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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a, d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Neunundsechzigster Band 


Mit 45 Tafeln und 55 Figuren im Text 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


LI0AE 


,040.543 
247 


Inhalt des neunundsechzigsten Bandes. 


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Erstes Heft. 


Ausgegeben den 5. Februar 1901. 
Seite 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. Von Joh. Meisen- 
Bene. (Mit Tat, I XI und 18 Bie. ım Text). . 2... ... 1 


Zweites Heft. 
Ausgegeben den 15. Februar 1901. 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren, zugleich ein Beitrag zur 
Amitosenfrage. Von Julius Gross. (Mit Taf. XIV—XVI und 
Lone exe, a ner. a ae 139 

Beiträge zur Kenntnis der Regenerationserscheinungen bei den Ophiuren. 

Von C. Dawydoff. (Mit Taf, XVII-XVIIL und 3 Fig. im Text.) 202 

Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. Von 
O. Bütschli. (Mit Taf. XIX—XXI und 2 Fig. im Text)... .. 235 


Drittes Heft. 
Ausgegeben den 19. März 1901. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden, nebst sonstigen histo- 
logischen Beobachtungen über diese Gruppe. Von N. Kassianow. 
(DE Ra OCIHE ROY und 11 Fig. im Text)... ........ 2 
Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. Von 
F. Vejdovsky. (Mit Taf. XXVI u. XXVII und 1 Fig. im Text.) . 378 
Untersuchungen über Hämosporidien. I. Ein Beitrag zur Kenntnis des Genus 
Haemogregarina Danilewsky. Von Carl Börner. (Mit Taf. XXVIIL) 398 


Die Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen bei Cyclas 
im Verhältnis zu den übrigen Mollusken. Von Johannes Meisen- 

Deinen (MitTatfı RUE und 9PERig. im Text) . . .. . . neun]? Ne 

Fr, nganen Inss, 


N Nr, / 
ronai Mused__ 


IV 
Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. Von Eugen Botezat. 
(Mit Taf. XXX u. XXXI und 1 Eig. im Text). . . > Fer 
Kleinere histologische Mittheilungen. Von R. S. Bergh. (Mit Taf. XXXII 
und XXXIL). 2 0. Non ee  Beake c  P 


Viertes Heft. 
Ausgegeben den 28. Mai 1901. 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus).. Von Paul 
Mitrophanow. (Mit Taf. XXXIV und XXXV und 3 Fig. im Text.) 
Untersuchungen über die Entstehung der Geschlechtsorgane bei den Üteno- 
phoren. Von August Garbe. (Mit Taf. XXXVI und XXXVIL)... 
Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte, besonders der vordersten 
Halswirbel.e Von Armin Weiß. (Mit Taf. XXXVIII und XXXIX 


und 2. Eig. im Text.) u... 2. wc. 22. pe 
Über die Kiemen der Fische. Von A. Goette. (Mit Taf. XL—XLIH und 
einer Eig, im Text.) . 3... nn. 0 nn in a re 
Der Bau der weiblichen Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. Von 
N. Kulagin. : (Mit Taf. XEV). 27. Bam ar. ee 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. Von Adolf Reiffen. 
(Mit Par. ZLV). genialer 2 me ar 


Seite 


444 


598 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia' polymorpha Pall. 
Von 
Dr. Johannes Meisenheimer. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


Mit Tafel I—XII und 18 Figuren im Text. 


Unter unseren Süßwassermuscheln nimmt Dreissensia polymorpha 
eine bemerkenswerthe Sonderstellung ein, in so fern sie in Bau und 
Entwicklung noch aufs deutlichste ihren Charakter als ursprünglicher 
Meeresbewohner gewahrt hat. Schon unmittelbar vor der Eiszeit in 
ganz Norddeutschland weit verbreitet, wurde sie mit Eintritt der- 
selben nach dem Südosten Europas zurückgedrängt, bis sie endlich 
in historischer Zeit wiederum eine Rückwanderung antrat, deren 
aktive Bethätigung durch die sich stetig vervollkommnenden Ver- 
kehrsmittel und -Wege des Menschen bedeutend erleichtert und unter- 
stützt wurde. Gerade unser Jahrhundert mit seinem ins Enorme 
gesteigerten Wechselverkehr hat in wenigen Jahrzehnten das erreicht, 
was Jahrtausende vorher nicht vermochten. Einige Zahlen, die ich 
der Zusammenstellung E. v. MARTEN’s entnehme, mögen dies be- 
stätigen. 

Dreissensia tratim Ural zuerst 1768 auf, 1824 im Donaugebiet, 1825 
im deutschen Ostseegebiet, 1826 im Rhein, 1828 im Elbegebiet, etwas 
früher (1824) in England und endlich Anfang der sechziger Jahre im 
Loire- und Seinegebiet, so dass sie jetzt über den größten Theil von 
Europa nördlich der Alpen und Pyrenäen verbreitet sein dürfte. 


1 Ich schreibe hier, dem Beispiele einiger anderer Autoren folgend, »Dreis- 
sensia« und nicht »Dreissena«, wie der Name von VAN BENEDEN zuerst gebildet 
wurde. Der Name wurde gegeben nach einem belgischen Apotheker Namens 
DREISSENS, »Dreissena« ist demnach entschieden falsch gebildet, und nach $ 5 
des »Dritten Entwurfes von Regeln für die wissenschaftliche Benennung der 
Thiere im Auftrage der Deutschen Zoologischen Gesellschaft« ist die Änderung 
in den Namen »Dreissensia« wohl berechtigt. | 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Ba. 1 


> Johannes Meisenheimer, 


Im reinen Seewasser vermag sie kaum noch zu leben, höchstens 
noch in Brackwasser, so dass sie also ihrer Lebensweise nach völlig 
als Süßwassermuschel zu betrachten ist. Wenn aber auch neuere 
Untersuchungen sie ihrem anatomischen Bau nach eher als Verwandte 
der Unioniden betrachten möchten und so die früher angenommene 
Zugehörigkeit zur Familie der marinen Mytiliden in Frage stellen, 
so zeigt Dreissensia doch in ihrer Entwicklung noch völlig den Typus 
der marinen Formen. KORSCHELT wurde zuerst auf die Vermuthung 
gebracht, dass Dreissensia noch eine frei schwärmende Larve besitzen 
müsse, und es gelang ihm bald, diese Vermuthung durch direkte 
Beobachtung zur Gewissheit zu erheben, eine Entdeckung, die kurz 
nachher eine Bestätigung durch BLOCHMANN erhielt. Während Cyclas 
und Pisidium die ursprüngliche Larvenform äußerst stark rückgebil- 
det haben, die Unioniden dieselbe sogar gänzlich unterdrückt und 
durch eine Neubildung, die Glochidiumlarve, ersetzt haben, besitzt 
Dreissensia noch eine typische Trochophoralarve, die durch ihren 
Aufenthalt im süßen Wasser noch nichts von ihren Charakteren ein- 
gebüßt, sondern bis in die weitgehendsten Einzelheiten ihren ursprüng- 
lichen Typus bewahrt hat. 

Bevor ich an mein eigentliches Thema herantrete, erfülle ich 
eine angenehme Pflicht, wenn ich zunächst Herrn Prof. KORSCHELT 
auch an dieser Stelle für die gütige Überlassung dieses zwar schwie- 
rigen, aber auch so sehr dankbaren Objektes meinen herzlichsten 
Dank ausspreche, wenn ich ferner der Gesellschaft zur Beförderung 
der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg für ihre Unter- 
stützung, welche mir den mehrmonatlichen Aufenthalt auf der bio- 
logischen Station zu Plön erleichterte, ehrerbietigst danke, und wenn 
ich endlich hervorhebe, wie sehr ich Herrn Dr. OÖ. ZACHARIAS, dem 
Leiter der biologischen Station zu Plön, für die liebenswürdige Unter- 
stützung mit allen Hilfsmitteln der Station bei der z. Th. schwierigen 
Beschaffung des Materials verpflichtet bin. 

Wie ich bereits in einem vorläufigen, kurzen Aufsatze berichtet 
habe, wurde das Material zu der vorliegenden Untersuchung in den 
Plöner Seeen gesammelt. Der Fang der Larven geschah mittels des 
Planktonnetzes, die fast stets reichlich in dem Plankton enthaltenen 
Larven wurden von den übrigen Bestandtheilen derselben getrennt 
und konservirt. Eine nähere Schilderung der Laichzeit, die Anfang 
Juni einsetzt und bis zum Herbste dauert, glaube ich unter Hinweis 
auf den oben erwähnten Artikel in den vorjährigen Plöner Forschungs- 
berichten an dieser Stelle übergehen zu dürfen. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 3 


Nur über die Art der Konservirung will ich das Nothwendigste 
anführen. Für die Furchungsstadien genügten Sublimat und Pikrin- 
schwefelsäure völlig, zum Studium der Organbildung reichten mir 
diese Konservirungsflüssigkeiten nicht völlig aus, wesshalb ich ein 
Osmiumgemisch anwandte, die Hermann’sche Lösung, die sich mir 
bereits bei Limax maximus so vorzüglich bewährt hatte und mir 
auch jetzt die weitaus besten Bilder lieferte. Für die ältesten Stadien 
wandte ich mit gleich günstigem Erfolge die ZENKER’sche Lösung an. 
Eine andere Schwierigkeit als die Fixirung war ungleich schwerer 
zu überwinden. Sowie nämlich die junge Larve Schale und Schalen- 
muskel entwickelt hat, ist sie äußerst kontraktil, sie zieht sich bei 
dem geringsten Reize auf einen unentwirrbaren Klumpen innerhalb 
der Schale zurück und ist so dem Studium nur schwer zugänglich. 
Durch vorsichtigen Zusatz von Cocain gelang es mir schließlich die 
Larven zu lähmen und in diesem Zustande ausgestreckt zu konser- 
viren. Freilich ist es recht schwierig, dabei genau die Zeit abzu- 
passen, wo die Lähmung gerade vollendet ist und eine Auflösung 
der histologischen Elemente noch nicht einzutreten beginnt. So kommt 
es, dass eine ganz untadelhafte Konservirung nur verhältnismäßig 
selten erreicht, aber bei der kolossalen Menge des vorhandenen Ma- 
terials genügten diese wenigen Fälle, um mir eine nach vielen Tausen- 
den zählende Menge von Larven aller Altersstadien zu gewähren, 
deren Konservirung selbst hohen Anforderungen genügen dürften. 


I. Furchung. 

Die Eier von Dreissensia polymorpha werden, wie die der meisten 
marinen Lamellibranchier, frei ins Wasser abgelegt, indem sie in klei- 
nen Bällchen, als weißliche Schleimklümpchen erscheinend, von der 
Muschel ausgestoßen werden, ich kann also die diesbezüglichen An- 
gaben KOoRSCHELT’S voll und ganz bestätigen. Die Eier besitzen 
keine Hüllen, höchstens- sind sie von einem weiblichen Schleim um- 
hüllt, der aber die Eier nur so schwach zusammenhält, dass eine 
geringe sprudelnde Bewegung sie aus einander stieben lässt. Selbst 
eine Dottermembran vermag ich an dem abgelegten Eie nicht mehr 
wahrzunehmen. Wofern es überhaupt eine solche besessen hat, so 
wurde sie wahrscheinlich sofort beim Ausstoßen aus dem Ovarium 
abgestoßen, wenigstens lassen ähnliche Angaben von anderen Formen 
mich Derartiges vermuthen. Yoldia besitzt nach Drew an ihren frisch 
gelegten Eiern wie Dreissensia keine Spur irgend einer Hülle, La- 
mellaria perspieua weist nach GIArD zwar am Ovarialei eine Dotter- 

1% 


4 Johannes Meisenheimer, 


membran auf, nach der Ablage fehlt dieselbe jedoch, in ähnlicher 
Weise beschreibt BARROIS eine Dottermembran (coque) von Mytilus 
edulis, die sofort beim Ausstoßen des Eies im Wasser verloren geht. 
HATSCHER beobachtete noch am ungefurchten Eie eine Membran, 
konnte dieselbe aber bereits auf dem zweizelligen Stadium nicht mehr 
nachweisen, wie er meint, in Folge einer Resorption desselben von 
seiten des Eiplasmas. Endlich beschreibt auch LovEn eine Dotter- 
membran für die Eier von Modiolaria und Cardium exiguum. Letzteres 
besitzt sogar außerdem noch eine deutliche weit abstehende Hülle. 

Die Süßwassermuscheln besitzen durchgehends eine deutliche 
Dottermembran, so Cyclas nach ZIEGLER und STAUFFACHER und 
Pisidium nach Ray LANKESTER Während sie bei ersterer schon 
frühzeitig verloren geht, hält sie sich bei letzterem bis zur Gastru- 
lation. Eine besondere Modifikation der Eihülle weist Unio auf. Die- 
selbe trägt eine wohl entwickelte Mikropyle, die übrigens auch Cyclas 
aufweist, und umgiebt das sonst völlig nackte Ei in weitem Abstand, 
eine eiweißartige Flüssigkeit, in welcher das Ei schwimmt, um- 
schließend. Wenn diese Hülle, wie LILLIE annimmt, mit der Dotter- 
membran identisch ist, so bleibt jedenfalls das Auftreten der eiweiß- 
artigen Flüssigkeit sehr auffallend, da deren Vorhandensein bei den 
Mollusken in der Regel an sekundäre Hüllen gebunden ist. 

Befruchtung und Richtungskörperbildung finden im freien Wasser 
statt. Abgeschnürt werden normalerweise zwei Richtungskörper, 
hierauf verschmelzen männlicher und weiblicher Vorkern (Taf. I, 
Fig. 1), um sich zur ersten Furchungsspindel auszubilden. Das un- 
segmentirte Ei hat in der Regel einen Durchmesser von S0—60 u 
und diese Größe behält der Keim bis zur Ausbildung der Larve bei, 
ja oftmals sinkt dieselbe, wohl in Folge des Dotterverbrauchs, noch 
unter 50 u. Im Allgemeinen sind also die Größenverhältnisse etwas 
schwankend und dieses Schwanken wird noch verstärkt durch die Wir- 
kung der verschiedenen Reagentien, je nachdem dieselben Schrum- 
pfungen oder Quellungen zum Gefolge haben. Auf diese Weise können 
die Unterschiede recht bedeutende werden. 

Doch kehren wir zurück zu dem unsegmentirten Ei, das in sich 
die Spindel zur ersten Theilung trägt (Taf. I, Fig. 2.) Dieselbe führt 
zu einem Zerfalle des Eies in zwei ungleich große Hälften, einer 
kleineren Zelle (AB) und einer größeren (CD) (Taf. I, Fig. 5)!. Über 


1 Ich folge in der Nomenklatur der Furchung möglichst der von WILSON 
und LILLIE angenommenen, da dieselbe für den eigenthümlich unregelmäßigen 
Verlauf der Furchung von Dreissensia ungleich übersichtlicher ist als das System 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 5 


die Richtung dieser ersten Spindel kann das zweizellige Stadium an 
sich keine Auskunft geben, wenden wir uns desshalb sofort dem 
vierzelligen zu. Beim Übergang zu demselben sehen wir in Fig. 4 
auf Taf. I zwei schief gerichtete Spindeln in je einer Zelle liegen, 
beide auf nahezu gleicher Ausbildungsstufe.. Vom Standpunkte eines 
in die Mittelachse des Eies gestellten Beobachters aus sind die Spin- 
deln von links unten nach rechts oben gerichtet, wir bezeichnen nach 
LitLıE eine derartige Richtung als dexiotrop. Die Richtung der 
ersten Furchungsspindel lag in rechtem Winkel zu der zweiten, sie 
‘war demnach von rechts unten nach links oben gerichtet, oder, 
kurz gesagt, leiotrop. Ich habe dies in der Stellung der Fig. 4 aus- 
gedrückt. 

Das Resultat dieser beiden Theilungen ist also ein vierzelliges 
Stadium, bestehend aus drei etwa gleich großen, kleineren Zellen 
(A, B, €) und einer einzigen größeren (D) (Taf. I, Fig. 5). Zuweilen 
nähern sich alle Zellen in ihrer Größe sehr stark, so dass ein fast 
regelmäßiges vierzelliges Stadium zu Stande kommt, wie es ähnlich 
LitLıe für Unio vom achtzelligen Stadium erwähnt. Es ist schwer 
zu sagen, in wie weit ein derartiges Verhalten als pathologisch zu 
deuten ist, und ob es überhaupt fähig ist, eine normale Larve zu liefern. 

Auffallend ist die gleichzeitige Theilung der Makromere und 
Mikromere des zweizelligen Stadiums, in der Regel finden sich bei 
den Lamellibranchiern in der Theilung beider Zellen größere oder 
geringere Zeitdifferenzen. Dies äußert sich auch hier. In vielen 
Fällen eilt die größere Zelle der kleineren etwas voraus, derart, dass, 
wenn erstere sich im Stadium der Tochterplatten befindet, letztere 
gerade die Äquatorialplatte ausgebildet hat. Auch in Fig. 4 ist eine 
geringe Differenz in dem Auseinanderweichen der Tochterplatten 
beider Zellen wohl zu erkennen, CD ist deutlich etwas voran. Auch 
‚bei Unio theilt sich die größere Zelle schneller als die kleinere, um- 
gekehrt ist es bei Teredo, Cyclas, Nereis und anderen. 

Aber nochmals müssen wir die beiden Theilungen genauer ins 
Auge fassen. Die Richtung der ersten Spindel von Dreissensia war 
leiotrop, die zweite dexiotrop, bei allen übrigen bisher untersuchten 
Formen, die nicht dem umgekehrten spiraligen Typus angehören 
wie beispielsweise Physa, ist umgekehrt die erste dexiotrop, die 
zweite leiotrop. Und Dreissensia gehört dabei durchaus nicht etwa 
diesem umgekehrten spiraligen Typus an, wie die späteren Theilungen 


Koroıp’s, und dann dadurch die mancherlei Vergleichspunkte mit den Unioni- 
den und Anneliden sich einfacher darstellen lassen. 


6 Johannes Meisenheimer, 


zeigen werden. Zwar wird bei Beginn der nächsten Theilung dieser 
Eindruck zunächst noch hervorgerufen, in so fern die Spindel der- 
selben dem Gesetze der abwechselnden Lagerung folgend sich etwas 
nach links hin wendet (Taf. I, Fig. 8), aber noch ehe die völlige 
Theilung sich vollzogen hat, erfährt sie eine Drehung nach rechts oben 
hin (beide Mal vom Standpunkte eines im Centrum stehenden Beob- 
achters aus gerechnet), und nach der Theilung ist die dexiotrope Rich- 
tung deutlich ausgeprägt (Taf. I, Fig. 10). Es ist dies ein höchst eigen- 
thümliches Verhalten, in so fern zwei auf einander folgende Spindeln 
direkt über einander liegen, von nun an nimmt die Furchung regelmäßig 
denselben Verlauf, als sei die zweite Furchung leiotrop verlaufen, d. h. 
die dritte ist dexiotrop, die vierte leiotrop u. 8. f. Die eben geschilderten 
Vorgänge sind von Bedeutung für die Art der Benennung, denn es liegt 
nun naturgemäß C als Theilungsprodukt von CD auf der linken Seite, 
A als Theilungsprodukt von AB auf der rechten, während bei den an- 
deren Formen, wie Unio, Nereis ete. das Umgekehrte der Fall ist. Es ist 
dies später stets im Auge zu behalten. Vielleicht hat diese Erscheinung 
Beziehung zu Beobachtungen, wie sie bei einigen Formen, so namentlich 
bei Crepidula von COnKLIn gemacht wurden, dass das eine oder andere 
Quartett plötzlich eine entgegengesetzte Spindelrichtung bei der Thei- 
lung zeigte. Doch geschieht dies bei jenen Formen stets erst auf 
älteren Stadien (bei Crepidula ist a,.1.. bis d,.,.. ein solches Quartett). 

Doch wir griffen der Entwicklung mit der Darstellung dieser 
Vorgänge etwas vor. Die Ausbildung der eben besprochenen Spindel 
ist nämlich von höchst eigenthümlichen Erscheinungen, die sich am 
Eiplasma abspielen, begleitet. Genau am animalen Pole beginnt 
nämlich ein Plasmahöcker sich vorzuwölben (Taf. I, Fig. 6), der zu- 
nächst in kleinen Tropfen vorquellend, allmählich beträchtlich an- 
schwillt (Taf. I, Figg. 7, 8). Ursprünglich steht er ohne jeden Zusam- 
menhang mit der Kernspindel; dieselbe bildet sich in der vegetativen 
Hälfte von D aus, rückt aber bald animalwärts und tritt schließlich 
mit ihrer einen Hälfte oder sogar noch weiter in den Plasmahöcker 
ein (Taf. I, Fig. 7). Es erfolgt sodann die Theilung des Kernes (Taf. I, 
Fig. 9), und damit verbunden eine Rückwanderung oder Verschiebung 
der Theilprodukte ins Innere. Der Plasmahöcker verstreicht gleich- 
zeitig mit diesen Erscheinungen (Taf. I, Fig. 9. Wenn sodann die 
eigentliche Zelltheilung stattgefunden hat, liegt die neu entstandene 
Zelle rechts von der Mutterzelle am animalen Pole, immer wieder zu- 
nächst nur vom Standpunkte eines im Centrum stehenden Beobachters 
aus gerechnet, in Bezug auf den Embryo selbst liegt sie links, wie 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 7 


‘wir bald aus einander setzen werden. Die Vorwölbung hat sich wie- 
der völlig ausgeglichen und nichts ist mehr von diesem sonderbaren 
Vorgange zu bemerken. 

Unwillkürlich erinnert derselbe an die Erscheinung, die genauer 
zuerst von BOBRETZKY bei Nassa beschrieben wurde und dann von 
Ilyanassa durch CrAmpron bestätigt wurde. Und doch ist ein Ver- 
gleich beider kaum durchzuführen. Dort — ich diskutire hier nur 
das vierzellige Stadium, da bei Dreissensia auf dem zweizelligen 
Stadium nichts Derartiges zu bemerken ist — ist die Theilung der 
größeren Zelle nur eine scheinbare, indem sich einfach die größere 
Masse des Dotters als »Dottersack« von der kleineren des eigentlichen 
Protoplasmas abschnürt, um bald wieder mit ihr zu verschmelzen, 
hier ist die Theilung eine wirkliche, und während demnach hier 
nach diesem Vorgang direkt das fünfzellige Stadium fertig ausgebildet 
auftritt, bleibt dort das vierzellige Stadium noch bestehen. Außer- 
lich sehen sich beide Vorgänge außerordentlich ähnlich, man ver- 
gleiche beispielsweise die Fig. 7 auf Taf. VIII in BoBrErzky’s Ab- 
handlung mit meiner Fig. 7. Eine völlige Abschnürung ist freilich 
wohl nicht anzunehmen — darin muss ich CArazzı Recht geben — 
sondern es ist nur eine tiefsehende Sonderung des dotterhaltigen und 
dotterarmen Plasmas, eine Verbindungsbrücke wird stets erhalten 
bleiben, und so mögen Bilder, wie die Fig. 3 BOBRETZKY’s wohl patho- 
logisch sein, im Übrigen bleibt die Erscheinung jedoch bestehen. 

Ähnliche Vorgänge, wie bei Nassa, scheinen aber trotzdem bei 
Muscheln ebenfalls vorzukommen, wenigstens lässt die Schilderung 
der Furchung von Modiolaria durch Lovsn auf ein ähnliches Ver- 
halten schließen, eben so diejenige BRoor’s von Ostrea. Weiter ver- 
breitet sind diese Vorgänge endlich noch bei den Anneliden, so bei 
Myzostoma nach KosTtAneckı, bei Chaetopterus nach MEAD, stets 
unter denselben Erscheinungen (vorzugsweise auf dem zweizelligen 
Stadium) auftretend und wieder verschwindend. MeAD glaubte zu- 
erst, eine Abstoßung dieses »Dottersackes« nachgewiesen zu haben, 
erklärte diese Beobachtung jedoch später selbst für einen Irrthum. 
Eine Erklärung dieser Vorgänge zu geben, dürfte augenblicklich noch 
recht schwierig sein, nicht weniger schwer als diejenige des Ver- 
haltens von Dreissensia. Nur ein reichhaltigeres Beobachtungsmaterial 
als das bisher in der Litteratur vorliegende vermag hier wohl Aus- 
kunft zu geben. 

Doch kehren wir zur eigentlichen Furchung zurück. Die Thei- 
lung der größeren Zelle D lieferte als ihr erstes Theilprodukt die 


8 Johannes Meisenheimer, 


Zelle d,, und unmittelbar ihrer Theilung schließen sich die übrigen 
drei kleineren an, ohne dieselben komplieirten Verschiebungen durch- 
zumachen. Die Richtung der Spindeln ist von vorn herein dexiotrop, 
verläuft also völlig normal (Taf. I, Figg. 9, 30). Stets theilen sich 
alle drei Zellen völlig gleichmäßig, nicht in unregelmäßiger Folge, 
wie es LILLIE von Unio angiebt. Die neuen Theilprodukte nennen wir 
a, d,, €, ihre Lage ergiebt sich aus der Lage ihrer Mutterzellen. Dass 
der Quadrant D stets vorauseilt, ist eine bemerkenswerthe Thatsache, 
die sich auch auf späteren Stadien stets wiederholt. Gleich ausgeprägt 
findet sich diese Erscheinung bei den Unioniden und bei Anneliden. 

Das Ergebnis dieses Theilungseyklus ist also ein achtzelliges Sta- 
dium von regelmäßigem Bau, vier größere Zellen bilden die untere 
Seite, und zwischen diesen gelagert vier kleinere die obere Hälfte. 
Kreuzfurchen, oder wie CONKLIN sie nennt, Polfurchen sind nur un- 
deutlich entwickelt, selbst auf dem vierzelligen Stadium traf ich sie 
nie so stark ausgebildet, wie sie LILLIE für Unio darstellt, wenn sie 
auch immerhin vorhanden sind. Bei der Orientirung leisten sie nur 
sehr geringe Dienste. 

Betreffs der Orientirung dieses Stadiums will ich hier voraus- 
sreifend bemerken, dass die große Zelle D die Hinterseite, die spä- 
tere Schalendrüsenseite, darstellt, 3 die Vorderseite, € und A links 
und rechts. Wir werden noch des öftern darauf zurückzukommen 

haben, nur auf einen Punkt will ich jetzt 

Ja noch die Aufmerksamkeit lenken. Die ge-: 
waltige Ausdehnung der hinteren Zelle D 

v>: hat eine starke Verschiebung des animalen 
Poles nach vorn zur Folge, so dass eine in 

der Ebene der vegetativen Zellen in deren 
Berührungspunkte errichtete Normale mit der 

/») in gleicher Weise durch den animalen Pol 
gezogenen einen schiefen Winkel bildet 

I (Textfig. 1. Wir werden diese Verschie- 
K 2 denya,. ung bald noch weiter zunehmen sehen und 
ten Seite, die Verschiebung von Später ihre direkten Beziehungen mit der 
Me her "oe ausgebildeten Larvenform kennen lernen. 

al Doch fahren wir in der Furchung selbst 
weiter fort. Der nächste Theilungscyklus führt uns über zu dem 
16zelligen Stadium, freilich nieht direkt, sondern in einer Reihe ein- 
zelner Stufen, deren sämmtliche Spindeln leiotrop gerichtet sind; 
d. h. also von rechts unten nach links oben. Die erste dieser Stufen 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 9) 


führt zum neunzelligen Stadium, dessen Bildung wir in Fig. 12 auf 
Taf.-I vor uns sehen. Eine kleinere vegetative Zelle wird in dem 
hinteren Quadranten von einer größeren animalen getrennt, erstere 
bildet den Rest der großen Zelle D, letztere stellt das zweite Deri- 
vat derselben dar, also d,. Diese Zelle ist ven größter Bedeutung 
für den weiteren Verlauf der Furchung und den späteren Aufbau 
der Larve, wir wollen sie nach dem von den Anneliden übertragenen 
Ausdruck als ersten Somatoblasten und abgekürzt mit dem Zeichen X 
im Anschluss an Wırson und LirLıE bezeichnen. 

Sehr große Schwierigkeiten bereitet die Darlegung der Thei- 
lungen der übrigen Zellen, da diese in ihrer Reihenfolge außerordent- 
lich variiren. Festliegend ist nur das Endziel, das 16zellige Stadium, 
im Übrigen folgen die Theilungen völlig regellos auf einander, theils 
im unteren, theils im oberen Quartett. Als Beispiele wollen wir die 
Figg. 12—14 auf Taf. I und II betrachten. In Fig. 12 sehen wir 
in A und B die Kerne sich zur Theilung auflösen, C ist in Ruhe, 
und eine Betrachtung des animalen Poles ergiebt gleichfalls einen 
ruhenden Kern und drei Spindeln. In Fig. 15 dagegen ist d, den 
übrigen etwas voraus, es folgt dann a,, d, und cs. A—( am vege- 
tativen Pole weisen Spindeln auf. In Fig. 14 endlich ist am anima- 
len Pole wiederum d, den übrigen etwas voraus, während die vege- 
tativen Zellen A, B und C ungefähr die gleiche Ausbildung der 
Spindel zeigen. Eigenthümlicherweise zeigt dieses Stadium in A 
einen Triaster, ohne dass im Übrigen die normale Lage der Zellen 
im geringsten gestört erscheint. Was ich bei diesen Theilungen aber 
wieder hervorheben möchte, ist das Vorauseilen des Quadranten d, 
am animalen Pole, entsprechend D am vegetativen Pole, mag die 
Differenz dort auch weniger auffallend sein und mag es auch nicht 
die absolute Regel bilden. Denn einzelne Stadien habe ich ange- 
troffen, wo außer D sämmtliche übrigen Zellen genau das gleiche 
Theilungsstadium aufwiesen. Dies ist der seltenste Fall, häufiger ist 
schon wenigstens die gleichzeitige Theilung von A—C. Die Ver- 
schiebung des animalen Poles nach vorn ist deutlich wahrzunehmen, sie 
hat sich sogar noch verstärkt, man vergleiche nur Fig. 14 mit Fig. 11. 

Etwas näher betrachten müssen wir uns wieder das 16zellige 
Stadium, wie ich es in Fig. 15 und 16 auf Taf. II vom animalen und 
vegetativen Pole dargestellt habe. Nach dem unregelmäßigen Verlaufe 
der Theilungen selbst ist die jetzt wiedergewonnene Regelmäßigkeit 
ganz überraschend. Dieselbe entspricht streng dem spiraligen Typus. 
Zu oberst liegt das Quartett a,, d,, ca, dı, es folgt sodann zwischen 


10 Johannes Meisenheimer, 


denselben das Quartett @., d4-.1, c.ı und dı.,, sodann a, da, ©, da 
und endlich A, B, C, D. Störungen verursacht an der hinteren 
Seite nur die excessive Entwicklung von d,, wo die Zelle a,., auf 
der rechten Seite etwas aus ihrer Lage gedrängt erscheint. 


Weit umfangreicher sind jedoch die Störungen am vegetativen 
Pole. Gehen wir von den vier Zellen am animalen Pole aus (a, —d,), 
so ist die vegetative Zellenscheibe, bestehend aus A, B, C und D, 
nunmehr ganz beträchtlich zu ersteren seitlich verschoben, oder mit 

anderen Worten, eine durch B und D 

7 gezogene Linie wird mit der durch b, 

und d, gezogenen einen beträchtlichen 

Winkel bilden (Textfig. 2). Dieses Ver- 

halten, das schon jetzt scharf ausge- 

prägt ist, erhält sich bis auf späte 

Stadien, ich kann auf seine Bedeutung 

erst später eingehen. Ich will hier nur, 

wiederum vorausgreifend, bemerken, 

dass ich der leichteren Übersicht hal- 

| ber, wie vorher die Zelle D, so jetzt 

Textfig. 2. ihren weitaus größten Bestandtheil, 

Sechzehnzelliges Stadium vom animalenPole, nämlich X, konsequentermaßen "als 

die Verschiebung beider Pole gegen R 

einander zeigend. hinten annehmen muss, während sich 

die übrigen Zellen um sie in der be- 

reits angedeuteten Weise gruppiren. Die oben erwähnte Symmetrie- 

ebene des animalen Poles fällt sodann ziemlich genau mit der Hal- 

birungslinie des ersten Somatoblasten zusammen, die des vegetativen 
Poles dagegen nicht. 


Dieses 16zellige Stadium bildete den letzten, wenn ich so sagen 
darf, Ruhepunkt in der Furchung, von nun an folgen die Theilungen 
ununterbrochen auf einander. Bei Unio scheint dieses 16zellige 
Stadium nur ganz vorübergehend ausgebildet zu sein, da LiLLıe direkt 
das 17zellige Stadium an das 13zellige anschließt. 


Die neuen Theilungen heben wiederum an mit dem hinteren 
(Juadranten, indem die Zelle X (d,) eine Tochterzelle abgiebt, und 
zwar nach rechts unten, auf dem Wege einer dexiotropen Theilung 
(Taf. II, Fig. 17%). Die neugebildete Zelle, welche wir als erstes 
Derivat von X mit dem Zeichen z; versehen wollen, schließt sich 
ihrer Lage nach unmittelbar an D an, dieselbe in Gemeinschaft mit 
A, B, C und c, umschließend. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 21: 


Die untere Hälfte des Eies verlassend müssen wir nun unsere 
Aufmerksamkeit dem animalen Pole zuwenden, an dem sich eine An- 
zahl wichtiger Theilungen vollzieht, eingeleitet durch die Theilung 
von dı., (Taf. II, Fig. 24), der sich bald die von a,., d,., und c,.ı 
anschließen. Die Richtung der Spindeln verläuft von links unten 
nach rechts oben, ist also dexiotrop. In diesen Theilungseyklus schiebt 
sich zeitlich ein zweiter ein, nämlich derjenige des direkt den animalen 
Pol bildenden Quartetts. Derselbe beginnt mit d,, es folgen a, und 
c, und schließlich d, (Taf. III, Fig. 25). Bei allen diesen Theilungen 
ist der zeitlich frühere Eintritt der Theilung in dem hinteren Qua- 
dranten offenbar, es folgen sodann rechte und linke Seite, wobei erstere 
in der Regel ein wenig vor der letzteren voraus ist, und endlich voll- 
endet der vordere Quadrant den Cyklus. Dies ist wenigstens das 
Verhalten in der Mehrzahl der Fälle, eine Variation innerhalb ge- 
wisser Grenzen kann ich jedoch nicht in Abrede stellen. Es standen 
mir beliebige Mengen aller dieser Stadien zur Verfügung, ich habe 
stets eine größere Zahl genau untersucht und aufgezeichnet, aber es 
würde von nur geringem Interesse sein, sich hier noch weiter in 
einzelnen Beispielen zu verbreiten. Es genügt mir, nochmals hervor- 
zuheben, dass die oben gegebene Reihenfolge der einzelnen Qua- 
dranten nicht durchaus unveränderlich fixirt ist, so kann z. B. der 
vordere Quadrant den rechten oder linken überholen, am häufigsten 
wiederum den letzteren, nie aber erstreckt sich die Variation so weit, 
dass der hintere Quadrant vor den übrigen zurückbliebe. 

Diese Theilungen haben die Zahl der ersten Ektodermgeneration 
auf 16 erhöht, ihr stehen neun andere Zellen gegenüber, von denen 
nur vier dem eigentlichen vegetativen Pole angehören, so dass noch 
fünf Zellen zurückbleiben, die ausschließlich der zweiten Ektoderm- 
generation angehören, einschließlich der des ersten Somatoblasten und 
dessen erstem Derivate z,. Hierzu treten nun noch zwei neue Zellen, 
die während der eben beschriebenen Vorgänge am animalen Pole 
sich am vegetativen Pole ausgebildet haben. Die eine derselben wird 
dargestellt durch d, (Taf. II, Figg. 18, 20), die erste Zelle der dritten 
Ektodermgeneration bildend. Die Richtung der Theilungsspindel ent- 
spricht derjenigen von z,, ist also dexiotrop. Die zweite Zelle, um 
welche es sich hier handelt, wird wiederum von X abgeschnürt, aber 
nun nach der z, gegenüberliegenden Seite, d. h. also nach links unten, 
auf dem Wege einer leiotropen Theilung. Ihrer Lage nach schließt 
sie sich dicht an das kurz vor ihr gebildete d, an, so dass die Zeile 
D nunmehr von einem Kranze kleinerer Zellen umgeben ist, der nur 


1 Johannes Meisenheimer, 


noch eine kurze Berührungsstrecke mit X frei lässt. Es sind diese 
Zellen, rechts beginnend, &, A, B, ©, ca, d, und endlich 22. 

Ohne sich völlige Ruhe zu gönnen, setzt der Keim seine Theilungen 
fort, zunächst einige weniger wichtige vollziehend, welche zum Zerfall 
von & in ©., und c9., führen und z, in z..; und z,., zerlegen. Von 
dem Quartett der zweiten Ektodermgeneration hatte sich bis jetzt nur 
d, = X wiederholt getheilt, es folgt also nunmehr c, (Taf. I, Fig. 21), 
während a, und d, noch in Ruhe verharren, ein Zustand, der sich 
erst auf einem weit älteren Stadium ändern wird. Die Theilung von 
x, (Taf. II, Fig. 22) bietet kein besonderes Interesse dar. | 

Die eben erwähnte Theilung hat sich noch nicht völlig vollzogen, 
so folgen die vegetativen Zellen nunmehr dem Beispiele von D zur 
Vollendung der dritten Ektodermgeneration durch Abgabe je einer 
neuen Zelle, a,, 3, c.. A ist in der Regel den übrigen etwas voraus, 
es folgen sodann 3 und endlich C (Taf. I, Figg. 22, 25). Diese 
Regel gilt wiederum nicht unbedingt, zuweilen sind B und C der 
Zelle A voraus, oder auch wieder B allein den beiden anderen. 

Den unteren Pol verlassend kehren wir zum animalen Pole 
zurück, an dem sich jetzt eine Anzahl der bedeutungsvollsten Thei- 
lungen abspielt. Vorweg nehmen wir zunächst die erneute Theilung 
von z, welche ein drittes Derivat dieser mächtigen Zelle, x;, liefert 
(Taf. III, Fig. 26). Dieselbe wird nahezu in der Medianebene nach 
dem animalen Pole hin abgegeben, später ist jedoch deutlich zu er- 
kennen, dass die betreffende Zelle sich etwas nach rechts verschiebt 
und diese Lage konstant beibehält (Taf. III, Figg. 27, 28). 

Von größerer Wichtigkeit aber sind für uns augenblicklich die 
Zellen des animalen Poles. Dieselben erfahren eine plötzliche, be- 
deutende Vermehrung von 16 auf 25 Zellen, hervorgerufen durch die 
Theilung von d,, sowie die T'heilungen des ganzen Quartetts 1.1. 
und ,.1.„. Eingeleitet werden dieselben durch d,, dessen Spindel 
nahezu äquatorial liegt und zur Bildung von dı.; führt (Taf. II, 
Figg. 26, 27). Es folgt sodann zunächst wieder der hintere Qua- 
drant der beiden übrigen Quartetts, und sodann der Rest (Taf. II, 
Figg. 26—28). Im Einzelnen ist noch zu bemerken, dass in der 
Regel das Quartett ....„. dem näher am animalen Pole gelegenen ;.ı-ı 
etwas voraus eilt, während andererseits vordere und rechte Seite der 
linken voraus sind. Auch diese Regel bedarf der Einschränkung 
einer Variation innerhalb gewisser Grenzen. Am größten ist die- 
selbe innerhalb der einzelnen Quartetts in Rücksicht auf die ein- 
zelnen Quadranten, sehr gering dagegen nur im Verhältnis der bei- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 13 


den Quartetts zu einander, ,.,.„ pflegt sich in den weitaus meisten 
Fällen zuerst zu theilen. Auf die Bedeutung dieser starken 
Zellvermehrung am animalen Pole müssen wir später ausführlich 
zurückkommen. 

Etwa gleichzeitig oder kurz auf diese Theilungen folgen einige 
weitere näher am unteren Pole. Von hohem Interesse sind zunächst 
die Theilungen von 5, und a,. Diese zweite Ektodermgeneration 
zeigt die größte zeitliche Differenz hinsichtlich der Theilung ihrer 
einzelnen Quadranten. Die erste Theilung fand nach dem 16zelligen 
Stadium statt unter Bildung von x, oder da... Es folgte sodann & 
nach dem 27zelligen Stadium unter Bildung von c,.;, und c,... Jetzt 
erst nach dem 42zelligen Stadium erfolgt die Theilung der beiden 
noch übrigen Quadranten a, und db, in ay.,, ag.9, bezw. dy.; und by... 
Die Richtung der Spindel ist in allen vier Quadranten deutlich er- 
kennbar dieselbe (Taf. III, Fig. 29), nämlich dexiotrop. 

Von größerer Wichtigkeit für die Differenzirung des Keimes ist 
jedoch eine nahezu gleichzeitig sich vollziehende Theilung direkt am 
vegetativen Pole, ich meine diejenige von D zur Abgabe einer vierten 
Generation. D zerfällt durch diese Theilung in eine vordere kleinere 
und eine hintere größere Zelle, welch letztere gegen erstere etwas nach 
rechts verschoben erscheint (Taf. III, Figg. 30, 29). Die neugebildete 
Zelle d, nimmt gegenüber allen anderen eine ähnliche Sonderstellung 
ein, wie schon vorher der erste Somatoblast, wir wollen diese Zelle 
vorläufig als zweiten Somatoblasten bezeichnen, wiederum die Nomen- 
klatur der Anneliden zu Rathe ziehend, abgekürzt —= M. 

Eine weitere Theilung, auf die ich besondere Aufmerksamkeit 
lenken möchte, spielt sich wiederum an X ab. Dieselbe giebt vor 
ihrer ersten Bilateraltheilung noch eine letzte Zelle ab, z,, deren 
Theilungsspindel höchst eigenthümliche Lageverschiebungen durch- 
zumachen hat. Dieselbe liegt nämlich zumeist völlig horizontal, in 
ihrer Äquatorialplatte genau die spätere Symmetrieebene kennzeich- 
nend, so dass wir hier scheinbar die Spindel zur ersten Bilateral- 
theilung vor uns haben (Taf. III, Fig. 30), aber eben nur scheinbar, 
denn mit der Ausbildung der Tochterplatten erfährt die Spindelachse 
eine Drehung, so dass sie schließlich schräg von rechts hinten und 
oben nach links vorn und unten gerichtet ist (Taf. III, Fig. 31). Dem 
entsprechend liegt das neu entstandene Produkt von X als x, in der 
Lücke zwischen 23 und z,, so dass X und M, die beiden Somato- 
blasten, nunmehr gänzlich durch eine Zellenreihe von einander ge- 
trennt sind. 


14 Johannes Meisenheimer, 


Ehe wir uns den erneuten Theilungen beider Somatoblasten zu- 
wenden, die zur scharfen Ausprägung der bilateralen Symmetrie des 
Keimes führen, will ich erst noch einige untergeordnete Theilungen 
anführen, um das Gesammtbild zu ergänzen. Die eine dieser Thei- 
lungen bezieht sich auf c,.,, dieselbe entspricht innerhalb ihres Quartetts 
derjenigen von z,, in welcher Zelle wir ja den Repräsentanten von 
d,., vor uns haben. Die erwähnte Theilung führt zur Bildung von 
9.2.1, und c9.9.2 (Taf. III, Figg. 32 und 35). Die Theilung der übrigen 
zu diesem Quartett gehörigen Quadranten habe ich nicht mehr zu 
verfolgen vermocht. | 

Die zweite, noch anzuführende Theilung ist diejenige von 2,., 
(Taf. II, Figg. 35, 34). Sie ist zeitlich bereits nicht mehr völlig scharf 
präeisirt, so sehen wir sie in Fig. 33 sich vor der bilateralen Theilung 
von x vollziehen, in Fig. 34 nach derselben. z,.,.„ schiebt sich dabei 
allmählich an z,., vorbei, bis es schließlich M erreicht und nun an der 
Umgrenzung derselben Theil nimmt, seinerseits umschlossen von z;., 
274.1 UA. Tara). 

Etwas vorgreifend muss ich endlich hier zunächst noch einige 
weitere Veränderungen am animalen Pole anführen, welche die Zellen 
der ersten Ektodermgeneration wiederum um vier vermehren, so dass 
dieselben alsdann die Zahl 29 erreichen. Wir hatten oben gesehen, 
dass die Quartetts ,.,., und ..... Sich völlig getheilt hatten, dass ferner 
d, eine erneute Theilung unter Bildung von d,., erfahren hatte, jetzt 
vollendet das letztere Quartett seine Theilung unter Bildung von a,.;, 
bi:3, €ı.3 (Taf. IV, Fig. 5%). Gleichzeitig beginnt auch das letzte der 
vier ursprünglichen Quartetts in die Theilung einzutreten, wiederum 
ist es der hintere Quadrant d,.., welcher den übrigen vorauseilt, die 
beiden neuen Zellen d,...; und d,.9., bildend. Die Spindel liegt genau 
eben so wie vorher diejenige von d, gelegen hat, d. h. nahezu äqua- 
torial (Taf. IV, Fig. 37). Die Theilung der drei noch übrigen Zellen 
des betreffenden Quartetts zu verfolgen, scheiterte an der immer 
unsicherer werdenden Diagnostieirung der einzelnen Zellen, da jede 
Orientirungsmarke am animalen Pole verloren geht. Bereits auf dem 
abgebildeten Stadium von Fig. 37 habe ich auf eine genaue Be- 
zeichnung der meisten Zellen verzichtet. Ohne dass es zur Ausbildung 
regelmäßig angeordneter Zellkomplexe käme, wie beispielsweise bei 
den Anneliden und Prosobranchiern, treten sich stets steigernde Ver- 
schiebungen auf, so dass wir schließlich nur noch zwei Komplexe 
innerhalb der ersten Ektodermgeneration festzuhalten vermögen, eine 
centrale Zellenplatte direkt am animalen Pole und einen dieselbe um- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 15 


gebenden Ring von Zellen, im Wesentlichen bestehend aus den Quartetts 
Br und \,.1.9- | 

Doch kehren wir zum unteren Pole zurück. Zwei Theilungen 
sind es vor Allem, die jetzt unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken, 
die ersten Bilateraltheilungen der beiden Somatoblasten. Fassen wir 
zunächst Fig. 33 und 34 auf Taf. III ins Auge. In ersterer Figur tritt 
eine Spindel in X auf, während z.., sich eben in Theilung befindet, 
alles Übrige ist in Ruhe. Diese Theilung zerlegt X in zwei bilaterale 
Hälften, wie Fig. 34 zeigt. Unmittelbar auf diese Theilung des ersten 
Somatoblasten folgt diejenige des zweiten (Taf. III, Fig. 34) und zer- 
legt auch M in zwei bilaterale Hälften, wie beispielsweise Fig. 38 
auf Taf. IV zeigt. 

Diese eben geschilderte Zeitfolge der beiden Spindeln auf ein- 
ander scheint der normale Gang der Entwicklung zu sein, daneben 
liegt mir aber eine zweite Serie von Präparaten vor, welche den- 
selben etwas anders darstellen, ohne dass ich Grund hätte, den einen 
oder anderen beider Typen für anormal zu halten. Nämlich in Fig. 35 
auf Taf. III tritt eine bilateral gerichtete Spindel in M vor der Theilung 
von X auf und in Fig. 36 erfolgt thatsächlich die Theilung von X 
erst nach der Theilung von M. Der Komplex der Derivate von X 
erscheint auf dieser Fig. 36 sehr stark ausgedehnt, in Folge einer 
bedeutenden Abflachung, welche die Zellen durch innere vorüber- 
gehende Vorgänge erlitten haben, auf die ich weiter unten kurz im 
Zusammenhange zu sprechen komme. 

Ein derartiges schwankendes Verhalten, wie wir es eben in dem 
Auftreten der beiden ersten Bilateraltheilungen wahrgenommen haben, 
nöthigst uns, eine immer größer werdende Variation der Zellfolge 
innerhalb der bisher ziemlich fest umschriebenen Grenzen anzunehmen, 
zumal uns eine Betrachtung anderer Zellkomplexe Ähnliches lehrt. 
In Fig. 35 hat die Zelle z,., die Theilung der Tochterplatten bereits 
vollzogen, während X sich erst zur Theilung anschickt, in Fig. 35 
ist sie bereits völlig getheilt, während M die Spindel zur Bilateral- 
theilung angelegt hat, und in Fig. 34 endlich befindet sie sich erst 
in Vorbereitung zur Theilung, während X schon völlig bilateral ge- 
theilt ist und M sich eben theilt. 

Aber trotz aller dieser Differenzen wird dureh diese Theilungen 
stets ein Endstadium erreicht, welches an dem Keime zwei Paare 
bilateral getheilter Zellen erkennen lässt, welche durch einen Zellen- 
streifen, die Derivate von X, getrennt erscheinen. In Fig. 36 habe 
ich versucht, dieselben noch möglichst ungezwungen auf ihre ur- 


16 Johannes Meisenheimer, 


sprüngliche Lage zurückzuführen, später ist dies in Folge starker 
Verschiebungen kaum mehr möglich. Aber festzuhalten ist, dass jetzt 
an dem Keime die bilaterale Symmetrieebene scharf ausgeprägt ist, 
sie wird genau durch die Scheidungslinie je zweier der bilateral ge- 
legenen Zellen gekennzeichnet. | 

Von hier wird es jetzt wohl an der Zeit sein, einen kurzen Blick 
rückwärts zu werfen, um die Beziehungen der so eben gewonnenen 
Symmetrieebene zu den jüngeren Stadien zu erläutern. Als Fixpunkt 
dienen uns die bilateral gelegenen Zellen von X. Entsprechend ihrem 
späteren Schicksal als Schalendrüsenzellen, ein Faktum, das ich hier 
vorausgreifend als bewiesen annehme, liegen sie an der hinteren, 
oberen Seite des Keimes, und demgemäß müssen wir auch der ein- 
fachen ungetheilten Zelle X diese Lage zuweisen. Meine sämmt- 
lichen Figuren sind nach dieser Auffassung orientirt. Von diesem 
Fixpunkte ausgehend müssen wir nun versuchen, die übrigen 
Zellkomplexe um denselben zu gruppiren. Zunächst der animale 
Pol. Derselbe weist eine gewisse Asymmetrie darin auf, dass ein 
Derivat von X, z,, sich dem Zellenkomplexe der ersten Ekto- 
dermgeneration auf der rechten Seite angeschlossen hat. Es ist dies 
eben dieselbe Stelle, wo sich X bei seiner Bildung eindrängte und 
a,.;, etwas nach rechts hin verschob. Die übrigen Verlagerungen des 
animalen Poles gegenüber der Symmetrieebene sind nur ganz geringe. 
Betreffs einzelner Figuren will ich hier hinzufügen, dass die schein- 
bar starke Verschiebung (z. B. auf Figg. 27 und 28) nur darauf be- 
ruht, dass der Keim zur klareren Übersicht etwas nach rechts über- 
gerollt ist. Auf jüngeren Stadien (Figg. 15, 15, 24) ist die fast genau 
in Kreuzform geordnete Lage von a,—d, sofort in die Augen sprin- 
gend, auf späteren aber erleiden sie eine bestimmte, ganz konstante 
Verschiebung, in so fern nun nicht mehr d, hinten, a, und c, zu 
beiden Seiten, 5, vorn liegt, sondern vielmehr d, + «a, hinten, 5, + ec, 
vorn (Figg. 27, 28), also etwa derselben Lage entsprechend, wie sie 
auf dem achtzelligen Stadium ausgesprägt war. Ich lege diesen Ver- 
schiebungen keine große Bedeutung bei, mehr dagegen denen des 
vegetativen Poles. Wir sahen, wie hier von Anfang an das vegetative 
Zellenquartett gegenüber dem animalen eine Drehung erfuhr, so dass 
die durch D/B geführte Linie schräg zu einer solchen durch «,/b, 
gezogen lag. Von X aus gerechnet lag D also sodann schräg nach 
links unten (Fig. 16). Dieses Verhältnis der gegenseitigen Lage er- 
hält sich sehr prägnant durch eine ganze Reihe von Stadien (Figg. 20 
bis 23 und andere). Eine Änderung erleidet dasselbe jedoch durch 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 17 


die Bildung von M, welche von der Zelle D nur einen kleinen Rest 
zurücklässt. Die Spindel dieser Theilung ist, wenn man den Keim 
außerhalb stehend von hinten betrachtet, von links vorn nach rechts 
hinten gerichtet. Auf diese Weise wird also M wieder von der Ver- 
schiebung, die D nach links erlitten hatte, in die Symmetrieebene 
zurück verlagert, und so erklärt es sich, dass die erste bilaterale 
Theilung von X und M dieselbe bilaterale Symmetrieebene zu mar- 
kiren vermag. Leichter ist der Vorgang zu verstehen, wenn man 
von X als der Mutterzelle ausgeht, dieselbe Zelle als in der bilate- 
ralen Symmetrie liegend angenommen. Dann giebt X zunächst die 
Zelle D nach der linken Seite ab, welche Zelle demnach ganz ent- 
sprechend der obigen Schilderung auf die Seite zu liegen kommt. 
Jetzt bei der Bildung von M wird diese seitliche Verlagerung wieder 
aufgehoben, indem nun der größere Theil von D wieder nach rechts 
hinüber in die Symmetrieebene als 7 geschoben wird. Nur die schon 
früher gebildete Zelle d, und D selbst bleiben außerhalb derselben 
liegen. M und X zusammengenommen bilden den weitaus größten 
Theil der ursprünglichen großen Zelle D, und nimmt eben diese 
Hauptmasse jetzt den hinteren Bezirk des Körpers ein, so ist es 
naturgemäß, auch in der noch ungetheilten großen Zelle des acht- 
zelligen Stadiums und weiterhin des vierzelligen Stadiums den hin- 
teren Theil des Keimes zu erblicken. Nimmt aber D auf dem vier- 
zelligen Stadium den hinteren Pol ein, so muss D den vorderen Theil 
des Keimes, A und C die seitlichen Hälften bilden. Die beiden 
ersten Furchungsebenen müssen demnach schräg zur Symmetrieebene 
geneigt sein. Vom vierzelligen Stadium aus uns rückwärts wendend, 
erkennen wir nun, dass das zweizellige Stadium, in den späteren 
Furchungskeim einbeschrieben, eine schräge Richtung annehmen muss, 
die größere Zelle nach links hinten, die kleinere nach rechts vorn 
gerichtet. Nur so wenigstens lässt sich aus ihm das vierzellige Sta- 
dium mit den schräg gerichteten Furchungsebenen ableiten, und damit 
sind die späteren Bezirke des Keimes gegeben von dem Augenblicke 
an, wo die erste Furchungsspindel sich in der Richtung von links 
hinten nach rechts vorn im noch ungefurchten Keime eingestellt hat. 

Diese Deduktionen lassen sich noch weiter ausführen durch einen 
Vergleich mit anderen Formen. Ich greife Nereis heraus. Nach 
Wıuson ist das vierzellige Stadium bei diesem Anneliden derart 
orientirt, dass D und C hinten, A und BD vorn liegen, die beiden 
ersten Furchungsebenen also mit der späteren Median- und Querebene 


zusammenfallen. Dieser Gegensatz beider Formen lässt sich sofort 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 2 


18 Johannes Meisenheimer, 


erklären, wenn wir obige Ausführungen zu Hilfe nehmen. Als Fix- 
punkt haben wir in beiden Fällen die Lage von X auf der Hinter- 
seite des Keimes, mag dieselbe nun sofort vollendet ausgeprägt sein, 
wie bei Dreissensia, oder mag sie zunächst noch eine kleine seitliche 
Verlagerung aufweisen, wie bei Nereis. Nun ist bei Nereis der erste 
Somatoblast weit kleiner als die zurückbleibende Makromere D, nur 
ein kleiner Theil der Zelle D des vierzelligen Stadiums wird also 
an dem Aufbau der späteren Hinterseite der Larve Theil haben, 
der größere wird seitlich liegen bleiben, daher die oben angegebene 
Orientirung des vierzelligen Stadiums. Umgekehrt ist es bei Dreissen- 
sia, hier liefert der weitaus größere Theil der Zelle D die Hinter- 
seite, also ist die andere ÖOrientirung am Platze. Die Textfigg. 3 
und 4 werden diese Ausführungen noch deutlicher machen. Wir 


INES 


Textfig. 3. Textfig. 4. 
Fig. 3. Übergang zum neunzelligen Stadium von Dreissensia. Vom vegetativen Pole gesehen. 
Fig 4. Neunzelliges Stadium von Nereis im Übergang zum 16zelligen Stadium. Nach einer 
Figur Wırson’s. Vom vegetativen Pole gesehen. 


sehen dieselben außerdem noch an anderen Anneliden bestätigt. Bei 
Amphitrite sind die Makromeren weniger umfangreich als der erste 
Somatoblast und sofort giebt MEAnD dem vierzelligen Stadium dieselbe 
Orientirung, wie ich sie für Dreissensia angegeben habe. Die Lage 
der vier vegetativen Zellen auf späteren Stadien wird durch die ver- 
schiedene Orientirung des vierzelligen Stadiums nur wenig beein- 
flusst, dieselbe ist schon auf dem 16zelligen Stadium bei Dreissensia 
ganz dieselbe wie bei Nereis, in Folge der Verschiebungen, die mit 
der Bildung des ersten Somatoblasten zusammenhängen und die oben 
eingehend geschildert sind. 

Eine tiefere allgemeine Bedeutung der beiden ersten Furchungs- 
ebenen für die späteren Organisationsverhältnisse der Larve ist also 
wohl kaum anzunehmen, das beweisen schon die außerordentlich 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 19 


verschiedenen Angaben. Wie eng ihre Orientirung mit den Eigen- 
thümlichkeiten des Furchungskeimes in jedem einzelnen Falle zu- 
sammenhängt, das glaube ich gerade durch die obigen Ausführungen 
am besten bewiesen zu haben. Übrigens schreiben auch WıLson und 
ConkLin der Lage der ersten Furchungsebenen eine nur untergeord- 
nete Rolle zu. 

Nach dieser längeren Abschweifung kehren wir nun zur weiteren 
Furchung des Keimes zurück. Wir verließen dieselbe unmittelbar 
nach der Ausbildung der bilateralen Symmetrie von X und M. Es 
wird nunmehr unsere Hauptaufgabe sein, das Schicksal der beiden 
Somatoblasten weiter zu verfolgen, da dieselben zwei wichtigen Organ- 
komplexen den Ursprung geben. Die nächste Theilung vollzieht sich 
an X, indem beide bilateral gelegene Zellen gleichzeitig ein kleineres 
Derivat nach derselben Seite hin abgeben, und zwar nach rechts, 
wir nennen beide z,. Auffallend ist, dass jetzt plötzlich die Bilateral- 
theilung wiederum von einer spiraligen unterbrochen wird, wie Fig. 38 
auf Taf. IV deutlich zeigt. 

Eine ganz ähnliche Theilung macht auch der zweite Somatoblast, 
M, durch, er giebt je eine kleinere Zelle nach vorn und auf die 
linke Seite ab, ebenfalls noch einmal den spiraligen Theilungsmodus 
aufweisend (Taf. IV, Fig. 39 m). Nach Abgabe dieser kleinen Ele- 
mente enthalten beide Somatoblasten nunmehr je eine geschlossene 
Organanlage in sich, und zwar, um es kurz zu sagen, X/X die 
Anlage der Schalendrüse, M/M Theile des Mesenchymmuskel- 
gsewebes. Die weitere Vermehrung beider äußert sich nun in einer 
Anzahl auf einander folgender Bilateraltheilungen, so zunächst in X 
auf Fig. 40, wobei stets die eine Seite der anderen in der Thei- 
lung voraus eilt, ein Verhalten, das auch LiLLıe bei Unio zu kon- 
statiren vermochte, dann in M (Fig. 42), sodann wiederum in X 
(Fig. 45), auch jetzt mit größeren Zeitdifferenzen der beiden sym- 
metrisch gelagerten Zellen. Später folgt sodann wieder M, bis die 
Theilungen durch die Formveränderungen des betreffenden Organs 
oder Organkomplexes sich wieder unregelmäßiger gestalten. 

Es wird jetzt an der Zeit sein, etwas genauer das Schicksal der 
einzelnen bisher besprochenen Zellenkomplexe ins Auge zu fassen, 
und den Antheil klar zu legen, welchen dieselben am Aufbau der 
Larve nehmen. Ich verweise bei dieser Betrachtung vor Allem auf 
die beigegebene Skizze von Fig. 48 auf Taf. IV, welche uns den 
Keim, so weit wir ihn bis jetzt etwa verfolgt haben, in seinen ein- 
zelnen Regionen gesondert darstellt. Ich habe hierzu direkt das 

Ix* 


20 Johannes Meisenheimer, 


Stadium von Fig. 42 mit ganz geringfügigen Modifikationen gewählt. 
Vermag ich auch nicht mehr von jeder einzelnen Zelle mit absoluter 
Sicherheit ihre Zugehörigkeit anzugeben, die einzelnen Komplexe 
bestehen sicherlich in dieser Anordnung, mag die eine oder andere 
Zelle immerhin auch vielleicht eine etwas andere Stelle beanspruchen. 
Wir zählen im Ganzen neun verschiedene Komplexe, die wir nun in 
ihrer weiteren Ausbildung begleiten wollen. 

Die erste Ektodermgeneration (in der Figur gelbgrün gehalten) 
hat bis zu dem zuletzt geschilderten Stadium die bei Weitem größte 
Zahl von Zellen erreicht. Aus ihr leiten sich Scheitelplatte und 
Velum ab, und zwar wird letzteres dem Hauptantheile nach gebildet 
von der Randzone (auf der Figur dunkler gehalten), also den Zellen- 
komplexen ,., nebst deren Derivaten, während die Scheitelplatte aus 
den direkt den animalen Pol bildenden Zellen ihren Ursprung nehmen 
muss. Besonders beachtenswerth ist die schiefe Lage des ganzen 
Komplexes. Dieselbe besteht bereits seit dem achtzelligen Stadium, 
und wir werden später sehen, wie das Velum genau dieselbe Lage 
in der Organisation der ausgebildeten Larve besitzt. 

Auf die erste Ektodermgeneration erfolgt die Abschnürung einer 
zweiten und dritten (blau und grün gehalten auf der Figur), und 
nichts hindert uns daran, noch eine vierte oder selbst fünfte anzu- 
nehmen (auf der Figur hellbraun gehalten), deren Bildung wir in 
Fig. 59 vor uns sehen, während eine vierte ihre Entstehung unmittelbar 
nach den ersten Bilateraltheilungen nahm. LitLıe will zwar für 
Unio nur drei Ektodermgenerationen gelten lassen, ich vermag bei 
diesen dotterarmen Eiern eine derartige strenge Sonderung nicht 
durchzuführen, es könnte allein die Rücksicht auf andere Formen 
mit dotterreichen Eiern bestimmend wirken, da hier in der That eine 
solche Scheidung auftritt. Ich muss diese Worte CARAZzzIı gegenüber 
unbedingt aufrecht erhalten, denn nichts würde der Forschung ver- 
derblicher sein als die Anwendung reiner Analogieschlüsse. Wird 
der Beweis der drei Ektodermgenerationen für die in Frage kom- 
menden Formen, wie er LILLIE sowohl wie mir unmöglich war, er- 
bracht — gut, bis dahin dürfen wir aber den Zweifel nicht unter- 
drücken. Die Mangelhaftigkeit der Beweisführung FusrrAa’s gebe ich 
dagegen CArAZzzI vollkommen zu. In neuester Zeit giebt übrigens 
VIGUIER für Thetys ebenfalls vier Ektodermgenerationen an, aber 
leider fehlt auch hier das allein beweisende Spindelstadium. Jeden- 
falls liefern aber die nun folgenden Ektodermgenerationen die vor- 
deren und seitlichen Regionen des Körpers, wenn wir von dem ersten 


47 


Zu 5.20. 


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Lith.Anst. Julius Klimkhardt, Leipzig. 


Zeitschrift Kıviss.Zoologie bd. LXVL. Zw 5.20. 


Übersicht der Furchung von Dreissensia polymorpha. 


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Lith.Anst. Julius Alinkhardt, Leipzig 


Verlag v.Wilhelm Engelmann in Leipzig, 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 31 


Somatoblasten, welcher ja auch der zweiten Generation angehört, 
sanz absehen und hinzufügen, dass die oberen Randpartien der 
zweiten Generation wahrscheinlich ebenfalls mit einigen Zellen an 
der Bildung des Velum Theil nehmen, indem sie die Lücken zwischen 
den einzelnen Quadranten der ersten Generation völlig ausfüllen, und 
wenn wir ferner hinzufügen, dass die eine oder andere Zelle der 
zweiten wie dritten Generation zur Bildung von Mesenchym ins In- 
nere rückt, wie wir später sehen werden. 

Einen weiteren gesonderten Komplex stellen dann endlich die 
Zellen des vegetativen Poles dar (auf der Figur dunkelbraun punk- 
tirt), sie werden durch eine Einstülpung nach innen verlagert zur 
Bildung des Mitteldarmes nebst dessen Anhangsdrüsen. 

Schließlich bleiben noch die beiden Somatoblasten zu betrachten 
übrig. Der zweite Somatoblast, welcher der vierten Generation ent- 
stammt (auf der Figur roth gehalten), wird später in einem besonderen 
Kapitel ausführlich behandelt werden, näher eingehen müssen wir 
dagegen auf den ersten Somatoblast (gelb gehalten auf der Figur). 
Derselbe zerfällt in drei gesonderte Partien. Eine mittlere Partie 
(auf der Figur punktirt) zeichnet sich vor Allem durch die Größe der 
Zellen und die längere Zeit anhaltenden Bilateraltheilungen aus, 
durch Einstülpung geht aus ihr die Schalendrüse (sd) hervor. Mit 
ihrer Einstülpung rückt zugleich der Velarkranz an der Hinterseite, 
wo er zunächst noch offen war, mit seinen beiden Enden an einander, 
um so schließlich einen geschlossenen Ring zu bilden, unter beson- 
derer Theilnahme von d..». 

Als zweiten Bestandtheil des ersten Somatoblasten müssen wir 
das kleine Derivat x, ansehen, welches in den umliegenden Ekto- 
dermzellen verschwindet und zu keinem besonderen Organe zu ver- 
folgen ist. 

Die dritte Partie endlich besteht aus einer Reihe kleinerer Deri- 
vate, welche successive von X nach unten hin abgegeben wurden 
(gelb auf der Figur und ohne Punkte). Sie bewirken hauptsächlich 
die Umwachsung des zweiten Somatoblasten, dehnen sich später ge- 
waltig aus und spielen in dem Aufbau der Larve als sog. Ventral- 
platte (Vp) eine bedeutende Rolle. Wir werden desshalb später auf 
sie zurückzukommen haben. 


Es ist eine weit verbreitete Erscheinung unter Mollusken wie 
manchen anderen Thiergruppen, dass bei der Furchung in bestimmten 
Zwischenräumen nach einer Theilung weite Hohlräume zwischen den 


22 Johannes Meisenheimer, 


getheilten Zellen auftreten. Dieselben wurden in letzterer Zeit na- 
mentlich durch STAUFFACHER von Cyelas, durch Koroıp von Limax 
agrestis und durch mich von Limax maximus genau beschrieben. 
Dreissensia weist dieselben in ganz der gleichen, eben so starken Aus- 
bildung auf, wie die eben genannten Formen. Ich beabsichtige jedoch 
durchaus nicht, mich nochmals hier bis in die Einzelheiten hinein 
über dieselben zu verbreiten, nur einige wenige Stadien will ich als 
Beispiele herausgreifen und zum Belege in einigen Abbildungen vor- 
legen. Fig. 60 auf Taf. VI zeigt uns ein zweizelliges Stadium mit 
weitem, zwischen beiden Zellen gelegenem Flüssigkeitsraume, weiter 
Fig. 61 einen eben solchen vom achtzelligen Stadium, Fig. 62 von 
einem 16zelligen und endlich Fig. 65 von einem noch älteren Stadium. 
Man beachte, wie weit auch hier die Vacuolisirung vordringen Kann, 
bis zu welch dünner Plasmaschicht sich die einzelnen Zellen unter 
dem anwachsenden Drucke abzuplatten vermögen, alles Verhältnisse, 
die durchaus an Limax maximus erinnern. Nur ein Unterschied 
macht sich zwischen beiden geltend, und dieser hängt eng mit dem 
verschiedenen Furchungsmodus zusammen. Bei Limax maximus ver- 
lief die Furehung sehr regelmäßig, in so fern die einzelnen Quartetts 
fast stets gleichzeitig die Theilung vollzogen, so dass zwischen den 
Theilungsphasen geometrisch regelmäßig gestaltete Ruhestadien lagen, 
auf denen sodann die erwähnten Erscheinungen sich abspielten. Hier 
liegen die Verhältnisse anders. Der unregelmäßige Verlauf der Fur- 
chung, der fast eine Zelle nach der anderen sich theilen lässt, ver- 
wischt nahezu völlig eine derartige Regelmäßigkeit, sie lässt sich nur 
von dem zweizelligen bis zum sechzehnzelligen Stadium verfolgen, so- 
dann treten die Erscheinungen ganz unregelmäßig an den verschie- 
densten Stellen des Keimes auf, erhalten sich aber bis in die Gastru- 
lation hinein. 

Die Bedeutung dieser Flüssigkeitsräume ist ganz dieselbe wie 
bei Limax maximus, es sind Exkreträume, welche verbrauchte Stoffe 
nach außen befördern. Deutlich lässt sich am lebenden Objekt im 
freien Wasser das Kollabiren der Furchungskugeln nach dem Aus- 
stoßen der Flüssigkeit beobachten, und mein konservirtes Material 
lässt alle Übergänge von einer extrem ausgedehnten Furchungskugel bis 
zu einem völligen massiven Zellenhaufen erkennen. Wenn ich hier 
eine weitere Darstellung unterlasse, so geschieht es nur desshalb, 
weil es nichts weiter wäre, als eine direkte Wiederholung meiner 
Schilderung von Limax maximus. 

Was die specielle Verbreitung dieser Exkreträume innerhalb der 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 23 


Lamellibranchiatengruppe betrifft, so muss ich hier zunächst an die 
Beobachtungen Lov&n’s erinnern, dessen für ihre Zeit außerordent- 
lieh exakten Beobachtungen jetzt einen allzu tiefgehenden Vergleich 
nicht mehr gestatten, aber doch auf ähnliche Vorgänge schließen 
lassen. Er erwähnt nämlich während der Furchung (von Modiolaria 
und Cardium) ein abwechselndes Hervortreten und Wiederverschmelzen 
der Furchungskugeln, verbunden zugleich mit einem Verschwinden 
und Wiedersichtbarwerden der Kerne. Die Worte, mit denen er 
diese Vorgänge beschreibt, lassen sich sehr wohl darauf anwenden, 
dass in Folge der mächtigen Exkreträume die Grenzen der vorher 
sich deutlich abhebenden Zellkugeln schwerer sichtbar werden und 
so plötzlich wieder ein Stadium mit scheinbar geringerer Zellenzahl 
darstellen. Nur so wenigstens erscheint mir die Darstellung Lovkn's 
völlig verständlich. 

Sehr stark entwickelt sind diese Exkreträume auch bei Oyclas 
nach STAUFFACHER’S Darstellung. Er schildert diese Processe der- 
art, als ob der helle Raum kontinuirlich in das Plasma ohne tren- 
nende Membran überginge. Sowohl KoroIp wie ich haben ein der- 
artiges Verhalten als durchaus unwahrscheinlich hingestellt, und jetzt 
durch das erneute Studium dieser Vorgänge bei Dreissensia bin ich 
in diesem Urtheil nur noch bestärkt worden. 

Auffallenderweise scheinen diese Vorgänge bei den Unioniden 
völlig zu fehlen, LiLLıe erwähnt dieselben nirgends, höchstens spricht 
er zuweilen (vom zwei- und achtzehnzelligen Stadium) von einer Ab- 
flachung der Zellen. Dagegen scheinen mir die Abbildungen früherer 
Beobachter entschieden für ihr Vorhandensein zu sprechen (FLEMMING). 

Auf einen Punkt muss ich sehließlich noch genauer eingehen, 
er betrifft Koroıp's Erklärung dieser Exkreträume. Koroıp nimmt 
an, dass Süßwasser und vor Allem Eiweißhüllen hemmend auf die 
Exosmose der Abfallstoffe einwirken, und dass in Folge dieser ver- 
langsamten Exosmose die inneren Exkreträume zu Stande kämen. 
Vergleichen wir zunächst Dreissensia mit Limax, so müssten die 
Eiweißhüllen bei letzterer einen ungleich stärkeren, steigernden Ein- 
‚Huss auf Umfang und Häufigkeit der Exkreträume ausüben. Dies 
ist jedoch durchaus nicht der Fall, Dreissensia übertrifft eher noch 
Limax maximus. 

Dass erstere in der relativ kurzen Zeit ihres Aufenhaltes im 
Süßwasser dieselben erst erworben haben soll, ist wohl kaum anzu- 
nehmen, zumal sie in ihrer übrigen Entwicklung sich bis in die ge- 
ringsten Einzelheiten hinein den marinen Lamellibranchiern anschließt, 


24 Johannes Meisenheimer, 


so weit sich dies eben aus der bisherigen Litteratur herauslesen 
lässt. Zudem besitzen wir noch keine genaue Darstellung der Fur- 
chung der marinen Formen, bei welchen dieselben Exkreträume mög- 
licherweise ebenfalls auftreten. 

Als sicher kann ich jedenfalls in Folge des Vergleiches von 
Dreissensia und Limax hinstellen, dass die kompakte Umhüllung des 
Eies von Eiweiß und Gallertschale keinen Einfluss auf etwaige Ver- 
stärkung dieser Processe ausübt, und würde bewiesen werden, dass 
auch marine Formen sie wohl ausgebildet besitzen, so würde auch 
ein Einfluss des Süßwassers nicht anzunehmen sein. Nicht die physio- 
logischen, äußeren Bedingungen, unter welche das Ei gesetzt ist, 
würden dann die Abscheidung der Exkretprodukte nach innen be- 
dingen, sondern die Ursachen müssten in inneren, uns freilich noch 
kaum bekannten Vorgängen zu suchen sein. Die Rolle, welche der 
Kern bei der Abscheidung dieser Stoffe spielt, ist vielleicht ein der- 
artiger Faktor. 

Koroıp suchte seine Ansicht auch experimentell zu bestätigen, 
indem er Eier von Physa in Salzlösungen verschiedener Koncentra- 
tion brachte. Er fand dann, dass dieselben einen mehr oder 
weniger großen retardirenden und abschwächenden Einfluss auf die 
Ausbildung der Exkreträume ausübten. So einleuchtend dieses Ex- 
periment auch zunächst erscheinen mag, man möge dabei wohl be- 
denken, dass ein derart abnormes Medium, in welchem sich die Eier 
befinden, den ganzen Organismus des Eies unbedingt schwächen und 
seine Lebensthätigkeit herabsetzen muss, wenn die Furchung dabei 
auch noch normal verläuft. Verlangsamung und Abschwächung dieser 
Processe würden hierdurch schon eine genügende Erklärung finden, 
zumal stärkere Lösungen die Lebensthätigkeit völlig sistirten. 


Il. Die Umbildung des Furchungskeimes in die junge 
Trochophoralarve. 


Eine ganze Reihe tiefgreifender Umwandlungen sind es, welche 
aus dem Keime, den wir als länglich ovale Blastula verlassen haben, 
die Trochophoralarve in ihren Grundzügen hervorgehen lassen. Der. 
erste dieser Processe ist die Bildung des Mitteldarmes, hervorgehend 
aus einer Einstülpung am vegetativen Pole, der zweite besteht in der 
Ausbildung der Schalendrüse, die sich noch tiefer einsenkt als die 
Mitteldarmanlage. Weiter haben wir dann die Ausbildung des Me- 
senchymmuskelgewebes ins Auge zu fassen, und endlich noch die 
definitive Anordnung der Velarzellen nebst Scheitelplatte. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 25 


Beginnen wir mit der Bildung des Mitteldarmes, der Gastrulation 
also. Die ersten Anfänge einer Einsenkung der vegetativen Zellen, 
zu denen sich, wie wir oben sahen, noch zwei kleinere Derivate von 
M zugesellten, machen sich schon sehr frühzeitig bemerkbar (vgl. 
Figg. 41 und 42 auf Taf. IV). Auf dem nächsten Stadium, Fig. 44 
ist die Einsenkung bereits etwas tiefer geworden, wir erkennen sie 
deutlich auf einem Schnitt von einem etwa gleichaltrigen Stadium 
(Fig. 64 auf Taf. VI. Je mehr sich diese Anlage nach innen drängt, 
desto mehr verengt sich auch der ursprünglich weit ausgedehnte 
Blastoporus zu einem in der Symmetrieebene gelegenen, kurzen 
Schlitz (Fig. 65 auf Taf. VI), um auch diese Gestalt bald mit der- 
jenigen einer fast kreisrunden Öffnung zu vertauschen (Fig. 44 auf 
Taf. IV und Fig. 66 auf Taf. VI). Bei Beginn der Einstülpung nehmen 
die Entodermzellen in Folge des seitlichen Druckes eine längliche, 
förmlich gestielte Gestalt an (Figg. 64, 65), später verlagern sie sich 
als regelmäßige Begrenzung des Mitteldarmsäckchens völlig ins Innere 
des Keimes. 

Ehe wir aber ihr weiteres Schicksal verfolgen, müssen wir die 
sich gleichzeitig abspielende Bildung der Schalendrüse nachholen. 
Wir verließen den aus dem umfangreichsten, mittleren Theile des 
ersten Somatoblasten hervorgegangenen Zellenkomplex auf dem Sta- 
dium von sechs Zellen (Fig. 43 auf Taf. IV). Bei seitlicher Ansicht 
ist schon jetzt eine deutliche, flache Einsenkung dieser Zellen zu 
bemerken, man vergleiche den Schnitt von Fig. 64 auf Taf. VI, der 
ein etwa gleichaltriges Stadium darstellt. Die einzelnen Zellen ragen 
tief in das Innere der Furchungshöhle hinein, unter reger Zellver- 
mehrung wird die Einstülpung tiefer (Fig. 65) und endlich bildet die 
ganze Anlage ein auf den ersten Blick der Darmanlage zum Ver- 
wechseln ähnliches Säckchen. Die Einstülpungsöffnung, welche ur- 
sprünglich ebenfalls einen weiten, unscharf begrenzten Umfang dar- 
bot, verengt sich sehr bald zu einem Schlitz, dessen Umfang weit 
größer als derjenige des Blastoporus ist, und der senkrecht zur Sym- 
metrieebene gestellt ist (Fig. 44, Taf. IV). 

Das Bild, welches ein Sagittalschnitt durch ein derartiges, eben 
beschriebenes Stadium gewährt, ist ein sehr eigenthümliches. Wir 
sehen in Fig. 66 auf Taf. VI fast den ganzen Raum des äußerlich 
abgerundeten, ovalen Keimes von zwei tiefen Einstülpungen einge- 
nommen, von denen die eine die Mitteldarmanlage, die andere die 
Schalendrüsenanlage darstellt. Namentlich letztere nimmt einen sehr 
weiten Raum ein, da sie sich seitlich sehr stark verbreitert und so die 


26 Johannes Meisenheimer, 


Mitteldarmanlage auf der Hinterseite ganz umschließt. Ein kleiner 
Theil des Innenraumes wird ferner noch eingenommen von den 
Mutterzellen des Mesenchymmuskelgewebes, im Wesentlichen darge- 
stellt durch Abkömmlinge des zweiten Somatoblasten; ich will hier 
auf diesen Organkomplex im Einzelnen nicht eingehen, da ich später 
in einem besonderen Kapitel ihn und seine Bildung ausführlich be- 
handeln werde. 

Die weitere Ausbildung von Mitteldarm und Schalendrüse ist es 
vorzugsweise, welche im Folgenden von Einfluss auf die Gestaltung 
des Keimes ist. Der Mitteldarm wird unter Verschiebung des Blasto- 
porus nach vorn durch Verschluss desselben nach außen abgeschlossen, 
die Schalendrüseneinstülpung beginnt einen rückläufigen Ausstülpungs- 
process durchzumachen. Beide Vorgänge vollziehen sich gleichzeitig. 
In demselben Maße, wie die Schalendrüse ihren Raum im Inneren der 
Furchungshöhle aufgiebt, nimmt das Darmsäckchen von demselben 
Besitz. Äußerlich am bemerkenswerthesten ist die Verschiebung des 
Blastoporus. Dieselbe hat zwei Ursachen, einmal die eben erwähnte 
Ausstülpung der Schalendrüse und dann das immense Wachsthum des 
oben als Derivate des ersten Somatoblasten (x) beschriebenen Zell- 
komplexes. Um uns dasselbe zu veranschaulichen mache ich auf die 
Figg. 58, 39, 41, 43 und 44 auf Taf. IV aufmerksam. Klar prägt 
sich in dieser Serie aus, wie das Umwachsen des zweiten Somato- 
blasten in erster Linie das Werk dieses Zellkomplexes ist, wie ferner 
die Ausdehnung eben desselben Komplexes den Zwischenraum zwischen 
dem oberen Rand der Schalendrüse und dem Blastoporus stetig ver- 
srößern muss (Fig. 41, 43), wie ferner, da die Lage dieses oberen 
Schalendrüsenrandes an der hinteren, oberen Körperwandung, un- 
mittelbar unter dem Velum scharf fixirt ist, diese Verschiebung in 
der Richtung von hinten nach vorn fortschreiten muss. Von einem 
Verschlusse einer Rinne kann man hierbei nicht eigentlich reden, da 
eine solche höchstens in den ersten Phasen in schwacher Ausbildung 
besteht, es ist vielmehr ein wirkliches Vorwärtsschieben, und dieses 
wird nun noch von einem wesentlichen Faktor unterstützt, der Aus- 
stülpung der Schalendrüse. Dieselbe beginnt auf dem Stadium von 
Fig. 67 auf Taf. VI und besteht im Wesentlichen zunächst aus dem 
Ausrollen der ventralen Seite der Schalendrüseneinstülpung, wobei 
dann immer mehr die dorsale Wandung in Mitleidenschaft gezogen 
und nach außen vorgestülpt wird (Fig. 68), bis endlich nur noch an 
der dorsalwärts am höchsten gelegenen Stelle, ebenda wo früher der 
erste Somatoblast lag (Figg. 14, 42) und wo etwas später die eigent- 


Entwieklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 27 


liche Einstülpung erfolgte (Figg. 64, 65), eine schwache Vertiefung 
erhalten bleibt (Fig. 69). Dieselbe bietet, von der Oberfläche aus 
betrachtet, eine eigenthümlich geschweifte Randlinie dar, über welcher 
unmittelbar die Velarzellen gelegen sind (Fig. 45). Diese eigenthüm- 
liche Linie kommt dadurch zu Stande, dass die beiden seitlichen, 
oberen Partien der Schalendrüse bei der Ausstülpung hinter den 
mittleren Partien zurückbleiben, so dass daraus eine nach beiden 
Seiten hin eingebuchtete Fläche entstehen muss. Mit dem weiteren 
Vorwärtsschreiten der Ausstülpung verschwinden natürlich diese Ver- 
hältnisse wieder, die Schalendrüse besitzt nun eine nach außen 
schwach vorgewölbte Oberfläche, deren Epithel sich unter Ausschei- 
dung eines feinen Schalenhäutchens abzuflachen beginnt (Fig. 70). 
Wir verlassen hiermit die Schalendrüse, um in der Organbildung bei 
der Entwicklung der Schale an diese Verhältnisse wieder anzuknüpfen. 

Kehren wir also zu unserem Ausgangspunkte zurück, zur Ver- 
schiebung des Blastoporus. Dieselbe macht erst Halt, nachdem nahezu 
die Stelle unmittelbar unter dem vorderen Velarrande erreicht ist, 
d. h. also etwa in dem Bezirke der zweiten Ektodermgeneration. 
Gleichzeitig haben sich aber auch an der Mitteldarmeinstülpung selbst 
wichtige Umwandlungen vollzogen, die wir jetzt näher berücksich- 
tigen müssen. Betrachten wir ein Stadium, wie es etwa Fig. 66 dar- 
stellt, d. h. also ein Stadium, das uns eine typische Gastrula reprä- 
sentirt, so bemerken wir, dass wir bereits jetzt keine indifferenten, 
vegetativen Zellen mehr vor uns haben, sondern dass innerhalb der- 
selben eine Sonderung in die beiden Hauptbestandtheile des späteren 
Mitteldarmtractus eingetreten ist, nämlich in Magen und Darm einer- 
seits und in die Leber andererseits. Die der vorderen Körperwand 
angelagerten Zellen des Mitteldarmsäckchens zeigen nämlich eine von 
den hinteren Zellen deutlich unterschiedene Struktur. Das Chromatin 
ist in feineren Körnehen angehäuft, der Kern erscheint demnach 
heller und besitzt außerdem meist noch einen großen Nucleolus. 
Dieser Gegensatz bildet sich immer prägnanter aus (Fig. 67), selbst 
auf Totalpräparaten sind die fraglichen Zellen mit Leichtigkeit zu 
erkennen, und haben mich öfter veranlasst, sie fälschlich als an 
dieser Stelle eingeschobene Mesodermelemente zu deuten. ' In Fig. 67 
liegen sie noch direkt an der Vorderseite des Mitteldarmsäckchens, 
bald aber erfolgt eine Verschiebung nach beiden Seiten, so dass sie 
auf den Sagittalschnitten in der Medianebene nur noch selten anzu- 
treffen sind (Fig. 69), auf Quer- oder Frontalschnitten dagegen nun 
in deutlich bilateraler Anordnung hervortreten, genau die Stellen an- 


28 Johannes Meisenheimer, 


gebend, wo später die mächtigen Lebersäckchen ausgestülpt werden 
(Fig. 73 auf Taf. VII). Der hintere und seitliche Theil des Mittel- 
darmsäckchens lässt aus sich Magen und Dünndarm hervorgehen, 
auch hier werden wir bei der Organogenese wieder anzuknüpfen haben. 

Nachzuholen sind endlich noch die ersten Anlagen von Vorder- 
und Enddarm, da dieselben eng mit der weiteren Ausbildung der 
Larve verknüpft sind. Wir müssen zu diesem Zwecke nochmals auf 
die Verhältnisse von Fig. 66 zurückkommen. Die Mitteldarmeinstül- 
pung führt durch einen rundlichen Blastoporus deutlich nach außen. 
In Fig. 67 haben sich die Ränder des Säckchens bereits eng an 
einander gelegt, und in Fig. 68, einem etwas weiter vorgeschrittenen 
Stadium, endlich sind sie gänzlich verschmolzen, ohne dass jedoch 
hierbei eine schwache Grube als letzter Rest gänzlich verloren ginge. 
Auch bei Unio kommt es nach LiLLIE nie zu einer direkten Ver- 
schmelzung des ektodermalen Randes, so dass die Einstülpungsstelle 
stets scharf markirt bleibt. Hier, bei Dreissensia, wird dieses Ver- 
halten dadurch noch verschärft, dass sich eine neue Anlage genau 
an der Stelle des früheren Blastoporus ausbildet, nämlich diejenige 
des Stomodäums. Ektodermzellen drängen sich, eine regelrechte Ver- 
tiefung bildend, gegen das geschlossene Säckchen vor (Fig. 69), aus 
denen später das Schlundrohr hervorgeht (Fig. 70). Des Genaueren 
werde ich wieder erst später auf diese Verhältnisse eingehen können, 
eben so wie auf die Bildung des Enddarmes, der als eine zweite 
Einstülpung mit dem Mitteldarm in Verbindung tritt. Ich will hier 
nur so viel davon hervorheben, dass derselbe aus einer zunächst nur 
schwachen, allmählich aber sich vertiefenden Einstülpung des Ekto- 
derms hervorgeht, die sich eng an den Mitteldarm anlegt und schließ- 
lich mit ihm verschmilzt. 

Wir haben jetzt successive den größten Theil des Larvenkörpers 
sich aufbauen sehen, von den äußeren Organkomplexen fehlt uns nur 
noch ein einziger, bestehend aus Velum und Scheitelplatte. Scharf 
umgrenzen lässt sich das Velarfeld erst auf verhältnismäßig späten 
Stadien, aber immer noch früh genug, um Beziehungen zu jüngeren 
Furchungsstadien aufstellen zu können. Fig. 65 auf Taf. VI zeigt 
uns das Stadium, wo einzelne stärkere Cilien sowohl den Verlauf des 
Velarrandes wie die Lage der Scheitelplatte schärfer markiren. Das 
Auftreten der Cilien giebt uns eine Bestätigung der früheren Orien- 
tirung des Keimes, wie bereits auf dem achtzelligen Stadium, so ist 
auch jetzt der ganze Komplex schief geneigt, am Vorderrande von 
dem späteren Munde, am Hinterrande von der sich ausstülpenden 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 29 


Schalendrüse begrenzt. Die Figg. 66—X0 erläutern die Ausbildung 
dieser Verhältnisse, nur die beiden Figg. 66 und 67 erscheinen in ihrer 
Stellung etwas unsicher und willkürlicher. Diese findet jedoch ihre 
Begründung einmal in der fest fixirten Lage des oberen Schalen- 
drüsenrandes, und sodann in dem Vergleich mit den sich unmittelbar 
anschließenden Stadien von Fig. 68 und 69. Auf letzterer hat das 
 Velum bereits Fortschritte in seiner Ausbildung in so fern gemacht, 
als die Zahl der Wimpern zugenommen hat, ein Process, der in 
Fig. 70 bedeutend weiter vorgeschritten ist. Auch differenziren sich 
die Velarzellen jetzt in ihrer inneren Struktur von den übrigen Zellen, 
in so fern sie an Größe zunehmen und einen vacuoligen Bau erhal- 
ten. In dem von den Velarzellen umschriebenen Bezirke macht sich 
außerdem in der Mitte eine Verdickung bemerkbar, welche einen 
starken Wimperschopf trägt, die Scheitelplatte (Fig. 70 sp), doch davon 
später mehr. 

Um endlich die junge Larve in den Grundzügen ihrer Ausbil- 
dung zu vollenden, so sei hier noch darauf hingewiesen, dass ein 
weiterer starker Wimperschopf unmittelbar hinter der Enddarmanlage 
auftritt, der postanale Wimperschopf (pa), ferner unter dem ventralen 
Mundrande eine schwach entwickelte Wimperzone, der postorale 
Wimperschopf (po) im Gegensatz zu dem als präoraler Wimperkranz 
zu bezeichnenden eigentlichen Velum. Wir müssen auf diese Ver- 
hältnisse später nochmals des Genaueren zurückkommen, ich kenn- 
zeichne sie hier nur in ihren gröberen Zügen. 

Ein ungefähres Bild der Larve auf diesem Stadium giebt uns 
schließlich noch die Totalansicht von Fig. 46 auf Taf. IV. Wir sehen 
in der Mitte der länglich kegelförmigen Larve den Mund gelegen, 
oberhalb desselben den dieken Wulst des Velums, und inmitten des- 
selben die Scheitelplatte mit dem Wimperschopf. Die untere Spitze 
des Körpers’ endlich läuft aus in den postanalen Wimperschopf. 

Die weitere Ausbildung der äußeren Form vollzieht sich unter 
starker, seitlicher Kompression der ganzen Larve, hervorgerufen 
durch eine Umwachsung von Seiten des ursprünglich als kleines, 
dünnes Plättehen der Hinterseite anliegenden Schalenhäutchens, was 
nunmehr der Larve das typische Aussehen der Molluskentrochophora 
verleiht (Fig. 47 auf Taf. IV). 


Ill. Die Ausbildung des Mesenchymmuskelgewebes. 


In unserer Schilderung des Aufbaues der Larve haben wir die 
Entstehung der im Inneren zerstreuten Muskel- und Bindegewebszellen 


30 | Johannes Meisenheimer, 


bisher noch kaum berührt, wir wollen dies jetzt in einem besonderen 
Kapitel nachholen, entsprechend der Wichtigkeit des Gegenstandes. 

Wir hatten den zweiten Somatoblasten verlassen, als er, aus ins- 
sesammt vier Zellen bestehend sich in die Tiefe zu verlagern be- 
gann. Sie stellen einen der wesentlichsten Bestandtheile des späteren 
Muskelbindegewebes dar. 

Doch ehe wir ihre Bedeutung weiter erörtern, müssen wir einen 
Punkt aus ihrer früheren Entwicklung herausgreifen und wegen 
seiner besonderen Bedeutung ausführlicher behandeln. Es handelt 
sich um das Schicksal der beiden kleinen Zellen, welche von M nach 
der ersten Bilateraltheilung abgegeben wurden. Von Unio, wo die 
Verhältnisse ganz ähnlich liegen, vermuthet LıLLıE, dass diese Zellen 
nachträglich ebenfalls in die Furchungshöhle einwandern, um Mesen- 
chym zu liefern. Ich habe bei Dreissensia nicht den geringsten An- 
haltspunkt für eine derartige Annahme gefunden, die fraglichen Zellen 
schieben sich mitten zwischen die vegetativen Zellen hinein und gehen 
in ihnen auf, ohne dass sie später noch zu unterscheiden wären. 
Diese Ansicht findet eine Stütze in den Beobachtungen STAUFFACHER’S 
an Cyclas. Hier bleibt bei der Abstoßung der beiden Urmesoderm- 
zellen die eine Hälfte der Mutterzellen an der Außenseite liegen und 
liefert Entoderm. Diese außen liegenden Zellen entsprechen genau 
den kleinen Derivaten » von M, nur sind sie bei Uyclas bedeutend 
mächtiger entwickelt. Dass sie freilich nicht allein das gesammte 
Material zum Aufbau des Mitteldarmes liefern werden, in dieser An- 
nahme muss ich LitLıe beistimmen. 

LirLıe stützt sich bei seiner Vermuthung über das Schicksal der 
beiden kleinen Zellen vor Allem auf die Beobachtungen WıLson’s an 
Nereis, wonach eine ganze Anzahl derartiger kleiner Derivate von 
M in das Innere verlagert werden, sich mit Pigment erfüllen und 
einen Theil des splanchnischen Blattes liefern sollen. In einer neue- 
ren Publikation erklärt jedoch Wırson selbst diese Darstellung für 
irrthümlich, die betreffenden Pigmentzellen liefern vielmehr den hin- 
teren Theil der Archenteronwand, an ihrer Bildung haben neben dem 
zweiten Somatoblasten auch noch die Entoblasten Theil. 

Im Übrigen sind diese Verhältnisse bei den Anneliden noch 
durchaus nicht völlig aufgeklärt, zumal starke Variationen aufzutreten 
scheinen. Einer der ältesten Beobachter dieser Vorgänge, v. WISTING- 
HAUSEN, leitete aus den fraglichen Zellen als »unteren Urzellen des 
Rumpfes« den vorderen Theil der Ventralseite ab. Die neueren 
Beobachter sind in den meisten Fällen nicht völlig über sie ins Klare 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 31 


gekommen, zumal diese Elemente häufig einen ausgesprochenen rudi- 
mentären Charakter aufweisen, so bei Aricia foetida nach WILsoN 
oder bei Amphitrite nach MEap. Wieder bei anderen (Polymnia) fehlen 
sie gänzlich oder erreichen die gleiche Größe wie der zweite Somato- 
blast selbst (Clymenella torquata). 


Dass aber zweifellos der zweite Somatoblast nach seiner Bildung 
durchaus noch nicht reines »Mesoderm« enthält, das tritt wohl nir- 
sends klarer hervor als in den Beobachtungen CoNKLIx’s an Ürepi- 
dula. Zweimal werden nach der ersten Bilateraltheilung von 47 
größere Partien in Gestalt umfangreicher Zellen (primary and se- 
condary Enteroblast) an das Entoderm abgegeben, erst dann ist die 
völlige Sonderung vollzogen. Wie weit wir hier die Homologien 
ziehen dürfen, ist bis jetzt schwer zu entscheiden, aber so viel ist 
mit Sicherheit aus Allem zu entnehmen, dass der zweite Somato- 
blast nach seiner Bildung noch fremde Bestandtheile zu enthalten 
vermag. 


Nach der Deutung der Befunde BLOCHMANN’s von Seiten CoN- 
KLIN’s scheinen bei Neritina ähnliche Enteroblasten sich zu finden, 
eben so bei Umbrella (CAarazzı), wenn auch Hrymons sie als Meso- 
dermzellen in Anspruch nimmt. Bei Aplysia hat schließlich CArazzı 
in neuester Zeit thatsächlich Enteroblasten nachgewiesen, die in Form 
kleiner Zellen vom Mesoblast abgestoßen werden. 


Ähnliche Vorgänge scheinen selbst bei Pulmonaten noch vorzu- 
kommen. Während Koroı und ich bei Limax keine Spur von 
derartigen Erscheinungen zu konstatiren vermochten, beschreibt HoL- 
MES bei Planorbis die Bildung je einer kleineren Zelle von Seiten 
der beiden Urmesodermzellen. Freilich erfolgt ihre Abschnürung erst 
nach der Verlagerung ins Innere, ihr Schicksal ist unbekannt. 


Was nun den zweiten Somatoblasten als reine Organanlage be- 
trachtet angeht, so ist sein Auftreten außerordentlich weit verbreitet, 
sowohl unter Mollusken wie Anneliden. Man hat diese Zellen des 
zweiten Somatoblasten in der Regel als die »Urmesodermzellen« be- 
schrieben und in ihnen die Anlage eines mittleren Blattes gesehen. 
Verglichen mit dem ersten Somatoblasten ist die Übereinstimmung 
beider in dem Modus ihrer Ausbildung ganz überraschend. Beide 
leiten sich von dem Quadranten D ab, beide erleiden eine Bilateral- 
theilung, geben sodann einige kleinere Derivate ab und theilen sich 
wieder bilateral. Zwei Schemata werden die außerordentliche Über- 
einstimmung beider noch schärfer hervortreten lassen: 


392 Johannes Meisenheimer, 


I. Somatoblast: 
5 I; 
> NE A NG 
- NL Be 8%, & 
RUND RE: 
RG \y 
II. Somatoblast: | 
m m 
M. De VG M 
r DS VE Yan Ve 
BMI H—M EL yM 


Selbst die eigenthümliche Erscheinung, die wir bei späteren 
Theilungen des ersten Somatoblasten beobachten, dass nämlich beide 
Hälften in ihrer Theilung zeitlich etwas differiren, findet sich auch 
bei dem zweiten Somatoblasten. HEyMons erwähnt es von Umbrella 
und WIERZEJSKI von Physa. 

Die Sonderung des zweiten Somatoblasten, d. h. also der »Ur- 
mesodermzellen«, steht demnach in ihrer Eigenart durchaus nicht 
ohne Parallele in anderen Zellkomplexen da, nichts berechtigt dazu, 
sie als ein besonderes Keimblatt den übrigen Furchungszellen ent- 
segenzusetzen. Beide Somatoblasten sind Organanlagen, beide bergen 
in sich nach ihrer völligen Sonderung ganz bestimmte Organkomplexe, 
die sie nun zur Entfaltung bringen. Und wie der erste Somatoblast 
sich, um eben seine organbildende Leistung zu erfüllen, zu einer 
sackförmigen Einstülpung umformt und sodann, sich wieder ausstül- 
pend, die Schale abscheidet, so drängt sich der zweite Somatoblast 
in das Innere des Keimes, um daselbst sich auflösend und überall 
vertheilend zunächst eine Art Stützgewebe zu liefern, dann aber nach 
den Erfordernissen der Larvenorganisation einerseits Muskeln, anderer- 
seits Bindegewebe auszubilden. 

Eine bedeutende Stütze würde diese soeben ausgesprochene An- 
nahme erhalten, wenn es gelingen sollte, die bisher als typisch meso- 
dermal aufgefassten Organe, Herz, Niere und Geschlechtsorgane 
nämlich, auf gesonderte Anlagen, unabhängig von dem zweiten So- 
matoblasten, zurückzuführen. Wir werden später sehen, dass dies 
thatsächlich möglich ist, dass also die »Urmesodermzellen« nur Muskel- 
und Bindegewebe liefern. | 

Doch kehren wir von unseren theoretischen Erörterungen noch- 
mals zur Beobachtung zurück. Der zweite Somatoblast ist nicht der 
alleinige Bildner von Muskel- und Bindegewebe, noch andere Zellen 
betheiligen sich am Aufbau derselben. Wir müssen, um sie kennen 
zu lernen, auf ziemlich junge Stadien zurückgehen. Ein genaues 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 33 


Studium einzelner dieser Stadien ergab, dass hier und da kleine 
Zellen im Inneren des Furchungskeimes auftraten, deren Herkunft 
leider nicht genau festzustellen war, die aber sicherlich ebenfalls 
Muskel- und Bindegewebe lieferten. Auf einem noch recht jungen 
Stadium, wie ich es in Fig. 36 dargestellt habe, fand sich im Inneren 
des Furchungskeimes eine kleine Zelle (m,) vor, die ihrer Lage nach 
nur von einer Ektodermzelle abgeleitet werden kann. Was sicher über 
ihre Herkunft zu sagen ist, besteht in dem negativen Resultate, dass 
sie nicht aus dem zweiten Somatoblasten durch Theilung hervor- 
segangen sein kann, da eine solche mir kaum hätte entgehen 
können, und da ferner die fragliche Zelle unpaar auf der einen Seite 
liegt. Was jedoch das Auffallendste ist, diese kleine Zelle scheint 
durchaus keine konstante Bildung zu sein; auf einer Reihe älterer 
Stadien ist durchaus nichts von ihr wahrzunehmen, bis plötzlich auf 
dem in Fig. 40 dargestellten Stadium eine ganz ähnliche Zelle wie- 
derum aufzufinden war, von deren Herkunft ganz das oben Gesagte 
gilt. Ganz ausgeschlossen ist nach ihrer Lage, dass etwa eines 
der kleinen Theilprodukte von M dieselbe darstelle, sie muss viel- 
mehr Theilen der älteren Ektodermgenerationen entstammen. 

Ähnliche Erscheinungen wiederholen sich auf dem Stadium der 
Gastrulation. So liegt auf dem Sagittalschnitt von Fig. 64 auf Taf. VI 
über den Entodermzellen eine größere Zelle, die nicht den beiden, 
paarweise an den Seiten des Keimes gelegenen Zellen des zweiten 
Somatoblasten angehört, sondern anderer Entstehung sein muss. Ich 
muss zu ihrer Erklärung noch ein anderes Stadium heranziehen, näm- 
lich das von Fig. 42. Wir sehen hier an der seitlichen Wand des 
Keimes eine größere Zelle (»n,) liegen, welche zum großen Theile von 
den umgebenden Zellen überwachsen ist und beträchtlich ins Innere 
der Furchungshöhle hineinragt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die 
in Fig. 64 im Inneren angetroffene Zelle einer derartigen Zelle ent- 
spricht oder mit ihr identisch ist. Ein Blick auf das Übersichtsbild 
von Fig. 48 zeigt außerdem, dass die fragliche Zelle der zweiten 
Ektodermgeneration angehören würde. 

Ihr Auftreten im Inneren des Furchungskeimes scheint konstanter 
zu sein als dasjenige der vorher erwähnten kleineren Zellen. Ich 
sage »scheint«, und dieses hinzuzufügen, dazu zwingt mich die außer- 
ordentliche Schwierigkeit, ja fast Unmöglichkeit einer völlig sicheren 
Deutung der betreffenden Zellelemente auf vielen der gewonnenen 
Präparate, seien es Schnittserien oder Totalansichten. Wir müssen 


uns vergegenwärtigen, dass das Innere der Stadien, um die es sich 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 3 


34 Johannes Meisenheimer, 


hier handelt, fast völlig von Zellen der verschiedensten Bedeutung 
und Herkunft angefüllt ist. Da haben wir zunächst die großen Zellen 
der Schalendrüsenanlage, welche fast die gegenüberliegende Wan- 
dung erreichen, sodann die Mitteldarmzellen, deren vordere Elemente 
durch ihre frühzeitige Speeialisirung in Leberzellen scharf von den 
übrigen abgehoben erscheinen, und endlich die Zellreihen des zweiten 
Somatoblasten; man wird so verstehen, wie schwer in vielen Fällen 
die Zugehörigkeit jeder einzelnen Zelle zu einem der betreffenden 
Komplexe zu bestimmen ist. Dazu kommt noch, dass das Ektoderm zu- 
weilen stark abgeflacht ist, zuweilen aber auch in Folge der sich immer 
noch abspielenden, intracellulären Exkretionsprocesse ganz zerfetzt 
und zerschlissen erscheint. Dies zur Begründung des obigen »scheint«. 

Aber auch hiermit ist die Auswanderung einzelner Zellen aus 
dem Epithelverbande zur Bildung von Muskel- und Bindegewebe noch 
nicht erschöpft. Wenn auch vereinzelt, so finden sich doch selbst auf 
späteren Stadien noch einzelne Hinweise für ähnliche Vorgänge. Ein 
derartiges Beispiel führe ich in Fig. 72 auf Taf. VH an. Auf der 
einen Seite sieht man deutlich eine dunkler gefärbte Zelle (mz) aus 
dem Ektoderm sich ins Innere verlagern, und rings herum liegen ein- 
zelne Zellen, die noch dicht an das Ektoderm angelagert sind. Die 
Zellreihen des zweiten Somatoblasten sind bereits völlig aufgelöst. 

Ehe wir über alle diese mannigfachen Erscheinungen ein zu- 
sammenfassendes Urtheil abzugeben versuchen, wollen wir dieselben 
oder ähnliche Vorgänge bei anderen, bisher genauer untersuchten 
Formen näher betrachten, um in unserem Urtheile einen allgemeineren 
Standpunkt zu gewinnen. 

Alle diese Bildungen wurden in der Regel als »larvaler Meso- 
blast« dem eigentlichen Mesoblast (M) entgegengesetzt. Am auffallend- 
sten ausgeprägt erscheint derselbe bei Unio. Er leitet sich nach 
LiLLıEe ab von «a.,, sinkt nach Abstoßung mehrerer kleinerer Ele- 
mente in die Tiefe und theilt sich sodann bilateral. 

Sehen wir uns bei anderen Formen um, so finden wir für Cyelas 
zunächst etwas unsichere Angaben von ZIEGLER, der es nicht für 
unwahrscheinlich hält, dass an bestimmten Stellen Mesenchymzellen 
aus dem Ektoderm austreten können. Etwas ausführlicher sind die 
Angaben STAUFFACHER’S für dieselbe Muschel. Die von ihm beobach 
teten kleineren Zellen im Inneren der Furchungshöhle ähneln außer- 
ordentlich den kleinen Elementen, die ich auf etwa gleichen Stadien 
bei Dreissensia fand. Weiter will ich noch bemerken, dass STAUF- 
FACHER außer diesen kleinen Zellen auf einem älteren Stadium (seiner 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 35 


Fig. 32 auf Taf. XV) eine sich in die Furchungshöhle vordrängende 
Ektodermzelle beschreibt, ohne diesem vereinzelten Vorkommen be- 
sondere Bedeutung beizulegen. Sollten wir hier nicht einen der Vor- 
sänge vor uns haben, die ich auch bei Dreissensia auf älteren Stadien 
beobachtete? Auch Ray LANKESTER glaubt von Pisidium annehmen 
zu müssen, dass auswandernde Zellen des Ektoderms Mesoblast liefern. 

Endlich finde ich in einer mir nicht zugänglichen Arbeit von 
SIGERFOOS (nach dem Referate in den Berichten der Station zu Neapel) 
eine Angabe, wonach bei Pholas zu den Mesoblasten noch ein anderes 
mesodermales Element vom Ektoblasten kommt. 

Auch bei anderen Molluskengruppen ist ein »larvaler Mesoblast« 
bereits nachgewiesen. Nachdem schon früher PArren von Patella 
behauptet hatte, dass zur Zeit der Bildung der Urmesodermzellen 
kleinere Zellen im Inneren der Furchungshöhle auftreten, deren Her- 
kunft und Schicksal ihm unbekannt blieben und die unregelmäßig 
aufzutreten schienen, hat ConkLın ganz neuerdings dieselben bei 
Crepidula schärfer zu präecisiren vermocht. Er leitet den »larvalen 
Mesoblast< aus einer radiären Anlage ab, nämlich aus drei der 
zweiten Ektodermgeneration angehörenden Quadranten, a, ba, ©. 
Sie bilden zerstreute Mesodermzellen und sollen die Myocyten von 
Fuß, Kopfblase und Velum liefern. Ferner ist es WIERZEJSKI bei 
Physa gelungen, einen ähnlichen »sekundären Mesoblasten« bis auf 
das 24zellige Stadium zurückzuverfolgen; es entstammt jedoch hier 
nicht der zweiten Generation, sondern der dritten, und zwar den 
Quadranten d, und c,. Dieselben verlagern sich nach der Abgabe 
von je drei Ektodermzellen ins Innere, um den vorderen Theil der 
Mesodermstreifen zu bilden. Über ihre Beziehungen zu späteren Or- 
sanen ließ sich nichts feststellen. 

Diese Erscheinung, dass mehrere Ektodermgenerationen an der 
Bildung des »Mesoblasten« betheiligt sind, findet sich jedoch nicht 
ausschließlich bei den Mollusken, sondern auch bei Anneliden. Neuer- 
dings gelang es WıLson, eine derartige, vom zweiten Somatoblasten un- 
abhängige Anlage für Aricia wahrscheinlich zu machen. Ganz eigenthüm- 
lich liegen jedoch die Verhältnisse des Mesoblasts bei Capitella nach 
EısıG. Der eigentliche Mesoblast, der später zur Bildung der Mesoderm- 
streifen verwandt wird, entsteht hier nicht aus dem zweiten Somato- 
qlasten, sondern aus den Zellen c;.,; und d;.,, also aus der dritten Gene- 
ration (Cölomseoblastanlagen), der zweite Somatoblast liefert dagegen 
nur zum kleineren Theil larvalen Mesoblast (Pädomesoblastanlagen), 
während seine Hauptmasse in der Bildung der Bauchplatte aufgeht. 

B% 


36 Johannes Meisenheimer, 


Was lehren uns nun alle diese Erscheinungen? Sie zeigen uns, 
dass neben dem zweiten Somatoblasten (d. h. also der »Urmesoderm- 
zelle«) entschieden noch andere Elemente an dem Aufbau des Mesen- 
chymmuskelgewebes betheiligt sind. Ausnahmslos entstammen die- 
selben der zweiten oder dritten Ektodermgeneration. Nun wissen wir 
aus den Beobachtungen Lang’s und Wırson’s an Polycladen, dass 
dort die zweite und dritte Generation neben Theilen des Ektoderms 
allein das Mesoderm liefern, während ein dem zweiten Somatoblasten 
entsprechendes Gebilde völlig fehlt. Es liegt nahe, diese Verhältnisse 
direkt mit denen der Mollusken und Anneliden in Beziehung zu 
bringen, wie es Wırson bereits gethan hat. Es würden demnach 
die obigen Erscheinungen als die letzten Spuren eines den Turbel- 
larien sich nähernden Entwicklungsmodus anzusehen sein, der da- 
durch verdrängt wurde, dass ein anderer Zellenkomplex, eben die 
hintere Zelle der vierten Generation (d,), die Aufgabe der zweiten 
und dritten übernahm, immer mehr dabei das Bestreben zeigend, die 
ganze Anlage in sich zu vereinigen. Bei Limax scheint dies that- 
sächlich erreicht zu sein, denn weder KoroIp noch ich vermochten 
eine andere Mesenchymanlage neben dem zweiten Somatoblasten 
aufzufinden, und ähnlich verhalten sich die Opisthobranchier. 

Im Gegensatz hierzu zeigen die niederen Mollusken die Erschei- 
nung, dass der zweite Somatoblast noch eine weniger scharfe oder 
"doch wenigstens verhältnismäßig späte Sonderung erlangt hat. Das 
erstere Verhalten finden wir, wenigstens nach den bisherigen Unter- 
suchungen bei Patella und Dentalium, das letzte bei Chiton, für den 
HEATH erst in neuester Zeit den Beweis erbracht hat, dass die 
Makromere D auch hier in ihrer vierten Generation eine Urmesoderm- 
zelle liefert, aber erst auf dem 72zelligen Stadium. Die erste Bilate- 
raltheilung erfolgt auf dem 133- bis 149zelligen Stadium. 

Endlich sei noch auf die eigenthümliche Sonderstellung hinge- 
wiesen, die Paludina nach den Beobachtungen von TÖNNIGES einnimmt. 
Das Mesoderm entsteht hier durch eine Auswanderung von Ektoderm- 
zellen längs der Verschlussstelle des Blastoporus und löst sich bald 
in eine lose Masse auf. Auch bei anderen Formen scheinen derartige 
Vorgänge aufzutreten, ich erwähne nur Fusus, Natica und Vermetus. 
Es ist recht schwierig zur Zeit anzugeben, ob dieser Process ein 
primitives Verhalten darstellt, d. h. ob der zweite Somatoblast über- 
haupt noch nicht ausgebildet worden ist, oder ob er eine sekundäre 
Erscheinung ist, indem wieder eine Auflösung derselben stattgefun- 
den hat. Die Angriffe Carazzı's gegenüber den Beobachtungen von 


a 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 37 


TönnıGzs halte ich durch die angeführten Gründe durchaus nicht für 
genügend gerechtfertigt. 


IV. Der Aufbau der Larve von Dreissensia im Vergleich mit der Ent- 
wieklung der übrigen Mollusken, der Anneliden, Turbellarien und 
Räderthiere. 


Wir haben im Vorhergehenden geschildert, wie aus dem ein- 
fachen, ungefurchten Ei durch eine Reihe mannigfacher Processe der 
komplieirte Organismus der jungen Trochophoralarve hervorgegangen 
ist. Alle diese Processe verliefen in einer ganz bestimmten Regel- 
mäßigkeit, unsere weitere Frage ist nun die, in wie weit sich ver- 
wandte Formen eben diesem gefundenen Schema anfügen, und in 
wie weit entferntere und immer entferntere Gruppen dasselbe in ihrer 
Entwicklung modifieirt erscheinen lassen. Mit den marinen Lamelli- 
branchiaten also beginnend, werden wir von diesen auf unsere Süß- 
wassermuscheln übergehen, an diese die Gastropoden und die primi- 
tiven Molluskenformen anschließen. Weiter entfernen wir uns schon, 
wenn wir sodann den Anneliden uns zuwenden, wo die Verbindungs- 
fäden noch immer zahlreich hinüber und herüber laufen, fast ins 
Dunkle hinein begeben wir uns aber, wenn wir die Turbellarien in 
Angriff nehmen, und mit den Rotatorien dürften wir die äußerste 
Zulässigkeit und Möglichkeit eines Vergleiches erreicht haben. 


1. Mollusken. 


Unter den Mollusken haben wir zunächst als die nächsten Ver- 
wandten die marinen Lamellibranchier anzusehen, und demgemäß 
beginnen wir mit ihnen unsere Betrachtung. Leider lassen alle bis- 
herigen Untersuchungen einen allzu tief gehenden Vergleich, wenig- 
stens betreffs der Zellfolge, noch nicht zu, theils sind die Beobach- 
tungen unzureichend, theils auf irrthümlichen Deutungen der einzelnen 
Zellen basirt. 

Von den älteren Untersuchungen, die ich zum Theil völlig 
übergehe, wie diejenige von BARROIS über Mytilus edulis und andere, 
sind unstreitig die weitaus werthvollsten diejenigen Lovin’s. Aber 
auch für sie gilt das oben Gesagte, ein näherer Vergleich würde 
fruchtlos sein, nur einzelne markante Stadien lassen sich herauslesen. 
Die ganz jungen Stadien lassen sich leicht identificiren, eben so tritt 
auf vielen der älteren Stadien der erste Somatoblast deutlich hervor, 
hier und da lässt sich auch die Abschnürung des einen oder anderen 
seiner kleineren Derivate erkennen. 


98 Johannes Meisenheimer, 


Einen etwas schärferen Vergleich lässt erst die Entwicklung von 
Teredo, wie sie von HATscHEk geschildert wurde, zu. Aber schon 
von den allerersten Stadien an befindet sich Teredo nach HATSCHER’s 
Darstellung im Widerspruch mit Dreissensia. So soll das zweizellige 
Stadium mit seiner Längsachse genau in der späteren Sagittalebene 
liegen, während es bei Dreissensia in schiefem Winkel dazu geneigt ist. 
Sodann soll die größere Zelle successive eine ganze Reihe von Mikro- 
meren abschnüren. Mit Rücksicht auf die immer wieder hervor- 
tretende Ähnlichkeit einzelner Stadien mit den entsprechenden von 
Dreissensia muss ich annehmen, dass die Furchung hier ganz dem- 
selben Typus folgt, wie er von LILLIE für Unio zuerst genau präeisirt 
wurde, und wie ich ihn bei Dreissensia wiederfand. Ich halte mich 
desshalb für berechtigt, in der Deutung der Beobachtungen HATScHER’s, 
die für ihre Zeit durchaus auf der Höhe standen, einige Berichti- 
sungen vornehmen zu dürfen, wie sie der Fortschritt der Wissen- 
schaften stets im Gefolge haben wird. Die große Zelle ist keine 
Entodermzelle, sondern der I. Somatoblast, die Umwachsung von Seiten 
der Ektodermzellen nur eine scheinbare. Was seine beiden Urmeso- 
dermzellen betrifft, so mögen sie auf den späteren Stadien wohl 
den entsprechenden Gebilden des zweiten Somatoblasten von Dreis- 
sensia gleich zu setzen sein, auf den jüngeren haben sich sicherlich 
öfter Verwechslungen mit anliegenden Zellen eingeschlichen. Auch 
die Achsen des Kernes sind, auf Obigem basirend, falsch gezogen, 
die Verschiebungen zwischen animalem und vegetativem Pole sind HAT- 
SCHER entgangen, seine »ventrale Seite« ist die hintere, und umge- 
kehrt die hintere in Wirklichkeit die ventrale, seine »dorsale Seite« 
ist die vordere, und umgekehrt wieder letztere die dorsale. Die Bil- 
dung des Mitteldarmes durch die Gastraleinstülpung wird von ihm 
überhaupt nicht geschildert, das junge Stadium seiner Fig. 14 stellt 
wahrscheinlich die Gastrula dar, die große »Entodermzelle« im Inneren 
muss dann mit der Schalendrüseneinstülpung in Verbindung stehen, 
oder stellt dieselbe selbst zum größten Theile dar. Auf Fig. 16 und 17 
scheint mir eher der Process der Wiederausstülpung der Schalendrüse 
dargestellt zu sein als ihre Einstülpung. Das in Fig. 18 erreichte 
Stadium gleicht dann im Wesentlichen dem entsprechenden von 
Dreissensia, nur die Darstellung der Mesodermverhältnisse erscheint 
mir etwas stark schematisirt. Bei Dreissensia ist von einer derartigen 
regelmäßigen Anordnung der Derivate des zweiten Somatoblasten nichts 
mehr wahrzunehmen, sondern Muskel- und Mesenchymgewebe beginnt 
sich bereits zu sondern. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 39 


Ich breche hier den Vergleich mit Teredo ab, um an dieser Stelle 
bei der Organbildung wieder anzuknüpfen. Die mancherlei Ver- 
schiedenheiten, die ich oben hervorgehoben habe, glaube ich direkt 
auf irrthümliche Beobachtung und Deutung zurückführen zu müssen, 
und so eine weitgehende Übereinstimmung beider Formen annehmen 
zu dürfen, zumal die Ähnlichkeit auf einzelnen Stadien stets wieder 
‚durehblickt und namentlich auch das Endprodukt ein so außerordent- 
lich ähnliches ist. Und endlich giebt SIGERFOOS auch von Pholas 
truncata an, dass das 16- und 1’7zellige Stadium völlig dem von 
Lituıe bei Unio beschriebenen gleiche. 

In dieser kritischen Beurtheilung der Befunde HATScHEXR’s werde 
ich noch bestärkt durch die frappante Ähnlichkeit, welche Ostrea aut 
gewissen Stadien mit Dreissensia aufweist. Es handelt sich um die 
Untersuchungen von Horst. Von der Furchung freilich ist auch hier 
nur wenig zu sagen, er bildet deutlich den ersten Somatoblast ab, 
hält ihn freilich ebenfalls irrthümlich für die Mutterzelle von Ento- 
derm und Mesoderm. Sehr genau sind dagegen von ihm die Aus- 
bildung von Mitteldarm und Schalendrüse dargestellt worden. Seine 
Abbildungen lassen unverkennbar eine weitgehende Übereinstimmung 
mit Dreissensia hervortreten, wofern an denselben wieder einige 
Korrekturen vorgenommen werden. Es handelt sich diesmal um eine 
direkte Verwechslung von Mitteldarm- und Schalendrüsenanlage. Ent- 
schieden ist auf seiner Fig. 8 die mit o bezeichnete Einstülpung nicht 
die Gastraleinstülpung, sondern die Schalendrüsenanlage, und das 
Umgekehrte gilt von der durch s% gekennzeichneten Vertiefung. Die 
Schalendrüsenanlage ist durch ihre großen Zellen ganz unverkennbar, 
und nach dieser Korrektur ist die erwähnte Zeichnung völlig identisch 
mit meiner Fig. 64 auf Taf. VI. Schwieriger ist auf seinen Figg. 10 
und 12 zu entscheiden, was wirklich Mitteldarm- und was Schalen- 
drüsenanlage ist, da die histologischen Details nicht hervorgeho- 
ben sind, trotzdem glaube ich in Fig. 12 wieder d (Darm) mit s% 
(Schalendrüse) vertauschen zu müssen, in Folge des bedeutenderen 
Umfanges der Schalendrüse auf diesen Stadien. Eine Reihe von 
Zwischenstufen fehlt endlich, bis das in Fig. 15 dargestellte Stadium 
erreicht wird, demgemäß lässt Horsr direkt aus dem Blastoporus 
den Mund hervorgehen, ohne dass es vorher zu einem Verschlusse 
käme. Wir haben hiermit das gleiche Stadium erreicht, bei dem wir 
bei Teredo abbrachen, wir werden also ebenfalls an dasselbe später 
wieder anknüpfen. 

Weit mehr ins Einzelne hinein, als es bei den marinen Lamelli- 


40 Johannes Meisenheimer, 


branchiern der Fall war, lässt sich ein Vergleich mit den Unioniden 
durchführen, Dank der genauen Untersuchungen LiLLir’s. Da seine 
Arbeit alle früheren zusammenfassend berichtigt und endlich völlige 
Klarheit in diese so oft untersuchten Vorgänge gebracht hatte, so 
brauche ich mich in eine Diskussion der früheren diesbezüglichen 
Abhandlungen nicht mehr einzulassen, wenigstens was die jüngeren 
Entwicklungsstadien angeht, bei der Organbildung werden wir auch 
sie in weitgehendem Maße zu berücksichtigen haben. 

Dreissensia gleicht Unio völlig darin, dass die Furchung außer- 
ordentlich unregelmäßig verläuft, in keinem Quartett theilen sich 
sämmtliche Quadranten gleichzeitig. Bei Dreissensia hat die Fur- 
chung noch nicht ganz das Extrem erreicht, welches Unio aufweist, 
so theilt sich das zweizellige Stadium in der Regel noch gleichzeitig, 
oder auf dem Übergang vom fünf- zu dem achtzelligen Stadium A, 
B und C ebenfalls gleichzeitig. Im Übrigen gilt aber als Regel, 
dass D vorauseilt, sodann die beiden Seiten sich anschließen und 
endlich B als letzte Zelle in der Theilung folgt. Der Typus der 
Furchung lässt also bei beiden Formen ein durchaus gleiches Ver- 
halten erkennen, völlig verschieden bei beiden ist aber die Art und 
Weise, wie derselbe in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Bildung 
einzelner Komplexe verfährt. 

Um kurz den Hauptunterschied in der Entwicklung beider For- 
men hervorzuheben, so handelt es sich um ein starkes Überwiegen 
der ersten Ektodermgeneration bei Dreissensia gegenüber einem 
gleichen Verhalten der zweiten Generation bei Unio. Diese Ver- 
schiedenheit ist zurückzuführen auf die tiefgreifenden Veränderungen, 
welche die Larve von Unio gegenüber der Trochophoralarve erlitten 
hat, sie ist eine direkte Folge dieser ursprünglich auf weit späteren 
Stadien vollzogenen Veränderungen. Begründen wir diesen Satz nun 
im Einzelnen. 

Schon auf dem Übergange vom neun- zum sechzehnzelligen Sta- 
dium tritt ein Überwiegen des unteren Poles gegenüber dem oberen 
bei Unio hervor, indem die vegetativen Zellen sich zuerst theilen, 
bei Dreissensia verhalten sie sich, zum wenigsten in der Mehrzahl 
der Fälle, umgekehrt. Noch mehr tritt dieses verschiedene Verhalten 
auf den nächsten Stadien: hervor. Bis zum 26zelligen Stadium sehen 
wir bei Dreissensia die acht Zellen der ersten Ektodermgeneration 
bereits vollständig wieder getheilt, bei Unio beginnen dieselben ihre 
neue Theilung nach dem 27zelligen Stadium und vollenden dieselbe 
erst auf dem 4özelligen Stadium, wo bei Dreissensia sich ihre Zahl 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 4] 


bereits auf 25 vermehrt hat. Zum Ausgleiche besitzen dagegen die Zellen 
der zweiten Ektodermgeneration bei Unio ein Übergewicht gegenüber 
Dreissensia. Dieselben bestehen bei ersterer Muschel auf dem 38zelli- 
sen Stadium bereits aus zwölf Zellen, einschließlich des larvalen 
Mesoblasts und ausschließlich des ersten Somatoblasten, bei Dreissensia 
dagegen erst aus vier Zellen, ebenfalls ausschließlich des ersten So- 
matoblasten. Die Theilungen dieser zweiten Generation erfolgen bei 
Unio verhältnismäßig regelmäßig auf einander, bei Dreissensia weisen 
sie den unregelmäßigsten Verlauf aller Theilungskomplexe auf. Die 
erste Neutheilung (von c,) findet statt nach dem 27zelligen Stadium, 
die zweite und dritte («, und d,) erst nach dem 42zelligen Stadium, 
bei Unio theilen sie sich gleichmäßig nach dem 18zelligen Stadium. 
Eine einfache Tabelle mag uns das eben Erläuterte nochmals klar 
vor Augen führen. Es besitzen auf dem 46zelligen Stadium von der: 


| Dreissensia Unio 

I. Ektodermgeneration 25 16 
(II. Ektodermgeneration | 6 10-2 (larv. Mesobl.) 

\I Somatoblast | 6 7 

II. Ektodermgeneration | 4 5 

II. Somatoblast 1 2 

Vegetative Zellen | 4 4 

6 


oa 4 


Dieses verschiedene Verhalten der beiden ersten Ektodermgene- 
rationen übt naturgemäß seinen Einfluss auch auf die zeitliche Folge 
der übrigen Theilungskomplexe aus, derart, dass z. B. die erste Bi- 
lateraltheilung des ersten Somatoblasten bei Unio auf weit jüngeren 
Stadien sich vollzieht als bei Dreissensia, oder dass der zweite So- 
matoblast M bei Unio sich bereits nach dem 27zelligen Stadium aus- 
bildet, bei Dreissensia erst nach dem 42zelligen. Diese Unterschiede 
haben an sich keine Bedeutung, es sind nur die unmittelbaren Folgen 
des verschiedenen Verhaltens der Ektodermgenerationen. Denn im 
Übrigen stimmen die Theilungen der beiden Somatoblasten völlig bei 
beiden Formen mit einander überein, hier wie dort erfolgt vom ersten 
Somatoblast zunächst das Abstoßen vier kleinerer Derivate in ganz 
entsprechenden Richtungen, dann die Bilateraltheilung, und nach der- 
selben die erneute Abschnürung von z;, worauf wieder Bilateralthei- 
lungen folgen. Und selbst die Eigenthümlichkeit, dass bei der zweiten 
Bilateraltheilung rechte und linke Seite sich nicht ganz gleichzeitig 
theilen, findet sich bei Unio, wiederholt sich aber bei Dreissensia auch 
noch bei der dritten Bilateraltheilung. Das Schema der Theilungen des 


42 Johannes Meisenheimer, 


ersten Somatoblasten, welches LILLiE für Unio angegeben hat, gilt 
völlig auch für Dreissensia. 


X3 
N, BR 
Se 
x VAN X 
TESTEN 


3 L5XaX5 


Auch das Verhalten des zweiten Somatoblasten zeigt volle Überein- 
stimmung bei beiden Formen, er ist in einem besonderen Kapitel 
bereits früher behandelt worden. 


Bildung von Mitteldarm und Schalendrüse vollziehen sich bei 
Unio in ähnlicher Weise wie bei Dreissensia. Mit der mächtigen 
Ausbildung der Schalendrüse kontrastirt bei Unio scharf die wenig 
umfangreiche Anlage des Darmes. Der ursprünglich weite Blasto- 
porus verschließt sich ebenfalls unter einer Verschiebung von hinten 
nach vorn. LitLLıe führt diese Verschiebung allein auf eine starke 
Ausdehnung der Ventralplatte zurück, ich habe oben dargelegt, dass 
die Ausstülpung der Schalendrüse diese Verschiebungen nicht un- 
wesentlich unterstützt. 


Wiederum brechen wir hier mit dem Vergleiche ab, um später 
an diese Stelle wieder anzuknüpfen. 


Unter den Lamellibranchiern bleiben uns endlich noch die Cyela- 
diden zu betrachten übrig. Von Pisidium ist aus den älteren Arbeiten 
betreffs Einzelheiten wenig oder nichts zu ersehen, genauer untersucht 
ist dagegen Uyelas. Die älteren Arbeiten über diese Muschel kann 
ich übergehen, von den neueren hat ZIEGLER mehr der Organogenese 
seine Aufmerksamkeit zugewandt, STAUFFACHER dagegen die Furchung 
ins Einzelne hinein verfolgt. Sehr auffallend ist, dass hier nach 
seiner Darstellung ein anderer Furchungstypus auftritt, als bei sämmt- 
lichen bisher betrachteten und auch noch zu betrachtenden Mollusken. 
Bisher verlief bei aller Unregelmäßigkeit der Furchungsmodus stets 
derart, dass die Vermehrung der Furchungskugeln sich nach der 
Reihe 2...4...8...16...32 ete. vollzog. Vier vegetätive Zellen 
bildeten stets die Grundlage der späteren Mitteldarmeinstülpung, hier 
vertritt ihre Stelle nur eine einzige, sehr große Zelle, welche succes- 
sive eine Reihe von Mikromeren abgiebt, die sich sodann nach ihrer 
Abschnürung von Neuem theilen. Ein erster Somatoblast ist nicht 
entwickelt, also eine ganze Anzahl tiefgreifender Unterschiede. Diese 
Unterschiede lassen sich kurz in zwei Schemata bringen, wobei die 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 43 


stärker gezogenen Linien die vegetativen Zellen bezeichnen, die 
schwächeren die Ektodermzellen. 


Dreissensia: 
Fa 
ve ARE 

a 

SU ae 

= : \ 

nen: 

N % 

S N 

ee 

I a 

N 

Cyelas: 
„ ur/ 
el S 
= W < 
N ES > 
ar S 
N a 

ARE " 
EINE % x 


Bildung von Schalendrüse und Mitteldarm gewinnen auf späteren 
Stadien wieder mehr Ähnlichkeit mit den entsprechenden Stadien der 
übrigen Lamellibranchiaten. Der langgestreckte Blastoporus verengt 
sich nach ZIEGLER und schnürt sich schließlich völlig ab, ähnlich wie bei 
Pisidium nach Ray LANKESTER, immer bleibt aber die Darmanlage 
eng dem Ektoderm anliegend. 


Als zweite, weil am genauesten untersuchte Klasse, wählen wir 
zum Vergleiche die Gastropoden und unter diesen speciell zunächst 
die Prosobranchier. 

Um den Vergleich möglichst übersichtlich durchführen zu können, 
greife ich die am genauesten untersuchte Form heraus, Crepidula 
(Con&kLin), die älteren Arbeiten nur gelegentlich vergleichsweise 
heranziehend. 

Die Furchung der Prosobranchier unterscheidet sich von derjeni- 


44 Johannes Meisenheimer, 


gen der Lamellibranchiaten vor Allem durch ihre Regelmäßigkeit, 
jedes Quartett lässt seine Quadranten völlig oder nahezu völlig gleich- 
zeitig theilen. Alle vier Makromeren, die sich meist durch besondere 
Größe und Dotterreichthum auszeichnen, sind gleich groß, im Übrigen 
entsprechen sich zunächst 4, 8 und 16zelliges Stadium völlig. Ein 
wichtiger Unterschied tritt aber doch schon auf diesen Stadien 
auf, die Bildung des ersten Somatoblasten unterbleibt, die entspre- 
chende Zelle zeigt nichts Außergewöhnliches, weder in Lage noch in 
Größe. Höchstens lassen sich einzelne Derivate von d, mit denen des 
ersten Somatoblasten vergleichen, wie es CONKLIN versucht, später 
finden sich an der entsprechenden Stelle einige mehr oder weniger 
regelmäßige Zellreihen, die Fuß und Schalendrüse den Ursprung 
geben. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass alle drei Ekto- 
dermgenerationen sich ziemlich gleichmäßig weiter theilen, ohne zu- 
nächst die eine oder die andere besonders zu bevorzugen. Ein Ver- 
gleich des 52zelligen Stadiums von Crepidula mit dem S4zelligen von 
Dreissensia wird uns dies klar zeigen. 


| Crepidula Dreissensia 
I. Ektodermgeneration | 15 I) 
II. Ektodermgeneration | 16 7 +8 (l. Somatoblast) 
III. Ektodermgeneration 8 | 4 
IV. Generation (Mesobl. + Ent.) 9 | 2 
Vegetative Zellen 4 4 
| 52 | 54 


Aber bald macht sich sehr stark ein Überwiegen der zweiten Ekto- 
dermgeneration geltend. So besitzt auf dem 88zelligen Stadium Cre- 
pidula nur 25 Zellen der ersten Ektodermgeneration, dagegen 32 der 
zweiten Ektodermgeneration, und dies hat seinen Grund darin, dass 
bei Crepidula der Hauptbestandtheil des Velums von der zweiten 
Generation geliefert wird. Von der ersten treten nur die turret-cells 
in die Bildung des Velums ein, oder doch wenigstens zum Theil, es 
sind die Zellen «,., bis d,.,, die Hauptmasse aber liefert die zweite 
(Generation und möglicherweise selbst noch Theile der dritten. Hier- 
durch ist ein charakteristischer Unterschied gegen Dreissensia ge- 
wonnen, wo gerade die Zellengenerationen, denen auch die turret-cells 
der Prosobranchier angehören, die Hauptmasse des Velums bilden. Die 
weiteren Theilungen der Zellen des animalen Poles mit denen von 
Dreissensia vergleichen zu wollen, würde ein fruchtloses Unternehmen 
sein, da die eigenthümlichen regelmäßigen Bildungen, zu denen sich 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 45 


die Zellen der ersten Generationen anordnen, bei Dreissensia nicht 
hervortreten. Diese sog. Kreuzarme finden sich bei fast allen Gastro- 
poden, bei Chiton, bei Prosobranchiern, Opisthobranchiern und Pul- 
monaten, und weiterhin auch bei den Anneliden, ohne dass jedoch 
die ähnlichen Bildungen überall und in allen Gruppen einander völlig 
homolog wären. ER 

Die Furchung der Opisthobranchier, bei denen ich mich im 
Wesentlichen an die Umbrella-Entwicklung von HEYMoNns und die 
Aplysia-Entwicklung von Carazzı halte, schließt sich außerordentlich 
eng an die der Prosobranchier an. Sie zeichnet sich ebenfalls durch 
eine sehr weitgehende Regelmäßigkeit aus, die drei Ektodermgene- 
rationen folgen unmittelbar in ihrer Bildung (bei Aplysia und Thetys 
fimbriata greift die Theilung der zweiten Generation in die Bildung 
der dritten hinein) auf einander, um sich dann eben so gleichmäßig 
weiter zu ‚theilen, bis dann bei der zweiten Theilung die zweite das 
Übergewicht gewinnt und den übrigen vorauseilt, ganz wie bei Crepi- 
dula. Eine Tabelle wird uns dieses wieder erläutern, indem ich das 
5özellige Stadium von Umbrella und Aplysia mit dem S4zelligen von 
Dreissensia vergleiche. 


| Dreissensia | Umbrella Aplysia 
I. Ektodermgeneration | 29 12 12 
II. Ektodermgeneration ı 1507 +98 24 24 
III. Ektodermgeneration | 4 10 10 
IV. Generation (Mesobl. + Ent.) | 2 a pe) 
Vegetative Zellen | 4 + 4 
NR 55 55 


Der erste Somatoblast fehlt ebenfalls, die Zelle d, ist in nichts 
von dem übrigen Quadranten der zweiten Generation verschieden. 
Dass auch hier am animalen Pole regelmäßig geformte Felder auf- 
treten, erwähnte ich schon, sie näher zu diskutiren, ist für uns be- 
deutungslos. 


Es bleiben uns endlich von den Gastropoden noch die Pulmo- 
naten zu betrachten übrig. Am eingehendsten sind wir über diese 
Gruppe in einem vorläufigen Berichte von HorLmes über Planorbis 
trivolvis unterrichtet. Enger Anschluss an die Prosobranchier lässt sich 
auch hier sofort wahrnehmen, bestehend in sehr gleichmäßiger, regel- 
mäßiger Theilung aller drei Ektodermgenerationen. Ein bemerkens- 


46 Johannes Meisenheimer, 


werther Charakterzug der Furchung von Planorbis ist das frühe Her- 
vortreten der Trochoblasten a,., bis d,.,, also der turret-cells von 
Crepidula. In der Theilung eilt sodann die zweite Generation der 
ersten etwas voraus, wird jedoch bald von der ersten im Wesentlichen 
in Folge der frühen Theilung der turret-cells wieder eingeholt, so 
dass so große Differenzen, wie bei Crepidula, nicht auftreten. Trotzdem 
liefert aber auch hier die zweite Ektodermgeneration, bis auf die 
oben erwähnten Trochoblasten ,.,, vollständig das Velum. Die dritte 
Generation bleibt von seiner Bildung ganz ausgeschlossen. Auch 
Planorbis lässt auf späteren Stadien am animalen Pol die Kreuzarme 
hervortreten und zeigt darin wiederum ihre Übereinstimmung mit den 
Prosobranchiern, welche am klarsten in einer Tabelle ihren Ausdruck 
finden: 


| Planorbis Crepidula | Dreissensia 
I. Ektodermgeneration ln 15 25 
II. Ektodermgeneration to 16 15 
Ill. Ektodermgeneration | fe) 6) 4 
IV. Generation (Mesobl. + Ent.) | 3+2(M.) 6 1(M.) 
Vegetative Zellen er rt Se 
| 49 | 49 | 49 


Ein erster Somatoblast fehlt ebenfalls. 

Eng an Planorbis schließt sich Limax an, die völlige Unter- 
drückung des Velums hat hier die Gleichmäßigkeit der Furchung 
nicht beeinträchtigt, das 48zellige Stadium setzt sich aus genau den 
gleichen Zellen zusammen wie bei Planorbis. 


Kurz erwähnen will ich schließlich von den Gastropoden noch 
die Pteropoden und Heteropoden. Die Untersuchungen sind hier 
entsprechend den Anforderungen der Jetztzeit noch wenig vorge- 
schritten, so dass ein ins Einzelne gehender Vergleich zunächst noch 
unmöglich ist. Neben den älteren Arbeiten FoL’s haben wir eine 
neuere Untersuchung von Kxipowirsch über Clione, dieselbe be- 
schränkt sich aber fast ganz auf Gastrulation und Mesodermbildung. 
In neuester Zeit endlich hat Carazzı einige kurze Mittheilungen über 
die Entwicklung von Pneumodermon gegeben, wonach sich die Fur- 
chung der Pteropoden sehr stark derjenigen der Opisthobranchier an- 
schließt. 

Indem wir uns nun den primitiveren Mollusken zuwenden, wollen 
wir zunächst Chiton ins Auge fassen. Die ältere Darstellung von 


' Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 47 


KOWALEWSKY ist zu einem näheren Vergleiche nicht ausreichend, es 
scheint nur so viel daraus hervorzugehen, dass der Prototroch aus 
der zweiten Hälfte der ersten Ektodermgeneration seine Entstehung 
nimmt. Genauer sind die Untersuchungen MErcALr’s, es kommt nach 
demselben ebenfalls zur Ausbildung der charakteristischen Rosetten 
und Kreuze, doch ist auch von ihm Herkunft und Schicksal der ein- 
zelnen Komplexe noch nicht genügend festgestellt. Erst HEATH ver- 
danken wir in neuester Zeit eine genaue Feststellung der Zellfolge 
von Ischnochiton. Im Großen und Ganzen spricht sich darin eine be- 
deutende Übereinstimmung mit den Prosobranchiern aus. Das Velum 
wird zum größeren Theile aus Zellen der ersten Ektodermgeneration 
(a. und a...) geliefert, dazu treten aber noch einzelne Komplexe 
der zweiten Generation. Der erste Somatoblast tritt eben so wenig 
wie bei den Prosobranchiern schärfer abgegrenzt hervor, sehr scharf 
dagegen die Kreuzbildungen des animalen Poles. 

Nähert sich Chiton mehr dem Gastropodentypus, so zeigen die 
Solenogastren (Dondersia) nach den Untersuchungen Pruvor’s mehr 
den Furchungstypus der Lamellibranchiaten, wenigstens auf den jün- 
geren Stadien. Das vierzellige Stadium besteht aus einer großen und 
drei kleineren Zellen, das achtzellige geht aus der Theilung dieser 
vier hervor und besteht also aus sieben kleinen und einer großen 
Zelle. So weit reicht die Übereinstimmung, nun soll sich die große 
Zelle in zwei gleich große Hälften theilen und das Entoderm dar- 
stellen, während die übrigen Zellen sich normal weiter theilen. Eine 
Invaginationsgastrula führt sodann den Furchungskeim in die Larve 
über, von der später noch die Rede sein wird. 

Nieht minder dürftig sind die Angaben über die Furchung von 
Dentalium. Ein vierzelliges Stadium tritt auf, welches dem der La- 
mellibranchiaten gleicht, auch einzelne spätere Stadien erinnern an 
dieselben, aber im Einzelnen ist das Schicksal der verschiedenen Zell- 
komplexe noch viel zu wenig aufgeklärt. 


2. Anneliden, 


Gegenüber dem abweichenden Verhalten von Gastropoden und 
Lamellibranchiaten sind um so auffallender die Beziehungen zwischen 
letzteren und den Anneliden. Der Gefahr einer Überschätzung von 
Ähnlichkeiten in Rücksicht auf phylogenetische Spekulationen wohl 
bewusst, ist es mir dennoch ganz undenkbar, in den gegenseitigen 
Beziehungen beider Gruppen, die im Folgenden aus einander zu setzen 
sind, nichts weiter als Konvergenzerscheinungen zu sehen, zumal die- 


48 Johannes Meisenheimer, 


selben sich bis in die minutiösesten Einzelheiten hinein verfolgen 
lassen, auf der anderen Seite freilich auch wieder Sonderheiten zei- 
sen, die auf eine in späteren Stadien allmählich immer schroffer 
werdende Divergenz zurückzuführen sind. Als Grundlage für einen 
Vergleich wählen wir die Nereis-Entwicklung von WıLson, ohne 
dabei die neueren Arbeiten auf diesem Gebiete zu vergessen. 

Auch bei den Anneliden ist in der Mehrzahl der Fälle der Typus 
der Furchung ein durchaus regelmäßiger, ein 4-, 8-, 16- ete. zelliges 
Stadium folgen mehr oder minder genau auf einander. Das Extrem 
in dieser Hinsicht erreichen nach MEeAD Amphitrite und Clymenella, 
wo die nahezu mathematische Regelmäßigkeit sich bis zum 64zelligen 
Stadium fortsetzt, noch übertroffen von Lepidonotus, dessen 64zelliges 
Stadium völlig radiären Bau aufweist. Daneben kommen jedoch 
auch Formen von zeitlich sehr unregelmäßigem Typus vor, wie Ca- 
pitella nach Eiısıc. 

Betreffs der zeitlichen Folge der einzelnen Ektodermgenerationen 
herrscht eine außerordentliche Übereinstimmung zwischen Nereis und 
Dreissensia. Die erste Ektodermgeneration eilt ebenfalls den übrigen 
voraus, es drückt sich dies schon auf jüngeren Stadien aus, von 
denen wir einige zum Vergleiche neben einander stellen wollen. 


| Nereis Dreissensia | Unio 

JE ne | 16 
II. Ektodermgeneration 3 : 
\ I. Somatoblast 2 4 
III. Ektodermgeneration 4 4 
Vegetative Zellen 4 h | 4 
| 27 


| 29 29 

Noch mehr ausgeprägt ist dieses Verhalten auf späteren Stadien, 

wir brauchen nur die drei Ektodermgenerationen auf dem 58zelligen 

Stadium von Nereis dem S’zelligen von Dreissensia gegenüberzu- 
stellen. 


| Nereis | Dreissensia 
I. Ektodermgeneration | 36 
II. Ektodermgeneration 12 
III. Ektodermgeneration 4 | 


Dieses Verhalten gewinnt dadurch eine tiefere Bedeutung, dass bei 
Nereis ganz wie bei Dreissensia die Zellen der ersten Ektoderm- 
generation im Wesentlichen den Prototroch liefern. Wir sahen, dass 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 49 


bei Dreissensia die Velarzellen sich im Wesentlichen aus den Zell- 
generationen ;.ı.ı und ,...„ herleiteten, wobei freilich eine geringe 
Antheilnahme von Zellen der zweiten Generation nicht ausgeschlossen 
erschien. Bei Nereis leitet Wırsow den primären Prototroch aus 
den gleichen Zellgenerationen ab, wobei er nur die Zellen 1.1.2.2 ZU- 
nächst von seiner Bildung ausschließt; vermuthungsweise äußert er, 
dass auch ,..., und ,.9., (intermediate girdle cells) daran Theil hätten, 
‘indem sie in der Bildung einer zweiten, schmäleren Zellenreihe auf- 
sehen. Ergänzende Untersuchungen von MEAD an Anneliden haben 
indessen dargethan, dass dennoch die ganze Generation .., an der 
Bildung des Prototrochs Theil hat, dass ferner bestimmt einige Zell- 
komplexe der zweiten Ektodermgeneration, nämlich a—.cy.,., und 
d—Cy.].9 dabei betheiligt sind, indem sie die Lücken zwischen den 
Quadranten der ersten Generation ausfüllen. Dessgleichen gehen bei 
Capitella nach EısıgG wenigstens alle Zellen der Generation ,., in den 
Prototroch über. 

Interessant ist es, dass wir analoge Fälle von der Unterdrückung 
des Prototrochs und mithin verlangsamte Theilung der Ektoderm- 
generationen auch unter den Anneliden antreffen. Bei Chaetopterus, 
dessen Prototroch nicht ausgebildet ist, theilen sich nach MEAD die 
Prototrochzellen anormal und fehlen die charakteristischen Bildungen 
am animalen Pole völlig. 

Die weiteren Bildungen am animalen Pole in Form der Rosetten- 
zellen und der Kreuzarme, die bei den meisten Anneliden auftreten, 
fehlen, wie gesagt, bei Dreissensia, und hierin liegt ein starker 
Gegensatz zu den ersteren. Direkt nach dem 32zelligen Stadium er- 
folgt die Bildung der Rosette-cells bei Nereis. Bei Dreissensia gehen 
die entsprechenden Theilungen erst auf dem 42zelligen Stadium 
(dı.;) und auf dem S4zelligen Stadium {a,.3, d4.3, €.) vor sich, auch 
ist Richtung der Abspaltung, sowie definitive Lagerung der Tochter- 
zellen eine völlig verschiedene. Auch auf späteren Stadien war keine 
Spur ähnlicher Gebilde aufzufinden. 

Wir kommen nun zu der Besprechung des ersten Somatoblasten. 
Bei Nereis macht derselbe, wenn auch von etwas geringerem Umfange, 
zunächst ganz dieselben Theilungen durch, d. h. er giebt drei klei- 
nere Derivate, zwei nach rechts und links unten und eins nach oben, 
ab. Sodann erfolgt die erste Bilateraltheilung. Unio und Dreissensia 
weisen dagegen vor derselben noch eine vierte spiralige Theilung auf, 
und zwar nach unten zwischen x, und z,. Eine höchst eigenthüm- 


liche Beziehung zeigt nun Dreissensia zu Nereis in so fern, als die 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 4 


50 Johannes Meisenheimer, 


Spindel zu x, sich völlig bilateral zunächst einstellt und dann erst 
eine Drehung in der Richtung der späteren Abschnürung von x, er- 
fährt. Sollte dies ein Hinweis darauf sein, dass ursprünglich auch 
bei den Lamellibranchiern nur drei Derivate vor der Bilateraltheilung 
abgestoßen wurden? Die Antwort ist für diesen einzelnen Fall 
schwer zu geben. 

Im Übrigen entspricht jedoch die nächste Theilung von X bei 
Nereis, welche zur Abschnürung von x, führt, der Lage nach durch- 

aus z, von Dreissensia und Unio, wie das neben- 

23 stehende Schema zeigt. Die nächste Theilung weicht 
N Ale — x in ihrer Richtung jedoch bereits von Dreissensia ab, 

4 X und diese Abweichung prägt sich auf den späteren 
amt Stadien immer mehr aus, indem nunmehr die spä- 
teren Organe, die aus diesen Zellkomplexen sich 
herleiten, deutlicher ihren Einfluss geltend machen. Bei Nereis 
folgen noch zahlreiche Theilungen, welche den Somatoblasten in die 
umfangreiche Ventralplatte überführen, bei Dreissensia erfolgt eine 
scharfe Scheidung in die Schalendrüse auf der einen Seite, welche 
nach Abschnürung von z; den ganzen Rest des ersten Somatoblasten 
für sich beansprucht, und in die Ventralplatte andererseits, welche 
nun ebenfalls eine starke Vergrößerung erfährt. 

Während x, bei Dreissensia in der Masse der anliegenden Ekto- 
dermzellen verschwindet, ohne dass eine besondere Bildung aus ihr 
abzuleiten wäre, soll bei Nereis z, (im Vereine mit z,?) die dorsale, 
mittlere Region des Körpers liefern, während die beiden Theile der 
eigentlichen Ventralplatte aus einander und ventralwärts rücken. 
Außerdem sollen noch aa.,, da. und ca.;, Antheil an der Bildung der 
seitlichen dorsalen Körpertheile haben. In einer neueren Unter- 
suchung weist MEAp jedoch diese Darstellung als einen Irrthum zu- 
rück, die ganze dorsale Körperhälfte wird vom ersten Somatoblasten 
geliefert. Im Übrigen verhält sich der Somatoblast von Amphitrite, 
um welchen Anneliden es sich hier handelt, in Bezug auf Anordnung und 
Reihenfolge der Theilungen des ersten Somatoblasten recht verschieden 
von Nereis, auf sie einzugehen, ist hier nicht unsere Aufgabe. Ca- 
pitella dagegen zeigt nach Eısıg im Wesentlichen eine Übereinstim- 
mung mit Nereis, wenn auch im Einzelnen Besonderheiten auftreten, 
so vor Allem in der außerordentlich frühen Differenzirung des ersten 
Somatoblasten. Beziehungen mit den übrigen Annelidengruppen (Oligo- 
chäten und Hirudineen) sind überhaupt nicht mehr vorhanden, da diese 
aus den Polychäten hervorgegangen, sich weit von dem ursprüng- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 51 


lichen Typus entfernt haben, die fortschreitende Entwicklung nament- 
lieh in der außerordentlich hohen Differenzirung der Ventralplatte 
bekundend. 


3. Turbellarien. 


Da viele Andeutungen vorhanden sind, dass wir in diesen For- 
men den gemeinsamen Ursprung von Anneliden und Mollusken zu 
suchen haben, so liegt es nahe, auch sie zu einem Vergleiche heran- 
zuziehen. Die erste ausführliche Abhandlung über die Entwicklungs- 
geschichte der Turbellarien ist diejenige von LanG. Außerlich gleicht 
die Furchung durchaus dem spiraligen Typus von Anneliden und 
Mollusken. Es werden von einem vierzelligen Stadium drei Genera- 
tionen abwechselnd dexiotrop und leiotrop abgeschnürt, aber das 
Schicksal und die Bedeutung ist ein völlig verschiedenes. Denn nur 
die erste abgeschnürte Generation stellt Ektodermzellen dar, die zweite 
und dritte dagegen Mesodermzellen, und die vier Makromeren endlich 
das Entoderm. 

In neuerer Zeit hat man versucht, dieses abweichende Verhalten 
theils auf einfache Beobachtungsfehler zurückzuführen (MrAD), theils 
aber auch, durch erneute Beobachtungen weitere Anhaltspunkte und 
Aufschluss zu erhalten. Das letztere hat WıLson versucht und er 
fand bei Leptoplana, dass nur die zweite Generation Mesoderm liefere, 
und zwar erst nach Abgabe je dreier Ektodermelemente. Betreffs 
der dritten Generation ist höchstens ein kleiner Bruchtheil an der 
Bildung des Mesoderms betheiligt. Die Schwierigkeit eines Vergleiches 
ist hierdurch stark vermindert, alle drei Generationen liefern so 
wenigstens mehr oder weniger große Partien des Ektoderms, und die 
Bildung des Mesoderms findet ihr Homologon in dem larvalen Meso- 
blast, und weiter in entsprechenden Bildungen bei Capitella, Physa 
und anderen, Verhältnisse, auf die ich oben bereits ausführlicher ein- 
gegangen bin. 


4. Rotatorien. 


Schließlich sei noch eine letzte Thiergruppe erwähnt, die stets 
in enge phylogenetische Beziehungen zu Mollusken und Anneliden ge- 
bracht wurde, die Rotatorien. Von neueren Arbeiten über dieselben 
erwähne ich die von ZELINKA, JEnnIngs und Car. AÄußerlich ver- 
läuft die Furchung zunächst überraschend ähnlich. Wir sehen einen 
Zerfall in eine größere und eine kleinere Hälfte und eine Theilung 
derselben in ein vierzelliges Stadium, welches aus einer größeren 

4* 


52 Johannes Meisenheimer, 


und drei kleineren Zellen besteht, genau demjenigen der Lamelli- 
branchiaten gleichend.. Sodann theilt sich zunächst die größere, 
hintere Makromere und dann die drei kleineren, vorderen Zellen. 
Das so entstandene achtzellige Stadium gleicht wiederum in vielen 
Punkten dem entsprechenden der Lamellibranchier, wir haben sogar 
dieselbe Neigung des animalen zu dem vegetativen Quartett. Diese 
Verschiebung schreitet bei den Rotatorien jedoch weiter fort, bis das 
Vorderende direkt erreicht ist, und so gewinnen im weiteren Verlaufe 
die einzelnen Furchungsstadien ein immer fremderes Aussehen gegen- 
über den Lamellibranchiaten, wie dies namentlich in der Ausbildung 
langer Zellenreihen hervortritt. 

Aber auch die Ähnlichkeit der jüngeren Stadien hält einem 
direkten, morphologischen Vergleiche nicht Stand. Die Vertheilung 
von Ekto- und Entoderm auf dem vier- und achtzelligen Stadium ist 
in beiden Gruppen durchaus verschieden. Bei den Rotatorien liegt 
das Entoderm allein in der hinteren, großen Makromere enthalten, 
durch Umwachsung wird sie ins Innere verlagert. Auf dem acht- 
zelligen Stadium sind also die sieben Mikromeren rein ektodermal, 
bei den Mollusken enthalten sie noch wichtige andere Bestandtheile. 
Selbst die leisen Beziehungen, welche ZELINKA mit Anodonta und 
Teredo zu finden glaubt, sind hinfällig, ganz zu schweigen davon, 
dass keiner der beiden Somatoblasten ausgebildet wird, ein eigent- 
licher Mesoblast also völlig fehlt. 


Um alles Bisherige zusammenzufassen, will ich endlich kurz die 
Prineipien andeuten, welche die Furchung im Allgemeinen beherr- 
schen. Wir verdanken eine außerordentliche Förderung dieses Gegen- 
standes namentlich den amerikanischen Forschern (WıLson, LILLIE, 
CoNKLin), wesshalb ich vor Allem auf sie verweisen kann. Mir kam 
es bei dem genauen Studium der Furchung vor Allem darauf an, eine 
sichere Grundlage für die Organbildung zu erlangen; wir werden 
später sehen, dass die Differenzirung der Larve mit der Furchung 
noch durchaus nicht beendet ist, dass ähnliche Gesetze, wie sie die 
Furchung aufweist, auch später noch ihre Gültigkeit bewahren. 

Der sowohl Mollusken wie Anneliden zu Grunde liegende Fur- 
chungstypus ist unstreitig derjenige einer successive auf einander fol- 
senden Theilung von 1 zu 2, zu4...8...16...32...64 Zellen. 
Dieser Typus erleidet nun die mannigfachsten Variationen, sei es in 
der zeitlichen Aufeinanderfolge der Theilungen, sei es in der Hervor- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 53 


hebung einzelner Zellen durch besondere Größe, sei es durch das 
Auftreten besonders gerichteter Theilungen, von Bilateraltheilungen. 
Stets lässt sich der specielle Modus im Einzelnen zurückführen auf 
die Organisation der späteren Larve. Eine Gegenüberstellung der 
uns hier am meisten interessirenden Formen, von Dreissensia und 
Unio, wird uns diesen Satz sehr klar beleuchten. Beiden gemeinsam 
ist eine stark entwickelte Schale, beide besitzen desshalb auch gleich 
mächtig entwickelt einen ersten Somatoblasten. Aber weiter — dort 
haben wir eine typische Trochophoralarve mit mächtig entwickeltem 
Velum, die erste Ektodermgeneration eilt in ihrer Ausbildung und 
Mächtigkeit allen anderen voraus, hier bei Unio tritt eine stark redu- 
eirte Larvenform, die Glochidiumlarve, auf, deren auffallendstes 
Charakteristikum die beiden seitlichen larvalen. Mantelfalten bilden, 
die zweite Ektodermgeneration, welche denselben ihre Entstehung 
giebt, besitzt ein bedeutendes Übergewicht an Größe wie Zellenzahl, 
die erste Generation bleibt dagegen zurück, da das Velum unterdrückt 
ist. Auf äußerst jungen Stadien macht sich bereits der Unterschied 
in der Ausbildung beider Larvenformen bemerkbar, der Keim von 
20 bis 30 Zellen enthält bereits die ersten Anzeichen der immer 
stärker werdenden Divergenz. Ein weiteres wichtiges Merkmal der 
Glochidiumlarve ist der larvale Adductormuskel. Er koncentrirt 
seine ganze Anlage in dem »larvalen Mesoblast«, d. h. in Mesenchym- 
zellen der zweiten Generation, die durch den zweiten Somatoblast 
allmählich unterdrückt und ersetzt wurden. Jetzt gewinnen sie plötz- 
lich wieder eine erhöhte Bedeutung, sie übertreffen an Ausdehnung 
fast wieder den zweiten Somatoblasten. So erklärt sich die schwache 
Ausbildung des »larvalen Mesoblasts« bei der Trochophoralarve, erst 
sekundäre Vorgänge vermochten seine starke Ausbildung herbeizuführen. 

Wohin wir uns also wenden mögen, stets tritt als das die Fur- 
chung beherrschende Prineip die spätere Organisation der Larve her- 
vor, ein Organ, das auf späteren Stadien des Entwicklungsganges 
seine Entstehung genommen haben muss, vermag je nach seiner Be- 
deutung mehr oder minder tief in den ursprünglichen Furchungs- 
modus modifieirend einzugreifen, indem es auf immer jüngere Stadien 
seine Anlage zurückverlegt, den einen oder anderen Zellenkomplex 
möglichst für sich in Anspruch nehmend und möglichst früh von 
fremden Bestandtheilen scheidend. So findet die Sonderung des ersten 
Somatoblasten als Anlage von Schalendrüse und Ventralplatte, so das 
Überwiegen der ersten Ektodermgeneration bei Dreissensia als 
Anlage von Velum und Scheitelplatte, so das Hervortreten der zweiten 


54 Johannes Meisenheimer, 


Ektodermgeneration bei Unio als Anlage des larvalen Mantels, so 
endlich die Ausbildung eines mächtigen »laryalen Mesoblasts« als 
Anlage des Adductormuskels seine volle Erklärung und Begründung. 


V. Die Ausbildung der fertigen Trochophoralarve und ihre Umwandlung 
in die spätere Muschel. 


Wir verließen die junge Larve als einen winzigen Organismus, 
ausgestattet mit einem funktionsfähigen Darmkanal, einem Loko- 
motionsorgan in Gestalt des Velums und einem Schutzorsan in Form 
der Schale. Die nun folgende Entwicklungsperiode zeichnet sich 
dadurch aus, dass sie diese immer noch auf sehr unfertigem Zustande 
verharrenden Organe zu einer vollendeteren Thätigskeit entfaltet und 
zugleich sämmtliche der späteren Muschel angehörigen Organe anlegt 
und zu einer mehr oder minder vollkommenen Funktionsfähigkeit 
bringt. AÄuszunehmen sind hiervon nur die Geschlechtsorgane, da 
dieselben erst nach der Festheftung der Larve sich differenziren. 
Daneben treten besondere Larvenorgane auf, welche, wie Urniere und 
bestimmte Muskelsysteme, nur eine beschränkte Dauer ihrer Thätig- 
keit besitzen, mit der Umgestaltung der Larve überflüssig werden 
und somit der Resorption anheimfallen, abgelöst durch andere, den 
neuen Bedürfnissen des veränderten Organismus in besserem Maße 
entsprechende Organe. 

Ehe ich nun auf die Einzelschilderung der Anlagen der verschie- 
denen Organe eingehe, will ich kurz den allgemeinen Gang der Ge- 
staltsveränderungen schildern, um so das Verständnis der zum Theil 
recht komplieirten Umlagerungsverhältnisse in Beziehung zu den ein- 
zelnen Organanlagen zu erleichtern. Zugleich werden wir hierdurch 
zu einer konsequenten Bezeichnung der einzelnen Körperregionen ge- 
langen. Dieselben erleiden im Laufe der Entwicklung mannigfache 
Verschiebungen, so dass wir als einheitliche Bezeichnungen durchaus 
nur diejenigen des fertigen Organismus zu Grunde legen wollen. 

Die junge Trochophoralarve besitzt also eine seitlich kompri- 
mirte Gestalt, die von den beiden Schalenklappen umschlossen wird, 
während über den Vorderrand das Velum als ein ringförmiger Wulst 
hervorragt. In der Mitte des Velums liegt die verdickte Scheitel- 
platte mit einem Büschel langer Cilien. Der Darmkanal besteht aus 
Vorderdarm, einem erweiterten Mitteldarm, der seitlich die Anlage 
der Lebersäckchen enthält, und einem einfachen Dünn- und Enddarm. 
So stellt sich uns etwa Fig. 47 auf Taf. IV dar. Das nächste direkt 
anschließende Stadium zeigt uns Fig. 49 auf Taf. V. Zwei neue 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 55 


Organkomplexe sind aufgetreten, Urniere und Muskelsystem. Erstere, 
aus einer Ektodermwucherung hervorgegangen, liegt als einfaches, 
mit einer Wimperzelle abschließendes Rohr zu beiden Seiten des 
Körpers, das Muskelsystem besteht aus zwei scharf zu scheidenden 
Komplexen, einem rein larvalen und einem zweiten, der sich auch in 
der späteren Organisation der Muschel wiederfindet. Letzterer stellt 
den vorderen Schließmuskel dar, unmittelbar hinter dem hinteren 
Velarrand gelegen (vs) und einen einfachen Querstrang von Mesoderm- 
zellen bildend, die larvalen zerfallen in drei Systeme, die wir als 
dorsales, mediales und ventrales Retractorsystem (dr, mr und or) be- 
zeichnen wollen. Sie verlaufen in der Längsrichtung zu beiden Seiten 
und dienen dazu, Velum und Körper in die Schalenklappen zurück- 
zuziehen. Weiter hat das Velum eine Differenzirung in zwei Cilien- 
kränze erfahren, von denen der obere mit langen Cilien ausgestattet ist, 
der untere dagegen sehr zahlreiche kurze Flimmerhaare trägt. Zu- 
gleich beginnt an der Oberseite des Velums sich ein roth- bis dunkel- 
braunes Pigment abzulagern, welches auf den folgenden Stadien an 
Ausdehnung immer mehr zunimmt und mit Ausnahme der Scheitelplatte 
die Vorderseite völlig bedeckt. 

Successive beginnt nun die Larve an Umfang zuzunehmen. Die 
ersten Veränderungen betreffen den Darmkanal. Zu beiden Seiten 
des Mitteldarmes treten die Lebersäckchen schärfer als zwei Ausbuch- 
tungen hervor (Fig. 50 /s), weiter macht sich an seiner hinteren, 
rechten Seite eine Aussackung bemerkbar, die zur Bildung des 
Krystallstielblindsackes führt (Fig. 50 kb). Endlich beginnt der Dünn- 
darm sich in eine nach hinten gerichtete Schlinge auszuziehen. Neue 
Pigmentablagerungen treten hinter dem After auf, sich weit an der 
Dorsalseite hin nach vorn und oben ausdehnend. 

Fig. 51 zeigt uns im Wesentlichen noch das gleiche Verhalten, 
eine neue Pigmentansammlung ist hinter dem Munde in unmittelbarer 
Nähe des postoralen Wimperbüschels aufgetreten. Aufmerksam machen 
will ich ferner auf die zunehmende Verdickung der Körperwand an 
der Ventralseite, über welche uns erst das folgende Stadium von 
Fig. 52 völlige Klarheit verschafft. Alle bis jetzt erwähnten Organe 
zeigen uns nichts Neues, abgesehen von einer stetigen Größenzunahme 
und schärferen Differenzirung. Ventralwärts bemerken wir dagegen 
nun von vorn nach hinten fortschreitend drei Verdiekungen. Die erste 
derselben, nach innen von der Ausmündungsstelle der Urniere gelegen, 
stellt uns das Pedalganglion (pg) dar, die zweite, noch vor dem End- 
darme gelegene, das Visceralganglion (vg), und die dritte endlich, 


56 Johannes Meisenheimer, 


welche sich von den beiden ersten dadurch unterscheidet, dass sie 
hinter dem Enddarme, also auf der Dorsalseite liegt, die Anlage von 
Herz, Nieren und Genitalorganen (hr). Die letztere ist zwar bereits 
auf dem Stadium von Fig. 49 vorhanden, tritt aber erst jetzt nach 
ihrer Loslösung vom Ektoderm schärfer hervor. | 

Der Fortschritt des Stadiums von Fig. 53 prägt sich darin aus, 
dass die beiden Ganglienanlagen sich schärfer abgehoben haben, dass 
ferner die Herz-Nierenanlage eine Sonderung in zwei Bestandtheile 
erfahren hat, in ein nach vorn hin gelegenes rundes Knötchen zu 
beiden Seiten des Darmes, die Niere (2), und einen nach hinten ge- 
legenen, noch undifferenzirten Zellenhaufen, der Herz, Perikard und 
Genitalorgane enthält (7p). Auf Fig. 54 endlich ist auch die Diffe- 
renzirung von Herz und Perikard vollzogen; als ein doppelter, hinter 
dem Nierenschlauche (z) gelegener Ring (hp) umgiebt die Anlage den 
Enddarm. 

Weitere wichtige Veränderungen haben sich inzwischen an der 
Ventralseite vollzogen. Pedal- und Visceralganglion sind völlig los- 
gelöst, die Otolithenblase (ot), aus einer Ektodermeinstülpung hervor- 
gegangen, liegt seitlich dem Pedalganglion an. Unterhalb des Pedal- 
sanglions schiebt sich eine Einstülpung zwischen die beiden Hälften 
derselben ein, die Fußdrüse (fd), während vor den Pedalganglien eine 
neue Ektodermwucherung (mf) auftritt, die Anlage des Mesenchym- 
Muskelgewebes innerhalb des Fußes. 

Die Entstehung des Fußes ist das wichtigste Ereignis, welches 
sich an der Umformung der äußeren Gestalt auf diesen und den fol- 
genden Stadien vollzieht. Diese Ausbildung des Fußes beruht im 
Wesentlichen darauf, dass die mittlere Partie der Ventralseite ringsum 
von tiefen Furchen gegen den übrigen Körper abgegrenzt wird. Zu- 
nächst sind es die beiden Seitenfalten, welehe sich beiderseits dicht 
unterhalb der Schale immer tiefer einsenken und so zugleich die 
Bildung des Mantels veranlassen. Sie treten bereits auf sehr jungen 
Stadien hervor, Fig. 47 auf Taf. IV etwa zeigt sie in allererster An- 
deutung, deutlicher erscheinen sie auf Querschnitten (Figg. 111, 112 
auf Taf. IX sm). Auf dem Stadium von Fig. 54 tritt nun zu diesen 
beiden Seitenfalten noch eine hintere Falte (7), an deren innersten 
Winkel zugleich eine neue Pigmentanhäufung auftritt. Diese Falte 
vertieft sich bald bedeutend und bringt dadurch aufs schärfste die 
keilförmige Gestalt des Fußes zum Ausdruck. Endlich tritt auch 
noch eine vordere Fußfalte auf (Fig. 56 v7), und hiermit ist die ty- 
pische Gestalt des Fußes erreicht, bestehend aus einem massiveren, 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 57 


hinteren Theile und einer frei beweglichen, kontraktilen Spitze, welche 
nun auch selbständiges Längenwachsthum aufweist. 

Fig. 55 zeigt uns nochmals das Stadium von Fig. 54 von vorn 
gesehen, wir erkennen hier namentlich die charakteristische Form des 
Velums und seinen Übergang in den die Mundöffnung tragenden 
lappenförmigen Vorsprung des Körpers. Im Einzelnen werden wir 
bei der genaueren Besprechung des Velums auf diese Verhältnisse 
zurückzukommen haben. | 

Neben der völligen Ausbildung des Fußes zeigt uns Fig. 56 als 
besonders bemerkenswerth einmal die Loslösung des Cerebralganglions 
von der Scheitelplatte, weiter die Ausbildung zweier neuen Muskel- 
systeme, des hinteren Schließmuskels (As), der unmittelbar neben das 
Visceralganglion zu liegen kommt, und dann des Fußretraktors (rf), der 
schräg von der äußeren Körperwand nach innen über den innersten 
Winkel der hinteren Fußfalte hinweg in den Fuß verläuft. Endlich 
treten auch die ersten Kiemenfalten zu beiden Seiten des Fußes, 
zwischen letzterem und dem Mantel, auf (kf). Das Nierenbläschen 
hat sich etwas in die Länge gestreckt. 

Auf diesem Stadium hat die Trochophoralarve ihren Höhepunkt 
bereits überschritten, Spuren des Verfalls der Larvenorganisation treten 
bereits hervor, einmal im Verluste der Urniere, in der beginnenden 
Reduktion der larvalen Muskelsysteme und dem Schwunde des Ve- 
lums. Die Umwandlung in die junge Muschel erfolgt sehr plötzlich, 
indem das Velum zusammengezogen und in Fetzen abgeworfen wird, 
zugleich schwinden auch die letzten Spuren des larvalen Muskel- 
systems (Fig. 57). Mit der Reduktion des Velums rücken dann 
Mundöffnung und vorderer Schließmuskel dicht an einander (Fig. 58), 
nnd diese plötzliche Zusammenziehung ist der wichtigste Faktor, der 
aus der typischen Gestalt der Trochophoralarve die Gestalt der 
Muschel hervorgehen lässt. Diese vordere Seite erleidet also die 
stärksten Veränderungen in Form einer sehr starken Verkürzung, die 
ventrale Seite bleibt im Wesentlichen so erhalten, wie ich sie bereits 
geschildert habe, nur dass der Fuß sich in ein langes, retraktiles 
Organ auszieht, und zugleich die Byssusdrüse starke Byssusfäden 
zum Anheften der jungen Muschel entwickelt hat. An der Hinter- 
seite haben wieder stärkere Verschiebungen stattgefunden, bestehend 
in einem Auswachsen des ganzen Komplexes nach hinten und oben, 
wie sich dies am deutlichsten im Verhalten der Darmschlingen aus- 
prägt. Ich erwähnte eingangs, dass der Dünndarm sich frühzeitig 
nach hinten in eine Schlinge auszog. Dieselbe vertiefte sich immer 


58 Johannes Meisenheimer, 


mehr und schob sich dorsalwärts weit nach vorn (Figg. 50—56 da). 
Diese Schlinge wird nun durch die Ausdehnung des hinteren Körper- 
theiles aus einander gezogen (Fig. 58), der Endschenkel folgt der 
Dorsalseite, der innere Schenkel dagegen bleibt in engerer Beziehung 
zu dem Krystallstielblindsack und verlagert sich allmählich in den 
Fuß, wie es sehr deutlich ausgeprägt Fig. 59 aufweist. Die übrigen 
Veränderungen am Darmkanale sind nur gering, die Leber schiebt 
sich weit nach vorn und zeigt Neigung zur Lappenbildung (Fig. 59 /s); 
vor und seitlich vom Munde treten die Mundlappen (m/) hervor, ent- 
standen aus Resten der sich auflösenden Scheitelplatte; sämmtliche 
Ganglien haben ihre typische Lagerung erhalten. Die Üerebral- 
ganglien liegen über dem Ösophagus, die Pedalganglien haben sich 
in den Fuß verlagert, die Visceralganglien liegen dicht der Vorder- 
seite des hinteren Schließmuskels auf. Der Fußretraktor (rf) ist sehr 
mächtig entwickelt, vor ihm liegt Perikard (p) und Herz (7), nach 
außen und quer über ihn hinwegziehend die jetzt recht komplieirt 
gebaute Niere (z). Auf der Unterseite des Perikards liegen endlich 
auf Fig. 59 auch die aus seiner Wandung hervorgegangenen Genital- 
zellen (g2). 

Die Kiemenpapillen haben weitgehende Umwandlungen durch- 
gemacht, sie verlängern sich zunächst sehr stark, erhalten einen 
dichten Cilienbesatz und werden in ihrer Gesammtheit als Kiemen- 
blatt mit den Verschiebungen des hinteren Körpertheiles aus der ur- 
sprünglichen Querrichtung (Fig. 56) allmählich in eine schiefe Längs- 
richtung zum ganzen Körper gebracht (Figg. 57, 58), bis sie endlich 
in Fig. 59 vielfach gefaltet mit der Längsrichtung des Körpers zu- 
sammenfallen. Die Kiemen sind das einzige Organ, welches ich in 
seiner Ausbildung nicht ins Einzelne hinein verfolgt habe, da seine 
weitere Differenzirung für die Aufgaben, welche ich mir gestellt 
hatte, nur von untergeordneterem Interesse sind. Bei der immer noch 
herrschenden Unsicherheit über ihre Ausbildung im Einzelnen dürfte 
eine Specialuntersuchung ihrer Entwicklung von nicht geringem Er- 
folge begleitet sein. 

Hand in Hand mit diesen Umgestaltungen hat sich auch die 
typische Form der Dreissensia-Schale ausgeprägt. In Fig. 57 ist im 
Wesentlichen noch die larvale Gestalt der Schale erhalten, ein ziem- 
lich regelmäßig gerundetes Plättehen darstellend. Schon auf Fig. 58, 
also einem bereits definitiv festgehefteten Stadium, ist diese Form 
nicht mehr rein erhalten, gestört im Wesentlichen durch ein stärkeres 
Wachsthum an der Vorderseite und an der unteren Hinterseite. Noch 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 59 


deutlicher treten diese Veränderungen in Fig. 59 hervor, die vordere 
Wachsthumszone hat sich in eine längliche Spitze ausgezogen, die 
hintere hat eine weite, schräg nach hinten und unten gerichtete Aus- 
_ buchtung hervorgerufen. Wenn ich endlich noch hervorhebe, dass 
auch das Ligament (?) als eine fein gestreifte Masse auf der vorderen 
‘ dorsalen Partie der Schale sich bemerkbar macht, so haben wir im 
Wesentlichen die fertige Organisation der Muschel erreicht. 

Dass das Wachsthum inzwischen ganz bedeutend fortgeschritten 
ist, brauche ich wohl kaum besonders hervorzuheben. Das Stadium 
von Fig. 49 ist winzig klein, es misst in seinem größten Durchmesser 
75 u, ist also kaum größer als das frisch abgelegte Ei, es folgt sodann 
eine regelmäßige Größenzunahme bis zum Stadium von Fig. 56, 
welches bei der gleichen Vergrößerung wie Fig. 49 gezeichnet ist, 
es misst 187,5 u. Die drei letzten Figuren sind bei schwächerer 
Vergrößerung gezeichnet, Figg. 57 und 58 wieder bei der gleichen, 
sie messen 228 u und 272 u, Fig. 59 dagegen bei weit schwächerer 
Vergrößerung, es misst bereits 1100 u, also etwas über 1 mm. Eine 
Größenangabe für eine Trochophoralarve finde ich bei WıLson von 
Mytilus edulis. Das größte, frei schwärmend aufgefundene Exem- 
plar maß danach 188 u, eine ganz außerordentliche Übereinstimmung 
mit der von mir gefundenen Zahl von 187,5 u für das älteste frei 
schwärmende Stadium. 

Ich glaubte diese kurze allgemeine Schilderung vorausschicken 
zu müssen, um nun im Einzelnen die theilweise recht komplieirten 
Vorgänge bei der Ausbildung der Organe leichter verständlich machen 
zu können, namentlich aber, um sichere Anhaltungspunkte zur Beur- 
theilung und Benennung der einzelnen Regionen der Larve zu ge- 
winnen. Es ist das Naturgemäßeste, bei derselben auf die spätere 
fertige Muschel vorauszugreifen, da die wechselnde Gestalt der Larve 
einen steten Wechsel der Bezeichnung zur Folge hätte. Ich orientire 
die Larve desshalb streng nach den Organisationsverhältnissen der 
Muschel, also etwa nach dem Stadium von Fig. 59. Ventral nenne 
ich die Strecke von der Mundöffnung bis zur Afteröffnung. Dieselbe 
nimmt auf dem Stadium von Fig. 49 noch einen sehr kleinen kaum 
ein, gewinnt aber sehr bald außerordentlich an Ausdehnung, im 
Wesentlichen eben durch die Entfaltung des Fußes. Dorsal würde 
dann die Strecke heißen, die von dem Bogen oberhalb von Mund- 
und Afteröffnung gebildet wird. Sie zerfällt aber in einen vorderen, 
mittleren und hinteren Theil. Der mittlere Theil bildet die eigent- 
liche Dorsalseite als Gegensatz zur Ventralseite; die vordere Partie 


60 Johannes Meisenheimer, 


bildet die Vorderseite, sie ist bei der Larve völlig von dem enormen 
Velum eingenommen und wird später, wie wir sahen, stark reducirt; 
die Hinterseite endlich ist weniger scharf ausgeprägt, sie geht un- 
merklich in die eigentliche Dorsalseite über. 

Auf diese Weise glaube ich die naturgemäßesten Beziehungen zwi- 
schen Larve und fertig ausgebildeter Muschel gewonnen zu haben. Wenn 
auch auf einzelnen Stadien die Bezeichnungen etwas gezwungen klingen 
mögen, auf jeden Fall werden sie uns vor Irrthum und Missverständnissen 
bewahren, namentlich in Bezug auf die Dorsal- und Ventralseite, deren 
Trennungsmarken also stets durch Mund und After gegeben sind. Die 
Bezeichnung der seitlichen Regionen ergiebt sich von selbst, da alle 
Phasen der Entwicklung streng bilateral symmetrisch gebaut sind. 


VI. Organbildung. 
1. Velum. 


Wir bginnen unsere Schilderung der einzelnen Organe mit dem 
Velum, als einem der charakteristischsten Bestandtheile der Larve. 
Das Studium der Furchung ergab uns bereits, dass dasselbe in seinen 
wesentlichsten Bestandtheilen aus der ersten Ektodermgeneration ab- 
zuleiten ist. Außerlich macht es sich zuerst durch einen Kranz langer 
Cilien bemerkbar (Fig. 45 auf Taf. IV), die bald an Zahl beträchtlich 
zunehmen (Fig. 46). Erst dann tritt auch in der Struktur des Zell- 
plasmas der Velarzellen eine Änderung auf, dieselben nehmen einen 
deutlichen vacuoligen Bau an (Fig. 7O auf Taf. VI). Bis jetzt lagen 
die Zellen der verschiedenen Organe dicht an einander, nunmehr 
heben sich dieselben weit von einander ab, und hiermit im Zusammen- 
hange dehnt sich die ganze vordere Körperwand der Larve weit aus, 
wodurch das Velum erst seine spätere typische Gestalt erhält. Zu- 
gleich wulstet sich sein Rand über die Schale, die den Körper in- 
zwischen immer mehr umwachsen hat, weit vor und zwar namentlich 
zu beiden Seiten, so dass die Zweilappigkeit des Velums hierdurch 
scharf ausgeprägt wird. Das Innere des Velums ist also nichts weiter 
als ein stark vorgebauschter Theil der Leibeshöhle, der zwischen 
den beiden Schalenklappen hindurch in direkter Kommunikation mit 
der allgemeinen Leibeshöhle steht (Fig. 74). 

Inzwischen hat auch der histologische Bau des Velums weit- 
sehende Modifikationen erlitten. In seiner vorderen Hälfte bildete 
sich die Scheitelplatte aus, ein Sinnesorgan, auf das wir in einem 
späteren Kapitel zurückkommen werden. Die übrigen Zellen haben 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 61 


sich scharf in zwei Regionen geschieden, einen Komplex, der, aus sehr 
stark abgeplatteten Zellen bestehend, das Dach des Velums bildet, 
und einen zweiten, der ringförmig das Velum umzieht und mit Cilien 
besetzt ist. Die Abplattung des oberen oder vorderen Theiles des 
Velums ist sehr beträchtlich (Fig. 74), sein Gesammtumfang ist von 
länglich ovaler Gestalt. In seiner ganzen Ausdehnung findet sich 
eine starke Pigmentablagerung von gelbbrauner bis schwarzbrauner 
Farbe, von der nur die Scheitelplatte völlig frei ist (Taf. V), wie 
KorSCHELT bereits richtig angegeben hat. 

Am meisten jedoch nimmt unsere Aufmerksamkeit der eigent- 
liche Lokomotionsapparat, eben der Wimperkranz, in Anspruch. Der- 
selbe besteht aus zwei verschiedenen Zellreihen, die zwei mit einander 
völlig parallel verlaufende, geschlossene Ringe bilden (s. Taf. V). 
Der obere Ring (Fig. 76 0.02) setzt sich aus zwei Zellreihen zusammen, 
bestehend aus größeren, helleren Zellen mit mächtigem Kern und 
Kernkörper. Von jeder dieser ganz regelmäßig angeordneten Zell- 
reihen geht je ein Cilienbündel aus, die ihrerseits wiederum zwei 
durch eine kleine Lücke getrennte Cilienringe darstellen. Auf dem 
Querschnitt des Velarrandes (Figg. 74, 75) erscheinen sie als zwei 
über einander gelegene Wimperbüschel, deren Cilien an ihrer Fest- 
heftungsstelle sich etwas in das Zellplasma fortzusetzen scheinen 
(0.02). Unter diesen beiden Zellreihen liegen nun noch einige wei- 
tere, die ebenfalls in ihrer Gesammtheit einen den beiden vorigen 
völlig parallel verlaufenden Ring bilden (Fig. 76 «.vz). Sie unter- 
scheiden sich aber von ihnen darin, dass die einzelnen Zellen, resp. 
deren Kerne, von weit geringerer Größe und unregelmäßig angeordnet 
sind, dass ihr Plasma dunkler gefärbt erscheint, weil weniger va- 
cuolenhaltig, und endlich, dass ihre bedeutend kürzeren Cilien einen 
dichten Besatz bilden (Fig. 75 w.vz). Zwischen dem oberen, aus län- 
geren Cilien bestehenden, doppelten Wimperkranze und dem unteren 
liegt ein deutlicher, eilienfreier Zwischenraum (Figg. 74, 75). 

Diese Darstellung vom Bau des Velums unterscheidet sich in 
einigen wesentlichen Punkten von derjenigen, welche HATSCHER für 
Teredo gegeben hat. Es ist dies die genaueste Darstellung, welche 
wir bisher von diesen Verhältnissen hatten, da Horsr bei Ostrea nur 
die beiden oberen Zellreihen mit voller Deutlichkeit beschrieben hat. 
In der Anordnung der den Wimperkranz zusammensetzenden Zellen 
stimme ich mit HATSCHER ziemlich überein, nicht aber in derjenigen 
der Cilien. HATSCHER unterscheidet nämlich einen präoralen und 
einen postoralen Wimperkranz, zwischen denen eine adorale Wimper- 


62 Johannes Meisenheimer, 


zone liegt. Was den ersteren betrifft, so weicht Dreissensia hier nur 
in so fern von Teredo und Ostrea ab, als jede der sie zusammen- 
setzenden Wimperreihen nicht aus einer einfachen Reihe dicker 
Cilien besteht, sondern aus einem aus vielen sehr zarten Cilien zu- 
sammengesetzten Wimperbande. Betreffs des adoralen und postoralen 
Wimperkranzes sind die Differenzen weit größer. Eine Trennung 
zweier solcher Systeme muss ich für Dreissensia entschieden in Ab- 
rede stellen, in nichts unterscheiden sich die untersten Cilien des 
unteren Wimperkranzes von den weiter nach oben gelegenen, weder 
durch Länge noch durch Dieke. Auch die als Basis eben dieser 
untersten Cilien dienende Zellreihe habe ich nie besonders aus- 
gezeichnet gefunden, wie es beispielsweise HATSCHEK auf seiner 
Taf. II in Fig. 31 B andeutete. Aber selbst wenn dieser untere, 
selbständigere Ring sich abgegrenzt hätte, so würde er desshalb noch 
nicht postoral verlaufen. Ich betonte bereits wiederholt, dass beide 
Cilienkränze durchaus parallel verlaufende geschlossene Ringe bil- 
den, dass also nicht Theile des unteren Kranzes divergirend nach 
hinten und ventralwärts ziehen, um sich erst hinter der Mundöff- 
nung zu vereinigen (vgl. hierzu Figg. 49—56). Besonders deutlich 
zeigt dieses Verhalten die Ventralansicht von Fig. 55. Unterhalb des 
Velums liegt nun freilich ein Wimperbüschel (po), dasselbe ist jedoch 
völlig unabhängig von dem Velarkranze und besteht aus einem Bü- 
schel langer Cilien, ganz ähnlich dem hinter dem After gelegenen 
Wimperfelde (pa). Die von HATSCHEK als bewimpert bezeichnete 
Verbindungslinie beider Systeme stellt nichts Anderes dar, als den 
ventralwärts ziehenden Außenrand des vor dem Velum gelegenen 
Mundkegels. Der eigentliche Wimperkranz zieht unabhängig von 
demselben nach vorn, um sich vor dem Munde zu einem Ringe zu 
schließen. 

Auch für die Gastropodenlarven wurde wiederholt das Vor- 
kommen eines prä- und postoralen Wimperkranzes beschrieben. So 
findet von älteren Autoren J. P. M’MurricH bei einigen Prosobran- 
chiern wie Opisthobranchiern neben präoralem Wimperkranze sowohl 
den postoralen wie auch eine adorale Wimperzone, weniger klar ist 
die Darstellung HApvon’s für die Nudibranchiaten, wo ebenfalls ein 
prä- und postoraler Wimperkranz vorhanden sein soll. Eine genauere 
Darstellung dieser Verhältnisse haben wir in neuester Zeit durch 
CONKLIN von einem Prosobranchier, Crepidula, erhalten. Der präorale 
Wimperkranz setzt sich hier ebenfalls aus einer Reihe stärkerer 
Cilien und einem darunter gelegenen Kranze kleinerer Wimpern zu- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 63 


sammen. Dagen können selbst Conkuin’s Bilder mich nicht völlig 
von der Anwesenheit eines postoralen Wimperkranzes überzeugen. 
Die von ihm als solcher in Anspruch genommene Zellenreihe mag 
vielleicht in ähnlicher Weise zur Bildung eines, wenn auch schwach 
entwickelten Mundkegels, beitragen, wie bei Dreissensia (man vgl. 
seine Figg. 81 und 82 mit meiner Fig. 55). Das ventralwärts vom 
Munde gelegene Wimperbüschel ist dagegen ganz eben so ausgebildet 
wie bei Dreissensia. Die charakteristische Lappenbildung der Proso- 
branchierlarve kommt durch sekundäre Umbildung des Velarrandes 
zu Stande. 

Den genannten Autoren steht übrigens eine Anzahl anderer 
gegenüber, die entweder einen postoralen Wimperkranz in Abrede 
stellen oder deren Abbildungen wenigstens keinen solchen erkennen 
lassen. So beschreibt For eine ganz ähnliche Zusammensetzung der 
Wimperringe von Pteropoden und Heteropoden, wie ich sie für 
Dreissensia gegeben habe, und auf Vıcvıer’s Abbildungen der Larve 
von Tethys fimbriata ist ebenfalls nur ein präoraler Wimperkranz zu 
erkennen, so dass wir diese Frage für die Veliger-Larve der Gastro- 
poden bis jetzt noch als eine offene bezeichnen müssen. 

Sehr starke Modifikationen hat das Velum bei den Sübwasser- 
muscheln erlitten. Bei Cyelas (ZiEGLER) findet sich ventral und 
seitlich vom Munde ein starkes Flimmerfeld, deren Homologien nicht 
leicht zu ziehen sind. Da aus ihm die Mundlappen hervorgehen, so 
verschieben wir die nähere Besprechung vortheilhafter bis zu der 
Betrachtung dieser Organe (p. 82 ff.). Der Velarregion entspricht da- 
gegen unzweifelhaft die Kopfblase, denn was stellt das Velum auch 
bei Dreissensia Anderes dar als eine Auftreibung des vorderen 
Körpertheiles. Nur bildete sich hier ein Wimperapparat als Loko- 
motionsorgan in sehr vollkommener Weise aus, dort bei Cyclas erlitt 
er eine weitgehende Reduktion, weil der Organismus seiner Dienste 
nicht mehr bedurfte. 

Noch weit stärker reduecirt ist das Velum bei den Unioniden. Nur 
einige wenige Zellen deuten noch die Kopfblase an, aus deren Be- 
standtheilen sich ein neues Larvenorgan herausbildet, die Fadendrüse 
(LILLIE). 

Um nochmals auf das Velum von Dreissensia zurückzukommen, 
so bedarf der Übergang des Velarrandes in den übrigen Körper noch 
einiger Erläuterungen. An den Seiten sahen wir das Velum sich 
weit vorbuchten (Fig. 55), an der Dorsalseite ist die Vorwölbung nur 
gering und geht mit leicht eingebuchteter Rundung direkt in dieselbe 


64 Johannes Meisenheimer, 


über (Figg. 49—54, 56), an der Ventralseite dagegen liegen die Ver- 
hältnisse etwas komplicirter. Der hier gelegene Vorderrand zieht 
sich nämlich unterhalb der Cilienreihen in einen dreieckigen vor- 
springenden Lappen aus, den oben bereits erwähnten Mundkegel, in 
dessen Mitte die Mundöffnung gelegen ist, und der an seiner Spitze 
das postorale Wimperbüschel trägt (Figg. 54, 55). An seiner nach 
hinten gerichteten Seite weist er außerdem eine dichte Pigmentanhäu- 
fung auf (Fig. 51—54), auf welche in ihrer charakteristischen Anord- 
nung KORSCHELT bereits aufmerksam gemacht hat. 

Das Innere des Velums ist außer der Scheitelplatte noch von 
zahlreichen Muskelfasern durchzogen, die sich sowohl an die Scheitel- 
platte, wie an die Seitenränder des Velums festheften (Fig. 74 mu). 
Sie bilden die Ausläufer besonderer Retraktormuskeln des Velums, 
auf die wir später in einem besonderen Kapitel eingehen werden. 
HATSCHEK will außerdem bei Teredo im Inneren des Velums Nerven- 
fäden beobachtet haben, die an den Seitenrändern der Scheitel- 
platte entspringen und sich unter starker Verästelung an der Peri- 
pherie des Scheitelfeldes verbreiten sollen. Schon Horst konnte bei 
Ostrea nichts von derartigen Nervenfäden auffinden, und ich muss 
gestehen, dass es auch mir nicht gelang, eine Spur von denselben 
zu entdecken. Weder geben die Zellen der Scheitelplatte selbst 
irgend welche Fasern ab, noch sind selbständige Ganglienzellen im 
Inneren des Velarraumes wahrzunehmen. Dagegen liegen typische 
Bindegewebszellen mit langen Fortsätzen in spärlicher Anzahl im 
Inneren zerstreut (Fig. 74 mz), sie mögen wohl leicht Nervenfasern 
vortäuschen. 


3. Schale und Mantel. 


Die Schicksale der Schalendrüse habe ich bereits im zweiten 
Kapitel eingehend geschildert, wir knüpfen hier an dem Zeit- 
punkte von Neuem an, wo die Ausstülpung sich soeben vollzogen 
hat. Unmittelbar nach derselben beginnt die Abscheidung des Schalen- 
häutchens. Dasselbe stellt ein einfaches, unpaares Plättchen dar, 
welches seiner Unterlage fest anliegt. Durch die Konservirung wird 
es in der Regel von derselben abgehoben (Fig. 77). Zwei sich un- 
sefähr gleichzeitig abspielende Vorgänge führen sodann dieses Schalen- 
häutchen in seine spätere Form über. Diese beiden Vorgänge be- 
stehen einmal in dem seitlichen Umwachsen des Körpers von Seiten 
der Schale, wie es uns in einem mittleren Stadium Fig. 78 darstellt, 
und dann in der Herausbildung der zweiklappigen Form. Dieselbe 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 65 


kommt dadurch zu Stande, dass das unpaare Schalenhäutchen genau 
in der Dorsallinie einen innigeren Zusammenhang mit dem darunter 
gelegenen Epithel eingeht, ja völlig mit demselben verschmilzt, wäh- 
rend es sich zu beiden Seiten leicht von demselben abhebt. Zugleich 
bleibt das Epithel hier in der Mittellinie stark verdickt im Gegensatz 
zu den beiden Seiten, wo es sich außerordentlich abflacht. Ein 
mittleres Stadium dieser Vorgänge zeigt wiederum Fig. 78, während 
Fig. 79 uns schon ein weit in der Entwicklung vorgeschrittenes, aber 
für diese und die folgenden Stadien typisches Bild gewährt. Die 
beiden Schalenhälften sind in der Mittellinie völlig mit der verdickten 
Epithelleiste verschmolzen, hier ist die Stelle, in welcher die beiden 
Schalenhälften leicht gegen einander bewegbar sind. Die Abschei- 
dung von Kalksubstanz scheint erst ziemlich spät zu erfolgen, es ist 
mir nicht möglich gewesen, den ersten Anfang derselben festzu- 
stellen, da die feine Vertheilung der Kalktheilchen eine Unterschei- 
dung von dem Conchiolin im Mikroskop nicht zulässt. Während der 
Larvenperiode von blassgelblicher Farbe beginnt die Schale nach 
dem Festheften allmählich eine immer dunklere Färbung durch Ein- 
lagerung von Pigment anzunehmen. 

Etwas anders scheint sich bei der Ausbildung der zweiklappigen 
Schale Cyelas zu verhalten. Nach ZIEGLER bleibt bei dieser Form 
das ursprüngliche Häutchen stets unpaar, die Zweiklappigkeit der 
Schale wird dadurch hervorgerufen — und dies behauptete schon 
früher RAY LANKESTER von Pisidium — dass Kalkablagerungen 
symmetrisch zu beiden Seiten auftreten und unter allmählicher Ver- 
srößerung schließlich zwei harte Schalenklappen bilden. Bei Dreissensia 
erfolgt die Abscheidung des Kalkes dagegen ganz gleichmäßig unter 
dem schon vorgebildeten, zweiklappigen Oonchiolin-Häutchen, und 
dasselbe scheint mir aus den Darstellungen HArscHer’s für Teredo 
hervorzugehen. 

Auf die Umwandlungen der äußeren Gestaltsverhältnisse der 
Schale bis zur definitiven Form brauche ich hier nicht mehr einzu- 
sehen, da dieselben schon bei der allgemeinen Charakterisirung der 
Larve und ihrer Metamorphose zur Genüge berücksichtigt wurden. 
Hervorheben will ich nur, dass die larvale Schalenform, wie ich sie 
von Dreissensia schilderte, sich ganz allgemein zu finden scheint. Stets 
machen sich erst auf älteren Stadien die Veränderungen bemerkbar, 
welche die so außerordentlich mannigfachen Formen der Muschel- 
schalen bedingen. Am auffallendsten sind diese Veränderungen. bei 


den festgewachsenen Formen mit ungleichklappiger Schale, ich er- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 5 


66 Johannes Meisenheimer, 


innere nur an Östrea, bei welcher Form. diese Erscheinungen des 
öftern eingehend geschildert wurden. 

An die Ausbildung der Schale schließen wir direkt die des Man- 
tels an. Zu der Zeit, wo die beiden Schalenhälften der ventralen 
Mittellinie bei ihrer Umwachsung nahe gekommen sind, beginnt sich 
die Körperwand beiderseits einzufalten, wie es uns auf einem etwas 
vorgerückten Stadium Fig. 111 auf Taf. IX zeigt. Ich erwähnte be- 
reits oben, dass diese seitliche Faltenbildung einen der wesentlichsten 
Faktoren bei der Bildung des Fußes darstellt, indem sie eine mitt- 
lere Partie wie einen Keil aus der Ventralseite herausschält. Sich 
immer mehr vertiefend bilden die Falten schließlich zu beiden Seiten 
des Fußes, zwischen demselben und der inneren Zellenlage der Mantel- 
falte, jederseits einen längs verlaufenden, schmalen Hohlraum aus, 
der an der Ventralseite des Fußes zusammenfließt, eben den Mantel- 
raum. An seiner Wandung legen sich später die Kiemenfalten an, 
um dann ebenfalls frei in denselben hineinzuragen. Fig. 112 zeigt 
uns noch ein jüngeres Stadium dieser Verhältnisse, in Fig. 121 (auf 
Taf. X) können wir uns einen Begriff von der weiten Ausdehnung 
machen, welche der Mantelraum (sm) später gewinnt. Auf die Um- 
wandlungen und Verwachsungen des Mantels zur Bildung der Siphonen 
sedenke ich hier nicht weiter einzugehen, als sekundäre Erschei- 
nungen sind sie nur von untergeordneter Bedeutung. 

Bei Formen, die eine reducirte Trochophora aufweisen, wie Cy- 
clas, treten nach ZIEGLER Verschiebungen in dem zeitlichen und 
örtlichen Verhältnis der Anlage von Mantel und Schale auf. Noch 
ehe das Schalenhäutchen den Körper umwachsen hat, beginnt bereits 
an den hinteren Seitentheilen ein selbständiger Mantelwulst, der erst 
später von der Schale überwachsen wird, wodurch dann schließlich 
ein ähnliches Verhalten zu Stande kommt, wie es Dreissensia auf- 
weist. 

Bei den Unioniden sind die Verhältnisse durch die Zwischen- 
stufe des Larvenmantels der Glochidiumlarve noch weit stärker 
modifieirt, indem dieser sich bei Ausbildung des definitiven Mantels 
in den sog. »pilzförmigen Körper« verwandelt. Für unsere Betrach- 
tung besitzen diese an sich sehr interessanten speciellen Verhältnisse 
keine weitere Bedeutung. 


3. Fuß nebst Byssusdrüse. 


Die Ausbildung des Fußes haben wir bereits im vorigen Kapitel 
kennen gelernt, im Wesentlichen verdankt er seine Entstehung einem 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 67 


System von Falten, die als die beiden seitlichen Mantelfalten, als 
vordere und hintere Fußfalte zu bezeichnen sind. Zuerst treten von 
diesen Falten die beiden Mantelfalten auf, sodann hintere und schließ- 
lich vordere Fußfalte. Neben dieser Faltenbildung beginnt der auf 
diese Weise herausmodellirte Körperabschnitt jedoch auch ein selb- 
ständiges Längenwachsthum aufzuweisen, und zwar an seiner vor- 
deren Spitze, wodurch dieser Theil des Fußes zu einem langen, sehr 
kontraktilen Zapfen umgebildet wird, dessen außerordentliche Beweg- 
lichkeit von KorscHELT bereits für Dreissensia, von LACAZE-DUTHIERS 
für Mytilus, und von anderen Autoren für die verschiedensten Formen 
beschrieben wurde. An seiner vorderen Fläche bedeckt er sich mit 
einem feinen Cilienkleide (Figg. 85, 84 auf Taf. VID), und diese 
Cilien dienen unzweifelhaft dem Tastsinne, da die sehr kontraktile 
Spitze bald weit aus der Schale vorgestreckt, bald ganz zurückgezogen 
erscheint, und so mit der Fortbewegung ein Abtasten der Unterlage 
Hand in Hand geht. Die eigenthümliche beilförmige Gestalt des 
Lamellibranchiatenfußes tritt in dem hinteren Theile sehr deutlich 
hervor und macht sich auf den älteren Stadien in zunehmendem Maße 
bemerkbar (vgl. Figg. 56—59). 

Weit mehr als diese äußeren Vorgänge interessiren uns jedoch 
diejenigen, welche sich im Inneren des Fußes abspielen. Absehen will 
ich zunächst von Pedalganglien und Byssusdrüse, von denen erstere in 
einem besonderen Kapitel zu besprechen sind, letztere am Schlusse 
dieses Kapitels einer näheren Betrachtung unterzogen werden mag. Be- 
trachten wir ein älteres Stadium, wie es uns etwa Fig. 84 auf Taf. VII 
darstellt, so sehen wir den vorderen Theil des Fußes völlig erfüllt 
von einer mächtigen Zellenmasse (mf), welche das gesammte Mesen- 
chym-Muskelgewebe des Fußes zu liefern hat, indem sie sich später 
auflöst und ein stark verästeltes und verzweigtes System von Binde- 
sewebs- und Muskelfasern bildet. Auch frühere Beobachter haben 
diese Zellenmasse schon sehr wohl beachtet, dieselbe aber stets 
unbedenklich von den Urmesodermzellen abgeleitet. Meine Beob- 
achtungen führten mich zu einem durchaus anderen Resultate. 

Auf einem etwas jüngeren Stadium sieht man die scharfe Grenze 
zwischen Körperepithel und dem fraglichen Zellenhaufen an einzelnen 
Stellen unterbrochen (Fig. 83), der Zusammenhang beider Komplexe 
ist ein innigerer. Dieses Verhalten steigert sich auf jüngeren Stadien 
immer mehr, in Fig. 82 ist eine scharfe Grenze überhaupt nicht mehr 
zu ziehen, mit einem Worte — wir haben hier eine Ektodermwuche- 
rung vor uns. Sehen wir uns ein ganz junges: Stadium- an, wie es 

5* 


68 Johannes Meisenheimer, 


uns Fig. 80 vorstellt (entsprechend etwa Fig. 52 auf Taf. V), so 
sehen wir zunächst die medianen Theile der Pedalganglienanlage (29) 
getroffen und weiter nach vorn einige wenige Mesenchymzellen (2). 
Nach außen wird das Ganze begrenzt von einem einfachen, hohen 
Epithel. Dieses Verhalten ändert sich recht beträchtlich auf dem 
folgenden Stadium von Fig. 81 (entsprechend etwa einem zwischen 
Fig. 53 und 54 gelegenen Stadium). Zunächst ist die auf Fig. 80 
erst angedeutete hintere Fußfalte (7) nunmehr beträchtlich vertieft, 
die Byssusdrüse (fd) als deutliche Einsenkung bereits wohl erkenn- 
bar, das Pedalganglion fast völlig von seinem Mutterboden losgelöst. 
Vor demselben bemerkt man deutlich an Stelle des bisher einfachen 
Epithels eine lebhafte Zellwucherung (m/f), die sich in der Richtung 
nach innen und vorn verschiebt. Diese Wucherung erreicht ihren 
Höhepunkt auf dem Stadium von Fig. 82, einige ähnliche Stadien 
geben noch die Figg. 85 und 86, die ich nur in dem betreffenden 
Abschnitte dargestellt habe. Allmählich lässt diese Wucherung an 
Intensität nach (Fig. 85), welches Stadium zwischen den Figg. 55 
und 56 liegt, und hört endlich völlig auf (Fig. 54), worauf dann die 
Auflösung und Differenzirung dieses neu entstandenen einheitlichen 
Zellkomplexes eintritt. 

Ohne hier bereits auf die theoretische Bedeutung dieser Erschei- 
nungen, die wir in einem späteren Kapitel im Zusammenhange er- 
örtern werden, einzugehen, will ich kurz die Angaben anderer Auto- 
ren mit meiner Darstellung vergleichen. Am bedeutungsvollsten ist 
die Schilderung HATSCcHEXR’s von der Fußentwicklung von Teredo. 
Die Herausbildung der kielförmigen Bauchregion wird richtig be- 
schrieben, eben so die hintere Fußfalte als Knickung wohl beobachtet. 
Von größerem Interesse ist seine Darstellung der inneren Verhältnisse. 
Deutlich beobachtete HArscHEK die enorme Massenzunahme des 
»Mesoderms« im vorderen Theile des Fußes. Die durch seine Figg. 25 
bis 27 auf Taf. III dargestellte Serie veranschaulicht sehr klar das 
allmähliche Anwachsen dieser Anlage, und würde die scharfe Tren- 
nungslinie zwischen beiden Schichten fehlen, so könnte man sich 
keine bessere Serie für meine Auffassung wünschen. Der hintere 
Abschnitt des Fußes wird ebenfalls von Mesodermzeilen eingenommen, 
die sich nach hinten in die Mesodermstreifen fortsetzen sollen. Gewiss 
liegen in dieser Region zerstreute Zellen des ursprünglichen larvalen 
Mesenchyms, aber die Hauptmasse von HATSCHER’s »Mesodermstreifen« 
besteht sicherlich aus dem Visceralganglion, dessen Lage genau mit 
seinen »Urmesodermzellen« zusammenfällt, man vergleiche nur die 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 69 


Lage der völlig richtig gezeichneten hinteren Fußfalte zu denselben. 
Die Fußdrüse entzog sich seiner Beobachtung. 

Im Übrigen findet meine Beobachtung in der bisherigen Litte- 
ratur nur eine geringe Stütze Mit einiger Zurückhaltung äußert 
Ray LANKESTER von Pisidium, dass die Primitivelemente des Fußes 
wahrscheinlich von großen, dem Ektoderm entstammenden Zellen sich 
ableiten. Einen sicheren Beweis hierfür kann er nicht erbringen, zu- 
mal Verwechslungen mit Ganglienanlagen in seiner Darstellung nicht 
ausgeschlossen sind. Eben so unsicher ist die Angabe v. IHERING’s 
über Cyclas, wonach hier im Fuße zunächst ein Gegensatz zwischen 
Ektoderm und Mesoderm überhaupt nicht besteht, sondern erst all- 
mählich aus einer gemeinsamen Zellenmasse oberflächliches Epithel 
und inneres Mesenchym sich scheidet. Hier anzuführen wären so- 
dann die Beobachtungen P. Sarasın’s an Bythinia, wenn auch nach 
diesen die Diagnostieirung einer bestimmten Wucherungszone nicht 
möglich ist, und endlich will ich noch bemerken, dass ich auch bei 
Limax maximus eine Betheiligung von Körperepithelzellen an der 
Bildung des Mesenchymgewebes des Fußes anzunehmen geneigt bin, 
ihr zerstreutes und vereinzeltes Auftreten lässt jedoch den Process 
selbst nur schwer mit voller Sicherheit zur Darstellung bringen. 

Einen Unterschied in der Ausbildung des Fußes der Süßwasser- 
muscheln gegenüber Dreissensia möchte ich noch hervorheben. Bei 
Cyclas (ZIEGLER) wie bei den Unioniden (F. Scaımipr) bildet sich 
nämlich der Fuß wie bei den Gastropoden direkt durch eine stumpfe, 
aktiv wachsende Vorwölbung, die Mantelfalten haben mit seiner Bil- 
dung nichts zu thun, während bei Dreissensia das selbständige 
Wachsthum der bereits differenzirten Ventralseite erst später eintritt, 
nachdem der Fuß als solcher schon sehr wohl markirt erscheint. 

Ehe wir den Fuß verlassen, müssen wir noch ein bereits mehr- 
fach erwähntes Organ desselben näher betrachten, nämlich die Byssus- 
drüse. Dieselbe entsteht als eine einfache, grubenförmige Einsen- 
kung des Ektoderms, die genau in die Mittellinie des Fußes zu liegen 
kommt und sich zwischen die beiden Hälften des Pedalganglions 
einschiebt (Figg. 81, 82, 83 auf Taf. VIL, Figg. 114, 115 auf Taf. IX, fa). 
Das Lumen der Einsenkung ist sehr eng, später legen sich die Wände 
dicht an einander (Fig. 84 fd), das ganze Gebilde schiebt sich weit 
nach innen und hinten und bildet so einen umfangreichen Schlauch. 
Seine Aufgabe besteht darin, beim Festheften der Larve zahlreiche 
Byssusfäden abzuscheiden, mit deren Hilfe die junge Muschel an ihrer 
Unterlage festhaftet. 


70 Johannes Meisenheimer, 


Bei vielen Formen wird die Byssusdrüse wohl noch angelegt, 
aber ohne völlig ausgebildet zu werden, bald wieder rückgebildet. 
So bei Yoldia nach Drew oder bei Xylotrya nach SIGERFOOS, bei 
letzterer funktionirt sie sogar noch einige Zeit. Bei Cyclas ist die 
Anlage der Byssusdrüse nach allen Autoren (STEPANOFF, ZIEGLER} 
eine paarige. Beide Ektodermeinsenkungen werden jedoch später 
gemeinsam in die Tiefe versenkt, und so kommt ein einheitliches 
Gebilde zu Stande, dessen beide Zipfel allein noch seine paarige 
Anlage erkennen lassen. Später wird sie ebenfalls rückgebildet. Ein 
ganz ähnliches Verhalten weisen nach F. ScHMIDT und SCHIERHOLZ 
die Unioniden auf, nur ist die Reduktion noch ausgeprägter. 


4. Urniere. 


Ein bis jetzt recht unvollkommen bekanntes Organ der Muschel- 
trochophora ist die Urniere. Bei der typischen Trochophora hat sie 
nur HATSCHEK beobachtet; er fand nämlich bei Teredo im vorderen 
Theile der Larve zu beiden Seiten einen länglichen Körper, der ein 
feines Lumen aufwies und später eine Flimmerung zeigte. Während 
er die äußere Öffnung sehr wohl beobachten konnte, gelang es ihm 
nicht, über das innere Ende volle Klarheit zu erlangen, es schien sich 
ihm mit einem Trichter in die Leibeshöhle zu öffnen. 

Wir beginnen unsere Betrachtung am besten mit der Beschreibung 
des ausgebildeten Organs, um hieran die Entwicklungsgeschichte 
anzuschließen. Zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung, die sich etwa 
über die Stadien der Figg. 50—54 auf Taf. V erstreckt, besteht die 
Urniere typisch aus zwei oder höchstens drei Zellen. Das eigentliche 
Exkretionsrohr wird von einer einzigen Zelle gebildet (Figg. 92, 93), 
das Plasma derselben stellt ein diekwandiges Rohr dar, welches ein 
enges Lumen (Fig. 92 /«) besitzt, einen deutlichen Kern (Fig. 92 er) 
und zahlreiche durch die Osmiumsäure geschwärzte Konkretionen auf- 
weist. Das Innere des Lumens wird von einer im Querschnitte sehr 
deutlichen Cuticula begrenzt (Fig. 97 cu). Abgeschlossen wird dieses 
Rohr nach innen durch eine Flimmerzelle, indem das Anfangs dick- 
wandige Rohr sich allmählich verjüngt und endlich in eine sehr zarte 
Membran übergeht (Figg. 92, 93, 96 md), die ihrerseits an ihrem Ende 
eine Flimmerzelle trägt. Diese letztere ist meist von kegelförmiger, 
zugespitzter Form (Fig. 92, 95, 96 tz), zuweilen aber fächerförmig ver- 
breitert (Fig. 95 tz). Sie besitzt einen deutlichen Kern, zuweilen noch 
eine kleine Endvacuole (Fig. 95 ev), die aber meist fehlt, und endlich 
an ihrer dem Rohre zugekehrten Seite eine starke Wimperflamme 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 71 


(Figg. 92, 93, 95, 96 wf). Die einzelnen Cilien derselben sind sehr lang, 
sie reichen weit in das eigentliche Exkretionsrohr hinein und sind an 
der Wimperzelle durch feine, verdickte Knötchen befestigt (Fig. 96). 
Diese beiden Zellelemente, Exkretions- und Wimperzelle, bilden die 
stetigen Bestandtheile der Urniere, dazu mag vielleicht noch eine 
dritte Zelle kommen, welche das Exkretionsrohr nach außen mit dem 
Ektoderm verbindet und seine Befestigung unterstützt. Als geson- 
derten Bestandtheil der Urniere habe ich sie jedoch nie scharf unter- 
scheiden können, da sie ja völlig zwischen den Ektodermzellen liegen 
muss, und besondere Merkmale zu einer Unterscheidung nicht vor- 
handen sind. Was mich zur Annahme ihrer Existenz veranlasst, sind 
weit mehr Gründe entwicklungsgeschichtlicher Natur als rein morpho- 
logische. 

Dieser Bau der Urniere ist als der durchaus typische und regu- 
läre anzusehen. Daneben ist mir freilich in einem Falle ein Bild 
untergelaufen, welches von demselben in recht auffallender Weise ab- 
weicht. Ich meine das Bild von Fig. 94 auf Taf. VIIL. An Stelle 
der einen abschließenden Wimperzelle treffen wir hier deren zwei. 
Beide sind in einen rechten Winkel zu einander gestellt und senden 
gleichmäßig eine starke Wimperflamme in das gemeinschaftliche Rohr, 
welches in allem Übrigen den bisher beschriebenen Bau aufweist. 
Wie weit dieses Verhalten auf Häufigkeit des Auftretens Anspruch 
machen darf, vermag ich nicht zu sagen, Thatsache ist jedenfalls, 
dass ich es nur ein einziges Mal auf meinen Schnittserien antraf, und 
eben so sicher ist, dass auf vielen Serien das Fehlen der zweiten 
Wimperzelle mit voller Klarheit festzustellen ist. 

Was die Lage dieses Organs betrifft, so findet es sich regel- 
mäßig zu beiden Seiten der Larve, dem abgeflachten Körperepithel 
der Larve dicht anliegend. Der Frontalschnitt von Fig. 98 auf 
Taf. VII, welcher genau den Längsverlauf der Urniere getroffen hat, 
zeigt uns dies aufs deutlichste (ur). Topographisch zieht die Ur- 
niere im Übrigen von der mittleren Ventralseite des Körpers, in dessen 
Nähe ihre Ausmündungsöffnung liegt, schräg nach vorn und oben, 
um hier etwas oberhalb des Ösophagus mit der Wimperzelle zu enden 
(vgl. Figg. 50—54). Betreffs der Ausmündungsstelle will ich noch 
bemerken, dass dieselbe einen äußerst feinen Porus darstellt, der 
nur schwer zu beobachten ist und zu beiden Seiten der Pedalgan- 
glienanlage nach außen von denselben zu suchen ist, von hier sich 
in den Mantelraum öffnend. 

Außer bei Teredo wurde eine Urniere bei den Muscheln auch 


72 Johannes Meisenheimer, 


noch bei Oyelas gefunden, zunächst durch ZIEGLER. Die zwei Haupt- 
bestandtheile sind ein feiner, flimmernder Kanal, der ins Innere führt, 
und ein sich daran ansetzender massiger Theil, der einen sehr großen 
Kern und zahlreiche Körnchen enthält. Durch einen sehr feinen 
Porus mündet dieser Theil nach außen. Diese Angaben lassen sich 
völlig mit meinen Befunden vereinbaren, zumal auch die Lage der 
Urniere bei Cyelas ungefähr mit derjenigen zusammenfällt, welche 
das Organ bei Dreissensia einnimmt (man vergleiche ZıesLer’s Fig. 16 
mit meinen Bildern). Nur ist die Exkretzelle bedeutend angeschwol- 
len. Etwas schwieriger ist die Deutung des Endapparates. Der 
flimmernde Kanal soll in einen kanalartigen Raum übergehen, der 
keine Flimmerung trägt und an seinem inneren Ende einen deutlichen 
Kern aufweist. Dieser Kern kann nur einer Endzelle angehören, 
welche die Flimmern trägt. Unklar bleiben mir nur die seitlich 
liegenden Klümpchen tingirbarer Substanz, die vielleicht Exkret- 
produkte darstellen. Ob sich die Urniere nach innen öffnet, weiß 
ZIEGLER nicht, entscheidet sich aber eher für das Gegentheil. 

Auf diese Weise würde sich also Cyclas sehr wohl dem Typus 
der Urniere von Dreissensia anschließen lassen. Nun besitzen wir 
aber noch eine neuere Untersuchung über diesen Gegenstand, von 
STAUFFACHER, und hierdurch wird die Sachlage ungleich erschwert. 
Die Urniere von Cyclas ist hiernach ein sehr komplieirtes Gebilde, 
öffnet sich in das primäre Schizocöl und ist unpaar (nur auf der 
linken Seite). Alle Punkte widersprechen also dem Bau der Urniere, 
wie er für die Trochophoralarve Gültigkeit hat, und wie ich ihn 
in ähnlicher Weise für die Pulmonaten dargestellt habe. Auf Einzei- 
heiten einzugehen, wäre zwecklos, da irgend welche tiefergehende 
Vergleiche unmöglich zu ziehen sind, und Bedenken gegen STAUF- 
FACHER’S Darstellung ohne eigene Kenntnis des betreffenden Objektes 
nicht erhoben werden können. 

Ohne auf die gesammte Litteratur betreffs der bei den Mollusken 
als Urniere beschriebenen Gebilde nochmals einzugehen, wie ich es 
in einigen früheren Publikationen bereits gethan habe, will ich hier 
nur hervorheben, dass wir in der Urniere der Muscheltrochophora 
ein Gebilde vor uns haben, wie ich es als Grundtypus und Aus- 
sangspunkt der Urniere der Pulmonaten dargestellt habe, ein ein- 
faches Rohr mit einer Wimperzelle an der Spitze, aus dem sich dann 
einerseits die Urniere der Süißwasserpulmonaten, andererseits die der 
Landpulmonaten durch noch unbekannte Zwischenstadien ausgebildet 
hat. Ich verweise beireffs dieses Punktes auf meine diesbezüglichen 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 13 


früheren Erörterungen (Litteraturverzeichnis Nr. 67). Einen kleinen 
Nachtrag zur Litteratur will ich hier noch einfügen. In einer 
neueren Abhandlung von VIGUIER über. Thetys fimbriata wird ein 
zartes Organ mit feinem Kanal beschrieben und abgebildet, welches 
seiner Lage nach wohl einer Urniere entsprechen könnte, so dass 
also dann auch die Opisthobranchier dieses Organ aufweisen würden. 
Um übrigens nochmals auf das von MAZZARELLI als Niere beschriebene 
Gebilde der Opisthobranchier zurückzukommen, will ich bemerken, 
dass auch Heymons nach einer persönlichen Mittheilung nicht durch- 
aus auf seiner Deutung des Gebildes als Urniere bestehen will. Es 
waren Gründe rein theoretischer Natur, die ihm zu dieser Deutung 
Veranlassung gaben, nämlich die Unwahrscheinlichkeit einer ekto- 
dermalen Herkunft der definitiven Niere. Die Differenzen betreffs 
der Deutung dieses Gebildes dürften somit zu Gunsten der Beobach- 
tungen MAZZARELLT’s beigelegt sein. 

Wir kommen endlich zur Entwicklungsgeschichte der Urniere, 
ein Punkt, dessen Aufklärung sich recht bedeutende Schwierigkeiten 
in den Weg stellten. Denn es ist klar, dass ein so zartes Organ, 
welches in wohldifferenzirtem Zustande nur aus zwei Zellen besteht 
und hier oft noch recht schwer zu finden ist, in einem weniger oder 
gar völlig undifferenzirten Zustande kaum der Beobachtung zugäng- 
lich ist. Das jüngste mit aller Sicherheit von mir beobachtete Sta- 
dium ist das auf Fig. 87 abgebildete. Wir sehen hier in engem 
Zusammenhange mit dem Ektoderm drei Zellen mit ihren Kernen 
in das Innere des Körpers vorragen, einen cylindrischen Strang bil- 
dend. Beachtenswerth ist vor Allem, dass der eine Kern völlig ter- 
minal liegt (tz), und dass unmittelbar unter ihm ein enges Lumen 
(u) in dem Strang auftritt. Eine direkte Weiterbildung dieser An- 
lage giebt uns Fig. 88. Der Strang hat sich weiter in die Länge 
gestreckt, das Lumen (lu) ist bedeutend erweitert, der terminale Kern 
(2) noch weiter von den übrigen nach innen verschoben. Noch weit 
ausgeprägter ist dies auf dem Stadium von Fig. 89. Der terminale 
Kern steht jetzt bereits nur noch durch ein engeres Plasmarohr mit 
den übrigen Theilen in Verbindung, die ihrerseits stark verbreitert 
erscheinen. In diesem Sinne geht die Entwicklung nun stetig weiter, 
in Fig. WY hat sich das Rohr noch weiter ausgezogen, wobei zugleich 
die bisher unregelmäßig vertheilten Hohlräume (?«) immer mehr die 
Form eines das Ganze durchziehenden engen Kanals annehmen. 
Wir haben schon längst erkannt, dass der untere verbreiterte Theil 
nichts Anderes darstellt, als das spätere Exkretionsrohr, der sich in 


14 Johannes Meisenheimer, 


die Länge streckende mittlere Theil die sich verjüngende Membran 
und die terminale Zelle die Wimperzelle, welche die ersten Anzeichen 
ihrer späteren Bedeutung in Fig. 91 aufweist, wo die Ansatzstelle 
der Cilien sich als ein scharfer, dunkler Strich markirt, und selbst 
einige Cilien bereits bemerkbar sind. Der Übergang von Fig. 91 
in den völlig ausgebildeten Zustand, wie ihn etwa Fig. 92 zeigt, voll- 
zieht sich durch einfache Längsstreckung und Verschmälerung des 
ganzen Gebildes. 

Auf die Zahl der Kerne bei den jüngeren Stadien muss ich noch- 
mals kurz zurückkommen. Auf den Stadien von Figg. 87 und 88 
sehen wir deutlich drei Kerne in der ganzen Anlage vorhanden, von 
denen der terminale der Wimperzelle entspricht und der mittlere der 
eigentlichen Exkretionszelle angehört (ex). Zweifelhafter ist das 
Schicksal des dritten Kernes. Er liegt in unmittelbarer Nähe des 
Ektoderms und ist später von den übrigen Kernen des Körperepithels 
nicht mehr zu unterscheiden (Figg. 89—91). Die Annahme einer 
dritten der Urniere zugehörigen Zelle stützt sich mithin nur auf die 
jüngsten Entwicklungsstadien. 

Nach diesem Verlaufe der Entwicklung müssen wir in der Ur- 
niere durchaus ein Organ sehen, welches sich direkt aus der den 
Jungen Organismus umkleidenden Zellenlage ableitet, d. h. dem Ekto- 
derm. Nicht nur spricht dafür, dass stets, auch auf den jüngsten 
Stadien, ein inniger Zusammenhang der betreffenden Anlage mit dem- 
selben konstatirt werden konnte, auch die Fortentwicklung deutet 
aufs ungezwungenste eine derartige Entwicklung an. Es ist keine 
reguläre Einstülpung vorhanden, wohl aber ein stetiges Wachsthum 
von der Peripherie, dem Ort der Entstehung, nach innen gegen das 
Centrum hin, ein Process, der sich aufs engste an eine wirkliche 
Einstülpung anschließt und mit Leichtigkeit auf eine solche zurück- 
zuführen ist. Auf noch jüngeren Stadien, als dem in Fig. 87 dar- 
gestellten, ist die Deutung austretender Urnierenzellen eine so ge- 
wagte, dass ihre Wiedergabe keine größere Beweiskraft in sich böte. 
Sicher ist aber, dass ich nie einen Zellenkomplex beobachten konnte, 
der sich etwa auf die Urnierenanlage beziehen ließe und der nicht 
in engem Zusammenhang mit dem Ektoderm gestanden hätte. Die 
Mesodermzellen sind auf diesen jüngsten Stadien so wenig zahlreich 
und zum großen Theile in die Bildung von Muskeln übergegangen, 
so dass ihre Kontrolle nur geringe Schwierigkeiten bietet. 

Bei den übrigen Autoren finden wir meist eine direkte Ab- 
leitung der Urniere aus Mesodermzellen, so bei HATSCHEK von 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 3 


Teredo, oder aber eine theils mesodermale, theils ektodermale, so bei 
STAUFFACHER von Üyclas. Ähnliche Gegensätze finden sich auch in 
den Angaben der Entstehung der Pulmonaten-Urniere, die ohne er- 
neute Untersuchungen nicht gelöst werden können. Auch in NE- 
KRASsovV’s kurzer Mittheilung vermag ich keine Förderung dieser 
Frage zu finden, da sich darin nicht erkennen lässt, wie weitgehend 
die eigenen Studien des Verfassers betreffs dieser Verhältnisse sind. 
Hervorheben möchte ich aber die Übereinstimmung in der Ent- 
wieklung der Urniere der beiden von mir genau untersuchten Formen, 
von Limax maximus und Dreissensia polymorpha, welche beide eine 
wohl differenzirte, rein ektodermale Anlage aufweisen. Leider ver- 
mochte ich dieser Frage bei den Süßwasserpulmonaten nicht die 
gleiche Aufmerksamkeit zuzuwenden, so dass wir für diese zur völli- 
sen Klärung erneute Untersuchungen abwarten müssen. 


5. Muskelsystem. 


Innerhalb des Muskelsystems haben wir streng zu scheiden ein 
larvales von dem definitiven der ausgebildeten Muschel. In ihrer 
zeitlichen Anlage sind beide nicht durchaus streng geschieden, sie 
funktioniren sogar theilweise gleichzeitig neben einander. Ich be- 
zeichne desshalb als rein larvale Muskeln nur solche, die allein 
während der Larvenperiode thätig sind und mit der Umwandlung 
der Larve in die Muschel ihre Thätigkeit einbüßen, mithin resorbirt 
werden. 


a. Larvales Muskelsystem. 


Das larvale Muskelsystem besteht typisch aus drei Zügen jeder- 
seits, die ich als dorsalen, medialen und ventralen Retraktormuskel 
unterscheiden will. Ihre Anordnung ist die folgende (vgl. hierzu die 
Figg. 49—54 auf Taf. V). Die Ursprungsstelle sämmtlicher drei 
Muskelbündel liegt an der hinteren Dorsalseite, rechts und links an 
das Schalenhäutchen sich festheftend. In ihrem Verlaufe nach vorn 
divergiren sie stark, und so kommt es, dass ihre Insertionsstellen 
weit aus einander liegen, ganz im Gegensatze zum Ursprunge. Der 
dorsale Retraktormuskel (dr) verläuft jederseits längs der Dorsal- 
linie des Körpers und sendet seine Faserbündel, die oft in mehrere 
selbständige Bündel zerfallen, an die obere und hintere Velarregion. 
Neben den Hauptmuskelbündeln ist namentlich ein fast stets vorhan- 
dener kleiner, ganz dorsal gelegener Zweig zu beobachten, der dicht 
unter dem vorderen Schließmuskel gleichfalls in das Velum zieht. 


76 Jonannes Meisenheimer, 


Innerhalb des Velums zerspleißen sich die einzelnen Muskelfasern in 
feine Fibrillen, die sich an der Wand des Velums befestigen (Fig. 55). 
Der mediale Retraktormuskel (mr) entspringt dicht neben dem 
dorsalen, er zieht direkt nach vorn, die Schale ziemlich genau in 
eine obere und untere Hälfte theilend, und inserirt in der vorderen 
und unteren Velarregion. Auch er spaltet sich oft in mehrere Muskel- 
bündel, von denen ein hinteres namentlich die Scheitelplatte umzieht 
und sich in ihrer Umgebung festheftet, während die übrigen in der- 
selben Weise sich im vorderen Theile des Velums verästeln. Während 
diese beide Muskelsysteme eine etwa gleich starke Entwicklung zei- 
gen, ist der dritte hierher gehörige Muskel, der ventrale Retraktor- 
muskel (or), bedeutend schmächtiger von Ansehen. Seine Ursprungs- 
stelle liegt wiederum derjenigen der beiden ersten sehr genähert, 
sodann aber zieht er in schräger, stark geneigter Richtung nach unten 
und vorn, um sich vor dem Enddarme jederseits an den Mantelfalten 
festzuheften. Er besteht in der Regel nur aus einem einzigen Faserzuge. 

Die Funktion dieser Muskelsysteme ergiebt sich unmittelbar aus 
ihren Insertionsstellen. Wie ich durch den Namen schon andeutete, 
dienen sie alle dazu, die einzelnen Körpertheile der Larve in die 
schützende Schale zurückzuziehen, und zwar übernehmen diese Thätig- 
keit dorsaler und medialer Retraktormuskel für das Velum, der ven- 
trale dagegen für die um den After gelegenen Partien, die einen 
Wimperbüschel tragen und oft weit über die Schale hinaus vorge- 
streckt werden können. Dieses mächtig entwickelte Muskelsystem 
erklärt zur Genüge die außerordentliche Kontraktilität der Larve. 
Beim Einziehen des Velums werden stets zuerst die vorderen Partien 
des Velums eingezogen, die medianen Theile mit der Scheitelplatte 
voran, die seitlichen mit dem eigentlichen Wimperapparate in einer 
Art von Umrollung nachfolgend (vgl. Fig. 98). Ein Erschlaffen der 
Muskeln verursacht oder ermöglicht wenigstens mit dem Öffnen der 
Schale ein erneutes Vortreiben des Velums, welches wohl im Wesent- 
lichen durch einfaches Einströmen der Leibesflüssigkeit hervorge- 
rufen wird. 

Betreffs der Entwicklungsgeschichte dieser Muskeln kann ich 
nich kurz fassen, sie entstehen aus den Elementen des zweiten So- 
matoblasten und der übrigen Mesenchymgebilde. Auf recht jungen 
Stadien sieht man die betreffenden Zellen bereits ihre charakteristische 
Lagerung annehmen, entsprechend den drei Muskelsystemen (Fig. 49), 
dieselben wachsen mit der Larve selbst schnell heran (Fig. 50) und 
gehen endlich in ihre definitive Gestalt über (Figg. 51—94). 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 72 


Wenn die freischwärmende Larve sich dem Zeitpunkte des Fest- 
heftens nähert, beginnen die Retraktormuskeln sich zurückzubilden. 
Zuerst verschwindet der stets schwächere, ventrale Retraktormuskel 
(Fig. 56), sodann nehmen auch die beiden übrigen schnell an Umfang 
ab, auf Fig. 57, einem Stadium, welches sich gerade festgeheftet hat 
und im Begriff steht, das Velum abzuwerfen, ist keine Spur mehr 
von ihnen vorhanden. 

Von diesen so eben beschriebenen Retraktoren wurden bis jetzt 
stets nur die beiden stärkeren beobachtet, so von LovEn, der sie 
Levatores veli nannte, so von KoRSCHELT bei Dreissensia, weiter von 
Horst bei Ostrea, der aber deutlich in seiner Fig. 16 den dritten 
Muskel angiebt, und endlich von HATSCHER bei Teredo. Auf einige 
Punkte der letzteren Darstellung muss ich etwas näher eingehen. 
HATSCHEK giebt von den beiden Retraktormuskeln an, dass sie je in 
zwei Partien zerfallen, von denen die eine die Retraktion des Ve- 
lums besorgt, die zweite aber das Schließen der Schale. Ich muss 
dagegen bemerken, dass mir nie eine Inserirung der Muskelfasern 
an den Seitenrändern der Schale zu Gesichte gekommen ist, dass 
vielmehr sämmtliche Fasern bis hinauf in das Velum zogen, wie ja 
auch meine sämmtlichen Figuren darlegen. Der Verschluss der 
Schale erfolgt stets durch den vorderen Schließmuskel, von dessen 
früher Anlage freilich HATSCHER nichts erwähnt. Auf seinen Figuren 
(Taf. II, Figg. 21, 22, 24) ist dagegen diese Muskelanlage sehr wohl 
zu erkennen. une erwähnt HATSCHEK an einer Stelle einige 
kurze, transversale Muskelfasern, »die vom Hinterende der Mesoderm- 
streifen in die Gegend des Schlossrandes ziehen«, sie entsprechen 
ohne Zweifel den von mir als ventral bezeichneten Retraktormuskeln. 

Bei den Unioniden ist das larvale Muskelsystem in Folge der 
durchaus abweichenden Glochidiumlarve ein völlig anderes. Ob die 
Myocytenstränge LitLLıe’s (Strangzellen der Autoren) mit den Re- 
traktormuskeln der Trochophoralarve verglichen werden können, ist 
schwer zu entscheiden, sicher ist dagegen eine Neubildung der Glo- 
chidiumlarve der larvale Adduetormuskel. Über sein Verhältnis zur 
Trochophoralarve haben wir oben bereits eingehend gehandelt. 


b. Definitives Muskelsystem. 


In das so eben beschriebene larvale Muskelsystem schiebt sich 
nun zeitlich wie örtlich ein zweites ein, welches der Organisation 
der erwachsenen Muschel entspricht. Auch hier haben wir drei Sy- 
steme zu unterscheiden, vorderen Schließmuskel, hinteren Schließ- 


73 Johannes Meisenheimer, 


muskel und Retraktor des Fußes. So weit sich ihr Ursprung schärfer 
verfolgen lässt, leiten sie sich von zerstreuten Mesenchymzellen ab, 
die sich an der betreffenden Stelle strangförmig anordnen, fibrillären 
Bau annehmen und schließlich ein Muskelbündel bilden. 

Der vordere Schließmuskel legt sich zeitlich zuerst an. Seine 
Anlage fällt zusammen mit derjenigen der drei larvalen Muskeln. 
Bereits auf Fig. 49 sehen wir ihn in etwas vorgeschrittener Entwick- 
lung an seiner späteren Stelle, etwas hinter dem Dorsalrande des 
Velums gelegen (vs). Später kommt er in der oben bereits geschil- 
derten Weise in die Nähe des Mundes zu liegen, wobei er häufig in 
mehrere Bündel zerfällt (Fig. 58 vs). Eine Anschauung von seinem 
Faserverlaufe giebt der Frontalschnitt von Fig. 101. Seine Funktion 
besteht natürlich im Öffnen und Schließen der beiden Schalenklappen. 

Die frühe Anlage des vorderen Schließmuskels wird für die 
meisten bisher beschriebenen Formen angegeben, selbst für die, bei 
welchen er später wieder völlig zu Gunsten des hinteren unterdrückt 
wird. Vor dem hinteren Schließmuskel findet die Anlage des vor- 
deren statt bei verschiedenen Muscheln nach Loven, bei Ostrea nach 
JACKSON und Horst, bei Dreissensia nach KORSCHELT, bei Yoldia 
und Nucula nach Drew. Eine Ausnahme scheint Cyclas nach ZIEGLER 
zu machen, wo umgekehrt der hintere Schließmuskel sich vor dem 
vorderen anlegt. Die Unioniden verhalten sich nach F, ScHMmiDT 
und Braun ähnlich, hier liegt an der Stelle des vorderen Schließ- 
muskels zunächst noch der larvale Adductormuskel, und erst nach 
dessen Zerfall kann sich an derselben Stelle der vordere Schließ- 
muskel neu bilden. 

Ganz dieselbe Funktion wie der vordere Schließmuskel erfüllt 
auch der hintere, doch tritt er, wie schon erwähnt, erst viel später 
auf, und zwar etwa zwischen dem Stadium von Fig. 54 und 56. 
Auch er (As) stellt einen einfachen Strang von Muskelfasern dar, die 
quer von einer Schalenklappe zur anderen ziehen, wie es etwa Fig. 99 
auf Taf. VIII darstellt. Er liegt hinter dem Visceralganglion (Fig. 56), 
vor und über dem Enddarme (Fig. 99), und kann später ebenfalls in 
mehrere, etwas selbständigere Bündel zerfallen (Fig. 59). 

Es bleibt uns endlich noch der Retraktormuskel des Fußes zu 
betrachten übrig. Derselbe entsteht zuletzt von allen Systemen und 
zwar dadurch, dass sich Muskelzellen an die hintere Schalenseite 
jederseits festheften und von hier konvergirend den Enddarm um- 
fassend nach der Basis des Fußes hinziehen (Fig. 100 rf). Diese 
Fig. 100 entspricht etwa einem Stadium, wie es Fig. 56 darstellt, wo 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 79 


wir die Muskelfasern (rf) in der in Fig. 100 längs getroffenen Rich- 
tung verlaufen sehen. Bald nimmt dieses Muskelsystem an Mächtig- 
keit ganz bedeutend zu (Figg. 57, 58), ja es übertrifft schließlich alle 
anderen an Umfang (Fig. 59). Seine Funktion besteht in Vor- und 
Zurückziehen des Fußes, seine Mächtigkeit erklärt die außerordent- 
lich starke Beweglichkeit des Fußes, die freilich durch die Kontrak- 
tilität der vorderen Fußspitze nicht unwesentlich erhöht wird. 

Kaum ein anderes Organsystem als das Muskelsystem zeigt uns 
deutlicher den Gegensatz von Larvenorganisation und erwachsenem 
Thiere. Das eine System wird durch ein anderes mit dem Wechsel 
von Gestalt, Bedürfnissen und Lebensweise ersetzt. Aber nur theil- 
weise — Theile des einen Systems greifen nöthigenfalls unterstützend 
in das andere ein. Die Thätigkeit der larvalen Retraktoren wird erst 
vervollkommnet durch die korrespondirende Thätigkeit des vorderen 
Schließmuskels, der die zurückgezogenen Organe erst völlig gegen 
die schädliche Umgebung abzuschließen vermag. Eine derartige 
Wechselwirkung hat naturgemäß starke Verschiebungen der zeit- 
lichen Anlagen zur Folge, und daraus erklärt sich die so außer- 
ordentlich frühe Anlage des vorderen Schließmuskels. Doch wir 
wollen zunächst in unserer Schilderung der einzelnen Organe fort- 
fahren, am Schlusse werde ich auf diese theoretischen Fragen im 
Zusammenhange eingehen. 


6. Nervensystem und Sinnesorgane. 


In der Regel besitzen die Lamellibranchiaten drei Paare von 
Ganglien, ein Cerebral-, Pedal- und Visceralganglion, die unter ein- 
ander durch lange Kommissuren verbunden sind. Entwicklungsge- 
schichtlich legen sie sich sämmtlich getrennt von einander an, nur 
das Gemeinsame zeigend, dass sie alle dem Ektoderm entstammen, 
während im Übrigen die Vorgänge bei ihrer Entwicklung recht ver- 
schieden von einander sind. 

Das Cerebralganglion, welches wir hier zuerst. betrachten wollen, 
ist seiner Genese nach aufs engste mit einem larvalen Sinnesorgane, 
der Scheitelplatte, verknüpft. Wir müssen desshalb zunächst etwas 
genauer auf diese selbst eingehen. Sie liegt genau in der mittleren 
Längslinie des Velums, etwas nach vorn und unten verschoben. Schon 
sehr frühzeitig beginnt sich ihre Anwesenheit bemerkbar zu machen 
durch das Auftreten eines zarten Cilienbündels (Figg. 68—70 sp), dem 
bald auch eine starke Verdickung des Epithels gegenüber den sich 
abflachenden Velarzellen folgt (Figg. 102, 130 sp). Die Zahl der 


80 Johannes Meisenheimer, 


Cilien ist auf den älteren Stadien stets eine recht beträchtliche, wie 
sie auch von Mytilus durch Barroıs und von Yoldia durch Drew 
beschrieben wurden. HATSCHEK giebt dagegen die Zahl der Scheitel- 
cilien für Teredo auf drei an, zwei schwächere und eine stärkere, 
die immerhin vielleicht ebenfalls aus Bündeln zarterer Cilien zu- 
sammengesetzt sind. Horsr erwähnt sie von Ostrea überhaupt nicht. 
Der Zellenhaufen der Scheitelplatte nimmt schnell an Umfang zu 
(Fig. 103), an seiner Oberfläche ist er von dem Pigment, welches die 
ganze obere Seite des Velums bedeckt, fast oder völlig frei. Der 
Wimperbüschel liegt schon jetzt nicht mehr genau central, sondern 
er verschiebt sich in die hintere Hälfte der Scheitelplatte. Mit dieser 
Verschiebung des Wimperbüschels erfolgt zugleich eine Veränderung 
des vorderen Theiles der Scheitelplatte. Die Kerne derselben ziehen 
sich nämlich von der Oberfläche zurück und lassen so eine feinkörnige, 
kernfreie, obere Schicht hervortreten, die sich bald zu einer Grube 
vertieft (Fig. 104—106 sg). Weiterhin löst sich von dem Grunde 
eben dieser zuletzt geschilderten Scheitelgrube eine mächtige Zellen- 
schicht los, in welcher die erste Anlage des Cerebralganglions zu 
sehen ist (Fig. 105 eg). Die einfache Scheitelplatte ist so zu einem 
äußerst komplieirten Gebilde geworden (Figg. 104, 105), sich zu- 
sammensetzend aus dem Reste des ceilientragenden, hinteren Theiles 
(sp), aus der vorderen Scheitelgrube (sy) und aus dem sich abschnü- 
renden Cerebralganglion (eg). Von diesen drei Theilen wird der 
erstere völlig aufgelöst und abgeworfen, der feste Verband seiner 
Zellen lockert sich sehr bald (Fig. 105), die Cilien verlieren an Um- 
fang und fallen ab. Die beiden letzteren Theile sind bleibende Ge- 
bilde, die in ihrer Entwieklung zunächst noch einen innigen Verband 
zeigen, später aber völlig verschiedene Wege einschlagen. Eine Reihe 
von Querschnitten auf einander folgender Stadien mag uns diese Ver- 
hältnisse näher erläutern. Auf dem jüngeren Stadium von Fig. 107 
ist die Scheitelgrube noch mäßig vertieft, ihre feinkörnige, pigment- 
freie oberflächliche Schicht tritt klar hervor. An dieselbe schließt 
sich eine mächtige Kernmasse an, die nach unten in zwei Zipfel aus- 
gezogen ist und in ihrem Inneren ebenfalls eine kernfreie, fein- 
faserige Substanz erkennen lassen. Wir haben hierin das spätere 
Cerebralganglion mit seiner Fasersubstanz vor uns. Das nächstfol- 
sende Stadium von Fig. 108 zeigt uns alle diese Theile bereits weit 
schärfer differenzirt. Die oberflächliche Grube hat sich vertieft, sie 
ist im Inneren von einem feinen Saume ausgekleidet, den ich für 
einen Wimperbesatz halten möchte, wenn es mir auch selbst mit den 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 8 


stärksten Vergrößerungen nicht gelang, denselben in seine Bestandtheile 
aufzulösen. Die Kerne in der Umgebung dieser Grube ordnen sich 
regelmäßig zu einem Epithele an, während die nach innen davon 
liegende Kernmasse des Cerebralganglions deutlich durch eine Tren- 
nungslinie, die übrigens auch schon auf Fig. 107 angedeutet ist, von 
denselben geschieden ist. In der Cerebralganglienanlage (g) selbst zeigt 
die Fasersubstanz eine beträchtliche Massenzunahme. In Fig. 109 ist 
die Sonderung der beiden Theile bis auf die unterste Berührungs- 
stelle vollzogen. Die Scheitelgrube hat sich sehr vertieft, ihr inneres 
Lumen mit dem zarten Saume tritt deutlich hervor, ihr Epithel ist 
regelmäßig einschichtig angeordnet. Die an den Seiten der Scheitel- 
gsrube bisher noch fast an das Dach des Velums heranreichenden 
Zellenmassen des Cerebralganglions haben sich weit ins Innere zu- 
rückgezogen und in Fig. 110 endlich ist die Loslösung des Ganglions 
vollendet. Schon während der Abschnürung legen sich die beiden 
Hälften des Cerebralganglions allmählich immer dichter dem Öso- 
phagus an, und nach derselben haben sie fast völlig ihre definitive 
Lage auf der Dorsalseite desselben eingenommen. Das Cerebral- 
ganglion ist somit fertig ausgebildet, es entsteht dadurch, dass es 
sich in seiner @esammtheit, d. h. mit beiden Ganglienhälften wie Kom- 
missur, einheitlich und in kontinuirlichem Zusammenhange von seinem 
Mutterboden loslöst; ich hebe dies besonders hervor im Gegensatz zu 
den übrigen Ganglien. 

Die Beobachtungen über die Umbildung der Scheitelplatte in das 
Cerebralganglion sind nur spärlich. HarscHer hat bei Teredo zwar 
die Zweitheilung derselben in zwei nach innen verlaufende Zipfel be- 
obachtet, dessgleichen die Loslösung des Ganglions selbst unter Ab- 
spaltung einer an der Oberfläche verbleibenden Epithelplatte, giebt 
jedoch keine weiteren Details dieser komplieirten Vorgänge. HorsTt 
spricht bei Ostrea von einer Zweitheilung der Scheitelplatte durch 
eine oberflächlich gelegene Grube (Scheitelgrube?), geht aber im Ein- 
zelnen ebenfalls nicht näher darauf ein. Bei der so stark abweichenden 
Larvenform von Yoldia limatula beschreibt Drew auf den jüngeren 
Stadien einen weniger engen Zusammenhang von Scheitelplatte und 
Cerebralganglienanlage. Erst später treten die zu beiden Seiten der 
Scheitelplatte auswandernden Ganglienzellen mit derselben in Be- 
rührung, vertiefen sich jederseits zu einer Grube, die nach außen in eine 
gemeinsame Einsenkung übergehen, und bilden endlich ihre innere 
Masse zu dem kompakten Ganglion um. Bei Nucula dagegen sind 


nach demselben Autor Scheitelplatte und Ganglienanlage untrennbar 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Ba. 6 


89 Johannes Meisenheimer, 


vereinigt, die Ausbildung einer grubenförmigen Einsenkung unterbleibt 
hier. Bei Cyclas ist nach ZIEGLER mit der Rückbildung des Velums 
auch die Scheitelplatte redueirt, das Cerebralganglion geht einfach 
aus einer paarigen Ektodermverdieckung über der Mundöffnung her- 
vor. Ähnlich verhalten sich die Unioniden nach F. Scumipr. 

Bei Proneomenia nimmt nach GIARD die Scheitelplatte gar keinen 
Antheil an der Bildung des Cerebralganglions, dieses entsteht unab- 
hängigs davon aus zwei seitlich vom larvalen Stomodäum sich ein- 
senkenden Zellenhaufen, die freilich auch noch andere Theile der 
Larve liefern sollen. Auf die Prosobranchier und Gastropoden komme 
ich weiter unten zu sprechen. 

Wir müssen nun nochmals zu dem Theile der Scheitelplatte zu- 
rückkehren, den wir auf dem Stadium von Fig. 109 als eine tief ein- 
sesenkte Grube (sg) verließen. Die weiteren Veränderungen derselben 
sind zunächst noch gering, sie bestehen im Wesentlichen nur in einer 
Verdiekung des Wandepithels, welches stark mehrschichtig wird 
(Fig. 110 sg). Ihr inneres Lumen stellt einen kurzen, schmalen, in 
die Längsrichtung des ganzen Velums gestellten Spalt dar, der je 
nach dem Zustande des Velums bald frei an der Oberfläche liegt 
(Figg. 108, 109), bald tief ins Innere versenkt erscheint (Fig. 110). 

“Was die Bedeutung dieses Organs auf den jüngeren Stadien 
anlangt, so kann es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, dass das- 
selbe ein Sinnesorgan darstellt, welches weit wirksamer sein muss 
als der schon früh sich auflösende eilientragende Theil der Scheitel- 
platte. Durch den engen Spalt ist die innere Fläche der Grube in 
steter Berührung mit dem umgebenden Wasser, der zarte Saum mag 
den Reiz übermitteln. 

Höchst merkwürdig und interessant ist nun das weitere Schicksal 
dieser Scheitelgrube. Dieselbe geht nicht zu Grunde, sondern wird 
beim Aufbau des Körpers der erwachsenen Muschel verbraucht, sie 
bildet sich um zu den Mundlappen. Es ist dies um so überraschender, 
als man letzteren jetzt allgemein weniger die Funktion eines Sinnes- 
organs als vielmehr eines Strudelapparates zum Herbeischaffen der 
Nahrung zuschreibt. Die Umwandlungen, welche die Sinnesgrube in 
die Mundlappen überführen, habe ich in den Figg. 168—173 auf 
Taf. XII dargestellt, sie hängen eng zusammen mit der Reduktion 
des Velums beim Festheften der Larve. Wenn nämlich das Velum 
zusammenschrumpft und eine zerlappte Form annimmt (Fig. 168 o), 
erweitert sich zunächst der Spalt der Scheitelgrube. Diese Erweite- 
rung nimmt nach dem Abwerfen des Velums und nach dem Festheften 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 33 


der Larve stark zu (Fig. 169), die seitlichen Partien der Scheitelgrube 
verschieben sich nach den beiden Seiten und ventralwärts und kom- 
men so zu beiden Seiten des Mundes zu liegen (Fig. 170 md). 

Diese Veränderungen werden uns noch klarer werden durch die 
Betrachtung einiger Totalfiguren. Mit dem Zusammenrücken von Mund 
und vorderem Schließmuskel in Folge des Zusammenschrumpfens des 
Velums erleidet auch die Scheitelgrube eine Verlagerung nach vorn 
und unten, so dass sie unmittelbar über den Mund zu liegen kommt. 
Fig. 57 auf Taf. V erläutert dies zur Genüge. Wir sehen zwischen 
den Resten des Velums zu oberst eine zusammengeschrumpfte Zellen- 
masse liegen, die hinteren Theile der ursprünglichen Scheitelplatte, 
es folgt sodann nach unten hin das Cerebralganglion (eg), und end- 
lich zu unterst eine kugelige Zellenmasse (sg), die nichts Anderes 
darstellt als die nach vorn verschobene Scheitelgrube. Diese Ver- 
schiebung schreitet nun weiter vorwärts, wobei die in Folge der oben 
erwähnten Verbreiterung der Scheitelgrube nunmehr seitlich liegen- 
den Zellplatten zapfenförmig auswachsen (Figg. 58, 171 mi), und so 
der Gestalt der Mundlappen sich bereits sehr bedeutend nähern. 
Während der ursprünglich zarte Saum der Scheitelgrube verloren zu 
gehen scheint, bildet sich jetzt ein neuer, kräftiger Cilienbesatz aus 
(Figg. 171, 173), weleher später beibehalten wird. 

Noch weit mehr tritt die typische Gestalt des Mundlappens in 
Fig. 59 auf Taf. V hervor, er hat sich jetzt bereits bis weit nach 
hinten gegen die Kiemenblättchen ausgedehnt. Zwei Sagittalschnitte 
mögen nochmals die Lagebeziehungen zwischen Scheitelgrube und 
Mundlappen veranschaulichen. Auf dem Schnitt von Fig. 172 auf 
Taf. XIII sehen wir den vorderen Theil einer sich eben festsetzenden 
Larve im Medianschnitt dargestellt. Derselbe entspricht ziemlich 
genau dem Stadium von Fig. 57 auf Taf. V. Wir sehen zunächst 
allenthalben Theile des zerfallenden Velums (v), dessgleichen des sich 
ebenfalls auflösenden vorderen Mundkegels. Über dem letzteren liegt 
nun eine sehr dieke Zellenplatte (sg), welche nichts Anderes darstellt 
als die ausgebreitete Scheitelgrube, sehr deutlich ist noch die ur- 
sprüngliche Lage des Cerebralganglions zu seinem Mutterboden zu er- 
kennen, und dieselbe lässt sich selbst noch auf einem weit späteren 
Stadium erkennen (Fig. 175), der ganze Komplex hat hier nur die 
volle Verschiebung nach vorn und unten bereits durchgemacht {vgl. 
Figg. 57, 58 und 59). Diese Bildungen stellen natürlich zunächst nur 
den äußeren Mundlappen dar. Wenn ich dann noch hinzufüge, dass 
der innere Mundlappen durch ein Auswachsen an der hinteren und 


6* 


84 Johannes Meisenheimer, 


inneren Seite des äußeren zu Stande kommt, so ist der ganze Apparat 
hiermit im Wesentlichen ausgebildet, hervorgegangen in seiner Ge- 
sammtheit aus einem larvalen Sinnesorgane. So verschieden beide 
Gebilde zunächst auch erscheinen, der Process der Ausbreitung der 
Scheitelgrube und der Verschiebung ihrer beiden Hälften nach den 
Seiten und hinten genügt, um sie aufs engste zu verknüpfen. Mögen 
also immerhin auch die morphologischen Verhältnisse einer Deutung 
dieser Gebilde als Sinnesorgane weniger günstig sein, jedenfalls weist 
ihre Entwicklungsgeschichte durchaus auf eine ursprüngliche derartige 
Funktion hin, mag dieselbe auch im Laufe der phylogenetischen Ent- 
wicklung verloren gegangen sein. 

Von Interesse ist ein Vergleich dieser Gebilde mit ähnlichen Or- 
ganen bei den Pulmonaten. Freilich sind die Verhältnisse hier sehr 
stark modifieirt, aber trotzdem glaube ich, dass Vergleichspunkte sich 
herausfinden lassen. Die Gebilde, welche bei den Pulmonaten in 
Betracht kämen, wären Öerebralganglien, Cerebraltuben, Tentakel und 
Mundlappen. Die Embryonalanlagen aller dieser Theile fassen P. 
und F. Sarasın als Sinnespfannen zusammen und setzen sie dem 
Velum homolog. Ich kann mich dieser Ansicht nicht völlig an- 
schließen, und muss damit auch der Auffassung mancher anderer 
Autoren entgegentreten. Denn auch Conktin leitet bei einem Proso- 
branchier die Tentakel aus dem präoralen Velarrande ab. Wir dürfen 
vielmehr diese Gebilde, und hierin neige ich eher der Auffassung 
F. Schumipr’s zu, nur als Homologa der Scheitelplatte, resp. der den- 
selben entsprechenden Körperpartien betrachten, nicht des Velums. 
Denn dieses ist ein vergängliches Larvenorgan, welches abgeworfen 
und nicht weiter zum Aufbau des Körpers verwandt wird. Wir können 
uns sehr wohl denken, dass die Scheitelplatte bei Reduktion des Ve- 
lums sich eng dem oberen Mundrande anlegte, ja selbst an den Seiten- 
rändern desselben hinabzog, wir erhalten dann völlig die Verhältnisse 
der Pulmonaten, wo aus den oberen Theilen Cerebralganglien und 
Cerebraltuben hervorgehen, aus den unteren, die unmittelbar über 
und seitlich vom Munde liegen, der Tentakelapparat. Im Einzelnen 
freilich, in der speciellen Differenzirung, sind die Homologien noch 
nicht mit Sicherheit zu ziehen, ob z. B. die Cerebraltuben vielleicht 
Theilen der Scheitelgrube entsprechen. Sehr wahrscheinlich erscheint 
es mir jedenfalls, dass die Höcker, aus denen bei den Pulmonaten 
die Tentakel hervorgehen, zum mindesten Theilen der Scheitelgrube 
homolog sind, nimmt doch letztere bei ihrer Umwandlung in die 
Mundlappen ganz die gleiche Lage seitlich vom Munde ein. Es 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 85 


würden also dann die Mundlappen der Lamellibranchiaten dem Ten- 
takelapparat der Gastropoden gleichzusetzen sein, eine sicherere Be- 
sründung freilich dieser Ansicht kann nur durch erneute Unter- 
suchungen an Zwischenformen gewonnen werden. 

Sehr stark modifieirt scheinen die Verhältnisse bei Cyelas zu 
sein, von den Unioniden ganz zu schweigen. Hier, bei Cyclas, dehnen 
sich nach den übereinstimmenden Beobachtungen von ZIEGLER und 
F. Schmipr die Partien, welche die Mundlappen liefern, nicht nur 
an den Seiten des Mundes aus, sondern sie verwachsen sogar auf der 
Unterseite desselben in der Medianlinie, so dass eine Art bewimperter 
Ring entsteht, aus dem sich dann direkt durch Spaltung die vier 
Mundlappen differenziren. Ich muss diese Erscheinung für einen 
sehr stark abgekürzten und direkten Entwicklungsgang halten. 

Wir wollen nunmehr in der Betrachtung des Nervensystems weiter 
fortfahren. Die Vorgänge, welche zur Bildung des Pedalganglions 
führen, sind durchaus anderer Art. Schon wiederholt wurde die Um- 
wandlung der Ventralseite in den Fuß eingehender erörtert. Die 
‘ersten Anlagen des Pedalganglions treten auf dem, durch die beiden 
Mantelfalten als länglichen Wulst hervorgehobenen, mittleren Körper- 
theile der Ventralseite auf, etwa zur Zeit des Stadiums von Fig. 52 
(2g) auf Taf. V. Sie bilden zunächst zwei schwache, symmetrisch 
zur Mittellinie gelegene Ektodermverdickungen (Fig. 111 p9g), schwellen 
aber bald an und bilden sodann zwei mächtige Wülste, die sich in 
der Mittellinie berühren, aber nie zunächst verschmelzen (Fig. 112 p9). 
Mit der weiteren Ausbildung dieser Verdiekung ist eine eigenthüm- 
liche Erscheinung verknüpft, die unregelmäßige Wucherung geht in 
eine Art Einstülpung über. Nicht nur, dass sich eine kleinere Ein- 
senkung thatsächlich vorübergehend zeigt (Fig. 113), auch die Kerne 
der ganzen Anlage ordnen sich völlig entsprechend einer Einstülpung 
an. Ein tief einschneidendes Lumen kommt nie zu Stande, seine 
Stelle nimmt feinkörniges, kernloses Plasma ein, das die spätere 
Punktsubstanz des Ganglions liefert. Das Ganze stellt eine Zwischen- 
stufe zwischen unregelmäßiger Wucherung und einer regelrechten Ein- 
stülpung dar, am besten ist es wohl mit einer sich krümmenden, 
dicken Platte zu vergleichen. In der Mittellinie legen sich beide 
Hälften dicht an einander, immer noch ohne zunächst zu verschmelzen 
(Fig. 113). Die weiteren Vorgänge führen endlich zur Absehnürung 
der ganzen Anlage. Die einwärts gekrümmte Platte verengt sich sehr 
stark an ihrer äußeren Ansatzstelle, die Falte wird dadurch bedeu- 
tend erhöht, die Ansatzstelle immer mehr verdünnt (Fig. 114), bis sich 


56 Johannes Meisenheimer, 


dieselbe gänzlich loslöst, so dass alsdann zwei getrennte Ganglien- 
haufen im Inneren des Fußes liegen, zusammengesetzt aus einer mehr- 
schichtigen Zellenlage, die zu innerst die Fasersubstanz einschließt. 
Erst dann beginnt die Verschmelzung der beiderseitigen Ganglien- 
hälften einzutreten, die Fasersubstanz der einen Hälfte verbindet sich 
direkt mit derjenigen der gegenüberliegenden, es entsteht auf diese 
Weise die Querkommissur (Fig. 115). Während also bei dem Cere- 
bralganglion das ganze Ganglion sammt Kommissur einheitlich sich 
anlegte, entstehen hier die einzelnen Theile getrennt von einander und 
vereinigen sich erst nachträglich. 

Auffallenderweise leitet HATScHER bei Teredo das Pedalganglion 
aus einer medianen, unpaaren Verdickung ab, die vielleicht sogar 
einer Einstülpung entsprechen könnte, wie er aus einer in der Mitte 
liegenden Linie schließen zu müssen glaubt. Diese Linie ist that- 
sächlich vorhanden, sie hat aber nichts mit einer Einstülpung zu thun, 
sondern stellt die mediane Trennungslinie beider Hälften dar (vgl. 
Figg. 55 und 113). Die Loslösung der Anlage durch Einschiebung 
von Mesodermzellen beschreibt er im Wesentlichen richtig, nur stellt 
diese Zellenmasse, wie oben bereits ausgeführt, die Mesenchym- 
Muskelanlage des Fußes nebst der Byssusdrüsenanlage dar, die that- 
sächlich sehr stark das Ganglion nach innen drängen, abgesehen 
natürlich von der in seiner Entwicklungstendenz liegenden Eigenbe- 
wegung. 

Die übrigen Angaben über andere Formen sind größtentheils 
weniger bestimmt. Horsr bildet die Pedalganglionanlage für Ostrea 
sehr klar ab, ist aber zweifelhaft, ob er sie wirklich in dem be- 
schriebenen Gebilde vor sich habe, was sicherlich der Fall ist. Weni- 
ger klar erscheint mir die Darstellung WoopDwarp’s, wenn sie auch 
einige Punkte zweifelsohne richtig stellt. 

Kurz beschrieben hat endlich KorscHeLrt die Pedalganglienan- 
lage von Dreissensia auf einer einfachen Figur, und weiter DREW die- 
selbe für Yoldia und Nucula aus einer Ektodermverdickung abgeleitet. 

Ausführlicher sind wieder die Beobachtungen ZIEGLER’s an Cy- 
clas. Hier soll die Entwicklung des Pedalganglions in enger Be- 
ziehung zur Ausbildung der Byssusdrüse stehen. Das Wichtigste in 
dieser Darstellung ist, dass wir auch hier eine paarige ektodermale 
Wucherung vor uns haben, die Details derselben sind mir nicht völlig 
klar geworden. Jedenfalls glaube ich kaum, dass die »großen Zellen 
der Byssusdrüsenanlage« auch zugleich die Anlage des Ganglions 
enthalten, dass es sich hier vielmehr, ganz wie bei Dreissensia, nur 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 87 


um eine räumliche Anlagerung handelt, während die eigentliche 
Wucherungsstelle entweder unmittelbar neben der Byssusdrüsenanlage 
liegt, oder zeitlich vor ihr dieser Process an nahezu derselben Stelle 
stattgefunden hat. Ein Vergleich der Figg. 15, 20 und 21 ZiEGLERr’s 
‚rechtfertigt durchaus eine derartige Deutung, die ich in gleicher Weise 
auf die Beobachtungen F. Scuumipr’s bei den Unioniden anwenden 
muss, wo ebenfalls enge Beziehungen von Pedalganglion und Byssus- 
drüse bestehen sollen. Auch hier wird es sich nur um dichte Anla- 
gerung, keinen inneren Zusammenhang handeln. 

Die Entstehung des Visceralganglions ist weitaus am schwierig- 
sten zu beobachten, da der Ort der Entstehung fortwährenden Lage- 
verschiebungen ausgesetzt ist. Die erste Anlage besitzt eine höchst 
merkwürdige Beziehung zur Pedalganglienanlage, indem dieselbe näm- 
lich direkt hinter der letzteren aus einer zweiten, ebenfalls paarigen 
Wucherung der Ventralseite hervorgeht (Fig. 116 og). Es ist nicht 
zu leugnen, dass die Ähnlichkeit dieses Stadiums mit einem sich von 
‚der Ventralseite loslösenden »Bauchstrange« eine recht auffallende 
ist, doch sehr bald beginnt dieselbe sich völlig zu verwischen, und 
zwar durch Ausbildung der hinteren Fußfurche. Dieselbe schneidet 
genau in der Trennungslinie zwischen Pedal- und Visceralganglion 
‚ein und entfernt auf diese Weise beide Anlagen sehr schnell von 
einander. Das Pedalganglion behält seine Lage im Großen und 
Ganzen bei, das Visceralganglion dagegen wird nach hinten ge- 
drängt und kommt so allmählich in den von dem Fuße durch die 
tiefe hintere Fußfurche getrennten hinteren Körpertheil zu liegen 
(Figg. 53, 54, 56 vg). Es liegt hier zunächst unmittelbar der Ven- 
tralseite des Darmes an, später schiebt sich zwischen diese beiden 
der hintere Schließmuskel ein, so dass alsdann das Ganglion direkt 
auf den Muskel zu liegen kommt (Figg. 58, 59). 

Inzwischen haben sich auch die histologischen Differenzirungen 
innerhalb des Ganglions vollzogen. Die starken Zellwucherungen zu 
beiden Seiten des Körpers wachsen auf einander zu (Fig. 116 vg) 
und bilden so die Kommissur, die sich freilich zum Theil auch direkt 
aus dem Ektoderm herauszubilden scheint. Auf gewissen, etwas älte- 
ren Stadien (Fig. 117) ist wenigstens eine Trennung von Ektoderm 
und Ganglion nicht festzustellen, während freilich die seitlichen 
Wucherungen die weitaus stärksten sind. Die weitere Ausbildung 
besteht nun in einer einfachen Loslösung dieser Zellenmassen und 
der Differenzirung von Fasersubstanz im Inneren, wodurch wir dann 
endlich das fertige Bild des Visceralganglions, wie es uns Fig. 118 


88 Johannes Meisenheimer, 


zeigt, erhalten. Das äußere Körperepithel (ep), dem das Ganglion 
dicht anliegt, ist nun im Vergleiche mit Fig. 117 wieder deutlich 
abgegrenzt. 

Wo die Entstehung des Visceralganglions bisher deutlich verfolgt 
wurde, da besteht kaum ein Zweifel über seine ektodermale Her- 
kunft, ZIEGLER giebt dieselbe für Cyelas an, F. Schmipr für die 
Unioniden, DREw für Yoldia und Nueula. 

Diese drei Ganglienpaare bauen normalerweise das: gesammte 
Nervensystem der Lamellibranchiaten auf. Vergleichend-anatomisch 
hat man diese Ganglien als aus einer größeren Zahl hervorgegangen 
anzusehen, das Üerebralganglion aus Cerebral- + Pleuralganglion, 
das Visceralganglion aus Visceral- — Abdominalganglion. Bei den 
primitivsten Lamellibranchiaten (Nucula) ist nun thatsächlich noch 
ein Pleuralganglion erhalten, und dasselbe glaube ich entwicklungs- 
geschichtlich wenigstens auch für Dreissensia nachweisen zu können, 
in ähnlicher Weise, wie es bereits SIGERFOOS an einer Pholadide 
(Xylotrya fimbriata) beobachtete. Dort liegt nämlich auf einem ge- 
wissen Stadium seitlich vom Cerebralganglion und durch eine kurze 
Kommissur mit ihm verbunden ein wohl geschiedenes Pleuralganglion, 
das später mit dem ÜCerebralganglion verschmilzt. Dreissensia ver- 
hält sich ähnlich. Zu dem Zeitpunkte, wann das Cerebralganglion 
sich von der Scheitelplatte loszulösen beginnt, sieht man an der 
seitlichen Körperwandung etwa in der Mitte zwischen Cerebral- und 
Pedalganglion ein kleines Zellenhäufchen liegen (Fig. 121 plgj, wel- 
ches aus einer Wucherung des Ektoderms seinen Ursprung nimmt 
(Fig. 119 plg), sich abrundet, im Inneren Fasersubstanz entwickelt 
(Fig. 120 p/g) und dabei immer enger mit einer vom Cerebralgan- 
glion ausgehenden Längskommissur in Beziehung tritt (Fig. 120). Auf 
älteren Stadien als Fig. 121 rückt es ganz dicht bis an das Üere- 
bralganglion heran (Fig. 109 plg), verbleibt in dieser Lagerung ziem- 
lich lange, z. B. noch auf dem Stadium der Fig. 169 (plg), bis es 
dann spurlos mit demselben verschmilzt. 

In unmittelbarem Zusammenhange mit dem Pleuralganglion nach 
hinten zu legt sich auch die Cerebrovisceralkommissur an, theils 
durch direkte Loslösung vom Ektoderm, wie es schon ZIEGLER für 
Cyclas beschrieben hat, theils wohl auch durch Auswachsen von den 
Ganglien aus, letzteres namentlich von Seiten des Cerebralganglions. 

Ob auch das Visceralganglion ontogenetisch noch eine Zusammen- 
setzung aus mehreren Theilen aufweist, vermag ich nicht sicher zu 
entscheiden, da an der betreffenden Stelle eine so komplieirte und 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 89 


wechselnde Anhäufung von Zellelementen statt hat, dass ein kleinerer, 
wenig oder gar nicht differenzirter Zellkomplex sich sehr leicht der 
Beobachtung entziehen kann, wahrscheinlich ist mir jedoch seine 
Gegenwart nicht. 

In neuerer Zeit wurde von BABoR für Dreissensia außerdem 
noch ein Parietalganglion nachgewiesen. Man könnte nun auf die 
Vermuthung kommen, dasselbe sei mit dem soeben beschriebenen 
Pleuralganglion identisch. Mehrere Gründe sprechen jedoch durch- 
aus gegen diese Annahme. Was zunächst die Lage seiner Entstehung 
anlangt, so könnte hier eine Entscheidung zweifelhaft erscheinen, 
man betrachte beispielsweise die Fig. 121. Seine spätere Entwicklung 
jedoch lässt keinen Zweifel über seine Natur mehr zu, sein Heran- 
rücken an das Üerebralganglion und Verschmelzung mit demselben 
spricht durchaus für seine Deutung als Pleuralganglion. Freilich 
habe ich das Parietalganglion BABor’s auf meinen Schnittserien nicht 
auffinden können, trotzdem ich recht alte Stadien auf dasselbe hin 
untersucht habe. Sollte dasselbe aber späterhin doch noch auftreten, 
so hätten wir in Dreissensia eine Form vor uns, die in recht weit- 
gehendem Maße auf eine Urform mit ausgebildetem Gangliensystem 
hinwiese, wie es uns bei den Prosobranchiern völlig erhalten ge- 
blieben ist. 


Was die Sinnesorgane anlangt, so sind dieselben sehr bald er- 
ledigt, da dieselben bei den Lamellibranchiaten nur eine untergeord- 
nete Rolle spielen. Die Scheitelplatte wurde bereits oben eingehend 
behandelt, Augen oder augenähnliche Gebilde, wie sie z. B. LovEn 
bei verschiedenen Muschellarven in mannigfacher Ausbildung beob- 
achtet hat, fehlen Dreissensia völlig, es bleiben also nur die Otocysten 
zu betrachten übrig. 

Die Otoeysten entstehen aus einer regulären Ektodermeinstül- 
pung jederseits, die im inneren Winkel der beiden Mantelfalten sich 
in das Innere des Fußes einsenken (Fig. 122 o:) und bald zu einem 
regelmäßigen, aus kubischen Zellen zusammengesetzten Bläschen 
abschnüren (Fig. 123 ot). Eine ganz ähnliche Entstehung nimmt die 
Ötocyste bei allen bisher beobachteten Muscheln, bei Teredo nach 
HATSCHER, bei Yoldia und Nucula nach Drew, bei Oyclas nach 
ZIEGLER, bei den Unioniden nach F. ScHMiDr. 

Das Bläschen legt sich sehr bald dem Pedalganglion dicht an, 
seine Zellen flachen sich sehr bedeutend ab und scheiden einen 
Ötolithen ab. Den Zustand, auf welchem die Otocyste bis zu den 


90 Johannes Meisenheimer, 


von mir untersuchten Stadien verharrte, stellt uns Fig. 124 dar. 
Wir sehen das mächtige, bereits fertig ausgebildete Pedalganglion 
und seinen beiden Hälften seitlich tief eingelagert die Otocysten (of). 
Ihr Epithel ist sehr stark abgeflacht, in der Mitte liegt der Otolith 
(od), der durch einige sehr zarte Cilien im Inneren schwebend erhal- 
ten wird. Diese Cilien sind in konservirtem Zustande nur schwer 
zu erhalten, im Leben macht sich ihre Gegenwart dadurch bemerk- 
bar, dass der Otolith innerhalb des hellen Bläschens in stetig zittern- 
der Bewegung begriffen erscheint. Einzelne Cilien, wie sie HATSCHEK 
für Teredo in größerer Zahl angiebt, habe ich in Folge der starken 
Flimmerung überhaupt nicht scharf geschieden erkennen können. 


7. Darmkanal. 


Die Entwicklung des Darmkanals wurde bereits in früheren 
Kapiteln des öÖftern gestreift, namentlich in seinen jüngeren und 
jüngsten Stadien. Wir sahen, wie derselbe sich aus drei verschie- 
denen Abschnitten zusammensetzte, aus dem eigentlich verdauenden 
Theile, dem Mitteldarme, aus dem Vorderdarme, der einer sekun- 
dären Einstülpung an Stelle des geschlossenen Blastoporus seinen 
Ursprung verdankte, und endlich aus dem Enddarme, der ebenfalls 
aus einer sekundären Ektodermeinstülpung hervorgeht. Dieses Prokto- 
däum ist jedoch weitaus nicht so mächtig ausgebildet wie das Stomo- 
däum. Eine erste Andeutung seiner Anlage sehen wir in Fig. 70 
auf Taf. VI (pr), wo einige wenige Zellen sich etwas gegen das 
Innere vordrängen. In Fig. 126 auf Taf. X macht sich jedoch be- 
reits eine schwache Einsenkung (pr) bemerkbar, dieselbe nimmt in 
Fig. 127 bedeutend zu, verschmilzt endlich mit dem dicht anliegen- 
den Theile des Dünndarmes (Fig. 128), worauf sodann der Durch- 
bruch erfolgt zur Bildung des Afters (Fig. 129 af). 


Ein Proktodäum wurde bei Muscheln bisher von HATSCHER bei 
Teredo beobachtet, dessgleichen giebt Lov£n eine vertiefte Einsenkung 
an der Stelle des späteren Afters an, völlig zu fehlen scheint es da- 
gegen Uyclas nach ZIEGLER, wie auch den Unioniden nach F. SCHMIDT 
und SCHIERHOLZ. Ein Stomodäum dagegen ist stets vorhanden, 
selbst bei der so sehr stark abgeänderten Glochidiumlarve der Unio- 
niden, wo eine besondere Bildung (Mittelschild der Autoren — oral 
plate LitLıe’s) diese Anlage darstellt. 


Diese drei verschiedenen Bestandtheile bauen den ganzen Darm- 
kanal auf, sie erleiden mannigfache Modifikationen und Umwandlungen, 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 91 


bis sie ihre endgültige Gestalt erhalten. Wir werden dieselben jetzt 
der Reihe nach betrachten. 

Der Vorderdarm ist wohl der Theil, welcher die geringsten 
Veränderungen durchzumachen hat. Das früher bereits eingehend 
beschriebene Stomodäum drängt die Mitteldarmanlage weit nach innen 
zurück und dehnt sich dabei selbst zu einem nach innen verengten 
Rohre aus (Fig. 130 auf Taf. X). Seine Zellen nehmen allmählich 
einen stark vacuolisirten Bau an und senden einen außerordentlich 
mächtigen Wimperapparat in den Schlund hinein (Fig. 130). Diese 
Wimpern füllen den Ösophagus völlig aus, sie ragen vorn weit aus 
demselben hervor und befördern durch ihre Strudelbewegung die 
Nahrungskörper in den sich unmittelbar anschließenden Magen. Auf 
Querschnitten ist außerdem noch deutlich als Abgrenzung der Schlund- 
zellen gegen den Schlund eine starke Cuticula zu beobachten 
Nee, 120. auf Taf. X, cu). 

Eigenthümlich ist es, dass an dem Ösophagus selbst entwick- 
lungsgeschichtlich keine Spur des charakteristischen Molluskenorgans, 
der Radulatasche, aufzufinden ist. Bei primitiven Muscheln (Nucu- 
liden) hat man rudimentäre Gebilde am Ösophagus aufzufinden ver- 
mocht, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Radulatasche der übrigen 
Mollusken nicht verkennen lassen, entwicklungsgeschichtlich hat sich 
nicht die allergeringste Andeutung einer solchen erhalten. Zwar 
‚erwähnt Lov£x bei Cardium an der hinteren Wand des Ösophagus 
einen kleinen Zapfen, lässt es aber selbst unentschieden, ob er hier 
wirklich ein Homologon der Zunge vor sich habe. 

Die stärksten Umgestaltungen erleidet der Theil, welcher als 
Mitteldarm sich aus den eingestülpten, vegetativen Zellen ableitete. 
Derselbe zerfällt zunächst in zwei scharf zu scheidende Abschnitte, 
in den vorzugsweise verdauenden Theil, der Magen, Leber und 
Krystallstielblindsack umfasst, und in den Dünndarm, der mit dem 
kurzen Proktodäum zu einer Einheit verschmilzt und in seinem End- 
abschnitt den Enddarm darstellt. Schon in Fig. 69 und noch mehr 
in Fig. 70 auf Taf. VI lassen sich die beiden Hauptabschnitte aus 
einander halten, weit schärfer heben sie sich aber in den darauf folgen- 
den Stadien ab, man vergleiche neben der Fig. 132 auf Taf. X die 
Totalansichten von Figg. 49 ff. auf Taf. V. 

Betrachten wir zunächst den Magen nebst dessen Anhangs- 
gebilden. Der eigentliche Magen ist in seiner Entwicklungsgeschichte 
aufs engste mit der Leber verknüpft, wesshalb wir sie beide zu- 
sammen betrachten müssen. Schon auf dem Stadium der Gastrula 


92 Johannes Meisenheimer, 


erwähnte ich die in dem vorderen Theile der Mitteldarmeinstülpung 
gelegenen Leberzellen, deren Kerne sich durch ein feines Chromatin- 
netz und deutlichen Nucleolus vor den übrigen auszeichnen (Figg. 66, 
67 Iz auf Taf. VI. Weiter wurde auch bereits ausgeführt, wie im 
Laufe der Entwicklung sich diese Zellen etwas seitlich und rück- 
wärts verschieben (Figg. 69, 7O), bis sie endlich zwei deutliche kleine 
Ausbuchtungen zu beiden Seiten bilden (Fig. 73 /z auf Taf. VII). 

An dieses Stadium knüpfen wir jetzt wieder an. Weit schärfer 
markirt sind die seitlichen Ausbuchtungen bereits in Fig. 78 auf 
Taf. VII, die Wandung besteht noch aus ganz den gleichen hellen, 
bläschenförmigen Kernen. Das Lumen, sowohl von Magen wie Leber- 
säckchen, ist bis zu diesem Stadium noch sehr gering, nun aber 
— es geschieht dies etwa auf dem Stadium von Fig. 49 auf Taf. V — 
beginnen sämmtliche Zellen, Magen- wie Leberzellen, stark zu 
vacuolisiren, wie es Fig. 131 auf Taf. X zeigt, ein Schnitt quer durch 
den ganzen Komplex. Der nun folgende Vorgang scheint sich der- 
art abzuspielen, dass die Vacuolen zum mindesten theilweise zu- 
sammenfließen und so plötzlich im Inneren ein mächtiges Lumen 
entsteht (Fig. 132), während die Zellen in Magen und Leber ihre 
specifische histologische Struktur annehmen. Die Magenzellen bilden 
bis auf einen weiter unten zu behandelnden Abschnitt ein einfaches 
abgeplattetes Epithel (Fig. 132 ma), welches sich später mit einer 
deutlichen, dieken Cuticula bedeckt (Fig. 153 ma). Merkwürdiger- 
weise geben fast alle Autoren eine Bewimperung des Magenepithels 
an, so LovEn, so HoRST, so HATSCHER und ZIEGLER. Ich kann eine 
solche Bewimperung auf meinen Schnitten, die sonst alle Details aufs 
schärfste erhalten zeigen, durchaus nicht auffinden. Sollte nicht 
wenigstens theilweise bei diesen Angaben eine Verwechslung mit den 
Cilien des Ösophagus, die in den Magen hineinschlagen, oder mit 
denen des Krystallstielblindsackes vorliegen ? 

Seitlich sitzen also dem Magen als zwei Aussackungen die Leber- 
säcke an, die nun ebenfalls ein deutliches Lumen entwickelt haben. 
Ihre Einmündungsstelle (Fig. 134) liegt dicht hinter dem Ösophagus, 
sie gewinnen schnell bedeutend an Umfang und liegen in der Regel 
etwas asymmetrisch zu beiden Seiten, der rechte Leberlappen weiter 
nach vorn gegen das Velum verschoben. Man vergleiche hierzu 
neben der Fig. 134 auf Taf. X die Totalfiguren von Figg. 50—56 
auf Taf. V. Auch bei Mytilus edulis liegt nach LACAZE-DUTHIERS 
der rechte Lebersack mehr nach vorn hin, während der umfang- 
reichere linke sich nach hinten hin ausdehnt, und ein Gleiches 


Entwieklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 95 


beobachtete Drew an Yoldia limatula. Die äußeren Gestaltsverände- 
rungen, wie Lappenbildung (Fig. 59), sowie die einzelnen Lagever- 
schiebungen sind bereits bei der allgemeinen Schilderung der Larve 
erwähnt worden, nur die histologische Beschaffenheit der Leber be- 
darf noch einiger Worte. Ich erwähnte schon, dass auch bei ihnen 
sich eine starke Vacuolisirung bemerkbar macht. Dieser vacuolige 
Bau bleibt ihnen erhalten. Innerhalb des vacuolisirten Plasmas der 
Zellen, wie es uns in streifiger Anordnung Fig. 134 (/s) zeigt, liegen 
die einzelnen Kerne zerstreut. Neben freien Kernen treten solche 
auf, die mit einem Hofe sehr dunklen Plasmas umgeben sind, und 
diese letzteren sind es, welche die Leber stets sofort auf den Schnit- 
ten hervortreten lassen. 

Doch ohne weiter auf diese histologischen Details einzugehen, 
muss ich nun noch einen besonderen Abschnitt des Magens behan- 
deln, der sich schon frühzeitig als eine besondere Vorwölbung des- 
selben auf der rechten Seite bemerkbar macht. Schon Lovknx be- 
obachtete diesen Abschnitt und unterschied ihn als Pars pylorica von 
der vorderen Pars cardiaca, HoRST nennt sie partie inferieure et 
superieure. Er besitzt ein ganz ähnliches Epithel wie der Magen 
selbst, scheidet aber schon frühzeitig an seiner Innenfläche neben einer 
deutlichen, sich tief dunkel färbenden Cuticula 'einen Flimmersaum 
ab (Fig. 152 Ab). Die ursprünglich flach napfförmige Gestalt geht 
bald in einen tiefen Blindsack über, der sich auf der rechten Seite 
der Larve weit nach hinten erstreckt (vgl. neben Figg. 135 und 154 
auf Taf. X die Serie der Figg. 49—56 auf Taf. V), und endlich dem 
Magen an Umfang fast gleich kommt (Figg. 58, 59 kb). Der Flimmer- 
saum hat mit dem Wachsthum des ganzen Gebildes an Umfang stetig 
zugenommen, im Leben bemerkt man eine ununterbrochene wellen- 
förmige Bewegung über ihn hinlaufen. Die Cilien stehen sehr dicht 
und sind eng mit einander verbunden, so dass sie fast wie ein von 
feinen Poren durchsetzter Saum erscheinen. Eine ähnliche Bildung 
beschreibt SIGERFOoS von Xylotrya fimbriata. 

Doch hiermit haben wir die Zusammensetzung dieses Gebildes 
noch nicht in allen seinen Theilen erschöpft. Nach innen scheidet 
nämlich die Wandung des Blindsackes eine eigenthümliche, stark 
lichtbreehende, nicht tingirbare Masse ab, welche das Lumen des 
Blindsackes völlig erfüllt und sogar noch in den Magen hineinragt, 
um hier mit undeutlichen, verschwimmenden Kontouren zu enden 
(Figg. 133, 134 A). Dieses Gebilde ist der unter den Lamellibran- 
chiaten sehr weit verbreitete Krystallstiel, die ihn umgebende Scheide 


94 Johannes Meisenheimer, 


der Krystallstielblindsack. Die physiologische Funktion dieses Kry- 
stallstieles besteht nach BARROIS und PELSENEER darin, durch sein 
zähes Sekret harte Gegenstände zu umhüllen und so die Magenwand 
gegen eine Verletzung zu schützen. Die Nahrung der Larve besteht 
im Wesentlichen aus Plankton, man findet demgemäß in ihrem Magen 
und Darm oft große Mengen der harten Überreste von Kieselalgen 
und ähnlichen Organismen, und ein derartiger Schutz erscheint dess- 
halb sehr plausibel. 

Alle bisher betrachteten Theile des Darmkarals erläutert noch- 
mals in klar zusammenfassender Weise der Frontalschnitt von Fig. 132. 
Die Nahrung gelangt zunächst aus dem Ösophagus, von dem der 
innerste Zipfel mit einem Flimmerbesatz noch eben getroffen ist (oes), 
in den weiten Magen (ma). Hier werden die Nahrungspartikeln in 
stetig rotirender Bewegung erhalten, im Wesentlichen wohl durch die 
in den Magen hineinschlagenden Cilien des Ösophagus, da dem Magen 
selbst solche fehlen. Bei dieser heftigen Rotirung gelangen die 
Nahrungsstoffe in innige Berührung sowohl mit den verdauenden 
Sekreten der Lebersäcke (/s), die vorn am Ösophagus ausmünden, wie 
auch mit der zähen Masse des Krystallstiels (%), dessen seitlich mit 
einer Rinne versehene Scheide (45) an der rechten, hinteren Seite 
sich in den Magen öffnet. Die Verdauungsprodukte gelangen sodann 
in den Dünndarm, zu dem wir jetzt in unserer Betrachtung übergehen 
wollen. 

Wir verließen den Dünndarm, wie er als einfaches Rohr vom 
Magen aus ventralwärts ziehend in den Enddarm überging und mit 
dem Ektoderm verschmolz (Fig. 49 auf Taf. V). Dieses Verhalten 
komplieirt sich aber sehr bald. Die Einmündungsstelle in den Magen, 
die ursprünglich genau in der Mittellinie lag, erfährt eine Verschie- 
bung nach rechts. Diese Verschiebung dauert so lange an, bis die 
Einmündungsstelle gänzlich auf der rechten Seite liegt. Mit der Aus- 
bildung des Krystallstielblindsackes kommt sie außerdem genau auf 
die Grenze zwischen diesem und dem eigentlichen Magen zu liegen (vel. 
hierzu Fig. 55 auf Taf. V). Der After bleibt stets in der Mittellinie 
liegen, am Übergange von der Ventral- in die Hinterseite. Zwischen 
diesen beiden Endpunkten beginnt nun ein ausgedehntes Längen- 
wachsthum des Dünndarmes, welches naturgemäß eine Schlingen- 
bildung zur Folge hat. Diese Schlinge entsteht dadurch, dass der 
Dünndarm mit seinem innersten Drittel eine Schleife bildet (Fig. 50), 
welche am Magen beginnend von rechts nach links hinten, sodann 
dorsalwärts zieht, hier scharf umbiegt und dem ersten Schenkel zu- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 95 


nächst dicht anliegend in gerader Richtung nach unten ventralwärts 
zieht. Diese Richtungsänderungen sind zunächst noch schwächer an- 
gedeutet, prägen sich aber bald scharf aus durch ein starkes Wachs- 
thum der Schleife nach der Dorsalseite hin, womit zugleich ein Um- 
biegen des vorderen Zipfels der Schlinge nach vorn verbunden ist 
(Fig. 51). In dieser Tendenz schreitet nun die Entwicklung weiter 
vorwärts bis etwa zu dem Stadium von Fig. 56. Der Verlauf des 
Darmes ist jetzt folgender. Von rechts vorn zieht er zunächst nach 
links hinten, biegt dorsalwärts und nach vorn um, erfährt sodann 
eine scharfe Knickung nach hinten und verläuft in dieser Richtung 
wieder zurück, um endlich scharf nach der Ventralseite umzubiegen 
und von hier in schräger Richtung von der linken Seite aus in die 
Medianebene zum After zu gelangen. Der Zipfel der Schlinge liegt 
ganz auf der linken Seite, wie es Fig. 55 deutlich veranschaulicht, 
daher verläuft ein großer Theil des Enddarmes selbst ebenfalls außer- 
halb der Medianlinie, und zwar, wie schon gesagt, von links nach 
rechts, nur der letzte Abschnitt fällt genau in die Medianebene. 

Die Umwandlung in die erwachsene Muschel hat wieder bedeu- 
tende Veränderungen im Verlaufe des Darmes zur Folge. Mit der 
Ausdehnung des hinteren Körperabschnittes der Larve wird die 
Schlinge gleichsam aus einander gezogen (Fig. 58), ihr hinterer Ab- 
schnitt läuft ungefähr den entsprechenden Umrissen der Dorsalseite 
parallel (Fig. 59), behält also so ziemlich seine larvale Lage bei, der 
vordere Abschnitt dagegen wird immer mehr in den sich mächtig 
ausdehnenden Fuß einbezogen (Fig. 59). Die ursprüngliche scharfe 
Knickungsstelle wird dabei bedeutend ausgeglichen, sie scheint sich 
sogar allmählich etwas nach hinten zu verschieben, wofür ihr Lage- 
verhältnis zu Herz, Niere und Fußretraktor spricht. 

Betreffs der histologischen Struktur von Dünn- wie Enddarm ist 
nur wenig zu sagen. Der Dünndarm besitzt ein einfaches Epithel, 
welches stark abgeflacht erscheint und nach innen einen dichten 
Flimmerbesatz trägt, der sich bis auf den Enddarm ausdehnt und so- 
gar aus dem After als Wimperbüschel vortreten kann (Fig. 125). 
Überhaupt besitzt der Enddarm ganz dieselbe Struktur wie der Dünn- 
darm, eine Grenze ist zwischen beiden unmöglich anzugeben. Nur 
der letzte Abschnitt des Enddarmes — er dürfte etwa dem Prokto- 
däum entsprechen — weist einige Besonderheiten auf. Seine Zellen 
sind nämlich zuweilen stark vacuolisirt, ihre Kerne hell bläschenförmig 
und von einem feinen Chromatinnetz erfüllt (Fig. 125 und besonders 
Fig. 129). 


96 Johannes Meisenheimer, 


Was die Funktion dieses Darmabschnittes anlangt, so nimmt er 
die Verdauungsprodukte des Magens auf; die brauchbaren Stoffe re- 
sorbirt der Dünndarm, die unverdaulichen werden als Exkremente 
nach außen befördert. Häufig sieht man in Folge dessen den End- 
darm prall angefüllt mit Diatomeenschalen und ähnlichen Überresten 
der verschlungenen Protozoen. 


S. Gemeinsame Anlage von Herz, Niere und Genitalorganen. 


Als ich bei der Entwicklung von Limax maximus den Ursprung 
von Herz und Niere aus einer besonderen, ektodermalen Anlage ab- 
zuleiten genöthigt war, sprach ich dies bei aller Sicherheit der Be- 
weisführung mit einer gewissen Zurückhaltung aus, da ich mir wohl 
bewusst war, wie sehr dieses Verhalten unseren bisherigen An- 
schauungen widersprach. Seitdem hat nunmehr auch TönnIgeEs für 
Paludina eine ähnliche Entwicklung in Anspruch genommen, und hier 
bei Dreissensia hoffe ich jetzt diese Verhältnisse noch schärfer prä- 
eisiren und in ihrer Bedeutung klarer legen zu können. 

Auch bei Dreissensia entstehen Herz und Niere aus einer ge- 
meinsamen Anlage, die völlig unabhängig von den Mesenchymgebilden 
ist und eine specifische Organanlage darstellt. Freilich umfasst diese 
Anlage hier auch noch die Genitalorgane, deren Ursprung ich bei 
Limax maximus noch nicht aufzufinden vermochte, stimmt also darin 
mit Paludina überein. Auf sehr jungen Stadien noch, wenn gerade 
das Proktodäum sich anzulegen beginnt, bemerkt man hinter dieser 
Stelle, die nach hinten durch den postanalen Wimperbüschel abge- 
grenzt ist, eine starke Zellwucherung (Fig. 7O Ar auf Taf. VD. Ein- 
zelne Zellen drängen sich aus dem Verbande des Ektoderms heraus 
und schieben sich bis dicht an den Darm heran. Noch schärfer aus- 
geprägt ist dies Verhalten in den Figg. 126 und 127 auf Taf. X. 
Deutlich erkennt man hinter dem sich allmählich vertiefenden Prokto- 
däum die massige Zellwucherung (Ar), die also verhältnismäßig lange 
in derartig innigem Kontakt mit dem Ektoderm verbleibt. Allmählich 
freilich lockert sich dieser Zusammenhang, die ausgetretenen Zellen 
runden sich zu einem kugeligen Häufchen ab, welches hinter dem 
inzwischen mit dem Proktodäum verschmolzenen Darme liegt, bald 
sich freier abhebend (Fig. 128), bald eng dem von Darm und äußerer 
Köperwand gebildeten Winkel sich anschmiegend (Fig. 129). In 
diesem Zustande bleibt es wiederum längere Zeit unverändert liegen, 
man vergleiche hierzu nur das bedeutend ältere Stadium von Fig. 130 
(hn), bis Differenzirungen in seinem Inneren aufzutreten beginnen, 


m 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 97 


welche dazu bestimmt sind, die in dieser Anlage enthaltenen Organe 
zur Entfaltung zu bringen. 

Gemäß dem Orte ihrer Entstehung liegt die ganze Anlage streng 
bilateral symmetrisch, in so fern das Zellenhäufchen genau in der 
Medianebene des Körpers gelegen ist. Diese bilaterale Symmetrie 
erhält einen noch viel deutlicheren Ausdruck im Verlaufe der weiteren 
Entwicklung. Dieselbe führt zunächst zur Ausbildung zweier in 
engem Konnexe stehenden Organe, von Herz und Niere. Eingeleitet 
wird diese Differenzirung dadurch, dass das bisher völlig kompakte 
Zellhäufchen sich zu lockern beginnt, und ein Theil seiner Zellen 
sich symmetrisch zu beiden Seiten des Darmes ausbreitet, während 
der Rest seine Lage unmittelbar unter und hinter dem Darme bei- 
behält. Wir sehen dieses Verhalten klar ausgeprägt in Fig. 155 (Ar) 
auf Taf. XI, welche einen Querschnitt im der Ebene des Enddarm- 
verlaufes darstellt, und in welehe die unter dem Darm liegenden 
Restzellen von den folgenden Schnitten eingetragen sind. Die am 
weitesten nach der seitlichen Körperwandung hingeschobenen Zellen 
beginnen sich wieder zusammenzuballen, zunächst noch in unregel- 
mäßiger Form (Fig. 136 »), dann sich mehr und mehr abrundend 
(Fig. 1357 »), und endlich durch kreisförmige Anordnung der Zellen 
ein kleines Bläschen bildend, welches in seinem Inneren ein bald 
spaltförmiges, bald rundliches Lumen zeigt (Fig. 158 x) — das rechte 
und linke Nierenbläschen hat sich differenzirt. 

Ein beträchtlicher Theil des Zellenmaterials der ursprünglichen 
Anlage ist hiermit verbraucht, ein Rest nur ist davon zurückgeblieben 
und dieser hat inzwischen nach einer anderen Richtung hin Verwen- 
dung gefunden. Ursprünglich lag derselbe nur unter und hinter dem 
Darme, bald jedoch schieben sich seine Zellen nach vorn hin eben- 
falls gegen ihn vor, umwachsen den Darm von beiden Seiten und 
bilden endlich einen förmlichen Zellenring um denselben. Das ur- 
sprüngliche Verhalten zeigen uns noch die Figg. 135 und 156 (Ay), 
seitlich zu verschieben beginnen sie sich bereits in Fig. 157 (hp), wo 
sie bereits zwischen Nierenbläschen und Darm, sowie auf der ent- 
gegengesetzten Seite des letzteren aufzutreten beginnen. Ein ähn- 
liches Stadium weist Fig. 155 auf, und in Fig. 139 endlich ist ein 
Zellenring um den Darm im Zusammenhange hergestellt (p). Dieser 
Zellenring enthält in sich die Anlage von Herz und Perikard, sowie 
der Geschlechtsorgane, wie wir im Folgenden noch sehen werden. 
Er umschließt den Enddarm und wird seitlich von on ihm unmittel- 


bar anliegenden Nierensäckchen begrenzt. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 


1 


98 Johannes Meisenheimer, 


Hiermit hat sich die erste wichtige Sonderung dieses Anlage- 
komplexes vollzogen, an jedem der Sondertheile schreitet nun die 
Differenzirung weiter fort, die einzelnen Organe immer mehr ihrem 
speciellen Bau und ihrer specifischen Funktion zuführend. 

Ehe wir uns aber diesen Erscheinungen zuwenden, wird es vor- 
theilhaft sein, einen kurzen Blick rückwärts auf die Totalansichten 
zu werfen, welche auf Taf. V dargestellt sind, um die Anlagen, um 
die es sich hier handelt, in ihrem Zusammenhange mit dem übrigen 
Larvenkörper noch etwas schärfer zu charakterisiren. Auf Figg. 49 
und 50 macht sich die noch undifferenzirte Anlage nur durch einen 
dunkleren Fleck hinter dem After bemerkbar, deutlicher tritt derselbe 
bereits in Fig. 51 (An) hervor, und noch mehr in Fig. 52, wo die 
seitliche Verschiebung nach vorn bereits begonnen hat. In Fig. 53 
endlich hat sich das Nierenbläschen (2) jederseits gesondert, nach 
hinten schließt sich an sie der noch undifferenzirte Rest an. Zu- 
gleich mit diesen Vorgängen hat sich der ganze Komplex aber auch 
den Darm entlang vom After weg dorsalwärts verschoben, wie es 
sich in Fig. 52 zuerst bemerkbar macht, stärker in Fig. 55 ausprägt 
und auf den folgenden Stadien noch mehr zunimmt. Doch ehe wir 
diese älteren Stadien verstehen können, müssen wir das Studium der 
Schnittserien weiter fortgesetzt haben, und dies soll in den drei fol- 
genden Kapiteln geschehen. 

Es ist äußerst interessant, dass ich gerade in einer der ältesten 
Untersuchungen über die Muschelentwicklung, in derjenigen LovEn’s 
nämlich, die Existenz dieser Organanlage voll und ganz bestätigt 
sehe. Hier findet sich nämlich eine Angabe für die Larven von 
Cardium und Montacuta, wonach hinter dem Enddarme ein Lappen 
hervortritt, der später deutlich als rundlicher, heller Körper (z) an 
der gleichen Stelle liegt. Zwar blieb Lov&x sein weiteres Schicksal 
völlig unbekannt, doch geht aus den außerordentlich klaren Abbil- 
dungen unzweifelhaft hervor, dass dieser helle Körper x völlig iden- 
tisch mit dieser von mir soeben beschriebenen Anlage ist. 

Ähnliche, zum Vergleiche heranzuziehende Angaben vermag ich 
im Übrigen in der Litteratur über die Muschelentwicklung nicht aufzu- 
finden, auf die Litteratur über die Entwicklung der einzelnen Organe 
werde ich in den besonderen Kapiteln einzugehen haben. Dagegen 
sind von den übrigen Mollusken noch zwei Formen bekannt, welche 
ähnliche Verhältnisse aufweisen, sie wurden zuerst von mir bei Limax 
maximus klar gelegt, und dann auch von TönnIgEs bei Paludina 
aufgefunden. Betreffs der. übrigen zweifelhaften Fälle verweise ich 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 99 


auf die Litteraturbesprechung an der betreffenden Stelle meiner »Ent- 
wicklung von Limax maximuss«. 

In dem Verhalten dieser drei Formen, einer Muschel A eines 
Prosobranchiers und eines Pulmonaten, zeigt dieser durchaus einhäil. 
liche Entwicklungsgang aber nun doch einige Differenzen, die direkt 
auf die verschiedene Organisation der einzelnen Formen zurückzu- 
führen sind. Es handelt sich um den Ort der Entstehung. Bei 
Dreissensia liegt derselbe dorsal vom Darme, bei Paludina scheint 
er auf der Ventralseite, also vor dem After zu liegen, und bei Limax 
liegt er asymmetrisch auf der rechten Seite. Diese Lage entspricht 
völlig der Ausbildung der fertigen Organe. Bei den Muscheln müssen 
wir als ursprüngliches Verhalten ein dorsal vom Darme gelegenes 
Herz annehmen (Nucula, Arca), welches sich erst später an beiden 
Seiten des Darmes hinabzog und schließlich von ihm durchbohrt wurde. 
Ganz denselben Weg schlägt die Ontogenie ein, die ursprüngliche 
Anlage liegt dorsal. Bei Paludina ist die ursprünglich in der Median- 
ebene gelegene Anlage paarig geworden und hat außerdem die Ver- 
schiebung auf die Ventralseite erlitten. Die Verhältnisse liegen hier 
in Folge der Aufwindung des Eingeweidesackes weit komplicirter. 
Auf jüngeren Stadien sieht man jedenfalls das Perikard deutlich ven- 
tral unter dem Darme liegen, und diese Beziehung der beiden Or- 
sane bleibt auch später erhalten, wenn freilich in modifieirter Form 
in Folge einseitigen Überwiegens der einen Hälfte. Bei Limax 
endlich ist die ganze Anlage unpaar, sie liegt völlig auf der rechten 
Seite, ganz entsprechend der asymmetrischen, nach rechts geneigten 
Lage des betreffenden Komplexes, dem sie den Ursprung giebt. Der 
Ort der Entstehung kann also bei einer Beurtheilung der allgemeinen 
Bedeutung dieser Vorgänge nur eine untergeordnete Rolle spielen, 
in so fern er sich stets den sekundär aufgetretenen Organverlage- 
rungen in jedem einzelnen Falle aufs engste anschließt. Wir kom- 
men später im Zusammenhange nochmals hierauf zurück. 


9. Herz und Perikard. 


Wir hatten diesen Zellenkomplex als einen um den Enddarm 
gelegenen Zellenring verlassen (Fig. 139 Ap). Die nun folgenden 
Vorgänge der Differenzirung von Herz und Perikard bieten der Beob- 
achtung außerordentlich große Schwierigkeiten dar, da es recht müh- 
sam ist, mit Sicherheit die fraglichen Zellgruppen aus ihrer Umgebung 
loszulösen und rein zur Darstellung zu bringen. Auf den jüngeren 
Stadien sind es vor Allem die Zellenstränge des sich fast gleichzeitig 


78 


100 Johannes Meisenheimer, 


ausbildenden Visceralganglions, welche verwirrend eingreifen und zu- 
weilen jede sichere Beobachtung unmöglich machen, später kommen 
noch hinzu die Zellen des hinteren Schließmuskels und vor Allem 
des Fußretraktors, so dass das Ganze ein Gewirr sich kreuzender 
Zellenstränge bildet. Nur die genaueste Kenntnis der Topographie 
dieser Stelle, sowie die strengste Kritisirung jeder einzelnen Zelle 
vermag hier zum Ziele zu führen. Die Reihenfolge der eben ange- 
führten Zellengruppen ist stets die folgende, wobei man die Figg. 54 
und 56 auf Taf. V betrachten möge. Unmittelbar vor dem After 
liegt der hintere Schließmuskel (As), es folgen sodann nach innen und 
oben Visceralganglion (vg) und Fußretraktor (rf). Zwischen Gan- 
slion und Fußretraktor liegt die Niere (z), dieselbe erstreckt sich 
nach hinten bis über den Fußretraktor hin. An die Niere schließt 
sich nach innen unmittelbar das Perikard an, welches das Herz um- 
hüllt, es liegt theilweise zwischen den Fasern des sich ausbildenden 
Fußretraktors, schiebt sich aber später ganz vor denselben (Fig. 98 2). 

Ich habe mit dieser Schilderung etwas vorausgegriffen, aber im 
ausgebildeten Zustande ist die Topographie leichter zu verstehen als 
im Stadium der Entwicklung. Zum Theil haben wir die einzelnen 
Lageverschiebungen bereits im vorigen Kapitel erörtert, in Fig. 53 be- 
gsannen die Nierenbläschen nach den beiden Seiten des Darmes hin zu 
wandern, unmittelbar dahinter lag die Herz-Perikardanlage, zunächst 
noch im Wesentlichen auf die hintere oder untere Seite des Darmes 
beschränkt. Das Stadium von Fig. 54 zeigt uns dagegen bereits ein 
durchaus anderes Verhalten. Die Niere (n) liegt zwar noch genau 
zu beiden Seiten des Darmes, die Herz- und Perikardanlage hat sich 
dagegen vorgeschoben und umgiebt ringförmig den Darm (hp), wo- 
durch wir nunmehr die Beziehungen zu den älteren Stadien gewon- 
nen haben. So viel musste ich über den Ort vorausschicken, an dem 
sich die im Folgenden zu schildernden Vorgänge abspielen. 

Wir gehen wieder aus von dem Zellenring von Fig. 139 (hp). Eine 
derartige regelmäßige Lagerung ist nicht sehr häufig anzutreffen, meist 
ist die Anordnung eine weit lockerere und beginnt bald eine mehr- 
schichtige Zellenlagerung aufzuweisen. Diese zunächst scheinbar 
ganz ungeordnete Regellosigkeit geht allmählich in ein nach Form 
und Umfang bestimmteres Gebilde über, wir vermögen bald zwei 
Schichten zu unterscheiden, die nunmehr in doppeltem Ringe den 
Enddarm umgeben, oben und unten dichter demselben anliegend nach 
den beiden Seiten hin in einen längeren Zipfel sich ausziehend. Diese 
beiden Zellschiehten stellen nichts Anderes dar als Perikard und 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 101 


Herz, ersteres aus der äußeren Schicht, letzteres aus der inneren 
bestehend. Freilich spielt sich dieser Vorgang nicht in dieser sche- 
matischen, eben geschilderten Weise ab, sondern langsam und durch 
scheinbar völlig unregelmäßig gestaltete Zwischenstufen hindurch wird 
das Endziel erreicht. Erhöht wird diese scheinbare Unregelmäßigkeit 
noch durch die Zartheit des ganzen Gebildes, die Kerne liegen bei 
der starken Ausdehnung der zarten @ewebshäutchen so sehr zerstreut, 
dass nur in seltenen Fällen auf den ca. 4 u dicken Schnitten ge- 
nügend viel Kerne für sämmtliche vier Schichten getroffen sind. Wir 
müssen diese Vorgänge nunmehr im Einzelnen an der Hand von 
Figuren etwas genauer verfolgen. 

Die Stelle des einfachen Zellenringes von Fig. 139 (Rp) sehen 
wir auf den Figg. 140 und 141 von einer mehr unregelmäßigen Zellen- 
masse (p) eingenommen, die durchaus nicht mehr streng die Ein- 
schichtigkeit wahrt. Eine deutliche Spaltung in zwei Schichten jedoch 
bemerken wir zum ersten Male auf Fig. 142, in der oberen Hälfte 
hebt sich eine äußere Schicht (p) klar von einer unteren (2) ab. So 
regelmäßige Bilder der Spaltung treten nur selten auf, doch scheint 
der Process sich ziemlich gleichmäßig im Bezirke der ganzen Anlage 
abzuspielen, ein Stadium unmittelbar nach der Spaltung stellt z. B. 
Fig. 143 dar, wo wenigstens die eine Seite deutlich die vier Schich- 
ten erkennen lässt. In Figg. 144 und 145 sind diese vier Schichten 
mit zunehmender Deutlichkeit zu unterscheiden, vier Zellenstränge 
ziehen langgestreckt von der einen Seite zur anderen, den Darm um- 
schließend. Die beiden äußeren stellen das Perikard dar, die beiden 
inneren das Herz. Zwischen dem Stadium von Fig. 145 und den 
folgenden haben sich ferner die bedeutsamen Verschiebungen voll- 
zogen, welche zwischen den Stadien von Figg. 55—56 liegen. Denn 
während bisher auf den Frontalschnitten (bis Fig. 145) stets die Niere 
wenigstens mit ihren Endzipfeln noch seitlich von der Herzanlage 
getroffen wurde, ist dieselbe jetzt völlig von denselben verschwunden. 
Herz und Perikard ist weiter dorsalwärts gerückt und kommt so 
nahe an den innersten Zipfel der hinteren Fußfalte zu liegen, welche 
demgemäß auf den Schnitten von Figg. 144—147 deutlich zu er- 
kennen ist (A) (vgl. hierzu Fig. 56 auf Taf. V). 

Die Zellenstränge von Herz und Perikard gewinnen nun in der 
Folgezeit einen immer festeren Zusammenhang, der Herzschlauch (7) 
umgiebt den Darm als ein weiter Schlauch und wird seinerseits von 
dem noch weiter ausgedehnten Perikard (p) umschlossen (Fig. 146). 
Auf letzterer Figur machen sich zudem auch bereits die ersten 


102 Johannes Meisenheimer, 


Andeutungen einer Differenzirung in Kammer und Vorhöfe bemerkbar. 
Die Kammer bildet den erweiterten Theil um den Darm, die Vor- 
höfe sind zunächst nur durch eine leichte Einziehung jederseits zu 
erkennen, und dieses Verhalten erhält sich noch längere Zeit. Wenig- 
stens treffen wir ganz dieselbe Erscheinung auch noch auf dem weit 
älteren Stadium von Fig. 147, welcher Schnitt einer bereits festge- 
hefteten jungen Muschel angehört, wo die meisten Organe schon fertig 
angelegt sind. Das Perikard (p) ist mächtig ausgedehnt, nur wenige 
Zellkerne nebst einer dünnen Membran deuten seine Umgrenzung an, 
und eben so diejenige des Herzens, wenn auch hier die Zellen stellen- 
weise dichter gedrängt erscheinen, wohl weil die Vorhöfe sich gerade 
in theilweiser Systole befinden. Völlig klar geschieden jedoch sind 
Kammer und Vorhöfe erst auf dem letzten hier zu betrachtenden Sta- 
dium, in Fig. 167 auf Taf. XIIL und zwar durch Ausbildung der 
Herzklappen. Die Herz- wie Perikardialwand sind bedeutend mäch- 
tiger geworden, namentlich stellt erstere jetzt eine mehrschichtige 
Zellenlage dar, deren innere Elemente sich zu fibrillären Muskelfasern 
umzubilden scheinen. Zwischen Kammer und Vorhöfen jedoch ist 
die Wandung wulstförmig nach innen vorgedrängt, und dieser nach 
innen gerichtete Wulst umschließt mit seinen freien Rändern eine 
Öffnung, die bei einer Systole der Kammer geschlossen werden muss, 
bei einer Diastole jedoch unter gleichzeitiger Systole der Vorhöfe 
dem Blut freien Durchlass aus dem Vorhof in die Kammer gewährt. 

Um die Entwicklung dieses Organkomplexes völlig abzuschließen, 
muss ich endlich noch der Perikardialdrüsenzellen Erwähnung thun. 
Dieseiben liegen bei Dreissensia einmal an den Vorhöfen, und dann 
vor Allem in sehr mächtiger Entwicklung im vorderen Theile des 
Perikards (GROBBEN). Sie entwickeln sich erst ziemlich spät, und zwar 
direkt aus Zellen, die in der Wandung von Vorhof und Perikard 
liegen. Diese Zellen schwellen mächtig an, nehmen sehr intensiv Farb- 
stoffe, wie Eosin z. B., auf und fallen sofort durch ihre abgerundete 
Form auf (Figg. 161, 162, 164 »pdz). 

Überschauen wir nochmals den ganzen bisher zurückgelegten Weg 
von einem einfachen Zellenring um den Enddarm bis zu dem hoch 
komplieirten Organkomplex von Fig. 167, so fällt uns namentlich auf 
den jüngeren Stadien von Figg. 139—146 der allmähliche Übergang 
des unfertigen in den fertigen Zustand auf. Kaum ist eine Grenze 
auf irgend einem Stadium zu ziehen, es ist sehr schwierig zu sagen, 
wo die Differenzirung völlig vollendet ist, in kontinuirlichem Flusse 
gleitet der eine Zustand in den anderen über. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 103 


Ehe ich dieses Kapitel abschließe, muss ich noch auf ein beson- 
deres Gebilde aufmerksam machen, welches, wie ich offen gestehe, 
mir außerordentliche Schwierigkeiten bereitet hat, und über welches 
ich nicht völlig ins Klare gekommen bin. Schon auf jungen Stadien, 
wenn das Nierenbläschen sich gerade ausgebildet hat, und Herz und 
Perikard sich zu sondern beginnen, sieht man zuweilen nach außen 
von beiden Anlagen bläschenartige Gebilde liegen, die unwillkürlich 
zunächst an die bisher öfter beschriebenen Perikardialbläschen denken 
lassen. In ihrer vollendetsten Ausbildung sind sie auf dem Stadium 
von Fig. 142 (x) zu sehen, wo sie nach innen dicht dem Nierenbläs- 
chen anliegen. Was ich mit aller Sicherheit glaube von ihnen be- 
haupten zu dürfen, ist das, dass sie mit Niere, Herz und Perikard 
unter keinen Umständen etwas zu thun haben können. Denn ganz 
abgesehen davon, dass die wirkliche Anlage dieser Komplexe in den 
meisten Fällen scharf von ihnen zu scheiden ist, ist ihr Auftreten 
kein konstantes, wobei diese Inkonstanz so weit gehen kann, dass 
es auf der einen Seite sehr wohl ausgebildet ist, auf der anderen 
dagegen völlig fehlt. Ferner, und dies ist ein noch weit wichtigeres 
Moment, stehen die fraglichen Gebilde in direkter Kommunikation 
mit den Lakunenräumen des Körpers. Gewöhnlich ist nämlich ihre 
innere Wand etwas verdickt, die äußere dagegen sehr dünnhäutig, 
und letztere ist es, die sich weit in die unter dem Schalenepithel 
gelegenen Lakunenräume öffnet. Auch die in Fig. 146 (z) darge- 
stellten Bläschen öffnen sich einige Schnitte weiter in derartige 
Räume. Irgend eine Beziehung zu Niere oder Perikard erscheint allein 
durch dieses Verhalten schon als hinfällig erwiesen, dagegen giebt eben 
diese Erscheinung vielleicht zugleich einen Fingerzeig für die eigent- 
liche Bedeutung dieser Bläschen. Ich halte sie für Blutgefäßanlagen, 
speciell der Kiemengefäße, da eben die Lakunenräume, mit welchen 
sie kommunieciren, direkt zu den Kiemen verlaufen. Vielleicht kommt 
ihnen auf jüngeren Stadien noch eine Art pulsatorischer Thätigkeit 
zu, wenn auch direkt daraufhin am lebenden Objekte angestellte 
Untersuchungen keine Stütze für diese Annahme lieferten. Jeden- 
falls brauchen sie später, ganz im Einklange mit ihrer Lage, nur in 
den nach innen an sie grenzenden Herzschlauch sich zu öffnen (vgl. 
Fig. 142), um sofort den Zusammenhang der Blutgefäßbahnen zwi- 
schen Herz und Kiemen herzustellen. | 

Ich bin hier so ausführlich auf diese Details eingegangen, um 
eine sicherere Grundlage zur Beurtheilung der Befunde ZIEGLER’s 
an Cyclas zu gewinnen. ZIEGLER glaubt nämlich, Herz und Perikard 


104 Johannes Meisenheimer, 


bei Cyclas aus zwei symmetrisch gelegenen Bläschen ableiten zu 
müssen, die dem Mesoderm ihren Ursprung verdanken. Dieselben 
verlängern sich zunächst, erfahren in der Mitte eine Einschnürung 
und verwachsen dorsal wie ventral vom Darme in der Medianebene. 
Aus dem sich einstülpenden Theile geht Kammer und Vorhof her- 
vor, aus den übrigen Theilen das Perikard. Die Schemata von. 
Texfig. 5 a—d erläutern diesen Vorgang, wie er sich nach ZIEGLER’S 


ad 


WANNE 
ER Re 


Textfig. 9 a—d. 
Schema der Herz- und Perikardentwicklung von Cyclas nach Zıester. Modificirt nach KorscHELT- 
HEIDER. Erklärung der Buchstaben siehe hinten in der allgemeinen Figurenerklärung. 


Beschreibung abspielen würde. Ich muss hier erwähnen, dass bei 
der Darstellung, die in KORSCHELT-HEIDERr’s Lehrbuch von diesen Ver- 
hältnissen gegeben wurde, in Folge einer missverständlichen Deutung 
eine Zellenschicht als Peritonealepithel eingezeichnet ist, welches in 
Wirklichkeit nicht vorhanden ist, sondern das Herzinnere ist in un- 
mittelbarer Berührung mit der Darmwandung. Die obige Serie von 
Textfig. 5 giebt die Verhältnisse wohl richtiger an, wie sie auch be- 
reits in LanG’s Lehrbuch der vergl. Anatomie dargestellt wurden. 
Eine zweite Reihe von Schematen (Texfig. 6 a«—c) zeigt dagegen nun 


7? DAS 
Or 


Textfig. 6 a—. 
Schema der Herz- und Perikardentwicklung von Dreissensia nach meiner Darstellung. Erklärung der 
Buchstaben siehe hinten. 


meine Darstellung von Dreissensia, sie ist weit einfacher, die Spal- 
tung eines nach zwei Seiten hin offenen Ringes genügt, um den glei- 
chen komplieirten Organkomplex hervorzubringen. Eine weitere 
Diskussion dieser beiden Schemata ist nach allem bisher Gesagten wohl 
überflüssig, hervorheben muss ich nur nochmals, dass ich trotz der 
srößten Sorgfalt und trotzdem mir viele Hunderte von Serien zur 
Verfügung standen, keine Spur der Vorgänge, wie sie sich bei Cyelas 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 105 


abspielen, bei Dreissensia aufzufinden vermochte, die Grundlage des 
sanzen Komplexes bilden nicht zwei seitlich gelegene Bläschen, 
sondern ein einfacher Zellenring um den Enddarm. Natürlich kann 
ich damit nicht direkt ZiEGLER’s Befunde widerlegen, wenn es auch 
sehr wünschenswerth wäre, dass diese so schwer zu beobachtenden 
Vorgänge durch mehr Übergänge gestützt wären. Namentlich er- 
scheint mir der Übergang der frühesten Perikardialbläschenanlage zu 
den späteren Stadien etwas unsicherer Natur und fast nicht weniger 
die Ausbildung der Herzeinstülpung, also gerade die wichtigsten 
Punkte, auf die es hier ankommen muss. 

Die Angaben der älteren Autoren über diese Verhältnisse bei 
COyelas sind kaum zu verwerthen. STEPANOFF’sS Angabe ließe sich 
wohl mit der meinigen in Einklang bringen, er schildert die erste 
Anlage des Herzens als einen Zellhaufen, der den Darmkanal um- 
siebt. GAnın dagegen lässt das Herz aus einer soliden Verdiekung 
der Rückenseite des Perikardialbläschens entstehen. RAY LANKESTER 
endlich nimmt als Herz- oder Perikardialanlage bei Pisidium ein 
kleines unter den Umbonen auftretendes Bläschen in Anspruch. 

Nur wenig mehr wissen wir über die Entwicklung des Herzens 
bei den Unioniden. Nach F. Schmipr tritt hier das Herz am Ende 
der parasitischen Larvenperiode, also erst sehr spät, als ein um den 
Enddarm liegendes Bläschen auf. Höchst eigenthümlich ist die Schil- 
derung, welche SCHIERHOLZ von diesen Verhältnissen entwirft. Er 
spricht zunächst von einem Perikardialraum, der hufeisenförmig den 
oberen Abschnitt des Enddarmes umgiebt, und dessen seitliche Aus- 
läufer nach hinten bis zur hintersten Kiemenpapille verlaufen, um 
hier zu enden. Das Herz soll unabhängig davon als ein den End- 
darm umgebender Zellenkranz entstehen. Es ist kaum möglich, sich 
aus der Darstellung von SCHIERHOLZ eine Vorstellung zu machen, 
wie wohl Herz und Perikard ihre spätere definitive Lagerung er- 
halten, sollte nicht der »Herzstrang« auch hier noch die Elemente 
des Perikards enthalten? Vorausgesetzt ist dabei freilich, dass das 
als Entwicklungsstadium aufgefasste Stadium nicht schon einen fertig 
ausgebildeten Zustand darstellt, was immerhin ebenfalls möglich wäre. 
Und könnte der »Perikardialraum«, der doch kaum in Wirklichkeit 
demselben entspricht, da er ja direkt in die Kiemenpapillen hinein- 
zieht, nicht mit den von mir oben als Gefäßanlagen gedeuteten Bläs- 
chen identisch sein? Alle diese Fragen können nur durch eine er- 
neute, eingehende Untersuchung gelöst werden. 

Auf die diesbezüglichen Verhältnisse bei den übrigen Mollusken 


106 Johannes Meisenheimer. 


brauche ich hier nicht weiter einzugehen, da ich eine ausführliche 
Diskussion derselben bereits in meiner Limax-Entwicklung gegeben 
habe. Hervorheben will ich hier nur nochmals den Gegensatz, in 
welchem Paludina (v. ERLANGER, TÖNNIGES) in der Herz-Perikardial- 
entwieklung auch gegenüber Dreissensia steht, und die Übereinstim- 
mung, welche diese letztere mit Limax maximus zeigt, wo ebenfalls 
das Perikard aus einer Spaltung des zuerst auftretenden Herz- 
schlauches entsteht, mögen auch im Einzelnen manche Verschieden- 
heiten bei so weit entfernten Formen auftreten. 


10. Niere. 


Schon wiederholt wurde im Vorhergehenden die Entwicklung der 
Niere berührt, ihre erste Differenzirung haben wir bereits genau 
kennen gelernt und bis zur Ausbildung eines jederseits vom Enddarm 
selegenen Bläschens verfolgt (Fig. 141 x, Textfig. 7). Die weiteren 
Entwieklungsvorgänge sind nun recht komplieirter Natur, ihr Ver- 
ständnis habe ich durch eine Reihe von Schemata zu erleichtern ver- 
sucht (Textfigg. ”—12). Zunächst streckt sich das Bläschen etwas 
in die Länge und beginnt sich dabei gleichzeig zu krümmen, derart, 
dass deutlich ein äußerer und ein innerer Schenkel zu unterscheiden 
sind (Textfig. 8, Fig. 149, Taf. XII). Diese Krümmung verschärft 
sich immer mehr unter gleichzeitigem beträchtlichem Längenwachs- 
thum des nunmehr schlauchförmigen Gebildes (Fig. 150 » auf Taf. XII), 
an dessen beiden Enden sich nun im Wesentlichen die folgenden 
Veränderungen abspielen. Der ursprünglich äußere Schenkel beginnt 
sich nach innen gegen die Mittellinie hin über den anderen hinweg- 
zuschieben (Textfig. 9 png), der innere Schenkel dagegen wächst unter 
starker Abflachung des Epithels an seinem äußersten Zipfel gegen 
die Mittellinie hin, um sich ventral vom Darme mit dem entsprechen- 
den Theile der anderen Seite zu vereinigen (Texfigg. 9, 10). Die ein- 
zelnen Phasen dieses Vorganges zeigen uns die Figg. 151 auf Taf. XII 
und 148 auf Taf. XI. In ersterer Figur sind die beiden zur Ver- 
einigung strebenden Zipfel (vst) noch weiter von einander entfernt, 
ihre Wachsthumsrichtung gegen den Enddarm hin ist jedoch bereits 
deutlich ausgeprägt, und in Fig. 148 hat sich die Vereinigung bei 
ost völlig vollzogen. Dieser Schnitt entspricht mithin etwa dem vor- 
deren Theile des in Textfig. 10 dargestellten Stadiums. Inzwischen 
ist auch der hintere oder äußere Schenkel in seiner Entwicklung 
nicht zurückgeblieben, die Verschiebung nach der Medianlinie machte 
plötzlich Halt und das vordere Ende drängte direkt nach vorn, so 


Entwieklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 107 


Textfig. 7. 


1 ng 


SS { Se 
Ve: RU m 


Textfig. 10. 


/ 
or 


Textfig. 11. Textfig. 12. 
Fig. 7—11. Schematische Darstellung der Nierenentwicklung von Dreissensia in auf einander folgenden 
Stadien. Erklärung im Texte. 
Fig. 12. Schematische Darstellung der ausgebildeten Niere von Dreissensia. Seitenansicht von Text- 
figur 11. Erklärung der Buchstaben siehe hinten in der allgemeinen Figurenerklärung, eben so wie für 
die vorhergehenden Figuren. 


dass es ventralwärts zu beiden Seiten der eben erwähnten Vereini- 
sungsstelle hervortritt (»rg). Diese beiden Zipfel stoßen direkt an 
die hintere Wand des Perikards, welches ja unmittelbar vor der Niere 
gelegen ist, sie ölfnen sich in dasselbe und stellen somit die Verbin- 


108 Johannes Meisenheimer. 


dung von Perikard und Niere her. Hand in Hand mit diesen Ver- 
änderungen vollzogen sich andere wiederum an der Vereinigungsstelle 
beider Nieren, die zur Bildung des Nierenausführganges führen. Die- 
selben sind in einem Zwischenstadium auf Fig. 154 dargestellt. Die 
äußeren Partien der breiten Querverbindung beider Nierenhälften 
beginnen sich zipfelförmig auszuziehen, dicht an den ventralwärts 
selegenen Perikardialnierengang (prg) angeschmiegt. Diese zunächst 
nach außen gerichteten Zipfel wenden sich bald direkt ventralwärts 
und stoßen nun auf die seitlichen Mantelfalten, mit denen sie als- 
bald unter Bildung der äußeren Nierenöffnung verschmelzen. Zwar 
seschieht dies nicht direkt, sondern unter Vermittelung einer kleinen 
Einstülpung, welche die Mantelfalte dem Nierenzipfel jederseits ent- 
segensendet, aber immerhin ist diese Betheiligung des Körperepithels 
an der Bildung des Nierenausführganges nur eine geringe In 
Fig. 155 tritt dies sehr deutlich hervor, der Nierenausführgang (4) 
ist zu seinem weitaus größten Theile noch aus den typischen, va- 
cuolenreichen Elementen des Nierenepithels zusammengesetzt und nur 
sein alleräußerstes Ende weist bedeutend dunkler gefärbte, dicht 
gedrängte Zellkerne auf, deren Ähnlichkeit mit dem Mantelepithel 
unverkennbar ist. Von weiteren inzwischen vollzogenen Verände- 
rungen ist zunächst zu erwähnen, dass sich der ganze mittlere Theil 
des Nierenschlauches sehr mächtig ausgedehnt hat, namentlich in der 
Richtung nach hinten, dass ferner der Perikardialnierengang in sei- 
nem Inneren eine mächtige Wimperflamme entwickelt hat, die auf 
den Querschnitten als feine Streifung innerhalb des engen Ganges her- 
vortritt (Figg. 154, 155 png), auf den Längsschnitten dagegen deutlich 
die langen Cilien unterscheiden lässt. An der Einmündungsstelle in das 
Perikard liegt stets am oberen Ende des Ganges eine sehr große, 
vacuolenreiche Zelle mit mächtigem Kerne, welche in die Pericard- 
höhle vorragt (Fig. 156, 157 ne), und diese Bildung verleiht der be- 
treffenden Stelle ein sehr charakteristisches Ansehen, sie erinnert 
unwillkürlich an die freie Triehteröffnung der Nephridien mancher 
Anneliden und bildet wohl einen stärkeren Ansatzpunkt der Cilien. 
Hiermit sind alle Theile der Niere fertig ausgebildet. Sie ähnelt 
in ihrem Bau recht bedeutend der Beschreibung Rankın’s von Ano- 
donta ceygnea. Der Ausführgang (ng) führt zunächst schräg nach 
vorn und innen (vgl. hierzu wie dem Folgenden die Textfigg. 11 
und 12), und spaltet sich sodann schon im Bereiche des sekretori- 
schen Nierenepithels, indem ein breiter Ast sich mit der gegenüber- 
liegenden Seite verbindet und ein zweiter direkt dorsalwärts zieht, um 


Entwieklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 109 


hier in die eigentliche stark erweiterte Niere überzugehen (Fig. 155). 
Dieser weite Nierensack zieht nun nach hinten bis in die Gegend 
des Visceralganglions und hinteren Schließmuskels (Fig. 58, 59 n), 
biegt scharf um und zieht, sich sehr stark verengend, wieder in umge- 
kehrter Richtung nach vorn. Den Unterschied des Umfangs beider 
Schenkel im hinteren Drittel zeigt sehr klar ein Querschnitt (Fig. 153), 
der Querdurchmesser des stark vacuolisirten Nierensackes (x) über- 
trifft sehr bedeutend den engen Perikardialnierengang (png). Dieser 
selbst zieht also wieder weit nach vorn, ventral unter der Verbin- 
dungsbrücke beider Nierensäcke hindurch und mündet endlich als 
am weitesten nach vorn vorgeschobener Theil der Niere in das Perikard. 

Was den histologischen Bau der Niere betrifft, so habe ich kaum 
dem Gesagten noch etwas hinzuzufügen, die Hauptmasse des ganzen 
Organs wird von dem blassen, stark vacuolisirten Nierenepithel mit 
einzelnen, zerstreut liegenden Kernen eingenommen (Figg. 154, 155), 
wir vermissen dasselbe nur an einer ganz kurzen Strecke bei der 
Ausmündung in die Mantelhöhle und an dem Perikardialnierengang. 
Letzterer besitzt ein einfaches kubisches Epithel, und in seinem In- 
neren eine mächtige Wimperflamme. Er endet mit der bereits er- 
wähnten großen Endzelle. 

Während Loven an seinen Muschellarven nur das Auftreten des 
Nierenbläschens mit seinem Ausführgang zu konstatiren vermochte 
ohne nähere Angaben über die Art seiner Entstehung, und HATSCHEK 
die Nierenanlage bei Teredo überhaupt nicht aufzufinden vermochte, 
giebt ZIEGLER eine genauere Beschreibung dieser Verhältnisse bei 
Cyclas. Er leitet die Nieren aus Mesodermzellen ab, die sich hinter 
dem »Perikardialbläschen« zu einem Kanale anordnen, der später 
mit dem Ektoderm einerseits und dem Perikard andererseits in Ver- 
bindung tritt. Leider kann ich auch hier, ganz wie bei der Perikard- 
entwicklung, einige Zweifel nicht unterdrücken, ob dem beobachteten 
jüngsten Stadium des Mesodermhaufens nicht noch andere voraus- 
gehen, die erste Differenzirung also seiner Beobachtung entgangen 
sei. Die weitere Ausbildung der Niere weicht natürlich in mancherlei 
Punkten von derjenigen der Dreissensia ab, wie es der verschiedene 
Bau der betreffenden Organe nicht anders erwarten lässt. 

Ältere Autoren, wie Ganin und Ray LAnk&ster, leiten die Niere 
bei Cyclas und Pisidium aus einer Einstülpung oder einer Wucherung 
des Ektoderms ab, doch ist es unmöglich, diese Angaben hier mit 
besonderem Vortheile zu verwerthen, da Verwechslungen mit anderen 
Organanlagen (Ganglien) sehr leicht untergelaufen sein können. 


110 Johannes Meisenheimer, 


F. ScHmipr endlich glaubt bei Unioniden die Niere aus meso- 
dermalen Zellgruppen in der hinteren Körperregion ableiten zu 
müssen. Sie ordnen sich jederseits zu Bläschen an, die bald zu 
kurzen Schläuchen auswachsen. Noch unbestimmter sind die An- 
gaben von SCHIERHOLZ über denselben Gegenstand, er leitet die Niere 
ebenfalls vom Mesoderm ab. 

Die übrige Molluskenlitteratur betreffs der Nierenentwicklung 
brauche ich hier nicht weiter zu diskutiren, da ich dieselbe einmal 
in meiner Limax-Entwicklung bereits eingehend besprochen habe, 
und dann die späteren Entwieklungsstadien, auf die es hier allein 
noch ankommt, kaum noch viele Vergleichspunkte darbieten; dazu 
machen sich die speciellen Organisationsverhältnisse der einzelnen 
Gruppen im Gange der Entwicklung bereits allzu sehr bemerkbar. 


11. Genitalorgane. 


Ein letzter Organkomplex endlich bleibt uns noch zu betrachten 
übrig, die Genitalorgane. Auffallenderweise und im Gegensatze zu 
manchen anderen Thiergruppen differenziren sich dieselben erst auf 
sehr späten Stadien, nachdem die Muschellarve schon längst zur fest- 
sitzenden Lebensweise übergegangen ist. Zurückzuleiten sind dagegen 
ihre Elemente bis zu dem vom Ektoderm sich loslösenden Zellen- 
häufchen, von dem wir bereits erfuhren, dass es Perikard, Herz und 
Niere ihren Ursprung gab, und in dem nun also auch noch die Geni- 
talanlage enthalten ist. Eigenthümlich dabei ist nur, dass ein so 
langer Zeitraum dazwischen liegt, bis die sichtbare Differenzirung 
vor sich geht, und dazu noch aus Zellelementen, die scheinbar 
schon einer speciellen Funktion sich angepasst haben, nämlich aus 
Perikardzellen. Vor dem Beginn der eigentlichen Differenzirung 
nämlich ist an der Perikardwandung nicht im geringsten irgend eine 
Verschiedenheit innerhalb der sie zusammensetzenden Zellen zu er- 
kennen, plötzlich auf einem ganz scharf bestimmten Altersstadium 
an einer ganz bestimmten Stelle ändern einige Zellen ihr Aussehen, 
die länglich gestalteten, kleinen Kerne, wie sie für die Perikardzellen 
typisch sind, nehmen an Umfang zu, ihr gleichmäßig vertheiltes 
Chromatin zieht sich hauptsächlich an die Wandung des Zellkernes 
zurück, ein mächtiger Nucleolus tritt im Inneren auf, Habitus und 
Aussehen der Kerne ist hierdurch total verändert. Diesen so eben 
geschilderten Process stellen uns die Figg. 158—160 auf Taf. X 
dar. In Fig. 158 sehen wir in der Perikardwand (pw) an einer be- 
stimmten Stelle, die ich sogleich noch schärfer fixiren werde, einzelne 


Entwiceklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 111 


Zellkerne (gz) sich vor den übrigen durch eine hellere Struktur und 
eine, wenn auch geringe Größenzunahme auszeichnen. Auf dem sich 
unmittelbar anschließenden Stadium von Fig. 159 (gz) ist dieses Ver- 
halten noch weit stärker ausgeprägt und eben so auf Fig. 160, wo 
auch die inzwischen mächtig entwickelten Nucleolen deutlich her- 
vortreten. 

Doch ehe wir weiter gehen, müssen wir etwas genauer den Ort 
dieser Anlage uns betrachten. Wie schon erwähnt, ist dieser Ort außer- 
ordentlich genau festgelegt, er findet sich im hinteren, ventralen Theile 
der Perikardwand, in einem mittleren Streifen derselben, der zwischen 
den beiden Perikardialnierengängen gelegen ist (vgl. Figg. 158 und 159 
auf Taf. XII. Im Verhältnis zur Niere liegt die Anlage genau da, 
wo die Perikardwand von vorn kommend nach oben umbiegt, um 
sich an die unmittelbar dahinter gelegene Verbindungsstelle beider 
Nieren anzulegen (Figg. 165, 166 auf Taf. XII pw und g2). Es ist 
desshalb auch stets auf den Schnitten, welche die Genitalanlage dar- 
stellen, unmittelbar über der Perikardwand der äußerste vorderste 
Zipfel der Vereinigungsstelle beider Nieren getroffen (Figg. 158—160 n). 
Eine weitere Erläuterung für die Lagebeziehung dieser einzelnen 
Komplexe unter einander giebt uns Fig. 99 auf Taf. V, wo wir das 
Genitalhäufchen (gz) deutlich als kleines Knötchen an der Ventral- 
seite des Perikards und vor der Niere gelegen antreffen. Außerst 
interessant ist, dass dies genau die Stelle ist, wo bei den primitiven 
Muscheln die Geschlechtsprodukte in das Perikard gelangen, nämlich 
an der Mündung des Renoperikardialganges. Hier behält die Geni- 
talanlage freilich diese Lage nicht bei, sondern beginnt später etwas 
weiter nach vorn zu rücken, unter gleichzeitiger Loslösung vom Peri- 
kard. Diese Loslösung erfolgt sehr früh, die ersten Andeutungen der- 
selben treten in Fig. 160 auf Taf. XII hervor, wo einzelne Zellen (gz) 
sich bereits weit über die Perikardwandung vorgebuchtet haben. 
Ein etwas weiter vorgeschrittenes Stadium der Loslösung giebt uns 
Fig. 161, wo nur die eine Hälfte noch in innigem Zusammenhange 
mit dem Perikard steht, und auf Fig. 162 endlich ist die Genital- 
anlage (gz) völlig frei geworden, sie liegt als ein kleiner, länglicher 
Zellenstreifen ventral vom Perikard. Noch deutlicher zeigt die völlige 
Loslösung vom Perikard der Querschnitt der Genitalanlage von einem 
etwas älteren Stadium (Fig. 166 gz). Nun tritt auch eine sehr rege 
Kernvermehrung innerhalb der Anlage selbst auf, dieselbe wächst 
schnell zu einem mächtigen Zellhaufen heran (Figg. 165, 164, 167 ga), 
der zweierlei Elemente in sich enthält, einmal die eigentlichen 


a2 Johannes Meisenheimer, 


Genitalzellen von dem bereits oben beschriebenen Bau, und dann die 
Follikelzellen, welche sich in nichts von den übrigen Körperzellen 
unterscheiden. Während betreffs der Entstehung der Genitalzellen 
kein Zweifel dagegen erhoben werden kann, dass sie alle der Peri- 
kardwand entstammen, so ist diese Frage in Hinsicht auf die Follikel- 
zellen nicht ohne Weiteres mit Sicherheit zu lösen. Zwar glaube 
ich nach alle dem, was ich von diesen Stadien gesehen habe, dass 
sie ebenfalls gleichzeitig mit den eigentlichen Genitalzellen sich vom 
Perikard loslösen, wie es uns zweifelsohne für einige derselben 
Figg. 161 und 162 zeigen. Doch darf ich andererseits nicht ver- 
schweigen, dass die Möglichkeit eines Zutritts von Mesenchymzellen 
im Hinblick auf Stadien, wie Fig. 160 beispielsweise eines darstellt, 
nicht direkt von der Hand zu weisen ist. Immerhin sehr stark kann 
diese Betheiligung unter keinen Umständen sein, denn die Zahl der 
hier zerstreut umherliegenden Mesenchymzellen ist eine so geringe, 
dass eine regere Antheilnahme an diesen Vorgängen sich dem 
Auge nicht entziehen könnte, namentlich in Rücksicht auf die rege 
Vermehrung der Elemente innerhalb des Genitalhäufchens selbst. 

Die ältesten Stadien, bis zu welchen ich die Genitalanlage verfolgt 
habe, werden durch die Figg. 164, 166, 167 auf Taf. XIII dargestellt, 
auf Fig. 164 im Längsdurchmesser der ganzen Anlage, auf Fig. 166 
im Querschnitte. Die Anfangs ziemlich genau nur in der Medianebene 
gelegene Genitalplatte (Fig. 164 gz), beginnt sich bald nach den beiden 
Seiten und zugleich in der Richtung nach vorn hin auszudehnen. Sie 
tritt auf diese Weise schließlich sehr nahe bis an die Mantelfalten 
heran, die sie m Fig. 167 fast berührt. Dieses Auseinanderweichen 
nach beiden Seiten hat eine Spaltung der ursprünglich durchaus un- 
paaren Platte zur Folge, und statt derselben liegen nun zwei ge- 
trennte Genitalhaufen zu beiden Seiten der Muschel. Auf dem Stadium 
von Fig. 167 ist diese Trennung nahezu erfolgt, da (auf einem anderen 
Schnitte) nur noch eine ganz schmale Verbindungsbrücke zu konsta- 
stiren ist, auf etwas älteren Stadien jedoch ist die Trennung in zwei 
Hälften völlig vollzogen. 

Ob und wie weit ein besonderer Ausführgang von Seiten der 
beiden Mantelfalten als Einstülpung derselben noch geliefert wird, 
vermag ich nicht zu sagen, da auf den ältesten von mir untersuchten 
Stadien noch nichts von einem solchen mit Sicherheit festzustellen 
war. Sehr groß und umfangreich kann derselbe jedoch unter keinen Um- 
ständen sein, wie ja die Geschlechtsausführgänge überhaupt bei vielen 
Muscheln von recht untergeordneter Bedeutung sind, ganz im Gegen- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 113 


satze zu den Gastropoden, wo sie eine so bedeutsame Rolle spielen. 
Von Xylotrya fimbriata wird eine kleine Ektodermeinstülpung an der 
Genitalpapille angegeben, während der größere Theil des Geschlechts- 
sanges von der Genitalanlage selbst geliefert wird, und diese An- 
gaben lassen sich völlig mit dem vereinigen, was ich bei Dreissensia 
sesehen habe. 

Für die wenigen bisher auf ihre Genitalanlage untersuchten 
Muscheln finden wir stets eine Ableitung derselben aus dem Meso- 
derm. Aus Mesodermzellen entstehen die Genitalorgane bei Xylo- 
trya fimbriata nach SIGERFOoS, aus den Mesodermstreifen differen- 
ziren sie sich bei Cyclas nach ZIEGLER. Eingehender sind nur die 
Untersuchungen ZIEGLER’ s. Die Genitalzellen ziehen auf älteren 
Stadien als ein Zellenstrang quer von einer Seite des Körpers zur 
anderen, unmittelbar unter dem Perikard, wodurch die Ähnlichkeit 
der betreffenden Stadien von Cyclas mit denen von Dreissensia sehr 
stark hervortritt. Auf den jüngeren Stadien gehen unsere Befunde 
' dagegen weit aus einander, ZIEGLER leitet die Genitalzellen direkt 
aus zerstreut liegenden Zellen seiner Mesodermstreifen ab, wogegen 
ich nur bemerken kann, dass mir der Abstand zwischen diesen Sta- 
dien und den nächstfolgenden, wo bereits der Genitalstrang ausgebildet 
ist, ein zu großer zu sein scheint, als dass sich nicht ein Irrthum in 
ihre Deutung hätte einschleichen können, so dass die Möglichkeit 
einer anderen Ableitung immerhin auch für Cyelas noch offen steht. 

Und in dieser Annahme werde ich noch bestärkt durch die Über- 
einstimmung, welche in dieser Frage ein Prosobranchier (Paludina) mit 
Dreissensia zeigt. Nach v. ERLANGER und diese Beobachtungen 
wurden von TÖNNIGES in einer vorläufigen Mittheilung bestätigt — tritt 
die Genitaldrüse hier als eine Einstülpung des Perikards auf, die sich zu 
einem Bläschen abschnürt und mit einem umfangreichen, aus einer 
Einstülpung der Mantelhöhle hervorgegangenen Ausführgang vereinigt, 
wobei sie jedoch selbst auch noch ein kurzes Stück der Leitungs- 
wege zu bilden scheint. Die weiteren Differenzirungen interessiren 
uns hier nicht, sie stehen in engem Zusammenhange mit den beson- 
deren Organisationsverhältnissen der Prosobranchier überhaupt, so vor 
Allem mit dem unpaaren, einseitigen Auftreten der Keimdrüse und 
den komplieirten Leitungswegen. Nochmals hervorzuheben ist dagegen 
die fundamentale Übereinstimmung von Lamellibranchiaten und Proso- 
branchiern in der direkten Ableitung der Genitaldrüse aus der Peri- 
kardwand, sei es nun durch einen sich loslösenden Zellenhaufen oder 


durch eine regelrechte, sich abschnürende Einstülpung. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 8 


114 Johannes Meisenheimer, 


Auf die übrigen Untersuchungen über Gastropoden einzugehen 
verlohnt sich kaum der Mühe, da ein sicherer Vergleich nach den 
bisherigen, sich direkt widersprechenden Angaben kaum durchzu- 
führen ist. Mesodermal ist die Bildung der Genitaldrüse nach Eısıg 
und Krorz bei Limnaeus, nach Brock bei Limax; entodermal ist sie 
nach For bei den Pteropoden und nach GIArD bei Lamellaria; ekto- 
dermal endlich ist sie nach GAnin und Rouzaun bei den Basomma- 
tophoren, nach JOYEUX-LAFFUIE bei Oncidium celticum. Nicht minder 
widersprechend sind die Angaben über die Entstehung der Leitungs- 
wege. Da wir dieselben hier erst recht nicht weiter verwerthen 
können, so verweise ich betreffs dieses Punktes auf die Zusammen- 
stellungen von SCHIEMENZ und v. ERLANGER, wo alle bisherigen 
Angaben übersichtlich zusammengestellt sind. 


vil. Die „‚Keimblätter‘“ der Mollusken und die phyletische Stellung 
der Trochophoralarve. 


Die Entwicklung von Dreissensia stellt sich als eine fortlaufende 
Entfaltung von Organen dar. Diese Entfaltung beginnt mit der Bil- 
dung der ersten Furchungsebene, sie schreitet successive fort und 
findet ihren Abschluss mit der Differenzirung der Geschlechtsorgane. 
Als die am frühesten sich scharf sondernden Organanlagen lernten 
wir Schalendrüse, larvales Mesenchymmuskelgewebe, sowie Mittel- 
darmanlage kennen. Es folgte die gemeinsame Anlage von Herz, 
Niere und Genitalorganen, sodann die einzelnen Gangliensysteme, 
Mesenchymmuskelgewebe des Fußes u. 8. fe Die weitaus meisten 
aller dieser einzelnen Organsysteme ließen sich direkt auf eine 
specifische Sonderanlage zurückführen, als deren Mutterboden stets 
eine einfache Zellenschicht anzusehen war, welche auf den jüngsten 
Stadien die Furchungskugeln darstellte, auf älteren als Blastula- 
zellen einen einfachen Hohlraum umschloss und später als Ektoderm 
den Körper der Larve außen umzog. Eine einzige Anlage enthielt 
nach bereits vollzogener Sonderung noch mehrere Organkomplexe 
untrennbar in sich vereinigt, die Anlage von Herz, Niere und Geni- 
talorganen. In gewissem Sinne können wir dasselbe von der Scheitel- 
platte sagen, die ebenfalls drei verschiedene Organe in sich enthielt, 
das eigentliche larvale Sinnesorgan, die Cerebralganglien, und end- 
lich die Mundlappen. Am unsichersten zu deuten nach ihrer speei- 
fischen organbildenden Leistung waren die Zellen des larvalen Me- 
senchymmuskelgewebes, sie liefern neben den larvalen Muskelsystemen 
auch diejenigen der erwachsenen Muschel, eine schärfere Präeisirung 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 115 


ist innerhalb dieses, sich sehr frühzeitig auflösenden Zellkomplexes 
nicht möglich. 

Die Art der Differenzirung und Loslösung erfolgte theils durch 
Einstülpung, theils durch Einwucherung, die beiden gewöhnlichen 
Vorgänge in der Entwicklung eines Thieres, wobei jedoch durchaus 
ein Überwiegen des Modus der Einwucherung von Zellelementen zu 
konstatiren war. Durch Einstülpung entstanden nur Schalendrüse, 
sämmtliche Bestandtheile des Darmes und Otoeyste, alles Übrige 
durch Einwucherung. Das Pedalganglion bot uns eine interessante 
Zwischenstellung beider Modi dar. 

Wir sehen also im Laufe der Entwicklung von Dreissensia eine 
Reihe scharf geschiedener Organanlagen auftreten, die sich der Reihe 
nach, bald früher, bald später, aus einer indifferenten Zellmasse, als 
deren Ausgangspunkt die Eizelle und die Furchungskugeln anzusehen 
sind, herausdifferenziren. Diese einzelnen Organanlagen bilden für 
sich je ein besonderes System, welches im Wesentlichen der Ein- 
wirkung zweier Faktoren unterworfen ist, einmal der Nachwirkung 
früherer Zustände längst vergangener Ahnengeschlechter und so- 
dann der Beeinflussung von Seiten neu erworbener Eigenschaften 
der Mollusken überhaupt und sogar der Lamellibranchiaten im Spe- 
ciellen. Aus diesen beiden Faktoren können wir die Geschichte jedes 
einzelnen dieser Komplexe für sich feststellen, um so zu einem sicheren 
Verständnis des Entwicklungsplanes zu kommen. 

Direkte Neubildungen der Mollusken finden wir in Schalendrüse 
und Fuß, erstere hervorgegangen aus dem Bedürfnisse eines Schutz- 
organs, letzterer aus der Umbildung der Ventralseite zu einer mus- 
kulösen Kriechsohle. Wir werden also betreffs dieser Anlagen bei 
ihren Vorfahren kaum nachzuforschen brauchen, da wir daselbst 
nichts direkt Vergleichbares finden werden, nur werden eben diese 
Anlagen natürlich embryonale Zellbezirke der Vorfahren in Besitz 
nehmen müssen, die ursprünglich zu durchaus anderen Zwecken 
dienten, indem die Organe, welche zunächst erst auf erwachsenen 
Stadien ihre Ausbildung und Vervollkommnung erfahren haben, in 
Folge vorzeitiger Sonderung mit ihren Anlagen in jüngere Stadien 
modifieirend eingriffen. Wir sehen im vorliegenden Falle Schalen- 
drüse und Fuß im Wesentlichen die Abkömmlinge des ersten Somato- 
blasten der Annelidentrochophora in Besitz nehmen. Neubildungen 
sind natürlich auch die speciellen Muskelsysteme, ihre Bedeutung ist 
hier für uns nur eine untergeordnete. 

Beziehungen zu Ahnengeschlechtern finden wir dagegen sicher 

teici 


116 Johannes Meisenheimer, 


bei der Mitteldarmanlage, gewöhnlich als Entoderm bezeichnet. Ich 
vermag nicht einzusehen, wesshalb wir in dieser Anlage etwas Be- 
sonderes sehen sollen, das in Gegensatz zu den übrigen gesetzt zu 
werden verdiente, prägt sich doch ihre nichts weniger als indifferente 
Natur, wie sie ein Keimblatt doch wohl besitzen müsste, nirgends 
deutlicher aus, als in der frühen Differenzirung der Leberzellen noch 
während des Vollzugs der Einstülpung selbst. Die Homologie des 
Entoderms ist nichts weiter als die phyletische Entwicklungsreihe 
eines einzelnen Organs, eben des Darmkanals, welche in anderen 
Thiergruppen beträchtliche Komplikationen durch Einschaltung se- 
kundärer, ursprünglich fremder Zellenkomplexe erleiden kann, in der 
phyletischen Reihe aber, von der ich hier allein spreche — der- 
jenigen, welche von den Cölenteraten über die Würmer zu den 
Mollusken führt — sich sehr rein erhalten hat. Bei Würmern wie 
Mollusken gehen die vegetativen Zellen des Keimes in der Bildung 
des Darmes auf, woran sich sodann als Neubildungen Stomodäum 
und Proktodäum anschließen. Sehr interessant sind nun die Verschie- 
bungen, welche diese drei Bestandtheile nach ihrem organbildenden 
Werthe innerhalb des Phylums der Mollusken selbst erfahren. Bei 
Dreissensia war die Mitteldarmanlage die weitaus mächtigste, um- 
fangreich war auch noch das Stomodäum, das Proktodäum dagegen 
nur klein. Bei den Prosobranchiern wird nun dieses Proktodäum 
ganz unterdrückt, die Mitteldarmanlage hat ihre höchste Ausbildung 
erreicht, indem sie auch den ganzen Enddarm liefert. Das Entgegen- 
gesetzte findet bei den Pulmonaten (Limax) statt, hier dringt das 
ursprüngliche Proktodäum weit nach innen vor, drängt die Mittel- 
darmanlage zurück und bildet selbst den ganzen Dünn- und Enddarm, 
die vegetative Mitteldarmanlage hat ihren niedrigsten Stand in Bezug 
auf ihre organbildenden Leistungen erreicht, indem ihr nur Leber- 
säcke und Magen zufallen. Auch nicht entfernt können wir daran 
denken, uns jetzt schon eine Vorstellung davon machen zu können, 
welches die wirklichen Ursachen dieser Verschiedenheiten sind, wir 
müssen uns zunächst mit den reinen Thatsachen begnügen. Schein- 
bar ist es der Natur völlig gleich, auf welchem Wege sie verfährt, 
denn, um ein anderes Beispiel herauszugreifen, wenn wir oben die 
mächtige Entwicklung von X auf den Erwerb und die frühzeitige 
Sonderung einer Schale zurückführten, es braucht dies nicht durch- 
aus der Fall zu sein, bei den Prosobranchiern fehlt X, die Furchung 
ist nicht im geringsten beeinflusst und erst eine spätere regere Thei- 
lung kündet die Schalenanlage an 


7 


Entwicklungsgeschiehte von Dreissensia polymorpha Pall. 387 


Die larvale Mesenchymmuskelanlage ist bereits eingehend gele- 
sentlich der Furchung besprochen worden, ihre Geschichte konnte 
man bis weit zu den Turbellarien-ähnlichen Vorfahren zurück verfolgen 
und die Verschiebungen feststellen, durch welche sie zu ihrer jetzigen 
Ausbildung gelangten. Hier scheint bei den Mollusken außerdem 
eine Verschiebung der Funktion stattgefunden zu haben, der Funktion 
‘der Anlage in Rücksicht auf ihre spätere organbildende Leistung. 
Denn bei den Würmern scheinen die entsprechenden Komplexe den 
wichtigsten Gebilden der inneren Organisation, Muskulatur, Leibes- 
‚höhle, Nephridien und Geschlechtsorganen den Ursprung zu geben, 
hier. spielen sie eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle, sie liefern 
hauptsächlich Muskelsysteme und einen kleinen Theil des Binde- 
gewebes. Dagegen tritt für die Organe, welche den oben genannten 
wenigstens zum Theil wohl entsprechen, eine besondere Anlage auf, 
eben diejenige, welche Herz, Perikard, Niere und Genitalorgane lie- 
fert. Über die Beziehungen dieser Organe in beiden Gruppen ver- 
mag ich, wie ich gestehen muss, keine sichere Antwort zu geben, 
-wir müssten uns denn auf das Gebiet der reinen Hypothese, der 
‚bloßen Möglichkeit begeben. Ist in dieser Anlage in ihrer Gesammt- 
heit nur ein abgespaltener Theil der »Urmesodermzellen« zu sehen, 
die ja zweifellos bei Anneliden und Mollusken ihrer Entstehung nach 
identisch sind, oder ist dies vielleicht nur theilweise der Fall und 
‚stehen wir dann hier ebenfalls nur Neubildungen? Einen phyleti- 
schen Zusammenhang der Genitalorgane in dieser Thierreihe, und 
wohl auch in dem ganzen Thierreiche, müssen wir doch wohl annehmen, 
für die Genitalorgane muss also eine Verschiebung der Anlage aus 
der hinteren Zelle D der vierten Generation bei den Anneliden in 
die erst später erfolgende Sonderanlage der Mollusken erfolgt sein 
— Zwischenstufen irgend welcher Art fehlen bis jetzt völlig. Schwie- 
riger sind die Beziehungen der übrigen Organe, von Herz, Perikard 
und Niere, aufzudecken. Ein pulsatorisches Organ des Gefäßsystems 
kann sehr wohl unabhängig als Neubildung auftreten, diese Annahme 
ist für das Herz der Mollusken nicht unwahrscheinlich und würde 
‚mit seiner besonderen Anlage durchaus im Einklang stehen. Noch 
schwieriger liegen die Dinge bei Niere und Perikard. Die herrschende 
Auffassung erleichtert sich die Sache ziemlieh, wir finden ein Organ, 
oder besser einen Theil eines Organs, in welchem Geschlechtspro- 
‘dukte entstehen können, in welchen ein Exkretionsorgan mündet, 
wir suchen ein Gebilde mit ähnlichen Eigenschaften bei den Anne- 
liden und treffen auf das Cölom, also ist das Perikard identisch mit 


118 Johannes Meisenheimer, 


einem reducirten Cölom. Bau, Funktion und Entstehung beider Or- 
gane sind dabei im Übrigen grundverschieden von einander. Ob die 
Niere mit den Segmentalorganen zu vergleichen ist, ist nicht minder 
zweifelhaft, die anatomischen Verhältnisse der niederen Mollusken 
scheinen jedenfalls weit eher direkt auf das Wassergefäßsystem der 
Plattwürmer zurückzuweisen. Auf alle diese Schwierigkeiten kann 
ich leider nur hinweisen, sie nicht beseitigen, die Aufstellung einer 
Theorie ohne weitere Beweismittel ist völlig überflüssig, die Lösung 
wird nur in weiter ausgedehnten Untersuchungen zu finden sein. 
Rein theoretischen Werth haben desshalb bis jetzt auch nur Ver- 
muthungen, wie sie unter Anderen in neuerer Zeit z. B. von P. und 
F. Sarasın geäußert wurden, wonach Niere und Perikard als eine 
ursprüngliche Hautdrüse aufzufassen sei, aus deren Wandung sich 
später das Herz differenzirte, im Übrigen aber die Homologie mit 
Segmentalorganen und Cölom der Anneliden beibehalten werden müsse. 

Von den übrigen Organen ist die Urniere als larvales Exkretions- 
organ bei Anneliden wie Mollusken sicherlich identisch, mögen auch 
bei den Anneliden manche Punkte über Entstehung wie histologi- 
schen Bau noch der genaueren Aufklärung bedürfen, als letztes Or- 
gansystem von Bedeutung bleibt uns desshalb nur noch das Nerven- 
system zu betrachten übrig. Unstreitig haben wir hier zwei getrennte 
Anlagen vor uns, von denen die eine der Scheitelplatte entstammt, 
die zweite im Wesentlichen sich von der Ventralseite der Larve los- 
löst. Hierdurch bieten sich enge Beziehungen zu den Würmern dar, 
ja die Art der Entstehung von Pedal- und Visceralganglion bei 
Dreissensia spricht sogar zunächst für eine mit den Anneliden über- 
einstimmende Segmentirung. Doch nur äußerlich. Wenn wir sehen, 
wie die ganze übrige Organisation keine Spur einer derartigen Seg- 
mentirung erkennen lässt, wenn wir ferner den Einfluss bereits voll- 
zogener Differenzirung auf jüngere Entwicklungsstadien nicht unter- 
schätzen dürfen, wie uns bereits so manches Beispiel lehrte, so muss 
uns dies zur Vorsicht mahnen. Nehmen wir als Ausgangspunkt für 
beide Gruppen etwa die Verhältnisse eines Plattwurmes, so schlugen 
beide in ihrer Weiterentwicklung durchaus verschiedene Wege ein. 
Bei den Anneliden erfuhren die ventral gelegenen Nervenstränge eine 
Segmentirung, die Mollusken behielten die einfachen Stränge zunächst 
noch bei, derart wie sie jetzt noch Chiton aufweist, es erfolgte dann 
die Koncentration zu einzelnen Ganglien nach völlig von den Anne- 
liden unabhängigem Modus, demselben, wie ihn jetzt in höchster 
Vollendung die Prosobranchier aufweisen. Dieser Process der Son- 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 119 


derung einzelner Ganglienknoten griff nun auf immer jüngere Stadien 
zurück, an Stelle der sich vom Ektoderm loslösenden Nervenstränge 
traten einzelne, den Ganglien entsprechende Knoten, die ihre Lage 
natürlich beibehielten, und dies ist Alles, was von dem primitiveren 
Verhalten, wie es noch Chiton aufweist, bei den Lamellibranchiaten 
übrig blieb. Alle übrigen Erscheinungen sind nichts als specielle 
Anpassungen an den höher ausgebildeten Molluskentypus, zu deren 
Erklärung wir einer Segmentirung nicht bedürfen. 

An Stelle der Keimblätter haben wir also eine Reihe von Organ- 
anlagen gesetzt, Primitivanlagen, wie man sie auch genannt hat. In 
denselben sind entweder nur die Anlagen eines einzigen Organs 
enthalten, wir haben einen durchaus direkten Entwicklungsgang vor 
uns, dieselben können jedoch auch als ein selbständiger Komplex 
noch vor einer Organdifferenzirung auftreten und alsdann mehrere 
Organanlagen in sich enthalten, wir haben eine zusammengesetzte Pri- 
mitivanlage vor uns. Beide Begriffe können morphologisch und 
physiologisch hier und da mit dem zusammenfallen, was man bis jetzt 
als das eine oder andere Keimblatt bezeichnet, brauchen es aber 
nicht zu thun. Jede dieser Primitivanlagen muss auf ihren organ- 
bildenden Werth aufs schärfste geprüft werden, ihre Wandlungen in 
dieser Beziehung sowie örtlicher und zeitlicher Verschiebung müssen 
nach Möglichkeit festgestellt werden, um so zu einer Art Geschichte 
nicht nur jedes einzelnen Organs, sondern auch seiner Anlage zu 
gelangen, und erst dann tiefer in das Verständnis des speciellen 
Entwicklungsganges einzudringen. Die vergleichende Entwicklungs- 
geschichte wird dann zu einer wirklichen »Phylogenie der Ontogenien« 
(SamAssAa) werden, und in deren Ausbau fallen ihr noch große Auf- 
gaben zu. 


Es bleibt uns endlich noch die phyletische Stellung der Trocho- 
phoralarve zu erörtern übrig. Dass dieselbe innerhalb des Mollusken- 
phylums nach einem durchaus einheitlichen Plane gebaut ist, dass 
sie, mit Ausnahme der Cephalopoden natürlich, als die Grundform 
aller Molluskenlarven aufzufassen ist, darüber besteht wohl kaum ein 
Zweifel mehr. Gewisse Modifikationen werden sich natürlich stets 
innerhalb der einzelnen Ordnungen finden, hervorgerufen theils durch 
Weiterbildungen, theils durch Reduktionen. Wir wollen diese Ver- 
hältnisse zum Schlusse noch einer kurzen Betrachtung unterwerfen, 
Verhältnisse, wie sie im Allgemeinen schon lange als feststehend an- 
genommen werden. 


120 Johannes Meisenheimer, 


Bei den weitaus meisten Muscheln, so weit deren Entwicklungs- 
geschichte bis jetzt bekannt ist, kommt eine typische Trochophora- 
larve von dem gleichen Bau vor, wie ich ihn für Dreissensia be- 
schrieben habe. Von den Süßwassermuscheln (Cyeladiden und Unio- 
niden) abgesehen, deren Entwicklung einfach aus einer starken 
Rückbildung der Trochophoralarve zu erklären ist, finden wir unter 
den Muscheln nur noch eine einzige abweichende Gruppe, und zwar 
eigenthümlicherweise gerade diejenigen, welche ihrem anatomischen 
Bau nach als die ursprünglichsten Formen gelten, nämlich die Proto- 
branchier. Yoldia und Nucula besitzen nach DREw eine Larvenform, 
die auf den ersten Blick recht bedeutend von einer echten Trocho- 
phora abweicht. Wimperkränze umgeben gürtelförmig einen walzigen, 
tonnenartigen Körper, der an seinem einen Pole einen langen Wimper- 
schopf trägt. Sehen wir uns dagegen die innere Organisation an, 
wie sie uns in Textfig. 13 entgegentritt, so erkennen wir sofort die 


Textfig. 13. 
Medianschnitt durch die Larve von Yoldia limatula. Kopie nach Drew. Erklärung der Abkürzungen 
siehe am Schlusse. 


außerordentliche Übereinstimmung in der inneren Organisation, ohne 
Berücksichtigung zunächst des äußeren larvalen Mantels. Ein langer 
Ösophagus führt über in den Magen und letzterer durch den Darm 
zum Enddarm und After. Zwischen Mund und After liegt ventralwärts 
eine mächtige Verdiekung, die dem Fuße, den Pedalganglien etc. 
den Ursprung geben muss. Die Dorsalseite wird von einem stark 
abgeflachten Epithel eingenommen, welches später die Schale trägt, 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. ot 


‚die Vorderseite ist durch den Besitz der Scheitelplatte und des vor- 
‚deren Schließmuskels ausgezeichnet. Sehr interessant ist vor Allem 
das Verhalten der Scheitelplatie, wir sehen eine ähnliche Theilung 
‚in mehrere Bezirke vollzogen, wie bei Dreissensia. Mehr nach vorn 
hin liegt eine tiefe Grube, die mit der Bildung des Cerebralganglions 
in engem Zusammenhange steht, weiter nach hinten liegt der eigent- 
liche larvale Theil der Scheitelplatte, der später zu Grunde geht. 
Leider sind die Beziehungen der Scheitelgrube zu der Bildung der 
Cerebralganglien nicht völlig klargestellt, vor Allem, ob sie ganz in 
ihrer Bildung aufgeht oder abgeworfen wird, oder ebenfalls Beziehun- 
gen mit den Mundlappen gewinnt. Dass vorderer und hinterer Schließ- 
muskel ganz die gleiche entsprechende Lage einnehmen, brauche ich 
kaum besonders zu erwähnen, die einzige Schwierigkeit beim Ver- 
gleiche bildet die larvale Hülle, welche den ganzen Körper umhüllt 
und später abgeworfen wird. Dass diese Hülle in irgend einen Zu- 
sammenhang mit dem Velum zu bringen ist, darüber besteht wohl 
kaum ein Zweifel. Die Frage ist nur die, welche Form als die 
Ausgangsform anzusehen ist. Die Nuculiden haben in dieser letzteren 
Hinsicht für sich ihren unzweifelhaft recht primitiven anatomischen 
Bau voraus, und demnach nimmt auch Drew an, dass das Velum erst 
sekundär durch eine Zusammenziehung dieser Hülle entstanden sei. Ich 
muss gestehen, dass ich mich dieser Anschauungsweise nur schwer 
anzupassen vermag, namentlich, wenn wir die vielen Vergleichs- 
punkte mit der Annelidentrochophora heranziehen, weit ungezwun- 
gsener erscheint es mir, derartige komplieirte Metamorphosen als das 
Resultat sekundärer Erscheinungen anzusehen, indem die Velarränder 
allseits den Körper zu umwachsen begannen und unter Verschmel- 
zung der Ränder schließlich einen vollständigen Mantel bildeten. 

Ganz ähnliche Umgestaltungen scheinen die Solenogastren er- 
fahren zu haben, es kommt auch hier zur Ausbildung eines larvalen 
äußeren Mantels, der später abgeworfen wird, während im Inneren 
eine Neubildung aller bleibenden Organe stattfindet. Die in drei 
Segmente zerfallenden Larven von Dondersia wie Proneomenia weisen 
nach Pruvor dieses Verhalten auf. Leider sind die inneren Ver- 
hältnisse, namentlich die näheren Beziehungen der Organe zum 
Larvenmantel noch nicht genügend bekannt, um mit Erfolg einen 
Vergleich durchführen zu können. 

Weit engere Beziehungen finden wir dagegen mit der Larve von 
Chiton (Textfig. 14). Sehen wir von speciellen Modifikationen, wie 
Komplikation des Darmkanals, Ausbildung der Schalenplatten ete. 


122 Johannes Meisenheimer, 


ab, so haben wir hier ganz dieselben Verhältnisse, wie bei der typi- 
schen Trochophora vor uns. Am vorderen Pole liegt die cilientragende 
Scheitelplatte und ein ringförmiger Velarkranz, die Ventralseite liefert 
den Fuß, die Dorsalseite 
die Schale. Im Gan- 
zen freilich prägt sich 
die eigenthümliche Ge- 
stalt von Chiton in dem 
Gesammtcharakter der 
Larve schon recht früh- 
zeitig aus. 

Dass sich auch 
die Larven der Soleno- 
conchen, so weit deren 
Entwicklung überhaupt 
bekannt ist, durchaus 
diesem Typus anschlie- 

kin ßen, das zeigt ein 
Su Blick auf Textfig. 15. 


Medianschnitt durch die Larve von Chiton Polii. Kopie nach h 
KowALEvsky. Erklärung der Abkürzungen siehe am Schlusse. . Scheitelplatte, Velar- 


kranz, Ventralplatte, 
Schalendrüse, Darm- 
kanal, Alles weist ganz 
die gleiche Lagerung 
auf. Am variabelsten 
ist noch die Anordnung 
der Cilien des Velar- 
kranzes. DBei Chiton 
bildeten sie einen ein- 
fachen,mächtigenWim- 
pergürtel, bei Denta- 


Textlig. 15. lium zerfällt er in drei 
Medianschnitt durch die Larve von Dentalium. Kopie nach 
KowALevsky. Erklärung der Abkürzungen siehe am Schlusse. parallel verlaufende 


Ringe, und ähnlich stellt 
er sich bei Patella dar, nur dass hier der mittlere Ring die weitaus 
mächtigste Ausdehnung erreicht hat. 

Im Übrigen weisen auch die Prosobranchier eine außerordentlich 
große Übereinstimmung mit der Muscheltrochophora auf (Textfig. 16), 
wieder von speciellen Verhältnissen, wie z. B. der Radulatasche, ab- 
gesehen. Der Gegensatz zwischen der mächtigen Ventralplatte, welche 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 123 


den Fuß zu liefern hat, und der schalentragenden Dorsalseite ist auch 
hier scharf ausgeprägt, die Vorderseite nimmt wieder Velum und 


Scheitelplatte ein. Hier bei 
Patella zeigt das Velum noch 
ganz die ursprüngliche Grund- 
form, bei anderen, wie z. B. 
Crepidula (CoxkLin), fallen 
die hinteren Theile derselben 
einer Reduktion anheim, und 
nur der vordere Theil wird 
zur Ausbildung der für die 
Veligerlarve typischen beiden 
Velarlappen verwandt. In der 
gleichen Richtung haben sich 
die Larven der Opisthobran- 
chier, Pteropoden und Hetero- 
poden entwickelt, während bei 
den Pulmonaten im Zusam- 
menhange mit den veränder- 
ten Lebensbedingungen eine 
starke Reduktion der Larven- 
form stattgefunden hat, die 
sich namentlich in der fort- 
laufenden Unterdrückung des 
Velums bemerkbar macht. 
Mit diesen Formen haben 
wir die extremsten und spe- 
eialisirtesten Vertreter des 
Phylums der Mollusken er- 
reicht, wenn wir von dem 
selbständigen Zweige der Ce- 
phalopoden ganz absehen, wir 
müssen seinen Stamm nun 
nach der umgekehrten Rich- 
tung, nach seiner Wurzel und 
seinem Ausgangspunkte hin 
verfolgen. Einen näheren Ver- 


NL 0; 
x 2 


Textfig. 16. 
Medianschnitt durch die Larve von Patella. Kopie nach 
Parren. Erklärungen der Abkürzungen siehe am Schlusse. 


Dextiie. 17. 
Medianschnitt durch eine jüngere Larve von Eupomatus 
uneinatus. Kopie nach HarscHuer. Erklärung der Abkür- 
zungen siehe am Schlusse. 


gleich lassen hier fast nur die Anneliden zu, da wir hier auf eine ganz 


ähnliche Larvenform treffen. 


Die noch entfernter stehenden Thier- 


gruppen, wie beispielsweise die Turbellarien, weisen zwar ebenfalls 


124 Johannes Meisenheimer, 


noch einige wichtige Vergleichspunkte auf, wie sie unter Anderen im 
Verhältnis der Urniere zu dem Wassergefäßsystem so überraschend 
hervortreten, eine Weiterführung der Larvenform und deren Organi- 
sation, als Ganzes betrachtet, ist, wenn auch sicherlich möglich, so 
doch zur Zeit ohne weiteres entwicklungsgeschichtliches Material 
noch nicht auf vollgültige Thatsachen zu gründen. Desto zahlreicher 
sind dagegen, wie schon gesagt, die Vergleichspunkte zwischen An- 
neliden- und Molluskentrochophora. Schon im Verlaufe der Furchung 
konnten wir eine ganze Anzahl übereinstimmender Punkte feststellen, 
dieselben finden sich nicht minder, wenn wir nun an einer jungen 
Trochophoralarve die Vergleiche weiter ziehen (Textfig. 17). AÄußer- 
lich treffen wir hier wie dort auf ein Velum mit ringförmig angeord- 
neten Cilien, eine Scheitelplatte in der Mitte des Velarfeldes, besetzt 
mit starken Cilien, im Inneren einen durchaus gleichartig gelagerten 
Darmkanal, der aus sich völlig entsprechenden Anlagen hervorge- 
gangen ist, zu beiden Seiten desselben einige größere Zellen, die von 
M abstammen. Und nehmen wir ein älteres Stadium, eine ganze 
Reihe neuer Parallelen tritt hinzu (Textfig. 18). Außer der gleichen 


1 
/ 
T EN 


Meood.zellen \ 


Textfig. 18. 
Medianschnitt durch eine ältere Annelidenlarve. Kopie nach HarscHer. Erklärung der Abkürzungen 
siehe am Schlusse. 


Lagerung der eben erwähnten Organe finden wir nun noch ein Ex- 
kretionsorgan, welches nahezu die gleiche Lagerung aufweist, bildet 
sich eine Otolithenblase an ganz entsprechender Stelle aus, treten 
Muskelfasern auf, die fast in der gleichen Richtung ziehen. Die 
Verschiedenheiten treten dem gegenüber recht sehr zurück. Es fehlen 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 125 


der Trochophora von Dreissensia die Ringnerven und Ringmuskeln 
des Velums, es fehlt ein postoraler Wimperkranz, der so thätigen 
Antheil am Aufbau des Velums der älteren Annelidentrochophora 
hat. Sie besitzt dagegen als Besonderheit vor Allem die Schalen- 
drüse, ein specifisches Molluskenorgan, und einige gleichfalls specia- 
lisirte Muskelsysteme. Diese Anfangs so geringen Abweichungen 
nehmen nunmehr im Verlaufe der weiteren Entwicklung stets an 
Umfang zu, immer mehr machen sich die Erscheinungen bemerkbar, 
welche beide ihrer so grundverschiedenen inneren wie äußeren Or- 
ganisation entgegenführen. Bei den Anneliden handelt es sich im 
Wesentlichen um ein Auswachsen des hinteren Körpertheiles, und 
damit im Zusammenhange um die Ausbildung äußerer wie innerer 
Segmentirung, letztere im Wesentlichen verursacht durch die Diffe- 
renzirung der Mesodermstreifen. Bei den Mollusken unterbleibt ein 
derartiges Auswachsen in einer Richtung, der gesammte Larvenkörper, 
mit Ausnahme allein der Velarregion, giebt durch gleichmäßiges 
Wachsthum nach allen Richtungen hin dem Körper der erwachsenen 
Muschel den Ursprung, wobei die Differenzirungen an der Ventral- 
seite, sowie die Ausbildung der Sonderanlage von Herz, Niere und 
Genitalorganen die Hauptrolle spielen. Hier liegt also die Stelle, wo 


der Typus der Anneliden von demjenigen der Mollusken sich schied, 


erstere haben nichts gemein mit irgend einem speeifischen Zuge der 
Molluskenorganisation, letztere sind nie mit dem Processe der Seg- 
mentirung in Berührung gekommen, die Mollusken sind ungegliederte 
Thiere und sind es stets gewesen. Gemeinsam ist beiden nur 
der Ursprung, als Zeuge hierfür ist uns die 'Trochophoralarve er- 
halten geblieben, durch ein ähnliches Ahnenstadium, dessen weiter 
zurückliegende Geschichte wir wahrscheinlich in der Turbellarien- 
organisation suchen müssen, sind beide hindurchgegangen. 

Wie so manchem anderen Autor, so ist es auch mir ergangen. 
Durchaus skeptisch trat ich an die alte 'Trochophoratheorie heran, 
jetzt muss ich gestehen, dass die Untersuchung der Entwicklung von 
Dreissensia mich völlig zu ihr zurückgeführt hat, der enge Zusammen- 
hang von Anneliden und Mollusken durch das Bindeglied der Trocho- 
phoralarve muss als eine durchaus bewiesene Thatsache der ver- 
gleichenden Entwicklungsgeschichte betrachtet werden. 


Marburg i. H., Mai 1900. 


126 


Johannes Meisenheimer, 


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Een on 


24. 


25. 
26. 


27. 
28. 


29. 


30. 
3L. 
32. 
39. 
54. 
30. 
36. 
a1. 
38. 
39. 
40. 
41. 


42. 
45. 


44. 
45. 
46, 
a7. 


48, 


Bo H = HE 5 


N 


C. 


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130 Johannes Meisenheimer, 


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Erklärung der Abbildungen. 
Allgemein durchgehende Abkürzungen: 
af, After; da, Darm; 
bl, Blastoporus; diat, Diatomee; 
c, Cuticula; dr, dorsaler Retraktormuskel; 


cg, Cerebralganglion; dx, Darmzellen; 


ed, Enddarm; 

ep, Körperepithel; 

er, Endvacuole der Urniere; 

ex, Exkretionszelle der Urniere; 

J Fuß; 

fd, Fußdrüse; 

‚f, Flimmerhaare der Fußspitze; 

g2, Genitalzellen ; 

h, Herz; 

hf, hintere Fußfalte; 

hn, Anlage von Herz, Niere und Geni- 
talorganen; 

hp, Anlage von Herz und Perikard; 

hs, hinterer Schließmuskel; 

A, Kıystallstiel; 

kb, Krystallstielblindsack ; 

kf, Kiemenfalte; 

l, Ligament; 

Is, Lebersäckchen ; 

/u, inneres Lumen der Urniere; 

!z, Leberzellen; 

ma, Magen; 

mb, Membran der Urniere; 

md, Mund; 

mf, Mesenchym - Muskelanlage des 
Fußes; 

ml, Mundlappen; 

mr, medialer Retraktormuskel; 

ms, Mesenchymzellen; 

mu, Muskelfaser ; 


n, Niere; 
ne, Endzelle des Nierenperikardial- 
ganges; 


ng, Nierenausführgang;; 
oes, Osophagus; 
ol, Otolith; 


Entwicrlungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 


131 


ot, Otocyste; 

ovz, oberer Velarzellenkranz; 

p, Perikard; 

pa, postanales Wimperbüschel; 

pdz, Perikardialdrüsenzellen ; 

pg, Pedalganglion; 

pi, Pigment; 

plg, Pleuralganglion; 

png, Perikardialnierengang; 

po, postorales Wimperbüschel; 

pr, Proktodäum ; 

pw, Perikardialwand; 

rf, Retraktormuskel des Fußes; 

rk, Richtungskörperchen ; 

s, Schale; 

sd, Schalendrüse; 

sq, Scheitelgrube; 

sm, seitliche Mantelfalte; 

sp, Scheitelplatte; 

sto, Stomodäum;; 

tz, Terminalzelle der Urniere; 

un, Urniere; 

uvz, unterer Velarzellenkranz;; 

v, Velum; 

«ff, vordere Fußfalte; 

vg, Visceralganglion; 

ch, Vorhof; 

vp, Ventralplatte; 

vr, ventraler Retraktormuskel; 

vs, vorderer Schließmuskel ; 

vst, Vereinigungsstelle der beiderseiti- 
gen Nieren; 

wf, Wimperflamme der Urmiere; 

x, bläschenförmiges Gebilde, 
scheinlich Geräßanlage. 


wahr- 


Tafel I. 


Fig. 1. 
Bio?! 
Fig. 3. 
Fig. 4. 
vierzelligen Stadium. Vergr. 800. 


Fig. 5. Vierzelliges Stadium, vom animalen Pole gesehen. 


Ungefurchtes, frisch abgelegtes Ei. 
Erste Furchungsspindel, von der rechten Seite gesehen. Vergr. 800. 
Zweizelliges Stadium, von der rechten Seite gesehen. 
Zweizelliges Stadium, vom animalen Pole gesehen. Übergang zum 


Vergr. 800. 


Vergr. 800. 


Vergr. 800. 


Figg. 6—8. Übergang zum fünfzelligen Stadium, Fig. 6 und 7 von der Seite 
gesehen, Fig. 8 vom animalen Pole. Vorbereitung der Spindeln zum achtzelli- 


gen Stadium. Vergr. 800. 


Figg. 9—10. Übergang zum achtzelligen Stadium. Vergr. 800. 
Fig. 11. Achtzelliges Stadium, von der rechten Seite gesehen. Vergr. 800. 


9* 


192 Johannes Meisenheimer, 


Fig. 12. Achtzelliges Stadium, vom ventralen Pole gesehen. Übergang 
zum neunzelligen Stadium. Vergr. 800. 


Tafel II. 


Fig. 13. Übergang zum 16zelligen Stadium, vom animalen Pole aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 14. Übergang zum 16zelligen Stadium, von der linken Seite aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 15. 16zelliges Stadium, vom animalen Pole aus gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 16. 16zelliges Stadium, vom vegetativen Pole aus gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 17. Übergang zum 17zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 18. Übergang zum 23zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 19. Übergang zum 23zelligen Stadium, von der rechten Seite aus 
sesehen. Vergr. 800. 

Fig. 20. Übergang zum 27zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 21. Übergang zum 28zelligen Stadium, von der linken Seite aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 22. Übergang zum 29—31zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 23. Übergang zum 32zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 24. Übergang zum 27zelligen Stadium, vom animalen Pole aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 


Tafel III. 


Fig. 25. Übergang zum 28zelligen Stadium, vom animalen Pole aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 26. Übergang zum 34zelligen Stadium, von der Hinterseite aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 27. Übergang zum 42zelligen Stadium, vom animalen Pole aus 
sesehen. Vergr. 800. 

Fig. 28. Übergang zum 42zelligen Stadium, vom animalen Pole aus 
gesehen. Etwas älter als das vorhergehende Stadium. Vergr. 800. 

Fig. 29. Übergang zum 4özelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 30. Übergang zum 46zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 


Fig. 31. Übergang zum 46zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Etwas älter als das vorhergehende Stadium. Vergr. 800. 

Fig. 32. Übergang zum 47zelligen Stadium, vom vegetativen Pole aus 
gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 33. Übergang zum 48- und 49zelligen Stadium, vom vegetativen Pole 
aus gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 34. Erste Bilateraltheilung von M. Übergang zum 54zelligen Stadium, 
vom vegetativen Pole aus gesehen. Vergr. 800. 


Figg. 35—836. Mund X erleiden in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge als 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 133 


in Fig. 33—34 die erste Bilateraltheilung. Vom vegetativen Pole aus gesehen. 
Vergr. 800. 


Tafel IV. 


Fig. 37. Übergang zum 54zelligen Stadium, vom animalen Pole aus ge- 
sehen. Vergr. 800. 

Fig. 38. Bildung von xz;. Von der Hinterseite gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 39. Bildung von »n und vierte Theilung von B und ©. Vom vege- 
tativen Pole aus gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 40. Zweite Bilateraltheilung von X. Von der Hinterseite gesehen. 
Vergr. 800. 

Fig. 41. Zweite Bilateraltheilung von X vollzogen. Zweite Bilateralthei- 
lung von M, welches in die Tiefe sinkt, von der Hinterseite gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 42. Dasselbe Stadium, von der linken Seite gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 43. Dritte Bilateraltheilung von X. Erste Andeutung des sich ein- 
senkenden Blastoporus. Von der Hinterseite gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 44. Älteres Stadium mit tief eingesenkter Schalendrüse und stark 
verengtem Blastoporus. Von der Hinterseite aus gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 45. Stadium der Wiederausstülpung der Schalendrüse, von oben 
gesehen. Erste Andeutung des Velums. Vergr. 750. 

Fig. 46. Junge Larve mit eben ausgebildetem Velum, Scheitelplatte und 
Mund. Von der Vorder- und Ventralseite gesehen. Vergr. 800. 

Fig. 47. Etwas älteres Stadium. Die Umwachsung der Schale ist schon 
ziemlich vorgeschritten. Von der Vorder- und Ventralseite gesehen. Vergr. SO0. 

Fig. 48. Schema der einzelnen Zellregionen, aus denen sich die Larve 
aufbaut. Von der linken Seite gesehen. Erklärung siehe im Texte, p. 19 ff. 


Tafel V. 

Fig. 49—54, 56. Trochophoralarve von 75 u bis zu 187,5 u Länge allmählich 
heranwachsend. Alle von der linken Seite gesehen. Das Nähere siehe im Texte, 
p. 54 ff. Vergr. 400. 

Fig. 55. Stadium von Fig. 54, aber von der Ventralseite gesehen. Vergr. 400. 

Fig. 56. Ältestes freischwimmendes Stadium mit beginnender Reduktion 
der Larvencharaktere. Von der linken Seite gesehen. Vergr. 400. 

Fig. 57. Sich eben festsetzende Larve, die im Begriffe steht das Velum 
abzuwerfen. Von der linken Seite gesehen. Vergr. 250. 

Fig. 58. Älteres festsitzendes Stadium. Von der linken Seite gesehen. 
Vergr. 250. 

Fig. 59. Junge, festgeheftete Muschel, deren sämmtliche Organe bereits 
angelegt sind. Von der linken Seite gesehen. Vergr. 9. 


Tafel VI. 


Fig. 60. Zweizelliges Stadium im Längsschnitte. Vergr. 900. 

Fig. 61. Schnitt durch ein achtzelliges Stadium. Vergr. 900. 

Fig. 62. Schnitt durch ein 16zelliges Stadium. Vergr. 900. 

Fig. 65. Schnitt durch ein älteres Furchungsstadium. Vergr. 900. 

Fig. 64. Sagittalschnitt durch eine ganz junge Gastrula. Vergr. 800. 

Fig. 65. Sagittalschnitt durch eine etwas ältere Gastrula. Vergr. 800. 

Fig. 66. Sagittalschnitt durch eine Gastrula mit dem Maximum der Ein- 
stülpung von Schalendrüse und Mitteldarmanlage. Vergr. 1000, 


or) 


154 Johannes Meisenheimer, 


Fig. 67. Sagittalschnitt durch eine Gastrula, deren Schalendrüse sich wie- 
der auszustülpen beginnt. Vergr. 800. 

Fig. 68. Sagittalschnitt durch die sich eben ausbildende Trochophoralarve. 
Schalendrüse noch weiter zurückgestülpt, Blastoporus geschlossen. Vergr. 800. 

Fig. 69. Sagittalschnitt durch ein etwas älteres Stadium mit sich anlegen- 
dem Stomodäum. Vergr. 800. 

Fig. 70. Sagittalschnitt durch die junge Trochophoralarve. Vergr. 800. 

Fig. 71. Frontalschnitt durch eine Gastrula, die streifenförmige Anordnung 
der Derivate von M (Mesodermstreifen) zeigend. Vergr. 1000. 


Tafel VII. 


Fig. 72. Schnitt durch eine Gastrula, die Auswanderung einzelner Ekto- 
dermzellen zeigend. Vergr. 800. 

Fig. 73. Frontalschnitt durch das Stadium von Fig. 69 etwa. Vergr. 800. 

Fig. 74. Frontalschnitt durch den vorderen Theil einer Trochophoralarve, 
das weit ausgestreckte Velum zeigend. Vergr. 530. 

Fig. 75. Schnitt durch den Velarzellenrand. Vergr. 1150. 

Fig. 76. Flächenschnitt der Wimperzellen des Velarrandes. Vergr. 800. 

Fig. 77. Schnitt durch die Schalendrüse mit eben abgeschiedenem Chitin- 
häutchen. Vergr. 800. 

Fig. 78. Querschnitt der jungen Trochophoralarve, durch Vorderdarm und 
Leberanlage gehend. Beginn der Ausbildung einer zweiklappigen Schale. Vergr. 800. 

Fig. 79. Schnitt durch die dorsalwärts gelegene Epithelleiste, an welcher 
beide Schalenhälften befestigt sind. Vergr. 800. 

Fig. 80. Sagittalschnitt durch die Ventralseite einer jungen Trochophora- 
larve. Vergr. 800. 

Fig. 81. Dessgleichen durch die Ventralseite einer etwas älteren Larve. 
Vergr. 800. 

Figg. 82—84. Dessgleichen durch immer älter werdende Stadien, die Aus- 
bildung des Mesenchymmuskelgewebes des Fußes demonstrirend. Vergr. Fig. 82 
— 800, Fig. 83 und 84 = 750. 

Figg. 85—86. Sagittalschnitt durch den vorderen Theil der Ventralseite, 
die Auswanderung der Mesenchymmuskelzellen des Fußes zeigend. Vergr. 800. 


Tafel VIII. 


Fig. 87. Erste Anlage der Urniere. Vergr. 1150. 

Fig. 88. Etwas älteres Stadium der Urnierenanlage. Vergr. 1150. 

Figg. 89—91. Successive auf einander folgende Stadien in der Ausbildung 
der Urniere. Vergr. 1150. 

Figg. 92 u. 93. Längsschnitte durch die ausgebildete Urniere. Vergr. 1150. 

Fig. 9. Schnitt durch eine verzweigte Urniere. Vergr. 1150. 

Fig. 9. Schnitt durch den Wimperapparat der Urniere, auf jüngerem Sta- 
dium. Vergr. ca. 1700. 

Fig. 96. Schnitt durch den Wimperapparat der Urniere. Vergr. ca. 1700. 

Fig. 97. Querschnitt des Urnierenrohres in der Gegend der Exkretzelle. 
Vergr. 1150. 

Fig. 98. Schräger Frontalschnitt durch eine ausgebildete Trochophoralarve, 
die Lage der Urnieren zeigend. Vergr. 750. 

Fig. 99. Schnitt durch den hinteren Schließmuskel. Vergr. 620. 


. 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 135 


Fig. 100. Schnitt in der Richtung des sich anlegenden Fußretraktors. 
Vergr. 620. 

Fig. 101. Schnitt durch den vorderen Schließmuskel. Vergr. 620. 

Fig. 102. Frontalschnitt durch den vorderen Theil einer jungen Trocho- 
phoralarve, die Anlage der Scheitelplatte zeigend. Vergr. 800. 

Fig. 105. Frontalschnitt durch den vorderen Theil einer etwas älteren 
Larve. Velum und Scheitelplatte bereits wohl entwickelt. Vergr. 800. 

Fig. 104. Längsschnitt durch die Scheitelplatte auf jüngerem Stadium. 
Vergr. 530. 

Fig. 105. Längsschnitt durch die Scheitelplatte auf älterem Stadium. Ver- 
srößerung 530. 

Fig. 106. Querschnitt durch den vorderen Theil der Scheitelplatte. Vergr. 750. 


Tafel. IX. 


Fig. 107. Frontalschnitt durch den vorderen Theil der Larve, den Beginn 
der Differenzirung des Cerebralganglions zeigend. Vergr. 750. 

Fig. 108. Dessgl., Cerebralganglienanlage weiter vorgeschritten. Vergr. 530. 

Fig. 109. Dessgl., Cerebralganglion nahezu losgelöst. Vergr. 530. 

Fig. 110. Dessgl., Cerebralganglion und Scheitelgrube völlig getrennt. 
Vergr. 530. 

Fig. 111. Querschnitt der Ventralseite der Larve. Erste Anlage des Pedal- 
ganglions. Vergr. 800. 

Fig. 112. Dessgl., Pedalganglienanlage weiter vorgeschritten. Vergr. 800. 

Fig. 113. Dessgl., Pedalganglienanlage noch weiter nach innen verschoben. 
Vergr. 800. 

Fig. 114. Die eine Hälfte eines Querschnittes der Ventralseite. Pedal- 
ganglion im Abschnüren begriffen. Vergr. SO. 

Fig. 115. Schräger Querschnitt der Ventralseite. Pedalganglion fertig aus- 
gebildet. Vergr. 750. 

Fig. 116. Frontalschnitt der Ventralseite. Pedal- und Visceralganglien- 
anlage sichtbar. Vergr. 800. 

Fig. 117. Schnitt durch eine etwas ältere Anlage des Visceralganglions. 
Vergr. 800. 

Fig. 118. Schnitt durch ein ausgebildetes Visceralganglion. Vergr. 750. 


Tafel X. 


Fig. 119. Theil eines Frontalschnittes, die Wucherungsstelle zur Bildung 
des Pleuralganglions zeigend. Vergr. 800. 

Fig. 120. Dessgl. Älteres Stadium der Pleuralganglienanlage. Vergr. 750. 

Fig. 121. Frontalschnitt einer älteren Larve, die Lagebeziehungen sämmt- 
licher Ganglien aufweisend. Aus einigen Schnitten kombinirt. Vergr. 400. 

Fig. 122. Theil eines Querschnittes mit der Otocystenanlage. Vergr. 1150. 

Fig. 123. Dessgl., mit bereits abgeschnürter Otocyste. Vergr. 1150. 

Fig. 124. Schnitt durch das Pedalganglion, beiderseits die Otocysten auf- 
weisend. Vergr. 1150. 

Fig. 125. Stück eines Sagittalschnittes der Ventralseite, die histologische 
Beschaffenheit des Enddarmes und sein Verhältnis zur Herz-Nieren-Genitalanlage 
darstellend. Vergr. 800. 

Figg. 126—129. Stellen die hinteren Hälften von Sagittalschnitten durch 


136 Johannes Meisenheimer, 


junge Trochophoralarven dar. Die allmähliche Ausbildung des Enddarmes wie 
der Herz-Nieren-Genitalanlage zeigend. Vergr. 1150. 

Fig. 130. Sagittalschnitt durch eine junge Trochophoralarve. Vergr. 750. 

Fig. 131. Schnitt durch die Anlage von Magen und Leber. Vergr. 800. 

Fig. 132. Sagittalschnitt durch Magen, Krystallstielblindsackanlage und 
Dünndarm. Vergr. 800. 

Fig. 135. Längsschnitt durch den Krystallstielblindsack. Vergr. 750. 

Fig. 134. Frontalschnitt einer älteren Larve, die Verhältnisse des Mittel- 
darmes darstellend. Vergr. 430. 


Tafel XI. 


Fig. 135. Querschnitt der jungen Trochophoralarve, den Enddarm in der 
Längsrichtung treffend und die gesammte Anlage von Herz, Niere und Genital- 
organen zeigend. Vergr. 1150. 

Fig. 136. Theil des Frontalschnittes einer jungen Larve. Erste Differen- 
zirung von Herz und Niere. Vergr. 1150. 

Fig. 1357. Dessgl. Etwas älteres Stadium. Vergr. 1150. 

Fig. 138. Dessgl. Differenzirung der Nierenbläschen vollzogen. Aus zwei 
Schnitten kombiirt. Vergr. 1150. 

Figg. 139—141. Dessgl. Ringförmige Anordnung der Anlage von Herz und 
Perikard um den Enddarm. Vergr. 1150. 

Fig. 142. Dessgl. Beginn der Abspaltung des Perikards. Vergr. 1150. 

Fig. 145. Dessgl. Differenzirung von Herz und Perikard auf etwas älterem 
Stadium. Vergr. 1150. 

Figg. 144—146. Dessgl. Verschiedene Stadien der eben vollendeten Diffe- 
renzirung von Herz und Perikard. Fig. 144 aus zwei auf einander folgenden 
Schnitten kombinirt. Vergr. 1150. 

Fig. 147. Theil eines Querschnittes durch eine bereits festsitzende Muschel. 
Herz und Perikard wohl ausgebildet. Vergr. 1150. 

Fig. 148. Theil eines Frontalschnittes einer frei schwärmenden Larve mitt- 
leren Alters, die Verschmelzung der beiderseitigen Nierenbläschen zeigend. Aus 
zwei Schnitten kombinirt. Vergr. 1150. 


Tafel XII. 


Fig. 149. Theil des Frontalschnittes einer jüngeren Larve. Entstehung 
zweier Schenkel des Nierenbläschens. Vergr. 1150. 

Fig. 150. Dessgl. Bedeutende Größenzunahme dieser beiden Schenkel. 
Aus zwei Schnitten kombinirt. Vergr. 1150. 

Fig. 151. Dessgl., von einer älteren Larve. Die Nierenbläschen schieben 
ihren einen Schenkel ventral unter den Darm, um sich hier zu vereinigen. Vergr. 1150. 
Fig. 152. Schnitt durch den mittleren Theil der Niere. Vergr. 1150. 

Fig. 153. Schnitt durch Niere und Perikardialnierengang im hinteren Drittel 
ihres Verlaufes. 

Fig. 154. Querschnitt durch ein bereits festgeheftetes Stadium, die Ver- 
einigungsstelle der beiderseitigen Nierenhälften zeigend. Vergr. 750. 

Fig. 155. Querschnitt eines weit älteren Stadiums. Nierenausführgang 
völlig ausgebildet. Vergr. 200. 

Figg. 156, 157. Längsschnitte durch die Mündung des Perikardialnieren- 
ganges in das Perikard. Vergr. 800. 


5 


% 


Per 


Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. 137 


Fig. 158. Querschnitt einer bereits festsitzenden Muschel, die erste Diffe- 
renzirung der Genitalzellen in der Perikardwand zeigend. Vergr. 800. 

Figg. 159, 160. Theile eines ebensolchen Querschnittes, die Genitalanlage 
etwas weiter vorgeschritten zeigend. Vergr. 800. 

Fig. 161. Dessgl., die Genitalanlage beginnt sich vom Perikard loszu- 


lösen. Vergr. 800. 
Fig. 162. Dessgl., Genitalanlage vom Perikard losgelöst. Vergr. 800. 


Tafel XIII. 

Fig. 163. Kleiner T'heil eines Querschnittes einer älteren Muschel, die 
(Genitaldrüse im Längsschnitte zeigend. Vergr. 530. 

Fig. 164. Querschnitt eines noch älteren Stadiums, mit wohlentwickelter 
Keimdrüse. Vergr. 250. 

Fig. 165. Theil eines Sagittalschnittes aus der Gegend der Genitalanlage 
(vgl. hierzu Fig. 59 auf Taf. V). Vergr. 800. 

Fig. 166. Dessgl., älteres Stadium mit bereits losgelöster Keimdrüse. 
Vergr. 800. 

Fig. 167. Querschnitt eines sehr alten Stadiums. die Spaltung der Keim- 
drüse in zwei Hälften zeigend. Vergr. 200. 

Fig. 168. Frontalschnitt durch den vorderen Körpertheil, die Reduktion des 
Velums und das beginnende seitliche Auseinanderweichen der Scheitelgrube 
zeigend. Vergr. 400. 

Fig. 169. Querschnitt durch den vordersten Körpertheil eines bereits fest- 
sitzenden Stadiums. Beginnende Umwandlung der Scheitelgrube. Vergr. 400. 

Fig. 170, 171. Querschnitte durch den vordersten Körpertheil noch älterer 
Stadien, die Umwandlung der Scheitelgrube in die Mundlappen darstellend. 
Vergr. 400. 

Fig. 172. Theil eines Sagittalschnittes durch das Vorderende einer sich 
eben festsetzenden Larve, die Lage der Scheitelgrube und das Abwerfen des 
Velums darstellend. Vergr. 400. 

Fig. 173. Theil eines Sagittalschnittes durch das Vorderende einer bereits 
festsitzenden Muschel, mit bereits wohlentwickelten Mundlappen. Vergr. 400. 


iR 5 | u . An 


nu - i : i WIR ARM 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren, 
zugleich ein Beitrag zur Amitosenfrage. 
Von 


Julius Grofs 


aus Riga. 


. 


Mit Tafel XTIV—XVI und 4 Figuren im Text. 


Im Jahre 1895 erschien eine Arbeit von F. PrEusse£, »Über die 
amitotische Kerntheilung im Ovarıum der Hemipteren« 
(34). In dieser Schrift kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass 
im Ovarium der Hemipteren der amitotischen Kerntheilung eine her- 
vorragende regeneratorische Bedeutung zuerkannt werden müsse. 
Mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor H. E. ZIEGLER, ersuchte 
mich nun im Wintersemester 1898/1899, diese Befunde einer Nach- 
prüfung zu unterziehen. Ich kam dieser Aufforderung sehr gern nach 
und untersuchte eine größere Anzahl von Wanzen. Gelegentlich dieser 
Untersuchungen fand ich, abgesehen von der mich in erster Linie inter- 
essirenden Frage nach der Bedeutung der amitotischen Kerntheilung, auch 
sonst manches Neue oder von den bisherigen Ansichten Abweichende, 
das mir der Veröffentlichung werth schien. So kam ich dazu, meine 
vorliegende Arbeit in drei Theile zu zerlegen. Im ersten werden die 
einzelnen im Ovarium vertretenen Zellarten nach ihrer Herkunft, ihrer 
physiologischen Bedeutung und ihrem endlichen Schicksal besprochen ; 
der zweite behandelt die Bildung der Eischale und ihrer Anhangs- 
gebilde; der dritte endlich ist der Amitosenfrage gewidmet. 


Material und Methode. 


Meine Untersuchungen erstrecken sich auf folgende, während 
des Frühlings und Sommers 1899 gesammelte Arten: 


1. Pentatoma baccarum L. 4. Pentatoma fuscipinumBoh. 
2. - nigricorneL. 5. Graphosoma nigrolinea- 
3. - dissimile Fabr. tum Fabr. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 10 


140 Julius Groß, 


6. Eurygaster maurus L. 10. Alydus calcaratus L. 
7. Aelia pallida Küster. 11. Corizus hyoscyami L. 
8. Asopus bidens L. 12. Pyrrhocoris apterus L. 


9. Syromastes marginatusL. 13. HarpactorsubapterusDeG. 


Am eingehendsten konnte ich die Verhältnisse studiren bei Pen- 
tatoma baccarum, nigrieorne, dissimile, Syromastes marginatus, Pyrrho- 
coris apterus. Denn von diesen Arten hatte ich eine größere Zahl 
Exemplare aus verschiedenen Altersperioden zur Verfügung, von voll- 
kommen erwachsenen angefangen, die augenscheinlich bereits mit 
der Eiablage begonnen hatten, bis zu ganz jungen, im Spätsommer 
und Herbst eingefangenen Thieren, bei denen immer erst ein Eifach 
gebildet war. Von Pyrrhocoris apterus konnte ich auch noch zwei 
Larven untersuchen. Bei den übrigen Arten musste ich leider darauf 
verzichten, weil- es mir unmöglich gewesen wäre, die Larven sicher 
zu bestimmen. Von Graphosoma nigrolineatum hatte ich ein ziemlich 
weit entwickeltes und ein ganz junges Exemplar, von Corizus hyos- 
cyami neben mehreren jungen ein älteres. Eurygaster maurus, Aelia 
pallida und Pentatoma fusecipinum habe ich nur in jungen Exem- 
plaren erbeutet, Alydus calcaratus und Asopus bidens dagegen in 
mehreren, aber durchweg älteren Stadien. Von Harpaetor subapterus 
konnte ich nur ein Exemplar untersuchen; dieses befand sich in einem 
mittleren Stadium der Eientwieklung. 

Den gefangenen Thieren wurden die Ovarien herauspräparirt 
und dann möglichst schnell in die Fixirungsflüssigkeit gebracht. Als 
solche wurde nach einigen Versuchen mit koncentrirtem Sublimat, 
das starke Quellungen in den Geweben hervorrief, und FLEMMINnG’scher 
Chromosmiumessigsäure, welche den Dotter und gewisse Theile der 
Endkammer sehr stark schwärzte, durchgängig die vom RArTH’sche 
Pikrinplatinchloridessigsäure angewendet, die sich vortrefflich be- 
währte. Nach erfolgter Härtung wurden die Objekte in Paraffin ein- 
gebettet und geschnitten. Die Schnittdieke betrug 10 und 5 u. Letz- 
tere Dicke genügte vollkommen für alle Untersuchungen. 10 u dicke 
Schnitte erwiesen sich dagegen für kleinzellige Partien der Eiröhre 
als ungünstig, da man leicht zwei über einander liegende Zellen auf 
einen Schnitt bekommt. Nothwendig war dagegen die größere Dicke 
der Schnitte für alte Eier mit bereits starker Chitinschale, die natür- 
lich dem Schneiden große Schwierigkeiten bereitet, leicht in Stücke 
bricht und dabei das ;darüber liegende Follikelepithel mit zerreißt. 
Alle Versuche, das Chitin mit Eau de Javelle oder Eau de Labar- 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 141 


raque aufzuweichen, misslangen vollständig. Die Ovarien wurden 
entweder in toto, oder die einzelnen Eiröhren für sich geschnitten. 
Ich habe fast ausschließlich Längsschnittserien und nur einige Quer- 
schnittserien angefertigt, da erstere bei Weitem übersichtlichere und 
instruktivere Bilder geben. 

Sämmtliche Schnitte wurden auf dem Objektträger gefärbt. Von 
Tinktionsmitteln habe ich mehrere mit verschiedenem Erfolge ange- 
wandt. Hämatoxylin kombinirt mit Eosin (Lee-PAUL MAYER p. 205) 
färbte den Dotter hellroth. Das Zellplasma nahm einen mehr vio- 
letten Ton an. Das Kernplasma dagegen wurde hellblau, während 
das Chromatin sich ganz dunkelblau tingirte. 

Ähnliche Resultate ergab die Doppelfärbung mit Hämatoxylin 
und Safranin (LEE-PAUL-MAYER p. 20%), nur färbte sich bei dieser 
Methode das Chromatin sehr intensiv dunkelroth. Bei Anwendung 
des HEIDENHAIN’schen Eisenhämatoxylin (Zeitschr. f. wiss. Mikr. 13. Bd. 
p. 186) tingirte sich der Dotter recht stark, während das Zellplasma 
heller blieb. Das Kernplasma blieb bei dieser Färbung ganz farblos, 
das Chromatin dagegen wurde sehr dunkel, fast schwarz. Sehr in- 
tensiv schwarz färbte sich das Chromatin auch mit Kernsehwarz (LE£- 
PAauL MAyER p. 202), das den übrigen Zellbestandtheilen einen gelb- 
lichgrauen bis braunen Ton verlieh. Als am wenigsten geeignet 
erwies sich im Allgemeinen die von manchen Autoren gerühmte 
Kombination von Kernschwarz mit Safranin. Doch hatte diese 
Färbung den Vorzug, dass sie die Zellgrenzen sehr deutlich her- 
vorhob. 

Neben der Untersuchung auf Schnittserien, habe ich einige Mal 
für das Follikelepithel älterer Keimfächer auch die von PrEUSSE (34) 
angegebene Methode des Abpinselns angewandt. Doch kann ich 
nicht sagen, dass sie sich sehr bewährte. Denn erstens ist das 
Epithel für feinere Untersuchungen zu dick. Dann aber kann man, 
wie es PREUSSE auch passirt zu sein scheint, leicht dadurch getäuscht 
werden, dass zwei Kerne über einander liegen und desshalb eine ein- 
kernige Zelle vortäuschen. Die Untersuchung an Schnittserien ergiebt 
jedenfalls sicherere Resultate. Schließlich habe ich noch einige reife, 
dem Oviduct entnommene Eier in toto untersucht. 


I. Über die Differenzirung der einzelnen Elemente der Endkammer 
und ihre physiologische Bedeutung. 
Das Ovarium der Hemipteren ist bereits so oft und so eingehend 


beschrieben worden, dass ich das Allgemeine wohl als bekannt vor- 
10* 


142 Julius Groß, 


aussetzen kann. Ich will mich daher auf die Mittheilung dessen be- 
schränken, was mir neu erschien oder, worin ich von der Ansicht 
der bisherigen Autoren abweiche. Bei allen von mir untersuchten 
Arten besteht jedes Ovarium aus 7 Eiröhren. Die Zahl 7 scheint 
überhaupt bei den Wanzen sehr häufig zu sein, wenn auch zuweilen 
andere Zahlen vorkommen. So haben außer den von mir genannten 
Arten nach L£on Durour auch Coreus, Scutellera, Lygaeus, Cimex, 
Reduvius, Pelogonus, Corixa, Naucoris eimicoides 7 Eiröhren in jedem 
Ovarium, Notoneeta nach Frey und Leuckarr (13) 6 oder 7. Bei 
Nepa, Ranatra und Naucoris finden sich nach den übereinstimmenden 
Angaben der Autoren 5 Eiröhren. Für Hydrometra geben Frey und 
LEUCKART, für Aradus und Gerris LEoN Durour 4 Eiröhren an. 
Stimmen also alle von mir untersuchten Wanzen in der Zahl der 
Eiröhren überein, so zeigen sich in einer anderen Hinsicht große 
Verschiedenheiten. Bei Syromastes marginatus (Fig. 1) enthalten die 
Eiröhren älterer Thiere immer nur je ein in der Entwicklung weiter 
vorgeschrittenes Ei; das vor diesem gelegene ist noch ganz jung und 
augenscheinlich erst eben aus dem Keimlager in die eigentliche 
Eiröhre hinabgeglitten. Es ist klar, dass zur Zeit aus jeder Eiröhre 
in größeren Zwischenräumen immer nur ein Ei abgelegt werden kann. 
Ähnlich verhält es sich bei der Gattung Pentatoma (Fig. 2), bei Grapho- 
soma nigrolineatum und bei Alydus calcaratus. Doch steht bei diesen 
Wanzen das zweite Ei in seiner Entwicklung nicht so weit hinter 
dem ersten zurück. Und während das erste noch in der Eiröhre 
verweilt, ist oft bereits ein drittes aus dem Keimlager ausgetreten. 
Noch größer ist die Zahl der gleichzeitig in einer Eiröhre befindlichen 
Eier bei Asopus bidens (Fig. 3). Hier liegen eine ganze Anzahl Eikam- 
mern hinter einander. Es findet dabei ein ganz allmählicher Über- 
gang zwischen den auf einander folgenden Eiern statt. Das letzte kann 
schon vollständig reif und bereits mit Dotterhaut und Chorion versehen 
sein, während das vorderste erst eben begonnen hat, sich vom Keim- 
lager abzuschnüren. Hier geschieht also die Eiablage zur Zeit der 
Geschlechtsreife wohl ziemlich kontinuirlich eine längere Zeit hindurch. 
Bei Pyrrhocoris apterus (Fig. 4) endlich enthält jede Eiröhre ebenfalls 
immer eine größere Zahl von hinter einander liegenden Eikammern. 
Aber die meisten derselben zeigen ganz dieselbe Stufe der Entwick- 
lung. Bei ganz alten Thieren fand ich fünf oder sechs Eier mit be- 
reits fertig gebildetem Chorion in einer Eiröhre und nur die vordersten 
Eier waren wesentlich jünger. Bei der Feuerwanze bleiben also die 
Eier wahrscheinlich im Ovarium liegen, bis alle reif geworden sind 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 143 


und werden dann auf einmal abgelegt. Die Textfiguren 1—4 sollen 
das durch dieses verschiedene Verhalten bedingte Aussehen der 
Eiröhren bei den einzelnen Wanzenarten verdeutlichen. 


LE 
Hdarhehhien 
RN 


Zwecks Orientirung über die einzelnen Theile der Eiröhre ist 
in Fig. 1 auf Tafel XIV eine solche von Asopus bidens bei stärkerer 
Vergrößerung abgebildet. Wenn wir von vorn beginnen, sehen wir 
zuerst den Endfaden (ef). An diesen stößt die Endkammer (ek). 
Innerhalb derselben haben wir drei Bezirke zu unterscheiden. An 
der Spitze liegt eine Ansammlung kleiner Kerne (a). Auf diese folgt 


144 Julius Groß, 


der Bezirk der Nährzellen (2). In der Mitte weist er einen von 
Kernen freien protoplasmatischen Raum auf, der eine eigenthümliche 
fibrilläre Struktur erkennen lässt. Den dritten Abschnitt der End- 
kammer bildet das Keimlager (c). Es besteht aus kleinen Zellen, 
in deren Mitte die jungen Keimbläschen liegen. Die größeren der- 
selben stehen durch Stränge mit dem protoplasmatischen Raum des 
Nährzellenbezirkes in Verbindung. Auf das Keimlager folgen die 
einzelnen Eikammern. Am hinteren Ende der Eiröhre ist auch 
noch ein entleerter Follikel abgebildet. 

Ich wende mich nun zur Besprechung der interessanten und von 
verschiedenen Forschern sehr verschieden beurtheilten Frage nach 
der Herkunft und der morphologischen und physiologischen Bedeu- 
tung der verschiedenen in der Endkammer vereinigten histologischen 
Elemente. Bevor ich jedoch näher auf dieselbe eingehe, muss ich 
noch einen Theil des Insektenovariums einer gesonderten Betrach- 
tung unterziehen, nämlich den Endfaden. Diese Trennung empfiehlt 
sich, weil, wie wir sehen werden, letzteres Gebilde bei meinem Ma- 
terial eine große Selbständigkeit gegenüber der Endkammer be- 
hauptet, eine größere, als bisher für irgend ein Insekt sicher be- 
sründet worden ist. 

Die ersten Untersuchungen über die Endfäden des Insektenova- 
rıums verdanken wir JOHANNES MÜLLER (32). Er fand, dass die 
Endfäden bei den von ihm untersuchten Insekten sich an das Rücken- 
gefäß anheften und hielt sie desshalb für Gefäße, welche eine di- 
rekte Blutverbindung zwischen Ovarium und Rückengefäß herstellen. 
Diese Ansicht wurde später von Srem (40) und namentlich von 
Leyvıs (24) widerlegt, welche nachwiesen, dass die eigentlichen 
Endfäden innerhalb ihrer Peritonealhülle endigen, bevor sie das 
Rückengefäß erreichen, und dass sie also nur als Aufhängebänder 
der Ovarien zu betrachten sind. Das Historische über den Endfaden 
hat Korscneur (16) sehr eingehend dargelegt. Ich kann mich daher 
darauf beschränken, nur die für meine Untersuchung wichtigen Ar- 
beiten zu besprechen, besonders so weit sie nach der KORSCHELT- 
schen Schrift erschienen sind. Große Meinungsverschiedenheiten be- 
stehen noch über die Beziehungen 'zwischen dem Endfaden und dem 
eigentlichen Ovarium, und es ist wohl mehr als wahrscheinlich, dass 
sich diese Beziehungen in den verschiedenen Insektenklassen auch 
verschieden gestalten. 

Über die Hemipteren hat KorscHerr die eingehendsten Unter- 
suchungen angestellt. Er findet, dass bei Notonecta glauca, Nepa 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 145 


cinerea und Reduvius personatus die Kerne des Endfadens kontinuir- 
lich in die der Endkammer übergehen. Bei Pyrrhocoris apterus sah 
KoRSCHELT allerdings, dass sich die Tunica propria zwischen Endfaden 
und Endkammer hinzieht. Trotzdem nimmt er an, dass auch bei der 
Feuerwanze die beiden Theile von gleichem Ursprung seien. Schon 
ein Jahr vor KorscHELT hatte WırL (45) für Nepa und Notonecta 
angegeben, dass die Kerne des Endfadens als die jüngsten eibil- 
denden Elemente zu betrachten seien, welche in die Endkammer 
hinabwandern sollen. Auch SABATIER (37) meint, Endkammer und 
Endfaden hätten, wenigstens bei jungen Nymphen von Nepa, dieselbe 
Beschaffenheit. Nach Lanpors (21) sind auch bei der Bettwanze die 
Zellen der Endfäden gleichwerthig den Zellen der Endkammern. 
Diesen im Wesentlichen mit einander übereinstimmenden Angaben 
steht in der gesammten Litteratur, so weit sie mir zugänglich war, 
nur eine Behauptung von J. PEREZ (35) gegenüber. Er hält den 
Endfaden für einen atrophirten Abschnitt der Eiröhre, der 
mit der Eibildung nichts zu thun hat, und findet bei verschie- 
denen Hemipteren, dass Endfaden und Endkammer durch eine »trans- 
versale Scheidewand« von einander getrennt sind. 

Meine Beobachtungen über diesen Gegenstand ergaben mir fol- 
sendes Resultat: Bei sämmtlichen von mir untersuchten Wanzen 
bezeichnet die Tunica propria der Eiröhre eine scharfe Grenze 
zwischen Endfaden und Endkammer. Sie ist an keiner Stelle durch- 
brochen, sondern bildet eine durchaus kontinuirliche Scheidewand 
zwischen den beiden genannten Theilen der Eiröhre. Ist schon da- 
durch ein direkter Übergang zwischen den Kernen des Endfadens 
und der Endkammer ausgeschlossen, so ist ein solcher auch noch 
desswegen nicht denkbar, weil die Elemente dieser beiden Partien 
des Ovariums sich sehr wesentlich von einander unterscheiden. Der 
Endfaden ist zum größten Theil erfüllt von großen, blasigen Zellen, 
deren Plasma sich gegen alle von mir angewandten Farbstoffe gänz- 
lich indifferent verhält und daher vollkommen wasserhell erscheint. 
Die Zellen enthalten, im Verhältnis zum Plasmakörper, recht kleine 
Kerne, die sich nur schwach mit Kernfärbemitteln tingiren und einen 
kleinen, punktförmigen Nucleolus umschließen. Der Endfaden ge- 
währt also ein ganz anderes histologisches Bild als die ihm benach- 
barte Spitze der Endkammer, welche von Kernen erfüllt ist, die 
an Größe und Färbbarkeit die Kerne des Endfadens weit übertreffen. 
Die Kerne der Endkammer stehen zudem dicht gedrängt und lassen 
das zugehörige Zellplasma stark zurücktreten. Sie sollen weiter unten 


146 Julius Groß, 


genauer beschrieben werden, hier nur so viel, dass sie mit den Kernen 
des Endfadens gar nicht zu verwechseln sind, sondern sich auf den 
ersten Blick deutlich von ihnen unterscheiden. Doch nicht genug 
hiermit, zeigt der Endfaden gerade an seinem hinteren, an die End- 
kammer grenzenden Ende eine auffällig veränderte Partie, deren 
eigenthümliche Struktur den Gegensatz zwischen Endfaden und End- 
kammer noch schärfer hervortreten lässt und jeden Gedanken eines 
allmählichen Überganges zwischen beiden vollends ausschließt. Hier 
zeigt sich bei allen von mir untersuchten Arten, mit einer einzigen, 
später zu besprechenden Ausnahme, zwischen der Endkammer und 
den oben beschriebenen blasigen Zellen des Endfadens eine Partie 
von ganz anderem histologischem Charakter. Dieser Anfangstheil 
des Endfadens besteht aus schmalen, spindelförmigen Zellen, die quer 
zur Achse der Eiröhre gestellt sind und sich scharf gegen die vorhin 
erwähnten blasigen Zellen abheben (Figg. 2, 3, 4). Gegen Farbstoffe 
verhalten sie sich eben so indifferent wie die übrigen Zellen des 
Endfadens. Ihre blassen Kerne sind, wie die zugehörigen Zellen, 
quer verlängert. Die Tunica propria des Endfadens ist an dem An- 
fangstheil des Endfadens besonders stark und erscheint quergeringelt, 
wie dieses KorscHELT (16) auch für Reduvius personatus angiebt. 
Die beschriebene Partie mit den spindelförmigen Zellen stößt nach 
hinten an die Tunica propria der Endkammer, nach vorn folgen auf 
sie, gänzlich unvermittelt, die blasigen Zellen des Endfadens. Bei 
sieben meiner Arten, nämlich bei den vier untersuchten Vertretern 
der Gattung Pentatoma, bei Eurygaster maurus, Aelia pallida und 
Corizus hyoseyami, ist der Anfangstheil des Endfadens von einer An- 
häufung von Zellen umgeben, welche den Raum zwischen Peritoneal- 
überzug und Endkammerspitze ausfüllen und letzterer in Gestalt 
einer Kappe aufsitzen. Bei geschlechtsreifen Thieren färben sich diese 
Zellen nur sehr schwach und erscheinen etwas blasig aufgetrieben 
(k in Fig. 5). Sie sind also den Zellen des Endfadens sehr ähnlich. 
Bei ganz jungen Thieren gleicht diese Kappe dagegen in ihrem histo- 
logischen Charakter auffallend der Spitze der Endkammer, wie ein 
Blick auf Fig. 4 zeigt. Höchstens färben sie sich etwas schwächer. 
Bei alten Thieren ist die Kappe viel flacher als bei jungen Exem- 
plaren. Den Arten Syromastes marginatus, Pyrrhocoris apterus, Aso- 
pus bidens und Alydus calcaratus fehlt diese Zellenanhäufung um 
den Endfaden, eben so bei erwachsenen Exemplaren von Graphosoma 
nigrolineatum. Bei jungen Thieren letzterer Art ist sie dagegen inter- 
essanter Weise ganz besonders deutlich ausgebildet (Fig. 4). Ich 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 147 


muss sie nach ihrem ganzen histologischen Bau unbedingt für einen 
Theil der Endkammer selbst ansprechen, welcher bei der Bildung 
der Tunica propria abgekapselt wird, also außerhalb der eigentlichen 
Eiröhre zu liegen kommt. Sie kann sich daher auch nicht an den 
sich in letzterer abspielenden histologischen Vorgängen betheiligen 
und geht zu Grunde, wie bei Graphosoma, oder verliert wenigstens, 
wie bei Pentatoma und den anderen genannten Arten, ihren ursprüng- 
lichen Charakter. Ob diese Zellanhäufung oder Zellenkappe auf 
der Spitze der Endkammer bei Syromastes und den andern sich 
eben so verhaltenden Arten überhaupt fehlt, oder ob sie in noch jün- 
seren als in den von mir untersuchten Thieren vorhanden ist, wage 
ich nicht zu entscheiden. Bei Pyrrhocoris war jedenfalls auch bei 
einer noch recht jungen Larve nichts Derartiges zu bemerken. Bei 
Harpactor subapterus fehlt sowohl die Zellenkappe, als auch der von 
ihr umschlossene charakteristische Anfangstheil des Endfadens. Fig. 5 
lässt erkennen, wie die blasigen Zellen des Endfadens direkt an die 
Tunica propria der Endkammer stoßen, welche auch hier eine scharfe 
Scheidewand zwischen Endfaden und eigentlicher Eiröhre bildet. 
Leider stand mir nur ein Exemplar dieser in der Umgebung von 
Jena seltenen Wanze zu Gebote. Harpactor subapterus zeichnet sich 
ferner dadurch aus, dass die Endkammer sich sehr allmählich nach 
vorn verjüngt. Ro: 

Die eigenthümliche Beschaffenheit des Endfadens, wie ich sie 
bei zwölf Wanzenarten fand, ist bisher für keine Hemiptere genau 
beschrieben worden. Ich weiß daher nicht, wie weit ich meine Be- 
funde verallgemeinern darf. Immerhin sprechen einige Andeutungen 
in der Litteratur dafür, dass auch bei anderen Wanzen der Anfang 
des Endfadens besonders charakterisirt ist. So beschreibt KORSCHELT 
(16) Querfasern an der Basis des Endfadens von Notonecta glauca, 
Nepa cinerea und Ranatra linearis. Auch WıLr (45) giebt ganz kurz 
an, dass der Endfaden bei Nepa und Notonecta an seiner Basis eine 
etwas andere Struktur zeigt. Sollten diese »queren Faserzüge« 
und diese »andere Struktur« nicht vielleicht dasselbe sein, wie 
die quergestellten spindelförmigen Zellen meiner Darstellung? Nehme 
ich dazu, dass KoRSCHELT die eigenthümliche Bildung des Anfangs- 
theiles bei Pyrrhocoris, wo sie allerdings nicht sehr deutlich ist, 
jedenfalls übersehen hat, so scheint es mir sehr wahrscheinlich, dass 
sie auch bei den von ihm und WırL beschriebenen Wasserwanzen 
vorhanden ist. 

Datür, dass auch bei anderen Insekten die Basis des Endfadens 


148 Julius Groß, 


eine besondere und der von mir beschriebenen ähnliche Beschaffen- 
heit aufweist, habe ich zwei interessante Belege in der Litteratur 
gefunden. So meint Heymons (14) für Phyllodromia germanica, es 
sei unwahrscheinlich, dass der Endfaden an der Produktion von 
Eizellen oder Epithelzellen der Eiröhre Theil nimmt, »weil seine un- 
tersten Zellen immer ihren queren Charakter behalten«. 
Noch besser passt zu meiner Darstellung folgende Mittheilung Ley- 
pıG’s (25) über den Endfaden von Dytiscus marginalis: »Vor der 
Endkammer richteten sich die Kerne quer, standen dicht 
sedrängt und die dazu gehörige Zellsubstanz hatte leichte 
Abgrenzungen angenommen, wodurch zellige Bezirke ent- 
standen. Diese Partie hob sich scharf gegen die End- 
kammer ab.« Welche physiologische Bedeutung der Anfangstheil 
des Endfadens hat, muss ich dahin gestellt sein lassen. Sichere Aus- 
kunft darüber können wohl nur Beobachtungen am frischen Material 
geben. Da ich aber beim Beginn meiner Arbeit mein Hauptaugen- 
merk auf die Kerntheilung richtete, fielen mir die geschilderten Ver- 
hältnisse erst beim Durchmustern meiner Schnittserien im Winter auf, 
als es mir nicht mehr möglich war, frisches Material zu beschaffen. 
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die spindelförmigen Zellen 
sich bei jungen Thieren über einen größeren Bezirk des Endfadens 
erstrecken als bei geschlechtsreifen. Sollten wir es also vielleicht 
mit einem embryonalen oder wenigstens larvalen Charakter zu thun 
haben, der im Laufe der Entwicklung schwindet? 

Über die verschiedenen Elemente des Insektenovariums ist im 
Laufe der Jahre eine umfangreiche Litteratur entstanden, seitdem 
STEIN (40) im Jahre 1847 die ersten genaueren Angaben veröffent- 
licht hat. Das Ergebnis der Sreıiw’schen Arbeit lässt sich kurz dahin 
zusammenfassen, dass nach seiner Ansicht aus einer gleichartigen 
Zellenmasse, sowohl Eier, als auch Dotterbildungs- oder Nährzellen 
hervorgehen. Diese von Stein bei Käfern gefundenen Resultate 
bestätigte später LuUBBock (26) auch für die Hemipteren. Ihm schloss 
sich CLaus (4) an und erweiterte die LugBock’schen Angaben noch 
dahin, dass auch die Zellen, welche später das Epithel der Eifollikel 
bilden, denselben Ursprung haben wie die Ei- und Dotterzellen. Auch 
WEISMANN (45) kam auf Grund embryologischer Thatsachen zu dem- 
selben Resultat. LEyviG (24) trat dieser Anschauung mit Entschieden- 
heit entgegen und nahm für die Epithelzellen eine &esonderte Ent- 
stehung in Anspruch. Ungefähr gleichzeitig mit ihm hatte auch 
METSCHNIKOFF (30) als Resultat einer embryologischen Arbeit mit- 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 149 


getheilt, dass bei Cecidomyia die Epithelzellen anderen Ursprungs 
seien als die Nährzellen und Eizellen. Eine ganz neue Auffassung 
über die Eibildung bei den Insekten brachte dann Wırr’s Arbeit über 
»Bildungsgeschichte und morphologischen Werth des Eies 
von Nepa cinerea L. und Notonecta glauca L.« (45). WıLL 
nimmt an, dass sowohl Nähr- als Epithelzellen innerhalb großer Kerne, 
die die Endkammern jugendlicher Thiere erfüllen, und die er »0o- 
blasten« nennt, entständen und dann durch Ruptur der Membran 
aus dem Kern austräten. Der zurückbleibende Theil des Ooblasten 
bilde dann eine neue Membran und werde zum Keimbläschen. Ganz 
ähnliche Vorgänge beschrieb dann SABATIER (37) für eine große Zahl 
von Insekten. Auch PEREz (35) erklärte sich für die Entstehung 
der verschiedenen Elemente durch endogene Zellbildung. Doch weicht 
er von WILL und SABATIER darin ab, dass er alle drei Arten von 
Kernen, also auch die Keimbläschen, als Schwesterzeilen in einer 
gemeinsamen Mutterzelle entstehen lässt. Die Membran dieser Zelle 
reißt dann und alle drei Kernarten werden frei. Die Ooblasten- 
theorie WıLr’s, die einen im ganzen Thierreich einzig dastehenden 
Modus der Zellbildung behauptete, wurde sofort von WIELOWIEJSKI (44) 
scharf angegriffen und dann von KorscHeErr (16), der die Herkunft 
der die Endkammer zusammensetzenden Zellen sehr sorgfältig an 
vielen Insektenarten studirte, definitiv widerlegt. Seit den Unter- 
suchungen KorRscHELT’s kann die ältere, wie wir gesehen haben, 
zuerst von CLAus vertretene Ansicht, dass die verschiedenen Elemente 
der Eiröhren: Eier, Nährzellen und Epithel aus gleichartigen indiffe- 
renten Zellen hervorgehen, welche den Inhalt jugendlicher Eikammern 
bilden, als allgemein angenommen betrachtet werden. Selbst LEyYDiIg, 
der Anfangs den Epithelzellen eine besondere Entstehung zuerkannte, 
hat in einer späteren Arbeit diese Einschränkung aufgegeben. Da- 
gegen hat in neuerer Zeit Hrymons (14) auf Grund embryologischer 
Studien über Phyllodromia germanica mitgetheilt, dass die Urgenital- 
zellen nur den Ei- und Nährzellen den Ursprung geben, während die 
Epithelzellen unabhängig von ihnen aus der Dorsalwand der Cölom- 
säckchen entstehen. Er hat also die alte Levypıc’sche Ansicht wieder 
zur Geltung gebracht. Doch will er selbst seine Befunde nicht ver- 
allgemeinern und meint, bei höheren Insekten könnte immerhin die 
Differenzirung ursprünglich gleichartiger Mesodermzellen zu Ei-, Nähr- 
und Epithelzellen erst in sehr späten Entwicklungsstadien vor sich 
gehen. 

Da ich nun unter meinem Material eine ganze Anzahl von Thieren 


150 Julius Groß, 


mit sehr jugendlichen Eiröhren und von Pyrrhocoris auch einige Larven 
besitze, so habe ich auch diese Frage in den Kreis meiner Unter- 
suchungen gezogen. Ältere Ovarien sind für diese Beobachtungen 
ganz ungeeignet und können sehr leicht falsche Resultate veranlassen. 
In ganz jungen Eiröhren, die eigentlich nur aus der Endkammer be- 
stehen, fällt vor allen Dingen auf, dass die kleinen Kerne an der 
Spitze einen viel größeren Bezirk einnehmen, als in den Endkammern 
geschlechtsreifer Thiere. Doch folgt auf sie schon eine beträchtliche 
Zahl vergrößerter, also bereits in Nährzellkerne umgewandelter Kerne. 
Auch der protoplasmatische Raum ist schon vorhanden; und in ihm 
trifft man bereits in Auflösung begriffene Nährzellkerne. Auch war 
schon bei der jüngsten untersuchten Larve ein allerdings noch im 
Keimlager befindliches Ei zu ansehnlicher Größe herangewachsen und 
durch einen dieken Dotterstrang mit dem centralen Raum der End- 
kammer verbunden. Zwischen den Nährzellen liegen hier und da 
junge Keimbläschen; ihre Zahl nimmt gegen das Keimlager hin zu. 
Sie heben sich scharf von den Nährzellkernen ab. Ihr Kernplasma 
erscheint wasserhell; das gesammte Chromatin ist im Centrum des 
Kernes zusammengeballt. Unter sehr starken Linsen erscheint dieser 
Chromatinballen als eine Anhäufung durch einander gewirrter, sehr 
dunkel gefärbter Fäden. Dass die beschriebenen Kerne wirklich 
Keimbläschen sind, geht hervor aus der Vergleichung mit den im 
Keimlager gelegenen Eikernen. Hier lassen sich von vorn nach hinten 
alle Übergänge finden von den kleinen Kernen mit sehr stark tingirtem 
Chromatin bis zu ansehnlichen, bereits von deutlichen Plasmahöfen 
umgebenen Kernen mit den blassen Chromatinschleifen, wie sie für 
die reifenden Eikerne der Arthropoden charakteristisch sind. Im 
Keimlager bilden die jüngsten Keimbläschen eine Lage am vorderen 
Ende (Fig. 6) direkt hinter den Nährzellen, so dass sie bloß hinten 
von den kleinen Zellen des Keimlagers begrenzt werden. Weiter 
nach hinten, eingebettet in das Keimlager, finden sich etwas ältere 
Stadien, die bereits von einem kleinen Plasmahof umgeben sind. 
Diese Höfe, wie auch die von ihnen umschlossenen Kerne selbst, 
nehmen an Größe rasch zu, je weiter sie von den Nährzellen ent- 
fernt liegen. Sehr bald treten sie auch durch Dotterstränge in Ver- 
bindung mit dem centralen, protoplasmatischen Raum der Endkammer. 
Die im vorderen Abschnitt der Endkammer gelegenen Keimbläschen 
sind zweifellos, wie die meisten Autoren annehmen, gleichen Ursprungs 
wie die Nährzellkerne. Das ist ja bereits durch embryologische Be- 
funde direkt festgestellt. Dagegen glaube ich, dass die im Keimlager 


befindlichen Eikerne nicht an ihrer Ursprungsstelle liegen. Ich nehme 
vielmehr an, dass auch sie sich im vorderen Theil der Endkammer 
aus indifferenten Kernen herausdifferenzirt haben und erst nachträg- 
lich in das Keimlager hinabgewandert sind. Denn die jüngsten Ei- 
kerne im Keimlager liegen jedes Mal an der Spitze derselben, oder 
richtiger an der Grenze zwischen Keimlager und Nährzellen 
(Fig. 6). Die bereits rings von den kleinen Zellen des Keimlagers 
umgebenen Keimbläschen besitzen dagegen immer schon einen deut- 
lichen Protoplasmahof, erweisen sich also als weiter entwickelt. Be- 
säßen nun die kleinen Kerne des Keimlagers eben so wie die Nähr- 
zellkerne die Fähigkeit, sich in Keimbläschen umzuwandeln, so müsste 
man doch annehmen, dass auch hier und da im Keimlager ganz junge 
Eikerne anzutreffen sind. Dieses ist aber, wie gesagt, nicht der Fall, 
sondern je weiter nach hinten die Keimbläschen gelegen sind, um 
so größer und weiter vorgeschritten in der Entwicklung sind sie. 
Ich glaube daher, dass die kleinen Zellen des Keimlagers lediglich 
das Epithel der Follikel zu liefern haben. Ich schließe mich also 
der älteren Levpıg’schen Ansicht an, dass die Epithelzellen anderen 
Ursprungs sind, wie die Ei- und Nährzellen. Ich bin desshalb auch 
nicht ganz mit Hevmons (14) einverstanden, wenn er die Ergebnisse 
Seiner Untersuchungen über die Embryonalentwicklung von Phyllo- 
dromia auf die Orthopteren beschränkt und meint, dass für höhere 
Insekten ein gleichartiger Ursprung der drei Zellarten angenommen 
werden müsse. Auch hat ja bereits METSCHNIKOFF (30) gezeigt, dass 
bei Cecidomyia, also einer Diptere, den Epithelzellen eine besondere 
Entstehung zukommt. Mit KorscHELr (16) kann ich ebenfalls nur 
in so fern übereinstimmen, dass Nähr- und Eizellen einerlei Ursprungs 
sind, dagegen muss ich ihm, wie gesagt, widersprechen, wenn er 
meint, dass die Eikerne bei den Wanzen aus den am Grunde der 
Endkammer angehäuften kleinen Kernen hervorgehen. KORSCHELT 
ist zu diesem Ergebnis wohl nur gekommen, weil er keine genügend 
Jungen Stadien besaß, und desshalb die Keimbläschen immer nur im 
Keimlager und nie im vorderen Abschnitt der Endkammer antraf. 

Mit der Ausbildung der drei mehrfach genannten Zellarten ist 
aber die Differenzirung der verschiedenen das Ovarium zusammen- 
setzenden Elemente noch nicht vollendet. Sowohl unter den Nähr- 
zellen, als auch unter den Follikelzellen macht sich noch eine weitere 
Arbeitstheilung geltend. Nicht alle Nährzellen machen die charak- 
teristischen Veränderungen durch, welche in dem Abschnitt über Ami- 
tose genauer besprochen werden sollen, und welche die schließliche 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 151 


152 Julius Groß, 


Auflösung derselben zu Nährsubstanzen für die reifenden Eier her- 
beiführen. Ein Theil derselben, und zwar die an der Peripherie ge- 
legenen, erleiden dagegen eine ganz andere Umwandlung, und haben 
auch eine wesentlich andere Funktion als ihre Schwesterzellen. Sie 
ordnen sich nämlich zu einem den vorderen Abschnitt der Endkammer 
umgebenden Epithel an. Ein solches ist zuerst von Huxrey (15) für 
die kleine Nährkammer der Aphiden beschrieben worden. Nach 
SCHNEIDER (38), den ich nach KoRSCHELT eitire, soll die Endkammer 
verschiedener Insekten aus einer dünnen Epithellage und den Dotter- 
zellen bestehen. Korschenr (16) findet bei den von ihm untersuchten 
Hemipteren, dass die Wand der ganzen Endkammer mit flachen, 
jugendlichen Kernen besetzt ist, die unmittelbar unter der Tunica 
propria liegen. Bei Ranatra lagern sich diese Kerne an der Spitze 
der Endkammer in Art eines zweischichtigen Epithels, das sich nach 
unten zu in eine einfache Lage weiter aus einander liegender Kerne 
fortsetzt. Jedenfalls aber beschreibt und zeichnet KoRSCHELT immer 
nur Lagen von Kernen ohne Zellgrenzen und kein eigentliches Epi- 
thel. So wie KoRSCHELT es darstellt, liegen die Verhältnisse bei den 
von mir untersuchten Hemipteren nur in ganz jungen Stadien. Fig. 4 
zum Beispiel stimmt in dieser Beziehung vollkommen mit den Kor- 
SCHELT’schen Abbildungen überein. Später aber ändert sich das Bild 
wesentlich. Die Kerne haben sich mit distinkten Plasmahöfen um- 
geben, die durch deutliche Zellgrenzen von einander geschieden sind. 
Die Außenwand der Endkammer wird jetzt also durch ein sehr deut- 
liches, ganz dünnes Plattenepithel gebildet. Dieses Epithel gleicht 
vollkommen dem von Huxrey (15) Taf. 36, Fig. 1 abgebildeten von 
Aphis Pelargonii. Nur am Gipfel der Endkammer, also dort, wo sie 
an den Endfaden stößt, besteht das Epithel aus hohen Cylinderzellen. 
Hier liegen die Zellen also viel dichter. Gleichzeitig mit der defini- 
tiven Ausbildung des Epithels ist noch eine andere Veränderung an 
den wandständigen Kernen aufgetreten. Sie haben ihre Färbbarkeit 
stark eingebüßt und tingiren sich nur noch ganz schwach; ihr Zell- 
plasma ist sogar ganz wasserhell geworden. Solche Epithelzellen 
sind auf Figg. 36 und 37 und für die Spitze der Endkammer auf 
Fig. 5 dargestellt. Bei noch älteren Ovarien macht sich dann noch 
cine interessante Veränderung geltend. In dem größten Theil der 
Eikammer verschwindet das Epithel wieder, und nur an der Spitze 
bleiben die Cylinderzellen erhalten (Fig. 2 und 3). Solche Stadien 
haben offenbar Wırr (45) vorgelegen, wie aus folgender Stelle her- 
vorgeht: »Die der Insertionsstelle des Endfadens benach- 


A i 
ne 


barten Kerne haben um sich einen Zellleib von eben so 
slashellem Protoplasma abgegrenzt und lagern sich an 
der Oberfläche des spitzen Endfachendes in der Art eines 
Epithels an einander.< Man könnte nun vielleicht auf den Ge- 
danken kommen, die Kerne und das Plasma der Epithelzellen hätten 
wieder ihre frühere Beschaffenheit angenommen und die Zellgrenzen 
seien wieder verschwunden. Doch glaube ich vielmehr, dass die 
Epithelzellen wirklich zu Grunde gegangen sind. Jedenfalls hatte 
ich auf meinen Präparaten oft den Eindruck, als ob zwischen der 
Tunica propria und den Nährzellkernen noch die leeren Räume zu 
bemerken wären, in denen früher die Epithelzellen lagen. Letztere 
haben eben ihre Pflicht erfüllt und sind zu Grunde gegangen. Damit 
komme ich auf die physiologische Bedeutung dieses Epithels. Ich 
glaube nämlich, dass es die Matrix der Tunica propria darstellt. 
Dafür spricht besonders Folgendes. Auf meinen Schnitten ist es mir 
oft passirt, dass die Tunica propria sich von der Endkammer loslöst. 
In allen solchen Fällen aber ist ohne Ausnahme das Epithel an der 
Tunica propria hängen geblieben. Es wird hier also eine Arbeits- 
theilung eingetreten sein, indem einige Nährzellen die eben genannte 
Funktion übernommen und bei deren Ausübung ihren histologischen 
Charakter vollkommen verändert haben. Merkwürdig bleibt es, dass 
an der Spitze der Endkammer die Epithelzellen so viel länger er- 
halten bleiben. Vielleicht ist hier die Tunica propria besonders stark 
und dauert daher ihre vollkommene Ausbildung länger. Hier bethei- 
ligen sich ja auch auf demselben Raum mehr Zellen an diesem Ge- 
schäft als in der übrigen Endkammer. 

Auch von den Zellen des Keimlagers nimmt ein Theil frühzeitig 
eine besondere Beschaffenheit an. Zwischen den einzelnen hinter 
einander liegenden Keimbläschen liegen Gruppen von Zellen, welche 
durch langgestreckte spindelförmige Gestalt auffallen. Durch diese 
Zellgruppen hindurch treten die Dotterstränge an die Keimbläschen 
heran. Wenn das junge Ei in die eigentliche Eiröhre hinabrückt, 
umgeben von einer mehrschichtigen Zelllage, die seinen Follikel zu 
bilden hat, werden die spindelförmigen Zellen mitgenommen und 
bilden die von KorscHeur (18) beschriebenen Scheidewände zwischen 
je zwei Eikammern. Die Zellen strecken sich dabei immer mehr in 
die Länge und nehmen schließlich einen bindegewebigen Charakter 
an. Ein Vergleich der Figg. 7, 8 und 9, welche die Scheidewände 
an drei verschieden alten Eikammern von Syromastes marginatus 
darstellen, zeigt die Veränderungen, die diese Gewebstheile im Laufe 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 153 


154 Julius Groß, 


der Entwicklung erleiden. Anfangs sind die Scheidewände noch vom 
Dotterstrang des nächstfolgenden Eies durchbohrt (Fig. 7). Nach 
dem Obliteriren der Dotterstränge lassen sich an den Scheidewänden 
noch ihre früheren Durchgangswege erkennen, indem hier das Ge- 
webe eine lockerere Beschaffenheit zeigt. Die Scheidewände sind 
bei meinen Arten nur kurz, am längsten noch bei Syromastes mar- 
ginatus; sie erreichen nie die bedeutende Länge, welche ihnen bei 
einigen von KORSCHELT untersuchten Wanzen zukommt. 

Wie die Entstehung, so ist auch die physiologische Bedeutung 
und das spätere Schicksal der Nährzellen und Follikelzellen ver- 
schieden. Die Nährzellen verfallen einer vollständigen Auflösung, 
und ihre Zerfallsprodukte bilden den protoplasmatischen Raum der 
Endkammer. Dieser zeigt eine schon oft beschriebene eigenthümlich 
streifige, oder fibrilläre Struktur, über deren Aussehen v. WIELOWIEJSKI 
ganz treffend bemerkt: »Man könnte dieselben bisweilen mit 
den Faserzügen der Insektenganglien verwechseln.« Aus 
dem centralen Raum der Endkammer treten die Dotterstränge an die 
jungen Keimbläschen. Diese Stränge durchsetzen auch noch das 
Epithel jüngerer Eikammern; besonders weit in die Eiröhre hinab 
reichen sie bei Pyrrhocoris apterus. Auch auf die Dotterstränge 
setzen sich die fibrillären Züge des centralen Theiles der Endkam- 
mer fort. Ich denke mir die Entstehung der eigenthümlichen streifigen 
Struktur folgendermaßen: Wir haben uns die Endkammer vorzustellen 
als erfüllt mit einer halbflüssigen, aus den zerfallenen Nährzellen ge- 
bildeten Substanz, welche dazu bestimmt ist, den jungen Eiern als: 
Nährmaterial zu dienen, und ihnen die für die Bildung des Nahrungs- 
dotters nöthigen Stoffe zu liefern. Die Substanz ist daher in einer 
regen Strömung gegen das Keimlager hin begriffen. In dieser fließen- 
den Masse mögen nun aber auch Partikel von zäherer Konsistenz vor- 
handen sein, die noch nicht völlig verflüssigt sind. Diese Partikel 
werden, von der Strömung ergriffen, zu ganz langen Fäden ausgezogen 
und erzeugen so das fibrilläre Aussehen, das sich auch auf die Dot- 
terstränge erstreckt und erst aufhört, wo letztere in die zugehörigen 
Eier eintreten, also wo die fließende Bewegung zur Ruhe kommt. 
Verfehlt scheint mir die Auffassung v. WIELOWIEJSKTS. Dieser Autor 
meint (44), die jungen Eizellen trieben Ausläufer nach oben in die. 
Endkammer, »wo sie die beschriebene helle faserige Substanz 
ausmachen, welche somit gar nichts Anderes darstellt, als 
einen Komplex dieser Ausläufer einzelner Eizellen — die- 
ser sonst bei Aphiden bekannten Dottergänge —, derem 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 155 


jeder an seinem dem Ei entgegengesetzten Ende pinsel- 
förmig zerfasert wird und auf diese Weise zwischen den 
Elementen der Endkammer Wurzel schlägt«. Dieser Ansicht 
widersprechen vollkommen die Verhältnisse bei jungen Eiröhren. 
Denn man findet auch bei Larven schon den fibrillär gestreiften cen- 
tralen Raum in größerer Ausdehnung, wenn erst ganz wenige Keim- 
bläschen Dotterstränge "besitzen, und auch diese nur ganz dünne. 
Diese schwachen Stränge können aber unmöglich in der von v. WIE- 
LOWIEJSKI angegebenen Weise die umfangreichen Faserzüge des cen- 
tralen Raumes gebildet haben. Eigenthümlich ist es, dass in der 
Endkammer von Notonecta glauca nach KorschHeErr (16) die fibrilläre 
Struktur fehlt; vielleicht ist bei dieser Wasserwanze die Nährsubstanz 
im protoplasmatischen Raum besonders dünnflüssig. 

Während also die Nährzellen einer vollkommenen Auflösung 
verfallen und ihr gesammtes Material an die reifenden Eizellen ab- 
geben, fällt den Follikelzellen vielmehr vornehmlich die Aufgabe zu, 
die Eischale zu bilden. Vor der Bildung des Chorions betheiligt sich 
aber auch das Follikelepithel an der Produktion von Dotter; nur 
geschieht dieses im Gegensatz zu den Nährzellen auf sekretorischem 
Wege. Diese Thätigkeit jüngerer Follikelzellen ist schon von STEIN 
(40) richtig erkannt worden, und durch die Untersuchungen BRANDT’s 
(3), KorscHeur’s (19) und DE Bruyxe’s (8) gegen jeden Zweifel sicher- 
gestellt. Meine Ergebnisse stimmen in dieser Hinsicht vollkommen 
mit denen der KorscHEnT’schen Arbeit überein: Auch glaube ich, 
wie KoRScHELT, dass der Eikern selbst bei der Umwandlung der 
von den Nähr- und Epithelzellen gelieferten Substanz in Dotter 
eine wichtige Rolle spielt. Dagegen möchte ich ihm doch nicht eine 
so große Aktivität zuschreiben, wie es DE Bruyne thut. Nach die- 
sem Forscher soll der Dotter des jungen Eies. Pseudopodien — gros- 
siers lobopodes — nach der Richtung der Endkammer aussenden 
und wie eine Amöbe die Nährzellen umfassen. Die Eizelle verhält 
sich also, wie DE BRUYNE erklärt, wie eine echte Phagocyte. An 
dem Ausstrecken der Pseudopodien betheiligt sich auch das Keim- 
bläschen und umfasst seinerseits die Kerne der Nährzellen. De 
BruynE macht ferner darauf aufmerksam, dass die jungen Keimbläs- 
chen durch ihren geringen Gehalt an Chromatin auffallen. Später 
sollen sie sich damit bis zum Überfluss bereichern und zwar durch 
Absorption des Chromatins der Nährzellkerne. Auch Follikelzellen 
sollen sich auflösen und dem Ei zur Nahrung dienen. Sie fließen 


nach DE Bruyxe in das Ei; ihr Cytoplasma verschmilzt schnell mit 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. ul 


156 Julius Groß, 


dem Dotter, während die Kerne noch lange erkennbar bleiben, schließ- 
lich aber von dem amöboiden Keimbläschen umfasst und in das In- 
nere desselben aufgenommen werden. Ganz klar ausgeprägt fand 
DE BRUYNE diese eigenthümlichen Vorgänge unter den vielen von 
ihm untersuchten Insekten nur selten, siebenmal bei Dytiscus und ein- 
- mal bei einem Carabus. Meist bemerkte er, dass eine Anzahl Kerne in 
das Ei eintreten und sich dort langsam auflösen, wobei ihr Chromatin 
in den Dotter diffundirt und ganz fein vertheilt in das Keimbläschen 
gelangt. De BruynE nennt die beschriebene Thätigkeit des Keim- 
bläschens »Caryophagie« und bezeichnet den Eikern selbst in Folge 
dessen als »Phagocaryon«. 

Nun sind ja die Kerne der Insekteneier, wie die Beobachtungen 
Branpr’s (3), Leypig’s (25) und KorscHEur’s (19) beweisen, allerdings 
amöboid beweglich. Auch auf Schnittserien lässt sich dieses aus 


ihrer wechselnden Lage, bald im Centrum, bald an der Peripherie 


des Eies, schließen. Eben so sprechen die oft undeutlichen, wie auf- 
gelöst erscheinenden Kontouren der Keimbläschen dafür. Doch glaube 
ich, dass die von DE BruynE beobachteten Fälle eine abnorm ge- 
steigerte Thätigkeit des Eikernes anzeigen. Die großen gegen die 
Endkammer gerichteten Pseudopodien des Eiplasmas scheinen mir 
dagegen nichts Anderes zu sein als die Dotterstränge, die, wie wir 
gesehen haben, aus den zerfallenden Nährzellen entstehen. Was mir 
aber am meisten an der Auffassung DE Bruyxe’s missfällt, ist die 
scharfe Sonderung zwischen Kern und Plasma, also die Annahme, 
dass das Keimbläschen nur das Chromatin zerfallender Kerne auf- 
nehme. Mir erscheint diese Sonderung zu schematisch, als dass ich 
sie für natürlich halten könnte. Wir müssen uns doch das Keim- 
bläschen als lebendigen, mit einem Stoffwechsel begabten 
Organismus vorstellen und ihm daher auch die Fähigkeit zu- 
sprechen, die für seine Erhaltung wichtigen Baustoffe durch che- 
mische Umwandlung aus verschiedenartigem Material seiner Umge- 
bung zu gewinnen, wie es doch auch die Kerne aller Gewebszellen 
thun. Dass ab und zu, wie es DE BRUYNE angiebt, auch eine Epi- 
thelzelle ihren gesammten Inhalt an das Ei abgiebt, halte ich für 
sehr wahrscheinlich. Zwar habe ich den Vorgang nie direkt beobach- 
ten können. Ich fand aber oft im Epithel einzelne verkümmerte 
Zellen, die ganz schmal geworden waren und sich stark und diffus 
färbten. Ganz ähnliche Zellen bildet BLocHMmAnN (2) aus dem Fol- 
likelepithel von Ameisen und Wespen ab. Die Hauptmasse der Epi- 
thelzellen aber bleibt erhalten und bildet später die Eischale. 


Äi 


® 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. ar 


Über das Austreten der reifen Eier aus der Eiröhre habe ich 
auch einige Beobachtungen machen können. Dieses verläuft bei allen 
von mir darauf untersuchten Arten sehr übereinstimmend. Bei jungen 
Eiröhren ist das unterste Ende durch eine auch von KoRSCHELT be- 
obachtete, vom Eiröhrenstiel gebildete Kuppel abgeschlossen. Diese 
Kuppel ist bei Pyrrhocoris apterus sehr voluminös, bei allen anderen 
Wanzen bildet sie nur eine einschichtige Zelllage. Wenn das erste 
reife Ei in die Leitungswege übertritt, wird dieser Abschluss natür- 
lieh durchbrochen. Dass er sich später, wie KORSCHELT (18) und 
PREUSSE (34) angeben, regenerirt, ist bei meinem Material sicher 
nicht der Fall. Der Verschluss älterer Eiröhren wird sicher nur durch 
die entleerten Follikel der ausgetretenen Eier gebildet. Bevor das 
Ei seinen Follikel verlässt, durchbricht es natürlich auch seine 
Scheidewand. Nach dem Austritt des Eies fällt der Follikel zusam- 
men, und sehr bald machen sich an ihm Degenerationserscheinungen 
geltend. Auf Fig. 9 ist ein noch sehr frischer Follikel dargestellt, 
der eben erst vom Ei verlassen worden ist. Hinter ihm bemerkt 
man aber auch noch die zerfallenden, aber noch deutlich erkenn- 
baren Reste des nächst älteren Eifollikels. An diesem ist auch noch 
die Scheidewand zu sehen, während sie an dem jüngeren auf die- 
sem Schnitt fehlt. Die Serie, welcher die Fig. 9 entnommen ist, ist 
auch für eine weitere Frage entscheidend. KORSCHELT fand es näm- 
lich sonderbar, dass im untersten Theil der Eiröhre, da wo der Aus- 
tritt der Eier aus der eigentlichen Eiröhre stattgefunden hat, nicht 
zwischen je zwei ausgetretenen Eiern eine entleerte Eikammer läge. 
Er glaubt daher annehmen zu müssen, dass das austretende Ei an 
der nächst älteren, bereits entleerten Eikammer vorbeigleitet. Fig. 9 
und die dazu gehörige Schnittserie, die ich einem besonders glück- 
lichen Zufall verdanke, zeigen deutlich, dass sich die Sache etwas 
anders verhält. Das austretende Ei gleitet nicht an dem nächst äl- 
teren Follikel vorbei, sondern es durchbricht ihn und drängt seine 
Reste nach den Seiten aus einander, so dass sie einen Ring um den 
hinteren Theil des jüngeren leeren Follikels bilden. Wenn auch in 
diesem die Auflösung beginnt, verschmelzen beide Follikel zu einem 
umfangreichen Corpus luteum, wie es schon KORSCHELT beschrieben 
"hat. Die Darstellung des Schicksals der leeren Eikammern gilt für 
alle von mir untersuchten Arten, mit einziger Ausnahme von Pyrrho- 
coris apterus, bei welcher, wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden 
wird, von einem leeren Follikel überhaupt nicht die Rede sein 
kann. 


1 


158 Julius Groß, 


Die Ergebnisse meiner Untersuchungen über Entste- 
hung, physiologische Bedeutung und spätere Schicksale 
der einzelnen Zellelemente des Ovariums von dreizehn He- 
mipteren lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen: 
Der Endfadenist von Anfang an von der eigentlichen Eiröhre 
getrennt und hat einen anderen histologischen Charakter 
als die Endkammer. Sein Anfangstheil zeichnet sich (mit 
Ausnahme von Harpactor subapterus) durch quer gestellte 
spindelförmige Zellen aus. | 

Ei- und Nährzellen entstehen gemeinsam aus gleich- 
artigen indifferenten Zellen des vorderen Theiles der End- 
kammer. Ein Theil dieser Zellen wandelt sich zu einem 
flachen Plattenepithel um, welches die Tunica propria der 
Endkammer ausscheidet. 

Die Follikelzellen entstehen im hinteren Theil der 
Endkammer, dem Keimlager; ein Theil von ihnen nimmt 
bindegewebigen Charakter an und bildet die Scheidewände 
der Eikammern. 

Die Nährzellen unterliegen vollständiger Auflösung. 
Aus ihren Zerfallsprodukten geht der centrale protoplas- 
matische Raum der Endkammer mit seiner durch Strömung 
bedingten fibrillären Struktur hervor, dessen Inhalt ver- 
mittels der Dotterstränge in die Eier übertritt und ihnen 
so Nährmittel zuführt. 

Bevor die Follikelzellen ihre eigentliche Thätigkeit, 
die Bildung der Eischale beginnen, liefern auch sie Dotter- 
substanz für die reifenden Eier, aber durch Sekretion, wobei 
die Zelle in ihrem Bestande erhalten bleibt, wenn auch 
einige wenige Follikelzellen zu degeneriren und ihr ge- 
sammtes Material an die Eizelle abzugeben scheinen. 

Die junge Eiröhre wird hinten durch einen kuppelför- 
migen Abschluss des Eiröhrenstieles begrenzt. Das austre- 
tende Ei durchbricht die Scheidewand seines Follikels 
und den kuppelförmigen Abschluss. Letzterer regenerirt 
sich nicht wieder. 

Das reife Ei gleitet an dem nächstälteren Follikel nicht 
vorbei, sondern durchbrichtihn. Die sich auflösenden Fol- 
likel verschmelzen zu einem gemeinsamen Corpus luteum. 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 159 


Il. Die Bildung der Eihüllen. 


Nachdem das junge Ei das Keimlager verlassen hat und in die 
Eiröhre hinabgewandert ist, beginnt allmählich die Bildung der 
Eihüllen. Als erste entsteht bei den meisten Insekten die Dotterhaut. 
Das Vorhandensein einer solchen ist zuerst ziemlich gleichzeitig von 
LeuckArr (23) und MEISSNER (29) sicher erkannt worden. WeEIS- 
MANN (43) hat dann als Erster auch ihre Entstehung beobachtet und 
gefunden, dass sie eine erhärtete Rindenschicht des Dotters selbst 
ist. Diese Angabe WEISMANN’s ist später von Lupwig (27) und Kor- 
SCHELT (17) für eine große Zahl von Insekten bestätigt worden. Ich 
habe die Bildung der Dotterhaut bei folgenden Arten beobachten 
können: Pentatoma baccarum, nigricorne und dissimile, Syromastes 
marginatus, Alydus calcaratus, Asopus bidens, Graphosoma nigro- 
lineatum. Sie geht lange vor Beginn der Chorionbildung vor 
sich, und zwar bei allen genannten Thieren in übereinstimmender 
Weise, als Erhärtung der Rindenschicht des Dotters. Doch scheint 
es mir keineswegs ausgeschlossen zu sein, dass bei diesem Process 
auch die Follikelzellen eine Rolle spielen. Jedenfalls ist gerade zu 
Beginn der Dotterhautbildung der Kontakt zwischen Dotter und Epi- 
thel ein äußerst inniger. Dieses geht daraus hervor, dass auf meinen 
Präparaten, wenn der Dotter durch die Konservirung etwas ge- 
schrumpft erschien, die Membranen der Follikelzellen stets von ihren 
Zellen abgerissen und am Dotter hängen geblieben waren. 

Bei Pyrrhocoris apterus geschieht die Bildung der Dotterhaut 
sehr spät, erst nachdem das Chorion gebildet worden ist. Diese Be- 
obachtung hat bereits KorscHerrt (17) gemacht, und ich kann sie 
vollkommen bestätigen. An den ältesten mir zur Verfügung stehenden 
Eiröhren der Feuerwanze, die schon ein stark entwickeltes Chorion 
aufwiesen, konnte ich noch keine Andeutung für den Beginn der 
Dotterhautbildung wahrnehmen. Eine ähnlich späte Entstehung der 
Dotterhaut hat KorscHELT noch bei Vespa germanica, Musca vomi- 
toria und Gomphocerus dorsatus beobachtet. Jedenfalls ist sie aber 
eine seltene Erscheinung und bei der Mehrzahl der Insekten ist die 
Dotterhaut bereits fertig, wenn sich die ersten Anzeichen der Cho- 
rionbildung geltend machen. 


Die Bildung des Chorions ist schon von verschiedenen Autoren 
für eine große Zahl von Insekten untersucht worden. Meine Beobach- 
tungen über diesen Gegenstand erstrecken sich auf Pentatoma bacea- 


160 Julius Groß, 


rum, nigricorne, dissimile, Asopus bidens, Alydus calcaratus und 
Pyrrhocoris apterus. Mit Ausnahme der Feuerwanze, die desshalb 
besonders abgehandelt werden soll, zeigt sich bei den von mir unter- 
suchten Arten große Übereinstimmung. Das Chorion entsteht als 
euticulare Absonderung an der Innenfläche der Follikelzellen. Es weist 
deutlich zwei Schichten auf. Die innere ist porös, die äußere, die 
später abgeschieden wird, dagegen ganz homogen. Die innere Schicht, 
das Endochorion der Autoren, behält ihre Tinktionsfähigkeit noch, 
wenn das Exochorion sie schon längst verloren hat und glänzend 
gelb erscheint. Bei Asopus bidens zeigt das Endochorion noch eine 
größere Zahl besonders großer Poren. Diese wölben die Schale et- 
was nach innen vor. Sie sind theils gerade (Fig. “1), theils gebogen 
(Fig. 72) und verlaufen dann eine kleine Strecke parallel zur Ober- 
fläche des Endochorions. Manchmal treten an einem Punkte der Ober- 
fläche mehrere solcher Kanäle (Fig. 73) in das Innere des Endocho- 
rions ein. Eine innere Mündung habe ich trotz eifrigen Suchens nie 
entdecken können. Das Exochorion zieht später lückenlos über diese 
Vertiefungen der inneren Schalenschicht hinweg. Sie stehen also 
mit der Außenluft nicht in Berührung, mögen aber innere Luft- 
räume des Chorions bilden, wie sie KoRScHELT (17) für verschiedene 
Insekten beschrieben hat. Die Bildung des Chorions beginnt zuerst 
am hinteren Eipol und an einer den vorderen Pol des Eies um- 
gebenden Zone. Diese beiden Stellen zeigen auch später eine starke 
Verdicekung des Endochorions. Die vordere verdiekte Zone gehört am 
fertigen Ei dem Deckel desselben an. Da die Verdiekung aber nicht 
das ganze vordere Ende der Eischale betrifft, sondern am Eipole selbst 
ausbleibt, so hat hier der Deckel eine dünnere Stelle. Vielleicht 
liegen hier die Mikropylen. Das Exochorion wird, wie erwähnt, erst 
später abgeschieden. Am frühesten zeigt es sich am Hinterrande des 
Deckels. Hier ist die äußere Schicht des Chorions schon gebildet, 
während am ganzen übrigen Ei erst das Endochorion zu bemerken 
ist. Durch die frühe Bildung des Exochorions bleibt an dieser Stelle 
das Endochorion natürlich sehr dünn. Es wird so rings um den 
Deckel eine Art Falz gebildet. Diese Einrichtung erleichtert jeden- 
falls das Aufklappen des Deckels beim Ausschlüpfen der jungen 
Larve. Die Figg. 11, 12 und 13 sollen diese Verhältnisse erläutern. 
Bei Pentatoma (Fig. 11) sieht man den bereits mit seinem Exochorion 
versehenen Falz nach vorn und hinten an das Endochorion der übrigen 
Eischale stoßen. Bei Asopus (Fig. 12) schieben sich von dem Falz 
aus Fortsätze homogenen Chitins in das Endochorion der benach- 


td 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 161 


barten Theile der Eischale hinein. Wenn auch an den übrigen 
Theilen des Eies das Exochorion gebildet worden ist, verschmilzt es 
mit dem des Falzes. Doch bildet dieser noch immer eine dünne 
Zone, da hier ja durch die frühzeitige Ausbildung der äußeren Schicht 
das Endochorion sehr dünn geblieben ist (Fig. 15). Einen ähnlichen 
Falz am Hinterrande des Deckels hat auch LEUCKART (25) für ver- 
schiedene Wanzeneier beschrieben. Doch scheinen mir seine Angaben 
über die Bildung des Deckelfalzes irrig. Er sagt nämlich: »Der 
Deckel entsteht nach meinen Beobachtungen erst dadurch, 
dass in bestimmter Entfernung von dem vorderen Eipole 
eine ringförmige Furche auftritt, die immer mehr in die 
Tiefe greift und endlich fast vollkommen bis auf die Dot- 
terhaut durchschneidet.« 

Die Schale der meisten Insekteneier ist bekanntlich durch mannig- 
fache Skulpturen ausgezeichnet. Einem weit verbreiteten Typus ge- 
hören die Chorionverzierungen von Alydus calcaratus an. Sie bestehen 
in leistenförmigen Erhebungen, die mit einander polygonale, sechs- 
eckige Felder umgrenzen. Die Leisten entstehen einfach dadurch, 
dass die Chitinabsonderung nicht auf die Innenflächen der Epithel- 
zellen beschränkt bleibt, sondern sich auch auf die Seitenflächen er- 
streckt (Fig. 14). Auf diese Weise lassen die von den Leisten um- 
srenzten Felder auch auf der fertigen Eischale noch die Formen der 
Zellen erkennen, welche die Schale abgeschieden haben. An der 
Bildung der Leisten betheilist sich das Endochorion nicht. Ganz 
ähnliche leistenförmige Erhebungen des Chorions bildet KORSCHELT 
zum Beispiel für Bombus terrestris, Bombus lapidarius und einen 
Käfer Lycus aurora (17, Taf. XXXV, Figg. 55, 56, 42) ab. 

Bei Asopus bidens zeigt die Eischale statt der Leisten Erhebungen 
in Gestalt von rundlichen Buckeln (Fig. 10). Diese werden erst sehr 
spät gebildet. Ich habe sie immer erst an der Schale fertiger, bereits 
in die Leitungswege hinabgeglittener Eier angetroffen. 

Wieder anders sind die Verzierungen der Eischale in der Gattung 
Pentatoma gestaltet. Bei Pentatoma dissimile und baccarum ist das 
ganze Chorion besetzt mit haarförmigen Fortsätzen. Diese haben 
recht mannigfache Formen. Theils endigen sie spitz, oder verjüngen 
sich wenigstens nach dem oberen Ende. Theils sind sie oben dagegen 
verdickt. Auch ihre Größe ist recht verschieden, wie die Figg. 15 
und 16 zeigen. An ihrem unteren Ende sind sie meist etwas ver- 
breitert. Auch die Eier von Pentatoma nigricorne tragen einen ähn- 
lichen Besatz von Fortsätzen des Exochorions (Fig. 17). Nur sind 


162 Julius Groß, 


sie bei dieser Art viel größer. Es lassen sich besonders zwei Typen 
unterscheiden, schlanke, haarförmige Fortsätze, die am oberen Ende 
nur wenig verdickt sind, und gedrungene, viel dickere Zapfen, die 
oben stark keulenförmig anschwellen. Das verdiekte Ende sämmt- 
licher Fortsätze hat eine rauhe, höckerige Oberfläche, die bei den 
dieken Zapfen noch kleine leistenförmige Erhebungen tragen kann. 
Hier und da gabelt sich auch ein Haar an seinem oberen Ende. Die 
Zapfen und Haare stehen viel weiter von einander entfernt als die 
entsprechenden Gebilde von Pentatoma bacearum und dissimile. Die 
Zwischenräume sind ausgefüllt von sehr kleinen, spitzen, dicht ge- 
drängt stehenden Haaren. Das untere Ende aller dieser Zapfen und 
Haare der Pentatoma-Eier ist etwas verbreitert. Ganz ähnliche Zapfen 
und Haare beschreibt LAnvoıs (21) von den Eiern der Bettwanze. 
Er sagt von ihnen, sie seien »spitz, zitzenförmig, mitunter 
mit kernartigem Punkt in der Mitte oder kleinen Neben- 
höckerchen am freien Rande«. Doch fehlen sie bei Acanthias 
lectularia auf dem Deckel, während sie bei Pentatoma die ganze Ei- 
schale bedecken. Während nun die Leisten auf dem Chorion von 
Alydus calcaratus und vielen anderen Insekten vollkommen mit dem 
übrigen Chorion verschmolzen sind, zeigen die erwähnten Haare und 
Zapfen immer einen deutlichen Kontour gegen die Eischale selbst. 
Sie entstehen in größerer Zahl an den seitlichen Berührungsflächen 
zweier benachbarter Zellen. Von der Fläche betrachtet sieht man 
sie daher in Reihen stehen, welche mit einander polygonale, meist 
sechseckige Felder einschließen. Es ist also auch hier die Form der 
Zellen des Follikelepithels am fertigen Ei noch deutlich zu erkennen. 
Die Bildung der Schalenverzierungen ist also bei Alydus und Penta- 
toma im Grunde eine ähnliche. Der Unterschied besteht nur darin, 
dass bei Alydus die Absonderung von Chitinsubstanz an der gesammten 
Berührungsfläche benachbarter Zellen vor sich geht, bei Pentatoma 
dagegen auf bestimmte, in ziemlich regelmäßigen Abständen liegende 
Stellen beschränkt bleibt. Außerdem entstehen die Haare nicht gleich- 
zeitig mit dem Chorion, wie die Leisten von Alydus, sondern sie 
werden erst später gebildet und sitzen daher der Eischale als selb- 
ständige Gebilde auf, ohne mit ihr zu verschmelzen. 

Wenn das Chorion fertig ist, erhält das Ei noch eine schleim- 
oder eiweißartige Hülle. Uber ihre Herkunft hat Lupwıe (27) die 
ersten Angaben gemacht. Er meint, Tunica propria und Follikel- 
epithel lösen sich auf und bilden den eiweißartigen Überzug über 
das Ei. Nach ihm hat sich Ayers (1) dafür ausgesprochen, dass 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 163 


das Ei der Orthopteren seine Schleimhülle erst in der Vagina erhalte. 
Für Pentatoma kann ich mit vollster Sicherheit angeben, dass 
auch diese letzte Schutzhülle vom Follikel, und zwar bereits vor dem 
Austritt des Eies aus demselben geliefert wird. Bei allen drei Arten 
war deutlich zu erkennen, dass das noch im Follikel liegende Ei 
bereits von der schleim- oder eiweißartigen Hülle bedeckt wird (Fig. 16). 
Auch für Asopus bidens scheint mir die Entstehung dieselbe zu sein. 
An einem Ei, das, wie die Gestalt und der Erhaltungszustand des 
Follikels zeigen, eben erst in den Eiröhrenstiel übergetreten war, war 
die Schleimhülle schon in voller Ausbildung vorhanden (Fig. 9). Ob 
die Substanz der Hülle Schleim oder Eiweiß ist, lässt sich unter dem 
Mikroskop natürlich nicht entscheiden. Sie färbt sich, besonders bei 
Asopus, sehr stark mit Hämatoxylin. | 
Eine wesentlich andere Bildung des Chorions als die bisher be- 
sprochenen Arten, weist Pyrrhocoris apterus auf. In einem gewissen 
Stadium platten sich die Epithelzellen stark ab. Die Kerne, die 
früher (Figg. 65 und 66) eine mehr oder weniger rundliche Gestalt 
hatten, werden ebenfalls viel flacher und zeigen jetzt gestreckte, 
lanzettliche Querschnitte (Fig. 18). Man kann jetzt nur selten beide 
Kerne einer Zelle auf einem Schnitt erhalten. Denn während die 
Kerne früher hinter einander lagen, liegen sie jetzt oft neben ein- 
ander. Daher kann es leicht kommen, dass das Messer zwischen 
beiden hindurchgeht oder nur einen trifft. Doch zeigen die Figg. 18 
und 19, dass auch jetzt noch die Zellen zwei Kerne haben. Gleich- 
zeitig mit der Abplattung ändern die Epithelzellen auch ihre Farbe. 
Während sie bisher fast farblos waren und nur die Kerne sich etwas 
stärker färbten, erscheinen die Zellen jetzt braun und die Kerne 
dunkelblau. Auf dem in Fig. 19 dargestellten Stadium sind die 
Zellen noch flacher geworden, und die Kerne sind noch dunkler 
tingirt. Die braune Farbe des Zellplasmas ist an der Außenwand 
des Epithels heller, mehr gelblich. Die Zellgrenzen sind sehr un- 
deutlich. Ganz verschwunden sind sie bei den ältesten von mir 
untersuchten Eiern. Bei diesen ist das Epithel zu einer ganz platten 
Lage geworden. Die Kerne sind in spitze Enden ausgezogen, die 
sich fast berühren (Fig. 20). Der nach innen von den Kernen gelegene 
Theil der Zelle hat noch den früheren braunen Farbton, der äußere 
dagegen ist hellgelb, gleicht in der Farbe also dem Chitin des Exo- 
chorions der übrigen Wanzen. Jetzt finden sich nie mehr zwei Kerne 
in einer Zelle. Sie sind offenbar zu einem verschmolzen. Wie diese 
Verschmelzung vor sich geht, kann man sehr schön auf Flächen- 


164 Julius Groß, 


bildern sehen (Fig. 21). Wenn das Epithel auf der letzten beschrie- 
benen Entwicklungsstufe angelangt ist, bricht es beim Schneiden ganz 
wie Chitin. Dieses Verhalten, wie auch die Farbe schließen jeden 
Zweifel darüber aus, dass das gesammte Protoplasma eine 
Umwandlung in Chitin erlitten hat. Das Chorion von Pyrrho- 
coris apterus entsteht also nicht wie bei den übrigen Wanzen und 
vielen anderen Insekten als ceuticulare Abscheidung, sondern die 
Zellen verschmelzen mit einander und bilden selbst das Chorion, in- 
dem sie zu Chitin erhärten. Meine Präparate lassen keinen anderen 
Schluss zu, obgleich ich mich hierin in striktem Widerspruch zu 
KorscHertr’s (17) Beobachtungen befinde. Dieser Forscher, der die 
Bildung der Eihüllen bei einer großen Anzahl von Insekten unter- 
sucht hat, beschreibt nämlich die Entstehung des Chorions der Feuer- 
wanze folgendermaßen: »Die erste Anlage des Chorions er- 
scheint als heller Saum an den noch gewölbten Epithelzellen. 
Später wird deren Oberfläche eben; das Chorion nimmt 
durch weitere Ablagerung von Cuticularsubstanz an Dicke 
zu.< »Eine Abplattung des Epithels findet auch hier statt, 
doch ist dieselbe nicht so bedeutend, wie wir sie zum Bei- 
spiel bei Ephemera, Phryganea, Perla beobachteten. Das 
Plasma des abgeplatteten Epithels, welches das reife Ei 
umgiebt, ist nur sehr schwach tinktionsfähig, während 
sich das junge Eiepithel sehr stark färbt.< KORSCHELT 
nimmt also für die Feuerwanze dieselbe Entstehung des Chorions 
durch eutieulare Absonderung an, wie sie für so viele andere Insekten 
bekannt geworden ist. Dem gegenüber muss ich mit Bestimmtheit 
daran festhalten, dass, wenigstens bei meinen Exemplaren, die Epithel- 
zellen mit einander verschmelzen, ihr gesammtes Plasma in Chitin 
umwandeln und so selbst zum Chorion werden. Zur Stütze meiner 
Auffassung möchte ich noch Folgendes anführen. Ich habe bei Pyr- 
rhocoris nie leere Follikel am Hinterende der Eiröhre auffinden können, 
wie bei den anderen von mir untersuchten Wanzen, obgleich ich unter 
meinem Material ein Exemplar hatte, bei dem eine Anzahl reifer Eier 
im Oviduct lagen, die Eiablage also sicher schon begonnen hatte. 
Wohl hängt in alten Ovarien von Pyrrhocoris am hinteren Ende der 
Eiröhre ein Pfropf von Zellen, die in starker Auflösung begriffen 
sind, und der also auf den ersten Blick dem leeren Follikel anderer 
Wanzen sehr ähnlich sieht. Dieser Zellpfropf findet sich aber auch 
bei Eiröhren jüngerer Thiere, die überhaupt noch keine reifen Eier 
enthalten. Bei sorgfältiger Vergleichung verschiedener Stadien er- 


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Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 165 


giebt sich denn auch, dass dieses in Auflösung begriffene Gewebe 
nur die vom Epithel des Eiröhrenstieles gebildete Zellen- 
kuppel ist, die die Eiröhre von unten verschließt. Bei Pyrrhocoris 
ist sie besonders stark entwickelt und verfällt frühzeitig der Degene- 
ration. Das Chorion der Feuerwanze ist vollkommen glatt und zeigt 
keinerlei Verzierungen. Dieses hängt auch mit seiner abweichenden 
Entstehung zusammen. Da das Epithel selbst durch Veränderung 
seiner Substanz zum Chorion wird, kann es natürlich nicht, wie bei 
den anderen Wanzen, noch nachträglich irgend welche Verzierungen 
auf der Eischale bilden. 

Über die Bildung des Chorions bei den verschiedenen Insekten- 
eiern haben früher lebhafte Kontroversen bestanden. Der erste 
Forscher, der diesen Gegenstand behandelt, STEIN (40), entschied sich 
dafür, dass das Chorion direkt durch Verschmelzung der Epithel- 
zellen entstehe. Ihm schlossen sich MEISSNER (29) und andere Autoren 
an. Die ersten Zweifel iiber die Richtigkeit dieser Ansicht finden 
wir bei LEuckarr (23). Später haben dann LugBock (26), WEISMANN 
(43) und namentlich Leyvıc 24) gezeigt, dass bei einer großen An- 
zahl von Insekten das Chorion jedenfalls eine Cuticularbildung des 
Follikelepithels ist. Diese Ansicht hat dann allmählich allgemeine 
Geltung gewonnen und ist noch besonders durch die, sich auf mehrere 
Vertreter der verschiedensten Insektenklassen erstreckenden Unter- 
suchungen KorscHeur’s (17) bestätigt worden. Die ältere Ansicht 
ist also völlig aufgegeben worden. Immerhin hat noch v. SIEBOLD 
(39), obgleich ihm die maßgebende Arbeit Levpiıs’s bekannt war, für 
Pollistes gallica angegeben, dass das Chorion durch Verschmelzung 
der Epithelzellen entstehe. Nach meinem Befunde an Pyrrhocoris 
apterus muss ich mich daher dahin aussprechen, dass die Bildung 
des Chorions durch eutieulare Abscheidung allerdings der bei Weitem 
häufigere Modus ist, dass aber bei einigen Insekten auch die andere 
Entstehungsart der Eischale vorkommt. 


Außer den verschiedenen Haaren, Zapfen, Leisten und Buckeln 
habe ich bei einigen Wanzen noch eigenthümliche’ größere Cho- 
rionanhänge beobachtet, die mir einer gesonderten Betrachtung 
werth erscheinen. Sie finden sich, so weit meine Untersuchungen 
reichen, bei Pentatoma nigricorne, bacearum und dissimile und bei 
Asopus bidens. Für die Gattung Pentatoma und viele andere Wanzen 
sind diese Anhänge der Eischale schon lange bekannt und besonders 
genau von LEUCKART (23) beschrieben. Dagegen sind sie noch nie 


166 Julius Groß, 


auf Schnittserien untersucht worden. Es sind schlanke, becherförmige 
Gebilde, deren Form LEUCKART mit der eines Champagnerglases ver- 
gleicht (Figg. 22, 25, 24). Der Becher verjüngt sich nach unten zu 
einem schmalen Stiel, der mit ihm einen stumpfen Winkel bildet. 
Die Anhänge stimmen also in ihrer Gestalt ganz mit den von LEUCKART 
für Pentatoma perla und rufipes abgebildeten überein. Sie erheben 
sich auf dem hinteren Rande des weiter oben beschriebenen, zwischen 
dem Deckel und dem hinteren Theile der Eischale gelegenen Falzes 
und bilden hier einen Kranz um das Ei. Über ihre Zahl kann ich 
keine sicheren Angaben machen. Denn da das Chorion beim Schnei- 
den sehr leicht zerreißt, so konnte ich nicht mit Bestimmtheit wissen, 
ob ich alle Becher eines Eies auf einer Serie zusammen hatte. Auch 
in Kanadabalsam eingelegte ganze Eier lassen wegen ihrer Undurch- 
sichtigkeit kein sicheres Zählen zu. Doch glaube ich wenigstens so 
viel sicher aussprechen zu können, dass die von LEUCKART ange- 
sebene Zahl, 20—26, im Großen und Ganzen auch für meine Arten 
zutrifft. LEUCKART giebt ferner an, dass jeder Becher von einem 
Kanale durchbohrt sei. Diesen Eindruck gewinnt man auch, so lange 
man die Eier nur in toto untersucht. Das Studium derselben auf 
Schnittserien ergiebt dagegen ein ganz anderes Bild von ihrer feineren 
Beschaffenheit. Sie sind durchaus solid und bestehen aus zwei ver- 
schiedenen Chorionschichten. Die äußere ist vollkommen homogen 
und stark chitinisirt. Sie gleicht vollkommen dem Exochorion des 
Eies. Die innere Schicht dagegen hat eine eigenthümliche schwam- 
mige, sehr fein poröse Beschaffenheit. Eben so wie das Endochorion 
behält sie ihre Färbbarkeit, wenn die Außenschicht schon lange 
gegen alle Farbstoffe unempfindlich geworden ist. Am Vorderende 
findet sich eine kleine rundliche Durehbrechung der Außenschicht. 
Hier liegt also die schwammige Innenschicht unbedeckt und frei zu 
Tage. Der Becher ist mit seinem Stiele in eine kuppelförmige Er- 
hebung des Exochorions eingesenkt, welche er durchbohrt. Die innere 
poröse Schicht tritt auch in das Endochorion hinein. Die Außen- 
schicht dagegen hört an der Innenfläche des Exochorions plötzlich 
auf, nur bei Pentatoma nigricorne (Fig. 24) lässt auch sie sich eine 
kleine Strecke weit in das Endochorion verfolgen. Bei einem Exem- 
plar der letztgenannten Art waren die Becher sonderbarer Weise recht 
abweichend gestaltet. Der Winkel, den der erweiterte obere Theil 
mit dem Stiel bildet, war viel spitzer; auch war die Gestalt des 
sanzen Bechers gedrungener. Vor allen Dingen trug er aber an 
seinem oberen Ende noch einen merkwürdigen Aufsatz (Fig. 25). 


2 2 
ns 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 167 


Dieser hat ungefähr die Form eines plattgedrückten Balles. Er trägt 
oben eine breite Öffnung. Während außerdem bei den übrigen Exem- 
plaren die Außenschicht des Bechers am oberen Ende nur eine kleine 
Durchbrechung zeigt, fehlt sie hier am Grunde des Aufsatzes ganz, 
so dass die Innenschicht hier in ihrer ganzen Breite frei liegt. Eine 
weitere Besonderheit betrifft den Stiel. Die Außenschicht desselben 
setzt sich vorn kontinuirlich in das Exochorion fort. An der hin- 
teren Seite tritt sie in das Endochorion hinein, biegt hier um und 
verläuft eine Strecke weit nach hinten. Die kuppelförmige Erhebung 
des Exochorions fehlt. Da diese bedeutenden Abweichungen vom 
Typus der Art sich bei allen Bechern des ganzen Ovariums zeigten, 
kam mir der Gedanke, dass mir ein Versehen in der Bestimmung 
des Thieres passirt sein könnte. Doch giebt es nur eine Wanze, 
die man allenfalls mit Pentatoma nigricorne verwechseln könnte, näm- 
lich Pentatoma fuscipinum. Aber auch diese unterscheidet sich von 
der genannten Art durch kleine, aber charakteristische Unterschiede, 
auf die ich zudem bei der Bestimmung, eben wegen der Ähnlichkeit 
der beiden Arten, stets noch besonders geachtet habe. 

Sehr ähnlich, wie bei der einen abweichenden Pentatoma, sind 
die Chorionanhänge bei Asopus bidens (26) gestaltet. Nur weisen 
sie viel bedeutendere Dimensionen auf. Der Stiel ist viel länger, 
und auch der Becher mit seinem Aufsatz übertrifft an Größe den der 
Pentatoma bei Weitem. Sonst ist der Bau im Wesentlichen der gleiche. 
Nur erhebt sich bei Asopus das Endochorion um den Stiel zu einem 
kegelförmigen Fortsatz, während bei Pentatoma an dieser Stelle das 
Exochorion eine kuppelförmige Erhebung bildet. Dieser Unterschied 
ist darauf zurückzuführen, dass das Exochorion bei Asopus, abgesehen 
von dem Falz des Deckels sehr spät gebildet wird. Der vom Endo- 
chorion gebildete Kegel erhält im Lauf der Eireife natürlich auch 
einen vom Exochorion gelieferten Belag. Im Inneren des Kegels ist 
die homogene Außenschicht des Stieles stark verdickt. Die Vorder- 
wand des Stieles setzt sich bei Asopus in das Exochorion des Falzes 
fort, wie bei der einen abweichenden Pentatoma. 

Die Bildung der becherförmigen Chorionanhänge habe ich am 
senauesten bei Asopus bidens verfolgen können. Die ersten Anzeichen 
bemerkt man schon an ziemlich jungen Follikeln. Hier fallen an 
einer rings um den vorderen Theil des Follikels verlaufenden Zone 
in regelmäßigen Abständen eigenthümliche Gruppen von je drei Zellen 
auf, die sich durch etwas kleinere und rundlichere Kerne von ihren 
Nachbarn unterscheiden. Auch ist ihr Zellplasma homogen und nicht 


168 Julius Groß, 


so stark granulirt, wie das der übrigen Zellen (Fig. 27). Die mittlere 
dieser drei Zellen, die von den beiden anderen rings umfasst wird, 
ist noch besonders durch auffallend helle Kerne, mit farblosem Kern- 
plasma und spärlichem Chromatin gekennzeichnet. Außerdem er- 
scheinen ihre Kerne etwas nach der Außenwand des Follikels ver- 
lagert. 

Das nächstfolgende Stadium ist auf Fig. 28 dargestellt. Die 
hellen Kerne der mittleren Zelle liegen jetzt hart an der äußeren 
Peripherie des Epithels. Auch der Zellleib hat sich an die Außen- 
wand des Follikels zurückgezogen und hat nur einen dünnen Fort- 
satz zwischen seinen Nachbarzellen zurückgelassen. Auch in letzteren 
sind die Kerne jetzt peripheriewärts verlagert. 

Noch weiter sind diese Vorgänge auf dem in Fig. 29 abgebildeten 
Stadium vorgeschritten. Die mittlere, helle Zelle ist stark abgeplattet. 
Die beiden anderen Zellen erreichen noch die Innenwand des Epithels. 
Allmählich ziehen sie sich aber auch an die Wand des Epithels zu- 
rück und liegen schließlich ebenfalls stark abgeplattet unter der hellen, 
früher von ihnen rings umfassten Zelle. An der betreffenden Stelle 
zeigt das Epithel jetzt eine deutliche Ausbuchtung, die durch den 
Andrang der aus ihrer ursprünglichen Lage verschobenen Zellen 
bedingt ist. 

Diese drei Zellen sind es nun, welche den Becher sammt seinem 
Aufsatz bilden. Und zwar ist unter ihnen eine Arbeitstheilung ein- 
getreten. Die beiden dunkleren Zellen lassen zwischen sich als euti- 
culare Abscheidung die äußere homogene Chitinschicht des Bechers 
und den Aufsatz entstehen. Die helle Zelle bildet dagegen allein 
das schwammige Chitin der Innenschicht des Bechers. Dieses ge- 
schieht wohl auch durch cuticulare Absonderung von Seiten der in 
das Innere des Bechers hineinreichenden Theile der Zelle (Figg. 30 
und 31). Die spongiöse Innenschicht des Becherstieles wird wohl 
durch den oben erwähnten, auf den Figg. 28 und 29 sichtbaren dünnen 
Fortsatz der hellen Zelle gebildet. Doch gaben mir meine Präparate 
leider keine völlige Sicherheit über diesen Punkt. Immerhin hatte 
ich mehrfach Bilder unter dem Mikroskop, die mit großer Wahr- 
scheinlichkeit für diesen Modus sprachen. Die homogene Außen- 


1 Auf Fig. 27 und den folgenden Figuren enthalten einige der drei 
veränderten Zellen nur einen Kern. Das liegt aber immer daran, dass der an- 
dere vom Messer nicht getroffen ist. In Wirklichkeit haben auch diese Zellen 
immer ihre regulären zwei Kerne, wie sich durch Betrachtung der in der Serie 
benachbarten Schnitte ergiebt. 


TE 


Dur “ 


‚schicht des Becherstiels wird aber jedenfalls von den Zellen gebildet, 
welehe unterhalb der drei an die Außenwand des Follikels gewan- 
derten zurückblieben. Auch sie zeichnen sich zuweilen durch hellere 
Färbung aus. Wenn der CÖhorionanhang fertig gebildet ist, zeigen 
die drei Becherbildungszellen bald Degenerationserscheinungen. Vor 
allen Dingen verschwinden die Zellgrenzen. Ist das Ei endlich aus- 
gestoßen, so sieht man die Bildungszellen der einzelnen Becher, so 
lange die Auflösung des leeren Follikels noch nicht zu weit vorge- 
schritten ist, in Form von kleinen Säckchen, welche je sechs Kerne 
enthalten, an der Follikelwand hängen (Fig. 32). Offenbar sind die 
Zellen, die ja schon vorher eine Vorwölbung am Epithel bildeten, 
und deren Verband mit den anderen Epithelzellen nur locker ist, 
durch den starken Druck, dem der entleerte und zusammengefaltete 
Follikel unterliegt, aus der Fläche der Follikelwand hinausgedrängt 
worden. Auch jetzt noch, wo von Zellgrenzen nichts mehr zu ent- 
decken ist, lassen sich die beiden Kerne der Zelle, welche die Innen- 
schicht des Bechers zu bilden hatte, leicht von ihren Nachbarn unter- 
scheiden durch ihre viel schwächere Tinktionsfähigkeit. 

Bei den Pentatoma-Arten, wo die Chorionanhänge ja viel kleiner 
sind, konnte ich ihre Bildung nicht so genau durch alle Stadien ver- 
folgen, wie bei Asopus. Doch ist der Vorgang jedenfalls ein ganz 
ähnlicher, wie die in Figg. 33, 34, 35 dargestellten Bilder beweisen. 
Auch hier nehmen drei Zellen an der Bildung des Bechers Theil. 
Diese drei Zellen wandern auch bei Pentatoma an die Außenwand 
des Follikels. Die Kerne der einen von ihnen, welche diese Wan- 
derung zuerst beginnt, zeichnen sich ebenfalls durch ihre viel 
schwächere Färbbarkeit aus. Die beiden anderen enthalten dagegen 
Kerne mit dunklerem, eigenthümlich homogenem Kernplasma, das 
deutlich gegen die dicht und grob granulirten Kerne der übrigen 
Epithelzellen absticht. Ich nehme an, dass auch bei Pentatoma die 
eine helle Zelle die Innenschicht des Bechers liefert, während die 
beiden dunkleren die Außenschicht bilden. Auf Fig. 55 sieht es 
allerdings so aus, als ob sich die helle Zelle überhaupt nicht an der 
Bildung des Bechers betheilige.e Doch ist in dem dargestellten 
Falle der ganze Chorionanhang schon fertig, und es könnte die helle 
Zelle sich daher nachträglich vollständig an die Peripherie zurück- 

gezogen haben. Der Stiel des Bechers, oder wenigstens seine Außen- 
schicht, wird wohl eben so wie bei Asopus von den benachbarten in 
ihrer alten Lage verbliebenen Zellen gebildet. Da die Becher bei 
_ Pentatoma viel kleiner sind, kommt es hier nicht zu einer solchen 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 169 


170 Julius Groß, 


Vorwölbung der Follikelwand wie bei Asopus. Daher vermisst man 
hier auch die den leeren Follikeln anhängenden Säckchen, welche 
die Becherbildungszellen enthalten. 

Bemerken möchte ich noch, dass höchst wahrscheinlich auch die 
Eier von Syromastes marginatus und Alydus calcaratus ähnliche 
Chorionanhänge haben. Zwar konnte ich von den genannten Arten 
keine Eier mit völlig ausgebildetem Chorion untersuchen. Doch 
zeigten sich im Follikelepithel älterer Thiere, bei denen die Chorion- 
bildung bereits begonnen hatte, eigenthümliche Gruppen von je drei 
Zellen mit kleinen Kernen, die eine frappante Ähnlichkeit mit den 
für Asopus und Pentatoma beschriebenen Bildern zeigen. Auch war 
die Lage dieser Zellgruppen stets eine solche, wie man sie nach 
Analogie von Asopus und Pentatoma erwarten muss. Sie bilden eben 
auch hier einen Kranz um das Ei in einer Höhe, die dem später ent- 
stehenden Deckelfalz entspricht. 

Welche physiologische Bedeutung haben nun die beschriebenen 
Chorionanhänge? Von vorn herein liegt es nahe an Mikropylenapparate 
zu denken, und für solche sind sie auch meist gehalten worden. 
LEUCKART nennt sie geradezu Samenbecher. Nun ergiebt ja aber, 
wie wir gesehen haben, die Untersuchung nach der Schnittmethode, 
dass die Becher gar keinen Kanal enthalten, wie man ihn bei einem 
Mikropylenapparat doch voraussetzen sollte. Ich halte daher die 
LEeuckArrT'sche Erklärung für verfehlt. Vielleicht könnte man mir 
aber entgegenhalten, dass die schwammige, fein poröse Beschaffen- 
heit der Innenschicht des Bechers genüge, um den Spermatozoen den 
Zutritt zu gestatten. Ich habe desshalb die mir zugängliche Litteratur 
nach Beobachtungen über das Eindringen von Samenfäden in Insekten- 
eier durchsucht, um zu sehen, ob irgendwo für Wanzen oder andere 
Insekten mit ähnlichen Apparaten der direkte Nachweis für die 
Funktion derselben als Mikropylen erbracht worden ist. Es ist nicht 
eben viel, was ich gefunden habe. Neben kurzen Angaben von 
Huxey (15) und Lanpoıs (22) enthalten eingehende Untersuchungen 
über diesen Gegenstand nur die Arbeiten von LEUCKART (23) und 
MEISSNER (29). Das Eindringen von Samenfäden, oder wenigstens 
das Anhaften einer größeren Menge derselben an einer besonders 
ausgezeichneten Stelle der Eischale haben die genannten vier Autoren 
feststellen können für mehrere Dipteren und Aphanipteren, für einige 
Ephemeriden und andere Neuropteren, für Aphiden, für manche 
Schmetterlinge und unter den Käfern für Lampyris splendidula. Eine 
senaue Aufzählung und Beschreibung aller einzelnen Fälle würde 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 171 


mich viel zu weit führen, und ich verweise daher auf die eitirten 
Originalarbeiten. Ich will das Resultat meiner diesbezüglichen Litte- 
raturstudien nur so weit mittheilen, als es für die zu erörternde 
Frage nach der Funktion der oben beschriebenen Chorionanhänge 
von Wichtigkeit ist. Was uns hier vornehmlich interessirt, ist fol- 
gendes übereinstimmende Ergebnis aus den zahlreichen Einzelbeobach- 
tungen der genannten vier Autoren. Alle Insekten, bei denen das 
Eindringen von Samenfäden in die Mikropyle des Eies beobachtet 
werden konnte, haben entweder nur kleine, knopf- oder 
warzenförmige Mikropylaufsätze, oder die Mikropylen 
liegen sogar in einer Vertiefung der Eischale. Die becher- 
förmigen Anhänge des Chorions von Pentatoma aber, wie überhaupt 
alle ähnlichen größeren Apparate der Eischale, die in den verschie- 
densten Insektenordnungen weit verbreitet sind und von LEUCKART 
in großer Zahl untersucht wurden, haben niemals auch nur eine 
Andeutung davon gezeigt, dasssiezur Aufnahme 
der Spermatozoen dienten. Auch dieses negative Er- 
sebnis früherer Untersuchungen spricht also zum mindesten nicht 
dafür, dass wir es hier mit Mikropylapparaten zu thun haben. Nun 
haben diese zum Theil recht komplieirten Gebilde aber doch sicher 
irgend eine Funktion. Diese scheint mir verständlich zu werden, 
wenn man sie vergleicht mit den Eistrahlen von Nepa und Ranatra, 
welche zuerst von LEUCKART (23) genau beschrieben und dann in 
jüngerer Zeit von KorscHeLt (17 und 18) auch auf Schnittserien 
sorgfältig untersucht worden sind. Diese Eistrahlen, deren Nepa 
sieben, Ranatra dagegen nur zwei besitzt, scheinen, abgesehen von 
ihrer enormen Größe und ihrer Lage am vorderen Eipol, große Ähn- 
lichkeit mit den becherförmigen Chorionanhängen von Pentatoma zu 
besitzen. Sie bestehen eben so aus einer homogenen Außenschicht, 
die eine schwammige, fein poröse Innenschicht umschließt. Am Vor- 
derende fehlt die Außenschicht bei Nepa, so dass hier also das innere 
spongiöse Chitin frei zu Tage tritt. Bei Ranatra umschließt die äußere 
homogene Chitinlage die Innenschicht dagegen auch am Vorderende, 
ist hier aber selbst von vielen feinen Poren durchbohrt. Die Eistrahlen 
von Nepa und Ranatra besitzen allerdings nicht die charakteristische 
Becherform der Chorionanhänge von Pentatoma und Asopus, sondern 
sie sind vorn bloß schwach verdickt. Doch ist dieser Unterschied 
sicher kein wesentlicher. Außerdem fehlt den sehr großen Chorion- 
anhängen von Pentatoma juniperinum nach LEUCKART (23) ebenfalls 


die becherförmige Gestalt. Sie sind lange, schlanke Gebilde, die nur 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 12 


172 Julius Groß, 


an der Spitze ein wenig verdickt sind. Bei dieser, den von mir 
untersuchten Arten sehr nahe stehenden Species gleichen die Chorion- 
anhänge also auch äußerlich den Eistrahlen der beiden genannten 
Wasserwanzen. Lassen sich also die von mir beschriebenen becher- 
förmigen Apparate in ausgebildetem Zustande ohne große Schwierig- 
keit mit den Eistrahlen von Nepa und Ranatra vergleichen, so scheint 
dagegen ihre Entstehungsweise eine verschiedene zu sein. Denn an 
der Bildung der Eistrahlen betheiligen sich ja bekanntlich die eigen- 
thümlichen Doppelzellen, welche KorscHerr (17, 18) durch Ver- 
schmelzung zweier besonders vergrößerter Epithelzellen entstehen 
lässt. Doch ist diese Angabe KoRSCHELT’s in neuester Zeit ange- 
fochten worden. DE Bruyne (6) verneint nämlich mit großer Be- 
stimmtheit, dass die Doppelzellen in der von KORSCHELT ange- 
sebenen Weise entständen. Sie sollen nach seinen Untersuchungen 
vielmehr weiter nichts sein, als riesig vergrößerte Epithelzellen, deren 
Kern auf dem Wege direkter Theilung in zwei Stücke zerfallen ist. 
Diese Theilung des Kernes hat DE BRUYNE durch alle Stadien ver- 
folgen können. Nun war KORSCHELT, als er seine Untersuchungen 
anstellte, noch nicht bekannt, welche wichtige Rolle die amitotische 
Kerntheilung im gesammten Follikelepithel der Wanzeneier spielt. 
Diese wurde erst durch die neueren Arbeiten von PREUSSE (34) und 
DE BRUYNE (6) in ihrem ganzen Umfange bekannt. Ich werde dar- 
über noch im dritten Theil der vorliegenden Arbeit zu berichten 
haben. KORSCHELT wusste noch nicht, dass der Kern jeder einzelnen 
Follikelzelle ohne Ausnahme sich amitotisch in zwei Kerne zertheilt. 
Ihm fiel nur an den riesig großen Zellen, welche die Eistrahlen zu 
bilden haben, auf, dass sie zwei Kerne haben. Für sie nahm er 
daher auch einen besonderen Entstehungsmodus in Anspruch. Dazu 
kommt, dass es DE BRUYNE durch Anwendung der neuen im Lauf 
der Jahre vervollkommneten Färbungsmethoden gelungen ist, die 
Zellgrenzen auf allen seinen Präparaten aufs schärfste sichtbar zu 
machen, was für die Entscheidung der Frage nach der Natur der 
Doppelzellen von großer Bedeutung ist. Ich glaube daher, dass die 
DE Brurne’sche Ansicht die richtigere ist, und dass die Doppelzellen 
nur enorm vergrößerte Epithelzellen sind. Ds Bruyne’s Unter- 
suchungen erstrecken sich allerdings nur auf Nepa; aber die ganz 
analogen Gebilde haben bei der nahe verwandten Ranatra doch sicher 
dieselbe Entstehung. Die vergrößerte Zelle bildet nach KORSCHELT 
(17, 15) bei Nepa und Ranatra nur die innere spongiöse Schicht des 
Eistrahles. Sie würde also, wenn man eine Übereinstimmung in der 


{ Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 175 


Bildung der Chorionanhänge von Pentatoma und Asopus mit der der 
Eistrahlen der beiden Wasserwanzen annimmt, der hellen Zelle ent- 
sprechen, welche die Innenschicht des Bechers bildet. Nun haben 
die beiden in Rede stehenden Zellarten aber ein völlig verschiedenes 
Aussehen. Bei meinen Arten handelt es sich um eine helle Zelle, 
welche hinter den anderen Epithelzellen an Größe nicht unbeträcht- 
lich zurücksteht, mit ziemlich flachen, durchaus ganzrandigen Kernen. 
Die sogenannte Doppelzelle ist dagegen ganz enorm vergrößert. Sie 
kann bei Ranatra eine Größe von 1,8 mm erreichen, gehört also, 
abgesehen von Eizellen, wohl zu den größten Zellen, die wir über- 
haupt kennen. Außerdem zeichnen sich ihre stark gefärbten Kerne 
durch die auffallende Fähigkeit aus, starke pseudopodienähnliche 
Fortsätze in das zwischen ihnen gelegene Zellplasma zu treiben. 
Ferner geschieht auch die Bildung der porösen Innenschicht selbst 
in beiden Fällen in wesentlich verschiedener Weise. Bei Pentatoma 
und Asopus scheidet die helle Zelle höchst wahrscheinlich eine 
euticulare Absonderung ab. Das Chitin entsteht also hier in der- 
selben Weise, wie auch bei der Bildung des Chorions durch das Fol- 
likelepithe. Bei Nepa und Ranatra dagegen wird das Chitin der 
Innenschicht des Eistrahles innerhalb der vergrößerten Zelle selbst 
gebildet, wie Text und Abbildungen der Korscueur’schen Arbeiten 
(17, 18) auf das Überzeugendste darthun. Der einzige Einwand gegen 
diese Entstehungsweise, den KorscHELT allenfalls gelten lassen will, 
dass nämlich die Doppelzelle ja aus zwei Zellen entstanden ist, und 
man daher sagen könne, das Chitin bilde sich als euticulare Abson- 
derung an der Grenze der beiden verschmolzenen Zellen, fällt zudem 
in sich zusammen, nachdem ps BRUYNE, wie erwähnt, gezeigt hat, 
dass die Doppelzelle gar nicht aus der Vereinigung zweier Zellen 
hervorgegangen ist. Es bestehen also ganz erhebliche Unterschiede 
zwischen den von mir untersuchten Arten und den beiden Wasser- 
wanzen, in Bezug sowohl auf die Bildung der Chorionanhänge, als 
auch auf Größe und Beschaffenheit der dabei hauptsächlich betheilig- 
ten Zellen. Doch lassen sich diese Abweichungen, wie ich glaube, 
sehr leicht erklären durch die Größenunterschiede der in Rede ste- 
henden Gebilde. Die Becher von Pentatoma und Asopus lassen sich 
erst mit stärkeren Linsen deutlich erkennen und liegen einfach in 
das Epithel eingebettet. Die Eistrahlen von Nepa und Ranatra er- 
reichen das Ei selbst an Länge oder übertreffen es sogar; daher 
muss der Follikel einen besonderen hohen Aufsatz zur Aufnahme der 
in Bildung begriffenen Strahlen bilden. Gleichzeitig mit dieser Ver- 
12% 


174 Julius Groß, 


größerung des Eistrahles musste natürlich im Laufe der phylogene- 
tischen Entwicklung auch die Zelle, welche bei der Entstehung des Ge- 
bildes die Hauptrolle spielt, eben so zu ganz auffallenden Dimensionen 
heranwachsen. Ferner ist die Annahme wohl berechtigt, dass so riesige 
Gebilde, wie die Eistrahlen der beiden Wasserwanzen, zu ihrer Entste- 
hung viel mehr Zeit brauchen müssen, als die kleinen Chorionanhänge 
von Pentatoma und Asopus. Ihre Entwicklung konnte daher nur dann 
mit der Eireife Schritt halten, wenn sie bedeutend beschleunigt wurde. 
Darin sehe ich den Grund für die eigenthümliche Bildung des Chi- 
tins im Innern der Zelle. Dass die Bildung des Strahles, wenigstens 
in seinem oberen Ende, besonders schnell von statten geht, hebt zu- 
dem KorscHELr (18) ausdrücklich hervor. Diese Beschleunigung in 
der Thätigkeit der Zelle hat aber offenbar wieder eine ganz beson- 
ders starke Betheiligung des Kernes an diesen Vorgängen hervor- 
gerufen, die sich in den erwähnten pseudopodienähnlichen, oder, um 
mit KORSCHELT zu sprechen, »rhizopodoiden« Fortsätzen derselben 
äußert. So kann die starke Vergrößerung der Eistrahlen der Grund 
gewesen sein für alle übrigen Verschiedenheiten gegenüber den Cho- 
rionanhängen der anderen Wanzen. Doch eine Besonderheit von 
Pentatoma und Asopus muss ich noch kurz behandeln. Wie wir oben 
gesehen haben, nehmen bei diesen Arten an der Bildung des Bechers 
außer der mehrfach erwähnten Zelle, die die Innenschicht zu lie- 
fern hat, noch zwei Zellen von besonderer Beschaffenheit Theil. Für 
diese fehlt aber bei Nepa und Ranatra das Äquivalent. Bei den 
Wasserwanzen vermissen wir ja aber auch den verdickten und be- 
sonders ausgebildeten oberen Theil, der die Chorionanhänge von 
Pentatoma und Asopus auszeichnet. Dessen Außenschicht ist es aber 
serade, die von den beiden besonders beschaffenen Zellen gebildet 
wird. Bei Nepa und Ranatra wird die Außenschicht des ganzen 
Strahles von den gewöhnlichen den Aufsatz zusammensetzenden Epi- 
thelzellen geliefert, eben so wie die entsprechenden Zellen bei Pen- 
tatoma und Asopus die Außenschicht des Stieles bilden. 

Es ergiebt sich also eine ähnliche Struktur und Bildungsweise 
für die Chorionanhänge von Pentatoma und Asopus einerseits und 
Nepa und Ranatra andererseits. Es liegt daher nahe, auch an eine 
ähnliche Funktion der betreffenden Gebilde zu denken. Nun ist uns 
die biologische Bedeutung der Eistrahlen der besprochenen Wasser- 
wanzen durch die Arbeiten LeuckArr’s (23) und KorscHELT’s (17, 
18) genau bekannt. KorscHerr (18) bespricht dieselbe mit folgenden 
Worten: »Das Thier versenkt seine Eier bei der Ablage in 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 75 


fleischige Blattstiele von Wasserpflanzen, und zwar wer- 
den dazu solche Blattstiele gewählt, die bereits abgestor- 
ben sind und auf dem Wasser schwimmen. In solchen 
fleischigen Pflanzentheilen findet man die Eier gruppen- 
weise oder reihenweise angeordnet. Die Eier selbst sind 
nicht sichtbar, da sie ganz in dem Gewebe des Blattstieles 
verborgen sind; nur die Eistrahlen ragen über die Ober- 
fläche des Wassers hervor.« »Die mit Eiern besetzten 
Pflanzentheile, welche ich auffand, schwammen so auf 
dem Wasser, dass die Eistrahlen nach oben gerichtet waren 
und also in die Luft ragten. Das Pflanzengewebe selbst 
war wie einSchwamm ganz von Wasser durchtränkt. Eine 
andere Kommunikation des Eies mit der Luft als durch die 
Eistrahlen war also unmöglich. Die ganze Einrichtung der 
Eistrahlen deutet nun darauf hin, dass sie die Funktion 
haben, dem sich entwickelnden Ei Luft zuzuführen. Wie 
wir gesehen haben, sind sie an ihrem oberen Ende völlig 
porös. Ihr unterer größerer Abschnitt ist nun zwar von 
einer undurchlässigen Chitinlage umgeben, da aber das 
ganze Innere pneumatisch ist, so kann die am oberen po- 
rösen Abschnitt eingedrungene Luft bis zum Grunde der 
Strahlen vordringen. Hier aber stehen sie, wie ich oben 
beschrieb, mit dem ebenfalls pneumatischen Endochorion 
in direkter Verbindung, so dass die Luft weiter in das 
letztere, sowie in die Porenkanäle des Exochorions vor- 
dringen kann. Auf diese Weise ist also das Ei von einer 
Luftschicht umgeben, welche sich bei Verbrauch von 
Sauerstoff von oben her wieder erneuern kann, auch wenn 
das Ei von dem wasserdurchtränkten Gewebe des Blatt- 
stieles eng umschlossen ist.« 
En, Die Eistrahlen von Nepa und Ranatra dienen also ohne Zweifel 
der Durchlüftung des sich entwickelnden Eies. Dieselbe Funktion 
möchte ich auch den Chorionanhängen der von mir untersuchten vier 
‚Wanzenarten zuschreiben. Wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde, 
ist das Chorion derselben noch von einer schleimigen, oder eiweiß- 
artigen Hülle umgeben, die für Luft wohl völlig undurchlässig ist 
und das Ei gegen zu große Austrocknung zu schützen hat. Inter- 
essanter Weise machte ich nun bei Pentatoma baecarum und nigri- 
corne, von welchen beiden Arten ich völlig reife, dem Oviduct ent- 
nommene Eier untersuchen konnte, folgende sehr für meine Auffas- 


176 Julius Groß, 


sung von der Funktion der Chorionanhänge sprechende Beobachtung. 
Die Schleimhülle umgiebt das ganze Ei und überzieht ausnahmslos 
alle auf dem Chorion stehenden größeren und kleineren Zapfen und 
Haare. Nur die becherförmigen Chorionanhänge sind von 
dieser Umhüllung frei geblieben und ragen aus der Schleim- 
hülle hervor. Sie allein stehen also nach Ablage des Eies mit der 
atmosphärischen Luft in direkter Berührung. Auch auf Schnittserien 
lässt sich für alle drei Pentatoma-Arten an Eiern, die bereits in den 
Eiröhrenstiel hinabgewandert sind, dasselbe Verhalten leicht erkennen, 
wie Fig. 15 deutlich zeigt. Wie es zu Stande kommt, dass die Be- 
cher allein frei bleiben von der Umhüllung durch die Schleimschicht, 
ist leicht erklärlich; auch konnte ich auf einigen Präparaten von 
Pentatoma bacearum und dissimile den Vorgang direkt beobachten. 
Nachdem die Haare des Chorions fertig gebildet sind, hebt sich das 
Follikelepithel etwas von der Eischale ab, so dass zwischen beiden 
ein freier Raum entsteht. Jetzt secernirt das Epithel an seiner Innen- 
wand noch um das ganze Ei die Schleimhülle, die in Folge dessen 
natürlich auch alle Haare überzieht (Fig. 16). Während dieser Vor- 
sänge bleiben aber die Becher noch im Epithel liegen und ziehen 
sich aus diesem erst bei der AusstoßBung des Eies heraus. So kommt 
es auf ganz einfache Weise zu Stande, dass die Becher frei von dem 
schleimigen Überzug, und also nach der Eiablage mit der atmo- 
sphärischen Luft in direkter Berührung bleiben. So ist durch die 
Schleimhülle das Ei gegen allzugroße Verdunstung und Austrocknung 
geschützt, während der für die während der Entwicklung sich ab- 
spielenden Lebensprocesse nöthige Sauerstoff ihm durch die Chorion- 
anhänge zugeführt wird. Bei Asopus liegen die Verhältnisse jeden- 
falls ganz eben so; auch hier überzieht eine dicke Schleimhülle die 
sanze Eischale und lässt nur die Chorionanhänge frei. Ist meine 
Auffassung die richtige, so wird auch die Bedeutung des eigenthüm- 
lichen Aufsatzes, den die Becher bei Asopus und der einen Penta- 
toma zeigen, leicht verständlich. Wie wir gesehen haben, hat bei 
den übrigen Pentatoma-Arten die Außenschicht des Bechers nur eine 
kleine Öffnung, durch welche der Zutritt des Sauerstoffs der atmo- 
sphärischen Luft zu der pneumatischen Innenschicht ermöglicht wird. 
Offenbar soll durch diese Einrichtung das zartere, im Inneren des 
Bechers gelegene Chitin vor Verletzungen geschützt werden. Bei 
Asopus und der einen Pentatoma hat diesen Schutz der Aufsatz des 
Bechers übernommen. In Folge dessen liest am Grunde des Auf- 
satzes die Innenschicht des Bechers in ihrer ganzen Ausdehnung frei 


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Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 177 


und bietet also der Luft eine viel breitere Berührungsfläche dar. Der 
Aufsatz erweist sich also ganz klar als Vervollkommnung des pneu- 
matischen Apparates. Etwas Ähnliches zeigt sich auch bei den 
Eistrahlen von Nepa und Ranatra. Bei Nepa fehlt an der Spitze des 
Strahles die homogene Außenschicht. Bei Ranatra umgiebt sie ihn 
in seiner ganzen Ausdehnung, ist aber am oberen Ende von zahl- 
reichen feinen Poren durchbohrt, so dass also auch hier die spon- 
giöse Innenschicht vor Verletzungen geschützt ist und der Zutritt von 
Sauerstoff doch gewahrt bleibt. Aus allen mitgetheilten Gründen 
glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich den Ohorionanhängen der 
von mir untersuchten Arten von Pentatoma und Asopus dieselbe Funk- 
tion zuschreibe, wie den Eistrahlen von Nepa und Ranatra. Die 
gleiche biologische Funktion haben aber sicher auch die ganz ähn- 
lichen Apparate vieler anderer Wanzen, die uns besonders durch die 
Untersuchungen LEuckArT’s (23) bekannt geworden sind. Sie scheinen 
weit verbreitet zu sein in der Familie der Scutata, zu welcher ja 
auch die von mir beschriebenen Arten gehören. Sie haben meist die 
charakteristische Becherform. Nur bei Pentatoma juniperinum und 
Tethyra maura (Erygaster maurus) fehlt die Erweiterung am oberen 
Ende, so dass die Chorionanhänge hier einfach borstenförmig er- 
scheinen. Auch bei einer großen Anzahl von Vertretern anderer 
Rhynchotenfamilien hat LEUCKART die geschilderten Becher gefunden. 
Doch findet sich bei diesen meist eine eigenthümliche Neuerwerbung. 
Die Becher stehen hier nicht frei auf der Eischale, wie bei den Seu- 
taten, sondern sie liegen an der Innenwand einer chitinösen Lamelle, 
in welche sich die äußere Lippe des Deckelfalzes verlängert. Die 
Lamelle umgiebt also den vorderen Theil des Eies wie ein Schirm, 
dessen Rippen die Becher bilden. Die Bedeutung dieses Schirmes 
ist wohl darin zu suchen, dass er ein Abbrechen der Becher verhin- 
dert. Diese eigenthümliche Vervollkommnung des gesammten luft- 
führenden Apparates fand LEUCKART bei Reduvius personatus, Acan- 
thias lectularia, Harpactor eruentus, Nabis brachyptera und vier zu 
der Familie der Capsinen gehörigen Arten. Wesentlich anders ge- 
staltete Anhänge, als die beschriebenen, fand ich auf der glatten 
Schale der Eier von Pyrrhocoris apterus. Es sind rundliche, knopf- 
förmige Erhebungen in der Nähe des vorderen Eipoles. Sie sind 
bereits von LEUCKART (23) und PauL Mayer (28) abgebildet und 
genau beschrieben. Ich habe ihrer Darstellung daher nichts hinzuzu- 
fügen. Ob sie, wie die genannten Forscher wollen, Mikropylaufsätze 
sind, oder ebenfalls der Durchlüftung des Eies dienen, kann ich nicht 


178 Julius Groß, 


entscheiden, denn ich habe sie auf meinen Schnittserien nie auffinden 
können. Und am in toto eingelesten Ei ließ sich nicht mit Sicherheit 
erkennen, ob sie von einem Kanal durchbohrt, oder etwa auch solid 
und nur von einem porösen Chitin erfüllt sind, wie die Chorion- 
anhänge der anderen Wanzen. Was ihre Zahl betrifft, so stimme 
ich ebenfalls mit PAuL MAYER überein. Von vier untersuchten Eiern 
hatten drei fünf, eines sechs der geschilderten Anhänge. 


Meine Resultate über die Bildung der Eihüllen lassen 
sich in Kürze folgendermaßen aussprechen: 

Die Dotterhaut entsteht durch Erhärtung der Rinden- 
schicht des Dotters, meist vor Bildung der Eischale; nur 
bei Pyrrhocoris apterus wird sie erst nach dem Chorion 
gebildet. 

Das Chorion der meisten von mir untersuchten Wanzen 
ist eine cuticulare Absonderung des Follikelepithels. Es 
besteht aus zwei Schichten, einem homogenen Exochorion 
und einem porösen Endochorion, das bei Asopus bidens 
noch besondere größere Lufträume birgt. 

Das Exochorion weist mannigfaltige Verzierungen auf, 
Leisten, die polygonale Felder umschließen, bei Alydus 
calcaratus, Buckel bei Asopus bidens, Haare und Zapfen 
bei den Pentatoma-Arten. 

Bei letzteren und bei Asopus hat das Chorion noch 
besondere größere Anhänge. Diese sind becherförmig und 
bestehen aus einer homogenen Außenschicht und einer 
schwammigen, porösen Innenschicht. Die Becher werden 
von je drei veränderten Epithelzellen gebildet. Eine der- 
selben liefert die Innenschicht, die beiden anderen die 
Außenschicht. Die Außenschicht des Becherstieles wird 
von den benachbarten Epithelzellen gebildet. 

Die becherförmigen Chorionanhänge sind keine Mikro- 
pylapparate, sondern Vorrichtungen zur Durchlüftung des 
Eies, wie die Eistrahlen von Nepa und Ranatra. Die 
Schleimhülle wird ebenfalls schon vom Follikel ausge- 
schieden. 

Das Chorion der Eier von Pyrrhocoris apterus entsteht 
durch Verschmelzung der Follikelzellen. Es ist glatt und 
trägt nur am Vorderende sechs rundliche Aufsätze. 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 179 


Ill. Die Amitose im Ovarium der Hemipteren und ihre physiologische 
Bedeutung. 


Die erste Andeutung über Kerntheilungen im Ovarıum der In- 

sekten findet sich in PauL Marver’s monographischer Arbeit über 
“Pyrrhocoris apterus aus dem Jahre 1874 (28). Er sagt über das Fol- 
likelepithel dieser Wanze: »Alle Zellen sind mit verschiedener 
Lebhaftigkeit in der Theilung begriffen, was sich an Kar- 
minpräparaten oft nur dadurch zu erkennen giebt, dass 
zwei dunklere Randpartien der Zelle durch eine mittlere 
helle Zone von einander geschieden sind.« Vier Jahre später 
findet ALEXANDER BRANDT (3), dass im Follikelepithel von Lucanus 
cervus »nicht selten ein Kern in zwei zerfällt«, und dass ferner 
bei zwei anderen Käfergattungen, Leptura und Baötis, in der Nähr- 
kammer häufig »biskuitförmige Kerne auftreten, die auf Thei- 
lungen hindeuten<. WırrL (45) bespricht dann ausführlicher die 
Theilung der Nährzellkerne von Nepa und Notoneeta und verwerthet 
diese Erscheinungen für seine Ooblastentheorie. 

Nachdem unterdessen durch die Arbeiten von VAN BENEDEN (41) 
und FLemmine (9, 10) der Unterschied zwischen direkter und indi- 
rekter Kerntheilung schärfer hervorgehoben worden war, machte 
KorscHeEur (17) zum ersten Male die ausdrückliche Angabe, dass 
die Theilungen im Follikelepithel nicht unter dem Bilde der Karyo- 
kinese verlaufen. Er sagt über Hydrometra lacustris: »Jede Zelle 
enthält merkwürdiger Weise zwei Kerne, was auf Thei- 
lungsszustände der Zelle hindeutet, und doch macht das 
Ganze nicht einen solchen Eindruck. Wirkliche Theilungs- 
figuren konnte ich nie auffinden.« 

Im letzten Jahrzehnt ist nun ein lebhafter Streit entbrannt über 
die biologische Bedeutung der Amitose. Auf der einen Seite sprechen 
sich FLEMMInG, MEvES und Andere dafür aus, dass sowohl die Mitose, 
wie die Amitose Veranlassung zu einer regen Zellvermehrung geben 
können, und dass also in dieser Beziehung kein wesentlicher Unter- 
schied zwischen direkter und indirekter Kerntheilung besteht. Aufs 
entschiedenste widersprechen dieser Ansicht besonders H. E. ZIEGLER 
und OÖ. vom Rarn. Beide Autoren zeigen an einer großen Reihe von 
Fällen aus den verschiedensten Thierklassen, besonders auch von 
Arthropoden, dass der Amitose bei Metazoen nie eine wirk- 
lich regeneratorische Bedeutung zukommt. Sie erklären da- 
her in mehreren Arbeiten (35, 36, 46, 47), dass die Amitose bei 


180 Julius Groß, 


Metazoen stets am Ende einer Reihe von Zelltheilungen und nur bei 
solchen Zellen auftritt, welche entweder in Folge besonderer Speecia- 
lisirung einer intensiven Assimilation, Sekretion oder Exkretion vor- 
stehen oder in alternden abgenutzten Geweben und folglich auch da, 
wo Zellen nur eine vorübergehende Bedeutung haben. Dabei ist die 
Zahl der auf einander folgenden direkten Kerntheilungen nach An- 
sicht der beiden genannten Forscher stets eine geringe und die Zahl 
der durch sie veranlassten Zelltheilungen, wenn solche überhaupt vor- 
kommen, noch beschränkter. 

Die vorhin erwähnten Kerntheilungen im Ovarium der Hemipteren 
hat nun Preusse (34) auf Anregung KOoRSCHELT's zum Gegenstande 
einer Specialuntersuchung gemacht. Seine Beobachtungen erstrecken 
sich auf folgende Arten: Nepa cinerea, Notonecta glauca, Hydro- 
metra lacustris, Ranatra linearis, Reduvius personatus und Pyrrho- 
coris apterus. Der Verfasser gelangt zu folgenden, der Theorie von 
ZIEGLER und voM RATH direkt widersprechenden Resultaten. Der 
Amitose im Ovarium der Hemipteren kommt eine wichtige 
Rolle bei der Vermehrung der Zellen zu. Eine ganze Reihe 
amitotischer Kerntheilungen folgen aufeinander und geben 
Anlass zu fortgesetzten Theilungen von Zellen. Bei einem 
sroßen Theile der sich direkt theilenden Kerne kann von 
einem degenerativen Oharakter nicht gesprochen werden. 

Die von PrEusse mitgetheilten Befunde sind für Nepa und Noto- 
necta nachgeprüft worden von DE BRUYNE (6). Dieser Autor zieht aus 
seinen Untersuchungen Schlüsse, die zu den von PrEussE mitgetheilten 
im schärfsten Gegensatz stehen. De BruyYneE schließt sich voll- 
kommen dem Standpunkt von ZIEGLER und VOM RATH an 
und erklärt mit großer Bestimmtheit, dass die Amitose 
in den von ihm beobachteten Fällen einen hervorragend 
degenerativen Charakter trage und niemalsbeiRegenera- 
tionserscheinungen auftrete. 

Meine Untersuchungen haben, wie sich im Laufe der Darstellung 
zeigen wird, im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen geführt, welche 
DE BRuYNE mittheilt. Doch hielt ich es nicht für zwecklos sie hier 
genauer zu besprechen. Denn da ich an anderem Material gearbeitet 
habe, konnte ich immerhin einige Besonderheiten konstatiren, dann 
aber schien es mir wichtig, dass die aufgeworfene Frage an möglichst 
zahlreichen Arten geprüft werde. | 

Im Gegensatz zu Prevusse habe ich amitotische Kerntheilungen 
nur in zwei Regionen der Eiröhre gefunden, in der Nährkam- 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. LS 


mer und im Follikelepithel. PrEUSsSsE beschreibt Amitosen auch 
aus dem Endfaden, der Peritonealhülle und dem Epithel des Eiröhren- 
stieles.. Ich habe in den genannten Gewebstheilen trotz eifrigen 
Suchens überhaupt keine sicheren Anzeichen für Kerntheilungen 
irgend welcher Art finden können. Wohl finden sich oft Kerne mit 
zwei Nucleolen, ferner bemerkte ich zuweilen an einigen Kernen 
leichte Einschnürungen, auch finden sich in den Eiröhrenstielen älterer 
Thiere manchmal Zellen, die scheinbar zwei Kerne enthalten; doch 
ist in solchen Fällen das Gewebe schon in starker Degeneration be- 
sriffen: das Plasma ist blasig aufgequollen, die Kerne haben ihre 
frühere Tinktionsfähigkeit eingebüßt, und die Zellgrenzen sind sehr 
undeutlich geworden, so dass es schwer zu entscheiden ist, ob zwei 
nahe bei einander liegende Kerne zu einer oder zwei Zellen gehören. 
Ich will es desshalb nicht als ganz unmöglich hinstellen, dass in den 
Eiröhrenstielen älterer Thiere ab und zu ein Kern sich amitotisch 
theilt, doch ist dieses in den genannten Geweben jedenfalls eine 
seltene und mehr zufällige Erscheinung. DE BRUYNE scheint eben- 
falls nur in der Endkammer und dem Follikelepithel direkte Kern- 
theilungen angetroffen zu haben. Denn in seiner der Amitose gewid- 
meten Arbeit (6) erwähnt er die übrigen Theile des Ovariums mit 
keinem Wort. 


a. Amitose in der Endkammer. 


Wie vorhin erwähnt, zerfällt die Endkammer der Hemipteren in 
drei deutlich gesonderte, von vorn nach hinten auf einander folgende 
Regionen (Fig. 1). An der Spitze liegt eine Partie kleiner jugend- 
licher Kerne. Deutliche Zellgrenzen zwischen diesen Kernen habe 
ich nur auf einigen wenigen Präparaten, die mit Kernschwarz und 
Safranin behandelt waren, erkennen können. Meist macht es den 
Eindruck, als ob die Kerne in einer gemeinsamen Protoplasmamasse 
lägen. PrEussE ist es eben so gegangen. Er hat Zellgrenzen nur 
einmal bei Nepa cinerea und einige Mal bei Pyrrhocoris apterus ge- 
funden. DE BruynE dagegen giebt an, dass er auf allen seinen 
Präparaten die Zellgrenzen mit prägnantester Schärfe hervortreten 
sah. Es ist demnach wohl kein Zweifel, dass die Spitze der End- 
kammer nicht, wie die älteren Autoren meinten, von einem Syney- 
tium eingenommen wird, sondern dass ihre Kerne in distinkten Zell- 
territorien liegen, deren Grenzen nur nicht immer deutlich sichtbar 
sind. Das Chromatin ist in vielen rundlichen Brocken hauptsächlich 
an der Peripherie des Kernes vertheilt (Fig. 2—5). Bei sämmtlichen 


182 Julius Groß, 


von mir untersuchten Arten fand ich unter diesen Kernen niemals 
Amitosen, oder auch nur Andeutungen direkter Kerntheilung. Als 
einziger Kerntheilungsmodus imponirt vielmehr die Mitose. Interes- 
santer Weise finden sich karyokinetische Figuren bei alten Thieren, 
die bereits mehrere Eikammern gebildet haben, nur spärlich. In großer 
Häufigkeit erscheinen sie dagegen bei jungen Thieren und bei Larven. 
Hier kann man kaum einen Schnitt auffinden, der nicht mehrere Mi- 
tosen und Vorbereitungsstadien zur indirekten Kerntheilung enthält. 
Ich befinde mich hier in erfreulichster Übereinstimmung mit DE BRUYNE. 
Auch er hat in keinem einzigen Falle Amitosen unter den kleinen 
Kernen an der Spitze der Endkammer gefunden. Im schärfsten Gegen- 
satz zu meinen und den Ausführungen DE Bruyne’s befindet sich 
PrREUSSE. Er giebt an, dass bei Nepa Amitose und Mitose sich un- 
sefähr das Gleichgewicht halten und sagt später über die übrigen 
von ihm untersuchten Hemipteren, dass sich auch bei ihnen die Kerne 
an der Spitze der Endkammer nach beiden Typen theilen. Genauer 
bespricht er diese Verhältnisse nur bei Nepa. Das Vorkommen von 
Amitosen lässt sich, wie er meint, aus dem Vorkommen zweier Kerne 
in einer Zelle entnehmen. Nun hat er aber ja, wie bereits erwähnt 
wurde, von Nepa nur ein Präparat gehabt, auf dem die Zellgrenzen 
erkennbar waren, so dass eine Täuschung keineswegs ausgeschlossen 
erscheint. Ferner sollen zuweilen einzelne Kerne Einkerbungen auf- 
weisen, was nach PREUSSE ebenfalls für Amitose spricht. Auf der 
einzigen, der Endkammerspitze entnommenen Abbildung (Fig. 26), die 
seine Arbeit enthält, ist nichts Derartiges zu erkennen. Endlich führt 
der genannte Autor zur Stütze seiner Ansicht noch an, dass einzelne 
Kerne »einen in Durchschnürung begriffenen Nucleolus, oder 
das Produkt davon, zwei Nucleolen« besitzen. Die Mehrzahl 
der Kerne enthalte dagegen nur einen stark gefärbten und verschie- 
den gestalteten Nucleolus. Diese Angabe ist desswegen interessant, 
weil nach DE BrRUYNE’s Untersuchungen, deren Ergebnisse ich auch 
in diesem Punkte vollkommen bestätigen kann, die Kerne in der be- 
sprochenen Partie der Endkammer im Allgemeinen überhaupt gar 
keinen Nucleolus besitzen. Einen solchen erhalten sie erst weiter 
nach hinten, wo die kleinen Kerne sich allmählich in die großen 
Kerne der Nährzellen verwandeln. Aus dieser Gegend stammen also 
wohl die Kerne mit ein oder zwei Kernkörpern und mit den Ein- 
kerbungen, wie PREUSSE sie beschreibt. Dazu kommt, dass PREUSSE, 
wie auch aus anderen Stellen seiner Arbeit hervorgeht, höchst wahr- 
scheinlich nur Eiröhren von älteren Thieren untersucht hat, bei 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 183 


denen die Zellvermehrung auch am Gipfel der Endkammer bereits 
nachgelassen hat und daher nur wenige Kerne vorhanden sind, an 
denen die Umwandlung zu den großen Nährzellkernen, wie sie die 
Mitte der Endkammer erfüllen, noch nicht begonnen hat. Jedenfalls 
habe ich gefunden, dass bei alten Thieren das kleinzellige Lager an 
der Spitze der Endkammer nur geringe Ausdehnung hat. KORSCHELT 
(16) theilt sogar mit, dass bei einigen im Frühling, also zur Zeit der 
Eiablage, gefangenen Exemplaren von Notonecta glauca die kleinen 
Kerne an der Spitze der Endkammer gänzlich fehlten. 

Die allmähliche Umwandlung der kleinen Kerne zu den großen 
Nährzellkernen der mittleren, und bei älteren Thieren umfangreichsten 
Region der Endkammer ist bereits von KORSCHELT (16) und DE BRUYNE 
(6) auf das sorgfältigste untersucht worden. Ich habe daher den An- 
saben dieser Forscher nichts hinzuzufügen. Die fertigen Nährzell- 
kerne zeigen, wie es bereits mehrfach beschrieben worden ist, eine 
fächerförmige Anordnung, das heißt, sie liegen in schräg gerichteten 
Reihen, welche nach hinten und gegen den die Mitte erfüllenden 
protoplasmatischen Raum konvergiren. Die Nährzellkerne selbst haben 
bei Pyrrhocoris apterus, Corizus hyoseyami und Graphosoma nigro- 
lineatum eine rundliche bis eiförmige Gestalt, gleich der, welche 
KORSCHELT für Pyrrhocoris und Reduvius beschreibt. Bei den übrigen 
von mir untersuchten Wanzen ist die Form der Kerne unregelmäßiger. 
Am mannigfaltigsten sind sie bei Asopus, Syromastes und nament- 
lich bei Harpactor subapterus gestaltet. Zellgrenzen zwischen den 
Kernen sind sehr deutlich in den peripheren Theilen der Endkammer 
zu erkennen; nach innen gegen den protoplasmatischen Raum zu 
werden sie dagegen undeutlicher oder sind ganz verschwunden (Figg. 36, 
37 und 38). Hier hat offenbar die Auflösung des Zellplasmas und 
dabei natürlich auch der Zellmembran schon begonnen, während die 
nach außen gelegenen Theile der Zelle und die Kerne noch intakt 
erscheinen. Die Kerne der Nährzellen sind wie bei allen bisher 
untersuchten Wanzen, so auch bei meinen Arten in regster amito- 
tischer Theilung begriffen. Dagegen habe ich auf allen meinen Prä- 
paraten nur ein einziges Mal unter den Nährzellen eine Mitose liegen 
sehen, und zwar in einer Eiröhre eines jüngeren Exemplares von 
Pyrrhocoris apterus. Aber auch diese eine scheinbare Ausnahme 
war, wie sich bei näherer Betrachtung ergab, gar keine. Denn der 
in Karyokinese begriffene Kern war umgeben von einer Partie kleiner 
Kerne, welche den an der Spitze der Endkammer gelegenen glichen. 
Solche Ansammlungen kleiner Kerne sind nichts Seltenes und schon 


184 Julius Groß, 


mehrfach beschrieben worden. Sei es nun, dass sie, wie einige 
Autoren wollen, von der Spitze der Endkammer nach hinten gewan- 
dert sind, oder auch, dass einige in der Mitte der Endkammer ge- 
legene Zellen die Metamorphose in Nährzellen noch nicht begonnen 
haben, jedenfalls handelt es sich um jugendliche Kerne, die sich 
noch nicht amitotisch getheilt haben!. Mit dem Beginn der direkten 
Kerntheilung hört also die indirekte vollkommen auf; beide Thei- 
lungsmodi sind auf das schärfste geschieden. Die Amitose 
beginnt bei noch verhältnismäßig jugendlichen Kernen gewöhnlich 
mit einer Zweitheilung des Nucleolus, dessen Theilstücke aus einander 
rücken (Figg. 57 und 38:). Doch sind diese durchaus nicht immer 
gleich groß. Bei älteren Thieren ist der Nucleolus schon vor Beginn 
der Amitose in verschiedene, unregelmäßige Brocken zerfallen. Über- 
haupt glaube ich, im Gegensatz zu PREUSSE, nicht, dass der Kern- 
körper eine wichtige Rolle bei der Theilung spielt. Die Theilung 
der Kerne selbst geht auf sehr verschiedene Weise vor sich“ Am 
häufigsten kommt sie durch Ausbildung einer Kernplatte zu Stande. 
Diese macht sich Anfangs nur durch eine dichtere Ansammlung von 
Chromatinpartikeln auf einer den Kern durchziehenden Linie bemerk- 
bar (a in Figg. 36, 38, 39). Diese Granulation wird immer stärker 
(b in Figg. 36 und 38), und schließlich sieht man zwei Kerne dicht 
an einander liegen, deren einander zugekehrte Wände ziemlich gerad- 
linig sind (ce in Fig. 37). Gleichzeitig mit der Ausbildung einer Kern- 
platte tritt zuweilen auch eine Einschnürung des Kernes von einer 
oder beiden Seiten her auf (d in Figg. 37 und 38). Solche Einschnü- 
rungen können aber auch ohne Ausbildung einer Kernplatte vor- 
kommen und so für sich allein die Theilung bewirken (e in Fig. 37). 
Manchmal finden sich, besonders bei Asopus bidens, auch biskuit- 
bis hantelförmige Kerne (A in Fig. 36), die wohl auch auf Thei- 
lungsvorgänge hinweisen, indem das die beiden Kernhälften verbin- 
dende Stück immer schmäler wird und endlich ganz durchreißt. Bei 
allen diesen Theilungsmodi sind die resultirenden Theilstücke eines 
Kernes durchaus nicht immer gleich groß, sondern es kann sich ein 
beliebig großes Stück auf eine der angegebenen Arten abschnüren. 
Ferner kommt es oft vor, dass ein Kern gleichzeitig in mehrere 
Stücke zerfällt, oder dass wenigstens, bevor eine Theilung vollendet 


1 PREUSSE und DE BRUYNE geben übereinstimmend an, dass die End- 
kammer außen von einer Lage kleinerer Kerne begrenzt wird, welche sich 
mitotisch theilen. Bei allen von mir untersuchten Arten fehlt diese periphere 
Partie kleinerer Kerne. 


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Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren ete. 185 


ist, schon eine neue an einer anderen Stelle des Kernes beginnt, 
so dass ganz seltsam gestaltete Kerne zu Stande kommen (g in Fig. 37). 
Dabei können sich an verschiedenen Stellen eines und desselben 
Kernes verschiedene Arten der Amitose geltend machen (fin Fig. 37). 
Einige Mal fand ich auch typische Lochkerne und zwar bei Penta- 
toma fuscipinum, Syromastes marginatus und Asopus bidens. Drei 
davon sind in den Figg. 39, 40, 41 dargestellt. Doch konnte ich 
mir hier nicht darüber klar werden, ob ich es mit Theilungsvor- 
sängen zu thun hatte, oder ob die Löcher lediglich Anzeichen von 
beginnendem Zerfall der betreffenden Kerne waren. Mit unzweifel- 
hafter Sicherheit dokumentiren sich die Lochkerne als Stadien der 
Amitose dagegen bei Harpactor subapterus, wo sie unter den mehr 
nach hinten gelegenen Nährzellkernen recht häufig auftreten. Hier 
zeigt sich zuerst im Kern eine ziemlich central gelegene, runde Stelle, 
die sich Farbstoffen gegenüber wie das Zellplasma verhält; nur ist 
sie dunkler tingirt als dieses. Dass sie ein wirkliches Loch, und 
nicht bloß eine veränderte Partie des Kernes ist, geht klar daraus 
hervor, dass sie allseitig von der scharf hervortretenden Kernmembran 
begrenzt wird. Auch lässt sich beim Verfolgen eines solchen Kernes 
durch mehrere Schnitte deutlich erkennen, dass er wirklich durch- 
bohrt ist. Das Loch kann nun entweder nur nach einer Seite durch- 
brechen und es entstehen dann eigenthümlich gestaltete Kerne, wie 
die in Figg. 45 und 44 dargestellten. Oder aber das Loch bricht 


‚gleichzeitig, oder doch kurz nach einander, nach zwei Richtungen 


durch (Figg. 45 und 46). Dann resultiren zwei Kerne (Figg. 47 und 
45), an deren Kontouren man ihre Entstehungsweise noch deutlich 
erkennen kann. Ähnliche Lochkernbildungen sind von REINKE, 
BELLONcI, MEvEs und Anderen auf abnorm verlaufende Mitosen zu- 
rückgeführt worden. Ich habe bei den geschilderten Kernen auch 
nicht die geringsten Andeutungen für eine solche Entstehung auf- 
finden können. Sie ist in diesem Falle ja auch von vorn herein 
höchst unwahrscheinlich. Denn die Lochkerne treten immer erst in 
den am meisten nach hinten gelegenen Nährzellen auf, also in einer 
Gegend, wo karyokinetische Processe längst nicht mehr anzutreffen 
sind. Gleichzeitig mit der Ausbildung des Loches können übrigens 
an ein und demselben Kern auch die anderen vorher geschilderten 


‚Arten der Amitose auftreten, wie dieses zum Beispiel der eine der 


in Fig. 49 abgebildeten Kerne recht gut zeigt. 
Deutliche Anzeichen dafür, dass der Amitose der Nähr- 
zellkerne eine Zelltheilung folge, sind mir nicht zu 


186 Julius Groß, 


Gesichte gekommen. Dr BRUYNE ist es eben so gegangen. PREUSSE 
dagegen sah auf seinen Präparaten »einige wenige Bilder«, die 
ihm für Zelltheilung zu sprechen schienen. Das heißt, er fand einige 
Mal Zellen, die auf zwei gegenüberliegenden Stellen Einschnürungen 
erlitten hatten. Ich will desshalb die Möglichkeit, dass der Amitose 
in der Endkammer auch einmal eine Theilung der Zelle folgt, nicht 
strikt verneinen. Jedenfalls ist es aber eine ungewöhnliche und höchst 
seltene Erscheinung. 
Gleichzeitig mit dem Auftreten der Amitose macht sich ein starker 
Zerfall der Nährzellen bemerkbar. Je weiter nach hinten und je näher 
dem centralen, fibrillär gestreiften, protoplasmatischen Raum die Zellen 
liegen, um so stärkere Degenerationserscheinungen weisen sie auf. 
Die Zellmembranen verschwinden und im Plasma treten Fäden oder 
Fibrillen auf, die sich direkt in die des protoplasmatischen Raumes 
fortsetzen. Gleichzeitig sind die Kerne immer größer, ihre Formen 
immer abenteuerlicher geworden. Die amitotischen Vorgänge schei- 
nen sich immer schneller zu wiederholen, ja einige Kerne zerfallen 
offenbar gleichzeitig in eine größere Anzahl von Theilstücken. Im 
protoplasmatischen Raum selbst lässt sich aufs deutlichste der voll- 
kommene Zerfall der Kerne verfolgen, nachdem das Zellplasma selbst 
schon vorher zu Grunde gegangen ist, respektive sich in die eigen- 
thümliche, fädige Substanz verwandelt hat. Auch an den Kernen 
wird zuerst die Membran aufgelöst; dann verschwindet auch das bis 
dahin durch seine helle Farbe kenntliche Kernplasma, und es bleibt 
nur eine Anhäufung von Chromatin übrig; auch diese ist bald nicht 
mehr sichtbar, und nur die Nucleolen und die allergrößten Chromatin- 
brocken deuten noch die Stellen an, wo früher ein Kern lag, bis auch 
sie der allgemeinen Auflösung verfallen. Den hintersten Theil der 
Endkammer bildet das sogenannte Keimlager. Es ist dieses eine 
Ansammlung kleiner Kerne, zwischen denen die jüngsten Keimbläs- 
chen liegen. Im Keimlager habe ich eben so wenig wie DE 
BruyneE jemals Amitosen gefunden. Dagegen sind zahl- 
reiche, bei jungen Thieren sogar massenhafte Mitosen zu 
bemerken. In direktestem Gegensatz zu diesen Befunden stehen 
die Resultate Preusse’s. Er giebt an, dass er im Keimlager sämmt- 
licher von ihm untersuchten Hemipteren sehr häufig Kerne beobachten 
konnte, deren Formen auf amitotische Theilung hinwiesen. Dagegen 
hat er Mitosen nur selten, bei Notonecta und Reduvius sogar nie 
sefunden. Er meint daher, dass auch im Keimlager der amitotische 
Theilungsvorgang die Regel ist. Ich kann mir dieses eigenthümliche 


ä © 
Fe _ 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 187 


Ergebnis der Preusse’schen Arbeit, das dem Autor selbst befrem- 


dend erscheint, nur dadurch erklären, dass ihm nur Eiröhren sehr 
alter Thiere vorgelegen haben, bei denen die Bildung von Eifächern 
bereits größtentheils beendet war. Dann wäre es möglich, dass auch 
im Keimlager die Neubildung der Zellen fast ganz aufgehört hat, 
da für die wenigen noch zu bildenden Follikel die bereits vorhan- 
denen Zellen genüsten. Für diese meine Ansicht spricht noch be- 
sonders der Umstand, dass PrREUSSE immer von Eiröhren mit sehr 
zahlreichen Eifächern spricht, niemals aber solche erwähnt, bei denen 
erst wenige Eifächer gebildet sind. 

In einem ähnlichen Widerspruch, wie PREUSSE zu DE BRUYNE 
und mir, befinden sich auch zwei ältere Autoren in Bezug auf das 
Keimlager der Feuerwanze. WırLL (45) vermisste in demselben die 
Mitosen gänzlich, während WIELOwIEJSKI (44) stets eine ganze Menge 
ganz typischer karyokinetischer Figuren fand und daher meint, WILL 
müsse sie einfach übersehen haben. Dass die Mitosen etwa im Keim- 
lager, wie das in anderen Fällen vorkommt, periodisch auftreten, 
kann ich nicht gut annehmen. Denn es müsste doch ein ganz merk- 
würdiger Zufall sein, dass ich sie bei 15 verschiedenen, meist an 
mehreren Vertretern untersuchten Arten, im Ganzen also an über 
50 Exemplaren, immer in jeder Eiröhre in großer Anzahl antraf. 


b. Amitose im Follikelepithel. 


Das Follikelepithel ganz junger Eier, die eben erst aus der End- 
kammer ausgetreten sind, ist mehrschichtig und besteht aus kleinen 
Zellen, welche noch ganz den Zellen des Keimlagers gleichen. Sie 
haben nur sehr wenig Zellplasma; das Kernplasma ist dicht und fein 
sranulirt. Bei den Pentatoma-Arten und bei Asopus bidens enthält 
jeder Kern einen deutlichen Nueleolus, bei den übrigen mir vorliegen- 
den Species fehlt ein solcher dagegen, und das Chromatin ist in einige 
sroße Schollen zerfallen. Mitosen treten in dem mehrschichtigen 
Epithel ganz junger Eifollikel ziemlich zahlreich auf. Wenn das Ei 
heranwächst wird das Epithel einschichtig, worauf bereits BRAnDT (3) 
aufmerksam gemacht hat. Dabei wachsen die Epithelzellen bedeutend. 
Die stellen jetzt hohe, dieht gedrängte Cylinderzellen dar. Die Kerne, 
die sich ebenfalls vergrößert haben, liegen ziemlich in der Mitte der 
Zelle, doch etwas nach außen gerückt. Quer zu der Längsachse der 
Zellen reichen die Kerne nach allen Seiten bis an die jetzt sehr 
deutliche Zellmembran heran (Figg. 51 und 52). Daher kommt es, 
dass man auf Flächenschnitten in der Höhe der Kerne fast nur diese 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 13 


188 Julins Groß, 


bemerkt (Figg. 53, 54 und 55). Die polygonal, meist sechseckig be- 
srenzten Zellterritorien treten erst auf den folgenden Schnitten der 
Serie auf. 

Im bereits einschichtig gewordenen Epithel treten Mi- 
tosen nur noch ganz ausnahmsweise auf und verschwinden 
bald völlig. Dagegen zeigen sich jetzt häufig Amitosen, und bald 
unterliegen alle Kerne ausnahmslos diesem Theilungsmodus. Hier 
ergiebt sich ein wichtiger Unterschied zwischen meinem Material und 
den von PREUSSE und DE BruYNE untersuchten Hemipteren, beson- 
ders Nepa. Bei diesen beschreiben die genannten Forscher Mitosen 
aus bereits ziemlich alten Eifächern, in denen sich die Amitose schon 
in ausgedehntem Maße geltend gemacht hat. PrEussE fand bei Nepa 
häufig bis zum sechsten, einmal sogar bis zum neunten Eifach noch 
karyokinetische Figuren. Bei meinen Arten enthielt dagegen immer 
nur das allerjüngste von den bereits mit einschichtigem Epithel ver- 
sehenen Eifächern noch Kerne, die in indirekter Theilung begriffen 
waren. Die beiden Kerntheilungsmodi sind also bei den von mir 
untersuchten Wanzen viel schärfer geschieden. 

Die Amitose verläuft im Follikelepithel in viel einförmigerer Weise 
als in der Endkammer. Fast durchweg geschieht sie durch Ausbil- 
dung einer Kernplatte (Figg. 51, 52, 55, 54), zuweilen in Verbin- 
dung mit einer beiderseitigen Einschnürung. Nur sehr selten 
scheint die Theilung durch Einschnürung allein vor sich zu gehen. 
Hantelförmige Kerne oder Lochkerne, wie ich sie in der Endkammer 
sah, und wie sie PrEusse auch für das Follikelepithel angiebt, sind 
mir nie zu Gesichte gekommen. Die Amitose scheint ziemlich lang- 
sam zu verlaufen oder nur allmählich, und nicht bei allen Zellen 
gleichzeitig aufzutreten. Denn man findet sie in Follikeln von ziem- 
lich verschiedenem Alter. Das zeigt ein Blick auf die Figg. 51—97, 
wenn man dabei die verschiedene Größe der bei gleicher Vergröße- 
rung gezeichneten, in Amitose begriffenen Kerne vergleicht. In 
älteren Follikeln, wie in den zu den Figg. 58—62 gehörigen, hat 
aber schließlich doch jede Zelle zwei Kerne. Wo dieses scheinbar 
nicht der Fall ist, kann man sich durch Vergleichen der benachbarten 
Schnitte leicht überzeugen, dass dieser Schein nur durch eine für 
die betreffende Zelle ungünstige Schnittrichtung herbeigeführt worden 
ist. Besonders wenn die einzelnen Zellen längsgeschnitten sind, kann 
diese Täuschung leicht entstehen, indem das Messer nur den einen 
Kern trifft. Eine Betrachtung der Figuren zeigt dieses ganz klar. 
Daher fand ich scheinbar einkernige Zellen fast nie auf tangential 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 189 


durch die Follikel gelegten Schnitten, weil bei diesen die Zellen 
quer geschnitten werden. Bei sorgfältiger Durchmusterung guter 
Schnittserien muss aber jede Täuschung bald schwinden. Leicht 
kann eine solche dagegen bestehen bleiben bei der von PREUSSE 
namentlich für ältere Eifächer beliebten Methode des Abpinselns von 
Epithelstücken. Denn bei solchen auf dem Objektträger ausgebrei- 
teten Epithelstücken kann es nur zu leicht vorkommen, dass unter 
dem Mikroskop ein Kern den andern verdeckt. So habe ich denn 
auch auf nach der Preusse’schen Methode angefertigten Präparaten 
stets mehrere scheinbar einkernige Zellen gesehen. Ich glaube da- 
her, dass die einkernigen Zellen, welche Preuss£ abbildet, durchaus 
auf so entstandenen Täuschungen beruhen. DE BruYNE scheint mit 
mir die Ansicht zu theilen, dass in älteren Follikeln nur zweikernige 
Zellen vorhanden sind; jedenfalls spricht er nirgends von einkernigen. 
Ich habe daher allen Grund anzunehmen, dass das geschilderte Ver- 
halten auch für Nepa und Notonecta und die anderen von PREUSSE 
beschriebenen Arten zutrifft. Eine eigenthümliche Ausnahme muss 
ich dagegen noch erwähnen. In einer Eiröhre von Asopus bidens 
fand ich zwei vierkernige Zellen und eine dreikernige (Figg. 65 und 
64). Bei letzterer war der eine Kern, der an Größe ungefähr den 
anderen beiden zusammen gleich kam, seinerseits wieder in Theilung 
begriffen. Die Zelle befand sich also in einem Stadium, das zu 
einem solchen mit vier Kernen hinüberleitet. Ähnliche Fälle, dass 
sich nämlich einer oder beide Kerne einer Zelle noch einmal thei- 
len, hat auch pE BruyneE bei Nepa beobachtet, aber ebenfalls nur 
sehr selten. Die drei mehrkernigen Zellen lagen in Follikeln, welche 
sonst keine Amitosen mehr enthielten. Desswegen, und weil sie alle 
drei einer und derselben Eiröhre angehörten, halte ich sie für ab- 
norme Erscheinungen. 

Im Verlauf der Entwicklung des Eies bis zur Ausstoßung des- 
selben machen die Kerne des Follikelepithels interessante Verände- 
rungen durch. Vor allen Dingen nehmen sie rasch an Größe zu. 
Auch die zugehörigen Zellen wachsen beträchtlich. Daher sieht man 
bei älteren Follikeln auch auf Tangentialschnitten die Kerne stets in 
einem größeren Zellterritorium liegen (Figg. 56, 58, 61). Das Kern- 
plasma, das in jungen Follikeln sehr fein und dicht granulirt er- 
schien, wird homogener und nimmt an Tinktionsfähigkeit zu. Das 
Chromatin liegt regellos in größeren und kleineren manmnigfaltig 
gestalteten Brocken im Kern zerstreut. Ein deutlicher Nucleolus 
bleibt nur bei den Pentatoma-Arten und bei Asopus bidens erhalten. 

13° 


190 Julius Groß, 


Gegen das Ende der Entwicklung des Follikels tritt in den Kernen 
zuweilen wieder eine dichte, sehr grobe Granulirung auf. Die inter- 
essantesten Umwandlungen beziehen sich aber auf die Gestalt und 
gegenseitige Lage der Kerne. Die Kerne stellen sich bald alle so 
ein, dass ihre Längsachse senkrecht zur Follikelwand steht. Wäh- 
rend sie Anfangs dicht an einander gepresst lagen und eine ziemlich 
ebene Berührungsfläche zeigten, rücken sie während des starken 
Wachsthums der Zelle etwas aus einander. Und zwar entfernen sie 
sich besonders in der Mitte von einander, während sie an den Enden 
einander genähert bleiben. Dadurch resultirt ein in der Mitte breiter, 
nach den Enden spitz zulaufender Zwischenraum zwischen den beiden 
Kernen einer Zelle, wie dieses bereits von PREUSSE und KORSCHELT 
(158) genau beschrieben worden ist. Die Kerne nehmen dabei eine 
sehr charakteristische Gestalt an. Auf Schnitten erscheinen sie, wie 
PrEuSssE sehr treffend bemerkt, als zwei Halbmonde, die einander 
ihre Hörner zukehren. Besonders instruktiv zeigen dieses Verhalten 
die Figg. 55 und 61. Wenn man diese Kerne aus einer Schnittserie 
konstruiren wollte, so würden sie schüsselförmig erscheinen, oder 
man würde, wie KoRscHELT (18) sagt, zwei etwas ausgehöhlte 
Kugelabschnitte erhalten. Der Zwischenraum zwischen zwei Ker- 
nen ist von einem besonders dunklen Plasma erfüllt. Ein Hof von 
solchem veränderten Plasma umgiebt auch häufig die Kerne von 
außen; oder die dunklere Zellsubstanz setzt sich an den spitzen Enden 
des Zwischenraumes in die Umgebung der Kerne fort. Besonders 
stark sind die dunklen Höfe bei Alydus calcaratus (Figg. 61 und 62) 
ausgebildet. Hier erreichen sie nach der Außenwand und nach den 
Seitenwänden der Zelle die Zellgrenzen. Auf Tangentialschnitten 
(Fig. 61) erhält man daher bei oberflächlicher Betrachtung den Ein- 
druck, als ob die einzelnen Zellen durch Brücken von dunklerem 
Protoplasma in Verbindung ständen. Doch bleiben die Zellmembranen 
immer deutlich erhalten. Die veränderte Beschaffenheit des Zellplas- 
mas zwischen den Kernen und in der Umgebung derselben ist wohl 
mit Sicherheit als ein Produkt der physiologischen Thätigkeit der 
Kerne selbst zu betrachten. Dafür spricht noch besonders der Um- 
stand, dass die Kerne an ihren einander zugekehrten Wänden eine 
ziemlich unregelmäßige Begrenzung zeigen. Diese Ausbuchtungen 
der Kerne gegen den dunklen Zwischenraum halte ich für pseudo- 
podienähnliche Fortsätze, die in der lebenden Zelle wohl viel be- 
deutender ausgebildet sein dürften, als am fixirten Material. Sehr 
starke pseudopodienähnliche Fortsätze bilden bekanntlich die Kor- 


Untersuchungen iber das Ovarium der Hemipteren etc. 91 


SCHELT’schen sogenannten Doppelzellen von Nepa und Ranatra. Nun 
sind diese ja aber nichts Anderes als besonders riesig entwickelte 
Follikelzellen. Und auch an den Kernen des Follikelepithels selbst 
hat BrAnDT (3) bei verschiedenen Insekten an lebendem Material 
eine starke amöboide Beweglichkeit wahrnehmen können. Eben so 
wie KORSCHELT (19), bin auch ich der Ansicht, dass die Kerne eine 
besondere Bedeutung für die sekretorische Funktion der Zelle haben. 
Dabei bleibt es allerdings noch fraglich, ob die Kerne selbst die 
Substanzen secerniren, welche die Zelle an das reifende Ei abgiebt, 
oder ob durch ihre Thätigkeit nur eine Veränderung des Zellplasmas 
bewirkt wird, die dieses in den Stand setzt, Dotter und Chitin zu 
produeiren. Es zeigt sich also auch hier der innige Zusammenhang 
zwischen sekretorischer Funktion einer Zelle und Amitose ihres Ker- 
nes, wie ihn ZIEGLER in seiner Arbeit ȟber die Entstehung des 
Blutes bei Knochenfischembryonen (48)« bespricht. Die Bedeutung 
der Amitose liegt hier offenbar in der Vergrößerung der Kontakt- 
fläche zwischen Zellplasma und Kern, welche Ansicht ebenfalls be- 
reits von KorscHErrt (19) ausgesprochen und durch zahlreiche Bei- 
spiele belegt worden ist. 

Nicht bei allen von mir untersuchten Arten zeigen die Kerne des 
Follikelepithels die beschriebene charakteristische Gestalt und gegen- 
seitige Lage. Bei Pyrrhocoris apterus und Corizus hyoseyami (Figg. 65 
und 66) bleiben die Kerne vielmehr ganz nahe bei einander liegen, 
oder zeigen höchstens ganz kleine Zwischenräume. Dabei behalten 
die Kerne zeitlebens eine mehr rundliche Gestalt. Auch ist ihre Stel- 
lung gegen die Follikelwand keine so regelmäßige, wie bei den oben 
besprochenen Arten. Häufig sieht man die beiden Kerne einer Zelle 
auch hinter einander liegen. Dunkle Höfe um die Kerne treten zu- 
weilen auf, sind aber immer nur wenig stärker tingirt, als das übrige 
Zellplasma. Wie im zweiten Theile dieser Arbeit berichtet wurde, 
geschieht die Bildung des Chorions bei Pyrrhocoris apterus in völlig 
anderer Weise, als bei den übrigen Wanzen. Sollte das vielleicht in 
Zusammenhang stehen mit dem von den anderen Arten abweichenden 
Verhalten der Kerne? Von Corizus hyoseyami stand mir leider kein 
Exemplar mit begonnener Chorionbildung zur Verfügung. Wenn die 
Bildung des Chorions vollendet ist, verlieren die Kerne wieder ihre 
eigenthümliche Gestalt und Lage. Die dunklen Höfe verschwinden, 
die Kerne rücken weiter aus einander und runden sich ab, wobei sie 
zuweilen eine ganz bedeutende Volumverminderung erleiden. Sie 
haben eben ihre Mission erfüllt und gehen siehtlieh ihrem Untergang 


192 Julius Groß, 


entgegen. Fig. 68 zeigt sehr anschaulich das Verhalten der Kerne 
in solch einem alten Epithel. Im leeren Follikel endlich sind die 
Kerne bald rundlich, bald lang gestreckt, sie liegen bald nahe an 
einander, bald ziemlich weit entfernt. Diese Verschiedenheit in der 
Gestalt, wie in der Lage, wird bedingt durch die sehr verschie- 
denen Druckverhältnisse in den verschiedenen Gegenden des zusam- 
mengedrückten und gefalteten Follikels. Schon in eben erst ent- 
leerten Follikeln machen sich Degenerationserscheinungen bemerkbar 
(Figg. 69 und 0). In den Zellen treten Vacuolen und Fetttropfen 
auf, das Kernplasma färbt sich ganz dunkel; dann schwinden all- 
mählich die Zellgrenzen, bis schließlich in einer vollkommen degene- 
virten Grundmasse nur noch die Überreste einiger Kerne durch ihre 
dunkle Farbe erkennbar sind. Dass in leeren Follikeln sieh noch 
Amitosen abspielen, wie Preusse angiebt, halte ich für gänzlich 
ausgeschlossen. Auch DE BRUYNE hat nie etwas Derartiges gesehen. 

Was nun die Frage anbetrifft, ob im Follikelepithel die Ami- 
tose Zelltheilungen nach sich ziehe, so befinde ich mich auch 
hier wieder in vollster Übereinstimmung mit DE BruysE und in 
schärfstem Gegensatz zu PREUSSE. Für das Follikelepithel muss ich 
die aufgeworfene Frage sogar ganz strikt verneinen, während ich 
für die Endkammer die Mögliehkeit offen ließ, dass in ganz seltenen 
Fällen vielleicht auch einmal der Amitose eine Zelltheilung folge. 
Prevusse führt für seine Ansicht einige Gründe an, deren Beweis- 
kraft mir nicht eben groß erscheint. So hat PreussE in älteren Fol- 
likeln häufig einkernige Zellen beobachtet. Da aber PrEussE von 
älteren Eifächern keine Schnittserien anfertigte, sondern sich auf die 
Untersuchung abgepinselter Epithelstücke beschränkte, so ist er zwei- 
fellos oft in die oben erwähnte Täuschung verfallen. Ferner ist es 
ja vielleicht auch möglich, dass abnormer Weise einmal in einer 
Zelle die Amitose des Kernes unterblieben ist, und die Zelle so bloß 
einen Kern enthielt. Für sehr wahrscheinlich halte ich dieses aller- 
dings nicht. Als wichtigstes Argument giebt PrEUSSE ferner an, dass 
er öfter Einschnürungen an den Zellmembranen beobachtete. In eini- 
sen Fällen sollen diese so weit gegangen sein, dass eine biskuit- 
oder hantelförmige Gestalt der Zelle resultirte. Preusse’s Abbildungen 
soleher Fälle sehen allerdings ganz so aus, als ob die betreffenden 
Zellen im Begriffe seien sich durchzuschnüren. Dennoch bin ich der 
Meinung, dass es sich hier gar nicht um eine Zelle, sondern jedes 
Mal um zwei handelt, und Preusse nur die trennende Zellmembran 
übersehen hat. Dafür spricht noch, dass in beiden Figuren PREUSSE’s 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 193 


(34, Fisg. 52 u. 18) die eingeschnürte Zelle drei Kerne enthält, auf der 
einen Seite der Einschnürungen zwei in typischer Gestalt und Lage, 
auf der anderen Seite einen. Jedenfalls aber haben DE BRUYNE und ich 
bei Anwendung der viel sichereren Schnittmethode niemals ähnliche 
Bilder erhalten. In der Zusammenfassung seiner Resultate spricht 
PreuSsE noch folgende Sätze aus: »Ein schlagender Beweis für 
die reiche Vermehrung der Zellen würde durch genaue 
Vergleichung der Zahl der Epithelzellen in jüngeren und 
älteren Eifollikeln zu geben sein. Meine Absicht, derartige 
Zählungen anzustellen, wurde leider dadurch verhindert, 
dass ich genöthigt war, meine Untersuchungen abzu- 
schließen. Immerhin kann ich nach meinen Beobachtungen 
mit Sicherheit annehmen, dass zwischen den letzten Eifä- 
chern, in denen Mitosen reichlicher vorkommen und zwi- 
schen den Endfollikeln der Eiröhre ein erheblicher Zahlen- 
unterschied der Epithelzellen zu Gunsten der älteren Fol- 
likel besteht.« Obgleich ich nun schon durch den ganzen Verlauf 
meiner Untersuchung die sichere Überzeugung gewonnen hatte, dass 
Zelltheilungen im Follikelepithel niemals vorkommen, führte ich doch, 
um nichts unversucht zu lassen, die von PrEUSSE verlangten Zäh- 
lungen bei einer Anzahl von Eiröhren aus. Ich wählte zu diesem 
Zweck Serien aus, deren Schnittrichtung möglichst genau senkrecht 
zur Querachse der Eifollikel stand. Aus solchen Serien suchte ich 
für die Zählung jedes Mal wieder einen Schnitt aus, der möglichst 
central durch die einzelnen Eifächer gelegt war, so dass alle Follikel 
gleichmäßig in einem größten Umkreis geschnitten waren. Meine auf 
solchen Schnitten an verschieden alten Follikeln je einer Eiröhre 
ausgeführten Zählungen ergaben mir folgende, auf der umstehenden 
Tabelle verzeichnete Resultate. 

Wie man sieht, zeigen sich keineswegs so bedeutende Zahlen- 
unterschiede zwischen den Zellen älterer und jüngerer Follikel, wie 
PREUSSE sie erwartete. Selbst der extremste Fall einer Eiröhre von 
Alydus calcaratus, wo der ältere Follikel ein Plus von 15 Zellen 
gegenüber dem jüngeren aufweist, spricht keineswegs für eine Ver- 
mehrung der Zellen durch Theilung. Denn auch hier ist die genannte 
Differenz so gering, im Vergleich zu der großen Zahl von Zellen, die 
in einem Umkreis des Follikels liegen, dass sie sehr wohl auf Rech- 
nung irgend welcher Zufälliskeiten geschrieben werden kann. Da 
die Kerne aller Zellen sich amitotisch theilen, so müsste man eine 
Verdoppelung der Zahl der Zellen erwarten, wenu der Amitose wirk- 


194 Julius Groß, 
Zahl der Zellen in einem größten Umkreise des Eies. 


Bereits mit Chorion 
versehenes Ei 


| 
Ganz junges E 


Älteres Ei 


Syromastes marginatus \ 76 Zellen “6 Zellen 


- - [er ur % - 
Pentatoma nigricorne Im 955 NE IUUERZ 99 Zellen 
- - 1 2 110 7 
= - 1057 = 108 - 
Pentatoma dissimile 0 IehE, 2 
- - ON 12er 
- - 120 - 125 - 
Asopus bidens 107 - 110: 
- - 1 In ET = dar 
Alydus calearatus Sr | 1 en 
2 - I ra 14 - Übee 
- - ea SD) 3 Sa 


lich eine Zelltheilung folgen würde. So wird der von PREUSSE 
aus den Zählungen erwartete schlagende Beweis für seine 
Behauptungen vielmehr zu einer Stütze der von DE BRUYNE 
und mir vertretenen Auffassung. | 

Bei meiner bisherigen Darstellung ist eine Gruppe von Zellen 
sanz außer Acht gelassen worden, nämlich die am hinteren Ende 
eines jeden Eies gelegene Partie von kleinen, bindegewebsartigen 
Zellen (Figg. 7, 8 und 9). Auch bei diesen tritt jedenfalls regel- 
mäßig Amitose auf. Denn so weit sich Zellgrenzen überhaupt sicher 
nachweisen lassen, liegen auch hier immer zwei Kerne in einer 
Zelle. Ob hier Zelltheilung der Amitose folgt, lässt sich direkt sehr 
schwer entscheiden. Denn die Zellen liegen dicht gedrängt und 
zwischen einander eingeschoben, und Zellgrenzen sind, zumal in 
älteren Eifächern kaum mit Sicherheit zu erkennen. Dagegen lässt 
sich aus der Lage der Kerne meist gut erkennen, dass auch hier 
gewöhnlich zwei Kerne zu einer Zelle gehören. Ich halte mich da- 
her für berechtigt, meine am Epithel der Follikel gewonnenen Resul- 
tate auch für diese Zellgruppen zu verallgemeinern. Wenigstens liegt 
zu einer anderen Auffassung gar kein Grund vor. Allerdings tragen 
diese Zellen einen wesentlich anderen Charakter, wie die großen 
Epithelzellen des Follikels.. Eine sekretorische Funktion kommt 
ihnen wahrscheinlich nicht zu. Doch haben sie ja dieselbe Abkunft 
wie die Epithelzellen. Beide Arten von Zellen differenziren sich aus 
demselben Muttergewebe, den kleinen Zellen des Keimlagers. Da 
nun ‚für den größeren Theil der im Keimlager gelegenen Zellen, 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 195 


welche später einer intensiven, sekretorischen Funktion vorstehen, 
die Amitose offenbar von größter Bedeutung ist, so ist es wohl nicht 
unwahrscheinlich, dass die Tendenz zur direkten Theilung allen Zellen 
des Keimlagers innewohnt und sich auch bei denjenigen geltend 
macht, für welche der eigentliche Grund derselben, die intensive 
sekretorische Funktion, fortgefallen ist. 

Bemerken möchte ich noch, dass ich, eben so wenig wie PREUSSE, 
irgend welche Übergänge von der Amitose zur Mitose gefunden habe. 
Die Amitose im Ovarium der Hemipteren ist also wohl nicht, wie in 
manchen anderen Fällen, aus abnormen Mitosen hervorgegangen, son- 
dern der Vorgang ist anderer Art und anderen Ursprungs. 

In Bezug auf die Centrosomen haben meine Untersuchungen das- 
selbe negative Resultat gehabt, wie die Preusse’sche Arbeit. Trotz 
ausgezeichneter Konservirung und trotz der Anwendung der speciellen 
Centrosomenfärbemittel habe ich nie mit Sicherheit Centrosomen oder 
Sphären finden können. 


Zusammenfassung und Schluss. 


Wenn ich aus meinen Untersuchungen über die Amitose im 
Ovarium der Hemipteren die Summe ziehe, erhalte ich folgende 
Resultate, die in bester Übereinstimmung stehen mit den thatsäch- 
lichen Befunden DE BruyneE’s und mit der von H. E. ZIEGLER und 
voM RATH aufgestellten Theorie über die biologische Bedeutung der 
Amitose der Metazoen!. Die Amitose in den Ovarien der 
Hemipteren ist beschränkt auf zwei Theile dieses?!Organs, 
auf die Nährzellen und das Follikelepithel. Der Amitose 
kommt keinerlei regeneratorische Bedeutung zu. Ein Kern, 
der sich einmal amitotisch getheilt hat, ist nicht mehr im 
Stande, sich karyokinetisch zu theilen. Die Amitose der 
Kerne ist niemals die Veranlassung zu einer nachfolgenden 
Zelltheilung. Das Auftreten der Amitose bezeichnetimmer 
das sofortige oder baldige Aufhören jeder Kerntheilung. 

Hinweisen möchte ich noch auf den prineipiellen Unterschied, 


) Die genannten Forscher haben ihre Theorie ausdrücklich auf die Meta- 
zoen beschränkt. Die verschiedenen Arten der Kerntheilung, welehe bei Proto- 
zoen beobachtet sind, konnten bisher noch nicht unter einen einheitlichen Ge- 
sichtspunkt gebracht werden. Für die Metazoen dagegen kann die Mitose als der 
typische Theilungsmodus gelten; die Amitose in Geweben von Metazoen darf 
mit jener primitiven Amitose, wie sie bei Protozoen vorkommt. nicht zusammen- 
gestellt werden. 


196 Julius Groß. 


den die beiden genannten Gewebe in Bezug auf die Kerntheilung 
aufweisen, und der in der bisherigen Litteratur noch nicht genügend 
berücksichtigt worden ist. Wie oben dargestellt, können sich die 
Nährzellkerne auf sehr verschiedene Weise theilen, durch Aus- 
bildung einer Kernplatte, durch Einschnürung von einer oder beiden 
Seiten her, durch Kombination dieser beiden Theilungsmodi, endlich 
durch Bildung von Lochkernen. Ferner zerfallen die Nährzellkerne 
häufig in mehrere, verschieden große Theilstücke. Auch folgen zu- 
weilen einige Amitosen auf einander, so dass mehrkernige Riesen- 
zellen entstehen. Ganz anders verhalten sich die Zellen des Follikel- 
epithels. Alle Kerne theilen sich auf fast ganz gleiche Weise. 
Die Theilungen wiederholen sich, abgesehen von abnormen Fällen, 
nicht. Sondern jede Zelle behält bis an das Ende ihrer Existenz 
die zwei, durch die Amitose entstandenen, ungefähr gleich großen 
Kerne. Ja die Kerne bleiben, so lange ihre eigentliche Funktion 
dauert, in so engen Beziehungen zu einander, dass man sagen könnte, 
sie bilden, obgleich morphologisch getrennt, eine phy- 
siologische Einheit. 

Eben so verschieden wie die Kerntheilungsverhältnisse ist auch 
die physiologische Bedeutung der beiden Gewebe. Allerdings kommt 
beiden die Aufgabe zu, Material für das wachsende Ei zu liefern; 
aber dieses geschieht in wesentlich verschiedener Weise. Die Nähr- 
zellen verfallen sammt ihren Kernen nach dem Auftreten der Amitose 
bald einer völligen Auflösung, und ihr gesammtes Material wird für 
die Bildung des Eies aufgebraucht. Wesentlich anders ist das Schick- 
sal der Follikelzellen. Sie secerniren zuerst Dotter für das reifende 
Ei und bilden später das Chorion und die Schleimhülle. Sie bleiben 
dabei, mit Ausnahme von Pyrrhocoris apterus in ihrem Bestande er- 
halten, bis die Eihüllen fertig sind und degeneriren erst, nachdem 
das reife Ei den Follikel verlassen hat. 

Die Kerntheilungsvorgänge der Nährzellen fallen unter den einen 
Gesichtspunkt der Zıesuer’schen Theorie, dass nämlich Amitosen in 
‚alten, abgenutzten Geweben« erscheinen und »folglich auch 
da, wo Zellen nur eine vorübergehende Bedeutung haben«. 
Für das Follikelepithel tritt dagegen ein anderer Fall ein, den ZIEGLER 
folgendermaßen charakterisirt: » Amitose tritt hauptsächlich in 
Zellen auf, die in Folge besonderer Specialisirung einem 
ungewöhnlich intensiven Sekretions- oder Assimilations- 
process vorstehen.« 

Man könnte also, so weit das Ovarium der Hemipteren 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 197 


in Frage kommt, sehr gut von zwei verschiedenen Arten 
der direkten Kerntheilung sprechen, von einer degenera- 
tiven und einer sekretorischen Amitose. 


Es sei mir zum Schluss noch gestattet, meinen hochverehrten 


Lehrern, Herrn Professor Ersst HAECKEL, in dessen Institut ich diese 
Arbeit ausführen durfte und Herrn Professor H. E. ZIEGLER für die 
Überlassung des Themas und für seine liebenswürdige Unterstützung 
und vielseitige Anregung beim Ausführen meiner Untersuchungen, 
auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen. 


13. 


Jena, Zoologisches Institut, März 1900. 


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39, 


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47. H.E. ZIEGLER und 0. vom RaArH, Die amitotische Kerntheilung bei den 
Arthropoden. Biol. Centralblatt. Bd. XI. No. 24. 

48. H. E. ZIEGLER, Über die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen. 
Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30. 1887. 

49. H. E. ZIEGLER, Die Entstehung des Periblastes bei den Knochenfischen 

Anat. Anzeiger. 12. Bd. 1896. p. 365. Anm. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XIV—XVI 


Außer der Fig. 1 sind alle Zeichnungen mit Hilfe der Camera lucida und bei 
gleicher Höhe des Zeichentisches angefertigt worden. 


Fig.1. Längsschnitt durch eine Eiröhre von Asopus bidens: ef, Endfaden; 
a, kleinzellige Partie an der Spitze der Endkammer; d, Nährzellen; c, Keimlager ; 
ek, Endkammer. 

Fig. 2. Längsschnitt durch die Spitze der Eiröhre von Syromastes margi- 
natus. Obj. D. Oc. 4. 

 Fig.3. Längsschnitt durch die Spitze der Eiröhre von Pentatoma nigri- 

corne. Obj. D. Oc. 4. 

Fig.4. Längsschnitt durch die Spitze der Eiröhre von Graphosoma nigro- 
lineatum. Obj. D. Oec. 4. 

Fig. 5. Längsschnitt durch die Spitze der Eiröhre von Harpactor subapterus. 
Obj..D. Oe. 4. 

Fig. 6. Längsschnitt durch den hinteren Theil der Endkammer einer Larve 
von Pyrrhocoris apterus. Obj. D. Oe. 2. 

Fig. 7. Scheidewand zwischen zwei jungen Eikammern von Syromastes 
marginatus. Obj. D. Oe. 2. 

Fig. 8. Scheidewand zwischen zwei älteren Eikammern von Syromastes 
marginatus. Obj. D. Oe. 2. 


200 Julius Groß, 


Fig. 9. Scheidewand am Ende der Eiröhre von Syromastes marginatus. 
Obj. D. 08.2. 

Fig. 10. Längsschnitt durch das hintere Ende einer Eiröhre von Asopus 
bidens. Obj. A. Oe. 4. 

If, leerer Follikel eines eben ausgetretenen Eies; df, degenerirter Follikel 
eines älteren Eies; s, Scheidewand des letzteren; es, Eischale; ex, Exochorion; 
en, Endochorion; sh, Schleimhülle. 

Fig. 11. Schnitt durch das in Bildung begriffene Chorion von Pentatoma 
nigricorne. Obj. D. Oe. 4. 

v, vorn; A, hinten; df, Deckelfalz. 

Fig. 12. Schnitt durch das Follikelepithel und das in Bildung begriffene 
Chorion von Asopus bidens. Obj. D. Oe. 2. 

Buchstaben wie in Fig. 11. 

Fig. 13. Schnitt durch die Eischale von Pentatoma dissimile. Obj. D. Oe. 4. 

Buchstaben wie in Fig. 11. 

Fig. 14. Schnitt durch Follikelepithel und in Bildung begriffenes Chorion 
von Alydus cealcaratus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 15. Schnitt durch die Schale eines im Oviduct befindlichen Eies von 
Pentatoma dissimile. Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 16. Schnitt durch Follikelepithel und Eischale von Pentatoma bacca- 
rum. Obj. D. Oec. 4. 

Fig. 17. Schnitt durch die Eischale von Pentatoma nigricorne. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 15—19. Schnitte durch Follikelepithel von Pyrrhocoris apterus. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 20. Schnitt durch das Chorion von Pyrrhocoris apterus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 21. Tangentialschnitt durch einen in Umwandlung begriffenen Follikel 
von Pyrrhocoris apterus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 22. Chorionanhang von Pentatoma baccarım. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 23. Chorionanhang von Pentatoma dissimile. Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 24. Chorionanhang von Pentatoma nigricorne. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 25. Chorionanhang von Pentatoma nigricorne. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 26. Chorionanhang von Asopus bidens. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 27—29. Schnitte durch Follikelepithel mit Becherbildungszellen von 
Asopus bidens. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 30. Schnitt durch Follikelepithel mit fertigem Becher von Asopus bi- 
dens. Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 31. Fertiger Becher mit Bildungszellen von Asopus bidens. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 32. Schnitt durch einen leeren Follikel mit anhängenden Becherbil- 
dungszellen von Asopus bidens. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 35. Schnitt durch Follikelepithel mit Becherbildungszellen von Penta- 
toma nigricorne... Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 34. Schnitt durch Follikelepithel mit Becherbildungszellen von Penta- 
toma baccarum. Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 35. Schnitt durch Follikelepithel mit fertigem Becher und Bildungs- 
zellen von Pentatoma baccarum. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 36. Partie aus einem Längsschnitt durch die Endkammer von Asopus 
bidens. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 37. Querschnitt durch eine Endkammer von Syromastes marginatus. 
0bj.D. 0822: 


Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren etc. 201 


Fig. 38. Partie aus einem Längsschnitt durch die Endkammer von Penta- 
toma dissimile. Obj. D. Oe. 2. 

Fig. 39. Zellen aus der Endkammer von Syromastes marginatus. Obj. D. Oe.4. 

Fig. 40. Zelle mit Lochkern aus der Endkammer von Pentatoma fuseipinum. 
0. D.; Oc. 4. 

Fig. 41. Zelle mit Lochkern aus der Endkammer von Asopus bidens. Obj. D. 
Oe. 4. 
Fig. 42—50. Zellen mit Lochkernen und durch solche bewirkte Theilungs- 
stadien aus der Endkammer von Harpactor subapterus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 51. Längsschnitt durch Follikelepithel von Syromastes marginatus. 
Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 52. Längsschnitt durch Follikelepithel von Pentatoma dissimile. Obj. D 
De. 4. 

Fig. 53. Tangentialschnitt durch junges Follikelepithel von Pentatoma dis- 
simile. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 54. Tangentialschnitt durch junges Follikelepithel von Syromastes 
marginatus. Obj. D. Oc. 4. 

Fig. 55. Tangentialschnitt durch junges Follikelepithel von Alydus cal- 
earatus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 56. Tangentialschnitt durch Follikelepithel von Pentatoma dissimile. 
067-7 Oe. 4. 

Fig. 57. Längsschnitt durch Follikelepithel von Pentatoma dissimile. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 55—59. Tangentialschnitte durch Follikelepithel von Syromastes mar- 
ginatus. Obj. D. Oe. 4. 

Fig.60. Längsschnitt durch Follikelepithel von Syromastes marginatus. 
Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 61. Tangentialschnitt durch Follikelepithel von Alydus cealcaratus. 
Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 62. Längsschnitt dureh Follikelepithel von Alydus calcaratus. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 65. Vierkernige Zelle aus dem Follikelepithel von Asopus bidens. 
Obj. D. De. 4. 

Fig. 64. Dreikernige Zelle aus dem Follikelepithel von Asopus bidens. 
Ob. D2.0c. 4. 

Fig. 65. Tangentialschnitt durch Follikelepithel von Pyrrhocoris apterus. 
Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 66. Längsschnitt durch Follikelepithel von Pyrrhocoris apterus. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 67. Längsschnitt durch Follikelepithel von Corizus hyoseyami. Obj. D. 
De. 4. 

Fig. 65. Tangentialschnitt durch ganz altes Follikelepithel von Pentatoma 
dissimile. Obj. D. Oe. 4. 

Fig. 69. Längsschnitt durch einen leeren Follikel von Pentatoma nigricorne. 
Obj. D. Oe. 4. 

Fig. “0. 'Tangentialschnitt durch einen leeren Follikel von Alydus calcaratus. 

Fig. 71—73. Schnitte durch das Chorion von Asopus bidens mit großen 
Poren. 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationserscheinungen 
bei den Ophiuren. 
Von 
0. Dawydoff. 


(Aus dem zootomischen Kabinet der kaiserl. Universität St. Petersburg.) 


Mit Tafel XVII—XVII und 3 Figuren im Text. 


Im Februar 1899 stellte die physiko-mathematische Fakultät der 
kais. Universität St. Petersburg zur Erlangung der Medaille das Thema 
»die Regenerationserscheinungen bei einem der Vertreter der Bila- 
teralia zu untersuchen<. Herr Professor WL. SCHEWIAKOFF, in dessen 
Laboratorium ich arbeite, schlug mir vor, mich mit dieser Frage zu 
beschäftigen, und rieth mir speciell zu dem Studium einer kleinen 
lebendiggebärenden Ophiure (Amphiura spec.?). Das nöthige Unter- 
suchungsmaterial erhielt ich Dank dem liebenswürdigen Entgegen- 
kommen von Herrn Prof. SCHEWIAKOFF selbst im Winter, und auch 
die von Herın Akademiker Prof. A. KowALEvsky schon im Frühjahr 
1898 aus Sebastopol mitgebrachten Ophiuren gediehen ausgezeichnet 
und regenerirten in den Aquarien unseres Laboratoriums. Im Früh- 
jahr 1899 begab ich mich im Auftrage der St. Petersburger Natur- 
forschergesellschaft an die biologische Station zu Sebastopol, wo ich 
meine Studien in entsprechender Richtung fortsetzte. Nach meiner 
Rückkehr nach St. Petersburg erhielt ich von Neapel eine große 
Anzahl von Exemplaren einer der Schwarzmeerform Amphiura spec. ? 
nahestehenden Art, Amphiura sguamata Delle Chiaje, welche ich der 
großen Zuvorkommenheit meines hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. 
SCHEWIAKOFF, verdanke, in dessen Laboratorium vorliegende Arbeit 
auch zu Stande kam. 

Bei meinen Untersuchungen bediente ich mich einfacher Me- 
thoden. Die besten Resultate bei der Fixirung der Objekte erzielte 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 203 


ich mit folgenden Flüssigkeiten: Mischung von Sublimat und Kupfer- 
vitriol, Lang’sche Mischung (Sublimat), Pikrinessigsäure (nach BOvERI), 
ferner Osmiummischungen, FLEMMInG’sche und HERMANN’sche Lösung 
(mit nachfolgender Safraninfärbung). Die Perenyrsche Flüssigkeit, 
welche von verschiedenen Autoren [(MıcHer) ganz besonders für die 
Untersuchung der Regeneration bei Anneliden empfohlen wird, erwies 
sich als für Ophiuren wenig geeignet wegen zu energischer Wir- 
kung der darin enthaltenen Salpetersäure auf das Kalkskelett der 
Arme. Die äußerst lebhafte Zersetzung des Kalks bewirkt eine 
Deformation der Gewebe. 

Das beste Mittel zum Entkalken der Arme ist eine I—6/,ige 
Lösung von Essigsäure. Schwächere Lösungen wirken überaus lang- 
sam, ohne dass dabei ein besonderer Nutzen für die Erhaltung der 
Gewebe zu bemerken wäre. Ausgezeichnete Resultate erhält man bei 
der Anwendung von Pikrinsäure. Zur Färbung der Schnitte (5—8 u) 
benutzte ich Boraxkarmin, Carmalaun nach P. Mayer, oder Hämatoxylin 
nach DELAFIELD mit nachfolgender Färbung mit Aurantium oder Pikrin. 

Außer den obengenannten, die Hauptmasse meines Untersuchungs- 
materials bildenden Formen, standen mir zur Vergleichung einzelne 
sroße Ophiopholis longicauda (vom Murman) und Ophioglypha nodosa 
(aus dem Weißen Meere) zur Verfügung. 

Bevor ich zur Mittheilung der von mir erzielten Resultate über- 
&ehe, möchte ich auch an dieser Stelle sowohl Herrn Prof. SCHEWIA- 
KOFF, welcher in erster Linie meine Arbeiten leitete, als auch den 
Professoren Akademiker A. KOWALEVSKY und Wr. SCHIMKEWITSCH, 
welche mich durch ihren Rath unterstützten — meinen aufrichtigen 
Dank aussprechen. 


Historische Übersicht. 


Unter allen Thieren, welche das Vermögen besitzen, verlorene 
Theile ihres Körpers zu regeneriren, nehmen die Echinodermen in 
dieser Hinsicht unzweifelhaft den ersten Platz ein. Formen, wie 
Asterias tenuispinus, Linchra multifora, Ophiactis virens werden 
in jedem Lehrbuche der Zoologie als klassische Beispiele für die 
Regenerationsfähigkeit angeführt. 

Die Arbeiten von HAECKEL, KOWALEVSKY, SIMROTH, den beiden 
SARASIN, LÜTKEN u. A. m. lieferten ein reiches, auf Thatsachen be- 
gründetes Material zur Erkenntnis der äußerlichen Erscheinungen bei 
der Regeneration, und zwar sowohl bei dem Ersatz zufällig verloren 
gegangener Organe als auch in denjenigen Fällen, wenn das Thier zu 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bad. 14 


204 | C. Dawydoff, 


Fortpflanzungszwecken eine Amputation ausführt (Schizogonie). Die 
Arbeit SIMROTH's erregte in dieser Hinsicht großes Aufsehen in 
wissenschaftlichen Kreisen. Durch eine Reihe von Untersuchungen 
wurde darin festgestellt, dass bei den Asteroidea nicht nur die Scheibe 
im Stande ist, abgetrennte Arme wieder von Neuem zu ersetzen 
(Asteridae und Ophiuridae), sondern dass auch ein jeder abgeworfene 
Arm im Stande ist ein vollständiges Individuum zu regeneriren 
(»Kometenformen« HAEckEr’s). Endlich wurde von den beiden SARASIN 
ein Fall beschrieben, wo das Thier (Zinckta) am Ende eines ver- 
letzten Armes ein neues Individuum regenerirte. Ein noch frappan- 
teres Beispiel der Regenerationsfähigkeit bieten die Holothurien 
(besonders die Aspidochirotae). Abgesehen davon, dass bei einigen 
Cucumaria- Arten eine fehlende Körperhälfte wieder ersetzt werden 
kann, giebt es bekanntlich Formen, welche, wenn sie gereizt werden, 
den Darm und die Wasserlungen ausstülpen und abwerfen, um sie 
hierauf von Neuem zu regeneriren. 

In neuester Zeit ist von SLUITER (98) eine ähnliche Erscheinung 
bei einer Ophiure (Ophioenıda echinata) beschrieben worden, doch 
verlangen alle diese Fälle noch eine eingehendere Untersuchung. 

Wir ersehen aus dem oben Angeführten, dass die Regenerations- 
erscheinungen der Echinodermen in faktischer Hinsicht eingehend 
senug bearbeitet worden sind. Was jedoch die histologischen Vor- 
sänge bei diesen Processen betrifft, so muss man zugeben, dass in 
dieser Beziehung die Bearbeitung der Frage noch viel zu wünschen 
übrig lässt. 

In gegenwärtiger Zeit spielt die Frage über die Regeneration 
eine bedeutende Rolle in der Litteratur, da sie in morphologischer 
Hinsicht unbedingt viel Interesse bietet. Während wir aber über 
die Anneliden z. B. bereits eine verhältnismäßig große Litteratur 
besitzen, wurden die Echinodermen bis zur letzten Zeit ganz unbe- 
rücksichtigt gelassen. Die zuletzt erschienenen Arbeiten (SLUITER 
und HELEN Dean Kıng, 1898) behandeln nur die äußeren Erschei- 
nungen der Regeneration vom experimentellen Standpunkte aus. Nur 
die Arbeiten von PERRIER (75), und namentlich diejenige von SIMROTH 
(77) berühren auch die inneren Vorgänge bei der Regenerations- 
erscheinung, und müssen daher an dieser Stelle eingehender be- 
sprochen werden. Ein guter Theil der Arbeit E. PERRIER’s ist dem 
Regenerationsprocess der Arme bei Comatula gewidmet. Obgleich die 
sanze Untersuchung ausschließlich auf Beobachtungen intra vitam — 
mit Ausschluss der Schnittmethode — beruht, so sind seine Angaben, 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 205 


trotz all’ ihrer Unvollständigkeit dennoch ziemlich genau. Nach 
PERRIER’s Beobachtungen giebt der Ambulacralkanal nach der Am- 
putation durch Knospung einem neuen Kanal den Ursprung, und 
eben so entsteht die Cölomhöhlung in der Anlage des neuen Armes 
durch Wuchern der alten Cölomhöhle. Der Autor spricht die Ansicht 
aus, das hervorragendste Regenerationsvermögen (puissance regene- 
ratrice) käme eben dem Ambulacralkanal zu, als einem Organ, welches 
die Bildung der ersten Knospenanlage bedingt und der Weiterent- 
wicklung der letzteren den ersten Impuls verleiht. Außerdem schreibt 
PERRIER dem Ambulacralkanal auch in rein physiologischer Hinsicht 
eine große Bedeutung bei der Regeneration zu. »Le canal tentacu- 
laire«, schreibt PERRIER, »est bien la partie essentiellement nutritive 
du bras, puisque c’est lui qui repousse en premier lieu, et que c'est 
autour de lui que se forment les nouveaux tissus« (p. 74). 

Ähnliche Ansichten spricht auch CHRISTO APOSTOLIDES in seiner 
die Regeneration der Ophiuren nur im Vorübergehen streifenden Ar- 
beit (1882) aus. Die erste eingehende, das Thema mit einer für die 
damalige Zeit auffallenden Vollständigkeit behandelnde Arbeit, ist 
diejenige von SIMROTH. In seinen bekannten Untersuchungen über 
die Schizogonie bei Ophractis virens beschreibt SIMROTH ausführlich 
den Regenerationsprocess amputirter Theile der Körperscheibe und 
der Arme, wobei er sogar die Einzelheiten der Histogenese der Ge- 
webe (Nervensystem, Muskeln etc.) berührt. Die größte Bedeutung 
bei der Regeneration kommt nach SımkorH der aus den amputirten 
Theilen des Thierkörpers fließenden Lymphflüssigkeit zu. »Die ge- 
ronnenen Lymphzellen,<« sagt er, »enthalten Kerne, vermehren sich und 
stellen das gesammte Material vor, aus dem die neue Körperhälfte 
geformt wird« (p. 520). Auch Ambulaeralkanal und Cölom entstehen 
nach SIMROTH durch Wuchern der betreffenden alten Organe. Trotz 
aller ihrer Verdienste erschöpft die genannte Arbeit das Thema noch 
lange nicht. Seit dem Erscheinen der Sımrorn’schen Arbeit hat die 
Embryologie solche Fortschritte gemacht und es haben sich eine 
solche Menge neuer Fragen in den Vordergrund gedrängt, dass die 
Anschauungen des Autors dem gegenwärtigen Stand der Frage über 
die Regenerationserscheinungen nicht mehr entsprechen. 

In gegenwärtiger Zeit wird bei der Untersuchung von Regene- 
rationsprocessen die Anforderung gestellt, die Beziehung der embryo- 
nalen Keimblätter zu diesen Processen festzustellen, und es müssen 
zu diesem Zwecke die Regenerationserscheinungen mit der embryo- 
nalen Entwicklung der betreffenden Form verglichen werden, was 

14* 


206 C. Dawydoft, 


zu der Zeit, als SIMROTH’S und PERRIER’S Untersuchungen entstanden, 
noch nicht möglich war. 


Biologische Angaben. 


Wie bei der Mehrzahl aller Ophiuren überhaupt, regeneriren auch 
bei der intra vitam beobachteten Amphiura die Arme allein. Ein 
abgeschnittener Arm regenerirt immer, wo der Schnitt auch geführt 
sein mag, sei es nun am Ende des Armes oder an dessen Basis. Eine 
Scheibe, deren fünf Arme an ihrer Basis amputirt wurden, geht in 
den meisten Fällen zu Grunde, obgleich Ausnahmen nicht ausgeschlos- 
sen sind. Bleibt dagegen auch nur ein einziger nicht amputirter 
Arm an der Scheibe, so ist die Regeneration der übrigen Arme 
sichergestellt. Dabei spielt zweifelsohne das Vermögen des Thieres, 
noch Bewegungen auszuführen, eine gewisse Rolle. 

Obgleich die Regeneration hier mit so großer Leichtigkeit vor 
sich geht, so bleibt sie doch an Intensität weit hinter Dem zurück, 
was bei Würmern (z. B. bei Oligochäten) beobachtet wurde. 

Die erste Anlage des neuen Armes zeigt sich vier bis fünf Tage 
nach der Amputation (bisweilen auch später). Ein vollständiges Ver- 
schwinden aller Spuren der Regeneration, ganz abgesehen von der 
Verschiedenheit in der Färbung, konnte ich nicht einmal bei Indivi- 
duen beobachten, welche gegen acht Wochen in meinem Aquarium 
gelebt hatten. Ein verhältnismäßig hoher Procentsatz von Ophiuren 
mit amputirten Armen geht bei auch durchaus sorgfältiger Pflege 
bald nach der Amputation zu Grunde, indem die Thiere bei leben- 
digem Leibe von Massen von Infusorien (Zuplotes u. A. m.) gefressen 
werden. 

Ich habe bereits erwähnt, dass bei Amphiura die Arme allein 
regeneriren. Wird gleichzeitig mit dem Arme ein wenn auch nur 
kleines Stück: der Scheibe selbst mit herausgeschnitten, so geht das 
Thier zu Grunde, obgleich es bisweilen noch ziemlich lange am Leben 
bleibt; dies ist auch der Fall, wenn die Scheibe der Ophiure mitten- 
durch geschnitten wird, wobei dann beide Hälften des Thieres noch 
während zwei bis drei Tagen fortfahren zu leben und herumzukrie- 
chen. In dem abgeschnittenen Armstückchen dauert die Lebenskraft 
sehr häufig nicht nur mehrere Stunden, sondern selbst mehrere Tage 
an. Das Armstückchen krümmt sich krampfhaft, streckt die Am- 
bulacralfüßchen aus, um sie darauf wieder einzuziehen, kurzum es 
legt alle Zeichen des Lebens an den Tag. Selbst dann, wenn der 
abgeschnittene Arm bewegungslos geworden ist, wohnt ihm noch eine 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 207 


Zeit lang eine gewisse Empfindlichkeit inne, indem er durch Krüm- 
mungen auf Reize reagitt. 

Unsere Amphrura erscheint als ein zum Studium des Phänomens 
der Autotomie recht wenig geeignetes Objekt. Diejenigen Beobach- 
tungen, welche ich anstellen konnte, bestätigen eine der von mir 
früher schon! ausgesprochenen Schlussfolgerungen, und zwar, dass 
bei der Autotomie die geringe Dauerhaftigkeit der Gewebe keine un- 
bedeutende Rolle spielt. 

Die Ophiuren des Schwarzen Meeres zeigen zweifellos eine ge- 
ringere Empfindlichkeit gegen Reizungen, als dies für die Deesterne 
des Golfes von Neapel beschrieben wurde (PrREvEr, 9). 


Degeneration und Zuwachsen der Wunde. Regeneration des 
Ambulacralkanals. Bildung des Mesoderms. 


Sofort nach erfolgter Amputation gehen in dem betreffenden Arm- 
stumpfe die komplieirten Processe des Verheilens der Wunde, der 
Degeneration der verletzten Organ- und Gewebstheile u. A. m. vor 
sich, welche die Vorläufer der Regeneration im engeren Sinne sind, 
d. h. der Bildung jener kleinen Knospe, die später anwächst und, 
indem sie sich differenzirt, zu einem neuen Arme wird. Diese Vor- 
gsänge sind außerordentlich verwickelt, und es sind zu ihrer Auf- 
klärung ganz specielle Untersuchungen erforderlich, da sie unbedingt 
mehr Aufmerksamkeit verdienen, als ihnen von den Forschern bisher 
geschenkt wurde. Ich selbst habe mich mit diesen Processen nur 
ganz allgemein bekannt machen können, aber auch diese Erfahrungen 
genügen, um sich davon zu überzeugen, dass es unmöglich ist, diese 
Vorgänge in irgend ein Schema unterzubringen. Der Process des 
Zuheilens der Wunde z. B. verläuft so verschiedenartig, dass fast 
ein jedes Thier individuelle Abweichungen von dem Schema aufweist, 
an welches ich mich bei ‚der Beschreibung der in Rede stehenden 
Vorgänge bequemlichkeitshalber halten muss. Dieses Verhalten ist 
jedoch leicht verständlich, wenn man in Betracht zieht, wie ver- 
schieden der Charakter der Verwundung bei der Amputation und 
vieler innig damit zusammenhängender Umstände ist. Bei verschieden- 
artigen Bedingungen sind auch die Processe, welche daraus entstehen, 
verschiedenartige. 

So weit ich beobachten konnte, geht das Zuheilen der Wunde im 


1-C. DAwyYDorr, Zur Frage über die Autotomie der Eidechsen. 'Trav. Soe. 
Natur. St. Petersbourg. Compt. Red. 1898. Vol. XXIX. 


208 C. Dawydoft, 


Allgemeinen auf folgende Weise vor sich: die bei der Amputation 
verletzten Gewebe deformiren sich im Gebiete der Wundfläche und 
die ganze Oberfläche der Wunde bedeckt sich mit in Degeneration 
befindlichen Partikelehen von Muskeln, Nerven, Bimndegewebszellen etc 
Die Degeneration dringt weiter in das Innere des Armes vor, während 
sich gleichzeitig und unabhängig davon die Wundfläche mit einer 
ziemlich dieken, homogenen, strukturlosen Masse bedeckt, welche die 
Amputationsfläche in Gestalt eines Häntehens umhüllt. Es gelang 
mir nicht, trotz Anwendung der verschiedensten Färbemethoden, in 
diesem Häutchen einen zelligen Bau nachzuweisen, und ich muss 
daher voraussetzen, dass dasselbe nichts Anderes darstellt als ein 
Produkt der in dem Arme eirkulirenden Flüssigkeiten (Ambulacral- 
system, Leibeshöhle), welche nach außen treten, gerinnen und sich 
verdichten. PERRIER (1) sprieht a priori die gleiche Ansicht bezüglich 
des Wesens des Heilungsprocesses der Wunde bei Antedon aus: »Il 
est probable«, sagt der genannte Autor, »que les liquides de l’econo- 
mie apres avoir coule quelque temps au dehors, se coagulent sur 
toute la surface de la plaie, de maniere A y former une couche 
plasmatique homogene, qui cicatrise la blessure« (p. 70). SIMROTH 
(2, p. 519-520) spricht ebenfalls von dem Austreten von Lymph- 
tlüssigkeit aus dem Körper amputirter Ophiuren, doch schreibt er 
diesen »Lymphmassen« eine größere Bedeutung zu als nur die 
Bildung einer provisorischen Hülle, — und zwar hält er sie für das 
hauptsächlichste Stimulans bei dem Regenerationsprocesse. Schwerlich 
jedoch lässt sich im gegebenen Falle die Lymphmasse SIMROTH’'S 
ınit der Flüssigkeit in dem Sinne, in welchem sowohl ich als auch 
PERRIER diesen Begriff auffassen, vereinbaren. In der Folge werde 
ich einige Betrachtungen hierüber anführen. 

Sehr häufig kommt es bei der Verheilung der Wunde nicht zur 
Bildung der erwähnten homogenen Haut, aber auch dann, wenn sie 
vorhanden ist, spielt sie nur die Rolle eines provisorischen, in Bälde 
wieder resorbirten Gebildes. 

Betrachten wir die Fig. 3, welche einen frontalen Längsschnitt 
durch einen Arm, welcher sich im zweiten Stadinm der Bildung des 
Häutechens über der Amputationsfläche befindet ‘wovon später die 
Rede sein wird), so sehen wir, dass das von wuns- beschriebene 
homogene Häutehen die Oberfläche der Wunde noch bedeckt, unter 
demselben bemerken wir aber auch starke Anhäufungen von Kernen, 
welche verhältnismäßig groben Zeilen mit srobkörnigem Proto- 
plasma angehören. Diese Zellen besitzen die verschiedenartigste 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 209 


Gestalt, stets aber unterscheiden wir bei ihnen unfehlbar zwei Typen 
von Zellen. Den einen Typus repräsentiren Zellen von bindegewebiger 
Natur mit zahlreichen langen Fortsätzen, einem großen ovalen Kern 
und feinkörnigem Protoplasma (Fig. 5«). Der andere Zelltypus ist 
in Fig. 55 dargestellt, besitzt meist keine langen Fortsätze und ist 
stark körnelig mit großem rundem, seltener ovalem Kern; es sind 
dies wandernde Elemente aus den Hohlräumen des Armes. Beide 
Arten von Zellen sammeln sich massenhaft nicht nur unter der 
homogenen Haut an, sondern auch rings um die Muskeln, den 
Nerv etc. (vgl. Fig. 5) und spielen die Rolle von Phagocyten, welche 
sowohl die provisorische Haut als auch die durch die Amputation 
verletzten Gewebstheile aufzehren. Der phagocytäre Charakter der 
eben beschriebenen Zellen tritt deutlich zu Tage, wenn man die 
Amputationsfläche des Armes sofort nach erfolgter Operation in Kar- 
minpulver taucht. Die erwähnten Zellen erwiesen sich sodann nach 
einiger Zeit dieht mit Karminkörnchen angefüllt, was auch aus 
unserer Figur zu ersehen ist. Ein überzeugendes Bild geben auch 
Schnitte, welche mit Hämatoxylin-Aurantium gefärbt wurden. Hier 
färben sich die Muskeln in der charakteristischen Orangefarbe, 
welche ihre Intensität auch in den degenerirenden Bezirken beibe- 
hält. Sehr häufig kann man in der Nähe einer im Zerfall begriffenen 
Muskelfaser Zellen bemerken, in deren Protoplasma orangefarbene 
Partikelchen eingeschlossen sind, welche deutlich auf die Anwesenheit 
von Muskelfragmenten innerhalb der obenerwähnten Zellen hinweisen. 
Ein solches Bild ist in Fig. 16 wiedergegeben. 

Es ist schwer zu entscheiden, ob die Degeneration der Gewebe 
in dem verletzten Bezirk ausschließlich auf dem Wege der Phago- 
cytose vor sich geht. Festgestellt ist nur, dass die Phagoeyten nicht 
allein deformirte Gewebstheilchen fressen (KOROTNEFF), sondern dass 
auch die Deformation selbst durch die Thätigkeit der Phagoeyten 
bedingt wird (METSCHNIKOFF, KOWALEVSKY). Auf Fig. 5 sehen wir 
sroße Ansammlungen von Phagoeyten nicht nur um die deformirten 
Muskeltheilchen, sondern auch in der Nähe ganz normaler, gesunder 
Zellen, welehe nieht einmal im Bereich der dureh die Operation ver- 
ursachten pathologischen Processe liegen. Augenscheimlich zreifen 
die zur Resorption verletzter Zellmassen angesammelten Phagoeyten 
vleichzeitig auch völhz zesunde Zellen an. 

Die Degeneration der Gewebe des Armes dauert selbst dann 
noch fort, wenn die Processe der Regeneration im engeren Sinne — 
d. h. der Beginn des Wucherns des alten Nerven und des Integu- 


210 C. Dawydoff, 


ments — bereits begonnen haben. Das Wachsen des amputirten 
Nervenstammes beginnt sofort nach erfolgter Amputation. Hauptsäch- 
lich wuchern die Nervenfasern, welche büschelförmig in die Regene- 
rationsknospe hinein wachsen, sobald die letztere sich gebildet hat. 
Als Beginn der Regeneration des Armes muss aber in erster Linie der 
Moment angesehen werden, wann das Integument über die operirte 
Oberfläche hereinzuwuchern beginnt; letztere wird von der neuent- 
standenen Hautschicht, welche ihr fast ganz dicht anliegt, bald be- 
deckt. Diese Hautschicht. bildet, wie aus Fig. 1 zu ersehen ist, eine 
vollständig geschlossene kompakte Kappe, welche jenes homogene 
Häutchen, mit welchem die Wundfläche des Armes früher bedeckt 
war, ersetzt. Zwischen der verwachsenen Hautschicht und der Am- 
putationsfläche persistirt ein unbedeutender schmaler Hohlraum. Es 
muss bemerkt werden, dass die in der Fig. 1 wiedergegebenen Be- 
ziehungen zwischen der häutigen Kappe und den in Degeneration 
befindlichen, kegelförmig in die Höhlung der Kappe hereinragenden 
Geweben des Armes, ziemlich beständig sind. 

Nach kurzer Zeit bemerkt man auf der Oberfläche der flachen 
Hautschicht eine kleine centrale Anschwellung. An der Hand von 
Längsschnitten kann man sich leicht davon überzeugen, dass diese 
Anschwellung der Lage des Ambulacralkanals im Arme entspricht, 
und genau diesem letzteren gegenüberliegt. Der Ambulacralkanal des 
Armstumpfes beginnt nämlich auszuwachsen, erreicht jene, die Ampu- 
tationsfläche bedeekende Hautschicht, und zieht diese letztere, indem 
er in seinem Wachsthum fortfährt, mit sich, so dass der von ihm ge- 
troffene Bezirk der Haut sich an dieser Stelle vorstülpt, und jene 
Anschwellung, von welcher eben die Rede war, hervorruft. 

Während demnach die Hautschicht der Operationsfläche sonst 
überall fast ganz dicht anliegt, und zwischen beiden nur ein schmaler 
Hohlraum übrig bleibt, steht diese Haut gegenüber dem Ambulacral- 
kanal von der Amputationsoberfläche ab. Der erwähnte Hohlraum 
ist an dieser Stelle naturgemäß erweitert und nimmt mit dem Wachs- 
thum des den ausgestülpten Hautbezirk mit sich ziehenden Ambula- 
cralkanals immer mehr und mehr an Ausdehnung zu. Die erwähnte 
Hautausstülpung, zum größten Theil aus Epithel mit nur wenigen 
Mesodermelementen bestehend, bildet eine kleine, kegelförmige Knospe, 
deren Durchmesser weit hinter demjenigen des alten Armes zurück- 
bleibt. 

Die Anlage des regenerirenden Armes repräsentirt demnach in 
seinen Anfangsstadien zwei in einander geschobene Cylinder oder, besser 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 211 


gesagt, Kegel; der äußere Kegel wird durch die anwachsende Haut- 
kappe, der innere durch den Ambulacralkanal gebildet. Zwischen 
den beiden Kegeln befindet sich ein ziemlich ausgedehnter Hohlraum, 
welchen wir als die »Regenerationshöhle« bezeichnen werden. 

Der eben geschilderte Vorgang bei der Bildung der ersten An- 
lage des neuen Armes bei den Ophiuren ist in kurzen Zügen bereits 
von ED. Prrrıer (1) für die Crinoideen (Antedon) beschrieben wor- 
den. Bei der Besprechung des Processes der Differenzirung der 
Knospe während der Regeneration des Armes lenkt der genannte 
Forscher die Aufmerksamkeit auf die Entstehung der Knospe gegen- 
über dem Ambulacralkanal (wie dies schon von Seiten ÜHRISTO 
APOSTOLIDES geschehen war), und schreibt diesem Umstande eine 
besondere Bedeutung zu. >»Le canal tentaculaire,« sagt PERRIER, 
est bien la partie essentiellement nutritive du bras, puisque c'est 
lui qui repousse en premier lieu et que c’est autour de lui que se 
forment les nouveaux ftissus« (p. 4). Auf Grund von Betrachtungen 
gleicher Natur spricht auch Curısto ArosToLıdks (4, p. 217) in Kürze 
seine Meinung über die dominirende Bedeutung des Ambulacralkanals 
bei der Regeneration der Ophiuren (welche er übrigens nicht ein- 
&ehend behandelt, aus. 

Es legt demnach der Ambulacralkanal des amputirten Armes durch 
sein Wachsthum den Grund zur Differenzirung des Ambulacralsystems 
im neu entstehenden Arme. Beim Beginn des Wachsthums ist der 
Kanal nicht hohl, sondern stellt eine kompakte Kappe aus Zellen 
vor, welche von den Geweben des amputirten Kanals herstammen 
und sich auf karyokinetischem Wege vermehren. Bei dem weiteren 
Wachsthum bleibt indessen die kompakte Hautkappe nur an der 
Spitze des Kanals bestehen, während dieser in seinem ganzen übrigen 
Verlauf bereits hohl erscheint. Sehr oft kann man sich an der Hand 
von Schnittserien davon überzeugen, dass der Ambulacralkanal in den 
ersten Stadien mit seinem centralen Theile in dorsoventraler Richtung 
verbogen erscheint, so dass seine vorspringende Oberfläche nahe zur 
oralen Fläche der wachsenden Knospe herantreten kann. Fig. 2 
zeigt einen Schnitt durch den centralen Theil eines jungen Armes. 
Auf diesem Schnitt sehen wir die Basis und den distalen Abschnitt 
des Ambulacralkanals, während der centrale Abschnitt desselben nicht 
sichtbar ist, da derselbe nach der Oralfläche des Armes zu gebogen 
ist, und unterhalb der Schnittfläche liegt. Auf derselben Zeichnung 
sieht man, wie der wachsende Ambulacralkanal mit seiner Spitze 
dieht an das Epithel der Knospe stößt und an deren Gipfel stark 


212 C. Dawydoft, 


verdickt erscheint. Es scheint mir, dass die Krümmung des Ambula_ 
cralkanals in der Knospe, welche durchaus nicht als allgemeine Er- 
scheinung aufzufassen ist, durch das ungleichmäßige Wachsen des 
Ambulacralkanals im Vergleich mit der äußeren Schicht der Knospe 
zur Genüge erklärt werden kann. Letztere Schicht wächst nur lang- 
sam und gestattet dem rasch wachsenden Kanal nicht die eingeschla- 
gene Richtung beizubehalten; in Folge des Unterschieds der Intensität 
im Wachsthum der Gewebe beider Kegel, kann der innere Kegel, — 
der Ambulacralkanal —, gezwungen werden eine Krümmung zu be- 
schreiben. 

Wenden wir uns nunmehr zu der weiteren Entwicklung der 
Knospe. Wir sahen bereits, dass ihre äußere Schicht aus einer 
Epithelschicht und einer geringen Anzahl von Bindegewebselementen 
besteht. Wie man sich an der Hand von Quer- und Längsschnitten 
überzeugen kann, enthält das Epithel eine nur sehr geringe Menge 
von Kernen, welche sich sowohl auf mitotischem wie auch auf ami- 
totischem Wege vermehren. Oft sieht man im Epithel längliche bis- 
kuitförmige Kerne mit deutlichen Anzeichen einer Einschnürung 
(Figg. 6 und 15). Die äußerste Lage des Epithels ist zu einem dünnen, 
kernlosen, stark lichtbrechenden Häutchen differenzirt, — der Epi- 
dermalschicht, welche wahrscheinlich von den Epithelzellen selbst 
ausgeschieden wird. Zwischen den letzteren beobachtet man oft 
Fasern, welche auch dem Bindegewebsepithel beigemischt sind. 

Man kann demnach das Integument des sich neu bildenden Armes 
als aus Ektoderm bestehend ansehen, dem eine gewisse Menge von 
Mesodermzellen beigemengt sind. Nach kurzer Zeit lösen sich letztere 
von dem Epithel ab und lagern sich, indem sie die Regenerations- 
höhlung auskleiden, in Gestalt einer Schicht an seiner inneren Ober- 
fläche wie dies aus Figg. 2 und 15 zu ersehen ist. Auf diese Weise 
wird das Epithel in dieser Periode, indem es von den Mesodermzellen, 
welche sich von ihm abspalteten, befreit ist, durchaus dem Ektoderm 
entsprechen. Zu gleicher Zeit, wie die Mesodermalschicht sich von 
dem Epithel abspaltet, bemerkt man in der Regenerationshöhlung frei 
herumsehwimmende Zellen amöboiden Charakters (Fig. 8). Die Fig. 6 
sjebt em sehr anschauliches Bild von dem Ursprung dieser Zellen. 
Wir sehen Zellen von mnmregehnäßizer Gestalt und großen Kermen 
aus dem alten Arme auswandern. Diese Zellen entsprechen voll- 
ständige den bei der Entwicklung der Eehinodermeu so charakteristi- 
schen Mesenchymzelilen und bilden auch im neuen Arme das Mesen- 
chym. Ich bin geneigt anzunehmen, dass die beschriebenen amöboiden 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 213 


Zellen (zweifellos mesodermalen Ursprungs) eben jene bindegewebigen 
wandernden Elemente sind, welche, wie bereits oben bemerkt 
wurde, die Rolle der am entzündeten Bezirk des Armes angesammelten 
Phagoeyten spielten, und von hier in die Regenerationshöhlung 
wandern, wo sie sich aus beweglichen Elementen in unbewegliche 
verwandeln und ihren phagocytären Charakter verlieren. Auf einen 
solchen Übergang wandernder Zellen in unbewegliche Elemente hat 
bereits METSCHNIKOFF hingewiesen. 

In kurzer Zeit füllen die aus den Geweben des Armes auswan- 
dernden Zellen die ganze Regenerationshöhle an und bilden, in Ge- 
meinschaft mit der schon früher von dem Epithel abgesonderten 
Zellschicht bindegewebigen Ursprungs eine kompakte Mesodermschicht 
zwischen dem Epithelektoderm und dem Ambulacralkanal, wie dies 
(Juerschnitte (Fig. 9) und Längsschnitte (Fig. 4) anschaulich machen. 
Diese Mesodermschicht hat einen rein embryonalen Charakter und 
ist, wie dies die Fig. 4 zeigt, von den Bindegewebsbezirken des 
Armes scharf abgegrenzt, von welchen sie sich durch ihren Charakter 
als embryonale Schicht deutlich unterscheidet. 

Aller Wahrscheinlichkeit nach beobachtete auch Smrora (2) 
den von mir so eben beschriebenen Vorgang der Auswanderung von 
amöboiden Zellen aus den Geweben des amputirten Armes, doch hat 
dieser Autor den Vorgang nicht richtig gedeutet. Er giebt an, dass 
aus der amputirten Ophiurenhälfte (es handelt sich um Ophractis virens) 
eine »Lymphmasse« auszuströmen beginnt, deren Zellen das nöthige 
Material zum Aufbau der fehlenden Körperhälfte hergeben. Identi- 
fizirt man jedoch die »Lymphmasse« Smrorr’s mit dem von mir 
beschriebenen Mesoderm, so kann man derselben, wie mir scheint, 
keine so große Bedeutung beilegen, wie dies SIMROTH betreffs seiner 
Lymphmasse gethan hat, indem er sagt: »die geronnenen Lymph- 
zellen erhalten Kerne, vermehren sich und stellen das gesammte Ma- 
terial vor, aus dem die neue Körperhälfte geformt wird« (p. 520). 

Nach meinen Beobachtungen bildet sich bei den Ophiuren aus 
dem Mesoderm im neuen Arme nur das Bindegewebe mit allen seinen 
Derivaten. Die sesammte Muskulatur (mit Ausnahme der Hautmus- 
keln, welche aus den Mesenchymzellen gebildet werden) entsteht aus 
dem Gölothel, und selbst das kalkige Hautskelett entwickelt sich nicht 
aus dem Mesoderm, sondern wird in der Kktodermschicht abgelagert, 
was der normalen Entwicklung des peripheren Skeletts vollständig 
entspricht (Russo, i4). 

Wir gehen nunmehr zur Darlegung der Resultate betreffs der 


214 ©. Dawydoff, 


Differenzirung der inneren Organe und Gewebe des Armes während 
der Regeneration über, und zwar beginnen wir mit den Derivaten 
des Ektoderms — dem Nervensystem. 


Das Nervensystem. 


Wie bereits erwähnt wurde, beginnt der bei der Amputation 
(durchschnittene Nervenstamm schon in den frühesten Stadien, noch vor 
der Bildung der Regenerationsknospe, auszuwachsen. Es beginnen 
lange Fäserchen von ihm auszugehen, welche dann in die, zu jener 
Zeit gebildete Hautkappe hereinwachsen, wo man sowohl auf Längs- 
wie auf Querschnitten durch solche Stadien verfolgen kann, wie diese 
Fäserchen in Gestalt eines Büschels sich unterhalb des Ambulacral- 
kanals durch die Mesodermzellen hindurchdrängen. 

Im alten Nerv wuchern hauptsächlich die Nervenfasern, wäh- 
rend die Ganglienzellen nur in verhältnismäßig geringer Anzahl 
wachsen; für ihre Vermehrung sprechen jedenfalls sehr deutlich die 
Bilder von karyokinetischen Figuren in den Kernen der Zellen an 
der Peripherie des amputirten Nervenstammes. Vielleicht geht auch 
hier der Process der Wucherung der Neuroglia vor sich, analog den 
für Polychäten (ScauLrtz) beschriebenen Vorgängen. Die Fig. 32 
siebt ein Bild des typischsten Wucherns der Nervenelemente im alten 
Arme wieder. In Fig. 17 ist dagegen einer jener Fälle von Anomalien 
im Wachsthum des Armnerven dargestellt. Wir sehen hier wie die 
Ganglienzellen sich in ungewöhnlicher Anzahl am Ende des Nerven- 
stammes angesammelt haben und eine kompakte Kappe um dasselbe 
bilden, durch welche allmählich eine Nervenfaser nach der anderen, 
und, wie dies aus der betreffenden Figur hervorgeht, auch ganze 
Ganglienzellen hindurchdringen. Eine derartige Anomalie ist aber 
nur in Ausnahmefällen zu beobachten, während für gewöhnlich nur 
eine ganz unbedeutende Menge von Nervenelementen aus dem alten 
Nerv in die Knospe hineinwächst, und der neue Nerv bei der Rege- 
neration des Armes sich auf embryologischem Wege bildet, indem er 
aus der Ektodermschicht (d. h. dem Epithel) angelest und differenzirt 
wird. Die Anlage des Nervs geht schon sehr früh vor sich. Sowie 
sich die Regenerationshöhle mit Mesodermelementen angefüllt hat, 
differenzirt sich der ventral liegende Theil des Ektoderms, oder, 
besser gesagt, der unter dem Ambulacralkanal liegende Theil des 
Ektoderms, in zwei Schichten von Zellen: eine äußere, epitheliale — 
und eine innere, welche später den Ganglienzellen und der Neuroglia 
den Ursprung giebt. Die Zellen der inneren Schieht lösen sich von 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 215 


denjenigen der Epithelschieht ab, so dass sich zwischen beiden Blät- 
tern — der zukünftigen Nervenplatte und dem Epithel — ein deut- 
lich sichtbarer Spalt bildet (Fig. 19). 

Bald verdickt sich die mit ihrem Rande am Ektoderm haftende 
Nervenplatte in Folge der starken Vermehrung der Zellen an ihrer 
freien centralen Partie, wölbt sich in der Richtung nach dem Am- 
bulacralkanal vor und spaltet sich endlich gänzlich von der Ekto- 
dermschicht ab. 

Auf diese Weise bildet sich eine nach dem Ektoderm zu offene 
Nervenrinne. Die den Boden dieser Rinne bildende Platte, welche 
wir das primäre Plättehen nennen wollen, stülpt sich nach innen 
ein, indem sie eine ziemlich beträchtliche Vertiefung bildet, welche 
dem Ambulacralkanal zu gewendet ist. In diese selbe Vertiefung 
wachsen nun die Fasern des amputirten Nervs, wie dies deutlich 
aus der Fig. 11 hervorgeht. Das den Boden der Rinne bildende 
sekrümmte Plättchen erscheint sehr stark verdickt, und besteht aus 
mehreren Schichten länglicher spindelförmiger Zellen mit runden, 
öfters ovalen Kernen, in denen oft karyokinetische Figuren beobachtet 
werden. Es sind dies Ganglienzellen, und aller Wahrscheinlichkeit 
nach differenziren sich aus ihnen auch die Zellen der Neuroglia 
(Stützzellen Hamann’s).. Die Ränder der Nervenrinne sind mit ihren 
Enden gegen einander gerichtet und liegen mit ihrer äußeren Ober- 
fläche dem Ektoderm dieht an. Sie bestehen aus einer Schicht von 
Zellen mit runden Zellkernen. Die Figg. 12 und 14 geben ein an- 
schauliches Bild von der Gestalt der Rinne und ihren Beziehungen 
zu den umliegenden Organen. Wir sehen, dass die vertiefte Partie 
der Rinne den Ambulacralkanal beinahe berührt und dass anderer- 
seits die Rinne mit ihren Rändern an das Ektoderm stößt. 

Bald darauf beginnen aber die an das Ektoderm stoßenden Rän- 
der des Nervenplättchens sich einander zu nähern; sie schließen sich 
zuletzt dicht an einander. Auf diese Weise entsteht aus der Nerven- 
rinne ein Nervenrohr mit stark redueirtem, aber dennoch deutlich 
ausgesprochenem Lumen (Fig. 15). Ein derartiger, allseitig um- 
schlossener Hohlraum im Nerv ist nicht leicht zu beobachten. Ge- 
wöhnlich löst sich die dem Ektoderm anliegende Schicht bald von 
demselben ab, ihre Zellen nähern sich dem verdickten primären 
Nervenplätichen, der Hohlraum wird enger, und später auch ganz 
resorbirt, so dass die Zellen der an das obere Plättchen herangetre- 
tenen unteren Nervenschicht nach oben hin zu wachsen beginnen, und 
beide Zellstränge, allmählich zu beiden Seiten des basalen Theils der 


216 C. Dawydoft, 


rinnenförmigen Schicht auswachsend, diese ganz umschließen, und, 
indem sie oben, unter dem Ambulacralkanal, mit ihren Rändern zu- 
sammenstoßen, die zu jener Zeit entstandene nervöse faserige Masse 
von oben und von den Seiten vollständig umgeben (Bildung des sog. 
Lange’schen Nerven?) (Figg. 21—24). Es unterliegt keinem Zweifel, 
dass die Differenzirung des Nervenstammes auch bei normal verlaufen- 
der Entwicklung auf diesem Wege erfolgt. Ein Blick auf den Quer- 
schnitt durch den Nerv eines ausgewachsenen normalen Armes genügt 
um sich davon zu überzeugen, dass eine derartige Annahme der Wahr- 
heit entspricht. Auf einem solchen Querschnitt sieht man, dass der 
Nerv bei den Ophiuren aus einer Menge von Fasern besteht, welche 
von einer sie allseitig umhüllenden, nach unten zu am meisten ver- 
diekten Nervenmasse umschlossen werden. Im Mittelpunkt dieses unte- 
ren Nervenplättchens kann man bei genauerer Untersuchung stets eine 
kleine Rinne entdecken. Auf dieses Gebilde wandte ich bereits bei 
dem Studium erwachsener normaler Ophiuren meine Aufmerksamkeit. 
Es existirt stets in der gangliösen unteren Masse auf meinen Präpara- 
ten sowohl, wie auch auf denen von Hamann (7, Taf. IV, Figg. 6 und 9) 
und ArosroLip&s (Pl. IX, Fig. 5; Pl. X, Fig. 5), was mich zu der Über- 
zeugung führte, dass man es hier nicht mit einer nur zufälligen Er- 
scheinung zu thun hat. Setzt man voraus, die seitlichen Zellmassen 
des Nervs wären durch Wucherung der Zellen an den unteren Enden 
des Nervenplättchens über deren centralen, rinnenförmig gebogenen 
Abschnitt hinaus entstanden, so erklärt sich die Bedeutung der ver- 
diekten Rinne von selbst. Die gesammte untere Zellmasse des Nervs 
wird dann meinem »primären« Plättechen entsprechen, die seitlichen 
Massen dagegen den von unten nach oben ausgewachsenen und nach 
innen umgebogenen Rändern desselben, welche sich mit einander 
verbinden und, nachdem sie an einander gestoßen sind, über der 
faserigen Masse eine kompakte Schicht von Nervenzellen bilden. 
Dann wird die Rinne in der unteren gangliösen Masse auch jener 
Vertiefung in dem primären Nervenplättchen entsprechen, welche bei 
jüngeren Stadien mit dem Buchstaben a bezeichnet ist, und während 
der ganzen Dauer der Differenzirung des oralen Nervenstammes so 
überaus charakteristisch erscheint. Dabei werden auch die mit d 
und c bezeichneten Vertiefungen ihre Erklärung finden, wie dies aus 
der Vergleichung der Zeichnungen unseres Schemas deutlich her- 
vorgeht. 

Es muss noch auf die Ähnlichkeit hingewiesen werden, welche 
zwischen dem Nervenrohr der Ophiuren und dem »Kragenmark« bei 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 217 


den Larven der. Enteropneusten (SPENGEL 21, Taf. XXV, Fig. 146) 
und selbst bei erwachsenen Enteropneusten besteht (vgl. meine Zeich- 
nung 13 und die Fig. 26, Taf. XV der SpEngEL’schen Monographie). 
Dessgleichen hat der Bildungsprocess des Nerven bei Amphiura viel 
Ähnliehkeit mit dem gleichen Vorgang bei Balanoglossus. 

Es drängt sich nun die Frage auf, welches der Ursprung der in 
der Zellmasse eingeschlossenen faserigen Schicht ist? Wird diese 
Schicht ausschließlich von den hereinwachsenden Fasern des in 
Wucherung begriffenen alten Nervs gebildet, oder geben die sich 
neubildenden Ganglienzellen Fasern dazu ab? Eine kategorische 
Antwort auf diese Fragen lässt sich nicht leicht geben. 

Wir kommen der Wahrheit wohl am nächsten, wenn wir an- 
nehmen, am Aufbau der gesammten faserigen Schicht nähmen Antheil: 
einerseits die wuchernden Fasern des alten Nervs, was auf frühen 
Stadien, wo die Ganglienzellen sich noch nicht differenzirten, deut- 
lich zu sehen ist, — andererseits die sich neubildenden Ganglien- 
zellen, indem sie Fasern abgeben, welche in den Bestand der Faser- 
schicht übergehen. In Fig. 15 (und 14) ist unter Anderem eine 
Ganglienzelle abgebildet, von welcher ein Fortsatz in die Tiefe der 
Fasermasse abgeht, was entschieden auf die Richtigkeit unserer 
Voraussetzung bezüglich der Abstammung der Fasern von der sich 
neu bildenden zelligen Nervenmasse hinweist. Was nun die Theil- 
nahme der Fasern des alten Stammes am Aufbau der faserigen 
Nervenschicht betrifft, so drängt sich hier die Frage auf, ob nicht 
die Nervenelemente des alten amputirten Nervs zur Bildung des 
paarigen oberen Nerven (»dorsal-radiales System« JICKELI) verwendet 
werden. Ich muss diese Frage unbeantwortet lassen, da ich über 
keine direkten diesbezüglichen Beobachtungen verfügen kann. Was 
den Lange’schen Nerv betrifft, neige ich zu der Voraussetzung, 
dass diese paarigen Nervenstämme ihren Ursprung dem Wuchern 
der oberen Seitenabschnitte der neugebildeten Nervenmasse ver- 
danken. Gewisse Beobachtungen sprechen für diese Annahme 
(Fig. 28). Andererseits finden wir in der Mitte der faserigen Masse 
bei bereits erwachsenen Stadien isolirt zwischen den Fasern 
liegende Ganglienzellen. Es lässt sich schwerlich annehmen, dass 
Zellen der Ganglienschicht in eine so große Entfernung auswandern 
können. Man muss sie vielmehr für Ganglienzellen des alten Nerven 
ansehen, welche zusammen mit den Fasern in den neuen Arm hinein- 
gewachsen sind. Nicht ohne Interesse ist die Thatsache, dass der 
Nerv bei der Regeneration sehr früh angelegt wird, und bald so sehr 


218 C. Dawydoft, 


anwächst, dass er fast ein Drittel der Ausdehnung des ganzen Armes 
einnimmt; man kann hieraus ersehen, in welchem Grade die Funktion 
des Nervensystems für den Organismus von Wichtigkeit ist. 

Die von mir beschriebenen Vorgänge bei der Bildung des Nerven- 
stammes während der Regeneration bei Amphiura stimmen nicht mit 
den Angaben Curnor's (10) über die Embryonalentwicklung des 
Nervs bei der gleichen Form überein. Nach Curnor entsteht der 
Nerv durch Epibolie aus dem Epithel, und wir haben es mit einem 
Process »qui ressemble plus A une epibolie qu’A une invagination« 
(p. 459) zu thun. Bilder, wie sie Cu£nor’s Fig. 26, Pl. XXV zeigt, 
und welche für seine Beobachtungen sprechen würden, habe ich nie 
zu Gesicht bekommen. 

In späteren Stadien gehen in dem Nervenstamm wesentliche, die 
Innervation des Ambulacralsystems betreffende Veränderungen vor 
sich, über welche ich später, gelegentlich der Besprechung der Re- 
generation der Ambulaeralfüßchen, sprechen werde. Hier soll noch 
mitgetheilt werden, dass sich das Nervensystem im regenerirten Arm 
Schritt für Schritt seinem normalen, typischen Zustande zu nähern 
beginnt. Von der zelligen Masse gehen Büschel von Fasern aus, 
welche sich zu Nervenstämmen vereinigen, und sich, behufs Inner- 
vation eines oder des anderen Organs, nach dem betreffenden Theil 
des Armes wenden. Besonders deutlich tritt dies auf Querschnitten 
durch Ophiopholis und Ophioglypha zu Tage. Hier kann man im 
Integument an den Seiten des Armes ganz deutlich die Bildung meh- 
rerer Nervenknötehen beobachten, wie sie von CuEnor (p. 45, Pl. III, 
Figg. 7, 8, 10 [6], und p. 467, Pl. XXVI, Fig. 36 [10]) beschrieben 
wurden; diese Knötchen stellen Komplexe von Ganglienzellen dar, 
welche unter einander durch eine Menge von Nervenfasern verbunden 
sind, welche ihrerseits von den Knötchen nach den auf den Seiten 
des Armes befindlichen Kalkstacheln verlaufen. Alle Knötchen sind 
unter einander durch eine faserige Masse verbunden, welche von dem 
oralen ursprünglichen Nervenstamme ausgehen. An kleinen Objekten 
ist es sehr schwer diese Einzelheiten zu verfolgen, und es sind daher 
die kleinen Amphiura zu diesem Zweck wenig geeignet. 


Ambulacralfüfschen. Epineuraler Ringkanal. 


Der Regenerationsprocess des Ambulacralkanals wurde bereits 
oben ausführlich beschrieben; letzterer wird dem zufolge nicht neu 
angelegt, sondern wächst aus dem alten Kanal hervor. Wir werden 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 219 


nunmehr den weiteren Verlauf der Entwicklung des Ambulacralsystems 
im regenerirenden Arme verfolgen. 

Die Bildung der Ambulacralfüßchen im regenerirenden Arme er- 
folgt verhältnismäßig erst in später Zeit. Sie entstehen zunächst an 
der Basis des neuen Armes, d. h. in dem im Vergleich mit der Spitze 
älteren Theil desselben. Nach einiger Zeit erscheint in einer ge- 
wissen Entfernung vom ersten Paar ein zweites, darauf ein drittes. 
Während der Gipfel der Knospe zu wachsen fortfährt, beginnt ihr 
basaler, der gewesenen Schnittfläche zunächst liegender Theil sich 
zu segmentiren. Die Segmentation schreitet allmählich nach dem 
Gipfel zu fort, wobei ein jeder Abschnitt, abgesehen von der äußeren 
Gliederung, noch durch das Auftreten eines Paares von intervertebral 
angelegten Ambulaecralfüßchen (in jedem Segment) charakterisirt ist. 

Das erste Auftreten der Ambulacralfüßchen dokumentirt sich 
durch eine Evagination der Seitenwände des Ambulacralkanals, was 
den Vorgängen bei der Embryologie durchaus entspricht: »l’ambulacre 
n’est qu’une evagination laterale du canal ambulacraire radial«, CuE- 
nor (6) p. 44. Von dem Ambulacralkanal werden zwei kleine Säckchen 
ausgestülpt, welche einander gegenüberliegen. Diese Säckchen wachsen 
nun an und erhalten bald das Aussehen am äußeren Ende verschlosse- 
ner Röhren, welche vom Ambulacralkanal in der Richtung nach dem 
häutigen Integument zu wachsen, wobei beide Röhren einen Winkel 
von etwa 90° mit einander bilden. Vom Beginne der Entstehung 
der Füßchen an gehen in dem unter dem Ambulacralkanal liegenden 
Abschnitt des oralen Nervenstammes interessante Veränderungen vor 
sich. Von beiden Seiten des Nervenstammes gehen Komplexe von 
Zellen ab, welche sich zu Nervenplättchen umbilden; diese Nerven- 
plättchen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Nerven- 
stamme selbst und bilden eine direkte Fortsetzung desselben. Diese 
Plättchen umwachsen die am Kanal entstandenen Säckchen von allen 
Seiten, indem sie eine Art von dichten zelligen Überzügen bilden. 
Mit dem Wachsthum der Füßchen wachsen auch ihre Nervenfutterale, 
wie dies aus den beigegebenen Zeichnungen zu ersehen ist. _ 

Auf Fig. 25 ist eines der frühen Entwicklungsstadien eines Paares 
von Ambulacralfüßchen dargestellt; beide Füßchen stellen noch ein 
Paar einander gegenüberliegender kleiner Säckchen vor, von dem 
Nerv aus haben sich aber schon nach ihnen zu die Zellkomplexe 
abgetheilt, welche die Säckehen in Gestalt eines Futterals um- 
schließen. Die Fig. 18 zeigt ein älteres Stadium: die Ambulacral- 


füßchen treten schon fast nach außen, während die Nervenplättchen, 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 15 


220 C. Dawydoff, 


indem sie die Säckchen von allen Seiten dicht umschließen, dem ent- 
sprechend in die Länge. gezogen sind. Die beträchtlichste Schicht 
von Ganglienzellen sammelt sich am Gipfel der Ambulacralfüßchen 
(wo sie eine Art gangliöser Kappe bildet), sowie an der Stelle an, 
wo die Füßchen in der nächsten Nähe des Nervenstammes vorbei- 
gehen; hier bildet sich später das bereits für ausgewachsene Ophiuren 
beschriebene Ganglion pedale (Hamann [7], p. 13, Taf. IV, Fig. 1); 
Ganglion ambulacraire (Cuxxor [10], Fig. 36); dasselbe umgiebt 
die Ambulacraltaster an deren Basis in Gestalt eines Nervenringes, 
dessen peripherer Theil aus Zellen, der innere dagegen, welcher dem 
Ambulacrum anliegt — aus ringförmigen Nervenfasern besteht. 

Dieses Ganglion pedale ist mit der apicalen Nervenkappe durch 
eine ganze Schicht von Nervenfasern verbunden, welche das Ambula- 
cralfüßchen in dichter Masse umspinnen, wie dies aus der Fig. 26 
ersichtlich ist. Diese Zeichnung stellt einen Querschnitt durch das 
Füßchen dar, in der Gegend, wo dasselbe über den Nervenstamm 
hinweggeht; letzterer erscheint im Längsschnitt. 

Indem wir alle diese Beobachtungen bezüglich der Theilnahme 
des Nervenplättchens an der Entwicklung des Ambulacralfüßchens, 
‘wobei ersteres so zu sagen eine Hauptrolle spielt, in Erwägung ziehen, 
können wir mit vollem Rechte die Funktion der Ambulacralfüßchen 
nicht als eine lokomotorische, sondern als die eines Sinnesorgans 
auffassen; diese Annahme wird durch die von Hamann ([7] p. 21— 
22, Taf. IV, Fig. 4) in den Ambulacren von Ophoothrix fragilis ent- 
deckten und beschriebenen komplieirt gebauten Nervenendigungen, 
»Sinnesknospen«, bestätigt, welche zweifelsohne durch Komplika- 
tionen in der Differenzirung der Nervenelemente entstehen, aus wel- 
chen die Anfangs gleichartig aufgebaute Nervenkappe des Ambula- 
crums besteht. 

Wenden wir uns nun der weiteren Entwicklung des Ambulaecral- 
füßchens zu. Wir haben bereits gesagt, dass die beiden in einander 
steckenden Röhren — die innere aus vom Ambulacralkanal vorgestülpten 
Geweben bestehend, die äußere nervöser Natur — in der Richtung 
nach dem häutigen Integument zu wachsen, und zuletzt dicht an 
dasselbe herantreten. Auf den hierhergehörigen Zeichnungen Figg. 18 
und 25 sehen wir unter dem Ambulacralfüßehen einen Hohlraum, 
welcher mit dem Epineuralkanal in Berührung steht, und durch 
Wucherung des letzteren in der Richtung nach dem im Wachsthum 
begriffenen Ambulaeralfüßchen zu entstanden ist. Demnach entsteht 
der von Lang in seinem Schema angegebene »epineurale Ringkanal« 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 221 


([22] Fig. 736 und eben so Curxor [10], Pl. XXVI, Fig. 36) durch 
Wucherung der Epineuralhöhle längs dem Ambulacralfüßchen. Schnitte 
durch darauf folgende Stadien zeigen, wie das Ambulacralfüßchen 
den ihm zunächst liegenden, bedeutend verdickten Hautabschnitt 
vorzustülpen beginnt, denselben dann durchbricht und nach außen 
tritt. Die innere Schicht des Integuments hat an der Bildung des 
Ambulacralfüßchens keinen Antheil; was aber das Epithel betrifft, 
welches mit der Mesodermschieht durehbrochen wird, so wächst das- 
selbe über dem vorgestülpten Köpfchen sofort wieder zusammen, in- 
dem es letzteres im Wachsthum überholt. Auf solche Weise nimmt 
das Epithel des Armes immer an der Bildung der Ambulacralfühler 
Theil, indem es ihnen als Integument dient (Fig. 30). Auf das 
Epithel folgt die nervöse Schicht (Nerf ambulacraire — Cuixor), 
sodann die Bindegewebsschicht, die stark entwickelte muskuläre 
Schicht, und endlich das Endothel, welches die innere Wandung des 
Füßchens auskleidet. Am Ende des Fühlers des erwachsenen Thieres 
befindet sich eine Verdickung in Gestalt eines Köpfchens; diese An- 
schwellung entsteht, wie mir scheint, nicht durch eine Verdickung 
des das Ambulacrum bekleidenden Epithels, wie dies auf der Zeich- 
nung von Hamann (7, Taf. IV, Fig. 1), angegeben ist, sondern da- 
durch, dass die aus massenhaft angesammelten Ganglienzellen mit 
sroßen Kernen bestehende Nervenschicht sich hier stark entwickelt 
hat (Fig. 30). Diese Schicht steht durch Vermittelung des Ganglion 
pedale in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Nervenstamm, — 
ein direktes Resultat des embryologischen Processes. 


Sehr häufig kann man sowohl im Ambulacralkanal wie auch in 
den Fühlern freie Zellen beobachten, welche augenscheinlich in der 
die Ambulacralhöhle erfüllenden Flüssigkeit herumschwimmen. Diese 
Zellen besitzen zweifelsohne eine phagocytäre Natur. Taucht man 
z. B. einen Arm sofort nach der Amputation in Tusch- oder Karmin- 
pulver, so kann man oft auf Schnitten beobachten, dass die in der 
Flüssigkeit des Ambulacralkanals schwimmenden Zellen mit Körnchen 
der eingeführten Substanz erfüllt sind. 


Cölom, Muskulatur, Pseudohämal- und Epineuralkanal. 


Auf Querschnitten durch eine junge Knospe in den frühesten 
Stadien bemerken wir über dem Ambulaeralkanal eine ansehnliche 
Höhle, welche fast die ganze Dorsalseite des neuentstehenden Armes 
einnimmt (Fig. 10). Dieser Hohlraum ist in dorsoventraler Richtung 


15* 


222 C. Dawydoft, 


stark zusammengedrückt und fehlt auf Schnitten, welche durch den 
apicalen Theil der Knospe geführt sind, wo wir außer der ektoder- 
malen und der mesodermalen Schicht nur noch den Ambulacralkanal 
sehen (Fig. 9. Die Betrachtung einer Schnittserie belehrt uns dem- 
nach, dass die erwähnte supra-ambulacrale Höhle sich in frühen Sta- 
dien nicht bis zum Gipfel der Knospe erstreckt. Dies stimmt mit 
den Angaben Cuernor’s (10) über die Entwicklung des Armes bei 
Amphiura squamalta überein; CukNnoT sagt, dass anfänglich »les bras 
sont manifestement pleins ... on ne voit pas trace d’enterocoele« 
(p. 396, Pl. XXV, Fig. 26). Die so eben beschriebene Höhle ist das 
Cölom, und entsteht durch Wucherung des Cölothels des alten dor- 
salen Cölomkanals. In der That zeigen Längsschnitte durch eine 
junge Knospe desselben Stadiums, dass diese ziemlich umfangreiche 
Höhle in unmittelbarem Zusammenhange steht mit der engen Cölom- 
höhle. Der Cölomkanal in dem im Entstehen begriffenen Arme wird 
demnach nicht neu im Mesoderm angelegt, sondern er wächst aus 
dem alten Kanal, was auch schon im Allgemeinen von PERRIER (1) 
bei der Regeneration der Arme von Antedon rosacea (p. 12—13, 
Pl. IV, Fig. 18) und von Sımrota (2) bei Ophiactis virens p. 520 beob- 
achtet wurde. Cuknor (10) giebt an, dass das Cölom bei normaler 
Entwicklung »se prolonge sous forme d’un boyau cellulaire« (p. 396). 
Der herangewachsene Cölomkanal nimmt stark an Umfang zu. Wäh- 
rend er im ausgewachsenen Arm die Form eines sehr schmalen 
Hohlraumes besitzt, erweitert er sich in dem regenerirenden Arm zu 
einem geräumigen Sack, welcher in dorsoventraler Richtung stark 
zusammengepresst erscheint. Auch bei Antedon ist die heran wachsende 
Cölomhöhle der regenerirenden Knospe komprimirt — »la cavite gene- 
rale prend la forme d’un tube plus ou moins applati« (PERRIER, p. 72). 
Ihre obere Wandung stößt an das Ektoderm der Knospe, wobei sie 
ein gewölbtes Aussehen erhält, während die untere Wandung gleich- 
sam nach innen eingestülpt ist und den Ambulacralkanal des neuen 
Armes umgiebt (Fig. 10). In histologischer Hinsicht besteht die Cölom- 
wand des regenerirenden Armes aus einer Schicht von Zellen, welche 
Anfangs augenscheinlich von gleicher Natur sind; es sind dies kubi- 
sche endotheliale Zellen mit großen runden Kernen, in denen man 
öfters karyokinetische, auf starke mitotische Vermehrung hinweisende 
Figuren beobachten kann. Flimmerhaare sind auf meinen Präpara- 
ten an diesen Zellen nicht zu sehen; sie werden erst später an der 
Dorsalseite der Cölomhöhle sichtbar, wo sich schon in frühen Stadien 
eine Schicht großer Cylinderzellen differenzirt (Figg. 15 u. 14). Nach 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 2923 


Cu£xor erfolgt die Differenzirung des »Epithelium vibratile« im Cölom 
bei Amphiura schon sehr früh (p. 404). 


Die soeben beschriebene Gestalt der Gölomhöhle im regeneriren- 
den Arm ist nicht für alle Fälle typisch. Überhaupt ist ihre Form 
ziemlich verschieden, kann aber der allgemeinen Figuration nach 
stets in das gegebene Schema hineingepasst werden. 


Die Knospe besteht demnach im ersten Stadium aus einer äuße- 
ren Hautkappe, welche die innere, ambulacrale Kappe umgiebt 
(Fig. 7). Zwischen beiden entsteht eine mesodermale Schicht, zwi- 
schen deren Zellen, unter dem Ambulacralkanal, die Fasern des 
alten, in Wucherung begriffenen Nerven durchzudringen beginnen 
(Fig. 10 nf). Die Knospe fährt fort zu wachsen, und von der dor- 
salen Seite dringt der gleichzeitig mit dem Ambulacralröhrchen 
wachsende Cölomsack in die Knospe hinein. Auf diese Weise finden 
wir auf dem nächsten Stadium an der Basis der Knospe neben dem 
Ambulacralkanal noch eine Cölomhöhle. In dem Arm, nach dem 
Ambulacralkanal entstehend, bleibt das Cölom im Wachsthum hinter 
diesem zurück; zu der Zeit, wo der Ambulacralkanal mit dem api- 
calen Ende an den Gipfel des neuen Armes stößt, erstreckt sich die 
in ihm enthaltene Cölomhöhle nur bis zu dessen Mitte. Auf diesem 
Stadium sehen wir bereits eine Differenzirung des ventralen Ab- 
schnittes des Ektoderms behufs Bildung des Nervensystems. Der 
sesammte Zwischenraum zwischen den genannten Organen und dem 
Ektoderm ist mit mesodermalen Zellen angefüllt, welche alle Zwischen- 
räume ausfüllen. 

Während die bereits beschriebenen Veränderungen im Nerven- 
system und Ambulacralsystem vor sich gehen, erleidet auch die 
Cölomhöhle verwickelte Umwandlungen, ehe der für den normalen 
Arm typische dorsale Cölomkanal mit den von ihm ausgehenden seit- 
lichen Säcken aus ihr hervorgeht. Auf der Fig. 12 sehen wir unter 
der Cölomhöhle zwei kleine Hohlräume, welche zu den Seiten des 
Ambulacralkanals liegen und unter einander durch einen einschich- 
tigen Zellstrang verbunden sind. Querschnitte durch vorhergehende 
Stadien veranlassen zu der Annahme, dass diese beiden Hohlräume 
aus einer einzigen, unpaaren Höhlung entstehen. Diese letztere ver- 
dankt ihren Ursprung einer Theilung der Cölomhöhle in zwei Höh- 
lungen. Von dem uns bekannten Cölomsack schnürt sich nämlich ein 
eben so in dorsoventraler Richtung zusammengedrückter Hohlraum 
ab, welcher von einer Schicht kubischer Epithelzellen ausgekleidet 


224 C. Dawydoff, 


ist. Die Wandungen dieser Höhle nähern sich einander über dem 
Ambulacralkanal und verwachsen mit einander. 

Auf solche Weise bilden sich aus einer großen Höhle zwei kleine, 
welche zu Seiten des Ambulacralkanals liegen und oberhalb des 
letzteren dureh eine Schicht Zellen verbunden sind; diese Schicht 
entspricht der oberen Schicht des die frühere Höhle auskleidenden 
Endothels, an welche sich die untere Schicht anlegt, wodurch der 
mittlere Abschnitt der Höhlung verloren geht, und nur die beiden seit- 
lichen Höhlen persistiren. Die sie verbindende Schicht endothelialer 
Zellen verfällt der Resorption und geht zuletzt ganz zu Grunde; es 
ergeben sich zwei cylindrische Röhren, welche mit einschichtigem 
kubischem Cölothel ausgekleidet sind und vollständig frei zu den 
Seiten des Ambulacralkanals, und demselben dicht anliegend, sus- 
pendirt sind. Nach und nach beginnen diese Röhren sich nach 
unten zu senken, werden etwas unter den Ambulacralkanal verlagert 
und stoßen endlich unterhalb desselben mit ihren Rändern zusammen 
und bilden auf diese Weise eine große Höhle zwischen dem Nerv 
und dem Ambulacralkanal, welehe in ihrer Mitte durch ein aus zwei 
mit einander verwachsenen Zellschichten gebildetes Mesenterium in 
zwei Hälften getheilt wird. 

Diese beiden Hohlräume repräsentiren ein Gebilde, welches in 
der Litteratur über Ophiuren unter dem Namen »Pseudohämalkanalc« 
bekannt ist. Meine Beobachtungen stehen sonach in schroffem Wider- 
spruch mit den Angaben Curnor's (10) über die Entstehung des Pseudo- 
hämalsystems im Arme während der normalen Entwicklung (p. 601). 

Wir ersehen hieraus, dass der Pseudohämalkanal bei Amphiura 
durch eine vertikale Scheidewand getheilt ist, und in Folge dessen 
dem Pseudohämalkanal der Asteriden vollkommen. entspricht. Das 
erwähnte Septum bleibt bei Amphiura auch im erwachsenen Arme . 
erhalten, wie bei Ophiactis virens, bei welcher Form die Pseudohämal- 
kanäle (»seitliche Armblutgefäße«) gleichfalls durch eine Zwischenwand 
getrennt sind (SIMROTH, diese Zeitschr. Bd. XXVII). 

Auf Grund meiner Beobachtungen kann ich mich demnach mit 
Lupwis (3, p. 348) nicht einverstanden erklären, welcher angiebt, 
dass der Pseudohämalkanal der Ophiuren »einen einfachen Kanal 
darstellt, der nicht wie bei den Asteriden durch häutige Septen in 
kleine Räume getheilt ist«. Auf der schematischen Abbildung Lane@’s 
[22], Fig. 736), wie in den Zeichnungen Curnxor’s ([6] Pl. II, Fig. 4—7; 
Pl. IV, Fig. 12, Sinus vascnlaire; [10] Pl. XXVI, Fig. 36 und 35) 
ist der Pseudohämalkanal ebenfalls als einfache Höhlung abgebildet. 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 295 


Wir finden demnach eine vollständige Übereinstimmung zwischen 
dem Pseudohämalsystem von Amphiura und demjenigen der Aste- 
riden. Diese Übereinstimmung wird dadurch noch vollständiger, dass 
wir in der Masse des vertikalen Septum, unweit von dem Nerven- 
stamm, auf guten Schnitten einen sehr engen Kanal entdecken; es 
ist dies ein Blutgefäß, welches so zwischen den beiden das Mesen- 
terium bildenden Wandungen der an einander gerückten Cölomhöhlen 
entsteht. Auch bei den Asteriden ist das Blutgefäß bekanntlich in 
der Tiefe des beide perihämale Höhlungen trennenden vertikalen 
Septum gelegen. 

Es ist mir nicht gelungen die Entwicklung des Blutgefäßes näher 
zu verfolgen, da so kleine Objekte wie Amphiura zu diesem Zwecke 
wenig geeignet erscheinen. Bei ausgewachsenen Individuen kann 
man jedoch stets die Anwesenheit dieses Gefäßbes konstatiren. Das- 
selbe liegt zwischen den beiden Pseudohämalhöhlungen, beinahe auf 
dem Nervenstamme, und stellt einen so überaus schmalen Kanal dar, 
dass seine Anwesenheit nur bei der sorgfältigsten Färbung und An- 
fertigung der Schnitte deutlich Konstatirt werden kann. 

Ich kann demnach die Genauigkeit der Beobachtungen ÖURNoT's 
(12, p. 244) bestätigen, und jene Widersprüche beseitigen, welche 
zwischen den Befunden des genannten Autors und denjenigen 
Mac Brıpe’s bezüglich der Anwesenheit von »Lacunes radiales< bei 
Amphiura squamata, d. h. dem Blutgefäßsystem im Sinne Lupwig’s 
bestanden, wobei Mac Brıpe (11) das Vorhandensein eines solchen 
für Amphriura eine Zeit lang leugnete. 

Die Pseudohämalkanäle der Ophiuren entwickeln sich also onto- 
senetisch aus dem Enterocöl, als abgeschnürte Bezirke des Cöloms. 
In dieser Beziehung stehen meine Beobachtungen im Widerspruch 
mit den Befunden GoTo SEIrARo’s (17), nach welchem die Perihämal- 
kanäle der Asteriden mesenchymatösen Ursprungs sind (p. 274—275), 
stimmen aber vollständig mit den Angaben Mac Brıpe’s (16 u. 18) 
überein. 

Was jene Höhlung betrifft, welche in dem Arm der Ophiuren 
zwischen dem Epithel und dem Nervenstamm liegt, und den Namen 
»Epineuralkanal« (Sinus susnervien CuEnor [6], Sinus epineural 
Cuenor [10)) führt, so wird dieselbe bei der Regeneration ganz un- 
abhängig von dem Pseudohämalsystem gebildet. Während letzteres 
ein Derivat des Enterocöls ist, repräsentirt die Epineuralhöhle ein 
schizodermales Gebilde, welches durch die Loslösung des Nerven- 
stammes von der anliegenden Epithelschicht entsteht. Daher besitzt 


226 C. Dawydopft, 


die Epineuralhöhle bei frühen Stadien jene zellige Hülle noch nicht, 
von welcher sie bei älteren Stadien an ihrer ganzen Oberfläche 
ausgekleidet wird. Nach COvr£nor (10) »les sinus Epineuraux ne sont 
revetu d’aucun epithelium — ils sont simplement limites par du tissu 
conjonctif« (p. 460). Der Epineuralkanal hat demnach, im Widerspruch 
mit den Angaben Lupwıg’s und KÖHLer’s, keinerlei morphologische 
Beziehung zu den perihämalen Kanälen. 

Während die beiden vom Cölom abgetrennten Röhren sich all- 
mählich umbilden und längs der Krümmung des Ambulacralkanals. 
welchen sie die ganze Zeit über dieht umschließen, hinwandern, be- 
sinnen in dem übriggebliebenen Theil der Leibeshöhle neue Veränderun- 
gen aufzutreten. Ihre Seitenpartien beginnen nach unten auszuwachsen 
und sich gleichsam von der allgemeinen Höhle vorzustülpen, was zu 
Bildern führt, wie sie in Fig. 13 wiedergegeben sind. Wir sehen 
hier, dass zwei Säcke symmetrisch seitlich von der unteren Wand 
der allgemeinen Cölomhöhle abgehen. Diese Säcke schnüren sich 
später von der allgemeinen Höhle ab, und es bilden sich zwei läng- 
liche, im Querschnitt fast runde, mit einer Schicht cölothelialer Zellen 
ausgekleidete Röhren, welche sich zu den Seiten des Ambulacral- 
kanals, aber etwas nach oben zu, zwischen diesem und dem übrigen 
Cölom, lagern. Diese länglichen Hohlräume werden paarweise nicht 
längs der ganzen Ausdehnung der Oberfläche des regenerirenden 
Armes, sondern in Abschnitten angelegt; auf sagittalen Längsschnitten 
kann man sehen, dass einem jeden sich neubildenden Segment des 
neuen Armes ein Paar der beschriebenen langen Cölomröhren ent- 
spricht, welche von dem, alle Lücken zwischen den Organen des 
neuen Armes ausfüllenden, in Bildung begriffenen embryonalen Ge- 
webe umgeben sind. Diese Röhren bleiben nicht lange hohl. Quer- 
und Längsschnitte zeigen uns, dass von dem die Röhren auskleidenden 
einschichtigen Endothel sich Zellen ablösen, welche sich mit außer- 
ordentlicher Intensität auf karyokinetischem Wege theilen, und all- 
mählich die ganze Höhlung anfüllen. An Längsschnitten kann man 
sodann interessante Umwandlungen dieser Zellen beobachten. Ihre 
Anfangs runden Kerne nehmen eine längliche Gestalt an und werden 
oval und stark granulirt. Das äußerst spärliche Plasma dieser Zellen, 
welches an einem Pole des Kernes eine sehr dünne Schicht bildet, 
zieht sich am entgegengesetzten Pol zu einem dünnen, strangförmigen 
Fortsatz aus. Dieser Strang zieht sich sehr in die Länge, nimmt an 
Dicke zu, und nach einer Reihe von Übergangsstufen erhalten wir 
typische Muskelzellen, welche sich sofort karyokinetisch theilen ete. 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 2927 


(Fig. 29); als Schlussergebnis dieser Vorgänge erhalten wir statt 
hohler Cölomsäcke kompakte Komplexe von Muskelzellen. Diese 
letzteren differenziren sich und bilden zwei zu den Seiten des Am- 
bulacralkanals liegende Muskelstränge, was durchaus dem Bilde ent- 
spricht, welches wir im Arme des erwachsenen Thieres finden. 
Selbstverständlich erfolgt die Bildung dieser Muskelfragmente nicht 
in allen Segmenten gleichzeitig. Zu der Zeit, wo die Cölomhöhlen 
in den dem alten Arm zunächst liegenden Segmenten bereits dicht 
mit Muskelzellen gefüllt sind, geht in den apicalen Segmenten erst 
die Anlage der oben beschriebenen paarigen Säcke aus dem Oölom 
vor sich; die mittleren, dazwischen liegenden Segmente bieten je 
nach ihrem Alter eine ganze Reihe allmählicher Übergänge zwi- 
schen den beiden Grenzstadien. Diese metamere Bildung cölothelial- 
muskulärer Hohlräume bedingt die primäre Segmentation des neuen 
Armes. 

Die beiden unteren Muskelfragmente entstehen demnach aus dem 
Cölothel der beiden abgeschnürten Cölomhöhlen. Eine cöletheliale 
Abstammung der Muskeln ist auch für die Regeneration einiger An- 
neliden charakteristisch (ScHuLTz, 20). 

Nach dem Verlauf der eben beschriebenen Veränderungen in der 
Leibeshöhle muss diese letztere, ehe sie sich zu jener engen Cölom- 
höhlung ausbildet, welehe wir im normalen Arm der erwachsenen 
Amphiura finden, noch eine ganze Reilie von Umwandlungen durch- 
machen. Wir haben bereits auf die Gestaltung der Leibeshöhle im 
regenerirenden Arm noch vor der Abschnürung der zukünftigen 
Pseudohämalkanäle hingewiesen; auf diesem frühen Stadium hat die 
Cölomhöhle die Gestalt eines komprimirten Sackes, welcher mit seiner 
oberen Wandung der äußeren Körperschicht -— dem Ektoderm — an- 
liegt, mit der unteren, inneren dagegen, den Ambulacralkanal umfasst. 
Dies ist die typische Form der Leibeshöhle. Auf diesem Stadium ist 
die gesammte Höhle in ihrer ganzen Ausdehnung mit einer gleich- 
mäßigen Schicht kubischer Endothelzellen ausgekleidet. Betrachten 
wir nunmehr die Fig. 12, welche einen Querschnitt durch den Arm 
im Stadium des Anfangs der Bildung der Pseudohämalkanäle dar- 
stellt, so sehen wir, dass die Cölomhöhle hier bedeutend angewachsen 
ist, fast den ganzen oberen Abschnitt des Armes einnimmt und eben- 
falls mit ihrer oberen Wandung dem Ektoderm dicht anliegt; dabei 
ist bereits eine Differenzirung der gesammten Cölothelschicht — einer- 
seits in ein kubisches Cölothel, welches im centralen Theil in ein 
eylindrisches, die ganze obere Fläche auskleidendes Cölothel übergeht 


228 C. Dawydoft, 


und andererseits in ein flaches, die untere an den Ambulacralkanal 
grenzende Wandung des Cöloms auskleidendes Cölothel — zu be- 
merken. 

Dasselbe Bild stellt auch ein Schnitt durch die Knospe im Stadium 
der beginnenden Bildung der zukünftigen Muskelsäcke (Fig. 13) dar. 

Wir sehen hier dieselbe geräumige, fast halbeylinderförmige Höh- 
lung mit nach innen vorgewölbter unterer Wandung. Betrachten wir 
unsere schematische Zeichnung, so können wir uns den Verlauf des 
Bildungsprocesses sowohl des dorsalen Cölomkanals mit den seit- 
lichen spaltförmigen Säcken, wie auch der darunterliegenden großen, 
für den normalen Arm charakteristischen Muskelfragmente, deutlich 
vorstellen (Textfiguren a, d, ce). Wir bemerken (Textfig. «), dass sich die 


Textfiguren u—c. 


innere, untere Oberfläche der Cölomhöhle — wahrscheinlich in Folge 
des Wucherns des Bindegewebes über dem Ambulacralkanal — nach 
innen (oben)zu vorwölbt. Eine derartige Einstülpung des centralen Theils 
der unteren Cölomwand hat zur Folge, dass die ganze OCölomhöhle 
in der Mitte eingeengt wird, und sich in drei Abschnitte theilt — 
zwei geräumige laterale, einander an den Seiten des Armes gegen- 
überliegende Höhlen, und einen centralen engen, beide Seitenhöhlen 
mit einander verbindenden, in seinem oberen Abschnitt mit flimmern- 
dem cylindrischen Cölothel ausgekleideten spaltförmigen Abschnitt 
(Textfig. d). Diese Spalte bildet einen im Querschnitt fast dreieckigen, 
durch den ganzen Arm verlaufenden engen Kanal, welcher dem ty- 
pischen dorsalen Cölomkanal der ÖOphiuren entspricht. Was die 
lateralen Säcke betrifft, so bleibt von jedem derselben nur eine enge, 
längs der oberen Wandung desselben verlaufende Spalte übrig. 
Der ganze übrige Hohlraum wird durch Umbildung der Cölothelzellen 
der unteren Saekwandungen in Muskelfasern zu einem Muskelfrag- 
ment umgewandelt (Textfig. c. Der muskulöse Abschnitt jeder Höhle 
wird von einem Epithel flacher Zellen ausgekleidet, welches durch 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 229 


Wucherung des unverändert gebliebenen Cölothels entsteht, durch 
welches der muskulöse Abschnitt von den nicht ausgefüllten oberen, 
den für die Ophiuren typischen lateralen Cölomsäcken entsprechen- 
den Spalten abgetheilt wird (Fig. 27). 
Diese Säcke stehen im Zusammenhang mit den Pseudohämal- 
kanälen, wie dies für große Ophiuren schon durch Cu£xor, Lupwig, 
_ TEUSCHER u. A. nachgewiesen wurde. 

Bei der Untersuchung des Pseudohämalsystems an erwachsenen 
Stadien drängt sich uns folgende Betrachtung auf. Auf Fig. 31 sehen 
wir unter dem Ambulacralkanal auf den oberen Wandungen beider 
Pseudohämalhöhlen Komplexe von Zellen, welche in zwei neben ein- 
ander liegenden zelligen Gebilden angeordnet sind; in Fig. 31 sind 
diese letzteren mit x” bezeichnet. Die erwähnten Gebilde sind un- 
bedingt nervöser Natur und entsprechen den bereits von JICKELI für 
OÖphiuren beschriebenen paarigen Nervenstämmen (dorsales radiales 
System). Ihre Lage veranlasst zu der Vermuthung, sie verdankten 
mesodermalen Elementen ihren Ursprung. Die Vermuthung des meso- 
dermalen Ursprungs der tief liegenden Nervenstämme (Lange’sche 
Nerven) wurde bereits von Cuenor (10, p. 459), wenn auch mit großer 
Vorsicht, ausgesprochen. Er sagt: »sur la face inferieure du systeme 
epidermique se trouvent des amas de noyaux qui representent le 
rudiment du syst@me nerveux profond; je suis porte A croire quwils 
sont de nature mesodermique, mais il serait bien possible quils 
resultent d’un bourgeonnement lateral des cellules ectodermiques des 
centres nerveux«. Was das »Systöme nerveux profond« UUENOT'S, 
d. h. die Lange’schen Nerven (tiefgelegenes Nervensystem) betrifft, 
so schließe ich mich der letzteren Annahme des französischen For- 
schers an; bezüglich der von mir beschriebenen nervösen Gebilde 
(JIcKEuı, dorsales radiales System) jedoch ist es mir für den Augen- 
blick nicht möglich, mich in bestimmter Weise auszusprechen. 


Übersicht der Ergebnisse. 


Die Degeneration der durch die Amputation verletzten Gewebe 
des Armes erfolgt auf dem Wege der Phagocytose. Die Rolle von 
Phagocyten übernehmen sowohl frei umherirrende Zellen wie auch 
Elemente bindegewebiger Natur. In einigen Fällen erfolgt das Zuheilen 
der Wunde durch Bildung einer homogenen Masse über der Ampu- 
tationsfläche, welche aller Wahrscheinlichkeit nach als Gerinnungs- 
produkt von aus dem Arm nach der Wunde hin strömenden Flüssig- 
keiten aufzufassen ist. In der Folge wird diese provisorische Hülle, 


230 C. Dawydoft, 


und zwar ebenfalls auf dem Wege der Phagocytose, wieder resorbirt. 
Die ersten Anzeichen der Regeneration bestehen in dem Wuchern der 
Haut, welche, indem sie zusammenwächst, eine feste, kompakte 
Schieht über der Amputationsfläche bildet. Der Ambulacralkanal 
wächst aus dem alten Kanal und krümmt sich in der in Bildung 
begriffenen Knospe bisweilen nach der ventralen Seite hin. Durch 
die Wucherung des Ambulacralkanals wird eine Hervorstülpung der 
ihm anliegenden Hautschicht bedingt, welche über der Amputations- 
fläche eine kleine Anschwellung — die Anlage des neuen Armes — 
bildet. Das Mesoderm des neuen Armes wird auf zweierlei Weise 
angelegt: der größere Theil, das Mesenchym, entsteht durch das Ein- 
(ringen der bindegewebigen, wandernden, amöboiden, bei der De- 
generation die Rolle von Phagocyten spielenden Zellen aus den 
(Geweben des Armstumpfes in die sich bildende Knospe. Der andere 
Theil des Mesoderms bildet sich aus der Hautschicht der Knospe 
durch Abtrennung von bindegewebigen mesodermalen Zellen von der 
inneren Oberfläche dieser Schicht. 

Das Cölom geht aus der alten Leibeshöhle hervor. Durch Los- 
trennung zweier seitlicher Abschnitte von der Leibeshöhle werden 
zwei Paare von Höhlen gebildet. Das erste Paar, welches unter den 
Ambulacralkanal verlagert wird, und hier mit seinen Wandungen 
zusammenstößt, bildet den paarigen Pseudohämalkanal, welcher hier 
wie bei den Asteriden durch ein vertikales Septum — das Verwach- 
sungsprodukt der Wände beider Cölomhöhlen — in zwei Hälften 
setrennt wird. Das zweite Paar abgeschnürter Cölombezirke bildet 
dureh Umwandlung der Cölothelzellen in Muskelzellen die unteren 
Muskelfragmente. In der Masse des beide Pseudohämalkanäle tren- 
nenden Mesenteriums, welches bei Amphiura auch im normalen Arme 
bestehen bleibt, wird das Blutgefäß angelegt. 

Der Epineuralkanal ist eine Bildung des Schizocöls, welche 
durch Hinwegrücken des Nervenstammes vom Epithel entsteht, und 
hat demnach ontogenetisch keinerlei Beziehungen zu dem Pseudo- 
hämalkanal, welcher, wie wir sahen, ein Derivat des Enterocöls ist. 
Die oberen Muskelfragmente sind gleich den unteren ebenfalls cölo- 
thelialen Ursprungs. Sie entstehen aus den lateralen Cölomsäcken, 
welche durch Theilung der Cölomhöhle in einen centralen (den spä- 
teren Dorsalkanal) und seitliche Abschnitte entstehen; diese Theilung 
der Leibeshöhle erfolgt dadurch, dass das Bindegewebe von der 
unteren Seite in dieselbe hineinwächst, und die untere Cölomwand 
zwingt sich nach dem Inneren der Höhle vorzustülpen. 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 231 


Der Nervenstamm wird bei der Regeneration aus dem Ektoderm 
neu angelegt, und bildet in den frühesten Stadien eine auf der ven- 
tralen Seite nach dem Ektoderm zu offene Rinne, und zuletzt ein 
Rohr mit deutlich ausgesprochenem Lumen; diese Bildungsweise des 
Nervenstammes berechtigt dazu auf die Verwandtschaft der Ophiuren 
mit den Enteropneusten hinzuweisen, deren »Kragenmark« bei den 
'Larvenstadien außerordentlich an das orale Nervenrohr der Ophiuren 
erinnert. 

Das periphere Nervensystem entsteht durch Wucherung des cen- 
tralen Stammes. Die tiefliegenden paarigen Nervenstämme entstehen 
augenscheinlich aus dem unpaaren oralen Stamm. Bei Amphiura 
und Ophiopholis bemerkt man über den Pseudohämalkanälen, an 
deren Wandung liegende Komplexe von Nervenzellen, welche zwei 
direkt unter dem Ambulacralkanal, d. h. in den Mesodermbezirken des 
Armes liegende Nervenstämme (dorsales radiales System — JICKELI) 
bilden. 

Die Ambulacralfüßchen entstehen durch Evagination der Seiten- 
theile des Ambulacralkanals. An ihrer Entwicklung nimmt der Nerven- 
stamm bedeutenden Antheil. 

Die postembryonale Entwicklung der Ophiuren ist so wenig 
untersucht worden, dass wir die Vorgänge während der Bildung des 
Armes bei der Regeneration und bei der normalen Entwicklung nicht 
in ihren Einzelheiten mit einander vergleichen können; indem wir 
aber die erhaltenen Facta mit einander vergleichen, müssen wir zu 
der Überzeugung gelangen, dass der Regenerationsprocess nach dem 
Prineip des embryologischen Processes erfolgt. Es unterliegt keinem 
Zweifel, dass die in gegenwärtiger Zeit in den Vordergrund gedrängte 
Frage über die Beziehungen der Keimblättertheorie zu dem Regene- 
rationsprocess für die Ophiuren im bejahenden Sinne entschieden 
werden muss. Wir sehen, dass alle Organe in dem sich neubildenden 
Arme aus den entsprechenden Organen des alten Armes hervor- 
wachsen (Ambulacralkanal, Cölom), oder Produkte des entsprechenden 
Keimblattes sind. So differenzirt sich der Nerv aus dem Epithel 
(Ektoderm), und die Muskeln differenziren sich aus dem Cölothel, 
welches sich bei den Ophiuren nach Russo (14) aus dem Mesoderm 
entwickelt. 


St. Petersburg, im Juni 1900. 


232 


C. Dawydoft, 


Litteraturverzeichnis, 


ED. PERRIER, Recherches sur l’anatomie et la regeneration des bras de la 
Comatula rosacea. Arch. Zool. Experim. Tome II. 1872. 

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Bd. XXXIV. 1880. | 

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Zool. Experim. Vol. X. 1882. 

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axial and aboral sinusses in Amphiura squammata, together with some 
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CUENOT, Notes sur les Echinodermes. Zool. Anz. Jahrg. XV. 1892. 

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1893. 

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E. W. Mac BridE, The development of Asterina gibbosa. Quart. Journ. 
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SEITARO G0T0, The Metamorphosis of Asterias pallida, with Special Reference 
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Tokyo Japan. Vol. X. 1898. 

E. W. Mac BriDe, Notes on Asterid Development, A critieism of SEITARO 
Goro work on Asterias pallida. Zool. Anz. Jahrg. XXI. 18%. 
HELEN DEAN KınG, Regeneration in Asterias vulgaris. Arch. Entwicklungs- 

mechanik. Bd. VII. 

E. ScHuLtz, Aus dem Gebiete der Regeneration. Diese Zeitschr. 189. 

SPENGEL, Monographie der Enteropneusten. Fauna und Flora des Goltes 
von Neapel. 

A. LanG, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Heft 4. Echinodermata 

CARLF. JICcKEL1, Vorläufige Mittheilungen über das Nervensystem der Echino-' 
dermen. Über das Nervensystem der Ophiuren. Zool. Anz. 12. Jahrg. 1889. 


Beiträge zur Kenntnis der Regenerationsersch. bei den Ophiuren. 933 


Erklärung der Abbildungen. 


Buchstabenerklärung. 


af, Ambulacralfüßchen; Ir, Blutgefäß; 

bg, Bindegewebe der Haut; m, degenerirende Muskelfasern ; 
coel, Cölom; mes, Mesoderm ; 

ct, Cölothel; mf, Muskelfasern ; 

eu, Cutieula; n, Nervenstamm; 

dk, dorsaler Cölomkanal ; na, Ambulacralnerv; 

ect, Ektoderm; nf, Nervenfaser; 

ed, Endothel; psh, Pseudohämalkanäle ; 

ep, Epithel; st, Septum zwischen den Pseudohämal- 
epn, Epineuralkanal; kanälen; 

epr, epineuraler Ringkanal; tin, tief gelegenes Nervensystem; 
gz, Ganglienzellen; wg, Ambulacralkanal; 


Jik.nr, radiales dorsales Nervensystem; «x, Wanderzellen. 


Tafel XVII. 


Fig. 1. Frontalschnitt durch einen Arm in einem frühen Stadium des 
Regenerationsprocesses. 

Fig. 2. Frontaler Längsschnitt durch eine Knospe. Die Regenerations- 
höhle ist noch nicht von Mesodermzellen angefüllt. 

Fig. 3. Frontalschnitt durch einen Arm. Bildung der schützenden Hille (0). 
Degeneration der Muskelfragmente durch Phagocytose (wz, Phagocyten). Die 
Haut ist über der Amputationsfläche zusammengewachsen (ht). 

Fig. 4. Frontalschnitt durch eine Knospe. Die Mesodermschicht (mes) ist 
bereits vollständig differenzirt. 

Fig. 5. Zwei Typen von Phagoceyten mit aufgenommenen Karmin- 
körperchen. 

Fig. 6. Process der Mesodermbildung. Die Mesenchymzellen wandern in 
die Regenerationshöhle ein. 

Fig. 7. Querschnitt durch eine Knospe im frühesten Stadium der Ent- 
wicklung. Das Mesoderm hat sich noch nicht gebildet. 

Fig. 8. Querschnitt durch eine Knospe im Stadium der Einwanderung der 
Mesenchymzellen. 


Fig. 9. Querschnitt durch eine Knospe im Stadium der endgültigen Diffe- 
renzirung des Mesoderms. 


Fig. 10. Querschnitt durch eine Knospe, in welcher das Cölom aufzutreten 
beginnt. 

Fig. 11, 12, 13, 14. Querschnitte durch einen regenerirenden Arm in vier 
auf einander folgenden Entwicklungsstadien. 


Fig. 15. Abspaltung der Bindegewebszellen (Mesoderm) von der Haut- 
schicht. 


Fig. 16. Degeneration der Muskelzellen durch Phagoeytose. 
Fig. 17 u. 32 (Taf. XVII). Wuchern des amputirten Nerven. 


234 C. Dawydoff, Beiträge zur Kenntnis der Regenerationserscheinungen etc. 


Tafel XVIII. 


Fig. 18 u. 25. Zwei Entwicklungsstadien des Ambulacralkanals. 

Fig. 19. Erstes Stadium der Differenzirung des Nerven. Abspaltung des 
epithelialen Nervenplättchens (epnr) von dem Ektoderm. 

Fig. 20—24. Schematische Darstellung der allmählichen Differenzirung des 
Nervenstammes. 

Fig. 25 siehe Fig. 18. 

Fig. 26. Querschnitt durch ein Ambulacralfüßchen an der Stelle, wo das- 
selbe unter dem Nerv hindurchtritt. 

Fig. 27. Differenzirung der oberen Muskelfragmente aus dem Cölothel. 

Fig. 28. Bildung der oberen (tief gelegenen) Nervenstämme. 

Fig. 29. Histogenese der Muskelzellen. 

Fig. 30. Austritt des neugebildeten Ambulaeralfüßchens nach außen. Im 
Epithel sind Anzeichen direkter Kerntheilung zu bemerken. 

Fig. 31. Querschnitt durch einen erwachsenen Arm von Amphiura. Über 
den Pseudohämalkanälen sieht man das radiale dorsale Nervensystem JICKELI = 
Jıknr. 

Fig. 32 siehe Fig. 17. 


| 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln 
von Spongien. 
Von 
0. Bütschli. 


Mit Tafel XIX—XXI und 2 Figuren im Text. 


Einleitung. 

Studien über kolloidale gallertige Körper, ihre Mikrostruktur und 
die damit zusammenhängenden Eigenthümlichkeiten, lenkten meine 
Aufmerksamkeit schon vor einer Reihe von Jahren auch auf die kol- 
loidale Kieselsäure.. Nachdem ich schon 1895 und 1894 Einiges über 
die Mikrostruktur der Kieselgallerte mitgetheilt und diese Beobach- 
tungen 1898 ausführlicher dargelegt hatte, berichtete ich vor Kurzem 
(1900) über weitere Studien auf diesem Gebiet, die sich sowohl mit 
dem feineren mikroskopischen Bau der im Laboratorium hergestellten 
Kieselgallerten, als auch dem der natürlich vorkommenden, des sog. 
Tabaschir (aus Bambusrohr), des Hydrophan und der Opale be- 
schäftigten. — Unter diesen Umständen lag es nahe, auch die bei 
thierischen Organismen auftretenden kieseligen Skelettgebilde auf ihre 
Mikrostruktur vergleichsweise zu prüfen, um so mehr, als ich schon 
früher gelegentlich Einiges beobachtet hatte, was für das Vorkommen 
ähnlicher Strukturen bei den Spicula der Kieselschwämme sprach. 
Dass gerade die Kieselnadeln der Schwämme zunächst zu solchen 
Untersuchungen ausgewählt wurden, folgt schon daraus, dass sie 
jeicht in größerer Quantität zu haben sind. Im Anschluss an die 
Studien über Kieselnadeln wurden auch die Kalkspieula von Zeu- 
candra in gewisser Hinsicht ein wenig geprüft, ohne jedoch diesen 
Gegenstand ernstlicher zu bearbeiten. 

Im Allgemeinen hebe ich hervor, dass das, was ich im Nach- 


folgenden mittheile, in keiner Hinsicht etwas Vollständiges zu sein 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Ba. 16 


236 0. Bütschh, 


beansprucht, sondern nur Bericht über einige Beobachtungen giebt, 
die vielleicht dazu beitragen mögen, dass die Bearbeitung dieser 
interessanten Erzeugnisse des Organismus von Solchen, welche dieser 
Gruppe näher stehen, in systematischer und ausgedehnter Weise vor- 
genommen wird. 


1. Untersuchungen an Kieselspicula (Geodia, Tethya). 


A. Allgemeines, Schichtung, feine Struktur, Verhalten 
beim Glühen. 


Meine Untersuchungen beschränken sich auf die Nadeln zweier 
Tetractinelliden, der Geodia placenta O. Schmidt und der Tethya 
/yneurium Johnst., und zwar wurden auch von diesen wesentlich nur die 
sroßen Spieula, d.h. die Ankernadeln der Geodia, sowie die großen 
Stabnadeln dieser und der Tethya verfolgt. Das Material von Geodia 
wurde einem getrockneten Exemplar entnommen, dessen Kieselele- 
inente durch Maceration und Kochen mit 10°%/,iger Salzsäure isolirt 
wurden. Da den so dargestellten Nadeln noch einige Verunreini- 
gungen beigemischt waren (wohl hauptsächlich Cellulosefragmente 
pflanzlicher Herkunft), so wurde ein Theil des Materials noch mit 
koncentrirter Schwefelsäure gekocht und, als auch damit die ver- 
kohlten Verunreinigungen nicht völlig zerstört wurden, das Kochen 
in Schwefelsäure mit Zusatz von etwas Chromsäure wiederholt. Dies 
Material, welches dann durch nochmaliges Auskochen mit verdünnter 
Salzsäure und reichliches Auswaschen mit Wasser weiter gereinigt 
wurde, erwies sich ganz frei von Verunreinigungen. 

Die Kieselelemente der Teihya wurden aus einem in Alkohol kon- 
servirten Schwamm (Mittelmeer) durch Auflösen der organischen Sub- 
stanz mit künstlichem Magensaft isolirt; da sie sich noch etwas verun- 
reinigt zeigten, so wurden sie nochmals mit schwacher Natronlauge 
einige Zeit gekocht. Sie waren dann ganz frei von Verunreinigungen. 

Die seitherigen Untersuchungen ergaben mit Bestimmtheit, dass 
die Kieselnadeln der Schwämme aus sog. amorpher, den Opalen des 
Mineralreichs und den künstlich herstellbaren Kieselgallerten ent- 
sprechender Kieselsäure bestehen. Hierfür sprechen: 1) der gewöhn- 
liche Mangel der Doppelbrechung, was schon EHRENBERG erkannte, 
M. ScHuLtzE (1860), SoLLas (1885), v. EBner (1887) u. A. bestä- 
tigten. Auch ich finde das Gleiche. Die Spuren von Doppelbreehung, 
die sich hier und da beobachten lassen, können auf Oberflächen- 
polarisation zurückgeführt werden. 


P 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 237 


2) Das specifische Gewicht entspricht dem der amorphen Kiesel- 
säure, das nach v. SCHAFFGOTSCH (1846) und H. Rose (1859) durch- 
schnittlich 2,2 beträgt; die natürlich vorkommenden amorphen Kiesel- 
säuren besitzen jedoch im natürlichen Zustand ein etwas geringeres 
spec. Gew. (etwa 1,97— 2,16) und erreichen erst nach längerem Glühen 
das spec. Gew. 2,2. Das spec. Gew. bestimmte SOLLAS (1885) für 
die Nadeln einer Zenieride und einer Lithistide zu 2,04, THOULET 
(1884) für gewisse große Kieselnadeln zu 2,0561. In beiden Fällen 
wurde die Bestimmung durch Aufsuchen gleich schwerer Flüssigkeiten 
von bekanntem specifischen Gewicht ausgeführt. 

3) Der Brechungsindex der Kieselnadeln ist der der amorphen 
Kieselsäure. Sorras (1885) fand ihn gleich 1,449, was mit dem der 
Opale sehr gut übereinstimmt. 

4) Die Kieselnadeln werden sehr leicht von Alkalihydratlösungen 
angegriffen; durch starke Kalilauge schon in der Kälte, energischer 
beim Kochen (s. besonders SoLLAas 1879 und 1888). Auch diese 
Eigenschaft theilen sie mit der amorphen Kieselsäure. 

Die Kieselgebilde anderer Organismen, wie Radiolarien und 
Diatomeen, verhalten sich, so weit bekannt, ebenfalls wie amorphe 
Kieselsäure. 

In Hinsicht auf den feineren Bau der Kieselnadeln ist zunächst 
der wohl ganz allgemein verbreiteten Schichtung zu gedenken, welche 
unter den natürlichen opalartigen Kieselsäuren nur dem Hyalith eigen 
ist, der jedoch auch in seiner Entstehung, durch successive Ablagerung 
in Hohlräumen basaltischer Gesteine, den Kieselnadeln am nächsten 
kommt. Um so eigenthümlicher ist dagegen, dass gerade der Hyalith 
kräftig negativ doppelbricht, was M. ScuurLtze (1865) und BEHRENS 
(1871) durch Spannungserscheinungen der successive gebildeten Schich- 
ten beim Austrocknen zu erklären suchen. Hiernach sollte man eigent- 
lich bei den geschichteten Kieselnadeln der Schwämme etwas Ähn- 
liches erwarten. Die Schichtung der Spieula besitzt im Allgemeinen 
den Charakter, welchen organische Produkte des Organismus so 
häufig zeigen, d. h., es alterniren meist sehr feine, etwas verschieden 
stark lichtbrechende Schichten mit einander. Es ist dies, wie gesagt, 
der gleiche Bau, dem wir bei Cellulose- und Chitingebilden so ge- 
wöhnlich begegnen, und der in entsprechender Weise bei Sphäro- 
krystallen organischer und anorganischer Stoffe so häufig ist. Ich 
erinnere nur an die Sphären des Inulins und der Stärke, eben so 
jedoch auch an die rein anorganischen des kohlensauren Kalks und 
des Schwefels (s. BürscHnLı, 1898 und 1900). Andererseits erachte 

16* 


238 0. Bütschli, 


ich es jedoch sehr wahrscheinlich, dass auch die so gewöhnliche 
Schichtung oder Zonarstruktur der Krystalle vielfach, wo nicht Zwil- 
lingsbildungen vorliegen, auf entsprechenden Strukturverhältnissen 
beruhe (s. 1898 und 1900). Der Grund der verschiedenen Licht- 
brechung der abwechselnden Schichten ist, dass sie nicht homogen 
sind, sondern von zahlreichen feinsten Hohlräumchen durchsetzt, d.h. 
einen sehr feinwabigen Bau nach meiner Auffassung besitzen. Je 
nachdem nun das Volum der Hohlräumchen, im Verhältnis zu der 
festen Substanz, größer oder kleiner ist, wird die betreffende Schicht 
etwas schwächer oder stärker lichtbrechend sein (vgl. hierzu na- 
mentlich auch die Erörterungen über die Verhältnisse der Kiesel- 
gallerten in meiner Arbeit [II] von 1900). 

Unter diesen Umständen war von vorn herein zu vermuthen, dass 
auch die Schichtung der Kieselnadeln auf denselben Bedingungen 
beruhe und daher auch ihren Kieselschichten eine solch’ feine Hohl- 
räumchenstruktur zukomme. Dies war um so wahrscheinlicher, als 
ich sowohl bei den künstlichen Kieselgallerten als bei den natür- 
lichen (Tabaschir, Hydrophan und Opale) eine Hohlräumchen- oder 
Wabenstruktur ganz allgemein verbreitet nachgewiesen habe (1900 I 
und früher). 

In der Arbeit über die Kieselgallerten wurde im Besonderen er- 
örtert und erwiesen, dass diese Struktur bei den künstlichen Gallerten 
und wohl auch meist bei dem Tabaschir sowohl im trockenen als im 
völlig imbibirten Zustand nicht wahrgenommen werden kann, weil 
die Wände der Räumchen so dünn sind, dass sie unter der Grenze 
des Sichtbaren bleiben; dass jedoch unter gewissen Bedingungen, 
d. h. in einem Moment des unvollständigen Austrocknens oder bei un- 
vollständiger Erfüllung der Hohlräumchen mit Flüssigkeiten die Struktur 
sehr deutlich hervortritt. Der Grund dieser Erscheinung liegt zwei- 
fellos darin, dass im letzteren Fall die dünnen Wände der Hohl- 
räumchen dureh die beiderseits adhärirenden dünnen Flüssigkeits- 
schichten so weit verstärkt sind, dass sie sichtbar werden. 

Da nun die Sehichten der untersuchten Kieselnadeln weder bei 
Betrachtung in toto, noch auch in dünnsten, durch Zertrümmerung er- 
haltenen Fragmenten eine feinere Struktur erkennen lassen, so lag 
es nahe zu versuchen, ob sie unter ähnlichen Bedingungen wie die 
künstlichen Kieselgallerten, d. h. beim Austrocknen aus Wasser vor- 
übergehend eine Struktur zeigen. Dies ist jedoch nicht der Fall. 
Lufttroekene Nadeln, die angehäucht werden, und deren Austrocknen 
ınan unter dem Mikroskop bei hinreichender Vergrößerung verfolgt, 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 239 


werden dabei nie trübe oder weiß (resp. braun im durchfallenden 
Licht) und zeigen in keinem Moment etwas von feinerer Struktur. Das 
Ergebnis war eigentlich nicht überraschend, denn die Kieselnadeln ver- 
halten sich in so fern wesentlich anders als die künstlichen Gallerten 
und der Tabaschir, als sie sich, im trockenen Zustand in Wasser ge- 
bracht, nieht damit imbibiren, oder doch nur in äußerst geringfügigem 
Maße (die genaue Feststellung erforderte Untersuchung einzelner sehr 
eroßer Nadeln); jedenfalls ist bei der Überführung lufttroekener Na- 
deln in Wasser oder sonstige Flüssigkeiten nie etwas von Luftaus- 
tritt wahrzunehmen, wie bei den künstlichen Kieselgallerten, dem 
Tabaschir und Hydrophan. In dieser Hinsicht verhalten sich also 
die Kieselnadeln analog den Opalen und dem Hyalith, die ebenfalls 
keinen Luftaustritt zeigen und nur sehr geringfügige Flüssigkeits- 
mengen zu imbibiren im Stande sind. Auch die später mitzuthei- 
lenden Erfahrungen werden zeigen, dass die Kieselsubstanz der 
Spongiennadeln von Flüssigkeiten nieht durchdrungen wird, und dass 
sie daher jedenfalls auch die Verdunstung eventuell eingeschlossener 
Flüssigkeiten sehr energisch hindert. 

Unter den angeführten Bedingungen ist es also ausgeschlossen, 
dass eine feine Wabenstruktur der Schichten, wenn sie vorhanden 
sein sollte, durch das, bei den künstlichen Kieselgallerten und dem 
Tabaschir von mir verwendete Verfahren sichtbar gemacht werden 
könnte. 

Dass aber eine solehe Struktur doch vorhanden sein dürfte, nur 
zu fein für die Wahrnehmung, wurde durch die gelegentliche Beob- 
achtung einer stumpfspitzigen Stabnadeli von Geodia wahrscheinlich 
(s. Taf. XIX, Fig. 7, Vergr. 5200). Diese in Kanadabalsam unter- 
suchte Nadel, welche zuvor einige Zeit in wässeriger Methylenblau- 
lösung gewesen und einen ganz schwach bläulichen Ton angenommen 
hatte!, zeigte am stumpfen Ende einen recht deutlichen Wabenbau 
der den Achsenfaden zunächst umlagernden Schichten. Die Photo- 
graphie wird dies klarer hervortreten lassen als eine Beschreibung 
durch Worte. Auch der Achsenfaden (a) war deutlich feinwabig ge- 
baut und in seinem Ende, so weit dies dunkler erscheint, waren die 
Hohlräumehen der Waben sicher von Gas erfüllt. 

Diese Geodia-Nadel blieb aber bis jetzt die einzige, an welcher 
ich im nicht weiter veränderten Zustande eine Andeutung von Wabenbau 
der Kieselsubstanz beobachtete. Einstweilen dürfte es nicht möglich 


! Es handelte sich dabei aber wohl sicher nur um eine Adsorption der 
Farbe auf der äußeren Fläche der Nadel. 


240 0. Bütschli. 


sein, die Bedingungen zu präecisiren, welche bei dieser Nadel die 
Struktur sichtbar machten. Dagegen giebt es ein einfaches Mittel, 
um eine ausgezeichnet schöne, feinwabige Mikrostruktur in der ge- 
sammten Kieselsubstanz hervortreten zu lassen; dazu genügt nämlich 
relativ schwaches Erhitzen der Nadeln. 

Schon BOWERBANK (1858) hatte beobachtet, dass die sehr bieg- 
samen und elastischen Nadeln von Crantella cranıum (= Thetea cera- 
nium bei BOWERBANK) beim Erhitzen in einer Spiritusflamme bis zur 
Weißgluth (»white heat«) ihren Durchmesser beträchtlich vergrößern 
und nun zu »extremely thin tubes of silex lined with a dense and 
nearly opake film of charcoal, rough and granulated in its appearance« 
geworden sind (p. 283). Ähnlich verhielten sich auch die Nadeln von 
Geodia MeAndrewii Bwb. Hieraus wollte er schließen, dass diese 
Nadeln nur eine dünne Rinde von Kieselsubstanz besäßen, ihr Inne- 
res dagegen aus verbrennlicher Hornsubstanz bestände. Nadeln an- 
derer Kieselschwämme dagegen, die sich beim Glühen weniger änder- 
ten, beständen aus mehr Kieselsäure, ja sogar fast ohne Beimischung 
organischer Substanz. 

Auch M. Scnurtze (1860, p. 17) sah, dass die Schopfnadeln von 
Hyalonema sich beim Erhitzen bräunen, und dass die Schichtung 
deutlicher wird, was schon Gray beobachtet habe; die Schichten 
blättern sich auch ab. Aus diesen und anderen Erfahrungen ist er 
seneigt zu schließen, dass in den Kieselnadeln Schichten von Kiesel 
und organischer Substanz alterniren, und dass dies »die Ursache 
der Schichtstreifung sei«. Doch zeigten die abgeblätterten, bis zur 
Weißgluth erhitzten Kieselschichten kein homogenes, sondern »ein 
unregelmäßig getüpfelt körniges, manchmal blasiges Ansehen«. Letz- 
teres könne auf dem Wassergehalt der amorphen Kieselsäure 
beruhen, doch »wäre daneben ein Gehalt von organischer Substanz 
möglicherweise mit im Spiele«. 

Richtiger beurtheilte KöLLıxer (1864) abe beim Glühen hervor- 
serufenen Veränderungen der Nadeln; er studirte die von Tethya, 
Geodia und Ancorina. Die Bräunung der Nadeln rühre nicht von 
Kohle her, wie BOWERBANK annahm, sondern von »Luft!, die in 
vielen feinen Höhlen und Spalten enthalten ist« (p. 60). Bei »ge- 
wissen Gattungen« lasse sich diese »Luft« durch Kochen der Nadeln 
in Terpentinöl austreiben. Sie trete häufig spaltartig zwischen den 


! Obgleich KÖLLIKER stets von »Luft« spricht, ist doch aus seiner Dar- 
stellung klar, dass er darunter nicht Luft im speciellen Sinne, sondern Gas 
versteht. 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 241 


Schiehten auf. Wahrscheinlich stamme die Luft aus dem Inneren 
der Nadel und entstehe durch Verbrennen des Centralfadens und 
»zarter, zwischen den Kiesellamellen enthaltener Lagen organischer 
Materie«, doch könne auch der Wassergehalt »an dem Auftreten von 
Luft« einen Antheil haben. 

Wenn man die Nadeln von Geodia und Tethya schwach glüht, so 
werden sie im auffallenden Licht weiß und undurchsichtig, im durch- 
fallenden braun bis ganz undurchsichtig. Auch zerspringen sie häufig. 

Einige Messungen an solch’ schwach geglühten und sonst in 
keiner Weise deformirten Nadeln von Geodia ergaben, dass ihre Länge 
keine sichere Veränderung erfährt, dass dagegen die Dicke um etwa 
420%/, der ursprünglichen wächst (siehe die nachstehende Tabelle). 


Ungeglüht | Geglüht 
Dicke Länge | Dicke | Länge 
Geodia. Stumpfspitzer ' 0,040 mm — 0,064 mm — 
>» ı 0,056 » | — ı 0,076 — 
>» (Stuck) a2 m 1,72 
Ankernadel ' 0,058 » u 0,076 » m 
» (oberesStück)) 0,036 >» 1 1 20.0542 ar! 


Eine größere Menge der schwach seglühten Nadeln erscheint 
keineswegs rein weiß, sondern deutlich grau; es ist sehr langes und 
starkes Glühen, womöglich in fein pulverisirtem Zustand, erforderlich, 
um ein rein weißes Präparat zu erhalten. Dieser graue Ton nach 
dem Glühen rührt sicher von verkohlter organischer Substanz her. 

Damit hat jedoch die durch schwaches Glühen bewirkte Un- 
durchsichtigkeit der Nadeln, resp. ihre mehr oder weniger tiefe 
Braunfärbung im durchfallenden Licht, durchaus nichts zu thun, 
sondern diese Erscheinung rührt ausschließlich daher, dass die Nadel- 
substanz jetzt durch und durch von feinen gaserfüllten Hohlräumehen 
durchsetzt ist. 

Bei Geodia, zu deren Betrachtung wir uns zunächst wenden, 
treten, wie bemerkt, an den schwach geglühten Nadeln meist keiner- 
lei Deformationen auf. Wie schon KörLıker (1864, p. 60) beob- 
achtete, bleibt in der Regel eine äußerste, dünne Lage der Nadel- 
substanz durchsichtig homogen; die Untersuchung ergiebt darin 
keinerlei sichtbare Struktur. An zertrümmerten Nadeln zeigt sich 
hier und da sicher, dass auch um den Achsenkanal eine ähnliche 
dünne unstrukturirte Schicht vorhanden sein kann. Hiermit steht 
wohl im Zusammenhang, dass sehr dünn auslaufende Enden von 


242 O0. Bütschli. 


Nadeln und sehr dünne Nadeln überhaupt durch Glühen wenig ver- 
ändert werden. Der Achsenfaden wird beim Glühen verkohlt und 
erscheint nun als schwarzbrauner bis ganz schwarz undurchsich- 
tiger Strang, was die früheren Beobachter schon feststellten. Doch 
ist dies bei Tethya viel besser nachzuweisen, deren Achsenfäden viel 
dicker sind als die der Geodia-Nadeln. 

Um die durch das Glühen hervorgerufenen Strukturerscheinungen 
der Nadelsubstanz genauer zu studiren, zertrümmert man am geeig- 
netsten einige Nadeln in Kanadabalsam durch den Druck eines Deck- 
glases oder Objektträgers zu feinen bis gröberen Fragmenten, da die 
sanzen Nadeln für das genaue Studium der Struktur zu undurch- 
sichtig sind. Auf diese Weise erhält man Fragmente verschiedenster 
Dicke, bis zur größten Feinheit herab, und sogar solche, die in den 
verschiedensten Richtungen aus den Nadeln herausgebrochen sind, 
darunter Querbrüche oder (@uerschnitte, Längsschnitte und nament- 
lich auch häufig abgeblätterte feinste Partien der Schichten, welche 
für das Studium der feinen Strukturen in der Flächenansicht beson- 
ders geeignet sind. Dabei hat man nicht zu befürchten, dass die 
Struktur durch eventuelles Eindringen des Balsams weniger deut- 
lich werde. Das ist durchaus nicht der Fall, vielmehr bleibt die 
Gaserfüllung auch in den feinsten und dünnsten Fragmenten unver- 
ändert erhalten, zum Beweis, dass keinerlei Eindringen des Balsams 
in die Hohlräumchen eintritt. 

Wie die früheren Beobachter schon erkannten, wird die Schich- 
tung durch schwaches Glühen verdeutlicht, was sich aus den gleich 
zu schildernden Strukturerscheinungen erklärt. 

In Folge des Glühens treten in der Kieselsubstanz, mit Aus- 
nahme der schon oben erwähnten Partien, dichtest gedrängt eine 
Unmenge feinster Hohlräumchen auf, so dass die Struktur der Sub- 
stanz jetzt eine durch und durch feinwabige ist. Das Nichtein- 
dringen von Flüssigkeit beweist ferner mit aller Bestimmtheit, dass 
es sich um wirklich abgeschlossene Hohlräumchen handeln muss. Am 
klarsten sichtbar ist die feinwabige Struktur natürlich an ganz dün- 
nen Fragmenten abgeblätterter Schichten, die in Flächenansicht be- 
trachtet werden und nur aus einer einzigen Lage von Hohlräumehen 
oder Waben bestehen. Recht klare Bilder dieser Art zeigen die 
Photographien Fig. 8 (Vergr. 3200) und 10 (Vergr. 4300) auf Taf. XIX; 
es liegt hier ein recht nie feines Wabenwerk vor, dessen 
Regelmäßigkeit kaum durch eingestreute größere Hohlräumchen ge- 
stört wird. Der Durchmesser der feinsten Wabenräumchen berechnet 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 243 


sich auf ca. 0,6 «. Gleichzeitig ist auf der Photographie des größe- 
ren Fragmentes (Fig. 8, Taf. XIX) noch ein sehr interessantes Ver- 
halten nachzuweisen. Die Hohlräumehen gruppiren sich nämlich 
an einigen Stellen (a) ziemlich deutlich koncentrisch um einen Mittel- 
punkt, d. h. sie nehmen den Charakter sphärokrystallinischer Bil- 
dungen an. Diese, mir erst verhältnismäßig spät aufgefallene Er- 
scheinung ist nicht ohne Interesse, in so fern ich auch bei den 
künstlich dargestellten Kieselgallerten nachzuweisen vermochte, dass 
durch Glühen eine entsprechende Änderung in der Struktur bewirkt 
wird (s. 1900). Auch bei diesen entstehen mehr oder weniger zahl- 
reiche Sphärolithe, von denen vor dem Glühen nichts zu beobachten 
war. Ich werde weiter unten auf die Ähnlichkeit der Veränderungen, 
welche die künstlichen und natürlichen Kieselgallerten sowie die 
Kieselnadeln der Spongien beim Glühen erfahren, noch etwas näher 
eingehen. 

Fragmente, die in radiärer Richtung aus der geglühten Schwamm- 
nadel herausgebrochen sind, zeigen in der Regel eine schöne Längs- 
reihung der Waben, entsprechend der Schichtung. Es ergiebt sich 
so, dass im Allgemeinen jede der feinen Schichten durch das Glühen 
zu einer einzigen Wabenschicht umgestaltet wird, ein Verhalten, 
welches sich jedoch sowohl aus dem der Fig. 7, Taf. XIX schon er- 
schließen ließ, als auch daraus, dass man so häufig dünne abge- 
blätterte Fragmente von Schichten findet, die nur eine einzige Waben- 
lage dick sind. Auf Fig. 9 (Taf. XIX, Vergr. 4300) ist ein sehr 
kleines und dünnes Fragment abgebildet, das zweifellos in annähernd 
radiärer Richtung aus einer Nadel herausgebrochen ist, und welches 
die längsgerichtete, mit der Schiehtung zusammenhängende Waben- 
reihung sehr deutlich zeigt. 

Hier und da gelingt es auch unter den zertrümmerten Fragmen- 
ten Querbruchstücke zu finden, welche die Struktur und ihre Beziehung 
zu dem Schichtenbau gleichfalls schön zeigen. Ein gutes Fragment 
dieser Art stellt Photographie Fig. 2 (Taf. XX) dar. Der Achsen- 
kanal (a) ist deutlich zu erkennen und leer. Der Wabenbau ist ent- 
schieden etwas unregelmäßiger als auf den früher besprochenen 
Fragmenten, indem sich hier und da ein wenig größere Hohlräumchen 
gebildet haben, welche die ursprünglich jedenfalls vorhanden ge- 
wesene Regelmäßigkeit stören. Das Verhalten der Tethya-Nadeln 
beim Glühen wird das Auftreten soleher Unregelmäßigkeiten weiter 
erläutern. 

Schon oben wurde betont, dass verdünnter oder diekerer 


244 0. Bütschli, 


Kanadabalsam nieht in die Hohlräumchen der Kieselsubstanz eindringt. 
Die weitere Untersuchung ergab, dass dies auch für alle anderen ver- 
suchten Flüssigkeiten gilt. Weder Wasser noch Alkohol, Xylol und 
Terpentinöl drangen ein; selbst viele Stunden lang fortgesetztes 
Kochen mit Xylol oder Terpentinöl ergab nicht die geringste Ver- 
änderung der Nadeln, sie blieben so weiß und undurchsichtig wie 
zuvor und haben sich, seit einem Jahr in Terpentinöl aufbewahrt, 
nicht im geringsten aufgchellt. Im Allgemeinen steht diese Erfahrung 
in Einklang mit KÖLLiker’s Beobachtungen, doch bemerkt er: »wenig- 
stens bei gewissen Gattungen lasse sich die Luft« (im Inneren der 
geglühten Nadeln) »durch Kochen in Terpentinöl austreiben«. Bei 
Geodta ist dies, wie gesagt, nicht der Fall, und ich möchte fast ver- 
muthen, dass es überhaupt nur bei sehr stark und anhaltend ge- 
glühten und daher viel mehr veränderten Nadeln gewisser Arten der 
Fall sein mag. 

Dass nämlich die Nadeln mancher Kieselschwämme durch starkes 
Glühen viel energischer verändert werden, zeigen die Erfahrungen 
bei Tethya. Schon bei mäßigem Erhitzen der Nadeln tritt eine sehr 
starke Bräunung bis Verkohlung des meist sehr dicken Achsenfadens 
ein, welcher dann als dunkelbrauner bis ganz undurchsichtiger Faden 
schr deutlich hervortritt (s. die Photographien Taf. XX, Fige. 7 
und 8). Dabei kann solch’ mäßig erhitzten Nadeln eine Veränderung 
der Kieselsubstanz ganz fehlen, abgesehen davon, dass die Schichtung 
in der Regel viel deutlicher geworden ist. Zuweilen tritt aber ein 
feiner Wabenbau in den innersten, den Achsenfaden direkt umge- 
benden Schichten deutlich hervor, wie die Photographien Figg. 7 
und 8 Taf. XX (Verer. 1730) zeigen. Einzelne solch’ schwach ge- 
slühte Nadeln sind jedoch auch ganz undurchsichtig geworden, hier 
und da blasig, indem sich zerstreute ansehnlichere Gasblasen ent- 
wickelt haben; auch die Oberfläche ist zuweilen mehr oder weniger 
mit solch’ blasigen Erhebungen bedeckt. An den stark geglühten 
Nadeln der Tethya gehen diese Veränderungen viel weiter. Häufig 
hebt sich die äußere Lage der Kieselsubstanz auf große Strecken weit 
von der inneren Partie ab, indem sich zwischen beiden ein gas- 
erfüllter weiter Raum bildet. Dabei zeigt der abgehobene Mantel die 
verschiedenartigsten Unregelmäßigkeiten, Auftreibungen, Einschnürun- 
sen und dergleichen mehr. Fig. 29 auf Taf. XXI giebt die Skizze des 
stumpfen Endes einer langen Stabnadel mit weit abgehobener äußerer 
Schicht wieder. während die innere Partie mit dem verkohlten Achsen- 
faden (af) hier wenig verändert ist. Die Kieselsubstanz dieser stark 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 245 


seglühten Nadeln ist ebenfalls durchaus mit gaserfüllten Hohlräum- 

| chen durchsetzt, wie es die abgehobene Mantelschicht der Fig. 29, 

- Taf. XXI zeigt. Dagegen ist ein so gleichmäßiges feines Wabenwerk, 
wie es bei Geodia und den schwach geglühten Nadeln von Tethya 
beobachtet wurde, hier seltener. Die Erfüllung durch die Hohlräum- 
chen macht mehr den Eindruck einer emulsiven Bildung; die Hohl- 
räumchen sind viel unregelmäßiger in ihren Größenverhältnissen, 
kleinere und größere, bis recht ansehnliche, sind unregelmäßig ver- 
mischt; auch sind die einzelnen Räumchen selbst häufig recht un- 
regelmäßig gestaltet. Der mehr emulsive Charakter zeigt sich jedoch 
namentlich dadurch, dass die Hohlräumehen weniger dieht gedrängt 
sind, die Zwischensubstanz zwischen ihnen reichlicher vorhanden ist. 
Doch fehlen auch Stellen nieht, wo die Kieselsubstanz eben so fein- 
wabig strukturirt ist als bei Geodia. Im Allgemeinen gilt auch für 
die seglühten Tethya-Nadeln, dass Kanadabalsam und andere Flüssig- 
keiten nicht in die gaserfüllten Hohlräumchen eindringen. Bei den 
stark geglühten Nadeln ist dies aber nicht stets der Fall; in größere 
blasige Räume, welche durch Abhebung der äußeren Mantelschicht 
entstanden, ist der Balsam zum Theil sicher eingedrungen; dies weist 
darauf hin, dass wohl Eröffnungen dieser Hohlräumehen durch feine 
Sprünge oder Lückenbildungen entstanden sind. 

Die geschilderten Veränderungen der stark geglühten Nadeln 
von Tetihya erwecken die Vermuthung, dass beim Glühen eine ge- 
wisse Erweichung der Kieselsubstanz eintreten muss; wenigstens ist 
es schwer vorstellbar, dass solche Auftreibungen, wie sie Fig. 29, 
Taf. XXI zeigt, ohne Zerreißen oder Zerspringen der Mantelschicht 
entstehen könnten, wenn nicht eine gewisse Plastieität der Kieselsub- 
stanz beim Glühen einträte; dazu gesellt sich die Wahrnehmung, dass 
man häufig Hohlräumcehen beobachtet, die wie aus mehreren zu- 

sammengeflossen erscheinen. Diese Erfahrungen lassen mich ver- 
muthen, dass die Veränderungen der Tethya-Nadeln bei starkem 
Glühen daher rühren, dass die ursprüngliche, sehr feine Wabenstruktur, 
die auch hier wie bei Geodia zuerst auftritt, durch Zerreißen der 
Wände benachbarter Räumehen allmählich zerstört wird. Auf diese 
Weise bilden sich größere unregelmäbigere Räumehen und der Cha- 
rakter der Struktur wird mehr emulsiv als wabig. Die blasigen Ab- 
hebungen der äußeren Mantelschieht, die sich zuweilen auch an in- 
neren Schichten wiederholen, dürften auf das Zerreißen ganzer 
Wabenschiehten zurückzuführen sein, wodurch sich größere gas- 
erfüllte Räume bilden. Die gesammte Frscheinung erinnert in vieler 


246 0. Bütschh. 


Hinsicht an die Zerstörung feiner mikroskopischer Schaumwerke, 
wie sie bei Erweichung und Verflüssigung der Gerüstsubstanz eintritt. 

M. ScHULTZE und KÖLLIkER suchten die Veränderung der Kiesel- 
nadeln beim Glühen theils von dem Gehalt der Kieselsubstanz an 
organischer Substanz, theils von dem Wassergehalt derselben abzu- 
leiten. Beides kommt bei der Bildung der gaserfüllten Räumcehen 
sicher in Betracht. Doch scheint mir nicht fraglich, dass die Erschei- 
nung in erster Linie auf den Wassergehalt zurückgeführt werden muss. 
Jedenfalls würde derselbe allein genügend erscheinen, um die Vor- 
gänge zu verstehen. Über den Wassergehalt der lufttrockenen Kiesel- 
nadeln hat namentlich Sornas bei den Tetractinelliden (1888) eine 
Anzahl sorgfältiger Bestimmungen ausgeführt, während ihn zuvor schon 
ScHuLzE (1887, p. 28) in einem Fall zu 716°), ermittelt hatte!. 
SOLLAS isolirte die Nadeln durch Kochen mit rauchender Salpeter- 
säure, entfernte dann sorgfältig, wenn nöthig, Verunreinigungen 
und pulverisirte die ganz gereinigten trockenen Nadeln im Agat- 
mörser. Hierauf wurde das Pulver nochmals mit rauchender Salpeter- 
säure gekocht, um den Achsenfaden möglichst zu zerstören. Endlich 
wurde bei 95° getrocknet. Bei schwacher Rothgluth (über einer 
Bunsenflamme) ließ sich etwa ?/, des Wassers austreiben; zur völligen 
Entfernung des Wassers wurde 5—10 Minuten so stark wie möglich 
über einem »Herapath« geglüht. Der bei sieben Arten auf diese 
Weise bestimmte Wassergehalt schwankte zwischen 6,1 und 7,34 P/,. 

An den mit koncentrirter Schwefelsäure und Chromsäure isolirten 
und ganz reinen Nadeln von Geodia placenta, die bei 40° getrocknet 
waren, habe ich selbst zwei Bestimmungen ausgeführt. In nicht 
pulverisirtem Zustand verloren dieselben bei 110° 2,16°/,, darauf 
über einem dreifachen Bunsenbrenner !/,® stark geglüht noch 
3,77 °/,, insgesammt also 5,93 %/,. Pulverisirt und 10 Minuten stark 
seglüht betrug der Verlust dagegen 6,78 %,. Dabei ist jedoch die 
organische Substanz des Achsenfadens, der bei diesen Nadeln nicht 
überall zerstört war, unberücksichtigt gelassen, und der eigentliche 
Wassergehalt daher jedenfalls ein wenig niedriger. Es schien mir 
von Interesse, eine vollständige Analyse der Nadeln vornehmen zu 
lassen, da ich wenigstens in zoologischen Werken eine solche nicht 
angetroffen habe. Auf mein Ersuchen ließ Herr Professor JANNASCH 
in dankenswerther Weise zwei Analysen nach der Borsäuremethode 
im hiesigen Universitätslaboratorium ausführen. Dabei lag ebenfalls 


! Spienla von Poliopogon amadon bei 105° getrocknet Bestimmung von Mary. 
ohne Angabe über die Art der Ausführung). 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 247 


sehr reines, mit koncentrirter Schwefelsäure und Chromsäure gerei- 
nigtes Material, das ich dargestellt hatte, zu Grunde. Das Wasser 
wurde durch Zusammenschmelzen der Substanz im Glasrohr mit 
einem Gemisch von doppelehromsaurem Kali und Quarzpulver (4:1) 
bestimmt, im Chlorcaleiumrohr aufgefangen und gewogen. Gleich- 
zeitig wurde dabei auch auf Kohlensäure geachtet, jedoch keine ge- 
funden; eben so wenig ließen sich Kohlenstoff und Stickstoff qualitativ 
nachweisen. Die Analysen ergaben folgende Resultate: 


I Il 
so are, 23, 
MO —= 0,19 010 
Kor 70655 0,62 > 
N2,0, 270,82. 0,80 
oe 5,98 » 


100,17, 99,85 %%, 

Thonerde, Eisen und Kalk waren in Spuren nachweisbar. Was bei 
diesen beiden Analysen vor Allem auffällt, ist die Nichtnach weisbar- 
keit sicherer Mengen organischer Substanz. Ich habe daher nach- 
träglich das in ansehnlicher Menge vorhandene Nadeimaterial, mit dem 
die beiden Analysen ausgeführt waren, geprüft und gefunden, dass bei 
Behandlung mit schwacher Flusssäure zahlreiche Achsenfäden zurück- 
bleiben, dass also sicher noch organische Substanz vorhanden ist. 
Jedenfalls muss jedoch ihr Gesammtbetrag gegenüber der Menge der 
anorganischen Substanzen so unerheblich sein, dass sie nicht oder kaum 
bestimmbar erscheint. Bei Kieselnadeln mit relativ diekeren Achsen- 
fäden, z. B. denen der Tet/ya, wird es leichter sein, die Menge und even- 
tuell auch die Zusammensetzung der organischen Substanz festzustellen. 

Wegen der Differenz des von mir ermittelten Glühverlustes der 
pulverisirten Nadeln (6,75 %/,) mit dem durch direkte Bestimmung 
gefundenen Wassergehalt der beiden Analysen, habe ich mit dem 
Material nochmals eine Bestimmung vorgenommen. Dieselbe ergab 
bei vierstündigem Erhitzen des lufttrockenen, feinpulverisirten Mate- 
Eials bei 110° einen Verlust von a. 3,27°/,, b. 2,99°/,, darauf ?/,® 
heftig geglüht, gingen weiter a —= 4,18%/,, b = 3,89°/, verloren, ins- 
gesammt also a = 7,45 °/,, b = 6,88 °/,. Feinpulverisirtes Material, 
das zuvor mit rauchender Salpetersäure gekocht, darauf ausgewaschen, 
auf dem Wasserbad getrocknet und ?/," heftig geglüht war, ergab 
einen Glühverlust von 6,17/, (bei 110° hatte es 2,02°/, verloren). 
Berechnet man den Glühverlust, den das bei 110° getrocknete Material 


248 0. Bütschli, 


erleidet, so ergiebt sich für die beiden nicht mit Salpetersäure be- 
handelten Proben a = 4,45 %/,, b = 4,05 %,, für die mit Salpeter- 
säure gekochte dagegen 4,24 ®/,. Hieraus folgt, dass der quanti- 
tative Betrag an organischer Substanz, vorausgesetzt, dass er durch 
die Salpetersäure wirklich völlig zerstört wurde, jedenfalls sehr ge- 
ringfügig sein muss. 

Aus dem Angeführten geht hervor, dass der Wassergehalt der 
Nadeln relativ ansehnlich, der Gehalt an organischer Substanz dagegen 
jedenfalls sehr gering ist. Ob sich, abgesehen von dem Achsenfaden, 
in der eigentlichen Kieselsubstanz etwas organische Substanz findet, 
soll weiter unten genauer erörtert werden. Dass die Nadeln, deren 
Achsenfäden nicht zerstört waren, beim Glühen grau werden und 
auch feinpulverisirtes Material sehr stark und lang geglüht wer- 
den muss, um rein weiß zu werden, kann ja allein von der organi- 
schen Substanz der Achsenfäden herrühren. Das mit koncentrirter 
Schwefel- und etwas Chromsäure gekochte Material wurde beim 
Glühen viel weniger grau, jedenfalls war hier die Zerstörung der 
organischen Substanz, insbesondere die der Achsenfäden, weiter ge- 
sangen, doch keineswegs vollständig, wie schon oben betont wurde. 

Aus den geschilderten Verhältnissen scheint nun ziemlich sicher 
zu folgen, dass das Hervortreten der feinwabigen Struktur beim 
Glühen vor Allem auf dem Verdampfen des Wassers beruhen muss. 
Wie oben betont wurde, werden die Nadeln dabei beträchtlich dicker, 
während ihre Länge sich nicht merklich ändert. Diese Erscheinung 
erinnert an das Verhalten geschichteter quellbarer Körper beim Auf- 
quellen, indem dabei in der Regel die Zunahme in der Diekenrich- 
tung der Schichten viel größer ist als in der Fläche, ja es kann 
unter Umständen sogar eine Zusammenziehung in der Fläche ein- 
treten (s. hierüber Bürscuuı, 1896, p. 12 ff. und 1898, p. 176—178). 

Meine Meinung ist nun folgende. Das Auftreten der feinwabigen 
Struktur beruht darauf, dass eine solche auch schon in der nicht ge- 
glühten Nadel besteht, jedoch zu fein, um mikroskopisch sichtbar zu 
sein. Beim Glühen tritt eine Verdampfung des in den Wabenhohlräum- 
chen eingeschlossenen Wassers ein und damit eine Erweiterung derselben 
bis zur Sichtbarkeit. Für diese Ansicht spricht vor Allem die Be- 
obachtung, dass wenigstens in einem Fall auch eine nicht geglühte 
Nadel (s. Fig. 7, Taf. XIX) den wabigen Bau der Schichten deutlich 
zeigte. Aber auch der Schichtenbau überhaupt spricht sehr für diese 
Auffassung, da ich bei ähnlich geschichteten kolloidalen Körpern viel- 
fach nachweisen konnte, dass die Schichtung von einer schichtweisen 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 249 


Anordnung von Hohlräumchen oder Waben herrührt, und dass die 
etwas verschiedene Lichtbrechung der alternirenden Schichten auf 
dem etwas wechselnden Gehalt derselben an Hohlräumchen und fester 
Substanz beruht. Schon diese Erfahrung macht es in der That sehr 
“wahrscheinlich, dass auch bei der kolloidalen Kieselsäure der 
Schwammnadeln die Schichtung durch entsprechende Verhältnisse be- 
dingt sein muss. Dass es vor Allem oder ausschließlich der Wasser- 
«ehalt der Hohlräumchen sein muss, welcher die wabige Struktur der 
geglühten Nadeln hervorruft, folgt auch aus dem ganz analogen Ver- 
halten der später genauer zu besprechenden Kalknadeln. Diese ent- 
halten sicher keinen Achsenfaden und nur sehr wenig, wenn überhaupt, 
organische Substanz. Dennoch zeigen auch sie nach vorsichtigem 
Erhitzen den feinen Wabenbau durch und durch in ganz vollendeter 
Schönheit. Hier muss es sich demnach im Wesentlichen um eine 
durch den Wasserverlust hervorgerufene Erscheinung handeln. 

Für einen ursprünglichen, schon vor dem Glühen bestehenden 
Wabenbau der Kieselnadeln sprechen nun besonders auch meine 
Untersuchungen über die kolloidalen künstlichen und natürlichen 
Kieselgallerten. Bei den künstlich hergestellten sowohl, als bei dem 
Tabaschir, Hydrophan, Halbopal und Edelopal ließ sich der fein- 
wabige Bau überall sicher erweisen. Bei den genannten Opalen ist 
er stets verbunden mit einer sehr ausgesprochenen sphärolitbischen 
Struktur, wie wir sie in Andeutung auch bei den geglühten Nadeln 
von Geodia auftreten sahen. Die Kieselsubstanz der Schwammnadeln 
nähert sich auch in so fern der der eigentlichen Opale, als sie jeden- 
falls von Wasser nicht durchdrungen wird, während dies für die 
der künstlichen Kieselgallerte, des Tabaschirs und des Hydrophans 
in hohem Grade gilt. Damit stimmt überein, dass das specifische 
Gewicht der Kieselnadeln dem der Opale nahezu entspricht. Bei 
letzteren ist nun die wabige Struktur gewöhnlich ohne Weiteres an 
dünnen Fragmenten oder Schliffen klar zu erkennen, woraus folgt, 
dass die Wabenräumchen großentheils mit Gas oder Luft gefüllt sein 
müssen. Dies lehrt auch der niedere Wassergehalt, der ähnlich wie 
bei den Kieselnadeln in der Regel nur einige Procente beträgt. 
Wären die Hohlräumehen des Wabenwerks der Opale mit Wasser 
erfüllt, so müssten sie im Minimum etwa 40—50°/, H,O enthalten, 
wahrscheinlich jedoch bedeutend mehr. Dies folgt sicher aus dem 
Verhalten des Tabaschirs und der künstlichen Kieselgallerte, die bis 
100°/, und mehr Wasser im imbibirten Zustand einschließen. 

Aus diesen Betrachtungen ergiebt sich denn wohl mit Sicherheit, 


250 0. Bütschli, 


dass die Hohlräumchen der Kieselspicula (den feinwabigen Bau auch 
im nicht geglühten Zustand vorausgesetzt) ebenfalls nicht wassererfüllt 
sein können. Auch bei ihnen müssen die Räumchen in der Haupt- 
sache gaserfüllt sein, da der Gesammtwassergehalt viel zu gering ist, 
für eine völlige Ausfüllung der Wabenräumchen mit Wasser. Etwas 
Wasser werden die Räumchen dennoch als Wandbelag enthalten, 
da es nach den Untersuchungen J. M. van BEMMELEN’S sehr unwahr- 
scheinlich ist, dass das Wasser in Hydratform mit der Kieselsäure 
der Kieselgallerten vereinigt ist, vielmehr alle Erfahrungen dafür 
sprechen, dass es sich nur absorbirt oder adsorbirt findet. Dass nun, 
trotz der vorauszusetzenden Gasanfüllung der Hohlräumchen im nicht 
geglühten Zustand, mikroskopisch in der Regel gar nichts von ihnen 
zu erkennen ist, erscheint nicht seltsam, da ganz dasselbe für die 
künstliche Kieselgallerte und den Tabaschir im lufttrockenen Zustand 
silt, obgleich auch die Hohlräumchen des letzteren dann lufterfüllt Sind. 

Ich habe gezeigt, dass in diesem Fall die Unsichtbarkeit der 
Struktur daher rührt, dass die Wände der Räumchen zu dünn sein 
müssen, um mikroskopisch gesehen zu werden. Unter gewissen Be- 
dingungen dagegen, d. h. wenn man die Wände durch Öl oder andere 
Flüssigkeiten künstlich verdickt (s. oben p. 238), tritt die Struktur 
sehr deutlich hervor. Letztere Thatsache ergiebt jedoch einige wei- 
tere Fingerzeige für die Beurtheilung der ursprünglichen Struktur der 
nicht geglühten Schwammnadeln. Der Versuch, deren Struktur auf 
demselben Wege wie bei Tabaschir und der künstlichen Kieselgallerte 
sichtbar zu machen, hatte, wie schon oben hervorgehoben, kein Resul- 
tat, da Flüssigkeiten in die Kieselsubstanz nicht eindringen. 

Ganz eben so wie bei der künstlichen Kieselgallerte und dem Taba- 
schir können sich jedoch die Hohlräumehen der Schwammnadeln nicht 
verhalten, da sie beim Glühen so deutlich werden. Beruhte die Nicht- 
sichtbarkeit der Struktur wie bei Tabaschir und den künstlichen Galler- 
ten auf der Dünne der Wände der Hohlräumchen, so könnte durch 
Glühen und Verdampfen des Wassers, unter Erweiterung der Hohl- 
räumehen, die Struktur nicht sichtbar werden; denn die Vergrößerung 
der Hohlräumchen würde die Wände ausdehnen und daher nur noch 
mehr verdünnen, die Struktur müsste dann noch weniger sichtbar 
sein als zuvor. Um das Hervortreten der Struktur beim Glühen zu 
erklären, müssten wir daher annehmen, dass die theils von Gas, 
theils von Wasser erfüllten Hohlräumchen zu klein sind, um mikro- 
skopisch wahrgenommen zu werden, ihre Wände dagegen relativ so 
diek, dass sie auch noch nach der beim Glühen bewirkten Eweite- 


Er" 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 251 


rung der Räumchen hinreichende Dicke besitzen, um mikroskopisch 
sesehen zu werden. Ob diese Erklärung jedoch völlig zutrifft, scheint 
mir etwas zweifelhaft aus dem Grunde, weil auch die künstlichen 
Kieselgallerten, sowie Tabaschir und Edelopal, nach meinen Er- 
fahrungen beim Glühen sich ähnlich verhalten wie die Schwamm- 
nadeln. Die Verfolgung der Veränderungen, welche die ersteren beim 
Glühen erleiden, ergab nämlich (s. 1900, p. 355 —343 und p. 3831), 
dass die Hohlräumehenstruktur dabei viel gröber und deutlicher wird, 
d. h., dass sowohl die Hohlräumchen größer, als ihre Wände dicker 
werden. Bei den künstlichen Kieselgallerten tritt dies ja in so fern am 
klarsten hervor, als sie nach anhaltendem Glühen ohne Weiteres eine 
deutliche Struktur zeigen, während sie vor dem Glühen davon gar 
nichts erkennen ließen. Dabei zeigt sich auch an den stärker ge- 
glühten Kieselgallerten eine ganz ausgesprochene Neigung zur Ausbil- 
dung einer sphärolithischen Struktur, wie wir es ähnlich, wenn auch 
viel weniger ausgesprochen, bei den Kieselnadeln fanden. 

Diese Erfahrungen weisen nun darauf hin, dass auch beim Glühen 
der Kieselnadeln vermuthlich tiefere Veränderungen der ursprüng- 
lichen Struktur eintreten als eine einfache Erweiterung der ursprüng- 
lichen Hohlräumcehen. Die Analogie mit dem Verhalten der Kiesel- 
gallerte und dem Edelopal macht es vielmehr sehr wahrscheinlich, 
dass die ursprünglich so feine und desshalb unsichtbare Wabenstruktur 
dadurch in eine sichtbare umgewandelt wird, dass die Räumchen 
beim Glühen sich zu größeren vereinigen unter gleichzeitiger Ver- 
diekung der Wände. Diese Auffassung findet auch in dem Verhal- 
en der Tethya-Nadeln bei starkem (Glühen eine Stütze, denn, wie 
wir sahen, macht dasselbe ganz den Eindruck einer fortgesetzten 
Vereinigung ursprünglich kleinerer Hohlräumehen zu größeren und 
schließlich zu ansehnlichen blasigen Räumen. 

Wie ich schon für die Kieselgallerte betonte, lässt sich eine solche 
Umwandlung der ursprünglichen Struktur nicht wohl verstehen ohne 
die Annahme, dass beim Glühen eine gewisse Erweichung der festen 
Kieselgerüstsubstanz eintrete, eine Vermuthung, auf die uns ja auch 
schon die Verfolgung der beim starken Glühen der Tethya-Nadeln 
auftretenden Veränderungen (s. oben p. 244) direkt hinwies. 

Obgleich ich vollkommen einsehe, dass die durch Glühen be- 
wirkten Veränderungen der Kieselnadeln in vieler Hinsicht noch 
genauerer Erforschung bedürfen, so scheint mir einstweilen die im 
Vorhergehenden entwickelte Auffassung doch als diejenige, welehe mit 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bad. 17 


252 0. Bütschi, 


den an den Kieselnadeln und den Kieselgallerten beobachteten That- 
sachen am besten harmonirt. 


B. Achsenfäden. 


Bei den Studien über die Kieselsubstanz der Nadeln von Geodia 
und Tethya nahm der Achsenfaden meine Aufmerksamkeit vielfach 
in Anspruch, wesshalb ich mich entschloss, die gelegentlichen Er- 
fahrungen durch einige systematische Beobachtungen zu ergänzen 
und zu erweitern. Hierzu eignen sich ja gerade die langen Stab- 
nadeln dieser Tetractinelliden sehr, da namentlich der Achsenfaden 
von Tethya sehr diek ist, wogegen der von Geodia meist geringere 
Dimensionen besitzt. 

Sowohl in den in Wasser aus den Schwammstücken durch Zer- 
zupfen isolirten Nadeln, als in den auf verschiedene Weise durch 
Salzsäure, Magensaft, koncentrirte Schwefelsäure, ja durch Kochen 
mit koncentrirter Schwefelsäure und Chromsäure isolirten Nadeln 
lässt sich der Achsenfaden intakter Nadeln stets gut erkennen. Hier- 
aus folgt, dass die zum Isoliren verwendeten, zum Theil auf orga- 
nische Substanzen sehr zerstörend einwirkenden Flüssigkeiten die 
Kieselsubstanz nicht durchdringen, dass diese vielmehr dem in ihr 
eingeschlossenen Faden einen fast absoluten Schutz gegen die Ein- 
wirkung sie nicht angreifender Flüssigkeiten gewährt. 

Das Gleiche lehren im Allgemeinen auch die Versuche mit 
färbenden Flüssigkeiten; auch diese üben auf die Achsenfäden intak- 
ter Nadeln mit beiderseits geschlossenen Enden, also auf Achsen- 
fäden, die ganz von Kieselsubstanz umschlossen sind, keinerlei Einfluss 
aus; mir ist wenigstens kein sicherer Fall vorgekommen, dass ein 
derartig abgeschlossener Faden sich gefärbt hätte. Anders liegt dies 
für zerbrochene oder absichtlich fein fragmentirte Nadeln; obgleich 
wir weiter unten finden werden, dass auch in diesem Fall die Wider- 
standsfähigkeit der Fäden noch sehr erheblich ist. 

Zunächst fällt auf, dass die Substanz des Achsenfadens das Licht 
stärker bricht als die Kieselsubstanz, wie sich fast stets leicht 
daran erkenneu lässt, dass die Fäden bei hoher Einstellung hell, bei 
tiefer dunkel erscheinen; auf Querschnitten der Nadeln tritt dies 
besonders deutlich hervor, ist jedoch auch an den intakten Nadeln 
fast stets gut zu erkennen. Sehr häufig trifft man unter den isolirten 
Nadeln bekanntlich auch solche, deren Achsenfaden nur theilweise 
erhalten ist, während im übrigen Theil der Nadel nur der von Luft 
oder Zusatzflüssigkeit erfüllte Achsenkanal vorliegt. Werden die 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 253 


Präparate in Kanadabalsam aufgestellt, so lässt sich der Mangel des 
Achsenfadens und sein Ersatz durch Kanadabalsam häufig schwer 
erkennen, da ja auch der Balsam etwas stärker bricht als die 
Kieselsubstanz. An ganz intakten, beiderseits geschlossenen Nadeln 
habe ich eine theilweise oder gänzliche Zerstörung des Fadens nie 
beobachtet; wenn ein theilweis leerer Achsenkanal vorlag, handelte 
es sich stets um einseitig geöffnete oder zerbrochene Nadeln. Der 
theilweise oder unter Umständen gänzliche Mangel des Fadens kann 
in diesen Fällen verschiedene Ursachen haben. Bei der Isolirung 
der Nadeln aus den strahligen Zügen der Marksubstanz von Tethya 
durch Zerzupfen begegnete ich mehrfach zerbrochenen Nadeln, deren 
Öentralfaden auf eine verschieden lange Strecke frei aus dem Bruch- 
ende hervorragte (s. Taf. XXI, Fig. 4). Hieraus folgt, dass der 
Faden beim Zerbrechen der Nadeln zuweilen auf eine Strecke weit 
aus einem der Bruchstücke herausgerissen wird. Auch innerhalb 
einer Nadel kann der Faden zuweilen zerreißen, wahrscheinlich unter 
ähnlichen Bedingungen, wie Fig. 12, Taf. XXI zeigt. Bei Anwen- 
dung stark zerstörender Isolirungsflüssigkeiten, wie koncentrirte 
Schwefelsäure, oder diese nebst Chromsäure, rührt der theilweise 
Mangel der Achsenfäden auch von theilweiser Zerstörung her, die 
von den natürlich oder durch Bruch künstlich geöffneten Enden aus- 
geht. Darüber wird später noch eingehender zu handeln sein. 

So weit ich zu urtheilen vermag, ist der Achsenfaden fest und 
spröde. Dies ergiebt sich aus den zackigen und scharfen Bruch- 
rändern, denen man an fein zertrümmerten Nadeln zuweilen begeg- 
net. Fig. 14, Taf. XXI zeigt ein Bruchstück einer zerriebenen Nadel 
von Teihya; der Achsenkanal ist der Länge nach gespalten und Reste 
des zertrümmerten Achsenfadens sind erhalten und mit MiLLox’s 
Reagens roth gefärbt. Die scharfen zackigen Brüche, sowie die 
offenbar stattgefundene Zersplitterung des Achsenfadens weisen auf 
seine Festigkeit und Sprödigkeit hin. 

Eigenthümlich ist das Querschnittsbild des Fadens, das bei bei- 
den Tetractinelliden stets deutlich dreieckig erscheint, gleichgültig 
ob der äußere Umriss des Nadelquerschnitts selbst etwas dreiseitig 
oder ganz kreisrund ist. Vielfach ist jedoch auf den Nadelquer- 
schnitten zu erkennen, dass der Querschnitt des Achsenfadens sechs- 
eckig erscheint, indem die Ecken des dreiseitigen Umrisses regelmäßig 
abgestumpft sind (s. Photographie Fig. 4, Taf. XX und Figg. 17 und 19, 
Taf. XXI). Ob diese Sechseckigkeit durchgehend herrscht, ist nicht 
ganz leicht festzustellen, scheint mir jedoch wahrscheinlich. Die 

nie 


254 0. Bütschli, 


dreiseitige oder dreikantige Bildung des Achsenfadens lässt sich 
häufig auch an den intakten Nadeln oder an isolirten Achsenfäden 
erkennen, indem nämlich auf dem Faden eine Kante herabzieht, ge- 
mäß dem dreikantigen Bau (s. die Figg. 4, 13, 18, Taf. XXT). Fig. 6, 
Taf. XXI zeigt einen isolirten, durch schwache Quellung in Soda- 
lösung etwas aufgeknäuelten Faden, der die dreiseitige Beschaffen- 
heit auf dem optischen Querschnitt ebenfalls erkennen lässt. 

Entsprechend der dreiseitigen Bildung des Achsenfadens ist auch 
der Querschnitt dünnerer Nadeln, und der der jugendlichen Nadeln 
wohl allgemein, deutlich dreiseitig mit stark abgerundeten Kanten 
(Fig. 3, Taf. XX; Fig. 17, Taf. XXI. An den diekerwerdenden Spi- 
cula verliert sich die Dreiseitigkeit immer mehr, je stärker sie wer- 
den, so dass sie endlich einen kreisrunden Querschnittsumriss erhalten 
(s. Fig. 4, Taf. XX; Fig. 19, Taf. XXI). Bei den Vierstrahlern von 
Geodia Barettiui hat schon BOWERBANK auf Taf. XXI, Fig. 4 den 
dreiseitigen Querschnitt der Nadel, der sich hier vielleicht dauernd 
erhält, abgebildet. Bei Teihya, wo sich keine Vierstrahler finden, 
besitzen die Querschnitte der Achsenfäden doch stets die dreiseitige 
Form. Dass die Lage der drei Ankerarme der Vierstrahler der 
Tetractinelliden mit den drei Kanten des Achsenfadens zusammen- 
fällt, ist wohl sicher. 

Über die sonstigen Formverhältnisse der Achsenfäden mögen hier 
nur einige kurze Bemerkungen folgen, da ich nicht beabsichtigte, diese 
Verhältnisse eingehender zu untersuchen. Bei Geodia fallen nament- 
lich die sehr häufigen und sich vielfach wiederholenden Einschnü- 
rungen sowie die dadurch bewirkte Gliederung im Verlaufe der Fäden 
auf. Diese Erscheinung tritt besonders gegen die Enden der Fäden 
auf, welche bei häufiger Wiederholung der Einschnürungen geradezu 
perlschnurartig werden können. Doch fehlen die Einschnürungen 
auch im sonstigen Verlaufe der Fäden nicht, sind jedoch hier ge- 
wöhnlich spärlicher, und treten daher weniger hervor. Statt ins 
Einzelne gehender Beschreibung verweise ich auf die Figuren isolir- 
ter Fäden von Geodia, die auf Taf. XXI, Figg. 7 und 18 dargestellt 
sind, und diese Beschaffenheit gut zeigen. Fig. 7 ist der isolirte 
Faden einer Ankernadel, welcher fast in seiner ganzen Ausdehnung 
perlschnurartig gebildet ist, und an den Fäden der Ankeräste je zwei 
ansehnliche Anschwellungen zeigt. Fig. 18 dagegen stellt aller Wahr- 
scheinlichkeit nach das Ende des Achsenfadens einer stumpfspitzi- 
sen Stabnadel dar, und zwar, so weit sich nach der Form des Endes 
urtheilen lässt, das dem stumpfen, abgerundeten Nadelende zuge- 


Einige Beobachtungen über Kıesel- und Kalknadeln von Spongien. 255 


hörige. In dem zugespitzten Ende läuft nämlich auch der Faden in 
der Regel sehr spitz und fein aus, wie Photographie Fig. 6, Taf. XX 
von einer intakten Nadel deutlich zeigt; wogegen Fig. 5, Taf. XX 
das stumpfe Ende einer solchen Nadel wiedergiebt, in welchem der 
Faden gleichfalls stumpf und abgerundet, ohne wesentliche Ver- 
schmälerung endigt. Gleichzeitig tritt auf Fig. 5 an dem Ende des 
Fadens die dreikantige Beschaffenheit hervor, die im weiteren Verlauf 
undeutlich wird wegen der nicht mehr so scharfen Einstellung. 

Dass die häufigen Einschnürungen des Fadens nicht ganz ohne 
Einfluss auf die Nadelgestalt selbst sind, verräth Fig. 21, Taf. XXI, 
welche das spitze Ende einer Geodia-Nadel darstellt. Hier ist deut- 
lich, dass die äußeren Umrisse der Nadel entsprechend den Ein- 
schnürungen des Fadens ebenfalls schwache Einschnürungen besitzen. 
Dass dies stets der Fall ist, möchte ich nicht behaupten; wenigstens 
begegnet man gelegentlich auch ganz auffälligem Dickenwechsel des 
Fadens, ohne äußerlich an der Nadel etwas davon zu bemerken. Ein 
Beispiel dieser Art von Tethya giebt die Fig. 15, Taf. XXI, welche 
gleichzeitig die dreikantige Beschaffenheit des Fadens an der Ver- 
engerungsstelle sehr deutlich zeigt, indem sich der dicke Faden 
plötzlich pyramidenförmig zuspitzt und in den sehr stark verschmäler- 
ten Theil übergeht. Auch Fig. 9 von Tethya zeigt eine solch’ plötz- 
liche, wenn auch weniger ansehnliche Verschmälerung. 

Bei Tethya sind die Einschnürungen oder die Gliederbildungen 
der Fäden viel weniger häufig, treten jedoch namentlich gegen die 
Enden auch auf. Dagegen findet sich an den dicken Fäden hier nicht 
selten eine Erscheinung, welche mit lokalen Einschnürungen in Zu- 
sammenhang steht. Wie die Figg. 23 und 24 (Taf. XXI) zeigen, treten 
nämlich stellenweis schwache Einschnürungen auf, begleitet von einer 
mäßigen Verschmälerung des Fadens. An der Einschnürungsstelle setzt 
sich dabei der diekere Fadentheil eine Strecke weit manschettenartig 
über den Beginn des verschmälerten Theils fort. An den isolirten 
Fäden ließen sich meist nur die optischen Durchschnitte dieser Man- 
schetten deutlich erkennen (Fig. 23), seltener ist der ganze freie Rand 
der Manschette deutlich sichtbar (Fig. 24). 

Mit dieser manschettenartigen Fortsatzbildung berühren sich in 
gewissem Grade die Ausläuferbildungen, welche bei beiden Species 
ziemlich häufig sind und jedenfalls schon in das Gebiet der Abnor- 
mitäten gehören. Derartige Ausläufer treten hier und da auf als meist 
kurze, zuweilen jedoch auch längere dünne seitliche Fortsätze der 
Fäden, Häufig, doch nieht immer, entspringen sie an Einschnürungs- 


256 0. Bütschli, 


stellen, gewöhnlich in Einzahl, gelegentlich auch mehrfach, wie dies 
Fig. 25, Taf. XXI, zeigt. Jedenfalls sind die Ausläufer nicht ohne 
Einfluss auf die Gestalt der Nadel, die wenigstens vorübergehend eine 
schwache Verdickung auf derjenigen Seite besitzt, welcher der Aus- 
läufer angehört. Wahrscheinlich ist sogar, dass jeder solcher Aus- 
läufer vorübergehend eine kleine Endspitze der Nadel bildete, dass 
daher solehe mit Ausläufer versehene Nadeln vorübergehend mehr- 
spitzig endeten. Beim Weiterwachsen wurden jedoch die dicht ge- 
näherten Spitzen von gemeinsamen Kieselschichten umscheidet und 
wieder zu einem einheitlichen Ende vereinigt. Nahe verwandt mit 
den Ausläufern sind daher auch die nicht selten vorkommenden 
Gabelungen des Achsenfadens, wie sie auf Fig. 7 von einer Anker- 
nadel, auf Fig. 25 von einer Stabnadel der Geodia abgebildet sind. 
Die Gabelung des Fadens führt hier stets eine Gabelung des be- 
treffenden Nadelendes mit sich, doch wäre nicht ausgeschlossen, 
dass aus solch’ zweigabeligen Nadeln unter Umständen wieder ein- 
heitliche hervorgehen könnten, indem der eine Ast des Fadens allein 
weiterwächst, und die dem anderen entsprechende Nadelspitze all- 
mählich mit der Hauptspitze verlöthet würde. Der eine Gabelast 
würde so zu einem Ausläufer. Gleichzeitig zeigt die auf Fig. 28 ab- 
sebildete Nadel kurz vor der Gabelungsstelle noch einen ansehnlichen, 
ziemlich unregelmäßigen Auswuchs des Achsenfadens, welcher eine 
entsprechende Protuberanz der Nadel bewirkt hat. Ähnliche Unregel- 
mäßigkeiten treten auch sonst nicht allzuselten auf. 

Aus einigen Abbildungen von Sorras (1888, Taf. V) geht hervor, 
dass Anomalien der Nadeln bei gewissen Tetractinelliden nicht selten 
vorkommen, und dass sich auch der Achsenfaden dabei betheiligt, 
wahrscheinlich sogar die erste Veranlassung dazu giebt. — Denn aus 
dem Wenigen, was oben über solche Anomalien des Achsenfadens 
mitgetheilt wurde, scheint ziemlich klar hervorzugehen, dass sie stets, 
wenn auch vielfach nur vorübergehend, die Nadelform stören, und 
dass die Abweichungen der letzteren von der normalen Beschaffen- 
heit auf solche Irregularitäten des Fadens zurückzuführen sind. Im 
Allgemeinen scheint die Form der Nadel gewissermaßen durch succes- 
sive Ablagerung der Kieselsubstanz über den Achsenfaden modellirt 
zu werden. 

An den in den Nadeln befindlichen Fäden sowohl, als an den 
init schwacher Flusssäure isolirten, ist in der Regel keine feinere 
Struktur zu beobachten. An den Querschnitten der Fäden, wie sie 
an feinzerriebenen Nadelfragmenten nicht selten zu finden sind, und 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 257 


zwar eben so gut als auf Querschnitten, die mit dem Rasirmesser von 
in Gummi arabicum eingebetteten Nadeln hergestellt wurden, sieht man 
dennoch zuweilen etwas von Strukturen, was die Figg. 15—17 (Taf. XX]) 
erläutern. Nicht allzuselten sieht man eine regelmäßige Zeichnung 
(s. Figg. 15 und 17), d. h. es macht den Eindruck, als wenn drei 
schwächer brechende Räumchen in dem Querschnitt regelmäßig ver- 
theilt seien. Nur einmal dagegen, bei Geodia, sah ich ein Quer- 
schnittsbild des Fadens einer ansehnlichen Nadel, wie es Fig. 16 
(Taf. XXI) zeigt; um ein centrales Räumchen waren hier fünf peri- 
phere gruppirt; dieser Querschnitt war auch nicht deutlich dreieckig 
wie sonst in der Regel. An den in Wasser untersuchten Nadeln der 
Tethya (Marksubstanz), welche durch Zerzupfen eines in Alkohol kon- 
servirten Schwammes isolirt wurden, zeigte der Faden einseitig ge- 
öffneter Nadeln nicht selten ein eigenthümliches, fein quergebändertes 
Aussehen, so etwa, wie es Fig. 9, Taf. XXI darstellt. Der so be- 
schaffene Theil des Fadens war stets weniger lichtbrechend als der 
sich meist anschließende, homogen erscheinende Theil. Daraus dürfte 
hervorgehen, dass die feingebänderte Struktur erst in Folge irgend 
einer Veränderung des Fadens hervortritt, und dies wird desshalb 
noch wahrscheinlicher, weil man durch Behandlung mit gewissen 
Reagentien dies Strukturbild des Fadens hervorrufen kann, wie wir 
gleich sehen werden. Gelegentlich treten auch in sonst homogen 
erscheinenden Fäden quere dünne, diehtere und daher stärker licht- 
brechende Schichten vereinzelt auf. 

Isolirung der Fäden mit Flusssäure. Für das genauere 
Studium der Fäden eignet sich dies zuerst von KÖLLIKER (1864, 
p- 59) geübte Verfahren sehr. Derselbe vermochte so zu zeigen, dass 
der sog. Central- oder Achsenkanal einen aus organischer Substanz 
bestehenden Faden enthält, der beim Auflösen der Kieselsubstanz 
zurückbleibt. SornLas hat diese Versuche später (1888, p. XLIX) 
wiederholt. Ich habe gleichfalls eine Reihe Versuche angestellt, wo- 
bei die Auflösung der Nadeln theils direkt unter dem Mikroskop, 
zwischen Deckglas und Objektträger, verfolgt wurde, theils dagegen 
nur die in einem Platintiegel mit schwacher Flusssäure isolirten Fä- 
den untersucht wurden. Beim Beobachten der Auflösung zwischen 
Deckglas und Objektträger wurden die der Flusssäure auszusetzenden 
Glasflächen durch einen Überzug mit photographischem Negativlack 
geschützt (SonLnas verwendete einen Überzug von Kanadabalsam). 
Einen absoluten Schutz gewährt dieser Überzug jedoch nicht, da er 
sich langsam verändert und auch die Glasflächen schließlich angegriffen 


258 0. Bütschli. 


werden; dabei entstehen störende Trübungen, welche manchmal gerade 
das Studium eines günstigen Objektes verhindern. Die Präparate 
wurden so sorgfältig wie möglich mit Paraffın verschlossen. Trotz 
aller Vorsicht wurde bei mehrfacher Wiederholung der Versuche die 
Frontlinse des Apochromats 35 von ZEIss, der hauptsächlich verwen- 
det wurde, allmählich getrübt, so dass sie erneuert werden musste. 

Die mir von Prof. JAnNnAscH gütigst überlassene starke Flusssäure 
erwies sich für die intakte Isolirung der Fäden zu koncentrirt; sie 
syiff sie in dieser Stärke an. Der isolirte Faden wird wenigstens 
zu Beginn der Einwirkung, wenn die Flusssäure noch ihre volle 
Stärke hat, rasch vacuolärwabig und seine Substanz zähflüssig. 
Darauf schwellen die Vacuolen zu blasigen Gebilden an, wozu auch 
selegentliches Verschmelzen kleinerer Vacuolen zu größeren wahr- 
scheinlich beiträgt; endlich lösen sich diese blasigen Gebilde von ein- 
ander los und treiben als hohle Bläschen in der Flüssigkeit umher. 
In dieser Weise werden, bei Anwendung zu starker Säure, die Achsen- 
fäden wenigstens anfänglich zerstört oder doch vacuolig deformirt, 
ein Vorgang, der, wie wir später finden werden, auch noch auf an- 
dere Art hervorgerufen werden kann. 

Bei Anwendung verdünnterer Flusssäure isoliren sich die Achsen- 
fäden ganz intakt, ohne Verflüssigung und Zerstörung. Beim Auflösen 
etwas größerer Mengen von Nadeln im Platintiegel kann man leicht 
größere Mengen der Fäden sammeln, da sie sich in Flocken zu- 
sammenballen, welche man herausheben, auswaschen, resp. auch 
durch wiederholtes Centrifugiren reinigen kann. 

Beim Auflösen in verdünnter Flusssäure verhalten sich die Kiesel- 
nadeln etwas verschieden. Ich habe diese Vorgänge besonders bei 
Geodia unter dem Mikroskop ein wenig verfolgt und auch bei Tethya 
im Wesentlichen das Gleiche gefunden. Der häufigste Fall ist der, 
dass zuerst die Enden der Nadel, speeiell die zugespitzten, angegriffen 
werden, was bald zur Eröffnung des Achsenkanals an den Enden 
führt; der Achsenfaden schaut dann auf eine gewisse Strecke frei 
aus dem offenstehenden Kanal hervor. Bei fortdauernder Auflösung 
bemerkt man nun, dass sich das geöffnete Ende des Achsenkanals 
fortgesetzt vertieft und gleichzeitig trichterförmig erweitert, wie Fig. 1, 
Taf. XXI zeigt. Während die äußere Nadelfläche, so weit verfolgbar, 
gleichmäßig abschmilzt, geschieht dies im Centralkanal in dem Maße, 
als er allmählich eröffnet und der Flusssäure zugänglich gemacht 
wird. Man könnte wegen dieser so häufigen Bildung einer triehter- 
förmigen Auflösungshöhle an den Enden auf die Vermuthung kom- 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 259 


men, dass die Angreifbarkeit und Löslichkeit der Schichten von 
außen nach innen, gegen den Achsenfaden successive zunehme. Eine 
solche Annahme scheint jedoch zur Erklärung der Erscheinung nicht 
nöthig, vielmehr dürfte sie sich schon daraus hinreichend erläutern, 
dass die Flusssäure allmählich in den geöffneten Achsenkanal ein- 
dringt und gleichzeitig auch in dem Maße stärker wirkt, als der 
Achsenkanal durch Auflösung erweitert wird, indem dann eine größere 
Menge der Säure zur Verfügung steht. 

Eine zweite Modifikation der Auflösung verläuft so, dass die 
Nadel allmählich von außen langsam abschmilzt, ohne dass Korro- 
sionen, Rauhigkeiten oder dergleichen auftreten. In diesem Falle 
tritt daher keine Eröffnung und Aushöhlung des Achsenkanals ein, wie 
im ersten Fall; vielmehr erscheint der freigelegte Theil des Achsen- 
fadens bei diesem Auflösungsvorgang gewissermaßen als Fortsetzung 
des zugespitzten Nadelendes. Diesen verhältnismäßig seltenen Vor- 
gang der Auflösung hat KÖLLıkEr (1864), wie es scheint, allein be- 
obachtet, und bildet ihn auf Fig. 14, Taf. VIII ab. — Sorras (1888, 
p- XLVIH) beobachtete dagegen in der Regel die Entwicklung einer 
endständigen trichterförmigen Höhle beim Lösen der Stabnadeln. 
Eine gelegentlich, aber doch seltener vorkommende Modifikation der 
Auflösung ist folgende: es bilden sich durch lokale stärkere Auf- 
lösung der Kieselsubstanz dellenartige Vertiefungen der Nadelober- 
fläche, dieselbe wird korrodirt. Indem diese Vertiefungen schließlich 
zu Löchern werden, die bis zum Achsenkanal reichen, wird dieser 
der Flusssäure zugänglich und nun beginnt von diesen Löchern des 
Kanals aus (s. Fig. 2, Taf. XXD die innere Auflösung der Kiesel- 
substanz unter Entwicklung zweier trichterförmiger Höhlen, wie wir 
sie schon vorhin besprachen. Die Folge ist, dass in diesem Fall ein 
mittleres Stück des Achsenfadens bloßgelegt wird, und die Nadel 
schließlich in zwei, resp. wohl auch unter Umständen mehr Stücke 
zerfällt. Der Vorgang wird jedoch, wie auch Fig. 2, Taf. XXI zeigt, 
wesentlich dadurch bedingt, dass die Korrosion der Nadeloberfläche 
in der Regel auf die Mittelregion der Nadel beschränkt ist; ge- 
schähe sie gleichmäßig auf der Gesammtoberfläche, so könnte der 
geschilderte Vorgang nicht eintreten. 

Bei dem Freilegen des Achsenfadens durch Auflösung ist in der 
Regel noch eine eigenthümliche, mir nicht hinreichend klare Erschei- 
nung wahrzunehmen. Auf der Grenzstelle nämlich, wo der freige- 
legte Theil des Fadens in den noch vom Achsenkanal dieht um- 
sehlossenen übergeht, also im Grunde der triehterförmigen Höhle, wird 


260 O0. Bütschli. 


der stark lichtbrechende freie Achsenfaden plötzlich auf eine kurze 
Strecke ganz hell und durchsichtig (s. Figg. 1—2, Taf. XXI), so 
dass es aussieht, als wenn der Faden hier unterbrochen wäre. 
Die im Achsenkanal eingeschlossene Fortsetzung des Fadens scheint 
etwas stärker lichtbrechend zu sein als der freigeleste Theil. Auf 
Fig. 1 trat an dem blassen Zwischenstück sogar eine deutliche Quer- 
bänderung hervor. Dass es sich nicht um eine Unterbrechung des 
Fadens handelt, ist klar, da an den isolirten Fäden nie etwas davon 
bemerkt wird, und die Erscheinung ihren Ort ändert mit dem Fort- 
schreiten der Auflösung. Eine plausible Deutung vermag ich einst- 
weilen nicht zu geben. 

Unaufgelöste Reste der eigentlichen Nadelsubstanz habe ich fast 
nie gesehen; nur ein einziges Mal fand ich bei einer Stabnadel der 
Tethya um das freigelegte Ende des Achsenfadens eine feingranulirte 
zarte Umhüllungsmasse, welche die Form der Nadel noch zeigte, ja 
sogar eine Andeutung der Schichtung aufwies, und die zweifellos 
eine nicht aufgelöste Restpartie der Nadelsubstanz war. SOLLAS 
(1888, p. LXIX) giebt an, dass beim Auflösen der Kieselnadeln ein 
»delicate film of organic matter«, in Form einer zarten Scheide zu- 
rückbleibe. Dieser Rest sei nur bei sehr genauer Betrachtung zu 
erkennen und entspräche der äußersten Schicht der Spieula. Wie 
gesagt, habe ich nur in dem einzigen, eben erwähnten Fall etwas 
von solch’ einem organischen Rückstand der Kieselsubstanz wahrge- 
nommen. Dennoch muss ich annehmen, dass SoLLas im Allgemeinen 
Recht hat; denn die Sachlage wird wesentlich anders, wenn man 
stark geglühte Nadeln von Geodia in schwacher Flusssäure löst. 
Solch’ geglühte Nadeln sind, wie oben geschildert, ganz undurch- 
sichtig schwarz und undurchdringlich für Flüssigkeiten, die nicht 
lösen. Bringt man sie in verdünnte Flusssäure, so fällt zunächst auf, 
dass die meisten sehr rasch ganz durchsichtig werden. Gasentwick- 
lung ist dabei nicht zu beobachten, was ja auch zu erwarten, da das 
vorhandene Gas höchstwahrscheinlich nur Wassergas ist, mit Spuren 
anderer, aus der Verkohlung der organischen Substanz herrührender 
Gase. Die Flusssäure muss daher, im Gegensatz zu den sonstigen, 
nicht angreifenden Flüssigkeiten, sehr rasch die gesammte feinwabige 
Substanz der geglühten Nadeln durchdringen, was in so fern be- 
greiflich, als sie das feinere"Lamellenwerk rasch zerstören muss. 
Immerhin scheint aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie 
auch die feinen Lamellen zunächst durchdringe, ohne sie völlig zu 
zerstören. Die weitere Auflösung vollzieht sich bei den geglühten 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 261 


Nadeln denn auch etwas anders als bei den nicht geglühten. Ver- 
hältnismäßig rasch scheint das gesammte wabig strukturirte, gaser- 
füllte Lamellenwerk der Kieselsubstanz zerstört zu werden, ohne dass 
dabei trichterförmige Höhlen an den Nadelenden auftreten. Von der 
Kieselsubstanz erhält sich am längsten eine äußerste Schicht; dies 
ist die schon oben p. 241 erwähnte dichte, anscheinend homogene 
äußerste Schicht, die an den geglühten Nadeln gewöhnlich zu finden 
ist, und dann weiterhin eine ähnliche Schicht um den Achsenkanal, 
die wir bei den geglühten Nadeln gleichfalls schon beobachteten. 
Indem diese Schichten am längsten widerstehen, so erscheinen 
die theilweise aufgelösten Nadeln wie hohle Röhren, in deren Achse 
ein Achsenfaden hinzieht, der jedoch nicht der eigentliche Achsen- 
faden ist, oder doch diesen erst enthält. Schließlich werden aber 
diese noch erhaltengebliebenen Schichten auch zerstört. Der Achsen- 
faden bleibt häufig als ein schwarzbrauner verkohlter Faden gut er- 
halten; sehr häufig ist er jedoch deutlich hohl, erscheint dann als 
eine sepiabraune köhre, die sogar hier und da noch mit Gas erfüllt 
ist. Gelegentlich wurden auch verkohlte Fäden isolirt, die einen 
sanz deutlichen Hohlräumehenbau zeigten; sie schienen aus einer 
einzigen Reihe von Wabenräumchen aufgebaut und hatten daher ein 
querstreifiges Aussehen (Fig. S, Taf. XXT), was an die früher erwähnte 
(uerbänderung erinnerte. Besonders interessant war jedoch, dass auch 
die aufgelöste Kieselsubstanz der geglühten Nadeln zarte bräunliche 
und daher jedenfalls auch verkohlte Reste zurückließ. Dieselben er- 
schienen häufig wie ein zartes feinkörniges Gerinnsel in dem Hohl- 
raum der theilweise aufgelösten Nadeln, oder umlagerten als eime 
serinnselartige Umhüllung den isolirten Faden. Endlich fanden sich 
jedoch auch aufgelöste Nadeln, deren Gestalt und Umrisse noch ganz 
deutlich durch solche zerinnselartige Reste erhalten, ja an denen so- 
sar theilweise noch die Schichtung angedeutet war. 

Diese Ergebnisse dürften sicher erweisen, dass auch der eigent- 
lichen Kieselsubstanz eine sehr geringe Menge organischer Substanz 
beigemischt ist, und zwar nicht nur, wie SOLLAS meint, in der äußersten 
Schicht, sondern vermuthlich durch die gesammte Kieselmasse hin- 
durch; denn die zuweilen noch sehr deutliche Schichtung spricht dafür. 

Eine regelmäßige Abwechslung von Kieselschichten und Schichten 
organischer Substanz, wie sie M. SCHULTZE bei Z/yalonema beobachtet 
haben will, dürfte jedoch hiermit nicht erwiesen sein. Auch hat ja 
die Analyse ergeben, dass die Menge der organischen Substanz jeden- 
falls äußerst gering ist, 


262 O0. Bütschli. 


Verhalten der durch Flusssäure isolirten Achsenfäden 
segen Reagentien. Die isolirten Fäden, deren Gestaltsverhältnisse 
schon bei der allgemeinen Beschreibung der Fäden berücksichtigt wur- 
den, sind äußerst biegsam und von geringer Festigkeit. Dies steht 
jedenfalls in auffallendem Gegensatz zu dem Verhalten der noch in den 
Nadeln eingeschlossenen, denn diese scheinen, wie oben p. 236 hervor- 
&ehoben, fest und brüchig zu sein. Ob diese Veränderung von einer Ein- 
wirkung der Flusssäure auf die organische Substanz der Fäden herrührt, 
oder ob die Fäden möglicherweise sogar etwas verkieselt sind und durch 
die Flusssäure entkieselt und schlapp wurden, ist vorerst schwer zu 
entscheiden. Die Reaktionen der isolirten Fäden sind nun durchaus 
die des Eiweißes. Sie färben sich mit Methylenblau, DELAFIELD- 
schem Hämatoxylin, essigs. Eisenoxyd und Hämatoxylin und wohl 
noch zahlreichen Farbstoffen, wovon z. T'h. unten noch mehr. 

Von mäßig starker Chlornatriumlösung werden sie (Teihya) 
nicht verändert, auch nicht bei längerem Erwärmen auf 50°C. 

5%, Natrium-Karbonatlösung verändert sie (Tethya) in der 
Kälte nieht wahrnehmbar; beim Erhitzen in der Lösung quellen sie 
etwas, werden bedeutend blässer (schwächer lichtbrechend) und 
knäueln sich häufig auf (Fig. 6, Taf. XXT). 

Kalilauge (35°),), zu aufgetrockneten Fäden (Tethya) gegeben, 
macht sie blässer, ohne sie jedoch zu lösen oder erheblich zu quellen. 
Wird dann Wasser zugesetzt, so beginnen die Fäden sofort stark zu 
quellen und lösen sich völlig und rasch auf. Bei einem früheren 
Versuch mit den Fäden von Geodia, wo die Kalilauge zu den in 
Wasser liegenden Fäden gegeben wurde, erfolgte daher auch sofortige 
Auflösung unter starker Quellung. 

Koncentrirte Schwefelsäure (89°),) löst die aufgetrockneten 
Fäden (Geodia) sofort auf. Bei vorsichtigem Verfahren kann man 
feststellen, dass zuerst sehr starkes Aufquellen unter Schlängelung 
eintritt, worauf die Lösung erfolgt. 

Xanthoproteinreaktion. Wird ein Fadenknäuel (Geodia) mit 
verdünnter Salpetersäure behandelt, so schrumpfen die Fäden sichtlich 
und werden etwas schmutzig gelblich; bei schwachem Erwärmen deut- 
licher gelblich. Bei Zusatz von verdünntem Ammoniak quellen die 
Fäden beträchtlich auf und färben sich intensiv und rein gelb. — 
Bei Zusatz von verdünnter Salpetersäure schrumpfen sie wiederum. 

Mırron’s Reaktion. Wird zu einer Partie aufgetrockneter 
Fäden (Geodia, Tethya) etwas MiınLLon’s Reagens gesetzt und darauf 
vorsichtig erhitzt, so färben sieh die Fäden schön roth. — Die Farbe 


Einige Beobachtungen iiber Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 263 


ist natürlich da besonders deutlich und intensiv, wo zahlreiche Fäden 
in einem Knäuel über einander liegen; doch lässt sie sich auch an 
einzelnen Fäden, namentlich bei Betrachtung mit weit geöffneter 
- Blende, deutlich wahrnehmen. Beim Erhitzen in dem salpetersäure- 
haltigen Reagens erfahren die Fäden gleichzeitig eine sehr inter- 
essante Veränderung, die bei den beiden Gattungen etwas verschieden, 
jedoch im Wesen dieselbe ist. Einmal quellen die Fäden meist be- 
trächtlich auf, wobei gleichzeitig eine zähflüssige Erweichung vieler 
eintreten muss, indem sie große Neigung zeigen sich netzartig zu 
vereinigen unter theilweiser Verschmelzung. Bei dieser Quellung 
und Veränderung tritt in ihnen ein sehr schöner alveolärer oder 
wabiger Bau auf, der sich jedoch etwas verschieden darstellt bei den 
feineren Fäden der Geodıa und den in der Regel viel diekeren der 
Tethya. Bei der ersteren zeigen die schwächer gequollenen Fäden 
eine sehr schöne Querbänderung oder Auerstreifung, wie sie schon 
oben erwähnt wurde. Dies ist jedenfalls im Grunde dieselbe Bildung, 
die auch von dem verkohlten Faden Fig. 8, Taf. XXI abgebildet wurde. 
Der Faden enthält eine einzige Reihe von Hohlräumchen oder Alve- 
olen und zeigt auch in diesem Zustand häufig schon schwache lokale 
spindelförmige Anschwellungen mit etwas vergrößerten Alveolen. Bei 
den stärker gequollenen Fäden finden wir, dass diese lokalen An- 
schwellungen einiger auf einander folgender Alveolen viel größer ge- 
worden sind, so wie es Photographie Fig. 6, Taf. XIX (Vergr. 1730) 
schön zeigt. Bei noch stärkerem Anschwellen dieser Fadenstrecken 
werden schließlich die Querscheidewände zwischen den benachbarten 
angeschwollenen Alveolen ungemein dünn, so dass nur noch die 
Knotenpunkte zu sehen sind, da wo sich die Scheidewände an die 
äußere Wand befestigen. Endlich finden sich auch stark ange- 
schwollene ansehnliche Alveolen, die sicherlich aus dem Zusammen- 
fluss benachbarter hervorgegangen sind. Auf die angegebene Weise 
erlangen die Fäden eine perlschnurartige Beschaffenheit, indem die 
stark angeschwollenen Partien durch nicht angeschwollene, beziehungs- 
weise sogar etwas gedehnte dünne Strecken verbunden sind (s. Fig. 6, 
Taf. XIX). Diese sehr dünnen Strecken sind noch desshalb interessant, 
weil sie den einreihigen Wabenbau äußerst verschmälerter und etwas 
gedehnter Fäden zur Anschauung bringen, wie ich ihn 1898 (p. 40) 
von feinsten Gelatineölemulsions-Fädehen geschildert und auf Fig. 12, 
Taf. XVIIL, sowie Fig. 1, Taf. XXT, abgebildet habe. An solch’ feinsten 
Fädchen sieht man dann nur eine Reihe dunkler Punkte, d. h. die 
Querscheidewände der Waben, die dureh liehtere Streeken zusammen- 


264 0. Bütschli, 


ad 


hängen, welche den Wabenhohlräumchen entsprechen. Auch bei 
den gequollenen Achsenfäden der Geodia kann man alle Übergänge von 
gröber strukturirten Fädchenstrecken bis zu diesen feinsten verfolgen 
und so die Bedeutung dieser feinsten, nicht mehr sicher erkennbaren 
wabigen Bildung klar ermitteln. Die Übereinstimmung des Bildes 
solch’ feinster, einreihig wabiger Fädcehen mit gut gefärbten Geißeln 
der Flagellaten ist wiederum ganz auffallend, wie ich schon 1898 
hervorhob. — Fig. 1, Taf. XX zeigt bei schwächerer Vergrößerung 
ein ganzes Knäuel isolirter Achsenfäden von Geodi«, welche die 
geschilderte Quellung in verschiedenem Grad erfahren haben und 
auch in verschiedenem Grad netzig verschmolzen sind. 

Die Veränderungen, welche die Fäden der Tethya unter den 
gleichen Bedingungen erfahren, sind analog. Doch zeigte nur ein 
Theil der Fäden an einer gewissen Stelle des Präparats die Ver- 
änderung, während die übrigen wenig alterirt waren, nur manchmal 
quergestreift und hier und da auch deutlich sehr fein wabig erschienen. 
Die stark veränderten Fäden sind sehr gequollen und zähflüssig, da 
sie theilweis netzig zusammengeflossen sind (s. Fig.5, Taf. XIX), jeden- 
falls da, wo sich die Fäden überkreuzten. Die Zähflüssigkeit doku- 
mentirt sich namentlich auch darin, dass die Fäden zu platten Bändern 
ausgebreitet sind. Auch ausgezogene sehr verdünnte Fadenstrecken 
finden sich. Die so veränderten Fäden der Teilya sind nun eben- 
falls vorzüglich wabig geworden, jedoch nicht einreihig wie die der 
Geodia sondern vielreihig, was Fig. 5 (Taf. XIX, Vergr. 1500) hervor- 
ragend schön zeigt. Da die zähflüssige oder doch sehr weiche plasti- 
sche Substanz der Fäden flach ausgebreitet ist, so ist die Schaumlage 
nur einschichtig und daher gut zu studiren. Da die Vermuthung 
nahe lag, dass die geschilderten Quellungserscheinungen der Fäden 
beim Erwärmen mit MınLon’s Reagens von der Wirkung der freien 
Salpetersäure herrührten, so wurde eine Probe mit Tethyafäden an- 
gestellt; dieselben quollen beim Erhitzen mit mäßig starker Salpeter- 
säure in derselben Weise und mit eben so deutlichem Hervortreten 
der wabigen Struktur, wesshalb der Vorgang sicher als eine Wirkung 
der Säure anzusehen ist. 

Mit schwacher Jodtinktur färben sich die Fäden (Geod:a) 
selb bis gelbbraun; Zusatz von koncentrirter Schwefelsäure zur 
Flüssigkeit bewirkt zuerst schwache Verstärkung der Braunfärbung, 
darauf Entfärbung und schließlich Zerstörung der Fäden unter Auf- 
quellen. 

Behandlung aufgetrockneter Fäden (Geodia) unter dem Deckglas 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 265 


mit künstlichem Magensaft (derselbe war schon einige Monate 
alt) bei 40° ergab langsame Lösung. Nach 24" waren viele ganz 
verschwunden, die meisten sehr blass und zart, vielfach nur noch 
durch Reihen zarter Körnchen angedeutet. 

Die aufgezählten Reaktionen ergeben sicher, dass die Fäden aus 
einem Eiweißkörper bestehen. 

Da die in den Spicula eingeschlossenen Fäden sich gegen die 
Einwirkung sehr zerstörender Reagentien so widerstandsfähig er- 
wiesen, schien es nicht unwichtig, auch die Wirkung einiger dieser 
Reagentien auf die nicht isolirten Fäden etwas genauer zu prüfen. 

Zu diesem Zweck wurden die mit Magensaft isolirten Nadeln 
der Tethya in der Agatschale mäßig fein pulverisirt, so dass die 
Fäden an den Bruchstellen der Einwirkung der Reagentien zugäng- 
lich waren, und das Pulver dann weiter behandelt. 

Koncentrirte Schwefelsäure. Eine Probe der gepulverten 
Nadeln wurde in einem Reagensröhrchen ca. 3/," auf freier Flamme 
mit 890%/,iger Schwefelsäure gekocht und dann ausgewaschen. Bei der 
Untersuchung in Wasser schienen zunächst ganz leere Achsenkanäle 
vorzuliegen, von etwas schwächerer Lichtbrechung als die Kieselsub- 
stanz. Gewisse Zweifel, ob der Achsenfaden ganz zerstört war, wur- 
den jedoch dadurch hervorgerufen, dass hier und da in dem Achsen- 
kanal quere Grenzen zwischen einem etwas stärker und einem etwas 
schwächer brechenden Inhalt zu sehen waren. Es wurde desshalb 
fein zerriebene Tusche zugesetzt, jedoch nicht beobachtet, dass Tusche- 
körnchen in den Kanal eindrangen. Eine Probe der Nadelbruchstücke 
wurde auf dem Objektträger eingetrocknet, wobei sich das über- 
raschende Resultat ergab, dass nun in fast allen Nadelbruchstücken 
ein schön quergebänderter Achsenfaden deutlich hervortrat (s. Fig. 9, 
Taf. XXI, bei tiefer Einstellung). Die hellen Querbänder werden bei 
hoher Einstellung dunkel, sind also schwach lichtbrechend. Bei Zu- 
satz von schwachem wässerigem Methylenblau trat sofort von den 
geöffneten Enden der Bruchstücke aus Färbung des Achsenfadens 
auf, und zwar färbten sich die äußersten Fadenenden stets roth, die 
darauf folgenden inneren Theile dagegen blau. Nachdem das Präpa- 
rat über Nacht mit dem Methylenblau gestanden, waren die Fäden 
in ihrer ganzen Ausdehnung durch und durch roth gefärbt. In den 
gefärbten Fäden zeigte sich neben der Querbänderung auch eine 
feinwabige Struktur, hier und da auch etwas längsfaserig. Das 
Präparat wurde alsdann getrocknet, wobei die Farbe der Fäden 
großentheils in blau überging und dann in Kanadabalsam einge- 


266 O0. Bütschli, 


schlossen, worin die Fäden eigenthümlicherweise wieder die gleichen 
Farbenverhältnisse zeigten wie ursprünglich, nämlich die Enden roth, 
die innere Partie dagegen blau. Ganz besonders schön trat auch auf 
den Querschnitten der scharf sechseckige, schön blau gefärbte Faden- 
querschnitt hervor. 

Eine Probe der mit Schwefelsäure gekochten Nadeln wurde mit 
Mırnon’s Reagens erhitzt, wobei sich, wenn überhaupt, nur eine 
äußerst geringe Gelbfärbung der Fäden zeigte. 

Wurden die mit Schwefelsäure gekochten Nadeln mit schwacher 
Flusssäure behandelt, so blieb unter langsamer Lösung der Kiesel- 
substanz der Achsenfaden überall deutlich erhalten. Derselbe war 
jedoch ungemein blass und machte den Eindruck eines dünnwandigen 
hohlen Röhrchens. 

Kalilauge. Von zwei Portionen der zerriebenen Nadeln wurde 
die eine !/,® auf freier Flamme, die andere 4" auf dem Wasserbad 
mit 39°, ,iger Kalilauge gekocht und hierauf gut ausgewaschen. Wie 
zu erwarten, und wie auch SorLas schon 1879 und 1888 angegeben 
hat, wird die Kieselsubstanz der Nadeln von Kalilauge gelöst. Man 
findet die Nadelbruchstücke in den verschiedensten Graden der Auf- 
lösung. Die Lösung der Kieselsubstanz erfolgte bei den Nadel- 
bruchstücken meist von dem Achsenkanal aus, dessen geöffnete En- 
den daher auch häufig trichterförmig erweitert waren. Das Ergebnis 
der Lösung ist dann ein hohles röhrenförmiges Nadelstück, indem 
äußere Schichten sich am längsten erhalten (s. Fig. 5, Taf. XXT). 
Dabei findet jedoch sicher auch äußere Auflösung statt, so dass die 
längst erhaltenen Schichten jedenfalls mittlere sind. Nicht selten 
begegnet man auch löcherig korrodirten Nadeln, und zwar werden solche 
Löcher, die schließlich durch die noch erhaltene Kieselröhre durch- 
brechen, theils von innen nach außen, theils auch von außen nach innen 
durchgefressen. ‘Interessant ist ferner die häufig auftretende zackige 
Beschaffenheit der Querbruchflächen der Nadeln (s. Fig. 3, Taf. XXT,), 
indem die Schichten abwechselnd stärker und schwächer angegriffen 
werden. Dies hängt wohl mit der auch optisch hervortretenden ver- 
schiedenen Dichte der Schichten zusammen. Gelegentlich finden 
sich sogar Nadelbruchstücke, bei denen sich verschiedene Schichten 
sanz von einander gelöst haben, und die dann röhrenförmig in ein- 
ander geschachtelt sind. 

Bei der Auflösung der Kieselsubstanz bleibt ein geringfügiger 
test, aller Wahrscheinlichkeit nach organische Substanz, zurück, 
der sich hauptsächlich äußerlich in Form eines dünnen blassen, 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 267 


zuweilen auch mehrschichtigen Überzugs findet. Diese Reste färben 
sich mit Methylenblau oder Dahlia schön roth. Gelegentlich war so- 
| sar von ganz aufgelösten Nadeln eine zusammenhängende äußere 
Hülle zurückgeblieben, die sowohl in der Flächenansicht, als im 
optischen Durchschnitt einen recht kenntlichen einschichtigen Waben- 
bau zeigte. 

Von den Achsenfäden finden sich auch nach dem Auswaschen 
mit Wasser gewöhnlich noch deutliche Reste. Einmal kommen Bruch- 
stücke vor, deren Faden sich überhaupt kaum verändert hat. Bei 
den übrigen Nadeln scheint der Faden dagegen verschwunden; doch 
ergiebt die genauere Untersuchung, dass gewöhnlich noch Reste vor- 
handen sind, die sich mit Methylenblau intensiv roth färben (s. Fig. 5, 
Taf. XXD. Meist machen diese Fäden den Eindruck hohler Röhren, 
doch finden sich auch solche, die aus durchgehender feinwabiger Sub- 
stanz zu bestehen scheinen (Fig. 5, Taf. XXI), und welche sogar hier 
und da noch etwas von der queren Bänderung zeigen. Selbst in 
Bruchstücken, deren Kieselsubstanz bis auf die oben erwähnte Hülle 
sanz aufgelöst war, war der Achsenfaden häufig noch in der be- 
schriebenen Weise erhalten. Ferner fanden sich auch ganz freie, 
isolirte derartige Fäden vor. Endlich begegnet man Nadelbruch- 
stücken, deren Kanal nur noch etwas Gerinnsel enthält und solchen, 
in denen sich selbst durch Färbung nichts mehr von einem Faden 
nachweisen lässt. 

Nicht ohne Interesse ist, dass sich auch die Achsenfäden der 
Kieselsterne der Tethya gelegentlich als strahlige Gebilde ganz iso- 
lirt vorfanden. 

MırLLon’s Reagens. Schon oben (p. 256) wurde erwähnt, dass 
sich die Fäden zerriebener Nadeln mit diesem Reagens hübsch gelb- 
roth färben lassen. 

Färbungsversuche. Versuche mit nicht zerriebenen Nadeln 
und wässrigem Methylenblau ergaben, dass bei hinreichend langer 
Einwirkung (bei 54°) die Fäden, welche durch Bruch dem Farbstoff 
zugänglich sind, oder die überhaupt in einem einerseits nicht abge- 
schlossenen Achsenkanal liegen, ganz blau gefärbt werden. Wenn 
man die so behandelten Nadeln mit Wasser auswäscht, trocknet und 
darauf in Kanadabalsam einlegt, so findet man viele Nadeln, deren 
Faden gut gefärbt ist. In Nadeln, deren Achsenkanal beiderseits 
abgeschlossen ist, ließ sich mit Sicherheit nie ein gefärbter Faden 
nachweisen; dazu kommt, dass man an zerbrochenen Nadeln stets 


sicher wahrnehmen kann, dass der Farbstoff allmählich von dem 
Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXIX. Bad. 18 


968 0: Bütschli, 


ud 


Bruchende aus eindringt. Hieraus und aus dem schon früher Her- 
vorgehobenen folgt, dass die Kieselsubstanz für den Farbstoff undureh- 
gängig ist. Die weiteren Versuche, mit wässeriger Lösung von Dahlia, 
die mit Essigsäure versetzt, wässerigem Methylenblau, essigsaurem 
Eisenoxyd und Hämatoxylin die Achsenfäden zerriebener Nadeln zu 
färben, ergaben im Allgemeinen keine sehr günstigen Resultate, 
indem sich zwar gewöhnlich die freigelegten Enden, dagegen relativ 
selten Fäden der Bruchstücke in ganzer Ausdehnung färbten. Auf 
dünnen Querschnitten waren die Fäden gewöhnlich gefärbt. 

Sehr gute Ergebnisse wurden dagegen erzielt, als Fragmente der 
Marksubstanz von Tethya mit einer wässerigen Lösung von Dahlia 
(die mit Essigsäure versetzt war) 24" auf dem Wärmschrank (40°) 
gefärbt, und hierauf die Nadeln durch Zerzupfen isolirt und aufge- 
trocknet, oder nach einem von Prof. SCHUBERG ermittelten Verfahren 
fixirt und, nach dem Entwässern, die Nadeln durch Zerzupfen in 
Kanadabalsam isolirt wurden. Vor Allem die letzteren Präparate 
zeigen die Achsenfäden häufig in ihrer gesammten Ausdehnung vorzüg- 
lich und intensiv roth gefärbt (Lampenlicht). Aufs klarste ergiebt sich 
in diesen Präparaten jedoch wieder, dass nur solche Achsenfäden ge- 
färbt sind, die entweder durch Bruch der Nadeln, oder weil das 
eine Ende der Nadel offen ist, dem Farbstoff frei zugänglich sind. 
(erade diese Präparate lieferten denn auch klare Beweise dafür, dass 
thatsächlich zahlreiche Stabnadeln vorkommen, deren spitzes Ende 
seöffnet ist, und deren Achsenfaden hier freiliegt. Besonders häufig ist 
dies namentlich bei den langen schlanken Stabnadeln, die sich in den 
leichter zerreißbaren Zügen der Marksubstanz finden. Die Figg. 27 
und 28, Taf. XXI zeigen die spitz auslaufenden Enden zweier solcher 
Nadeln. Die Kieselsubstanz verdünnt sich hier an dem spitzen Ende 
immer mehr, so dass sie schließlich als ein äuberst feiner Saum 
endigt, der dieht vor dem Ende des Achsenfadens ganz erlischt. 
Fig. 26 zeigt dies Fadenende sogar gegabelt, jedenfalls eine der 
Abnormitäten, wie wir sie oben für gewisse Fäden verzeichneten. 
An den stärker zugespitzten Nadeln trifft man seltener ein sicheres 
Öffenstehen des Achsenkanals am spitzen Ende; doch existiren auch 
dafür unzweifelhafte Beispiele, von denen Fig. 22, Taf. XXI eines 
vorführt. Schon KÖLLıkEer (1864) fand bei Tethya häufig Kiesel- 
nadeln, »bei denen das Ende des Centralfadens frei zu Tage liegt<, 
ja z. Th. ein Stück weit über das Nadelende hervorragte. Er beur- 
theilt diese Befunde sehr richtig, als nicht völlig ausgebildete Nadeln, 
deren eines Ende noch keinen Abschluss gefunden hat, und betrachtet 


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Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 269 


sie daher auch als wichtig für die Auffassung des Nadelwachsthums 
überhaupt. In dieser Hinsicht ist sehr beachtenswerth, dass ich 
in den genannten Präparaten auch vereinzelten, fast ganz freien 
Achsenfäden begegnete, die nur in der mittleren Region von einer 
äußerst dünnen, schwächer brechenden Scheide (also wohl Kieselsub- 
stanz) umhüllt waren. Das eine Ende solcher Fäden war stumpf 
abgerundet, das andere dagegen verschmälert. Welche Konsequenzen 
hieraus für die Bildungsgeschichte der Nadeln gezogen werden dürfen, 
möchte ich vor genauerer Verfolgung des Thatsächlichen nicht ein- 
schender erörtern. 

Dagegen wäre hervorzuheben, dass die mit Dahlia gefärbten und 
fixirten Präparate auch die Beziehungen des umgebenden Gewebes 


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zu den Nadeln in sehr interessanter Weise und vielfach mit beson- 

derer Klarheit zeigen. Man sieht nämlich die Nadeln dieht umgürtet 

von einer großen Zahl stark gefärbter, vielfach verzweigter Bänder, 
185* 


270 0. Bütschli, 


wie es die beiden vorstehenden Textfiguren wiederzugeben ver- 
suchen. Der Eindruck ist der, dass eine große Zahl bandförmiger, 
verzweigter und auch unter einander anastomosirender Zellen, Siliko- 
blasten, die Nadeln dieht umgürten. Die genaue Untersuchung er- 
giebt jedoch, dass der Zusammenhang dieser Zellen (wenn wir sie 
so bezeichnen dürfen) viel inniger ist, indem sich zwischen ihnen 
auf der Oberfläche der Nadel eine sehr feine protoplasmatische Lage 
ausbreitet, so dass die Bänder nur Verdickungen derselben darstellen 
dürften. Da die Färbung sehr intensiv ist, so eignet sie sich wenig 
zur Beobachtung der Kerne; dennoch waren hier und da in den 
Bändern dunkler gefärbte Körper (» Fig. b) eingelagert, deren Deu- 
tung als Kerne mir wenig zweifelhaft erscheint. 

Viel eigenthümlicher jedoch als diese Beobachtung erscheint mir 
die folgende, welche an denselben Präparaten in einer ganzen An- 
zahl Fälle sicher zu stellen war. Unter den Nadeln mit gut ge- 
färbtem Achsenfaden finden sich auch solche, deren Faden mehr oder 
weniger geschrumpft ist, so dass er den Achsenkanal nicht mehr 
völlig ausfüllt. An solchen Nadeln fiel nun auf, dass vielfach zwischen 
den Faden und die Wand des Kanals dunkelroth gefärbte, unregel- 
mäßig viereckige Körper in ziemlich regelmäßigen Abständen ein- 
gelagert waren. Fig. 10 zeigt dies für eine Strecke einer Nadel 
deutlich. Bei weiterer Verfolgung ergab sich, dass die eingelager- 
ten Körper in vielen Nadeln auf das reichste mit Ausläufern ver- 
sehen sind, welche den Achsenfaden ganz ähnlich umgürten, wie es 
vorhin für die Bänder um die Nadeln geschildert wurde. Fig. 11 
sucht dies für drei solcher Körper wiederzugeben, und Fig. 12 zeigt 
die Stelle einer Nadel, wo der Achsenfaden auf eine Strecke gerissen 
war, wodurch ein gerade hier gelegener verästelter Körper bloßge- 
legt und daher mit seinen weitausgedehnten Verästelungen schön zu 
verfolgen war. Dass hier nichts Abnormes vorliegt, dafür scheint das - 
in ziemlich regelmäßigen Abständen sich wiederholende Vorkommen 
der eigenthümlichen Körper zu sprechen. Bei ihrer Betrachtung 
vermag man sich des Gedankens nicht zu erwehren, dass es sich 
um Zellen handeln könnte, die in ähnlicher Weise mit dem Wachs- 
thum des Achsenfadens in Beziehung ständen wie die Silikoblasten 
mit dem der Kieselsubstanz der Nadel. Obgleich diese Möglichkeit 
fast ausgeschlossen erscheint, wenn man das, durch zahlreiche über- 
einstimmende Erfahrungen festgestellte erste Entstehen des jugend- 
lichen Spieulums in einer Zelle berücksichtigt, so dürfte doch 
angezeigt sein, diese sehr auffallende Erscheinung weiter zu ver- 


. 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 271 


folgen. Erst der sichere Nachweis eines Kernes in den fraglichen 


zellähnlichen Gebilden wäre vollkommen entscheidend. 

Ich muss die Lösung der sich an diese Beobachtung anknüpfen- 
den interessanten Fragen einstweilen späteren eigenen oder fremden 
Untersuchungen überlassen. In der vorliegenden Litteratur fand ich 
nichts, was mit den geschilderten Verhältnissen in Beziehung ge- 
bracht werden könnte. 


2. Einige Beobachtungen an den Kalkspicula von Leucandra aspera. 


Die wichtigen Untersuchungen von SoLuas (1885) und v. EBNER 
(1887) erwiesen sicher, dass die Kalknadeln aus Kalkspat (Caleit) 
bestehen, und dass jede Nadel sich so verhält, als wenn sie aus 
einem Kalkspatindividuum herausgeschnitten wäre, d. h., dass ihre 
Theilchen alle krystallographisch übereinstimmend orientirt sind. Unter- 
suchungen des specifischen Gewichts, des Brechungskoeffieienten für 
die beiden Strahlen, der Verhältnisse der Doppelbrechung, der Spalt- 
barkeit, sowie der Ätzfiguren lieferten sämmtlich sichere Beweise 
für diese Auffassung. In v. EBnEr’s ausgezeichneter Untersuchung 
sind auch alle früheren Erfahrungen über die Kalknadeln so ein- 
gehend und trefflich berücksichtigt, dass ich hierüber auf seine Ab- 
handlung verweisen kann. 

Meine Untersuchungen über die Kalknadeln beschränken sich 
nur auf einige gelegentliche Studien über ihre Veränderung bei 
schwachem Glühen, da schon v. Esner’s und frühere Erfahrungen 
ergaben, dass hierbei Erscheinungen auftreten, welche sehr an das 
Verhalten der Kieselnadeln erinnern. 

Zur Untersuchung wurden fast ausschließlich die großen, beider- 
seits zugespitzten Stabnadeln von Zeucandra benutzt, welche durch 
vorsichtiges Kochen mit 1°%,,iger Kalilauge isolirt waren. — Wie 
die früheren Untersucher (vgl. insbesondere EBNER p. 117 ff.) be- 
obachteten, werden die Nadeln schon bei mäßigem Erhitzen (nach 
v. EBner genügt 370°, Siedepunkt des Paraffins) weißlich trüb, was 
ganz plötzlich, in einem Moment eintritt. Dabei springen die Nadeln 
häufig fort, oder zerspringen auch in einige Stücke. Bei stärkerem 
Erhitzen zerspringen oder dekrepitiren sie in feinste blättchenartige 
Fragmente, wie dies v. EBnEr beschreibt. Die Fragmente sind so 
klein, dass sie sich wie ein weißer Rauch erheben, wenn man das 
Erhitzen in einem Tiegel oder Glasröhrehen vornimmt, wobei sie sich 
an die Wände oder den Tiegeldeckel niederschlagen, so dass man zur 
irrigen Meinung verleitet werden könnte, dass die Nadelsubstanz 


272 O0. Bütschli. 


sublimirt. Ich habe nur diejenige Veränderung genauer untersucht, 
welche bei vorsichtigem Erhitzen unter Weißwerden der Nadeln 
plötzlich eintritt, ohne dass sie hierbei in feine Fragmente zerstäuben. 
Schon v. EBnEr hat gegen Hazcker (1872) sehr richtig hervorgehoben, 
dass die schwächere oder stärkere Bräunung der geglühten Nadeln 
(im durchfallenden Licht) nicht auf Verkohlung organischer Substanz, 
d.h. auf Bildung schwarzer Kohlentheilchen, sondern auf dem Auf- 
treten zahlreicher, die Kalksubstanz durchsetzender Gasbläschen oder 
leerer Räumchen beruht. Dies ist denn auch vollkommen richtig; 
nur muss ich aus den Figuren (s. Figg. 34, 39, 40, 41, 49) und der Be- 
schreibung EBNER’s entnehmen, dass er die sich entwickelnde feine. 
Hohlräumehenstruktur in ihrer Feinheit und Regelmäßigkeit nicht 
genügend erkannte, sondern nur die etwas gröberen Hohlräumchen 
oder Gasbläschen wahrgenommen hat. Wenigstens zeigen die citirten 
Figuren Esxer’s nur ziemlich locker zerstreute gröbere Hohlräumchen 
und können daher höchstens einem Theil der überraschend schönen 
und feinen Struktur entsprechen, welche die schwach erhitzten Nadeln 
darbieten. Wir erfuhren soeben, dass also bei den Kalknadeln ganz der 
sleiche Irrthum hinsichtlich der Veränderung beim Glühen begangen 
wurde, wie bei den Kieselnadeln. 

Zur Erläuterung der schönen feinwabigen Struktur der schwach 
erhitzten Stabnadeln gebe ich drei Mikrophotographien von Frag- 
menten solcher Nadeln, die durch feine Zertrümmerung hergestellt 
und in Xylol-Kanadabalsam eingeschlossen wurden. Fig. 1 (Taf. XIX) 
ist der optische Längsschnitt einer Nadel, der sowohl den feinen 
Wabenbau als die Schichtung sehr gut erkennen lässt. Fig. 2, Taf. XIX 
zeigt dagegen einen recht guten Querschnitt einer Nadel mit Schich- 
tung. Auf demselben ist gleichzeitig sicher zu erkennen, dass sich 
von einem Achsenkanal und Achsenfaden sicherlich nichts findet. 
In diesem Fall ist sogar nicht einmal eime besondere Ausbildung 
des axialen Wabenwerks zu beobachten, welche einem Achsenfaden 
analog erscheinen könnte. In anderen Fällen dagegen war die 
axiale Partie der wabigen Kalksubstanz etwas lockerer strukturirt 
als die übrige, ohne jedoch irgendwie scharf von derselben abgesetzt 
zu sein. Meine Erfahrungen stimmen daher durchaus mit denen 
v. EBnEr’s überein, dass ein Centralkanal und ein Achsenfaden im 
-Sinne der Kieselnadeln sich nicht findet und dass der zuweilen, 
namentlich auch bei schwach geglühten Nadeln, sichtbare Achsen- 
faden nur von einer Modifikation der Kalksubstanz herrührt, die sich 
durch leichtere Angreifbarkeit im Säuren und durch etwas anderes 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 275 


Liehtbreehungsvermögen (wohl gewöhnlich geringeres) von der übrigen 
unterscheidet. 

Fig. 4 (Taf. XIX) ist die Mikrophotographie eines ganz dünnen 
Fragmentes, das jedenfalls einen ganz regulären axialen Radiär- 
schnitt einer Stabnadel darstellt und die Beziehungen der Schichtung 
zu dem Wabenbau sehr gut erkennen lässt. Aus dieser Photographie 
ergiebt sich, dass die Schichtung auch hier eine sehr feine ist und 
auf regelmäßiger schichtweiser Anordnung der Hohlräumehen beruht, 
wie bei den Kieselnadeln und den zahlreichen, von mir früher (s. 1898 
u. 1900 Schwefel) beschriebenen Fällen. Auch hier begegnen wir 
einem regelmäßigen Wechsel dünner, wie es scheint, im Allgemeinen 
nur einreihiger Wabenschichten, deren etwas verschiedenes Licht- 
brechungsvermögen auf der etwas verschiedenen Größe der Hohl- 
räumehen und der Dicke der Wände beruht. (Genauere Erörterungen 
über diese so gewöhnliche Erscheinung vgl. in dem Abschnitt über 
die Schichtung der Stärkekörner in meinem Werk von 1898 p. 305). 
Auch Fig. 1 Taf. XIX zeigt die Feinheit des Schichtenbaues sehr gut, 
wogegen der Querschnitt Fig. 2 (Taf. XIX) meist das Abwechseln 
dickerer, heller und dunkler, mehrwabiger Zonen bemerken lässt. Wie 
jedoch einzelne Partien (so z. B. rechts oben) auch hier verrathen, 
rührt dies wohl sicher nur daher, dass die Schichtung nicht ganz 
scharf eingestellt ist und desshalb diekere Schichten dadurch ent- 
stehen, dass sie insgesammt etwas stärker lichtbrechend sind als die 
dazwischen liegenden Partien, ohne dass die feinere Schichtung 
deutlich hervortritt, welche diese gröberen Zonen bei scharfer Einstel- 
lung selbst zeigen. 

Wie bei den Kieselnadeln sind auch hier die Hohlräumchen des 
feinwabigen Gerüstes ganz unzugänglich für Flüssigkeiten. Weder 
Wasser noch andere Flüssigkeiten, die nicht zerstörend wirken, dringen 
ein. Dies folgt ganz sicher daraus, dass selbst die feine Struktur 
dünnster Fragmente in Kanadabalsam vollkommen klar und deutlich 
bleibt, während sie verschwinden müsste oder doch sehr an Schärfe 
verlieren, wenn der Kanadabalsam eindränge. 


Einige Versuche über die eventuelle Veränderung der Dimen- 
sionen der Stabnadeln beim Erhitzen bis zum Weißwerden ergaben, 
dass dabei sicher gar keine Diekenzunahme auftritt, während wir 
diese bei den Kieselnadeln sehr beträchtlich fanden. Eine Ver- 
srößerung der Längendimension ist ja sehr unwahrscheinlich, da 
sie den Kieselnadeln fehlt. Hieraus folgt, dass das Deutlichwerden 


274 O0. Bütschli. 


der Wabenstruktur nicht auf Erweiterung vorhandener Hohlräumehen 
beruhen kann. 

Um einen Anhaltspunkt hinsichtlich des eventuellen Wasser- 
verlustes beim Erhitzen der lufttrockenen Kalknadeln zu erhalten, 
wurde eine Probe (0,2233 g) in einem kleinen Reagensröhrchen erhitzt 
bis sichtlich kein Wasser mehr entwich. Die Nadeln wurden dabei 
nicht nur weiß, sondern in feinstes Pulver zerstäubt, das sich an die 
Wand des Röhrchens setzte. Dies ist auch der Grund, wesshalb der 
Versuch in einem nicht zu kurzen Röhrchen vorgenommen werden 
muss, da die Verstäubung sonst starken Substanzverlust bewirkt. 
Dass beim Erhitzen Wasserverlust eintritt, ist deutlich, da sich 
das Wasser an dem oberen Theil des Röhrchens niederschlägt. Nach 
völligem Austreiben des Wassers, wobei sich ein schwach brenzlicher 
Geruch entwickelte, betrug der Verlust 0,0066, was einem Wasser- 
verlust von 2,507°,, entspricht. Da nun bei vorsichtigem Erhitzen 
bis zum Weißwerden der Nadeln zweifellos viel weniger Wasser ver- 
loren geht als bei der Zerstäubung, wie sie in obigem Fall ein- 
setreten war, so ist der Wasserverlust beim Weißwerden jedenfalls 
ein sehr geringer. Ähnlich wie bei den Kieselnadeln kann daher 
das Deutlichwerden der Hohlräumehenstruktur nicht etwa auf dem 
Austreiben einer eventuellen Wassererfüllung der Hohlräumehen be- 
ruhen, aber auch nicht auf der Erweiterung ursprünglicher Hohl- 
räumchen, da ja die Nadeln ihr Volum nicht ändern, sondern 
höchstens auf einer Art Zusammenschmelzen feinster Hohlräumchen 
zu gröberen, sichtbaren, unter theilweiser Zerstörung des feinsten 
Maschenwerks. 

Die Frage, ob das Auftreten der feinwabigen Mikrostruktur auf 
die Existenz einer entsprechenden, ihrer Feinheit wegen jedoch un- 
sichtbaren Struktur im nicht erhitzten Zustand hindeutet, vermag 
ich nur in derselben Weise wie für die Kieselnadeln zu beantwor- 
ten. Die Schichtung scheint darauf hinzuweisen, dass auch schon 
im nichterhitzten Zustand eine solche Struktur existirt, denn hier- 
durch würde sich der Schichtenbau und seine Eigenthümlichkeiten in 
sehr einfacher Weise und in Übereinstimmung mit den Verhältnissen 
ähnlich geschichteter Gebilde erklären. 

Wie oben mitgetheilt wurde, vermochte ich eben so wenig wie 
v. EBNER und einige frühere Beobachter einen Achsenkanal und 
Achsenfaden an den normalen und den erhitzten Nadeln aufzufinden. 
Beim Auflösen der Nadeln in sehr verdünnter Essigsäure zeigt sich 
nie die Spur eines solchen Achsenfadens, der doch, wenn er in 


| 


7 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 275 


ähnlicher Weise wie bei den Kieselnadeln entwickelt wäre, unter 
diesen Umständen leicht nachzuweisen sein müsste. 

Bei vorsichtigem Auflösen der Kalknadeln in verdünnten Säuren 
konnte v. EBNER (p. 121) keinerlei Reste organischer Substanz be- 
merken; bei Behandlung der Nadeln mit Essigsäure, der Bismarck- 
braun zugesetzt war, schien es zwar, dass etwas organische Substanz 
in Form membranöser Bildungen zurückbleibe und sich mit dem 
Farbstoff tingire. Da jedoch beim Auflösen von Kalkspatpartikeln 
das Gleiche sich zeigte, so schließt v. EBnEr wohl mit Recht, dass 
es sich um eine geringfügige Ausfällung des Farbstoffs in Berührung 
mit dem kohlensauren Kalk handle. 

Meine mit äußerst verdünnter Salzsäure, die schwach mit Methylen- 
blau versetzt war, angestellten Versuche ergaben, dass bei der Lösung 
der mit 1°/ iger Kalilauge isolirten Nadeln eine sehr geringe Menge 
einer feingranulirten Substanz zurückbleibt, die zuerst an den ab- 
schmelzenden Nadelspitzen auftritt, und im Allgemeinen wie ein un- 
regelmäßig verschrumpfter, ganz schlapper und äußerst dünnwandiger 
hin- und hergewundener Schlauch erscheint. Von einem Achsenfaden 
wurde, wie gesagt, nie eine Spur gesehen. Die vorsichtige Auf- 
lösung fein zertrümmerter Fragmente der Nadeln ergab, dass auch 
diese eine sehr feine, schleimartige, blass gefärbte Masse zurücklassen, 
welche die Form des Fragmentes besitzt. — Bis zum Weißwerden 
erhitzte Nadeln verhalten sich bei der Auflösung gerade so wie die 
nicht erhitzten. 

Die Auflösung der Nadeln in nicht mit Methylenblau versetzter, 
sehr verdünnter Salzsäure ergab ganz dasselbe Resultat, und das 
Gleiche wurde auch an Nadeln beobachtet, welehe einfach durch Zer- 
zupfen dem in Alkohol konservirten Schwamm entnommen waren. 

Hieraus folgt, dass der äußerst geringe, bei der Lösung bleibende 
Rest nicht mit dem zugesetzten Methylenblau zusammenhängt. Da- 
gegen muss ich hervorheben, dass beim Auflösen feiner Fragmente 
von Kalkspat (Auerbach an der Bergstraße) in sehr verdünnter Salz- 
säure ebenfalls ein sehr geringer fein granulärer, häufig etwas gelb- 
licher Rest zurückblieb, welcher wenigstens zuweilen an den Spicula- 
rückstand erinnerte. 

Mit einer Spieulascheide, wie sie von KÖLLIKER, HAECKEL, 
v. Epxer und Mincuin als eine organische Umhüllung der Kalknadeln 
beschrieben wird, kann der bei der Auflösung zurückbleibende Rest 
nicht wohl verglichen werden. Hinsichtlich dieser Frage ist auch 
die Behandlung der Nadeln mit Kalilauge von Wichtigkeit, da nach den 


276 0. Bütschli. 


Erfahrungen HAEcKEL’Ss und v. Epnxer’s stärkere Lauge die Nadeln 
schon in der Kälte angreift, wobei die sogen. Scheide sich gut er- 
halten soll. Nach v. EBNEr (p. 108) unterscheiden sich die Kalkspieula 
in dieser Hinsicht von Kalkspat, dem sie im Übrigen so genau 
entsprechen, da letzterer durch 10—15/,ige Kalilauge (in 24" und 
ein- bis zweimaligem Kochen auf kurze Zeit) nicht angegriffen wird, 
während die auf gleiche Weise behandelten Nadeln sehr stark an- 
gegriffen bis völlig zerstört werden. Auch ich habe einige Versuche 
mit Kalilauge angestellt, die in 35°/,iger Lösung zur Verwendung 
kam, jedoch nur in der Kälte, ohne Erwärmen. In dieser Lauge 
waren die Nadeln schon nach 24! sehr angegriffen, ja die kleineren 
völlig zerstört. Das Seltsame ist jedoch, dass dabei jede Nadel eine 
deutliche schöne dünne Scheide zurücklässt, welche die ehemalige 
Spieulaform gut bewahrt, und die sieh bei Untersuchung mit starken 
Vergrößerungen als sehr feinwabig, einschichtig strukturirt erweist, 
was namentlich auch auf dem optischen Durchschnitt gut zu erkennen 
ist. Dagegen ist von einem Achsenfaden auch bei dieser Behand- 
lung nie etwas zu bemerken; im Gegentheil wird die axiale Partie 
der Nadeln häufig rascher gelöst als die periphere, wesshalb sich ein 
scheinbarer Achsenkanal bilden kann. Interessanterweise findet man 
zwischen den ganz oder theilweise zerstörten und in der Lauge unter- 
suchten Nadeln eine große Menge dünner, schön sechseckiger Krystall- 
täfelchen, die in ihrem Aussehen, der vielfach sehr schön ausge- 
prägten Schichtung, sowie auch dem gelegentlich sehr deutlichen 
alveolären Bau vollständig den sechseckigen Täfelchen gleichen, die 
ich 1898, p. 124 beschrieben und auf Taf. VII, Figg. 2, 3 und 6 
photographisch abgebildet habe!. Bei Betrachtung in der Fläche 
zeigten sie, wie die 1398 beschriebenen Täfelchen, meist keine Doppel- 
brechung, dagegen erwiesen sie sich in der Kantenansicht stark 
doppelbrechend. Häufig waren die Täfelchen auch den angegriffenen 
Nadeln oder deren Scheiden in ganzen Büscheln aufgewachsen. 
Wurde etwas gröblich pulverisirter Kalkspat (Auerbach an der 
Bergstraße) in entsprechender Weise mit 35°/,iger Kalilauge einige 
Tage in der Kälte behandelt, so zeigte sich ganz die gleiche Er- 
scheinung. Schon der Umstand, dass die Kalkspatpartikel, ähnlich 
den Kalknadeln, in der Lauge allmählich zu einer Kruste zusammen- 
backen, ließ dies vermuthen. Zwischen und auf den Kalkspath- 
stückehen fand sich eine große Menge der sechseckigen Täfelchen, 


! Die Täifelchen wurden 1898 für CaCO, gehalten, was sie nicht sind, wie 
das Folgende ergiebt. 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 277 


auch ganze Aggregationen solcher und büschelige Auswachsungen 
auf den Kalkspatfragmenten, die übrigens auch stellenweise sichere, 
wenn auch schwache Spuren von Ätzung zeigten. Sowohl bei den 
Nadeln, als bei den Kalkspatfragmenten ergab sich die seltsame 
Erscheinung, dass die Täfelehen nach dem Auswaschen der Lauge 
mit Wasser verschwanden, sich dagegen nun eine Menge kleiner 
Caleosphäriten oder auch deutlicher kleiner Rhomboäöder vorfand, 
die theils frei, theils den Nadeln aufgewachsen waren, zum Theil 
jedoch auch im Inneren der im Wasser erhaltenden Scheiden der 
Nadeln lagen. Dies ließ vermuthen, dass die Calcosphäriten und 
Rhomboäder unter dem Einfluss des Wassers aus den Täfelchen 
hervorgehen. Genauere Verfolgung der Wasserwirkung unter dem 
Mikroskop ergab denn auch wirklich, dass die Täfelchen durch 
Wasser ziemlich rasch, jedoch keineswegs plötzlich aufgezehrt wer- 
den, und dass an ihrer Stelle die Caleosphäriten auftreten. Eigen- 
thümlicherweise fand sich jedoch gelegentlich, dass die Täfelchen 
durch Wasser nicht völlig zerstört wurden, sondern einen skelett- 
artigen Rest zurücklieben, der die Form des ursprünglichen Täfel- 
chens noch deutlich zeigte. Jedenfalls folgt aus diesen Erfahrungen, 
dass die Vermuthung, es könnten die sechsseitigen etwa K,CO, sein, 
nicht begründet ist. Vielmehr handelt es sich aller Wahrscheinlich- 
keit nach um ein Doppelsalz von CaCO, und K,CO,, welches durch 
Wasser zersetzt wird, unter Abscheidung des CaCO, in Gestalt von 
Sphäriten oder Rkhomboddern. Ich habe die nicht uninteressante 
Bildung dieser Verbindung noch etwas genauer verfolgt und werde 
die Ergebnisse meiner Untersuchungen an geeignetem Ort mittheilen!. 

Oben wurde erwähnt, dass beim Auflösen der Nadeln in 35°/,igem 
Kali eine gut ausgebildete Scheide zurückbleibt. Bei Behandlung mit 
sehr verdünnter Salzsäure (3—4 Tropfen auf ca. 30 eem H,O) 
bleibt diese Scheide unverändert erhalten. Dabei wurde gleichzeitig 
eine sehr seltsame Erscheinung beobachtet. Hier und da war in der 
Scheide noch ein mehr oder minder ansehnlicher ungelöster Rest der 
Nadel erhalten, der nun von der sehr verdünnten Säure allmählich 
gelöst wurde. Diese Lösung erfolgte aber in einer Weise, die von 
der vorhin beschriebenen normaler Nadeln ganz abwich, indem ein 
häufig sehr schön und feingeschichteter gelbbräunlicher Rückstand 
verblieb, der die Form des aufgelösten Spieulastückes völlig bewahrte. 
Gleichzeitig bemerkte man jedoch deutlich, dass die feine Schichtung 


1 Frisch gefällter CaCO, wird durch Behandlung mit 35°/iger Kalilauge bei 
40° in wenig Tagen völlig in Kryställchen des:fraglichen Doppelsalzes übergeführt. 


278 0. Bütschli, 


dieses Rückstandes nichts mit der ursprünglichen Schichtung der Na- 
del zu thun hatte, denn an abgebrochenen Nadeln folgte die Schich- 
tung des Bruchendes der Bruchfläche, war also etwas ganz Anderes 
als die natürliche Schichtung. Wurden die Scheiden hierauf mit 
halbverdünnter Salzsäure (von 35°/,) behandelt, so verloren sie sehr 
stark an Substanz und fielen zu sehr substanzarmen lockeren unregel- 
mäßigen Hüllen zusammen, die auffallend an diejenigen erinnerten, 
welche sich direkt aus den Nadeln mit sehr verdünnter Säure ge- 
winnen lassen (s. oben). Halbverdünnte Salpetersäure veränderte diese 
Reste wenig; als darauf halbverdünntes Ammoniak zugesetzt wurde, 
verquollen sie dagegen bis zur Unkenntlichkeit. 

Aus diesen Ergebnissen kann ich nur schließen, dass die mit 
Kalilauge isolirten sog. Scheiden nicht wohl nur aus organischer Sub- 
stanz bestehen können, sondern, dass an ihrer Zusammensetzung auch 
anorganisches Material in irgend einer Form, möglicherweise sogar 
GaCo, Theil nimmt, obgleich das Nähere vorerst nicht recht klar ist. 

Doch möchte ich bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass 
Calcosphäriten, die aus reinen Lösungen von CaCl, und K,CO, dar- 
sestellt wurden, und daher auch nur aus CaCO, bestehen können, 
bei der Auflösung in sehr verdünnter Essigsäure eine äußere Hülle 
zurücklassen, jedoch auch von dem Inneren sich blasse, schwer be- 
merkbare Reste erhalten (s. hierüber 1898, p. 150). 

Auf Schnitten durch Zeucandra, die zuvor mit Alaunkarmin ge- 
färbt waren, sind die Kalknadeln stets mehr oder weniger aufgelöst. 
Gewöhnlich findet sich um den Querschnitt des Raumes, den die 
ehemalige Nadel einnahm, eine tief rothgefärbte, ziemlich dicke 
Scheide, und eben so bemerkt man häufig in der Höhlung eine bis 
mehrere ähnliche koncentrische Scheiden, so dass das Ganze den 
Eindruck macht, als seien beim Auflösen mehrere in einander ge- 
schachtelte Hüllen von organischer Substanz zurückgeblieben. Diese 
Erfahrung veranlasste mich, die Einwirkung einer 5°/,igen Kalialaun- 
lösung auf die isolirten Nadeln zu untersuchen. Dabei zeigte sich 
sofort, dass die Nadeln von dieser Lösung stark angegriffen werden, 
was schon durch die langsame Kohlensäureentwicklung erwiesen 
wird. Nach mehrtägiger Einwirkung finden sich massenhaft Gips- 
kryställchen zwischen den Nadeln vor, ja diese sind den Nadeln 
häufig so dieht aufgewachsen, dass letztere vor dem weiteren An- 
sriff geschützt werden. Die Nadeln sind mehr oder weniger bis 
völlig aufgelöst, wobei sich jedoch, ähnlich wie bei der Lösung in 
Kalilauge, eine äußere Scheide regelmäßig erhält, zu der sich zu- 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 279 


_ weilen noch mehrere ähnliche innere, koncentrische Scheiden gesellen, 
woraus sich die oben geschilderten Befunde der Schnitte erklären. 
Dass es sich nun in diesem Fall unmöglich um Reste organischer 
Substanz handeln kann, ist schwerlich zu bezweifeln; vielmehr muss 
jedenfalls eine Abscheidung anorganischer Substanz vorliegen, also 
entweder von Gips, oder eventuell auch von Thonerde oder einer 
Thonerdeverbindung, die bei der Einwirkung der Alaunlösung auf 
den CaCO, gebildet wird. 

Caleit wird ebenfalls von der D"/,igen Alaunlösung angegriffen unter 
Bildung von Gipskryställchen und Entwicklung von Kohlensäure. 

Es schien mir angezeigt, auch einige vergleichende Versuche mit 
Kalkspatfragmenten hinsichtlich der Wirkung des Glühens auszu- 
führen. Dass das Weißwerden der Kalkspieula bei mäßigem Glühen 
nicht von Zersetzung des CaCO, unter Entweichen von CO, herrührt, er- 
siebt sich ja schon aus der Thatsache, dass die weiß und alveolär 
sewordenen Nadeln beim Auflösen in Säure eben so reichlich CO, 
entwickeln als die nicht erhitzten. Dies folgt aber auch daraus, dass 
es sehr energischen und langen, 2—Sstündigen Glühens bedarf, um 
kleine Fragmente von Kalkspat völlig zu zersetzen und in CaO überzu- 
führen. — Mäßiges, kurzes Glühen bewirkt sehr wenig Veränderung an 
kleinen Kalkspatfragmenten. Gewöhnlich ist nur eine äußerst dünne 
Rindenschicht verändert, und zwar feinwabig geworden, häufig mit 
senkrecht gegen die Oberfläche gerichteter Faserung. Nicht selten 
tritt in dieser Schicht eine polygonale Felderung bei Flächenansicht 
hervor, was an sphärolithische Bildungen erinnert, um so mehr, als 
die Polygone etwas radial zerklüftet sind. Manchmal erscheinen die 
schwach geglühten Splitter auch sehr deutlich geschichtet. 

Fragmente, die 2—5! stark geglüht und daher völlig in CaO 
umgewandelt waren, sind sehr brüchig, leicht zu zertrümmern, und 
weiß, wie dies von gebranntem Kalk bekannt. Bei Einbettung in 
Xylolkanadabalsam ergiebt sich, dass die feinen Trümmer sehr ver- 
schieden durchdringlich sind für den Balsam. In die meisten dringt 
der Balsam nicht ein, dieselben zeigen daher auch nach der Ein- 
bettung die vorhandene feine und schöne Struktur sehr deutlich. Diese 
Struktur, von welcher die Photographie Taf. XIX, Fig. 3 (Vergr. 4300) 
ein gutes Bild giebt, ist wieder durch und durch feinwabig; jedoch 
nicht gleichmäßig. Das genauere Studium ergiebt vielmehr, dass eine 
breccienartige Beschaffenheit vorliegt. In eine etwas gröberwabige 
und daher auch ein wenig schwächer lichtbrechende Grundmasse sind 
zahlreiche unregelmäßig rundlich-eckige Gebilde von etwas feiner- 


280 0. Bütschli. 


wabigem Bau und etwas stärkerer Lichtbrechung eingelagert. Auf 
der, bei sehr starker Vergrößerung und scharfer Einstellung aufge- 
nommenen Photographie Fig. 5 tritt der Unterschied zwischen diesen - 
Gebilden und der Grundmasse sehr wenig hervor. Am deutlichsten 
ist er bei Untersuchung zwischen gekreuzten Nicols, indem die ein- 
gelagerten Gebilde ziemlich stark doppelbrechen, die Grundmasse 
dagegen nicht merkbar. Die doppelbrechenden Einschlüsse verhalten 
sich nieht wie Sphären, zeigen nie ein Kreuz, und erscheinen bei Ein- 
schaltung des Gipsplättchens (Roth 1. ©.) theils blau, theils gelb. Sie 
verhalten sich also wie einfache Kryställchen. Die ganze Bildung 
erinnert lebhaft an die Mikrostruktur, die ich 1895 (p. 384) bei po- 
rösen Thonzellen beobachtete. In einzelne Fragmente ist der Ka- 
nadabalsam bis zu einer gewissen Tiefe eingedrungen, und einige 
kleine Fragmente sind auch ganz von Balsam durchdrungen. In 
diesen ist die Struktur durchaus unsichtbar geworden, abgesehen von 
einzelnen, ein wenig gröberen Hohlräumehen, die nicht von Balsam 
erfüllt sind, also gaserfüllt blieben. Zwischen solchen Fragmenten 
und den von Balsam gar nicht durchdrungenen giebt es alle mög- 
lichen Übergangsstufen. 

Auch in den ganz durchdrungenen, anscheinend strukturlosen 
Fragmenten, sind die eingestreuten, etwas stärker brechenden Gebilde 
hier und da erkennbar. Die doppelbrechende Wirkung der letzteren 
ist in diesem Fall noch deutlicher als im gaserfüllten Zustand, hängt 
demnach mit der Gaserfüllung der Struktur nicht zusammen. Auch 
die ganz durchdrungenen Fragmente sind etwas stärker brechend als 
der umgebende Balsam, demnach bricht auch die Gerüstsubstanz 
etwas stärker als Balsam. 


Kurze Übersicht der wichtigsten Ergebnisse. 


1) Das Verhalten der Kiesel- und Kalknadeln der Spongien bei 
schwachem Glühen, wobei eine feine, nicht imbibirbare Hohlräumchen- 
(Waben-) Struktur auftritt, macht es sehr wahrscheinlich, dass eine 
solche Struktur auch schon im normalen Zustand existirt, jedoch zu 
fein, um gesehen werden zu können. Für diese Auffassung spricht 
auch die wohl ausgeprägte Schichtung der Kiesel- oder Kalksubstanz. 

2) Der Achsenfaden der Kieselnadeln zeigt die Reaktionen der 
Eiweißsubstanzen. Im normalen Zustande ist er spröde und splitternd, 
nach Isolation durch verdünnte Flusssäure dagegen weich und schlapp. 
Auch die eigentliche Kieselsubstanz enthält etwas organische Substanz, 
wie sich namentlich beim Auflösen der geglühten Nadeln in schwacher 


wer - 


Einige Beobachtungen iiber Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 281 


Flusssäure zeigt. Farbstoffe und sonstige Reagentien können nur 
auf den Faden wirken, wenn entweder das eine Ende der Nadel 
noch offen, oder der Faden durch Bruch zugängig gemacht ist. 

3) Die Kieselnadeln der Tethya sind äußerlich von gürtelförmigen 
Zellbändern (Silikoblasten) völlig umhüllt. 

4) An Nadeln von Tethya mit stark gefärbtem und etwas ge- 
schrumpftem Achsenfaden bemerkt man nicht selten zellenähnliche, 
häufig reich verästelte Körper in regelmäßigen Abständen zwischen 
dem Faden und der Wand des Achsenkanals. 

5) In den Kalknadeln von Zeucandra findet sich sicher kein 
Achsenfaden, wie denn überhaupt organische Substanz darin nur 
äußerst spärlich vorkommen kann. Die sehr deutliche Scheide, 
welche beim Auflösen der Nadeln in starker Kalilauge zurückbleibt, 
besteht aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur aus organischer 
Substanz. 

6) Konzentrirte Kalilauge greift in der Kälte nicht nur die Kalk- 
nadeln an, sondern eben so auch Kalkspat unter Bildung sechsseitiger 
Krystalltäfelchen, die, so weit bis jetzt erkennbar, wohl ein Doppel- 
salz von CaCO, und K,CO, sind, das durch Wasser sofort zersetzt 
wird, unter Abscheidung von CaCO, in Form von Sphären oder 
Rhomboädern. 


Heidelberg, im Juli 1900. 


Litteratur, 


1871. H. BEHRENS, Mikroskopische Untersuchungen über die Opale. Sitzungsber. 
der kaiserl. Akad. Wien. Math.-phys. Klasse. Abth. I. Bd. LXIV. 
p. 519—566. 

1858. J. S. BOWERBANK, On the anatomy and physiology of the Spongiadae. 
Philosophie. Transact. of roy. Soc. Vol. COXLVIII 4 Taf. p. 279—332. 

1893. 0. Bürscuı, Über den feineren Bau der Stärkekörner. Verh. d. naturhist.- 
med. Vereins Heidelberg. N. F. Bd. V. p. 89—102. 

1894. O0. BürscHuuı, Vorläufiger Bericht über fortgesetzte Untersuchungen an 
Gerinnungsschäumen. Ibid. p. 230—292. 3 Tat. 

1898. ©. BürschHuı, Untersuchungen über Strukturen. Leipzig. 27 Taf. 

1900. ©. BürscHhuı, Untersuchungen über die Mikrostrukturen des aus dem 
Schmelzfluss erstarrten Schwefels ete. Leipzig. 4 Taf. 

1900. ©. BürscHLı, Untersuchungen über die Mikrostruktur künstlicher und 
natürlicher Kieselsäuregallerten (Tabaschir, Hydrophan, Opal). Verh. 
des naturhist.-med. Vereins Heidelberg. N. F. Bd. VI. p. 287—347. 
Tat. V—VN. 


989 | 0. Bütschli, 


1887. V. v. Euer, Über den feineren Bau der Skeletttheile der Kalkschwämme, 
nebst Bemerkungen über Kalkskelette überhaupt. Sitzungsber. d. kais. 
Akad. Wien. Math.-phys. Kl. Abth. I. Bd. XCV. p. 55—148. 4 Taf. 

1872. E. HAECKEL, Die Kalkschwämme. Zwei Bde. Mit Atlas. Berlin. 

1864. A. KÖLLIKER, Icones histiologieae. 1. Abth. Der feinere Bau der Proto- 
zoen. 9 Taf. Leipzig. 

1859. H. Rose, Über die verschiedenen Zustände der Kieselsäure. Ann. Physik 
u. Chemie. Bd. CLXXXIV. p. 1—39. 

1846. F. v. SCHAFFGOTSCH, Über das specifische Gewicht der Kieselerde. Ibid. 
Bd. CXLIV. p. 147—158. 

1860. M. SCHULTZE, Die Hyalonemen. Ein Beitrag zur Naturgeschichte der 
Spongien. 5 Taf. Bonn. 

1863. M. SCHULTZE, Die Struktur der Diatomeenschalen, verglichen mit gewis- 
sen aus Fluorkiesel künstlich darstellbaren Kieselhäuten. Verh. des 
naturhist. Vereins der Preuß. Rheinl. u. Westf. Bd. XX. p. 1—42. Taf. I. 

1887. F. E. SCHULZE, Report on the Hexactinellidae The voyage of H. M. S. 
Challenger. Zoology. Vol. XXI. 

1879. W. J. SoLLas, On Plocamia plena, a new Species of Echinonematous 
Sponge. Ann. a. magaz. nat. history (ö). Vol. IV. p.44 -53. Pl. VI-Vl. 

1885. W. J. SOLLAS, On the physical characters of calcareous and siliceous 
Sponge spieules and other structures. Scientif. proceed. roy. Dublin 
Soc. (N. S.) Vol. IV. p. 374-392. Pl. XV. 

1888. W. J. SOLLAS, Report on the Tetractinellida. Challenger Reports. Zool. 
Vol. XXV. 

1854. J. THOULET, Sur les spieules silicaux des &ponges vivants. Compt. rend. 
Aec. sc. Paris. Tome XCVIU. p. 1000—1001. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XIX. 


Fig. 1. Leucandra aspera. Große Stabnadel. Schwach erhitzt bis 
zum Weißwerden. Darauf zertrümmert und die Fragmente in Kanadabalsam auf- 
gestellt. Bruchtheil einer solchen Nadel im optischen Längsschnitt. Sehr schöner 
gleichmäßiger feinwabiger Bau. Die Schichtung tritt deutlich hervor. Obj. 2, 
 Oe. 8. Einstellung tief auf den mittleren Durchschnitt. Vergr. 4300. 

Fig. 2. Leucandra aspera. Große Stabnadel, aus demselben Präparat 
wie Fig. 1. Dünnes Bruchstück, das einen recht guten Querschnitt einer Nadel 
darstellt. Obj. 2, Oc. 6. Vergr. 2680. Schichtung gut ausgeprägt, zeigt deut- 
lich die Abwechslung dunklerer und hellerer Schichten (doch handelt es sich 
nicht um die letzten feinsten Schichten, sondern um dickere Zonen, s. Text 
p. 273). Schöner feiner und gleichmäßiger Wabenbau, der bis zum Centrum 
seht, ohne dass etwas von einem Achsenkanal oder Achsenfaden zu bemerken 
ist. Einstellung tief auf die obere Grenzfläche des Schnittes. 

Fig. 3. Kalkspat von Auerbach (Bergstraße). 2h stark geglüht und 
sicher durchaus in CaO umgewandelt. Dünnes blattförmiges Fragment in Kanada- 
balsam eingebettet und durchaus gaserfüllt. Wabenbau sehr schön. Obj. 2, Oe. 8. 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 283 


Vergr. 4300. Einstellung gerade tief auf die untere Grenzfläche. Blende mäßig 
verengt. 

Fig. 4. Leucandra aspera. Dasselbe Präparat wie Figg. 1—2. Kleines 
sehr dünnes Bruchstück einer großen Stabnadel. Dasselbe stellt einen kleinen 
Theil eines radiären Längsschnittes durch die Nadel dar, wie sich aus der längs- 
ziehenden Schichtung ergiebt. Die Abwechslung dunklerer, etwas feiner wabiger 
und hellerer etwas gröber wabiger Schichten ist deutlich. Der Wabenbau über- 
haupt sehr gut ausgeprägt. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 4300. Einstellung gerade 
tief auf die untere Grenzfläche. 

Fig. 5. Tethya lyneurium. Einige mit schwacher Flusssäure isolirte 
Centralfäden, die nach dem Auswaschen mit Wasser unter dem Deckglas mit 
Mıtvon’s Reagens in der Wärme behandelt wurden. Die stark aufgequollenen 
und platt ausgebreiteten Fäden sind da, wo sie sich berührten und überdeckten. 
zum Theil netzig zusammengeflossen, sowie durch und durch sehr schön tein- 
schaumig strukturirt; dabei schön roth gefärbt. Obj. 2, Pr. Ve. 4. Vergr. 1300. 
Einstellung gerade tief. 

Fig. 6. Geodia placenta. Mit schwacher Fluorwasserstoffsäure isolirter 
Achsenfaden. Ausgewaschen, aufgetrocknet und darauf unter dem Deckglas mit 
MiıLLon’s Reagens in der Wärme behandelt; schön roth. Der Faden gequollen, 
einreihig schaumig und die auf einander folgenden Alveolen sehr verschieden 
angeschwollen. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 1730. Einstellung tief. 

Fig. 7. Geodia placenta. Stumpfspitzige Stabnadel, (die mit 10%/,iger 
Salzsäure durch Kochen isolirt. Mit Methylenblau behandelt und in Kanada- 
balsam eingeschlossen. Die Nadel erscheint ganz blass blau. Optischer Längs- 
schnitt des stumpfen Endes. Deutliche Schichtung, in der inneren Partie mit 
Andeutung von wabigem Bau. Auch der Achsenfaden (a) ist deutlich wabig struk- 
turirt und die Waben seines Endes sogar mit Gas erfüllt. Es ist dies die ein- 
zige Nadel, die mir begegnete, an der sich direkt etwas von wabigem Bau er- 
kennen ließ. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 3200. Einstellung tief auf den optischen 
Horizontalschnitt. 

Fig. 8 Geodia placenta. Nadeln schwach geglüht, bis weiß geworden, 
darauf in Kanadabalsam in feine Fragmente zertrümmert. Ganz dünnes Frag- 
ment einer abgeblätterten Schicht, Wabenstruktur sehr schön mit einigen ganz 
deutlichen Sphärenbildungen (a). Obj. 2, Oe. 8. Vergr. 3200. Einstellung ge- 
rade tief. 

Fig. 9. Geodia placenta. Ganz kleines dünnes Fragment einer schwach 
geglühten Nadel in Kanadabalsam. Wabenbau schön mit Andeutung der Schich- 
tung. Obj. 2, Oe. 8. Vergr. 4300. Blende mäßig. Einstellung gerade tief. 

Fig. 10. Geodia placenta. Ganz dünnes Fragment einer schwach ge- 
glühten Nadel. Einschichtiger Wabenbau. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 4300. Einstel- 
lung gerade tief. Kanadabalsam. Blende ziemlich weit. 


Tafel XX. 


Fig. 1. Geodia placenta. Ein Klumpen von Achsenfäden, die mit Fluor- 
wasserstoffsäure isolirt, darauf ausgewaschen, aufgetrocknet und mit MILLON’s 
Reagens unter dem Deckglas gefärbt. Die Fäden sind dabei stark aufgequollen 
und verklebt bis verschmolzen. Fast alle sehr schön perlschnurförmig umge- 
bildet, wie Fig. 6, Taf. XIX. Obj. 8, Pr. Oe. 4. Vergr. 450. Einstellung tief. 

Fig. 2. Geodia placenta. Nadel schwach geglüht, in Kanadabalsam zer- 
trümmert. Fragment eines guten Querschnittes. Durchaus blasig-wabig mit deut- 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 19 


284 0. Bütschli. 


licher Erhaltung der Schichtung. a der Achsenkanal. In dem feineren Waben- 
werk hier und da auch größere, mehr blasige Hohlräume. Obj. 2,0c.8. Vergr. 3200. 

Fig. 3. Tethya lyneurium. Nadelquerschnitt. Mit MıLLon’s Reagens 
behandelt und darin untersucht und photographirt. Schichtung mit Abwechslung 
heller und dunkler Schichten deutlich, eben so der dreieckige Achsenkanal. Ob 
der Achsenfaden noch vorhanden, ist fraglich. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 1730. Ein- 
stellung etwas verschieden, da wahrscheinlich die obere Grenzfläche. auf die ein- 
gestellt wurde, etwas schief verlief; es geht dies schon daraus hervor, dass die 
dunklen und hellen Schichten der einen Seite in die hellen und dunklen der 
anderen übergehen. 

Fig. 4. Tethya lyncurium. Nadelquerschnitt, mit MıLLon’s Reagens 
behandelt. Der Achsenfaden schön roth gefärbt. In Wasser. Der Achsenfaden 
und -Kanal deutlich dreieckig mit abgestumpften Ecken. Obj. 2, Oc. 8. Vergr. 
1730. Einstellung hoch. Da der Axialfaden stärker lichtbrechend ist als die 
Kieselsubstanz, so erscheint er heller als diese. 

Figg.5u.6. Geodia placenta. Stumpfspitzige Nadel, deren Achsenfaden 
etwas mit Methylenblau gefärbt ist. Fig. 5, stumpfes Ende. Schichtung gut. 
Fig. 6, das spitze Ende einer eben solchen Nadel. Obj. 2, Pr. Oc. 4. Vergr. 800. 
Einstellung auf den axialen optischen Horizontalschnitt. 

Figg. u. 8 Tethya Iyneurium. Dünne Stabnadel, die schwach er- 
hitzt bis sie braun geworden. Der Achsenfaden tief schwarz verkohlt. Dies tritt 
besonders deutlich auf Fig. 8 hervor, da hier die Stelle photographirt ist, wo der 
Achsenfaden endigte, und der leere Centralkanal begann. Die an den Central- 
faden grenzenden Schichten der Kieselsubstanz deutlich wabig. Obj. 2, Oe. 8. 
Vergr. 1730. Einstellung tief auf optischen Horizontalschnitt durch den Faden. 


Tafel XXT., 


Fig. 1. Große Stabnadel von Geodia placenta mit schwacher Fluor- 
wasserstoffsäure behandelt. Das eine Ende der Nadel ist zerstört und tief trichter- 
förmig ausgehöhlt. Der Achsenfaden des zerstörten Theiles der Nadel freigelegt. 

Fig. 2. Große Stabnadel von Tethya lynceurium mit schwacher Fluss- 
säure behandelt. Die Auflösung der Kieselsubstanz hat in der mittleren Partie 
der Nadel begonnen und unter Bildung einiger eingefressenen Löcher schließlich 
zur Lösung der mittleren und inneren Partie der Nadel geführt. Dabei wurde die 
betreffende Strecke des Achsenfadens freigelegt. 

Fig. 3. Tethya lyncurium. Stück einer großen Stabnadel, das 4 auf 
dem Wasserbad mit 35%/yiger Kalilauge erhitzt wurde. Die Kieselsubstanz des 
einen Endes des Stückes stark ausgefressen und zackig, indem die abwechseln- 
den Schichten von der Lauge in sehr verschiedenem Grade angegriffen worden 
sind. Der Achsenfaden ist noch ziemlich gut erhalten. 

Fig. 4& Tethya Iyncurium. Bruchstück einer Stabnadel, die durch Zer- 
zupfen der Marksubstanz des Schwammes in Wasser isolirt wurde. Aus dem 
Bruchende der Nadel ragt der Achsenfaden ein Stück weit frei hervor und zeigt 
seine dreikantige Beschaffenheit. 

Fig. 5. Tethya lynceurium. Bruchstück einer Stabnadel, die 4% auf dem 
Wasserbad mit 35°%/yiger Kalilauge erhitzt wurde. Die inneren und äußeren 
Schichten sind durch die Kalilauge aufgelöst worden, so dass der ziemlich gut er- 
haltene, mit Methylenblau gefärbte Achsenfaden in einer weiten Höhle liegt. Die 
erhaltenen äußeren Schichten mit mehreren eingefressenen Löchern. 

Fig. 6. Tethya Iyncurium. Theil eines durch Fluorwasserstoffsäure iso- 


Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. 285 


lirten Achsenfadens einer großen Stabnadel. Mit 5%/yiger Lösung von Na3C0; er- 
hitzt und dabei etwas aufgequollen und aufgeknäuelt. Die so sichtbar werdenden 
optischen Querschnitte der Umbiegungsstellen zeigen die dreiseitige Form des 
Fadens deutlich. 

Fig. 7. Geodia placenta. Durch schwache Fluorwasserstoffsäure isolir- 
ter Achsenfaden einer Ankernadel. Der eine der Ankeräste des Achsenfadens 
gegen das Ende gegabelt. 

Fig. 8 Geodia placenta. Theil eines Achsenfadens einer schwach ge- 
glühten Nadel, durch Fluorwasserstoffsäure isolirt. Der Achsenfaden ist schwärz- 
lich verkohlt und zeigt deutlich eine einreihig alveoläre Struktur. 

Fig. 9. Tethya Iyneurium. Bruchstücke einer Stabnadel, die zerrieben 
und ca. 2b mit 890/giger Schwefelsäure gekocht war. Auf Objektträger aufge- 
trocknet. Zeigt deutlich, dass der Achsenfaden erhalten. Die Achsenfäden fast 
durchweg schön quergebändert. 

Fig. 10—12. Tethya Iyncurium. Große Stabnadeln aus den Bündeln 
der radiärfaserigen Marksubstanz. Die in Alkohol konservirten Schwammstück- 
chen wurden in einer mit Essigsäue angesäuerten wässrigen Dahlialösung gefärbt. 
in besonderer Weise fixirt und darauf in Kanadabalsam zerzupft. Der Achsen- 
faden zerbrochener oder geöffneter Nadeln meist sehr intensiv gefärbt. Die 
Figuren zeigen Theile großer dünner Stabnadeln, in denen der Achsenfaden 
etwas geschrumpft ist, so dass er den Kanal nicht mehr ganz erfüllt. Zwischen 
dem Achsenfaden und der Wand des Kanals finden sich in regelmäßigen Ab- 
ständen stark gefärbte zellenartige Körper, die bald unregelmäßig plattenartig 
erscheinen (Fig. 10), bald mit reich verästelten Ausläufern versehen sind, die 
deh Achsenfaden umgürten (Figg. 11—12). In Fig. 12 war der Achsenfaden an 
einer Stelle gerissen, so dass ein reich verästelter Körper ganz frei lag. 

Fig. 15. Tethya Iyneurium. Bruchstück einer Nadel, die mit koncen- 
_trirter Schwefelsäure und etwas Chromsäure auf dem Objektträger erhitzt wurde. 
Achsenfaden vielleicht theilweise zerstört. Derselbe verengt sich an einer Stelle 
sanz plötzlich und zeigt dabei die dreikantige Beschaffenheit sehr deutlich. 

Fig. 14. Tethya lyncurium. Fein zerriebene Nadeln mit MıLLon’s Rea- 
gens erhitzt. Die Achsenfäden häufig roth gefärbt. Kleines Bruchstück einer 
Nadel, die längs durchgebrochen, so dass Bruchstücke des Achsenfadens frei liegen. 

Fig. 15. Tethya Iyncurium. Querschnitt des Achsenfadens einer großen 
Stabnadel mit Andeutung von alveolärer Struktur. 

Figg. 16—17. Geodia placenta. Fig. 16 Querschnitt eines Achsen- 
fadens mit Andeutung von Struktur. Fig. 17 Querschnitt einer kleineren oder 
jüngeren Nadel mit dreiseitigem Achsenfaden und noch entsprechend dreiseiti- 
sem Umriss der Nadel. 

Fig. 15. Geodia placenta. Endtheil eines mit schwacher Fluorwasser- 
stoffsäure isolirten, ziemlich dieken Achsenfadens (wahrscheinlich aus dem spitze- 
ren Ende einer großen Stabnadel). Der Faden deutlich dreikantig und mit zahl- 
reichen Anschwellungen versehen. 

Fig. 19. Geodia placenta. Querschnitt einer Nadel mit schön drei- 
seitigem Achsenfaden, dessen drei Kanten regelmäßig abgestumpft (vgl. Fig. 4. 
Taf. XX). Schichtung der Kieselsubstanz angedeutet. 

Fig. 20. Leucandra aspera. Sehr dünnes Bruchstück einer bis zum 
Weißwerden erhitzten großen Stabnadel. Feinwabiger Bau, sowie die Abwechs- 
lung hellerer und dunklerer Schichten deutlich. Ganz ähnlich dem auf Fig. 4. 
Taf. XIX photographirten Fragment. 

ige 


286 0. Bütschli, Einige Beobacht. über Kiesel- u. Kalknadeln von Spongien. 


Fig. 21. Geodia placenta. Spitzes Ende einer stumpfspitzigen Stab- 
nadel. Der Achsenfaden mit Anschwellungen, die sich auch an der Kieselsub- 
stanz schwach ausgeprägt zeigen. 

Fig. 22. Tethya lyncurium. Spitzes Ende einer stumpfspitzigen Nadel, 
deren Achsenfaden stark mit Dahlia gefärbt ist. Das spitze Nadelende ist ge- 
öffnet, so dass der Achsenfaden hier frei liegt. 

Figg. 23—24. Tethya lyneurium. Theile zweier mit schwacher Fluor- 
wasserstoffsäure isolirten Achsenfäden. Beide an einer etwas eingeschnürten 
Stelle mit einer kragen- oder manschettenartigen Bildung. 

Fig. 25. Geodia placenta. Theil eines mit schwacher Fluorwasser- 
stoffsäure isolirten Achsenfadens, an einer Stelle mit zwei Ausläufern. 

Figg. 26—27. Tethya Iyneurium. Lange und feine, jugendliche Stab- 
nadeln aus der Markmasse. Der Achsenfaden, stark mit Dahlia gefärbt, läuft an 
dem dünneren Ende der Nadel frei aus, indem die Kieselhülle immer dünner 
wird und schließlich ganz aufhört. Der Faden von Fig. 26 war an diesem freien 
Ende gegabelt. 

Fig. 283. Geodia placenta. Etwas abnorme, stumpfspitzige große Stab- 
nadel. Der Achsenfaden gabelt sich etwas vor dem spitzen Ende, so dass 
dieses selbst zweispitzig ausläuft. Außerdem besitzt der Achsenfaden etwas vor 
der Gabelungsstelle einen unregelmäßigen Auswuchs, der einen entsprechenden 
Auswuchs der Kieselnadel bedingt. 

Fig. 29. Tethya lynceurium. Stark geglühte Stabnadel. Die äußeren 
Schichten der Nadeln weit aufgebläht und von dem Inneren abgehoben. Der 
Achsenfaden verkohlt (schwarz). Die abgehobene äußere Schicht ist von größe- 
ren und kleineren bis feinsten Gasalveolen durchsetzt. 


ES WERE 
... 
5 NE 
I 
V 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden, nebst 
sonstigen histologischen Beobachtungen über diese 
Gruppe. 


Von 
N. Kassianow, Stud. rer. nat. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Heidelberg.) 


Mit Tafel XXII—XXV und 11 Figuren im Text. 


Einleitung. 

Während meiner Anwesenheit auf der biologischen Station zu 
Helgoland im Herbst 1898 sammelte ich die dort in großer Menge vor- 
kommende Craterolophus tethys J. Clark. Es war zuerst meine 
Absicht, nach dem Vorschlag der Herren Prof. Dr. Cuun und Prof. 


Dr. O. zur STRASSEN die Regenerationserscheinungen dieser Scypho- 


meduse, welche, wie es schon MEyEr (1865) angegeben hat, sehr 
leicht regenerirt, zu studiren. 

Zu diesem Zwecke habe ich auch Experimente an Craterolophus 
tethys angestellt, die immer positive Resultate ergaben, so dass ich 
die Angaben MEYERr’s über die außerordentlich große Reproduktions- 
kraft der Lucernariden vollkommen bestätigen kann. 

Die großen Schwierigkeiten der Untersuchung aber, welche durch 
die außerordentliche Kleinheit der histologischen Elemente bedingt 
werden, und außerdem die Einfachheit des Vorganges, entsprechend 
der Einfachheit der gesammten Organisation, haben mir nicht erlaubt, 
einigermaßen wichtige Resultate über die histologischen Details der 
Regeneration zu gewinnen. Dagegen gelang es mir bei den histolo- 
gischen Studien, welche ich an Craterolophus tethys vornahm, bevor ich 
an das Studium der Regenerationserscheinungen herantrat, Einiges zu 
beobachten, vor Allem über das Nervensystem, was ich in der vor- 
liegenden Arbeit mittheilen will, nachdem es durch Untersuchung 


anderer Vertreter der Lucernariden vervollständigt wurde. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 20 


288 N. Kassianow, 


Die Resultate meiner Untersuchungen über die Regenerations- 
vorgänge selbst werde ich vielleicht bei späterer Gelegenheit be- 
schreiben. 


f 


A. Das Nervensystem der Lucernariden. 


Das Nervensystem, welches auch bei den meisten Tesseronien 
unter den Scyphomedusen noch wenig erforscht ist, wurde bei den 
Lucernariden bis jetzt noch nicht nachgewiesen. Die Kenntnis des 
Nervensystems gerade dieser Medusen ist aber von großem Interesse, 
weil die Lucernariden selbst eine sehr interessante Stellung im System 
der Acraspedota einnehmen. 


Litteratur. 


Von den Forschern, welche sich besonders eingehend mit dem 
Studium der Lucernariden beschäftigten, glaubt A. KoroTnEw (1876) 
nervöse Zellen in den Tentakeln gefunden zu haben; aber das, was er 
für Nervenzellen hält, sind einestheils entschieden gar keine, anderen- 
theils ist ihre nervöse Natur sehr fraglich. 

O. TAscHENBERG (1877), welcher den Lucernariden eine große 
Arbeit gewidmet hat, hat von dem Nervensystem derselben nichts 
nachweisen können und ist sogar geneigt anzunehmen, dass die 
Muskeln der Lucernariden ohne Vermittelung eines Nervensystems 
auf äußere Reize reagiren. 

J. Crark (1881) fand bei Halielystus auricula J. Clark, 
welchen er auberordentlich eingehend untersuchte, keine Spuren des 
Nervensystems. Aus dem Vorhandensein eines Gebildes aber, das 
er für ein Auge hält, schließt er, dass ein Nervensystem vorhanden 
sein müsse und das sogar in centralisirter Form. Er meint, dass 
die Nervenfasern zwischen den Muskeln liegen und denselben so 
ähnlich sein könnten, dass es schwer fällt, sie von Muskelfasern zu 
unterscheiden. O. Krına (1879) bemerkt in seiner histologischen 
Arbeit über Craterolophus tethys J. Clark nichts über das 
Nervensystem. 

Von den späteren Forschern widmete ScHLATER (1891) dem 
Nervensystem von Halielystus auricula J. Clark eine besondere 
Arbeit. Er glaubt es in den Randpapillen gefunden zu haben; dass 
seine Angaben jedoch nicht zutreffend sind, werde ich im Verlaufe 
meiner Arbeit zeigen. 

Es ist durchaus nicht erstaunlich, dass das Nervensystem der 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 289 


Lucernariden so vielen Forschern, die sich mit diesen Medusen ein- 
sehend beschäftigten, entging; denn auf Schnitten, selbst den dünnsten, 
ist es außerordentlich schwer, das Nervensystem zu entdeeken. Auch 
meine Untersuchungen blieben desshalb lange ganz erfolglos. Erst 
auf einem Macerationspräparat von der exumbrellaren Gallerte von 
Craterolophus tethys gelang es mir einen Nervenplexus zu 
finden. 

Als ich dann meine Untersuchungen während eines Aufenthaltes 
auf der biologischen Station der Insel Tatihou (St.-Vaast, Bretagne) 
auf zwei von den anderen Lucernaridengattungen, nämlich Lucer- 
naria campanulata Lmx. und Halielystus octoradiatus J. Olark 
ausdehnte, bekam ich von dem Nervensystem noch mehr zu sehen. 

Die Vertheilung des Nervengewebes ließ sich auf Schnitten von 
Halielystus octoradiatus und Lucernaria campanulata, wel- 
che sich als etwas günstiger — besonders die erstere — erwiesen, 
feststellen. Die histologischen Elemente des Nervensystems gelang 
es an macerirten Lucernaria campanulata, zum Theil aber auch an 
Craterolophus tethys genauer zu studiren. 


Methoden. 


Die Methoden, die ich bei der Untersuchung angewendet habe, 
bestanden aus Anfertigung von Schnittserien verschiedenartig kon- 
servirter Thiere und in Macerationspräparaten, welche nach der von 
OÖ. und R. Herrwıe (1879) angegebenen Methode (Maceriren in dem 
Gemisch von 1 Theil 0,05°/,iger Osmiumsäure und 1 Theil 0,2°/,iger 
Essigsäure) hergestellt waren. 

Zur Fixirung der Lucernariden für Schnitte diente Chrom- 
essigsäure, Pikrinschwefelsäure, Sublimat und 7O®/,iger Alkohol (zu 
gleichen Theilen) und Sublimat allein, wobei alle diese Flüssigkeiten 
sich als günstig erwiesen haben, Pikrinschwefelsäure (allein oder mit 
Zusatz von Osmiumsäure) noch besser als die übrigen. Dagegen 
ergab Platinchlorid, das An’rırı (1891) in seiner Arbeit empfiehlt, 
sehr unbefriedigende Resultate. 

Zur Färbung benutzte ich meist DELAFIELD’s Hämatoxylin in 
Kombination mit Eosin. Diese Färbung gab für das Studium der 
Muskulatur und besonders des Nervensystems, welche beide durch 
Eosin von den übrigen Theilen different gefärbt werden, sehr günstige 
Bilder. 

Außer diesen Methoden versuchte ich noch die Färbung der 
Thiere mit Methylenblau im. vitalen Zustande anzuwenden. Zur 

20* 


290 N. Kassianow, 


Fixirung der Farbe, se wie der Thiere 'selbst, verwendete ich kon- 
centrirte Sublimatlösung, in welcher 10°/, molybdänsaures Ammoniak 
gelöst waren, da beim alleinigen Fixiren mit molybdänsaurem Am- 
moniak, nach dem üblichen Verfahren, die Epithelien vollständig 
macerirt wurden. Diese Versuche ergaben jedoch keine günstigen 
Resultate, da alle histologischen Elemente von Methylenblau gleich- 
mäßig gefärbt wurden. Aber vielleicht kann man doch zu Resultaten 
kommen, wenn man noch mehr Zeit und Geduld verwendet als ich, 
und vor Allem, wenn man dabei mehr auf die subumbrellare Seite 
der Armspitzen achtet, wo das Nervensystem koncentrirt ist, wie ich 
zeigen werde. 

Auf die Beschreibung des allgemeinen Körperbaues verzichte 
ich. Über diesen kann man sich eingehender unterrichten aus 
den zum Theil schon erwähnten Arbeiten von Korornew (1876), 
TASCHENBERG (1877), Krıng (1879), CLARk (1881), Anrtıpa (1891) und 
HaAEcKEL (1879). 

Nach diesen einleitenden Worten wende ich mich nunmehr zur 
Beschreibung des Nervensystems. 

Dasselbe besteht der Hauptsache nach aus einem ektodermalen 
Nervenplexus, welcher sich über die ganze exumbrellare Wand aus- 
breitet und aus dem Nervenepithel des subumbrellaren Ektoderms, 
welches sich an gewissen Stellen vorfindet. Fernerhin enthalten auch 
die Nesselbatterien, Tentakel, Randpapillen, Muskeln und das Ento- 
derm des Gastralraumes Nervenelemente. Diese einzelnen Fund- 
orte der Nerven im Lucernaridenkörper sollen der Reihe nach be- 
schrieben werden. 


1. Exumbrella. 


Den exumbrellaren Nervenplexus studirte ich an Lucernaria 
campanulata und Craterolophus tethys, besonders an der 
ersteren. 


Der exumbrellare Nervenplexus von Lucernaria campanulata. 


Der exumbrellare Nervenplexus wird von bipolaren Ganglienzellen 
und von Fortsätzen der Sinneszellen gebildet. Die ganze linke Hälfte 
der Taf. XXII (Fig. 1) stellt denselben so dar, wie er auf meinen 
Präparaten in Flächenansicht erscheint. Solche Präparate wurden 
in der Weise angefertigt, dass einzelne Epithelstücke, welche in 
Folge der Maceration von der exumbrellaren Wand abgefallen waren, 
unter dem Deckgläschen zerklopft wurden. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 291 


Die Ganglienzellen (Fig. 1 g2,, 92), 92,; Fig. 5 gz, Taf. XXII) 
haben einen spindelförmigen Protoplasmaleib mit Kern. An beiden 
Polen gehen sie in zwei sehr lange, feine Fasern über. Ganglien- 
zellen mit mehr als zwei Fasern habe ich bei Lucernaria campanulata 
nicht beobachtet; somit sind alle Ganglienzellen derselben bipolar, 
im Gegensatz zu Craterolophus tethys, welche, wie wir sehen werden, 
auch tripolare besitzt. Bei einigen Ganglienzellen ist der Proto- 
plasmaleib viel höher und der cylinderförmigen Gestalt gewöhnlicher 
Epithelzellen ähnlicher (Fig. 1 92, Taf. XXI). Solche Zellen müssen 
auch epithelial liegen und stellen wahrscheinlich Übergangsformen 
zwischen gewöhnlichen Epithelzellen, welche auch fadenförmige und 
zuweilen sehr lange Fortsätze besitzen (Taf. XXII, Fig. 1 2, f, 9, 2) 
‘ und typischen Ganglienzellen vor. 

Die fadenförmigen Fortsätze der Ganglienzellen erreichen eine 
sehr große Länge, sind sehr fein und besitzen stets sehr viele, ziem- 
lich starke Anschwellungen (Varicositäten). Die Fortsätze sind ge- 
wöhnlich unverzweigt, nur einmal wurde eine Ganglienzelle mit ver- 
zweigten Fortsätzen beobachtet., Ein Fortsatz gabelte sich in zwei, 
von denen einer nach kurzem Verlauf sich wiederum gabelte. 

Besonders charakteristisch für die Ganglienzellen ist der Um- 
stand, dass sie in überwiegender Zahl der Fälle (vielleicht 80°/,) 
nicht einen, sondern zwei, neben oder ziemlich weit von einander 
liegende Kerne enthalten (Taf. XXII, Fig. 1 g2;,, gz,).. Die beiden 
Kerne besitzen je einen Nucleolus und sind meist von gleicher, 
seltener ungleicher Größe, rund oder oval. Zuweilen stehen die 
Längsachsen der ovalen, neben einander liegenden Kerne unter einem 
spitzen Winkel zu einander. Gelegentlich war nur ein Kern von 
biskuitförmiger Gestalt vorhanden, der vielleicht im Begriff war, sich 
in zwei Hälften durchzuschnüren (Taf. XXI, Fig. 5). Es liegt hier 
möglicherweise eine amitotische Kerntheilung vor. Etwas, was auf 
Zelltheilung hindeuten könnte, habe ich dabei nicht finden können. 
Diese Eigenthümlichkeit der Ganglienzellen ist, wie aus der Litteratur 
hervorgeht, allen Cölenteraten gemeinsam. R. und O. HERTwIG 
(1878, 1879) haben das Gleiche bei den Actinien und den Medusen 
konstatirt, bei welchen »wohl die Hälfte aller Ganglienzellen zwei 
Kerne besitzt«. ScHarpPpı (1898) beschreibt in der jüngst erschienenen 
Arbeit über das Nervensystem der Siphonophoren zwei Kerne in den 
Ganglienzellen. CrAaus (1878) erwähnt bei Charybdea marsupialis 
das Vorkommen zweier Kerne in einer Ganglienzelle. Endlich giebt 


292 N. Kassianow, 


C. SCHNEIDER (1890) auch für Hydra an, dass ihre Ge 
zwei Kerne, aber nur im Jugendzustand, besitzen. 

Es ist mir gelungen, direkte Verbindungen der Ganglienzellen 
mit den Epithelzellen nachzuweisen. Die Art der Verbindung wird 
weiter unten genau beschrieben werden. 

Die andere Form der Nervenzellen des exumbrellaren Ektoderms 
sind die Sinneszellen (Taf. XXI, Fig. 1 sz; Fig. 4 sz). Dieselben 
sind in das Epithel eingeschaltet. Man kann zwei Arten derselben 
unterscheiden. Die einen (Taf. XXIL, Fig. 1 sz,) sind etwa dreieckig; 
der distale Theil ist dünn, der basale breit und in diesem liegt der 
ansehnliche Kern. Von der Basis entspringen zwei sehr feine nervöse 
Fasern. Die andere Art (Taf. XXII, Fig. 1 sz,, sz,) ist spindel- 
förmig, indem der basale, unterhalb des Kernes liegende Theil eben- 
falls dünn, faserartig ist und sich erst dann unter einem nahezu 
rechten oder spitzen Winkel in zwei Fasern theilt. Die letzteren 
sind sehr lang, geben oft Seitenzweige ab (Taf. XXI, Fig..1 sz;, 
Fig. 4 sz) und besitzen stets sehr viele Varicositäten. 

Bei den Sinneszellen fand ich, im Gegensatz zu den Ganglien- 
zellen, nur einmal zwei Kerne. Der Kern ist ziemlich groß, oval. 
Abweichend von den Sinneszellen anderer Cölenteraten, z. B. der 
Actinien, besitzen die der Lucernariden keine Sinneshaare. Der Reiz 
wird durch den fadenförmigen, sehr langen, aus dem Epithel etwas 
herausragenden distalen Theil der Zellen selbst unmittelbar empfangen 
(Taf. XXII, Fig. 2). Einmal fand ich eine Sinneszelle, deren basaler 
Theil aus dem Epithel herausgerückt war. Der distale faserartige 
Theil stieg zwischen die Epithelzellen empor, der basale, mit der 
spindelförmigen Anschwellung dagegen lag horizontal zwischen den 
Basen der Epithelzellen. Solche Zellen könnte man als Übergangs- 
formen zu Ganglienzellen betrachten. Sonst sind die Sinneszellen 
denen der übrigen Cölenteraten sehr ähnlich. 

Bei Lucernaria campanulata ist diese nervöse Zellenart in größe- 
rer Zahl vorhanden, als die Ganglienzellen. Eine direkte Verbindung 
beider mit einander konnte ich nicht beobachten, was wahrscheinlich 
nur darauf zurückzuführen ist, dass so feine Nervenfasern im Faser- 
geflechte sehr schwer zu verfolgen sind; wenn dieselben aber mehr 
von einander isolirt sind, so sind sie stets zum Theil abgerissen. 
Verbindungen einzelner Nervenfasern unter einander konnte ich jedoch 
beobachten. Direkte Verbindung der Sinneszellen mit den ge- 
wöhnlichen Epithelzellen konnte ich dagegen sicher feststellen 
(Taf. XXIL, Fig. 4). 


aM 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 293 


Die nervösen Ausläufer der Ganglien- und Sinneszellen, welche 
man von diesen Zellen gewöhnlich abgerissen findet, besitzen, wie 
bemerkt, beständig Varicositäten und bilden auf den Präparaten ein 
manchmal sehr ansehnlich entwickeltes Geflecht, wie es Fig. 1 der 
Taf. XXII darstellt. | 
Ich habe mich besonders bemüht, die Art, in welcher die 
Nervenzellen mit den übrigen Epithelzellen sich verbinden, festzu- 
stellen und desshalb jede solche Verbindung, die ich auf den Präpa- 
raten fand, abgebildet. Es war dies um so wichtiger, als sich in 
der Litteratur nicht viel davon findet. Bei der Kleinheit der Zellen 
und der Feinheit der Nervenfasern ist dies keine leichte Aufgabe, 
welche ich desshalb nur unvollständig zu lösen vermochte. Dabei 
wurde beobachtet, dass die Nervenfaser an die Basis der Epithelzelle 
herantritt und hier mit einer punktartigen Anschwellung endigt. Eine 
solche Verbindung ist auf Fig. 5 (Taf. XXII) abgebildet. Dass die 
Nervenfaser nicht zufällig an der Zelle lag, habe ich durch starkes 
Klopfen an das Deckgläschen konstatirt, indem die Zelle dabei ihre 
Lage vielmals veränderte, aber immer in Verbindung mit der Nerven- 
faser blieb — ein Verfahren, welches ich bei solchen Prüfungen 
stets verwendete. Ein Zusammenhang durch einfache Verklebung 
würde bei so starkem Erschüttern, besonders da die Nervenfaser am 
Rande der Zelle lag und die Verklebungsfläche also sehr gering war, 
ohne Zweifel aufgehoben. In den meisten Fällen aber endet die 
Nervenfaser an der Epithelzelle nicht, sondern zieht nach der Ver- 
bindung mit derselben weiter (Taf. XXIL, Fig. 1a, c, 7) und verbindet 
sich mit mehreren anderen Zellen, was ich zuweilen beobachten 
konnte. In diesem Falle findet die Verbindung der Nervenfaser mit 
der Zelle nicht nur an einer, sondern an mehreren Stellen statt. Auf 
Fig. 1, Taf. XXL ist eine solche Zelle (c) abgebildet. Dieselbe zeigt 
längsverlaufende Kanten, welche man sehr deutlich auch an anderen 
abgebildeten Zellen (Fig. 4, Taf. XXII) schen kann, und über diese 
Kanten (vielleicht besser als Rippen zu bezeichnen) zieht die Nerven- 
faser, immer durch dunkle Punkte. Dass diese Punkte nicht nur 
optische Erscheinungen sind, wie sie durch Aneinanderlegen zweier 
Linien entstehen, beweisen die Zellen, welche keine Fasern haben 
und trotzdem die schwarzen Punkte an ihrer Basis tragen (Taf. XXII, 
Fig. 15, a, f; Fig. 4). Diese Punkte können in einer oder zwei 
Reihen am Basalrand der Zelle stehen (Taf. XXII, Fig. 1 x) oder 
seltener unregelmäßig vertheilt sein. Einmal konnte ich bemerken, 
dass zwei Nervenfasern durch zwei solche Punktreihen einer Epithel- 


294 N. Kassianow, 


zelle durchgingen, somit eine Epithelzelle mit mehr als einer Nerven- 
faser verbunden sein kann. An einer anderen Zelle (Taf. XXII, 
Fig. 6) ging von jedem der am Basalrande sich befindenden Punkte 
eine Faser aus. In diesem Falle bin ich jedoch in Zweifel, ob es 
nicht basale Fortsätze der Zelle selbst sind. Wenn die Punkte an 
dem Rande der Zellbasis stehen, zieht die Nervenfaser gewöhnlich 
entlang dem Rande (Taf. XXII, Fig. 1 a, x). Manchmal schien mir, 
als ob die Nervenfasern sich auch am oberen Rande der Zelle mit 
derselben verbinden können (Taf. XXI, Fig. 1 e) oder auch nahe dem 
oberen Rande. 

Verzweigungen der Nervenfasern an ihren Verbindungsstellen mit 
den Zellen habe ich niemals finden können. 

Nur selten findet man indifferente Ektodermzellen ohne Fort- 
sätze; es ist sogar wahrscheinlich, dass alle Zellen Fortsätze besitzen 
und dass das Fehlen derselben bei einigen Zellen nur ihrem schlechten 
Erhaltungszustand zuzuschreiben ist. Die Zellfortsätze sind ziemlich 
verschieden und können eine ansehnliche Länge erreichen. Unter 
den Epithelzellen des exumbrellaren Ektoderms kann man drei For- 
men unterscheiden. Einmal sind es lange, annähernd cylinderförmige 
Zellen, mit deutlich vorspringenden Rippen (Taf. XXI, Fig. 1a, 5, 
c, f, n; Fig. 4). Diese Zellen tragen nur an der Basis Fortsätze, 
welche sehr fein und lang sein können (Bd, g). Sie kommen nur an 
den Stellen des Ektoderms vor, an denen die Drüsenzellen angehäuft 
sind (Taf. XXI, Fig. 2), und an dem Stiel der Lucernariden, wo 
das Epithel auch etwas höher ist, als auf den übrigen Stellen des 
Körpers. Die Zellen der zweiten und dritten Form sind viel kleiner 
und im Ganzen von kubischer Gestalt. Bei einer derselben sind die 
Fortsätze nur auf die Basis der Zelle beschränkt (Taf. XXI, Fig. 13, 
k, D. Bei der anderen Zellform entspringen dieselben von verschie- 
denen Stellen des Zellenleibes, wodurch sie wie stachelig aussehen 
(Taf. XXI, Fig. 1 m). Solche Zellen greifen mit ihren Fortsätzen in 
einander; manchmal schien es mir sogar, dass die Fortsätze mit ein- 
ander verbunden waren. Irgend welche Regelmäßigkeit in der Ver- 
theilung dieser zwei letzten Zellformen konnte ich nicht konstatiren, 
vielmehr kommen sie zusammen vor und scheinen dieselben Be- 
ziehungen zu dem Nervenplexus zu haben. Die Nervenfasern treten 
auch bei allen solchen mit Fortsätzen versehenen Zellen an den 
Zellenleib selbst, häufig aber verbinden sie sich mit dessen Fortsätzen. 
Dabei legen sich in einigen Fällen die Zellfortsätze auf die Nerven- 
fasern, wie Finger an, wie es auf der Fig. 1, Taf. XXII an der 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 2095 


Zelle 2 zu sehen ist. Manchmal hat die Zelle nur einen Fortsatz 
(Fig. 1), welcher unter Bildung einer Anschwellung an die Nerven- 
faser sich anlegt. Auch die Zelle % der Fig. 1 stellt eine solche Ver- 
bindung dar. Trotz der Kleinheit der Verbindungsfläche war die Ver- 
bindung so fest, dass bei starkem und andauerndem Klopfen auf das 
Deckgläschen die Nervenfaser von der Zelle nicht losgetrennt werden 
konnte. Fig. 7 der Taf. XXI zeigt gleichfalls eine solche Verbin- 
dung einer Nervenfaser mit dem Zellenfortsatze. Zwar konnte ich 
mich in diesem Falle nicht durch Klopfen von der Festigkeit der 
Verbindung überzeugen, doch beweisen die Krümmung und die Rich- 
tung des Fortsatzes und der Faser, dass die Faser angespannt ist, 
und die ganze Verbindung somit eine sehr feste ist. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass alle gewöhnlichen Epithel- 
zellen mit Nervenfasern in Verbindung stehen oder stehen können. 
Die Verbindung aber der Nematocystenzellen mit den Nervenfasern 
konnte ich bei Lucernaria campanulata nicht konstatiren. Das Vor- 
kommen einer solchen halte ich jedoch desshalb nicht für ganz aus- 
seschlossen, da bei der Leichtigkeit, mit welcher die feinen Fasern 
abgerissen werden können, und bei der verhältnismäßigen Seltenheit 
der Nematocystenzellen wenig Chancen bestehen, dass die Verbindung 
erhalten bleibt. Bei Craterolophus tethys konnte ich eine leider 
sehr unsichere Andeutung einer solchen finden. Die Nematocysten- 
zellen besitzen hier ebenfalls Fortsätze an ihrer Basis und diese waren 
Nervenfasern angelagert. 

Außer den gewöhnlichen Epithel- und Nematocystenzellen kommen 
noch Drüsenzellen vor (Fig. 2 Dz, Taf. XXI). Dieselben waren aber 
auf den Macerationspräparaten kaum zu finden wegen ihrer geringen 
Erhaltungsfähigkeit. 

Meine weitere Aufgabe war es nun, festzustellen, welchen Nerven- 
zellen die mit den Epithelzellen verbundenen Nervenfasern angehören. 
Diese Frage kann ich dahin beantworten, dass sowohl Ganglienzellen 
als auch Sinneszellen die übrigen Ektodermelemente innerviren kön- 
nen. Fig.5, Taf. XXII stellt eine solche Verbindung einer gewöhn- 
lichen Epithelzelle mit einer Ganglienzelle dar. Die Verbindung 
war eine direkte. Nur einmal beobachtete ich eine der schon er- 
wähnten Ganglienzellen mit verzweigten Fortsätzen, von denen jeder 
mit einer Epithelzelle in Verbindung trat. Auf diese Weise schienen 
drei Epithelzellen von einer Ganglienzelle innervirt zu werden. Leider 
konnte ich mich in diesem Falle nicht durch Klopfen überzeugen, 
ob die Verbindung ganz zweifellos war. 


296 N. Kassianow, 


Eben so innerviren auch Sinneszellen die Epithelzellen, und 
zwar geschieht hier die Verbindung auf dieselbe Weise wie bei den 
Ganglienzellen. Eine Sinneszelle kann mit mehreren Epithelzellen 
zugleich verbunden sein, wie es Fig. 4, Taf. XXI darstellt. 

Um die Vertheilung der beschriebenen Nervenelemente in dem 
exumbrellaren Ektoderm festzustellen, habe ich einzelne Partien aus 
der exumbrellaren Körperwand herausgeschnitten und für sich mace- 
rirt. Dabei wurde gefunden, dass nicht überall die Nervenzellen in 
gleicher Menge vorkommen. In einigen ektodermalen Epithelstücken 
konnte ich nur vereinzelte Sinnes- und Ganglienzellen finden, in an- 
deren dagegen waren sie in größerer Menge vorhanden und bildeten 
einen reichen Nervenplexus. Von dieser Unregelmäßigkeit abgesehen 
sind aber die Nervenzellen über die ganze Exumbrella vertheilt. 
Wenigstens habe ich Theile der exumbrellaren Wand der Arme, der 
oberen, mittleren und unteren Theile der verschiedenen Oktanten der 
Becherwand und endlich des Stieles für sich macerirt und untersucht 
und überall Nervenzeilen in größerer oder kleinerer Menge gefunden. 
Eben so enthält das Ektoderm der Haftscheibe des Fußes, welches, 
seiner Funktion entsprechend, eigenthümlich modifieirt ist, Nerven- 
zellen. Wenigstens habe ich eine Sinneszelle, noch mit den übrigen 
Epithelzellen der Fußscheibe verklebt, finden können. Die Nerven- 
zellen haben vermuthlich hier den Zweck, die in großen Mengen 
vorkommenden Drüsenzellen zur Ausscheidung ihres klebrigen Se- 
kretes, mittels dessen die Anheftung geschieht, zu veranlassen. 

Das, was ich über Vertheilung der Nervenzellen auf Macerations- 
präparaten finden konnte, habe ich, nachdem die Form der Nerven- 
zellen mir bekannt war, auch auf Schnitten bestätigt gefunden. 

Das Ektoderm der exumbrellaren Wand des Bechers besteht aus 
niedrigen kubischen Zellen (auf Schnitten betrachtet), von 3,6 « Höhe. 
Die Zellen, welche dieses Epithel zusammensetzen, sind die kubischen, 
mit zahlreichen Fortsätzen versehenen indifferenten Ektodermzellen, 
welche schon beschrieben und auf Fig. 1 (A, k, m), Taf. XXII abge- 
bildet sind. Auf dem Stiel wird das Ektoderm etwas höher (5,1 u). 

Sowohl auf der Becherwand, als auch auf dem Stiel findet man 
kleine Drüsenflecke (Fig. 2, Taf. XXII), welche aus einer Anhäufung 
von Drüsenzellen bestehen. Diese Flecke sind schon mit dem un- 
bewaffneten Auge als weißliche, längliche oder spindelförmige Stellen 
sichtbar. Ihr Epithel ist drei bis viermal höher, als das der übrigen 
Fläche, und besteht aus den Drüsenzellen (Dz), gewöhnlichen hohen 
Epithelzellen, wie sie auf der Taf. XXII, Fig. 1 (a, 5, c, f, 9, n) ab- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 297 


gebildet sind, und aus Sinneszellen, und zwar aus den hohen, spin- 
‚delförmigen (Taf. XXI, Fig. 1 Sz,, Sz,, Fig. 2). Die Sinneszellen 
ragen mit ihrem oberen fadenförmigen Theil aus dem Epithel heraus. 
In der basalen Region des letzteren, zwischen den schon erwähnten 
Zellen, liegen einige Kerne, welche Ganglienzellen angehören. An 
besonders günstigen Stellen kann man diese Ganglienzellen recht gut 
erkennen und selbst ihre Fortsätze eine Strecke weit verfolgen 
(Taf. XXI, Fig. 2 92). Die Drüsenzellen sind sehr groß und becher- 
förmig. Ihr Inhalt färbt sich nicht, weder mit Hämatoxylin noch 
mit Eosin, ist hell und bildet ein Maschenwerk. Der Kern liegt im 
Grunde der Zelle und ist von unregelmäßiger, sogar verästelter Form, 
vermuthlich in Folge der Schrumpfung. Außer diesen Elementen 
kommen hier auch Nematocystenzellen vor (Fig. 2 Nz, Taf. XXI). 
Das Vorkommen dieser Sinnes- und Ganglienzellen enthaltenden 
Drüsenflecke, welche man desshalb auch Drüsensinnesflecke nennen 
muss, auf den Armen, dem Becher und dem Fuß erhärten meine 
durch Maceration gemachten Befunde, dass die Nervenzellen nirgends 
auf der äußeren Wand des Lucernaria-Körpers fehlen. 

Craterolophus tethys besitzt die gleichen Drüsenzellen, nur 
liegen dieselben hier nicht zu Drüsenflecken vereinigt, sondern in 
der Einzahl, seltener in Zweizahl über die ganze äußere Körperwand 
vertheilt. Desshalb ist das Ektoderm bei Craterolophus tethys überall 
gleichmäßig hoch, womit auch die Seltenheit der schlanken, spindel- 
förmigen Sinneszellen in demselben zusammenhängt, von welcher ich 
noch weiter unten sprechen werde. Nur auf den Armen und ganz 
besonders auf ihren Seitenflächen liegen viele Drüsenzellen neben 
einander und hier werden wohl auch zwischen den Drüsenzellen vor- 
handen sein, wie bei Lucernaria campanulata hohe Sinneszellen. Die 
Drüsenzellen selbst unterscheiden sich in gar nichts von denen der 
Lucernaria campanulata. Ihr Kern ist auch geschrumpft, von un- 
regelmäßiger, oft verästelter Form, und färbt sich, ähnlich wie bei 
Lucernaria campanulata mit Vorliebe mit Eosin. 

Dagegen fehlen bei Halielystus octoradiatus die Drüsenzellen 
auf der Körperwand vollständig und kommen nur auf den Randpapillen 
vor. Hier sind sie in ziemlich geringer Zahl, besonders am Scheitel 
der Randpapille, zwischen den anderen, eigenthümlichen Drüsenzellen 
vertheilt (Fig. 8, Taf. XXI). 

Bei Lucernaria campanulata und Craterolophus tethys 
sind die Drüsenzellen besonders an den Armen angehäuft, obwohl sie 
auch auf den anderen Stellen in sehr großer Menge vorkommen. Das 


298 N. Kassianow, 


übrige niedrig-kubische Ektoderm der Lucernaria campanulata 
enthält wahrscheinlich von den Nervenzellen hauptsächlich Ganglien- 
zellen. Dieselben sind aber auf Schnitten nicht zu finden, weil sie ver- 
muthlich dieselbe Lage einnehmen, wie die übrigen Ektodermzellen, was 
bei der geringen Höhe der letzteren möglich ist. Nur selten findet man 
tieferliegende oder selbst in die Gallerte eingedrückte Kerne, welche 
Ganglienzellen angehören dürften. Aber auch Sinneszellen fehlen hier 
nicht, wie ich mich auf den Macerationspräparaten überzeugen konnte, 
und zwar kommt hier vermuthlich die dreieckige Form derselben vor 
(Fig. 1 Sz,, Taf. XXII), denn die andere, schlanke und höhere (Fig. 1 
S25, Sz,, Taf. XXH) könnte bei der geringen Höhe des Epithels keinen 
Platz finden. Daraus geht hervor, dass man die Drüsenflecke nicht 
als Stellen, wo die Sinneszellen besonders koncentrirt sind, betrach- 
ten, und etwa als Sinnesorgane primitivster Form auffassen kann. 
Die Sekretausscheidung der Drüsenzellen dient vielleicht zum Theil 
als Schutzeinrichtung. Die Thiere sind in einen dicken von dem 
Sekret gebildeten Mantel eingehüllt, und in diesem Mantel werden 
zuweilen Diatomeen und ausgeworfene Nesselkapseln gefunden. 

Über der Cutieula des niedrigen Epithels kann man zuweilen 
lange Fortsätze wahrnehmen (Fig. 2 rechts, Taf. XXII), welche ver- 
muthlich den Sinneszellen angehören, ähnlich, wie in den Drüsen- 
flecken, obwohl hier die Verwechselung mit den ausgeschleuderten 
Fäden der Nesselkapseln nicht ausgeschlossen ist. Man findet über 
der Cuticula auch kleinere Fortsätze in großer Zahl. Die letzteren 
gehören aber wahrscheinlich den gewöhnlichen Epithelzellen an, und 
zwar der Form, welche auch auf dem oberen Zellenrande Fortsätze 
trägt (Fig. 1 m, Taf. XXIII). 

Es schien mir manchmal, dass von Ektodermzellen der Drüsen- 
flecke, wie auch von anderen Stellen Nervenfasern senkrecht in die 
Gallerte eintreten. So wahrscheinlich es auch erscheint, nachdem 
Nervenfasern in der Gallerte auch bei anderen Medusen beschrieben 
worden sind (EIMER, HESSE, SCHÄFER, V. LENDENFELD), kann ich 
es jedoch nicht mit Sicherheit behaupten, weil es schwer ist, die 
Nervenfasern von der feinen Faserung der Gallerte zu unterscheiden. 
Wenn es so wäre, so handelte es sich vermuthlich um eine nervöse 
Verbindung des Ektoderms mit dem Entoderm. 

Aus dem, was über die Nerven der Exumbrella gesagt ist, geht 
hervor, dass eine Centralisirung des Nervensystems an bestimmten 
Stellen der Exumbrella, wie es bei Craspedoten und allen übrigen, 
auf das Nervensystem untersuchten Acraspedota der Fall ist, nicht 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 299 


besteht, was auf eine niedrigere Stufe der Ausbildung des Nerven- 
systems hinweist, und der einfachen sonstigen Organisation der 
Lucernariden durchaus entspricht. 


Der exumbrellare Nervenplexus von Craterolophus tethys. 


Den exumbrellaren Nervenplexus konnte ich auch bei Cratero- 
lophus tethys finden. Man kann ihn hier so rein erhalten, wie es mir 
bei Lucernaria campanulata nie gelungen ist. Wenn bei andauernder 
Maceration das Ektoderm abgefallen ist, bleibt der Nervenplexus auf 
der Gallerte liegen. Wenn man dagegen das sich zuweilen stück- 
weise ablösende Epithel untersucht, so findet man nur vereinzelte 
Ganglienzellen, hier und da auch Sinneszellen. Der Umstand, dass 
man bei Oraterolophus tethys wesentlich nur auf das Studium solcher 
Präparate angewiesen ist, ist in so fern ungünstig, weil man durch 
die Gallerte hindurch nicht so gut die einzelnen Details feststellen 
kann. Auch wird die Färbung dadurch sehr erschwert, weil mit den 
meisten Färbungsmitteln die verhältnismäßig dieke Gallerte sich stark 
mitfärbt und in demselben Maße undurchsichtiger wird. Es ist mir 
gelungen diesem Übel dadurch abzuhelfen, dass ich zur Färbung 
Dahlia anwandte, welches die Gallerte nicht so schnell färbt als die 
Zellen. Nur konnte man dabei keine dauerhaften Präparate erzielen, 
weil man dieselben bei der Überführung in Kanadabalsam ziemlich 
lange mit Alkohol behandeln musste, da die Gallerte sehr wasser- 
reich ist, wobei die Farbe wieder ausgezogen wurde. Als ich anstatt 
der wässerigen Farblösung in absolutem Alkohol gelöstes Dahlia an- 
wandte, gelang es Kanadabalsampräparate mit differenter Färbung 
zu erhalten, dabei war aber die Färbung nicht so gut, wie bei der 
Anwendung wässeriger Dahlialösung. Mit Osmiumsäure und nach- 
folgender Reduktion derselben durch Holzessig oder KoLossow’sche 
Flüssigkeit konnte man ebenfalls die Gallerte und die darauf liegen- 
den Ganglienzellen mehr oder weniger different färben. 

Eine interessante Thhatsache ist, dass der bei dieser Lucernaride 
noch stärker als bei Lucernaria campanulata entwickelte Nerven- 
plexus ausschließlich aus Ganglienzellen zu bestehen scheint. Das 
steht im Gegensatz zu Lucernaria campanulata, bei welcher um- 
gekehrt die Zahl der Sinneszellen die der Ganglienzellen überwiegt. 
Fig. 3 auf Taf. XXII stellt einen solchen Nervenplexus von Cratero- 
lophus tethys dar. Wenn man diese Figur mit dem Nervenplexus von 
Lucernaria campanulata (Fig. 1, Taf. XXII) vergleicht, so fällt der 
Unterschied sofort in die Augen. 


300 N. Kassianow, 


Die Ganglienzellen (Fig. 5, Taf. XXU) von Craterolophus 
tethys sind spindelförmig, gewöhnlicher aber mit hutförmigem Proto- 
plasmaleib. Der Kern ist meistens schlecht zu unterscheiden, da bei 
Craterolophus tethys die Herrwig’sche Macerationsflüssigkeit ange- 
wandt wurde, welche für nachfolgende Kernfärbung ungünstig wirkende 
Ösmiumsäure enthält. (Bei Lucernaria campanulata habe ich diese 
Flüssigkeit, nach dem Vorschlage von O. und R. HERTWIG, nur zur 
Fixirung und sehr kurze Zeit angewandt, die Maceration wurde weiter 
nur mit 0,1°/,iger Essigsäure erzielt.) Manchmal war der Kern doch 
mehr oder weniger gut zu unterscheiden, zuweilen, eben so wie bei 
Lucernaria campanulata in Zweizahl vorhanden (Fig. 3, Taf. XXID). Die 
fadenförmigen Fortsätze der Ganglienzellen sind sehr lang, noch etwas 
länger, als ich es auf Fig. 3 an der linksseitig liegenden Ganglienzelle 
andeuten konnte, und besitzen zahlreiche Varicositäten. Außer bipo- 
laren finden sich hier und da auch tripolare Ganglienzellen im Gegen- 
satz zu Lucernaria campanulata, wo nur bipolare beobachtet wurden. 
Da der Nervenplexus hier nicht durch Zerklopfen der Epithelstücke 
(wie bei Lucernaria campanulata), sondern auf der Gallerte in mehr 
oder weniger natürlicher Lage bloßgelegt ist, indem die auf der Gallerte 
befestigten Epithelzellen bei der Maceration von selbst abfallen, so 
sind die Ganglienzellen sehr gut erhalten und abgerissene Fasern 
findet man kaum. Die Fortsätze der Ganglienzellen verlaufen bald 
gestreckt, bald geschlängelt und in allen möglichen Richtungen (Fig. 5). 

Sinneszellen habe ich bei der Untersuchung der einzelnen 
Epithelstücke gefunden, welche in Folge der Maceration von der 
Gallerte abgefallen waren. Hierbei konnte ich stets auch Ganglien- 
zellen beobachten, woraus hervorgeht, dass dieselben ebenfalls überall 
verbreitet sind. Die Sinneszellen sind ziemlich breit, basal und 
distal von dem Kern allmählich verschmälert. An der Basis geht. 
die Zelle in zwei, auf meinen Präparaten immer sehr schlecht er- 
haltene, Fortsätze über. Fig. 8, Taf. XXI, stellt eine solche Zelle 
in ihrer natürlichen Lage zwischen den gewöhnlichen Stützzellen 
dar. Zwar unterscheiden sich diese Sinneszellen auf den ersten 
Blick von den typischen Sinneszellen der Lucernaria camp., indem 
sie nicht so schlank und den gewöhnlichen Epithelzellen ähnlich 
sind, aber auch bei Lucernaria campanulata wurden hier und da ähn- 
liche Sinneszellen beobachtet. Eben so konnte ich bei Craterolophus 
tethys einmal eine leider sehr schlecht erhaltene, doch deutlich er- 
kennbare, den typischen, spindelförmigen Sinneszellen von Lucernaria 
campanulata ähnliche Sinneszelle finden. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 301 


Dieser Gegensatz hängt jedenfalls damit zusammen, dass das 
Epithel bei Craterolophus tethys, ausgenommen auf den Armen, überall 
eine gleichmäßige und verhältnismäßig geringe Höhe besitzt, wess- 
halb die Sinneszellen nicht so lang spindelförmig ausgezogen sein 
können. Nur auf den Armen, besonders an den Seiten derselben, 
wo das Epithel hoch ist und sehr viele Drüsenzellen enthält, wird 
auch die dünne, schlanke Sinneszellenform zwischen den Drüsenzellen 
eingeschoben sein. 

Über die Cutieula erheben sich bei Craterolophus tethys wimper- 
ähnliche Fortsätze, welche wahrscheinlich die herausragenden, bei 
der Maceration immer sehr schlecht erhaltenen oberen Enden der 
Sinneszellen repräsentiren. 

Was an den gewöhnlichen Epithelzellen auffällt, ist die Cuticula, 
welche bei andauernder Maceration wie aus Wimpern bestehend erscheint 
(Fig. 8, Taf. XXII). Das stimmt mit den Angaben Krına’s überein, 
welcher fand, dass bei Behandlung der Thiere mit Chlorpalladium die 
Cuticula aus polyedrischen Plättchen, entsprechend den einzelnen Zel- 
len, zu bestehen scheint, was ich ebenfalls bestätigen kann, und dass 
ferner die »Plättchen« aus Stäbchen zusammengesetzt sind. 

Die Thatsache, dass der Nervenplexus von Craterolophus tethys 
bei der Maceration isolirt dargestellt werden kann, also vom Ektoderm 
mehr gesondert ist, und dass er in diesem Falle ausschließlich aus 
sehr zahlreichen Ganglienzellen besteht, lässt vermuthen, dass der 
exumbrellare Nervenplexus von Craterolophus tethys höher ent- 
wickelt ist, als der von Lucernaria campanulata. Man muss über- 
haupt Craterolophus, wie es verschiedene Forscher auch annehmen, als 
eine im Vergleich zur Gattung Lucernaria höher stehende Form betrach- 
ten, weil sie von dem Bau des Scyphostoma, mit welchem die Gattung 
Lucernaria vollkommen in ihrem Bau übereinstimmt, gewisse Ab- 
weichungen zeigt. Das spricht sich namentlich im viel komplieirteren 
Bau des Gastrovascularapparates aus, indem hier außer den vier 
Radiärtaschen noch vier sogenannte Gastrogenitaltaschen (Kıns) ent- 
wickelt sind. 

Nur auf sehr wenigen Gallertstücken, welche ich untersuchte, 
war ein so starker Nervenplexus zu finden. Auf den meisten kamen 
nur vereinzelte Ganglienzellen vor. Daraus muss man schließen, dass 
bei Craterolophus tethys eine Koncentrirung der Nerven an gewissen 
Partien der Exumbrella eingetreten ist, was für eine höhere Ausbil- 
dung spricht. Auf den Schnitten ist es mir allerdings nicht ge- 
lungen festzustellen, wo solche Stellen mit stärker entwickeltem 


302 N. Kassianow, 


Nervenplexus sich befinden können. Auf den Schnitten ist überhaupt 
von den Ganglienzellen nur sehr wenig zu sehen. Auch interstitielles 
Gewebe, in welchem man Ganglienzellen suchen könnte, ist hier im 
Epithel nur sehr spärlich entwickelt. Man kann aber vermuthen, 
dass am Rande des Bechers und auf den Armen solche Anhäufungen 
der Ganglienzellen eingetreten sind. 

Nachdem die Exumbrellarwand in Bezug auf das Nervensystem 
geprüft wurde (das Entoderm derselben werde ich gemeinsam mit 
dem Entoderm der Subumbrella besprechen), gehe ich zur Beschreibung 
des subumbrellaren Ektoderms, in welchem der Haupttheil des Nerven- 
systems liegt, über. 


2. Subumbrella. 


Die Nerven im subumbrellaren Ektoderm kann man auf Schnitten 
eben so leicht übersehen, als die im exumbrellaren. Erst als ich 
meine Aufmerksamkeit auf die Arme lenkte, habe ich hier sehr gut 
ausgebildetes Nervenepithel gefunden, aber auch hier hing es mehr 
vom Zufall ab. Nur wenn man eine kontinuirliche Schnittserie von 
den Armen macht, kann man sicher sein, das Nervenepithel derselben 
aufzufinden. Halielystus octoradiatus ist etwas günstiger in 
dieser Beziehung als die beiden anderen Gattungen, wesshalb ich 
an ihm auch den subumbrellaren Theil des Nervensystems zuerst be- 
merkte. Nachdem die Maceration ferner einen Fingerzeig gegeben 
hatte, wo man nach Nervengewebe im subumbrellaren Ektoderm 
suchen muss, konnte ich an anderen Stellen das Vorkommen desselben 
nachweisen, besonders als ich Lucernaria campanulata zum Vergleiche 
heranzog. So gelang es mir, die Vertheilung des Nervengewebes in der 
Subumbrella zu ermitteln. Dabei stellte sich heraus, dass das Nerven- 
system der Lucernariden an einigen Stellen stärker centralisirt ist 
und zwar sind es die Spitzen der Arme, welche solche Nervencentren 
tragen. Zur Beschreibung dieser Nervencentren gehe ich jetzt über, 
mit der Bemerkung, dass die Beschreibung sich hauptsächlich auf 
Halielystus octoradiatus bezieht, wo nicht eine andere Lucerna- 
ride genannt ist. 


Nervenepithel an den Spitzen der Arme. 


Auf den Armen, wie überall im Lucernaridenkörper, ist das 
Ektoderm der Subumbrella, welches den Genitalien gegenüberliegt, 
eigenthümlich modifieirt und bildet ein verhältnismäßig sehr hohes 
(51 u) Epithel, zwischen dessen fadenförmigen Zellen eine große 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 303 


Menge von Nematoeystenzellen liegt (Fig. 7 Nd, Taf. XXI). Dieses 
Nesselepithel begleitet die Gonaden am ganzen Körper und sendet 
sogar fingerförmige Auswüchse in die Gonaden selbst, wie es zuerst 
Craus (1883) gezeigt hat, welche Auswüchse zwischen die Genital- 
sinuse eindringen. CrAus hat diesem Epithel, wohl mit Recht, 
eine schützende Funktion für die Gonaden zugeschrieben. Auf den 
übrigen Stellen der Subumbrella kommen entweder gar keine oder 
vereinzelte Nesselzellen vor und das Ektoderm besteht hier bald aus 
einfachen Zellen, bald aus Epithelmuskelzellen. Das Nesselepithel 
findet man bei Lucernaria campanulata und Craterolophus tethys an 
den entsprechenden Stellen ebenfalls. 

Das Nesselepithel wird kurz vor der Spitze der Arme zum Ner- 
venepithel. Diese Verhältnisse veranschaulicht Fig. 7, Taf. XXIII, 
die einen radialen Schnitt durch den Arm darstellt. Links ist die 
äußere, exumbrellare Wand (Zx.um), rechts ist die subumbrellare 
Wand (Sub.um) getroffen. Die Spitze des Armes ist mit den Ten- 
takeln (7) besetzt, welche theils längs meist aber schief getroffen 
wurden. Der subumbrellaren Wand sitzt ein männliches Genital- 
säckchen (gs) auf, welches in den Gastralraum des Armes hineinragt 
und einen von Spermatozoen erfüllten Genitalsinus enthält. Dem 
Genitalsäckchen gegenüber liegt das mit Nesselkapseln erfüllte Ekto- 
derm der Subumbrella (N), welches in Form eines Bandes den ganzen 
Arm entlang verläuft und längs des ganzen Körpers bis zum Stiel 
sich fortsetzt. Etwas oberhalb von dem Genitalsäckchen verliert dieses 
Epithel plötzlich den größten Theil seiner Nesselzellen und wird zum 
Nervenepithel (N.ep). Die Nesselkapseln bilden jetzt nur noch eine 
dünne Lage an der Basis des Epithels; dagegen findet sich in der 
Mittelregion eine ziemlich dicke, auf der Figur blau gezeichnete Ner- 
venfaserschicht. Nessel- und Nervenepithel sind von einander durch 
: eine kleine Strecke niederen Epithels getrennt, welches von mehr 
indifferentem Charakter zu sein scheint. Ohne Zweifel treten auch 
in das Nesselepithel Nervenfasern ein, in welchem sie sich jedoch 
wegen der Unmasse von Nesselkapseln nicht verfolgen lassen. Nur 
bei Lucernaria campanulata konnte ich auf einem schiefen Schnitt 
durch das Nesselepithel einen Faserzug entdecken. Möglicherweise 
enthält dasselbe förmliche Nervenstraßen, welche mit ihm längs des 
ganzen Bechers hinziehen, die Genitalien begleitend. Auch Ganglier- 
zellen dürften hier vorkommen, nur von den Nesselkapseln verdeckt. 
Dies ist um so wahrscheinlicher, als das übrige subumbrellar eEkto- 


derm wenig von den Nervenzellen und -fasern zeigt. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. >21 


304 N. Kassianow, 


Das Nervenepithel steigt bis zur Ansatzstelle der Tentakel empor 
und vertheilt sich hier zwischen den einzelnen Tentakeln (Figg. 7, 6, 
3, Taf. XXIII). Seine vertikale Ausdehnung auf den verschiedenen 
Schnitten ist verschieden, je nachdem wie hoch einzelne Tentakel 
auf den Armen stehen und wie weit sie von dem Ende des Nessel- 
epithels entfernt sind. Als größte Länge habe ich 183 u gefunden 
(Fig. 7); gewöhnlich aber beträgt sie viel weniger, etwa 68 u. Die 
Dicke des Nervenepithels ist verhältnismäßig groß und beträgt bis 
55 u. Das Nervenepithel ist am stärksten entwickelt unmittelbar 
unterhalb der Ansatzstelle der inneren Tentakel (Fig. 6, Taf. XXIII), 
wo seine Dicke die angeführte Zahl beträgt. Gegen die Armbasis 
zu ist es etwas niedriger. 

Noch klarer werden die Lageverhältnisse des Nervenepithels bei 
Betrachtung von Querschnitten der Arme. Fig. 6, Taf. XXIII zeigt 
einen solehen Querschnitt durch das Ende eines Armes an der 
Basis der Tentakel, welcher die direkt unter den inneren Tentakeln 
liegende Partie des Nervenepithels (N.ep) getroffen hat. Dasselbe 
ist hier besonders schön ausgebildet und nimmt die ganze subum- 
brellare Armwand ein, was möglich ist, weil hier sowohl der Längs- 
muskel, wie die beiden Randmuskeln, welche etwas tiefer endigen, 
nicht mehr getroffen werden. Es erstreckt sich hier über eine Breite 
von 268 u. Seine horizontale Ausbreitung auf dem Arme ist also 
viel größer, als die vertikale. Auf demselben Schnitt (eben so auf 
Fig. 7, Taf. XXIII) bemerkt man auch die oben erwähnte Vertheilung 
des Nervenepithels zwischen den Tentakelbasen. Überall trennt es 
einzelne Tentakeldurchschnitte von einander und überall enthält es 
eine, die Mittelregion des Epithels durchziehende Nervenfaserschicht 
und an der Basis eine Lage von Nesselkapseln. Nur das Nerven- 
epithel, welches unterhalb der äußeren, exumbrellar stehenden Ten- 
takel liest (Fig. 7, Taf. XXIII bei x), enthält keine Nesselkapseln. 
Vielleicht gehört dieses Nervenepithel schon dem exumbrellaren 
Ektoderm an, welchem diese Form der Nesselkapseln ebenfalls fehlt. 

Noch schöner tritt das Nervenepithel zwischen den Tentakeln 
auf Querschnitten hervor, die etwas höher geführt sind als der auf 
der Fig. 6 abgebildete, welche nämlich nur die äußerste Spitze des 
Armes treffen. An einem solchen Schnitt (Fig. 3, Taf. XXI), der 
nur die Ansatzstellen der höchst stehenden Tentakel trifft, und nur 
das die Armspitze überkleidende Ektoderm, dagegen keine Gallerte 
mehr zeigt, kann man sich überzeugen, das die ganze Armspitze von 
Nervenepithel überzogen ist. Auf ihr ist eine breite Nervenfaser- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 305 


schicht ausgebreitet zwischen den Querschnitten durch die Tentakel- 
stiele (auf der Figur blau gezeichnet). Dieselbe grenzt unmittelbar an 
die Muskulatur der Tentakelstiele und hat dadurch die beste Möglich- 
keit dieselben zu innerviren. Natürlich trifft ein solcher Schnitt nicht 
überall die Nervenfaserschicht, welche die Mittelregion des Epithels 
einnimmt. So ist in der Mitte der Fig. 3, Taf. XXIII, die Nesselkap- 
seln führende Basalregion des Epithels getroffen. Dass gerade in der 
Mitte der Fig. 3 die Nesselkapsellage getroffen wurde, erklärt sich 
aus der mehr oder weniger konischen Form der Armspitze, an wel- 
cher die Tentakel in der Mitte höher entspringen als an den Seiten. 

Fig. 2 (Taf. XXIII) zeigt den Theil des Nervenepithels, welcher 
auf der subumbrellaren Wand des Armes bis zum Beginn des Nessel- 
epithels herabsteigt. Dieselbe ist ein Querschnitt durch die Region 
des Armes, welche zwischen den Tentakelursprüngen und dem Be- 
ginn des Nesselepithels liegt (vgl. Fig. 7, Taf. XXIII) und zeigt auch 
die Lagebeziehungen des Nervenepithels (N.ep) zum Randmuskel 
(Rm) und zum Längsmuskel (Zm). Hier sehen wir zunächst die 
dicke, exumbrellare Wand (Ex.um). Ihr ceylindrisches Epithel ist 
überall gleich hoch, etwas höher als auf den übrigen Stellen des 
Körpers. Eben so ist das Entoderm der Exumbrella viel höher als 
im übrigen Gastralraum. In der dünnen subumbrellaren Wand 
(Sub.um), welche, abgesehen von ihrer geringeren Dicke, auch durch 
Mangel der Fasern in der Gallerte unterschieden ist, liegen an der 
Grenze gegen die Exumbrella die beiden Randmuskeln (Am) und 
etwas asymmetrisch, zwischen denselben die Querschnitte des Längs- 
muskels (Zm). 

Im Lucernaridenkörper sind acht Längsmuskeln vorhanden, welche 
den ganzen Körper, in der Gallerte der subumbrellaren Wand unter 
dem Ektoderm gelagert, durchsetzen. Bei Halielystus octoradiatus kann 
man eigentlich nur von vier Muskeln sprechen, von welchen sich jeder 
erst im oralen Theil des Bechers in zwei theilt, von denen je einer 
auf die acht Arme sich fortsetzt. Bei Halielystus octoradiatus setzen 
sich die vier Längsmuskeln außerdem in den Stiel fort. Die Rand- 
muskeln des Bechers sind ebenfalls in Achtzahl vorhanden. Sie umsäu- 
men den Rand des Bechers zwischen je zwei Armen und gehen jederseits 
auf die beiden angrenzenden Arme über, wo sie an der Grenze 
zwischen Exumbrella und Subumbrella verlaufen und bis zur Spitze 
reichen. Desshalb werden die Randmuskeln auf den Querschnitten 
der Arme ebenfalls quer getroffen. 

Nach dieser Orientirung über die Muskulatur wird auch deren 

2 


306 N. Kassianow, 


Lagebeziehung zu dem Nervenepithel klarer. Wie es der Arm- 
querschnitt (Fig. 2, Taf. XXIII) zeigt, liegt das Nervenepithel (N.ep.) 
zwischen dem einen Randmuskel (Am) und dem Längsmuskel (Zm), 
an welche beide es unmittelbar angrenzt, und erstreckt sich auf 
323 ıı (also mehr als in seinem oberen Theil). Durch dasselbe wird bei 
Halielystus octoradiatus eine Asymmetrie hervorgerufen, der Längs- 
muskel nimmt nämlich nicht die Mitte der Armsubumbrella ein, wie 
bei Craterolophus tethys und Lucernaria camp., sondern ist von dem 
Nervenepithel in die Nähe eines der Randmuskeln abgerückt, und 
zwar auf dem einen Arme gegen den einen, auf dem benachbarten 
segen den anderen. Dem entsprechend liest auch das Nervenepithel 
bald in der Nähe des einen, bald in der Nähe des anderen Rand- 
muskels, d. h., wenn es auf einem Arme zwischen dem Längsmuskel 
und dem rechten (von der subumbrellaren Seite betrachtet) Rand- 
muskel liegt, wie es z. B. auf der Fig. 2 (Taf. XXI) der Fall ist, 
so wird dasselbe auf dem benachbarten Arme zwischen dem Längs- 
muskel und dem linken Randmuskel liegen. 

Aus dem Umstand, dass das Nervenepithel unmittelbar an die 
Muskeln angrenzt, können wir vermuthen, dass es direkt Nerven in 
sie schickt. Die Innervirung kann hier um so leichter geschehen, 
als nicht alle Muskelbündel in die Gallerte verlagert sind, sondern 
zum Theil noch mit dem subumbrellaren Ektoderm im Zusammenhang 
stehen. Man sieht auch auf der Fig. 2 bei z, dass die Nervenfaser- 
schicht sich noch in den Bereich des Muskelepithels erstreckt. Was 
den anderen Randmuskel, welcher von dem Nervenepithel durch den 
Längsmuskel getrennt ist, angeht, so wird derselbe an seinem ent- 
gegengesetzten Ende, welches an das Nervenepithel des benachbarten 
Armes unmittelbar angrenzt, innervirt. 

Die Höhe des Nervenepithels beträgt, wie erwähnt, in seinem 
obersten Theil, d.h. an der Armspitze 55 u. Von dieser Gesammt- 
höhe kommen auf die Nervenfaserschicht 20 u und auf die Nessel- 
zellenlage etwa 17 u. Im unteren Theil wird es niedriger, 40—44 ur. 
Das Nervenepithel (Fig. 4, Taf. XXIII) besteht, so weit man nach den 
Schnitten urtheilen kann, aus zwei, im Ganzen sehr gleichartigen 
Zellformen. Alle Zellen sind, besonders basalwärts vom Kern, faden- 
förmig. Die eine Zellform durchsetzt die Nervenfaserschicht bis zur 
Gallerte, an welcher man ihre punktförmigen Enden zuweilen sehen 
kann (die Mitte der Figur). Diese Zellenart muss man als Stütz- 
zellen auffassen. Sie bilden Gruppen, indem ihre faserartigen Basal- 
enden sich gewöhnlich gruppenweise nähern. Die Nesselkapseln (N7) 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 307 


besitzen eine leicht gebogene Gestalt und einen der konkaven Seite 
anliegenden Kern, wie man an Macerationspräparaten noch deutlicher 
sieht. Sie sind ebenfalls gruppenweise zusammengelagert. Die Stütz- 
zellen endigen an der Gallerte zwischen den Gruppen der Nessel- 
kapselzellen. Letzterer Umstand bedingt wohl die beschriebene An- 
näherung der unteren Theile der Stützzellen. Die Zellen der anderen 
Art reichen nicht bis zur Gallerte, sondern biegen mit ihren faden- 
förmigen unteren Theilen in die Nervenfaserschicht um und tragen so 
zu deren Bildung bei. Ob diese Zellen einen, zwei oder mehrere Fort- 
sätze besitzen, ist auf Schnitten nicht zu ermitteln. Aus den Mace- 
rationspräparaten kann man eher schließen, dass sie nur in einen 
Fortsatz übergehen, wovon Näheres weiter unten bei Beschreibung 
der Macerationsergebnisse mitgetheilt werden soll. Die Kerne aller 
Zellen sind von mittlerer Größe, ovaler Form und mit meist deutlichem 
Nucleolus. Das Epithel wird von einer ziemlich dieken Cutieula be- 
deckt, über welche keine Fortsätze hinausragen. Ob dies in Wirklich- 
keit so ist, oder ob bei der Konservirung die leicht abbrechenden 
Sinneshaare der Zellen verloren gehen, kann ich nicht bestimmt ent- 
scheiden. Ersteres scheint mir wahrscheinlicher, da ich vermuthe, 
dass dies Epithel nicht direkt Reize empfängt, sondern durch die 
Tentakel auf weiter unten zu beschreibende Weise. Dann wäre es 
kein eigentliches Sinnesepithel, sondern motorischer Natur. Ich 
schließe dies daraus, dass 

1) das Nervenepithel keine Sinneszellen enthält, welche den ex- 
umbrellaren und den weiter unten zu beschreibenden subumbrellaren, 
um die Ausführgänge der Nesselbatterien gelagerten Sinneszellen 
ähnlich sind, 

2) aus den Beziehungen des Nervenepithels zu den benachbarten 
Muskeln, 

3) aus der, für Sinneswahrnehmungen sehr ungünstigen Lagerung 
des Nervenepithels (unterhalb der Tentakel) und endlich 

4) aus seiner direkten Verbindung mit den zu Sinneswahr- 
nehmungen durch Besitz von Sinneszellen und durch ihre Lagerung 
außerordentlich geeigneten Tentakeln, welche als Ergänzung zu den 
motorischen Nervencentren an ihrer Basis aufgefasst werden können. 

Die Nervenfaserschicht färbt sich charakteristisch mit Eosin und 
besteht aus äußerst feinen, wellig verlaufenden Fasern, von welchen 
man auf den Armquerschnitten meist nur Querschnitte sieht, was der 
Nervenfaserschicht ein körniges Aussehen verleiht. Unter der Kern- 
reihe des Epithels liegen manchmal noch vereinzelte Kerne, welche 


308 N. Kassianow, 


vermuthlich Ganglienzellen zugehören; diese Vermuthung wird durch 
Macerationen und durch das ähnliche Nervenepithel der Randpapillen, 
wo die tiefer liegenden Kerne deutliche Beziehungen zur Nervenfaser- 
schicht zeigen, bestätigt. 

Leider konnte ich nach der Entdeckung des Nervenepithels der 
Armenden keine neuen Macerationen mehr unternehmen und vermag 
desshalb nicht genauere Auskunft über die dasselbe zusammensetzen- 
den Elemente zu geben. Bei der Maceration des gesammten subum- 
brellaren Ektoderms von Lucernaria campanulata aber fand ich 
nervöse Zellen, von denen ich vermuthe, dass sie von diesen Stellen 
herstammen (s. p. 316). 

Bei Craterolophus tethys und Lucernaria campanulata 
konnte ich mich gleichfalls von der Existenz solcher Nervencentren 
überzeugen, welche im Großen und Ganzen dieselbe Lage und histo- 
logische Beschaffenheit zeigen wie die von Halielystus octoradia- 
tus. Das Nervenepithel bekleidet hier gleichfalls die Armspitzen, von 
wo es eine Strecke weit auf der subumbrellaren Seite der Arme her- 
absteigt. Auf der Armspitze trennt es die einzelnen Tentakel von 
einander. Unterhalb derselben ist es, wie bei Haliclystus octoradiatus, 
am stärksten ausgebildet. | 

Im Gegensatz zu Halielystus octoradiatus (und in Übereinstimmung 
mit Oraterolophus tethys) liegt das Nervenepithel von Lucernaria 
campanulata stets symmetrisch zwischen dem oberen Ende des 
Längsmuskels und den Tentakelansatzstellen. Da, wo der Längs- 
muskel beginnt, ist es sehr wenig ausgebildet, mit sehr undeutlicher 
Nervenfaserschicht und etwas tiefer unten wird es durch einfaches 
Ektoderm ersetzt. 

Die asymmetrische Lage des Nervenepithels bei Halielystus octo- 
radiatus hängt offenbar damit zusammen, dass das Nervenepithel hier 
stärker entwickelt ist, sich weiter nach unten erstreckt, als bei Lucer- 
naria campanulata und Craterolophus tethys und daher den Längs- 
muskel aus der Mitte der subumbrellaren Wand des Armes verschiebt. 
Über dem Längsmuskel kann das Nervenepithel bei Halielystus oeto- 
radiatus schon desshalb keinen Platz finden, weil die Muskelbündel 
hier zum Theil mit dem Ektoderm noch im Zusammenhang stehen 
(Fig. 2, Taf. XXIII), im Gegensatz zu Craterolophus tethys und Lucer- 
naria campanulata, deren Längsmuskel in die Gallerte verlagert ist. 
Warum das Nervenepithel bei Halielystus octoradiatus stärker ent- 
wickelt ist als bei den zwei anderen Gattungen, ist nicht schwer zu 
erklären. Seine Muskulatur ist viel stärker, als bei letzteren, indem 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 309 


die vier Muskeln bei Halielystus octoradiatus auch in den Stiel hin- 
absteigen, was bei den anderen beiden Lucernariden fehlt. Über- 
haupt ist Halielystus octoradiatus beweglicher als Craterolophus tethys 
und Lucernaria campanulata. Lucernaria campanulata hängt gewöhn- 
lich mehr pflanzenähnlich an Zosterablättern, ohne auffallende Bewe- 
gungen zu zeigen. Dagegen kann Haliclystus octoradiatus mit Hilfe der 
Tentakel und der stark ausgebildeten Randpapillen förmlich kriechen. 
Dabei verändert er beständig seine Form, wie man es auch aus den 
zahlreichen Abbildungen bei CLARK (1881) ersehen kann. 

Die histologische Zusammensetzung des Nervenepithels bei Lu- 
cernaria campanulata ist dieselbe wie bei Halielystus octoradia- 
tus. Auch hier durchsetzen einige Stützzellen die Nervenfaserschicht 
bis zur Gallerte. Die letztere ist diek und gut entwickelt und beträgt 
die Hälfte der gesammten Höhe des Epithels. Eben so findet sich die 
basale Lage der Nesselzellen. Dieselben sind von wurstartiger, schmä- 
lerer Form, welche auch bei Halielystus octoradiatus, aber selten, an- 
getroffen wird. Da die schmalen Nesselkapseln horizontal liegen, so 
bilden sie eine weniger breite Lage als bei Halielystus octoradiatus, 
wesshalb auch das Nervenepithel weniger auffällt. Ein weiterer Unter- 
schied von Halielystus octoradiatus ist, dass die Nesselkapseln nicht 
auf die Basis des Epithels beschränkt sind, sondern auch zwischen 
den distalen Theilen der Zellen liegen. Dies erschwert den Einblick 
in die histologische Zusammensetzung des Epithels. Zwischen den 
Tentakeln ist das Nervenepithel eben so gut ausgebildet, als bei 
Halielystus octoradiatus, sehr hoch mit breiter Nervenfaserschicht und 
dünner Nesselkapsellage. 

Das Nervenepithel von Craterolophus tethys ist eben so sym- 
metrisch gelagert wie bei Lucernaria campanulata. Oben grenzt dasselbe 
an die Muskulatur der Tentakel, mit seinem unteren Ende an den Längs- 
muskel. Beide Muskelsysteme werden dadurch getrennt; dagegen 
stehen sie im nervösen Zusammenhang. Das Nervenepithel ist überall 
sehr hoch (ca. 33 u). Im Gegensatz zu Lucernaria campanulata und 
Halielystus octoradiatus bilden die Nesselkapseln keine gesonderte 
Lage an der Epithelbasis, sondern liegen hier zerstreut in demselben, 
auch über der Nervenfaserschicht. Dabei sind die Nesselkapseln paral- 
lel den Nervenfasern angeordnet; auf Längsschnitten werden sie daher 
längs, auf Querschnitten durch die Arme dagegen quer geschnitten, 
wobei ihre gruppenweise Anordnung auffällt. Das Nervenepithel fällt 
daher bei Craterolophus tethys noch weniger auf, als bei Halielystus 
octoradiatus und Lucernaria campanulata, wo man dasselbe gleich an 


310 N. Kassianow, 


der charakteristischen Nesselkapselschicht erkennt. Die Nesselkapseln 
selbst, welche im Nervenepithel und im subumbrellaren Ektoderm 
überhaupt auftreten, sind schmal und wurstähnlich, wie bei Lucer- 
naria campanulata. 


Sinnesepithel der Nesselbatterien. 


Außer auf den Armen ist es mir gelungen im subumbrellaren 
Ektoderin auch um die Ausfuhrgänge der Nesselbatterien Nervenepithel 
zu finden und zwar bei allen drei Gattungen. Die feineren Details 
ließen sich besonders gut bei Lucernaria campanulata studiren, 
wesshalb ich sie der Beschreibung zu Grunde lege. 

Die eigenartigen Nesselbatterien der Lucernariden, die bei an- 
deren Cölenteraten meines Wissens nirgends vorkommen, sind kuge- 
lige in der Gallerte der Subumbrella liegende Blasen, Einstülpungen 
des subumbrellaren Ektoderms. Bei allen drei von mir untersuchten 
Lucernaridengattungen sind die Nesselbatterien von durchaus gleichem 
Baue. Mit dem Ektoderm bleiben sie durch einen kurzen Mündungs- 
kanal dauernd im Zusammenhang. KEFERSTEIN (1863) hat diesen 
Kanal zuerst beschrieben, dessen Existenz von späteren Forschern 
mit Unrecht bezweifelt oder nicht erwähnt wurde. Der Kanal ist 
ziemlich lang und seine Öffnung erscheint auf Flächenschnitten rund 
und von ansehnlichem Durchmesser (25—29 u). Die dem Ausfuhr- 
gang gegenüberliegende Wand der Nesselbatterien zeigt viel höheres 
Epithel und hier entstehen die Nematocystenzellen. Die letzte- 
ren fallen vermuthlich bei der Reizung des Thieres in den Hohl- 
raum, und bei Kontraktion der mit Muskeln versehenen Wand der 
Nesselbatterien werden sie durch den Ausfuhrgang ausgeworfen. In 
dem Hohlraum findet man immer zahlreiche Nematocystenzellen mit 
ausgeschleuderten Fäden. Eine solche Nematoceystenzelle ist auf 
Fig. 9a, Taf. XXIII abgebildet. Die Zelle selbst ist durchsichtig, 
von etwa dreieckigem Umriss, mit ovalem Kern. Die Nesselkapsel 
ist oval, ebenfalls wasserhell und enthält ein rundes, mit Eosin sich 
homogen färbendes Gebilde, welches im ausgeschleuderten Zustande 
in einen, aus der Kapsel hinausragenden, zuerst ziemlich dieken, 
dann spindelförmig erweiterten Theil und endlich in einen langen, 
meist aber abgebrochenen Faden sich fortsetzt. Auf dem spindel- 
förmig erweiterten Theil sitzen sehr feine haarähnliche Borsten. 

Diese Nesselbatterien finden sich bei allen drei Gattungen zahl- 
reich auf der Subumbrella des Bechers und der Arme. Mit bloßem 
Auge erscheinen sie als weißliche Flecke. In besonders großer Zahl 


Studien iiber das Nervensystem der Lucernariden etc. sn 


sind sie am Rande des Bechers und der Arme vorhanden. Bei Lucer- 
naria campanulata sind die Nesselbatterien merkwürdiger Weise in 
den verschiedenen Oktanten verschieden vertheilt. In den Hauptradien 
stehen sie hier in einer Reihe, welche den Becherrand umsäumt und 
längs der Genitalien in vertikaler Richtung mehr oder weniger tief 
herabsteigt. Die Mitte des so gebildeten Dreieckes bleibt von ihnen 
frei. In den anderen Oktanten sind sie dagegen unregelmäßig vertheilt. 

Das Ektoderm in der Umgebung der Mündung der Nesselbatte- 
rien ist ein Sinnesepithel. Es ist hier höher, als gewöhnlich (ca. 
26 u) und enthält eine Nervenfaserschicht. Auf Längsschnitten durch 
den Ausfuhrgang kann man letztere nur undeutlich unterscheiden, 
weil sie verhältnismäßig geringe Breite besitzt und weil die Nerven- 
fasern nur im Querschnitt getroffen werden, also nur als feine Punk- 
tirung erscheinen und zwischen den Zellen schwer wahrzunehmen 
sind. An mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten Präparaten kann 
man die Nervenfasern an ihrer Eosinfärbung erkennen. In der 
Flächenansicht fällt die Nervenfaserschicht viel leichter auf, was ich 
besonders bei Craterolophus tethys studiren konnte. Sie erscheint 
dann in Form eines mit Eosin gefärbten, feinkörnigen Ringes, in wel- 
chem man auch zarte Fasern unterscheiden kann. Der Nervenring 
hebt sich außer durch die Färbung noch dadurch ab, dass der Faser- 
verlauf in ihm eirkulär ist, wogegen die Faserung in der Wand der 
Nesselbatterie, durch die Verlaufsrichtung der Muskelfasern derselben 
bedingt, eine meridionale und zum Nervenring folglich senkrechte ist. 
Außerdem erscheinen die Muskelfasern der Wand homogen und glatt; 
dagegen hat der Nervenfaserring, wie erwähnt, ein körniges Aus- 
sehen. Besser noch kann man das Sinnesepithel an tangentialen 
Längsschnitten des Ausfuhrganges studiren. Einen solchen glücklich 
ausgefallenen Schnitt, auf welchem auch die feinere Beschaffenheit des 
Sinnesepithels sich studiren ließ, zeigt Fig. 9a und 95 (Taf. XXI). 

Das hohe Epithel dieser Figur ist das subumbrellare Ektoderm 
um die Ausmündungsöffnung. Die letztere ist durch die leichte Ein- 
senkung des Ektoderms angedeutet. Die histologische Zusammen- 
setzung des Epithels ist wesentlich verschieden von der des Nerven- 
epithels der Arme. Wir können hauptsächlich zwei Arten von Zellen 
unterscheiden. Die einen gleichen vollkommen den Sinneszellen 
des exumbrellaren Ektoderms, so weit man nach den Schnitten ur- 
theilen kann, was aber durch Maceration, wie wir es weiter sehen 
werden, bestätigt wird. Sie sind spindelförmig, im distalen Theile 
fadenförmig. Die spindelförmige Anschwellung mit dem Kerne liegt 


>12 N. Kassianow, 


meist sehr basal, zum Theil in die Nervenfaserschicht eingebettet. 
Einige dieser Zellen liegen sogar ganz in derselben und nur ihr 
fadenförmiger, distaler Theil steigt zwischen den anderen Zellen bis 
zur Oberfläche empor (links von der Mitte der Fig. 9«). Zwischen 
diesen, gruppenweise liegenden Sinneszellen finden sich andere, deren 
Kerne im oberen Drittel der Epithelhöhe liegen, und welche distal 
etwas breit, basal vom Kern dünn und fadenförmig sind. Letztere 
Zellen sind sicher gewöhnliche Stützzellen. Die Nervenfaserschicht 
ist im Verhältnis zur Höhe des Epithels ziemlich niedrig. In ihr 
kann man wellenförmig verlaufende Nervenfasern ganz deutlich 
unterscheiden, welche wenigstens zum Theil den Sinneszellen an- 
«ehören müssen. Runde Kerne, welche in ziemlich großer Zahl der 
Nervenfaserschicht aufliegen, dürften, wenn nicht alle, so doch theil- 
weise zu Ganglienzellen gehören. 

Peripher um die Ausfuhröffnung wird die Nervenfaserschicht 
allmählich schmäler und ist schließlich weiter von derselben im 
Epithel nicht mehr zu unterscheiden. Aber auch das Sinnesepithel 
verliert an den Seiten der Ausfuhröffnung seinen nervösen Charakter 
und besteht aus zarten, nicht sehr gut erhaltenen Zellen, deren Gren- 
zen schlecht zu unterscheiden sind. Unter dem subumbrellaren Ek- 
toderm und dem Ausfuhrgang (A) sieht man auf Fig. 9a das Epithel 
der Nesselbatterie (Nde) selbst, welches hier aus blass gefärbten, 
zarten Zellen ohne deutliche Grenze besteht und in welchem auch 
feinste Fasern verlaufen. Manchmal schien mir, als ob im Epithel 
Ganglienzellen mit Fortsätzen wahrzunehmen wären. 

Eine solche Beschaffenheit zeigt die Wand der Nesselbatterie 
nur in der Nähe des Ausfuhrganges, wie Fig. 9a zeigt. Weiter von 
diesem entfernt sieht man im Epithel feine, von den Nervenfasern 
doch gut zu unterscheidende Muskelfasern (), welche also im Epithel 
nur um den Ausfuhrgang fehlen, wovon man sich auch auf Flächen- 
schnitten desselben überzeugt. Zwischen den Muskelfasern, welche an 
das Sinnesepithel herantreten, sieht man einzelne große Kerne, welche 
Ganglienzellen zugeschrieben werden können. Ob auch in der Wand der 
Nesselbatterie überall Ganglienzellen vorkommen, kann ich nicht ent- 
scheiden. Nur bei Craterolophus tethys konnte ich einmal zwischen 
den Zellen des Epithels der Nesselbatterie eine spindelförmige, aus- 
gezogene Zelle wahrnehmen, welche einer Ganglienzelle glich. 

Fig. 95 stellt ebenfalls einen tangentialen Schnitt durch die Um- 
biegungsstelle des subumbrellaren Ektoderms in den Ausfuhrgang 
einer Nesselbatterie dar. Auch hier sieht man, dass die Wand der 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 313 


letzteren um den Ausfuhrgang, welcher durch Ausbuchtung in dem 
Epithel angedeutet wird (A), keine Muskelfasern, dafür aber eine 
breite Nervenfaserschicht enthält. In letzterer liegende Kerne ge- 
hören aller Wahrscheinlichkeit nach zu Ganglienzellen. Im subum- 
brellaren Ektoderm bemerkt man auch auf dieser Figur eine Gruppe 
von Sinneszellen (bei S.ep). 

Somit haben wir hier ein charakteristisches Sinnesepithel, wel- 
ches sich durch den Besitz typischer Sinneszellen wesentlich von 
dem Nervenepithel der Arme unterscheidet. Da das Sinnesepithel der 
Nesselbatterien bei Halielystus octoradiatus und Craterolophus 
tethys dieselbe histologische Beschaffenheit zeigt, so weit man es 
nach den Schnitten beurtheilen kann, welche aber hier weniger gün- 
stig waren als die mehr dem Zufall zu verdankenden von Lucernaria 
campanulata, so besteht bei allen Gattungen der Unterschied zwischen 
dem Sinnesepithel der Nesselbatterien und dem Nervenepithel der 
Armspitzen. Es liegt nahe, diesen Unterschied mit der Verschieden- 
heit der Funktion in Verbindung zu bringen. Das Nervenepithel der 
Nesselbatterien scheint nämlich sensibler Natur zu sein, indem es die 
Reize unmittelbar von dem umgebenden Medium durch die hier vor- 
handenen Sinneszellen empfängt und auf die Muskelfasern der Nessel- 
batterien überträgt, wogegen das Nervencentrum jedes Armes, wie 
schon genauer erörtert wurde, motorischer Natur sein dürfte und die 
Reize von den Tentakeln zugeleitet bekommt. Demnach haben die 
Nesselbatterien mehr oder weniger selbständige Nervencentren. 


Sinneszellen des subumbrellaren Ektoderms des Becherrandes. 


Der Rand des Bechers wird von einem Wulst (Textfig. 9 Aw, s. w. u. 
p- 361) umsäumt, welcher die subumbrellare Gallerte sg (vgl. Beschrei- 
bung der Gallerte) und den darin eingebetteten Randmuskel enthält und 
von dem subumbrellaren Ektoderm überzogen wird. Wo die Arme 
von dem Becher entspringen, stoßen das subumbrellare Ektoderm 
und die subumbrellare Gallerte des Randwulstes an die exumbrellare 
Wand der Arme, welche die direkte Fortsetzung der exumbrellaren 
Wand des Bechers darstellt, an (Fig. 2, Taf. XXV, welche der Linie 
ab der Textfig. 9 entspricht), werden aber von dieser durch eine 
weiter zu beschreibende Zellplatte getrennt (Zr). Da die exumbrel- 
lare Wand der Armbasis viel diekere Gallerte besitzt, als der Rand- 
wulst, hebt sie sich von diesem wulstartig (Aw) ab, so dass auf einem 
Querschnitt durch den Becherrand ein Winkel gebildet wird. In 
diesem Winkel (Taf. XXV, Fig. 2 bei z), resp. an der Grenze des 


314 N. Kassianow, 


exumbrellaren Ektoderms (Eet.d.Aw) der Armbasis und des subum- 
brellaren Ektoderms (Zet.d.Rw) des Randwulstes, sind einige, dem 
letzteren angehörende Zellen verlängert und ziehen auf meinen Prä- 
paraten zu dem sich hier befindenden Ende des Randmuskels hin, 
wie ich es bei Craterolophus tethys konstatirt habe. Auf gün- 
stigen Stellen sieht man, dass diese Zellen in Fortsätze auslaufen. 
Dadurch erweisen sie sich als Sinneszellen. Die Art der Verzweigung 
der Fortsätze (s. abgerissenes Ende einer solchen Zelle auf Fig. 2 
bei y, Taf. XXV), eben so die ganze Gestalt der Zelle, ist ganz die- 
selbe, wie bei den spindelförmigen Sinneszellen des exumbrellaren 
Nervenplexus (vgl. Fig. 1 Sz,, Sz,, Taf. XXIII. Die Fortsätze heften 
sich an die Muskelfasern an und dringen auch zwischen dieselben 
ein (Fig. 2, Taf. XXV). An dieser Stelle findet man zuweilen eine 
Ansammlung von Kernen, wie es die Figur (y) zeigt. Diese Kerne 
ecehören möglicherweise zu Ganglienzellen, welche die Reize von den 
Sinneszellen auf die Muskelfasern übertragen. 

Man könnte auch der Meinung sein, dass diese verlängerten 
Zellen junge Muskelzellen seien, welche den Zuwachs des Rand- 
muskels bewirken; aber die Feinheit und die charakteristische 
Gabelung der Fortsätze der Zellen lässt mir keinen Zweifel, dass es 
Sinneszellen sind und dass wir hier eine Stelle vor uns haben, wo 
die Innervirung des Randmuskels, nämlich der unteren, in der Gallerte 
tiefer liegenden Partie desselben, stattfindet. Die obere, unter dem 
Ektoderm des Randwulstes liegende Partie des Randmuskels geht auf 
die Arme über und wird hier von dem Nervenepithel der Armspitzen 
innervirt, wie wir es schon gesehen haben. 

Auf meinen Präparaten, nach welchen die Fig. 2 gezeichnet ist, 
war keine Gallertschicht zwischen der Zellplatte und den Sinnes- 
zellen einerseits und den Fasern des Randmuskels andererseits wahr- 
zunehmen. Demnach liegt das Ende des Randmuskels der Zellplatte 
und dem, die Sinneszellen enthaltenden Theil des Ektoderms ganz 
dicht an, und nur durch die krampfhafte Kontrahirung des Thieres 
beim plötzlichen Abtödten ist es davon abgetrennt worden. Bei solch 
naher Berührung der Muskelfasern mit den Sinneszellen kann die 
Innervirung noch leichter stattfinden. 


Beschreibung der Macerationsergebnisse. 
Aus der Beschreibung der Befunde, welche an den Schnittserien 
von dem subumbrellaren Ektoderm gegeben wurden, geht hervor, 
dass das Nervengewebe an gewissen Stellen lokalisirt erscheint. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 3125 


Das wird auch durch die Macerationspräparate bestätigt, welche ich 
an Lucernaria campanulata ausgeführt habe. 

Im Allgemeinen gelingt die Maceration des subumbrellaren Ekto- 
derms viel schwieriger als die des exumbrellaren. Die subumbrellare 
Wand ist viel dünner und schwieriger zu isoliren, da sie mit vielen 
anderen Körpertheilen (Mundrohr, Muskeln und Genitalbänder) innig 
zusammenhängt. Dadurch wird es schwerer in den Präparaten sich 
zu orientiren und die Vertheilung der Zellen festzustellen. Aus dem 
Umstand aber, dass in den meisten Präparaten nur vereinzelte oder 
sar keine Nervenzellen sich finden, geht ebenfalls hervor, dass die- 
selben nicht überall vorkommen, sondern an gewissen Stellen loka- 
lisirt sind. Man kann auch eine Andeutung davon finden, wo man 
diese Lokalisirung suchen muss. Wenn das subumbrellare Ektoderm 
noch sehr wenig, das außerordentlich leicht macerirende Entoderm 
dagegen vollständig abgefallen war, konnte man auf den Stücken 
der subumbrellaren Wand Nervenfasern und Ganglienzellen an der 
Basis der Tentakel finden. Auch an anderen Stellen, von welchen 
ich nicht bestimmen konnte, welcher Partie der subumbrellaren Wand 
sie angehörten, verliefen im. Epithel auf ziemlich große Strecken zwi- 
schen den Kernen feine Nervenfasern. Mit Muskelfasern konnten 
sie wegen ihrer Feinheit nicht verwechselt werden. An einigen 
Stellen, wo das Ektoderm durch die Maceration mehr aufgelockert 
war, waren einzelne isolirte Ganglienzellen vielfach zu sehen. Zu- 
weilen waren ganze Faserzüge, welche von den Fortsätzen der Gan- 
slienzellen gebildet wurden, auf mehr oder weniger große Strecken 
bloßgelegt, wie es auf der Fig. 2, Taf. XXIV, dargestellt ist. Mehrere 
Ganglienzellen mit spindelförmigem bis lang ausgezogenem oder auch 
hutförmigem Protoplasmaleib liegen hier mit ihren langen Fortsätzen 
parallel neben einander. Die dazwischen liegenden Nesselkapseln 
(rk) beweisen, dass die Ganglienzellen dem subumbrellaren Ektoderm 
angehören, da solche Nesselkapselform dem exumbrellaren Ektoderım 
fehlt. Die Ganglienzellen und Nervenfasern sind denen der Exum- 
brella sonst vollkommen ähnlich. Ob sie auch meist zwei Kerne 
besitzen, ließ sich nicht entscheiden; zwar kamen solche mit zwei 
Kernen vor, doch blieb gerade in diesen Fällen ihre Zugehörigkeit 
zum subumbrellaren Ektoderm unsicher. 

Auch um die Nesselbatterie konnte ich auf solchen wenig mace- 
rirten Stücken der subumbrellaren Wand einen ganzen Nervenplexus 
finden. In demselben lagen, wie es Fig. 1, Taf. XXIV, darstellt, 
Ganglienzellen mit langen Fortsätzen und zahlreiche abgerissene 


316 N. Kassianow, 


Fasern. Außerdem konnte ich in dem sonst wenig aufgelockerten 
Gewirr von Zellen eine Sinneszelle finden (5), welche denen des ex- 
umbrellaren Ektoderms glich. Dass dieselbe dem subumbrellaren 
Ektoderm angehört und nicht zufällig aus dem exumbrellaren auf 
das Präparat gerathen ist, wie ich zuerst glaubte, beweist der Um- 
stand, dass sie mit ihren Fortsätzen zwischen den subumbrellaren 
Ektodermzellen lag und mit diesen verflochten war. Nur der Über- 
sichtlichkeit wegen ist die Sinneszelle (d) von mir freiliegend dar- 
gestellt worden. Außer dieser typischen Sinneszelle konnte ich leider 
nur Bruchstücke von solchen finden. Die Zelle c der Fig.1 ist offen- 
bar auch eine Sinneszelle, bei welcher aber die Nervenfasern ab- 
gerissen sind. Bei einer zweiten Zelle (c,) waren die Fasern verdeckt, 
der distale dünne Theil war aber sehr lang, was auch aus der Be- 
trachtung der Schnitte hervorgeht (Fig. 9a, Taf. XXI). Die Selten- 
heit der Sinneszellen auf den Macerationspräparaten folgt daraus, 
dass sie nur im Epithel um den Ausfuhrgang der Nesselbatterie vor- 
kommen. 

Außerdem fand ich hier, wie auch sonst im subumbrellaren 
Ektoderm zerstreut, Zellen, welche basalwärts fadenförmig waren 
(Fig. 1 f, Fig.3c,d, Taf. XXIV). Distal vom Kern sind sie mehr 
oder weniger breit, bald cylinderförmig (wie die Zelle d auf Fig. 53 
und f auf Fig. 1), bald aber auch dünn. Im letzteren Falle liegt 
der ansehnliche Kern in einer Protoplasmaanschwellung. Wenn 
solche Zellen gut erhalten sind, so sieht man, dass ihr unterer Theil 
etwas verbreitert endet (Fig. 3c). Diese Zellenart spielt im Nessel- 
epithel und Nervenepithel der Arme die Rolle der Stützzellen. Im 
Nesselepithel liegen zwischen den fadenförmigen unteren Theilen 
solcher Stützzellen die ganze Masse der hier vorhandenen Nesselzellen. 
Um diesen letzteren Platz zu geben, sind die basalen Enden der eben 
beschriebenen Zellen fadenförmig. Im Nervenepithel durchsetzen 
diese Stützzellen die Nervenfaserschicht und befestigen sich an der 
Gallerte im Gegensatz zu den anderen Zellen desselben, welche in 
die Nervenfaserschicht umbiegen und den größten Theil des Epithels 
darstellen. 

Diese letzteren habe ich auch auf Macerationspräparaten finden 
können. Im Ganzen sind sie den Stützzellen ähnlich. Ihr distaler 
Theil ist ebenfalls bald breit oder zugespitzt (Fig. 3 d, Taf. XXIV), 
bald sehr dünn, fadenförmig und nur oben plattenförmig verbreitert 
(Fig. 3 a, e). Das hängt mit der höheren oder tieferen Lage des 
Kernes zusammen. Der basal vom Kern folgende, faserförmige Theil 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 317 


ist viel länger als der der Stützzellen, und auch viel länger, als die 
Höhe der höchsten Stellen des subumbrellaren Nervenepithels beträgt. 
Derselbe muss also im Epithel umbiegen, wie es auch die Schnitte 
gelehrt haben. Die nervöse Natur dieser Zellen und ihrer Ausläufer 
wird ferner dadurch bewiesen, dass die letzteren Varicositäten be- 
sitzen. Die Faser wird aber selbst in den Fällen, wo sie ziemlich 
lang war (Fig. 3 d), wohl kaum in ihrer ganzen Ausdehnung erhalten 
sewesen sein. Der Unterschied im Baue des Nervenepithels der Arme 
und des Sinnesepithels der Nesselbatterien wird somit auch durch 
die Untersuchung der isolirten Elemente bestätigt. 

Die schwierigen Macerationsverhältnisse und die Unmöglichkeit 
dieselben zu wiederholen, erlaubten mir nicht die Verbindung zwischen 
den nervösen und nicht nervösen Zellen festzustellen. 

Drüsenähnliche Zellen, von welchen ich auf Macerationspräparaten 
der subumbrellaren Wand nur zwei finden konnte, haben zwei oder 
mehrere Fortsätze, möglicherweise nervöser Natur (Fig. 4, Taf. XXIV). 
Zwar gehören diese Zellen aller Wahrscheinlichkeit nach dem Ekto- 
derm der Subumbrella an, jedoch kann ich das nicht ganz sicher 
behaupten. 

Weiter verdienen wohl Aufmerksamkeit auch eigenthümliche, 
nicht nervöse Zellen, welche auf den Macerationspräparaten der 
Subumbrella vorkommen. Dieselben enthalten im Inneren eine sich 
homogen färbende, muskelfibrillenähnliche, breite Faser, welche fast 
die ganze Zelle ausfüllt (Fig. 19, Taf. XXIV). Durch dieselbe ist 
der Kern ganz nach unten in die Zellbasis verdrängt. Im distalen 
Theile umkleidet nur ein schmaler, wie aus Alveolen bestehender 
Saum die Faser. In anderen Fällen war dieselbe kleiner und wahr- 
scheinlich dem entsprechend auch die Zelle weniger hoch. Die ein- 
selagerte, homogene Faser ähnelt den Fasern, welche in der Musku- 
latur vorkommen (Fig. 15, Taf. XXIV) und welche weiter unten bei 
der Beschreibung der Tentakelmuskulatur erwähnt werden. Mög- 
licherweise sind auch diese Zellen die Jugendstadien der letzteren. 

Macerationspräparate zeigten mir, dass auch in den Muskeln 
Nerven vorkommen. Im Randmuskel ließen sich nämlich typische, 
feine Nervenfasern mit Varicostäten nachweisen. Von den Längs- 
muskeln hatte ich keine guten Isolationspräparate, wesshalb die 
Prüfung auf Nerven hier mangelhaft blieb. Dafür gelang es mir in 
der Muskulatur der Tentakelstiele Nervenfasern und Ganglienzellen 
nachzuweisen, wovon Näheres bei der Beschreibung der Tentakel 
berichtet werden soll. 


318 N. Kassianow, 


3. Tentakel und Randpapille. 


Die naheliegende Vermuthung, dass Tentakel und Randpapillen 
Nervengewebe enthalten, ließ sich sowohl auf Schnitten, wie auch 
auf Macerationspräparaten sicher nachweisen. Da die Tentakel bis 
jetzt entweder nicht genau genug (TAscHENBERG 1877, Kuına 1879, 
CLARK 1881, KEFERSTEIN 1863), oder nicht ganz zutreffend (KoROTNEW 
1876) beschrieben worden sind, dabei aber die innigsten Beziehungen 
zu dem Nervensystem haben, werde ich die früheren Beschreibungen 
ergänzen durch die Beobachtungen, welche ich hauptsächlich an Cra- 
terolophus tethys anstellte. 


a. Die Tentakel. 


Die Tentakel der Lucernariden sind bekanntlich auf den Spitzen 
der acht Arme zu Gruppen vereinigt. Ihre äußere Form ist von 
KrLıng, KOROTNEW, CLARK eingehend beschrieben worden und aus 
meinen Übersichtsbildern von Halielystus octoradiatus (Fig. 7, 
Taf. XXIII) ersichtlich. Es sind stecknadelähnliche Gebilde, welche 
aus dem ziemlich langen cylinderförmigen Stiel und aus dem darauf 
sitzenden Nesselknopf bestehen. Sowohl der Stiel als auch der Nessel- 
knopf sind hohl. Diese Tentakelform ist für die Familie der Lucer- 
nariden sehr charakteristisch und kommt sonst bei den Scypho- 
medusen nirgends mehr vor. Dafür ist sie den Randkörpern (Rand- 
warzen) einiger Actinien sehr ähnlich, was bis jetzt nicht genug be- 
tont wurde. 


Der Nesselknopf. 


Der Nesselknopf der Tentakel besitzt ein außerordentlich hohes 
Ektoderm, welches aus vier Formen von Zellen gebildet wird, näm- 
lich Nesselzellen, Stützzellen, Sinneszellen und Drüsenzellen. Nach 
außen ist das Ektoderm von einer ziemlich dicken Outicula bedeckt. 
Die Maceration erlaubt eine genaue Vorstellung von dem Baue dieser 
einzelnen Elemente zu gewinnen. 

Die Nesselzellen, welche von allen histologischen Elementen 
des Tentakelknopfes am zahlreichsten sind, sind lang und faden- 
förmig ausgezogen und enthalten in ihrem distalen Ende eine Nessel- 
kapsel. In der Mitte besitzen sie eine größere Anschwellung und 
basalwärts, manchmal auch distalwärts yon dieser treten eine oder 
mehrere kleinere Anschwellungen auf. Die Nesselkapseln stehen also 
in einer Lage unter der Oberfläche des Tentakelknopfes. Sie sind 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 319 


länglicher Form, leicht gebogen und den Nesselkapseln des subum- 
brellaren Ektoderms ganz ähnlich. 

Der basale fadenförmige Theil der Zelle endigt entweder mit 
einer knopfartigen Anschwellung (Fig. 7 a, Taf. XXIV) oder mit zwei, 
manchmal vielleicht drei kurzen Ausläufern (Fig. 7 a,, a,, Taf. XXIV). 
Die protoplasmatische Umhüllung der Nesselkapsel ist sehr dünn und 
schwer sichtbar. Man kann sie jedoch vorzüglich beobachten, wenn 
die Nesselkapsel zufällig herausgefallen ist. Dann sieht man, dass 
die Hülle um die Nesselkapsel (Fig. 7 a,, Taf. XXIV) sehr hell 
und durchsichtig ist und sich weder mit Hämatoxylin, noch mit 
Eosin färbt. Am distalen Ende trägt sie ein kleines stumpfes 
Cnidocil, neben dessen Basis man häufig zwei dunkle Punkte be- 
.obachtet. Das Cnidocil sieht man sonst gar nicht, da es nicht über 
die Cutieula hervorragt; dies entgegen den Angaben und Abbildungen 
Kuıne’s. Das die Nesselkapsel nmhüllende Plasma enthält niemals 
einen Kern, was besonders bei den Zellen, aus denen die Nessel- 
kapsel herausgefallen ist (Fig. 7 «, Taf. XXIV), sicher festgestellt 
werden kann. 

Diese Zellform, welche schon TASCHENBERG richtig erkannt hat, 
wurde von KOROTNEWw, und neuerdings für ähnliche Nesselkapsel- 
zellen der Randpapille von Halielystus auricula von SCHLATER 
(1891) anders gedeutet. KoRrorTnEew hält nämlich die mittlere größere 
Anschwellung der Nesselzellen für eine besondere Zelle, und zwar für 
eine spindelförmige Ganglienzelle, durch welche die Fibrille der Nessel- 
zelle nur durchtrete. SCHLATER dagegen hält diese Anschwellung sammt 
der Fibrille für eine Ganglienzelle, welche die Nesselzelle innervire. 
Beide Ansichten beruhen auf der irrigen Beobachtung, dass auch 
in dem Plasma um die Nesselkapsel ein Kern vorkommen könne, 
was nie der Fall ist, wie ich mich auf zahlreichen Macerationsprä- 
paraten der Tentakel von Craterolophus tethys und Lucernaria 
campanulata überzeugen konnte. Niemals kommt es ferner vor, dass 
der fibrilläre Theil sich nach Art einer Ganglienzelle verzweigt, wie 
e8 SCHLATER beschreibt; eben so wenig treten Fibrillen von zwei 
vermeintlichen Ganglienzellen an eine Nesselzelle heran. Überdies 
kann man sich aus dem Auftreten von den Übergangsformen gut 
überzeugen, dass die gesammte Fibrille mit der Kernanschwellung 
und Nesselkapsel eine einheitliche Zelle darstellt. Im Ektoderm 
der Exumbrella findet man nämlich da, wo das Epithel hoch ist, 
Nesselzellen mit den ovalen großen Nesselkapseln, wie sie auch 


in den Tentakeln vorkommen, welche ebenfalls in einen Fuß aus- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 99 


320 N. Kassianow, 


gezogen sind, wobei dieser Fuß alle Abstufungen in Dicke und 
Länge zeigt, und bei einigen Zellen so fadenförmig fein wird, als 
bei den Nesselzellen aus den Tentakeln. 

Außer den beschriebenen Nesselzellen kommen bei Craterolo- 
phus tethys noch andere vor, welche große ovale Nesselkapseln be- 
sitzen, aber nur verereinzelt getroffen werden (Fig. 7 d, Taf. XXIV). 
In ihrem Habitus sind sie der ersten Form ganz ähnlich und haben 
ebenfalls eine größere, den Kern enthaltende und kleinere Anschwel- 
lungen. Die Faser ist an der Basis etwas verdickt und endigt ga- 
belig. Im Gegensatz zu der ersten Form haben diese Nesselzellen 
ein ziemlich langes, seitlich aufsitzendes, gewöhnlich gekrümmtes 
Cnidocil. Von dem vorderen Pol hängt in die Nesselkapsel ein 
keilförmiger, nach unten diekerer Stab, um welchen der Faden in 
einer Spirale gewunden ist. Die Wand dieser Nesselkapseln ist nicht 
glatt und homogen, wie die der länglichen Form, sondern wie run- 
zelig und färbt sich besonders stark mit Eosin. 

Einmal kam eine Missbildung der ersten Nesselzellenform mit 
zwei Nesselkapseln vor, welche auf der Fig. 10, Taf. XXIV, abge- 
bildet ist. 

Die Stützzellen (Fig. 7 d, 5, Taf. XXIV), welche zwischen den 
Nesselzellen und anderen Elementen des Tentakelknopfes vorkom- 
men, scheinen von indifferentem Charakter zu sein und stellen ge- 
wöhnliche nur sehr lang ausgezogene Ektodermzellen dar. Sie waren 
meist sehr schlecht erhalten und wurden gewöhnlich nur in Bruch- 
stücken gefunden. Ihre Gestalt ist ziemlich wechselnd. Sie sind stets 
schmal, besonders in der basalen Hälfte. Der distale Theil ist bald 
dick, bald dünn und endigt mit ziemlich breiter, von Cuticula be- 
deckter Fläche. Basal von der Nesselkapsellage sind die Zellen 
immer mehr oder weniger angeschwollen, zuweilen auch mit zwei 
Anschwellungen versehen; in einer derselben liegt der Kern (Fig. 7 e, 
Taf. XXIV). 

Drüsenzellen müssen auch im Tentakelknopf vorkommen, weil 
man auf Schnitten desselben (Fig. 6, Taf. XXIV) zwischen den Zellen 
unregelmäßige Körnchen findet, welche Drüsensekret sein dürften. 
Mit Hilfe dieses Sekretes geschieht wohl auch die Anheftung der 
Tentakel an fremde Gegenstände. Kuna hat auch solche Drüsen- 
zellen abgebildet. Ich konnte sie jedoch nicht finden, vermuthlich 
weil sie sich beim Maceriren schlecht erhalten. 

Außer den Funktionen der Vertheidigungs-, Angriffs- und Bewe- 
gungsorgane, welche durch die eben beschriebenen Elemente bedingt 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 321 


werden, kommt den Tentakeln auch eine Sinnesfunktion zu. Die- 
selbe ergiebt sich aus dem Vorkommen besonderer Sinneszellen von 
sehr charakteristischer Form, wie sie nur den Tentakeln zukommt 
und sonst nirgends getroffen wird. 

Diese Sinneszellen (Fig. 7 ce, Taf. XXIV), welche bis jetzt 
übersehen wurden, die aber allen drei von mir untersuchten Lucer- 
naridengattungen zukommen, sind weniger zahlreich, als die Nessel- 
zellen; auf vier bis fünf der letzteren kommt vielleicht eine solche 
Sinneszelle. Sie sind lang, spindelförmig ausgezogen und den ge- 
wöhnlichen Ganglienzellen etwas ähnlich. Nur der distale, über der 
Kernanschwellung liegende Theil ist etwas dieker, ziemlich kurz und 
endigt mit einem Sinneskegel von der Form einer Pfeilspitze. Der 
letztere ist für diese Zellen sehr charakteristisch und durch ihn 
wird ihre Sinnesfunktion wohl genügend bewiesen. Er ist ziem- 
lich lang, dreieckig, ragt über die den Tentakelknopf bedeckende 
Cutieula nach außen hervor und ist sicher das Gebilde, was KLına 
für das Cnidocil der Nesselzellen gehalten hat. An seiner Basis 
sieht man gewöhnlich zwei seitliche dunkle Punkte, ähnlich wie bei 
den Nesselzellen. Auf Schnitten sind die Sinneskegel meist schwer 
wahrzunehmen und schlecht erhalten. Am besten kann man sie auf 
Macerationspräparaten sehen, deren Epithel noch theilweise zusammen- 
hängt, und sich von ihrer Lage zwischen den Nesselzellen über- 
zeugen. 

Die Kernanschwellung der Sinneszellen ist größer, als die der 
Nesselzellen. Danach kann man beide Zellenarten sehr leicht unter- 
scheiden; dazu kommt noch, dass die Anschwellungen der ersteren 
viel mehr distal liegen, wie es aus dem Vergleich der gegenseitigen 
Lage der Zellen auf der Fig. 7, Taf. XXIV, zu ersehen ist. 

Wie diese Sinneszellen basalwärts endigen, konnte ich nicht 
feststellen, weil sie, im Gegensatz zu den viel resistenteren Nessel- 
zellen, stets sehr schlecht erhalten und an der Basis abgerissen waren. 
Ich kann desshalb nicht sagen, ob sie ähnlich den Nesselzellen an 
der Gallerte sich ansetzen, oder, was viel wahrscheinlicher ist, unten 
in eine Faser auslaufen, welche in die weiter unten zu beschreibende 
Nervenfaserschicht umbiegt und zur Bildung derselben beiträgt. Am 
basalen fadenförmigen Theile der Zelle kann man auch Varicositäten 
erkennen. 

Außer den Sinneszellen kommen den Tentakelknöpfen Ganglien- 
zellen zu, und zwar ebenfalls von einer besonderen Form, welche 
nur in den Tentakeln von mir gefunden wurde, was wahrscheinlich 

22* 


522 N. Kassianow, 


mit der Sinnesfunktion der Tentakel zusammenhängt. Diese höchst 
typische Ganglienzelle ist auf der Fig. 115, Taf. XXIV, abge- 
bildet. Der im oberen Theil ziemlich breite, nach unten sich ver- 
schmälernde Protoplasmaleib derselben geht unten in zwei feine 
Fasern aus, welche ihrerseits sich wieder verästeln. Auch aus dem 
mittleren Theil des Protoplasmaleibes entspringt ein kürzerer Fort- 
satz, mit Andeutung auf Zweitheilung. Der runde Kern liegt im 
unteren verengerten Theile der Zelle. Eine solche typische reichver- 
zweigte Ganglienzelle kam mir leider nur einmal vor, vermuthlich 
weil diese Zellen sehr wenig erhaltungsfähig sind. Fig. 11a, Taf. XXIV, 
zeigt eine andere, weniger typische Ganglienzelle. Dieselbe hatte die 
Form eines Dreieckes, dessen Spitzen in drei fadenförmige Fortsätze 
ausgezogen waren. 

Ob gewöhnliche spindelförmige Ganglienzellen vorkommen, kann 
ich nicht mit Bestimmtheit behaupten, denn über einige solche 
Ganglienzellen, welche hier vorkamen, war ich nicht sicher, dass sie 
wirklich hierher gehören oder nur zufällig hierher gerathen waren. 
Außerdem konnte ich auf Macerationspräparaten noch feine Faser- 
geflechte finden, welche vielleicht von den abgerissenen Enden der 
Sinnes- und Ganglienzellen gebildet waren. 

Meine Bemühungen, die Art der Verbindung der Nervenfasern 
mit den Nesselzellen festzustellen, blieben leider erfolglos. Zwar 
endigen letztere unten manchmal, wie es erwähnt wurde, mit feinen 
Ausläufern, dieselben sind aber immer kurz und kaum nervös (Fig. 7a,, 
as, d; Taf. XXIV). Die Nesselzellen könnten schließlich auch ohne 
Innervirung funktioniren, wie es bei denen der Nesselbatterien sicher 
der Fall ist, obwohl das in den Tentakelknöpfen weniger begreif- 
lich erscheint. 

Auf Schnitten kann man alle diese Zellformen unterscheiden, 
wenn auch manchmal nur andeutungsweise. Hier bewirken sie den 
Anschein besonderer Schichten, wie es aus Fig. 6, Taf. XXIV, zu 
ersehen ist. Dieselbe stellt ein Stück des Schnittes durch das Ekto- 
derm des Tentakelknopfes von Craterolophus tethys dar. Die 
distalste Schicht wird gebildet von den Nesselkapseln, die zweite 
(Sz) durch die größeren Anschwellungen der Sinnes- und Stützzellen, 
zwischen welchen auch Sekretkörnchen wahrgenommen werden. Die 
darauf folgende Schicht besteht aus kleineren Anschwellungen der 
Nesselzellen. Die tiefste, die Basis des Epithels einnehmende Schicht 
(nf) erscheint auf Schnitten feinkörnig, färbt sich charakteristisch mit 
Eosin und besteht ohne Zweifel aus den feinsten Nervenfasern, welche 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 323 


ich auf Macerationspräparaten gefunden habe. Wenn der Schnitt den 
Tentakelknopf etwas schief trifft, so erscheint die Nervenfaser- 
schicht nicht nur feinkörnig, sondern man kann in derselben dann 
sehr feine Faserzüge erkennen. Diese Schicht wird wohl von den 
fadenförmigen Fortsätzen der oben beschriebenen Sinneszellen ge- 
bildet. Aber auch Ganglienzellen dürften hier vorkommen, denn 
man sieht zuweilen an der distalen Grenze dieser Schicht einzelne 
runde Kerne, welche zu Ganglienzellen gehören müssen. 

Die Nervenfaserschicht ist etwa 11 u dick bei 84 u der Gesammt- 
dicke des Epithels. Von der Gallerte wird sie durch eine Reihe 
dunkler Punkte abgegrenzt, welche die angeschwollenen Basalenden 
der Zellen repräsentiren. 

Dieselben Schichten, wie überhaupt ganz ähnliche Zusammen- 
setzung, zeigen die Tentakelknöpfe von Lucernaria campanı- 
lata und Halielystus octoradiatus. Auf den Übersichtsbil- 
dern (Fig. 6 und 7, Taf. XXIII), welche Schnitte durch Arme von 
Halielystus octoradiatus darstellen, ist die Nervenfaserschicht 
mit blauer Farbe angedeutet. Auch bei diesen Lucernariden, wie 
man es besonders gut auf Schnitten von Halielystus octoradiatus 
sehen kann, sind Sinneszellen vorhanden, mit hervorragenden Sinnes- 
kegeln. Dieselben sind hier weniger schlank als bei Cratero- 
lophus tethys, an der Basis dieker und leicht hakenförmig ge- 
krümmt. Auch bei der letztgenannten Lucernaride sind die Sinnes- 
kegel der Schnitte viel dicker als auf Macerationspräparaten, was 
vielleicht davon herrührt, dass dieselben auf Schnitten mit Schleim 
bedeckt sind. Bei Halielystus octoradiatus ist im Gegensatz zu 
Lucernaria campanulata und Craterolophus tethys in den 
Tentakeln, wie überhaupt im Ektoderm der Subumbrella die größere 
ovale Form der Nesselkapseln die herrschende. 


Der Tentakelstiel. 


Das Epithel des Tentakelstiels besteht aus Epithelmuskelzellen 
(Fig. 17, Taf. XXIV), welche eine längsverlaufende Muskulatur bilden. 
KoROTNEW beschreibt auch eine Ringmuskulatur am Stiel, aber 
Kring bemerkt schon mit Recht, dass Korotnew Falten, welche 
sehr regelmäßig angeordnet und der Muskulatur täuschend ähnlich 
sein können, für Muskulatur gehalten hat, da Ringmuskulatur hier 
vollständig fehlt. Neben typischen Epithelmuskelzellen, deren Pro- 
toplasmaleib hoch und cylinderförmig, distal etwas verbreitert und 
mit Cutieula bedeckt ist, wobei man unter der Cutieula eine Reihe 


324 N. Kassianow, 


schwarzer Punkte sieht (Fig. 17, Taf. XXIV), findet man bei der 
Isolation auch Muskelfasern mit nur spärlichem Protoplasma, das 
einen länglich ovalen Kern enthält. Diese Muskelfasern erinnern 
schon mehr an die der Längs- und Randmuskeln. Von Interesse ist 
die schiefe Streifung, welche man an den Muskelfasern sieht. Dieselbe 
ist außerordentlich zart und schwer wiederzugeben und nicht an allen 
Muskelfasern zu beobachten; auch kommen an gestreiften homogen er- 
scheinende Strecken vor. Die Streifung wird wohl den Einkerbungen 
an den Rändern der Fasern zuzuschreiben sein (Fig. 12, Taf. XXIV). 
Wo die Faser zufällig zerrissen ist, erscheint sie aus feinsten Fibril- 
len zusammengesetzt. 

Außerdem trifft man in den Tentakelstielen, aber auch in den 
Längsmuskeln des Bechers, Fasern, welche im Gegensatz zu den 
oben beschriebenen nicht stark lichtbrechend sind, matt aussehen 
und sich ganz homogen färben (Fig. 13, Taf. XXIV). Diese letzteren 
Elemente sind stellenweise verbreitert und beiderseits spitz. Einmal 
habe ich eine leichte Andeutung eines Protoplasmahofes gesehen. 
Was diese Zellen in morphologischer und physiologischer Beziehung 
sind, kanr ich nicht sagen. 

Der Tentakelstiel enthält auch Nervenelemente, wie es mir auf 
Macerationspräparaten nachzuweisen gelang. Zwischen den Muskel- 
fasern findet man nämlich Nervenfasern und Ganglienzellen (Fig. 14, 
Taf.XXIV). Die Ganglienzellen (a), die ich mehrmals finden konnte, 
sehörten unzweifelhaft den Muskeln an, da sie entweder ganz oder 
wenigstens mit ihren Fortsätzen zwischen den Muskelfasern lagen. 
Ferner kommen hier noch Zellen vor, welche von den gewöhnlichen 
Ganglienzellen etwas abweichen (b). Sie besaßen einen langgestreck- 
ten Protoplasmaleib, welcher ganz platt und wenig körnig war, im 
Gegensatz zu den zuerst beschriebenen. Ein Unterschied in den 
fadenförmigen Fortsätzen war nicht zu finden. Eine ganz ähnliche 
Zelle kam mir auch im exumbrellaren Ektoderm von Craterolophus 
tethys vor. 

Die Verbindung der Nerven- und Muskelelemente konnte ich nicht 
sicher feststellen. Nur einmal fand ich eine Epithelmuskelzelle, welche 
an ihrer Faser eine rundliche Protoplasmaanhäufung trug, von der 
eine feine, möglicherweise nervöse Faser entsprang (Fig. 17, Taf. XXIV). 


Das Entoderm der Tentakel. 


Das Entoderm, welches den Kanal des Tentakelstieles auskleidet, 
ist eigenthümlich modifieirt und scharf von den übrigen Entoderm- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 325 


partien der Gastralhöhle abgesetzt. Selbst die kleinen Strecken, 
welche einzelne Tentakelkanäle von einander trennen und welche 
bei Halielystus octoradiatus durch die stärkere Ausbildung der 
Gallerte an solchen Stellen zapfenartig oder »ampullenartig« in die 
Gastralhöhle des Armes herabhängen, sind vom gewöhnlichen Ento- 
derm ausgekleidet (Fig. 7, Taf. XXI). 

Dies modifieirte Entoderm besteht nach KLıng aus Stützzellen, 
welche vermöge ihrer Elastieität den durch seine Längsmuskeln kon- 
trahirten Tentakel wieder strecken und aufrichten. Da ich dies 
Entoderm auf Macerationspräparaten gut studiren konnte, will ich es 
genauer beschreiben. Es ist zusammengesetzt aus langen (36—40 u) 
Zellen, welche aus hyaliner, sich nicht färbender Substanz bestehen 
(Fig. 8, Taf. XXIV). Meistens sind sie gleichmäßig dick, innen 
abgerundet, die Basis dagegen ist etwas verbreitert und gekrümmt, 
wobei ihr Rand stark lichtbrechend erscheint. Sie tragen, wie ich 
an einigen, besonders gut erhaltenen Zellen sah, ein oder zwei 
ziemlich lange Cilien (Fig. 8 a). Manchmal läuft das innere Zell- 
ende in einen dünnen Fortsatz aus (Fig. 8 d). Manche können 
in der Mitte sehr dünn sein, um Platz für die hier in großer Menge 
auftretenden Drüsenzellen zu geben, und nach oben und unten sich 
wieder erweitern (Fig. 8 c). Der runde ziemlich kleine Kern liegt 
stets im inneren Theil der Zelle, wo sich auch stärker färbendes 
Protoplasma mit den darin eingeschlossenen, gelbbraunen Pigment- 
körnchen befindet. 

Die Drüsenzellen (Fig. 9, Taf. XXIV), welche schon KLına er- 
wähnt und welche nicht nur im Entoderm der Tentakel, sondern 
auch im übrigen Entoderm der Gastralhöhle gefunden werden, sind 
sehr zierliche, flaschenähnliche Gebilde. An der Basis sind sie rund- 
lich oder birnförmig und tragen einen dünnen scharf abgesetzten und 
stark lichtbrechenden mehr oder weniger langen Hals, weleher innen 
knopfartig endigt. Die körnige innere Masse enthält einen runden, 
ziemlich kleinen Kern mit Nucleolus. Auf Schnitten sind diese 
Drüsenzellen, vermuthlich in Folge anderer Fixirungsmethoden und 
der Behandlung mit Alkohol, bei Eosinfärbung homogener gefärbt 
und dabei wie aus einzelnen Stücken zusammengesetzt, etwa wie eine 
Chitonschale. 


Äußere Tentakel mit modifieirten Stielen. 


Eigenthümlich modifieirt sind die äußeren, d. h. auf der exum- 
brellaren Seite der Arme stehenden Tentakel von Craterolophus 


326 N. Kassianow, 


tethys und Lucernaria campanulata, wie es schon mehrere 
Forscher bemerkten (MILNE-EDWARDS, KEFERSTEIN und KOROTNEW 
für Lucernaria campanulata, TASCHENBERG für Craterolophus tethys). 
Bei Lucernaria campanulata sind es sechs bis sieben außenstehende 
Tentakel, deren Stiel viel dieker ist und eine besondere histo- 
logische Zusammensetzung zeigt. Dieselbe wurde aber noch nicht 
richtig erkannt. 

Das ektodermale Epithel ist hier hoch, enthält auf den Schnitten 
zwei Reihen von Kernen und ist ein eigenthümliches Drüsenepithel. 
Es besteht, wovon ich mich an günstigen Stellen bei Craterolophus 
tethys überzeugen konnte, aus zwei Formen von Zellen (Fig. 1, 
Taf. XXIM). Die einen sind lang, fadenförmig, in der Mitte mit 
einer spindelförmigen, den Kern enthaltenden Anschwellung. Distal- 
wärts sind sie etwas verbreitert, auch basalwärts endet der faden- 
förmige Theil mit einer queren Platte. Die Kerne dieser Zellen 
bilden die obere Kernreihe des Epithels. Dazwischen stehen Drüsen- 
zellen, welche auf einem deutlich abgesetzten Fuß sitzen. Der Fuß 
bildet !/, oder !/,; der ganzen Länge der Zelle. Die Zelle selbst ist 
entweder schlauchförmig oder in der Mitte eingeschnürt, um der An- 
schwellung der ersten Zellform Platz zu geben. An der Übergangs- 
stelle in den Fuß liegt ein undeutlicher, wahrscheinlich geschrumpf- 
ter Kern; daher rührt die untere Reihe der Kerne im Epithel. Was 
diese Drüsenzellen vor allen anderen auszeichnet, ist der Inhalt, 
welcher aus kleinen bakterienähnlichen Stäbchen besteht, was man 
noch deutlicher sieht, wenn der Inhalt aus der Zelle herausgetreten 
ist. Im Gegensatz zu den anderen Drüsenzellen des Ektoderms, 
färben sich diese Zellen stark mit Eosin. 

Außer diesen zwei Zellformen kommen hier noch die gewöhn- 
lichen, sich nicht färbenden Drüsenzellen des exumbrellaren Ekto- 
derms ziemlich häufig vor. Das Vorhandensein derselben zeigt uns, 
dass wir es mit der Fortsetzung des exumbrellaren Ektoderms, wel- 
ches etwas modifieirt ist, zu thun haben; denn das Ektoderm der 
Subumbrella, welches in das Ektoderm der anderen Tentakel un- 
merklich übergeht, scheint überhaupt keine oder nur sehr wenige, 
auf Schnitten nicht wahrnehmbare Drüsenzellen zu enthalten. 

Das geschilderte Epithel nimmt jedoch nicht den ganzen Kreis- 
umfang des Stieles der äußeren Tentakel ein, denn auf der anderen, 
gegen die übrigen Tentakel gekehrten inneren Seite findet sich ge- 
wöhnliches Muskelepithel, wie bei den anderen Tentakeln. Die 
Funktion dieses Drüsenepithels ist wahrscheinlich die, den Tentakeln 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 327 


zu helfen sich mittels des klebrigen Sekretes an fremde Gegenstände 
anzuheften. 

Kriıns hat die Zusammensetzung dieses Ektoderms übersehen, 
da er sagt, dass die äußeren Tentakel dasselbe Ektoderm wie die 
Exumbrella haben. TASCHENBERG erwähnt die verdiekten Tentakel, 
nur meint er irrthümlicher Weise, wie auch KoROTNEwW, dass das 
Epithel hier mit Nematocystenzellen angefüllt sei, was ich nie be- 
obachtet habe. KEFERSTEIN bemerkte die modifieirten Tentakel bei 
Lucernaria campanulata und schreibt ihnen die BAUER ZU, 
sich wie Saugnäpfe anzuheften. 

Es ist möglich, dass dem Drüsenepithel der äußeren Tentakel 
Nervenfasern zukommen. Wenigstens sieht man auf Schnitten unter 
den Kernen der Drüsenzellen eine feinkörnige, mit Eosin sich fär- 
bende Schicht, in welcher man zuweilen auch eine horizontal ver- 
laufende Streifung erkennen kann. Ganglienzellen kommen zwischen 
den Zellen vielleicht auch vor, weil man hier und da vereinzelte tiefer 
liegende Kerne beobachtet. 

Die Cuticula, welche dieses Drüsenepithel bedeckt, ist auf Schnit- 
ten vertikal gestreift (Fig. 1, Taf. XXIII), wie man solche Streifung 
auch auf den gewöhnlichen durch Maceration isolirten Zellen des 
exumbrellaren Ektoderms sehen kann (Fig. 8, Taf. XXID. Sie er- 
scheint außerdem wie aus helleren und dunkleren Stellen zusammen- 
gesetzt. Die helleren entsprechen den Drüsenzellen und besitzen 
wohl eine besondere Beschaffenheit, welche dem Sekret nach außen 
herauszutreten erlaubt. Auf der Cuticula sieht man zuweilen Fort- 
sätze; zu welchen Zellen dieselben gehören, gelang nicht festzu- 
stellen. Wenn sie zu den spindelförmigen Zellen des Drüsenepithels 
sehören, so muss man letztere für Sinneszellen halten, was aber sehr 
unwahrscheinlich ist. 


b. Die Randpapille. 


Die Randpapillen sind ebenfalls Organe, in welchen man Nerven- 
sewebe zu finden erwarten durfte, da sie als Homologa der Sinnes- 
kolben der übrigen Scyphomedusen betrachtet werden. Von den 
drei von mir untersuchten Arten besitzen Craterolophus tethys 
und Haliclystus oetoradiatus Randpapillen, Lucernaria cam- 
panulata dagegen fehlen sie gänzlich. Dabei sind sie bei der 
ersten Gattung klein, rudimentär, und leicht zu übersehen, kommen 
nicht immer und in wechselnder Zahl vor, bei Halielystus octo- 
radiatus dagegen erreichen sie eine sehr ansehnliche Größe. Aber 


328 N. Kassianow, 


nicht nur in der Größe, sondern auch in dem histologischen Bau 
und, was damit aufs innigste verbunden ist, in der Funktion ist hier 
ein Unterschied zu konstatiren. 

Die Randpapillen von Craterolophus tethys sind den ge- 
wöhnlichen Tentakeln durchaus ähnlich. Sowohl der Stiel, als auch 
der normal entwickelte Nesselknopf haben denselben histologischen 
Bau. Auch in Bezug auf das Nervensystem sind ganz überein- 
stimmende Verhältnisse vorhanden. Das Ektoderm des Nesselknopfes 
enthält, so weit man nach Schnitten urtheilen kann, außer den 
Nesselzellen und anderen Elementen, die Sinneskegel tragenden Sinnes- 
zellen und an seiner Basis nimmt man eine feinkörnige, mit Eosin 
sich färbende Nervenfaserschicht wahr. 

Das Ektoderm des Stieles der Randpapille zeigt nur in so fern 
eine Abweichung, als die Muskulatur hier sehr schwach entwickelt 
ist, keineswegs aber gänzlich fehlt, wie es TASCHENBERG angiebt. 

Auch das Entoderm der Randpapille unterscheidet sich nicht im 
geringsten von dem Entoderm der Tentakel. 

Die Randpapillen von Halielystus octoradiatus weichen da- 
segen von den normal entwickelten Tentakeln sehr stark ab. Es sind 
annähernd kugelige, auf einem sehr kurzen Stiele sitzende, innerlich 
hohle Gebilde (Fig. 8, Taf. XXI). Das ektodermale Epithel, wel- 
ches sie bedeckt, ist mit dem Drüsenepithel der Stiele der äuße- 
ren modifieirten Tentakel von Craterolophus tethys und Lucernaria 
campanulata vollkommen identisch. Von dem Nesselknopf ist keine 
Spur vorhanden, im Gegensatz zu Haliclystus auricula, bei 
welchem die Randpapillen nach CLArk noch Reste des Nessel- 
knopfes besitzen. Somit entspricht die ganze Randpapille von Hali- 
clystus octoradiatus nur dem verdiekten Stiele der äußeren Ten- 
takel von Lucernaria campanulata und Craterolophus tethys. 

Damit hängt auch zusammen, dass die Randpapillen beider 
Arten (Craterolophus tethys und Halielystus octoradiatus) verschiedene 
Funktionen zu verrichten haben, indem die kleinen, sehr oft fehlen- 
den, in der von dem Rand der Exumbrella und dem Randmuskel 
gebildeten Furche verborgenen Randpapillen von Craterolophus 
tethys kaum als Lokomotionsorgane, sondern mehr als Schutz- und 
Sinnesorgane, ähnlich wie die Tentakel funktioniren; wogegen die 
stark entwickelten Randpapillen von Halielystus octoradiatus 
mit dem Fehlen des Nesselknopfes die Schutzfunktion nicht mehr zu 
verrichten im Stande sind, desto besser aber, wie ich mich bei der 
Beobachtung der lebenden Thiere überzeugen konnte, als Lokomotions- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 329 


organe funktioniren. Mit ihrer Hilfe kann Haliclystus octoradiatus 
förmlich kriechend sich fortbewegen. Hier haben also die Rand- 
papillen dieselbe Aufgabe wie die modifieirten Tentakel der beiden an- 
deren Lucernaridengattungen. Es scheint, dass sie sich auch einander 
ersetzen können, denn bei Haliclystus octoradiatus unterbleibt 
die Entwicklung des Drüsenepithels an den Stielen der äußeren Ten- 
takel; dagegen kommen so modifieirte Tentakel Craterolophus 
tethys und Lucernaria campanulata zu, bei welchen die Rand- 
papillen entweder tentakelähnlich ausgebildet sind oder gänzlich 
fehlen, wie bei der letzten Gattung. Schon KErERSTEIN (1863) hat 
diesen Schluss aus dem Vergleich der Lucernaria campanulata mit 
Halielystus octoradiatus gezogen. 

Damit hängt vielleicht auch zusammen, dass die Tentakel von 
Lucernariacampanulata und Oraterolophus tethys, bei welchen 
die Lokomotion ausschließlich durch Tentakel geschieht, größere und 
mit Einsenkung versehene Nesselknöpfe besitzen, als die von Hali- 
elystus octoradiatus, bei welchem dieselben von rundlicher, 
kleiner und zum Ansaugen weniger geeigneter Form sind. Auf diesen 
Unterschied hat KErERSTEIN ebenfalls aufmerksam gemacht. 

In Übereinstimmung mit dem Drüsenepithel der modifieirten 
Tentakel von Lucernaria campanulata und Craterolophus 
tethys besteht das Ektoderm der Randpapillen von Halielystus 
octoradiatus aus drei Zellarten: aus den eigenthümlichen, auf einem 
Fuß sitzenden Drüsenzellen mit wie aus Stäbchen bestehendem, sich 
mit Eosin stark färbendem Inhalt, aus den Stützzellen und aus den 
gewöhnlichen Drüsenzellen der Exumbrella. Diese Zellen bilden auch 
hier im Epithel zwei Reihen von Kernen. Die gewöhnlichen Drüsen- 
zellen sind besonders stark am Scheitel der Randpapille angehäuft, 
wo sie als weißlicher Fleck erscheinen. Solche Anhäufung von 
Drüsenzellen hat schon Korornzw abgebildet. Die Zellen, welche 
ich als Stützzellen bezeichne, werden, obwohl sie lang und spindel- 
förmig sind, wie im Drüsenepithel der modifieirten Tentakel, keine 
Sinneszellen, sondern von indifferentem Charakter sein, weil sie keine 
Andeutung nervöser Fortsätze zeigen; sie sind daher wohl sicher 
nur Stützzellen. An der Basis des Epithels nimmt man auch hier 
eine feinkörnige, aber wenig deutliche Schicht wahr, welche vermuth- 
lich ebenfalls den Nervenfasern angehört. In der Tiefe des Ekto- 
derms sieht man hier und da einzelne Kerne, welche Ganglienzellen 
angehören können. Aus dieser Beschaffenheit des Epithels geht her- 


330 N. Kassianow, 


vor, dass die Randpapille von Halielystus octoradiatus kein Sinnes- 
organ ist, sondern ausschließlich zur Lokomotion dient. 

Im Gegensatz zu Craterolophus tethys ist an der Basis der 
Randpapille von Halielystus octoradiatus ein sehr ansehnlicher 
Nervenapparat entwickelt, was ebenfalls mit der Verwendung der 
Randpapille zur Lokomotion zusammenhängt. Der sehr kurze Stiel, 
welcher die kugelige Randpapille trägt (Fig. 8, Taf. XXIII), ist auf 
der subumbrellaren Seite mit hohem Nervenepithel bekleidet. Dieses 
Nervenepithel (N.ep) fehlt auf der exumbrellaren Seite des Stieles, 
umgiebt denselben also nur halbkreisförmig. Außerdem grenzt das- 
selbe unmittelbar an den Randmuskel, unterhalb welchem die Rand- 
papille entspringt, wie Fig. 8, Taf. XXIII, es zeigt. Die Höhe 
des Nervenepithels beträgt 34 u, also etwas weniger als die Höhe 
eines solchen an den Armspitzen. Es ist auf der Fig. 5, Taf. XXIII, 
bei stärkerer Vergrößerung gezeichnet. Aus derselben kann man 
entnehmen, dass das Nervenepithel dem der Armspitzen gleicht, nur 
fehlen ihm die Nesselzellen vollkommen. Auch hier gehen die Stütz- 
zellen bis zur Gallerte und durchsetzen die Nervenfaserschicht gruppen- 
weise. Die nervösen Zellen dagegen biegen in die letztere um. 
Eben so liegen hier einzelne Kerne auf der Nervenfaserschicht oder 
selbst in derselben. Sie sind aber in größerer Zahl vorhanden als 
im Epithel der Arme und ihre Zugehörigkeit zu Ganglienzellen der 
Nervenfaserschicht tritt deutlicher hervor. Letztere erreicht etwa die 
halbe Höhe des ganzen Epithels. 

Die Nervenfasern steigen aus diesem Epithel auch in die Rand- 
papille selbst hinauf, wo man sie eine Strecke weit verfolgen kann. 
Schon daraus darf man schließen, dass das ganze die Randpapille 
bedeckende Ektoderm Nervenfasern enthalten muss. Auch in den an- 
srenzenden Randmuskel wird wohl das Nervenepithel Fasern schicken. 
Nach außen ist es mit einer ziemlich dieken Cuticula bedeckt, über 
welche keine Fortsätze hinausragen. Daraus und aus dem ganzen 
Charakter der Zellen folgt wohl, dass das Nervenepithel, eben so wie 
das der Arme, ein motorisches Nervencentrum ist, um so mehr, da 
auch die Randpapille selbst kein Sinnes-, sondern ein Lokomotions- 
organ darstellt. 

Die verhältnismäßig starke Ausbildung des Nervenapparates wird 
aber wohl nicht durch die Muskulatur der Randpapille bedingt, welche 
sehr schwach entwickelt ist, sondern hauptsächlich durch den Reich- 
thum an Drüsenzellen im Epithel, die ebenfalls innervirt werden 
müssen, um das klebrige Sekret zur Anheftung abzuscheiden. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 331 


Die schwach entwickelte Muskulatur der Randpapille ist aut 
Schnitten leicht zu übersehen, wie es auch KErERSTEIN (1863) und 
KoroTnew (1876) erging. Nur wenn der Schnitt das Ektoderm von 
der Fläche trifft, treten die Muskelfasern gelegentlich deutlich her- 
vor. Ich habe solche im Bereiche der Anhäufung der großen Drüsen- 
zellen, in der Nähe des Scheitels der Randpapille auf einem tangen- 
tialen Schnitt gefunden. Entsprechend der schwachen Entwicklung 
der Muskulatur wird vermuthlich auch die aktive Bewegung der Rand- 
papillen gering sein. Vielmehr werden ihre Bewegungen, das Neigen 
und Aufrichten, durch die Kontraktion des Randmuskels verursacht. 
Ihre Lage wird bei der Kontraktion des Randmuskels sehr verändert, 
wie man es an lebenden Thieren sehen kann. 

Das Entoderm der Randpapille ist ebenfalls etwas abweichend 
von dem der Randpapille von Craterolophus tethys und besteht 
aus niedrigen, den gewöhnlichen entodermalen mehr ähnlichen Zellen. 

Die Randpapillen von Halielystus octoradiatus wurden von 
Korornew (1876) nach ihrer äußeren Form beschrieben. Auch be- 
spricht er die drüsige Beschaffenheit des Epithels, das er mit dem 
der Haftscheibe des Fußes für identisch hält. Diese Ähnlichkeit ist 
auch wirklich vorhanden. Nur sind die basalen Enden der Drüsen- 
zellen der Haftscheibe ebenfalls breit und nicht zu einem Fuß abge- 
setzt, wie die der Randpapille. Die indifierenten Ektodermzellen der 
Haftscheibe (Fig. 18, Taf. XXIV) sind sehr lang und schmal, ent- 
sprechend der bedeutenden Höhe des ganzen Epithels und sind den 
indifferenten Zellen des Drüsenepithels der äußeren Tentakel von 
Lucernaria campanulata und Craterolophus tethys und der 
Randpapille von Halielystus octoradiatus ähnlich. Diese Ähn- 
lichkeit bestärkt mich in der Ansicht, dass das Drüsenepithel der 
Randpapille keine Sinneszellen enthält und die spindelförmigen Zellen 
desselben nur Stützzellen sind. Der basale Theil dieser Zellen in der 
Hatftscheibe ist verbreitert (Fig. 18, Taf. XXIV) und mit fadenförmigen 
Fortsätzen versehen, welche wohl zur Anheftung an die Gallerte dienen. 

Noch eingehender beschrieben CLArK (1881) und SCHLATER 
(1891) die Randpapillen von Halielystus auricula. Nach ScHLA- 
TER’S Angaben besitzen dieselben einen wohl entwickelten Nessel- 
. knopf und sind somit den äußeren Tentakeln von Lucernaria 
campanulata und Craterolophus tethys vollkommen ähnlich. 
Möglicherweise war es aber ein junges Individuum, welches ScHLA- 
TER nntersuchte, da CLARK für dieselbe Art angiebt, dass die Rand- 
papillen in der Jugend den Tentakeln ganz ähnlich sind, und erst 


332 N. Kassianow, 


später einen abweichenden Bau erhalten. Das geht so vor sich, dass 
ihr Stiel immer dieker wird, indem sich zuerst an einer kleinen Stelle 
Drüsenzellen ansammeln; später verbreitert sich das so modifieirte 
Epithel in Form eines Ringwalles über den ganzen Umfang des 
Stieles, so dass schließlich der Nesselknopf davon eingeschlossen wird 
und relativ sehr klein, in Form eines kleinen, Nesselzellen enthalten- 
den Höckers erscheint, der leicht übersehen wird. 

Bei Halielystus octoradiatus sind dagegen keine Spuren des 
Nesselknopfes und der Nematocystenzellen mehr vorhanden, eben so 
wenig etwas von der Furche, in welcher der Rest des Nesselknopfes 
bei Halicelystus auricula liegt. Die Umbildung der Randpapille 
ist also hier noch weiter gegangen. Allerdings giebt KOROTNEW an, 
dass Nematocystenzellen zuweilen auch bei dieser Art vorkommen 
können, was ich nie fand. Wahrscheinlich hat er sie bei jüngeren 
Thieren gefunden. 


4. Mundrohr. 


Es lag nahe im Ektoderm des Mundrohres, welches kontinuirlich 
in das Ektoderm der subumbrellaren Wand übergeht, Nervenzellen 
zu suchen. Das Vorkommen von longitudinal verlaufenden Epithel- 
muskelzellen in demselben (cirkuläre Muskulatur, welche KOROTNEW 
beschreibt, existirt nicht) und die ganze Funktion des Mundrohres 
lassen das Vorhandensein von Nervengewebe erwarten. Trotz sehr 
sorgfältiger Untersuchung der Macerationspräparate des Mundrohres 
von Lucernaria campanulata konnte ich jedoch mit Sicherheit 
keine Nervenzellen finden. Allerdings wurden zwei Ganglienzellen 
beobachtet, die aber eben so gut aus dem Ektoderm der Subum- 
brella zufällig in die Präparate gerathen sein könnten. Faser- 
geflechte fehlten hier auch. Nur einmal lag eine kurze, feine Faser 
vor, an eine Muskelfaser angeheftet oder vielleicht auch mit ihr ver- 
bunden (Fig. 15 e, Taf. XXIV). Die Schnitte ließen ebenfalls nichts 
von Nervengewebe im Mundrohre erkennen. 

Die Epithelmuskelzellen im Mundrohre der Lucernaria campa- 
nulata sind denen der Tentakelstiele von Craterolophus tethys, 
bei welchem sie überhaupt nur untersucht wurden, nicht ähnlich. Im 
Gegensatz zu den letzteren Epithelmuskelzellen, bei welchen der 
Protoplasmaleib der Faser aufsitzt und die Faser scharf abgesetzt 
erscheint (Taf. XXIV, Fig. 17), haben die Epithelmuskelzellen des 
Mundrohres keine so scharf abgesetzte Fasern. Hier liegt nicht der 
Protoplasmaleib der Faser an, sondern die zwei basalen Ecken der 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 333 
Zellen sind in mehr oder weniger lange Fasern ausgezogen (Fig. 15, 
Taf. XXIV), wobei beide letzteren keine einheitliche Fasern dar- 
stellen, vielmehr unter einem spitzen Winkel zu einander von der 
Zelle abgehen. Einige Zellen sind sogar spindelförmig und würden 
Ganglienzellen vollkommen ähnlich sein, wenn ihre Fasern nicht so 
breit wären (Fig. 15 d). Auch in ihrem ganzen Verlauf sind die faser- 
artigen Ausläufer dieser Zellen von unregelmäßiger Dicke im Gegen- 
satz zu den typischen Muskelfasern der Tentakelstiele. Außerdem 
sind sie nicht so stark lichtbrechend wie diese, färben sich matt und 
blass und geben zuweilen auch Zweige ab (Fig. 15 a). Überhaupt 
macht das Aussehen dieser Epithelmuskelzellen den Eindruck, als ob 
sie noch nicht so differenzirt wären wie die typischen Epithelmuskel- 
zellen. 

Ob dieser mehr indifferente Charakter der Muskelzellen mit dem 
Fehlen der Ganglienzellen im Mundrohre zusammenhängt, ob diese 
Epithelmuskelzellen vielleicht direkt Reize aufnehmen und mittels 
ihrer wenig differenzirten Fortsätze auch auf die anderen hinleiten 
können, möchte ich nicht unbedingt verneinen. Auch das Fehlen 
von Sinneszellen spräche in diesem Sinne. 

Einmal konnte ich zwei Zellen (Fig. 16 a, b) finden, welche feinere 
Fortsätze hatten. Eine von ihnen hatte zwei von denselben (a), aber 
den bipolaren Ganglienzellen war sie im Ganzen nicht sehr ähnlich, 
vielmehr glich sie den spindelförmigen Epithelmuskelzellen. Die andere 
hatte drei Fortsätze. Mehr solcher Zellen kamen mir nicht vor. 

Bei der zeitigen Unmöglichkeit die Maceration zu wiederholen, 
kann ich auch die ganze Frage betreffs des Nervensystems des Mund- 
rohres nicht endgültig entscheiden. 


5. Entoderm des Gastralraumes. 


Auch im Entoderm der Exumbrella, sowie im Entoderm der Sub- 
umbrella, gelang es mir, wenn auch nur andeutungsweise, Nervenzellen 
nachzuweisen. Dass die Nervenelemente im Entoderm überhaupt vor- 
kommen können, ist nach den Untersuchungen von R. und O. HERT- 
wıc (1879) über die Actinien und C. ScHnEiDER (1890) über Hydra 
erwiesen. Bei den Lucernariden erscheint zwar die Entwicklung der 
Nervenzellen im Entoderm nicht so nothwendig als bei den Actinien, 
da ersteren die entodermale Muskulatur, welche bei den Actinien so 
stark entwickelt ist, völlig fehlt. 

Das Entoderm der Lucernariden ist wenig differenzirt und be- 
steht aus gleichartigen Zellen, welche nur in ihrer Höhe variiren, 


334 N. Kassianow, 


ausgenommen in den Tentakeln, wo die Entodermzellen besonders 
hoch sind, und aus hyaliner, sich nicht färbender Substanz bestehen 
(Taf. XXIV, Fig. 8 a, 5, ec). Nur selten findet man im Entoderm 
Nesselzellen, dagegen sehr viele Drüsenzellen. 

Bei der Untersuchung der Gallerte der Exumbrella, von welcher 
beide Epithelschichten wegmacerirt waren, so dass nur noch einzelne 
Zellen anhingen, konnte ich Ganglienzellen auf der Entodermseite 
finden. Dieselben waren denen des Ektoderms vollkommen ähnlich, 
wesshalb ich keine besondere Abbildung von ihnen gebe. Auch ab- 
gerissene feine Fasern waren an solchen Präparaten wahrzunehmen, 
an welchen auch Varicositäten nicht fehlten. Einige der Fasern 
schienen mit Entodermzellen in Verbindung zu stehen. Auch eine 
entodermale Sinneszelle konnte ich einmal finden, noch im Zusammen- 
hang mit einer typischen Entodermzelle, wodurch ihre Zugehörigkeit 
zum Entoderm unzweifelhaft erscheint. Diese Sinneszelle, welche auf 
der Fig. 5, Taf. XXIV abgebildet ist, unterschied sich von solchen 
des Ektoderms wesentlich. Sie lief nur in einen Fortsatz aus, und 
der Protoplasmaleib ist beinahe eylinderförmig. Die Faser war ziem- 
lich lang und fein, wenn auch wahrscheinlich nicht in ganzer Länge 
erhalten. Vermuthlich trug diese Zelle auch ein Sinneshaar, das 
bei der Konservirung verloren ging. 

Auf den Schnitten ließ sich im Entoderm von Nervenzellen nichts 
nachweisen. 

Im Entoderm der subumbrellaren Wand ist es mir noch weniger 
gelungen, Nervenzellen zu studiren. Alles, was ich hier sehen konnte, 
war eine feine Streifung in einem kleinen Stück noch wenig mace- 
rirten Entoderms, welche im oberen Theil des Bechers, dem Rand- 
muskel nahezu parallel verlief und welche, da die Muskulatur hier 
fehlt, vermuthlich Nervenfasern zugeschrieben werden muss. 

Außer den Wänden des Magens und der Radiärtaschen über- 
kleidet das Entoderm noch die Gastralfilamente und die Geschlechts- 
organe. Die letzteren entstehen sogar als Einstülpungen des Ento- 
derms in die Gallerte. Es lag mir nahe Nerven auch hier zu suchen. 
Am Ausführgang der Genitalsinusse kann man auch eine, jedoch 
sehr schwache Andeutung davon finden. Die basale Region des 
Epithels soleher Ausführgänge wird nämlich von Eosin stärker ge- 
färbt, was von Nervenfasern herrühren kann. 

Auch die Gastralfilamente müssen Nerven enthalten, weil sie sich 
in der Gastralkavität wurmförmig hin und her bewegen und also 
Muskulatur besitzen müssen. Ich konnte aber auf den Schnitten 


nn. 
a u Gr 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 335 


keine Andeutung von Nervengewebe finden, eben so wenig aber auch 
Muskelfasern wahrnehmen. Daraus geht aber durchaus nicht hervor, 
dass Muskeln und Nerven hier wirklich fehlen, denn das Vorkommen 
von Muskeln in den Gastralfilamenten hat CLARK (1881) für Halielystus 
auricula festgestellt und Nerven lassen sich auf Schnitten nur bei 
stärkerer Entwicklung wahrnehmen. 


6. Zusammenstellung der gewonnenen Resultate. 


Die von mir beobachteten Verhältnisse des Nervensystems kann 
ich kurz folgendermaßen zusammenfassen mit Hinweis auf die Arten, 
an welchen sie gefunden wurden. 

Das Nervensystem der Lucernariden besteht: 1) aus dem Nerven- 
plexus des exumbrellaren Ektoderms, der sich über die ganze äußere 
Körperfläche ausbreitet. Bei Craterolophus tethys ist dasselbe 
möglicherweise auch an nicht sicher nachgewiesenen Stellen etwas 
stärker koncentrirt. Es wurde an Craterolophus tethys und Lu- 
cernaria campanulata studirt. 

2) Aus den Nervencentren, welche an den Armspitzen liegen, 
dem subumbrellaren Ektoderm angehören und ein hohes Nervenepithel 
darstellen. Das Nervenepithel breitet sich zwischen den Basen der 
Tentakel aus und steigt auf der Armsubumbrella eine Strecke weit 
herunter. Nachgewiesen bei allen drei Gattungen der Lucernariden. 

3) Aus Ganglienzellen und Nervenfasern in der Muskulatur der 
Tentakelstiele. Bei Craterolophus tethys nachgewiesen. 

4) Aus Nervenfasern und vermuthlich auch Ganglienzellen im 
Randmuskel, welche daher wohl auch im Längsmuskel vorhanden 
sein müssen. Nachgewiesen bei Lucernaria campanulata. 

5) Aus Nervenfaserzügen im Nesselepithel der Subumbrella, 
welche bei Lucernaria campanulata konstatirt wurden. 

6) Aus Sinneszellen des Ektoderms am Randwulste, wo derselbe 
an die Armbasen angrenzt. Nachgewiesen bei Craterolophus 
tethys. 

7) Aus der Nervenfaserschicht, besonderen reich verzweigten 
Ganglienzellen und besonderen Sinneszellen, möglicherweise auch 
gewöhnlichen Ganglienzellen der Tentakelknöpfe.. Nachgewiesen an 
Macerationspräparaten und Schnitten von Craterolophus tethys, 
auf Schnitten von Lucernaria campanulata und Halielystus 
oetoradiatns bestätigt. 

8) Aus besonderen, aus einem Sinnesepithel bestehenden Nerven- 


centren der Nesselbatterien, welche einen Ring um den Ausfuhrgang 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 23 


336 N. Kassianow, 


der letzteren bilden. Nachgewiesen bei allen drei Gattungen; der 
feinere Bau des Sinnesepithels wurde bei Lucernaria campanu- 
lata studirt. 

9) Bei Craterolophus tethys aus ähnlichen nervösen Ele- 
menten im Nesselknopf der Randpapillen, wie in den Tentakel- 
knöpfen. Bei Halielystus octoradiatus aus sehr gut entwickeltem 
Nervenepithel an der Basis der Randpapillen, welches dem Nerven- 
epithel der Armspitzen ähnlich, von dem Sinnesepithel der Nessel- 
batterien dagegen verschieden ist. 

10) Aus bei Lucernaria campanulata nachgewiesenen spär- 
lichen Ganglien- und Sinneszellen im Entoderm des Gastralraumes. 

Nach diesem kurzen Überblick wird es nützlich sein, die ge- 
sammte Wirkung des Nervensystems sich vorzustellen. Das die 
Armspitzen einnehmende und zwischen den Tentakeln sich verthei- 
lende Nervenepithel können wir als Centralorgan, und zwar als 
motorisches Centralorgan des Nervensystems auffassen. Die eigent- 
lichen sensiblen Organe, welche die nothwendige Ergänzung hierzu 
bilden, werden die Tentakelknöpfe sein; durch ihre Lage und histo- 
logische Beschaffenheit sind sie dazu besonders befähigt. Die Spitzen 
der Sinneszellen des Tentakelknopfes empfangen die Reize, die letz- 
teren werden dann durch die ebenfalls im Tentakelknopf vorhandenen 
Nervenfasern und Ganglienzellen den Ganglienzellen der Tentakel- 
stiele zugeleitet. Dieselben, zwischen der Stielmuskulatur liegend, 
veranlassen die Muskeln zur Kontraktion. Außerdem wird der Reiz 
durch das an die Tentakelbasen angrenzende Nervenepithel auch auf 
die übrigen Tentakel übertragen und dieselben zu Bewegungen, 
Entladung der Nesselkapseln und Ausscheidung des klebrigen Sekrets 
veranlassen. Aus dem Nervenepithel jedes Armes kann der Reiz 
nicht nur aufwärts, in die Tentakel, sondern er kann auch aus dem 
Nervenepithel den daran angrenzenden Randmuskeln, d. h. dessen 
Nervenfasern, zugeleitet werden. Die untere, tiefer liegende Partie 
des Randmuskels, welche auf die Arme sich nicht fortsetzt, kann auch 
selbständig durch Sinneszellen des Ektoderms am Randwulste inner- 
virt werden, wo dasselbe an die Armbasen anstößt (Craterolophus 
tethys). Eben so wird der Reiz aus dem unteren Theil des Nerven- 
epithels in den seitlich von demselben (Halielystus octoradiatus) oder 
unmittelbar unterhalb desselben (Lucernaria campanulata und Cra- 
terolophus tethys) liegenden Längsmuskeln eintreten und diese zur 
Kontraktion veranlassen. 

Durch die Nerven des Randmuskels wird der Reiz auch dem 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 33% 


an den Randmuskel angrenzenden Nervenapparat der Randpapille 
(Halielystus octoradiatus) zugeleitet. Die feinen Nervenfasern, welche 
aus diesem Nervenapparat in das ektodermale Epithel der Rand- 
papille selbst aufsteigen, werden den Reiz den Drüsenzellen zuleiten. 
Die letzteren werden dadurch veranlasst ihr Sekret auszuscheiden, 
vermittels dessen die Randpapille bei Haliclystus octoradiatus an die 
umgebenden Gegenstände sich anheften kann. Auch die. Muskeln 
der Randpapille werden durch den zugeleiteten Reiz zur Kontraktion 
veranlasst, wodurch die aktive Bewegung der Randpapille verursacht 
wird. Aber auch auf einem anderen Wege kann der Reiz zu der 
Randpapille gelangen, nämlich durch das Ektoderm, welches zwischen 
den Nervencentren der Arme und dem Nervenapparat der Randpapille 
liegt und welches wohl ohne Zweifel vereinzelte Ganglienzellen 
enthält. 

Es scheint mir wahrscheinlicher, dass die Randpapille die Reize 
nur auf diesen zwei Wegen und nicht direkt und selbständig be- 
kommt, und zwar aus dem Grunde, weil die sinnespereipirenden Ele- 
mente ihrem Nervenepithel im Gegensatz zu dem Sinnesepithel der 
Nesselbatterien fehlen. Dass die Randpapille von Halielystus octora- 
diatus die Reize vom Körper desselben, speciell aus den Armen be- 
kommt und nicht direkt von außen, beweist mir noch der Umstand, 
dass die Nerven nicht in der Randpapille selbst, sondern an ihrer 
Basis stark entwickelt sind. Der tentakelähnlichen Randpapille von 
Craterolophus tethys, welche demgemäß ein ausgesprochenes Sinnes- 
organ ist und die Reize von ihren Sinneszellen direkt erhält, fehlt 
auch das an der Basis liegende Nervenepithel. 

’ Die Nesselbatterien dagegen besitzen selbständigere Nervencen- 
tren und empfangen die Reize direkt durch ihre Sinneszellen, ob- 
gleich damit nicht ausgeschlossen ist, dass sie dieselben auch aus 
den Nervencentren der Armspitzen empfangen und somit auch von 
diesen zum Auswurf der Nesselkapseln veranlasst werden können. 

Endlich muss der Reiz aus den Nervencentren der Arme durch 
die Nervenfasern dem subumbrellaren Nesselepithel zugeleitet werden 
und sich durch die hier vorhandenen Nervenfasern und vermuthlich 
auch Ganglienzellen in demselben seitwärts und abwärts ausbreiten. 
Auf diesem Wege wird der von den Tentakeln empfangene Reiz die 
Nesselkapseln des Nesselepithels im ganzen Körper zur Entladung 
bringen, und dadurch wird dieser durch die Massenhaftigkeit der 
Nesselkapseln mächtige Schutzapparat seine für kleine Thiere wohl 
gefährlich wirkende Funktion ausüben. 

23* 


338 N. Kassianow, 


Aus den Tentakeln kann fernerhin der Reiz direkt durch das 
Nervenepithel, welches exumbrellar, an der Basis der äußeren Ten- 
takel liegt (Fig. 7, Taf. XXIID, auch dem Nervenplexus des exum- 
brellaren Ektoderms zugeleitet und in demselben verbreitert werden. 
Aber das exumbrellare Ektoderm kann auch selbständig mittels seiner 
Sinneszellen äußere Reize empfangen, und dann verbreiten sich 
solche vielleicht auch in umgekehrter Richtung. Die ganze äußere, 
exumbrellare Körperfläche muss man als ein diffuses, sensibles Organ 
auffassen, welches nur Sinnesfunktion zu verrichten hat, denn Mus- 
keln fehlen im exumbrellaren Ektoderm vollständig. Bei den anderen 
Scyphomedusen, speciell den Discomedusen, wird die äußere, exum- 
brellar liegende Sinnesgrube von allen Forschern auch als sensibles 
Organ, und zwar als Riech- oder Geschmacksorgan aufgefasst. 

Das Entoderm mit seinen Nervenzellen muss auch mit den ekto- 
dermalen Nervenzellen der Exumbrella und Subumbrella in Verbin- 
dung stehen. Diese Verbindung kann aber nur mittels der Nerven- 
fasern, welche durch die Gallerte gehen, bewirkt werden, denn am 
Mundrohr, der einzigen Stelle, wo das Entoderm an das Ektoderm 
unmittelbar angrenzt, kommen keine oder nur sehr spärliche Ganglien- 
zellen vor. Die Nervenfasern, welche ich von den ektodermalen 
Drüsensinnesflecken abgehen und in die Gallerte eindringen zu sehen 
slaube, könnten solche Verbindung des entodermalen und des ekto- 
dermalen Nervensystems darstellen. 


7. Frühere Beobachtungen. 


Von den Forschern, welche sich mit Lucernariden beschäftigten, 
machten nur Korornew (1876) und ScHLATeEr (1891) bestimmte An- 
gaben über das Nervensystem. Von den genannten Forschern glaubt 
der erstere das Nervensystem in den Tentakeln und SCHLATER in 
den Randpapillen von Halielystus auricula gefunden zu haben. 

Nach Korornew kommen in den Tentakelknöpfen amöboid- 
bewegliche eckige Zellen vor, welche den Fibrillen der Nesselzellen 
aufsitzen. Er hält diese Zellen für Ganglienzellen und meint, dass sie 
die Reize von einer Nesselzelle zur anderen übertragen. Ich konnte 
solche Zellen nicht finden. Wenn sie aber auch vorhanden sein 
sollten, so ist doch ihre nervöse Natur mir sehr zweifelhaft, um so 
mehr, da ich in den Tentakeln typische, reich verzweigte Ganglien- 
zellen gefunden habe, welche kaum den von KoROTNEW beschriebenen 
entsprechen können. Außerdem hält dieser Forscher auch die An- 
schwellung um den Kern der Nesselzellen im Tentakelknopf für eine 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 339 


nervöse Zelle, durch welche die Fibrille der Nesselzelle nur durch- 
seht. Dass es keine besondere Zelle ist, ist schon bei der Beschrei- 
bung der Tentakel genauer erörtert. 

Am ausführlichsten beschreibt SCHLATER das Nervensystem von 
Halielystus auricula. Nur sind aber alle von ihm beschriebenen 
Nervenzellen gar nicht nervös. Er hat denselben Fehler begangen, 
wie KOROTNEw, nur mit einer kleinen Modifikation. Die spindel- 
förmigen Ganglienzellen, welche er beschreibt und welche mit Nessel- 
kapseln in Verbindung stehen sollen, sind nichts Anderes als die 
fadenförmig ausgezogenen, mit spindelförmiger Anschwellung für den 
Kern versehenen Nesselzellen selbst, welche in ihrem distalen Theil 
eine Nesselkapsel enthalten (vgl. Beschreibung der Tentakel). 

Außer diesen Ganglienzellen beschreibt SCHLATER in dem Stiele 
der Randpapille, im interstitiellen Gewebe noch kleine, tripolare, um 
welche eine feine Punktirung zu unterscheiden ist. Diese letztere 
könnte nach ihm feinen Nervenfasern angehören. Diese tripolaren 
Ganglienzellen sind aber nichts Anderes als die Kerne der Drüsen- 
zellen, welche bei anderen Lucernariden, Craterolophus tethys und 
Lucernaria campanulata, überall im Ektoderm der Exumbrella vor- 
kommen. Die Kerne solcher Zellen sind geschrumpft, wie es so oft 
bei den Drüsenzellen der Fall ist, und in Folge dessen erscheinen 
sie wie verästelt (Fig. 2, Taf. XXII und Fig. 2, Taf. XXV). Be- 
sonders schön kann man ihre unregelmäßige, verästelte Form an 
Flächenpräparaten des abgezogenen ektodermalen Epithels sehen. 
Auch eine Punktirung um diese Kerne bemerkt man oft; dieselbe 
gehört aber nicht den Nervenfasern, sondern dem Plasma der Drüsen- 
zellen an. Dass es wirklich nur Kerne der Drüsenzellen sind, was 
SCHLATER beschreibt, beweisen mir seine Abbildungen selbst, auf 
welchen die vermeintlichen Ganglienzellen immer an der Basis einer 
Drüsenzelle sich befinden und besonders häufig da vorkommen, wo 
die Drüsenzellen in größerer Menge auftreten. 

Auch Sinneszellen beschreibt SCHLATER im Ektoderm des Stieles 
und im Nesselknopf der Randpapille. Diese Sinneszellen können 
wirklich solche sein, könnten aber eben so gut auch einfache Epithel- 
zellen vorstellen, denn das charakteristische Merkmal der Sinnes- 
zellen, welche im Tentakelknopf gefunden werden, bildet ihr Sinnes- 
kegel, den aber SCHLATER nicht gesehen hat. Die gewöhnlichen 
Epithelzellen der Tentakelknöpfe sind ebenfalls lang ausgezogen und 
mit einer spindelförmigen Anschwellung (Fig. 7, Taf. XXIV) für den 
Kern versehen. Die Zellen, welche SCHLATER als Sinneszellen im 


340 | N. Kassianow, 


Ektoderm des Randpapillenstieles beschreibt und welche solchen des 
Nesselknopfes ähnlich sein sollen, habe ich auch im Drüsenepithel 
der äußeren Tentakel und der Randpapille (Fig. 1, Taf. XXIII) ge- 
sehen. Dieselben scheinen mir aber gewöhnliche Stützzellen zu sein, 
weil ihnen die Sinneshaare fehlen und sie spindelförmige Gestalt an- 
genommen haben, um zwischen den Drüsenzellen Platz zu finden. 

Außer diesen Elementen des Nervensystems beschreibt SCHLATER 
noch »kompakte, knäuelartige, verhältnismäßig große Gebilde«, 
welche unmittelbar unter der Randpapille oder in ihrer Nähe in der 
Gallerte an der Ektodermseite sich befinden und in welchen er einige 
Ganglienzellen gefunden hat. Von diesen »Ballen« gehen Fasern ab, 
welche sich in der Gallerte verlieren. SCHLATER ist geneigt diese 
Organe als Nervencentren aufzufassen. Ich habe von solchen Ge- 
bilden bei Halielystus octoradiatus nichts gesehen und zweifle nicht, 
dass hier ein Irrthum vorliegt, indem diese Gebilde ein Kunstprodukt 
sein dürften und mit dem Nervensystem nichts zu thun haben. Dies 
erscheint um so wahrscheinlicher, weil die Gallerte in ihrem Aus- 
sehen sehr variirt, was zum großen Theil der Reagentienwirkung 
und dem Umstand, wie schnell und wie weit die Entwässerung ge- 
gangen ist, zugeschrieben werden muss. Fibrillenartige Beschaffen- 
heit der Gallerte habe ich an vielen Stellen des Lucernaridenkörpers 
gesehen, dieselbe rührt aber nicht von Nervenfasern her. 

Auch auf den Abbildungen dieser Gebilde kann man keine Ähn- 
lichkeit mit Nervengewebe finden. Anstatt der Ganglienzellen bildet 
SCHLATER, und nur auf einer der drei Abbildungen, welche diese 
Centralorgane darstellen sollen, einen einzigen Kern ab, und selbst 
der ist problematischer Natur. 

Es ist auch von vorn herein unwahrscheinlich, dass die Nerven- 
centren der Lucernariden in der Gallerte liegen sollen, weil dies bei 
keinen Medusen der Fall ist. Um so weniger kann es bei den Lu- 
cernariden sein, welche in der Gallerte nicht einmal gewöhnliche 
Mesenchymzellen, wie sie anderen Medusen zukommen, besitzen, die 
Fibrillen ausgenommen. 

Einige Forscher haben auch Augen bei den Lucernariden be- 
schrieben. So hat CrArk (1881) solche auf den Randpapillen von 
Halielystus auricula gefunden. Ich konnte nichts Derartiges bei Hali- 
clystus oetoradiatus sehen. Ich zweifle aber auch sehr, ob Augen 
bei Halielystus auricula vorkommen, erstens, weil sie nach der Be- 
schreibung CrArr’s zu undeutlich begrenzte Pigmentanhäufungen 
darstellen, und zweitens, weil sie nur an sehr jugendlichen Rand- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 341 


papillen vorkommen und später verschwinden, und es ist mir um so 
mehr zweifelhaft, weil SCHLATER auch bei Halielystus aurieula keine 
solehen Augen gefunden. Allerdings hält SCHLATER gerade desshalb 
den von ihm untersuchten Halielystus für eine besondere Abart des- 
jenigen, welchen CLARK studirte. Ich glaube aber nicht, dass es wirk- 
lieh eine Varietät ist, denn die weiteren Unterschiede, auf Grund 
welcher SCHLATER diese Abart aufstellt, reichen dazu nicht aus. Die 
Differenzen im histologischen Baue der Randpapillen, welche er nicht 
näher erwähnt, die aber, nach den Abbildungen zu urtheilen, darin 
bestehen, dass der Nesselknopf bei den von SCHLATER untersuchten 
Halielystus auricula stärker entwickelt ist als bei Halielystus auricula 
von CLARK, kann man durch die Altersverschiedenheit der unter- 
suchten Individuen erklären. Nach CrLArk sind die Randpapillen 
von Halielystus auricula in der Jugend den Tentakeln ganz ähnlich. 
Je älter aber das Thier wird, um so kleiner wird der Nesselknopf. 
Dem Unterschied in der Färbung kann man noch weniger Gewicht bei- 
legen, weil dieselbe sehr stark variürt. Bei Lucernaria campanulata 
habe ich Exemplare von prachtvoll smaragdgrüner bis zur schönsten 
tief karminrothen Farbe gefunden. Eben so wenig kann man dem 
Umstande Gewicht beimessen, dass der von CLARK untersuchte Hali- 
elystus nur an den Küsten Nordamerikas vorkommt, während der 
von SCHLATER Studirte im Weißen Meer lebt. 

Auch Ap. Meyer (1865) hat Augenpunkte in der Umgebung der 
Tentakel beschrieben, die ich eben so wenig finden konnte, trotzdem 
ich mehrere Arme mit Tentakeln in Quer- und Längsschnitte zerlegt 
habe. Hier sind es vielleicht Nesselbatterien, welche für Augen- 
punkte gehalten worden sind, wie auch TASCHENBERG vermuthet. 


B. Systematische Stellung der Lucernariden und Vergleich des 
Nervensystems der Lucernariden mit dem der übrigen 
Sceyphozoen. 


Ehe ich den Vergleich des Nervensystems der Lucernariden, wie 
ich es durch meine Untersuchungen erkannt habe, mit dem der 
übrigen Seyphozoen ziehe, muss ich mit ein Paar Worten die syste- 
matische Stellung der ersteren erwähnen. 

Die Geschichte und die ältere Litteratur der Lucernariden wurden 
von KEFERSTEIN (1863), Korornew (1876) und TAscHENBERG (1877) 
eingehend erörtert, wesshalb ich mich kurz fassen und hauptsächlich 
auf die neuere, nicht sehr umfangreiche Litteratur beschränken kann. 


342 N. Kassianow, 


Nachdem die Medusennatur der Lucernariden, welche lange zu 
den Actinien gerechnet wurden, zuerst von LAMARK erkannt, nachher 
von vielen Forschern anerkannt wurde, haben L. Acassız (1860, 1865), 
KEFERSTEIN (1863), KOROTNEW (1876), TASCHENBERG (1877) und CLARK 
(11881) die Stellung der Lucernariden im System der Medusen noch 
näher präeisirt. Alle fassten die Lucernaria als eine niedrig stehende 
Meduse auf. So vergleicht sie KEFERSTEIN mit einer Medusenknospe; 
L. Acassız spricht sich noch deutlicher aus mit den Worten: »They 
seem to bear the same relation to the free Discophorae wich the 
Pentacrinus one do to Comatulidae.« 

KorROTNEw nennt Lucernaria eben so deutlich ein geschlechts- 
reif gewordenes Scyphostoma. TASCHENBERG führt den Vergleich, 
welchen Acassız gemacht hatte, noch weiter, indem er bemerkt: 
»Lucernaria steht demnach in dem gleichen Verhältnisse zu den 
höheren Medusen, wie die Appendicularien zu den übrigen Ascidien 
oder wie Proteus zu den Salamandrinen.« 

Alle diese Vergleiche, so passend und richtig sie auch erscheinen, 
konnten doch nur unvollständig begründet und mehr geahnt werden, 
da der Bau von Scyphostoma damals noch nicht ganz richtig erkannt 
war. ÜCLARk (1881), an welchen sich auch CLAus (1890) angeschlossen 
hat, findet daher im Bau der Lucernaria keine so vollkommene Über- 
einstimmung mit dem des Scyphostoma. Vielmehr meinen Beide, 
dass Lucernaria eigentlich eine Kombination zweier Typen, des Me- 
dusen- und Polypentypus repräsentire, welche Ansicht früher schon 
Sars (1846), MiLne-Epwarps (1850) und R. LEUCKART (1860) ver- 
treten hatten. Der Polypentypus sollte (CLARKk) durch den basalen 
Theil (Fuß) von Lucernaria, welcher, wie die Actinien nur vorsprin- 
gende Septen (Täniolen) enthält, dargestellt werden. Den Medusen- 
typus erblickte man im oralen Theile, dem Becher von Lucernaria, 
dessen Gastralraum wie bei den Medusen in vollständig getrennte 
Taschen zerfällt. 

Nachdem aber GoETTE (1887) die Kenntnis des Baues des Scy- 
phostoma ergänzt und bei ihr auf einem gewissen Stadium Magen- 
taschen und andere Medusenmerkmale (Trichterhöhlen) nachgewiesen 
hat, kommt auch diese Beschränkung in Wegfall und man kann 
jetzt Lucernaria wirklich als ein geschlechtsreif gewordenes Scypho- 
stoma auffassen. Von dieser auffallenden Übereinstimmung der 
eleutherocarpiden Lucernariden (die Cleistocarpiden weichen durch 
den Besitz der sogenannten Gastrogenitaltaschen ab), kann man 
sich leicht überzeugen durch den Vergleich der Abbildungen bei 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 343 


KEFERSTEIN (1865), KoROTNEw (1876), TASCHENBERG (1877), CLARK 
(1881), Kuına (1879), Craus (1877), HAEcKEL (1879), Anrıpa (1891), 
welche den Lucernarienbau illustriren mit den Abbildungen des Sey- 
phostoma der Medusa aurita, wie man sie in der GoETTE’schen 
Arbeit findet. 

Allerdings meint GOETTE selbst, dass die Cubomedusen in ihrem 
peripheren Gastrovascularapparat noch ursprünglichere Verhältnisse 
zeigen, als die Lucernariden, weil bei den ersteren die Magentaschen 
von einander vollständig getrennt sind und nur durch vier Öffnungen 
in dem oberen Theil der Septen mit einander kommunieiren. Bei 
Lucernaria findet man nun ganz dieselben Verhältnisse, welche GOETTE 
aber übersehen zu haben scheint. 

Somit wiederholt Medusa aurita, deren Scyphostoma GOETTE 
hauptsächlich untersuchte, in ihrer Entwicklung getreu ihre Stammes- 
geschichte. Es dürfte dies eines der besten Beispiele einer von 
cänogenetischen Veränderungen freien Wiederholung der Phylogenie 
durch die Ontogenie sein. 

HAECKEL versuchte dann in seiner Monographie der Medusen 
die verwandtschaftlichen Beziehungen der Lucernariden zu allen an- 
deren Scyphomedusen und diese unter einander eingehender zu 
bestimmen. Im Gegensatz zu anderen jedoch betrachtet er nicht 
Lucernaria als die am tiefsten stehende und ursprünglichste Gat- 
tung, als die Ausgangsform aller anderen Scyphomedusen, sondern 
hält für eine solche die freischwimmende Gattung Tessera. Somit 
sollte Lucernaria ihre festsitzende Lebensweise sekundär erworben 
haben. Nach den Erörterungen und der Kritik der HAEcKEL’schen 
Auffassung, welche GoETTE auf Grund seiner Untersuchungen des 
Sceyphostomabaues unternommen hatte, kann es aber jetzt wohl 
keinem Zweifel unterliegen, dass nicht Tessera, sondern Lucer- 
naria als primitivste Form aller Seyphomedusen aufgefasst werden 
muss. Sie ist wirklich die ursprünglichste Form, gewissermaßen ein 
»geschlechtsreif gewordenes Scyphostoma«. Ihre festsitzende Lebens- 
weise hat sie von Sceyphostoma direkt ererbt. Auch ihre Tentakel, 
welche denen einiger Actinien (siehe weiter unten p. 344) vollkommen 
gleich sind, sind die ursprünglichsten und nicht die der Tessera. 
GoOETTE glaubt, dass auch die stark entwickelten Lucernaria-Septen 
die ursprünglichen Sceyphostomasepten seien, welche bei allen an- 
deren Scyphomedusen (mit Ausnahme der Charybdeiden), Tessera 
sowohl als bei höher stehenden Formen, bis auf kleine Septalknoten 
redueirt oder vollständig verschwunden sind. Nachdem ich aber in 


344 N. Kassianow, 


den Septen der Lucernariden eine Protoplasmalage gefunden habe 
(siehe Beschreibung der Septen p. 359), welche die Septen in zwei 
Hälften, subumbrellare und exumbrellare, scheidet, dürfte GOETTE’S 
Ansicht vielleicht doch nicht so zweifellos erscheinen. 

Nachdem die systematische Stellung der Lucernariden erörtert 
ist, wird damit auch die Basis für den Vergleich ihres Nervensystems 
mit dem der anderen Scyphozoen, zunächst den Actinien, welche 
den Lucernariden so nahe stehen, gegeben. 

Aus der im Vorhergehenden gegebenen Schilderung des Nerven- 
systems der Lucernariden folgt, dass dasselbe etwas höher entwickelt 
ist, als das der Actinien. Bei letzteren ist zwar nach den Unter- 
suchungen von R. und O. Herrwıc (1879) die Nervenfaserschicht 
- unter dem Ektoderm nicht überall gleichmäßig verbreitet, auf der 
Mundscheibe stärker als auf der äußeren Körperwand, besonders 
aber dem basalen Theil derselben, entwickelt; doch ist die Lokali- 
sirung nicht so scharf, als bei den Lucernariden. 

Auch die Sinnesorgane sind bei den Actinien nicht so stark 
entwickelt, wiewohl sie dort, wo sie vorhanden sind (z. B. Actinia 
equina), ganz übereinstimmenden Bau mit denen der Lucernariden 
zeigen. Die Übereinstimmung der Tentakel aller Lucernariden und 
der Randpapillen von Craterolophus tethys mit dem Bau der ähnlich 
wie letztere sitzenden Randwarzen einiger Actinien (Actinia mesem- 
bryanthemum, A. equina, Corynactis, Bunodes, Anemonia) ist eine 
höchst auffallende. Wir finden ganz dieselben Elemente. Die Sinnes- 
zellen mit den Sinneskegeln sind solchen der Lucernariden vollkommen 
ähnlich, eben so auch die Nematocystenzellen und die gewöhnlichen 
Ektodermzellen. KoroTnEew (18761), welcher die Randwarzen der 
Actinien, sowie die Randpapillen und die Tentakel der Lucerna- 
riden studirte, vermochte eine so große Ähnlichkeit nicht nachzu- 
weisen, weil er im Tentakelknopf der letzteren die Sinneszellen nicht 
auffinden konnte. Desshalb meint er irrigerweise, dass in den Rand- 
papillen und den Tentakeln der Lucernariden die sinnespereipirenden 
Elemente die Nematocystenzellen seien, im Gegensatz zu den Acti- 
nien. Auch die äußere Form der Randwarzen der Actinien ist den 
Tentakeln der Lucernariden ähnlich, besonders bei Corynactis, 
wo sie auf langen Stielen sitzen (KoROTNEW). 

Im Gegensatz zu den Actinien aber sind die Nerven des Ento- 
derms bei den Lucernariden sehr wenig entwickelt, was ohne 
Zweifel damit zusammenhängt, dass die entodermale Muskulatur der 
letzteren, welche bei den ersteren so stark entwickelt ist und den 


RE 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 345 


Haupttheil der gesammten Muskulatur des Körpers darstellt, voll- 
kommen fehlt. 

Der Unterschied liegt ferner auch darin, dass bei den Actinien 
die Nerven im Schlundrohre sehr stark entwickelt sind, bei den 
Lucernariden dagegen hier entweder ganz fehlen oder nur äußerst 
spärlich vorkommen. Daraus geht hervor, dass das Nervensystem 
der Actinien eigentlich stärker ausgebildet ist. Die höhere Entwick- 
lung desselben bei den Lucernariden spricht sich nur darin aus, 
dass hier eine Hervorbildung von acht besonderen Nervencentren 
an den Spitzen der acht Arme, welche mit Sinnesorganen (Ten- 
takeln) in Verbindung stehen — also schärfere Koncentrirung — statt- 
sefunden hat. 

Was endlich die eigentlichen Seyphomedusen anbetrifft, so zeigt 
das Nervensystem der Lucernariden in so fern eine Übereinstimmung 
mit denselben, dass auch bei ihnen das Nervensystem aus acht, mehr 
oder weniger selbständigen Nervencentren besteht. Dabei sind diese 
Nervencentren, ähnlich wie jene der übrigen Scyphomedusen, an be- 


"sondere Auswüchse des Schirmrandes, an acht Arme, welche den 


Schirmlappen der anderen Acalephen analog sind, vertheilt. Natür- 
lich kann hier nur von dem Nervensystem der Discomedusen die 
Rede sein, da bei allen Tesseronien (Charybdeiden ausgenommen), 
dasselbe entweder gar nicht oder noch unvollständig (Peromedusen) 
erforscht ist. 

Ein wichtiger Unterschied ist aber dabei zu konstatiren. Bei 
den Discomedusen und Peromedusen [HAEckEL (1881), Maas (1897)] 
sind die Nervencentren an die Sinneskolben oder Randkörper ge- 
bunden. Die Randpapillen der Lucernariden wurden von HAECKEL 
den acht Prineipaltentakeln der Tesseriden und als solche den Sinnes- 
kolben der übrigen Scyphomedusen für homolog erklärt, weil sie mit 
den letzteren die typische Zahl und Lage (in den Per- und Inter- 
radien) gemeinsam haben. Im Gegensatz zu den Discomedusen, 
Charybdeiden und Peromedusen haben die acht Nervencentren der 
Lucernariden mit den Randpapillen nichts zu thun, sondern sind an 
die adradial liegenden Arme gebunden. Zwar besitzen die Rand- 
papillen bei Halielystus octoradiatus, wie wir es fanden, einen 
besonderen Nervenapparat, denselben kann man aber mit den Nerven- 
centren der höheren Seyphomedusen nicht vergleichen. Die Entwick- 
lung dieses Nervenapparates bei Halielystus octoradiatus steht mit 
der Verwendung der Randpapille zur Lokomotion und mit starker 
Entwicklung ihres Drüsenepithels zusammen. Die Umbildung der 


346 N. Kassianow, 


Randpapille zum Lokomotionsorgane aber ist auch in der Familie 
der Lucernariden eine sekundäre Erscheinung. Der ursprüngliche 
Typus dieser Gebilde, wie er noch bei Craterolophus tethys 
z.B. erhalten blieb, hat keinen ähnlichen Nervenapparat und ist 
ein tentakelähnliches Sinnesorgan. Bei Lucerraria campanulata 
fehlen sogar die Randpapillen ganz. Dagegen kommen die Nerven- 
centren der Arme bei allen von mir untersuchten Lucernariden in 
übereinstimmender Weise vor. Der Unterschied ist aber noch größer, 
wie wir gleich sehen werden. 

Um den Vergleich mit den Discomedusen weiter zu führen, 
müssen wir die Frage beantworten, ob die Arme der Lucernariden 
den acht Stamm- oder Hauptlappen und den Schirmlappen anderer 
Scyphomedusen homolog sind. In der Litteratur habe ich ab- 
weichende Ansichten darüber gefunden, und keine von ihnen scheint 
mir richtig zu sein. 

Die Homologisirung der Lucernarienarme mit den Randlappen 
der übrigen Tesseronien ist nicht schwer durchzuführen. 

Nachdem HAEcKEL die Randpapillen der Lucernariden mit den 
Sinneskolben der höheren Seyphomedusen und die Lucernarienarme 
mit den Randlappen derselben verglichen hatte, zeigte GOETTE 
(1887) ausführlicher — ohne Zweifel mit Recht — dass bei den 
Tesseriden, welche nach den Lucernariden die nächst höher 
stehende Gruppe bilden, Randlappen ebenfalls angedeutet sind. 
Bei der Gattung Tessera (Textfig. 2 Za) sind dieselben in der 
Achtzahl vorhanden, sind solid (wie die Tentakel) und zeigen ganz 
dieselben Lageverhältnisse wie bei den Lucernariden (vgl. Textfig. 1 
und 2). Sie liegen nämlich auch adradial und schließen zwischen 
sich je einen Tentakel (Textfig. 2 7p, Ti) ein; diese letztere haben 
also dieselbe Lage in Bezug auf die Lappen, wie die Randpapillen 
der Lucernariden zu den Armen (Ri, Rp; Textfig. 1). Auch die Go- 
naden der Tessera (G) zeigen dieselben Lagebeziehungen zu den 
Randlappen, wie die der Lucernariden zu den Armen. Jede Hälfte 
der hufeisenförmigen Gonade liegt adradial, also mit dem Randlappen 
in einem und demselben Adradius. Bei den Lucernariden, wo acht 
getrennte Genitalbänder vorhanden sind, erstrecken sich dieselben 
bis auf die Arme (Aa) herauf. 

Bei Tesserantha (Textfig. 3), der anderen Gattung der Tesseriden, 
haben sich die Randlappen auf sechzehn, vermuthlich durch Theilung 
vermehrt, wobei die sekundären Lappen (Z) ihrerseits je einen Ten- 
takel (7a) zwischen sich einschließen. Die sekundären Tentakel (7a) 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 347 


unterscheiden sich von den Principaltentakeln (7p, 7”) dadurch, dass 
sie etwas dünner sind und dass sie, im Gegensatz zu den letzteren, 
keine Pigmentflecke (Ocelli) tragen. Also schon bei den Tesseriden 
sind die Sinnesorgane an die per- und interradial stehenden Ten- 
takel gebunden, wie bei allen höheren Seyphomedusen. Die acht 
sekundären adradialen Tentakel könnten ihrer Lage nach den acht 
Tentakelbüscheln der Lucernaridenarme entsprechen (vgl. Textfig 1 
und 3). 

Wenn wir uns zu den Cubomedusen wenden, so sind auch 
hier den Lucernarienarmen homologe Bildungen, wie es HAECKEL 


Mextae, 1. Kexti&. 2. 
Fig. 1. Lucernaride, schematisch von der oralen Fläche dargestellt. Die Buchstaben bedeuten so- 
wohl für diese Figur, wie auch für die Figg. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8: Pr, Perradius; /r, Interradius; Ar, Ad- 
radius; Rp, perradiale Randpapille (resp. Sinneskolben); Ri, interradiale Randpapille (resp. Sinneskolben); 
@G, Gonaden; S, Septen (resp. Septalknoten); Aa, Arme (adradiale); M, Mundöffnung; 7p, perradiale 
Tentakel; Ti, interradiale Tentakel; 7a, adradiale Tentakel; Za, adradiale Lappen; Z, Lappen (sub- 
radiale, bei Tesserantha); Zc, Kranzfurche (Fig. 7); Up, perradiale Pedalien; Vi, interradiale Pedalien ; 
Ua, adradiale Pedalien; 7, Sinneslappen, 7’, tentakuläre Lappen (Fig. 6); @/, Gastralfilamente 
(Fig. 4; resp. Stellen der verschwundenen Septen). 
Fig. 2. Tessera, von der oralen Fläche. Schematisch nach HAcckeL, eben so wie die Figg. 3, 4, 5, 7, 8. 


gezeigt hat, leicht zu finden. Bei der Gattung Procharagma, 
welche HAEcKEL für die ursprünglichste hält, ist der Schirmrand 
durch acht Einkerbungen in acht adradiale Lappen getheilt. Zwi- 
schen denselben liegen vier perradiale Sinneskolben, und vier 
interradiale hohle Tentakel.e. Die Lage der Randlappen, eben so 
ihre Beziehungen zu den Tentakeln und Sinneskolben, sind genau 
dieselben, wie die der Arme zu den Randpapillen bei den Lucerna- 
riden. 

Wenn so weit Alles klar ist, und alle Forscher (HAECKEL, CLAUSs, 


348 N. Kassianow, 


GoETTE) über die Homologie der Lucernaridenarme einig sind, so 
wird es anders, wenn wir zu den höheren Tesseronien, Peromedusen 
und zu den Ephyronien übergehen. 

GoETTE (1887) hält die Arme der Lucernariden den Sinneslappen 
der Ephyra für homolog. Er sagt: »Bei den Cubomedusen und 
den Pericolpiden kann man sie (die Randlappen) freilich im All- 
gemeinen adradial nennen; aber schon bei den Lucernariden können 

sie in eine mehr subradiale 
‚Ag Stellung rücken (vgl. Lucer- 
naria batyphila...) und bei 
den Periphylliden stehen sie 
durchweg subradial, wie 
die soliden Randlappen der 
Tesseranthiden. Dadurch 
und durch ihre, schon er- 
wähnte, paarweise Verbin- 
dung zu je einem Stamm- 
lappen erweisen sie sich als 
Homologa der Rand- oder 
Flügellappen der Ephyrae«. 

Eine abweichende Auf- 
fassung hat Craus (1886), 
welcher sagt: »Wenn die 

Textfig. 3. acht adradialen Arme der 

Tesserantha, von der oralen Fläche. Lucernariden den acht 

Randlappen von Pericolpa 

gleichwerthig sein sollen, so können die letzteren nicht die ocularen 

Lappen sein, denn in Wahrheit entspricht jeder Arm der Lucer- 

naria mit seinen geknöpften Tentakeln den zwei einander zugekehr- 

ten Hälften eines ocularen und angrenzenden tentakulären Lappen- 
paares der Ephyra.« 

Weder die eine noch die andere Auffassung halte ich für zu- 
treffend. Vielmehr scheint es mir, dass die Arme der Lucernariden 
den acht Stamm- oder Hauptlappen der Discomedusen mit ihren 
Sinneslappen gar nicht homolog sind. Die 16 Sinneslappen, welche 
nicht adradial, wie die Lucernaridenarme, sondern subradial liegen 
entstehen ontogenetisch durch Theilung der acht Haupt- oder Stamm- 
lappen. Desshalb können wir von den 16 Sinneslappen absehen und 
nur die acht Stammlappen (Textfig. 4 St!) berücksichtigen. Dieselben 
stehen aber ursprünglich streng per- und interradial, wie die Sinnes- 


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Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 349 


kolben, welche sie tragen und werden nur später durch die Theilung 
in zwei Flügel- oder Sinneslappen (7) breiter und nehmen dann 
auch die Subradien in Anspruch. Schon desshalb kann man sie nicht 
mit den Lucernarienarmen vergleichen. Das beweist auch die Lage 
der Geschlechtsorgane (G). Wenn nämlich die Sinneslappen der 
Discomedusen den Armen der Lucernariden und den adradialen 
Lappen der Tesseriden und der Charybdeiden entsprechen, so 
müssten auch die Gonaden ihnen 
gegenüber liegen, denn dieselben 
zeigen bei allen erwähnten For- 
men die innigsten Beziehungen zu 
den adradialen Lappen, was be- 
sonders stark bei den Lucernari- 
den hervortritt. Bei den Disco- 
medusen aber liegen die Genitalien, 
wo sie aus acht getrennten Go- 
naden bestehen (z. B. Nausithoe&, 
Nausicaa), zwischen den Paaren 
der Sinneslappen. Dabei kommen 
sie gegenüber den adradialen Ten- 
takeln zu liegen, welche genau 
dieselbe Stelle, wie die adradialen Textfig. 4. 

Lappen einnehmen (vgl. Textfigg. 1 Nausicaa, von der oralen Fläche. 

und 4). Daraus geht hervor, dass 

hier die Tentakel und nicht die Sinneslappen die adradialen Lappen 
der niederen Tesseronien vertreten. 

Somit sehen wir, dass einige (niedere) Discomedusen eine andere 
Richtung in der Ausbildung des Schirmrandes eingeschlagen haben 
und anstatt des adradialen die per- und interradialen Stammlappen 
entwickeln, welche später sich theilen. 

Aber auch bei den Discomedusen fehlt die Bildung der adradialen 
Lappen durchaus nicht. Bei den höher stehenden Formen, z. B. 
Medusa aurita, tritt nämlich diese Lappenbildung wieder auf. Hier 
entstehen zwischen den Stammlappen »Velarlappen« oder »interme- 
diäre Lappen«, deren Bildung von Cruaus (1877) beschrieben wurde. 
Dieselben werden nachher viel ansehnlicher als die Stammlappen. 
Die Velarlappen liegen in der Achtzahl streng adradial und gegen- 
über den Gonaden, wie bei den Lucernariden die Arme. Die son- 
stige Übereinstimmung des Scyphostoma von Medusa aurita mit 
Lucernarien lässt keinen Zweifel, dass die Velarlappen und nicht 


350 N. Kassianow, 


die Sinneslappen, den Armen der letzteren entsprechen. Bei Me- 
dusa aurita ist nur die Entwicklung der adradialen Lappen verzögert 
und tritt erst auf, nachdem die Ephyra schon einige Zeit frei ge- 
worden ist. 

Dass es sich so verhält, beweist mir noch überzeugender die 
Familie der Peromedusen, welche eine vermittelnde Stellung zwi- 
schen den Tesseronien und den Ephyronien bildet, wie es jetzt all- 
gemein angenommen wird. | 

Bei dieser Familie treffen wir beide Lappenbildungen, streng 
adradiale wie bei den Lucernariden, Tesseriden und Cubome- 
dusen, sowie per- und inter- 
radiale, resp. subradiale, wie 
bei den Ephyronien. Inner- 
halb dieser in phylo- 
genetischer Hinsicht 
hochinteressanten Me- 
dusengruppe muss der 
Wechsel der beiden Ent- 
wicklungsrichtungen in 
der Lappenbildung ent- 
standen sein, indem die 
adradialen Lappen, die eine 
Zeit lang neben den Stamm- 
lappen der Hauptradien exi- 
stirten, durch die letzteren 
gewissermaßen besiegt wur- 
den und bei höher ent- 
wickelten Formen nur noch 


Textfig. 5. j 
Pericolpa, von der oralen Fläche. ausnahmsweise vorkommen. 


Dieses Verhalten wird 


meiner Ansicht nach durch die höhere Entwicklung des 
Nervensystems und speciell der Sinnesorgane hervorge- 
rufen, wie ich es weiter zu zeigen versuchen werde. 

Bei den Pericolpiden (Textfig. 5), welche nach HAEckEL tiefer 
stehende Peromedusen sind, finden wir noch acht streng adradiale, 
stark entwickelte Lappen (La), welche dieselben Beziehungen zu den 
Gonaden (G) aufweisen, wie die Lucernaridenarme und welche zuerst 
HAECKEL, dann GoETTE mit den letzteren homologisirt haben, dem 
man auch nur zustimmen kann. HAEcKEL sagt: »Die vier perradialen 
Tentakel und die vier interradialen Sinneskolben derselben (Pericol- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 351 


piden) sind aus acht Prineipaltentakeln der Tesseriden entstanden 
und daher auch acht Randankern (d. h. Papillen) der Lucernariden 
homolog; hingegen entsprechen die acht adradialen, mit jenen alter- 
nirenden Randlappen der Pericolpiden den acht hohlen »Armen« der 
Lucernarien.« 

Nur CrLaus (1886) hat eine andere Meinung: »Die Parallele aber, 
welche E. HAEcKEL hinsichtlich der Schirmperipherie zwischen Peri- 
colpa und Lucernaria zieht, muss als eine verfehlte betrachtet wer- 
den, zumal dieselbe mit der Deutung der Randlappen als Ocularlappen 
in direktem Widerspruch steht. Wenn die acht adradialen Arme 
der Lucernariden den acht Randlappen von Pericolpa gleich- 
werthig sein sollen, so können die letzteren nicht die ocularen Lap- 
pen sein, denn in Wahrheit entspricht jeder Arm der Lucernaria mit 
seinen geknöpften Ten- 
takeln den zwei einan- 
der zugekehrten Hälf- 
ten eines ocularen und 
angrenzenden tentaku- 
lären Lappenpaares der 
Ephyra.« Da das letz- 
tere, wie wir es schon 
sesehen haben und 
wie ich es weiter be- 
sründen werde, nicht 
als richtig angesehen 
werden kann, so kommt 
auch der darauf be- 
sründete Schluss in 
Wegfall. 

So klar diese Ver- 
hältnisse bei den Peri- N 
colpiden sind, werden 


Textfig. 6. 
sie aufden erstenBlick Pp eriphylla, von deraboralen Fläche. Schema frei nach HAEckEL. 
5 . ö ind ktirt und durch- 
viel undeutlieher und Gonaden (G) und Mundöffnung (M) sind punktirt un 


schimmernd dargestellt. 


komplieirter bei den 

Periphylliden, der anderen Abtheilung der Peromedusen. Aber 
gerade in dieser Familie liegt die Lösung der ganzen Frage. Die 
Periphylliden (Textfig. 6) haben, eben so wie die Pericolpiden 
vier Sinneskolben (Rx), aber anstatt acht sechzehn Lappen. Von 


diesen sind acht (Sinneslappen, S7) paarweise genähert und schließen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 24 


398 N. Kassianow, 


zwischen sich einen Sinneskolben; die anderen acht (tentakulären, 77) 
liegen auch subradial, nicht zu Paaren vereinigt, und zwischen ihnen 
liegt je ein Tentakel (7p), woher der Name tentakulär. Außerdem 
entspringen acht Tentakel (7«) zwischen den Paaren der Sinnes- und 
Tentakulärlappen. 

HaAEcKEL (1881) sagt: »Der Schirmrand der Periphylliden ist 
offenbar dadurch entstanden, dass an die Stelle eines jeden per- 
radialen Tentakels drei Tentakel und zwei zwischen diese eingefügte 
tentakuläre Randlappen traten. So stieg die Zahl der Tentakel von 
4 auf12 und die Zahl der Randlappen von 8 auf16. Die ursprüng- 
liche Zahl der vier Sinneskolben bleibt bei allen Peromedusen er- 
halten«, und weiter: »Die tentakulären Lappen der Periphylliden 
fehlen den Pericolpiden.« 

Daraus folgt, dass HAECKEL die adradialen Lappen der Peri- 
colpiden den subradial liegenden Sinneslappen der Periphylliden 
für homolog hält. Aber der Umstand, dass die ersteren streng ad- 
radial und die letzteren subradial liegen, spricht schon gegen diese 
Auffassung; außerdem zeigen die Lappen der Pericolpiden die 
typischen Beziehungen zu den Gonaden, ähnlich wie bei den Lucer- 
nariden, was bei den subradialen Sinneslappen der Periphylliden 
nicht der Fall ist (vgl. Textfig. 5 und 6). Wenn wir weiter darauf 
achten, dass diese Sinneslappen paarweise genähert sind und für 
einen getheilten Hauptlappen angesehen werden können (also es sind 
hier außer den acht tentakulären Lappen eigentlich nur vier Stamm- 
lappen), so wird die Unmöglichkeit dieselben mit den acht adradialen 
Lappen der Pericolpiden zu vergleichen, noch deutlicher. Von 
der Zusammengehörigkeit der je zwei subradialen Sinneslappen zu 
einander kann man auf den Abbildungen, welche Maas (1897) von 
den Periphylliden giebt (Taf. IX, Fig. 2; Taf. XI, Fig. 1) sich deut- 
lich überzeugen. Diese Abbildungen sind zum Theil nach den leben- 
den Thieren angefertigt, wesshalb die Größen- und Lageverhältnisse 
der Randlappen natürlicher sein müssen, was auch Maas sagt, als 
auf HAEckEL’s Abbildungen, welche nach konservirten, mehr oder 
weniger kontrahirten Thieren gezeichnet sind. Desshalb tritt der 
Unterschied in den Lappenbildungen auf Harcker’s Abbildungen 
nicht so deutlich hervor. 

Wenn wir aber auch die Auffassung, dass die acht adradialen 
Pericolpalappen ihre Homologa in den acht Sinneslappen der Peri- 
phylliden haben, trotz ihrer Unwahrscheinlichkeit annehmen wollten, 
so würden doch nur vier interradiale Haupt- oder acht Sinneslappen 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 353 


der Discomedusen ihre homologen Bildungen bei den Lucernariden 
haben. Dann würden aber auch die perradialen und die interradialen 
Stammlappen der Discomedusen auf verschiedene Weise entstanden 
sein, was bei den so streng radiärsymmetrisch gebauten Thieren wohl 
kaum möglich ist. 

Noch unwahrscheinlicher aber, ja entschieden unhaltbar wird 
diese Auffassung durch die folgenden Betrachtungen, welche von 
Craus (1886) herrühren. CrAaus meint nämlich, dass die adradialen 
Randlappen der Pericolpiden nicht den acht Sinneslappen der 
Periphylliden, sondern den tentakulären Lappen der letzteren ent- 
sprechen, während HAEckEL tentakuläre Lappen den ersteren abspricht, 
und, wie wir es noch sehen werden, mit Recht. Die Sinneslappen 
der Periphylliden, welche in in- 
niger Beziehung mit den Sinnes- 
kolben stehen, sind nach CrLAus’ 

Ansicht schon bei den Peri- 
colpiden angedeutet und von 
HAECKEL auch gezeichnet, aber 
nicht erwähnt worden. Wenn 
wir die Kopie der HaAEcKEL- 
schen Abbildung von Pericolpa 


(Textfig. 7) betrachten, können 
wir wirklich sehen, dass die 
Sinneskolben nicht direkt auf 


dem Schirmrand, zwischen den 
adradialen Lappen, sondern 
gleichfalls auf Lappenvorsprün- 
Senn liesensdiernar. nieht so’ weit, \\' II II: 14 
vorragen. Dass dies selbständige 
Lappen sind, beweisen die Pe- 
dalien (CLAus). Jeder dieser vier 
Lappen, welche wir demnach 
als Hauptlappen bezeichen können, besitzt gleich den übrigen 
Lappen ein gut entwickeltes Pedalium (Ui). Dasselbe wird, wie das 
der übrigen Lappen, durch eine Längsfurche zweigetheilt; eben so 
theilt eine quere Furche es in einen oberen und unteren Theil. 
Demnach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass diese letzter- 
wähnten vier unscheinbaren Lappen der Pericolpiden den vier 
Stammlappen der Periphylliden, welche zwischen ihren Sinnes- 
lappen je einen Sinneskolben tragen (vgl. Textfigg. 7 und 6), ent- 
24* 


Textfig. 7. 


Pericolpa, in der seitlichen Ansicht. 


354 N. Kassianow, 


sprechen. Sie sind nur viel kleiner, als die der Periphylliden und 
nicht so deutlich in zwei Sinneslappen getheilt. 

Jetzt muss festgestellt werden, was sind die acht tentakulären 
Lappen der Periphylla. Sie könnten den acht adradialen Lappen 
der Pericolpa entsprechen und nur durch die stärkere Entwicklung 
der Sinneslappen der interradialen Stammlappen, welche bei Peri- 
colpa wenig entwickelt sind, aus der streng adradialen in eine 
subradiale Lage verschoben sein. Diese Ansicht haben CrAus und 
GOETTE. Dieselbe erscheint aber mir nicht zutreffend: Erstens kann 
bei so allseitig symmetrisch gebauten Thieren, wie die Acalephen, 
eine solche Verschiebung, welche die strenge Symmetrie erheblich 
stören würde, kaum vorausgesetzt werden. 

Zweitens, an der Stelle, wo bei Pericolpa adradiale Lappen sich 
befinden, findet man bei Periphylla einen Tentakel (Textfig. 6 7a). 
Demnach muss dieser die ersteren vertreten. Das wird noch klarer 
dadurch, dass dieser Tentakel auch dieselben Lagebeziehungen zu 
den Gonaden (G) hat, wie die adradialen Lappen der Pericolpa. 
Es scheint überhaupt, dass, wenn ein Auswuchs des Schirmrandes, 
sei es ein Lappen oder ein Randkörper, nicht ausgebildet oder ver- 
schwunden ist, derselbe durch einen Tentakel ersetzt wird. So auch 
in diesem Falle. Dann sind bei Charybdea, bei welcher nur vier 
Randkörper vorhanden sind, die fehlenden vier interradialen durch 
je einen Tentakel vertreten. Bei den Discomedusen werden auf diese 
Weise die verschwundenen adradialen Lappen ersetzt (Textfig. 4 Ta). 
Eben so stehen bei Periphylla an der Stelle der fehlenden per- 
radialen Randkörper je ein Tentakel (Texfig. 6 7p). Selbst in der 
Ontogenie der Medusa aurita sehen wir, dass die Sinneslappen 
durch Tentakel präformirt sind (CLAus, HAECKEL, GOETTE), so dass 
HAECKEL die Ansicht sogar aussprechen konnte, dass die letzteren in 
die ersteren direkt sich umwandeln — eine Ansicht, die sich aller- 
dings nicht bestätigt hat. Daraus geht hervor, dass man diese ad- 
radialen Tentakel der Periphylla durchaus nicht überspringen und 
außer Acht lassen kann. Wenn aber die adradialen Lappen der 
Pericolpa den adradialen Tentakeln von Periphylla ent- 
sprechen, müssen die tentakulären Lappen Neubildungen 
sein. 

Noch überzeugender beweist mir das die Zahl der Pe- 
dalien. Pericolpa (Textfig. 7) hat 12 solche, Periphylla (Text- 
figur 6) 16, entsprechend der Zahl der Lappen. Wenn alle Lappen 
der Periphylla aus den Lappen der Pericolpa entstanden sein sollen, 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 355 


so müsste auch die erstere nur 12 und nicht 16 Pedalien besitzen. 
Neue vier Pedalien könnten nur durch acht, neu zugetretene, ten- 
takuläre Lappen gebracht werden. Wenn wir den Vorgang uns so 
vorstellen, dass die adradialen Lappen der Pericolpa gänzlich ver- 
schwunden, aber die ihnen zugehörigen Pedalien zurückgeblieben, 
dass weiter acht neue tentakuläre Lappen hinzugetreten sind, von 
welchen je zwei benachbarte ein Pedalium gebracht haben, bekommen 
wir für die Pedalien die Zahl 16. Warum von den acht tentakulären 
Lappen je zwei nur ein Pedalium gebracht haben, wird verständlich, 
wenn wir bedenken, dass je ein Paar derselben einem Paar der 
Sinneslappen der höheren Medusen, welche auch nur ein Pedalium 
haben (Nauphanta), entspricht, eben so wie der Tentakel, welchen sie 
einschließen, dem Randkörper der anderen höheren Acalephen ho- 
molog ist. 

Außer der Zahl beweist das auch die Lage der Pedalien. 
Jedes Paar, sowohl der tentakulären Lappen, wie auch der Sinnes- 
lappen, trägt nämlich auf seiner umbrellaren Seite außer dem eigenen, 
sich gabelig auf beide Lappen fortsetzenden Pedalium, noch die 
Gabelenden der zwei benachbarten (Textfig. 6 Up, Ur, Ua). 

Diese von Pericolpa so abweichenden Verhältnisse kann man 
folgendermaßen erklären. Die Schirmperipherie ist bei Periphylla 
durch die acht ursprünglichen breiten und die acht zugetretenen 
tentakulären Lappen ganz in Anspruch genommen, so dass anstatt 
der breiten adradialen Lappen von Pericolpa nur vier schmale Ten- 
takel Platz finden können. Entsprechend der ansehnlichen Ent- 
wicklung der Lappen sind auch die denselben zugehörigen Pedalien 
breit und nehmen den größten Theil der Exumbrella ein. Desshalb 
müssen die Pedalien, welche den verschwundenen adradialen Lappen 
zugehörten, durch die Pedalien der Tentakular- und Sinneslappen 
sedrängt, auf die letzteren aufwachsen (Textfig. 6 Ua). 

Auf diese Weise bekommen wir Verhältnisse, wie sie bei Peri- 
phylla vorhanden sind. Dadurch wird sowohl die Zahl wie auch die 
Lage der Pedalien erklärt. 

Der perradiale Tentakel (Textfig. 6 7p) von Periphylla, welcher 
zwischen den subradialen tentakulären Lappen steht, wandelt sich 
schon bei Nauphanta (Textfig. 8 Rp) in den Sinneskolben um, wo- 
durch die tentakulären Lappen zu Sinneslappen werden. 

Diese interessante Meduse zeigt in der Ausbildung der Schirm- 
peripherie genau dieselben Verhältnisse wie die ephyraähnlichen 
Discomedusen. Aber durch das Vorkommen der Pedalien (Up, Ui, 


356 N. Kassianow, 


Ua) erinnert sie an die Peromedusen, wie es HAECKEL erkannt hat. 
Dadurch nimmt sie eine vermittelnde Stellung zwischen den letzteren 
und den Discomedusen ein, so dass VANHÖFFEN (1891) sie mit den 
Periphylliden und einem Theil der Discomedusen zu einer Gruppe 
»Coronata« zusammengestellt hat. Mit der Ausbildung der vier per- 
radialen Sinneskolben, wodurch die für die höheren Acalephen typi- 
sche Achtzahl derselben er- 
reicht ist, ist auch jeder 
Unterschied zwischen den 
einzelnen Lappen bei Nau- 
phanta verschwunden; alle 
16 Lappen sind deutlich 
paarweise genähert. Die 
verschwundenen adradialen 
Lappen sind auch hier durch 
adradiale Tentakel (7«) an- 
gedeutet, welche in typi- 
scher Weise den Gonaden 
(G) gegenüberstehen. Eben 
so ist die Zahl der Pedalien 
dieselbe wie bei Periphylla, 
wesshalb man auch nicht 
zweifeln kann, dass die ten- 
Textfig. 8. takulären Lappen der letz- 
Naup Hanke, yansden no aan mit duel- teren den perradialen Sinnes- 
lappenpaaren von Nauphanta 
homolog sind. Die Lage der Pedalien ist ebenfalls ganz genau über- 
einstimmend. 

Wenn aber die tentakulären Lappen von Periphylla 
den perradialen Sinneslappenpaaren von Nauphanta und 
somit auch denen aller höheren Acalephen entsprechen, da- 
gegen den adradialen Lappen von Pericolpa und somit 
auch den adradialen Armen der Lucernariden nicht ho- 
molog sind, so können auch die letzteren den Sinneslappen 
der Discomedusen niemals homolog sein. So muss man auch 
auf diesem Wege zu derselben Ansicht kommen, wie bei dem direkten 
Vergleiche der Lappenbildungen. 

Nehmen wir auch an, dass die adradialen Lappen von Pericolpa 
bei Periphylla nicht verschwunden sind, sondern in subradiale Lage 
verdrängt wurden, obwohl das Vorhandensein des adradialen, die 


N 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 357 


adradialen Lappen von Perieolpa ersetzenden Tentakels und die 
Zahl und die Lage der Pedalien es keineswegs erlauben, und nehmen 
wir ferner an, dass sie bei Nauphanta und höheren ‚Discomedusen 
zu Sinneslappen wurden, so bekommeu wir bei den letzteren 
wiederum nur acht, den acht Lucernaridenarmen homologe, Sinnes- 
lappen. Die anderen acht, und zwar die, welche die interradialen 
Stammlappen bilden, würden grundverschieden sein und keine Ho- 
mologa bei den Lucernariden besitzen. Schon desswegen würde diese 
Auffassung urhaltbar sein. 

Somit sehen wir, dass adradiale Lappenbildungen bei den nie- 
deren Seyphomedusen, den Lucernariden, Tesseriden, Cubo- 
medusen und noch bei den Pericolpiden herrschen. Schon von 
der anderen Peromedusenfamilie an, den Periphylliden, ver- 
schwinden diese Lappenbildungen vollständig, um nur bei einigen 
höheren Discomedusen (z. B. Aureliden, Rhizostomiden) wieder 
aufzutauchen. Bei höheren Discomedusen werden die adradialen 
Lappenbildungen durch in Hauptradien stehende Stammlappen, welche 
gewöhnlich in zwei Sinneslappen getheilt sind, ersetzt. Der Anfang 
dieser Lappenbildung begegnet uns schon bei Pericolpa, aber noch 
wenig entwickelt. Schon bei Periphylla verdrängen sie die ad- 
radialen Lappen vollständig und herrschen vor bei Nauphanta, den 
meisten Cannostomen und einfachen Semostomen. 

Diese Lappenbildung steht offenbar in innigster Beziehung zu 
der Ausbildung der typischen Sinnesorgane. Wo dieselben fehlen 
(Lucernariden, Tesseriden) oder nur in Vierzahl vorhanden sind (Cu- 
bomedusen, Pericolpiden) herrscht adradiale Lappenbildung. Wenn 
die Achtzahl der Sinnesorgane erreicht ist, treten alle Lappen in 
innige Beziehungen zu den Randkörpern, in Bezug auf welche sie 
Träger und Schutzorgane darstellen, aber auch einen Theil des zu den- 
selben gehörigen Nervensystems (z. B. bei Oyanea annaskala nach 
LENDENFELD [1882]) tragen. Desshalb müssen sie auch größer werden 
und die adradialen Lappen verdrängen. Das ist schon bei Peri- 
phylla der Fall, obwohl hier nur vier Randkörper vorhanden sind, 
weil schon hier die Sinneslappen der interradialen Stammlappen in 
innige Beziehungen zu den Randkörpern getreten und dem entsprechend 
größer geworden sind, wodurch die adradialen Lappen keinen Platz 
finden konnten. 

Das Wiederauftauchen der adradialen Lappen bei einigen höheren 
Medusen, wo sie neben den perradialen und interradialen Sinnes- 
lappenpaaren vorkommen, dürfte dureh die bedeutende Größe, welche 


358 N. Kassianow, 


diese Acalephen erreichen, im Vergleich zu welcher die Randkörper 
sehr klein erscheinen, erklärt werden. | 

Aus dem, was über die Homologie der Arme und Randlappen 
gesagt wurde, müssen wir ferner schließen, dass das Nervensystem 
der Lucernariden mit dem der übrigen Scyphomedusen, wo es be- 
kannt ist, nicht direkt homologisirt werden kann. Abgesehen da- 
von, dass die Nervencentren der Lucernariden nicht an die Rand- 
körper gebunden sind, liegen sie sogar an Gebilden (Armen), welche 
wir nicht einmal als den Sinneslappen der Acalephen homolog auf- 
fassen können. Die Nervencentren der Lucernariden einerseits 
und die der Cubo-, Pero- und Discomedusen andererseits haben sich 
unabhängig von einander entwickelt, aber in paralleler Richtung, 
weil in beiden Fällen (mit Ausnahme der Cubomedusen) das Nerven- 
system aus getrennten Nervencentren besteht, im Gegensatz zu dem 
der Hydromedusen. 

Die Lucernariden zeigen uns weiter, dass das Nervensystem 
der Seyphomedusen überhaupt auf das der Hydromedusen nicht zu- 
rückgeführt werden kann. Denn, wenn das Nervensystem schon 
bei der ursprünglichsten aller Scyphomedusen aus acht getrennten 
Centren besteht, so muss man annehmen, dass es auch von vorn 
herein in dieser Medusenklasse eine andere Entwicklungsrichtung ein- 
geschlagen hat als bei den Hydromedusen. Übrigens konnte man 
das schon auf Grund des Vergleiches der gesammten Organisation 
erwarten. 

Aus dem Vergleich des Nervensystems der Lucernariden mit 
dem der anderen Scyphomedusen geht weiter hervor, dass es bei 
den ersteren weniger entwickelt ist, als bei den letzteren, wie es 
auch anders nicht sein kann. Vor Allem fehlt hier noch die Kon- 
centrirung des exumbrellaren Nervensystems zu besonderen Sinnes- 
organen, wie die Riech- oder Geschmacksgruben der Discomedu- 
sen. Vielmehr funktionirt die ganze äußere Körperfläche als ein 
diffuses Sinnesorgan. Dagegen enthält das subumbrellare Ektoderm 
schon stellenweise ein besonderes Nervengewebe; es sind hier moto- 
rische Nervencentren ausgebildet. Motorische Nervencentren sind für 
die Organismen wichtiger und desshalb treten sie früher auf, als die 
sensiblen, welche nur höheren Formen zukommen. Die Lucernariden 
brauchen außerdem bei ihrer festsitzenden Lebensweise die sen- 
siblen Nervencentren nicht in dem Maße, wie die freischwimmenden 
Medusen. 

Doch fehlen auch den Lucernariden die Sinnesorgane nicht ganz. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 359 


Hier funktioniren als solche die Tentakel und die tentakelartigen 
Randpapillen. Doch sind es keine vollständigen Sinnesorgane, denn 
die Tentakel dienen auch zur Vertheidigung, zum Ergreifen der Beute, 
sowie zur Lokomotion. Auch kommt ihnen hauptsächlich der Tast- 
sinn zu. Dagegen fehlen die specifischen Sinnesorgane, Gehör- 
(Gleichgewichts-) und Sehorgane, wie sie den höheren Medusen 
(Cubo-, Pero- und Discomedusen) zukommen. Also auch in der 
Ausbildung der Sinnesorgane stehen die Lucernariden auf der 
tiefsten Entwicklungsstufe, welche über die der Actinien sich nicht 
erhebt. 

Schon die nächstverwandten Tesseriden besitzen Augenflecke. 
Eine successive Entwicklung der Sinnesorgane vermögen wir im 
System der Scyphomedusen nicht zu verfolgen, denn zwischen den 
Tesseriden und den nächst höheren Formen besteht in dieser Be- 
ziehung eine weite Lücke. Abgesehen von den Charybdeiden, 
welche ein so hoch entwickeltes Nervensystem und Sinnesorgane 
besitzen, die aber vielleicht ein Seitenzweig im Stammbaume der 
Sceyphomedusen sind (CrAus [1878], Maas [1897)), haben auch die 
Peromedusen viel höher entwickelte Sinnesorgane als die Tesse- 
riden und unterscheiden sich in dieser Beziehung nicht erheblich von 
den Discomedusen {Nausitho&@ z. B., s. HAEcker [1881], Maas [1897)). 


0. Anhang. 


l. Septen. 


Bis jetzt haben die meisten Forscher angenommen, dass in den 
Septen der Lucernariden die Gallerte der Exumbrella kontinuirlich 
in die der Subumbrella übergeht. Bei meinen Untersuchungen fand 
ich jedoch, dass es sich nicht ganz so verhält. Bei Lucernaria 
campanulata z. B. beobachtet man, dass durch die Dicke des 
Septums und zwar in seiner ganzen vertikalen Ausdehnung, eine 
sehr dünne Protoplasmalage verläuft. Durch dieselbe werden hier 
die exumbrellare und subumbrellare Gallerte von einander scharf ge- 
schieden. Zu gleicher Zeit aber stehen dadurch die Entodermbeklei- 
dungen der benachbarten Radiärtaschen in Verbindung. In dieser 
protoplasmatischen Verbindung findet man keine Kerne; dem ent- 
sprechend sind es auch keine Zellen, sondern die Protoplasmalage 
wird von Fortsätzen der Entodermzellen gebildet, welche das Septum 
an seinen Seiten, in der Mitte seiner Breite, bekleiden und welche 
sich durch besondere Größe auszeichnen. Bei Lucernaria campa- 


360 N. Kassianow, 


nulata findet man gewöhnlich jederseits eine solche Zelle, welche 
weit in die Gallerte eindringt. Wenn das Septum ziemlich dünn ist 
(Fig. 10, Taf. XXIII), können die beiden Zellen direkt zusammen- 
stoßen, und das ist der häufigere Fall. Ist es dicker, so wird das 
direkte Aneinanderstoßen nicht so deutlich: man bemerkt nur eine 
dünne, körnige Protoplasmalage, welche beide Zellen verbindet. 

Dieselben Verhältnisse findet man bei Craterolophus tethys 
und Halielystus octoradiatus. Die Entodermzellen, welche jeder- 
seits (in Ein-, Zwei-, seltener Dreizahl) das Septum in der Mitte 
seiner Breite begrenzen (Fig. 11, Taf. XXI), sind auch hier etwas 
srößer, blasig und ohne sich färbenden Inhalt, worin sie den Ento- 
dermzellen des Tentakelstieles gleichen. Ihre Basen dringen in die 
Septalgallerte, bis sie an einander stoßen, wodurch der Querschnitt 
des Septums in zwei Zapfen getheilt erscheint. Dass dadurch die 
exumbrellare (Zg) und subumbrellare (Sg) Gallerte von einander ge- 
schieden werden, ergiebt sich aus der verschiedenen Beschaffenheit 
der beiden Gallertpartien, was weiter unten beschrieben wird (siehe 
Struktur der Gallerte). Auch verhalten sich beide verschieden zu den 
Färbungsmitteln, indem die exumbrellare Gallerte der Körperwand 
und ihre direkte Fortsetzung, welche den äußeren Theil des Septums 
bildet, sich intensiver färben als die Gallerte der Subumbrella und 
der inneren, subumbrellaren Septumhältte. 

CLark (1881) erwähnt zwar diese Scheidung beider Gallertschich- 
ten, beschreibt aber ein unmittelbares Aneinanderstoßen derselben; die 
protoplasmatische Durchsetzung des Septums wird nicht erwähnt. 

Der Bau der Septen ist aber von Wichtigkeit für die Beur- 
theilung der verwandtschaftlichen Beziehungen der Lucernariden und 
der anderen Scyphomedusen. Es ist nämlich die Frage aufgeworfen 
worden, ob die Septen der ersteren solchen (resp. den Septalknoten) 
der letzteren homolog sind und ob sie weiter von den Septen der 
Seyphostoma direkt sich ableiten lassen, oder sekundäre Verlöthungen 
der beiden Entodermlagen der Radiärtaschen darstellen. Bei anderen 
Tesseronien hat man in den Septen und den Septalknoten eine Me- 
dusoidplatte gefunden, welche für eine solche Verlöthung sprechen 
würde. Bei Charybdea z. B., welche allein unter allen Tesseronien 
(mit Ausnahme der Lucernariden) sehr gut ausgebildete, durch die 
ganze Höhe der Glocke hinziehende Septen besitzt, hat CLAus (1878) 
eine aus einer Zellreihe bestehende Medusoidplatte beschrieben und 
abgebildet. Daraus schließt er, dass die Lucernaridensepten mög- 
licherweise denen der Charybdea nicht homolog seien. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 361 


Nun hat aber GoErrE (1887) die Vermuthung ausgesprochen, 
dass eine solche Medusoidplatte auch auf andere Weise, als durch 
Verlöthung, entstehen kann, nämlich: »in Folge einer Verdiekung 
des Anfangs dünnen Septums durch eindringende Gallerte kann eine 
Verlöthung der zusammenstoßenden Entodermfalten sehr wohl hinzu- 
kommen, ohne die genetische Bedeutung des Septums zu verändern«. 
Diese Vermuthung sucht er durch ein Schema zu illustriren. Ob 
die Trennung in zwei Hälften auch bei den Lucernaridensepten auf 
diese Weise erklärt werden kann, wird wohl nur das Studium der 
Entwicklung sicher entscheiden können. 


2. Zellplatte. 


Auf Radiärschnitten durch den Becherrand der Lucernariden sieht 
man unterhalb des Randmuskels eine Reihe von Zellen, welche vom 


Dextfie 9. 
Schema, welches den Verlauf der Zellplatte auf dem Becherrand und den Armen zeigen soll. Aw, Arm- 
wulst; Gr, Gastralraum der Randpapille; Ze, Ektoderm; Zg, exumbrellare Gallerte; Zr, Entoderm; 
Ex.T, exumbrellar stehende Tentakel; Zx.w, exumbrellare Körperwand; Rm, Randmuskel im Querschnitt ; 
Rp, Randpapille; Aw, Randwulst; Sd.w, subumbrellare Körperwand; Sg, subumbrellare Gallerte; 
Zp, Zellplatte (schraffirt). 


Ektoderm der Exumbrella zum Entoderm derselben durch die Gal- 
lerte hinziehen (Textfig. 9 Zp). Da diese Zellreihe auf allen Schnitten 


362 N. Kassianow, 


vorkommt, so haben wir es mit einer Zellplatte zu thun, welche 
die Gallerte, vom Entoderm zum Ektoderm schräg nach außen auf- 
steigend, durchsetzt. Der Verlauf dieser Zellplatte wird durch das 
Schema (Textfig. 9 Zp, schraffirt) erläutert. Wo der Schnitt die Rand- 
papille, 7%» (Craterolophus tethys, Halielystus octoradiatus), welche 
zwischen den Armen, unter dem Randmuskel (%m) sich befindet, 
trifft, sieht man die Zellplatte ebenfalls; sie zieht hier nicht un- 
mittelbar unter dem Randmuskel, sondern vom Ektoderm der Rand- 
papillenbasis zum Entoderm der Gastralhöhle derselben. Wir müs- 
sen uns ihren Verlauf hier so vorstellen, dass sie ihren Platz unter 
dem Randmuskel verlässt (Textfig. 9) und auf die exumbrellare Seite 
des kurzen Stieles der Randpapille heraufsteigt. Diesen umzieht sie 
in einem Halbkreis und steigt auf der anderen Seite des Stieles 
wieder auf die Becherwand herab. 

An der Basis eines Armes angelangt, steigt die Zellplatte auch 
auf diesen hinauf (Textfig. 9 Aw). Am besten nimmt man sie auf 
Querschnitten wahr. Zum Beispiel auf dem Querschnitt durch den 
Arm von Halielystus octoradiatus (Fig. 2, Taf. XXIII) befindet sie (Zp) 
sich zu beiden Seiten an der Grenze der exumbrellaren und sub- 
umbrellaren Wand, auf der exumbrellaren Seite des Randmuskel- 
querschnittes (Rm). Die Zellplatte zieht bis zum oberen Ende des 
Armes. Hier biegt sie rechtwinklig um (Textfig. 9) und umzieht 
horizontal den exumbrellaren Umkreis des Armes, basal von den 
äußeren, exumbrellar stehenden Tentakeln (ZxT). Auf einem Radiär- 
schnitt durch den Arm (Fig. 7, Taf. XXIH bei x) trifft man sie un- 
mittelbar unterhalb der äußeren Tentakel, vom Ektoderm der Ex- 
umbrella zum Entoderm des Tentakelstieles hinziehend, als eine ein- 
fache Zellreihe. Auf der anderen Seite des Armes (Textfig. 9) biegt 
sie natürlich wieder rechtwinklig basalwärts um und zieht bis zum 
Becherrand hinab. 

Wo Tentakel mit modifieirtem Ektoderm der Stiele vorkommen 
(Craterolophus tethys, Lucernaria campanulata), muss die Zellplatte 
basalwärts von diesen Tentakeln gesucht werden, weil letztere eben- 
falls exumbrellar stehen. 

Die Höhe der Zellplatte hängt von der Dicke der Gallerte an 
der betreffenden Stelle ab. Fast immer besteht sie aber (im Radiär- 
schnitt gesehen) nur aus wenigen Zellen. Bei Halielystus octo- 
radiatus an den mittleren Radiärschnitten durch die Randpapille 
wird sie sogar nur aus einer einzigen, aber großen Zelle (Fig. 8, 
Taf. XXIII; bei stärkerer Vergrößerung auf Fig. 5, Taf. XXV) ge- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 363 


_ bildet. Zu beiden Seiten der Medianebene der Randpapille ist sie 
jedoch höher (Fig. 3, Taf. XXV). Bei Craterolophus tethys ist 
die Zellplatte auch in der Medianebene der Randpapille aus mehreren 
Zellen zusammengesetzt. 

Bei Halielystus octoradiatus und Lucernaria campanu- 
lata sind die die Zellplatte zusammensetzenden Zellen von blasiger 
Beschaffenheit; sie sind rundlich (Fig. 3, Taf. XXV), haben einen 
runden Kern und färben sich kaum. Nur um den Kern sieht man 
eine schwache Ansammlung von körmnigem, sich färbendem Proto- 
plasma. Darin ähneln sie den Entodermzellen der Tentakelstiele. 
Bei Craterolophus tethys fehlt diese blasige Beschaffenheit und 
die Zellen färben sich intensiver und gleichmäßiger. 

Die Zellplatte wird gebildet durch Verlängerung von Ektoderm- 
zellen, wovon ich mich besonders gut bei Craterolophus tethys über- 
zeugen konnte. Fig. 2, Taf. XXV stellt einen Theil eines Quer- 
schnittes durch den Becherrand dar, auf welchem der Randmuskel 
(Rm) längs getroffen ist. Die Zellplatte (zp) ist hier da getroffen, 
wo sie rechtwinklig umbiegend auf den Arm aufsteigt (s. Schema, 
Textfig. 9, wo die entsprechende Stelle durch die Linie ad bezeichnet 
ist. Man sieht deutlich, wie die einzelnen Zellen des exumbrellaren 
Ektoderms, welche in dem von dem Armwulst (Aw) und der Becher- 
wand gebildeten Winkel (bei z) liegen, verlängert sind, in die Gallerte 
eindringen und zum Entoderm ziehen. Dabei trennen sie die exum- 
brellare Gallerte der Armbasis (Aw) von der entsprechenden Schicht der 
Becherwand, welche hier die Fortsetzung der subumbrellaren Gallerte 
ist (vgl. Schema und Beschreibung der Gallerte weiter unten). 

Dass die Zellplatte von Ektodermzellen gebildet wird, geht auch 
daraus hervor, dass sie sich verschmälert, bevor sie an das Ento- 
derm herantritt und als feine protoplasmatische Lage, welche keine 
Kerne mehr enthält, das Entoderm erreicht (Fig. 2, Taf. XXV). 

In derselben Region sind die Ektodermzellen, welche an die 
Zellplatte angrenzen (Fig. 2, bei x), Sinneszellen, die zu dem Ende 
des Randmuskels hinziehen, wie es schon bei Beschreibung der Sub- 
umbrella berichtet wurde. Diese Sinneszellen haben aber keine nähere 
Beziehung zur Zellplatte, deren Zellen keinen nervösen Charakter 
zeigen, was besonders bei Lucernaria campanulata und Halielystus 
oetoradiatus leicht zu erkennen ist, wo sie blasig erscheinen. Ein- 
zelne Nervenfasern — Fortsätze der erwähnten Sinneszellen — be- 
gleiten dieselben aber eine Strecke weit (Fig. 2, Taf. XXV), und 
erreichen möglicherweise mit ihnen das Entoderm. 


364 N. Kassianow, 


Vielleicht hat die Zellplatte dieser Körperregion auch eine Be- 
deutung als Anheftungsstelle für den Randmuskel. Die basale Partie 
desselben, deren Fasern sich nicht auf die Arme fortsetzen, sondern 
an den Basen der benachbarten Arme endigen, verjüngt sich an ihren 
beiden Enden zu den Seiten der Armbasen, und läuft schließlich in 
einen fadenartigen Fortsatz aus (Fig. 2, Taf. XXV). Dieser stielartige 
Fortsatz tritt mit der Zellplatte in Verbindung, da wo diese an das 
Entoderm gelangt. 

Nur in dieser Region jedoch könnte die Zellplatte eine solche 
Rolle spielen. Was für eine Bedeutung sie im Allgemeinen besitzt, 
ob sie mit der Ernährung der Gallerte oder als mechanische Stütze 
dient, vermag ich nicht zu entscheiden. Vielleicht kann sie als An- 
tagonist des Randmuskels funktioniren, indem sie dem Becherrand 
und den Armen, welche durch den Randmuskel kontrahirt sind, ihre 
normale Beschaffenheit wieder anzunehmen hilft. Die Entoderm- 
zellen der Tentakelstiele, die ähnlich gebaut sind, wie die Zellen der 
Platte, wirken auch als Antagonisten der Tentakelmuskulatur. Für 
diese Auffassung könnte auch der Umstand sprechen, dass die Zell- 
platte überall die Muskeln begleitet. Dagegen ist jede Möglichkeit 
auszuschließen, dass sie eine Kommunikation des Gastralraumes mit 
der Außenwelt herstelle. 

Nur bei CLArk (1881) und ScHtLArer (1891) finden sich einige 
Angaben über die Zellplatte. 

CLARK beschreibt sie am eingehendsten. Er hat die einzelnen 
Stellen, wo sie auftritt, richtig bemerkt, nur hat er den Zusammen- 
hang dieser Stellen nicht erkannt und desshalb den kontinuirlichen 
Verlauf der Platte übersehen; auch findet man bei ihm nichts über 
die Histologie der Zellplatte. Er bemerkt ganz richtig, dass sie 
überall die exumbrellare und subumbrellare Gallerte von einander 
trennt. Das kann man gut an der verschiedenen Beschaffenheit 
beider erkennen, was weiter unten bei der Beschreibung der Gallerte 
erörtert wird. 

ULARK meint, dass die Zellplatte eine Fortsetzung der Muskel- 
lage (CLARK’sS Opsomyoplax) ist, welche das subumbrellare Ekto- 
derm (»Opsophragma«) unterlagere. Nach meinen Präparaten ist zu 
schließen, dass sie vom exumbrellaren Ektoderm gebildet wird (Fig. 2, 
Taf. XXV). Gegen GLARK spricht auch der Umstand, dass das sub- 
umbrellare Ektoderm, an welches die Zellplatte angrenzt, nicht 
immer Muskeln enthält (Fig. 8, Taf. XXIII; Fig. 5, Taf. XXV). Unter 
den äußeren Tentakeln ist sie sogar von dem Muskelepithel der 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 365 


_ Tentakel durch das Nervenepithel getrennt (Fig. 7, Taf. XXIII, bei 2); 


außerdem besitzen die verdiekten und modifieirten Stiele der äußeren 
Tentakel von Craterolophus tethys und Lucernaria campanulata keine 
Muskulatur auf der exumbrellaren Seite. Jedenfalls wird die Zell- 
platte nicht von Muskelzellen gebildet, was aus dem oben beschrie- 
benen blasigen Charakter der Zellen bei Halielystus octoradiatus und 
Lucernaria campanulata deutlich hervorgeht. 

SCHLATER beschreibt die Zellplatte im Stiel der Randpapille 
von Halielystus auricula und bildet sie richtig ab. Nur hat er ein- 
zelne Bilder unrichtig kombinirt, wesshalb auch seine Beschrei- 
bung des Verlaufes der Zellplatte nicht ganz zutrifft. Er sagt: »Un- 
mittelbar am Rande des Halielystuskörpers in der Nähe des Rand- 
körperchens in der Ringmuskulatur seinen Anfang nehmend, verläuft 
dieses Gebilde als einschichtige Zellenplatte in der Gallertsubstanz, 
umhalst den aus dem Gastralraum in den Hohlraum des Randkörpers 
führenden Kanal, an dieser Stelle seitwärts mit dem Ektoderm des 
Stieles in Verbindung (Fig. 18) tretend, läuft dann eine kurze Strecke 
weit an der unteren Fläche des Entoderms entlang, geht in dasselbe 
theils über, macht sodann eine Biegung rückwärts nach unten und 
geht an der unteren Fläche des Randkörpers ins Ektoderm über.« 
Worin diese Beschreibung nicht zutreffend ist, ergiebt sich aus dem 
Vergleich derselben mit meinem Schema (Textfig. 9). 

Die Zellplatte soll nach SCHLATER als »eine Stützplatte für das 
herabhängende Randkörperchen« dienen und die Gastralhöhle der 
Papillen öffnen und schließen, einem Diaphragma vergleichbar. 

Eine solche Verbindung des Ektoderms mit dem Entoderm durch 
eine Zellplatte ist nicht auf die Lucernariden allein beschränkt, 
wie mir die Litteratur zeigt. Bei Charybdea marsupialis be- 
schreibt OLAus (1878) eine ganz ähnliche Zellplatte. Auf einem Radiär- 
schnitt durch den Glockenrand (CLAus, Fig. 39, Taf. IV) sieht man 
sie oberhalb des Velums; sie trennt auch hier die exumbrellare 
Gallerte von der subumbrellaren. Fig. 40 von Craus, welche einen 
Querschnitt durch die Glocke am Rande derselben darstellt, entspricht 
meiner Fig. 2, Taf. XXV. Die Zellplatte besitzt hier eine ganz über- 
einstimmende Lage und trennt ebenfalls die subumbrellare Gallerte, 
welche über den Glockenrand auf die obere Fläche sich fortsetzt wie 
bei den Lucernariden, von der exumbrellaren. 

Diesen »Parenchymstreifen« betrachtet CLaus als Verwachsung 
einer Gefäßfalte, also entodermalen Ursprungs. Da dieser sogenannte 
Parenchymstreifen wohl ohne Zweifel der Zellplatte der Lucernariden 


366 N. Kassianow, 


entspricht, letztere aber sicher ektodermalen Ursprungs ist, so muss 
wahrscheinlich auch bei Charybdea das Entstehen dieser Verbin- 
dung anders gedeutet werden. 

Eımer (1878) hat eine ähnliche Verbindung von Entoderm und 
Ektoderm (z. B. in der Randkörpertasche) bei einigen Acalephen nach- 
gewiesen. Er nennt sie Verbindungsblätter (p. 191) und vergleicht 
sie den Verbindungsblättern, welche Gefäße mit einander verbinden, 
also mit entodermalen Gefäßlamellen (Medusoidlamellen). , 

Hesse (1895) bestätigt EIMEr’s Angabe für Rhizostoma Cuvieri. 
Nach ihm soll die »Gefäßplatte« das Ektoderm der Sinnesgrube mit 
den Gefäßschenkeln der Ephyralappen verbinden. Von hier läuft 
die Gefäßplatte (p. 105) »zunächst am Rande der inneren Sinnesgrube 
und geht dann im Grunde einer Furche am Ephyralappen entlang«. 
Histologische Angaben findet man weder bei EiMER noch bei Hesse. 

In der Entwicklung von Chrysaora und Medusa aurita, 
wie sie CLAus und GoETTE beschrieben, kommt auch eine Verbin- 
dung des Ektoderms mit dem Entoderm vor (CLaus 1883, Taf. V, 
Fig. 36; GoETTE 1887, Taf. IX, Fig. 39). 

GOETTE sagt: »Der Außenrand der Lappentasche verschmilzt 
mit dem Außenrande einer flachen Ektodermfalte, welche durch die 
sanze Fläche des Lappens jederseits sich über dessen Subumbral- 
fläche gleich einer niederen konvexen Leiste hinzieht« (p. 35). Die 
Lage dieser Verwachsung entspricht derjenigen, welche die Zellplatte 
der Lucernariden auf den Armen einnimmt und bei der Ähnlichkeit 
der Seyphostoma von Medusa (Aurelia) aurita mit den Lucernariden 
ist es wohl möglich, dass es sich um homologe Bildungen handelt. 


3. Struktur der Gallerte. 


Die Gallerte wechselt in ihrem Aussehen etwas, was auf ver- 
schiedene Wirkung der Reagentien, auf den verschiedenen Grad der 
Entwässerung und verschiedene Kontraktionszustände des Thieres 
zurückgeführt werden muss. Desshalb ist sie auch schwierig zu 
untersuchen. 

Die Gallerte der Subumbrella ist von der der Exumbrella ziemlich 
verschieden. Die subumbrellare Gallertschicht ist dünn und erscheint 
sanz homogen; die der Exumbrella ist viel dicker, in komplieirter 
Weise differenzirt und wird von Fasern durchsetzt, welche der sub- 
umbrellaren fehlen. Beide Gallerten gehen auch nicht direkt in 
einander über. Es sind folgende Stellen, wo sie an einander stoßen: 
die vier Septen (Fig. 10 und 11, Taf. XXI), die Seiten der Arme 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 367 


(Fig. 2, Taf. XXIII), die oberen Enden der Arme, unterhalb der äußeren 
Tentakel (Fig. 7, Taf. XXI), die Randpapillen (Fig. 8, Taf. XXI), 
der Rand des Bechers basalwärts vom Randmuskel (Textfig. 9) und 
der Rand des Bechers, wo der Randwulst (Fig. 2, Taf. XXV, Eet.d.Rw), 
welcher die subumbrellare Gallerte enthält (Textfig. 9 sg), an die 
Basen der Arme (Aw, Fig. 2, Taf. XXV) stößt, deren exumbrellare 
Gallerte in die der Becherwand übergeht. An allen. diesen Stellen 
werden beide Gallerten entweder durch die dünne Protoplasmalage 
der Septen oder durch die vorhin genauer beschriebene Zellplatte getrennt. 

Die Tentakel und die Randpapillen besitzen subumbrellare 
Gallerte, wie es schon CLArRK beschrieb. Dieselbe tritt also aus der 
subumbrellaren Wand des Bechers über dessen Rand in diese Fort- 
sätze hinein. Auch der Randwulst (Rw), welcher den Rand des 
Bechers umsäumt, und den Randmuskel birgt, wird, wie erwähnt, 
durch die Wucherung der subumbrellaren Gallerte über den Becher- 
rand gebildet (Textfig. 9 sg; Fig. 2, Taf. XXV). Ganz dasselbe finden 
wir nach OrAaus’ Angaben auch bei Charybdea, wie der Vergleich 
seiner Figg. 40 und 39, Taf. IV mit meinem Schema (Textfig. 9) und 
der Fig. 2, Taf. XXV ergiebt. 

Der Stiel enthält nur exumbrellare, das Mundrohr nur subumbrel- 
lare Gallerte. 

Die exumbrellare Gallerte besitzt zwei Verdichtungszonen: 
eine unterhalb des Ektoderms, 
die andere unterhalb des Ento- 
derms, wobei die letztere viel 
dicker ist. Von dieser breiten 
entodermalen Gallertlamelle, E7, 
Fig. 2, Taf. XXV (KorortnEw 
nennt dieselbe Membrana pro- 
pria), heben sich, auf dem 
Querschnitt durch die Becher- 
wand gesehen, ziemlich dicke 
Auswüchse (Fig. 2, Taf. XXV, 
bei Aw) ab, welche gegen das 
Entoderm senkrecht verlaufen. Bet 

Exumbrellare Gallerte im Tangentialschnitt durch die 
Auf einem tangentialen Schnitt Körperwand. f, Faserquerschnitte. 
durch die exumbrellare Körper- 
wand erscheint die Gallerte aus rundlichen, oder mehr oder weni- 
ger polygonalen Räumen bestehend, deren Wände aus stark licht- 
brechender Substanz gebildet werden (Textfig. 10). Die Auswüchse 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 


25 


368 N. Kassianow, 


der entodermalen Lamelle, welche auf dem Querschnitt durch die 
Becherwand wie Fasern aussehen, sind demnach lamellenartig und 
bilden, indem sie unter einander anastomosiren, diese Räume der 
Gallertsubstanz. Im Inneren sind die letzteren entweder ganz leer, 
d.h. vermuthlich nur von Flüssigkeit erfüllt, oder man findet in ihnen 
stellenweise eine körnige, sich färbende Masse. 

Die entodermale Lamelle mit ihren Auswüchsen stellt gewisser- 
maßen das Skelet der ganzen Gallertschicht dar. Vermuthlich verleiht 
diese Struktur der exumbrellaren Gallerte gerade die nöthige Bieg- 
samkeit und Widerstandsfähigkeit gegen äußere Stöße und Pressun- 
gen. Zu ihrer Stütze dienen noch besondere stark lichtbrechende, 
gleichmäßig dicke Fasern, welche vom Entoderm bis zum Ektoderm 
die ganze Dicke der Gallerte durchsetzen (Fig. 2 und 4 f, Taf. XXV). 
Auf dem tangentialen Schnitt durch die Körperwand (Textfig. 10 f), 
findet man die Querschnitte dieser Fasern in den Räumen der Gallerte 
gewöhnlich deren Wand anliegend. Ihren Ursprung hat bis jetzt nur 
Kororxew (1876) richtig erkannt, indem er sie vom Entoderm ableitet.- 
Und in der That kann man sich hiervon leicht überzeugen, wenn 
das Entoderm von der Gallerte durch Reagentienwirkung abgehoben 
ist. Nur an einzelnen Stellen, wo das Entoderm konische Auswüchse 
in die Gallerte bildet, von welchen die Fasern abgehen, haftet das 
Entoderm dann noch an der Gallerte (Fig. 4, Taf. XXV), wodurch so 
zu sagen Arkaden gebildet werden. Auf solchen Präparaten über- 
zeugt man sich, dass von mehreren Zellen feinste Fasern in die 
Gallerte hineingehen, um sich zu einer der Fasern zu vereinigen, 
welche gegen das Ektoderm sich abermals verzweigt. 

Wenn man durch Maceration das Ektoderm und Entoderm von 
der Gallerte entfernt, kann man eine solche Verzweigung der Faser 
an beiden Flächen der Gallerte ebenfalls beobachten. Fig. 6, Taf. XXV 
stellt die Endigung einer Faser an dem Entoderm dar, welche sich 
in mehrere, körnig aussehende Fibrillen zertheil. An dieser Stelle 
erscheint sie manchmal breiter, wie eine rundliche Platte, welche 
vielleicht dem »Endplättchen« Krıng’s entspricht. 

Auf den Schnitten eines jungen Exemplars von Craterolophus 
tethys konnte ich sehen, dass in den konischen Auswüchsen des 
Entoderms, von welchen die Faser ausgeht, entodermale Drüsenzellen 
lagen. Wie die Fig. 4, Taf. XXV zeigt, liegen fast in jedem solchen 
Auswuchs eine, zwei oder drei Drüsenzellen (Dz). Ein solches Bild 
ruft den Gedanken hervor, dass die Fasern eben diesen Drüsenzellen 
angehören, in der Weise, dass sie von denselben ausgeschieden 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 369 


werden. Demnach würden sie nicht direkte Fortsätze der gewöhn- 
lichen Entodermzellen sein, wie es KoROTNEW annimmt, sondern nur 
Ausscheidungsprodukte der Drüsenzellen. 

Genauere Untersuchung der Art der Verzweigung der Faser an 
dem Entoderm bestätigt mir diese Vermuthung. Wie die Fig. 1, 
Taf. XXV zeigt, dringen mehrere Fibrillen, welche sich zu einer 
Faser vereinigen, zwischen die Entodermzellen ein, können also keine 
Fortsätze der Zellbasen sein. Man kann einige Endfibrillen an der 
Drüsenzelle (Dz) sich ausbreiten sehen, als ob die letztere davon 
umsponnen wäre. In anderen Fällen konnte ich sehr deutlich die 
feinen Verzweigungsfibrillen der Fasern in großer Zahl zwischen die 
Zellen eindringen und ziemlich hoch heraufsteigen sehen, ohne dass 
Beziehungen zu den Drüsenzellen hervortraten; vielmehr verbreiteten 
sich die Fibrillen auch auf andere Zellen. 

An der Verzweigungsstelle der Faser wurde zuweilen ein rund- 
licher Körper von unregelmäßiger Form gefunden, welcher aber kaum 
ein Kern sein kann; er färbt sich sehr blass. 

Nicht alle Endfibrillen der Fasern gehen in das Entoderm hinein, 
einige verbreiten sich auch unter demselben (Fig. 1, Taf. XXV). 

Auf einigen Längsschnitten durch den Stiel konnte ich sehen, 
dass die Substanz der entodermalen Lamelle um die Auswüchse des 
Entoderms und um die davon abgehenden Fasern anders beschaffen 
war, wodurch gewissermaßen Röhren gebildet wurden, in welchen 
die Fasern innerhalb der entodermalen Gallertlamelle verliefen. 

In den Septen erstrecken sich die Fasern von den Entoderm- 
zellen der einen Seite zu denen der anderen durch die ganze Dicke 
des Septums (Fig. 11, Taf. XXIII). 

Nach Krıne (1879), welcher die Verzweigung dieser Gallertfasern 
und das Aufsteigen ihrer Fortsätze zwischen den Entodermzellen 
beobachtete, sollen die Fortsätze mit den Ektoderm- und Entoderm- 
zellen in keine Verbindung treten. 

Sehr ausführlich beschreibt CLArk (1881) die Gallerte. Er ver- 
gleicht die exumbrellare Gallertschicht, welche er »Chondrophys« 
nennt, mit Knorpelgewebe und die Fasern mit den Knorpelzellen. 
Die letzteren sollen durch die Differenzirung der hyalinen Grund- 
substanz der ersteren entstehen. Diese »fibre-celles< sind an beiden 
Gallertflächen verbreitet und von einer Membran umgeben. Diese 
letztere entspricht den von mir beschriebenen Wandungen der poly- 
gonalen Räume. »These fibrillae then are extremely elongate cells 
in a low state of development, in which the periphery has become 


Rx 
25* 


370 N. Kassianow, 


differentiated into a distinet wall, while the contents have remained 
undifferentiated from the nucleus. Their distal ends lie in elose 
contact and thereby have become polygonal and present the ap- 
pearance of an irregular network, when this stratum is seen from 
either of its faces.< Aus dieser Darstellung scheint mir hervorzu- 
sehen, dass CLARK auf Querschnitten und Flächenschnitten durch die 
Gallerte ganz verschiedene Dinge auf einander zurückführt, indem 
er die Fasern mit den Räumen, in welchen die ersteren liegen, ver- 
wechselt, ohne dabei den enormen Größenunterschied zu berück- 
sichtigen. | 

Nach KoROTNEW soll Lucernaria campanulata keine Fasern 
besitzen, was jedenfalls nicht richtig ist. Ich habe bei ihr ganz 
ähnliche Fasern gefunden, wie bei den anderen Lucernariden, wie 
Fig. 6, Taf. XXV, sie zeigt. 

Die kompaktere homogene subumbrellare Gallerte, welche ihrer 
Beschaffenheit nach der entodermalen Lamelle der exumbrellaren 
Gallerte ähnelt, wird wohl sehr elastisch sein und dadurch befähigt 
als Antagonist der Längsmuskulatur des Körpers zu wirken. Außer 
dem Randmuskel findet man auch im Lucernaridenkörper keine eir- 
kuläre Muskulatur, welche diese Rolle übernehmen könnte. 


4. Über Knospungserscheinungen bei den Lucernariden. 


Nach KoroTnEw soll ULJANIN Knospung an einer Lucernaride 
des Schwarzen Meeres (Lucernaria campanulata?) beobachtet haben. 
Unter den vielen Exemplaren von Lucernaria 
campanulata, die ich in der Bucht St.-Vaast 
(Normandie) sammelte, kam ein Exemplar vor, 
bei welchem an einem Stiele zwei Individuen 
saßen (Textfig. 11). Das eine Individuum war 
viel größer als das andere. Ob man das auf 
Knospung zurückführen kann oder nicht, ist 
schwer zu sagen. Es könnte auch eine Re- 
generationserscheinung sein. Bei meinen auf 
Helgoland angestellten Regenerationsversuchen 


Textfig. 11. , i 
Zwei Individuen von Lucerna- habe ich durch Zersehneiden von Cratero- 


„ia campanulaba aufeinemge Iophus tethys ebenfalls zwei Individuen auf 


meinsamen Stiele. 


einem Stiel erhalten können. Bei dem erst 
erwähnten Exemplare ist aber ein Individuum viel größer als das 
andere, was gegen eine solche Erklärung des Falles spricht. Auch 
sahen beide ganz normal aus. Das größere hatte die normale Zahl 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 371 


der Arme und Genitalien, was bei der Regeneration wohl kaum in 
demselben Maße erreicht wird. Eher könnte es sein, dass beide 
Individuen an einem abgetrennten und regenerirten Stiel einer ur- 
sprünglich ziemlich großen Lucernaride hervorgewachsen sind. Dabei 
könnten sie ihr normales Aussehen wohl bekommen. Dass ein Stiel 
sich zu einer ganzen Lucernaride regeneriren kann, wissen wir 
aus den Angaben Meyver’s. Aber auch mir kamen Exemplare vor, 
wo ein unverhältnismäßig kleiner Becher auf einem sehr langen 
und dicken Stiel saß, was ich nur durch eine solche Regeneration 
erklären kann. 

Immerhin scheint mir die Auffassung dieses Doppelthieres als 
ein durch Knospung entstandenes plausibler zu sein. Doch ist die 
Knospung bei den Lucernariden jedenfalls keine regelmäßige Er- 
scheinung. Ich habe eine sehr große Zahl von Craterolophus 
tethys, Lucernaria campanulata und Halielystus octoradia- 
tus beobachtet (allerdings in beiden Fällen, wo ich solche Gelegenheit 
hatte, zu einer und derselben Zeit, August bis Oktober) und nur dies 
einzige Doppelindividuum gefunden. 

Kororn&w {1876) beschrieb eine Theilung bei den Lucernariden. 
Das Thier zerschnürt sich der Länge nach, eben so das Mundrohr, 
wobei sich die Zahl der Arme vergrößert. Diese Theilung ist mir 
unwahrscheinlich, und das von Korornew beschriebene Exemplar 
(Halielystus octoradiatus) dürfte ein Regenerationszustand gewesen sein. 
Von den von mir längsdurchschnittenen (bis zur Hälfte des Stieles) 
Exemplaren von Craterolophus tethys regenerirte sich bei einigen jede 
Hälfte zu einem Individuum; bei anderen aber, bei welchen der 
Schnitt vermuthlich nicht so tief geführt war, verwuchsen beide 
Hälften wieder zu einem Individuum. Dabei blieben Becher und 
Mundrohr an der Nahtstelle stets eingeschnürt. Die Vermehrung der 
Arme kommt oft vor auch bei Exemplaren, welche nicht zerschnitten 
waren. Ich habe Lucernariden mit neun und zehn Armen gefunden. 
Auch das von KoROTNEW beschriebene, angeblich in Theilung be- 
griffene Exemplar hatte keineswegs die doppelte Zahl der Arme, wie 
man auf seinen Abbildungen erkennen kann. 


Zum Schluss bleibt mir noch die angenehme Pflicht, meinen 
herzlichen Dank allen Denjenigen auszusprechen, welche mir bei der 
Vollendung meiner Arbeit hilfreich beistanden. In erster Linie kann 
ich nicht genug dankbar sein meinem hochverehrten Lehrer, Herrn 


372 N. Kassianow, 


Geh. Hofrath Prof. O. Bürschuı für das rege Interesse und die Hilfe, 
welche er mir durch Rath und That zu Theil werden ließ, sowie 
auch für die Kontrolle, unter welcher diese Arbeit durchgeführt 
wurde. Eben so spreche ich Herrn Prof. SCHUBERG an dieser Stelle 
meinen Dank aus für seine stets liebenswürdige Unterstützung und 
seinen freundlichen Rath. Weiter gebührt mein tiefgefühlter Dank 
den Verwaltungen der biologischen Stationen zu Helgoland und Tati- 
hou, wo ich das Material gesammelt, Experimente angestellt und 
einen Theil der Untersuchungen durchgeführt habe, wobei mir in 
liebenswürdigster Weise entgegengekommen wurde. 


Heidelberg, im Juli 1900. 


Benutzte Litteratur, 


1860. L. Acassız, Contributions to the natural history of the United States of 
America. IH. 1860. Taf. X—XNH. 1862. p. 12—51, 128—130. 

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1891. GR. AntıPpA, Die Lucernariden der Bremer Expedition nach Ostspitzbergen 
im Jahre 1889. In: Zool. Jahrbücher. Abth. für System., Geographie 
und Biologie der Thiere. Bd. VI. 1. Heft. 1891. p. 377. Taf. XVII, 
XVIH. 

1881. J. CLARK, Lucernariae and their Allies. A Memoir of the Anatomy and 
Physiology of Halielystus auricula and other Lucernarians, with a Dis- 
cussion of the Relations to other Acalephae, to Beroids and Polyps. 
In: Smithsonian Contributions to knowledge. Vol. XXIH. 

1877. C. Craus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften 
der math.-naturw. Klasse der kais. Akad. der Wiss. Wien. Bd. XXXVII. 

1878. C. CrAus, Untersuchungen über Charybdea marsupialis. In: Arbeiten aus 
dem zool. Institut zu Wien. Bd. I. p. 221—2X6. 

1886. C. Cuaus, Über die Klassifikation der Medusen, mit Rücksicht auf die 
Stellung der sogenannten Peromedusen und der Pericolpiden. 

1883. C. CLAUS, Untersuchungen über die Organisation und die Entwicklung 
der Medusen. 

1890. €. Craus, Über die Entwicklung des Seyphostoma von Cotylorhiza, Au- 
relia und Chrysaora, sowie über die systematische Stellung der Scypho- 
medusen. Wien. 

1878. TH. EımEr, Die Medusen physiologisch und morphologisch auf ihr Nerven- 
system untersucht. Tübingen. 

1887. A. GOETTE, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. 4. Heft. 
Entwicklungsgeschichte von Aurelia aurita und Cotylorhiza tubereulata. 

1879. 1880. E. HAECKEL, Das System der Medusen. 


1881. 


1878. 


1879. 


1895. 


1863. 


1879. 


1876. 


1876. 


18761. 


1882. 


1860. 


1897. 


1865. 


1850. 


1846. 


1898. 


1891. 


1890. 


1877. 


1891. 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden ete. 373 


E. HAECcKEL, Monographie der Medusen. II. Theil. Die Tiefsee-Medusen 
der Challengerreise und der Organismus der Medusen. 

O. und R. HERTwWIG, Das Nervensystem der Medusen, monographisch dar- 
gestellt. Leipzig. 

O0. und R. HERTwIG, Die Actinien, anatomisch und histologisch mit be- 
sonderer Berücksichtigung des Nervenmuskelsystems untersucht. Jena. 

R. Hesse, Über das Nervensystem und Sinnesorgane von Rhizostoma 
Cuvieri. Diese Zeitschr. Bd. LX. p. 411. 

W. KEFERSTEIN, Untersuchungen über niedere Seethiere. I. Über die Gat- 
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Mat. 1. 

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logie der Lucernarien. In: Morphol. Jahrbuch. Bd. V. p. 141—166. 
A. KoROTNEW, Versuch des vergleichenden Studiums der Cölenteraten. 
In: Berichten der kais. Gesellsch. der Liebhaber der Naturwissenschaft, 
Anthropologie und Ethnographie. Moskau. Bd. XVIH. 3. Lieferung. 

Lucernaria und ihre Stellung im System (russisch). Oder: 

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de Zoologie experimentale et generale. Tome V. 

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experimentale et gönerale. Tome V. 1876. p. 203. 

R. v. LENDENFELD, Über Cölenteraten der Südsee. I. Mitth. Cyanea An- 
nascala nov. sp. In: Diese Zeitschr. Bd. XXXVII p. 469. 

R. LEUCKART, Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der 
niederen Thiere während des Jahres 1859. TRoScHEL’s Archiv für 
Naturgeschichte. 1860. 

OÖ. MaAs, Die Medusen. XXI. Memoirs of the Museum of Comparative 
Zoology at Harvard College. Vol. XXIUI. No. 1. 

Av. Meyer, Über die Reproduktionskraft von Lucernarien. In: Amt- 
licher Bericht der 40. Vers. deutscher Naturf. 1865 (1866). p. 217. 
MıLnE EDwARDS, A Monograph of the fossil corals. Part I. London. 

In: Palaeontographical Soeiety. London 1850. 

SARS, Fauna littoralis Norvegiae. 1. Heft. Christiania. p. 20. 

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In: Jena. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXII. 3./4. Heft. p. 483—546; 547 
—5%. 

G. SCHLATER, Die Sinneskolben von Halielystus auricula var. In: Diese 
Zeitschr. Bd. LII. 1891. 

C. SCHNEIDER, Histologie von Hydra fusca, mit besonderer Berücksichti- 
gung des Nervensystems der Hydropolypen. In: Archiv f. mikr. Anat. 
Bd. XXXV. p. 321. 

0. TASCHENBERG, Anatomie, Histologie und Systematik der Cylicozoa. 
In: Zeitschr. f. die ges. Naturw. XLIX. Bd. (N. F. Bd. L) p. 1—104. 
Oder als Inaugural-Dissertation. 

VANHÖFFEN, Die Acalephen der Planktonexpedition. Kiel und Leipzig. 


374 N. Kassianow, 


Erklärung der Abbildungen. 


Erklärung der Abkürzungen: 


Blau, Nervenepithel; En, Entoderm; N.ep, Nervenepithel; 
Gelb, Gallerte. Ex.um, Exumbrella; Rm, Randmuskel; 

Gr, Gastralraum ; Sb.um, Subumbrella; 
Dz, Drüsenzellen; @z, Ganglienzellen; Sg, subumbrellare Gallerte ; 
Eg, exumbrellare Gallerte; Zm, Längsmuskel; Sz, Sinneszellen; 


Zp, Zellplatte. 


Tafel XXII. 


Fig. 1. Lucernaria campanulata. Macerirtes Ektoderm der exum- 
brellaren Körperwand: gewöhnliche Epithelzellen (a, b, c, d, e, f, 9, h, t, k, I, m, n), 
Ganglienzellen (Gz1, @22, @z3, @z4) und Sinneszellen (Sz, Szo, Szs) desselben, wie 
sie auf Macerationspräparaten erscheinen. 

Fig. 2. Lucernaria campanulata. Der Drüsensinnesfleck des exum- 
brellaren Ektoderms mit Drüsen-, Sinnes-, Ganglien-, Nematocysten- (Nz) und ge- 
wöhnlichen Epithelzellen, und an denselben angrenzendes kubisches exumbrellares 
Ektoderm. 

Fig. 3. Craterolophus tethys. Ektodermaler, aus bipolaren Ganglien- 
zellen bestehender Nervenplexus der exumbrellaren Körperwand. Rechts liegt 
in demselben eine tripolare Ganglienzelle. 

Fig. 4 Lucernaria campanulata. Eine Sinneszelle (2), welche zwei 
gewöhnliche Epithelzellen innervirt. An denselben deutliche Rippen und dunkle 
Punkte an ihrem basalen Rande. Aus dem exumbrellaren Ektoderm. 

Fig. 5. Lucernaria campanulata. Eine Ganglienzelle, welche in fester 
Verbindung mit einer gewöhnlichen Epithelzelle steht. Aus dem exumbrellaren 
Ektoderm. 

Fig. 6. Lucernaria campanulata. Gewöhnliche Epithelzelle des exum- 
brellaren Ektoderms mit mehreren Fasern und dunklen Punkten an ihrem ba- 
salen Rande. 

Fig. . Lucernaria campanulata. Gewöhnliche Epithelzelle des exum- 
brellaren Ektoderms mit einem langen Fortsatz, mit welchem eine Nervenfaser 
verbunden ist. 

Fig. 8. Craterolophus tethys. Zwei gewöhnliche Epithelzellen des 
exumbrellaren Ektoderms und eine zwischen denselben liegende Sinneszelle. 


Tafel XXIII. 

Fig. 1. Lucernaria campanulata. Drüsenepithel (Ektoderm) von dem 
verdiekten Stiele der äußeren Tentakel. 

Fig. 2. Halielystus oetoradiatus. Querschnitt aus dem oberen Theil 
des Armes. In dem Gastralraum liegen Querschnitte durch »Ampullen< (siehe 
p. 325 und Fig. 7 dieser Tafel). 

Fig. 3. Halielystus oetoradiatus. Querschnitt durch die äußerste 
Spitze des Armes. Der Schnitt hat dieselbe tangential (von der oberen Fläche) 
getroffen, so dass auf ihm nur das Nervenepithel, welches die Armspitze aus- 


a 


N 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 35 


kleidet, und zwar dessen Nervenfaserschicht und Nesselkapsellage (in der Mitte 
der Figur), und die basalen Theile der Tentakelstiele zu sehen sind. 

Fig. 4 Halielystus octoradiatus. Nervenepithel des Armes bei 
stärkerer Vergrößerung. Die Stelle, von welcher diese Figur abgezeichnet ist, 
entspricht der Stelle Ne.p der Fig. 6 derselben Tafel. N, Lage der Nessel- 
kapseln; nf, Nervenfaserschicht. 

Fig. 5. Haliclystus octoradiatus. Das Nervenepithel der Rand- 
papille bei stärkerer Vergrößerung. Dieselbe Stelle wie Ne.p der Fig. 8. 

Fig. 6. Haliclystus octoradiatus. Querschnitt durch die Spitze des 
Armes, aus der Region desselben, wo nur Ansatzstellen der Teentakel getroffen 
werden und wo das Nervenepithel (N.ep) besonders stark ausgebildet ist. Auch 
einzelne Tentakel werden von einander durch ein Nervenepithel getrennt. In 
zwei auf der Figur unten liegenden Tentakeln, welche der Länge nach getroffen 
sind, sieht man die Nervenfaserschicht auch in ihren Nesselknöpfen. 7‘, Tentakel 
und Querschnitte durch dieselben. 

Fig. *. Halielystus octoradiatus. Radiärer Längsschnitt durch den 
Arm, welcher die vertikale Ausdehnung des Nervenepithels {N.ep) und Vertheilung 
desselben zwischen den Tentakeln zeigt. Außerdem sieht man die Nervenfaser- 
schicht in dem Nesselknopf des längsgetroffenen Tentakels, und das Nervenepithel 
an seiner Basis (bei x). Gs, Genitalsäckehen (männliches); Nd, auf dem Arm 
bandförmig verlaufendes Nesselepithel. 

Fig. 8 Halielystus octoradiatus. Radiärer Längsschnitt durch die 
Randpapille.. Zx.um, Exumbrella des Bechers; Sub.um, Subumbrella des Bechers; 
N.ep, Nervenepithel; Gr, Fortsetzung des allgemeinen Gastrovascularraumes in 
die Randpapille. 

Fig. 9a. Lucernaria campanulata. Das Sinnesepithel (S.ep) um den 
Ausfuhrgang der Nesselbatterie, welcher tangential getroffen ist; A, Ausschnitt in 
dem subumbrellaren Ektoderm, welcher den Ausfuhrgang andeutet; Su.e, Ekto- 
derm der Subumbrella; N.Be, Epithel der Wand der Nesselbatterie; 7, Musku- 
latur derselben; Nmz, Nematocystenzelle, welche den Hohlraum der Nessel- 
batterie andeutet. 

Fig. 95. Lucernaria campanulata. Ein anderer, ebenfalls tangentialer 
Schnitt von dem Ausfuhrgange derselben Nesselbatterie, wo das subumbrellare 
Ektoderm (Suw.e) von der Wand der Nesselbatterie nur durch eine breite Nerven- 
faserschicht getrennt ist; A, Ausschnitt in der Wand der Nesselbatterie, welcher 
dem Ausfuhrgang entspricht! N, Hohlraum der Nesselbatterie; S.ep, Sinnesepithel. 

Fig. 10. Lucernaria campanulata. Querschnitt durch das Septum. 
Beiderseits Radiärtaschen (Rt). Unten exumbrellare (Z.g9) Gallerte, oben subum- 


_ brellare (8.9). 


Fig. 11. Halielystus oetoradiatus. Querschnitt durch das Septum. 
Rt, Radiärtaschen; Z.x, exumbrellare Gallerte; $.g, subumbrellare Gallerte. 


Tafel XXIV. 


Fig. 1. Lucernaria campanulata. Macerirtes subumbrellares Ekto- 
derm, wie es um die Nesselbatterie (NB) auf den Präparaten gefunden worden 
ist. a, d, Ganglienzellen; 5, ce, Sinneszellen; e, Nematocystenzelle; /, Stützzellen 
des Nesselepithels und des Nervenepithels. 

Fig. 2. Lucernaria campanulata. Durch Maceration bloßgelegte Gan- 
glienzellen, welche dem subumbrellaren Ektoderm angehören. n%, Nesselkapseln. 


376 N. Kassianow, 


Fig. 3. Lucernaria campanulata. Durch Maceration isolirte Ekto- 
dermzellen der Subumbrella. a, d, e, Nervenzellen des Nervenepithels; ce, d, Stütz- 
zellen des Nerven- und Nesselepithels. 

Fig. 4. Lucernaria campanulata. Drüsenzellen mit nervösen Fort- 
sätzen aus dem subumbrellaren Ektoderm (vermuthlich). 

Fig. 5. Lucernaria campanulata. Gewöhnliche Epithelzelle und Sinnes- 
zelle aus dem Entoderm der exumbrellaren Wand. 

Fig. 6. Craterolophus tethys. Ektoderm des Tentakelnesselknopfes 
bei stärkerer Vergrößerung. Aus dem Ektoderm über die Cuticula desselben 
ragen Spitzen der Sinneszellen (Sz%). Die Protoplasmaanschwellungen mit dem 
Kern, welche in dem oberen Theil der Sinneszellen liegen, nehmen desshalb auch 
den oberen Theil des Ektoderms (Sz) ein. Die untere Hälfte der Höhe des- 
selben wird durch die Anschwellungen der Nematocystenzellen gebildet. Die 
Basis des Ektoderms nimmt die Nervenfaserschicht ein (nf), auf welcher und 
in welcher einzelne Kerne (Ganglienzellen) wahrgenommen werden. Zwischen 
den Anschwellungen der Sinneszellen Sekret der Drüsenzellen in Form von 
Kügelchen. 

Fig. <. Craterolophus tethys. Einzelne isolirte Elemente des Ten- 
takelknopfes, bei stärkerer Vergrößerung. a, aı, aa, die häufigste Form der 
Nematocystenzellen; e, 5, Stützzellen (gewöhnliche Ektodermzellen); c, Sinnes- 
zellen; d, die größere Form der Nematocystenzellen. 

Fig. 8 Craterolophus tethys. Entodermzellen (a, d, c), des Stiel- 
kanals der Tentakel. 

Fig. 9. Craterolophus tethys. Drüsenzellen desselben Entoderms. 

Fig. 10. Craterolophus tethys. Eine abnorme Nematocystenzelle des 
Tentakelknopfes mit zwei Nesselkapseln. 

Fig. 11. Craterolophus tethys. Zwei Ganglienzellen (a, 5) aus dem 
Tentakelknopf. 

Fig. 12. Craterolophus tethys. Eine Muskelzelle aus dem Stiele des 
Tentakels mit gekerbtem Rande. 

Fig. 13. Craterolophus tethys. Homogen sich färbende, nicht licht- 
brechende, Zelle aus dem Tentakelstiele. 

Fig. 14. Craterolophus tethys. Macerirte Muskeln (m) der Tentakel- 
stiele, mit dazwischen liegenden Ganglienzellen (a), Nervenfasern (nf) und Gan- 
glienzellen ähnlichen Zellen (b). 

Fig. 15. Lucernaria campanulata. Epithelmuskelzellen aus dem 
Mundrohre. 

Fig. 16. Lucernaria campanulata. Zellen (a, 5) mit feineren Fort- 
sätzen (Nervenzellen?) aus dem Mundrohre. 

Fig. 17. Craterolophus tethys. Epithelmuskelzelle des Tentakelstieles 
mit einer Anschwellung an der Muskelfaser und davon abgehender feiner Faser 
(Nervenfaser?). 

Fig. 15. Lucernaria campanulata. Ektodermzelle aus der Haftscheibe. 


Tafel XXV. 


Fig. 1. Craterolophus tethys. Entoderm der exumbrellaren Wand 
der Radiärtasche mit einer Drüsenzelle. An derselben und um dieselbe feine 
Fortsätze, welche zu einer Faser (f} sich vereinigen. 

Fig. 2. Craterolophus tethys. Querschnitt durch den Rand des 
Bechers (den Randwulst mit dem Randmuskel und die Armbasis Aw). El, ento- 


Studien über das Nervensystem der Lucernariden etc. 3 


dermale Gallertlamelle; Zet.d.Rw, Ektoderm des Randwulstes; Zet.d. Aw, Ekto- 
derm des Armwulstes (Armbasis). 

Fig. 3. Haliclystus octoradiatus. Zellplatte an der Basis der Rand- 
papille, welche exumbrellare Gallerte (Zg) von der subumbrellaren (Sg) und exum- 
brellares Ektoderm (Zei.d.Ex) von dem Ektoderm der Randpapille (Zet.d. Rp) 
trennt. 

Fig. 4. Craterolophus tethys. Entoderm der exumbrellaren Wand 
der Radiärtasche, durch Wirkung der Reagentien von der Gallerte abgehoben. 
Vom Entoderm dringen Auswüchse in dieselbe hinein, in welchen Drüsenzellen 
liegen. f, Fasern Dz, Drüsenzellen. 

Fig. 5. Haliclystus octoradiatus. Zellplatte auf dem medianen 
Längsschnitt durch die Randpapille (vgl. Fig. 8, Taf. XXIID, aus einer Zelle be- 
stehend. Zet.d.Rp, Ektoderm der Randpapille; Eet.d.Ex, Ektoderm der Exum- 
brella. 

Fig. 6. Lucernaria campanulata. Endigung der Gallertfasern an 
der entodermalen Fläche der Gallerte. 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der 
Crustaceen'. 
Von 
Professor F. Vejdovsky 


(Prag). 


Mit Tafel XXVI und XXVI und 1 Figur im Text. 


Die unter dem Namen der Antennen- und Schalendrüse be- 
kannten Exkretionsorgane der Crustaceen zeichnen sich nach den 
bisherigen Erfahrungen wesentlich durch denselben Bau aus. In 
beiden unterscheidet man das sogenannte Endsäckchen und ein 
schleifenförmig gewundenes Kanälchen, welches letztere durch einen 
kurzen Ausführungsgang nach außen mündet. | 

Sowohl das Endsäckchen als das Harnkanälchen beider Drüsen 
sind durch specifisch histologische Struktur charakterisirt, wobei es 
nach meiner Ansicht einerlei ist, ob das Lumen des Harnkanälchens 
inter- oder intracellulär erscheint. 

Während nun allgemein und mit Recht die Antennen- und 
Schalendrüse als Exkretionsorgane angesehen und mit den Nephri- 
dien der Annulaten verglichen werden, so entbehrt nach meinen Er- 
fahrungen jeder Begründung die Deutung, nach welcher das End- 
säckchen einem modifieirten Trichter entsprechen sollte; richtig ist 
es nur, dass der kurze Ausführungsgang der kontraktilen Endblase 
des Annulaten-Nephridiums homolog ist. 

In der vorliegenden Arbeit beabsichtige ich also den Nachweis 
zu erbringen, dass das »Harnkanälchen« mit seinem bisher unbe- 
kannten Trichterapparate einzig und allein dem Nephridium der An- 
nulaten entspricht. Ferner stellt es sich heraus, dass bei einer 
solchen Auffassung es nothwendig ist das Endsäckchen als einen 


! Die Präparate zu dieser Mittheilung wurden in einer Sitzung der X. Jahres- 
versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Graz demonstritt. 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 379 


abgeschlossenen Theil des Cöloms anzuerkennen, welches in das 
Nephridium einmündet. 

Im Nachfolgenden werde ich das »Endsäckchen« thatsächlich 
als Cölomsäckchen und das »Harnkanälchen« als Nephridium be- 
zeichnen. Überzeugend für diese Auffassung war für mich das Stu- 
dium der Antennendrüse einiger Gammariden, von denen ich zu 
diesem Zwecke einige Niphargus-Arten (N. puteanus, kochianus, 
elegans ete.), sowie auch den einheimischen Gammarus pulex und 
eine Gammarus-Art aus dem Garschina-See in der Schweiz unter- 
suchte. 


1. Die Antennendrüse der Gammariden. 


Die Gestalt des Cölomsäckchens von Niphargus unterscheidet 
sich von dem des Gammarus; bei dem ersteren ist das Cölom- 
säckchen einfach sackförmig ohne seitliche Ausstülpungen und nimmt 
den vordersten, seitlichen und unteren Raum des Antennenlappens 
ein. Bei Gammarus ist zwar die Lage des Cölomsäckchens dieselbe, 
aber das Säckchen geht in einen Seitenlappen aus, welcher letztere 
die ganze Basis des aufgetriebenen Basalgliedes der zweiten Antenne 
einnimmt und dadurch von den Windungen des Nephridiums um- 
geben ist. Eine nierenförmige Gestalt, wie solche GROBBEN in seiner 
bekannten Arbeit für G. marınus als charakteristisch hervorhebt, 
silt gewiss nicht für @. pulex, bei welchem auch die Einmün- 
dung des Nephridiums in das Cölomsäckchen in derselben Weise 
stattfindet, wie bei Niphargus, nämlich auf der äußeren Seite des 
Säckchens und nicht in der Vertiefung zwischen beiden Seitenlappen 
(»dem Hilus der Niere vergleichbar«e — GROBBEN) wie für G. ma- 
rinus angegeben wird. 

Was die histologische Struktur des Cölomsäckchens anbelangt, 
so ist dieselbe schon öfters, namentlich von GROBBEN, ÜCLAUS etc. 
dargestellt worden. Es besteht aus einem Epithel, »dessen Zellen 
kuppenförmig in das Innere des Säckchens vorgewölbt sind« (GROBBEN). 
Die Zellen von Gammarus sind dichter neben einander gestellt und 
mit einem körnigen Cytoplasma versehen. Die Zellen sitzen einer 
zarten, aber resistenten Stützmembran an, wie auch von GROBBEN 
sowohl bei Gammarus als Leucifer sichergestellt wurde. Am genauesten 
überzeugt man sich von der Existenz dieser Basalmembran an Schnitten 
durch die Thiere, welche früher ziemlich lange im Alkohol lagen; 
ihre Gewebe sind mehr oder weniger macerirt, die Epithelzellen des 
Cölomsäckchens trennen sich von der Basalmembran los und er- 


380 F. Vejdovsky, 


scheinen in der Cölomhöhle als ungleich große, mit Kernen versehene 
Gebilde. Die Basalmembran bleibt aber unversehrt in ihrer ursprüng- 
lichen Lage. 

Das Säckchen ist durch zahlreiche Stützbalken (»Connectivfasern« 
CrAus) auf der niedrigen Hypodermis befestigt. Einzelne Epithelzellen 
des Cölomsäckchens entsenden nämlich ziemlich dieke und resistente 
Fortsätze, deren Substanz einigermaßen von dem Plasma der Epithel- 
zellen verschieden ist. Sie erscheint fein längsgestreift, ist glänzend 
und offenbar von zäherer Konsistenz als das eigentliche Cytoplasma. 

Dieselben histologischen Verhältnisse gelten auch für das Cölom- 
säckchen der Niphargus-Arten. Der einzige Unterschied besteht nur 
darin, dass hier die Wandungen viel flacher erscheinen und ver- 
hältnismäßig aus einer kleineren Anzahl der Zellen bestehen. Aut 
den Schnitten z. B. von Niphargus kochianus (Fig. 10 Co) erscheint 
die Wand des Cölomsäckchens als eine bindegewebsartige Membran, 
so spärlich und weit von einander entfernt erscheinen die Zellkerne 
und nur unbedeutende Erhebungen über den letzteren weisen auf 
die ganz flachen Zellen hin. 

Der Raum zwischen dem Cölomsäckchen und der Hypodermis 
stellt die primäre Leibeshöhle oder das Hämocöl vor, in welcher 
die spärlichen Connectivfasern zwischen der Säckchenwandung und 
der Hypodermis verlaufen (Figg. 9, 10 5). Die Hämolymphe von 
Niphargus kochianus und puteanus ist völlig farblos, die von Niphar- 
gus aus Pisino in Istrien schwach ockergelb, meist coagulirt; darin 
begegnet man ziemlich spärlichen Lymphkörperchen von ovaler Ge- 
stalt, deren Cytoplasma sich schwach diffus färbt und einen intensiv 
sich färbenden Kern enthält. 

Wenn die dargestellten Verhältnisse des Cölomsäckchens der Gam- 
mariden mit den bisher bekannten Strukturen der Crustaceen überein- 
stimmen, so stellt sich andererseits die Nothwendigkeit heraus, das Harn- 
kanälchen ausführlicher und selbständig zu behandeln, da dieses Organ 
gerade bei den Gammariden in seinen Komponenten nicht vollständig 
dargestellt wurde. In seinen sorgfältigen Arbeiten beschreibt GROBBEN 
das Kanälchen mit gleichmäßig weitem Lumen, mittels welchem es 
sich in das Cölomsäckchen unmittelbar öffnen soll. Nur bei Leucifer 
erwähnt er einen halsartig eingeschnürten Übergangsabschnitt zwischen 
dem Säckchen und Kanälchen. Ich fand dagegen bei allen oben 
erwähnten Gammariden eine Vorrichtung, welche der Aufmerksam- 
keit meiner Vorgänger völlig entgangen ist. Das Lumen des Kanäl- 
chens kommunieirt nämlich nicht unmittelbar mit dem der Cölom- 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 381 


_ höhle, sondern besitzt einen eigenthümlichen Apparat, welcher sowohl 
‘an Quer- als Längsschnitten schon bei mäßigen Vergrößerungen auf- 
fallend ist. 

An drei nach einander folgenden Längsschnitten durch die be- 
treffende Region der »Antennendrüse« des Niphargus von Gabro- 
vica in Istrien gewahrt man Nachfolgendes: 

Der erste Schnitt (Fig. 1) veranschaulicht die weite vordere 
Höhle des Cölomsäckchens (Co), nach hinten das Lumen des Ex- 
kretionskanälchens (N). Zwischen beiden Höhlungen befindet sich eine 
auffallende Einschnürung, in welcher der Quere nach eine große 
Zelle (a) sich erstreckt. Im Gegensatze zu den umliegenden Drüsen- 
zellen der Kanälchenwandung, färbt sich das Cytoplasma dieser 
Zelle intensiv roth und noch mehr die chromatinreichen Körner des 
länglichen Kernes. 

Schon bei mäßigen Vergrößerungen gewahrt man auf der mitt- 
leren Zone der Zelle eine feine Querstreifung, welche, wie man sich 
bei starken Vergrößerungen leicht überzeugen kann, von glänzenden, 
intensiv roth sich mit Karmin färbenden Fibrillen herrührt, deren 
Querschnitte thatsächlich an den äußeren Rändern der Zelle deutlich 
hervortreten (Fig. 1 m). Die Zelle selbst entbehrt der Fibrillen und 
ihr Cytoplasma ist feinkörnig. Wie die nachfolgenden vergleichenden 
Beobachtungen darthun werden, liegst uns also eine große Zelle vor, 
an deren Oberfläche ein Fibrillenbündel verläuft, dessen Fortsetzung 
man auch in den nachfolgenden zwei Schnitten begegnet. 

In dem zweiten nächstfolgenden Schnitte (Fig. 2) sieht man 
nämlich, dass die Cölomhöhle (Co) mit dem Lumen des Kanälchens 
(N) durch eine verengte Mündung kommunieirt. Zu beiden Seiten 
dieser Mündung befinden sich zwei große Zellen (d, c), welche in die 
Cölomhöhle lippenartig hineinragen und beide zusammen einen Trich- 
ter bilden. Sowohl durch ihre Größe, als dadurch, dass sich ihr 
Cytoplasma intensiver als die benachbarten Drüsenzellen färbt, sind die 
Trichterzellen sehr auffallend. In diesem Schnitte ist nur der Kern 
der linken Zelle getroffen, während der Kern der rechten Zelle erst 
im nachfolgenden Schnitte erscheint. Diese Kerne sind kuglig, bläs- 
chenförmig, mit einem intensiv sich färbenden Kernkörperchen. Zu 
beiden Seiten der Trichterzellen sieht man nun Querschnitte der 
Muskelfibrillen (m) derselben Beschaffenheit, wie im vorhergehenden 
Schnitte. Die Größe der Triehterzellen ist so bedeutend, dass man 
sie auch im dritten Schnitte (Fig. 3, d, c) und zwar in ihrem ganzen 
Umfange wiederfinde. Auch hier ragen sie in das Cölom hinein, 


382 F. Vejdovsky, 


aber auch nach hinten, in das Lumen des Kanälchens greifen sie 
lippenartig ein, die Lippen sind aber bedeutend niedriger als in der 
Cölomhöhle. Die Muskelfibrillen (2) erscheinen auf der Oberfläche 
der Trichterzellen in der vollständigen Entfaltung, offenbar als Fort- 
setzung der Fibrillen aus dem ersten und zweiten Schnitte. 

Aus den beschriebenen Schnitten kann man schon von vorn’herein 
ein Totalbild zusammenstellen, aus welchem es sich herausstellen 
dürfte, dass die Einmündung des Kanälchen in das Cölomsäckchen 
aus drei Zellen besteht, welche zusammen einen von einem Ring- 
muskel umgebenen Trichterapparat vorstellen. 

Die Querschnitte beweisen nun thatsächlich, dass diese Voraus- 
setzung richtig ist. Zu diesem Zwecke muss man aber absolut quere 
Schnitte führen, denn bei nur ein wenig schräger Lage des Objektes 
vermag man die Trichtervorrichtung, bezw. den geschlossenen Muskel- 
ring nicht festzustellen. So sieht man auf dem nicht streng vertikal 
geführten Schnitte durch den Kopf des Niphargus von Pisino (Fig. 9), 
dass die Zellen des Trichterapparates zwar in einem Dreiecke zu- 
sammengestellt und basalwärts von einem Muskelbündel umgeben 
sind; das letztere reicht aber nur zu den lateralen Trichterzellen, 
während es auf dem oberen Rande der Zellen weggeschnitten wurde. 

Besser gestalten sich die Querschnitte von Nephargus kochia- 
nus (Fig. 10), wo der Trichter der rechten Seite völlig geschlossen 
ist, aber auch hier ist der Muskelring nicht sichtbar, indem er sich 
nur auf die basale Trichterzelle beschränkt. Dagegen zeigt die Ab- 
bildung Fig. 11 die typische Gestalt und Struktur des Trichters im 
Querschnitte durch die linke Kopfseite: Der Ringmuskel umgiebt hier 
die ganze Peripherie des Trichterapparates (m). In denselben Ge- 
stalts- und Lageverhältnissen finde ich auch den Trichterapparat von 
Niphargus puteanus und in Fig. 12 sind zwei Trichterzellen von 
Niphargus elegans nach einem schräg geführten Schnitte darge- 
stellt. 

Ganz entsprechende Gestaltsverhältnisse des Trichterapparates 
finde ich auch bei beiden untersuchten Gammarus-Arten, ja die 
letzteren sind zur Sicherstellung des Apparates weit günstiger als 
Niphargus, indem die Trichterzellen ungemein groß sind, so dass 
man sie bis in fünf nach einander folgenden Schnitten wiederfinden 
kann. Außerdem empfiehlt sich z. B. Gammarus pulex zur Unter- 
suchung der Trichtervorrichtung, da man sich hier sehr verlässlich 
von der Muskelzelle überzeugen kann, welche die Fibrillen des Muskel- 
ringes produeirt. Andererseits besteht ein wesentlicher Unterschied 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 383 


in der Lage der Trichterzellen zwischen Gammarus und Niphargus. 
Bei dem letzteren fanden wir nämlich, dass die Trichterzellen größten- 
theils in die Cölomhöhle hineinragen, während bei Gammarus um- 
gekehrt die angeschwollenen Trichterzellen tief in das Lumen des 
Kanälchens eingreifen. Dieser Unterschied ist nun dadurch erklär- 
lich, dass die innere Cölomwandung mehr gegen das Kanälchenlumen 
vorgewölbt erscheint, in Folge dessen die Trichterzellen hierher ver- 
drängt werden. Wir wollen nun die Verhältnisse bei Gammarus 
pulex eingehender besprechen, wie sie in Figg. 153 und 14 veran- 
schaulicht sind. 

Die Abbildung Fig. 15 stellt uns einen Längsschnitt durch die 
Mündung des Nephridiums (N) in das Cölomsäckchen (Co) vor. Zu 
beiden Seiten der Mündung zwischen beiden Höhlungen sind zwei 
wahrhaft kolossale Zellen — ihre Höhe misst 0,054 mm — ange- 
bracht (d, ec), indem sie stielartig mit der Wand des Cölomsäckchens 
zusammenhängen und mit dem stark angeschwollenen freien Ende 
lappenartig in das Lumen des Kanälchens hineinragen. Histologisch 
weichen sie keinesfalls von den Trichterzellen von Niphargus ab, 
nur treten hier die Strukturverhältnisse ungemein klar und deutlich 
hervor. Die Größe der Zellen ermöglicht, dass man sie bereits bei 
mäßigen Vergrößerungen (z. B. Zeiss C) in Schnittserien wahrnimmt 
und dass man sie auch in nachfolgenden zwei Schnitten wiederfindet. 
Erst im vierten, in Fig. 14 reprodueirten Schnitt, begegnet man der 
dritten Trichterzelle (a) und einem kräftig entwickelten Ringmuskel 
(m), welcher sich als differenzirter Theil einer großen Zelle (z) her- 
ausstellt. Diese Muskelzelle ragt mit ihrem plasmatischen Abschnitt, 
in welchem der Kern aufbewahrt ist, in die Cölomhöhle ein. Durch 
die Tinktion und die Größe des Kernes erinnert zwar die Muskel- 
zelle an die Trichterzellen, sie ist aber flach, liegt seitlich von der 
Basis der Trichterzellen, und da sie im Verbande des Cölomepithels 
gelagert ist, so kann man sie füglich als eine modifieirte Epithelzelle 
des Cölomsäckchens auffassen. Die Differenzirung erfolgte hier in 
der Weise, dass ein Theil der Zelle sich zu Muskelfibrillen umbil- 
dete, während der sarkoplasmatische, den Kern enthaltende Theil 
die Beschaffenheit der Epithelzelle behält. 

Die Fibrillen des Ringmuskels sind durchaus glatt, parallel 
neben einander verlaufend und an tangentialen Längsschnitten durch 
Gammarus aus dem Garschina-See belehrt man sich über ihre An- 
ordnung. Überraschend ist dabei, dass die Fibrillen nach der Art 


der glatten Muskelfasern der Annulaten angeordnet erscheinen; die 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Ba. 26 


384 F. Vejdovsky, 


Rinde besteht aus Fibrillen, das Innere ist eine homogene Substanz, 
man hat es hier also mit einem Hirudineenmuskel zu thun. 

Das Lumen des Trichterapparates kommunicirt also einerseits 
mit der Cölomhöhle, andererseits mit dem Nephridialkanale. Der 
letztere gestaltet sich nun auf seinem ganzen Verlaufe nicht von 
gleicher Dicke, sondern zerfällt in bestimmte Abschnitte, von denen 
der unmittelbar hinter dem Cölomsäckchen folgende der auffallendste 
ist. Man findet zwar an Querschnitten diesen Theil bedeutender 
angeschwollen als die übrigen Kanälchenwindungen, aber die eigent- 
liche Gestalt des Anfangsabschnittes tritt in seinen Gestaltsverhält- 
nissen am deutlichsten an tangentialen Längsschnitten hervor. In 
Fig. 18 ist ein solcher tangentialer Schnitt reprodueirt. Der Anfangs- 


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Cölomsäckchen und Anfangstheil des Nephridiums von Gammarus pulex (halbschematisch). C, Cölom- 
säckchen; t{, zwei Trichterzellen; m, Ringmuskel; A, ampullenartige Erweiterung des Nephridiums; 
c, Kanälchen; dr, Drüsenzellen; «, Alveolarschicht der Kanälchenzellen. 


theil des Nephridiums ist mächtig erweitert und bildet eine Ampulle, 
in welche der Trichterapparat hineinragt. Nach hinten zu verschmä- 
lert sich die Ampulle allmählich und biegt sich nach unten, um in 
den verengten Theil des Nephridialkanals direkt überzugehen. 

Diese Gestalt der Ampulle und deren Überganges in den Kanal 
wiederholt sich regelmäßig in allen mir vorliegenden Schnittserien, SO 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 385 


dass man diese Anordnung des Anfangstheiles als eine gesetzmäßige 
betrachten kann. Das findet man nicht nur bei Gammarus und Ni- 
phargus, sondern auch bei Crangonyx, in welchem letzteren ich den- 
selben Trichterapparat, die ampullenartige Erweiterung des Nephri- 
diums und den nachfolgenden verengten Theil desselben neuerdings 
sichergestellt habe. Im Hinblick auf die Einmündung des Nephridiums 
in das Cölomsäckchen bei der letztgenannten Gattung berichtige ich also 
meine frühere Angabe, wonach der verengte Kanaltheil in das Säck- 
chen einmünden sollte. 

Über die histologische Struktur der Ampullen- und Kanälchen- 
wandung habe ich zu dem bisher Bekannten manches Neue hinzuzu- 
fügen. Auf Quer- und Längsschnitten ist es unmöglich die Grenzen 
einzelner Zellen zu ermitteln, nur bei der Besichtigung der Wandungen 
von der Oberfläche kann man wenigstens die Spuren einer Zell- 
umgrenzung mehr oder weniger deutlich wahrnehmen (Fig. 7). Die 
Gestalt der Kerne dieser großen Zellen ist sehr veränderlich; meist 
sind die Kerne, namentlich bei Niphargus, amöbenförmig, mit stumpfen 
Lappen, oder hufeisenförmig, seltener oval oder elliptisch, was man 
aber nur an Flächenschnitten wahrzunehmen vermag, denn an 
Quer- und Längsschnitten findet man nur in die Länge gestreckte 
Kerne. 

Dass der Zellinhalt feingestreift ist, kennt man bereits aus 
den früheren Arbeiten; namentlich bei Gammarus ist diese Struktur 
leicht sicherzustellen. Schwieriger sieht man dasselbe bei Niphargus, 
allerdings aber muss man dabei mit dem Konservirungszustande 
rechnen. Die Streifung rührt von den feinen der Quere nach ziehen- 
den Fibrillen her, die aber so dicht den Zellinhalt ausfüllen, dass 
man sie nur an sehr dünnen Schnitten wahrnimmt. Die nach dem 
Lumen des Kanälchens zugekehrte Fläche der Zellen entbehrt dieser 
Plasmastruktur, dagegen findet man hier eine Reihe größerer Alveolen 
(Fig. 19 al), welche um so auffallender sind, als die Plasmabrücken 
zwischen je zwei Alveolen sich intensiv sowohl mit Karmin als Häma- 
toxylin färben und bereits mit schwachen Vergrößerungen wahr- 
nehmbar sind. Die innere Umgrenzung dieser Alveolenschicht existirt 
eigentlich nicht, indem die großen Alveolen mit den interfibrillären 
feinen Waben gewissermaßen kommunieiren, so dass der Inhalt der 
letzteren schließlich in die größeren sich ergießen kann. Die Flächen- 
schnitte durch die Schicht der größeren Alveolen ist in Fig. 20 ab- 
gebildet und man sieht hier ein zierliches Netz von beinahe 2 u 
breiten Waben. Die Alveolarschieht wurde bekanntlich von GROBBEN 

26* 


386 F. Vejdovsky, 


als fein durchbohrte Cuticula aufgefasst, während MARCHAL! richtig 
den wahren Sachverhalt erkannt hat. 

In meinen meisten Präparaten sehe ich nur die beschriebene 
Zellenstruktur, in wenigen Fällen erscheint dagegen noch eine mehr 
oder weniger dickere Lage, welche nach innen die Alveolarschicht 
bedeckt, hin und wieder unterbrochen ist und stellenweise lappen- 
artig in das Nephridiumlumen hineinragt. Sie besteht aus feinen 
Körnchen, die sich schwach diffus färben. Nach allen diesen Eigen- 
schaften wird man wohl kaum von einer persistenten Cutieular- 
schicht reden können; vielmehr glaube ich, dass man es hier mit 
einer durch die Fixirungsmittel erhärteten Flüssigkeit zu thun hat, 
welche sich im Leben mit den eigentlichen aus der Hämolymphe 
ausgeschiedenen Uraten vermischt. 

Ob nun die bisher in Rede stehende Wandung des Kanälchens 
selbst die Flüssigkeit secernirt, muss ich dahingestellt bleiben lassen. 
Für mich persönlich erscheint plausibler, dass die Flüssigkeit einer 
anderen Quelle ihren Ursprung verdankt. In der Litteratur finde ich 
keine Erwähnung, dass die Wandungen des Kanälchens auf dem ganzen 
Verlaufe nach außen mit großen Drüsenzellen besetzt sind. Die Wan- 
dungen sind daher nicht nackt und werden in Folge dessen nicht direkt 
von der Hämolymphe umspült, wie es bei dem Cölomsäckchen der 
Fall ist. Jede Drüsenzelle sitzt mit breiter Basis an den Nephridial- 
wandungen, zwei Nachbardrüsen berühren sich aber nicht überall, 
sondern weichen aus einander und bilden auf diese Weise ein Lakunen- 
system, durch welches die Hämolymphe mit Blutkörperchen strömt. 
An Schnitten findet man thatsächlich die Blutkörperchen auf der Ober- 
fläche der Drüsenzellen angeklebt (Figg. 4, 8 A), oder sie befinden 
sich in den Lakunen selbst. 

Die Drüsenzellen sind auffallend durch mehrere Merkmale. Zu- 
nächst ist hervorzuheben, dass sie in die Kategorie der größeren 
Zellen gehören; man findet zwar unter ihnen auch kleinere Ele- 
mente, aber die meisten erreichen wahrhaft kolossale Dimensionen. 
Die kleinsten und niedrigsten Drüsenzellen finde ich auf dem letzten, 
nicht selten blasenförmig angeschwollenen Abschnitte des Kanälchens 
(Fig. 22 ms), wo dieselben so zu sagen epithelartig auf der Wandung 
angeordnet sind (Fig. 9 ms). Ferner ist die Gestalt der Drüsenzellen 
auffallend; die zwischen je zwei Windungen des Kanälchens befind- 
lichen erscheinen an Schnitten als keilförmige, eylindrische, kubische 


! P. MArcHAL, Recherches anatomiques et physiologiques sur l’appareil 
exeröteur des Crustace&s Decapodes. Arch. Zool. experim. (2.) Tome X. 1892. 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 387 


oder vielseitige Gebilde, und wo es der freie Raum erlaubt, laufen 
sie in seitliche Fortsätze aus, zwischen welchen letzteren größere 
oder kleinere, runde, ovale oder spaltförmige Lakunen übrigbleiben 
(Figg. 1, 8, 13 5). Drittens sind die Drüsenzellen durch ihre Struk- 
tur charakteristisch. Ihr Cytoplasma erscheint bei schwachen Ver- 
srößerungen fast gleichartig, im Karmin diffus rosa, in der Koche- 
nille intensiv roth gefärbt. Dass aber auch hier eine fibrilläre Struk- 
tur vorkommt, beweisen die Drüsenzellen von Gammarus pulex. 
Namentlich auf der Basis der Zellen, mittels welcher sie sich an das 
Epithel des Kanälchens anlegen, sieht man bei starken Vergrößerungen 
eine feine Längsstreifung, welche mit derjenigen der Kanälchenzellen 
übereinstimmt (Fig. 19 ms, Fig. 21). An der Basis der Drüsenzellen 
erscheinen auch die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllten Alveolen, 
aus welchen der Inhalt offenbar in die Zellen der Kanälchenwandung 
und von hier in das Kanälchenlumen durehfiltrirt wird (Fig. 21 a/). 
Auf diese Weise betheiligen sich die Drüsenzellen in hervorragen- 
der Weise an der Sekretion, deren Folgen sich in dem Inhalte 
der Ampulle und der übrigen Abschnitte des Nephridiums kund- 
geben. 

Vergleicht man nämlich die Exkrete in dem Cölomsäckchen mit 
denen in dem Nephridium, so gewahrt man einen auffallenden Unter- 
schied zwischen beiden Flüssigkeiten, welche durch die Fixirungs- 
mittel auf den Präparaten allerdings als feste Substanzen erscheinen. 
Die im Cölomsäckchen befindlichen gestalten sich als Gruppen von 
tropfenartigen, oder auch fadenförmigen, glänzenden, theilweise diffus 
sich färbenden Gebilden. Stellenweise findet man einzelne solche 
‘ Tropfen noch im Zusammenhange mit den Zellen des Cölomsäckchens, 
so dass es kaum zu bezweifeln ist, dass man es hier mit einem 
durchfiltrirten Exkrete zu thun habe. In dieser Gestalt gehen wohl 
die Exkrete aus dem Cölomsäckchen in die Ampulle und weiter in 
das Kanälchen, wo sie sich offenbar mit den Sekreten der Drüsen- 
zellen mischen, um gewissermaßen verdünnt zu werden. Denn das 
äußere Aussehen des inneren Inhaltes in den letzterwähnten Ab- 
schnitten ist ein anderes als im Cölomsäckchen. Es ist eine coa- 
sulirte, feinkörnige, oder homogene Substanz, die in unregelmäßigen 
Klumpen den Wandungen des Kanälchens aufsitzt. 

In allen Fällen ist der Kern der Drüsenzellen kugelförmig mit 
centralem Kernkörperchen. Man begegnet sehr oft direkten Kern- 
theilungen, an welchem Vorgange aber der Zellleib selbst nicht Theil 
nimmt. So erklärt man sich, dass die Drüsenzellen oft mit zwei 


388 F. Vejdovsky, 


Kernen versehen sind, ja bei einem Exemplare von Gammarus aus 
dem Garschina-See finde ich den größeren Theil der Drüsenzellen 
zweikernig. 

Die Kanälchenwindungen sind mittels Stützbälkchen theils an 
die Hypodermis aufgehängt, theils sind sie auf dieselbe Weise unter 
einander verbunden. Es sind dieselben Vorrichtungen, wie bei dem 
Cölomsäckchen. Einzelne Zellen des Kanälchens laufen in je einen 
Fortsatz aus, welcher sich andererseits mit den Hypodermiszellen ver- 
bindet (Fig. 12 p). Auch die inneren Windungen sind mit einander 
durch ähnliche und zwar kräftige Zellfortsätze verbunden (Fig. 8 p). 

Der letzte Abschnitt des Antennennephridiums ist zwar öfters 
von meinen Vorgängern, namentlich von DELLA VALLE abgebildet 
und beschrieben worden. Nichtsdestoweniger habe ich in Fig. 22 
eine neue Abbildung des Endabschnittes nach einem medialen Längs- 
schnitt reprodueirt, da hier die histologischen Verhältnisse sehr klar 
hervortreten. Die Wandungen des verengten Abschnittes des Kanäl- 
chens (x) bewahren dieselbe streifige Struktur, wie der gewundene 
Theil des Nephridiums, auch findet man hier dieselben Zellkerne 
und die äußeren, allerdings sehr niedrigen Drüsenzellen (ms), wie 
dort. Dieses Kanälchen geht nun direkt in eine Anschwellung über, 
welche sich schließlich verengt und am Ende des Kegels nach außen 
mündet. Die Struktur dieses Ausführungsabschnittes (cd) ist eine 
andere als die des Nephridialkanälchens; seine Wandungen bestehen 
aus einem kubischen Epithel, welches strukturell mit der Hypodermis 
(hp) übereinstimmt und beweist, dass dieser Abschnitt nur durch die 
Einstülpung der letzteren zu Stande kam. 


2. Die Schalendrüse der Isopoden. 


Ich schließe mich der allgemein angenommenen Auffassung an, 
dass die »Antennen- und Schalendrüse« serial homologe Organe vor- 
stellen, versuche aber noch den Nachweis zu erbringen, dass das 
Schalennephridium gleichfalls mit einem specialisirten Trichterapparate 
in das Cölomsäckchen einmündet. Zwar stand mir zur Lösung dieser 
Frage bisher kein günstiges Material zu Gebote, um mich auf den 
Sehnittserien von dem Vorhandensein des in Rede stehenden Organs 
zu überzeugen. Dagegen wurde mir ermöglicht, die Präparate einiger 
Isopoden zu besichtigen, welche BonumiL NEMEC in meinem Institute 
als Belege zu seiner eingehenden Arbeit! über Isopoden hergestellt 


1 BOHUMIL NEMEC, Studie o Isopodech. I. Vestnik kräl. spol. nauk. 1895. — 
Il. Ibid, 1896. (Sitzungsber. k. böhm. Ges. Wiss. 1895,1896. Mit deutschem Resume.) 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 389 


hat. Diese schon vor mehreren Jahren verfertigten Präparate sind 
noch ziemlich gut erhalten und lieferten mir Gelegenheit, die feineren 
Strukturverhältnisse der »Schalendrüsen< zu revidiren. NEMEC hat 
mir zu diesem Zwecke zwei Querschnittserien von Ligidium agele 
und Titanethes albus vorgelegt, in denen ich zu meiner Überraschung 
dieselben Verhältnisse der Triehtervorrichtungen in den Schalen- 
drüsen erkannt habe. 

In Fig. 15 und 16 sind zwei hinter einander folgende Quer- 
schnitte durch die Schalendrüse von Ligidium age reprodueirt 
(Vergröß. Zeıss, hom. Imm. 1/12). Nach Neumec (l. ce.) ist die Drüse 
bei der genannten Gattung von allen Oniscodeen am mächtigsten 
entwickelt und sind deren Komponenten, »das Endsäckchen und der 
vielfach gewundene Kanal« typisch gebaut, welche Angabe durch die 
angezogenen Abbildungen Figg. 15 und 16 bestätigt wird. 

In beiden Abbildungen sieht man nun, dass die Kommunikation 
zwischen dem Cölomsäckchen (Co) und dem Kanälchen (N) durch 
eine eingeschnürte Mündung stattfindet, in welcher drei große Zellen 
stecken. In Fig. 16 ist nur eine von den Zellen getroffen (c); sie 
rast mehr in das Kanälchenlumen hinein, verengt sich keilförmig 
segen die Mündung, welche durch einen kräftig entwickelten, aus 
slänzenden Fibrillen bestehenden Muskelring (m) zusammengezogen 
erscheint. In dem nächstfolgenden Schnitt (Fig. 15) sind sämmtliche 
drei Zellen getroffen, die aus dem ersten Schnitt natürlich nur theil- 
weise (c); die übrigen zwei Trichterzellen ragen zungenförmig in das 
Kanälchenlumen hinein, so dass der Trichter sich eher in das Ka- 
nälchen als in das Cölom Öffnet. Bei der starken Kontraktion des 
Rinsmuskels sieht man in der Abbildung keinen Verbindungsgang 
zwischen dem Cölom und dem Kanälchen. Eben so schwierig ist 
es den sarkoplasmatischen Theil und den Kern der Muskelzelle nach- 
zuweisen. 

Sonst aber, sowohl durch die mikrochemische Beschaffenheit des 
Cytoplasma, als durch die Lage stimmen die beschriebenen drei Zellen 
vollständig mit dem Trichterapparat des antennalen Nephridiums 
überein. 

Ungemein überzeugend tritt die Triehtervorrichtung zwischen dem 
Cölom und Kanälchen bei Titanethes hervor. Das Cölomsäckchen 
zeichnet sich hier durch zwei Eigenthümlichkeiten aus; erstens sind 
seine Zellen mit braunen Konkretionen überfüllt, welcher Umstand auf 
die exkretorische Funktion des Cölomepithels hinweist (vgl. Fig. 15 Co). 
Das Säckchen ist verhältnismäßig sehr umfangreich, indem man es 


390 F. Vejdovsky, 


durch die ganze Schnittserie der Schalendrüse verfolgen kann. Auf 
der inneren, d. h. gegen die Medianlinie des Körpers gerichteten Seite 
verengt sich das Säckchen halsartig, um in das Nephridium überzugehen. 

Das letztere beginnt wieder mit dem bekannten Trichterapparate. 
Die Trichterzellen sind ebenfalls keilförmig und mit dem ange- 
schwollenen Ende ragen sie lippenartig in das Lumen des Kanäl- 
chens hinein. In meiner Abbildung (Fig. 17) sind zwei gleichgestaltete 
Zellen veranschaulicht, wie man sie an einem Schnitt findet. Da aber 
letzterer ein wenig dick ist, so kann ich die Zahl der Trichterzellen nicht 
bestimmt angeben; bei der höheren Einstellung sehe ich noch eine 
Zelle zwischen beiden abgebildeten, bei der niedrigeren Einstellung 
scheint es dagegen, dass noch eine vierte Zelle vorhanden ist. Danach 
würde der Trichterapparat aus vier Zellen bestehen, was aber für 
die morphologische Bedeutung des Gebildes kaum von Belang ist, 
zumal man verschiedene Zellenanzahl auch anderswo in den Trich- 
tern, z. B. der Oligochäten und Hirudineen, findet. Allerdings aber 
muss man künftig in günstiger hergestellten Schnittserien von Tita- 
nethes die Zahl der Trichterzellen definitiv feststellen. Der Muskel- 
ring (Fig. 17 m) ist bei den genannten Isopoden übereinstimmend wie 
bei: dem Antennennephridium entwickelt. 

Nach den angeführten Beispielen ist es sicher, dass die Schalen- 
drüse, oder besser, das zweite Nephridium der Isopoden nach dem- 
selben Typus wie das Antennennephridium gebaut ist. Der einzige 
Unterschied zwischen dem Antennennephridium der Gammariden und 
dem zweiten Nephridium der Isopoden — (das erste, oder Antennen- 
nephridium ist hier nach Craus und NEmEc nur rudimentär) — be- 
steht darin, dass das Nephridialkanälchen jener großen Drüsenzellen 
entbehrt. Anstatt dessen ist hier eine bindegewebige Umhüllung 
vorhanden, entsprechend dem Peritoneum, mit welchem die Nephridien 
der Annulaten bedeckt erscheinen. 


3. Über die Antennen- und Schalendrüse der Decapoden. 


Das Vorhandensein eines modificirten Triehterapparates in den 
Exkretionsorganen des erwähnten Arthrostraken war für mich allzu 
anziehend, als dass ich mich von dessen Existenz auch bei anderen 
Vertretern der Crustaceen nicht überzeugen möchte. Leider aber ver- 
mag ich aus eigener Erfahrung in dieser Beziehung nichts Bestimmtes 
anzugeben. Die Hoffnungen, entsprechende Vorrichtungen auch bei 
Mysis finden zu müssen, erfüllten sich nicht, da hier das Cölomsäckchen 
und dessen Verbindung mit dem Nephridium sich als sehr ungünstig 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 391 


für die Ermittelung des Sachverhaltes erweist. Eben so war es mit 
einem Vertreter der Decapoden, nämlich mit Virdius varians, wo die 
Kleinheit des Cölomsäckchens nicht gestattet, sich an Schnittserien über 
dessen Kommunikation mit dem Nephridium verlässlich zu überzeugen. 

Trotzdem glaube ich, dass die künftigen allseitigen Forschungen 
über die Nephridien der Decapoden etc. entsprechende Vorrichtungen, 
wie bei den Amphi- und Isopoden nachweisen werden. In dieser 
Hoffnung bekräftigen mich namentlich die Abbildungen und spär- 
liehen Angaben, welche E. J. ALLken über die Antennen- und 
Schalendrüse von Palaemonetes varians veröffentlicht hat!. In seiner 
Fig. 1 bildet der genannte Autor einen horizontalen Längsschnitt 
durch eine drei oder vier Tage alte Larve von Palaemonetes ab, in 
welchem das Cölomsäckchen mittels zweier großer Zellen in den 
Nephridialsack einmündet. Durch diese zwei Zellen erscheint die 
Mündung sehr verengt. Obwohl nun ALLEN diese Thatsache nicht 
näher bespricht, so bin ich doch überzeugt, dass es sich hier um 
eine Trichtervorrichtung handelt und dass die künftigen Unter- 
suchungen diese meine Vermuthung bestätigen werden. 

Verlässlichere Angaben theilt ALLEN über die Schalendrüse von 
Palaemonetes mit, welche er mit einigen, leider bei schwachen 
Vergrößerungen reprodueirten Abbildungen begleitet (l. e. Fig. 6 es, 
Fig. 8Ses). Man sieht hier in der Mündung zwei größere in das 
Lumen des Kanälchens hineinragende Zellen, die sowohl in der Ge- 
stalt als Lage an die Trichterzellen der Isopoden erinnern. ALLEN 
äußert sich darüber folgendermaßen: »It will be observed, however, 
that in all my figures the cavity of the end-sac is not in free com- 
munication with that of the tube, the entrance from the one to the 
other being guarded by certain elongated cells of the end-sae which 
project into the lumen of the tube. Two such cells appear in each 
section. This arrangement of cells is invariably found at the point 
where the end-sae joins the tube, and appears to constitute a valve 
prevent it from returning in the opposite direction. « 


Allgemeines. 


1. Physiologie der Exkretion durch das Antennen-Nephridium. 


Die Hämolymphe dringt mit den Lymphocyten in das Hämoecöl 
ein. Beider Betrachtung der durchsichtigen Exemplare von Niphargus 


1 EDGAR J. ALLEN, Nephridia and Body-cavity of some Decapod Crusta- 
cea. Quart. mierose. Journal. Vol. XXXIV. 1893. p. 403-426. 3 Taf, 


392 F. Vejdovsky, 


und Crangonyx kann man sich leicht überzeugen, dass die aus der 
unteren Antenne zurückkehrende Hämolymphe größtentheils in die 
erwähnte Lakune strömt und zwar geht der Strom auf der Peripherie 
des Nephridiums direkt in das Hämocöl. Auf den Schnitten z. B. 
durch den Niphargus von Pisino (Fig. 9) sieht man die koagulirte 
röthliche Flüssigkeit mit Lymphkörperchen in der pericölomatischen 
Lakune; in keinem anderen Theile der Leibeshöhle findet man so 
starke Anstauung der Lymphflüssigkeit, wie gerade hier!'. Man nimmt 
also mit Recht an, dass in dem Hämocöl der unteren Antennen die 
Beseitigung der Exkretionssubstanzen aus der Hämolymphe und eine 
Diffundirung derselben durch die Zellen des Cölomsäckchens statt- 
findet. Aus denselben Gründen muss man auch annehmen, dass das 
Cölomsäckchen der Schalendrüse dieselbe Fähigkeit besitzt, wie es 
thatsächlich die oben erwähnten, dicht in den Zellen angehäuften 
braunen Konkretionen bei Titanethes beweisen. Aber in dem Cölom- 
säckchen selbst vermag man niemals feste Exkretionspartikel anzu- 
treffen; die hier vorhandene, oben erwähnte Substanz ist eine offen- 
bar zähflüssige, an Präparaten tropfen- und fadenförmig erscheinende 
Masse, die kaum fähig ist aktiv in das Nephridium überzugehen. 
Zur weiteren Beförderung des Exkretes in das Nephridium muss da- 
her der Trichterapparat behilflich sein, wobei dessen Ringmuskel 
die Hauptfunktion spielt. Ich stelle mir den Vorgang so vor, dass 
sich bei der Füllung des Cölomsäckchens die Trichtermündung erweitert 
und durch die darauf folgende plötzliche Kontraktion des Ringmus- 
kels ein Quantum der Exkrete in das Nephridium aufgesaugt wird. 
Mit Recht nimmt ALLEN an, dass die großen Trichterzellen als Klap- 
pen zur völligen Verschließung der Mündung dienen, so dass der 
Inhalt aus dem Nephridium in das Cölomsäckchen nicht zurück- 
kehren kann. 


1 In einer anderen unlängst erschienenen Arbeit berichte ich über die 
Parasiten des Gammarus aus dem Garschina-See in der Schweiz. Unter die- 
sen ist bemerkenswerth namentlich eine Bakteriumart, die hier in der Hämo- 
Iymphe, ihre Keime aber noch in den cystenartigen Schläuchen zu Tausenden 
parasitisch leben. Dazu gesellen sich zahlreiche Opalinen und deren Keime. 
Sämmtliche Parasiten sammeln sich nun vermittels des Stromes der Hämo- 
lymphe in den Lakunen auf der Peripherie der Nephridien und verstopfen sie 
so zu sagen vollständig. Die erwachsenen Bakterien sondern dann eine schleim- 
artige Umhüllung ab, auf welcher man noch zahlreiche Opalinenkeime angeklebt 
findet (vgl. Fig. 23). In Fig. 24 ist in der Lakune ein Leukocyt abgebildet, in 
dessen Cytoplasma mehrere Bakterien unversehrt eingeschlossen erscheinen 
(vgl. VEJDOVsKy, Bemerk. über Bau und Entwicklung der Bakterien. Centralblatt 
für Bakteriologie und Parasitenkunde. II. Abth. 1900). 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 393 


2. Morphologischer Werth. 


Die verschiedenen Ansichten über die morphologische Bedeutung 
der Antennen- und Schalendrüse lassen sich folgendermaßen zu- 
sammenfassen: 

1) Nach der einen Auffassung (WEISMANN, CLAUS, GROBBEN etc.) 
stellt die Drüse ein einheitliches Organ vor, in welchem »das End- 
säckehen« mit dem Glomerulus der Vertebratenniere und »das Harn- 
kanälehen« mit den Tubuli contorti verglichen wird. WELDoN! hat 
sich dieser Ansicht angeschlossen, indem er den Glomerulus als 
Endigung eines blinden Auswuchses der Nephridialwandung betrach- 
tet, das Nephridium selbst aber noch mit einer weiten Leibeshöhle 
(»nephroperitoneal sac«) kommunieiren lässt. 

2) Nach der zweiten Ansicht betrachtet man das Oölomsäckchen 
als theilweise homolog mit dem Trichter des Annulaten-Nephridiums 
(WAITE?). 

3) LANKESTER? vergleicht dagegen den »end-sac« der Crustaceen 
mit einem Raume der Limulus-Embryonen, in welchen sich das Ne- 
phridium öffnet, und vermuthet, dass dieses Säckchen ein reducirtes 
Cölom vorstellt. Ähnliches hat auch A. Sepgwick* bei Peripatus 
sefunden, wo jedes Nephridium in ein Cölomsäckchen einmündet. 

Diese dritte, gewiss die richtigste Auffassung hat die verbrei- 
tetste Anerkennung gefunden und ist durch die vorliegende Dar- 
stellung der Komponenten des Antennen- und Schalennephridiums 
der Amphipoden und Isopoden, sowie derselben Organe der Deca- 
poden bekräftigt worden. Die Exkretionsorgane der Crustaceen 
stellen phylogenetisch sehr alte, von den Stammformen der Krebse 
überkommene Organe vor und sind den Nephridien der Annulaten 
homolog. Die Beweise für diese Auffassung kann man übersichtlich 
in zwei Richtungen führen, nämlich vom vergleichend anatomischen 
und zweitens vom embryologischen Gesichtspunkte. 

1) Das Cölom der Annulaten kommunieirt durch einen Trichter- 


1 Weupon, The coelom and Nephridia of Palaemon serratus. Journ. marine 
biolog. Associat. New Series. Vol. I. 1889. p. 162—168. — The renal organs 
of certain Decapod Crustacea. Quart. mier. Journ. Vol. XXXN. p. 279—291. 1891. 

2 Fr. C. WAıteE, The struct. and development of the antennal Glands in 
Homarus americanus. Bull. Mus. comp. Zoology at Harvard Coll. Vol. XXXV. 
No. 7. With 6 Pl. p. 151—209. 1899. 

3 LANKESTER, Quart. mier. Journ. Vol. XXV. 188. 

* A. SEDGwIck, The development of the Cape Species of Peripatus. Ibid. 
Vol. <XY—XXxVIll. 1885—1888. 


394 F. Vejdovsky, 


apparat mit dem Nephridium, welches aus einem mehr oder weniger 
sewundenen Kanal besteht und mittels eines epiblastischen End- 
stückes [kontraktile Endblase) nach außen mündet. Dieselben Ver- 
hältnisse findet man auch bei den Crustaceen. Das im Hämoeöl, 
d. h. in der primitiven Leibeshöhle liegende Säckchen ist als rudi- 
mentäres Cölom aufzufassen; seine Wandungen differenzirten sich 
weder zu Muskelfasern, noch zu einer Peritonealschicht, sondern sind 
in der ursprünglichen einfachen Anlage geblieben, um eine specifische, 
exkretorische Funktion zu übernehmen. Das Cölomsäckchen öffnet 
sich hier wie dort durch einen Trichterapparat in das gewundene 
Kanälchen und der kurze hypodermale Endabschnitt entspricht dem- 
selben Bestandtheile des Annulaten-Nephridiums. Sogar die ampullen- 
artige Erweiterung auf dem Anfangstheile des Nephridiums der 
Gammariden wiederholt sich bei den Annulaten unmittelbar hinter 
dem Wimpertrichter. Auch die längst bekannte peritoneale Um- 
hüllung der Segmentalorgane\der Annulaten entspricht der äußeren 
Drüsenschicht auf dem gewundenen Kanale der Amphipoden, sowie 
der niedrigen bindegewebigen Hülle des Schalennephridiums der 
Isopoden. Kurzum, vom vergleichend-anatomischen Standpunkte giebt 
es keinen Unterschied zwischen den Exkretionsorganen der Annulaten 
und Crustaceen. | 

Der Triehterapparat des Crustaceen-Nephridiums weicht aller- 
dings in hohem Maße von dem der Annulaten ab, erstens durch die 
seringe Zahl der Zellen und zweitens durch den Mangel an Bewim- 
perung und das Vorhandensein eines Ringmuskels. Aber diese Modi- 
fikationen sind gewissermaßen durch einen Funktionswechsel in der 
Entleerung der zähflüssigen Exkretionsprodukte aus dem Cölomsäck- 
chen veranlasst worden. Aus dem »normalen« Annulatentrichter 
kam ein dreizelliger, durch den Ringmuskel beeinflusster Klappen- 
apparat zu Stande. Das Vorhandensein der Trichtervorrichtung am 
Crustaceen-Nephridium bekämpft zur Genüge die Anschauung, dass 
das Cölomsäckehen der Antennen- und Schalendrüse dem Wimper- 
trichter des Annulaten-Nephridiums homolog sei. 

Für die morphologische Auffassung des Trichterapparates bes 
trachte ich als wichtig die Frage zu erörtern, ob die Trichterzellen 
genetisch als modifieirte Gebilde des Cölomepithels oder der Ka- 
nälchenwandung zu deuten sind. Die Entscheidung dieser Frage ist 
vom anatomischen Standpunkte aus ziemlich schwierig, zumal auf den 
Quer- und Längsschnitten die Trichterzellen einmal (bei Niphargus) 
mehr in die Cölomhöhle, ein ander Mal wieder (bei Gammarus, Iso- 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 395 


poden und Palaemonetes) tief in das Kanälchenlumen hineinragen. 
Im ersten Falle könnte man sie als Bestandtheile der Kanälchen- 
wandung, im zweiten Falle wieder als eölomatischer Herkunft be- 
trachten. Vor der Hand neige ich mich der letzten Auffassung zu, 
dass die Trichterzellen vergrößerte Elemente der Cölomwandung vor- 
stellen, und zwar aus diesen Gründen: Erstens erweisen sie sich 
als direkte Fortsetzung des niedrigen Cölomepithels, dessen Elemente 
in der Kanälchenmündung zu großen Zellen herangewachsen sind. 
Zweitens wird diese Ansicht durch die mikrochemische Behandlung 
unterstützt; mit HEIDENHAIN’schem Eisen-Hämatoxylin behandelt, färbt 
sich das Cytoplasma der Trichterzellen eben so tief schwarz, wie die 
niedrigen Zellen des Cölomepithels, während gleichzeitig die Zellen 
der Kanälchenwandung mit diesem Färbemittel nur unbedeutend ge- 
färbt erscheinen. Schließlich entbehrt der Trichterapparat jener meso- 
blastischen Umhüllung, welche die Wandungen des Kanälchens in der 
Gestalt großer Drüsen begleitet. 

2) Die definitive Entscheidung dieser Frage muss man allerdings 
der ontogenetischen Untersuchung überlassen. Was man aber bisher 
von der Bildungsweise des Crustaceen-Nephridiums kennt, weist 
darauf hin, dass es zweierlei Quellen seinen Ursprung verdankt. In 
dieser Beziehung liegen bereits mehrere Angaben vor, von welchen 
die in der allerletzten Zeit veröffentlichten die verlässlichsten zu sein 
scheinen. Aus diesen geht fast übereinstimmend hervor, dass das 
Nephridialkanälchen aus dem Epiblaste entsteht, während das Cölom- 
säckchen unabhängig von dem letzteren als eine selbständige meso- 
blastische Anlage zu Stande kommt. Während nach den älteren 
Mittheilungen von REICHENBACH! und ISHIKAwA? die ganze Antennen- 
drüse (wobei auch das Cölomsäckchen gemeint wird) in dem Epiblaste 
ihren Ursprung haben soll, beweisen die letzten sorgfältigen Arbeiten 
von BucinskyY? und Waıte®!, dass die Anlagen des Cölomsäckchens 
und Nephridiums folgendermaßen vor sich gehen: 


1 REICHENBACH, Studien zur Entwicklung des Flusskrebses. Abhandlungen 
SENCKENBERG. Naturf. Gesellsch. Bd. XIV. 1. Heft. p. 1—137. 1886. 

2 C. IsHIKAwA, On the development of a Freshwater Macrourous Crusta- 
cean, Atyephyra compressa De Haan. Quart. mier. Journ. Vol. XXV. p. 391 
—428. 1885. 

3 BUCinsky, Haöıyrenaz HaAB eMÖPIioHamHBIMB pasguriemp Malacostraca. 
Yacıs Il. Emöpionanuoe paszurie Gebia litoralis. 3annucru HoBopocciickaro Oö- 
mecrzea. Tome XIX. Onrecca 1895. 

* FR. C. WAITE, The structure and development of the antennal Glands in 
Homarus americanus Milne Edw. Bull. comp. Zool. Harvard College. Vol. XXXV. 
p. 188—210. 1899. 


396 F. Vejdovsky, 


Bei Gebia entsteht nach BucınskyY die Drüse aus einem inneren 
mesoblastischen und einem epiblastischen Theile, und diese Bildung 
findet schon zur Zeit statt, wo der Mesoblast noch nicht regelmäßig 
vertheilt ist, d. h. seine Zellen ohne jede deutliche Anordnung zer- 
streut erscheinen. — Bei einer Cumacee (Iphinoe) fand BuCınskY 
eine epiblastische Einstülpung, deren inneres Ende von einer Anhäu- 
fung der Mesoblastzellen umgeben ist. Nach WAaıtE bildet sich der 
»end-sac« aus dem Mesoblast und erscheint zuerst als eine oder zwei 
differenzirte Zellen, aus deren Theilung ein solides Syneytium zu 
Stande kommt. Durch die vorgehende Bildung der Vacuolen ent- 
steht eine innere intercelluläre Höhle. Mit dieser Anlage, welche 
WaıtE wohl mit Unrecht als theilweise homolog mit dem Trichter des 
Annulaten-Nephridiums vergleicht, verbindet sich eine epiblastische 
Einstülpung, deren Lumen zum permanenten Gange der Drüse wird. 
Die Kommunikation zwischen dem »end-sac« und »Labyrinth« findet 
erst sehr spät statt (nach 273—805 Tagen). 

Was die Schalendrüse anbelangt, so ist nach den bisherigen An- 
gaben ihre Entstehung dieselbe wie bei der Antennendrüse. Auch 
sie bildet sich aus zwei Quellen, die mesoblastische Anlage dient 
zur Bildung des Cölomsäckchens, die epiblastische stellt das Kanäl- 
chen vor. 

Das Endstück des Antennen-Nephridiums entsteht gewiss sehr 
spät durch die abermalige Einstülpung der fertigen Hypodermis. 

Ein Vergleich dieser Nephridienbildung bei Crustaceen mit der 
der Annulaten ist derzeit nicht möglich; während man nämlich früher 
die doppelte Anlage der Exkretionsorgane bei der letztgenannten Thier- 
sruppe annahm, so nämlich, dass der Wimpertrichter unabhängig 
von der eigentlichen Anlage des Kanälchens entsteht, behauptet 
neuerdings R. S. BERGH! zu wiederholten Malen, dass der » Trichter-, 
Schlingen- und Endabschnitt sich aus einer einheitlichen Anlage 
herausdifferenzire«. Zwar habe ich? schon das Eine widerlegt, 
dass nämlich der »Endabschnitt«, d. h. die kontraktile Endblase nicht 
von einer einheitlichen Anlage, sondern von einer sekundären Ein- 
stülpung der Hypodermis stammt; das Wichtigste aber, die ersten 
Anfänge der Trichter- und Schlingenbildung, bedarf einer eingehenden 
Nachuntersuchung. 


I R.S. BERGH, Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Diese 
Zeitschr. Bd. LXVI p. 435—449. 1899. 

2 F. VEIDoVsKy, Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. Ibid. 
Bd. LXVIL. p. 247—254. 1900. 


re ee a a 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. 397 


Erklärung der Abbildungen. 


Allgemeine Buchstabenbezeichnung: 


a, b, c, Zellen des Trichters; l, Lakunen; 

al, Alveolarschicht des Nephridiums; m, Muskelring; 

Amp, Ampulle des Nephridiums; ms, Drüsenzellen; 

Cv, Cölomsäckchen; N, Nephridium; 

ed, Epithel des Endstückes; n, Corticalplasma des Nephridiums; 
hp, Hypodermis ; p, Stützbälkchen; 

K, Blutkörperchen; x, Myoblast. 


Tafel XXVI und XXVIl. 


Figg. 1—3. Drei nach einander folgende Horizontalschnitte durch den An- 
fangstheil des Antennennephridiums von Niphargus aus Gabrovica. Vergröße- 
rung ZEISS, Apochr. 3 mm. 0Oec. 4. 

Fig. 4. Drüsenzellen zwischen zwei Kanälchenwindungen. In der Lakune 
ein Lymphkörperchen K. Dieselbe Art und Vergrößerung. 

Figg. 5, 6. In Theilung begriffene Kerne in den Drüsenzellen. 

Fig. 7. Flächenschnitt durch die Wandung des Nephridiums. 

Fig. 8. Querschnitt durch drei Kanälchenwindungen (N) mit Drüsenzellen 
(ms) und Lakunen (!). Dieselbe Art und Vergrößerung. 

Fig. 9. Querschnitt durch das Cölomsäckchen (Co), Trichterapparat (a, b, ec) 
und eine Kanälchenwindung (C) von Niphargus aus Pisino (Istrien). Dieselbe 
Vergrößerung. 

Fig. 10. Querschnitt durch das Cölomsäckchen (Cv), Triehterapparat (a, b, e) 
und Ampulle des Nephridiums von Niphargus kochiunus. 

Fig. 11. Querschnitt durch den Trichterapparat derselben Art. 

Fig. 12. Schräger Schnitt durch den Trichterapparat von Niphargus elegans. 

Fig. 13. Horizontaler Längsschnitt durch den Anfangstheil des Nephridiums 
von Gammarus pulex. Dieselbe Vergrößerung. 

Fig. 14. Nachfolgender Schnitt. 

Fig. 15. Querschnitt durch den Anfangstheil des Schalennephridiums von 
Ligidium agıle. | 

Fig. 16. Der nachfolgende Schnitt. 

Fig. 17. Querschnitt durch das Cölomsäckchen und den Anfangstheil des 
Schalennephridiums von Titanethes albus. 

Fig. 18. Tangentialer Längsschnitt durch das Cölomsäckchen, den Trichter- 
apparat und die ampullenartige Erweiterung des Antennennephridiums von 
Gammarus pulex. 

Fig. 19. Stück der Nephridiumwandung mit einer Drüse derselben Art. 

Fig. 20. Alveolarschicht der Nephridiumwandung von der Fläche betrachtet. 

Fig. 21. Basaltheil einer Drüsenzelle mit Alveolen (al). 

Fig. 22. Das hypodermale Endstück des Nephridiums von Gammarus 
pulex. 

Fig. 23. Lakunen zwischen den Drüsenzellen des Nephridiums mit Bak- 
terien und Keimen einer Opalina gefüllt. 

Fig. 24. Leukocyt mit Bakterien beladen in der Blutlakune. Vergrößerung 
ZEISS, hom. Imm. Comp. Oe. 4. 


Untersuchungen über Hämosporidien. 


I. Ein Beitrag zur Kenntnis des Genus Haemogregarina Danilewsky. 
Von 


Carl Börner, stud. rer. nat. 


aus Bremen. 


(Aus dem zoologischen Institut zu Marburg in Hessen.) 


Mit Tafel XXVII. 


Einleitung und Präparationsverfahren. 


Bis vor kurzer Zeit konnten als Verbreitungsgebiet der Gattung 
Haemogregarina Dan., wenn man die von Kruse entdeckte Haemo- 
gregarina magna (Gr. et Fel.) aus dem Blute von Rana esculenta L. 
nicht in Anrechnung bringt, nur drei Ordnungen der Reptilien auf- 
geführt werden, die Chelonia, Sauria und Ophidia, und zwar sind 
nach den Angaben von LABBE im Thierreich (99) von Cheloniden 
drei Gattungen in zusammen drei Arten, von Sauriern eine Gattung 
in zwei Arten, und von Ophidiern vier Gattungen in vier Arten mit 
Hämogregarinen infieirt gefunden worden. Wir sehen, dass die Zahl 
der auf Blutparasiten untersuchten Gattungen und Arten gegen die 
der bekannten Kriechthiere ganz verschwindet, und selbst viele hei- 
mische (europäische) Reptilien sind augenscheinlich noch nicht näher 
auf diesen Punkt hin geprüft. Freilich dürfen wir nach unseren 
augenblicklichen Kenntnissen wohl sagen, dass die Hämogregarinen in 
sroßer Gleichförmigkeit in den verschiedenen Wirthsthieren auftreten, 
so dass die einzelnen Formen vielfach nur schwer von einander zu unter- 
scheiden sind, dennoch würde eine genaue Musterung zahlreicher Ver- 
treter der einzelnen Reptilienklassen, die in gewissem Umfange nicht 
schwer durchzuführen sein dürfte, nothwendig sein, um uns einen 
Überblick über die geographische Verbreitung sowohl, wie auch über 
die Vertheilung der Hämosporidien innerhalb der genannten Ordnung 
zu verschaffen. 


Untersuchungen über Hämosporidien. I. 399 


Von einem solchen Gesichtspunkte ausgehend untersuchte ich im 
November vergangenen Jahres (1899) das Blut eines Krokodils (Crocodi- 
lus frontatus Murr.), dasich in Marburg gelegentlich aus einer Menagerie 
erhalten hatte. Meine Vermuthung, hier vielleicht Blutparasiten aus 
der Gruppe der Hämosporidien zu finden, wurde durch die Präparate 
bestätigt. Angeregt durch diesen Fund wandte ich mich während 
meines Ferienaufenthaltes in Bremen an den Direktor des städtischen 
Museums, Herrn Prof. Dr. ScHAvInsLAnD, der die Liebenswürdigkeit 
hatte, mir die lebenden Alligatoren, die daselbst in einem kleinen 
Terrarium gehalten werden, zwecks Untersuchung zur Verfügung zu 
stellen. Ich war nun in der glücklichen Lage, in dem Blute eines 
der neun Alligatoren einen Parasiten aufzufinden, der mit jenem aus 
dem Blute von Crocodilus frontatus eine auffallende Ähnlichkeit zeigt, 
und auf Grund einer eingehenden Vergleichung bin ich zu dem Resul- 
tat gekommen, dass es sich in beiden Fällen um ein und dieselbe 
Species handelt, die ihrerseits aber von den bisher beschriebenen For- 
men des Genus Haemogregarina als neue Art zu unterscheiden ist. 

Zugleich fand ich im Bremer Museum Gelegenheit, das Blut 
einiger Schildkröten auf die Anwesenheit von Hämosporidien zu prüfen. 
Dabei fand ich in zwei Schildkröten (in einer Platemys spec. und 
einer nordamerikanischen, als Clemmys elegans bestimmten Schild- 
kröte) Hämogregarinen, deren genaue Untersuchung ebenfalls Artunter- 
schiede von der verwandten Haemogregarina stepanowi Dan. ergab. 
Schließlich gelang es mir noch, während einer im Frühjahr unternom- 
menen Reise nach Sicilien, in dem Blute einer Coluber aesculapii 
Sturm. einen gleichfalls zum selben Genus gehörigen, wahrscheinlich 
eine neue Art repräsentirenden Blutparasiten zu konstatiren. 

Die Arbeit wurde im hiesigen Zoologischen Institute ausgeführt, 
und ich spreche Herrn Professor Dr. KORSCHELT für seine freund- 
lichen Unterweisungen meinen aufrichtigen Dank aus, eben so wie 
ich Herrn Professor Dr. SCHAUINSLAND für das mir durch die oben 
erwähnte Überlassung des lebenden Matrials bewiesene Wohlwollen 
zu besonderem Dank verpflichtet bin. 

Die Untersuchung wurde vorzugsweise an fixirten und gefärbten 
Präparaten vorgenommen, doch zur Kontrolle und Ergänzung auch 

das lebende Objekt studirt. Leider war es mir bisher durch Aus- 
_ arbeitung einer Vitalfärbung nicht möglich, die Gefahren zu umgehen, 
die bei der Beurtheilung der Zellstruktur nach fixirten Präparaten 
fast unvermeidlich sind, worauf in neuester Zeit ALFR. FiscHer durch 


seine Abhandlung über Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasmas 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 27 


400 Carl Börner, 


(99) wieder mit aller Schärfe hingewiesen hat. Da ich aber mit 
dieser Arbeit prineipielle Fragen über den Bau des Zellkernes und 
Cytoplasmas weder behandeln wollte noch konnte, vielmehr an der 
Hand des üblichen Präparationsverfahrens die unterscheidenden Merk- 
male einiger bisher unbekannter Blutparasiten nur zu beschreiben 
beabsichtigte, so dürfte es hier nicht besonders von Belang sein, ob 
die, zum Theil schon als solche beschriebenen Strukturen in Wahr- 
heit Artefakte sind oder nicht. Zur Unterscheidung der verschie- 
denen Formen wird man sie bei Anwendung der gleichen Fixirungs- 
methode immerhin verwerthen können. Denn wenn Unterschiede 
an fixirten und gefärbten Präparaten vorhanden sind, so werden sie 
sich nicht minder, wenn auch in etwas anderer Form, am lebenden, 
resp. lebend gefärbten zu erkennen geben. 

Um gute Deckglas-Trockenpräparate zu erhalten, wandte ich die 
bei den Medicinern gebräuchliche Methode an. Um möglichst gute 
Fixirung zu erzielen, setzte ich die Präparate, ehe sie getrocknet 
waren, einige Sekunden starken Osmiumsäuredämpfen aus, doch muss 
ich hinzufügen, dass ich nicht den mindesten Unterschied zwischen den 
mit Osmium behandelten und den anderen, nicht speciell fixirten, 
habe wahrnehmen können. Nachdem die Präparate an der Luft (ohne 
Erwärmung des Deckglases) getrocknet waren, wurden sie in mög- 
lichst absolutem Alkohol in !/, bis 1 Stunde gehärtet und endgültig 
fixirt. Dass der Alkohol hier die Fixirung besorgt, glaube ich u. A. 
daraus schließen zu dürfen, dass an Präparaten, die nicht gehärtet 
waren, jene Kernstrukturen nicht zu beochten waren. 

Nach der Fixirung und Härtung in Alcohol absolutus wurden 
die Präparate getrocknet und jetzt erst in die Farbflüssigkeiten ge- 
bracht. Zur Färbung benutzte ich weitaus am meisten die von Ro- 
MANOWSKY. Ich mischte mit einander 

151/, Theile Eosin in 0,1%, wässeriger Lösung und 

41/, Theile Methylenblau in 1,0°%/, wässeriger Lösung 
und ließ die Farbmischung, die vor dem Gebrauch am besten stets 
neu hergestellt wird und gut zu filtriren ist, !/, bis 1 Stunde ein- 
wirken; für Haemogregarina crocodilinorum mihi ist es vortheilhaft, 
noch länger zu färben, damit der Kern deutlicher sichtbar wird. Die 
Farbe wird mit destillirtem oder nichtdestillirtem Wasser, zu dem 
man etwas Essigsäure hinzusetzt, leicht ausgezogen und differenzirt. 
Nach der Färbung wurden die Präparate wieder an der Luft ge- 
trocknet und dann in Kanadabalsam eingeschlossen. Außerdem ver- 
suchte ich noch Färbungen mit Eisen-Hämatoxylin (nach HEIDENHAIN), 


Untersuchungen über Hämosporidien. 1. 401 


Hämatoxylin (DELAFIELD) und Pikrokarmin, von denen die Methode 
HEIDENHAIN’s noch sehr gut brauchbare Resultate liefert. Allen vor- 
zuziehen ist aber die erstgenannte, da sie an Genauigkeit der von 
HEIDENHAIN nicht nachsteht, diese jedoch an Schönheit des Bildes 
weit übertrifft. 

Zum Durchsuchen der Präparate ist ein verschiebbarer Objekt- 
tisch mit Nonius unbedingt nothwendig, ganz ausgezeichnet funktio- 
nirt der Zeiss’sche Kreuztisch. 


Beschreibung genereller Merkmale der untersuchten Hämogregarinen. 


In der äußeren Gestalt sowohl als im Wachsthumsvorgang und 
_ der Zellstruktur herrscht eine große Ähnlichkeit zwischen sämmtlichen 
mir bekannten Hämogregarinen, doch erlauben mehr oder minder 
auffällige specifische Merkmale die Trennung und Unterscheidung 
verschiedener Arten, resp. Varietäten. Als Hauptunterscheidungs- 
merkmal galt bisher und wird auch ferner noch vielfach die Größen- 
differenz gelten; es ist aber die Größe ein ganz relatives Merkmal, 
und speciell bei den Vertretern unseres Genus kann man beobachten, 
wie die Größe der Parasiten abhängig ist von der ihrer Wirthszellen, 
der Blutkörperchen. Nun sind aber innerhalb engerer Gruppen der 
Reptilien diese ihrerseits wenig oder gar nicht an Größe verschieden, 
wir können dann auch zwischen den Blutparasiten kaum, wenn über- 
haupt, eine Differenz in der Größe konstatiren, und zur Unterschei- 
dung der einzelnen Formen ist bisweilen nur die Herkunft, das 
Wirthsthier maßgebend. Daraus ergiebt sich, dass wir vorläufig die 
beobachteten Formen systematisch nicht recht einordnen können, 
dass wir hin und wieder nicht zu sagen vermögen, ob sie im Ver- 
hältnis von Varietäten oder specifisch unterscheidbaren Arten zu ein- 
ander stehen. Daher will ich mich auch hier begnügen, die von 
mir beobachteten differentiellen Merkmale nachher des Näheren zu 
beschreiben, und wenn ich den einzelnen Formen einen Artnamen 
beilege, so will ich damit die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen 
halten, dass spätere Untersuchungen und Experimente die mehr oder 
weniger bedingte Abhängigkeit verschiedener Formen beweisen. 

Bei sämmtlichen Hämogregarinen haben wir während der Wachs- 
thumsperiode — deren Stadien ich, nebenbei bemerkt, hier nur be- 
handeln werde, da ich die Fortpflanzung und Vermehrung zu studiren 
noch keine Gelegenheit hatte — zwei Zustände zu unterscheiden, 
einen, in dem das Thier gestreckt, den anderen, in dem es zwei- 


schenklig erscheint; beide Stadien sind natürlich durch Übergänge 
27* 


402 Carl Börner, 


mit einander verbunden. Wie diese Thatsache zu erklären sein 
dürfte, werden wir nachher noch sehen, jedenfalls glaube ich, dass 
sie das bisher einzig festzustellende generelle Merkmal bietet, das 
die Hämogregarinen zu einer von anderen Hämosporidien unter- 
schiedlich gekennzeichneten Gattung zusammenfasst. 

Beginnen wir mit dem ersteren, jüngeren Stadium. Die Ge- 
stalt ist meist bohnenförmig oder eine Modifikation daraus, wir können 
eine etwas stärker und eine etwas schwächer gewölbte Außenfläche 
unterscheiden; der Parasit scheint nicht von irgend einer Seite zu- 
sammengedrückt, vielmehr auf dem Querschnitt von annähernd runder 
Form zu sein. 

Im Cytoplasma lassen sich fast stets deutlich zwei Substanz- 
formen unterscheiden, 1) das lebensthätige, zähflüssige Plasma, die 
sogenannte Intergranularsubstanz, und 2) die schon in der 
lebenden Zelle wahrnehmbaren Granula, die zum Theil die chroma- 
toiden Granula SCHNEIDER’S und LaggE’s darstellen. Durch diese 
Körner erhält das Cytoplasma einen wabigen, alveolären Bau, der im 
Prineip dem der Coceidien völlig gleicht, wie er von SCHAUDINN und 
SIEDLECKI in ihren trefflichen Untersuchungen an der Hand zahlreicher 
Abbildungen beschrieben worden ist. Diese Granula, einerlei, welches 
ihre physiologische Bedeutung sei, sind in der lebenden Zelle in 
forma vorhanden, wobei ich dahingestellt lasse, ob sie sich als 
Flüssigkeit in den eytoplasmatischen Vacuolen, die dann als solche 
fixirbar wären, oder ob sie sich als Sphärokrystalle in der Zelle 
vorfinden. Das Letztere trifft wohl höchstens auf einen kleinen Theil, 
die genannten »chromatoiden« Granula zu. Je nachdem sich jetzt 
die Granula oder die Intergranularsubstanz intensiver färbt, wird das 
Bild des Parasiten abgeändert, das Erstere finden wir beispielsweise 
bei Haemogregarina erocodilinorum mihi, das Letztere häufig bei Hae- 
mogregarina stepanowi Dan. 

Die sich stets intensiv färbenden »chromatoiden« Körner kommen 
hierbei nicht in Betracht. Sie bilden sich besonders zahlreich zu 
Beginn des Wachsthums und werden später nach Vollendung dessel- 
ben zum großen Theil wieder resorbirt; so sieht man die zwei- 
schenkeligen Individuen häufig mehr oder weniger frei von ihnen 
(ef. Figg. 20—21, 17—18). 

Der Kern der Hämogregarinen ist am lebenden Thier stets leicht 
und deutlich zu erkennen, was am gefärbten Präparat nicht auf allen 
Stadien der Fall ist. Der vielleicht nur durch den Fixirungsalkohol 
hervorgerufene grob-gerüstige Bau ist aus den einzelnen Figuren der 


Untersuchungen über Hämosporidien. I. 403 


Tafel zur Genüge ersichtlich. Die Chromatinkörner wechseln inner- 
halb derselben Zelle für gewöhnlich nur wenig an Größe, bisweilen 
aber, wie z. B. Figg. 11, 12, 13 zeigen, sind einige Chromatinkörner 
unverhältnismäßig herangewachsen, während die anderen ganz zu- 
rückgeblieben sind, niemals jedoch hatte sich im Kern ein Körper 
gebildet, der mit dem von Coceidien und anderen Protozoen bekannt 
sewordenen Binnenkörper oder Karyosom (LABBE, SCHAUDINN, 
SIEDLECKI) hätte verglichen werden können; auch nach vorheriger 
Osmiumbehandlung und Karminfärbung war ein solcher nicht wahr- 
zunehmen. Sollte er sich bei den Hämosporidien vielleicht gar nicht 
finden, oder sich erst in Stadien bilden, die von mir nicht unter- 
sucht werden konnten? Die die einzelnen Chromatinkörner verbin- 
denden, sogenannten Lininfäden, sind nicht stets gleich deutlich 
zu erkennen, auch an Individuen, von denen man nichts weniger als 
Degeneration behaupten kann; am besten habe ich sie bei Haemo- 
gregarina stepanowi und auch cerocodilinorum beobachten können. Man 
sieht alsdann, wie z. B. in Fig. 8—10, 14, 24—26 Chromatinkörner, 
die zusammenhangslos in der achromatischen Substanz des Kernes 
liegen. Vielleicht könnte diese Thatsache darauf hindeuten, dass 
die Substanz, die den Lininfäden zu Grunde liegt, sich in der leben- 
den Zelle in gelöstem Zustande befindet, dass sie durch die Fixi- 
rungsflüssigkeit äußerst feinkörnig ausgefällt wird (was also in dem 
Falle der angegebenen Figuren nicht eingetreten wäre), und sich 
dann diese, nunmehr festen Körnchen zwischen den Chromatinkörnern 
vertheilen, so dass sie scheinbar Verbindungsfäden derselben dar- 
stellen, welche Erklärung sehr entschieden von ALFR. FISCHER ver- 
treten wird. 

Ja, bisweilen möchte man sogar an der Präexistenz der Chro- 
matinkörner als solchen Anstand nehmen, indem man nicht selten 
Individuen begegnet, deren Kerne äußerst undeutlich, kaum begrenzt, 
von ganz unregelmäßig geformten, zusammenhangslos neben einander 
liegenden Chromatinkörnern und -körnchen erfüllt sind, während im 
Übrigen die Zelle keinerlei Abnormitäten oder Degenerationserschei- 
nungen zeigt, so dass die Erklärung hierfür wohl kaum in einer patho- 
logischen Veränderung des Kernes zu suchen sein dürfte. Es würde 
sich in solchen Fällen die chromatische Substanz ungleich, diffus, im 
Kerne vertheilt haben, was doch wohl nur im völlig gelösten Zu- 
stande denkbar wäre, so dass wir von einer speciellen Struktur des 
Kernes hier nicht reden können. 

Eine eigentliche Kernmembran ist bei den Hämogregarinen eben 


404 Carl Börner, 


so wenig ausgebildet als bei den Coceidien; selbst bei stärkster Ver- 
srößerung kann man nichts davon entdecken, niemals bemerkte ich 
eine doppelt kontourirte Linie denselben umgrenzen. Dass der Kern 
dieser Blutparasiten am lebenden Thiere so deutlich und scharf um- 
grenzt erscheint, hat seinen Grund darin, dass die sogenannte achro- 
matische Substanz, in der die übrigen Bestandtheile des Kernes 
suspendirt sind, stark lichtbrechend ist und so den gesammten Kern 
von dem übrigen Cytoplasma mehr oder minder deutlich abhebt. Die 
Lichtbrechung der achromatischen Substanz ist aber am gefärbten 
Präparat nicht mehr wahrzunehmen, in Folge dessen auch die Grenzen 
des Kernes leicht verwischt erscheinen. 

Die Gestalt des Kernes ist eine sehr wechselnde, theils durch 
äußere Druckverhältnisse direkt bedingt, theils wohl vom jeweiligen 
physiologischen Zustande desselben abhängig. Für gewöhnlich be- 
sitzt er freilich eine abgerundete Form, wie in den Figg. 11, 15—17, 
22; aber nicht selten nimmt er auch eine Bohnen- oder Birnform an. 
In welcher Weise Haemogregarina labbei mihi betreffs der Gestalt 
des Kernes von der Norm abweicht, werden wir nachher bei Be- 
sprechung der speciellen Merkmale noch kennen lernen. An den 
gestreckten einschenkeligen Individuen beobachten wir normaler Weise 
noch keine mechanischen Gestaltsveränderungen des Kernes, desto 
häufiger aber an den älteren zweischenkeligen, zumal gewisse For- 
men, wie z. B. Haemogregarina stepanowi, auch Haemogregarina 
labbei, mit Vorliebe ihren Kern an der Biegungsstelle der Zellen 
zeigen (cf. Figg. 5, 9, 10, 18). Derselbe verliert seine ursprüngliche 
runde Gestalt, streckt sich an dem einen Ende, welches dem neu- 
angelegten, meist schmäleren Schenkel des Parasiten zugekehrt ist, 
etwas in die Länge, bis er schließlich, falls er genau an der Bie- 
gungsstelle zu liegen gekommen ist, eine Art »Quersackform« an- 
nehmen kann, die sich bereits von LAvERAN (98) beschrieben findet 
(ef. Fig. 18). Das die beiden Kernhälften verbindende Mittelstück 
wird bisweilen so dünn, dass es zerreißt, und wir zwei Kerne in 
der einen Zelle vorfinden. Die Theilstücke scheinen später wieder 
verschmelzen zu können (cf. auch Haemogregarina labbei, Fig. 8), 
jedenfalls dürfen wir hier nicht von einer Kerntheilung im eigent- 
lichen Sinne des Wortes sprechen. Je weiter jetzt der Kern in das 
schmälere Ende der Hämogregarine wandert, desto mehr streckt er 
sich in die Länge, wobei er doppelt so lang werden kann, als er 
ursprünglich war. Später nimmt er seine normale Gestalt wieder an; 


Untersuehungen über Hämosporidien. I. 405 


wenn der Parasit das Blutkörperchen verlassen und sich wieder ge- 
streckt hat, finden wir einen rundlichen Kern vor. 

Betrachten wir jetzt die Bildung des zweischenkeligen Sta- 
diums (ef. die Fig. 15—21), wie sie sich in gleicher Weise bei allen 
Hämogregarinen abspielt. Wenn der Parasit eine bestimmte Länge 
erreicht hat, die je nach der Art verschieden ist, zeigt sich nach 
einiger Zeit an dem einen Ende, das wir vielleicht als Hinterende 
auffassen dürfen, ein kleiner hakenförmiger Vorsprung (cf. Fig. 16 
für Haemogregarina Stepanowi), zugleich bemerken wir aber, dass das 
Thier an jener Stelle und etwas mehr oberhalb derselben schmäler 
erscheint, was darauf hindeutet, dass jener Vorsprung kein neu an- 
selegtes Zellmaterial ist, dass mit anderen Worten keine Wachs- 
thumserscheinung hier vorliegt. Dies wird desto deutlicher, je mehr 
sich der Vorsprung vergrößert, denn im gleichen Schritt mit dessen 
Größenzunahme sehen wir das andere Ende des Parasiten schmäler 
werden, so dass schließlich beide Hälften gleich lang und je nach 
der Art mehr oder minder gleich stark geworden sind (cf. Figg. 17, 
18 und 20, 21). Wenn wir jetzt das Volumen des zweischenkeligen 
mit dem des noch gestreckten Individuum vergleichen, so können 
wir kaum eine Differenz beobachten. Offenbar handelt es sich im 
normalen Falle um eine Längenvergrößerung auf Kosten der Breite, 
die der Parasit gerade in dieser Weise vollzieht, um nachher leichter 
das Blutkörperchen zerstören zu können, indem er die beiden erst 
neben einander gelegenen Schenkel aus einander spreizt. Denn nach 
den Untersuchungen von LABBE u. A. erfolgt die Eneystirung der 
Hämogregarine nicht in dem zuerst befallenen Blutkörperchen, viel- 
mehr wird ein freies, bewegliches Stadium eingeschaltet, das un- 
mittelbar auf das zweischenkelige folgt, so dass jede Hämogregarine 
während ihrer gesammten Entwicklung zwei Blutzellen, die erste als 
zweischenkeliger Schizont (nach ScHAupDınv), die zweite bei der 
Schizogonie, zerstört. 

Bisweilen wird freilich die Bildung des zweiten Schenkels schon 
eingeleitet, wenn die volle Größe, die für gewöhnlich von der ge- 
streckten Form erreicht wird, noch nicht angenommen ist; sodann 
gehen natürlich beide Erscheinungen, die Streckung und das Wachs- 
thum des Parasiten, neben einander her, und am Ende hat es den 
Anschein, als sei erstere eine Folge der letzteren. Am auffälligsten 
ist jedenfalls die Thatsache, dass sich die Erscheinung bei den großen 
wie bei den kleinen und kleinsten Formen (cf. Haemogregarina croco- 
dilinorum) des Genus Haemogregarina findet, und wie schon Eingangs 


406 Carl Börner, 


erwähnt wurde, ist sie das typische Merkmal der Gattung. Findet 
sie sich bei irgend einem Blutparasiten der Ordnung der Hämospori- 
dien, so können wir ihn vorläufig sicher diesem Genus unterordnen; 
doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass das heutige Gat- 
tungsmerkmal später bei Erweiterung unserer Kenntnisse ein Familien- 
merkmal wird. 

Der neu angelegte Schenkel lässt im Bau des Cytoplasmas einen 
feineren Bau erkennen als der ursprüngliche; die Granula sind kleiner, 
aber desto zahlreicher, so dass dieser Theil der Zelle, der sich meist 
vom Kern bis an das hintere Ende erstreckt, kompakter und dunkler 
gefärbt erscheint. 

Ekto- und Entoplasma habe ich bisher an Hämogregarinen, 
zumal an gefärbten Präparaten, nicht unterscheiden können; es findet 
sich aber nach LABBE das Ektoplasma als sogenanntes Epiceyt und 
Myocyt ausgebildet; im Myocyt kommen nach ihm die zur Bewe- 
sung dienenden Myocytfibrillen vor. Die Granula befinden sich 
nach ihm nur im Entoplasma. 

Der im präparirten Zustande stets zu beobachtende helle Saum, 
der die ganze Hämogregarine allseitig, bald mehr bald weniger breit 
umzieht, beruht auf einer Schrumpfung des Parasiten beim Abster- 
ben: beim lebenden Objekt ist niemals etwas davon wahrzunehmen. 

Was die direkte Einwirkung des Parasiten auf die Blutzellen 
anlangt, so lässt sich darüber nicht mehr sagen, als was LABBE be- 
reits für die von ihm untersuchten Hämogregarinen beschrieben hat. 
Mit einer Verminderung des Hämoglobingehaltes ist regelmäßig eine 
mehr oder minder starke Vergrößerung des Blutkörperchens verbun- 
den, die zunimmt, je älter der Parasit wird (cf. die Figuren). Zuerst 
sieht man, wie die Wirthszelle aktiv heranwächst, der Kern ist noch 
normal; nach einer gewissen Zeit hat aber diese aktive Hyper- 
trophie ihren Höhepunkt erreicht und die Zelle beginnt zu degene- 
riren, was sich vorerst am Kern kundgiebt. Bei den größeren Arten 
der Gattung Haemogregarina kommt es jetzt weiter zu einer passiven 
Dehnung des Blutkörperchens, die so weit gehen kann, dass es den 
Parasiten nur noch als schmaler Saum umgiebt; dies tritt jedoch bei 
Haemosregarina erocodilinorum z. B. nicht ein, da dieselbe überhaupt 
nie, auch nur entfernt, die normale Größe der Wirthszelle erreicht 
(ef. Figg. 1—14, 21). Hinzu kommt stets noch eine chemische Ver- 
änderung des Cytoplasmas des Blutkörperchens, namentlich in der 
Nähe des Parasiten. Die Degenerationszone (LABBE) erstreckt sich 
kontinuirlich um die Hämogregarine und nimmt an Ausdehnung in 


pe 


Untersuchungen über Hämosporidien. I. 407 


der Nähe des Kernes der Wirthszelle meist zu, wie dies aus den 
Figuren zu ersehen ist. Bei den von mir angewandten Färbungen 
(ROMANOWSKY, HEIDENHAIN) vermochte ich nicht den von LABBE an- 
gegebenen granulösen Bau dieser Zone zu erkennen, sie erschien nur 
dunkler gefärbt als das übrige nicht beeinflusste Protoplasma des 
Blutkörperchens. 


Beschreibung der differentiellen Merkmale von Haemogregarina 
crocodilinorum, labbei und colubkri mihi. 


1. Haemogregarina erocodilinorum mihi. 
(Figg. 19—22.) 

Die jüngsten Individuen, die ich gesehen habe, hatten eine Länge 
von 4,75 u, die ausgewachsenen, gestreckten eine solche von 7 bis 
höchstens 7,75 u, die zweischenkeligen maßen die doppelte Länge, 
die freien beweglichen nur ca. 9 u; letztere waren aber von größerer 
Breite als die zweischenkeligen innerhalb der Blutzellen. Der Para- 
sit ist schwach bohnenförmig gebogen, schlanker als Haemogregarina 
Stepanowi, an beiden Enden gleichmäßig abgerundet. Die Form des 
Kernes ist ziemlich regelmäßig, zumeist rundlich oder länglich-rund- 
lich. Im Übrigen herrscht eine große Ähnlichkeit zwischen Haemo- 
gregarina stepanowi und dieser Species, namentlich auch betreffs des 
Vorkommens der »chromatoiden« Körner, die bisweilen sehr zahlreich 
auftreten. Cytocysten bisher nicht beobachtet. Neben der normalen 
einfachen findet sich nicht so selten die doppelte Infektion einer Blut- 
zelle, was wohl seinen Grund in der geringen Größe dieser Form hat; 
ja, beide Individuen vermögen sich in dem einen Blutkörperchen 
völlig zu entwickeln. Gewöhnlich beobachtet man nur rothe Blut- 
körperchen infieirt, bisweilen aber auch Leukocyten, ich konnte sogar 
die doppelte Infektion eines solchen konstatiren. 

Der Parasit kommt in allen Blutbahnen, in der Milz und im 
Knochenmark vor und findet sich im Blute von Crocodilus frontatus 
Murr. und Alligator mississippiensis Daud., so weit sich bis jetzt 
feststellen ließ. 


2. Haemogregarina labbei mihi. 
(Figg. 1—14.) 
Die beobachteten Individuen schwankten in der Größe zwischen 
9,5 u und 12 u im gestreckten, resp. 24 im zweischenkeligen Sta- 
dium. Die Gestalt ist der von Haemogregarina erocodilinorum ähnlich, 


408 Carl Börner, 


zumeist etwas mehr gebogen und an dem einen Ende, welches wir 
oben als Hinterende bezeichnet haben, etwas schmäler (Fig. 2); be- 
sonders an den zweischenkeligen Parasiten ist die Breitendifferenz 
der beiden Schenkel deutlich wahrzunehmen (Figg. 4—14). 

Das Cytoplasma färbt sich an der Mehrzahl der Individuen 
nur sehr schwach; auch die geformten Elemente nehmen bei sämmt- 
lichen versuchten Färbungen nur selten eine deutliche Färbung an, 
so dass es bisweilen den Anschein hat, als sei das Zellprotoplasma 
hyalin; ist die Färbung aber doch eingetreten, so bemerkt man große, 
schön gerundete Körner regelmäßig im Cytoplasma verstreut liegen 
(Figg. 3 und 10). Neben solchen Thieren, die sich in den Figg. 1 
bis 10 abgebildet finden, traten, wenn auch nicht so zahlreich, andere 
auf, die ähnlich wie Haemogregarina stepanowi und crocodilinorum 
stark färbbare Granula besitzen (Figg. 11—14). Von einer Überfär- 
bung des Präparates kann hier nicht die Rede sein, da ich dicht 
neben den ersteren solche Formen liegen sah. Es erweckte zunächst 
den Anschein, als handele es sich um eine andere Species, aber die 
charakteristischen Kernverhältnisse und die in der Nähe des Kernes 
gelegenen Granula überzeugten mich, dass dies nicht der Fall sei. 
Was die Ähnlichkeit mit Haemogregarina stepanowi noch erhöht, ist 
das Auftreten von Körnern, die den »chromatoiden« Granulis ohne 
Frage entsprechen (sie finden sich in den Figg. 13 und 14 in dem 
vorderen Theil der Zelle durch stärkeren Druck hervorgehoben). 

Diese fehlen bei den erstgenannten Formen, so weit meine Beob- 
achtungen reichen, gänzlich. Die richtige Deutung jener Individuen 
entzieht sich meinem Urtheil; vielleicht liegen nur Ernährungsver- 
schiedenheiten vor, vielleicht handelt es sich aber auch um sexuelle 
Differenzirungen, vergleichbar den von Coceidien und Gymno- 
sporidien beschriebenen, eine Frage, die allein die Entwicklung dieser 
Formen zu entscheiden im Stande ist. 

Charakteristisch für unsere Hämogregarine sind die Verhältnisse 
des Kernes und das Vorhandensein eigenthümlicher, meist in der 
Nähe derselben, vielleicht sogar aus ihm selbst stammender Granula, 
die niemals fehlen. 

Der geringen Färbbarkeit des Cytoplasmas zufolge ist der Kern, 
auch bei den Formen der Figg. 11—14, stets leicht zu erkennen und 
in seinen Details ohne große Schwierigkeit zu untersuchen. Zunächst 
ist es auffällig, dass der Kern bei den jüngsten Formen, die etwa 
5,95—7 u lang sind, den größten Theil der Zelle einnimmt, so dass 
für das Zellplasma nur noch sehr wenig Platz übrig bleibt (Figg. 1, 2). 


Untersuchungen über Hämosporidien. 1. 409 


Ob dies ein ursprüngliches Verhalten ist, d. h. ob jedes junge Mero- 
zoit bei seiner Entstehung so viel Kernsubstanz erhält, als es in dem 
beschriebenen Falle besitzt, oder ob das Wachsthum des Kernes 
schneller und eher erfolgt als das des Cytoplasmas, vermag ich nicht 
anzugeben. Der Kern selbst erscheint bereits von typischem Bau, 
zahlreiche, verschieden große Chromatinkörner liegen dicht neben 
einander, zwischen denen sich die achromatische Substanz ausbreitet. 
Er hat sich dicht an die Wand der Zelle angelegt, und zwischen den 
vor und hinter ihm gelegenen Abschnitten des Cytoplasmas scheint 
kaum eine Verbindung zu bestehen; diese bildet sich immer nur auf 
der weniger gewölbten Seite des Parasiten (in Fig. 3 rechts); die 
Lage des Kernes dicht an der Wand der entgegengesetzten Seite 
bleibt stets erhalten, was immerhin zu bemerken wäre. 

Gehen wir jetzt zu Fig. 3 über, so fällt uns sofort die eckige, 
nicht abgerundete Gestalt des Kernes auf, die Fortsätze, die unwill- 
kürlich an Pseudopodien erinnern, wie sie von den Kernen ver- 
schiedenartiger Metazoenzellen beschrieben worden sind. Ähnliche 
Unregelmäßigkeiten beobachten wir an der Mehrzahl der Kerne. Mit 
Vorliebe sehen wir sie, wie schon Eingangs erwähnt, an der Biegungs- 
stelle der zweischenkeligen Formen verweilen und einen kurzen Aus- 
läufer in den schmäleren Schenkel hineinsenden; mechanische Ein- 
schnürungen kommen zu Stande, die sich bei unserer Form noch 
erhalten können, wenn der Kern nicht mehr dem äußeren Drucke 
unterworfen ist (ef. Figg. 7 und 15). Durchsechnürungen kommen vor, 
in Fig. 8 sehen wir die beiden Theilhälften im Begriffe wieder mit 
einander zu verschmelzen. Zu alledem kommt noch eine, vielleicht 
nur zeitweilige, Größenveränderung des ausgewachsenen Kernes, wie 
sie z. B. aus dem Vergleich von Fig. 8 und 9, 12 und 14 hervor- 
geht. Je kleiner der Kern, desto intensiver ist er gefärbt, und umge- 
kehrt, woraus hervorgeht, dass der Chromatingehalt der gleiche ge- 
blieben ist; im ersteren Falle verschwinden die Zwischenräume 
zwischen den Chromatinkörnern, diese scheinen mit einander zu 
verschmelzen, im letzteren sind sie bedeutend herangewachsen, jedes 
Chromatinkorn lässt sich leicht vom anderen unterscheiden. Einen 
Grund für diese Erscheinung vermag ich leider nicht anzuführen. 

Zuletzt wäre noch jener bereits angedeuteten, sich mit Methylen- 
blau und Hämatoxylin tief schwarzblau färbender, im ungefärbten 
Zustande stark lichtbrechender, rundlicher oder länglicher Körner 
Erwähnung zu thun, die meines Wissens bisher von keiner Hämo- 
gregarine beschrieben sind. Auf der Tafel (Figg. 1—14) sind dieselben 


410 Carl Börner, 


mit schwarzer Farbe wiedergegeben. Sie finden sich von den jüng- 
sten Stadien an (Figg. 1 und 2) bis zu den ausgewachsenen, zwei- 
schenkeligen Formen und sind daher zur Unterscheidung von den 
übrigen Arten der Gattung von hervorragender Bedeutung. Ihre 
Anzahl wechselt, doch beträgt sie für gewöhnlich mehr als drei; 
eben so ist ihre Größe nicht konstant, bisweilen verschmelzen sogar 
einige nahe zusammengelegene Körner zu einem unregelmäßig ge- 
stalteten größeren (Figg. 6 und 12). Sie liegen meist in der Nähe 
des Kernes, namentlich an dessen hinterem Ende, doch können sie 
sich auch von ihm entfernen, so dass sie irgendwo im Cytoplasma 
verstreut erscheinen (Figg. 5 und 10). Nicht selten sieht man solche 
stark färbbare Körner mitten im Kerne, an einer Stelle, wo man ein 
Chromatinkorn würde vermuthet haben (Figg. 2, 3, 12, 13), ja, Fig. 3 
scheint mir darauf hinzudeuten, dass diese Granula wirklich dem 
Kerne ihren Ursprung verdanken. Vielleicht wird sich bei der Unter- 
suchung der Schizogonie herausstellen, welche Bedeutung ihnen zuzu- 
messen ist, möglicherweise können sie auch dort zur Kennzeichnung 
der Art dienen; mit den Pigmentkörnern der Gymnosporidien sind 
dieselben nicht zu verwechseln. 

Der Parasit ist bisher nur in rothen Blutkörperchen nachge- 
wiesen, doppelte Infektionen sind nicht beobachtet. Er findet sich im 
Blute von Clemmys elegans und Platemys spec. — Auf Grund der 
beschriebenen Eigenthümlichkeiten und Differenzen von den übrigen 
Arten des Genus möchte ich auch diese Form als neue Species auf- 
stellen, und ich nenne sie zu Ehren des verdienstvollen Sporozoen- 
und Hämosporidienforschers ALPHONSE LABBE Haemogregarina labbei. 


3. Haemogregarina colubri mihi. 
(Figg. 23—26.) 

Die Größe der untersuchten Parasiten betrug bei den jüngsten 
Formen, die nur wenig den Kern des Blutkörperchens an Größe 
übertreffen (ef. Fig. 23), ca. 5—6 u, bei den ausgewachsenen ge- 
streekten bis ca. 9—9,5 u; die zweischenkeligen, von denen ich nur 
wenige zu studiren Gelegenheit hatte, maben nicht ganz die doppelte 
Länge, waren also noch nicht völlig ausgewachsen. Die Breite der 
Individuen ist einigen Schwankungen unterworfen, vielfach maß sie 
nicht mehr als 1 «u. Die Gestalt ist namentlich im jüngeren Alter 
der der übrigen Formen sehr ähnlich, ist aber an den ausgewachsenen, 
sestreckten Thieren stärker oder schwächer abweichend. Zumeist 
schwellen beide Enden beträchtlich an, wie dies in Fig. 25 schon 


Untersuchungen über Hämosporidien. 1. 411 


angedeutet ist, so dass bisweilen eine Art Halteridiumform vorge- 
täuscht wird; nicht selten schwillt auch nur das eine Ende so kolben- 
förmig an. Es kommen auch Einschnürungen an verschiedenen Stellen 
der Zelle vor, von denen ich aber nicht mit Bestimmtheit angeben 
kann, ob sie vom Parasiten selbst herrühren oder nicht. Außerdem 
beobachtete ich eine Drehung des Thieres um seine Längsachse. 

Der Kern ist dem von Haemogregarina stepanowi und crocodilino- 
rum, auch betreffs des Größenverhältnisses zur Zelle, ähnlich; in Fig. 23, 
einem jungen Individuum, ist derselbe noch chromatinarm, nicht ge- 
rundet und ohne bestimmte Grenzen, vergleichbar mit den Kernen 
der in den Figsg. 1 und 2 abgebildeten Haemogregarina labbei. 

Die in der Zeichnung schwarz hervorgehobenen Körner sind 
»chromatoide Granula«. 

Zu bemerken ist noch, dass diese Hämogregarine mit besonderer 
Vorliebe dem Kerne der Blutzelle dicht aufliegt, diesen auch zuerst 
arbeitsunfähig macht und vernichtet; oftmals sieht man ihn durch den 
Parasiten in zwei Hälften getheilt, wie z. B. in Fig. 24. Den beider- 
seitigen Anschwellungen zufolge beobachtet man in gewissen Sta- 
dien, dass die Degenerationszone vornehmlich zwischen diesen (Fig. 25) 
und schließlich weitergehend bis zur Peripherie der Wirthszelle 
(Fig. 26) sich ausbreitet und den Kern Anfangs deutlich in einen be- 
reits zerstörten und einen noch mehr oder minder lebensfähigen Theil 
zerlegt (Fig. 25). 

Der Parasit konnte in rothen und weißen Blutkörperchen 
nachgewiesen werden, doppelte Infektion ist nicht selten; er fand 
sich in dem Blut einer bei Catania-Sicilia erbeuteten schwarzen 
Coluber aesculapii Sturm. , 

Ob die von Birrer (95) aus Bungarus fasciatus (Schneid.) als 
Laverania bungari beschriebene, von LABBE zum Genus Haemogrega- 
rina gezogene Form mit colubri identisch ist, kann ich nicht angeben, 
da aus den Abbildungen BıLLer’s nichts Genaueres zu ersehen ist. 
Immerhin bestehen nahe Beziehungen, einmal wegen des Vorkom- 
mens einer Halteridium-ähnlichen Form, die jenen Forscher auch 
dazu verleitete, seinen Parasiten als Gymnosporidie aufzufassen, so- 
dann zufolge seiner Kernlage. 

Fassen wir jetzt die bisher im Reptilienblut beobachteten Vor- 
kommnisse von Hämogregarinen noch einmal zusammen, so sehen wir, 
dass Vertreter derselben in allen vier Ordnungen der Reptilia, den 
Cheloniden, Crocodilinen, Sauriern und Ophidiern angetroffen werden. 
Außerdem ist von GraAssı und FELETTI aus dem Blute von Rana 


Carl Börner, 


412 


esculenta L. eine Species unseres Genus aufgestellt worden, die, wie 
bereits zu Anfang erwähnt wurde, von Kruse entdeckt war, der aber 
unter diesem Namen gleichzeitig Formen vereinigte, die jetzt als 
Lankesterella ranarum (Lank.) Labbe [Drepanidium ranarum Lank.] 
und als Laverania ranarum (Kruse) em. Labbe unterschieden werden. 

Die folgende Übersicht mag ein Bild von unserer augenblicklichen 
Kenntnis der Verbreitung des genannten Genus geben: 


Reptilia 
I. Chelonia 


1) Haemogregarina stepanowi | Emys orbicularis (L.) 


Dan. (= E. lutaria Marss.) 
Trionyx spec. 
Var. (?) Testudo marginata Schöpf. 


2) Haemogregarina labbei C. B. 


Platemys Dum. et. Bibr. spec. 
Clemmys elegans 


ii. Crocodilina 3) Haemogregarina crocodili- 
norum C. B. 


Crocodilus frontatus Murr. 
(= Halerosia frontata Gray) 


Alligator mississippiensis Daud. 
(= Alligator lueius Cuv.) 


III. Sauria Lacerta muralis (Laur.) 


Lacerta agilis L. 


4) Haemogregäarina lacazei 
Labbe 


5) Haemogregarina colubriC.B. | Python reticulatus (Schneid.) 
6) Haemogregarina bungari(Bill.)| Bungarus fasciatus (Schneid.) 
7) Haemogregarina pythonis 
(Bill.) 
8) Haemogregarina spec. (Bill.) 
9) Haemogregarina nasuta Eisen 
| £ 
10) Haemogregarina magna (Gr. 
et Fel.) 


IV. Ophidia 
Tropidonotus stolatus (L.) 


Eclipsidrilus frigidus Eisen 
Coluber aesceulapii Sturm 


Amphibia 
Rana eseulenta L. 


Zum Schluss sei es mir noch gestattet, einige Worte über die 
Infektionsfrage der Hämosporidien im engeren Sinne hinzuzufügen. 

Die künstlichen Infektionsversuche, die ich bis jetzt mit 
Haemogregarina stepanowi anzustellen Gelegenheit hatte, haben lei- 
der noch keine positiven Resultate gezeitigt. Vor Allem fehlte mir 
geeignetes Material, womit ich an ein und derselben Species des 
Wirthsthieres die Versuche hätte ausführen können (sämmtliche mir 
zur Verfügung stehenden Emys orbieularis [L.] beherbergten bereits 
Hämogregarinen in ihrem Blute); doch ich hoffe, dass es mir in ab- 
sehbarer Zeit gelingen wird, die künstliche Infektion mit Hämogrega- 
rinen an Alligatoren mit Erfolg zu studiren. Aus diesem Mangel an 
nicht infieirten Schildkröten ergaben sich die Versuche, Hämogrega- 


Untersuchungen über Hämosporidien. 1. 413 


rina stepanowi auf andere Thiere, Reptilien und Amphibien, zu 
übertragen. Es wurden zwei Frösche (Rana esculenta L.) subeutan 
und intraperitoneal zu zwei verschiedenen Malen mit einer reich- 
lichen Menge Schildkrötenblut infieirt, das die genannte Hämogrega- 
rine in großer Anzahl enthielt; dennoch konnte ich bei keinem der 
beiden Frösche nach weiteren vier Wochen Haemogregarina stepa- 
nowi im Blute beobachten. Ein gleiches negatives Resultat gewann 
ich bei der Übertragung auf Salamandra maculata L. Man könnte 
demnach wohl annehmen, dass sich Haemogregarina stepanowi Dan. 
auf die genannten Amphibien nicht übertragen lässt. 

Außerdem infieirte ich eine Anzahl Lacerta viridis Gessn. mit 
dem Blut derselben Schildkröte, und zwar intraperitoneal und 
subeutan. Leider starben dieselben, da sie während des Winter- 
schlafes zu sehr gelitten hatten. Eine Lacerta viridis war dagegen 
intrastomachal zu zwei Malen, die eine Woche aus einander lagen, 
infieirt worden. Trotzdem dies Thier reichliche Mengen von Blut 
und blutdurchtränktes Fleisch von einer sehr stark infieirten Schild- 
kröte eingegeben erhielt, haben sich nach Verlauf eines Monats keine 
Hämogregarinen im Blute gezeigt. 

Wenn auch hieraus noch kein Schluss zu ziehen ist, da es noch 
nicht ausgemacht ist, ob Haemogregarina stepanowi überhaupt auf 
Lacerta viridis übertragbar ist, so vertrete ich doch die Ansicht, dass 
sich Haemogregarina stepanowi und somit die Hämosporidien s. str., 
eben so wie die Gymnosporidien (z. B. Plasmodium malariae Lav.), 
wie der Parasit des Texasfiebers: Piroplasma bigeminum (Th. Sm. et 
Kilb.) Patton und wie die hämoparasitären Flagellaten (Trypanosoma 
brueii Pl. et Brdf. (1599), Trypanosoma rattorum aut.) auf dem Dige- 
stionswege nicht übertragen lassen. 

Wenn die Verhältnisse bei den Hämosporidien erst genau unter- 
sucht sind, wird sich, so glaube ich, herausstellen, dass auch hier 
die natürliche Infektion durch einen Zwischenwirth (einen 
Arthropoden) vermittelt wird. Freilich werden, wie SCHAUDINN (99) 
schon sagte, keine Mücken die Rolle eines Überträgers spielen, 
denn diese sind gar nicht im Stande, durch das Schuppenkleid der 
Eidechsen oder gar durch den Panzer eines Krokodils hindurchzu- 
stechen; auch werden die Hämosporidien der Amphibien wohl nicht 
durch Mücken übertragen. Daraufhin aber zu schließen, wie SCHAU- 
DINN es anscheinend gethan hat, dass die Neuinfektion bei diesen 
Formen ohne Zwischenwirth erfolge, ist meiner Ansicht nach keines- 
wegs nothwendig. Auch der Erreger des Texasfiebers, der Parasit 


414 Carl Börner, 


der Tsetsekrankheit, die Trypanosomen des Rattenblutes werden ja 
nicht durch Mücken übertragen !. 

Wir finden, dass die verschiedenartigsten Arthropoden an Stelle 
eines Zwischenwirthes getreten sind, so für Piroplasma bigeminum 
eine Zecke (Boophilus bovis), für Trypanosoma brucii eine Fliege 
(Glossina morsitans Westw.) und für die Rattentrypanosomen sogar 
ein Floh (— ob Pulex fasciatus Bose. oder Typhlopsylla musculi Duges, 
kann ich nicht angeben, da sich dies in der sonst so ausführlichen 
Arbeit von Lyp. RABINOWITSCH und WALTER KEMPNER nicht bemerkt 
findet, vielleicht auch beide Arten), und von solchen Arthropoden sind 
z. B. die Zecken (Acarina) sehr wohl geeignet bei den Reptilien 
eine Infektion zu bewerkstelligen. Es fragt sich nur, ob derartige 
Ektoparasiten an den in Rede stehenden Thieren vorkommen, und 
in der That sind Zecken von verschiedenen Reptilien bekannt. Auch 
an unseren deutschen Eidechsen leben Zecken; so fanden sich solche 
an Lacerta agilis L. aus der Umgebung von Marburg, namentlich im 
Monat Mai und Juni, nicht selten, vornehmlich in den Achseln der 
vorderen Extremitäten festsitzend. Leider konnte ich bei keiner von 
Zecken befallenen, eben so wenig wie in zeckenfreien Eidechsen, Blut- 
parasiten konstatiren, in Folge dessen auch keine Übertragungsver- 
suche vornehmen, die einmal Licht auf die Infektion der Hämospori- 
dien s. str. geworfen, sodann das weitere Schicksal dieser Blutpara- 
siten innerhalb des Acarinenleibes hätten klarlegen können. Von 
Eidechsen ist eine Ixodes lacertae bereits von KocH (Deutschlands 
Crustaceen, Myriopoden und Arachnoiden, 1835 —1843) beschrieben 
worden, doch müsste natürlich eine genauere Bestimmung vorgenom- 
men werden, falls die von mir geplanten Infektionsversuche gelingen. 


Marburg (Hessen), im August 1900. 


! In den zum Vergleich herangezogenen Fällen handelt es sich freilich 
nicht um Blutparasiten aus der Gruppe der Hämosporidien. Wir finden aber 
eine so große Übereinstimmung in ihrer Übertragung, dass ich daraus schließen 
möchte, dass sämmtliche hämoparasitäre Protozoen auf diese Weise 
verbreitet werden, einerlei ob sie in einem warm- oder kaltblütigen Wirbel- 
thiere schmarotzen. Setzen wir eine verschiedene Art der Übertragung für die 
Parasiten der warmblütigen und für die der kaltblütigen Thiere voraus, so 
müssen wir auch annehmen, dass sich innerhalb der einheitlichen Gruppe der 
Hämosporidien beide Übertragungsmodi vorfinden, denn es sind dieselben aus 
beiden Wirbelthiergruppen bekannt geworden (cf. Laverania avium Labb& [= Dre- 
panidium avium Lank.|). Eine solche Annahme steht aber in direktem Widerspruch 
zu der erwähnten gerade in dem Punkte der Übertragung herrschenden Überein- 
stimmung zwischen Blutparasiten verschiedener Gruppen des Protozoenreiches. 


Untersuchungen über Hämosporidien. I. 415 


Gitirte Litteratur, 


95. BiLLET, Laverania bungari B. In: Compt. rend. Soc. Biol. Vol. XLVIN. 
p- 30. Figg. 4--6. 

89. DANILEWSKY, La parasitologie comparee du sang. II. Recherches sur les 
Hematozoaires des tortues. Charkoff 1889. 

99. FISCHER, Fixirung, Färbung und Bau des Protoplasmas. Jena 189. 

94, LABBE, Recherches zoologiques et biologiques sur les parasites endoglobu- 
laires du sang des Vertebres. Arch. zool. exper. gen. 3e ser. Tome HI. 
1894. 

99. Derselbe, Monographie der Sporozoa, erschienen im Thierreich (herausge- 
geben von der Deutschen Zool. Gesellschaft). 1899. 

98. LAVERAN, Contribution & l’&tude de Haemogregarina Stepanowi. I. Soc. de 
Biolog. Tome V. Ser. X. Paris 1898. 

99. PLIMMER u. BRADFORD, Über die Morphologie und Verbreitung des bei 
der Tsetsekrankheit etc. gefundenen Parasiten. Centralbl. für Bakterio- 
logie und Parasitenkunde. I. Abhandl. XXVI. 189. 

99. BRABINOWITSCH u. KEMPNER, Beitrag zur Kenntnis der Blutparasiten, spe- 
ciell der Rattentrypanosomen. Zeitschr. für Hygiene und Infektions- 
krankheiten, herausgegeben von R. KocH und C. FLügGE. Leipzig. 
Bd. XXX. 1899. p. 251—29. 

99. SCHAUDINN, Über den Generationswechsel der Coceidien und die neuere 
Malariaforschung. In: Sitzungsber. Ges. naturforsch. Freunde. Berlin 
1899. p. 159—178. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXVIII. 


Sämmtliche Figuren sind nach einem Instrument von C. Zeıss mit dem 
Azp&’schen Zeichenprisma entworfen; Apochromat 2,0 mm, Apert. 1,30 mm, 
Kompensionsocular 8 für Figg. 1—21, 23—26, Kompensionsocular 12 für Fig. 22. 
Die Farbe giebt annähernd die des Präparates nach RomanowskYy’scher Färbung 
wieder. 


Figg. 1—14. Haemogregarina labbei n. sp. 


a. Die häufigere Form. Fig. 1—10. 
Figg. 1-3. Einschenkelige Individuen. Figg. 1, 2. Sehr junge Thiere, 
charakteristisch durch die Größe ihrer Kerne. 
Figg. 4—10. Ausgewachsene, zweischenkelige Formen. 


b. Die stark granulöse Form. Figg. 11—14. 
Die in Figg. 13, 14 in dem vor dem Kerne gelegenen Theile der Zelle 
durch stärkeren Druck hervorgehobenen Körner sind »chromatoide Granula«. 


Figg. 15—18. Haemogregarina stepanowi Dan. 
Die schwarzen Granula sind, wie auch in den folgenden Figuren, »chroma- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 28 


416 Carl Börner, Untersuchungen über Hämosporidien. 1. 


toide«. Der Einfachheit halber sind nur die Parasiten gezeichnet, wenngleich 
sich auch der Vorgang der Streckung, den die Figuren veranschaulichen sollen, 
innerhalb der Blutzelle abspielt. 


Figg. 19—22. Haemogregarina crocodilinorum n. Sp. 
Figg. 19, 22 einschenkelige, Figg. 20, 21 zweischenkelige Individuen; Fig. 22, 
doppelte Infektion eines Blutkörperchen». 


Figg. 23—26. Haemogregarina colubri n. Sp. 
Figg. 23—25. Einschenkelige Formen. 
Fig. 23. Sehr junges Individuum. 
Fig. 24. Fast ausgewachsener Parasit mit chromatoiden Körnern, der Kern 
des Blutkörperchens in zwei Theile zerschnürt. 
Fig. 25. Halteridium-ähnliche Form. : 
Fig. 26. Ausgewachsenes zweischenkeliges Individuum. 


Die Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genital- 
zellen bei Cyclas im Verhältnis zu den übrigen 
Mollusken. 

Von 
Dr. Johannes Meisenheimer. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


Mit Tafel XXIX und 9 Figuren im Text. 


Meine Untersuchungen über die Entwicklung von Dreissensia 
hatten mich zu einem eingehenden Vergleiche mit den von ZIEGLER! 
an Cyclas gemachten Beobachtungen genöthigt. Zeigten dabei auch 
einige Organkomplexe ein durchaus einheitliches Verhalten in organo- 
genetischer Beziehung, so traten doch bei anderen, so namentlich bei 
dem zusammengehörigen Komplexe von Herz, Perikard, Niere und 
Genitalorganen, derart starke Differenzen hervor, dass ich versuchte, 
durch eine ergänzende Untersuchung den Grund und den Grad dieser 
Abweichungen zu erforschen, zumal mir die ZıEGLer'sche Darstellung 
einige Lücken aufzuweisen schien, die mit Hilfe unserer vollkom- 
meneren Methoden vielleicht auszufüllen waren. Und in der That 
glaube ich einige derartige Lücken nachweisen zu können, deren 
Beseitigung die Entwicklung der betreffenden Organe bei Cyclas etwas 
anders erscheinen lässt, den Gegensatz zwischen Cyclas und Dreis- 
sensia wesentlich verringert und dem Verständnisse näher führt. Ich 
beginne mit meinen thatsächlichen Befunden, die im Wesentlichen an 
den Embryonen von Cyelas cornea Pfeiff. gemacht wurden. Immer- 
hin mögen aber auch einige Embryonen der in Marburg seltener auf- 
tretenden Cyclas lacustris Müll. mit Verwendung gefunden haben, wie 
eine nachträgliche Bestimmung der benutzten Species ergab. Die 


ı E. ZIEGLER, Die Entwicklung von Cyclas cornea. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 
1885. 


28* 


418 Johannes Meisenheimer, 


Embryonen unterscheiden sich nur etwas in der Größe und sind im 
Übrigen völlig identisch. 

Auf einem noch recht jungen Stadium der Larve von Cyeclas, 
wenn der Darmkanal sich in seinen wesentlichen Bestandtheilen gerade 
angelegt hat, die Kopfblase wohl entwickelt ist, und der Fußhöcker 
sich eben anzudeuten beginnt, bemerkt man beiderseits vom Enddarme 
eine mächtige Zellwucherung des Ektoderms, die an Größe schnell 
anschwillt. Während des Wwucherungsprocesses selbst besteht sie 
noch aus völlig gleichartigen Zellen (Taf. XXIX, Fig. 1), sowie sie 
sich jedoch abzuschnüren beginnt, treten innerhalb dieser Zellenmasse 
Differenzirungen auf, die zur scharfen Sonderung einer oder mehrerer 
Zellen von den übrigen führen. Deutlich sehen wir diese Sonderung 
zum ersten Male auf Fig. 3 (Taf. XXIX) vor uns, die Abschnürung 
der ganzen Anlage, die schon auf Fig. 2 bemerkbar war, ist nahezu 
vollendet. Die betreffende Zelle (g) zeichnet sich aus durch die 
Größe ihres Kernes, sowie durch die Anordnung des Chromatins, 
welche dem Kerne ein helles, bläschenförmiges Aussehen verleiht. 
In dieser Zelle haben wir die erste Anlage der Genitalzellen vor uns, 
eine erste Sonderung hat sich also in der ursprünglich einheitlichen 
Zellenanlage vollzogen. Während diese ersten Genitalzellen sich aus- 
bilden, erfolgt zugleich die völlige Loslösung der Anlage von der 
äußeren Körperwand. Ihre Zellen ziehen sich zu einer Zellenplatte 
jederseits vom Darme aus, ihr innerer Zipfel wird eingenommen von 
den Genitalzellen, deren Zahl jetzt bereits eine geringe Vermehrung 
erfahren hat (Taf. XXIX, Fig. 4). 

Auf diesem Ruhestadium bleibt die Zeilennlte einige Zeit be- 
stehen, bis wir endlich innerhalb derselben Vorbereitungen zu einer 
erneuten Differenzirung antreffen. Mehrere der unmittelbar die Geni- 
talanlage begrenzenden Zellen ballen sich enger zusammen, ändern 
etwas das Aussehen ihrer Kerne, indem sie zwar nicht viel größer, 
wohl aber etwas blasser als die übrigen erscheinen, und bilden 
schließlich ein kleines Bläschen mit zunächst sehr engem Lumen 
(Fig. 5 »). Diese beiderseits symmetrisch gelegenen Bläschen sind 
nichts Anderes als die Nierenbläschen, eine zweite Differenzirung 
innerhalb der ursprünglich indifferenten Anlage hat sich somit voll- 
zogen, Genitalzellen und Niere entstammen ein und derselben Anlage. 

Es bleibt also nun noch ein Rest von Zellen übrig, der beider- 
seits in ziemlicher Ausdehnung von Nierenbläschen und Genitalzellen 
bis zur Dorsalseite der Körperwandung hinzieht, den Darm dabei 
umschließend und sich dorsalwärts zuweilen sogar berührend (Fig. 5 Ap). 


Zu. 


Die Entw. von Herz, Perikard, Niere u. Genitalzellen bei Cyclas ete. 419 


Die Differenzirungen, welche innerhalb dieses Komplexes auftreten, 
sind die weitaus komplicirtesten, sie führen, um das Endergebnis im 
Voraus anzudeuten, zur Ausbildung von Herz und Perikard. Wenden 
wir uns nunmehr diesen Processen im Einzelnen zu. 

Wenn wir also zum Ausgangspunkt die einheitliche, massive 
Zellenplatte zu beiden Seiten des Darmes nehmen, so tritt zunächst 
an dem mehr ventralwärts gelegenen Zipfel derselben jederseits ein 
kleiner Hohlraum auf, der auf eine Spaltung innerhalb dieser Zellen- 
masse zurückzuführen ist (Fig. 6 wp). Der obere Theil liegt noch als 
kompakter Zellenhaufen dem nunmehr bläschenförmig aussehenden 
unteren Theile an. Aber auch hier erfolgt bald eine Veränderung. 
Während der zuerst aufgetretene Hohlraum sich stark vergrößert und 
so ein dünnwandiges Bläschen schafft (Fig. 7 up), tritt nun auch in 
dem oberen Theile ein ähnlicher Spaltungsraum auf (Fig. 7 op), der 
sich gleichfalls bald erweitert (Fig. 8 op), so dass wir nunmehr zwei 
durch eine schmale Zellenwand von einander getrennte Spalträume 
jederseits vor uns haben, je einen größeren, unteren und einen 
kleineren, oberen. Die Abplattung der Wände aller vier Bläschen 
schreitet stetig fort, sie führt zur Ausbildung äußerst zarter Zellhäut- 
chen, in welchen die Kerne als vorspringende, kleine Höcker liegen. 
Auch weitere Gestaltsveränderungen folgen sehr bald. Die ventralen 
Partien beginnen zunächst von beiden Seiten aus einen Anfangs nur 
aus wenigen Zellen bestehenden Zipfel ventral vom Darme nach der 
Medianebene vorzuschieben (Fig. 8), sodann schiebt sich das Lumen 
des Bläschens in diesen Zipfel hinein (Fig. 9) und drängt der Median- 
ebene immer näher, so dass es hier schließlich ventral vom Darme 
zu einer völligen Verschmelzung kommt, durch welche zunächst die 
Lumina der beiden ventralen Bläschen ventral vom Darme mit ein- 
ander kommunieiren (Fig. 10). Ein ganz ähnlicher Vorgang spielt 
sich in den oberen Bläschen ab, in allen seinen Stadien nur um 
einen bestimmten Zeitabschnitt hinter dem erst geschilderten Vor- 
gang zurückbleibend, entsprechend seinem späteren Auftreten. Er 
führt zur Vereinigung der beiden oberen Bläschen dorsal vom Darme. 
Wir sehen zunächst die einfache strangartige Vereinigung beider 
Hälften dorsal vom Darme in Fig. 9, die Vereinigung beider Lumina 
in Fig. 10. 

Diese beiden Stellen sind jedoch nicht die einzigen Verschmel- 
zungspunkte der vier ursprünglichen Bläschen. Sowohl vor wie hinter 
der in den Zeichnungen dargestellten Ebene verschmelzen, von dem 
Stadium der Fig. 8 etwa an, die beiden Bläschen je einer Seite, so 


420 Johannes Meisenheimer, 


dass die ursprünglich völlig trennende Zellenplatte zu einem die Mitte 
durchziehenden Zellenstrange geworden ist, demselben, der auf den 
Fisg. 8 und 9 dargestellt ist. 

Ganz unmerklich haben uns nun alle diese Processe zu einem 
Gebilde geführt, welches sämmtliche Theile von Herz und Perikard 
bereits enthält. Sehen wir daraufhin Fig. 10 an. Wir erkennen, 
dass der Darm nunmehr von zwei Zellenringen umschlossen ist, welche 
nur an zwei Stellen eine Einschnürung und Verschmelzung aufweisen. 
Der äußere Zellenring stellt die Perikardwand dar, der innere die 
Herzwandung, das von beiden umschlossene Lumen ist die Perikardial- 
höhle, der von der inneren Wand und dem Darm umgrenzte Raum 
dagegen die Herzhöhlung. Die Stelle, an der beide Ringe verschmol- 
zen sind, ist der Ort, wo ursprünglich die trennende Zellenplatte lag, 
jetzt ein einfacher Zellenstrang hinzieht, und wo später der Durch- 
bruch zur Bildung der Vorhöfe erfolgen wird. Vor und hinter diesem 
Strange fließen ventrale und dorsale Perikardialhöhle natürlich zu- 
sammen, eine Folge der im vorigen Absatze geschilderten Vorgänge, 
so dass wir also nunmehr eine völlig einheitliche Perikardhöhle vor 
uns haben, hervorgegangen aus vier vollkommen getrennten einzelnen 
Hohlräumen, die successive mit einander verschmelzen. 

Die bereits erwähnten Vorgänge, welche zur Ausbildung der Vor- 
höfe führen, sind kurz zu erledigen. Schon in Fig. 9 bemerken wir 
an der Berührungsstelle der oberen und unteren Bläschen je einer 
Seite eine von beiden Seiten einschneidende trichterförmige Vertiefung, 
die sich noch weit deutlicher auf Fig. 10 bemerkbar macht (bei vA). 
Sie dringt schließlich so weit vor, dass nur noch eine ganz dünne 
trennende Membran vorhanden ist (auf der rechten Seite von Fig. 10), 
auch diese reißt schließlich ein, und der Aufbau und die Entfaltung 
von Herz und Perikard sind hiermit in ihren Grundzügen vollzogen. 
Wir sehen in Fig. 11, wie die ursprüngliche Trennungswand nunmehr 
das Material abgiebt für die Klappenvorrichtung zwischen Herz- 
kammer und Vorhöfen, und wie letztere direkt durch die Wandung 
des Perikards selbst umgrenzt werden, im Übrigen aber als freie 
Lymphräume in das lakunenartige Gefäßsystem übergehen. Die Herz- 
wandung selbst hat sich verdickt, wohl durch stärkere Specialisirung 
der Wandungszellen zu kontraktilen Elementen. Dorsal wie ventral 
liegt ein mächtiger Hohlraum, der obere und untere Perikardialraum, 
die vor und hinter dem Herzschlauche natürlich kommuniciren. 

Ganz unberücksichtigt ließen wir bisher die weitere Ausbildung 
von Niere und Genitalorganen. Die Entwicklung der ersteren habe 


Die Entw. von Herz, Perikard, Niere u. Genitalzellen bei Cyelas ete. 421 


ich im Einzelnen nicht weiter verfolgt, da dieselbe für die uns hier 
interessirenden Fragen belanglos ist. Die beiden Hauptpunkte in 
ihrer weiteren Ausbildung sind das Zustandekommen einer Verbin- 
dung mit Perikardialhöhle und Außenwelt, sowie die Faltung des 
zunächst einfachen Rohres in eine größere Zahl von Schlingen. Ganz 
schematisch sind einige Stadien dieser Vorgänge auf den gleich zu 
besprechenden Textfiguren angegeben. Die Genitalorgane hatten wir 
auf dem Stadium von Fig. 5 auf Taf. XXIX verlassen. Sie liegen 
von diesem und vor Allem dem folgenden Stadium an (Fig. 6 g), stets 
dicht dem Parikard an, sind freilich, eben so wie die Niere, meist 
auf den dargestellten Schnitten nicht zu sehen, da topographisch 
einige Verschiebungen gegenüber den jüngsten Stadien erfolgt sind. 
Sie bilden bald zwei scharf getrennte Zellhäufchen, bald verschmel- 
zen sie in der Mitte zu einer unpaaren Zellplatte (z. B. Fig. 10 g), 
erst später treten sie stets als paarige Anlage auf. 

Übersehen wir nochmals die gewonnenen Resultate, die ich zur 
weiteren Erläuterung in der schematisch gehaltenen Figurenreihe von 
Textfigur I—9 im Zusammenhange darzustellen versucht habe, so ist 


Textfig. 3. Textfig. 4. 
Schematische Darstellung der Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen bei Cyclas. 
Erklärung der Buchstaben siehe hinten. 


422 Johannes Meisenheimer, 


3 
Textfig. 5. Textfig. 6. 


Textig. 7: Textfig. 8. 


> EEE 
RP 
DNS 


Textfig. 9. 
Schematische Darstellung der Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen bei Cyclas, 
Erklärung der Buchstaben siehe hinten, 


En 05 


Die Entw. von Herz, Perikard, Niere u. Genitalzellen bei Cyclas ete. 425 


zunächst als das wichtigste Resultat hervorzuheben, dass eine gemein- 
same Anlage von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen auch bei 
Cyelas vorhanden ist, eine Anlage, welche embryonal erst verhältnis- 
mäßig spät aus scharf begrenzten Theilen der äußeren Körperwand 
sich ableitet (Textfig. 1). Diese Anlage schnürt sich ab und lässt 
zunächst einige wenige Zellen als Genitalzellen aus sich hervorgehen 
(Textfig. 2). Eine weitere Differenzirung desselben Zellenmaterials lie- 
fern sodann die beiden Nierenbläschen (Textfig. 3). Der Rest enthält 
nunmehr nur noch die Anlage von Herz und Perikard, es tritt zu- 
nächst ein unterer Perikardialraum auf (Textfig. 4), sodann auch ein 
oberer (Textfig. 5), während welcher Vorgänge sich die Genitalzellen 
vermehren, und die Niere mit dem Perikard und der Außenwelt in 
Verbindung tritt. Textfig. 6 zeigt uns sodann die Abplattung der 
Zellwände von Herz und Perikard, sowie die zunehmende Schlingen- 
bildung des Nierenschlauches, welche Processe in Textfigg. 7 und 8 
andauern und zur starken Volumzunahme der Niere, sowie zur Ver- 
schmelzung der beiderseitigen Perikardialräume dorsal und ventral 
des Darmes führen. Auch die Genitalzellen haben sich inzwischen 
stark vermehrt. In Textfig. 9 endlich haben wir den fertigen Zu- 
stand des ganzen Organkomplexes vor uns, ziemlich genau entsprechend 
der Fig. 11 auf Taf. XXIX. Die Nierenschläuche sind ganz sche- 
matisch eingetragen. 


Ehe wir nun diese Verhältnisse im Vergleiche mit den übrigen 
Mollusken betrachten, wollen wir kurz auf die ZiEGLER’sche Unter- 
suchung eingehen, um zu sehen, wie seine Resultate sich zu den 
oben geschilderten Vorgängen verhalten. ZiEsLEr’s Befunde waren 
kurz folgende: In zwei zu beiden Seiten des Darmes gelegenen 
Mesodermstreifen traten einzelne Zellen auf, die sich durch Größe 
und Habitus ihrer Kerne von den übrigen unterschieden, die Genital- 
zellen. Weiter differenzirten sich unabhängig von dieser Anlage die 
Nierenbläschen, gleichfalls aus Mesodermzellen, und endlich eben so 
selbständig jederseits ein Perikardialbläschen, welche Herz und Peri- 
kard lieferten. Meine Untersuchungen dagegen ergaben mir, dass 
es nicht Mesenchymzellen eines »Mesodermstreifens< sind, welche 
diese Organe liefern, sondern dass eine specifische, gemeinsame 
Primitivanlage vorhanden ist, welche alle diese Organe in sich ent- 
hält und allmählich zur Entfaltung bringt, wodurch der spätere enge 
morphologische Zusammenhang aller dieser Organe schon in der 
Entwicklungsgeschichte einen scharfen Ausdruck erhält. Leicht lassen 


424 Johannes Meisenheimer, 


sich die Abbildungen ZIEGLER’S dieser Auffassung einordnen, diesel- 
ben bedürfen nur einer scharfen Abgrenzung der specifischen Anlage 
von den umgebenden Mesenchymzellen. Im Übrigen sind die Pro- 
cesse der eigentlichen Differenzirung fast identisch, ich verweise vor 
Allem auf seine Darstellung der Bildung der Genitalzellen (Figg. 12 c 
und 19 auf Taf. XXVII z. B.), die mit der meinigen fast völlig zu- 
sammenfällt. 

Diesen mehr allgemeinen Differenzpunkten schließen sich die 
specielleren in der Entwicklung von Herz und Perikard an. Bei 
ZIEGLER tritt jederseits ein Perikardialbläschen auf, die zunächst eine 
Einstülpung der äußeren Wand erfahren und sodann in der Median- 
ebene über und unter dem Darme verschmelzen. Sehen wir uns nun 
auf diesen Process hin seine Figuren etwas näher an. Was zunächst 
das Perikardialbläschen selbst betrifft, so habe ich trotz forgfältigster 
Kontrolle es nie in anderer Form als in derjenigen des unteren 
Perikardialraumes auftreten sehen, an seiner oberen Wandung stets 
die kompakte Zellenmasse des späteren dorsalen Perikardialtheiles 
tragend. Ein Schnitt allein durch den unteren Theil geführt liefert 
natürlich ohne Weiteres ein einfaches Bläschen, wie es auch ZIEGLER 
in seiner Fig. 27 auf Taf. XXVIH darstellt. Das nächste Stadium 
würde nun die Einstülpung der äußeren Wand der Perikardialbläs- 
chen sein, wie seine Fig. 26 B auf Taf. XXVII erläutert. Stadien, 
wie sie etwa meine Figg. 7 und 8 auf Taf. XXIX darstellen, mögen 
mit demselben identisch sein, wenn man sich erinnert, dass die 
beiden Bläschen je einer Seite bereits mit einander vor und hinter 
der Schnittebene verschmolzen sind, und so in der That bereits ein 
einheitliches Bläschen darstellen, welches an einer Stelle einen sich 
trichterförmig einsenkenden Zellenstrang besitzt, ganz wie es ZIEGLER 
angiebt. Da dieser Zellenstrang sich zuweilen schon sehr frühzeitig 
stark abflacht, so können über seinen Umfang, so namentlich über 
seinen Zusammenhang mit den gegenüberliegenden Wandungen leicht 
Täuschungen unterlaufen. Von nun an zeigen unsere beiden Dar- 
stellungen in Bezug auf die Abbildungen viel Übereinstimmendes, aber 
bei ZIEGLER ist die Perikardbildung nur die weitere Differenzirung 
eines ursprünglichen, primären Hohlraumes, bei mir ist sie eine konse- 
quent von Anfang bis zu Ende durchgeführte Spaltung, welche eine 
Reihe von Hohlräumen schafft, die schließlich alle mit einander ver- 
schmelzen. Keinem dieser Spalträume kann eine besondere, phylo- 
genetische Bedeutung, etwa die eines Cöloms, beigemessen werden, 
der erste auftretende Hohlraum ist eben so schon ein ganz speecifischer, 


f 


Die Entw. von Herz, Perikard, Niere u. Genitalzellen bei Cyelas etc. 425 


für einen bestimmten Theil des Perikards reservirter Raum, ‘wie der 
zuletzt auftretende. Der ganze Verlauf des Spaltungsprocesses steht 
völlig unter dem Einflusse des späteren, fertigen Baues des betreffen- 
den Organkomplexes. Es handelt sich also hier nur um ganz spe- 
cielle, sekundäre, dem fertigen Bau angepasste Entwicklungsvorgänge, 
die durchaus in die Kategorie der frühzeitigen Sonderungserscheinungen 
einzuordnen sind. an: 

Von vier Mollusken kennen wir bis jetzt eingehender die Ent- 
wicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalorganen, es sind dies 
Dreissensia!, Cyclas? Paludina® und Limax*, also zwei Muscheln, 
ein Prosobranchier und ein Pulmonate. Es verlohnt sich nun wohl, 
einen Blick auf diese vier Typen in ihrer Gesammtheit zu werfen, 
zu sehen, worin sie übereinstimmen, worin sie aus einander gehen. 

Gemeinsam ist allen das Vorhandensein einer einheitlichen Primi- 
tivanlage, welche in sich die Elemente von Herz, Perikard, Niere und 
Genitalorganen enthält (mit alleiniger Ausnahme einiger sekundärer 
Ausführgänge). Diese Anlage ist scharf von allen übrigen Zell- 
komplexen zu unterscheiden, sie entsteht stets durch direkte Wuche- 
rung aus dem Ektoderm, nachdem die Form des Embryos in seinen 
wesentlichen Zügen bereits angelegt ist. Verschieden ist aber zu- 
nächst schon der Ort der Bildung dieser Anlage. Bei Dreissensia 
haben wir eine unpaare, in der Medianebene gelegene Anlage vor uns, 
ihre beiden Hälften liegen symmetrisch dorsal über dem Darme. Bei 
Cyclas und Paludina (nach TönnıGes) ist die Anlage paarig, und bei 
Limax endlich ist dieselbe wieder unpaar, aber nicht wie bei Dreis- 
sensia symmetrisch, sondern asymmetrisch auf der rechten Seite ge- 
legen. Der letztere Fall ist unzweifelhaft als sekundär entstanden 
anzusehen, das Auftreten der Asymmetrie des Schneekenkörpers, sowie 
die völlige Unterdrückung der Organe einer Seite sind die direkten 
Ursachen dieser Erscheinung. Weit schwieriger ist dagegen die Ent- 


! JoH. MEISENHEIMER, Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha. 
Diese Zeitschr. Bd. LXIX. 1901. 

? E. ZIEGLER, Die Entwicklung von Cyelas cornea. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 
1885. 

3 R. v. ERLANGER, Zur Entwicklung von Paludina vivipara. Morphol. Jahr- 
buch. Bd. XVII. 1891. — C. Tönnıses, Zur Organbildung von Paludina vivi- 
para, mit besonderer Berücksichtigung des Perikardiums, des Herzens und der 
Niere. Sitzungsber. Gesellsch. Beförd. ges. Naturwiss. Marburg. 1899. 

* JoH. MEISENHEIMER, Entwicklungsgeschichte von Limax maximus. II. Die 
Larvenperiode. Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1898, 


426 Johannes Meisenheimer, 


scheidung, welcher der übrigen .Fälle als der ursprünglichere anzu- 
sehen ist, ob die paarige Anlage zu beiden Seiten des Darmes oder 
die unpaare in der Symmetrieebene des Körpers gelegene. Die Unter- 
suchung zahlreicherer Formen wird unser Urtheil in dieser Hinsicht 
vielleicht mehr klären als rein theoretische Spekulationen. 

Weit bedeutender noch sind die Unterschiede in der zeitlichen 
Aufeinanderfolge der Differenzirung der einzelnen Organe aus der ge- 
meinsamen Primitivanlage. Bei Dreissensia trennen sich zuerst Niere 
und Herz-Perikardanlage, erst auf später Entwicklungsstufe treten 
dann endlich auch die Genitalzellen auf, welche ihre Zugehörigkeit 
zu dem betreffenden Komplexe durch ihre Abstammung vom Peri- 
kard dokumentiren. Ähnlich verhält sich Limax, wo ebenfalls zu- 
erst Niere und Herz-Perikardanlage sich sondern, für die Geschlechts- 
organe ist der Beweis ihrer Herkunft aus der gleichen Anlage bis 
jetzt noch nicht erbracht. Wieder anders stellt sich der Entwicklungs- 
sang von Paludina dar, hier ist es das Perikard, welches sich zuerst 
absondert; aus ihm entstehen dann sekundär Niere, Herz und Genital- 
zellen, letztere jedoch weitaus am spätesten, ein Verhalten, in dem 
Paludina sehr stark an Dreissensia erinnert. Am differentesten von 
allen diesen Typen verhält sich Cyclas, hier sind es die Genitalzellen, 
welche zuerst auftreten, es folgen sodann die Nierensäckchen, und 
erst zuletzt differenziren sich Herz und Perikard. Eine Tabelle mag 
uns alle diese Verhältnisse nochmals vor Augen führen: 


Dreissensia | Cyclas | Paludina | Limax 

Primivanlage | ee ee | er en 
Aufeinanderfolge | 1) Niere 1) Genitalzellen| 1) Perikard a Niere 

der einzelnen | 2) Herz u. Peri- | 2) Niere 2) Niere 2) Herz u. Peri- 

Organe nach || kard kard 

ihrer Differen- | 3)Genitalzellen| 5) Herz u. Peri-| 5) Herz 3) Genitalzel- 

ZIrUng. kard len (?) 

| | 4) Genitalzellen 


Während sodann nach der endgültigen Scheidung dieser drei 
Organkomplexe Niere und Genitalzellen ihrem späteren, specifischen 
Bau entsprechend sich weiter entwickeln, und alle Verschiedenheiten, 
die dabei auftreten, nur von untergeordneter, sekundärer Bedeutung 
sind und so ohne Weiteres ihre Erklärung finden, verhält es sich 
anders mit der Sonderung von Herz und Perikard, wesshalb wir 
diesen Komplex nochmals besonders besprechen müssen. Zwei Grup- 
pen stehen sich hier gegenüber, von welchen die eine nur Paludina 


‚Die Entw. von Herz, Perikard, Niere u. Genitalzellen bei Cyclas ete. 427 


enthält, die andere Dreissensia, Cyelas und Limax umfasst. Bei 
Paludina kommt es zunächst zur Bildung eines weiten Perikardial- 
sackes, in welchem sodann als eine Einfaltung der Herzschlauch sich 
anlest (also unter gewissen Modifikationen ähnlich der ZIEGLER’schen 
Darstellung von Cyclas), bei den übrigen ist es eine fortlaufende 
Spaltung innerhalb einer zunächst einheitlichen Zellenmasse, die Herz- 
und Perikardwand scheidet. Von einem primären und sekundären 
Organe kann man desshalb hier eigentlich gar nicht reden, beide 
differenziren sich gleichzeitig durch ein und dieselbe Spaltung. Bei 
Dreissensia und Limax wird unzweifelhaft zuerst die Herzhöhlung 
gebildet, eben durch Umwachsung und Abschließung eines Theiles 
der Lymphräume des Körpers, die Perikardhöhle ist dagegen erst das 
Produkt der sekundär erfolgenden Spaltung. Bei Cyclas greifen beide 
Processe in einander, auch hier findet die Umwachsung eines Theiles 
der Lymphräume statt, — dass der Darm denselben durchzieht, ist hier 
für uns nur von ganz untergeordneter Bedeutung —, aber während 
diese Umwachsung noch im Gange ist, ja theilweise schon vor der- 
selben findet gleichzeitig die Spaltung statt. Bei Paludina ist dann 
das Verhältnis gänzlich umgekehrt. 

Zusammenfassend können wir also aus diesem Vergleiche den 
Schluss ziehen, dass wir bei allen bisher genauer untersuchten Mol- 
lusken (die Cephalopoden stets ausgenommen) als gemeinsame Grund- 
lage der Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen 
eine durchaus einheitliche Primitivanlage anzusehen haben, welche 
sich scharf umgrenzt und unabhängig von irgend einem anderen 
Organsystem während der Ausbildung des Embryos aus der äußeren 
Zellwandung sondert und durch specielle Differenzirungen innerhalb 
ihres Zellkomplexes nach einander die einzelnen Organe zur Ent- 
faltung bringt. Die Verschiedenheiten, welche sowohl in Rücksicht 
auf den Ort der Entstehung wie auf die zeitliche Differenzirung der 
einzelnen Organe auftreten, sind sicherlich auf einander zurückzu- 
führen und als specielle Modifikationen anzusehen, welche ein einziger 
Grundmodus bei den verschiedenen Typen erfahren hat. Welches 
dieser ursprüngliche Grundmodus ist, wie die einzelnen Variationen 
desselben auf einander zurückzuführen sind, das lässt sich zur Zeit 
in allen Einzelheiten noch nicht mit Sicherheit feststellen. Wir be- 
dürfen dazu einer weit größeren Zahl von Untersuchungen einzelner 
Formen, erst dann werden sich die Lücken innerhalb der phyle- 
tischen Entwicklungsreihe der Ontogenie von Herz, Perikard, Niere 
‘ und Genitalzellen bei den Mollusken ausfüllen lassen; zeigen uns 


428 Johannes Meisenheimer, Die Entwickl. von Herz, Perikard, Niere ete. 


doch schon die wenigen, bisher bekannten Formen, dass ein un- 
zweifelhafter Zusammenhang besteht. Und was für ein einzelnes 
Organsystem einer einzigen Thierklasse hier gesagt wurde, dasselbe 
wird auch seine Gültigkeit bei anderen Organen anderer Thierklassen 
haben, nicht starre Begriffe, sondern unendlich mannigfaltige und 
variable Vorgänge haben wir auch in den Erscheinungen der Ent- 
wicklung selbst vor uns. 


Marburg (Hessen), August 1900. 


Erklärung der Abbildungen. 


Durchgehende Bezeichnungen: 


ed, Enddarm; Is, Lebersäcke; 
9, Genitalzellen; m, Magen; 
h, Herzkammer; n, Niere; 


hn, Anlage von Herz, Perikard undNiere; op, obere Perikardialhöhle; 
hng, Anlage von Herz, Perikard, Niere s, Schale; 

und Genitalzellen; up, untere Perikardialhöhle ; 
hp, Anlage von Herz und Perikard; vh, Vorhof. 


Tafel XXIX. 


Fig. 1. Hälfte eines Querschnittes durch eine junge Larve von Cyeclas. 
Die Anlage von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen ist im Entstehen be- 
griffen. Vergr. 5ö0. 

Fig. 2. Dessgl., nur ein wenig älter. Vergr. 550. 

Fig. 3. Querschnitt. Die gemeinsame Anlage beginnt sich völlig loszu- 
lösen. Erste Differenzirung der Genitalzellen. Vergr. 550. 

Fig. 4. Querschnitt einer etwas älteren Larve. Die Genitalzellen sind scharf 
von der übrigen Anlage geschieden. Vergr. 400. 

Fig. 5. Querschnitt. Neben den Genitalzellen differenziren sich die Nieren- 
bläschen. Vergr. 400. 

Fig. 6. Querschnitt. Beginn der Differenzirung von Herz und Perikard, 
Auftreten der unteren Perikardialhöhle. Vergr. 400. 

Fig. 7. Querschnitt. Auftreten der oberen Perikardialhöhle. Aus zwei 
Schnitten kombinirt. Vergr. 400. 

Figg. 8 u. 9. Querschnitte. Weitere Ausbildung der Perikardialhöhle und 
beginnende Verschmelzung der beiderseitigen Hälften. Vergr. 400. 

Fig. 10. Querschnitt. Die Verschmelzung der Perikardialhöhlen von beiden 
Seiten ist dorsal wie ventral vom Darme eingetreten. Vergr. 400. 

Fig. 11. Querschnitt. Perikard, Herz und Vorhöfe sind völlig ausgebildet, 
die Scheidewand zwischen Kammer und Vorhöfen ist durchbrochen. Aus zwei 
auf einander folgenden Schnitten kombinirt. Vergr. 400. 


— 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 
Von 
Dr. Eugen Botezat. 


(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Czernowitz.) 


Mit Tafel XXX—XXXI und 1 Figur im Text. 


Der harte Gaumen der Säugethiere wurde, so weit mir die Litte- 
ratur über diesen Gegenstand bekannt geworden ist, in Bezug auf 
seine Innervation nur wenig untersucht. Namentlich ist es MERKEL!, 
der sich besonders auch mit diesem Gegenstande beschäftigt hat; die 
Resultate seiner Untersuchungen sind aber so dürftig, dass es noth- 
wendig schien, dieses Objekt mit Hilfe der neuen Nervenuntersuchungs- 
methoden zu prüfen. Die vorliegende Arbeit ist nun das Resultat 
meiner einschlägigen Untersuchungen, die sich insbesondere auf die 
Hauskatze, welches Thier mir in reichlicherer Menge zur Verfügung 
stand, erstreckten, und erhebt durchaus nicht den Anspruch auf All- 
gemeinheit, sondern soll vielmehr als eine vorläufige Mittheilung über 
die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere angesehen wer- 
den. Ich habe bisher außer Felis noch Vesperugo, Talpa, Erinaceus, 
Canis, Mus und Sus untersucht, habe aber von diesen Thieren noch 
nicht so zweifellose Resultate erhalten, dass ich sie ausführlich in 
diese Arbeit einbeziehen könnte. Zwar erscheint auch das Resultat 
der Untersuchung des Katzengaumens noch nicht vollständig, da es 
mir bisher noch nicht gelungen ist gewisse terminale Körperchen in 
der Cutis aufzufinden; weil ich aber in Bezug auf die Endigung der 
Nerven meine Hauptaufmerksamkeit auf die Epidermis und die ober- 
sten Schichten der Cutis gelenkt habe, und die Befunde an diesen 
Stellen, wie ich glaube, so ziemlich erschöpft sind, so entschloss ich 
mich dieselben der Öffentlichkeit zu übergeben. 


1 Fr. MERKEL, Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der 
Wirbelthiere. Rostock 1880. 


430 Eugen Botezat, 


Ehe ich auf die Beschreibung des Verlaufes und der Endigung 
der Nerven im harten Gaumen eingehe, will ich mit kurzen Worten 
die Methode anführen, nach welcher ich diese Untersuchungen durch- 
geführt habe. Im Wesentlichen besteht sie in demselben Verfahren, 
welches DoGıEL! zur Untersuchung der HEerBsT’schen und GRANDRY- 
schen Körperchen angewendet hat. 

Das zu untersuchende Thier wird mit einem Gemisch von Chloro- 
form und Ather narkotisirt. Während der Narkose wird demselben 
rasch die Brustdecke entfernt und in die linke Herzkammer oder in 
die Aorta eine bis auf Bluttemperatur erwärmte 1°/,ige Methylenblau- 
lösung in physiologischer Kochsalzlösung injieirt. Dieser Vorgang 
wird nach Bedarf auch mehrmals wiederholt. Es ist von Vortheil 
die Injektion mit einer kleinen Spritze auszuführen und dieselbe mehr- 
mals auf einander folgen zu lassen, falls dies wegen der Größe des 
Untersuchungsthieres überhaupt nothwendig erscheint. Durch die 
Herzthätigkeit wird das Methylenblau bis in die feinsten Kapillaren 
hineingetrieben, und man erkennt die gelungene Injektion an dem 
Blauwerden der haarlosen Körperstellen, wie Fußballen, Schnauze etc. 
Ist dies eingetreten, so wird das Thier eine Zeit lang liegen gelassen, 
bis die Herzthätigkeit vollständig aufgehört hat. Dann wird die zu 
untersuchende Stelle — in unserem Falle der Gaumen — abgetragen, 
auf einen Objektträger mit der Innenseite nach oben gelegt und mit 
einer schwachen (1/,,°/,igen) Methylenblaulösung behandelt. Zugleich 
wird eine Gaumenleiste abgetrennt, um durch dieselbe behufs Unter- 
suchung (Färbung) der Nervenendigungen mit einem Rasirmesser 
Längs- oder Querschnitte zu machen. Diese werden ebenfalls mit 
der genannten Lösung behandelt, mit einem Uhrgläschen bedeckt in 
den auf Bluttemperatur erwärmten Thermostat gestellt, und der Gang 
der Nervenfärbung von Zeit zu Zeit bei schwacher Vergrößerung 
(etwa Zeiss B, Ocular 1) beobachtet. Sobald bei dieser Vergrößerung 
die Nervenfasern bis in das Epithel hinein deutlich zu sehen sind, 
kann das Verfahren unterbrochen werden. Nun werden die Schnitte 
direkt in 10°/,iges Ammoniummolybdänat hineingelegt, wo sie bis 
zum nächsten Tage verbleiben. Dann werden sie in destillirtem Was- 
ser gewaschen, in suecessivem Alkohol entwässert, in Bergamottöl und 
Xylol aufgehellt und in Dammar-Xylol eingeschlossen. Etwa zu dick 


! A. S. DocIEn, Zur Frage über den Bau der Hergsr’schen Körperchen 
und die Methylenblaufixirung nach BETHE, diese Zeitschr. Bd. LXVI, und die 
Beziehungen der Nerven zu den GrRAnDrRY’schen Körperchen, ebenda, Bd. LXVI. 


— 
us 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. il 


ausgefallene Schnitte werden aus dem Xylol mit Hilfe eines scharfen 
Rasirmessers in zwei bis drei Theile zerlegt, was sich um so leichter 
bewerkstelligen lässt, als die Stücke hart geworden sind. 


Indem ich nun zum eigentlichen Gegenstand schreite, glaube ich 
eine Beschreibung des Gaumens übergehen zu können, da eine solche 


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IP 2% 
IN 


Dove 


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(0) 0-0 


Schema des Nervenverlaufes im harten Gaumen von Felis. ! Gaumenleiste: f Firste derselben, 2 Thal 
zwischen zwei Leisten, 7% Haupthöcker, die Firste bildend, N% Nebenhöcker an den Abhängen der 
Leisten, Ns die zwei Nervenstämme. 


schon von MERREL (p. 132-—-133) zur Genüge gegeben wurde. Im 
Speciellen kann jedoch bemerkt werden, dass die Firste einer jeden 


Gaumenleiste der Katze mit in einer Reihe angeordneten großen 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 29 


439 Eugen Botezat, 


Höckern, welche ich der Kürze wegen Haupthöcker (Textfig. Hnh, 
Taf. XXX, Fig. 2 HA, Taf. XXXI, Fig. 3) nennen will, besetzt ist, und 
dass sich an den Abhängen der Leisten im Allgemeinen in je zwei zur 
Firste parallelen Reihen angeordnete kleinere Höcker, Nebenhöcker 
(Textfig. N7, Taf. XXX, Figg. 1,2 NA, Taf. XXXI, Fig. 6) erheben. 
Die ersteren sind halbkugelig geformt, die Gestalt der letzteren ist 
entweder eben so (Fig. 2 NA) oder aber etwas gestreckt und nament- 
lich an den der Mundöffnung proximalen Abhängen etwas nach rück- 
wärts gebogen, wodurch im Profil die in Fig. 6 wiedergegebene Form 
hervorgeht. Bei anderen Thieren sind die Gesammtleisten einfach, 
d. h. ohne Höcker. 


1. Allgemeiner Verlauf der Nerven. 


Der Gaumen einer jeden bisher untersuchten Säugethierart wird 
von einer sehr großen Nervenmenge versorgt. Überall ist die Ver- 
theilung derselben eine regelmäßige; am regelmäßigsten bei Talpa. 
Hier treten vom weichen Gaumen her zwei parallel verlaufende 
starke Nervenstämme, deren jeder aus etwa 500—600 Fasern besteht, 
in den harten Gaumen ein, verlaufen nahe an der. Gaumennaht und 
geben regelmäßig sich abzweigende Nervenstämmechen ab und zwar so, 
dass sich vom Stamme der rechten Hälfte die Seitenstäimmchen nach 
rechts und von jenen der linken Hälfte nach links ausbreiten. In der 
Mitte, das ist zwischen den beiden Hauptstämmen, finden sich nur 
einzelne, unregelmäßig verlaufende Fasern. Die Abzweigung der ge- 
nannten Lateralstämmchen geschieht nun so, dass sich über der Firste 
und über dem Thale einer jeden Gaumenleiste ein aus etwa 25 bis 
80 Fasern bestehendes Stämmchen loslöst, in schräger Richtung nach 
links, beziehungsweise nach rechts verläuft und sich in einer gewissen 
Entfernung, in der Regel in vier dünnere Stämmchen theilt, welche 
oberhalb der nächsten Firste in zwei ungleich starke Theile zerfallen. 
Die stärkeren Äste krümmen sich nach abwärts und steigen in die 
Tiefe der Leiste, die schwächeren aber verlieren sich im jenseitigen 
Abhang derselben, indem sie dem Thale zustreben. Rechnet man 
mit diesen Thatsachen, so ergiebt sich die Gesammtzahl der Nerven- 
fasern im harten Gaumen von Talpa, wenn man zehn Gaumenleisten 
annimmt, auf 1000 und darüber. u 

Abweichend davon ist das Verhältnis der Nervenvertheilung im 
Gaumen der Katze. Die zwei Hauptnervenstämme, welche aus dem 
weichen in den harten Gaumen eindringen, bestehen aus je 1500 bis 
2000 Fasern, die nicht wie beim Maulwurfe je ein solides Bündel 


a 


\ 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 433 


bilden, sondern es erscheint ein jeder Stamm aus, im Mittel, vier 
Bündeln zusammengesetzt, was in der Textfigur durch die vier 
parallel verlaufenden Längslinien, welche sich vorn vollständig auf- 
lösen, angedeutet sein will. Diese zwei Nervenstämme verlaufen 
etwa in der Mitte einer jeden Gaumenhälfte und geben Lateralzweige 
nach beiden Seiten in folgender Weise ab: Gegen die Gaumennaht 
hin entspringen Bündel in der Stärke von je 90—60 Fasern und 
zwar ziemlich regelmäßig ein Bündel über jeder Firste und ein zweites 
über jedem Thale. Diese streben in schräger Richtung der nächsten 
Gaumenleiste zu. Jedes Nervenbündel, das in der Höhe einer Firste 
seinen Ursprung nimmt, lässt sich etwa bis zur nächsten Firste und 
wohl auch etwas darüber verfolgen; eben so jedes Bündel, das in der 
Nähe eines Thales entspringt, bis zum nächsten Thale und etwas 
darüber hinaus. Dabei bleiben diese Bündel in derselben Gaumen- 
hälfte; nur selten sieht man einzelne Fasern wie zufällig in die an- 
dere Gaumenhälfte hinübergreifen. Von diesen Bündeln zweigen 
sich in verschiedenen Höhen Ästchen ab, welche sich fast netzartig 
über das Gaumenfeld verbreiten. Sie verschwinden an verschiedenen 
Stellen des Gaumenfeldes, indem sie in die Tiefe dringen; ihr weiterer 
Verlauf kann erst an Längs- oder Querschnitten durch den Gaumen 
erkannt werden (Fig. 1, 2 N). 

Außer diesen Fasern, welche das mittlere Feld versorgen, ent- 
springen nach außen hin, das ist gegen den Gaumenrand zu, bloß 
über jeder Firste Nervenästchen in der Stärke der vorher genannten, 


‚welche eben so in schräger Richtung verlaufen, jedoch etwa über zwei 


Gaumenleisten hin verfolgt werden können, wobei sie sich im Weiteren 
ganz So wie die vorher erwähnten verhalten. Es erscheint somit 
ein jeder vom Nervenstamm nach außen gelegene Theil des Gaumens 


um die Hälfte spärlicher mit Nerven versehen als der innere, gegen 


die Mitte gelegene Theil. 

Diese Ästchen, welche der Epidermis zustreben, verlaufen im 
Allgemeinen recht unregelmäßig, netzartig und verzweigen sich be- 
sonders stark unterhalb der Höcker. Ganz besonders instruktiv für 
diese Verhältnisse ist Fig. 2, welche einen Querschnitt durch einen 
Haupt- und einen Nebenhöcker darstellt. Man sieht deutlich, wie sich 
das Nervenästchen (N) unterhalb der beiden Höcker baum- oder 


'strauchartig verzweigt. Je nach ihrem weiteren Schicksal lassen sich 
diese Auszweigungen in drei Gruppen unterscheiden: büschelförmig 


in die großen Cutispapillen (Cp) der Höcker hineindringende Fasern, 
Nervenfasern, welche bei DB, C in die Fpitheleinsenkungen ein- 


297 


434 Eugen Botezat, 


dringen und Nervenfasern, welche längs der Epithelgrenze (Basal- 
membran) verlaufen und in die kleinen Cutispapillen (cp) eindringen. 
Diese Auszweigungen führen zu den 


2. Nervenendigungen. 


Dieselben sind, so weit meine bisherigen Erfahrungen reichen, 
durchweg intraepithelial und lassen sich nach ihrer histologischen Be- 
schaffenheit in zwei Abtheilungen bringen: freie Endigungen mit Ter- 
minalknöpfehen und Endigungen in Tastmenisken. Die Endigungen 
der ersteren Art kann man nach ihrer Lage in vier Kategorien ein- 
theilen, und es ergiebt sich folgendes allgemeine Schema: 

I. Nervenendigungen in Tastmenisken, 

I. Nervenendigungen in Terminalknöpfchen: 

1) einfache Endigungen in den Menisken führenden 
Epitheleinsenkungen, 

2) einfache Endigungen in den gewöhnlichen Epithel- 
einsenkungen, 

3) einfache Endigungen in die gewöhnlichen Cutis- 
papillen eindringender Nervenfasern, 

4) einfache Endigungen pinsel- oder büschelförmig 
in die großen Höckerpapillen eindringender Ner- 
venfasern. 


Ad I. 


Die Tastmenisken sind überall dort vorhanden wo die so- 
senannten MERKEL’schen Tastzellen zu finden sind. Dies ist eine 
Thatsache, welche schon von vielen Forschern insbesondere in der 
Schnauze des Schweines und den Tasthaaren der Säugeihiere un- 
zweifelhaft nachgewiesen wurde. Es lag nun sehr nahe, dass auch 
der Gaumen der Säugethiere, in welchem MERkEL (l. ec.) Tastzellen 
nachgewiesen hat, Tastmenisken enthalten müsse. Die Untersuchung 
des Gaumens bestätigte nun diese Annahme vollkommen. Ferner 
ist uns durch die Lage der Menisken in diesem Körpertheile ein 
weiteres Mittel an die Hand gegeben, womit man die Bedeutung der 
Tastmenisken als auf Druck reagirender Apparate und die Tastzellen 
als Druckübertragungsapparate feststellen kann. Über die Verthei- 
lung der Tastzellen im Säugethiergaumen, an welche die Anwesen- 
heit der RanvIer’schen Tastmenisken gebunden ist, spricht sich 
MERKEL dahin aus, dass der vordere etwas modifieirte Theil des- 
selben von einer größeren Menge dieser eingenommen ist. Ferner 


P7 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 435 


sagt er: »Der mit Firsten versehene größere hintere Theil des 
Gaumens trägt nicht bei allen Species Tastzellen, ist er aber damit 
versehen, dann finden sie sich in allen Fällen entweder nur auf dem 
Gipfel der Firsten oder an deren vorderem sanft aufsteigendem Ab- 
hang. Die Thäler zwischen den Leisten und der hintere Abhang 
pflegen der Tastzellen zu entbehren.< Diesen Ausspruch kann ich 
wenigstens für die Katze nicht vollkommen bestätigen. Denn die 
Tastzellen liegen, wo sie vorhanden sind, in den Epitheleinsenkungen. 
Unterhalb der Firste (Höcker) der Säugethiere, welche ich untersucht 
habe, war immer tief hinabreichendes Bindegewebe und nicht Epithel- 
sewebe zu sehen und zwar bei Thieren mit und ohne Höcker an 
den Gaumenleisten. Ich kann für die von mir untersuchten Thiere 
behaupten, dass sich unterhalb der Firste ihrer Gaumenleisten keine 
Epitheleinsenkungen und eben so keine Tastzellen, mithin auch keine 
Tastmenisken vorfinden. Vielmehr sind es Nervenendigungen anderer 
Art, über welche später die Rede sein soll, welche sich hier vor- 
finden und die im Firsten-, resp. Höckerepithel endigen. Diese 
Thatsache beweist sofort ein einziger Blick auf die Figg. 1, 2, 35, 6. 
Ferner kann ich es nicht als richtig hingehen lassen, dass nur 
der vordere Abhang der Gaumenleisten Tastzellen führt; denn wie 
uns Fig. 2 bei © und Fig. 6 belehren, existiren Tastzellen und Tast- 
menisken auch an dem hinteren Abhange (r) und mitunter, wie an 
dem Haupthöcker in Fig. 2 zu sehen ist, bloß am hinteren Ab- 
hange (C). 

Dies über das Vorkommen der Tastzellen. Was die Anordnung 
derselben (Katze) betrifft, so scheint diese von der Gestalt der Gaumen- 
höcker abhängig zu sein. In den Haupthöckern finden sie sich in 
den Epithelzapfen vor, welche am Fuße des Höckers liegen; auch 
sind es nicht viele, sondern nur einzelne Zapfen, welche mit den- 
selben versehen sind (Fig. 2 CO). Sie sind unter einander fast parallel, 
dessgleichen sind sie im Allgemeinen mit ihren Breitseiten dem vor- 
deren Höckerabhange parallel gestellt (Figg. 2 C, 5). An Längs- 
schnitten durch die Gaumenleisten erscheinen sie nicht (Fig. 1), wor- 
aus erhellt, dass sie sich bloß im vorderen, resp. hinteren Theile 
derselben vorfinden. 

In den Nebenhöckern der vorderen, sanft absteigenden Abhänge 
der Leisten sind sie analog denen in den Haupthöckern gelegen, 
und zwar so, dass immer ihre Breitseite parallel zur vorderen Ober- 
fläche des Höckers ist, und befinden sich, wie dort, in der Nähe der 
Ursprungsstelle der in die Cutispapille aufsteigenden Nervenbüschel, 


436 Eugen Botezat, 


so hier in der Nähe der Ursprungsstelle der aufsteigenden mehr 
pinselartig ausgebreiteten Nervenfasern (Figg. 2 B, 6). Ist die Ober- 
fläche der Höcker mehr flach, dann sind die Tastzellen mit ihren 
Menisken mehr horizontal gelagert (Fig. 2 B), ist jene aber mehr 
gewölbt, dann liegen sie rückwärts fast senkrecht, vorn aber wieder 
fast horizontal zur allgemeinen Cutisausbreitung. 


In den Höckern der hinteren Abhänge der Gaumenleisten scheinen 


Tastzellen und somit auch Tastmenisken nicht vorzukommen, da ich 
solche trotz ausgiebigster Imprägnation der Gaumen und guter Schnitt- 
färbung mit Methylenblau an dieser Stelle nicht, oder wenigstens nicht 
unzweifelhaft vorgefunden habe. Einzelne mögen wohl vorhanden 
sein, aber so allgemein wie in den anderen Höckern ist ihr Auf- 
treten in diesen nicht. 

Ihrer Beschaffenheit nach sind diese Tastzellen jenen identisch, 
welche in der äußeren Wurzelscheide der Tasthaare und im Schweine- 
rüssel vorgefunden wurden. Nach gut gelungener Imprägnation mit 
Methylenblau kann man an denselben eine körnige Struktur nach- 
weisen, wobei die Körner blau gefärbt erscheinen (Figg. 4, 5, 7). Sie 
dürften den Tigroidkörnern, welche DoGIEL in seiner Arbeit über 
die GRANDRY’schen Körperchen beschreibt, gleichzustellen sein. 

Die Nervenfasern, welche sich zu den Tastzellen (22) begeben, 
verlieren in der Nähe der Epidermisgrenze ihre Markscheiden und 
dringen als nackte Achsencylinder, wobei sie auch bedeutende Vari- 
cositäten aufweisen, in die Epithelzapfen ein, um sich an den Tast- 
zellen schüsselförmig zu verbreitern und so die Tastmenisken (im) zu 
bilden. Sehr oft bemerkt man, dass eine Faser mehrere Tastmenisken 
bildet, dann, wie dies Szymonowicz! in der. Schweineschnauze und 
ich? an den Tasthaaren beobachtet haben, dass sich einzelne Fasern 
tiefer in das Epithel begeben. Szymonxowıcz beobachtete, dass diese 
Fasern eine Schleife bilden, was ich in meiner Tasthaararbeit wider- 
legte, wobei ich in einen anderen Fehler verfiel und solche Fasern 
allgemein als die letzten Enden der Menisken bildenden Nerven 
deutete. Fortgesetzte Untersuchungen über die Nerven der Säuge- 
thierhaare belehrten mich, wie in einigen anderen so auch in diesem 
Punkte, eines Besseren, worüber ich bei anderer Gelegenheit berich- 
ten werde. Was das vorliegende Objekt, den Gaumen betrifft, so 


1 W. Szymonow1ıcz, Beiträge zur Kenntnis der Nervenendigungen in Haut- 
gebilden. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. XLV. 

2 E. BoOTEZAT, Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 
Ebenda. Bd. L. 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. A371 


dringen Achsencylinder als Fortsetzung der Tastmenisken in das 
Epithelgewebe ein und verlieren sich nach kurzem Verlaufe zwischen 
dessen Zellen; sie endigen alsdann allem Anscheine nach knopfförmig 
(Fig. 4 imf). Die Beziehung der Tastmenisken zu den Tastzellen 
ist wohl eine innigere, als dies bisher angenommen wurde, da die 
ersteren als aus einander getretene Primitivfibrillen des Achsen- 
cylinders anzusehen sind, welche von einer größeren Menge Inter- 
fibrillärsubstanz gestützt werden und also ein schüsselartiges Gebilde 
formend, sich an die Tastzellen innig anschmiegen. Einzelne Fibril- 
len dringen in das Innere des Zellenleibes ein, um hier mit Terminal- 
knöpfehen, also frei, zu enden, während sich die anderen wieder 
zu einem Achsenoylinder vereinigen, um an der nächsten Tastzelle 
abermals in der genannten Weise einen Meniscus zu bilden. Dieser 
Vorgang kann sich mehrmals wiederholen und schließlich liegt es 
sehr nahe, dass sich einzelne Fibrillen in das Epithelgewebe ver- 
laufen nd hier zwischen, beziehungsweise an den Zellen frei (mit 
Terminalknöpfehen) enden. Unzweifelhaft fällt es wegen der Sub- 
tilität dieser Gebilde sehr schwer einen klaren Einblick in dieselben 
zu gewinnen; namentlich gilt dies aber von den Fibrillen, welche 
im Inneren & Tastzellen endigen sollen. Ich glaube nämlich mit 
dem Immersionssystem solche sehen zu können, kann aber ihre Exi- 
stenz nicht mit Bestimmtheit behaupten, da die Beobachtung in dieser 
Richtung durch die Anwesenheit der Tigroidkörnchen, welche das 
ganze Innere der Tastzellen einnehmen und sich mit Methylenblau 
färben, gar sehr erschwert wird (Figg. 4, 5). 

Schließlich hätte ich noch eine kleine Bemerkung zu machen: In 
seiner Arbeit über die Granpry’schen Körperchen stellt DocıIEL die 
Vermuthung auf, dass sich in ähnlicher Weise wie um diese Körper- 
chen auch überall dort, wo Tastzellen und Tastmenisken vorhanden 
sind, um dieselben herum eine besondere Art von Nervenfasern vor- 
finden müssten, welche die genannten Gebilde korbartig umflechten. 
Ich habe, seit ich diese Vermuthung DocırrL’s gelesen, mit großer 
Aufmerksamkeit die Sache in dieser interessanten Richtung verfolgt, 
habe an Schnitten, welehe Thieren entnommen wurden, bei denen 
die Methylenblauinjektion sehr gut gelungen ist, die Nachfärbung mit 
der schwachen Lösung auf das genaueste bewirkt und unausgesetzt 
beobachtet, und dennoch ist es mir außer den schönen Bildern, von 
welchen etwa die Fig. 4 ein Beispiel liefert, nicht gelungen die von 
DosieL vermutheten Nervengeflechte zu finden. Erst, als ich bei der 
Korrektur der Tafeln Gelegenheit hatte ein feines Immersionssystem 


438 Eugen Botezat, 


von WINKEL zu benutzen, beobachtete ich in dem Präparate, welchem 
die Fig. 4 entnommen ist, jene Thatsachen, welche durch die nach- 
träglich hinzugefügte Fig. 7 wiedergegeben sein sollen. Um nicht 
unnöthige Störungen zu veranlassen, verweise ich auf die Erklärung 
dieser Figur. Da ich aber ähnliche Beobachtungen auch an Tast- 
menisken von Tasthaaren gemacht habe, so gedenke ich diese zu- 
sammen in einer besonderen Arbeit zu besprechen. 


Ad I. 


1) Gewisser terminaler Nervenfasern dieser Reihe, welche als 
Fortsetzungen jener Nerven erkannt wurden, die an der Bildung von 
Tastmenisken participiren, wurde bereits oben Erwähnung gethan. 
Außer diesen aber glaube ich in den Menisken führenden Epithel- 
einsenkungen freie Nervenendigungen verzeichnen zu können, welche 
von den Cutisästehen sich abspalten, und ohne Menisken zu bilden, 
direkt zu denselben führen (Fig. 4 {f) — diese Fasern liegen näm- 
lich tiefer als die Tastmenisken; überhaupt sind die Figuren bei 
mehreren Einstellungen gezeichnet. — Die Fasern dieser Art dringen 
etwas tiefer in das Epithel ein, verzweigen sich wohl auch und endi- 
sen schließlich mit Terminalknöpfehen (Fig. 4 t%) zwischen, be- 
ziehungsweise an den Epithelzellen. Das Knöpfehen scheint, mit dem 
Immersionssystem betrachtet, eine Ausbreitung der Interfibrillärsub- 
stanz zu sein, welche sich dicht an eine Zelle anlegt. Ob sich noch 
die Achsenfibrille am Ende zerfasert und diese Fasern in die Zelle 
eindringen, dies kann vermuthet werden, lässt sich aber durchaus 
nicht behaupten. 


2) Von den Cutisästehen spalten sich in der Nähe der Basal- 
membran zwischen Cutis und Epidermis gewisse Nervenfasern, welche 
entweder direkt (Fig. 2 bei NA) oder erst nach längerem Verlaufe 
längs der Grenze (Fig. 2, unterhalb C) gegen das Thal .hin in die 
Epithelzapfen eindringen, in denselben entweder einen mehr geraden 
oder mehr gewundenen Verlauf nach abwärts, das ist gegen das Stra- 
tum corneum zu, nehmen. Diese Nervenfasern sind äußerst fein und 
nicht sehr varicös. Ich habe nicht beobachtet, dass sie sich theilen. 
Sie enden in derselben Weise wie die vorher angeführten. 


3) Andere Nervenfasern, welche sich ebenfalls in der Nähe der 
Outisgrenze von den Ästchen abspalten und wie die genannten als- 
bald ihre Markscheide verlieren, nehmen ihren Verlauf gegen die 
kleinen Cutispapillen (Fig. 2 cp), dringen in diese ein, verlaufen in 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 439 


denselben fast gerade aus nach abwärts, begeben sich in die Epider- 
mis und verlieren sich zwischen den Zellen derselben. 

4) Ganz besonders charakteristisch für den harten Gaumen (Katze) 
sind aber jene Nerven, welche sich etwa pinselartig zerschlitzend ihren 
Verlauf durch die großen Cutispapillen der Nebenhöcker nehmen und 
namentlich jene, welche büschelartige Gebilde formend oder sich 
bäumchen- oder strauchartig verzweigend, durch die großen Cutispapil- 
len der Haupthöcker ihren Weg nehmend, der Epidermis zustreben. 
Jene der ersteren Art (Figg. 1, 2 bei N?, 6) zweigen sich von den 
Cutisästehen in der Nähe der Epidermis ab, theilen sich in die Pa- 
pillen eingedrungen wiederholt und verlieren in diesen in verschie- 
denen Höhen ihr Mark. Gegen das Ende der Papillen zu werden 
sie sehr varieös und dringen alsdann in die Epidermis, um hier in 
der Nähe des Stratum corneum zerstreut liegende, freie Endigungen 
zu bilden. 

Die Verzweigungen der zweiten Art sind jene, welche in Folge 
ihrer großen Menge — sie bilden nämlich unter allen Endverzweigungen 
die Hauptmasse — beim Färben der Schnitte auf dem Objektträger 
sich zu allererst und am besten tingiren. Sie nehmen die großen 
Cutispapillen der Haupthöcker ein und setzen sich aus mehreren 
Nervenbündeln, welche sich in verschiedenen Höhen unweit der Epi- 
dermis von den Üutisästehen abzweigen, zusammen (Fig. 2 bei AA). 
Nachdem sie nun eine gewisse Strecke in der Papille verlaufen sind, 
zerfasern sie sich in einzelne, verschiedenartig, im Allgemeinen recht 
unregelmäßig sich hin und her schlängelnde Fäden, welche bald ihr 
Mark verlieren und sich sodann durch äußerst stark hervortretende 
Varicositäten auszeichnen (Fig. 5). Solcherart gelangen sie bis in die 
Nähe des Papillenzipfels. Hier werden sie in ihrem Verlaufe äußerst 
unregelmäßig. Nur selten gelingt es die eine oder die andere Faser, 
welche gerade besser hervortritt, eine weitere Strecke in die Epi- 
dermis hinein und eventuell bis zu den Enden, wenn ihrer mehrere 
sind, zu verfolgen. Überhaupt geschieht ein solches Verfolgen der 
einzelnen Fasern, falls es sonst möglich ist, nur bei ausgiebigster 
Verwendung der Mikrometerschraube, welche unausgesetzt hin und 
her gedreht werden muss. Die Fig. 3, welche diese Verhältnisse 
darstellen soll, ist dem Gesagten entsprechend, bei mehreren Fokal- 
distanzen gezeichnet worden. Es ist ein herrliches Bild, das sich 
dem Auge darbietet, wenn in einer solchen Papille recht viele Fasern 
vorhanden und diese wohl gefärbt sind. Man sieht dann einen förm- 
lichen Wald von blauen, wirr durch einander verlaufenden, stark 


440 Eugen Botezat, 


varicösen Fasern. In die Epidermis eingedrungen, zerfasern sie sich 
weiter und endigen in verschiedenen Höhen derselben bis an die 
Grenze des Stratum corneum mit oft recht stark entwickelten Ter- 
minalknöpfehen. Namentlich diese Endigungen sind es, welche auf 
mich den Eindruck gemacht haben als beständen sie aus aus einander. 
getretenen Primitivfibrillen, welche vollständig von Interfibrillärsub- 
stanz umhüllt, sich entweder sehr dicht an die Epidermiszellen an- 
lehnen, oder vielleicht gar ein wenig in das Innere derselben 
eindringen. Übrigens sind, wie ich schon oben bei den Tastmenisken 
erwähnt habe, diese Verhältnisse wegen ihrer äußersten Subtilität 
einer genauen Beobachtung nur sehr schwer zugänglich, und spielen 
dabei noch andere Umstände eine derartige Rolle, dass es wahr- 
scheinlich noch einer guten Zeit bedürfen wird, bis sie vollständig 
aufgeklärt sein werden. Vorläufig glaube ich mit Sicherheit erkannt 
zu haben, dass die Endigung dieser Nerven Knöpfchen sind, welche 
sich an die Epidermiszellen anlegen (Fig. 3 7%). 

Diesen Nerven entspricht bei Thieren mit glatten Gaumenleisten 
die Hauptmasse der nervösen Endverzweigungen, welche in die Leisten 
büschel- oder strauchförmig eindringen, um eben so wie die genann- 
ten zu enden. 

Endlich kann ich noch erwähnen, dass ich mehrmals einzelne, 
sich längs der Basalmembran hinziehende Fasern beobachtet habe, 
welche sich mehrmals theilten und so nicht weiter, oder nicht über 
die erste Zellenlage der Epidermis verfolgt verden konnten. Ob diese 
nun in ihrem weiteren Verlaufe durch den Schnitt unterbrochene 
Fasern sind, oder ob sie mit jenen Endigungen identifieirt werden kön- 
nen, welche Szymoxowi1cz (l. ec.) in der Schweineschnauze als »freie 
Endigungen an der Basalmembran« beschreibt, von denen er 
sagt, dass sie sich an jenen Stellen vorfinden, wo es keine oder 
nur wenige Tastmenisken giebt, dies vermag ich nicht zu beantwor- 
ten, muss jedoch bemerken, dass auch ich diese Nervenverzweigungen 
an solchen Stellen beobachtet habe, wo sich keine Tastmenisken 
vorfinden. Weitere Untersuchungen werden mich über die richtige 
Auffassung in dieser Richtung, wie ich erwarte, gewiss belehren. 

Damit wäre die Beschreibung der sensiblen Nervenendigungen 
im harten Gaumen der Hauskatze, mit denen im Wesentlichen auch 
die der übrigen Säugethiere übereinstimmen, erschöpft. Die Fasern, 
welche zu den Endigungen führen, entspringen alle denselben Ästchen, 
und dürfte daher in ihrer Funktion kein wesentlicher Unterschied be- 
stehen. Die Tastmenisken sind gewiss Apparate, welche auf Druck 


u 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 441 


reagiren, wofür, wie schon oben zu erwähnen Gelegenheit war, nament- 
lich auch ihre Lage spricht. Denken wir uns nämlich auf die Ober- 
fläche des Gaumens einen Druck ausgeübt, so wird sich dieser in den 
Höckern, da dieselben fast ausschließlich, wenn nicht etwas nach 
rückwärts gekrümmt (Fig. 6), so doch wenigstens am hinteren Ab- 
hange etwas steiler sind (Fig. 2), in etwas schiefer Richtung von 
vorn nach rückwärts fortpflanzen, so dass die Richtung desselben 
fast senkrecht auf die Breitseite der Tastzellen, respektive der Tast- 
menisken fallen wird. 

An dieser Stelle dürfte es am Platze sein, dass ich meine in der 
Tasthaararbeit enthaltene Vorstellung von der Wirkungsweise der 
Tastmenisken (l. e., p. 164) berichtige. Danach bewirkt jeder Druck 
in den Epithelzellen eine molekulare Verschiebung, welche, von Zelle 
zu Zelle fortschreitend, sich auf die Tastzellen überträgt. In diesen 
werden sie möglicherweise in Folge der stark körnigen Beschaffen- 
heit derselben verstärkt, wodurch die Enden der Fibrillen (Knöpf- 
chen) beziehungsweise die Elemente des korbartigen Geflechtes ge- 
reizt werden. 

Die zweite Art der Nervenendigungen, die Endigung in Termi- 
nalknöpfehen, dürfte sich in ihrer Funktion von der ersteren nicht 
wesentlich unterscheiden. Ein Unterschied besteht eben hauptsäch- 
lich in der »topographischen Lage«, wie sich schon MERKEL mit Be- 
zug auf alle sensiblen Nervenendigungen der Wirbelthiere ausspricht. 
Da die freien Endigungen recht tief in das Epithel hineinreichen, ja 
einzelne sogar bis an das Stratum corneum gelangen, dürften sie am 
meisten (hauptsächlich) für Temperatur- und wohl auch chemische 
Reize empfänglich sein, wobei sie natürlich auch den Druck zu perci- 
piren vermögen. 

Schließlich fühle ich mich sehr angenehm verpflichtet, Herım 
Professor Dr. CARL ZELINKA, in dessen Institute diese Untersuchungen 
durchgeführt wurden, und der mir in der zuvorkommendsten Weise zu 
jeder Zeit mit allen Hilfsmitteln des Institutes, sowie nicht minder 
in Bezug auf die Untersuchungen selbst mit Rath und That an die 
Hand ging, an dieser Stelle öffentlich meinen wärmsten Dank auszu- 
sprechen. 


Özernowitz, im August 1900. 


442 Eugen Botezat, 


Erklärung der Abbildungen, 


Alle Figuren sind nach Methylenblaupräparaten mit Hilfe der Camera 
lucida bei verschiedenen Fokaldistanzen und einer Tubuslänge von 160 mm ent- 
worfen worden. Die Nerven sind in denselben Farben dargestellt, in denen sie 
im Präparate erscheinen. : 


Es bedeuten durchwegs in den Figuren: 


c, Cutis; sc, Stratum corneum; 

Cp, Cutispapille im Gaumenhöcker; sm, Stratum Malpighii; 
cp, gewöhnliche Cutispapille; tf, Terminalfaser ; 

Ee, Epitheleinsenkung ; tk, Terminalknöpfchen; 
Hh, Haupthöcker; im, Tastmenisken; 

N, Nervenästchen; tmf, Tastmeniskenfasern; 
Nh, Nebenhöcker; tz, Tastzellen ; 


im + tz, Tastmenisken + Tastzellen. 


Tafel XXX. 


Fig. 1. Längsschnitt durch eine Gaumenleiste von Felis. Der Schnitt hat 
mehrere Nebenhöcker getroffen, und man sieht in einem jeden derselben die 
büschelförmig verzweigten Nervenfasern eindringen. Vergr. ZEıss, B, Oe. 1.' 

Fig. 2. Querschnitt durch eine Gaumenleiste der Katze, welcher eine Haupt- 
und eine Nebenpapille getroffen hat. «, vorn, r, rückwärts. Vom Nervenästchen 
(N) zweigen sich unterhalb des Nebenhöckers (links Nh) mehrere Fasern ab, 
von denen einige bei B zu den Tastzellengruppen (fz) führen, andere sich 
pinselförmig verzweigend in der Cutispapille (Cp) nach aufwärts verlaufen, an- 
dere sich in die Epitheleinsenkungen begeben, um in den tieferen Schichten des 
Epithels (£/) frei zu enden, schließlich andere sich durch die kleineren Cutis- 
papillen (cp) zum Epithel begeben. Endlich bemerkt man noch eine Faser (rechts) 
sich abzweigen, welche eine Strecke weit durch die Cutis, fast parallel zur 
Epithelgrenze, verfolgt werden kann. Rechts, unterhalb des Haupthöckers (ZA) 
sieht man, wie sich mehrere Fasern vom Ästehen (N) abzweigen, von denen 
sich drei in die große Cutispapille (Cp) hineinbegeben, andere bei C zur Tast- 
zellengruppe gelangen, von denen dann mehrere Fasern an der Basalmembran 
(nach rechts) weiter verlaufen, wo sie verschwinden. Vergr. ZEISS, B, Oec. 1. 


Tafel XXXI 

Fig. 3. 4A von Fig. 2 bei stärkerer Vergrößerung. Man sieht die sich viel- 
fach durch einander windenden stark varicösen Fasern, wie sie sich in das Epi- 
thel begeben, sich hier nach allen Richtungen ausbreiten und endlich in ver- 
schiedenen Höhen mit Terminalknöpfchen (tk) an den Epithelzellen endigen. 
Vergr. REICHERT, homog. Immers. 1,15” Apochrom., Oe. Zeıss 1. 

Fig. 4. B von Fig. 2 bei stärkerer Vergrößerung. Die beiden Epithel- 
einsenkungen sind bei zwei verschiedenen Einstellungen gezeichnet; es liegt daher 
in Wirklichkeit die eine höher, die andere tiefer. Die stark granulirte Masse 
(Tigroidkörner) der Tastzellen erscheint mit Methylenblau gefärbt. Man sieht, 
wie eine Nervenfaser auch mehrere T’astmenisken (tm) bildet. Rechts sieht man 


Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. 443 


von den Tastmenisken einzelne Fasern tiefer in das Epithel eindringen und hier 
mit Endknöpfehen an den Zellen desselben endigen. Das zu oberst gelegene 
Terminalknöpfehen (2%) dürfte nicht einer Meniskenfaser entstammen. Vergr. 
ZEISss D, Oc. 3. 

Fig. 5. C von Fig. 2 bei stärkerer Vergrößerung. Eine Epitheleinsenkung 
mit Tastmenisken und den stark granulirten MERKEL’schen Tastzellen. Vergr. 
REICHERT, Apochrom. 1,15”, homog. Immers., Oc. Zeıss 1. 

Fig. 6. Querschnitt durch eine Gaumenleiste von Felis. Die Figur zeigt 
bloß eine nach rückwärts geknickte Nebenpapille (Nebenhöcker) des vorderen 
Abhanges der Leiste. vo, vorn, r, rückwärts. Man sieht sowohl vorn als auch 
rückwärts an der Basis der Cutispapille (C’p) in den Epitheleinsenkungen Gruppen 
von Tastzellen mit Tastmenisken, welche auch hier eine regelmäßige Anordnung 
zeigen, so dass ein von vorn oben nach rückwärts unten gerichteter Druck die 
Breitseite derselben treffen würde. Außerdem sieht man die sich vielfach ver- 
schlingenden Nervenfasern, von denen sich einige zu den Tastmenisken, die 
meisten aber in die Cutispapille (Cp) begeben. Vergr. ZEıss B, Oe. 3. 

Fig. 7. B von Fig. 2 bei noch stärkerer Vergrößerung. Man sieht wie die 
stark granulirten Tastzellen von einem mehr oder minder korbartigen Geflecht 
von stark varicösen Fasern, in denen die zuführenden Nerven übergehen, um- 
geben werden. Rechts und links sieht man, wie dieses Geflecht schwächer und 
mehr einseitig ausgebildet ist. Vergr. WINKEL, homog. Immers. 1,5mm, Apochrom. 
1,35, Fluor-Syst., Oc. 3. 


Kleinere histologische Mittheilungen. 
Von 
R. S. Bergh 


(Kopenhagen). 


Mit Tafel XXXII und XXXIL. 


I. Zur Histologie der Larve von Aulastoma. 


In meiner Habilitationsschrift! (1885) wurde es versucht, eine 
Schilderung des Baues der Aulastomen-Larve sowie der allge- 
meinsten Entwicklung des Blutegels in derselben zu geben. Während 
die Organogenese seitdem namentlich durch die Arbeiten von BÜRGER? 
hochgradig gefördert wurde, scheint sich um den feineren Bau der 
Larve in der verflossenen Zeit Niemand gekümmert zu haben nur; 
über den Bau der nahverwandten Nephelis-Larve hat FILATow’° 
eine kurze Mittheilung gegeben. Als ich in den zwei letzten Sommern 
wieder Gelegenheit hatte, zahlreiche Aulastomen-Larven zu unter- 
suchen, gelang es mir, einige von mir früher gemachte Fehler — 
die übrigens den wesentlichen Inhalt meiner früheren Arbeit kaum 
berühren — zu berichtigen und außerdem verschiedenes Neue hin- 
zuzufügen. | 

In den eitirten Arbeiten stellte ich u. A. fest, dass die Epider- 
mis der Blutegel-Larven (Aulastoma, Nephelis) eine vergängliche 
Bildung ist, und dass die Epidermis des erwachsenen Thieres sich 
innerhalb jener aus der äußersten Schicht der »Rumpfkeime« (Keim- 
streifen der Autoren) und der »Kopfkeime« (Scheitelplatte der Autoren) 


1 Die Metamorphose von Aulastoma gulo. Arbeiten aus dem zool.-zoot. 
Inst. Würzburg. Bd. VII. 1885. p. 231 ff. — Vgl. auch: Über die Metamorphose 
von Nephelis. Diese Zeitschr. Bd. XLI. 1885. p. 284. 

2 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Zool. Jahrb. Abth. 
für Anat. und Ontog. Bd. IV. 1891. p. 607 ff. — Neue Beiträge zur Entwicklungs- 
geschichte der Hirudineen. Diese Zeitschr. Bd. LVIUI. 189. p. 440 ft. 

3 Einige Beobachtungen über die Entwicklungsvorgänge von Nephelis vul- 
garis. Zool. Anz. 1898. p. 645 ff. 


2 Ze 


Kleinere histologische Mittheilungen. 445 


entwickelt. Diese Darstellung wurde in autoritativer und ironischer 
‘Weise von C. RABL! für unrichtig erklärt, jedoch, wie dieser Autor 
zweifellos heute selbst bereitwillig wird zugeben müssen, auf Grund 
höchst oberflächlicher Untersuchung und wohl noch mehr auf Grund 
einer ganz dogmatischen Annahme; diejenigen Forscher, die sich 
eingehender mit der Sache beschäftigten (KLEINENBERG?, BÜRGER, 
Fırarow), konnten meine Darstellung nur bestätigen. 

Den Bau der Larvenepidermis schilderte ich damals in folgen- 
den Worten: »Die Epidermis oder das primitive Ektoderm, welche 
die allseitige, nur durch die Mundöffnung unterbrochene Begrenzungs- 
schicht des Körpers bildet, ist ein einfaches Plattenepithel, bestehend 
aus sehr platten Zellen, deren gegenseitige Begrenzungen nicht sicht- 
bar sind und nur durch ihre in verschiedener Entfernung von ein- 
ander gelegene Kerne sich kund geben« (l. c. p. 236). Ich nahm also an, 
dass jedem Kern eine Zelle entspreche, und — da sehr zahlreiche, 


kleine Kerne vorhanden sind — dass die Larvenepidermis solcher- 


maßen aus sehr vielen kleinen Zellen aufgebaut sei. In der That 
verhält es sich nun damit, wie Silberreaktionen zeigen, ganz anders. 

Durch jede (gewöhnliche oder verfeinerte) Silberbehandlung lässt 
sich nämlich leicht die überraschende Thatsache nachweisen, dass die 
primitive Epidermis aus verhältnismäßig ganz wenigen, außerordent- 
lich großen Zellen besteht. Die in ihren Grenzen hervortretenden, 
breiten Silberlinien treten so scharf hervor, dass sie schon bei ge- 
wöhnlicher Lupenvergrößerung unter dem Präparirmikroskop erkenn- 
bar sind. In Fig. 1 ist eine ganze Larve mit Schlund, Keimstreifen 
und durch Silber markirten Zellen der primitiven Epidermis dargestellt 
(die Urnieren sind nicht eingezeichnet). Bei einer solchen 2—5 mm 
langen Larve sind nur etwa 30 solche Zellen als Bestandtheile der 
primitiven Epidermis vorhanden; nur um den Schlundeingang finden 
sich noch zwei Kränze kleinere Zellen (Figg. 2—3), jeder aus drei bis 
fünf Zellen bestehend. Die großen Zellen sind zum größten Theil lang- 
gestreckt, so dass ihre längste Dimension etwa mit der längsten 
Dimension der Larve zusammenfällt; bei Betrachtung der Bauchseite 
sieht man, dass dieselben hier eine Länge von zwei Dritteln (oder 
noch mehr) des ganzen Keimstreifens erreichen können (Figg. 1—2). 
Es ist beachtenswerth, dass die jungen (embryonalen) Zellen des 
’Keimstreifens sowie der »Kopfkeime«, so lange sie noch nicht in 


! Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrb. Bd. XV. 1889. p. 196. 
? Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. Diese 
Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. p. 129. j 


446 R. S. Bergh, 


epithelartiger Weise ausgebildet sind, keine Silberlinien als Grenzen 
unter sich erkennen lassen; erst wenn die Bildung der neuen, defini- 
tiven Epidermis aus Keimstreifen und Kopfkeimen bis zu einem ge- 
wissen Punkt vorgeschritten ist, lässt sich durch Silber auch hier 
eine deutliche Mosaik nachweisen (Fig. 4), und die Rolle der Larven- 
epidermis hat dann in den betreffenden Regionen ihr Ende genommen: 
in der Fig. 4 sind die Zellgrenzen nur bis an die Mosaik der Kopf- 
keime, nicht (wie in früheren Stadien) über dieselbe hinweg zu 
verfolgen, und ganz eben so verhalten sie sich dem Keimstreifen 
gegenüber; mitunter sieht man die Grenzlinien der larvalen Epidermis- 
zellen über dem hinteren, nicht aber über dem vorderen, weiter 
differenzirten Theil des Keimstreifens. Es macht entschieden den 
Eindruck, dass eine Sprengung und ein Auseinandergehen der großen 
Zellen stattfindet, wenn die definitive Epidermis sich als solche aus- 
bildet. 

Nachdem es gelungen war, die Zellgrenzen der larvalen Epider- 
mis durch Silber darzustellen, versuchte ich auch, dieselben durch 
Maceration zu isoliren, und zwar gelang auch dies ohne irgend welche 
Schwierigkeit durch einstündige Behandlung mit sehr verdünnter 
Essigsäure oder mit einem Gemisch von 3—4 Theilen 30°/,igen Alko- 
hols und 1 Theil 2°/,iger Essigsäure. Saugt man bloß Larven aus 
diesen Flüssigkeiten in eine Pipette auf, so fällt die Epidermis in große, 
längliche, äußerst dünne Platten aus einander (die Untersuchung ist 
in der Macerationsflüssigkeit, nicht in Wasser vorzunehmen). 

Diese großen Zellen der Larvenepidermis sind mehrkernig; sie 
enthalten in späteren Stadien sogar ganz außerordentlich zahlreiche, 
kleine Kerne. Es geht dies schon aus einem Vergleich mit meiner 
älteren Arbeit hervor, in der ich in der Larvenepidermis sehr zahl- 
reiche, kleine Kerne dargestellt habe; ich habe außerdem die That- 
sache von Neuem bestätigt. Zugleich kann ich aber hinzufügen, dass 
die Vermehrung dieser Kerne in früheren Stadien durch Amitose 
stattfindet. Schon in Fig. 8 und in Fig. 14 meiner früheren Arbeit 
ist die paarweise Anordnung vieler der Kerne ersichtlich. Ich kon- 
statirte wieder diese Erscheinung und fand, dass in der That in 
früheren Stadien biskuitförmige Einschnürung sowohl des Nucleus 
wie des Nucleolus öfters auftritt (Fig. 5); nicht ein einziges Mal 
ließ sich in der Larvenepidermis eine Mitose nachweisen. Die Ge- 
sammtheit dieser Befunde lässt sich wohl kaum in anderer Weise 
deuten, als dass Vermehrung der Kerne durch Amitose ohne nach- 
folgende Zelltheilung stattfindet, und ist dieses Ergebnis in guter 


Kleinere histologische Mittheilungen. 447 


Übereinstimmung mit vielen Befunden anderer Forscher an ähn- 
lichen vergänglichen Bildungen (z. B. BLocHmann’s! an der Embryonal- 
hülle des Skorpions). / 

Ich habe in meiner früheren Schrift den Fehler begangen, zwei 
Arten von Muskelfasern zu beschreiben, während es in der That nur 
eine Art giebt (die gröbere Art). Der Grund hierfür — eben so wie 
dafür, dass die äußeren Mündungen der Urnieren damals von mir 
nicht aufgefunden wurden (vgl. weiter unten) — liegt darin, dass 
ich fast ausschließlich gefärbte Präparate in Kanadabalsam unter- 
suchte, und keine nähere Untersuchung in Wasser vornahm, somit 
in der That keine gründliche Untersuchung der Strukturen anstellte. 
Das, was ich damals als Längsmuskelfasern (und vom Hinterende 
ausstrahlende Fasern) auffasste, sind nun thatsächlich nichts Anderes 
als parallel laufende Leisten der primitiven Epidermis. Dass es sich 
nicht um Muskelfasern handelt, geht aus folgenden Umständen her- 
vor: 1) die betreffenden Bildungen sind keineswegs scharf umgrenzt; 
namentlich sind ihre Enden mehr oder weniger verwischt; 2) sie 
lassen sich durch Maceration nie isolirt darstellen (im Gegensatz zu 
den echten Muskelfasern); 3) der optische Querschnitt derselben zeigt 
(Fig. 7), dass sie der Epidermis angehörig sind und weiter nichts 
als leistenartige Erhebungen derselben darstellen; 4) sie haben (auch 
im Gegensatz zu den wirklichen Muskelfasern) keine Spur von 
Muskelstruktur (fibrillärer Struktur) aufzuweisen. — Während die 
Kerne in den glatten Partien der Larvenepidermis rund sind, er- 
weisen sie sich (Fig. 6) in den gefalteten (leistenartig erhobenen) 
Regionen als länglich: man sieht oft in jeder der Parallelleisten eine 
srößere Anzahl solcher länglicher, hinter einander gereihter Kerne. 

Wie früher von mir erwähnt, kommen die derzeit als Längs- 
muskelfasern gedeuteten Parallelleisten der Epidermis in topographisch 
recht bestimmter Anordnung vor. Worin der Grund dafür liegt, dass 
die Epidermis gerade an diesen bestimmten Stellen (entlang der 
Mittellinie des Rückens, um die Mundöffnung, zu beiden Seiten des 
vorderen Theils des Keimstreifens und am Hinterende der Larve) so 
gefaltet erscheint, das vermag ich nicht zu sagen. 

Die echten Muskelfasern erscheinen als langgestreckte, mit- 
unter verzweigte Zellen mit einfachem, großem, bläschenförmigem, 
rundlichem oder ovalem Kern und Kernkörperchen. Sie lassen eine 
sehr deutliche Scheidung in Protoplasma und kontraktile Substanz 


1 Über direkte Kerntheilung in der Embryonalhülle der Skorpione. Morphol. 
Jahrb. Bd. X. 1885. p. 480 ff. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 30 


448 R. S. Bergh, 


erkennen; namentlich an in der oben angegebenen Weise angefertig- 
ten Isolationspräparaten tritt der Gegensatz scharf hervor. Die blasse 
kontraktile Substanz ist deutlich fibrillär und liegt als breites, ab- 
seplattetes Band der Larvenepidermis unmittelbar an; an der Innen- 
seite derselben (an der von der Epidermis entfernten Seite) findet 
sich die dunkle, körnige Zellensubstanz (Protoplasma), welche den 
Kern enthält. Diese Substanz besitzt gewöhnlich nicht dieselbe 
Breite wie das kontraktile Band, sondern ist viel schmäler. Sie er- 
streckt sich auch bis gegen die Enden der Faser, ist aber um den 
Kern am reichlichsten vorhanden (Fig. 8 a—c). Diese Muskelzellen 
mit ihrer einseitig gelegenen kontraktilen Substanz erweisen sich 
also ihrem histologischen Charakter nach einem anderen (dem sog. 
nematoiden) Typus angehörig als die definitiven, »röhrenförmigen« 
Muskelzellen der Hirudineen. 

Es finden sich nicht nur solche Muskelfasern als Hautmuskulatur, 
der Epidermis dicht angelagert, sondern es giebt auch noch eine 
nicht ganz geringe Anzahl von (verzweigten) Muskelfasern, die mit 
ihren Enden einerseits der Haut, andererseits dem Darm inserirt 
sind. Sie wurden früher von mir übersehen. 

Schließlich habe ich noch über die Urnieren zu berichten. Ich 
habe früher ihre erste Entstehung verfolgt und dabei festgestellt, dass 
dieselben nicht, wie man früher meinte, durch Zusammentreten zer- 
streuter Zellen entstehen, sondern dass sie als Zellstränge seitlich aus 
dem Keimstreifen hervorsprossen, am freien Ende anschwellen, sich 
vom Keimstreifen ablösen und schließlich fast im ganzen Umkreis aus 
zwei Reihen von Zellen gebildete Ringe darstellen. Während die 
Zellen in früheren Stadien deutlich von einander abgegrenzt sind, 
werden ihre Grenzen, kurz nachdem die (intracelluläre) Kanalbildung 
angefangen hat, undeutlich und dies steigert sich bis zur völligen 
Unkenntlichkeit. Durch Untersuchung mittels der Silbermethode — 
als Reagens wurde ein Gemisch von 1°/,iger Salpetersäure und 
1°/,iger Höllensteinlösung zu gleichen Theilen verwandt — lassen 
sich nun aber in dem voll entwickelten Organ in dem größeren 
Kanal (Hauptkanal) die Zellgrenzen sehr leicht darstellen. Sehr auf- 
fallend ist es, dass es mir nicht ein einziges Mal gelang, die Zell- 
srenzen in dem kleineren Kanal (Nebenkanal) nachzuweisen; es ist 
dieses Verhalten vielleicht analog demjehigen, dass es mir in den 
sroßen Segmentalorganen der Lumbrieiden überall gelang, die Zell- 
srenzen durch Silber darzustellen, nie dagegen in den kleinen Or- 
ganen bei den »Limikolen.« — Die in den Zellgrenzen im Haupt- 


JE Zee 


Kleinere histologische Mittheilungen. 449 


kanal der Urnieren liegenden Silberlinien (Fig. 9 a—c) erscheinen 
als sehr stark buchtige Ringe, und hat also hier jede Zelle die Form 
einer ziemlich dünnwandigen, nach beiden Enden scharf abgegrenzten 
Röhre; etwa in der Mitte jeder Zelle liegt ein ansehnlicher, bläschen- 
förmiger Kern mit Kernkörperchen. 

In meiner früheren Darstellung bin ich in denselben Fehler wie 
RogBın und BürscHLı für Nephelis verfallen, nämlich die Mündungen 
der Urnieren zu übersehen, was um so mehr bedauernswerth ist, 
als schon LEUCKART! für Ziirudo (und FÜRBRINGER für Nephelıs) 
sie richtig angegeben hatte. Nach einfacher Untersuchung in Wasser 
kann ich nicht nur die Existenz der Öffnungen bestätigen, sondern 
auch verschiedenes Detail über sie angeben. Die Mündung findet 
sich immer an der medialen Seite der ringförmigen Urniere am Ende 
eines kurzen Endkanals, der immer aus zwei nicht ganz deutlich 
von einander unterschiedenen Zellen besteht. Auffallenderweise ragt 
dieser Endkanal an den zwei vordersten Urnieren jeder Seite fast 
immer in das Innere des Ringes hinein, wogegen er an den zwei 
hinteren Paaren gewöhnlich außerhalb des Ringes vorspringt (ganz 
konstant ist diese nicht, sondern es kann z. B. an der zweiten Urniere 
der Endkanal nach außen, an der dritten nach innen vorspringen; 
doch sind das Ausnahmefälle). Zum besseren Verständnis dieser Ver- 
hältnisse habe ich in Figg. 14 und 16 zwei jugendliche Urnieren 
abgebildet; die jüngere (Fig. 14) gehört dem dritten Paar; die Kanäle 
sind noch nicht aufgetreten; der außen vorragende Zellstrang (in 
Fig. 15 noch einreihig) ist die Anlage der Mündungsröhre (des End- 
stücks). Fig. 16 gehört dem ersten Paare an; diese Urniere ist be- 
deutend älter: die Kanäle sind aufgetreten, aber noch nicht als 
‘ Haupt- und Nebenkanal unterschieden. Die in das Innere vor- 
springende Röhre ist die Mündungsröhre, und zwar sind schon die 
zwei großen, hblassen Endzellen mit ihren Kernen deutlich unter- 
scheidbar. 

An dem vollkommen ausgebildeten Endstück lassen sich immer 
die zwei großen Kerne und Kernkörperchen unterscheiden; ihre Lage 
kann übrigens etwas verschieden sein, bald näher, bald ferner von 
der äußeren Mündung (Figg. 17 und 18). Das Protoplasma dieser 
Zellen ist sehr eigenthümlicher Weise in zahlreiche, feine, zugespitzt 
endigende, körnige, pseudopodienähnliche Gebilde ausgezogen, welche 
sich innerhalb der larvalen Epidermis ausbreiten (Fig. 17 a). Mit- 


1 Die menschlichen Parasiten. 1863. Bd. I. p. 697—698. 
30* 


450 R. S. Bergh, 


unter finden sie sich an den Seitenrändern der ganzen Mündungs- 
röhre, in anderen Fällen (d, c) nur in der Nähe der äußeren Mündung; 
nur in ganz vereinzelten Fällen vermochte ich sie gar nicht zu finden. 
Was diese Erscheinung zu bedeuten hat, lässt sich zur Zeit mit 
Sicherheit nicht sagen; doch dürfte es wahrscheinlich sein, dass hier 
ein Haftapparat vorliegt, mittels dessen die Urniere an die Epidermis 
befestigt ist. In ihrem ganzen Umkreis liegt die Urniere sonst ganz 
frei, und kann man oft Stücke derselben in der primitiven Leibes- 
höhle hin- und herschwingen sehen, wenn die Larve sich kräftig 
kontrahirt; nur an der Mündungsröhre ist sie festgeheftet, und wäre 
es desshalb wohl möglich, dass die pseudopodienartigen Gebilde zur 
Befestigung dienen. In einem jüngeren Stadium (Fig. 17 d), in 
welchem die Kanäle noch nicht ganz ausgebildet waren, sah ich ein- 
mal den Anfang der Bildung dieser Protoplasma-Ausläufer: dieselben 
waren hier ganz kurz und wenig zahlreich. 

In welcher Weise mündet die Urniere nach außen? Ist die 
Mündung von den zwei eben erwähnten Zellen der Mündungsröhre 
oder von den großen Zellen der Larvenepidermis direkt umgrenzt? 
Um diese Frage zu entscheiden, mussten wieder Silberreaktionen an- 
gestellt werden. Die in dieser Weise erhaltenen Bilder sind zwar 
etwas variabel, lassen aber doch das Gemeinsame der Erscheinung 
keineswegs erkennen (Fig. 18 a—:). Die Urnierenmündungen können 
an der Grenze von zwei großen Epidermiszellen gelegen sein; weit 
häufiger bricht aber die Mündungsröhre in einer einzelnen Epidermis- 
zelle mitten darin oder nahe am Rand durch, und zwar erstrecken 
sich immer beide Zellen der Mündungsröhre in die Epidermis hin- 
aus; hier ist auch ihre gegenseitige Begrenzung sehr deutlich, wo- 
gegen ich sie in dem tieferen Theil der Mündungsröhre auch durch 
Silber nicht habe abgrenzen können. Die durch Silber ganz aus- 
gefüllte (geschwärzte) Öffnung liegt mitunter mitten zwischen der- 
selben, sehr häufig aber auch ganz am Rand, an dem einen Ende 
der Trennungslinie. Die Lage der Kerne in Relation zu den Silber- 
linien ist auch recht variabel; meistens sind die in die Epidermis 
hinaus sich erstreckenden Platten der Zellen der Mündungsröhre un- 
sleich an Größe, wie aus den Figuren ersichtlich. 

Es läge vielleicht nahe zu vermuthen, dass sich die Mündungs- 
röhre aus dem Stiel herleitet, mittels dessen die Urniere ursprüng- 
lich mit dem Keimstreifen in Verbindung steht. : Die jüngeren Stadien, 
die in Figg. 10—13 dargestellt sind, geben jedoch hierüber keinen 
entscheidenden Aufschluss, und es ist recht schwer, einen solchen zu 


Kleinere histologische Mittheilungen. 451 


erhalten, da die Bilder verschiedener junger Urnieren sehr variabel 
sind, und es nicht wohl möglich ist, eine und dieselbe Urniere wäh- 
rend ihrer Entwicklung längere Zeit hindurch zu beobachten. — In 
Fig. 16 ist der ganze Verlauf des Urnierenkanals in einem jugend- 
lichen Stadium erkennbar: man sieht sowohl den blinden Anfang wie 
die äußere Mündung. Haupt- und Nebenkanal sind hier noch nicht 
von einander schärfer unterschieden; später, in der voll ausgebildeten 
Urniere, zeigt der Nebenkanal oft kurze, blind endigende Ver- 
zweigungen (Fig. 19); der Hauptkanal zeigt manchmal perlschnur- 
artige Anschwellungen, die oft so stark von einander abgeschnürt 
sind, dass es den Eindruck vortäuscht, als seien dieselben gar nicht 
mit einander in offener Verbindung. — Wie schon von LEUCKART 
angegeben, kommt bei den Hirudineen Flimmerung in keinem Theil 
der Urniere vor. 


Il. Darstellung der Zellgrenzen in den Segmentalorganen 
der Lumbriciden. 


Bekanntlich bestehen die Segmentalorgane der Lumbrieiden zum 
srößten Theil aus »durchbohrten« Zellen; das Lumen ist also intra- 
cellulär. Nur am Trichter an der inneren Mündung findet sich ein 
echtes Flimmerepithel, und in der kontraktilen Endblase ist das 
Lumen intercellulär. Außerdem sind in dem weitaus größten Theil 
der Röhre keine Zellgrenzen sichtbar, und wird die Sache gewöhn- 
licher Weise so dargestellt, als seien die Zellgrenzen während ihrer 
Entwicklung verschwunden. So bemerkt noch in diesem Jahre 
VEIDOVSKY!, dass »saus dem normalen Epithel (der Endblase) jene 
Zustände entstehen, wo die Zellgrenzen verschwinden und die Kerne 
in einer gemeinschaftlichen Protoplasmaschicht eingebettet erscheinen«. 
Und BEnHAm?, der eine sehr eingehende Untersuchung der Segmen- 
talorgane anstellte, fand die Zellgrenzen nur in ganz einzelnen Thei- 
len, vermisste sie aber im Trichterkanal, in der ganzen engen Röhre 
des Schlingentheils und in der Endblase; es ist dies um so auffallen- 
der, als er mittels Silberreaktionen die Zellgrenzen im Peritoneal- 
epithel der Segmentalorgane darstellte: dabei blieben ihm aber die 
so äußerst charakteristischen Silberlinien der Drüsenzellen in diesen 


1 Noch ein Wort über die Entwicklung der Nephridien. Diese Zeitschr. 
Bd. LXVI. 1900. p. 252. 

” The Nephridium of Lumbrieus and its Blood-supply; with Remarks on 
the Nephridia in other Chaetopoda. Quart. journ. of mier. se. Vol. XXXII. 
NS.) 1891. p. 315. 


452 R. S. Bergh, 


Organen selbst unbekannt. Und so viel mir bekannt, hat auch sonst 
Niemand diese Zellgrenzen gefunden. 

Es lässt sich nun in jedem einzelnen Theil der Segmentalorgane 
der verschiedenen Regenwurmarten (Zumbricus herculeus, Allolobo- 
phora foetida, Allolobophora turgida ete.) die Abgrenzung der Zellen 
durch Silberbehandlung mit größter Deutlichkeit nachweisen; nur thut 
man am besten, die Lösungen nicht zu kurz einwirken zu lassen. 
Schon ganz gewöhnliche Höllensteinbehandlung ergiebt manchmal 
hübsche Bilder; noch besser wirkte aber die von mir für die Unter- 
suchung der Blutgefäße vielfach angewandte Mischung von 1°/,iger 
Salpetersäure und 1°,,iger Höllensteinlösung zu gleichen Theilen (bei 
fehlendem Sonnenlicht kann die Reduktion in Alkohol mit einem 
schwachen Zusatz von Ameisensäure vorgenommen werden; auch das 
FıscHer’sche Silber- Ameisensäuregemisch lässt sich benutzen. Bei 
Anwendung dieser Untersuchungsmethoden ergiebt sich Folgendes. 

An der Trichteröffnung präsentiren sich sehr schön die Grenzen 
der großen ceylindrischen Flimmerepithelzellen als ziemlich gerade 
Linien; an der Dorsalseite des Organs kommen außerdem die sehr 
unregelmäßig gebuchteten Begrenzungslinien der Peritonealzellen zum 
Vorschein (Fig. 20). — In der vom Trichter entspringenden, kurzen, 
geraden Röhre stehen die Zellen wie in Fig. 21 dargestellt: es sind 
im Querschnitt meistens zwei Zellen vorhanden, die mit buchtigen 
Begrenzungslinien an einander stoßen (nur zwei seitlich gelegene 
Kerne sind dargestellt; die übrigen lagen oben oder unten). Sobald 
aber dieser Kanal in die enge Röhre des Schlingentheils übergeht, 
ändern sich die Verhältnisse. Wir finden hier die bekannten ring- 
oder röhrenförmigen Zellen; aber die bisher vermissten Grenzlinien 
derselben sind überall im hohen Grade komplieirt, es sind Ringe, 
die mächtige Aus- und Einbuchtungen aufweisen. In Fig. 22—24 
ist eine Reihe von Bildern aus den verschiedenen Regionen der Röhre 
dargestellt. Fig. 22 stellt ein kurzes Stück der engen Röhre in der 
Schlinge F (BenHam), Fig. 23 ein Stück der »Ampulle« (BENHAM) 
dar; in letzterer sind die Zellgrenzen geradezu labyrinthisch gewun- 
den. In Fig. 244—b sieht man die Zellgrenzen in drei von den vier 
Röhren in der Schlinge G (BEnHAMm); die eine der engen Röhren hat 
einen sehr gewundenen Verlauf, und dem entsprechend stehen die 
ringförmigen, buchtigen Silberlinien bald in dieser, bald in jener 
Richtung; in den beiden anderen Röhren stehen sie mehr senkrecht 
zur Längsachse. Endlich in Fig. 25 sind vier Zellen mit ihren Grenz- 
linien von der frei verlaufenden weiten Röhre dargestellt, welche zur 


Kleinere histologische Mittheilungen. 453 


kontraktilen Endblase hinführt; in diesen Zellen sind auch die Kerne 
deutlich sichtbar. 

In der Endblase findet sich ein echtes Epithel, bestehend aus 
sehr großen, abgeplatteten Zellen. Ihre Grenzlinien lassen sich durch 
Silber leicht darstellen (Fig. 264; zum Vergleich sind in Fig. 265 
bei derselben Vergrößerung die Zellgrenzeu des Peritonealepithels 
abgebildet). Bei genauerer Betrachtung der Silberlinien im Epithel 
der Endblase sieht man, dass dieselben doppelt sind: eine stärkere 
und eine schwächere Linie begleiten sich immer (Fig. 26c). Es könnte 
diese Beobachtung die Vermuthung nahe legen, dass hier nicht nur 
am freien, sondern auch am basalen Rand der gegenseitigen Be- 
gsrenzung der Zellen eine Substanz vorhanden ist, die auf das Silber 
reducirend wirkt (an den Flimmerzellen des Trichters ist sehr deut- 
lich zu sehen, dass die Silberlinien am freien Rand der ziemlich an- 
sehnlichen Zwischenräume der Zellen befindlich sind). 

Es ist mir eine im höchsten Grade auffallende Thatsache ge- 
wesen, dass, während die Silberreaktion an den großen Segmental- 
organen der Lumbrieiden immer ganz leicht gelang, es mir nie und 
nimmer gelingen wollte, die Zellgrenzen in den kleinen Segmental- 
organen der »Limikolen« deutlich zu machen. Zahlreiche: Versuche 
mit den oben angegebenen Methoden wurden angestellt an Nass, 
Chaetogaster, Tubificiden, Enchytraeiden; doch war nie ein sicherer, 
positiver Erfolg zu verzeichnen. Ein einziges Mal sah ich bei einer 
Tubifieide an einem einzigen Segmentalorgan ziemlich einfache Ring- 
linien, die möglicherweise Zellgrenzen sein konnten; aber auf einen 
so vereinzelten Befund unter so zahlreichen Versuchen kann ich kein 
rechtes Gewicht legen. 


Kopenhagen, September 1900. 


Nachtrag, 


Herr Professor EHLERS hat die Freundlichkeit gehabt, mich auf 
eine soeben erschienene Arbeit von BORIS SUKATSCHOFF! aufmerksam 
zu machen, die mir zur Zeit, wo ich die obige Abhandlung nieder- 
schrieb, noch unbekannt geblieben war. Nach Einsicht derselben 


1 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. I. Diese Zeitschr. 
Bd. LXVI. 4. Heft. 1900. p. 618 ff. 


454 R. S. Bergh, 


konstatire ich die höchst erfreuliche, sehr weitgehende Übereinstimmung 
in den Ergebnissen von SUKATSCHOFF und von mir in Bezug auf die 
Urnieren der Blutegel, und zwar dies sowohl in Bezug auf Beob- 
achtung wie auf Deutung und Theorie. 

SUKATSCHOFF hat die äußere Mündung der Urniere sowohl von 
Nephelis wie von Aulastoma beobachtet und seine Beschreibung der 
»Mündungsschleife«, namentlich der »Endblase« — ich schließe mich 
mit Vergnügen seiner Terminologie an — entspricht genau der meini- 
sen. Die Zusammensetzung der Endblase aus zwei Zellen und die 
feinen, pseudopodienartigen Ausläufer ihres Protoplasmas schildert 
und zeichnet er genau; auch sieht er in denselben ganz eben so wie 
ich einen Befestigungsapparat. Er hat solche Ausläufer auch sonst 
stellenweise an den das Organ zusammensetzenden Zellen gefunden 
und hegt desshalb Zweifel an der Richtigkeit meiner früheren An- 
gabe, dass »besonders der vordere Schenkel (der Urniere) hin und her 
schwingen kann«. Diese Beobachtung, die ich öfters an lebenden 
Larven in physiologischer Kochsalzlösung angestellt habe, ist indessen 
zweifellos richtig, und es handelt sich dabei nicht um kleine, son- 
dern um ganz große, schon bei ganz schwacher Vergrößerung deut- 
liche Schwingungen, die übrigens rein passiver Natur sind: durch 
die Körperkontraktionen hervorgerufen. Eben so, wenn SUKATSCHOFF 
noch einen kleinen Zweifel hegt, ob Flimmerung (welche er selbst 
niemals beobachten konnte) doch nicht in den Hirudineen-Urnieren 
vorkommt, so kann ich die Existenz derselben bestimmt in Abrede 
stellen. Mitunter gelang es mir, lebende Larven unter Deckglas und 
unter dem Objektiv D von Zeiss zu beobachten, und richtete ich 
meine Aufmerksamkeit besonders auf den blinden Anfang des Kanals; 
aber nie sah ich die Spur von Flimmerbewegung. 

Darin, dass Anastomosen zwischen Anfangs- und Mündungs- 
schleife nicht vorkommen, darin bin ich ganz mit SUKATSCHOFF 
einverstanden. — Die Variation in der Lage der Endblase — außerhalb 
oder innerhalb des Ringes — giebt SUKATSCHOFF auch an; nur hat er 
den von mir erkannten, ziemlich regelmäßigen Unterschied zwischen 
vorderen und hinteren Urnieren nicht erkannt, und dieser Unterschied 
erklärt eben seine Angabe, dass »in dieser Hinsicht die Endblasen 
jedes Urnierenpaares fast immer gleich sich verhalten«. Silberversuche 
hat er keine angestellt; dagegen hat er die Mündung auch an Schnitten 
nachweisen können (was ich unterlassen habe). 

Erfreulich ist es mir, dass SUKATSCHOFF meine Ableitung der 
Urnieren der Blutegel von denen anderer Anneliden ganz annimmt: 


Kur ye>ı 


Kleinere histologische Mittheilungen. 455 


sie wurde bisher fast gänzlich unbeachtet. SUKATSCHOFF führt in 
dieser Beziehung interessante Befunde von Verbindungen zweier Ur- 
nieren bei Nephelis an. 

Schließlich sei nur noch bemerkt, dass aus der Fig. 6 von 
SUKATSCHOFF hervorgeht, dass er die Amitose in der Larvenhaut 
gesehen hat. Die Zusammensetzung dieser aus großen, vielkernigen 
Zellen scheint er aber nicht erkannt zu haben. 


Kopenhagen, den 25. September 1900. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XXXII. 


Fig. 1. Larve von Aulastoma, versilbert, mit Epidermiszellen, Schlund, 
Keimstreifen, von der rechten Seite. Unter dem Präparirmikroskop gezeichnet. 

Fig. 2. Vorderer Theil der Bauchwand einer eben solchen Larve, nach Ver- 
silberung, stärker vergrößert (Zeıss AA, Oe. 1). 

Fig. 3. Vorderer Theil der Bauchwand einer etwas älteren Larve, bei 
derselben Behandlung und Vergrößerung. 

Fig. 4. Vorderer Theil der Rückenwand einer etwas älteren Larve mit den 
sroßen Zellen der Larvenepidermis und der kleinzelligen Mosaik der definitiven, 
aus den Kopfkeimen entwickelten Epidermis. Dieselbe Behandlung und Ver- 
gsrößerung. 

Fig. 5. Stück einer Epidermiszelle nach Essigsäure-Alkohol-Maceration. 
Man sieht die zu zweien gruppirten Kerne und einige Amitosen. ZEISS F, Oc. 1. 

Fig. 6. Stück von der leistenartig erhobenen Larvenepidermis und Muskel- 
fasern bei derselben Behandlung und Vergrößerung. 

Fig. 7. Optischer Querschnitt eines Stückes Larvenepidermis und anliegen- 
der Muskelfasern. Dieselbe Behandlung und Vergrößerung. 

Fig. Sa—c. Muskelfasern der Aulastoma-Larve nach Essigsäure-Maceration 
(F, Oc. 1). a, von der Fläche, 5, von der Seite, e, optischer Querschnitt. 

Fig. 9a—c. Stücke vom Hauptkanal der Urnieren, versilbert (AgNO3+HNO;). 
Die Silberlinien finden sich dieht am Lumen. F, Oe. 1. 

Figg. 10—16. Entwicklungsstadien von Urnieren. F, Ve. 1. Salpetersäure- 
Alkohol; Alaunkarmin. Figg. 10, 13, 14 gehören dem dritten, Figg. 11 und 15 
dem zweiten, Fig. 16 dem ersten Paar an, über Fig. 12 fehlen mir diesbezüg- 
liche Notizen. 

Fig. 17a—c. Miündungsstücke erwachsener Urnieren mit der iußeren Öff- 
nung (a und 5 mit den angrenzenden Theilen der Urniere). Salpetersäure-Alko- 
hol, Alaunkarmin. F, Oe. 1. 

Fig. 17d. Mündungsstück einer etwas jüngeren Urniere mit anfangender 
Bildung von Ausläufern. Dieselbe Behandlung und Vergrößerung. 


456 R. S. Bergh, Kleinere histologische Mittheilungen. 


Tafel XXXIII. 


Fig. 18a—. Mündungen von Urnieren mit den Mündungszellen, versilbert. 
In Fig. 18: läuft die Grenze zwischen larvalen Epidermiszellen dicht an der 
Mündung vorüber; in Fig. 15% in ziemlicher Nähe; sonst lagen die abgebildeten 
Öffnungen (mit den zwei Mündungszellen) mitten in einer Epidermiszelle drin 
(vgl. übrigens den Text). F, Oe. 1. 

Fig. 19. Haupt- und Nebenkanal einer noch nicht ganz ausgewachsenen 
Urniere. Der Nebenkanal weist blinde Verzweigungen auf. Salpetersäure-Alko 
hol, Alaunkarmin. F, Oe. 1. 

Fig. 20. Wimper- und Peritonealzellen des Trichters eines Segmental- 
organs von Lumbricus herculeus, versilbert, von der Rückenseite. D, Oec. 1. 

Fig. 21. Stück von dem engen, hinter dem Trichter folgenden, geraden 
Kanal, versilbert (AgNO3 + HNO;3). F, Oe. 1. 

Fig. 22. Stück der engen Röhre in der Schlinge F, versilbert. F, Oe. 1. 

Fig. 23. Stück der Ampulle; gewöhnliche Silberbehandlung. F, Oe. 1. 

Fig. 24a—b. Stücke von der Schlinge G, versilbert (AgNO; + HNO;). F, 
Öe. 1. Nur die drei Röhren sind angegeben. 

Fig. 25. Stück der frei verlaufenden, nach der Endblase hinführenden 
weiten Röhre. Dieselbe Behandlung und Vergrößerung. 

Fig. 26@. Inneres Epithel der Endblase, versilbert (AgNO;+ HNO;). .D,Oe.1. 

Fig. 265. Peritonealepithel der Endblase bei derselben Behandlung und 
Vergrößerung. 

Fig. 26c. Die Silberlinien im (inneren) Epithel der Endblase bei stärkerer 
Vergrößerung (F, Oe. 1). 


Über die erste Entwicklung der Krähe 
(Corvus frugilegus). 


Von 


Professor Paul Mitrophanow 
in Warschau. 


Mit Tafel XXXIV u. XXXV und 3 Figuren im Text. 


In der Einleitung zu meinen »Beobachtungen ! über die erste 
Entwicklung der Vögel« habe ich darauf hingedeutet, dass die ver- 
sleichenden Angaben von der größten Wichtigkeit für die Lösung 
meiner damaligen Aufgabe waren, welche in der Bestimmung des 
normalen Verlaufs der ersten Entwicklung der Vögel und deren 
wesentlichen Elemente bestand (l. e. p. 158 u. p. 197). Nach dem 
ursprünglichen Plan der erwähnten Arbeit sollten diese vergleichen- 
den Angaben ein besonderes Kapitel derselben bilden, da jedoch 
die endgültige Bearbeitung des letzteren die Erscheinung der ganzen 
Arbeit verspäten konnte, so habe ich beschlossen (l. ec. p. 239) die 
betreffenden Beobachtungen separat zu veröffentlichen. Der nach- 
stehende Artikel stellt einen Theil dieser Beobachtungen dar. 

Das sich auf die Entwicklung der Krähe beziehende Material 
habe ich noch im Jahre 1895 und hauptsächlich im Jahre 1894 in 
Bessarabien gesammelt und endlich im Jahre 1599 ergänzt. 

Vorläufig hatte ich schon seit langer Zeit die ersten Entwick- 
lungsstadien studirt, konnte aber in Folge anderer Beschäftigungen 
sogar die wichtigsten von meinen Beobachtungen bis jetzt nicht ver- 
öffentlichen, obgleich ich schon öfters darauf hingedeutet habe. In 
den nächsten Zeilen spreche ich hauptsächlich von denjenigen meiner 
Beobachtungen, welche mir theilweise als Grundlage bei der Um- 


! Anatomische Hefte, herausgegeben von FR. MERKEL und R. BonnET. 
Heft 39. 1899. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 31 


458 Paul Mitrophanow, 


arbeitung der primitiven Vorgänge in der Entwicklung der Vögel 
sedient haben. 

Was die Methode der Forschung betrifft, so gleicht sie im All- 
gemeinen derjenigen, welche ich vor Kurzem veröffentlicht habe 
(l. ec. p. 197); trotz der langen Zeit hat sich das ganze Material in 
allen Hinsichten ausgezeichnet erhalten. 


1) Das früheste von den von mir erlangten Entwicklungsstadien 
bietet die Keimscheibe, welche längs der Längenachse etwas aus- 
gedehnt war (im Glycerin, vor dem Einschließen in Kanadabalsam, 
hatte die Keimscheibe, natürlich ungefähr, Ausmessungen von 1,8 und 
1,5 mm; auf den Schnitten hatte der Längsdurchmesser nur 1,5 mm). 
Diese Keimscheibe bot ein Blastoderm, dessen noch von Dotter- 
elementen überfüllte Zellen in ihrem mittleren Theile zwischen ein- 
ander intercellulare Gänge und Spalten bilden, indem sie sich im 
Ganzen in ein kompaktes Polster anhäufen. 

Es sondern sich etwas nur diejenigen Zellen ab, welche auf der 
Oberfläche liegen; die ganze Keimscheibe ist in den Dotter eingepresst 
(Taf. XXXIV, Fig. 1) und ihre größte Dicke erreicht etwa '/; mm. Der 
auf dem Schnitte rechte Rand der Keimscheibe ist etwas dünner als 
der andere, welcher an Dotterkermen reich ist; letzterer muss augen- 
scheinlich als der hintere anerkannt werden. Von der subgermi- 
nalen Höhle kann noch keine Rede sein, doch sondern sich auf der 
ganzen Ausdehnung die Elemente des Blastoderms ganz deutlich vom 
Dotter ab; die obenerwähnten intercellularen Räume, welche noch in 
allen Richtungen von intercellularen Brücken durchkreuzt werden, 
bieten augenscheinlich die rudimentäre Furchungshöhle. 

2) Eine andere Keimscheibe derselben Größe (1,5 mm in allen 
Richtungen, auf den Schnitten), welche von außen keine Differen- 
zirung bot, äußerte den inneren Kennzeichen nach eine höhere Ent- 
wicklungsstufe; nämlich: die Absonderung der Ränder ist deut- 
licher, wobei der hintere bedeutend dieker (etwa 85 u) als der vor- 
dere (etwa 60 u) ist; im mittleren Theile war die Keimscheibe etwa 
45—50 u diek und bedeckte die klar abgesonderte subgerminale 
Höhle, welche mit einförmiger, auf den Schnitten geronnener und 
schwach gefärbter Flüssigkeit gefüllt ist; auf der Grenze mit dem 
Epithelium befinden sich in dieser Flüssigkeit helle Vacuolen 
(Taf. XXXIV, Figg. 2 und 3). Die oberflächliche Schicht des Blasto- 
derms hat einen epithelialen Charakter erworben, und stellenweise 
bemerkt man darin Einstülpungen, denen ich aber keine morpho- 


ze 


£ 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus). 459 


logische Bedeutung zuerkenne; wahrscheinlich sind dieselben als 


Falten in Folge der Elastieität der Dotterhaut entstanden. Viel 


wichtiger ist hier der Umstand, dass näher zum hinteren Rande 
das Ektoderm .als selbständige Schicht sich abzusondern anfängt 
(Taf. XXXIV, Fig. 3); es erscheint auf diese Weise eine sekundäre 
Furchungshöhle, welche unten von den Elementen des Dotteren- 
toderms begrenzt wird; letzteres liegt auf der übrigen Strecke locker 
neben der oberen Schicht, ohne sich von derselben abzusondern, 
und bildet gleichzeitig eine Decke der subgerminalen Höhle (Taf. XXXIV, 
Figsg. 2 und 5). Es ist bemerkenswerth, dass die Elemente dieser 
Keimscheibe verhältnismäßig an Dotterkernen sehr arm sind. Dieser 
Umstand, sowohl wie die starke, aber frühzeitige Entwicklung der 
subgerminalen Höhle deuten darauf hin, dass in diesem Falle der 
Keim, dessen allgemeines Wachsthum aufgehört hat, eine bedeutendere 
Komplikation der inneren Organisation bietet, als man es auf dieser 
Entwicklungsstufe gewöhnlich beobachtet: im Verhältnis zu der all- 
gemeinen morphologischen Differenzirung, ist die histologische sicht- 
bar vorausgeschritten. 

3) Unmittelbar nach der ersten Keimscheibe folgt, dem Charakter 
der histologischen Komplikation nach, eine von regelmäßigen Um- 
rissen, welche von außen keine sichtbare Differenzirung, außer einem 
helleren Flecken bietet, der im Centrum durchschimmert, in einer 
Richtung etwas ausgedehnt ist und als ein Kennzeichen der Richtung 
bei der Vorbereitung von Längssehnitten gedient hat. Aus den 
mittleren Schnitten ist es klar, dass die Keimscheibe einen Durch- 
messer von etwas weniger als 2 mm hatte; der erwähnte helle 
Flecken entsprach augenscheinlich der subgerminalen Höhle, welche 
sich zu bilden begann, und folglich entsprach die Richtung der Schnitte 
in der That der Längsachse, was durch den Unterschied im Bau der 
Ränder der Keimscheibe vorn und hinten vollständig bestätigt wird 
(Taf. XXXIV, Fig. 4); die Dieke des ersten beträgt etwa 60 u, die 
des zweiten über 9 u. Der histologische Charakter der Zellen- 
elemente ist primitiv, sie sind ungleichmäßig groß, die Dotterkörner 
überfüllen sie; die intercellularen Räume sind nur in der Mitte der 
Keimscheibe auf der Grenze der subgerminalen Höhle etwas sicht- 
bar. Ein Theil der Elemente erscheint hier in Gestalt von Dotter- 
kugeln abgesondert, welche im Allgemeinen sich plattenartig an- 
ordnen. Diese Platte trennt auf diese Weise die subgerminale Höhle 
von der sekundären Furchungshöhle und bildet später das sogenannte 
Dotterentoderm. Die äußere Zellenschieht der Keimscheibe ist von 

31* 


460 Paul Mitrophanow, 


den übrigen wenig abgesondert und hat noch nicht den Charakter 
des eylindrischen Epitheliums. 

4) Die weitere Differenzirung findet gleichzeitig mit dem Wachs- 
thum der Keimscheibe statt, welches augenscheinlich von einer ge- 
ringen Ausdehnung der letzteren in die Länge begleitet wird; so 
kann man wenigstens auf Grund des Studiums folgender Präparate 
schließen. Die ovoidförmige Keimscheibe war etwas über 2 mm (in 
Schnitten) lang; der hintere Rand wurde durch den größeren Dotter- 
inhalt bestimmt. Aus den Längsschnitten ist es klar (Taf. XXXIV, 
Fig. 5), erstens, dass die subgerminale Höhle unter dem ganzen 
mittleren Theile der Keimscheibe in Form einer engen Spalte abge- 
sondert ist; im Centrum berührt das Dotterentoderm unmittelbar den 
Dotter; zweitens, dass die Zellen von der Oberfläche sich als eine 
selbständige Schicht abgesondert haben, wobei sich zwischen der- 
selben und dem Dotterentoderm eine Höhle gebildet hat (Taf. XXXIV, 
Fig. 5 a), welche auf dem Schnitte wie eine ziemlich breite und be- 
stimmt begrenzte Spalte aussieht. Diese Höhle (sekundäre Furchungs- 
höhle) sammt der subgerminalen sondern den mittleren Theil der 
Keimscheibe als hellen Fruchthof ab und den Rand als den dunk- 


len Fruchthof, welcher, wie auf den vorhergehenden Präparaten, . 


vorn dünner als hinten ist (etwa 100 « und 140 u). Der histo- 
logische Charakter der Elemente hat sich verhältnismäßig wenig 
verändert; dieselben sind eben so wie früher an Dotterkörnern reich; 
dessenungeachtet muss die oberflächliche Schicht unzweifelhaft schon 
als selbständiges Ektoderm betrachtet werden, dessen Elemente theil- 
weise, besonders in der Mitte, den Dotter verlieren und einen typi- 
schen eylinderartigen Charakter erwerben; hier erreicht das Ektoderm 
seine größte Dieke (44 u), während es in den Rändern doppelt dünner 
ist. Wenn man dieses Präparat mit den vorhergehenden vergleicht, 
kann man daraus schließen, dass die Absonderung des Ektoderms, 
als einer selbständigen Schicht, in den centralen Theilen der Keim- 
scheibe beginnt und allmählich zur Peripherie fortschreitet; hier und 
da sieht man darunter Elemente des Dotterentoderms, theilweise in 
schwacher Verbindung mit dem ersteren, als Überbleibsel der früheren 
Verhältnisse. 

5) Wenn man nach dem Studium in toto beurtheilt, bietet auch 
denselben Charakter die im Längsdurchmesser 2,5 mm betragende 
Keimscheibe (der Querdurchmesser ist etwas kleiner, gegen 2,25 mm); 
die mittlere Verdiekung des Ektoderms sowohl, wie sein hinterer 
Rand, konnte bei diesen Bedingungen ganz genau bestimmt werden. 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus). 461 


6) Das nächste Entwieklungsstadium bietet eine Keimscheibe mit 
regelmäßigem kreisförmigem Umriss, von 2,25 mm im Durchmesser. 
Die sekundäre Furchungshöhle (und damit auch der helle Fruchthof) 
hat sieh etwas vergrößert und etwa 1 mm im Durchmesser erreicht; 
dabei ist jedoch eine große Veränderung im histologischen Charakter 
hauptsächlich der ektodermalen Elemente eingetreten, welche größten- 
theils dem eylinderförmigen Epithelium ähnlich geworden sind. Der 
vordere Rand des dunklen Fruchthofes ist etwa 0,40 mm, der hintere 
etwa 0,55 mm breit und bedeutend dicker als der vordere; seine 
srößte Dieke beträgt 100 « und die des vorderen S0—70 u, wobei 
der letztere, außer in der obersten Schicht, an Dotterkörnchen sehr 
reich ist. Der hintere Rand dagegen besteht in bedeutendem Maße 
aus dotterlosen Elementen; daraus bildet sich eine Art Polster, 
welches sich nicht scharf vom Dotterentoderm absondert; letzteres 
bietet über der subgerminalen Höhle eine ununterbrochene Platte. 
Obgleich dieses Polster in diesem Falle als der am meisten diffe- 
renzirte Theil der Keimscheibe erscheint, hat es in der ferneren Ent- 
wicklung keine morphologische Bedeutung; indem es den hinteren 
Rand des Blastoderms darstellt, weleher die Furchungshöhle begrenzt, 
hat es augenscheinlich seinen Charakter in Folge besonderer Be- 
dingungen der Theilung des Eies und der Bildung der Höhle selbst 
erhalten. Das abgesonderte Ektoderm ist am meisten am mittleren 
Theile entwickelt und erreicht das Maximum seiner Dicke (34 u) auf 
dem mittleren Längsschnitte in einer Entfernung von 0,2 mm vom 
vorderen Rande des hellen Fruchthofes; in derselben Entfernung vom 
hinteren Rande beträgt seine Dicke nur 20 u. Die Zellen des Ekto- 
derms, welches sich von den niedriger liegenden Zellen vollständig 
abgesondert hat, sind von Dotterelementen noch nicht ganz frei. 

7) Die weitere Absonderung und Differenzirung des Ektoderms 
sehen wir auf der Keimscheibe, welche beim vorläufigen Studium 
folgende Ausmessungen gegeben hat: 2,7” mm Länge und 2,4 mm 
Breite; im Kanadabalsam veränderten sich diese Ziffern in 2,4 und 
2,1 mm. Beim Studiren des Flächenpräparates (Taf. XXXIV, Fig. 6) 
konnte man den Rahmen des dunklen Fruchthofes (hinten 0,75 mm 
Breite) und den hellen Fruchthof (1,2 mm Länge) mit der stärker 
gefärbten mittleren Verdiekung unterscheiden. Die Querschnitte zeigten, 
dass diese im ÜÖentrum des hellen Fruchthofes klar ausgedrückte 
Verdiekung (40 u) ihre größte Stärke näher zum hinteren Rande er- 
reicht (69 u); auf der Grenze des dunklen Fruchthofes übertrifft das 
Ektoderm nicht 20 u (Taf. XXXIV, Fig. 7). An dieser Stelle haben seine 


469 Paul Mitrophanow, 


Zellen einen ceylinderartigen Charakter, während dieselben in der 
Verdickung zusammengehäuft sind; überhaupt sind sie gänzlich ohne 
Dotterkörner. Die untere Oberfläche des Ektoderms ist ungleich- 
mäßig; stellenweise bemerkt man darin Auswüchse nach der Seite 
dies Dotterektoderms hin, welches über der, mit gerinnender, sich 
einförmig härtender und etwas vacuolisirter Flüssigkeit gefüllten sub- 
serminalen Höhle eine Platte bildet. 

8) Die Verdiekung in der Form, welche auf dem vorhergehenden 
Präparat beschrieben ist, bildet für diese Entwicklungsstufe eine Aus- 


nahme. Eine andere ähnliche Keimscheibe, welehe die Umrisse eines 


Kreises mit einem Durchmesser von 2,4 mm hatte und beim Studiren 
in toto auch klar die Zerlegung in den hellen und den dunklen 
Fruchthof zeigte (Taf. XXXIV, Fig. 8), hatte auf den Längsschnitten 
folgende Struktur: die sekundäre Furchungshöhle und die subger- 
minale sondern sich klar im Gebiete des hellen Fruchthofes ab. Der 
dunkle Fruchthof ist hinten 0,56 mm breit bei einer Dieke von 120 u, 
vorn 0,4 mm bei einer Dieke von 9 u. Das Ektoderm ist im centralen 
Theile bis 45 u verdickt, verdünnt sich aber in der Nähe des dunklen 
Fruchthofes bis auf 17 u (Taf. XXXIV, Fig. 9). Dem histologischen 
Charakter nach nähert sich diese Keimscheibe der sechsten (in der 
Reihenfolge der Beschreibung); auch sind die Elemente des Ekto- 
derms von den Dotterkörnern noch nicht ganz frei. In der Struktur 
des dunklen Fruchthofes beobachtet man entgegengesetzte Verhältnisse ; 
der vordere Rand nämlich enthält trotz seiner geringeren Dieke weniger 
Dotterelemente und seine Zellen werden in Form eines Polsters ins 
Dotter eingedrückt. Augenscheinlich bietet folglich im oben angege- 
benen Falle die überwiegende histologische Differenzirung des hin- 
teren Randes keinen speciellen Charakter. Wesentlichere Kompli- 
kationen im Ektoderm beobachtet man auf folgendem Präparate: 

9) Die Keimscheibe (Taf. XXXIV, Fig. 10) hat eine ausgedehnte 
Form (die Durchmesser sind von 2 und 2,5 mm); der helle Fruchthof 
ist nicht scharf abgesondert; das Dotterentoderm ist von einem Rande 
und in der Mitte ausgefallen (Taf. XXXV, Fig. 1), und in Folge dessen 
ist die ektodermale Verdiekung auch beim Studiren in toto bestimmt 
hervorgetreten. An einer Stelle desselben, gerade in der Mitte, ist 
ein Inselchen kaum sichtbar (Taf. XXXIV, Fig. 10 p), in welchem man 
eine Art Einstülpung beobachtete. Die Längsschnitte erwiesen, dass 
die Keimscheibe selbst die Umrisse eines Kreises hatte, und dass die 
Ausdehnung ihres Randes an einer Seite ihren Ursprung dem an- 
geklebten Dotter verdankt (Taf. XXXIV, Figg. 10 und 11 »). Die 


ea 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus). 463 


Dicke des Ektoderms längs den Rändern des hellen Fruchthofes be- 
trägt etwa 25 u; in dessen Mitte etwa 45 u, im Gebiete des er- 
wähnten Inselchens bis 60 «u, wobei man im letzteren von der 
Oberfläche wirklich eine schwache Einstülpung beobachten kann 
(Taf. XXXIV, Fig. 12). Augenscheinlich bietet dieses Inselchen die 
dem Primitivstreifen oder richtiger, dem Primitivknoten ent- 
sprechende Differenzirung. Den ferneren Ausdruck dieser Differen- 
zirung, nur in etwas anderer Form, finden wir auf dem Präparate, 
welches erst nicht ganz normal zu sein schien. 

10) Die Keimscheibe von runden Umrissen hatte einen Durch- 
messer von fast 3,5 mm; der helle Fruchthof betrug etwa 1,5 mm; 
er trat scharf im Rahmen des dunklen Fruchthofes hervor und bot 
klar die ektodermale Verdiekung dar, welche vorn von einem dunklen 
Streifen (Taf. XXXV, Fig. 2), an den Seiten von einer Falte scharf 
begrenzt ist; an ihrem hinteren Rande sah man ein Inselchen 
(Taf. XXXIV, Fig. 15 p), welches, wie es sich aus den Längs- 
schnitten erwies, ausschließlich dem Ektoderm gehört und hier un- 
zweifelhaft den Primitivknoten ausdrückt. 

Nach den Flächenausmessungen zu urtheilen schien es, dass 
dieses Inselehen sich am vorderen Rande des hellen Fruchthofes 
befinde, da an dieser Seite die Breite des dunklen Fruchthofes 
etwa 0,9 mm betrug; an der entgegengesetzten Seite erreichte die- 
selbe 1,1 mm; jedoch die Struktur des dunklen Fruchthofes auf den 
Schnitten und der Vergleich mit dergleichen Präparaten auf einer 
späteren Entwicklungsstufe ließen keinen Zweifel hinsichtlich der 
wirklichen Lage dieser Bildung. 

Der obenerwähnte dunkle Streifen vor der ektodermalen Ver- 
diekung verdankt seinen Ursprung den Veränderungen im Dotteren- 
toderm, welche auf späteren Entwicklungsstufen die Bildung der 
primitiven Dottergefäße verursachen. Die Dicke des Ektoderms 
längs den Rändern des hellen Fruchthofes beträgt etwa 17 «u, im 
srößten Theile der mittleren Verdiekung etwa 30 u, erreicht jedoch 
im Knoten 80 u und etwas mehr (Taf. XXXIV, Fig. 14). Indem 
dieser Knoten eine Bildung bietet, welche dem Primitivknoten der 
Säugethiere oder dem Primitivstreifen anderer Vögel gänzlich ent- 
spricht, zeigt er in diesem Falle keine weiteren Komplikationen. 
Es wird sich später erweisen, in wie fern derselbe für die Krähe als 
beständige Bildung erscheint, jedenfalls kann man glauben, indem 
man nach seinem Charakter und dem Umstande urtheilt, dass er 
nicht einzeln vorkommt, sondern schon auf einigen Präparaten be- 


464 Paul Mitrophanow. 


obachtet wurde!, dass wir es nicht mit einer einfachen Monstrosität 
zu thun haben. Vielleicht entwickelte er sich nur bei besonderen 
Bedingungen, da im Gegensatz zum normalen der dunkle Fruchthof 
auf diesem Präparate vorn breiter als hinten ist. 

Zwischen dem soeben beschriebenen Präparate und den anderen 
von mir studirten ist kein Übergang in der erwünschten Reihen- 
folge der Komplikationen. Unzweifelhaft haben wir das volle Recht, 
in den oben beschriebenen Veränderungen des Ektoderms Vorbe- 
reitungsvorgänge zu erkennen, welche dem Erscheinen des Primitiv- 
streifens vorangehen. Wenn man nach den Veränderungen urtheilt, 
welche wir von der Hühnerkeimscheibe beschrieben haben, ist dieses 
Erscheinen (l. ec. p. 221) mit der Verlängerung des hellen Frucht- 
hofes an der Seite seines hinteren Endes verbunden; bei der Krähe 
haben wir die ersten Zeichen dieser Verlängerung nicht bemerkt, wir 
hatten bis jetzt zur Verfügung nur Keimscheiben mit einem hinten 
bedeutend ausgedehnten hellen Fruchthofe, was auch mit dem be- 
deutenderen Umfange derselben und der sichtbar vorangeschrittenen 
inneren Differenzirung übereinstimmte. 

11) Die ganze Keimscheibe, von nicht vollständig regelmäßigen 
Umrissen, hatte im Durchmesser etwa 5 mm; der helle Fruchthof ohne 
scharfe Grenzen (Taf. XXXIV, Fig. 15) war in die Länge ausgedehnt 
(2,3 mm), vorn erweitert (1,5 mm). Nach der allgemeinen Form des 
hellen Fruchthofes zu urtheilen, hatte sich hinten sein Auswuchs 
kaum gebildet, doch die innere Differenzirung weist auf die sich hier 
äußernden speciellen Komplikationen hin (Taf. XXXV, Fig. 5). In 
einer Entfernung von 0,2 mm von der vorderen Grenze des hellen 
Fruchthofes tritt die scheibenartige ektodermale Verdiekung hervor, 
welche einen Durchmesser von 1,1 mm hat und fast den ganzen 
vorderen Theil des hellen Fruchthofes einnimmt. Von ihrem Centrum 
dehnt sich in der Schwanzrichtung der Primitivstreifen, im Ganzen 
auf einer Strecke von 1,5 mm und 0,75 mm hinter den Grenzen der 
mittleren Verdickung; es fehlen ihm 0,5 mm, um die hintere Grenze 
des hellen Fruchthofes zu erreichen, und vorn ist er klarer aus- 
gedrückt, als am hinteren Ende. 

Die Querschnitte dieser Keimscheibe zeigten, erstens, dass auf 
der ganzen Strecke das Dotterentoderm die Verdickung des Ekto- 
derms eng berührt. Längs dem Rande, wo die Dicke des Ektoderms 
20—30 u beträgt, ist diese Schicht histologisch noch scharf ab- 


! Dergleichen Präparate hat in der letzten Zeit in meinem Laboratorium 
und aus meinem Material Herr Tur gemacht. 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus). 469 


gesondert, da sie in Folge der Vaeuolisirung der Elemente auf den 
Schnitten einen schaumigen Charakter besitzt. Näher dem Centrum, 
ungefähr auf dem halben Radius der mittleren Verdiekung, unter dem 
Ektoderm und dasselbe eng berührend, beobachtet man schon eine 
Schicht des Mesoderms; seinerseits berührt dieses in Form einer 
dünnen Platte das Dotter- 
entoderm. Auf diese Weise 
bildet sich aus allen drei 
Schichten eine ununter- 
brochene Platte, welche 
ım Centrum der Keim- eg Be C 


scheibe 90 u Dicke er- Textfig. 1. 


reicht: es ist schwer die Querschnitt durch die Keimscheibe der Fig. 15, Taf. XXXIV, 

2 e ca. 100mal vergr. Die Lage des Schnittes ist auf der genann- 
Grenzen zwischen den ten Figur angezeigt. Z.p, Primitivrinne; ec, Ektoderm; m, Meso- 
SI ° N E derm; en, Entoderm; c, spaltförmige Räume zwischen Ekto- 
Schichten zu bemerken en. 


und nur im Gebiete der 

Primitivrinne, welche am vorderen Ende des Primitivstreifens kaum 
ausgesprochen ist, im Centrum der ektodermalen Verdiekung, zwi- 
schen dem kompakten Ektoderm und dem loseren Mesoderm kann 
man spaltenartige Höhlen sehen (Textfig. 1 c). Die Einstülpung 
von der Oberfläche, welche der Primitivrinne entspricht, ist nur auf 
einigen Schnitten gut sichtbar; die unteren ektodermalen Elemente 
gehen hier in den Mesodermkeim ohne scharfe Grenze über; die Dicke 
des umgebenden Ektoderms bestimmt man an dieser Stelle mit 
etwa 50 u. 

Im hinteren Theile der mittleren Verdiekung beobachtet man 
zwischen den Keimschichten dieselben Verhältnisse, wie unmittelbar 
vor der Primitivrinne; d. h. die Grenzen zwischen ihnen sind so 
schwach ausgedrückt, dass man das 
Vorhandensein nur einer kompak- 
ten Zellenplatte annehmen kann; das- 
selbe kann man auch vom Theile des | 
Primitivstreifens hinter den Grenzen BB 
der mittleren Verdiekung sagen; Textfig. 2. 
kleine Höhlen bestimmen übrigens (Querschnitt durch den hinteren Theil des Primi- 

5 tivstreifens der Fig. 15, Taf. XXXIV, ca. 100mal 
hier und da genauer die untere yergr. e, ektodermale Verdickung; en, Entoderm. 
Grenze des Ektoderms; hinsichtlich 
des hintersten Endes des Primitivstreifens kann man nur von einer ekto- 
dermalen: Verdickung in seiner ganzen Breite sprechen, welche unten 
ein Blatt des Dotterentoderms berührt (Textfig. 2). Auf Grund der 


466 Paul Mitrophanow, 


angeführten Beschreibung stelle ich mir in folgender Weise die Ent- 
stehung dieser Keimscheibe vor: in normaler Weise fand erst die Ab- 
sonderung des hellen Fruchthofes und darin die Erscheinung der mittleren 
Verdickung statt; letztere, welche augenscheinlich den Primitivknoten 
nicht ausgesondert hatte, erhielt eine gleichmäßig große Entwicklung 
auf ihrer ganzen Ausdehnung; aus ihrer Mitte hat sich ein verhältnis- 
mäßig breiter Primitivstreifen differenzirt, welcher nach hinten, hinter 
den Grenzen der mittleren Verdickung gewachsen ist und die in ihm vor- 
handenen primitiven Verhältnisse erhalten hat. Diese Verhältnisse sind 
aber folgender Art: das verdiekte Ektoderm berührt unten das blatt- 
förmige Dotterentoderm; in der Folge, bei der Bildung der Einstülpung 
der Primitivrinne, ist der sich an dieser Stelle vom Ektoderm ab- 
sondernde Mesodermkeim zwischen das Ektoderm und das Dotteren- 
toderm eingedrungen, und dieselben Beziehungen haben sich rings- 
um verbreitet, wesshalb man alle drei Schichten auch außerhalb 
der Primitivrinne beobachtet. Letztere hat, wie gezeigt, eine un- 
bedeutende Ausdehnung; jedoch deutet die Lage der Elemente im 
srößten Theil des Primitivstreifens darauf, dass ihre Erscheinung da- 
selbst vorbereitet war; das Mesoderm nämlich sondert sich im Ge- 
biete des Primitivstreifens in zwei Streifen ab, so dass, wenngleich 
hier sich keine rinnenartige Einstülpung an der Oberfläche vorfindet, 
der ganze Primitivstreifen doch auf den Schnitten aus zwei Theilen 
bestehend erscheint, welche durch eine schwache Einstülpung seitens 
des Dotterentoderms schwach getrennt sind. Dadurch erklärt man 
sich bei der Beobachtung in toto die Umrisse des Primitivstreifens, 
welche doppelt erscheinen (Taf. XXXV, Fig. 3). 

Die ansehnliche Entwicklung des Mesoderms und die enge Be- 
rührung aller drei Keimschichten bieten eine besondere Erschei- 
nung für diese Entwicklungsstufe; nach der allgemeinen Größe der 
Keimscheibe zu urtheilen, kann man hier ein gewisses Hindernis 
in der inneren Entwicklung des hellen Fruchthofes annehmen; doch 
davon abgesehen hat sich hier der primitive Charakter der Kompli- 
kationen, welche auf die Bildung der mittleren Verdickung fol- 
sen und zur Bildung der Primitivrinne führen, klar genug be- 
stimmt. Augenscheinlich erscheint hier als Ausgangspunkt dieser 
Komplikationen die mittlere Verdickung des Ektoderms und augen- 
scheinlich richten sich diese auch vom Centrum zur Peripherie, an- 
fangs in der Schwanzrichtung; die am meisten verwickelten Be- 
ziehungen, als die der Herkunft nach die frühesten, beobachtet man 
am vorderen Ende des Primitivstreifens; die einfachsten, als die ihrer 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus). 467 


Erscheinung nach die spätesten, in seinem hinteren Theile. Die 
Veränderungen in der Form des hellen Fruchthofes entsprechen voll- 
ständig dem dargestellten Charakter der inneren Komplikationen; auf 
diese Weise kann das Präparat, welches wir beschreiben, ohne große 
Schwierigkeiten als ein natürlicher Übergang von den primitiven 
Komplikationen zu der klar ausgesprochenen Primitivrinne betrachtet 
werden, wie wir es auf den folgenden Präparaten sehen werden. 

12) Die Keimscheibe entsprach ungefähr der Größe nach dem 
Alter der vorhergehenden; der helle Fruchthof war 2,25 mm lang. 
Das Präparat wurde skizzirt (Taf. XXXIV, Fig. 16) und dann in 
Längsschnitte zerlegt. Beim Studiren desselben in toto trat im 
birnenförmigen hellen Fruchthofe, den größten Theil desselben ein- 
nehmend, die mittlere ektodermale Verdiekung hervor, welche vorn 
von einer Falte begrenzt ist, und hinten zwischen zwei Blasen ein- 
dringt, die sich zwischen dem Ektoderm und dem Dotterentoderm 
(Taf. XXXIV, Fig. 16 ves) gebildet haben, wie es zuweilen auf 
dieser Entwicklungsstufe auch in Hühnerkeimscheiben vorkommt!. 
In der Mitte der Verdickung beobachtete man auf einer kurzen 
Strecke die Primitivrinne, in einer Entfernung von 1 mm von der 
vorderen Grenze des hellen Fruchthofes. 

Die Längsschnitte, welche unter einem sehr kleinen Winkel zu 
der Hauptachse des Keimes gemacht worden waren, zeigten, dass 
im gegenwärtigen Falle schon alle drei Keimblätter vorhanden sind, 
aber in etwas anderen Verhältnissen als auf dem vorhergehenden 
Präparate; außer an einigen Punkten, von denen ferner die Rede sein 
wird, sind sie alle von einander abgesondert. Das Ektoderm, welches 
im Centrum, neben der Primitivrinne 45 u erreicht, ist auf der 
ganzen Ausdehnung von den Grenzen des hellen Fruchthofes frei 
und steht in Verbindung mit dem Mesoderm nur auf dem Boden der 
Primitivrinne (Taf. XXXIV, Fig. 17 7.p) und vielleicht noch längs 
der mittleren Linie hinter derselben. Das Mesoderm, welches im 
Allgemeinen ziemlich bedeutend ist, dringt hinten zwischen den oben- 
erwähnten Blasen ein, dehnt sich unter der ganzen ektodermalen 
Verdickung aus, nimmt vor der Primitivrinne die Chordaanlage in sich 
auf und fließt längs den Rändern mit dem Dotterentoderm zusammen, 
welches auch im Gebiete des Primitivstreifens eng daran liegt. 

Im Vergleiche zu dem vorhergehenden Präparate bietet das, 


1 P. MITROPHANOW, Teratogenetische Studien. III. Archiv f. Entwicklungs- 
mechanik. X. 1900. Taf. II, Fig. 3. 


468 Paul Mitrophanow, 


welches wir jetzt beschreiben, einen höheren Grad der Entwicklung, 
welches sich in der bestimmteren Form des hellen Fruchthofes, in der 
schärfer ausgedrückten Primitivrinne und in der Chordaanlage aus- 
gedrückt hat. Die zwei letzteren Bildungen, welche den Anfang der 
weiteren morphologischen Differenzirung bieten, stammen gleichzeitig 
aus der Mitte des hellen Fruchthofes. 

15) Fast auf derselben Entwicklungsstufe befindet sich das auf 
Fig. 4, Taf. XXXV (Textfig. 3), dargestellte und in Querschnitte zerlegte 
Präparat. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt etwa 5,5 mm; 

der ausgedehnte helle Frucht- 

DENT hof hat 2,5 mm in der größeren 
es en 0x7 und 1,5 mm in der kleineren 
Bee ı Sr Ausmessung. Im Centrum der 
mittleren Verdiekung trat deut- 
lich die kurze Primitivrinne her- 
vor (0,5 mm), welche von den 
Grenzen des hellen Fruchthofes 
vorn und hinten auf etwa 1 mm 
entfernt war. Im vorderen Ge- 
biete des hellen Fruchthofes, 
theilweise auch an dessen hin- 
terem Ende, schimmerte das 
Dotterentoderm durch, welches 
. den Charakter eines Netzes erwor- 
Textfig. 3. ben hatte. Schon früher haben wir 

Schema der Fig. 4, Taf. XXXV. v.v, Dotterschnüre im auf dergleichen Veränderungen, 


Gebiete der vorderen Sichel; e, mittlere ektodermale 


na 
nen len Fruchthofes nämlich, hinge- 

wiesen (Präparat 10, Taf. XXXIV, 

Fig. 13; Taf. XXXV, Fig. 2). Die Schnitte boten das gewöhnliche 
Bild der Verhältnisse zwischen den Keimblättern. Die Primitivrinne 
war vermittels einer Einstülpung von der Oberfläche gerade auf jener 
Strecke gebildet, wo man sie beim Studiren des Präparates in toto 
beobachtete; jedoch dieselben Beziehungen des Ektoderms zum Meso- 
derm wie hier, und außer der Einstülpung von der Oberfläche, 
beobachtete man noch ungefähr auf derselben Strecke in der Schwanz- 
richtung; endlich und wieder auf ungefähr derselben Strecke im 
hinteren Theile, beobachtet man das Mesoderm nicht mehr als selb- 
ständige Schicht, und die Schnitte geben dasselbe Bild, wie jenes 
auf der Textfig. 2 (p. 465). Also hat sich auf diesem Präparate der 


‘ 
- 
? 
L 
ı 
N 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilegus.. 469 


Primitivstreifen fast bis zum hinteren Rande des hellen Fruchthofes 
gebildet und seinen primitiven Charakter in seinem hinteren Drittel 
beibehalten, im vorderen aber hat sich derselbe in die Primitivrinne 
verwandelt, von deren Boden nach vorn auf einer gewissen Strecke 
die Chordaanlage schon bezeichnet ist. Augenscheinlich haben wir 
hier die fernere Entwicklung der früher beschriebenen Kompli- 
kationen, welche nach dem oben angegebenen Plan stattgefunden 
haben; letzterer stimmt mit dem Charakter der primitiven Kompli- 
kationen überein, welche wir im Hühnerei beschrieben haben. Da- 
mit schließen wir einstweilen die Beschreibung der Entwicklung 
der Krähe. 


Auf Grund des oben Angeführten können die Grundthatsachen 
der ersten Entwicklung der Krähe auf folgende Weise formulirt werden: 

1) Das Blastoderm der Krähe in den soeben gelegten Eiern er- 
laubt die Achse des Keimes nach dem Dickenverhältnis seiner Ränder 
zu bestimmen: sein hinterer Rand hat die größte Dicke. 

2) Das Ektoderm sondert sich als selbständige Schicht vor 
Allem in der Mitte der Keimscheibe ab, etwas näher zu seinem 
hinteren Rande. 

>) Gleichzeitig mit der Absonderung auf der Peripherie erreicht 
das Ektoderm seine größte Dicke im mittleren Theile des Gebietes 
(394—44 u und mehr), und verwandelt sich dann hier in eine jedes 
Mal anzutreffende ektodermale Verdiekung; letztere sondert sich als 
eine Scheibe ab, welehe etwas excentrisch nach der Seite des hinte- 
ren Endes des künftigen Embryos hin liegt. 

4‘ Oft sondert sich in der Mitte dieser Verdiekung ein Inselchen 
des stärker verdiekten Ektoderms, der Primitivknoten, ab. 

5) Die Mitte der ektodermalen Verdieckung (oder der Primitiv- 
_ knoten, wo er vorhanden ist) erscheint als Ausgangspunkt der 
ferneren morphologischen Komplikationen, speciell des Primitivstreifens, 
welcher von hier aus in der Schwanzrichtung sich allmählich ab- 
sondert. Sein vorderes Ende, als das dem Ursprunge nach früheste, 
ist immer klarer ausgedrückt. 

6) Auf dieselbe Weise, vom Centrum der ektodermalen Ver- 
diekung ausgehend, bildet sich allmählich aus dem vorderen Ende 
des Primitivstreifens in der Schwanzrichtung auch die Primitivrinne. 


Warsehau, im Oktober 1900. 


ATO Paul Mitrophanow, 


Erklärung der Abbildungen. 
Alle Figuren stellen die Keimhaut der Krähe (Corvus frugilegus) dar. 


Allgemeine Bezeichnungen: 


A, vorderer Rand des Blastoderms; n, Dotterballen; 

P, hinterer Rand des Blastoderms; m.en, Meso-Entoderm (Fig. 17); 

a, sekundäre Furchungshöhle; m.v, Dotterhaut; 

a.o, dunkler Fruchthof; ?, Primitivknoten; 

a.p, heller Fruchthof; sg, subgerminale Höhle; 

bi, Blastoderm; v, Dotter; 

e, ektodermale Verdickung; vac, Vacuolen; 

ec, Ektoderm; ves, Blasen unter dem Ektoderm. 

en.v, Dotterentoderm (Fig. 15); Die Zahlen mit u begleitet stellen die 

!.p, Primitivstreifen oder Primitivrinne Dicke des Ektoderms in Mikromilli- 
(10.16 7): meter dar. 


Tafel XXXIV. 


Fig. 1. Medianer Längsschnitt des Blastoderms sammt dem Dotter; ein 
heller Streifen unter dem Blastoderm stammt von der Bearbeitung des Präpa- 
rates ab. Vergr. 22mal. 

Fig. 2. Medianer Längsschnitt mit der subgerminalen Höhle; durch das 
Sternchen (*) ist eine Stelle bezeichnet, welche auf der folgenden Figur ver- 
größert dargestellt ist. Vergr. 22mal. 

Fig. 3. Ein Stück des Schnittes der Fig. 2 (da mit * bezeichnet); zwischen 
Ektoderm (ec) und Dotterentoderm (en.v) bildet sich eine schlitzförmige sekun- 
däre Furchungshöhle; auf der Grenze der subgerminalen Höhle (sg) sieht man 
die Vacuolen (vac). Vergr. 104mal. 

Fig. 4. Medianer Längsschnitt der Keimscheibe am Anfang der Bildung 
der subgerminalen Höhle und der sekundären Furchungshöhle. Vergr. 22mal. 

Fig. 5. Ähnliches Präparat. 50mal vergr. 

Fig. 6. Keimscheibe. 13mal vergr. Der Pfeil zeigt die Lage des Schnit- 
tes der folgenden Figur. 

Fig. 7. Querschnitt der Keimscheibe der Fig. 6. 22mal vergr. 

Fig. 8. Keimscheibe. 14mal vergr. 

Fig. 9. Medianer Längsschnitt der Keimscheibe der Fig. 8 (NP). 22mal 
vergr. 

Fig. 10. Keimscheibe mit dem Primitivknoten (»), nach einer Photogra- 
pbie (Taf. XXV, Fig. 1). Ca. 20mal vergr. 

ig. 11. Medianer Längsschnitt der Keimscheibe der Fig. 10. 22mal vergr. 

Fig. 12. Ein Theil des Präparates der Fig. 11, weleher das Gebiet des 
Primitivknotens mit einer kleinen oberflächlichen Einstülpung darstellt. Ca. 
100mal vergr. 

Fig. 13. Keimscheibe. 10mal vergr. Zum Theil nach der Photographie 
(Taf. XXXV, Fig. 2). +, dunkler Streifen, welcher die Veränderungen im Dotter- 
entoderm bezeichnet. 

Fig. 14. Medianer Längsschnitt der Keimscheibe der Fig. 13. + bezeich- 
net dieselbe Stelle wie auf der Fig. 13. 22mal vergr. 


Über die erste Entwieklung der Krähe (Corvus frugilegus). ATI 


Fig. 15. Keimscheibe mit dem Primitivstreifen (.p). 10mal vergr. (Photo- 
graphie des hellen Fruchthofes auf der Taf. XXXV, Fig. 3.) Linien zeigen die 
Lage der Schnitte der Textfigg. 1 und 2. 

Fig. 16. Heller Fruchthof der Keimscheibe mit der Prime (.p). 
21mal vergr. Der Pfeil zeigt die Lage des Schnittes der folgenden Figur. 

Fig. 17. Medianer Längsschnitt des Präparates der Fig. 16. 


Tafel XXXV. 
Photographische Aufnahme der Präparate in Kanadabalsam. 

Fig. 1. Keimscheibe mit dem Primitivknoten. Vgl. Fig. 10, Taf. XXXIV. 
Vergr. etwa 20mal. 

Fig. 2. Heller Fruchthof einer Keimscheibe der Fig. 13, Taf. XXXIV, mit 
großem Primitivknoten (p). Vergr. ca. 30mal. | 

Fig. 3. Heller Fruchthof der Keimscheibe der Fig. 15, Taf. XXXIV, mit dem 
Primitivstreifen. Vergr. ca. 23 mal. 

Fig. 4. Heller Fruchthof der Keimscheibe wit der Primitivrinne. Vergr. 
24mal. Vgl. Textfig. 3, p. 468. 


Untersuchungen über die Entstehung der Geschlechts- 
organe bei den Ctenophoren. 
Von 
August Garbe, 


prakt. Thierarzt in Groß-Lichterfelde. 


Mit Tafel XXXVI und XXXVI. 


Obwohl die Feststellung der Herkunft der Genitalzellen bei den 
Ctenophoren schon vielfach Gegenstand eingehender Untersuchungen 
gewesen ist, und namentlich nach Cnun’s! sorgfältigen Untersuchungen 
über dieses Thema die Geschlechtszellen zumeist auf das entodermale 
Keimblatt zurückgeführt werden, so sah ich mich doch veranlasst, 
die nachfolgenden Untersuchungen über die Ableitung der Sexual- 
zellen der Ctenophoren vorzunehmen, weil SamAssA? in einer zuletzt 
erschienenen Schrift den Beweis für die entodermale Entstehung 
keineswegs erbracht sieht und die ektodermale Entstehung wiederum 
für nieht unwahrschemlich erklärt. Bevor ich auf eine Untersuchung 
näher eingehe, gebe ich einen Überblick über die Entwicklung un- 
serer Kenntnisse vom Bau und der Entstehung der Geschleuteer TE 
bei den Ctenophoren. 


Historisches. 


Von allen älteren Forschern sind die Geschlechtsprodukte voll- 
ständig übersehen worden, so gaben EscHscHoLtz? im Jahre 1829 
und PATTERSoN* im Jahre 1855 ausdrücklich an, dass sie vergebens 


1 C. Cuun, Die Dissogonie. Festschrift zum 70. Geburtstag RUDOLF LEU- 
CKART’s 1892. 

2 P. SamassA, Über die Entstehung der Genitalzellen bei den Ctenophoren. 
Verhandlungen des Naturhist.-Med. Vereins zu Heidelberg. N. F. V. Bd. 1. Heft. 
1893. 

3 FR. ESCHSCHOLTZ, System der Acephalen. Eine ausführliche Beschreibung 
aller medusenartigen Strahlthiere. Berlin 1829. p. 17. 

* ROBERT PATTERSON, On a species of Bero& found on the Nord-east Coast 
of Ireland. The Edinbourgh New philosophical Journal. Vol. XX. p. 26—37. 
Okt. 1835 bis April 1836. p. 34. 


Unters. iiber die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 473 


nach ihnen gesucht hätten. Die Autoren, welche zuerst über das 
Vorhandensein von Geschlechtsprodukten berichten, haben irrthüm- 
licher Weise andere Organe als die Bildungsstätten derselben ge- 
deutet. 

So hielt MErTEnS! die Zellhaufen der Tentakelwurzel, welche 
er freilich mit Vorbehalt als Ovarien betrachtete und MıLnE Ep- 
WARDS? die Leberstreifen, welche bei ZLesweuria vitrea in der Längs- 
richtung des Magens verlaufen, für Sexualprodukte. Eine gleiche 
Beurtheilung haben von GRANT? auch die Cydippen erfahren: »the 
ovaries consisted of two lengthened clusters of small spherical gem- 
mules of a lively erimson colour, extending along the sides of the 
intestine and stomach«. Indessen hatte MıLne EpwaArps? selbst bei 
der Beschreibung von Bero&e im Anschluss an DELLE CHIAJE, welcher 
zuerst den Sitz der Geschlechtsorgane in die Gegend der Rippen- 
sefäße verlegte, mit Recht die Vermuthung geäußert, dass die blind- 
sackförmigen Divertikel der Rippengefäße dieser Ctenophore die 
Träger der Geschlechtsorgane seien. Auch Quoy und GAIMARD> 
hatten bei einer Dero& den wahren Sitz der Ovarien vor Augen, 
wenn sie berichteten: »Nous avons vu des ovules logees dans les 
plus des lamelles branchiales. « 

Einen wichtigen Schritt hatte Kromn® zu verzeichnen ; derselbe 
berichtete über die Anwesenheit von Hoden und Eierstock bei Cy- 
dippen. Er schreibt: »bei Cydıppe befindet sich unter jedem der 
acht Wimperkämme, welche aber nicht ganz bis an die vorderste 
Körperöffnung reichen, ein Eierstock, wie bei Deroe. Zu jeder Seite 
sah ich einen weißen Streifen verlaufen, welcher von der Gegend, 
wo die Kämme aufhören, mit dem Eierstocke und mitten über ihn 


! H. MERTENS, Beobachtungen und Untersuchungen über die bero&artigen 
Acephalen. Memoires de l’Academie de St. Pötersbourg. S. VI Tome IH. p. 479 
—543. Mit 13 Tafeln. 1833. p. 485. 

2 M. H. MıLne EDWARDS, Observations sur la structure et les fonctions de 
quelgues Zoophytes, Mollusques et Crustaces des cötes de la France. Annales 
des Sciences Natur. Zoologie. S.II. Tome XVI. p. 195—232. Mit 10 Tafeln. 1841. 

3 GRANT, On the nervous system of Bero& pileus and on the structure of 
his eilia. Transactions of the Zoolog. Society. Vol. I. 1835. (Citirt nach EımEr 
und PATTERSON.) 

* M. H. MıLne EDWARDS, Note sur l’appareil gastrovasculaire de quelques 
Acalephes Ctenophores. Annales des Sciences Natur. Zoologie. S. IV. Tome VI. 
p- 285—298. Mit 3 Tafeln. 1857. | 

5 QuoyY u. GAIMARD, Voyage de l’Astrolabe. Tome IV. p. 40. 

6 A. Kroun, Über die männlichen Zeugungsorgane der Aseidien und Sal- 
pen. FROrRIEP’s N. Not. Januar 1841. Nr. 356. p. 49—53. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 32 


474 August Garbe, 


zur vorderen Körperöffnung sich begiebt. Der Streifen besteht aus 
Spermatozoen mit rundlichem Körper und feinem Schwänzchen. Sind 
etwa die beroöartigen Acalephen hermaphroditisch?« Die bejahende 
Antwort auf diese Frage gab WırLL!, was wir aus seinen folgenden 
Zeilen ersehen: »Die Rippenquallen sind Zwitter. Ihre Geschlechts- 
organe liegen an beiden Seiten der Rippen unmittelbar unter der 
Haut, und zwar so, dass an den Seiten, welchen sich die gleich 
langen Rippen zukehren, die Eierstöcke, an den gegenüberliegenden 
aber die Hoden sich befinden.«c Denken wir uns also die Rippen 
weg, so liegen im Umfang des Thieres acht Hoden und acht Eier- 
stöcke, abwechselnd je zwei Hoden und zwei Eierstöcke, oder man 
kann auch sagen, auf der Fläche der breiten, wie der schmalen Seiten 
liegen die Eierstöcke, auf den stumpfen Ecken aber, wo die Seiten- 
flächen in einander übergehen, die Hoden. Die männlichen und die 
weiblichen Zeugungsorgane gleichen sich in der äußeren Anordnung 
und in der Form sehr, dennoch ist es nicht schwer, auch wenn man 
die Rippen von innen betrachtet oder nur Stücke derselben vor sich 
hat, mit bloßem Auge Eierstöcke und Hoden von einander zu unter- 
scheiden. Letztere sind mehr weiß und opak, während in den Eier- 
stöcken die Eier nie ganz opak werden, sondern nur einen weißen 
Rand bekommen und die Mitte ziemlich durchsichtig bleibt. WiLL 
gab eine vollkommen richtige Darstellung von der Art, in welcher 
sich die Geschlechtsorgane auf die Rippengefäße vertheilen, jedoch 
beging er in so fern einen Irrthum, als er angiebt, dass die Geschlechts- 
drüsen mit besonderen Ausführungsgängen in Verbindung ständen. 
L. Acassız? war in seinen ersten Veröffentlichungen nicht in 
der Lage, über die Beschaffenheit der Geschlechtsorgane bei den 
Ctenophoren Mittheilung zu machen’; später fand er sie in der von 
Wiru angegebenen Weise bei Bolina alata und Idyia roseola. Von 
letzterer Ctenophore gab er eine genaue Schilderung, in welcher er 
hervorhob, dass die Eier und Spermatozoen in Aussackungen der 
Rippengefäße eutstehen und von hier direkt in den cölenterischen 


i Fr. Wırnn, Horae tergestinae oder Beschreibung und Anatomie der im 
Herbst 1843 bei Triest beobachteten Acephalen. Leipzig 1844. p. 39. 

2 L. Acassız, Contributions to the Natural History of the Acalephae of North 
America. Prt. II. On the Beroid Medusae of the Shores of Massachussets in their 
perfect State of Development. Memoirs of the American of Arts and Seiences. 
Vol. IV. 1850 (p. 349 und p. 365). | 

3 L. Acassız, Contributions of the Natural History of the U. S. of America. 
Vol. III. Boston 1860 (p. 267, p. 279 und p. 284). 


nel 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 475 


Apparat gelangen. Inzwischen hatten übrigens auch KÖLLIKEr! und 
GEGENBAUR? die Darstellung Wırv’s in den wichtigsten Punkten be- 
stätigt; dagegen stellten beide Forscher übereinstimmend die Existenz 
besonderer Oviducte und Samenleiter in Abrede. Nach KÖLLIkER, 
welcher Owenia, Oydippe, Eschscholtzia cordata, Eucharis und Oestus 
veneris untersuchte, bilden die Geschlechtsorgane unter den acht Rippen 
zwischen den Schwimmplättchen und dem Ernährungsgefäß kleine 
Schläuche, welche überall gleich weit sind und vorn und hinten blind 
endigen. 

Abweichend von KÖLLIKER beschrieb GEGENBAUR bei Owenia 
und Oydippe die Geschlechtsorgane als Kapseln, welche nach innen 
von dem Lumen der Rippengefäße gegen die Leibesachse des Thieres 
zu liegen. 

Etwa zehn Jahre später nach der letzten Abhandlung L. Agassız’ 
über die Geschlechtsorgane der Ctenophoren wies FoL3 im Jahre 1869 
die etwas modifieirte Anordnungsweise der Geschlechtsorgane bei der 
Cestide Vexillum parallelum nach. Hier befinden sie sich an den Ge- 
fäßen des oberen Randes und zwar drei bis fünf Paare spindelförmige 
Geschlechtssäckchen an jedem der Gefäße. Dabei fiel es FoL auf, dass 
die reifen Spermatozoen dem Lumen der Gefäße abgewandt und die 
Spermatoblasten demselben zugewandt waren. 

Unter den neueren Arbeiten sind hier nun noch zunächst die 
kurzen Bemerkungen Cnuun’s? zu berücksichtigen, welcher über die 
Lage der Geschlechtsorgane bei Haeckehia rubra, Deiopea kaloktenota, 
Charistephana fugiens und anderen Ötenophoren Mittheilung machte, 
und ferner sich mit Bestimmtheit für die Ableitung der Geschlechts- 
produkte vom Entoderm aussprach. In seiner etwas später erschienenen 
Fauna und Flora von Neapel findet Cnux>5 auf Grund seiner Unter- 
suchungen an Euchlora, Cestus und Bero& seine Auffassung bestätigt. 


1 A. KÖLLIKER, Bericht über einige im Herbst 1852 in Messina angestellte 
vergleichend anatomische Untersuchungen. II. Quallen. Diese Zeitschr. Bd. IV. 
p. 315—320. 

2 C. GEGENBAUR, Studien über Organisation und Systematik der Cteno- 
phoren. Archiv für Naturgesch. 22. Jahrg. Bd. I. p. 162—205. Mit 2 Tafeln. 
1856 (p. 184). 

3 HERMANN FoL, Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte 
einiger Rippenquallen. Inaug.-Dissert. Berlin 1869. 

4 CARL CHun, Die im Golf von Neapel erscheinenden Rippenquallen. Mit- 
theilungen aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. I. p. 180—227. Mit 1 Tafel. 

5 CARL CHUN, Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. Fauna und Flora 
des Golfes von Neapel. Bd. I. 1880. p. 180—19. 


32* 


476 August Garbe, 


Craus! sucht dagegen in seinem Lehrbuche es als wahrschein- 
lich hinzustellen, dass dieselben Ektodermprodukte repräsentiren. 

Gleichzeitig mit der oben angeführten Veröffentlichung Cuux’s 
erschien im Jahre 1880 eine Abhandlung von HErrwıs? über den 
Bau der Ötenophoren, in der er sich entgegen Cuux’s Ansicht mit 
Bestimmtheit für die ektodermale Entstehung der Sexualzellen aus- 
spricht. 

HERTWIG sucht zunächst durch Untersuchung der Callianira 
bialata nachzuweisen, dass an den beiden flügelförmigen Fortsätzen 
des Sinnespols flimmernde Säckchen als grubenförmige Einsenkungen 
des Ektoderms längs der weiblichen Geschlechtsstreifen entstehen. 
Da diese Säckchen einen flaschenförmig verengerten Anfangstheil 
besitzen, so vermuthet er, dass sie sich von dem Ektoderm ab- 
schnüren und als »Genitalsäckchen« sich den Gefäßen auflagern. 
In dieser Vermuthung wird er durch das Auftreten von soliden Ver- 
bindungssträngen bestärkt, welche von den Genitalsäckchen zu dem 
Ektoderm hinziehen und nach seiner Auffassung den genetischen Zu- 
sammenhang zwischen letzteren und den ersteren andeuten. Das 
Epithel der mit einem Lumen ausgestatteten Genitalsäcke bildet 
weiterhin nur da, wo es dem Gefäßentoderm aufliegt, Sexualprodukte 
aus, während der dem Ektoderm zugekehrte und mit ihm durch Ver- 
bindungsstränge zusammenhängende Abschnitt steril bleibt. Der 
Hohlraum des Säckchens erhält sich als Genitalsinus in den Hoden- 
follikeln, obliterirt hingegen in den Ovarien. 

Hierauf hat Cuun? eine große Zahl von Jugendformen verschie- 
dener Ötenophoren wie Lampetia pancerina Ch., Euchlora rubra Ch., 
Veneris juv. und Beroe forskalii Juv. der eingehendsten Untersuchung 
unterzogen, ohne dass indessen in der Nähe der subventralen Gefäße 
auch nur eine Spur der genannten Säckchen sich hätte nachweisen 
lassen. 

Bei Untersuchung von Calhanira bialata D. Ch. jedoch fand 
Cuun auch die von HERTWIG beschriebenen Säckchen, erklärt aber, 
dass dieselben mit einer Bildung von Genitalprodukten nichts gemein 
haben. Seine Begründung entnehmen wir aus folgenden Zeilen: »Die 
Säckchen treten in genau derselben Zahl und Anordnung an genau 


ı C. CLaus, Grundzüge der Zoologie. 4. Aufl. Bd. I 18%. 

2 RicHARD HerrwiG, Über den Bau der Ctenophoren. Jen. Zeitschr. für 
Naturwissenschaft. Bd. XIV. 1880. p. 385—3%. 

3 C. Cuun, Die Dissogonie. Festschrift zum 70. Geburtstage RupD. LEU- 
CKART’S 1892. p. 77—108. 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 477 


derselben Stelle sowohl bei jugendlichen, unreifen Exemplaren, wie 
bei großen, in voller Geschlechtsreife befindlichen Individuen auf. _ 
Ich muss demgemäß auf das Entschiedenste in Abrede stellen, dass 
die flimmernden Säckchen sich abschnüren und als Genitalsäckchen 
in die Tiefe rücken.« 

Nach diesen wohlbegründeten und berechtigten Ausführungen 
Cnun’s erklärt SamassA!, der auch die bei Callanira bialata auf- 
tretenden Genitalsäckchen mit der Entstehung der Geschlechtszellen 
in Verbindung bringt, dass er den Beweis für die entodermale Ent- 
stehung von COHun keineswegs erbracht erachte, denn sie könnten 
eben so gut wie vom Entoderm, auch vom Ektoderm oder Mesoderm 
in die geschilderte Lage gekommen sein. Am Schlusse seiner kurzen 
Schrift bemerkt Samassa: »Wir stehen demnach, wie ich glaube, in 
der erörterten Frage noch genau auf demselben Standpunkte, wie 
nach dem Erscheinen der Herrwi@’schen Arbeit: ein Beweis für die 
ektodermale Entstehung der Geschlechtszellen bei Cullanıra kann 
nicht erbracht werden; es sprechen aber immerhin verschiedene 
Gründe dafür, andererseits ist bei anderen Ctenophoren über diesen 
Punkt bis jetzt nichts Sicheres bekannt. Ich halte es für nothwendig, 
auf diesen Stand der Frage nachdrücklichst hinzuweisen; denn es 
ist gewiss nichts misslicher, als wenn — wie dies im vorliegenden 
Falle durch Cuun geschieht — eine Frage als erledigt dargestellt 
wird, die noch vollkommen unentschieden ist.< In seiner im Jahre 
1898 erschienenen Schrift rügt nun Cmun? mit Recht in treffender 
Weise die unbegründeten Angriffe Samassa’s.. CHun hat Calkanira 
bialata nochmals einer eingehenden Prüfung unterzogen und hält es 
auf Grund seiner Untersuchungsergebnisse für ausgeschlossen, dass 
die Säckchen mit der Produktion von Geschlechtszellen in irgend 
einem Zusammenhange stehen. Unter Anderem illustrirt Cuun durch 
die Abbildung eines Querschnittes, »dass sämmtliche ektodermalen 
Säckchen an allen in die Zipfel eintretenden Gefäßen auf geschlecht- 
lich thätige Gefäßpartien stoßen«. Weiterhin führt er aus, dass das 
Epithel der Säckchen von jenem der unterliegenden Keimzellen auf- 
fällig abweicht. 

Bevor ich mit der Darstellung meiner Untersuchungsergebnisse 
beginne, möchte ich nicht verfehlen, meinem hochverehrten Lehrer 


ı P. Samassa, Über die Entstehung der Genitalzellen bei den Ctenophoren. 
Abdruck aus den Verhandlungen des naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg. 
Nee. Bd. 1. Heft. 1893. 

® CARL CHun, Die Ctenophoren der Plankton-Expedition 1898. 


478 August Garbe, 


Herrn Professor Dr. SEELIGER für die Anregung zu der vorliegenden 
Arbeit, sowie für die liebenswürdige Überlassung des Materials und 
für das rege Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, auch 
an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank abzustatten. 

Meine Untersuchungen erstrecken sich auf Larven von Pleuro- 
brachia rhodopis, die im Jahre 1895 von Herrn Professor Dr. SEE- 
LIGER in Triest gesammelt waren, und von Pleurobrachia pileus, 
die bei Helgoland gefischt wurden. 

Mit der Beschreibung der Technik will ich nicht ermüden, da 
sie nichts Neues bietet. Bemerken möchte ich jedoch, dass das in 
Sublimat konservirte Material die histologischen Details weitaus besser 
erkennen ließ, als das mit Formol und Osmiumsäure behandelte. 
Sodann möchte ich noch hervorheben, dass ich die beste Färbung 


bei Stückfärbung mit Boraxkarmin erhalten habe, während alle mög- 


lichen anderen Farbstoffe selbst bei der peinlichsten Kontrolle bald 
zu wenig und bald zu stark färbten. Eigenthümlich ist es, dass 
speciell die Geschlechtsprodukte der Triester Larven in ganz kurzer 
Zeit den Farbstoff sehr intensiv aufnahmen. 


Pleurobrachia rhodopis. 


1) Die jüngsten Larven, die mir zur Beobachtung gelangten, 
und bei denen bereits die Anlage der Geschlechtsorgane zu konsta- 
tiren war, maßen 0,5 mm. Bei einigen noch kleineren Larven war 
noch keine Spur von Geschlechtsanlagen vorhanden. Bevor ich zur 
Beschreibung der Geschlechtsprodukte schreite, halte ich es für er- 
forderlich, der Ausbildung der Gefäße Erwähnung zu thun, da diese 
bekanntlich mit denselben in engster Beziehung stehen. Der Trichter 
ist auf diesem Stadium so schmal, dass er sich nur durch etwa drei 
5 u dieke Schnitte erstreckt. Aus diesem Trichter, der sich etwas 
unter der Mitte befindet, entspringt in der Transversalebene auf jeder 
Seite ein Gefäßstamm, der sich nach oben und unten ausbreitet!. 
Während der aufsteigende Ast in der Höhe des Sinnespols blind 
endigt, thut dies der absteigende Stamm in der Nähe des oralen 
Poles.. Jeder Hauptstamm nimmt bei seinem Austritt auf dem Quer- 
schnitt durch eine Larve fast die Gestalt eines gleichschenkeligen 
Dreiecks an, dessen Basis sich beinahe an das Ektoderm anlehnt 
und dessen Spitze dem Trichter zugekehrt ist (Fig. 1. Das Lumen 
des Gefäßes ist hier im Vergleich zu älteren Stadien sehr groß und 


! Die Orientirung ist so gedacht, dass der Sinnespol nach »oben«, die 
Mundöffnung nach »unten« gekehrt erscheinen. 


er 


a 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 479 


beträgt in der Triehterebene 0,09 mm und in der Magenebene O,11 mm. 
Die bei dem Austritt aus dem Triehter auf dem Querschnitte drei- 
eckig erscheinenden Gefäße vertauschen diese Gestalt in ihrem Ver- 
laufe allmählich mit einer runden, so dass sie an ihren distalen 
Enden auf dem Querschnitte fast kreisrund erscheinen. Von allen 
übrigen Gefäßen war bis auf die Anlage der Magengefäße noch nichts 
zu konstatiren. 

Während Cuun nun in seiner Abhandlung über die Dissogonie 
besonders hervorhebt, dass ohne Ausnahme bei sämmtlichen Jugend- 
formen vier Meridionalgefäße in ihrer ganzen Ausdehnung zu Zwitter- 
drüsen umgebildet seien, die reife Eier und Samen producirten, fand 
ich bei den jüngsten Stadien von Pleurodbrachia rhodopis überhaupt 
nur zwei Meridionalgefäße und demgemäß auch nur zwei Zwitter- 


. drüsen angelegt. 


Allerdings führt auch Cuux an, dass er von mehr als 200 Exem- 
plaren von Bolina hydatina, die er seinen Betrachtungen zu Grunde 
gelegt hat und die er genau auf dieses Verhalten hin geprüft, öfters 
Individuen mit zwei Zwitterdrüsen fand. Er bezeichnet dies als ab- 
normale Bildungen und führt die Entstehung solcher Halbformen auf 
mechanische Einflüsse zurück, welche, wie Sturm ete., zur Trennung 
der locker zusammenhängenden Furchungskugeln führen. Als Be- 
sründung führt Cuux noch an, dass er die Halblarven am häufigsten 
nach stürmischen Tagen auftreten sah. Durch die Trennung der 
beiden ersten Furchungskugeln wird nach ihm deren Entwicklung 
nicht aufgehoben, sondern es bildet jede isolirte Furchungskugel 
einen in der Sagittalebene halbirten, bilateral gestalteten Embryo aus, 
welcher nicht nur existenzfähig ist, sondern nach dem Verlassen der 
Eihülle sogar geschlechtsthätig wird. Cmun führt dann über die 
weiteren Schicksale der Halblarven an, dass im Laufe der Meta- 
morphose die fehlende Hälfte der Larvenorgane regenerirt wird. Über 
diese Regeneration berichtet Cuun: »Zunächst betrifft diese Regene- 
ration das Magengefäß der fehlenden Hälfte, welches ich schon früh- 
zeitig bei einigen Halblarven ausgebildet fand. Weiterhin knospen 
aus dem Trichter die zu den fehlenden Meridionalgefäßen sich aus- 
ziehenden Stämme, oberhalb deren dann fein angelegt die vier neuen 
Rippen auftreten. Der Magen mündet, wie es für Halblarven charak- 
teristisch ist, seitlich und fast auf der Mitte des Körpers nach außen 
aus.« Seither sind diese Beobachtungen von mehreren Seiten! im 


! Vgl. besonders DrızscH und MorGan, Archiv für Entwickelungsmechanik. 
Ba I. 18%, 


480 August Garbe, 


Wesentlichen bestätigt, in manchen Einzelheiten allerdings auch be- 
stritten worden, und es darf als eine feststehende Thatsache erachtet 
werden, dass eine jede der beiden ersten Blastomeren des zweizelli- 
sen Furchungsstadiums, wenn durch Schütteln oder andere mecha- 
nische Einwirkungen eine Trennung der Zellen erreicht wird, zu 
einer gewisse Eigenthümlichkeiten zeigenden Larve sich auszubilden 
im Stande ist. 

Die von mir untersuchten Larven von ‚Pleurobrachia rhodopis 
verhalten sich in Bezug auf die von Cuun geschilderten Organisations- 
vorgänge ganz abweichend. Der Magen mündet nicht, wie es CHUN 
für Halblarven als charakteristisch bezeichnet, seitlich und fast auf 
der Mitte des Körpers nach außen, sondern wie bei ausgebildeten 
Larven regelrecht am oralen Pol. Ferner findet hier nicht die Bil- 
dung der fehlenden Meridionalgefäße durch Knospung vom Trichter 
aus statt, sondern wie dies das nachfolgend untersuchte etwas ältere 
Stadium zeigt, durch fortschreitende Spaltung des Hauptgefäßstammes 
vom unteren Ende ab nach dem Sinnespole hin. Dies ist aus einem 
Vergleich von Figg. 3 und 4, von denen erstere einen Abschnitt durch 
das untere Ende und letztere etwa durch die Mitte derselben Larve 
darstellt, deutlich zu ersehen. Bei den kleinsten Individuen habe 
ich stets nur zwei Meridionalgefäße angetroffen. Trotzdem bei den- 
selben aber noch keine Spur von der Theilung der Gefäße vorhanden 
war, so waren doch bei allen schon sämmtliche Rippen entwickelt 
(Fig. 1) und es entstehen diese daher nicht erst während der Ent- 
wicklung der fehlenden Rippengefäße. Aus Vorstehendem dürfte 
hervorgehen, dass es sich bei meinen Larven also nicht um abnormale 
Bildungen, sondern um eine ganz normale Entwicklung, die für 
Pleurobrachia rhodopis charakteristisch ist, handelt. 

Was nun die Entstehung der Geschlechtszellen anbelangt, so 
glaubt HERTwIG durch seine Untersuchungen an Oallianıra bialata, 
Cydippe hormiphora, Euplocamis stationis und Bero& ovatus auf Grund 
der auftretenden Genitalsäckehen und des sich hieraus entwickelnden 
(Genitalsinus berechtigt zu sein, die Geschlechtsprodukte als ekto- 
dermalen Ursprungs hinzustellen. CHuun dagegen spricht sich auf 
Grund seiner Untersuchungen von Bolina hydatına, Euchlora, Cestus 
und Beroe mit Bestimmtheit für die entodermale Entstehung der 
Sexualorgane aus. Die ektodermalen von Samassa als »Genital- 
säckchen« gedeuteten Gebilde sind bisher nur bei Callianıra nach- 
gewiesen worden, und ich habe sowie CHun bei Pleurobrachia rho- 
dopis vergeblich nach ihnen gesucht. Bei älteren Stadien kann man 


u Aue 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 481 


dagegen, wie wir später noch sehen werden, wohl von »Genital- 
sinus« sprechen. 

Wenn sich schon kein Moment für die ektodermale Entstehung 
der Geschlechtszellen anführen lässt, so müssen wir bei Untersuchung 
der einzelnen Stadien unzweifelhaft die Entstehung der Sexualorgane 
aus dem Entoderm der Meridionalgefäße bestätigen. 

Die Bildung der Genitalzellen dieses jüngsten Stadiums beginnt 
an den oralwärts gerichteten Blindenden der Meridionalgefäße. Hier 
sehen wir in jedem Gefäßstamm die Geschlechtszellen als drei kleine 
Haufen von Urkeimzellen entstehen, die durch Proliferation der Ge- 
fäßwandungen sich gebildet haben. Verfolgen wir die Gefäße weiter 
nach oben, so sehen wir, dass die Keimzellen in ihrem ganzen Ver- 
laufe und zwar bis zu ihrem Aufhören in drei Keimlager angeordnet 
sind. Diese Anordnung ist ganz regelmäßig und zwar derart, dass 
je ein Keimpolster unter je zwei Rippen und das dritte genau in 
der Mitte zwischen diesen beiden liegt (Fig. 1). Mit der Vermehrung 
der Keimzellen vom oralen nach dem aboralen Pole zu nimmt auch 
‚das Gewebe der peripheren Gefäßbwand an Dicke zu. Dasselbe er- 
scheint uns hier als ein feinmaschiges, schaumiges Gewebe. Die 
Region der Keimzellen reicht auf diesem Stadium ein wenig über 
die Mitte der Larve hinaus. Weiter oben verschmälern sich die 
Keimstreifen immer mehr und werden schließlich so schmal, dass 
die periphere Gefäßwand in der Mitte, also da, wo sich weiter nach 
unten der mittlere Keimstreifen befindet, als schmale homogene Mem- 
bran erscheint und von Geschlechtszellen hier also keine Rede mehr 
sein kann (Fig. 2). 

Die im distalen Gefäßende zunächst sehr kleinen Keimzellen 
nehmen nach dem Sinnespole hin allmählich etwas an Größe zu und 
erreichen schließlich eine regelmäßige in Folge des gegenseitigen 
Druckes polyedrische Gestalt. Diese Keimzellen, die gewissermaßen 
in das hier drüsige Gewebe der Gefäßstämme eingebettet erscheinen, 
sind von Anfang bis zu Ende sexuell noch nicht differenzirt. Diese 
Zellen haben eine fast regelmäßige, polyedrische Gestalt und be- 
sitzen einen sehr großen bläschenförmigen Kern, der sich dadurch 
auszeichnet, dass er den Farbstoff intensiv aufnimmt. Der Kern erreicht 
hier einen solchen Umfang, dass er fast die ganze Zelle einnimmt und 
somit nur ein sehr kleiner protoplasmatischer Zellkörper vorhanden 
ist. Dass es sich hier wirklich um die ersten Anlagen von Ge- 
schlechtszellen handelt, ersehen wir klar und deutlich aus dem nach- 
folgend untersuchten etwas älteren Stadium derselben Gattung, bei 


482 | August Garbe, 


denen wir bereits eine Differenzirung der Keimzellen in männliche 
und weibliche Geschlechtszellen antreffen. 

2) Die Größe der von mir untersuchten etwas älteren Larven 
von Pleurobrachia rhodopis betrug 0,8 mm. Von Gefäßen waren auf 
diesem Stadium der Trichter, zwei am unteren Ende gegabelte 
Meridionalgefäße und zwei voluminöse Magengefäße zu konstatiren. 
Letztere, die auf dem jüngsten Stadium soeben angelegt waren, 
reichen hier schon fast bis nach dem oralen Pole herab. Nach 
Tentakel- und Trichtergefäßen habe ich auf diesem Stadium vergeb- 
lich gesucht. Der Trichter, der sich etwas unterhalb der Mitte nach 
dem oralen Pole zu befindet, ist sehr schmal. Derselbe erstreckt 
sich nur durch einige Querschnitte und hat eine Breite von 0,025 mm. 
Aus diesem Trichter entspringt jederseits ein Gefäßstamm, der sich 
allmählich erweitert und dessen äußere Wand sich fast an die Rippen 
anlehnt. Das Lumen des Gefäßes ist hier sehr groß und beträgt in 
der Trichterebene 0,08 mm und in der Magenebene 0,16 mm. Nach 
dem Austritt eines jeden Hauptgefäßstammes können wir an dem- 
selben einen aufsteigenden und einen absteigenden Stamm unter- 
scheiden. Der aufsteigende Stamm verschmälert sich nach dem ab- 
oralen Pole immer mehr, die beim Austritt aus dem Trichter ellip- 
tische Form des Querschnittes geht allmählich in eine kreisförmige 
über, bis sie schließlich vollständig kreisrund geworden neben dem 
Sinnespol blind endigt. 

Der nach unten verlaufende Stamm gabelt sich nach kurzem 
Verlaufe in zwei Äste (Fig. 3). Diese Gabelung kommt dadurch zu 
Stande, dass sich die äußere Gefäßwand genau in der Mitte, d. h. 
zwischen den beiden Rippenpaaren einstülpt. Sobald die äußere 
Wand die innere erreicht hat, erfolgt: die Theilung. Die beiden neu- 
gebildeten Äste erlangen bald eine schlauchförmige Gestalt, erscheinen 
im Querschnitt fast kreisrund und endigen beiderseits blind in der 
Nähe des oralen Poles. Die Bildung der fehlenden Meridionalgefäße 
findet also hier, wie oben angedeutet, nicht durch Knospung vom 
Triehter aus statt, sondern durch fortschreitende Spaltung des Haupt- 
sefäßstammes vom distalen Ende ab nach dem Sinnespole hin (Fig. 3). 

Die Bildung der Genitalzellen dieses Stadiums sehen wir eben- 
falls an den unteren Enden der Meridionalgefäße und zwar an den 
oralwärts gerichteten Blindenden beginnen. Hier sehen wir in jedem 
Gefäßaste die Geschlechtszellen als zwei kleine Haufen von Urkeim- 
zellen, die durch Proliferation der Gefäßwandungen sich gebildet 
haben (Fig. 3), Das eine der beiden Keimlager liegt nach innen, 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 483 


der Triehterebene zugekehrt, das andere subtentakulär und nach 
außen, also den Rippen genähert. Verbunden werden beide durch 
ein vacuolenreiches, schaumiges Gewebe. Dieses ist dadurch ent- 
standen, dass in den Zellen ein oder auch mehrere Zellen auftreten 
und das Protoplasma an die Peripherie drängen. Das gesammte 
Gewebe erscheint uns daher, da Zellgrenzen sich nicht nachweisen 
lassen, fast wie ein protoplasmatisches Gerüstwerk, in dem sich 
stellenweise noch Kerne nachweisen lassen. Verfolgen wir die Keim- 
zellen vom Mund- zum Sinnespol hin, so sehen wir, dass sie sich 
sehr schnell vermehren, und bei dieser Vermehrung findet auch eine 
Größenzunahme statt. 

Die Geschlechtszellen bewahren ihre polyedrische Gestalt und 
lassen je einen großen bläschenförmigen Kern erkennen. Da, wo 
sich die beiden Gabeläste zu dem Hauptstamm des Meridionalgefäßes 
vereinigen, findet auch eine innige Verschmelzung der beiden nach 
innen gelegenen Keimlager statt. Wir haben von dieser Stelle an 
nach oben zu nur drei Keimbezirke, einen genau in der Mitte und 
je einen seitwärts hiervon liegenden (Fig. 10). Verbunden werden 
diese durch ein alveolenreiches, maschiges Gewebe. Die bis dahin 
noch indifferenten Keimzellen verändern sich nun bald und zwar 
derart, dass sich aus den beiden Keimlagern in der Mitte, die der 
Sagittalebene zugekehrt sind, auf jeder Seite die weiblichen und aus 
den beiden seitlichen die männlichen Geschlechtsorgane entwickeln 
(Fig. 10). Die weiblichen Geschlechtsorgane sowohl wie die männ- 
lichen vermehren sich andauernd und zwar auf Kosten des Verbin- 
dungsgewebes, das hier immer mehr zurücktritt. Dieses Wachsthum 
nimmt nach dem aboralen Pole hin derartig zu, dass im letzten 
Drittel fast nur noch Sexualzellen, die innig mit einander verbunden 
sind, angetroffen werden. 

Hervorheben möchte ich noch, dass hier nicht, wie es CHun bei 
Bolina hydatina beschreibt, die Meridionalgefäße mit Geschlechts- 
organen vollgepfropft sind, sondern dass letztere sich sichelförmig 
um die äußere Wand des Gefäßes herumlegen. 

Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus Spermatoblasten. 
Die Zellgrenzen lassen sich immer nur an wenigen Stellen nach- 
weisen und sind schwer sichtbar, so dass die großen dichtgedrängten 
Kerne bei weniger starken Vergrößerungen in einer gleichartigen 
Plasmamasse zu liegen scheinen. Nach außen werden sie von einem 
feinen Plattenepithel bedeckt, das die äußerste Lage eigenartig um- 
gewandelter Zellen der ursprünglichen Gefäßwandungen bildet, 


484 August Garbe, 


Die weiblichen Geschlechtsorgane setzen sich etwa bis zu der 
Mitte der Larven aus gleich großen Eizellen zusammen (Fig. 5). All- 
mählich macht sich nun von hier aus nach dem aboralen Pol zu ein 
Unterschied in der Größe bei denselben bemerkbar, indem einige in 
Folge stärkeren Wachsthums den übrigen voraneilen und allein den 
Charakter einer Eizelle fernerhin bewahren. Die diese Eizellen um- 
gebenden kleineren Zellen bleiben relativ in Bezug auf Größe zurück 
und erleiden in ihrem histologischen Charakter so wesentliche Um- 
wandlungen, dass sie damit das Aussehen von Drüsenzellen annehmen. 
Dieselben sind sehr unregelmäßig gebaut, bald haben sie eine eckige, 
bald eine rundliche Form. In ihrem Inneren sind sie mit zahlreichen 
kleinen Körnern angefüllt (Fig. 6). Je mehr wir uns dem Sinnespol 
nähern und je mehr die Eizellen an Größe zunehmen, desto reich- 
licher finden sich auch die Schleimzellen. Dies geht so weit, dass 
wir am Ende der Ovarien angelangt, nur noch einige sehr große Ei- 
zellen haben, die in zahlreiche Schleimzellen vollständig eingebettet sind. 
Aus der Zunahme der Schleimzellen mit dem Wachsthum der Eizellen 
und der Abnahme der Zahl derselben geht unzweifelhaft hervor, dass 
sich die Schleimzellen aus den Anlagen jugendlicher Keimzellen bil- 
den, um den noch restirenden als Nahrung zu dienen. Die Anfangs 
noch kleinen polyedrischen Eizellen erlangen am Ende der Ovarien 
eine bedeutende Größe. Bei manchen Individuen treffen wir sogar 
fast reife Eizellen an (Fig. 6). Die größten messen 40 u. Sie be- 
sitzen hier theils eine kugelähnliche, runde, theils eine in Folge des 
gegenseitigen Druckes unregelmäßige Gestalt und haben ein rundes 
20 u großes Keimbläschen mit einem 6 « großen Keimfleck. Keim- 
bläschen sowie Keimfleck sind stets nur in der Einzahl vorhanden 
und nehmen den Farbstoff intensiv auf. 

Rei Larven dieses Stadiums treffen wir auch einen sogenannten 
Genitalsinus an (Fig. 6). Ich habe denselben immer nur an der 
äußeren Seite des Ovariums auffinden können. Da der Sinus inner- 
halb der entodermalen Gefäßwandung liegt und ein Zusammenhang 
mit dem Ektoderm nirgends besteht, so kann es sich hier nur um 
eine sekundäre Bildung handeln. Auch ChHun spricht sich für eine 
sekundäre Bildung des Genitalsinus aus und nach ihm ist derselbe 
mit Gefäßflüssigkeit angefüllt, die den heranwachsenden Geschlechts- 
produkten zur Ernährung dienen soll. Ich erkläre mir die Entstehung 
des Genitalsinus durch Abheben des äußeren feinen Epithels von den 
Genitalzellen und zwar dadurch, dass sich das Drüsengewebe zum 
Theil verflüssigt und auflöst und dann von den wachsenden Eizellen 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 485 


resorbirt wird. Zu dieser Annahme glaube ich mich aus folgenden 
Gründen berechtigt: Erstens habe ich den Genitalsinus auf den hier 
in Betracbt kommenden Stadien nur an den weiblichen Geschlechts- 
organen konstatiren können und zwar immer nur da, wo die Um- 
wandlung der jungen Keimzellen in Schleimzellen stattfindet. Sodann 
spricht hierfür die Zunahme des Lumens desselben mit der Zunahme 
der Schleimzellen. Der Ansicht CHun’s, dass der Sinus mit Er- 
nährungsflüssigkeit angefüllt sei, kann ich nicht beitreten, da er mit 
dem Meridionalgefäß in keinerlei Verbindung steht. Meiner Ansicht 
nach handelt es sich hier nur um einen auf oben beschriebene Art 
entstandenen Spaltraum, ohne wichtige morphologische Bedeutung. 

3) Die von mir untersuchten Larven eines älteren Stadiums 
hatten die Größe 1,2 mm. Bei ihnen ist im Vergleich zu den oben 
beschriebenen Stadien das Gefäßsystem bedeutend entwickelter. Die 
Spaltung der beiden Hauptmeridionalgefäße ist hier schon vollständig 
durchgeführt, so dass wir jederseits zwei Rippengefäße vorfinden. 
Diese Gefäße verlaufen je unter zwei Rippenpaaren und die Form 
sowie auch die Endigung ist wie bei den jüngeren Larven. Während 
nun bei den letzteren die Meridionalgefäße mit weiten Öffnungen aus 
dem Trichter entspringen, werden sie hier mit demselben durch ein 
kurzes schlauchförmiges und englumiges Gefäß verbunden (Fig. 8). 
Der Triehter hat hier auf dem Querschnitt fast die Form eines 
Quadrates, aus dessen Ecken zu jeder Seite der Tentakelbasis eins 
von den soeben beschriebenen Gefäßen hervorgeht. Ein weiterer 
Fortschritt in der Gefäßentwicklung zeigt sich darin, dass hier ein 
Trichtergefäß vorhanden ist. Dieses entspringt aus dem Trichter, 
verläuft nach oben, ist schlauchförmig und gabelt sich nach kurzem 
Verlaufe in zwei zu beiden Seiten des Sinnespoles blind endigende 
Äste. Tentakelgefäße habe ich nicht auffinden können. 

Was nun die Geschlechtsprodukte dieses Stadiums anbelangt, so 
finden wir sie in der peripheren Wand eines jeden Gefäßes das Lumen 
desselben halbmondförmig umgeben (Fig. 8). Sie reichen hier vom 
oralen bis zum aboralen Ende der Gefäße. Gerade wie bei den 
jungen Individuen befinden sich nach dem Mundpole hin die jüngsten 
Geschlechtszellen, die zwar noch sehr klein, jedoch schon deutlich 
in männliche und weibliche Elemente differenzirt sind. Verfolgen wir 
sie weiter nach dem aboralen Pole, so sehen wir das Wachsthum 
derselben so zunehmen, dass wir an dem oberen Ende schon in 
Reifung begriffene Eizellen antreffen. Die Geschlechtsprodukte sind 
hier in solehem Umfange entwickelt, dass das auf früheren Stadien 


486 August Garbe, 


noch reichlich vorhandene Drüsengewebe fast vollständig verdrängt 
ist (Fig. 7). 

Die Gesammtanordnung der Geschlechtsprodukte ersehen wir am 
besten aus dem Querschnitt von Fig. 8. Die Hoden liegen alle so, 
dass sie an die Tentakeltaschen stoßen, und die Ovarien der benach- 
barten Gefäße sind der Sagittalebene zugekehrt. Männliche und weib- 
liche Geschlechtsstreifen grenzen dicht an einander und es ist noch 
hervorzuheben, dass die größten Eizellen unmittelbar neben den Sper- 
matozoen liegen. Im Allgemeinen nimmt die Größe der Eizellen nach 
der Sagittalebene immer mehr ab. 

Von den ältesten Larven standen mir nur zwei 1,5 mm große 
Exemplare zur Verfügung. Leider zeigte sich bei ihnen nach Her- 
stellung von Schnittserien, dass sie höchst wahrscheinlich in Folge 
schlechter Konservirung in Osmiumsäure zur Wiedergabe histologischer 
Einzelheiten nicht geeignet waren. Erkennen ließ sich jedoch deut- 
lich, dass hier bereits acht Meridionalgefäße vorhanden waren, die 
alle mit Geschlechtsprodukten behaftet waren, und es schien das Ver- 
halten dieses Stadiums mit dem der ausgebildeten Thiere im Wesent- 
lichen bereits ganz übereinzustimmen. 


Pleurobrachia pileus. 


1) Die jüngsten Larven bei Pleurobrachia prleus, bei denen bereits 
die Anlagen von Geschlechtsorganen vorhanden waren, standen den 
auf das gleiche Verhalten hin untersuchten jüngsten Individuen von 
Pleurobrachia rhodopis noch etwas nach an Größe und maßen nur 
0,4 mm. Während bei den entsprechenden Stadien von Pleurobrachia 
rhodopis die Gefäßentwicklung noch auf ziemlich niedriger Stufe 
stand, finden wir hier das Gefäßsystem wie bei den ausgewachsenen 
Thieren fast vollständig ausgebildet. Aus dem kurzen Trichter ent- 
springen vier äußerst dünnwandige Gefäßstämme, die in medialer 
Richtung nach außen zu verlaufen, indem sie sich den Tentakel- 
wurzeln mehr oder minder innig anschließen. Ihre peripheren Enden 
erweitern sich zu den Rippengefäßen (Fig. 9). Diese vier Rippen- 
gefäße setzen sich nach dem Sinnes- und Mundpol hin fort und 
gabeln sich kurz vor ihrer Endigung in zwei Äste, so dass wir auf 
einem Querschnitte sowohl in Höhe des oberen als auch des unteren 
Endes der Gefäße acht Meridionalgefäße antreffen (Fig. 10). Außer 
diesen Gefäßen finden sich noch ein unter dem Sinnespol sich ga- 
belndes Trichtergefäß, zwei Magengefäße und zu jeder Seite der 


tin var. 


Unters. iiber die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 487 


Tentakelwurzeln je ein, im Ganzen also vier Tentakelgefäße. Alle 
diese erwähnten Gefäße endigen nach Art der Cydippen blind. 

Was die Entstehung der Geschlechtszellen anbelangt, so be- 
merken wir hier die Anlage derselben nicht nur in den Meridional- 
sefäßen, sondern auch in den Magen- und Tentakelgefäßen. Sie 
finden sich hier auch in den peripheren Wandungen der Rippen- 
sefäße, sowie in den den Magen und Tentakeln anliegenden Wan- 
dungen der Tentakel- und Magengefäße. Diese sind an den betref- 
fenden Stellen verdiekt, und das Gewebe erscheint uns fast als eine 
feingekörnte Protoplasmamasse, in die zahlreiche verschieden große 
Kerne eingebettet sind. Diese Kerne sind in lebhafter Theilung be- 
eriffen und in Fig. 10 findet man zwei Kernspindeln eingezeichnet. 
Wie die Untersuchung der älteren Stadien ergiebt, stellen die ver- 
diekten Stellen der Gefäßwände die Anlagen der Geschlechtsorgane 
dar. In den acht Gabelästen sind die Sexualorgane eben so wie bei 
den jüngeren Larven von Pleurobrachia rhodopis in zwei Keimstreifen 
angeordnet, von denen der eine der Trichterebene, und der andere 
den Tentakeln nahe liegt. Auf einem Querschnitt, der in der Höhe 
des Tricehters durch die Larve geführt wird Fig. 9, finden wir, ana- 
log Fig. 4, nur drei Keimstreifen, indem die beiden benachbarten 
eines jeden Gabelpaares sich hier mit einander vereinigen. 

Während nun bei Pleurobrachia rhodopis die Geschlechtszellen 
in dem untersten Ende der Meridionalgefäße ihren Anfang nehmen 
und bei den jüngsten Individuen nur ungefähr bis zur Mitte der- 
selben reichen, entstehen sie hier in dem ganzen Verlaufe der peri- 
pheren Gefäßwandungen. 

2) Die der Untersuchung unterzogenen etwas älteren Larven 
hatten eine Größe von 0,9 mm. Bei ihnen war die Gabelung der 
Meridionalgefäße schon fast bis zur Trichterhöhe vorgesehritten. Die 
Geschlechtsorgane erschienen uns auch auf diesem Stadium noch als 
zwei Keimstreifen in jedem Gefäße (Fig. 11). Die Größe derselben 
hat natürlich in Folge der lebhaften Kerntheilung zugenommen, gleich- 
zeitig ist dies auch bei den peripheren Gefäßwandungen der Fall 
(Fig. 12). 

3) Die mir zur Verfügung stehenden ältesten Larven waren 1,1mm 
sroß. Bei ihnen waren bereits die acht Rippengefäße vollständig 
ausgebildet, und es ist demnach der Gefäßverlauf dem der ausge- 
wachsenen Individuen vollständig gleich. 

Was nun die Sexualorgane anbetrifft, so sind deren Anlagen im 
Vergleich zu den vorher beschriebenen Stadien bedeutend vorge- 


488 August Garbe, 


schritten. Die Gefäßwände, in welche die Geschlechtszellen einge- 
bettet sind, erscheinen uns hier nicht mehr als eine gleichmäßig fein 
gekörnte Protoplasmamasse, sondern bestehen aus einem vacuolen- 
und drüsenreichen Gewebe. Auch bei den Geschlechtszellen haben 
wir hier schon einen Fortschritt zu verzeichnen und zwar in so fern, 
als wir in den Tentakel- und Magengefäßen Eizellen antreffen, die 
sich aus dem epithelialen Verbande der Gefäßwand abgelöst haben 
und in das Lumen übergetreten sind (Figg. 15 und 17). In den 
Meridionalgefäßen dagegen bewahren die Sexualzellen in ihrem ganzen 
Verlaufe noch den indifferenten Charakter (Fig. 14). Während sich 
in dem oberen Ende der Magengefäße nur indifferente Keimzellen 
befinden (Fig. 16), enthalten die untersten Enden schon reife Eizellen 
und Follikelbildung (Fig. 17). Es entstehen hier also aus einigen 
Keimzellen Eizellen, die sehr schnell wachsen und zur Reife kommen. 

Bei den von mir in Fig. 15 wiedergegebenen Larven erscheinen 
bei schwacher Vergrößerung die Rippengefäße mit den Rippen fast 
innig verbunden. Untersuchungen mit stärkeren Vergrößerungen zei- 
sen jedoch, dass es sich hier nur um eine zufällige Verklebung han- 
delt; denn das die Geschlechtsorgane überziehende charakteristische 
Plattenepithel ist hier deutlich wahrnehmbar (Fig. 14). Auch spricht 
hierfür das Verhalten der jüngeren Larven, bei denen sich zwischen 
den Gefäßen und dem Ektoderm ein größerer Zwischenraum befindet. 

Unter den zahlreichen untersuchten Helgoländer Larven fanden 
sich zu meiner größten Überraschung einige ganz kleine Exemplare, 
die schon in voller Geschlechtsreife standen. Fig. 18 vergegenwär- 
tigt uns den in der Höhe des Trichters geführten Querschnitt einer 
derartigen nur 0,5 mm messenden Larve. Von den beschriebenen 
Larven von Pleurobrachia pileus sind sie sehr abweichend, dagegen 
zeigen sie eine große Übereinstimmung mit den Larven von Pleuro- 
brachia rhodopis!. Aus dem Trichter, der bei diesen eine bedeuten- 
dere Breite erreicht wie bei jenen, entspringt ebenfalls jederseits ein 
Meridionalgefäß. Diese Gefäße gabeln sich bald in je zwei Äste, die 
nach oben und unten zu in umfangreiche Blindsäcke sich fortsetzen. 
Diese letzteren endigen oben in der Nähe des Sinnespols und unten 


1 Die betreffenden Larven fanden sich unter dem Material, das die Bio- 
logische Station zu Helgoland an das hiesige Zoolog. Institut im Herbste des 
vorigen Jahres gesandt hatte. Bei der Schwierigkeit, konservirte Ctenophoren- 
larven sicher zu bestimmen, vermag ich die Species nicht anzugeben. Bei der 
Untersuchung der Thiere in toto und Anfertigung der Schnitte hielt ich die 
Larven für Pleurobrachia pileus. 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 489 


nahe der Ursprungsstelle der Tentakeln. Die auch hier durch Ein- 
stülpung der peripheren Gefäßwand erfolgende Gabelung ist auf 
unserer Abbildung bereits in der Trichterhöhe angedeutet. Weitere 
Gefäße sind außer einem sich unter dem Sinnespol gabelnden und 
blind endigenden Trichtergefäß nicht vorhanden. 

Bei diesen jungen Larven ist die Entwicklung der Sexualprodukte 
bereits so weit vorgeschritten, dass sie etwa den oben beschriebenen 
ältesten Stadien von Pleurobrachia rhodopis (Fig 8) entsprachen. 
Auch bei ihnen findet wie bei jenen ein Wachsthum der Eizellen 
vom oralen nach dem aboralen Pole hin statt; auch ist bei beiden 
die Form, Größe und Anordnung der Geschlechtsprodukte die gleiche. 
Eine Abweichung zeigen diese Larven jedoch dadurch, dass die Hoden, 
sowohl in beiden Enden der Gefäße viel weiter nach unten, resp. 
oben reichen als die Ovarien. 

Wir haben hier nun eine Art von Larven vor uns, die unter den 
bei Helgoland vorkommenden noch nicht beschrieben ist, und bei 
welcher höchst eigenthümlicher Weise trotz der geringen Größe von 
0,5 mm und trotz des kalten Nordseewassers die Geschlechtsorgane 
schon eben so entwickelt waren, als die mehr als doppelt so großen 
Triester Larven, deren frühzeitige Geschlechtsreife Cuun auf das 
warme Wasser zurückführt. Unter den achtzehn in Querschnittserien 
zerlegten Helgoländer Larven fanden sich leider nur zwei gleich große 
Exemplare, die diese Verhältnisse zeigten, und ich bedauere daher 
sehr, dass mir nicht noch einige jüngere und ältere Individuen zur 
Verfügung standen, um eventuell die mir wahrscheinlich erscheinende 
Identität mit der Triester Pleurobrachia rhodopis nachweisen zu 
können. 


Zusammenfassung. 

1) Die Bildung der Meridionalgefäße erfolgt bei den jüngsten 
Stadien der Pleurobrachia rhodopis durch fortschreitende Spaltung 
vom aboralen Ende nach dem Sinnespole zu und nicht etwa durch 
eine Reihe selbständiger Sprossungen vom Trichter aus. 

2) Sämmtliche acht Rippen sind schon bei den jüngsten Larven, 
die nur zwei Meridionalhauptgefäße haben, vorhanden, und entstehen 
also nicht erst während der späteren Entwicklung der Gefäße. 

3) Die Geschlechtszellen entstehen bei Pleurodbrachia rhodopis in 
den oralen Enden der Meridionalgefäße durch Proliferation der Ge- 
fäßwandungen und nehmen nach dem Sinnespol hin an Größe zu. 

4) Die Geschlechtsprodukte sind hier auf den früheren Stadien 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 33 


. 490 August Garbe, 


nicht in das Lumen der Gefäße hineingepfropft, sondern sie befinden 
sich in der dem Ektoderm zugekehrten Wand des Gefäßes und um- 
geben das Lumen des Gefäßes sichelförmig. 

5) Der »Genitalsinus« ist nur ein einfacher Spaltraum, der durch 
Abheben des feinen Epithels entstanden ist und keine wichtige mor- 
phologische Bedeutung hat. 


6) Bei Pleurobrachia peleus finden sich Anlagen von Geschlechts- 


zellen außer in den acht Meridionalgefäßen auch in den Tentakel- 
und Magengefäßen. 


Rostock, im Februar 1900. 


Erklärung der Abbildungen, 


Alle Angaben über Vergrößerungen beziehen sich auf das Zeıss’sche 
Mikroskop. 


Gemeinsame Bezeichnungen: 


al, Alveole; ov’, jugendliche Eizellen; 
b.schp, Basis der Schwimmplättchen; ov", reife Eizellen; 

drg, Drüsengewebe; p, Hoden mit Hodenzellen ; 
ek, Ektoderm; pe, Plattenepithel der Gefäße; 
fo, Follikel; r, Rippen; 

ga, Gallerte; rgf, Rippengefäß; 

gi, Genitalsinus; r.ov, reifende Eizellen; 
g.rgf, Gabelast des Rippengefäßes; schp, Schwimmplättchen; 
i.gsch, indifferente Geschlechtszellen; schz, Schleimzellen ; 

k.sp, Kernspindel; sp, Spermatozoen ; 

Kl, Keimlager; t, Tentakel; 

m, Magen; t.sch, Teentakelscheide; 

mg, Magengefäß; tg, Tentakelgefäß; 

mw, Magenwand; tw, Tentakelwurzel. 


ov, Ovarium mit Eizellen; 


Tafel XXXVI und XXXVI. 


Fig. 1—8 beziehen sich auf Larven von Pleurobrachia rhodopis, Fig. 9—17 
auf Larven von Pleurobrachia pileus, Fig. 18 auf eine unbekannte Larve. 

Fig. 1. Querschnitt durch den Trichter einer 0,5 mm großen Larve. Hier 
sind drei Keimlager von Geschlechtszellen vorhanden. Oc. 2, Obj. E. 

Fig. 2. Querschnitt durch dasselbe Individuum etwas oberhalb des Trich- 
ters. Der Schnitt veranschaulicht, dass die Sexualzellen bis zu dieser Höhe der 
Gefäße noch nicht hinaufreichen. Oc. 2, Obj. E. 

Fig. 3. Querschnitt durch das untere Drittel einer 0,8 mm großen Larve, 
Die beiden Gabeläste des Rippengefäßes enthalten je zwei Keimlager. Oc.2, Obj. E. 


ü 


Unters. über die Entstehung der Geschlechtsorg. bei den Ctenophoren. 491 


Fig. 4. Querschnitt durch die Mitte desselben Individuums. Das Rippen- 
sefäß hat sich hier noch nicht gegabelt. Wir haben hier drei Keimpolster, von 
denen das mittlere Eizellen und die beiden seitlichen Spermatoblasten repräsen- 
tiren. Oc. 2, Obj. E. 

Fig. 5. Querschnitt des Ovariums in gleicher Höhe und von derselben 
Larve wie Fig. 4. Zeigt die noch ziemlich gleich großen Eizellen in dieser 
Höhe. Oec. 2, 1/12 Ölimmersion. 

Fig. 6. Querschnitt durch das letzte Drittel desselben Individuums. Es 
sind hier bereits fast reife Eizellen vorhanden. Oe. 2. Ölimmersion. 

Fig. 7. Querschnitt eines Quadranten einer 1,2 mm großen Larve. Oe. 2, 
Obj. E. 

Fig. 8. Gesammtquerschnitt durch dieselbe Larve. Oec. 2, Obj. CC. 

Fig. 9. Querschnitt durch den Trichter einer 0,4 mm großen Larve. In 
dieser Schnitthöhe sind vier Rippengefäße mit drei Keimlagern. Oc. 2, Obj. E. 

Fig. 10. Querschnitt durch das unterste Drittel desselben Individuums. 
Der Quadrant zeigt die beiden Gabeläste des Rippengefäßes. Oc. 2, Obj. E. 
Fig. 10a. Kernspindel stärker vergrößert. 

Fig. 11. Querschnitt durch den Quadranten einer 0,9 mm großen Larve. 
Öc. 4, Obj. BB. 

Fig. 12. Querschnitt durch die Gabeläste der Rippengefäße durch das- 
selbe Individuum, und zwar etwa in derselben Höhe wie Fig. 11 bei stärkerer 
Vergrößerung. Oec. 2, Obj. F. 

Fig. 13. Querschnitt durch eine 1,1 mm große Larve. Oc. 4, Obj. BB. 

Fig. 14. Querschnitt eines Rippengefäßes desselben Individuums. Oe. 2, 
Obj. F. 

Fig. 15. Querschnitt durch die Tentakelgefäße derselben Larve. Oe. 2, 
Obj. F. 

Fig. 16. Querschnitt durch das obere Ende eines Magengefäßes mit noch 
indifferenten Keimzellen. Oc. 2, Obj. F. 

Fig. 17. Querschnitt durch das untere Ende desselben Magengefäßes. Figur 
zeigt bereits eine reife Eizelle und Follikelbildung. Oec. 2, Obj. F. 


Fig. 18. Querschnitt durch eine 0,5 mm große Helgoländer Larve. Oe. 4, 
Obj. CC. 


» 33% 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weilsen Ratte, 
besonders der vordersten Halswirbel. 


Von 


cand. med. Armin Weifs 
(Wien). 
(Aus dem I. anatomischen Institut in Wien.) 


Mit Tafel XXXVIU und XXXIX und 2 Figuren im Text. 


Es giebt kaum ein Gebiet der Morphologie, das eine so viel- 
seitige Bearbeitung erfahren hätte, wie die Entwicklung der Wirbel- 
säule, ohne dass die Durchsicht der Litteratur ein in jeder Hinsicht 
einheitliches Bild der Verhältnisse darbieten würde. 

Der Erste, der in seinen Untersuchungen an Schildkröten die 
heute allgemein gültige Ansicht aussprach, dass der untere Atlas- 
bogen dem Körper der übrigen Wirbel nicht entspreche, war nach 
RATHKE’s Bericht CUVIER. 

RATHKE (19) selbst stellte für die Natter die Behauptung auf, 
dass der Atlas ursprünglich wie die übrigen Wirbel gebaut sei, dann 
aber sein Körper sich durch Verflüssigung seiner Zwischensubstanz 
vom Bogen trenne und schließlich mit dem des Epistropheus ver- 
wachse. Gleichzeitig glaubt er, dass auch bei höheren Wirbelthieren 
der Processus odontoideus dem Körper des Atlas entspreche. 

BERGMAnN’s (2) Resultate lauten folgendermaßen: Der Dens 
epistrophei ist der Körper des Atlas, seine craniale Epiphyse ist das Os 
terminale, Ligamentum transversum und Bogenbasen sind ergänzende 
Bestandtheile; der Arcus anterior ist »unteres Wirbelelement«, das 
Intervertebralstück zwischen Atlas und Epistropheus ist eine Doppel- 
epiphyse. 

Nach ihm bestätigte RATHKE (19a) in Untersuchungen an Scheld- 
kröten seine früheren Befunde, indem er nachwies, dass die Chorda 
dorsalis durch den Dens epistrophei und das Ligamentum suspensorium 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 493 


dentis in den Schädel eintrete; eine Erscheinung, die er selbst an 
Krokodilen (19b) und H. MÜLLER an Süugern beobachtete. Endlich 
wurden auch von Rosın (21) diese Verhältnisse beschrieben. 

Retzıus (20) fand gleich RATHKE, dass der untere Atlasbogen eine 
Hypapophyse sei, die bei Vögeln auch am Epistropheus, bei Zeptibien 
an allen Halswirbeln, zuweilen auch an den Brustwirbeln zu finden 
wäre. 

Hasse (15) sah an Zinds- und Schweinsembryonen Folgendes. 
Die Chorda dorsalis liegt im Schädel, wie in den Wirbelkörpern 
zuerst in der Mitte, später aber der ventralen Fläche genähert. An 
allen Wirbeln unterscheidet er eine helle »chordale« und eine dunkle 
»skeletogene« oder »fortsatzbildende« Schicht. Im Gebiete der Wirbel- 
centren überragt die chordale Schicht die skeletogene an Mächtig- 
keit, im Gebiete der Intervertebralknorpel kehrt sich das Verhält- 
nis um. Die chordale Schicht hat eine »rosenkranzähnliche« Form 
und bildet die Centren aller Wirbel und Intervertebralknorpel, wäh- 
rend von der skeletogenen das Periost und die Fortsätze (Bogen etc.) 
abstammen. Am Atlas erfährt dieses Schema folgende Modifikation. 
Der Dens epistrophei oder Körper des Atlas ist reine Chordalschicht, 
die mit dem Körper des Epistropheus verwachsen ist und sich von 
der ihm zugehörigen skeletogenen (Ligamentum transversum, dor- 
salen Bogenhälften und Arcus anterior) getrennt hat. Alle diese Be- 
standtheile sind zusammen einem gewöhnlichen Wirbelkörper äqui- 
valent. Im Gelenkraum zwischen Atlas und Oceipitale entspricht das 
Ligamentum suspensorium dentis der chordalen Schicht des Inter- 
vertebralknorpels, die Ligamenta alaria der skeletogenen Schicht 
desselben. Der Apparatus ligamentosus ist Umbildungsprodukt der 
skeletogenen Schicht gleich dem Ligamentum commune antieum und 
posticum der übrigen Wirbel. 

Nach ihm hat FRORIEP (6a u. b) eine ausführliche Untersuchung 
der Wirbelsäulenentwicklung an Hühnchen- und Rindsembryonen an- 
gestellt. Dieselben beziehen sich zunächst auf die Halswirbelsäule 
und die Oceipitalregion. Ich gebe hier in Kürze die Resultate, da 
ich auf Einzelheiten ohnehin im Texte zurückkommen muss. 

FRORIEP unterscheidet drei Stadien: den »primitiven Zustand« 
»die Übergangsperiode« und den »definitiven Zustand«. 

Primitiver Zustand. Axiales Stützorgan ist die Chorda dor- 
salis. An derselben sind in »regelmäßigen, den intermuskulären 


1 Die ältere Litteratur eitirt nach Hasse. 


494 Armin Weiß, 


Zwischenräumen entsprechenden Abständen schräg caudal lateralwärts 
gerichtete, bindegewebige Stützplatten, die primitiven Wirbelbogen« 
befestigt. An ihren lateralen Rändern liegen die Myomeren. 

Übergangsperiode: »Die primitiven Wirbelbogen verlieren 
durch Auflockerung ihres perichordalen Theiles den Halt an der Chorda. 
Sie bleiben außerdem im Wesentlichen unverändert bestehen als 
hypochordal geschlossenes bindegewebiges Bogenpaar, welches auch 
fortdauernd die intermuskuläre Stützplatte bleibt, jedoch erst durch 
die Bildung eines Körperknorpels wieder axialen Halt bekommt.« 

Definitiver Zustand: Derselbe bildet sich dadurch aus, dass 
der Bogen, während seine hypochordale Spange sich zurückbildet und 
schließlich gänzlich verschwindet, in seinen lateralen Theilen knorpe- 
lig wird und mit der von vorn herein knorpelig auftretenden Anlage 
des Körpers zu einem einheitlichen Ganzen verschmilzt. Dies ist der 
knorpelige Wirbel als definitives Skelettglied, das dann schließlich ver- 
knöchert. Atlas und Epistropheus zeigen während des Primitiv- 
zustandes und der Übergangsperiode im Wesentlichen dieselben Ent- 
wieklungsverhältnisse. Erst am Ende der zweiten Periode bemerkt 
man einen Unterschied. Bogenknorpel und Körperknorpel verschmel- 
zen hier nicht. Hingegen tritt in der hypochordalen Spange Knorpel 
auf, der sich mit den Bogenknorpeln zu einem einheitlichen Ring ver- 
einigt. Gleichzeitig verschmälert sich der Körper des Atlas in seinem 
cranialen Antheil, während der caudale simsartig vorspringt. 

Auch an der hypochordalen Spange des Epistropheus kommt es 
zur Bildung von Knorpel, der sich jedoch wieder zurückbildet. An 
den hypochordalen Spangen der folgenden Wirbel tritt nur Andeulnner 
weise Knorpel auf, verschwindet aber rasch. 

Der Ocecipitalwirbel unterscheidet sich in seiner Entwicklung von den 
übrigen gar nicht. Jedoch findet seine Selbständigkeit durch Verschmel- 
zung mit dem »scheinbar ungegliederten Abschnitt« ein Ende. Dieser 
besteht aus drei nachweisbaren Bogenrudimenten mit den zugehörigen 
Ursegmenten und modifieirten Spinalnerven, von denen der erste nur 
eine ventrale Wurzel besitzt. Die Anlage der hypochordalen Spange 
ist am ÖOceipitalwirbelbogen nur angedeutet, am »scheinbar unge- 
gliederten Abschnitt« fehlt sie. 

So verhält sich im Wesentlichen die Entwicklung der Wirbel- 
säule beim Hühnchen, wie beim Rind. Die Unterschiede in der Ent- 
wicklung beider Thiere sind folgende: 

1) Das Auftreten von Knorpel erfolgt beim Hühnchen zuerst im 
Bogen und dann im Körper, beim Säuger umgekehrt. 


ee en 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etc. 495 


2) Die Anlage des Körperknorpels erfolgt beim Säuger bilateral, 
beim Hühnchen vor der Chorda in der Mitte, sie von hier aus um- 
wachsend. | 

3) Beim Hühnchen bildet die hypochordale Spange eine Vor- 
ragung an der cranioventralen Kante des Körpers, bei Säugern ist 
sie weiter herabgerückt. 

4) Beim Hühnchen ist die hypochordale Spange knorpelig wohl 
entwickelt und bildet an der ventralen Seite des Körpers einen Vor- 
sprung. Beim Säuger kommt es, ausgenommen am Atlas, zu einer 
derartig starken Ausbildung dieser Spange überhaupt nicht. 

5) Die dorsale Verschmelzung der Bogen erfolgt beim Hühnchen 
viel rascher als beim Säuger. 

Die Entwicklung der Drehwirbel ist bei beiden Thierklassen gleich. 

‘Nur ist der verbreiterte untere Theil des Atlaskörpers beim 
Säuger eine einfache Körperverbreiterung, während er beim Hühnchen 
durch die emporgerückte hypochordale Spange des Epistropheus ge- 
bildet wird. 

Der Vergleich der Oceipitalregionen zeigt, dass nur der Säuger 
einen selbständigen Oceipitalwirbeibogen neben dem »scheinbar un- 
segliederten Abschnitt« besitzt, während beim Hühnchen nur der 
letztere vorhanden ist. 

Außerdem finden sich beim Hühnchen wenig ausgebildete Ocei- 
pitalspinalnerven, jedoch Arteriae interprotovertebrales in der Kopf- 
region. Die letzteren fehlen beim Säuger; hingegen sind die ersteren 
bei ihm besser entwickelt. 

Die Arbeiten, die nach FRORIEP erschienen sind, beschäftigen 
sich hauptsächlich mit den allerersten Stadien der Wirbelsäulenent- 
wicklung, deren Ergebnis die sogenannte »primitive Wirbelsäule« — 
der Ausgangspunkt der FrorıEp’schen Untersuchungen — ist. Da 
diese Untersuchungen hauptsächlich an niederen Thieren gemacht 
wurden, bei denen Chorda und Chordascheiden in der Entwicklung 
eine große Rolle spielen, was in Folge der nur rudimentären Ent- 
wicklung dieser Gebilde bei Säugern nicht der Fall ist, so halte ich 
es für angemessen nur jener Arbeiten ausführlicher Erwähnung zu 
thun, die für die Entwicklung der Wirbelsäule der Amnioten von 
Wichtigkeit sind, und zwar um so mehr, als bereits eine Reihe vor- 
züglicher zusammenfassender Darstellungen über dieses Thema ver- 
öffentlicht worden sind!. 


1 Ich erwähne hier nur die treffliche zusammenfassende Darstellung von 
Gaurp (10). Als Ergänzung dazu die zusammenfassenden Darstellungen über 


496 Armin Weiß, 


v. EBnEr (4) untersuchte junge Embryonalstadien von Tropido- 
notus. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war die Bestätigung der 
Richtigkeit der RemAr’schen Theorie von der segmentalen Anlage 
der Wirbelsäule und ihrer Beziehung zu den Urwirbeln (sogenannte 
»Neugliederung der Wirbelsäule«), die durch die Entdeckung der 
Intervertebralspalte — dem Abkömmling der Urwirbelhöhle — einen 
neuen Stützpunkt gewann. Die Entstehung der definitiven Wirbel 
erfolgt auch nach v. EBNEr durch Vereinigung zweier, von je zwei 
auf einander folgenden Urwirbeln herstammenden Sclerotomhälften. 
Ähnliche Verhältnisse fand er auch bei Vögeln und Säugern. 

CoRNING (3) sah an Embryonen von Tropidonotus, Lacerta vivi- 
para und Anguis fragilis die von v. EBNER beobachteten Spalten, 
hält aber den genetischen Zusammenhang für weniger wichtig, als 
die Thatsache, dass die durch sie gegebene Eintheilung der bleiben- 
den Segmentirung entspricht. Auch ist er bezüglich der »Neugliede- 
rung« anderer Ansicht als v. EBNER, vor Allem desswegen, weil seiner 
Meinung nach dadurch die Arteriae interprotovertebrales in die 
bleibenden Wirbel zu liegen kämen. Nach Cornin@’s Beobachtungen 
treten besonders am caudalen Rande der Intervertebralspalten Ver- 
diehtungen auf, die sich seitlich zwischen die Myomeren hin er- 
strecken und die Anlagen der oberen Bogen darstellen. Durch die 
Vereinigung ihrer Basen längs der äußeren Chordascheide, und von 
dieser selbst entstünden die Wirbel. Die Neugliederung der Wirbel- 
säule scheint ihm »durch die Verschiebung der letzteren (der Wirbel) 
im Anschluss an die Muskelaktion« gegeben. 

v. EBNER (5) theilt in seiner folgenden Arbeit — eine Erwide- 
rung an ÜORNING — etwas ausführlicher seine Befunde an Reptilien 
mit. Er behauptet gleich Frorırr, dass der Knorpel zuerst im Kör- 
per, und zwar bilateral auftrete. Hingegen hält er im Widerspruch 
zu diesem die Primitivwirbelbogen FROrRIEP’sS für Bildungen, die mit 
den späteren Bogen in keine Beziehung gebracht werden können, 
und behauptet, dass die ersten Skelettanlagen die Körper seien. 

Unserem Thema näher liegen die neueren Arbeiten von GOETTE 
(13) und Männer (18) an Reptilien. 

GOETTE untersuchte Lacerta und Anguis, außerdem Ascalaboten, 
Hatteria und auch einzelne höhere Wirbelthiere. Nach ihm gehen 
die Reptilienwirbel aus einer ursprünglich einheitlichen Perichordal- 


die Entwicklungsgeschiche des Kopfes von FRORIEP (8) und KUPFFER (17) und 
die »Metamerie des Schädels«< von GAupPp (12). 


MT 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 497 


schicht hervor, die sich durch Anschwellung an den Stellen der 
späteren Zwischenwirbelgelenke in die einzelnen Wirbelkörper theilt. 
Ihre vollkommene Ausbildung erfahren sie durch die Anlagerung der 
verbreiterten Bogenbasen, wodurch auch ihre ursprüngliche »Faden- 
rollenform« (Doppelkegel) verloren geht. Die Bogen sind breite Platten. 
Diese Breite der Bogen stammt nach seinen Beobachtungen von der 
Doppelanlage der Bogen, die er in der Schwanzregion noch deutlich 
beobachten konnte. Er schließt daraus und durch Vergleich mit palä- 
ontologischen Funden, dass der Beginn der Entwicklung vollständiger 
Wirbel mit Körper und Bogen in der Reihe der Amiaden, Stegocepha- 
Zen und aller jetzt lebenden Digitaten in der embolomeren Form, 
d. h. in Form der Doppelwirbel erfolge, woraus durch paarige Ver- 
schmelzung, bei gleichzeitiger Rückbildung beider Wirbel (Ganorden), 
oder nur des caudalen, (Digitaten) die einfachen Wirbel entstehen. 
Seine Funde an den Bogen der Schwanzregion der Reptilien deutet 
GOETTE als vererbte Reste der Doppelbildung. 

MÄNNER untersuchte gleichfalls Reptilien. Er bestätigt das Vor- 
handensein der v. Esner’schen Intervertebralspalte, wodurch das 
Sclerotom in zwei Hälften zerlegt wird, welche bei den einzelnen 
Species verschieden ausgebildet sind. Interessant ist, dass MÄNNER 
an jenen Species, an denen GOETTE Doppelbildungen der Bogen 
nachwies, eine gleich starke Ausbildung der vorderen und hinteren 
Sclerotomhälfte fand, was bei den übrigen nicht der Fall war. Bei 
allen untersuchten Thieren jedoch wächst das Myotom keilförmig in 
die Intervertebralspalte vor, wodurch die ursprünglich zusammen- 
gehörigen Selerotomhälften getrennt werden, und sich nunmehr jede 
caudale Hälfte mit der cranialen des caudalwärts anschließenden 
Segmentes verbindet. Dies will Männer als »Neugliederung des 
skeletogenen Gewebes« (entsprechend REMmAR’s »Neugliederung der 
Wirbelsäule«) bezeichnet wissen. Wo nun die vordere Scelerotom- 
hälfte redueirt ist, kommt durch die Neugliederung das typische 
» Primitivwirbelbogen-Stadium« FrorIEP’s zu Stande. Außerdem fand 
MÄNNER wieder die hypochordale Spange, die am Atlas den unteren 
Bogen bildet, während die des Epistropheus an den unteren Rand 
des Atlas rückt und die untere Gelenkfläche für den ventralen Atlas- 
bogen darstellt. Die übrigen Spangen bleiben nach Verlagerung an 
das caudale Ende des vorhergehenden Wirbels bei Lacerta bestehen; 
bei den übrigen Formen werden sie reducirt. 

SCHULTZE (22) giebt in Kürze die Resultate seiner Untersuchun- 
gen an Säugern. Er fand dabei die schon von den früheren Auto- 


498 | Armin Weiß, 


ren beobachtete Intervertebralspalte. Die hintere dunkle Selerotom- 
hälfte bildet den primitiven Wirbelkörper (REMmArR); zwischen den 
eiförmigen, theils dicht an einander gedrängten, theils nur durch 
diehtes Gewebe verbundenen »primitiven Wirbelkörpern« tritt der 
erste Knorpel des definitiven Wirbelkörpers auf, in den durch Ver- 
knorpelung der primitive aufgenommen wird, so dass wir ein 
Stadium einer nicht segmentirten Knorpelsäule haben, aus der sich 
erst sekundär die Intervertebralscheiben bilden. Der Verknorpelung 
geht die »Umgliederung« voran, in die auch die Membrana reuniens 
posterior durch eine der Ursegmentirung entsprechende Gliederung 
einbezogen wird. Die hypochordale Spange fand er nicht. 

HAGEN (14) erwähnt in seiner Abhandlung über »die Bildung 
des Knorpelskelettes beim menschlichen Embryo« bezüglich der 
Wirbelsäule in so fern einen von FRoRIEP abweichenden Befund, als 
er eine selbständige Verknorpelung der hypochordalen Spange nicht 
gefunden hat. Eben so vermag er das Vorhandensein von Resten 
der hypochordalen Spangen am Epistropheus und den folgenden Hals- 
wirbeln nicht mit Sicherheit anzugeben. 

Schließlich muss ich noch einer Reihe von Beobachtungen Er- 
wähnung thun, die, obwohl sie, so weit mir bekannt, nur von makro- 
skopischen Untersuchungen herrühren, doch für meine Befunde an 
Rattenembryonen von größerem Interesse sind. Sie betreffen die 
Wirbelrudimente des von RATHkE (19b) zuerst bei Krokodılen beob- 
achteten, und von ALBRECHT als Proatlas bezeichneten Wirbels, der 
zwischen Atlas und Hinterhaupt liest. Er fand Rudimente oberer 
Bogen. Außerdem wurden von anderen Autoren sowohl Bogen als 
auch Körperrudimente in verschiedenen Thierklassen gefunden, und 
zwar: 

Neurapophysen (obere Bogen) bei: Zehynchocephalen, Dino- 
sauriern (fossil) und Lacertiliern als konstante Rudimente, bei C'helonva, 
Marsupialiern, Edentaten, Insectivoren und Primaten als accidentelle 
Rudimente. 

Centra (Körper) bei Lacertiliern, Carnivoren und Primaten. Der 
sanze Wirbel soll nach den Autoren dem Atlas der Anamnier ent- 
sprechen. 

Den folgenden Untersuchungen stehen die Befunde ALBRECHT’S (23) 
und Doro’s (28) am nächsten, welche rudimentäre Centren des 
Proatlas bei Primaten betreffen. Dieselben mögen daher hier eine 
eingehendere Besprechung erfahren. 

AugrecHT’s Befund stammt von einem Macacus arctordes, In 


et 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 499 


seiner Zusammenfassung sagt der Verfasser: »En resume nous avons 
trouv& chez un scelette de Macacus arctoides I Geoffr. le centre du pro- 
atlas reuni par la partie preproatlantique du ligament suspenseur de 
la dent au bord caudal du basioceipital. Ce ligament consiste done 
en deux parties, qui ont la valeur morphologique de fibrocartilages 
intervertebraux. « 

ALBRECHT scheidet durch dieses Centrum das Lig. suspensorium 
dentis in zwei Fibrocartilagines, eine »proatlanto-oceipitale« und eine 
»proatlanto-atlantique«. Der diesem Centrum zugehörige Spinalnerv 
ist der zwischen Hinterhaupt und Atlas austretende. 

Doro fand das Knöchelchen bei einem Macacus, einem Cyno- 
cephalus und einem Hunde. Beim Macacus und beim Hund ist 


. dieses Centrum des Proatlas ein »osselet pisiforme«. 


Bei Cynocephalus sagt er: »L’osselet est ici plutöt aplati trape- 
zoidal.< Bei allen dreien ist es »reli& au bord caudal du basioceipi- 
tal par un ligament« (Ligamentum suspensorium). 

Beide Autoren halten die Funde für den Körper »das Centrum« 
des Proatlas. Es kann nach Beiden weder die craniale Epiphyse des 
Atlas noch die caudale des Hinterhauptes sein, da es mitten im Liga- 
ment liegt. DoLLo hält es überdies für eine perichordale Ossification 
und glaubt, dass es knorpelig vorgebildet ist. 

Auch Corner (27) machte dieselben Befunde wie DoLLo bei 
einem Macacus (von zwei untersuchten Fällen), hält aber denselben 
für eine aceidentelle Verknöcherung des Ligamentum suspensorium, 
wie er auch im Gegensatz zu den beiden obigen Autoren die oberen 
Bogen eines Proatlas bei einem Erinaceus als Schaltknochen be- 
zeichnet. 

Übrigens finden sich auch bei HEnLE und Lusctka bereits ähn- 
liche Bildungen erwähnt. 

HENLE (36) sagt vom Ligamentum suspensorium dentis: »Es schließt 
zuweilen einen hyalinen Knorpelstreif ein« (nach LuscHkA). 

Bei LuscHkA (40) findet man: »Nicht selten habe ich in ihm 
auch beim erwachsenen Menschen eine aus hyalinem Knorpel ge- 
bildete, von fibrösem Gewebe umschlossene Achsenformation gefunden. « 


Die vorliegende Untersuchung wurde an der weißen Ratte durch- 
geführt. Verwendet wurden Sagittal-, Frontal- und Horizontalserien 
aus der Sammlung des hiesigen Institutes, und zwar: Frontalserie 
eines Rattenembryo von SS (Scheitel-Steißlänge) = 5 mm. 


500 Armin Weiß, 


Sagittalserien vom Rattenembryo SS = 9 mm 
» > » 35 Han 
» » > SB — 1m 
» » » ee 4 5 
> > > SS, Ton 
» » » SS —— 108, » 
» » » SS = 20 » 
> » >» SS 
Außerdem eine Sagittalserie der neugeborenen Ratte. 
Horizontalserien vom Rattenembryo SS = 7 mm 
> > > Bo 102> 
» » > 88, 11 » (zwei-SeHen 
» » » Ss = 12 » 
» » » SS == 15 > 
S » SONO 


Gefärbt wurde zum Theil mit Kochenille-Alaun nach CzokoRr, 
meist aber wurde, besonders bei älteren Embryonen, die Hämatoxylin- 
Eosinfärbung verwendet, weil es sich hier vielfach um das erste 
Auftreten von Knorpel handelte. Zur näheren Bestimmung des Ent- 
wicklungsstadiums gebe ich bei jedem Embryo außer den Längenmaßen 
noch die Beschreibung der äußeren Form und der Entwicklungsver- 
hältnisse des Aortenbogensystems, jedoch nur bis zum Stadium von 
10 mm SS, da bei diesem dasselbe bereits definitiv ausgebildet ist, 
und auch die äußere Form nichts genügend Charakteristisches mehr 
darbietet. Ich benutze also von diesem Stadium an nur das Längen- 
maß zur Altersbestimmung. Die Untersuchung bezieht sich auf die 
Brust- und Halsregion und den Oceipitalwirbel. Dabei nahm ich, 
abweichend von FRoRIEP, als Ausgangspunkt meiner Untersuchungen 
die Brustwirbelsäule, da diese am deutlichsten den Typus der Ent- 
wicklung zeigt. 

Wenn im Verlaufe dieser Arbeit auch Manches wiederholt wer- 
den musste, was schon von anderen Autoren an anderem Material 
mitgetheilt wurde, so schien mir dies unvermeidlich, da die beson- 
deren Entwicklungsverhältnisse bei der Ratte, die in einer Reihe von 
Punkten von dem bisher Bekannten abweichen, sonst unverständlich 
wären. 


Ich beginne zunächst mit der Beschreibung der Serien. 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 501 


Ir 


Embryo 4 SS = 5 mm. 
Embryo 5 SS = 7 mm. 


Der Embryo besitzt einen wohl ausgebildeten Mandibularbogen, 
dessen Oberkieferfortsatz mit dem Stirnfortsatz bereits zu verschmel- 
zen beginnt; daran anschließend der Hyoidbogen. Cervicalbucht deut- 
lich sichtbar, Geruchsorgan als Grübchen angelegt, Gehörbläschen 
äußerlich nicht wahrnehmbar. Extremitäten stummelförmig. 

Der Embryo besitzt erst drei Aortenbogen. Er wurde in eine 
Serie von 10 « Schnittdicke zerlegt und mit Hämatoxylin-Eosin ge- 
färbt. 

Die Schnittrichtung trifft die Hals- und Caudalregion frontal, die 
Mitte horizontal. 

Da die frontal getroffene Caudalregion die primärsten Verhält- 
nisse zeigt, und mir ein jüngeres Stadium nicht zur Verfügung stand, 
so möge dieselbe hier kurz Erwähnung finden. 

Die Schnitte (Fig. 1) zeigen drei bis vier Ursegmente und die 
von ihnen herstammenden Selerotome, die sich gegen die Chorda und 
das Rückenmark hin vorgeschoben haben. Die ersteren bestehen 
aus den für sie charakteristischen eylindrischen Zellen. Außen- und 
Innenlamelle sind an den meisten noch deutlich. Die im Centrum 
der Urwirbel gelegene Urwirbelhöhle setzt sich in die Selerotome als 
v. Esner’sche Intervertebralspalte fort. Im Inneren der Urwirbel- 
höhle finden sich spindelförmige Zellen mit länglichem Kern als 
Anlagen der Myomeren, die an einzelnen Stellen bereits in die Inter- 
vertebralspalte vorzudringen scheinen, wie dies MÄnneER bei Reptilien 
beobachtete. 

Von den beiden durch die Intervertebralspalten getrennten Selero- 
tomhälften besteht sowohl die craniale als die caudale gleichmäßig 
aus dicht gedrängten Zellen mit großen Kernen. Dieselben stehen 
lateral in der Nähe der Ursegmente noch dichter als medial. Die 
Selerotome reichen in dorsaler Richtung nirgends über das ventrale 
Ende der Spinalganglien hinaus. Die Abgrenzung der von einem 
Urwirbel abstammenden Selerotomhälften gegen die des nächsten, 
bilden die Arteriae interprotovertebrales. 

Die Region des Halses (Fig. 2) und die des Rumpfes zeigen, 
auf ziemlich gleicher Entwicklungsstufe stehend, gegenüber der 
Schwanzregion, bereits einen bedeutenden Fortschritt. 

An den Frontalschnitten sieht man die Chorda dorsalis als einen 


502 Armin Weiß, 


in ihrem ganzen Verlaufe gleich dicken Strang von ca. 25 u im 
Durchmesser. Sie besteht aus dicht gedrängten Zellen mit großen 
runden Kernen. Den Strang entlang stehen die Zellen etwas dichter, 
als in der Umgebung. Dies ist die Perichordalschicht der Autoren. 
Was die Urwirbel und ihre Abkömmlinge, Sclerotom und Myotom 


betrifft, so gilt davon Folgendes: Von den Urwirbeln ist — aus-. 


senommen an den Horizontalschnitten der Thorakalregion — wo 
sich noch einzelne ihrer charakteristischen Zellen an den hinteren 
Rändern der Myomeren finden, nichts mehr wahrzunehmen. Die 
Myomeren selbst sind zu bauchigen, spindelförmigen Körpern aus- 
gewachsen. Ihre Zellen sind ebenfalls deutlich spindelförmig mit 
ovalem oder stäbchenförmigem Kern. Ihr medialer Rand springt, 
wie dies besonders deutlich an den dorsal von der Chorda gelegenen 
Schnitten zu sehen ist, medialwärts gegen das Sclerotom hin keil- 
förmig vor und zwar gerade an jener Stelle, wo, wie die caudalen 
Schnitte zeigen, die Intervertebralspalte lag. Von dieser selbst ist 
hier nichts mehr zu sehen. 

Die Sclerotome, die durch das Vordringen des Myotoms wie 
durch einen Keil aus einander gedrängt erscheinen, zeigen hier ein 
wesentlich anderes Aussehen. Man sieht nämlich helle und dunkle 
Streifen mit einander abwechseln, von denen jeder dunkle mit dem 
cranialwärts von ihm gelegenen hellen, als von demselben Ursegment 
stammend, zusammengehören. Die ersteren (dunklen) sind die aus 
dicht gedrängten Zellen bestehenden caudalen, die letzeren die aus 
nur locker gefügten Elementen bestehenden eranialen Sclerotomhälften, 
welche die in diesem Stadium auch am Halse noch direkt von der 
Aorta abgehenden Arteriae interprotovertebrales und die zugehöri- 
sen Spinalnerven enthalten. Beide liegen lateral nahe der Myomere. 
Ich habe nun oben erwähnt, dass durch das keilartige Vordringen 
des Myotoms zwischen die beiden einem Ursegmente zugehörigen 
Selerotomhälften, dieselben wie aus einander gedrängt erscheinen, 
wesshalb sie nicht mehr einfach quer liegen, sondern die craniale 
etwas cranialwärts, die caudale etwas caudalwärts abgebogen ist. 
Diese Thatsache ergiebt nun, dass der Embryo in der vordersten 
Halsregion sich bereits im Übergangsstadium zum FRrorıEr’schen 
»primitiven Zustand der Wirbelsäule« befindet; d. h. wir haben es 
hier mit der beginnenden »Umgliederung der Wirbelsäule« zu thun. 
Die dunklen caudalen Selerotomhälften, welche die hellen cranialen 
des folgenden Selerotoms von der Seite her umgreifen und so mit 
ihr in innigere Beziehung treten, sind die ersten Anlagen der Primi- 


erden 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 503 


tivwirbelbogen. Die folgenden (hellen) eranialen des nächsten cau- 
dalen Selerotoms sind »Körperbezirk«. Die Verbindung der beider- 
seitigen Sclerotomhälften erfolgt ventral und dorsal von der Chorda. 
Während aber die letztere Verbindung nur aus einer oder zwei Zell- 
reihen besteht, die sich zwischen Rückenmark und Chorda dorsalis 
einschieben, so ist die erstere ein breiter Zug von Zellen, deren größte 
Achse in querer Richtung zieht. 

Die vorliegende Abbildung (Fig. 2), welche die drei vordersten 
Wirbelanlagen darstellt, zeigt, dass dieselben in diesem Stadium nicht 
als specifische Bildungen zu erkennen sind. Ihre Differenzirung ge- 
lingt erst durch die Betrachtung der Gefäße. Dieselbe ergiebt Folgen- 
des: Die erste caudale (dunkle) Selerotomhälfte, oder der erste »Primi- 
tivwirbelbogen« muss der Anlage des Hinterhauptes angehören, da die 
mit dem ersten Spinalnerven verlaufende Arteria interprotovertebralis 
caudal davon liegt!. Es ist daher diese Anlage mit der von FRORIEP 
als Wirbelanlage in der Oceipitalregion bezeichneten identisch. In 
der vom selben Urwirbel herstammenden ceranialen Selerotomhälfte 
liegt lateral der ihr als Spinalnerv zugehörige Nervus hypoglossus. 
Oranialwärts besitzt diese Sclerotomhälfte keine Grenze mehr. Als 
letzten Rest der Metamerie sieht man neben ihr noch eine Myomere. 
Die dem Primitivwirbelbogen des Oceipitalwirbels folgende helle era- 
niale Sclerotomhälfte bildet nach der »Neugliederung der Wirbelsäule« 
den Körperbezirk der Oceipitalwirbelanlage. Die ihr folgende dunkle 
ist der Primitivwirbelbogen des Atlas, die caudal davon gelegene 
helle sein Körperbezirk. In gleicher Weise folgen dann Primitiv- 
wirbelbogen und Körperbezirk des Epistropheus und der übrigen 
Wirbel. In jedem Körperbezirk liegt lateral der dem betreffenden Wir- 
bel zugehörige Spinalnerv und die Interprotovertebralarterie, woraus 
hervorgeht, dass nach der »Umgliederung« der Nervus spinalis I und 
die Arteria interprotovertebralis I (II) dem Oeceipitalwirbel angehören, 
während der cranial von ihm liegende Nervus hypoglossus einem 
nicht mehr angelegten Wirbel, in dessen Körperbezirk er liegt, als 
modifieirter Spinalnerv zukommt. 

Die Schnitte des Embryo B zeigen vollkommen horizontal ge- 


1 Die mit dem Nervus hypoglossus verlaufende (erste) Arteria interproto- 
vertebralis [HOCHSTETTER, Morpholog. Jahrbuch Bd. XVI] ist bei diesem Em- 
bryo nicht mehr mit Sicherheit nachzuweisen. Zur Bestimmung der einzelnen 
Primitivwirbelbogen wurden die Interprotovertebralarterien benutzt, da diese 
genau die Grenzen zwischen den einzelnen Sclerotomhälften einhalten, während 
die Spinalnerven eigentlich in der hellen Selerotomhälfte gelegen sind. 


504 Armin Weiß, 


troffen in der Brust- und Halsregion nichts Neues, bieten jedoch für 
die Verhältnisse an den Anlagen des Atlas und des Oceipitalwirbel 
eine wichtige Ergänzung. Während nämlich, wie oben erwähnt, an 
den Anlagen der übrigen primitiven Wirbel die Verbindung der rechten 
und linken Hälfte sowohl dorsal wie ventral von der Chorda in dich- 
teren Zellreihen erfolgt, sehen wir sowohl an der Atlas- wie an der 
Oceipitalwirbelbogenanlage, dass die Hälften der »Primitivwirbel- 
bogen« sich an der ventralen Seite der Chorda, und zwar sogar in 
ziemlich beträchtlichem Abstande von ihr, durch dichte Zellreihen 
verbinden. Nur am cranialen Ende der Atlasanlage finden sich auch 


dorsal von der Chorda dichtere Zellreihen; jedoch überragt auch hier der 
ventral von der Chorda gelegene Theil den dorsalen an Mächtigkeit.. 


Dem ersten Spinalnerven fehlt die dorsale Wurzel mit dem 
Spinalganglion. i 


II. 
Rattenembryo (SS = 9mm, Färbung Hämatoxylin-Eosin. 
Schnittdieke 10 u). 


Die äußere Ansicht dieses Embryos zeigt Folgendes: Auge nahezu 
vollständig entwickelt, äußeres Ohr in Form eines Grübchen sicht- 
bar. Nasenfortsatz mit dem Oberkiefer noch nicht vollkommen ver- 
wachsen, Rautenhirn durch die allgemeinen Decken nur mehr un- 
deutlich zu sehen. Die Extremitäten zeigen bereits Andeutung von 
Gliederung. 

Das Aortenbogensystem zeigt in diesem Stadium: 1) An Stelle des 
Carotisbogens eine Carotis communis mit den beiden Hauptästen. 
2) Vorhandensein beider Aortenbogen, von denen jedoch der rechte 
bereits viel schwächer als der linke ist. 3) Obliteration des rechten 
Pulmonalbogens bei bestehendem linken. (Ductus Botalli.) 

Die Entwicklung der Wirbelsäule bietet folgendes Verhalten 
(Fig. 3): 

Die Chorda dorsalis ist auch hier noch ein allenthalben gleich 
dieker Strang von ca. 20 u im Querdurchmesser, der aus den bereits 
oben beschriebenen Zellen besteht. 

Der Verlauf der Chorda ist im Rumpf ein ziemlich geradliniger. 
Erst eirca in der Höhe der vierten Halswirbelanlage beginnt sie sich 
in sanfter gleichmäßiger Krümmung allmählich ventralwärts zu wen- 
den, um auf der cranialen Fläche der Schädelbasis nach vorn zu 
verlaufen und in der Nähe der Hypophyse zu enden. 

Die Perichordalschicht, aus zwei bis drei Zellreihen bestehend, 


WW GENF au» EEE 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etec. 505 


ist ebenfalls schärfer ausgeprägt, als bei den früheren Stadien. Eine 
außerordentliche Volumzunahme zeigen die primitiven Wirbelbogen, 
besonders in ihren Perichordaltheilen. Diese perichordalen Theile 
der »Primitivwirbelbogen«, d. h. ihre Ansätze an der Chorda, sind 
zu mächtigen, ovalen, aus dicht gedrängten Zellen bestehenden Massen 
angewachsen, die gegen die Perichordalschicht nicht mehr abgrenz- 
bar sind, wesshalb die letztere nur in den Körperbezirken sichtbar 
ist. Weiter lateral nehmen sie an Mächtigkeit ab und bilden quere, 
im Sagittalschnitt ungefähr rechteckige Platten. Noch weiter lateral 
nehmen sie wieder an Breite zu, so dass die dichten Zellhaufen der 
einzelnen primitiven Bogen sich nahezu berühren. Am dorsalen Ende 
dieser Verdichtungen, und zwar nahe ihrem unteren Rande, sieht 
man einen kleinen aus gleichem Gewebe bestehenden Fortsatz ab- 
sehen, der die Wurzel des definitiven Bogens darstellt. 

Verfolgt man die Sagittalserie lateralwärts, so sieht man den 
weiteren Verlauf der Bogen mit den 
zwischen ihnen liegenden Spinalnerven 
und Interprotovertebralarterien. Die 
Bogen reichen dorsalwärts nur bs n y 
den ventralen Rand des Ganglions, late- A_YM 
ral dringen sie zwischen die Myomeren Aa —- Ch 
ein. Irgend welche Anlage von Knorpel- | 
gewebe fehlt. Aus dem oben Gesagten 
ergiebt sich, dass der Primitivwirbel- 
bogen aus folgenden Theilen besteht: 
1) einer Horizontalplatte, die mit der 
Perichordalschicht in innigem Zusam- 
menhang steht und auf sie meniscusartig 
übergeht (Vorläufer der Bandscheibe), „.. ee. N, 
2) einer Vertikalplatte (späteres Verbin- lung und dem Auftreten des Körpers (sche- 
dungsstück zwischen Bogen und Körper), als, » Perichordalsehicht: A Horizon 
an deren hinterem Rand 3) der eigent- talplatte: V, Vertikalplatte; Z, Bogen; 
liche Bogen abgeht (Texifig. 1). Der a: 
Primitivwirbelbogen zeigt in allen seinen Theilen eine ganz gleich- 
mäßige Struktur. Er besteht durchweg aus dicht gedrängten stark 
sich färbenden Zellen. Die eigenthümliche Form seiner Anlage be- 
dingt eine starke Einengung des Körperbezirkes. Dieser besteht aus 
zwei kleinen Feldern zu beiden Seiten der Perichordalschicht. Seine 
Grenzen sind: eranial und zum Theil auch vorn die Horizontal- 
platte, lateral die Vertikalplatte des primitiven Wirbelbogens, 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 34 


I 


SIIIIIIII 


506 Armin Weiß, 


dorsal in der Mitte die Anlage des Lig. longitudinale posterius. 
Seitlich davon fehlt jede Begrenzung, eben so zum größten Theile 
vorn. Die caudale Grenze bildet die Horizontalplatte der folgenden 
Wirbelbogenanlage. Das Gewebe des Körperbezirks ist noch das 
typische, lockere Gewebe der hellen Selerotomhälfte. Dieses eben 
beschriebene, fast schematische Verhalten zeigen nur die Thorakal- 
wirbel. 


Die Halswirbel bieten eine geringe Abweichung, die, wie der 


Mittelschnitt (Fig. 3) lehrt, darin besteht, dass zunächst die von der 
Chorda durchsetzten Horizontalplatten nach vorn geneigt sind und 
etwa keilförmige Gestalt haben. Ferner ist hier die Abgrenzung 
der Vertikalplatten gegen die eigentlichen Bogen hin nur undeutlich 
ausgesprochen, da sie nicht am hinteren Rand derselben, sondern 
mehr seitwärts abgehen. In den Bogen sieht man bereits die 
Anastomosen der Arteriae interprotovertebrales (Arteria vertebralis) 
(Fig. 4), während sie selbst den Zusammenhang mit der Aorta auf- 
gegeben haben. Zwischen den Bogen treten die Spinalnerven durch. 

Epistropheus. Derselbe verhält sich in seiner Entwicklung 
wie die übrigen Halswirbel. 

Der Atlas und der vor ihm gelegene Occipitalwirbel Fro- 
RIEP’S zeigen manche wesentliche Abweichung von der typischen Bil- 
dung. Zunächst fällt hier die mächtigere Entwicklung der Perichordal- 
schicht auf, die in dem Körperbezirk des Atlas aus ca. drei bis vier 
Zellreihen besteht und im Körperbezirk des Oceipitalwirbels in Form 
eines kugeligen Zellhaufens endet. Das Ende der Perichordalschicht 
liegt etwas dorsal vom Mittelstück des primitiven Oceipitalwirbelbogens. 

Auch die primitiven Wirbelbogen des Atlas und des Oceipi- 
talwirbels zeigen eine eigenthümliche Übereinstimmung, wie schon 
bei dem Embryo von 7 mm und können daher zusammen abgehandelt 
werden. Vor Allem stehen sie zu den anderen Wirbeln dadurch in 
Gegensatz, dass eine eigentliche Horizontalplatte nicht existirt, 
weil ihre Bogen nicht an die Perichordalschicht angelagert, sondern 
ventral von der Chorda spangenartig verbunden sind. Daher ist hier 
die Perichordalschicht gegen eine Hypochordalschicht deutlich abge- 
grenzt. In der Hinterhauptanlage beruht dies auf dem bereits erwähn- 
ten eigenthümlichen Verlauf der Chorda unter dem cranialen Peri- 
chondrium, den sie sowohl über dem Oceipitalwirbel, wie über dem 
scheinbar ungegliederten Abschnitt beibehält. Auch seitlich legt sich 
der Primitivwirbelbogen weder beim Atlas noch beim Oceipitalwirbel 
dicht der Perichordalschicht an. 


u ; U Zn x 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etc. 507 


Sowohl der primitive Atlas- wie der Oceipitalwirbelbogen sind 
außerdem den typischen Primitivwirbeln gegenüber dadurch charak- 
terisirt, dass sie in ihrem perichordalen Theil keine Verbreiterung 
zeigen, ja dass im Gegentheil eher der eigentliche Bogen im cranio- 
caudalen Sinne verbreitert ist. Daraus ergiebt sich, dass diese Primi- 
tivwirbelbogen ihren zugehörigen Körperbezirk seitlich nicht begrenzen; 
das heißt den Primitivwirbelbogen des Atlas und des Oceipitalwirbels 
fehlt die Vertikalplatte. 

In dorsaler Richtung reichen die Bogen der beiden Wirbel ziem- 
lich gleich weit, aber beide um ein Beträchtliches weiter, als die der 
übrigen Wirbel. Lateralwärts jedoch überragt der Oeceipitalwirbel 
auch den Atlas an Ausdehnung. Zwischen den Anlagen der beiden 
Wirbel liegt die in den Schädel eintretende Arteria vertebralis und 
der durch das Fehlen des Spinalganglions charakterisirte Nervus 
spinalis I (Fig. 4). Dem vor der Chorda gelegenen ventralen Ver- 
bindungsstück des Oceipitalwirbels ist eine besondere Gewebsformation 
eigen. Man sieht hier nämlich das erste Auftreten von Knorpel. 
Dasselbe kennzeichnet sich dadurch, dass man in der Mitte der An- 
lage regelmäßig angeordnete Zellen mit großen, runden, hellen Kernen 
sehen kann, die eine sehr dunkel gefärbte Kernmembran besitzen. 
Das Protoplasma bildet, wie die Hämatoxolin-Eosin Färbung deutlich 
zeigt, um die Kerne cirkulär angeordnete, fädige, blass violett ge- 
färbte Massen, die sich auch unter einander verbinden. 

Im Inneren des »scheinbar ungegliederten Abschnittes« ist ebenfalls 
Knorpel im Beginne der Entwicklung zu sehen. Derselbe ist von 
dem des Oceipitalwirbels vollkommen getrennt. Die Verbindung 
bildet ein Streifen von Zellen ohne charakteristische Merkmale. 

Seitlich, wo Knorpelgewebe fehlt, ist die Verbindung beider An- 
lagen, die aus dicht gedrängten Zellen bestehen, eine so innige, dass 
sie gegen einander nicht abgrenzbar sind. Verfolgt man die Serie 
weiter seitwärts, so verschwindet die Anlage des »scheinbar unge- 
gliederten Abschnittes< immer mehr, so dass dieselbe am Sagittal- 
schnitt winklig gegen den Oceipitalwirbelbogen abgeknickt, wie ein 
schief aufsteigender Fortsatz desselben aussieht. Gerade in dem 
Winkel ist der Durchtritt der Hypoglossuswurzeln, und somit ist hier 
wieder die Grenze zwischen Oceipitalwirbelanlage und der des »schein- 
bar ungegliederten Abschnittes« deutlich sichtbar (Fig. 4). 


34* 


508 Armin Weiß, 


III. 
"Rattenembryonen SS — 10 mm. 


Außere Ansicht: Grenze zwischen Stirn- und Oberkieferfortsatz 
nur mehr als leichte Einsenkung erkennbar, Ohrmuschel in Form 
einer spitzen Erhebung angelegt, Extremitäten gegliedert, die vorderen 
auch im distalen Segment. 

Von diesen Embryonen wurde einer in eine sagittale, der andere 
in eine horizontale Serie von der Schnittdicke 10 u zerlegt. Der 
eine wurde mit Kochenille-Alaun, der zweite nur zum Studium der 
Anlage des Knorpels mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. Im Übrigen 
wurden die Entwicklungsverhältnisse nach dem ersten beschrieben. 

Das Aortenbogensystem dieses Stadium zeigt bereits die defini- 
tiven Verhältnisse. 

Die Chorda dorsalis hat sich schon vollkommen von dem sie 
umgebenden Gewebe losgelöst und verläuft nun scheinbar in einem 
Hohlraume, welcher von Dursy so aufgefasst, als »Chordakanal« be- 
zeichnet wurde. Ihr Durchmesser ist noch immer an allen Stellen 
ein gleich großer. Die Zellstruktur der Chorda ist die gleiche wie 
früher, nur scheinen die Zellen dort, wo die Region der späteren 
Bandscheiben liegt, das ist also wo die primitiven Wirbelbogen von 
der Perichordalschicht abgehen, etwas dichter zu stehen. Außerdem 
ist die wellige feine Membran, die die Chorda gegen die Umgebung 
früher abgrenzte, nunmehr verschwunden. Nur ganz vorn im Schädel, 
nahe der Hypophysenanlage, wo die Chorda endet, sieht man noch 
Reste derselben. Der Verlauf der Chorda im Schädel verhält sich wie 
früher. | | 

Die Veränderungen, die die Wirbelsäulenanlage selbst betreffen, 
bestehen zunächst darin, dass im Gebiete der typischen Wirbel der 
Brustregion die Perichordalschicht vollkommen verschwunden ist 
(Fig. 5). Ferner zeigen sich hier eigenthümliche Veränderungen im 
Primitivwirbelbogen, wie auch im Körperbezirk. Der Primitivwirbel- 
bogen bestand früher aus der Horizontalplatte und der Vertikalplatte 
mit dem eigentlichen Bogen, welcher an ihrem hinteren Rande ab- 
ging. Seine Theile bildeten ein einheitliches Ganzes, das gleichmäßig 
aus einem dichten, zelligen Gewebe bestand. Nunmehr aber zeigt 
sich deutlich eine Theilung des Primitivwirbelbogens in zwei Stücke, 
die sich durch verschiedene Gewebsdichte gegen einander abgrenzen. 
Es sind dies die aus sehr dicht gedrängten Zellen bestehende, 
dunkel gefärbte Horizontalplatte und die hellere, lockerer gefügte 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 509 


Vertikalplatte mit dem eigentlichen Bogen, welch’ letzterer wieder 
eine diehtere Struktur besitzt. Das erklärt auch die eigenthümlichen 
Bilder an lateralen Sagittalschnitten. Man sieht hier immer dunkle 
Zellanhäufungen und darunter hellere, die aber nicht so hell wie das 
Gewebe des Körperbezirkes sind. Erstere entsprechen der Horizontal-, 
letztere der Vertikalplatte. Das hellere Gewebe der Vertikalplatte 
verschmälert sich allmählich in dorsoventraler Richtung und ist schließ- 
lich als beginnender eigentlicher Bogen dem diehteren Gewebe der Hori- 
zontalplatte, und zwar ihrem unteren Rande dorsal angelagert (Fig. 6). 

Von hier weiter lateral nimmt die Horizontalplatte immer mehr 
an Dichte des Gewebes ab, um schließlich ganz zu verschwinden, 
während umgekehrt der Bogen aus dicht stehenden Zellen besteht: 
in seiner Achse ist bereits eine Aufhel- 
lung mit regelmäßiger Anordnung der Zel- 
len als erste Anlage von Knorpel zu 
sehen. Der Knorpel beginnt in ziemlichem 
Abstand vom lateralen Rand des Körpers. 
Die Verknorpelung erfolgt nahezu im gan- 
zen Bogen gleichzeitig. Der Bogen selbst 
ist dorsalwärts so weit vorgerückt, dass 
er das Ganglion von der lateralen Seite 
her umgreift. 

Die früher dargestellten Veränderun- 
sen in den Anlagen des Primitivwirbel- 
bogens lassen erkennen, dass derselbe 
eigentlich nicht mehr besteht, und man 
diese Bezeichnung nun nicht mehr anwen- Textfig. 2. 
dena kanne Ich sehe daher in der Folge : Drei Primitivwirbelbogen. nachr ihrer 

Theilung und dem Auftreten des Kör- 
davon ab. Gleichzeitig glaube ich aber für pers (schematischer Frontalsehnitt). 
die Vertikalplatte den Ausdruck »Bogen- a... 
base« setzen zu dürfen, welcher von K, Körper. 

GOETTE für das Ansatzstück des Bogens 

am Körper bei Reptilien gebraucht wurde. Ich thue dies — ohne 
diese Theile einander unbedingt homolog setzen zu wollen — abge- 
sehen von der Bequemlichkeit des Ausdruckes desshalb, weil, wie 
wir später sehen werden, durch die Verknorpelung dieses Theiles 
die Einheit von Körper und Bogen hergestellt wird (Textfig. 2). Auch 
der Körperbezirk (Fig. 5) hat eine auffällige Veränderung erfahren, 
zunächst dadurch, dass, wie man an der Sagittalserie sieht, die Peri- 
ehordalschicht nahezu vollkommen verschwunden ist. An der Horizon- 


510 Armin Weiß, 


talserie ist sie, wenn auch nicht scharf abgegrenzt, dennoch nach- 
weisbar. Die Begrenzungen des Körperbezirks sind im Wesentlichen 
dieselben geblieben. Es bildet daher die »Bogenbase« selbstverständ- 
lich die seitliche Begrenzung des Körperbezirkes. 

Von Wichtigkeit ist das Auftreten erster Knorpelanlagen im 
Wirbelkörper; dasselbe erfolgt, wie die Horizontalserie zeigt, hier 
etwas früher als im Bogen und ist bilateral in zwei Herden zu beiden 
Seiten der Chorda dorsalis zu sehen; jedoch erfolgt die Verschmelzung 
zu einem ringförmigen Knorpel sehr rasch. Dabei entsteht derselbe 
thatsächlich aus dem lockeren Gewebe der hellen Selerotomhälfte, die 
bis zum vorigen Stadium aus distant stehenden, durch Ausläufer ver- 
bundenen Zellen bestand. Eine Verdichtung des Gewebes, wie es im 
Bogen vor der Verknorpelung besteht, ist hier nicht wahrzunehmen. 
Die Kochenille-Alaunfärbung zeigt Zellen mit großen, runden, hellen 
Kernen, die ziemlich regelmäßig angeordnet sind; zwischen ihnen liegt 
eine ungefärbte Grundsubstanz. Verbindungen zwischen den Zellen 
sind nicht mehr vorhanden. Im mit Hämatoxylin gefärbten Präparate 
erscheinen die Kerne blassblau gefärbt, mit deutlich dunklerer Kern- 
membran. Die Grundsubstanz ist ziemlich diffus blau gefärbt, zwi- 
schen den Zellen sieht man an einzelnen Stellen Andeutung von Kitt- 
linien. 

An den Halswirbeln sind die Verhältnisse eben so. Bilaterale 
Anlage des Körperknorpels, der hier früher auftritt als im Bogen und 
die eigenthümliche Umwandlung des primitiven Wirbelbogens. 
Die Horizontalplatte erscheint gerade so, wie an der Brustwirbelsäule 
in der Mitte verschmälert, so dass sie am Sagittalschnitt (Fig. 5) wie 
biskuitförmig aussieht. Abweichend von der Brustwirbelsäule ist das 
Verhältnis der Bogenbase und des Bogens, weil der letztere nicht 
am hinteren Rande derselben in schief dorsaler Richtung abgeht, son- 
dern vielmehr lateral breit an die Bogenbase angesetzt von ihr ent- 
springt und dann erst dorsalwärts abbiegt. Desshalb zeigen die late- 
ral von der Chorda gelegenen Schnitte näher der Mitte eine craniale 
aus dicht gedrängten dunkel gefärbtem Gewebe bestehende Schicht 
(Horizontalplatte), die lateralwärts immer mehr an Dichte abnimmt 
und schließlich ganz verschwindet, während dies bei der caudal da- 
von gelegenen Bogenbase mit dem Bogen sich gerade umgekehrt 
verhält. Daher lassen sich die beiden durch die Differenz ihres Baues, 
wenn auch schwieriger als in der Brustregion, von einander abgrenzen. 
Durch diese Art des Bogenansatzes in der Halsregion werden auch 
Bilder, wie das in Fig. 7 abgebildete, verständlich, wo der Rest 


en KA 2 78 pn > ’ 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etc. 511 


der Horizontalplatte als hellere Masse der dichteren des Bogenwurzel- 
stückes ceranial aufsitzt. 

Der Epistropheus zeigt im Wesentlichen dieselben Verhält- 
nisse. Nur ist die Sonderung des primitiven Wirbelbogens in seine 
Bestandtheile noch nicht zu sehen. Der Fortschritt der Entwicklung 
gegenüber dem früheren Stadium besteht in dem Auftreten von 
Knorpel in der Körper- und Bogenanlage. 

Atlas und Oceipitalwirbel (Fig. 5). Im Körperbezirk des 
ersteren ist die bilaterale Knorpelanlage bedeutend kleiner als an 
den übrigen Wirbeln, besonders desshalb, weil hier die Perichordal- 
schicht noch deutlich erhalten ist. 

Die ventrale Spange des Atlasbogens hat sich von der Horizontal- 
platte nahezu vollkommen getrennt und liegt vor dem zugehörigen 
Körper. Sie ist am Sagittalschnitt ein runder Zellhaufen aus dicht 
sedrängten, stark mit Kochenille tingirten Zellen. Knorpelbildung 
fehlt noch, während sie im eigentlichen Bogen an der Sagittal- 
serie schon zu sehen ist. An der Horizontalserie fehlt sie auch 
hier. Die Bogen des Atlas überragen auch jetzt die der übrigen 
Wirbel beträchtlich an Ausdehnung in dorsaler Richtung. An den 
zwischen Atlas und Oeceipitalwirbel gelegenen Nerven und an der 
Arteria vertebralis bestehen die bereits geschilderten Verhältnisse. 

Einen ziemlich beträchtlichen Unterschied den übrigen Wirbeln 
gegenüber zeigt der Körperbezirk des Oceipitalwirbels. Es ist näm- 
lich hier das craniale Ende der Perichordalschicht weiter gewachsen 
und zeigt eine deutliche Kugelgestalt von folgenden Durchmessern: 


craniocaudal ca. 120 u 
dorsoventral ca. 100 u 
quer ca. 100 u. 


Die Zellkerne derselben sind oval und sowohl mit Kochenille, wie 
Hämatoxylin stark tingirt. Gegen die Horizontalplatte des Primitiv- 
wirbelbogens des Atlas ist diese Bildung nicht abgrenzbar, sondern 
erscheint als ein ihr aufgesetzter Zapfen, durch dessen Mitte die 
Chorda zieht. Cranial legt sie sich der Mitte der ventralen Ver- 
bindungsspange des Oceipitalwirbelbogens an. 

Die Bogenanlage des Oceipitalwirbels zeigt auch einen wesent- 
lichen Entwicklungsfortschrit. Der im ventralen Verbindungsstück 
bereits im vorigen Stadium wahrnehmbare Knorpel hat sich mächtig 
weiter entwickelt. Auch in den Bogen ist nunmehr deutliche Knorpel- 
bildung zu sehen, jedoch hängen die Knorpel derselben mit dem des 


512 Armin Weiß, 


ventralen Verbindungsstückes nicht zusammen, sondern sind durch 
eine noch unverknorpelte Strecke des Bogens von einander getrennt. 
Der scheinbar ungegliederte Abschnitt der Hinterhauptsanlage ist mit 
dem ventralen Verbindungsstück des Occipitalwirbelbogens vollkommen 
verschmolzen. Nur in der Mitte, eben dort wo die Chorda dorsalis 
über ihn hinwegzieht, sieht man eine Trennung der beiden Anlagen. 

Die Grenze zwischen ihnen ist in Form einer im Knorpel befind- 
lichen, durch Bindegewebe ausgefüllten Lücke gegeben. Die Durch- 
messer derselben betragen: 


dorsoventral ca. WM u 
quer casa LlOFn 


Die über sie hinziehende Chorda erscheint etwas nach links ver- 
schoben. Seitlich ist die Grenze zwischen beiden Anlagen durch die 
zwischen ihnen durchtretenden Wurzeln des Nervus hypoglossus 
genau bestimmt. | 


IV. 
Rattenembryonen SS = 11 mm. 


Die untersuchten Serien sind eine mit Kochenille-Alaun gefärbte 
sagittale und zwei horizontale, von denen eine mit Kochenille-Alaun, 
die zweite mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt war. Die Schnittdicke be- 
mm: 

Die Wirbelsäule zeigt in diesem Stadium nur wenig Verände- 
rung. Die Chorda dorsalis befindet sich im Beginne deutlicher Rück- 
bildung. Man sieht bereits eine Auflockerung, jedoch ohne eine 
Volumsverminderung im Gebiete der Körper, während im Gebiete der 
Horizontalplatte (Region der später sich entwickelnden Bandscheibe) 
die bekannten spindelförmigen Anschwellungen schon deutlich zu 
sehen sind. 

Von der Perichordalschicht ist im Gebiete der typischen Brust- 
und Halswirbel nichts mehr vorhanden. Die Anlagen der Wirbelkörper 
haben an Größe bedeutend zugenommen. Der Körperknorpel steht 
mit dem Bogenknorpel durch die Verknorpelung der Bogenbasen be- 
reits in Verbindung. Der Bogen ist in seiner ganzen Ausdehnung 
verknorpelt und reicht nunmehr bis an das dorsale Ende des Spinal- 
ganglions. Da die Vergrößerung des Wirbelkörpers in cranio-caudaler 
Richtung auf Kosten der ursprünglichen Horizontalplatte des Primi- 
tivwirbelbogens erfolgt, so sehen wir dieselbe reducirt. Diese Reduk- 
tion erfolgt hauptsächlich in der Mitte, wodurch die Horizontalplatte 


a ee 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etc. 513 


die Form eines Meniscus erhält. Die vorderste, über den Körper- 
bezirk vorragende Partie des Meniscus zeigt überdies eine Veränderung 
ihrer Struktur. Die Zellen stehen hier nämlich nicht mehr so dicht 
sedrängt wie früher, und zwischen den runden Kernen sieht man 
auch zahlreiche stäbehenförmige Kerne, die zum Theil längsverlaufend, 
zum Theil aber deutlich koncentrisch angeordnet sind. Die Horizon- 
talserie zeigt dasselbe Es ist dies die erste Anlage des Annulus 
fibrosus, die in dieser Form nur an der Ventralseite besteht. 

Die Halsregion zeigt so ziemlich die gleichen Verhältnisse wie 
die des Thorax. Die Unterschiede sind nur durch die Krümmung 
des Halses bedingt. Daraus ergiebt sich eine Neigung der Hori- 
zontalplatten in dorsoventraler Richtung, wodurch die Meniscusform 
weniger deutlich ausgeprägt ist, andererseits haben dadurch auch die 
Körper der Halswirbel‘ eine keilförmige Gestalt. Die Basis des Keiles 
ist dem Rückenmark zugewendet. Außerdem zeigen auch die vor 
der Arteria vertebralis gelegenen Theile der Bogen, wie die Rippen 
schon im früheren Stadium, erste Andeutungen der Knorpelbildung. 
Die Verhältnisse der Spinalnerven und der Arteria vertebralis sind 
mit denen der früheren Stadien vollkommen identisch. 

Der Epistropheus verhält sich eben so, wie die übrigen Hals- 
wirbel. Die zwischen seinem und dem Atlaskörper gelegene Hori- 
zontalplatte besteht noch. 

Atlas und Oceipitalwirbel: Am Atlaskörper hat sich, ab- 
gesehen von Größenzunahme und Fortentwicklung des Knorpels, nichts 
geändert. Dagegen zeigt sich im ventralen Bogen des Atlas deutlich 
der Beginn von Verknorpelung. Dieselbe erfolgt bilateral in zwei 
Herden, jederseits ca. 0,09 mm von der Mittellinie. Dies zeigt so- 
wohl die Sagittalserie, wie die Horizontalserie. Man sieht rechts und 
links zwei Knorpelherde als deutliche Aufhellungen, während das 
Mittelstück, wie früher aus dicht gedrängten, dunkel gefärbten Zellen 
besteht (Fig. 8). Das schon früher beschriebene, im Körperbezirk des 
Oceipitalwirbels gelegene vordere, kugelige Ende der Perichordal- 
schicht zeigt, abgesehen von seiner Größenzunahme — seine Durch- 
messer betragen nunmehr — 


cranio-caudal ca. 120 u 
dorsoventral ca. 150 u 
quer ca. 100 u 


und von seiner schärferen Abgrenzung gegen den Rest der Horizon- 
talplatte des Atlas zweierlei Veränderungen. 


514 | Armin Weiß, 


Erstens eine topographische: Es ragt nämlich jetzt über die 
craniale Fläche der ventralen Verbindungsspange der Oceipitalwirbel- 
anlage nach aufwärts. Daher ist nun das Lageverhältnis der ven- 
tralen Verbindungsspange des Oceipitalwirbelbogens zu diesem Ge- 
bilde dasselbe, wie das des vorderen Atlasbogens zu seinem Körper. 
Außerdem ist durch diese Lageveränderung auch eine eigenthümliche 
Veränderung der Lage der Chorda bedingt. Während dieselbe früher 
in sanften Bogen auf das Hinterhaupt überging, findet sich jetzt an 
dieser Stelle eine scharfe winkelige Knickung (Fig. 10 folg. Embryo). 
Endlich sind dadurch die ventralen Spangen des Atlas und des Ocei- 
pitalbogens näher an einander gerückt. Die zweite Veränderung be- 
steht darin, dass im Inneren dieser kugeligen Anlage eine schwache 
Aufhellung des dieht karminisirten Gewebes zu sehen ist, wie dies 
überall für den Beginn von Knorpelbildung charakteristisch erscheint. 
Im Oceipitalwirbel selbst hat sich die knorpelige Anlage des eigent- 
lichen Bogens mit der der ventralen Verbindungsbrücke bereits ver- 
einigt. An der Übergangsstelle erscheint am Horizontalschnitt (Fig. 9) 
als eine tiefe Grube, das Foramen hypoglossi. In derselben Fron- 
talebene liegt auch jene Lücke im Knorpel, die in der Mittelebene 
die Grenze zwischen Oceipitalwirbel und »scheinbar ungegliedertem 
Abschnitt« bildet. Ihre Durchmesser sind!: 


dorsoventral ca. 100 u 
quer ca (OL. 


Am Horizontalschnitt sieht man auch, wie die Chorda, die dieser 


Knorpelunterbrechung aufliegt, in einer tiefen Rinne zwischen zwei 


seitlichen Knorpelwällen gelegen ist. Rechts und links von ihr er- 
scheinen auf dem Knorpel zahlreiche Gefäße. 


V, 
Rattenembryo SS = 12 mm. 


Zur Untersuchung kamen eine sagittale Serie, Färbung: Koche- 
nille-Alaun und eine horizontale, Färbung: Hämatoxylin-Eosin. Die 
Sehnittdieke beträgt 10 u. Auch in diesem Stadium zeigt die Ent- 
wicklung nur geringe Veränderungen, so dass der Embryo in der 
Hauptsache dem vorigen gleicht. 

Fortschritte zeigt zunächst die Chorda in ihrer Rückbildung, so 


i Die in diesem Stadium so von Zahlen bei den übrigen Embryonen ab- 
weichenden Größenverhältnisse der Durchmesser dieser Lücke dürften wohl als 
eine individuelle Abweichung aufzufassen sein. 


er a de Zn 2 4 Zn 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 515 


dass sie im Körperbezirk nur mehr aus ca. zwei bis drei lockeren Zell- 
reihen besteht. Die Zellkerne zeigen deutlich denselben Charakter, 
wie die des sie umgebenden Knorpels. Das zwischen ihnen liegende 
Gewebe ist blassroth mit Karmin tingirt. Auch in dem die Chorda 
umgebenden »Chordakanal« Dursy’s finden sich theils fädige, theils 
homogene, blass mit Karmin tingirte Massen. Die mit Hämatoxylin 
sefärbte Horizontalserie zeigt dieselben eben so wie den Knorpel 
stark mit Hämatoxylin blau gefärbt. 

Die Anschwellungen der Chorda in den Resten der Horizontalplatte 
haben an Größe zugenommen. Weitaus die größte ist, wie im früheren 
Stadium, die im Atlas (und zwar hier in seinem Körper) gelegene, die 
die anderen besonders im Längsdurchmesser überragt. Der Verlauf 
der Chorda verhält sich wie in den früherem Stadium (Fig. 10). Eben 
so hat sich an den Anlagen der typischen Wirbel wenig geändert. 

Die Körper haben auf Kosten der Horizontalplatte in cranio- 
caudaler Richtung an Größe zugenommen. Die im vordersten Theile 
der Horizontalplatte bestehende Aufhellung verhält sich wie früher. 
Der Bogen ist in dorsaler Richtung kaum merklich gewachsen. Sein 
Verlauf ist zuerst gerade dorsal, dann aber biegt er stumpfwinkelig 
caudalwärts ab. An der Stelle der winkeligen Knickung, die sich 
ungefähr im vordersten Drittel des dorsalen Bogens befindet, erscheint 
derselbe auch verdickt. Diese Verdickungen sind die ersten Anlagen 
der Gelenkfortsätze. Die Verbindungen der auf einander folgenden 
Fortsätze bildet ein dichtes Gewebe, das, obwohl es noch keine be- 
stimmte Struktur zeigt, wohl die Anlage des Bandapparates darstellt. 

Der Epistropheus verhält sich so wie die übrigen Wirbel. 
Was den Atlas anlangt, so ist er wie früher den anderen Wirbeln 
in dorsaler Richtung im Wachsthum voraus. Der Körper des Atlas 
zeigt keine Veränderung. An der ventralen Spange sind die Knorpel- 
herde der beiden Seiten immer noch getrennt, wenn sie auch schon 
sehr nahe an einander gerückt erscheinen. Auch fehlt eine völlig 
einheitliche knorpelige Verbindung des dorsalen und des ventralen 
Bogens, obwohl bereits eine Umwandlung des zwischenliegenden Ge- 
websstreifens zu Knorpel in den ersten Anfängen sichtbar ist. 

Oceipitalwirbel: Das im Körperbezirk des Oceipitalwirbels 
gelegene vordere Ende der Perichordalschicht zeigt folgende Größen- 
verhältnisse der Durchmesser: 

dorsoventral ca. 150 u 
craniocaudal ca. 140 u 
quer ca. 150.1. 


516 Armin Weiß, 


Die Aufhellung im Inneren derselben hat an Deutlichkeit und 
Ausdehnung auffallend zugenommen. Es finden sich in derselben 
wohl vereinzelte Zellen mit großen runden Kernen, jedoch ist eine 
typische Knorpelstruktur noch nicht nachweisbar. Die Abgrenzung 
gegen den Körper des Atlas bilden die Reste der Horizontalplatte 
dieses Wirbels. An der lateralen Seite der oben beschriebenen An- 
lage, deren Mitte die Chorda durchsetzt, zieht der erste Spinalnerv 
vorbei. 

Die Bogen des Oceipitalwirbels und ihre ventrale Verbindungs- 
spange bilden jetzt eine einheitliche mächtige Knorpelmasse. Die 
in der Mitte des Basaltheils der Oceipitalanlage befindliche loch- 
förmige Unterbrechung im Knorpel, die, abgesehen vom Foramen 
hypoglossi die Grenze zwischen dem »scheinbar ungegliederten Ab- 
schnitt« und dem Oceipitalwirbel bildet, hat mit dem Wachsthum 
ihrer Umgebung beträchtlich an Größe zugenommen, und überdies 
eine äußerst scharfe Umgrenzung erhalten. Durch diese in der Mitte, 
an der Grenze zwischen Oceipitalwirbel und »scheinbar ungeglieder- 
ten Abschnitt« gelegene Lücke treten zwei Venen. Dieselben ziehen 
rechts und links an der Chorda dorsalis vorbei und bilden über ihr eine 
Anastomose. Sie stellen die Verbindung retropharyngealer Venennetze 
mit denen der Hirnhäute her. Es sind die letzteren jene Venen, 
die man auch schon im früheren Stadium nahe an die Lücke heran- 
treten sehen konnte, ohne dass dieselbe von ihnen durchsetzt wurde 
(Fig. 11). Die Durchmesser der oben erwähnten Lücke betragen: 

dorsoventral ca. 100 u 
quer ca. 240 u. 


v1. 
Rattenembryo SS = 13 mm. 


Der Embryo wurde sagittal geschnitten; gefärbt wurde mit Häma- 
toxylin-Eosin. Die Schnittdieke beträgt 10 u. 

Die Chorda dorsalis ist in diesem Stadium noch weiter rück- 
gebildet. Sie zeigt deutliche Volumszunahme in der Zwischenwirbel- 
region, deutliche Volumsabnahme im Körperbezirk. Ihre Zellen haben 
theils große, runde, schwach gefärbte, theils kleine, dunkel gefärbte 
Kerne. Die Zellen sind durch etwas stärker violett gefärbte Stränge 
unter einander verbunden. Zwischen diesen liegt eine blassblaue Grund- 
substanz, die auch Dursy’s »Chordakanal« ausfüllt. Bei sehr starker 
Vergrößerung zeigt sich die scheinbar homogene Grundsubstanz als 
ein äußerst feinmaschiges Netzwerk. Der Bau der Wirbelsäule bietet, 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etec. 517 


abgesehen von der beträchtlichen Größenzunahme, nur wenig Neues. 
Die Wirbelkörper sind vollkommen verknorpelt. Die Verknorpelung 
ist bereits so weit vorgeschritten, dass die Horizontalplatte in der 
Mitte bis auf ein, zwei Zellenreihen geschwunden ist (Fig. 12), und 
damit die knorpelige Verschmelzung der Körper eingeleitet erscheint 
(vgl. den folgenden Embryo). 

Seitlich und eben so dorsal und ventral sind die Reste der ur- 
sprünglichen Horizontalplatte noch vorhanden. Der ventrale Abschnitt 
derselben zeigt hier deutlicher als in den früheren Stadien die schon 
erwähnte Auflockerung des Gewebes. Dieselbe besitzt jedoch eine 
von Knorpel wesentlich verschiedene Struktur. Man sieht (Fig. 12) 
srößtentheils strangartig in eraniocaudaler Richtung verlaufende Zell- 
reiien. Was aber diese Partie von dem angrenzenden Knorpel be- 
sonders scharf abgrenzt, sind zahlreiche, dunkle, sehr kleine, stäbchen- 
förmige, manchmal fast punktförmige Zellkerne. Zwischen ihnen 
befinden sich auch hellere, längliche Kerne, jedoch überwiegen die 
ersteren an Zahl. Durch diese eigenthümliche Struktur gegen die 
vordere, dichtere, längsverlaufende Schicht (Anlage des Ligamentum 
longitudinale anterius) abgegrenzt, dokumentirt sich dieses Gewebe 
als Anlage des Annulus fibrosus, um so mehr, da dasselbe auch an 
der Horizontalserie eines Embryo von 12 mm SS deutliche fibrilläre 
Struktur zeigt. 

Der dorsale Theil des Horizontalplattenrestes steht in inniger 
Verbindung mit der längs der dorsalen Fläche der Wirbelkörper ver- 
laufenden Anlage des Ligamentum longitudinale posterius. 

Die Bogenanlagen unterscheiden sich gegenüber dem früheren 
Stadium nur durch die weitere Ausbildung des Knorpels und ihre 
Größenzunahme. Die Verbindung der Gelenkfortsätze zeigt noch keine 
ligamentöse Struktur. 

Die Verhältnisse der Halswirbel sind im Wesentlichen die gleichen, 
wie die der Brustwirbel. Nur haben die Körper hier eine etwas 
andere Form. Sie sind nämlich, wie dies bereits von FRORIEP be- 
schrieben wurde, in ihrem cranialen Antheile verjüngt. 

Der Epistropheus unterscheidet sich von den übrigen Wirbeln 
nur dadurch, dass die knorpelige Verschmelzung seines Körpers mit 
dem des Atlas in größerer Breitenausdehnung erfolgt, als dies zwi- 
schen je zwei der anderen Wirbelkörper der Fall ist. 

Der Körper des Atlas unterscheidet sich von denen der übrigen 
Halswirbel nicht wesentlich. Er ist eben so wie die anderen cranial- 
wärts etwas verjüngt. Die Grenze zwischen den Körpern des Atlas 


518 Armin Weiß, 


und Epistropheus, die in großer Ausdehnung knorpelig verschmolzen 
sind, bildet nur mehr eine an der ventralen Seite gelegene Einziehung, 
in der sich, wie an allen Wirbeln, die Anlage des Annulus fibrosus 
befindet. | 

Der ventrale Atlasbogen ist vollkommen verknorpelt; jedoch zeigt 
sich deutlich, dass der Knorpel in der Mitte jünger ist als weiter 
lateral. Außerdem ist die Verschmelzung zwischen dorsalem und 
ventralem Bogen bereits eingetreten. Der Atlasbogen überragt in 
diesem Stadium die übrigen um ein Bedeutendes an Ausdehnung in 
dorsaler Richtung. Andererseits ist er auch lateralwärts über die 
folgenden Wirbelbogen ziemlich stark hinausgerückt. Dadurch ergiebt 
sich eine Veränderung im Verlauf des obersten Stückes der Arteria 
vertebralis. Sie muss nämlich nun, um auf die Schädelbasis zu ge- 
langen, sich zuerst lateral und nach dem Verlassen der Knorpelrinne 
am Atlas wieder medialwärts wenden (definitive Lage der Arteria 
vertebralis). 

Oceipitalwirbel. Wir haben schon im früheren Stadium in 
der im Körperbezirk dieser Anlage liegenden, kugeligen Auftreibung 
eine Aufhellung gesehen, die in der Mitte der Auftreibung begann, 
von hier sich weiter ausdehnte und die auf beginnende Verknorpe- 
lung schließen ließ. Diese Verknorpelung ist nun thatsächlich ein- 
getreten. Man sieht hier, wie früher an den übrigen Wirbeln durch 
blauviolett gefärbte Kittlinien von einander abgegrenzte Zellen, mit 
sroßen, runden, nur schwach tingirten Kernen. Die Grundsubstanz 
zeigt diffuse Blaufärbung. Wir haben es also hier mit einer selbständig 
verknorpelten Perichordalschicht zu thun, die uns die rudimentäre 
Anlage eines Wirbelkörpers vorstellt. Die Begründung dieser Behaup- 
tung möge in der Zusammenfassung am Schlusse ihren Platz finden. 

Die eben erwähnte Wirbelkörperanlage ist aber in diesem Sta- 
dium in der Mitte nicht mehr selbständig, sondern bildet, mit dem 
Atlaskörper knorpelig verschmolzen, die Spitze des Dens epistrophei 
(Fig. 12). Seitlich jedoch ist die Grenze zwischen beiden Anlagen in 
Form mehrerer Reihen unverknorpelter Zellen (Reste der Horizontal- 
platte der Atlasanlage) noch deutlich sichtbar (Fig 13). Über diese 
Verhältnisse giebt auch die Abbildung des Plattenmodells deutlich 
Aufschluss (Fig. 14). 

Die Durchmesser dieser nun knorpeligen Anlage betragen: 

craniocaudal ca. 150 u 
dorsoventral ca. 180 u 
quer car 180m 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etc. 519 


Dieser rudimentäre Wirbelkörper reicht so weit in das Hinter- 
hauptsloch hinauf, dass eine in der Medianebene durch die Mitte des 
ventralen Verbindungsstückes der Oceipitalwirbelanlage gedachte Hori- 
zontale gerade die Grenze zwischen ihm und dem Atlaskörper treffen 
würde. Durch die Mitte der Anlage dieses Wirbelkörpers zieht die 
Chorda. Über ihre hintere und obere Fläche zieht das Ligamentum 
longitudinale posterius. An ihrer vorderen Seite liegt das ventrale 
Verbindungsstück des Oceipitalwirbelbogens. Der Rest der an der 
cranialen Fläche des Atlas gelegenen Horizontalplatte ist in das Peri- 
chondrium der angrenzenden Knorpelanlagen aufgenommen (Fig. 12). 
In der Anlage des Oceipitalwirbels selbst hat sich nichts wesentlich 
geändert. Die beiden Bogenhälften haben sich mit dem ventralen 
Verbindungsstück, wie mit dem »scheinbar ungegliederten Abschnitt«, 
zu einer breiten, bis an die Gehörkapsel sich erstreckenden Platte 
vereinigt, von der sich der Bogen nur durch die Foramina hypoglossi 
und die mittlere Lücke abgrenzen lässt. Über dieser Lücke verläuft 
die Chorda, durch sie noch beide Venen. 

Die Durchmesser der Lücke betragen: 

dorsoventral ca. 100 u 


quer ca. 230 u. 
vl. 
Rattenembryonen SS = 15 mm. 


Zur Untersuchung gelangten eine Horizontal- und eine Sagittal- 
serie, beide mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. Die Schnittdicke beträgt 
10 u. 

Die Chorda dorsalis ist in diesem Stadium in starker Rückbil- 
dung begriffen. Ihr Gewebe ist aufgelockert und enthält, wie dies 
besonders deutlich in den Anschwellungen der Zwischenwirbelregionen 
zu merken ist, Zellen mit großen Kernen und eine faserige Grund- 
substanz. Der Verlauf der Chorda hat sich nicht geändert. Der 
»Chordakanal« Dursy’s, der in der Intervertebralregion von den 
sroßen Chordaanschwellungen ganz ausgefüllt ist und daher nur 
mehr in der Wirbelkörperregion sichtbar wird, ist hier von einer 
deutlich blau gefärbten scheinbar homogenen Masse erfüllt. 

Die Wirbelkörper zeigen eine bedeutende Größenzunahme und 
Fortbildung des Knorpels. Dieser besitzt deutliche Grundsubstanz 
zwischen den distanter stehenden Zellen. Auch der Bogen weist größere 
Ausbildung des Knorpels auf. Sein dorsales Ende reicht weit über 
das Spinalganglion hinaus, jedoch ist es in diesem Stadium zu einer 


520 Armin Weiß, 


dorsalen Vereinigung der Bogenhälften noch nicht gekommen. Eigen- 
thümlich verhält sich der Knorpel an der Grenze zwischen Bogen 
und Körper. Hier sind die Knorpelzellen besonders groß, mit sehr 
dieken Kittlinien und großen, blass gefärbten Kernen. In der Hals- 
region liegt diese Stelle gerade dorsal von der Arteria vertebralis. 

Charakteristisch ist übrigens für dieses Stadium die schon von 
SCHULTZE beobachtete vollständige Verknorpelung der Horizontalplatte, 
mit Ausnahme jenes vordersten Antheiles, der sich zum Annulus fibro- 
sus umgewandelt hat und deutlich fibrilläre Struktur zeigt (Fig. 15). 
Die Wirbelkörpersäule ist also in diesem Stadium ein einheitlicher 
Knorpelstab, wie es auch ScuuLtze beschreibt. Vor dem Annulus 
fibrosus liegt das Ligamentum longitudinale anterius. Dasselbe ist 
viel weniger deutlich entwickelt als das posterius. Der Epistro- 
pheus verhält sich wie die übrigen Wirbel. 

Der Atlaskörper ist in diesem Stadium eben so breit wie die 
Körper der übrigen Wirbel. Seine eigenthümliche Form ist durch 
den mit ihm verwachsenen perichordalen Wirbelkörper gegeben, der 
seiner eranialen Fläche aufsitzt. Die beiden sind nun knorpelig ein- 
heitlich verschmolzen. Die durch dieses Wirbelrudiment gebildete 
Spitze des Dens epistrophei ragt noch immer ein beträchtliches Stück 
in das Foramen occipitale hinein und wird in der Mitte von der 
Chorda durchsetzt. Die Grenze zwischen dem rudimentären, peri- 
chordalen Wirbelkörper und dem des Atlas bildet nur eine Ein- 
ziehung an der ventralen, wie an der dorsalen Seite, und die be- 
kannte überall zwischen je zwei Wirbeln liegende, intervertebrale 
Chordaanschwellung. Dieselbe hängt mit der Chordaanschwellung am 
Atlas durch eine schmale Brücke zusammen (Fig. 15). 

Hinter der perichordalen Wirbelkörperanlage spannt sich die 
Anlage des Ligamentum transversum zwischen den beiden Seiten- 
theilen des Atlas aus. Von der Spitze des Dens epistrophei (dem 
perichordalen Wirbelkörper) sieht man, deutlich entwickelt, die An- 
lagen der Ligamenta alaria beiderseits an den Oceipitalbogen ziehen. 

Die Grenze des ventralen Verbindungsstückes des Oceipitalwirbel- 
bogens gegen den »scheinbar ungegliederten Abschnitt« bildet nun nur 
mehr die Durchtrittsstelle des Nervus hypoglossus, da die centrale 
Lücke durch Knorpelgewebe geschlossen ist. Freilich ist die an ihrer 
Stelle gelegene Knorpelplatte bedeutend schmäler als der Knorpel der 
Umgebung (Fig. 15). 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 5921 


VII. 
Rattenembryonen SS = 19mm, SS = 20 mm. 


Der erstere der beiden Embryonen ist eine mit Hämatoxylin-Eosin 
sefärbte Horizontalserie, der letztere eine Sagittalserie, die mit Koche- 
nille-Alaun gefärbt wurde. Die Chorda ist in der Körperregion so 
stark reducirt, dass sie hier nur als ein feiner Faden sichtbar ist, 
Ihr Verlauf ist überall dem des früheren Stadium völlig gleich. Die 
Ausbildung des Körpers besteht nur in Größenzunahme; im Knorpel 
desselben hat sich eben so wie in dem des Bogens reichlich Grund- 
substanz gebildet. Der Bogen hat wohl das Rückenmark nahezu 
vollkommen umgriffen, aber zur dorsalen Vereinigung der beiden 
Bogenhälften ist es noch nicht gekommen. Im Übrigen sehen wir 
an diesem Embryo die beginnende Entwicklung der definitiven Band- 
scheiben, die, abgesehen von dem viel älteren Annulus fibrosus, erst 
jetzt entstehen. Es geschieht dies in folgender Weise: In der Region 
der früheren Horizontalplatte sieht man eine Verdichtung der Knorpel- 
zellen, indem diese hier enger zusammentreten, als in den Anlagen 
der Körper, so dass man im Gegensatz zum früheren Stadium wie- 
der Wirbel von Wirbel deutlich abgrenzen kann (Fig. 16). Der unterste 
Theil der Wirbelkörper springt noch deutlicher vor als früher. 

Der Epistropheus verhält sich wie die übrigen Wirbel. Eben so 
auch der Atlas, dessen Bogen, obwohl sie sich dorsal nahezu berühren, 
noch nicht zur Verschmelzung gekommen sind. An der Hinterhaupts- 
anlage ist der verdünnte Abschnitt zwischen Oceipitalwirbel und 
»scheinbar ungegliedertem Abschnitt« völlig verschwunden, und der 
Basaltheil des Hinterhauptes besteht nunmehr aus einer einheitlichen, 
gleichmäßig breiten Platte. Die Anlage des im Körperbezirk des 
Oceipitalwirbels aufgetretenen, rudimentären, perichordalen Wirbel- 
körpers ist mit dem Atlaskörper vollkommen verschmolzen. An den 
medianen Sagittalschnitten lässt nur eine kaum merkbare Einziehung 
von der Ventral- und der Dorsalseite her die ursprüngliche Selb- 
ständigkeit der Anlagen erkennen. 

Ältere Embryonen, deren ich noch einige, sowohl sagittal als 
horizontal geschnitten, untersuchte, glaube ich hier nicht mehr speciell 
behandeln zu müssen, da der Entwieklungsfortschritt nur in der wei- 
teren Ausbildung der bisher angelegten Theile besteht. 

Von Interesse scheint mir nur folgendes Verhalten an der neu- 


geborenen Ratte. Die durch die Mitte der Wirbelsäule geführten 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 35 


522 Armin Weiß, 


sagittalen Schnitte zeigen den Epistropheuskörper mit dem Zahn als 
eine einheitliche, noch nicht verknöcherte Masse. In derselben lassen 
sich aber auch jetzt noch die ursprünglich getrennt angelegten Theile 
gegen einander abgrenzen, und zwar die Körper des Atlas und Epi- 
stropheus durch eine flache Einziehung an der ventralen Seite und 
durch die intervertebrale Chordaanschwellung; die Körper des Atlas 
und des postoceipitalen Wirbelrudimentes nur durch eine zarte spindel- 
förmige Anschwellung der Chorda dorsalis. 

Die bei älteren Embryonen sichtbaren, auch von FRORIEP be- 
schriebenen Vorsprünge am unteren Rande jedes Wirbelkörpers sind 
bei der neugeborenen Ratte nicht mehr wahrzunehmen. 


Zusammenfassende Darstellung. 


Die Betrachtung der durch die Untersuchung gewonnenen Resul- 
tate ergiebt, dass wohl das Grundprineip der Wirbelsäulenentwicklung 
sich bei der Ratte in denselben Bahnen bewegt, wie bei den übrigen 
untersuchten Wirbelthieren, dass aber in Einzelheiten doch Abwei- 
chungen auch vom Typus der Rindsembryonen FRorIEP’s bestehen. 

Die allerersten Entwicklungsverhältnisse stimmen wohl mit den 
Beobachtungen der Autoren an anderen Thieren überein. Die frühe- 
sten Anlagen zeigten uns die hinteren Körperabschnitte eines Em- 
bryo von 5mm SS. Die eraniale und caudale Sclerotomhälfte bestehen 
aus gleich dichtem Gewebe und sind durch die EBner’sche Inter- 
vertebralspalte getrennt. Die Grenzen der Sclerotome gegen einander 
bilden die Interprotovertebralgefäße. In der vorderen Rumpfregion, 
die in der Entwicklung vorauseilt, sehen wir eine helle, craniale und 
eine dunkle, caudale Selerotomhälfte. Es zeigt sich nun, überein- 
stimmend mit den Befunden MÄnner’s bei Reptilien, dass das Myotom 
in die Intervertebralspalte vordringt und bei gleichzeitigem Ver- 
schwinden derselben die beiden Selerotomhälften scheinbar aus ein- 
ander gedrängt werden, wobei an der caudalen dunkleren ein deut- 
liches Abbiegen in caudaler Richtung wahrnehmbar ist. Das laterale 
abgebogene Ende jeder dunklen Selerotomhälfte umwächst nun seit- 
lich die vom folgenden Ursegment herstammende helle Selerotomhälfte 
sammt den in ihren lateralen Theilen liegenden Interprotovertebral- 
arterien und Spinalnerven. 

Durch diesen eigenthümlichen Process, der »Umgliederung der 
Wirbelsäule« oder, wie es MÄnNER nennt, durch »Umgliederung des 
skeletogenen Gewebes«, entwickelt sich der »primitive Zustand« 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 593 


(FRORIEP). In diesem Stadium zeigt die Ratte dieselben Verhältnisse 
wie das Rind. 

An der von der Perichordalschicht umgebenen Chorda dorsalis 
sind in gleichen Abständen die aus den dicht gedrängten Zellen der 
dunklen Selerotomhälfte bestehenden, primitiven Wirbelbogen befestigt, 
welche die helle ihnen folgende Selerotomhälfte des nächsten Selero- 
toms — den aus locker gefügtem Gewebe bestehenden Körperbezirk — 
von der lateralen Seite her umgreifen und dorsalwärts gegen das 
Rückenmark hin vorgeschoben sind. In lateraler Richtung setzen sie 
sich als Myosepten zwischen die Myotome hinein fort. Diesem Sta- 
dium schließt sich ein Übergangsstadium an. Während dieses aber 
beim Rind dadurch gekennzeichnet ist, dass der Primitivwirbelbogen 
durch Auflockerung seines perichordalen Antheiles den Halt an der 
Chorda dorsalis verliert, verhält sich dies bei der Ratte anders. Ich 
unterscheide an dem Primitivwirbelbogen der Ratte ursprünglich drei 
Theile: Die Horizontalplatte, die Vertikalplatte — dieselbe 
umgreift den Körperbezirk von der lateralen Seite — und den eigent- 
lichen Bogen, der in der Brustregion am hinteren, unteren Rande 
der Vertikalplatte abgeht. In der Halsregion, wo der Bogen seit- 
wärts abgeht, ist die Abgrenzung weniger deutlich. Diese drei oben 
erwähnten Theile bilden ursprünglich ein einheitliches Ganze, den 
primitiven Wirbelbogen. 

Das »Übergangsstadium« der Wirbelsäule der Ratte charak- 
terisiren nun zwei Processe, die sich nahezu gleichzeitig abspielen. 
Diese sind: Zerfall des Primitivwirbelbogens und Auftreten 
von Knorpelanlagen im Körperbezirk, wie im Bogen. 
| Der Zerfall des »Primitivwirbelbogens« erfolgt an der Grenze 
von Horizontal- und Vertikalplatte; die beiden Platten erhalten nun 
eine verschiedene Struktur. Die Horizontalplatte besteht aus sehr 
dicht gefügtem, zelligem Gewebe, das in lateraler Richtung konstant 
an Dichte abnimmt. Die Struktur der Vertikalplatte, die mit dem 
Bogen in einheitlichem Zusammenhang bleibt, ist medial lockerer und 
wird weiter lateral dichter. Da die Vertikalplatte die Verbindung 
zwischen Bogen und Körper herstellt, so bezeichne ich dieselbe nach‘ 
dem Zerfall des Primitivwirbelbogens als »Bogenbases. Zur selben 
Zeit erscheint Knorpel im Körperbezirk unter gleichzeitigem Ver- 
schwinden der Perichordalschicht, und zwar bilateral zu beiden Seiten 
der Chorda dorsalis. Die Anlage des Knorpels erfolgt thatsächlich, 
wie schon FRORIEP beobachtete, »wie mit einem Schlage« im früher 
lockeren Gewebe der hellen Sclerotomhälfte, ohne dass vorher irgend 


30* 


524 Armin Weiß, 


eine Verdichtung des Gewebes aufgetreten wäre. Es legt sich dem- 
nach der definitive Wirbelkörper wohl primär knorpelig an. Die bei- 
den bilateralen Knorpelherde verschmelzen sehr rasch dorsal und 
ventral von der Chorda, so dass die ursprünglich bilaterale Anlage 
dem Beobachter leicht entgehen kann. Nahezu gleichzeitig mit dem 
Körperknorpel erscheint auch Knorpel im Inneren des dichten Bogen- 
gewebes. 

Der »definitive Zustand« kommt dadurch zu Stande, dass mit 
der Verknorpelung der Bogenbase die einheitliche Verbindung von 
Körper und Bogen hergestellt wird. 

Der weitere Fortschritt der Entwicklung besteht im Wesentlichen 
in Vergrößerung von Körper und Bogen, von denen sich der erstere 
in eraniocaudaler Richtung auf Kosten der Horizontalplatte derart 
vergrößert, dass dieselbe völlig knorpelig wird und man mit SCHULTZE 
thatsächlich ein Stadium in der Wirbelsäulenentwicklung annehmen 
muss, in welchem dieselbe einen ununterbrochenen Knorpelstab dar- 
stell. Die definitive Bandscheibe ist ein sekundäres Gebilde, das 
durch Rückbildung des Körperknorpels in der Intervertebralregion 
entsteht. Nur der Annulus fibrosus ist ein primärer Abkömmling des 
vordersten Antheiles der Horizontalplatte. So weit das Verhältnis der 
typischen Wirbel. Der Epistropheus unterscheidet sich davon in 
seiner Entwicklung nur unwesentlich. Seine abnormale Gestalt er- 
hält er erst durch die Verbindung mit dem Atlaskörper. 

Eigenartige Verhältnisse zeigt die Region des Atlas und des 
Oceipitalwirbels, und an dieser Stelle besteht ein wesentlicher 
Unterschied zwischen Ratte und Rind. FRrorIEP fand, dass die be- 
sondere Ausbildung des Atlas bei Rindsembryonen im Ȇbergangs- 
stadium« beginne, indem sich der Bogen dieses Wirbels mit seinem 
Körper nicht verbinde, sondern sich ventral vom Körper mittels einer 
»hypochordalen Spange« schließe. Solche hypochordale Spangen fand 
FRORIEP vorübergehend in rudimentärer Ausbildung am Oceipital- 
wirbel, Epistropheus und an den übrigen Halswirbeln. 

Bei der Ratte sind derartige rudimentäre Spangen- 
anlagen an den Halswirbeln in keinem meiner Stadien zu 
sehen. Am Oeccipitalwirbel fand FrorIEP Körper und Bogenanlagen; 
in beiden selbständige Knorpelherde, die dann mit dem aus rudimen- 
tären Wirbelanlagen bestehenden, »scheinbar ungegliederten Ab- 
schnitt« des Schädels knorpelig verschmelzen. 

Bei der Ratte sind die Verhältnisse der Atlas- und Oeceipital- 
wirbelentwicklung anders. Ihr besonderer Entwicklungsgang ist 


{ 


Dıe Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 525 


bereits durch ihr primäres Verhalten gekennzeichnet und zwar für 
beide Wirbel in nahezu gleicher Weise. Ihre Anlagen sind dadurch 
charakterisirt, dass die seitliche Umwachsung des Körperbezirks 
durch den Primitivwirbelbogen nicht zu Stande kommt; das heißt: 
dem Atlas und dem Oeceipitalwirbel fehlen die Vertikalplatten oder 
Bogenbasen. Daraus folgt von vorn herein, dass an diesen zwei 
Wirbeln eine Verbindung zwischen Körper und Bogen nicht eintreten 
kann. Wir finden dafür an diesen Anlagen ventral von der Chorda 
eine Verbindung der beiden Bogenhälften. 

Im Übrigen verläuft die Chorda dorsalis unter dem der cranialen 
Fläche der Schädelbasis aufsitzenden Perichondrium bis in die Gegend 
der Hypophysis cerebri, so dass auch der »scheinbar ungegliederte 
Abschnitt« in der Mitte ventral von ihr zu liegen kommt!. 

Bezüglich der Horizontalplatte der beiden Wirbel wäre zu er- 
wähnen, dass dieselbe am Primitivwirbelbogen des Atlas wohl vor- 
handen, jedoch nicht deutlich ausgebildet ist. Am Oceipitalwirbel 
fehlt sie vollkommen. 

Die Körperanlage des Atlas bietet, abgesehen von der fehlenden 
Vereinigung mit dem Bogen, nichts Abweichendes dar. Eigenthüm- 
liche Verhältnisse aber zeigt der zwischen den Primitivwirbelbogen 
des Oceipitalwirbels und des Atlas gelegene Körperbezirk. Es nimmt 
nämlich hier die Perichordalschicht im Gegensatz zu ihrem Verhalten 
in den übrigen Körperbezirken, wo sie mit dem Auftreten des Knorpels 
verschwindet, konstant an Größe zu. Es wird dabei dieses eraniale 
Ende derselben kugelig aufgetrieben und schließlich tritt in ihrem 
Inneren Knorpel auf. Sobald dieser völlig deutlich geworden ist, 
verschwindet die zwischen ihm und dem Körperknorpel des Atlas 
gelegene mittlere Partie der Horizontalplatte des Atlas. Da die seit- 
lichen Antheile derselben noch einige Zeit erhalten bleiben, so ist 
hier die Grenze zwischen beiden Anlagen noch deutlich erkennbar. 
Schließlich verschmilzt diese Anlage mit dem Atlaskörper völlig und 
bildet die Spitze des Dens epistrophei. Jedoch lässt sich bei genauer 
Beobachtung die Grenze zwischen beiden durch geringe Einziehungen 
an der ventralen und dorsalen Seite und endlich durch eine kleine 
Chordaanschwellung an dieser Stelle bis zur neugeborenen Ratte ver- 
folgen. Zweifellos feststehend erscheint es mir, dass diese Bildung 


! Über den Verlauf der Chorda dorsalis im Schädel siehe: v. MIHALCOVICS 
(35), H. MÜLLER (34), KÖLLIKER (33), FRORIEP (32). HAssE zeichnet sie in den 
Abbildungen seiner Arbeit über Atlas und Epistropheus in die Knorpelmitte der 
Anlage der Schädelbasis, 


526 Armin Weiß, 


einem durch Verknorpelung der Perichordalschicht entstandenen rudi- 
mentären (primären) Wirbelkörper entspricht, der mit dem Atlaskörper 
knorpelig verschmilzt und die Spitze des Dens epistrophei bildet. 

Die Berechtigung diese Bildung als Wirbelkörper aufzufassen 
ergiebt sich erstens aus dem Auftreten desselben in einem 
Körperbezirk, und zweitens aus dem Durchtreten der 
Chorda dorsalis durch denselben. 

Es steht nun noch die Frage offen, welchem Wirbel diese Bil- 
dung als Körper angehört. Eine definitive Entscheidung über die 
Zugehörigkeit dieser postoceipitalen Wirbelkörperanlage erscheint mir 
nach den bisherigen Beobachtungen noch verfrüht. Immerhin aber 
glaube ich, dass derselbe vorläufig in zweierlei Weise gedeutet wer- 
den könnte, und zwar erstens: als »Oentrum« (Körper) eines rudi- 
mentären Proatlas, dessen Bogen fehlen. Dafür sprechen 
Funde von Bogen- und Körperrudimenten zwischen Atlas und Hinter- 
haupt bei verschiedenen Thieren. In diesem Falle aber bestände der 
Oceipitalwirbel, der sich mit dem »scheinbar ungegliederten Abschnitt« 
des Schädels verbindet, nur aus den beiden, durch eine ven- 
trale Spange verbundenen Bogenhälften. Denn, obwohl bei 
oberflächlichem Vergleich meiner Bilder mit denen Frorızr’s das 
ventrale Mittelstück dem Oceipitalwirbelkörper der Rindsembryonen 
identisch erscheinen könnte, so ist diese Deutung unmöglich, da das- 
selbe der Abkömmling einer dunklen Sclerotomhälfte ist. Der 
eigenthümliche Verlauf der Chorda dorsalis auf der Dorsalseite der 
Oceipitalwirbelanlage kommt bei ihrem bekannten variablen Verhalten 
erst in zweiter Linie in Betracht (siehe Anm. p. 525). Zweitens: als 
rudimentärer Körper des Oceipitalwirbels, der sich mit 
dem Dens epistrophei verbindet, während seine Bogen, wie 
die des Atlas, sich ventral von der Chorda vereinigen und 
dem scheinbar ungegliederten Abschnitt anschließen. Für 
diese Auffassung spricht vor Allem die Entwicklung dieses rudimen- 
tären Wirbelkörpers in dem zum Oeccipitalwirbel gehörigen Körperbezirk. 
Übrigens stimmt nach dieser Auffassung das entwicklungsgeschicht- 
liche Verhalten des Oceipitalwirbels mit dem des Atlas überein. 
Zweifellos feststehend aber ist das eine, dass der zur 
Schädelbildung herangezogene Theil des Occipitalwirbels 
nur ein ventral von der Chorda geschlossenes Bogen- 
paar ist. 

Ob der von mir gefundene rudimentäre Wirbelkörper mit dem Os 
terminale in irgend welchem genetischen Zusammenhang steht, so 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etec. 597 


dass dieses vielleicht keine Epiphyse wäre, darüber geben die Unter- 
suchungen bis zur neugeborenen Ratte keinen Aufschluss, da um diese 
Zeit in dieser Gegend noch keine Spur einer Verknöcherung zu sehen 
ist. Zweifellos aber scheint mir der bei der Ratte vorkommende rudi- 
mentäre Wirbelkörper mit den makroskopischen Befunden DoLLo’s 
und ALBRECHT’s identisch, die unter dem Namen »ÜCentrum des Pro- 
atlas« bekannt sind. Freilich wäre es dabei die Frage, ob nicht 
diese Funde Rudimente eines Oceipitalwirbelkörpers seien. 

Der zu dem beschriebenen Wirbelkörper gehörige Nervus spina- 
lis I ist, wie dies FRorIEP bei erwachsenen Ratten sah, auch embryonal 
rudimentär, da er keine dorsale Wurzel mehr besitzt. 

Die Abgrenzung des Oceipitalwirbels gegen den »scheinbar un- 
segliederten Abschnitt« bildet bei der Ratte neben der Durchtritt- 
stelle des Nervus hypoglossus durch längere Zeit hindurch eine bis- 
her nicht beschriebene, mediane Gefäßlücke im Knorpel, über deren 
Mitte die Chorda dorsalis liegt, und durch welche zwei Venen ziehen. 
Nach ihrem Verschwinden bildet der Nervus hypoglossus die letzte 
craniale Abgrenzung des Oceipitalwirbels gegen den »scheinbar un- 
segliederten Abschnitt« der Basis cranii. 


Kurz gefasst hätten wir also bei der Ratte folgende ihr eigen- 
thümliche Verhältnisse in der Entwicklung der Wirbelsäule. 

1) Die Verbindung zwischen Körper und Bogen erfolgt an allen 
Wirbeln dadurch, dass der Primitivwirbelbogen sich an der Grenze 
von Horizontal- und Vertikalplatte trennt und die letztere die Ver- 
bindung zwischen Bogen und Körper herstellt (Bogenbase). 

2) An den Brustwirbeln entspringt der Bogen am hinteren Rande 
der Vertikalplatte, während er in der Halsregion seitlich von ihr 
abgeht; der Epistropheus verhält sich wie die übrigen Halswirbel. 

3) Aus der Horizontalplatte geht nur vorn die Anlage des Annulus 
fibrosus hervor; der übrige Theil der Bandscheibe ist eine sekundäre 
Bildung (vgl. ScHULtze). 

4) Der primitive Wirbelbogen des Atlas besitzt keine Vertikal- 
platte. Daher ist eine Verbindung von Körper und Bogen schon 
primär ausgeschlossen. Auch seine Horizontalplatte ist nur gering 
entwickelt. Dafür schließen sich die beiden Bogen ventral von der 
Chorda (Hypochordalspange FRorIEP’s. Die Anlage des Knorpels 
in dieser ventralen Verbindungsspange erfolgt bilateral. Solche ven- 
trale Spangen fehlen an allen übrigen Halswirbeln der Ratte. 


528 Armin Weiß, 


5) In dem zwischen Oceipitalwirbel- und Atlasanlage gelegenen 
Körperbezirk entwickelt sich nur aus der Perichordalschicht 
ein rudimentärer, postoceipitaler Wirbelkörper, der ver- 
knorpelt, schließlich mit dem Atlaskörper verwächst und die Spitze 
des Dens epistrophei bildet. Diese Körperanlage ist entweder das 
Rudiment eines Proatlas oder der rudimentäre Körper des Oceipital- 
wirbels. 

6) Die Oceipitalwirbelanlage selbst besteht aus einem (einer dunk- 
len Sclerotomhälfte entstammenden) hypochordal geschlossenen primi- 
tiven Wirbelbogenpaar, das sich eben so wie die ihm entsprechende 
Anlage des Atlas verhält, nur dass hier auch die Horizontalplatte des 
Primitivwirbels vollkommen fehlt. 

Daraus geht hervor, dass bei der Ratte nur ein ventral 
von der Chorda geschlossenes Bogenpaar ohne Körper als 
Oceipitalwirbel in den Schädel einbezogen wird. 

7) An der Grenze zwischen Oceipitalwirbel und »scheinbar un- 
segliedertem Abschnitt« besteht in der Mitte der Basis eranii eine 
Lücke, durch die zwei Venen ziehen, die Verbindungen von Venen- 
netzen an der Schädelbasis und retropharyngealen Venennetzen dar- 
stellen. Über diese Lücke zieht die Chorda dorsalis. Bei Ratten- 
embryonen von ca. 13—15 mm SS schließt sich die Lücke knorpelig. 


Meinem verehrten Lehrer und Chef, Herrn Hofrath Professor 
Dr. ZUCKERKANDL, sei für seinen unermüdlichen Rath, mit dem er 
meine Arbeit jederzeit unterstützte an dieser Stelle mein aufrichtig- 
ster Dank ausgesprochen. 


Wien, im December 1900. 


Nachtrag. 


SCHAUINSLAND, Weitere Beiträge zur Entwicklungsge- 
schichte der Hatteria (Archiv für mikr. Anatomie Bd. LVI). Diese 
erst nach Abschluss meiner Arbeit in meine Hände gelangte Publi- 
kation erscheint mir in so fern sehr interessant, weil nach derselben 
die Region zwischen Atlas- und Hinterhauptsanlage bei Hatteria ganz 
ähnliche Verhältnisse zeigt, wie bei der weißen Ratte. 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 529 


Litteraturverzeichnis'. 


a. Über Entwicklung der Wirbelsäule. 


1. AHLBORN, Über Segmentation des Wirbelthierkörpers. Diese Zeitschr. 
Bd. XL. | 

2. BERGMANN, Einige Beobachtungen und Reflexionen über die Skelettsysteme 
der Wirbelthiere, deren Begrenzung und Plan. Göttinger Studien 1845. 

3. CORNING, Über sogenannte Neugliederung der Wirbelsäule und Schicksal 
der Wirbelhöhle bei Reptilien. Morph. Jahrb. Bd. XVII. 

4. v. EBNER, Urwirbel und Neugliederung der Wirbelsäule. Sitzungsber. der 
kaiserl. Akad. der Wissensch. Abth. III. Bd. XLVI. 

5. Derselbe, Über die Beziehungen der Wirbel zu den Urwirbeln. Ebenda. 
Abth. II. Bd. LI. 

-6. FRORIEP, Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des 
Atlas und Epistropheus und der Ocecipitalregion. a. Nach Untersuchun- 
sen am Hühnchen. Archiv für Anat. und Physiol. Anat. Abth. 1883. 
b. Nach Untersuchungen an Rindsembryonen. Ebenda. 1886. 

7. Derselbe, Über ein Ganglion des Hypoglossus und Wirbelanlagen in der 
Oceipitalregion. Ebenda. 1882. 

8. Derselbe, Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Ergebnisse der Anatomie u. 
Entwicklungsgesch. Bd. Tu. IH. 

9. FRoRIEP u. BECK, Über das Vorkommen dorsaler Hypoglossuswurzeln mit 
Ganglion in der Reihe der Säugethiere. Anat. Anz. Bd. X. 

10. GAupP, Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule. (Zusammenfassende Dar- 
stellung.) Zool. Centralblatt. Jahrg. 3, Nr. 10, u. Jahrg. 4, Nr. 16, 25, 26. 

11. Derselbe, Referat über das Kopfskelett. Jahresbericht für Anatomie und 
Entwicklungsgeschichte. Bd. II. 

12. Derselbe, Metamerie des Schädels. Ergebnisse der Anatomie und Entwick- 
lungsgeschichte. Bd. VIL. 1897. 

13. GoETTE, Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen Wirbel- 
thieren. Diese Zeitschr. Bd. LXIH. 1896. 

14. HAGen, Die Bildung des Knorpelskeletts beim menschlichen Embryo. Arch. 
für Anat. und Physiol. Anat. Abth. Heft 1/2. 1900. 

15. Hasse, Die Entwicklung des Atlas und Epistropheus des Menschen und der 
Säugethiere. Anat. Studien. Bd. I. 

16. KOLLMANN, Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen von 13—35 Urwir- 
beln. Archiv für Anat. und Physiol. Anat. Abth. Heft 1. 1891. 

17. v. KUPFFER, Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Ergebnisse der Anatomie 

. und Entwicklungsgeschichte. Bd. II. 

18. MÄNNER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Repti- 
lien. Diese Zeitschr. Bd. LXVI. Heft 1. 


! Bei der ungeheuren Anzahl der Arbeiten über dieses Thema kann natürlich 
die angeführte Litteraturzusammenstellung in keiner Weise Anspruch auf Voll- 
ständigkeit machen. Es schien mir dies auch nicht zweckmäßig, da ohnedies in 
letzter Zeit vorzügliche zusammenfassende Darstellungen (siehe 1. e.) über dieses 
Thema erschienen sind. Es wurden daher nur jene Arbeiten, die Amnioten be- 
treffen und in näherem Zusammenhang mit meiner Arbeit stehen, erwähnt. 


22. 


23. 


31. 


Armin Weiß, 


RATHKE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. 

Derselbe, Über Entwicklung der Schildkröten. Braunschweig 1848. 

Derselbe, Untersuchungen über die Entwicklung und den Körperbau der 
Krokodile. Braunschweig 1866. 

Rerzıus, Bidrag till kännedomen om halskotorna. Medieinsk Archif 1864. 
l. ec. bei HAsse. 

RoBIn, Notes sur le developpement de la notochorde. 1. e. HAssE. 

SCHULTZE, Über embryonale und bleibende Segmentirung. Verhandl. der 
anat. Gesellsch., 10. Versammlung in Berlin. 


b. Litteratur über den Proatlas. 


ALBRECHT, Sur le centre du Proatlas chez un Macacus arctoides. J. Geoffr. 
Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1883. 

Derselbe, Über den Proatlas, einen zwischen dem Oceipitale und dem Atlas 
der amnioten Wirbelthiere gelegenen Wirbel. Zool. Anzeiger. 1880. 

BAur, The Proatlas and Axis of the Crocodilia. American Naturalist. 
Vol. XX. No. 3. 

Derselbe, Über den Proatlas einer Schildkröte. Anat. Anzeiger. Bd. X. 
1895. 

CORNET, Note sur le pretendu proatlas des Mammiferes et de Hatteria 
punctata. Bull. Acad. Roy. Belg. Tome XV. 1888. 

DoLLo, Sur le centre du Proatlas. Bruxelles 1889. Extr. d. Bulletin de la 
Societe anthropolog. 

FUNKE, Über einen Processus odontoideus atlantis hominis. Anat. Anzeiger. 
Bd. ZEV Nr 15. 

HowEs, On Hatteria (Proatlas). Proceed. of the Zool. Soc. of London for 
1890.27 Bart IE 

TROLARD, Note sur la presence d’un petit arc osseux dans l’epaisseur du 
ligament atlanto-oceipital posterieur. Comptes rendus hebdomaire de 
la societe de biologie. Serie IX. Tome IV. 


öla. Weiss, Ein postoceipitaler Wirbelkörper bei Rattenembryonen. (Vorläufige 


82. 
39. 


34. 


30. 


36. 


37. 


38. 
39. 


Mittheilung.) Verh. des physiol. Klubs zu Wien. Sitzung am 8. Mai 1900. 


c. Litteratur über den Kopftheil der Chorda dorsalis. 


FRORIEP, Kopftheil der Chorda dorsalis. 

KÖLLIKER, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der 
höheren Thiere. Leipzig 1884. 

H. MÜLLER, Über Vorkommen von Resten der Chorda dorsalis bei Men- 
schen nach der Geburt ete. Zeitschr. für ration. Mediein. ReiheIll. Bd.H. 
1858. 


 v. MmArKkowıcs, Wirbelsaite und Hirnanhang. Arch. für mikr. Anat. Bd. XI. 


1875. 


d. Lehr- und Handbücher. 


HENLE, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Bänder- 
lehre. Braunschweig 1872. p. 49. 

0. HERTwIG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der 
Wirbelthiere. Jena 1898. 

KÖLLIKER, siehe Nr. 33. 

KOoLLMAnn, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 189, 


x 


Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte etec. 531 


40. LuscHkA, Anatomie des Menschen. Bd. I. p. 58. 
41. SCHULTZE, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der 
Säugethiere. Leipzig 1897. 


Erklärung der Abbildungen, 


Gemeinsame Bezeichnungen: 
b, Primitivwirbelbogen —= dunkle cau- Z, mediane Lücke zwischen Oceipital- 


dale Sclerotomhälfte ; wirbel und scheinbar ungeglieder- 
B, Wirbelbogen; _ tem Abschnitt; 
Ch, Chorda dorsalis ; R, Rückenmark; 
HA, Horizontalplatte; U, scheinbar ungegliederter Abschnitt; 
k, Körperbezirk = helle eranialeSclero- Y, ventrale Verbindungsspange der 
tomhälfte; Bogen. 


K, knorpeliger Körper; 


Von den den Buchstaben angehängten Indices bedeutet: 
0, Oceipitalwirbel; 1, Atlas; 2, Epistropheus; n, typischer Wirbel. 


Tafel XXXVIII und XXXIX. 


Fig. 1. Embryo A SS = 5 nm, Vergr. 100/1. Das frontal getroffene hin- 
tere Ende des Embryo. Z, Extremität; I, Intervertebralspalte; My, Myotom; 
Sc, Selerotom; t, Interprotovertebralgefäße; «, Urwirbel; «A, Urwirbelhöhle. 

Fig. 2. Frontalschnitt durch die vorderste Halsregion desselben Embryo. 
Vergr. 50/1. Der Schnitt zeigt die Anlage des Oceipitalwirbels und der ersten 
drei Halswirbel. Zy, Nervus hypoglossus; My, Myotom; ., Interprotovertebral- 
gefäße; N, Spinalnerv; R’, Rautenhirn. 

Fig. 3. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 9 mm, 
Vergr. 50/1. Der Embryo zeigt die einzelnen Anlagen der Horizontalplatten und 
der Körperbezirke. Außerdem das Verhältnis der ventralen Verbindungsspangen 
der Atlas- und Oceipitalwirbelanlage zur Chorda dorsalis und die erste Anlage 
des postoceipitalen Wirbelkörpers. Ph, Pharynx; %,, postoceipitaler Wirbel- 
körper. 

Fig. 4. Lateraler Sagittalschnitt durch den Embryo von SS = 9 mm, 
Vergr. 50/1. Die Abbildung zeigt den Durchtritt des Nervus hypoglossus (Hy). 
Die Spinalnerven (N1,2,3), welche mit Ausnahme des ersten Ganglien (@2, 3, 4) be- 
sitzen. Außerdem die Bogenanlagen der einzelnen Wirbel. A,, Arteria vertebralis. 

Fig. 5. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 10 mm, 
Vergr. 50/1. Die Figur zeigt hauptsächlich den Beginn der Knorpelanlagen der 
Wirbelkörper, die stärkere Isolation des ventralen Atlasbogens von seiner Hori- 
zontalplatte und die Fortbildung des postoceipitalen Wirbelkörpers (k,). Ph, 
Pharynx. 

Fig. 6. Lateraler Sagittalschnitt in der Brustregion desselben Embryo. 
Vergr. 100/1. Diese Figur zeigt das Lageverhältnis des Bogens zur Horizontal- 
platte bei seinem typischen Abgang am hinteren Rande der Vertikalplatte 
(Brustregion). 

Fig. 7. Lateraler Sagittalschnitt durch die Halsregion desselben Embryo, 


532 Armin Weiß, Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte ete. 


Vergr. 100/1. Diese Figur zeigt das Lageverhältnis des Bogens zur Horizontal- 
platte bei seinem vom Typus abweichenden Abgang (Halsregion). 
Fig. 8. Horizontalschnitt durch einen Embryo von SS = 11mm. Vergr. 50/1. 


Derselbe zeigt den knorpeligen Körper und die mit demselben verbundenen 


knorpeligen Bogen des Epistropheus. Vor demselben den noch bindegewebigen 
ventralen Bogen des Atlas mit den bilateral auftretenden Knorpelherden (Ano). 

Fig. 9. Horizontalschnitt durch einen Embryo von SS = 11 mm an der 
Grenze zwischen Oceipitalwirbel und scheinbar ungegliedertem Abschnitt. Vergr. 
50/1. Derselbe zeigt die an der Grenze zwischen Oceipitalwirbel und »schein- 
bar ungegliederten Abschnitt« befindliche mediane Lücke. Außerdem die Durch- 
trittstelle des Nervus hypoglossus (Zy) und Venennetze (Ve) auf der Schädelbasis 
wie dorsal vom Pharynx. 

Fig. 10. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 12 mm, 
Vergr. 50/1. Derselbe zeigt fortschreitende Verknorpelung der Wirbelkörper 
bei gleichzeitiger Rückbildung der Horizontalplatte und der Chorda. In dem 
postoceipitalen Wirbelkörper (X,) Beginn von Knorpelbildung. Außerdem die 
durch die basale Lücke im Oceipitale ziehenden Venen (Ve). 

Fig. 11. Horizontalschnitt durch die Oceipitalregion eines eben so großen 
Embryo, wie in Fig. 10, an der Grenze von Oceipitalwirbel und scheinbar unge- 
gliedertem Abschnitt. Vergr. 50/1. Zeigt die Anastomose der durch die Lücke 
durchtretenden Venen (Ve) über der Chorda dorsalis. Zy, Nervus hypoglossus. 

Fig. 12. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 13 mm, 
Vergr. 70/1. Der Knorpel des postoceipitalen Wirbelkörpers (X,) ist deutlich 
entwickelt, der vorderste Theil der Horizontalplatten hat sich zum Annulus fibro- 
sus (Af) umgewandelt. Im Übrigen ist die Horizontalplatte nahezu verschwun- 
den. Das Ligamentum longitudinale posticum (Z.!.p) bereits deutlich entwickelt. 

Fig. 13. Ein lateraler Sagittalschnitt desselben Embryo. Vergr. 70/1. Der- 
selbe zeigt, dass der Knorpelherd des postoccipitalen Wirbelkörpers (X,) von 
dem des Atlas seitlich noch vollkommen getrennt ist. Af, Annulus fibrosus; 
Ph, Pharynx. 

Fig. 14. Plattenmodell eines Embryo von SS = 13 mm. Vergr. 75/1, in 
der Zeichnung auf 1/a verkleinert. Die Bogen des Atlas wurden weggelassen, 
um den postoceipitalen Wirbelkörper (K,) in der Ansicht von vorn zeigen zu 
können. Man sieht überdies die verschmolzenen Körper des Atlas und Epi- 
stropheus (X, + Ks) und zum Theil den Körper des dritten Halswirbels (Xs). Die 
zugehörigen Bogen sind Da und By. Ra und Rz sind die vorderen Spangen 
des Querfortsatzes oder das Rippenäquivalent. 2.2, die Incisura transversaria 
'ungeschlossenes Foramen transversarium), in der die Arteria vertebralis liegt. 

Fig. 15. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 15 mm. 
Die Stelle der früheren Lücke (Z’) jetzt durch Knorpel ausgefüllt, aber die Grenze 
zwischen dem Mittelstück des Oceipitalwirbels und dem »scheinbar ungeglieder- 
ten Abschnitt« noch sichtbar. Z.l.p, Ligamentum longitudinale postic.; 4Af, Annu- 
lus fibrosus; K,, postoceipitaler Wirbelkörper. 

Fig. 16. Sagittalschnitt durch die Mitte eines Embryo von SS = 20 mm. 
Die Wirbelkörper der drei ersten Wirbel bilden den Epistropheus mit dem Zahn. 
Schädelbasis (Ba) in der Oceipitalregion eine einheitliche Platte. Af und ZL.l.p 
siehe Fig. 15. Der unterste Theil der Wirbelkörper springt ventral vor. 


Bw; 


Über die Kiemen der Fische. 
Von 
A. Goette. 


Mit Tafel XL—XLIII und 1 Figur im Text. 


Ungleich den meisten anderen Organen der Wirbelthiere sind 
die Fischkiemen seit den ersten eingehenden Untersuchungen über 
sie im Allgemeinen übereinstimmend beurtheilt worden, und zwar in 
dem Sinne, dass sie durchweg auf dieselbe Grundform zurückzuführen 
seien. Nur verstanden die älteren Beobachter unter dieser Grund- 
form den »gemeinsamen Bauplan«, die späteren die wirkliche gemein- 
same Ausgangsform, von der die Kiemen der verschiedenen Ord- 
nungen der Fische sich durch einzelne Abänderungen mehr oder 
weniger entfernen. 

Schon RATHkKE (28) kam durch umfassende Vergleiche zu dem 
Ergebnis, dass 1) alle Visceralbögen (Kiefer-, Zungenbein-, Kiemen- 
bögen), und 2) alle an ihnen vorkommenden Kiemenauswüchse 
(Kiemenblättchen) einander gleich seien. Er gab ferner an, dass alle 
diese Kiemen an den taschenförmigen Fortsetzungen der Darmschleim- 
haut entstehen, die zwischen den Visceralbögen nach außen vor- 
wachsen, und dass die zu einem Bogen gehörigen Kiemen in der 
Regel an einer vom Bogen nach außen wachsenden Platte befestigt 
sind, so dass deren vordere und hintere Fläche je eine Kiemen- 
blättchenreihe tragen. Fehlt diese Platte oder Scheidewand voll- 
ständig, wie bei den meisten Knochenfischen, dann stehen die Kiemen- 
blättchen frei auf ihrem Bogen; doch schon bei den Salmoniden, 
Cypriniden, Pleuronectiden ete., ferner bei allen Ganoiden ist die 
Scheidewand so weit ausgebildet, dass nur die äußeren Enden der 
Kiemenblättchen frei bleiben. Alle diese mehr oder weniger freien 
Kiemen werden von dem Kiemendeckel des Zungenbeinbogens über- 
deckt. 


534 A. Goette, 


Bei den Haien und Rochen wachsen die Scheidewände über die 
äußeren Enden der angewachsenen Kiemenblättchen sehr weit vor 
und überdeecken daher die Kiemen vollständig; indem ferner die 
Ränder dieser Scheidewände oben und unten bis auf eine kurze 
mittlere Strecke (äußere Kiemenöffnungen) mit einander verwachsen, 
kommen die Kiemen in wirkliche Säcke oder Höhlen zu liegen. Ein 
Kiemendeckel des Zungenbeinbogens ist bei den Haien und Rochen 
allerdings vorhanden, aber so rudimentär, dass er die äußeren Kiemen- 
öffnungen nicht überdeckt. Bei den Holocephalen ist dagegen ein 
typischer Kiemendeckel vorhanden und zugleich treten die Scheide- 
wände der Kiemenbögen nur oben und unten zwischen den Kiemen- 
blättehen hervor, so dass von abgeschlossenen Kiemenhöhlen nicht 
die Rede sein könne, und die Holocephalen in der Kiemenbildung 
sich mehr den Ganoiden und Teleostiern als den Haien und Rochen 
anschließen und jedenfalls den Übergang von einem Typus der 
Kiemenbildung zum anderen darstellen. 

Die Kiemen der Cyelostomen vergleicht RATHKE unmittelbar mit 
denen der Selachier, und findet die Unterschiede wesentlich nur in 
der Zahl der Kiemensäcke und in dem Skelett. Das ganze Kiemen- 
gerüst der Cyelostomen sollte nämlich nach seiner Lage nur den 
»äußeren« Kiemenknorpeln der Selachier vergleichbar sein, so dass 
den Rundmäulern die eigentlichen Kiemenbögen der übrigen Fische 
fehlten. Diese Ansicht RATHke’s ist von den meisten seiner Nach- 
folger gebilligt worden, bis DOHRN nachwies (4, p. 118 ff., 5, p. 194 ff.), 
dass jene Außenknorpel der Selachier nur etwas verlagerte Kiemen- 
strahlen sind, in jeder Scheidewand doppelt (oben und unten) ent- 
stehen und ursprünglich den Kiemenblättchen parallel nach außen 
ziehen, also mit den Kiemenknorpeln der Cyclostomen keine Ähnlich- 
keit haben, wogegen diese mit den absteigenden Kiemenspangen aller 
anderen Fische übereinstimmten. 

Noch in einem anderen Punkt ist RATHKE’s Darstellung korrigirt 
worden, nämlich hinsichtlich der Gleichstellung der Kiemendeckel- 
kieme der Selachier und Ganoiden mit der Pseudobranchie der Tele- 
ostier (28, p. 60). J. MÜLLER zeigte (23), dass diese Pseudobranchie 
nur der Spritzlochkieme entspricht, während die Kiemendeckelkieme 
bei den Teleostiern vollkommen fehlt. Allerdings wurde MÜLLER’s 
Beweisführung bis in die neueste Zeit nicht anerkannt; erst DOHRN 
bestätigte auf Grund neuer Untersuchungen die MÜLLEr’schen An- 
gaben (8), und ihm schloss sich Maurer (22) an. 

In allen übrigen Stücken jedoch, und namentlich in der Gleich- 


Über die Kiemen der Fische. 535 


stellung aller Fischkiemen ist Ratuke’s Darstellung bis jetzt maß- 
gebend geblieben, so dass nur die Bestimmung der gemeinsamen Aus- 
sangsform dieser Organe hinzukam. Stannıus wiederholt nur RArHke’s 
und MÜLLER’s Angaben, HuxLey und GÜNTHER beschränken sich auf 
eine ganz kurze Beschreibung; auch GEGENBAUR schließt sich im 
Wesentlichen RATHKE an, fügt aber ausdrücklich hinzu, dass der 
Kiemenapparat der Ganoiden und Teleostier von den vollkommenen 
Kiementaschen, wie sie bei den Selachiern vorkommen, abzuleiten 
sei (12, 806). Auch wird die Übereinstimmung aller dieser und 
der Kiemen der Cyelostomen als »innere Kiemen« gegenüber den 
integumentalen »äußeren Kiemen« der Amphibien hervorgehoben. 
Noch bestimmter drückt sich MAURER aus, indem er die Kiemen aller 
Fische als entodermale im Gegensatz zu den ektodermalen Außen- 
kiemen der Amphibien bezeichnet (22, p. 20%). Auch CLEMENS (9, 
p. 12 ff.) und WIEDERSHEIM (36, p. 312—514) vertreten diese Ansicht, 
und reihen nur die accessorischen Außenkiemen einiger Ganoiden 
und Dipnoer (Polypterus, Calamoichthys, Protopterus) den ektoder- 
malen Amphibienkiemen an. 

Die einzige grundsätzlich abweichende Auffassung der verschie- 
denen Fischkiemen stammt von mir her (14, p. 738—743); ich er- 
klärte bloß die Kiemen der Cyelostomen für innere, entodermale, 
diejenigen der Selachier und Teleostier nach Ausweis ihrer Entwick- 
lung für ektodermale Außenkiemen gleich denen der Amphibien. Diese 
vor 25 Jahren gemachten Angaben sind allerdings bisher völlig todt- 
geschwiegen worden, während die Ansicht von dem entodermalen 
Ursprung aller typischen Fischkiemen die herrschende blieb!. Dess- 
halb hielt ich es nicht für überflüssig, mit Hilfe neuer Untersuchungen 
über die Entwicklung dieser Organe die Berechtigung der beiden 
entgegengesetzten Ansichten noch einmal zu prüfen. 


Die Kiemen der Neunaugen. 


Ihre ersten Anlagen bestehen bekanntlich in acht paarigen seit- 
lichen Darmtaschen, die die ganze Länge des Vorderdarmes von der 


1 Einige Jahre später als ich hat auch SCHNEIDER die Homologie der 
Kiemen der Cyelostomen und der übrigen Fische beanstandet (31, p. 78), aber 
nur, weil er eben so wie RATHKE u. A. die beiderseitigen Kiemenknorpel für 
verschiedene Stücke hielt. Dieser Grund kann jedoch, selbst wenn man seine 
Richtigkeit zugiebt, eine grundsätzliche Verschiedenheit der Kiemen selbst nicht 
ohne Weiteres beweisen, wie gerade aus der vielfach bestätigten Auffassung 
RATHKE’s hervorgeht; jedenfalls kann ich nicht sagen, dass SCHNEIDER sich mir 
angeschlossen hätte. 


536 A. Goette, 


ektodermalen Mundbucht bis an den Herzbeutel oder eben des Kiemen- 
darmes einnehmen (Figg. 1—4). Zuerst entsteht die vorderste Kiemen- 
tasche, dann successive die folgenden. Sie haben die Form von 
Furchen, die in der ganzen Höhe des Darmes senkrecht verlaufen, 
durch weite Mündungen mit ihm zusammenhängen und mit einem 
verjüngten Grunde an die Oberhaut stoßen. Sie folgen einander so 
dicht, dass die Wände zweier benachbarter Taschen zwischen den 
inneren Mündungen in Kanten zusammenlaufen, und dass in Folge 
dessen der frontale Durchschnitt des Kiemendarmes jederseits eine 
Zickzacklinie beschreibt. Zwischen je zwei an einander stoßenden 
Taschen ist ein Abschnitt der Seitenplatten eingeschlossen; jeder 
solche Abschnitt nebst den ihn überziehenden Taschenwänden und dem 
ihn außen überdeckenden Ektoderm heißt ein Kiemenbogen. Auch 
der hinter der letzten Tasche befindliche und an seiner hinteren Seite 
vom Herzbeutel begrenzte Bogen wird eben so bezeichnet; aus prak- 
tischen Gründen empfiehlt es sich aber, den gleichwerthigen beiden 
Bögen, die die erste Kiementasche einfassen, ihre besonderen Namen 
als Kieferbogen und Hyoidbogen zu belassen. 

Die Vorderwände der beiden vordersten Taschen bilden zugleich 
die Vorderwand des ganzen Kiemendarmes; sie ist in ihrer unteren 
Hälfte hinter und über der von unten vordringenden Mundbucht An- 
fangs etwas eingebogen, weiter oben aber umgekehrt ausgebogen 
und in einen medianen Zipfel ausgezogen (Figg. 1, 2, 14, 15). Dieser 
verschwindet aber sehr bald, sowie auch die ganze Wand auf den 
folgenden Stufen mannigfache Umbildungen erfährt. Der Boden des 
Kiemendarmes verläuft schon an solchen Embryonen, die erst vier 
bis fünf Kiementaschen besitzen, nicht mehr eben zwischen den 
Kiementaschen, sondern erhebt sich im Bereich des ersten Kiemen- 
bogens zu einer queren Falte, die jederseits in den inneren Rand 
des Bogens übergeht (Figg. 2, 3, 14). Diese quere Falte scheidet 
also einen vorderen Abschnitt des Kiemendarmbodens, in den die 
beiden ersten Taschenpaare auslaufen, von einem hinteren Abschnitt, 
an dem die übrigen Taschen ausmünden!. Sehr bald kommt an 
diesem hinteren Abschnitt des Kiemendarmbodens jederseits eine 
Längsfalte hinzu, die von dem ersten Kiemenbogen, also auch von 
der queren Grenzfalte ausgehend, die inneren Ränder der Kiemen- 
bögen mit einander verbindet und dadurch die tiefsten Abschnitte 


! Da der Grund der zweiten Kiementasche zur Seite der queren Grenzfalte 
gedrängt wird, so können Sagittaldurchschnitte, die man etwa auf einander pro- 
Jieirt, kein klares Bild von der Mündung jener Tasche geben. 


Über die Kiemen der Fische. 537 


der anliegenden Kiementaschen gegen den Boden des Kiemendarmes 
abschließt (Figg. 2, 3). Dieser Abschluss findet zuerst am dritten 
Taschenpaar, also zwischen den ersten und zweiten Kiembenbögen 
statt und schreitet dann rückwärts fort, so dass zuletzt alle folgen- 
den Kiementaschen in derselben Weise an ihrem unteren Ende in 
einen Blindsack auslaufen (Figg. 6, 7, 21, 22). In ähnlicher Art er- 
weitern sich übrigens auch die dorsalen Abschnitte der Kiemen- 
taschen zu Blindsäcken, die sich über den Darm hinaus erheben. 

Zwischen den beiden Längsfalten erscheint der Boden des 
Kiemendarmes natürlich rinnenförmig vertieft. Diese Rinne schließt 
sich aber hinter dem zweiten Kiemenbogen, indem die beiden Längs- 
falten dort zusammentreffen und den Boden des Kiemendarmes weiter- 
hin gleichmäßig heben (Figg. 3, 6); sie reicht alsdann vom Hyoid- 
bis zum zweiten Kiemenbogen. Auch nach vorn setzt sich die 
Erhebung der Längsfalten im Bereich der zweiten Kiementasche fort; 
in Folge der schwachen Entwicklung des Hyoidbogens divergiren 
aber beide Falten nach vorn (Figg. 5, 21, 22). Über den Hyoidbogen 
sehen sie nicht hinaus. 

Die beschriebene Kiemendarmrinne ist die Anlage der Schild- 
drüse, und die Längsfalten bezeichnen den Verlauf der in ihrem 
Inneren eingeschlossenen Stämme der primären Kiemengefäße oder 
Arterienstämme (Figg. 6, 7, 21, 22). Der aus dem Herzen aus- 
tretende Arterienstamm verläuft bis an die Schilddrüsenanlage un- 
setheilt, durch sie wird er zur Bifurkation veranlasst und geht nun 
jederseits zwischen ihr und den Blindsäcken der Kiementaschen in 
den Längsfalten weiter; daher divergiren auch beide Stämme im 
Bereich der zweiten Kiementasche. Der unpaare Stamm entsendet 
die Aortenbögen in den fünften bis siebenten Kiemenbogen, die 
paarigen Äste setzen sich in die Aortenbögen des Hyoidbogens und 
den vier ersten Kiembenbögen fort. Jeder Aortenbogen steigt nahe 
am Innenrande seines Bogens in die Höhe, um sich in der Decke 
des Kiemendarmes in die unpaare mediane Aorta zu ergießen, die 
sich Anfangs erst an der Einmündung des ersten Aortenbogens gabelt. 

Die Schilddrüsenanlage bleibt nur kurze Zeit rinnenförmig; ihre 
Ränder ziehen sich sehr bald, erst in der vorderen, dann in der hinteren 
Hälfte, zu einer mittleren Öffnung zusammen, die in die nunmehr 
schlauchförmige Drüse führt (Figg. 6, 14—16). Aus dieser einfachen 
Mündung wird ein Kanal, der sich schräg nach vorn richtet und daher 
nur in Mediandurchschnitten gut kenntlich ist (Fig. 17). Er öffnet sich 


in den Darm im Bereich der vierten Kiementasche (Figg. 21, 22). 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 36 


538 A. Goette, 


Eine Beschreibung der weiteren, bereits von DoHrNn (7, 9) dar- 
sestellten Umbildungen der Schilddrüse liegt nicht in meiner Ab- 
sicht, da ich mich mit der Entwicklung dieses Organs nur so weit 
beschäftigte, als seine genetischen Beziehungen zu den Kiemen in 
Frage kommen. Bekanntlich hat Domrn angegeben (7, 9, 10), dass 
die ganze erste Kiementasche der Neunaugenlarven sich in die seit- 
liche Schlundwimperrinne - verwandelt, die aus der Mündung der 
Schilddrüse hervortritt und unmittelbar vor der zweiten oder der 
ersten bleibenden Kiementasche zur dorsalen Wimperrinne des 
Kiemendarmes hinaufsteigt. Dies werde dadurch herbeigeführt, dass 
die ursprüngliche erste Kiementasche von Anfang an am Kiemen- 
darmboden in die noch rinnenförmige Schilddrüsenanlage einmünde 
und diese Einmündung bei der Zusammenziehung der Anlage eben- 
falls nach hinten rücke und stets erhalten bleibe. Wie ich zeigte, 
ist diese Annahme DoHrn’s nicht richtig; die Einsenkung des Kiemen- 
darmbodens hinter der Querfalte, worin eben die erste Anlage der 
Schilddrüse zu erblicken ist, findet hinter der zweiten Kiemen- 
tasche statt, so dass die beiden ersten Kiementaschenpaare von 
jeder direkten Kommunikation mit der Schilddrüsenanlage von vorn 
herein ausgeschlossen sind. Und dasselbe gilt natürlich auch von 
den übrigen Kiementaschen; denn die von vorn nach hinten fort- 
schreitende Abgrenzung der Schilddrüsenanlage fällt eben damit zu- 
sammen, dass die Längsfalten sich zwischen den Rändern der Kiemen- 
bögen erheben und dadurch sowohl die Drüsenrinne wie andererseits 
eine Scheidewand zwischen ihr und den angrenzenden Kiementaschen 
bilden. Die Schilddrüsenanlage hat mit den Kiementaschen 
keine direkten genetischen Beziehungen. 

Dasselbe gilt von den Schlundwimperrinnen der Ammocoeten, 
deren Entwicklung und Verlauf jedoch nur zu verstehen sind, wenn 
man die Rückbildung der ersten Kiementasche und ihrer Umgebung 
genau verfolgt. 

Der Hyoidbogen nimmt sehr bald erheblich an Dicke ab, so 
dass er nur noch eine schwache Vorwölbung gegen die Darmlichtung 
bildet und zuletzt ganz verschwindet (Figg. 8-10). Seine ursprüng- 
liche Lage bleibt aber durch den ersten Aortenbogen kenntlich, der 
Anfangs in der Kante des Hyoidbogens verläuft und diesen seinen 
Platz nicht verlässt. Die zweite Kiementasche verliert durch diese 
Rückbildung des Hyoidbogens allerdings ihren vorderen Abschluss, 
bleibt aber nach hinten ausgebuchtet, um dort in der ersten bleiben- 
den Kiemenspalte nach außen durchzubrechen. Die erste Kiemen- 


Über die Kiemen der Fische. 539 


tasche bildet sich dagegen, wie schon längst bekannt ist, vollständig 
zurück. Durch die Abflachung des Hyoidbogens wird zuerst ihre 
Hinterwand ganz sagittal gestellt, und darauf erfährt auch ihre Vorder- 
wand dieselbe Umlagerung in Folge ihrer Betheiligung an der Bil- 
dung der Gaumensegel, die daher hier kurz erläutert werden soll. 

Die ektodermale Mundbucht entsteht vor und unter dem Vorder- 
ende des Kiemendarmes als eine längliche Grube, deren vordere Hälfte 
sich erweitert und in zwei vordere und zwei hintere Kanten auszieht, 
während die hintere Hälfte sich zu einer engen medianen Tasche 
zusammenzieht, die sich mit der Vorderwand des Kiemendarmes 
verbindet (Figg. 2—6, 14, 15). Unter fortdauernder Verbreiterung 
verkürzt sich darauf die ganze Mundbucht, während die Vorderwand 
des Kiemendarmes dachförmig gebogen gegen sie vordringt. Die 
beiden hinteren Kanten der vorderen Mundbuchthälfte, die später zu 
der ganzen eigentlichen Mundhöhle wird, vertiefen sich zu engen 
Taschen, die schräg rückwärts und ungefähr parallel zur Vorder- 
wand des Kiemendarmes hinziehen, so dass zwischen beiden Hohl- 
räumen, dem Kiemendarm und der vorderen Mundbucht, eine dicke 
Scheidewand entsteht (Figg. 8—10). Diese wird durch die hintere 
mediane Mundbuchttasche in zwei Hälften getheilt, eben die künf- 
tigen Gaumensegel. Das Epithel jener Tasche buchtet sich an 
ihrem Grunde jederseits in das Gaumensegel aus; zwischen beiden 
Ausbuchtungen bricht die Mundbucht in den Kiemendarm durch, und 
die Ränder des Durchbruchs rücken weit aus einander, so dass das 
Ektoderm jener Ausbuchtungen noch zur Bekleidung der konkaven 
Hinterwand der Gaumensegel benutzt wird (Figg. 11, 20). 

Im Anfange der Entwicklung der Gaumensegel zieht das Epi- 
thel der ersten Kiementasche von ihrem Grunde aus glatt bis zur 
Durchbruchsstelle der Mundbucht hin {Figg. 8, 9); während der folgen- 
den Vorwölbung der Gaumensegel erleidet aber jene Kiementaschen- 
wand ungefähr in der Mitte eine Biegung, so dass ihre Vorderhälfte 
quer die hintere Fläche des Gaumensegels überzieht, die Hinterhälfte 
aber nunmehr eben so wie die Hinterwand derselben Kiementasche 
sich ganz sagittal stellt (Fig. 10). Dadurch wird die Einsenkung der 
Tasche beinahe ganz ausgeglichen, und das Darmblatt verläuft in 
diesem allerdings nur kurz dauernden Stadium von der ersten wirk- 
lichen Kiemenspalte (zweite Tasche) bis zum Gaumensegel mit ziem- 
lich glatter Oberfläche. Dagegen bleibt unter der eben noch ange- 
deuteten Einsenkung des Taschengrundes seine äußere Kante noch 
längere Zeit ganz scharf ausgeprägt, weil die Ausgleichung der 

36* 


540 A. Goette, 


Einsenkung nicht nur durch die Streekung des Epithels, sondern 
auch durch dessen Verdickung nach innen im Bereich des Taschen- 
srundes herbeigeführt wird (Figg. 12, 15, 20, 21, 25). Nimmt man dazu, 
dass jene äußere Kante der ersten Kiementasche nach hinten durch den 
Aortenbogen, nach vorn durch eine auffallende Lücke des Mesoderms 
sehr deutlich begrenzt wird (Figg. 10, 20), so kann über die Stelle, wo 
sich einst der Grund der Tasche befand, kein Zweifel bestehen. 

Diese sichere Bestimmung ist desshalb wichtig, weil die Vorder- 
wand der sich zurückbildenden ersten Kiementasche sich noch ein- 
mal ausbiegt, und zwar zwischen ihrer Außenkante und der beschrie- 
benen Biegung an der Hinterfläche des Gaumensegels, ungefähr an der 
Wurzel des letzteren (Figg. 10, 20 e); wesshalb DoHrn (15) diese zweite 
ganz passend den Umschlagswinkel des Velum genannt hat. Die 
dahinter liegende verdickte Partie des Darmblattes, in deren Bereich 
sich die Kante der ersten Kiementasche befindet, wölbt sich gleich- 
zeitig nicht unähnlich einem stumpfen Kiemenbogen gegen die Darm- 
lichtung vor (Figg. 12, 15, 20—25); es scheint mir aber nicht richtig, 
diese neue Vorwölbung schlechtweg als Hyoidbogen zu bezeichnen, 
denn sie umfasst die ganze vordere Kiemendarmwand von der zwei- 
ten Kiementasche bis zum Umschlagswinkel des Velum, so dass das 
Rudiment der ersten Tasche auf dem Scheitel der Vorwölbung, die 
Stelle des ursprünglichen Hyoidbogens mit dem Aortenbogen dahin- 
ter und davor der Theil der verdickten Platte liegt, worin die seit- 
liche Wimperrinne entsteht. Man könnte daher die fragliche Vor- 
wölbung allenfalls als sekundären Hyoidbogen bezeichnen. 

Der senkrechte Abschnitt der Schlundwimperrinne entwickelt 
sich an der angegebenen Stelle zu einer Zeit, wo die Lage des 
Grundes der ersten Kiementasche an der beschriebenen Kante noch 
durchaus deutlich hinter der Wimperrinne zu erkennen ist (Figg. 12, 
13, 23). Die Wimperrinne kann also auch nicht mit der ganzen 
Tasche, am wenigsten mit deren Grunde identisch sein, sondern um- 
fasst nur einen Theil der Vorderwand jener Tasche, so zwar, dass 
sie bei einer weiteren Ausdehnung dieser Vorderwand stets in der 
Nähe der bezeichneten Taschenkante bleibt. DoHrn hat die letztere, 
obgleich er sie deutlich zeichnet (10, Taf. X, Figg. 9—11), wahr- 
scheinlich in Ermangelung genügender Zwischenstadien verkannt und 
unbeachtet gelassen und desshalb die Wimperrinne irrthümlich für 
ein Rudiment der Kiementasche erklärt. 

Der ventrale Abschnitt der Wimperrinne von der Schilddrüsen- 
mündung an bis zum unteren Ende des senkrechten Abschnittes hat 


Über die Kiemen der Fische. 541 


mit der ersten Kiementasche überhaupt nichts zu thun. Noch bevor 
jener senkrechte Abschnitt erscheint, erhebt sich vom Boden des 
Kiemendarmes und vor der Mündung der Schilddrüse ein medianer 
Wulst, zwischen dem und den benachbarten Längsfalten jederseits eine 
enge Rinne zurückbleibt (Figg. 5, 21). Unmittelbar vor jener Mün- 
dung hört der Wulst auf, so dass beide Rinnen oder eben die An- 
fangsstücke der Wimperrinnen in ihr zusammentreffen und in sie 
auslaufen. Nach vorn setzt sich der Wulst bis vor die zweite 
Kiementasche und später bis in die Mundbucht fort; da jedoch die 
seitlichen Längsfalten vor dem ersten Kiemenbogen divergiren, laufen 
die Rinnen dort muldenförmig breit aus und hören daher eigentlich 
an jenem Bogen auf (Fig. 22). Dagegen erhalten sie eine Fort- 
setzung in einer rinnenförmigen Einsenkung auf jeder der beiden 
divergirenden Längsfalten bis zum sekundären Hyoidbogen, um dann 
in den aufsteigenden Schenkel der Wimperrinne überzugehen. 

Der ventrale und der senkrechte Abschnitt der Wimperrinnen 
entwickeln sich also auf ganz verschiedenem Boden, der erste außer- 
halb jeder Kiementasche, und nur der andere im Bereich der ersten 
Kiementasche, so dass jedoch die ganze Bildung mit dem ventra- 
len Stücke beginnt, d. h. von der Schilddrüse ausgeht und erst im 
weiteren Verlauf in die erste Kiementasche einbiegt. Aus allen die- 
sen Beobachtungen ergiebt sich also ganz evident die Selbständig- 
keit der Schlundwimperrinne und ihre Unabhängigkeit von 
dem hinter ihr liegenden Rudiment des Taschengrundes. 

Darin stimmen die Wimperrinnen der Ammocoeten vollständig 
überein mit den ihnen homologen Schlundwimperrinnen der Tunica- 
ten (BALFOUR, SHIPLEY, DOHRN)', die ebenfalls vom Boden des Kiemen- 
darmes ausgehend ihn vor den ersten Kiemenspalten umgürten. End- 
lich kann auch der ventrale Ausgangspunkt der Wimperrinnen aller 
Chordaten als ein homologer bezeichnet werden, da die Hypobranchial- 
inne der Mantelthiere und des Amphioxus mit der rinnenförmigen 
Schilddrüsenanlage der Neunaugen nach Form und Lage durchaus 
übereinstimmen (W. MÜLLER, SCHNEIDER). Um so weniger kann da- 
her die Schilddrüse aus einem umgebildeten Kiemenpaar abgeleitet 
werden (DoHrn, 7 u. 10): sie ist eben eine umgebildete Hypobranchial- 
rinne ohne jede Beziehung zu den Kiementaschen, erfährt in der 


' Indem Donrn diese Homologie gegen van BENEDEN und JULIN ver- 
theidigte, hat er gleichzeitig die Aufstellung dieser Forscher, dass nicht die 
erste, sondern die zweite Kiementasche der Ammocoeten dem_Spritzloch der 
übrigen Fische homolog sei, mit vollem Recht zurückgewiesen. 


542 A. Goette, 


Metamorphose der Ammocoeten eine noch weiter gehende Rückbildung 
und erscheint bei den übrigen Vertebraten nur noch in dieser End- 
form, nachdem die ursprüngliche Rinnenform eben so wie die Wimper- 
rinne auch auf den Embryonalstufen spurlos verschwunden sind '!. 

Darin, dass die Hypobranchialrinne und die ihr angeschlossenen 
Wimperrinnen bei den niederen Chordaten lebenslängliche, bei den 
Cyelostomen nur noch larvale Organe sind, die weiterhin sich in 
bloße Rudimente verwandeln (Schilddrüse)? oder ganz verschwinden 
(Wimperrinnen), zeigt sich ganz klar, dass die Rückbildung dieser 
Organe von den niederen Chordaten zu den höheren fortschreitet. 
Dies steht nun im Gegensatz zu der bekannten Ansicht DoHrn’s, 
dass die mit Wimperrinnen ausgerüsteten Chordaten (Ammocoeten, 
Tunicaten, Amphioxus) jünger seien als die Wirbelthiere, insbeson- 
dere die Fische, die keine Wimperrinne besitzen. DOoHRN ging eben 
davon aus, dass diese Wimperorgane als Umbildungsprodukte der 
ersten Kiementaschen nothwendigerweise deren vollständige Rück- 
bildung mit einem vollkommenen Verschluss ihrer Öffnungen voraus- 
setzten; folglich stellten die offen bleibenden ersten Kiementaschen 
oder die Spritzlöcher der Selachier und Ganoiden frühere Zustände 
dar als die in Wimperrinnen verwandelten Taschen der Cyelostomen, 
woraus sich die Abstammung der letzteren und weiterhin auch der 
niederen Chordaten von Fischen mit Spritzlöchern und ohne Wimper- 
rinnen ergebe (10). 

Ich brauche nicht zu untersuchen, ob diese Schlussfolgerung 
DonHrn’s eine zwingende ist; denn nachdem sein Ausgangspunkt, die 
Identität der ersten Kiementasche und der Wimperrinne, sich als irrig 
erwiesen hat und vielmehr feststeht, dass die Entwicklung der Wimper- 
rinne mit der vorausgehenden Rückbildung jener Tasche bei den 
Ammocoeten in keinem ursächlichen Zusammenhange steht, fällt mit 


! Für den angegebenen Ursprung der Schilddrüse zeugt in zweiter Linie 
auch folgende Beobachtung. Die Larven, die sich bereits in den Sand einge- 
wühlt haben, ernähren sich dort zuerst von Protozoen, und zwar so, dass diese 
im Kiemendarm in größerer Zahl in einen Ballen von schleimiger Substanz ein- 
gebacken und so festgehalten werden. Dies erinnert nun lebhaft an die Er- 
nährungsweise der Tunicaten, bei denen die Schleimmasse von der Hypobran- 
chialrinne abgesondert wird. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die 
Schilddrüse der Ammocoeten als Homologon der Hypobranchialrinne auch noch 
dieselbe Funktion hat und den genannten Schleimballen liefert. 

?2 Die physiologische Anpassung der definitiven Schilddrüse an eine ganz 
neue Funktion beeinträchtigt nicht ihre morphologische Bedeutung als Rudiment 
eines früheren Zustandes. 


2 


Über die Kiemen der Fische. 543 


der irrigen Voraussetzung auch die Schlussfolgerung. Dagegen be- 
weist die oben angegebene Reihenfolge in der Ausbildung der frag- 
lichen Organe, dass ihre Zustände bei den Wirbelthieren jünger sind 
als diejenigen bei den Tunicaten und Leptocardiern. 


Während der geschilderten Rückbildung des Hyoidbogens und 
der ersten Kiementasche erleiden auch die übrigen Kiemenbögen 
und Taschen bemerkenswerthe Umbildungen. Der Grund jeder 
Tasche verschiebt sich nach hinten, so dass ihre Hinterwand ziem- 
lich genau in eine Querebene des Körpers zu liegen kommt, wäh- 
rend die entsprechend verbreiterte Vorderwand eine solche Ausbiegung 
erfährt, dass der von ihr überkleidete Kiemenbogen sich in zwei 
Abschnitte sondert, eine quergestellte innere Leiste und eine sagittal 
gestellte äußere Platte, die sich gegen ihren hinteren Rand merklich 
verjüngt (Figg. 9, 10, 20). Darauf beginnt der Kiemenbogen an der 
Grenze beider Abschnitte sich zu verdünnen, bis endlich nur noch 
eine dünne Membran (Verbindungshaut) beide Theile, nämlich die 
äußere Kiemenbogenplatte und den aus der inneren Leiste her- 
vorgegangenen Kiementräger verbindet (Figg. 135, 23—26). 

Die Verbindungshaut hört an der Decke und am Boden des 
Kiemendarmes auf; in dem Maße als sie auswächst, führt sie be- 
stimmte Biegungen aus, die aus den Abbildungen zu ersehen sind 
(Figg. 25, 26, 30). In der Kiemenbogenplatte liegt das knorpelige 
Kiemenskelett, und zwar die absteigenden Knorpelspangen dieht am 
Ursprung der Verbindungshaut. Die Kiementräger dagegen enthalten 
die Kiemengefäße; und indem sie sich dorsal an die Aorta, ventral 
an die Kiemenarterienstämme anschließen, bilden sie die Brücken, auf 
denen die definitiven branchialen Verbindungen der Arterienstämme und 
der Aorta entstehen. Der Aortenbogen liegt in der Mitte des Kiemen- 
trägers, an der Wurzel der alsbald entstehenden Kiemen, und ver- 
wandelt sich später in die Kiemenarterie, während die Kiemen- 
vene proximal von ihr im Rande des Kiementrägers entsteht !. 


! An der Decke und am Boden der Kiementaschen zeigen sich zwischen 
den Kiementrägern quere Wülste, die die Taschen an ihren Enden unvoll- 
kommen theilen, und deren Epithel aus hohen klaren Zellen besteht (Figg. 21, 
22, 24). Diese Wülste erinnern einerseits eben so sehr an die Zungenbalken der 
Kiemenlöcher von Amphioxus, wie andererseits an die Anlagen der Thymus und 
der branchialen Epithelkörperchen bei den übrigen Wirbelthieren. Wenn diese 
Ähnlichkeiten mit wirklichen Homologien zusammenfallen, so bilden die Thy- 
mus ete. eben so wie die Schilddrüse die Rudimente eines völlig anders ge- 
arteten Organs von Amphiozus, 


544 A. Goette, 


An dem sekundären Hyoidbogen unterbleibt die Sonderung in 
Außenplatte, Verbindungshaut und Kiementräger, obgleich an ihm 
auch Kiemen hervorwachsen (Figg. 13, 25). Er bleibt ein kompakter 
Wulst, auf dessen Höhe die Wimperrinne verläuft; nur am Hinter- 
rande, im Umfange des ersten Kiemenloches, verdünnt er sich in 
derselben Weise wie die übrigen Kiemenbögen. 


Der Durchbruch der zweiten bis achten Kiementasche nach außen 


erfolgt nur in der Mitte ihrer Höhe und innerhalb der Verbindung 
ihres Grundes mit der Oberhaut in Form von kurzen senkrechten 
Spalten (erste bis siebente Kiemenspalte). Wie die Kiemen- 
taschen sind auch ihre äußeren Öffnungen, die Kiemenspalten, schräg 
nach hinten gerichtet, so dass der dünne hintere Saum jedes Kiemen- 
bogens wie ein Deckel über der zugehörigen Spalte liegt. Die Mün- 
dungen der Kiementaschen in den Darm bleiben bei den Ammocoeten 
weit (Fig. 30) und ziehen sich erst in der Metamorphose zu runden 
Löchern zusammen, indem die zwischenliegenden Ränder der Kiemen- 
träger sich zur seitlichen Wandfläche des definitiven Kiemendarmes 
ausdehnen, der sich dann bekanntlich vom übrigen Vorderdarm voll- 
ständig absondert. 

Die eigentlichen Kiemen entstehen an der Vorderwand und der 
Rückwand der zweiten bis achten Kiementasche oder, was dasselbe 
ist, an der Rückwand des sekundären Hyoidbogens, an beiden Sei- 
ten der sechs freien Kiementräger und an der Vorderwand des 
letzten, an den Herzbeutel angewachsenen Kiemenbogens. Ihre An- 
lagen bestehen in fingerförmigen, annähernd sagittal, also nach vorn und 
nach hinten gerichteten Fortsätzen, den Kiemenfäden, die an jeder 
Wand in einer Reihe über einander liegen und in beiden Reihen des- 
selben Kiementrägers mit einander alterniren (Figg. 27). Die Vorder- 
reihen entwickeln sich im Allgemeinen etwas später und stehen weiter 
auswärts als die hinteren Reihen (Fig. 24). Der wulstige freie Rand 
des Kiementrägers mit der Kiemenvene bleibt frei. Später entstehen 
gleiche Kiemenfäden auch an der Decke und dem Boden der Kiemen- 
taschen, so dass diese allseitig mit Kiemen besetzt sind (Fig. 29). 

Die Kiemenfäden beginnen als winzige Höckerchen zu sprossen, 
wenn die Kiemenarterien und Kiemenvenen in der Regel schon fertig 
sind, aber noch nicht die sie verbindenden, für die Kiemenfäden be- 
stimmten Gefäßschlingen. Sobald der Höcker deutlich hervortritt, 
entsendet die Kiemenarterie in seinen distalen Rand einen Zweig, 
der eben nichts weiter ist als ein wandungsloser Spaltraum, der sich 
am Gipfel des Höckers verliert (Fig. 18). Gleichzeitig hat sich das 


Über die Kiemen der Fische. 545 


Epithel des Höckers auffallend verdünnt. Erst in zweiter Linie ent- 
wickelt sich am proximalen Rande des Höckers in ähnlicher Weise 
ein Venenzweig, der am Gipfel mit dem Arterienzweige zusammen- 
trifft (Fig. 19); während der Höcker zum Kiemenfaden auswächst, 
bildet sich die Wand der erweiterten, Gefäßschlinge vollends aus. 
Offenbar ist also bei der Kiemenbildung das Primäre die Wucherung 
des Mesenchyms und die Oberflächenvergrößerung des Epithels, denen 
sich die wandungslosen Blutbahnen und zuletzt Gefäße anschließen. 

Ein zweites Stadium der Kiemenbildung beginnt in Larven von 
ca. lem Länge und wird durch die Entwicklung von Seitenzweigen 
an jedem Kiemenfaden gekennzeichnet (Figg. 28, 29). Sie entspringen 
alternirend auf seiner oberen und unteren Seite, so dass er zum 
Stamm einer federförmigen Bildung (Fiederkieme) wird. Sie ent- 
wickeln sich eben so wie die Kiemenfäden und erhalten Gefäß- 
schlingen, die vom Arterienzweig zum Venenzweig hinübergehen. 
Die zierlichen Längsdurchschnitte der Fiederkiemen geben aber kein 
sanz richtiges Bild von ihnen; denn wenn schon die jüngsten Kiemen- 
fäden eine in frontaler Richtung verbreiterte Basis haben, so nimmt 
dies in der Folge immer mehr zu, da diese Basis stets bis an den 
freien Rand des Kiementrägers reicht und dieser letztere in dersel- 
ben Richtung sich stetig verbreitert (Figg. 24—26). So wird der 
ursprüngliche Kiemenfaden oder der Stamm der Fiederkieme all- 
mählich zu einem dreieckigen Blättchen, auf dessen beiden Flächen 
die Seitenzweige sitzen und sich mit ihnen von einem Rand zum 
andern ausdehnen, d. h. zu kleinen Leisten oder Rippen auswachsen. 
Dadurch erhält die Fiederkieme die Form eines zweiseitig quer- 
serippten Kiemenblättchens. 

Das dreieckige Kiemenblättehen wächst aber am proximalen 
Rande stärker als am distalen und stellt sich dadurch schräg zum 
Kiementräger, der seinerseits sich nach vorn biegt (Fig. 30). So 
kommt es, dass die queren Rippen schräg zur Fläche des Kiemen- 
trägers stehen und an der proximalwärts ausgedehnten Basis des 
Kiemenblättehens sogar rechtwinkelig auf sie stoßen. Obgleich also 
das, was Anfangs die Faden- und Federkieme darstellte, noch immer 
frei in den Raum der Kiementasche hineinragt, so ruft doch die an- 
gegebene Anordnung der Blattrippen den Eindruck hervor, als wenn 
jedes Kiemenblättchen mit dem distalen Rande seiner basalen Hälfte 
sich an den Kiementräger angelegt hätte und mit ihm verwachsen 
wäre. 5 

In diesem Zustande erhalten sich die Kiemen der Ammocoeten, 


546 A. Goette, 


abgesehen von einigen untergeordneten Formveränderungen, bis zur 
Metamorphose der ganzen Thiere, worauf die letzte Wandlung dieser 
Organe eintritt. Obgleich ich die letztere nicht direkt, d. h. während 
der Larvenmetamorphose selbst habe verfolgen können, so lässt sie 
sich doch aus dem Vergleich der Kiemen des Querders und des fer- 
tigen Neunauges mit genügender Sicherheit ermitteln. 

Nach der Larvenmetamorphose sind an die Stelle der früheren 
Kiementräger und ihrer Verbindungshäute gleichmäßig dieke Scheide- 
wände getreten, die von den äußeren Kiemenbogenplatten in ihrer 
ganzen Breite ausgehen und gerade nach innen und vorn ziehen 
(Fig. 31). In der Mitte jeder dieser Scheidewände spannt sich eine 
dünne muskulöse Platte zwischen dem absteigenden Kiemenknorpel 
und der weit medianwärts vorgerückten Kiemenarterie aus; dort 
spaltet sie sich in vier Platten, die divergirend zu den proximalen 
Enden beider Kiemenblattreihen ziehen. Zwischen diesen Platten 
und den Kiemen, sowie im proximalen Randwulst der Scheidewand 
befinden sich weite Bluträume, die, wie mir scheint, zuerst in der 
Kiemenbogenplatte entstehen und dann in die Verbindungshaut und 
den Kiementräger vordringen und sie dadurch zu der mächtigen An- 
schwellung bringen, wodurch der frühere Zwischenraum zwischen 
der Kiemenbogenplatte und der freien Kieme ganz verschwindet und 
diese mit ihrem distalen Rande der neuen Scheidewand bis zur Be- 
rührung genähert werden (vgl. Figg. 30, 31). Diese Annäherung bei- 
der Theile führt zu ihrer festen Verbindung: die früher in sagittaler 
Richtung frei in die Kiementasche vorragenden Kiemenblättchen sind 
nach der Metamorphose in ihrer ganzen Länge an die Scheidewände 
angewachsen. 

Die physiologische Bedeutung jener weiten Bluträume ist nicht 
klar, obgleich sie sicherlich bei der eigenthümlichen Athmung der 
Neunaugen eine Rolle spielen. Vielleicht wirken sie wie Schwell- 
körper, um den weichen Scheidewänden vorübergehend (bei dem 
Einsaugen des Athemwassers?) einen größeren Halt zu verleihen und 
so eine bestimmte Stellung der Kiemen zu gewährleisten. 

Von den sonstigen Bildungen des Kiemenapparates der Neun- 
augen erwähne ich nur noch die Umgebung der äußeren Kiemen- 
löcher (Fig. 32). Der deckelartige Saum der Kiemenbogenplatte, der 
sich von vorn über jedes Kiemenloch legt, ist keine Neubildung, 
sondern, wie ich zeigte, der ursprüngliche Hinterrand des Kiemen- 
bogens und daher nun außen vom Ektoderm, innen aber vom Ento- 
derm überzogen (Figg. 10, 13, 23, 30, 31). Wo er der wulstigen 


Über die Kiemen der Fische. 547 


hinteren Lippe des Kiemenlochs sich beinahe bis zur Berührung 
nähert, da liegt auch an dieser Lippe die Grenze von Ekto- und 
Entoderm. So verhalten sich die Kiemenlöcher schon an den jungen 
Ammoecoeten und bleiben bis zur Larvenmetamorphose unverändert; 
erst nach derselben finde ich bemerkenswerthe Neubildungen an die- 
sen Theilen, und zwar deutlicher an den großen wie an den kleinen 
Flussneunaugen. Unter dem konvexen Rande der deckelartigen 
Vorderlippe jedes Kiemenlochs ragt ein starker Zapfen vor, der in 
der Tiefe von der hinteren Lippe entspringt und einen ganz isolirten 
Stützknorpel enthält (Figg. 31—83); er mag als Hemmung für den 
aufliegenden Deckel dienen. Koncentrisch zu jenem Rande, aber in 
merklichem Abstande dahinter ist das Integument des Kiemenbogens 
zu einer Furche eingesunken, in der eine nicht ganz regelmäßige 
Doppelreihe von kleinen Hautzapfen steht. An diesen konischen oder 
etwas birnförmigen, aus beiden Hautschichten zusammengesetzten 
Papillen habe ich keine Textur bemerkt, die eine besondere Funk- 
tion andeutete. Man könnte sie allenfalls für eine Art von Reuse 
halten, die außen angebracht ist, weil bei den Neunaugen das 
Athemwasser durch die äußeren Kiemenlöcher in die Kiementaschen 
eintritt. 

Unter dieser Papillenreihe verläuft eine Knorpelspange, die über 
und unter dem Kiemenloch in die Basis der Vorderlippe umbiegt 
und sich dort ringförmig schließt (Fig. 33). Diese Knorpelringe hat 
schon SCHNEIDER gezeichnet, ohne sie im Text zu erwähnen (31, 
Taf. X, Fig. 1), Sie haben natürlich die Bestimmung, die Wand des 
Kiemenlochs fester und elastischer zu machen; mit dem übrigen 
Skelett stehen sie in keinem Zusammenhang. 


Aus der Entwicklungsgeschichte des Kiemenapparates von Petro- 
myzon geht als wichtigstes Ergebnis hervor, dass die Kiemen aus- 
schließlich innerhalb der ursprünglichen entodermalen Kiementaschen 
entstehen, also Darmkiemen sind, und dass die ektodermalen 
Außenseiten der Kiemenbögen, abgesehen von der späten Neubildung 
der Hautpapillen, unverändert bleiben. Die Kiemen beginnen als 
senkrechte Reihen von kurzen Kiemenfäden, die sich in Fiederkiemen 
und zweiseitig gerippte Kiemenblättehen verwandeln; erst in der 
Larvenmetamorphose verwachsen sie längs ihres ganzen distalen 
Randes mit der Taschenwand. — Die erste Kiementasche bildet sich 
vollkommen zurück, ohne in ein anderes Organ (Wimperrinne) über- 


548 A. Goette, 


zugehen; eben so wird der ursprüngliche Hyoidbogen durch den 
sanz neugebildeten sekundären Hyoidbogen ersetzt. 


Die Kiemen der Selachier. 


Die noch geschlossenen primären Kiementaschen der Embryo- 
nen von Torpedo ocellata haben eine große Ähnlichkeit mit denen 
der Cyclostomen (Fig. 39); sie sind ebenfalls oben und unten über 
die Grenzen des Darmes hinaus erweitert, brechen aber in ihrer 
ganzen Höhe, also mit sehr langen Kiemenspalten, nach außen durch. 
Vor diesem Durchbruch ist die Außenseite aller Kiemenbögen ganz 
slatt; in ihrem Inneren befindet sich innerhalb eines dichten Mesen- 
chyms eine eylindrische Muskelanlage und, wenigstens in den ersten 
Bögen, hinter ihr und etwas proximalwärts von ihr, die Anlage des 
Aortenbogens. Der Kieferbogen weicht nur darin von den übrigen 
Bögen ab, dass sein Muskelstrang und der Aortenbogen nicht wie bei 
jenen senkrecht, sondern in Folge der Kopfbeuge beinahe horizontal 
verlaufen (Fig. 45). Sobald nun die primären Kiemenspalten von vorn 
nach hinten fortschreitend sich öffnen, beginnt eine bemerkenswerthe 
Divergenz in der weiteren Entwicklung der Bögen. Der Kieferbogen 
behält die angegebenen Form- und Lagebeziehungen seiner Theile, 
dagegen verändern sie sich in den übrigen Bögen, und zwar zuerst 
im Hyoidbogen, dann in den Kiemenbögen (Fig. 40). Die Außenseite 
jedes Bogens wölbt sich stark vor, und der Aortenbogen rückt an 
die Hinterseite des Muskelstranges, der sich bereits in querer Rich- 
tung nach außen auszudehnen beginnt. Im weiteren Verlauf dieser 
Veränderungen (Fig. 41 ff.) werden die Muskelstränge zu quergestell- 
ten dünnen Platten mit einem verdiekten äußeren und inneren Rand, 
und die Aortenbögen oder künftigen Kiemenarterien rücken hinter 
den Platten immer weiter gegen den Rand der äußeren Kiemen- 
spalten vor (vgl. Donrn, 4). Gleichzeitig zeigen sich die ersten 
Spuren der Kiemenvenen, je an der Vorder- und der Hinterseite der 
Muskelplatte und proximal von den Arterien; die hintere Vene ver- 
bindet sich an allen Kiemenbögen durch eine bis zwei Querkommis- 
suren mit der vorderen, die dorsal in den ursprünglichen Aorten- 
bogen mündet (Figg. 42, 64—66). An dieser Mündung löst sich darauf 
das darunter befindliche, längs der Kiemen verlaufende Stück des 
Aortenbogens von seiner dorsalen Fortsetzung ab, die der Vene zufällt, 
und wird zur Kiemenarterie. Im Hyoidbogen, der nur eine hintere 
Kiemenreihe entwickelt, mündet die hintere Vene in den Aortenbogen, 
während die vordere Vene kurz bleibt und durch eine Kommissur 


Über die Kiemen der Fische. 549 


mit der ersteren zusammenhängt!. Im Kieferbogen entsteht nur eine 
Vene. 

Während des Erscheinens der Venenstämme beginnt die Kiemen- 
bildung am Hyoidbogen und den Kiemenbögen, etwas später am 
Kieferbogen. — Die erste Kiementasche öffnet sich nur in ihrer obe- 
ren Hälfte, dem späteren Spritzloch, und bleibt darunter, unmittelbar 
unter der sich bildenden Spritzlochkieme verschlossen, aber noch 
einige Zeit mit dem Ektoderm verlöthet. Dadurch lässt sich nach- 
weisen, dass diese Kieme proximal von der Verlöthung des Ekto- 
derms und Entoderms, also innerhalb der Kiementasche entsteht und 
rein entodermalen Ursprungs, eine Darmkieme ist (Figg. 45—50). Sie 
besteht wie alle übrigen Kiemen aus fingerförmigen Kiemenfäden, 
die sich an der Innenseite des Bogens von außen nach innen an 
einander reihen und mit ihren freien Enden aufwärts wachsen. Der 
längs dieser Kiemen verlaufende erste Aortenbogen wird wie in den 
übrigen Visceralbögen zur Arterie, und die einfache Vene entsteht als 
Neubildung aus mehreren Stücken proximal von ihr und etwas tiefer 
(Figg. 48, 65). Sehr bald schwindet jedoch die untere Hälfte des 
ersten Aortenbogens von seinem Ursprung an bis gegen die Spritz- 
lochkieme? und wird durch eine Kommissur von der vorderen Hyoid- 
vene her ersetzt (Fig. 66); in Folge dessen erhält diese Kieme nur 
arterielles Blut aus der Hauptvene des Hyoidbogens, verliert also ihre 
respiratorische Funktion und wird bei manchen Selachiern bis zum 
vollständigen Schwund zurückgebildet. Sie darf daher als rudimen- 
täres Organ bezeichnet werden. — Die dorsale Fortsetzung des ersten 
Aortenbogens löst sich gleichzeitig von der Carotis ab. 

So wie die Kiemenarterien der übrigen Bögen anders verlaufen 
als die Arterie des Kieferbogens, nämlich nicht an der Innenseite, 
sondern an der Aubenseite jedes Bogens, so nehmen auch die zu- 
gehörigen, allein dauernd athmenden eigentlichen Kiemen eine 
andere Lage ein als die Spritzlochkiemen, sie liegen ausschließlich 
längs der Ränder der äußeren Kiemenspalten (Figg. 41—44). Nur lässt 
es sich nicht überall unzweifelhaft entscheiden, ob die Kiemenfäden 
außerhalb oder innerhalb jener Ränder, aus dem Ektoderm oder dem 
Entoderm entstehen; denn da sich die Kiemenspalten lange vor dem 
Beginn der Kiemenbildung öffnen, und die gleichzeitige Vorwölbung 


! DoHRN giebt ausdrücklich nur eine Hyoidvene an (6), was ich aber nicht 
bestätigen kann. 

? Bevor dieses Stück ganz verschwunden ist, läuft es unterhalb des Spritz- 
loches in unregelmäßige Lakunen aus, wie sie bereits Donrx erwähnte (6, p. 7). 


550 A. Goette, 


der Außenseite der Bögen die Spaltenränder glättet und verwischt, 
so fehlen oft die sicheren Merkmale der fraglichen Grenze. Wie 
schon erwähnt, haben sich alle früheren Forscher für den entoder- 
malen Ursprung aller Kiemen der Selachier ausgesprochen; ich finde 
aber dafür weder in ihren Untersuchungen noch in meinen eigenen 
Präparaten irgend einen strikten Beweis, dagegen wenigstens an 
einzelnen Stellen bestimmte Merkmale des Gegentheils. 

Die Torpedo-Embryonen von ca. ” mm Länge besitzen am Hyoid- 
bogen und den drei ersten Kiemenbögen bereits kurze Kiemenfäden, 
am vierten Kiemenbogen aber noch nicht (Figg. 41—44). Er steht 
auch sonst in der Entwicklung zurück, hat erst eine flache, nicht 
vorgewölbte Außenseite und daher noch deutliche Ränder an den 
ihn einfassenden Kiemenspalten. Sein Vorderrand steht nun so weit 
hinter der ihn überragenden Kiemenanlage des vorausgehenden Bogens 
zurück, dass an ihrem ektodermalen Ursprung außerhalb der ur- 
sprünglichen Kiemenspalte kaum zu zweifeln ist (Figg. 43, 44). Das- 
selbe zeigt sich am vierten und fünften Kiemenbogen von etwas 
älteren Embryonen von Mustelus und Pristiurus. 

Ein weiteres Merkmal der fraglichen Grenze bieten die in ihrer 
Lage vor der Muskelplatte beständigen Kiemenbogennerven. Derjenige 
des Hyoidbogens verläuft entlang der ganz unverkennbaren Grenze 
der ersten Kiementasche am Spritzloch und unter ihm, wo die Tasche 
geschlossen, aber mit der Oberhaut verlöthet ist (Fig. 45); man darf 
daher annehmen, dass auch die übrigen Kiemennerven die Lage der 
ursprünglichen Kiemenspaltenränder bezeichnen, wonach die Kiemen 
außerhalb derselben im Bereich des Ektoderms entständen (Figg. 41, 
46, 47). Ihre Hautkiemennatur erweist sich also auch nach diesem 
Merkmal als sehr wahrscheinlich, während nichts sie als Darmkiemen 
erscheinen lässt. 

Unter diesen Umständen wird jene aus der Beobachtung sich 
ergebende Wahrscheinlichkeit durch die Vergleichung mit den Ganoi- 
den und Teleostiern zur Gewissheit, indem die offenbar gleichartigen 
Kiemen dieser Fische, wie ich zeigen werde, ganz evident Haut- 
kiemen sind. Dieselbe Evidenz fehlt aber den Selachiern desshalb, 
weil ihre Kiemen durch eine besondere Entwicklung der Außenseite 
der Bögen (s. u.) bis an den Rand der Kiemenspalten verdrängt 
werden. 

Die jüngsten höckerartigen Anlagen der Kiemenfäden entstehen 
bei den Selachiern in der Regel früher als die zugehörigen Gefäß- 
schlingen (Fig. 51), die von den Kiemenarterien ausgehen, den distalen 


Über die Kiemen der Fische. 551 


Rand der Kieme durchlaufen und an ihrem Ende in die Kiemenvene 
des proximalen Randes umbiegen (Figg. 46, 47). — Jeder freie Kiemen- 
bogen trägt zwei Kiemenreihen, der Hyoidbogen nur eine hintere Reihe; 
sie sind von Anfang an getrennt durch die Vorwölbung der Außen- 
seite des Bogens, die sehr bald eine mittlere Längskante erhält und 
mit dieser schräg nach hinten gerichtet immer weiter auswächst. 
Die Muskelplatte zieht sich bis in jene Kante hinein. Bei diesem 
Wachsthum bleiben die Basen der Kiemenfäden mit der sie trennen- 
den Basis der Vorwölbung, dem Kiemenseptum, verbunden und 
dehnen sich zugleich mit ihm in der genannten Richtung aus (Fig. 47). 
Wo sie sich von dem Septum trennen, um als die sogenannten »äubße- 
ren Kiemenfäden« frei nach außen hervorzutreten, da beginnt auch 
der freie Außentheil des Septum, der bei fortdauerndem Wachsthum 
sich deckelartig über den dahinter liegenden Zwischenraum zweier 
Septen mit den angeschlossenen Kiemen ausbreitet und durchweg als 
Kiemendeckel bezeichnet werden kann, da er am Hyoidbogen 
zweifellos das Homologon des gleichnamigen Theiles der Ganoiden 
und Teleostier ist. 

Die hinteren Kiemenreihen jedes Bogens erscheinen nicht nur 
früher als die vorderen, sondern wachsen auch allein in die langen 
Fäden aus, die den Kiemendeckel überragen (Fig. 34); die freien 
Enden der vorderen Kiemenfäden erreichen nicht einmal seinen freien 
Rand. Im Übrigen ist aber die Entwicklung beider Reihen dieselbe. 
Die mit dem Septum verwachsenen Basen der Kiemenfäden verlängern 
sich mit seinem Wachsthum fortdauernd, und es ist nicht wahr- 
scheinlich, dass Theile der freien Fäden sich ihm anlagern. Die letz- 
teren schrumpfen allmählich bis auf ein ganz kurzes Ende ein, so 
dass die angewachsenen Basen die eigentlichen Anlagen der defini- 
tiven Kiemen darstellen. Sie bilden sich in der Folge eben so aus 
wie die Kiemenfäden der Cyelostomen: an der Ober- und der Unter- 
seite jedes Fadens erscheinen mit einander alternirende Vorsprünge, 
die sich in Querleisten oder Rippen verwandeln, während der Faden 
selbst sich entsprechend abplattet und so zum quergerippten Kiemen- 
blättchen wird. Die Zwischenstufe der freien Fiederkieme wird bei 
den Selachiern nur durch das genannte übrig bleibende Ende des 
freien Fadens repräsentirt, an dem die zweizeiligen Querrippen sich 
in der Form von dreieckigen Blättehen entwickeln. 

Zur Vollendung des typischen Kiemenapparates der lebenden 
Selachier gehören noch das Kiemenskelett und die Verbindungen der 
Kiemendeckel. Die knorpeligen »Kiemenbögen« entstehen einwärts 


552 A. Goette, 


von den Kiemengefäßen und hinter den Muskelplatten (Fig. 47), die 
Kiemenstrahlen in den Septen ebenfalls an der Hinterseite der 
Muskelplatten; die Existenz der Strahlen ist daher an diejenige 
der Septen gebunden. — Die oberen und unteren Abschnitte jedes 
Kiemendeckelrandes legen sich bekanntlich an die folgenden Kiemen- 
deckel an und verwachsen mit ihnen, so dass die ursprünglich 
nach oben und unten weit offenen Zwischenräume zwischen den 
kiementragenden Septen und den Kiemendeckeln der auf einander 
folgenden Bögen nach außen sackförmig abgeschlossen werden, bis 
auf je einen beschränkten schlitzförmigen Zugang unter dem frei- 
bleibenden mittleren Abschnitt des Kiemendeckelrandes.. So ent- 
stehen aus den embryonalen offenen Kiemenfächern der Selachier 
die die Kiemen beherbergenden Kiemensäcke mit ihren äußeren 
Kiemenlöchern als durchaus sekundäre Bildungen an der Außen- 
seite der ursprünglichen Körperwand. Es sind Schutzvorrichtungen 
für die Hautkiemen, die nach ihrer Entwicklung und Funktion mit 
den Kiemendeckelbildungen der übrigen Fische im Allgemeinen 
übereinstimmen. — Die entodermalen Kiementaschen, von denen doch 
die ganze Kiemenentwicklung ausgeht, ziehen sich bei den Selachiern 
zu der Auskleidung der inneren Mündungen der sekundären Kiemen- 
säcke in den Darm zusammen, was eben eine weitgehende Rück- 
bildung bedeutet. 


Die Kiemen der Ganoiden. 


SALENSKY hat in seiner Entwicklungsgeschichte von Aecipenser 
ruthenus die Entstehung der Kiemen nur ganz flüchtig, und die 
Frage, ob sie entodermalen oder ektodermalen Ursprungs sind, über- 
haupt nicht berührt. Ich selbst habe nur wenige Entwicklungsstufen 
der Kiemen von Acipenser sturio untersuchen können, die aber zu 
einer ganz bestimmten Beantwortung jener Frage genügten. 

An den jüngsten dieser Stör-Embryonen (Fig. 52) war der Kiemen- 
darm noch größtentheils solid und niedrig; die drei bis vier Paare 
meist ebenfalls solider Kiementaschen erweiterten sich jedoch distal- 
wärts wie bei den Selachiern. Die erste Kiementasche, das künftige 
Spritzloch, erreichte noch nicht das glatt darüber hinziehende Ekto- 
derm; die zweite Tasche war bereits spaltförmig ausgehöhlt und 
bildete mit dem rinnenförmig eingesenkten Ektoderm eine dieke 
Verschlussmembran (vgl. Figg. 53—55). Diese Einsenkung rührte 
aber offenbar von einer wulstigen äußeren Vorwölbung des Hyoid- 
bogens oder seinem Kiemenwulst her, was sich auch, nur in 


Über die Kiemen der Fische. 553 


schwächerem Maße an den beiden folgenden Bögen wiederholte. Die 
dritte und vierte Tasche waren wieder solid und unvollkommen ent- 
wickelt. Ä | | 

Im Kieferbogen, dem Hyoidbogen und den zwei ersten Kiemen- 
bögen waren die Aortenbögen fertig und lagen in der Mitte des 
Bogens; distal von ihnen zeigten sich die ersten Spuren neuer Ge- 
fäße (s. u.). 

Auf der folgenden Stufe (Fig. 53) ist die angegebene Aushöhlung 
der zweiten Kiementasche so weit vorgeschritten, dass sie stellen- 
weise nach außen durchgebrochen war; wo die Verschlussmembran 
aber noch bestand, befand sie sich in der Mitte zwischen dem Aorten- 
bogen und den Kiemenwulsträndern des Hyoid- und ersten Kiemen- 
bogens. Ihre Kiemenwülste sind also bis zur Verschlussmembran 
mit Ektoderm überkleidet. Die übrigen Kiementaschen und -bögen 
waren noch indifferent und die Gefäße dieselben wie vorher. 

Die nächst älteren Embryonen mit völlig ausgehöhltem Kiemen- 
darm besitzen schon Kiemenanlagen in Gestalt kurzer höcker- oder 
fingerförmiger Fortsätze, die später zu Kiemenfäden auswachsen 
(Fig. 54). Am Hyoidbogen sitzen sie in einer Reihe an der Hinter- 
oder Innenseite seines Kiemenwulstes (Kiemendeckelkieme) und 
so weit außerhalb der noch stellenweise erhaltenen aber verdünnten 
Verschlussmembran, dass an ihrem ektodermalen Ursprung nicht zu 
zweifeln ist. Der freie Rand des hyoidalen Kiemenwulstes ist als 
eine schwache Vorwölbung nach außen von den Kiemenanlagen und 
etwas vor ihnen sichtbar. Am ersten Kiemenbogen treten beide 
Kiemenreihen, wie es scheint, gleichzeitig und mit ihren Basen eng 
verbunden aus dem Kiemenwulst hervor, so dass sie ihn und somit 
die ganze ektodermale Außenseite des Bogens vollständig verdecken. 
Dass sie thatsächlich auf die Oberhaut beschränkt bleiben, wird 
durch ihre Lage außerhalb der Verschlussmembran bewiesen. Die 
Kiemenanlagen des zweiten Kiemenbogens waren nur an einer Stelle 
als eine schwache Gabelung des Kiemenwulstrandes sichtbar; die 
übrigen Bögen besaßen noch keine Kiemenanlagen. — Die Gefäße 
dieser Embryonen waren wegen der mangelhaften Konservirung der 
letzteren nicht gut zu verfolgen; dadurch entsteht aber, wie sich 
zeigen wird, keine Lücke in der Beobachtung ihrer fortlaufenden 
Entwicklung. | 

Auf der letzten mir zu Gebote stehenden Entwicklungsstufe von 
Acıpenser sturio (Figg. 55, 96) waren alle beschriebenen Bildungen 
des Kiemenapparates noch etwas weiter entwickelt und nach hinten 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bad. 37 


554 A. Goette. 


weiter vorgeschritten. Die erste Kiementasche war hohl, aber noch 
ohne Kiemenanlagen, die also merkwürdigerweise später auftreten als 
die Pseudobranchie der Teleostier (s. u.). Bei der Übereinstimmung 
in den topographischen Verhältnissen jener Tasche beim Stör und 
den Teleostiern kann aber die Spritzlochkieme des ersteren nicht an- 
ders als bei den Knochenfischen, nämlich nur als Darmkieme ent- 
stehen (s. u.). — Die Hautkiemen des Hyoidbogens derselben Stör- 
embryonen sind noch mäßig lang und liegen nahe am äußersten 
Rande des frei bleibenden Kiemenwulstes, der später zum hyoidalen 
Kiemendeckel auswächst. Die längsten und meisten Kiemen be- 
finden sich am ersten Kiemenbogen; es sind zwei Reihen mit einander 
alternirender Kiemenfäden, die theilweise schon mit sehr kurzen 
Seitenzweigen besetzt sind (Fiederkiemen). Auch der zweite Kiemen- 
bogen trägt zwei Reihen von Kiemenfäden, die jedoch noch keine 
Seitenzweige besitzen, dafür aber eben so wie die Fiederkiemen des 
ersten Bogens sich schon abzuplatten beginnen (Kiemenblättchen). 
Der dritte Bogen zeigt nur in seiner Mitte die ersten Spuren von 
Fortsätzen an seinem Kiemenwulst. Überall kommen Reste der Ver- 
schlussmembran vor, die den ektodermalen Charakter der nach außen 
davon befindlichen Kiemen wiederholt bestätigen. 

In diesem Stadium war zu den früher genannten vier Aorten- 
bögen noch ein fünfter im dritten Kiemenbogen hinzugekommen, der 
sechste Aortenbogen war jedoch nur in seinem dorsalen Abschnitt 
angelegt (Fig. 68). Alle Aortenbögen des Störs entspringen Anfangs 
aus dem einfachen Arterienstamm und steigen zu der Aorta ihrer 
Seite hinauf; nur der erste Aortenbogen neigt sich wie bei den Se- 
lachiern stark nach vorn. Schon auf den zwei ersten Entwicklungs- 
stufen sah ich im Hyoidbogen und dem ersten Kiemenbogen einzelne 
kleinste Seitenzweige vom Aortenbogen in den Kiemenwulst eintreten 
(Figg. 52, 53); sie bestanden aber zunächst nur in feinen und unregel- 
mäßigen Mesenchymlücken (Fig. 57), die sich erst auf den folgenden 
Stufen in wirkliche Gefäße verwandelten. Genau dasselbe zeigte 
sich später in den hinteren Kiemenbögen. Einige jener Gefäbanlagen 
waren gegen die Stellen gerichtet, wo etwas später die Kiemen er- 
schienen; andere durchzogen aber die Mittelebene des Kiemenwaulstes, 
bogen am Ende nach oben oder unten um und verbanden sich zu 
einem dem Aortenbogen parallelen äußeren Gefäßstamm, der also 
durch eine oder mehrere, bald vergängliche Anastomosen mit dem 
ersteren zusammenhing (Figg. 67, 68). Doch kann dieser Gefäßstamm 
auch aus den umgebogenen Enden der für die Kiemen bestimmten 


Über die Kiemen der Fische. 555 


Gefäßschlingen oder selbst ganz ohne Zusammenhang mit anderen 
Gefäßen aus mehreren getrennten Stücken entstehen. 

Früher oder später verbindet sich dieses distale Gefäß mit der 
Wurzel des Aortenbogens, dicht über seinem Ursprung vom Arterien- 
stamm (Fig. 68), ferner mit allen Gefäßschlingen der vorderen und hin- 
teren Kiemen (Figg. 55, 56), um am dorsalen Ende des Kiemenbogens 
an den letzten Kiemen aufzuhören. So wird es zur Kiemenarterie, 
während der primäre Aortenbogen sich in die Kiemenvene ver- 
wandelt. Bei der Schrägstellung der Querachsen aller Kiemenbögen 
liegt die proximale Kiemenvene etwas vor der distalen Arterie. 

. Der Hyoidbogen verhält sich gerade so wie die Kiemenbögen; . 
da jedoch seine Schrägstellung später in eine geradezu sagittale Stel- 
lung übergeht, liegt seine Vene oder der zweite Aortenbogen ganz 
merklich vor der Arterie. An einem Embryo der zweiten Stufe sah 
ich von dieser Vene einen queren Gefäßstamm entspringen, der auf 
den ersten Aortenbogen unterhalb der ersten Kiementasche gerichtet 
war, ihn aber erst auf den folgenden Stufen erreichte (Figg. 67, 69). 
Diese Anastomose entspricht derjenigen, die bei den Selachiern die 
Hyoidvene mit dem ersten Aortenbogen verbindet, jedoch mit dem 
Unterschied, dass die Hyoidvene der Selachier neben dem hyoidalen 
Aortenbogen sekundär entsteht, die Hyoidvene des Störs aber mit 
dem zweiten Aortenbogen identisch ist (vgl. Figg. 66, 68). — Nach 
der Herstellung der genannten Anastomose atrophirt auch beim Stör 
der unter der ersten Kiementasche befindliche Abschnitt des ersten 
Aortenbogens, so dass die später entstehende Spritzlochkieme von 
Anfang an kein venöses Herzblut, sondern nur das arterielle Blut aus 
der hyoidalen Kiemenvene erhält und niemals eine respiratorische 
Funktion ausübt. — Nur einmal fand ich in einem Embryo der letz- 
ten Stufe, und zwar nur einseitig, eine Anastomose zwischen der 
Vene und Arterie des Hyoidbogens genau in der Höhe der vorhin 
beschriebenen Anastomose der ersteren mit dem ersten Aortenbogen; 
wenn eine solche nach meinen Befunden ausnahmsweise gebildete 
Verbindung sich erhalten sollte, so würde durch sie der Spritzloch- 
kieme neben dem arteriellen Blut auch halbvenöses zugeführt wer- 
den, was mir aber von keinem Belang erscheint. — Die Sonderung 
von Arterie und Vene der Spritzlochkieme war an meinen Stör- 
embryonen noch nicht eingetreten. 

Die vollständige Trennung der Kiemenvenen und -arterien von 
einander, d. h. die Ablösung des ventralen Endes der Vene von der 
Wurzel des Aortenbogens, die alsdann sich nur in die Arterie fort- 

37* 


556 | A. Goette, 


setzt, habe ich nur am Hyoidbogen gesehen (Fig. 68). Auch fehlten an 
meinen ältesten Embryonen immer noch die zwei letzten Kiemenarterien. 
Trotzdem kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die ver- 
missten Bildungen in noch älteren Embryonen in derselben Weise 
entstehen, wie ich es an den vorausgehenden Bögen beschrieb. — 
Die Gefäße der Kiemenblättchen vertheilen sich in der gewöhnlichen 
Weise, so dass die Arterienzweige den Innenrand, die Venenzweige 
den Außenrand der Blättehen einnehmen. 

Wenn man an demselben Kiemenbogen die noch kiemenlosen 
und die mit Kiemenanlagen besetzten Strecken mit einander ver- 
gleicht, so überzeugt man sich leicht, dass der Kiemenwulst mit 
seiner ganzen Oberfläche in die beiden Kiemenreihen auswächst, so 
dass er ihre verbundenen Basen darstellt; von einem besonderen 
Septum zwischen ihnen ist nichts zu sehen, und wenn später ihre 
Verbindung weit über die in der Kiemenbasis zurückbleibenden Ge- 
fäßstämme hinausreicht, so ist dies nicht durch ein vorgebildetes be- 
sonderes Septum vermittelt, sondern bloß eine Folge der fortschreiten- 
den Verwachsung der Kiemenreihen selbst. Dies lässt sich auch rein 
anatomisch belegen, und wie ich finde, besonders klar bei Polypterus, 
dessen paarig zusammengehörende Kiemenreihen bis zur halben Höhe 
der Blättchen mit einander verwachsen, oder, wie es gewöhnlich 
heißt, an ein Septum angeheftet sind. In der proximalen : Hälfte 
dieses Verbindungsgewebes verlaufen in einer Reihe über einander 
die Anfangsstücke der für die Blättehen bestimmten Arterienzweige, 
ehe sie sich seitwärts biegen, und zwischen diesen Gefäßen stoßen 
die dicken Kiemenstrahlen beider Kiemenreihen zusammen. Sowohl 
die Arterien wie die Strahlen, die sich gleicherweise in die freien 
Außenhälften der Kiemenblättehen fortsetzen, gehören aber, wie auch 
die Entwicklung des Störs und der Knochenfische beweist, den 
Kiemenblättehen selbst an; proximal ist also für ein Septum über- 
haupt kein Platz. Daher kann auch die bindegewebige, von einigen 
Muskelfasern durchsetzte distale Hälfte des Verbindungsgewebes kein 
selbständiges, vom Kiemenbogen ausgehendes Septum darstellen. Dar- 
aus ergiebt sich der einfache. Schluss, dass das bezeichnete Ver- 
bindungsgewebe der Ganoiden, wenn man es auch Septum nennen 
will, mit dem selbständigen, in den freien ektodermalen Kiemen- 
deckel sich fortsetzenden Kiemenseptum der Selachier nichts ge- 
mein ‚hat. 

Ganz anders verhält sich der Hyoidbogen, dessen Kiemenwulst 
nur an der hinteren oder inneren Seite in die Kiemendeckelkieme 


Dr 


ER 


Über die Kiemen der Fische. 557 


auswächst, an der anderen Seite aber frei bleibt und daher neben 
jener Kieme zum Kiemendeckel auswachsen kann, der denen der 
Selaehier durchaus homolog ist. 

Das Kiemenskelett des Störs stimmt mit demjenigen der 
Knochenfische überein. Die Kiemenspangen entstehen in der inneren 
Hälfte jedes Kiemenbogens und liegen zuletzt der Schleimhaut des 
Kiemendarmes an; die zweireihigen Kiemenstrahlen gehören aber den 
Kiemenblättehen selbst an und können daher den Septalstrahlen der 
Selachier nicht gleichwerthig sein. Die Kiemenstrahlen des Störs be- 
stehen aus je einem stärkeren Knorpelfaden, der den Innenrand des 
Blättehens durchzieht und feine, dicht gedrängte Zinken trägt, die 
sich durch die ganze Breite des Blättchens bis zu seinem Außen- 
rande erstrecken!. Die Kiemenstrahlen von Polypterus nehmen eben- 
falls die ganze Breite des Kiemenblättchens ein, sind aber nicht 
kammförmig wie bei Acıpenser, sondern solid bandförmig. 

Schon an den zuletzt beschriebenen Störembryonen ist das Schick- 
sal der ursprünglichen Darmkiementaschen nicht mehr zu verkennen, 
sie verwandeln sich in die engen Schlitze, die vom Kiemendarm bis 
zur Basis der Kiemenreihen ziehen, Anfangs noch relativ tief sind, 
aber später in Folge der überwiegend sagittalen Verdiekung der 
Bögen als unmittelbare Spaltöffnungen des Darmes erscheinen. Es 
ist dies dieselbe Rückbildung der Taschen wie bei den Selachiern. 


Die Kiemen der Teleostier. 


Die Entwicklung der Teleostierkieme habe ich zusammenhängend 
an Lachsembryonen studirt. Sie verläuft im Allgemeinen eben 
so wie beim Stör; es sollen daher im Folgenden wesentlich nur ein- 
zelne Abweichungen hervorgehoben und einige Ergänzungen hinzu- 
gefügt werden. 

Die erste Kiementasche ist eben so wie beim Stör angelegt 
und erreicht Anfangs selbst das Ektoderm zwischen dem Kiefer- und 
dem Hyoidbogen (Fig. 58). Gegen den Kiemendarm ist sie weit ge- 
öffnet und an dem Vorderrand dieser Öffnung zeigt sich schon an 
Embryonen mit einer völlig unverdeckten Kiemengegend eine wul- 
stige Verdickung des Epithels als erste Anlage der Pseudobran- 
chie, die folglich unzweideutig eine Darmkieme ist. 

Sehr bald beginnt die Rückbildung der Tasche, indem ihr Grund 
sich von der Oberhaut zurückzieht und ihre proximalen Theile sich 


! StAnnIıus hat diese kammförmigen Kiemenstrahlen gekannt. aber sehr 
unklar beschrieben (33, p. 212). 


558 A. Goette, 


an die Seitenwand des Kiemendarmes umschlagen. Dadurch geräth auch 
die Anlage der Pseudobranchie in dieselbe Lage und scheinbar vor die 
Kiementasche, während sie thatsächlich sich nur vor dem noch allein 
kenntlichen Taschengrund befindet (Fig. 60). Zuletzt verschwindet auch 
dieser im Bereich der Pseudobranchie völlig. — Ihre Kiemenfäden 
knospen wie bei der Spritzlochkieme der Selachier in einer Reihe 
von außen nach innen hervor (Fig. 35) und verlängern sich dann 
gerade aufwärts, wobei sie bis auf ihre oberen Enden mit der Darm- 
wand verwachsen. Daher verlaufen auch die Arterien und Venen 
der Kiemenfäden und -blättchen in senkrechter Richtung, die Ge- 
fäßstämme der ganzen Pseudobranchie aber ungefähr horizontal, so 
dass alle ihre Lagebeziehungen denen der übrigen Kiemen entgegen- 
gesetzt sind, — ein deutliches Merkmal dafür, dass die erste Kiemen- 
tasche durch die starke Kopfbeuge nach vorn umgelegt ist. — Die 
bereits besprochene Homologie der Pseudobranchie mit der Spritz- 
lochkieme ergiebt sich aus der Entwicklungsgeschichte ganz von 
selbst. 

Die beschriebene erste Anlage der Pseudobranchie entsteht 
früher als ihre Gefäße, die erst dann aus dem ersten Aortenbogen 
hervorwachsen, wenn die einzelnen Kiemenfäden aus dem Wulst her- 
vortreten. 

Der Hyoidbogen der Knochenfische bildet bekanntlich keine 
Kieme:; denn die ihm früher zugesprochene Pseudobranchie gehört 
eben dem Kieferbogen an. Der hyoidale Kiemendeckel der Knochen- 
fische ist ein vollkommenes Homologon desjenigen der Ganoiden. — 
Auch die Kiemenbögen der Knochenfische entwickeln sich in allen 
wesentlichen Stücken eben so wie beim Stör und tragen ebenfalls 
nur Hautkiemen. Denn obgleich die Verschlussmembranen, die ich 
vom Stör beschrieb, den Lachsembryonen mit seltenen Ausnahmen 
fehlen, und somit das bequemste Mittel zur Abgrenzung von Haut- 
und Darmepithel in Wegfall kommt, so beweisen doch schon die 
Kiemenwälste, die die ganze Außenseite der Kiemenbögen in An- 
spruch nehmen und eben so wie beim Stör in die Kiemenbildung 
vollständig aufgehen, dass diese eine ektodermale ist (Figg. 59—61). 
An jedem Kiemenwulst zeigt sich kurz vor dem Erscheinen der 
Kiemenfäden, also zuerst nur im mittleren Theil des Bogens eine 
stumpfe Längskante, und auf jeder Seite der letzteren eine nach 
innen vorgewölbte Epithelverdiekung (Figg. 60, 61). Anfangs zieht 
der Aortenbogen noch ganz glatt unter den Epithelpolstern dahin; 
dann erscheint stellenweise ein Zipfel des Gefäßes, der gegen ein 


Über die Kiemen der Fische. 559 


Polster gerichtet ist und alsbald die Erhebung einer höckerförmigen 
Kiemenanlage zur Folge hat. Will man die Kiemenbildung erst mit 
diesen Höckern beginnen lassen, so geht die Gefäßbildung voraus; 
mit eben so viel oder noch größerem Recht kann man jedoch schon 
in der Epithelverdiekung eine Vorbereitung zur Kiemenbildung er- 
blicken. 

Auch bei den Teleostiern alterniren die Kiemenfäden in den 
beiden Reihen jedes Bogens mit der Maßgabe, dass die Vorderreihen 
später entstehen und in der Entwicklung etwas zurückbleiben 
(Fig. 62). Dies tritt bei Salmo wenig hervor, sehr deutlich aber bei 
Esox lucius (Fig. 37). Jeder Kiemenfaden treibt nach oben und unten 
ebenfalls alternirende Seitenzweige, zuerst an seiner Wurzel und dann 
langsam distalwärts fortschreitend, so dass die dadurch entstehende 
Fiederkieme einige Zeit ein glattes Ende, den Rest des einfachen 
Fadens behält. Beim Lachs ist dieses Bild weniger prägnant, weil 
dort die Kiemenfäden dick und die Seitenzweige kurz sind und sehr 
früh vorrücken (Fig. 36). Bei Esox fand ich wenigstens die End- 
fäden lang (Fig. 37), die auffälligsten derartigen Kiemen dagegen 
bei Cobetis (Fig. 38), worüber ich schon vor Jahren berichtete (15). 
Die langen dünnen Endfäden, die bei den jungen Fischen noch bis 
an den Rand des fertigen Kiemendeckels reichen, sind natürlich die 
vollkommenen Homologa der »äußeren Kiemen« der Selachierem- 
bryonen. 

Die Verwandlung der Fiederkieme in ein Kiemenblättehen er- 
folgt bei Salmo viel früher als bei Zsox und Cobitis, und zwar in 
derselben Weise wie bei den Cyelostomen, Selachiern und Ganoiden. 
Das Stämmchen der Fiederkieme oder der ursprüngliche Faden ver- 
breitert sich rechtwinkelig zu den Seitenzweigen und zieht dabei 
diese letzteren zu queren Leisten oder Rippen aus. Am Innenrande 
jedes Kiemenblättehens entwickelt sich ein glattes Knorpelstäbchen, 
ebenfalls Kiemenstrahl genannt, obgleich eine Homologie mit den 
septalen Strahlen der Selachierkieme eben so wie bei den Ganoiden 
ausgeschlossen ist (Fig. 63). 

Die Kiemengefäße von Salmo salar entwickeln sich im All- 
gemeinen so wie beim Stör, zeigen aber einige interessante Abwei- 
chungen. — Weder der Kieferbogen noch der Hyoidbogen des Lachses 
enthält zu irgend einer Zeit einen vollständigen Aortenbogen, wie 
ich es bezüglich des Kieferbogens schon vor langer Zeit in Be- 
stätigung Vogr’s angegeben habe, und DoHrn neuerdings anerkannt 
hat (8, p. 166). Der erste Ast des Arterienstammes verläuft im 


560 A. Goette, 


vorderen Theil des Hyoidbogens zwar so wie der hyoidale Aorten- 
bogen des Störs, biegt aber im Niveau der Pseudobranchie nach vorn 
um, umgreift das Hyomandibulare und zieht längs der Anlage jener 
Kieme nach vorn und innen, um in die vorderen Ausläufer der Aorta 
oder die innere Carotis zu münden (Figg. 35, 60, 69). Dieser letz- 
tere Verlauf unseres Gefäßes entspricht also vollkommen der dorsa- 
len Hälfte des ersten Aortenbogens von Acipenser, und die Verbin- 
dung mit dem hyoidalen Gefäßstamme der gleichen Anastomose 
zwischen den beiden ersten Aortenbögen des Störs (vgl. Figg. 68, 69). 
Da die untere Hälfte des ersten Aortenbogens beim Stör eben so wie 
bei den Selachiern bald schwindet, so darf angenommen werden, 
dass das vollständige Fehlen dieses rudimentären Gefäßstückes bei 
Salmo nur das Endstadium seiner allgemeinen Rückbildung ist, die 
sich durch die Rückbildung der zugehörigen Kieme leicht erklärt. 
Salmo besitzt also in seinem Kieferbogen denselben halben (oberen) 
Aortenbogen mit dem Anschluss an den hyoidalen Aortenbogen wie 
die vorgeschrittenen Embryonen des Störs. 

Die Sonderung der Gefäße in der Pseudobranchie des Lachses 
seht anders vor sich als in seinen Kiemenbögen und entspricht viel- 
mehr der Gefäßbildung an der Spritzlochkieme der Selachier und 
daher wahrscheinlich auch des Störs, wo ich sie nicht habe verfolgen 
können. Das der Pseudobranchie anliegende Stück des ersten Aorten- 
bogens des Lachses wird zur Arterie; die Vene entsteht nachträglich 
und etwas unterhalb der Arterie, entspringt aus ihr mit zwei sie 
umgreifenden Wurzeln, oberhalb der Kieme, und erreicht sie wieder 
dicht vor ihrer Mündung in die Carotis (Fig. 35). Nachdem diese 
Vene sich an ihrem Ursprung abgelöst hat, atrophirt das Stück des 
Aortenbogens zwischen der Pseudobranchie und der Einmündung der 
Vene (Fig. 71). Die Anlage der Venenzweige in den Kiemenfäden 
der Pseudobranchie sind Anfangs ohne Zusammenhang mit den Stamm- 
gefäßen. 

Der hyoidale Aortenbogen von Salmo unterscheidet sich von der 
Hyoidvene des Störs dadurch, dass er bei der Abwesenheit einer 
hyoidalen oder Kiemendeckelkieme überhaupt kein Kiemengefäß ist 
und über seiner Anastomose zur Pseudobranchie keine dorsale Fort- 
setzung hat, die offenbar zugleich mit jener Kieme schwand (Figg. 68 
bis 71). Er ist also ebenfalls von Anfang an nur ein halber (unterer) 
Aortenbogen. Doch bildet sich im hinteren Abschnitt des Hyoid- 
bogens von Salmo ein zweites Gefäß, das sich mit beiden Enden des 
eigentlichen Aortenbogens verbindet, jedoch zu Ende der Embryonal- 


Über die Kiemen der Fische. 561 


zeit wieder vergeht. Dieses rudimentäre Gefäß kann nach seiner 
Lage nur mit der Hyoidarterie des Störs verglichen werden und be- 
stätigt das Vorhandensein einer Kiemendeckelkieme bei den Vorfahren 
der heutigen Teleostier, nach deren Schwund es eben rudimentär 
wurde. Der gekürzte hyoidale Aortenbogen von Salmo, das Homo- 
logon einer Hyoidvene (s. o.), entging aber demselben Schicksal aus 
derselben Ursache wohl nur desswegen, weil er außer seinem Zu- 
sammenhange mit der Arterie der Pseudobranchie noch in eine an- 
dere Verbindung tritt. Ich kann nämlich MAURER (22) und DoHRrn (8) 
darin bestätigen, dass jener hyoidale Aortenbogen von Salmo seinen 
Zusammenhang mit dem Arterienstamm aufgiebt und dafür sich mit 
dem unteren Ende der ersten Kiemenvene (ersten Kiemenbogen) ver- 
bindet (Fig. 71). Natürlich erhält die Pseudobranchie alsdann nur ar- 
terielles Kiemenblut und kann nur noch als rudimentäre Kieme gelten, 
deren zuführendes Gefäß merkwürdigerweise aus Abschnitten zweier 
Aortenbögen besteht, die an einen dritten angeschlossen sind. 

Die ältesten meiner Störembryonen waren noch nicht so weit 
entwickelt wie die eben erwähnten Lachsembryonen; da jedoch im 
erwachsenen Stör dieselbe Verbindung der hyoidalen und der nächst- 
folgenden Kiemenvene besteht wie die eben vom Lachs beschriebene 
(MÜLLER, 23, p. 61), so stimmen beide Repräsentanten der Ganoiden 
und der Knochenfische, dieser zwei Hauptgruppen der Teleostomen 
in der Gefäßentwicklung des Kiefer- und des Hyoidbogens wesentlich 
überein, indem die Verschiedenheiten nur auf Rückbildungen zurück- 
zuführen sind, die mit dem Schwund der Kiemendeckelkieme bei den 
Knochenfischen im Zusammenhange stehen. 

Dagegen sind die Gefäße der Kiemenbögen nach Ursprung und 
weiterer Entwicklung in beiden Gruppen ganz gleich. Die Seiten- 
zweige, die von den Aortenbögen aus in die eben entstehenden 
Kiemen eindringen, nehmen den Außenrand des Kiemenfadens oder 
Kiemenblättehens ein, biegen an seiner Spitze in seinen Innenrand 
um und ergießen sich dann aus beiden Kiemenreihen gemeinsam in 
ein Gefäß, das distal vom Aortenbogen und ihm parallel zwischen 
den Basen beider Kiemenreihen verläuft und wie beim Stör aus ein- 
zelnen Stücken entsteht, die durch unregelmäßige und vergängliche 
Anastomosen mit dem Aortenbogen zusammenhängen können (Figg. 62, 
63, 70, 71). An seinem unteren Ende ist dieses Gefäß mit der Wurzel 
des Aortenbogens verbunden. Bald nach seiner Entstehung vergrößert 
es sich so sehr, dass es zur direkten Fortsetzung der Aortenbogen- 
wurzel wird, während der Übergang der letzteren in den aufsteigenden 


562 "A. Coette, 


Aortenbogen in demselben Maße dünner und zuletzt unterbrochen 
wird (Fig. 71). Auf diese Weise verwandeln sich die Aortenbögen 
der Kiemenbögen von Salmo gerade so wie beim Stör in die Kiemen- 
venen, und die sekundär und distal davon entstehenden Äste der 
Aortenbogenwurzeln in die Kiemenarterien. 

Durch diese Übereinstimmung in der Entwicklung ihrer Kiemen- 
sefäße stehen der Stör und der Lachs als Vertreter der Haupt- 
gruppen der Teleostomen gemeinsam im Gegensatz zu den Selachiern 
(Figg. 64—72). Im Kieferbogen liegt allerdings eine allseitige Homo- 
logie vor: überall schwindet die untere Hälfte des ersten Aorten- 
bogens und wird durch eine Anastomose mit einem hyoidalen Gefäß 
ersetzt. Aber schon mit dem Ursprung dieses letzteren beginnen 
die grundsätzlichen Verschiedenheiten, die darauf hinauslaufen, dass 
Kiemenarterien und Kiemenvenen der Teleostomen und 
der Selachier einen entgegengesetzten Ursprung haben 
und somit nicht homolog sind. Das hyoidale Gefäß, aus dem 
jene Anastomose entspringt, ist allerdings bei den Selachiern eben 
so wie beim Stör eine Kiemenvene und beim Lachs wenigstens ein 
Homologon der Hyoidvene des Störs; aber bei den Selachiern ent- 
steht diese Vene sekundär und proximal vom Aortenbogen, der sich 
in die Kiemenarterie verwandelt, beim Stör und Lachs wird dagegen 
umgekehrt der hyoidale Aortenbogen zur Vene und die zugehörige 
Arterie entwickelt sich nachträglich und distal von jener. Und ge- 
nau dasselbe wiederholt sich, wie ich bereits im Einzelnen beschrieb, 
an allen Kiemenbögen: durchweg sind die Kiemenarterien der Selachier 
nur den Kiemenvenen der Teleostomen homolog (Fig. 72). 

Gewiss kann man sich vorstellen, dass der eine dieser beiden 
Typen der Kiemengefäßbildung irgendwie aus dem anderen hervor- 
sing, und da die Selachier darin mit den Cycelostomen übereinstim- 
men, also ursprünglieher erscheinen, die Kiemengefäßbildung der Teleo- 
stomen trotz aller Verschiedenheit von derjenigen der Selachier 
abzuleiten wäre. Ich habe aber dafür keinen Anhaltspunkt gefunden, 
so dass der geschilderte Gegensatz der beiden Typen thatsächlich 
unvermittelt bestehen bleibt, wofür ich auf die weiter unten folgende 
Erklärung verweise. 


Vergleichung der Kiemen der Cyclostomen, Selachier und Teleostomen. 

Die Übereinstimmung in der Bildung des Kiemenapparates der 
Teleostomen ist in so fern eine grundsätzliche, als die besprochenen 
Unterschiede zwischen dem Stör und den Knochenfischen — Fehlen 


Über die Kiemen der Fische. 563 


des Spritzlochs und der Kiemendeckelkieme bei den letzteren — sich 
auch unter den Ganoiden selbst wiederholen !, also als untergeordnete 
zu bezeichnen sind. Wenn man sich auf die äußeren, anatomischen 
Merkmale dieses Kiemenapparates beschränkt, so können sie in 
folgenden Punkten zusammengefasst werden. 1) Entodermale oder 
Darmkiemen kommen nur in der ersten Kiementasche, und nur 
als rudimentäre Organe vor (Spritzlochkieme, Pseudobranchie), der 
Hyoidbogen und die Kiemenbögen tragen dagegen nur ektodermale 
oder Hautkiemen als die einzigen wirklichen Athemorgane; 2) diese 
Hautkiemen werden von einem großen hyoidalen Kiemendeckel 
geschützt, während ein solcher an den Kiemenbögen nicht zur Ent- 
wicklung kommt. 

Das unter 1) Gesagte gilt auch für die Selachier, dagegen unter- 
scheiden sie sich in den Schutzvorrichtungen der Hautkiemen, indem 
der Hyoidbogen und die Kiemenbögen lauter gleiche Kiemendeckel 
tragen, die sich zu Kiemensäcken verbinden. 

Aber auch diesen Unterschied glaubte man bisher durch die 
Annahme überbrücken zu können, dass der Kiemenapparat der Teleo- 
stomen aus einer Reihe von Kiemensäcken, gleich denen der Sela- 
chier, hervorgegangen und geradezu von den letzteren abzuleiten sei 
(p. 935), indem sie sich an den Kiemenbögen allmählich bis auf die 
»rudimentären Septen« zurückbildeten, der hyoidale Kiemendeckel 
aber zum Ersatz der geschwundenen Kiemensäcke sich über die 
ganze Kiemenregion ausbreitete. 

Ich kann mich dieser Ansicht nicht anschließen. Vor Allem 
sind jene rudimentären Septen der Teleostomen von dem Vergleich 
mit den Septen und Kiemendeckeln der Selachier auszuschließen ; 
denn sie bestehen nur in nachträglichen Verwachsungen der an 
einander stoßenden Kiemenblättchen, während die genannten Theile 
der Selachier selbständige und den Kiemen vorausgehende Bildungen 
sind. Die einzigen Homologa der letzteren bei den Teleostomen sind 
deren Kiemenwülste, die jedoch nur am Hyoidbogen zu einem Kiemen- 
deckel auswachsen, an den Kiemenbögen dagegen in die gemeinsame 
Basis beider Kiemenreihen aufgehen, ohne sich zu Septen ete. zu 
entwickeln. Es fehlt also an jedem direkten Anhaltspunkt dafür, 
dass die Kiemenwülste die letzten Reste einstiger Kiemensäcke sind, 
und die angegebene Hypothese ließe sich daher nur unter der Voraus- 


1 Lepridosteus hat kein Spritzloch, Scaphirhynchus und Amia entbehren 
Spritzloch und Spritzlochkieme, Polyodon fehlt die Kiemendeckelkieme und Poly- 
pterus sowohl diese wie die Spritzlochkieme (24, p. 19), 


564 A. Goette, 


setzung aufrecht erhalten, dass die Kiemensäcke der Selachier zu 
ihren ältesten Bildungen gehören und daher wahrscheimlich auch den 
Vorfahren der Teleostomen zukamen. Diese Voraussetzung halte ich 
jedoch nicht für zutreffend. 

Erstens fehlen diese Kiemensäcke der wahrscheinlich ältesten 
lebenden Selachierform, dem C'hlamydoselachus anguineus Garm. (11), 
dessen sämmtliche Kiemendeckel, wie ich an einem mir vorliegenden 
jungen Exemplar sehe, in ihrer ganzen Höhe frei bleiben, so dass 
statt der geschlossenen Kiemensäcke nach außen weit offene Kiemen- 
fächer bestehen, gerade so wie sie in der Entwicklung anderer Haie 
der Bildung der Säcke vorausgehen. Auch entbehren die schwach 
entwickelten Kiemendeckel die Ektobranchialia. Es fehlt jeder An- 
lass, diesen Zustand durch eine Rückbildung früher vorhanden ge- 
wesener Kiemensäcke zu erklären, wogegen zahlreiche andere Merk- 
male einer sehr alten Organisation desselben OAlamydoselachus, 
insbesondere der Besitz von sechs Kiemenbögen auch seinen übrigen 
Kiemenapparat als einen ursprünglichen erscheinen lassen. Be- 
merkenswerth ist ferner, dass gerade der hyoidale Kiemendeckel von 
Chlamydoselachus sich durch seine Ausdehnung bis an den Nacken 
und die Bauchseite und durch seine Breite auszeichnet. 

Zweitens wäre hier noch des fossilen Pleuracanthus zu gedenken, 
einer ebenfalls sehr alten Selachierform, deren Kiemenapparat glück- 
licherweise ziemlich gut bekannt ist. Es steht fest, dass der Hyoid- 
bogen von Pleuracanthus zahlreiche und lange Strahlen trug, während 

: | die Kiemenbögen nur 
mit spärlichen kleinen 
Strahlen besetzt waren 

\ (DÖDERLEIN, Koken). 
Welehe Ausdehnung 
der von jenen Strahlen 
gestützte hyoidale Kie- 
mendeckel von Pleur- 
acanthus hatte, mag 
man daraus ersehen, 


Pleuracanthus decheni, Kiemengegend. 7, Hyomandibulare; %', Hyoi- dass nach einem Stiek 
deum; g, Quadratopalatum; %, Unterkiefer; kd, Kiemendeckelstrah- ER: . 
des hiesigen geologi- 


2 len; », Wirbelsäule; s, Schultergürtel. 
schen Institutes (Text- 
figur), mit ausgezeichneter Erhaltung der fraglichen Theile, die ge- 
nannten Strahlen den bei Weitem größten Theil des Zwischenraumes 
zwischen dem Hyoidbogen und dem Schultergürtel überdecken, so 


A| & G < 2 L 
as Mi N 


m 


Über die Kiemen der Fische. 565 


dass der hyoidale Kiemendeckel von Pleuracanthus ähnlich wie der- 
jenige der Teleostomen den ganzen übrigen Kiemenapparat verdeckt 
haben wird. Unter einem solchen Kiemendeckel wären aber Kiemen- 
säcke nicht nur als Schutzvorrichtungen überflüssig, sondern wahr- 
scheinlich sogar für die Kiemenathmung nachtheilig gewesen, sowie 
sie bei den Holocephalen unter dem hyoidalen Kiemendeckel fehlen, 
obgleich diese Fische unzweifelhaft Verwandte der Selachier sind. 
Es ist daher anzunehmen, dass Pleuracanthus eben so wenig wie 
Chlamydoselachus Kiemensäcke besaß, aber durch seine viel größe- 
ren hyoidalen Kiemendeckel sich noch mehr als Chlamydoseluchus 
von den meisten recenten Selachiern entfernte. Dass dies durch eine 
Rückbildung des typischen Kiemenapparates der recenten Selachier 
erreicht sein könne, ist bei einer so alten Form wie Pleuracanthus 
eben so unwahrscheinlich wie bei Chlamydoselachus. 

Die ältesten uns bekannten Kiemenapparate der Selachier be- 
standen also nicht aus Kiemensäcken, sondern aus offenen Kiemen- 
fächern mit schwächeren Kiemendeckeln an den Kiemenbögen und 
einem stärkeren oder selbst ganz großen hyoidalen Kiemendeckel, 
und die Kiemensäcke sind offenbar eine jüngere Bildung. Dadurch 
fällt auch die bezeichnete Voraussetzung für die Annahme, dass der 
Kiemenapparat der Teleostomen aus Kiemensäcken hervorgegangen 
sei, ja dass ihre ältesten mit Hautkiemen athmenden Vorfahren auch 
nur Kiemensepten besessen haben. Die Kiemensäcke bleiben eine 
Eigenthümlichkeit der Selachier, von der es keinen Übergang zum 
Kiemenapparat der Teleostomen giebt. Denn die Holocephalen kön- 
nen einen solchen Übergang allenfalls veranschaulichen, wenn er 
sonst schon feststände, aber ihn gegenwärtig um so weniger bewei- 
sen und wirklich darstellen, als ihr Kiemenapparat mit demjenigen 
von Pleuracanthus übereinstimmt und daher älter erscheint als die 
Kiemensäcke der übrigen recenten Selachier. 

Abgesehen von diesem Unterschied bleiben die Kiemenapparate 
der Selachier und Teleostomen in den wesentlichsten Stücken homo- 
loge Bildungen mit den folgenden gemeinsamen Merkmalen: 1) in 
beiden Gruppen werden die entodermalen Kiementaschen zurück- 
gebildet bis auf die gelegentlichen Reste der ersten Tasche und ihrer 
vorderen Kiemenreihe (Spritzloch, Spritzlochkieme, Pseudobranchie); 
2) die ausschließlichen Athemorgane aller dieser Fische sind 
die Hautkiemen des Hyoidbogens und der Kiemenbögen, die durch 
verschiedene Kiemendeckelbildungen geschützt werden. 

Im vollen Gegensatz dazu besitzen die Cyelostomen, wie wir 


566 A. Goette, 


sahen, gar keine Hautkiemen, sondern nur Darmkiemen in den 
vollständig erhaltenen primären Kiementaschen, die nichts zu thun 
haben mit den nachträglich entstehenden ektodermalen Kiemensäcken 
der Selachier. Diese Divergenz in der Bildung der Fischkiemen 
widerspricht also durchaus der bisher allgemein angenommenen und 
vertretenen RATHKE’schen Auffassung von der Gleichwerthigkeit aller 
Fischkiemen, die sammt und sonders dem Entoderm entstammen 
sollten, und ferner von der Gleichwerthigkeit der Kiementaschen der 
Cycelostomen und der Kiemensäcke der Selachier. Die Darm- und 
die Hautkiemen, sowie die beiderlei Umhäüllungen der- 
selben (Kiementaschen, Kiemensäcke) sind vollkommen 
heterologe Bildungen!. Selbst die einzigen kenntlichen Reste 
von Kiementaschen und Darmkiemen bei den höheren Fischen (Spritz- 
loch ete.) finden kein vollkommenes Homologon bei den Cyelostomen, 
da deren erste Kiementasche vollständig schwindet. 

Es kann sich jetzt nur noch darum handeln, ob die Darmkiemen 
oder die Hautkiemen die ursprünglichen waren, und wie der Über- 
gang von der älteren zur jüngeren Form zu denken ist. — Den Aus- 
gangspunkt der Untersuchung bilden die entodermalen Kiementaschen, 
die bei allen Fischen in gleicher Form und Lage entstehen, aber 
nur bei den Cyelostomen zu Athmungsorganen entwickelt, bei den 
übrigen Fischen dagegen zurückgebildet werden. Da in diesen rudi- 
mentären Kiementaschen sogar Reste einer Darmkieme vorkommen 
(Spritzlochkieme, Pseudobranchie), so darf es als sicher gelten, dass 
sie einst vollkommen entwickelt waren und durchweg solche Darm- 
kiemen mit normaler Funktion enthielten. Es athmeten also ur- 
sprünglich die Vorfahren aller besprochenen Fische durch Darm- 
kiemen, und diese sind folglich die ältesten Athmungsorgane der 
Wirbelthiere. Sie erhielten sich nur bei den Cyelostomen, gingen 
aber während der Entstehung der übrigen Fische zu Grunde und 
wurden durch die jüngeren Hautkienmen ersetzt. 

Gegen diese Annahme eines wirklichen Ersatzes der Darm- 
kiemen durch Hautkiemen könnte allerdings der Einwand erhoben 
werden, dass die ursprünglichen Darmkiemen nach außen gerückt 
sein und sich endlich in Hautkiemen verwandelt haben konnten, so 


' Allerdings könnte Angesichts der bloßen Analogie zwischen Darm- und 
Hautkiemen ihre Übereinstimmung in den Entwicklungsstufen der Kiemenfäden, 
Fiederkiemen und angewachsenen Kiemenblättchen sehr auffallend erscheinen, 
wenn wir nicht dieselben Kiemenformen auch bei Würmern, Krebsen und Mol- 
lusken anträfen, ohne darin mehr als eine Homoidie zu sehen. 


Über die Kiemen der Fische. 567 


dass von einer Rückbildung gar nicht geredet werden könnte. DOHRN 
hat eine solche Möglichkeit für den Fall, dass einmal Darm- und 
Hautkiemen zum Vergleich kämen, näher zu begründen versucht, 
obgleich er selbst alle Fischkiemen für entodermale, also für unbe- 
dingt gleichwerthige Gebilde hält (4, p. 141). Er geht davon aus, 
dass bei der Kiemenbildung das Mesoderm mit den Blutgefäßen der 
wesentlichste Theil sei, der das benachbarte Epithel vor sich her- 
treibe und zu den Kiemenfäden ausstülpe, wobei der ektodermale 
oder entodermale Ursprung des Epithels gleichgültig sei. Für ihn 
ist ferner das primäre Gefäß jedes Kiemenbogens überall dasselbe, 
wenngleich es sich bei den Öyclostomen nach innen vom Skelettbogen, 
bei den übrigen Fischen nach außen von ihm verschiebe. Sobald 
nun die Darmkiemen ihren Platz am distalen Ende der Kiementaschen 
hätten, brauchte das Ektoderm nur einmal unmittelbar vor der Ent- 
stehung dieser Kiemen sich gegen die Kiementaschen und bis an 
jenen Platz vorzudrängen, um das kiemenbildende Gefäß und Meso- 
derm, die grundsätzlich dieselben wären wie früher, in den Bereich 
des Ektoderms gerathen und an Stelle der Darmkiemen Hautkiemen 
entstehen zu lassen. Im Anschluss an diese Darstellung deutet DoHRN 
die Möglichkeit an, beide Arten von Kiemen mit einander zu homo- 
logisiren. 

Ich kann diese Auffassung nicht theilen, schon weil meine Beob- 
achtungen über die Kiemenbildung ganz anders lauten. Oft, und 
namentlich wenn man die schon vorragenden Kiemenanlagen unter- 
sucht, kann man allerdings den Eindruck gewinnen, dass der Aorten- 
bogen oder ein Kiemenzweig desselben die Vorragung veranlasse. 
Dagegen habe ich direkt beobachtet, dass die jüngsten Kiemenanlagen 
der Selachier ohne Betheiligung eines Gefäßes entstehen (p. 550), dass 
ferner die Entwicklung der Pseudobranchie und der Hautkiemen der 
Knochenfische durch Epithelwucherungen eingeleitet wird (p. 558), und 
dass endlich dort, wo die Wucherung des Mesoderms und die Aus- 
stülpung des Epithels mit einer Kiemengefäßbildung an derselben 
Stelle zusammenfallen, diese Gefäßanlagen "Anfangs nur in Mesen- 
chymlücken bestehen, in denen man kaum die. unmittelbare, mecha- 
nische Ursache für die Kiemenbildung erblicken kann. Alle. diese 
Beobachtungen beweisen ganz klar, dass weder das Mesoderm, noch 
das Gefäß oder Epithel die einseitige Ursache der Kiemenbildung 
sein kann, sondern dass vielmehr eine gemeinsame, wenn auch nicht 
immer streng gleichzeitige Wucherung dieser drei Theile oder, was 
dasselbe ist, eine lokalisirte Wucherung des Kiemenbogens die Kiemen 


\ 


568 A. Goette, 


erzeugt. Dies wird noch augenfälliger, wenn man überlegt, dass in 
der Regel dieser Vorgang eigentlich schon mit dem Auftreten der 
inneren Kiementräger (Darmkiemen) oder der äußeren Kiemenwülste 
(Hautkiemen) beginnt, also gerade mit ganz unzweideutigen lokali- 
sirenden Wucherungen des ganzen Kiemenbogens. 

Danach wirkt also das Epithel schon bei der Vorbereitung der 
Kiemenbildung mindestens eben so viel mit wie das Mesoderm und 
die Gefäße, und zwar als Theil des bestimmten, sei es entodermalen 
oder ektodermalen Kiemenbogenabschnittes. Folglich kann von der 
Identität der Kieme ohne das identische Epithel gar nicht die Rede 
sein, und es ist eine unzulässige Vorstellung, dass bei der Kiemen- 
bildung eines entodermalen Kiemenbogenabschnittes einmal das Ekto- 
derm gewissermaßen zufällig untergeschoben werden, und so das 
identische Organ sich aus einem entodermalen (Darmkieme) in ein 
ektodermales (Hautkieme) verwandeln könnte. Darmkiemen und Haut- 
kiemen sind eben nach den entgegengesetzten Lagebeziehungen des 
sie erzeugenden Substrates, nämlich der dem Darm angehörenden 
und daher entodermalen Innenseite und der an der Körperoberfläche 
liegenden und daher ektodermalen Außenseite des Kiemenbogens, 
durchaus heterologe Organe. Daran wird nichts geändert durch die 
Thatsache, dass die beiden Kiemenarten nach Bau und Funktion 
übereinstimmen, und dass selbst für ihr heterogenes Epithel eine 
qualitative Differenz nicht nachweisbar ist. Dagegen ist die fest- 
gestellte Heterologie beider Kiemenarten keineswegs bloß von theo- 
retischer Bedeutung, da ihre Entstehung und ihr Wechsel unzweifel- 
haft mit der besonderen und wechselnden Lebensweise ihrer Träger 
in innigstem Zusammenhange stand und steht. Als daher die meisten 
Nachkommen der Urfische, die nur durch Darmkiemen athmeten, 
statt dessen Hautkiemen erhielten, können jene Darmkiemen nicht 
einfach nach auben vorgerückt sein, sondern müssen wirklich zurück- 
gebildet und die Hautkiemen als ganz neue und den ersteren nicht 
homologe Organe entstanden sein, was eben eine schr eingreifende 
Veränderung der Organisation bedeutet und die Kluft zwischen den 
Cyclostomen und den übrigen Fischen vertieft. 

Wie dieser Wechsel im Besonderen vor sich ging, lässt sich 
natürlich nur in wenigen Punkten andeuten. Wahrscheinlich begann 
mit der allmählichen Veränderung der Lebensweise auch die Rück- 
bildung der Darmkiemen; dies konnte aber sicherlich nicht geschehen, 
ohne dass eine entwicklungsfähige Anlage der sie ersetzenden Haut- 
kiemen vorhanden war. Auch ist es höchst unwahrscheinlich, dass 


Über die Kiemen der Fische. 569 


eine solche Anlage erst dann erschien, als sie nothwendig war; es 
ist vielmehr daran zu denken, dass irgend ein schon früher auf der 
Außenseite der Kiemenbögen vorhandenes und irgendwie entbehrlich 
werdendes Organ sich unter Funktionswechsel in die Hautkiemen 
verwandelte. Um dies zu illustriren und ohne damit eine bestimmte 
Hypothese aufstellen zu wollen, erinnere ich an den von mir be- 
schriebenen Reusenapparat der Neunaugen, dessen Lage und Bildung 
ihn zu Hautkiemen geeignet machen, sowie er andererseits als Hilfs- 
apparat der Darmkiemen entbehrlich erscheint, sobald diese eine 
kückbildung erfahren. Es ist daher sehr wohl denkbar, dass die 
Vorfahren der übrigen Fische eine ähnliche Einrichtung besaßen, 
von der die Entwicklung der Hautkiemen ausgehen konnte. Unter 
allen Umständen mussten in der Übergangszeit beiderlei Kiemen, die 
einen in Rückbildung, die anderen in Fortbildung begriffen, neben 
einander bestanden haben. 


Ganz anders wie mit den eigentlichen Kiemen verhält es sich 
mit den Gefäßen und dem Skelett des Kiemenapparates. Die ab- 
steigenden Skelettspangen und die Aortenbögen erscheinen als meso- 
dermale Innenbildungen der Kiemenbögen gleicherweise geeignet, zu 
Hautkiemen wie zu Darmkiemen in Beziehung zu treten; auf der 
anderen Seite veranlasst ihre wechselnde Lage — bei den Cyclo- 
stomen liegt der Aortenbogen einwärts von der Skelettspange, bei 
den übrigen Fischen auswärts von ihr — die Überlegung, ob einer 
dieser Theile eben so wie die Kiemen gewechselt haben dürfte. 

Die Lage der Aortenbögen ist ganz naturgemäß durch die 
Lage der Kiemen bestimmt, die sie mit Gefäßen versorgen; es ist 
daher verständlich, dass sie bei den Cyclostomen mehr am Innen- 
rande des Kiemenbogens erscheinen. Bei den Selachiern nehmen 
sie Anfangs dieselbe Lage ein und wandern erst in dem Maße, als 
die Außenseite der Kiemenbögen sich stark vorwölbt, nach außen in 
die Nähe der Stelle, wo die hintere Kiemenreihe entstehen soll. Dies 
scheint mir zu beweisen, dass diese Aortenbögen ursprünglich innere 
waren, und wie bei den Cyelostomen proximal von den Skelett- 
spangen lagen, um sich dann sekundär den neuen Hautkiemen anzu- 
passen und eine Lageveränderung einzugehen. Eine Bestätigung 
dessen sehe ich darin, dass der erste Aortenbogen der Selachier, 
der den Kieferbogen durchzieht und die Darmkieme des Spritz- 
loches versorgt, seine ursprüngliche innere Lage unverändert behält 
und, eben so wie die Aortenbögen an den Hautkiemen, Arterienzweige 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Ba. 38 


570 A. Goette, 


entsendet. Nach Allem dürfte also an der Homologie der Aortenbögen 
der Cyelostomen und der Selachier nicht zu zweifeln sein. 

Wesentlich anders stellen sich die Befunde bei den Teleostomen 
dar. Das bei ihnen erhaltene obere Stück des ersten Aortenbogens 
verhält sich allerdings als Stammgefäß einer Darmkieme eben so wie 
das homologe Gefäß der Selachier, indem es proximal vom Kiefer- 
skelett liegt und sich in eine Arterie verwandelt (Figg. 66, 71); es 
kann daher sammt seiner Kieme als Erbtheil von den enterobran- 
chialen Vorfahren dieser Fische gelten. Die übrigen Aortenbögen 
der Teleostomen unterscheiden sich aber in ganz auffallender Weise 
von allen Aortenbögen der Selachier. Nichts deutet darauf hin, dass 
sie einst proximal vor den Skelettbögen lagen, wogegen ihre weitere 
Umbildung ganz entgegengesetzt verläuft wie an den Aortenbögen 
der Selachier (Fig. 72). Während diese letzteren das Kiemengefäß- 
system in derselben Weise herstellen, wie es bei den Cyelostomen 
geschieht, vollzieht sich die entsprechende Entwicklung in den kiemen- 
bildenden Bögen der Teleostomen gerade umgekehrt: der Aortenbogen 
wird statt zur Arterie zur Vene und entsendet seine Zweige in den 
Außenrand der Kiemenblättehen statt in ihren Innenrand, worauf sie 
nicht in eine proximale Vene (Cyclostomen, Selachier), sondern in 
eine distale Arterie zurückkehren. 

Dies bedeutet eine so eingreifende Abänderung des ursprüng- 
lichen Kiemengefäßsystems bei den Teleostomen, dass sie ohne eine 
entsprechende Änderung des übrigen Kiemenapparates gar nicht zu 
verstehen wäre: so wie die viel geringere Verschiedenheit in den 
hyoidalen Gefäßen des Störs und der Knochenfische nur durch die 
kückbildung der Kiemendeckelkieme bei den letzteren genügend moti- 
virt erscheint. Will man also an der Homologie der sämmtlichen 
Aortenbögen aller Fische und somit daran festhalten, dass ihre ab- 
weichende Entwicklung bei den Teleostomen erst nachträglich ein- 
trat, so muss entweder ein evidenter Grund dafür aufgedeckt wer- 
den, oder in Ermangelung dessen jene Homologie auf anderem Wege 
sichergestellt sein. Für Beides versagt aber die Beobachtung. Denn 
die von beiden heterogenen Gefäßsystemen versorgten Hautkiemen 
sind in ihrer übrigen Bildung und ihren Lagebeziehungen bei allen 
Fischen so gleich, dass bei den Teleostomen kein Anhaltspunkt für 
eine nachträgliche Veränderung ihrer Kiemengefäße zu finden ist; 
eben so wenig ist die fragliche Homologie von zwingenden Gründen 
gestützt, da sie bisher nur desshalb natürlich erschien und unwider- 
sprochen blieb, weil die genannten Verschiedenheiten der Aortenbögen 


Uber die Kiemen der Fische. 571 


noch nieht bekannt waren. Unter diesen Umständen ist es gerecht- 
fertigt, ohne eine solche Voraussetzung nach einer Erklärung für die 
Sonderstellung der Teleostomen zu suchen, die sich denn auch in 
der hier dargestellten Entwicklungsgeschichte des Kiemenapparates 
darbietet. | 

Die einzige nachweisbare Veranlassung zur Abänderung der 
Kiemengefäße der Fische ist der Übergang von der Darmkiemen- 
athmung zur Hautkiemenathmung. Bis zur vollständigen Herstellung 
der Hautkiemen mussten, wie gesagt, die älteren Darmkiemen, wenn 
auch vielleicht in unvollkommener Weise weiter fungiren, also auch 
ihre ursprünglichen Gefäße behalten, während die neuen Hautkiemen 
das nöthige Blut auf verschiedenem Wege beziehen konnten. Er- 
hielten sie Zweige von den alten Aortenbögen und übernahmen diese 
ganz, nachdem die Darmkiemen verschwunden waren, so konnte an 
jenen Bögen eine Änderung nicht eintreten; denn da sie für die 
Darmkiemen bis zuletzt Arterien blieben, so konnten sie auch 
den Hautkiemen nur Arterienzweige zuschicken und mussten selbst 
Arterienstämme bleiben. Dies fand offenbar bei den zu den Sela- 
chiern führenden Hautkiemern statt, deren arterielle Aortenbögen 
sowohl an den Darmkiemen des Spritzlochs wie an den Hautkiemen 
der übrigen Bögen die ursprünglichen blieben. Natürlich können die 
venösen Aortenbögen der Teleostomen nicht eben so entstanden, d.h. 
mit den arteriellen Aortenbögen der Darmkiemen nicht identisch sein; 
wohl aber ist ihre Entstehung in der Weise möglich, dass die in 
Entwicklung begriffenen Hautkiemen ihr Blut nicht aus dem auf- 
steigenden ursprünglichen Aortenbogen, sondern durch einen aus 
seiner Wurzel entspringenden und distal von ihm verlaufenden Ge- 
fäßstamm erhielten. Dieser neue Aortenbogen war alsdann vom ur- 
sprünglichen ganz unabhängig und konnte sich weiterhin genau so 
entwickeln, d. h. zur Kiemenvene werden, wie es bei den gegen- 
wärtigen Teleostomen zu sehen ist. In diesem Fall gingen natürlich 
die früheren Aortenbögen der Darmkiemen mit diesen selbst zu 
Grunde. 

Aus dieser, wie mir scheint, einzig möglichen Erklärung der Ver- 
schiedenheit in den zweierlei Kiemengefäßsystemen der Fische ergiebt 
sich der Schluss, dass die zu Hautkiemen gehörenden Aortenbögen 
der Selachier und der Teleostomen nicht homolog sind, und dass 
diese Divergenz ihrer Kiemenapparate nicht erst nachträglich entstand, 
sondern von Anfang an bestand. Dies bedeutet natürlich auch die 


Blog 


572 A. Goette, 


ursprüngliche Divergenz der Selachier und der Teleostomen über- 
haupt. 

Das Kiemenskelett hat von allen Theilen des Kiemenappara- 
tes sich in so fern am wenigsten verändert, als die absteigenden 
Skelettspangen der Kiemenbögen durch die ganze Reihe der Fische 
dieselben geblieben sind. Sie verlassen auch ihre ursprüngliche 
Lage mitten im Kiemenbogen im Grunde genommen nicht, da nur 
die proximal oder distal von ihnen befindlichen Theile sich verändern 
und dadurch die scheinbaren Lageveränderungen der Kiemenspangen 
herbeiführen. So gerathen sie bei den Cyelostomen nur durch die 
Entwicklung der Kiementräger mehr nach außen, bei den Dermato- 
branchiern dagegen ganz nach innen, in Folge der Entwicklung der 
äußeren Kiemenwülste und der völligen Rückbildung der Innenhälften 
der Kiemenbögen. Ihre wechselnde Lagebeziehung zu den Aorten- 
bögen ist aber durch die Entwicklung der letzteren während‘ des 
Kiemenwechsels genügend erklärt: der proximal von der Skelett- 
spange gelegene Aortenbogen der Darmkiemer (Cyelostomen) wandert 
entweder während jenes Wechsels nach außen (Selachier) oder er 
wird durch einen neuen äußeren Aortenbogen ersetzt (Teleostomen). 
Durch diese Erklärung der verschiedenen Lage der Aortenbögen 
erledigen sich alle auf diese Lage gestützten Einwürfe gegen die 
Homologisirung aller Kiemenspangen. KuPprreEr’s Annahme, dass das - 
Kiemenskelett der Cyclostomen aus dem Ektoderm herstamme, und 
daher mit dem Kiemenskelett anderer Fische nicht vergleichbar sei, 
kann ich nicht bestätigen. | 

Die septalen und einreihigen Kiemenstrahlen der Selachier und 
die eben so genannten Stützknorpel in den einzelnen Kiemenblättern 
der Teleostomen sind natürlich keine gleichwerthigen Theile und in 
den beiden divergenten Reihen der Dermatobranchier unabhängig 
von einander entstanden. Die Gyelostomen können keine Homologa 
der Kiemenstrahler besitzen, weil ihnen Hautkiemen und Septen 
fehlen. 

Die Hauptergebnisse meiner Untersuchung sind folgende: 

1) Die ersten Anlagen des Kiemenapparates sind bei allen Fischen 
dieselben, nämlich die entodermalen Kiementaschen mit den zwischen- 
liegenden Kiemenbögen und den sie stützenden absteigenden Skelett- 
spangen. Als Stammgefäße der Kiemenbögen sind ebenfalls überall 
Aortenbögen vorhanden, die jedoch nicht sämmtlich homolog sind (s. u.). 


Über die Kiemen er Fische. 573 


| 2) Zuerst entstanden Darmkiemen in den _Kiementaschen 
(Enterobranchier), erhielten sich aber nur bei den Cyelostomen 
und bildeten sich bei den übrigen uns bekannten Fischen nebst den 
ganzen Taschen zurück, um durch die an der Außenseite der Kiemen- 
bögen neugebildeten Hautkiemen ersetzt zu werden (Dermato- 
branchier). Darmkiemen und Hautkiemen sind also nur analoge, 
nicht homologe Bildungen. Spritzlochkieme und Pseudobranchie sind 
Rudimente einer Darmkieme der ersten Kiementasche. 

3) Die inneren Aortenbögen der Enterobranchier haben sich 
als Kiemenarterien außer bei den Cyelostomen noch erhalten in den 
Kieferbögen mit rudimentären Darmkiemen aller Fische, ferner in 
den Hyoid- und Kiemenbögen der Selachier; in denselben Visceral- 
bögen der Teleostomen wurden sie durch neue und venös werdende 
Aortenbögen (Kiemenvenen) ersetzt, die bereits während des Kiemen- 
wechsels entstanden. Zu den Aortenbögen der Selachier gesellen sich 
proximale Kiemenvenen, zu den Aortenbögen der Teleostomen distale 
Kiemenarterien. 

4) Die Schutzvorrichtungen für die Hautkiemen bestehen in 
plattenförmigen Auswüchsen der Außenseite der Hyoid- und Kiemen- 
bögen, die theils als Septen die mit ihnen verwachsenen Kiemen 
tragen und theils als freie Kiemendeckel über sie hinausragen. 
Die Kiemendeckel der meisten recenten Selachier verbinden sich zu 
den Kiemensäcken, die jedoch den bekannten älteren Selachiern 
(Ohlamydoselachus, Pleuracanthus) fehlen, daher relativ junge Bildun- 
sen sind und mit den Kiementaschen der Cyelostomen nichts gemein 
haben. — Die Teleostomen besitzen nur große hyoidale Kiemen- 
deckel, an den Kiemenbögen aber nicht einmal Septen; ihre angeb- 
lichen rudimentären Septen sind nur unmittelbare Verwachsungen der 
Kiemenblättehen und keineswegs von den Kiemensäcken der Selachier 
abzuleiten. 

5) Nach den Befunden der Kiemenbildung sind die Cyelostomen 
die Vertreter des ältesten Typus der Fische, nämlich der Entero- 
branchier; die von letzteren abstammenden Dermatobranchier diver- 
sirten von Anfang an mindestens in den zwei Richtungen, die zu 
den gegenwärtigen Selachiern und den Teleostomen führten. 

6) Im Kiemendarm der Ammocoeten findet sich ein weiteres 
Zeugnis für das angegebene hohe Alter der Cycelostomen. Denn 
unter allen Fischen haben nur die Ammocoeten die rinnenförmige 
Anlage der Schilddrüse, ihre Verbindung mit seitlichen Wimperrinnen 
und ihre Funktion, die mikroskopischen Nahrungstheilchen in einen 


974 


A. Goette, 


Schleimballen einzubetten (p. 542), also die unverkennbaren Merkmale 
einer echten Hypobranchialrinne der Tunikaten und Leptokardier bei- 
behalten. 


Or 


Straßburg i. E., im December 1900. 


Litteraturverzeichnis. 


BALFOUR, Handbuch der vergleichenden Embryologie, übersetzt von VETTER. 
18831. | 

VAN BENEDEN et JULIn, Recherches sur la morphologie des Tunieiers. 
Arch. Biol. Tome VI. 

CLEMENS, Die äußeren Kiemen der Wirbelthiere. Anatom. Hefte. I. Abth. 
V. Bd. 

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Stat. Neapel. Bd. V. 1884. 

—— Studien zur Urgeschichte etc. V. Zur Entstehung und Differenzirung 
der Visceralbogen bei Petromyzon planeri. Ebenda. 

—— Studien zur Urgeschichte ete. VI. Entstehung und Differenzirung des 
Zungenbein- und Kieferapparates der Selachier. Ebenda. Bd. VI. 1886. 

—— Studien zur Urgeschichte ete. VIII. Die Thyreoidea bei Petromyzon, 
Amphioxus und Tunikaten. Ebenda. 

—— Studien zur Urgeschichte etc. XI. Spritzlochkieme der Selachier, Kie- 
mendeckelkiemen der Ganoiden, Pseudobranchie der Teleostier. Ebenda. 
Bd. VII. 1887. 

—— Studien zur Urgeschichte ete. XII. Thyreoidea und Hypobranchial- 
rinne, Spritzlochsack und Pseudobranchialrinne bei Fischen, Ammo- 
coetes und Tunikaten. Ebenda. Me 

—— Studien zur Urgeschichte ete. XIII. Über Nerven und Gefäße bei 
Ammocoetes und Petromyzon planeri. Ebenda. 


. GARMAN, Chlamydoselachus anguineus Garm. Bull. Mus. Comp. Zoology 


Cambridge. Vol. XII. 1885—1886. 

GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 1870. 

-—— Grundriss der vergleichenden Anatomie. 1878. 

GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875. 

Zur Entwicklungsgeschichte der Teleostierkieme. Zool. Anz. I. 1878. 

GÜNTHER, Handbuch der Ichthyologie, übersetzt von v. HAYErR. 1886. 

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21. 


22. 


23. 


24. 


25. 


26. 


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Über die Kiemen der Fische. | 575 


MAURER, Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchie der Knochenfische. 
Morphol. Jahrbuch. Bd. IX. 1884. 

——- Die Kiemen und ihre Gefäße bei anuren und urodelen Amphibien und 
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Ebenda. Bd. XIV. 1888. 

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Zeitschr. Bd. VII. 1873. 

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SALENSKY, Entwicklungsgeschichte des Sterlet (Acipenser ruthenus). Arb. 
(Ges. Naturf. Kasan. Bd. VII. 1878. 

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1895. 

SCHNEIDER, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- 
geschichte der Wirbelthiere. 1879. 


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33. STANNIUS, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 1854. 

34. STEINMANN U. DÖDERLEIN, Elemente der Paläontologie. 1890. 

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36. WIEDERSHEIM, Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 
1898. 5 

Erklärung der Abbildungen. 
Allgemeine Zeichen: 

a, Aorta; g, Anastomose zwischen den Geräßen 

ab, Aortenbogen; des Kiefer- und des Hyoidbogens 

as, Arterienstamm ; (ausgenommen Fig. 31); 

c, Hirn; gs, Gaumensegel; 

ch, Chorda; h, Hyoidbogen; | 

d, Kiemendeckel; h', sekundärer Hyoidbogen; 

e, Umschlagswinkel der Gaumensegel; :, Lücke im Mesoderm; 

f, Querfalte; k, Kiemenräden; 


f’, Längsfalte des Kiemendarmbodens; %’, Fiederkieme; 


576 A. Goette, 


;"”, Kiemenblättchen ; 

ka, Kiemenarterie, Arterienzweige ; 

kb, Kiemenbogen; 

kb’, Kiemenbogenplatte; 

kd, Kiemendarm ; 

kf, Kieferbogen; 

kk, Kiemenspange ; 

ksp, Kiemenspalte; 

kt, Kiementasche; 

kv, Kiemenvene, Kiemenvenenzweige; 

kw, Kiemenwulst; 

m, Verschlussmembran der Kiemen- 
taschen; ° 


mb. Mundbucht, Mundhöhle; 

ms, Muskel; 

n, Nerv; 

r, der den Kiemenspalt überdeckende 
Hinterrand der Kiemenbogenplatte; 

s, Kiemenseptum; 

sd, Schilddrüse; | 

sp, Spritzlochkieme, Pseudobranchie; 

th, Homologon der Thymus ?); 

ir, Kiementräger; 

v, Verbindungshaut des Kiementrägers; 

wr, Schlundwimperrinne. 


Auf den getönten Durchschnittsbildern sind die Epithelien (Ektoderm, Ento- 
derm) nur durch einen dunkleren Ton, das allgemeine Mesoderm durch einen 


helleren Ton gekennzeichnet. 


Tafel XL. 
Alle Figuren beziehen sich auf Embryonen von Petromyzon fluviatilis. 


Figg. 1 u. 2. Frontaldurchschnitte durch die Kiemenregion. 

Fig. 3. Dasselbe von einem etwas älteren Embryo. 

Figg. 4—7. Dasselbe von einer weiteren Entwicklungsstufe. 

Fig. 8. Dasselbe von einem älteren Embryo mit breiter Mundbucht. 

Fig. 9. Dasselbe mit abflachendem Hyoidbogen. 
Fig. 10. Dasselbe mit glatt ausgezogener erster Kiementasche, /, Biegung 


ihrer Vorderwand. 


Fig. 11. Dasselbe kurz vor dem Durchbruch der Mundbucht in den Kiemen- 


darm, /! wie in Fig. 10. 


Figg. 12, 13. Frontaldurchschnitte nach der Trennung der Gaumensegel. 

Figg. 14—17. Mediandurchschnitte durch die vordere Kiemengegend, mit 
den eingezeichneten Grenzen der zwei ersten Kiementaschen. 

Figg. 18, 19. Kiementräger mit den ersten Anlagen der Kiemenfäden und 


ihrer Gefäße, 


Tafel XLI. 
Figg. 20—33 von Petromyzon fluviatilis. 


Fig. 20. Frontaldurchschnitt von einer Entwicklungsstufe zwischen 10 und 


12, ! wie in Figg. 10 und 11. 


Figg. 21, 22. Zwei tiefere Durchschnitte von einem Embryo derselben 


Entwicklungsstufe. 


Fig. 23. Frontaldurchschnitt von einer Larve mit fertigem Rundmaul. 
Figg. 24—26. Kiementräger mit Kiemen von etwas älteren Larven. 
Fig. 27. Kiementräger mit Kiemenfäden im senkrechten Sagittaldurch- 


schnitt. 


Fig. 28. Eine Fiederkieme längs durchschnitten. | 
Fig. 29. Sagittaldurchschnitt einer mit Kiemenblättchen besetzten Kiemen- 


tasche. 


Fig. 30. Zwei Kiemenbögen mit Kiemenapparat aus einem Frontaldurch- 
schnitt durch eine Larve von ca. 1 cm Länge; die punktirte Linie bedeutet den 


Über die Kiemen der Fische. 577 


Weg, den die Kiemenblättchen bis zu ihrer Verbindung mit der Kiemenbogen- 
platte zurücklegen. 

Fig. 31. Ähnlicher Durchschnitt von einem erwachsenen Petromyzon planeri, 
x Papillen des Reusenapparates, z der proximal davor wurzelnde Zapfen, p inne- 
res Kiemenloch, g venöse Bluträume. 

Fig. 32. Äußere Ansicht eines Kiemenloches von Petromyzon fluviatilis, x, 2, 
wie in Fig. 31. 

Fig. 33. Sagittaldurchschnitt durch ein solches Kiemenloch, z der genannte 
Zapfen mit seinem Knorpel, o der Knorpelring im Umkreise des Kiemenloches. 

‚Fig. 34. Ein Kiemenbogen mit Septum, Kiemendeckel und Kiemen von 
einem Fötus von Mustelus vulgarıs, von der vorderen Seite mit den kurzen 
Kiemenfäden gesehen. 

Fig. 35. Die Gefäße der Pseudobranchie eines Lachsembryo aus Frontal- 
durchschnitten rekonstruirt, die Vene nach außen verschoben. hm, Hyomandi- 
. bulare. | 

Fig. 36. Zwei Kiemenblättchen eines Lachsembryo im Längsdurchschnitt. 

Fig. 37. Ein Kiemenbogen von einem Hechtembryo, die längeren Fieder- 
kiemen gehören der hinteren Reihe, die kurzen Kiemenfäden der vorderen 
Reihe an. 

Fig. 38. Dasselbe von einem jungen Cobitis fossilis. 


Tafel XLII. 


Fig. 39. Frontaldurchschnitt durch die Kiemengegend eines Embryo von 
Torpedo ocellata, vor dem Durchbruch der Kiementaschen. 

Fig. 40. Dasselbe nach dem Durchbruch einiger Kiementaschen. 

Figg. 41—44. Frontaldurchschnitte durch die Kiemenbögen eines älteren 
Embryo von Torpedo ocellata. 

Fig. 45. Frontaldurchschnitt unmittelbar unter dem offenen Spritzloch 
desselben Embryo. 

Figg. 46, 47. Kiemenbögen älterer Embryonen von Mustelus vulgaris. 

Figg. 48—50. Durchschnitte durch die Spritzlochkieme desselben Embryo 
wie Fig. 47. 

Fig. 51. Kiemenbogen mit gefäßlosen Kiemenanlagen von Pristiurus. 

Figg. 52—56. Frontaldurchschnitte durch die Kiemengegend von verschie 
denen Embryonen von Acipenser sturio, Figg. 55 und 56 gehören zu derselben 
Serie. 
Fig. 57. Ein Kiemenbogen mit den ersten Kiemenanlagen vom Stör, 
Figg. 58—60. Frontaldurchschnitte durch die Kiemengegend von Lachs- 
embryonen. hm, Hyomandibulare. 

Figg. 61—63. Einzelne Kiemenbogendurchschnitte von verschieden alten 
Lachsembryonen. x, Kiemenstrahlen; o, künstliche Lücken zwischen Oberhaut 
und Mesoderm. 


Tafel XLIII. 


Schematische Darstellungen von der Entstehung und Metamorphose der 
Kiemengefäße der Selachier (Figg. 64—66), des Störs (Figg. 67, 68) und des Lachses 
(Figg. 69— 71); in Fig. 72 stellt die linke Hälfte die Kiemengefäße der Selachier, 
die rechte Hälfte diejenigen der Teleostomen im Querdurchschnitt dar. Die ur- 
sprünglichen Aortenbögen sind schwarz, die sekundär entstehenden Gefäße weiß, 
die zurückgebildeten Getäßstrecken punktirt, die Kiementaschen schraffirt. - 


Der Bau der weiblichen Geschlechtsorgane bei Culex 
und Anopheles. 
Yon ı 
Prof. N. Kulagin 


(Moskan). 


Mit Tafel XLIV. 


Bei den Mücken Oulex pipiens L. und Anopheles bifurcalus L. 
haben die Eierstöcke die Form von zwei ovalen Säckchen (Fig. 1). 
Das proximale Ende der Eierstöcke ist verdiekter und endet mit einem 
dünnen Röhrchen, welches dem Endröhrchen der Eierstöcke bei an- 
deren Insekten entspricht (Fig. 1 ek). Am hinteren Ende geht jeder 
Eierstock in eimen ziemlich breiten Oviduct über (Fig. 1 ovd). Die 
Größe der Eierstöcke bei den im Herbst und Winter untersuchten 
Individuen variirt zwischen 0,5—0,8 mm, bei den Individuen, welche 
im Frühjahr beobachtet wurden, wird der Eierstock größer und er- 
reicht die Größe von 1,3—1,6 mm. Dieser Unterschied steht im Zu- 
sammenhang mit dem Wachsthum der Eier. 

Die Wände jedes Sackes bestehen aus einer Hülle von Binde- 
gewebe mit einer Menge von Kernen und Tracheen (Fig. 1 p). Die 
Tracheen sind in Form von Röhrenbündeln gegen den inneren mittleren 
Theil des Eiersackes gerichtet und bilden in dessen Wänden ein dicht 
verzweigtes Netz. 

In diesem Sacke liegen radial vertheilte Eiröhrchen, die von 
der äußeren Wand des Sackes gegen dessen Centrum gerichtet sind. 
Die Länge der Eiröhrehen ist verschieden. Die Röhrchen, welche 
im oberen proximalen Theile des Sackes liegen, sind am längsten und 
stark geschweift. Ihre oberen Enden münden in den oberen Theil 
des Sackes, die übrigen Röhrchen sind um so kürzer und gerader, 
je näher sie zum hinteren distalen Ende des Eierstockes liegen. Jedes 
köhrchen ist von einem sehr dünnen Häutehen umgeben, welches der 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 579 


sogenanten Membrana propria, die die Eiröhrchen anderer Insekten 
bedeckt, entspricht. Man sieht diese Hülle deutlich bei Untersuchung 
der Präparate in toto in physiologischer Kochsalzlösung. Auf den 
Präparaten in toto, welche mit Flüssigkeiten von PERENYI, UARNOY, 
Sublimat bearbeitet und dann auf verschiedene Weise mit Gentiana- 
Violett und Safranin, mit Hämatoxylin u. A. gefärbt worden sind, ist 
dieses Häutchen wenig und nur an einigen Röhrchen bemerkbar. In 
Folge dessen scheinen die Eikammern, die sich im Inneren der 
meisten Röhrchen befinden, in einem gemeinschaftlichen Sacke zu 
liegen, dessen Wände aus der oben beschriebenen Peritonealmembran 
bestehen. Dies sieht man am besten auf Fig. 1 p. Auf derselben 
sieht man die Haut der Eiröhrchen an zwei Stellen (p,, Pr). Außer- 
dem scheinen die meisten Eikammern in einem gemeinschaftlichen 
Sacke zu liegen, und zwar die Eikammern in Folge der radialen 
Anordnung der Eiröhrchen und ihrer Krümmungen unregelmäßig 
über einander (Fig. 1 ov). 

An Längs- und Querschnitten des Eierstockes konnte ich die 
Haut der Eiröhrchen nur im oberen Theil des Sackes. und lange 
nicht an allen Röhrchen beobachten. Am besten lässt sich die Haut 
der Eiröhrchen bei der Untersuchung der Eierstöcke von (ulex 
pipiens und Anopheles bifurcatus in einer physiologischen Kochsalz- 
lösung beobachten. Wenn man die membranartige Hülle des Sackes 
vorsichtig aus einander zupft, so kann man die Haut an vielen Ei- 
röhrchen sehen. Behandelt man den zerzupften Eiersack mit !/, P/,iger 
Essigsäurelösung und Methylgrün, so sieht man in den Hüllen der 
Eiröhrchen und zwar an der Grenze zweier benachbarter Eikam- 
mern Kerne, welche sich durch nichts von den Kernen der Peritoneal- 
membran unterscheiden. Bei der erwähnten Behandlung lässt sich 
an einigen Präparaten, wenn der Inhalt der Eiröhrehen vorsichtig 
entfernt ist, sehen, dass ihr Häutchen eine Fortsetzung der Peritoneal- 
membran ist, die in den Eiersack hineinwächst. Somit bilden das 
Peritoneum der Eierstöcke und die sogenannte Membrana propria 
der Eiröhrchen bei Culex pipiens und Anopheles bifurcatus eine 
gemeinsame Membran aus Bindegewebe. LECAILLON giebt in einer 
vorläufigen Mittheilung einen etwas anderen Bau der Eierstöcke bei 
Culex pipiens an. Nach seiner Beschreibung haben die Eierstöcke 
der Mücken, welche sich so eben entpuppt haben, die Form einer 
länglichen sackförmigen Masse, welche der Länge nach den ganzen 
mittleren Theil des Hinterleibes einnimmt. In der Mitte dieses Sackes 
zieht sich in der Richtung der Längenachse ein Strang hin, dessen 


580 N. Kulagin, 


Wände aus dicht an einander gelagerten Zellen bestehen. Längs des 
ganzen Stranges befinden sich auf dessen Oberfläche kleine Aus- 
wüchse, so zu sagen Füßchen (pedoneules), welche aus eben solchen 
Zellen, wie der Centralstrang, bestehen. An dem Ende, welches von 
dem Centralstrang entfernter ist, haben die Seitenauswüchse eine ei- 
förmige Erweiterung; die Wände dieser Erweiterung bestehen aus 
an einander gedrängten Zellen, im Inneren aber befinden sich große 
Zellen. Zwischen den erwähnten Seitenauswüchsen des Central- 
stranges laufen eine Menge Tracheen. Bei weiterer Entwicklung des 
Eierstockes verschwinden die Zellen, welche den Centralstrang und 
die Seitenauswüchse bilden. Aus den Zellen, welche sich in der 
eiförmigen Erweiterung befinden, differenziren sich die Eier und die 
Nährzellen, aus den Zellen der Wände der Erweiterung bildet sich 
Follikelepithel. Bei weiterem Wachsen des Eierstockes bleiben in dem- 
selben nur Eier, und ein solches Insekt ist dann geschlechtsreif. 
Die Beschreibung L£cAILLoN’s nähert sich sehr dem Bilde der 
Eierstöcke von Culex piptiens in meinen Präparaten. LECAILLON hatte 
nur die Hülle, Membrana propria, nicht bemerkt, welche jeden einzel- 
nen Auswuchs des von ihm im Inneren des Eierstockes beschriebenen 
Centralstranges bedeckt. Wie ich schon erwähnt habe, ist diese 
Hülle so dünn und wächst an einigen Stellen so fest mit dem Peri- 
toneum zusammen, dass man sie auch an Präparaten, welche mit der 
Schnittmethode hergestellt sind, nur sehr schwer bemerken kann. 
Am besten lässt sich die Gegenwart der Hülle bei dem Erforschen 
des Baues der Eierstöcke im lebenden Zustande in einer physio- 
logischen Kochsalzlösung konstatiren. Was ferner die Erklärung der 
von LECAILLON beschriebenen Zeichnungen betrifft, so muss sie eine 
andere sein, als diejenige, welche der Autor giebt. So ist der Central- 
strang, welcher sich im Eiersack befindet, nichts Anderes, als das 
köhrchen des Eiganges, an dessen ganzer Oberfläche die Eiröhr- 
chen ausmünden. Die letzteren sind nichts Anderes als die Aus- 
wüchse des Centralstranges, welche L&cAILLON beschrieben hat. Für 
eine solche Erklärung dieser Seitenauswüchse des Centralstranges 
spricht: 1) die Anwesenheit derjenigen Elemente, welche die Eier- 
stöcke der Insekten charakterisiren und die den Ursprung der Eier 
und der Nährzellen geben; 2) sind diese Seitenauswüchse auf der 
äußeren Oberfläche durchweg von einer besonderen Hülle, Membrana 
propria, umgeben, welche sich auf den Eiröhrchen aller bis jetzt 
beschriebenen Insekten befindet, die Zellen aber, die nach LECAILLON 
die Wände der Seitenauswüchse bilden, sind nach meinen Präparaten 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 581 


nichts Anderes als Zellen des Follikelepithels. Somit besteht der 
Unterschied zwischen meiner und LECAILLON’s Beschreibung vom Bau 
des Eierstockes von Oulex pipiens ausschließlich in der Erklärung 
der Bilder, welche L&cAıLLox und ich beobachtet haben. 


Die Litteratur über die Frage von der Bildung der Eier hat bis zum Jahre 
1886 KORSCHELT sehr genau und kritisch bearbeitet. Spätere Beobachtungen 
hierüber wurden, so viel mir bekannt ist, von H. HEnkInG und Hrymons ge- 
macht. Nach den Angaben des Ersteren entstehen die Elemente der Eiröhr- 
chen: Eier, Nährzellen und Zellen des Follikelepithels, nicht durch Umwand- 
lung der ursprünglichen undifferenzirten Zellen des Geschlechtsembryo, wie 
KORSCHELT sagt, sondern durch Theilung der ursprünglichen Zellen der Ei- 
röhrehen: »Die mit gesperrter Schrift gemachte Angabe von KORSCHELT, dass 
die drei Zellelemente der Eiröhre, welche er als Ei-, Nähr- und Epithelzellen 
unterscheidet, durch direkte Umwandlung der Elemente der Endkammer ihren 
Ursprung nehmen, kann ich in dieser Fassung nicht für richtig halten, wohl 
aber mit der Modifikation, dass sie aus Theilungen derselben hervorgehen.« 

Nach Hrymons’ Beobachtungen entstehen die Geschlechtselemente und die 
Zellen des Follikelepithels ganz unabhängig von einander. Die Epithelzellen 
verdanken ihren Ursprung den Wänden des ursprünglichen Embryos. Ich habe 
die Frage über die Bildung des Follikelepithels der Mücke nicht näher erforscht, 
die wenigen Daten aber, welche mir zur Verfügung stehen, zwingen mich eher 
der Meinung Heymons’ als derjenigen KORSCHELT’s anzuschließen. So kann 
man auf dem Durchschnitt des Eierstockes ganz junger Larven eine deutliche 
Differenzirung der Epithelzellen der Eiröhrehen sehen. Bei erwachsenen Insek- 
ten ist der Endfaden innen mit Epithel ausgekleidet und die in ihm befindlichen 
Elemente unterscheiden sich von den letzteren durch ihre beträchtlichere Größe. 
— Der Bildungsprocess der Eier aus den ursprünglichen Zellen des Embryos 
ist für verschiedene Insekten verschieden beschrieben worden. Nach WıLL 
haben die Primordialeier von Colymbetes fuscus L. Kerne, die reichlich mit Kern- 
saft versehen sind. Später bringen diese Kerne durch Knospung eine ganze 
Reihe von Tochterkernen hervor. Die Tochterkerne werden dann zu Kernen 
des Follikelepithels und der Nährzellen. Bei weiterer Entwicklung geht eine 
Verwandlung der Außenschicht des Kernes in das Plasma des Eies vor sich. 
Der übrige Theil des Kernes nimmt ohne Verwandlung die Form eines Bläs- 
chens mit einem Chromatinkörperchen im Inneren an. Diejenigen Theile des 
Kernes, welche in das Eiplasma eintreten, verwandeln letzteres aus achroma- 
tinem in chromatines Plasma. 

Das Eiplasma zerfällt in eine Reihe von großen und kleinen Kügelchen, 
welche den Ausgangspunkt für die Bildung des Dotters geben. BLOCHMANN 
beobachtete beim Reifen der Ameisen- und Wespeneier, dass der Kern des Eies 
durch Knospenbildung eine Anzahl von Kernen, die sogenannten Nebenkerne, 
erzeugt. Die letzteren theilen sich vielleicht auch noch. Der übrige Theil des 
Kernes theilt sich nach der Knospenbildung mitotisch und dient möglicherweise 
als Ursprung des Kernes, der dem Richtungskörperchen anderer Insekten äqui- 
valent ist. Später bewegen sich die Nebenkerne von der Oberfläche des Kernes 
zu der :Peripherie des Eies und gehen hier in das Plasma über. Wenn auch 
die Bildung des Dotters nach der Meinung des Autors auf Kosten der Nähr- 
zellen und Epithelzellen vor sich geht, so doch jedenfalls nicht in diesen Zellen, 


582 N. Kulagin, 


sondern in dem Ei selbst. Im Ei erscheinen zuerst die Dotterelemente in 
kleinen Vaeuolen. In diesen Vacuolen machen sich dann Körnchen bemerkbar, 
welche allmählich alle Dotterbläschen anfüllen. — Nach STUHLMANN’s Beob- 
achtungen geht der Bildungsprocess der Eier bei den Insekten auf folgende 
Weise vor sich. Die Eier bilden sich aus Embryonalzellen, welche von einan- 
der nicht scharf abgegrenzt sind. Der Kern des Eies bildet sich aus dem Kern 
der Embryonalzelle.e. Am Anfang der Entwicklung des Eies enthält der Kern 
ein großes Chromatinkörperchen, und um dasselbe einen Kranz kleiner Körn- 
chen; dann verschwindet das Chromatinkörperchen, und an dessen Stelle er- - 
scheint im Kern ein Nuceleolus. Bei weiterem Reifen des Eies schiebt sich 
der Kern an einem der Pole hin. Hier verschwindet Anfangs der Nucleolus und 
dann zerfällt der Kern selbst in Reifungsballen. Nach der Ablösung dieser 
Reifungsballen verschwindet der Kern in den Eiern mit sehr viel Dotter, bleibt 
aber in den Eiern, welche arm an Dotter sind. Bei den Hymenopteren bildet 
sich nach den Beobachtungen von STUHLMANN der Dotter nicht aus dem Kern 
des Eies, sondern in dessen nächster Nähe und offenbar unter seinem Einfluss. 
KOoRSCHELT beobachtete bei den Fliegen, sowohl in den Ei- wie auch in 
den Nährzellen eine Absonderung von Kerntheilchen und deren Eindringen in 
das Plasma. Solch eine Theilung der Kerne, welche der Autor beschreibt, er- 
innert an die Nebenkerne BLOCHMANN’S. | 
Nach den Beobachtungen von ST. HıLAIRE geht bei der Entwicklung von 
Dytiscus folgender Process vor sich: Zu Anfang der Entwicklung des Eies färbt 
sich das Protoplasma der Eizelle bei ihrer Behandlung mit Liehtgrün sehr 
schwach; der Kern enthält Lininräden, ein Chromatinnetz und ein oder zwei 
Nucleoli, die mehr als halb so groß wie der Kern sind. Die Nucleoli bestehen, 
wie ihr Verhalten den Farben gegenüber zeigt, aus Paranuclein. Bei weiterer 
Entwicklung verändert sich der Kern nur in der Größe; bei einigen Eiern aber 
verändert sich auch die Form des Kernes: er wird birnförmig, im engen Theil 
des Kernes sammelt sich Chromatin in Form von Fäden an, und der übrige 
Theil füllt sich mit einem Netz von Chromatin. Im Plasma des Eies erscheinen 
Nucleoli, die sich mit Kernfarben färben lassen, und darauf große Ballen, welche 
mit sauren Farben (Fuchsin) gefärbt werden können. Den Ursprung dieser 
Ballen hat der Autor nicht verfolgt. Diese Ballen scheinen, dem Autor nach, 
sich zu lösen und in Fett überzugehen. Im folgenden Stadium färbt sich das 
Plasma des Eies stärker, die erwähnten Ballen zerfallen in kleine Körnchen und 
umgeben den Kern gemeinsam mit Fettbläschen. Das Chromatin sammelt sich 
in der Mitte des Kernes an; im übrigen Theil befindet sich ein Netz von Körn- 
chen, welche nicht aus Chromatin bestehen. Die Anzahl der Nucleoli im Kerne 
wächst und sie nehmen die Gestalt von Bläschen an. Auf ferneren Stadien 
gehen im Ei folgende Veränderungen vor sich: Das Chromatin des Kernes ver- 
schwindet; in dem Kerne sammelt sich Kernsaft an. Die im Kerne befindenden 
Nucleoli theilen sich und bringen eine ganze Reihe von Körnchen hervor. Dar- 
auf schwindet der fuchsinophile Stoff im Protoplasma des Eies; die Fetttropfen 
lagern sich an der Peripherie des Eies. Das Protoplasma des Eies dringt in den 
Kern dureh die Öffnung in der Hülle des letzteren. Die Körnehen, welche sich 
im Kern befinden, werden feiner und füllen ihn fast vollkommen aus. In den 
weiteren Entwicklungsstadien des Eies überfüllt sich das Protoplasma mit feinen 
Körnchen, bei denen der Dotter anfängt sich abzusondern. Die Hülle des 
Kernes verschwindet; die Körnchen, welche sich im Kerne befinden, dringen, 
wie es scheint, in das Protoplasma ein, die Grenzen werden undeutlich und der 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 583 


Kern nimmt wahrscheinlich Theile des Protoplasma in sich auf. Endlich wird 
das Ei reif und man erhält folgendes Bild: Das Protoplasma des Eies hat das 
Aussehen eines Netzes, welches aus Körnchen besteht; in den Maschen des 
Netzes sind Dotterkügelchen eingebettet. 

Bei Dytiscus unterscheiden sich, nach den Beobachtungen von KUJAWSKY, 
die Embryonalzellen, aus denen sich die Eier entwickeln, von den anderen, 
z.B. den Nährzellen, durch eine größere Ansammlung von Chromatin im Kerne. 
Bei der Entwicklung der Eier aus diesen Zellen vergrößern sich ihre Dimen- 
sionen, das Chromatin nimmt im Kern die Form eines Pilzkopfes an und wird 
gegen die Oberfläche des Kernes gedrängt. Bei dem ferneren Wachsthum des 
Eies werden Fetttropfen in seinem Protoplasma bemerkbar. Sie pressen den 
Kern zusammen und füllen das ganze Ei aus. Das Protoplasma, welches die 
Fetttropfen umgiebt, färbt sich anders als an den übrigen Stellen, folglich gehen 
an diesen Stellen irgend welche Veränderungen des Plasma vor sich. Bei reife- 
ren Eiern umgiebt die Zone des veränderten Protoplasma den Kern und wird 
beim Wachsen des Eies breiter und weniger abgesondert von dem übrigen 
Plasma. In den reiferen Eiern verliert der Kern immer mehr sein Chromatin 
und an der Peripherie tritt immer deutlicher ein Kranz in Form eines Rahmens 
hervor, welcher sich stark färbt. Bei völliger Reife der Eier zerfließt der Kranz 
in dem Plasma des Eies, wonach sich das Plasma stärker zu färben anfängt. 
Derartige Stoffe, welche in das Protoplasma des Eies eindringen, geben wahr- 
scheinlich, wie der Autor sagt, das Material zur Bildung des sogenannten Dot- 
ters. Dieser bildet sich nach Ablauf der erwähnten Vorgänge allmählich von 
der Peripherie des Eies nach dessen Centrum — dem Kern — fortschreitend. Mit 
der vorrückenden Bildung des Dotters verändert sich der Charakter der Struk- 
tur des Plasma: anstatt der homogenen protoplasmaartigen Masse erscheint ein 
Netz von Spongioplasma, in dessen Maschen sich Dotterkörnchen beobachten 
lassen. 

HENKING erforschte die ersten Stadien der Eibildung bei vielen Insekten. 
Bei Pyrrhocoris apterus L. besteht der Eierstock in einem gewissen Stadium der 
Entwicklung aus drei Theilen: dem Endfaden, dem Keimfach und dem Eileiter. 
Im ersten Entwicklungsstadium scheinen die Zellen der Endfäden oder des 
embryonalen Theiles ganz homogen. Der Kern enthält eine körnige Chromatin- 
masse; an vielen Kernen sind Theilungsstadien bemerkbar. In reiferen Stadien 
der Entwicklung des Eierstockes ändert sich das Bild ein wenig. Die Kerne 
der oberen Abtheilung des Endfadens oder des Keimfaches erscheinen kleiner 
als die Kerne, welche entfernter, d. h. näher zum Eileiter, liegen; überdies ent- 
halten die Kerne der ersten Abtheilung weniger Chromatinkörnchen als die der 
zweiten Abtheilung. Die Kerne des zweiten Theiles haben eine ovale Form 
und enthalten eine große Menge von Chromatinkörnchen, welche mit einander 
durch plasmatische Fäden verbunden sind; ihrem Bau nach erinnern sie sehr 
an die Kerne junger Eizellen; sie liegen längs der Peripherie des Keimfaches. 
Ferner beobachtete der Autor im Eiersack näher zum Eileiter zwei Arten von 
Zellen. Die einen Zellen-.haben einen hellen bläschenartigen Kern, an dessen 
Peripherie sich Chromatinkörnchen anlagern; außerdem ist noch ein Kern vor- 
handen. Diese Zellen bilden das Follikelepithel. Die zweite Gruppe wird aus 
Zellen mit einem Nucleus gebildet, welcher mitten in einer hellen Vacuole eine 
Kernsubstanz in Form eines Knäuels enthält. In Verbindung mit dem Kern- 
knäuel befinden sich kompakte Chromatinkörnchen. Diese Art von Zellen hält 
der Autor für junge Eier. Bei der Untersuchung dieser ursprünglichen Elemente 


584 N. Kulagin, 


des Eierstockes fand der Autor in jedem Kerne je 24 Chromosomen. Übrigens, 
sagt HENKING, macht sich eine Schwankung in der Zahl um zwei bis drei Chromo- 
somen ziemlich oft bemerkbar. Außerdem ist das Zählen der Chromosomen’ 
nicht leicht. 

Ganz neuerdings machte RABES eine sehr interessante Beobachtung über 
die Entwicklung der Eier bei Rhizotrogus solstitialis L. Nach seinen Angaben 
wächst bei der Bildung der Eier das Follikelepithel, eine oder mehrere Falten 
bildend, in das Ei hinein. Ein solches Hineinwachsen hat den Zweck, den 
Nahrungsstoff des Eies zu vermehren: »Eine Oberflächenvergrößerung des Nähr- 
epithels behufs besserer und reichlicherer Ernährung der in schnellem Wachs- 
thum befindlichen Eier zu schaffen.«e Nach RaAgzs liegt das Keimbläschen des 
Eies meistentheils am Rande des Eies; zwischen diesem und dem Follicular- 
epithel befinden sich verschiedene Körnchen, welche theils von dem Keimbläs- 
chen, theils von den Zellen des Follikelepithels abstammen. 


Wenn wir alle beschriebenen Beobachtungen über die Entwick- 
lung der Eier bei Insekten zusammenfassen, so sehen wir, dass die 
meisten Autoren auf einen Austausch hinweisen, welcher zwischen 
dem Kern und dem Plasma der Eizelle vor sich geht. Nach den 
Beobachtungen von Kuyawsky und WıLL verschwimmt die obere 
Schicht des Kernes in dem Plasma des Eies. BLOCHMANN, STUHL- 
MANN, KORSCHELT und RABES haben die Absonderung von Einzel- 
theilen der Keimbläschen und deren Eindringen in das Eiplasma 
konstatirt. 

Nach Sr. HıLaIrE endlich dringt das Eiplasma in das Keimbläs- 
chen ein. Ich habe die Entwicklung der Eier bei erwachsenen For- 
men von Oulex pipiens und Anopheles bifurcatus untersucht. Die Be- 
obachtungen wurden im Verlauf des Herbstes, Winters und in der 
ersten Hälfte des Sommers bis zum Juni gemacht. Die Eiröhrchen 
der Individuen, welche ich im Herbst und Winter untersuchte, waren 
an ihrer inneren Oberfläche mit, Epithelialzellen, mit Kernen von 
körniger Struktur ausgekleidet; die Grenzen der Zellen sind nicht 
deutlich zu sehen (Fig. 3 f2). Diese Zellen bekleiden nieht nur die 
Wände der Eiröhrehen, sondern bilden auch die Querwände, welche 
die Eiröhrchen in Abtheilungen, die sogenannten Eikammern, 
theilen. In jeder Kammer befinden sich im Verlauf des Herbstes 
und Winters Zellengruppen, welche fest an einander liegen; durch 
den gegenseitigen Druck erhalten die Zellen eine polygone Form. 
Der innere Bau aller Zellen ist mehr oder weniger gleichartig. Das 
Protoplasma füllt die Zelle vollkommen aus, und lässt sich mit ver- 
schiedenen Farben intensiv färben. Die Kerne der Zellen sind mit 
einer deutlichen Hülle bekleidet und bestehen aus Kernsaft, welcher den 
peripherischen Theil des Kernes, und einem kompakten, rundlicher, 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles.. 585 


mehr oder weniger gleichartigen Körperchen, welches das Centrum 
des Kernes einnimmt (Fig. 3 Az). Bei der Behandlung der Eier- 
stöcke der von mir untersuchten Insekten nach der Methode von 
Ost zeigt sich, dass das Körperchen, welches in der Mitte des 
Kernes liegt, eyanophil ist. Bei fortschreitender Entwicklung der 
Eier geht eine Differenzirung der Elemente, die sich in den Ei- 
kammern befinden, vor sich. So wird bei der Untersuchung der Ei- 
röhrchen der Insekten, die Ende Mai und in der ersten Hälfte Juni 
gefangen wurden, folgende Veränderung dieser Zellen bemerkbar. 
Erstens findet vor Allem eine Volumzunahme aller angeführten Zellen- 
elemente statt, wobei das Wachsthum nicht nach allen Richtungen 
gleichmäßig vor sich geht; durch dieses ungleiche Wachsthum nehmen 
die Zellen, welche in dem oberen Theil der Eiröhrchen liegen, 
eine pyramidale Form an. Zweitens treten in den Kernen der Zellen, 
welche in dem oberen proximalen Theile der Eikammer liegen, fol- 
gende Veränderungen auf. Das Kernkörperchen, welches im Kerne 
liest und Anfangs kompakt und gleichartig ist, zerfällt in eine Reihe 
Anfangs großer, später kleinerer Ballen, und zuletzt in einzelne Körn- 
chen. Einige von diesen Körnchen färben sich intensiver als die 
übrigen. Der Kernsaft, welcher Anfangs den peripherischen Theil 
des Kernes einnahm, vermehrt sich und sammelt sich als Vacuolen 
im mittleren Theile des Kernes an (Fig. 4 ne). 

Danach vertheilt er sich mehr oder weniger gleichmäßig im gan- 
zen Kern und der letztere wird so zu sagen schaumig, mit unregel- 
mäßig im Inneren des Kernes vertheilten Ballen, von sich färbender, 
mehr oder weniger kompakter Substanz (Fig. 5 »%). In dem Proto- 
plasma der Zellen macht sich ebenfalls eine Anhäufung flüssiger 
Substanz bemerkbar, er wird scheinbar körnig. 

Gleichzeitig mit einer solchen morphologischen Veränderung der 
Kerne der Zellen, geht auch eine Veränderung der festen Bestand- 
theile des Kernes vor sich, Das kompakte, homogene Körperchen, 
welches früher das Centrum des Kernes einnahm, war, wie schon 
gesagt, cyanophil. Bei der Theilung in zwei Ballen bewahrt es 
ebenfalls einige Zeit diese Eigenschaft, bei der weiteren Veränderung 
des Kernes bleiben einige kleine Ballen eyanophil (Fig. 5 cy), wäh- 
rend die anderen erythrophil werden; schließlich werden alle Körn- 
chen, welche den Kern anfüllen, erythrophil; die letzteren sind so 
zu sagen eine Varietät des cyanophilen Stoffes des Kernes. Auf 
Fig. 9 cy, welche die Färbung der Präparate wiedergiebt, ist der 
allmähliche Gang dieses Processes dargestellt. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 39 


586 N. Kulagin, 


Die Zellen, welche im unteren Theil der Kammer liegen, nehmen 
ebenfalls an Umfang zu, wie die Zellen im oberen Theil der Kammer. 
Ihr Umfang übersteigt denjenigen der ersteren (Fig. 4 ov). 

Das Protoplasma dieser Zellen bleibt kompakter, fester als das 
Protoplasma der Zellen im proximalen Ende der Eikammern. Der 
Kern ist deutlich mit einer Hülle umgeben, an der Peripherie befindet 
sich der Saft, im Inneren ein rundes, festes cyanophiles Körperchen 
(Fig. 5 cy). 

Die Zellen des proximalen Endes der Eikammer dienen dem 
Ei als Nährzellen (Figg. 4 und 5 »z), und die Zellen, welche in der 
Eikammer liegen, sind die Eier (Fig. 4 und 5 ov). 

Die eben beschriebene Veränderung der Nährzellen erinnert auf- 
fallend an die Bilder, die ich bei Beobachtung von Zellen bei aus- 
gehungerten Raupen zu sehen- bekam. Ähnliche Veränderungen, wie 
die von mir beschriebenen, beobachtete J. K. Sasnowsky am Kerm 
von Stenfor im Hungerzustande. Vielleicht ist in der Eikammer 
der Insekten die Verschiedenheit der Eizellen und der Nährzellen 
ebenfalls durch diese Processe bedingt. Die ursprünglich gleichen, 
nicht differenzirten Elemente der Eikammer theilen sich in Ei- und Nähr- 
zellen, dadurch dass die Eizellen mehr Nahrungsstoff bekommen, als 
die übrigen Zellen; in dem Protoplasma und im Kern der Nährzellen 
häufen sich flüssige Oxydationsprodukte an, was die Struktur des 
Kernes und des Protoplasma verändert. Der Kern wird vacuolisirt, 
so zu sagen schaumig. Bei fernerer Entwicklung des Eies nimmt 
man wahr, dass die Nährzelle an der -Eizelle gerade an dessen 
oberem Pol erscheint (Fig. 6 »2). Das Absorbiren der Nährzellen 
durch die Eizelle geht scheinbar auf folgende Weise vor sich: Die 
Grenzen der Nährzellen, welehe am oberen Pol der Eizelle liegen, 
verschwinden allmählich, und es kommen endlich die Nährzellen in 
das Innere der Eizellen zu liegen. Die Anzahl der Nährzellen, 
welche in Eizellen übergehen, ist, nach meinen Beobachtungen, 
drei bis vier. Die Nährzellen unterliegen in der Eizelle folgender 
Veränderung: ihr Protoplasma vereinigt sich vollständig mit dem 
Plasma des Eies und die Kerne zerfallen in einzelne Chromatin- 
klümpehen. Es ist interessant, darauf hinzuweisen, dass in einigen 
Fällen die Theilung der Kerne der Nährzellen begann, ehe sie ins. 
Ei eindrangen. 

Die im Ei zerfallenen Kerne der Nährzellen erinnern auffallend 
an das Bild, welches Wırt und STUHLMANN beschreiben, indem sie 
darauf hinweisen, dass dieses durch Theilung des Kernes des Eies 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 587 


entstehe. Auf meinen Präparaten sieht man deutlich, dass der 
Kern des Eies im gegebenen Falle daran gar keinen Antheil nimmt, 
und dass die sogenannten »Reifungsballen« STUHLMANN’s nur Pro- 
dukte des Zerfalls der Nährzellen sind. Auf weiteren Entwicklungs- 
stufen der Eier verschmelzen die Stückchen der Nährzellenkerne ganz 
und gar mit dem Plasma der Eizelle. 

Das Eindringen des Nährstoffes in das Ei bedingt die Verände- 
rung des Kernes und des Plasma des Eies. Im Kerne des Eies 
werden statt der cyanophilen Substanz erytrophile (Chromatin-)Fäden, 
Chromatinstücke und einzelne Mikrosome sichtbar und der Kern wird 
reicher an Kernstoff. Typische Chromosome, welche HEnkKING von 
vielen Insekten beschrieben hat, habe ich im Ei der Mücke nicht 
beobachtet. Übrigens hat Hexkına selbst darauf hingewiesen, dass 
die von ihm angegebene Anzahl der Chromosome (24) für die Eier 
der Insekten nicht immer typisch ist, und dass auch Abweichungen 
vorkommen. Mir scheint, dass das Zählen der Chromosome in den 
Eiern ziemlich schwierig ist. Nicht umsonst empfiehlt SoBorrA das 
Zählen in Zwischenräumen vorzunehmen und dabei jedes Mal die 
Resultate zu notiren, aber selbst unter solchen Bedingungen schwankte 
die bei Mäusen gefundene Zahl der Chromosome zwischen 12 und 
15. Da wir überdies wissen, dass ein Theil des Kernes die gleiche 
Bedeutung hat wie der ganze Kern (die Versuche von BALBIANI an 
Stentor), so ist eine quantitative Bestimmung der Kernstoffe wohl 
kaum von Wichtigkeit. Abgesehen davon ist die Bestimmung der 
richtigen Menge von Chromatin bei den jetzigen Untersuchungs- 
methoden eine äußerst schwierige Sache. Endlich, enthält der Kern 
außer Chromatin noch andere Kernstoffe, und bis jetzt haben wir 
gar keinen Grund dem Uhromatin eine wichtigere Bedeutung als den 
übrigen Bestandtheilen des Kernes beizumessen. — Gleichzeitig mit 
der Veränderung des Kernes des Eies verändert sich auch dessen 
Plasma. In ihm erscheinen Dotterkörner. Die Frage über die Bil- 
dung des Dotters im Insektenei ist von Sr. HILAIRE in seinem 
Artikel »über die Bildung des Eies bei Dytiscus« sehr gründlich 
behandelt worden. Nach der Untersuchung Sr. HınAıre’s ist, so viel 
mir bekannt, nur eine Arbeit über diese Frage von KuJawsKY er- 
schienen. Nach den Angaben von Kuyawsky geht die Bildung des 
Dotters in dem Plasma des Eies wahrscheinlich unter dem Einfluss 
des Kernstoffes, welcher in das Plasma eindringt, vor sich. Nach 
meinen Beobachtungen geht die Bildung des Dotters auf Kosten der 
Veränderung des Plasma des Eies vor sich. Das Protoplasma des 

39* 


588 N. Kulagin, 


Eies ist zur Zeit der Dotterbildung durchaus nicht gleichartig, son- 
dern eher körnig. Indem die neuen Nährstoffe in die Eizellen 
während ihres Wachsthums eindringen, durchdringen sie, so zu sagen, 
die einzelnen Körnchen des Protoplasma; die letzteren vergrößern 
sich, verändern sich chemisch und werden zu Protoplasmakörnern 
des Dotters. Die Bildung der Dotterkörnchen schreitet von der Peri- 
pherie zum Centrum vor. Bei fortschreitender Bildung von Dotter- 
körnchen in dem Protoplasma macht sich eine Anhäufung von flüssigen 
Substanzen bemerkbar. — Später umkleiden sich die Eier der Mücken 
mit Chorion. Was die Frage nach der Abgabe von Bestandtheilen 
des Kernes in das Eiplasma anbelangt, so habe ich solch einen Vor- 
gang bei Mücken nicht beobachtet. 

In den Eikammern einiger Individuen fand ich in den Eizellen 
außer dem Kernbläschen den sogenannten Dotterkern. 


Der Dotterkern wurde zum ersten Mal von WırTicH im Jahre 1875 in den 
Eiern von Spinnen gefunden. Später wurde er besonders von BALBIANT bei 
vielen Thieren beschrieben: unter den Wirbelthieren bei einigen Arten von 
Knochen- und Knorpelfischen bei einer Art von Frosch, bei vielen Eidechsen, 
bei Vögeln: wie Huhn, Sperling und einigen anderen, von den Säugethieren in 
den Eiern des Eichhörnchens, des Hundes, der Katze, der Kuh und des Men- 
schen. Unter den wirbellosen Thieren findet sich der Dotterkern bei vielen 
Crustaceen z. B. bei Branchipus und Artemia, bei Myriapoda und bei den In- 
sekten (Hemiptera und Hymenoptera), und endlich wurde der Dotterkern auch 
aus den Eiern einiger Mollusken, z. B. von Helix, beschrieben. 

Über den Ursprung des Dotterkernes existiren folgende Angaben. Nach 
den Beobachtungen von BALBIANI an Geophilus electricus entsteht der Dotter- 
kern durch Knospung einer Zelle des Epithels” welches die Blase auskleidet, in 
der das Ei im Ovarium sich entwickelt. | 

Nach ihrem Eintritt in das Ei behält diese Zelle ihre Selbständigkeit, und 
ihr Plasma vermischt sich Anfangs nicht mit dem Plasma des Eies. Später ent- 
steht aus dieser Zelle der Dotterkern. Die Lage dieser Epithelialzelle im Ei ist 
verschieden. 

Nach den Beobachtungen von MERTENS sind unter dem Namen »Dotter- 
kern« bei den Säugethieren und Vögeln zwei verschiedene Elemente beschrie- 
ben. Einige Autoren haben als »Dotterkern« die Elemente des Kernes beschrie- 
ben, welche sich im Inneren der Dottermasse befinden. Deren Größe ist sehr 
verschieden. In den jüngsten Stadien des Eies sind es einfache Chromatin- 
körnchen. Mit der Entwicklung des Eies vergrößert sich deren Umfang. Diese 
Körncehen (Dotterkörperchen) bilden sich aus den Chromosomen und sind Anfangs 
sehr nahe mit diesen verbunden, später werden sie von den Chromosomen 
unabhängig. 

Die anderen Autoren haben, nach MERTENS, bei den Säugethieren unter 
dem Namen »Dotterkern« die sogenannte Attraktionssphäre der Eizelle beschrie- 
ben. Die Attraktionssphäre dieser Eier ist entweder eine kugelige, körnige 
Masse, oder sie hat die Form eines Halbmondes und liegt in der Nähe des 
Keimbläschens. Das Centrosoma oder das Centralkörperchen ist nur in den 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles.. 589 


der Mitose nahen Stadien anwesend. Mit dem Alter des Eies wird die Attrak- 
tionssphäre immer umfangreicher und die radiale peripherische Anordnung wird 
immer deutlicher. In denjenigen Eiern, wo Fettkörnchen erscheinen, lagern sie 
sich um die Attraktionssphäre herum, sie vertheilen sich später und bilden die 
eine koncentrische Schicht unweit der Dotterperipherie. 

VAN DER StricHht beschreibt die Bildung des Dotterkernes im Ei des 
Weibes und im Ei der Spinne Tegenaria domestica in folgender Weise: Das 
Frauenei hat Anfangs keinen Dotterkern. Vor seinem Erscheinen im Ei lagert 
sich das Protoplasma in Form eines Ringes von ungleicher Breite ab, der das 
Keimbläschen umfasst. Diese Plasmaschicht um das Keimbläschen herum wurde 
bei den Spinnen von BALBIANI vor VAN DER STRICHT beschrieben. BALBIANI 
verglich dieselbe mit der Attraktionssphäre in anderen Zellen: »Cette couche 
est comparable & la masse plasmique dite sphere attractive des autres cellules.« 
Später hat MERTENnS eine solche Plasmaschicht der Keimkerne in den Eiern 
eines neugeborenen Mädchens konstatirt. In Übereinstimmung mit BALBIANI 
nennt MERTENS diese Schicht auch »sphere attractive«. Später beschrieb BAam- 
BEKE dieselbe Schicht bei Scorpaena serofa unter dem Namen »couche palleale«. 
VAN DER STRICHT giebt dieser Schicht eine neue Bezeichnung, »couche vitello- 
gene«, und hält sie für ein Substrat, auf dem sich der Dotterkern entwickelt. 
Der Dotterkern bildet sich in dem breiteren Theile dieser Schicht in Form eines 
kugeligen Körnchens oder Bläschens. Beim weiteren Wachsthum des Eies trennt 
sich diese Plasmaschicht »couche vitellogene« in zwei Zonen: eine innere Zone, 
welehe den Dotterkern umgiebt und eine körnige Struktur hat, und eine andere, 
die an der Peripherie der ersten Zone liegt und keine Körnchen hat. Später 
rücken die Körnchen in die zweite Zone und erscheinen hier als Dotterkörn- 
chen. Dieselbe Bildung der Körnchen um den Dotterkern herum beobachtete 
außer VAN DER STRICHT auch BAMBERE in den Eiern von Pholcus phalangioides. 
Nach den Beobachtungen von VAN DER STRICHT geht dem Erscheinen des Dotter- 
kernes auch eine Absonderung der homogenen Plasmaschicht um das Keimbläs- 
chen voran. Bei der weiteren Entwicklung des Eies bemerkt man gleichzeitig das 
Erscheinen des Dotterkerns in dem erweiterten Theile der Plasmaschicht und die 
Modifieirung dieser Schicht: es erscheinen namentlich in ihr eine Reihe von 
Platten, welche das Keimbläschen koncentrisch umgeben. Zuweilen bleibt in die- 
sem Entwicklungsstadium die genannte Plasmaschicht unverändert, nur der Dotter- 
kern wird viel umfangreicher. Später verändert sich die Struktur der das Keim- 
bläschen umgebenden Plasmaschicht, es erscheinen Körnchen darin. Auf Grund 
seiner Beobachtungen sprach VAN DER STRICHT die Vermuthung aus, dass der 
Dotterkern einen gewissen Einfluss auf die Dotterbildung im Ei hat. Die weitere 
Entwicklung der Eier beim Menschen und Spinnen besteht darin, dass die 
Grenzen der den Dotterkern umgebenden Plasmaschicht verschwinden und das 
Eiplasma homogen wird. Die Körnchen, welche früher in der Umgegend des 
Dotterkernes lagen, vertheilen sich über das ganze Ei und erscheinen als typische 
Dotterkörnchen. In dem Eiplasma sieht man deutlich nur das Keimbläschen und 
den Dotterkern. Die Processe der Eientwicklung in dem letzten Stadium sind 
in den Eiern der Frau und der Spinne ganz gleich. i 

Die Struktur des Dotterkernes ist von verschiedenen Autoren verschieden 
beschrieben worden. Nach Barsrants Beobachtungen ist der Dotterkern bei 
einigen Wirbelthieren homogen. Nach den Untersuchungen von MITROPHANOW 
kann man im Dotterkern von 4Jrgyroneta aquatica zwei Elemente unterscheiden: 
den centralen homogenen, dem Anschein nach plasmatischen, sich mit Karmin 


590 N. Kulagin, 


schwach färbenden Theil und die oberflächliche körnige grellgelbe Schicht, die 
sich indifferent gegen die Färbemittel verhält und keine Schichtung zeigt. In 
den jüngeren Eizellen erscheint der Dotterkern als eine kugelige Anhäufung 
von hellen Körnchen mit kaum bemerkbarem centralen Theil. In den reiferen 
Eiern erhält die körnige Schicht eine gelbe Färbung und der Kern wird deutlich. 

Nach den Beobachtungen von MERTENS sind die Dotterkerne in den Eiern 
der Wirbelthiere und Vögel entweder homogen, oder sie bestehen aus zwei 
Theilen: einem centralen fHlüssigeren und einem peripherischen kompakteren 
Theil. Im Anfange der Entwicklung des Eies färben sich die Dotterkerne inten- 
siv mit Safranin. Später verliert sich in Folge chemischer Veränderungen diese 
Fähigkeit. 

VAN DER STRICHT beschreibt den Dotterkern im Ei des neugeborenen 
Kindes als aus einem Bläschen bestehend, in welchem sich ein oder mehrere 
Körnchen befinden. die mit einander mittels Brücken verbunden sind. In den 
Eiern einer erwachsenen Frau haben die Dotterkerne entweder eine homogene 
Struktur oder sie bestehen aus einzelnen Körnchen, von welchen ein oder zwei 
centrale Körnchen sich intensiver mit Safranin färben. 

Nach den Beobachtungen BALBIANTs besteht der Dotterkern der Spinne 
Tegenaria domestica aus einem plasmatischen Körper, in welchem der Kern und 
zuweilen auch ein Nucleolus bemerkbar ist. 

Nach den Beobachtungen VAN DER StricHr's besitzt der Dotterkern im 
Ei der Frau die Fähigkeit sich zu theilen. Der Verfasser fand Eier, in welchen 
zwei mit einander durch eine Brücke verbundene Dotterkerne waren; er be- 
schreibt auch Eier mit drei und sogar mit vier Dotterkernen, im letzten Falle 
waren zwei Kerne groß und zwei andere klein. 

Nach den Beobachtungen Reın’s sind die Dotterkerne in den Eiern des 
Kaninchens amöboid beweglich. 

In der letzten Zeit behauptete LEPESCHKIN, dass der Körper, welcher mehr- 
fach, so von WEISMANN und ICHIKAWA, unter dem Namen »Richtungskörper« 
beschrieben ist, nichts Anderes als ein Dotterkern sei. Dieser Körper ist von 
unregelmäßiger Form mit Vorsprüngen und Vertiefungen an der Oberfläche; 
im Inneren des Körpers sieht man einen helleren centralen vacuolisirten Theil; 
beim Verschwinden des Körpers zerfällt er in kleine Körnchen, die den Kern 
umgeben. 

In Betreff der Bedeutung der Dotterkerne sind folgende Hypothesen aus- 
gesprochen worden. Nach SIEBOLD gehen die Körnchen des Dotterkernes in 
den Dotter über. MERTENS beobachtete, dass die Dotterkerne in den Eiern 
der Vögel und Wirbelthiere zerfallen und den Dotterkörnchen ihren Ursprung 
seben. Die Dotterkerne, sagt er, kann man Dotterelemente »el&ments vitello- 
genes« nennen. Nach BAMBERE hat die Eiplasmaschicht, in welcher sich der 
Dotterkern entwickelt, einen Einfluss auf die Genesis des Dotters. Nach WıLson, 
HÄCKER, STUHLMANN und Anderen spielt der Dotterkern eine Rolle im Stoff- 
wechsel in der Eizelle, indem er zu dem Wachsthum und der Entwicklung des 
Eies beiträgt. FLEMMING, HENNEGUY, JULIN und, bis zu einem gewissen Grade, 
MERTENS sind der Meinung, dass der Dotterkern das Centrosoma der Eizelle 
vorstellt und dem Centrosoma der Samenzelle (Spermatide) homolog ist. Nach 
VAN DER STRICcHT entspricht der Dotterkern im Menschenei nebst der Plasma- 
schicht, in welcher er sich entwickelt, der Attraktionssphäre der Eizelle, »le 
noyau vittelin prösente une resseniblance frappante avec la sphere attractive«. 
Dabei ist der Kern das Centrosoma der Eizelle, und die Schicht »couche 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles.. 591 


vittelog&ne« kann mit der Asteroidenregion der Attraktionssphäre verglichen 


werden »la couche vittelogene peut &tre comparee ä la region asteroide de 
cette sphere«. VAN DER STRICHT hält es aber für nothwendig zum Beweise 
dieser Hypothese den Antheil des Dotterkernes als Attraktionssphäre an der Bil- 
dung der ersten Richtungsspindel zu konstatiren. 

In Betreff der Dotterkerne in den Insekteneiern existiren, so viel ich weiß, 
folgende Beobachtungen. Nach BALBIAnI ist in den Eiern der Aphiden außer 
dem in der Mitte des Eies liegenden Keimbläschen am unteren Pol des Eies 
ein bleiches, zart kontourirtes und von Körnchen umgebenes Bläschen. Dieses 
Bläschen oder Körperchen hält BALBIANI dem Dotterkern, den er in den Eiern 
der Spinnen gefunden hat, für analog. Nach diesem Autor bildet sich der 
Dotterkern bei den Aphiden ganz eben so wie bei Geophrlus electricus, das heißt, 
er bildet sich aus einer der Epithelialzellen, welche die Eikammer auskleiden 
und später in die Eizelle eindringen. Nach den Beobachtungen BLOCHMANN’S 
an Ameiseneiern theilt sich der Kern, die Theile verbreiten sich über das ganze 
Ei und verschwinden allmählich. STUHLMANN hält diese Gebilde für Dotter- 
kerne. Nach eigenen Beobachtungen STUHLMANN’s entsteht der Dotterkern in 
den Eiern der Hymenopteren in der Nähe des Keimbläschens und unter seinem 
Einflusse, nicht aber aus seiner Substanz. Nach STUHLMANN ist der Dotter- 
kern ein sehr unkonstantes Gebilde, denn von zwei nahestehenden Arten Zphialtes 
besitzt ihn eine und die andere nicht. 


Nach meinen Beobachtungen bildet sich der Dotterkern bei Cu- 
lex pipiens und Anopheles bifurcatus bei einigen Exemplaren, aber 
lange nicht bei allen, in den frühen Entwicklungsstadien des Eies, 
noch bevor sich in ihm der Dotter bildet. Auf den Schnitten durch 
das Ovarium dieser Insekten sieht man in den Eizellen folgendes 
Bild. Der Kern der Eizelle ist von einer Hülle bekleidet. Unter 
dieser ist an der Peripherie des Kernes der Kernsaft deutlich sicht- 
bar. Im Inneren des Kernes befindet sich ein cyanophiles Körperchen. 
In den älteren Stadien einiger Eizellen sieht man an dem Kerne, 
oder richtiger gesagt, an dem cyanophilen Körperchen, eine Ein- 
schnürung, später wird diese Furche tiefer und in dem Kerne werden 
zwei Körperchen sichtbar (Fig. 5 cy). Es giebt ferner in meiner Serie 
von Präparaten auch solche, wo das eine von diesen Körperchen in 
dem Eiplasma unweit vom Kerne liegt (Fig. 7 und 8 dA). Ich habe 
den Moment der Ablösung dieses Körperchens vom Kerne nicht be- 
obachtet, aber auf Grund obiger Angaben ist es zweifellos, dass das 
Körperchen aus demselben entsteht. Es existirt wenigstens kein 
Unterschied zwischen dem Körperchen, das früher im Kerne war, und 
dem, welches sich später in dem Eiplasma befindet. Und außerdem 
habe ich in denjenigen Eizellen, wo ein Körperchen in dem Plasma liegt, 
nie zwei Körperchen im Kerne gesehen. Die in das Eizellenplasma 
eingewanderte Kernsubstanz dieser Zelle stellt nichts Anderes als den 


592 N. Kulagin, 


Dotterkern des Eies vor. In seiner Struktur ist er homogen, von 
kugeliger Form, zuweilen besitzt er eine Hülle und unter der Hülle 
an seiner Peripherie eine Anhäufung des Kernsaftes. In dieser Form 
ist der Dotterkern auffallend dem Keimbläschen ähnlich. Häufiger 
hat der Dotterkern keine Hülle und liegt in dem Eiplasma nicht 
vom Kernsaft umgeben. Die von mir beschriebenen Dotterkörperchen 
stehen denen sehr nahe, welche Wırt auf Taf. XXII, Fig. 25 von 
Nepa cinerea abgebildet hat. Das auf dieser Figur abgebildete Ei 
nennt WırL ein Ei mit zwei Keimbläschen. Ich halte den einen 
dieser Kerne für das Keimbläschen und den anderen für den Dotter- 
kern. 

Nach meinen Beobachtungen ist also der in einigen Eiern von 
Culex sich befindende Dotterkern nichts Anderes als ein Theil des 
Keimbläschens dieser Eier. Eine solche Theilung des Keimbläschens 
geschieht nicht nur bei der Bildung der Richtungskörperchen, son- 
dern auch in den jüngsten Entwicklungsstadien des Eies. Vom 
theoretischen Standpunkte aus erscheint die beschriebene Theilung 
des Eikeimbläschens ganz möglich. Obgleich die Eizelle eine spe- 
cialisirte Zelle ist, hat sie doch die den Zellen eigenthümlichen Pro- 
cesse beibehalten, folglich auch den Process der Theilung. Es ist 
wahr, dass man in Folge der speciellen Funktion der Eizelle den 
Process ihrer Theilung nicht bei vielen Thieren beobachtet und er 
sich zuweilen nur anf das Keimbläschen beschränkt, dieser Unter- 
schied ist aber von keiner großen Bedeutung. So hat Hans RaBL 
in der allerletzten Zeit die Theilung des Keimbläschens in den Frauen- 
eiern beobachtet. Früher hat Preusse den Theilungsprocess der 
Zellen im Ovarium von Nepa cinerea gesehen. 

Interessant ist es, dass die oben angeführten Angaben aus der 
Litteratur über die Bildung des Dotterkernes eher dafür sprechen, 
dass die Autoren es in ihren Fällen mit einem Theile des Eies zu 
thun hatten und nicht mit dem ÜCentrosoma, so nach den Beschrei- 
bungen des Dotterkernes von MITROPHANOW, BALBIANI und VAN DER 
STRICHT. In diesen Beschreibungen sind gar keine Merkmale ver- 
zeichnet, welche das Centrosoma charakterisiren: die Anwesenheit 
eines Kernes und Nucleolus im Dotterkerne oder der Bau des Dotter- 
kernes in Form eines Bläschens mit Körnchen unterscheidet den 
Dotterkern von dem Centrosoma. 

Was das weitere Schicksal des Dotterkernes anbetrifft, so sind 
darin die meisten Beobachter einig, dass mit der Entwicklung des 
Kies der Dotterkern verschwindet und dass seine direkte Betheili- 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 593 


sung im Furchungsprocess sich nicht bestätigt hat, sogar solche 
Autoren, die den Dotterkern für ein Centrosoma halten. 

Ich will keineswegs die Anwesenheit eines Oentrosoma im Ei 
bestreiten, ganz sicher existirt es in Eiern einiger Thiere, und sicher 
spielt es eine Rolle bei der Furchung des Eies. Die Beobachtungen 
A. GurwırscH’s an den Eiern der Meerschweinchen geben den besten 
Beweis dafür. Man muss nur nicht vergessen, dass das Centrosoma 
nach der Befruchtung des Eies, vielleicht auch bei dessen Reifung 
erscheint, aber nicht in den jungen Entwicklungsstadien des Eies, in 
welchen wir den Dotterkern antreffen. In den meisten Fällen fehlt 
das Centrosoma in dem Ruhezustand des Zellmechanismus und er- 
scheint nur während der Befruchtung bei der molekularen Bewegung, 
welche bei der Vermischung des Plasma des Eies und des Sperma- 
tozoides eintritt. Es scheint mir das Richtigste zu sein, das Centro- 
soma für den Knotenpunkt zu halten, welcher aus mechanischen 
Ursachen an den Kreuzungsstellen der inneren Ströme der Bewegung 
des Protoplasma erscheint. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es 
zweifelhaft, ob man überhaupt von einer speciellen Struktur des 
Öentrosoma sprechen kann, besonders von einer so komplieirten, wie 
sie für die Dotterkerne beschrieben wurde. 

Nach der Beschreibung von GILES haben die Ovarien der Mücken 
kurze Oviducte, die sich in einen gemeinsamen Gang vereinigen; 
dieser Gang verläuft gerade ohne Abweichung von der Mittellinie 
und öffnet sich zwischen den Lamellen des Eierstockes. Unweit des 
hinteren Endes des gemeinsamen Ganges münden in ihn die Gänge 
dreier kleiner Drüsen. Die Drüsenorgane bestehen aus einem Drüsen- 
körper von sphärischer Form und kurzen Gängen. Die Drüse ist 
von einer opalweißen Flüssigkeit angefüllt, die bei durchfallendem 
Lichte dunkel erscheint. Nach der Meinung ARRIBALZAGA’s! dienen 
diese Drüsen als Spermatotheca und als Hilfsdrüsen, um die Eier, 
die in Haufen abgelegt werden, zusammenzukleben. 

Bei den von mir untersuchten Arten von Oulex weicht mehr 
oder weniger scharf der Bau der Geschlechtsorgane und der Hilfs- 
drüsen der Geschlechtsorgane von der Beschreibung von GILEs ab. 
GILEs giebt an, dass die Oviducte kurz sind und sich in einem ge- 
meinsamen Kanal vereinigen. An der Stelle, wo sich die Oviduete 
vereinigen, ist der Kanal erweitert und weiterhin verengert er sich 
wieder. Diese Erweiterung ist besonders zur Zeit des Eierlegens 


! Cit. nach GiILES. 


594 N. Kulagin, 


sichtbar (Fig. 2 ovd, ovd). Der gemeinsame Gang geht nicht gerade 
nach hinten, sondern biegt sich nach unten um, geht längs dem 
Abdomen in der Nähe des Hypoderms; in dem vorletzten Segmente 
steigt er bogenförmig zur Rückenfläche und öffnet sich schlängelnd nach 
außen unter der Analöffnung in dem vorletzten Segment des Abdo- 
mens (Fig. 9 ovd). Unweit der Geschlechtsöffnung münden in den 
Geschlechtsgang, oder richtiger gesagt, in die Vagina, nicht drei, 
sondern vier Organe, von denen drei (Fig. 2 rs) eine kugelige Form 
haben und das vierte mehr keulenförmig ist (Fig. 2 gd). Die Gänge 
der kugeligen Organe öffnen sich in die Vagina ein wenig weiter von 
der Geschlechtsöffnung als der Gang der keulenförmigen Drüse. Da- 
bei verschmelzen zuerst zwei von den drei Gängen der kugeligen 
Organe und die zwei übrigen Gänge münden mit einer gemeinsamen 
Öffnung (Fig. 10 ors). 

Was den Bau der Ausführungsgänge anbetrifft, so bestehen sie 
aus einer äußeren feinen Membran, in der Kerne und Muskelfasern 
der Membrana propria eingebettet sind und die eine direkte Fort- 
setzung der die Eiröhrchen umkleidenden Hülle vorstellt (Fig. 2 p). 
Unter dieser äußeren Hülle liegt das einschichtige Epithel. Die 
Zellen des Epithels, welche die paarigen Gänge und auch eine be- 
deutende Strecke des unpaarigen Ganges im Inneren auskleiden, 
sind abgeplattet und haben keine deutlichen Grenzen. An der Ober- 
fläche, die dem Lumen des Ganges zugewandt ist, haben die Zellen 
eine feine Cuticularschicht. | 

Die Zellen, welche die Spitze des unpaarigen Ganges (die Va- 
sina) auskleiden, sind von kubischer Form, reich an Protoplasma 
und scharf begrenzt (Fig. 9 vgz). Im vorderen Theile der Vagina 
sind die Zellen größer als im hinteren und vertheilen sich in meh- 
rere Schichten (Fig. 9 vgz). Eine dicke Schicht gelbbraunen Chitins 
kleidet (Fig. 9 ch) die Vagina im Inneren aus. 

Die drei kugeligen, in die Vagina mündenden Organe sind alle 
von gleichem Bau. Die kugelige Erweiterung besteht aus einer 
Zellenschicht. Die Zellen dieser Schicht sind auf den in physio- 
logische Kochsalzlösung gelegten Präparaten deutlich sichtbar, von 
cylindrischer Form. Auf den konservirten Präparaten erscheinen sie 
viel kleiner und platt. Im Inneren sind alle Organe von dickem 
braunem Chitin ausgekleidet (Fig. 10 c/). Die ‚Untersuchung des In- 
halts dieser Organe zeigt, dass sie von Spermatozoiden angefüllt 
sind (Fig. 10 sp) und dass es folglich keine Drüsenorgane sind, wie 
GILES angiebt, sondern richtige Receptacula seminis. Die Gänge des 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 595 Ä 


'Receptaculum seminis (Fig. 10 drs) sind im Inneren mit spiral-ge- 
schlängeltem Chitin ausgekleidet und von außen mit denselben Zellen 
wie der Schlauch selbst. Was die keulenförmige Drüse anbetrifft, so 
besteht sie aus großen eylindrischen Zellen, deren Kerne näher dem 
Lumen der Drüse als deren Oberfläche liegen (Fig. 10 gdz). An der 
der Drüsenhöhle zugewandten Seite haben die Zellen eine Cuticular- 
bekleidung und an der äußeren Fläche der Zellen befindet sich eine 
sehr feine Membrana propria. Der Drüsengang hat von außen 
eine ziemlich dieke Schicht von Zellen, an denen man keine deut- 
lichen Zellgrenzen sieht. Die Kerne dieser Zellen sowohl wie die 
‚Kerne der Zellen, aus denen die Drüse selbst besteht, liegen näher 
dem Lumen des Ganges als der Oberfläche. Im Inneren ist der 
Gang mit einer feinen Chitinschicht bekleidet (Fig. 10 da). 

| Die beschriebene keulenförmige Drüse scheidet wahrscheinlich 
‚das Sekret aus, womit die abgelegten Eier sich zusammenkleben. 
Auf einigen Präparaten fand ich im Inneren dieses Drüsenganges 
eine homogene, sich nicht färbende schleimige Masse. 


Moskau, im Januar 1901. 


Litteraturverzeichnis, 


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Wırson, The cell in development and inheritance. New York 18%. 


Erklärung der Abbildungen, 


Allgemeine Bezeichnungen: 


ch, ch, ch, Chitin; g9d, Anhangsgeschlechtsdrüse ; 
cy, eyanophiler Kernstoff; 90, Geschlechtsöffnung; 
d, Dotter; kz, Kerne der embryonalen Eizellen; 
dk, Dotterkern; nk, Kerne der Nährzellen ; 
dz, Ausführungsgang der Anhangsge- nz, Nährzellen; 
schlechtsdrüse; odr, Öffnung der Anhangsgeschlechts- 
drs, Ausführungsgang, Receptaculum drüse; 
seminis; ok, Kern der Eizelle; 
ek, Endkammer des Eierstockes; ons, Öffnung, Receptaculum seminis; 


fz, Follikelepithel; ov, Eizelle; 


Der Bau der weibl. Geschlechtsorgane bei Culex und Anopheles. 597 


ovd, ovd,, Oviduct; vg, Vagina; 
pP, p„ Peritoneum; vgz, vgz,, Zellen, welche die Vagina 
sp, Spermatozoon; auskleiden. 


rs, Receptaculum seminis; 


Tafel XLIV. 


Fig. 1. Präparat des Eierstockes in toto. 

Fig. 2. Präparat des Endtheiles der weiblichen Geschlechtsorgane. 

Fig. 3. Ein Längsschnitt durch eine Kammer des Eierstockes in einem 
Jungen Differenzirungsstadium der Geschlechtselemente. 

Fig. 4 u. 5. Ein Längsschnitt durch dasselbe Organ in älteren Entwick- 
lungsstadien der Geschlechtselemente. 

Fig. 6. Ein Längsschnitt durch das Ei in dem Moment, wo die Nährzellen 
in das Ei eindringen. (Das Bild stellt einen Theil des Eies dar.) 

Fig. 7 u. 8. Ein Längsschnitt durch das Ei, in dessen Innerem ein Dotter- 
kern ist. Fig. 7 stellt einen Theil des Eies dar. 

Fig. 9. Ein Längsschnitt durch das Abdomen an der Stelle, wo die weib- 
lichen Geschlechtsorgane sich nach außen öffnen. 

Fig. 10. Ein Längsschnitt durch den äußeren Gang der weiblichen Ge- 
schlechtsorgane; die Öffnung des Receptaculum seminis und der Geschlechts- 
drüse sind sichtbar. 


Die Fig. 2, 3, 4, 5, 7 und 8 sind mit dem Apparat Zeıss gezeichnet, mit 
Vergrößerung Mikroskop REICHERT 2,8 und die Fig. 6, 9 und 10 Mikroskop 
HARTNAcK 3,8. 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 
Von | 
Adolf Reiffen. 


(Aus dem zoologischen und vergleichend-anatomischen Institut zu Bonn.) 


Mit Tafel XLV. 


Artnuur Denpy (1) beschreibt in seinen »Observations on the 
Holothurians of New Zealand« vier neue Arten: 1) Oucumaria hut- 
toni, 2) Colochirus ocnoides, 3) Colochirus calcarea, 4) Psolus mac- 
quariensis. Zwei davon hat Lupwig (9) in seiner Bearbeitung der 
antarktischen Holothurien der Hamburger Magalhaensischen Sammel- 
reise auf Grund eigener Nachuntersuchungen näher besprochen mit 
dem Ergebnis, dass erstens die systematische Stellung der Oucumaria 
huttoni eine höchst zweifelhafte ist und weiterer Aufklärung bedarf, 
und dass zweitens Psolus macqguariensis keineswegs in die Gattung 
Psolus gehört, sondern eine neue Gattung repräsentirt, der er den 
Namen Pseudopsolus beilegt. Von der dritten der vier Denpy’schen 
Novae species, Colochirus calcarea, hat Lupwıc (10) kurz darauf in 
seiner Abhandlung über die von PLare an der chilenischen und pa- 
tagonischen Küste und an Juan Fernandez gesammelten Holothurien 
gezeigt, dass sie mit HuTTon’s T’hyone brevidentis (= Colochirus brevr- 
dentis Dendy) identisch ist. 

Auf die vierte Art, Colochirus ocnoides Dendy, konnte LUDWIG 
in der ersten eben angeführten Schrift aus Mangel an Material nicht 
näher eingehen; er bezweifelte aber, wie wir sehen werden, mit Recht 
ihre Zugehörigkeit zu Colochirus und stellte sie einstweilen zu Cueu- 
maria. Später gelangte er durch Herrn Henry Suter in Christ- 
church (Neuseeland) in den Besitz von zwölf Exemplaren dieser selt- 
samen Art, von der ihr erster Beschreiber DEnpy nur vier Exemplare 
zur Verfügung hatte. Sie stammen von dem gleichen Fundorte wie 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 599 


die Dexpy’schen, nämlich von der Küste von New Brighton, Ostseite 
der Südinsel von Neuseeland. Herr Geheimrath Prof. Dr. Lupwie 
war so freundlich, mir diese seltenen Stücke zu einer eingehenden 
Untersuchung anzuvertrauen. | 


1. Äußere Beschreibung. 


Die zwölf mir zur Verfügung stehenden Exemplare haben eine 
Länge von 60—120 mm, sind im Mittelleib am dicksten, bis 10 mm, 
und nach beiden Enden zu verjüngt. Das von Denpy untersuchte 
Exemplar war ca. 53 mm lang. Von zwei anderen giebt er an, dass 
das eine etwas weniger, das andere etwas mehr als doppelt so lang 
als das erste war. Das Vorderende ist bei eingestülptem Vordertheil 
(SEMPER’scher Rüssel) abgestutzt, das Hinterende stärker verjüngt und 
rundlich zugespitzt. Es lassen sich deutlich drei Körperabschnitte 
von einander unterscheiden: Vorder-, Mittel- und Hinterleib. Bei allen 
Exemplaren sind Vorder- und Hinterleib, wenn auch in verschieden 
starkem Maße, aufwärts gebogen, so dass die Konvexität der da- 
durch bedingten Körperkrümmung dem mittleren ventralen Radius 
entspricht. Mund- und Kloakenöffnung liegen endständig. Nach 
Denpy sind beide von einigen »irregular nodules« umstellt. Bei 
näherer Betrachtung erweisen sich die in der Gegend der Mundöff- 
nung gelegenen Gebilde als dreieckige Kalkplatten, die wegen ihrer 
radialen Stellung als Pseudooralklappen (vergl. Lupwıc [8] p. 140) 
zu bezeichnen sind, die aber nicht die Mundöffnung selbst umgeben, 
sondern unmittelbar hinter dem Rüsselabschnitt der Körperhaut an- 
geheftet sind und nach Einstülpung des Rüssels die dadurch ent- 
standene Öffnung in Gestalt einer fünfstrahligen Rosette überdachen. 
Die in der Umgebung der Kloakenöffnung sich befindlichen »nodules« 
sind in Wirkliehkeit Ambulacralpapillen, die an ihrer Basis von Kalk- 
schuppen, die wir als Papillarschuppen bezeichnen wollen, um- 
stellt sind. Die Mundhaut ist von dem aus zehn Tentakeln bestehen- 
den Tentakelkranze umgeben. Sie erhebt sich in ihrer Mitte zu einem 
kleinen Hügel, der eine Einsenkung, die Mundöffnung, aufweist. Die 
Tentakel sind baumförmig verzweigt, die beiden ventralen wesentlich 
kleiner als die übrigen acht. Zwischen den beiden dorsalen Ten- 
takeln liegt die Geschlechtsöffnung auf einer winzigen Genitalpapille. 
Die Tentakel füllen in eingezogenem Zustand den ganzen Tentakel- 
vorhof aus. Fühlerstämme und Mundhaut sind dunkel pigmentirt. 
Die Haut ist dick, beschuppt und in Folge reichlicher kalkiger Ein- 
lagerungen äußerst derb und starr. Im Vorder- und Hinterleib sind 


600 Adolf Reiffen, 


f 


die Schuppen dachziegelförmig über einander gelagert und mit ihren 
freien Enden nach dem Mund bezw. After hin gerichtet; im Mittelleib 
ist die Anordnung der Schuppen weniger regelmäßig. Im Rüssel- 
abschnitt ist die Haut viel dünner und entbehrt fast ganz der kal- 
kigen Einlagerungen. Nach Denpy sind vollständig ausgebildete 
Füßchen auf die Ventralseite des mittleren Körperdrittels beschränkt 
und hier in drei »crowded ambulacral bands« angeordnet. Auf der 
Dorsalseite finden sich nach ihm Papillen, »irregularly scattered over 
the dorsal surface, but chiefly on the ambulacral areas«. In Wirk- 
lichkeit sind die Füßchen auf den Mittelleib beschränkt, aber nicht 
nur auf dessen Ventralseite, sondern auch die von Dexpy für 
Papillen gehaltenen Ambulacralanhänge der Dorsalseite er- 
weisen sich als vollständig ausgebildete, mit Saugscheibe 
und Ampulle versehene Füßchen. Die Füßchen sind nur auf 
die Radien vertheilt, und zwar im mittleren ventralen Radius in einer 
deutlich erkennbaren zweizeiligen Längsreihe; im linken und rechten 
ventralen Radius ist diese Zweizeiligkeit weniger deutlich, im linken und 
rechten dorsalen Radius wegen der geringen Zahl und der unregelmäßi- 
sen Anordnung der Füßchen überhaupt nicht zu erkennen. Die Zahl der 
Füßchen beträgt im mittleren ventralen Radius SO—100, im linken 
und rechten ventralen Radius je 100—120, im linken und rechten 
dorsalen Radius nur je 15—20. Alle Füßchen, ventrale wie dorsale 
sind mit Saugscheiben versehen, die einen Durchmesser von ca. 
0,13 mm haben. Im Vorder- und Hinterleib fehlen die Ambulaecral- 
füßchen vollständig, nur in der Umgebung der Mund- und Kloaken- 
öffnung stoßen wir auf Überreste von Füßchen, die wir bei Betrach- 
tung des Wassergefäßsystems eingehender behandeln werden. Die 
Farbe des lebenden Thieres ist an dem konservirten Material natür- 
lich nicht zu erkennen, jedenfalls scheint der Mittelleib stärker ge- 
färbt gewesen zu sein als die übrigen Körpertheile, besonders stark 
die Füßchen, so dass diese sich trotz ihrer verhältnismäßig geringen 
Größe deutlich abheben. Der Mittelleib des konservirten Thieres ist 
röthlichbraun, Vorder- und Hinterleib weißgrau. Fig. 1 stellt eine 
solche Holothurie mit eingezogenem Rüssel dar. 

Eins von den Denpy’schen Exemplaren zeigte die Eigenthüm- 
lichkeit, dass statt der beiden ventralen Tentakel die beiden dorsalen 
sich durch eine geringere Größe von den übrigen unterschieden, 
während die beiden ventralen vollständig ausgebildet waren. Aus 
der weiteren Beschreibung geht hervor, dass das Exemplar ver- 
letzt war, worauf vielleicht, wie auch Dexpy vermuthet, die Degene- 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 601 


ration der beiden dorsalen Fühler zurückzuführen ist. Jedenfalls ist 
diesen von der allgemeinen Regel abweichenden Verhältnissen kein 
größerer Werth beizulegen. 


2. Anatomie. 


Bevor ich mich der Anatomie zuwende, muss ich erwähnen, dass 
ich auf die histologischen Verhältnisse wegen der dafür ungeeigneten 
Konservirung des Materials leider nicht näher eingehen konnte. 

Die Haut, deren Kalkreichthum und dadurch bedingte Starrheit 
schon oben erwähnt wurden, besteht aus einer feinen Outicula, einem 
einschichtigen Epithel und einer die Kalkkörperchen enthaltenden 
Lederhaut. Nach innen von der Lederhaut liegt eine vielfach als 
Ringmuskulatur bezeichnete Schicht, wofür wir aber besser die Be- 
zeichnung Quermuskulatur anwenden, da diese Muskelschicht in den 
fünf Radien unterbrochen ist und in Folge dessen keinen geschlosse- 
nen Ring bildet. 

Die in der Lederhaut gelegenen Kalkgebilde sind von DENDY 
nur kurz behandelt; auch sind einige zum Theil jedoch wenig in- 
struktive Zeichnungen von den verschiedenen Formen beigegeben, 
vgl. Denpy (1) Taf. IV, Fig. 35—42. Die Kalkkörper sind in den 
verschiedenen Körperregionen sehr verschieden gestaltet. Die größten 
messen ca. 1 mm im Durchmesser und bestehen aus zwei oder mehreren 
über einander gelagerten und durch Trabekeln mit einander verbun- 
denen, netzförmigen Platten. Fig. 2 stellt ein Stück eines solchen 
aus nur zwei über einander .gelagerten netzförmigen Platten be- 
stehenden Kalkkörpers dar. Diese Kalkgebilde finden sich fast in 
der ganzen Haut verbreitet; sie fehlen aur deu Fi’ iern, Ambulaeral- 
füßchen und der Haut des Rüssels. Dexpy (I) beschreibt diese 
Kalkkörper folgendermaßen: »The prineipal spicules are large and 
small, flat, reticulate, plates or scales, measuring up to about 1 mm 
in diameter, and varying from oval to roundedly triangular in outline.« 
Dass sie aus mehreren über einander gelagerten netzförmigen Platten 
bestehen, scheint er übersehen zu haben. Er fährt fort: »In addition 
to these, there are small reticulate cups ...... with the marginal 
projeetions represented merely by blunt warts. These cups measure 
about 0,054 mm in diameter. Perforated rods oceur.« Bevor wir auf 
die reticulate cups und perforated rods Denpy’s eingehen, wollen 
wir die Haut des Rüssels auf die Anwesenheit von Kalkkörpern 
untersuchen. Sie zeigt in dieser Beziehung ein sehr eigenthümliches 


Verhalten. Dass die Haut hier wesentlich dünner ist als in den 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 40 


602 Adolf Reiffen, 


übrigen Körperregionen, wurde schon oben erwähnt. Während in 
der ganzen übrigen Körperhaut die Kalkgebilde dicht gedrängt liegen, 
finden wir diesen Hauttheil im Allgemeinen frei von kalkigen Ein- 
lagerungen, nur an vereinzelten Stellen kommen wenige Übergangs- 
formen zu den noch zu besprechenden Fühlerstützstäbchen darstellende 
Kalkkörperchen vor, die mit ihrer Längsachse quer zur Längsachse 
des Thieres gerichtet sind. Die Rückbildung der Kalkgebilde in 
diesem Hauttheil — denn es ist keinem Zweifel unterworfen, dass 
auch an dieser Stelle die Kalkkörper einst reichlicher vertreten 
waren, — ist darauf zurückzuführen, dass diese hier nicht allein als 
Schutzvorrichtungen, als was wir lediglich die Anwesenheit von Kalk 
in der Haut zu betrachten haben, überflüssig geworden sind, sondern 
dass sie beim Ein- und Ausstülpen des SemPpEr’schen Rüssels so- 
gar hinderlich sein, vielleicht sogar die Ein- und Ausstülpung ge- 
radezu unmöglich machen würden. Die Einstülpung des Rüssels, 
wodurch dieser unter den äußerst widerstandsfähigen Theil der 
Körperwand zu liegen kommt und von der Außenwelt abgeschlossen 
wird, vermag dem Thiere größere Sicherheit gegen äußere Feinde 
zu geben als eine auch an der Einstülpungsstelle stark kalkhaltige 
Haut. 

Außer den genannten Kalkgebilden kommt noch eine wesentlich 
abweichende Form vor (Figg. 3—”7), besonders zahlreich in der Haut 
des Mittelleibes, nur ganz vereinzelt in der des Vorder- und Hinter- 
leibes. Diese Kalkkörperchen sind viel kleiner, 0,05— 0,055 mm im 
Durchmesser, näpfehenförmig und variiren ziemlich stark unter ein- 
ander. Sie bestehen aus einem X-förmigen, zuweilen nur dreistrahligen 
Gebilde, das sich konvex gebogen hat, und dessen freie Enden 
durch einen Kranz verbunden sind. Sehr häufig ist der Kranz, be- 
sonders an der Außenseite, mit mehr oder weniger zahlreichen Dornen 
und Warzen versehen. Einige Formen sind komplicirt durch eine 
in der Ebene des Kranzes gelegene, stäbchen- oder kreuzförmige 
Überbrückung des Näpfchenhohlraumes (Figg. 6 und 7). Diese Näpf- 
chen sind die »reticulate cups« Denpr’s. Sie liegen stets außerhalb 
der vorhin erwähnten Kalkkörper; das X-förmige oder dreistrahlige 
Gebilde ist nach innen, der Kranz nach außen gerichtet. Die im 
Vorder- und Hinterleib gelegenen Näpfchen sind dünner und weniger 
bedornt. Man kann sich dies vielleicht daraus erklären, dass Vorder- 
und Hinterleib aus dem Schlamm hervorragen, also größerer Reibung 
ausgesetzt sind als der im Schlamm verborgene Mittelleib. Die Folge 
von dieser Reibung ist die Verminderung der in der alleräußersten 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 603 


Hautschieht liegenden Näpfehen und da, wo sie noch vorhanden sind, 
das Fehlen der nach außen gerichteten Dornen. 

Die von Denpy als »perforated rods« bezeichneten Kalkkörper 
sind auf die Füßchen und Fühler beschränkt (vgl. Denpy [1] Taf. IV, 
Figg. 36—40). In den Füßchen finden wir langgestreckte, mehr oder 
weniger durchbohrte Platten und Stäbe, die sich der Rundung der 
Füßchenwand angepasst haben und mit ihrer konvexen Seite nach 
außen gerichtet sind. Mit ihren Längsachsen liegen diese als Stütz- 
stäbehen bezeichneten Gebilde quer zur Längsachse der Füßchen. 
Sie sind durchschnittlich 0,2 mm lang, in der Mitte breiter als an 
den Enden. An ihrer konvexen Seite sind sie oft mit dornigen oder 
zackigen Auswüchsen versehen. Wegen der großen Zahl der vor- 
handenen Stützstäbchen ist die Kontraktilität der Füßchen nur eine 
beschränkte. In Rücken- und Bauchfüßchen kommen einander ganz 
ähnliche Stützstäbehen vor, doch kann man wohl sagen, dass die der 
Rückenfüßchen durchweg kleiner und zierlicher als die der Bauch- 
füßchen sind. Kalkige Endscheiben sind in den Füßchen nicht zur 
Ausbildung gelangt. Die Kalkkörper der Fühler weisen ähnliche 
Formen wie die der Füßchen auf. Im Basaltheile der Fühler sind 
die Stützstäbchen wesentlich größer und stärker als in den Endver- 
zweigungen (Fig. 9. Im Fühlerstamm haben sie eine Länge von 
ca. 0,36 mm und werden nach der Spitze zu immer kleiner, bis ca. 
0,047 mm. Nicht selten hat sich an der konvexen Seite der Fühler- 
stützstäbchen ein Fortsatz gebildet, so dass ein dreistrahliges Kalk- 
körperchen entstanden ist (Fig. 8). Außer diesen Stützstäbchen finden 
wir in den Fühlern vereinzelte winzige, äußerst stark gezackte, durch- 
löcherte Plättehen vor, die einen Durchmesser von ca. 0,02 mm haben 
(Fig. 10). Wie die Füßchen sind auch die Fühler mit reichlichen 
kalkigen Einlagerungen versehen und zwar bis in die äußersten 
Endverzweigungen. Die Stützstäbchen werden allseitig nach dem 
Rande zu dünner, die großen Kalkplatten aber nur an der Seite, an 
welcher sie von der nächstfolgenden überragt werden. Durch dieses 
Dünnerwerden der Kalkkörper nach dem Rande zu wird die Kon- 
traktion der Füßchen und der Haut wesentlich erleichtert. 

Die Entwicklung der Kalkkörper ist die bekannte. Ursprünglich 
haben wir ein einfaches Kalkstäbehen, aus dem durch an beiden 
Enden erfolgte Gabelung ein kreuzförmiges Gebilde entsteht, das sog. 
Primärkreuz. Zuweilen wird aus einem solchen Kreuz durch Ver- 
wachsung der Enden ein einfaches, mit drei oder vier Löchern ver- 
sehenes Kalkplättchen gebildet, meist jedoch kommt es durch weitere 

40* 


604 Adolf Reiffen, 


Verzweigung der vier Kreuzenden zur Bildung größerer Platten, die 
mit mehr oder weniger zahlreichen Öffnungen versehen sind. Auf 
der nächsten Entwicklungsstufe sehen wir auf einer solchen Platte 
balkenförmige Erhebungen, die sich parallel zur Basalplatte ver- 
zweigen und durch Verbindung ihrer Äste eine zweite Platte bilden, 
die mit der ersten in Verbindung bleibt. Durch Wiederholung des- 
selben Vorganges entstehen die zuerst erwähnten Kalkkörper. Die 
Stützstäbchen und Näpfchen haben schon auf einer ziemlich frühen 
Entwicklungsstufe ihr Wachsthum vollendet. 

Von der Muskulatur der Haut sind außer den Quermuskeln die 
in den fünf Radien angeordneten Längsmuskeln zu erwähnen, von 
denen sich im vorderen Körperdrittel je ein Retraktor abspaltet. Die 
Längsmuskeln erstrecken sich der ganzen Körperwand entlang, biegen 
im vorderen Körpertheile zum Schlundkopf um und sind hier an den 
Radialien des noch zu besprechenden Kalkringes angeheftet. Die von 
den Längsmuskeln abgespalteten Retraktoren heften sich ebenfalls 
hier an. Die Anheftungsstellen der Längsmuskeln sind mit denen 
der zugehörigen Retraktoren verschmolzen. Die Retraktoren haben 
eine besonders starke Ausbildung erfahren, da sie den Rüssel einzu- 
ziehen, mithin eine ganz ansehnliche Arbeit zu leisten haben. Sie 
sind verhältnismäßig kurz und vereinigen sich noch in der ersten 
Hälfte des ersten Körperdrittels mit den Längsmuskeln. Kurz vor der 
Vereinigung sind die Retraktoren mit den zugehörigen Längsmuskeln 
durch eine Bindegewebsmembran verbunden. Die Retraktoren sind 
ihrer Länge nach ungetheilt, ebenfalls die Längsmuskeln, letztere 
jedoch mit Ausnahme ihres dem Schlundkopf anliegenden Theils. 
Die Längsmuskeln sind vom Schlundkopf bis zur Vereinigungsstelle 
mit den Retraktoren weniger stark entwickelt, nehmen dann aber 
bedeutend an Dieke zu. Die von HkROUARD (4) angegebene und von 
MORTENSEN (11) wenigstens für die Retraktoren bestätigte Anordnung 
der Längsmuskelfasern in von Bindegewebe umhüllte Bündel, die 
auf Querschnitten unregelmäßige Kreise bilden, trifft für diese Den- 
drochirotenart nicht zu. 

Außer der Quer- und Längsmuskulatur der Haut sind die in der 
Umgebung des Mundes und des Afters gelegenen, deren Schließung 
bewirkenden Sphinkter zu erwähnen, die allerdings auf Theile der 
allgemeinen Quermuskulatur zurückzuführen sind. Im hinteren Körper- 
ende nehmen die Längsmuskeln allmählich an Dicke ab, bis sie 
schließlich kurz vor dem After ganz verschwinden. Hinter dieser 
Stelle befindet sich der Analsphinkter. | 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 605 


Über das Nervensystem konnten genauere Studien nicht ange- 
stellt werden. Der Ringnerv liegt in kurzem Abstande von der Mund- 
öffnung. In jeden Radius entsendet er je einen Radialnerven, der 
mit dem radialen Wasser- und Blutgefäß, von letzterem durch den 
noch zu besprechenden Pseudohämalkanal getrennt, den Schlundkopf 
entlang nach vorn verläuft, um sich hier mit den ihn begleitenden 
Kanälen zur Körperwand zu begeben. In jeden Fühler entsendet der 
Ringnerv je einen wohlentwickelten, abgeflachten Fühlernerven. An- 
dere vom Ringnerven entspringende Nerven sind nicht deutlich zu 
sehen, deutlicher wieder die Abzweigungen der Radialnerven in die 
Füßchen, in die redueirten Mundpapillen und in die Analpapillen, 
auf die wir bei Betrachtung des Wassergetäßsystems näher zu spre- 
chen kommen. Die Radialnerven sind in zwei durch eine Binde- 
gewebsplatte von einander getrennte Schichten getheilt, in eine dünne 
innere und eine dickere äußere Schicht, das innere und äußere Nerven- 
band. Zwischen Nerv und Blutgefäß befindet sich ein ziemlich weit- 
lumiger Pseudohämalkanal, an der anderen der Lederhaut zugekehrten 
Seite des Nerven ein Epineuralkanal. 

Der den Schlundkopf umgebende Kalkring (Fig. 24) ist von 
Denpy (1) nicht gut wiedergegeben worden. Er besteht aus zehn 
Gliedern, fünf Radialien und fünf Interradialien. Die Radialia sind 
von Denpr (1, Taf. IV, Fig. 34) als aus zwei Stücken bestehend, 
gezeichnet worden, doch scheint ihm dies selbst zweifelhaft, denn er 
fügt hinzu: »but this is probably due to accidental fracture, caused 
by the excessive contraction of the muscles<. Sowohl Radialia 
als auch Interradialia bestehen thatsächlich aus nur je 
einem Stück, sie sind Y-förmig und mit der Gabel nach hinten ge- 
richtet. Denpy hat übersehen, dass die Radialia vorn zweispitzig 
sind, allerdings sind die Spitzen sehr kurz, doch ist immerhin die 
sie trennende Einkerbung deutlich zu erkennen. In dieser Einker- 
bung liegt der Radialkanal des Wassergefäßsystems. Die Radialia 
sind schmal, dünn, in Folge dessen leicht zerbrechlich und ca. 2'!/, mm 
lang, die Interradialia kurz, diek und ca. 1'/, mm lang; die Radialia 
reichen vorn und hinten über die Interradialia hinaus, hinten jedoch 
in viel stärkerem Maße als vorn. Formunterschiede der dorsalen 
und ventralen Kalkringglieder sind nicht wahrzunehmen. Längsmus- 
keln und Retraktoren sind an der Außenseite der vorderen Radial- 
theile angeheftet. An diesen Anheftungsstellen sind an den Radialien 
Vertiefungen zu bemerken. 

Die Anordnung des Wassergefäßsystems ist die gewöhnliche. Vom 


606 Adolf Reiffen, 


Ringkanal, der den Ösophagus hinter dem Kalkring in geringem Ab- 
stande von diesem umgiebt, entspringen fünf Hauptkanäle mit weitem 
Lumen, die sich der Innenseite der Radialia anlegen, eine Pour’sche 
Blase und ein Steinkanal. Innerhalb des Kalkringes verzweigen sich 
die Hauptkanäle in je drei Äste, von denen der mittlere und eng- 
lumigste das Radialgefäß darstellt, während die beiden anderen je 
einen Fühler versorgen. Die Fühlerkanäle erweitern sich bald und 
sind an dieser Stelle mit einem Ventilapparat, sog. Semilunarklappen, 
versehen. Der erweiterte Theil des Fühlerkanals weist eine nach 
hinten gerichtete Aussackung, eine Ampulle, auf, die zwischen 
den Kalkringgliedern eingebettet ist. Fig. 25 stellt die Verzweigung 
der Hauptkanäle und die soeben geschilderte Gestalt der Fühler- 
kanäle schematisch dar. Der erweiterte Theil des Fühlerkanals mit 
seinem Blindsack ist demnach mit einem unten geschlossenen Rohr 
zu vergleichen, in welches seitlich der schmale Anfangstheil des 
Fühlerkanals mündet. Die Mündungsstelle, an der zwei Semilunar- 
klappen zur Regulirung des Wasserstroms angebracht sind, bezeichnet 
das obere Ende der Fühlerampullen, die bei allen Dendrochiroten 
schwach ausgebildet sind, wenigstens nicht frei in die Leibeshöhle 
hineinragen. Ob die Ursprungsstellen der Fühlerkanäle aus dem 
Hauptkanal einander gegenüber liegen, oder ob der eine Fühlerkanal 
weiter hinten aus dem Hauptkanal entspringt als der andere, entzog 
sich meiner Beobachtung, doch ist zu vermuthen, dass die Fühler- 
kanäle alternirend aus dem Hauptwassergefäß entspringen, wie die 
Füßchenkanäle aus dem Radialgefäß. Die Radialgefäße begleiten 
den Schlundkopf, begeben sich vorn zur Körperhaut und erstrecken 
sich in geradem Verlaufe der Haut entlang bis in die Aftergegend. 
Im mittleren Körpertheil entsenden die Radialkanäle in jedes Füß- 
chen je einen blindgeschlossenen Füßchenkanal, der zunächst parallel 
mit der Quermuskulatur des Körpers verläuft und sich dann zum 
Füßchen hin umbiegt. An der Umbiegungsstelle liegt die frei in die 
Leibeshöhle hineinragende Ampulle, an deren Basis ich vergeblich 
nach Semilunarklappen gesucht habe. Im Vorder- und Hinterleib, 
wo die Füßchen fehlen, fehlen auch die Abzweigungen der Radial- 
kanäle. 

An der hinteren Grenze des Rüssels finden wir an der Körper- 
wand fünf nach vorn gerichtete kalkige Vorsprünge der Haut, die 
man, wie wir oben gesehen haben, als Pseudooralklappen zu be- 
zeichnen hat. Diese legen sich, wie schon erwähnt, bei eingestülptem 
Rüssel in Gestalt einer fünfstrahligen Rosette über die entstandene 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 607 


Öffnung und verhindern so das Eindringen in dieselbe. Diese Pseudo- 
oralklappen hat man keineswegs als bloße Kalkgebilde aufzufassen, 
sondern bei näherer Betrachtung in einer Schnittserie bemerkt man, 
dass eine jede solche Klappe von mehreren von je einem 
Nervenstrang begleiteten Kanälchen durchzogen ist, in 
denen man Anhänge des Wassergefäßsystems erkennt. Ver- 
folgt man diese Kanälchen, so findet man, dass sie einerseits mit 
je einem radialen Wassergefäß in Verbindung stehen, und zwar 
an dessen Umbiegungsstelle vom Schlundkopf zur Körperwand, dass 
sie andererseits am vorderen Ende der Pseudooralklappe blind ver- 
laufen und hier von einer Ausbreitung des begleitenden Nerven, 
wahrscheinlich einem Sinnespolster, überdeckt sind, dass also die 
Pseudooralklappen auch als Tastorgane zu betrachten sind. An ihrer 
Ursprungsstelle sind die in die Pseudooralklappen hinein sich er- 
streckenden Wassergefäßkanälchen mit winzigen Ampullen versehen. 
Die Anzahl dieser Kanälchen in den einzelnen Klappen ist ver- 
schieden; in zwei von den fünf Klappen des in einer Schnittserie 
untersuchten Exemplars sind je vier, in den drei anderen nur je drei 
Kanälchen ausgebildet. 

Aus dem soeben Geschilderten erhellt, dass wir es in den 
Pseudooralklappen mit aus Kalkkörperchen und rückge- 
bildeten Ambulacralfüßchen zusammengesetzten Gebilden 
zu thun haben, die erstens die nach der Einstülpung des Rüssels 
entstandene Öffnung zu überdachen und zu schützen haben, die aber 
zweitens auch als Tastorgane fungiren. 

Betrachten wir eine Hinterendschnittserie, so stoßen wir auch, 
und zwar in unmittelbarer Umgebung der Kloakenöffnung auf An- 
hänge des Wassergefäßsystems, doch sind diese nicht so weit rück- 
gebildet wie die in der Umgebung des Mundes. Sie stellen ganz 
unverkennbare Ambulacralpapillen dar, die in ihrer Wandung Kalk- 
körperchen enthalten. Im Allgemeinen finden wir in jedem Radius 
Je eine Analpapille erhalten. Der ziemlich weitlumige Papillenkanal 
entspringt seitlich vom Radialgefäß kurz vor dessen blindem Ende. 
Sobald der Papillenkanal das Radialgefäß verlassen hat, durchbricht 
er die Haut und erstreckt sich in der Kalkkörperschicht derselben 
nach hinten in die über die Haut hinausragende Analpapille Die 
Papille vermag sich zwischen vier ihre Basis umgebende 
Kalkschuppen zurückzuziehen, die wir oben als Papillar- 
schuppen bezeichnet haben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass 
diese Analpapillen auf Ambulacralfüßchen zurückzuführen sind. In 


608 Adolf Reiffen. 


jedem Radius ist nur je eine Papille ausgebildet, oder, sagen wir 
besser, erhalten geblieben, und zwar ist es in einigen Radien die der 
einen, in den anderen die der anderen Seite. Vier Hinterenden, die 
ich in Schnittserien untersuchte, zeigen in Bezug auf die Anwesen- 
heit der Analpapillen das eben angeführte Verhalten, nur bei einem 
Exemplar sind in einem einzigen Radius zwei Papillen ausgebildet. 
Wahrscheinlich ist dies der mittlere ventrale Radius. In den anderen 
Fällen ist auch im mittleren ventralen Radius nur je eine Papille 
erhalten, zuweilen die linke, zuweilen die rechte, in den übrigen 
Radien immer die dem ventralen Radius zugekehrte Papille. 

Denpy (2) fand zwei Arten von Analpapillen in der Umgebung 
der Kloakenöffnung von Oaudina coriacea Hutton. Die einen be- 
schreibt er als »five blunt radially-placed projeetions, which contain 
abundant spicules«, die anderen als »five radially-situated groups of 
anal tentacles, containing branches of the radial nerves and of the 
radial ambulacral vessels, with loosely scattered spicules in their 
walls«. Die ersteren bezeichnet er als »anal teeth«.. Die »anal 
tentacles« sind »doubtless homologous with the tube-feet of typical 
Holothurians, which have undergone a change of function and now 
serve as tactile organs«. Zu der in den letzten Worten ausgespro- 
chenen Vermuthung kommt er durch eine Beschreibung GEROULD’s 
(3, nach welcher Caudina arenata oft im Sand verborgen ist und 
nur das Hinterende daraus hervorstreckt. 

Die von Denpy als »anal teeth« bezeichneten Vorsprünge der 
Haut entsprechen unseren Papillarschuppen. Sie sind wie diese Kalk- 
gebilde, die in keiner Beziehung zum Wassergefäßsystem stehen und 
desshalb auf die Bezeichnung Analpapillen, welche Denpy auch für 
sie angewandt hat, keinen Anspruch haben. Die »anal tentacles« 
entsprechen unseren Analpapillen. Vergleichen wir das Hinterende 
von Caudina coriacea mit dem unserer Art, so finden wir in Bezug 
auf die Anordnung der Analpapillen und Papillarschuppen einen 
wesentlichen Unterschied. Im ersten Falle ist in jedem Radius je 
eine Gruppe von Analpapillen, aber nur eine einzige Papillarschuppe 
ausgebildet, welche sich nach der Kontraktion der Papillen wahr- 
scheinlich über diese hinüberlegt. In dem anderen Falle sind da- 
gegen in jedem Radius im Allgemeinen nur je eine Papille, aber je 
vier Papillarschuppen ausgebildet, zwischen welche sich die Papille 
wie in eine Röhre zurückzuziehen vermag. 

Fassen wir das über die Ambulacralanhänge Gesagte zusammen, 
so kommen wir zu dem Schluss, dass wir es hier mit einer 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 609 


phylogenetisch jüngeren Art zu thun haben. Ursprünglich 
sind die Füßchen auch im Vorder- und Hinterdrittel der Radien vor- 
handen gewesen, und zwar in einer zweizeiligen Reihe. Nachdem 
sich der Vorder- und Hinterleib nach oben gebogen hatten, wurden 
dort die Füßchen überflüssig und verfielen desshalb einer allmäh- 
lichen Reduktion. Eine solche Reduktion ist auch auf dem Rücken 
des Mittelleibes zu beobachten, doch besteht hier die Reduktion nur 
in der Ausbildung einer weit geringeren Anzahl von Füßchen als im 
ventralen Mittelleib. Im Vorder- und Hinterleib haben sich Ambula- 
cralanhänge in Gestalt von Papillen zum Schutze der sich hier be- 
findlichen Öffnungen und als Tastorgane erhalten, doch haben die 
Mundpapillen eine weitere Rückbildung erfahren und sind in die 
durch Verwachsung mehrerer Kalkkörper entstandenen Pseudooral- 
klappen eingeschlossen worden. 

Die Pour’sche Blase ist stets in der Einzahl vorhanden und liegt 
im linken ventralen Interradius. Sie ist ca. 7” mm lang, schlauch- 
förmig, je nach dem Kontraktionszustand mit oder ohne kugelige 
Auftreibung kurz vor ihrer Mündung in den Ringkanal. 

Der Steinkanal verläuft $-förmig vom Ringkanal zum Ausfüh- 
rungsgang der Geschlechtsorgane und ist mit diesem in das dorsale 
Mesenterium eingelagert. An seinem freien Ende trägt er ein ver- 
hältnismäßig großes, krauses Madreporenköpfchen. Die Wandung 
des Steinkanals weist keine kalkigen Bestandtheile auf. Innerhalb 
des Madreporenköpfchens verzweigt sich der Steinkanal in mehrere 
Kanälchen, die die Kommunikation mit der Leibeshöhle herstellen. 

In der Wandung des Wassergefäßsystems, besonders deutlich in 
der der Fühler, kann man folgende Schichten unterscheiden: Ein 
inneres Epithel, eine Bindegewebsschicht und eine ausschließlich aus 
Längsmuskelfasern bestehende Muskelschicht. In der Wand der Füh- 
ler kommt dazu die eine Fortsetzung der Körperhaut darstellende, 
aus Cutis, Epithel und Cuticula bestehende Haut. Zwischen der 
Haut und der Längsmuskelschicht der Fühler befindet sich eine wahr- 
scheinlich eine Fortsetzung der Leibeshöhle darstellende Lakune. In 
dieser Lakune liegt an der der Mundöffnung zugewandten Seite des 
Fühlerkanals der Fühlernerv. Außerhalb der Längsmuskelschicht 
ist, wieder besonders deutlich in den Fühlern, die elastische Mem- 
bran nachzuweisen. Näheres über diese Membran findet man bei 
Tu. MorrENSEN (11). MORTENSEN fand bei Cucumaria glacialis (Ljung- 
mann) das ganze Wassergefäßsystem von einer elastischen Membran 
überkleidet, die überall der Muskelschicht direkt auflag. Da für die 


610 Adolf Reiffen, 


Ophiuriden, Asteriden und Echiniden dasselbe nachgewiesen ist, glaubt 
er es hier mit einem »allen Echinodermen gemeinsamen histologisch- 
anatomischen Charakter« zu thun zu haben. Die elastische Mem- 
bran in den Fühlern kann ich bis in den Ringkanal verfolgen; eben- 
falls deutlich ist sie in der Wand des Steinkanals und der Analpapillen 
zu sehen. 

Der Darm mit seinen Schlingen zeigt die gewöhnliche Anord- 
nung. Zunächst ist er bis zum Mittelleib nach hinten gerichtet, kehrt, 
nachdem er sich hier vielfach gewunden und, mit den Genitalschläuchen 
einen dichten Knäuel bildend, den Mittelleib ausgefüllt hat, zurück 
nach vorn, zuweilen bis in die Gegend des Schlundkopfes. Von hier 
verläuft er fast gestreckt bis zum After. Der Ösophagus ist kurz 
und ragt nur wenig über den Ringkanal hinaus; er erweitert sich in 
den 4 mm langen und 1!,—2 mm breiten Magen. Der auf den 
Magen folgende Darmabschnitt, der Dünndarm, ist der bei Weitem 
längste Theil des Darmtractus. Bereits am Anfang des letzten Körper- 
drittels mündet der Dünndarm in den durch zahlreiche Aufhänge- 
fäden an der Körperwand befestigten Enddarm, von dem die Kiemen- 
bäume ihren Ursprung nehmen, wesshalb man für ihn gewöhnlich 
die Bezeichnung Kloake anwendet. An der Speiseröhre kann man 
zwei Abschnitte unterscheiden, einen vorderen, weiteren, und einen 
hinteren, engeren, vom Wassergefäßring umgebenen, die man als 
Mundhöhle bezw. Speiseröhre im engeren Sinn bezeichnet. Nach 
Dexoy’s Zeichnung (vgl. Dexoy [1], Taf. IV, Fig. 33) scheint der Über- 
sang der Speiseröhre in den Magen ein plötzlicher zu sein. Bei den 
von mir untersuchten Exemplaren ist dies nicht der Fall, auch ist 
keine Spur von einer inneren ringförmigen Querfalte zu sehen. Innen 
ist die Speiseröhre mit verhältnismäßig hohen Längsfalten versehen, 
die nach vorn zu an Höhe abnehmen und sich nach hinten in den 
Magen fortsetzen, auch hier an Höhe abnehmend, dafür aber an 
Breite zunehmend. Innerhalb des Schlundkopfes ist die Speiseröhre 
bezw. die Mundhöhle durch zum Kalkring gehende und den zur Leibes- 
höhle gehörigen Schlundsinus durchziehende Bindegewebsstränge sus- 
pendirt. Die äußere Oberfläche des Ösophagus ist mehr oder weniger 
glatt. Der auf den Ösophagus folgende Magen ist leicht erkennbar. 
Während der übrige Darmtractus nur ea. 1 mm dick ist, erreicht der 
Magen eine Dieke von 1'/,—2 mm. Mikroskopisch ist er wie bei 
den meisten Dendrochiroten an der besonders stark ausgebildeten 
Muskelschicht zu erkennen, wesshalb man auch den von JoH. MÜLLER 
stammenden Ausdruck Muskelmagen anwenden kann. Die an der 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 611 


Innenseite des Magens gelegenen Längsfalten sind schon oben er- 
wähnt. Der auf den Magen folgende und von diesem sich scharf 
absetzende Dünndarm, der bei Weitem längste Theil des Darm- 
tractus, zeichnet sich durch die Dünnheit seiner Wandung aus. Seine 
äußere Oberfläche ist theilweise glatt, theilweise durch quere Ein- 
schnürungen unterbrochen. Innen ist der Dünndarm längsgefaltet. 
Die sich durch das ganze letzte Körperdrittel erstreckende Kloake 
ist ebenfalls in ihrem Inneren mit Längsfalten versehen; am Ende 
des Körpers, kurz vor der Außenöffnung, wird sie englumiger, und 
ihre Wandung tritt in Verbindung mit der Körperhaut durch radiär 
gerichtete, zu Bündeln vereinigte Muskelfasern, die eine Kommuni- 
kation zwischen der Quermuskulatur der Haut und ihrer Muskel- 
schicht herstellen. Die Muskelbündel sind von Epithel überkleidet. 
Denpry (2) hat bei Caudina coriacea ähnliche Verhältnisse gefunden. 
Er sagt: »It will be seen, that the cloaca is attached to the body- 
wall by very numerous radiating bands of muscle. Each consists of 
a hollow eylinder of fibres running lengthwise side by side and 
covered externally by a thin layer of epithelium containing many 
conspieuous darkly-staining nuclei.<c Die Körperhaut ragt etwas über 
die Kloakenöffnung hinaus und bildet hier einen Kloakenvorhof. Die 
Kloakenöffnung liegt in diesem Vorhof auf einer Art Papille. Der 
Sphinkter, der aus der verstärkten Muskelschicht der Wand des Vor- 
hofes besteht, schließt in Wirklichkeit nicht die eigentliche Kloaken- 
öffnung, sondern den Kloakenvorhof; freilich wird hierdurch auch die 
Kloakenöffnung gegen die Außenwelt abgeschlossen. Die in der 
Darmwand vorhandenen fünf Schichten, das innere Epithel, die 
innere Bindegewebsschicht, die innen aus Längs-, außen aus Ring- 
muskelfasern bestehende Muskelschicht, die äußere Bindegewebs- 
schicht und das äußere Epithel sind in sämmtlichen Darmabschnitten 
zu erkennen. Die innere Oberfläche des Ösophagus und des Magens 
ist von einer deutlich sichtbaren, glashellen Cutieula überdeckt. 

Oben wurde schon erwähnt, dass der Darm nicht gestreckt 
vom Mund zur Kloake verläuft, sondern auf diesem Wege zwei Bie- 
gungen macht. Dieses für alle Holothurien charakteristische Ver- 
halten des Darmtractus erkennt man leicht, wenn man die Ansatz- 
linie des den Darm an die Körperwand befestigenden, netzförmigen 
Mesenteriums an der Körperwand verfolgt. 

Lange Zeit hat man den für die Aspidochiroten charakteristischen 
Darm- bezw. Mesenterialverlauf auch bei den Dendrochiroten ange- 
nommen. Hiernach ist der erste Darmabschnitt mittels seines Mesen- 


612 Adolf Reiffen, 


teriums im mittleren dorsalen Interradius, der zweite im linken 
dorsalen Interradius, und der dritte im rechten ventralen Interradius 
befestigt. Nach OESTERGREEN (12) hat der Darm bei den Dendro- 
chiroten nur ausnahmsweise diesen Verlauf, und zwar nur bei der 
Gattung Psolus. Im Allgemeinen gehört hier das Mesenterium des 
dritten Darmabschnittes nicht dem rechten ventralen, sondern dem 
linken ventralen Interradius oder vielmehr dem mittleren ventralen 
Radius an, da es links von dem hier gelegenen Längsmuskel in 
dessen unmittelbarer Nähe nach hinten verläuft, zuweilen auch auf 
diesen hinaufrückt, zuweilen über diesen hinaus in den rechten ven- 
tralen Interradius hineingeht, doch auch hier in unmittelbarer Nähe 
des Längsmuskels bleibt, gewöhnlich jedoch bald wieder über den 
Längsmuskel in den linken ventralen Interradius zurückkehrt. Als 
weitere von ÜESTERGREEN (12) beobachtete Eigenthümlichkeit des 
Darmverlaufs ist zu erwähnen, dass der zweite Darmabschnitt zu- 
weilen dicht neben dem ersten verläuft, sein Mesenterium aber im 
linken dorsalen Interradius befestigt ist. Bei 7Ahyone anomala fand 
ÖESTERGREEN das Mesenterium des zweiten Darmabschnittes im 
mittleren dorsalen Interradius mit dem des ersten verschmolzen, so 
dass das ganze Mesenterium hier ein unten in zwei Blätter gespal- 
tenes Gebilde darstellt. 

In Übereinstimmung hiermit fand ich den zweiten Darmabschnitt 
dicht neben dem ersten nach vorn verlaufend, sein Mesenterium im 
linken dorsalen Interradius befestigt. An der Umbiegung des zwei- 
ten Darmabschnittes in den dritten, der vorderen oder zweiten Schenkel- 
biesung — die hintere oder erste ist die Umbiegung des ersten 
Darmabschnittes in den zweiten — überschreitet das Mesenterium den 
linken ventralen Radius und Interradius und verläuft im: mittleren 
ventralen Radius links neben dem hier gelegenen Längsmuskel nach 
hinten bis zur Mündung in die Kloake. 

Die Athmungsorgane, vielfach als Wasserlungen, besser als 
Kiemenbäume bezeichnet, bestehen aus zwei reich verzweigten, hoh- 
len, dünnwandigen Stämmen, die getrennt zu beiden Seiten der Über- 
sangsstelle des Dünndarmes in die Kloake in letztere münden. Die 
beiden Stämme erstrecken sich durch den ganzen Körper zwischen 
den Eingeweiden hindurch bis in die Gegend des Schlundkopfes. 
Sie sind ziemlich gleichmäßig ausgebildet, und wenigstens im Mittel- 
leib reich verzweigt. Die Endverzweigungen endigen mit einer 
blasenförmigen Auftreibung. Die Wandung der Kiemenbäume besteht 
aus denselben Schichten wie die des Darmes, was daraus zu erklären 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 613 


ist, dass die Kiemenbäume als Ausstülpungen des Enddarmes zu 
betrachten sind. | 

Lange hat man angenommen, dass bei den Dendrochiroten der 
rechte Kiemenbaum im rechten dorsalen, der linke im linken ven- 
tralen Interradius gelegen sei. OESTERGREEN (12) hat auch dies nur 
als Ausnahme gefunden; im Allgemeinen liegen nach ihm die Kiemen- 
bäume symmetrisch, der rechte im rechten dorsalen, der linke im 
linken dorsalen Interradius. Ausnahmen bilden die mehrstämmigen 
Kiemenbäume. Er führt die Verschiebung des linken Kiemenbaumes 
aus dem linken ventralen Interradius, wo er ursprünglich seine Lage 
hatte, in den linken dorsalen Interradius auf die Verschiebung des 
dritten Darmabschnittes aus dem rechten ventralen Interradius in 
den mittleren ventralen Radius zurück. 

Die symmetrische Anordnung der Kiemenbäume kann ich be- 
stätigen. Der rechte Kiemenbaum entsendet an seinem basalen Ende 
einen ventral gerichteten kurzen Nebenstamm, der linke deren zwei, 
die einander gegenüber liegen. 

Die Genitalien bestehen aus einer Genitaldrüse und einem diese 
mit der Außenwelt verbindenden Genitalgang. Die Genitaldrüse wird 
von zwei Büscheln unverästelter Genitalschläuche gebildet, von denen 
der eine der linken, der andere der rechten Körperhälfte angehört. 
Die Genitalschläuche sind in solcher Anzahl und Länge vorhanden, 
dass sie den ganzen Mittelleib ausfüllen, oft sogar in den Vorder- 
und Hinterleib hinein sich erstrecken. Bei Weibchen, wenigstens bei 
geschlechtsreifen, haben sie ein perlschnurartiges, bei Männchen ein 
glatteres Aussehen. An ihrer Basis verjüngen sich die Genital- 
schläuche und münden dicht gedrängt in einen erweiterten, als Ge- 
schlechtsbasis zu bezeichnenden und im Anfang des zweiten Körper- 
drittels gelegenen Abschnitt des Genitalganges. Dieser ist dem 
dorsalen Mesenterium eingelagert und mündet auf einer genau in der 
Mediane des Rückens zwischen zwei Fühlern gelegenen Genitalpapille. 
Letztere scheint sich der Beobachtung Denpy’s entzogen zu haben, 
wir finden sie bei ihm nicht erwähnt. Die Wandung der Genitalien 
besteht aus einem äußeren Epithel, einer Muskelschicht, einer Binde- 
gsewebsschicht und einem inneren Epithel. 

Vom Blutgefäßsystem sind nur Einzelheiten zu erkennen. Der 
Blutgefäßring liegt dem Wassergefäßring unmittelbar an und ent- 
sendet nach vorn fünf Hauptblutgefäße, die sich den fünf Haupt- 
wassergefäßen anlegen und mit diesen sich in je drei Theile, ein 
Radialblutgefäß und zwei Fühlerblutgefäße verzweigen. Doch ist zu 


614 Adolf Reiffen, 


bemerken, dass diese Gefäße nur in ihren Anfangstheilen zu er- 
kennen und sonst nur in vereinzelten Schnitten zu beobachten sind. 
Nicht einmal das dorsale und das ventrale Darmgefäß sind zu verfolgen. 
Das ventrale Darmgefäß bezw. -geflecht liegt in einer den Magen und 
Dünndarm entlang sich erstreckenden Längsleiste, die eine Ausstül- 
pung der äußeren Bindegewebsschicht dieser Darmtheile, natürlich 
von dem äußeren Epithel überdeckt, darstellt. Von allen anderen 
Gefäßen ist kaum eine Spur zu entdecken. 

Der zur Leibeshöhle gehörige, auf der einen Seite vom Ösopha- 
gus, auf der anderen von Kalkring, Haupt-, Fühler-, Radialkanälen 
und Wassergefäßring begrenzte Schlundsinus kommunieirt mit der 
Leibeshöhle durch eine zwischen Wassergefäßring und Ösophagus 
liegende Ringspalte und durch fünf Öffnungen, die je vorn vom Kalk- 
ring, seitlich von den Hauptkanälen und hinten vom Wassergefäßring 
begrenzt werden. Zur Leibeshöhle gehören wahrscheinlich auch die 
schon erwähnten, als Pseudohämal- und Epineuralkanäle bezeichneten 
Lakunen. Der Pseudohämalkanal liegt zwischen Radialnerv und 
-Blutgefäß, der Epineuralkanal nach außen vom Radialnerven. Ob 
Pseudohämal- und Epineuralkanäle blind verlaufen oder mit der 
Leibeshöhle bezw. Schlundsinus kommuniciren, ist nicht zu erkennen. 
Bei anderen Holothurien ist von einigen Forschern ein solcher Zu- 
sammenhang beschrieben worden, andere lassen die betreffenden Ka- 
näle in der Gegend des Nervenringes blind verlaufen. 

Fassen wir kurz die wichtigsten anatomischen Verhältnisse zu- 
sammen: 

1) Ausgebildete Ambulacralfüßchen, d. h. Füßchen mit deutlich 
erkennbarer Saugscheibe, finden sich im Gegensatz zu Denpy’s Mit- 
theilung auch auf der Dorsalseite des Mittelleibes, allerdings hier in 
weit geringerer Anzahl als auf der Ventralseite. 

2) Die Kalkgebilde sind je nach den Körperregionen sehr ver- 
schieden gestaltet; die größten messen ca. 1 mm im Durchmesser, 
sind dachziegelförmig über einander gelagert und bestehen aus zwei 
oder mehreren über einander liegenden und durch Trabekeln mit 
einander verbundenen netzförmigen Platten. Außer diesen Kalkkör- 
perchen kommen näpfchen- und stäbchenförmige vor. 

3) Retraktoren und Längsmuskel sind ungetheilt, letztere mit 
Ausnahme des dem Schlundkopf anliegenden Theils. Retraktoren und 
Längsmuskeln sind kurz vor ihrer Vereinigung durch eine Binde- 
gsewebsmembran verbunden. 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 615 


4) Die Radialia des Kalkringes bestehen, entgegen der DENDY- 
schen Mittheilung, aus nur einem Stück und sind an ihrem vorderen 
Ende eingekerbt. Interradialia kurz und diek, Radialia schmal, 
dünn und zerbrechlich. Dorsale und ventrale Kalkringglieder nicht 
von einander verschieden. 

5) Im Vorder- und Hinterleib sind die Füßchen vollständig rück- 
gebildet, nur vorn unmittelbar hinter dem Rüsselabschnitt und hinten 
in der Umgebung des Afters stoßen wir auf Füßchenreste. Vorn 
sind von den Füßchen nur die Kanäle mit den begleitenden Nerven 
erhalten, die in die hier gelegenen, aus Kalkkörperchen zusammen- 
gesetzten Pseudooralklappen eingelagert sind und diese dadurch auch 
zum Tasten befähigen. In der Umgebung der Kloakenöffnung sind 
einige Füßchen in Gestalt von Analpapillen erhalten, die zum Schutze 
von je vier Papillarschuppen umstellt sind, zwischen die sie sich 
zurückzuziehen vermögen. Im Allgemeinen ist in jedem Radius nur 
je eine Analpapille erhalten, deren Wassergefäß seitlich aus dem 
Endabschnitt des Radialgefäßes entspringt. 

6) Die elastische Membran des Wassergefäßsystems ist deutlich 
zu erkennen. 

7) Die Kloake nimmt das ganze letzte Körperdrittel ein. Die 
Muskelschicht der Kloake steht an ihrem hinteren Ende durch radiär 
gerichtete Muskelbündel mit der Quermuskulatur der Körperwand in 
Verbindung. Die Kloakenöffnung liegt im Kloakenvorhof auf einer 
Art Papille.. Der Analsphinkter, der aus der verstärkten Muskel- 
schicht der Wand des Vorhofes besteht, schließt nicht die eigentliche 
Kloakenöffnung, sondern den Kloakenvorhof. 

8) Die OESTERGREEN’schen Angaben über den Mesenterialverlauf 
und über die Lage der Kiemenbäume bei den Dendrochiroten kann 
ich bestätigen. 

9) Die Kiemenbäume münden getrennt in die Kloake. 

10) Rechts und links ist ein Büschel unverästelter Genital- 
schläuche vorhanden. Die Genitalöffnung liegt auf einer winzigen 
Genitalpapille zwischen den beiden dorsalen Fühlern. 


3. Beschreibung eines abnormen, sechsstrahligen Exemplars. 


‘ Eins meiner zwölf Exemplare zeichnete sich durch einen sechs- 
strahligen Bau des Körpers aus. Eine solche Sechsstrahligkeit ist 
zuweilen bei Holothurien beobachtet worden, doch ist sie immerhin 
als eine selten vorkommende Erscheinung zu betrachten, z. B. seltener 
als eine derartige Abweichung bei den Echinoiden, bei welchen sie 


616 Adolf Reiffen, 


schon im vorigen Jahrhundert durch KLeın beobachtet und in seiner 
»Naturalis dispositio Eehinodermatum« beschrieben wurde. Lupwig (6) 
fand im Jahre 1880 unter 150 lebenden Exemplaren von Cucumaria plancı 
von MARENZELLER fünf sechsstrahlig gebaute. Äußerlich war die Sechs- 
strahligkeit kenntlich durch die Ausbildung von sechs Doppelreihen 
von Füßchen, die dem Körper eine annähernd sechskantige Gestalt 
gaben. Von diesen sechs Ambulakren waren drei benachbarte durch 
etwas größeren Reichthum an vüßehen von den drei anderen unter- 
schieden, und diese drei füßchenreichen Ambulakren durch zwei etwas 
schmälere Interambulacralbezirke ein wenig näher an einander ge- 
rückt. Dem entsprechend fand Lupwıs sechs Längsmuskel mit je 
einem Retraktor, zwölf Kalkringglieder und zwölf Fühler, von denen 
zwei sich durch geringere Größe von den übrigen unterschieden. Auf 
Grund einer eingehenden anatomischen Untersuchung konstatirte er, 
dass »Cucumaria planci dadurch sechsstrahlig geworden ist, dass sich 
ein sechster Radius und Interradius zwischen die beiden Radien ihres 
Biviums eingeschoben hat, und zwar häufiger links, seltener rechts 
von dem medianen Interradius«. 

Bei dem erwähnten, von mir untersuchten Exemplar macht sich 
der sechsstrahlige Bau äußerlich dadurch bemerkbar, dass vier be- 
nachbarte, gut ausgebildete und zwei weniger deutliche Ambulakren 
vorhanden sind. Diese sechs Ambulakren sind gleich weit von ein- 
ander entfernt. Da bei fünfstrahligen Exemplaren nur drei Ambula- 
kren mit zahlreichen Füßchen vorkommen, so ist zu schließen, dass 
eins der vier gut ausgebildeten Ambulakren das überzählige ist. Die 
beiden weniger deutlichen Ambulakren entsprechen dem linken und 
rechten dorsalen Radius des fünfstrahligen Thieres. Der sechste 
Radius kann also mit seinem Interradius nicht wie bei Cucumaria 
planci in den mittleren dorsalen Interradius eingeschoben sein. Leider 
ist das vordere Ende verletzt, die Tentakel sind nicht erhalten, wahr- 
scheinlich war der Rüssel in Neubildung begriffen. Beim Öffnen des 
Thieres kommen, den sechs Ambulakren entsprechend, sechs Längs- 
muskel zum Vorschein, die je einen Retraktor an den Kalkring ent- 
senden. Die sechs Längsmuskeln sind gleich stark ausgebildet, eben- 
falls die Retraktoren. Der Kalkring besteht aus zwölf Gliedern, die 
von denen des fünfstrahligen Thieres nicht abweichen. Auf eventuelle 
Formunterschiede der dorsalen und ventralen Glieder und auf das 
eingeschobene Radiale und Interradiale kann nicht näher eingegangen 
werden, da auch der Kalkring verletzt ist. Der Steinkanal ist nicht 
erhalten; eine PoLr’sche Blase ist zu erkennen. 


_ Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 617 


Der Mesenterialverlauf giebt uns weitere Auskunft über die Lage 
des eingeschobenen ‚Radius. Wie wir oben gesehen haben, ist das 
Mesenterium des dritten Darmschenkels im mittleren ventralen Radius 
befestigt, mithin ist letzterer leicht zu erkennen. Rechts von dem 
mittleren ventralen Radius liegen zwei von den füßchenreichen Ra- 
dien, links nur einer, ein Beweis dafür, dass der überzählige Radius 
in..der rechten. Körperseite liegt und hier entweder in den ventralen 
oder dorsalen Interradius eingeschoben ist: Um dies zu untersuchen, 
müssen wir die Kiemenbäume einer näheren Betrachtung unterziehen. 
Sie ‚liegen symmetrisch im linken und rechten dorsalen Interradius. 
Der rechte Kiemenbaum überschreitet nach seinem Ursprung aus der 
Kloake einen der füßchenreichen Radien. Da nun der ganze rechte 
Kiemenbaum von seinem Ursprung bis zu seinem Ende als im rechten 
dorsalen Interradius liegend betrachtet werden muss, er aber einen 
Radius überschreitet, so ist hiermit der Beweis geliefert, dass dieser 
Radius der überzählige und in den rechten dorsalen Interradius ein- 
geschoben ist. 

Der sechsstrahlige Bau ist somit dadurch entstanden, 
dass sich ein sechster Radius und Interradius zwischen 
den rechten dorsalen und rechten ventralen Radius, also 
in den rechten dorsalen Interradius eingeschoben hat. 


4. Systematische Stellung. 


Schon oben wurde erwähnt, dass Denpy (1) irrthümlicherweise 
die Füßchen der Dorsalseite für Papillen hielt und sich veranlasst 
sah, diese Dendrochirotenart der Gattung Colochirus unterzuordnen, 
da durch die Rückbildung der dorsalen Füßchen zu Papillen die Aus- 
bildung einer Kriechsohle angebahnt war. Lupwıc (9) bezweifelte 
die Zugehörigkeit zur Gattung Colochirus und stellte die Art einst- 
weilen zu Owcumaria. In der That lassen die Anwesenheit von aus-. 
gebildeten Füßchen auf Bauch- und Rückenseite und der Umstand, 
dass die beiden Körperenden mehr oder weniger stark nach aufwärts 
gebogen sind, auf eine größere Verwandtschaft zur Gattung Cucumaria 
schließen. Gegen die Zugehörigkeit zu Cucumaria selbst spricht aber 
das vollständige Fehlen der Füßchen auf dem Vorder- und Hinterleibe. 

Ich muss demnach eine neue Gattung aufstellen, für die ich den 
Namen Ludwigia wähle. Die Art ist demnach als Zudwigia ocnoides 
(Dendy) zu bezeichnen. Die Diagnose dieser neuen Gattung, die im: 
Inneren der Dendrochiroten neben Cucumaria einzuordnen ‚wäre, ist 
die folgende: ! 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIX. Bd. 41 


618 Adolf Reiffen, 


Mund und After weit von einander entfernt; Bauch nicht zu einer 
Kriechsohle abgeflacht und bezüglich der Ambulacralanhänge ohne 
große Verschiedenheit von dem Rücken; zehn Fühler, von denen die 
beiden ventralen kleiner sind als die übrigen; Füßchen auf die Ra- 
dien beschränkt, aber nur auf dem Mittelleibe ausgebildet und hier in 
den ventralen Radien viel zahlreicher als in den dorsalen, auf dem 
Vorder- und Hinterleibe fehlend; Körper langgestreckt, vorn und hinten 
aufwärts gebogen. 

In phylogenetischer Beziehung wirft die neue Gattung ein helles 
Lieht auf die Verwandtschaft der Molpadiiden mit den Dendrochiro- 
ten, auf welche ich desshalb etwas näher eingehen möchte. 

Die Familie der Molpadiiden, die sich im Allgemeinen durch die 
Anwesenheit von 15 schlauchförmigen oder gefingerten Fühlern, von 
wohl entwickelten Fühlerampullen und Kiemenbäumen und durch das 
vollständige Fehlen von Füßchen auszeichnet, weist eine Anzahl von 
Vertretern auf, die mit den dendrochiroten Holothurien eine Menge 
charakteristischer Merkmale gemein haben, so dass keine andere 
Holothurienfamilie in solch nahen Beziehungen zu den Molpadiiden 
zu stehen scheint wie die Dendrochiroten. Über die verwandtschaft- 
lichen Beziehungen der Molpadiiden und über die Phylogenie und 
systematische Anordnung der Holothurienfamilien überhaupt vgl. 
Lupwiıe (7 u. 8). 

Schon Jon. MÜLLER hatte erkannt, dass die Molpadiiden, die 
eine in sich geschlossene, gut abgegrenzte natürliche Gruppe bilden, 
den füßigen Holothurien näher stehen als den Synaptiden, mit welch 
letzteren sie in dem Mangel der Füßchen negativ übereinstimmen, 
von denen sie sich aber durch die Anwesenheit von Kiemenbäumen 
und Radialkanälen, durch eine radial unterbrochene Quermuskulatur 
und durch die Verschiedenheit in Bezug auf die Ausbildung des 
Kalkringes unterscheiden. Lupwiıe (8) schließt sich der Jon. MÜLLER- 
schen Ansicht an, giebt ihr aber einen bestimmteren Ausdruck, indem 
er unter den füßigen Holothurien die Dendrochiroten als die Stamm- 
gruppe bezeichnet, auf welche die Molpadiiden zurückzuführen sind. 
LupwıG kommt zu dem Schlusse, dass die drei Familien der Dendro- 
chiroten, Molpadiiden und Synaptiden zwar einer gemeinschaftlichen 
Wurzel entsprossen sind, dass aber die Dendrochiroten den Haupt- 
stamm darstellen, welcher frühzeitig einen ersten Nebenast in Gestalt 
der Synaptiden und später einen zweiten in Gestalt der Molpadiiden 
abgab. Weitere Betrachtungen über die Beziehungen der Aspido. 
chiroten und der von ihnen abzuleitenden Elasipoden zu den drei 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 619 


erwähnten Familien machen es ihm wahrscheinlich, dass die Urform, 
aus welcher sich die jetzt lebenden Holothurien entwickelt haben, 
sich schon deutlich als Holothurie kennzeichnete und von den übri- 
sen Echinodermen unterschied. Er beschreibt diese hypothetische 
Urform folgendermaßen: 

»Sie war mit zehn einfach-cylindrischen, mit schwachen Am- 
pullen ausgestatteten Fühlern versehen, deren Kanäle eben so wie 
die auf die Radien beschränkten und mit Ampullen versehenen 
Füßchenkanäle aus fünf radialen Wasserkanälen entsprangen; sie 
besaß ferner einen aus fünf radialen und fünf interradialen Stücken 
zusammengesetzten Kalkring; die Quermuskulatur ihrer Körperwand 
stellte eine ununterbrochene Ringmuskelschicht dar; die einfachen 
Längsmuskeln gaben noch keine Rückziehmuskeln ab; der einfache 
Steinkanal war im dorsalen Mesenterium festgelegt und stand mit 
der Außenwelt in unmittelbarer Verbindung; die Geschlechtsschläuche 
waren symmetrisch zu beiden Seiten des dorsalen Mesenteriums ent- 
wickelt: den radialen Nerven saßen Gehörbläschen an; der Kiemen- 
baum und ein einfach angeordnetes Darmblutgefäßsystem waren zur 
Ausbildung gelangt; der Darm nahm bereits den für alle jetzt leben- 
den Holothurien typischen Verlauf, und die Haut war mit gitter- 
förmigen, aus sechseckigen Maschen gebildeten Kalkplättchen erfüllt.« 
Die Nachkommen dieser Urholothurie spalten sich in zwei Haupt- 
stämme, die Dendro- und Aspidochiroten. Der Aspidochirotenstamm 
giebt einen Nebenast, den der Elasipoden, ab. Die Familien der 
Synaptiden und der Molpadiiden stellen, wie schon gesagt, Nebenäste 
des Dendrochirotenstammes dar, und zwar hat sich zuerst der Neben- 
ast der Synaptiden abgezweigt. Die Synaptiden sind in Folge fort- 
gesetzter Rückbildung von der Urform am meisten abgewichen. Nach 
Abgabe dieses Nebenastes hat sich der Dendrochirotenstamm zunächst 
weiter entwickelt; die Ringmuskulatur der Körperwand wurde radial 
unterbrochen, der Kiemenbaum weiter entwickelt und dann erst der 
zweite Nebenast abgegeben, der der Molpadiiden. In letzterem wur- 
den die Füßchen rückgebildet, nur in der Umgebung des Afters 
blieben Reste davon erhalten; die Fühlerampullen wurden weiter 
ausgebildet, im Allgemeinen blieben jedoch die Verhältnisse ähnlich 
wie in dem zu den heutigen Dendrochiroten sich ausbildenden Haupt- 
stamm. GEROULD schließt sich dieser Auffassung der phylogenetischen 
Beziehungen der Holothurienfamilien unter einander, durch welche 
Lupwis in einen größeren Gegensatz zu früheren Forschern, wie 
SEMPER, den beiden SarAsın und SEMON tritt, in seiner trefflichen 

41* 


620 Adolf Reiffen, 


Abhandlung über die Anatomie und Histologie von Caudina arenata (3) 
durchaus an. 

Die Gattung Ludwigea hat nun mit den Molpadiiden das Fehlen 
der Füßchen im Vorder- und Hinterleibe und die Erhaltung von 
Papillen in der Umgebung der Kloakenöffnung gemein. Wenn der 
Schwund der Füßchen sich auch auf den Mittelleib ausgedehnt hätte, 
würde man im Zweifel sein, ob man die Form noch zu den Dendro- 
chiroten oder schon zu den Molpadiiden zu rechnen hätte. Sie stellt 
also in gewissem Sinne eine Übergangsform von jenen zu diesen dar 
und bestätigt so die vorhin erwähnte Ansicht Lupwıg’s, dass die 
Molpadiiden von dendrochiroten Stammformen ihren Ausgang ge- 
nommen haben. 


Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geheim- 
rath Prof. Dr. Lupwie für die gütige Überlassung des seltenen Mate- 
rials und die freundliche Unterstützung meinen verbindlichsten Dank 
auszusprechen. Herrn Prof. Dr. Voısr und Gräfin Dr. MArıA v. Lin- 
DEN bin ich für das rege Interesse an dieser Arbeit und für zahl- 
reiche praktische Winke ebenfalls zu herzlichem Danke verbunden. 


Bonn, im Januar 1901. 


Litteraturverzeichnis. 


1. ARTHUR DENDY, Observations on the Holothurians of New Zealand, with 
Descriptions of four New Species, and an Appendix on the Develop- 
ment of the Wheels in Chirodota. Linn. Soc. Journ.-Zool. Vol. XXVI 
1897. p. 22—52. Pl. II-VI. 

2. Ders., On some Points in the Anatomy of Caudina coriacea Hutton. Ibid. 
Vol. XXVI 189. p. 456—464. Pl. XXIX. 

3. JOHN HIRAM GEROULD, The Anatomy and Histology of Caudina arenata 
(Gould). Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard 
College. Vol. XXIX. No. 3. p. 123--1%0. Pl. I-VIl. 

4. E. HEROUARD, Recherches sur les Holothuries des cötes de France. Arch. 
de Zool. exper. et gener. 2. Ser. VII. 1889. 

8. J. S. KINGSLEY, Contributions to the Anatomy of the Holothurians. Peabody 
Academy of Seience. Fifth Memoir. Salem, Mass. 1881. 

6. HUBERT LupwiG, Über sechsstrahlige Holothurien. Zool. Anz. IX. 1886. 
p. 472 —477. 

7. Ders., Ankyroderma museulus (Risso), eine Molpadiide des Mittelmeeres, nebst 
Bemerkungen zur Phylogenie und Systematik der Holothurien. Diese 
Zeitschr. Bd. LI. 1891. p. 569—611. Taf. XXIX. 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. 621 


8. HUBERT LupwiG, BRonN’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. II, 3. 
I. Buch. Die Seewalzen. 1889—1892. 
9. Ders., Holothurien der Hamburger Magalhaensischen Sammelreise. Hamburg 


1898. 
10. Ders., Die Holothurien der Sammlung PLATE. Zool. Jahrbücher. Supplem. IV. 
2. Heft. 1898. 


11. TH. MoRTENSEn, Zur Anatomie und Entwicklung der Cucumaria glacialis 
(Ljungmann). Diese Zeitschr. Bd. LVH. 1894. p. 704—732. Taf. XXXI 
u. XXXI. 

12. HJALM ÖESTERGREEN, Zur Anatomie der Dendrochiroten, nebst Beschrei- 
bungen neuer Arten. Zool. Anz. XXI. 1898. p. 102—110 u. 133—136. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XLV. 


Fig. 1. Zudwigia ocnoides (Dendy) mit eingestülptem Rüssel. Natürliche 
Größe. 

Fig. 2. Stück eines großen, aus zwei über einander gelagerten netzförmi- 
gen Platten bestehenden Kalkkörpers. 300mal vergrößert. 

Figg. 3—7. Näpfchenförmige Kalkkörper. 300mal vergrößert. Figg. 3 u. 6 
von oben, Fig. 4 von der Seite, Figg. 5 u. 7 von unten gesehen. Figg. 6 u. 7 
mit überbrückter Außenöffnung. 

Fig. 8. Dreistrahliges Stützstäbchen aus dem Fühlerstamm. 150mal vergr. 

Fig. 9. Stützstäbchen aus der Fühlerspitze. 150mal vergr. 

Fig. 10. Kalkplättchen aus der Fühlerspitze. 300mal vergr. 

Fig. 11. Drei Kalkringglieder. 6mal vergr. X, Radiale; /R, Interradiale. 

Fig. 12. Schema zur Verzweigung der Hauptwasserkanäle. a, Wassergefäß- 
ring; b, Hauptwassergefäß; c, Radialgefäß; d, Anfangstheil des Fühlerkanals, der 
bei g in den erweiterten Theil (e) übergeht und an dieser Stelle mit zwei Semi- 
lunarklappen versehen ist; /, Fühlerampulle. 


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Verlag von Wilhelm Engelmann, Zeipzig. 


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Verlag Y- wilhel annin Leipzig Lichtdruck von C,G. Röder, Leipzig. 


Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXIX. Taf. AXXV. 


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Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


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Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Neunundsechzigster Band 


Erstes Heft 


Mit 13 Tafeln und 18 Figuren im Text. 


LEIPZIG 


Verlag von Wilhelm Engelmann | 


1901. 


Ausgegeben den 5. Februar 1901. 


Inhalt. 


Seite 
Entwicklungsgeschichte von Dreissensia polymorpha Pall. Von Joh. Meisen- 


heimer. (Mit Taf. I=XIIlL und 18 Fig. im Text). . . rss 1 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liest es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
sedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind: auf besonderen Blättern 
beizulegen. | 


Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- 
stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, 
dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Soeben erschien; 


POMPEJI 


in Leben und Kunst 


von 


August Mau. 
Gr. Ss 4 16.—3; in Liebhaberhalbfranzband .4 19.—. 


Was wir am Ende des Jahrhunderts von Pompeji, seiner Kunst und 
Kultur wissen, ist in vollendeter und allen Gebildeten zugänglicher Form von 
dem hervorragendsten Pompejikenner der Gegenwart in diesem Buche dargestellt 
worden. Viele Abbildungen, meist in Autotypie, und zahlreiche Heliogravüren 
und Pläne erläutern den Text. 


Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


von 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Neunundsechzigster Band 


/weites Heft 


Mit 8 Tafeln und 9 Figuren im Text. 


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Verlag von Wilhelm Engelmann _ 


Ausgegeben den 15. Februar 1901. 


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Inhalt. 


Seite 
Untersuchungen über das Ovarium der Hemipteren, zugleich ein Beitrag zur 
Amitosenfräge.. Von Julius Gross. (Mit Taf. XIV—XVI und 
4 Fig? am bext) m were ee 139 
Beiträge zur Kenntnis der Regenerationserscheinungen bei den Ophiuren. 
Von C. Dawydoff. (Mit Taf. XVII-XVIII und 3 Fig. im Text.) 202 
Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. Von 
OÖ. Bütschli. (Mit Taf. XIX—XXI und 2 Fig. im Text)... . . 235 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 


Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zioologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Weitere Exemplare werden auf Wunsch gegen Er- 
stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, 
dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Lehrbuch 


der 


Anatomie des Menschen 


von 
GC. Gegenbaur 
0. ö. Professor der Anatomie und Direktor der anatomischen Anstalt der Universität Heidelberg. 
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begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Neunundsechzigster Band 


Drittes Heft 


Mit 12 Tafeln und 22 Figuren im Text. 


LEIPZIG 


1901. 


| Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Verlag von Wilhelm Engelmann 


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Ausgegeben den 19. März 1901. 


Inhalt. 


Seite 
Studien über das Nervensystem der Lucernariden, nebst sonstigen histo- 
logischen Beobachtungen über diese Gruppe. Von N. Kassianow. 

(Mit Taf. XXII-XXV und 11 Fig ım Text.) . . „ . ne 287 


Zur Morphologie der Antennen- und Schalendrüse der Crustaceen. Von 

F. Vejdovsky. (Mit Taf. XXVI u. XXVII und 1 Fig. im Text.) . 378 
Untersuchungen über Hämosporidien. I. Ein Beitrag zur Kenntnis des Genus 

Haemogregarina Danilewsky. Von Carl Börner. (Mit Taf. XXVIIL) 398 
Die Entwicklung von Herz, Perikard, Niere und Genitalzellen bei Cyclas 

im Verhältnis zu den übrigen Mollusken. Von Johannes Meisenr- 


heimer. ! (Mit Taf. XXIX und'Y’Fig. im Text.) VIE 417 
Die Innervation des harten Gaumens der Säugethiere. Von Eugen Botezat. 
(Mit Taf. XXX u. XXXI und 1 Fıg.'im Text.) 2 ers 429 
Kleinere histologische Mittheilungen. Von R. S. Bergh. (Mit Taf. XXXIL 
und. XXXIL). . 2.0: 2.0 aD es Se 444 
Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschiebungen und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Textfiguren bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zioologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
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stattung der Herstellungskosten geliefert unter der Vorraussetzung, 
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Deiphine 9 .4. — Seehunde 12 .“. — »töre klein 
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Bernh. Nehls, Cröslin a, Ostsee. 
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Zeitschrift . - 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Neunundsechzigster Band 


Viertes Heft 


Mit 12 Tafeln und 6 Figuren im Text. 


LEIPZIG 


Verlag von Wilhelm Engelmann 
1901. 


Ausgegeben den 28. Mai 1901. 


Inhalt. 


Über die erste Entwicklung der Krähe (Corvus frugilesus). Von Paul 
Mitrophanow. (Mit Taf. XXXIV u. XXXV und 3 Fig. im Text.) 
Untersuchungen über die Entstehung der Geschlechtsorgane bei den Cteno- 
phoren. Von August Garbe. (Mit Taf. XXXVI und XXXVIL). . 
Die Entwicklung der Wirbelsäule der weißen Ratte, besonders der vordersten 
Halswirbel. Von: Armin Weiß. (Mit Taf. XXXVIII u. XXXIX 


und 2.Fig. im Text.)"....... .. .. 0.0.0 0% So 
Über die Kiemen der Fische. Von A. Goette. (Mit Taf. XL—XLII und 
| einer Fig. -im Text.)..: . -.. .- . 20... 2. 20 eb 
Der Bau der weiblichen Geschlechtsorgane bei Culex und ne Von 
N. Külagin. {Mit Taf. XLIV.) . 2%... 0.2 ers EerrEre 


Über eine neue Holothuriengattung von Neuseeland. ya Adolf Reiffen. 
(Mit Taf. XLV.) u. 20 er 2. N 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Soeben erschien: 


Tierleben der Tiefsee 


von 


Oswald Seeliger 


Professor der Zoologie an der Universität Rostock. 


Mit einer farbigen Tafel. gr.8. #2.—. 


Soeben erschien: 


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MEDULLA OBLONGATA 


UND DIE 


VIERHÜGELGEGEND 
ORNITHORHYNCHUS UND ECHIDNA 


VON 
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913% 


MIT 27 ZUM THEIL FARBIGEN ABBILDUNGEN 
IM TEXT 


gr. 4. 1901. u 16—. 


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