmolzen, eben so in Fig. 13 und 14. Mag auch die 
Verschmelzung dieser Elemente manchmal durch Wachsthumsbewe- 
gungen der Spindel in der Diasterphase zu Stande kommen, so dass 
man in einer noch nicht, oder doch nur wenig eingeschnürten Zelle 
bereits die beiden charakteristischen Doppelkegel bemerkt, so findet 
doch die Vereinigung der Zellplattenelemente in weitaus den meisten 
Fällen auf ganz andere Weise statt. Erfolgt nach Anlage letzterer 
eine sich im scharfen Winkel vollziehende Einschnürung, so werden 
die Spindelfasern eine Zeit lang seitlich geschoben. Ihre äquatoria- 
len Ansehwellungen kommen hierdurch mit einander in Berührung 
und verschmelzen zu einem einheitlichen Gebilde. Ist die Einschnü- 

26* 


308 R. Wolfgang Hoffmann, 


rung einseitig, wie dies sehr oft der Fall ist, so wird manchmal 
die Spitze des Doppelkegels bis an die Mutterzellenmembran geführt. 
‚Andernfalls wieder, wenn die Einschnürung rings um die Äquatorial- 
zone erfolgt, können die Verbindungsfäden von allen Seiten zusam- 
mengepresst und so zur Verschmelzung ihrer Elemente gebracht 
werden; dann bilden die beiden Achsen der Kegel annähernd eine 
Gerade (Fig. 9; auch Fig. 12 Taf. XX hätte bei weiterer Einschnü- 
rung ein solches Bild abgegeben). In Fig. 13 verläuft die Theilungs- 
furche rings um die ganze Mutterzelle. Man sieht, dass bereits die 
untere Einschnürung bis zur Spindel fortgeschritten war und letztere 
in der Richtung der Stützlamelle getrieben hatte, als die obere Ein- 
schnürung erst die Verbindungsfäden erreichte. 

Für das Auftreten des FLemmmg@’schen Zwischenkörpers gilt 
dasselbe, was ich bereits für die Spindelplatte erwähnt habe. So- 
bald die Tochterplatten einen größeren Raum zwischen sich lassen, 
erkennt man vielfach schon einzelne Körnchen, die dann stets im 
Äquator der Figur in eine Reihe angeordnet sind. Was nun die 
Entstehung der Spindelplatte bezw. des Fremmine’schen Körpers 
anbelangt, so glaube ich bestimmt, dass sie beide auf dieselbe Weise 
wie bei Limax, Lachs und Forelle zu Stande kommen; nämlich, wie 
ich schon erwähnte, durch Knötchenbildung der Verbindungsfäden 
im Äquator. Die Kleinheit der Objekte lässt hier keine nähere Unter- 
suchung zu. Bilder wie Fig. 12, Taf. XX sind indessen häufig. Wir 
sehen hier drei körnchenartige Gebilde, ein mittleres, dunkler gefärbtes 
und je zu beiden Seiten ein schwächer gefärbtes. Von .einem jeden 
dieser Körnchen geht ein Büschel Strahlen nach den beiden Tochter- 
platten. Das weist darauf hin, dass wahrscheinlich jedes derselben 
durch Verschmelzung mehrerer kleinerer Verdiekungen entstanden 
ist. Die Einschnürung ist von beiden Seiten erfolgt, aber noch nicht 
vollendet. Das Resultat derselben wäre, wie ich schon erwähnte, die 
Vereinigung der drei Körner zu einem Freumme’schen Körper ge- 
wesen — etwa wie in Fig. 9. 

Ich möchte an dieser Stelle noch nicht näher auf die Unter- 
suchung v. KoSTANEcKIS eingehen, der die Zwischenkörper aus 
Mikrosomen ableitet, die in der Diasterphase an den Centralspindel- 
fäden entlang wandern. Vorläufig verweise ich nur auf Fig. 15 zum 
Zeichen, dass auch mir solche Bilder begegnet sind. Ich bemerke 
indessen schon jetzt, dass ich einen mikrosomalen Bau der Verbin- 
dungsfäden als eine für die Bildung des FLEMmMINnG’schen Körper- 
chens gar nicht in Betracht kommende Erscheinung ansehe. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 399 


Auf noch eine andere, als die eben geschilderte Weise kann ein 
Freuming’sches Körperchen (hier eigentlich ein Pseudo-FLEMMING- 
sches Körperchen) zu Stande kommen. In Fig. 16 sehen wir diesen 
Modus angedeutet. Es hat sich eine ziemlich vollständige Zellplatte 
ausgebildet. Die Spindelplatte scheint indessen nicht komplet gewe- 
sen zu sein, da sich die Verbindungsfäden in Gestalt zweier abge- 
"stumpfter Kegel darstellen. Rechts hat sich die Cytoplasmaplatte 
bis zur Spindelplatte gespalten. Auf der linken Seite geht die Ein- 
schnürung ohnedies bis beinahe dicht an die Spindel heran. Be- 
achtet man nun nicht die feinen Theilstückchen am rechten inneren 
Rand der beiden Schwesterzellen, so glaubt man ein FLEMuInG’sches 
Körperchen vor sich zu haben. Dieser Vorgang stellt zugleich einen 
Theilungsmodus der mit Zellplatten bezw. deren Rudimenten versehe- 
nen Obeliazellen dar. Hat eine Zelle eine gut ausgebildete Zellplatte, 
so theilt sie sich durch Spaltung letzterer. Bei kleinen Zellplatten- 
rudimenten (FLemming’scher Körper) erfolgt die Zelltheilung wie bei 
sewöhnlichen Zellen durch Einschnürung. Der FrLemuine’sche Kör- 
per hat hierbei keinerlei Funktion; nicht einmal zur Erleichterung 
der Zelltheilung trägt er bei, sondern bewirkt eher im Gegentheil 
eine Verzögerung dieses Vorgangs, indem seine derbe Masse sich 
der Theilung widersetzt. Entweder wird er schließlich doch ge- 
theilt, oder er verharrt lange noch, nachdem sich die Kerne der 
beiden Tochterzellen bereits regenerirt haben, als funktionsloses Ge- 
bilde an der Theilungsmembran; oft inmitten eines Restes der Ver- 
bindungsfäden bis er allmählich verblasst und vom Gewebe resorbirt 
wird. In Fig. 14 hat sich bereits die ganze Centralspindel von oben 
her zurückgebildet. Das Chromatin der Tochterplatten ist schon in 
das Knäuelstadium übergegangen. Rings um dasselbe hat sich ein 
weißer vom Protoplasma scharf abgegrenzter Hof gebildet. Von dem 
länglichen Zwischenkörper strahlen noch einige kurze Fihbrillen — 
die letzten Reste der Verbindungsfäden — in den Raum. In Fig. 17 
sehen wir einen ähnlichen Vorgang. Auch hier haben sich schon 
die Tochterplatten zu einem Knäuel umgebildet und sich deutlich 
mit einer Kernmembran umgeben. Die Theilungszellen sind aus ein- 
ander gewichen und haben einen breiten Intercellularraum freige- 
lassen. Jede der Zellen hat eine stumpfe Spitze, an welcher sich 
ein Theilstück des Zwischenkörpers befindet. In der rechten Zelle 
liegt der Kern ganz am Rande, so, dass er in unmittelbarer Berüh- 
rung mit dem betreffenden Theilstück steht. Beide Hälften stehen 
durch einen Faden mit einander in Verbindung. Wahrscheinlich 


400 R. Wolfgang Hoffmann, 


wurden die beiden Zellen, nach der Theilung des Zellleibes, durch 
irgend eine äußere Druckwirkung aus einander gerissen. Hierbei 
zog sich die mittlere Partie des Zwischenkörpers in einen Faden 
aus. Dieses Bild bietet einen neuen Beleg für den Widerstand, den 
der FrLemnmin@’sche Körper der Zelltheilung entgegensetzt, sowie für 
seine zähe Konsistenz. 

Oft findet man auf einem großen Komplex ruhender Obeliazellen, 
auf, oder in der Nähe der Membran kleine dunkel gefärbte Körper- 
chen liegen, welche wahrscheinlich die letzten Reste der FLEMMING- 
schen Zwischenkörper repräsentiren, die hier, wie es schon FLEMMING 
angedeutet hat, allmählich zurückgebildet werden. Sind die Zellen 
jedoch nieht noch durch einige Spindelfäden mit einander verbunden, 
so lässt sich nicht scharf beweisen, ob man es mit Zwischenkörpern 
oder mit irgend welchen dort zufällig liegenden Partikelchen zu thun 
hat; die Färbung bietet eben in keinerlei Hinsicht ein genügendes 
Kriterium zur Erkennung dieser Thatsache. 

Für jedes der angeführten Stadien könnte ich zahlreiche Bilder 
geben; doch beschränke ich mich auf diese geringe Auswahl, da die 
erwähnten Verhältnisse bei Limax und den Knochenfischen weit deut- 
licher als bei Obelia zum Ausdruck kommen. 


Zellplatten bei Limax maximus. 


War Obelia wegen der Kleinheit ihrer Zellen ein für das Stu- 
dium der Zellplatten ziemlich ungeeignetes Objekt, so leisten die 
Limaxzellen in dieser Beziehung Vorzügliches. Sie sind zwar nicht 
übermäßig umfangreich (die Bilder sind bei verschiedener Vergröße- 
rung entworfen), doch zeichnen sich die Theilungsfiguren durch 
sroße Klarheit und die Zellplattenelemente durch außerordentliche 
Stärke aus. Während bei Obelia die Theilung ohne Zellplatten 
(wenngleich auch mit einem Zwischenkörper, der indessen keinen 
Antheil an diesem Vorgang nimmt) die Regel bildet, so sind bei 
Limax Theilungsfiguren ohne, wenn auch kleine Zellplatten nicht sehr 
häufig, doch fällt es immerhin nicht schwer, Bilder wie Fig. 19 auf- 
zufinden. Dass hier nicht noch nachträglich eine Zellplattenbildung 
aufgetreten wäre, wenn der Theilungsvorgang seinen weiteren Ver- 
lauf genommen hätte, leuchtet ein. Die Einschnürung der Mutter- 
zelle ist beiderseits schon sehr weit fortgeschritten, so, dass nur eine 
relativ schmale Protoplasmabrücke übrig bleibt. Die Chromosome 
sind zum Theil noch zu erkennen, haben jedoch schon keine scharfe 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 401 


Grenze mehr und beginnen mit einander zu verschmelzen. Die Ver- 
bindungsfäden kennzeichnen sich als ein verwaschenes Band, in dem 
sich noch hier und da eine Fibrille unterscheiden lässt. 

Obgleich Zellplatten von ziemlicher Ausdehnung bei Limax eine 
sewöhnliche Erscheinung sind, so geschieht doch ihre Anlage kaum 
jemals ohne Zuhilfenahme einer, wenn auch geringen Einschnürung. 
Ich will damit nicht sagen, dass nicht auch Bilder mit kompletter 
Zellplatte aufzufinden seien; indessen müssen dieselben sehr selten 
sein, da ich nur ausnahmsweise solche antraf. Wie bei Obelia fin- 
det man auch bei Limax alle Übergangsstadien vom kleinsten Frex- 
MIn@G’schen Körper, bis zur fast vollkommenen Zellplatte. Hier lässt 
sieh in der That ein bei einem gewissen Gewebe konstantes Auf- 
treten eines bestimmten Zellplattenrudiments, nämlich des Zwischen- 
körpers, nachweisen; doch davon später. Die gewöhnliche Form, 
wie sich bei Limax die Zellplatte präsentirt, ist in Fig. 21 gegeben. 
Noch auffälliger als bei Obelia tritt uns hier die bedeutende Größen- 
differenz zwischen den Elementen der Spindelplatte und denjenigen 
der Cytoplasmaplatte entgegen. Die Spindel ist noch im Diaster- 
stadium, obgleich die Chromosome schon Anstalt machen in eine 
einheitliche Masse zusammenzubacken. Die Elemente der Spindel- 
platte sind bereits mit einander verschmolzen, doch erkennt man 
noch deutlich ihre körnige Natur; eben so ist dies bei der Cyto- 
plasmaplatte der Fall, die sich indessen nur nach der einen Seite 
zu erstreckt. Bei genauem Zusehen hat man jedoch den Eindruck, 
- dass sie sich auf der der Spindel am meisten genäherten Seite ge- 
spalten hat. Die beiden Spindeltheile sind hier gegen die Theilungs- 
ebene in einem stumpfen Winkel geneigt. Dies lässt sich auf 
zweierlei Weise erklären. Entweder haben die Tochterplatten eine 
seitliche Schwenkung gemacht, während der mittlere Theil der Spin- 
del an Ort und Stelle geblieben ist; etwa weil zu jener Zeit Spindel 
und Cytoplasmaplatte bereits angelegt und in der Zelle in gewisser 
Weise fixirt waren, oder — und das ist das Wahrscheinlichste — 
weil die Verbindungsfäden ein nachträgliches Längenwachsthum er- 
hielten, so dass sie sich, weil die Tochterplatten ihnen Widerstand 
entgegensetzten, seitlich ausbuchten mussten. Diese Erscheinung 
ist ja vielfach beobachtet worden, so sucht z. B. DRÜNER durch die 
Stemmwirkung der auswachsenden Verbindungsfäden das Auseinan- 
derweichen der Tochterzellen herzuleiten. 

Auch Carnoy hat dieser Erscheinung seine Aufmerksamkeit 
geschenkt; in Fig. 44 Tafel II seiner »Cytodierese chez les Arthro- 


402 R. Wolfgang Hoffmann, 


podes« giebt er die Abbildung einer Theilungsfigur, wo das Längen- 
wachsthum der Verbindungsfäden so ungeheuer ist, dass die Central- 
spindel einen vollständigen Ring beschreibt. Etwa in der Hälfte der 
Spindel sind die Fibrillen zu einer Spindelplatte verdickt. Für die 
Vermuthung, dass wir es in Fig. 21 Taf. XX mit einem etwaigen 
Längenwachsthum der Verbindungsfäden zu thun haben, spricht auch 
die Lage der Halbspindeln. Ihre einzelnen Elemente sind zwar schon 
ziemlich verschwommen geworden, doch kann man noch deutlich 
die Kegel erkennen, deren Achsen etwa senkrecht zu der Zellplatte 
stehen. 

Fast immer setzt das spitze Ende der Einschnürung direkt auf 
das Ende der Zellplatte an, so dass bei einer Theilung letzterer die 
beiden Theilplatten in den freien Rand der Mutterzelle übergehen. 
Anders freilich ist es, wenn sich zwei Zellplatten wie in Fig. 22 
Taf. XX gebildet haben. Eine solche Erscheinung ist als Missbildung 
anzusehen. Ich habe sie nichtsdestoweniger zwei bis dreimal be- 
obachtet. Die Einschnürung scheint dann zu zögern; es sieht aus, 
als sei sie unschlüssig, an welcher Zeliplatte sie zuerst ansetzen 
solle. Die ganze Zelle hat sich biskuitförmig verengt; aber schon 
ist eine Andeutung dafür vorhanden, wie eine Trennung der Tochter- 
zellen zu Stande kommen wird. Zwischen den beiden halbkreis- 
förmigen Zellplatten ist das Protoplasma bereits heller geworden und 
nur gegen die Ecken des trapezförmigen Zwischenraumes zu finden 
sich noch größere körnige Ansammlungen. Wahrscheinlich wäre 
später eine, dem bei der Zellplattenbifurkation entstehenden Vor- 
gang analoge Erscheinung eingetreten. Das Protoplasma zwischen 
den beiden Zellplatten wäre degenerirt und hätte zwei Tochter- 
zellen frei gelassen, deren inneren Rand die Zellplatten gebildet 
hätten. 

Auch bei Limax ist das Auftreten einer Cytoplasmaplatte streng 
an das Vorhandensein einer Spindelplatte gebunden. Nur beobachtete 
ich hier öfters, dass die Spindelplatte, trotz einer wohl ausgebildeten 
Cytoplasmaplatte eine sehr geringe seitliche Ausdehnung besaß, wie 
dies Fig. 23 u. 24 Taf. XX zeigen; vielleicht ist auch Fig. 25 hierher 
zu rechnen. Betrachten wir zuerst Fig. 23. Wir haben es mit einem 
sehr späten Stadium zu thun. Die Kerne sind schon fast vollständig 
regenerirt; es haben sich sogar schon Nucleolen gebildet. Es ist 
eine eigenthümliche Erscheinung der Zellen von Limax, dass sich 
oft schon, noch ehe die Chromatinschleifen ganz zerfallen sind, 
Nucleolen regenerirt haben, die dann immer von einem hellen Hofe . 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 403 


umgeben sind. Die Halbspindeln sind bereits vollständig zerfallen 
und nur noch als dunkle Schatten angedeutet. Hingegen sind die 
Verbindungsfäden noch ziemlich gut erhalten. Die Cytoplasmaplatte 
stellt eine kompakte, körnige Linie dar, die Spindelplatte hingegen 
ein im Schnitt längliches Gebilde von bedeutender Höhe. Von ihr 
aus strahlen die Spindelfibrillen in Gestalt zweier Kegel nach den 
Kernen. Wie konnte sich nun dieser Doppelkonus ausbilden, da 
doch eine Cytoplasmaplatte vorhanden ist, die eine Zusammenfassung 
der Verbindungsfäden durch eine Zelleinschnürung ausschließt? Ich 
muss gestehen, dass mir dieser Vorgang nicht recht klar ist. Es 
hat zwar den Anschein, als hätte die Oytoplasmaplatte auf die Ver- 
bindungsfäden in ihrem ganzen Umkreise einen Druck ausgeübt, so 
dass die einzelnen Elemente mit einander verschmolzen wären, eben so 
in Fig. 24 u. 25; wie jedoch dieser Druck von der Cytoplasmaplatte 
auf die Spindelplatte ausgeübt werden konnte, weiß ich mir leider 
nicht zu erklären. Da der Fremming’sche Körper ja nichts weiter 
ist, als eine rudimentäre Spindelplatte, so haben wir in den er- 
wähnten Fällen so zu sagen die Kombination eines Zwischenkörpers 
mit einer Cytoplasmaplatte. 

Was nun die Entstehung der Spindelplatte anbelangt, so bin ich 
in der Lage, nähere Auskunft darüber geben zu können. Zu dies- 
bezüglichen Studien eignen sich vor Allem die rudimentären Platten. 
Hier sind die Elemente nicht so dicht gelagert, wie bei einer voll- 
ständigen Spindelplatte und erlauben desshalb eher einen Einblick in 
ihre Bildungsweise. So gelang es mir festzustellen, dass die Spindel- 
platte durch Verschmelzung knötchenartiger Differenzirungen im 
Äquator der Verbindungsfäden zu Stande kommt, zum Unterschied 
von der Cytoplasmaplatte, deren Elemente frei im Protoplasma ent- 
stehen; somit haben wir hier genau denselben Vorgang wie bei den 
: Pflanzenzellen. STRASBURGER hat beobachtet, dass namentlich dort 
die Anschwellungen der Verbindungsfäden bedeutendere Dimensionen 
erlangen, wo letztere durch größere Zwischenräume von einander 
getrennt werden. Die Dermatosomen verdieken sich hier so lange, 
bis sie sich berühren und mit einander verschmelzen können. Auf 
genau dieselbe Ursache sind wohl auch die bedeutenden Verdickungen 
zurückzuführen, die man manchmal in Verbindungsfäden von Limax- 
zellen während des Diasterstadiums beobachten kann. Oft treten 
nur ganz wenige (drei bis sechs) solcher Verdickungen auf (Fig. 27, 
Fig. 28, Fig. 18, Fig. 29, Taf. XX), dann ist freilich jede Verdiekung 
umsonst, da die Knötchen zu weit von einander entfernt sind, um 


404 R. Wolfgang Hoffmann, 


sich erreichen zu können'!. Diese Anschwellungen besitzen Anfangs 
spindelförmige Gestalt und haben dasselbe geringe Färbungsvermögen 
wie das Achromatin der Verbindungsfäden; erst später nehmen sie 
die Färbbarkeit einer gewöhnlichen Zellplatte an. (Auch hier haben 
wir also eine Übereinstimmung mit den pflanzlichen Vorgängen.) 
Niemals sah ich bei Limax der Knötchenbildung ein Stadium voraus- 
sehen, wo sich die Fibrillen durch mikrosomalen Bau auszeichneten. 
Kommen die Knötchen wegen zu geringer Zahl und zu weiter Ent- 
fernung von einander nicht zur Verschmelzung, so können sie in 
diesem Zustande ungewöhnlich lange Zeit persistiren, wie z. B. in 
Fig. 28. In manchen Fällen erfolgt die Vereinigung dieser Ge- 
bilde doch noch und dann regelmäßig durch eine scharfe Ein- 
schnürung, welche die Fibrillen vor sich her treibt; das Resultat ist 
dann ein kleiner FLEMmMIng’scher Körper. Dieser Vorgang lässt sich 
deutlich aus Fig. 18 Taf. XX ersehen?, wo drei spindelförmige 
Körperchen durch eine solche Theilfurche zur Vereinigung gebracht 
werden. Eben so blass, wie in Fig. 18, sind die Knötehen auch in 
Fig. 29, wo zwar die Einschnürung rings um die Zelle schön weit 
fortgeschritten, die Spindel aber selbst noch intakt ist. Auf einer 
späteren Entwicklungsstufe färben sich die Körperchen schon in- 
tensiver; auch nehmen sie dann eine mehr rundliche Gestalt an. 
Freilich giebt es auch Fälle, in denen die Spindelform bis zur Zell- 
trennung beibehalten wird. In Fig. 27 u. 28 haben die Spindel- 
verdickungen dieselbe Färbbarkeit wie die Zellplatte. 

Leider sah ich nicht, ob die chemische Umwandlung der Spindel- 
plattenelemente wie bei den Pflanzen durch Imbibition mit irgend 
einer Substanz hervorgerufen wird, die sich in jener Zeit in der 
Gegend ersterer ansammelt oder auf irgend eine andere Weise. In 
Fig. 25 Taf. XX sind die spindelartisgen Verdiekungen der Ver- 
bindungsfiden mit einander verschmolzen, ohne vorher in runde 
Körnchen überzugehen. 

Die interessantesten Bilder sind zweifellos Fig. 27 und 28, Taf. XX. 
In Fig. 273 ist eine Cytoplasmaplatte angelegt, deren Elemente sich 


! Indessen können sie später noch durch die Einschnürungsfurche zur 
Vereinigung gebracht werden, wenn dieselbe die Spindelfibrillen vor sich her- 
treibt — vorausgesetzt, dass die Verdiekungen noch nicht erhärtet sind. 

?2 Hier haben wir auch ein typisches Beispiel für den schon oben erwähn- 
ten Fall, dass die Ränder einer scharfen Einschnürung durch ihre Aufeinander- 
lagerung eine Zellplatte vortäuschen können. 

3 Diese Verhältnisse treten hier leider lange nicht mit der Schärfe der 
Originalzeichnung hervor. 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 405 


zwischen die spindelartigen Verdickungen der Verbindungsfäden ein- 
schieben. An ihren äußeren Rand setzt sich direkt die Einschnürung 
an. Die Zelle ist zwar sehr dunkel gefärbt und ganz von einem 
körnigen Protoplasma erfüllt, die Mittelzone — worauf es hier ja 
allein ankommt — ist jedoch gerade hell, so dass man die Details 
ausgezeichnet erkennen kann. In Fig. 28 ist die Cytoplasmaplatte 
aus einander gesprengt worden. Die Verbindungsfäden blieben hier- 
bei unverletzt, da ihre Verdiekungen noch nicht zu einer Platte 
verschmolzen waren, als die Theilung des Zellleibes schon begonnen 
hatte. Sie haben sich also verhalten wie undifferenzirte Fibrillen. 
Oft sieht man ja, dass, obgleich zwei Schwesterzellen schon weit aus 
einander gerückt sind, sie dennoch noch durch den Rest der Central- 
spindel mit einander in Verbindung stehen. Auch Fig. 26 kann für 
das zuletzt Erwähnte als Beleg dienen. 

Hatte nun die Zellplatte in ihrer zweifachen Form bei den 
Thieren ehemals eine funktionelle Bedeutung, so bestand die Aufgabe 
der Cytoplasmaplatte unzweifelhaft darin, den Zellleib, diejenige der 
Spindelplatte, die Verbindungsfäden zu theilen'. 

Es ist hier darauf hinzuweisen, dass schon v. KosTAnEckI eine 
ähnliche Vermuthung, jedoch in Bezug auf die Pflanzenzelle aus- 
gesprochen hat. 

Er sagt: »Wenn ich aber trotzdem behaupte, dass die Homologie 
(nämlich des Fremmine’schen Körpers) mit den Vorgängen bei 
Pflanzenzellen wirklich vorhanden sei, so geschieht dies aus dem 
Grunde, weil ich mich der Vermuthung nicht erwehren kann, ob 
nicht in pflanzlichen Zellen zwei parallel neben einander verlaufende 
" Processe zu einem zusammengefasst worden sind, nämlich eine äqua- 
toriale Differenzirung der Centralspindelfasern zum Zwecke ihrer 
Halbirung und eine eigentliche Zellplattenbildung zum Zwecke der 
Scheidewandbildung, die bei thierischen Zellen gar nicht vertreten 
ist, wodurch der erste desto deutlicher und unverhüllter zu Tage 
tritt. « 

Letzteres gilt jedoch nur im Allgemeinen; da ja, wie ich schon 
im historischen Theil erwähnt habe, Carnoy und andere Autoren 
genügend Fälle anführen, wo gelegentlich aus Zellplatten im Thierreich 


1 Es ist sehr leicht möglich, dass auch heute noch thierische Gewebe 
existiren, bei denen die Zelltheilung stets mit Hilfe vollständiger Zellplatten 
von zweifacher Konstitution und durch den oben erwähnten Theilungsmodus 
von statten geht. 


406 R. Wolfgang Hoffmann, 


regelrechte Theilungsmembranen hervorgehen. Auch die vorliegenden 
Blätter bieten ja Beispiele hierfür'. 

Wurde nun auch, so viel ich weiß, bis jetzt noch nicht bei 
Pflanzenzellen auf den Zweck einer zweifachen Differenzirung der 
Zellplatte hingewiesen, so ist ihre doppelte Konstitution doch schon 
lange von STRASBURGER erkannt worden. Die Spindelplatte der 
Pflanzen entsteht durch Verdieckungen der primären Verbindungs- 
fäden; die Cytoplasmaplatte aus den sekundären Verbindungsfäden, 
die innerhalb ersterer und vom Rande derselben fortwachsend 
eingeschaltet werden. Die sekundären Verbindungsfäden brauchen 
indessen nicht einmal die Größe der primären Verbindungsfäden zu 
besitzen; im extremen Falle sind sie sogar auf die geringe Länge 
der Dermatosomen reducirt. 

Etwa ein Dutzend Mal beobachtete ich bei Limax die Bifurka- 
tion der Zellplatte. In Fig. 24 und 25 Taf. XX gebe ich hiervon 
zwei Bilder; sie stellen etwa gleiche Stadien dar. Nur ist es in 
Fig. 25 nicht zur Bildung einer typischen Spindelplatte gekommen. 
Die Verdiekungen der Verbindungsfäden haben noch spindelförmige 
Gestalt und sind nicht vollständig mit einander verschmolzen. Hin- 
gegen haben die in Bifurkation befindlichen Cytoplasmaplatten ein 
fast homogenes Aussehen. Die Verbindungsfibrillen sind bereits im 
Begriff zu verschwinden. Zum Theil haben sie sich von den Kernen 
losgelöst, welche letzteren schon fast vollständig regenerirt sind. 
Jeder Kern zeichnet sich durch einen dunkel gefärbten Nucleolus 
mit hellem Hofe aus. Die Trennung der Zellen wird hier wohl auf 


! Neuerdings hat v. KoSTANECKI eine Arbeit publieirt, welche hier erörtert 
werden müsste, die ich indessen nicht berücksichtigen konnte, da sie erst er- 
schien, nachdem die vorliegenden Untersuchungen schon niedergeschrieben 
waren (siehe Nachtrag). Er beschreibt hierin die Zellplatten in sich furchen- 
den Ascariseiern und giebt zugleich eine höchst geistvolle Theorie ihrer 
Entstehung. Ich bin darüber etwas im Zweifel, ob diese Differenzirungs- 
schichten dem zu vergleichen sind, was CArnoY bei den Arthropoden und ich 
als Cytoplasmaplatten beschrieben haben, da trotz Allem ein FLEMMING’scher 
Körper vorhanden ist, dessen Auftreten zeitlich in keiner Weise an das er- 
wähnte Gebilde gebunden zu sein scheint. Ich habe übrigens diese äquato- 
riale Differenzirungsschichten auch in den Blastomeren sich furchender See- 
igeleier gesehen. Möglichenfalls ist der Theilungsmodus durch sie der einzige 
bei allen Furchungszellen; alsdann wird er von den späteren Zellen jedoch 
nicht mehr beibehalten, denn nun spielt die Einschnürung bei der Theilung 
die Hauptrolle. — Ist dies in der That der Fall, so wäre es möglich, dass die 
einzelnen Zellgenerationen vom Ei aufwärts bis zum ausgebildeten Thier eine 
mehr oder weniger vollständige Geschichte der Rückbildung der Zellplatte 
darstellten. 


2 


dieselbe Weise von statten gehen, wie CARNoY sie für die Arthro- 

_ podenzellen mit Bifurkation beschrieben hat: 

Das außerhalb der Bifurkationsränder liegende Protoplasma wird 
degeneriren, die Zellplatte sich aber spalten. Von einem Einreißen 
der Muttermembran ist hier keine Rede. Wir haben es bei den 
Limaxzellen nicht mit wirklichen Membranen, sondern höchstens mit 
einer etwas festeren Grenzschicht zu thun. 

Eine häufige Erscheinung in den Limaxzellen ist der FLEMMING- 
sche Körper. Er tritt fast immer in sehr späten Stadien auf; da die 
wenigen, öfters weit aus einander liegenden Körnchen der Verbindungs- 
fäden vorher durch die Einschnürung zusammengedrängt werden 
müssen!. Es lassen sich hierbei, wie bei Obelia, alle nur erdenklichen 
Abstufungen in Bezug auf Höhe und Breite des Körpers finden. 
Öfters bildet er eine Walze, die mit ihrer Längsrichtung etwa 
senkrecht zur Richtung der Theilungsebene steht. — In diesem 
Falle kommen nur wenige, längliche Anschwellungen der Fibrillen 
zur Verschmelzung (Fig. 23, Taf. XX); oder er bildet eine Walze, 
deren Höhe geringer ist als ihr Durchmesser (Fig. 31, Taf. XX, 
Fig. 36, 37, Taf. XXT); oder endlich, er ist sehr klein und unregel- 
mäßig und wurde dann nur aus wenigen geringen Anschwellungen 
gebildet. Stets konvergiren nach ihm die doppelkegelartig ange- 
ordneten Verbindungsfäden. In Fig. 36 besitzt der Zwischenkörper 
die Form einer dieken Platte. Die Einschnürung der Mutterzelle 
verläuft in zwei weiten flachen Bogen, die auch in diesem fort- 
geschrittenen Stadium nicht direkt an den Fadenkomplex ansetzen. 
Wahrscheinlich kam die Verschmelzung der Knötchen dadurch zu 
Stande, dass die Einschnürung das Zellplasma vor sich hertrieb, 
welches die Fibrillen gegen einander schob. Letztere zeigen die 

‘ Tendenz auch dort, wo keine Anschwellung vorhanden ist, in ein- 

ander zu fließen. Zu beiden Seiten des Zwischenkörpers lagern 
sich schon zwei umfangreiche Massen, die durch Verschmelzung der 
unteren Theile der Verbindungsfäden gebildet wurden. Solcher Her- 
kunft sind wohl auch die rundlichen Körper, die manchmal in der 
Centralspindel gegen das Ende der Diasterphasen auftauchen (man 
vergleiche Lustis und GALEOTTI, Taf. XI, Fig. 19, sowie PRENANT, 

Fig. 25). 

Am häufigsten tritt der FLemmis@’sche Körper wohl bei Mesen- 
ehymzellen auf. Indessen finden sich auch hier oft gut ausgebildete 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 407 


1 Ich spreche hier natürlich von echten Fremmme’schen Körpern, wo 
selbst nicht das Rudiment einer Cytoplasmaplatte nachzuweisen ist. 


408 R. Wolfgang Hoffmann, 


Cytoplasmaplatten. Es mag sein, dass sich der Zwischenkörper in 
den anderen Geweben nicht weniger oft ausbildet; in den Mesenchym- 
zellen bleibt er indessen schon desshalb länger siehtbar, weil sich 
hier die Zellen durch ganz flache Einschnürungen theilen und lange 
Zeit, manche wohl immer, auf diese Weise mit einander in Verbin- 
dung bleiben. 

So findet man denn häufig Bilder wie Fig. 35, Taf. XX. Hier 
stehen zwei ruhende Zellen, zweifellos Schwesterzellen, durch eine 
Protoplasmabrücke mit einander in Verbindung. In der Mitte letzterer 
liegt in einem kleinen Spindelrest ein FLemmiıng’sches Körperchen. 

Fig. 37, Taf. XXI zeigt ein ähnliches Bild, ebenfalls bei zwei 
Mesenchymzellen, nur haben sich hier die Kerne noch nicht voll- 
ständig regenerirt. Nicht immer braucht sich indessen eine Mesen- 
chymzelle bei der Theilung in der Äquatorialzone zu einer langen 
dünnen Protoplasmabrücke auszuziehen. Dies ersieht man aus Fig. 31 
und 34, Taf. XX. Hier erfolgt dann eine Trennung der Zellen, falls 
sich der Zwischenkörper spaltet; dass die Vereinigung zwei solcher 
Zellen aber recht lange anhalten kann, zeigt die vollständig ruhende 
Form derselben. - 

Fragt man sich nun, ob die Zellplatten (bezw. deren Rudimente) 
bei Limax irgend eine funktionelle Bedeutung haben, so kann man 
darauf mit ja und nein antworten. Versteht man unter der funk- 
tionellen Bedeutung der Zellplatten eine sich stets gleich bleibende 
für irgend einen Vorgang bedeutungsvolle Wirkung derselben, so 
kann man wohl die Frage mit nein beantworten. Das äußerst 
variable Auftreten dieses Gebildes, sowie die Thatsache, dass gering- 
fügige äußere Momente seine Ausbildung außerordentlich beeinflussen 
können, lassen diese Annahme ja von vorn herein ausgeschlossen 
sein. Die Auffassung v. Kostanzckr's der funktionellen Bedeutung 
des Zwischenkörpers für einzelne Objekte scheint mir desshalb schon 
aus diesem Grunde nicht richtig zu sein. Ich werde auf diesen 
Punkt später ausführlich zurückzukommen haben. Versteht man je- 
doch unter funktioneller Bedeutung der Zellplattenrudimente die Ver 
richtung einer Aufgabe im gegebenen einzelnen Falle, so kann man 
den letzteren häufig dieselbe nicht absprechen. Wir wollen zunächst - 
nachsehen, was denn schließlich aus den größeren Zellplattenrudi- 
menten wird. 

Fig. 38 zeigt zwei Schwesterzellen, die sich eben von einander 
abgeschnürt haben. Seitlich von den Kernanlagen liegt je ein Theil 
stück der gespaltenen Zellplatte, deren Elemente trotzdem noch nicht 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. | 409 


mit einander verschmolzen sind. Die Einschnürungslinien setzen 
beiderseits direkt an die Theilränder der Zeilplatte an. Seltsam 
_ erscheint es, dass die fast vollständig regenerirten Kerne in gar 
keiner Beziehung zu dem Spindelrest zu stehen scheinen. Mögen 
dieselben auch nach ihrer Neubildung aus den Tochterplatten eine 
Umlagerung erfahren haben, so können sie doch nicht vorher ober- 
halb der Spindelplatte gelegen haben, da hierzu der Raum gemangelt 
hätte. Wahrscheinlich wirkten bei der Verlagerung der Spindelplatte 
an den Rand der Zelle zwei Faktoren zusammen. Einmal ein über- 
mäßiges Auswachsen der Verbindungsfäden während der Diaster- 
phase, sodann eine Verschiebung letzterer durch die im Anfang 
einseitig auftretende Einschnürungsrinne. 

_ Hier muss der Zellplatte eine gewisse funktionelle Bedeutung 
zugeschrieben werden, indem ihre Spaltung zugleich auch eine Durch- 
trennung des Spindelrestes bewirkte Dass die Verbindungsfäden 
‚sich oft der Zelltheilung hindernd in den Weg stellen, so dass ihre 
Fibrillen, lange nachdem der Leib der beiden Tochterzellen bereits 
von einander getrennt ist, dieselben noch an einander fesseln, kann 
man gar häufig beobachten. Auch Fig. 28, Taf. XX kann hierfür 
als Beleg dienen. Als Theilungsmembran hat das kleine Stück Zell- 
platte wohl keine Bedeutung'!. Von einer Membran im Sinne wie 
bei den Pflanzen oder den Tentakelentodermzellen der Hydroiden 
lässt sich ja bei Limax überhaupt nicht sprechen. Auf einige Aus- 
nahmen komme ich nachher zurück. In Fällen, wie den vorgeführten, 
_ werden die Elemente der Zellplatte später resorbirt, ohne vorher zu 
einem Ganzen zu verschmelzen. Dies geschieht oft sehr rasch, so 
dass man zwischen zwei klaffenden Zellen, die zweifellos durch 
 Aufspringen einer Zellplatte getheilt wurden, nur dort, wo sie noch 
mit einander in Verbindung stehen, und in ihrer nächsten Nähe, 
einen Rest der letzteren erkennen kann. Wahrscheinlich verhält es 
sich ähnlich in Fig. 39, Taf. XXI. Vielfach mögen desshalb auch 
Bilder vorgetäuscht werden, wo anscheinend eine Theilung durch 
Kombination einer Einschnürung mit einer Zellplatte von statten geht, 
wo aber in der That eine vollständige Zellplatte angelegt wurde. 

Auch mögen Spindelplatten vielfach nur desshalb häufiger als 
ihre Kombinationen mit Cytoplasmaplatten auftreten, weil die be- 


1 Abgesehen davon, dass eine Spindelplatte erst in zweiter Linie als Vor- 
bildnerin einer Theilungsmembran in Betracht kommt. — Ihre vornehmliche 
Funktion besteht ja, wie ich oben erwähnte, in der Durchtrennung der Ver- 
bindungsfäden. 


410 R. Wolfgang Hoffinann, 


deutendere Größe ihrer Elemente zugleich ein langsameres Verschwin- 
den bedingen. Thatsache bleibt es indessen, dass sich die Zellplatte 
nur in den wenigsten Fällen in eine Membran umwandelt. Meist 
theilt sie sich noch ehe ihre einzelnen Elemente zu einer homogenen 
Masse verschmolzen sind. Oft besitzen sogar nicht einmal alle 
Fibrillen Verdiekungen, oder wie soll man sonst Fig. 26, Taf. XX 
verstehen ? | 

Hier ist eine nahezu vollständige Zellplatte angelegt worden. 
Leider ist die obere Zelle nicht ganz auf dem Schnitte vorhanden. 
Die beiden Plattenhälften klaffen weit aus einander; zwischen sie 

setzt sich jedoch ein Theil der Fasern fort. 
: | Ob hier ausnahmsweise keine Spindelplatte 
angelegt wurde, wage ich nicht zu entschei- 
den; sollte es jedoch der Fall sein, so spräche 
dies sehr für die Funktionen, welche ich 
den beiden Konstituenten der Zellplatte zu- 
E = schreibe. Das Bild entspricht etwa der 
Textfig. 6 (nach Carxor'. Fig. 35, Taf. II in CArnoys Arbeit »La- 
Cytodier&se chez les Arthropodes«. Die Figur 
ist in so fern der meinigen nicht ganz ähnlich, als sich zu beiden 
Seiten der Tochterzellen große Vacuolen befinden. CARNOY sagt hier- 
bei zur Erklärung Folgendes: 

»Pour nous, nous les (les figures) considerons comme l’expression 
d’un processus normal dont la turgescence serait le principal facteur. 
Il est & remarquer, en effet que nous n’avons observ& ces sortes de 
clivages que dans les cellules gorgees d’eau et creusees de grandes 
vacuoles. « 

Dies ist nun für die Limaxzellen durchaus nicht allgemein gültig. 
Dass eine größere Turgescenz das Aufspringen der Zellplatten be- 
günstigt, steht für mich ebenfalls fest. Vacuolisirte und stark mit 
Flüssigkeit durchtränkte Zellen sind auch bei Limax keine Selten- 
heit; indessen lassen doch die meisten Zellen mit gespaltenen Zell- 
platten gar nichts von diesen Verhältnissen erkennen. Zufällig ge- 
hört gerade das eben eitirte schöne Beispiel (Fig. 26) zu diesen von 
Carnoy erwähnten Zellen. Die obere Theilzeile scheint nämlich an 
ihrem äußeren Abschnitt ziemlich von Flüssigkeit durchdrungen zu 
sein; eine Spaltung durch Turgescenz ist hier also nicht ausgeschlos- 
sen. In weitaus den meisten Fällen wird jedoch die Spaltung durch 
den Druck der Einschnürungsfurche bewirkt. Mit welcher Gewalt 
dieselbe, namentlich, wenn sie im spitzen Winkel ansetzt, vor sich 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 411 


seht, kann man ja recht gut an dem schon mehrfach erwähnten Vor- 
siehherschieben der Verbindungsfäden erkennen. Ich bin eigentlich 
erstaunt, dass CARNOY in seinen vielen Präparaten nur etwa acht- 
mal den Vorgang des Aufspringens der Zellplatte beobachten konnte. 
Bei Limax ist dies der gewöhnliche Theilungsmodus, sobald größere 
Zellplattenrudimente auftreten. a 

Den Fall, dass bei einer Theilung der Zellplatte die Verbindungs- 
fäden ungetrennt bleiben, habe ich noch mehrmals beobachtet. In 
Fig. 40 und 42 Taf. XXI haben wir ähnliche Bilder, wie in Fig. 26. 
Dass beide Zellen vollständig getheilt sind, ersieht man aus dem 
protoplasmalosen weißen Streifen, der sich zwischen beiden hinzieht. 
Auch hier hat sich beide Male die Zellplatte getheilt, ehe ihre Ele- 
mente mit einander verschmolzen waren. In den eben erwähnten 
drei Beispielen hat also namentlich die Zellplatte die Theilung des 
Zellleibes bewerkstellig. Es ist möglich, dass aus den kleinen 
Theilungsstücken der Zellplatte nachträglich noch, indem sie mit 
einander verschmelzen, Membranen werden. Obgleich ich diesen 
Fall nie beobachtet habe, will ich ihn nicht bestreiten. Manchmal 
lässt die Zelltheilung nicht nur kleine Zellplattenelemente, sondern 
auch größere vollständig unberührt. Sehr interessant ist in dieser 
Beziehung Fig. 43. Hier ist zwar eine Spindelplatte angelegt, die 
Theilung der Zelle, die schon vollständig ausgeführt ist, hat jedoch 
ihren Weg nicht über letztere genommen, sondern hat sich zu bei- 
den Seiten über sie weg erstreckt. Es macht dies den Eindruck, 
‚als hätte die Theilungsfurche die einzelnen Elemente der Platte, die 
hier freilich ungewöhnlich groß sind, nicht überwinden können. Hier 
haben wir also einen Fall, wo eine Zellplatte zwar angelegt wird, 
jedoch ohne Funktion bleibt. 

In nicht sehr häufigen Fällen kommt es vor, dass sich aus einer 
- Zellplatte eine typische, doppelt kontourirte Theilungsmembran aus- 
bildet. So vornehmlich bei einer Zellplattenbifurkation, wie ich sie 
in Fig. 24 und 25 Taf. XX beschrieben habe. 

Je größer eine Zellplatte ist, desto mehr Chance hat sie in eine 
Membran verwandelt zu werden. Eine vollständige Zellplatte ist 
wohl der günstigste Fall, weil alsdann keine Einschnürung eine vor- 
zeitige Spaltung hervorrufen kann. Hierin stimme ich vollständig 
mit CArnoy überein. Dieser Forscher fand, dass stets aus Zellplatten, 
die sich durch die ganze Zelle zogen, Theilungsmembranen hervor- 
gingen. Nächstdem sind zur Ausbildung typischer Theilungsmem- 


branen solche Zellen geeignet, bei denen die Einschnürungsfurche 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIU. Bd. ' 27 


412 R. Wolfgang Hoffmann, 


im flachen Bogen ansetzt, z. B. Fig. 20; weniger gut ist dies Ver- 
halten in Fig. 41 ausgeprägt. Die Einschnürung vermittels einer 
flachen Furche geht nämlich niemals so schnell vor sich, als die- 
Jenige, welche im scharfen Winkel ansetzt, weil erstere keinen be- 
stimmten Angriffspunkt, sondern deren viele hat. Die Bewegung 
einer Theilfurche kann überdies nicht unbeschränkte Zeit hindurch 
fortbestehen, sondern wahrscheinlich nur so lange, als die achro- 
matischen Fäden nicht zurückgebildet sind (weil dieselben ja, nach 
neueren Forschungen, geradezu die Urheber der Zelltheilung sind), so 
liegt in der Verzögerung der Einschnürung zugleich das Moment zu 
ihrem Unvollständigbleiben; sie kann also nicht mehr durch ihr 
Vordringen dem allmählichen Umwandlungsprocess der Zellplatte in 
eine Membran Einhalt thun. 

Eben so wie die größeren Zellplattenrudimente werden auch die 
FremmiınG’schen Körper schließlich der Resorption unterworfen. Es 
gilt hier dasselbe, was ich schon von den Hydroidenzellen gesagt 
habe und was auch schon FLEMMInG angiebt: Lange Zeit verharren 
sie in der Theilungsgrenze der beiden Schwesterzellen. In einzelnen 
Fällen theilen sie sich; für gewöhnlich jedoch nicht. Öfters liegt 
ein Zwischenkörper, gleichsam in eine helle Nische eingeschlossen 
(Fig. 32 Taf. XX). (LustiG und GALEoTTI geben ganz ähnliche Bil- 
der.) Wie lange die Zwischenkörper noch sichtbar sein können, 
lässt sich schwer sagen; jedenfalls persistiren sie oft noch geraume 


Zeit nach der Zelltheilung, bis sie allmählich immer blässer und 


kleiner werden und schließlich ganz verschwinden. 


Zellplatten bei Lachs und Forelle. 


Indem von KosTaneckı für eine Reihe von Wirbelthieren die 
Kontraktion der Centralspindelfäden und die Theilung des FLEM- 


MInG’schen Zwischenkörpers als Norm aufstellt, — worauf ich in 
einem letzten Abschnitt zurückkommen werde — nimmt er still- 


schweigend an, dass letzterer hier das einzige und immer in gleicher 
Form auftretende Zellplattenrudiment repräsentire. Dies wäre sehr 
seltsam, da doch, wie viele andere Forscher vor ihm beobachteten, 
dieses Gebilde in äußerst wechselnder Gestalt und Größe in den 
Zellen der Wirbellosen auftreten kann. . 

Man könnte indessen glauben, dass der FLEemmIne’sche Körper 
vielleicht bei Wirbelthieren in konstanter rudimentärer Form auf- 
tritt; dies ist jedoch keineswegs der Fall. Nebenstehend (Textfig. 7) 
gebe ich die Reproduktion eines Bildes der REINKE’schen Arbeit: 


SEN 


Über Zellplatien und Zellplattenrudimente. 413 


»Zellstudien<e.. Der Autor zeichnet uns hier das Theilungsstadium 
eines Leukoeyten aus dem Bauchfelle der Salamanderlarve. Hier 
wurde zweifellos eine typische, gut ausgebildete Zellplatte angelegt, 
die sich in eine Membran von außergewöhnlicher Dieke verwandelt 
hat. Die Theilung scheint durch Spaltung derselben vor sich zu 
sehen. Eine ähnliche Zellplatte giebt er in Fig. 18, Taf. XXIII 
seiner Arbeit. Er sagt hiervon: »Eine ebensolche (Zellplatte) zeigt 
Fig. 18, wie ich sie öfter fand neben multiplen und einfachen 
Zwischenkörperchen, so 
dass ich der Ansicht 
FLEMMING s, dass letz- 
tere rudimentäre Zell- 
platten seien, durchaus 
zustimme.« 

Wie sich nach dem 
Vorhergehenden erwar- 
ten lässt, fand auch ich 
in den von mir untersuch- E 
ten Zellen von Wirbel- Textfig. 7 (nach REINkE). 
thierembryonen (Lachs 
und Forelle) nicht nur FrLemuing’sche Zwischenkörperchen, sondern 
auch gut ausgebildete Cytoplasmaplatien. Ich bilde hiervon nur 
zwei typische Beispiele ab (Fig. 51 und 52, Taf. XXI), da wir ja 
das Wesentliche schon bei den Hydroiden (Obelia) gesehen haben. 
Freilich kommen größere Cytoplasmaplatten hier bei Weitem nicht 
so häufig vor, wie bei Limax. Im Gegentheil, sie bilden sogar eine 
ziemliche Seltenheit. 

In Fig. 51 sehen wir wieder eine große typische Cytoplasma- 
platte mit einer rudimentären Spindelplatte. Letztere ist sehr klein. 
Ihre etwas größeren und dunkler gefärbten Elemente heben sich 
jedoch scharf von dem im Cytoplasma verlaufenden Theil der Platte 
ab. Nach beiden Seiten setzt eine nicht zu umfangreiche Einschnü- 
rung direkt an die Zellplatte an. Leider lässt sich nicht entscheiden, 
ob die etwas dunkler gefärbten oberen rechten Einschnürungsränder 
schon einen Theil der Cytoplasmaplatte in sich schließen oder nicht. 
Ich wiederhole auch hier, dass die Cytoplasmaplatte gewiss viel 
häufiger als man beobachtet und selbst in größerer Ausdehnung auf- 
tritt, dass aber die leichte Vergänglichkeit ihrer Elemente, sobald 
sie ihre Funktion erfüllt, nämlich den Zellleib getheilt hat, ihr eine 
sehr viel geringere Verbreitung, als es wirklich der Fall ist, 


21% 


414 R. Wolfgang Hoffmann, 


zuschreiben lässt. In Fig. 55, Taf. XXI gebe ich nochmals einen Beleg 
für dieses Verhalten. Wir haben hier zwei sich theilende Tochter- 
zellen vor uns, und zwar geschieht die Theilung mit Zuhilfenahme 
einer Zellplatte. Es lässt sich nicht erkennen, ob letztere schon Anfangs 
einen rudimentären Charakter besaß, oder ob derselbe erst durch 
theilweise Resorption ihrer Elemente hervorgerufen wurde. Rechts 
und links vom Schnitt setzt die Einschnürung im scharfen Winkel 
an die Zellplatte an. Rechts klafft sie schon bis zur Spindelplatte. 
Die unverschmolzenen Theilstücke der Cytoplasmaplatte kann man 
noch eine Strecke weit beobachten; dann gehen sie allmählich in 
die Ränder der Zellgrenzen über. 

Hat die Cytoplasmaplatte eine funktionelle Bedeutung für das 
Zellindividuum, so besteht dieselbe auch bei den Knochenfischen, wo 
sie auftritt, einzig und allein darin, die Mutterzelle zu theilen, nicht 
aber in der Ausbildung einer membranösen Scheidewand zwischen 
den Tochterzellen. In Fig. 52 gebe ich wieder eine deutliche Zell- 
plattenbifurkation. Die Verbindungsfäden sind trotz dem relativ 
frühen Theilungsstadium, und obgleich die Chromosome der Tochter- 
platten eben erst ihre distinkten Kontouren verlieren, doch schon zum 
srößten Theile verschwunden. Es mussten also schon die Bedingungen 
zu einer Theilung gegeben sein, sofern sich später die Mutterzelle 
in zwei Tochterzellen hätte scheiden sollen. Dies ist auch der Fall, 
und zwar durch die sich im ganzen Umkreis der Äquatorialzone 
gabelnde Zellplatte. 

Jederseits ist im Schnitt durch die sich theilende Zellplatte ein 
dreieckiger Zwickel abgegrenzt, in welchem das Protoplasma sich 
in der Mitte als körnige Masse angesammelt hat; das erste Anzeichen 
ihrer Degeneration. Auch die Thatsache, dass der äußere Rand der 
Mutterzelle in den Winkelraum eingezogen worden ist, kann als 
Moment des Zerfalls betrachtet werden. Es ist vorauszusehen, dass 
die Loslösung der beiden Schwesterzellen von einander nach der 
Auflösung der Zwiekel durch Spaltung der Zellplatte ins Werk 
gesetzt worden wäre. 

Weit häufiger als größere Zellplattenrudimente kommen bei Lachs 
und Forelle FLEemminG’sche Zwischenkörper zur Ausbildung; wie dies 
ja übrigens für die Zellen aller Wirbelthiere zu gelten scheint. Ge- 
rade desshalb lässt sich hier aber auch die Funktionsiosigkeit dieses 
Gebildes am besten nachweisen. Nur in den seltensten Fällen kommt 
es zu einer Theilung des Zwischenkörpers. Entweder ruht er bis 
zum vollständigen Schwunde auf einer protoplasmatischen Verbin- 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 415 


dungsbrücke, wie wir es schon bei den Limaxzellen gesehen haben, 
oder — und das ist bei Weitem der häufigere Fall — er hängt frei 
in einem Intercellularraum an dem Rest einiger Verbindungsfäden 
(Fig. 44—45—53). Er hat also für die Zelle nicht mehr die ge- 
ringste Bedeutung. Im Gegentheil scheint er auch hier, wie bei den 
Limaxzellen in vielen Fällen der Zelltheilung eher hinderlich zu sein, 
als sie zu fördern. Da seine derbere Masse dem Vordrängen der 
Einschnürung besser Widerstand leistet als den Verbindungsfibrillen, 
so steht z. B. in Fig. 57 nur der Zwischenkörper der endgültigen 
Trennung beider Zeilen entgegen. In Fig. 44, einer Mesenchymzelle, 
liegt er am Rande der einen Schwesterzelle. In Fig. 56 hat er sich 
getheilt, die eine Hälfte ist fast bis an das Chromatin gerückt, wo- 
durch, werden wir später erfahren, das andere Stück ruht am Zell- 
rand der anderen Zelle. 

Sehr eigenthümliche Bilder geben ferner Fig. 45 und 53 Taf. XXI. 
Auf welche Weise hier die Zelltheilung eigentlich zu Stande kam 
ist mir vollständig unklar. Diese Art von Theilung ist nun keines- 
wegs ein Ausnahmefall. Ich konnte sie sehr häufig beobachten. 
Übrigens sind eben solehe Bilder von Forschern auch bei Salaman- 
derzellen gesehen worden. Hier lässt sich nichts von einer Ein- 
schnürung erkennen. Das Bild macht den Eindruck, als sei die 
Mutterzelle in der Äquatorialzone mit Gewalt aus einander gerissen 
worden und als habe sich hierdurch die Protoplasmamasse fädig aus- 
sezogen. Inmitten der Lückenräume schwebt ein Zwischenkörper 
auf einem Spindelrest. 

Sehr wahrscheinlich gehen auch bei Knochenfischen die Zellplatten- 
rudimente aus knötchenartigen Anschwellungen der Verbindungsfäden 
hervor. Ich habe hierfür manches Beispiel; doch wollte es mir nicht 
glücken so typische Bilder aufzufinden, wie ich sie von Limax ge- 
seben habe. Ich habe desshalb darauf verzichtet, das Wenige, was 
ich gefunden habe, abzubilden. 

Bisher bin ich noch nicht näher auf die Entstehungsweise dieser 
Körperchen eingegangen, weil ich aus praktischen Gründen das 
Sichere dem mehr Hypothetischen voranstellen wollte. Ich wende 
mich nun zu der Frage nach ihrer Herkunft. STRASBURGER nimmt 
an, dass die Verbindungsfäden hohle Schläuche repräsentiren, die mit 
einer gewissen Materie erfüllt sind, welche zur Zeit der Zellplatten- 
bildung: nach der Äquatorialzone der Fibrillen wandert, wo sie letz- 
tere zu erst spindelförmigen, später runden Anschwellungen auftreibt. 


416 R. Wolfgang Hoffmann, 


Namentlich die letzterwähnte Thatsache scheint mir sehr für die 
Richtigkeit dieser Definition zu sprechen. Anfangs wird in jeder 
Fibrille, so lange noch Materie von beiden Seiten nach der Äquato- 
rialzone strömt, in dem Punkt, wo der größte Druck der sich stauen- 
den Massen herrscht, auch die größte Ansammlung derselben sein. 
Symmetrisch nach beiden Seiten nimmt der Druck der Massen auf 
einander immer mehr ab. Das Ergebnis davon ist eine spindel- 
förmige Aussackung der Fibrillen. Erst später, wenn kein Bildungs- 
stoff mehr zufließt, kann ein Ausgleich stattfinden, der sich durch 
Umwandlung der Spindelgestalt in eine mehr sphärische Form 
kund giebt. Die Frage, warum die Verdiekungen gerade in der 
Äquatorialzone erscheinen, kann ich natürlich nicht beantworten; das 
ist wohl eben so räthselhaft, wie bis jetzt der Urgrund jeder be- 
stimmt gerichteten cellulären Bewegung. 

Mehrere Forscher, darunter vor Allem v. KOSTANECcKI, sowie 
Lustig und GALEOTTI haben nun beobachtet, dass die Verbindungs- 
fäden, bezw. ein Theil derselben, vor Bildung des FLEmmIn@’schen 
Körpers typisch mikrosomalen Bau besitzen. Nach v. KOSTANECKI 
geht aus diesen Mikrosomen (Centralspindelkörperchen), nachdem 
dieselben nach dem Äquator der achromatischen Figur gewandert 
sind, durch seitliche Verschmelzung der FLEMmMIn@’sche Zwischen- 
körper hervor. 

Diese Angaben decken sich nicht ganz mit den Untersuchungen 
von Lustis und GALEOTTI, die an demselben Objekt, das auch v. Ko- 
STANECKI hatte, vorgenommen wurden. Auch diese Forscher finden, 
dass die Centralspindel in der Diasterphase einen mikrosomalen Bau 
besitzt. Doch erstrecke sich derselbe nur auf eine die Centralspindel 
umgebende Schicht von Fibrillen — die Mantelfasern. Aus diesen 
sollen auch nur die Elemente des Zwischenkörpers hervorgehen. 
(Von einer, wenn auch rudimentären, größeren Zellplatte ist hier 
keine Rede.) 

Zuerst bilden sich, wie auch ich es gefunden habe, im Äquator 
der Fibrillen spindelartige Aussackungen, die sich schließlich in 
rundliche Gebilde umwandeln, welche seitlich mit einander verschmel- 
zen. Das Resultat ist sodann ein ringförmiger Körper, der die eigent- 
liche Centralspindel einschließt. LustiG und GALEoTTI glauben, dass 
dies der ständige Bildungsmodus des FLEemmIn@’schen Körpers sei. 
Ich denke in den vorliegenden Blättern bewiesen zu haben, dass dies 
bei meinen Objekten durchaus nicht der Fall ist. Was den mikro- 
somalen Bau der Verbindungsfäden während der Diasterphase betrifft, 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 417 


so konnte auch ich denselben öfters, wenngleich lange nicht in allen 
Fällen, beobachten. Ich halte diese größeren Körnchen jedoch 
keineswegs für die direkten Bildner der spindelförmigen Aussackungen. 
Nach meiner Ansicht repräsentiren sie Ansammlungen eines viel fei- 
neren Bildungsstoffes, der sich hier durch irgend welche inneren Hin- 
dernisse aufgestaut hat. Stellt man sich mit BürscHhLı, RHUMBLER 
und anderen Forschern auf den Standpunkt der Wabentheorie, so 
ergiebt sich für die Stoffansammlungen eine naheliegende natürliche 
Erklärung; indem man annimmt, dass dort, wo die queren Scheide- 
wände der Wabenradien ungenügend durchbrochen sind, naturgemäß 
eine größere Ansammlung von Bildungsstoff entstanden ist. 

Ein Beleg für meine erste Behauptung, dass die Dermatosomen 
nicht direkt aus dem Verschmelzungsprodukt der Mikrosomen her- 
vorgehen, scheint mir die Fig. 29 in Lustis und GALEoTTIs Arbeit 
zu sein, wo die Verbindungsfäden trotz feinen spindelförmigen An- 
schwellungen doch wie besäet mit Mikrosomen sind. Äquatoriale Ver- 
diekungen aus solchen Körnchen hätten ein ganz anderes Aussehen. 
Schließlich weise ich noch auf die schönen Bilder SoBortA’s hin 
(Befruchtung und Furchung des Eies der Maus), wo gleichfalls der 
FLEMMInG’sche Körper aus solchen spindelartigen Differenzirungen 
der Verbindungsfäden hervorzugehen scheint, welche letzteren jedoch 
keinen mikrosomalen Bau besitzen. 

Ich habe nun auch öfters bei meinen Objekten, namentlich bei 
den Hydroiden und Knochenfischzellen, feine, durch äquatoriale Ver- 
diekungen der Verbindungsfäden erzeugte Ringe beobachtet, die zwei- 
fellos den diesbezüglichen Bildern Lustie und GALEOTTTS entspre- 
chen. Was dort jedoch als Norm erscheint, ist bei meinen Objekten 
eine höchst seltene Ausnahme. Einmal beobachtete ich hierfür in 
einer Lachszelle ein äußerst klares und schönes Beispiel, wie ich es 
nie mehr so typisch wiederfand. Ich gebe es in Fig.54. Hier hat 
irgend ein günstiger Zufall die Elemente dieses Ringes zu ungewöhn- 
licher Stärke anschwellen lassen. Neuerdings giebt auch BENDA an, 
dass der Fremming’sche Körper bei Salamanderzellen Ringgestalt 
besitzt. Auch HEIDENHAIN hat ähnliche Bilder gesehen. In seinem 
sroßen Werk über Centrosome lässt er sich folgendermaßen über die- 
sen Gegenstand aus: 

»Wenn man an recht gut gefärbten Präparaten aufmerksam das 
Körperchen betrachtet, so hat man unmittelbar den Eindruck, dass 
das Körperchen dadurch zu Stande kommt, dass an der betreffenden 
Stelle ein Ring gleichsam wie angeschmiedet dem Centralspindel- 


418 R. Wolfgang Hoffmann, 


strang aufsitzt. Ich habe nun in einigen, allerdings recht seltenen 
Fällen, bei kräftiger Extraktion des Protoplasmas und an Zellen, bei 
denen das FLEMMInG’sche Körperchen eigentlich noch nicht seine 
definitive Ausbildung erreicht hatte, deutlich beobachten können, dass 
dasselbe nur ein Verklumpungsprodukt ist und eigentlich einen Ring 
darstellt, welcher auf dem, von der ÜOentralspindel herrührenden 
Strang gleichsam aufgezogen ist. « 

Wo sollen wir nun dieses Zellplattenrudiment unterbringen. In 
der That hat es in einem solchen Falle den Anschein, als ob die 
Spindelplatte nur in einem Ring bestehe, der aus den äquatorialen 
Differenzirungen der peripheren Fibrillen entstanden sei, und welcher 
ein centrales, undifferenzirtes Faserbündel umfasse. Das neue Werk 
Hennesuy’s, »Lecons sur la Cellule«, zeigt uns indessen, dass eine 
solche Ansicht nicht ganz der Wirklichkeit entspricht. HENxNEGUY 
fand nämlich, dass die Spindelplatte der Theilungsfiguren in Forellen- 
blastomeren, wenn man dieselbe auf einem Schnitt parallel zur 
Theilungsebene betrachtet, »se montre formee d’un cerele de petits 
bätonnets colores tres sombreux et presses les uns contre les autres 
ä la peripherie, tandis que dans liinterieur ils sont plus 
lächement et irrigulierement distribuexs«. 


Das Schicksal der Verbindungsfäden. 


v. KoSTAnEcKI hat in seiner Arbeit über das Schicksal der 
Centralspindel für die Zellen einer größeren Anzahl von Wirbel- 
thieren den Nachweis zu liefern versucht, dass dieselbe nicht an 
Ort und Stelle degenerirt, sondern dass jedes Theilstück einer Toch- 
terzelle durch Kontraktion der Verbindungsfäden in die Astrosphäre 
aufgenommen wird. Der Zwischenkörper soll hierbei eine wichtige 
Rolle spielen; indem er die Spindelfasern zusammenfasst und sie 
durch seine Theilung von einander trennt. Nur ausnahmsweise solle 
der Zwischenkörper auf der Zellgrenze liegen bleiben, und zwar 
allein dann, wenn die Durchschnürung desselben nicht gleichzeitig 
mit der Zelltheilung von statten geht, indem er durch irgend ein 
Hindernis in der Verbindungsbrücke zurückgehalten werde. Darauf 
entgegnet FLEMMING: 

»Aber diese Fälle sind bei meinen sehr eigen und deutlichen 
Objekten so äußerst häufig, dass ich nicht anders kann als sie hier 
als Regel zu betrachten; und wie die Folgen zeigen und ich seitdem 
hunderte von Malen konstatirt habe, gehen von den so intercellular 
liegenden Zwischenkörpern noch lange nach der Zelltrennung deut- 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 419 


liche Faserkegel aus, deren Basis in jeder Zelle gegen den Kern 
sieht, die ihn aber nicht erreichen, während nach v. KosTANEcKkTs 
Beschreibung in seinen Objekten die Spitzen der Faserkegel dann 
schon ganz zum Kern herangezogen sein müssen.« (Ergebn. d. Anat. 
und Entwickel. 1895.) Ä 

Auch die Ansicht HEIDENHAIN’s steht derjenigen v. KoSTANECcKTS 
gegenüber. Er äußert sich folgendermaßen über den vorliegenden 
Fall: 

»Der mittlere Theil der Centralspindel kehrt nie wieder in die 
Astrosphäre oder das Mikrocentrum zurück, sondern derselbe ist noch 
zu einer Zeit, wo Kern und Astrosphären sich schon in allen ihren 
Theilen in vollkommener Weise von Neuem angelegt haben, noch 
immer innerhalb des Cytoplasmas sichtbar.< Eben so zeigten die 
Untersuchungen von Lustige und GALEoTTI, die ebenfalls Objekte 
(Hauteareinom vom Menschen) benutzten, welche auch v. KOSTANECKI 
vor sich hatte, nichts von diesen Verhältnissen. | 

Ich komme nun wieder auf meine eigenen Untersuchungen zurück. 

Bei Obelia sowohl wie bei Limax und den Knochenfischen finde 
auch ich gerade das als Regel, was in den v. KostaneEckr’schen 
Objekten als Ausnahme gilt. Ich beobachtete, dass die Verbindungs- 
fäden in der Regel überall da, wo sie sich in der Diasterphase befinden, 
später degeneriren. Ihre Substanz scheint für den Zellleib von kei- 
nem Belang mehr zu sein. In den meisten Fällen reiben die Fibril- 
len dicht an den regenerirten Kernen ab. Dies findet namentlich da 
statt, wo die Zellen sich nach der Theilung von einander entfernen 
(Fig. 44 und 53 Taf. XXT), doch braucht Letzteres dann nicht immer 
nothwendig einzutreten, da ja Hand in Hand mit dem Auseinander- 
weichen der Zellen ein Auswachsen der Centralspindel geht. Wie 
sollten sonst z. B. Fig. 45 und 46 Taf. XXI zu erklären sein, wo trotz 
einem augenscheinlichen Auseinanderweichen der Zellen dennoch die 
Verbindungsfäden keineswegs straff angespannt sind, sondern sogar 
schlaff erscheinen. 

In Fig. 45 machen die Verbindungsfäden sogar eine doppelte 
Biegung: das Abreißen der Fibrillen von den Kernen lässt sich auch 
bei Zellen beobachten, die noch nicht von einander getrennt sind 
(wie in Fig. 47). Wie wir aus Fig. 47 ersehen, kann die Loslösung 
schon sehr frühe vor sich gehen. Hier sind die Chromatinschleifen 
noch nicht einmal ganz mit einander verklumpt, von einer Regenera- 
tion des Kerns ist also keine Rede; auch die Elemente der Zellplatte 
liegen noch unverschmolzen neben einander. 


420 R. Wolfgang Hoffmann, 


Fast immer findet die Rückbildung der Spindel von der Polseite 
aus statt. Die einzelnen Fäden verschmelzen meist vorher mit einander 
. und erlöschen dann langsam von der Kernseite aus. Ist ein Zwischen- 
körper vorhanden, so bildet derselbe bis zuletzt die Spitze der stets 
kleiner werdenden Doppelkegel. 

In Fig. 24 ist noch deutlich der ehemalige Doppelkonus zu sehen. 
Er sieht aus wie ein eingeschnürter pflanzlicher Verbindungssehlauch. 
Die zwischen den äußeren Kontouren des Doppelkegels sich be- 
findenden Fibrillen sind bis auf das Residuum um die Spindelplatte 
verschwunden; an ihre Stelle ist ein weißer Raum getreten, der sich 
durch nichts von dem übrigen Protoplasma auszeichnet. 

Nicht immer erfolgt das Erlöschen der Fibrillen von oben her. 
Lösen sich die Verbindungsfäden nicht von den Kernen los — dies 
ist häufig dann der Fall, wenn sich die Zellen nach der Theilung 
nicht von einander entfernt haben — so bildet der Spindelrest oft 
einen relativ dünnen Faden, in dem man kaum mehr etwas von einer 
fibrillären Struktur erkennen kann. Fig. 34 ist hierfür ein Beispiel. 
Es scheint dann die Resorption des Stranges im ganzen Umkreise 
desselben zu erfolgen. In Fig. 19 waren die Spindelfäden schon im Er- 
löschen begriffen, noch ehe sie mit einander verschmolzen waren. Der 
Grund dafür, dass sich die Verbindungsfäden nicht zu einem Strange 
vereinigt haben, mag wohl in dem Nichtvorhandensein eines 
FLemming’schen Zwischenkörpers, sowie in dem relativ frühen 
Auftreten der Rückbildung zu suchen sein. Sehr oft zeigt nur noch 
die unmittelbare Zone um den Zwischenkörper einen Rest der Ver- 
bindungsfäden. Es scheint dann schon die ganze Spindel von dem 
Oytoplasma resorbirt worden zu sein, wie dies in Fig. 14, 31 u. 32 
Taf. XX zu sehen ist. In Fig. 32 zeigt wenigstens noch eine dunk- 
lere Färbung die Stelle an, wo einst die Verbindungsfäden gelegen 
hatten. | 

Ein sehr interessantes Stadium ist durch Fig. 58 wiedergegeben. 
Der Spindelrest persistirt hier in Gestalt eines Stäbchens, an dem 
man deutlich zahlreiche Windungen erkennen kann, die durch Torsion 
der Verbindungsfäden zu Stande kamen. Es kann kein Zweifel 
darüber obwalten, dass wir es hier wirklich mit einem Spindelrest 
zu thun haben. Ähnliches ist schon mehrfach beobachtet worden. 
So giebt PrRENnANT in einer Abhandlung »sur les elements seminaux 
de la scolopendre ete.« hierfür recht drastische Beispiele. Seltsam 
ist in meinem Bilde nur die Thatsache, dass die Chromatinschleifen 
erst so wenig mit einander verschmolzen sind. Die vollendete 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 421 


Theilung der Zelle beweist jedoch, dass wir es trotzdem mit einem 
späten Stadium zu thun haben. 

Es fragt sich nun, auf welche Weise die eigenthümliche Torsion 
dieses Spindelrestes zu erklären ist. — Entweder entstand das 
stäbchenartige Gebilde dadurch, dass eine der Tochterplatten, als 


die Spindel noch mit ihnen zusammenhing, sich drehte, oder dass 


sich beide im entgegengesetzten Sinne drehten — oder anderen 
Falles, dass eine der Zellen, oder alle beide sich im entgegen- 
sesetzten Sinne tortirten. Die letztere Annahme scheint mir die ein- 
leuchtendste zu sein; denn die erstere Deutung wäre doch etwas zu 
unwahrscheinlich und gekünstelt. Ich gestehe gern zu, dass auch 
die andere Deutung im ersten Augenblick viel Sonderbares an sich 
hat. Man muss indessen bedenken, dass ja ein junges Gewebe fort- 
währenden Verschiebungen seiner Elemente durch die Zelltheilung 
ausgesetzt ist. Fig. 58 stellt überdies eine Mesenchymzelle dar, die 
ja wegen der großen, sie umgebenden Intercellularräume weit weniger 
eingeengt ist wie eine gewöhnliche Zelle, also auch leichter einem 
durch die zähflüssige Intercellularmasse übertragenen Druck nach- 
geben kann. 


Die Torsion des Spindelrestes habe ich noch öfters beobachten 
können; niemals jedoch wieder so typisch, wie in diesem Falle. 


PRENANT giebt indessen Zeichnungen von noch viel größeren 
gedrehten Spindelresten. Diese Erscheinung lässt sich sicher nicht 
allein, wie er es thut, durch übermäßiges Längenwachsthum der 
Verbindungsfäden erklären; obgleich ich nicht daran zweifle, dass 
dieser Faktor hierbei auch eine Rolle spielt. Eine starke Verlänge- 
- rung der Spindelfibrillen könnte wohl einige lockere Windungen, 
nicht aber das straffe, seilartige Gebilde verursachen, wie es in Fig. 58 
abgebildet wurde. 


Wie kommen aber nun die v. KosrtaneckTY'schen Figuren zu 
Stande, wo sich deutlich die Verbindungsfäden kontrahirt und jeder- 
seits einen halben Zwischenkörper mit sich geführt haben? Zunächst 
bildet hier schon das Verhalten der Fibrillen einen eigenthümlichen 
Gegensatz zu den allgemeinen Ansichten, die man sich im Laufe der 
Zeit über die Natur letzterer gemacht hat: Wie Hermann (1890) 
bewiesen hat, bestehen die Fäden der Centralspindel aus nicht kon- 
traktilen Elementen, die den Chromosomen bei ihrer Wanderung 
polwärts als Stütze dienen sollen. Andererseits wieder liegen, wie 
_ wir ja jetzt zur Genüge gesehen haben, zahlreiche Beobachtungen 


422 R. Wolfgang Hoffmann, 


vor, welehe die Angaben Freunming’s, dass das Zwischenkörperchen 
nach der Theilung am Rande liegen bleibt, aufs beste bestätigen. 

Indem ich alles Dies und die Erfahrungen, die ich selbst gemacht 
habe, berücksichtige, kann ich nur annehmen, dass die Kontraktion 
der Verbindungsfäden und die Loslösung des FLEMmMIng’schen Körpers 
von dem Theilungsrande durch äußere Zufälligkeiten, vielleicht die 
Konservirung, zu Stande kamen. 

Ich habe solehen künstlichen Kontraktionen der Spindelfäden 
meine Aufmerksamkeit geschenkt, und es gelang mir auch öfters 
diesbezügliche Bilder aufzufinden. In Fig. 48 sehen wir eine Figur, 
wie sie v. KOSTANECKI ruhig für seine Hypothese in Anspruch nehmen 
kann. Wir haben hier eine Zelle, deren Theilung nahezu vollendet 
ist. Dieselbe besaß ehemals eine richtige Zellplatte, die jedoch dureh 
irgend einen Zufall aus einander gerissen wurde. Zu gleicher Zeit 
hatten sich die Verbindungsfäden kontrahirt und die beiden Theil- 
platten polwärts geführt. Dass die Zellplatte nicht durch gewöhn- 
liche Einschnürung getheilt wurde, ersieht man aus zwei Dingen. 
Erstens befinden sich die Zellplattentheile nicht in dem Rand der 
Theilungsgrenze und zweitens hängen die Zellen auch noch durch 
eine breite Protoplasmabrücke zusammen, in deren Mitte eine Linie 
(wahrscheinlich der letzte Rest der Zellplatte) verläuft. 

Macht dieses Bild keinegswegs den Eindruck eines Kunst- 
produktes, so ist dies schon anders mit Fig. 49. Wir haben hier 
das Theilungsstadium einer Limaxzelle vor uns. Die Theilung ist 
durch Kombination von Einschürung und Zellplatte zu Stande ge- 


kommen. Die Kerne haben sich schon fast ganz regenerirt; die 


Zellplatte hat sich zum Theil in eine Theilungsmembran verwandelt. 
Allein die Spindelplatte hat noch ein etwas körniges Aussehen. 
Deutlich sieht man, dass die oberen Faserkegel sich ein Stück kon- 
trahirt und einen Theil der Spindelplatte mit sich gerissen haben. 
Die rechte Spindelhälfte hängt noch fest an der Theilungsmembran. 


Beide Spindelplattenhälften stehen noch durch einzelne Fibrillen mit 


einander in Verbindung. 

Fig. 50 endlich wird gewiss auch für jeden Unkundigen eine 
Schrumpfung: bedeuten. Auch hier sind die Spindelfäden aus einander 
gerissen und haben sich beiderseits weit kontrahirt. Die Fibrillen 
sind körnig und angeschwollen — augenscheinliche Merkmale der 
Schrumpfung. An ihren Enden scheinen sich die Elemente einer 
getheilten Zellplatte zu befinden. Bei genauerem Hinsehen erkennt 
man jedoch, dass sich die kleine Körnchenreihe über die Fadenreste 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 493 


hinaus in einem Kreis um die Chromatinschleifen herum erstrecken. 
Das Protoplasma hat sich fast ganz von den Rändern der Zelle 
zurück- und nach der Theilungsfigur hingezogen. 

Zum Schlusse möchte ich nicht zu erwähnen unterlassen, dass 
nach meiner Ansicht in seltenen Fällen ein Reißen der Zellplatten- 
elemente und eine Aufnahme derselben in den Zellleib der Tochter- 
zellen durch Kontraktion der Verbindungsfäden auch in der lebenden 
Zelle vorkommen mag. So bildet CArnoy eine Zelle ab (La Cyto- 
dierese chez les Arthropodes, Planche IH, Fig. 3), wo sich eine 
Zellplatte auf die erwähnte Weise in zwei Theile getheilt hat. Dies 
wurde, wie er selbst erwähnt, wahrscheinlich durch eine zu hohe 
Turgescenz hervorgerufen; fast um den ganzen Rand der Tochter- 
zellen zieht sich eine breite Vacuole. Wir haben es hier also ge- 
wissermaßen mit einer pathologisch veranlagten Zelle zu thun. 

Als ähnliches Beispiel führe ich noch Fig. 56 an. Es ist eine 
Lachszelle, die sich schon vollständig in zwei Tochterzellen zerlegt 
hat. Beide werden nur noch durch einen Spindelrest zusammen- 
gehalten. Was uns allein interessirt ist die Thatsache, dass sich der 
FLemming’sche Körper in zwei Stücke zerlegt hat. Das eine der- 
selben ruht an der Grenze der größeren Tochterzelle; das andere 
fasst den der kleineren Zelle angehörigen Antheil der Verbindungs- 
fäden zu einem Kegel zusammen und ist durch Kontraktion der 
Fibrillen bis ganz nahe an die Tochterplatten gelaugt. Mir scheint, 
dass dieser Vorgang nicht durch einen äußeren Eingriff hervorgerufen 
wurde; nach meiner Ansicht spielte auch hier die höhere Turgescenz 
eine Rolle; das sonstige lebenswahre Aussehen, sowie die Vacuole 
am Rande der Zelle scheinen auf etwas Derartiges hinzuweisen. 

Auch MrTropHAnow giebt eine Abbildung (Fig. 25, Taf. XVI), 
wo ein Zwischenkörper mit einem Spindelrest polwärts gerückt ist; 
doch hat die Figur einen um so mehr zufälligen Charakter, da der 
Vorgang nur an der oberen Zelle stattgefunden zu haben scheint. 
MIıTROPHANow will indessen von einem Zwischenkörper nichts 
wissen, obgleich er drei recht typische (Fig. 17, 35, 37 — letzterer 
sogar getheilt) abgebildet hat, glaubt er diese Gebilde doch auf zer- 
sprengte Chromatinstückchen zurückführen zu können. Nach meinen 
Untersuchungen brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen, dass ich 
in dieser Hinsicht die Meinung dieses Forschers nicht zu theilen 
vermag. Auch einer zweiten Ansicht kann ich mich nicht anschließen: 
MITROPHANow will gefunden haben, dass nach der Theilung einer 
Mutterzelle durch die Abschnürung die Verbindungsfäden so zu- 


424 R. Wolfgang Hoffmann, 


sammengefasst werden können, dass sie je eine Halbspindel bilden 
(dies kann nach meiner Ansicht nur durch einen FLEMMING’schen 
Körper geschehen, den eben M. leugnet) und dass in jeder Tochter- 
zelle hierdurch ein neues Muttersternstadium zu Stande kommen 
kann, welches sich dann sofort wieder in einen Diaster umwandelt. 
Abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, dass es für eine Spindel 
in manchen Fällen ohne Belang sein soll, ob eine ihrer Halbspindeln 
ein Centrosom oder keines besitzt, bleiben doch auch die Chromo- 
somen und die Spindelfibrillen während der Telophasen nicht un- 
verändert. Oft hat sich, noch ehe sich die Zelle vollständig getheilt 
hat, wie wir gesehen haben, bereits ein Kern zur Hälfte regenerirt 
und mit einer Membran umgeben. Auch die Verbindungsfäden er- 
leiden dabei eine theilweise Verschmelzung. Was nun die Fig. 19. 
und 20 Taf. XV seiner Arbeit betreffen, so stellen dieselben nichts 
weiter als zwei Schwesterzellen dar, die sich, weil sie einst die 
Tochterplatten eines Muttersternes ausmachten, auch zur selben Zeit 
wieder in gleichen Theilungszuständen befinden. 


So sehen wir denn, dass trotz ihrer großen Verbreitung die 
Zellplatten doch nur wegen ihres variablen und rudimentären Cha- 
rakters in der thierischen Zelle eine höchst untergeordnete Rolle 
spielen; dass sie wohl im gegebenen einzelnen Falle die Zelltheilung 
vorzubereiten und zu befördern vermögen, dass sie sogar, wenn sie 
zur vollen Entfaltung gelangen, vollständige Homologa der pflanz- 
lichen Zellplatten repräsentiren können — dass sie jedoch für ge- 
wöhnlich eine indifferente Beigabe der Theilungsfigur bilden, die 
nicht selten den Mechanismus der Zelltheilung verzögern und der 
endgültigen Trennung der Tochterzellen eine Zeit lang im Wege 
stehen kann. 


Nachtrag. 


Erst nach Abschluss meiner Studien erschienen die v. KoSTANECKI- 
schen Arbeiten »Über die Bedeutung der Polstrahlung während der 
Mitose« und »Über das Verhalten der sogenannten achromatischen 
Substanzen ..... «. Aus denselben ersah ich, dass meine Ergebnisse 
ungefähr mit denjenigen übereinstimmen, welche dieser Forscher für 
die Zellplatten der Furchungszellen von Physa fontinalis und Ascaris 
meg., sowie in Bezug auf das Schicksal des Centralspindelrestes 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 4935 


erhielt. Da ich jedoch einerseits nirgends eine Berichtigung der frü- 
heren an Wirbelthierzellen gewonnenen Resultate vorfand und anderer- 
seits meine diesbezüglichen Studien nicht nur eine Erklärung der 
Herkunft der v. KostanzckT'schen Bilder geben, sondern auch zeigen, 
dass dieselben thatsächlich auf natürliche Weise zu Stande kommen 
können, so unterließ ich es, den letzten Abschnitt meiner Arbeit 
(»Das Schicksal der Verbindungsfäden«) umzuarbeiten, d. h. den 
Vergleich mit den v. KostaneckTschen Resultaten entsprechend zu 
modifieiren. 

v. KostanEckI und A. WIERZEJSKY fanden, dass sich in 
Eiern von Physa, bei der Abstoßung der Richtungskörperchen, ein 
sehr schöner Zwischenkörper ausbildet. (Ganz ähnliche Bilder giebt 
neuerdings MACFARLANnD von Opisthobranchiereiern.) Noch vor der 
Einschnürung der Zelloberfläche waren im Äquator der Centralspindel- 
fasern längliche Anschwellungen zu sehen, welche die  Zwischen- 
körperbildung vorbereiteten. Während die nach dem Richtungskörper 
zu gelegenen von dem FrLeumin@e’schen Körper zusammengefassten 
Centralspindelfasern sehr bald schwanden, erhielt sich der der Eizelle 
zugekehrte Strahlenkegel noch verhältnismäßig lange Zeit. »Noch 
in späteren Stadien sieht man die vom Zwischenkörper ausstrahlen- 
den Fibrillen sich im Eizellleib verlieren und in das körnige, in 
Wirklichkeit wohl reticulär angeordnete Protoplasma allmählich über- 
gehen. « Kurz vor der vollständigen Ausbildung des zweiten Rich- 
tungskörperchens verschwindet das erste Zwischenkörperchen. Es 
bildet sich sodann aus der zweiten Richtungsspindel ein neues Zwi- 
schenkörperchen aus, das länger persistirt, schließlich jedoch auch 
mit dem Centralspindelrest verschwindet. Auch bei der Abschnürung 
der Blastomeren treten Zwischenkörper auf, die sich eben so wie die- 
jenigen der Richtungsspindel hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres 
Schicksals zu verhalten scheinen. 

Oft hat v. Kostaneckı in den Furchungszellen den Zwischen- 
körper gespalten gefunden, glaubt jedoch, dass dieser Trennung nur 
eine Differenzirung der Centralspindelfasern selbst entspricht. Letztere 
sollen hier kein kompaktes Bündel darstellen, indem nur die peri- 
pheren Theile äquatoriale Verdieckungen haben und auf diese Weise 
einen Zwischenkörper in Ringform bilden. In Übereinstimmung mit 
anderen Forschern fand v. KOSTAnEcKI auch in den sich furchenden 
Ascariseiern einen Zwischenkörper. Die eigentliche Theilung der 
Blastomeren geht hier, sowie bei Physa mit Zuhilfenahme einer 
Cytoplasmaplatte vor sich, die zwar bei Ascaris schon längere Zeit 


496 R. Wolfgang Hoffmann, 


bekannt ist (beschrieben vorher von UARNOY, BOVERI, HERLA, VAN 
BENEDEN und Neyr), deren Herkunft jedoch bis jetzt noch dunkel 
war!. v. Kostaneckt erklärt ihre Entstehung auf folgende Weise: 
Anfangs, in den Prophasen, reichen die Polstrahlen der Furchungs- 
spindeln der Eier auf jeder Seite nicht nur bis zur Äquatorialebene 
der Spindel, sondern sie kreuzen sich und lassen sich deutlich bis 
in die äußere Grenzschicht des Protoplasmas verfolgen. Im Mutter- 
sternstadium zieht sich allmählich jedes Strahlensystem auf die ihm 
zugehörige Zellhälfte zurück. Die einzelnen Strahlen verlegen hier- 
bei ihre Insertionspunkte an der Zelloberfläche und gleiten mit ihrem 
peripheren Ende an letzterer entlang, bis sie im Äquator ange- 
kommen sind. Nun kontrahiren sie sich und reißen hierbei Theile 
der Grenzschicht mit sich, die mit den Enden der Strahlen in die 
sesammte Äquatorialebene mit Ausnahme des von der Centralspin- 
del eingenommenen Theils zu liegen kommen. Die auf diese Weise 
angesammelten Partikelchen der Grenzschicht bilden eine Platte, an 
welcher sich durch Spaltung derselben die spätere Zelltheilung voll- 
zieht. 
Marburg, im Juni 1897. 


1 v. ERLANGER hält eben so wenig wie BÜTSCHLI die äquatorialen Diffe- 
renzirungsschichten in den Blastomeren des sich furchenden Ascariseies (somit 
auch wahrscheinlich diejenige in den Blastomeren aller anderen sich furchen- 
den Eier) für das, was man sonst unter Zellplatte versteht. Er äußert sich 
folgendermaßen darüber: »Die sogenannte Zellplatte des Ascarideneies ent- 
spricht den an einander gelagerten Alveolarschichten der gegenseitig sich ab- 
plattenden Furchungszellen, wie bereits BürscHLı vermuthet hat (0. BÜTscHL1, 
Untersuchungen über mikroskopische Schäume ....). Auf diese Art lässt sich 
die Entstehung und Spaltung dieser sogenannten Zellplatte, welche 
keineswegs mit der Bildung, welche gewöhnlich in derselben 
Weise bezeichnet wird, verwechselt werden darf,leicht erklären.< 
(BovERI hält es für wahrscheinlich, dass sich die Platte aus dem »protoplas- 
matischen Fadenwerk« differenzirt.) An dieser Stelle möge es mir noch ver- 
gönnt sein, auf die STRASBURGER’schen Untersuchungen betr. der Zelltheilungs- 
vorgänge bei Stypocaulon hinzuweisen, wo die Zellplattenbildung etwa derart 
zu Stande kommt, wie es sich BÜTSCHLI und v. ERLANGER für sich furchende 
Ascariseier vorstellen, nämlich durch die sich in eine Ebene quer stellenden 
Wände einer Wabenschicht. Neuerdings wurden die diesbezüglichen Ergeb- 
nisse STRASBURGER’sS aufs beste durch Untersuchungen von WALTER T. SwINGLE 
bestätigt und ergänzt. 


or 


N 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 497 


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Erklärung der Abbildungen. 


Die Figuren wurden mit dem ApspE’schen Zeichenapparat (ZEISS) entwor- 
fen, theilweise in der Höhe des Objekttisches, theilweise auf dem Tische. Sie 
sind sämmtlich mit Zeıss’schen apochromat. Obj. und Kompensationsocularen 
hergestellt. 


Tafel XX. 


Fig. 1. Tentakelentodermzellen von Obelia gelat. Zu beiden Seiten die 
Stützlamelle..e Um die Kerne hat sich eine Sekretvacuole ausgebildet. Die 
Grenzen der einzelnen Zellen lassen sich nicht mehr unterscheiden. Vergr.: 
Hom. Imm. Num. Ap. 1.30. Ägq. Br. 2,0. Komp. Oc. 12. Gez. in der Höhe 
des Objekttisches. 

Fig. 2a. Stück eines Tentakels von Obelia gelat. Die Sekretvacuolen der 
einzelnen Zellen sind weiter fortgeschritten; sie haben bereits die Stützlamelle 
erreicht. Ein Theil des Protoplasmas hat sich wieder um den Kern angesammelt. 
Vergr.: Hom. Imm. Ap. 1,30. Ägq. Br. 2,0. Komp. Oc. 8. Gez. in der Höhe des 
Objekttisches. | 

Fig. 25. Stück eines ausgewachsenen Tentakels. Die Entodermzellen neh- 


28* 


430 R. Wolfgang Hoffmann, 


men den größten Theil des Schnittes ein. Sie sind mächtig vacuolisirt. Die 
festen, pergamentartigen Zellmembranen lassen deutlich das Arkadensystem er- 
kennen. Jeder Kern ist in eine Protoplasmainsel eingeschlossen, die durch 
Ausläufer mit den Zellwänden in Verbindung steht. Vergr.: Hom. Imm. Ap. 1,30. 
Äa. Br. 2,0. Komp. Oc. 8. Gez. in der Höhe des Objekttisches. 

Fig. 3. Längsschnitt durch die Magenentodermzellen eines Obeliapolypen. 
Vergr.: Hom. Imm. Ap. 1,30. Äg. Br. 2,0. Komp. Oec. 12. Gez. in der Höhe des 
Objekttisches. 

Fig. 4 u. 5. Theilungsfiguren mit oiache Zellplatte eines Medusenembryo 
von Obelia gelat. Vergr.: Hom. Imm. Ap. 1,30. Äg. Br. 2,0. Komp. Oe. 12. Gez. 
in der Höhe des Objekttisches. 

Fig. 6. Theilungsstadium der Zelle eines Meduscnei Die Spindel- 
platte.ist schon angelegt. Rechts legt sich die Cytoplasmaplatte an. Vergr. 
dieselbe. 

Fig. 7. Ähnliches Stadium. Vergr. dieselbe. Gez. in der Höhe des Tisches. 

Fig. 8. Dessgleichen. Es ist nur eine Spindelplatte angelegt. Vergr. die- 
selbe, jedoch gezeichnet in der Höhe des Objekttisches. 

Fig. 9. Dessgleichen. FLEMMING’scher Körper. Vergr. dieselbe. 

Fig. 10. Dessgleichen. Die Elemente der Zellplatte sind zu einer kom- 
pakten Masse verschmolzen. Vergr. dieselbe. 

Fig. 11. Zwei Schwesterzellen, die sich ohne Zellplatte getheilt haben. 
Vergr. dieselbe. 

Fig. 12. Dessgleichen. Fremming’scher Körper aus drei Körnern be- 
stehend. Vergr. dieselbe. 

Fig. 13. Dessgleichen. Von zwei Seiten aus dringt im Schnitt die Ein- 
schnürungsfurche vor. Sie hat die Centralspindel im FLEmMIn@’schen Körper 
zusammengefasst. Vergr. dieselbe. 

Fig. 14. Dessgleichen. Der Theilungsprocess ist schon vorüber. Die Zell- 
kerne regeneriren sich. Der FLEMmMInG’sche Körper besteht noch mit einem 
Residuum der Centralspindel. Vergr. dieselbe. 

Fig. 15. Dessgleichen. Mikrosomaler Bau der Centralspindel. Vergr. dieselbe. 

Fig. 16. Dessgleichen. Theilung einer Zelle mit Zellplatte. Rechts ist 
die Cytoplasmaplatte aufgesprungen und hat sich bis zur Spindelplatte gespal- 
ten. Vergr. dieselbe. (Dieses Bild tritt leider auf der lithogr. Tafel nicht deut- 
lich genug hervor.) 

Fig. 17. Dessgleichen. Die beiden Tochterzellen sind aus einander ge- 
rückt. Hierbei hat sich ein FLemmine’scher Körper getheilt, indem er sich in 
der Mitte zu einem langen Faden auszog. Vergr. dieselbe. 

Fig. 18. Limaxmaximus. Modus der Bildung eines FLEMMING’sehen Körpers 
dureh äquatoriale Verdiekungen der Centralspindelfasern. Vergr. dieselbe. 

Fig. 19. Dessgleichen. Die Zelltheilung ging ohne Ausbildung eines Zell- 
plattenrudimentes oder einer Zellplatte von statten. Vergr. dieselbe. 

Fig. 20. Dessgleichen. Aus der Zellplatte ging eine Membran hervor. 
Vergr. dieselbe. 

Fig. 21. Dessgleichen. Zelltheilung mit Zuhilfenahme einer Spindelplatte, 
einer Cytoplasmaplatte und der Einschnürungsfurche. Vergr. dieselbe. 

Fig. 22. Dessgleichen. Unregelmäßige Ausbildung einer doppelten Zell- 
platte. 

Fig. 23. Dessgleichen. Anlage eines Fremming’schen Körpers und einer 


Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 431 


Cytoplasmaplatte.. Die Centralspindel wird im Fremmin@e’schen Körper zu- 
sammengefasst. Vergr. dieselbe, jedoch gez. in der Höhe des Tisches. 

Fig. 24 u. 25. Dessgleichen. Zellplattenbifurkation. Die Zellplatten sind 
bereits in eine Membran übergegangen. In Fig. 25 haben sich die Ver- 
diekungen der Spindelplatte unverändert erhalten. Vergr.-dieselbe. 

Fig. 26. Dessgleichen. Die Zelltheilung vollzieht sich allein durch Spal- 

tung einer Zellplatte. Vergr. dieselbe. 
Fig. 27. Dessgleichen. Die Kerne regeneriren sich bereits. Ein Theil 
der Centralspindelfasern zeigt außerordentlich deutlich äquatoriale Verdickungen. 
Eine rudimentäre Cytoplasmaplatte, die sich zwischen die rudimentäre Spindel- 
platte hineinerstreckt, ist angelegt. Vergr. dieselbe. 

Fig. 28. Dessgleichen. Die Zelltheilung ist bereits vollzogen. Die Cyto- 
plasmaplatte hat sich hierbei gespalten. Beide Tochterzellen hängen nur noch 
durch die Centralspindelfäden zusammen, die deutliche äquatoriale Ditfferen- 
zirungen haben. Vergr. dieselbe. 

Fig. 29. Dessgleichen. Nur an vier Stellen der Centralspindel zeigen sich 
dicke äquatoriale Differenzirungen. Vergr. dieselbe. 

Fig. 30. Dessgleichen. Theilungsfigur mit umfangreicher Spindelplatte. 
Eine Cytoplasmaplatte wurde nicht angelegt. Vergr. dieselbe. 

Fig. 31 u. 32. Dessgleichen. Die Zellkerne haben sich in beiden Fällen 
regenerirt. Ein FrLemminGg’scher Körper besteht noch mit dem Residuum der 
Centralspindel. In Fig. 32 liegt er in einer Nische eingebettet. Vergr. dieselbe. 

Fig. 33, 34 u. 35. Dessgleichen. Verschiedene Stadien der Ausbildung des 
FLEMMING’schen Körpers, sowie der Rückbildung des ÜCentralspindelrestes. 
Vergr. dieselbe. 


Tafel XXI. 


Fig. 36. Limax maximus. Mesenchymzelle Die Einschnürung erfolgte im 
flachen Bogen. Ein FLemmInG’scher Körper ist in Gestalt einer dicken Platte 
vorhanden. Ihm zu beiden Seiten sind die Centralspindelfäden für eine kurze 
Strecke zu einer Masse verschmolzen. Vergr. dieselbe. 

Fig. 37. Dessgleichen. Mesenchymzelle mit FLEMMInG’schem Körper. Vergr. 
dieselbe. 

Fig. 38. Dessgleichen. Zelltheilung durch Einschnürung. Die Spindel- 
platte hat sich getheilt und hat hierdurch den Centralspindelrest halbirt. Vergr. 
dieselbe. 

Fig. 39, 40 u. 42. Dessgleichen. Zelltheilung vermittels Zellplatte und 
Einschnürung. (Mehrere Modifikationen dieses Vorganges.) Vergr. dieselbe, je- 
doch gez. in der Höhe des Objekttisches. 

Fig. 41. Die Zellplatte hat sich in eine Membran verwandelt. Vergr. die- 
selbe, gez. in der Höhe des Objekttisches. 

Fig. 43. Dessgleichen. Anlage einer Spindelplatte, die jedoch bei der 
Zelltheilung nicht verwerthet wurde. Vergr. dieselbe, gez. in der Höhe des Ob- 
jekttisches. 

Fig. 44. Trutta salar. Mesenchymzelle mit FLemmInG’schem Körper. Vergr. 
dieselbe. 

Fig. 45 u. 46. Vorgänge dieselben. Fig. 45 Forellenzelle, Fig. 46 Lachs- 
zelle. Vergr. dieselbe. 

Fig. 47. Limax maximus. Theilung durch Einschnürung und Zellplatten- 


432 R. Wolfgang Hoffmann, Über Zellplatten und Zellplattenrudimente. 


bildung. Die Centralspindelfäden sind in der Richtung von den Kernen nach 
der Zellplatte im Erlöschen begriffen. Vergr. dieselbe. 

Fig. 48, 49 u. 50. Figuren zur Erläuterung der Herkunft der v. KoSTA- 
NEcKTschen Bilder. Fig. 48 u. 50 Lachszellen. Fig. 49 Limaxzelle; hier natür- 
licher Vorgang. Links hat sich ein Theil der Zellplatte mit der einen Central- 
spindelhälfte abgelöst und hat sich etwas kontrahirt; die rechte Seite ist intakt. 
Vergr. dieselbe. 

Fig. 51. Trutta fario. Zelltheilung mit Hilfe einer Cytoplasmaplatte, einer 
Spindelfalte und einer Einschnürungsfurche. Vergr. dieselbe. 

Fig. 52. Trutta salar. Zellplattenbifurkation, wie bei den Limaxzellen. 
Vergr. dieselbe. 

Fig. 53. Dessgleichen. Ähnlicher Vorgang wie in Fig. 45. Vergr. dieselbe. 

Fig. 54. Dessgleichen. Ausbildung der Spindelplatte in Gestalt eines 
Ringes. Vergr. dieselbe. 

Fig. 55. Dessgleichen. Zelltheilung durch Ausbildung einer Einschnü- 
rung und durch Spaltung der Zellplatte (Spindelplatte und Cytoplasmaplatte). 
Vergr. dieselbe. 

Fig. 56. Limax maximus. Ähnlicher Vorgang wie in Fig. 49. 

Fig. 57. Trutta fario. Ausbildung eines FLEMmMING’schen Körpers. Zell- 
theilung durch Einschnürung. Vergr. dieselbe. 

Fig. 58. Limax maximus. Der Rest der Centralspindel persistirt in Ge- 
stalt eines gewundenen Stäbchens. Vergr. dieselbe. 


Epiphysis und Hypophysis von Rana. 
Von 
Dr. F. Braem. 


Mit Tafel XXI. 


Bei Bearbeitung der Amphibien für die LeuckArT’schen Wand- 
tafeln! habe ich einigen die Gehirnanatomie betreffenden Punkten 
besondere Aufmerksamkeit gewidmet, und ich theile das Resultat die- 
ser Untersuchungen, so weit es in den Tafeln selbst nicht genügend 
zum Ausdruck gelangen konnte, im Folgenden mit. 

Die Epiphysis der Batrachier wird, wie wir seit GoETTE (75, 
p. 283f.) wissen, als eine am Dache des Zwischenhirns auftretende, 
zapfenförmige Ausstülpung angelegt. Der Zapfen differenzirt sich 
allmählich in der Weise, dass an seiner Spitze eine blasenförmige 
Anschwellung entsteht, während der mittlere Theil solid wird und 
sich zu einem dünnen Strange verlängert, der basale Abschnitt aber 
als Rohr persistitt. Dieser basale Abschnitt stellt die definitive 
Epiphysis dar, welche sich in der Medianlinie des Zwischenhirndaches 
bis zum Aderhautknoten erstreckt. Der blasenförmige Theil kommt 
außerhalb des Schädels zu liegen und repräsentirt das in die Cutis 
eingebettete Parietalorgan (Stirndrüse, Scheitelauge). Der mittlere 
Theil verbindet — wenigstens bei der Larve —, indem er den Schädel 
durchbohrt, das Parietalorgan mit der Spitze des bleibenden Zirbel- 
rohres. 

Dieses letztere, die Zirbel im engeren Sinne, ist beim er- 
wachsenen Thiere ein hohler, vorn geschlossener Schlauch von etwa 
0,5 mm Länge, der hinterwärts mit dem dritten Ventrikel in offener 
Verbindung steht (Fig. 2 Zp). So ist er meines Wissens zuerst von 
OsBoRN (’87, Taf. XIV, Fig. 7) dargestellt worden, während die älte- 
ren Beobachter die Zirbel entweder ganz (GoETTE, ’75, p. 283 f.) oder 


I Verlag von Th. G. Fisher & Co. in Kassel. 


434 F. Braem, 


doch in ihrem hinteren Theile (RABL-RÜCKHARD, ’80, p. 567) solid 
sein lassen. Der Querschnitt des Zirbelrohres hat die Form einer 
_ Ellipse, deren größter Durchmesser in die Horizontalebene fällt. Inner- 
halb einer jeden Serie zeigt sich aber in so fern ein Wechsel, als das 
Rohr sich in kurzen Abständen bald nach links, bald nach rechts, 
bald nach beiden Seiten (Fig. 3) plötzlich verbreitert, was durch zwei 
Reihen kurzer seitlicher Blindschläuche (Fig. 3 di), die dicht gedrängt 
auf einander folgen, bewirkt wird. Dadurch nähert sich die Zirbel 
des Frosches dem drüsigen Bau, den sie bei den Reptilien besitzt, 
und auf Längsschnitten, die etwas seitwärts von der Medianebene 
liegen, erhält man Bilder, die lebhaft an die von SPENCER (’86, Taf. XV, 
Fig. 7 und Taf. XIX, Fig. 41) für Hatteria und Varanus gegebenen 
Darstellungen erinnern. 

Das Parietalorgan (Fig. 1 P) persistirt ungefähr in der Form, 
die es bei GoETTE, ’75, Taf. XV, Fig. 285 hat, es wird also nicht 


solid, wie GoETTE selbst annahm (75, p. 284), sondern behält die 


Blasenform, die ihm auch OsTRoumorF (’87) und LEYvIe (’90, p. 450) 
zuschreiben. Am genauesten scheint es von OSTROUMOFF beobachtet 
worden zu sein. Wie dieser Autor, fand ich die obere, der Epider- 
mis genäherte Wand der Blase einschichtig, die untere dagegen mehr- 
schichtig und in der Mitte dicker als an der Peripherie. 

Schon SrIEDA (65) giebt an, dass die Haut oberhalb des Organs 
pigmentlos sei, doch erhalten sich gelegentlich immerhin einzelne 
Reste des Farbstoffes (Levvıg, ’90, p. 449); offenbar ist der Pigment- 
mangel durch den Druck hervorgerufen, den das Bläschen auf seine 
Umgebung ausübt, wie denn bei jungen Thieren die Zahl der Pigment- 
zellen oberhalb des Organs noch kaum vermindert ist. Im Organ 
selbst fehlt bei Rana esculenta das Pigment, welches nach LEYDie 
(’90, p. 450) bei Bombinator vorhanden ist, vollständig. 

Eine fettige Degeneration des Organs, wie sie von GRAAF (86, 
p. 192) und Leypie (’90, p. 450) konstatirt worden ist, habe ich nicht 
beobachtet. Statt der Rückbildung zu verfallen, wächst das Organ 
vielmehr im Lauf der Entwicklung bedeutend, so dass sein größter 
Durchmesser, der in Fig. 1 (Larve mit inneren Kiemen) etwa 0,1 mm 
beträgt, beim geschlechtsreifen Frosch etwa 0,25 mm ausmacht. 

Ziemlich allgemein wird angegeben, dass das Organ bei Rana 
temporaria erheblich deutlicher sei als bei esculenta. Ich fand es 
jedoch bei der letzteren Form so gut entwickelt, dass ich diese vor- 


zugsweise zur Untersuchung benutzt habe. Vielleicht ist der Grund . 


dafür in örtlichen Abänderungen zu suchen. 


Tu 


Epiphysis und Hypophysis von Rana. 435 


Am meisten interessirte mich nun die Frage nach dem Verbleib 
jenes Verbindungsstranges, der sich ursprünglich zwischen dem 
Parietalorgan und der Spitze des definitiven Zirbelrohres ausspannt 
und den ich in Übereinstimmung mit GoertE (’75, Taf. XV, Fig. 285) 
noch im Stadium der Fig. 1 als ein aus zarten Fasern bestehendes 
Gebilde nachzuweisen vermochte. Es ist bekannt, dass auch beim 
erwachsenen Thiere ein Strang, der seiner Lage nach auf jenen Ver- 
bindungsstrang zurückgeführt werden könnte, existirt. Er verläuft 
vom Parietalorgan an als ein mit bloßem Auge eben sichtbares Fäd- 
chen zwischen der äußeren Haut und dem Schädeldache nach hinten, 
um sich in der Ethmoidalregion am Schädel selbst zu befestigen. Es 
handelte sich also um die weitere Verfolgung und nähere Unter- 
suchung dieses Fädchens. 

Die bisherigen Beobachter (Cıaccıo ’67, LESSONA ’80, GRAAF ’86, 
Leypiıe ’90) geben zwar zu, dass der Strang ganz oder theilweise 
aus Nervenfasern bestehe, lassen aber, mit Ausnahme von CIAccıo, 
die Fasern nicht in das Organ selbst eintreten. Nach GRAAF gehören 
die dem Organ zustrebenden Nerven dem Ramus supramaxillaris nervi 
trigemini an. Nach OwSIANNIKOW (88, p. 19) geht der nervöse Ver- 
bindungsstrang frühzeitig zu Grunde. 

Ich selbst habe zunächst auf Längsschnitten feststellen können, 
dass der Strang sich aus einem Nerven und einem ihm parallel lau- 
fenden Blutgefäße zusammensetzt, ohne erhebliche Betheiligung des 
Bindegewebes. Der Nerv besteht aus markhaltigen Fasern und senkt 
sich von unten her, entweder in der Mitte oder dem hinteren Pole 
des Organs genähert, in dieses ein, derart, dass er sich unmerklich 
in ihm verliert und es selber zu bilden scheint. Damit war die Wahr- 
scheinlichkeit, dass der definitive Strang ein Produkt des ursprüng- 
lichen Verbindungsstranges sei, um ein Bedeutendes größer geworden. 

Ich suchte alsdann den Strang weiter nach rückwärts zu verfol- 
sen, und es gelang mir, mit aller Deutlichkeit zu zeigen, dass er den 
Schädel zwischen den beiden Frontalia, bald mehr, bald weniger dicht 
hinter dem Ethmoideum, also ungefähr über dem Lobus olfactorius, 
in schräger Richtung durehbohrt und sich im Inneren der Schädel- 
kapsel bis in die Nähe des Aderhautknotens fortsetzt. Er verläuft 
in gerader Linie zwischen den Hemisphären des Großhirns auf der 
Oberseite der Dura mater, dieser eng angefügt. Ich kann nicht zwei- 
feln, dass es sich hier um denselben Strang handelt, den WIEDERS- 
HEIM (bei Ecker, ’81, p. 12) von dem Aderhautknoten entspringen 
und gegen die Ethmoidalregion nadelfein auslaufen sah und den er 


436 F. Braem, 


für Bindegewebe hält, obwohl ihm im Übrigen seine »Bedeutung nicht 
klar geworden .«. | 
Weiter als bis zum Aderhautknoten des dritten Ventrikels habe 
ich den Strang auf Längsschnitten nicht erkennen können. Günstiger 
erwiesen sich Querschnitte, welche zeigten, dass er sich nun zur Seite 
wendet und, in die Dura mater eingebettet, den Aderhautknoten um- 
sreift, ein wenig unterhalb der oberen Kante, welche durch die Ein- 
biegung der Dura mater gegen den dritten Ventrikel entsteht. In 
meinem Falle war es die linke Seite des Aderhautknotens, die der 
Strang umfasste. Ich konnte denselben noch bis zur Hinterseite des 
Plexus, also bis in die Nähe der Zirbelspitze, im Auge behalten, da 
aber war es mir nicht mehr möglich, den Übertritt der Fasern in die 
Zirbel selber zu demonstriren. 

Dessenungeachtet halte ich einen! solchen Übertritt für wahr- 
scheinlich, denn man müsste andernfalls doch erwarten, dass der 
Strang auch in seinen distalen Theilen Spuren der Entartung zur 
Schau trüge. Vielleicht kommt das zuweilen vor, da mehrfach ver- 
sichert wird, dass nicht nur das Parietalorgan in seiner Ausbildung 
individuellen Schwankungen unterworfen sei, sondern dass auch der 
unpaare Strang, der es mit dem Schädel verbindet, gelegentlich ver- 
misst werde (GRAAF, '86, p. 193; LeypIe, ’90, p. 448 und 451). In 
dem oben erwähnten Falle konnte jedoch von keiner Entartung die 
Rede sein. 

Den Verlauf des Stranges, dessen Länge 7—8 mm beträgt, habe ich 
auf einer der LEUcKArT’schen Wandtafeln dargestellt. Dieser Verlauf 
wird vollkommen verständlich, wenn man annimmt, dass der Strang 
das Produkt der ursprünglichen Verbindung zwischen dem Parietal- 
organ und der Zirbel sei. Das Parietalorgan, das im Stadium Fig. 1 
noch auf der Grenze des Vorder- und Zwischenhirns liegt, wird in der 
Folge weit nach vorn geschoben, und der intracraniale Theil des 
Verbindungsstranges zieht sich dann bis zum Lobus olfactorius an der 
Oberfläche des Hirns hin. Aus der Medianebene wird er nur durch 
den wuchernden Aderhautknoten verdrängt, der sich über dem Hirm 
emporwulstet und dabei den Strang zur Seite schiebt. 

Indem ich mich bemühte, die Strangfasern in die Zirbel hinein 
zu verfolgen, wurde ich auf ein Fasersystem aufmerksam, welches 
auf dem Rücken des Zirbelrohres entlang läuft und einen rundlichen 
Querschnitt besitzt (Fig. 2, 3 {r.p). Diese Fasern, die ich auf allen 
Längs- und Querschnitten erkennen konnte, entspringen in der Tiefe _ 
der Commissura posterior aus den dort gelegenen Ganglienzellen, ven 


Epiphysis und Hypophysis von Rana. 437 


wo sie als ein von der Umgebung deutlich unterscheidbares Bündel 
in der Medianlinie gegen die Zirbelbasis emporstreben (Fig. 2 ir.p'). 
Ihr Verhältnis zur Zirbel ist nicht in allen Fällen das gleiche. Manch- 
mal sind sie von vorn herein eng mit der Wand der Zirbel verbun- 
den; zuweilen aber treten sie selbständiger auf, so dass sie der Zirbel 
nur angefügt zu sein scheinen (Fig. 3); einmal sah ich sie an der 
Zirbelbasis als isolirten Strang frei aus der Commissur hervortreten 
und sich im Bogen zur Zirbel hinwenden, wo sie Anfangs in einer 
Rinne der oberen Wand verliefen, um sich dann erst inniger mit dem 
Zirbelgewebe zu verbinden. Der Strang glich völlig dem Stiel des 
Parietalorgans, und ich möchte annehmen, dass dieses Fasersystem, 
das ich in den Figuren als Tractus parietalis bezeichnet habe, wirk- 
lich die Wurzel jenes Verbindungsstranges darstellt. — 

Die Hypophysis des Frosches setzt sich aus drei Abschnitten 
zusammen, von denen zwei drüsig, der dritte nervös ist. 

Die beiden drüsigen, der Mundschleimhaut entstammenden Theile. 
sind beim erwachsenen Thiere völlig getrennt (Fig. 4 Zy, Hy), 
hängen aber bei jungen Fröschehen, welche die Verwandlung soeben 
durchgemacht haben, -noch an der Hinterseite ihrer Berührungsfläche 
zusammen (Fig. 4, bei X). Der untere Abschnitt ist bei Weitem der 
srößte, er bildet jenen breiten, zungenförmigen Körper, der bei Be- 
trachtung des Hirns von der Unterseite sogleich ins Auge fällt. Die 
abgespaltene obere und vordere Kante dieses Körpers repräsentirt den 


anderen Theil, der sich aber auch durch sein Gefüge wesentlich von 


dem Hauptabschnitt unterscheidet. Während der letztere nämlich ein 
vielfach gefaltetes, von gewundenen Spalträumen durchzogenes Organ 
darstellt, wird der kleinere Theil von allseitig mit einander verbun- 
denen Zellen gebildet, so dass gar keine Falten erkennbar sind. 

Da der kleinere Theil trotz seiner geringen Masse dieselbe Breite 
besitzt wie der größere, so steht seine Hauptachse senkrecht zur Me- 
dianebene des Thieres Das Nämliche gilt von dem nervösen Ab- 
schnitt der Hypophyse (Fig. 4 Hy.n), welcher den kleineren drüsi- 
gen Theil in seiner ganzen Ausdehnung begleitet und offenbar in 
engen Beziehungen zu ihm steht. Er liegt seinerseits der vorderen 
Fläche des Infundibulum dicht an, ist aber nur durch einen kurzen, 
medianen Stiel direkt mit ihm verbunden (Fig. 4). In diesem Stiel 
sieht man die Fasern aus dem Infundibulum in die Hypophysis über- 
' treten. Einen ähnlichen, nur sehr viel längeren Strang hat BURCK- 
-  _HARDT (’91, p. 386) bei Urodelen beobachtet. 

Breslau, September 1897. 


438 F. 


Braem, 


Gitirte Schriften. 


BURCKHARDT, ’91. 


Untersuchungen am Hirn und Geruchsorgan von Triton und 


Ichthyophis. Diese Zeitschr., Bd. LII, p. 369 ff. 


CIACc10, ’67. 
ECKER, ’81. 

GOETTE, ’75. 
GRAAF, H. DE, ’86. 


LESSONA, ’80. 
LEYDIG, ’90. 


[Citat bei LEYDIG, ’90, p. 443.) 
Die Anatomie des Frosches, Abth. II, Braunschweig. 

Die Entwicklungsgeschichte der Unke, Leipzig. 
Zur Anatomie und Entwicklung der Epiphyse bei Amphi- 
bien und Reptilien. Zool. Anz,, 
[Citirt nach LeyDis, ’90, p. 443 £.] 
Das Parietalorgan der Amphibien und Reptilien. Abhandl. der 


Ba. IX, p. 191 f£ 


SENCKENB. naturf. Ges., Bd. XVI, p. 441 ff. 


ÜSBORN, ’87. 
ÜSTROUMOFF, 3 81. 


The origin of the Corpus callosum. Morph. Jahrb., Bd. XII, p. 223 ff. 
[Citirt nach OWSIANNIKOW, ’88, p. 19; vgl. das Referat im 


Jahresbericht über die Fortschritte der Anat. u. Physiol. v. HERMANN 
u. SCHWALBE, Bd. XVI, p. 304 ff.) 


OWSIANNIKOW, ’88. 


Über das dritte Auge bei Petromyzon fluviatilis ete. M&m. 


de l’Acad. Imp. des sc. de St.-P&tersbourg, VII Ser., T. XXXV]I, No. 9. 


RABL-RÜCKHARD, ’80. 


Das gegenseitige Verhältnis der Chorda, Hypophysis 


und des mittleren Schädelbalkens bei Haifischembryonen. Morph. Jahrb., 


Bd. VI, p. 535 ff. 
SPENCER, "86. 


On the Presence and Structure of the Pineal Eye in Lacertilia. 


Quart. Journ. of Micer. Se., Bd. XXVII (1887), p. 165 ff. 


STIEDA, ’65. 


Über den Bau der Haut des Frosches. Arch. f. Anat., Physiol. u. 


wiss. Med. Jahrg., 1865, p. 52 ff. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XXII. 


49.8, Aquaeduetus Sylvii. 

bl, Blutgefäße. 

C.big, Corpora bigemina, Mittelhirn. 

co.po, Commissura posterior. 

co.su, Commissura superior. 

d.m, Dura mater. 

di, seitliche Divertikel des röhrenför- 
migen Theiles der Epiphysis. 

Ep, röhrenförmiger Theil der Epi- 
physis. 

Ep', strangförmiger Theil 
physis. 

ep, Epidermis. 


der Epi- 


Hem, Region der Hemisphären. 

Hy, Hy’, die beiden Abschnitte des 
drüsigen Theiles der Hypophysis. 
Hy.n, nervöser Theil der Hypophysis. 

Inf, Infundibulum. 

L.t, Lamina terminalis. 

P, Parietalorgan. 

pl.ch, Plexus chorioideus. 

S, häutiger Primordialschädel. 

ir.p, tr.p', Traetus parietalis. 

Y3, dritter Ventrikel (Thalamus Aue 
cus, Zwischenhirn). 


Epiphysis und Hypophysis von Rana. 439 


Fig. 1. Oberer Theil eines Medianschnittes durch den Kopf einer Kaul- 
quappe, vermuthlich von Rana temporaria (innere Kiemen, Hinterbeine als Stümpfe). 
Sublimat-Essigsäure; Boraxkarmin. Vergr. 3. 

Fig. 2. Theil eines Medianschnittes durch das Gehirn von Rana tempo- 
raria. Sublimat-Essigsäure; Boraxkarmin. Vergr. 67. 

Fig. 3. Theil eines Querschnittes durch das Gehirn von Rana esculenta, 
Mitte der Zirbel. Vergr. ca. 67. 


Fig. 4. Theil eines Medianschnittes durch das Gehirn von Rana esculenta. 
Chrom-Salpetersäure; Boraxkarmin. Vergr. 28. 


Nachschrift, 


Erst als der vorstehende Aufsatz im Druck war, lernte ich die 
Arbeit von B. HALLER, Untersuchungen über die Hypophyse und 
die Infundibularorgane (Morph. Jahrb., Bd. XXV, 1897, p. 31 ff.), 
kennen. Obwohl ich in meinen Präparaten die Dinge so sehe, wie 
ich sie beschrieben habe, halte ich mich doch ohne weitere Unter- 
suchungen nicht für berechtigt, den auf breiter Grundlage ruhenden 
Angaben HALLER’S entgegen zu treten. 


Breslau, 4. November 1897. BB: 


Über die periodische Abstofsung und Neubildung des 
gesammten Mitteldarmepithels bei Hydrophilus, Hydrous 
und Hydrobius. 


Von 
Dr. C. Rengel 


(Potsdam). 


(Aus dem zoologischen Institute der Universität Berlin.) 


Mit Tafel XXIH. 


In den Jahren 1892/93 veröffentlichte BIzZozERO eine Reihe 
werthvoller Aufsätze über das Epithel des Magendarmkanals einiger 
Wirbelthiere und Wirbellosen. In einem derselben! behandelte er 
die periodische Abstoßung und Neubildung des Mitteldarmepithels 
bei Hydrophilus piceus L. (Imago). Obgleich die normale Histologie 
des Mitteldarmes von Hydrophilus bereits vor BIZZOZERO wiederholt 
bearbeitet worden war (FRENZEL?, VANGEL?), blieb es ihm doch vor- 
behalten, die eigenthümlichen histologischen Verhältnisse in der 
Hauptsache richtig zu deuten, die zum Theil überhaupt erst durch 
die Kenntnis der periodischen Degeneration und Regeneration des 
gesammten Epithelschlauches verständlich geworden sind. 

B1IzzozEro hat den Process der Abstoßung und Neubildung des 
Mitteldarmepithels nicht im Einzelnen verfolgt. Er führt uns in seiner 
Abhandlung eigentlich nur zwei Stadien (# einerseits und €, D, F 


ı BIZZOZERO, Über die schlauchförmigen Drüsen des Magendarmkanals 
und die Beziehungen ihres Epithels zu dem Oberflächenepithel der Schleim- 
haut. (Dritte Mittheilung.) Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XLII. 1893. 
Taf. VIIL—X. | 

2 FRENZEL, Einiges über den Mitteldarm der Insekten sowie über Epithel- 
regeneration. Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XXVI. 1885. Mit 3 Tafeln 
VII—IX. 

3 VANGEL, Beiträge zur Anatomie, Histologie und Physiologie des Ver- 
dauungsapparates des Wasserkäfers Hydrophilus piceus L. Termeszetrajzi 
Füzetek. Vol. X. 1886. Taf. V. 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 441 


andererseits) in Wort und Bild vor. Auf Grund dieser Präparate hat 
er »eine Anschauung gewonnen«, die, wie ich gleich vorweg be- 
merken will, den von mir durch alle Entwicklungsphasen beobach- 
teten Verhältnissen ziemlich nahe kommt, so dass ich die Ergebnisse 
B1ZZOZERO’s in ihren Hauptzügen zu bestätigen, im Einzelnen aber 
manchen abweichenden Befund zu schildern haben werde. 

Weit wichtiger jedoch als diese Erweiterung der Arbeit Bızzo- 
ZERO’S scheint mir die Thatsache zu sein, dass eine derartige perio- 
dische Abstoßung des ganzen Mitteldarmepithels sich nicht auf 
Hydrophilus piceus L. und, was ohne Weiteres zu erwarten war, 
seine nächsten Verwandten: Hydrous caraboides und Hydrobius 
fuseipes L. beschränkt, die im Bau des Mitteldarmes mit Hydrophilus 
übereinstimmen, sondern auch bei einer Käfergattung mit ganz anders 
konstruirtem Mitteldarm von mir beobachtet worden ist, nämlich bei 
einigen Lamellicorniern. Durch die weitere Verbreitung der ange- 
deuteten Vorgänge gewinnen diese aber wesentlich an Bedeutung!. 

Aus diesen Gründen schien mir eine erneute Behandlung des 
interessanten Stoffes geboten. — Zunächst wende ich mich zu den 
Hydrophiliden. 


1E 


Histologie des Mitteldarmes von Hydrophilus. Betrachtet 
man Querschnitte des Mitteldarmes von Hydrophilus aus einem ge- 
wissen, später noch näher zu bezeichnenden Stadium (Fig. 4; vgl. 
auch FrEnzer’s Abbildung a. a. O.), so findet man ein einschichtiges, 
das Darmlumen begrenzendes Cylinderepithel, und darunter die Mem- 
brana propria. Beide, Membrana propria und Epithelschicht, bilden 
in regelmäßigen Längs- und Querreihen Divertikel. Die Epithelzellen 
in den Divertikeln passen sich den vorhandenen Raumverhältnissen 
an, sie sind theils flach, theils kubisch, theils eylindrisch. Am 
distalen Ende jedes Divertikels findet sich ein Regenerationsherd. 
In diesem Stadium steht das Lumen der Blindsäckchen in direkter 


1 Eine Beobachtung, die hier noch erwähnt werden muss, machte A. SoM- 
MER 1885 (vgl. diese Zeitschr. Bd. XLI, p. 713—715). Er berichtet, dass bei 
einem Insekt aus der Ordnung der ametabolen Thysanuren, bei Macrotoma 
plumbea mit jeder Häutung des Thieres zugleich eine Abstoßung des Mittel- 
darmepithels stattfinde, ohne dass er näher darauf eingeht, wie die Abstoßung 
des alten Epithels und die Bildung des neuen Epithelschlauches vor sich gehen, 
Da bei Macrotoma nach SOMMER weder Krypten noch subepitheliale Regene- 
rationsherde im Mitteldarm vorhanden sind, ist die Art und Weise der Regene- 
ration des Epithels nicht so ohne Weiteres klar, und liegen die Verhältnisse dem- 
nach hier wesentlich anders als bei den Hydrophiliden. — Vgl. auch Schlussnote. 


442 C. Rengel, 


Kommunikation mit dem eigentlichen Hohlraum des Darmrohres. 
Wir haben also das gewöhnliche Bild des Querschnittes durch einen 
Käferdarm, wie wir es bei Oarabiden, Dytiseiden, Tenebrioniden, 
Chrysomeliden und vielen Anderen vorfinden. 

Dieser Befund entspricht aber bei Hydrophilus nur einem zeit- 
lich sehr schnell wieder verschwindenden Übergangsstadium, nicht 
dem normalen Mitteldarm, d. h. dem Mitteldarm während seiner 
secernirenden und resorbirenden Thätigkeit. 

Die verhältnismäßig enge Mündung jedes Divertikels wird durch 
Annäherung und Aneinanderlagerung der gegenüberliegenden Epi- 
thelzellen geschlossen, so dass nunmehr das Lumen des eigent- 
lichen Darmrohres durch einen lückenlosen Cylinder palissaden- 
förmiger Epithelzellen begrenzt wird. Die Lumina der zahlreichen 
Divertikel sind aber vom Darmlumen abgesperrt (Fig. 5). Nun son- 
dern alle diejenigen Epithelzellen, welche den Darmhohlraum aus- 
kleiden, d. h. nicht auch die Epithelzellen in den Blindsäckchen, 
an ihrem zur Darmachse distalen Ende eine derbe Chitinmembran 
ab. Diese liegt also zwischen der Zellbasis und der Membrana pro- 
pria. Auch die Epithelzellen, welche die Mündungen der Divertikel 
verlegen, nehmen an dieser Absonderung Theil, so dass dadurch ein 
doppelter Verschluss der Blindsäckchen gegen das Darmlumen her- 
beigeführt ist (Fig. 1). 

Den vielen Fältchen der Membrana propria folgt auch die 
Chitinmembran und sichert dadurch trotz ihrer Dieke und Festigkeit 
dem Mitteldarme eine hinreichende Beweglichkeit. An der Mündung 
jedes Divertikels folgt die Chitinmembran nur eine ganz kurze 
Strecke der Stützlamelle, sie geht eben um den Zellpfropfen, der 
die Mündung des flaschenförmigen Divertikels verschließt, herum. 
Dadurch entsteht an dem Cylinder, den die Chitinmembran an sich 
bildet, jedes Mal da, wo ein Blindsäckchen aufsitzt, eine kleine 
‚kegelförmige Erhebung. Die Mantelfläche dieses kleinen, gerade 
abgestumpften Kegels zeigt zahlreiche von oben nach unten laufende 
Falten, die BIZZoZERO sehr passend mit den Falten einer spanischen 
Halskrause vergleicht. Die ganze Chitinmembran besitzt nir- 
gends eine seitliche Öffnung, auch nicht vor den Blind- 
säckchen. 

Damit haben wir das Epithel, die Chitinmembran und die Stütz- 
lamelle, wie wir alle drei in einem verdauenden Darm, d. h. für 
sewöhnlich antreffen. 

An die Membrana propria schließt sich die Muscularis an, die 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 443 


aus einer inneren, zarten Längsmuskelschicht, einer derben Lage von 
Ringmuskeln und einer etwas entfernt liegenden äußeren Längs- 
muskelschicht besteht. Die Muskelbündel können schon wegen der 
Darmdivertikel, zwischen denen sie sich hinziehen, keine geschlos- 
sene Muskelhaut bilden. Sie sind auch sonst nur lose an einander 
gereiht. 

Eine den ganzen Mitteldarm einhüllende seröse Membran ist 
nicht vorhanden. 

Ich wende mich nun kurz zu den drei in der Litteratur vor- 
liegenden, bereits genannten Arbeiten über den Mitteldarm von 
Hydrophilus. | 

VANGEL kennt die innere Längsmuskelschicht noch nicht; wohl 
aber beschreibt er sehr eingehend die Chitinmembran, die er für 
eine Intima hält. Die kleinen, kegelförmigen, den Blindsäckchen 
entsprechenden Erhebungen derselben sind bei ihm nach dem Lumen 
des Darmes vorspringende, kugelige Anschwellungen (Sphäroforma- 
tionen), die Falten des Kegelmantels aber Chitinhäkchen. »Der auf 
diese Weise (d. h. durch die im Kreise stehenden Häkchen) begrenzte 
Flächenraum selbst ist von sehr feinen und nur bei 1000facher Ver- 
srößerung wahrnehmbaren Poren durchzogen, welche mit Fuchsin 
behandelt in Form winziger, rother Punkte erscheinen und zur 
Diffundirung der Sekrete dienen, die von den einzelnen Drüsen ab- 
seschieden werden« (a. a. ©. p. 193). Nach VAnGEL umgiebt den 
Darm eine sich ihm dicht anschmiegende und an den Divertikeln 
der Membrana propria unmittelbar aufliegende Membrana externa, 
die »sehr zart und desshalb selten deutlich zu erkennen« ist. Den 
sanzen Darm umgiebt dann noch »eine Hüllmembran aus Binde- 
sewebe«, welche die distalen Pole der Divertikel berührt. Eine ganz 
eigenartige Meinung hat sich VAnGEL über die Zellen gebildet, aus 
denen die Blindsäckchen aufgebaut sind: »Bei 300—450facher Ver- 
srößerung erscheinen die Zellen ungefähr gleiehförmig . und gleich- 
werthig zu sein, bei 1000facher Vergrößerung kann man jedoch 
deutlich sehen, dass es deren eigentlich zweierlei gebe, nämlich 
‚äußere Zellen, die eine an der strukturlosen Membran sitzende Zell- 
reihe bilden und den typischen Charakter der Epithelzellen an sich 
tragen, und innere Zellen, die eigentlich die ausscheidenden Drüsen- 
zellen darstellen< (a. a. O. p. 199). 

Durch einen eigenthümlichen Zufall ist FRENZEL auf eine falsche 
Fährte gerathen. Er zeichnet, wie ich schon im Anfange meiner 


Abhandlung andeutete, einen Querschnitt nicht durch den normalen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 29 


444 C. Rengel, 


Mitteldarm, sondern durch den Darm während der Epithelneubildung. 
Seine Abbildung entspricht etwa meiner Fig. 4. Eine Chitinmem- 
bran ist in diesem Stadium noch nicht wieder vorhanden. FRENZEL 
leugnet die Existenz einer Stützlamelle als einer zusammenhängen- 
den Membran; er spricht nur von einem Geflecht faserigen Binde- 
gewebes. Die zarte Schicht innerer Längsmuskeln ist ihm ganz 
entgangen. 

B1zzozErO hat endlich Licht in diese Angelegenheit gebracht. 
Er schildert den histologischen Befund im Wesentlichen so, wie ich ihn 
oben kurz skizzirt habe. Ich verweise auf die eingehende Darstellung 
dieses Forschers. In folgenden Punkten kann ich mich seiner An- 
sicht jedoch nicht anschließen: 

Die kleinen kegelförmigen Erhebungen der Chitinmembran hält 
B1zz0zEro für offen oben und nennt sie ganz folgerichtig dann auch 
Trichter. Doch scheint er selbst nicht so völlig sicher in dieser 
Hinsicht gewesen zu sein, denn er giebt gelegentlich selber zu: »mir 
erschienen diese Löcher der Chitinmembran gewöhnlich durch eine 
dünne Schicht feinkörniger Substanz geschlossen«. Das obere Plateau 
des abgestumpften Kegels ist jedoch vollständig geschlossen; und 
das wird sich später bei der Schilderung der Epithelabstoßung als 
sehr wichtig erweisen. Die Chitinmembran bildet hier indessen 
keine Ebene im geometrischen Sinne. Kleine Vertiefungen wechseln 
ab mit eben solchen Erhebungen, so dass es sehr wohl zu verstehen 
ist, dass VAnGEL durch die mikroskopischen Bilder zu der Meinung 
selangte, diese kreisförmigen Areale der Chitinmembran seien sieb- 
artig durchbrochen. | 

Sodann kann ich den Angaben BIzZozErRoO’s über die subepi- 
theliale Bindegewebsschicht nicht zustimmen. Er spricht von einem 
homogenen Bindegewebsstroma und schildert es (a. a. 0. p. 104) 
folgendermaßen: »Die obere (d. i. innere) Fläche dieser Schicht er- 
scheint in gehärteten Stücken mit einer Menge unregelmäßiger Vor- 
sprünge versehen, die den Falten der Chitinmembran entsprechen. 
Die untere (d. i. äußere) Fläche sendet Ausläufer ab, welche die 
Membrana propria der Drüsen ausmachen, und andere Ausläufer, 
welche zwischen die darunter liegenden Muskelfasern dringen.< In 
BizzozEro’s Figuren erscheint dieses homogene Bindegewebsstroma 
von beträchtlicher Stärke; die inneren Längsmuskeln liegen ganz in 
ihm; sie sind »in die Bindegewebssubstanz eingetaucht«. — Das Alles 
kann ich nicht bestätigen. Wir finden eine geschlossene Membrana 
propria nieht nur an den Blindsäckehen, wo sie in jedem Stadium 


Über die period. Abstoßung u. Newbild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 445 


sanz klar erkennbar ist, sondern im gesammten Mitteldarm. Sie 
liegt der Chitinmembran dieht an und macht die zahlreichen Falten 
derselben mit, so dass es allerdings den Anschein erwecken kann, 
als ob proximale Erhebungen darauf säßen. Nach außen von der 
Membrana propria liegt die zarte Schicht innerer Längsmuskeln. 
Auch zwischen diesen Muskelsträngen finden sich nach meinem 
Dafürhalten nicht mehrzellige oder faserige Bindegewebselemente, 
als sonst zwischen den Muskeln eines Insektendarmes anzutreffen 
sind. Alle diese Verhältnisse lassen sich am besten in dem Stadium 
überblicken, welches Fig. 3 veranschaulicht. B1ZZ20ZERoO hat offen- 
bar dieses Entwieklungsstadium (auch an einer anderen Stelle seiner 
Abhandlung zeigt sich das) nicht gesehen. 


II. 


Die Abstoßung und Neubildung des Mitteldarmepithels 
und der Chitinmembran. Vor der Abstoßung des alten Epithels 
sind die Darmdivertikel sehr lang. Man kann, wie schon BIZZOZERO 
hervorhebt, morphologisch drei Zellgruppen erkennen (Fig. 1a, b, ce). 
An den distalen Polen der Divertikel liegt ein Regenerationsherd, 
ein Komplex von Zellen embryonalen Charakters, meist ohne deut- 
lich bemerkbare Zellgrenzen (ae), in welchen karyokinetische Kern- 
theilungsfiguren recht häufig anzutreffen sind. Neben diesen findet 
sich eine Zone langgestreckter Zellen (d), die bei einem Querschnitt 
durch den Divertikel radiale Anordnung zeigen und im Mittelpunkt 
des kreisförmigen Querschnitts zusammenstoßen, so dass ein Lumen 
hier noch nicht vorhanden ist. Die dritte, bei Weitem mächtigste 
Zone (-) bildet nun das Bekleidungsepithel des Lumens im Divertikel. 
Diese letztgenannten Zellen sind von wechselnder Form, je nachdem 
die Raumverhältnisse es bedingen. Sie gleichen sonst aber voll- 
kommen den Epithelzellen im eigentlichen Darmtractus und sind 
auch dazu bestimmt, diese nach ihrer Abstoßung zu ersetzen. 

Das ganze Blindsäckchen hat mehr oder weniger die Form einer 
Birne. Die äußeren Längsmuskeln liegen zwischen denselben etwa 
in halber Höhe. Die benachbarten Divertikel berühren sich meist 
nicht. Der Hohlraum in jedem Divertikel ist etwa eiförmig und in 
der Regel mit einem Sekrete angefüllt, welches den proximalen 
‚Zellen (Fig. 1 ec) entstammt. 

Nun beginnt die Abstoßung der Epithelzellen, welche das Darm- 
lumen begrenzen: die äußeren Längsmuskeln befinden sich nicht mehr 
zwischen den Divertikeln, sondern liegen den distalen Polen auf, 

29* 


446 ©. Rengel, 


sind zuweilen sogar noch ein Stück von den Divertikeln entfernt 
(Fig. 2 und 3). Die einzelnen Blindsäckchen, die vorher durch die 
Muskelbündel getrennt waren, berühren sich nun nicht nur, sondern 
sind fest auf einander gepresst, so dass die bisher birnenförmigen 
Divertikel jetzt im Großen und Ganzen ceylindrisch erscheinen. Der 
offenbar große Druck, unter welchem die Darmdivertikel stehen, 
beeinflusst natürlich auch das Sekret in ihrem Lumen. Da die 
Wandung nur nach einer Seite, nämlich an der Basis des Blind- 
säckchens nachgeben kann, wird der in den unteren Theil desselben 
hineinragende Kegel der Chitinmembran durch den Druck der In- 
haltsflüssigkeit herausgedrängt (Fig. 2) und oft geradezu umgestülpt. 
Hiermit beginnt unter jedem Divertikel die Abhebung der Chitin- 
membran von der Membrana propria. Durch die nachdrängende 
Flüssigkeit werden die Anfangs im Allgemeinen kreisförmigen Areale 
der Loslösung immer größer, bis schließlich der letzte Kontakt der 
Membranen schwindet und beide durch eine Sekretschicht getrennt 
sind. Damit ist die Abstoßung der Chitinmembran und des alten 
Mitteldarmepithels beendet. So sehen wir denn in den allermeisten 
Fällen die losgelöste alte Epithelschicht in den ersten Stadien der 
neuen lose aufliegen (vgl. Fig. 6 von Hydrobius fuseipes). Die Fig. 3, 
welche eine ungewöhnlich große Entfernung zwischen dem alten 
Epithel mit der Chitinmembran und der Membrana propria zeigt, 
wurde gewählt, weil hier gerade in Folge des größeren Abstandes 
der Eintritt der neuen Epithelzellen in das Darmlumen recht deut- 
lich hervortritt. 

Mit diesen Veränderungen gehen andere morphologische Um- 
bildungen Hand in Hand. Schon erwähnt habe ich, dass die äußeren 
Längsmuskeln, welche sich im normalen Darm zwischen den Diver- 
tikeln befinden, nun ganz außerhalb des Gebietes der. Divertikel 
liegen, oder, wenn man das Verhältnis umkehrt: die Divertikel sind, 
aus den langgestreckten Maschen, welche die äußere Längsmuskula- 
tur bildet, herausgezogen; sie sind proximal verschoben; ja sie sind 
sogar theilweise in den Binnenraum des Darmrohres hineingeschoben 
(Fig. 3) und zwar etwa so, wie man beim Ausziehen eines Hand- 
schuhes gelegentlich einen Handschuhfinger in den für die eigent- 
liche Hand bestimmten Raum zum Theil hereinzieht. 

Durch diese Umstülpung der Membrana propria wird der größte 
Theil der neuen Epithelzellen (Fig. 1 c)in das Darmlumen befördert 
und breitet sich hier auf der mesodermalen Grundlage als einschich- 
tiges, Anfangs noch niedriges Epithel aus. Diese so gekennzeichnete 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 447 


Umrollung der Membrana propria geht jedoch nicht so weit, dass 
alle für diesen Zweck verbreiteten Zellen in den Binnenraum des 
Darmes gelangen. Einen beträchtlichen Theil derselben sehen wir 
noch im Halse des Divertikels zurückbleiben (Fig. 4). Diese Zellen 
bilden alsdann den Verschluss, den Pfropfen in dem Halse des 
flaschenförmigen Blindsackes. Die Zellen, welehe nunmehr das neue 
Epithel des Darmes darstellen, waren schon in dem Blindsacke 
sekretorisch thätig; sie hatten ja das Sekret bereitet, mit welchem 
der Hohlraum des noch geschlossenen Divertikels vorher angefüllt 
war. Sie heben sich wohl gerade desshalb in einem mit Hämatoxy- 
lin tingirten Präparat von den noch unthätigen Zellen (Fig. 4 d) durch 
eine wesentlich dunklere Färbung ab. — Das genannte Sekret ist 
nicht identisch mit dem Verdauungssekret. Es wird, nachdem es bei 
der Epithelabhebung in das Darmlumen gelangt ist, nicht mehr ver- 
ändert, sondern bildet fernerhin eine dieke, der abgeschiedenen 
Chitinmembran aufliegende Schicht, die auch noch nach der Aus- 
stoßung der Chitinmembran durch den After nachweisbar ist. 

Fig. 5 von Hydrophilus piceus stellt ungefähr dasselbe Ent- 
wicklungsstadium dar, wie Fig. 6 von Hydrobius fuseipes. Beide 
Bilder zeigen uns, wie die letzten der auswandernden Zellen den 
Divertikelhals bereits wieder verschlossen haben. Die neue Epithel- 
schicht ist damit fertig. Die Epithelzellen beginnen nunmehr mit 
der Ausscheidung einer neuen Chitinmembran. Die einzelnen Diver- 
tikel nehmen durch lebhafte Zellvermehrung an Länge bald zu. 
Durch diese Zelltheilung wird nun wieder die Zellgruppe 5 gebildet, 
denn die alte Zellgruppe D in Fig. 1 ist an die Stelle der aus- 
gewanderten Zellen: ce getreten. Durch Auseinanderweichen der 
Zellen stellt sich auch bald wieder ein Lumen ein. So ist in kurzer 
Frist das Stadium der Fig. 1 wieder erreicht, und das Spiel beginnt 
von Neuem. 

Welches sind nun die mechanischen Ursachen der Abstoßung 
des alten Epithels und der Einstülpung der Blindsäcke in das Lumen 
des Darmes? 

BIZZOZERO sagt (a. a. ©. p. 112 u. 113) anknüpfend an ein Präpa- 
rat, welches ungefähr meiner Fig. 1 entspricht: »Es erfolgt nun die 
theilweise Ausscheidung des Drüseninhalts!, und sie wird bewirkt 
sowohl durch den Druck des in den Drüsen befindlichen Schleimes 
als durch die Zusammenziehung der Muskeln, die in ungestümer 


1 BIZZOZERO ist noch der Meinung, dass die Divertikel Drüsen seien. 


448 ; C. Rengel, 


Weise wirken muss. Die Kontraktion der Muskeln bringt die Drüsen 
nahe an einander, derart, dass sie sich gegenseitig drücken. Betreffs 
der äußeren Längsmuskeln ist zu bemerken, dass sie ihren Druck, 
eben weil sie sich gewöhnlich gegen die Mitte der Drüsen inseriren, 
besonders auf den Inhalt der oberflächlichen Hälfte ausüben, d. h. 
auf jenen Theil, der herausgedrängt werden soll.« »Dieselbe Kon- 
traktion, die das Schleimsekret aus den Drüsen gepresst hat, drängt 
auch die Drüsenzellen hinaus, die dieses letztere umgeben.« 

Ich muss gestehen, dass ich mir aus diesen allgemeinen Wen- 
dungen eine klare Vorstellung von den mechanischen Vorgängen, um 
die es sich hier handelt, nicht zu bilden vermocht habe, bevor ich 
selbst die Untersuchung in die Hand nahm. BizzOZERO nennt eben 
nur die beiden hier einzig und allein in Betracht kommenden, einzig 
möglichen Kräfte: den inneren hydrostatischen Druck des Sekretes 
in den Divertikeln und die Kontraktion der Muscularis und sagt, 
dass sie beide die Umwälzungen bewirken. Er hat aber nicht unter- 
sucht, wie diese beiden Kräfte überhaupt wirken können, wenn 
uns der Bau des normalen Darmes als Ausgangspunkt gegeben ist, 
und wie sie andererseits wieder wirken müssen, wenn das uns be- 
kannte Ziel der Umwandlung erreicht werden sol. 

Die Anordnung der Muskeln ist im Mitteldarm des Hydrophilus 
piceus eine ganz eigenartige. Wir finden eine der Membrana propria 
dicht anliegende Schicht von Längsmuskeln und unmittelbar darüber 
eine derbe Schicht Ringmuskeln; aber erst in beträchtlicher 
Entfernung von diesen Lagen folgt die äußere Längsmuskelschicht. 
FRENZEL macht schon auf diese sonderbare Lagerung der äußeren 
Längsmuskeln aufmerksam (a. a. O. p. 242). Er sagt: »Hydrophilus 
piceus bietet eine Menge höchst interessanter Befunde dar. Auch 
in Betreff der Längsmuskulatur zeigt er eine merkwürdige Eigenthüm- 
lichkeit. Während sie nämlich nach dem allgemeinen Schema der 
inneren Muskelschicht dicht aufliegt, ist sie hier weit davon nach 
außen gerückt.« | 

Ich will gleich hier bemerken, dass ich so reichliches, faseriges 
Bindegewebe, wie FRENZEL! es abbildet, nie und in keinem Stadium 
angetroffen habe. Zwischen den äußeren Längsmuskeln und den 
beiden anderen Muskelschichten sind verbindende Elemente nicht 
vorhanden. Eben so wenig ist es zutreffend, wenn BIZZOZERO (a. a. 0. 
p- 113) sagt, dass die äußeren Längsmuskeln sich gewöhnlich gegen 


1 FRENZEL, a.:a. O. Taf. IX. 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. etc. 449 


die Mitte der Drüsen inseriren. Eine Insertion der Muskeln an den 
Divertikeln giebt es nicht. Ein Blick auf die Fig. 2 und 3 zeigt 
uns, dass die Divertikel vollständig aus den Maschen der Längs- 
muskelschicht herausgezogen werden können. Durchmustern wir die 
einzelnen Schnitte größerer Serien aus dem Stadium der Fig. 2 und 
3, so finden wir überall dasselbe Bild; nirgends sehen wir einen 
innigeren Kontakt der Längsmuskelbündel oder ihrer Verzweigungen 
mit der Wandung eines Blindsäckcehens, wie man ihn doch dem Be- 
sriffe der Insertion unterlegen muss. Im Gegentheil, die Muskel- 
stränge ziehen in gleich bleibender Entfernung von den distalen 
Polen der Divertikel parallel der Darmachse hin. Übrigens würden 
auch die ziemlich langen, nur an einem Ende festsitzenden Divertikel 
einer so starken Muskulatur, wie der in Rede stehenden, bei einer 
‘ mittleren Insertion nur einen ganz ungenügenden Halt bieten können. 

Bei dem normalen Darm finden wir die äußeren Längsmuskel- 
Stränge zu zwei bis sechs zwischen den Divertikeln. Die so bei 
einander liegenden Muskelbündel sind durch bandartige Bindegewebs- 
elemente unter einander verbunden. Diese Bänder kann man am 
besten in den Stadien der Fig. 2 und 3 verfolgen. 

VANGEL muss wohl das Stadium der Fig. 2 oder 3 gesehen 
haben, aus seiner Abbildung ist das eben nicht zu entscheiden. Bei 
ihm liegen die Längsmuskeln außerhalb des Bereichs der Divertikel 
und sind durch eine kontinuirliche Membran verbunden. Er spricht 
daher auch von einer äußeren bindegewebigen Hüllmembran. 

Wir haben also bei Hydrophilus piceus den recht merkwürdigen 
Fall, dass der Mitteldarm von einem Muskelsystem umsponnen wird, 
welches, abgesehen von den beiden Enden des Mitteldarmes, in keiner 
festen Verbindung mit diesem steht. 

Die beiden inneren Muskelschichten besorgen die peristaltischen 
Bewegungen des Darmes. Die äußeren Längsmuskeln können schon 
wegen ihres Abstandes vom eigentlichen Darmrohr für die Peristaltik 
nicht in Betracht kommen; sie müssen also nothwendig ein anderes 
Arbeitsfeld haben. 

Es will mir scheinen, als ob die ganze Aufgabe des äußeren 
Längsmukelsystems darin bestehe, dass es berufen ist, bei der perio- 
dischen Abstoßung des Mitteldarmepithels und der Hereinschiebung 
der Divertikel in das Darmlumen behufs Auskleidung des Mitteldarmes 
mit neuem Epithel eine hervorragende Rolle zu spielen. Wenn man 
bedenkt, dass die Erneuerung des gesammten Mitteldarmepithels in 
der Zeit des lebhaftesten Stoffwechsels, in der Zeit der Fortpflanzung 


450 €. Rengel. 


in Abständen von nur 36 Stunden erfolgt, so ist damit diesem Mus- 
kelsystem auch eine umfangreiche Thätigkeit zugewiesen. 

Wir wollen nun versuchen, uns eine Vorstellung von den mecha- 
nischen Vorgängen zu machen, die zur Abstoßung des alten Mittel- 
darmepithels und zur Bildung eines neuen Epithelschlauches führen 
können. 

Eine Betrachtung der Fig. 1 und 2 lehrt, dass bei dem ersten 
Beginn der Ablösung des Epithels die äußeren Längsmuskeln aus 
ihrer ursprünglichen Lage zwischen den Divertikeln herausgehoben 
werden, und dass die vorher lose an einander gereihten Divertikel 
nunmehr fest gegen einander gepresst sind. 

Beide Veränderungen werden durch Kontraktion der Ringmuskeln 
bewirkt. 

Dureh die Kontraktion der Ringmuskeln werden die Divertikel 
in proximaler Richtung fortgeführt und so stark einander genähert, 
dass sie sich gegenseitig pressen. In Fig. 2 ist der Chitinkegel durch 
das Sekret bereits ins Darmlumen hinausgedrängt worden. In Folge 
des hydrostatischen Druckes, der in dem Hohlraum des Divertikels 
herrscht, dringt das Sekret zwischen Membrana propria und Chitin- 
membran immer weiter ein. Damit beginnt eben die Abhebung des 
alten Mitteldarmepithels. Dieser letzte Erfolg wäre aber ein höchst 
unsicherer, wenn die Chitinkegel oben offen wären, wenn sie Trichter 
im Sinne BIzzozEro’s bildeten. Zwei Membranen wie die Chitin- 
membran und die Membrana propria haften durch Adhäsion sehr fest 
an einander, so dass es vom Standpunkte BIZzZoZERO’s unverständ- 
lich bleibt, warum die Chitinmembran abgestoßen wird, und warum 
nicht das Sekret durch die Öffnung des Trichters hindurchfließt und 
die Epithelzellen allein abhebt oder sich gar zwischen den Epithel- 
zellen hindurch einen Weg bahnt. Und selbst wenn man die Dar- 
stellung Bi1zzozEro’s für möglich halten wollte, welchen Zweck 
könnten dann die Trichteröffnungen haben, da an eine sekretorische 
Thätigkeit der Divertikel im Sinne der Darmdrüsen höherer Thiere 
gar nicht zu denken ist. 

Eben so wird durch die Kontraktion der Ringmuskeln die rela- 
tive Lage der äußeren Längsmuskeln verändert. Wäre das äußere 
Längsmuskelsystem ein starres Netzwerk, so würden die Divertikel 
durch die Kontraktion der Ringmuskulatur einfach aus den Maschen 
herausgezogen. In der That finden wir, dass die äußere Längs- 
muskulatur an ihrem Orte bleibt, während die Divertikel proximal 
bewegt werden. Da nun die äußeren Längsmuskeln kein starres- 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 451 


System darstellen, so muss eine Kraft vorhanden sein, die sie in 
ihrer Lage festhält, die sie daran hindert, sich von den proximal 
fortgezogenen Divertikeln mitreißen zu lassen. 

In den Lücken der Muscularis und zwischen den Darmdivertikeln 
findet sich Leibesflüssigkeit, Blut. Wird nun die Ringmuskulatur plötz- 
lich stark kontrahirt, so werden eben so plötzlich die Lücken zwischen 
den Muskelbündeln und zwischen den Divertikeln stark verkleinert. Es 
muss also im Augenblick der Kontraktion zwischen den Divertikeln ein 
distaler Blutstrom entstehen, dem sich die zwischen den Divertikeln 
liegenden äußeren Längsmuskeln in den Weg stellen und ihm ein um so 
srößeres Hindernis bereiten, als zwischen ihnen auch noch bandartige 
Bindegewebselemente ausgespannt sind. Durch diesen nothwen- 
diger Weise eintretenden Blutstrom werden die äußeren Längsmuskeln 
daran gehindert, mit den axial sich bewegenden Divertikeln mitzu- 
sehen. Sie bleiben ungefähr an ihrem ursprünglichen Platz. Die 
Divertikel gleiten aus den Muskelmaschen heraus. 

Zunächst glaubte ich, dass®sich die Richtigkeit dieser auf Grund 
der normalen Histologie des Mitteldarmes a priori konstruirten Vor- 
stellung durch direkte Messung würde beweisen lassen. Der Darm 
muss ja doch bei der Kontraktion der Ringmuskeln dünner werden. 
Doch zeigte sich dieser Weg bald als wenig aussichtsvoll, da sich 
ja an einem Individuum nur ein Entwicklungsstadium beobachten 
lässt, und da die ganzen Käfer eben so wie ihre einzelnen Organe 
in Bezug auf die Größe außerordentlichen Schwankungen unterworfen 
sind. Es sei denn, dass man von jedem Stadium die Schnitte so 
vieler Individuen besäße, dass man mit Mittelwerthen operiren könnte, 
Doch das ist sicherlich schwer zu erreichen. 

Die Messung des Durchmessers der Schnitte, die auf der Tafel 
wiedergegeben sind, ergab folgende Resultate: 

In Fig. 1 war der Darmdurchmesser 1,56 mm, 

De A. » > DR, 

RIEDL » » 13) ee 
Diese drei Werthe würden sehr gut zu Obigem passen. Aber die 
zwei verschiedene Stellen desselben Darmes darstellenden Fig. 2 und 
3, welche bei der starken Kontraktion der Ringmuskeln den kleinsten 
Durchmesser besitzen sollten, ergaben 2,20 mm. Das erklärt sich 
indess sehr einfach dadurch, dass diese beiden Schnitte in der That 
von dem Darme eines außergewöhnlich großen Käfers herrühren. 

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass noch auf einem anderen 
Wege die Heraushebung der zwischen den Divertikeln liegenden 


452 C. Rengel, 


Muskelbündel möglich ist. Wird nämlich durch einseitige Kontrak- 
tion der inneren Längsmuskeln der Darm an einer Stelle gekrümmt, 
so können sich auf der konkaven Seite die äußeren Längsmuskeln 
leicht durch eigene Kontraktion aus den Spalten zwischen den Diver- 
tikeln herausziehen. Obgleich man thatsächlich zuweilen Schnitte 
antrifft, bei welchen die äußeren Längsmuskeln auf der einen Seite 
noch zwischen den Divertikeln, auf der anderen Seite schon auf 
diesen liegen, scheint mir dieser an sich mögliche Weg doch wenig 
Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. 

Sind nun die äußeren Längsmuskeln herausgehoben aus ihrer 
Lage zwischen den Divertikeln, so beginnen auch sie eine Rolle bei 
den ferneren Veränderungen zu spielen. Zunächst haben sich die 
vorher zwischen den Divertikeln eng zusammengedrängten Muskel- 
stränge mehr oder weniger so neben einander gelagert, dass sie alle 
in einer zum Darme konaxialen Cylinderfläche liegen. Durch diese 
Lagerung ist die Öffnung der einzelnen langgestreekten Maschen, 
welche die äußere Muskulatur bildet® beträchtlich schmaler, ist das 
Muskelnetz an sich also dichter geworden. Die Längsausdehnung 
der Maschen dieses Netzes ist die bei Weitem größere; eben so stark 
überwiegt auch die longitudinale Komponente der Muskelkraft die 
eirkulare. Aber eine eirkulare Komponente ist bei diesem Längs- 
muskelsystem doch immer vorhanden, mag sie nun so gering sein, 
wie sie wolle. Das ganze System ist also sehr wohl in der Lage 
bei seiner Kontraktion ein festes, dicht maschiges Netz um den 
Darm und seine Divertikel zu bilden. Wenn auch der Druck, der 
dabei in proximaler Richtung auf die distalen Pole der Divertikel 
ausgeübt wird, wohl ein mäßiger ist, so ist doch nun die Möglich- 
keit vorhanden, ihn zu einem immerhin beträchtlichen zu steigern 
und zwar dadurch, dass die bisherige scharfe Kontraktion der Ring- 
muskulatur jetzt etwas nachlässt. Die Folge davon ist, dass der 
Darm wegen der inneren elastischen Kräfte sich wieder dehnt, dicker 
wird. Die einzelnen Theile der Darmwandung entfernen sich von 
der Darmachse. Die Divertikel aber werden durch das äußere 
Längsmuskelnetz festgehalten. Da giebt es keinen anderen Ausweg, 
als dass sich die Membrana propria mit dem sie bekleidenden neuen 
Epithel an der Basis der Divertikel umrollt; oder, wenn man sich 
das Verhältnis umgekehrt denkt, dass die Divertikel in das Darm- 
lumen hineingeschoben werden. 

So sind wir denn zu dem Stadium der Fig. 3 gelangt und wohl 
auch noch etwas darüber hinaus. FR 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 453 


Fig. 4 zeigt uns die äußeren Längsmuskeln schon wieder zwischen 
den Divertikeln. Die vollständige Erschlaffung der gesammten Mus- 
kulatur hat den Divertikeln eine distale Bewegung möglich gemacht. 
Sie sind wieder in die Maschen des longitudinalen Muskelsystems 
»hineingewachsen<. Man sieht es in Fig. 4 den Divertikeln an, dass 
die zwischen ihnen liegenden Muskelstränge sie einschnüren. Dieser 
seitliche Druck auf den Flaschenhals drängt auch noch die letzten 
der Zellen, welche zur neuen Bekleidung des Darmrohres bestimmt 
sind, zu einem Pfropfen zusammen, so dass wir bald ein Bild wie 
Fig. 5 erhalten. 

Damit sind die mechanischen Vorgänge abgeschlossen. 

Ich wende mich nun kurz zu Hydrous earaboides und Hydrobius 
fuseipes, zwei Formen, die dem Hydrophilus piceus nahe verwandt 
sind. Der histologische Aufbau des Mitteldarmes ist für alle drei 
Arten der gleiche. Beachtenswerth scheint mir der Umstand zu sein, 
dass bei Hydrobius fuseipes im Gegensatze zu Hydrophilus piceus 
die innere Längsmuskulatur des Mitteldarmes sehr kräftig entwickelt 
ist, und dass die äußere Längsmuskelschicht im Vergleiche zu ihr 
schwach erscheint. 

Die Vorgänge, welche die Abstoßung und Neubildung des Epithel- 
schlauches einleiten und begleiten, sind ebenfalls für alle drei Arten 
dieselben. 

Es erscheint genügend, wenn für einen der drei Käfer diese 
Periode durch Abbildung der einzelnen Entwicklungsphasen veran- 
schaulicht wird. Von den beiden anderen Käfern steht Hydrous an 
Größe und Aussehen dem Hydrophilus viel näher als Hydrobius. 
Desshalb wählte ich für die Abbildung 6 den ferner stehenden Hy- 
drobius. Die große Ähnlichkeit zwischen den Fig. 5 (Hydrophilus) 
und 6 (Hydrobius) ist evident. Die vorhandenen Unterschiede dagegen 
sind belanglos. 

Über die Konservirungsmethoden, welche bei der Untersuchung 
zur Anwendung gelangten, genügen wenige Worte. Ich benutzte die- 
selben Reagentien wie bei meiner Arbeit über Tenebrio molitor!. 
In der Fixirung der Epithelzellen aller Entwicklungsstadien steht 
die HermAanN’sche Lösung in der Reihe der Konservirungsmittel oben 
an und ist jedem anderen durchaus vorzuziehen. Leider gilt von ihr 
nieht das Gleiche in Bezug auf die Muskeln. 

Wie bei allen Osmiumpräparaten machte auch hier die Färbung 


! Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. 


454 C. Rengel, 


der Schnitte erhebliche Schwierigkeiten. Es ist zwar bekannt, dass 
derartig gehärtete Stücke mit Pikrokarmin färbbar sind. Die auf 
diesem Wege erzielten Ergebnisse wollten mich jedoch nicht recht 
befriedigen. Da die Pikrinsäure das in den Präparaten niederge- 
schlagene Osmium theilweise beseitigt, machte ich den Versuch, die 
Schnitte vor der Färbung !/, bis 1 Stunde mit koncentrirter, wässe- 
riger Pikrinsäurelösung zu behandeln, und fand, dass dadurch that- 
sächlich die Färbbarkeit, namentlich der Kerne, ganz beträchtlich 
erhöht wurde. 


Potsdam, am 1. Oktober 1897. 


Während der Drucklegung der vorstehenden Arbeit erschien: A. MÖBUSZ, 
Über den Darmkanal der Anthrenus-Larve nebst Bemerkungen zur Epithel- 
regeneration. (Inaug.-Dissertation, Leipzig.) Der Verfasser hat gefunden, dass 
die Larven von Anthrenus verbasei L. und Dermestes lardarius L. bei jeder 
Häutung auch das Mitteldarmepithel in toto abwerfen. 


Erklärung der Abbildungen. 


Bedeutung der Buchstaben: 


a, Regenerationsherd; m.p, Membrana propria; 

b u. c, zwei Generationen jugendlicher z./, innere Längsmuskeln; 
Epithelzellen; r, Ringmuskeln; 

E, Epithelzellen der Darmwand; al, äußere Längsmuskeln ; 

e, abgestoßenes Epithel; s, das in dennoch geschlossenen Diver- 

ch.m, Chitinmembran; tikeln bereitete Sekret. 


Tafel XXIII. 


Fig. 1—5 Schnitte durch den Mitteldarm von Hydrophilus piceus (Imago). 

Fig. 1. Querschnitt durch den Käferdarm, wie dieser bei seiner ver- 
dauenden Thätigkeit, also für gewöhnlich angetroffen wird. Das Lumen jedes 
Divertikels ist gegen das Darmlumen erstens durch eine kontinuirliche Epithel- 
schicht, zweitens durch eine unter jedem Divertikel sich kegelförmig erhebende 
Chitinmembran verschlossen. 

Fig. 2. Die Abstoßung des alten Epitheleylinders und der Chitinmem- 
bran hat begonnen. Der Chitinkegel ist aus dem Halse des Dikertikels hin- 
ausgedrängt: Die äußere Längsmuskulatur, welche vorher zwischen den 
Divertikeln gelegen war, findet sich jetzt außerhalb des Gebietes derselben. 

Fig. 3. Die Abstoßung des alten Epithels und der Chitinmembran ist voll- 
endet. Die einzelnen Divertikelsind theilweise in das Darmlumen hineingeschoben 


Über die period. Abstoßung u. Neubild. d. ges. Mitteldarmepith. ete. 455 


worden. Dadurch ist der größere Theil der neuen Epithelzellen (vgl. Fig. 1 e) 
in das Darmlumen gelangt. 

Fig. 4. Die in das Darmlumen beförderten jungen Zellen haben sich be- 
reits zu einem einschichtigen Palissadenepithel angeordnet. Die letzten dieser 
Zellen finden sich noch im Halse der flaschenförmigen Divertikel. Sie heben 
sich in tingirten Präparaten von den jungen Zellen der rächsten Gene- 
ration (vgl. Fig. 15) durch dunklere Färbung ab. Die äußere Längsmusku- 
latur liegt schon wieder zwischen den Divertikeln. Bei diesem Schnitte, 
welcher durch den vorderen Theil des Mitteldarmes geführt wurde, ist der 
abgehobene Strang des alten Epithels nicht getroffen, weil dieser bald nach 
seiner Loslösung durch peristaltische Bewegungen des Darmes nach hinten ge- 
schoben, oft auch geknickt wird. 

Fig. 5. Die letzten Zellen, welche zur Auskleidung des Darmrohres be- 
stimmt sind, haben sich in der Divertikelmündung zu einem Pfropfen zu- 
sammengedrängt. Damit sind die Lumina der Divertikel wieder von dem 
eigentlichen Darmlumen abgesperrt. Das alte Epithel, welches allmählich resor- 
birt wird, ist auf diesem Schnitte getroffen. 

Fig. 6. Querschnitt durch den Mitteldarm von Hydrobius fuscipes (Imago). 
Die hier wiedergegebene Entwicklungsphase entspricht vollständig derjenigen 
von Hydrophilus in Fig. 5. 


Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung 
bei niederen Thieren. 


IV. Die Sehorgane des Amphioxus. 
Von 
Dr. Richard Hesse, 


Privatdocenten der Zoologie in Tübingen. 


(Aus dem Zoologischen Institut zu Tübingen.) 


Mit Tafel XXIV. 


Die Beobachtungen, auf welche sich die folgenden Ausführungen 
sründen, wurden im Sommer dieses Jahres an der Zoologischen 
Station zu Neapel gemacht. Der Aufenthalt an dieser Pflegstätte 
unserer Wissenschaft wurde mir durch die Freigebigkeit der König]. 
Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ermöglicht. Ich 
benutze diese Gelegenheit, der hohen Akademie meinen tiefgefühlten 
Dank dafür auszusprechen. - 

Gelegentlich der Untersuchung eines jungen, noch ganz durch- 
sichtigen Amphioxus von etwa 1 cm Länge fiel es mir auf, dass die 
Pigmentanhäufungen im Rückenmark dieses Thieres aus einzelnen 
kleinen Pigmentflecken von etwa gleichem Umfang bestanden (Fig. 1). 
Nicht wenige von diesen zeigten eine deutlich halbmondförmige Ge- 
stalt, und ich wurde dadurch lebhaft an das Aussehen der Becher- 
augen bei den Turbellarien erinnert. Meine Vermuthung, es könnte 
sich Lier um ähnliche Organe handeln, wurde nur noch gestärkt, als 
ich eine bestimmte Anordnung dieser Haufen von Pigmentflecken er- 
kannte, in offenbarem Zusammenhange mit der Segmentirung. 

Die nähere Untersuchung dieser Gebilde auf Schnittreihen zeigte 
denn auch, dass meine Annahme richtig war: jeder einzelne Pigment- 
fleck stellt eine Pigmentschale aar, und in der Höhlung dieser Schale 
liegt stets eine Zelle, die sich nach der entgegengesetzten Seite in 


Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. IV. 457 


einen Nerven auszieht, ganz wie bei Planaria torva. Die Pigment- 
schalen selbst sind von wechselnder Gestalt und zeigen sich dem Be- 
schauer außerdem in sehr wechselnder Lage; daraus erklärt sich ihr 
ungleiches Aussehen. 


Die Pigmentflecke im Rückenmark sind schon lange- bekannt; aber nur 
wenige Forscher haben ihnen genaue Beachtung geschenkt. Goopsır’s (1) falsche 
Ansicht, dass ein Streifen schwarzen Pigments längs der Mitte der oberen 
Fläche des Rückenmarks verlaufe, wurde von JOHANNES MÜLLER (5) richtig 
gestellt. — STIEDA (12) sagt, die »Pigmentzellen« seien »beim lebenden Amphi- 
oxus ohne Zweifel« sternförmig; diese Angabe beruht aber, wenn ich den Text 
riehtig deute, nur auf einem Schluss, nicht auf Beobachtung; an Chromsäure- 
präparaten fand er die Zellen »immer rundlich, selten eckig<«; er hält sie für 
bindegewebig. — NüÜssLın (8) macht die Bemerkung, dass das Pigment hier 
sehr oft auf dem optischen Querschnitte halbmondförmig erscheine, >wohl 
desswegen, weil es in der bindegewebigen Umhüllung von Ganglienzellen ge- 
legen ist«. — Eine genauere Beachtung hat zuerst RoHon (11) diesen Pig- 
mentflecken geschenkt. Er untersuchte sie auf Zupfpräparaten, und kam zu 
der Ansicht, dass hier multipolare pigmentirte Zellen vorliegen, mit einer An- 
zahl feiner zerbrechlicher und einem dickeren Fortsatz; der unpigmentirte Kern 
sollte als lichter Hof in den Zellen hervortreten. RoHoN hatte offenbar die 
ganzen Becheraugen vor sich, hielt Pigmentbecher und Sehzelle zusammen für 
eine Zelle, und sah den Nervenfortsatz der Sehzelle als Hauptfortsatz dieser 
Zelle an. Das Bild auf Schnittpräparaten, wo das Pigment die Zelle nur ober- 
flächlich umgiebt, schreibt er dem Einfluss der Reagentien zu. Er hält diese 
pigmentirten Zellen für Ganglienzellen, aus denen ein Theil der vorderen 
'Spinalnervenwurzeln entspringen soll. — KRAUSE (4) verlegt das Pigment in 
die Epithelzellen des Centralkanals und glaubt in ihm eine chemische Grund- 
lage für die Lichtwahrnehmung (»Sehblau«) sehen zu dürfen, weil es sich in 
Kalilauge mit blauer Farbe löst. — Rerzıus (9) endlich glaubt zwei Arten 
solcher pigmentirter Zellen unterscheiden zu können: die einen senden ge- 
wöhnlich nach allen Richtungen feine schmale Fortsätze aus, die sich bald 
verlieren; die anderen lassen nur auf einer Seite des Zellkörpers einen oder 
zwei Fortsätze abgehen, die sich longitudinal umbiegen und weiter verlaufen. 
Die letzteren Zellen seien nervöser Natur. Ich kann in meinen Präparaten 
nichts entdecken, was zu einer solchen Unterscheidung veranlassen könnte. 

Technisches: Die untersuchten Thiere waren in Sublimat oder Subli- 
mat-Eisessig nach LAnG konservirt. Bezüglich der Färbung erhielt ich die 
besten Resultate mit der Eisen-Hämatoxylinfärbung nach BenpA’s Vorschrift. 


Die Vertheilung dieser Becheraugen, wie ich sie gleich 
nennen will, ist bei allen Exemplaren von Amphioxus, die ich unter- 
sucht habe, die gleiche. Sie liegen zu beiden Seiten und ventral 
vom Centralkanal des Rückenmarks, wie man auf Querschnitten 
(Fig. 3) sehen kann. In der Längsrichtung des Thieres sind sie zu 
Gruppen geordnet, die der Segmentirung entsprechen: sie beginnen in 
der Höhe des dritten Muskelsegments; diese erste segmentale Gruppe 
besteht jederseits aus nur zwei Augen (Fig. 2). Vom vierten Segment 


458 Richard Hesse, 


ab sind die Augen viel zahlreicher, und es liegen in einer Gruppe 
jederseits etwa 25 Augen. Nach der Mitte zu nimmt die Zahl mehr 
und mehr ab und ist in der hinteren Körperhälfte viel geringer als 
in der vorderen; gegen das Schwanzende hin findet man häufig nur 
ein Auge in einem Segment, öfters gar keines. — Die segmentalen 
Gruppen sind durch Zwischenräume von einander getrennt, und bei 
jungen Thieren von etwa 1 em Länge sind die Becheraugen eines 
Segmentes nochmals in zwei Abtheilungen geschieden, so dass dort zwei 
Gruppen auf den Raum eines Segmentes kommen (Fig. 1). Bei 
jungen Thieren ist die Zahl der Augen für ein Segment geringer als 
bei erwachsenen. 

Sehr bemerkenswerth ist es, dass die Verschiebung der Seg- 
mente der rechten gegen die der linken Seite auch in der Anordnung 
der Augen ihren Ausdruck findet. Die Segmente der rechten Körper- 
nälfte sind gegen die der linken etwa um die Länge eines halben Seg- 
mentes nach hinten gerückt, und dem entsprechend liegt das vordere 
Auge der ersten rechten Augengruppe etwa in gleicher Höhe mit 
dem zweiten Auge der linken Gruppe, und auch die übrigen Augen- 
gruppen sind entsprechend gegen einander verschoben. Fig. 2 zeigt 
dieses Verhältnis für das 3., 4. und 5. Segment. 

Verfolgt man die Anordnung der Augen auf Querschnitten, so 
fällt es auf, dass die unter dem Centralkanal gelegenen Becheraugen 
stets nach unten sehen; die der linken Seite kehren ihre Becher- 
öffnung nach oben, die der rechten Seite nach unter (Fig. 3, 4a 
und 45). Während aber die Pigmentbecher der ersteren symme- 
trisch gebaut sind, ist bei denen der seitlich vom Centralkanal ge- 
legenen Augen die eine Becherwandung höher als die andere, und 
zwar jedes Mal die der linken Seite zugekehrte, also bei den linken 
Becheraugen die äußere, bei den rechten die innere; daher ist die 
Öffnung des Pigmentbechers bei den linken nach rechts oben, bei 
den rechten nach rechts unten gerichtet. Auch ein horizontaler 
Längsschnitt (Fig. 7) zeigt, wie sehr die Richtung der Augen nach 
rechts überwiegt. Ausnahmslos ist diese Art der Anordnung frei- 
lich nicht; es finden sich auch nach links hin geöffnete Augen; doch 
ist ihre Zahl nicht beträchtlich; gleich im 3. Segmente fand ich die 
Augen beiderseits nach außen und genau seitlich gerichtet. — Liegen 
auf einem Querschnitt zwei Becheraugen auf einer Seite neben 
einander (Fig. 4a und 5), so liegt stets das proximale mehr gegen 
die Bauchseite zu. Aus all diesen Verhältnissen geht hervor, dass 
die Augen für eine Beleuchtung von der rechten Seite her 


Unters. über die Organe der Licehtempfindung bei nied. Thieren. IV. 459 


eingerichtet sind. Lichtstrahlen, die das Thier von der linken 
Seite treffen, müssen für viel weniger Sehzellen wahrnehmbar sein; 
von den meisten werden sie durch die links on höheren Pig- 
mentwände des Bechers abgehalten. 

Sicherlich ist es höchst merkwürdig, dass bei einer allgemeinen 
Symmetrie in der Lage der Becheraugen — zu beiden Seiten und 
unterhalb des Centralkanals — durch die .Anordnung der Blend- 
vorrichtungen eine Asymmetrie herbeigeführt wird derart, dass die 
eine Seite für die Lichtwahrnehmung besonders begünstigt wird. Es 
drängt sich der Gedanke auf, diese Asymmetrie sei eine Folge 
davon, dass der Amphioxus, wenn er auf dem Sande ruht, stets auf 
einer Seite liege, in diesem Falle also auf der linken. Die Wande- 
rung der Augen bei den Schollen wird ja durch die gleiche Ursache 
veranlasst. Die Zählungen jedoch, die Herr Dr. List in Neapel 
freundlichst für mich ausführte, bestätigen diese Annahme nicht; er 
fand, dass bei den Thieren, die über Nacht in einem Becken unter- 
gebracht waren, 33 auf der rechten, 27 auf der linken Seite lagen; 
andere Zählungen ergaben 11 auf der rechten und 11 auf der linken 
oder 13 auf der rechten und 14 auf der linken Seite. Es wird also 
keine Seite vor der anderen bevorzugt. — Ein Zusammenhang zwischen 
der asymmetrischen Anordnung der Augen und den Lebensgewohn- 
heiten lässt sich also beim Amphioxus vorerst nicht erkennen. 

Die unverändert symmetrische Lage der unter dem Central- 
kanal gelegenen Augen muss zunächst überraschen. Doch wird sie 
erklärlich dadurch, dass für diese Augen eine besondere Verwendung 
wahrscheinlich ist: wenn der Amphioxus im Sande vergraben liegt, 
kehrt er die Bauchseite mit dem ventral gelegenen Munde nach oben. 
Einmal wird nun durch dünne Lagen von Sand das Licht eindringen; 
dann aber streckt auch das Thier sein Vorderende bisweilen etwas 
aus dem Sande hervor, wie ich wenigstens an den in einem Gefäße 
gehaltenen Stücken beobachten konnte. Bei dieser Lage mit aufwärts 
gekehrter Bauchfläche werden die iventrad gerichteten Augen voll 
vom Lichte getroffen. 

Eine genaue histologische Untersuchung der Pigmentbecher 


‚und der zugehörigen Sehzellen zeigt Folgendes: der Pigmentbecher 


besteht, wie bei vielen Planarien, aus einer Zelle; diese ist schalen- 
förmisg gewölbt und ihr ganzer Körper ist dieht mit schwarzbraunen 
Körnchen erfüllt. Der Kern ist nicht immer deutlich zu sehen, doch 
beobachtete ich ihn hin und wieder (Fig 6 und 7 p%): er ist pigment- 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIT. Bd. 30 


460 ek Richard Hesse, 


frei, liegt an der konvexen Seite des Pigmentbechers und bewirkt 
dort eine geringe Vorwölbung des Zellrandes. | 

Die Sehzelle füllt mit ihrem einen Theil den Hohlraum der 
Pigmentschale aus; der andere Theil liegt außerhalb der Schale. Der 
erstere entspricht in seiner Gestalt den Formen der Pigmentschale. 
Der letztere stellt etwa einen geraden oder schiefen Kegel vor und 
zieht sich in einen Nervenfortsatz aus, der sich häufig eine Strecke 
weit zwischen die Fasern des Rückenmarks verfolgen lässt; außer- 
dem erscheinen hier vereinzelt am Zellkörper Zacken oder Ecken, 
und man könnte vermuthen, dass von diesen feine Fasern ausgingen 
wie bei multipolaren Ganglienzellen; doch konnte ich nie solche 
Fortsätze mit Sicherheit beobachten. In dem außerhalb des Pig- 
mentbechers gelegenen Abschnitt liegt auch der mittelgroße kuglige 
Zellkern, meist nahe an der Abgangsstelle des Nervenfortsatzes. 

So weit die Sehzelle vom Pigmentbecher umschlossen ist, erscheint 
ihr Rand auf Schnitten dunkler gefärbt; bei genauem Zusehen er- 
sjebt sich, dass hier das Plasma in kleinen Stiftehen angeordnet 
ist, die dicht neben einander senkrecht zur Zelloberfläche stehen; hier 
und da kann man auch sehen, dass die Stiftchen sich in ein feinstes 
Fäserchen fortsetzen, das sich aber schnell im Fasergewirr des 
Zellleibes verliert. Dieser Stiftehensaum schließt sich nicht eng an 
die Wand des Pigmentbechers an, es findet sich vielmehr stets ein 
schmaler heller Zwischenraum zwischen beiden, und dieser erscheint 
nicht selten ausgefüllt mit feinen hellen Fäserchen, die in der 
Verlängerung der Stiftehen zu stehen scheinen. Es wäre nicht un- 
denkbar, dass dieser Raum durch Schrumpfung der Sehzelle ent- 
standen ist, und dass die Fäserchen dann auch nichts weiter als 
Kunstprodukte wären. Jedoch Bilder, wie das in Fig. 85 wieder- 
gegebene, sprechen wohl gegen diese Auffassung; denn wäre der 
gleichmäßig breite helle Raum an der Innenwand des Pigmentbechers 
durch Schrumpfung entstanden, so müsste der schmale, dem Becher- 
srund zunächst gelegene Theil der Sehzelle verhältnismäßig viel mehr 
geschrumpft sein als der breitere, der nahe der Becheröffnung liest, 
und das ist unwahrscheinlich. 

Maße: Die Becheröffnung eines Auges aus dem dritten Segment misst 
im Lichten 14,5 u, die Tiefe des Bechers beträgt 6 «u, der Durchmesser des 


Kernes 5,3 u. Bei den unter dem Centralkanal des Rückenmarks gelegenen 
Augen sind die Ausmaße des Pigmentbechers noch ein wenig größer. 


Die eben beschriebenen Organe gleichen ihrem Bau nach durch- 
aus den Augen von Planaria torva: eine nach der einen Seite in 


Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. IV. 461 


einen Nervenfortsatz ausgezogene Zelle ist mit ihrem anderen Theile 
in einem einzelligen Pigmentbecher geborgen; sie trägt, so weit sie im 
Pigmentbecher steckt, einen Stiftchensaum. Wenn hier die Stiftehen, 
wie es scheint, noch in ein helles Fäserchen verlängert sind, so ließe 
sich das mit den Verhältnissen bei Drepanophorus vergleichen, wo 
die stark färbbaren »inneren Stiftehen« sich ebenfalls noch in helle 
äußere Stiftehen« fortsetzen, wie ich (2) es beschrieben habe. 

Man kann bei so weitgehender Ähnlichkeit im Bau unbedenk- 
lieh die gleiche Funktion für beide Organe annehmen, und so die 
»Pigmentflecken« im Rückenmark von Amphioxus für Becheraugen 
erklären. Dies um so mehr, als Augen von ähnlichem Bau außer- 
ordentlich weit verbreitet in der Thierreihe vorkommen: sie finden 
sich außer bei den Plathelminthen auch im Gehirn und unter der 
Epidermis zahlreicher Polychäten und bei den Trochophoralarven; 
wahrscheinlich sind auch die Augen der Räderthiere und Nematoden 
hierher zu rechnen. 


Der Pigmentfleck, der am Vorderende des centralen Nervensystems des 
Amphioxus gelegen ist, wurde früher vielfach als Auge angesehen, und auch 
jetzt noch findet sich diese Angabe in den Lehrbüchern. Doch ist durch 
Nüsstın (8), RoHon (11) und Konr (3) die Unhaltbarkeit einer solchen An- 
nahme zur Genüge dargethan. Ein Gebilde, das sich mit einem Becherauge 
vergleichen ließe, konnte ich an dieser Stelle nicht finden. 


Die physiologischen Versuche über die Lichtempfindlichkeit von 
Amphioxus können die obigen Ergebnisse der morphologischen Unter- 
suchung nur bestätigen. Solche Versuche wurden zunächst von 
NüssLın (8) und Anderen vorgenommen; die zahlreichsten hat NAGEL 
(7) angestellt, und ich bin bei meiner Nachuntersuchung fast in allen 
Punkten zu den gleichen Ergebnissen gekommen. Wenn man ein 
Gefäß, in dem sich eine Anzahl Amphioxus befinden, durch einen 
undurchsichtigen Deckel verdunkelt und nach einiger Zeit den Deckel 
abhebt, so dass das diffuse Tageslicht auf die Thiere einwirkt, so 
fahren diese unter heftiger Bewegung aus ihrer Ruhelage auf und 
schwimmen lebhaft herum; Kontrollversuche zeigen, dass dies nicht 
etwa durch eine Erschütterung bewirkt wird. Daraus geht sicher 
hervor, dass Amphioxus überhaupt lichtempfindlich ist. Dieselbe 
Wirkung tritt ein, wenn man den beschriebenen Versuch mit Thieren 
macht, denen das Vorderende einige Millimeter weit abgeschnitten 


ist; es muss sich also in dem kopflosen Rumpf noch Lichtwahr- 


nehmung finden. NAGEL giebt ferner an, dass von halbirten Lanzett- 
fischcehen beide Hälften noch prompt auf Lichtreiz reagiren. Bei 
30* 


462 Richard Hesse, 


meinen Versuchen sah ich nur die Vorderenden bei Belichtung _ 
krampfhafte zitternde Bewegungen ausführen, die Hinterenden da- 
segen blieben ruhig liegen. Es liegt mir fern, auf Grund hiervon 
NAGEL’s Angabe zu bezweifeln; kleine Ungleichheiten, etwa in der 
Frische der verwendeten Thiere, können die Verschiedenheit des Er- 
folges bewirkt haben. Jedenfalls geht aus meinen Versuchen hervor, 
dass bei den hinteren Hälften die Reaktion auf Lichtreiz viel 
schwächer sein muss. Alle diese Versuche finden in den angeführten 
morphologischen Befunden ihre hinreichende Erklärung, der letztere 
speciell darin, dass in der hinteren Hälfte des Thieres die Zahl der 
Augenpunkte bei Weitem geringer ist als in der vorderen. 

Mit der Auffindung von Becheraugen im Rückenmark von Am- 
phioxus sind natürlich alle früheren Hypothesen über das Zustande- 
kommen der Lichtempfindung bei diesem Thiere hinfällig geworden: 
NüssLin’s (8) mit viel Zurückhaltung vorgetragene Ansicht, »dass 
wir in dem differenzirten Nervenendapparat der Kopfflosse den Sitz 
für die... Lichtempfindung zu suchen haben«, besteht eben so wenig 
zu Recht, wie W. Krause’s (4) allzu kühne Hypothese, dass der 
»in den Epithelien des Centralkanals« enthaltene Farbstoff ein » Seh- 
blau« vorstelle, oder wie NAger’s (7) Panacee, die Annahme von 
Wechselsinnesorganen. 

Freilich ist mit unserem Befunde auch die Hoffnung geschwun- 
den, beim Amphioxus ein Sehorgan zu entdecken, das sich mit dem 
Wirbelthierauge homologisiren ließe. Eine phylogenetische Bedeu- 
tung dieser Becheraugen lässt sich einstweilen nicht erkennen. Jeden- 
falls ist es von Interesse, dass die Sehorgane bei diesem Thiere im 
centralen Nervensystem liegen, wo sie bei den Vorfahren der Verte- 
braten auch gelegen haben müssen. Die weite Verbreitung dieser Art 
von Becheraugen, wie wir sie hier finden, regt allerdings zu mancherlei 
Überlegungen an; ich muss mir dieselben aber bis zum Schlusskapitel 
dieser Aufsatzreihe aufsparen !. 


1 Ich möchte nicht versäumen, ein Versehen gut zu machen, das mir im 
dritten Theile dieser Reihe von Untersuchungen (Über die Augen der Hiru- 
dineen, diese Zeitschr. Bd. LXII, 1897) untergelaufen ist. Ich habe dort über- 
sehen, dass APATHY in seinem Vortrag auf dem Leydener Zoologenkongress 
(Compte rendu dieses Kongresses p. 132 ff.) die nervöse Natur der »großen 
hellen Zellen« des Hirudineenauges in zweifelloser Weise dargethan hat; er giebt 
dort zugleich Andeutungen über den feineren Bau dieser Zellen, insbesondere 
über das Verhalten der »nervösen Primitivfibrillen< in denselben, die weit über 
das hinausgehen, was ich über die Histologie dieser Gebilde beibringen konnte. 


Do 
- 


159) 


m 


Ir 


Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. IV. 463 


Verzeichnis der angeführten Werke, 


J. GOODSIR, On the Anatomy of Amphioxus lanceolatus. in: Transactions 
of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XV, pars I. 1841, 

R. Hesse, Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei nie- 
deren Thieren. II. Die Augen der Plathelminthen. Diese Zeitschr. 
Bd. LXII. 1897. 

€. Konut, Einige Bemerkungen über Sinnesorgane des Amphioxus lanceo- 
latus. in: Zool. Anzeiger, 13. Jahrg. 1890. Nr. 332. 

W. Krause, Die Retina. II. Die Retina der Fische. — Amphioxus lan- 
ceolatus. in: Internat. Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. 
Bd. V. 1888. 

Jos. MÜLLER, Über den Bau und die Lebenserscheinungen des Branchio- 
stoma lubrieum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. in: Abhand- 
lungen der königl. Akad. der Wissensch. zu Berlin, aus dem Jahre 
1842. 

W. MÜLLER, Über die Stammesentwicklung des Sehorgans der Wirbelthiere. 
in: Beiträge zur Anatomie und Physiologie als Festgabe für C. Lupwig. 
1874. 

W. NAGEL, Der Lichtsinn augenloser Thiere. 1896. 

O0. NüssLın, Zur Kritik des Amphioxusauges. Diss. Tübingen 1877. 

G. Retzıus, Biologische Untersuchungen. Neue Folge. Bd. II. 1891. 

E. RoupE, Histologische Untersuchungen über das Nervensystem von 
Amphioxus lanceolatus. in: Zoolog. Beiträge, herausg. von SCHNEIDER. 
Bd. I. 


11. J. V. RoHoN, Untersuchungen über Amphioxus lanceolatus. in: Denk- 
schriften d. kais. Akad. d. Wissensch. Wien 1882. 

12. L. STIEDA, Studien über Amphioxus lanceolatus. in: M&moires de l’Acad. 
de St. Petersbourg. VII. Serie. Tome XIX. No. 7. 1873. 

Erklärung der Abbildungen. 

ch, Chorda dorsalis; r, rechts; ' 

ck, Centralkanal des Rückenmarks; rm, Rückenmark; 

h, hinten; sti, Stiftehenbesatz; 

l, links; v, VOLn; 

pk, Kern des Pigmentbechers; III, IV, V, 3., 4., 5. Muskelsegment. 


Tafel XXIV. 
Fig. 1. Pigmentflecke im Vorderende des Rückenmarks bei einem jungen 


(8 mm langen) Amphioxus, über und vor den Kiemenspalten. Vergr. 300fach. 


. Fig. 2. Horizontaler Längsschnitt durch das Vorderende eines erwachsenen 


464 Richard Hesse, Unters. über die Organe der Lichtempfindung ete. IV. 


Amphioxus, das Rückenmark mit den Becheraugen im IIZ., IV. und V. Seg- 
ment zeigend. Aus einer Anzahl auf einander folgender Schnitte kombinirt. 
Vergr. 90fach. 

Fig. 3. Querschnitt durch das Rückenmark von Amphioxus, in der Gegend 
des fünften Segments. Vergr. 250fach. 

Fig. 4a und d. Theile eines Schnittes wie voriger, die Anordnung der 
Augen um den Centralkanal des Rückenmarks zeigend. Vergr. 350fach. 

Fig. 5. Unterer Theil eines dorsoventralen Längsschnittes durch das 
Rückenmark von Amphioxus, seitlich vom Centralkanal. Vergr. 350fach. 

Fig. 6. Unterer Theil eines dorsoventralen Längsschnittes durch das 
Rückenmark von Amphioxus, den Centralkanal treffend. Vergr. 350fach. 

Fig. 7. Horizontaler Längsschnitt durch das Rückenmark von Amphi- 
oxus, den Centralkanal und die seitlich von ihm gelegenen Augen zeigend. 
Vergr. 400fach. 

Fig. 8a und 5b. Schnitte durch Augen von Amphioxus lanceolatus; «a, durch 
ein unter dem Centralkanal gelegenes, 5, durch ein seitlich vom Centralkanal 
zelegenes Auge. Vergr. S00fach. 


Zur Systematik der Hydroiden. 
Von | 


Kristine Bonnevie 


Christiania. 


Mit Tafel XXV—XXVII und einer Figur im Text. 


Im Sommer 1896 wurde mir aufgetragen das Material von Hy- 
droiden zu untersuchen, welches von der norwegischen Nordmeer- 
Expedition heimgebracht war. Diese Untersuchung ist jetzt in Betreff 
der athekaten Hydroiden zu Ende gebracht worden. Zum Vergleich 
und zur Hilfe bei der Bestimmung ist mir von Prof. CoLLETT die Samm- 
lung von Hydroiden, die der Universität in Christiania gehört, über- 
lassen worden, und ich habe theils in dieser, theils und besonders 
unter den Hydroiden der Nordmeer-Expedition Arten gefunden, die 
früher nicht beschrieben sind. Einige derselben besitzen Eigenthümlich- 
keiten, welche von Bedeutung für die Systematik der Hydroiden sind, 
und ich halte es desshalb für geboten, eine vorläufige Mittheilung über 
diese neuen athekaten Hydroiden zu geben, noch ehe der gesammte 
Bericht über die Hydroiden der Nordmeer-Expedition vorliegt. 

Ehe ich zur Beschreibung der Arten übergehe, schicke ich einige 
Bemerkungen über die Systematik der Hydroiden und über das Prineip, 
das ich bei der Darstellung zu befolgen für geboten erachte, voraus. 

Ein ganz genügendes System der Hydromedusen ist wohl kaum 
aufstellbar, so lange unsere Kenntnis vom Lebenscyklus der einzelnen 
Arten so unvollständig ist, wie es jetzt der Fall ist; denn wenn 
das System ein wirklich natürliches werden soll, das auf mehr als auf 
einzelne äußere Kennzeichen gebaut ist, so muss vor Allem Rück- 
sicht auf die komparative Anatomie gefordert werden, und es folgt 
- von selbst, dass eine solche schwerlich genommen werden kann, 
wenn man von vielen Arten nur die eine der zwei Formen, Polypen 
oder Meduse, worunter sie auftreten, kennt. 


Kristine Bonnevie, 


Die Aufgabe wird leichter bei denjenigen Arten, deren Gono- 
phoren sich nicht zu freien Medusen entwickeln, und es ist allmählich 
das Prineip bei den Klassifikationen geltend gemacht worden, dass 
in jeder größeren Gruppe eine scharfe Grenze gezogen wird zwi- 
schen solchen Arten, die sessile Gonophoren haben, und solchen, 
deren Gonosom eine freie Meduse ist. 

Aus dem Material, das ich für meine Untersuchung über die 
athekaten Hydroiden benutzt habe, habe ich einige neue Arten der 
Tubularidae und Corymorphidae gefunden und die Eigenthümlich- 
keiten dieser Arten liegen wesentlich im Bau der Gonophoren. 

Wenn ich sie mit den früher bekannten zusammenstelle, so 
zeigt es sich, dass es unter den Tubulariden Arten giebt, deren 
Gonosome sind: 1) Gonophor ohne Radialkanäle, 2) Gonophor mit 
einem, zwei, vier oder mit einer variirenden Anzahl von Radial- 
kanälen, 3) freie Medusen mit vier Radialkanälen und einem Ten- 
takel und 4) freie Medusen mit vier Radialkanälen und vier Ten- 
takeln. 

Unter den Corymorphidae giebt es Arten, deren Gonosome 
sind: 1) eine einfache Ausstülpung des Ektoderms und Entoderms, 
2) eine neue Form von Gonophoren, wo die Generationselemente von 
einer ektodermalen und entodermalen Zellenschicht bedeckt sind, 3) ge- 
wöhnliche Gonophoren mit vier rudimentären Radialkanälen, 4) eine 
vollentwickelte Meduse, die sich nicht losreißt, 5) eine freie Meduse 
mit vier Radialkanälen und einem Tentakel und 6) eine freie Meduse 
mit vier Radialkanälen und vier Tentakeln. 

Dass es eine ganze Reihe verschiedener Formen von Gonophoren 
bei Arten giebt, deren Polypen sie unbedingt nahe zusammenstellen, 
deutet darauf hin, dass der Bau der Gonophoren nicht in erster 
Reihe zur Grundlage der Eintheilung gemacht werden kann. Es ist 
eine ganz willkürliche Grenze, die man zieht, wenn man eine eigene 
Familie aus den Arten bildet, welche freie Medusen haben, und alle 
die übrigen zu einer anderen zusammenrechnet. 

Von vergleichend-anatomischem Gesichtspunkte aus besteht kein 
srößerer Unterschied zwischen solch einer freien Meduse und einem 
medusoiden Gonophoren, dessen Gefäßsystem voll entwickelt ist, als 
zwischen diesem und einem solchen, der gar keine Radialkanäle 
besitzt. 

Acassız (1) hat dies gesehen und hat ein neues Genus für jede 
einzelne Form aufgestellt. AuLmAn (2) hat aber wieder dieselben 
zusammengestellt und nur den früher erwähnten Unterschied zwischen 


Zur Systematik der Hydroiden. 467 


Hydroiden mit freien Medusen einerseits und Hydroiden mit sessilen 
Gonophoren andererseits beibehalten. 

. Später (4) hat Aruman die athekaten Hydroiden nach einem 
neuen Prineip eingetheilt, indem er in erster Reihe berücksichtigt, 
ob der Polyp allein oder in Kolonien vorkommt, und ob der Perisark 
von einer Coenosarkschicht bedeckt ist oder nicht. Diesen Ver- 
hältnissen gemäß theilt er sie in Legionen ein, die mehrere Familien 
umschließen. Innerhalb der Familien hat er zum Theil sein früheres 
Prineip verlassen, indem er z. B. Tubularia mit sessilen Gono- 
phoren und Hybocodon, deren Gonophore sich zu freien Medusen 
entwickeln, zu einer Familie, den Tubularidae, vereinigt. 

Dieses sein neues System ist meiner Meinung nach keine Ver- 
besserung in der Klassifikation der Hydroiden; es bringt sehr nahe- 
stehende Arten, wie z. B. Tubularia und Corymorpha in verschie- 
dene Legionen, während Arten, die so verschieden sind wie Clava, 
Coryne, Eudendrium und Tubularia zu einer gerechnet werden. 

LEvInsen (7) hat Einwendungen gegen ALLMAN’s System ge- 
macht und hat in Betreff der athekaten Hydroiden alle diejenigen, 
deren Tentakel in einem Kreise stehen, zu einer Familie, den Bougain- 
villidae, zusammengerechnet ohne Rücksicht auf ihre Gonophoren 
zu nehmen. 

Nach meiner früheren Erwähnung über den Bau der Gonophoren 
bei einander nahestehenden Polypen halte ich es für zweckmäßig 
in der Systematik der Hydroiden das Princip durchzuführen, 
welches LEVINSEN schon eingeführt hat, nämlich, dass man bei der 
grundlegenden Gruppirung in Familien ausschließlich auf 
die Form der Polypen Rücksicht nimmt. Dann kommt, in 
zweiter Reihe, bei der Eintheilung in Genera, der Bau des Gono- 
soms in Betracht — aber nicht in der Weise, dass die freien 
Medusen von den sessilen getrennt werden, sondern dass man 
die Formen zu verschiedenen Genera sondert, deren Gonophoren 
ihrer Anlage und ihrem inneren Baue nach verschieden 
sind, so z. B. Sporosac und Medusoid. 

Wenn ich jetzt dazu übergehe die bisher unbekannten Arten, 
die sich in meinem Materiale vorfanden, zu beschreiben, so geschieht 
das in dem Bewusstsein, dass die Beschreibung der verschiedenen 
Arten nicht gleich umfassend, und dass sie bei mehreren Arten 
leider ziemlich mangelhaft ist. Ich habe nämlich öfters nur ein 
Exemplar zur Verfügung gehabt, und dies oft sehr schlecht konservirt, 
und ich habe bei der Untersuchung jeder Art so viel oder so wenig 


468 Kristine Bonnevie, 


mitgenommen, als es mir zu beobachten möglich war, ohne einen 

bestimmten Plan durchzuführen. 

| Die neuen Arten der Nordmeer-Expedition werden im Bericht 
über die Hydroiden derselben eingehender behandelt. 


Verzeichnis über die unten beschriebenen neuen Genera und Species: 


Fam. Tubularidae. 


Gen. Tubularia Lin. Gen. Lampra n. gen. 
T. variabilis n. sp. L. Sarsii n. sp. 
T. asymmetrica n. sp. L. purpurea n. sp. 
T. obliqua n. sp. L. atlantica n. sp. 
T. eornucopia n. Sp. Gen. Gymnogonos n. gen. 


G. erassicornis n. Sp. 


Fam. Bougainvillidae. 


Gen. Eudendrium Ehrh. H. allmanii n. sp. 
E. stratum n. sp. H. ornata n. sp. 
E. planum n. sp. H. humilis n. sp. 

Gen. Hydractinia v. Ben. H. minuta n. sp. 


Fam. Myriothelidae. 
Gen. Myriothela Sars. 
M. mitra n. sp. M. verrucosa n. Sp. 
M. minuta n. sp. M. gigantea n. Sp. 


Fam. Corynidae. 
Gen. Coryne Gaertn. 
©. hincksii n. sp. ©. longicornis n. Sp. 


Ich habe mir erlaubt einige dieser Arten nach den Professoren 
ALLMAN, HIncKs und SArs zu benennen, deren ausgezeichnete Arbei- 
ten über die Hydroiden Jedem, welcher sich mit der Systematik dieser 
Gruppe zu befassen hat, von größtem Nutzen sind. 

Außer diesen neuen Arten erwähne ich noch folgende früher be- 
kannte Arten, zu deren Diagnosen ich einige Zusätze machen kann: 


Corymorpha glacialis Sars. Bougainvillia v. benedenii. 
C. sarsii Stenstr. (Syn. Eudendr. ramosum v. Ben.) 
Eudendrium annulatum Nor- Hydractina sarsii. 

man. Syn. Stylactis sarsii (Allm.). 
E. vaginatum Allm. Coryne ramosa Sars =(C. pu- 


silla Gaertner. 


Zur Systematik der Hydroiden. 469 


Fam. Tubularidae. 


Athekate Hydroiden mit wohl entwickeltem Hydro- 
caulus, mit einem Perisark bekleidet. Der Hydranth hat 
fadenförmige Tentakel in zwei Kreisen. Die Gonosome 
haben ihren Ursprung vom Hydranthen und bilden einen 
Kreis zwischen den zwei Reihen von Tentakeln. 

Nach obenstehender Diagnose umfassen die Tubularidae 
folgende der früher aufgestellten Familien!: Tubularidae, Corymor- 
phidae und Monocaulidae. Von diesen bleiben die zwei ersten als 
Genera bestehen, während die Monocaulidae unter der Gattung Cory- 
morpha rangiren. Zwei neue Genera habe ich für einige Arten 
aufgestellt, deren Gonophoren einen eigenthümlichen Bau besitzen. 
Dann enthält die Fam. Tubularidae vorläufig folgende vier Genera: 
Tubularia, Corymorpha, Lampra und Gymnogonos. 

Die drei ersten dieser Genera sind einander sehr ähnlich im 
Baue des Hydranthen, mit einem proximalen Kreis langer, einem 
distalen Kreis kurzer Tentakel und die Gonophoren in einem Kreis 
zwischen diesen angeordnet. Die Gonophoren treten in blasenähn- 
lichen Gruppen auf, rings um Stiele, die ganz dünn sind, oder ein 
größeres oder kleineres Lumen haben. 

Es zeigt sich durch das Vergleichen mit anderen Arten, dass 
diese Stiele der Gonophorenblasen umgebildete Blastostyle sind. 
Wenn man vom Blastostyl z. B. der Hydractinia ausgeht und dar- 


& 
E32 
Y 
© a2 
% % 
M S 
m 
Hydractinia. Myriothela. Lampra. Cory- Tubularia. 
morpha. 


auf die Gonophorengruppe der Myriothela, der Lampra, Cory- 
morpha und Tubularia betrachtet, so ergiebt sich deutlich, dass 
diese alle im Grunde dieselbe Bildung sind (siehe Fig. 1). 


ne In: derselben Bedeutung, die von ALLMAN in: »Rep. on the Hydroida 
dredged bv Challenger« angegeben ist. 


470 Kristine Bonnevie, 


Das vierte Genus unterscheidet sich von den übrigen nicht allein 
durch den Bau der Gonophoren, sondern auch dadurch, dass diese 
ihren Ursprung vom Hydranthen selbst ohne irgend eine Blastostyl- 
bildung haben, und weiter noch durch einige eigenthümliche Organe, 
die sich am Übergang zwischen dem Hydranthen und Hydrocaulus 
vorfinden — Organe, die auch bei Corymorpha annulicornis Sars 
vorkommen, welche aber, wie bekannt, sonst niemals bei Hydroiden 
beobachtet worden sind. 

Die zwei ersten Genera, Tubularia und Corymorpha haben 
medusoide Gonophoren, welche bei einigen Arten sich zu freien 
Medusen entwickeln, während die Gonophoren der Genera Lampra 
und Gymnogonos von einer eigenthümlichen Form sind. 

Vergleicht man einen Querschnitt vom Gonophor einer Lampra- 
Art mit einem ähnlichen Schnitt von Gonophoren der Corymorpha 
gSlacialis oder irgend einer anderen Hydroide mit medusoiden 
Gonophoren, so sieht man gleich einen wesentlichen Unterschied. 
Durch Verfolgung der verschiedenen Zellenschiehten, die an einem 
solchen Schnitt sichtbar sind, von innen nach außen, sieht man bei 
Corymorpha glacialis: zu innerst eine entodermale Zellen- 
schicht (Spadix) von einem Kreise mit Generationselementen 
umgeben. Darauf, nach einem Zwischenraum, zuerst eine ekto- 
dermale Schicht, dann eine oder zwei entodermale Schichten 
mit oder ohne Radialkanälen und schließlich wieder eine ektoder- 
male Zellenschicht. Dagegen findet man an Querschnitten von 
Gonophoren der Lampra nur folgende Zellenschichten: zu innerst 
Entoderm, dann Generationselemente, darauf ohne Zwi- 
schenraum eine entodermale und eine ektodermale Zellen- 
schicht. Gonophoren mit einer ähnlichen Entwicklung kommen bei 
Myriothela vor, und ALLman (3) hat sie bei diesem Genus be- 
schrieben und abgebildet. Er rechnet sie zu den »simple sporo- 
sacs«. Sowohl ihrer Anlage als ihrem Baue nach scheiden sie sich 
aber von diesen. Angelegt werden sie auf dieselbe Weise wie die 
medusoiden Gonophoren unter Entwicklung eines »Glockenkerns«. 
Statt aber das Entoderm vor sich her zu schieben, wodurch dieses 
sich einbuchtet und in einer doppelten Schicht zwischen die zwei 
ektodermalen Schichten zu liegen kommt, wandert der Glocken- 
kern in das Entoderm hinein. Auf diese Weise bleibt nur eine 
einfache Schicht des Entoderms zwischen den Ektodermschichten 
liegen. Während die eingewanderten Ektodermzellen (der Glocken- 
kern) im medusoiden Gonophor sich in zwei Schichten spalten, 


Zur Systematik der Hydroiden. 471 


von welchen die eine sich dicht an den Spadix anlegt und zum 
_ — Sitz der Generationselemente wird, während die andere die der 
- Subumbrella entsprechende Zellenschicht bildet, findet hier keine 
solche Spaltung statt; die eine Ektodermalschicht mit Generations- 
elementen füllt den ganzen Zwischenraum zwischen dem Spadix und 
der äußeren Wand des Gonophoren aus, und man findet in Folge 
dessen an Querschnitten die oben erwähnten Zellenschichten. 

Für Gonophoren dieses Baues schlage ich die Benennung pseu- 
domeduseid vor. 

Das vierte Genus Gymnogonos besitzt Gonophoren, die einen 
sehr primitiven Bau haben, denn sie bestehen nur in einer einfachen 
Ausbuchtung der ektodermalen und entodermalen Schichten des 
Hydranthen. Die Generationselemente werden hier im Ektoderm, 
wo sie ohne irgend eine andere Bedeckung als eine einfache Schicht 
Pflasterepithelzellen liegen, gebildet. Ich schlage für diese Form die 
Benennung styloide Gonophoren vor. 


Gen. Tubularia. 


Der Hydrocaulus mit cehitinösem Perisark bekleidet. 
Medusoide Gonophoren (theils freie Medusen) werden aus 
blasenähnlichen Blastostylen entwickelte Kommt in der 
Regel in Kolonien vor. 


Tubularia variabilis n. sp. (Taf. XXV, Fig. 12). 

Der Hydrocaulus besteht aus einer Vereinigung nicht ver- 
ästelter Tuben, die unten mit einander verflochten sind. Die Höhe 
ist ea. 15 cm, der Querschnitt der Tuben ist unten ca. 1 mm, wäh- 
rend sie am oberen Ende 2—3 mm im Querschnitt haben. Eine 
deutliche Längsstreifung wird an ihnen wahrgenommen. Ein Kragen 
wird am oberen Ende nicht gebildet. Die Hydrorhiza besteht aus 
einer verwickelten Masse stark verästelter Tuben. Der Hydranth 
hat ea. 30 proximale, 2 cm lange Tentakel, welche in einem Kreise 
stehen, während die distalen Tentakel in mehreren, nicht scharf ge- 
trennten Kreisen rings um den Mund aufsitzen. Dieselben sind 
ca. 3 mm lang. 

Gonophoren werden von .12—17 Blastostylen, die in einem 
Kreise oberhalb der proximalen Tentakel aufsitzen, entwickelt. Sie 
sind mit einer variirenden Anzahl von Radialkanälen und 

_ auswendig mit Rippen, die der Anzahl der Radialkanäle ent- 
sprechen, versehen. 


472 Kristine Bonnevie, 


Diese Art ist ihrem ganzen Baue nach T. indivisa ähnlich, 
trennt sich aber scharf von dieser durch den Bau der Gono- 
phoren. Diese haben ein sehr eigenthümliches Aussehen, denn 
sie besitzen auswendig einige schmale, hohe Kämme oder Rippen, 
welche sich in die Längsrichtung des Gonophoren erstrecken und 
an Höhe gegen dessen Spitze hin zunehmen. Hier fallen sie rings 
um den Punkt, wo der Gonophor sich später eröffnen wird, ziemlich 
schroff ab. 

Bei Untersuchungen an Schnittserien zeigt sich, dass sich inner- 
halb jeder Rippe ein Radialkanal befindet, und dass die Rippen 
durch eine ektodermale Verdickung außerhalb jedes dieser Kanäle 
gebildet werden. 

Im Gegensatz zu allen früher bekannten Tubularien ist die 
Anzahl der Radialkanäle bei dieser Art varıabel; in der näm- 
lichen Gonophorenblase habe ich Gonophoren mit 3, 5 und 6 Ra- 
dialkanälen, und eben so vielen äußeren Rippen wahrgenommen. 
Von diesen waren die zwei Gonophoren, welche 3—6 Radial- 
kanäle hatten, ungefähr gleich groß, während derjenige, der 
‘5 hatte, weiter entwickelt als diese zwei war. Es sieht also 
nicht so aus, als ob die Anzahl der Radialkanäle mit dem Alter 
der Gonophoren stiege. In jedem Gonophoren wird eine Actinula 
entwickelt. 

Diese Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 31. Juli 
1878 in 74°2’ N.B. und 20° 30’ Ö.L. in einer Tiefe von 165 m mit 
Temperatur 0,9° C. und 14. August 1878 in 79°59' N.B. und 
50° 40’ Ö.L. in einer Tiefe von 839 m mit Temperatur — 1°C. ge- 
funden. 


Tubularia asymmetriea n. sp. (Taf. XXV, Fig. 13—19). 


Der Hydrocaulus mit schwach ausgeprägter Längsstreifung; 
kein Kragen. Der Hydranth hat ca. 20 proximale, 3—4 cm lange 
Tentakel. Die distalen, 4—6 mm langen Tentakel stehen in mehre- 
ren Kreisen. 

Die Blastostyle, an Zahl S—16, sitzen in einem Kreise. Die 
Gonophoren haben drei rudimentäre Tentakel rings um die Öff- 
nung, welche eine schiefe Lage hat. Ein Radialkanal ist vollständig 
entwickelt, zwei andere rudimentär. 

Diese Tubularia ist wohl die größte der bisher bekannten 
Arten, und es muss wunderschön sein, sie im Leben ihre langen 
Tentakel ausbreiten und bewegen zu sehen. Die Exemplare, die 


Zur Systematik der Hydroiden. 473 


ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, sind beide an Röd- 
bjerget im »Trondhjemsfjord« gefunden. Keines von ihnen ist 
sanz vollständig, da der Stiel oberhalb des Befestigungspunktes ab- 
gerissen ist, wesshalb ich nicht über seinen unteren Verlauf urtheilen 
kann. Der Stiel hat in seinem oberen Theil einen Durchmesser von 
ca. 2 mm und verschmälert sich nach unten bis 1 mm. Die Längs- 
streifung des Stieles ist sehr schwach; an einem Exemplare über- 
haupt nicht wahrnehmbar. Die Breite des Hydranthen ist an dem 
srößten Exemplare an der Basis etwa über 1 cm; die proximalen 
Tentakel sind im Verhältnis zu diesen Dimensionen des Hydranthen 
sehr lang, die Spannweite des Thieres beträgt über die ausgespannten 
Tentakel hin 7—9 em. Auch die distalen Tentakel besitzen eine 
außerordentliche Länge, da sie ca. !/; der ganzen Höhe des Hydran- 
then einnehmen. Die Blastostyle zeigen keine regelmäßige Anordnung 
der Gonophoren, wie dies der Fall bei den meisten anderen Tubu- 
larien ist. Man findet hier kleine und große Gonophoren unter 
einander vor, und immer kleine an der Basis der großen. 

Das am meisten charakteristische Merkmal dieser Art ist der 
Bau ihrer Gonophoren. Diese sind nämlich ganz schief. Unten — 
nahe am proximalen Ende des Gonophoren — stehen drei Tuberkeln, 
deren einer in der Regel die übrigen an Größe übertrifft, und man 
kann auch ohne Schwierigkeit einen ziemlich breiten Kanal beob- 
achten, der sich von den untersten dieser Tuberkeln gegen die Basis 
der Gonophoren erstreckt. 

Durch Untersuchungen an Schnittserien und besonders durch 
Vergleichung mit jungen Stadien der Gonophoren, ergiebt sich, dass 
diese eigenthümliche Bildung auf dieselbe Weise angelegt wird und 
den Radialkanälen und Tentakeln der Medusen voliständig entspricht. 
Die erste Entwicklung der Gonophoren geschieht vollständig normal, 
durch Glockenkern, welcher sich auf gewöhnliche Weise am distalen 
Ende bildet, und durch Anlage von drei Radialkanälen. Während 
der späteren Entwicklung aber geht das Wachsthum schief vor sich, 
so dass die drei rudimentären Tentakel ein wenig auf der einen 
Seite aufzusitzen kommen. Die männlichen Gonophoren, welche be- 
deutend kleiner sind als die weiblichen, halten sich auf diesem 
Stadium, während bei den letzteren die Schiefheit weit ausgeprägter 
wird, indem der Sitz der Tentakel in der proximalen Hälfte des 
Gonophoren sich befindet. 

Wie vorhin erwähnt, kann man schon von außen den einen 
Radialkanal wahrnehmen, und an Schnitten zeigt er eine ganz außer- 


474 Kristine Bonnevie, 


ordentliche Entwicklung. Die zwei anderen dagegen, welche gleich- 
zeitig mit dem ersten angelegt wurden, verschwinden fast ganz 
während des Wachsthums des Gonophoren. Doch kann man sie an 
Schnitten sowohl dicht an den Tentakeln wie an der Basis des 
Gonophoren wahrnehmen. 

Eine andere Eigenthümlichkeit dieser Art ist, dass die zwei 
Geschlechter nicht nur in demselben Individuum, sondern auch in 
derselben Gonophorenblase vertreten sind. Die männlichen Gono- 
phoren sind kleiner und die Schiefheit ist bei ihnen nicht so ausge- 
prägt, wie bei den weiblichen Gonophoren, und alle drei Radialkanäle 
sind bei ersteren wenig hervortretend. 


Tubularia obliqua n. sp. 


Der Hydrocaulus besteht aus einer einfachen, ca. 15 em 
langen Tube, welche 1—1,5 mm im Durchmesser hat. Deutliche 
Längsstreifung; kein Kragen. Die Hydrorhiza verästelt. Der 
Hydranth hat ca. 20 proximale, 1 em lange, Tentakel. Distale 
Tentakel in mehreren dicht neben einander stehenden Kreisen. 
Gonophoren auf sechs Blastostylen, welche in einem Kreise 
aufsitzen und bis an die Spitze der distalen Tentakel hinanreichen. 
Ein Radialkanal ist im Gonophoren entwickelt, und endigt in einem 
Tentakel. 

Diese Tubularia lag in einem einzelnen Exemplare vor, welches 
bei Hammerfest während der Nordmeer-Expedition gefunden war. 
Der Stamm, der seine größte Dicke in der Mitte hat, ist mit Bryo- 
zoen und mehreren Arten kleinerer Hydroiden bewachsen; an den 
unbedeckten Stellen aber sieht man deutlich eine Längsstreifung. 
Die Gonophoren sitzen in dichten Blasen mit einer unregelmäßigen, 
etwas einseitigen Verästelung auf, und man nimmt gleich den einen 
kurzen und dieken Tentakel wahr, der ein wenig an der Seite des 
Gonophoren aufsitzt, doch immer nahe an der Spitze. 


Tubularia cornueopia n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 20). 


Der Hydrocaulus besteht aus einer einfachen, gebogenen, 11 
bis 12 cm langen Röhre, welche am oberen Ende 6 mm im Durch- 
messer hat und sich nach unten in eine feine Spitze verengt, mittels 
welcher die Röhre am Boden befestigt ist. Weder Ringe noch Strei- 
fung. Ein großer Kragen wird unter dem Hydranthen, welcher ca. 
30 proximale, 3 cm lange, in einem Kreise angeordnete Tentakel 
besitzt, gebildet. Der Durchmesser des Hydranthen ist am größten 


ee A 


Zur Systematik der Hydroiden. 475 


an der Mundöffnung, welche von ganz kurzen, distalen Tentakeln 
umgeben ist. 

Gonophoren auf ca. 12 eigenthümlich gebildeten Blastostylen 
sitzen in einem dichten Kreise innerhalb der proximalen Tentakel. 
Zwei Exemplare dieser Art lagen aus dem Materiale der Nordmeer- 
Expedition vor. Ihr Aussehen ist so eigenthümlich, und sie unter- 
scheiden sich in so vielen Punkten von den übrigen Tubulariden, 
dass sie möglicherweise berechtigt wären, eine Sonderstellung im 
System einzunehmen; da aber die Gonophoren nur als Anlage bei 
den zwei vorhandenen Exemplaren vorliegen, und man nichts über 
ihre weitere Entwicklung weiß, halte ich es für zweckmäßig, vor- 
läufig diese neue Art den anderen Tubularien beizufügen. 

Der Hydrocaulus ist blank und hornartig; er besitzt. am oberen 
Ende eine ziemliche Breite und endigt in einer Spitze, vermittels 
welcher er an der Unterlage befestigt ist. 

Oben endigt dies hornartige Rohr in einem dicken, 1 cm langen, 
durchscheinenden Kragen; und vom Boden dieses becherförmigen 
Kragens erhebt sich der Coenosark ohne irgend eine Bedeckung. 
Es ist ein scharfer Übergang zwischen diesem und dem Hydran- 
then, welcher in seiner Gestalt von den übrigen Tubularien ab- 
weicht. Statt wie bei den übrigen seine größte Breite in der Nähe 
der Basis zu baben, wo die proximalen Tentakel ihren Ursprung 
nehmen, erweitert er sich von hier immer mehr, bis sein Durch- 
messer zwischen den distalen Tentakeln ca. 1 cm erhält. 

Gerade innerhalb der proximalen Tentakel sitzt ein Kreis von 
kurzen Blastostylen, der so dicht ist, dass er wie ein Wulst mit 
sleichmäßiger Oberfläche aussieht. Die Blastostyle haben vier bis 
fünf kleine Zweige, deren jeder einzelne sich zu einem halbkugel- 
förmigen Körperchen ausbreitet, welches an seiner Oberfläche eine 
Menge kleiner Erhebungen trägt. Durch Untersuchung an Schnitten 
zeist sich, dass jede dieser Erhebungen die Anlage eines Gono- 
phoren ist. Sie stehen wie in einem Schirme, denn sie entspringen 
alle von demselben Punkte als Verzweigungen des gemeinsamen 
Stammes. Das kompakte Aussehen bekommt der Schirm dadurch, 
dass sich das Ektoderm verdichtet und den Raum zwischen den 
Zweigen ausfüllt, wodurch die Gonophoren als kleine Erhebungen 
aus diesem Ektodermkissen emporragen. Fast alle Gonophoren bei 


_ den von mir untersuchten Exemplaren sind sehr wenig entwickelt — 


zeigen sich nur als eine einfache Ausbuchtung des Entoderms und 
Ektoderms. Doch giebt es einige, deren Entwicklung weiter vor- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 31 


476 Kristine Bonnevie, 


gerückt ist; an diesen sieht man die Anlage des Glockenkerns, die 
in gewöhnlicher Weise geschieht. 

Prof. Sars hat während der Nordmeer-Expedition diese Hydroide 
nach einem lebenden Exemplar abgebildet; seiner Zeichnung nach 
ist die Farbe des Stammes ziemlich stark gelb, während der Hy- 
dranth tief roth ist. 

Diese Art wurde östlich von Spitzbergen ann den 10. Au- 
gust 1878 in 77°58’ N.B. und 5° 10° Ö.L. in einer Tiefe von 2438 m. 
mit Temperatur — 1,4° C. 


Gen. Corymorpha. 


Der Hydrocaulus von einem membranartigen Perisark 
bedeckt, dessen proximales Ende mit Haftfäden besetzt 
ist. Medusoide Gonophoren werden aus blasenförmigen 
Blastostylen entwickelt: Kommt einzeln vor. 

Neue Arten dieser Gattung kommen in meinem Material nicht 
vor. Ich habe aber Gelegenheit gehabt die Originalexemplare für 
M. Sars’ Beschreibungen der Cor. glacialis und Cor. sarsii, 
sammt mehreren Exemplaren dieser Arten zu beobachten, Thieren, 
welche später von den Professoren M. und G. O. Sars gefunden 
sind, die sie aber wahrscheinlich nicht untersucht haben; ich werde 
desshalb die früheren Beschreibungen davon mit einigen Bemerkungen 
ergänzen. 

Durch Untersuchungen an Schnitten durch Gonophoren bei 
Corymorpha glacialis fand ich, dass bei ihnen vier Radial- 
kanäle angelegt sind, deren-Lumen so verengt ist, dass es sehr 
schwer ist sie durch Untersuchungen der Gonophoren von außen 
her zu beobachten. 

Corymorpha sarsii Stenstr. besitzt Gonophoren, die eine 
interessante Übergangsform zwischen den gewöhnlichen, sessilen 
Gonophoren und den freien Medusen bilden. In Aurmans Dia- 
snose (2) dieser Art lässt er sie freie Medusen haben und es sieht so 
aus, als ob dies auch Sars’ Meinung wäre, obgleich er nie Gelegen- 
heit gehabt hat das Losreißen einer Meduse zu beobachten, 

M. Sars hat Exemplare aus verschiedenen Entwicklungsstufen 
untersucht, und er zeigt, wie das Manubrium während der Entwick- 
lung verhältnismäßig stärker wächst als die Glocke und bei dem 
größten von ihm untersuchten Exemplare gerade an den Rand der 
Glocke reicht. Noch größere Exemplare wurden im Sommer 1866 
von G. O. Sars beobachtet, und M. Sars beschrieb deren Manubrium - 


Zur Systematik der Hydroiden. 477 


als etwas länger als die Glocke, mit Eiern und Sperma in seinen 
Wänden. Schließlich sagt er: »Although, according to these obser- 
vations, some doubt might be entertained as to the gonozoids of the 
©. Sarsii ever becoming detached, seeing that they already produce 
ova and sperm while still attached to the parent animal yet their 
complete and medusa-like structure seems on the other hand to 
warrant the inference that they do really at last detach themselves 
from the parent animal and become free medusae.« 

Unter den vielen Exemplaren, die G. O. Sars bei Skraaven in 
Lofoten 1866 fand, habe ich einige gesehen, aus denen bestimmt 
zu schließen war, dass die Medusen sich nie losreißen werden. 
Bei ihnen hat das Manubrium eine Länge, welche wenigstens drei- 
mal so groß als diejenige der Glocke ist. Zu gleicher Zeit breitet 
es sich auch oberhalb des Randes der Glocke aus und drückt diese 
dadurch so zusammen, dass jede freie Bewegung der Glocke aus- 
seschlossen scheint. Letztere besitzt zahlreiche Querstreifen; ihre 
Zellstruktur ist sehr undeutlich, und es scheint überhaupt, als ob 
sie ihrer Auflösung entgegenginge, während das Manubrium eben 
seine volle Entwicklung mit reifen, in seinen Wänden eingeschlos- 
senen Generationselementen erreicht hat. Bei den Weibchen hat das 
Manubrium eine sehr unregelmäßige Form, weil die Eier sich als 
srößere oder kleinere Erhebungen an seiner Oberfläche zeigen. 


Lampra n. gen. 


Der Hydrocaulus ist mit einem membranartigen Peri- 
 sark bekleidet, dessen proximaler Theil mit Haftfäden 
besetzt ist; pseudomedusoide Gonophoren werden aus 
blasenförmigen Blastostylen entwickelt. Kommt einzeln 
vor. 

Einige Corymorpha-ähnliche Arten, die während der Nordmeer- 
Expedition gefunden wurden, nehme ich in dieses neue Genus auf, 
da sie sowohl ihrem Trophosom als Gonosom nach in wesentlichen 
Punkten sich von den übrigen Arten der Corymorpha trennen, 
und zugleich innere Übereinstimmung in denselben Punkten zeigen. 
Leider ist die Konservirung bei diesen Arten nicht so gut, dass die- 
selbe eine genauere Untersuchung über ihre Histologie gestattet. 
Vom Hydrocaulus ist in der Regel nur der dünne Perisark vorhanden, 
an dessen unterem Ende eine Menge feiner Fäden angeheftet sind — 
oft ist auch der Perisark verloren und nur der Hydranth oder Bruch- 
stücke desselben liegen vor. | 

31* 


478  Kristine Bonnevie, 


Die Farbe kann man ja in der Regel nicht als ein entscheidendes 
Merkmal betrachten, insbesondere wenn man nur über Spiritus- 
exemplare zu verfügen hat. Eben desshalb aber ist es mir sehr auf- 
fallend gewesen, dass die später zu erwähnenden Arten durch Farbe 
sich von den übrigen unterscheiden, obwohl sie alle ca. 20 Jahre in 
Spiritus gelegen haben. Sie haben nämlich nicht die gewöhnliche 
bleichgelbe, den meisten Spirituspräparaten zugehörige Farbe, sondern 
diese ist dunkel braunroth, und Zeichnungen, welche Prof. G. 0. 
SAars nach lebenden Exemplaren ausgeführt hat, zeigen, dass die- 
selben durch und durch brillant purpurfarbig waren. 

Das charakteristischste Merkmal der Gattung liegt jedoch im 
Bau ihrer Gonophoren (s. oben). 


Lampra sarsii n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 21). 


Der Hydrocaulus ist ca. 8 cm lang, 5—6 mm im Durchmesser 
am proximalen, 2—3 mm am distalen Ende. Längsstreifung ist wahr- 
nehmbar. Der Hydranth hat ca. 20 proximale, 18—20 mm lange, 
Tentakel und viele ganz kleine distale in mehreren Kreisen angeordnet. 

Zehn Blastostyle mit einem ziemlich großen Lumen stehen 
in einem Kreise, jeder mit ca. 10 am distalen Ende einen Tentakel 
tragenden Gonophoren. Mehrere Eier werden in jedem Gono- 
phor entwickelt. 

Prof. Sars hat diese Art in einem etwas vergrößerten Maßstabe 
nach lebenden Thieren abgebildet, und nach seiner Zeichnung eines 
Blastostyls sieht es aus, als ob die Eier den Genophor auf einem 
sehr frühen Stadium verlassen. .Der Gonophor öffnet sich am dista- 
len Ende an der Seite des Tentakels, und die Eier bleiben eine Zeit 
lang außen am Gonophor liegen, nachdem sie aus ihm ausge- 
treten sind. 

Die Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 8. August 
1877 in 67° 56’ N.B. und 4° 11’ Ö.L. in einer Tiefe von zZ m mit 
Temperatur — 1,28° C. gefunden. 


Lampra purpurea n. sp. 


Der Hydrocaulus ca. 10 em lang, am proximalen Ende etwas 
verdickt. Der Hydranth hat ca. 30 proximale, 3—4 cm lange, 
Tentakel; distale Tentakel sitzen in zwei dichten, wohl getrennten 
Kreisen auf. Die Blastostyle sind dünn, sehr lang (3>—4 cm) und 
mit Gonophoren dicht besetzt. Sie besitzen keine Tentakel. 

Von dieser Art, welche nach Prof. Sars’ Zeichnung, die im 


Zur Systematik der Hydroiden. 479 


Berieht über die Nordmeer-Expedition veröffentlicht werden . wird, 
eine außerordentlich prachtvolle Hydroide sein muss, liegen leider 
nur Fragmente vor: ein wenig von der Proboseis, etliche Blastostyle, 
Tentakel ete. — und selbst dies in so schlechtem Stande, dass es 
jede genauere Untersuchung ausschließt. 

Die Zeichnung zeigt jedoch deutlich genug mehrere Eigenthümlich- 
keiten dieser Art, so in erster Reihe die ungewöhnlich langen Blasto- 
style, welche fast die proximalen Tentakel an Länge übertreffen. 
Es sieht auch so aus, als ob der Übergang zwischen dem Hydro- 
caulus und Hydranthen fast unmerkbar ist. Das abgebildete Exemplar 
ist ein Männchen. Prof. Sars hat die Art »purpurea« getauft, weil 
sie alle übrigen Lampra-Arten an Farbenpracht übertrifft. 
Sie wurde während der Nordmeer-Expedition am 21. Juni 1877 
in 67°24 N.B., 8°58’ Ö.L. in einer Tiefe von 827 m mit Tempera- 
tur — 1° C. gefunden. 


Lampra atlantica n. sp. 


Der Hydrocaulus ca. S cm lang, fast gleich dick seiner ganzen 
Länge nach, ca. 5 mm im Diameter. Der Hydranth hat ca. 20, 
10—12 mm lange, proximale Tentakel; distale Tentakel in mehreren 
dichtgestellten Kreisen. Ca. 10, 4—5 mm lange, mit Gonophoren 
besetzte Blastostyle. Mehrere Eier werden in einem Gonophor 
entwickelt. 

In Betreff auf Größe und Aussehen ist diese Art Lampra sarsii 
sehr ähnlich, die Gonophoren aber haben keine Tentakel. 

Sie wurde den 18. Juli 1876 in 63°22' N.B. 5° 29’ Ö.L. in einer 
Tiefe von 2222 m mit Temperatur — 1,2° C. gefunden. 


Gymnogonos n. gen. 


Der Hydrocaulus von einem membranartigen Perisark 
bedeckt, an dessen proximalem Ende Haftfädchen befestigt 
sind. Ein Kreis von Papillen am Ubergang zwischen 
dem Hydrocaulus und Hydranthen. Styloide Gonophoren 
werden vom Hydranthen selbst entwickelt. Kommt ein- 
zeln vor. 

Ich glaube eine eigene Gattung aufstellen zu müssen für eine 
kleine Hydroide, welche bei Beian im Trondhjemsfjord gefunden ist 
und von welcher ein Exemplar aus der Universitätssammlung in 
Christiania vorlag. Dieselbe unterscheidet sich in wesentlichen 
Punkten von den übrigen Tubulariden aus. So weicht sie nicht 


480 ‘ Kristine Bonnevie, 


allein. im Bau der Gonophoren ab, sondern auch dadurch, dass letz- 
tere vom Hydranthen ohne irgend eine Blastostylbildung entwickelt 
werden, und auch durch den Besitz eigenthümlicher Organe am 
proximalen, stark verdiekten Theil des Hydranthen. 

Eine ähnliche Verdiekung dieses Theiles mit den nämlichen 
Papillen hat Prof. Sars früher bei Heterostephanus annulicornis 
Allm. (Corymorpha annulicornis Sars) beobachtet, und in seiner 
Beschreibung über diese Art sagt er darüber Folgendes: »On the 
lower part of the club, far below the circle of the long tentacles, 
and just where it goes over into the stem, there appeared 6—5 small 
shortly-eylindrical papillae situated all round in a single row.<« 

Abgesehen von diesem ist, so weit mir bekannt, nichts über 
diese eigenthümlichen Organe ausgesprochen worden, und ich theile 
desshalb die Resultate meiner Untersuchungen über dieselben mit. 

Da mein Material zu gering und zugleich schlecht konservirt 
gewesen ist, habe ich mich darauf beschränken müssen, so weit wie 
möglich über den Bau der Papillen ins Reine zu kommen, ohne Unter- 
suchungen über ihre Bedeutung als Organ bei den Hydroiden machen 
zu können. — Außer einem Exemplare dieser Art habe ich zur 
Untersuchung auch einige junge Exemplare der H. annulicornis 
benutzt, welche der zoologischen Sammlung der Universität in Christia- 
nia gehörten, da sich die Papillen dieser zwei Arten als vollständig 
von derselben Beschaffenheit erwiesen. 

Auf Querschnitten durch den proximalen Theil des Hydranthen 
beobachtet man in der Cuticula einige stark gefärbte Ringe, von denen 
jeder aus einer einfachen Schicht hoher Epithelzellen gebildet wird, 
in deren Mitte sich eine einzelne sehr große Zelle vorfindet. 

Die hohen, den Ring bildenden, Epithelzellen sind ektodermalen 
Ursprungs (Fig. 5, 6); sie haben ein stark körniges Protoplasma, wo- 
durch sie sich von den übrigen Fktodermzellen unterscheiden, wäh- 
rend die Kerne von gleichem Aussehen bei allen sind. Die große, 
den Ring ausfüllende Zelle stammt vom Entoderm her; man kann 
auf Serienschnitten diese großen, hellen Zellen verfolgen, welche sich 
auf den oberen Schnitten von der erwähnten Ektodermzellenschicht 
umgeben zeigen. Die Zellen dieser Schicht werden indessen nie- 
driger, je mehr man an den Hydranthen hinunter kommt, zuletzt 
verschwinden sie ganz, so dass nur eine eigenthümliche, ganz und 
gar kreisrunde Entodermzelle wahrzunehmen ist, die man immer 
näher am Entoderm sieht — endlich mitten in der Linie der Stütz- 
lamelle und auf deren anderen Seite im Entoderm selbst. 


Zur Systematik der Hydroiden. 481 


Auf Längsschnitten durch die Papillen sieht man diese als eine 
Ausbuchtung von umgebildeten Ektodermzellen, und das Lumen in 
dieser drüsenartigen Bucht von einer Reihe sehr großer Entoderm- 
zellen ausgefüllt. Das Protoplasma dieser Zellen ist vollständig 
klar, ungefärbt und mit einem großen, stark körnigen Kern ver- 
sehen. Außer dem Kern sieht man in der Mitte der meisten 
Zellen einige lichtbrechende, auch von Boraxkarmin nicht färbbare 
Punkte. 

Auf etlichen Querschnitten beobachtet man außerhalb der großen 
Entodermzelle auch einige kleinere, deren Oberfläche die ihrige be- 
rührt, und die sich zwischen die Ektodermzellen hineinerstrecken. 

Die Papillen erstrecken sich über das Ektoderm hinaus, das 
an dieser Partie des Hydranthen ziemlich dick ist und sich außen 
in der wohl entwickelten Cuticula in distaler Richtung abbiegt. Am 
äußeren Ende ist die Ektodermzellenschicht etwas niedriger als auf 
den Seiten der Papillen. | 

Die Funktion dieser Organe ist wahrscheinlich die, irgend ein 
Sekret zu produciren; da aber mein Material mir nicht erlaubt hat, 
Untersuchungen mit verschiedenen Färbemethoden zu machen, kann 
ich nichts über die Natur dieses Sekretes mittheilen. Die Organe 
können eigenthümliche Drüsen im Dienst der Verdauung sein, oder 
ihr Sekret ist möglicherweise dazu bestimmt, ausgeleert zu werden, 
um irgend einen Einfluss auf andere Thiere auszuüben, z. B. als ein 
Vertheiadigungsmittel gegen kriechende Feinde. 

Dafür, dass das Wirkungsfeld der Organe gegen die Außenwelt 
gerichtet ist, spricht ihre Lage im und mitunter ganz außerhalb des 
Ektoderms, sogar eben auch am Übergang zwischen dem Hydrocaulus 
und Hydranthen, und außerdem noch die Eigenschaft, dass die Ekto- 
dermzellen an der Spitze der Papillen ziemlich viel niedriger sind 
als an den Seiten, so dass es denkbar ist, die Ektodermbekleidung 
könne hier gesprengt und das Sekret ausgespritzt werden. 

Ohne eingehendere Untersuchungen über die Natur der Zellen 
und des Sekretes kann man nicht bestimmt über die Bedeutung des 
Organs im Leben der Hydroiden urtheilen. 


Gymnogonos crassicornis n. sp. (Taf. XXV, Fig. 1—11). 
Der Hydrocaulus gleich diek, ea. 2 mm im Durchmesser und 
15 mm lang. Der Hydranth hat 12 proximale, 3—4 mm lange, 
mit einem deutlichen Lumen versehene T'entakel, und distale Ten- 
takel in mehreren Kreisen. Papillen werden am proximalen Ende 


489 Kristine Bonnevie, 


des Hydranthen in mehreren nicht scharf getrennten Kreisen beob- 
achtet. 

Gonophoren sitzen zerstreut zwischen den zwei Reihen von 
Tentakeln. | 

Ein einzelnes Exemplar dieser kleinen Hydroide ist bei Beian 
an der Mündung des Trondhjemsfjords in einer Tiefe von 400 m 
gefunden. Ihr Hydrocaulus ist so stark gebogen, dass der Hydranth 
nach unten hinabhängt, und es ist ein vollständig ebener Übergang 
vom Hydrocaulus über die verdickte Partie des Hydranthen und 
weiter bis an die proximalen Tentakel, welche sich dem Hydranthen 
dieht anschließen, selbst wenn man den Hydrocaulus in der Weise 
aufrichtet, dass die Proboseis nach unten zeigt. 

Diese proximalen Tentakel sind dick und eylindrisch; auf Schnitten 
zeigen sie sich bis fast ganz an die Spitze hohl. An ihrer Ur- 
sprungsstelle stehen sie in ungemein fester Verbindung mit dem Hy- 
dranthen, indem ihre Anlage durch eine ekto- und entodermale Ein- 
buchtung zwischen den Tentakeln geschieht, und nicht, wie es 
sonst der Fall ist, dass sie sich da ausbuchten, wo die Ten- 
takel stehen sollen. 

In dieser Weise bilden die proximalen Tentakel eine dichte, 
schützende Schicht rings um die nackten Gonophoren. 


Fam. Bougainvillidae. 


Athekate Hydroiden mit fadenförmigen Tentakeln in 
einem Kreise um die Proboseis. 

Von dieser Familie sind in meinem Materiale die drei Genera 
vertreten: Eudendrium, Bougainvillia und Hydractinia, sämmt- 
liche mit neuen oder wenig bekannten Arten. 


Gen. Eudendrium Ehrenberg. 


Eudendrium annulatum, Norman (Taf. XXVI, Fig. 31 —33). 

(On undescribed British Hydr. Actin. and Pol.: Ann. and Mag. 1864.) 

Eine Kolonie von dieser Art lag aus der Sammlung in Christiania 
vor; und da dieselbe von männlichem Geschlecht war, kann ich 
mit einigen Bemerkungen über die männlichen Gonophoren NoR- 
MAN’S Beschreibung dieser Art vervollständigen. Die männlichen 
Gonophoren sind einkammerig mit einer starken Nesselbatterie in 
ihrem distalen Ende und sitzen in fast kugelförmigen Gruppen auf 
kurzen Stielen auf, die ungefähr einen rechten Winkel mit dem 
Mutterstiel bilden. Die Gonophoren werden im Kreis rings um das 


Zur Systematik der Hydroiden. 483 


Ende dieser Stiele (vollständig atrophirter Hydranthen) angelegt, 
allmählich aber nehmen sie an Anzahl zu und bilden somit die er- 
wähnten, kugelförmigen Gruppen, welche vollständig den obersten 
Theil der Stiele umhüllen. 


Eudendrium stratum n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 22—-24). 


Der Hydrocaulus ist unregelmäßig verästelt, ca. 10 cm hoch. 
Der Hauptstamm und die größeren Zweige bestehen aus mehreren 
setrennten Röhren, welche alle in einer gemeinsamen Haut ein- 
geschlossen sind. Hydranthentragende Zweige sitzen sowohl auf den 
Ästen als auf dem Hauptstamm auf. Ringe werden am Ursprung 
der Zweige — bisweilen auch anderswo — beobachtet. Die Winkel 
zwischen den Zweigen sind ziemlich groß — beinahe rechte. Die 
Hydranthen haben ca. 20 Tentakel. Die männlichen Gono- 
phoren sind dreikammerig und sitzen in einem Kreise rings um 
nieht atrophirte Hydranthen. 

Das wesentliche Merkmal dieser Art liegt in dem eigenthüm- 
lichen Überzuge des Stieles. Dieser hat eine ebene Oberfläche, an 
Spiritusexemplaren matt braun gefärbt, und folgt dem Hauptstamm 
und den größeren Zweigen ein wenig hinauf, worauf er plötzlich 
aufhört. Auf Schnitten durch den Stamm sieht man, wie diese 
Substanz den Zwischenraum zwischen den einzelnen je von einer 
Chitinhülle umgebenen Röhren ausfüllt und dieselben umgiebt. 

Die Hydranthen sind groß und prächtig, besonders wo sie von 
den dreikammerigen Gonophoren umgeben sind, welche in einem 
dichten Kreise ihre Außenseite bedecken. 

Zwei Exemplare dieser Art, welche aus der Sammlung der 
Universität in Christiania vorliegen, sind beide oberhalb der Wurzel 
abgerissen, so dass ich nichts über diese und den unteren Verlauf 
des Stieles sagen kann. 

Ihr Fundort ist unbekannt. 


Eudendelum planum n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 28—30). 


Der Hydrocaulus in einer Ebene unregelmäßig verzweigt, 
ca. Scm hoch, der Hauptstamm mit ca. 1 mm im Durchmesser. Die 
kleineren Zweige haben Ringe an ihrem Ursprung — zuweilen auch 
anderswo. Die Hydranthen klein. 

Die weiblichen Gonophoren sitzen in einem Kreise rings um 
die Spitze ganz kurzer Stiele (vollständig atrophirter Hydranthen) an- 
geordnet, welche fast senkrecht auf ihrem Mutterstiele stehen. 


484 Kristine Bonnevie, 


Eigenthümlich für diese Art ist die Ausbreitung der Zweigchen 
in nur einer Ebene und außerdem noch die Anordnung der weiblichen 
- Gonophoren, welche, statt wie bei den übrigen Arten zerstreut über 
einen Theil des Stieles aufzusitzen, hier vom Endpunkt des Stieles 
radiär ausgehen. 


Eudendrium vaginatum Allman (Taf. XXVL Fig. 24—26). 


Ein kleines aus der Sammlung vorliegendes Eudendrium muss 
am besten zu dieser Art, deren Trophosom von ALLMAN beschrieben 
ist, gerechnet werden. Er hatte nicht Gelegenheit sein Gonosom zu 
beschreiben, und die Bestimmung wird desshalb unsicher. Voraus- 
gesetzt aber, dass es dieselbe Art ist, kann ich über das Gonosom 
noch hinzufügen, dass die weiblichen Gonophoren radiär an 
der Basis von Hydranthen, die beinahe vollständig atrophirt sind, 
sitzen, indem nur ein Theil der Tentakel frei bleibt. 


Gen. Bougainvillia Lesson. 


Bougainvillia benedenii (Taf. XXVI, Fig. 34—35). 
Syn.: Eudendrium ramosum van Beneden. 


Der Hydrocaulus sehr viel und unregelmäßig verästelt, ca. 
3 cm hoch. Der Perisark undeutlich geringelt, erstreckt sich um 
den proximalen Theil des Hydranthen empor; ca. 12 Tentakel auf 
den Hydranthen aufsitzend. Lange, fadenförmige, von einem Peri- 
sark umgebene Anhänge gehen von dem Hydrocaulus. aus. 

Medusoide Gonophoren, welche sich zu freien Medusen ent- 
wickeln, sitzen an dem Hydrocaulus auf — proximal zu den nicht 
atrophirten Hydranthen. 

Bei Espev&zr außerhalb des Hardangerfjordg fand ich eine 
Bougainvillia, die vollständig mit van BENEDEN’s Eudendrium 
ramosum übereinstimmt. Die fadenförmigen Anhänge, die er ab- 
gebildet und im Text erwähnt hat, sind nicht von Parasiten herzu- 
leiten, sondern scheinen eine Eigenthümlichkeit bei der Art zu sein. 
Sie sind über die ganze Kolonie weit verbreitet; in der Regel ent- 
springt ein Faden gerade unten an jedem Hydranthen, sie entspringen 
aber auch von anderen Stellen des Hydrocaulus. 

Eine Verdickung dieser Fäden, die v. BENEDEN erwähnt, habe 
ich nicht gesehen, wie auch nicht seine »oeufs agglomeres«, und 
ich bin geneigt zu glauben, dass diese beiden Bildungen fremdem 
Einfluss zu verdanken sind. 


Zur Systematik der Hydroiden. 485 


Eigentlich sollte wohl diese Art den Namen B. ramosa Ben. 
beibehalten; da aber die andere gewöhnliche Art im Laufe der Jahre 
unter diesem Namen so wohl bekannt geworden ist, glaube ich 
weniger Verwirrung in die Benennungen hineinzuführen durch ein 
Ausziehen von v. BENEDEN’S E. ramosum aus der langen Reihe 
der Synomyme als durch eine Veränderung der Namen der übrigen. 


Gen. Hydractinia van Beneden. 


Zu diesem Genus rechne ich nach meinen obigen Auseinander- 
setzungen die Gruppen Hydractinia und Podoeoryne. Mit diesen 
unten zu beschreibenden neuen Arten erhält man innerhalb dieser 
Gattung eine ähnliche Reihe medusoider Gonophoren, wie die- 
jenigen, welche sich in den zwei Gattungen Tubularia und Cory- 
morpha vorfinden — von freien Medusen zu festsitzenden Gono- 
phoren ohne Radialkanäle. 


Hydraetinia allmanii n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 36—37). 


Hydranthen in ausgestrecktem Zustande 6—7 mm lang, mit 
variirender Anzahl von Tentakeln.. Gonophoren mit vier Radial- 
kanälen sitzen auf Blastostylen auf, die viel kleiner sind als die 
Hydranthen; in der Regel werden zwei Gonophoren auf jedem 
Blastostyle beobachtet, aber auf einer sehr ungleichen Entwicklungs- 
stufe. 

Diese Art steht als Zwischenglied zwischen den früher be- 
kannten Arten der Hydractinia und Podocoryne, indem die 
Gonophoren vier wohl entwickelte Radialkanäle haben, sich aber 
nicht zu freien Medusen entwickeln; ihre ganze innere Höhlung ist 
von Generationselementen ausgefüllt. 

Zwei Kolonien dieser Art (beide Geschlechter) wurden an ver- 
schiedenen Stellen während der Nordmeer-Expedition gefunden. Die 
eine (ein Weibchen) wurde den 22. Juli 1878 in 74° 54° N.B. und 


14°5' Ö.L. in einer Tiefe von 1203 m mit Temperatur — 1,23° C. 
sefunden. Die andere den 21. Juni 1877 in 67° 24’ N.B. und 8°58’O.L. 
in einer Tiefe von 827 m mit Temperatur — 1° C. 


Hydractinia ornata n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 41). 


Die Hydranthen in ausgestrecktem Zustande beinahe 1 cm 
_ lang, mit ca. zwölf Tentakeln. 

Die.Gonophoren sind verhältnismäßig groß, 1—2 mm lang, 
und sitzen auf sehr kleinen Blastostylen auf — nur einer auf 


486 Kristine Bonnevie, 


jedem derselben — welche sich unter diejenigen hinunterbiegen, so 
dass sie eine aufrechte Stellung bekommen. Sie haben vier von 
außen deutlich wahrnehmbare Radialkanäle, und am distalen Ende 
laufen diese Linien in einem viereckigen Schilde zusammen, welches 
in seiner Mitte eine weiße, vier-kleeblättrige Zeichnung trägt. 

Nach einer Zeichnung des Prof. G. O. Sars sind die Hydranthen 
dieser Art ziemlich dunkel gelbbraun, während die Gonophoren 
rosagefärbt mit dunkelbraunen Zeichnungen sind. 

Die Kolonie, über welche ich zu verfügen gehabt habe, ist ein 
Weibchen, und die Eier sind durch die Gonophorenwände als eine 
regelmäßige, sechseckige Mosaik wahrnehmbar. 

Die Hydranthen sind in hohem Grade kontraktil; man kann sie 
in einer Kolonie als tonnenförmige, — kaum über 1 mm lange — 
und fadenförmige bis auf 9—10 mm beobachten; ihre Proboseis kann 
sowohl konisch zugespitzt sein, als schalenförmig ausgebreitet, kurz, 
es giebt alle Übergänge in Form und Größe. 

Sie wurde während der Nordmeer-Expedition den 30. Juni 1878 
in 72°27’ N.B. und 35°1’ Ö.L. in einer Tiefe von 249 m mit Tem- 
peratur 0° C. gefunden. 


Hydraetinia sarsii Steenstrup (Taf. XXVI, Fig. 42). 
Syn. Podocoryne sarsii Stenstrup. 
Stylactis sarsii Allman. 

Ich habe Gelegenheit gehabt die Originalexemplare für M. 
Sars’ Beschreibung über Podocoryne carnea zu untersuchen; 
bei allen findet sich die krustenförmige Ausbreitung der aus zahl- 
reichen anastomosirenden Tuben bestehenden und von einer Coeno- 
sarkschicht bedeckten Hydrorhiza.. Unter dem Namen P. car- 
nea beschrieb Sars zuerst zwei verschiedene Arten, deren eine 
den Namen »sarsii« von STEENSTRUP bekam. Für diese letzte 
hat ALLMAN ein neues Genus, Stylactis, aufgestellt, voraussetzend, 
dass sie die nackte, die Hydrorhiza der Podocoryne und Hydrac- 
tinia deekende Coenosarkschicht entbehrte. Da dies indessen nicht 
der Fall ist, müssen Sars’ zwei Arten: P. sarsiiı und P. fueicola, 
zum Gen. Hydractinia gerechnet werden. ALLMAan’s Gen. Stylactis 
enthält dann nur seine eigene Art, S. inermis. 


Hydractinia humilis n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 39—40). 
Die Hydranthen — mit und ohne Gonophoren — haben ca. 
20, in zwei Reihen dichtgestellte Tentakel. Ihre Höhe beträgt nicht 


Zur Systematik der Hydroiden. 487 


über I—2 mm; die Breite über die ausgestreckten Tentakel ist un- 
sefähr gleich groß. Verhältnismäßig große Stacheln erheben sich 
von der Hydrorhiza. Gonophoren stehen, 4—5 im Kreise, um 
nicht atrophirte Hydranthen. In jedem Gonophor werden so- 
wohl Eier als Spermatozoen entwickelt. 

Diese ist wohl die kleinste aller Hydroiden, nur als weiße 
Pünktchen an dem Schneckenhaus, worüber ihre Hydrorhiza sich 
ausbreitet, wahrzunehmen. 

Eine Eigenthümlichkeit, wodurch sie sich von den früher be- 
kannten Arten unterscheidet, ist, dass Eier und Spermatozoen in dem- 
selben Gonophor entwickelt werden. | 

Sie wurde von M. Sars bei Manger nebst H. sarsii gefunden; 
er hat aber keine Beschreibung von ihr geliefert. 


Hydractinia minuta n. sp. (Taf. XXV], Fig. 38). 


Die Hydranthen mit ca. zwölf, 2>—3 mm langen Tentakeln. 
Diejenigen, welche Gonophoren tragen, sind fast vollständig atro- 
phirt; große Stacheln ragen von der Hydrorhiza empor. 

Die Gonophoren sitzen, drei bis fünf im Kreise, um die fast 
verschwindenden Blastostyle; ca. 6 Eier werden in jedem derselben 
entwickelt. 

Diese Art gleicht H. humilis, unterscheidet sich aber durch den 
Bau der Blastostyle bestimmt von derselben, indem diese bei H. 
humilis vollständige Hydranthen sind, während sie hier nur als 
kleine aus der Hydrorhiza emporsteigende Stiele zu beobachten sind. 
Bei dieser Art sind auch die Geschlechter nach Kolonien getrennt, 
wie auch bei den übrigen Arten der Hydractinia und Podocoryne. 

Sie wurde den 22. August 1878 in 78°16’ N.B. und 15°33’ Ö. 
L. in einer Tiefe von 110 m mit Temperatur 0,7° C gefunden. 


Fam. Myriothelidae. 


Aus dieser merkwürdigen Familie, welche in mehreren Punkten 
eine Sonderstellung innerhalb der Hydroiden einnimmt, wurden von 
der Nordmeer-Expedition einige von den früher bekannten Arten be- 
deutend abweichende Exemplare heimgebracht. Leider aber be- 
finden sie sich in einem so schlechten Zustande, dass die Unter- 
suchungen über sie sehr schwer werden — ja, zuweilen ist es 
ganz unmöglich sich eine richtige Vorstellung über das Aussehen 
des Thieres im lebenden Zustand zu bilden. Sie sind aus einer sehr 
großen Tiefe, ca. 1200 Faden, heraufgenommen, und es sieht aus, 


488 Kristine Bonnevie, 


als ob sie die dabei eintretende Veränderung des Druckes nicht 
haben ertragen können, da sie zum Theil nur in ganz kleinen 
Stückehen vorhanden sind; wo mehrere Exemplare in einem Glase 
zusammengelegen haben, kann man nicht mit Sicherheit feststellen, 
was zusammen gehört. | 

Ich glaube dennoch mit Bestimmtheit sagen zu können, dass es 
in dem mitgebrachten Material Arten giebt, die früher nicht beschrieben 
wurden; und ich stelle, so weit wie möglich, die Diagnosen dieser 
neuen Arten auf; ich sehe aber voraus, dass eine künftige Unter- 
suchung derselben mit besser konservirtem Material eine Revision 
dieser vorläufigen Darstellung nothwendig machen wird. 

Die britische von ViGurs und GossE entdeckte und von ALLMAN 
beschriebene Form ist nicht vertreten. Alle vorliegenden Arten 
schließen sich Sars’ Beschreibung von der von ihm bei Finmarken 
sefundenen Art näher an. 

Wie G. ©. Sars schon früher (9) darauf aufmerksam gemacht hat, 
unterscheidet die britische Form sich von der norwegischen wesent- 
lich durch die Anheftungsweise, indem bei der norwegischen Art 
sich keine »adherent base« mit chitinösem Perisark vorfindet — ja, 
überhaupt kein Perisark. 

Die von ALLmAn beschriebene Art hat noch andere Eigenthüm- 
lichkeiten, und ich finde es am besten — wie G. O. SARS vorge- 
schlagen hat — dieselbe zu einer eigenen Gattung (Spadisw GossE) 
zu rechnen, während die norwegische Art die Gattung Myriothela 
Sars repräsentirt. Zu dieser letzten Gattung missen auch die neuen 
Arten von der Nordmeer-Expedition gerechnet werden. Der Perisark 
bedeckt keinen Theil ihrer Oberfläche, und ihre Befestigung an die 
Unterlage geschieht bei allen mittels feiner Fädchen, welche ent- 
weder aus der breit abgerundeten Basis des Thieres oder aus den 
Seiten einer zugespitzten Verlängerung entspringen, wie die Neben- 
wurzeln aus der Hauptwurzel einer Pflanze. 

ALLMAN’S »claspers« kommen bei keiner dieser Arten vor; und 
man kann voll entwickelte Larven in Gonophoren liegen sehen, die 
sanz und gar ihre Verbindung mit den Blastostylen beibehalten 
haben. Der Bau der Gonophoren ist 'bei diesen beiden Gattungen 
derselbe — eine Form, die auch bei der Tubularidengattung Lampra 
vorkommt. In Betreff ihrer Entwieklung bemerke ich vorläufig nur, 
dass ich hier, wie bei Lampra, bei einigen sehr jungen Anlagen eine . 
Ektodermausstülpung beobachtet habe, die dem »Glockenkern« der 
Tubularidae vollständig entspricht, und ich bin desshalb geneigt 


Zur Systematik der Hydroiden. 489 


anzunehmen, dass die Generationselemente auch hier aus ektoder- 
malen Zellen entspringen und nicht wie ALLMAN vermuthet hat, aus 
dem Entoderm. 


Myriothela mitra n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 43). 
Der Polyp ist kegelförmig zugespitzt, ca. 1 cm im Durch- 


messer an der Basis, und 1—-2 mm an der Spitze; die Höhe ea. 


- 


5 cm. Mit einem scharfen Übergang von der Basis des Polypen er- 
streckt sich nach unten eine wurzelähnliche Spitze, 1—2 cm 
lang, mit feinen Haaren bekleidet. Das unterste Drittel des Hy- 
dranthen ist mit Blastostylen besetzt, während das oberste ganz 
nackt, ohne Tentakel und ohne Anhänge, ist. Die Gonophoren 
sitzen zerstreut über die kegelförmigen Blastostyle hin. Diese Spitze 
ist abgebogen und mit capitaten Tentakeln besetzt. 

Diese Myriothela unterscheidet sich bestimmt von den zwei 
früher bekannten Arten durch die Anheftungsweise, durch den voll- 
ständigen Mangel an Tentakeln und durch den Bau der Blastostyle. 
Das Ektoderm des Polypen hat eine eigenthümliche Struktur; und 
ich beklage, dass seine Konservirung nicht gut genug ist, um eine 
genauere Untersuchung zu gestatten; das Ektoderm besteht aus zwei 
deutlich getrennten Schichten, zu innerst eine mehrzellige, von 
Boraxkarmin nur schwach gefärbte Schicht, und außen davon eine 
Sehicht von Cylinderepithelzellen, welche nicht mit der Stützlamelle 
parallel liegt, sondern sich aus- und einbuchtet, so dass die Oberfläche 
des Thieres aus einer so dichten Menge Ektodermpapillen besteht, 
dass man bei einer flüchtigen Beobachtung den Eindruck bekommt, 
die Oberfläche sei ganz eben. 

Diese Art wurde nebst Lampra atlantica den 18. Juli 1876 in 
63° 22’ N.B. und 5°29° W.L. in einer Tiefe von 2222 m mit Tempe- 
ratur — 1,2° C gefunden. 


Myriothela minuta n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 44. 

Der Polyp ist schmal, eylindrisch, hat in der Mitte seine 
diekste Partie, endet nach unten in einer mit Haftfäden besetzten 
Spitze, und verschmälert sich schwach nach oben gegen den von 
kleinen eapitaten Tentakeln umgebenen Mund. Die Höhe vom Munde 
bis an die unterste Spitze ist ca. 12 mm; der größte Durchmesser 
ea. 2 mm. In ’/, seiner Höhe ist der Polyp mit Blastostylen be- 


setzt. 


Die Gonophoren sitzen, einer oder zwei, auf jedem Blasto- 


| 


490 Kristine Bonnevie, 


style (weiblich), so groß, dass dieser nebst ihnen fast ganz ver- 
schwindet. Schwach entwickelte Tentakel auf den Blastostylen. 

Diese Art ist wohl die kleinste, bis jetzt bekannte, Myriothela, 
eigenthümlich für sie ist die Anordnung der nur oben rings um den 
Mund stehenden Tentakel so wie auch. das Verhältnis, dass die 
Blastostyle ihren Ursprung von einem sehr großen Theil des Hy- 
dranthen haben. 

Außer dem oder den großen Gonophoren, welche auf jedem 
Blastostyle beobachtet werden, zeigen sich auf Schnitten auch An- 
lagen in ihrer Entwicklung gehemmter Gonophoren. 

Diese Art ist von M. Sars bei Tromsö gefunden. 


Myriothela verrucosa n. sp. (Taf. XXVI, Fig. 45). 


Der Polyp, ca. 4 cm hoch, nur 1—2 mm im Diameter, am 
dieksten in der Nähe des Mundes. Haftfäden entspringen von seiner 
Basis. Blastostyle sitzen auf dem untersten Fünftel auf, während 
der oberste Theil von Tentakeln bedeckt ist. 

Gonophoren: 1—2 auf jedem Blastostyle. Sie besitzen Ten- 
takel an ihrem distalen Ende; kleine aus Nesselzellen gebildete 
Tuberkeln über ihre Oberfläche zerstreut. 

Die kleinen Ansammlungen von Nesselzellen an den Blasto- 
stylen sind die wesentliche Eigenthümlichkeit dieser Art. Sie wer- 
den mit unbewaffnetem Auge kaum wahrzunehmen sein. 

Auf Schnitten durch junge Blastostyle beobachtet man sie als 
ziemlich scharfe Ektodermausbuchtungen, mit einer regelmäßigen, 
dichtgestellten Reihe von Nesselzellen außen im Rande, und inner- 
halb dieser Ausbuchtungen ist das Entoderm in zwei Schichten mit 
einem kleinen Hohlraume zwischen beiden gespalten. An vollständig 
entwickelten Blastostylen sieht man sie nur als schwache Verdickun- 
sen der Wand; sie erinnern dann im Aussehen sehr an die zu- 
sammengedrückten Radialkanäle, welche man an den Wänden der 
reifen Gonophoren wahrnehmen kann; als solche aber können sie 
kaum betrachtet werden, da sie, so weit ich beobachtet habe, über das 
Ganze unregelmäßig vertheilt und ohne inneren Zusammenhang sind. 


Myriothela gigantea n. sp. (Taf. XXVH, Fig. 46—47). 

Der Polyp, ca. 30 cm lang, hat seinen größten Durchmesser, 
7—10 mm, an der Basis und nimmt gleichmäßig nach oben in einem 
feinen Faden ab. Eine wurzelähnliche Spitze mit Haftfäden 
erstreckt sich nach unten von der Basis des Polypen. Blastostyle 


Zur Systematik der Hydroiden. 491 


finden sich zerstreut über die unterste Hälfte, und oberhalb der- 
selben, und zum Theil zwischen ihnen stehen Tentakel. Die 
Blastostyle sind bei Exemplaren von weiblichem Geschlecht sehr 
lang (10—20 mm) und dünn mit 1—2 großen Gonophoren und Ten- 
takeln am distalen Ende. Die männlichen Blastostyle sind kürzer, 
6—7 mm, mit vielen Gonophoren. 

Unter vielen Fragmenten von Myriothela lagen zwei ganze 
Exemplare vor, die mit der obenstehenden Diagnose übereinstimmten. 
Sie unterscheiden sich von M. phrygia durch die Anheftungsweise, 
indem sie einen wurzelförmigen Fortsatz haben, an den die Haft- 
fäden befestigt sind, — wie auch dadurch, dass die Blastostyle längs 
des Polypen weit nach oben zerstreut sind. Da die Gonophoren 
bei dem einen Exemplar weiblichen, bei dem anderen männlichen 
Geschlechts sind, halte ich es für möglich, dass der gewiss ziemlich 
sroße Unterschied in der Form der Blastostyle sich von diesem Ver- 
hältnis herschreibt; vielleicht aber werden spätere Untersuchungen dar- 
thun, dass die zwei Exemplare zwei verschiedene Arten repräsentiren. 

Ich habe sie, so weit wie möglich, nach den Spiritusexemplaren 
senau abgebildet; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das eigen- 
thümliche, fadenförmige Aussehen der Polypen und Tentakel ein 
Produkt mangelhafter Konservirung ist. 

Die Art wurde während der Nordmeer-Expedition den 19. Juli 
1878 in 75°12’ N.B. und 3°2' Ö.L. in einer Tiefe von 2195 m mit 
Temperatur — 1,57° C. gefunden. 

Zur selben Zeit wurden auch einige sehr große Exemplare von 
Myriothela phrygia gefunden, von welchen nur Fragmente vor- 
handen sind. Prof. Sars hat sie während der Expedition abgebildet, 
und seiner Zeichnung! nach sind sie ca. 40 cm lang, mit einem 
Durchmesser an der Basis von ca. 2 cm und weiter nach oben 6 bis 
10 mm. Blastostyle sitzen auf dem untersten ca. 8 cm langen Theile 
auf, sind traubenförmig bei männlichen Exemplaren und dünn mit 
1—2 großen Gonophoren bei weiblichen Thieren. Der oberste Theil 
des Polypen ist mit Tentakeln dicht besetzt. Die vollentwickelten 
Larven sind oval, S—10 mm lang, und ca.5 mm in ihrem größten 
Durchmesser. 

Diese Exemplare sind sonach weit größer als die von SARs be- 
schriebene M. phrygia; ich rechne sie aber vorläufig zu dieser Art, 
da ich sie nicht näher habe untersuchen können. 


! Wird im Bericht über die Nordmeer-Expedition reprodueirt werden. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Ba. 32 


492 Kristine Bonnevie, 


Fam. Corynidae. 
Athekate Hydroiden mit zerstreuten, kapitaten Ten- 
takeln. 
Nach meiner Auffassung der Systematik der Hydroiden muss 
ich auch hier die zwei Genera Coryne und Syncoryne vereinen. 


Gen. Coryne. 


Der Hydrocaulus wohl entwickelt, mittels fadenför- 
miger Hydrorhiza befestigt; mit chitinösem Perisark be- 
kleidet. Medusoide Gonophoren. Kommen in Kolonien vor. 


Coryne pusilla Gaertner. 


Durch die Untersuchung der Originalexemplare für Sars’ Be- 
schreibung von Coryne (Stipula, Syncoryne) ramosa habe ich nichts 
sefunden, wodurch diese sich von C. pusilla bestimmt unterscheidet, 
und ich glaube desshalb diese zwei Arten zusammenziehen zu müssen. 


Coryne hincksii n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 48—49). 


Der Hydrocaulus 3—4 cm hoch, schwach und unregelmäßig 
verästelt. -. Der Perisark fast ohne Ringe Der Hydranth hat 
ziemlich kurze Tentakel und ca. S Gonophoren in einem Kreise 
nahe an der Basis. 

Gonophoren ca. S mit vier Radialkanälen sitzen in einem 
Kreise in der Nähe der Basis des Hydranthen auf. 

Die Art wurde bei Hammerfest in einer Tiefe von 100 Faden 
sefunden. Ihre Gonophoren, welche vier Radialkanäle haben, ohne 
den Bau der Medusen übrigens zu erreichen, charakterisiren sie als 
eine neue Art. 

Sie bildet eine Übergangsstufe und verwischt die Grenze zwischen 
den zwei Genera Coryne und Syncoryne. 

Coryne longieornis n. sp. (Taf. XXVII, Fig. 50). 

Hydrocaulus, 1—2 mm hoch, unverästelt. Perisark ohne 
Ringe. Der Hydranth besitzt Tentakel, welche eben so lang sind 
wie er selbst und ca. 2 Gonophoren, die proximal zu demselben ge- 
stellt sind. Die G@onophoren werden wahrscheinlich freie Medusen 


mit vier Radialkanälen. 
Diese Art, welche gewiss der kleinste Repräsentant der Familie 


ist, wurde bei Husö im Ohristianiafjord — leider nur in wenigen 
Exemplaren — gefunden. 


Zur Systematik der Hydroiden. 493 


Sie wurden an einem Bruchstücke einer Spongie gefunden, mit 
ihrer Hydrorhiza zwischen den Unebenheiten der Oberfläche dieser 
so gut versteckt, dass ich nur mit Gefahr das Ganze zu zerstören 
sie hervorpräpariren konnte. 

Ich ziehe desshalb vor, die Beschreibung über dieselbe auf 
später zu verschieben, da es sehr wahrscheinlich ist, dass sie in 
Bezug auf die Form ihrer Hydrorhiza mit den übrigen Arten der- 
selben Gattung übereinstimmt. 

Ihr unverzweigter Hydrocaulus und die außerordentlich langen 
Tentakel sind — außer ihrer unbedeutenden Größe — Eigenthüm- 
liehkeiten, die sie als eine neue Art charakterisiren. Alle beob- 
achteten Exemplare zeigen eine scharfe Biegung des Hydrocaulus 
gerade unterhalb des Hydranthen. 


Christiania, im November 1897. 


Litteratur. 


Ein vollständiges Verzeichnis über die von mir benutzte Litteratur über 
Hydroiden wird im Bericht der Nordmeer-Expedition erscheinen, und ich nenne 
desshalb hier nur die wichtigsten Werke: 

1. L. Acassız, Contrib. to the Natural History of the U. States of America. 


Vol. IV. 1862. 

2. G. J. Arıman, A Monograph of the Gymnoblastic or Tubularian Hydroids. 
1872. ; 

3. —— On the Structure and Development of Myriothela. Phil. Trans. London 
1876. 

4. —— Report on the Hydroidae dredged by H. M. S. Challenger ete. 1888. 


P. van BENEDEN, Recherches sur l’embryogenie des Tubulaires. Nouv. Mem. 
de Acad. Roy. Bruxelles. 1844. 

Ta. Hıncxs, A History of the British Hydroid Zoophytes. 1868. 

G. M. R. LEvInsen, Meduser, Cten. og Hydroider fra Grönlands vestkyst, 
med bemerkn. om Hydroidernes systematik. Vidensk. Med. Nat. Hist. 
Kjöbenhavn 1893. Er 

S. LovEn, Bidrag till Kännedomen af slägterna Campanularia och Syn- 
coryne. Vet. Akad. Handl. 1835. 

9. G. 0. Sars, Bidrag til Kundskaben om Norges Hydroider. 1873. 

10. M. Sazs, Bidrag til Söedyrenes Naturhistorie. 1829. 


[Lt 


N 


” 


11. —— Beskrivelser og lagttagelser ete. 1835. 
12. ——- Über die Fortpflanzungsweise einiger Polypen. Faun.lit. Norv. I. 1846. 
13. —— Beretning om en i Sommeren 1849 foretagen zool. Reise i Lofoten og 
Finmarken 1850. 


14. —— Nye og mindre bekjendte Coelenterater. Faun. lit. Norv. III. 1877. 


32* 


494 Kristine Bonnevie, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXV. 


Fig. 1-11. Gymnogonos cerassicornis n. gen. et sp. 

Fig. 1. Nat. Größe. 

Fig. 2a und d. Schnitt durch einen der proximalen Tentakel; a eben an 
seinem Ausgangspunkt und 5 außen gegen die Spitze. 

Fig. 3. Schematischer Längsschnitt durch den Hydranthen. 7, Papillen; 
P.T, proximale Tentakel; Gon, Gonophoren; D.T, distale Tentakel. 

Fig. 4. Querschnitt durch den Hydranthen gerade unterhalb der proxi- 
malen Tentakel mit Einbuchtungen zwischen denselben. 

Fig. 5. Längsschnitt durch eine der Papillen von Heterostephanus annuli- 
cornis Allman. EXt, Ent, das Ekto- und Entoderm des Hydranthen; P.ekt, P.ent, 
dieselben der Papillen. 

Fig. 6. Querschnitt durch Papillen (G.pap) in der Nähe ihres Ursprunges. 

Fig. 7—8. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch den Hydran- 
then gerade unterhalb der Papille. ? ist eine Zelle vom Entodermstrang derselben. 

Fig. 9. Querschnitt durch Papille (@G.»ap). 

Fig. 10. Querschnitt durch den Hydranthen in der Papillenregion. P, Pa- 
pillen; ©, Cuticula. 

Fig. 11. Schnitt durch einen Gonophoren. O, Eier. 

Fig. 12. Tubularia variabilis n. sp. Nat. Größe. 

Fig. 13—19. Tubularia asymmetrican. sp. 

Fig. 13. Nat. Größe. 

Fig. 14—17. Querschnitte durch einen Gonophoren derselben. Fig. 14 in 
der Richtung ab von Fig. 19. Fig. 15 durch c—d. Fig. 16 und Fig. 17 durch 
ef und og 

Fig. 18. Längsschnitt durch zwei Gonophoren des nämlichen Blastostyles. 
A, Actinula; p.t, d.t, die proximalen und distalen Tentakel desselben; Sp, Spadix. 

Fig. 19. Gonophor (weiblicher), vonaußen gesehen. A, Actinula; Sp, Spadix. 


Tafel XXVI. 


Fig. 20. Tubularia cornucopian. sp. Nat. Größe. 

Fig. 21. Lampra sarsii (etwas vergrößert). 

Fig. 22. Eudendrium stratum n. sp. Schnitt durch den Hauptstamm. 
Fig. 23. Dieselbe. Nat. Größe. 

Fig. 24. Theilchen derselben. Vergrößert. 

Fig. 25. Eudendrium vaginatum Allm. Blastostyl mit Gonophoren. 
Fig. 26. Dieselbe. Vergrößert. 

Fig. 27. Dieselbe. Nat. Größe. 

Fig. 23. Eudendrium planum n. sp. Nat. Größe. 

Fig. 29—30. Dieselbe. Blastostyl mit Gonophoren. 

Fig. 31. Eudendrium annulatum. Nat. Größe. 

Fig. 32. Dieselbe. Blastostyl mit Gonophoren. 

Fig. 33a und db. Dieselbe (jung). Blastostyl mit Gonophoren. 

Fig. 34. Bougainvillia benedenii. Nat. Größe. 

Fig. 35. Dieselbe. Vergrößert. 


Zur Systematik der Hydroiden. 495 


Fig. 36... Hydractinia allmanii n. sp. Nat. Größe. 
a. Dieselbe. Vergrößert. 
Fig. 37. Querschnitt durch einen Gonophoren derselben. 
Fig. 38. Hydractinia minuta n. sp. Vergrößert. 
Fig. 39. Hydractinia humilis n. sp. Nat. Größe. 
Fig. 39a. Dieselbe. Vergrößert. 
Fig. 40. Schnitt durch Gonophoren derselben. 
Fig. 41. Hydractinia ornata n. sp. Nat. Größe. 
Fig. 41a. Dieselbe. Vergrößert. 
Fig. 42. Hydractinia sarsii. Schnitt durch die Hydrorhiza. 


Tafel XXVII. 


Fig. 43. Myriothela mitran. sp. Nat. Größe. 

Fig. 44. Myriothela minuta n. sp. Vergrößert. 

Fig. 45. Myriothela verrucosa. Nat. Größe. 

Fig. 4647. Myriothela gigantean. sp. Nat. Größe. Fig. 46 Männ- 
chen, Fig. 47 Weibchen. j 

Fig. 48. Coryne hincksii n. sp. Nat. Größe. 

Fig. 49. Theilchen derselben. Vergrößert. 

Fig. 50. Coryne longicornis n. sp. Nat. Größe. 

Fig. 50a. Dieselbe. .Vergrößert. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 
(1. Theil.) 
Von 
Carl Rabl 
(Prag). 


Mit Tafel XXVIII—-XXXI und 14 Figuren im Text. 


In seiner »Organologie des Auges« macht R. LEUCKART! auf die 
innigen Wechselbeziehungen aufmerksam, welche zwischen der Schnel- 
ligkeit der Bewegung und dem Sehvermögen der Thiere bestehen. 
Je größer die Schnelligkeit eines Thieres ist, um so vollkommener ist 
auch im Allgemeinen sein Sehvermögen. Wie LEUCKART mit Recht 
betont, ist dies eine physiologische Nothwendigkeit und lässt sich 
schon aus der Natur der Gesichtswahrnehmungen ohne Weiteres ab- 
leiten. Ä 

Nun hängt aber das Sehvermögen in erster Linie von der Aus- 
bildung der Augen ab, und dementsprechend treffen wir die voll- 
kommensten Augen bei den schnellsten, die unvollkommensten bei 
den langsamsten Thieren. Wir dürfen aber noch einen Schritt weiter 
sehen. Es ist klar, dass ein noch so vollkommenes Auge nichts 
nützen würde, wenn nicht zugleich die nervösen Oentralorgane, zu 
denen die Sehnervenfasern führen, gleich gut ausgebildet wären. Und 
da in dieser Hinsicht in erster Linie das Mittelhirn in Betracht kommt, 
so dürfen wir bei den raschen Thieren ein gut entwickeltes, bei den 
langsamen ein minder ausgebildetes Mittelhirn erwarten. Diese Er- 
wartung trifft auch in der That vollkommen zu. Freilich ist es 
schwer, bei erwachsenen Thieren die relative Größe und Ausbildung 
des Mittelhirns, seine Beziehung zur Größe und Ausbildung der Augen, 
mit wünschenswerther Genauigkeit abzuschätzen. Dagegen gelingt 
dies verhältnismäßig leicht bei Embryonen. 


! Rud. LEUCKART, Organologie des Auges. Handbuch der gesammten 
Augenheilkunde von A. GRAEFE und TH. SAEMISCH. I. Bd. Leipzig 1874. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 497 


Das Mittelhirn liest bekanntlich der Scheitelkriümmung zu 
Grunde, und je größer dasselbe ist, um so stärker springt die Scheitel- 
‚krümmung hervor. Bei den Embryonen und Larven der Petromyzon- 
ten ist das Mittelhirn klein, unansehnlich, und eine Scheitelkrümmung 
fehlt so gut wie vollständig. Damit steht auch die sehr geringe 
Größe und mangelhafte Ausbildung der Augen in innigem Zusammen- 
hang. Eine Scheitelkrümmung tritt zuerst bei den Selachiern auf); 
das Mittelhirn wölbt sich hier schon bei ganz jungen Embryonen 
mächtig hervor, und im Zusammenhang damit erreichen auch die 
Augen bald eine beträchtliche Größe. Viel geringer ist die Scheitel- 
krümmung der Amphibien und damit stimmt auch die verhältnismäßig 
geringe Größe ihrer Augen überein. Vielleicht besitzen unter allen 
gnathostomen Wirbelthieren die Urodelen die kleinsten Augen. Da- 
gegen sind die Amnioten hinwieder durchweg durch eine gut ent- 
wickelte Scheitelkrümmung ausgezeichnet. Am wenigsten springt sie 
bei den Säugethieren, am stärksten bei den Vögeln hervor, die über- 
haupt die stärkste Scheitelkrümmung und das mächtigste Mittelhirn 
unter allen Wirbelthieren besitzen. Dem entspricht auch die Größe 
der Augen. Diese ist bei den Vögeln am bedeutendsten, bei den 
Säugethieren am geringsten. 

Von dem allgemeinen Satze, dass mit der Größe und Ausbildung 
der Augen die Scheitelkrümmung wächst, machen nur die Teleostier 
und vielleicht auch die Ganoiden eine Ausnahme. Bei ihnen ist die 
Scheitelkrümmung sehr klein, so klein, dass sie einmal von einem 
Embryologen ganz in Abrede gestellt werden konnte, und doch sind 
die Augen schon bei ganz jungen Embryonen sehr groß und gut aus- 
gebildet. Das Missverhältnis ist indessen nur ein scheinbares. Denn 
Jeder, der das Gehirn der Knochenfisch- oder Ganoidenembryonen 
kennt, weiß, dass trotz der mangelhaften Scheitelkrümmung das 
Mittelhirn doch schon frühzeitig mächtig ausgebildet ist. Dass das 
Mittelhirn hier keine oder nur eine geringe Wölbung hervortreibt, 
hat lediglich den Grund in den eigenthümlichen Organisationsverhält- 
nissen des Vorderhirns. Hier ist bekanntlich das Pallium zu einer 
dünnen epithelialen Platte redueirt, während andererseits die basalen 
Theile mächtig entfaltet sind. Durch diese mit einer entsprechenden 
Streckung verbundene, mächtige Ausbildung der ventralen Theile des 
Vorderhirns wird die Hervorwölbung der dorsalen Hälfte des Mittel- 
-hirns, welche sonst eine Scheitelkrümmung erzeugen müsste, mehr 
oder weniger ausgeglichen. 

So sehen wir, dass Mittelhirn und Auge in ihrer Ausbildung bei 


498 Carl Rabl, 


allen Wirbelthieren Hand in Hand gehen. Dabei ist es gewiss von 
Interesse, dass schon in der Organisation ganz junger Embryonen die 
Lebensverhältnisse der erwachsenen Thiere zum Ausdrucke kommen. 

Eine ganz andere Erklärung erfordern die anderen Krümmungen 
des embryonalen Körpers, und wenn diese auch zu dem Gegenstande 
dieser Abhandlung in keiner Beziehung stehen, so will ich sie doch 
im Anschlusse an das über die Scheitelkrümmung Gesagte hier 
kurz besprechen. Es dürfte dies um so mehr am Platze sein, als 
die bisherigen Erklärungsversuche, wie mir scheint, durchaus unzu- 
reichend sind. 

Was zunächst die Nackenkrümmung betrifft, so ist bekannt, 
dass sie sich etwas später, als die Scheitelkrümmung entwickelt, 
und dass sie ziemlich genau der Grenze zwischen Kopf und Nacken 
entspricht. So wie der Scheitelkrümmung das Mittelhirn zu Grunde 
liegt, liegt der Nackenkrümmung das Hinterende der Medulla oblon- 
gata zu Grunde Und doch kann diese nicht das veranlassende 
Moment der Krümmung sein; denn sonst müsste die Nackenkrüm- 
mung gerade bei den niedersten Thieren, bei denen die Medulla 
oblongata die relativ stärkste Ausbildung zeigt, auch am stärksten 
entwickelt sein. Nun finden wir aber im Gegentheil, dass den nie- 
deren Wirbelthieren bis zu den Amphibien hinauf die Nackenkrüm- 
mung vollkommen fehlt. Auch bei den Amphibien ist sie, wenn 
überhaupt vorhanden, nur eben angedeutet. Gut entwickelt ist sie 
erst bei den Amnioten. Aber auch hier ist der Grad ihrer Ausbildung 
sehr verschieden. Am wenigsten ist sie bei den Reptilien ausgeprägt, 
viel besser bei den Säugethieren, und am stärksten bei den Vögeln. 
Sie kommt demnach nur denjenigen Wirbelthieren zu, welche einen 
Hals besitzen; sie fehlt den Cyclostomen und Fischen vollständig, ist 


1 Darüber sind indessen die Ansichten getheilt. So schreibt Minor (Lehr- 
buch der Entwicklungsgeschichte des Menschen, Leipzig 1894, p. 617): »Bei den 
Ichthyopsiden ist sie (die Nackenkrimmung) nur sehr schwach ausgebildet, 
stärker bei den Vögeln und Reptilien, ihr Maximum erreicht sie jedoch erst 
bei den Säugethieren, und speciell beim Menschen.«< Dass die Nackenkrümmung 
nicht, wie MınoT meint, bei den Säugethieren und speciell beim Menschen 
stärker ausgeprägt ist, als bei den Vögeln, davon kann man sich am besten 
überzeugen, wenn man eine Zeichnung eines Säugethierembryo, am besten eines 
menschlichen Embryo aus dem Ende der vierten oder dem Anfang der fünften 
Woche, neben eine solche eines Hühner- oder Entenembryo legt. Die Täu- 
schung, in welche MınoT und lange vor ihm, wenn ich nicht irre, schon RATHRE 
verfallen ist, konnte dadurch hervorgerufen werden, dass die Nackenkrümmung 
bei den Vögeln einen mehr gleichmäßigen Bogen bildet, während sie sich zu- 
gleich über eine viel größere Strecke ausdehnt, als bei den Säugethieren. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 499 


bei den Amphibien, die bekanntlich nur einen Halswirbel besitzen, 
sehr wenig: entwickelt, tritt bei den Reptilien deutlicher auf und ist 
bei den Vögeln, die unter allen Wirbelthieren den längsten Hals be- 
sitzen, am stärksten ausgeprägt. Unter den Vögeln ist bei der Ente 
der Nacken stärker gekrümmt, als beim Huhn, und unter den Säuge- 
thieren zeigen, so viel bekannt!, die Cetaceen die geringste Nacken- 
krümmung. Es muss also wohl in der Art der Entwicklung des 
Halses das ursächliche Moment für das Zustandekommen der Nacken- 
krümmung zu suchen sein. 

Nun ist der Hals entwicklungsgeschichtlich ein sehr komplieirter 
Körpertheil®. Er baut sich aus Theilen des Kopfes und Theilen des 
Rumpfes auf; wenn auch im Detail Manches dagegen eingewendet 
werden kann, so darf man doch im Allgemeinen sagen, dass sich 
am Hals Kopf und Rumpf in der Weise über einander schieben, 
dass die dorsale Hälfte des Halses, der Nacken, vom Rumpfe aus . 
entsteht, während die ventrale Hälfte, der Hals im engeren Sinne, 
vom Kopf aus den Ursprung nimmt. Diese ventrale Hälfte des Halses 
besteht zunächst nur aus dem zweiten und den diesem folgenden 
Kiemenbogen; sie ist also Anfangs sehr viel weniger ausgedehnt, als 
die dorsale Hälfte, die von sehr frühen Stadien an aus einer größeren 
oder geringeren Zahl von Rumpfsegmenten, die ungefähr der Zahl der 
späteren Segmente des Halses entspricht, zusammengesetzt ist. Es 
ist also gewissermaßen der Rumpftheil des Halses um den Kopitheil 
herumgebogen, und zwar um so mehr, je größer das Missverhältnis 
zwischen beiden ist, oder, mit anderen Worten, je größer die Zahl 
der Segmente des Halses und je kleiner die Zahl der Kiemenbogen 
. ist. Dieses Missverhältnis gleicht sich später allmählich aus, indem 
das Kiemenbogengebiet an Ausdehnung mehr und mehr gewinnt. 
Dabei spielt bekanntlich vor Allem der zweite Kiemenbogen eine 
wichtige Rolle, indem er die folgenden überwächst und sich all- 
mählich gegen die Brust vorschiebt. In demselben Maße, als sich 
das Missverhältnis ausgleicht, streckt sich die Se ourlune, um 
endlich zu verschwinden. 

Was die sogenannte Brückenkrümmung betrifft, so ist dieselbe 
sesenwärtig noch ziemlich schwer zu erklären. Ich möchte sie am 


1 Vgl. GUSTAV GULDBERG und FRIDTJOF NANSEN, On the development and 
structure of the Whale. — I. On the development of the Dolphin. Bergens 
Museum. V. 1894. 

2 Vgl. meinen Vortrag »Zur Bildungsgeschichte des Halses« in der »Prager 
mediein. Wochenschrift< 1886, Nr. 52. 


300 Carl Rabl, 


ehesten mit der Ausbildung des Kleinhirns in causalen Zusammenhang 
bringen; denn es scheint, dass sie bei jenen Formen am frühesten 
‚und stärksten entwickelt ist, welche das größte Kleinhirn besitzen‘. 

Die Schwanzkrümmung endlich bietet dem Verständnisse 
kaum irgend welche Schwierigkeiten. Es bleibt ja bekanntlich bei 
allen Wirbelthieren die ventrale Hälfte der Caudalregion im Wachs- 
thum gegen die dorsale zurück, und man kann sogar vielleicht schon 
bei den Cyelostomen eine erste Andeutung einer Schwanzkrümmung 
erkennen. Bei dem Zustandekommen dieser Krümmung spielt aller 
Wahrscheinlichkeit nach die Rückbildung des postanalen Darmes 
eine nicht unwichtige Rolle. 

Aus dem Gesagten geht wohl mit Sicherheit hervor, dass wir 
für die verschiedenen Krümmungen verschiedene Causal- 
momente in Rechnung zu ziehen haben, und dass es nicht angeht, 
alle von einem und demselben Gesichtspunkte aus erklären zu wollen. 

Wie erwähnt, sind verschiedene Versuche gemacht worden, die 
Krümmungen zu erklären. So hat RATHKE? die Scheitel- und Nacken- 
krümmung aus dem Umstande ableiten zu sollen gemeint, dass das 
Achsenskelet vor dem proximalen Ende der Chorda und an der 
Grenze zwischen Schädel und Wirbelsäule eine größere Nachgiebigkeit 
besitze; in Folge dessen sollen an diesen Stellen Kniekungen entstehen, 
die dann auch am Hirn zum Ausdruck kommen. KÖLLIkEr3 erblickt 
die Ursache der Krümmungen in Wachsthumsdifferenzen zwischen 
der dorsalen und ventralen Hälfte des Körpers. Er schreibt: »Was 
die Ursache dieser Krümmungen im Allgemeinen anlangt, so werden 
dieselben unstreitig dadurch bedingt, dass der Rücken und vor Allem 
das centrale Nervensystem .... mehr als die Theile der Bauchseite 
wachsen, wodurch der Embryo nothwendigerweise nach dem Rücken 
zu konvex wird. Später rücken dann diese Theile im Wachsthum 
langsamer vor und beginnen die Organe der Ventralseite sich zu ent- 
wickeln, worauf dann der Embryo gewissermaßen sich aufrollt.« In 
ähnlicher Weise erklärt Hıs* die Krümmungen als die Folgen seines 
»Prineips ungleichen Wachsthums« und erläutert sie an den Form- 


ı Vgl. die ähnlich lautenden Angaben von Hıs in »Unsere Körperform«. 
Leipzig 1874. p. 107. 

2 Citirt nach OÖ. SCHULTZE, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des 
Menschen und der Säugethiere. Leipzig 1897. 

3 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren 
Thiere. Leipzig 1879. p. 256. 

SW. Biıssalaes pro it: 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 501 


veränderungen einer sich biegenden elastischen Röhre. Dieser Auf- 
fassung schließt sich Mınor! vollinhaltlich an, indem er den Gegen- 
stand mit der kurzen Bemerkung abthut: »Die Entstehungsursache 
aller Gehirnkrümmungen ist natürlich das ungleiche Wachsthum der 
verschiedenen Theile des Kopfes.< Auch 0. Herrwiıg? geht über 
die Krümmungen des Embryo mit ein paar kurzen Bemerkungen 
hinweg. Er schreibt: »Die Ursache für die Entstehung der Krüm- 
mungen, die für die Hirnanatomie von grundlegender Bedeutung sind, 
ist wohl in erster Linie in einem starken Längenwachsthum zu suchen, 
durch welches sich das Hirnrohr namentlich in seiner dorsalen Wand 
vor den umgebenden Theilen auszeichnet.< Nun wird es gewiss 
Niemandem in den Sinn kommen, die Thatsache des ungleichen 
Wachsthums in Zweifel zu ziehen; aber man darf nicht glauben, 
eine entwicklungsgeschichtliche Erscheinung dadurch, dass man sie 
auf das ungleiche Wachsthum der einzelnen Theile des embryonalen 
Körpers zurückführt, zu »erklären«; man giebt damit keine Erklärung, 
sondern nur eine Umschreibung des thatsächlichen Verhaltens. — 

Es wurde früher auf das Wechselverhältnis zwischen der Schnellig- 
keit eines Thieres und der Ausbildung seiner Augen aufmerksam 
gemacht und gezeigt, dass der Grad der Ausbildung der Augen 
wieder in der Entwicklung des Mittelhirns zum Ausdrucke kommt. 
Die Differenzen in der Größe der Augen und des Mittelhirns treten 
aber, wie gezeigt wurde, bei den verschiedenen Thieren schon so 
frühzeitig in die Erscheinung, dass sie einen wesentlichen Einfluss 
auf die Formverhältnisse der Embryonen nehmen. 

Auf den folgenden Blättern soll nun gezeigt werden, dass an der 
Vervollkommnung des Auges auch die Linse einen sehr wesentlichen 
Antheil nimmt. Da aber der feinere Bau der Linse nur aus ihrer 
Entwicklung verständlich wird, so habe ich der Darstellung des Baues 
der fertigen Linse jedes Mal eine kurze Darstellung ihrer Entwicklung 
vorausgeschickt. Wenn auch bekanntlich über den Bau und die 
Entwicklung der Linse sehr zahlreiche Arbeiten vorliegen und es 
fast den Anschein haben könnte, dass nichts wesentlich Neues mehr 
gesagt werden könne, so hoffe ich doch, dass sich der Leser bald 
vom Gegentheil überzeugen wird. 

Es würde mir nicht sehr schwer fallen, eine ziemlich vollständige 


1 MmoT, 1. e. p. 617. 

?2 0. HerrwıG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und 
der Wirbelthiere. 4. Aufl. Jena 1893. Ähnliche Angaben, wie in den eitirten 
Lehrbüchern, finden sich noch in mehreren anderen. 


>02 Carl Rabl, 


Darstellung der Entwicklung des ganzen Auges zu geben, wenigstens 
eine vollständigere, als sie bisher gegeben wurde. Obwohl dies 
Anfangs meine Absicht war, bin ich doch davon bald zurückgekom- 
men, einmal, weil ich die Zahl der Tafeln, die ohnedies eine ziem- 
lich große ist, um mindestens das Doppelte hätte vermehren müssen, 
dann auch, weil mich eine solche Arbeit von meinen anderen Arbeiten 
von mehr allgemein morphologischem Interesse allzusehr abgelenkt 
hätte. Indessen konnte ich doch nicht umhin, zuweilen eine Aus- 
nahme zu machen. 


I. Selachier. 


A. Entwicklung. Meine Beobachtungen beziehen sich in erster 
Linie auf Pristiurus melanostomus; außerdem habe ich einige Stadien 
von Torpedo marmorata und ocellata untersucht. 

Der jüngste Pristiurusembryo, an dem etwas von einer Linsen- 
anlage zu sehen war, hatte 45 Urwirbel. Zur Orientirung über die 
Entwicklung anderer Sinnesorgane theile ich mit, dass die Gehör- 
srube ihre größte Tiefe erreicht hatte, dass aber ihre Eingangsöff- 
nung noch keine Tendenz zeigte, sich zu verkleinern. Die Nasen- 
grube war seicht und von einem dicken, einschiehtigen Cylinderepithel 
ausgekleidet. — Die Linsenanlage gab sich als eine eben merkbare 
Verdiekung des Ektoderms über der Mitte der Augenblase zu er- 
kennen (Taf. XXVIIL Fig. 17); die Zellen lagen aber noch in einfacher 
Schicht. Ventral von dieser Stelle wurde das Ektoderm zunächst 
wieder etwas niedriger, um sich aber alsbald wieder in sehr auf- 
fälliger Weise zu verdicken und zugleich zu einer kleinen, flachen 
Grube, der Nasengrube (ng), einzusenken. Die Augenblase legte sich 
dem Ektoderm dicht an und war hier deutlich abgeflacht. Zwischen 
ihr und dem Ektoderm fand sich ein sehr feiner, vollkommen zellen- 
freier Spaltraum. In der Wand der Augenblase waren zahlreiche 
Theilungsfiguren zu sehen, die alle an der dem Lumen zugewendeten 
Seite gelegen waren. Über den Stiel der Blase zog der Trigeminus 
hinweg, der auf dem abgebildeten Schnitte zweimal getroffen ist 
(bei tr und Zr’). An der medialen Seite von ir sieht man (bei m) 
eine solide Zellmasse, die sich, wie die benachbarten Schnitte lehren, 
in die Wand der ersten Kopfhöhle fortsetzt. — Vier andere Serien 
durch gleichalterige Embryonen zeigten wesentlich dasselbe Verhalten. 

Bei einem Embryo mit 49—50 Urwirbeln ist die Linsenplatte 
erheblich dieker und in der Mitte zugleich deutlich mehrschichtig 
geworden (Fig. 2). Dass sie in der That mehrschichtig ist, geht 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 503 


nicht bloß aus der Lagerung und Anordnung der Kerne, sondern 
sanz besonders aus der Stellung der Theilungsfiguren hervor. Be- 
kanntlich! rücken in einschichtigen Epithelien, wenn dieselben auch 
noch so hoch sind, die Keme, so bald sie sich. zur Theilung an- 
schicken, stets gegen die freie Seite des Epithels, ein Umstand, der 
zweifellos mit der unlängst von M. HEIDENHAIN? nachgewiesenen 
Lage der Centrosomen in der Nähe des freien Endes der Zellen zu- 
sammenhängt. Nun trifft man zwar auch jetzt, in der verdicekten 
Linsenplatte, einzelne Theilungsfiguren dicht unter der Oberfläche des 
Epithels; andere dagegen, — und dies ist eben von entscheidender 
Bedeutung, — sind mehr oder weniger tief unter der Oberfläche ge- 
legen. Dies ist auch bei den beiden Tochtersternen oder Tochter- 
knäueln der abgebildeten Figur der Fall. — Die Linsenplatte ist 
nach außen plan, nach innen konvex. An ihrer Außenfläche ist ab 
und zu (so z. B. an der linken Seite des Embryo, dem der Schnitt 
der Fig. 2 entnommen ist) eine Spur einer Einsenkung zu sehen. 
Ihre Innenfiäche legt sich in eine kleine Delle der Augenblase hinein. 
Diese zeigt also den Beginn einer Einstülpung; ihre mediale Wand 
ist nicht unerheblich dünner als die laterale: 

Noch dicker ist die Linsenplatte bei einem Embryo von 52 Ur- 
wirbeln (Fig. 3); zugleich zeigt sie eine deutliche, wenn auch seichte 
grubenförmige Einsenkung. Die Vermehrung der Zellen ist jetzt 
augenscheinlich eine ungemein lebhafte; dort, wo die Platte am 
dieksten ist, trifft man Theilungsfiguren in allen Schichten. — Die 
Augenblase ist jetzt so tief eingestülpt, dass es wohl schon erlaubt 
ist, von einer sekundären Augenblase zu sprechen. Die beiden 
Schichten derselben sind, wie früher, von verschiedener Dicke — 
An einem anderen, nur um etwas weniges älteren Embryo (von 53 
bis 54 Urwirbeln) war die Grube an der Außenfläche der Linsen- 
platte viel weniger deutlich als hier. 

Bei einem Embryo von 55 Urwirbeln ist die Linsenplatte noch 
dieker und die Linsengrube noch tiefer als bei dem Embryo von 
52 Urwirbeln (Fig. 4). Auch jetzt trifft man Theilungsfiguren in 
allen Schichten. Die Linsenplatte ist jetzt gegen die Umgebung 
schärfer abgegrenzt, als früher; namentlich nach unten ist die Grenze 
sehr deutlich. 


1 Vgl. meine Bemerkung auf der Versammlung der anatomischen Gesell- 
schaft in Straßburg im Els. 1894, 

2 M. HEIDENHAIN, Über die Mikrocentren in den Geweben des Vogel- 
embryos ete.. ScHwALBE’s Morphol. Arbeiten. III. Bd. 1. Heft. 


504 Carl Rabl, 


Erheblich weiter entwickelt ist die Linsenanlage bei einem 
Embryo von 63 Urwirbeln. Sie stellt hier eine annähernd kugelige, 
solide Zellmasse dar, die außen mit dem Ektoderm zusammenhängt 
und in die sich hier eine ziemlich tiefe, trichterförmige Grube einsenkt 
(Fig. 5). An dieser Zellmasse kann man eine peripherische Lage 
kubischer oder kurz ceylindrischer Zellen und eine centrale Anhäu- 
fung rundlicher Elemente unterscheiden. An einzelnen Stellen be- 
merkt man in dieser Zellmasse Theilungsfiguren. — Von den beiden 
Wänden der Augenblase ist die mediale in der Mitte, also ungefähr 
in der Höhe der Linsenanlage, dünner und deutlich einschichtig; von 
da nimmt ihre Dicke gegen den Umschlagsrand zu. Die laterale oder 
innere Wand zeigt überall die gleiche Dieke. Zwischen ihr und 
- der Linsenanlage findet sich wieder nur ein minimaler Spaltraum, 
sanz ohne zellige Elemente. — Eine Serie durch einen Embryo von 
62 Urwirbeln zeigte wesentlich dasselbe Verhalten. Dessgleichen 
eine Horizontalschnittserie durch einen Embryo mit 63 Urwirbeln. 
Nur war hier die Grube nicht so tief und der Zusammenhang der 
Linsenanlage mit dem Ektoderm nicht mehr in so großer Ausdehnung 
erhalten. 

Die Ablösung der Linsenanlage von ihrem Mutterboden macht 
nun rasche Fortschritte. Bei einem Embryo von 63 bis 64 Urwirbeln 
ist der Zusammenhang mit dem Ektoderm auf eine sehr kleine Stelle 
eingeengt (Fig. 6) und die trichterförmige Grube daselbst ist fast 
völlig geschwunden. Eine Andeutung davon ist nur mehr an dem 
Schnitte, welcher dem abgebildeten in der Serie folgt, vorhanden. 
In der Nachbarschaft ist das Ektoderm abgeflacht. — Ganz solid ist 
die Zellmasse jetzt nicht mehr. Man sieht vielmehr bei aufmerk- 
samer Betrachtung in der Nähe der Stelle, an welcher die meisten 
Theilungsfiguren liegen, ein ganz minimales, spaltförmiges Lumen. 
Dasselbe ist nur auf wenigen Schnitten zu sehen und seine Lage in 
der medialen Hälfte der fraglichen Zellmasse lässt keinen Zweifel 
darüber aufkommen, dass es mit der Grube, die sich früher von 
außen her in die Zellmasse einsenkte (vgl. Fig. 4 und 5), in keinem 
senetischen Zusammenhange steht. Mit dem Auftreten dieses kleinen 
Lumens ist der erste Anfang der Umbildung der im Übrigen noch 
sanz soliden Zellmasse in das hohle Linsenbläschen gegeben. 

Bei einem Embryo von 66—68 Urwirbeln hat sich die Verbin- 
dung der Linsenanlage mit dem Ektoderm vollkommen gelöst und 
dieses zieht als niedriges Epithel flach darüber hinweg (Fig. 7). In der 
medialen Hälfte der Linsenanlage findet sich, als Fortbildung des 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse, I. 505 


kleinen Lumens des früheren Stadiums, eine enge, spaltförmige 
Höhle, aus deren Form und sonstigem Verhalten mit Sicherheit zu 
entnehmen ist, dass sie durch Dehiscenz der Zellen entstanden ist. 
An den Wänden der Höhle sieht man nämlich, .wie auch an dem 
abgebildeten Schnitte, mannigfache Erhebungen und Vertiefungen, die 
senau in einander passen, ein Umstand, der nur durch die Annahme 
einer Dehiscenz seine Erklärung finden kann. Die mediale, der 
Augenblase zugewendete Wand des Linsenbläschens besteht nunmehr 
aus einem einschichtigen, hocheylindrischen Epithel; die laterale, dem 
Ektoderm zugewendete, wird dagegen zum überwiegenden Theile aus 
sanz unregelmäßig geformten Zellen aufgebaut. Nur die ganz an 
. der Peripherie gelegenen Zellen lassen auch hier die Tendenz, sich 
epithelial anzuordnen, erkennen, und zwar um so deutlicher, je näher 
der medialen Wand sie liegen. 

Zwischen der medialen Fläche der Linse und dem inneren 
Blatte der sekundären Augenblase ist eine Höhle entstanden von der 
in der Figur dargestellten Form. Die äußere Wand der Augenblase 
ist jetzt überall deutlich einschichtig, jedoch nimmt ihre Dicke, wie 
früher, von der Mitte gegen den Umschlagsrand allmählich zu. 

Ein anderer Embryo von 67—68 Urwirbeln zeigte im Wesent- 
lichen das auf Fig. 6 dargestellte Verhalten; er war also in Be- 
ziehung auf die Entwicklung seiner Augen etwas zurückgeblieben. — 
Ein Embryo von ungefähr 70 Urwirbeln bot wesentlich dieselben 
Bilder, wie der Embryo von 66—68 Urwirbeln; nur war am Ektoderm 
die Stelle, an der die Verbindung der Linsenanlage bestanden hatte, 
noch in Form einer leichten Verdiekung zu erkennen. 

Die Höhle des Linsenbläschens nimmt ziemlich rasch an Größe 
zu. Bei einem Embryo von ca. 74 Urwirbeln (Fig. 8) erscheint sie 
auf dem Querschnitte ungefähr dreieckig und setzt sich oben und 
unten noch in eine feine Spalte fort. Die Wand des Bläschens hat 
fast überall den Charakter eines hohen, einschichtigen Cylinderepi- 
thels; nur außen, wo die Linse dem Ektoderm anliegt, sind die 
Zellen noch nicht epithelial geordnet. Mit dieser Wand steht die 
Zellmasse in Verbindung, die weit in das Lumen des Bläschens vor- 
ragt. — Der Raum zwischen Linse und sekundärer Augenblase ist 
bei diesem Embryo etwas enger, als bei dem, dem der Schnitt der 
Fig. 7 entnommen war. In ihm sieht man ein sehr feines, dem An- 
scheine nach strukturloses Häutchen, das, wie eine Untersuchung 
mit Ölimmersion ergiebt, aus zwei Lamellen besteht, zwischen welchen 
eine feinkörnige Masse eingeschlossen ist. — Ein Embryo von 76 


506 Carl Rabl, 


und ein zweiter von ungefähr 78 Urwirbeln zeigten wesentlich das 
gleiche Verhalten. . 

In dem nächsten von mir untersuchten Stadium, bei einem Em- 
bryo von ungefähr 87 Urwirbeln, ist die Linse erheblich größer ge- 
worden und ihre Höhle hat an Umfang und Ausdehnung beträchtlich 
sewonnen (Fig. 9). Die Zellen sind fast durchwegs epithelial an- 
seordnet. Nur unterhalb der Mitte der äußeren Wand findet sich 
noch ein unregelmäßiger Zellkaufen, der mit dieser Wand an mehre- 
ren Stellen innig zusammenhängt. — Die innere Wand ist dicker 
geworden, indem ihre Zellen in die Länge gewachsen sind und sich 
zu Fasern umzuwandeln begonnen haben. Gegen das Lumen springt 
die innere Wand polsterartig vor, während sie an ihrer Außenfläche 
eine eben merkliche Einsenkung aufweist. Über diese Fläche ziehen 
wieder zwei ungemein zarte, strukturlose Häutchen hinweg, welche 
einen engen Spaltraum zwischen sich fassen, der, wie früher, von 
einer feinkörnigen Masse erfüllt ist. Ein ähnlicher Spaltraum findet 
sich zwischen dem inneren Häutchen und der Oberfläche der Linse; 
jedoch enthält derselbe keinen geformten Inhalt. Die Bedeutung der 
beiden Häutchen, die sich, wie bemerkt, schon bei einem Embryo 
von ungefähr 74 Urwirbeln bemerkbar machten, ist schwer mit Sicher- 
heit zu entscheiden; ich halte es für das Wahrscheinlichste, dass das 
innere Häutchen die in Bildung begriffene Linsenkapsel ist, die sich 
bei der Härtung von der Oberfläche der Linse abgehoben hat, während 
das äußere vielleicht eine von der Innenfläche der sekundären 
Augenblase abgelöste Basalmembran vorstellen könnte. — Der große, 
zwischen Augenblase und Linse gelegene Raum war wohl sicher von 
Flüssigkeit erfüllt; Zellen sind in ihm jetzt eben so wenig wie früher 
zu sehen. 

Bei einem, um ein Geringes jüngeren Embryo, an dem ich 83 
Urwirbel zählte, war die Linse und überhaupt das ganze Auge ein 
klein wenig weiter entwickelt, als in dem eben beschriebenen Fall. 

Der jüngste Embryo, bei welchem die Wände des Linsenbläs- 
chens durchaus epithelialen Bau zeigten, hatte ungefähr 95 Urwirbel 
(Fig. 10). Die Elemente des Zellhaufens, der in früheren Stadien 
mit der äußeren Wand im Zusammenhang stand und einen Bestand- 
theil derselben bildete, haben sich also zwischen die anderen Epithel- 
zellen eingeordnet. Eine andere Möglichkeit erscheint bei einem 
Vergleich der Figg. 7—10 ausgeschlossen; denn es ist nirgends auch 
nur die geringste Spur eines Zerfalls jener Zellmasse oder einer 
Auflösung derselben zu sehen. — Man mag darüber getheilter Mei- 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 507 


nung sein, ob das Epithel der äußeren Wand des Linsenbläschens 
jetzt als einschichtig oder mehrschichtig aufzufassen sei; Zellgrenzen 
sind ja nirgends deutlich zu sehen. Was mich betrifft, so "halte ich 
es für einschichtig und zwar auf Grund der Theilungsfiguren; diese 
haben alle dieselbe Lage, wie in einschichtigen Epithelien. Wäre 
das Epithel mehrschichtig, so müssten die Theilungsfisuren mehr 
gleichmäßig durch die ganze Dicke der Wand vertheilt sein. — Die 
äußere Wand des Linsenbläschens ist in der Mitte am dünnsten; 
von da nimmt sie gegen den Äquator allmählich an Dieke zu, um 
dann, jenseits des Äquators, wieder etwas abzunehmen. — Die me- 
diale oder innere Wand des Linsenbläschens ist erheblich dieker ge- 
worden; ihre Zellen sind zu kurzen Fasern ausgewachsen. An den 
mit Kochenillealaun gefärbten Präparaten ist das dem Lumen des 
Bläschens zugewendete Ende der Fasern dunkler gefärbt, als das 
entgegengesetzte. Dieses ist als basales, jenes als freies aufzufassen 
und es giebt sich also in diesem Stadium ein Unterschied in der Diffe- 
renzirung der beiden Faserenden zu erkennen. — Die meisten Zell- 
kerne dieser Wand sind langgestreckt; einzelne aber zeichnen sich 
durch ihre mehr rundliche Form, ihre schwache Tinktion und ihre 
scharf kontourirten Kernkörperchen aus. — Es ist gewiss von Inter- 
esse, dass schon in den jüngsten Stadien, in welchen sich ein Unter- 
schied zwischen Linsenepithel und Linsenfasern bemerkbar macht, 
die Grenze zwischen beiden ziemlich weit hinter dem Äquator gelegen 
ist. — Hinter der Linse findet sich wieder ein mit feinkörniger 
Masse erfüllter Raum, der durch ein dünnes Häutchen abgeschlossen 
wird. Ein zweites Häutchen ist hier nicht zu sehen. Es hat sich 
also in diesem Fall die Linsenkapsel bei der Härtung von der 
Oberfläche der Linse nicht abgehoben. 

Ein anderer Embryo von ungefähr gleichem Alter (mit 94 Ur- 
wirbeln) zeigte in Beziehung auf den Bau der Linse wesentlich das 
gleiche Verhalten. Um eine Vergleichung mit späteren Stadien zu 
ermöglichen, bemerke ich, dass Embryonen dieses Alters eine Länge 
von 14—15 mm besitzen. | 

Die Linse nimmt nun sehr rasch an Größe zu. Bei einem Em- 
bryo von ungefähr 17 mm Länge hat sie auf dem Schnitt das Aus- 
_ sehen der Fig. 11. Sie hat sowohl im Durchmesser von Pol zu Pol, 
wie im Äquatorialdurchmesser um ein volles Drittel gewonnen. Das 
stärkste Wachsthum weist die mediale Wand auf, deren Dicke auf 
das Doppelte gestiegen ist; in Folge dessen ist die Höhle des Bläs- 
ehens, wenn auch nicht absolut, so doch relativ kleiner geworden, 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 33 


508 Carl Rabl, 


als sie im vorigen Stadium war. — Im Einzelnen zeigt die Linse in 
diesem Stadium folgende Eigenthümlichkeiten. Die äußere Wand 
oder das Linsenepithel ist jetzt in großer Ausdehnung deutlich ein- 
schiehtig. Man kann höchstens noch darüber im Zweifel sein, ob 
sie auch in der Gegend des Äquators nur aus einer einzigen oder 
aber aus mehreren Schichten besteht. Hinter dem Äquator nimmt 
die Dieke, wie früher, wieder etwas ab. Die innere oder Linsenfaser- 
wand bildet ein mächtiges, ins Lumen des Bläschens weit vorspringen- 
des Polster. An der medialen Fläche ist sie etwas eingesenkt und 
hier hat sich die Linsenkapsel als ein dünnes Häutchen abgehoben. 
— Die Linsenfasern zeigen zweierlei Besehaffenheit; die centralen 
enthalten große, mehr oder weniger kugelige Kerne mit deutlichen, 
scharf kontourirten Kernkörperchen; die peripherischen, eben in Bil- 
dung begriffenen, besitzen mehr langgestreckte Kerne, die sich sehr 
viel dunkler färben, als die Kerne der centralen Fasern, und die 
mehr unregelmäßige chromatische Massen enthalten. Sie sind zu- 
gleich so gebogen, dass sie ihre Konkavität gegen den Rand des 
Linsenepithels kehren. Dagegen sind die centralen Fasern mehr 
gerade gestreckt oder konvergiren etwas gegen den Boden der 
kleinen Delle der Hinterfläche. Wie im vorigen Stadium sind auch 
jetzt die freien Faserenden dunkler gefärbt, als die basalen. 

Die Linse besitzt jetzt an ihrer ganzen Oberfläche eine deutliche 
Kapsel. Da kein Mesodermgewebe in der Nähe ist, von dem aus 
sie entstanden sein könnte, so kann sie nur ektodermalen Ursprungs 
sein. Ich betrachte sie als eine an der Linsenoberfläche zur Aus- 
scheidung gebrachte Basalmembran. Auf die mediale Wand der 
Kapsel folgt wieder ein mit feinkörniger Masse erfüllter Spaltraum, 
der nach innen, gegen die Retina, von einem zweiten sehr dünnen, 
aber weniger scharf kontourirten Häutchen abgeschlossen wird. Von 
diesem Häutchen ziehen faserartige Fortsätze oder Stränge mehr 
oder weniger weit durch den zwischen Linse und Retina gelegenen, 
offenbar mit Flüssigkeit erfüllten Raum, ohne aber die Retina zu 
erreichen. Ich werde darauf weiter unten noch zurückkommen und 
bemerke hier nur, dass ich alle diese Eigenthümlichkeiten für sehr 
wichtig in Beziehung auf die Frage nach der Entwicklung des Glas- 
körpers halte. | 

Bei einem Embryo von 19 mm Länge ist die Linse wieder er- 
heblich gewachsen (Fig. 12). Ihr Äquatorialdurchmesser beträgt jetzt 
0,48 mm, der Durchmesser von Pol zu Pol 0,30 mm. Sie hat in 
beiden Durchmessern gegen früher um ein Drittel zugenommen. Auch 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 509 


jetzt ist es die Linsenfasermasse, die das mächtigste Wachsthum 
zeigt. Sie ist so dick geworden, dass die Höhle des Bläschens bis 
auf einen engen, spaltförmigen Raum geschwunden ist. Der Unter- 
schied zwischen den centralen und peripherischen Fasern ist noch 
auffallender als früher. Die Kerne liegen in der centralen Masse 
sehr weit aus einander. Einzelne Kerne der peripherischen Fasern 
trifft man in Theilung; nie aber findet man Theilungsfiguren in der 
centralen Masse. — Die Hinterfläche der Linse ist abgeflacht und 
zeist in der Mitte eine kleine Grube oder Einkerbung, die dadurch 
zu Stande gekommen ist, dass die mittleren Fasern im Wachsthum 
zurückgeblieben sind, während sich die sich daran anschließenden 
verlängert haben. So bekommt es den Anschein, als ob sich an der 
Hinterfläche eine Einstülpung ausgebildet hätte. Ich werde darauf 
_ weiter unten noch zurückkommen. | 

Das rasche Wachsthnm der Linse ist um so auffallender, als gar 
keine Gefäße in der Nähe sind, die ihr Blut zuführen könnten. Mit 
dieser Größenzunahme ist eine eigenthümliche Veränderung ihrer 
Form verbunden. Beides lässt sich aus den folgenden Maßen gut 
beurtheilen. Bei dem zuletzt erwähnten Embryo von 19 mm Länge 
betrug, wie angeführt wurde, der Äquatorialdurchmesser 0,48 mm, 
der Durchmesser von Pol zu Pol 0,30 mm. Bei einem Embryo von 
22,5 mm Länge betrugen dieselben Maße 0,54 und 0,35 mm; bei 
einem solchen von 25,3 mm Länge 0,66 und 0,56 mm; bei einem 
Embryo von 27 mm Länge 0,70 und 0,63 mm; bei einem Embryo 
von 30 mm Länge 0,87 und 0,79 mm; bei einem Embryo von 
3l mm Länge 0,88 und 0,80 mm und endlich bei einem Embryo 
von 33—34 mm Länge 1,30 und 1,20 mm. Der zuletzt erwähnte 
Embryo war in anderer Weise gehärtet, als die übrigen und es war 
vielleicht die Linse etwas gequollen. 

Aus diesen Maßen geht hervor, dass das Wachsthum der Linse 
in der Richtung der Hauptachse, d. h. in der Richtung von Pol zu 
Pol, ein rascheres ist, als in der Richtung des Äquatorialdureh- 
messers. Die Folge davon ist, dass sich die Linse mehr und mehr der 
Kugelform nähert. — Die äußere Fläche der Linse ist Anfangs 
stärker gekrümmt, als die innere; dies ändert sich allmählich und 
bei Embryonen von 30—31 mm Länge sind beide Flächen ungefähr 
gleich stark gewölbt; ja bei dem ältesten Embryo, von dem ich eine 
Querschnittserie besitze, ist sogar die innere Fläche deutlich stärker 
gewölbt, als die äußere. — Diese Formveränderung geht mit der 
Bildung einer Grube an der Hinterfläche Hand in Hand. Wie oben 

33* 


510 | Carl Rabl, 


erwähnt, kommt diese Grube dadurch zu Stande, dass die centralen 
Fasern im Wachsthum allmählich zurückbleiben. Die Fasern, welche 
am nächsten der Hauptachse der Linse verlaufen, sind also die 
kürzesten und an sie schließen sich immer längere und längere 
Fasern an. Erst wenn man sich dem Rand des Linsenepithels nähert, 
nimmt die Länge wieder allmählich ab, bis sie in die Zellen des 
Linsenepithels selbst übergehen. Wie schon an dem Schnitte der 
Fig. 12 zu sehen ist, ist auch die Krümmung der Fasern nicht über- 
all die gleiche. Ganz oder fast ganz geradegestreckt sind eigentlich 
nur die ganz central gelegenen Fasern; darauf folgen solche, deren 
Konkavität gegen die Hauptachse gewendet. ist, dann kommen 
wieder mehr gerade gestreckte und den Schluss machen Fasern, 
deren Konkavität nach außen, gegen den Rand des Linsenepithels, 
sewendet ist. 

Auch die Form und Lage der Grube an der Hinterfläche ist von 
Wichtigkeit für das Verständnis des Baues der fertigen Linse. Man 
bekommt darüber den besten Aufschluss an Sagittalschnitten durch 
den Kopf, da an solchen die Linse ziemlich genau parallel dem 
Äquator getroffen wird. Dabei überzeugt man sich, dass die Grube 
keine kreisförmige Begrenzung hat, sondern dass sie eine ziemlich 
breite, horizontal gestellte Spalte darstellt (Fig. 5, Taf. XXIX). Die 
Grube nimmt allmählich an Länge und Tiefe zu. Bei einem Embryo 
von 25,3 mm Länge hat sie eine Tiefe von 0,15 mm; dabei besitzt 
sie, wie eine Sagittalschnittserie durch einen Embryo von 24 mm 
Länge zeigt, eine Länge von 0,08 und eine Breite oder Höhe von 
0,03 mm. Bei einem Embryo von 27 mm Länge ist sie gleichfalls 
ungefähr 0,15 mm tief; ihre Länge beträgt bei einem Embryo von 28 mm 
Länge 0,28 und ihre Breite 0,03 mm. Die Grube wächst also rasch 
in die Länge. Wenn sich später die Grube schließt, indem sich 
dorsale und ventrale Wand an einander legen, entsteht an der hinte- 
ren Fläche der Linse die bekannte horizontale Naht. Da nun aber 
die Linsenfasern gleichen Alters ungefähr die gleiche Länge haben, 
so muss auch vorn, unter dem Linsenepithel eine Naht entstehen, 
die aber begreiflicherweise nicht horizontal, sondern senkrecht darauf, 
also vertikal verlaufen muss. Wann diese vordere Linsennaht ent- 
steht, vermag ich nicht genau anzugeben; bei einem Embryo von 
30 mm Länge scheint sie schon vorhanden zu sein. Jedenfalls ist 
die vordere Naht eine nothwendige Folge der hinteren und diese 
wieder geht, wie aus einander gesetzt wurde, aus der Verwachsung 
der Wände einer spaltförmigen Grube der hinteren Linsenfläche hervor. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 511 


Diese Grube ist an allen meinen Präparaten von einem fein- 
körnigen Gerinnsel erfüllt. An den Wänden der Grube sind die 
basalen Enden der Fasern, wenigstens zum Theil, kolbenförmig an- 
geschwollen. = 

Leider war der erwähnte Embryo von 34mm Länge der älteste 
Pristiurus-Embryo, den ich zu untersuchen Gelegenheit hatte. Dagegen 
besitze ich zwei Sagittalschnittserien durch den Kopf von Embryonen 
von Seyllium canieula von 41, bezw. 53 mm Länge, und wenn auch 
an diesen die Linse nicht so tadellos erhalten ist, als ich gern ge- 
wünscht hätte, so kann ich doch mit Sicherheit angeben, dass schon 
bei dem jüngeren der beiden die Linsenfasern eine größere Regel- 
mäßiskeit in der Anordnung erkennen lassen, als dies bei den unter- 
suchten Pristinrus-Embryonen der Fall war. Während sie nämlich 
bisher, abgesehen davon, dass sie von der vorderen zur hinteren 
Fläche der Linse zogen und dabei im Allgemeinen koncentrisch über 
einander gelagert waren, keine größere Regelmäßigkeit in der Anord- 
nung zeigten (vgl. Fig. 4, Taf. XXIX), haben bei den beiden Seyllium- 
Embryonen die am meisten peripheriewärts gelegenen Fasern begonnen, 
sich zu radiären Lamellen zusammenzuordnen. Man kann da- 
her auf einem Äquatorialschnitt jetzt einen großen centralen Kern 
unregelmäßig angeordneter Fasern und eine verhältnismäßig noch 
dünne peripherische Zone radiärer Lamellen unterscheiden. Zwischen 
beiden findet sich eine ziemlich breite Übergangszone, in welcher 
die Fasern allmählich jene regelmäßige Anordnung zu gewinnen 
streben. Wie wir sehen werden, setzt diese Regelmäßigkeit in der 
Anordnung der Fasern eine eben so große Regelmäßigkeit in der 
Anordnung der Zellen am Rande des Linsenepithels voraus. — 

Von Torpedo habe ich, wie früher erwähnt wurde, nur wenige 
Stadien untersucht. Leider fehlen mir gerade die jüngsten Stadien. 
Von den untersuchten will ich nur drei hervorheben; sie betreffen 
alle Torpedo marmorata. Bei dem jüngsten dieser Embryonen, einem 
solchen von 12 mm Länge, lagen in der Höhle des Linsenbläschens 
ziemlich zahlreiche rundliche Zellen, die gar keinen Zusammenhang 
mit den Wänden des Bläschens zeigten (Fig. 1, Taf. XXIX). Thei- 
lungsfiguren waren an diesen Zellen nirgends zu sehen, obwohl 
solche sonst in der Linse dieses Embryo in großer Menge vorkamen. 
Dagegen sah es ab und zu aus, als ob die Kerme dieser Zellen 
im Zerfall begriffen wären. — Falls die Linsenentwicklung bei Tor- 
pedo im Übrigen in derselben Weise vor sich geht, wie bei Pri- 
stiurus, so dürfte wohl die Annahme nahe liegen, dass diese centralen. 


512 Carl Rabl, 


Zellen von einer Zellmasse abstammen, die ursprünglich ähnlich, wie 
bei Pristiurus mit der vorderen Wand des Bläschens in Verbindung 
stand. | 

Die Wände des Linsenbläschens sind bei Torpedo auffallend 
dick, die mediale schon bei dem Embryo von 12 mm Länge etwas 
dicker als die laterale. Überall liegen aber die Theilungsfiguren nahe 
dem Lumen, wesshalb ich das Epithel für ein einschichtiges halte. — 
Auch noch in anderer Hinsicht besteht ein Unterschied gegenüber 
Pristiurus.. Während hier zwischen Linse und Ektoderm einerseits, 
zwischen Linse und Retina andererseits in den korrespondirenden 
Stadien keine Zellen zu finden waren, kommen solche bei Torpedo 
an den genannten Orten in ziemlich großer Zahl vor. Auf dem ab- 
gebildeten Schnitte ist ihre Zahl allerdings nur gering, aber in der 
ganzen Serie ist sie doch ganz erheblich. 

Bei dem nächst älteren Embryo, der eine Länge von 15 mm 
hatte, waren nur mehr wenige Zellen in der Höhle des Bläschens 
enthalten (Fig. 2, Taf. XXIX). Die Kerne dieser Zellen zeigten 
ein sehr verschiedenes Aussehen. Häufig sah es wieder aus, als ob 
sie im Zerfall begriffen wären, in anderen Fällen waren sie unge- 
mein klein und färbten sich mit Kochenillealaun fast ganz gleichmäßig 
und zugleich ungemein intensiv, viel intensiver, als sich sonst Kerne 
färben. Nirgends war eine Tendenz dieser Zellen, sich zwischen 
die übrigen Zellen des Linsenbläschens einzuordnen, zu bemerken, 
und ich trage daher kein Bedenken, anzunehmen, dass sie thatsäch- 
lich allmählich zerfallen und die Zerfallsprodukte resorbirt werden. — 
Die mediale Wand hat sich zu einem Polster erhoben, ihre Zellen 
sind also stark in die Länge gewachsen. Die laterale Wand ist 
dünner als früher. Ich halte beide Wände für einschiehtig, und zwar 
wieder auf Grund des Verhaltens der Theilungsfiguren. Solche sind 
n der Linsenfaserwand jetzt in sehr großer Zahl zu finden. — Der 
enge, spaltförmige Raum zwischen Linse und Retina ist größer ge- 
worden und die Zahl der hier liegenden Zellen hat sich vermehrt. 
Auch nach auben von der Linse, zwischen ihr und dem Ektoderm, 
sind einige Mesodermzellen zu finden. 

Der dritte Embryo hatte eine Länge von 18 mm. Die Linse 
war mehr kugelig geworden, die äußere Wand noch dünner, als 
früher, die innere dieker. Die Zellen der inneren Wand waren 
durchwegs zu langen Fasern ausgewachsen und ließen deutlich einen 
Unterschied in der Differenzirung der freien und basalen Enden er- 
kennen. Das Lumen des Linsenbläschens war ganz frei von Zellen 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 513 


oder Zerfallsprodukten von solchen. Die Mesodermzellen innen und 
außen von der Linse hatten an Menge erheblich zugenommen. 

Damit will ich meine Beschreibung der der Selachier- 
linse schließen. 

Was die Litteratur betrifft, so bemerkt BALFouR!, dass die erste 
Entwicklung des Auges der Selachier kein besonderes Interesse biete. 
»The lens arises in the usual vertebrate fashion. The epiblast in 
front of the optic vesiele becomes very much thickened, and then 
involuted as a shallow pit, which eventually deepens and narrows. 
The walls of the pit are soon constrieted off as a nearly spherical 
mass of cells enclosing a very small central cavity, in some cases 
indeed so small as to be barely recognisable.«< Daraus geht hervor, 
dass BALFOUR alle Eigenthümlichkeiten, durch welche sich die Linsen- 
entwicklung der Selachier von der aller anderen Wirbelthiere unter- 
scheidet, übersehen hat. 

Ich selbst habe in meiner » Theorie des Mesoderms« ? eine Reihe von 
Stadien beschrieben und dabei auf einige jener Eigenthümlichkeiten 
aufmerksam gemacht. Da das Interesse, welches diese Eigenthümlich- 
keiten bieten, weit über das specielle Gebiet, auf das sie sich beziehen, 
hinausgeht, will ich sie hier nochmals in Kürze zusammenfassen. 

Zunächst bildet sich, wie wir gesehen haben, eine mehrschich- 
tige, dicke Platte, an deren Außenfläche bald darauf eine kleine, 
trichterförmige Vertiefung entsteht. Indem die Platte weiter wuchert, 
liefert sie eine kugelige, solide Zellmasse, in welcher später eine 
excentrisch gelegene Höhle entsteht. Diese Höhle, die erste Anlage 
der Höhle des Linsenbläschens, hat mit der von außen eindringenden 
Grube gar nichts zu thun, sie entsteht ganz selbständig und bildet 
sich auch ganz selbständig weiter, während jene Grube verschwindet. 
Die Art und Weise, in der die Aushöhlung der soliden Zellmasse 
vor sich geht, hat zur Folge, dass sich zunächst die mediale Wand 
des Linsenbläschens differenzirt, also jene Wand, welche die speeci- 
fischen Elemente der Linse, die Linsenfasern, liefert. Im Gegensatze 
hierzu geht bei allen anderen Wirbelthieren, so weit deren Linsen- 
entwicklung genauer bekannt ist, die Höhle der Einstülpung direkt 
in die Höhle des Linsenbläschens über. Die letztere Art der Linsen- 
entwicklung dürfen wir wohl als die einfachere, ursprünglichere, jene 


. +F. M. BaLrour, A Monograph on ı the Development of Elasmobranch 
Fishes. London 1878. p. 184 ff. 
2 C. RABL, Theorie des Mesoderms. Leipzig 1897. p. 105, 135, 138, 139, 
144, 145, 149. 


514 Carl Rabl, 


der Selachier also als eine abgeleitete, modifieirte, betrachten. Wir 
haben also hier wieder eines jener Beispiele vor uns, dass ein Organ, 
welches ursprünglich aus einer hohlen Einstülpung hervorgegangen 
ist, sich sekundär aus einer soliden Wucherung entwickelt. 

Dieses Beispiel bietet aber noch ein weiteres Interesse. Es 
wird gewiss Niemandem in den Sinn kommen, die kleine Grube, 
die sich in die Linsenanlage der Selachier einsenkt, für eine Bildung 
sui generis zu halten; vielmehr wird Jeder in ihr ein Homologon 
jener Grube erblieken, die sich sonst bei der Entwicklung der Linse 
bildet. Nun entsteht aber die Höhle des Linsenbläschens selbständig, 
ohne allen Zusammenhang mit dieser Grube, und dies muss wohl 
den Gedanken nahe legen, dass die beiderlei Gruben doch nicht ganz 
und gar, in allen ihren Beziehungen, gleichwerthige Bildungen sind. 
Wir gelangen so zu dem Schlusse, dass die Linsengrube der Sela- 
chier nicht der ganzen Linsengrube der übrigen Wirbelthiere, son- 
dern nur der Eingangsöffnung derselben entspricht. Sowie diese 
Eingangsöffnung verschwindet, indem sie sich schließt, so verschwindet 
die Linsengrube der Selachier, indem sie sich. allmählich verflacht. 
Es liegen also hier ganz ähnliche Verhältnisse vor, wie bei der 
Gastrulation der höheren Wirbelthiere. Die Primitivrinne setzen wir 
dem Urmund, der Eingangsöffnung des Urdarmes, gleich, unbekümmert 
darum, ob sie thatsächlich noch in die Darmhöhle führt oder nicht. 
Es kann vielmehr gerade so, wie bei der Entwicklung der Höhle 
des Linsenbläschens, die Darmhöhle ganz selbständig und ohne jeden, 
Zusammenhang mit der Primitivrinne entstehen, und doch kann diese 
den letzten Rest oder das Rudiment einer Einstülpungsöffnung des 
Darmes, eines Urmundes, vorstellen. 


B. Bau. Die Linse der Selachier, wie die der Fische überhaupt 
wird gewöhnlich als kugelig oder nahezu kugelig beschrieben. In- 
dessen ist die Abplattung an beiden Polen keine ganz unbeträcht- 
liche, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. Bei einem jungen 
Mustelus laevis betrug der Durchmesser von Pol zu Pol oder die 
Linsenachse 5,4, der Äquatorialdurchmesser 6,3 mm; bei einem älteren 
Mustelus betrugen die beiden Maße 9,1, beziehungsweise 10,3 mm. 
Bei einem Pristiurus melanostomus betrug die Achse 7,6, der Äqua- 
torialdurchmesser 8,6 mm; bei einer Chimaera monstrosa 12,2 bezw. 
13,5 mm; endlich bei einer Raja asterias 4,0 und 4,7 mm. Ähnliches 
gilt von den Knochenfischen; so habe ich beispielsweise bei einer 
Trigla hirundo eine Achse von 5,0 und einen Äquatorialdurchmesser 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 515 


von 6,6 mm und bei einem Lophius piscatorius eine Achse von 8,3 
und einen Äquatorialdurchmesser von 10,0 mm gefunden. Immer ist 
also die Achse erheblich kürzer als der Äquatorialdurchmesser. Nur 
bei einer Belone acus habe ich einmal beide Durchmesser von un- 
sefähr gleicher Länge gefunden. Aus den angeführten Zahlen darf 
indessen nicht mehr geschlossen werden, als unmittelbar aus ihnen 
hervorgeht. Zur Berechnung eines Index, einer Verhältniszahl zwi- 
schen beiden Durchmessern, wage ich die angeführten Zahlen dess- 
halb nicht zu verwerthen, weil ich die betreffenden Linsen nicht 
selbst konservirt habe. Wenn auch die Art der Konservirung im 
Wesentlichen bei allen die gleiche war, in so fern alle entweder in 
Sublimat-Pikrinsäure oder Sublimat-Platinchlorid gelegt wurden, so 
erfordert doch die Behandlung eine ganz besondere Sorgfalt und 
Aufmerksamkeit, wenn die Linsen zur Berechnung von Indices ge- 
eignet sein sollen. 

Bei Chimaera und sämmtlichen untersuchten Squaliden waren 
alle Durchmesser, welche man durch die Äquatorialebene legen konnte 
von gleicher Länge, mit anderen Worten, ein Durchschnitt durch die 
Ebene des Äquators hatte eine kreisförmige Begrenzung. Anders 
verhielten sich die untersuchten Rajiden, Raja asterias und Torpedo 
marmorata; hier war der Horizontaldurchmesser um ein Geringes 
länger als der Vertikaldurchmesser, und ein Durchschnitt parallel 
dem Äquator war also kein Kreis, sondern eine Ellipse. Die Linse der 
Rajıden hat demnach die Form eines abgeplatteten Ellipsoids!. Natür- 
lich muss das eine Verzerrung der auf der Retina entworfenen Bilder 
zur Folge haben. Da ich jedoch nur konservirte Linsen untersucht 
habe, muss ich die Möglichkeit offen lassen, dass die erwähnte Eigen- 
thümlichkeit der Rajidenlinse durch ungleichmäßige Schrumpfung zu 
Stande gekommen war. Auf alle Fälle bleibt es merkwürdig, dass 
nur bei den Rajiden und nicht auch bei den Squaliden die Linse in 
Folge der Härtung jene eigenthümliche Form annehmen sollte. 

Die Linse zeigt an beiden Flächen eime lineare Naht (Textfig. 1). 
Die Naht der Hinterfläche, die meist leichter erkennbar ist, steht 
horizontal, die der Vorderfläche vertikal; die beiden Nähte stehen 
also senkrecht auf einander. Sie sind keineswegs immer geradlinig; 
häufig sind sie mehr oder weniger verbogen und manchmal lassen 
diese Biegungen eine deutliche Symmetrie erkennen (Textfig. 2 a). 
Nur selten fehlen die Nähte vollständig; so fand ich unter sehr zahl- 


1 Ähnliches fand ich bei Aeipenser ruthenus. 


516 Carl Rabl, 


reichen Linsen von Mustelus eine ohne Naht (vgl. Textfig. 25); an 
ihrer Stelle war an der hinteren und ähnlich auch an der vorderen 
Fläche eine unregelmäßige, nach mehreren Richtungen ausgezogene 
Grube zu sehen. Es war dies die größte aller Mustelus-Linsen, die 
ich zu untersuchen Ge- 
legenheit hatte; bei allen 
anderen waren die Nähte 
sehr deutlich. Auch bei 
einem Pristiurus fehlten 
einmal die Nähte, und 
auch hier waren die 
betreffenden Linsen die 
größten, die mir zu Ge- 
sicht kamen; bei den 
kleineren waren die Nähte 
stets gut ausgebildet. Ab- 
gesehen von diesen paar 
Fällen kann man sagen, 
dass die Länge der Nähte 
Textfigur 1. mit der Größe der Linsen 

Linse von Mustelus laevis, von hinten gesehen. im Allgemeinen zunimmt. 

Bei einem Mustelus, dessen Linsen einen Äquatorialdurchmesser von 
6,3 mm hatten, waren die Nähte ungefähr 3,2 mm lang; an einer 


| \\| 
a Dexttieur 2. b 


a, Hintere Linsennaht von Pristiurus. d, Figur an der hinteren Fläche einer Mustelus-Linse. 


Pristiurus-Linse mit einem Äquatorialdurchmesser von 8,6 mm fand ich 
sie ungefähr eben so lang; bei Chimaera fand ich eine Naht von 
6 mm Länge bei einem Äquatorialdurchmesser von 13,5 mm. Ganz 
ähnlich verhielten sich die Knochenfische; bei einer Trigla-Linse von 
6,6 mm Äquatorialdurchmesser war die hintere Naht ungefähr 3,0 mm | 
lang, und bei einem Lophius von 10 mm Aquatorialdurchmesser 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 517 


5,0 mm. Kleine Abweichungen von der Regel kommen ja immerhin 
vor, indessen sind dieselben ohne jede Bedeutung. 

Jeder, der schon Linsen konservirt hat, weiß, wie leicht die- 
selben springen; er weiß wohl auch, dass sie an die Hinterfläche 
sehr viel leichter und häufiger springen als vorn. Dies hat einer- 
seits darin den Grund, dass die Linsenfasern an der hinteren Naht 
weniger fest an einander schließen, als an der vorderen, andererseits 
aber auch darin, dass die Linsenkapsel hinten viel dünner ist als 
vorn und daher dort viel leichter einreißt. 

Von den Linsennähten sieht man an konservirten Linsen sehr regel- 
mäßig angeordnete Strahlen auslaufen (vgl. Textfig. 1 und 2). Es sind 
dies, wie wir noch sehen werden, Spalten, welche mehr oder weniger 
tief zwischen die Radiärlamellen der Linse einschneiden. — 

Die Linse der Selachier besteht, wie die der Wirbelthiere über- 
haupt, aus dem Epithel, den Linsenfasern und der Kapsel. 

Das Epithel überzieht nicht bloß die ganze Vorderfläche, sondern 
reicht noch ziemlich weit über den Äquator auf die Hinterfläche hin- 
über. Hier breitet es sich nicht überall gleich weit bis zur Mitte aus, 
sondern lässt eine elliptische Stelle frei. Die lange Achse der Ellipse 
steht horizontal. entspricht also ihrer Lage nach der hinteren Naht. 
Bei einem jungen Mustelus, dessen Linsen einen Äquatorialdurch- 
messer von 6,35 mm hatten, war diese epithelfreie Strecke der Hinter- 
fläche ca. 6 mm lang und 5 mm breit. An mit Kochenillealaun ge- 
färbten Linsen kann man die Epithelgrenze ganz leicht mit freiem 
Auge sehen. Legt man eine solche Linse aus Alkohol auf kurze 
Zeit in Wasser, so gelingt es leicht, das Epithel in großen, zusammen- 
hängenden Fetzen abzuziehen. An solchen Epithelfetzen, sowie auch 
an Meridionalschnitten durch die Linse kann man sich von folgenden 
Thatsachen überzeugen. Das Epithel ist in der Mitte der Vorder- 
fläche am dünnsten und nimmt ganz allmählich gegen den Äquator 
und vielleicht noch darüber hinaus an Dicke zu (Taf. XXIX, Fig. 6). 
Es geht dabei aus einem einschichtigen Plattenepithel allmählich in 
ein Cylinderepithel über. Am AÄquator sind die Zellen mindestens 
dreimal so hoch, als in der Nähe des vorderen Poles. Dagegen 
nimmt die Größe der Zellareale von der Mitte der Vorderfläche bis 
zum Äquator und darüber hinaus allmählich ab; so kommt es, dass 
die Kerne in der Mitte der Vorderfläche durch große Abstände von 
einander getrennt sind (Taf. XXIX, Fig. 7), während sie am Äquator 
und an der hinteren Fläche so dicht neben einander stehen, dass nur 
äußerst enge Zwischenräume zwischen ihnen bestehen bleiben 


518 Carl Rabl, 


(Taf. XXIX, Fig. 8, linke Hälfte). In der Mitte der Vorderfläche 
nehmen die Kerne fast die ganze Dicke des Epithels ein; am Aqua- 
tor dagegen und hinter demselben stehen sie ungefähr in halber 
Höhe der Zellen und ihr Durchmesser beträgt kaum ein Drittel von 
dem senkrechten Durchmesser des Epithels. Zuweilen liegen hier 
die Kerne näher der freien, als der basalen Seite der Zellen. Ich 
brauche dazu kaum zu bemerken, dass nach der Art der Entwicklung 
der Linse die der Linsenkapsel zugewendete Seite der Zellen als ba- 
sale, die entgegengesetzte als freie aufzufassen ist. — Die Zellen 
des Linsenepithels lassen an der ganzen Vorderfläche, sowie auch an 
einem Theil der Hinterfläche keinerlei Regelmäßigkeit in der An- 
ordnung erkennen. Ungefähr zwölf bis fünfzehn Zellen von der 
Epithelgrenze entfernt beginnen sie sich aber zu außerordentlich 
regelmäßigen Reihen zu ordnen, die genau meridional gestellt sind 
und an deren hinteren Enden die Umbildung -der Zellen zu Fasern 
erfolgt (Taf. XXIX, Fig. S). Meridionalschnitte durch diesen Theil 
des Linsenepithels zeigen, dass die Zellen sammt den Kernen hier 
schief stehen, so dass sie sich zum Theil dachziegelförmig decken 
(Taf. XXVIH, Fig. 13). Demnach besteht also an der hinteren 
Linsenfläche eine zwölf bis fünfzehn Zellen breite Zone meri- 
dional gestellter Zellreihen, die an dem einen Ende, nach vorn 
zu, ganz allmählich und ohne scharfe Grenze in das ungeord- 
nete Epithel übergehen, während an dem anderen Ende die Zellen 
sich zu den Linsenfasern umbilden (Taf. XXIX, Fig. 8). Es ist klar, 
dass die regelmäßige Anordnung der Epithelzellen dieser Über- 
sangszone auch in der Anordnung der Linsenfasern zum Ausdruck 
kommen muss. 

Von der Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern erhält man 
an Meridionalschnitten den besten Aufschluss. Solche sind auf 
Taf. XXVII, Fig. 13 bei starker und auf Taf. XXIX, Fig. 6 bei 
schwacher Vergrößerung gezeichnet. Man überzeugt sich an ihnen 
zunächst, dass eine ganz scharfe Grenze zwischen Epithelzellen und 
Linsenfasern nicht existirt; immerhin wird man aber nicht weit fehl- 
gehen, wenn man die Grenze etwa an die mit eg (Taf. XXVII, 
Fig. 13) bezeichnete Stelle legt. Mit r ist auf derselben Figur die 
Gegend bezeichnet, in welcher das ungeordnete Epithel in die Zone 
meridional gestellter Zellreihen übergeht. Die Zellen wachsen bei 
der Umbildung in Fasern an beiden Enden in die Länge; dahei 
scheint zunächst das freie, nach innen gerichtete Ende dem basalen 
etwas vorauszueilen. Die Zellkerne werden, indem sie sich der 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 519 


Form der auswachsenden Fasern anpassen, länger und dünner und 
stellen sich mehr und mehr parallel der Oberfläche. 

Die Kernzone zeigt einen eigenthümlichen Verlauf. Sie wendet 
sich von der Epithelgrenze zunächst eine Strecke weit nach hinten, 
biegt dann in scharfem Winkel nach vorn um, zieht darauf in ge- 
ringer Entfernung von der Oberfläche und zugleich parallel mit ihr 
bis in die Gegend des Äquators und wendet sich hier zum Schlusse 
nach innen, um sich allmählich aufzulösen und zu verschwinden 
(vgl. Taf. XXVII, Fig, 13 und Taf. XXIX, Fig. 6). An der hinte- 
ren Umbiegungsstelle sind die Kerne außerordentlich dicht gehäuft; 
viel weniger dicht am Äquator, wo sie allmählich jene Verände- 
rungen erfahren, welche zu ihrem Schwunde führen. Diese werde 
ich in dem von der Linse der Amphibien handelnden Abschnitte 
genauer beschreiben. 

Meridionalschnitte durch die Linse erwecken leicht die Vor- 
stellung, dass die Linsenfasern zu Schichten geordnet sind, welche 
»wie die Schalen einer Zwiebel« koncentrisch über einander liegen. 
Indess sind die koncentrischen Linien, die man an solchen Schnitten 
sieht und von denen einige an den auf Taf. XXVII und XXIX ge- 
zeichneten Figuren dargestellt sind, nicht die Grenzlinien ganzer 
Schichten von Linsenfasern, sondern lediglich die Kontouren ein- 
zelner Linsenfasern. Dieselbe Vorstellung einer koncentrischen 
Schichtung wird auch durch die bekannte Thatsache hervorgerufen, 
dass man von gehärteten oder getrockneten Linsen mehr oder we- 
niger- umfängliche Platten abbröckeln kann, die koncentrisch über 
einander liegen. Jedoch hat dies lediglich darin den Grund, dass die 
Linsenfasern gleichen oder ungefähr gleichen Alters auch gleiche oder 
ungefähr gleiche Konsistenz, gleiche chemische nnd physikalische 
Beschaffenheit, besitzen. Wer an dieser, in alle Lehr- und Hand- 
bücher der Anatomie und Histologie übergegangenen, durchaus irrigen 
Annahme einer koncentrischen Schichtung der Linse festhält, wird 
sich an den Bildern, welche Äquatorialschnitte zeigen, nicht zurecht- 
finden. Diese zeigen Alles eher, als eine koncentrische Schichtung; 
und doch müssten sie, wenn eine solche vorhanden wäre, dieselbe 
eben so deutlich zeigen, wie es Meridionalschnitte thun oder viel- 
mehr zu thun scheinen. Statt zu koncentrischen Schichten sieht 
man aber an solchen Äquatorialschnitten die Linsenfasern zu 
radiären Lamellen vereinigt; statt des Bildes einer Zwiebel 
erhält man das einer Apfelsine.e Dabei ist die Regelmäßigkeit des 
Bildes eine geradezu erstaunliche. — Diese Anordnung der Fasern 


a a ne 


= mm 
ss=ss22a2zı2 IS 
so=m.zzenacen: 

(===) 


== ERS 
sazası Basssl 


jan 


= = ee, 
B=sgzassee 
SEBER 

ER 


Textfigur 3. 
Schema einer Selachierlinse (Segment eines Äqua- 
torialschnittes). 7, Hauptfasern, 2, Übergangs- 
fasern, 3, Centralfasern. 


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2; 


Carl Rabl, 


zu radiären Lamellen erklärt sich 
ganz leicht und ungezwungen aus 
der Anordnung der Zellen des 
 Linsenepithels an der Epithel- 
srenze. Hier finden sich die er- 
wähnten meridionalen Reihen und 
am Hinterende dieser Reihen geht 
die Bildung der Linsenfasern vor 
sich. Sowie die letzte Zelle einer 
Reihe zu einer Linsenfaser um- 
gebildet ist, rückt die nächste 
vor, darauf folgt die zweitnächste 
und so geht es fort, so lange die 
Linse wächst und sich neue Fa- 
sern bilden. Jede neugebildete 
Faser legt sich genau über die 
vorhergehende hinweg und die Ge- 
sammtheit aller aus einer meridio- 
nalen Reihe entstandenen Fasern 
setzt eine Radiärlamelle zusam- 
men. Die Zahl dieser Lamellen 
muss also mit der Zahl der meri- 
dionalen Reihen an der Epithel- 
srenze übereinstimmen. — Aber 
nicht in ihrer ganzen Dicke kann 
die Linse aus solchen zu Radiär- 
lamellen vereinigten Fasern be- 
stehen. Wir haben früher ge- 
sehen, dass die Linsenfasern 
jüngerer Embryonen keine der- 
artige Anordnung besitzen und dies 
stimmt auch mit der Thatsache 
überein, dass die Zellen des 
Linsenepithels am Äquator oder 
hinter demselben zu dieser Zeit 
noch nicht zu meridionalen Reihen 
geordnet sind. Der auf Taf. XXIX, 
Fig. Aabgebildete Äquatorialschnitt 
einer Linse eines 24 mm langen 
Pristiurus-Embryo lässt noch nichts: 


l 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 521 


von der späteren gesetzmäßigen Aufreihung der Fasern erkennen. 
Es liegt auch gar kein Grund zu der Annahme vor, dass diese Fasern, 
die später das Centrum der Linse bilden, sich im Laufe der Entwick- 
lung umordnen und dann gleichfalls Radiärlamellen formiren; eine 
solehe Annahme wäre geradezu widersinnig. Wir müssen uns also 
vorstellen, dass die centralen Linsenfasern auch später noch unregel- 
mäßig angeordnet bleiben. Wenn es mir auch nicht gelungen ist, 
vollständige, in der Mitte nicht gebröckelte Schnitte durch die Linsen 
erwachsener Selachier zu bekommen, so darf doch um so mehr aus 
dem Verhalten der embryonalen Linse auf das der fertigen geschlos- 
sen werden, als es mir bei anderen Thierformen, bei Amphibien 
Reptilien und Vögeln, in der That geglückt ist, solche vollständige 
Schnitte anzufertigen und ich mich an diesen überzeugen konnte, 
dass die eentralen Fasern nicht jene regelmäßige Anordnung besitzen, 
wie die, welche die Hauptmasse der Linse ausmachen. 

Die Bildung von Radiärlamellen beginnt erst gegen Ende des 
embryonalen Lebens; bei Seyllium-Embryonen von 41 mm Länge hat 
sie eben begonnen. Sie muss natürlich durch die Bildung meridio- 
naler Reihen am Rande des Linsenepithels eingeleitet werden. Der 
Übergang zwischen diesen zu Radiärlamellen aufgereihten und den 
centralen, ungeordneten Fasern ist ein langsamer, allmählicher und 
wir können daher an einem Äquatorialschnitt einer Selachierlinse 
(Textfig. 3) drei Abschnitte unterscheiden. Weitaus die Hauptmasse 
der Linse wird von den zu Radiärlamellen geordneten Fasern auf- 
gebaut; diese bilden die eigentliche Grundlage der Linse (7); das 
Centrum bilden ungeordnete Fasern (3) und den Übergang zwischen 
beiden stellen Fasern her, welche sich allmählich zu Lamellen ord- 
nen (2). Wir können also Hauptfasern. Centralfasern und Über- 
gangsfasern unterscheiden. 

Das nebenstehende Schema ist übrigens, abgesehen davon, dass es 
von allen Details absieht, noch in so fern nicht ganz genau, als die Zahl 
der Fasern, welche in einen solchen Sektor eines Äquatorialschnittes 
fallen, viel zu klein angegeben ist; auch die faserärmsten Selachierlinsen 
sind außerordentlich viel reicher an Fasern, als das Schema zeigt. 

Die Radiärlamellen weichen ganz gewöhnlich bei der Härtung 
von Stelle zu Stelle aus einander und es entstehen dadurch zwischen 
ihnen mehr oder weniger breite und tiefe Spalten, welche, wenn sie 
bis an die Oberfläche reichen, im auffallenden Lichte als dunkle 
Streifen erscheinen, die von den Linsennähten radiär gegen den 
Äquator ziehen. Dagegen bilden sich nur sehr selten quere Spalten, 


522 Carl Rabl, 


die senkrecht durch die Lamellen und demnach parallel zur Ober- 
fläche verlaufen. Diese queren Spalten haben stets unregelmäßige 
Wände und unregelmäßigen Verlauf. Dieses Verhalten wäre ganz 
unverständlich, wenn die Linse, wie dies immer behauptet wird, aus 
koncentrischen Schichten und nicht, wie ich finde, aus radiären La- 
mellen aufgebaut wäre. 

Die Radiärlamellen nehmen von innen nach außen an Dicke zu 
und damit hängt es zusammen, dass die Fasern in derselben Richtung 
breiter werden. Es ist dies schon aus dem Schema zu ersehen, dann 
aber auch aus den Figg. 10« und 105, Taf. XXIX, welehe beide 
einem und demselben Schnitte entnommen sind und von denen die 
erstere die Linsenfasern an der Oberfläche, die letztere dieselben 
aus größerer Tiefe zeigt. 

Bekanntlich sind die Linsenfasern lange, abgeplattete, sechssei- 
tige Prismen, deren breite Seiten nach außen und innen gewendet 
sind und deren spitze, nach den Seiten gerichtete Winkel derart in 
einander greifen, dass dadurch regelmäßige Ziekzacklinien zu Stande 
kommen. Diese Linien stellen die Grenzen der einzelnen Radiär- 
lamellen dar (vgl. die Fig. 10—16, Taf. XXIX). Indessen sind die 
Querschnittsbilder der Fasern ungemein verschieden. Manchmal sehen 
sie mehr Rechtecken, als Sechsecken ähnlich (Fig. 105 und 12), ein 
ander Mal sind die breiten Seiten der Sechsecke nach außen (Fig. 15) 
oder nach innen (Fig. 16) konkav, wieder ein ander Mal trifft man 
Fasern von verschiedenem Querschnitt in einer und derselben Linse; 
kurz, man gewinnt den Eindruck, dass die Linsenfasern ungemein 

plastische Gebilde sind, die auf den leisesten Druck ihre Form zu 
“ verändern vermögen. 

Dieht unter der Oberfläche der Linse sind die Fasern nicht nur 
breiter als in größerer Tiefe, sondern zugleich dünner (Fig. 9 und 10); 
die Dieke nimmt ganz allmählich zu, um dann in größerer Tiefe 
wieder abzunehmen. 

Ganz allgemein kommt es vor, dass sich Radiärlamellen in ihrem 
Zuge von innen nach außen theilen, und ich habe in der That keine 
Linse gesehen, in welcher dies nicht der Fall gewesen wäre. Der- 
artige Theilungen sind auf Taf. XXIX, Fig. 9 von Seyllium catulus 
und Fig. 15 und 16 von Raja asterias dargestellt. An der Theilungs- 
stelle erleiden die Querschnittsbilder der Fasern mancherlei Ab- 
weichungen von der typischen Form, und zuweilen trifft man hier 
Fasern von außerordentlicher Breite. 

Wenn nun aber auch solche Theilungen ganz konstant in jeder 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 523 


Linse vorkommen und daher zu den regelmäßigen Erscheinungen ge- 
hören, so sind es doch immer nur verhältnismäßig wenige Radiär- 
lamellen, welche davon betroffen werden. Weitaus die Mehrzahl 
verläuft ungetheilt von der Übergangszone bis zur Oberfläche. Immer- 
hin muss man aber mit diesen Theilungen rechnen; denn es ist klar, 
dass dadurch die Zahl der Radiärlamellen von innen nach außen 
zunehmen muss, oder, was im Grunde auf dasselbe hinauskommt, 
dass die Linsen jüngerer Thiere weniger Radiärlamellen besitzen 
müssen als die älterer und vollkommen erwachsener. Die Zahl der 
Radiärlamellen nimmt also mit dem Alter zu. Außerordentlich viel 
seltener als solche Theilungen von Lamellen kommen Verbindungen 
derselben vor, in der Weise, dass zwei Lamellen nach außen zu sich 
zu einer einzigen vereinigen. Wie bei der Theilung einer Lamelle 
erleidet auch bei einer solchen Vereinigung das Querschnittsbild der 
Fasern eine mehr oder weniger erhebliche Abweichung von der ge- 
wöhnlichen Form. Durch derartige Verbindungen der Lamellen muss 
natürlich die Zahl derselben nach außen abnehmen. Indessen sind 
diese Fälle ungemein selten, und an Häufigkeit mit den Theilungen 
der Lamellen gar nicht zu vergleichen; sie ändern daher nichts an 
- dem allgemeinen Satze, dass die Zahl der Lamellen von innen nach 
außen zunimmt. 

Wie diese Theilungen und Verbindungen der Radiärlamellen zu 
erklären sind, werde ich in dem von der Linse der Amphibien han- 
delnden Kapitel des Genaueren aus einander setzen; hier will ich 
nur erwähnen, dass die Ursache derselben in dem Verhalten der 
meridionalen Reihen am Rande des Linsenepithels zu suchen ist. 

Häufiger, als die Vereinigung zweier Lamellen zu einer einzigen 
kommt es vor, dass sich zwei Lamellen mit einander verbinden, um 
sich sofort oder nach kurzer Zeit wieder zu trennen. Im ersteren 
Fall stellt gewöhnlich eine einzige Faser die Verbindung der beiden 
Lamellen her. — Eine andere Unregelmäßigkeit in der Anordnung 
der Fasern zeigt uns die Fig. 16, Taf. XXIX, wo zwei, im Übrigen 
ganz selbständige Lamellen an einer Stelle mit einander in Verbin- 
dung treten. — Manchmal sieht man plötzlich mitten zwischen nor- 
malen Fasern eine ganz kolossale eingestreut, welche indess in der 
Regel die Ordnung nur auf kurze Zeit stört. — Schwer zu be- 
urtheilen sind Fälle, wie der in Fig. 13 von Chimaera abgebildete; 
es ist hier nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob die zwei großen 
ovalen Querschnitte Faserquerschnitte oder aber mit feinkörmigem 


- Gerinnsel erfüllte Lücken sind. Die Granulirung spricht nicht gegen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIHN. Bad. 34 


524 Be Carl Rabl, 


die erstere Annahme; denn eine solche ist ungemein häufig an ganz 
normalen Fasern zu sehen. 

Die Zahl der Radiärlamellen hängt, wie gesagt, zunächst von 
dem Alter des Thieres ab; daher treffen wir bei jungen Thieren einer 
bestimmten Art weniger Lamellen als bei alten. Ferner hängt aber 
auch die Zahl der Radiärlamellen von der Art selbst ab, und es 
können z. B. zwei Linsen von gleicher Größe, aber von verschiedenen 
Arten eine sehr verschieden große Zahl von Radiärlamellen besitzen. 

Ich habe an einer Anzahl von Linsen die Radiärlamellen gezählt 
und bei den Selachiern die größten Zahlen gefunden, die mir über- 
haupt begegnet sind. Eigenthümlicherweise war es gerade diejenige 
Form, welche im System an die tiefste Stelle gestellt wird, die die 
srößte Zahl von Lamellen aufwies; an einer Chimaera monstrosa fand 
ich nämlich ca. 3880 Radiärlamellen. Allerdings war die betreffende 
Linse ganz besonders groß; ihr Durchmesser betrug im Äquator 
13,3 mm. Erheblich geringer war die Zahl bei einer Linse von 
Pristiurus melanostomus von 8,8 mm Äquatorialdurchmesser; sie betrug 
ungefähr 2900. Bei einem jüngeren Pristiurus mit einer Linse von 
nur 8,0 mm Durchmesser betrug die Zahl der Lamellen 2009. An 
einer Linse von Mustelus laevis von 6,3 mm Durchmesser zählte ich 
2130 Lamellen; an einer anderen, ungefähr gleich großen Linse der- 
selben Art 2200; an einer solchen von 9,8 mm Durchmesser, also 
von einem viel älteren Thiere, 2820. An einer Linse von Acanthias 
vulgaris von 6,3 mm Durchmesser fand ich 1747; an einer solchen 
eines älteren Embryo, deren Durchmesser 4,4 mm betrug, dagegen 
nur 1632. An der Linse eines Spinax niger von 6,1 mm Durchmesser 
waren 1172 Radien vorhanden, und an der Linse eines sehr jungen, 
ca. 14 cm langen Seyllium catulus 1040. Endlich habe ich noch an 
der Linse einer Raja asterias von 4,5 mm größtem Durchmesser 
1211 Radiärlamellen gezählt. Die Linsen von Torpedo marmorata, 
die ich schnitt, habe ich leider nicht senkrecht zur Achse getroffen 
und kann daher die Zahl der schief durchschnittenen Lamellen nicht 
sicher angeben; aber ich möchte doch bemerken, dass sie mir ge- 
ringer zu sein scheint als bei Raja. 

Aus den angeführten Zahlen lässt sich ein Schluss in phyioge- 
netischem Sinne, etwa dahin gehend, dass bei tiefer stehenden Formen 
die Zahl der Radiärlamellen eine größere, bei höher stehenden eine 
kleinere wäre, nicht ziehen. Die Erfahrungen bei anderen Wirbel- 
thieren sprechen, wie wir noch sehen werden, entschieden dagegen. 

Ich habe auf Taf. XXIX, Fig. 10 5 bis Fig. 16 kleine Stellen aus‘ 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 5935 


Äquatorialschnitten durch Linsen verschiedener Selachier gezeichnet 
und man kann an denselben die Breite und Dieke der Fasern und 
die Dicke der Radiärlamellen mit einander vergleichen. Die be- 
treffenden Stellen waren ungefähr gleich weit (ca. 0,5 mm) von der 
Oberfläche entfernt und wurden sämmtlich bei derselben Vergröße- 
runs: (Zeiss, Apochrom. Ölimm. 1,40) gezeichnet. Am schmalsten und 
zugleich am dünnsten sind die Fasern bei Chimaera (Fig. 13); un- 
sefähr eben so schmal, dabei aber dicker sind sie bei Mustelus 
(Fig. 105); etwas breiter sind sie bei Acanthias (Fig. 14); noch 
breiter bei Pristiurus (Fig. 11); sodann folgt Raja (Fig. 15 und 16), 
und am breitesten und vielleicht zugleich auch am dicksten sind sie 
bei Spinax (Fig. 12). 

Um die Faserbreite richtig zu beurtheilen, muss man sich übri- 
sens erinnern, dass die Dicke der Radiärlamellen und damit zugleich 
die Breite der Fasern von innen nach außen zunimmt. Wenn man 
nun an einer Linse von Chimaera von 13,3 mm Durchmesser un- 
sefähr 0,5 mm unter der Oberfläche Fasern von derselben Breite 
findet, wie bei einer Linse von Mustelus von 6,3 mm Durchmesser, 
so muss man sagen, dass die Linsenfasern der beiden Arten zwar 
absolut gleich breit, aber doch bei Mustelus relativ sehr viel 
breiter sind als bei Chimaera. Wenn man ferner findet, dass bei 
der erwähnten Mustelus-Linse die Fasern nur etwa halb so breit sind 
als bei einer fast eben so großen Linse von Spinax (Durchmesser 
6,1 mm) (vgl. Fig. 105 und 12), so steht diese Thatsache im vollen 
Einklang mit dem Zahlenverhältnisse der Radiärlamellen beider Linsen 
a0: 1172). — 

Wenn man eine Linse, die längere Zeit in Alkohol gelegen hat, 
in Wasser lest und dann die Kapsel abzieht, so gelingt es leicht, 
mit einer Pincette ein Bündel von Fasern zu fassen und abzuziehen. 
Geht man dabei von der hinteren Linsenfläche aus und fasst man 
ein Bündel, das in der Mitte der hinteren Linsennaht, also am hin- 
teren Linsenpol beginnt, so kann man es über den Äquator auf die 
vordere Fläche verfolgen und findet, dass es hier am Ende der Naht 
aufhört; fasst man umgekehrt ein Bündel, das am Ende der hinteren 
Linsennaht beginnt, so kann man es über den Äquator bis zur Mitte 
der vorderen Fläche verfolgen; fasst man endlich ein Bündel, das 
ungefähr in der Mitte zwischen dem hinteren Linsenpol und dem 
Ende der Naht beginnt, so kann man es bis zu einer korrespondiren- 
den Stelle der vorderen Naht verfolgen. Die Linsenfasern zeigen also 
den in dem umstehenden Schema angezeigten Verlauf. In demselben 
34* 


526 Carl Rabl, 


sind die Naht und die Fasern der hinteren Fläche mit vollen, die 
der vorderen mit punktirten Linien angegeben. Je weiter der Weg 
einer Faser an der hinteren Fläche ist, um so kürzer ist er an der 
vorderen und umgekehrt. — Der hier im Schema angegebene Ver- 
lauf der Fasern entspricht genau dem Verlauf der Spalten, wie er 
an der getreu nach dem Objekt gezeichneten Textfig. 1 (p. 516) zu 
sehen ist. Die Fasern gleichen Alters haben also ungefähr gleiche 
Länge. Fehlerhaft aber ist es, von Fasern einer und derselben 
Schicht zu reden; denn Schich- 
ten giebt es in der Linse nicht. 
Diese sind Kunstprodukte, von 
denen das histologische Bild 
nichts weiß. Da sich nun aber 
die Fasern zu Lamellen ver-. 
einigen, so können auch diese 
nicht genau meridional gestellt 
sein, sondern müssen vielmehr 
windschief verbogen sein. Frei- 
lich kann davon an einem ein- 
zelnen Schnitte durch die Linse 
nichts zu merken sein; aber 
Textfig. 4. man müsste sich davon über- 
zeugen können, wenn man eine 
lückenlose Serie von Äquatorialschnitten von einer Linse anfertigte, 
die Schnitte skizzirte und dann die Skizzen zu einem Gesammtbilde 
vereinigte. ' 

Zum Schlusse will ich noch ein paar Worte über die Linsen- 
kapsel sagen. Wie ich schon erwähnt habe, halte ich dieselbe 
für eine von der Linse zur Ausscheidung gebrachte Basalmembran 
und nicht für eine mesodermale Bildung. Sie stellt ein strukturloses 
Häutchen dar, an dem übrigens in seltenen Fällen eine deutliche 
Schichtung erkennbar ist; so konnte ich an einer sehr großen Mustelus- 
Linse am Äquator zwei und selbst drei Schichten von gleicher Dicke 
wahrnehmen. Die einzelnen Schichten waren von hyaliner Be- 
schaffenheit. — Die Dicke der Kapsel betrug an einer Mustelus-Linse 
von 6,3 mm Äquatorialdurchmesser in der Mitte der vorderen Fläche 
ungefähr 0,012 mm, am Äquator 0,016 mm, und in der Mitte der hin- 
teren Fläche höchstens 0,004 mm. Sie war also am Äquator am 
beträchtlichsten; von hier nahm die Dieke nach hinten rascher als 
nach vorn ab; am raschesten war die Abnahme unmittelbar hinter 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 5937 


dem Rande des Linsenepithels. Am Aquator einer Pristiurus-Linse 
von 8,8 mm Durchmesser betrug die Dicke der Kapsel nur 0,0072 mm; 
am Äquator einer Chimaera-Linse von 13,3 mm hans. sam 
betrug sie 0,036 mm. 


Il. Amphibien. 


A. Entwicklung. Ich habe die erste Entwicklung des Auges 
und speciell der Linse am genauesten am Axolotl, weniger vollständig 
an Triton taeniatus untersucht. Zur Untersuchung älterer Stadien 
habe ich hauptsächlich Larven von Salamandra maculosa und atra 
und von Triton eristatus verwendet. 

Bei der Beschreibung halte ich mich zunächst an meine Beob- 
achtungen am Axolotl und werde hier ausnahmsweise auch Einiges 
über die Entwicklung anderer Theile des Auges sagen. 

Der jüngste Axolotl-Embryo, der deutlich und unzweifelhaft eine 
Linsenanlage erkennen ließ, hatte ungefähr 24 Urwirbel. Er war 
in Beziehung auf die Ausbildung der anderen Sinnesorgane entschie- 
den weiter entwickelt, als der jüngste Pristiurus-Embryo, der etwas 
von einer Linsenanlage erkennen ließ; denn nicht bloß war das 
Epithel der Nasengrube dicker, sondern vor Allem war das Gehör- 
bläschen schon vollkommen vom Ektoderm abgelöst. 

Die Linsenanlage bildete eine dicke, aus Cylinderzellen zusammen- 
gesetzte Platte, an deren Aufbau sich lediglich die innere oder Sinnes- 
schicht (»Grundschicht«) des Ektoderms betheiligste, während die 
äußere oder »Deckschicht« als eine einfache Lage sehr flacher Zellen 
unverändert darüber hinwegzog (Fig. I, Taf. XXX). Die Zellen der 
Deckschicht enthielten feinkörniges Pigment, während die Linsen- 
anlage selbst ganz frei von Pigment war. Es ist dies desshalb auf- 
fallend, weil sowohl die Riechplatte, als namentlich die Wände des 
Gehörbläschens Pigment enthielten. Die Linsenplatte zeigte sich gegen 
die Umgebung nicht scharf abgegrenzt, ihre Zellen wurden nach der 
Peripherie niedriger und gingen allmählich in ein ziemlich flaches 
Epithel über. An der Körperoberfläche war die Stelle der Linsen- 
anlage durch eine Abflachung oder eben merkliche Einsenkung aus- 
gezeichnet. — Auch die Augenblase unterschied sich nicht unwesent- 
lich von der von Pristiurus-Embryonen korrespondirenden Stadiums. 
Während hier die beiden Wände derselben im ersten Stadium der 
Linsenentwieklung gleich oder nahezu gleich dick sind, sind sie beim 
Axolotl bereits ganz typisch verschieden. Die mediale Wand ist 
ungemein dünn und aus sehr flachen Zellen zusammengesetzt, die 


528 Carl Rabl, 


laterale außerordentlich diek und schon deutlich von außen her an der 
Stelle, wo sich die Linsenplatte findet, eingebuchtet. Beide Wände 
enthalten geringe Mengen von Pigment; in der lateralen, zur Retina 
sich entwickelnden Wand ist das Pigment hauptsächlich an der der 
Linsenanlage zugekehrten Seite gelegen und erstreckt sich von hier 
in mehr oder weniger langen Zügen nach der entgegengesetzten 
Seite. Dies stimmt übrigens mit der Thatsache überein, dass auch 
in der Anlage des Centralnervensystems das Pigment hauptsächlich 
an der Außenseite abgelagert ist. 

Der typische Unterschied zwischen den beiden Wänden der 
Augenblase giebt sich beim Axolotl schon lange vor dem ersten Auf- 
treten der Linse zu erkennen. Ja, sogar schon bei Embryonen mit 
13 Urwirbeln erscheint die laterale Wand der primären Augenblase 
dicker, als die mediale. 

Das Mesoderm schiebt sich bei Embryonen mit 24 Urwirbeln 
zwischen Ektoderm und Augenblase ungefähr bis zum Rand der 
Linsenplatte vor. I 

Wesentlich denselben Bau zeigte die erste Anlage der Linse 
noch bei vier anderen Embryonen gleichen Alters; nur war zuweilen 
die Einsenkung an der Außenfläche des Körpers etwas tiefer, als in 
dem beschriebenen Fall. | 

Bei einem etwas älteren Embryo, dessen Urwirbel ich aber nicht 
gezählt habe, bot das Auge auf dem Querschnitt das auf Fig. 2, 
Taf. XXX wiedergegebene Bild. Die Linsenplatte war erheblich 
dieker und, wenn sie auch noch nicht: zu einer Grube vertieft war, 
so ließ sie doch schon die Tendenz hierzu deutlich erkennen. Ihre 
Zellen waren ungemein hoch, zumeist kegelförmig und sichtlich sehr 
fest an einander gepresst. Ihre Kerne waren, wenn sie auch nicht alle 
in gleicher Höhe standen, doch fast durchwegs dem basalen Ende 
mehr, als dem freien, genähert. Die Deckschicht zeigte gegen früher 
kaum irgend eine wesentliche Veränderung. — Auf der linken Seite 
desselben Embryo, dem die Fig. 2 entnommen ist, war die Linse 
um eine Spur weiter entwickelt, indem sich hier in der That bereits 
eine kleine Grube gebildet hatte. 

Im Übrigen zeigte das Auge dieses Embryo nicht viel Besonderes. 
Abgesehen davon, dass die laterale Wand der Augenblase, entsprechend 
der mächtigeren Ausbildung der Linsenplatte tiefer eingestülpt war, 
zeigte sie kaum eine Veränderung. Dagegen war es im höchsten 
Grade auffallend, dass das ganze Auge, obwohl es doch zweifellos . 
weiter entwickelt war, als das des früher beschriebenen Stadiums, 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 529 


doch erheblich kleiner war, als dieses. Ganz derselben That- 
sache begegnen wir auch in späteren Stadien. Da dieser Gegenstand 
eine weitgehende, allgemeine Bedeutung besitzt, will ich bei dem- 
selben etwas verweilen. Jeder, der die Figuren der Taf. XXX, die 
sämmtlich bei der gleichen Vergrößerung gezeichnet sind, aufmerksam 
betrachtet, wird die Beobachtung machen, dass, wie erwähnt, das 
Auge im Stadium der Fig. 2 kleiner ist als im Stadium der Fig. 1, 
dann aber auch in dem der Fig. 4 kleiner, als in dem der Fig. 3, 
ja selbst kleiner als in dem der Figg. 1 und 2, in dem der Fig. 7 
endlich kleiner, als in dem der Fig. 6. Und doch kann es nicht 
einen Augenblick zweifelhaft sein, dass das Auge im Stadium der 
Fig. 4 weiter entwickelt ist, als in den Stadien der Figg. 1—3 oder 
im Stadium der Fig. 7 weiter, als in dem der Fig. 6. Da nun von 
vorn herein nicht die Möglichkeit auszuschließen war, dass das Auge 
bei einem im Übrigen weniger weit entwickelten Embryo besser 
ausgebildet sein konnte, als bei einem weiter entwickelten und um- 
gekehrt, so habe ich auch die übrigen Organisationsverhältnisse, vor 
Allem die Ausbildung der anderen Sinnesorgane, in Betracht gezogen. 
Dabei hat sich aber gezeigt, dass eine solche Annahme durchaus un- 
statthaft war, dass also der Embryo der Fig. 4 auch in seinen übrigen 
Organisationsverhältnissen weiter entwickelt war, als die Embryonen 
der Figg. 1—3, und eben so auch der Embryo der Fig. 7 weiter als 
der der Fig. 6. — Es war nun aber noch an die weitere Möglichkeit 
zu denken, dass in späteren Stadien zwar das Auge kleiner, aber 
der Gesammtquerschnitt des Kopfes doch größer sein könnte, als bei 
jüngeren Embryonen. Ich habe daher bei allen Embryonen die Höhe 
und Breite des Querschnittes durch den Kopf gemessen; diese 
Messungen haben gezeigt, dass bei Embryonen mit kleinerem, aber 
weiter ausgebildetem Auge auch der ganze Kopf kleiner, bei Em- 
bryonen mit großem, aber weniger weit entwickeltem Auge auch der 
ganze Kopf größer war. Daraus geht mit aller Sicherheit hervor, 
dass die Größe eines Embryo noch keinen sicheren Maßstab für das 
_ Alter oder, richtiger, für die Organisationshöhe desselben abgiebt. Es 
kann vielmehr ein kleiner Embryo weiter entwickelt sein, als ein 
sroßer!. Nun erhob sich aber noch eine andere Frage. Vielleicht 
war bei dem kleineren, aber weiter entwickelten Embryo die Zahl 
der Zellen größer, als bei dem größeren, aber weniger weit ent- 


i Vgl. darüber: ALFRED FISCHEL, Über Variabilität und Wachsthum des 
embryonalen Körpers. Morph. Jahrbuch. Bd. XXIV. 1896. 


530 Carl Rabl, 


wickelten. Aber auch dies war nicht der Fall. Ein Vergleich der 
Figg. 1 und 4 lehrt ohne Weiteres, dass die Zellenzahl bei den weiter 
entwickelten Embryonen keineswegs größer zu sein braucht, als 
bei den weniger entwickelten; ja sie kann sogar etwas kleiner sein. 
Es kann also ein kleiner Embryo weiter entwickelt sein, als ein großer, 
und doch kann seine Zellenzahl eine geringere sein. Diese That- 
sache ist von höchstem Interesse und regt zu weiterem Nachdenken 
an. Wir waren immer gewohnt, anzunehmen, dass gleich große 
Embryonen auch gleich weit entwickelt sind und dass gleich weit 
entwickelte Embryonen auch ungefähr die gleiche Zahl von Zellen 
haben und nun sehen wir, dass die Thatsachen diese Annahme 
durchaus nicht rechtfertigen. Wie diese Thatsachen zu verstehen 
sind, ist freilich schwer zu sagen. Gewiss wird man annehmen 
dürfen, dass kleinere Embryonen sich aus kleineren Eiern entwickelt 
haben, aber diese Annahme erklärt nicht die Thatsache, dass weiter 
entwickelte Embryonen nicht nothwendig mehr Zellen zu haben 
brauchen, als weniger weit entwickelte. 

Ich fahre nun mit der Beschreibung der Entwicklung des Auges 
fort. Das dritte Stadium (Fig. 3, Taf. XXX) zeigt uns die Linsenplatte 
zu einer tiefen Grube eingesenkt. In der Höhle der Grube liegt eine 
Zelle, aus deren Pigmentgehalt hervorgeht, dass sie der Deckschicht 
des Ektoderms angehört und bei der Einstülpung nur mechanisch in 
die Grube hineingezogen wurde. Es können übrigens auch Zellen der 
Sinnesschicht in der Höhle liegen; dies ist z. B. auf der anderen Seite 
desselben Embryo, dem dieses Bild entnommen ist, der Fall. Solche 
Zellen müssen aus irgend einem uns nicht näher bekannten Grunde 
aus der Reihe ihrer Genossen getreten sein. — Die Augenblase ist 
jetzt noch tiefer eingestülpt, als früher; zwischen ihr und der Linsen- 
anlage ist auch jetzt nur ein enger, spaltförmiger Raum ohne zelligen 
Inhalt vorhanden. Die laterale Wand der Augenblase enthält nur 
noch wenig Pigment, die mediale scheint etwas mehr zu enthalten. 
In beiden Wänden nimmt die Menge der Dotterplättehen allmählich 
ab. — Das spärliche, die Augenblase außen umgebende Mesoderm 
zeigt nichts Besonderes. — Bei einem zweiten Embryo desselben 
Stadiums war die Linsengrube auf beiden Seiten ganz leer. 

Rei einem etwas älteren Embryo stand die Linsenanlage auf der 
rechten Seite eben im Begriff, sich vom Ektoderm abzuschnüren (Fig. 4, 
Taf. XXX) und auf der linken Seite war die Abschnürung augen- 
scheinlich schon vollzogen. Solche geringe Differenzen zwischen 
beiden Körperseiten trifft man nicht ganz selten. Auf beiden Seiten 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 531 


des erwähnten Embryo umschloss die Linse eine kleine Höhle ohne 
zelligen Inhalt. Auffallend weit war bei diesem Embryo schon das 
Mesoderm zwischen Augenblasenwand und Ektoderm vorgedrungen 
und reichte fast bis an die Linse heran. Im Übrigen bot dieser 


Embryo in Beziehung auf sein Auge — von der schon erwähnten 
Kleinheit der ganzen Anlage abgesehen — keine bemerkenswerthen 
Eigenthümlichkeiten. 


Alsbald löst sich das Linsenbläschen vollständig von seinem 
Mutterboden ab (Fig. 5, Taf. XXX) und die Sinnesschicht schließt 
sich über ihm, ohne eine Trennungsspur zu hinterlassen. An man- 
chen Embryonen sieht man allerdings noch unmittelbar nach erfolgter 
Ablösung das Linsenbläschen sich gegen das Ektoderm andrängen 
und in eine Grube der Sinnesschicht einlegen. 

Die Höhle des Linsenbläschens ist ziemlich unregelmäßig; an 
dem abgebildeten Schnitte war sie mehr dreieckig, als rund und 
vollkommen frei von zelligen Elementen. — Der früher spaltförmige 
Raum zwischen Linse und Retina hatte sich bedeutend erweitert, war 
aber allem Anscheine nach ganz ohne geformten Inhalt. Das Meso- 
derm zeigte das deutliche Bestreben, sich zwischen Linse und Ek- 
toderm einzudrängen. Das Pigment in der äußeren Lamelle der 
sekundären Augenblase war entschieden in reichlicherer Menge ent- 
wickelt, als früher. In der inneren, zur Retina sich entwickelnden 
Lamelle war es dagegen fast vollständig geschwunden. Eben so 
waren nur mehr geringe Reste von Dotterplättchen in Linse und 
Retina zu finden. Die Mesodermzellen, welche die Augenblase von 
außen her bedeckten, ließen vielleicht die erste Andeutung einer 
Gruppirung zu einer zusammenhängenden Schicht erkennen. 

Bald darauf machen sich an der Linse die ersten Unterschiede 
zwischen medialer und lateraler Wand bemerkbar. Die Zellen der 
medialen Wand wachsen zu größerer Länge aus und zwar ist es 
das freie, dem Lumen des Bläschens zugewendete Ende, welches 
diese Verlängerung erfährt (Fig. 6, Taf. XXX). In der Höhle des 
Bläschens können wieder, wie auch in dem abgebildeten Fall, einige 
Zellen liegen; wie wenig Bedeutung einem solchen Verhalten zuzu- 
schreiben ist, geht schon daraus hervor, dass auf der anderen Seite 
desselben Embryo die Höhle ganz frei von Zellen war und nur eine 
Zelle etwas weiter in das Lumen vorsprang. Ob sich solche Zellen 
später wieder zwischen die übrigen Epithelzellen einordnen oder ob 
sie zerfallen und zu Grunde gehen, ist schwer zu sagen. Vielleicht 
kann beides geschehen. So sieht man in der Linse der Fig. 6 


532 Carl Rabl, 


dorsal von den zwei großen, centralen Kernen ein rundliches, sehr 
intensiv gefärbtes Chromatinkorn, von dem ich glauben möchte, dass 
es von einem im Zerfall oder in Rückbildung begriffenen Zellkern 
stamme. 

Zwischen Linse und Ektoderm liegt jetzt eine einfache Lage 
platter Mesodermzellen, und da diese Zellen sich später zweifellos 
an dem Aufbau der bindegewebigen Grundlage der Cornea betheiligen, 
so darf man wohl in dieses Stadium die erste Anlage der Hornhaut 
verlegen. Wichtig scheint es mir, dass zu dieser Zeit die Deckschicht 
des Ektoderms noch reichlich Pigmentkörnchen enthält. 

Auch die Augenblase zeigt den Beginn einer Differenzirung. 
Die Retina ist nämlich an zwei Stellen des Querschnittes abgeknickt 
und damit ist, wie wir sehen werden, eine Scheidung in die Pars 
optica und die Pars caeca, mit welch letzterem Namen ich die Pars 
ciliaris und iridiea zusammen bezeichnen will, eingeleitet. An der 
Grenze zwischen beiden Theilen der Retina, also an der Knickungs- 
stelle, weichen die Kerne von innen her zurück. — Die Menge des 
Pigments der äußeren Wand der Augenblase hat gegen früher ent- 
schieden zugenommen. — In der Mitte der Außenfläche der Retina, 
da, wo sich auf dem Schnitt die äußere Wand der Augenblase von 
der inneren abgehoben hat (bei st), sitzen den Zellen kleine Buckel 
auf, die rundliche, mit hellem Inhalt erfüllte Vacuolen enthalten. 
Damit ist der erste Anfang der Differenzirung eines Neuroepithels 
gemacht. Es scheint mir von Interesse, dass diese Differenzirung 
am hinteren Pol der Augenachse den Anfang nimmt. — Der Optieus 
lässt bereits feine Fasern erkennen. — Das der Augenblase auf- 
liegende Mesoderm ordnet sich deutlicher als früher zu einer Hülle 
derselben um. 

Die weitere Ausbildung der medialen Wand des Linsenbläschens 
macht nun rasche Fortschritte. Im nächsten Stadium springt diese 
Wand schon als ein kleiner Hügel in das Lumen des Bläschens vor 
(Fig. 7, Taf. XXX). Dabei färben sich die freien Enden der Zellen mit 
Kochenillealaun erheblich dunkler, als die basalen. — Im Übrigen hat 
aber das Auge kaum irgend welche Fortschritte in der Entwicklung 
semacht. Um so beträchtlicher sind dieselben im nächsten Stadium. 

Die Linsenfasern erfüllen jetzt (Fig. 8, Taf. XXX) fast die ganze 
Höhle des Linsenbläschens. Sie sind unregelmäßig koncentrisch über 
einander gelagert und die am meisten in der Peripherie gelegenen 
stoßen mit ihren basalen Enden am hinteren Linsenpol an einander. 

Unter dem Epithel der Cornea findet sich eine dünne Fibrillen- 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 533 


lage, welche zweifellos den hier liegenden Mesodermzellen den Ur- 
sprung verdankt und sich kontinuirlich in die oberflächlichste Cutis- 
schicht fortsetzt. Ich habe mich von dieser Thatsache auch an 
Larven von Salamandra maculosa und atra aufs sicherste überzeugt 
und eben so auch an Knochenfischen (Hecht und Forelle) und stehe 
daher nicht an, die Bowman’sche Membran, die sich aus dieser 
ersten Fibrillenschicht entwickelt, zusammen mit der oberflächlich- 
sten Lage von Hornhautkörperchen als Cutisschieht der Cornea zu 
bezeichnen. 

Unter der Cornea, nahe dem Rande der Augenblase, finden sich zwei 
große Gefäßquerschnitte; ich werde darauf bei der Beschreibung der 
späteren Stadien noch zurückkommen. — Die Scheidung der Retina 
in eine Pars optica und Pars caeca ist noch schärfer, als früher, und 
beide Theile haben eine ziemlich weitgehende Differenzirung erfahren. 
Vor Allem gilt dies von der Pars optica. An ihr kann man schon 
dieselben Schichten unterscheiden, welche die fertige Retina charak- 
terisiren. Man trifft von innen nach außen: 1) eine äußerst dünne 
Lage von Opticusfasern, die nur beim Sehnerveneintritt eine größere 
Dicke zeigt; darauf folgt: 2) eine einfache Lage von Kernen, die 
Zellkerne der Ganglienzellenschicht; 3) ein ziemlich breiter, heller 
Streifen, der bei starker Vergrößerung feine Fäserchen erkennen 
‚lässt, die sich vielfach durchkreuzen, die innere reticuläre Schicht; 
4) eine sehr dicke Lage von Zellkernen, die fast überall zu dreien 
über einander liegen, die innere Körnerschicht; 5) ein sehr dünner, 
eben merkbarer, heller Streifen, die äußere reticuläre Schicht; sodann 
6) eine Lage von Kernen, die augenscheinlich zwei Schichten bilden, die 
äußere Körnerschicht, und endlich 7) die Stäbchenzapfenschicht. Diese 
hatte sich schon in den zwei vorhergehenden Stadien in Form von 
rundlichen Buckeln, welche den Kernen an der Außenfläche der 
Retina aufsaßen und kleine rundliche Vacuolen enthielten, bemerkbar 
semacht. Jetzt sind diese Buckel fast durchwegs zu flaschenförmigen 
Körpern ausgewachsen, an denen man deutlich ein Innen- und ein 
Außenglied unterscheiden kann. — Ich wage nicht die Frage zu 
entscheiden, ob wir es hier mit Stäbchen oder Zapfen zu thun haben; 
wenn diese Gebilde auch mehr Stäbchen als Zapfen ähnlich sehen 
und zwischen ihnen kleinere, zapfenähnliche Gebilde nur in geringer 
Menge vorkommen, so unterscheiden sie sich doch auch wieder so 
auffallend von den Stäbehen der entwickelten Amphibienretina, dass 
es mir gerathen erscheint, zu sagen, es habe noch keine Diffe- 
renzirung dieser Bildungen zu Stäbchen und Zapfen stattgefunden; 


534 Carl Rabl, 


Stäbchen und Zapfen gehen vielleicht aus einer gemeinsamen Grund- 
form hervor. Es soll davon weiter unten noch die Rede sein. Das 
Pigment in der äußeren, zum Tapetum nigrum umgewandelten Wand 
der Augenblase ist bedeutend vermehrt und namentlich an der der 
Retina zugewendeten Seite sehr mächtig entwickelt. — An der 
Grenze zwischen Pars optica und Pars caeca sind wieder, wie früher, 
kernfreie Stellen. An der Pars caeca, die sich zum überwiegenden 
Theile wohl zur Pars iridiea entwickelt, ist die äußere, aus dem 
Tapetum fortgesetzte Lage dicker, als dieses, und ihre Dicke nimmt 
noch gegen den Umschlagsrand zu. Je höher die Zellen werden, 
um so ärmer werden sie an Pigment. 

Das die Augenblase umgebende Mesodermgewebe bildet jetzt eine 
geschlossene Hülle, in der sich hier und da Pigmentkörnchen finden. 

Im nächsten Stadium (Fig. 9, Taf. XXX) hat das Auge an Um- 
fang sehr zugenommen, jedoch hat, von dieser Größenzunahme ab- 
gesehen, eigentlich nur die Linse eine namhaftere Weiterbildung er- 
fahren. Am hinteren Pol der Linse bemerkt man eine Grube oder einen 
Schlitz, dessen Wände von den basalen Enden der jüngsten Linsen- 
fasern gebildet werden. Der schon erwähnte Unterschied zwischen 
freien und basalen Enden der Fasern ist auch jetzt an den jüngsten 
Linsenfasern deutlich zu erkennen. — Auch an den Kernen zeigen 
sich je nach dem Alter der Fasern bemerkenswerthe Unterschiede. 
Während die Kerne des Linsenepithels und eben so auch die Kerne 
der sich unmittelbar daran anschließenden Linsenfasern ein sehr 
gleichmäßiges, ungemein zartes, chromatisches Gerüst enthalten, wird 
dieses mit zunehmendem Alter der Fasern gröber und dabei lockerer; 
es treten größere, weniger tingirbare nucleolenartige Bildungen auf 
und die Kerne erscheinen demgemäß heller, als die Kerne des 
Linsenepithels und der jungen Fasern. 

In dem nächsten, von mir untersuchten Stadium, bei einer Larve, 
die im konservirten Zustande 13 mm maß, zeigte das Auge auf dem 
Querschnitte das in Fig. 10, Taf. XXX wiedergegebene Bild. Die 
Linse war ungemein groß, von ovaler Form, das stumpfe Ende nach 
innen, das spitze nach außen gewendet. Sie ließ auf dem Median- 
schnitt einen überaus regelmäßigen Bau erkennen. Ein solches Bild 
einer Linse sieht aus wie ein Schnitt durch eine Gastrula. Das 
Linsenepithel zeigte auf der hinteren Fläche den Beginn einer regel- 
mäßigen Anordnung. Wie nämlich die Anschnitte durch die Linse 
deutlich erkennen lassen (vgl. Fig. 10 a), beginnen sich die Zellen 
an der Grenze des Epithels zu meridionalen Reihen zu ordnen. Die 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 535 


nothwendige Folge davon ist, dass sich die Linsenfasern von nun 
an zu radiären Lamellen ordnen. Auf dem Schnitte durch die Mitte 
der Linse (Fig. 10) sieht man, dass sich die Kerne der Zellen, welche 
jene Reihen bilden, dachziegelförmig über einander legen. 

Die Linsenfasern zeigen noch im Wesentlichen dieselbe Be- 
schaffenheit, wie früher. Basales und freies Ende sind typisch von 
einander verschieden; das basale ıst verdickt und besitzt einen fein- 
körnigen, zuweilen, wie es scheint, undeutlich längsstreifigen Inhalt, 
das freie ist sehr in die Länge gezogen, stark abgeplattet, von homo- 
sener Beschaffenheit und starkem Lichtbreehungsvermögen. An den 
Kernen der Linsenfasern sind dieselben Unterschiede, wie früher, 
zu erkennen. Häufig sieht man in den centralen Kernen helle Vacu- 
olen, die mit dunkleren Inhaltskörnern erfüllt sind. 

In der Mitte der hinteren Fläche, da, wo die basalen Enden der 
Fasern einander begegnen, ist wieder eine tiefe Spalte erkennbar, 
die sich von der Oberfläche fast bis ins Centrum der Linse verfolgen 
lässt. — Ob schon eine Kapsel vorhanden ist, konnte ich nicht mit 
Sicherheit entscheiden. 

Das Epithel der Cornea ist jetzt vollkommen frei von Pigment. 

Die Differenzirung der Retina hat weitere Fortschritte gemacht. 
Ihre Schiehtung ist nicht überall gleich deutlich; in der Mitte ist sie 
am besten ausgebildet und sie wird um so undeutlicher, je mehr man 
sich der Peripherie nähert. In einiger Entfernung von der Grenze 
zwischen Pars optica und Pars caeca hört sie ganz auf. Namentlich 
die Stäbehenzapfenschicht lässt gut erkennen, wie die Differenzirung 
von der Peripherie zum Centrum allmählich zunimmt. Die Pars 
caeca lässt die Zusammensetzung aus zwei Blättern deutlich erkennen. 
Das äußere, das eigentlich nur der vordere Theil des Tapetum ist, 
ist am Rand etwas verdickt und das Pigment in ihm vermehrt. Aber 
auch in dem inneren, aus der eigentlichen Retina fortgesetzten 
Blatte hat vom Rande her die Pigmentbildung begonnen. Der äußeren 
Fläche der Pars iridica liegt oben und unten ein Gefäß auf und an den 
meisten Schnitten sieht man überdies noch einige flache, zum Theil 
pigmentirte, Bindegewebszellen. Dieses Bindegewebe mit den Gefäßen 
stellt die erste Anlage des Stroma iridis dar. Man kann aber nicht 
einen Augenblick zweifelhaft sein, dass die eigentliche Grundlage der 
Iris die Pars iridica retinae und nicht das bindegewebige Stroma ist. 
Es wird davon noch in einem späteren Abschnitte die Rede sein. 

Ein Vergleich der Figg. 8, 9 und 10 (Taf. XXX) lehrt, dass die 
Gefäße, welche später zu Irisgefäßen werden, Anfangs eine etwas 


536 Carl Rabl, 


andere Lage haben und erst allmählich auf die vordere Fläche der 
Pars iridica retinae rücken. 

Eine Thatsache, von der man sich sowohl in diesem, wie in den 
- nächst vorhergehenden Stadien leicht überzeugen kann, besteht darin, 
dass weitaus die meisten Theilungsfiguren der Retina an der Grenze 
zwischen Pars optica und Pars caeca zu finden sind. Dort, wo die 
Retina bereits in die einzelnen Schichten gesondert ist, habe ich in 
den letzten Stadien überhaupt keine Theilungsfiguren mehr finden 
können, obwohl doch sonst die Menge derselben in meinen Präpa- 
raten eine sehr große ist. Wir dürfen daher der Grenzzone zwischen 
beiden Abschnitten der Retina eine besondere Wachsthumsenergie 
zuschreiben. Dies gilt aber nur für die späteren Stadien, in jünge- 
ren trifft man, wie auch die Figg. 2, 3, 4 und 6 lehren, Theilungs- 
figuren auch in der Mitte. 

Eine Eigenthümlichkeit, die allen Stadien gemeinsam ist, besteht 
darin, dass, wie schon lange bekannt ist und in der jüngsten Zeit 
von SCHAPER ganz besonders nachdrücklich hervorgehoben wurde, 
die Theilungsfiguren stets an der äußeren, dem Tapetum: zugewen- 
deten Seite der Retina gelegen sind. Ob wir aus dieser Eigenthüm- 
lichkeit, welche die Retina mit dem ÜCentralnervensystem gemein 
hat, indem auch hier die Theilungsfiguren stets an der dem Lumen 
zugewendeten Seite stehen, den Schluss ziehen dürfen, dass die Retina 
Anfangs den Formwerth eines einschichtigen Cylinderepithels besitze, 
will ich dahingestellt sein lassen. 

In dem Raum zwischen Linse und Retina habe ich auf den. 
Schnitten durch das rechte Auge im Ganzen nur drei Zellen ge- 
funden, darunter eine in Theilung; im linken Auge konnte ich mich 
aber mit Sicherheit auch nicht von der Existenz einer einzigen Zelle 
überzeugen. An einem anderen gleich weit entwickelten Embryo 
fand ich in diesem Raum zwei oder drei Zellen im rechten, fünf 
bis sechs im linken Auge. Die Zellenzahl schwankt also. — Von 
der Eintrittsstelle des Optieus zieht ein feiner Faden zur hinteren 
Linsenfläche (vgl. Fig. 10); dort, wo er sich an diese ansetzt, war 
in einem Fall ein Zellkern zu sehen. Auch sonst durchziehen ver- 
einzelte feine Fäden den erwähnten Raum. 

Das, dem Tapetum außen aufliegende Mesodermgewebe zeigt 
den ersten Beginn einer Sonderung in zwei Schichten, indem die 
inneren Zellen Pigment entwickeln, die äußeren zumeist pigmentlos 
bleiben. Damit ist der Anfang einer Differenzirung in Chorioidea 
und Sklera gegeben. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 537 


Bei den beiden ältesten von mir untersuchten Axolotl-Larven, die 
im konservirten Zustande 15, bezw. 16,5 mm maßen, war die Linse. 
schon mehr kugelig als oval; immerhin aber war die Hauptachse 
noch etwas länger als der Äquatorialdurchmesser. Die Zellen des 
Linsenepithels waren deutlicher, als bei den 13 mm langen Larven, 
an der Epithelgrenze zu meridionalen Reihen geordnet. Die inner- 
sten Linsenfasern hatten ihre Kerne verloren. 

An der Retina war die Differenzirung der einzelnen Schichten 
weiter gediehen. Vor Allem war schon ein deutlicher Unterschied 
zwischen Stäbchen und Zapfen zu erkennen. Ich habe einen 
Sehnitt durch die Mitte der Retina einer 15 mm langen Larve auf 
Taf. XXXI, Fig. 2 bei Ölimmersion gezeichnet. 

Wie schon früher erwähnt, nimmt die Differenzirung der Retina 
vom hinteren Pol der Augenachse ihren Ausgang und schreitet von 
da nach der Peripherie weiter. Man trifft also immer an der Peri- 
pherie jüngere Zustände, als in der Mitte. Ich habe nun in Fig. 2 a, 
Taf. XXXI, mehrere Neuroepithelzellen von der Peripherie der 
Retina einer 16,5 mm langen Larve abgebildet. Das erste Bild 
zeigt uns ein Außenkorn, dem ein kleiner, homogener Buckel auf- 
sitzt, der sich mit Boraxkarmin ziemlich dunkel gefärbt hat und auf 
welchem außen noch ein ganz kleiner, heller, ungefärbter Kegel 
sitzt. Daneben sieht man eine Neuroepithelzelle, deren Buckel stark 
in die Länge gewachsen ist und im Inneren eine Vacuole enthält. 
In der zweiten Reihe ist zunächst eine Zelle dargestellt, die ähnlich 
aussieht, wie die erste Zelle der obersten Reihe. Die zweite Zelle 
hat in so fern eine Weiterbildung erfahren, als zwischen dem Kern 
und der homogenen Masse eine ziemlich große Vaeuole aufgetreten 
ist, in deren flüssigem Inhalte ein paar stark lichtbreenende Körner 
liegen. Zugleich ist der kleine Kegel länger und dieker geworden 
und in ihm bemerkt man gleichfalls einige helle Körner. Noch weiter 
sind diese Eigenthümlichkeiten in der dritten Zelle der ersten Reihe 
gediehen. — In der ersten Zelle der dritten Reihe ist die Vacuole, die 
nach außen auf den Kern folgt, von besonderer Größe und Regelmäßig- 
keit; die zweite Zelle stellt schon eine typische Stäbchenzelle dar. 
_ An dem Stäbehen können wir, wie auch an den Stäbehen der Fig. 2, 
ein Außen- und ein Innenglied unterscheiden und zwischen beiden 
eine quere, ziemlich dunkel tingirte Scheibe, die, wie die Bilder der 
Fig. 2a lehren, zweifellos aus der homogenen Masse hervorgegangen 
ist, die den Kernen der jungen Neuroepithelzellen außen aufsitzt. 
Diese Scheibe stellt den Schaltkörper RAnvIer’s dar, während die 


538 Carl Rabl, 


helle Substanz zwischen ihm und dem Kern, die bei ihrem Auftreten 
als Inhalt einer Vacuole imponirt, RAnVIEr’s Nebenkörper darstellt. 
Das Außenglied, das später noch bedeutend in die Länge wächst, 
und z. B. beim erwachsenen Salamander nach Fixirung in FLEMMING- 
scher Flüssigkeit sich in zahlreiche quere Scheiben gliedert, ist bei 
der Axolotl-Larve von stark lichtbrechenden Körnern durchsetzt, die 
in Reihen geordnet sind und dadurch dem ganzen Außenglied ein 
streifiges Aussehen verleihen. Es erscheint mir sehr wahrscheinlich, 
dass bei der Bildung und dem Wachsthum des Außengliedes der 
Schaltkörper eine wichtige Rolle spielt. 

Über die Entstehung der sogenannten LAnporr’schen Kolben 
der Amphibienretina habe ich keine Beobachtungen angestellt. — 

Es ist schon von vielen Seiten die Frage erörtert worden, ob 
die Einstülpung der primären Augenblase und ihre Umbildung zur 
sekundären einfach eine mechanische Folge der Entwicklung der 
Linse oder aber ein Vorgang sei, der im Grunde selbständig abläuft 
und nur der Zeit nach mit der Entwicklung der Linse zusammen- 
fällt. Es hat sich darüber eine ganze Litteratur angehäuft, da fast 
Jeder, der sich mit der Entwicklung des Auges beschäftigte, sich 
darüber geäußert hat. Ich will von dieser Litteratur hier absehen, 
da es sich dabei meistens weniger um wirklich beweiskräftige Beob- 
achtungen, als um zum Theil vorgefasste Meinungen handelt!; da- 
gegen will ich eine Beobachtung mittheilen, die mir in dieser Frage 
ausschlaggebend zu sein scheint. Der Zufall hat mir vor mehreren 
Jahren einen Axolotl-Embryo in die Hand gespielt, der eine ganz 
eigenartige Missbildung des Kopfes zeigte. Das Ektoderm und alle 
ektodermalen Gebilde waren auf der linken Seite kaum halb so 
mächtig entwickelt als rechts. Der Kopf war in Folge dessen stark 
nach links gebogen. Die Nasengrube dieser Seite war klein und 


1 Nur einen von V. KUPFFER erwähnten Fall will ich hier berühren. Er 
betrifft einen von HERMANN BECKER beschriebenen Mikrophthalmus beim Men- 
schen. An dem Bulbus fehlten die Linse, das Corpus ciliare, die Iris und die 
Pupille. Die Chorioidea adhärirte der Cornea, Tapetum nigrum und Retina 
waren vorn geschlossen, — alles das sind Umstände, die es möglich erscheinen 
lassen, dass vor der Geburt eine Verletzung des Auges stattgefunden hatte. 
So weit ich mir aus der Darstellung v. Kuprrer’s ein Bild machen kann, scheint 
mir der Fall nicht so beschaffen gewesen zu sein, dass er den Satz rechtfertigte: 
»hier dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der nor- 
male Process der Linsenbildung überhaupt nicht stattgefunden hatte<. Vgl. 
v. Kuprrer, Verhandl. der anatom. Gesellsch. auf der zehnten Versammlung in 
Berlin 1896. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 539 


ihre Wände dünn; das Gehörbläschen schien etwas nach vorn ge- 
schoben zu sein und war nur etwa halb se groß als rechterseits. 
Dabei war auch das ganze Gehirn auf der linken Seite, obwohl es 
dieselben Abschnitte, wie auf der rechten, erkennen ließ, doch außer- 
ordentlich viel dünner und schmächtiger. Es musste also schon bei 
der ersten Entwicklung des Embryo ein Defekt im Bereiche des 
Ektoderms der linken Seite bestanden haben. Das interessanteste 
Verhalten aber zeigte das Auge. Ich habe einen Schnitt, der beide 
Augen gleich voll traf, auf Taf. XXX, Fig. 11 abgebildet. Rechts 
(auf der Figur links) war das Auge ganz normal entwickelt; die 
Augenblase war tief eingestülpt und die Linse, welche im Anschnitte 
setroffen ist, hatte sich vollständig vom Ektoderm abgelöst. Auf der 
linken Seite war dagegen von einer Linse überhaupt nichts, oder 
wenigstens nichts Sicheres zu erkennen; es müsste denn sein, dass 
die Ektodermverdickung, die-man bei /! an der dorsalen Seite des 
Kopfes sieht, und die auf der gesunden Seite kein Analogon hat, 
als eine rudimentäre, ganz aus der Lage gebrachte Linsenanlage 
aufzufassen wäre. Jedenfalls konnte aber diese Bildung keinen Ein- 
fluss auf die Entwicklung der Augenblase nehmen. Nun war auch 
auf der linken Seite eine sekundäre Augenblase vorhanden (ab!); 
aber diese war sehr viel kleiner und viel weniger regelmäßig, als 
rechts. Indess konnte man, wie hier, ganz deutlich zwei Blätter, 
ein dünnes äußeres und ein diekes inneres, unterscheiden. Unter 
ihr lagen einige Mesodermzellen, aber nichts, was einer Linse auch 
nur im entferntesten vergleichbar war. Wir dürfen daher wohl 
sagen, dass die Einstülpung der primären Augenblase und ihre Um- 
bildung zur sekundären ein Vorgang ist, der auch unabhängig von 
der Linsenbildung erfolgen kann, der aber, wenn diese ausbleibt, 
nicht mit der Regelmäßigkeit abläuft, wie unter normalen Verhält- 
nissen. — 

Bei Triton taeniatus geht die Entwicklung der Linse in wesent- 
lich derselben Weise vor sich, wie beim Axolotl, nur setzt sie schon 
früher ein. Während man nach dem früher Gesagten beim Axolotl 
den Anfang der Linsenbildung ungefähr in das Stadium von 24 Ur- 
wirbeln zu verlegen hat, bemerkt man bei Triton taeniatus schon 
im Stadium von 16 Urwirbeln eine kleine Einsenkung des Ekto- 
derms an der Stelle, wo sich die Linse bildet. Interessant ist dabei, 
dass solche Tritonembryonen in Beziehung auf die Ausbildung ihrer 
übrigen Sinnesorgane, wenigstens in Beziehung auf das Gehörbläs- 


chen und die Riechgrube, eben so hoch stehen, wie Axolotl-Embryonen 
Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 3 


540 Carl Rabl, 


von 24 Urwirbeln. Beim Axolotl dürfte sich das Linsenbläschen im 
Stadium von etwa 35—36 Urwirbeln vollständig vom Ektoderm ab- 
lösen; beim Triton kann ich aber schon im Stadium von ungefähr 
22 Urwirbeln keine sichere Verbindung mehr zwischen beiden er- 
kennen. Im Übrigen jedoch bestehen kaum nennenswerthe Unter- 
schiede zwischen Axolotl und Triton. Wie dort, macht sich auch 
hier bei der Umbildung der Epithelzellen in die Linsenfasern schon 
frühzeitig ein Unterschied zwischen freier und basaler Seite der 
Zellen bemerkbar, und auch hier ordnen sich die Zellen des Epithel- 
randes schon bald zu meridionalen Reihen. 

Angesichts dieser Übereinstimmung in der Entwicklung der 
Linse sind die Differenzen in der Entwicklung der Retina in hohem 
Grade auffallend. In einem Stadium, welches dem Stadium der 
Fig. 10, Taf. XXX vom Axolotl entspricht, ist beim Triton die Gan- 
glienzellenschicht mindestens drei, die innere Körnerschicht minde- 
stens fünf Zellen diek, während die äußere Körnerschicht eine 
einfache Lage sehr regelmäßig gestellter Zellkerne enthält. Die 
Ausbildung der Stäbchenzapfenschicht scheint bei beiden Formen in 
der gleichen Weise zu erfolgen. Während es mir aber beim Axolotl 
nicht gelingen wollte, Zwillingszapfen zu finden, sehe ich solche bei 
älteren Tritonlarven in jedem Schnitt. Wenn man die Querschnitts- 
bilder der Retina beider Formen mit einander vergleicht, kann man 
sich des Gedankens nicht erwehren, dass das Sehvermögen des 
Triton ungleich besser sein muss, als das des Axolotl, ein Gedanke, 
der auch noch, wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden wird, 
durch andere Erscheinungen nahegelest wird. — 

Die Entwicklung der Linse geht indessen gewiss nicht bei allen 
Amphibien, ja nicht einmal bei allen Urodelen in derselben Weise 
vor sich wie beim Axolotl und Triton. Ich habe zwei junge Em- 
bryonen von Salamandra atra von 8, bezw. 8,6 mm Länge (nach 
Pikrinsäure-Sublimathärtung) geschnitten. Während bei dem älteren 
der beiden die Linse ungefähr das Aussehen hatte, wie bei dem 
Axolotl-Embryo der Fig. 9, Taf. XXX, bot sie bei dem jüngeren das 
Bild der Fig. 1, Taf. XXXI. Sie erinnerte sehr an das Verhalten _ 
der Pristiurus-Linse, etwa im Stadium der Fig. 8 oder 9, Taf. XXVIII. 
Und vielleicht gestattet diese Ähnlichkeit auch einen Schluss auf 
eine ähnliche Entwicklung; es müsste dann die Höhle des Linsen- 
bläschens in anderer Weise entstehen, als beim Axolotl oder Triton. 
Nun ist es aber noch weiterhin interessant, dass bei dem älteren 
der beiden Embryonen, bei dem, wie gesagt, die Linse ungefähr 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 541 


das Bild der Fig. 9, Taf. XXX bot, die Retina noch nicht die ge- 
ringste Spur einer Differenzirung in einzelne Schichten erkennen 
ließ. + Alles das sind Thatsachen, die zum Denken anregen. Ein 
Axolotl oder Triton verlässt schon sehr früh das Ei und hat dann 
für seinen Unterhalt selbst zu sorgen; er muss daher auch mög- 
liehst bald in den Gebrauch seiner Sinnesorgane gesetzt werden. 
Eine Salamandra atra dagegen verbringt ihre ganze Larvenzeit im 
Uterus der Mutter und kann sich daher, so zu sagen, mit der Ent- 
wieklung ihrer Sinnesorgane und speciell ihrer Augen Zeit lassen. — 

Von der Linse einer Necturus-Larve von 21 mm Länge erwähne 
ich hier nur, dass das Epithel noch sehr weit auf die Hinterfläche 
reichte und dass die Zellen am Epithelrand deutlich zu meridionalen 
Reihen geordnet waren. 

Eine kontinuirliche Reihe älterer Stadien habe ich nur von 
Salamandra atra untersucht, und zwar Larven von 2,6, 3,0, 3,9 und 
4,9 cm Länge. Der Bau der Linse gleicht schon bei den jüngsten 
dieser Larven so sehr dem Bau der fertigen Linse, dass ich es für 
unnöthig: halte, hier genauer darauf einzugehen. 

Die Linsenentwicklung der Anuren habe ich nicht untersucht. — 

Es ist wohl selbstverständlich, dass an einem so leicht zu be- 
schaffenden Material, wie es Amphibieneier sind, schon frühzeitig 
Untersuchungen über die Entwicklung der Linse und des Auges 
überhaupt angestellt wurden. — Nachdem RemAkX! im Jahre 1855 
sefunden hatte, dass sich ‘die Linse beim Frosch als ein »blasiger 
Auswuchs« der »inneren weißen Zellenschicht des äußeren Keim- 
blattes« bilde, und diese Beobachtung später von BARKAN? und 
LIEBERKÜHN? mit Beziehung auf andere Batrachier bestätigt worden 
war, gab A. GOETTE zuerst in einem vorläufigen Bericht? und dann 
in seinem bekannten Werk über die Enwicklungsgeschichte der 


! R. REMARK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. 
Berlin 1855. p. 150. 

2 A. Barkan, Beiträge, zur Entwicklungsgeschichte des Auges der Batra- 
ehier. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Math. naturw. Klasse 1866. 
Der Text dieser kurzen Abhandlung steht, so weit er die Linse betrifft, in 
einem gewissen Gegensatz zu den Abbildungen, in so fern diese die erste 
Linsenanlage als solide Wucherung zeigen, während im Text die Angabe 
REMAR’s bestätigt wird. 

3 N. LIEBERKÜHN, Über das Auge des Wirbelthierembryo. Kassel 1872. 
Schriften der Ges. zur Beförd. der gesammten Naturwiss. zu Marburg. Bd. X. 

5. Abth. 
4 Au. GoETTE, Kurze Mittheilungen aus der Entwieklungsgeschichte der 
Unke. Arch. für mikr. Anat. Bd. IX. 1873. p. 401. 


35* 


542 Carl Rabl, 


Unke! eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Linse. In 
dieser trat er REMAK und BARKAN in so fern entgegen, als er die Linse 
‚aus einer soliden Wucherung der Oberhaut hervorgehen« ließ, 
»welche erst nachträglich eine Höhle erhält«. Dieser Angabe trat 
KESSLER? entgegen, der bei Triton ganz eben so, wie es REMAR in 
Beziehung auf den Frosch gethan hatte, die Linse »als ursprünglich 
hohlen Körper« entstehen ließ. Dieser Angabe fügte er noch die 
Bemerkung bei, dass damit nicht gesagt sei, »dass man sich diesen 
Hohlkörper, die Linsenblase, leer zu denken hätte; dieselbe ist viel- 
mehr erfüllt von einer Flüssigkeit, welche im gehärteten Präparat 
als feinfaseriges Gerinnsel erscheint; in diesem sind in der Nähe der 
Innenfläche der Blasenwand kleine Körperchen eingebettet, welche 
nur als ausgetretene Dotterplättehen gedeutet werden können, die 
sich wohl auch bisweilen so gruppiren, dass sie, umgeben von den 
Fäden jenes Gerinnsels, Zellen vortäuschen können«. KESSLER 
meint, dass seine Beobachtung vielleicht auch für die Batrachier 
Geltung haben möchte. Im Jahre 1886 publieirte KoRANYI® eine 
kleine Abhandlung über die Entwicklung der Linse, in der er u. A. 
mittheilte, dass bei Triton »das verdickte Ektoderm« der Linsen- 
gsrube »mehrere eylindrische Zellreihen« führt. — Vier Jahre später 
erschien eine unter LEUCKART’s Leitung ausgeführte, sehr fleißige 
Untersuchung EMIL SCHOEBEL’sS!, die sich zwar hauptsächlich mit 
der postembryonalen Entwieklung des Auges beschäftigte, aber doch 
auch die ersten Entwicklungsstadien mit in den Kreis der Beobach- 
tungen zog. Die Untersuchung bezog sich in erster Linie auf Hyla 
arborea. SCHOEBEL meint, dass sich zwischen Ektoderm und Augen- 
blase vor der Bildung der Linse eine dünne Mesodermlamelle ein- 
schiebe. Was die Linsenbildung selbst betrifft, so findet er, dass 
die Zellen der inneren Ektodermschicht zunächst zu langen Cylinder- 
zellen auswachsen und dass sich dann die von ihnen gebildete Platte 
zu einer kleinen, hohlen Grube einsenke. Dieser Bildungsmodus 


ı AL. GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke (Bombinator igneus). 
Leipzig 1875. 

2 LEONH. KESSLER, Untersuchungen über die Entwicklung des Auges, an- 
gestellt am Hühnchen und Triton. Dorpat 1871. — Zur Entwicklung des Auges 
der Wirbelthiere. Leipzig 1877. 

3 Avex. KorAnvı, Beiträge zur Entwicklung der Krystalllinse bei den 
Wirbelthieren. Internat. Monatsschr. f. Anatomie und Histologie. Bd. III. 1886. 
p- 235. 

* EMIL SCHOEBEL, Zur postembryonalen Entwicklung des Auges der Am- 
phibien. Inaug.-Diss. aus Leipzig. Jena 1890. 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 543 


finde sich nicht bloß bei Hyla, sondern, wie SCHOEBEL ausdrücklich 
gegen GOETTE betont, auch bei Bombinator. Er meint, es komme 
nur auf die richtige Sehnittführung an, um sich zu überzeugen, dass 
es sich bei der Entwicklung der Linse der Amphibien stets um eine 
hohle Einsenkung und nicht um eine solide Wucherung handle. — 
Endlich liest über die Entwicklung der Linse von Triton noch aus 
der jüngsten Zeit eine Arbeit von ToYoTARO InouyYE! vor, die hin- 
sichtlich der thatsächlichen Befunde alle Anerkennung verdient, 
wenn auch das Gesammtergebnis ein etwas dürftiges ist. INnoUuYE 
findet die Entwicklung wesentlich so, wie ich sie vom Axolotl be- 
schrieben habe; nur schließt die Darstellung schon mit dem Stadium 
ab, in welchem die innere Wand des Linsenbläschens dicker zu 
werden beginnt?. 

Übrigens beziehen sich nahezu alle Arbeiten über Linsenent- 
wicklung bloß auf die allerersten Stadien. Nur die Arbeit SCHOEBEL’S 
macht hiervon eine Ausnahme. Aber, wenn auch in seinen Aus- 
führungen viel Richtiges vorkommt, so ist er doch vielfach durch 
die herrschende Lehre von der »Schalenstruktur« der Linse zu 
irrigen Ansichten geführt worden. SCHOEBEL erwähnt, dass die 
Höhle des Linsenbläschens nur in den seltensten Fällen vollständig 
leer sei. >»In der Regel finden sich in derselben eine Anzahl Zellen, 
die bei der Verschmelzung der Umschlagsränder der noch mit dem 
Ektoderm im Zusammenhang stehenden Linsenblase als überschüssig 
aus dem Verbande der einschichtigen Zellenlage ausrangirt worden 
sind.e Der Bestand dieser Zellen sei aber nur von kurzer Dauer, 
- da sie rasch der Auflösung und Resorption anheimfallen. — In 
Beziehung auf die Bildung der Linsenfasern giebt SCHOEBEL an, dass 
zuerst die der Achse am nächsten gelegenen Zellen die größte 
Wachsthumsintensität aufweisen und dass diese m dem Maße ab- 
nimmt, als sich die Zellen von der Achse entfernen. Wenn ich 
dieser Angabe irgend eine Berechtigung zuerkennen soll, so kann 
ich sie nur auf Stadien beziehen, ähnlich denen, welche ich auf 
Taf. XXX, Fig. 6 und 7, abgebildet habe; auf alle späteren finden 
sie keine Anwendung. — Einige Zeit, nachdem die Faserbildung 

1 ToyoTArRoO InouyE, Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Linse. 
‚Inaug.-Diss. aus München. München 1895. 

2 Gelegentlich einer Arbeit über »die postembryonale Entwicklung der 
Epidermis des Siredon piseiformis< (Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXIV, 1885) gab 
- JUSTUS CARRIERE auch eine kurze Beschreibung des Auges junger Axolotl- 


 larven, die indess in Betreff der Linse nichts Neues enthielt, und die ich daher 
hier nicht referiren zu müssen glaube. 


544 Carl Rabl, 


begonnnen hat, soll nach SCHOEBEL die Stelle, »welche den eigent- 
lichen Faserbildungsherd abgiebt«, oder, wie wir einfacher sagen 
wollen, der Epithelrand, »wenn nicht geradezu nach dem proximalen 
Pol gedrängt, so doch in unverhältnismäßig geringer Entfernung 
davon gehalten« werden. Diese Angabe enthält eine richtige und 
eine unrichtige Beobachtung; richtig ist, dass der Epithelrand sehr 
weit hinten, also sehr nahe dem hinteren Linsenpol liegt (vgl. meine 
Figg. 7—10, Taf. XXX); wnrichtig aber ist, dass sich dieser Epithel- 
rand erst sekundär nach hinten verschiebt. Vielmehr liegt er bei 
den Amphibien von allem Anfang an nahe dem hinteren Pol und. 
rückt später langsam gegen den Äquator. Die Verschiebung geht 
also in umgekehrter Richtung, als SCHOEBEL angiebt, vor sich, be- 
sinnt aber freilich erst in Stadien, auf welche sich seine Unter- 
suchung nicht mehr bezieht. Es wird davon noch weiter unten 
die Rede sein. — 

Was die Entwicklung der übrigen Theile des Auges betrifft, so 
will ich hier auf eine genaue Berücksichtigung der Litteratur ver- 
zichten. Ich möchte aber erwähnen, dass auch in dieser Hinsicht 
die Arbeit SCHOEBEL’s die zuverlässigsten Mittheilungen bringt. Nur 
was die Retina betrifft, will ich dessen Angaben hier kurz referiren, 
weil sich dieselben gleichfalls auf den Axolotl beziehen. »Die erste 
Differenzirung in Schichten, die sich geltend macht, liefert«, wie 
SCHOEBEL berichtet, »die sogenannte innere granulirte oder innere 
retieuläre Schicht.< »Unmittelbar darauf, oder wohl häufig auch zu 
gleicher Zeit« entsteht die äußere reticuläre Schicht. Erst dann soll 
sich das Neuroepithel differenziren. Wie aus der oben gegebenen 
Beschreibung hervorgeht, muss ich dieser Darstellung entgegentreten. 
Ich finde, dass die Differenzirung der Retina mit dem Neuroepithel 
beginnt. Ob sich ein Stadium findet, in welchem nur eine innere 
und nicht auch eine äußere retikuläre Schicht vorhanden ist, will 
ich dahingestellt sein lassen; ich habe keines gefunden. Die Bil- 
dung der Stäbchen und Zapfen wird von SCHOEBEL in einer Weise 
seschildert, die deutlich zeigt, dass ihm ganz ähnliche Bilder, wie 
mir, vorgelegen haben und, wenn seine Beschreibung etwas anders 
lautet, als die von mir gegebene, so liegt der Grund vielleicht nur 
in der Verschiedenheit der angewandten Methoden. 


B. Bau. Das Auge der Amphibien bietet schon desshalb 
ein großes allgemeines Interesse, weil die Amphibien der Mehrzahl 
nach Formen sind, welche in ihrer Jugend, als Larven, im Wasser : 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 545 


leben, um erst nach zurückgelegter Metamorphose das Land aufzu- 
suchen. Der Wechsel zweier verschieden stark lichtbrechender Medien 
muss auch im Bau ihrer Augen zum Ausdrucke kommen; daran wird 
aber auch die Linse einen hervorragenden Antheil haben. 

Zwar wird auch die Linse der Amphibien, wie die der Fische, 
zuweilen als kugelig beschrieben; so sagt z. B. KESSLER, »die Tri- 
tonenlinse unterscheide sich von der der Eidechse durch ihre vollkom- 
mene Kugelgestalt« und SCHOEBEL giebt an, dass die entwickelte 
Linse der Batrachier gleichfalls kugelig sei. Bei BECKER! finde ich 
sogar folgende merkwürdige Stelle: »Den einfachsten Bau besitzen 
die kugeligen Linsen einiger Fische, Amphibien und Reptilien, wie 
Stoekfisch, Triton, Salamander, Frosch und Eidechse.« Indessen kann 
man sich an jeder frischen und an jeder in situ gehärteten Amphibien- 
linse leicht vom Gegentheil überzeugen. Ja, die Linse der Amphi- 
bien ist nicht nur nicht kugelig, sondern sie zeigt sogar stets einen 
sehr auffallenden Unterschied zwischen Vorder- und Hinterfläche. Die 
vordere Fläche ist stets weniger stark gewölbt, besitzt also einen 


A 2 e 
Textfigur 5. | 


rei Amphibienlinsen in seitlicher Ansicht. A Salamandra maculosa, B Rana fusca, © Hyla arborea. 
Bulbi in toto mit FLemmine’scher Flüssigkeit fixirt. 


größeren Krümmungsradius, als die hintere. Dieser Unterschied ist 
bei den Anuren bedeutender als bei den Urodelen. Ich habe in oben- 
stehender Figur je eine Linse von Salamandra maculosa, Rana fusca 
und Hyla arborea bei gleicher Vergrößerung in reiner Seitenansicht 
gezeichnet. Man bemerkt, dass die Linse von Rana der von Hyla 


ı Orro BECKER, Zur Anatomie der gesunden und kranken Linse. Wies- 
baden 1883. 


546 Carl Rabl, 


viel ähnlicher sieht, als der des Salamanders. — Der Äquator ist 
iiberall deutlich markirt, deutlicher allerdings bei den Anuren als bei 
den Urodelen, und zwar in Folge der stärkeren Verschiedenheit der 
beiden Flächen. | 

Übrigens ist die Form, welche die Linsen bei der Härtung an- 
nehmen, nicht immer dieselbe. Sie ist nicht bloß von der Art der 
Fixirungsflüssigkeit, sondern auch von der Art ihrer Anwendung ab- 
hängig. Die drei Linsen der Fig. 5 wurden in der Weise gewonnen, 
dass die Bulbi, nachdem sie ganz rein präparirt waren, in toto auf 
34 Stunden in FLemuing’sche Flüssigkeit gelegt wurden. Wenn man 
dagegen die Bulbi, um sie leichter anschneiden zu können, als dies 
im frischen Zustande möglich ist, zunächst nur auf kurze Zeit, höch- 
stens auf eine halbe Stunde, in FLemming’sche Flüssigkeit bringt, 
dann im AÄquator durchschneidet und nun die vordere Bulbushälfte 


Textfigur 6. 


mit der Linse auf weitere 24 Stunden in die erwähnte Flüssigkeit 
legt, so werden die Linsen viel flacher. 

Ich habe in Textfig. 6 bei A zwei Linsen von Salamandra maecu- 
losa und bei B zwei Linsen von Rana fusca über einander gezeichnet. 
Die Linsen « waren in der zuerst erwähnten Weise fixirt, die Lin- 
sen 5 in der zuletzt erwähnten. Vielleicht gehen die verschiedenen 
Formen verschiedenen Accommodationszuständen parallel. 

Wieder anders sehen die Linsen aus, wenn man sie mit einer 
Dublimatmischung (Sublimat-Platinchlorid oder Sublimat-Pikrinsäure) 
fixirt. Man darf daher nicht erwarten, dass Messungen, welche man 
an in verschiedener Weise fixirten Linsen anstellt, übereinstimmende 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 547 


Resultate geben. Aber auch bei gleicher Art der Fixirung begegnet 
man zuweilen Differenzen, für die man nicht immer den Grund anzu- 
geben vermag. Wenn ich im Folgenden die Resultate einiger Mes- 
sungen mittheile, so geschieht dies daher mit aller nur möglichen 
Reserve. 

Zunächst theile ich solche Maße mit, die von Linsen abgenom- 
men wurden, die in einer Sublimatlösung gelegen hatten. Die Fixirung 
war in der Weise erfolgt, dass etwa eine halbe Stunde nach der Ein- 
wirkung der Flüssigkeit der Bulbus im Äquator durchschnitten und 
dann die vordere Bulbushälfte mit der Linse noch ungefähr 24 Stun- 
den in der Flüssigkeit belassen wurde. Bei dieser Art der Fixirung 
wurden die Linsen viel flacher als bei der Fixirung mit FLEMMING- 
' scher Flüssigkeit. Die Maße sind folgende: 


Achse Äqu.-Dchm. 
inmm inmm 


Axolotl, 10,2 cm langes Exemplar. Pikr.-Subl.. ... 0,88 0,92 
Axolotl, 25,5 em langes Exemplar. Pikr.-Subl....... 1,40 1,68 
Triton eristatus, 6,3 cm lange Larve, ohne Schwanz- 

faden gemessen, in Platinchlorid fixirt ..... 0,82 0,84 


Triton eristatus, erwachsenes Exemplar. Pikr.-Subl. 1,12 1,36 
Salamandra macul., 4,9 cm lange Larve. Pikr.-Subl. 0,598 0,65 
Salamandra macul., erwachs. Exemplar. Pikr.-Subl. 2,32 2,84 
Salamandra macul., zweites Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,12 2,72 
Salamandra macul., drittes Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,20 2,72 


Rana fusca, erwachsenes Exemplar. Plat.-Subl. .... 3,16 4,20 
Hyla arborea, erwachsenes Exemplar. Pikr.-Subl. . 2,04 DT? 
Hyla arborea, zweites Exemplar. Pikr.-Subl. ..... . 2,00 212 


Bufo variabilis, erwachsenes Exemplar. Plat.-Subl. . 2,52 3,64 


Ich habe nun aus diesen Zahlen nach der Proportion: 
Achse : Äqu. Durchm. = 1: x 
die Indices berechnet. Der Index x giebt also an, wie weit sich 
die Form einer Linse von der Kugelform entfernt. Die Indices 
lauten: 


Siredon pisciformis, kleines Exemplar x = 1,045 
Siredon pisciformis, großes Exemplar x = 1,20 


Brom eristatus, -Larve . . ..: 2... ..2= 1,024 
Triton eristatus, erwachsen. ..... 2 1,214 
Salamandra maculosa, Larve. .... x — 1,087 


Dalamandra maculosa, erwachsen... x = 1,224 (bezw. 1,236 u. 1,273) 


548 Carl Rabl, 


Rana fusca, erwachsen... ...... 2 — 028 
Hyla arborea, erwachsen. ...... x = 1,333 (bezw. 1,360) 
Bufo variabilis, erwachsen. ..... 2 a 


Man könnte sich versucht fühlen, aus diesen Zahlen den Schluss 
zu ziehen, dass die Urodelen einen kleineren Linsenindex haben, als 
die Anuren, ein Schluss, dem ja bis zu einem gewissen Grade viel- 
leicht die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Dabei er- 
scheint es auffallend, dass unter den Urodelen der Axolotl den 
kleinsten Index hat, dass dann Triton folgt und zuletzt der Sala- 
mander. Vielleicht entfernt sich also die Linse um so mehr von der 
Kugelform, je vollständiger die Thiere das Wasserleben aufgeben 
und sich dem Luftleben zuwenden. 

Mit Sicherheit dagegen darf man, wie ich glaube, sagen, dass 
junge Thiere und Larven einen kleineren Index haben, als erwachsene, 
dass also die Linse im Laufe der individuellen Entwicklung sich mehr 
und mehr von der Kugelform entfernt. Eben so kann es keinem 
Zweifel unterliegen, dass die relative Größe der Linse, sowie über- 
haupt des ganzen Auges, d. h. die Größe im Verhältnis zur Größe 
des ganzen Körpers, so weit sich diese ohne genauere Messung ab- 
schätzen lässt, vom Axolotl bis zu den Anuren stetig zunimmt. Der 
sroße, mehr als 25 cm lange Axolotl hatte eine kleinere Linse und 
einen kleineren Bulbus als die kleine Hyla; ja auch der Salamander 
besitzt eine Linse, die kaum größer ist als die des Laubfrosches, 
obwohl sein Körpervolum mindestens doppelt so groß ist. Aus diesen 
und ähnlichen Thatsachen dürfen wir wohl den Schluss ziehen, dass 
das Sehvermögen der Anuren auf einer viel höheren Stufe steht, als 
das der Urodelen. 

Um indessen zu zeigen, wie verschieden die Zahlen je nach der 
Art der Fixirung ausfallen, will ich noch ein paar Messungsergeb- 
nisse mittheilen, welche ich nach Fixirung mit FLemming’scher Flüssig- 
keit erhalten habe. Zunächst habe ich eine größere Anzahl von 
Bulbi von Salamandra maculosa, Rana fusca und Hyla arborea in 
toto mit FrLemming’scher Flüssigkeit fixirt und die Linse nach un- 
sefähr 24 Stunden herausgenommen. Es ergaben sich dabei folgende 
Maße: | 

Achse Äqu.-Durchm. Index 
Salamandra maculosa «a 2,42 2.79 1,13 
Salamandra maculosa 5 2,43 2,76 118 
Salamandra maculosa ce 2,51 2,88 1,14 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 549 


Achse Äqu.-Durchm. Index 


Salamandra maculosa d 2,53 2,87 115 
Salamandra maculosa e 2,64 3,00 8 
Bana fusca.' ... 2 .i. a 3,00 3,61 1,20 
Dana fusear 2... «N. b 3,02 3,48. 1,15 
Kana fusea..!....-.. er 316 3,64 1:10 
Bana fusca ......d 3,20 3,56 1,11 
Eiyla arbagea . >... 02.20 2,79 1,26 
Eiylacarborea. ....... za 2,68 1,11 
Ela arborea.. ..,. ce 2,44 2,30 1,14 


Man erhält also bei dieser Art der Fixirung durchwegs viel 
niedrigere Indices, als in den früher angeführten Fällen. Auffallend 
sind die großen Differenzen, die man zuweilen an den Linsen einer 
und derselben Species erhält. Im Allgemeinen zeigen aber auch hier 
die Anuren höhere Indices als die Urodelen. Freilich ergiebt eine 
andere Art der Anwendung der FLemming'schen Flüssigkeit wieder 
andere Zahlen und erheblich höhere Indices. Wenn man nämlich 
diese Flüssigkeit zunächst nur kurze Zeit, höchstens eine halbe 
Stunde, einwirken lässt, so wird die Linsenachse kürzer, der Index 
also höher. Dies mag aus folgenden Zahlen hervorgehen: 


Achse Äqu.-Durchm. Index 


Salamandra maculosa « 2,50 3.12 1,24 
Salamandra maculosa 5 2,55 3,18 1,24 
Bea füsca ...... 0,3, 12 3,92 125 
Binz fusca.. . ... b..3,16 3,88 122 


Die Form, welche die Linse bei dieser Art der Fixirung an- 
nimmt, scheint am besten der Form zu entsprechen, welche die 
frische, aus ihrer Umgebung befreite und sich selbst überlassene 
Linse annimmt. Ich habe von frischen, in physiologischer Kochsalz- 
lösung untersuchten Salamander- und Froschlinsen folgende Maße 
abgenommen und folgende Indices berechnet: 

Bei einer Salamanderlinse fand ich eine Achse von 2,70 mm 
und einen Äquatorialdurchmesser von 3,35 mm, woraus sich ein In- 
dex von 1,24 mm ergiebt; von einer zweiten Linse, deren Maße ich 
nicht notirt habe, habe ich denselben Index berechnet und von einer 
dritten einen Index von 1,20 mm. Bei Rana fusca haben die Mes- 
sungen ergeben: 


550 Carl Rabl. 


Achse Äqu.-Durchm. Index 


a 3,46 4,00 1,156 
00391 4,00 1,233 
ce 34 4,00 1,233 
a1 3,78 1,206 
30 3,75 1,241 


Die Linsen d und c, sowie d und e stammten von je einem Frosch. 
Bei einer sechsten Linse haben die Maße, die ich nicht notirt habe, 
einen Index von 1,21 mm ergeben. — Man begegnet also nicht bloß 
ziemlich erheblichen individuellen Unterschieden, sondern auch Unter- 
schieden zwischen rechts und links. Dadurch wird es natürlich sehr 
erschwert, etwas Sicheres über die normale oder gewöhnliche Form 
der Linse auszusagen. Um in dieser Hinsicht zu einem bestimmteren 
Resultate zu kommen, würde es sich empfehlen, eine sehr viel größere 
Zahl von Messungen auszuführen und aus denselben ein Mittel zu 
ziehen. Dabei müssten selbstverständlich auch die Formveränderungen 
bei der Accommodation beachtet werden. — 

Wie schon lange bekannt, besitzt die Amphibienlinse vorn und 
hinten eine kurze lineare Naht. Wie bei den Selachiern steht die 
hintere Naht horizontal, die vordere vertikal. In den Fällen, in denen 
die Nähte so deutlich waren, dass ich sie messen konnte, betrug 
ihre Länge ungefähr den vierten Theil des Äquatorialdurchmessers; 
sie sind also relativ kürzer, als bei den Selachiern. Manchmal sind 
sie sehr schwer oder selbst gar nicht sichtbar; aber auch in diesen 
Fällen lässt sich ihre Existenz aus der Spaltrichtung der Linse mit 
Sicherheit erschließen. Nur bei Triton habe ich sie, mit Ausnahme 
eines einzigen Falles, stets vermisst, und zwar sowohl bei der Larve, 
wie beim erwachsenen Thiere; hier lässt sich auch aus dem Faser- 
verlauf schließen, dass eine Naht fehlt. 

Wie bei den Selachiern, haben auch bei den Amphibien die 
Linsen die Neigung, bei der Härtung zu bersten, und auch hier ge- 
schieht dies leichter hinten als vorn; offenbar aus den gleichen 
Gründen. — 

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen will ich auch hier wie- 
der der Reihe nach die drei Bestandtheile der Linse: Epithel, Linsen- 
fasern und Kapsel besprechen. 

Das Epithel überzieht bei jungen Larven nicht bloß die ganze 
vordere, sondern auch den größten Theil der hinteren Fläche. All- 
mählich zieht es sich aber von der hinteren Fläche zurück, und beim 
erwachsenen Thier hört es stets am Äquator auf. Es ist bei den 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 551 


Larven überall von der gleichen Dieke und die Zellkerne liegen in 
ungefähr gleichen Abständen neben einander; die Zellareale sind also 
von ungefähr gleicher Größe. Ganz anders ist dies bei den erwach- 
senen Thieren. Hier ist das Epithel stets in der Mitte der Vorder- 
Häche viel dünner, und seine Kerne liegen hier viel weiter aus 
einander als am AÄquator. 

Obwohl sich hierin alle untersuchten Amphibien im Wesentlichen 
gleich verhalten, so stehen doch in Beziehung auf die Ausbildung 
dieser Eigenthümlicheiten die Anuren sehr viel höher als die Uro- 
delen. Anuren und Urodelen bilden in dieser Hinsicht zwei scharf 
charakterisirte Gruppen, und die Unterschiede sind so beträchtlich, 
dass man durch sie in den Stand gesetzt ist, einen Meridionalschnitt 
durch die Linse eines Anuren sofort und mit Sicherheit von einem 
Meridionalschnitt durch die Linse eines Urodelen zu unterscheiden. 
Bei den Urodelen ist die Differenz in der Höhe der Zellen des vor- 
deren Linsenpoles und des Äquators sehr viel geringer als bei den 
Anuren, und außerdem sind noch, wie weiter unten gezeigt werden 
wird, die Linsenfasern am Äquator in beiden Gruppen verschieden 
gekrümmt. 

Aber auch die Repräsentanten der beiden Gruppen sind unter 
einander wieder verschieden. Unter den Urodelen ist die Differenz 
in der Höhe der Zellen beim Axolotl am geringsten, indem die Zellen 
am Äquator nur höchstens um ein Drittel höher sind als in der Nähe 
des vorderen Poles. Die größte Differenz zeigt unter den Urodelen 
der Salamander, indem die Zellen am Äquator ungefähr dreimal so 
hoch sind als am vorderen Linsenpol (vgl. die Figg. 11a und 112, 
Taf. XXXI). Unter den Anuren zeigt Hyla die geringste Differenz; 
immerhin sind aber auch hier die Zellen am AÄquator 4!/gmal so 
hoch, als in der Mitte der Vorderfläche. Viel größer ist die Differenz 
bei Rana und Bufo, die hierin ungefähr auf gleicher Stufe stehen; 
die Zellen am Äquator sind hier sechs- bis achtmal so hoch, als am 
vorderen Linsenpol (vgl. Figg. 13a und 13, Taf. XXXI). Ich gebe 
unten die genauen Maße! und gehe nun zur Beschreibung der De- 
tails über. - 

Ich bespreche zunächst das Linsenepithel des Salamanders, 


1 Epitheldieke am Pol u. am Ägqu. Epitheldicke am Pol u. am Äqu. 
Siredon piseiformis . 0,0068 0,0099 Rana esceulenta . . .. 0,0036 0,025 
Triton eristatus . ... 0,0099 0,0166 Hyla arborea..... 0,0025 0,01162 
Salamandra maculosa 0,0066 0,018 Bufo variabilis. ... .. 0,0033 0,023 


Rana fusea ........ 0,0033 0,020 


552 Carl Rabl, 


bemerke jedoch, dass sich wesentlich eben so Triton und Siredon 
verhalten. Die Zellen lassen an der ganzen Vorderfläche keine be- 
sondere Regelmäßigkeit der Anordnung erkennen. Am AÄquator 
stehen sie viel dichter als sonst, und in der Nähe der Epithelgrenze 
ordnen sie sich ganz so, wie bei den Selachiern, zu überaus regel- 
mäßigen meridionalen Reihen an, die wegen der Größe der Zellen 
schon bei ganz schwacher Vergrößerung sehr leicht zu sehen sind 
(Fig. 3, Taf. XXXT). Jede Reihe besteht aus ungefähr zwölf Zellen; 
am Ende derselben erfolgt die Umbildung in Linsenfasern. Zell- 
grenzen sind an diesen meridionalen Reihen nicht zu sehen, und 
zwar, wie die Schnitte durch den Äquator lehren (Fig. 11 a, Taf. XXXIT), 
desshalb nicht, weil die Zellen derart schief stehen, dass sie sich 
theilweise decken. | 

Die Zellkerne sind, wie es auch die Figuren zeigen (Figg.3und 11), 
in sehr auffallender Weise gelappt. In der Mitte der Vorderfläche 
war diese Lappung undeutlich oder fehlte vielleicht ganz; bald aber 
trat sie deutlich zu Tage und am Äquator und den meridionalen 
Reihen war sie so deutlich, wie sie auf den Figuren zu sehen ist. 
Das Präparat der Fig. 3 war mit Pikrinsäure-Sublimat, das der 
Fig. 11 mit FrLemming’scher Flüssigkeit fixirt; es kann also wohl 
ausgeschlossen werden, dass die Lappung den Grund in der Art der 
Fixirung habe. Eine Andeutung einer Lappung war auch bei Triton 
am AÄquator der Linse zu sehen. 

Das Linsenepithel der Anuren unterscheidet sich in erster 
Linie von dem der Urodelen durch die viel geringere Größe der 
Zellen. Es ist dies nur eine Theilerscheinung der allgemein be- 
kannten Thatsache, dass die Gewebselemente der Anuren viel kleiner 
sind, als die der Urodelen. Wie groß dieser Unterschied am Linsen- 
epithel ist, ist aus einem Vergleich der Figg. 3 und 4, Taf. XXXI, 
ohne Weiteres zu entnehmen. Die erste stellt, wie gesagt, ein Stück 
des Linsenepithels von Salamandra maculosa, die zweite ein eben 
so großes Stück von Rana esculenta dar; beide Figuren sind bei der 
gleichen Vergrößerung (260fach) gezeichnet. Die Zellgrenzen sind 
bei Rana esculenta ungemein scharf und in der Nähe des vorderen 
Linsenpoles und in dessen Umgebung bemerkt man in den Kittlinien 
eigenthümliche, mit Boraxkarmin sehr intensiv tingirte Krümel oder 
Gerinnsel. Ähnliche Krümel, nur in viel größerer Menge, liegen 
unterhalb des Linsenepithels, vor Allem in der Nähe des Aquators. 

Die Zellen stehen am Äquator außerordentlich dicht, die Zell- 
areale erscheinen also in der Flächenansicht sehr klein. "Trotzdem 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1.- 553 


ist das Volum dieser Zellen zweifellos sehr viel größer, als das der 
ganz flachen Zellen des vorderen Linsenpoles (vgl. Figg. 13a und 132, 
Taf. XXXIJ). Diese dichtgedrängten Zellen des Äquators führen 
schließlieh zu den meridionalen Reihen, die sich bei den Anuren 
eben so, wie bei den Urodelen, nur in sehr viel. größerer Zahl, 
finden. Am Anfang der meridionalen Reihen sind die Zellgrenzen 
noch erkennbar, später werden sie undeutlich und endlich schwinden 
sie sanz. An dem abgebildeten Stück des Linsenepithels des Frosches 
habe ich in jeder meridionalen Reihe nur etwa fünf bis sechs Zellen 
Sezeichnet; an anderen Stellen des Präparates war die Zahl größer 
und ich bin überzeugt, dass sie mindestens eben so groß ist, wie 
beim Salamander und Triton. Am Ende der meridionalen Reihen 
erfolgt wieder die Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern. 

Meridionalschnitte zeigen, dass sich ganz ähnlich, wie bei den 
Urodelen, die Zellen an der Epithelgrenze dachziegelförmig über einan- 
der legen. Bei Bufo sind dabei die Zellgrenzen eigenthümlich wellen- 
förmig gebogen (Fig. 13«). Zuweilen tritt, wie auch an dem abge- 
bildeten Schnitt, eine Zelle an der Epitelgrenze etwas aus der Reihe 
ihrer Genossen heraus; irgend eine Bedeutung kommt diesem Ver- 
halten nicht zu. 

Die Zahl der meridionalen Reihen ist Anfangs eine geringe; sie 
nimmt aber im Lauf der Entwicklung rasch zu und es war mir nun 
von Interesse, zu erfahren, wie diese Zunahme erfolgt und wie 
überhaupt das Linsenepithel wächst. Zu diesem Zweck habe ich 
eine größere Zahl von Linsen von Triton eristatus untersucht. Die 
Linsen stammten von Larven von 4—6 cm Länge, die in reiner 
Platinchloridlösung fixirt waren. Die Fixirung war so vortrefflich 
"gelungen, dass ich dieses Material seit Jahren benutze, um die Er- 
scheinungen der Zelltheilung zu demonstriren. Die Linsen wurden 
mit DELAFIELD’schem Hämatoxylin gefärbt, dann langsam in Gly- 
cerin aufgehellt und nun in toto untersucht. Sie waren noch nahe- 
zu kugelis und das Epithel erstreckte sich noch weit über den 
Aquator auf die Hinterfläche. Ich habe in Fig. 5 (Taf. XXXI) ein 
Stück einer solehen Linse bei schwacher Vergrößerung gezeichnet. 
Die Linse ist so gedreht, dass der vordere Pol etwas unter die 
Ebene der Tafel fällt. Bei :r ist noch ein Rest des Irispigments 
 zurückgeblieben. In den Umriss der Linse ist ein Stück des Epi- 
thels mit einer Anzahl von meridionalen Reihen eingetragen. Man 
‚sieht, was für einen wichtigen und wesentlichen Antheil die meri- 
dionalen Reihen an dem Aufbau der Linse nehmen. Abgesehen 


554 Carl Rabl, 


von diesen Reihen lässt das Epithel keine bestimmte Ordnung er- 
kennen. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass eine solche 
Ordnung nicht existirt. Im Gegentheil, ich bin überzeugt, dass jede 
Zelle ihre gesetzmäßige Lage hat; wenn man eine Linse so dreht, 
dass der vordere Pol direkt nach oben sieht, so gewinnt man in 
der That den Eindruck, dass auch hier der Anordnung der Zellen 
ein bestimmtes Gesetz zu Grunde liegt. 

Ich habe nun zunächst nach Theilungsfiguren gesucht. Dabei 
ist es mir aufgefallen, dass unter zwölf Linsen nicht eine einzige eine 
Theilungsfigur in einer meridionalen Reihe zeigte, obwohl doch sonst 
die Theilungsfiguren sehr zahlreich waren. Daraus geht hervor, 
dass sich die Zellen nicht mehr theilen, sobald sie einmal in die 
meridionalen Reihen eingerückt sind. Die Theilungsfiguren sind 
auch sonst nicht überall gleich häufig. Am häufigsten sind sie in 
dem Gürtel zwischen Zonulaansatz oder, richtiger, Irisrest, und An- 
fang der meridionalen Reihen. Gewöhnlich sind sie so gestellt, dass 
die Theilungsachse den betreffenden Meridian im rechten oder 
spitzen Winkel schneidet (vgl. die Figg. 5, 6 und 7, Taf. XXXI). 
Nur selten stößt man auf Figuren, deren Achse meridional gestellt ist. 

Über die Häufigkeit der Theilungsfiguren mögen folgende Zahlen 
Aufschluss geben. An einer Linse zählte ich zwischen Irisrest und 
meridionalen Reihen 15, vor dem Irisrest 12; an einer zweiten dort 
14, hier 8 Theilungsfiguren. Im ersten Fall standen von den 
15 Theilungsfiguren der Äquatorialzone 10 schief und 3 senkrecht 
auf dem betreffenden Meridian; bei zweien war die Stellung nicht 
zu bestimmen. Im zweiten Fall standen von den 14 Theilungs- 
figuren der AÄquatorialzone 11 schief, bei dreien war die Stellung 
nicht zu bestimmen. In toto waren also im ersten Fall 27, im zweiten 
22 Theilungsfiguren vorhanden; gewiss genug, um das Wachsthum 
der Linse befriedigend zu erklären. 

Die Vermehrung der meridionalen Reihen hat also nicht in 
diesen selbst den Grund, d. h. sie kommt nicht dadurch zu Stande, 
dass sich ab und zu eine Zelle einer solchen Reihe quer zum Meri- 
dian theilt, sondern sie hat zunächst in den Theilungen und Ver- 
schiebungen den Grund, welche in der Zone zwischen Irisrest und 
Anfang der meridionalen Reihen stattfinden. Aus dieser Zone 
schieben sich die meridionalen Reihen vor. Dabei kann nun aber 
Verschiedenes geschehen. Entweder, es schiebt sich zwischen zwei 
bestehende Reihen eine neue ein, wie dies in den in Figg. 5 und 7 
abgebildeten Fällen zu sehen ist, oder aber es treten an die Stelle 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 555 


einer bereits bestehenden Reihe zwei neue, so dass dann eine 
Reihe gegen die Äquatorialzone zu sich spaltet oder, was dasselbe 
ist, zwei Reihen sich gegen den Epithelrand zu einer einzigen ver- 
binden, wie dies der Fall der Fig. 8 zeigt. Beide Fälle müssen 
eine Vermehrung der meridionalen Reihen zur Folge haben und da- 
mit zugleich einen Einfluss auf den inneren Bau der Linse nehmen. 
Außerordentlich viel seltener kommt es vor, dass eine Reihe sich 
gegen die Epithelgrenze spaltet, dass also zwei getrennte Reihen 
gegen die Äquatorialzone zu sich verbinden, wie dies die Fig. 6 
zeist. Es muss dies nothwendig eine Verminderung der meridionalen 
Reihen zur Folge haben. Dabei können wieder allerlei Unregel- 
mäßigkeiten vorkommen, wie eine solche auch auf der erwähnten 
Figur zu sehen ist; hier sieht man nämlich an der Stelle, wo sich 
die beiden Reihen nach vorn zu einer einfachen verbinden, zunächst 
einen durch seine Größe ausgezeichneten Kern, darauf folgen zwei 
kleinere Kerne, die so gestellt sind, dass dadurch wieder für einen 
Augenblick eine Spaltung der nunmehr einfachen Reihe resultirt; 
nach links folgt aber dann wieder eine einfache Reihe von Kernen, 
oder, mit anderen Worten, die Spaltung, die eben eingeleitet schien, 
hat sofort wieder einer Vereinigung Platz gemacht. 

Durch alle diese Unregelmäßigkeiten im Einzelnen wird aber 
das Gesammtbild so wenig gestört, dass man dieselben, wenn man 
nicht speciell seine Aufmerksamkeit auf sie richtet, leicht ganz 
übersehen kann. Wie wenig das Gesammtbild eine Beeinträchtigung 
erfährt, mag aus der Fig. 5 hervorgehen, die, wie erwähnt, eine 
derartige Unregelmäßigkeit zur Anschauung bringt. 

Wie bei den Selachiern, wird auch bei den Amphibien die 
regelmäßige Anordnung der Zellen an der Epithelgrenze eine eben 
solche Regelmäßigkeit in der Anordnung der Linsenfasern zur Folge 
haben. Bevor ich aber: darauf eingehe, will ich noch die Art der 
Umbildung der Epithelzellen zu Linsenfasern besprechen. 

Obgleich diese bei allen Amphibien in wesentlich der gleichen 
Weise erfolgt, zeigen sich doch in den beiden Hauptgruppen der- 
selben so namhafte Differenzen im Detail, dass es nicht gut angeht, 
beide gleichzeitig in Betracht zu ziehen. Am einfachsten geht die 
Umbildung bei den Urodelen vor sich. Hier wachsen die Zellen an 
ihrem unteren Ende in einen bandförmigen Fortsatz aus, der sich 
unter dem Epithel eine Strecke weit nach vorn schiebt (Fig. 11a). 
Der Fortsatz der nächstfolgenden Zelle ist etwas länger und schiebt 


sich weiter nach vorn, als der vorige. Und so geht es eine Zeit 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 36 


556 Carl Rabl, 


lang weiter, bis dann die Zellen auch an ihrer Außenseite bandför- 
mig auszuwachsen beginnen. Bei den Anuren wachsen die Epithel-. 
zellen zwar gleichfalls in bandartige Fortsätze aus; dies erfolgt aber 
zunächst mehr an ihrem äußeren, der Kapsel zugewendeten Ende 
(vgl. Fig. 13a, welche diesen Process von der Kröte zeigt). Alsbald. 
wächst aber auch hier die Zelle an dem entgegengesetzten Ende in 
die Länge und die beiden Enden gehen in kolben- oder kegelför- 
mige Anschwellungen über, von denen die hintere direkt an die 
Kapsel, die vordere an die Unterfläche des Linsenepithels stößt. 

Die Länge der Fasern nimmt also vom Epithelrande an zu; 
aber diese Zunahme ist keine unbegrenzte; sie hört auf, sowie die 
Fasern mit ihren Enden die beiden Linsennähte erreicht haben. Bei 
der Kröte dürfte es ungefähr die fünfzigste oder sechzigste Faser, 
vom Epithelrand an gerechnet, sein, welche bis an beide Linsen- 
nähte reicht. Damit ist aber nicht bloß das Längen-, sondern auch 
das Dickenwachsthum der Fasern beendigt. 

Die Krümmung der jungen Linsenfasern ist bei den Änuren eine. 
sehr eigenthümliche. Wie die Figg. 12 und 13a erkennen lassen, 
sind die Fasern, welche auf den Epithelrand folgen, deutlich $S-förmig 
gebogen, und zwar so, dass die vordere Krümmung ihre Konkavität 
nach außen, die hintere ihre Konkavität nach innen kehrt. Von 
einer solchen $-förmigen Krümmung ist bei den von mir unter- 
suchten Urodelen nichts zu sehen. 

Auch die Kernzone verhält sich in beiden Hauptgruppen der 
Amphibien verschieden. Bei den Urodelen zieht sie von der Epithel- 
srenze zunächst eine Strecke weit nach hinten und biegt dann nach 
vorn und unten um, indem sich gleichzeitig die Kerne sehr häufen. 
Bei den Anuren (vgl. Fig. 12). erscheint sie auf Meridionalschnitten 
deutlich S-förmig gebogen, zeigt also eine Ähnlichkeit mit der der 
Selachier, die auch noch dadurch zum Ausdrucke kommt, dass in 
beiden Klassen die Kerne in der letzten Strecke gehäuft sind. Diese 
letzte Strecke reicht etwas über den Äquator nach vorn und liegt 
in einiger Entfernung unter dem hohen Cylinderepithel der Äqua- 
torialzone. — 

Seit der Entdeckung der Kernzone durch HERMANN MEYER! 
sind die Veränderungen, welche die Kerne erfahren, oft und z. Th. 
recht eingehend untersucht worden. Ich werde an geeigneter Stelle 


i HERMANN MEYER, Beitrag zu der Streitfrage über die Entstehung der 
Linsenfasern. Briefliche Mittheilung an JOHANNES MÜLLER. Archiv für Anat., 
Physiol. u. wiss. Medicin. 1851. p.. 202. 


Uber den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 557 


auf die wichtigsten dieser Beobachtungen noch zurückkommen. Hier 
möchte ich nur ein paar Worte über das sagen, was ich am Axolotl 
und Salamander in dieser Hinsicht gesehen habe. Ich muss aber 
ausdrücklich bemerken, dass ich nicht der Ansicht bin, mit dem 
Wenigen, was ich zu sagen habe, den Gegenstand auch nur zu einem 
vorläufigen Abschlusse bringen zu können; vielleicht wird aber 
durch meine Darstellung die Aufmerksamkeit aufs Neue auf diesen 
für Zellfragen so wichtigen Gegenstand gelenkt. — Das allgemeinste, 
zugleich aber auch interessanteste Resultat ist wohl das, dass die 
Kerne schwinden, sobald das Wachsthum der Fasern zum Abschluss 
gekommen ist; dies ist aber der Fall, sobald die Fasern mit ihren 
Enden die Linsennähte erreicht haben. Der Kernschwund erfolgt 
sehr rasch, was daraus zu entnehmen ist, dass die Veränderungen, 
welche zu diesem Schwunde führen, nur an einer verhältnismäßig 
beschränkten Zahl von Kernen wahrzunehmen sind. Da kaum daran 
zu zweifeln ist, dass die jungen Linsenfasern neben dem Kern auch 
ein Centrosoma besitzen, so erhebt sich die weitere Frage, ob auch 
das Centrosoma nach Abschluss des Wachsthums der Fasern schwindet 
und ob dasselbe früher oder später als der Kern zu Grunde geht. 
‚Jedenfalls ist es von Interesse, dass das Schwinden des Kerns zeit- 
lich mit dem Abschluss des Wachsthums zusammenfällt. Man ist 
dadurch versucht, beide Erscheinungen in einem Causalnexus zu 
denken und sich vorzustellen, dass das Wachsthum nur so lange 
stattfinden kann, als ein Kern vorhanden ist, und dass es aufhören 
muss, wenn der Kern schwindet. Jedenfalls ist es auffallend, dass 
auch sonst gleichzeitig mit dem Schwunde des Kerns das Wachs- 
thum der Zelle zum Stillstande kommt. Man braucht sich nur an 
die Verhornung der Epithelzellen, an die Bildung der rothen Blut- 
- körperehen der Säugethiere und dergleichen mehr zu erinnern. 

Die Linsen, an denen ich die Erscheinungen des Kernschwundes 
untersuchte, waren theils mit Pikrinsäure-Sublimat, theils mit FLEM- 
MING’scher Flüssigkeit fixirt und dann mit alkoholischem Borax- 
karmin nach GRENACHER gefärbt. Fig. 10 Taf. XXXI führt eine 
Reihe von Bildern des Kernschwundes vor Augen, wie man sie 
beim Axolotl erhält. Die Kerne der jungen und jüngsten Fasern 
sind kaum wesentlich von den Zellkernen an der Epithelgrenze ver- 
schieden (a); dann folgen in einer gewissen Tiefe Kerne, die in 
eigenthümlicher Weise verschrumpft sind und sich mit Boraxkarmin 
sehr intensiv färben (d). Auf diese folgen Kerne, welche fast den 
Eindruck machen, als wären sie etwas aufgebläht, und deren chro- 

36* 


558 Carl Rabl, 


matisches Gerüst zugleich stark redueirt ist (c); so weit es aber er- 
halten ist, färbt es sich sehr intensiv. Die gröberen ehromatischen 
Massen finden sich an der Oberfläche des Kerns, während im Binnen- 
raum nur wenig gefärbte Körner oder Balken zu sehen sind. Das 
Merkwürdigste ist aber, dass jetzt auch außerhalb des Kerns, neben 
ihm, im Zellleib chromatische Substanz aufgetreten ist. Es gewinnt 
dadurch den Anschein, als wäre die chromatische Substanz aus den 
Kernen in den Zellleib übergetreten; jedoch bleiben die Kerne dabei 
stets scharf kontourirt. Zwischen diesen Kernen mit redueirtem chro- 
matischem Gerüst findet man von Stelle zu Stelle noch solche, welche 
eine große Menge chromatischer Körner enthalten und dabei mehr 
abgerundet sind (d). Nun werden die Kerne immer kleiner, sie 
schrumpfen sichtlich zusammen, während sich gleichzeitig mehr Proto- 
plasma um sie anhäuft ie). Die Körner und Balken, welche im Proto- 
plasma liegen, nehmen jetzt keine Farbe mehr an. Auf Äquatorial- 
schnitten sehen die Kerne wie intensiv rothe Ringe aus, die um so 
kleiner werden, je tiefer sie liegen. — Endlich ist auch die letzte 
Spur der Kerne geschwunden und die Fasern zeigen nur mehr an 
der Stelle, wo sie gelegen hatten, eine spindelförmige Anschwellung 
mit körnigen oder fädigen Einlagerungen, die sich mit Boraxkarmin 
nicht mehr färben (f). In noch größerer Tiefe ist auch von diesen 
Anschwellungen nichts mehr wahrzunehmen. — Bei unserer Unwissen- 
heit über die funktionelle Bedeutung der einzelnen Bestandtheile des 
Zellkerns ist es nicht gerathen, irgend eine Vermuthung über die 
Bedeutung der geschilderten Bilder auszusprechen. — 

Die Linse der Amphibien besitzt eben so wenig, wie die der 
Selachier, einen geschichteten Bau; vielmehr ist auch hier die Haupt- 
masse der Fasern zu radiären Lamellen verbunden. Der Grund 
davon liegst, wie bei den Selachiern, in der Anordnung der Zellen 
an der Grenze des Linsenepithels. Hier finden sich die erwähnten 
meridionalen Reihen und ganz so, wie bei den Selachiern, geht auch 
bei den Amphibien am Ende dieser Reihen die Bildung der Linsen- 
fasern vor sich. Es muss sich also jede neugebildete Faser genau über 
die vorhergehende hinüberlegen; und, indem sich dies hundert- und 
tausendmal wiederholt, kommt es zur Bildung der radiären Lamellen. 

Die beste Übersicht über den Aufbau der Amphibienlinse giebt 
ein Äquatorialschnitt durch die Linse einer älteren Tritonlarve, wie 
ein solcher auf Taf. XXXI, Fig. 9 abgebildet ist. Wie es kam, dass 
diese Linse nicht brüchig war, sondern sich so vortrefflich schneiden 
ließ, kann ich nieht sagen. Die Larven waren in Platinchlorid- 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 559 


lösung fixirt und hatten dann mehrere Jahre in starkem Alkohol 
gelegen. 

Im Centrum einer solchen Linse sieht man die Querschnitte jener 
Fasern (cf), welche noch keine regelmäßige Anordnung besitzen. 
Dieser Kern der Linse ist verhältnismäßig klein, viel kleiner als bei 
den Selachiern, ein Umstand, der sich leicht daraus erklärt, dass 
- bei den Amphibien die Ordnung der Zellen an der Epithelgrenze 
schon sehr frühzeitig beginnt. Eigentlich kann man diese centralen, 
auf dem Äquatorialschnitt gewöhnlich kreisförmig begrenzten Zellen 
kaum als Fasern bezeichnen. Sie scheinen auch sehr verschieden 
sestaltet zu sein. 

Nach außen davon werden die Zellen platter und beginnen sich 
auch bald zu radiären Lamellen an einander zu legen. Wie bei 
den Selachiern setzen diese radiären Lamellen weitaus die Haupt- 
masse der Linse zusammen, und der Kern bildet, dem Volum nach, 
einen sehr unbedeutenden Bestandtheil derselben. Wir können dem- 
nach auch an der Amphibienlinse Centralfasern, Übergangs- 
fasern und Haupt- oder Grundfasern unterscheiden. Außerdem 
wollen wir die jungen, S-förmig gekrümmten Fasern, die sich am 
Äquator der Anurenlinse finden und am Rande des Linsenepithels 
liesen, noch besonders als Randfasern bezeichnen. Sie unter- 
scheiden sich nur in ihrer Krümmung, nicht auch in ihrer Anordnung 
von den Haupt- oder Grundfasern. 

Die radiären Lamellen zeigen bei den Amphibien ein eigenartiges 
Verhalten, das uns in den Stand setzt, einen Äquatorialschnitt durch 
die Linse eines Amphibiums leicht von einem solchen durch die 
Linse eines Selachiers oder Knochenfisches zu unterscheiden. Die 
Lamellen theilen sich nämlich nach außen zu wiederholt und viel 
öfter als bei den Selachiern. Es hängt dies, wie mir scheint, vor 
Allem damit zusammen, dass die Bildung der meridionalen Reihen 
und damit der Radiärlamellen schon so früh beginnt. Aber auch 
Verbindungen der radiären Lamellen kommen, wenn sie auch ungleich 
seltener als Theilungen sind, doch viel häufiger vor, als bei den 
Selachiern. Auf diese Weise entsteht das auf Taf. XXXI, Fig. 9 
gegebene Bild. 

Auch bei den Amphibien zeigen die radiären Lamellen die Nei- 
gung, bei der Fixirung aus einander zu weichen, so dass zwischen 
ihnen Spalten entstehen, die zwei benachbarte Lamellen auf größere 
‚oder geringere Ausdehnung von einander trennen. Nur ganz aus- 

nahmsweise kommt es einmal vor, dass Spalten entstehen, die mehr 


560 | Carl Rabl, 


oder weniger parallel der Oberfläche verlaufen, so dass eine Schich- 
tung im althergebrachten Sinne vorgetäuscht wird. 

Die Theilungen der Lamellen bringen es mit sich, dass ihre 
Zahl von innen nach außen wächst; sie ist also bei Larven und 
jungen Thieren kleiner, als bei älteren und erwachsenen, Eigen- 
thümlichkeiten, die, wie wir gesehen haben, ganz eben so auch für 
die Selachier gelten. 

Die Zahl der Lamellen ist individuell, namentlich aber nach den 
Species verschieden. Auch hierin stellen sich, wie in so vielen an- 
deren Eigenthümlichkeiten die Urodelen in einen gewissen Gegen- 
satz zu den Anuren. Bei den Urodelen ist die Zahl der Radiärlamellen 
durchwegs eine sehr viel geringere, als bei den Anuren; im Ganzen 
aber bleibt sie auch bei diesen weit hinter jener der Fische und 
speciell der Selachier zurück. — Ich gebe im Folgenden ein kurze 
Übersicht meiner Zählungen. 

Zahl der Radiärlamellen: 


Urodelen Anuren 
Triton erist.; ca. 6 em lange Larve 60—70 Hyla arborea 529 
Triton erist.; erwachsen a... . 99—100 Bufo variabilis 591 
Triton erist.; > bb... ..99—100 Rana esculenta 705 
Triton erist.; > RN) | im Rana fusca 916 
Triton crist.; > dell ‚Mittel 
Triton erist.; > 025.103 | 100 
Triton erist.; > Se le! 
Triton crist. ; > 7.2100 


Siredon pisciformis; 10,2 cm lang 111 

_ Siredon piseiformis; 18 cm lang . 144 

Siredon pisciformis; 25,5 cm lang 154 

Salamandra maecul.;, erwachsen a 216 

Salamandra maecul.; > b 222, im Mittel 221. 
Salamandra macul.; >» c 224] 


Die Zahl der Lamellen hängt natürlich von der Zahl der meri- 
dionalen Reihen ab, und wir dürfen daher annehmen, dass für diese 
Reihen dieselben Zahlen gelten, wie für die Lamellen. 

Viel geringer als zwischen den Individuen verschiedener Arten 
sind die Unterschiede zwischen den Individuen einer und derselben 
Art. Und bei einer und derselben Art sind die Unterschiede wieder 
um so größer, je größer die Lamellenzahl ist. So sind beim Triton 
die Variationen geringer, als beim Salamander, und vielleicht dürfen 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 561 


wir erwarten, dass überhaupt mit der Zahl der Lamellen die Variations- 
breite wächst. 

Wie bei den Selachiern muss auch bei den Amphibien die Dicke 
der Lamellen und damit zugleich die Breite der Fasern von innen nach 
außen zunehmen. 
Die letztere hängt 
natürlich von zwei 
Faktoren ab: von 
der Größe der Linse 
und der Zahl der 
Lamellen. Kennt 
man den Äquatorial- 
umfang einer Linse 
und die Zahl der 
Lamellen, so muss 
es natürlich auch 
gelingen, die Faser- 
breite zu berechnen; 
und eben so muss man die La- 


Textfigur 7. 


Triton cristatus. 


mellenzahl berechnen können, = 

wenn man die Faserbreite und = 

den Äquatorialumfang kennt. In- Ss [2 
dessen gestaltet sich die Rech- _ 


| 
| 


nung in Wirklichkeit nicht so 
einfach, als es auf den ersten 
Blick scheint. Denn es sind a- Sy >———y—— 


ei. SI —— 
bei eine Menge von Kautelen zu — | 
beachten, die sich schwer über- 


blieken und in Rechnung ziehen SS — 
ur 2.2 
lassen. So muss man z. B. die ITEZ—Z————— 


Schrumpfung in Rechnung bringen, se. 
welche die Linse beim Übertragen m 
aus Alkohol in Chloroform und 
dann weiter beim Einbetten in 
Paraffin erfährt; man muss die 


| 


|) 
ı 


| 
I 
i 


| 


| 


Bee der malen m = — 7 
Rechnung bringen, die sich bei Br £ 
Textfigur 8. 


der Konservirung zwischen den 
Radiärlamellen bilden u. dgl. m. 
Schon die sehr beträchtlichen Unterschiede in der Zahl der 


'Salamandra maculosa. 


962 Carl Rabl, 


Lamellen — meine Tabelle weist Extreme von 98 und 916 auf — 
lassen eine große Verschiedenheit in der Breite der Fasern erwarten. 
Ich habe nun bei derselben Vergrößerung, bei der die Linsenfasern 
der Selachier auf Taf. XXIX gezeichnet sind (Apochrom. Ölimm. 
1,40 mm), auch von den Amphibien kleine Stücke der Lamellen ge- 
zeichnet und hier neben einander gestellt. Die breitesten Fasern findet 
man bei Triton eristatus (Textfig. 7); nur um ein Geringes schmäler 
sind sie bei Salamandra maculosa (Textfig. $), und wieder schmäler 
beim Axolotl (Textfig. 9). Aber auch diese übertreffen die breitesten 

Fasern, die sich bei Anuren finden, 


= noch sehr erheblich. Am breitesten 
Sn sind sie hier bei Hyla arborea (Text- 
mm DI “eo 
— u figur 10), darauf folgt Bufo variabilis 
= =  (Textfig. 11) und den Schluss macht 


Rana fusca (Textfig. 12. Ein Ver- 


Textfigur 9. 


gleich mit den Fasern der Selachier 
lehrt, dass auch die Fasern von Rana 
noch breiter sind, als die der meisten 
Selachier, wobei überdies nicht aus 
dem Auge gelassen werden darf, 
dass die meisten der untersuchten 


Siredon pisciformis. 


| Selachierlinsen viel größer waren 
als die von Rana. — Was die Dieke der Fasern betrifft, so gilt 
wesentlich das von den Fasern der Selachier Gesagte. Es finden 
sich unmittelbar unter der Oberfläche sehr dünne Fasern, dann folgen 
allmählich diekere, bis dann von einer gewissen Tiefe an die Dieke 
wieder langsam abnimmt. 

Die Breite der Fasern und damit die Dieke der Lamellen nimmt 
im Allgemeinen von innen nach außen zu. Ab und zu kommen 
aber merkwürdige Abweichungen von dieser Regel vor, und es kann 
eine Lamelle in ihrem Zuge von innen nach außen abwechselnd 
dünner und dieker werden. 

Der Querschnitt der Fasern ist meistens ein flaches Sechseck, 
wie bei den Selachiern. Indessen kommen auch hiervon Abwei- 
chungen vor. So kann er mehr einem Rechteck als einem Sechseck 
ähnlich sehen (vgl. Textfig. 11 von der Kröte). Übrigens ist das 
Querschnittsbild ungemein variabel. Man kann in einer und der- 
selben Linse nahe neben einander sechseckige und viereckige Fasern 
finden, wie dies auch bei jener Krötenlinse der Fall war. Auch 
sind die langen Seiten der Sechsecke oder Vierecke bald ganz eben, 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 563 


bald nach außen oder nach innen konvex; auch in dieser Hinsicht 
kann man in einer und derselben Linse den verschiedensten Bildern 


begesnen. Alles das weist darauf hin, dass die Fasern außerordent- 
lich plastische Gebilde sind. 


Wie schon erwähnt, nimmt die Zahl der Lamellen von innen 
nach außen durch Theilung zu. Beispiele dafür findet man in der 
Fig. 9 Taf. XXXI an mehreren Stellen. Außerdem zeigt die Text- 
figur 10 eine Theilung bei Hyla und Textfig. 1% bei Rana. Im letz- 


| 


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11) 
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Textfigur 10. Textfigur 11. Textfigur 12. 


Hyla arborea. Bufo varıabilis. Rana fusca. 


teren Fall theilt sich die Lamelle 5 nach außen in zwei gleich dieke 
Lamellen. An der Theilungsstelle findet sich fast regelmäßig eine 
durch besondere Breite und dreieckigen Querschnitt ausgezeichnete 
Faser. — Die Zunahme der Lamellen erfolgt aber keineswegs aus- 
schließlich durch solche Theilungen; sie kann eben so gut durch 
Interkalation zu Stande kommen. Ein solches Beispiel führt uns 
die Textfig. 12 von Rana vor Augen, wo zwischen die Lamellen 
1 und 3 die Lamelle 2 interkalirt ist. Ob der in der Textfig. 7 darge- 
stellte Fall von Triton als Theilung oder als Interkalation aufzufassen 
ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Übrigens schwanken die 


564 Carl Rabl, 


Bilder, welche man von einer Interkalation erhält, ganz außer- 
ordentlich. 

Es ist klar, dass sowohl die Theilung, als die Interkalation auf 
das Verhalten der meridionalen Reihen zurückzuführen ist. Wie 
wir gesehen haben, kann die Zahl dieser Reihen entweder dadurch 
eine größere werden, dass an die Stelle einer einfachen Reihe zwei 
Reihen treten, wie dies die Fig. S auf Taf. XXXI zur Anschauung 
bringt, oder aber dadurch, dass sich, wie es die Figg. 5 und 7 zeigen, 
zwischen zwei bereits bestehende Reihen eine neue einschiebt. Der 
erste Fall wird im weiteren Verlauf eine Theilung, der zweite eine 
Interkalation einer Radiärlamelle zur Folge haben. 

Es wurde schon erwähnt, dass Verschmelzungen zweier Lamellen 
ungleich seltener als Theilungen sind. Einen ziemlich typischen 
Fall einer Verschmelzung führt die Textfig. 13 von Rana fusca vor 
Augen. Er leitet sich von einem Verhalten der meridionalen Reihen 
ähnlich dem auf Taf. XXXI Fig. 3 abgebildeten ab. 

Außer den bisher besproche- 


m——Z nen Eigenthümlichkeiten der La- 
a mellen kommen noch zahlreiche 
— m — 2 ® . . 
cc_= andere vor, die, im Einzelnen zu 
SE besprechen, wohl überflüssig ist. 
m se Einige solcher Eigenthümlich- 
FE keiten sind in Textfig. 9 vom Axo- 
om m — lotl, 11 von Bufo, 12 und 14 von 


ne Rana dargestellt. Sie sind sämmt- 

a ae lich auf Störungen in der Ausge- 

Rana fusca. Rana fusca. staltung der meridionalen Reihen 

des Linsenepithels zurückzufüh- 

ren. In der That entrollt uns jeder Äquatorialschnitt durch eine 

Linse ein höchst instruktives Bild von dem allmählichen Aufbau 

der radiären Lamellen und von ihren genetischen Beziehungen zu 
den meridionalen Reihen. 

Was den Verlauf der Linsenfasern betrifft, so ist derselbe 
wesentlich der gleiche, wie bei den Selachiern. Es kann daher die 
Textfig. 4 mit einer ganz geringfügigen Modifikation auch für die 
Amphibienlinse gelten. Die Modifikation betrifft nur die Länge der 
Linsennähte, die, wie schon bemerkt, bei den Amphibien relativ 
kürzer sind, als bei den Selachiern. — 

Zum Schluss habe ich noch ein paar Worte über die Kapsel 
zu sagen. Dieselbe ist bei den Urodelen dünner, als bei den Anuren; 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 565 


am dünnsten ist sie beim Axolotl. Stets ist sie, so weit sie das 
Linsenepithel bedeckt, dicker, als an der hinteren Fläche. Die 
Diekenabnahme erfolgt langsam und allmählich. Die Differenz in 
der Dicke der vorderen und der hinteren Kapselhälfte ist ausnahms- 
los bei den Urodelen geringer, als bei den Anuren. Eine Schichtung 
habe ich nie deutlich wahrnehmen können. — 

Was die Litteratur betrifft, so glaube ich mich kurz fassen zu 
dürfen. Außer HexntLe hat Niemand einen tieferen Einblick in den 
Bau der Amphibienlinse gewonnen. Was vor HENLE, also bis zum 
Jahre 1882, darüber geschrieben wurde, ist bei HENLE eingehend 
berücksichtigt; ich habe einen großen Theil der von ihm eitirten 
Arbeiten gelesen, aber in ihnen nichts gefunden, was eine Bespre- 
chung an dieser Stelle nothwendig erscheinen ließe. Seit dem Jahre 
1882 aber ist, so viel ich weiß, über den feineren Bau der Amphi- 
bienlinse nichts mehr von Bedeutung erschienen. 

In seiner ersten Arbeit über diesen Gegenstand! glaubte HENLE 
noch die Frage nach der Neubildung der Linsenfasern als eine offene 
hinstellen zu müssen; indessen hob er doch mit besonderem Nach- 
druck hervor, dass er damit »nicht beabsichtige, die Wahrschein- 
lichkeit, dass die neuen Fasern von der Oberfläche aus angefügt 
werden, zu verdächtigen«. Dieser Frage hat er dann in einer 
zweiten Arbeit? seine specielle Aufmerksamkeit gewidmet und ist 
dabei zu Ergebnissen gelangt, die von der größten Bedeutung sind 
und zu dem Besten gehören, was wir über den Bau und die Ent- 
wicklung der Linse wissen. Er sagt jetzt: »Dass die Linse durch 
Aurlagerung neuer Fasern an Volum zunimmt, kann nicht bezweifelt 
werden. Es ist eben so gewiss, dass die neuen Fasern aus den 
Epithelzellen, durch Verlängerung derselben nach beiden Seiten, 
hervorgehen und es durfte nach dem gegenwärtigen Stande der 
Zellenlehre vermuthet werden, dass, um den Nachwuchs an neuen 
Epithelzellen zu liefern, die alten sich durch Theilung vervielfältigen. 
Aber dies blieb Vermuthung. Die Angabe KÖLLIKER’s und v. BECKER’S, 
dass in der fötalen Linse die der Grenze des Epithels nächsten 
Zellen in einem beständigen Vermehrungsprocesse begriffen seien, 
vermochte ich nicht zu bestätigen, musste vielmehr die Frage, wie 
die Neubildung der Fasern an der Oberfläche der Linse vor sich 


i J. Hente, Zur Anatomie der Krystalllinse. Abhandlungen der kgl. Ge- 
sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Bd. XXIII. 1878. 

? Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse und zur Thei- 
lung des Zellkerns. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XX. 1582. 


« 


566 Carl Rabl, 


gehe, als eine offene hinstellen. — Die Untersuchung der Linse von 
Frosch- und Tritonlarven hat, wenigstens für diese Thiergruppe, das 
Räthsel gelöst: die neuen Zellen entstehen nicht da, wo man sie 
suchen zu müssen glaubte, am Rande des Epithels, um direkt zum 
Ersatz der in Fasern auswachsenden Zellen zu dienen; man findet 
im Gegentheil die in Theilung begriffenen Zellen mitten zwischen 
ruhenden oft in beträchtlicher Entfernung von der Stelle, wo die 
Zellen sich in Fasern umzuwandeln beginnen.< HENLE vergleicht 
dann das Wachsthum des Linsenepithels mit dem Wachsthum des 
einschichtigen hinteren Epithels der Cornea, das gleichfalls »nicht 
durch Anfügung am Rande, sondern durch Einlagerung neuer Zellen 
erfolge, die aus Theilung von hier und da mitten zwischen den üb- 
rigen gelegenen Zellen hervorgehen und die vorhandenen vor sich 
her und dem Rande zuschieben müssen«. 

HENLE geht aber noch weiter. Indem er die Epithelgrenze ge- 
nauer untersucht, findet er die meridionalen Reihen. Die betreffende 
Stelle der Arbeit lautet wörtlich: »An der Linse der geschwänzten 
und ungeschwänzten Batrachier erstreckt sich, wie an allen kuge- 
ligen Linsen, das Epithel über den Äquator hinaus und auf die hintere 
Fläche. Am Äquator haben die Zellen noch sanz die unregelmäßig 
polygonale Gestalt, wie an der vorderen Fläche; dann folgen mehrere 
Reihen elliptischer, fast vierseitiger Zellen, deren längerer Durelı- 
messer quer, d. h. senkrecht zum Verlauf der Linsenfasern steht und 
an die queren Zellen schließen sich, so lange die Linse im Wachsen 
ist, Reihen längerer Zellen mit parallel zu den Fasern gerichtetem 
längeren Durchmesser. Die in einer Reihe gelegenen Zellen der 
letztern Art decken einander dachziegelförmig; sie enden in einiger 
Entfernung vom hinteren Pol der Linse und ziehen sich um so weiter 
von demselben zurück, je älter die Linse wird.«< — Bis hierher ist 
fast Alles durchaus richtig und findet durch meine Beobachtungen 
seine volle Bestätigung. Unrichtig ist nur, dass, wie HENLE an 
mehreren Stellen seiner Arbeiten bemerkt, die Linse der erwachsenen 
Amphibien kugelig ist und dass an der vollkommen entwickelten Linse 
die meridionalen Reihen fehlen. Nun folgt aber in der Darstellung ein 
Irrthum, der verhängnisvoll werden und HEnLE hindern sollte, zu 
einem wirklichen Verständnis des Baues der Linse und der Be- 
ziehungen der meridionalen Reihen zu den Radiärlamellen zu gelangen. 
Es heißt nämlich weiter: »Die Zellenreihen sind schmaler, als die 
äußersten Linsenfasern, entsprechen ihnen aber der Zahl nach ziem- 
lich genau, so dass in der Regel jede Faser von einer Zellenreihe 


» 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 567 


bedeckt wird. Doch ereignet es sich häufig, dass die Zellenreihen 
sich gegen die Fasern etwas verschieben. Und dies ist erwünscht, 
weil man sonst Mühe hätte, diese zwischen der Kapsel und den 
äußersten Linsenfasern gelegenen Elemente von den in den äuße- 
ren Fasern gelegenen Kernen der sogenannten Kernzone zu unter- 
scheiden.«x Ein Blick auf die Figur, die HENLE. zum Beweise 
für das Gesagte heranzieht, zeigt mit voller Sicherheit, dass beim 
Abziehen des Epithels und der äußeren Linsenfasern oder beim Zer- 
zupfen des Präparates eine Verschiebung der meridionalen Reihen 
sesen die oberflächlichen Fasern stattgefunden hatte. Hätte HExLE 
die Linsen der Tritonenlarven in toto, nach vorhergegangener Färbung 
und Aufhellung in Glycerin (nicht in Nelkenöl), untersucht, so 
würde er sich auch überzeugt haben, dass die Zahl der meridionalen 
Reihen der Zahl der äußersten Linsenfasern nicht »ziemlich«, sondern 
absolut genau entspricht. Er würde dann aber auch um so gewisser 
die genetischen Beziehungen der meridionalen Reihen zu den Radiär- 
lamellen der Linse erkannt haben, als er auf die Existenz der letz- 
teren schon vier Jahre vorher bei der Untersuchung eines Äquatorial- 
schnittes durch die Froschlinse aufmerksam geworden war. In 
seiner Arbeit »zur Anatomie der Krystalllinse« schreibt er nämlich 
in dem Kapitel, welches von der Art der Zusammenfügung der 
Linsenfasern handelt, Folgendes: »Die von außen nach innen stetig 
fortschreitende Verjüngung der koncentrischen Schichten, aus welchen 
die Linse besteht, kann auf doppelte Weise zu Stande kommen; 
entweder muss in der genannten Richtung stetig die Breite der 
Fasern oder es muss in jeder folgenden Schicht die Zahl der Fasern 
sich mindern. Bei den Vögeln, den Reptilien und der Mehrzahl der 
Fische findet die erstgenannte dieser Anordnungen statt. Der Äqua- 
torialschnitt der Vogellinse lehrt die Regelmäßigkeit kennen, mit 
der die Breite der Fasern gegen den Kern der Linse abnimmt. Der 
Durehschnitt erhält so ein sehr zierlich strahliges Ansehen. Am 
Aquatorialschnitt der Linse einer Eidechse betrug die Zahl der 
‚Strahlen etwa 90, d. h. 90 Fasern, von außen nach innen schmalere, 
lagen im Umkreis einer jeden Lamelle. Auch bei den übrigen Thier- 
klassen nimmt die Breite der Linsenfasern von außen nach innen 
ab... Aber sie (diese Abnahme) ist nicht so regelmäßig, wie bei 
den Vögeln, und daneben vollzieht sich, namentlich in den äußeren 
und mittleren Schichten, eine Reduktion der Zahl der Fasern durch 
Endigung oder Zusammenfließen von Reihen in der Weise, wie sie 
aus dem Querschnitt der Froschlinse zu ersehen ist.« Das Bild, 


568 Carl Rabl, 


auf das sich HentE hier beruft, zeigt eine sehr große Ähnlichkeit 
mit meiner Textfig. 12. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass 
die »Strahlen< oder »Reihen«, die HExLE hier beschreibt, nichts 
Anderes, als die Durchschnitte der Radiärlamellen sind. 

Um so merkwürdiger ist es, dass HEexLeE trotzdem an dem alt- 
hergebrachten Dogma vom koneentrischen Bau der Linse festhielt, 
ja, dass er die »koncentrischen Schichten« ausdrücklich erwähnt, 
obwohl die Bilder, auf die er sich bei der Beschreibung bezieht, 
auch nicht die geringste Spur von solchen erkennen lassen. Es ist 
ihm dabei offenbar ganz ähnlich ergangen, wie mir selbst,. als ich 
vor vier Jahren, ohne die Arbeit HExLE's, die ich zwar seiner Zeit 
gelesen hatte, in Erinnerung zu haben, die meridionalen Reihen und 
die Radiärlamellen fand und auch die genetischen Beziehungen 
zwischen beiden kennen lernte. Obwohl ich einen besseren Ein- 
blick in den Aufbau der Linse gewonnen hatte, konnte ich mich 
doch noch mehr als zwei Jahre lang nicht entschließen, die Annahme 
einer koncentrischen Schichtung ganz fallen zu lassen. Erst als 
alle Versuche, eine solche Schichtung im mikroskopischen Bilde 
nachzuweisen, fehlgeschlagen hatten, arbeitete sich langsam die 
Überzeugung durch, dass der vermeintliche Schichtenbau lediglich 
durch die verschiedene Konsistenz der Fasern verschiedenen Alters 
vorgetäuscht wird. Ä 

Außer den eitirten Angaben HENLE’s muss ich noch einige 
andere, minder wichtige hervorheben, mit denen ich mich zum Theil 
nicht einverstanden erklären kann. So hebt HEenLE an mehreren 
Stellen hervor, dass die Fasern beim Frosch vierseitige Prismen 
vorstellen. Gewiss kann diese Angabe richtig sein, in so fern als 
der Faserquerschnitt hier und da mehr einem Rechteck, als einem 
Sechseck ähnlich sehen kann. Indessen habe ich schon oben auf 
die große Veränderlichkeit dieses Bildes aufmerksam gemacht. 

Ferner bemerkt HENLE, dass die in Reihen angeordneten Zellen. 
des Linsenepithels »nur theoretisch als Zellen aufzufassen sind, ihrer 
Form nach aber viel mehr nackten Kernen gleichen«. Dass sie die 
Bedeutung von Zellen haben, glaubt er »desshalb annehmen zu 
dürfen, weil sie nach vorn und hinten an unzweifelhafte Zellen, d. h. 
an Körper grenzen, welche deutlich in einen Kern und einen den- 
selben rings umgebenden hellen Saum geschieden sind, nach vorn 
an die mittleren Epithelzellen der vorderen Kapselwand, nach hinten 
an die länglichen in zwei Spitzen auslaufenden Zellen, die sich zu. 
Linsenfasern entwickeln. Diese Angabe erklärt sich zum Theil 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 569 


daraus, dass bei Larven und Embryonen die Zellgrenzen meist 
weniger scharf sind, als bei erwachsenen Tbieren, dann aber auch 
daraus, dass die Zellgrenzen innerhalb der meridionalen Reihen 
einen schiefen Verlauf haben (vgl. z. B. Fig. 11a Taf. XXXI vom 
Salamander) und daher nur an senkrechten Schnitten, nicht aber im 
Oberflächenbilde deutlich gesehen werden können. 

HENLE hat auch die regressiven Veränderungen der Zellkerne 
untersucht und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die sich zum Theil 
nicht schwer mit den von mir geschilderten in Einklang bringen 
lassen. In den äußersten Faserlagen finden sich nach HExLE 
Kerne, welche von denen der hintersten Zellen des Kapselepithels 
nicht verschieden sind. Später aber werden die Kerne »platter, 
meist etwas verlängert und entschieden grobkömiger; die einzelnen 
Körner sind größer und durch größere Zwischenräume getrennt, hell 
mit dunkeln Kontouren«. Darauf verlieren die Kerne ihre scharfen 
Kontouren, sie werden gleichsam »angefressen« und an ihrer Ober- 
Hläche entstehen Lücken, in denen die erwähnten Körner enthalten 
sind; die Lücken öffnen sich und die Körner gehen spurlos zu 
Grunde. Darauf werden die Kerne kleiner und die noch in ihnen 
enthaltenen Körner verfallen gleichfalls dem Untergange. Zum 
Schluss finde sich in manchen Fasern an der Stelle des Kerns ein 
heller Fleck, der wohl auch später verschwindet. 

Aus dem Gesagten dürfte wohl hervorgehen, dass auch HENLE 
keinen recht befriedigenden Einblick in die Erscheinungen des Kern- 
schwundes bekommen hat. 


Prag, 10. Januar 1898. 


570 Carl Rabl, 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XX VIII. 


Entwicklung der Linse von Pristiurus melanostomus. Vergr. der Figg. 1 
bis 12 215mal. 


Fig. 1. Embryo mit 45 Urwirbeln. 
Fig. 2. Embryo mit 49—50 Urwirbeln. 
Fig. 3. Embryo mit 52 Urwirbeln. 
Fig. 4. Embryo mit 55 Urwirbeln. 
Fig. 5. Embryo mit 63 Urwirbeln. 
Fig. 6. Embryo mit 63—64 Urwirbeln. 
Fig. 7. Embryo mit 66—68 Urwirbeln. 
Fig. 8. Embryo mit ca. 74 Urwirbeln. 
Fig. 9. Embryo mit 87 Urwirbeln. 
Fig. 10. Embryo mit ca. 95 Urwirbeln. 
Fig. 11. Ca. 17 mm langer Embryo. 
Fig. 12. 19 mm langer Embryo. 


Fig. 13. Meridionalschnitt durch die Linse eines erwachsenen Mustelus 
laevis. 570mal vergr. r, Stelle, an der die meridionalen Reihen beginnen; eg, un- 
gefähre Grenze des Epithels. 


Tafel XXIX. 
Bau der Selachierlinse. 


Fig. 1. Auge eines 12 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 
215mal vergr. 

Fig. 2. Linse eines 15 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 
215mal vergr. 

Fig. 3. Linse eines 18 mm langen Embryo von Torpedo marmorata. 
215mal vergr. 

Fig. 4. Äquatorialschnitt durch die Linse eines Pristiurus-Embryo von 
24 mm Länge. ep, Linsenepithel; f, Linsenfasern. 

Fig. 5. Äquatorialschnitt durch das Auge eines Pristiurus-Embryo von 
28 mm Länge. Schwache Vergrößerung. /, Linse; N, hintere Linsennaht; r, 
Retina; {.n, Tapetum nigrum; pf, Processus faleiformis; g%, geschrumpfter Glas- 
körper. 

Fig. 6. Meridionalschnitt durch die Linse eines erwachsenen Mustelus 
laevis bei schwacher Vergrößerung. 

Fig. 7. Linsenepithel von der Mitte der Vorderfläche einer Linse von 
Mustelus laevis. 570mal vergr. 

Fig. 8. Linsenepithel von der Epithelgrenze, mit den meridionalen Reihen 
(Mustelus laevis). 570mal vergr. 

Fig. 9. Aus einem Äquatoriaslehnitt durch eine Linse von Seyllium ca- 
tulus von ca. 14 em Länge. 570mal vergr. 

Fig. 10a. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Mustelus 


Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 571 


laevis 'Linse von ca. 6,3 mm Äquatorialdurchmesser mit ‚2200 Radien). 570mal 
vergr. Von der Oberfläche. 

Fig. 105. Aus demselben Schnitt aus größerer Tiefe. 

Fig. 11. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Pristiurus 
melanostomus 'Linse von 8 mm Äquatorialdurchmesser mit 2009 Radien). 570mal 
vergrößert. 

Fig. 12. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Spinax niger 
(Linse 6,1 mm im Äquatorialdurchmesser, 1172 Radien). 570mal vergr. 

Fig. 13. Aus einem Aquatorialschnitt durch eine Linse von Chimaera 
morstrosa (Linse 13,3 mm im Äquatorialdurchmesser, 3880 Radien). 570mal 
vergrößert. ’ 

Fig. 14. Aus einem Aquatorialschnitt durch eine Linse von Acanthias 
vulgaris (Linse 6,3 mm im Aquatorialdurchmesser, 1747 Radien). 570mal vergr. 

Fig. 15. Aus einem Äquatorialschnitt durch eine Linse von Raja asterias 
(Linse ca. 4,5 mm im Äquatorialdurchmesser, 1211 Radien). 570mal vergr. 

Fig. 16. Aus derselben Linse. Unregelmäßigkeiten der Radiärlamellen. 
570mal vergr. 


Tafel XXX. 


Entwicklung des Auges von Siredon piseiformis. 


Fig. 1—10. Zehn Entwicklungsstadien in gleicher Orientirung bei 215- 
facher Vergr. 

Fig. 10a. Anschnitt der Linse des Auges der Fig. 10. Vergr. 215. 

Fig. 11. Schnitt durch den Kopf eines missbildeten Axolotl-Embryo mit 
33—34 Urwirbeln. Schwache Vergr. ab, rechte, ab!, linke sekundäre Augen- 
blase; /, Linse im Anschnitt; /!, Verdiekung des Ektoderms. 


Tafel XXXI. 
Bau der Amphibienlinse. 


Fig. 1. Linsenanlage eines 8 mm langen Embryo von Salamandra atra. 
260mal vergr. 

Fig. 2. Retina einer 15 mm langen Axolotl-Larve. 570mal vergr. Apochr. 
Ölimm. nf, Nervenfaserschicht; gz, Ganglienzellenschicht; :r, innere reticuläre 
Schicht; :%, innere Körnerschicht mit einigen Kernen von Stützfasern; ar, 
äußere retieuläre Schicht; a%, äußere Körnerschicht; st, Stäbchenzapfenschicht 
(drei Zapfen, sechs Stäbchen). 

Fig. 20. Entwicklungsstadien der Neuroepithelzellen aus der Grenze der 
Pars optiea retinae einer Axolotl-Larve von 16,5 mm Länge. Dieselbe Vergr. 

Fig. 3. Linsenepithel von Salamandra maculosa (erwachsen) von der Epi- 
thelgrenze mit drei meridionalen Reihen. 260mal vergr. 

Fig. 4 Linsenepithel von Rana esculenta (erwachsen) von Be Epithel- 
grenze mit dem Anfang von sechs meridionalen Reihen. ?60mal vergr. 

Fig. 5. Linse einer ca. 6 em langen Larve von Triton cristatus. Etwas 
schief gesehen, so dass der vordere Linsenpol unter die Ebene der Tafel zu 
liegen kommt. Die Zellen der meridionalen Reihen sind etwas zu schmal aus- 
gefallen. 130mal vergr. 

Fig. 6. Einige meridionale Reihen einer eben solchen Linse. Vergr. 
260mal. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL Ba. 37 


572 Carl Rabl, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 


Fig. 7 und 8. Dessgleichen. In den Figg. 6, 7 und 8 sind die meridio- 
nalen Reihen nach rechts zu nicht ganz vollständig. 

Fig. 9. Äquatorialschnitt durch eine Linse einer ea. 6 em langen Larve 
von Triton ceristatus. 260mal vergr. 

Fig. 10. Aus der Kernzone eines 18 cm langen Axolotl. Meridional- 
schnitt: Nahe dem Epithelrand. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. 

Fig. 11. . Aus einem Meridionalschnitt durch die Linse einer erwachsenen 
Salamandra maculosa. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. Fig. 11a von der Epi- 
thelgrenze; Fig. 115 von der Mitte der Vorderfläche. 

Fig. 12. Aus einem Meridionalschnitt durch die Linse einer erwachsenen 
Bufo variabilis. 130mal vergr. 

Fig. 13. Aus demselben Schnitt. 570mal vergr. Apochr. Ölimm. Fig. 13a 
von der Epithelgrenze; Fig. 135 von der Mitte der Vorderfläche. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 
ll. Theil. Die Larvenperiode. 
Von 
Dr. Johannes Meisenheimer. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


Mit Tafel XXXII—XL und 20 Figuren im Text. 


Während ich im ersten Theile meiner Entwicklungsgeschichte 
von Limax maximus die Entwicklung vom ungefurchten Ei bis zur 
Umwandlung der Gastrula in den eigentlichen Embryo verfolgt habe, 
wird es die Hauptaufgabe des vorliegenden zweiten Theiles sein, 
die einzelnen Organe in ihrer ersten Anlage und weiteren Aus- 
bildung zu verfolgen, wobei namentlich der allgemeine Gesichts- 
punkt ihrer Ableitung von den Keimblättern leitend sein soll, ohne 
freilich dabei die spätere Entwicklung zurücktreten zu lassen. Denn 
während die Behandlung des ersten Gesichtspunktes mehr allgemeine 
Fragen, wie über die Bedeutung der Keimblätter, von Cölom ete. 
berührt, eröffnet der letztere Einblicke in die Phylogenie der weit 
von dem ursprünglichen Typus entfernten Gruppe der Nacktschnecken. 

Nur ein Organkomplex ist hierbei noch nicht berücksichtigt, es 
sind dies die in ihrer Entwicklung noch recht unklaren Geschlechts- 
organe. Ihre Entwicklung liest zum größten Theile in der folgen- 
den, dritten Periode, welche vom Ausschlüpfen der jungen Schnecke 
bis zur vollendeten Geschlechtsreife zu rechnen ist. In Folge des 
Umfangs dieser Periode sehe ich mich genöthigt, die Entwicklung 
der Geschlechtsorgane einem dritten Theile vorzubehalten, und um 
diese dann im Zusammenhange behandeln zu können, werde ich in 
diesem zweiten Theile auf jede Behandlung derselben verzichten, 
zumal etwaige jüngste Befunde nur durch Vergleich mit älteren und 
ältesten Stadien volle Sicherheit zu gewinnen vermögen. 

Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Prof. KORSCHELT 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd, 38 


574 Johannes Meisenheimer, 


für die Theilnahme und das Interesse, welches er auch diesem 
zweiten Theile meiner Untersuchung entgegengebracht hat, meinen 
herzlichsten Dank auszusprechen. _ 


I. Abschnitt. Die Larvenorgane. 


Unter Larvenorganen im engeren Sinne verstehe ich diejenigen 
Organe, welche für die Larve allein typisch sind, und welche all- 
mählich mit dem Übergange in das erwachsene Thier Funktion und 
Existenz einbüßen, d. h. resorbirt oder abgeworfen werden. Es sind 
dies zunächst zwei der Athmung und Pulsation dienende Organe, 
die Kopfblase und Podocyste, wir werden beide in engem Zusammen- 
hange betrachten, da ihr Bau und ihre Funktion viele Übereinstim- 
mung zeigen. Dann werden wir als weiteres und bei Weitem inter- 
essantestes Larvenorgan die Urniere zu behandeln haben, welche schon 
früh sich anlegend, mit einem Altersstadium von 10 bis 11 Tagen 
ausgebildet, in den darauf folgenden Tagen ihre Hauptfunktion zu 
verrichten hat und dann allmählich, etwa vom 15. Tage an, einen 
rückläufigen Process der Resorption durchmacht, um schließlich 
spurlos zu verschwinden. 


1. Kopfblase und Podocyste. 


Die Kopfblase legt sich. bereits sehr früh, unmittelbar nach 
dem Gastrulastadium an. Sie entsteht dadurch, dass das Ektoderm 
‚sich vorn, seitlich und dorsal blasig erweitert, unter sehr bedeuten- 
der Verflachung des Epithels. Zurückzuführen ist dieser Process 
auf die Ausscheidung einer hellen Flüssigkeit, welche die ganze 
Blase erfüllt und mit der Leibesflüssigkeit in unmittelbarem Zu- 
sammenhange steht (vgl. hierzu die Figg. 75—77 auf Taf. XXXIV und 
Fig. 5 auf Taf. XXXID). Die Zahl der Mesodermzellen im Inneren 
des Blasenraumes ist im Anfange sehr gering, bald bemerkt man 
aber, wie dieselben vom Rande des weit in die Kopfblase vor- 
springenden Eiweißsackes her in dieselbe hineinwandern und sich 
zwischen der Wandung der Blase und dem Eiweißsacke lang aus- 
strecken. | | 

Ihre relativ enormste Größe im Verhältnis zum übrigen Körper 
erlangt die Kopfblase etwa am 8. bis 9. Tage, wo ihr gegenüber die 
übrigen Körpertheile fast ganz zurücktreten (Fig. 1 auf Taf. XXX). 
Später gleicht sich dieses Verhältnis mehr und mehr aus, die Kopf- 
blase bleibt im Wachsthum zurück, der übrige Körper dagegen ver- 
größert sich schnell, namentlich durch das starke Wachsthum des 


Entwicklungsgeschiebte von Limax maximus L. Il. 575 


Fußes (vgl. Taf. XXXI, Fig. 3 und 5, ferner Textfig. 9—14). Auf 
noch älteren Stadien bildet sie schließlich nur noch eine Umhüllung 
des Eiweißsackes, mit dem zusammen sie in den Körper der 
Schnecke eingezogen und resorbirt wird. | 

Histologisch haben wir also an der Kopfblase die aus äußerst 
abgeflachten Epithelzellen bestehende Wandung und die im Inneren 
zerstreuten Mesodermzellen zu unterscheiden. Die ersteren besitzen 
neben dem Kerne eine Anzahl von Fetttropfen, die gewöhnlich um 
denselben gelagert sind (Taf. XXXI, Fig. 1, 2). Im Anfange noch 
dureh deutliche Zellgrenzen getrennt, schwinden diese, eben so wie 
Kern, Plasma ete. allmählich immer mehr, so dass wir schließlich 
nur noch ein äußerst dünnes Häutchen vor uns haben (Taf. XXXI, 
Fig. 3). Auf die Mesodermzellen komme ich gleich weiter unten 
nochmals zurück. 

Was nun die Funktion der Kopfblase betrifft, so hat man sie 
früher stets als Cirkulationsorgan angesehen, welches abwechselnd 
mit der Podocyste Kontraktionen auszuführen vermag und so die 
Leibesflüssigkeit eirkuliren lässt (GEGENBAUR, For). Nachdem schon 
vor etwas längerer Zeit JOURDAIN ihr eine bloß passive Bewegung 
zuerkannt hatte, tritt in neuerer Zeit namentlich F. ScHMIDT gegen 
die selbständige Pulsation der Kopfblase auf. Er theilt ihr eben- 
falls nur eine passive Rolle zu, indem bei einer Kontraktion der 
Podoeyste die Leibesflüssigkeit in die Kopfblase getrieben, und letz- 
. tere als Stelle des geringsten Widerstandes zum Anschwellen gebracht 
wird, während umgekehrt bei der Erschlaffung der muskulösen Ele- 
mente der Podocyste die Leibesflüssigkeit zurückströmt, und die 
Kopfblase mit dem sinkenden Druck ähnlich einer Kontraktion zu- 
sammenfällt. Ich kann mich dieser Ansicht vollständig anschließen. 
80 lange die Podoeyste noch nicht ausgebildet ist, ist von einer 
Kontraktion der Kopfblase bei Limax maximus nichts zu sehen, 
Ja selbst später sind dieselben kaum merklich, von einer mit der 
Podocyste abwechselnden, selbst passiven Bewegung habe ich nie 
etwas beobachten können. 

Um so auffallender ist die Anordnung der Mesodermzellen im - 
inneren Raume der Kopfblase, indem dieselben stets eine radiäre 
 Riehtung angenommen haben, theils einzeln, theils, und dies nament- 
- lieh in jüngeren Stadien, zu Strängen vereint von dem Eiweißsacke 
zur Blasenwand ziehend, also ganz, wie man es von selbstthätigen 
Muskelzellen voraussetzen würde (Taf. XXXIL, Fig. 3, Textfig. 9). 
Später nehmen diese Mesodermelemente an Größe bedeutend zu, 

38* 


576 Johannes Meisenheimer, 


um schließlich zugleich mit dem ganzen Organ der Resorption an- 
heimzufallen. 

| Die Kopfblase findet sich eben so wie das folgende Organ, die 
Podocyste, fast stets bei den Landpulmonaten, dessgleichen, im 
Gegensatze zu letzterer, bei den Wasserpulmonaten, wenn auch 
freilich nicht in so extremem Maße ausgebildet. Hier bei den 
Basommatophoren besteht sie in einer Auftreibung vor dem Velar- 
bezirke, die Bewegungen sind ebenfalls nur passive, wie RABL für 
Planorbis angiebt. Bei marinen Prosobranchiern ist die Kopf- 
blase von BOBRETZKY beobachtet worden, eben so von CONKLIN an 
Crepidula, bei Calyptraea erreicht sie sogar nach SALENSKY eine 
ziemliche Größe. 

Als zweites, mit dem vorigen in engem Zusammenhange stehen- 
des Larvenorgan tritt uns die Podocyste entgegen. Ihre Ausbildung 
erfolgt etwas später als diejenige der Kopfblase. Das äußere Ende 
des Fußhöckers, der sich als eine unpaare Vorwölbung des Ekto- 
derms anlegt, beginnt sich unter Verflachung der Epithelzellen zu 
erweitern, zumal nach hinten und beiden Seiten hin. Als Resultat 
dieses Processes erhalten wir schließlich die bekannte, flache, seit- 
lich stark verbreiterte Form der Podocyste (Taf. XXXIH, Fig. 3—5). 
Ihr Inneres ist von muskulösen Elementen in regelmäßiger, dorso- 
ventraler Anordnung durchsetzt. Sie schlägt sich im Leben weit 
über den ganzen Embryo dorsalwärts herum und führt äußerst 
energische Kontraktionen aus, ihrer Bedeutung als Cirkulationsorgan 
entsprechend. Die Bewegungen sind unregelmäßig, oft in Wellen 
über die Oberfläche hinlaufend oder peristaltisch. 

Dass sie, wie schon öfter angenommen wurde, auch eine respi- 
ratorische Thätigkeit entfaltet, ist namentlich im Hinblicke auf so 
extreme Fälle, wie z. B. bei Helix Waltoni (SAarAsın), sehr wahr- 
scheinlich. Sie erreicht hier eine so enorme Entwicklung, dass fast 
die ganze innere Fläche der Eihülle von ihr ausgekleidet wird. 
Auch bei Limax maximus liegt sie meist der Eihülle fest an und 
gleitet unter Rotation des ganzen Embryos ununterbrochen an der- 
selben entlang. Später gegen Ende der Larvenperiode wird sie 
kleiner und kleiner, um schließlich ganz abgeworfen zu werden. 

Die Podoeyste findet sich bei sämmtlichen bisher untersuchten 
Stylommatophoren, mit Ausnahme von Succinea (F. SCHMIDT), 
Bulimus eitrinus, Vaginulus (nach SEmPER) und Onchidium (nach 
Joyzux-LAFFUIE). Ist sie vorhanden, so hat sie in der Regel die von 
Limax maximus beschriebene flache Form, zuweilen jedoch ist sie 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. Il. 577 


eylindrisch (bei Arion nach For), oder sie läuft in zwei Zipfel aus 
(bei Clausilia spec. nach F. Scumipr). Bei den Basommato- 
phoren fehlt die Podocyste gänzlich, dagegen vermag hier der Fuß 
selbst rhythmische Bewegungen auszuführen (For). 

Von sonstigen larvalen Cirkulationsorganen, wie sie in Gestalt 
von Larvenherzen ganz allgemein bei den Prosobranchiern, aber 
auch bei Helix (FoL) vorzukommen scheinen, ist bei Limax maxi- 
mus keine Spur vorhanden. 

‘Auch bei anderen Molluskenklassen finden sich ähnliche larvale 
Cirkulationsorgane, ich erinnere hier nur an die von FoL bei Ptero- 
poden beschriebenen pulsirenden Fuß- und Mantelsinusse, zwischen 
denen die Leibesflüssigkeit hin und her strömt, oder an die von 
LACAZE-DUTHIERS bei Dentalium geschilderten, abwechselnd thätigen 
Fuß- und Abdominalsinusse. 

Schließlich will ich an dieser Stelle Betreffs der Bildung des 
Fußes auf die von F. Schmidt angegebene Entwicklung desselben 
aus der Verschmelzung zweier Höcker kurz eingehen. Die Ver- 
schmelzung erfolgt in der Medianlinie, hinter dem Blastoporus, und 
F. Scaumipr basirt darauf die Hypothese, dass der Fuß aus den mit 
einander verschmolzenen Lippen des sich schließenden Blastoporus 
hervorgegangen sei. So weit mir bekannt ist, findet sich in der 
Litteratur eine ähnliche Angabe einer doppelten Entstehung des 
Fußes außer von Patella nach PATTEn noch von Helix nach 
v. IHERING, wo der Fuß aus der Verschmelzung zweier lamellöser 
Ektodermwucherungen hervorgehen soll. Doch ist seine Darstellung 
nieht ganz klar. Bei Limax maximus habe ich nichts auf einen 
ähnlichen Process Hindeutendes beobachten können, nur auf etwas 
älteren Stadien (vom 7. bis 8. Tage etwa) bemerkt man an der Spitze 
des Fußes eine deutliche Zweitheilung, die aber für diese Frage wohl 
belanglos ist, eben so wie die von FoL für Basommatophoren 
beschriebene Zweilappigkeit des Fußes, die ebenfalls erst auf späte- 
ren Stadien auftritt. 


2. Urniere. 


Eines der interessantesten und trotzdem sowohl in Entwicklung 
wie feinerem histologischem Bau noch durchaus ungenügend er- 
forschten Larvenorgane ist die Urniere der Pulmonaten. Während 
für die Basommatophoren immerhin einige größere und neuere Ar- 
beiten vorliegen, beschränken sich die Angaben für die Stylomma- 
tophoren, abgesehen von den älteren Arbeiten von Van BENEDEN 


578 Johannes Meisenheimer, 


und WINDISCHMANN und weiter von Osc. SCHMIDT und GEGENBAUR, 
‚auf die Untersuchungen For’s, die kurzen Mittheilungen JoURDAm’s 
und MEURON’s und die neuesten Angaben Sarasın’s über Helix 
Waltoni. Eine ausführliche Besprechung der Litteratur werde ich 
erst nach meiner Darstellung der Entwicklung der Urniere von Limax 
maximus geben, um auf diese Weise die Vergleichgspunkte schärfer 
hervorheben zu können. 

Die früheste Anlage der Urniere ist unzweifelhaft in einer zuerst 
schwachen, sich aber bald nach innen tief einsenkenden Einstülpung 
des Ektoderms zu suchen. Diese Einstülpung, die auf Taf. XXXII, 
Fig. 6 und 7 in ihren frühesten Stadien zu sehen ist, liegt zu beiden 
Seiten des vom Entoderm umschlossenen Eiweißsackes, genau sym- 
metrisch, etwa in der Höhe der ebenfalls ektodermalen Enddarm- 
einstülpung. Die Wand der Einstülpung liegt dem Eiweißsack an und 
wächst, sich dicht an ihn drängend, allmählich in der Richtung nach 
vorn aus, und zwar zunächst in nur schwach gekrümmtem Bogen. 
Die Ausmündungsstelle liegt jetzt zwar noch in der Höhe des End- 
darmes, hat sich aber seitlich etwas mehr nach vorn verschoben 
(vgl. hierfür und Folgendes die Figg. 1—4 auf Taf. XXXII ur). Von 
der Ausmündungsstelle zieht die Urniere nach abwärts, um in der 
Nähe der Scheitelplatten vor dem erweiterten Stomodaeum zu enden. 
Histologisch besteht sie noch aus einfachem Epithel, das innere Ende 
ist geschlossen, das Lumen nur eng, streckenweise berühren sich 
sogar die gegenständigen Wände (Taf. XXXII, Fig. Sund 9). Auf 
letzterem Stadium hat die Urniere schon eine ziemlich langgestreckte 
Gestalt angenommen. Dieses Längenwachsthum schreitet mit dem 
Wachsthum der Larve gleichmäßig fort, zugleich aber beginnt das 
ursprünglich nur wenig gekrümmte Rohr sich in auffallender Weise 
zu beugen. Die schon angedeutete, schwache, nach unten konkave 
Krümmung hat sich verstärkt, so dass wir nun einen kürzeren, auf- 
steigenden und einen längeren, schräg absteigenden Schenkel vor 
uns haben (Taf. XXXII, Fig. 1). 

Ohne auf histologische Details jetzt schon näher einzugehen, 
will ich hier im Zusammenhange zunächst die äußeren Lagerungs- 
verhältnisse für die nächsten Stadien behufs besserer Orientirung 
erledigen. Als festliegend haben wir also einen auf- und absteigen- 
den Schenkel zu betrachten. Im absteigenden Schenkel tritt nun 
eine weitere Veränderung auf, derart, dass derselbe an seinem vor- 
deren Ende eine zunächst schwache, dann aber sich verstärkende . 
nach vorn und oben konkave Krümmung erfährt, so dass nunmehr 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 579 


das vorderste Ende nahezu horizontal verläuft (Taf. XXXI, Fig. 3). 
Das innere Ende behält aber dabei seine Lage unmittelbar unter den 
Scheitelplatten bei. Eine zweite Veränderung besteht in einer Ver- 
längerung der Beuge zwischen auf- und absteigendem Schenkel, die 
zu einem deutlich abgesetzten, mittleren, horizontal verlaufenden 
Abschnitte führt. Beide Schenkel verändern dabei etwas ihre gegen- 
seitige Lage. Ursprünglich gegen einander geneigt, verlaufen sie jetzt 
im Größen und Ganzen einander parallel, schräg von hinten unten nach 
vorn oben, respektive von vorn oben nach hinten unten. Dabei liegen 
sie aber nicht etwa streng in einer Ebene, sondern sie passen sich der 
Rundung des Eiweißsackes an, zuweilen dicht anliegend, zuweilen 
sich in freien Schlingen davon abhebend (Taf. XXXIL, Fig. 4). Die 
Form ist nicht stets ein regelmäßiges, ceylindrisches Rohr, zuweilen 
finden sich blasige Erweiterungen, namentlich im absteigenden Schen- 
kel, seitliche Verästelungen aber, wie sie GEGENBAUR beschreibt, habe 
ich nie zu beobachten vermocht. Die äußeren Ausmündungsstellen 
liegen seitlich, etwas unterhalb des Enddarmes, und verschieben sich 
allmählich mit der Ausbildung des Mantelfeldes derart, dass die 
rechte in die Nähe des Mantelschlitzes, die linke an die seitliche 
Körperwand unter dem Mantel zu liegen kommt (Taf. XXXIL, Fig. 4). 

Von dem äußersten Interesse sind nun die Umwandlungen, die 
sich inzwischen in dem feineren histologischen Bau vollzogen haben. 
Die ersten Phasen derselben sehen wir dargestellt auf Taf. XXXII 
in den Figg. 10—16. Sie betreffen zunächst nur das innerste Ende 
der Urniere, im Übrigen bleiben die Zellen, abgesehen davon, dass 
sie sich vermehren und kleiner werden, ganz unverändert. In 
Fig. 9 auf Taf. XXXII war das innere Ende noch vollkommen gegen 
die Leibeshöhle geschlossen. Durch Konservirung mit HermaAn’scher 
Lösung! bemerkt man aber an einzelnen Stadien dieser Entwicklungs- 
stufe bereits eine gewisse Veränderung der endständig abschließen- 
den Zellen, die in einer helleren Färbung der Kerne auffallend 
hervortritt (Taf. XXXIL, Fig. 11 wz). Die unmittelbar damit ver- 
bundenen oder sofort darauf folgenden Veränderungen springen noch 
mehr in die Augen, in so fern die innersten Zellen ihre regel- 
mäßige, epitheliale Anordnung verlieren. Sie beginnen amöboide 
Fortsätze in die Leibeshöhle zu entsenden und so den epithelialen 


1 Der größte Theil des Materials zu diesem zweiten Theile wurde mit 
Herman’scher Lösung (Platinchlorid-Osmiumessigsäure) konservirt, da neben 
scharfen Zellgrenzen namentlich Zelldifferenzirungen durch dieselbe stets schon 
in den frühesten Anfängen kenntlich gemacht werden konnten. 


580 Johannes Meisenheimer, 


Verband zu lockern (Taf. XXXI, Fig. 10). Die eben bereits ge- 
schilderte Umwandlung der Kerne verstärkt sich immer mehr, die 
ganze Zelle nebst Kern nimmt an Größe zu, das Plasma wird 
dunkler, der hellere Kern besitzt einen großen Nucleolus. Der 
sanze Process führt schließlich zu einer Loslösung von Zellen aus 
dem epithelialen Verbande, und zwar derart, dass successive hinter 
einander eine Anzahl von Zellen sich zwischen die umgebenden 
Mesodermzellen drängt, von ihnen sofort durch dunklere Färbung 
und den großen, hellen Kern unterscheidbar. Einzelne Stadien dieses 
Vorganges geben die Figg. 10—15 auf Taf. XXXIL. In Fig. 12 sind 
einige Zellen bereits ausgetreten, andere sind gerade im Begriffe, 
ihnen zu folgen, dasselbe sehen wir in Fig. 13 und 14, wo zu 
beiden Seiten des Rohres sich loslösende Zellen auftreten, zum Theil 
noch fest an das Rohr anschließend, sich aber stets durch die oben 
angesebenen Charaktere von den gewöhnlichen Urnierenzellen unter- 
scheidend. Diese Auswanderung einer bestimmten Anzahl von Zellen 
hat außerdem noch die weitere wichtige Folge, dass das bisher deut- 
lich geschlossene Rohr sich nunmehr, wenigstens für einige Zeit, 
nach innen in die Leibeshöhle direkt öffnet. Zunächst nur eng 
vergrößert sich die Öffnung durch Auseinanderweichen der Wände 
sehr bald, es bildet sich so ein ziemlich weites Rohr. Die Zahl der 
ausgewanderten Zellen, die nun ganz wie die Mesodermzellen amö- 
boide Gestalt angenommen haben und im Kranze das innere Ende 
der Urniere umgeben, beträgt zunächst nur drei bis vier, steigt aber . 
dann auf sieben bis acht und. noch etwas höher, entsprechend dem 
Vorschreiten der Auswanderung. Viel größer ist aber ihre Zahl 
selbst auf älteren Stadien nie. Ein letztes Stadium der Auswanderung 
stellt uns Fig. 15 auf Taf. XXXII dar, hier liegt nur noch an der 
einen Seite eine sich eben losschnürende Zelle (wz), im Übrigen 
haben sich beiderlei Bestandtheile der Urniere, das epitheliale Rohr 
und die amöboiden Zellen, scharf von einander geschieden und 
schlagen nunmehr einen verschiedenen, zu ihrer specifischen Funktion 
hinleitenden Entwicklungsgang ein. 

Fassen wir von diesen beiden Bestandtheilen zunächst die 
amöboiden Zellen etwas näher ins Auge. Von dem Stadium der 
Fig. 12 an ist das Innere des Urnierenrohres von einer eigenthüm- 
lichen feinen Faserung erfüllt, die durchaus den Eindruck von 
Wimperflammen hervorruft. Und in der That, wir haben es hier 
mit solchen zu thun. Zu ihrem genaueren Studium wenden wir uns - 
vortheilhafter etwas älteren Stadien zu, da solche die Verhältnisse 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. IL. 581 


ungleich klarer erkennen lassen. In Fig. 16 und 17 auf Taf. XXXII 
ist die weite innere Öffnung: des Urnierenganges von einer deutlichen, 
sich scharf abhebenden Wimperflamme ausgefüllt (wf), sie reicht, 
sich keilförmig verjüngend, eine kurze Strecke weit in das Rohr 
hinein. Nach der entgegengesetzten Seite zu verbreitert sie sich und 
führt schließlich zu den amöboiden Zellen (wz), mit denen sie zu ver- 
schmelzen scheint. Die einzelnen Cilien der Wimperflamme, oder, 
wie wir gleich sehen werden, der Wimperflammen, nehmen ihren 
Ursprung direkt aus den durch Losschnürung vom ektodermalen 
Rohr entstandenen amöboiden Zellen, die wir jetzt als Wimperzellen 
(w2) bezeichnen wollen. Die Cilien kann man sich durch direkte 
Differenzirung des Plasmaleibes einer solchen Zelle entstanden denken, 
indem ein Theil des Plasmas in eine große Zahl von Cilien zerfällt. 
Die gesammte Wimperflamme, wie sie sich in die Öffnung des 
Rohres einschiebt, ist aber nicht etwa das Produkt einer einzigen 
Zelle, sondern alle Wimperzellen nehmen an ihrer Bildung Theil und 
zwar derart, dass jede einzelne Zelle für sich einen Cilienbüschel 
entsendet und diesen den übrigen sich zugesellen lässt; so entsteht 
dann die starke Wimperflamme, der wir auf allen späteren Stadien 
begegnen. 

Die Anordnung der einzelnen Wimperzellen um die innere 
Öffnung des Rohres ist eine sehr manniefaltige und an keine be- 
‚stimmte Ordnung geknüpft. Bald sehen wir sie dicht an die Öffnung 
angepresst (Fig. 19 auf Taf. XXXL, Fig. 25>—27 auf Taf. XXXII), bald 
weit davon abstehend (Fig. 20, 21 auf Taf. XXXI, Fig. 24, 25 auf 
Taf. XXXIN). Zuweilen ist die Entfernung ganz beträchtlich, so dass 
die Wimperflamme der betreffenden Zelle wohl kaum das Rohr ganz 
zu erreichen vermag (Taf. XXXILH, Fig. 24, 25). So ungeordnet die 
einzelnen Zellen aber auch zu liegen scheinen, sie bilden trotzdem 
einen festen, kontinuirlichen Verband. Stets sind sie nämlich durch 
eine feine Membran mit einander verbunden, welche den Innenraum 
der Urniere streng von der sie umgebenden Leibesflüssigkeit trennt. 
Diese verbindende Membran ist dadurch entstanden zu denken, dass 
die einzelnen Wimperzellen sich an ihren Rändern flach auszogen 
und mit einander verschmolzen, wodurch schließlich eine häutige, 
freilich je nach der Vertheilung der Wimperzellen stark gelappte 
Kappe zu Stande kommt, die sich an das eine kurze Zeit lang offene 
Rohr anlegt und so dieses wiederum gegen die umgebende Flüssigkeit 
abschließt. Ein offenes Rohr hat also nur ganz kurze Zeit bestanden, 
es ist die Zeit unmittelbar nach und während der Abschnürung, ent- 


582 Johannes Meisenheimer, 


sprechend etwa den Stadien der Figg. 12—16 auf Taf. XXXIL Be- 
. sonders deutlich tritt die Membran an der Abgrenzung der Wimper- 
flammen selbst hervor, wie z. B: in Fig. 20 und 21 auf Taf. XXXII (md), 
wo die Wimperflamme einer jeden Zelle, sich scharf abhebend, in 
einer besonderen Bahn verläuft, um dann gemeinsam zu enden. Ein 
etwas anderes Bild tritt uns in den Figg. 24 und 25 auf Taf. XXXIU 
entgegen, sie erläutern klar die Zusammensetzung der Wimperflamme 
aus einzelnen Theilen, dessgleichen die Lage der Wimperzellen 
nebst ihren verbindenden Membranen. So sehen wir in Fig. 24 
eine untere Zelle deutlich einen Wimperbüschel entsenden und un- 
mittelbar darüber eine zweite, welche in ganz ähnlicher Weise, un- 
abhängig von ersterer, einen solchen entwickelt. Ein gleiches Ver- 
halten bietet Fig. 25 dar, diese Figur kann zugleich als Erläuterung 
der Größenverhältnisse der Wimperzellen zu den sie umgebenden 
Mesodermzellen dienen. Ursprünglich waren beide von nahezu . 
gleicher Größe, jetzt haben erstere die acht- bis au Größe 
der letzteren erreicht. 

: Nach dem bisher geschilderten Bau der Urniere hat man. sich 
den Process der Exkretion zunächst etwa derart zu denken, dass 
durch die verbindende Membran hindurch ein Diffusionsstrom von 
der Leibeshöhle zum Binnenraume der Urniere stattfindet, und 
dass von hier die Produkte dieses Diffusionsstromes vermittels der 
Wimperflamme weiter befördert und in den innersten Abschnitt des 
Urnierrohres geleitet werden. Dass ein derartiger Vorgang statt- 
finden muss, beweist die Anhäufung von sich schwach färbender Flüs- 
siskeit um das innerste Ende der Urniere, diese muss aus bereits 
chemisch veränderter Leibesflüssigkeit bestehen, da letztere in nor- 
malem Zustande niemals auch nur die geringste Farbenreaktion zeigt. 

In dem Urnierengange selbst übernehmen nun die Wandungs- 
zellen die eigentliche Exkretion und zwar im Verlaufe des ab- 
steigenden Schenkels, d.h. dem innersten Drittel des Ganges. Wir 
müssen also jetzt die Umwandlungen, welche diese Zellen zum 
Theil schon während der weiter oben geschilderten Vorgänge durch- 
semacht haben, näher ins Auge fassen. Schon auf verhältnismäßig 
jungen Stadien, wie etwa Fig. 17 oder 18 auf Taf. XXXII (ez), be- 
merkt man in den Wandzellen das Auftreten heller Vacuolen, die 
von zuerst spärlichen, allmählich aber an Zahl und Größe zunehmenden 
Körnchen erfüllt sind. Von Herman’scher Lösung werden sie tief 
gebräunt, bei Sublimatkonservirung sind sie kaum sichtbar, daher auf: 
einigen Zeichnungen nicht eingetragen. Es sind dies die abgelagerten 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 583 


Exkretprodukte, die von den Zellen in flüssiger Form in Gestalt von 
Vacuolen aufgenommen, in der immer gesättigter werdenden Lösung 
schließlich als Krystalle ausschießen. Sie wurden bereits von 
GEGENBAUR bei Limax gesehen und genau beschrieben, dessgleichen 
von Sarasın bei Helix Waltoni. Ihre Gestalt und Anordnung ver- 
dient immerhin einiges Interesse. Sie liegen in der Regel der 
Wandung in kleinen Körnchen dicht an, während größere, rund- 
liehe Knollen mehr das Innere der Vacuolen erfüllen. Zuweilen 
sind sie sehr zierlich zu sternförmigen Gebilden angeordnet und er- 
wecken dann den Eindruck feiner Krystalle, zuweilen bemerkt man 
eine Anlagerung in koncentrischen Streifen. 

Das typische Verhalten zeigt ein Querschnitt nahe dem inneren 
Ende des Urnierenganges (Taf. XXXIIH, Fig. 29), wir treffen hier 
auf den ersten Blick die oben geschilderten Verhältnisse bei stärkerer 
Vergrößerung an. Aufmerksam machen möchte ich bei dieser Figur 
noch auf die Felderung der quer getroffenen Cilien der Wimperflamme 
zu einzelnen Bündeln. Offenbar entsprechen die durch feine Spalt- 
räume geschiedenen Felder je einer besonderen Wimperflamme. 

Mit dem Wachsthum des ganzen Organs nehmen die Vacuolen 
an Größe stetig zu, sie weiten die Zellen stark aus und drängen 
ihre Kerne bei Seite, so dass diese oft in plattgedrückter Form einer 
solchen Vacuole anliegen. Ein immer weiter vorschreitendes Über- 
handnehmen dieses Processes führt schließlich zu dem Verfall und 
Untergang des Organs. 

Bevor wir uns jedoch diesem selbst zuwenden, müssen wir die 
Betrachtung des Baues der beiden noch fehlenden äußeren Abschnitte 
nachholen. Am eigenthümlichsten verhält sich der mittlere Theil, 
d. h. also der horizontal verlaufende Schenkel. Auf einem jüngeren 
Stadium (Taf. XXXII, Fig. 23) ist bereits eine schwache Abflachung 
der Zellen dieses Abschnittes bemerkbar, diese schreitet weiter vor- 
wärts und führt schließlich zu dem äußerst dünnwandigen Rohre, 
wie es Fig. 31 auf Taf. XXXIII darstellt. Diesen Bau behält der 
mittlere Theil während des ganzen Bestandes der Urniere bei, der 
Übergang aus den von Vaeuolen erfüllten Zellen des inneren 
Schenkels in diese so stark abgeflachten Zellen vollzieht sich ganz 
allmählich, eben so wie nach der anderen Seite hin in den nach 
außen führenden dritten Schenkel. Der histologische Bau ist hier 
wiederum ein ganz anderer. Die Zellen sind hoch eylindrisch und 
besitzen zahlreiche, kleine Plasmavacuolen, was dem Ganzen einen 
streiigen oder wabigen Bau verleiht. Jedenfalls ist dieser Theil der 


584 | | Johannes Meisenheimer, 


Urniere der massivste und stärkste (Taf. XXXL, Fig. 22, Taf. XXXII, 
Fig. 30), er mündet mit einer großen, weiten Öffnung nach außen. 

Es erübrigt uns nun noch, kurz die Rückbildung dieses Organs 
zu betrachten, welche mit dem 15.—16. Tage des Embryonallebens 
ihren Anfang nimmt. Die schon erwähnte Anschwellung der Exkret- 
vacuolen führt zu einer mächtigen Ausdehnung der ganzen Urniere, 
so dass sie einen bedeutenden Raum an den Seiten des Eiweißsackes 
einnimmt. Die Exkretzellen schwellen zu einer ganz abnormen 
Größe an, ihr Plasma wird durch die Vacuolen fast ganz verdrängt, 
vereinzelt liegen hier und da noch Konkremente innerhalb derselben. 
Ein solches Bild stellt uns Fig 28 auf Taf. XXXIII dar. Schließlich 
schwindet das Lumen des Rohres ganz, indem die Zellen collabiren, 
und man findet alsdann bei älteren Larven an dieser Stelle nur noch 
unregelmäßige Haufen solcher blasigen, bei anffallendem Lichte im 
Leben opak erscheinenden Zellen, die endlich spurlos verschwinden. 
Schon in den alten Arbeiten von VAn BENEDEN-WINDISCHMANN und 
ÜSKAR SCHMIDT sind diese blasigen Haufen in treffender Weise an 
älteren Larven wiedergegeben, freilich ohne dass diese Forscher über 
die Natur dieser Gebilde ins Klare gekommen wären. Ganz ähnliche 
Bilder wie die meinigen geben in neuerer Zeit P. und F. SARASIN 
von der sich rückbildenden Urniere von Helix Waltoni. 

Auch die Resorption des Ausführganges erfolgt unter ganz 
ähnlichen Erscheinungen, indem hier ebenfalls zuerst Vaeuolenbildung 
auftritt, wie in Fig. 32 auf Taf. XXXII an einem Stücke der Wan- 
dung desselben zu sehen ist. Während sich die blasigen Exkret- 
zellen am längsten erhalten, gehen die Wimperzellen am frühesten 
durch eine allmähliche Auflösung zu Grunde. 

Wir haben also, um obige Resultate kurz zusammenzufassen, 
in der Urniere ein rein ektodermales Gebilde vor uns, 
zu dem das Mesoderm auch nicht den geringsten Beitrag 
geliefert hat. Aus einer ektodermalen Einstülpung entstanden, 
differenzirt es sich durch eine Zellenabschnürung vom inneren Ende 
in eine Art modifieirten Wimpertrichter und in einen röhrigen Theil, 
welch letzterer wiederum durch histologische Differenzirung sich in 
einen secernirenden Abschnitt und den Ausführgang scheidet. Der 
letztere seinerseits besteht aus zwei histologisch verschiedenen 
Theilen, einem inneren, der von abgeplatteten Zellen bekleidet, und 
einem äußeren, der aus hohen Zellen zusammengesetzt ist. Bei ge- 
nügender Zurückverfolgung der Anlage dieses Organs stellt es sich 
also heraus, dass rein ektodermale Zellen hier einen Bau und eine 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 585 


Funktion annehmen, die man bisher fast stets nur Mesodermzellen 
zuschreiben zu dürfen glaubte, und ganz demselben Verhalten 
werden wir später in noch auffallenderer Weise bei der Entwicklung 
der definitiven Niere begegnen. Für jetzt aber ist es zunächst 
unsere Aufgabe, zu sehen, wie sich die an anderen Mollusken, und 
zwar speciell Gastropoden, gemachten Beobachtungen zu diesen Be- 
funden verhalten, und zwar wollen wir, von den nächsten Verwandten 
ausgehend, zu immer weiter entfernteren Gruppen fortschreiten. 

In erster Linie hätten wir also den Stylommatophoren unsere 
Aufmerksamkeit zuzuwenden. Das Urnierenrohr wird hier ganz all- 
gemein als ektodermale Bildung in Anspruch genommen. For be- 
schreibt die Stelle der Einstülpung richtig als zwischen Mund 
und Schalendrüse gelegen, jedoch der letzteren genähert. Weiter 
wurde die ektodermale Entstehung für Helix von MEURON nach- 
gewiesen. Das innere Ende des Rohres wurde von den älteren 
Beobachtern als geschlossen betrachtet, so von GEGENBAUR bei 
Limax agrestis und Clausilia, dessgleichen von FoL bei ver- 
schiedenen Stylommatophoren, eine innere Öffnung mit Cilien 
dann aber für Helix von MEURON wahrscheinlich gemacht und für 
Limax von JOURDAIN nachgewiesen. Es ist sicher, dass diese innere 
Öffnung das allerdings offene Ende des Rohres ist, an welches sich 
aber dann noch die Membran der Wimperzellen anschließt. 

Am deutlichsten wurde eine innere Öffnung bisher von P. und F. 
SARASIn an Helix Waltoni beobachtet. Letztere unterscheiden 
auch scharf von den Drüsenzellen einen rechtwinklig dazu gestellten 
Fortsatz, welcher eine innere Öffnung besitzt und Flimmern trägt. 
Sie nennen diesen Theil den Trichter, über seine Herkunft geben 
sie nichts an. Dieser Bau weicht zwar stark von der Urniere von 
Limax maximus ab, namentlich in Bezug auf Zahl und Lagerung 
der Trichterzellen, die allein meinen amöboiden Wimperzellen ent- 
sprechen können, aber eine ektodermale Entstehung gemäß der Lage 
am Ende des eingestülpten Rohres würde hier sehr plausibel sein 
und die eigenthümliche ektodermale Bildungsweise der Wimperzellen 
von Limax maximus erklärlicher machen. Anzunehmen, dass das 
von SARASIN dargestellte Stadium nur ein einzelnes, vorübergehendes 
Entwicklungsstadium wäre, entsprechend etwa der Stufe der be- 
sinnenden Abschnürung der Wimperzellen, daran hindern wohl die 
bereits reichlich vorhandenen Exkretvacuolen in den Exkretzellen, 
die eben ein bereits funktionsfähiges Organ voraussetzen. 

Alle übrigen Beobachter nehmen diesen innersten Theil unbe- 


586 | Johannes Meisenheimer, 


denklich als Mesodermzellen in Anspruch, da sie stets von einem 
Mesodermhaufen sprechen, in welchem die Urniere enden soll, nur 
Meuron äußert bei Helix einen leichten Zweifel. Die Eintheiluns in 
drei Theile aber, nämlich in Ausführgang, Exkretionstheil und Region 
der Wimperzellen, scheint für alle Stylommatophoren konstant 
zu sein, die beiden ersteren hat bereits GEGENBAUR bei Limax 
und Clausilia unterschieden, alle drei Sarasın bei Helix Waltoni, 
wie bereits oben erwähnt. | 

Anführen will ich hier noch, dass JOoYEUX-LAFFUIE auch von 
OÖnchidium celticum innere Urnieren beschreibt, da diese Notiz 
in der neueren Litteratur übersehen worden zu sein scheint. Von 
einem runden, mit Konkrementen erfüllten Körper geht ein Strang 
ab, an dessen Ende Cilien sitzen, doch sind seine am lebenden Ob- 
jekte gemachten Beobachtungen zu unsicher, um daraus weitere 
Schlüsse ziehen zu können. 

An die Stylommatophoren schließen sich direkt die Basomma- 
tophoren an. Ich muss mich hier zunächst an For halten. Den 
ersten Ursprung der Urniere beschreibt dieser Forscher als eine Ek- 
todermeinstülpung, die schließlich zur Bildung eines Rohres führt, 
in dem drei Abschnitte zu unterscheiden sind, ein innerer, röhren- 
förmiger Abschnitt, der bewimpert ist und in einer kleinen Zellen- 
anhäufung mit sehr feinem Porus nach außen mündet, ferner ein 
stark aufgeblasener Theil, dessen Zellen mit Exkretbläschen und 
Konkretionen erfüllt sind, und schließlich ein Ausführgang, dessen 
Wandung von einfachem Epithel ausgekleidet ist und der direkt nach 
außen führt. Hiernach würden die Beziehungen zu der Urniere der 
Stylommatophoren leicht zu finden sein, der wimpernde Theil würde 
den Wimperzellen von Limax maximus entsprechen, der aufge- 
blasene Theil dem Exkretionstheil, und die Ausführgänge würden 
identisch sein. 

Diesen Beobachtungen stehen nun diejenigen anderer Forscher, 
wie WoLrson’s, BÜTSCHLT’s, RABL’s und in neuerer Zeit Vv. ERLANGER’S 
gegenüber, und zwar in ziemlich schroffer Weise. Die innere, be- 
wimperte Röhre erkennen wir zwar auch bei diesen Forschern in 
ihren Hauptzügen wieder, sie ist in neuerer Zeit am genauesten von 
v. ERLANGER beschrieben worden, wonach am inneren Ende ein 
feiner Porus und eine deutliche Wimperflamme zu unterscheiden ist, 
die mittlere Partie aber wird von einer einzigen großen Zelle ein- 
genommen, welche diesen von v. ERLANGER mit Ampulle bezeichne- 
ten Theil erfüllt. Kleine Granulae von Exkretstoffen sind in sie 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 587 


eingelagert. Diese große Zelle würde also die sonst in großer Zahl 
entwickelten Exkretzellen vertreten. 

Die Angaben über die Entwicklung der Urniere von Planorbis 
sind noch nicht genügend begründet. Rast leitet sie ganz aus dem 
Mesoderm ab, indem sie sich durch Aushöhlung einer großen und 
einiger kleinerer, später hinzutretenden Mesodermzellen bilden soll, 
v. ERLANGER will dies höchstens für den inneren Theil gelten 
lassen, den äußeren möchte er eher auf eine Ektodermeinstülpung 
zurückführen. Aus einer durchbohrten Zelle leitet auch WoLFsoNn 
die Urniere von Limnaeus ab, und zwar soll sich eine große 
Velarzelle unter das dorsale Velumende in die Leibeshöhle schieben. 
In ihrem Inneren bildet sich dann der Urnierenkanal aus. 

Sehr schwach entwickelt erscheint die Urniere bei den Süß- 
wasserprosobranchiaten, bei Paludina und Bythinia. Bereits 
BürscHhLi beobachtete dieselben bei Paludina, seine Resultate 
wurden dann von v. ERLANGER bestätigt und erweitert. Demnach 
ist ein innerer, mesodermaler Theil, der au seinem inneren Ende 
in Flimmerzellen ausläuft, und ein ganz kurzer, ektodermaler Aus- 
führgang zu unterscheiden. Innere Öffnung und Exkretkörner 
fehlen. Einen ganz ähnlichen Charakter zeigt die Urniere von 
Bythinia, nur ist der Ausführgang bedeutend stärker ausgebildet. 

Erwähnen will ich noch, dass RABL bei Bythinia den Bau 
der Urniere in ähnlicher Weise wie von Planorbis beschreibt, indem 
er auch hier von durchbohrten Zellen spricht, v. ERLANGER’S 
Untersuchungen sprechen jedoch entschieden gegen eine solche An- 
nahme. 

Aus der Sarasın’schen Abhandlung über Bythinia ist nicht 
mit voller Sicherheit zu entnehmen, ob er bei der von ihm be 
schriebenen Urniere nur Theile des Velums vor sich hatte, oder ob 
beide Organe in seiner Darstellung mit einander vereinigt sind. 

Wenden wir uns nunmehr zu den marinen Prosobranchiern, 
so ist für diese das Fehlen innerer, und das Auftreten äußerer Ur- 
' nieren charakteristisch. SALEnskY beschreibt dieselben bei Calyp- 
traea und Nassa als von Konkrementen erfüllte Kugeln an der 
Außenseite des Körpers, in ähnlicher Weise BoBRETZkY von Fusus, 
weiterhin Boutan von Fissurella. Bei Capulus besteht sie nach 
V. ERLANGER aus einer einzigen großen Ektodermzelle, jederseits 
hinter dem Velum. Die genaueste Beschreibung dieser Gebilde fin- 
den wir in der neuesten Arbeit von ConkLın über Crepidula. 
Die äußere Urniere entsteht hiernach direkt aus Ektodermzellen, 


588 Johannes Meisenheimer, 


welche große, später zusammenfließende, mit Konkrementen erfüllte 
Vacuolen in ihrem Inneren ausbilden, dann vom Ektoderm unter- 
wachsen und schließlich abgeworfen werden. Wie bei den inneren 
Urnieren haben wir also auch hier vorübergehende Organe vor uns, 
die nach Vollendung ihrer Funktion vom Organismus als unbrauch- 
bar abgestoßen werden. Direkte Beziehungen dieser äußeren Ur- 
nieren zu den inneren sind zur Zeit noch nicht vorhanden, wenn 
auch die vollständig ektodermale Entstehungsweise, wie ich sie für 
Limax maximus nachgewiesen habe und wie sie sich vielleicht 
allgemeiner durchführen lässt, für diese Frage von Bedeutung werden 
kann. Dass etwa Paludina und Bythinia eine verbindende 
Brücke darstellen, ist wohl kaum anzunehmen, da der einfache Bau 
der Urniere hier schließlich eher auf eine Reduktion zurückzuführen 
ist, zumal Konkremente, das deutlichste Zeichen eines aktiven Ex- 
kretionsorgans, hier gänzlich zu fehlen scheinen. 

Am unklarsten sind die Angaben über die Urnieren der Opistho- 
branchier. Zunächst müssen wir hier die Angaben MAZZARELLT’S 
vorwegnehmen, wonach die Opisthobranchier zwei innere meso- 
dermale, von Konkrementen erfüllte Urnieren besitzen, die keine 
Kommunikation mit der Außenwelt besitzen. Sie sollen aus zwei 
Mesodermhäufchen entstehen, die in ihrer Mitte eine Höhlung aus- 
bilden, und eine farblose, mit gefärbten Konkrementen erfüllte Flüssig- 
keit enthalten. 

Daneben findet sich nun noch ein zweites, meist unpaares, zu- 
weilen aber noch paarig sich anlegendes (bei Umbrella nach 
Heymons) Organ, welches im Laufe der Zeit die verschiedenartigsten 
Deutungen erfahren hat und in neuester Zeit theils als Urniere 
(HEymons), theils als definitive Niere (MAZZARELLI, V. ERLANGER) 
betrachtet wird. Wir finden die Geschichte dieses seltsamen Or- 
gans bei MAZZARELLI und HEYMoNS zusammengestellt, ich verweise 
hier auf dieselbe, zumal eine sichere Entscheidung über diese Frage 
erst nach erneuten Untersuchungen über das spätere Schicksal dieses 
Organs möglich sein wird. Sein ektodermaler Ursprung scheint 
mir nach den Untersuchungen von HryMmons sicher nachgewiesen zu 
sein. Zu Gunsten einer Deutung als Urniere spricht schließlich noch 
eine Beobachtung von LACAZE-DUTHIERS, wonach dieses Organ bei 
Bulla hydatis noch vor dem Ausschlüpfen der Larve rückgebildet 
und resorbirt wird. In seiner neuesten Publikation, die mir leider 
bis zum Abschlusse meiner Arbeit nicht zugänglich war, bleibt jedoch 
MAZZARELLI auf seinem Standpunkte bestehen. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. Il. 589 


Mit Absicht habe ich die älteren Arbeiten von LANGERHANS, 
Ray LANKESTER und einigen Anderen hier nicht angeführt, da außer- 
ordentlich schwer ohne eigene Anschauung in diesen widersprechen- 
den Angaben sich zurechtzufinden ist. 

Von den übrigen Molluskengruppen kommen schließlich, was das 
Vorhandensein einer Urniere anbetrifft, noch die Lamellibran- 
chiaten in Betracht. Ich glaube aber, dass jeder Versuch einer 
etwaigen Homologisirung bei unseren jetzigen Kenntnissen vollständig 
in der Luft schweben muss, zumal wenn wir den höchst sonderbaren, 
komplieirten Apparat betrachten, den neuerdings STAUFFACHER von 
Cyelas als Urniere beschrieben hat. 

In einigen neueren Aufsätzen hat v. ERLANGER versucht, eine 
Eintheilung dieser Larvenorgane durchzuführen, indem er äußere 
ektodermale und innere mesodermale unterschied. Mir scheint diese 
Eintheilung, namentlich da sie auf der Ableitung von den Keimblättern 
beruht, etwas verfrüht. Über den Bestand der äußeren ektodermalen 
Urnieren kann zwar wohl kaum ein Zweifel bestehen, sie bilden ein 
scharf charakterisirtes Organ der marinen Prosobranchier. Die 
zweite Gruppe zerfällt nach v. ERLANGER in rein mesodermale, nur 
bei Opisthobranchiern beobachtete, und in zusammengesetzte, deren 
secernirender Theil mesodermal und deren Ausführgang mindestens zum 
Theil ektodermal ist. Betreffs der Opisthobranchier ist, wie aus 
den obigen Bemerkungen zu ersehen ist, die Frage noch nicht end- 
gültig erledigt, und betreffs der zusammengesetzten Urnieren hoffe 
ich, dass es mir gelungen ist, zunächst wenigstens für einen Ver- 
treter die rein ektodermale Herkunft mit Sicherheit nachgewiesen 
zu haben, während noch für keine einzige Form aus der Klasse 
der Pulmonaten die v. ERLANGER’sche Forderung sicher bewiesen ist. 

Um endlich die Betrachtung der Urniere abzuschließen, sei mir 
gestattet, noch einen letzten Punkt, betreffend den histologischen 
Bau, hervorzuheben. Wimperflammen finden wir häufig als End- 
apparat eines Exkretionsorgans, namentlich bei Würmern. In einer 
neueren Bearbeitung des Exkretionsorgans von Bdellodrilus hat 
Moore diesen Wimperflammen ebenfalls genaue Beachtung geschenkt, 
und die Übereinstimmung im Bau der Wimperzellen dieser so weit von 
einander entfernten Gruppen ist außerordentlich groß. Zunächst 
entsenden große Zellen im Wimpertrichter Cilienbündel von fast der- 
selben Form und Größe wie in der Urniere von Limax maximus, 
dasselbe sehen wir weiter an den Wandzellen der Nierenkanälchen. 
Von einer näheren Beziehung dieser beiden Formen ist natürlich 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bad. 39 ; 


590 Johannes Meisenheimer, 


keine Rede, es genügt mir hier, festgestellt zu haben, wie in weit 
entfernten Gruppen die gleiche Forderung einer bestimmten Leistung 
so überraschend ähnliche Gebilde hervorzubringen vermag. 


il. Abschnitt. Die definitiven Organe. 


An die Betrachtung der Larvenorgane schließen wir die Be- 
handlung des Entwicklungsganges der definitiven Organe an. Ich 
halte es für besser, dabei jedes Organ einzeln zu betrachten, und 
nicht in einer Schilderung des allmählichen Werdeganges eines 
Embryos die successive Ausbildung der einzelnen Organe zu ver- 
flechten. In ersterem Falle ist es eher möglich, die Bedeutung und 
Eigenthümlichkeit der Entwicklung eines einzelnen Organs scharf 
hervorzuheben, ohne dass, wie ich glaube, das Bild des Embryos 
in seiner Gesammtheit dadurch dem Blicke entschwinden wird, da 
ich nach Möglichkeit Sorge tragen werde, den Beziehungen der 
einzelnen Organe unter einander in meiner Schilderung Rechnung 
zu tragen. 

Wir beginnen mit der äußeren Ausbildung der Mantel- und 
Athemhöhle, schließen daran die noch mit den jüngsten Larvenstadien 
verknüpfte Entstehung der Schalendrüse an, und wenden uns dann 
den animalen Organen zu, um endlich mit den vegetativen den Be- 
schluss zu machen. 


1. Mantel und Lunge. 


Das Mantelfeld ist in seiner frühesten Anlage durch eine Vor- 
wölbung des Theiles angedeutet, auf dem die Schalendrüse ihre 
Entwicklung nimmt. Vom Fuße ist es durch eine Furche getrennt, 
nach oben und den Seiten geht es allmählich in die Kopfblase über 
(Taf. XXXL, Fig. 1, 3, 5). An Organen finden wir in dem Mantel- 
feld zunächst nur Schalendrüse und Enddarm. Ursprünglich ganz 
oder nahezu in der Mittellinie des Körpers gelegen, erfährt es im 
Laufe der Entwicklung eine Drehung nach der rechten Seite hin. 
Der untere Mantelrand bildet sich zuerst aus, indem der Rand des 
Schalenfeldes sich vorzuwulsten beginnt, verbunden zugleich mit 
einer Einsenkung des Epithels zwischen Schalendrüse und Eiweiß- 
sack. Diese Einstülpung, die wir in successiver Entwicklung in den 
Figg. 93—96 auf Taf. XXXV (lhe) dargestellt sehen, bildet die erste 
Anlage der Lungenhöhle. Die äußere Abgrenzung des Mantelfeldes 
vollzieht sich nun rasch derart, dass allenthalben der Rand sich 
aufzurollen und abzuheben beginnt. Zunächst bildet sich dorsal- 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 591 


wärts ein Wulst aus, der, anfänglich nur als flache Erhebung ange- 
deutet sich zipfelförmig auszieht und weit über die Nackenblase 
hinüberschiebt (vgl. Textfigg. 9—13 mt). Dieser Theil bildet später 
den ganzen vorderen Abschnitt des Schildes, in den sich die Schnecke 
zurückzuziehen vermag. Durch die Drehung des Mantelfeldes kommt 
der ventrale Wulst mit der Athemöffnung ganz auf die rechte Seite 
za liegen, entsprechend der späteren normalen Lagerung. An den 
Seiten ist die Umfaltung bedeutend schwächer. 

Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit wieder dem inneren 
Lungenraume zu. Wir verfolgten ihn bereits bis zu einer mäßig 
tiefen Einstülpung, die aus regelmäßigem kubischen Epithel besteht. 
Ihrer Lage nach befindet sich die Einstülpung auf diesem Stadium 
noch der Mittellinie des Körpers genähert, mit der Vorschiebung des 
Mantelfeldes erleidet aber auch sie eine Drehung nach rechts und 
zwar genau um 90°, so dass sie auf späteren Stadien vollständig 
an der rechten Seite des Embryos liegt. Schematisch deuten diese 
Drehung die Textfigg. 3—6 an. 

Durch die Einrollung des Schalenfeldes wird die nshriineliche 
Einsenkung zur Bildung der Lungenhöhle weiter ins Innere ver- 
lagert (Taf. XXXV, Fig. 95, 96), so dass wir also schon jetzt zwei 
Theile zu unterscheiden vermögen, nämlich die Mantelhöhle, hervor- 
segangen aus der sekundären Einrollung des ventralen Schalenfeldes, 
und die Lungenhöhle, die ihren Ursprung einer scharf ausgeprägten 
Einstülpung verdankt. Erstere behält stets ein kubisches bis cylin- 
drisches Epithel bei und ist bestimmt, die Ausführgänge der einzelnen 
Organe aufzunehmen. So finden wir ganz zu äußerst in einem etwas 
abgesonderten Abschnitt von vorn kommend die rechte Urniere 
ausmünden, es folgen dann nach innen zu von hinten und oben 
kommend zunächst der Enddarm und schließlich der Nierenausführ- 
gang. Ganz im Inneren hätten wir dann noch die Lungenhöhle in 
die Mantelhöhle einmünden. Im Einzelnen vermag ich jetzt auf diese 
Gänge noch nicht einzugehen, es muss dies bei der Betrachtung der 
einzelnen Organe selbst geschehen. Auch genügen zum Verständnis 
Ja wohl zunächst diese kurzen Angaben. 

Wichtiger für uns sind jetzt die Veränderungen, die sich in dem 
inneren Zipfel der Lungeneinsenkung abgespielt haben. Dieser Theil 
beginnt nämlich unter starker Abflachung seines Epithels sich weit 
zwischen Schalendrüse und Eiweißsack vorzudrängen (Taf. XXXVI 
Fig. 106 2%). Zugleich beginnt ein Lymph- oder Blutgefäß sich seit- 
lich gegen dieses abgeflachte Epithel vorzubuchten (Taf. XXXIIL, 


592 Johannes Meisenheimer, 


Fig. 35 7g). Diese Vorwölbung legt sich sehr bald in Falten (Fig. 35 /g), 
die immer stärker werden und sich regellos verbindend die erste 
Anlage des Gefäßnetzes der Lungen bilden (Taf. XXXII, Fig. 34 /g 
und /f). Die Lungenhöhle selbst gewinnt allmählich eine enorme 
Ausdehnung, sie erstreckt sich schließlich bis weit in die linke 
Körperhälfte hinüber und umschließt auf jüngeren Stadien von der 
vorderen, später auch von der ventralen Seite her den ganzen 
Organkomplex von Herz und Niere. Indem sie schließlich theilweise 
auch noch seitlich sich zwischen Schalendrüse und die eben ge- 
nannten Organe eindrängt, wird vollständig der Zustand des er- 
wachsenen Thieres erreicht, indem diese Mantelorgane wie ein in 
der Mantelhöhle aufgehängter Sack erscheinen. 

Interessant ist bei der ganzen Anlage der Lungenhöhle die 
außerordentlieh frühe Verbindung mit dem Gefäßsystem, wie sie 
sich durch die Faltenbildung kund giebt. Da die Lungenhöhle in der 
Regel von dem die Larve umgebenden Eiweiße erfüllt ist, so findet 


sicher schon früh hier ein Austausch des in demselben vorhandenen 


Sauerstoffes mit der Lymphflüssigkeit statt, ich werde hierauf noch- 
mals bei der Besprechung des Gefäßsystems zurückkommen müssen. 

Eben so werde ich auf das gegenseitige Verhältnis von Mantel- 
und Lungenhöhle später gelegentlich der Schilderung der Nierenaus- 
führgänge noch ausführlicher einzugehen haben. 

Ganz allgemein legt sich bei den Pulmonaten die Lungen- 
höhle in Form einer Vertiefung des Ektoderms an, ich führe hier 
nur die Untersuchungen For’s an. Auch GEGENBAUR hat bei Clau- 
silia bereits die Anlage der dünnen Lungenwandung beobachtet und 
ihr eine respiratorische Thätigkeit zugeschrieben. 

Etwas anders stellt sich die Bildung der Mantelhöhle bei 
Paludina nach v. ERLANGER dar. Hier entsteht zunächst nicht 
eine eigentliche Grube, sondern der Mantelrand umwallt einen Theil 
der Bauchwand, die sich dann erst vertieft und zu weiteren Um- 
bildungen führt. An Stelle der Lunge treten hier in der Mantelhöhle 
die Kiemen als eine Reihe hohler Vorstülpungen der Wandung auf. 

Der Mantel selbst entsteht in der Regel bei den Gastropoden 
als eine Aufwulstung des Randes der Schalendrüse, oder wie 
v. ERLANGER bei Paludina will, gleichsam durch ein Umrollen der 
Schalendrüse nach außen. Die Schale kommt dann in die Mitte des 
Mantelfeldes zu liegen, eben so wie ja auch bei Limax die hier 
freilich innere Schale innerhalb des Mantelfeldes liegt. Bei Unter- 
drückung der Aufrollung der Schalendrüse kommt bei Limax der 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 593 


dem Mantel entsprechende Schild durch eine besondere Faltenbildung 
der Haut zu Stande. 


2. Schalendrüse. 


Die Schalendrüse ist eines der am frühesten sich anlegenden 
Organe. Sie entsteht an der hinteren Körperseite über dem Fuße 
als eine zunächst kaum wahrnehmbare, weite, flache Vertiefung 
(Taf. XXXIV, Fig. 75 sd). Diese Vertiefung nimmt bald an Stärke 
zu und berührt schließlich nach innen das Entoderm. Nach oben 
srenzt sie direkt an das abgeflachte Epithel der Kopfblase, nach 
unten geht sie in das kubische Ektoderm über. Zwischen Entoderm 
und Ektoderm sich nach unten schiebend nimmt sie dann eine lang- 
sestreckte, ovale Form an, die von hinten nach vorn abgeplattet ist. 
Die einzelnen Phasen dieses Processes zeigen die Fig. 36 —39 
auf Taf. XXXII und Fig. 77 und 79 auf Taf. XXXIV. Im Quer- 
schnitt (Taf. XXXIII, Fig. 40) tritt deutlich die abgeplattete Form 
hervor, das Lumen ist eng und seitlich ausgezogen. Zuweilen wird 
beim Abschnüren Eiweiß aus der Umgebung mit in die Schalendrüse 
eingeschlossen, das dann allmählich von den Zellen derselben resor- 
birt wird. 

Bei der weiteren Ausbildung tritt an der bisher aus gleich- 
mäßigem, kubischem Epithel bestehenden Wandung eine Differen- 
zirung auf, indem die dem Entoderm anliegende, innere Wandung 
ihr hohes Epithel beibehält, während die vordere, dem Ektoderm zu- 
gekehrte sich stark abflacht. Zunächst weitet sich dabei das Lumen 
der Schalendrüse stark aus (Taf. XXXIIL Fig. 41), ein Process, der 
auf den folgenden Stadien sich noch schärfer ausprägt. In Fig. 42 
und 43 ist die Abflachung der äußeren Wandung [üuß.sd) weiter 
vorgeschritten, sie erreicht einen so hohen Grad, dass die Kerne 
nur noch als kleine Höcker hervortreten. Bemerkenswerth ist, dass 
die Wandung sich dabei stets dicht an das Ektoderm anlegt, und 
wir gelangen so zu dem auffallenden Stadium, welches Fig. 44 auf 
Taf. XXXII darstellt, wo die Schalendrüse vollständig mit dem Ek- 
toderm, das sich ebenfalls an dieser Stelle sehr stark abgeflacht hat, 
verschmilzt, so dass eine Trennung beider Schichten hier stellenweise 
kaum möglich ist. Der ganze Process scheint darauf hinauszugehen, 
einen sekundären Durchbruch herbeizuführen, zu einem solchen kommt 
es jedoch thatsächlich nicht, nie habe ich wenigstens eine Spur eines 
solehen aufzufinden vermocht. 

Mehr Bedeutung gewinnen die eben beschriebenen Vorgänge, 


594 Johannes Meisenheimer, 


wenn wir sie mit ähnlichen Erscheinungen bei beschalten Formen, 
nämlich Olausilia und Succeinea vergleichen. Nach den älteren 
Untersuchungen GEGENBAUR'sS und den neueren F. ScHmipr’s 
schnürt sich nämlich hier ebenfalls die Schalendrüse ab und scheidet 
ein Schalenhäutehen aus, dann aber beginnt die Schalendrüse wieder 
mit dem Ektoderm zu verschmelzen und nach außen durchzubrechen, 
so dass die Schale frei zu Tage tritt. Bei Limax maximus sehen 
wir den rückläufigen Process nur bis zur Verschmelzung mit dem Ek- 
toderm vor sich gehen und dann wieder umkehren. Da aus anderen 
Gründen schon die Nacktschnecken sicher von beschalten und ge- 
wundenen Formen abzuleiten sind, so scheint auch obiges Verhalten 
auf eine derartige Verwandtschaft, etwa mit Formen, die eben diesen 
sekundären Durchbruch zeigen, hinzudeuten. Vielleicht ist dieser 
Process noch allgemeiner verbreitet, da sich bei v. IHERING eine ähn- 
liche Angabe über Helix findet, wo die Schale von einer frühe 
wieder einreißenden Zellenlage bedeckt sein soll, For freilich giebt 
für diese Art eine trichterförmige, sich nicht schließende Schalen- 
drüse an, die sich in normaler Weise wieder ausstülpt. 

Der Zustand, dass Schalendrüse und Ektoderm eng verschmolzen 
sind, erhält sich nicht lange, beide Schichten trennen sich wieder, 
indem die äußere Wandung der Schalendrüse abermals nach innen 
rückt (Taf. XXXII, Fig. 45). Wir haben jetzt im Allgemeinen den 
definitiven Bau der Schalendrüse vor uns, eine weite Höhlung, die 
nach außen von einem stark abgeflachten, nach innen von kubischem 
Epithel begrenzt wird. Die Grenze beider Regionen ist scharf aus- 
geprägt, an ihr sind rings herum die Zellen etwas höher, so dass es 
scheint, als ob hier die Abscheidung des Schalenhäutchens, welche 
im Verlaufe der oben geschilderten Vorgänge sich vollzogen hat, be- 
sonders thätig wäre. Die Verdickung des Randes des Schalenfeldes 
ist auch bei den Formen mit offener und sich aufrollender Schalen- 
drüse eine ziemlich konstante Erscheinung, es ist keine Frage, dass 
wir in der unteren Epithelschicht der abgeschlossenen Schalendrüse 
mit ihrem verdiekten Rande das Homologon des ausgebreiteten 
äußeren Schalenfeldes der beschalten Formen vor uns haben, zumal 
wenn wir annehmen, dass der Versuch eines sekundären Durch- 
bruchs weiter nichts als die Aufrollung der offen bleibenden Schalen- 
drüse der meisten übrigen Mollusken darstellt. 

Mit dem frühzeitigen Hinzutreten von Kalkablagerungen zu dem 
chitinösen Schalenhäutchen, das auf den aufgehellten Schnitten nur 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 595 


schwer und in Bruchstücken zu sehen ist, ist die Entwicklung der 
Schale abgeschlossen. 

Als eine besondere Bildung der Schalendrüse ist der von 
BürscaLı zuerst bei Paludina beschriebene chitinöse Pfropf zu er- 
wähnen, der sich nach RAY LANKESTER auch bei Neritina und 
Aplysia findet. Auch bei den Heteropoden ist nach For die 
 Sehalendrüse Anfangs von einer bräunlichen Masse erfüllt. 

Eine Abschnürung der Schalendrüse finden wir schließlich ver- 
einzelt auch in anderen Molluskengruppen, abgesehen natürlich von 
den Cephalopoden. For giebt für einen Pteropoden, Cym- 
bulia, an, dass sich die Schalendrüse unter Abscheidung stark licht- 
breehender Massen schließt, und dass sich dann darüber auf dem 
Ektoderm die Schale ausbildet, während die Schalendrüse selbst der 
Resorption anheimfällt. 


3. Nervensystem. 


Betreffs des Nervensystems kann ich mich ganz kurz fassen, da 
wir über die Entwicklung desselben bei Limax maximus bereits 
eine sehr ausführliche Arbeit besitzen, nämlich von A. P. HENCHMAN, 
betitelt: The development of the nervous system in Limax maximus. 
Dazu kommt dann noch die Arbeit F. Scumipr’s über das Nerven- 
system der Pulmonaten und eine ganze Reihe anderer Arbeiten 
über die verschiedensten Formen. So weit meine Untersuchungen 
reichen, kann ich die Resultate von A. P. HencHmAn vollständig 
bestätigen. Die beiden wichtigsten Momente sind die ektodermale 
Entstehung durch Auswanderung von Zellen aus dem Körperepithel 
und dann die getrennte Anlage und allmähliche Koncentration der 
einzelnen Ganglien um den Ösophagus. 

Wenn ich der Vollständigkeit halber die Resultate der oben ge- 
nannten Arbeit und meiner Nachprüfung kurz zusammenfassen soll, 
so entstehen die Cerebralganglien aus einer tiefen Einstülpung der 
Scheitelplatte (den Cerebraltuben), verbunden mit lebhaften Zell- 
wucherungen des umgebenden Ektoderms. Die Pedalganglien bilden 
sich am frühesten aus, sie lösen sich als Zellwucherungen von der 
Ventralseite des Fußes los. Die Visceralganglien entstehen ebenfalls 
ektodermal, unmittelbar über der Pleuralfurche, beide liegen an der 
rechten und linken Körperseite, während das Abdominalganglion sich 
nahezu in: der Medianebene, aber etwas später anlegt. Auch die 
Pleuralganglien entstehen aus dem Ektoderm, und zwar ebenfalls 
seitlich über der Pleuralfurche. Die Anlage der Buccalganglien 


396 Johannes Meisenheimer, 


schließlich liegt beiderseits in dem Winkel zwischen Radulatasche 
und Ösophagus, des Riechganglions am Rande der Lungenhöhle. 
Durch Auswachsen der einzelnen Ganglienhaufen entstehen die ver- 
schiedenen Kommissuren und Konnektive, die sich bei fortschreiten- 
der Koncentration der Ganglien stark verkürzen. 

Auf die Litteratur über das Nervensystem brauche ich hier 
nicht näher einzugehen, sondern verweise auf die oben angeführten 
Arbeiten, welche dieselbe ausführlich behandeln. 

Betreffs einiger Details der Ganglienbildung siehe -._ unten 
in 4. Sinnesorgane. b. Hautsinnesorgane. 


4. Sinnesorgane. ® 
a) Tentakel. 


Wir beginnen unsere Betrachtung mit den Tastorganen, den 
Tentakeln. Sie nehmen ihren Ursprung aus den Scheitelplatten, d.h. 
zwei mehrschichtigen Zellenplatten zu beiden Seiten des Mundein- 
ganges (Taf. XXXH, Fig. 2 und 4 sp). Zu ihrer Bildung ver- 
brauchen die Tentakel den größten Theil derselben, weiter gehen 
daraus die Cerebralganglien und Oerebraltuben hervor, sowie die ge- 
sammte vordere Kopfanlage. Die Differenzirung dieser Scheitel- 
platten ist bereits sehr genau von F. ScHmipr beschrieben worden, 
ich kann die von ihm gemachten Beobachtungen in den meisten 
Punkten bestätigen und will sie hier kurz rekapituliren. Zunächst 
bildet sich der laterale, äußere Theil zum ersten Tentakel um, dann 
entstehen aus dem mehr median gelegenen Theile zweiter und dritter 
Tentakel. Die Anlage der beiden letzteren erfolgt bei Limax 
maximus nahezu gleichzeitig, indem sich zunächst ein einheitlicher 
Höcker bildet, der sehr bald in zwei Theile zerfällt. Hiermit stimmen 
auch die Beobachtungen For’s überein. Die beiden vorderen 
Höcker wachsen allmählich zu den beiden Tentakeln aus, der dritte 
wandelt sich in die Mundlappen oder subtentakulären Lappen um. 

Aus dem innersten Theile der Scheitelplatten entwickelt sich 
jederseits in Gestalt einer Reihe von Wülsten das SEMPER’Sche Or- 
gan, welches zunächst in einiger Entfernung vom Munde verlaufend, 
sich diesem allmählich nähert und schließlich mit einem Kranze von 
Falten umgiebt. 


b) Hautsinnesorgane. 


Von P. und F. Sarasın wurden bei Helix Waltoni eigenthüm- 
liche Sinnesorgane beschrieben, die sich in typischer Ausbildung bei 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 597 


Limax maximus wiederfinden. Sie liegen zerstreut fast am ganzen 
Körper, vor Allem am Fuße und den Scheitelplatten, hier namentlich 
in den Cerebraltuben. Aber auch sonst finden sie-sich, wie z.B. an 
der Mantelfalte oder am Mundeingange. An der Oberfläche bilden 
sie in der Regel eine Grube, die zuweilen eine ziemliche Tiefe er- 
reichen kann. Ihrem histologischen Bau nach bestehen sie aus 
einer centralen birnförmigen Zelle, die schalenförmig von einer An- 
zahl abgeplatteter Zellen umgeben ist. Letztere sind stets durch 
ihren heller gefärbten, scheibenförmigen Kern ausgezeichnet. Die 
sroße centrale Zelle ist in den meisten Fällen nur in der Einzahl 
vorhanden, der Längs- und Querschnitt des Organs lässt sie deut- 
lich erkennen (Taf. XXXIH, Fig. 46, 47 cz), selten fand ich zwei 
oder gar mehrere, wie es bei Helix Waltoni die Regel ist. Ob 
die Hüllzellen nur als Stützzellen funktioniren, scheint mir zweifel- 
haft, da die feinen Sinnesstäbchen, die man mit starken Systemen 
zuweilen im Inneren der Sinnesgrube erkennt, direkte Beziehungen 
zu diesen sogenannten Stützzellen zu haben scheinen. Auch sind 
sie stets in der Mehrzahl vorhanden, während sie doch wohl nur in 
der Einzahl vorhanden sein dürften, wenn sie mit der birnförmigen 
Zelle in Verbindung ständen. Die Sinnesstäbchen selbst bestehen 
aus den fein ausgezogenen Spitzen der Stäbehenzellen, indem wahr- 
scheinlich durch eine Art Cuticularisirung der Zellmembran ein der 
Zelle direkt aufsitzendes kegelförmiges Zäpfchen gebildet wird. Die 
histologischen Bestandtheile sind vielleicht derart zu deuten, dass 
die Hüllzellen oder Stäbchenzellen als die vorzüglich pereipiren- 
den Organe aufzufassen sind, während die centrale birnförmige Zelle 
den Reiz von diesen aufnimmt, also gleichsam als Ganglienzelle funk- 
tionirt. 

Im Allgemeinen scheinen diese Sinnesorgane nicht die Ausbildung 
_ und Größe der entsprechenden Organe bei Helix Waltoni zu er- 
reichen, nie sah ich solche von so großem Umfange wie sie P. und 
F. Sarasın für Helix Waltoni abbilden. 

Auffallend ist die kurze Zeitdauer, während welcher diese eigen- 
thümlichen Organe im Embryonalleben auftreten. Am 8. bis 9. 
Tage beginnen sie sich anzulegen und bereits am 12. Tage sind sie 
nur noch spärlich und schwer nachzuweisen. Sie verschwinden 
wieder spurlos aus dem Ektoderm und vielleicht dienen die folgenden 

Beobachtungen dazu, einiges Licht auf diese Erscheinung zu werfen. 
| Während ihres Auftretens ist die Bildung der Ganglienzellen 
durch auswandernde Ektodermzellen noch immer im Gange, und- man 


598 . Johannes Meisenheimer, 


kann alsbald die eigenthümliche Beobachtung auf diesem Stadium 
' machen, dass sie an der Bildung derselben Theil nehmen, indem unter 
Verlagerung des ganzen Organs in die Tiefe einzelne Zellen sich 
den Wucherungsstreifen der Ektodermzellen anschließen. Ich habe 
dieser Frage eine größere Aufmerksamkeit geschenkt und bin in der 
Lage, eine vollständige Serie dieser Auswanderung vorlegen zu 
können. In Fig. 48 auf Taf. XXXII sehen wir, wie das Sinnes- 
organ sich erst wenig aus dem Epithelverbande heraus nach innen 
geschoben hat, auf Fig. 49 ist die Auswanderung bereits in vollem 
Gange. Deutlich kann man rechts noch zwei Zellen als die um- 
hüllenden Stäbchenzellen an Färbung und Gestalt der Kerne erkennen 
(stz), während unmittelbar nach innen sich die birnförmige Zelle (cz) 
anschließt, die noch ganz ihr typisches Aussehen in dem großen 
Kerne bewahrt hat. Die übrigen Zellen haben bereits zu große 
Modifikationen erlitten, als dass man sie noch mit Sicherheit als 
Sinneszellen bezeichnen könnte, aber höchst wahrscheinlich gehörten 
auch sie diesem Sinnesorgan an. Fig. 50 auf Taf. XXXII endlich 
zeigt die ganze Sinnesknospe auf dem Wege nach dem Pedalganglion, 
welches nur eine kurze Strecke davon auf demselben Schnitte noch 
in vollständig embryonalem Zustande liegt. (Bei allen drei Figuren 
handelt es sich um Sinnesknospen an der Ventralseite des Fußes.) 
Auf sämmtlichen drei Stadien ist noch die ursprüngliche Sinnesgrube 
als Vertiefung im Ektoderm zu sehen, auf dem ersten sogar noch 
die Sinnesstäbchen. 

Erwähnen will ich noch, dass auch A. P. Hexcuwman ein 
solches in der Auswanderung begriffenes Sinnesorgan darstellt, frei- 
lich ohne seine Bedeutung zu erkennen (l. e. Taf. VI, Fig. 72), sogar 
die Sinnesgrube und die große centrale Zelle ist in der Figur deut- 
lich wahrzunehmen. 

Dass sich gerade in den Cerebraltuben, die sicher später einen 
Theil des Nervensystems bilden und von Sarasın als alte, den 
Geruchsorganen der Anneliden entsprechende Sinnesorgane gedeutet 
werden, die fraglichen Sinnesknospen in größerer Anzahl finden, 
bildet eine weitere Stütze für diese Umwandlung von Sinneszellen in 
Ganglienzellen. Wir haben hier einen typischen Fall einer Substi- 
tution von Organen vor uns, wie sie von KLEINENBERG zuerst in 
seiner Lopadorhynchus-Entwicklung aufgestellt und begründet 
worden ist. | 

Im Allgemeinen sind diese Sinnesorgane nur als rudimentäre zu 
bezeichnen, da von irgend einer Funktion innerhalb des den Embryo 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 599 


umgebenden Eiweißes wohl kaum die Rede sein kann. Interessant 
ist es nun, dass bei den Vorfahren dieser wohl am Ende der ganzen 
Entwicklungsreihe stehenden Gruppe, den marinen Prosobran- 
ehiern, ganz ähnliche Gebilde im erwachsenen Zustande be- 
obachtet wurden. B. HALLER fand bei Fissurella in der unteren 
Lateralwand der Mundhöhle becherförmige Organe, die aus. einer 
Anzahl mehr oder weniger schmalen Sinneszellen und dazwischen 
liegenden Stützzellen bestehen. Die Sinneszel- 
len tragen einen kurzen Fortsatz (s. Textfig. 1). 
Das ganze Organ liegt gewöhnlich in einer 
kleinen Grube versenkt und ist hier wohl als 
Geschmacksorgan zu deuten. Es genügt mir 
hier, festzustellen, dass also ähnliche wie die 
oben beschriebenen Sinnesorgane sich thatsäch- 
lich bei erwachsenen Prosobranchiern finden. 


Ist die eben von Fissurella angeführte Sinnes- Textfigur 1. 
knospe ihrem Bau nach auch nicht identisch Sinreskaospe aus der Mund- 
höhle von Fissurella. (Kopie 


mit den embryonalen Sinnesknospen von Li- . nach B. Haurer.) 
max maximus, so ist die Übereinstimmung 

doch eine ziemlich weitgehende, in diesen oder ähnlichen Organen 
haben wir den Ausgangspunkt zu suchen. Als die frei umher- 
schwärmende Larve ihr Schwärmstadium aufgegeben hatte und sich 
in besonderen Eihüllen entwickelte, da verlor das Sinnesorgan seine 
Bedeutung, es sank in die Tiefe und nahm an der Bildung des 
Nervensystems thätigen Antheil. 


c) Otolithenblase. 


Die Otolithenblase ist das am frühesten sich anlegende Sinnes- 
organ, sie entsteht an den Seiten des Fußes, ziemlich weit nach 
vorn zu, und zwar durch einen Wucherungsprocess von Ektoderm- 
zellen. Die Stelle der ersten Entstehung ist außerordentlich schwer 
mit Sicherheit festzustellen, da die Mesodermzellen noch dicht gedrängt 
den Raum innerhalb des Fußes erfüllen und eng dem Ektoderm an- 
liegen. Die beiden ersten Figuren (Taf. XXXIH, Fig. 51 und 52) 
stammen von einer einzigen Schnittserie, auf der einen Seite ist die 
Otolithenblase bereits abgeschnürt und liegt als solides Bläschen noch 
innerhalb des Ektoderm, auf der anderen Seite ist sie gerade im Ab- 
schnüren begriffen, sein Zusammenhang mit dem Ektoderm ist voll- 
kommen deutlich. Solche Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung 
der Otolithenblase beschreibt For als konstant bei den Pteropoden, 


600 Johannes Meisenheimer, 


er sieht darin den Ausdruck einer sich schon früh ausprägenden 
 Asymmetrie. 

Bald macht sich diese Anlage ganz vom Ektoderm frei, erhält im 
Inneren ein kleines Lumen und liest nun frei dem Ektoderm als 
rundes Bläschen an (Taf. XXXII, Fig. 53). Nach einiger Zeit be- 
sinnt es sich in das Innere zu verlagern und nach dem Pedal- 
sanglion hin zu wandern, bis es fest an dessen Seite anliegt, wo es 
auf späteren Stadien stets als dünnwandiges Bläschen zu finden ist. 


Von einer Bildung von Otolithen habe ich bis zu den von mir 
untersuchten Altersstadien noch keine Andeutung aufzufinden ver- 
mocht. 


Betreffs der Entwicklung der Otolithenblase stimmen im Allge- 
meinen die Angaben darin überein, dass sie vom Ektoderm abzuleiten 
ist, widersprechen sich aber zum Theil darin, ob sie auf eine Ein- 
stülpung oder eine Einwucherung zurückzuführen ist. Als ektoder- 
male Einstülpung entsteht sie bei Limnaeus nach WoLrson, bei 
Paludina nach BürscHLıi und v. ERLANGER, bei Bythinia eben- 
falls nach v. ERLANGER, bei den marinen Prosobranchiern nach 
SALENSKY, BOBRETZKY, PATTEN und ConkLIn. Für die Basomma- 
tophoren giebt dagegen FoL eine Entstehung aus einwandernden 
Ektodermzellen an, während RagL bei Planorbis über ihre Bildung 
nicht ganz ins Klare kommen konnte, aber mehr dazıa neigt, eine 
Einstülpung auch hier anzunehmen. Hier bei Limax maximus ent- 
stehen sie sicher durch Einwucherung, wie auch A. P. HENCHMAN 
in ihrer Entwicklung des Nervensystems bereits angiebt, während 
For die Frage nicht zu entscheiden vermochte. JOURDAIN leitet im 
Gegensatze hierzu die Otolithenblase bei Limax aus einer Einstül- 
pung ab, drückt sich jedoch nicht ganz bestimmt aus. 


Aus dem mittleren Keimblatt leitet nur FoL die Otocysten ‚bei 
den Pteropoden ab, und zwar aus dem Mesoderm des Fußes, das 
nach ihm aus einer direkten Abspaltung vom Ektoderm seinen Ur- 
sprung nehmen soll. Der Otolith entsteht in einer Zelle der ver- 
diekten oberen Wandung und fällt später frei in das Bläschen 
hinein. Bei den Heteropoden dagegen entsteht nach demselben Autor 
die Otolithenblase wieder aus einer Einfaltung des Ektoderms. 


Die Abscheidung der Otolithen wurde außer bei den Ptero- 
poden von FoL auch bei den Basommatophoren bereits be- 
obachtet, dessgleichen von RagL bei Planorbis und von GEGENBAUR 
bei den Landpulmonaten. 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. 1. 601 


d) Auge. 

Als letztes Sinnesorgan bleibt uns schließlich noch die Betrach- 
tung des Auges übrig. Dieses entsteht durch eine große, deutliche Ein- 
stülpung des Ektoderms, die an der Basis des ersten Tentakelhöckers 
liest, und zwar an der Außenseite desselben, am hinteren, oberen 
Winkel. Die zunächst flache Einstülpung (Taf. XXXIIL, Fig. 54) ver- 
tieft sich bald (Fig. 55) und schnürt sich schließlich ganz vom Ek- 
toderm ab (Fig. 56), Das so gebildete Bläschen bleibt dicht unter 
dem Ektoderm liegen und ist oft in seinem Inneren von Eiweiß er- 
füllt, das mit der Abschnürung ins Innere gelangte. 

Als weitere Differenzirung legt sich nun zunächst die Linse an, 
und zwar durch Ausscheidung von Seiten der umgebenden Wand- 
zellen. Diese Ausscheidung ist leicht zu verfolgen, da das Produkt 
derselben auf Herman’sche Lösung, d. h. wohl auf die in derselben 
enthaltene Osmiumsäure, mit tiefschwarzer Färbung reagirt. Auf ganz 
jungen Stadien sieht man nun zuweilen nicht ein größeres Kügelchen, 
sondern eine Anzahl kleiner, an Größe verschiedener Tropfen, die 
durch Zusammenfließen die einheitliche Linse bilden (Taf. XXXIL, 
Fig. 58 [2]. Dass die einzelnen Kügelchen künstlich in Folge irgend 
einer Druckwirkung aus einem einzigen, größeren entstanden seien, 
ist bei der Unversehrtheit des umliegenden. Gewebes kaum anzu- 
_ nehmen. Die Lage der Linse entspricht gewöhnlich der dem Ekto- 
derm anliegenden Seite des Bläschens (Taf. XXXII, Fig. 57). Das 
Ganglion opticum lest sich etwa auf demselben Stadium an, indem 
Zellen vom Cerebralganglion aus sich an die innere Wandung des 
Bläschens heranrücken (Taf. XXXIH, Fig. 57 g.opt). 

Eine letzte Entwicklungsstufe des Auges, auf welcher der Bau 
desselben in seinen Hauptzügen vollendet ist, bietet ein etwas älteres 
Stadium, etwa vom 20. Tage, dar (Taf. XXXIIL, Fig. 59). Zunächst 
haben sich die beiden Wandungen der Blase verschieden aus- 
gebildet. Die innere Wandung ist zur Retina geworden, in ihr hat 
sich Pigment abgelagert, das also verhältnismäßig sehr spät auf- 
tritt, die vordere Wand bildet sich zum inneren Epithel der Cornea 
oder Pellueida (ic) um, indem die Zellen streng einschichtig bleiben, 
die Kerne an die Außenwand rücken und das Plasma sich aufhellt. 
Das äußere Epithel der Cornea (üuß.c) wird von dem Epithel des 
Tentakels gebildet. Zwischen den beiden Epithelschichten der 
Cornea zieht sich eine feine Schicht von Bindegewebszellen hin. 
Die Linse hat sich stark vergrößert, sie erfüllt den größten Theil 


602 Johannes Meisenheimer, 


des Binnenraumes der Augenblase, ist stark lichtbrechend und be- 
sitzt eine eigenthümlich körnige, koncentrische Struktur im Inneren, 
die übrigens schon früh auftritt. Die feinsten Details der Retina- 
differenzirung zu verfolgen, habe ich unterlassen, da dies wohl 
eher Aufgabe einer Specialuntersuchung ist. 

Während sich diese Processe abspielten, ist das Auge von der 
Basis des Tentakels, wo es entstand, mit der weiteren Ausbildung 
desselben allmählich nach oben bis in dessen Spitze gerückt, wie 
auch FoL bereits richtig beobachtete. Vergleichen wir die Stelle 
der ersten Anlage hier bei Limax maximus mit der Lage des 
ausgebildeten Auges der Basommatophoren, so erkennen wir so- 
fort, dass beide Stellen sich genau entsprechen, man stelle nur 
For’s Abbildung eines älteren Embryos von Limax maximus neben 
einen ausgebildeten Embryo von Planorbis in Ragr’s Arbeit. Die 
Verhältnisse des Augententakels bei den Stylommatophoren lassen 
sich also entwicklungsgeschichtlich direkt aus denen der Basom- 
matophoren ableiten. 

Auch über die ektodermale Entstehung des Auges herrscht bei 
sämmtlichen Beobachtern kein Zweifel, und zwar wird fast stets 
eine Einstülpung angegeben. Nur FoL behauptet, dass bei den 
Basommatophoren die Augenblase durch Abspaltung vom Ekto- 
derm entstehe, wogegen aber RAaBL bereits die Einstülpung bei 
Planorbis gesehen hat. Eben so giebt SALENSKY für Vermetus 
eine Bildung des Auges durch Delamination an, aber seine Abbil- 
dung auf Taf. XXIX in Fig. 202 lässt die Vermuthung zu, dass 
es sich um eine schräg getroffene Einstülpung handelt, da der Spalt 
in der sich loslösenden Anlage auffallend früh aufträte. 

Die weitere Ausbildung des Auges, bestehend in der Abschei- 
dung der Linse und in dem Auftreten von Pigment, ist von allen 
Forschern übereinstimmend geschildert worden, ich erinnere hier 
nur an GEGENBAUR (bei Limax), an For, an RasL (bei Planorbis) 
und an v. ERLANGER (bei Paludina). Nur WoLrson giebt eigen- 
thümlicherweise für Limnaeus einen ganz anderen Bildungsmodus 
der Linse an. Dieselbe soll hier eine metamorphosirte Zelle der Augen- 
blasenwandung darstellen, entstanden dadurch, dass das Plasma einer 
Zelle unter Schrumpfung des Kernes homogen und stark lichtbrechend 
werde. 

5. Darmkanal. 

Als ersten Anfang der Differenzirung eines Darmkanals haben 

wir die Gastralhöhle anzusehen; an diesen entodermalen Theil 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 603 


gliedern sich dann Vorderdarm einerseits und Enddarm nebst einem 
Theil des Mitteldarmes andererseits an, beide ihren Ursprung aus 
- dem Ektoderm nehmend. Als Drüsen des Darmkanals treten weiter- 
hin Speicheldrüsen und Leber auf, von denen erstere sich aus dem 
ektodermalen Vorderdarm ableiten, letztere aus dem entodermalen 
Theile des Mitteldarmes. Ä 

Das ursprünglich aus gleichmäßig hohem Epithel bestehende En- 
toderm zeigt sehr bald nach der Gastraleinstülpung eine Differen- 
zirung, derart, dass die vordere, seitliche und obere Wandung eine 
sich rasch verstärkende Vacuolisirung der Zellen aufweist, hervor- 
gerufen durch massenhafte Aufnahme von Eiweiß aus der Gastral- 
höhle, welches dann in Gestalt großer Vacuolen in den Zellen nieder- 
_ gelegt wird. Dieser Process beginnt unmittelbar nach der Gastrula- 
Ben (siehe 1. Theil), der weitere Verlauf ist auf Taf. XXXIV, 
Fig. 74—77 zu sehen. Die Vacuolen werden allmählich so groß, 
dass sie die Kerne vollständig bei Seite drängen und von dem Plas- 
ma kaum noch eine Spur übrig bleibt. Die hintere Wandung behält 
ihr einfaches Epithel unverändert bei, es ist dies die Stelle, aus 
welcher der spätere Magen hervorgeht, während der ganze vordere 
in die Bildung der Leber mit eingezogen wird. 

Mit diesem mittleren, entodermalen Theile verbinden sich nun, 
wie schon erwähnt, ektodermale Bestandtheile, die Vorderdarm, Theile 
des Mitteldarmes und Enddarm liefern. Schon auf sehr frühen Sta- 
dien bemerkt man, wie der vacuolisirte Theil, d. h. die Eiweißzellen, 
nicht mehr direkt in das Ektoderm am Blastoporus umbiegt, sondern 
dass eine Schicht einfachen Epithels sich ebenfalls nach innen zu 
schieben beginnt. Diese sekundäre Einstülpung stellt das Stomo- 
daeum dar, aus ihr differenziren sich Mund, Radulatasche, Speichel- 
 drüsen und der Ösophagus zum großen Theile. Die Grenze zwischen 

Ektoderm und Entoderm ist nicht leicht zu ziehen, betrachten wir 
daraufhin ein Stadium, wie es Fig. 63 auf Taf. XXXIV darstellt, etwas 
näher. An der später ventralen Wandung der Mundhöhle finden wir 
ein hohes Epithel, die erste Anlage der Radulatasche, welche sicher 
rein ektodermal ist. Die unmittelbar nach innen anschließenden 
Zellen sind bereits nicht mehr mit Sicherheit auf ihre Zugehörigkeit 
zu bestimmen, wir haben an dieser Stelle den unmerklichen Über- 
sang beider Keimblätter vor uns. Anders ist es auf der gegen- 
überliegenden, später dorsalen Wandung. Hier heben sich die va- 
cuolenreichen Entodermzellen durch einen scharfen Kniek von den 
Ektodermzellen ab, wir haben hier mit ziemlicher Sicherheit die 


604 Johannes Meisenheimer, 


scharfe Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm vor uns. Die dor- 
sale Wandung des Ösophagus ist also rein ektodermaler Natur, die 
ventrale nur zum Theil, an den Seiten haben wir uns einen all- 
mählichen Übergang dieser beiden extremen Fälle zu denken. Bei 
den Heteropoden ist nach FoL der ganze Ösophagus ektodermal, 
alle übrigen Beobachter vermögen die Grenze nur unbestimmt zu 
ziehen. 

Ehe ich aber jetzt auf die speciellere Differenzirung der einzel- 
nen Theile eingehe, will ich die erste Anlage des Darmes schildern, 
damit wir dann wenigstens der Anlage nach sämmtliche Theile des 
Darmtractus als geschlossenes Ganzes vor uns haben. Die Entwick- 
lung des Darmes widerspricht so sehr den meisten bisherigen An- 
gaben, dass ich dieser Frage eine große Sorgfalt gewidmet habe und 
viele Embryonen eigens zu diesem Zweck konservirt und geschnitten 
habe. Die weiter unten folgenden Resultate sind fast nur dadurch zu 
sewinnen, dass die Schnittrichtung aufs genaueste vorher bestimmt 
wird, und dass die Schnitte bei vollständigen Serien ziemlich dünn 
ausgeführt werden. 

Auf sehr jungen Stadien tritt zwischen Fußhöcker und Schalen- 
drüse eine kleine Einstülpung des Ektoderms auf (Taf. XXXIV, 
Fig. 73 d.e), die sich zunächst rosettenförmig ins Innere drängt 
(Fig. 74) und allmählich stark vertieft (Fig. 75). Das Lumen der- 
selben ist sehr eng und nur bei sehr genauer Orientirung scharf und 
klar zur Anschauung zu bringen. Auf weniger gut orientirten 
Schnitten sieht man stets hier an dieser Stelle nur einen rundlichen 
Zellenhaufen, der weder zur äußeren noch zur inneren Körperwandung 
deutliche Beziehungen besitzt. Das nächstfolgende Stadium steht in 
vollem Einklange mit den bisherigen (Taf. XXXIV, Fig. 76). Die 
Einstülpung ist vollkommen klar zu sehen, die Abgrenzung gegen 
das Entoderm noch sehr scharf, aber die ganze Anlage drängt 
sich bereits etwas gegen dasselbe vor. Noch weiter ausgebildet ist 
dies in Fig. 77 und 79. In Fig. 77 ist das Lumen sehr eng, da die 
gegenüberliegenden Wandungen sich dicht an einander gelegt haben, 
aber deutlich ist der Umschlag beider Schichten in das Ektoderm 
zu beobachten. Ein nur wenig älteres Stadium stellt Fig. 79 dar, 
es besitzt im Inneren der Einstülpung ein weites Lumen, die Öff- 
nung gegen das Ektoderm hat sich ganz verengt, die Abgrenzung 
gegen das Entoderm besteht noch in voller Schärfe. Ein überraschen- 
des Bild zeigen uns die nunmehr folgenden Stadien. In dem Quer- 
schnitte auf Fig. 80 schnürt sich die Darmanlage unter Verlust der 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. - 605 


äußeren Öffnung vom Ektoderm ab und tritt mit dem Entoderm in 
Verbindung. Die Verbindung mit dem Ektoderm wie Entoderm ist 
hier ganz gleichmäßig scharf ausgeprägt, nur dass wir auf der ekto- 
dermalen Seite die Endphasen eines Abschnürungsprocesses, auf der 
entodermalen Seite eine beginnende Verschmelzung zweier Schichten 
vor uns haben. Nach dem Ektoderm zu ist das Lumen abgerundet, 
nach dem Entoderm hin zieht es sich etwas in die Länge. Im All- 
semeinen stellt sich die Darmanlage nunmehr als rundes, abge- 
schlossenes Bläschen dar, bis sie vollständig mit dem Entoderm ver- 
löthet. Fig. 81 auf Taf. XXXIV zeigt diesen Process in der Vollendung, 
die Darmanlage (d) erscheint uns nunmehr als eine reguläre Aus- 
stülpung des Entodermsackes, und doch ist ihre Bildung von ihm 
völlig unabhängig. Das Ektoderm zieht in kontinuirlicher Schicht 
darüber hinweg, bis auch hier auf bedeutend älteren Stadien ein 
sekundärer Durchbruch stattfindet, der zur Bildung des Afters führt. 

Wir haben also bei Limax maximus den ganzen Darm vom 
After bis zur Einmündung in den Magen als ektodermales Gebilde 
aufzufassen, ein gewiss sehr auffallendes Verhalten. Es versteht sich von 
selbst, dass bei der Beurtheilung obiger Vorgänge die Anlagen der um- 
liegenden Organe aufs genaueste mit berücksichtigt wurden, um jeden 
Irrthum auszuschließen. Dass die Stadien ihrem Alter nach in der an- 
gegebenen Reihenfolge sich an einander anschließen, kann man aus den 
Figuren selbst sofort an der Entwicklung der Kopfblase und Schalen- 
drüse erkennen. Von den in der Nähe sich anlegenden Organen 
können auf den fraglichen Stadien nur Schalendrüse und Urnieren 
in Betracht kommen. Für die Längsschnitte brauche ich nur die 
Urniere zu diskutiren, da die Schalendrüse ja stets auf dem Schnitte 
selbst zu sehen ist. Die Urniereneinstülpungen liegen ganz seitlich, 
sie können auf einem genauen Medianschnitte unmöglich getroffen 
werden und sind zudem stets zu .beiden Seiten auf den betreffenden 
Serien nachweisbar. Dasselbe gilt natürlich auf den Querschnitten 
für die Schalendrüse, die auf allen Serien scharf von der unmittel- 
bar darunter liegenden Darmanlage zu trennen ist. 

Die Deutung als einfache Ektodermfaltung, bedingt durch das 
übrigens auf diesem Stadium nur äußerst schwache Wachsthum des 
Fußes, ist ebenfalls ausgeschlossen. Einmal könnten allerhöchstens 
Schnitte, wie sie Fig. 75 und 76 darbieten, zu einer solchen Deutung 
verleiten, und dann lehrt ein näheres Studium der Serien, dass das 
Lumen auf diesen Stadien nicht etwa sich flach ausziehend verläuft, 


wie es bei einer bloßen Falte der Fall sein müsste, sondern dass 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIH. Bd. ee \ı) 


! 


606 Johannes Meisenheimer, 


sofort auf den nächsten Schnitten seitliche Wände es begrenzen, 
dass wir also eine regelrechte, tief eingesenkte Grube vor uns haben. 
Die tiefe Furche, wie sie bei bedeutend älteren Embryonen zwischen 
Fuß und Mantel auftritt (siehe Textfig. 9, 10), beschreibt auf den 
jüngeren Stadien nur eine flache Kurve (siehe Fig. 5 auf Taf. XXXII) 
und ist auf noch jüngeren Stadien überhaupt kaum ausgeprägt (vgl. 
Fig. 77, 79, 81 auf Taf. XXXIV). 

Nachdem wir nunmehr die Anlage des Darmtractus in seinen 
Hauptbestandtheilen kennen gelernt haben, wenden wir uns einer 
Sonderbetrachtung der Differenzirung der einzelnen Theile zu und 
beginnen mit dem Vorderdarme. | 

Das Verhältnis beider Keimblätter in Bezug auf ihre Betheiligung 
am Aufbau des Vorderdarmes ist bereits besprochen. Die dorsale, 
ektodermale Wandung der Mundhöhle beginnt sich in einer- eigen- 
thümlichen Weise umzubilden, indem sie in ihrer Mitte einen bis in 
den Ösophagus hinein verlaufenden, langgestreckten Wulst bildet. 
Am deutlichsten ist er auf Querschnitten zu erkennen (Taf. XXXIII, 
Fig. 60). Die mittleren Zellen dieses Wulstes, der nach vorn sich 
bis auf die Außenseite des Embryos fortsetzt, beginnen stark zu 
vacuolisiren und sind dicht mit feinen Cilien besetzt, deren Aufgabe 
es ist, das Eiweiß in die Mundhöhle und von da in den Ösophagus 
zu befördern. Dieser Wimperwulst erhält sich ziemlich lange und 
macht erst später einem regelmäßigen Epithel Platz. 

Dieser bewimperte Vorsprung längs der Dorsalwand der Mund- 
höhle ist für alle Stylommatophoren charakteristisch (FoL, F. 
SCHMIDT). Dass derselbe nichts mit einem rudimentären Velum zu 
thun hat, wie v. IHERING bei Helix annimmt, ist wohl sicher festge- 
stellt, zumal sich bereits bei den Wasserpulmonaten, also Formen 
mit deutlich erkennbarem Velum, ähnliche Bildungen zur Beförderung 
des Eiweißes in den Mund finden. So liest bei Planorbis (nach 
RABL) längs der Dorsalwand der Mundhöhle eine einfache, körnchen- 
reiche Zellenreihe, die mit dicken Flimmern besetzt ist, also sehr 
wohl mit dem fraglichen Wulste bei den Landpulmonaten in Parallele 
zu setzen ist. In ähnlicher Weise spricht FoL bei den Wasser- 
pulmonaten von drei, Cilienreihen, die vom Außenrande der Mund- 
höhle konvergirend dem Ösophagus nach innen zustreben. Auch bei 
den Pteropoden erwähnt derselbe Autor einen freilich sehr bald 
wieder schwindenden dorsalen Wulst im Ösophagus. 

Um nochmals auf das Velum zurückzukommen, so fehlt also 
bei Limax maximus jede Spur desselben, während bei Helix 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 607 


nach FoL sich noch ein letzter, ganz rudimentärer Rest erhalten haben 
soll. Es liest in der Höhe des Mundes und zieht als bewimperter 
Vorsprung vom Munde zur Schalendrüse. 

Ein zweites sich in der Mundhöhle anlegendes Dies ist die Ra- 
dulatasche. Die erste Andeutung derselben besteht in einer beträcht- 
lichen Verdiekung der hinteren Wand des Stomodäums (Taf. XXXIV, 
Fig. 63 rt). Diese Verdickung vertieft sich bald zu einer Einstülpung 
(Taf. XXXIV, Fig. 77 und 64), die unter Verengung ihres Lumens 
bedeutend nach innen wächst (Fig. 65). Als zweiter Bestandtheil 
treten an diese Einstülpung Mesodermzellen heran und lagern sich 
fest an. Sie sind bestimmt, die muskulösen Bestandtheile der Radula- 

tasche zu bilden und nehmen sehr schnell an Zahl zu, so dass sie 
eine mächtige Hülle um die ektodermale Tasche bilden (Taf. XXXIV, 
Fig. 64—68). Die Differenzirung der einzelnen Theile der Radula- 
tasche erfolgt durch einen etwas komplieirten Faltungsprocess. Den 
Verlauf dieser Faltungen stellen die Fig. 66—70 dar. Zunächst 
'wölbt sich die vordere Wandung stark in die Mundhöhle vor und 
bildet so die erste Anlage der Zunge (Z). Ihr späterer, stark mus- 
kulöser Bau tritt schon hier in Gestalt des mächtigen Mesoderm- 
haufens hervor, der sie vollständig erfüllt. Die hintere Wandung 
zeigt eine schwache Faltung (Fig. 68), die sich auf den Stadien der 
Fig. 69 und 70 stärker ausbildet und zur Trennung der Radula- 
scheide von einer darüber gelegenen Einfaltung, der Subösophageal- 
falte (soe), führt. Schließlich tritt vor und unter der Zunge noch 
eine letzte Faltung auf (Fig. 70), welche eine ventrale Tasche 
der Pharyngealhöhle darstellt, die sogenannte Sublingualfalte (s/f). 
Diese letzteren Taschen sind namentlich auf Frontalschnitten durch das 
_ ganze Organ deutlich zu erkennen (Taf. XXXIV, Fig. 71, 72). Fig. 71 
entspricht etwa dem Stadium von Fig. 69, der Schnitt führt von der 
Zungenscheide quer durch die Zunge schräg nach oben vorn und 
trifft so zuletzt die Mundhöhle mit dem dorsalen Wimperwulst und 
den noch schwach angedeuteten, seitlichen Sublingualfalten. Dagegen 
entspricht Fig. 72 dem Sagittalschnitte von Fig. 70. Alle Theile 
sind hier wie dort vollständig ausgebildet. Die Schnittrichtung ist 
ungefähr dieselbe wie in Fig. 71. Zu hinterst treffen wir die Zungen- 
scheide (zsch) mit der angeschnittenen dorsalen Wandung derselben, 
‚dann stoßen wir auf die innere Epithelbekleidung der Zunge, 
welche die Radula trägt, alsdann auf die muskulöse, innere Zellen- 
masse derselben, in der sich bereits eine histologische Diffe- 
renzirung bemerkbar macht, die wahrscheinlich zur Bildung des 

40* 


608 EB Johannes Meisenheimer, 


Zungenknorpels (2%) führt. Auf die muskulöse Masse folgt die äußere 
Epithelbekleidung der Zunge und schließlich die Mundhöhle mit den 
beiden tief eingesenkten Sublingualfalten (s/f) zu beiden Seiten und 
dem Wimperwulste in der dorsalen Wandung. 

Nachholen muss ich jetzt noch, um den Bau der Radulatasche 
zu vollenden, die Entwicklung der Radula selbst. Diese legt sich 
schon früh als feines, hellglänzendes Häutchen an, welches die ven- 
trale Wandung der Radulatasche bekleidet. An ihrer Ausscheidung 
nimmt sicher die ganze ventrale Wandung Theil, da von einer Spe- 
cialisirung einzelner Zellen auf den jüngsten Stadien noch nichts zu 
sehen ist. Sehr lange lässt dieselbe freilich nicht auf sich warten, 
in Fig. 67 auf Taf. XXXIV, welche ein immerhin noch recht 
junges Stadium darstellt, treten einzelne Zellen im Grunde der Radula- 
tasche durch ihren größer und heller gefärbten Kern gegen- 
über den anderen deutlich hervor (od). Ihre Zahl ist nicht ganz 
leicht zu bestimmen, doch sind es gleich im Anfange vier oder 
fünf. Auf den ‚jüngsten Stadien ist" mir ihre Differenzirung nur 
durch Konservirung mit Herman’scher Lösung und Färbung mit 
HEIDENHAIN’s Hämatoxylin gelungen. Auf den übrigen Figuren 
treten sie in Folge der schwachen Vergrößerung kaum hervor. Diese 
Odontoblasten übernehmen nun den weiteren Aufbau der Radula, den 
ich nicht im Einzelnen verfolgt habe, da dies eine Specialuntersuchung 
erforderte, die nicht im Rahmen dieser Arbeit liegt. 

Über die Bildung der Radula besitzen wir zudem bereits eine 
ganze Anzahl von Arbeiten, sowohl anatomischer wie entwieklungs- 
geschichtlicher Art. Entwicklungsgeschichtlich besonders untersucht ist 
die Radula von Paludina vivipara von J. BLocH. Derselbe fand 
ebenfalls, dass die erste chitinöse Anlage auf einer Ausscheidung der 
sesammten ventralen Zellenlage der Radulatasche beruht, und dass 
erst später die Exkretzellen sich auf den hinteren Theil der Radula- 
tasche koncentriren, von wo dann die weitere Ausbildung der Radula 
vor sich geht, zunächst durch eine Anlagerung von Substanz an 
die bereits vorhandene, und dann durch ein Vorwärtsschieben der 
sanzen Anlage, verbunden mit der Bildung der einzelnen Zähnchen. 
Betreffs des weiteren Aufbaus verweise ich ganz auf die Arbeit 
J. BLoc#H'’s, da ich, wie gesagt, diese Verhältnisse nicht näher unter- 
sucht habe. | 

Am erwachsenen Thiere ist die Bildung der Radula .schon viel 
früher untersucht worden. Auch hier kann ich nur kurz auf einige 
Arbeiten verweisen, wie diejenige von RÜCKER, der als einer der 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 609 


‘ Ersten die Odontoblasten als Bildungsstätte der Zähnchen und Basal- 
membran erkannte, und dann vor Allem auf die umfassende Arbeit 
von RÖSSLER, der seine Untersuchungen über verschiedene Mollusken- 
klassen ausdehnte und den Unterschied zwischen solchen mit nur 
wenigen, großen Odontoblasten (Pulmonaten, Opisthobranchier) und 
solehen mit sehr vielen schmalen Odontoblasten aufstellte (Proso- 
branchier, Placophoren, Heteropoden, Cephalopoden). 

Zum Schlusse dieses Abschnittes will ich noch bemerken, dass 
hinter der Radulatasche auf eine kurze Strecke hin im Ösophagus 
ähnlich vacuolisirte Zellen auftreten, wie sie der dorsale Wimper- 
wulst zeigt. Sie sind auf einzelnen Figuren angedeutet (Taf. XXXIV, 
Fig. 64, 65, 68). 

Die Bildung des Oberkiefers habe ich bis zu den von mir unter- 
suchten Stadien noch nicht beobachten können, GEGENBAUR beschreibt 
den Bildungsprocess desselben bei Limax agrestis als eine Ver- 
hornung von Cylinderzellen. Eben so spricht Leyvıe bei Paludina 
von einem Verhornungsprocess bei der Entstehung der selllinen 
Kiefer dieses Prosobranchiers. 

Als ein letztes Organ der Mundhöhle haben wir schließlich noch 
die Speicheldrüsen anzusehen, die ihre Entstehung jederseits aus 
einer Einstülpung der Mundhöhle oberhalb der Radulatasche nehmen 
(Taf. XXXIH, Fig. 61 spei). Sie senken sich schnell in die Tiefe 
und wachsen dem Ösophagus entlang nach hinten, der Mundmasse 
als einfaches Rohr eng anliegend (Taf. XXXII, Fig. 62). Durch 
Verästelung dieses einfachen Rohres nähern sie sich dann im Laufe 
der Entwicklung ihrem späteren, stark gelappten Bau. 

Aus der Mundhöhle gelangen wir durch den Ösophagus, der 
sich von seiner ursprünglichen, kurz gedrungenen Form zu einem 
langen, engen Schlauche ausgezogen hat (Taf. XXXIV, Fig. 64—66) 
und dieht unter dem Entoderm hinzieht, in den Eiweißsack. Wir 
hatten denselben Eingangs als den nepsinglichen Entodermsack ver- 
lassen und wenden uns jetzt seiner weiteren Differenzirung zu, die 
‘zur Bildung des Magens und der Leber führt. 

Zur Erläuterung der ersten Umwandlungsprocesse möge Fig. 5 
auf Taf. XXXII dienen, welche nicht etwa ein Kombinationsbild, son- 
dern einen einzigen, glücklich geführten Schnitt darstellt. Wir sehen, 
wie die Mundhöhle mit der Radulatasche durch den Ösophagus in 
den weiten mit Eiweiß erfüllten Entodermsack führt, der seinerseits 
durch eine enge Öffnung in den scharf abgesetzten, ektodermalen 
Mittel- und Enddarm übergeht. Uns interessirt jetzt. zunächst nur 


610 Johannes Meisenheimer, 


dieser mittlere, entodermale Theil. Oben wurde schon erwähnt, dass 
wir zwei Theile hieran scharf zu unterscheiden haben, die histologisch 
sehr different gebaut sind, einen hinteren, der aus normalem kubi- 
schen Epithel besteht, und einen vorderen, an Größe weit über- 
wiegenden, dessen Zellen vollkommen von Eiweißvacuolen erfüllt 
sind. Der hintere Theil beginnt sich nun durch eine rings ver- 
laufende Furche von dem vorderen abzusetzen, wobei ersterer sich 
zugleich nach hinten in die Länge zieht. Während dieses Verhalten 
in Fig. 5 auf Taf. XXXII noch wenig angedeutet ist, ist es auf dem 
etwas älteren Stadium von Textfig. 9 bereits scharf ausgeprägt, deut- 
lich ist ein hinterer Magenabschnitt, in den der Ösophagus mündet, 
von dem vorderen Eiweißsack zu unterscheiden. Die Einmündung 
des Darmes in den Magen ist hier nicht getroffen. 

Wenn ich eben vom Magenabschnitt sprach, so ist dies nur mit 
einer gewissen Beschränkung hinzunehmen, denn nur zum kleinsten 
Theile liefert dieser Abschnitt den wirklichen, späteren Magen, zum 
srößeren Theil nimmt auch 
er an der Bildung der Leber 
Theil. Auf Schnitten durch 
dieses Stadium trifft man den 
Magenabschnitt höchst eigen- 
thümlich gefaltet. Bei genaue- 
Ä ? rem Studium lassen sich diese 
un... SI ne Falten stets auf zwei Aus- 
R stülpungen des ursprünglichen 
2 Magenabschnittes zurückfüh- 

Textfigur 2. ren, nämlich auf eine rechts 
Frontalschnitt. Anlage der beiden Leberlappen. Die gelegene (rd), die sich etwas 


Kommunikationsstelle zwischen linkem Leberlappen (22) i 
und Eiweißsack bei a von einem wenig entfernten dorsalwärts verschiebt, und 


Schnitte a ee eine links & ele gene (7), die 

sich mit ihren vorderen Rän- 
dern direkt in den Eiweißsack fortsetzt (Textfig. 2). Wir haben also 
bis jetzt eine Sonderung in drei Theile vor uns, der mittlere bildet 
den Magen, der rechte den späteren rechten Leberlappen, der linke 
den linken hinteren Leberlappen. Den Zerfall des linken Lappens 
in zwei Theile, einen vorderen und hinteren, können wir entwick- 
lungsgeschichtlich auf zwei getrennte Anlagen zurückführen, in so 
fern der hintere Lappen eben aus dem ausgestülpten Magenepithel, 
der vordere aus dem umgewandelten Epithel des Eiweißsackes her- 
vorgeht. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 611 


Wir wollen nunmehr die Ausbildung dieser Verhältnisse an einer 
Reihe von Sagittalschnitten noch näher erläutern. Anfänglich ist es 
nieht leieht, die drei Abschnitte, um die es sich handelt, scharf aus 
einander zu halten, aber bereits in Textfig. 10 (p. 619) sehen wir deut- 
lieh die Ausstülpung des linken, hinteren Leberlappens (All), während 
der rechte überhaupt nicht getroffen ist, und der Eiweißsack noch 
in den Magenabschnitt mündet, in welchen, von unten kommend, auch 
der Ösophagus führt. Allmählich schiebt sich nun der linke Lappen 
immer weiter nach links, er nimmt die Kommunikationsstelle mit dem 
Eiweißsacke, die ursprünglich dem eigentlichen Magensacke ange- 
hörte, mit der allmählichen Trennung von demselben völlig in sich 
auf, diese Verbindungsstelle liegt also jetzt nicht mehr in der Median- 
ebene des Körpers, wie es ursprünglich der Fall war, sondern seit- 
lieh auf der linken Körperseite (Textfig. 11 und 2). Der rechte 
Leberlappen hat sich inzwischen ebenfalls nach links oben verscho- 
ben und kommt so dorsalwärts über den Magen zu liegen, wie wir 
in Textfig. 12 (r/) sehen, wo in den mittleren Magenabschnitt von 
oben der rechte, von unten der linke Leberlappen mündet, letzterer 
deutlich seine beiden Abschnitte erkennen lassend. Vielleicht können 
zum besseren Verständnis dieser sehr komplieirten Verhältnisse noch 
die Textfisg. 5—7 (p. 615) herangezogen werden, welche die oben ge- 
schilderten Vorgänge schematisch in toto erkennen lassen. Die bei- 
sefügten Bezeichnungen machen wohl eine nochmalige Erläuterung 
überflüssig. 

Also, um das Obige kurz zusammenzufassen, nicht allein die 
vacuolenreichen Zellen des Eiweißsackes bilden die Leber, wie bis- 
her meist behauptet wurde, sondern umfangreiche Theile des Magen- 
abschnittes werden mit zur Bildung derselben herangezogen. Und 
es ist in der That von vorn herein sehr unwahrscheinlich, dass die 
so außerordentlich stark umgewandelten Eiweißzellen sich wieder in 
das einfache, mit zunächst ganz mäßig großen Vacuolen erfüllte 
Epithel der Leber umwandeln sollten, zumal dieselbe im Körper der 
Schnecke bald einen so gewaltigen Umfang annimmt, wie wir sie 
beispielsweise in Textfig. 13 sehen. Dazu bedarf es eines’ noch 
wenig differenzirten, umbildungsfähigen Zellenmaterials, und dieses 
finden wir eben in dem ursprünglichen Magenabschnitt. Betreffs des 
histologischen Baues dieser einzelnen Theile möchte ich noch auf 
Fig. 35 auf Taf. XXXII hinweisen, wo wir Eiweißzellen (es), Magen- 
zellen (ma) und Leberzellen (rZ) neben einander sehen, die beiden 
letzteren besitzen noch vollkommen übereinstimmenden Bau. 


612 Johannes Meisenheimer, 


Die doppelte Einmündungsstelle der Leber erhält sich noch bis 
auf späte Stadien, allmählich rücken sie an einander, aber selbst im 
erwachsenen Thiere sind die einzelnen Lappen bis dieht an ihre 
Mündung von einander geschieden, wobei freilich die beiden linken 
Lappen stets enger zusammenhängen, wie sie ja auch schon früh 
gemeinsam einmünden. | 

Die Funktion der Leber ist um diese Zeit noch genau dieselbe 
wie diejenige des Eiweißsackes, der allmählich ganz in sie über- 
seht, d. h. sie verarbeitet das Eiweiß, welches ihr ganzes Lumen 
erfüllt. Demgemäß ist auch der Bau ihrer Zellen noch genau der- 
selbe, wie der früheren Eiweißzellen, nur ist die Vaeuolenbildung 
nicht so extrem entwickelt. Man könnte sagen, dass die ganze Leber 
auf diesem Embryonalstadium in allen ihren Theilen noch als selbst- 
thätig verdauendes Organ funktionirt, während der eigentliche Magen 
nur einen verhältnismäßig geringen Raum einnimmt. 

Auf die Umwandlungen, welche die Leberzellen nach dem Aus- 
schlüpfen des Embryos eingehen, um zu ihrem definitiven Bau sich 
herauszubilden, kann ich hier noch nicht eingehen, ich muss die 
-Sehilderung dieser Processe ebenfalls dem dritten Theile vorbehalten. 

Die Besprechung der Litteratur über diesen Abschnitt will ich » 
hier gleich einschieben, damit die Vergleichspunkte noch völlig gegen- 
wärtig sind. Ziemlich übereinstimmend wird angegeben, dass Magen 
und Leber sich aus dem ursprünglichen Entodermsack entwickeln, 
derart, dass aus einem vorderen, vacuolisirten Theile sich die Leber, 
aus einem hinteren, mit einfachem Epithel ausgekleideten der Magen 
bildet. Beide scheiden sich durch eine Verengung, die zwischen 
ihnen auftritt, die Leberlappen bilden sich durch Theilung des vor- 
deren Sackes und erleiden dann Verschiebungen, welche das Auf- 
treten der Windung des Körpers mit sich bringt. So wird die Ent- 
wieklung angegeben von FoL, JOURDAm und Anderen bei den 


Pulmonaten, von RAsL bei Planorbis, bei Paludina und By- 


thinia von BüÜrTscHLI und v. ERLANGER, etc. 

Uns interessirt hier speciell die Leberbildung. Meist wird eine 
direkte Umwandlung des Eiweißsackes in dieselbe angegeben, aber 
doch sind auch einige entgegenstehende Beobachtungen vorhanden. 
So entspricht sicherlich die »glande hepatique annexe«, welche 
JOURDAIN für Limax beschreibt, und die einen besonderen Ausführ- 
gang hat, dem rechten Leberlappen von Limax maximus. Weiter 
spricht WoLrsox bei Limnaeus direkt von einer Entstehung der 
Leber aus zwei kleinen Blindsäcken des Magens, der Eiweißsack 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. ; 613 


hat nichts mit ihrer Bildung zu thun, er wird resorbirt. Genau’die- 
selben Beobachtungen finden wir für dasselbe Onyeh bei Ray Lan- 
KESTER. 

Auch bei den Pteropoden (Cavolinia, Hyalaea) geht nach FoL 
die Leber durchaus nicht etwa aus dem Eiweißsack hervor, sondern 
dieser verschwindet in vielen Fällen nahezu vollständig und aus Aus- 
stülpungen des Magenepithels gehen zur Zeit der Metamorphose be- 
sondere Lebersäcke hervor. Bei den Heteropoden dagegen nimmt 
nach demselben Autor der Eiweißsack wieder vollen Antheil an der 
Leberbildung. 

Theile des Magens scheinen auch bei Bythinia nach v. ERr- 
LANGER an der Bildung der Leber Theil zu nehmen, der eigentliche 
Eiweißsack bildet nur den vorderen Lappen, der hintere Lappen 
'steht in engerer Beziehung zum Magen, er geht aus einer gemein- 
samen Anlage mit ihm hervor. Der vordere zerfällt alsdann in zwei 
Lappen, so dass hierdurch die Dreilappigkeit ebenfalls erreicht ist. 
Die sogenannten Dotterzellen Ragr’s, die derselbe bei Bythinia als 
dritten histologischen Bestandtheil des Entodermsackes bezeichnet, 
hängen jedenfalls mit der Anlage des hinteren Lappens zusammen. 
Weiter erwähnt For bei den Basommatophoren, dass sich an der 
Mündung der Leber in den Magen Epithelgewebe von hier nach 
innen schiebe, um die Lebergänge zu bilden. 

Sehr stark abgeändert erscheinen die Verhältnisse der Darm- 
und Leberbildung bei einzelnen Prosobranchiern mit extrem ent- 
wickeltem Dotterreichthum, wie sie BOBRETZKY bei Fusus und 
Nassa beschreibt. Die Entwicklung der Opisthobranchier scheint 
mir auch in diesem Punkte noch lange nicht genügend aufgeklärt 
zu sein, Ursprung und Schicksal der hier auftretenden, verschieden 
gefärbten Darmdivertikel. bedürfen zu einer sicheren Beurtheilung 
nothwendig erneuter Untersuchungen. 

Um noch einige weiter entfernte Molluskengruppen heranzuziehen, 
so entsteht die Leber bei den Lamellibranchiaten ganz allgemein 
als Darmdivertikel, und eben so liegen wahrscheinlich die Verhält- 
nisse bei Chiton nach KowALEvsKY. 

Fassen wir das Obige kurz zusammen, so müssen wir als Aus- 
gangspunkt der Leberentwicklung eine Divertikelbildung der Magen- 
wandung annehmen, die dann durch das Auftreten des Eiweißsackes 
Modifikationen derart erlitten hat, dass der Eiweißsack zwar mehr 
oder weniger thätigen Antheil an de Leberbildung nimmt, dass aber 
die Grundzüge der Divertikelanlagen in der Regel noch zu erkennen 


614 Johannes Meisenheimer, 


sind, und wohl nur in seltenen Fällen, wenn überhaupt, ganz unter- 
drückt werden!. | 

Es erübrigt uns nun noch, den dritten und letzten Haupttheil 
des Darmtraetus zu betrachten, den Mittel- und Enddarm. Wir 
verließen denselben auf einem Stadium, wo er als einfacher Schlauch 
nahezu in der Medianebene des Körpers vom Magen zur Körperwand 
zog. Die ganze weitere Ausbildung besteht nur in der Anlage der 
Limax maximus auszeichnenden Darmwindungen. Ich habe versucht, 
die successive Entwicklung derselben an einer Reihe von schemati- 
schen Figuren, die theils nach Totalpräparaten entworfen wurden, 
theils auf Kombination von Schnittserien beruhen, darzustellen. Die 
erste Änderung des geraden Verlaufes macht sich in einer schwachen 
Biegung nahe der Einmündung in den Magen bemerkbar (Textfig. 3 @), 
sie wird alsbald sehr stark und führt zu einer deutlichen Schlinge 
(Textfig. 4). Wir können diese Schlinge uns auf folgende Weise er- 
klären. Die beiden Endpunkte des Darmes liegen einmal in der 
Einmündungsstelle in den Magen und dann in der Verlöthung mit 
dem Ektoderm. Von diesen ist nun der letztere fixirt, der erstere 
aber beweglich, und naturgemäß wird sich bei dem thatsächlich 
stattfindenden Wachsthum des Magens nach hinten hier eine Schlinge 
bilden müssen, zumal der Darm selbst während dieser Verengung 
seines Raumes an Größe zunimmt. 

Zugleich mit dieser ersten Schlingenbildung vollzieht sich aber 
noch eine zweite Lageverschiebung des Darmkanals. Wir haben 
oben bereits gesehen, wie die Öffnung der Mantelhöhle eine Ver- 
schiebung von der Hinterseite nach rechts um 90° durchmacht, und 
dieser muss der Enddarm, der an ihrem Ausgange einmündet, folgen. 
Das Resultat dieses Vorganges sehen wir in Textfig. 4 und 5. Auf 
die Verhältnisse der Leberlappen in diesen Figuren habe ich oben 
bereits hingewiesen. 

Einen wichtigen Fortschritt in der Schlingenbildung zeigt Text- 
figur 5. Der bisher in einer flachen Kurve nach außen verlaufende 


ı Zu einem ganz ähnlichen Resultate gelangte auch M. H. FiscHer, ein- 
mal durch seine Untersuchungen an Nudibranchiern, wo er ebenfalls ein 
paar Entodermdivertikel als Leberanlage nachwies, und dann durch seine Beob- 
achtungen an Paludina. Nach ihm ist die auch von anderen Forschern be- 
schriebene Umwandlung des Eiweißsackes in die Leber als ein Ausstülpungs- 
process aufzufassen, der zur Bildung eines größeren linken, und kleineren 
rechten Abschnittes führt, die dann durch die Aufwindung bestimmte Ver- 
schiebungen erleiden. Der kleinere, ursprünglich rechte, geht bald zu Grunde, 
der größere allein bildet die Leber. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 615 


Theil zeigt die Andeutung zweier neuen Schlingenbildungen, zunächst 
eine unmittelbar über dem rechten Leberlappen (2 und 3). Ihr nach 


Textfigur 5. 


der linken Seite hin gerichtetes Wachsthum führt 
bald zu einer scharf ausgeprägten Doppelschlinge, 
die sich über die zuerst beschriebene hinwegschiebt 
(Textfig. 6, 2und 3). Wir können diese neue Falten- 


bildung sehr wohl mit der oben be- 
schriebenen Verschiebung des rechten 
Leberlappens nach links in Zusam- 
menhang bringen. Auf entsprechen- 
den Sagittalschnitten erkennen wir, 
wie diese Darmschlingen sich der 
Leber dicht anlegen (Textfig. 12 d, 
und d;), ja tief in sie einsenken 
(Textfig. 13 d, und d,), und demgemäß 


Textfig.3—8. Schematische Darstellung der Schlingen- 

bildung des Darmes, von der Dorsalseite gesehen. 

Fig.7 und 8 sind Kopien nach Sınmroru. Das Nähere 

siehe im Texte. Erklärung der Bezeichnungen siehe 

am Schlusse p. 659. Dazu kommen: Ail, hinterer lin- 

ker Leberlappen; 11, linker Leberlappen; »I/, vorderer 
linker Leberlappen. 


Textfigur 6. 


Textfigur 7. Textfigur 8. 


616 | Johannes Meisenheimer, 


müssen beide Organkomplexe sich in ihren Lageveränderungen be- 
einflussen, die sich nach links schiebende Leber zieht die Darmschlinge 
mit sich. Auf Textfig. 6 ist der rechte Leberlappen der Klarheit des 
Bildes halber weggelassen, er liegt jetzt genau über dem Magen unter 
den beiden Darmschlingen 2 und 3. 

Schließlich ist in Textfig. 5 noch eine letzte Faltung (Z und 5) 
angedeutet, die, wie namentlich das folgende Stadium (Textfig. 6) 
zeigt, scharf nach hinten gerichtet ist und mit der Verlagerung des 
ganzen Organkomplexes in den Fuß sich weit nach hinten auszieht. 
Sie zeigt keine Beziehung zur Leber, sondern zieht als sogenannte 
Rectalschlinge frei von derselben an der Rückenwand hin, um schließ- 
lich am Rande der Mantelhöhle durch den After nach außen zu 
führen. 

Dieses letztere Stadium schließt sich direkt an zwei ältere an, 
die ich Sımrorm’s »Versuch einer Naturgeschichte deutscher Nackt- 
schnecken« entnehme, Textfig. 7 ein jüngeres, Textfig. 8 ein erwach- 
senes Thier von Limax maximus darstellend. Die Beziehungen der 
Jüngeren Stadien zu diesen älteren sind sofort in die Augen springend, 
es ist unnöthig, dieselben noch lange zu erörtern. 

Aber einen anderen Punkt möchte ich hier noch hervorheben, 
er betrifft die Benennung der einzelnen Schlingen. In SIMRoTH’s 
eben erwähnter Abhandlung finde ich die Schlingen vom Magen an- 
fangend mit 7/ bis 6 bezeichnet. Mit Rücksicht auf die total ver- 
schiedene Herkunft möchte ich den entodermalen Abschnitt nicht 
als Darmschlinge bezeichnen, sondern nur die, welche aus dem 
Ektoderm sich ableiten. Diese verdienen allein mit Recht den Namen 
von Darmschlingen. Ich zähle also an der ersten Schlinge nach dem 
Magen mit 7 beginnend und mit dem eigentlichen Enddarm als 5 
endend. Meine Schlingen 7 bis 5 entsprechen also den bisherigen 
Zahlen 2 bis 6. 

Ich will an dieser Stelle die Litteratur sowohl betreffs Bildung 
wie Weiterentwicklung von Mittel- und Enddarm einschieben, indem 
ich hierbei auf meine Schilderung betreffs der „unieiehuoz dieses 
Darmtheiles zurückverweisen muss. 

Im Allgemeinen wird der Darm als Ausstülpung des Entoderm- 
sackes in Anspruch genommen, die mit dem Ektoderm verschmilzt 
und unter Bildung des Afters nach außen durchbricht. Höchstens 
wird, wie von KOwALEvsky bei Chiton, von Wourson bei Lim- 
naeus, von v. IHERING bei Helix und von JOURDAIN bei Limax, 
eine schwache Ektodermeinsenkung als Proctodäum aufgefasst. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. I. - 617 


Eine älteste Angabe über eine rein ektodermale Entstehung des 
Enddarmes finden wir bei LEREBOULLET von Limnaeus. Es! ist 
aber keine Frage, dass dieser Forscher die Schalendrüse mit der 
Darmbildung verwechselt hat, nicht nur seine Figuren zeigen dies 
auf den ersten Blick, es geht auch aus seiner Beschreibung, nament- 
lieh aus der Schilderung des Entstehens des Mantels hervor. Eine 
zweite Angabe über einen ektodermalen Enddarm findet sieh von 
Purpura lapillus bei SELENkA. Leider lassen die beiden hierher 
gehörigen Figuren Zweifel darüber bestehen, ob die in der ersten 
Figur mit ax bezeichnete Einstülpung wirklich dem späteren Enddarm 
entspricht, und nicht etwa der Schalendrüseneinstülpung, zumal die 
"nächste Figur die Schale schon wohl entwickelt zeigt. | 

Eine etwas sicherere Grundlage besitzen die Beobachtungen RAy 
LANKESTER’s an Limnaeus. Hier entsteht an der Stelle des ge- 
schlossenen Blastoporus eine Ektodermeinstülpung (pediele of invagi- 
nation), die nach innen wächst und als Enddarm mit dem Eiweiß- 
sack verschmilzt. Der After bricht erst später durch, Zwar muss 
ich RABL Recht geben, wenn er die Figuren und Beschreibung RAY 
LANKESTER’sS etwas unklar findet, an einer Stelle aber (in der Sum- 
mary) drückt er sich klarer aus mit den Worten: »From behind 
now over-against the mouth — a new in-sinking is formed, anus 
and rectum, which grows up against the primitive alimentary cavity, 
and finally unites with it.«< Man sieht, dieser Satz ließe sich in 
derselben Fassung für Limax maximus anwenden. Die Schalen- 
drüse kann Ray LANKESTER unmöglich hiermit verwechselt haben, 
da er ihre Bildung und Gegenwart stets berücksichtigt. Bei Pleuro- 
branchidium dagegen ist seine Darstellung direkt unklar, auch 
vermag er nicht scharf den Ursprung und das gegenseitige Verhältnis 
seiner Zellhaufen z und pme auf Plate VII anzugeben. Jedenfalls 
aber scheint mir die RaBL’sche Darmplatte bei Planorbis durchaus 
keinen Gegenbeweis gegen RAY LANKESTER zu bieten, da die Beob- 
achtung sehr leicht durch schiefe Schnittrichtung auf Täuschungen 
geführt werden kann, wie oben bereits ausgeführt. Solche Bilder, 
wie sie RaBL als Darmplatte von Planorbis giebt, habe ich bei 
Limax maximus ebenfalls aufzuweisen, muss sie aber stets für 
schief durch die Anlage geführte Schnitte erklären. 

Eine direkte Entstehung des Enddarmes aus dem Ektoderm wird 
aber für Limax maximus bestimmt bereits ausgesprochen von A. 
P. Hewcuwman. Er soll durch Wucherung entstehen, sich als Bläs- 
chen abschnüren und dann wieder mit dem Ektoderm verschmelzen. 


618 Johannes Meisenheimer, 


Wie wir gesehen haben, ist dies nur zum Theil richtig, da eine re- 
suläre Einstülpung vorhanden ist, die freilich nur schwer mit voller 
Klarheit darzulegen ist. 

Schließlich muss ich hier noch die Angaben P. Sarasın’s über 
die Entstehung des Darmes bei Bythinia besprechen. Sie stehen 
mit den Angaben v. ERLANGER’s in direktem Gegensatze, in so fern 
SARASIN den gesammten Darm aus dem Ektoderm ableitet. Für den 
Vorderdarm ist dies ja nicht auffallend, für die Bildung von Magen 
und Leber erscheint mir seine Darstellung nicht überzeugend genug, 
so dass ich hier v. ERLAnGEr’s klareren Bildern den Vorzug geben 
muss, betreffs des Enddarmes aber scheinen manche Punkte in seiner 
Schilderung sehr wohl für eine ektodermale Entstehung auch hier 
bei Bythinia zu sprechen. Jedenfalls ist in diesem Punkte die 
Frage noch nicht endgültig erledigt. | 

Vielleicht ist die ektodermale Herkunft dieses Darmabschnittes 
überhaupt allgemeiner verbreitet, da etwas zu alte Stadien, in Folge 
der Abschnürung vom Ektoderm und Verbindung mit dem Entoderm 


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29 
Textfigur 9. 
Textfig. 9—13. Darstellung der Verschiebung der Eingeweide aus dem Rückenschilde in den Fuß. Mit 
Zeichenprisma entworfene Sagittalschnitte; Textfig. 9—11 mit IT A, 12 und 13 mit IA. Erklärung der 
Bezeichnungen siehe am Schlusse p. 659. Dazu kommen die Bezeichnungen von Textfig. 2—8 und 
außerdem: cc, Cerebralkommissur; sh, Schalenhäutchen. Alles Weitere siehe im Texte. 


sehr leicht zu Irrthümern führen können. Solche Stadien werden 
fast stets als jüngste bezeichnet, aber der sichere Beweis, dass sie. 
es wirklich sind, erscheint mir in vielen Fällen noch nicht erbracht 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 619 


zu sein. Mit am überzeugendsten ist der entodermale Ursprung des 
Darmes in neuester Zeit von ConkLIn für Crepidula nachge- 
wiesen worden, und dann natürlich für Paludina, wo der After 
direkt aus dem geschlossenen und sich wieder öffnenden Blastoporus 


Textfigur 10. 


nt 
vn : > 


19 oe gped. mm _spei 


Textfigur 11 (Erklärung nebenstehend). 


ce 


hervorgeht. Wie diese mit den meinigen Resultaten in direktestem 

Widerspruch stehenden Beobachtungen zu vereinigen sind, darüber 

ist zur Zeit noch kaum ein Anhaltspunkt zu gewinnen. 
Schließlich bleibt uns hier beim Darmtractus noch ein letzter 


620 Johannes Meisenheimer, 


Punkt zu betrachten übrig, und dieser betrifft Verschiebungen des 
sanzen Organkomplexes in seiner Gesammtheit. Wir nehmen zur 
Erläuterung dieser Verhältnisse wiederum unsere fünf Sagittalschnitte 
von verschiedenen Altersstufen vor. Bekanntlich liegen bei den 


2 4 ped. = 


LER 


All ma a1 Be g.ped vu 
Textfigur 13 (Erklärung p. 618). 


Nacktschnecken im erwachsenen Zustande sämmtliche Organe im 
Fuß. Sehen wir uns auf diesen Punkt hin die Textfigg. 9 und 10 
an, so bemerken wir, wie der Fuß noch vollkommen frei von Or- 
ganen ist. In seiner dorsalen Hälfte liegt weiter nichts als ein 
großer Lymphraum und in der ventralen ein Blutgefäß nebst Pedal- 
ganglion und Fußdrüse, die sich als eine einfache Einsenkung des 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. _ 621 


Ektoderms an der Grenze zwischen Mund und'Fuß tief in den Körper 
einschiebt!. Dagegen liegen alle Theile des Darmtractus, sowie die 
hier nicht getroffenen Herz- und Nierenanlagen vollständig außerhalb 
des Fußes unterhalb der Schalendrüse in einem ausgeprägten Ein- 
seweidesack. Ganz allmählich verschiebt sich nun der Organkomplex 
in den Fuß hinein, der linke, hintere Leberlappen (All) voran (Text- 
figur 11), worauf dann die ganze Leber mit Magen und Darm folgen 
(Textfig. 12), und endlich auch Herz und Niere sich anschließen 
(Textfig. 13). Letztere Figur zeigt uns bereits vollständig die Lagen- 
verhältnisse der erwachsenen Schnecke. Der Mantel hat sich zu 
dem flachen Schild umgewandelt, in ihm liegt die Schalendrüse, 
darunter folst dann Niere und Herz und schließlich den ganzen 
Fuß erfüllend Darm und Leber. Im vorderen Theile liegen Osopha- 
sus und Mundmasse nebst dem Ganglienkomplex, in der Nacken- 
segend besitzt die Kopfblase noch einen ziemlichen Umfang, um 
schließlich ebenfalls ganz in den Fuß als Leberlappen aufgenommen 
zu werden. | 

Angaben über diese Verlagerungen und zugleich über die Schlingen- 
bildung finde ich bei FoL, doch sind seine Beobachtungen in diesem 
Punkte nicht ganz der Wirklichkeit entsprechend, da er die Leber 
allein aus dem Eiweißsack ableitet, und seine Annahme einer Tor- 
sion des Magens und Nährsackes bei der Verlagerung in den Fuß 
sich als unbegründet erweist. 

Diese Umlagerungen, die aufs klarste entwicklungsgeschichtlich 
die Abstammung der Nacktschnecken von aufgewundenen Formen dar- 
thun, lassen sich auch vergleichend anatomisch nachweisen. Ich ent- 
nehme eine solche Serie von Formen Lang’s » Lehrbuch der vergleichen- 
den Anatomie<. Helix zeigt uns eine typisch aufgewundene Form, bei 
Vitrina vermag die Schale bereits nicht mehr das ganze Thier 
aufzunehmen, bei Daudebardia ist dies noch stärker ausgeprägt, 
der Eingeweidesack beginnt zu verstreichen und wird in die Rücken- 
seite des Fußes aufgenommen, bei Testacella endlich sind alle 


1 Ich habe die Entwicklung der Fußdrüse bis jetzt noch nicht weiter verfolgt, 
da sich die Hauptveränderungen erst gegen Ende der Larvenperiode und am 
ausgeschlüpften Thiere vollziehen. Ich hoffe, im dritten Theile auch über 
dieses Organ Weiteres berichten zu können. Bis zu den von mir genau unter- 
suchten Stadien fand ich bei älteren Larven bereits eine starke Verdiekung 
des ventralen Theiles der ganzen Drüse. Näheres über ihre Entwicklung bei 
Arion findet sich übrigens in einer neueren Arbeit von Anpr£. Auch BRock 
bringt einige Mittheilungen über Bau und Entwicklung derselben bei Agrio- 
limax. | 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 41 


622 Johannes Meisenheimer, 


Eingeweide in den Fußrücken verlagert und eben so ist es mit Limax 
und Arion. Nur liegt bei ersterer der rudimentäre Mantel am Hinter- 
ende des Körpers, bei letzteren am Vorderende, hinter dem Kopfe. 


6. Gemeinsame Anlage von Herz und Niere. 


Wenn ich jetzt an die Entwicklung von Herz und Niere herangehe, 
so geschieht dies mit einer gewissen Bangigkeit, da ich mir wohl 
bewusst bin, dass sich meine Beobachtungen nur schwer mit unseren 
bisherigen Anschauungen vereinbaren lassen werden. Aber ich kann 
versichern, dass diese Beobachtungen auf sorgsamst geprüfter Grund- 
lage beruhen, dass sie meine festeste Überzeugung bilden. Ich habe 
allein zu dem einen Punkt der ersten Entstehung dieser Anlage 
einige hundert Embryonen konservirt und geschnitten, nachdem ich 
im Laufe des vorhergehenden Jahres bereits aufs schärfste das Alter 
dieses Stadiums fixirt hatte. Bei der Behandlung der Schnitte bin 
ich mit unseren best ausgebildetsten Methoden vorgegangen, zur Fär- 
bung habe ich auf diesen Stadien nur die HEIDENHAIN’sche Eisen- 
hämatoxylinmethode angewandt und dadurch Serien erhalten, die 
bequem die stärkste Immersion aushielten. Als Konservirungsmittel 
habe ich die auch hier sich vorzüglich bewährende Heruan’sche 
Lösung benutzt. 

Wir wollen bei unserer Betrachtung von einem etwas älteren 
Stadium ausgehen. In einem gewissen Alter der Larve, etwa am 
8. Tage!, tritt in der rechten Hälfte des Embryos, in geringer Ent- 
fernung vom Enddarme und etwas unterhalb der Schalendrüse ein 
kleiner Zellenhaufen auf, der dicht dem Ektoderm aufliest und sich 
auf den ersten Blick scharf durch eine kompakte Begrenzung von 
den rings umher liegenden Mesodermzellen unterscheidet. Dieser 
Zellenhaufen stellt die erste Herz-Nierenanlage dar. Ich gebe zur 
genauen Orientirung seiner Lage im Embryo zwei auf einander senk- 
rechte Schnitte in den Textfigg. 14 und 15. Erstere stellt einen 
Sagittalschnitt dar, geführt durch die rechte Körperhälfte des Em- 


! Ich will hier bemerken, dass diese wie die früheren Altersangaben nur 
als ungefähre Anhaltspunkte aufgefasst werden dürfen, da recht bedeutende 
Schwankungen in dem zeitlichen Verlaufe der Entwicklung auftreten können. 
Im Spätsommer 1595, als ich mein erstes Material sammelte, ging die Entwick- 
lung in Folge der damals herrschenden abnorm hohen Temperatur um einige 
Tage schneller vor sich als im folgenden Jahre, und am langsamsten entwickel- 
ten sich die Embryonen im vergangenen Jahre, da hier in die Hauptlegezeit 
(Ende August) gerade eine Anzahl rauher Tage fiel. Ich bitte also, obige Zeit- 
angabe mit dieser Beschränkung, d. h. als Mittel aufzunehmen. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L.II. 623 


bryos, etwas der Medianebene genähert, entsprechend der Linie ed 
auf Textfig. 15. Letztere dagegen stellt einen auf Textfig. 14 
senkrechten Frontalschnitt dar, und zwar in der’ Höhe des End- 
darmes, unterhalb der Schalendrüse, entsprechend der Linie a/b 
we Pextfie. 14. Ich Ä 
hoffe, dass wir jetzt 
über die Lage dieses 
Punktes genau unter- 
richtet sind, man wird 
sich nach meiner bishe- 
rigen Schilderung der 
Organanlagenleichtauf 
beiden Schnitten zu- 
rechtfinden können. 
Lassen wir das 
spätere Schicksal die- 
ses Zellenhaufens zu- 
nächst bei Seite und s 
fragen wir uns nach ee 
seiner Herkunft.- Zwei Sagittalschnitt zur Veranschaulichung der Lage der Wucherungszone, 
Möglichkeiten sind hier *" voske die Her Mierennlag herorgeit, here In Te 
vorhanden, entweder er 
entsteht aus einer Zusam- 
_ menballung der umliegen- 
den Mesodermzellen, oder 
aber durch Auswanderung 
aus dem Ektoderm. Hier- 
bei ist zu bemerken, dass 
die erstere Art der Ent- 
stehung eigentlich mehr Texthieur 15. 


auf Grund negativer Be- Frontalschnitt zur Erläuterung derselben Verhältnisse, senk- 
fu B recht zu Textfig. 14. Das Nähere 'siehe ebenfalls im Texte. 
nde : bewiesen werden 


Bezeichnungen wie vorher. 

kann als dürch positive. 

Denn nehmen wir an, wir finden einige wenige Zellen im Mesoderm 
etwas zusammengeballt liegen, die eventuell die erste Anlage dieses 
Haufens sein könnten, so dürfen wir sie nur dann vom Mesoderm 
ableiten, wenn irgend ein Zusammenhang mit dem äußeren Blatt 
unter keinen Umständen nachweisbar ist. Die zweite Entstehungsart 
dagegen aus dem Ektoderm muss durch direkte Beobachtung dar- 
getkan werden. Allerdings sind diese Processe, die auf Wucherungen 

41* 


624 Johannes Meisenheimer, 


beruhen, ungleich schwieriger zu verfolgen, als Anlagen, die aus Ein- 
stülpungen und Faltungen hervorgehen, aber diese von Mesenchym 
erfüllten Formen neigen immer wieder zu dieser eigenthümlichen 
Entwicklungsweise hin. Wir fanden dies bereits bei der Otolithen- 
blase und beim Nervensystem, welch letzteres eben aus diesem Grunde 
bis in die neuere Zeit als mesodermal gegolten hat, wir finden es 
hier bei der Herz-Nierenanlage wieder. 

Kehren wir also zu unserem Zellenhaufen zurück, von dem ich 
vorausgreifend gleich angeben will, dass er sich in der That durch 
Auswanderung von Ektodermzellen bildet. Ich gebe zu seiner Ent- 
wicklung eine sorgfältigst ausgewählte Serie von Schnitten in den 
Figg. S2—90 auf Taf. XXXV, die unter Benutzung der Zeıss’schen 
apochromatischen Ölimmersion und Ocular II entworfen wurden. Der 
dargestellte Abschnitt des Schnittes passt stets genau in Textfig. 14 
hinein, entsprechend der dort dunkel gehaltenen Partie, Schalen- 
drüse, Eiweißsack wie Fuß sind also in der dort angegebenen Weise 
auf den einzelnen Schnitten zu ergänzen. Jeder Schnitt ist natürlich 
einer besonderen Serie entnommen. 

Als erstes Zeichen der Auswanderung macht sich an der Wuche- 
ungsstelle eine Verdickung des Epithels bemerkbar, verbunden mit 
einem sofortigen Austritt einzelner Zellen (Fig. 82 wen). Die austreten- 
den Zellen wandern nicht von der Wucherungsstelle weg, sondern bleiben 
dicht daran liegen, sie lagern sich an der Seite derselben an, indem 
sie von den nachdrängenden, auswandernden Zellen ein wenig nach 
vorn und unten gedrängt werden, wie wir zunächst auf zwei jünge- 
ren Stadien in den Fig. 83 und 84 sehen. Wie mächtig diese 
Wucherungszone werden kann, das zeigt uns Fig. 85, wo außerdem 
eine Anzahl ausgewanderter Zellen auf dem nächstfolgenden Schnitte 
dieser Serie liegen .würde. In voller Stärke zeigt uns weiter noch 
die Auswanderung Fig. S6, welche Figur eben so wie die folgenden 
auch recht deutlich die kurze Verschiebung des Haufens erkennen 
lässt, aber stets bleibt derselbe dicht dem Ektoderm anliegen. Ein 
Nachlassen der Auswanderung tritt in Fig. 87 auf, das Ektoderm 
zeigt an der Auswanderungsstelle gleichsam einen Defekt, die Zahl 
seiner Zellen hat sich hier durch den starken Verlust erschöpft und 
bedarf wieder der Ergänzung. Diese stellt sich auch alsbald in Ge- 
stalt zahlreicher Theilungsfiguren ein, die wieder neues Zellenmate- 
vial liefern. Wir sehen solche Theilungen in Fig. 87, 89 und 90, 
ihr Auftreten an dieser Stelle ist für dieses Stadium charakteristisch. 
Die letzten Endphasen des ganzen Processes stellen die Figg. 88s—90 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. - 625 


dar, sie äußern sich im Austreten einzelner Zellen, gleichsam von 
Nachzüglern, die sich den nunmehr bereits scharf begrenzten und 
kompakten, stets seinem Mutterboden, dem Ektoderm, fest anliegen- 
den Zellenhaufen zugesellen. Wir sind somit mit der Bildung dieses 
Haufens auf unseren Ausgangspunkt zurückgekommen, wir kennen 
jetzt genau die einzelnen Phasen seiner Entstehung. 

Aber nochmals muss ich die Schilderung der weiteren Entwick- 
lung etwas hinausschieben, um noch einige Punkte, welche die Ent- 
stehung dieser ersten Anlage betreffen, zu diskutiren. Zunächst muss 
ich hervorheben, dass die Schnitte aufs sorgfältigste darauf hin ge- 
prüft sind, dass nicht etwa Flachschnitte des Ektoderms vorliegen, 
die eine Auswanderung vortäuschen könnten, rings um die ganze 
Anlage bewahrt das Ektoderm seinen einschichtigen Bau. Weiter 
besitzt der Zellenhaufen auf dem letztbeschriebenen Stadium, nament- 
lich wenn wir noch das an Fig. 90 sich direkt anschließende Stadium 
von Fig. 91 hinzunehmen, bereits eine solche Größe, dass eine etwaige 
Verwechslung mit anderen Organanlagen vollständig ausgeschlossen 
ist. Aber wie steht es mit den früheren Stadien? So überzeugend 
auch die oben gegebene Serie erscheinen mag, lassen sich nicht 
vielleieht doch noch Einwände gegen dieselbe erheben? Ich muss 
diese Frage bejahen, ich habe diese Einwände mir selbst gestellt 
und habe sie widerlegt. Es handelt sich darum, ob nicht etwa 
andere Organe in der Nähe sich gleichzeitig und auf ähnliche Weise 
anlegen. Gewiss ist dies der Fall, die Anlage der Ganglien bildet 
den erhobenen Einwurf. Hier in der hinteren Körperhälfte des Em- 
bryos entstehen hinter einander Visceral-, Pleural- und Abdominal- 
ganglien. Vor Allem kommen hier die am frühesten sich anlegen- 
den Visceralganglien in Betracht, und zwar naturgemäß das rechte. 
Zunächst muss ich hervorheber, dass die Anlage des Visceralgan- 
glions bedeutend seitlicher liegt als die oben als Herz-Nierenanlage 
beschriebene Wucherungsstelle, ferner dass sie tiefer liegt, d. h. mehr 
der Pleuralfurche genähert, drittens dass sie zeitlich später auftritt, 
viertens, dass ihre Zellen sofort nach der Auswanderung die Natur 
von Ganglienzellen erkennen lassen, und fünftens schließlich, dass 
sie sich sofort von ihrem Entstehungsorte ablösen und nach innen 
ihrer Vereinigung mit dem Schlundringe entgegenwachsen. Die 
beiden letzteren Punkte brauche ich nicht näher zu beweisen, man 
wird sie allenthalben in den Figuren von A. P. HENCHMAN be- 
stätigt finden. Namentlich ist die frühe Differenzirung zu Ganglien- 
zellen von Wichtigkeit, bestehend in einer sehr auffallenden Ver- 


626 Johannes Meisenheimer, 


srößerung und Aufhellung des Kernes. Niemals ist bei den Zellen, 
um, die es sich hier handelt, ein solcher Vorgang zu bemerken, im 
Gegentheil, die Zellen heben sich gerade durch ihren dunkleren Ton 
scharf ab. Zuweilen findet man eine Zelle mit ganz hellem, sröße- 
rem Kerne, aber mit durchaus von Ganglienzellen verschiedenem 
Charakter, dies ist ohne jede Bedeutung, sie finden sich allenthalben 
hier und da im ganzen Körper zerstreut, im Ektoderm sowohl wie 
Mesoderm, und hängen wahrscheinlich mit Theilungsphasen zusammen, 
wie solche Veränderungen sich ja auch auf den ersten Alitelnngs- 
stadien mit Sicherheit nachweisen lassen. 

Wir kommen nunmehr zu Ort und Zeit der Entstehung. Um 
diese beiden genau zu fixiren, nehmen wir wieder den Frontalschnitt 
der Textfig. 15 vor, der in möglichst genauer Anpassung an die 
hier maßgebenden Stadien entworfen wurde. Die Zeit lässt sich aus 
der Größe der verschiedenen Anlagen ermessen, die Herz-Nierenan- 
lage bildet bereits einen mächtigen Haufen, die Visceralganglien da- 
gegen sind eben erst in der Anlage begriffen. Der Ort der Ent- 
stehung liegt viel seitlicher, der Urniereneinstülpung genähert und 
ferner, was auf der Figur nicht darzustellen war, in einem tieferen 
Niveau als Enddarm und Herz-Nierenanlage. In Wirklichkeit stellt 
der Schnitt also die Kombination zweier Ebenen dar, von denen die 
eine, wie schon erwähnt, der Richtung a/d von Textfig. 14 ent- 
spricht und Enddarm nebst Herz-Nierenanlage enthält, die andere 
derjenigen von «/ß und Amy unnume nebst Visveralganziien in 
sich fasst. 

Aber weiter — wie kommt es, dass A. P. HEncHMman in ihrer 
genauen Arbeit über das Nervensystem von Limax maximus nichts 
von diesem Zellenhaufen erwähnt. Ich kann nur annehmen, dass 
sie Ganglien- und Herz-Nierenanlage zuweilen vermengt hat. Prüfen 
wir darauthin einige ihrer Figuren, so unsicher und schwierig es 
auch ist, aus dem Stücke eines Schnittes heraus genau auf Schnitt- 
richtung und Ergänzung zu schließen. Auf Pl. I in Fig. 7—9 (l. e.) 
finden wir einen Embryo vom 7. Tage, an dem die Visceralganglien 
bereits mächtig entwickelt sein sollen. Vergleichen wir hiermit 
Stadien vom 8. Tage, wie etwa Fig. 16 auf Pl. II, so ist die Gan- 
glienanlage hier bedeutend schwächer angegeben, überhaupt erscheint 
der ganze Embryo jünger. Zunächst muss ich bemerken, das sämmt- 
liche hier abgebildete Embryonen, welche die früheste Ganglienan- 
lage zeigen, bedeutend älter! sind, als die Stadien, um die es 


Ich sehe dabei von der Bezeichnung nach Tagen ganz ab, die mit der 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 627 


sich oben bei mir handelt, die Ausbildung des Fußes allein lässt dies 
sehon zur Genüge erkennen. 

Aber sehen wir nun jetzt einmal etwas genauer-Fig. 8 auf Pl. I 
an. Zwischen Fuß und Mantelfeld verläuft hier nicht mehr die flache 
Mulde, wie sie bei mir selbst noch auf Fig. 92 vorhanden ist, also 
einem für mich schon recht späten Stadium der Herz-Nierenanlage, 
sondern tiefe Faltungen sind .an ihre Stelle getreten, genau ent- 
sprechend meiner Fig. 94 auf Taf. XXXV. Diese Falten stellen, 
wie ich hier voraus bemerken will, die Bildung von Lungenhöhle 
und Nierenausführgang dar und sie liegen auf der rechten Seite. Der 
fragliche Schnitt muss also von der rechten Seite des Embryo sein 
und nicht von der linken, wie A. P. HENcHMAN angiebt, der mit 
esc.s bezeichnete Zellenhaufen stellt ohne Zweifel die Herz-Nieren- 
anlage dar (vgl. meine Fig. 94). Ein Irrthum im Auflegen der 
Sehnitte kann leicht diesen Fehler hervorrufen, die Serie muss mit 
Fig. 7 (42) beginnen und mit Fig. 9 (18) und Fig. S (16) enden. 
Die wirkliche Anlage der Visceralganglien haben wir dagegen in 
Fig. 17 und 18 auf Pl. II vom 7. Tage, und in Fig. 16 auf Pl. I 
vom 8. Tage vor uns. Die in Fig. 7 und 9 von der oben besproche- 
nen Serie ‚dargestellten Ganglienhaufen mögen denselben in Wirk- 
liehkeit entsprechen, sind aber schon recht späte Stadien derselben 
und haben bereits einige Verschiebungen nach innen erlitten, wie 
namentlich das rechte (vsc.s) zeigt, wofern nicht letzteres, was mir 
wahrscheinlich erscheint, noch ein Theil des Zellenhaufens von 
Fig. 8 ist. 

Zweck dieser ganzen Auseinandersetzung war nur, meine Än- 
sicht von der örtlichen wie zeitlichen Entstehung der Visceralganglien 
noch schärfer darzuthun, die allgemeinen Resultate der vorzüg- 
lichen Arbeit von A. P. HencHwman werden durch diese Kritik ein- 
zelner Figuren nicht im geringsten beeinträchtigt. 

Betreffs der Pleural- und Abdominalganglien kann ich mich 
kürzer fassen, beide entstehen noch später als die Visceralganglien, 
beide liegen ebenfalls in einem tieferen Niveau, erstere ganz seitlich, 
letzteres mehr dem linken Visceralganglion genähert, Zeit und Ort. 
ihrer Entstehung können also noch weniger zu Verwechslungen 
führen. Die oben für die Visceralganglien angegebene frühe Diffe- 
renzirung im Bau der Zellen und die baldige Ortsverschiebung gelten 
natürlich in gleichem Maße auch für sie. 


meinigen Entwicklungsreihe gar nicht stimmt, in so fern in Cambridge die 
Entwicklung um einige Tage schneller zu verlaufen scheint. 


628 Johannes Meisenheimer, 


Nunmehr wollen wir endlich in der Betrachtung der weiteren 
‘ Differenzirung unseres Zellenhaufens fortfahren. Zunächst nimmt er 
schnell an Größe zu, ohne seine Lage dicht am Ektoderm zu ver- 
ändern. Ein etwaiges Hinzutreten von Mesodermzellen habe ich nie 
zu beobachten vermocht, dieselben liegen regelmäßig vertheilt in der 
Umgebung des Haufens, etwas dichter in der Regel am Rande der 
Schalendrüse und um den Enddarm. Die Herz-Nierenanlage hebt 
sich stets durch ihre kompakte Geschlossenheit scharf von ihnen 
ab. Allmählich wachsen ihre Zellen in einer ganz bestimmten Rich- 
tung aus und zwar beginnen sie, sich nach oben in den freien 
Raum zwischen Schalendrüse und Eiweißsack vorzuschieben (Fig. 92). 
Dieses Auswachsen führt schließlich zur Sonderung zweier Theile 
dieses Haufens, eines, der dicht dem Ektoderm anliegend bleibt, und 
eines zweiten, der eben ins Innere des Körpers hineinwuchert. In 
ersterem macht sich eine früheste Differenzirung darin bemerkbar; 
dass seine Zellen sich allmählich epithelial anzuordnen beginnen, 
ganz schwach ausgeprägt in Fig. 93, stärker in Fig. 94 (2 und %), noch 
mehr in Fig. 95, und schließlich in Fig. 96 ist daraus ein kleines 
Bläschen mit deutlichem Lumen hervorgegangen. Die Abtrennung von 
den übrigen Zellen veranschaulicht am deutlichsten Fig. 95, wo das 
Rohr zu drei Viertel fertig gebildet ist, zu einem Viertel aber noch 
ohne Abgrenzung in die gemeinsame Zellenmasse übergeht. Es stellt 
dieses Bläschen nichts Anderes dar als die bleibende Niere. Am Ek- 
toderm erkennen wir außer der oben bereits geschilderten Einstül- 
pung der Lungenhöhle eine darüber gelegene zweite Einstülpung (ze), 
wie wir später sehen werden, die erste Anlage des primären Ureters. 
Ihm liegt das Nierenbläschen dicht an. 

Alles übrige mit der Niere aus gemeinsamem Mutterboden her- 
vorgegangene Zellenmaterial liefert Herz und Perikard, die weitere 
Ausbildung besteht zunächst in einer Verschiebung des ganzen, immer 
mächtiger werdenden Komplexes zwischen Schalendrüse und Eiweiß- 
sack, resp. die während dieser Vorgänge sich nach oben vordrängende 
Lungenhöhle. 

Aber wir sind jetzt in der Entwicklung so weit gediehen, dass 
es gut sein wird, beide Organkomplexe getrennt zu behandeln, und 
dies wollen wir in den beiden folgenden Kapiteln thun. 


7. Herz und Perikard. 


Herz und Perikard gehen, wie wir eben gesehen haben, aus 
einer gemeinsamen Anlage mit der Niere hervor, ein und derselbe 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. LI. 629 


Zellenhaufen differenzirt sich in diese beiden, in ihren Funktionen so 
verschiedenen, aber stets in engem Zusammenhange bleibenden Organe. 

Nach unseren bisherigen herrschenden Anschauungen müsste 
ich nun die Schilderung mit der Bildung des Perikards beginnen, 
da dieses im Allgemeinen als das Primäre angesehen wird. Wir 
werden gleich sehen, dass bei Limax maximus der Process ein ge- 
rade umgekehrter ist, dass nicht die Anlage des Perikards die Grund- 
lage für den weiteren Fortgang der Entwicklung ist, sondern der 
Herzschlauch. 

Wir hatten die Herz-Nierenanlage verlassen, als sich der Nieren- 
kanal zu differenziren begann, und die übrige Masse sich in der 
Richtung der Schalendrüse auszog. Diesen Process weiter fortge- 
schritten sehen wir in Fig. 97 auf Taf. XXXVI. Noch liegt eine 
ziemlich kompakte Zellenmasse (A) dicht der Lungenhöhle (/}) an, 
ein Theil hat sich lang in Gestalt eines unregelmäßigen Stranges 
ausgezogen und bereits die gegenüberliegende Schalendrüse erreicht. 
Ich möchte hier zur Orientirung noch bemerken, dass wir, wie ich 
übrigens schon andeutete, zur Fixirung der uns hier interessirenden 
Organe stets zwei feste Punkte in Schalendrüse und Lungenhöhle 
haben, zwischen diesen beiden spielen sich alle im Folgenden ge- 
schilderten Vorgänge ab, auf allen Figuren, der Schnitt mag geführt 
sein, wie er will, stets sind diese beiden Organe in derselben Lage- 
rung vorhanden, was außerordentlich den Überblick erleichtert. 

Die Bildung des Herzschlauches (}) weiter vorgeschritten zeigt 
uns Fig. 98 auf Taf. XXXVI. Mehr und mehr schieben sich die 
fraglichen Zellen nach links unter die Schalendrüse hin, einen Hohl- 
raum von unregelmäßiger Gestalt umschließend, von dem übrigens 
eine Andeutuung bereits auf Fig. 96 auf Taf. XXXV vorhanden ist. 
_ Denselben Hohlraum zeigt auch Fig. 106 auf Taf. XXXVI (Al), nur 
hier ebenfalls im Querschnitt, d. h. das Organ ist im Querschnitt ge- 
troffen, das Ganze ist natürlich ein Sagittalschnitt. Unterhalb des 
Herzschlauches ist der Nierenkanal getroffen, beide Organe sind noch 
eng mit einander verbunden und durch das Wachsthum von Lungen- 
höhle und primären Ureter nach innen gedrängt. Näheren Aufschluss 
über den Hohlraum innerhalb des Herzstranges und zugleich einen 
bedeutenden Fortschritt in der Entwieklung giebt uns Fig. 99. Der 
Strang (A) ist hier genau in der Längsrichtung getroffen, der Hohl- 
raum im Inneren ist nach beiden Seiten offen, er geht direkt in die 
Lymphräume des Körpers zwischen den Mesenchymzellen über. Wir 
haben also hier den einfachen Process vor uns, dass ein Zellenhaufen 


630 Johannes Meisenheimer, 


sich in die Länge streckt und mit seinen Zellen einen Hohlraum 
umspannt, um auf diese Weise sich in das Lymphgefäßsystem des 
Körpers einzuschalten und ein das Ganze treibendes Organ, eben 
das Herz, zu bilden. Seine Wandung wird aber nicht von Mesen- 
chymzellen, wie bei den Blutgefäßen, dargestellt, sondern von Zellen, 
die ihrer Genese nach scharf von denselben zu trennen sind. | 

Noch ein zweiter Punkt ist auf diesem Stadium von außer- 
ordentlicher Wichtigkeit. Wir sehen, dass der Schlauch nicht in 
gleicher Dicke die Höhlung im Inneren umschließt, sondern dass er 
nach der Mitte an Umfang zu, nach den Seiten dagegen allmählich 
abnimmt und schließlich im Mesenchym verläuft. Diese Bildung 
stellt nichts Anderes dar, als die Anlage des Septums zwischen Vor- 
hof und Kammer, wie dies beim Vergleiche mit den sich direkt an- 
schließenden Stadien klar zu Tage tritt. Betrachten wir nochmals 
kurz dieses Stadium, so sind jetzt bereits alle Theile des Herzens 
in den ersten Zügen angelegt. Wir haben eine Herzhöhlung, ferner 
ein Septum, welches Vorhof und Kammer trennt, die ihrerseits in 
die Lymphräume des Körpers übergehen, von denen der mit dem 
Vorhof in Verbindung stehende die Vene, der in die Kammer mün- 
dende die Aorta liefert. Nur eines fehlt noch gänzlich, nämlich das 
Perikard, nicht die geringste Spur eines solchen ist auch nur an- 
deutungsweise vorhanden. | 

Wenden wir uns nunmehr zum folgenden Stadium, zu Fig. 100. 
Diese stellt eine einfache Weiterbildung der von Fig. 99 beschrie- 
benen Verhältnisse dar, wenigstens so weit es den Herzschlauch 
selbst betrifft. Das Perikard, welches sich auf diesen Stadien anlest 
und hier bereits in den ersten Anfängen (p%) vorhanden ist, lassen 
wir augenblicklich unberücksichtigt, um in einem besonderen Ab- 
schnitte seine Bildung im Zusammenhange zu betrachten. Eben so 
lasse ich die auf diesen Schnitten getroffenen Nierenabschnitte hier 
unbesprochen, man wird dieselben nach dem Studium der Nieren- 
entwicklung sich ohne Schwierigkeit verständlieh machen können. 
Der Fortschritt in der Herzbildung besteht auf diesem Stadium vor 
Allem darin, dass sich nunmehr das Septum (sept) zwischen Vorhof und 
Kammer schärfer auszuprägen beginnt, was noch mehr in Fig. 101 
hervortritt. Eine weitere Veränderung ist fernerhin die, dass die 
Wandung des Herzschlauches in Folge der Perikardbildung sich ver- 
dünnt, da letzterer Process sich auf Kosten eines Theiles des ur- 
sprünglichen Herzschlauches vollzieht, den wir also streng genommen 
gar nicht als solchen kurzweg bezeichnen dürften. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. | | 631 


Die folgenden Figuren sollen nun noch die weitere Ausbildung 
des bereits vollständig differenzirten Herzschlauches erläutern. Be- 
trachten wir zunächst die Schnitte Figg. 102, 103 und 105 auf 
Taf. XXXVI im Zusammenhange. Auf allen dreien sehen wir das 
aus massiven Zellensträngen gebildete Septum (sepz), welches in der 
Mitte eine kleine Kommunikationsöffnung beider Abschnitte frei lässt. 
Die Weiterentwicklung beschränkt sich fast vollständig auf die Aus- 
bildung und Differenzirung der Herzwand. Nach Abschnürung des 
Perikards tritt eine Scheidung der Zellen der Herzwand auf, ein 
Theil wandelt sich in abgeflachte Endothelzellen (}.ez) um, ein Theil 
verlagert sich als langgestreckte Muskelzellen (R.mz) ins Innere. Am 
vollendetsten ist dieses Verhalten in Fig. 105 ausgeprägt, nur das 
Septum behält seine ursprüngliche Beschaffenheit bei. Weiter ist zu 
bemerken, dass die Kammer gegenüber dem Vorhof einen bedeutend 
stärkeren Bau besitzt. Stets ist erstere von einem feinen Häutchen, 
eben den Endothelzellen, scharf begrenzt und besitzt in ihrem Inneren 
zahlreiche Muskelzellen, der Vorhof dagegen zeigt auf diesen Stadien 
noch eine oft unterbrochene Wandung, die sich im Mesenehymgewebe 
verliert und erst allmählich auf späteren Stadien schärfer ausprägt. 

Natürlich mündet auf allen diesen Stadien auch die Kammer in 
einen solchen Lymphraum aus, da aber in Folge der schiefen Lage 
des Herzens diese Mündung gewöhnlich nur seitlich getroffen ist, und 
diese Schnitte vom übrigen Herzen nichts oder nur sehr wenig 
zeigen, so mussten zur Erläuterung dieser Vorgänge hauptsächlich 
solche Schnitte genommen werden, auf denen die Kammer als ab- 
geschlossener Raum erscheint. 

Der Lage nach erstreckt sich das Herz fast quer von rechts 
nach links durch den Körper, der Vorhof rechts, die Kammer mehr 
nach links gelegen, wie es auch beim erwachsenen Thiere der Fall 
ist. Das ganze Organ dreht sich nur etwas in die Längsachse des 
Körpers, eine schiefe Lage behält es aber stets bei. 

Zum Schlusse will ich nun noch eine bisher ganz unberücksich- 
tigt gelassene Figur besprechen, nämlich Fig. 104 auf Taf. XXXVI. 
Wir sehen hier innerhalb einer ziemlich weiten Höhlung, dem Peri- 
kard, einen massiven Zellenstrang liegen, der durch einen tiefen 
Einschnitt in einen kleineren und größeren Abschnitt getheilt ist, 
derart, dass zwischen beiden eine enge Verbindungsbrücke bestehen 
bleibt. Nach allem Bisherigen müssen wir diese beiden Abschnitte 
als Vorhof und Kammer ansprechen, den Einschnitt zwischen beiden 
als Stelle des Septums. Es stellt diese Figur das Herz in stärkster 


632 | Johannes Meisenheimer, 


Systole dar, hervorgerufen, und dies ist das Interessanteste hierbei, 
durch die Art der Konservirung. Der Embryo, von dem dieser 
Schnitt stammt, wurde nämlich mit Pikrinschwefelsäure behandelt, 
und alle derartig behandelten Embryonen zeigten mir diese Bilder 
(auf späteren Stadien mit engem Lumen) mit so absoluter Sicherheit, 
dass ich aus dem Verhalten des Herzens auf die Art der Konser- 
virung schließen konnte. Das entgegengesetzte Verhalten zeigen die 
mit Sublimat behandelten Embryonen, hier findet sich das Herz 
stets in Diastole, ein mittleres und wohl natürlichstes Verhalten ruft 
HERMAN’Sche Lösung hervor. | 

Diese Beobachtung verdient ein besonderes Interesse desshalb, 
weil sie zeigt, wie sehr unter Umständen die Beobachtung von der 
Art der Konservirung abhängig ist und von ihr beeinflusst wird, wie 
die einseitige Anwendung einer einzigen Methode leicht zu funda- 
mentalen Irrthümern führen kann. So würde hier ein Beobachter, 
der nur mit Pikrinschwefelsäure behandelte Objekte vor sich gehabt 
hätte, sicherlich über die Anlage der Herzhöhle auf falsche Bahnen 
seleitet worden sein. Auch mir haben diese Präparate Anfangs große 
Schwierigkeiten gemacht, da das Fehlen einer centralen Höhlung 
mit meinen anderen Serien in direktem Widerspruch zu stehen 
schien. 

Wenden wir uns nunmehr, nachdem wir das Herz in seiner 
vollen Entwicklung kennen gelernt haben, zu der bisher vernach- 
lässigten Perikardbildung. Wir müssen zu diesem Zwecke wieder 
auf verhältnismäßig junge Stadien zurückgehen. Als Ausgangspunkt 
möge ein Stadium der Herzentwicklung wie etwa Fig. 106 auf 
Tafel XXXVI dienen, welches uns das Herzrohr im Querschnitt 
zeigt. Vom Perikard ist nocb keine Spur vorhanden. Ein etwas 
älteres Stadium dagegen (Fig. 107) lässt sofort einen sehr bemerkens- 
werthen Unterschied erkennen. Zur Erläuterung des Folgenden will 
ich hier kurz einschieben, dass wir diese ganze Anlage am besten 
auf Querschnitten des Herzens verfolgen, natürlich in stetem Ver- 
gleiche mit Längsschnitten. Fig. 107 zeigt also, wie der Herzschlauch 
die ganze Breite zwischen Lungenhöhle und Schalendrüse eingenommen 
hat und wie ferner außer der Herzhöhlung innerhalb des Herzstranges 
noch weitere Spalträume aufgetreten sind, unter denen namentlich 
zwei zu unterscheiden sind. Der eine liegt mehr nach hinten und 
dorsalwärts, direkt unter dem Schalendrüsenepithel (A.p4), der andere 
nach vorn gegen die Lungenhöhle zu (v.p%). (Vgl. hiermit Serie I, 


or} 


Entwicklungsgeschichte von Limax maxımus L. II. 633 


g—k auf Taf. XXXVIIL) Noch deutlicher prägen sich beide Spalt- 
räume auf den beiden folgenden Stadien aus, in Fig. 108 ist die 
Zunahme noch gering, in Fig. 109 aber haben sie das Herz schon 
nahezu umschlossen (vgl. Serie II, e—: auf Taf. XXXVII und 
XXXIX). Das Zustandekommen dieser Spalträume ist auf eine An- 
sammlung von Flüssigkeit innerhalb des ursprünglichen Herzstranges 
zurückzuführen, die Wandung des Perikards wird also direkt 
sebildet von der äußeren sich loslösenden Schicht des 
Herzschlauches, aber nicht etwa von neu hinzutretenden 
Mesenchymzellen, wie man vielleicht vermuthen könnte und wie, 
wie wir weiter unten sehen werden, auch bereits geäußert worden ist. 
Der innige Zusammenhang beider Schichten schließt einen solchen 
Bildungsprocess vollkommen aus, zumal auf jungen Stadien bereits 
die ganze Herzanlage so dicht Schalendrüse wie namentlich Lungen- 
höhle anliegt, dass neue Zellen gar keinen Raum zu weiterem Ein- 
dringen hätten. Nie bemerkt man außerdem in der Umgebung irgend 
wie eine besondere Verdichtung oder ein Zuwandern von Mesoderm- 
zellen, sondern sie erfüllen ganz gleichmäßig die Leibeshöhle, ohne 
von diesen Vorgängen im geringsten berührt zu werden. Hätte man 
nur spätere Stadien vor sich, wie etwa von Fig. 110 an, so würde 
eine solche Auffassung vielleicht plausibler erscheinen, aber in Rück- 
sicht auf die jüngeren Stadien, die natürlich allein Ausschlag gebend 
sein könnten, ist ein solches Verhalten ganz undenkbar. 

Die Lage der beiden zuerst auftretenden Spalträume ist eine 
sanz konstante, stets lassen sie sich auf diesen Altersstadien in der 
gleichen typischen Weise darthun. Der hintere, dorsale Spaltraum 
(h.pk) ist schmäler und ausgebreiteter als der vordere, ventrale (v.p%), 
der sich durch seine Geräumigkeit auszeichnet und mit einem Zipfel 
schon frühzeitig weit nach rechts reicht, eine Stelle, die genau der 
späteren Einmündung des Perikardialnierenganges entspricht, ja an 
dieser Stelle erfolgt überhaupt die erste Anlage (Fig. 107), während 
die Niere ebenfalls schon frühe eine Ausbuchtung in die Nähe 
dieser Stelle sendet. 

Die sich allmählich immer mehr ausdehnenden Spalträume 
schälen den Herzschlauch gleichsam aus einer Hülle heraus, und die 
Hülle bildet dann das Perikard. In Fig. 109 sind die Verbindungs- 
brücken beider Zellschichten schon weniger zahlreich und breit als 
in Fig. 108. Gegenüber Fig. 107 bemerkt man, wie das dort noch 
reichlich an der Lungenhöhle aufgehäufte Bildungsmaterial, welches 
sich in Fig. 108 bereits durch einen feinen Spalt vom Herzschlauch 


634 Johannes Meisenheimer, 


getrennt hat, nunmehr zum größeren Theile bereits in der Bildung 
des Perikards aufgegangen ist, um schließlich in Fig. 110 einen 
weiten, aus einschichtigem Epithel bestehenden Sack zu bilden, der 
nur noch an der Stelle, wo früher die Hauptmasse des Bildungs- 
materials angehäuft war, nämlich an der Lungenhöhle, mehrschichtig 
ist. Schließlich reißen auch noch die letzten Verbindungsbrücken 
ein, und der Herzschlauch ragt frei in das Perikard hinein (Fig. 111 
auf Taf. XXXVI. Die vollständige Abschnürung des Herzschlauches, 
die aber natürlich nur so weit zu verstehen ist, dass sowohl am 
Ende des Vorhofes wie der Kammer Herz und Perikard kontinuirlich 
zusammenhängen, erfolgt derart, dass nach der Seite der Kammer 
hin die Perikardialhöhle vor Allem dorsalwärts um sich greift, während 
ventralwärts die Verlöthung, resp. der Übergang in die Aorta vor 
sich geht (Fig. 111). Dass aber nach der Mitte der Kammer zu 
auch ventralwärts das Perikard sieh vom Herzschlauch völlig trennt, 
das zeigt Fig. 112 auf Taf. XXXVI. Nach dem Vorhofe zu greift 
dagegen die Perikardialhöhle nur wenig über das Septum hinaus vor, 
seine stärkste Ausbildung liegt zunächst nur auf der Seite der 
Kammer, von weleher Region auch die Querschnittserie stammt, die 
sanze Anlage beginnt überhaupt auf der Seite der Kammer. 

Die eben geschilderten, etwas komplieirten Verhältnisse erläutern 
am besten zum Schlusse noch einige der Längsschnitte des Herzens. 
Zunächst zeigen uns die Fisg. 100 und 101 auf Tafel XXXVI den 
oben »vorderen« genannten Spaltraum deutlich in einer noch ge- . 
ringeren Ausdehnung (pA), während in Fig. 102 das Perikard die 
Kammer bereits vollständig frei gelegt hat, am Vorhof aber nicht 
über das Septum hinaus vorgedrungen ist. Ähnlich ist die Ausbil- 
dung des Perikards in Fig. 103, wo es durch das diastolische Herz 
fast ganz verdrängt ist. Schließlich zeigen die Figg. 104 und 105 
den Herzschlauch frei in dem Perikard liegen, nur an beiden Enden 
mit ihm verlöthend (in beiden Fällen ist nur die Verlöthungsstelle mit 
dem Vorhofe getroffen). _Der Vorhof ist jetzt auch schon zum größ- 
ten Theile vom Perikard losgelöst. Fig. 105 erläutert zugleich auch 
die Art der Niereneinmündung, welche auf dem Schnitte mit getroffen 
wurde (png). Die freie Lage des Herzschlauches im Perikard zeigen 
uns schließlich auch noch Querschnitte der ganzen Anlage wie auf 
den Figg. 121 und 122 auf Taf. XXXVI. 

Schließlich will ich zur Erläuterung der oben geschilderten Ver- 
hältnisse noch eine Serienreihe vorlegen, welche die Perikardbildung 
in einem mittleren Stadium der Entwicklung zeigt (siehe Serie IV aut 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 11. 635 


Taf. XL). Wir schreiten von der rechten Seite zur linken fort und be- 
sinnen in Fig. IVa mit dem Vorhofe, der über dem Nierenkanal im 
Querschnitt getroffen ist. IV zeigt das Auftreten des äußersten Peri- 
kardzipfels (vp%) mit der Einmündung des Perikardnierenganges (pxg), 
IVe die Vergrößerung des vorderen Perikardialraumes und Hinzu- 
treten eines zweiten, nach hinten gelegenen (h.p%), weiches Verhält- 
nis auch in IVd gewahrt bleibt. wo wir übrigens bereits die Kammer 
im Querschnitt vor uns haben. In IVe verschmelzen dorsalwärts 
über der Kammer beide Hohlräume, um endlich in IV/ wieder zu 
schwinden, während der Herzschlauch in ein Lymphgefäß (2g) überführt. 

Das Hauptergebnis unserer Untersuchung in diesem Kapitel 
hätten wir also darin zu suchen, dass nicht das Perikard das Primäre 
ist, aus dessen Wandung sich der Herzschlauch entwickelt, sondern 
dass gerade umgekehrt der Herzschlauch das Primäre ist, und sich 
von diesem erst das Perikard durch Abspaltung bildet. Gehen wir 
in der Anlage noch weiter zurück, so treffen wir auf den aus Ek- 
todermzellen bestehenden Zellenhaufen, es kann also keine. Frage 
sein, — so unwahrscheimlich es auch klingen mag —, bei Limax 
maximus sind Herz und Perikard rein ektodermale Bildungen. Es 
fragt sich nun, wie sich hierzu die bisher vorhandene Litteratur stellt. 

Stellen wir zunächst die meinen Beobachtungen am nächsten 
kommenden Untersuchungen zusammen. Sehr auffallend ist es, dass 
wir in der ältesten Arbeit über die Entwicklung von Limax, m 
derjenigen von VAN BENEDEN und WINDISCHMAN, bereits ganz ähn- 
_ liehe Angaben über die Herzentwicklung finden, wie die hier vorge- 
tragenen. Das Herz erscheint zunächst als rundliche, einheitliche 
Höhlung, die sich durch eine Einschnürung in der Mitte in Vorhof 
und Kammer zerlegt. Alsdann tritt eine Membran um diese Anlage 
auf, eben das Perikard. 

Weiter lässt LEREBOULLET bei Limnaeus zuerst das Herz mit 
Vorhof und Kammer entstehen, dann erst das Perikard. 

Hieran schließen sich die Untersuchungen For’s an Wasser- 
pulmonaten. Danach entsteht hier das Herz als ein Hohlraum im 
Mesoderm, der von platten Zellen umgeben ist und sich in Vorhof 
und Kammer theilt.. Das Perikard freilich soll sich dann durch eine 
Umhülluns: von Mesodermzellen bilden, wahrscheinlich aber wird die 
Perikardbildung hier in gleicher Weise wie bei Limax verlaufen, da 
der Delaminationsprocess beim Fehlen nur weniger Zwischenstadien 
leicht übersehen oder falsch gedeutet werden kann (vgl. übrigens 
meine Bemerkungen oben über diesen Punkt). Die Differenzirung 


636 Johannes Meisenheimer, 


der Herzwandung in Endothel- und Muskelzellen hat FoL eben so 
wie die meisten folgenden Beobachter richtig beschrieben. An den 
Landpulmonaten hat er nur Weniges über die Herzanlage ermitteln 
können, dieses steht in Übereinstimmung mit den Wasserpulmonaten. 

GEGENBAURS Angaben über die Herzentwicklung von Limax 
agrestis sind zu spärlich, als dass sie hier mit Nutzen verwandt 
werden könnten, bei Clausilia soll es als ein Zellhaufen über der 
Leber entstehen, der sich durch eine ringförmige Einschnürung in 
Vorhof und Kammer theilt. 

Auf SCHALFEEW’s Ansichten über die Herz-Nierenbildung von 
Limax komme ich erst weiter unten zurück. | 

Leider hat RAßL bei Planorbis die Herzentwicklung nicht zu 
verfolgen vermocht, den kleinen, freilich nach ihm mesodermalen 
Zellhaufen, in dem wir die ganze Herz-Nierenanlage erkannt haben, 
hat er von allen bisherigen Beobachtern allein bereits mit voller 
Schärfe beschrieben, bei der Nierenentwicklung komme ich darauf 
zurück. 

Von Wichtigkeit sind weiterhin die Beobachtungen JoYEux- 
LAFFUIE’s an Onchidium celticum. Zwar ist seine Darstellung etwas 
unklar; wie bereits v. ERLANGER hervorhebt, aber ich will versuchen, 
auf Grund meiner oben dargelesten Anschauungen das Verständnis 
derselben zu erleichtern. Zunächst treten zwei mit einander kommu- 
nieirende Bläschen auf, Vorhof und Kammer, welche Kontraktionen 
auszuführen vermögen. Die nun folgende Beschreibung ist so zu 
erklären, dass sich von der Wandung dieses Herzschlauches, der 
mitten im Mesenchym liegt und sich so nur schwer abhebt, das Peri- 
kard loslöst, die vorher nicht sichtbaren Wände des Herzschlauches 
werden dadurch frei und treten nun klar zu Tage. Man sieht also, 
wie ungezwungen sich Onchidium in seiner Herzentwicklung an 
Limax anschließen lässt. | 

Von höchster Bedeutung für meine Auffassung sind endlich die 
Beobachtungen For’s an einer etwas entfernteren ‘Gruppe, den 
Pteropoden. Dicht neben der Niere, die sich aus einer Ektoderm- 
verdickung bildet, entsteht das Herz aus einer Anhäufung von Meso- 
dermzellen, so dass dann zwei kleine Bläschen eng neben einander 
liegen. Wenn es auch voreilig wäre, hier ohne Weiteres ebenfalls 
eine gemeinsame Anlage anzunehmen, deren Trennung FoL übersehen 
hätte, so ist dies doch jedenfalls nicht ausgeschlossen. Sicher ist, 
dass das Herzlumen auch hier das Primäre ist, das Perikard das 
Sekundäre, welch letzteres freilich hier ebenfalls sich durch eine Um- 


Entwicklungsgeschichte von Bimax maximus L. 11. | 637 


hüllung von Mesodermzellen bilden soll. Seine Beschreibung, wie der 
Perikardial-Nierengang zuerst unmittelbar an der Herzwand mündet 
und beim Auftreten des Perikards sich in diesen öffnet, entspricht 
vollkommen den Verhältnissen bei Limax maximus. 

Bei Nassa giebt BOBRETZKY die Herzentwicklung nur andeutungs- 
weise an, indem am Grunde der Kiemenhöhle eine kompakte An- 
häufung von Mesodermzellen auftritt, in welcher sich späterhin eine 
Höhle bildet, aus der das definitive Herz hervorgeht. Leider sind 
diese Angaben zu unklar, um sichere Schlüsse daraus zu ziehen, 
jedoch will ich hervorheben, dass er im Texte nichts von einem 
Perikard erwähnt und dass er das Herz nur als diekwandiges Bläs- 
chen zeichnet (siehe seine Fig. 22 auf seiner Taf. IX). 

Nunmehr komme ich zu einer Reihe von Untersuchungen, die 
mit meinen Resultaten in direktestem Widerspruche stehen, in so 
fern sie das Perikard als das Primäre hinstellen, den Herzschlauch 
erst sekundär davon ableiten, ich meine hier vor Allem die Ent- 
wicklung von Paludina, wie sie uns von BürscHLı und dann von 
V. ERLANGER dargestellt wird. Die erste, paarige Anlage des Peri- 
kards besteht aus zwei Mesodermhaufen, die ein deutliches Lumen 
besitzen, mit einander verschmelzen und zunächst noch durch ein 
Septum getrennt, schließlich einen einheitlichen Raum bilden. Das 
‘ Herz entsteht in diesem weiten Sacke als eine Einstülpung an der 
hinteren Wand, eine lange, sich zum Herzschlauche abschließende 
Rinne bildend. Vorn und hinten bleibt dieser mit dem Perikard 
verbunden, eine Einstülpung in der Mitte führt zur Bildung von 
Vorhof und Kammer. Dies ist in kurzen Zügen die v. ERLANGER- 
sche Darstellung. Schärfere Gegensätze als zwischen unseren beiden 
- Entwieklungsmoden kann es kaum geben, es ist vor der Hand unmög- 
lich, beide irgend wie in Beziehungen zu setzen, ehe nicht entweder 
_ durch erneute Untersuchungen die eine oder die andere in anderem 
Lichte erscheint, oder aber vermittelnde Zwischenstufen aufgefunden 
werden, was freilich nicht leicht vorstellbar ist. 

Die frühesten Stadien der Perikardbildung nach v. ERLANGER’S 
Angaben haben übrigens durch TÖNNIGES eine theilweise Bestätigung 
erfahren, nur besteht die erste Anlage in zwei soliden Anhäufungen 
von Mesodermzellen, die dicht dem Ektoderm anliegen, dann einen 
Hohlraum in ihrem Inneren bilden und schließlich zu einer einheit- 
liehen Höhle verschmelzen. So weit gehen die Beobachtungen von 
TÖNNIGES, er spricht zwar dann noch von der Bildung des Herzens 


als einer Einfaltung der Perikardialwand, unterlässt aber leider, 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 42 


638 Johannes Meisenheimer, 


gerade diese unmittelbar folgenden Stadien, die von größter Bedeu- 
tung wären, in Schnitten näher darzulegen. 

Wenn v. ERLANGER zu seinen Gunsten die Angaben SCHALFEEW’S 
über Limax agrestis verwerthet, so ist hier zu bemerken, dass 
dessen Angaben sicherlich auf vollständig falscher Basis beruhen 
hervorgerufen durch das Fehlen einer großen Zahl von Zwischen- 
stufen. Nach SCHALFEEW soll nämlich das Perikard aus einem kom- 
pakten Zellenhaufen entstehen, der sich aushöhlt. An der unteren 
Wand des Perikards soll dann durch eine Verdiekung das Herz 
entstehen. Es ist keine Frage, dass er die Herzhöhle mit der Peri- 
kardhöhle verwechselt hat und dass seine Herzbildung auf einer 
falschen Deutung späterer Stadien beruht. (Im Übrigen vgl. über 
denselben Punkt unter »Niere«.) 

Was nun Bythinia betrifft, so scheinen mir hier die von v. Er- 
LANGER gegebenen Stadien durchaus nicht so sicher die Überein- 
stimmung mit Paludina zu beweisen, wie dieser Autor möchte. 
Die früheste Anlage des Herzens, die er darstellt, ist durch sein 
Stadium J repräsentirt, wo das Perikard erst wenig größer ist als die 
Niere, wo aber die Bildung des Herzens schon weit vorgeschritten 
ist. Man vergleiche den diesem Stadium J entsprechenden Schnitt 
in Fig. 14 seiner Taf. XXVI, welcher die erste Herzanlage dar- 
stellen soll, mit meinen Bildern, und man wird sofort erkennen, dass 
er den ältesten Stadien meiner Darstellung vollständig entspricht 
siehe meine Figg. 110 und 111 etwa). Dass das Herzlumen bei v. Er- 
LANGER nach außen führt, beruht darauf, dass der Schnitt nahe der 
Einmündung in die Aorta geführt ist (vgl. meine Fig. f auf Serie IV). 
Auf jeden Fall fehlen die Zwischenstufen zwischen diesem Stadium 
J und den vorhergehenden G und HZ. Ich vermisse den Beweis, 
dass der auf diesen Stadien als Perikard gedeutete Hohlraum auch 
wirklich dieses ist und nicht etwa der Herzschlauch selbst, aus dem 
sekundär das Perikard hervorgeht. Nicht bewiesen erscheint mir 
ferner die Auffassung der Herz-Nierenanlage als Rest eines ursprüng- 
lich paarigen Cöloms, man betrachte die Fig. 9 seiner Taf. XXVL 
sie passt sofort in die von mir aufgestellte Entwicklungsreihe hinein 
(vgl. meine Fig. 96 auf Taf. XXXV), indem wir hier die erste 
Differenzirung aus dem gemeinsamen Zellenhaufen seiner Fig. S vor 
uns haben. Das frühere Schieksal dieses Zellhaufens scheint mir 
durchaus noch nicht in genügender Weise klar gestellt zu sein. 

Die Angaben Sarasın’s sind leider über diesen Punkt zu spär- 
lich, als dass man daraus ein sicheres Urtheil gewinnen könnte, nach 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 639 


ihm entsteht der Herzbeutel aus einer Anzahl von Mesodermzellen. Das 
von ihm gegebene Stadium der Herzentwicklung ist ebenfalls zu alt, die 
sanze Anlage ist bereits scharf differenzirt, eine Entscheidung, welches 
Lumen das primäre ist, nicht mehr möglich. 

Am energischsten tritt neben v. ERLANGER für die Existenz eines 
Cöloms bei den Mollusken SALENSKY ein. Das Mesoderm, aus 
welchem das Perikard hervorgeht, soll unpaar unter der Schalendrüse 
direkt aus dem Ektoderm hervorgehen, in seinem Inneren eine 
Höhlung entstehen lassen und so das Perikard darstellen, aus dessen 
Wandung sich schließlich der Herzschlauch herausbildet. So ver- 
loekend es für mich wäre, diese Beobachtungen in dem Sinne umzu- 
deuten, dass die ektodermale Wucherungsstelle unter der Schalen- 
drüse nicht einen Bildungsherd des Mesoderms darstelle, son- 
dern eine direkte Organanlage, eben des Herzens und Perikards, 
repräsentire, ich wage nicht, allein auf seinen Darstellungen fußend, 
es zu thun. Seine Bilder erscheinen mir bei Weitem nicht über- 
zeugend genug, die Entstehung von Herz und Perikard kann auch 
hier bei Vermetus noch nicht als endgültig erledigt betrachtet 
werden. | 

Der Vollständigkeit halber will ich weiter hier noch GANIN an- 
führen, der für eine ganze Anzahl von Formen ebenfalls eine Ent- 
stehung des Herzens aus einer Verdickung der rückständigen Peri- 
 kardwandung angiebt. In der Mitte des verlängerten, soliden 
Herzwulstes bildet sich dann eine Einschnüruug aus, die Atrium 
und Ventrikel scheidet. 

Eine gemeinsame Anlage von Herz und Niere nimmt übrigens 
auch SALEnSKY von Calyptraea an, aber seine Darstellung er- 
scheint mir nicht klar genug. Das Perikard soll sich vor dem Herzen 
bilden. 

Fassen wir endlich das Obige kurz zusammen, so ist nicht zu 
leugnen, dass meine Auffassung des Herzschlauches als des primären 
Gebildes durchaus nicht so ganz ohne Stütze da steht, dass namentlich 
in der Gruppe der Pulmonaten mit Ausnahme der Angaben GAnIn’s 
und SCHALFEEW’s alle übrigen den von mir geschilderten Typus mehr 
oder weniger klar erkennen lassen. Die Hauptschwierigkeit einer 
Verallgemeinerung bietet einzig und allein die Paludina-Ent- 
wicklung. Eine Deutung des Perikards als Rest eines Cöloms ist 
Jedenfalls mit meiner Auffassung ganz unvereinbar. 

Betreffs der Ableitung des ganzen Organkomplexes aus dem 


Ektoderm stehe ich ganz vereinzelt bis jetzt da, wenn auch aus 


640 Johannes Meisenheimer, 


einzelnen der oben besprochenen Untersuchungen sich vielleicht An- 
deutungen eines derartigen Processes herauslesen ließen. Jedoch 
halte ich ein noch weiteres Eingehen darauf’zunächst für wenig 
ersprießlich, und nur erneute Untersuchungen werden die Berech- 
tigung meiner Auffassung zu stützen, und ihre Ausdehnung auf 
andere Formen zu bestimmen vermögen. 

Man könnte vielleicht versucht sein, die vollständige oder theil- 
weise Entstehung des Mesoderms aus dem Ektoderm (TÖNNIGEs von 
Paludina, WIERZEJSKI von Physa) mit diesen Vorgängen in Be- 
ziehung zu setzen. Ich kann mich hiermit nicht einverstanden 
erklären. Hier tritt die ganze Schwierigkeit in der Definirung und 
Bedeutung des Begriffes »Mesoderm« hervor. Etwa anzunehmen, 
dass die Herz-Nierenanlage solche verspätet austretende Mesoderm- 
zellen seien, halte ich für ein Unding, mit ganz demselben Rechte 
könnte man die schon früher sich anlegende Otololithenblase oder 
die gleichzeitig entstehenden Pedalganglien für Mesodermgebilde hal- _ 
ten, und dies wird sicherlich Niemand einfallen. Nun ist aber auch 
bei Limax maximus sicher eine Urmesodermzelle vorhanden; was 
aus ihr hervorgeht, ist allein Bindegewebe nebst Gefäßen und 
Muskelgewebe. Wie sich dieses Verhältnis bei anderen Formen ge- 
staltet, das müssen eben erneute Untersuchungen lehren. 

Betreffs der Entstehung der Genitalzellen vermag ich zur Zeit 
noch nichts absolut Sicheres anzugeben, doch nehmen diese eine in 
den verschiedensten Thierklassen mehr und mehr hervortretende Sonder- 
stellung gegenüber den anderen Organen ein. | | 


8. Definitive Niere. | 


Wie beim Herzen, so nehmen wir auch bei der Niere unseren 
Ausgangspunkt von dem Stadium, wo sich in der gemeinsamen An- 
lage die Trennung beider Organsysteme vollzogen hat. Diese Tren- 
nung habe ich bereits oben in Kapitel 6 beschrieben, so dass wir 
direkt daran anknüpfen können. Die Niere besteht also bereits aus 
zwei verschiedenen, zunächst noch von einander getrennten Theilen, 
einmal dem Nierenbläschen (2) und dann einer Einsenkung des Ekto- 
derms (z.e), welehe in Fig. 94 eben angedeutet, in Fig. 95 schon 
schärfer ausgeprägt ist, und in Fig. 96 bereits eine beträchtliche Tiefe 
erlangt hat. Diese Einsenkung, welehe den Ausführgang der Niere 
in seiner ersten Anlage darstellt, drängt im Vereine mit der Lungen- 
höhle die ganze Herz-Nierenanlage ins Innere, wie oben bereits aus 
einander gesetzt ist. | 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 641 


Ein etwas älteres Stadium der Vertiefung des ektodermalen 
Ausführganges und des Wachsthums des Nierenbläschens stellt 
Fig. 113 auf Taf. XXXVII dar im Querschnitte, während Fig. 106 
auf Taf. XXXVI in einem Sagittalschnitte allein den nunmehr weit 
nach innen geschobenen Nierenkanal (x) zeigt, unmittelbar unter dem 
Herzschlauche gelegen. Eine weitere Differenzirung erläutert das 
nächstfolgende Stadium der Fig. 114 auf Taf. XXXVII, welehe einen 
Sagittalsehnitt darstellt. Wir sehen nämlich, wie sich hier ein Zapfen 
vom Nierenkanal aus gegen die Herzwandung hin vorschiebt (229) 
und direkt an dieselbe anstößt; es ist hierin die erste Anlage des 
Perikardialnierenganges zu suchen, d. h. des Ganges, der die direkte 
Kommunikation zwischen Perikard und Niere darstellt. Der Aus 
führgang hat inzwischen ebenfalls einige Modifikationen erlitten, eı 
hat sich an seinem inneren Ende stark plattenförmig erweitert, liegt 
dem Nierenbläschen dicht an und führt durch einen ganz kurzen 
Kanal in eine Rinne der Mantelhöhle nach außen (vgl. Serie I, pr). 
Noch klarer werden diese Verhältnisse auf Frontalschnitten. Fig. 115 
auf Taf. XXXVII zeigt zunächst den plattenförmig erweiterten Aus- 
führgang (prk) im Querschnitt; wie eine Verfolgung der Serie lehrt, 
führt er in einem kleinen Bogen nach außen. Ihm hart anliegend 
erkennen wir hierauf das Nierenbläschen, welches aber jetzt nicht 
mehr einen einfachen Schlauch darstellt, sondern eine Differen- 
zirung in drei Äste erlitten hat. Der eine nach der Schalendrüse 
zu gerichtete bildet die eigentliche Niere (»), der zweite nach dem 
Ausführgang hin bezeichnet die Stelle der späteren Vereinigung bei- 
der Theile, und schließlich der dritte, der sich einem von unregel- 
mäßigen Zellen umschlossenen kleinen Spaltraume, dem äußersten 
Zipfel des Perikards, anlegt, den Perikardialnierengang (png). Hier- 
mit sind alle Theile der Niere gegeben, sie bedürfen jetzt nur noch 
der Vereinigung und weiteren Ausbildung. 

Die bisherigen Resultate will ich kurz nochmals an der Betrachtung 
einiger Schnittserien zusammenfassen. Serie Iund II (Taf. XXXVII und 
XXXIX) entsprechen etwa dem bislang geschilderten Stadium, erstere 
etwas jünger, letztere etwas weiter ausgebildet. Auf dem Schnitte « 
der Serie I erkennen wir die Mündung des Ausführganges in eine Rinne 
(seh), auf 5 und c den Übergang in den plattenartig erweiterten Theil 
desselben (prh), auf d letzteren selbst im Flachschnitte, auf e dessen 
Übergang in den eigentlichen Nierenkanal (r), auf f letzteren selbst 
im Querschnitt, auf 9 den gegen die Herzanlage vorspringenden Zapfen 
(rg) und auf % schließlich den Endzipfel des Nierenkanals. 


642 Johannes Meisenheimer, 


Dieselben Verhältnisse, nur etwas weiter vorgeschritten, zeigt 
Serie II, wir bemerken die Verlängerung des Ausführganges (5 und ce 
und diejenige des zur Herzanlage führenden Zapfens (e). 

Fahren wir jetzt in der Betrachtung der Entwicklung weiter fort 
In Fig. 116 auf Taf. XXXVII sind die einzelnen Schenkel der Niere 
noch schärfer ausgeprägt als in Fig. 115, im Inneren der Niere er- 
kennen wir nunmehr auch einen Spaltraum, der das künftige Lumen 
des ganzen Organs darstellt. Die Verbindung mit dem Ausführgang 
ist noch nicht hergestellt, eine solche (c) zeigt uns erst das Stadium 
von Fig. 117, wo allerdings die beiden anderen Äste nur in ihrem 
Ursprunge getroffen sind. Der mit der Niere in Kommunikation 
stehende Theil des Ausführganges (pr%) führt in einem Bogen zu 
der ebenfalls getroffenen Mantelhöhle (m.%) nach außen. 

Betreffs des Ausführganges will ich hier gleich hervorheben, be- 
hufs leichterer Verständigung, dass wir in dem erweiterten Theile des 
Ausführganges, der aus einer Ektodermeinstülpung hervorgegangen 
ist, den primären Ureter oder rücklaufenden Schenkel vor uns haben, 
während der durch die Rinne in der Mantelhöhle gebildete und später 
durch Verschluss derselben zum Kanal sich abschließende Theil den 
sekundären Ureter darstellt. Diese Verhältnisse werden uns später 
noch sehr genau zu beschäftigen haben, für jetzt genügen diese Be- 
merkungen. 

Eine völlige Vereinigung aller Theile zeigt uns schließlich Fig. 118. 
Der Schnitt ist durch eine Ebene geführt, in welcher beide Mün- 
dungen der Niere liegen, sowohl nach der inneren, wie nach der 
Außenseite hin. Zunächst erkennen wir sofort den bauchig aufge- 
triebenen eigentlichen Nierentheil /*), der also jetzt bereits ein 
weites Lumen besitzt. Von diesem ausgehend sehen wir rechts sich 
mit enger, eben durchbrechender Öffnung einen runden Kanal an- 
legen, den äußersten Zipfel des primären Ureters (pr). Links von 
der Niere liegt, durch eine mehrschichtige Epithelgrenze geschieden, 
ein zweiter Hohlraum, das Perikard (p%)j, und beide verbindet ein 
scheinbar massiver Zellstrang. Dieser Strang ist nichts weiter, als 
die Wand des bogenförmig verlaufenden Perikardialnierenganges 
(png), dessen Öffnung nach der Niere zu nur angedeutet, nach dem 
Perikard dagegen deutlich erhalten ist und den bereits vollzoge- 
nen Durchbruch im Gegensatz zu Fig. 115 und 116 zeigt... Sehr 
xlar tritt auf diesem Schnitte die vollständige Ausfüllung des Rau- 
mes zwischen Schalendrüse und Lungenhöhle durch Herz und Niere 
hervor. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 643 


Wiederum will ich zur nochmaligen Erläuterung des bis jetzt 
erreichten Stadiums eine Schnittserie geben (Serie III, Taf. XXXIX und 
XL), und zwar diesmal in Frontalschnitten. Fig. « zeigt eine Rinne, das 
Ende des sekundären Ureters (seh), Fig. d und ce den bogenförmigen Ver- 
lauf desselben nach innen mit seinem bereits geschlossenen Theile, Fig. € 
seinen Übergang in den primären Ureter (pr) und zugleich die ersten 
Schnitte des Nierenkanals (z), Fig. e und f die Ausbildung des Peri- 
kardialnierenganges (png) und seine Einmündung in das Perikard, 
Fig. g und % das Näherrücken und Verschmelzen von Nierensack und 
primärem Ureter, Fig. i die abermalige Trennung beider und Fig. 
schließlich das Schwinden des letzteren und Verbreiterung des Nieren- 
sackes über das Herz hin. 

Von Bedeutung ist auf dieser Serie vor Allem die scharf aus- 
geprägte Krümmung des Ausführganges, die primären und sekundären 
_ Ureter klarer unterscheiden lässt, wenn auch eine absolute Grenze 
zwischen beiden nicht zu ziehen ist. Wir haben uns diesen Process 


Textfigur 16. Textfigur 17. Textfigur 18. Textfigur 19. 


Schematische Darstellung der Ausbildung und Verschiebung vom primärem und sekundärem Harnleiter. 
Das Weitere im Texte. Bezeichnungen wie vorher. ; 


derart vorzustellen, dass der plattenartig erweiterte primäre Ureter 
sich gegen die Niere umzuschlagen beginnt, wobei die Einmündungs- 
stelle als Fixpunkt der ganzen Bewegung dient. Der am anderen 
Ende der Platte sich anschließende sekundäre Ureter wird durch 
diese Bewegung gezwungen, sich immer länger ins Innere auszu- 
ziehen. Vielleicht tragen zum Verständnis dieser Vorgänge einige 
Schemata bei, die ich in engem Anschlusse an BEHME’s Figuren, 
der dieselben Verhältnisse bei Helix untersucht hat, nach Kombi- 
nationen meiner Schnittserien frei entworfen habe. 

Textfig. 16 stellt uns die früheste Entwicklungsstufe dieser Vor- 
gänge dar, ein von außen kommender Kanal stößt dicht an das 
Nierenbläschen an. In Textfig. 17, dem darauf folgenden Stadium, 


644 Johannes Meisenheimer, 


ist der Durchbruch erfolgt, der primäre Harnleiter hat eine Drehung 
in der Richtung des Pfeiles erfahren, während der sekundäre Ureter 
durch Zuwachs von außen sich verlängert hat und nach innen der- 
selben Richtung folgt. Weiter vorgeschritten ist dieser Process in 
Textfig. 18, so dass wir jetzt zwei über einander geschobene Platten 
vor uns haben, die aber noch durch Mesenchymzellen ziemlich weit 
von einander getrennt sind, entsprechend etwa der Fig. 120 aut 
Taf. XXXVIH. Die Kommunikation beider Theile ist sehr weit, eben 
so hat der Perikardial-Nierengang jetzt seine volle Ausbildung erlangt 
(ie. 119): 

Eine weitere Komplikation tritt uns im eigentlichen Nierensack 
selbst entgegen und besteht in einer Faltung seiner Wandung, 
schwächer ausgebildet in Fig. 121 und 122, stärker bereits in Fig. 123. 
Auch die Weiterentwicklung der übrigen Theile, ihre oben ange- 
deuteten Wachsthums- und Verlagerungserscheinungen treten auf 
diesen Schnitten klar zu Tage. Auf Fig. 121 sehen wir in’ einem 
älteren Stadium den Perikardialnierengang vom Perikard zur Niere 
ziehen. Letztere schiebt sich allmählich über das Perikard hinweg 
(Fig. 122), und in derselben Richtung folgt ihr der primäre Ureter, 
der schließlich der Niere dicht anliegt (Fig. 123). Die Kommuni- 
kation beider Säcke (c) zeigt uns Fig. 122 auf dem Altersstadium 
von Fig. 121. Auf Fig. 123 sehen wir schließlich außer Perikard, 
Niere und primärem Harnleiter auch noch den sekundären nebst der 
Rinne (sei), in welche letzterer einmündet, getroffen. 

Wir haben jetzt im Ganzen bereits das Stadium vor uns, wel- 
ches Textfig. 19 schematisch als Ergänzung der oben besprochenen 
Verhältnisse darstellt. 

Um das Ganze zu vervollständigen, seien zum Schlusse noch 
zwei Stadien gegeben, welche uns das Organ in seiner vollen Funk- 
tion darstellen. Betrachten wir zunächst Fig. 125 auf Taf. XXXVII. 
Etwas Neues zeigt uns dieses Stadium nur in’ so fern, als das Organ 
seine sekretorische Thätigkeit nunmehr begonnen hat, wie die zahl- 
reichen von Konkrementen erfüllten Vacuolen beweisen. Die Falten 
haben sich stark vertieft, und in dieselben sind zu ihrer Stütze Mesen- 
chymzellen eingewandert, ein Process, der sich schon auf jüngeren 
Stadien, wie etwa Fig. 121—123 bemerkbar macht. Die Niere einer 
erwachsenen Schnecke zeichnet sich vor diesem Stadium nur durch 
die weitere Verästelung der Nierenkanälchen aus. Mit der Niere in- 
Kommunikation sehen wir einen engen Kanal, der weiter nichts ist 
als ein Schnitt durch den die Niere umkleidenden primären Harnleiter 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. 1I. I 645 


(prh), der sich jetzt sehr stark abgeplattet hat und der Niere dicht 
anliegt. In einem Winkel gelangen wir aus diesem Theile in einen 
zweiten Kanal (se), den sekundären Harnleiter, der schließlich auf 
einem wenig entfernten Schnitte an der rechten Seite nach außen 
mündet. Der ganze Komplex liegt dicht dem Perikard an. 

Eine sehr instruktive Ergänzung zu diesem Schnitte giebt Fig. 124 
auf Taf. XXXVI. Die Schnittrichtung steht senkrecht auf Fig. 125 
und verläuft durch die Längsachse des Komplexes an der Stelle der 
Einmündung des primären Ureters in die Niere. Zu oberst an dem 
Schnitte treffen wir auf das untere Epithel der Schalendrüse (.sd). 
Darunter liegst linkerseits ein kleiner Zipfel der Niere (n), an einigen 
vaeuolisirten Zellen kenntlich, links davon die Kommunikation mit 
dem primären Ureter (c), und noch weiter nach links der Querschnitt 
des sekundären Ureters (se}.. Wenden wir uns nunmehr nach der 
rechten Seite (auf dieser einen Figur müssen rechts und links ver- 
tauscht werden, um mit der Wirklichkeit übereinzustimmen, es hängt 
dies natürlich von dem Auflegen der Serie ab), so finden wir hier 
den größten Theil des Schnittes vom Perikard eingenommen, direkt 
unter der oberen Kommunikationsstelle (c) zwischen Niere und pri- 
märem Harnleiter liegt aber eine zweite, diejenige zwischen Perikard 
(p%) und Niere (n); der kurze Gang, der sich an das Perikard nach 
links anschließt, ist der Perikardial-Nierengang (png). Abgeschlossen 
wird das Ganze nach unten durch die Lungenhöhle (7), wir haben 
also schon jetzt, ganz wie beim erwachsenen Thiere, den Herz- 
Nierenkomplex frei als einen Sack in der | 
Lungenhöhle hängen. 

Vielleicht erleichtert es den Überblick 
über diese Verhältnisse, wenn ich zum 
Schlusse eine schematisirte Darstellung der 
gegenseitigen Lagerung der hier in Frage 
kommenden Organe beim erwachsenen 
Thiere gebe, wie ich sie SIMROTH’s »Ver- Textfigur 20. 

S s Darstellung der Lagebeziehung von 
such einer Naturgeschichte deutscher Nackt- Pperikara, Niere und Hamleiter bei 
Sineeken< entnehme. Ich brauche der max maximus. Kopie nach Sım- 
Figur kaum etwas hinzuzufügen, man wird en en oa 
die direkten Beziehungen zu meinen zuletzt 2 oc 
geschilderten Stadien sofort erkennen. 

Betrefis der Entwicklung der am Ende des Ausführganges ge- 
legenen Schleimdrüse, mag sie nun wirklich als solche oder als 


646 Johannes Meisenheimer, 


Theil des Ureters aufgefasst werden, habe ich bis zu den von mir 
untersuchten Stadien nichts mit Sicherheit ermitteln können. 

Wohl bei keinem anderen Organe sind die Angaben betreffs 
seiner Herleitung schwankender als bei der Niere. Entweder soll 
sie ganz mesodermal sein, oder ganz ektodermal, oder schließlich 
sollen beide Keimblätter an ihrer Bildung Theil haben. Ich will 
versuchen, im Folgenden einen kritischen Überblick unserer bisheri- 
sen Kenntnisse im Hinblick auf die oben von mir entwickelten Ge- 
sichtspunkte zu entwerfen. 

Beginnen wir mit den Angaben, welche die Niere vom Ektoderm 
ableiten. Hier müssen wir sofort eine Scheidung in Wucherung und 
Einstülpung vornehmen. Aus einem ektodermalen Zellenwulste leitet 
For die Niere der Wasserpulmonaten ab, freilich sind die Gründe, 
die er für die Herkunft des Zellhaufens angiebt, nicht durchaus be- 
weisend, aber ich vermuthe, dass es sich um den von mir beobachte- 
ten Zellenhaufen auch hier handelt, nur dass FoL ihn erst auf einem 
späteren Stadium gesehen hat. Die Anlage höhlt sich dann aus und 
sondert sich in Perikardialnierengang, drüsigen Theil und Ausführ- 
gang. Bei den Landpulmonaten soll die frühe Entwicklung ähn- 
lich verlaufen. 

Ferner entsteht nach JoyEux-LAFFuIE die Niere bei Onchidium 
als eine Zellverdickung am Mantelrande, die in ihrem Inneren einen 
Hohlraum ausbildet, der sich in eigentliche Nierenhöhle und Aus- 
führgang differenzirt. Nach dem Perikard zu entsendet die Niere 
einen verlängerten Fortsatz, der mit dem Perikard kommunicirt. 
Diese Verbindung ist aber hier nur von kurzer Dauer, sie schwindet 
bald wieder. | | 

Auch bei Bythinia entsteht nach Sarasıy die Niere aus einer 
Ektodermverdickung an der rechten Seite des Embryos. Später 
tritt in derselben eine Höhlung auf, und mit der Torsion verschiebt 
sie sich nach links. 

Aus dem Ektoderm leitet ferner BOBRETZKY die Niere von 
Fusus durch Abschnürungen von der Wand der Kiemenhöhle ab, 
in ähnlicher Weise bei Murex echinatus (?) derselbe Autor und 
schließlich FoL bei einer entfernteren Gruppe, den Pteropoden. 
Die Anlage besteht hier aus einer Ektodermverdiekung am unteren 
Rande der Mantelhöhle, sie löst sich los, bildet ein Lumen und einen 
Ausführgang zur Mantelhöhle aus und tritt mit dem Perikard in Ver- 
bindung. Auf die Bedeutung dieser Angaben For’s bin ich oben 
bereits eingegangen. 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 647 


Ebenfalls aus dem Ektoderm, aber durch eine Einstülpung, leiten 
Braun und BEHME die Niere von Helix ab. Es ist offenbar, dass 
beiden Forschern die jüngste Anlage entgangen ist, sie nehmen die 
Einstülpung des primären Ureters als die ganze Anlage in Anspruch 
und haben das Stadium der Verschmelzung der beiden Bestandtheile 
übersehen. Sehr genau und vollständig korrekt beschreiben sie da- 
sesen die Ausbildung des primären und sekundären Harnleiters, die 
schematischen Figuren BEHMmE’s haben mir das Verständnis dieser 
komplicirten Vorgänge erleichtert. Es hieße, mich wiederholen, 
wenn ich hier noch genauer darauf eingehen wollte, so ähnlich sind 
die Verhältnisse bei Helix und Limax. Freilich in der Deutung 
einiger allgemeinen Punkte kann ich nicht mit ihm übereinstimmen, 
wir werden dies weiter unten sehen. 

Eine Betheiligung beider Keimblätter an der Anlage der Niere 
- nimmt zunächst MEuURON bei Helix an. Eine ektodermale und 
eine mesodermale Anlage verschmelzen mit einander, so dass die 
Grenze zwischen beiden nicht mehr zu ziehen ist. Dies ist nun 
nicht ganz richtig, wie wir gesehen haben lässt sich diese Grenze 
stets mit aller Schärfe bestimmen und was die mesodermale Anlage 
betrifft, so ist es sehr leicht möglich, dass MEURON eben die Aus- 
wanderung übersehen hat. Zugleich spricht aber doch diese Angabe 
für die Berechtigung meiner Deutung der Befunde von BRAUN und 
BEHME, da auch hier für Helix die Verschmelzung zweier Bestand- 
theile angegeben wird. 

Ich komme nun zu der Entwicklung der Nierch von Paludina 
nach den Angaben v. Ertanger’s. BürschLı lässt zwar hier die 
Niere aus einer blindsackartigen Ausstülpung der Mantelhöhle her- 
vorgehen, v. ERLANGER aber betrachtet diese Ausstülpung nur als 
Ausführsang, der mit einer mesodermalen Anlage verschmilzt. Und 
zwar bildet sich diese Anlage, eben so wie die Ausführgänge, zu- 
nächst paarig aus in Gestalt zweier Ausstülpungen des Perikards, 
von denen die linke bald wieder schwindet. Die Schwierigkeiten 
einer Vereinbarung sind hier ganz dieselben wie beim Perikard, sie 
liegen auch hier in der Auffassung des letzteren begründet. Die 
Faltenbildung der Niere verläuft in ganz ähnlicher Weise wie bei 
Limax, auch hier treten in die Falten der Nierenwandung Mesenchym- 
zellen ein. 

Da ScHALFEEW’s Schilderung der Nierenentwicklung bei Limax, 
eben so wie die Herzentwicklung, mit v. ERLANGER’s Resultaten 
übereinzustimmen scheint, so will ich dieselbe hier kurz anfügen. 


648 Johannes Meisenheimer, 


Nach ihm soll sich an der Dorsalwand des Perikards eine Falte 
bilden, welche dasselbe in zwei Theile zerlegt, von denen der rechte 
die Niere liefern soll, die ihrerseits mit einer Ektodermeinstülpung 
verschmilzt. Wie dieser Forscher zu dieser Auffassung gekommen 
ist, ist mir ganz unerklärlich. Bei Limax maximus ist sicherlich 
nicht die geringste Spur davon zu bemerken, wie hoffentlich meine 
Darstellung darzulegen vermocht hat. Ich könnte mir höchstens 
denken, dass seine Falte des Perikards identisch mit der Anlage des 
Septums zwischen Vorhof und Kammer ist, aber etwas Sicheres 
lässt sich aus den kurzen Angaben nicht entnehmen. 

Eine doppelte Anlage aus Bestandtheilen beider Blätter nimmt 
schließlich noch SALENSKY für Vermetus an, indem eine meso- 
dermale Anlage mit einem ektodermalen Ausführgang verschmilzt. 

Rein mesodermal ist nach v. ERLANGER die Nierenentwicklung 
von Bythinia, und er steht hiermit in vollstem Gegensatze zu 
SARASIN. Betreffs der frühesten Entwicklung verweise ich auf das 
über diesen Punkt bereits beim Perikard Erwähnte. Die spätere 
Entwicklung zeigt große Ähnlichkeit mit Limax. Das Nierenbläschen 
sondert sich in drei Schenkel, die in T-Form angeordnet sind, der 
eine ist nach oben gerichtet und endet blind, es ist die eigentliche 
Niere, der rechte Schenkel liegt horizontal und entspricht dem Ureter, 
der dritte Schenkel führt in das Perikard. Die Differenz beider For- 
men in der späteren Entwicklung liegt also nur darin, dass bei Limax 
noch ein umfangreicher, ektodermaler Ausführgang hinzukommt. 

Ein dritter Autor über Bythinia, RABL, giebt direkt einen 
mesodermalen Ursprung der Niere an, freilich ohne genügende Be- 
weise beizubringen. 

Von weit größerer Bedeutung sind dagegen für mich die Unter- 
suchungen Ragr’s an Planorbis. Wie bereits oben erwähnt, ist 
er der Einzige, der den fraglichen Zellenhaufen mit Sicherheit ge- 
sehen hat. Er liegt hier auf der linken Seite des Enddarmes und 
ist nach ihm mesodermalen Ursprungs, da er eben nie einen Zusammen- 
hang mit dem Ektoderm konstatiren konnte. Ich habe an mir selbst 
erfahren, wie schwierig es ist, das Stadium der Auswanderung zu 
erhalten, und ich muss eben seinen negativen Befunden positive 
gegenüber stellen, die stets maßgebender sein müssen. Der Haufen. 
streckt sich dann nach RABL in die Länge, höhlt sich aus und öffnet 
sich nach außen. Es erfolgt schließlich die Sonderung in drüsigen’ 
Theil und Ausführgang, von denen ersterer mit dem von Konkre- 
menten freien Ende mit dem Perikard in Verbindung tritt. 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 649 


Dass schließlich SALENsKY für Calyptraea eine gemeinsame 
Anlage von Herz und Niere angiebt, ist oben bereits erwähnt. 

In wie weit die Kritik, die ich hier zu Gunsten meiner 
Auffassung im Einzelnen übte, richtig ist, das werden allein erneute 
Untersuchungen darzuthun vermögen, hier muss ich noch auf einen 
Punkt zurückkommen, der allein mit der Entwicklung der Ausführ- 
sänge zusammenhängt, auf die v. Imering’sche Eintheilung der 
Pulmonaten in Branchiopneusten und Nephropneusten. 
Bei den Nephropneusten soll der ursprünglich einheitliche uro- 
pneustische Apparat sich in Lungenhöhle und Ureter getheilt haben, 
während bei den Branchiopneusten die Lunge eine umgewandelte 
Kieme darstellt. Diese Anschauungen wurden vor Allem auf ver- 
sleichend-anatomischer Grundlage erworben, und neuerdings glaubt 
nun BEHME diese Ansicht, wenigstens von der Ableitung des sekun- 
dären Ureters aus einem Theile der Lungenhöhle, durch seine ent- 
wicklungsgeschichtlichen Resultate stützen zu können, da der sekun- 
däre Ureter ja durch Verschluss einer Rinne der Wandung der 
Lungenhöhle zu Stande komme. Ich kann mich dieser Auffassung 
nicht anschließen. Das Entstehen des sekundären Ureters aus einer 
Rinne ist mit Sicherheit nachzuweisen, aber die Stelle, wo diese 
Rinne liegt, hat mit der Lungenhöhle nichts gemein. Beide, Ureter 
wie Lungenhöhle, legen sich ursprünglich als zwei scharf geson- 
derte Einstülpungen an und erst allmählich kommt die Mündung des 
Nierenausführganges in Folge verstärkten Einrollens des Mantel- 
randes in die Mantelhöhle zu liegen. Wir haben in diesem äußersten 
Theile, in den, wie wir an anderer Stelle sahen, noch Darm und 
Urniere münden (letztere übrigens, wie ich gegen BEHME hervorheben 
will, stets scharf vom Ureter getrennt), nur einen gemeinsamen Aus- 
führgang vor uns, in den mit demselben Rechte wie die eben ange- 
führten Organe auch die Lungenhöhle mündet. Von einer Umwand- 
lung eines Theiles der Lungenhöhle in den Ureter kann also 
ontogenetisch keine Rede sein, beide Anlagen sind scharf von einander 
zu scheiden, von einem einheitlichen Ursprung beider, wie v. IHERING 
in einer neueren Arbeit, gestützt auf BEumE’s Resultate, behauptet, 
ist nichts zu erkennen, zumal BEHME selbst erklärt, die Entwicklung 
der Lungenhöhle nicht ins Einzelne verfolgt zu haben. 

Diese eben dargelegte Ansicht ist übrigens nicht neu, For ist für 
die Pulmonaten bereits zu ganz ähnlichen Resultaten gekommen, er 
scheidet streng die Lungenhöhle (cavite pall&ale) ven einer nach- 
folgenden sekundären Einstülpung, der cavite du manteau. 


650 Johannes Meisenheimer, 


Wenn PLATE sogar so weit geht, auch den primären Ureter 
der Testacellen als abgegliederten Theil der Lungenhöhle anzu- 
sehen, freilich nur gestützt auf histologische Thatsachen, so muss 
dies zum mindesten erst eine. Bestätigung durch die Entwicklungs- 
geschichte erfahren. 

Aber die von IHErRIn@’sche Theorie von einer Trennung der 
Pulmonaten in Nephropneusten und Branchiopneusten ist 
auch vergleichend-anatomisch nicht haltbar, in so fern sie einen ver- 
schiedenen Ursprung der Lungenhöhle von Land- und Wasserpulmo- 
naten annimmt. PLATE kommt auf Grund des Vorhandenseins eines 
Geruchsorgans in der Lungenhöhle beider Gruppen zu dem Ergebnis, 
dass bei beiden dieselbe als modifieirte Kiemenhöhle aufzufassen ist. 
Freilich hält er an der Ableitung des Ureters aus der Lungenhöhle 
fest, was ontogenetisch für den primären bei Limax maximus 
sicher nicht zutreffend ist, und rür den sekundären nur mit der 
Beschränkung, dass eine Mantelhöhle von einer Lungenhöhle abzu- 
trennen ist. | 


9. Blutgefäßsystem. 


Die ersten Andeutungen eines Blutgefäßsystems ei sich 
schon früh bemerkbar, und zwar wird die Mitte des Fußes dorsal- 
wärts von einem geräumigen Sinus durchzogen, der einerseits in die 
Podoeyste führt, andererseits nach vorn zur Kopfblase und nach oben 
bis zur Schalendrüse zieht, überall sich in unregelmäßige Lückenräume 
im Mesenchym auflösend.. Wir haben in diesen Lymphräumen un- 
zweifelhaft die ersten Anlagen des Venensystems vor uns. 

Etwas schärfer lässt sich die Entwicklung der Arterien verfolgen, 
da diese schon früher eine, wenn auch sehr feine, festere Begrenzung 
von Seiten der Mesenchymzellen erhalten. Zuerst treten im ventralen 
Theile des Fußes jederseits je ein Gefäß auf, welche nach hinten 
in die Lymphsinusse übergehen, nach vorn dagegen sich über der 
Fußdrüse, zwischen dieser und dem Pedalganglion, vereinigen, um 
dann rechterseits zwischen Pedal- und Visceralganglion emporzuziehen 
und sich nach links hinten zum Herzen zu wenden, wo das Gefäß 
schließlich in die Herzkammer eintritt. Dieses Gefäß stellt ohne 
Zweifel die Aorta cephalica dar, welche im Fuße sich bereits in die 
Arteriae pedales theilt. 

Dehr auffallend ist auf jüngeren Stadien, dass diese Aorta cepha- 
lica stets in weiter Kommunikation mit dem Lungengefäße steht, 
eben demjenigen, welches wir oben bei der Entwicklung der Lunge 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. II. -651 


kennen lernten, indem es durch die Faltenbildung seiner Wandung 
zur Entstehung des Lungennetzes führte. Das eben erwähnte Ver- 
halten deutet jedenfalls darauf hin, dass wir auf ‘diesen Stadien, 
trotz der fertigen Ausbildung des Herzens, noch keinen geordneten 
Kreislauf vor uns haben. Die Podocyste ist noch in voller Thätig- 
"keit, ihre Kontraktionen treiben das Blut in unregelmäßigen Stößen 
durch die Gefäße, und wenn wir uns hierzu noch das Herz pulsiren 
denken, so kann von einer geregelten Bewegung innerhalb der Ge- 
fäße noch keine Rede sein. GEGENBAUR erwähnt übrigens ebenfalls 
schon ein gleichzeitiges Pulsiren von Herz und Larvenorganen. 

Zuweilen bemerkt man von der Einmündung der Kopfarterie in 
das Herz ein zweites, bedeutend schwächeres Gefäß sich abzweigen, 
das sich nach unten in den Darmtractus hineinzieht, und wohl die 
Aorta visceralis aus sich hervorgehen lässt. Auf ganz jungen Stadien 
sieht man in der Regel aus der Herzkammer nur ein großes Gefäß 
nach unten ziehen und sicn sehr bald in den Lymphräumen ver- 
lieren. 

_ Die in den Vorhof mündende Lungenvene besteht noch sehr lange 
einfach aus den umgebenden Lymphräumen, ohne irgend welche 
festere Abgrenzung. 

Nur in einzelnen Fällen ist bisher der Entwicklung des Blut- 
sefäßsystems bei Mollusken größere Beachtung geschenkt worden. 
GANIN giebt an, dass sich das Blutgefäßsystem zum größten Theile 
unabhängig vom Herzen entwickle, und dass nur kleine Theile der 
Aorta und Lungenvene vom Herzen aus entständen.. FoL er- 
wähnt bei den Wasserpulmonaten, dass die Aorta durch Ver- 
längerung des Ventrikels entstündee Sarasın giebt bei Helix 


- Waltoni zwei Blutgefäße im Fuße an, die einerseits zur Podocyste, 


andererseits vom Fußrücken zu Eingeweide und Leber, von da zum 
Gehirn und schließlich zur Fußsohle ziehen. 

Die genaueste Schilderung finden wir bei v. ERLANGER für 
Paludina. Hier tritt die erste Anlage in Gestalt eines Ursinus in 
der vorderen Gegend des Fußes unter dem Darme auf. Er pulsirt 
und bildet den späteren vorderen Ast der Aorta. Derjenige Theil 
der Aorta, welcher direkt mit dem Herzen in Verbindung tritt, ent- 
steht aus einem zweiten Ursinus um Magen und Leber. Auch die 
Kiemenvene bildet sich als Lückenraum im Mesenchym. Die Ent- 
stehung der venösen Sinusse erfolgt erst auf einer verhältnismäßig 
späten Entwicklungsstufe, indem das Mesoderm von Magen, Ele: 
und Darm zurücktritt. 


652 Johannes Meisenheimer, 


Schluss. 


Einer Arbeit muss ich hier zum Schlusse gedenken, deren Resul- 
tate nahezu mit den meinigen übereinstimmen, wenn sie auch sicher- 
lich zum T'heil auf anderer Grundlage beruhen, ich meine die Arbeit 
P. B. Sarasın’s über Bythinia tentaculata. Der richtige Ge- 
danke, der ihn bei der Aufstellung seiner am Schlusse ausge- 
sprochenen Sätze leitete, war die Ableitung der Organe aus dem Ek- 
toderm durch Wucherungen, aber eben diese Annahme verführte ihn 
auch dazu, eine Trennung von Ektoderm und Mesoderm, von beiden na- 
türlich hier nur streng topographisch gesprochen, überhaupt zu verneinen 
und so die Klärung der Sachlage zu erschweren. Dies lag daran, dass 
es ihm nicht gelang, die in großer Zahl vorhandenen Wucherungen 
aufs schärfste in ihrem gegenseitigen Verhältnisse nach Ort und Zeıt 
zu trennen, wodurch allein die Auffassung der Organogenese eine 
feste und sichere Basis gewinnen konnte. 

Ganz ferne liegt es mir, jetzt, wo ich am Ende meiner Dar- 
stellung angekommen bin, etwa lange theoretische Erörterungen an 
dieselbe anknüpfen zu wollen, dazu fühle ich mich nicht berufen, 
so lange ich nicht meinen Gesichtskreis durch fernere Untersuchungen, 
zunächst an anderen Molluskenklassen, erweitert habe. Nur wenige 
Worte seien mir gestattet. Man wird verschiedentlich vielleicht 
einen Einfluss KLEINENBER@’scher Theorien auf meine Darstellung 
bemerkt haben, und ich kann nicht leugnen, dass mich das Studium 
seiner Lopadorhynchus-Arbeit, als ich am Ende meiner Unter- 
suchung angelangt war, außerordentlich angezogen hat, dass es 
namentlich der Begriff der Substitution ist, der als wesentlich 
fördernder Faktor in der Entwieklungsgeschichte auftreten kann. 
Freilich das Studium der Entwicklungsgeschichte wird, wie KLEINEN- 
BERG selbst hervorhebt, sicherlich dadurch zunächst kein leichteres; 
volle Sicherheit darüber zu gewinnen, ob die beobachtete Anlage 
auch wirklich die früheste ist, wird in vielen Fällen sehr schwierig, 
wenn nicht überhaupt unmöglich sein. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 653 


Zusammenfassung der wichtigsten Resultate, 


1) Kopfblase und Podocyste zeigen im Allgemeinen das bereits 
bekannte Verhalten. Die Podocyste übernimmt bei Weitem in erster 
Linie die pulsatorische Thätigkeit. 

2) Die Urniere ist ein rein ektodermales Gebilde. Sie differen- 
zirt sich in einen schlauchartigen Theil und in eine Anzahl von 
Wimperzellen, welche das innere Ende abschließen. Der Urnieren- 
schlauch zerfällt in einen exkretorischen Abschnitt mit stark vacuoli- 
sirten Zellen, die zahlreiche Konkremente enthalten, und in einen 
Ausführgang, der in seiner inneren Hälfte aus stark abgeplatteten 
Zellen, in seinem äußeren Schenkel aus regelmäßigem Cylinder- 
epithel besteht. Das ganze Organ fällt gegen Ende der Larvenperiode 
der Resorption anheim. 

3) Die Lungenhöhle entsteht als eine besondere, deutlich aus- 
geprägte Einstülpung des Ektoderms, der sich dann eine sekundäre 
Einrollung zur Bildung der eigentlichen Mantelhöhle anschließt. Durch 
Abplattung des die Lungenhöhle begrenzenden Epithels, durch Hinzu- 
treten von Blutgefäßen und Faltenbildung entsteht die typische Lunge. 

4) Die Schalendrüse bildet ein vom Ektoderm sich abschnürendes 
Bläschen. Die dem Ektoderm zugekehrte Seite desselben flacht 
sich sehr stark ab, verschmilzt mit dem Ektoderm, und löst sich 
dann wieder los, um als nach außen dünnwandiges, nach innen von 
kubischem Epithel ausgekleidetes Bläschen seine Lage inmitten des 
Mantelfeldes beizubehalten. 

5) Die Bildung des Nervensystems entspricht völlig der Schil- 
derung, welche A. P. HrncHmAan von demselben gegeben hat. 

6) Die Tentakel entstehen aus den Scheitelplatten. 

7) Die von P. und F. Sarasın beschriebenen Hautsinnesorgane 
finden sich auch bei Limax maximus, wenn schon in etwas ver- 
änderter Form. Sie wandern später aus und liefern Theile des 
Nervensystems. 

8) Die Otolithenblase entsteht durch Ektodermwucherung. 

9) Das Auge entsteht aus einer Ektodermeinstülpung. Die Linse 
bildet sich durch Ausscheidungen von Seiten der Bläschenwandung. 
Das Pigment tritt relativ spät auf. Ursprünglich am Fuße des Ten- 
takels gelegen, wandert es allmählich an dessen Spitze hinauf. 

10) Die erste Anlage des Darmkanals stellt der Entodermsack 


vor. An diesen Theil gliedern sich einmal der ektodermale Vorder- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 43 


654 Johannes Meisenheimer, 


darm an, aus dem Radulatasche, Speicheldrüsen und Theile des 
Ösophagus hervorgehen, und dann der ebenfalls ektodermale Mittel- 
und Enddarm, der sich aber für einige Zeit vom Ektoderm loslöst. 
Aus dem entodermalen Theile gehen Magen und Leber hervor. 
Letztere bildet sich nur zum geringeren Theile aus dem eigentlichen 
Eiweißsacke, zum größeren vielmehr aus zwei Ausstülpungen des 
Magensackes. 

11) Der ganze Eingeweideknäuel liegt ursprünglich in dem 
Mantel über dem Fuß, die Verschiebung in denselben erfolgt successiv, 
ein Leberlappen voran. 

12) Herz und Niere gehen aus einer gemeinsamen Anlage hervor, 
die rein ektodermaler Natur ist. 

13) Das Herz entsteht aus dieser Anlage als ein sich aushöhlendes 
Rohr, in welchem durch eine Verdiekung in der Mitte die Scheidung 
in Vorhof und Kammer erfolgt. 

14) Das Perikard bildet sich erst sekundär durch Loslösung der 
äußeren Zellenschicht vom ursprünglichen Herzschlauche. 

15) Die Niere entsteht aus zwei Anlagen, einmal aus der mit 
dem Herzen gemeinsamen ektodermalen Wucherungszone und damn 
einer ebenfalls ektodermalen Einstülpung. Beide verschmelzen mit 
einander, ein Theil sondert sich als eigentliche Niere ab, ein zweiter 
Ast bildet den Perikardial-Nierengang, ein dritter geht in den Ausführ- 
gang über. Der durch die ursprüngliche Einstülpung entstandene 
Theil desselben wird zum primären Harnleiter, er legt sich dicht 
der Wandung der Niere an. Durch Verschluss einer Rinne inner- 
halb der Mantelhöhle entsteht der sekundäre Harmnleiter. Durch 
Faltenbildung innerhalb des Nierensackes erhält schließlich die Niere 
ihr typisches Aussehen. 

16) Die Blutgefäße entstehen direkt aus Lymphes äumen des Körpers. 
Am ehesten und schärfsten ausgeprägt sind die Aorta cephalica und 
die Arteriae pedales. | 


Marburg i. H., Mitte November 1897. 


Litteraturverzeichnis, 


(Fortsetzung. 
66. E. Anpr&, Recherches sur la glande pedieuse des Pulmones. Revue 
suisse de Zoologie. Tome II. 1894. (Referat in: Zoologisches Centralbl. 

II. Jahrgang. Nr. 19. 1895.) 


68. 


69. 


80. 


31. 


82. 


83. 


84. 


85. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 655 


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43* 


96. 


la 
98. 
| 3% 
100. 
101. 


102. 
103. 


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698 


dal. 


139. 
140. 
141. 


142. 


143. 
144. 


145. 


146. 


147. 
148. 


149. 


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Entwicklungsgeschichte von Limax maximus L. II. 


659 


Erklärung der Abbildungen. 


Sämmtliche Figuren sind mit dem Zeichenprisma entworfen. 


Die Ver- 


srößerung ist hinter jeder Figur in Zeıss’schen Linsensystemen angegeben. 


Erklärung der allgemein durchlaufenden Bezeichnungen: 


äuss.e, äußeres Epithel der Cornea; 

äuss.sd, äußeres Epithel der Schalen- 
drüse; 

äuss.un, äußere Urnierenöffnung; 

aug, Augenblase; 

aug.g, Augengrube; 

bg, Bindegewebszellen; 

c, Kommunikationsstelle zwischen pri- 
märem Ureter und Niere; 

ct, Cerebraltuben; 

ez, centrale Zelle der Hautsinnesorgane; 

d, Darm; 

d.e, Darmeinstülpung ; 

ect, Ektoderm; 

ed, Enddarm; 

eis, Eiweißsack ; 

eiz, Eiweißzellen; 

ent, Entoderm; 

ep, Körperepithel; 

ex, Exkretzellen; 

F Fuß; 

g.bucc, Ganglion buccale; 

g.opt, Ganglion opticum; 

g.ped, Ganglion pedale; 

h, Herzschlauch ; 

h.ez, Herzendothelzellen; 

h.mz, Herzmuskelzellen; 

hl, Herzlumen; 

hn, Herznierenanlage; 

h.pk, hinterer Spaltraum des sich bil- 
denden Perikards; 

ic, inneres Epithel der Cornea; 

2.sd, inneres Epithel der Schalendrüse; 

k, Herzkammer; 

kb, Kopfblase; 

/, Linse; 

!f, Lungenfalte; 

!g, Lymph- oder Blutgefäß; 

ih, Lungenhöhle; 

Ih.e, Lungenhöhleneinstülpung; 

m, Mund; 

ma, Magen; 


mb, Membran der Wimperzellen der Ur- 
niere; 

mes, Mesodermzellen; 

mh, Mantelhöhle; 

mm, Mundmasse; 

mt, Mantel; 

mz, Magenzellen; 

n, Niere; 

n.a, Nierenausführgang; 

n.e, Einstülpung des Nierenausführ- 
ganges; 

od, Odontoblasten; 

0e, Ösophagus; 

otb, Otolithenblase; 

pc, Podocyste; 

pf, Pleuralfalte; 

pi, Pigment des Auges; 

pk, Perikard; 

png, Perikardialnierengang; 

prh, primärer Harnleiter; 

r, Radula; 

ret, Retina; 

rl, rechter Leberlappen; 

rt, Radulatasche; 

sd, Schalendrüse; 

seh, sekundärer Harnleiter; 

sept, Scheidewand zwischen Vorhof und 
Kammer; 

sg, Sinnesgrube; 

s/f, Sublingualfalte; 

soe, Subösophagealfalte ; 

sp, Scheitelplatte: 

spei, Speicheldrüse; 

st, Sinnesstäbchen; 

stom, Stomodäum; 

stz, Stäbchenzellen; 

sz, Sinneszellen ; 

un, Urniere; 

vh, Vorhof; 

v.pk, vorderer Spaltraum des sich bil- 
denden Perikards; 

w, Wimperwulst; 


660 . Johannes Meisenheimer, 


wf, Wimperflamme; z, Zunge; 

wz, Wimperzellen; z%, Zungenknorpel; 

wzn, Wucherungszone der Herz-Nieren- zsch, Zungenscheide. 
anlage; 


Tafel XXXII. 


Fig. 1. Totalansicht einer jungen Larve, etwa vom 8. Tage, mit extrem 
entwickelter Kopfblase. Theils nach dem Leben, theils nach Präparaten ver- 
fertist IR: 

Fig. 2. Dasselbe Stadium, schräg von hinten und unten gesehen. II. B. 

Fig. 3. Älteres Stadium, die Ausbildung der Podoeyste und Urniere zei- 
send. IV. az. 

Fig. 4. Noch etwas älteres Stadium, von unten gesehen, um den Verlauf 
der Urniere zu zeigen. I. A. 

Fig. 5. Sagittalschnitt durch einen Embryo vom Stadium der Fig. 3 etwa. 
Übersichtsbild des Darmtractus. II. A. 

Fig. 6. Hälfte des Frontalschnittes einer ganz jungen Larve, die erste 
Anlage der Urniere zeigend. II. E. 

Fig. 7—9. Allmähliche Vertiefung der Urniereneinstülpung zu einem 
Schlauche. II. E. 

Fig. 10—15. Inneres Ende des Urnierenrohres im Längsschnitte getroffen. 
Beginn der Auflösung des inneren Endes (Fig. 10, 11), und Lostrennung der 
Wimperzellen. II. E. 

Fig. 16—18. Ausbildung der typischen Wimperflammen und der defini- 
tiven Lagerung der Wimperzellen. II. E. 

Fig. 19—21. Die Urniere auf dem Höhepunkte ihrer sekretorischen Thätig- 
keit. II. E. 

Fig. 22. Querschnitt durch den äußeren, aufsteigenden Schenkel, auf dem 
Stadium der letzten Figuren. II. E. 

Fig. 23. Querschnitt durch den horizontal verlaufenden, mittleren Schen- 
kel von gleichem Stadium. II. E. 


Tafel XXXIIL. 


Fig. 24, 25. Die Urniere nochmals in ihrer höchsten Ausbildung. II. E. 

Fig. 26, 27. Etwas älteres Stadium. Die ersten Andeutungen der Rück- 
bildung machen sich bemerkbar. II. E. 

Fig. 28. Querschnitt des in Zerfall begriffenen Urnierenrohres. 1. E. 

Fig. 29. Querschnitt des innersten Endes des Urnierenrohres zur Zeit 
seiner energischsten Thätigkeit. IV.E. 

Fig. 30. Querschnitt des äußeren, aufsteigenden Schenkels auf späteren 
Stadien. II. E. 

Fig. 31. Querschnitt des mittleren, horizontalen Schenkels von demselben 
Stadium. II. E. 

Fig. 32. Ende des Ausführganges im Zerfalle begriffen. III. E. 

Fig. 33. Frontalschnitt. Ausbildung der Lungenhöhle. I.D. 

Fig. 34. Sagittalschnitt. Ausbildung der Lungenfalten. RE. 

Fig. 35. Frontalschnitt. Ausbildung der Lungenhöhle I.D. u 

Fig. 36—39. Successive Abschnürung der Schalendrüse. Sagittalschnitte. 
IED. 

Fig. 40. Schalendrüse im Querschnitt. II. D. 


Entwieklungsgeschichte von Limax maximus L. I. 661 


Fig. 41, 42. Beginn einer Differenzirung zwischen innerem und äußerem 
Epithel der Schalendrüse. II. D. 

Fig. 43. Äußeres Epithel der Schalendrüse stark abgeflacht. Sagittal- 
schnitt. II.D. 

Fig. 44. Sagittalschnitt. Dargestellt ist die dem Ektoderm anliegende 
Seite der Schalendrüse. Verschmelzung beider Schichten. II. E. 

Fig. 45. Typisches Verhalten der Schalendrüse auf späteren Stadien. Die 
Loslösung vom Ektoderm ist wieder erfolgt. II. D. 
Fig. 46. Hautsinnesorgan im Sagittalschnitte (aus dem Fuße). Comp. oc. 
VI, homog. Imm. apochr. 2,0. 

Fig. 47. Dasselbe im Querschnitte (aus den Cerebraltuben). Comp. oc. 
VI, homog. Imm. apochr. 2,0. 

Fig. 485—50. Auf einander folgende Stadien der Auswanderung dieser 
Hautsinnesorgane (aus dem Fuße). II, homog. Imm. apochr. 2,0. 

Fig. 51—53. Suecessive Abschnürung und Ausbildung der Otolithen- 
blase. IV. E. 

Fig. 54—56. Einstülpung und Vertiefung der Augengrube. II.D. 

Fig. 57. Abgeschnürte Augenblase mit Linse und Ganglion opticum. II.D. 

Fig. 58. Augenblase mit den ersten Ausscheidungen der Linse. II. E. 

Fig. 59. Späteres Stadium der Augenblase. Entwicklung und Differen- 
zirung der einzelnen Theile. II. E. 

Fig. $0. Querschnitt der vorderen Mundhöhle, den Wimperwaulst auf jünge- 
ren Stadien zeigend. II. D. 

Fig. 61. Frontalschnitt der Mundhöhle. Einstülpung der Speicheldrüsen, 
(die eine Ausstülpung von einem anderen Schnitte ergänzt und kombinirt). 1. C. 

Fig. 62. Querschnitt der Mundmasse, seitlich die Speicheldrüsen zei- 
gend. 1.C. 


Tafel XXXIV. 


Fig. 63. Sagittalschnitt durch das Stomodäum, die erste Anlage der 
Radulatasche erkennen lassend. II. E. 

Fig. 64. Dessgleichen, etwas älteres Stadium. II. D. 

Fig. 65. Sagittalschnitt durch den Vorderdarm. I1.C. 

Fig. 66. Dessgleichen, älteres Stadium. Beginn einer Differenzirung der 
Radulatasche. 1. C. 

Fig. 67. Sagittalschnitt durch die Radulatasche auf jüngerem Stadium. 
Erste Anlage der Radula und der Odontoblasten. II, homog. Imm. apochr. 2,0. 

Fig. 68. Sagittalsehnitt durch die Radulatasche. Beginn der Faltungen. 1.C. 

Fig. 69. Dessgleichen, weitere Ausbildung der Falten. I. C. 

Fig. 70. Dessgleichen, älteres Stadium, fertige Ausbildung der Falten. 1.C. 

Fig. 71. Frontalschnitt der Radulatasche vom Stadium der Fig. 69. Kom- 
binirt aus zwei auf einander folgenden Schnitten. 1. C. 

Fig. 72. Frontalschnitt der Radulatasche vom Stadium der Fig. 70. 1.C. 

Fig. 73. Frontalschnitt eines ganz jungen Stadiums, die erste Anlage der 
Darmeinstülpung zeigend. II. E. 

Fig. 74. -Dessgleichen, Darmeinstülpung etwas tiefer. II. E. 

Fig. 75. Sagittalschnitt eines jungen Embryos. Darmeinstülpung noch 
tiefer. 11. E. 

Fig. 76. Sagittalschnitt eines anschließenden, älteren Stadiums. II.D. 


662 Johannes Meisenheimer, 


Fig. 77. Weitere Ausbildung derselben Verhältnisse. Darmeinstülpung 
tief nach innen vordringend (die einige Schnitte entfernte Öffnung der Schalen- 
drüse hinzu kombinirt). II. D. 

Fig. 78. Querschnitt der Darmeinstülpung, das enge Lumen zeigend. II. E. 

Fig. 79. Sagittalschnitt. Erste Andeutung der Abschnürung der Darm- 
einstülpung. II. D. 

Fig. 80. Frontalschnitt. Ablösung der Darmeinstülpung vom Ektoderm 
und Verschmelzung mit dem Entoderm. 1. D. 

Fig. 81. Sagittalschnitt. Vollzogene Abtrennung vom Ektoderm und Ver- 
bindung mit dem Entoderm. II.D. 


Tafel XXXV. 


Fig. 82—90. Successive Entstehung der Herz-Nierenanlage durch Wuche- 
rung aus dem Ektoderm (die gezeichnete Stelle entspricht stets dem dunkel 
gehaltenen Stück von Textfig. 14). II, homog. Imm. apochr. 2,0. 

Fig. 91. Sagittalschnitt. Die Herz-Nierenanlage bildet einen scharf ab- 
geschlossenen Haufen. I. E. 

Fig. 92. Sagittalschnitt. Die Herz-Nierenanlage beginnt sich zu ver- 
srößern. I. E. 

Fig. 93. Sagittalschnitt. Erster Beginn einer Differenzirung der Herz- 
Nierenanlage. Auftreten der Lungenhöhle. I. E. 

Fig. 94. Sagittalschnitt. Weitere Ausbildung dieser Differenzirung. Ver- 
schiebung eines Theiles der Anlage nach innen. Auftreten des Nierenausführ- 
ganges und weitere Ausbildung der Lungenhöhle. I. E. 


Fig. 95. Sagittalschnitt. Etwas älteres Stadium. Abtrennung des Nieren- 


kanals von der Herzanlage (der einige Schnitte entfernte innerste Zipfel der 
Lungenhöhle hinzu kombinirt). I. E. 

Fig. 96. Sagittalschnitt. Nierenbläschen und Herzanlage scharf geschie- 
den. Nierenausführgang und Lungenhöhle tiefer eingesenkt. I. E. 


Tafel XXXVI. 


Fig. 97—105. Herzentwicklung. Der Herzschlauch stets im Längsschnitt 
getroffen. 

Fig. 97. Frontalschnitt. Auswachsen der Herzanlage zu einem Strang 
zwischen Lungenhöhle und Schalendrüse. I. E. 

Fig. 98. Frontalschnitt. Dasselbe Stadium, etwas weiter vorgeschritten. I.E. 

Fig. 99. Querschnitt. Weitere Ausbildung des Herzstranges. Scheidung 
zwischen Vorhof und Kammer. 1. E. 


Fig. 100. Frontalschnitt. Herzschlauch deutlich ausgebildet. Erstes Auf- 


treten des Perikards. I. E. 

Fig. 101. Frontalschnitt. Dessgleichen, etwas älteres Stadium. II.D. 

Fig. 102. Frontalschnitt. Noch schärfere Ausbildung der Scheidewand 
zwischen Vorhof und Kammer. Perikard völlig ausgebildet. II. D. 

Fig. 103. Querschnitt. Älteres Stadium. Differenzirung in Endothel- und 
Muskelzellen. I. D. 

Fig. 104. Frontalschnitt. Herz in Systole, sonst Stadium von Fig.103. II. D. 

Fig. 105. Querschnitt. Völlige Ausbildung des Herzschlauches und Peri- 
kards. 11. C. 

Fig. 106—110, Taf. XXXVII, Fig. 111, 112. Perikardbildung. Herzschlauch 
im Querschnitte getroffen. 


2: Js 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximus LH. re 


Fig. 106. Sagittalschnitt. Herzschlauch noch ohne jede Andeutung des 
Perikards. I. E. 

Fig. 107. Sagittalschnitt. Erstes Auftreten der Spalträume zur Bildung 
des Perikards. 1. E. 

Fig. 108. Sagittalschnitt. Vergrößerung dieser Spalträume. I. E. 

Fig. 109. Sagittalschnitt. Dessgleichen, älteres Stadium (der zwei Schnitte 
entfernte, hintere Spaltraum hinzu kombinirt, da der Schnitt etwas schräg ver- 
lief). I. E. 

Fig. 110. Sagittalschnitt. Dessgleichen, noch älteres Stadium. Beide Peri- 
kardialanlagen beginnen zu verschmelzen. I. E. 


Tafel XXXVII. 


Fig. 111. DiePerikardanlage bildet nunmehr einen einheitlichen Raum. I1.E. 

Fig. 112. Dessgleichen. Schnitt näher dem Septum, aber noch auf der 
Seite der Kammer. 1. E. 

Fig. 113—125. Nierenentwicklung. 

Fig. 113. Querschnitt. Vertiefung des Ausführganges, dem das Nieren- 
bläschen dicht anliegt. 1. E. 

Fig. 114. Sagittalschnitt. Erste Anlage des Perikardial-Nierenganges. 1. E. 

Fig. 115. Frontalschnitt. Differenzirung der Niere in drei Schenkel. Pri- 
märer Harnleiter tief eingesenkt. II.D. 

Fig. 116. Frontalschnitt. Weitere Ausbildung des vorigen Stadiums. II.D. 

Fig. 117. Querschnitt. Einmündung des primären Ureters in die eigent- 
liche Niere. II.D. 

Fig. 118. Frontalschnitt. Vereinigung sämmtlicher Theile des Herz-Nieren- 
komplexes. II.D. 

Fig. 119. Querschnitt. Einmündung des Perikardial-Nierenganges in das 
Perikard. I.D. 

Fig. 120. Frontalschnitt. Verbindung von Niere und primärem Ureter. 
Verschiebung des letzteren über die erstere. I.D. 

Fig. 121. Querschnitt. Älteres Stadium. Perikardialnierengang getroffen. 
Erstes Auftreten der Nierenfalten. I.D. 
| Fig. 122. Frontalschnitt. Einmündung des primären Ureters in die Niere. 

Verstärkung der Nierenfalten. I.D. 

Fig. 123. Querschnitt. Primärer Ureter über die Niere hinweggescho- 
ben. Falten der Niere tief ausgeprägt. II. C. 

Fig. 124. Querschnitt. Ausgebildetes Stadium. (Beschreibung siehe im 
Texte p. 645.) 1.C. 


Fig. 125. Frontalschnitt. Ebenfalls ausgebildetes Stadium. (Beschreibung 
im Texte p. 644.) 1.C. 


Erklärung der Serienzeichnungen. 
Tafel XXXVIII—XL. 


Serie I. Sagittalschnitte, ein junges Stadium der Nierenentwicklung vor 
der Verschmelzung beider Bestandtheile vorstellend. Zugleich ist die erste 


‚ Perikardanlage auf dieser Serie dargestellt. (Nähere Erklärung siehe im Texte 
p- 632 und 641.) III B. 


664 Joh. Meisenheimer, Entwicklungsgesch. von Limax maximus L. II. 


Serie II. Sagittalschnitte, ein etwas älteres Stadium darstellend, sowohl 
der Nieren- wie Perikardentwicklung. (Nähere Erklärung siehe im Texte p. 633 
und 641.) III. B. 

Serie III. Frontalschnitte. Beide Bestandtheile der Niere sind ver- 
schmolzen. Perikardialnierengang völlig ausgebildet. Der primäre Ureter 
schiebt sich über die Niere. (Nähere Erklärung im Texte p. 643.) III. B. 

Serie IV. Sagittalschnitte, die Perikardanlage in einem mittleren Sta- 
dium der Entwicklung darstellend, anschließend an Serie II. (Nähere Erklä- 
rung im Texte p. 635.) 1.C. 


Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose 
von Oscarella (Halisarca). 


Von 
Dr. Otto Maas 


(München). 


Mit Tafel XLI. 


»La diffieulte de l’embryog£nie des Eponges n’est pas 
d’observer les differents stades, mais bien de recon- 
nailtre la succession normale dans le nombre consi- 
derable de formes anormales que l’on rencontre.« 

CH. BARROIS. 1876. 

Im Gegensatz zu den früheren Angaben über Spongienent- 
wicklung, die für jede Art und bei jedem Autor abweichend lauteten, 
lässt sich in den neueren Arbeiten eine stets größer werdende Über- 
einstimmung feststellen, und ein gemeinsames Bild aus den in ver- 
schiedenen Gruppen gewonnenen Ergebnissen herausschälen. 

Im typischen Fall besteht die Larve der Spongien aus zwei 
deutlich getrennten Lagern, aus Geißelzellen am vorderen Pol, die 
aus den Mikromeren der Furchung hervorgehen, und aus größeren 
Körnerzellen am hinteren Pol, resp. im Inneren der Larve, die den 
Makromeren entsprechen. Bei der Metamorphose liefern, umgekehrt, 
wie man erwarteu sollte, die letzteren die äußere Haut und das 
Spieulalager, die ersteren die Auskleidung der kammerartigen Hohl- 
räume. | 

Dieses Verhalten, in seinen Grundzügen von F. E. ScHuLzeE (78) 
und METSCHNIKOFF (74) bei Sycandra beschrieben, stand so lange 
isolirt da, bis durch Derage’s (92) und meine Untersuchungen (92 « 
und 93), zunächst für Esperella, dann für eine Reihe von Kiesel- 
und Hornschwämmen eine ganz entsprechende Metamorphose fest- 
gestellt, und auch das weitere Schieksal der Zellen verfolgt werden 
konnte. Allerdings besteht hier die den Körnerzellen entsprechende 


666 Otto Maas, 


Schicht schon aus einer Anzahl recht verschiedener Elemente, Nadel- 
bildnern, Plattenzellen, kontraktilen und amöboiden Zellen ete. Es 
lässt sich jedoch nachweisen, dass sich alle diese aus einer einheit- 
liehen Keimschicht, den Makromeren, heraus differenziren. 

Den neueren Untersuchungen von E. A. MincHin (95) gebührt 
das Verdienst, dieser Anschauung von der Metamorphose auch bei 
den Kalkschwämmen eine breitere Basis zu geben, indem von ihm 
ein ähnliches Schicksal der Larvenschichten bei den Asconen nach- 
gewiesen, und die Fortentwicklung noch lange nach der Metamor- 
phose beobachtet wurde. Vor Allem aber konnte MincHIn zeigen, 
dass auch scheinbar andersartige Larven, die sog. Parenchymellae, 
bei denen die Zweischichtigkeit nach dem Stadium einer hohlen 
Blase durch Einwanderung körnig werdender Zellen zu Stande 
kommt, sich in ihrer Weiterentwicklung ganz entsprechend verhalten. 
Auch hier werden die Körnerzellen, obschon sie im Inneren, völlig 
umschlossen von den Geibelzellen, liegen, zum Haut- und Spieula- 
lager, und die Geißelzellen zur Auskleidung der gastralen Hohlräume. 

Es liegen danach nur mehr zwei Formen, jedoch aus anderen 
Spongiengruppen, vor, deren Einreihung in dem oben besprochenen 
Entwicklungstypus einige Schwierigkeit bietet, Plakina und Os- 
carella (Halisarca). Von Plakina lassen sich die einzelnen, 
durch größere Intervalle getrennten Stadien vor und nach der 
Metamorphose, die F. E. ScuuLze zeichnet (80, Figg. 22 und 27), 
wie ich gezeigt zu haben glaube (93, p. 423), recht gut auch in 
unserem Sinne auslegen. Die zusammenhängende Darstellung der 
Metamorphose von Öscarella dagegen, die HEIDER gegeben hat (86), 
ist von ihm selbst und von nachfolgenden Autoren in recht ver- 
schiedener Weise verwerthet worden. 

Hier sollen aus einer hohlen Blastosphäralarve durch Einstülpung 
der Zellen des hinteren (vegetativen) Pols (ausnahmsweise auch des 
vorderen!) zwei Schichten, Ektoderm und Entoderm, entstehen. Die 
innere, etwas körniger und großzelliger, soll die Kammern, resp. das 
ausführende Kanalsystem, die äußere Geißelzellenschieht die Ober- 
haut des Schwammes bilden. 

Es wäre nun möglich, sich mit diesen abweichenden Befunden 
unter völliger Anerkennung der Beobachtungen, lediglich durch Theo- 
retisiren, abzufinden, wie es z. B. DELAGE in einer sehr interessan- 
ten Erörterung gethan hat. Laut ihm (92, p. 404) stellt die Larve 
von Osecarella trotz der leichten Differenz der Pole nur ein noch in- 
differentes Zelllager dar, und erst durch die Einstülpung selbst werde 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Öscarella (Halisareca). 667 


der betroffene Larventheil, sei es nun zufällig der vordere oder der 
hintere Pol, zum Gastral-, der außenbleibende zum Dermallager'!. 

In meiner ausführlichen Revision der Spongienentwicklung habe 
ich im Gegensatz dazu die Ansicht ausgesprochen (93, p. 422), dass 
die Oscarella-Larve wohl keine Blastosphära sei, sondern ähnliche 
Unterschiede der Zellen, resp. Regionen, wenn auch in schwächerer 
Ausprägung, wie die anderen Schwammlarven aufweise, ferner, dass 
sich normalerweise der vordere Pol einstülpe.. Auch MıncHin hat 
sich, namentlich in Berücksichtigung der Angaben früherer Autoren, 
BARROIS (76) und SoLLas (82), dieser Ansicht angeschlossen (94, p. 229). 

Bei einem kurzen Aufenthalt am adriatischen Meer in der zo0- 
logischen Station zu Rovigno bekam ich mehrfach Oscarella-Krusten, 
die auch im September Larven aussandten. Eine Anzahl der letz- 
teren konnte ich lebend beobachten und konserviren, andere bis zum 
Festsetzen und darüber hinaus verfolgen. In quantitativer Hinsicht 
ist mein Material recht gering und erstreckt sich nur auf wenige 
Stadien, die aber gerade die HEipEr’sche Darstellung in einigen 
Lücken ergänzen, resp. modifieiren. Ich glaube desshalb diese weni- 
sen Beobachtungen bringen zu dürfen, weil sie einerseits meine 
Vermuthungen über die Larven bestätigen, andererseits die späteren 
Stadien bei HEIDER leichter, als ich gedacht, in den allgemeinen 
Rahmen zu bringen erlauben. 


Den bisherigen Darstellungen der »Blastosphära«, die für die 
gerade ausgeschlüpfte Larve fast übereinstimmen und erst bezüg- 
lich des späteren Larvenlebens und der Metamorphose aus einander 
. gehen, dürfte kaum etwas hinzuzufügen sein; namentlich sind durch 
HEIDER auch die minutiösesten Einzelheiten der Histologie genau 
beschrieben worden. 

Hervorheben möchte ich, dass, wie HEIDER schon vermuthet, 
die Larven stets Nachts ausschwärmen und sich dann an der Licht- 
seite des Glases sammeln. Die Farbendifferenz der Pole fand ich 
bei meinen Larven sehr beträchtlich; das hintere Drittel schön 


1 DELAGE scheint geneigt, hierin. ein Zeugnis von großer Tragweite 
gegen die Vererbungstendenz und für die Einwirkung der während der Onto- 
genie thätigen Faktoren zu erblicken, also die Schwamm-, spec. die Oscarella- 
Entwicklung für eine sehr aktuelle Frage im Sinne der Entwiceklungsmechanik 
zu verwerthen. So sehr ich die Berechtigung dieser Fragen und ihre Anwend- 
barkeit auf dieses Gebiet anerkenne, so erscheint es mir doch zuerst nöthig, 


den normalen morphologischen Entwicklungsgang vorher mit aller Sicherheit 
festzustellen. 


668 Otto Maas, 


karminroth, die vorderen zwei Drittel dagegen nicht röthlieh oder 
selb, sondern rein weiß, wenigstens im auffallenden Licht. Eine 
Differenz in der Länge der Geißeln habe ich dagegen bei frisch 
ausgeschlüpften Larven nicht finden können und glaube mit SCHULZE 
(77), dass die von CARTER (74) und BArRoIs (76) angegebenen Unter- 
schiede durch die beim Schwimmen verschiedene Stellung der Geißeln 
bedingt sind. 

Anders steht es jedoch mit dem Größenunterschied der Zellen 
selbst, den ich schon bei der jungen Larve im hinteren Drittel um 
ein Bedeutendes gegenüber dem vorderen ausgesprochen finde. Aller- 
dings lässt er sich an Zupfpräparaten kaum konstatiren, weil die iso- 
lirten Zellen aus den natürlichen Lagerungs- und Druckverhältnissen 
der Blastosphära gebracht sich kontrahiren und ganz andere Formen 
annehmen können. Betrachtet man aber die Larve als Ganzes, so 
sieht man schon am lebenden Objekt bei Einstellung auf den opti- 
schen Schnitt, dass die Dicke der Blastosphärawandung (die ja der 
Höhe der einzelnen Zellen entspricht), im hinteren, roth gefärbten 
Theil um ein Drittel und noch mehr zunimmt, und zwar gilt dies 
nicht nur für den mit glashellem Exoplasma versehenen Theil, son- 
dern für das ganze hintere Drittel, wenn auch gerade der Pol selbst 
etwas niedrigere Zellen aufweist (Fig. 1. Wie HEIDER angiebt, sollen 
bei der großen Formveränderlichkeit der Larve »diese Verhältnisse 
mannigfachen Variationen unterliegen«; indessen halten sich diese 
Unterschiede doch stets innerhalb gewisser Grenzen, so zwar, dass 
im Allgemeinen am hinteren Drittel die Zellhöhe stets beträchtlicher 
ist wie vom. Auch am Totalpräparat der konservirten und gefärbten 
Larve ist das ersichtlich, nicht nur dass die Wanddieke hinten stets 
größer erscheint, auch die einzelnen Kerne liegen hier deutlicher 
und weiter aus einander, was ja für größere Ausdehnung der ein- 
zelnen Zellen spricht, und die Kerne selbst sind, wie auch Schnitte 
lehren, merklich größer. 

Die Larve ist im Inneren noch durchaus frei an zelligen Ele- 
menten, und in dieser Hinsicht eine typische Blastosphära; ihre Höh- 
lung ist im Vergleich zur Wandungsdieke sehr beträchtlich (im 
Gegensatz z. B. zu der Larve von Sycandra und anderer Kalk- 
schwämme), und desswegen ergeben sich leicht Dellen und Einstül- 
pungen, größerer und kleinerer, vergänglicher oder länger dauernder 
Art, die jedoch keinerlei morphologische Bedeutung besitzen. Schon 
bei den kompakteren Kieselschwammlarven kommen solche Ein- 
treibungen öfters vor; um wie viel eher sind sie also bei diesen 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 669 


hohlen Larven möglich, ja durch das Anstoßen im De Raum des 
Züchtungswassers beinahe unvermeidlich! 

Ich habe solche Einstülpungen meistens am vorderen Ende, wie 
es durch die Richtung des Schwimmens bedingt ist, mitunter auch 
am hinteren Pol, selten seitlich an beliebigen Stellen beobachtet, 
ohne ihnen irgend welchen morphologischen Werth beizumessen. Als 
freischwimmende Gastrulä möchte ich sie um so weniger bezeichnen, 
als sich in vielen Fällen die Einstülpung wieder ausgleicht, und die 
Larve ihren Entwicklungsgang weiter fortsetzt. In anderen Fällen 
ist die Delle zu tief, und die Larve geht nach und nach zu Grunde. 
Eine wirklich bedeutsame und bleibende Lageverschiebung der 
Zellen der Larve geht erst dann vor sich, wenn dieselbe keine ein- 
heitliche Blastosphära mehr vorstellt, sondern eine Reihe weiterer 
Veränderungen im histologischen Charakter ihres Zellmaterials durch- 
gemacht hat. 

Es sind dies dieselben Veränderungen, die BARROIS schon ge- 
sehen und in optischen Schnitten abgebildet hat (76, Figg. 31 und 32), 
und die wohl auch F. E. ScHULZE meint, wenn er sagt (77, p. 23), 
dass er »gewisse nicht unerhebliche Veränderungen mit einiger Regel- 
mäßigkeit eintreten sah«, die jedoch von HEIDER (86, p. 177) »als 
höchst wahrscheinlich abnorme« bezeichnet werden, weil alle die 
Forscher vor ihm kein Festsetzen beobachtet haben, sondern höch- 
stens noch ein oder das andere, lange danach folgende Stadium 
eines jungen Schwämmchens abbilden. Auch diese Stadien, wie 
z. B. SCHULZE’s Fig. 23, wo Geißelkammern, Kanalsystem und meso- 
dermales Gewebe abgebildet ist, werden von HEIDER nicht an- 

erkannt. 

Meinen Beobachtungen nach sind aber gerade diese Verände- 
rungen, die Differenzirung der Zellen des hinteren Pols und dessen 
Volumsvergrößerung die normalen; denn ich habe solche Larven sich 
anheften und zu jungen Schwämmehen gleich der Schuzze’schen Ab- 
bildung auswachsen sehen. Da mir nicht nur die Betrachtung der 
lebenden Larve, sondern auch Schnitte durch mit Chromosmiumsäure 
gehärtetes Material dieselben Resultate von den Zellveränderungen 
geliefert haben, möchte ich darauf kurz eingehen. 

Die erste Veränderung, die an den Zellen des hinteren Drittels 
sich bemerkbar macht, ist die, dass der Unterschied zwischen dem 
peripheren. hellen Exoplasma und dem nach innen gelegenen, mehr 
granulirten Endoplasma verwischt wird, und die ganze Zelle gleich- 


mäßig, aber schwach granulirt erscheint. Von einem besonderen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 44 


670 Otto Maas, 


»Kragen« kann dann an der Zelle keine Rede mehr sein; auch die 
Geißel wird kürzer und in ihren Bewegungen matter. Manche Zellen 
sind auch ganz ohne Geißel und zeigen, isolirt, amöboide Fortsätze. Die 
Granulirung spricht sich nach und nach stärker aus und die ein- 
zelnen Zellen nehmen an Volumen zu; insbesondere sieht man auch 
am ÖOberflächenbild, dass ihre Außenflächen sich sehr verbreitert 
haben. Man könnte zuerst daran denken, dass sich einige der schlan- 
ken Geißelzellen mit einander verschmolzen hätten; doch ist dies 
nicht der Fall, sondern es hat gleichzeitig sowohl eine Verkürzung 
der Zellen in ihrer Hauptachse stattgefunden (Fig. 2), so dass sie 
bedeutend weniger schlank sind, auch hat jede einzelne, wie man 
sich durch Übergangsstadien überzeugen kann, in Folge der Auf- 
nahme von Granula an Volumen zugenommen. | 

Dieser Vorgang spricht sich immer deutlicher aus; manche Zellen 
sind fast kubisch oder irregulär geworden und zeigen sich mit größeren 
und kleineren Körnchen, die sich durch Osmium schwärzen, dicht 
erfüllt. Allerdings haben auch die Geißelzellen der vorderen Hälfte 
an Höhe verloren (Fig. 2); aber ihr Plasma ist ziemlich unverändert 
und hell geblieben, und ihre Geißeln erscheinen noch in voller 
Länge. Dadurch wird der schon vorher äußerlich durch die Farbe 
angedeutete Gegensatz zwischen der vorderen und hinteren Larven- 
partie auch dem inneren Wesen nach sehr ausgesprochen, und man 
könnte auch hier geradezu von einer »Amphiblastula« reden, 
wenn nicht auf diesem Stadium bereits einige der vorhin erwähnten 
granulirten Zellen in die innere Höhlung eingewandert wären. 

Auf jeden Fall sehen wir nunmehr eine aus zwei Zellsorten, 
oder Schichten bestehende Larve vor uns, durchaus vergleichbar der 
von Sycandra und den Kieselschwämmen; am vorderen Ende schlan- 
kere und helle Geißelzellen, am hinteren Ende größere granulirte 
Zellen mit und ohne Geißel, die letzteren theilweise schon im Inneren 


parenchymartig. | 
In einigen extremen Fällen — allerdings betraf dies Larven, 
die nicht zum Ansetzen gekommen waren — waren die Unterschiede 


noch weiter ausgebildet, und die beiden Larvenhälften durch eine 
leichte Einschnürung, wie sie auch bei den Kieselsechwämmen an 
der Grenze beider Schichten vorkommt (MAAs 93, Figg. 41, 68 u. a.) 
von einander getrennt. Diese Einkerbung wurde immer stärker und 
schien geradezu die Larve in zwei differente Theile zerschnüren zu 
wollen (Fig. 3). Dies letztere Verhalten ist offenbar pathologisch, 
aber selbst im normalen Fall heben sich die beiden Theile nicht nur 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Öscarella (Halisarea). 671 


im Charakter ihrer einzelnen Zellen sondern auch als Ganzes scharf 
von einander ab. 

Auch das weitere Schicksal der Zellschichten der Larve sowohl 
beim Ansetzen, wie später, entspricht ganz den an Sycandra und 
den Kieselschwämmen gewonnenen Resultaten. Die Larve heftet 
sich, wie ich bestimmt versichern kann, stets mit dem vor- 
deren, unpigmentirten, geißeltragenden Pol an. Ein Festheften mit 
dem hinteren, röthlichen Körnerzellenpol habe ich niemals beobachtet, 
höchstens ein gelegentliches Liegenbleiben von immer schwächlicher 
schwimmenden Larven, das ohne die Folgen blieb, die mit dem 
normalen Ansetzen verbunden sind. 

Es steht dies im anscheinend direkten Gegensatz zu den Be- 
obachtungen HEIDER’s über diese Phase; jedoch sind dieselben gerade 
an dieser Stelle, seinen eigenen Angaben nach, nicht so bestimmt; 
sie lassen sich sogar theilweise in unserem entgegengesetzten Sinne 
deuten. HEIDER selbst sagt (86, p. 199): »Die Treue meiner Schil- 
derung nöthigt mich einzugestehen, dass ich in einigen Fällen 
auch Bilder gesehen habe, welche auf eine Einstülpung des vor- 
deren, gelblich gefärbten Pols schließen ließen;« jedoch hält er 
diese Individuen nicht für lebenskräftig.. An anderen Stellen, wo 
noch von der frischen, munter schwärmenden Larve die Rede ist, 
(p- 182) spricht er von deren »Neigung, sich an feste Körper oder 
die Oberfläche des Wassers zeitweilig festzuankern. Dieses Sich- 
festheften geschieht immer mit dem vorderen Körperpole< .... »das 
hintere Drittel lest sich jedoch nie an die Unterlage an.« Je mehr 
das Larvenleben sich seinem Ende nähert, desto häufiger wird, auch 
' nach HEIDER, dies Anheften; es ist nun durchaus nicht einzusehen, 
warum diese für das Larvenleben von HEIDER klar erkannte Ten- 
denz der beiden Pole sich beim definitiven Festhaften auf einmal 
umkehren soll. Im Gegentheil, gerade die spät eintretenden Er- 
scheinungen neigen leicht zum Anormalen, »le meilleur eriterium 
est la rapidite du development« (BARROIS 76, p. 47); die Anfangs 
auftretenden Ansatzversuche mit dem vorderen Pol zeigen das Ty- 
pische, während die anderen nur ein eenlieie Liegenbleiben 
altersschwacher Larven bedeuten. 

Ich kann also auch nicht mit DELAGE eine dritte Möglichkeit 
annehmen, nämlich die, dass erst durch das Ansetzen selbst der eine 
oder der andere Pol je nachdem seinen gastralen oder dermalen 
Charakter gewänne; vielmehr finde ich hier eine bemerkenswerthe 
Unabhängigkeit der morphologisch-typischen Veränderungen von den 

44* 


672 Otto Maas, 


biologischen Faktoren, wie dies auch früher schon GOETTE für die 
Spongienentwicklung betont hat, und wie es auch z. B. von METSCHNI- 
KOFF bei der Sycandra-Larve beschrieben worden ist (74), bei der die 
Differenzirung des Körnerzellenlagers in Spieulabildner und Epithel- 
zellen gelegentlich schon in der freischwimmenden Larve vor sich 
sehen kann. 

Eben so nehmen hier die Zellen des hinteren Drittels schon in 
der Larve ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Festsetzens ihre 
körnige Beschaffenheit an und zeigen auch mitunter schon eine Ein- 
wanderung nach der Höhlung, also Differenzirung der Parenchym- 
schicht vom Epithellager. Das Festsetzen erfolgt nach äußerlichen 
biologischen Bedingungen je nach Gesundheit der Larve, passendem 
Platz ete., und findet dann die Larve in mehr oder minder vorge- 
schrittener Differenzirung der beiden Lager. Charakteristisch mit 
dem Festheften verbunden ist nicht eine Änderung im Charakter, 
sondern in der Lagebeziehung der Zellen. Die schlanken Geißel- 
zellen am Vorderende gerathen durch die Einstülpung des Festsetzens 
ins Innere, und die körmigen Zellen des hinteren Pols kommen außen 
um sie herum zu liegen. Je nach Beschaffenheit und Ausdehnung 
der Ansatzbasis bilden dann die Geißelzellen im Inneren entweder 
die Auskleidung eines halboffenen Sacks, oder eine kompakte 
Schicht, oder im extremsten Fall eine breite Platte (wenn z. B. die 
Wasseroberfläche die Ansatzflläche abgegeben hat). Damit wird aber 
für das Wesentliche des Vorgangs nichts geändert; zwei schon diffe- 
rente Schichten werden nun auch in verschiedene Lagebeziehung zur 
Außenwelt gebracht. Das nach dem Ansetzen resultirende- Bild ist 
also nach meinen Beobachtungen ein umgekehrtes wie das von HEIDER 
(86, Fig. 25), das auch in verschiedenen Lehrbüchern zu finden ist, 
und zeigt gerade die schlankeren Zellen im Inneren, die körnigen, 
erößeren außen (Fig. 4), wie es übrigens ganz dem Verhalten von 
Sycandra, Esperella ete. entspricht. 

Für die weiteren Stadien kann ich den bisherigen Beobach- 
tungen kaum Neues hinzufügen; nur hervorheben möchte ich, 
dass mir dieselben von Anfang an nicht so einfach lamellenartig, 
aus gefalteten Epithelien zusammengesetzt erschienen sind, wie es 
den Heiper’schen Abbildungen (27—31) entspräche, sondern mehr 
parenchymartig, ähnlich der Abbildung bei F. E. ScHuLzE (77, 
Fig. 23), mit wohl entwickeltem Grundgewebe und darin befind- 
lichen Bindesubstanzzellen, die ja bereits in der Larve sich theil- 
weise gesondert hatten. Sowohl SCHULZE wie HEIDER haben ferner 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 673 


beobachtet, wie lange die Einstülpung der Geißelzellen nach außen 
geöffnet bleiben kann, noch auf einem Stadium, wo sich schon die 
Divertikel der Geißelkammern angelest haben, was ich nur zu 
bestätigen habe. Bemerkenswerth ist ferner besonders, dass die 
Divertikelbildung um den primären Hohlraum herum zuerst in einem, 
dann in mehreren einander genäherten Kränzen erfolgt (Fig. 5 g), 
sSanz wie bei Sycandra die Tubenbildung. Die einzelnen Buckel, 
die einen Kranz zusammensetzen, stoßen dabei direkt an einander, 
ohne durch andersartige Auskleidungszellen des centralen Hohl- 
raums von einander geschieden zu sein; eben so nahe liegen sie den 
Buckeln des nächstfolgenden Kranzes. Es muss dahingestellt bleiben, 
ob die nachher zwischen den Divertikeln sich hinziehende Ausklei- 
dung platter Epithelzellen ebenfalls von diesen Geißelzellen stammt, 
durch Abflachung, wie es HEIDER annimmt, oder ob wir es hier nicht 
vielmehr mit eingewanderten Dermaizellen zu thun haben, wie es für 
die ausführenden Lakunen bei den Kieselschwämmen von DELAGE 
und mir beschrieben worden ist; die Geißelzellen würden sonach nur 
die Kammern selbst bilden. Mehrere Umstände, wie die oben er- 
wähnte Lage der Kammerdivertikel, die sich stets mit ihrem Geißel- 
epithel berühren, weisen darauf hin, das letztere anzunehmen, so dass 
mit dem Verschluss der Ansatzöffnung die Dermalzellen stets weiter 
nach innen wachsen und dann zwischen die Kammerdivertikel ge- 
rathen. Auch geschieht die Neuanlage eines Divertikels niemals von 
einer Stelle mit plattem Epithel aus, sondern stets von da, wo richtige 
Geißelzellen vorhanden sind, also von der Basis d. i. Mündung eines 
früheren Divertikels. Doch können diese Fragen erst an neuem 
Material, oder durch den Vergleich mit den späteren, ja ebenfalls 
noch nicht bekannten Stadien von Sycandra nach der Metamorphose 
gelöst werden. Auch sind sie von minder wichtiger Natur und lassen 
die Hauptfrage, die Verwendung der Larvenschicht bei der Metamor- 
phose unberührt. | 

In dieser Hinsicht ist für Oscarella als Resultat festzuhalten, 
dass ihr Entwicklungsgang keinen besonderen Typus darstellt, sondern 
ebenfalls ein (nur später eintretendes) zweischichtiges Larvenstadium 
aufweist, aus körnigen Zellen am hinteren, aus schlanken Geißel- 
zellen am Vorderende bestehend, und dass diese Schichten für den 
Aufbau des. erwachsenen Schwammes ganz dieselbe Verwendung 
finden, wie bei Sycandra, den Aseonen, den Kieselhorn- und Horn- 
schwämmen. 


674 Otto Maas, 


Für die Homologisirung der Schichten innerhalb des Spongien- 
stammes bestehen also keinerlei Schwierigkeiten; im Gegentheil, die 
Übereinstimmung ist größer als in mancher anderen Gruppe; die Zer- 
legung des ursprünglich einheitlichen äußeren Lagers in eine bloß 
epitheliale bedeekende Schicht und in die Parenehymschicht mit den 
Skelettbildnern ist ein bei Kalkschwämmen wie bei Kieselschwämmen 
paralleler Vorgang, wie ich schon früher erörtert habe (92£). Die 
geringen Verschiedenheiten, die im Entwicklungsgang auf der einen 
oder anderen Seite bestehen, lassen sich als zeitliche Verschiebungen 
und mit den Verschiedenheiten der erwachsenen Schwämme ohne 
Zwang begründen. 

Schwieriger jedoch steht es mit der Frage, wie diese Schichten 
mit ‘den Keimschichten der übrigen Thiere, die typischen Cölente- 
raten inbegriffen, zu vergleichen sind, und wie und ob dem zufolge 
den Spongien Stellung innerhalb der Metazoen zugewiesen werden 
soll. Man kann zweierlei Standpunkte mit je zwei Unterabtheilungen 
unterscheiden: 

A. Will man überhaupt vergleichen, so giebt es zwei 
Möglichkeiten: 1) Man geht vom erwachsenen Schwamm aus und 
betrachtet die Verwendung der Keimschichten als für den Vergleich 
maßgebend. Dann müssen die Geißelzellen dem Entoderm, die Körner- 
zellen trotz ihrer inneren Lage dem Ektoderm plus event. Mesoderm 
der übrigen Thiere verglichen werden. 2) Man geht vom Verlauf der 
Entwicklungsgeschichte aus und hält die zuerst und länger dauernde 
Lagebeziehung für maßgebend. Dann sind die Geißelzellen Ektoderm, 
die Körnerzellen Entoderm, trotz ihres späteren Schicksals, zu nennen. 

B. Man verzichtet auf jeden Vergleich der Spongien mit 
den übrigen Thieren, sei es: 1) weil man sie der erwähnten Schwierig- 
keiten und anderer anatomischer Gründe wegen für einen von den 
übrigen Metazoen getrennt entstandenen Thierstamm hält, wobei die 
Homologie der Keimblätter bei den anderen Metazoen gar nicht tangirt 
wird, oder 2) weil man den Standpunkt hat, auf den Vergleich der 
Keimblätter im Thierreich überhaupt zu verzichten, und in ihnen nur 
eine von den jeweiligen Umständen beeinflusste, passende Anordnung 
des Zellmaterials zu sehen. 

Bei letzterer Annahme fallen natürlich alle Erörterungen für oder 
gegen eine Homologie von selbst fort, in den ersten Fällen hat man 
die Wahl, das Keimblatt, wie es BRAEM in seinem interessanten 
Aufsatz (Biol. Centralbl. 1895) ausdrückt, entweder als morphologi- 
schen oder als physiologischen Begriff zu fassen. Es wäre ferner 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella’(Halisarca). 675 


noch auf eine mehr phyletische Betrachtungsweise hinzudeuten, bei 
der die Keimblätter als Primitivorgane eines Urthieres gedeutet wer- 
den. Dabei werden sich im Allgemeinen für die beiden primären 
Keimblätter die Begriffe morphologisch und physiologisch decken, 
d. h. die zum Entoderm zu rechnenden Zellen des zweiblätterigen 
Keims werden das Material zum Mitteldarm des fertigen Thieres, die 
zum Ektoderm gehörigen Zellen werden das Material zur äußeren 
Haut und der damit in Zusammenhang stehenden Organe liefern. Ge- 
wisse Einschränkungen kommen wohl da und dort vor, die sich je- 
doch — es ist hier nur von den beiden primären Blättern die 
Rede — schließlich wieder in den allgemeinen Rahmen einfügen. Bei 
den Spongien handelt es sich jedoch nicht um bloße Einschränkungen, 
sondern um einen direkten Gegensatz zwischen morphologischem 
und physiologischem Keimblattbegriff. 

So lange nur die Entwicklungsgeschichte von Sycandra bekannt 
war, trat dieser Gegensatz nicht so scharf hervor, man konnte, 
allerdings mit einigem Zwang, das spätere Schicksal der Keimschichten 
mit dem Verlauf der Entwicklungsgeschichte in Einklang bringen 
und die großen Körnerzellen trotz ihrer Lage am vegetativen Pol 
und ihrer zeitweiligen Einstülpung als Ektoderm, die Geißelzellen am 
animalen Pol als Entoderm bezeichnen. Nachdem wir aber bei den 
Kieselschwämmen durchaus vergleichbare Larven kennen gelernt 
_ haben, bei denen die beiden Zellschichten nicht an verschiedenen 
Hälften einer hohlen Blase liegen, sondern bei denen die Geißel- 
zellen die Körnerzellen mehr oder minder vollständig umwachsen, 
ganz wie es sonst bei einer epibolischen Gastrulation geschieht, da 
war für die Spongien der Gegensatz zwischen früheren Entwicklungs- 
stadien und späterem Schicksal gegeben. 

Schon früher hat sich GOETTE in einer zu wenig beachteten 
Mittheilung dagegen ausgesprochen (86, p. 294), dass laut HEIDER 
»an den Blastulae verschiedener Schwämme sich die entgegengesetzten 
Hemisphären zum Entoderm einstülpten, d. h., dass nicht der Ur- 
sprung sondern die späteren Leistungen eines Keimtheils für seine 
Homologie maßgebeud wären...... eine solche Auffassung würde 
die Bedeutung der vergleichenden Entwicklungsgeschichte in Frage 
‚stellen.« Auch DELAGE sagt (92, p. 411) »si l’on admet dans toute 
sa rigueur la theorie des feuillets, il faut quil y ait quelque chose 
de renvers6 par rapport aux metazoaires;« und ich selber habe 
sehr ausführlich (93, p. 428ff.) die Gründe erörtert, bei den Spongien 
zunächst eine Entodermbildung durch Gastrulation und darauf einen 


676 Otto Maas, 


sekundären, mit dem Ansetzen verbundenen Umwachsungsprocess 
anzunehmen. 

Inzwischen sind noch weitere Thatsachen aus der Entwicklung 
der Spongien bekannt geworden, die diese Auffassung stützen 
können. Zunächst die von MincHIn untersuchte Metamorphose von 
Asconen, bei denen eine Art Planulalarve, außen aus Geißelzellen, 
innen aus einer Masse körniger Zellen gebildet, vorhanden ist. In 
Bezug auf das spätere Schicksal werden auch hier nach »Umkehr 
der Schichten«, die Körnerzellen zur Haut und den Nadelbildnern, 
die Geißelzellen zur Auskleidung des Gastralraumes. In Bezug auf 
Herkunft kommen aber die Körnerzellen nach dem Stadium einer 
Blastula durch einen Process zu Stande, den man sonst nur als 
»multipolare Entodermbildung« bezeichnen würde. Hierzu gesellt 
sich jetzt noch die Metamorphose von Oscarella, bei der die Bildung 
der Körnerzellen mehr polar geordnet ist, und bei der dann ebenfalls 
die Geißelzellen des animalen Pols zur Gastralauskleidung werden. 

Alle diese früheren Vorgänge haben trotz der Verschiedenheiten 
im Einzelnen bei Sycandra, Kieselhornschwämmen, Asconen und Os- 
carella das Wesentliche gemeinsam, zwei nach Lagebeziehung 
und Charakter verschiedene Zellschichten herzustellen, 
die man sonst im Thierreich als Ektoderm und Entoderm bezeichnen 
würde; und dieses allen gemeinsame Stadium der Zweischichtigkeit 
dauert — ein Umstand, dem bisher stets in der vergleichenden Ent- 
wicklungsgeschichte Bedeutung beigelegt wurde — längere Zeit hin- 
durch an. Alle diese Bildungen kommen auch bei den typischen 
Cölenteraten als »multipolare, unipolare Entodermbildung durch Ein- 
wanderung, als epibolische oder invaginirte Gastrulation vor; bei den 
Cölenteraten bleiben jedoch die Schichten der dadurch zu Stande 
kommenden Planulalarve auch für den erwachsenen Zustand in 
gleicher Lage, während bei den Spongien sich Lage und Verwen- 
dung umkehren. 

Diejenigen Autoren nun, die trotz der typischen bei Spongien 
vorkommenden »Entoderm«-Bildungsweisen, trotz des lange an- 
dauernden Planula ähnlichen Zustandes, dies Alles für nebensächlich 
halten und nur den definitiven Zustand nach Umkehr der Schichten 
zum Vergleich nehmen (Standpunkt 41), die scheinen mir in Wirk- 
lichkeit auf dem Boden der negirenden Anschauungsweise (32), den 
Keimblättern gegenüber zu stehen. Damit soll nicht gesagt sein, 
dass diese Anschauung nicht vertreten werden könne; ich glaube 
nur, dass diese meisten dieser Autoren eine so radikale Meinung 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella (Halisarca). 677 


selbst nicht theilen, sondern auf dem Boden der Keimblätterlehre zu 
stehen glauben, wie ja aus ihrer Nomenclatur, die Umkehr der 
Sehiehten Gastrulation, die Geißelzellen Entoderm zu nennen, hervor- 
seht; dass aber in Wirklichkeit ihr Standpunkt (A1) mit einer 
völligen Negirung der Blätterlehre (52) zusammenfällt. 

Ein anderer, noch vertretbarer Standpunkt wäre der (51), die 
Spongien als unabhängig von den übrigen Metazoen entstandene 
Gruppe anzusehen, so dass deren Keimblättervergleich hier überhaupt 
nieht in Frage käme. In diesem Sinne hat sich zuletzt DEIAGE un- 
sefähr so ausgesprochen: die Spongien zeigen ebenfalls eine fort- 
schreitende Differenzirung ihrer Elemente, aber dieselbe vollzieht 
sich nicht im Sinne von Blättern, sondern zellenweise, indem sich 
einzelne Zellen zu dieser, andere zu jener Leistung umbilden. Ich 
habe dagegen schon früher geltend gemacht, dass alle diese Zellsorten 
der mittleren Schicht und äußeren Bedeckung ursprünglich ein ein- 
heitliches Keimlager bilden und sich, die skeletbildenden Elemente 
meist zuerst, in verschiedenen Phasen der Ontogenie von einander 
sondern (92%, 93), eine Anschauung, die jetzt namentlich durch die 
Beobachtungen MrmchHin’s an jungen Kalkschwämmen (95), wo noch 
die Epithelzellen selbst Spicula ausscheiden, ihre weitere Bestätigung 
erhalten hat. Ferner muss hervorgehoben werden, dass gerade die 
Oscarella-Metamorphose, die von DELAGE zur Stütze der direkten 
Abstammung von Protozoen benutzt werden konnte (92, p. 415), jetzt 
ein anderes Ansehen gewinnt und ebenfalls darauf hinweisen kann, 
auch in den Spongien zweiblättrige Thiere, jedoch mit Umkehr der 
Schichten, zu sehen. 

Es liegen also außer dem negirenden Standpunkt der sich durch 
das Zusammenfallen von Ansicht A1 mit 52 ergiebt, noch zwei 
Auffassungen vor, die beide vertreten werden können, für deren 
eine jedoch außer früher angeführten theoretischen Gründen (Mmn- 
CHIN 97, p. 33) jetzt auch solche der Beobachtung in die Wagschale 
fallen. 


1 In einem mittlerweile erschienenen Referat v. LENDENFELD’s über MIncHIN 
(97), Zoolog. Centralbl. (TV. Jahrg. p. 910—913), ist die Ansicht ausgesprochen, 
dass der Begriff Cölenteraten nicht phyletisch, sondern »morphologisch« gefasst 
werden soll, und die Spongien also hier einzureihen seien. »Ob sie für sich aus 
Protozoen (Choanoflagellaten) hervorgegangen sind, oder ob sie sich aus den 
Gastraeadenvorfahren der Cnidaria entwickelt haben, kommt dabei gar nicht 
in Betracht.< Damit scheint mir über das Wesen der Streitfrage nichts gesagt, 
und nur äußerlich durch Andersfassung eines Wortes, so zu sagen ein Modus 
vivendi resp. distribuendi für den Systematiker hergestellt zu sein. 


678 Otto Maas, 


Wie die definitive Entscheidung fällt, ist damit doch noch nicht 
gesagt; es soll aber hier hervorgehoben werden, dass diese früher 
im Beobachtungsmaterial aus der Spongiengruppe selbst lag, dass heute 
aber letzteres so weit vorliegt, dass die Entscheidung außerhalb der 
Untersuchungen selbst gerückt ist, und nur noch vom allgemeinen 
Standpunkt, von theoretischen Gründen, abhängt. 


München, Zoolog. Institut, December 1897. 


Gitirte Litteratur, 


1874. H. J. CARTER, On the development of marine Sponges etc. Ann. S. Mag. 

(ser. 4.) Vol. XIV, 

’74. E. METSCHNIKOFF, Zur Entwicklungsgeschichte der Kalkschwämme. Diese 
Zeitschr. Bd. XXIV. 

6. CH. BARROoIS, Memoire sur l’embryologie de quelques Eponges de la 
Manche. Ann. Se. Nat. (ser. 6. Zoolog.) T. Ill. 

’77. F. E. SCHULZE, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der 
Spongien. II. Die Gattung Halisarca. Diese Zeitschr. Bd. XXVIII. 

’78. —— V. Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Ibid. Bd. XXXI. 

’80. —— IX. Die Plakiniden. Ibid. Bd. XXXIV. | 

’82. W. J. SOLLAS, On the development of Halisarca lobularis. Quart. Journ. 
Mier. Se. Vol. XXIV. 

’86. K. HEIDER, Zur Metamorphose der Oscarella lobularis 0. Schm. Arb. 
Zool. Inst. Wien. Bd. VI. 

’86. A. GOETTE, Nachträgliche Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der 
Spongien. Zool. Anz. Bd. IX. 

’92«@.0. MAAs, Die Metamorphose von Esperia lorenzi ete. Mitth. Zool. Stat. 


Neapel. Bd. X. 
"928. —— Die Auffassung des Spongienkörpers ete. Biolog. Centralbl. Bd. XII. 
’'92. Y. DELAGE, Embryog£enie des Eponges ete. Arch. Zool. Exp. ser. 2. 
TAX 


93. 0. Maas, Die Embryonalentwicklung und Metamorphose der Cornacuspon- 
gien. Zool. Jahrb. Abth. für Anat. Bd. VII. 

'94. E. A. MincHhin, The Embryology of the Porifera. Science Progr. 

'95. —— Note on the larva and postlarval development of Leucosolenia etc. 
Proc. Roy. Soc. Vol. LX. 

96. O0. Maas, Erledigte und strittige Fragen der Schwammentwicklung. Biolog. 
Centralbl. Bd. XV. 

'97. E. A. MincHin, The position of Sponges in the animal kingdom. Science 
Progress. New Ser. Vol. I. 


Die Keimblätter d. Spongien u. die Metamorph. v. Oscarella 'Halisarca). 679 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XLI. 


Die Figuren sind bei etwa 150facher Vergrößerung gezeichnet, theils nach 
optischen Durchschnitten der lebenden, theils nach wirklichen Durchschnitten 
der konservirten Larven und sind, umgekehrt wie bei HEIDER, so orientirt, 
dass der beim Schwimmen vordere, pigmentarme Pol auf der Tafel nach unten 
gerichtet ist. Geißeln und Pigment sind weggelassen. Es bedeutet: 

g, Geißelzellen des vorderen Pols (spätere Gastralzellen) ; 
k, Körnerzellen des hinteren Pols (spätere Dermalzellen); 
m, eingewanderte Parenchymzellen; 

A, Ansatzbasis. 


Fig. 1. Frisch ausgeschlüpfte Larve, mit bereits beträchtlichen Unter- 
schieden in der Zellhöhe etc. 

Fig. 2. Ältere Larve. Zellen am Vorder- und Hinterende in Größe 
und Charakter noch verschiedener. 

Fig. 3. Etwas pathologische Larve, beide Zellschichten durch Ein- 
schnürung getrennt. 

Fig. 4. Jung angesetztes Stadium, die Ansatzstelle noch weit offen. 

Fig. 5. Etwas älteres Stadium, noch vom ersten Tag, Ansatzstelle 
enger. Geißel-(Gastral-)zellen bereits die Divertikel der Kammern bildend. 


Das Blutgefälssystem von Salamandra maculata, Triton 
taeniatus und Spelerpes fuscus; mit Betrachtungen über 
den Ort der Athmung beim lungenlosen Spelerpes fuscus. 
Von 
Dr. Emil Bethge. 


Mit Tafel XLII und XLII. 


Die in Nachstehendem mitgetheilten Untersuchungen wurden im 
Zoologischen Institute der Universität Halle-Wittenberg während der 
letzten drei Semester (Sommer-Semester 1896 bis Sommer-Semester 
1897) angestellt. Ich will auch an dieser Stelle Herrn Professor Dr. 
(GRENACHER für das Interesse, das er an meinen zoologischen Studien 
und besonders an dieser Arbeit nahm, und für die bereitwillige Be- 
schaffung des Materials meinen verbindlichsten Dank aussprechen. 

Nachdem vor wenigen Jahren das Fehlen der Lungen bei mehre- 
ren Salamander-Arten festgestellt worden war, musste natürlich auch 
der Frage näher getreten werden, auf welche Weise diese land- 
lebenden, lungenlosen Thiere ihr Sauerstoffbedürfnis befriedigen. 
Herr Privatdocent Dr. BRANDESs, der die Anatomie einer großen Reihe 
von lungenlosen Salamandern untersucht und mehrere Exemplare des 
interessanten italienischen Höhlensalamanders (Spelerpes fuscus) lebend 
beobachtet hatte, hielt es für wünschenswerth, dass von morphologischer 
Deite aus eine einschlägige Untersuchung unternommen werde, be- 
sonders weil ihm die von physiologischer Seite angestellten Versuche 
und die daraus gezogenen Folgerungen keineswegs einwandsfrei und 
überzeugend schienen. 

Ich bin Herrn Dr. BrAanpEes zu großem Danke verpflichtet, 
dass er nicht nur zu meinen Gunsten auf die weitere Verfolgung 
dieser Frage verzichtete und mir die eingehende Untersuchung anver- 
traute, sondern dass er auch an dem Fortgange meiner Studien den 
vegsten Antheil nahm und mich mit seinem Rathe in jeder Hinsicht 
auf das wirksamste unterstützte. Auch der Gräfin Fräulein Dr. MARIA 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 681 


VON LINDEN, die während des Winter-Semesters 1896/97 Herrn 
Dr. BRANDES vertrat, habe ich aufs herzlichste zu danken besonders 
für ihre liebenswürdige Mühewaltung bei den sehr schwierigen In- 
jektionen, deren Gelingen ich zum größten Theil ihrer außerordent- 
liehen Geschicklichkeit zu danken habe. 


Injieirt wurde mit warmer Masse, Gelatine mit Preußisch Blau 
oder Chinesisch Zinnober. Davon eignete sich die blaue Injektions- 
masse besonders für mikroskopische Präparate, während für makro- 
skopische Untersuchungen die Zinnoberinjektion vorzuziehen war. 
Es wurden stets Totalinjektionen ausgeführt, indem die Kanüle in 
den Konus eingebunden wurde, eine Manipulation, die bei Spelerpes 
wegen der Enge des Konus mit großen Schwierigkeiten verknüpft war. 


Von lungenlosen Salamandriden stand mir nur Spelerpes fuscus 
zur Verfügung. Die Untersuchung hatte einerseits den Verlauf der 
größeren Gefäße festzustellen, andererseits die Vertheilung der Kapil- 
laren, besonders derjenigen, die geschickt sind, Sauerstoff aus der 
Luft aufzunehmen. Zur Vergleichung musste naturgemäß der Kreis- 
lauf der Lungen-Salamander herangezogen werden; ich wählte dazu 
Salamandra maculata und Triton taeniatus, die in hinreichender 
Menge leicht zu beschaffen waren. Aber bald stellte es sich her- 
aus, dass das über den Gefäßverlauf der Salamandriden Bekannte 
durchaus unzureichend genannt werden muss. Daher war ich ge- 
nöthigt, vor Allem erst einmal den Verlauf der größeren Gefäße bei 
Salamandra maculata und Triton taeniatus festzustellen, sodann zu 
untersuchen, wie sich die Kapillaren bei diesen Formen verhalten 
an Stellen, wo Athmung möglich ist. Die Fragestellung also lautet: 


I) Wie verlaufen die stärkeren Blutgefäße bei den lungenlosen 
Salamandriden, und in wie fern unterscheidet sich ihr Verlauf von 
dem der Lungen-Salamander? | 


2) Wie verhalten sich die Kapillaren in der Haut und in den- 
jenigen Theilen, die von der atmosphärischen Luft umspült werden, 
bei lungenlosen Salamandriden, und wie unterscheiden sich diese 
Verhältnisse von denen der Lungen-Salamander? 


Um uns die nöthigen Vergleichsobjekte zu beschaffen, müssen 
wir aber zuerst das Gefäßsystem von Lungen-Salamandern genau 
kennen lernen. Ich schildere daher zuerst die Ergebnisse meiner 
Untersuchungen an Salamandra maeulata und Triton taeniatus. 


682 Emil Bethge, 


Salamandra maculata. 
(Taf. XLII, Fig. 1.) 

Aus dem Bulbus arteriosus gehen jederseits vier, seltener drei 
Arterienbögen hervor. Der erste (7)! endet in der Carotidendrüse, 
aus der zwei Gefäße entspringen, die Arteria carotis interna (cr) und 
die Arteria carotis externa (ce). Die erstere geht um den Ösopha- 
gus herum, verläuft eine kurze Strecke auf der Schädelbasis und 
dringt dann in die Schädelhöhle ein (Taf. XLII, Fig. 10 cz). Auf 
ihrem Wege giebt sie dünne Äste an Pharynx und Gaumen ab. Die 
Arteria carotis externa (ce) tritt an die Zungenbeinbögen heran und 
spaltet sich hier; ein Zweig zieht am Zungenbein entlang zur Zunge, 
der andere versorgt die Muskeln des Zungenbeinbogenapparates, 
sendet einen Ast an die Haut und vereinigt sich schließlich in der 
Unterkieferspitze mit dem gleichwerthigen Gefäß der anderen Seite. 

Der zweite (/7) und dritte (//7) Arterienbogen vereinigen sich an 
der lateralen Seite des Ösophagus zur Aortenwurzel. Aus dem zwei- 
ten Bogen entspringt häufig ein dünnes Gefäß, das sich auf der Kehl- 
haut verzweigt. 

Der vierte Arterienbogen (/V), der mit dem dritten durch den 
Ductus Botalli verbunden ist, setzt sich in die Arteria pulmonalis (p) 
fort. Aus dieser und auch häufig aus dem Duetus Botalli geht ein 
schwaches Gefäß ebenfalls an die Kehlhaut. Einige Seitenäste der 
Pulmonalarterie verzweigen sich auf der ventralen, ein Zweig auf 
der dorsalen Seite des Ösophagus. 

Die Aortenwurzel (Taf. XLIIH, Fig. 10 aow) greift nach vorn 
um den Ösophagus herum gegen die Wirbelsäule und vereinigt sich 
hier mit der Aortenwurzel der Gegenseite zur Aorta (ao). Vorher 
giebt sie in ihrem mittleren Theil ein Gefäß ab, die Arteria maxil- 


laris externa 2 (Fig. 10 me), die zum Kieferwinkel zieht und sich hier # 


spaltet; der stärkere Zweig, den ich in der Fig. 10 mit einem Kreuz 
bezeichnet habe, zieht an dem Unterkieferknochen entlang, der 
schwächere verästelt sich auf dem Oberkiefer. | 

In einiger Entfernung von der Arteria maxillaris externa entspringt 
aus der vorderen Wand der Aortenwurzel ein Gefäß, das sofort nach 
unten umbiegt und sich dann an den Wirbeln entlang nach hinten 
zieht, die Arteria vertebralis collateralis (Fig. 1 und 10 oc). An der 


1 Die in Klammer befindlichen Zahlen und Buchstaben beziehen sich auf 
die in der Überschrift genannte Tafelfigur. 
° J. Hyerr, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomieum. Wien 1865, 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeculata ete. 683 


Umbiegungsstelle, also gleich im Anfang, entsteht aus der Arteria 
vertebralis collateralis ein Gefäß (Fig. 10 o), das sich in der Gaumen- 
deeke verästelt und auch Zweige an das Auge abgiebt; EcKEr! be- 
schreibt beim Frosch ein analoges Gefäß, das er Arteria oceipitalis 
nennt. Die Arteria vertebralis durchdringt die Öffnungen an der 
Basis der Querfortsätze, die HATscHEK-Corı1? abbildet, und giebt hier 
jedes Mal einen Seitenzweig, Ramus costalis (rc) ab, der an den Rippen 
entlang verläuft, die Muskeln durchdringt und sich mit seinen letz- 
ten Verästelungen auf der Haut ausbreitet. In gleicher Vertheilung 
findet man auch Rami dorsales, die Muskeln und Haut des Rückens 
versorgen. Die Arteria vertebralis collateralis setzt sich bis in die 
Spitze des Schwanzes fort und kommunieirt in ihrem ganzen Ver- 
laufe durch Verbindungsgefäße mit der Aorta. 

Aus der Aorta (ao) entspringen in der Höhe der vorderen Ex- 
tremitäten die Arteriae subelaviae (sc) und geben am Sehultergürtel 
angekommen je einen ziemlich starken Ast an die Haut ab, die 
Arteria eutanea magna (cm), die zuerst in gleicher Richtung, wie die 
Arteria subelavia verläuft, dann umbiegt und in der Längsrichtung 
des Thieres nach hinten zieht. Sie giebt nach beiden Seiten zahl- 
reiche Seitenzweige ab und verschmilzt in der Mitte des Rumpfes 
mit der Arteria epigastrica (e), die ihren Ursprung aus der Arteria 
liaca communis (ic) nimmt und deren Seitenäste sich ebenfalls auf 
der Haut verzweigen. 

An der Ursprungsstelle der Arteriae subelaviae entsteht aus der 
Aorta die Arteria gastrica anterior (ga), ein dünnes Gefäß, das sich 
auf dem Magen und Ösophagus verästelt. Im weiteren Verlaufe giebt 
die Aorta Zweige an den Magen, das Mesenterium, die Leber, an 
den Mitteldarm und den Enddarm ab; sie versorgt weiter die Ge- 
schlechtsorgane und die Nieren; zu den hinteren Extremitäten sendet 
sie die Arteriae iliacae (ze). 

Die Venen vereinigen sich, bevor sie in den Sinus venosus (so) 
eintreten, zum Duetus Cuvieri, der auf der linken Seite sehr kurz 
ist oder auch ganz fehlt. Das Blut der Kopf- und Halsregion wird 
durch die Vena jugularis externa (ie) und die Vena jugularis interna 
(Taf. XLII, Fig. 1 und Taf. XLIH, Fig. 10 %) herbeigeführt. 

Die Vena jugularis externa entsteht aus der Vena lingualis (2) 
und zwei Gefäßen, von denen das eine aus den Geweben des Unter- 


i ECKER, Die Anatomie des Frosches. Abth. 2. Freiburg i. B. 1881. 
? HATSCHEK-CoR1, Elementarkurs der Zootomie. Jena 1896. Taf. 


684 Emil Bethge, 


kiefers und dem vorderen Theil der Kehlhaut seinen Ursprung 
nimmt, während das andere aus den Kapillaren des Pharynx her- 
vorgeht, sich dorsal von den Arterienbögen auf den Pharynx aus- 
breitet und vielleicht Vena pharyngea (p%’) zu nennen sein dürfte. 
Die Vena lingualis beginnt in der Zunge, zieht am Zungenbein und 
dem letzten Zungenbeinbogen entlang und bildet über den Arterien- 
bögen ein Rete mirabile. 

Die Vena jugularis interna («) entsteht aus dem Kapillarnetz, 
das sich auf dem Oberkiefergaumenapparat ausbreitet, und aus Ge- 
fäßen der Schädelhöhle und des Auges. Sie wird dann verstärkt 
durch die Vena maxillaris superior (Fig. 10 ms), die das Os maxil- 
lare begleitet, und durch die Vena maxillaris inferior (Fig. 10 mo), 
die am unteren Kieferbogen entlang zieht und Äste aus dem Ge- 
webe des Unterkiefers und aus der Kehlhaut aufnimmt. Im weiteren 
Verlauf empfängt die Vena jugularis interna kleine Zweige aus dem 
Pharynx, biegt dann um den Ösophagus herum und mündet neben 
der Vena jugularis externa (ze) in den Sinus venosus. 

Das Blut der Schwanz- und Rumpfhaut wird durch eine der 
Haut dieht anliegende starke Vene, ich nenne sie Vena cutanea 
magna (cm’), zurückgeführt, die im Schwanze ihren Ursprung nimmt 
und von dort geradeswegs nach vorn verläuft, indem sie den Rücken- 
längsmuskel begleitet, bis sie etwa vom fünften Wirbel in einem 
starken Bogen zur Vorderextremität zieht, aus der die Vena subela- E 
via (sc’) zu ihr stößt. Sie wendet sich dann zum Herzen und em- # 
pfängt kurz vor ihrer Mündung in den Sinus ein Gefäß, das aus 
den Kapillaren der Kehlhaut entsteht und das ich als Vena cutanea 


parva. (cp) bezeichnen möchte. In der Rumpfgegend nimmt die # 


Vena cutanea magna jederseits sowohl aus der Haut des Rückens 
als auch aus der der Seitentheile Aste auf, von denen die letzteren 


immer zwischen zwei Rami costales der Arteria vertebralis eollateralis # 


verlaufen und desshalb vielleicht als Rami intercostales der Vena cuta- 
nea magna zu bezeichnen sind; die ersteren können Rami dorsales 
genannt werden. | 

Das Blut des Schwanzes wird durch die Vena caudalis (c) fort- 
geleitet, ein unpaares Gefäß, das mit der Aorta in dem durch die 
Hämapophysen gebildeten Kanal eingeschlossen ist, sich vor dem 
Eintritt in die Nieren spaltet und zu jeder Niere einen Ast sendet, 
der sich in die Venae advehentes des Nierenpfortaderkreislaufs auf- 
löst. Ebenfalls zu den Nieren geleitet wird das Blut jeder hinteren 
Extremität und zwar durch die Vena iliaca (ic’). Diese giebt aber dicht 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 685 


vor den Nieren einen Ast ab, der sich mit dem entsprechenden Ast 
der Gegenseite in der Medianlinie der Bauchseite zur Vena abdomi- 
nalis (a) vereinigt, nachdem die Äste vorher noch Gefäße aus der 
Kloake und dem Darm aufgenommen haben. Die Vena abdominalis 
liegt den Muskeln der Bauchwand auf und empfängt auf ihrem Ver- 
laufe nach vorn aus jedem Muskelsegment von jeder Seite einen 
Zweig; auch nimmt sie einen Ast aus der Blase auf. In der Höhe 
der Leber biegt sie an diese heran, nimmt vorher ein Gefäß auf, das 
aus den Bauchmuskeln des vorderen Rumpfes kommt, und vereinigt 
sich mit der Lebervene (/e), einem Gefäße, das aus Venen des 
Magens, des Mitteldarmes und der Leber entstanden ist; sie löst sich 
beim Eintritt in die Leber in die Venae advehentes des Leberpfort- 
aderkreislaufs auf. Das aus den Venae revehentes entstehende Gefäß 
ergießt sich in die Vena cava, die aus den Venae revehentes des Nieren- 
pfortaderkreislaufs hervorgegangen ist, die Venen der Geschlechts- 
organe aufgenommen hat und außerdem mit den Kardinalvenen in 
Verbindung steht; letztere verlaufen längs der Wirbelsäule und münden 
in die Vena cutanea magna kurz vor ihrem Eintritt in den Sinus. 
Die Vena cava geht in das hintere Ende des Sinus venosus über. 
Diese zuletzt genannten Gefäße sind in der von mir entworfenen 
Figur nicht zur Darstellung gekommen, weil sie die Übersichtlichkeit 
des Verlaufes der uns besonders. interessirenden Gefäße stark beein- 
trächtigen würden. 


Triton taeniatus. 

(Taf. XLII, Fig. 2.) 
Aus dem Bulbus arteriosus entspringen jederseits nur drei Ar- 
 terienbögen. Aus dem ersten (7) entstehen die Arteria carotis 
externa (ce) und die Arteria carotis interna (ci). Erstere verläuft an 
dem Zungenbein entlang zur Zunge, ohne wie bei Salamandra ein 
starkes Gefäß an die Muskeln abzugeben. Die Carotis interna (cz) 
hat denselben Verlauf wie die von Salamandra. Der zweite Arterien- 
bogen (/7) bildet allein die Aortenwurzel. Der dritte Arterien- 
bogen fehlt immer!. Der vierte (/V) ist mit dem zweiten nur 
durch einen sehr zarten Ductus Botalli verbunden. Die Arteria pul- 
monalis (2) giebt vor ihrem Eintritt in die Lunge einen Zweig an 
die Haut und einen oder zwei an den Ösophagus ab. Sie durchläuft 
die Lunge in gerader Linie und in ziemlich gleichbleibender Stärke 


1 Boas, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. 
Morphol. Jahrbuch. Bd. VII. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIII. Bd. 45 


686 Emil Bethge, 


bis zur äußersten Spitze. Von ihr gehen in regelmäßigen Abständen 
unter rechtem Winkel nach beiden Seiten Gefäße in das Lungen- 
gewebe. 

Die Arteria mel externa (me, Fig. 9), die Arteria verte- 
bralis collateralis (Fig. 2 und 9 vc) und die Arteria oceipitalis (Fig. 9 o) 
entstehen und verlaufen ähnlich wie bei Salamandra. Der am Unter- 
kiefer sich hinziehende Seitenast der Arteria maxillaris externa, von 
dem in der Fig. 9 nur der Anfang gezeichnet und mit einem + ver- 
sehen ist, giebt wie auch bei Salamandra außer an die Gewebe des 
Mundbodens auch zahlreiche Zweige an die Kehlhaut ab. 

Die aus der Arteria subelavia (sc) entstehende und mit der Ar- 
teria epigastrica (e) verschmelzende Arteria cutanea magna (cm) ist 
sehr dünn und sendet wenig Ausläufer an die Haut. 

Der Verlauf der die Eingeweide versorgenden Blutgefäße hat 
große Ähnlichkeit mit dem der entsprechenden Gefäße von Sala- 

mandra. 

Die unpaare Vena caudalis (c) nimmt auch das Blut aus der 
Schwanzhaut auf. Vena abdominalis («@) und Vena cava zeigen gleiche 
Entstehung und gleichen Verlauf wie bei Salamandra. Wesentlich 
verschieden ist die Vena cutanea magna (cm’). Sie verläuft nicht 
auf dem Rücken in der Nähe der Wirbelsäule, sondern an den Seiten 
des Körpers, nicht weit von der Arteria ceutanea magna (cm) ent- 
fernt; außerdem beginnt sie nicht im Schwanz, sondern erst im 
Rumpf, dieht vor dem Beekengürtel. Mit ihrer Lage hängt zusam- 
men, dass ihre Rami dorsales außer aus der Rückenhaut auch Blut 
aus der Haut der Seitenwandungen fortführen, während die Intercostal- 
zweige hauptsächlich das Blut der Bauchhaut aufnehmen. Im wei- 
teren Verlaufe empfängt die Vena cutanea magna die Vena sub- 
clavia (sc’) und mündet gemeinsam mit der Vena cutanea parva ®) 
in den Ductus Cuvieri. | 

Das Blut der vorderen Körperregion wird durch die Vena 
Jugularis interna (Taf. XLIII, Fig. 9 «) und die Vena jugularıs ex 
terna (ie) zurückgeführt. Von den Ästen, die bei Salamandra die 
Jugularis externa bilden, konnte ich hier jenes Gefäß, das seinen 
Ursprung aus den Kapillaren der Unterkiefermuskeln und des vor- 
deren Theiles der Kehlhaut nimmt, an keinem meiner zahlreichen 
Präparate nachweisen. Vielleicht wird es durch einen Seitenzweig 
der Vena lingualis (7) vertreten, der aus den Muskeln hervortritt und 
am letzten Zungenbeinbogen mündet. | 

Die Vena pulmonalis (p') entsteht in der Spitze der Lunge, ver- 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 687 


läuft gegenüber der Lungenarterie und nimmt von beiden Seiten 
Gefäße auf, die mit den Seitenzweigen der Arterie alterniren. 


Spelerpes fuscus. 
Rat REIN Riga.) 

Aus dem Bulbus arteriosus entstehen jederseits nur drei Arterien- 
bögen. Ich schließe aus den von Boas! an Triton taeniatus und 
anderen Urodelen angestellten entwicklungsgeschichtlichen Unter- 
suchungen, dass auch hier der dritte Arterienbogen verloren geht. 
Aus dem ersten Arterienbogen (/) gehen die Carotis externa (ce) und 
interna (cz) hervor, die gleichen Verlauf wie die entsprechenden Ge- 
fäße von Triton zeigen. Aus dem zweiten Bogen (//) entspringt ein 
dünnes Gefäß, das sich an die Haut der Kehle begiebt. Der vierte 
Arterienbogen (/V) geht in die Arteria pulmonalis (p) über, ohne 
mit dem zweiten Bogen durch den Ductus Botalli verbunden zu sein; 
wenigstens habe ich eine solche Verbindung nie beobachtet. Die 
Lungenarterie ist trotz des Fehlens der Lunge nicht verkümmert, 
sondern als starkes Gefäß ausgebildet, das sich auf dem Magen in 
mehrere starke Zweige auflöst, die durch Verbindungsgefäße mit 
einander kommunieiren. Sie giebt drei bis vier Äste an den Öso- 
phagus und ein schwaches Gefäß an die Haut ab. Gleich nach dem 
Austritt aus dem Bulbus entspringt aus dem vierten Arterienbogen 
ein Gefäß, das unterhalb des zweiten und ersten Bogens auf dem 
Pharynx nach vorn zieht und sich verästelt, die Arteria pharyngea 
(pl). Bei Salamandra und Triton konnte ich ein solches Gefäß nicht 
beobachten. 

Wenn die Aortenwurzel (Taf. XLIII, Fig. S aow) die Dorsalseite 
des Ösophagus erreicht, entspringen aus ihr in kurzer Entfernung 
von einander die Arteria maxillaris externa (Fig. 8 me), die Arteria 
oceipitalis (Fig. 8 o) und die Arteria vertebralis collateralis (Fig. 8 ve); 
die Arteria oceipitalis ist hier also nicht wie bei Salamandra und 
Triton ein Ast der Arteria eollateralis, sondern ein selbständiger 
Zweig der Aortenwurzel. 

Die Arteria vertebralis collateralis (ve) von Spelerpes liegt im 
Gegensatz zu der von Salamandra und Triton, wo sie durch die 
Löcher der Querfortsätze hindurchzieht, im Rumpf oberhalb der Quer- 
fortsätze und ist desshalb verhältnismäßig leicht frei zu präpariren. 
Sie kommunieirt mit der Aorta durch Verbindungsgefäße, von denen 

1 BoAs, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien 
Morphol. Jahrb. Bd. VIl. 1882. 

45* 


688 Emil Bethge, 


die zwei oder drei vorderen merkwürdigerweise von der Aorta aus 
nach vorn zu der Arteria collateralis verlaufen, wodurch der Eintritt 
von Aortenblut nothwendig erschwert werden muss; die weiter hinten 
folgenden verhalten sich wie die homologen Gefäße bei Salamandra 
und Triton. 

Die Arteria eutanea magna (cm) ist ein sehr dünnes Gefäß und 
lässt sich von der Arteria subelavia (sc) nur eine kurze Strecke weit 
verfolgen. 

Ein kurzes Stück hinter den Arteriae subelaviae entspringen aus 
der Aorta zwei ziemlich starke Arteriae gastrieae anteriores (ga), die 
sich auf den dorsalen und seitlichen Wandungen des Ösophagus und 
Magens verzweigen und mit den Ästen der Arteria pulmonalis durch 
Verbindungsgefäße kommuniciren. 

Das Blut des Schwanzes wird nicht von einer unpaaren Caudal- 
vene zu den Nieren geleitet, sondern durch zwei Venen (c), die der 
Wirbelsäule lateral anliegen und zahlreiche Äste aus den Muskeln 
und der Haut des Schwanzes aufnehmen. Kurz vor dem Eintritt in 
die Nieren sind sie durck ein starkes Gefäß mit einander verbunden. 

Die aus den Seitenästen der Venae iliacae (.c’) hervorgehende 
unpaare Vena abdominalis («) nimmt nicht nur Blut aus der Kloake, 
dem Enddarm, der Blase und den Leibesdecken auf, sondern em- 
pfängt auch zahlreiche Gefäße aus der Haut des Bauches, die im 
hinteren Rumpftheil, wo die Vene den Bauchdecken anliegt, senk- 
recht zu ihr verlaufen, im vorderen aber zu einem größeren, in der 
Längsrichtung ziehenden Gefäße vereinigt sind, das an der Stelle in 
die Vena abdominalis einmündet, wo sie zur Leber aufsteigt. Um 
die Übersichtlichkeit nicht zu stören, konnte ich die vorderen Seiten- 
zweige der Vena abdominalis in der Fig. 3 nicht zeichnen. 

Die Lebervene (le) empfängt außer den Magenvenen ein Gefäß, 
das vom Ösophagus entspringt, da, wo sich die Zweige der Pulmo- 
nalarterie an ihm verästeln, die Vena oesophagea (oe). | 

Die Vena cutanea magna |cm’) verläuft längs der Wirbelsäule, 
hat also gleiche Lage wie die von Salamandra, entsteht aber erst 
wie die von Triton im Rumpf vor dem Beckengürtel. Ihre Rami 
intercostales sind kürzer wie die von Salamandra und nehmen nur 
Blut aus der Haut der Seitenwandungen auf, während das Blut der 
sauchhaut durch die Seitenzweige der Abdominalvene fortgeführt 
wird. Die Hautvene wendet sich wie bei Salamandra am fünften 
Wirbel im Bogen zu der vorderen Extremität, nimmt aber hier nicht 
die Vena subelavia auf, sondern nur ein kleines Gefäß, das aus den 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 689 


Muskeln des Schultergürtels kommt. Die Vena cutanea parva (cp) 
empfängt sie noch ein beträchtliches Stück vor dem Eintritt in den 
Ductus. 

_ Die Vena subelavia (sc’) bleibt selbständig bis zum Eintritt in 
den Duetus Cuvieri; sie nimmt nur ein kleines Gefäß aus den Nacken- 
muskeln auf. 

Die Vena jugularis interna (Taf. XLIII, Fig. 8 «) und externa 
(Fig. 8 ie) zeigen mit ihren Seitenästen gleichen Verlauf, wie bei 
Triton; es fehlt nur der aus den Muskeln kommende Seitenast der 

Vena lingualis. 
| Die Vena pulmonalis ist nicht vorhanden. 


Vergleichen wir diese Resultate meiner makroskopischen Unter- 
suchungen mit den Ergebnissen der Arbeiten anderer Forscher, so 
wird es sich hauptsächlich um Salamandra maculata und Triton 
taeniatus handeln, da über das Blutgefäßsystem von Spelerpes fuscus 
noch nichts veröffentlicht ist. 

Die Arbeiten von BoAs! und Brücke? beschäftigen sich nur mit 
den Arterienbögen. BoAs’ Beobachtung, dass bei Salamandra ge- 
wöhnlich vier, bei Triton drei Arterienbögen aus dem Bulbus arterio- 
sus hervorgehen, konnte ich bestätigen. Das von BrÜckE bei Sala- 
mandra entdeckte kleine Hautgefäß, das aus dem zweiten Bogen 
entspringt, konnte ich bei dem gleichen Objekt und bei Spelerpes 
stets nachweisen, dagegen scheint es bei Triton nur gelegentlich 
vorzukommen. Dass aus dem Ductus Botalli bei Salamandra jeder- 
seits ein sich sofort verästelndes zartes Gefäß seinen Ursprung nimmt, 
welches sich zur Haut und zur Ohrdrüse des Thieres begiebt, konnte 
ich nur zuweilen beobachten. 

Nur spärliche Angaben über das Blutgefäßsystem sind im Text 
der Arbeit von Rusconı3 enthalten; in seinen Figuren erkenne ich 
vor Allem eine zahlreiche Seitenzweige abgebende Arteria cutanea 
magna. 

Bei WIEDERSHEIM* findet sich ein Schema vom Arteriensystem 


1 BoAs, Über den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien. 
Morph.- Jahrb. Bd. VII. 1882. 

? BRÜCKE, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Gefäßsystems bei 
Amphibien. Denkschr. der kaiserl. Akad. der Wissensch. zu Wien. Bd. III. 

3 Ruscont, Histoire naturelle de la salamandre terrestre. Pavia 1854. 

* WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 
Jena 1888. 2. Aufl. 


690 Emil Bethge, 


von Salamandra, worin aber fast nur die von der Aorta ausgehenden 
und für die Eingeweide bestimmten Gefäße berücksichtigt sind; eine 
Arteria vertebralis ist nicht gezeichnet. 

HOFFMANN schildert in »Broxn’s Klassen und Ordnungen der 
Amphibien« den Arterienverlauf im Anschluss an die Arbeit Hyrrr’s! 
und beschreibt die Arteria vertebralis collateralis, ohne aber ihre 
Seitenzweige zu erwähnen. Sonst beschäftigt er sich hauptächlich 
mit dem Verlauf der Arterien in den Extremitäten. 

Über das Blutgefäßsystem des Triton hoffte ich in einer von 
HoFFMANN (Bronn’s Klassen und Ordnungen der Amphibien, p. 475) 
eitirten Arbeit von H. Mıune EpwARrDs, »De l’appareil eireulatoire 
du Triton (Ann. des science. nat. 3. Serie. Zool. Taf. VIII. 1847) 
Näheres zu erfahren, musste aber leider konstatiren, dass es sich in 
dieser Arbeit nicht um den Molch, sondern um die Schnecke 
Triton (!) handelt. 

Durch Hyekrv's! vorzügliche Arbeit erfahren wir für Cryptobran- 
chus Näheres über den Verlauf sowohl der Arteria vertebralis collate- 
ralis als auch der beiden anderen aus der Aortenwurzel entstehenden 
Gefäße. Es ist die einzige Arbeit, in der ich über diese Gefäße ausführ- 
lich berichtet gefunden habe. Er sagt darüber ungefähr Folgendes: 
»Von den beiden Zweigen, die gleich nach der Vereinigung der bei- 
den Arterienbögen aus der Aortenwurzel hervorgehen, erstreckt sich 
der vordere theils oberhalb des letzten Endes des Hyoidknochens nach 
abwärts und vorn, theils wendet er sich zum Kieferwinkel und tritt 
von da in den Mundboden ein. Der innere Zweig, der von bedeu- 
tenderer Stärke ist, eilt nach innen und vorn, berührt die Basis des 
>chädels, das membranöse Dach des Mundes und die ihm aufliegen- 
den Muskeln, versieht mit einem kleinen Ast den Augapfel und ver- 
zweigt sich, nachdem er in die Schädelhöhle eingetreten, im Gehirn. «< 
Wir haben gesehen, dass die von Hyrru bei Cryptobranchus japonicus - 
beschriebenen Gefäße auch den von uns untersuchten Formen nicht‘ 
fehlen, bei Spelerpes sogar genau in der gleichen Weise verlaufen. 

Über die Seitenzweige der Arteria vertebralis eollateralis und 
namentlich über die Verästelung ihrer letzten Ausläufer in der Haut 
habe ich für Urodelen nirgends etwas erwähnt gefunden. An Rana 
hat Ecker? diese Seitenzweige und ihre Verästelung beobachtet. 

Mit dem Venensystem der Urodelen beschäftigen sich die schon 


! Hyrtı, Cryptobranchus japonicus. Schediasma anatomiecum. Wien 1865. 
” ECKER, Die Anatomie des Frosches. Abth. 2. Freiburg 1881. 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeculata ete. 691 


genannten Arbeiten von Hykrt und Ruscoxt und eine neuere von 
HOCHSTETTER!. HyrrL behandelt in seinem Cryptobranchus japoni- 
eus nur die Vena portarum und die Abdominalvene genauer, RUSCONI 
beschäftigt sich im Text nur sehr flüchtig mit den Venen, und in 
seinen Figuren sind nur die Venen der Leibeshöhle berücksichtigt, 
und HocHsTETTER verfolgt hauptsächlich die Entwicklung der Cardi- 
nalvenen. 

| Bei Stannıus?2 und in Broxn’s »Klassen und Ordnungen, Am- 
phibien« ist das Venensystem der Urodelen sehr kurz behandelt. 
WIEDERSHEIM, der wieder ein Schema des Venenverlaufs von Sala- 
mandra bietet, hat in dieser Abbildung nur die Resultate von Hyrr, 
HOCHSTETTER und Ruscoxı verarbeitet. Von einer Vena cutanea 
masna ist nirgends die Rede, ein Umstand, der bei der Größe dieses 
Gefäßes auffallend genannt werden muss. Eben so habe ich die 
Vena oesophagea an keiner Stelle erwähnt gefunden; auch mit dem 
Verlauf der Vena jugularis interna hat man sich anscheinend nicht 
beschäftigt. 

Von besonderem Interesse erscheint das völlige Fehlen einer 
Vena pulmonalis bei Spelerpes. Anfänglich wollte es mir gar nicht 
einleuchten, dass dieses Gefäß gänzlich verschwunden sein sollte, 
da doch die Lungenarterie kräftig entwickelt ist. Als ich aber 
trotz der senauesten Untersuchung ein solches Gefäß nicht entdecken 
konnte, musste ich wohl an ein Fehlen desselben glauben. Mit diesem 
negativen Befund stehen nun aber auch die Resultate einer Unter- 
suchung des Herzens der lungenlosen Salamander in schönster Über- 
einstimmung. G. S. Hopkıns? hat sieben Species von amerikanischen 
lungenlosen Salamandern untersucht und festgestellt, dass in den 
Atrien die Öffnung der Pulmonalvene gänzlich fehlt, und dass der 
Sinus venosus in den linken Vorhof mündet, während bei Lungen- 
Salamandern der Sinus in den rechten Vorhof und die Lungenvene 
in den linken eintritt. Außerdem ist bei den lungenlosen Formen 
die Vorhofsscheidewand von einer so großen Öffnung durchbohrt, 
dass von einer Trennung beider Vorhöfe im physiologischen Sinne 
nicht die Rede sein kann. 


1 HocHsTETTER, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Venensystems 
der Amphibien. Morph. Jahrb. Bd. XII. 

? STANNIUS, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 
Berlin 1846. 

3 G. S. Hopkins, The heart of some lungless Salamanders. Amer. Naturalist. 
Vol. XXX. p. 829. 


692 Emil Bethge, 


Durch die makroskopischen Untersuchungen sind also vor Allem 
folgende Thatsachen festgestellt. Aus der Aortenwurzel entspringt 
an der Stelle, wo sie die Dorsalseite des Ösophagus erreicht, bei 
unseren drei Urodelen ein Gefäß, die Arteria maxillaris externa 
(Fig..8, 9, 10 me), das sich auf dem Ober- und Unterkiefer verästelt. 
In kurzer Entfernung von ihm entsteht ein zweites Gefäß, die Arteria 
oceipitalis (Fig. 8, 9, 10 o), entweder direkt aus der Aortenwurzel 
(Spelerpes) oder aus der Arteria vertebralis collateralis (Salamandra, 
Triton); diese breitet sich in dem Gewebe des Gaumens aus und dringt 
mit einem Aste auch in das Auge ein. Die Arteria vertebralis collate- 
ralis (Fig. 1, 2, 3, 8, 9, 10 ve), die mit der Aorta durch Verbindungs- 
sefäße kommunieirt, giebt im Rumpftheil an jedem Wirbel einen 
Ramus dorsalis und einen Ramus costalis ab, deren letzte Ausläufer 
sich auf der Haut ausbreiten. Die Arteria eutanea magna (Fig. 1, 
2, 3 cm) ist bei Salamandra ein ziemlich starkes Gefäß mit zahl- 
reichen Seitenzweigen, bei Triton ist sie bedeutend schwächer und 
hat nur wenige Seitenäste, bei Spelerpes kann man sie von der Ar- 
teria subelavia aus nur eine kurze Strecke weit verfolgen. Die 
Arteria pulmonalis giebt vor ihrem Eintritt in die Lunge einen Zweig 
an die Haut und bei Salamandra mehrere, bei Triton ein bis zwei 
Seitenäste an den Ösophagus ab und durchzieht dann die Lunge in 
ziemlich geradem Verlauf, nach beiden Seiten zahlreiche Äste sen- 
dend. Bei Spelerpes ist die Pulmonalarterie trotz des Fehlens der 
Lunge nicht verkümmert, sondern sie ist ein kräftiges Gefäß, das 
wie bei Salamandra und Triton Äste an den Ösophagus und die Haut 
schickt, das sich dann aber auf dem Magen in mehrere Zweige auf- 
löst. Sie kommunicirt auf der Oberfläche des Magens durch Ver- 
bindungsgefäße mit der Arteria gastrica anterior. 

Im Rumpfe unserer drei Urodelen verläuft auf der Haut die 
starke Vena ceutanea magna, die von beiden Seiten zahlreiche Zweige 
aufnimmt und vor ihrem Eintritt in den Ductus Cuvieri durch die 
Vena cutanea parva verstärkt wird. Bei Salamandra und Triton 
empfängt sie aus der vorderen Extremität die Vena subelavia, die 
bei Spelerpes direkt in den Ductus einmündet. Das Blut wird aus 
dem Ösophagus durch die Vena pharyngea fortgeführt, bei Spelerpes 
außerdem noch durch die Vena oesophagea. Bei Spelerpes sind zwei 
Venae caudales vorhanden; die Vena pulmonalis fehlt ihm. 

Es ergeben sich also im Verlauf der größeren Gefäße Unter- 
schiede zwischen den Lungen-Salamandern Triton taeniatus und 
Salamandra maculata einerseits und dem lungenlosen Spelerpes fuscus 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 693 


andererseits hauptsächlich in der Ausbildung der Lungengefäße. Die 
Arteria pulmonalis hat beim Spelerpes eine andere Aufgabe über- 
nommen; da sie nicht mehr Blut in die Lunge führen kann, damit 
es OÖ aufnehme und CO? abgebe, so versorgt sie damit den Magen, 
der es zur Ernährung gebraucht und nicht zur Athmung, wie wir 
später sehen werden. Die Vena pulmonalis ist rückgebildet, da das 
unbrauchbar gewordene Blut aus dem Magen durch die Magenvenen 
fortgeführt werden kann; aus dem Ösophagus leitet die Vena oeso- 
phagea das Blut zur Lebervene. Weitere Unterschiede haben wir 
kennen gelernt in dem Vorhandensein einer Arteria pharyngea bei 
Spelerpes, in dem paarigen Auftreten der Vena caudalis, in der 
direkten Einmündung der Vena subelavia in den Ductus Cuvieri und 
in der überaus schwachen Entwicklung der Arteria cutanea magna 
und der damit in Korrelation stehenden kräftigen Ausbildung der 
Costaläste der Arteria vertebralis collateralis. 


Wir gelangen jetzt dazu, das Verhalten derjenigen Kapillaren 
zu untersuchen, die der atmosphärischen Luft zugänglich sind. Da 
kommen zuerst die der Haut in Betracht. An gut injieirten Exem- 
plaren von Salamandra, Triton und Spelerpes sieht man ein eng- 
maschiges Kapillarnetz sich über den ganzen Körper ausbreiten. Es 
beginnt in der äußersten Spitze des Schwanzes, dringt bis in die 
Zehen vor, umfasst Bauch- und Rückenseite und ist auf dem Nacken 
und der Kehle zu finden. An Schnitten durch die Haut sieht man, 
dass die Kapillaren dicht unter der Epidermis liegen und von Pig- 
ment umhüllt sind. Sie umfassen die Ausführgänge der reichlich in 
der Haut vorhandenen Drüsen; bei Totalpräparaten sieht man in 
Folge dessen innerhalb einer Masche immer eine Drüsenöffnung. 
Von Kommunikationsröhren, wie sie die Gebrüder Sarasın! für 
Ichthyophis beschrieben haben, konnte ich nichts entdecken. Das 
Material ist für die Entscheidung dieser Frage aber auch nicht ge- 
eignet, da das Epithel sehr dünn ist. 

Die Weite der Kapillaren ist bei den drei Species verschieden. 
Ich maß bei Salamandra einen Durchmesser von 7—12 u, bei Triton 
einen solchen von 12—16, während ich bei Spelerpes 24—30 u fest- 
stellen konnte. Ich habe diese Resultate auf Taf. XLIII in Fig. 4, 
ö und 6 durch die genaue Wiedergabe dreier Präparate mittels Prisma 


! Dr. Pur und Dr. FrıTz Sarasın, Ergebnisse naturwissenschaftlicher For- 
schungen auf Ceylon. 1887—1893. Die letzten Endigungen der Blutkapillaren in 
den Intercellularräumen der Epidermis. 


694 Emil Bethge, 


und mit der gleichen Vergrößerung zur Darstellung gebracht und 
kann nur noch bemerken, dass ich Individuen zur Vergleichung ge- 
wählt habe, bei denen die Injektion in gleicher Weise gut ge- 
lungen war. | 

Eine weitere Frage war die, ob nicht vielleicht irgend welche 
Theile des Darmtractus der Athmung dienen könnten. An Serien- 
querschnitten durch den Ösophagus erkennt man, dass die subepithe- 
liale Lage desselben reichlich von Kapillaren durchsetzt ist, dass 
aber diese Kapillaren bei Salamandra und Spelerpes auch zwischen das 
Epithel eindringen, während dies bei Triton nicht der Fall ist. Dass 
das Eindringen der Kapillaren ins Epithel nieht eine Täuschung ist, 
indem Bindegewebe mit Blutgefäßen durch Faltung zwischen die 
Epithelzellen gerathen ist, sieht man besonders deutlich an Längs- 
schnitten, wo sich das Epithel häufig auf weite Strecken abgehoben 
hat. Auch hier liegen die Kapillaren zwischen den Epithelzellen. 
Die Figuren 11, 12 und 13 auf Taf. XLIII zeigen diese Verhält- 
nisse. Besonders zahlreich sieht man Blutkapillaren zwischen 
Epithelzellen bei Salamandra in der Gegend der Glottis und bei 
Spelerpes nicht weit vor dem Magen an einem Vorsprung, der viel- 
leicht den letzten Rest einer früher vorhandenen Glottis darstellt. 

Im Magen und Darm reichen die Kapillaren nur bis an das 
Epithel heran, dringen aber nicht zwischen die Zeller ein. Ihr An- 
theil an der Athmung wird also mindestens bei Weitem geringer sein, 
als im Ösophagus, wenn überhaupt noch sauerstoffreiche Luft bis 
hierher dringt. 

Als meine Untersuchungen so weit gelangt waren, erschien eine 
Arbeit von MAURER! über das Eindringen von Blutgefäßen in das 
Epithel der Mundschleimhaut bei Amphibien. Er konstatirt die 
Thatsache, »dass in der subepithelialen Lage nicht das letzte ober- 
flächlichste Kapillarnetz sich findet, sondern dass von diesem aus- 
sehend Kapillaren auch in das Epithel eintreten, indem sie sich 
nicht nur zwischen die Zellen der basalen Lage, sondern noch weiter 
bis zwischen die Elemente der mittleren Epithellage fortsetzen, so 
dass sie die Becherzellen zum Theil umspülen und bis an die basale 
Fläche der oberflächlichen Flimmerzellen verfolgbar sind«. Bei 
Salamandra und Triton alpestris findet er, dass die Kapillaren stets 
über der basalen Zellenlage enden und nicht wie bei Rana bis in 
die mittleren Zellenlagen vordringen. Ich kann die Resultate für 


! MAURER, Blutgefäße im Epithel. Morph. Jahrb. Bd. XXV. 1897. 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maeulata ete. 695 


Salamandra bestätigen und für Triton taeniatus ein gleiches Ver- 
halten, wie MAURER für Triton alpestris, feststellen. Wie verhalten 
sich nun die Kapillaren in der Mundhöhle von Spelerpes? 

Um Übersichtsbilder zu bekommen, wurden die Ober- und 
Unterkiefer von Salamandra, Triton und Spelerpes entwässert, in 
Xylol aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Es zeigte 
sich sowohl im Gaumen als auch im Mundboden bei allen dreien 
ein reiches Kapillarnetz, dessen Maschen ungefähr die gleiche Weite 
wie die des Hautkapillarnetzes hatten (Taf. XLIIH, Figg. 4, 5, 6 und 
Figsg. 14, 15). Beim Vergleich der Figg. 15 und 5, die Theile aus 
dem Kapillarnetz des Mundes und der Haut von Triton taeniatus 
darstellen, fällt nun auf, dass der Durchmesser der Mundkapillaren 
auf Fig. 15 bei Weitem geringer ist wie der der Hautkapillaren auf 
Fig. 5, trotzdem die Figuren bei gleicher Vergrößerung mit Hilfe 
des Prismas gezeichnet sind. Ich glaube aber nicht, dass dies that- 
sächlich der Fall ist, schreibe diesen Unterschied vielmehr dem Um- 
stande zu, dass das Mundkapillarenpräparat von einem mit Zinnober 
injieirten Thiere stammte, während das Hautkapillarenpräparat einem 
Thiere entnommen war, bei dem die Injektion mit Berliner Blau 
ausgeführt war. Da nun Berliner Blau die Gefäße bei Weitem 
praller füllt als Zinnober, so ist eine Differenz natürlich. 

Bei Spelerpes zeigen die Kapillaren der Mundschleimhaut ganz 
eigenartige Verhältnisse. Schon mit guter Lupe erkennt man, dass 
sie nicht glatte Gefäße sind, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung 
ein fast traubenförmiges Aussehen zeigen, an manchen Stellen so 
deutlich, dass man einen gemeinsamen Stiel und daran sitzende 
Beeren unterscheiden kann (Taf. XLIH, Fig. 14. Es erschien mir 
diese Ausbildung der Kapillaren zuerst so wunderbar, dass ich sie 
für krankhaft hielt; neue Präparate zeigten mir aber dieselben Bilder. 

_ Auf Schnitten durch den ganzen Kopf lässt sich die Lage der 
Kapillaren erkennen. Wir finden ein mehrschichtiges Epithel; die 
Zellen der unteren und mittleren Lage zeigen unregelmäßig kubische 
Form, die Zellen der äußersten Schicht sind von eylinderförmiger 
Gestalt. Zwischen den Epithelzellen der mittleren und oberen Lage 
erstrecken sich Becherzellen. Die Kapillaren breiten sich nun 
zwischen den Zellen der basalen Lage aus und treiben Ausstülpungen 
zwischen die mittleren Zelllagen hinein, die häufig bis an die oberste 
Schicht heranreichen (Taf. XLIH, Fig. 7 «a und 2). 

Jetzt erkenne ich auch auf der damals schon fertiggestellten 
Zeichnung eines Querschnittes durch den Ösophagus, dass hier ähn- 


696 Emil Bethge, 


liche Verhältnisse vorliegen müssen. Mir war bei der Untersuchung 
des Ösophagus schon die eigenthümliche Form mancher Kapillaren 
aufgefallen; ich hatte derselben aber nicht weiter nachgeforscht, 
weil ich sie durch schlechte Injektion und ungünstige Schnittrichtung 
hervorgerufen glaubte. Nur in dem Bestreben, naturgetreue Bilder 
wiederzugeben, hatte ich genau das mikroskopische Bild mit Hilfe 
des Prismas gezeichnet und so auch das für ungünstig gehaltene‘ 
Bild der Kapillare am. Grund der Zotte (Fig. 13) mit auf die 
Zeichnung bekommen. Beim Vergleich der mikroskopischen Serien- 
schnitte mit neu hergestellten Aufhellungspräparaten konnte ich jetzt 
mit Sicherheit konstatiren, dass im Ösophagus ähnliche Verhältnisse 
vorliegen wie in der Mundschleimhaut, nur dass eine so deutliche 
Trennung der Divertikel von den Kapillaren nicht vorhanden ist. 

Eine Zeit lang hatte ich gemeint, in dieser Oberflächenvermehrung 
ein dem lungenlosen Spelerpes eigenthümliches Verhalten gefunden 
zu haben, aber das war eine Täuschung. Bei genauer Durchsicht 
aller einschlägigen Litteratur stieß ich auf eine alte Arbeit von 
LANGER!, in der ebenfalls Divertikelbildung der Kapillaren für Mund- 
höhle und Ösophagus des Frosches angegeben wird. Er sagt darüber: 
»Das Eigenthümlichste an allen den Kapillaren der Schleimhaut des 
Mundes und des Schlundes (mit Ausnahme jener der Zunge) bis hart 
an den Mageneingang heran, besteht darin, dass sämmtliche mit 
knotigen Anhängen versehen sind. Als ich diese Eigenthümlichkeit 
das erste Mal sah, glaubte ich es mit engen und kurzen Verschlin- 
gungen der Röhrchen zu thun zu haben, wofür schon der wellenför- 
mige Verlauf der Kapillaren zu sprechen schien. Bei näherer 
Untersuchung aber zeigte es sich, dass diese Knötehen Ausbuchtungen 
der Kapillargefäßwand, wahre Divertikel sind.« Über das Verhält- 
nis der Kapillaren zum Epithel sagt er nichts, und ist auch nichts 
aus seinen Figuren zu ersehen; aber da er erwähnt, dass das 
Kapillarnetz sehr hoch liegt, kann man wohl schließen, dass die 
traubigen Anhänge weit ins Epithel heraufragen und dass sie es 
sind, die MAURER? bei seiner Untersuchung erwähnt und abbildet, 
ohne den seit 30 Jahren bekannten Bau der Kapillaren von Neuem 
zu erschließen. 


! LANGER, Über das Lymphgefäßsystem des Frosches. Sitzungsberichte 
der math.-naturw. Klasse der kaiserl. Akad. der Wissenschaften. Bd. LV. 1. Abth. 
1867. 

2 MAURER, Blutgefäße im Epithel. Morph. Jahrb. Bd. XXV. 1897. 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 697 


Es fragt sich jetzt, welche Schlüsse wir aus den Ergebnissen 
der morphologischen Untersuchungen auf den Ort, wo Athmung statt- 
findet, ziehen können. — Schon am Anfang dieses Jahrhunderts 
stellte man beim Frosch fest, dass dieser außer durch die Lungen 
auch noch durch die Haut athmet. W. F. Epwarps! stellte im 
December 1818 Versuche an und konstatirte, dass der Lungen be- 
raubte Frösche noch bis zu 40 Tagen lebten. 

PıuL BERT? kommt zu ähnlichen Resultaten bei einem Axolotl, 
dessen Lungen und Kiemen er entfernt hatte. Beide schließen daraus 
auf die große Wichtigkeit der Hautathmung. 

Dissarp? kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluss, 
dass die Ausscheidung von CO? durch die Lunge sowohl in trockner 
wie in feuchter Luft größer ist als durch die Haut, dass beim Fehlen 
der Lungen die Hautathmung in feuchter Luft bedeutender ist, als 
in trockner. Hautathmung allein hatte im Wasser den Tod des 
Thieres nach sieben Tagen, in der Luft nach neunzehn Stunden 
herbeigeführt. | 

BERNARD* hatte die Resultate seiner Arbeit in dem Satze zu- 
sammengefasst: »Les grenouilles respirent au moins autant par la 
peau que par les poumons.« 

Gegen Letzteren hauptsächlich wendet sich MarcaAccı’. Er hält 
die CO2-Bestimmung BERNARD’s nicht für einwandsfrei, da nach 
seiner Ansicht die Ausscheidung der Kohlensäure nicht die Aufnahme 
von Sauerstoff erfordert. Außerdem behauptet er, dass zur Lungen- 
und Hautathmung noch die Mundhöhlenathmung hinzukommt. Er 
schließt dies aus der lebhaften Bewegung der Kehlhaut, dem »di vä 
e viene«, die dazu dienen soll, die Luft in der Mundhöhle zu er- 
neuern. Die Versuche, durch Exstirpation der Lungen die Haut- 
athmung zu- bestimmen, sind nicht maßgebend gewesen, weil es 
sich hierbei nicht um die Bestimmung der Hautathmung allein, son- 
dern um die der Haut- + Buccopharyngeal-Athmung gehandelt hat. 


ı W. F. EDwArDs, De l’influence des Agens physiques sur la vie. IV. — 
Bruence de la respiration eutanee. p. 67. Paris 1824. 

2 PAuL BERT, Ablation chez un Axolotl des branchies et des poumons. 
Compt. Rend. Soc. Biol. 4 ser. Vol. V. 1868. — Compt. Rend. p. 21—22. 1869. 
Lecons sur la physiologie comparee de la respiration. p. 244. 1870. 

® DissArD, Influence du milieu sur la respiration chez la grenouille. Compt. 
Rend. Ace. Se. Paris. Vol. CXVI. 

* BERNARD, Lecons sur les Anesthesiques et sur l’Asphyxie. 

> A. Marcaccı, L’asfissia negli animali a sangue freddo. Atti Soc. toscana. 
Se. nat. Memorie. .Vol. XIII. 1894. 


693 Emil Bethge, 


Er findet, wenn er die Mund- und Lungenathmung der Frösche 
durch Zubinden des Mundes und Verstopfen der Nasenlöcher ver- 
hindert, dass die Frösche nur noch wenige Stunden leben, ob ihnen 
die Lungen exstirpirt sind oder nicht. Auf andere Weise sucht er 
die Mund- und Lungenathmung zu verhindern, indem er ein Stück- 
chen Holz von der Form des Mundbodens dadurch an der. Kehle 
befestigt, dass er drei Fäden hindurchzieht und damit die Kiefer 
zusammennäht, und außerdem die Nasenlöcher verstopft. Es ist mit 
diesem Apparat auch die Kehlbewegung unmöglich gemacht. So 
eingepackte Thiere starben nach 9—22 Stunden; in ihrem Herzen 
fand sich schwarzes Blut. — Trotz seines Einwandes gegen die Ver- 
suche B&RNARD’s, aus der CO2-Abscheidung auf die Bedeutung der 
Athmung zu schließen, macht er ein ähnliches Experiment. Er sucht 
die CO’-Abscheidung des Frosches an der Gewichtszunahme von 
pulverisirtem »Calce sodata« zu bestimmen; er führt zwei Versuche 
aus. Im ersten beträgt die Gewichtszunahme des »Calce sodata«, 
auf 100 & des Thiergewichts ausgerechnet und als Zeitdauer 24 Stun- 
den genommen, 5,579 & beim Frosch, dem die Lungen entfernt sind, 
und 5,293 g, dem außerdem durch oben beschriebenen Apparat die 
Mundathmung unmöglich gemacht ist (Differenz gleich 0,256); beim 
zweiten Versuch ergeben sich unter den gleichen Bedingungen 
1,275 & und 0,866 g (Differenz gleich 0,409). Aus diesen geringen 
Differenzen glaubt er schließen zu können, dass die Mundhöhle große 


Bedeutung für die Abscheidung der Kohlensäure hat. »La dimi- # 


nuzione di g 0,286 di CO? nella prima esperienza, e di g 0,409 nella 
seconda dimostrano che quello che io chiamo vestibolo respiratorio 
ha una notevole importanze forse nello assorbimento dell’ ossigeno, 
certo nella emissione dell’ anidride carbonica.« 

Auf die ersten Versuche MarcAccers geht CAMERANO! ein. Er 


glaubt für seine Zwecke Spelerpes fuscus und Salamandrina perspi- 


cillata außerordentlich geeignet, da man bei diesen lungenlosen Sala- 
mandern die Lungenthätigkeit nicht durch operative Eingriffe aufzu- 
heben braucht. Er verhindert die Mundhöhlenathmung durch den 
oben beschriebenen Apparat MarcaAccr’s und verstopft die Nasenlöcher 
mit Vaseline. Der Tod tritt bei Salamandrina nach ungefähr 20 Stun- 
den, bei Spelerpes nach ungefähr 16 ein. — Eine Salamandrine in 
Wasser gesetzt und verhindert an die Oberfläche zu kommen, lebte 


! CAMERANO, Ricerche anatomo-fisiologiche intorno ai Salamandridi nor- 
malmente apneumoni. Atti della R. Accad. delle Seienze di Torino. Vol. XXIX. 
1894, 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 699 


bei 15° noch 40 Stunden. Bei einer Steigerung der Temperatur von 
17 auf 27° trat der Tod nach 14 Stunden ein. Nach MarcAccrs 
Manier eingepackt und in Wasser gesetzt, lebte eine Salamandrine 
bei 15° 29 Stunden, eine andere bei 22° 9 Stunden. Aus diesen 
Versuchen schließt CAMERANO, dass die Hautathmung weder in der 
freien Luft noch im Wasser die Athmung durch Mund und Pharynx 
zu ersetzen im Stande ist, dass also die Lungenathmung bei Speler- 
pes und Salamandrina in der Athmung durch die Mundhöhle und 
den Pharynx, mit Unterstützung der unwesentlichen Hautathmung 
ihren Ersatz gefunden hat. »Dagli esperimenti sopra riferiti si puö 
‚eonchiudere che nella Salamandrina perspieillata e nello Spelerpes 
fuscus la respirazione polmonare viene sostituita dalla respirazione 
della cavita boccofaringea, risultando essere di nessun aiuto efficace 
la respirazione cutanea.« 

Die vor der Arbeit von Marcaccı eitirten Versuche können für 
eine Bestimmung der Hautathmung nicht in Betracht kommen, da 
bei ihnen ja die Buccopharyngealathmung nicht mit in Rechnung 
gezogen ist. Die Bestimmung der Kohlensäureabsonderung von MAR- 
CACCI ist nicht einwandsfrei, denn aus zwei Versuchen, die außer- 
dem eine so überaus große Differenz zeigen (Abscheidung von CO? 
in 24 Stunden [auf 100 & berechnet]), wenn Lungen- und Mundhöhlen- 
athmung unmöglich gemacht sind (einmal gleich 5,293, das andere 
Mal gleich 0,866 g), beweiskräftige Schlüsse ziehen zu wollen, ist 
doch wohl nicht gut möglich. Dann zeigt vor Allem der erste Ver- 
such das Gegentheil von dem, was Marcaccı beweisen will, dass 
nämlich die Hautathmung bei Weitem kräftiger ist als die Buecco- 
pharyngealathmung, wenn man das aus der Kohlensäureabsonderung 
schließen darf, und ich glaube, das kann man. Die CO2-Abschei- 
dung stellt sich nämlich für die Haut auf 5,293 g, für die Mundhöhle 
und den Pharynx aber nur auf 0,286 & (5,579—5,293). 

Aus den anderen Versuchen von Marcaccı und auch aus denen 
von CAMERANO scheint mir nicht mit Nothwendigkeit hervorzugehen, 
dass die Buecopharyngealathmung so bedeutend, und die Haut- 
athmung unwesentlich ist. Dazu gehört der Gegenbeweis. Das ist 
der Einwand gegen die Resultate der beiden Autoren, dass aus dem 
baldigen Eintreten des Todes bei Verhinderung der Lungen- und 
Mund- und Ösophagusathmung auf die geringe Wichtigkeit der Haut- 
athmung geschlossen wird. Wie würden die Versuche ausgefallen 
sein, wenn man die Hautathmung verhindert hätte? Wahrscheinlich 
würde der Tod auch sehr bald eingetreten sein. 


700 Emil Bethge, 


Ich bin übrigens der Meinung, dass durch die angeführten Ver- 
suche nie ein sicheres Resultat erzielt werden kann. Es sind dabei 
immer Eingriffe in die Lebensthätigkeit des Thieres nöthig. Auch 
das Eintauchen in Wasser, das Zunähen des Mundes wird das Thier 
in Aufregung versetzen, der Stoffwechsel wird beschleunigt und es 
wird bald Athemnoth eintreten, wenn dem Thiere das eine oder 
andere Organ zum Athmen nicht zur Verfügung steht. Eben so führt 
das Ausschließen der Hautathmung durch Überziehen mit Lack oder 
Gummi arabieum, durch Eintauchen in Öl Störungen der normalen 
Lebensthätigkeit herbei. Ich bin darin der Ansicht Krug's!, der 
behauptet, dass man nur zu sicheren Ergebnissen kommen könne, 
wenn man das Verhältnis beider Athmungsweisen zugleich bestimme. 
Um dies’ zu können, hatte er folgenden Apparat konstruirt. In ein 
durch eine Kautschukplatte verschlossenes Gefäß wird ein Frosch 
so eingespannt, dass der Körper sich im Inneren befindet, der Kopf 
nach außen sieht. Dieser Behälter wird in einen größeren, eben- 
falls verschlossenen gestellt. Es wird auf diese Weise bewirkt, dass 
die aus dem Mund ausgeathmete Kohlensäure in das größere Gefäß, 
die durch die Haut ausgeathmete in das kleinere Gefäß gelangt. 
Jetzt wird zu beiden Gefäßen durch Baryumhydroxyd von CO? be- 
freite Luft zugeführt und an anderer Stelle wieder abgeleitet und 
wieder durch Barytwasser gebracht. Aus dem Niederschlag bestimmte 
er dann das Verhältnis von Lungen- (richtiger Lungen + Mund- und 
Ösophagusathmung) und Hautathmung als ungefähr 1: 3. 

Ich hatte die Absicht, mir den Krug’schen Apparat zu konstru- 
iren und damit das Verhältnis von Haut- und Boccopharyngealathmung 
beim Spelerpes zu bestimmen. Aber die Erfahrungen, die ich ge- 
legentlich eines Vorversuchs machte, brachten mich von diesem Vor- 
haben wieder zurück. Bei diesem Vorversuch hatte ich einen Spelerpes 
so in ein durch eine Kautschukplatte verschlossenes Gefäß einge- 
spannt, dass der Körper sich im Inneren befand, der Kopf nach 
außen sah; auf dem Grunde des Gefäßes befand sich Barytwasser. 
Ich ließ den Apparat einen Tag in der Feuchtkammer stehen und 
fand, dass sich ein ziemlich beträchtlicher Niederschlag gebildet 
hatte. Dann wiederholte ich das Experiment in umgekehrter Weise, 
dass der Kopf sich innerhalb des Gefäßes befand. Der Niederschlag 
war unbedeutend, vielleicht hauptsächlich durch das CO? der im 


! Fern. Kuuc, Über die Hautathmung des Frosches. Archiv für Anatomie 
und Physiologie. Physiologische Abtheilung. 1884. 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 1701 


Gefäß befindlichen Luft verursacht. Ich lege diesem Versuch durch- 
aus keinen Werth bei, sondern erwähne ihn nur, weil ich dabei be- 
merkte, dass die Kehlbewegung des Spelerpes nach der Einspannung 
aufhörte, jedenfalls durch die umgebende Kautschukplatte verhindert 
wurde. Da nach Marcaccı die Bewegung des Mundbodens für die 
Erneuerung der Luft in der Mundhöhle sehr wesentlich ist, ist hier 
also die Mundathmung sehr beschränkt, wenn nicht unmöglich ge- 
macht worden. Da bei den Versuchen von Krug doch jedenfalls 
dieselbe Erscheinung eingetreten ist, sind auch seine Resultate un- 
sicher. 

Da mir alle die physiologischen Versuchsanordnungen nicht ge- 
nügende Sicherheit boten, mein Material an Spelerpes außerdem er- 
schöpft war, glaubte ich auf die physiologische Lösung der Frage 
nach der Bedeutung der verschiedenen Athmungsweisen verzichten 
zu müssen. Ich will mich damit begnügen, Schlüsse aus meinen 
morphologischen Untersuchungen zu ziehen. 

Es ergiebt sich auf Grund der Vertheilung und Ausbildung der 
Kapillaren, dass bei Salamandra maculata Athmung möglich ist in 
der Lunge, im Ösophagus, in der Mundhöhle und durch die Haut, 
und dass beim Triton taeniatus die Athmung im Ösophagus fehlt 
oder wenigstens unwesentlich ist. 

Der Durchmesser der Hautkapillaren bei Triton ist nun bedeu- 
‚tend größer (12—16..) wie bei Salamandra (7”—12u). Es ist jetzt die 
Frage, ob die größere Weite der Hautkapillaren für die Athmung günstig 
ist. Wenn die Größe der Blutkörperchen ungefähr die gleiche ist, ist 
eine schnellere Cirkulation und damit ein schnellerer Wechsel von 
Sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut möglich. Ob aber ein kür- 
zerer Aufenthalt in den der Luft ausgesetzten Kapillaren genügt, um 
alle schädliche Kohlensäure abzugeben und Sauerstoff dafür einzutau- 
schen, ist nicht zu entscheiden. Eins ist aber sicher: Eine größere Weite 
der Kapillaren bei ungefähr gleicher Weite der Maschen des Hautkapil- 
larnetzes führt eine Oberflächenvermehrung herbei. Diese würde aller- 
dings besser bewirkt werden durch größere Enge der Maschen; eine 
solche ist aber wegen der unter der Epidermis liegenden Drüsen un- 
möglich. 

Dem Spelerpes fuscus fehlt die Lungenathmung. Dafür besitzt 
er sehr weite Hautkapillaren (24—30 u), die den doppelten Durch- 
messer der Hautkapillaren von Triton haben. Außerdem besitzen 
die Kapillaren der Mundhöhle und des Ösophagus zahlreiche Aus- 
stülpungen, die sich im mehrschichtigen Epithel der Mundhöhle bis 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXII. Bd. 46 


702 Emil Bethge, 


an die oberste Schicht erstrecken. Diese Divertikelbildung führt 
einerseits eine starke ÖOberflächenvermehrung herbei, andererseits 
verringert sie den Zwischenraum zwischen Kapillaren und atmosphä- 
rischer Luft. Dieser Grund wird nicht etwa hinfällig dadurch, dass 
auch die Kapillaren des Mundes und des Ösophagus bei dem mit 
kräftigen Lungen ausgerüsteten Frosch Ausstülpungen getrieben 
haben; der lebhafte Frosch hat eben ein viel größeres Sauerstoffbe- 
dürfnis als die trägen Urodelen. Das Fehlen der Ösophagusathmung 
und die kräftigere Ausbildung der Hautkapillaren beim Triton kann 
man vielleicht durch den langen Aufenthalt im Wasser erklären, wo 
ja nach den Untersuchungen von Dissarp die Hautathmung bedeu- 
tender ist als in der Luft; dasselbe geht auch aus den Versuchen 
ÜAMERANO'S hervor. 

ÜAMERANO behauptet nun, dass beim Spelerpes die Buccopharyn- 
gealathmung die Lungenathmung ersetzt, und dass die Hautathmung 
unwesentlich ist. Das ist nach den Ergebnissen meiner morpholo- 
gischen Untersuchungen unwahrscheinlich. Das Kapillarnetz der 
Haut breitet sich über den ganzen Körper aus und lässt weder die 
Fußspitzen noch irgend eine andere Stelle der Körperoberfläche frei. 
Dagegen ist die Oberfläche des Kapillarnetzes, das im Mund und 
Ösophagus der Aufnahme von Sauerstoff fähig ist, äußerst klein; sie 
stellt nicht den vierten Theil der Oberfläche des Hautnetzes dar. 
Nun wird ja allerdings durch die Divertikelbildung die Oberfläche der 
Mund- und Ösophagus-Kapillaren vermehrt. Die Bewegungen des 
Mundbodens aber, die nach MarcAccı und CAMERANO die Aufnahme 
der Luft in die Mundhöhle bewirken, sind äußerst unregelmäßig, wie 
ich selbst beobachten konnte, und wie auch BErG! berichtet hat. Er 
sagt darüber: »Ich möchte nur erwähnen, dass die sichtbare Ath- 
mung durch die Bucco-pharyngeal-Höhlung eine sehr unregelmäßige 
ist. Oft bewegt sich die Kehldecke des Molches minutenlang gar 
nicht, während sie zuweilen in fast zitternde Bewegung geräth. 
Letzteres ist hauptsächlich bei Erregung des Thieres der Fall und 
kann bei hungrigen Stücken schon beim Anblick einer Fliege her- 
vorgerufen werden.« 

Aus den bisher angeführten Gründen darf man wohl schon 
schließen, dass die Hautathmung im Vergleich zur Buccopharyngeal- 
Athmung nicht unbedeutend sein kann. Wenn wir nun noch die 


' JOHANNES BERG, Zur Kenntnis des Höhlenmolches (Spelerpes fuscus 
Bonap.). Zoolog. Garten. 37. Jahrg. 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 703 


größeren Gefäße, die das Blut zu den verschiedenen Athmungsstätten 
führen und von ihnen ableiten, mit einander vergleichen, so werden 
wir auch hierin einen Grund für die große Leistungsfähigkeit der 
Haut als Athmungsorgan erkennen. 

Zu den Kapillaren der Mundhöhle führen das Blut jederseits 
die Arteria maxillaris externa (Fig. 8 me) und die Arteria oeceipi- 
talis (Fig. 8 o), zu denen des Pharynx und des Ösophagus die Arteria 
pharyngea (Fig. 3 pA) und die Seitenzweige der Arteria pulmonalis 
(Fig. 3 p); außerdem werden noch einige kleine Äste der in den 
Schädel eindringenden Arteria carotis interna (Fisg. 3 und Sc.) an 
den Pharynx abgegeben. — Abgeleitet wird das in den Kapillaren 
der Mundhöhle und des Pharynx durchgeathmete Blut durch die 
Vena jugularis interna (Figg. 3 und 8 «). Diese nimmt die Vena 
maxillaris superior (Fig. 8 ms) und die Vena maxillaris inferior 
(Fig. 8 mi) auf, die ebenfalls sauerstoffreiches Blut führen; außer- 
dem mündet aber in sie ein Ast ein, der das sauerstoffarme Blut des 
Auges enthält, und sie selbst entsteht im Gehirn, aus dem sie das 
unbrauchbar gewordene Blut ableitet. Sie führt also gemischtes 
Blut zum Sinus venosus. — Die Vena pharyngea (Fig. 3 pA’) und 
die Vena oesophagea (Fig. 3 oe) nehmen das Blut aus dem Pharynx 
und dem Ösophagus auf; die erstere vereinigt sich aber bald mit der 
Vena lingualis, d. h. ihr sauerstoffreiches Blut vermischt sich mit 
dem sauerstoffarmem der Zungenvene; die Vena oesophagea mündet 
gar in die Lebervene ein. Wir haben also in allen Gefäßen, die 
das in den Kapillaren der Mundhöhle und des Ösophagus durchge- 
athmete Blut aufnehmen, bei ihrem Eintritt in den Sinus hochgradig 
gemischtes Blut. | a 

Vergleichen wir hiermit die Gefäße, die das Blut zu den Haut- 
kapillaren führen und von ihnen zum Herzen zurückleiten! Die 
Rumpf- und Schwanzhaut wird mit Blut versorgt durch die zahlreichen 
kräftigen Rami dorsales und Rami costales der Arteria vertebralis 
collateralis (Fig. 3 ve). Zur Kehlhaut wird Blut geführt durch die 
kleinen Seitenäste des zweiten Arterienbogens (Fig. 3 ZZ) und der 
Pulmonalarterie (Fig. 3 p). Ein Theil des Blutes der Arteriae sub- 
elaviae (Fig. 3 sc) und iliacae (Fig. 3 ic) gelangt in die Hautkapil- 
laren der Extremitäten; auch die Arteria eutanea magna (Fig. 3 cm) 
ist nicht ganz funktionslos geworden und führt Blut zur Rumpfhaut. 

Sauerstoffreiches Blut enthält bis zum Eintritt in den Sinus 
venosus die Vena cutanea magna (Fig. 3 cm’), die durch ihre Dorsal- 
und Intercostalzweige das Blut aus den Kapillaren der Rumpfhaut 

46* | 


704 Emil Bethge, 


_ aufnimmt, und die Vena eutanea parva, die aus den Kapillaren der 
Kehlhaut entsteht. Die Größe dieser Gefäße lässt darauf schließen, 
dass bei jeder Zusammenziehung des Herzens nicht viel weniger 
Blut aus der Hautvene in den Sinus eindringt, wie aus den beiden 
Jugularvenen. Wenn nun auch das Blut in den Kapillaren der 
Mundhöhle und des Ösophagus bedeutend sauerstoffreicher geworden 
ist, wie in den Kapillaren der Haut, so hat es sich doch bald mit 
bedeutenden Mengen sauerstoffarmen Blutes gemischt, so dass es 
beim Eintritt in den Sinus wohl kaum noch sauerstoffreicher ist, als 
das Blut der Hautvene, die nur ein ganz kleines Gefäß mit sauer- 
stoffarmem Blut aufgenommen hat. 

Es wird also durch die Hautvenen allein ungefähr so viel 
sauerstoffreiches Blut zum Herzen geführt, wie durch die Jugular- 
venen. Nun wird aber auch noch in den Hautkapillaren durch- 
seathmetes Blut durch Gefäße aufgenommen, die hauptsächlich für 
die Leitung des venösen Blutes der Gewebe bestimmt sind. So 
führen die Venae subelaviae (Fig. 3 sc’) und die Venae iliacae (Fig. 3 :c’) 
das Blut der Hautkapillaren der Extremitäten, die Venae caudales 
(Fig. 3c) das der Schwanzhaut, und die Vena abdominalis (Fig. 3 «) 
nimmt das Blut der Bauchhaut auf. 

Die Caudalvenen und die Venae iliacae treten in die Nieren 
ein und lösen sich in die Venae advehentes des Nierenpfortaderkreis- 
laufs auf; sie werden hier schon einen großen Theil ihres Sauerstoffs 
abgeben. Die Gefäße, die das Blut aus den Hautkapillaren des 
Schwanzes zu den Caudalvenen leiten, müssen an den großen Drüsen 
entlang ziehen und die Muskeln durchdringen; auch sie werden auf 
ihrem Wege schon eine große Menge Sauerstoff den Geweben über- 
lassen. Eben so ergeht es dem Blut, das durch die Abdominalvenen 
(Fig. 3a) und durch die Vena oesophagea (Fig. 3 oe) in den Leber- 
pfortaderkreislauf gelangt; auch hier wird der größte Theil des 
Sauerstoffs dem Blute schon entrissen werden. Wir sehen, dass ein 
Theil des Blutes den Sauerstoff schon wieder abgiebt in der Nähe 
der Orte, wo es ihn aufgenommen hat, oder wenigstens noch vor 
dem Eintritt in das Herz. 

Wir erkennen aus diesen Betrachtungen ferner, dass wir beim 
Spelerpes fuscus, und das trifft auch bei Salamandra und Triton zu, 
nicht zwischen Arterien und Venen als Gefäßen mit sauerstoffreichem 
und sauerstoffarmem Blut unterscheiden können. Auch das Herz hat: 
es vollständig aufgegeben, eine Trennung zweier Blutarten zu ver- 
suchen, indem nicht nur die Scheidewand beider Vorhöfe von einer 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete. 705 


großen Öffnung durchbrochen ist, sondern indem hauptsächlich alles 
Blut durch eine Öffnung in den linken Vorhof eindringt. Das Herz 
hat also beim Spelerpes nur die Aufgabe, die Bluteirkulation im 
Körper zu regeln. 

Schreiben wir der Hautathmung, wie e8 ÜAMERANO thut, nur ge- 
ringe Wichtiskeit zu, d. h. wird durch die Hautkapillaren nur eine 
unbedeutende Menge von Sauerstoff aufgenommen, so müssten die 
Hautvenen sauerstoffarmes Blut zum Herzen führen, und es würde 
nur durch die Jugularvenen durchgeathmetes Blut zum Herzen ge- 
langen; dieses kann aber auch nicht sehr sauerstoffreich sein, da es 
schon mit dem sauerstoffarmem Blut des Gehirns und des Auges ge- 
mischt ist. Diese geringe Menge von nicht sehr sauerstoffhaltigem 
Blut wird sich- im Herzen mit dem aus dem ganzen übrigen Körper 
herbeiströmenden sauerstoffarmen Blut im Herzen mischen und ein 
Gemenge erzeugen, in dem die schädlichen Bestandtheile des Blutes 
überwiegen. Das Thier würde mit solchem Blut unmöglich lange 
leben können und bald erstickt sein. 

Diese Betrachtungen führen mit ziemlicher Sicherheit zu dem 
Schlusse, dass die Hautathmung für Spelerpes fuscus sehr wichtig 
sein muss. Mögen die Kapillaren der Mundhöhle und des Ösopha- 
sus durch ihre Lage im Epithel und durch ihre Divertikelbildung 
um Vieles geeigneter sein als die unter dem Epithel gelegenen, 
glattwandigen Hautkapillaren, so wird dieser Vorzug doch durch die 
sroße Ausdehnung des Hautkapillarnetzes gemindert, wenn nicht 
aufgehoben. Ferner fehlt jeder Versuch einer Trennung zweier Blut- 
arten. Es kursirt im Körper hochgradig gemischtes Blut. Um dieses 
so sauerstoffreich zu erhalten, dass das Thier nicht erstickt, genügt 
die Athmung in der Mundhöhle und dem Ösophagus nicht; es muss 
die Hautathmung hinzutreten. Auch der Umstand, dass einzelne 
Gewebe einen großen Theil ihres Sauerstoffs direkt aus dem in den 
Hautkapillaren durchgeathmeten Blut beziehen, spricht für die Wichtig- 
keit der Hautathmung. 

Wir wollen nun nicht darüber streiten, welcher der beiden 
Athmungsweisen die größere Bedeutung zukommt; das ist unwichtig, 
eben so wie es unmöglich ist, ihr Verhältnis genau festzustellen, 
weil dieses vom Individuum, der Temperatur und dem Feuchtigkeits- 
gehalt der Umgebung abhängt, also immer wechselt. Es muss 
nur der Behauptung CAMERANo’s entgegengetreten werden, dass die 
Hautathmung beim Spelerpes fuseus unwesentlich ist. Weder allein 
die Hautathmung ist im Stande, die Lungenathmung zu ersetzen; 


706 Emil Bethge, 


noch vermag dies die »Boecopharyngealathmung«. Es sind beide 
Athmungsweisen nöthig, um das Leben des Thieres zu ermöglichen. 


Halle (Saale), im September 1897. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XL. 
Sämmtliche Figuren etwa 2/l der natürlichen Größe. 


Fig. 1. Blutgefäßverlauf von Salamandra maculata. 
Fig. 2. Blutgefäßverlauf von Triton taeniatus. 
Fig. 3. Blutgefäßverlauf von Spelerpes fuscus. 


Erklärung der gemeinsamen Bezeichnungen. 


I, erster Arterienbogen; 
II, zweiter Arterienbogen; 
III, dritter Arterienbogen; 
IV, vierter Arterienbogen; 
a, Vena abdominalis; 

ao, Aorta; 

c, Vena caudalis; 

ce, Arteria carotis externa; 
ci, Arteria carotis interna; 


ie, Vena jugularis externa; 
ii, Vena jugularis interna; 
!, Vena lingualis; 

le, Vena hepatica; 

oe, Vena oesophagea; 

p, Arteria pulmonalis; 

p', Vena pulmonalis; 

ph, Arteria pharyngea; 
ph’, Vena pharyngea; 


cm, Arteria cutanea magna; rc, Ramus costalis der A. vertebralis 
cm’, Vena cutanea magna; collateralis; 

cp, Vena cutanea parva; sc, Arteria subelavia; 

e, Arteria epigastrieca; sc', Vena subelavia; 

ga, Arteria gastriea anterior; sv, Sinus venosus; 

ic, Arteria iliaca communis; vc, Arteria vertebralis collateralis. 
ic’, Vena iliaca communis; 


Tafel XLIII. 


Fig. 4. Kapillarnetz der Haut von Salamandra maculata. ZEIss A, 2, 
Prisma. 

Fig. 5. Kapillarnetz der Haut von Triton taeniatus. ZEISS A, 2. Prisma. 

Fig. 6. Kapillarnetz der Haut von Spelerpes fuseus. Zeıss A, 2. Prisma. 

Fig. 7a und d. Schnitte durch die Mundschleimhaut von Spelerpes fuscus. 
ZEISS C, 2. Prisma. 

Fig. 8. Größere Gefäße und Kapillaren des Oberkiefers von Spelerpes 
fuseus. Viermal vergrößert. 

Fig. 9. Größere Gefäße des Oberkiefers von Triton taeniatus. 

Fig. 10. Größere Gefäße des Oberkiefers von Salamandra maculata. 


Erklärung der Bezeichnungen von Fig. 8, 9, 10: 
A, Auge; ci, Arteria carotis interna; 
aow, Aortenwurzel; ei, Vena jugularis interna; 


Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata ete.. 1707 


me, Arteria maxillaris externa; 0, Arteria oceipitalis; 
mi, Vena maxillaris inferior; vc, Arteria vertebralis collateralis. 
ms, Vena maxillaris superior; 


Fig. 11. Schnitt durch den Ösophagus von Salamandra maculata. Zeıss 
C, 2. Prisma. 3 
Fig. 12. Schnitt durch den Osophagus von Triton taeniatus. ZEIss C, 2. 


Prisma. + 
Fig. 13. Schnitt durch den Osophagus von Spelerpes fuscus. ZEISS C, 2. 


Prisma. 
Fig. 14. Kapillarnetz des Oberkiefers von Spelerpes fuscus. Zeıss A, 2. 


Prisma. 
Fig. 15. Kapillarnetz des Oberkiefers von Triton taeniatus. ZEISS A, 2. 


Prisma. 


Anm.: In den Figuren 1, 2, 3 auf Tafel XLII sind die Nieren nur der 
besseren Orientirung wegen gezeichnet; die Arteria iliaca und die A. verte- 
bralis collateralis mit ihren Seitenzweigen, die durch sie theilweise verdeckt 
werden, sind an jenen Stellen ausgezogen, um eine bessere Übersicht zu ge-' 
winnen. 


Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis) 
bei Schneckengehäusen. 


Von 
Dr. Gräfin M. v. Linden 


(Tübingen). 


(Aus dem zoologischen Institut zu Tübingen.) 


Mit Tafel XLIV und XLV. 


In meiner Inauguralschrift »Entwicklung der Skulptur und 
der Zeichnung bei den Gehäuseschnecken des Meeres«! habe 
ich zu zeigen versucht, dass nicht nur die Zeichnungsformen, welche 
wir besonders farbenprächtig auf den Gehäusen der Meeresschnecken 
vorfinden, sich innerhalb der verschiedenen Gattungen in vollkommen 
sesetzmäßiger Weise umbilden, sondern dass auch die Skulptur bei 
ihrer Entwicklung ähnliche bestimmte Richtungen einschlägt, so dass 
‚auf beide, auf Zeichnung und auf Skulptur, von ihrem ersten Auf- 
treten an bis zu ihrem Verschwinden die von EIMER aufgestellten 
Artbildungsgesetze Anwendung finden. Ich habe indessen nicht be- 
tont, dass diese Entwicklungsgesetze, welche Schalenskulptur- und 
Zeichnung gestalten, in gleicher Weise auch auf die Schalenform 
einwirken und innerhalb verschiedener Gruppen zu Gestaltungen 
führen, welche, obwohl durch keine nähere verwandtschaftliche Be- 
ziehungen verbunden, sich so ähnlich sehen, dass oft nur ein gut 
geschultes Auge die Merkmale, welche die Arten und Gattungen 
scheiden, wahrzunehmen vermag. Die Übereinstimmung der morpho- 
logischen Charaktere derartiger Schalen ist häufig so groß, dass es 
zu verwundern ist, wenn noch kein Vertreter der Nützlichkeitstheorie 
von mimetischen Formen unter den Mollusken gesprochen hat. 

Ermer nennt diese Erscheinung Homöogenesis oder unabhängige 
Entwicklungsgleichheit. Nach seiner Auffassung können zwei Gruppen 


I Diese Zeitschrift LXI. Bd. 2. Heft. 


Unabh. Entwicklungsgleichh. |‚Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 709 


von Individuen ganz unabhängig von einander ähnliche oder gleiche 
Entwicklungsrichtungen einschlagen auf Grund gleichen phyletischen 
Wachsthums, gleich lange Zeit hindurch wirkender physiologischer 
Vorgänge. Für die Entstehung homöogenetischer Formen braucht 
keineswegs von ursprünglich gleichen Grundlagen ausgegangen und 
angenommen zu werden, dass sich dieselben im Lauf der Zeit viel- 
leicht in getrennten Gebieten durch die Einwirkung analoger äußerer 
Bedingungen in ähnlicher Weise umgestaltet haben. Um die Erschei- 
nung der Homöogenesis zu verstehen, genügt die vielfach bewiesene 
Thatsache, dass die Organismen im Allgemeinen unter dem Einfluss 
äußerer Verhältnisse nur nach wenig bestimmten Richtungen 
abändern können, und nach einem kürzeren oder längeren phyle- 
tischen Wachsthum auf gleichen oder ähnlichen Stufen der Entwick- 
lung stehen bleiben. | 

Ich habe in meiner oben genannten Arbeit gezeigt, wie in den 
verschiedensten Gastropodengattungen dieselben Skulptur- und Zeich- 
nunssformen phylogenetisch wie ontogenetisch in ähnlicher Reihen- 
folge auftreten, wobei Schalenzeichnung und Skulptur sehr häufig 
gleichen Schritt halten. Wenn nun aber die Schalenform in gleicher 
"Weise nur wenige, bestimmte Entwicklungsrichtungen einschlägt, 
die in den verschiedenen Gruppen ihre Wiederholung finden, und 
ebenfalls in gewisser Korrelation mit Skulptur und Zeichnung stehen, 
so ist es erklärlich, dass unter Umständen ganz unabhängig von ein- 
ander ähnliche Formen zu Stande kommen. | 

Besonders schöne Beispiele finden sich in dieser Hinsicht inner- 
halb der Gattung Melania. Wir beobachten hier Formen, die bei 
oberflächlicher Betrachtung für Cerithium, Mitra, Turritella, 
Pyramidella, Terebra, andererseits für Purpura, Ricinula, 
Neritina gehalten werden können, trotzdem, dass weder verwandt- 
schaftliche Beziehungen, noch eine Gleichförmigkeit der durch den 
Aufenthaltsort bedingten Lebensweise der verschiedenen Formen be- 
stehen. Wenn aber Süßwasserschnecken ähnliche Formen aufweisen 
wie die ihnen verwandtschaftlich fern stehenden Meeresbewohner, so 
müssen wir annehmen, dass die Erscheinung der Homöogenesis in 
erster Linie in der Konstitution der Organismen begründet ist, 
und unter den verschiedenartigsten Bedingungen zur Entfaltung ge- 
langen kann. 

Die Ergebnisse bei Melaniiden veranlassten mich auch anderen 
Gruppen nach dieser Richtung hin größere Aufmerksamkeit zu 
schenken, und wenn auch meistens weniger Mannigfaltigkeit zu be- 


710 M. v. Linden, 


obachten war, so konnte doch überall die Wirkung unabhängiger 
Entwieklungsgleichheit verfolgt werden. Ich bin durch diese Unter- 
suchungen überhaupt zu dem Schlusse gelangt, dass den Gastro- 
podenschalen im Allgemeinen wenige Formen zu Grunde 
liegen, die in den verschiedensten Gruppen wiederkehren 
und durch extreme Ausbildung einzelner Theile durch Skulp- 
tur oder Zeichnung für die Gattungen typisch werden. 


Homöogenesis in der Familie der Melaniiden d’Orbigny. 


Die Familie der Melaniiden d’Orb. steht nach BroT (MARTINI- 
CHEMNITZ, Conchylienkabinet, Bd. I, 24) im System zwischen den 
Cerithiiden und den Paludinen, und schließt sich durch die 
Pirenen an die Cerithien, und zwar an die Gattung Potami- 
des, durch die nordamerikanischen Strepomatiden zunächst an 
die amerikanischen Paludinen an. Obwohl die Gehäuse beider 
Gruppen nur wenig unterscheidende Merkmale bieten, so müssen 
dieselben doch desshalb getrennt werden, weil die Strepömatiden 
einen ganzen Mantelrand besitzen und eierlegend sind, während alle 
übrigen zur Familie gehörenden Gattungen einen gefransten Mantel 
haben und lebendige Junge gebären. Die Strepomatiden stellen 
somit in morphologischer wie in biologischer Hinsicht die ursprüng- 
licheren Formen dar und sind paläontologisch älter als die übrigen 
Vertreter der Familie. Sie finden sich schon im oberen Jura und 
Wealden, während die andern erst in der Kreide und dem Tertiär. 
erscheinen. 

Die geographische Verbreitung der Melaniiden ist eine sehr 
ausgedehnte. Man findet dieselben in allen Welttheilen, jedoch nur 
in den wärmeren Zonen zwischen dem 51° nördl. und dem 40° südl. 
Breite. Sie leben meistens im süßen Wasser in Sümpfen, Seen, 
Bächen, Flüssen und Bergströmen; nur die Pirenen, welche den 
Übergang zu den Cerithien bilden und nach Gassıcs auch einige 
Melanopsiden aus Neu-Caledonien machen eine Ausnahme, indem 
man sie oft mit Cerithien und Potamiden zusammen in braki- 
schen Gewässern antrifft. Einige Arten der Gattung Pirena (M. tuber- 
culata Müll., Pirena spinosa Lam.) und einige Melanopsiden bewohnen 
manchmal warme Quellen. Wenn auch die weite Verbreitung unter 
den verschiedenen Lebensbedingungen sehr wahrscheinlich zur großen 
Variabilität der Melaniiden die Veranlassung gegeben hat, so ist 
die absolute Größe der Arten dennoch unabhängig von der Aus- 
dehnung des Gewässers, worin sie leben, denn gerade die größten 


Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 711 


Melanien aus Central-Amerika bewohnen nach MOoRELET ganz unbe- 
deutende Bäche. 

Ich habe soeben erwähnt, dass die jetzt noch in Nord-Amerika 
erhaltenen Strepomatiden den Ausgangspunkt für die eigentlichen 
Melaniiden bilden. Nach der Beschaffenheit ihrer Gehäuse wer- 
den dieselben von Tyron (Land and fresh water shells of North 
America, Vol. IX, 1873) in fünf Genera getheilt. Die Schalen der 
ersten Gattung Pleurocera sind oval oder pyramidenförmig, die 
basilare Mündung ist mit kanalartigem Ausguss versehen, die Außen- 
lippe buchtig gebogen. Bei dem Subgenus Io ist die Schale spindel- 
förmig (fusiformis), der Kanal sehr lang. In der Gattung Lithasia 
finden sich eiförmige bis konische Gehäuse, deren Basis mit kleinem 
kanalförmigem Ausguss, deren Columellarrand mit Callus versehen 
ist. Die Schalen von Leptoxis sind meist kugelig, selten pyra- 
midenförmig, und haben eine kreisrunde Mundöffnung ohne Ausguss. 
Der Gattung Lithasia ähnlich sind die Gehäuse von Gyrotoma, 
dieselben unterscheiden sich von den ersteren nur durch einen Schlitz 
an der Außenlippe. 

Die Vertreter der letzten Gattung Goniobasis haben eine ei- 
förmige oder gethürmte Schale und eiförmige Mundöffnung. Wir 
treffen somit schon unter diesen ursprünglichen Formen eine ziem- 
lich große Mannigfaltigkeit in der Schalengestaltung an, es werden 
hier schon Entwicklungsrichtungen eingeschlagen, die sich auch bei 
den echten Melanien wiederfinden. Nur in Bezug auf die Schalen- 
skulptur sind die Strepomatiden viel weniger weit fortgeschritten 
als die Melanien der alten Welt und bilden einen neuen Beweis 
dafür, dass die Formen der amerikanischen Fauna in mancher Be- 
ziehung auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe stehen geblieben 
sind, als die der übrigen Kontinente. | 

Bei den eigentlichen Melaniiden unterscheidet BRoT 13 Gat- 
tungen, von denen Melania selbst wieder in 14 Untergattungen 
zerfällt. Fünf dieser Untergattungen sind in den paläontologischen 
Schichten — Tertiär — vertreten. Die Untergattung Melanoides 
ist im Miocän mit großen thurmförmigen Gehäusen gefunden wor- 
den (M. Escheri, Brongt., M. Albigensis, Nonlet [Oligocän], M. ingui- 
nata Defr., Eocän, M. alpina Ch. Mayer [Ob. Eocän]) ete. Zu Mela- 
nella gehören kurze eiförmige Schalen mit großer, vorn etwas vor- 
gezogener und gerundeter Mündung (M. Holandri Fer.), zu Striatella 
verlängerte, zugespitzte, stets spiral gestreifte und meist quer ge- 
faltete Formen (wie M. horrida, muricata Wood, curvieosta Desh. ete.); 


712 M. v. Linden, 


zu Melania Adams sens. striet. zugespitzte, verlängerte, glatte Arten 
mit ovaler Mündung. 

Dieselben Entwicklungsriehtungen finden wir unter den leben- 
den Repräsentanten der Gattung Melania. Die überwiegende Arten- 
zahl trägt den Pyramidella-Terebra-Charakter und besitzt ge- 
 thürmte, mehr oder weniger glatte Schalen mit oder ohne Zeichnung. 
Wenn Zeichnung vorhanden ist, so entspricht dieselbe ebenfalls der 
Terebra-Zeiehnung. Die Mundöffnung dieser Gehäuse ist oval, 
der Mundrand nicht ausgeschnitten, unterscheidet sich also sowohl 
von der Terebra- als auch von der echten Pyramidella-Mündung. 

Bei einzelnen zu dieser Gruppe gehörigen Melanien aus Zanzi- 
bar (M. zengana Morelet) beobachten wir eine eigenthümliche Miss- 
bildung der Schale, welche sonst besonders unter den fossilen 
Pyramidellen (Eulima polita L.) angetroffen wird und darin be- 
steht, dass die Schalenspitze seitlich gekrümmt ist. 

Eine ausgesprochen Terebra-ähnliche Form bildet die schön 
gezeichnete Melania pantherina v. d. Busch (Fig. 1). Die abge- 
bildete Varietät hat auf dem vorletzten Umgang zwei, auf dem letz- 
ten fünf Reihen dunkler Flecke, welche in deutlichen Längslinien 
stehen und große Neigung zeigen in querer Richtung zu verschmelzen. 
In der Größe und Gestalt ihrer Schale stimmt die abgebildete 
Melania in sehr auffallender Weise mit Terebra muscaria Lm. 
(Fig. 2) überein, in ihrer Zeichnung gleicht sie mehr der Terebra 
corrugata Lm. (Fig. 3), welche auf dem letzten Umgang vier bis 
fünf Punktreihen trägt. Die Zeichnung der M. pantherina ist jeden- 
falls aus einer längsgestreiften Form, wie z. B. aus der ihr nahe 
verwandten M. punetata Lm. (Bd. I, 24, Taf. XX, Fig. 4, 4a, p. 168)! 
abzuleiten, bei der die Längsstreifen schon zum Theil in Punktreihen 
aufgelöst sind, oder aber von M. mindorensis Lea (Bd. I, 24, Taf. XX, 
Fig. 6, 6«, p. 169), wo die Längsstreifen in ihrem ursprünglichen 
Zusammenhang erhalten sind. Die Zeichnung der M. pantherina 
v. d. Busch zeigt sich ziemlich variabel bezüglich der Zahl der Punkt- 
reihen, so dass sich der Zeichnung der Terebra muscaria noch 
ähnlichere Formen finden. 

Ausgesprochene Terebra-Formen, theils mit, theils ohne Zeich- 
nung, finden sich auch auf Taf. XVII in M. terebriformis Brot 
(Fig. 1, 1a, p. 144), M. tubulata Lam. (Fig. 4, p. 145). M. zeleborii 


! Diese und die folgenden Figurenangaben beziehen sich auf MARTINI- 
ÜHEMNITZ, Conchylienkabinet. 


Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 713 


Brot (Fig. S, Sa, p. 150 etc... Die M. terebriformis in Fig. 1a 
zeichnet sich durch sehr wenig konvexe Umgänge aus, eben so die 
M. tubulata in Fig. 4, eine Entwicklungsrichtung, welche ganz unab- 
hängig von den Melaniiden bei Terebra ihren Höhepunkt er- 
reicht: während nämlich die flachen Umgänge bei Melania 
nur vereinzelt auftreten, werden sie innerhalb der Gattung 
Terebra vorherrschend. Die aufgeführten Melania-Arten kom- 
men alle im süßen Wasser vor, während die Vertreter der Gat- 
tung Terebra Meeresbewohner sind. Die Ähnlichkeit zwischen 

den einzelnen Formen beider Gruppen kann somit weder auf nähere 
_ verwandtschaftliche Beziehungen, noch auf Mimikry, noch aber auf 
Anpassung an eine analoge Lebensweise zurückgeführt werden, sie 
bildet im wahrsten Sinn des Wortes den Ausdruck für unabhängige 
Entwicklungsgleichheit. 

Von diesen langgestreckten glatten Formen ausgehend, welche 
zum Theil so vollkommen mit Terebra übereinstimmen, dass nur 
der verschieden gestaltete Mund die Zugehörigkeit zu einer anderen 
Familie verräth, kommen wir zu Formen, deren Gehäuse bedeutend 
verbreitert ist, und die mit ihren immer noch ziemlich flachen 
Umgängen zu Gestalten überleiten, welche wir in der Gattung Chem- 
nitzia unter den Terebellen wiederfinden (vgl. die glatten Varie- 
täten von Melania immanis Morelet, Taf. II, Fig. 1a—9, p. 19 mit 
Chemnitzia lineata Roem. — sp. Coralrag |[Zırrer, Paläontologie. 
II. p. 237). Nun beobachten wir aber sowohl bei den schlanken als 
bei den breiteren Melaniiden-Gehäusen das Auftreten einer schwa- 
chen Querskulptur in Gestalt von schmalen rippenartigen Er- 
höhungen. Bei vielen Schalen, besonders bei den schlanken Terebra- 
Formen, nimmt diese Skulptur nur die ersten Umgänge ein, bei 
anderen erstreckt sie sich auf die ganze Schale, oder beginnt erst 
— bei vielen breiten Formen z. B. — auf den letzten Umgängen. So- 
bald sich nun diese Querskulptur kräftiger entwickelt, so erhalten 
wir typische Cerithium-Gestalten, besonders da, wo sich auf diesen 
Querrippen eine oder mehrere Knotenreihen entwickelt haben. Ein 
schönes Beispiel ist Melania spinata Godw. (Fig. 4) verglichen mit 
Potamides ebeninum Brug. (Fig. 5). Noch größere Ähnlichkeit hat 
die genannte Potamides-Art mit M. spinosa Bens. (Bd. I, 24, Taf. XII, 
Fig. 2, p. 92), weil diese wie ebeninum nur eine Knotenreihe auf 
den späteren Windungen hat, und vorher noch deutliche Querrippung 
zeigt. Die Melanien geben überhaupt zahlreiche Beispiele für den 
_ Übergang der Querrippen in Knoten und zuletzt in Stacheln. Schon 


714 M. v. Linden, 


der Vergleich mit den fossilen Formen lehrt, dass Querrippung der 
Knotenbildung vorangeht. So stellt z. B. ZITTEL für die Untergattung 
Melanoides Oliv. folgende Diagnose auf: »Zu Melanoides ge- 
hören große thurmförmige längsgekielte und quergerippte Gehäuse«, 
während Bror als Kennzeichen der lebenden Formen betont: »Die 
Rippen sind häufig geknotet.« Auch die meisten Formen der Me- 
lania asperata Lam. (Taf. VIII, Fig. 1, 1a—g, p. 73) sind Ceri- 
thien täuschend ähnlich, doch auch hier zeigt die Gestalt der Mün- 
dung, dass wir es mit den Vertretern einer anderen Familie zu thun 
haben. 


Ich habe in meiner früheren Arbeit beschrieben, wie häufig 
Knotenreihen, welche aus Querrippen entstanden sind, in scharfe 
Längskiele umgewandelt werden, dadurch, dass die Knoten in der 
Längsrichtung mit einander verschmelzen. So entsteht aus der Ceri- 
thium ähnlichen Form der M. asperata Lm. (Fig. 6) die Varietät 
1a, deren Schale mit einem Turritella-Gehäuse verwechselt wer- 
den könnte, eine Umbildung, welche indessen in so vollkommener 
Weise bei Melania selten ist, dagegen bei der verwandten Gattung 
Claviger und außerdem auch bei Cerithium (Fastigiella cari- 
nata Reeve, Bd. I, 26, Taf. XXVIU, Fig. 1, p. 146) häufiger vor- 
kommt. 


Eine weitere mit den bisher beschriebenen Melanien in keinem 
unmittelbaren Zusammenhang stehende Entwicklungsrichtung führt zu 
ausgesprochen Mitra-ähnlichen Gehäusen. Einige, allerdings wenig 
zahlreiche Übergänge lassen mich vermuthen, dass- diese Entwick- 
lungsrichtung ihren Ausgangspunkt von Achatina-ähnlichen Formen 
genommen hat. Die Mitra-Formen zeichnen sich allerdings durch 
treppenförmig abgesetzte Schalen aus, was bei den Achatina-ähnlichen 
Schalen nicht allgemein ist, wir finden indessen unter den letzt- 
genannten Ausnahmen, welche gerade diese Eigenthümlichkeit des 
Gewindes in vollkommener Ausbildung besitzen. 


Die meisten Mitra-ähnlichen Melanien tragen Gitterskulptur, 
wie aus den Abbildungen (Bd. I, 24, Taf. XXXIII) hervorgeht, und: 
gleichen darin der Mitra granulosa (Bd. V, 2, Taf. XII. Fig. 3, 
4, p. 69) u. and. Wir finden indessen auch Umgestaltungen von Me- 
laniengehäusen, die zu Formen ähnlich Mitra pontificalis (Fig. 7) 
führen. Diese tragen, wie die abgebildete Melania eybele Gould 
(Var.) (Fig. 8), einen gekrönten Kiel und besitzen. sonst ein glattes 
eiförmig gestaltetes Gehäuse. - Die Mitra-ähnlichen Melanien-Arten 


Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 715 


sind indessen nicht so zahlreich wie diejenigen, le den Terebra- 
oder Cerithium-Charakter tragen. 


An die hoch gewundenen längs- und querskulptirten Formen der 
Gattung Melania schließen sich zunächst die Vertreter der in Süd- 
Amerika heimischen Gattung Doryssa an. Dieselben tragen alle 
mehr oder weniger den Cerithium-Typus, aber nicht wie er in der 
Gruppe Potamides, sondern wie er bei Pyrazus zum Ausdruck 
- kommt. Die Schalen sind durch oft recht kräftige Längskiele und 
Querrippen ausgezeichnet und unterscheiden sich, wie aus der Ab- 
bildung ersichtlich, besonders durch die Bildung des Mundes und 
durch die Richtung der Naht (vgl. Doryssa macapa J. Morie. [Fig. 9] 
und Cerithium [Pyrazus] suleatum Born. Var. [Fig. 10). Doryssa 
macapa findet sich am Amazonenstrom, während Pyrazus sulca- 
tum in China, auf den Philippinen, den Mascarenen, und namentlich 
in Madagascar vorkommt. Also auch hier Ähnlichkeit der Formen 
ganz getrennter Verbreitungsbezirke. 


Auch die auf der Westküste von Afrika heimische, hehe 
lich im Brackwasser lebende Gattung Claviger ist durch Cerithium- 
ähnliche Formen gekennzeichnet. Wenige Arten dieser Gattung tragen 
noch die der Doryssa eigene Längs- und Querskulptur (Claviger 
matoni Gray) (Bd. I, 24, Taf. XXXVLU, Fig. 3a —f, 4, 4a, p. 366). 
Bei den meisten haben sich die Querrippen in Knotenreihen auf- 
gelöst, von welchen sich eine oder mehrere zu kräftigen Dornen- 
reihen entwickeln, während sich die übrigen zurückbilden (Olaviger 
byronensis Gray, Tab. XXXVI, Fig. 10«—c, p. 359). 


Es kommt aber auch vor, dass sich die Knotenreihen zu scharfen, 
weit vorspringenden Längskielen vereinigen, so dass wir mehr oder 
weniger Turritella-ähnliche Formen erhalten (Claviger matoni 
Taf. XXXVIL, Fig. 3, 3a, 3 f, p. 366). Öfters tragen die ersten Windun- 
gen der Olaviger-Gehäuse Gitterskulptur, und die späteren erst scharfe 
Längskiele und spitzige Dornen. Die durch sich schneidende Längs- 
und Querskulptur hervorgebrachte Gitterung ist indessen auch hier 
stets der Ausgangspunkt für jede andere Skulpturform. 


Während die auf Madagascar im Süßwasser, bisweilen aber auch 
in warmen Quellen lebende Gattung Melanatria Bowdich, sowie 
‚die Gattungen Pirenopsis Brot und Faunus Montfort der Unter- 
gSattung von Melania melanoides nahe stehende, also auch Ceri- 
thium-ähnliche Formen aufweist, finden wir bei Hemisinus Swain- 
son zwei von einander abweichende Entwicklungsrichtungen. Die 


716 M. v. Linden, 


eine erzeugt niedergewundene Columbella-Mitra-artige Formen, 
die andere hochgewundene Cerithium-ähnliche Gehäuse. 

Die Arten mit hochgewundenen Schalen sind indessen hier sel- 
tener, als die mit niederen Gehäusen. Vorherrschend niedere Mitra- 
ähnliche Schalen treffen wir auch bei dem Genus Melanopsis 
(Bd. I, 24, Taf. XLV—XLIX). Da nun hier die meisten Formen 
neben der eigenthümlichen Schalenform einen starken Callus besitzen, 
so erinnern dieselben zum Theil vielfach an Olivella, z. B. Olivella 
zonalis Lm. (Bd. V, 1, Taf. XXXVI, Fig. 9 und 10) und Mela- 
nopsis buceinoides Oliv. (Bd. I, 24, Fig. 1—12, p. 419). Dieselbe 
Entwicklungsrichtung findet sich übrigens auch bei Mitra und führt 
hier zu Mitra erenulata Chem. (Bd. V, 2, Taf. XVI, Fig. $ und 10). 

Es bleiben jetzt noch vier Gattungen unter den Melaniiden, 
welche einen von den Vorhergehenden sehr verschiedenen Typus ver- 
treten, da sie alle weite niedrige Gehäuse besitzen. Die von ihnen 
eingeschlagenen Entwicklungsrichtungen führen daher zu Formen, 
welche von den bisher beschriebenen in hohem Grade abweichen, 
Die Schalen der Gattung Tanalia tragen einen ausgesprochenen 
Nerita-Charakter. Tanalia Gardneri Reeve (Fig. 11) entspricht 
sowohl durch Gestalt des Gewindes, als durch ihre Skulptur der 
Nerita exuvia L. (Fig. 12). Bei manchen Tanalia-Arten bestehen 
statt der Längskiele noch Längsreihen von Knoten, und diese bilden 
sich bisweilen zu mehr oder weniger kräftigen Stacheln um, die 
dann in mehreren Reihen das Gehäuse umgeben. Auf diese Weise 
kommen Formen zu Stande, wie Tanalia loricata Var. erinacea 
Reeve (Fig. 13), eine Entwicklungsrichtung, die wir bei Nerita ver- 
missen, dagegen bei Purpuriden (Purpura, Ricinula) wiederfinden, 
wie aus den Figuren von R. horrida Lm. (Fig. 14), Purpura pa- 
tula L. (Fig. 15) und Turbo histrio Kien. (Fig. 16) ersichtlich ist. 


Eine weitere Gattung, welche zu der Familie der Melaniiden 


gestellt wird, ist Paludomus, deren Gehäuse ausgesprochene 
Natica-Zeichnung tragen und sich in der Gestalt an Paludina an- # 
schließen. | | 

Die Vertreter der letzten Melaniiden-Gattung Philopotamis 
haben am meisten Ähnlichkeit in Gestalt, Zeichnung, sowie zum Theil 
wenigstens in der Form des Mundes ihrer Gehäuse mit Ampullarien. 


Zusammenfassung. 


Wenn wir die vorstehenden Ergebnisse kurz überblicken, so sehen 
wir, dass in der Familie der Melaniden drei Entwicklungsriehtungen 


Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 7 


vorherrschen, welche die Gestalt der Gehäuse beeinflussen. Die erste, 
welehe die Mehrzahl der Arten umfasst, führt zu hohen, gethürmten 
Schalen, welche je nach Gestalt, Zeichnung und Skulptur der Um- 
sänge Terebra-, Pyramidella- oder Cerithium-ähnliche Formen 
ergeben. Im Gegensatz zu diesen finden wir breite niedergewundene 
Gehäuse, die von Ampullaria-Paludina-Gestalten ausgehend in den 
Nerita-ähnlichen Tanalia-Arten ihre äußerste Grenze erreichen. 
Zwischen beiden stehen die mittelhohen Achatina-ähnlichen Mela- 
nien-Schalen, die sehr wahrscheinlich dadurch, dass ihre Umgänge 
treppenförmig abgesetzt werden, zu Mitra-artigen Gehäusen über- 
führen. Es ist besonders hervorzuheben, dass in den meisten Fällen 
Skulptur und Zeichnung der Schale mit deren Form gleichen Schritt 
halten, d. h. dass eine ihrer Gestalt nach COerithium-ähnliche 
Schale auch Cerithium-Skulptur besitzt, eben so wie Terebra- 
Form und Terebra-Zeichnung auf den Melanien-Gehäusen zu- 
sammentreffen. 

Anders ist es mit der Gestaltung der Mündung. Die Form des 
Mundes verändert sich wohl in so fern, dass er bei niedergewundenen 
weiten Schalen weiter und mehr kreisförmig, bei hochgewundenen 
derselben Familie eng und elliptisch ist, aber meistens bleibt er in 
seiner feineren Ausgestaltung Kanal, Ausbuchtungen, Ausschnitte 
innerhalb einer und derselben Gattung konstant und dadurch für 
dieselbe charakteristisch. Dass es aber auch hierin Ausnahmen giebt, 
haben wir bereits gesehen, und werden es im Folgenden noch an 
schöneren Beispielen beobachten können. 


Homöogenesis in der Familie der Pleurotomiden. 


Auch die Familie der Pleurotomiden umfasst zum größten Theil 
nur hochgewundene, mehr oder weniger zugespitzte Gehäuse. Die- 
selben verlieren indessen den ausgesprochenen Cerithium-Charakter, 
durch einen an der Schalenbasis befindlichen meistens sehr lang aus- 
gezogenen Kanal. Die Familie gehört ebenfalls zu den formenreich- 
sten unter den Gasteropoden und hat schon in der Tertiärzeit den 
Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. 

Die Geschichte der Systematik der Pleurotomiden lässt aufs 
deutlichste erkennen, wie auch hier die Mannigfaltigkeit, welche 
dadurch erzeugt wird, dass die Schalen verschiedene Entwicklungs- 
richtungen einschlagen, eine den verwandtschaftlichen Beziehungen 
dieser Thiersruppe entsprechende Stellung im System erschwert hat. 


Die große Ahnlichkeit der typischen Arten von Pleurotoma mit 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIIL. Bd. 47 


718 M. v. Linden, 


Fusus sowohl in Schalenform als Schalenzeichnung und Skulptur 
(vgl. Pleurotoma australis Roissy (Fig. 17] und Fusus tenuiliratus Dkr. 
[Fig. 18), eben so Pl. marmorata Lm. [Bd. IV, 3, Taf. II, Fig. 4, 
p- 16] und F. variegatus Perry [Bd. III, 36, Taf. XLVIH, Fig. 2, 3, 
p- 153]) bestimmten LAmArck das Genus Pleurotoma in seine 
Familie der Canaliferen einzureihen. Die genauere Kenntnis des 
Thieres erwies indessen diese von LAMARCK aufgestellte Beziehung 
als unrichtig und hatte zur Folge, dass Pleurotoma zu den Coniden 
gestellt wurde. Dazu kam noch, dass nicht nur die anatomischen 
Merkmale der Schnecke eine derartige Anordnung nöthig machten, 
sondern dass auch die Schalen einer großen Anzahl besonders fossiler 
Arten als gute Übergangsformen zu Conus betrachtet werden mussten. 
Diese verbindenden Glieder sind theils als Subgenera, bei Lepto- 
conus, theils als gute Genera unter der Bezeichnung Conorbis und 
Oryptoconus ausgeschieden worden. Eine weitere Eigenschaft, 
welche außerdem für die Verwandtschaft der Pleurotomiden mit 
den Coniden sprach, war der bei Pleurotoma meistens, allerdings 
nieht immer (Halia, Lachesis, Paranis) vorhandene Schalenschlitz 
in der Nähe der Naht, der sich bei vielen, besonders bei hoch ge- 
wundenen Conus-Arten als Schlitz oder als weniger tiefe Ausbuch- 
tung wieder findet. Die Pleurotomiden bilden daher nach WEIN- 
KAUFF und KOBELT eine Subfamilie der Coniden und stehen neben 
Conus, Dibaphus und Terebra. Zırreu schaltet sie als besondere 
Familie zwischen Terebriden und Coniden. | 

Die Umstellungen, welche die Pleurotomiden im System er- 
fahren haben, lassen schon darauf schließen, dass sich die Schalen 
in zwei Hauptrichtungen entwickelt haben. 1) Nach den 
Canaliferen (Fusus) hin, indem die Gehäuse gethürmt und mit 
langem Kanal versehen werden, und an ihrer Außenfläche Längs- 
leisten und in Querstreifen zusammenfließende Fleckenreihen auftreten. 
2) Nach den Coniden hin, indem der Kanal schwindet, das Ge- 
winde, dessen Höhe von der der letzten Windung übertroffen wird, 
sich verkürzt, verflacht und die einzelnen Windungen sich weniger 
deutlich von einander absetzen. 

Ich habe bereits auf die Ähnlichkeit der Schalen von Pl. austra- 
lis Roissy (Fig. 17) mit Fusus tenuiliratus Dkr. (Fig. 18), Pl. 
marmorata Lm. mit Fusus variegatus Perry hingewiesen. Wir 
beobachten indessen auch Verbindungen mit anderen Familien der 
Canaliferen z. B. mit den Fusus-ähnlichen Turbinella-Arten, mit den 
durch langen Kanal ausgezeichneten Murex-Arten und den kleinen 


Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 719 


Bueceinum-ähnlichen Triton-Formen. Columbarium spini- 
cinetum Martens (Fig. 19) ist eine solche Form, welche bis auf die 
Bedornung des Kanals, bis auf die Gestalt der Dornen am Munde 
an Murex martinianus Reeve (Fig. 20) erinnert, und andererseits 
dem Fusus pagoda Lesson (Fig. 21) nahe steht. Eine ganz ähn- 
lich gerichtete Entwicklung führt bei Trophon zu der bedornten 
langgestreckten Art Tr. variegatus Lm. (Bd. III, 2, Taf. LXXI, 
Fig. 13—16, p. 286). Ähnlichkeit mit einzelnen Triton-Arten, z. B. 
Triton bracteatus Hinds. (Bd. III, 2, Taf. LXVIIL, Fig. 13, 14, 
p- 255) haben die Bela-Formen B. cancellata Migh. (Bd. IV, 3, 
Mat. XXXI, Fig. 16, p. 149). 

Die Formengsruppe, zu welcher Pl. Lühdorffi Lischke gehört, 
wird meiner Meinung nach von KogeErr fälschlicherweise als »Mitrae- 
formis« bezeichnet, die Ähnlichkeit ihres Gehäuses mit Conus- 
Formen ist viel größer als mit Mitra (vgl. Pl. Lühdorffi Lischke, 
Bd. IV, 3, Taf. VL Fig. 8, p. 32, mit Conus Orbignyi Aud., Bd. IV, 2, 
Taf. XLIH, Fig. 2, p. 258). Größer ist die Übereinstimmung von 
Pl. mitraeformis Kiener und Pl. papalis Reeve (Bd. IV, 3, 
Taf. VII, Fig. 4, 6 und 7, 8) mit einer Mitraschale, eben so gut 
lassen sich diese Gehäuse indessen in die Nähe von Conus eylindra- 
ceus Brod. (Bd. IV, 2, Taf. XLVI, Fig. 9, p. 274), ©. mitratus Hwass. 
(Taf. XLVI, Fig. 10, p. 274), C. violaceus Reeve (Taf. XLVI, Fig. 11, 
p- 276) stellen, Formen, die allerdings selbst wieder zu Mitra über- 
führen. 


Zusammenfassung. 


Die Mehrzahl der Pleurotomiden-Schalen tragen, wenn wir 
von der Gestalt der letzten Windung absehen, Cerithium-Charak- 
ter. Die Entwicklung der Schalenbasis des letzten Umganges zu 
einem lang ausgezogenen Kanal verleiht der Schale den Typus des 
Fusus-Gehäuses, dessen Windungen im Allgemeinen jedoch mehr 
abgesetzt und gewölbt und dadurch weniger Cerithium-artig sind. 
Auch mit den Vertretern anderer Gattungen unter den Canaliferen, 
die sich der Fususgestalt nähern, sind Verbindungen zu beobachten. 

Bei den phylogenetisch früher auftretenden Formen finden sich 
häufig Schalen, welche den Übergang zu den Coniden bilden, 
eine Entwicklungsrichtung, welche, wie die Anatomie des Thieres 
und einzelne Eigenschaften der Schalen (Schalenschlitz) lehren, durch 
die verwandtschaftlichen Beziehungen beider Gruppen erklärt werden 
muss. 


47* 


720 M. v. Linden, 


Homöogenesis in der Familie der Cancellariiden. 


Eine weitere Familie unter den Toxoglossen, die sich durch 
sroßen Formenreichthum auszeichnet, ist die der Cancellariiden. 
Ihren Hauptbestandtheil bildet die Gattung Cancellaria, und es 
ist kaum möglich, wie LÖBBECKE sagt, eine befriedigende Gesammt- 
diagnose von derselben zu geben, so veränderlich ist das Gehäuse 
in seiner ganzen Erscheinung. Die Entwicklungsrichtungen, die wir 
innerhalb der Gattung Cancellaria antreffen, sind sehr verschieden 
von denjenigen, die wir bei den Pieurotomiden gefunden hatten. 
Die Schalen der Cancellarien sind meistens eiförmig, es kommen 
indessen auch fast spindelförmige und gethürmte Schalen vor. Glatte 
und stark skulptirte Gehäuse finden sich neben einander, und beide 
tragen an ihrer Basis einen kurzen weiten, fast nur ausgussförmigen 
Kanal. 

Apams scheidet die Gattung Cancellaria in drei Unterabthei- 
lungen: Trigonostomes, Purpuriformes und Mitraeformes, 
eine Eintheilung, welche zwar die Gehäuseformen berücksichtigt, 
allein gerade eine Gruppe nicht erwähnt, welche besonders charak- 
teristische homöogenetische Formen aufweist, nämlich die Arten mit 
Cassis- und Cassidaria-ähnlichen Gehäusen. Wir finden Vertre- 
ter dieser Gruppe auf Taf. II—V des IV. Bandes des Conchylien- 
kabinets abgebildet und sehen, dass dieselben bis auf den Spindel- 8 
umschlag und die Skulptur ihrer Schalen mit Cassis abbreviata 
Lm. (Fig. 22) und der Cassidaria echinophora L. (Bd. II, # 
Taf. LIV, Fig. 1—7, p. 46) Ähnlichkeit haben. Ich erwähne von 
diesen Cancellarien namentlich ©. Reeveana (Fig. 23). 

Auch Cancellaria cancellata L. (Taf. XI, Fig. 1—9, p. 34) 
hat den Cassis-Charakter beibehalten, entwickelt indessen so kräftige 
Gitterskulptur, dass sie beinahe das Aussehen von Triton cancel- 8 
linus Roissy (Taf. LVIL, Fig. 5, 6, p. 200) erhält. Neben den lang- 
gestreckten Purpura-förmigen Gehäusen, z.B. Cancellaria Speng- 
leriana Desh. (Bd. IV, 4, Taf. VIL, Fig. 1—8) finden sich aber auch 
typische Turbo-Formen, wie ©. tuberculata Sow. (Fig. 24), deren 
Schale mit drei bis vier knotigen Längskielen versehen ist. Die 
Umgänge sind treppenförmig abgesetzt, die Naht ist vertieft, die 
Mündung fast kreisrund, und das Gehäuse erinnert in seiner ganzen 

Gestalt an Turbo japonicus Reeve (Fig. 25). 

Im Gegensatz zu den Pleurotomiden und Cancellariiden 

finden wir bei den beiden übrigen zu der Gruppe der Toxoglossen 


Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 721 


gehörigen Schnecken bei den Coniden und Terebriden eine sehr 
geringe Variabilität der Schalenform. Bei Conus ist hauptsächlich 
eine Entwieklungsrichtung nach Oliva hin zu beobachten, wie die 
dem Conus tulipa ähnlichen Gehäuse beweisen; innerhalb der Gat- 
tung Terebra finden sich von dem Typus der Gruppe abweichende 
Gehäuse, die dadurch, dass die einzelnen Umgänge mehr gewölbt 
erscheinen und die Schalenbasis breiter wird, an einzelne Vertreter 
unter den Cerithien erinnern. 


Homöogenesis in der Familie der Rissoiden. 

Die Rissoiden geben wegen ihrer geringen Größe einen der 
besten Beweise dafür ab, dass unabhängige Entwicklungsgleichheit 
ohne irgend welche Beziehung zum Nutzen entstehen kann. Die 
Schalen der meisten Vertreter dieser Familie tragen eine sehr charak- 
teristische Skulptur, die Gehäuse sind: indessen so klein, dass die- 
selbe erst durch die Lupe betrachtet zur richtigen Geltung kommt. 
Die Familie, welche nach ForBEs und HaxLey aus den beiden 
Genera Rissoa Freminville und Rissoina d’Orbigny bestehen, wur- 
den von LAMARCK zwischen Paludina und Truncatella-Palu- 
dinella gestellt. Nach der neueren Auffassung, welche von WEIN- 
KAUFF vertreten wird, sollte diese Familie indessen neben oder unter 
den Litoriniden stehen und zerfällt in die Genera Rissoina, 
Rissoa, Hydrobia, Barleia und Jeffreysia. Hydrobia unter 
Beschränkung auf die der H. ulvae verwandten Arten, alles sonst zu 
diesem Genus Gerechnete zu Bithynia und Amnicola verweisend, 
die zu den Paludinideen gehören. Die Rissoinen sind wie die 
Rissoen Meeresbewohner und finden sich fast ausschließlich in den 
tropischen Meeren, besonders an den Philippinen und in Westindien, 
nur drei Arten kommen im mittelländischen Meere vor. Die Rissoen 
haben eine viel ausgedehntere Verbreitung. 

Die Gehäuse der Rissoiden sind meistens hochgewunden, und 
eine ganze Reihe zu der Gruppe Rissoina gehörigen Arten erinnern 
uns sowohl was Schalenform als was Skulptur betrifft an Cerithien. 
Ich nenne nur Formen wie Rissoina erythraea Phil. (Fig. 26), R. 
labrosa Schwarz (Bd. I, 22, Taf. XI, Fig. 4, p. 37), R. bellula A. Ad. 
(ibid. Fig. 8, p. 39) und verweise im Übrigen auf die Tafeln X, XII, 
XV a—d. Von den genannten Formen kommt erythraea im rothen 
Meer vor, labrosa auf Cuba, bellula auf den Philippinen. 

Ich habe im Vorhergehenden schon öfters betont, dass bei 
homöogenetischen Formen die Familieneigenthümlichkeiten häufig in 


722 M. v. Linden, 


der Gestalt der Mundöffnung erhalten bleiben. Bei den genannten 
Rissoinen ist es nun auffallend, dass auch der Mund in seiner 
ganzen Beschaffenheit Cerithium-ähnlich ist. Die Mundöffnung 
ist schmal elliptisch und wie bei einer Reihe von Cerithien sowohl 
an der Basis als am oberen Ende mit einer kleinen ausgussförmigen 
Erweiterung versehen. Auch eine wulstartige Verdickung der Außen- 
lippe, wie wir sie bei manchen Cerithien antreffen, wird bei vielen 
Rissoinen beobachtet (R. bellula A. Ad... Je nachdem nun die 
Rissoinen Querrippen, Gitterskulptur oder Längsreihen von Knöt- 
chen tragen, erinnern sie mehr an Pyrazus oder Cerithium s. str. 
Die Gestalt der Pyrazus-artigen Rissoinen-Gehäuse ist weniger 
spitzig als die der Cerithium s. str.-artigen, und ihre Umgänge sind 
häufig deutlicher abgesetzt als die der letzteren. 

Sehr verschieden ist die Gestalt der meisten Rissoa-Schalen. 
Dieselben sind weniger hoch, die Umgänge nehmen schneller an 
Breite zu (mit Ausnahme der drei ersten), so dass die Gehäuse einen 
kürzeren aber breiteren Kegel bilden, und haben eine mehr kreis- 
förmige als elliptische Mündung. Durch diese Eigenthümlichkeiten 
in ihrem Bau nähern sich die Rissoen den Schalen der Gattung 
Oyelostoma. 

Bei jenen Arten, wo ein Wachsen der späteren Umgänge nicht 
eintritt, ist die Ähnlichkeit mit Truncatella-Formen größer. 

Sehr interessant ist die Entwicklungsrichtung, welche die Ris- 
soa cimexL. (Fig. 27) und R. erenulata Mich. (Fig. 9—12, p. 115) 
eingeschlagen haben und die zu Mitra-ähnlichen Formen führt. 
Eine ähnlieh gedrungene Gestalt wie R. eimex L. hat Mitra ecan- 
cellaroides Ant. (Fig. 28) (Bd. V, 2, Taf. XIV, Fig. 17—19, p. 79), 
welche in derselben Weise wie die genannten Rissoen von Knoten- 
reihen umzogen ist. Diese Knoten scheinen, wie Fig. 12 von R. ere- 
nulata zur Anschauung bringt, aus einer Gitterskulptur hervorzu- 
sehen. Sehr häufig wird diese Skulpturform bei Trochus. 


Zusammenfassung. 


Wir ersehen aus dem Vorhergehenden, dass der Formenreichthum 
unter den Rissoiden kein übermäßig großer ist. Die eine Gruppe, 
die der Rissoinen, hat hochgewundene Gehäuse, welche ihrem 
ganzen Bau nach den Cerithien-Schalen sehr nahe stehen. Die 
zweite Gruppe, die Rissoen, haben eine von den ersteren sehr. 
verschiedene Entwicklungsrichtung eingeschlagen, die Schalen sind 
weniger hoch, an der Basis breiter, die einzelnen Umgänge mehr 


Unabh. Entwieklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneekengehäusen. 723 


sewölbt, die Mundöffnung ist kreisrund, kurz, die Gehäuse nähern 
sich denjenigen der Gattung Cyclostoma.‘ Indem die Schalen eine 
noch gedrungenere Gestalt annehmen, und ihre Skulptur in längs- 
verlaufende Knotenreihen aufgelöst wird, kommen Mitra-ähnliche 
Formen zu Stande, welche, selbstverständlich ohne verwandtschaft- 
liche Beziehungen zu haben, der Mitra cancellarioides Ant. nahe 
stehen. Da indessen diese letzte Schalenform der R. cimex aus 
der gewöhnlichen Cyelostoma-ähnlichen Schale abzuleiten ist, so 
können wir bei den Rissoideen eigentlich nur von zwei Haupt- 
entwieklungsrichtungen sprechen, von denen die eine mit Ceri- 
thium, die andere mit Cyclostoma so ziemlich parallel verläuft. 
Das Interessante dieser gleichgerichteten Entwicklung innerhalb der 
besprochenen Familie liegt meiner Ansicht nach darin, dass sich 
auf den zierlichen Rissoideen-Gehäusen die homöogenetischen 
Formen nur in kleinstem Maßstab entfalten können, und dass dadurch 
bewiesen wird, wie wenig ihre Entstehung von der natürlichen Zucht- 
wahl beeinflusst worden sein konnte. 


Homöogenesis in der Familie der Columbelliden. 


Sehr verschieden von den Entwicklungsrichtungen innerhalb der 
bisher besprochenen Gasteropodengruppen sind diejenigen, welche 
unter den Columbelliden angetroffen werden. Die Vertreter dieser 
Familie sind gleich den Melaniiden über die ganze Erde verbreitet. 
Sie besitzen fast ausschließlich kleine Gehäuse, deren Formen wohl 
weniger in die Augen fallend sind, aber dennoch so weit aus einan- 
der gehende Gestaltungen aufweisen, dass es nothwendig wurde die 
Zungenbewaffnung des Thieres als wesentliches systematisches Merk- 
mal aufzustellen, denn nur auf diese Weise konnten die Gruppen 
einigermaßen zusammengehalten werden. Nach PAFTEL stehen die 
Columbelliden zwischen den Marginelliden und Harpiden, 
obwohl, wie KoBELT bemerkt, ihre Grenze eigentlich gegenüber den 
Buceeiniden conchyliologisch strittig ist. Die schlanken, glatten, 
glänzenden Arten der Gattung Mitrella wurden früher allgemein zu 
Buceeinum gestellt. Die Radula der Columbelliden ist echt rachi- 
gloss mit drei Reihen Platten, von denen die mittleren im Gegensatz 
zu denen der Buceiniden zahnlos sind. 

Nach der Gestalt der Gehäuse theilt KoBELT die Columbelliden 
in acht Untergattungen ein, und aus den Namen Strombina und 
Conidea, welche für zwei dieser Abtheilungen gewählt sind, geht 
hervor, dass in dieser Eintheilung bereits den verschiedenen Entwick- 


124 | M. v. Linden, 


 Jungsriehtungen Ausdruck gegeben wird. Am ausgesprochensten ist 
die Ähnlichkeit der Columbellen mit Strombus-, Conus- und 
Buceinum-Gehäusen, und wir sehen, dass neben Schalenform und 
Skulptur auch hier wieder die Zeichnung den Gesetzen der Homöo- 
genesis folgt. 


Wie zu erwarten, werden die Buecinum-ähnlichen Schalen bei 
den Columbelliden am häufigsten angetroffen, nicht nur innerhalb 
der Untergattung Mitrella, sondern auch unter Columbella s. str. 
Ich führe z. B. Columbella aspersa Sw. (Fig. 29) und Buceinum 
maculosum Lm. (Fig. 30) an. Der Bau des Mundes lässt wohl die 
Familienverschiedenheiten der beiden Arten sofort erkennen, um so 
ähnlicher ist indessen die Zeichnung der beiden Schalen. 


Von größerer Bedeutung für den Nachweis homöogenetischer Aus- 
bildung sind die Entwicklungsreihen der Columbelliden, welche zu 
Conus- und Strombus-ähnlichen Formen führen. Ich habe mich 
darauf beschränkt je eine Art abzubilden, die Tafeln IV und VII im 
III. Bd. 1d bringen indessen eine größere Anzahl von Columbellen- 
formen, die man ohne Weiteres für kleine Strombus-Arten halten 
möchte. Eine der auffallendsten ist Columbella (Strombina) dor- 
sata Sow. (Fig. 31), die in ihrem Zeichnungsmuster dem Strombus 
canarium L. (Fig. 32) sehr nahe steht. Die Schale selbst gleicht 
allerdings mehr den hochgewundenen Strombus-Formen mit mäßig 
erweiterter Lippe. Auf Taf. IV, Fig. 3, 4 möchte ich besonders auf 
C. (Strombina) recurva Sow. aufmerksam machen, deren Schale 
sogar bis auf die Skulptur dem Strombus urceus ähnlich sieht. 


Die Conus-artigen Vertreter der Untergattung Meta der 
Columbelliden tragen wie C. philippinarum Reeve (Fig. 33) 
mehr oder weniger breite Ziekzack-Querbinden, welche sich bei 
einigen Arten zu Netzzeichnungen vereinigen. So entsteht die Zeich- 
nung von Columbella cedo-nulli Reeve (Fig. 34), welche etwa 
derjenigen des gleichnamigen Conus entspricht. Die Ähnlichkeit der 
Columbella dupontiae Kiener (Fig. 36) mit Conus ist so groß, 
dass dieselbe Art im Conchylienkabinet einmal unter Conus und 
einmal unter Columbella aufgeführt wird (Bd. II, 1d, Taf. LXX, 
Eis; 11, 12,9. 182, und»d.. IV, 2, 

Auf Taf. XXVI, Bd. III, 1d, Fig. 6, 7 findet sich eine conus- 
fürmige Columbella abgebildet, welche sich besonders durch einen. 
lang ausgezogenen Pteroceras-ähnlichen Flügel auszeichnet. In 
derselben Weise bildet sich die Mündung auch in anderen Familien 


Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 725 


um, z.B. bei Turbinella cassiformis Kiener (Bd. III, 3, Taf. IX, 
Fig. 10, p. 44). | 

Wir treffen unter den Columbelliden auch Mitra-ähnliche 
Gehäuse, sowohl glatte Formen: ©. (Atilia) fulgida Reeve (Bd. III, 
ea Var XIX, Fig. 17, 18, p. 135) und M. erenifera Lm. (Bd. V, 2, 
Taf. XVIIe, Fig. 10, p. 126), als auch solche mit Querskulptur, mit 
Querwülsten, wie ©. (Atilia)hotessieri d’Orb. (Bd. III, 1d, Taf. XXXIV, 
Fig. 4, p. 252) und Mitra erispata Schmidt (Bd. V, 2, Taf. XVII, 
Fig. 5, 6, 10, p. 115). Während bei diesen Columbella-Arten eine 
ausgesprochene Entwicklungsrichtnng nach den typischen Formen der 
Gattung Mitra hin besteht, finden sich andererseits bei Mitra ein- 
zelne Arten, in welchen die gethürmte Mitra-Schale die gedrungene 
Columbella-Gestalt angenommen hat. Ich nenne nur Mitra 
leueozona Küster (Bd. V, 2, Taf. XVII, Fig. 9, 10, 11, p. 104) und 
deren Verwandte, die der C. (Eugina) zatricium Melvill (Bd. III, 
1d, Taf. XXXIIL, Fig. 15, p. 250) vollkommen entspricht. Auf Taf. XIV, 
Bd. V, 2 ist in Fig. 17, 18, 19 die Mitra cancellarioides Ant. 
(p. 79) abgebildet, welche auch in der Skulptur der C. (Eugina) 
monilifera Pease (Bd. III, 1d, Taf. XXXIIL, Fig. 4, p. 245) sehr ähn- 
lieh ist. Schließlich sei noch erwähnt, dass einzelne Columbella-Arten 
durch ihre Skulptur sowie durch die Gestalt ihres Gehäuses den 
Purpuriden nahe stehen; man vgl. Murex cristatus Brochi (Bd. III, 
2, Taf. XXXI, Fig. 1—3) und C. (Eugina) pulchra Reeve (Bd. III, 
wi Var XXXV, Fig. 15, 16, p. 269). | 


Zusammenfassung. 


Auch innerhalb der Familie der Columbelliden ist, wie wir 
sehen, die Höhe der Gewinde und damit der Habitus der Schalen 
sehr veränderlich. Allerdings bewegt sich die Schalenhöhe in viel 
engeren Grenzen, als es in den übrigen Familien beobachtet wurde. 
Turritella- oder Cerithium-ähnliche Formen finden sich nicht, die 
höchst gewundenen Columbellen gleichen den schlanken Vertretern 
der Familien Mitra und Strombus, die gedrungenen Formen haben 
Conus-Gestalt. Charakteristisch sind die Entwieklungsriehtungen in 
der Bildung des Mundes und in der Gestaltung der Zeichnung, 
und es ist interessant, dass auch hier Schalenform, Lippenbildung 
und Zeichnung häufig auf derselben Entwicklungsstufe zusammen- 
treffen, wie wir es bei Strombus- bezw. Conus-Arten beob- 
achten. | 


726 M. v. Linden, 


Allgemeine Zusammenfassung und Schlussfolgerung. 


Ich habe in der vorstehenden Übersicht an vereinzelten Bei- 
spielen nachzuweisen versucht, wie auf Grund unabhängiger Ent- 
wicklungsgleichheit in verwandtschaftlich weit von einander 
entfernten Gastropoden-Gruppen Schalenformen zu Stande kommen 
können, die häufig bis auf wenige Unterschiede vollkommen identisch 
erscheinen. Derartige homöogenetische Formen treten in den selten- 
sten Fällen unvermittelt innerhalb einer Familie auf; gewöhnlich sind 
dieselben durch Übergänge mit der für die Familie typischen Ge- 
häuseform verbunden und stellen sich als Endprodukte gleichgerich- 
teter Entwicklungsreihen dar. 

Sehr oft hält die Entwicklung der Schalenzeichnung und 
Skulptur gleichen Sehritt mit derjenigen der Schalenform, häufig 
sestaltet sich sogar die im Allgemeinen für die einzelnen Familien 
charakteristisch bleibende Mündung bei ganz fernstehenden Arten 
in gleicher Weise um, indem sie sich von der ganzen Gehäuseform 
in hohem Maße abhängig zeigt. 

Die Anzahl der Entwicklungsrichtungen, die innerhalb einer 
Familie angetroffen werden, ist, wie wir sahen, sehr verschieden, 
auch erreichen die der Umbildung unterworfenen Arten nicht überall 
gleich hohe Endstufen in ihrer Entwicklung. Große Variabilität zeigt 
z. B. die Familie der Melaniiden, und deren Vertreter weisen 
gleichzeitig die größten Extreme in ihrer Gehäusebildung auf, indem 
sie sich einerseits zu hochgewundenen stark skulptirten Cerithium- 
ähnlichen Schalen umbilden, andererseits niedere weitgewundene, 
mit einfachen Längsleisten versehene Nerita-ähnliche Schalen dar- 
stellen. Große Beständigkeit sowohl in der Schalenform als auch in 
der Skulptur finden wir bei Conus; in Form, Skulptur und Zeichnung 
bei Terebra. Auch die Vertreter der Familien der Olividen und 
Cypraeiden weichen nicht erheblich von den ihnen eigenthümlichen 
Gehäuseformen ab. Im Allgemeinen schlagen die Familien mit 
schlanken, gethürmten Schalen (z. B. Cerithium, Terebra, Turri- 
tella ete.) unter einander ähnliche Entwiceklungsrichtungen ein, so 
dass wir Terebra- oder Turritella-ähnliche Cerithien erhalten. 
Dasselbe gilt für diejenigen Familien, deren Vertreter gedrungene, 
weitgewundene, niedere Gewinde besitzen; viel seltener ist es, dass, 
wie bei den Melaniiden, beide Extreme neben einander vorkommen. 

Wie zu erwarten, bieten die artenreichsten und am weitest 
verbreiteten Familien den größten Formenreichthum dar. Gruppen, 


Unabh. Entwieklungsgleiehh. (Homöogenesis) b. Schneckengehäusen. 727 


die auf engere Gebiete beschränkt sind, weichen viel weniger von 
der ihrer: Familie eigenen Grundform ab (Oliva, Conus). Die Ent- 
stehung gleichartiger Gehäuseformen innerhalb der verschiedenen 
'Gastropodenfamilien ist nicht auf die Wirkung der Auslese, wie es 
mimetische Gestaltung voraussetzen würde, zurückzuführen. Mimikry 
ist in den vorliegenden Fällen vollkommen ausgeschlossen, da die 
Träger der einander ähnlichen Gehäuse gewöhnlich nicht zusammen 
vorkommen. Es muss vielmehr angenommen werden, dass die Ent- 
wicklungsrichtungen der Gastropodengehäuse durch die Konstitution 
bedingt sind und von den umgebenden Verhältnissen beeinflusst 
werden, so dass verschiedene Beschaffenheit der Organismen durch 
die Einwirkung entgegengesetzter äußerer Verhältnisse eben so gut 
zu gleichartigen Gestaltungen führen kann, wie die Entwicklung 
gleichartiger verwandter Wesen unter analogen Bedingungen. 

So lange wir über die biologischen Verhältnisse der Meeres- 
schnecken nicht eingehender orientirt sind, als es heute der Fall ist, 
dürfte es natürlich schwer sein die Frage zu entscheiden, wie weit 
bei der Gehäusebildung der Mollusken eine solche Beeinflussung 
durch äußere Faktoren reicht. Für unsere Land- und Süßwasser- 
mollusken hat CLessix (Jahreshefte des Vereins für vaterländische 
Naturkunde in Württemberg, 5°. Jahrgang, 1897, p. 68) diesbezüg- 
liche Beobachtungen angestellt und ist zu dem Schluss gelangt, 
»dass alle Variationen, welche sich in der Schale unserer Mollusken 
ausprägen, durch die eigenartige Beschaffenheit der jeweiligen Um- 
gebung bedingt sind«. 

Wenn wir berücksichtigen, in welch nahem Zusammenhang die 
Beschaffenheit des Thieres mit seiner Schale steht, so gewinnen die 
: beim Studium der Schalenumbildungen erhaltenen Ergebnisse noch 
wesentlich an Bedeutung. Die gesetzmäßige Umbildung der 
Molluskenschale setzt ein eben so gesetzmäßiges Abändern 
der diese Schale erzeugenden Theile des Organismus vor- 
aus, in erster Linie der Form des Mantels, der Gestalt seiner Ober- 
fläche, seiner Anhänge ete. Da aber ferner die Gestalt des Mantels 
sowohl die Beschaffenheit der pallealen Organe als auch die Gestalt 
und Lagerungsverhältnisse der Eingeweide beeinflusst, so muss einer 
Abänderung in der Schalenform eine entsprechende Veränderung in 
den Organen des Eingeweidesackes vorausgehen und es wäre von 
großem Interesse für die Kenntnis der Artbildung bei den Mollusken, 
wenn festgestellt werden könnte, in wie weit mit der Schalenform 
innerhalb der einzelnen Gruppen Veränderungen in den morphologi- 


738 NM. v. Linden, Unabh. Entwicklungsgleichh. (Homöogenesis) ete. 


schen Eigenschaften der Thiere verbunden sind. Die vorliegende 
Arbeit macht keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie 
konnte nur ein Bruchstück bleiben, da mir leider zu einer eingehen- 
den Untersuchung das nöthige Material nicht zu Gebote stand. Ich 
glaube indessen, dass wir von den hier niedergelegten Gesichts- 
punkten ausgehend an der Hand vollständiger Sammlungen zu Resul- 
taten kommen würden, die für die Kenntnis des systematischen 
Zusammenhangs der Formen und des Wesens der Artbildung nicht 
weniger wichtige wären, als die Studien, welche von EIMER für die 
Schmetterlinge gemacht worden sind. 


Tübingen, im Februar 1898. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XLIV. 


Fig. 1. Melania pantherinav. d.Busch. Fig. 13. Tanalia loricata var. erinacea 
Fig. 2. Terebra muscaria Lm. Reeve. 
Fig. 3. Terebra corrugata Lm. Fig. 14. Ricinula horrida Lm. 
Fig. 4 Melania spinata Godw. Fig. 15. Purpura patula L. 
Fig. 5. Potamides ebeninum Brug. Fig. 16. Tnrbo histrio Kien. 
Fig. 6. Melania asperata Lm. Fig. 17. Pleurotoma australis Roissy. 
Fig. 7. Mitra pontificalis Lm. Fig. 18. Fusus tenuiliratus Dkr. 
Fig. 8. Melania cybele Gould. Fig. 19. Columbarium spinieinetum 
Fig. 9. Doryssa macapa var. G. Moric. Martens. 
Fig. 10. Cerithium (Pyrazus) sulcatum Fig. 20. Murex martinianus Reeve. 

var. Born. Fig. 21. Fusus pagoda Lesson. 
Fig. 11. Tanalia gardneri Reeve. Fig. 22. Cassis abbreviata Lm. 
Fig. 12. Nerita exuvia L. u Fig. 23. Cancellaria Reeveana Crosse. 

Fig. 24. Cancellaria tuberculata Sow. 
Tafel XLV. 

Fig. 25. Turbo japonicus Reeve. Fig. 32. Strombus canarium L. 
Fig. 26. Rissoina erythraea Phil. Fig. 33. Columbella philippinarum 
Fig. 27. Rissoa cimex L. Reeve. 
Fig. 28. Mitra cancellaroides Ant. Fig. 34. Columbella cedonulli Reeve. 
Fig. 29. Columbella aspersa Sw. Fig. 35. Conus speciosus Sw. 
Fig. 30. Buceinium maculosum Lm. Fig. 36. Columbella dupontiae Kiener. 
Fig. 31. Columbella (Strombina) dor- 

sata Sow. 


Die Zeichnungen sind nach MARTINI-CHEMNITZ Conchylienkabinet. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


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Verlag von hilkele Engelmanz, Leipzig. 


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Verlag v.Wilhelm Engelmann, Leipzig, 
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Lichtdruck von C. G. Röder, Leipzig. 


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für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universitätzu Göttingen 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 
| 
| 


Dreiundsechzigster Band 


Erstes Heft 


Mit 3 Tafeln und 6 Figuren im Text 


LEIPZIG 


Verlag von Wilhelm Engelmann h 


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€ | 1897. | B 4 


Ausgegeben den 17. September 1 897. 


Inhalt. 


Seite 
Beiträge zur Kenntnis der Eimer’schen Organe in der Schnauze von Säugern. 
Von G. Huss. (Mit Taf. L).. „20. . 12 207% So ee 1 
Die Ausfuhrwege der Harnsamenniere des Frosches. Von O. Frankl. (Mit 
Tat IL). 2 oa se ee ee 23 
Ascandra hermesi, ein neuer homocöler Kalkschwamm aus der Adria. Von 
L. L. Breitfuß. (Mit 2 Fig..im Text.).. . 2 er 39 
Die Urniere bei Cyclas cornea (Lam... Von H. Stauffacher. (Mit Taf. III 
u.4 Fig, im Text). © 2.2.0.0: „00 002 43 
Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Entwicklung der Amphibienglied- 
maßen, besonders von Carpus und Tarsus. Von W. Zwick. (Mit 
N Taf. IV u Ve. 020.00 Sms neo 62 
Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus dem Maul- 
wurf.. Von A. Bott. (Mit Taf. VI u. VL) =. N 
Beiträge zur Kenntnis des in Sticholonche zanclea und Acanthometridenarten 
vorkommenden Parasiten (Spiralkörper Fol, Amoebophrya Köppen). 
Von A. Borgert. (Mit Taf. V.EIL)... .. 2222 Pose 141 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 


beizulegen. 
Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Soeben erschien: 


Wilhel m Roux o.ö. Professor der Anatomie und Director des anato- 
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mischen Institutes zu Halle a/S., Pr ogramm und 
Forschungsmethoden der Entwickelungsmechanik der Orga- 
nismen. lueichtverständlich dargestellt. —- Zugleich eine Er- 


widerung auf 0. Hertwie’s Schrift: Biologie und Mechanik. 
oT... Preis 4 3.—. 

(Separatausgabe der Abhandlung: „Für unser Programm und seine Ver- 

wirklichung“ in dem Archiv für Entwickelungsmechanik Bd. V.) 


Inhalt: I. Das Ziel und die besonderen Aufgaben der Entwickelungsmechanik. 
a. Programm. b. O. HErTwIG’s Kritik. c. „Die Physik und Chemie kennen 
keine gestaltenden Kräfte“: O. HERTWIG etc. — II. Die Methoden. a. Frühere 
Darlegungen. b. Besprechung der Einwendungen O. HERTwIG’s und 
O. BÜTScHLI's. c. Verwendung des „anorganischen“ Experimentes etc. 
d. Zulässigkeit und Bedingungen des Schlusses vom Experiment am Lebenden 
auf das normale Gestaltungsgeschehen. e. Das causal-analytische Experiment 
als die besondere Forschungsmethode der Entwickelungsmechanik für schärfere 
Unterscheidung der Begriffe. f. Regel, Norm und Gesetz in der Zoobiologie. 
9. Nächste Aufgaben und Aussichten. — III. Der Name Entwickelungsmechanik. 
— IV. Über 0. Hertwig’s Kritik meiner speciellen entwickelungsmechanischen 
Untersuchungen. — V. Zusammenfassung. 


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Zeitschrift 


für | 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen u 


Dreiundsechzigster Band 


Zweites Heft 


Mit ll Tafeln und 25 Figuren im Text 


LEIPZIG 
| Verlag von Wilhelm Engelmann | 
| 24896 


Ausgegeben den 12. November 1897. 


| 


Seite 

Vitalfärbungen mit Neutralroth an Protozoen. Von 8. Prowazek. (Mit 
Taf. IX)... 20. 2 2 ame 2. 2 DS 187 

Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte von Platygaster. Von 
Nie. Kulagin.: Mit Taf Xu: XI). 202 se 195 

Die Bar a ne der Ephemeriden. Von C. Zimmer. (Mit Taf. XII 
und XUL) „U. 2 ©. 20.202... 2 So 236 

Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regenerationsprocessen 
der Naiden. Von P. Hepke.: (Mit Taf. XIV Sry 263 

Einiges über die Entwickelung der Scyphopolypen. Von A. Goette. (Mit 
Taf. XVI XIX u. 25 Fig. im Text.) „ 2 See Se 292 

Mittheilung. 


Inhalt 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesss einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 

Soeben erschien: 

Betrachtungen 


über die 


Farbenpracht der Insekten 


von 


Brunner von Wattenwyl. 
Mit 9 Tafeln in Buntdruck. 


Mit Unterstützung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien 
aus dem Legate Wedl. 


Fol. In Mappe .4 36.—. 


Dasselbe mit englischem Text unter dem Titel: 


Observations 


on the 


Coloration of Insects 
by 
Brunner von Wattenwyl. 
With nine coloured Plates. 
Aided by a grant from the Wedl fund of the imperial academy of Seiences in Vienna. 
Translated by Edward J. Bles B. $c., King’s College, Cambridge. 
Fol. In Mappe 4 36.—. 


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Zeitschrift | 
WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOÖGIE 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Dreiundsechzigster Band 


Drittes Heft 


Mit 12 Tafeln und 22 Figuren im Text 


| LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


| 


Ausgegeben den 29. März 1898. 


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Inhalt. | 
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Über Zellplatteı und Zellplattenrudimente. Von R. W. Hoffmann. (Mit = 
Taf. XX—XXI u. 7. Eig. im Text... . 0. Se 379 
Epiphysis und Hypophysis von Rana. Von F. Braem. (Mit Tat, XXIT).. 433 


Über die periodische Abstoßung ünd Neubildung des gesammten Mittel- 
darmepithels bei Hydrophilus, Hydrous und Hydrobius. Von C. 
Rengel, (Mit Tafel XXI). ...... 2 2 440 

Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. 

IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Von R. Hesse. (Mit Taf. XXIY.) 456 


Zur Systematik der Hydroiden. Von Kristine Bonnevie. (Mit Taf. XXV 


bis XXVII und 1 Pig. im Text.) . . . . 00 2 ne 465 
Über den Bau und die Entwicklung der Linse. r Theil. Von C. Rabl. 
Mit Taf. XXVIIE-XXXT und 14 Fig, im Text) Pe 496 
Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Soeben erschien und steht auf Verlangen gratis und franco zu Diensten: 


Ant. Katalog 3%. Zoologie (Bibl. des 7 Herrn 
Professor Dr. Ü. Vogt in Genf.) 1366 Nummern. 


Ferner ist noch in Gültigkeit: 


Katalog 332. Zoologie (Bibl. des F Herrn Professor 
Dr. J. Noll.) 2755 Nummern. 


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Frankfurt a. M. 


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WISSENSCHAFTLICHE ZOOLÖGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen 


Dreiundsechzigster Band 


Viertes Heft 


Mit 14 Tafeln und 20 Figuren im Text 


LEIPZIG 


Verlag von Wilhelm Engelmann | 
1899. 


Ausgegeben den 20. Mai 1898. 


Inhalt. 


Entwicklungsgeschichte von Limax maximusL. II. Theil. Die Larvenperiode. 
Von J. Meisenheimer. (Mit Taf. XXXII—XL u. 20 Fig. im Text.) 573 
Die Keimblätter der Spongien und die Metamorphose von Oscarella (Halisarca). 
Von:O. Maas. (Mit Ta. XL)... . 22 Vs 665 
Das Blutgefäßsystem von Salamandra maculata, Triton taeniatus und Spelerpes 
fuscus; mit Betrachtungen über den Ort der Athmung beim lungen- 
losen Spelerpes fuscus. Von E. Bethge. (Mit Taf. XLII u. XLIIIL) 680 
Unabhängige Entwicklungsgleichheit (Homöogenesis) bei Schneckengehäusen. 
Von Grm: M- v. Linden. : (Mit Taf. XLIV ver ggeer 708 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
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Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 


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Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Soeben erschien: 
Die 
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Privatdocent der Thiermedicin an der Universität Kiel. 
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Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


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WACHSTUM DES MENSCHEN 


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Dr. FRANZ DAFFNER, 


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Eine Studie zur biologischen Morphologie und zur Speciesfrage 


von 


Friedrich Dreyer. 


Mit 25 Figuren im Text und 5 Tafeln in Lichtdruck. 
4. 1898. 4 10.—. 


— Drihogenesis der Schmetterlinge. 


Ein Beweis bestimmt gerichteter Entwicklung und Ohnmacht der 
natürlichen Zuchtwahl bei der Artbildung. 


Die Entstehung der Arten. II. Theil. 


Zugleich eine Erwiderung an August Weismann 
von 


Dr. G. H. THEODOR EIMER 


Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Tübingen. 
Unter Mitwirkung von 


Dr. C. FICKERT 


I. Assistent an der Zoologischen Anstalt daselbst. 


Mit 2 Tafeln und 235 Abbildungen im Text. 
gr. 8. 1897. geh. .% 18.—, geb. .Z 20.50. 


Darwin und nach Darwin. 


Eine Darstellung der Darwin’schen Theorie und Erörterung 


darwinistischer Streitfragen 
von 


George John Romanes 
MA,DTD: ERS 


I. Band: Die Darwin’sche Theorie. Mit Bewilligung des Verfassers aus dem 
Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter. Mit dem Bildnis Charles 
Darwin’s und 124 Figuren im Text. 8. 1892. geh. 4 9.—, geb. # 9.80. 

II. Band:$Darwinistische Streitfr agen. Vererbung und Nützlichkeit. Mit 
Bewilligung des Herausgebers aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. 
Nöldeke. Mit dem Bildnis G. J. Romanes’ und 4 Figuren im Text. 
8. 1895. geh. 4 7.—, geb. 4 7.80. 

III. (Schluss-)Band: Darwinistische Streitfragen. Isolation und physio- 
logische Auslese. Mit Bewilligung des Herausgebers’aus dem Englischen 
übersetzt von Dr.B. Nöldeke. Mit dem Bildnis von Ray 7 5 ick. 
8. 1897. geh. X 3.—, geb. 4 3.80. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


au NN 
3 9088 01316 6087