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FÜR
ALLGEMEINE ERDKUNDE.
MIT UNTERSTÜTZUNG
DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN
UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG
von
H. W. DOVE, C. G. EHRENBERG vs» H. KIEPERT x sen:
K. ANDREE ix reırzıa uno J. E. WAPPÄUS m sörmscen
HERAUSGEGEBEN
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Dr. K. NEUMANN.
NEUE FOLGE. ACHTER BAND.
MIT VI KARTEN.
BERLIN.
VERLAG VON DIETRICH REIMER.
1860.
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Inhalt des achten Bandes.
. Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. Ein Beitrag zur
historischen Geographie von Dr. v. Maack in Kiel
. Mittheilungen aus Algerien. Von Dr. L. Buvry. Die östliche Sa-
hara der Regentschaft Algerien . . 2... 2...
. Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien der heidnischen
Samojeden im Kreise Mesen. Nach dem Russischen. Vom Heraus-
BEDErSE Ne t air 228
. Ueber das Klima des westlichen ME Von H. W. Dove. Zweite
Abhandlung. Frankreich
. Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. Ein Beitrag zur
historischen Geographie von Dr. v. Maack in Kiel. (Schlufs) .
VI. Ein Jagdausflug von Keren im Lande der Bogo’s nach dem Berge
Zad’amba am oberen Laufe des Barka-Flusses.. Von Werner
BT TITTEN LÄRGEN 24 0 ee a ee er sein re Triane
VD. Stadt und Hafen Zanzibar. Von E. Quaas. . . . 2.2...
VII. Ein Besuch der Insel Formosa. Von Robert Swinhoe
- IX. Die Canadische Red River-Expedition in den Jahren 1857 — 1859.
Mon dERnGsoRavensteimirng Rab Zn 19 0799,08
. Die topographischen Aufnahmen der wissenschaftlichen valslahiben
nach Chorassan. Von N. Chanikoff. . . . pe
. Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer See- und Ge-
birgs-Landschaften. Mitgetheilt von Dr. Biernatzki
. Du Chaillu’s Reise am Gabun und Nebenflüssen. Von Dr. H. Barth
. Die Bewohner Zanzibar’s. Von E, Quaas . . . 2 2.02.
Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten. Von H. W. Dove
. Reiseskizzen aus Sieilien. Von Dr. Ernst Häckel . . . .
. Bu Derba’s Reise nach Ghät. Nach dem Französischen von E. G.
SAY OTHER Re 0 te Me 6. Tun sel
Seite
141
177
207
223
273
277
324
331
336
433
468
IV
Inhalt.
Miscellen und Literatur.
Europa.
Bemerkungen über die Häringsfischerei an den schottischen Küsten
K. Pfyffer’s „Kanton Luzern“ Ber
Ueber den Wasserstand und die Schiffbarkeit er Oak: re
A. Berlepsch’ „Schweizerkunde“
Höhe der Bahnhöfe auf den preufsischen Ts
Geerz’ „Generalkarte von den Herzogthümern Schleswig, Holst end
Lauenburg“ - 2
Der nordöstliche Theil des oralen Nishne wand
Das griechische Städtchen Stenimach in Bulgarien . . . ..
Die russische Marine im Jahre 1859 . . x. 2.2. 2...
Koritsa in Macedonien
Afrika.
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. Von H. Kiepert
Ueber den Handel von Marocco. Nach Richardson
‘Weitere Nachrichten von Dr. Livingstone
Notiz über H. Duyveyrier’s Reise nach Tunesien .
Ueber die Cultur der Vanille auf Reunion. . . .
W. Heine’s „Sommerreise nach Tripolis“ L
Nachrichten über die Reise der Herren Baron v. Bärnikn AN Dr. Hart.
mann in Nubien . Lars
Nachricht über das Schicksal ee Dr. Yoga Ad :
Das Shire- Thal und seine Bewohner. Von D. RLRTFEN -
Asien,
Ueber den Zusammenfluls der Angara und des Jenissei. Von Wer-
BELIO wen. Se 5
Ein Ausflug von Hongkai 4 de Heireig! Quellen von Yuklak im
Sinon-Kreise . Al
F. N. Lorenzen’s „Jerusalem“ E RLIyT, :
Bemerkungen zu dem Bericht über die as: Expedition nad Cho-
rassan, Von, Prof, Schirren in Dorpaty u, niunmoera Ba
Verschiedene Arten von Schnepfen in China .
Untersuchungen an der Küste von Japan
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow. Nach Erg Sailing Di.
rections des Capt. Ward.
Das Laternenfest in Nangasaki = ELLE x
Ein Ausflug von Damaskus nach Sekkä Ka Gasstile, Von R. Doer-
gens
Heifse 6ineraldugliand in Ae Brias Se Von N -
Aus dem Russischen . . . TU EBEN, -
Die Karagassen. Nach dem Russischen RE IR
Seito
68
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152
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160
160
161
256
262
389
394
400
Inhalt.
Chinesische Bibliotheken. MS IR ML... 2 2 nl.
Swatau und seine Umgebung . ae
Englische Nachrichten über den Safienischen Hafen Niegata
W. Heine’s „Japan und seine Bewohner“ &
Nachricht über die Reise des Consul Wetzstein von Wahr därch
Gedür und Gölän nach Kal’at Mzerib. Von R. Doergens.
Abich’s Forschungen im Kaukasus während des Sommers 1859
Die Stadt Tjumen. Nach dem Russischen .
Australien und Polynesien.
Die Aorere- und ame auf Neu-Seeland. Von Dr.
Hochstetter 5 ;
Dr. Hochstetter’s Karten von Neu- Seeland,
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Auskiuchd im ER 1859.
Von Dr. Alexander. ü
Neuere Nachrichten von Missionären aus Micronesien
Amerika.
Ein Schreiben H. Burmeister’s aus Tucuman vom 12. Oct. 1859 .
Berichtigung zu den Barometer-Beobachtungen in Parana. Von H.
Burmeister. 2 3 5
Längenbestimmungen in Gannds Verimtgeist ee Askkhschen Metelen
Die Provinz Jujuy in der Argentinischen Conföderation -
Neuere Untersuchungen des Rio Salado in der Argentinischen Conföde-
ration .
Das letzte grolse fürdbeben ve Haiti
Miigellen allgemeineren Inhalts.
Geographische Hand- und Schulbücher .
Eisberge im südlichen Ocean s - > BR:
Plan zur Begründung eines Central- a ee, zu Berlin
für Auswanderung nach den britischen Colonien . &
Wandkarte der Hemisphären auf Wachstuch von Dr. Vogel Re De.
litsch . 5 : ;
W. Pütz’ ihamikerilikon zur meet enden Erd- af Völkerkunde“
W. Unschuld’s „Leitfaden zur darstellenden Statistik auf Karten“
Uebersicht der vom December 1859 bis zum Juli 1860 auf dem Gebiete der
Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Von
W. Koner
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. Januar 1860
- - - - - - 4. Februar -
= - - - - - 3. März -
= - - - - - 14. April -
- - - - - - 5. Mai -
= - - - - - 2. Juni -
VI Inhalt.
Karten.
Taf. I. Der nördliche Theil des Sultanats Marocco (Magril el- Aksa), nach Reise-
berichten und französischen Karten zusammengestellt von H. Kiepert.
Taf, I. Geographische Karte der Gegenden zwischen Eider, Schlei und Treene.
Gezeichnet von F. Geerz.
Taf. II. Die Region der Canadischen Seen im Nordwesten des Lake Superior.
Zusammengestellt von E. G. Ravenstein.
Taf. IV. Uebersichtskarte der russischen wissenschaftlichen Expedition in Cho-
rassan. Mitgetheilt von dem Chef der Expedition, Herrn Staatsrath N. Cha-
nikoff.
Taf. V. Reisen an der äquatorialen Westküste von Afrika, von Du Chaillu.
Construirt von H. Barth. — Die Mündungsbay des Flusses Gabun.
Taf. VI. Karte von Ismail Bu Derba’s Route von EI Aghuät nach Ghät 1858.
Gezeichnet von E. @. Ravenstein.
No. 79.
Januar 1860.
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ZEITSCHRIFT
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MIT UNTERSTÜTZUNG
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VERLAG VON DIETRICH REIMER.
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Inhalt.
Seite
I. Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. Ein Beitrag zur #
historischen Geographie von Dr. vv Maackimn Kill. . . .....
II. Mittheilungen aus Algerien. Von Dr. L. Buvry. Die östliche Sahara
der Regentschaft Algerien . . ern
III. Ueber den religiösen Glauben und die eo 2 kerdaehlen Sa
mojeden im Kreise Mesen. Nach dem Russischen. Vom Herausgeber.
Miscellen.
Bemerkungen über die Härings-Fischerei an den schottischen Küsten .
Ueber den Zusammenflufs der Angara und des Jenissei. Von Werssilow.
Aus dem Russischen . . ie
Ein Ausflug von Hongkong nach An heifsen Quclen von _ Yuklak im Si
non-Kreise . . RR Sin
Ein Schreiben H. Be s aus ee vom 12. October 1859 .
Berichtigung zu den PNBRS EN aein in Paranä. Von H, Bur-
meister... ee Dee) re Re Er
Bemerkungen zu ddr Karte von Marocco. Von H. Kiepert . . ..
Neuere Literatur.
Geographische Hand- und Schulbücher: 1) Cannabich’s kleine Schulgeo-
graphie. 10. Aufl. Weimar 1859. — 2) Lehrbuch der vergleichenden
Erdbeschreibung für die oberen Klassen höherer Lehranstalten, von
W. Pütz. 3. Aufl. Freiburg i. Br. 1859. — 3) Grundrifs der Geo-
graphie von D. Völter. Esslingen 1859 . . .... se
Jerusalem. Beschreibung meiner Reise nach dern heiligen Tandst im Jahre
1858. Von F. N. Lorenzen. Kiel 1859 . ....
Der Kanton Luzern, historisch- -geographisch - statistisch eat von Dr.
Kasimir Pfyffer. 2 Thle. St. Gallen u. Bern. 1858. 59. n
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. Rn 1860 .
Karten.
Taf. I. Der nördliche Theil des Sultanats Marocco (Magrib el-Aksa)
nach Reiseberichten und französischen Karten zusammengestellt
von H. Kiepert.
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95
68
71
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I.
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land.
Ein Beitrag zur historischen Geographie von Dr. v. Maack in Kiel.
Seit Jahren in meinen Mufsestunden beschäftigt mit den Vorarbeiten
zu einer Urgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Lande bis auf die
Zeiten des grofsen Karl, als einem Beitrage zur Ethnographie des
Nordens, drängte sich mir alsbald die Erkenntnifs auf, dafs eine Ur-
geschichte Schleswig-Holsteins, des meerumschlungenen, gar nicht mög-
lich sei, bevor nicht die in historischen Zeiten stattgefundenen, so be-
deutenden Veränderungen seiner physischen Bodenbeschaflenheit aus
den zurückgebliebenen geologischen Spuren und Thatsachen in ihrem
genetischen Zusammenhange erkannt worden waren. So wie die Flüsse
des Landes ihren Lauf geändert und das Meer einerseits ausgedehnte
Eilande und Landstrecken theils zerrissen, theils verschlungen, so wa-
ren anderseits wieder Inseln durch Verschmelzung mit dem Festlande
völlig verschwunden. Es mulste daher zunächst an der Hand der Geo-
logie und Archäologie und mit Hilfe der Topographie und Philologie
der urgeschichtliche Schauplatz der Schleswig-Holsteinischen Lande
wieder restaurirt werden. Die Resultate dieser Forschungen habe ich
in den folgenden Blättern im Umrifs niedergelegt.
$1. Das nordeuropäische Mittelmeer, das Trennungs- oder
vielmehr das Bindeglied zwischen Nord- und Südgermanen, wird durch
die Kimbrische Halbinsel in ein grölseres westliches und ein kleineres
östliches Becken getheilt: die Westsee und Ostsee, jenes ein Glied des
Oceans, dieses ein Binnenmeer (9«A«oo«). Und eben diese grundver-
schiedene Theilung des nordischen Mittelmeers drückt ihm einen Cha-
rakter auf, der wesentlich abweicht von dem des südeuropäischen, wel-
ches ganz ein Binnenmeer darstellt.
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIIL. 1
> v. Maack:
$2. Was nun zu vörderst die West- oder Nordsee betrifft —
den Oceanus septentrionalis, das Mare Britannicum, das Mare Germa-
nicum der Römer, die Cimbrica Thetis des Claudian, den Oceanus Bri-
tannicus, den Oceanus Fresonicus des Adam von Bremen, das Netel-
meer, Mör tawch der Kymren —, so bildete dieses, jetzt ungefähr
12,000 Quadratmeilen grolse Meer noch in historischer Zeit, d.h.
zu einer Zeit als unser Land bereits bewohnt war, eine ungeheure
Meeresbucht, indem England mit Frankreich zusammenhing. Von
dieser Thatsache, welche mittelst der Geologie und Archäologie streng
zu beweisen ist, mufs die Geschichte ausgehen, falls sie auf das tiefe
Dunkel der Urzeit einen wenn auch nur schwachen Lichtstrahl wer-
fen soll.
$3. Wenn es um die Beweise sich handelt, die darthun sollen,
dafs England und Frankreich einst zusammengehangen, so kann na-
türlich nicht von eigentlich historischen Beweisen die Rede sein; nichts-
destoweniger ist die Sache deshalb nicht minder gewils. Es liegt nämlich
hier ein Fall vor, wo die Geschichtsforschung ihren Stoff einer exacten
Naturwissenschaft, der Geologie, entnehmen kann und entnehmen muls.
Schon seit langer Zeit hatte einerseits die geringe Breite der Meer-
enge zwischen Dover und Boulogne, so wie ihre geringe Tiefe und
deren Zunahme nach beiden Seiten nach Norden und Südwesten hin !),
andererseits die Beobachtung der geologischen Gleichartigkeit und
der steilen Form der beiden einander gegenüber liegenden Felsenufer
Englands und Frankreichs bei den Geologen die Vermuthung geweckt,
dafs beide Länder einst zusammengehangen, eine Ansicht, wofür man
auch den Umstand geltend machte, dafs beide Länder dieselben wil-
den Thiere, z. B. Wölfe, besafsen, welche, weil der Kanal nie im Win-
ter zufriert, nicht auf dem Eise nach England gelangt sein können.
Auch existirt noch jetzt die Sage von dem Durchbruche des Kanals
zur Zeit einer grofsen Fluth sowohl auf Sylt (vergl. Hans Kielholt in
Heimreichs nordfriesischer Chronik, Tondern 1819, Theil I, Seite 83)
als am Nissumfjord in Jütland, wie denn auch Kymrische Sagen in
der Form von Triaden zu erzählen wissen von dem Durchbruche des
Llyn Llion ?) (Dieffenbach's Celtica II. 2. S. 76). Allein die eigent-
lichen Beweise für die in Rede stehende Thatsache hat die geologische
Beobachtung der neueren Zeit erst geliefert. Sie hat nämlich Verhält-
!) Der Meeresboden bildet in der Richtung von Dover nach Boulogne einen un-
ebenen, höchst zackigen Bergrücken, welcher sich nach der Nordsee und dem Ra-
nal zu sanft abflacht. Ueber dem Bergrücken ist das Meer 16—28, am westli-
chen Ausgange des Kanals 80-120 und zwischen den Shetlandsinseln und der
Küste Norwegens 72 — 140 Faden tief.
2) Der Llyn Llion (the lake of the streams) ist der Meeresbusen, den der noch
nicht durchbrochene Kanal gen Westen hin bildete.
|
|
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Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 3
nisse ans Licht gezogen, aus welchen unwiderleglich hervorgeht, ein-
mal, dafs nur durch das Geschlossensein des jetzigen Pas de Calais
die Bildung mancher geologischen Erscheinung sich erklären lasse und
demnächst, dafs unser Land bereits damals bewohnt gewesen.
a) Nur in einem ruhigen, gleichmäfsig fluthenden Meereswasser
findet eine Marschbildung statt, denn nur unter diesen Verhältnissen
setzt sich der feine, im Meereswasser suspendirte Thon ab, ohne wie-
der fortgespült zu werden. Die Marsch, ein Erzeugnils des Meeres
($8), nimmt nun in Hinsicht ihrer Breite an dem südlichen Ufer der
Nordsee von Osten nach Westen zu. Folglich mufs der südwest-
liche Theil der Nordsee einst, als die holländischen Marschen sich bil-
deten, der ruhigste Theil derselben gewesen sein, während er jetzt
durch die Kanalströmung der unruhigste ist. Er konnte aber nur
dann der ruhigste Theil des Meeres sein, wenn der Kanal noch nicht
existirte. Unter den jetzigen Verhältnissen ist die Naturbildung einer
Marsch in Holland unmöglich; selbst die Erhaltung des Gebildeten
ist nur durch die gröfsten Anstrengungen der Kunst zu erzielen.
b) Es ist ein allgemein gültiges Gesetz, dafs alle Flüsse mit ihren
Mündungen sich nach der Gegend hinziehen, von woher ihnen die
Fluth kommt (v. d. Wyk in Leonhard’s und Bronn’s Jahrbuch für Mi-
neralogie). Daher nehmen alle Flüsse Belgiens und Hollands gegen
ihre Mündung hin einen Lauf nach Westen gegen den Kanal zu, von
woher jetzt die Fluth kommt. Da aber zu der Römer Zeiten der Rhein
nach Norden in den Flevussee — da wo jetzt der Zuydersee liegt —,
im Mittelalter bei Katwyk mündete, so kann die Fluth einst nicht aus
dem Westen gekommen sein, weil die Flüsse und namentlich der Rhein
sonst schon vor Jahrtausenden ihren Lauf westlich genommen haben
würden. Folglich mufs der Kanal geschlossen gewesen und die Fluth
von Norden her gekommen sein, wohin der damalige Lauf des Rhein’s
gerichtet war.
e) Die Beschaffenheit der beiderseitigen Ufer Englands und Frank-
reichs stimmt auf das Genaueste überein. Dem Granit von Cornwallis
entspricht ein ähnlicher der Bretagne, und die Kreideufer bei Dover
und Calais zeigen ein gleiches Schichtungsverhältnifs und eine gleiche
Entwicklung des Gesteins. Eine solche gleichartige Bildung setzt aber
nothwendig einen vormaligen Zusammenhang beider Ufer voraus.
d) Man hat beobachtet, dafs die fossilen Exemplare von Cardium
'edule, der häufigsten Muschel unserer Küstenfauna, welche in unzäh-
ligen Massen in den gehobenen Schichten Jütlands vorkommen, grölser
sind, als die jetzt lebenden. Woher rührt dieser Unterschied? Der
Grund liegt nieht etwa in einer gröfseren Wärme, welche damals das
Meereswasser besals; denn, wie wir bald sehen werden ($ 4), es hatte
we
A v. Maack:
eine niedrigere Temperatur als gegenwärtig, sondern vielmehr in der
gröfseren Ruhe des Wassers, wie denn ja auch noch heutigen Tages
aus demselben Grunde die Muscheln im kleinen Belte gröfser sind, als
die in der Westsee; denn das. Thier macht, um der Gewalt der Wo-
gen zu widerstehen, seine Schaale dicker, aber kleiner. War aber einst
das Wasser der Nordsee weniger bewegt oder dem Einflusse der Fluth
und der Stürme mehr entzogen als jetzt, so muls der Kanal damals
geschlossen gewesen sein.
e) Da die später eintretende Kimbrische Fluth, welche England
von Frankreich abrifs, mit ihren Spuren, wie wir alsbald sehen wer-
den, uralte Gräber überdeckte, so sind eben diese Gräber die unver-
werflichsten Zeugen, dafs sie vor jener grolsen Naturrevolution aufge-
worfen worden, dafs also mit anderen Worten das Land vor dem Durch-
bruch des Kanals bereits bewohnt gewesen.
84. So bildete also einst die Nordsee eine grofse Meeresbucht,
einen ungeheuren Golf, in welchen Rhein, Weser und Elbe, an ihren
Mündungen grofse Deltaländer bildend, sich ergossen. Die Ufer Schles-
wigs liefen damals mitten durch die Nordsee: die äufserste Reihe der
Klippenriffe bezeichnen als Reste der Küste noch jetzt ihre Lage. Das
Land ragte hier nur wenige Fufs über den Meeresspiegel empor, so
dafs, begünstigt durch örtliche Senkungen des Bodens, die See schon
frühe das Neugebildete wieder zerstörte. Das Klima war ein viel käl-
teres; die Föhre und Birke waren die vorherrschenden Waldbäume
des Landes; die Atmosphäre war weniger nebelig, Wintergewitter
fehlten.
a) Das Klima war ein viel kälteres. Zwei Ursachen trafen
zusammen, um die mittlere Jahrestemperatur des Landes herabzu-
drücken. Einerseits wurde durch Verschlufs des Kanals das wärmere
Wasser des Golfstromes von den Küsten der Kimbrischen Halbinsel
abgehalten, anderseits ging ein eiskalter Strom des Polarmeeres,
grolse Eismassen mit sich führend, direct von dem weilsen Meere quer
durch Schweden hindurch ins Skagerrack hinein. Das weilse Meer
hing mit der Ostsee zusammen. Noch jetzt ragt ganz Nordruls-
land und Finnland nur wenige Fufs über das Meer empor. Selbst
noch im vorigen Jahrhundert fuhr man von Uleäborg, von dem aus
eine grolse Niederung bis ans Ufer des weilsen Meeres sich hinzieht,
auf den Flüssen Finnlands aus dem botnischen Meerbusen ins weilse
Meer (General Lafren), so dafs sich hier kaum eine scharf ausgeprägte
Wasserscheide vorfindet. Ebenfalls ist der finnische Meerbusen durch
das Wassersystem des Ladoga und ÖOnega, tiefer Bassins im ehe-
maligen Meere, mit dem weilsen Meere verbunden. Bedenkt man nun,
dafs erwiesener Maalsen ganz Scandinavien und Finnland fortwährend
N
a 2
EEE.
Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische Land. 5
langsam sich heben, dafs diese Hebung gen Norden zunimmt und dafs
sie durchschnittlich in einem Jahrhundert ungefähr 4 Fufs beträgt, so
kann kein Zweifel obwalten, dafs vor etwa 3 Jahrtausenden ein gro-
fser Theil Finnlands vom Meere noch bedeckt gewesen, dals also die
Ostsee mit dem weilsen Meere damals noch in Verbindung gestanden.
Daher hat man denn auch wohlerhaltene Schaalthiere des arktischen
Meeres an den Ufern der Dwina bis zu ihrer Verbindung mit der
Wolga gefunden (Murchison, Kaiserling) und an dem gehobenen Strande
des westlichen Schweden, in der Gegend von Gothenburg und Ude-
valla sind die Ueberreste vieler Schaalthiere entdeckt, die der jetzigen
Erdperiode angehörig, einen weit nördlicheren Charakter an sich tra-
gen als die Bewohner dieses scheerenreichen Meeres (Prof. Loven in
Stockholm). Auch an der Nordküste Jütlands beobachtet man die-
selbe Erscheinung (Forchhammer). Das grolse Äs (Geröllebank) von
Gefle und Stockholm führt Salzwasser versteinerungen, folglich reichte
früher das Salzwasser in den botnischen Busen hinein, dessen Wasser
jetzt nur circa 4 Proc. Salztheile enthält ($ 13). Diese Thatsache deutet
schon darauf hin, dafs Schonen in der Urzeit eine Insel gewesen. Hier
können wir nur dafür den geologischen Beweis führen, uns vorbehal-
tend, späterhin ($ 22) aus sprachlichen Gründen aus dem Worte Scan-
dinavia nachzuweisen, dafs aus diesem der Name Schonen entstanden
und als Insel sprachlich bezeichnet worden ist. Was nun den geolo-
gischen Beweis betrifft, dafs Schonen eine Insel gewesen, so
wollen wir als unseren Gewährsmann den Geologen Forchhammer
(Ueber Geschiebebildungen und Diluvialschrammen in Dänemark und
einem Theile von Schweden; in Poggendorff’s Annal. Bd. 58. S. 609 —
646) sprechen lassen. Dieser sagt (S. 635): „Wenn man zur See sich
der schwedischen Küste im Katiegat nähert, so treten zuerst die Fel-
sen nur mit ihren obersten Spitzen aus den Wellen hervor. Kommt
man dem Lande näher, so zeigen sich kleine Inseln und je weiter man
kommt, desto gröfser und häufiger werden diese Felseninseln, deren
senkrechte Seite gegen den Wellenschlag gerichtet ist; man befindet
sich jetzt mitten in den Scheeren. — — — Südlich von Gothen-
burg führt die Landstra/se viele Meilen weit durch eine
solche Scheerenpartie, deren ehemaliger Meeresboden mit sandi-
gem Thon aufgefüllt, mit den Scheeren gehoben und seit Jahrhunder-
ten — — — dem Wellenschlage entzogen, schon längst, wenigstens
theilweise, in Ackerland verwandelt ist. Die Scheere liegt aber ebenso
nackt und kahl, noch ebenso geschliffen und polirt da, als ob sie erst
neulich von den Wellen bespült worden wäre. Nur hin und wieder
hat eine kümmerliche Pflanze sich in den Felsklüften einnisten kön-
nen. — — — Wer diese öden Klippen jemals sah, und sie mit den
6 v. Maack:
Felsen in der Göthaelv und den immer niedriger erscheinenden Schee-
ren des Gothenburger Scheerensystems (Skjaergärd) verglich, wird kei-
"nen Augenblick anstehen, alle diese Felsen für gehobene 'Scheeren zu
erklären. Ueberdiefs finden sich die Muscheln des jetzigen Kattegats
in dem blauen Thon der Thäler um Gothenburg, und man kann. sie
im Thale der Göthaelv verfolgen bis an die Granitbarriere, welche
die Wasserfälle von Trolhätta bildet, wo man bei Anlegung der neuen
Schleusen vor wenigen Jahren ganze Lagen davon entdeckte !)*.
„Auf diesen gehobenen Scheeren in der Umgegend von Gothenburg
kommen nun überall Furchen und Streifen vor. Ihre Richtung fand
ich nach dem Compass OÖ. und W. mit einer Abweichung von
10 Grad nach jeder Seite. Ich war so glücklich einen grofsen Stein-
block von 100 bis 150 Kubikfuls noch auf diesen Klippen zu finden:
er war stark abgerundet und eine tiefe und breite Furche ging von
diesem Blocke gegen West; gegen Osten vom Blocke setzte eine viel
schmälere Furche sich weiter fort. Ich hatte hier offenbar einen gro-
(sen Steinblock auf seinem Wege angetroflen, wo er, von der Fluth
verlassen, nur zum Theil einen früher gebahnten Weg erweitert hatte.
— — — Verläfst man die Umgegend von Gothenburg, so verläfst man
darum noch nicht die gestreiften und gefurchten Felsen; sie begleiten
den Reisenden im Thale der Göthaelv bis Trolhätta, und in der gro-
(sen Ebene des mittleren Schwedens, welche durch das System der
‚Seen bezeichnet wird, sind sie überall wieder anzutreffen. Ueberall
aber findet man die Scheerenform gleichfalls wieder, und dafs jener
Theil Schwedens vor einer nicht sehr lang verflossenen Zeit
vom Meere bedeckt war, sieht man an den Salzpflanzen und. sehr
schwachen Salzquellen, die hin und wieder auf diesen Ebenen vorkom-
men, wo weder Steinsalz noch Gyps bekannt sind, noch nach irgend
einer Analogie erwartet werden dürfen. Doch tritt auf dieser Wan-
derung von West gegen Ost nach und nach eine Veränderung ein, die
nicht unbeachtet bleiben darf.. Die Klippen, die in der Gegend von
Gothenburg noch fast ganz nackt sind, bekleiden sich mehr und mehr
mit Vegetation, je weiter man sich von der Küste entfernt, und in dem-
selben Maafse finden sich mehrere lose Steine auf den Felsen, sowie
auch die Anzahl der gestreiften Felsen abnimmt. : Es sind diefs mei-
!) Bei der,Ausgrabung des Göthakanals fand man dicht unter den Wasserfäl-
len, die durch eine Reihe von Schleusen umgangen werden mufsten, bis zur Höhe
von 40 Fufs über dem jetzigen Meeresstrand nicht allein natürliche Producte, die de-
nen der Nordsee ganz gleich sind, sondern auch in Menschenwerken, namentlich in
Resten von Seeschiffen, Ankern, Uferbauten den Beweis, dafs die Nordsee tief ins
Land hineinragte, wodurch wenigstens ein Theil jener ehemaligen Verbindung (zwi-
schen Kattegat und Ostsee) hiermit erwiesen ist. (Michaelis im Bericht der 24sten
Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Kiel im Sept. 1846. $. 17.)
N u ee En a
ie
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 7
ner Meinung nach vollkommen zusammengehörige Erscheinungen. Hat
das Wasser nämlich nur während einer kurzen Zeit auf die Klippen
einwirken können, so hat es auch nicht die Steine hinabschieben und
nicht deren Spuren in den Felsen einschleifen können. . Man ist aber,
wie mir scheint, berechtigt anzunehmen, dafs die Hebung Scandi-
naviens in früheren Zeiten schneller vor sich gegangen ist,
so dals also an vielen Orten die Klippen schneller der Einwirkung
des Wellenschlages entzogen worden sind. — — — (S. 643): Ich habe
schon früher darauf aufmerksam gemacht, dals die grolse Strecke des
mittleren Schwedens, die durch den Mälar-, Hjelmar-, Wetter- und
Wenersee bezeichnet wird, überall Spuren von einer späteren Meeres-
bedeckung an sich trägt. Südlich von dieser Strecke liegen die viel
grölseren Höhen von Smäland, so dafs diese Partie durch den breiten
Sund, welcher die jetzige Ebene der Seen einnimmt, vom nördlichen
Schweden getrennt ward und für sich eineInsel bildete. So stand
also der botnische Meerbusen mit dem Kattegat in unmittelbarer Ver-
bindung und dafs salziges Wasser bis in den botnischen Meerbusen
hinaufreichte, zeigt der grolse Äs von Gefle und Stockholm, der Salz-
wasser-Versteinerungen führt.* —
So weit Forchhammer! Wir ersehen aus dieser Schilderung, wie
das Meer einst, die Göthaelv aufwärts bis zum Trolhätta- Wasserfall,
sich nach Osten erstreckte, die jetzige Ebene der 4 grolsen schwedi-
schen ‚Seen bedeckte und in den botnischen Meerbusen ausmündete.
Smäland war noch eine Insel, deren nördliche Grenze Forch-
hammer so eben bezeichnet hat. Um dessen Scheidung von Schonen
gen Süden hin ‚zu erkennen, müssen wir auf die Terrainverhältnisse
etwas genauer eingehen. Eckendahl schildert sie in seiner Geschichte
Schwedens Bd. I. Einleitung V. folgendermafsen: Die grofse Ebene um
den Mälarsee wird durch eine von dem nördlichen Ende des Wetter-
sees bis an die Ostsee streichende Bergkette (Kolmärden) begrenzt,
deren im Westen bis nach dem Wenersee fortlaufende Waldgebirge
(Tiveden) das alte Schweden in Nordanskog und Sunnanskog theilten.
„Die Landhöhe unterhalb Tiveden, die sich in kleinen Hügeln und
Bergrücken allmählich verliert, erhebt sich am See Wiken in Skara-
borglehn nur 310 Fufs über die Wasserfläche. Darnach folgt sie des
Wettersees westlichem Strand, erhebt und verzweigt sich südlich von
diesem See, bildet die Smäländische Gebirgsgegend und trennt das alte
und neue Schweden. „Hier mufls demnach die Wasserscheide Schonens
gegen Norden gesucht werden“.
b) Die Föhre und die Birke waren die vorherrschenden
Waldbäume des Landes. Es haben die Untersuchungen der in
den Torfmooren Dänemarks und namentlich Jütlands versunkenen
8 v. Maack:
Bäume gezeigt, dafs die Waldvegetation des Landes in den verschie-
denen Perioden seiner Entwickelung eine sehr verschiedene gewesen
(Steenstrup). Zuerst war die Espe oder Zitterpappel der vorherrschende
Waldbaum, darauf folgte die Föhre, dann die Eiche — und zwar die
von der jetzt gewöhnlichen Sommereiche verschiedene Wintereiche —;
die Buche schlofs den Reigen, während die Birke sich durch alle Pe-
rioden hindurchzog. Nun lehrt aber die Pflanzengeographie, dafs die
zeitliche Aufeinanderfolge der Waldvegetation dieser Bäume auf eine
Milderung des Klimas hindeutet. Denn die Buche reicht jetzt gegen
Norden bis an das südliche Ufer des Wenersees (in einigen geschütz-
ten Thälern Norwegens geht sie noch höher hinauf); die Eiche hat
ihre nördliche Vegetationsgrenze etwas nördlich von Stockholm, wäh-
rend die Föhre viel weiter gen Norden geht und die Espe einem un-
günstigen Klima den grölsten Widerstand leistet. Die Birke zeigt da-
gegen eine grolse Gefügigkeit gegen das Klima. Da die Buche gegen-
wärtig der Waldbaum des Landes ist, wie die Eiche es im früheren
Mittelalter war —, denn durch die Cultur, welche das Klima durch
Ausrodung der Urwälder milderte, erhielt die Buche ganz allmählich
das Uebergewicht über die Eiche —, so mufs die Föhre, welche der
Eiche vorherging, in eine kältere Zeitperiode fallen, die keine andere
kann gewesen sein, als die, wo durch den noch bestehenden Verschlufs
des englichen Canals das Wasser des warmen Golfstromes von der
Westküste des Landes abgehalten wurde. Damit stimmt denn auch
überein, dafs viele Ortsnamen der Kimbrischen Halbinsel den Beweis
liefern, dafs die älteste Landesbevölkerung die Föhre noch als Wald-
baum gekannt hat. Alle Ortsnamen nämlich, die mit Fur oder Bar (d. h.
Nadelholz) zusammengesetzt sind — Barsmark, Barsöe, Barslund, Bars-
böll, Barsbeck, Barwith (das jetzt Bjert) in Schleswig, Barret, Barret-
skov, Barrethal, Barsböll, Barslev in Jütland, die Insel Fuur im Liim-
fjord, Furebye, Fyrkild, der vormalige alte Grenzwald Fyriskov u. s. w.
in Jütland — beweisen, dafs die Föhre noch, wenigstens theilweise,
Waldbaum des Landes war, als diese Ortschaften gegründet wurden,
während vor 100 Jahren keine Tanne oder Föhre wild im Lande
wuchs. Die mittlere Jahrestemperatur der Kimbrischen Halbinsel muls
also in der Periode, als die Föhre der vorherrschende Waldbaum war,
zwischen der Temperatur der Polargrenze der Föhre und der Eiche
gelegen sein. Dafs die Espe aber Waldbaum gewesen, davon haben
wir in historischen Zeiten keine Spur: ihre Herrschaft fällt daher ganz
oder wenigstens theilweise in jene Urzeit der gegenwärtigen Erdperiode,
wo das Land mit einem noch weit kälteren Klima von Menschen viel-
leicht noch gar nicht bewohnt war.
c) Die Atmophäre war weniger nebelig, Wintergewitter
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 9
fehlten. Es folgt diefs nothwendig aus der Abhaltung des Wassers,
welches der wärmere Golfstrom der Westküste des Landes zuführt.
Der Wasserströmung entspricht nämlich stets eine Luftströmung, welche
jetzt von Südwesten, mit Wasserdämpfen beladen, in die zu gewissen
Jahreszeiten kältere nördliche Atmosphäre eindringt und durch Abküh-
lung einen Theil ihres Wasserdampfes als Nebel niederschlägt.
$5. In diese Periode unserer Geschichte, d.h. vor dem Durch-
bruche des englischen Canals fallen zwei ausgedehnte Neubildungen
des Bodens an der Westküste des Landes und eine dazwischen tre-
tende grofsartige Naturrevolution. Es sind diefs, wenn wir die zeit-
liche Aufeinanderfolge beachten, die Bildung der Lagunenmoore, die
grolse Senkung des Landes und die ihr folgende älteste Marschbildung.
$6. Die Bildung der Lagunenmoore. Man unterscheidet
vier Arten von Mooren, die alle hier im Lande sich finden: Wiesen-,
Wald-, Hoch- und Lagunenmoore. An den Flüssen und Bächen fin-
den sich die Wiesenmoore; fast überall im Geschiebethon und hügeli-
gen Geschiebesande, besonders an der Grenze beider Formationen die
Waldmoore; die Hochmoore nur im Haidesand. Die Bildung der La-
gunenmoore muls der Marschbildung vorangegangen sein, weil alle
alten Marschen des Landes auf Mooren liegen, Moormarschen sind.
Die Lagunenmoore finden sich an der Westküste des Landes in der
Nähe des Meeres. Man kann sie unter der inneren Marsch mit gerin-
gen Unterbrechungen von der französischen Küste an bis nach Skagen
hin verfolgen. Da der Torf dieser Moore aus Süfswasserpflanzen be-
steht, so mufs das Moor einst ein Landsee gewesen sein. Diese Süls-
wasserseen entstanden auf eine doppelte Weise: bald ward in unmit-
telbarer Nähe der Küste vom Meere eine Sandbank aufgeworfen, gleich-
sam eine Barre, die sich bildete, wo die von der Küste zurückgewor-
fene Welle der fortschreitenden begegnete; allmählich trennte sich völlig
die Lagune vom Meere, deren Salzwasser durch das reichliche Zuströ-
men des süfsen nach und nach ausgewaschen wurde; — bald sam-
melte sich in gröfserer Entfernung von der See in dem flachen tief
liegenden Lande das vom Rücken der Halbinsel reichlich herabströ-
mende Wasser in wenig tiefen ausgedehnten Teichen und Seen an, in
denen es mit der Zeit zu einer üppigen Torfbildung kam. Bei der
Bildung der Torfmoore kann man aber mehrere Perioden unterschei-
den. Im ersten Zeitraum wurzeln verschiedene Wasserpflanzen:
Potamogeton, Nymphaea und besonders Stratiotes aloides im Boden des
Sees und ihre Blätter bedecken die Oberfläche des Wassers. Sehr
lange dauert es, bis es zur Torfbildung kommt, denn während einer
langen Zeit werden alle organischen Stoffe zerstört und deren Salze
vom Wasser aufgelöst. Nur die Kieselskelette der Pflanzenzellen und
10 v. Maack:
von Myriaden Infusorien sammeln sich an und bilden die tiefste Schicht
der Moore, die, von Humussäure dunkel gefärbt, im nassen Zustande
plastisch wie Thon ist, getrocknet aber zu Staub zerfällt und gebrannt
eine schneeweilse Masse (reine Kieselerde) darstellt. Zweiter Zeit-
raum. Die Torfbildung beginnt wahrscheinlich mit der Entstehung
der Humussäure dadurch, dafs die Oberfläche des Wassers mit Pflan-
zenblättern so dicht bedeckt wird, dafs diese Blattdecke den Sauerstoff
der Luft völlig ausschliefst. Im dritten Zeitraum wird die jeden
Herbst verschwindende Decke von Blättern der Wasserpflanzen durch
eine, Sommer und Winter ausdauernde Decke von Moosarten ersetzt,
welche, stets dicker werdend, von den feinen Zweigen der Preilselbeere
(Vaccinium ozycoceus) bedeckt wird. Endlich kommt die Erle, deren
Wurzeln durch die grofse Menge Wasser, deren sie bedürfen, den schwim-
menden Torf um sich sammeln und befestigen. So schwebt die 2—3,
bisweilen 4 Fufs dicke Moosdecke auf dem Wasser; beim Betreten
schwankt die ganze Masse, ein schwebendes Moor. Jährlich sterben
die unteren Moosstengel ab und werden bei Ausschlufs der Luft und
bei Gegenwart von Humussäure leicht in Torf verwandelt und sinken
zu Boden. Das schwebende oder unreife Moor besteht also aus einer
unteren Torfschicht, aus Moorwasser und einer darüber wachsenden
Moosdecke. Erst wenn die untere Torfschicht so angewachsen ist, dafs
sie die obere Moosdecke berührt, ist das Moor reif.
87. Die grofse Senkung des Landes brachte darauf diese
Lagunenmoore unter den Meeresspiegel, so dafs der Marschthon sich
darüber ablagern konnte. Nicht blos die submarine Lage dieser La-
gunenmoore, auch die häufig vorkommenden Spuren untermeerischer
Wälder bürgen für diese Naturrevolution, welche sich auf die Kimbri-
sche Halbinsel nicht beschränkte; denn von den Küsten Spaniens bis zur
Nordspitze Jütlands, von Bornholm bis zur Westspitze von Cornwallis
findet man überall an den Küsten in gröfserer oder geringerer Tiefe
zahlreiche Spuren untermeerischer Wälder und Torfmoore. Was die
Westküste Schleswigs betrifft, so finden sich bei Oland, einer Hallig,
und zwischen Romöe und dem festen Lande untermeerische Wälder
von Föhren bis zu 10 Fuls Tiefe unter der täglichen Fluthhöhe, deren
Wurzeln und Stubben hier noch im Sande, worin sie gewachsen sind,
vollkommen aufrecht stehen, so dafs folglich durch Senkung des Bo-
dens der Wald gesunken, er aber nicht unterwühlt worden ist; um die
Hallig Oland stehen wie ein Steindamm Eichenstubben; unter der
Marsch bei Tondern liegen grofse Baumstämme; im Husumer Hafen
fand man unter einigen Fuls Marscherde ein Torfmoor und unter die-
sem einen Birkenwald, dessen Wurzeln im alten ordinären Strandsande
standen und dessen Stämme horizontal in der Richtung von Nordwest
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 11
nach Südost auf dem Boden des Torfmoores lagen; ferner fand man
an der Westküste Sylts, 10 Fuls tief im Meere, Sülswassertorf mit vielen
Birkenstämmen, und in dem Meere zwischen Föhr und dem festen
Lande den Thul, den Torf der Friesen, aus dem früher Jahrhunderte
lang das friesische Salz bereitet ward, ein Beweis von der ungeheuren
Ausdehnung dieser untermeerischen Moore. Ganz ähnliche Verhält-
nisse finden sich an allen Küsten der Nordsee: nach Norden lassen
sie sich bis an den Liimfjord hin nachweisen; gegen Süden zeigen die
Marschen der ganzen deutschen Nordseeküste, sowie in Holland, eine
gleiche Beschaffenheit, und an der Ostküste Englands finden sich auch
untermeerische Wälder. Es zeigt sich aber dieses Phänomen sowohl
östlich als westlich weit über den Umfang der Nordsee verbreitet: im
Westen ziehen sich untermeerische Wälder von Cornwallis bis York-
shire hin, finden sich an der Nordküste Frankreichs und sollen an der
Spaniens vorkommen; im Osten hat man an der Südküste Schonens
untermeerische Moore (Nielson), an der Westküste Bornholms unter-
meerische Wälder (Forchhammer) gefunden. — Die Senkung des Lan-
des erfolgte aber plötzlich, denn das Holz der Stubben und Stämme
der untermeerischen Wälder ist vollkommen wohl erhalten, so dafs es
nur durch ein rasches Versenken ins Wasser der zerstörenden Ein-
wirkung der Luft entzogen worden ist. Bei langsamer Versenkung,
der Einwirkung der Atmosphäre Preis gegeben, wäre das Holz sicher-
lich vermodert. Die Gröfse der Senkung war wahrscheinlich an ver-
schiedenen Orten eine verschiedene. An der Westküste unseres Lan-
des betrug sie wenigstens 10—1?2 Fuls. Denn da der Föhrenwald bei
Romöe 10—12 Fufs unter der jetzigen mittleren Fluthhöhe und ebenso.
tief ungefähr der Boden des Birkenwaldes bei Husum liegt, so ist diese
Gröfse das Minimum der Senkung. Weil aber höchst wahrscheinlich
nieht alle Wälder im Niveau des Meeres lagen, so war die Senkung,
wenigstens stellenweise, bedeutender, wie denn z. B. an der Westküste
von Bornholm der Föhrenwald 27 Fuls unter dem jetzigen Meeresspie-
gel liegt (Forchhammer). — Dafs diese Senkung des Landes aber ge-
rade in diese Zeitperiode fällt, wo das Land bereits bewohnt, der eng-
lische Canal noch nicht durchbrochen war, das läfst sich unwiderleg-
lich .darthun. Mitten in jenem im Hafen von Husum versunkenen Bir-
kenwalde hat man ein aus weilsem Dünensande aufgeworfenes Grab
entdeckt; 'welches dem sogenannten Steinalter angehört. Diels Grab
war also schon vor der Senkung; des Landes aufgeworfen. Unter ähn-
liehen Verhältnissen fand man auch an der Küste von Cornwallis Men-
schenschädel. Dafs aber der englische Canal noch nicht durchbrochen,
als jene grofse Senkung eintrat, das läfst sich durch Combiniren meh-
rerer archäologischen Thatsachen darthun. Wir werden in der Folge
12 v. Maack:
sehen, dafs die Kimbrische Fluth, so weit sie reichte, den Boden mit
einer Schicht, der sogenannten Steinahl, überdeckte. So war denn
auch ein Grab, welches Forchhammer auf Sylt öffnen liefs, in geringer
Tiefe von der Oberfläche mit dieser Steinahllage bedeckt. Diese Schicht
fehlte aber jenem Grabe, welches man in dem im Husumer Hafen ver-
sunkenen Birkenwalde entdeckte, folglich mufs die Senkung vor jener
Fluth eingetreten sein, worauf auch die Folge aller sonstigen Erschei-
nungen hindeutet. Da nun erst die Kimbrische Fluth den englichen Ca-
nal durchbrach ($ 9), so fand die grofse Senkung des Landes bei noch
bestehendem Zusammenhange Englands mit Frankreichs statt.
Die Umrisse der Küsten des nördlichen Europa’s und namentlich
der Westküste der Kimbrischen Halbinsel wurde gänzlich durch dieses
Naturereignifs verändert. Von dem Nissumfjord an nach Süden durch
ganz Schleswig zieht sich, häufig unterbrochen, eine niedrige Dünen-
kette hin, ungefähr 4 Meilen vom jetzigen Strande entfernt. Diese
Dünenkette entspricht dem Strande des Meeres nach der grofsen Sen-
kung. Unter und östlich von diesen Dünen hat man daher nie Marsch
entdeckt. Als Ueberbleibsel des versunkenen Landes umgaben gröfsere
und kleinere Inseln die Küste. Die Wirkung dieser Senkung hat sich
aber natürlich nicht auf das Meeresufer beschränkt, sondern auch das
Innere des Landes betroffen. Auf der Kimbrischen Halbinsel scheint
sie eine Versumpfung im Inneren veranlafst zu haben, da das Regen-
wasser wegen des höheren Standes des Meeres einen schwierigen Ab-
flufs hatte. Es steht diese Senkung übrigens nicht beispiellos in der
Geschichte des Landes da, — durch Senkung gingen im Mittelalter
die holsteinischen Elbkirchspiele, namentlich Bishorst zu Grunde —
wie es denn überhaupt noch zur Frage steht, ob nicht die gröfsere
südliche Hälfte der Kimbrischen Halbinsel fortwährend’in einem lang-
samen Sinken begriffen ist. Es ist bewiesen, dafs der Theil von Jüt-
land langsam sich hebt, welcher nordöstlich von der Linie liegt, die
man von Nyeborg auf Fühnen nach dem Nissumfjord an der jütischen
Westküste sich gezogen denkt und dafs im Norden Jütlands diese Hebung
in einem Jahrhundert ungefähr 1 Fufs beträgt (Forchhammer). Sinkt
nun das Land im Süden dieser Linie, gleich wie das südliche Schonen
sinkt, während das nördliche Schweden sich hebt? Manche Erschei-
nungen, die auf ein Sinken des Landes hinzudeuten scheinen, lassen
sich auch durch ein Abspülen des Landes von Seiten des Meeres er-
klären, z. B. die Bildung der Insel Oehe an der schleswigschen Ost-
küste, früher eine Halbinsel; die Bildung des Hafens Dywig auf Alsen,
der früher ein Landsee war. Doch deuten andererseits mehrere That-
sachen auf ein Sinken des Bodens hin: die Reste der Schleimünder
Burg stehen beständig unter Wasser; an der Probsteier Küste ist das
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 13
alte Bramhorst verschwunden und die Stubben der Waldungen dieses
vormaligen Jagdschlosses stehen jetzt 400 bis 500 Schritt hinaus in
der Meeresfluth; mitten im Meere, tief unter der Wasserfläche, nicht
weit vom östlichen Ausflusse des Fehmarsundes, sieht man’ die Reste
eines alten Walles; endlich — was besonders entscheidend zu sein
scheint — liegen jetzt zwei grolse Felsblöcke am Travemünder Ostsee-
strande, der sogenannte Kröger- und Möwenstein, mitten im Wasser,
der'erste bereits 24 Fuls vom Strande, während vor 70 Jahren beide
erweislich am Ufer lagen.
88. Die Bildung der ältesten Marsch begann, nachdem
dergestalt durch die plötzliche Senkung des Bodens die Moore unter-
meerisch geworden waren. Das Material zu dieser Bildung, den Marsch-
thon (Schlick), liefert die See. In der Tiefe der Nordsee. spielt die
Braunkoblenformation eine grofse Rolle. Diese Formation, die Bildungs-
stätte des Bernsteins, liefert sowohl den Thon der Marschen als den
Sand der Dünen, beide voll weifser Glimmerblättchen. Gleich dem
Thon der Braunkohle enthält der Marschthon im Gegensatz zu dem
glimmerarmen Geschiebethon wenig Kalk. Man darf daher die Nordsee-
Marschen nicht als das Erzeugnis der in. sie mündenden Flüsse an-
sehen. So reich an suspendirten Erdtheilen das Wasser der Flüsse
auch sein mag, — das Verhältnils der festen aufgeschwemmten Theile
zu den flüssigen ist in der Elbe bei Brunsbüttel im Durchschnitt 1:331,
bei westlichen Winden 1:210 (im Nilwasser 1:120) — so haben doch
der Rechnung nach alle Flüsse der Nordsee während eines Zeitraums
von drei Jahrtausenden höchstens 6 Quadratmeilen Marsch gebildet,
vorausgesetzt, dafs aller Schlamm der Flüsse wirklich abgesetzt und
nicht in die Tiefe des Meeres hinabgespült worden, eine Voraussetzung,
die jedoch nicht möglich ist. An Orten, wo das Wasser sich in Ruhe
befand, setzte die See die aufgeschwemmten Erdtheile bald langsamer
bald schneller ab: Eisfluthen namentlich bewirkten eine stärkere Schlick-
ablagerung, weil das Eis der Watten mit Thon enorm geschwängert
ist. So hinterliefs z. B. die Eisfluth vom 7. und 8. Januar 1839 an .
vielen Stellen eine 8 Zoll dicke Schlickschicht, während die täglich
zweimal wiederkehrende Fluth oft erst in 50 Jahren im Stande ist, die
sich bildende Marsch um Einen Fufs zu erhöhen. — Die Marschbil-
dung folgt ganz bestimmten Gesetzen. Weit in’s Meer hinaus gehen
die Watten, theils Reste zerstörten, theils Anfänge neu gebildeten Lan-
des. An ihrem äufsersten Rande bilden sich bei starkem Wellenschlage
Sandbänke bis zur Höhe der vollen Fluth. Gegen die Landseite hin
setzt nun das Wasser den Thon ab, mit dem es überladen ist. Seiner
Feinheit wegen setzt er sich nur im ruhigen Wasser ab, wo eine Insel
oder eine Sandbank Schutz gegen den Wellenschlag gewährt. Zur Be-
14 v. Maack:
förderung der Marschbildung zieht man deshalb auch künstliche, nie-
drige, bei hoher Fluth überschwemmte Deiche, sogenannte Lahnungen,
im Meere. Jede Fluth bildet eine kleine Thonschicht: auf der Sand-
watte bildet sich eine Schlickwatte. Wenn diese nun, allmählich er-
höht, bei niedrigem Wasser eine geraume Zeit trocken liegt, so wächst
hier der Queller, Salicornia herbacea, durch dessen steife rechtwinklig
stehende Aeste die Thonablagerung befördert wird. Später macht der
Queller anderen Pflanzen Platz; denn die einzelnen Stadien dieses Ent-
wickelungsvorganges begleitet eine bestimmte Aufeinanderfolge gewisser
Pflanzen. Zuerst folgt auf den Queller der Andel (plattdeutsch: Drück-
dal), Poa maritima, dann der Herrich, Carer acuta. Am meisten aber
trägt zum Wachsen des Marschbodens bei der Seestrandwegerich (Sud),
Plantago maritima. Die Marsch erhöht sich langsam mehr und mehr,
theils durch die Wurzeln, die den Thon auflockern, theils durch den
Zuwachs der hohen Herbst- und Winterfluthen. Endlich erscheint der
weifse Klee, Trifolium repens, ein Zeichen, dafs das Land jetzt reif ist
zur Eindeichung.
Die Marsch der kimbrischen Halbinsel beginnt am Ringkjöbing-
fjord mit den sogenannten „Tippen“; sie ist hier unbedeutend und
selbst bei Ripen noch sehr schmal. Die Deiche fangen erst bei Hoyer
an und ziehen sich ununterbrochen bis nach Wedel hinab. Die Mar-
schen sind theils älteren, theils jüngeren Ursprungs. Jene sind sämmt-
lich Moormarschen, ruhen auf Mooren, entweder unmittelbar oder
mittelbar, indem eine Sandschicht dazwischen tritt; diese sind Sand-
marschen und haben Meeressand zur Unterlage.
Die Moormarschen sind verschieden, je nachdem das Moor, wor-
auf die Marsch ruht, ein reifes oder unreifes Moor ist: die festen
und die schwebenden Moormarschen. Bei den festen Moormar-
schen, welche der Torf durch das Gewicht der darüber gelagerten
Schlickmassen zusammendrückt, hat die Compression bereits vor langer
Zeit ihre Grenze erreicht, in deren Folge die innere Marsch eine tie-
fere Lage hat, als die äufsere Sandmarsch; die schwebende Marsch ist
dagegen in beständigem Sinken begriffen. Die Wilstermarsch, die Insel
Pelworm sind schwebende Marschen. Nordstrand ging theilweise unter,
weil es wahrscheinlich schwebende Marsch war. Ueberall unter der
Marscherde trifft man hier auf ein schwarzes mooriges Wasser. Der
Druck der Marsch prefst dieses Moorwasser langsam durch die ehe-
malige Sandbank in den Flufs oder in das Meer, und die Senkung hat
erst ihr Ende erreicht, wenn alles Wasser durchgeprefst worden. In
der Wilstermarsch beträgt die Senkung in hundert Jahren mindestens
einen Fufs. Sie liegt jetzt schon 7 bis 8 Fuls unter dem Niveau des
Elbspiegels. Stellenweise, namentlich wo die Deiche einen grölseren
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 15
Druck ausüben, ist die Senkung beträchtlicher: mancher Kirchthurm
überragt jetzt den Deich. Wo der Deichkörper auf einen Boden drückt,
der keinen festen Untergrund hat, wie bei den Flufsmarschen, da sinkt
er zuweilen plötzlich. So sank im Jahre 1790 auf einmal der hohe
Brockdorfer Deich auf die ordinäre Fluthhöhe und prefste, wieder er-
höht, seinen alten Untergrund mitten im Elbbette hervor. Der innere
Theil der Wilstermarsch bildete einst einen Binnensee, wie Kuss in
Falk’s Staatsb. Magaz. bewiesen, welcher im Norden zwischen Wilster-
marsch und Ditmarsehen mit der Elbe, im Süden durch mehrere Aus-
flüsse, durch die Wilsterau und durch die Flethe, wonach Wewelsfleth
und Beyenfleth benannt sind, mit der Stör in Verbindung stand. Der
an Elbe und Stör angrenzende Theil der Marsch ward zuerst und zwar
lange vor der Bedeichung bewohnt, weshalb hier noch alle Häuser auf
Warfen stehen; deshalb finden sich auch jetzt noch alle Kirchen in
der Wilstermarsch am äufsersten Rande derselben, unfern der Elbe,
der Stör und der Geest, wie denn auch nur hier adlige Güter vor-
kommen, denn im Mittelalter war die innere Wilstermarsch noch ein
See. Was den Einflufs der Marschbildung auf die Formenumrisse der
Küste schliefslich betrifft, so ist derselbe grofs gewesen im Verlaufe der
Zeit: durch sie wurden Inseln mit einander verbunden, es entstanden
neue und andere wurden landfest.
$ 9. Da trat nun endlich jene grofse Fluth ein, welche, durch
Senkung des Bodens veranlafst, den letzten Rest der schmalen Land-
zunge zerrils, durch welche England mit Frankreich verbunden war.
Es erfolgte nämlich der Durchbruch des 70 bis 80 Meilen langen eng-
lischen Canals durch Senkung des Bodens nicht auf einmal, nicht durch
eine einzige Fluth, sondern langsam, allmählich, im Verlaufe vieler Jahr-
hunderte. Schon in vorgeschichtlichen Zeiten, damals, als noch Ele-
phanten in England lebten, war seine Trennung von Frankreich be-
reits weit vorgeschritten; denn man findet in dem jetzigen Bett des
Canals Erdschichten, die Elephantenknochen enthalten. Noch heutigen
Tages zeichnet sich die Fluth an den Küsten des Canals wegen seiner
trichterförmigen Gestalt durch ihre Höhe aus; als die Spitze dieses
Trichters geschlossen war, mufste die Fluth noch viel höher steigen.
So erreicht sie in dem trichterförmigen Meerbusen von Bristol eine
Höhe von mehr als 40 Fufs, folglich mufs sie in dem tiefer einschnei-
denden Canale noch höher gestiegen sein. Erst als die letzte Schranke
durchbrochen wurde, als die im trichterförmigen Meerbusen zu enor-
mer Höhe angeschwollenen Meereswogen einen Ausgang sich erzwan-
gen, wurde die ganze Westküste Schleswigs überschwemmt. Diese
Fluth, welcher die Westküste der kimbrischen Halbinsel preisgegeben
war, hat als Zeugen ihrer Wirkung die jüngste allgemeine Bodenfor-
16 v. Maack:
mation, die sogenannte Steinahlschicht, gebildet. Die Steinahl besteht
aus denselben losen, theils abgerundeten, theils eckigen Steinen, welche
sich in der Tiefe des Bodens finden, die aber dicht bei einander liegen.
Man findet sie an der Westküste von Ditmarschen an bis nach Vend-
syssel hinein, bald 4 bis 5 Fufs unter der Oberfläche des Bodens, wie
bei Keitum auf Sylt, bald nur einige Zoll tief. An der Küste liegt
die Schicht am tiefsten und hebt sich höher und höher bis an die Ober-
fläche des Bodens, je tiefer man in’s Land hineingeht. Ebenso ist die
Steinschicht je südlicher desto mehr überlagert von angeschwemmtem
Meeresboden: hoch oben in Jütland tritt sie zu Tage. Sie folgt der
Geschiebebildung der Westküste, fehlt in den Marschen und im Flug-
sande; den Höhenrücken der Halbinsel übersteigt sie nicht, nur an
einzelnen Stellen findet sie sich in den Thälern, welche sich vom Rücken
der Halbinsel nach Osten hin senken; sie fehlt gänzlich der Ostküste,
wie allen Inseln des Kattegats und der Ostsee. Dieses Steinlager folgt
allen Unebenheiten des Bodens, es liegt über dem Geschiebethon und
dem Geschiebesande, nur da unterbrochen, wo der ursprüngliche Boden
keine Steine enthielt. Am höchsten liegt die Schicht wohl beim Dorfe
Campen auf Sylt, ungefähr 60 Fuls hoch, — auf gröfseren Höhen der
Insel fehlt sie —, dagegen bei Keitum nur 16 bis 20 Fufs über dem
Meeresstrande. Auf den Haiden Föhrs liegt diese Steinschicht oft un-
bedeckt zu Tage, ebenso auf Amrom, wo keine Dünen sind. Die
Steinahl bedeckt einen Flächenraum von mehr als 100 Quadratmeilen.
Eine genaue Untersuchung dieser Steinahlschicht, ein Verdienst Forch-
hammers !), hat uns die Mittel verschafft, nicht nur die Bildungsge-
schichte dieser Formation zu erkennen, sondern auch auf die Eigen-
thümlichkeiten jener Fluth Rückschlüsse zu machen.
Die Steinahlschicht wurde weder durch den Wellenschlag des Mee-
res noch durch den Wind gebildet. Sie bezeichnet nicht die vormali-
gen Meeresufer, sie ist kein Strandwall, durch spätere Hebungen des
Bodens dem Wellenschlage entrückt. Denn wäre sie allmählich im
Laufe der Zeit durch den Wellenschlag gebildet, so würde dieser die
wellenförmigen Unebenheiten des Bodens geebnet haben, so dafs die
Steine in einem fast gleichen Niveau lägen, was aber nicht der Fall
ist. Auch der Wind hat die Schicht nicht gebildet, indem er den Sand
wegwehte und die Steine zurückliefs, wie solches in Jütland in unter-
geordneter Weise noch jetzt stattfindet. Es kann der Wind nämlich
den Thon nicht wegwehen, die Steinahl liegt aber sowohl auf Geschiebe-
!) Forchhammer: Ueber dauernde Niveau-Veränderungen und Spuren von Ueber- _
Authungen an der Westküste von Schleswig; in Falk’s Neuem Staatsbürgerl. Magaz.
1837, Bd. VI, S. 51 f#. Forchhammer: Om en sten Randflod, der har truffet Dan-
mark; im Dansk Folkekalender for 1844, 8.84 fi.
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 17
thon als auf Geschiebesand. Die Steinahl mufs also gebildet worden
sein durch eine Wasserfluth, welche, von Westen kommend, den Sand
und Lehm wegspülte, die Steine aber liegen liefs. Als das Wasser
wieder ruhiger geworden, setzte es die aufgewühlte Erde ab, die nun
die Steinahl mehr oder minder diek bedeckt, je nachdem die Bewegung
mehr oder minder gewaltsam war.
Was nun die Eigenthümlichkeiten jener grolsen Fluth betrifft, so
war die durch sie bewirkte Ueberschwemmung eine allgemeine. Dies
geht schon daraus hervor, dafs das Erzeugnifs derselben, die Steinahl-
formation, eine Fläche von mehr als 100 Quadratmeilen an der Westküste
der kimbrischen Halbinsel überdeckt hat. Auf den westlichen Inseln
Schleswigs steigt die Steinahl zu der gröfsten Höhe an, erreicht die
bedeutendste Mächtigkeit und ist von der dicksten Erdlage bedeckt,
vollgültige Beweise von der Gewaltsamkeit des Wellenschlags. Die
Höhe der Fluth läfst sich annäherungsweise bestimmen. Beobachtun-
gen auf der Insel Amrom haben bewiesen, dafs die Westsee-Inseln
seit jener Fluth ungefähr 20 Fufs gehoben sind. Denn ein Wall auf
Amrom, welcher den zahlreichen, an der schleswigschen und jütischen
Westküste hart am Meere gelegenen alten Seeraubburgen völlig
gleicht und die Steinahlschicht trägt, hört dieht vor dem Meere,
20 Fufs höher als dasselbe, plötzlich auf (Forchhammer). Da nun die
Steinahlschicht, wo sie am höchsten liegt, eine Höhe von ungefähr
60 Fuls erreicht, so muls die grofse Fluth bis zu 60 — 20 = 40 Fufs
angeschwollen sein. Bei einer der gröfsten Fluthen neuerer Zeit, in
der Nacht vom 3ten auf den 4ten Februar 1825 stieg das Wasser auf
Föhr 14 Fuls über die tägliche Fluthhöhe von 9 Fufs, und bei der
Sturmfluth vom 11ten December 1792 stieg das Wasser bei Hamburg
204 Fufs über den gewöhnlichen höchsten Wasserstand (der Unter-
schied zwischen Ebbe und Fluth beträgt bei Altona 6 bis 7 Fuls).
Dies ist der höchste Wasserstand, den wir genau kennen. Wie viel
fehlt aber daran, dafs selbst die stärksten Fluthen der Gegenwart die
Höhe jener Steinahlfluth erreichten! Endlich kann die Fluth nicht
lange gedauert haben, sie mufs eine plötzliche, momentane gewesen
sein, weil sie nicht im Stande gewesen, die kleinen wellenförmigen
Unebenheiten des Bodens, worauf die Steinahl liegt, zu verwischen.
Es mufs nun aber die grofse räumliche Ausdehnung dieser Fluth,
ihre beispiellose Höhe und ihre kurze zeitliche Dauer uns zu der Ueber-
zeugung führen, dafs weder die stärksten Springfluthen, noch die hef-
tigsten Stürme aus Westen, noch beide zusammen die Höhe, bis zu
_ welcher diese Fluth angeschwollen, zu erklären im Stande sind, dafs
_ vielmehr nur ein Ereignifs, wie der Durchbruch des Canals, welcher
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VI. 2
18 v. Maack:
ja einmal stattgefunden haben muls, einen Erklärungsgrund für sie ab-
geben kann.
Was endlich den Zeitpunkt betrifft, in den jene Naturrevolution
fällt, so hat diese Fluth unzweifelhaft in historischer Zeit, in dem so-
genannten Erz- oder Broncealter die kimbrische Halbinsel getroffen.
Dals zur Zeit der Fluth die Marschbildung begonnen, die Westküste
des Landes bereits bewohnt war, geht daraus hervor, dals man in der
Steinahlschicht Marschlehm, Steinwaffen und auf Sylt und Föhr Bruch-
stücke von gebranntem Lehm gefunden, die Mauersteine gewesen
zu sein scheinen. Unter der Steinahl liegt schwarze Dammerde auf
gepflügten Aeckern. An Sylt’s hoher, blos gespülter Küste sieht man
unter ihr Furchen, Eintheilungen der Aecker, Gräben, Fahrwege, ja
selbst Fufssteige. Endlich hat man unter der Steinahl auch Gräber
entdeckt. Im Westen des Landes sind viele Grabhügel von der Stein-
ahlfluth abgeflacht, und in diesen abgeflachten, mit einer dünnen Stein-
ahlschicht bedeckten Gräbern hat man bisher nur Waffen aus Stein
gefunden. Auf Amrom kamen dagegen häufig Steinsetzungen zu Tage.
Ein solches Grab auf Sylt liefs Forchhammer öffnen. In einer gerin-
gen Tiefe unter der Oberfläche fand sich überall eine dünne Lage
Steinahl. Nachdem man 12 Fufs horizontal von der südöstlichen Seite
her gegraben, traf man auf die Grabkammer; allein bevor man sie
erreichte, fand man, 3 Fufs von ihr entfernt, einen zerbrochenen Topf
von Thon mit Knochen- und Kohlenresten; zwei Fuls von der Grab-
kammer wurde ein anderer Thontopf gefunden, mit einem flachen Steine
bedeckt; er war gleichfalls zerbrochen, unter den Scherben fanden sich
Knochen. Die Grabkammer hatte im Innern eine Breite von 19 Zoll,
eine Länge von 35 und eine Höhe von 20 Zoll. Auch in ihr fanden
sich Bruchstücke eines Thontopfes mit Knochen. Im ganzen Grabhügel
fanden sich keine Waffen. An seiner Nordwestseite, ungefähr einen
Fuls tief unter der ursprünglichen Oberfläche, lag ein wirklicher Stein-
damm, der nicht Steinahl war, da er nur aus grofsen Steinen bestand.
Zwischen den Steinen fand sich schwarze Erde mit grolsen Stücken
Eichenkohle. Unter dem Steindamme lag der gewöhnliche gelbe Sand,
der in dieser Gegend den Boden bildet, und bis zu einer Tiefe von
4 Fufs unter dem Steindamme fanden sich weder Steinahl noch Spu-
ren von Rasen. Der Grabhügel war von weilsem, grobkörnigem Sande
mit Feuersteinstücken aufgeworfen, wie man diesen Sand an dem nicht
weit davon entfernten Strande der Insel findet. Die Einwohner, deren
Gräber älter sind als die Steinahlfluth, begruben demnach ihre Todten
auf folgende Weise. Zuerst entfernten sie den Rasen, weil man sonst
unter dem Grabhügel Spuren davon hätte finden müssen. Darauf leg-
ten sie auf der nordwestlichen Seite des Platzes eine Lage grolser
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 19
Steine, auf denen sie, hier mittelst Eichenholz, die Leiche verbrannten.
Die verbrannten Knochen wurden in Töpfen von gebranntem Thon ge-
sammelt und in eine Grabkammer beigesetzt. Andere Töpfe mit Kno-
chen, wahrscheinlich von anderen Leichen, wurden aufserhalb der Grab-
kammer eingescharrt. Der Grabhügel ist also im sogenannten Erz-
oder Brennalter aufgeworfen.
Man kann aber den Zeitpunkt jener grolsen Fluth noch etwas
genauer bestimmen. Da Pytheas von Massilia zwischen 360 und 350
vor Christi Geburt durch den Canal schiffte (Bessell, Pytheas von Mas-
silien. Göttingen 1858. S. 15), so mufs der Durchbruch vor seiner Zeit
stattgefunden haben. Andererseits kann er aber nicht über das erste
Jahrtausend vor Christi Geburt hinaus gesetzt werden, weil sonst der
Rhein zu‘der Römer Zeit nicht mehr seine Mündung gerade nach Nor-
den könnte gehabt haben. Die Fluth mufs also zwischen den Jahren
360 und 1000 v. Chr. eingetreten sein. Da die Kimbern, welche Ari-
stoteles (Ethic. III, 1) und Kleitarchos (bei Strabo $. 293) schon
kannten, um die Zeit auswanderten, als Brennus Rom verbrannte (388
v. Chr.) und dann nach der Balkhan-Halbinsel zogen, und da die dunkle
Kunde von einer furchtbaren Ueberschwemmung, welche sie zur Aus-
wanderung gezwungen, um die Mitte des vierten Jahrhunderts vor
Christo Griechenland erreichte, so hat aller Wahrscheinlichkeit nach
jene Fluth nur einige Menschenalter vor Pytheas stattgefunden, und
man wird sich nicht sehr in der Zeit irren, wenn wir sie in die erste
Hälfte des fünften Jahrhunderts vor Christi Geburt setzen.
Grofs waren die Umwälzungen, welche die Fluth an der Westküste
der kimbrischen Halbinsel herbeiführte. Ausgedehnte Strecken der be-
reits gebildeten Marsch wurden wieder zerstört, Inseln wurden zerris-
sen und neue gebildet. Die Westküste Schleswigs und Jütlands wurde
mit einem Kranze von Inseln umgeben. Noch die ältesten Amtskarten
von Jütland zeigen an der Westküste eine Reihe von Inseln, die im
Laufe der Zeit durch Versandung der trennenden Meeresarme theils
unter sich verbunden, theils landfest geworden sind. So bildeten das
östliche Vendsyssel, die beiden Hanharden, Thyland, Sallingland — in
alten Documenten oft roch Sallingholm genannt — die Skodborg-
und die Vandfuldharde eben so viele oder noch mehr Inseln, die in
einem Halbkreise Jütland umgaben und jene Reihe von Inseln schlos-
sen, die sich von der belgisch-holländischen Küste bis nach Lessöe
hinzogen. Mors(öe), in älteren Documenten Marsey d. h. Meeresinsel
geschrieben, lag im offenen Meere. Noch jetzt rechnet das Volk Thye
nicht zu Jütland. Zu diesen Inseln gehörten auch die drei Alöcischen
des Ptolemäus im Norden der Chersonesus Cimbrica, die früber Keiner
hat nachweisen können. Diese Inselkette nun, die sich nach Nordosten
2%
20 v. Maack:
bis nach Lessöe, gegen Südwesten bis nach Holland hin erstreckte,
nannten die Alten die Bernstein-Inseln, Glessariae, Electrides, weil
dort Bernstein gefunden wurde, dessen jährlicher Ertrag an der West-
küste der kimbrischen Halbinsel noch jetzt auf ungefähr 3000 Pfund
anzuschlagen ist (Forchhammer). Dafs aber die Alten diese langge-
streckte Inselgruppe die Glessarien oder Eleetriden genannt, geht aus
zwei Stellen des Plinius hervor. Die Hauptstelle ist Histor. natur. IV,
16 (ree. Sillig): — — — infra (Britanniam) vero Siambis (vielleicht Sena
[Mela III, 6] oder eine der normannischen Inseln) et Arantos (Quessant)
et ab adverso (d.h. auf der entgegengesetzten Seite oder nordöstlich
von Britannien) in Germanicum mare sparsae Glessariae, quas Electri-
das Graeci recentiores appellavere, quod ibi electrum nasceretur. An
einer anderen Stelle (Histor. natural. IV, 13) fährt er, nachdem er von
dem kimbrischen Vorgebirge und von der jütischen Halbinsel Cartris
gesprochen, fort: Tres et viginti inde insulae Romanorum armis
cognitae; earum nobilissima Burcana (Borkum an der Mündung der
Ems), Fabaria nostris dieta a frugis similitudine sponte provenientis;
item Glessaria a succino militiae appellata, a barbaris Austeravia (die
von Borkum durch einen schmalen Meeresarm getrennte Insel Oester-
[n]ey) praterque Actania. Um das geographische Bild aus jener Zeit
zu vervollständigen, fügen wir noch hinzu, dafs Schleswig, wie wir
späterhin ($ 18) sehen werden, im Süden durch eine schmale Meerenge
vom Festlande wahrscheinlich ganz getrennt und im Norden durch eine
zweite Meerenge jedenfalls von Jütland geschieden war.
Dafs endlich durch die veränderte Fluthströmung, die statt aus dem
Norden jetzt aus dem Westen kam, durch das Eindringen des wärme-
ren Wassers des Golfstroms in die Westsee das Klima Schleswigs ge-
mildert wurde, ist bereits früher ($ 4) bemerkt worden.
$ 10. Die Tiefe der Nordsee ist sehr bedeutend: auf grofse
Strecken beträgt sie über 500 Faden. Der Boden des Meeres bildet
eine Ebene, welche in der Mitte zu einer grolsen Bank sich erhebt.
Meilenweit von der Küste Schleswigs ist der Grund noch flach, so dafs
die Ebbe ihn bloslegt — das Watt — und die Inseln verschwunden
sind. Doch die rückkehrende Fluth stellt die Inseln wieder her. Man
vergleiche damit die bekannte Stelle des Plinius über die Lebensweise
der Kauchen. Nach Pytheas hiefs diese Wattgegend im Westen der
kimbrischen Halbinsel in der alten Landessprache Mentonomon. Die
Stelle steht bei Plinius (Histor. natural. XXXVII, 2. 11): Pytheas Gut-
tonibus, Germaniae genti (ein erklärendes Einschiebsel des Plinius)
accoli aestuarium') Oceani, Mentonomon nomine, spatio stadiorum sex
!) Nach Plinius (Histor. natural. II. 97) ist aestuarium das durch die tägliche
Meeresfluth unter Wasser gesetzte Vorland der Küste, cfr. Forcellini Lexicon I,
p: 82. Dies pafst nur auf die Westküste der kimbrischen Halbinsel.
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 21
millium eredidit. Mehrere Handschriften lesen Metonomon, welches viel-
leicht durch das folgende nomine durch Versetzung aus Metomonon ent-
standen ist. Das altdeutsche metemon bedeutet aber „mittel“, Meto-
monon ist also das Vorland, das Mittelland zwischen Meer und Fest-
land. Die Angabe der Gröfse von 6000 Stadien (= 150 Meilen) ist
gleich den meisten Zahlenangaben des Pytheas übertrieben. So giebt
er auch den Umfang Britanniens zu 40,000 Stadien (= 1000 Meilen)
an und berichtet, dafs die Fluth über Britannien bis zu 80 Ellen (cu-
biti) — 120 Fuls anschwelle (Plinius, Histor. natural. II, 97. 99).
In den Watten, die an der Küste Schleswigs jetzt ungefähr 50
Quadratmeilen einnehmen, finden sich theils tiefere Stellen, in denen
das Wasser bei der Ebbe zurückbleibt, theils rinnenförmige Vertiefun-
gen — Wattströme —, welche, selbst bei der Ebbe voll Wasser,
zu befahren sind. Sie bilden die Reste jener Ströme, die einst in die
Westsee fielen, als das Watt noch festes Land war, und durch sie
wird der Zugang zur Küste für mittelgrofse Schiffe überhaupt möglich
gemacht. Die äufserste Grenze dieses Küstenmeeres mit der darin lie-
genden Inselmarsch bildet ein Klippenriff, welches, von Helgoland aus-
gehend, in verschiedenen Richtungen streicht, von denen zwei fast pa-
rallel auf einer Länge von 30 Meilen verlaufen und zu den jütischen
Riffen hinaufgehen.
Die Wellenbewegung der Nordsee ist wegen ihrer gröfseren Tiefe
weit bedeutender als die der Ostsee. Das Meer wirft überall Braun-
kohle und Bernstein an’s Land. Die Fluth steigt an der Küste im
Mittel 9 Fuls; sie nimmt von Süden nach Norden hin ab. Bei Sturm-
fluthen, wenn ein anhaltender Sturm aus Westen geweht hat und dieser
plötzlich nach Norden umspringt, steigt das Wasser 20 Fuls und noch
höher: grofse Ueberschwemmungen verschlingen und verderben viel
Land. Hier in diesem Theile des Oceans, an der Ost- und Südküste
der Nordsee, wo einerseits die Riffe und zahllose Untiefen, anderer-
seits die Fluthen und furchtbaren Stürme den Muth und die Entschlos-
senheit des Seemannes auf ganz andere Proben stellen, als die Schiff-
fahrt auf dem gröfsten fluthenlosen Binnenmeere, hier ist die Wiege
der oceanischen Schifffahrt. Hier lernte man zuerst das offene Welt-
meer durchschneiden; hier bildete sich eine Seemannssprache, deren
Kunstausdrücke in die Sprachen aller seefahrenden Nationen Europa’s
Eingang fanden (Dr. Clement). Nirgends in der Welt giebt es bessere
Seeleute als hier. Und dennoch findet sich auf der ganzen Westküste
der kimbrischen Halbinsel kein einziger guter Hafen: das Land ist von
der Natur vom Weltverkehr ausgeschlossen.
$ 11. Die Dünen. Die äufsere westliche Dünenkette geht jetzt
von der äufsersten Spitze Eiderstedts, durch Meerarme unterbrochen,
22 v. Maack:
über die Inseln Amrom, Sylt, Romöe, Manöe und Fanöe nach Jütlands
Westküste, der sie nach Norden hin folgt. In der Ferne erscheint sie
als eine Bergkette mit scharfen zackigen Formen. Gegen das Meer
fällt die Düne oft senkrecht ab, gegen das Land hin unter einem regel-
mälsigen Winkel von 30 Grad. Wasserreiche Längen- und Querthäler
mit ihren Dünenseen durchschneiden die Dünengegend. Aus dem ge-
wöhnlichen Sande der Braunkohlenformation bestehend, erreichen die
Dünen auf Sylt eine Höhe bis zu 100 Fufs. Die ganze Dünenkette
ist, indem der Sturm den Sand in Bewegung setzt, in einer fortwäh-
renden Wanderung landeinwärts begriffen, Alles zerstörend. Ueber
Felder und Wiesen, über Deiche und Bäume schreitet die Düne mit
gespenstischer Ruhe und Gleichmäfsigkeit hinweg; Wohnungen und
ganze Dörfer begräbt sie gleichsam lebendig, bis sie nach Jahrhunder-
ten auch darüber hinweggegangen ist, und ihre zerstörten Reste wieder
am Meeresstrande hervortreten, um von den Wellen vollends zernagt
und verschlungen zu werden. Um die fester gebauten, widerstands-
fähigen Kirchen entspinnt sich ein langer erbitterter Kampf. Durch die
Fenster kriecht das Volk zuweilen noch in das Gotteshaus und lagert
sich drinnen auf Sandhügeln, während der Prediger auf seiner Kanzel
tief unten in einer Sandgrube steht, bis endlich auch der letzte Ein-
gang versperrt wird. Auf solche Weise wandern meilenlange Land-
strecken, ja die beiden Inseln Amrom und Sylt, unaufhaltsam, lang-
sam von Westen nach Osten.
$ 12. Die Ostsee galt den Römern für einen Theil des nörd-
lichen Oceans und hiefs deshalb gleich der Nordsee Oceanus septen-
trionalis. Auch Plinius (Histor. natural. XXXVI. 2), Mela (de situ
orbis III. 3) und Tacitus (Germania c. 43 u. 44) bezeichnen sie mit
dem Ausdrucke Oceanus, und Ptolemäus (III. 5) nennt sogar den Theil
der Ostsee, der von der Weichsel an östlich sich erstreckt, den Ocea-
nus Sarmalicus. Die Ostsee wird überdies von den Alten und mittel-
alterlichen Chronikenschreibern das Mare Balticum, das Mare Scythi-
cum, das Mare Barbarım, das Mare Gothicum, der Pelagus orientale
genannt; den Scandinaven hiefs sie Östersalt — mit dem Worte
„Vestersalt* wurde sowohl die Westsee als der atlantische Ocean
von ihnen bezeichnet —, die Kimbern nannten sie Morimarusa. Es
erzählt nämlich Plinius (Hist. natur. TV. 13): Philemon (ein Comödien-
schreiber aus Syracus, welcher ungefähr 300 v. Chr. lebte) berichte,
dals der Nordocean bis zum Vorgebirge Rubeas von den Kimbern
Morimarusa, darüber hinaus (ultra deinde) aber Cronium genannt werde;
und an einer anderen Stelle (Hist. natur. IV. 16), dafs das Mare con-
cretum, von Einigen auch Cronium genannt, eine eintägige Seereise
von Thule entfernt sei; und Strabo (I. 62. Casaub.) läfst Pytheas sagen,
Koch
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 23
Thule liege in der Nähe der zeznyvia Palarre. Es bezeichnet also
offenbar das mare concretum des Plinius, das Cronium der Kimbern
und die reryyvia Yalarza des Strabo (Pytheas) dasselbe Meer, wor-
unter aber nicht das Eismeer, wofür man es gehalten, zu verstehen ist,
sondern jenes Meer, welches nach Pytheas Bericht durch einen Meer-
lungen ähnlichen, compacten (ovurzerny@g), durchsichtigen, nicht nassen,
aber auch nicht trockenen, nicht flüssigen, aber auch nicht festen Stoff
(d. h. durch Quallen) ein gallertartiges Aussehen, wie geronnenes Was-
ser (mare concretum) erhält. Das Wort eronium ist ein keltisches (ir.
croinn, kymr. erunn, gerinnen) und bezeichnet denselben Begriff wie
das lateinische concretum und das griechische zerznyvie. Dieses Meer
ist nun durch das Vorgebirge Rubeas von der Morimarusa scharf ge-
trennt. Geht man aber von der durch Redslob (Thule. Leipzig 1855)
als bewiesen anzusehenden Thatsache aus, dafs das Thule des Pytheas
die gleichnamige kleine Insel Thylöe an der Nordspitze der Halmstader
Meeresbucht ist, so mufs das eine Schiffstagefahrt von Thule entfernte
Mare concretum die quallenreiche Bucht an der Küste von Bahuuslehn
sein, welche Norwegen von Schweden trennt, und folglich die bis zum
Vorgebirge Rubeas ') sich erstreckende Morimarusa im Süden von
Cap Rubeas liegen, d. h. das Kattegat sein. Das Kattegat sah man
aber von jeher als einen Theil der Ostsee an. So sagt z. B. König
Aelfred in seiner geographischen Beschreibung: Die Norddänen, wel-
che theils auf dem festen Lande, theils auf den Inseln wohnen (sect. 5),
haben nördlich von sich den Meeresarm, den man Ostsee heifst
(sect. 16), d.h. also das Kattegat; und nach Others Reisebericht (sect. 9)
beginnt die Ostsee gleich südlich vom norwegischen Vigen. Weshalb
hat man nun aber das Kattegat zur Ostsee und nicht gleich dem Ska-
gerrak zur Nordsee gerechnet? Weil beide, Kattegat und Ostsee, ohne
Ebbe und Fluth sind, im Gegensatz zur Nordsee und dem Skagerrak,
ein Gegensatz, der sich Jedem von Alters her aufdrängen mulste. Da
nun Morimarusa ein keltisches Wort, — mor y marb ?), das todte Meer,
— welches Plinius mit mare mortuum wiedergiebt, so ist die Bezeich-
nung „todt“ am ungezwungensten auf dessen Fluthlosigkeit zu beziehen.
Taeitus spricht von einem mare pigrum ac prope immotum, worin man
vielleicht eine Umschreibung des Wortes Morimarusa sehen könnte, aber
2) Dafs die Silbe as im Worte Rubeas das nordische äs, aas Bergrücken sei,
hat schon Outzen in seinem Glossar bemerkt. Sucht man aber auf der grofsen däni-
schen Seekarte des Kattegats nördlich von Tylöe einen Namen, der dem des Rubeas
entsprechen könnte, so findet man unter 57° 16' N. Br. (ungefähr in der Eile > von
Lessöe) den Namen Rygäs dicht an der Küste des Meeres,
?) Es spricht daher Zeuss in seiner Grammatica Celtica die Vermuthung aus,
dafs dieses Wort eigentlich Morimaruba gelautet. Die Form Marimarusa, die der
Epitomator des Plinius, Solinus c. 30 hat, ist verfälscht.
2A v. Maack:
mit Unrecht. Denn in der einen Stelle (Germ. ec. 45) heilst es: Trans
Suionas aliud mare pigrum ac prope immotum, quo cingi claudique
terrarum orbem, hinc fides. Dies kann nur der botnische Meerbusen
sein. An einer anderen Stelle (Agricola e. 10) kann der Ausdruck
mare pigrum eben so wenig auf die Ostsee bezogen werden.
Die Ostsee führt aber ihren einzelnen Theilen nach verschiedene
Namen. So nannten, um im Westen stehen zu bleiben, die Alten den
Winkel, welchen die kimbrische Halbinsel mit der deutschen Ostsee-
küste bis zu Rügens Nordspitze hin bildet, eine Meeresbucht, in wel-
cher die jetzigen dänischen Inseln, sammt der Insel Schonen ($ 4) la-
gen, den sinus Codanus. Gewöhnlich hält man diesen für das Katte- _
gat, aber mit Unrecht. Plinius sagt freilich (Hist. natur. IV. 13): „Die
unermefslich lange Bergkette des Sevo, die an Höhe den Riphaeen
gleichkommt, bildet beim kimbrischen Vorgebirge (Skagen) einen un-
geheuren Meeresbusen, der Codanus heilst.“ Der Mons Sevo ist das
Kjölengebirge, dessen südlicher Theil noch jetzt nach Reichard (Ger-
manien unter den Römern. Nürnberg 1855. $. 235) Seve-Ryggen
heifst '). Dieses Gebirge theilt sich unter 63° N. Br. und bildet im
Norden der kimbrischen Halbinsel die Bucht des Skagerrak. Plinius
setzt aber seiner Beschreibung des sinus Codanus hinzu: refertus
insulis, quarum clarissima est Scandinavia incompertae magnitudinis.
Ebenso Mela III. 3: Super Albim Codanus ingens sinus magnis
parvisque insulis refertus est. Hac re mare, quod gremio
litorum accipitur, nusguam late patet; und an einer anderen Stelle
(II. 6): in illo sinw, quem Codanum dirimus, insulis Codanonia,
quam adhuc Teutoni tenent, ut foecunditate, ita magnitudine antestat.
Diese Beschreibungen passen weder auf das inselfreie Skagerrak, noch
auf das inselarme Kattegat. Man ersieht zugleich aus diesen Stellen,
dafs unter der Fülle grofser und kleiner Inseln des sinus Codanus nur
die jetzigen dänischen Inseln mit Einschlufs der Insel Schonen zu ver-
stehen sind; dafs also der sinus Codanus selbst die grofse Meeresbucht
ist, worin diese liegen und welche gebildet wird einerseits von der
kimbrischen Halbinsel, andererseits von der deutschen Ostseeküste bis
zur Spitze des damals landfesten Rügens, ein Meerbusen, welchen Mar-
cian p. 53 #070” ueyıorov nennt.
Tacitus bezeichnet mit dem Namen Mare Suevicum das Kattegat
sammt dem Skagerrak. Bisher verstand man unter diesem Ausdruck
») Nicol. Wimmann beschreibt in seiner Navigationis maris Baltiei et sinus
Codani descriptio 1573 den Kjölen unter diesem Namen: Sevo inditum est nomen ei
monti, qui jugis subinde nunc perpetuis, numc velut intercisis, in arctica illa regna
vasto tractu excurrit. In der älteren Edda (Volsunga gvida hin forna) kommt als
Helga’s Wohnung ein Sevafjöll vor:
2 Ze ee
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 25
die Ostsee. Tacitus sagt nämlich (Germania c. 45): Ergo jam deztro
Suevici maris litore Aestyorum gentes. Diese letzteren hielt man für
die Bewohner des heutigen Esthland, so dafs das Meer, an dessen rech-
ter Seite sie wohnten, die Ostsee sein mulste. Nun hat aber Redslob
nachgewiesen, dafs die Aestyorum gentes die Bewohner der Kimbri-
schen Halbinsel seien, von Britannien aus mit einem allgemeinen Lo-
calnamen als Ostländer bezeichnet. Daraus zog Redslob aber den
falschen Schlufs, dafs das Mare Suevicum die Nordsee sein müsse. Um
aber suevisch genannt zu werden, müssen Sueven wenigstens an einer
Seite des Meeres gewohnt haben. Nun sind aber weder Friesen noch
Kauchen noch Kimbern, die südlichen und östlichen Anwohner der
Nordsee, je für Sueven angesehen worden; — erst in den Zeiten der
Völkerwanderung treten an Hollands Küsten suevische Völkerschaften
auf. Wohl heifst es bei Taeitus (Agricola c. 28), dafs die Usipier,
welche Britannien umschifften, von Norden her zu den Sueven, dann
zu den Friesen gekommen. Wo safsen nun diese Sueven? Man hat
sie für Angeln erklärt und deshalb angenommen, diese wären erobernd
bis zu irgend einem Punkte der Westküste der Kimbrischen Halbinsel
vorgedrungen, was aber eine reine, durch Nichts zu begründende Hy-
pothese ist. Wahrscheinlich sind es die suevischen Völkerschaften,
welche im südlichen Norwegen damals noch wohnten. Nach ihnen
wird aber schwerlich die ganze Nordsee das suevische Meer geheilsen
haben. Wenn aber Redslob auf den Namen des Fleckens Schwabstedt
im südwestlichen Schleswig bei Husum sich beruft, so ist es unent-
schieden, ob dieser Ort von den suevischen Angeln Schleswigs oder,
was wahrscheinlicher, von den später erst eingewanderten Sachsen
Holsteins, die auch Sueven waren, gegründet worden sei. Jedenfalls
war es eine Colonie fremder Eindringlinge in einer überall nicht
suevischen Umgebung — denn wie hätte sonst der Name Schwab-
stedt, Zocus Suevorum, entstehen können? — von welcher, sollte sie
auch möglicher-, wenn auch unwahrscheinlicherweise schon zu Taeitus
Zeiten bestanden haben, doch unmöglich die Nordsee den Namen des
suevischen Meeres hätte erhalten können. Es bleibt daher nichts übrig,
als im Mare Suevicum das Skagerrak nebst dem Kattegat zu erkennen,
dessen Küsten ringsum von Sueven bewohnt wurden. Segelte man
nun von Britannien aus in das suevische Meer, so hatte man zur
Rechten die Bewohner der Kimbrischen Halbinsel, die Aestyorum gentes.
$13. Die Ostsee, ein ungefähr 7300 Quadratmeilen grofses Bin-
nenmeer, bildet gegen die oceanische Westsee einen entschiedenen Ge-
gensatz:
1) der Ostsee fehlen die Gezeiten und eben deshalb ist sie dü-
nenlos.
26 v. Maack:
2) Ihre Tiefe sowohl als ihr Salzgehalt ist ein weit geringerer.
An den meisten Stellen ist sie nur 10—25 Faden tief; der Sund
hat eine Tiefe von 10 Faden, die sogenannte Rinne bei Amak nur
23 Fufs. Während das Wasser der Nordsee nach Forchhammer im
Mittel 3,45 Proe. Salztheile enthält, ist das der Ostsee daran viel ärmer:
das Maximum erreicht noch nicht 2 Proc., das Minimum im botnischen
Meerbusen beträgt nur 4 Proc. Der Grund zu dieser Verschiedenheit liegt
darin, dafs einerseits eine bedeutende Anzahl grofser Flüsse und eine
unübersehbare Menge zum Theil sehr grofser Landseen von allen Sei-
ten her ihr süfses Wasser in die Ostsee ergielsen, anderseits das Meer-
wasser während einer bei weiten gröfseren Anzahl von Tagen des Jah-
res aus der Ostsee in das Kattegat ausströmt, als umgekehrt in die
Ostsee einströmt — im Verhältnifs von 2,4: 1 (Schouw). Wenn nicht
ein specifisch schwererer, weil salzreicherer Gegenstrom in der Tiefe
wahrscheinlich bestände, so wäre gewils schon längst aller Salzgehalt
der Ostsee ausgewaschen worden. Von Einfluls ist dieser Unterschied
aber in so fern auf die Anwohner beider Meere, dafs nur die West-
seebewohner seit Uralters her aus dem salzreichen untermeerischen
Torfe, dem Thul der Friesen, ein unreines Salz bereiteten, ein In-
dustriezweig, der erst im Anfange dieses Jahrhunderts zu Grunde ge-
gangen.
3) Der Boden der Ostsee bildet eine gleichförmige, gegen die
Mitte vertiefte Mulde, während die Nordsee in der Mitte gerade weni-
ger tief ist. Die Ufer steigen flach an und da, wo die Wellen mit
grolser Regelmäfsigkeit sich brechen, wie z. B. an den Küsten Schwan-
sens, wird durch Auswaschung und Anhäufung des groben Strandge-
rölles ein Steindamm gebildet, den nur selten bei den höchsten Sturm-
fluthen die Wogen überschreiten.
4) Endlich bilden zahlreiche, tiefe und tief einschneidende Buch-
ten — bei Kiel, Eckernförde, Flensburg, Apenrade und Gjenner —
an der Ostküste Schleswig-Holsteins eine Reihe der vortrefflich-
sten Häfen: die Natur hat, wie sie einerseits auf der Westküste das
Land vom Weltverkehre ausgeschlossen, so andererseits durch seine
Ostküste dasselbe zur Beherrscherin der Ostsee bestimmt, eine Wahr-
heit, deren Preulsens Staatsmänner immer und immer eingedenk sein
mögen.
Wenn auch in geschichtlichen Zeiten die Ostsee nie solche Ueber-
schwemmungen und Verwüstungen angerichtet, wie die Westküste des
Landes solche erlitten — die Geschichte der grofsen baltischen Fluth
(Forchhammer) als einer vorgeschichtlichen können wir hier nicht er-
zählen —, so sind dennoch die Umrisse ‚ihrer Küsten hie und da viel-
fach geändert worden im Laufe der Jahrhunderte. Alle Meerbusen
I Zu
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 2%
schnitten einst tiefer ins Land ein; die Schlei z. B. erstreckte sich
4 Meile weiter bis an das Dorf Grofsdannewerk. Der Untergang der
Kolberger Haide und die Bildung der ungefähr 4000 Tonnen grofsen
Salzwiesen an der Ostseeküste der Probstei sind hier zu: erwähnen;
dafs die letzteren früher ein grolser Landsee gewesen, welcher mit der
Ostsee ip Verbindung gestanden, hat Kuls nachgewiesen (Neues Staats-
bürg. Magazin von Falk Bd. X. 8. 247 fgg.). Es mufs aber dieser See,
wie alle durch eine schmale Landzunge vom Meere geschiedenen Land-
seen Holsteins früher ein Theil der Ostsee selbst gewesen sein. Ein-
zelne, dem Festlande nahe gelegenen Inseln verwuchsen, wenn die
trennende Meerenge keiner reilsenden Strömung ausgesetzt war, mit
ihm durch Versandung der Mündungen und Verschlickung des Mee-
resarmes. So war die schleswigsche Landschaft Schwansen
vormals eine Insel, wovon man sich leicht durch die Untersuchung
der natürlichen Bodenbeschaffenheit überzeugen kann. Denn es schnü-
ren einerseits das Windebyer Noör des Eckernförder Meerbusens, an-
dererseits die sogenannte grolse Breite der Schlei noch jetzt Schwan-
sen scharf ab und die verbindende Landenge, ein tief gelegenes, vor-
mals sumpfiges, mooriges Terrain, Fraeslet, d.h. Poggenfeld in den
Chroniken geheilsen, verräth unzweideutig ihren Ursprung aus dem
Wasser, wie denn ja auch der dänische Name der Landschaft Svansöe
sie — gleich Alsen, Alsöe — als Insel (Oe) bezeichnet, so dafs sie
folglich noch in historischen Zeiten eine solche gewesen. — Ebenso
bildete der Nordosten Holsteins, das sogenannte Olden-
burger Land, ein einst hochberühmtes Eiland. Im strengsten
Sinne des Wortes ist dasselbe noch heutigen Tages eine Insel. Denn
es stehen die beiden Landseen, der Dannauer oder Wessecker See im
Westen und der Grubersee im Osten sowohl unter sich durch die
Brökau, als auch beiderseits mit der Ostsee in Verbindung. Die Brökau
zwischen den beiden Seen wird auch der Oldenburger oder Neuer
Graben genannt, der seine gegenwärtige Form durch künstliche Nach-
hilfe erhalten, da er sich gleich den beiden Seen immer mehr zuschlickt.
Dafs aber diese Wasserstrafse vormals eine viel breitere und tiefere
gewesen, geht aus der Thatsache hervor, dafs das altslawische Stargard,
die jetzige Stadt Oldenburg, nach Helmold’s Bericht vor dem Aufblü-
hen Lübecks als eine grolse Seehandelsstadt im Norden glänzte. Dar-
aus, dafs das Oldenburger Land ursprünglich eine Insel gewesen, er-
klärt sich eine sonst sehr auffallende Thatsache. Das Ländchen ist
nämlich in ‚botanischer Hinsicht dadurch ausgezeichnet, dafs elf Pflan-
zenspecies hier vorkommen, die dem übrigen Schleswig-Holstein feh-
len, von denen acht der Mecklenburger Flora’ angehören.
Diese Oldenburger Insel hing nun vormals mit Fehmarn zusam-
28 v. Maack:
men. Gegenwärtig sind beide durch den 4 Meile breiten, 5 Faden tie-
fen Fehmarsund getrennt. Der Sage nach war diese Meerenge einst
so schmal und seicht, dals man auf einen, in der Mitte zwischen bei-
den liegenden Pferdekopf tretend, trocknen Fufses nach Fehmarn gehen
konnte (Danckwerth). Man bemerkt noch heutigen Tages nicht weit
vom östlichen Ausflusse des Fehmarsundes mitten im Meere tief
unter der Wasserfläche die Reste eines alten Walles, eine Entdeckung,
die zu dem Schlusse berechtigt, dafs Fehmarn einst mit Holsteins lang
ins Meer ausgezogener Nordostspitze zusammengehangen. Beide In-
seln, das Oldenburger Land und Fehmarn waren also einst durch eine
schmale Landenge verbunden, eine Form, welche man bei den Inseln
der Ostsee sich mehrfach wiederholen sieht. Denn diese Bildung fin-
det man, abgesehen von der Insel Rügen, auch auf Alsen und Aeröe
wieder. Bei jener ist die Halbinsel Kekenis, bei dieser der östliche
Theil der Insel durch eine schmale Landenge (auf Aeröe „Dreiet“ ge-
nannt) mit der übrigen Insel verbunden. Der Durchbruch der schma-
len Landenge auf der Insel Oldenburg-Fehmarn mufs aber schon sehr
frühe in vorslawischer Zeit erfolgt sein. Denn der Name des am Feh-
marsunde gelegenen Dorfes Grofsenbrode — von slaw. brody, die
Furth — beweist, dafs in der Slawenzeit bereits eine schmale Wasser-
stralse hier bestanden.
Diese Insel Oldenburg-Fehmarn ist klassisch -germanischer Boden:
sie ist die lange vergeblich gesuchte, im grauen Heidenthum hochhei-
lig gehaltene Nerthusinsei, wie ich in einer Abhandlung bewiesen,
welche in Pfeifer's Germania, Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthums-
kunde, Bd. IV, S. 385— 414, erschienen ist. Sie lag im Mittelpunkte des
Kreises, welchen die sechs Nerthus- Völker des Tacitus bewohnten, wäh-
rend das siebente, die Aviones, goth. Aujans, d. h. Inselbewohner,
Eiländer der Insel x«z’ e£oyyw, die Insel der Erdmutter Nerthus
inne hatten. Des Tacitus lacus secretus, im castum nemus gelegen,
läfst sich genau und bestimmt nachweisen. Es ist der vor einigen Jah-
ren erst ganz trocken gelegte See von Siggen im Gute gleichen Na-
mens. Der Name Siggen lautet in alten Urkunden Sygghem, Sigh-
hem, Zigghem, Sighheme, Seggeme u.s.w. Ein M und kein N
ist also dem Worte wesentlich, so dafs in ihm die Silbe em oder hem
(ham, heim) steckt und Siggen also Siggheim ist (vgl. Grimm’s deutsche
Grammatik, Th. II, S. 406). Was bedeutet aber Sigg? Da die Nerthus-
Völker Gothen waren, so muls das Wort Sigg ein gothisches sein.
Der uns erhaltene Wortschatz dieser Sprache enthält dasselbe aber
nicht. Wir müssen daher auf indireetem Wege seine Bedeutung zu _
bestimmen suchen. Nach Voigt (Geschichte Preufsens, Bd. I, $. 272)
\ Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 29
hiefsen die altpreufsischen Priester Siggo: ein solcher durchbohrte zu-
erst den heiligen Adalbert. Voigt bemerkt dabei (S. 607): „der Name
deutet auf die Ertheilung des Segens an das Volk, wahrscheinlich
ihr wichtigstes Hauptgeschäft. Das altpreulsische Wort signat heilst
segnen*. — Sigge ist überdiefs eine Name, der bei den Nordgermanen
vorkommt. Alten Berichten zufolge nahm Odin „nach Gebrauch“ den
Namen des Gottes an, dessen Opferpriester er war. Sein ursprüng-
licher Name war aber wahrscheinlich Sigge, daher die Stadt — oder
anfangs die Landstrecke mit dem Odinstempel — Sigtun (d.h. der
eingezäunte Platz des Sigge) hiels. Das dänische Wort signe, ahd.
secan bedeutet gleichfalls segnen. Das Wort Siggen bezeichnet also
die Heimath, den Wohnsitz des Segenspendenden, d. h. des Priesters
der Nerthus, die hier ihren „Tempel“ hatte, von dem Tacitus spricht.
Gegenwärtig ist freilich das Oldenburger Land gleich der Insel Feh-
marn fast baumleer, war aber nach Helmold in slawischer Zeit dicht
bewaldet. — Aber auf einem anderen Wege läfst sich noch ein ent-
scheidender Beweis dafür beibringen, dafs die vormalige Insel Olden-
burg-Fehmarn die Nerthus-Insel gewesen. Es folgt nämlich noth-
wendig aus des Tacitus Bericht über den Nerthuscultus, den wir als
bekannt voraussetzen dürfen, dafs, da die Göttin ihre Umzüge bei den
sie verehrenden Völkern gehalten, sie von ihrer Insel aus nur zu
Schiffe zu ihnen gelangt sein könne. Da es nun in der Natur je-
des religiösen Cultus liegt, dafs alle mit ihm nothwendig verbundenen
äufseren Handlungen sich sehr bald in feste Formen fixiren, so wird
unzweifelhaft die Göttin nicht bald hier, bald dort sich eingeschifft haben,
um ihren Umzug zu beginnen, sondern es wird ein bestimmter Ort
zu diesem Zwecke gedient haben; es muls ferner dieser Ort der gegen
Stürme gesicherte Hafen der Insel gewesen sein und endlich wird zur
sicheren Aufbewahrung und Ueberwachung des heiligen Fahrzeuges
alsbald am Einschiffungsorte eine Niederlassung gegründet worden sein.
Und siehe! ungefähr 14 Meilen vom lacus secretus, dem See von
Siggen, liegt die Stadt — Heiligenhafen. Woher nun dieser Name?
In alten Urkunden wird sie „de Stadt tho der hilligen Havene“ ge-
nannt, gleich wie Kiel „de Stadt tho dem Kyl“, Wilster „de Stadt
- tho der Wilster“ (d.i. wilde Stör) hiefs. Hieraus erhellt, dafs der
_ Name des heiligen Hafens viel älter sein mufs, als die nach ihm be-
nannte Stadt, welche 1262 zuerst in der Geschichte genannt wird. Es
ist nun aber anderweitig längst erwiesen, dafs alle Localitäten Deutsch-
lands, die den Beinamen „heilig“ führen, diesen aus dem Heidenthume
_ überkommen und einst im religiösen Leben des Volkes eine grolse
Rolle gespielt haben; aber beispiellos ist es, dafs ein Hafen für heilig
el 1 oa
a A PS #2 ID Sa ca m
30 v. Maack: Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische Land.
gegolten. Die Lösung dieses sonst unlöslichen Räthsels giebt der Ner-
thuseultus, der hier auf der heiligen Nerthusinsel seinen Mittelpunkt
hatte. — Heiligenhafen war überdiefs vormals ein sehr gesicherter Ha-
fen. Das Oldenburger Land wird nämlich an der Nord- und Ostseite
von einem Höhenzuge, wie von einem natürlichen Riesendamme um-
geben, der bei Clausdorf seine höchste Höhe von ungefähr 250 Fuls
erreicht. Die Westseite ist niedriger und von der See stark angegrif-
fen, so dafs jetzt hier die Ufer schroff 40—50 Fufs hoch emporsteigen.
Der einzige, jetzt ziemlich schutzlose Hafen bei der Stadt Heiligenha-
fen wird durch eine vor ihr liegende Insel, Warder, gebildet. Ein
zweiter, jetzt wieder landfest gewordener Warder ist eine bewaldete
Halbinsel. Unzweifelhaft ist der vor der Stadt liegende Warder auch
einst landfest gewesen und hat einen geräumigen, gegen Stürme ge-
sicherten Hafen gebildet. Man hat nämlich beim Reinigen des Heili-
genhafener Fahrwassers im Schlamme grofse Eichen, Nüsse u. s. w.
gefunden zum Beweis, dafs hier Land untergegangen. — Endlich wis-
sen wir urkundlich, dafs auf dem Grunde der Stadt Heiligenhafen einst
das Dorf Tulendorp gelegen, welches 1327 bereits eingegangen war.
Diefs Dorf war ein uraltes. Sein celtischer Name, es als das Dorf
am dunklen (geheimnilsvollen, heiligen) Wasser bezeichnend, entspricht
dem Namen Heiligenhafen.
Wer sich übrigens für diesen der Alterthumskunde mehr angehö-
rigen Gegenstand speciell interessirt, den müssen wir auf unsere oben
eitirte Abhandlung in Pfeifer's Germania verweisen, wo nicht blos die
Sitze der einzelnen Nerthusvölker speciell nachgewiesen sind, sondern
auch klar auseinander gesetzt worden der wesentliche Unterschied des
uralten, celtisch-gothischen Cultus der Göttin Nerthus zu Siggheim
(Siggen) auf der Insel Oldenburg-Fehmarn von dem weit jüngeren nor-
disch-gothischen Cultus des Gottes Freyr (Fröblot) zu Lethra (Leire)
auf der Insel Seeland; wo endlich der heilige Landungs- und Aus-
schiffungsplatz der Nerthus im heiligen Damm bei Dobberan (= Tu-
lendorp) im Lande der Veriner, die von allen Nerthusvölkern am wei-
testen gen Sonnenaufgang wohnten, nachgewiesen worden.
(Schlufs folgt.)
31
1»
Mittheilungen aus Algerien.
Von Dr. L. Buvry.
Die östliche Sahara der Regentschaft Algerien ').
U. Politische Eintheilung.
Der südliche der beiden Höhenzüge Algeriens, in der Provinz Con-
stantine unter den besonderen Namen Djebel Sahari und Aures, bildet
in physischer Beziehung die natürliche Grenze zwischen dem nörd-
lichen und südlichen Theile dieser Provinz, wie in politischer die nörd-
liche Grenzlinie der östlichen Sahara oder des Kreises von Biskra.
Den Centralpunkt der Verwaltung bildet für die ganze Provinz die Di-
vision Constantine mit der Hauptstadt gleichen Namens, dem Sitze des
Oberbefehlshabers oder eines Divisions-Generals und des Präfecten.
Die Division Constantine hat vier Subdivisionen: Constantine, Bona,
Setif und Batna. Die letzte von diesen umfalst zwei Kreise, den von
Batna und den von Biskra, in welchen die Stadt Batna und der Flecken
Biskra als Hauptorte militärische Befehlshaber besitzen, deren letzterer
jedoch jenem von Batna untergeordnet ist. Der Kreis Batna gehört
noch zu den gemischten Territorien Algeriens, während der von Biskra
ausschliefslich unter der Militärbehörde steht und von ihr verwaltet
wird. Da die Nordgrenze des Kreises von Biskra auf dem Südabfalle
- des Djebel Sahari und des Aures-Gebirges hinläuft, so ist es einleuch-
tend, dafs sie, der Richtung des südlichen Höhenzuges entsprechend,
im Westen bedeutend nach Süden hinabgedrückt wird, während sie im
Nordosten aufwärts steigt. Demnach würde die Nordgrenze des Krei-
ses Biskra im Westen sich annähernd auf 34° 50’ N. Br., im Osten
dagegen auf 35° 20’ N. Br. bestimmen lassen.
Zur unmittelbaren Gerichtsbarkeit des Hauptortes Biskra gehören
die umliegenden Oasen el Alia, Filiasch, Kurra, Schetma, Umasch und
Sidi Okba?), über die ich im Folgenden einige statistische Angaben
hinzufüge, wie ich solche bei Gelegenheit meines Aufenthalts in jenem
- Orte den amtlichen Aufzeichnungen des dortigen arabischen Bureau’s
N
1) Vergl. diese Zeitschrift, Neue Folge, Bd. IV, S. 190 ff.
2) Ich gebe zu, dafs Dr. Barth’s Schreibweise „Ssidi* der Aussprache genauer
entspricht; da ich jedoch bisher immer die in Frankreich übliche Orthographie an-
gewendet habe, so möchte ich sie auch ferner beibehalten. Was dagegen das Wort
- Uled, bei Barth „Ueläd“ anbetrifft, so ziehe ich meine Schreibweise desselben auch
_ aus Gründen der Aussprache vor, da ich es in Algerien nie anders habe nennen hö-
_ ren, als es nach meiner Schreibart ausgesprochen werden mufs,
32 L. Buvry:
entnommen habe. Allein da diese Angaben nur von den Häuptlingen
der Eingeborenen herrühren, so können sie auf vollständige Genauig-
keit keinen Anspruch machen, denn es ist bekannt, dafs die Araber,
und hier insbesondere die Oasenbewohner, aus einem alten und noch
immer allgemein verbreiteten abergläubischen Vorurtheil es scheuen,
eine Volkszählung unter sich anstellen zu lassen; aufserdem werden
sie auch durch den Umstand, dals nach der Gröfse des Besitzstandes
eines Jeden seine Steuerquote angesetzt wird, dazu verleitet, absichtlich
falsche Angaben zu machen.
Die eben angeführten, der Oase Biskra zunächst liegenden Oasen,
sowie der Oasencomplex des Zab Dahari und des Zab Güebli gehören
zum Kaidat von Biskra. Solcher Kaidate oder Regierungsbezirke zählt
der Kreis Biskra neun, nämlich:
1) das Kaidat von Biskra,
2) - - des Zab Schergüi oder Scherki,
3) - - des Djebel Scheschar oder der Uled Amran,
4) - - der Uled Zekri oder der östlichen Uled Nayl,
5)ınd - der östlichen Nomaden,
6) - - der Sahari,
7) - - der Uled Zian,
8) - - des Uäd Rir und Ued Suf.
g).m= - der Uled Saieh oder Said Uled Amer.
1) Das Kaidat von Biskra (die umliegenden Oasen).
Angebau- Frucht- Entfernung
Seelenzahl tes Land in bäumeund| Pferde | Kameele [von Biskra
Hectaren !| Dattelpal- in Kilo-
men: metern
Biskta 24, year 3,736 2,900 113,909 2,550 — —_
eloAllan. ot crge 63 vacat | .1,812 =; — _
Prilissch 0. 328 350 | 20,706 5 |. .— 3
Rainyas aus 52 vacat 2,995 104 —— _ı
Schetma, #1 ..if: 263 75 11,899 61 — 7
Umaseh) 22% 488 180 28,667 4 I 18
Sidi Okba. . . 1,698 1,375 63,193 42 — 19
a) Der Zab Dahari oder nördliche Zab.
Bu Schagrun . . 562 100 35,376 3 — 27
Lischana . . . 807 110 39,488 b) _ 30
Zaatscha — — 13,641 — _ 30
Karfarı See] 535 75 21,993 — —_ 31
"olpare „"ERURRRERN 1,448 275 87,718 20 _ 34
BETT 720 100 29,040 = _ 35
Fukala. . . . 157 75 | 18,786 aa | a 37
a 508 50 13,311 —- —: 44
!) 1 Hectare = 3,916 Morgen.
Mittheilungen aus Algerien.
b) Der Stamm der Hal Amur.
Angebau- | |
Seelenzahl tes Land in
Hectaren
[
Uled ben Khlil . 240 |\
Uled Arta . 401
Ennuafa . 208 200
Uled Msuhl 447
el Kbesba . 416
‚bäume und)
Frucht- |
Dattelpal-
men
Pferde
33
Entfernung
| Kameele |von Biskra
| in *Kilo-
metern
ce) Der Zab Güebli (Kebli) oder südliche Zab.
Mlili. k
Bigu und Zauja.
Mnala
Uarlal .
Mekhadima
Ben Thius .
Sahira .
Lihua
289 | 60
369 50
190 25
469 | 220
250 | 35
287 60
162 50
231 30
24,533
25,696
6,624
40,410
8,631
15,957
12,193
8,647
=
15
FH
4
2) Das Kaidat des Zab Schergüi (Scherki) oder öst-
liche Zab und des Amar Khaddu mit 30 Dörfern und 24 Stäm-
men soll 10,000 Seelen zählen.
Stämmen.
Uled Mansur
M’Sarik
Uled Thled
_ Regaiett
Uled Daud
Uled Amer
el Kantara mit
Namen der Stämme
und el Uthaja mit .
Seelenzahl|ı Pferde
3,170
ferner die Ortschaften
1,920
450
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII.
Kameele
5440
|
Maulthiere
111
3) Das Kaidat des Djebel Scheschar und der Uled Am-
ran enthält 13 Dörfer und 7 Stämme.
4) Das Kaidat der Uled Zekri oder der östlichen Uled
Nayl zählt 25 Stämme mit angeblich 30,000 Seelen.
5) Das Kaidat der östlichen Nomaden besteht aus 16
6) Das Kaidat der Sahari besteht aus 6 Stämmen und zwei
Ortschaften, nämlich:
Hammel Zelte
18,000 | 645
34 L. Buyıy:
7) Das Kaidat der Uled Zian
ist aus folgenden neun Stämmen zusammengesetzt:
| | Angebau- ‚Frucht- Entfernung
|Seelenzahl tes Land in P#ume und Pferde | Kameele ven Biskra
Hectaren | Pattelpal- in Kilo-
men | metern
Daharan. 1 925 —_ = 35 — —_
Guebala . . . 815 — 34 — —
Djenora .!. - vacat | vacat 64,931 — — 28
Braun... 126 | 12 12,081 —_ _ 16
Dbs.r are 8 | 17 3,714 3 — 16
Sidi Khrelil . . 9 14 998 3 I 18
Beni Suik . . 387 10 13,146 = = 40
Beni Ferrah. . 1,920 vacat vacat —_ _ 48
Mdukal . .o . | 825 do. de......| 9 — 76
8) Das Kaidat des Ued Rir und $Suf.
a) Der Ued Rir.
Ortschaften
Tugsurt, @ 4... |. 4,984 vacat 77,000 90,81 64 218
Nena u ee do. 43,000 en 220
Tebesbet . . 865 | do. | 36,000 nn — 222
Zauja Sidi Abid 685 do. 10,000 — |. 219
Megarin Keddima 59 do. | 5,000 _ 196
Megarin Djdidi . 256 | do. 40,000 _ _ 198
elKessur. . . | 88 do. 17,000 — — 199
Harıkıra. . .., 214 do. 17,000 — — 198
Ghana... 422 do. 10,000 —— —_ 192
Bräty.g -lafı 50 do. 30,000 — —_ 193
Moeghar . .... lag do. 5,000 _ — 190
Sidi Sliman . . 26 do. 30,000 — — 186
Sidi Rasched . alt. do. vacat _ — vacat
TamernaKeddima 394 | do. 35,000 _ _ 172
Tamerna Djdidi. 320 do, 30,000 _ —_ 173
Sidi Jahia Li u do. 5,000 _ — 169
Sidi Amran . . 79 | do, 5,000 — _ 166
Tinegdidin . . 120 | do, 10,000 — _ 163
Dijama issue: 250 do. 10,000 — _ 162
Ariana (inRuinen) | — do. 5,000 _ _ 160
Urlana Zeil 327 do. | 30,000 == — 158
Mazer::., &..:% . 106 | do, 10,000 — _ 152
Zaujet Rihab . 48 do. 5,000 — — 154
Ahnedlammer ne 75 doye) 10,000 —- — 135
eleBerd. ah». 8 40 | dor 19.240002, a — 130
Sidi Khlil . . | 229 do. , 4425;000 || 520 ai 125
Mraie .) ı-. } 815 do, 30,000 — — 110
Ensigha . . . vacat do. 5,000 —_ — 118
ÜSINENN. Dr do. do, 3,000 —_ — 114
Mittheilungen aus Algerien. 35
b) Der Uäd Suf.
| Angebau- | Frucht- | Entfernung
Ortschaften Seelenzahl tes Land in Päume und Pferde | Kameele |von Biskra
Heottären Dattelpal- | in Kilo-
men metern
GRTER 314 arte 9,890 | vacat | vacat |. 20 4000 223
ET 2,884 den. do. | vacat vacat 215
Harzer... 1,960 do, | do, |. .do. 200 207
el Gemar. . . 4,438 do. | do, do. 400 205
Bihima . . . | 1,652 do. do. | do. 100 218
FREE CR 1,928 dö. do. do. 140 210
Benlaree. . . 481 do. do. do. 50 233
Sidi Aüin. . . 400 do. do. | do. 90 212
9) Das Kaidat der Uled Saieh oder Said Uled Amar
enthält acht Ortschaften und Dörfer, welche von den eben genannten
Stämmen in den Wintermonaten zur Wohnung und Aufbewahrung ihrer
Vorräthe benutzt, während der übrigen Jahreszeit aber verlassen werden.
Temaecin . . . 3,725 vacat | 150,000 br] —- 228
Bledet Amar . 500 do. 30,000 — — 236
Ben", 175 do. 4,00 | — = 240
Taibet el Güeblia 1,250 do. 5,000 —: — 227
BHAHEENIN. 7% 125 do. | 1,000 — — 248
ERnakin. - verliung 200 do. 1,500 — — 252
el Hadjira . . 300 a. 2000| en 256
er a 200 do. vacatt | — — 184
Stamm der Uled
Saieh..... ; 630 — —q us un =
Stamm der Said |
Uled Amar . 860 _ — 40 194 —_
II. Geschichtlicher Ueberblick der Besitzergreifung der
östlichen Sahara durch die Franzosen.
Als im Jahre 1844 der Herzog von Aumale Biskra im Namen
des Königs von Frankreich in Besitz nahm, bot die östliche Sahara ein
_ trübes Bild allgemeiner Unordnung und Verwirrung dar. Unfähigkeit,
_ Machtlosigkeit, Vernachlässigung des öffentlichen Wohles und blutige
Familienfehden, welche in einzelnen Fällen bis zur Ermordung der
herrschenden Familien führten und neue Machthaber auf den Thron
erhoben, — alle diese Umstände hatten das Land in den Zustand einer
solchen Gesetzlosigkeit geworfen, dafs der Handels- und Geschäfts-
_ verkehr fast gänzlich gehemmt und Karavanen nur unter starker Be-
deckung vor den Ueberfällen räuberischer Nomaden gesichert waren.
Die Herrschaft der Franzosen hat dieser Anarchie ein Ende gemacht.
Vor der französischen Occupation hatte der Emir Abd-el-Kader
sein Ansehen mit glücklichem Erfolge über die Grenzen seines ur-
3*
x ee Tr
36 L. Buvry:
sprünglichen Reiches ausgedehnt. Zwar suchten die Türken ihr durch
sein Auftreten geschwächtes Ansehen, wenn auch nur dem Scheine
nach, durch den ehemaligen Hadj Achmed Bey von Constantine in den
nördlichen Distrieten noch aufrecht zu erhalten; allein der Emir hatte
seine Herrschaft bereits unaufhaltsam in den Ziban befestigt. Hier
setzte er einen vermögenden und einflufsreichen Bewohner der Oase
Sidi Okba, den Chalifa Bel Hadj, als Befehlshaber ein. Im Süden be-
herrschte den U&d Suf und Uöd Rir die Familie der Uled ben Djellab
(Kinder der Heerden), welche arabischen Ursprungs war. Der recht-
mäfsige Herrscher, Ben Djellab, zählte zur Zeit erst zwölf Jahre, wes-
halb seine Mutter für ihn die Regentschaft führte. Während derselben
erregte ein Vetter des Minderjährigen, Selman oder Slimen, zu Tug-
gurt, der Residenz desselben, einen Aufstand, in welchem die ganze
herrschende Familie ermordet und der Mörder selbst zum Scheich von
Tuggurt ausgerufen wurde. Im Südwesten unseres Gebietes endlich
bildete die Oase Temaein noch einen unabhängigen Staat und hier re-
gierte unter dem Titel einer Schuischa (Frau Scheich) die Frau Lalla
Aischusch, die Gattin des verstorbenen Scheichs Abd-Allah. — Dies
waren in allgemeinen Umrissen die staatlichen Verhältnisse, welche der
Prinz von Aumale bei seiner Ankunft vorfand. Die Eroberung des
Landes durch denselben in allen ihren Einzelheiten darzustellen, würde
an diesem Orte ungeeignet sein und ich beschränke mich daher auf die
Angabe derjenigen Momente, welche eine Erweiterung des französi-
schen Gebietes herbeiführten.
Nach der Einnahme von Biskra legte der Herzog von Aumale so-
fort in die von den Türken verlassene Kasbah der alten Stadt eine
kleine Besatzung und begab sich, um den errungenen Vortheil durch
Unterwerfung einiger weiteren Stämme noch mehr zu befestigen, in das
Auresgebirge. Auf die Kunde von der während seiner Abwesenheit
durch die Umtriebe des inzwischen zurückgekehrten Chalifa Bel Hadj
angestifteten Niedermetzelung der ganzen Besatzung eilte der Prinz am
18. Mai 1844 zurück, konnte aber nicht mehr zeitig genug eintreffen,
um sich des Hauptanstifters der blutigen That zu bemächtigen. Nach-
dem er alsdann die Besatzung der Kasbah bis auf 500 Mann verstärkt
hatte, bekleidete er einen angesehenen und einflufsreichen Nomaden-
häuptling, Bu Aziz ben Gennah, obwohl dessen Vergangenheit nicht
ganz makellos war, mit der Würde eines Scheich el Arab und machte
ihn für die Ruhe des Landes und den richtigen Eingang der Steuern
verantwortlich. Seitdem haben die Franzosen Biskra nicht wieder ver-
lassen, jedoch bis zur festen Begründung ihrer Herrschaft, d. h. bis zur
gänzlichen Unterwerfung aller Nomadenstämme, verflossen noch zehn
Jahre, während welcher die Bewohner der Sahara, durch einzelne Glau-
Mittheilungen aus Algerien. 37
benseiferer entzündet, immer von Neuem versuchten, sich des verhafs-
ten Joches zu entledigen.
Schon im Jahre 1845 kam unter dem angenommenen Namen Bu
Maza ein Scherif als Anführer eines Haufens Sahari aus dem Hodna
zu den Uled Sultan und predigte hier mit fanatischer Begeisterung den
Abfall. Sein Vorhaben wurde aber durch den General Herbillon ver-
eitelt.
Nachdem das darauf folgende Jahr ohne Störung des Friedens
verlaufen war, drang der wirkliche Bu Maza, einer der glühendsten
Verehrer Abd-el-Kaders, bis in die Oasen der Ziban vor, Alles zum
Aufstande entflammend. Sogleich brach der Commandant von Biskra
gegen ihn auf, und am 10. Januar 1847 stiefsen die feindlichen Streit-
kräfte bei Sidi Khaled auf einander. Nach einem hartnäckigen Kampfe
wurde Bu Maza geschlagen und entfloh; doch am 13. April gerieth er
im Dahra in die Hände der Franzosen.
Bisher hatten namentlich die Stämme zunächst an der tunesischen
Grenze sich der Entrichtung der Abgaben durch den Uebertritt auf das
nachbarliche Gebiet zu entziehen gewufst. So namentlich die Nemem-
scha. Deshalb wurde bei der zuletzt erwähnten Gelegenheit auch ihr
Gebiet von einer Heeresabtheilung besetzt und der Tribut mit Gewalt
erhoben, zum warnenden Beispiel für die Uebrigen.
Alle militärischen Expeditionen hätten aber wenig gefruchtet, wenn
die Franzosen nicht von der richtigen Einsicht geleitet worden wären,
dafs sie nur dann in die innere Verwaltung des Landes mehr einzu-
greifen im Stande wären, wenn sie die Besetzung der höheren einhei-
mischen Würden selbst in ihre Hand nähmen.
Leider wurden diese eben erst in der Bildung begriffenen Anfänge
einer zweckmälsigeren Organisation durch den Ausbruch der Februar-
Revolution in Paris auf lange Zeit wieder vereitelt. Der Abzug eines
- grofsen Theiles der Armee nach Frankreich, übertriebene Gerüchte über
Unruhen, welche in Algier ausgebrochen sein sollten, nährten von
Neuem die gesunkenen Hoffnungen auf Befreiung. Der Reihe nach
ergriffen die Gebirgsstäimme der Uled Sultan, der Halluia und Uled
_ Udjana im Aures, bei welchen der ehemalige Bey Hadj Achmed von
Constantine Aufnahme gefunden hatte, diese Gelegenheit zum Aufstande.
_ Mit der Gefangennahme des Bey durch General Canrobert wurden alle
_ drei Stämme zum Gehorsam zurückgeführt, und hiermit endete der
_ Feldzug des Jahres 1848.
Unmittelbar darauf erhoben sich aber auch in der Provinz Con-
_ stantine auf den Aufruf des Pseudo-Chalifa Sidi Scheich ben Taieb
_ die Uled Sultan und Beni Mehena, letztere unter dem Scherif Ben Ya-
mina, welche nichts Geringeres bezweckten als die Ueberrumpelung
38 L. Buyry:
und Entsetzung der Stadt Constantine. Nur mit dem äufsersten Auf-
wande der Kräfte konnte diese Empörung unterdrückt werden. Da
hierbei die Besatzung von Biskra wieder geschwächt werden mufste,
und sich aufserdem falsche Gerüchte über Siege der Beni Mehena ver-
breitet hatten, so glaubten die Ziban einen so günstigen Umstand be-
nutzen und sofort losbrechen zu müssen. Die Niederwerfung dieses
Aufstandes war die schwerste Aufgabe, welche die Franzosen bei der
Eroberung der östlichen Sahara zu lösen hatten, denn sie führte zu
der vom 7. October bis 26. November 1849 dauernden Belagerung der
Oase und des Fleckens Zaatscha. Ich selbst habe als sprechendes
Zeugnils der zähen Vertheidigung und des eben so ungestümen An-
griffes mit eigenen Augen das entsetzliche Chaos gesehen, in welchem
die Trümmer des bis auf den Grund zerstörten Ortes über und unter
einander daliegen. Noch bis auf den heutigen Tag wagt es kein Ein-
geborener, die mit Blutströmen getränkte Stätte zu betreten, sondern
geht scheu und ohne hinzublicken daran vorüber. —
Zur völligen Dämpfung der Unruhen unternahm General Canrobert
im Jahre 1850 einen Zug in das Auresgebirge, wo ein grofser Theil
des dort wohnenden Stammes der Uled Abdi mit den Bewohnern der
Stadt Narah gemeinschaftliche Sache gemacht und den Aufständischen
der Oase Zaatscha Mannschaften und Hilfsmittel gesandt hatte. Nach
einem siebenstündigen Kampfe unterlag am 5. Januar Narah. Nach dieser
Waffenthat machte Canrobert, um sich der friedlicheren Gesinnung der
Gebirgsvölker zu vergewissern und deren Verwaltung zu ordnen, einen
weiten Streifzug zuerst zu den nie ruhenden Nememscha, von hier nach
Tebessa, kehrte wieder in das Gebirge zurück, überschritt dasselbe und
drang bis Kheran vor. Dann besuchte er die Oasen des Zab Scher-
güi und erreichte wieder quer durch den Aures ziehend Medina. In-
dem er dem Thale des Uäd el Abiad folgte, langte er am 12. Juni in
Biskra an.
Der nördliche Theil der östlichen Sahara war jetzt vollständig von
dem südlichen politisch getrennt und die Bewohner des letzteren sahen
sich dadurch von den Märkten des nördlichen Algeriens ausgeschlossen.
Dieser Abbruch des Handelsverkehrs war für sie ein höchst empfind-
licher Nachtheil, da er sie zwang, die tunesischen Märkte zu beziehen.
Die unerträglichen Plackereien, denen sie hier von der Willkühr der
Steuerbeamten täglich ausgesetzt waren, liefsen voraussehen, dafs die-
ses Verhältnifs nicht lange von Bestand sein konnte. Die allgemeine
Unzufriedenheit und der unvertilgbare Hafs der Eingeborenen gegen
die Christen, sowie die Besorgnils, seinen durch Ermordung der recht-
mäfsigen Herrscherfamilie von Tuggurt usurpirten Thron wieder hin-
sinken zu sehen, bestärkten den Plan des Scheich Selman, sich mit
EEE,
Mittheilungen aus Algerien. 39
dem durch die Franzosen aus der Oase el Aghuat vertriebenen Scherif
Si Mohammed ben Abd-Allah, dem furchtbarsten Gegner Frankreichs,
zu einem gemeinschaftlichen Kampfe gegen die europäischen Eindring-
linge zu verbünden. Die entscheidende Schlacht wurde am 29. No-
vember 1854 in der Oase Megarin geliefert und endigte mit der voll-
ständigen Niederlage Selman’s und des Scherifs. Dieser Ausgang der
Schlacht öffnete am 5. December den Franzosen die Thore der Stadt
Tuggurt. Die Herrschaft Selman’s war damit zu Ende und der Süden
unterworfen. Der französische Befehlshaber setzte einen Kaid ein und
legte in die Kasbah von Tuggurt eine Besatzung von fünfzig Mann.
So endete der zehnjährige blutige Kampf mit der endlichen Besitznahme
der östlichen Sahara der Regentschaft Algerien.
Man glaube jedoch nicht, dafs hiermit eine vollständige Unterwer-
fung und Besitzergreifung jener Länder im strengsten Sinne des Wortes
eingetreten sei. Sitten, Gebräuche, Einrichtungen und der gröfste Theil
der Rechtspflege sind nach wie vor national geblieben; nur die höhe-
ren Aemter werden zwar Einheimischen, aber von der französischen
Regierung übertragen. Diese Beamten haben nur für Aufrechterhaltung
der Ruhe und Eintreibung der Steuern zu sorgen. Die Entrichtung
der letzteren und die Militärpflichtigkeit sind die einzigen Verbindlich-
keiten, welche die Eingeborenen den Franzosen gegenüber anerkennen;
über diese hinaus fühlen sie sich vollständig frei und in ungeschmäler-
ter Selbstbestimmung.
IV. Verfassung und Verwaltung.
An der geeigneten Stelle ) habe ich darzulegen gesucht, dafs die
Bodenverhältnisse der östlichen Sahara eigenthümlicher Art sind. Sie
bilden einen unaufhörlichen Wechsel von ausgedehnten Weidestrecken,
Sandwüsten und Culturstellen, oder in einer anderen Auffassungsweise
von herrenlosen und Stammgenossenschafts-Ländereien. Die
letztere Unterscheidung führt den Leser unmittelbar auf die Elemente
hin, welche die französische Regierung veranlassen mulsten, für dieses
Gebiet eine Verwaltung anderer Art, als die in dem nördlichen Alge-
rien übliche, eintreten zu lassen. Sie deutet ferner darauf hin, dafs
weite Strecken des Landes wegen ihres Wassermangels nur vorüber-
gehend oder gar nicht bewohnt werden, und dafs andererseits vom
Wasser begünstigte Plätze die Mittelpunkte der Bevölkerung sind.
Die herrenlosen Ländereien werden zeitweise von den No-
maden besucht, welche auf den einzelnen Ländereien mit ihren Vieh-
heerden so lange verweilen, als der Boden Weide für diese darbietet.
!) Zeitschr. für allg. Erdkunde, N. F., Bd. IV, 8.193 fi.
40 L. Buyry:
Mit dem Eintritt der heifsen Jahreszeit beziehen sie das Auresgebirge
oder siedeln auf das Hochplateau über. Da nun eine Eintheilung die-
ser Ländereien nicht stattfindet, so wären bei den unaufhörlichen Wan-
derungen der Stämme Zwistigkeiten unter ihnen unausbleiblich, wenn
nicht gewisse sociale Einrichtungen ihren Zügen bestimmte Richtungen
und ein für allemal festgesetzte Ziele vorschrieben. Diese Einrich-
tungen beruhen seit undenklichen Zeiten hauptsächlich auf Anrechten
einzelner Stämme an die ausschliefsliche Benutzung der Quellen und
Bäche und an die Wahl der Weideplätze in der Nähe derselben.
Die Stammgenossenschaftsländereien bieten andere Ver-
hältnisse dar; sie umfassen die Oasen und ihre Palmenpflanzungen,
das angebaute Land überhaupt, das Besitzthum vornehmer Familien,
die Quellen und Brunnen. Endlich rechnet man hierher auch die den
Zaujas, d.h. geheiligten Oertern ') angehörenden Ländereien, deren
gröfster Theil aus den Vermächtnissen gläubiger Stammgenossen her-
rührt. Es würde gewifs nicht befremden, wenn man die Bewohner
der genannten Ländereien für sefshaft halten und ihnen die Grund-
sätze und Einrichtungen einer solchen Lebensweise zuschreiben würde.
Für den Norden Algeriens wäre eine solche Anschauungsweise zuläs-
sig, für die Stammgenossenschaftsländereien unseres Gebietes trifft die-
selbe nicht zu. Hier walten nämlich besondere Temperaturverhältnisse
ob, die in Verbindung mit dem im Frübjahre und Sommer vorherr-
schend wehenden Sirokko und den Miasmen, welche den austrocknen-
den Sümpfen entsteigen, die Bewohner nöthigen ihre Wohnplätze zu
verlassen. Sie werden also unwillkührlich zur Wanderung gezwungen,
und da die Ländereien, welche die Oasen einfassen, ebenfalls nur Step-
pen sind, so müssen auch sie für ihre Heerden nach passenden Weide-
plätzen sich weiter umsehen. So geschieht es, dafs die Dörfer und
Flecken der Oasen selten von den Grundbesitzern bewohnt werden,
dafs vielmehr der gröfste Theil in der Nähe seines Besitzthumes unter
Zelten lebt und die Häuser eigentlich nur zur Aufbewahrung der aus
dem nördlichen Algerien mitgebrachten Waaren und Getreidevorräthe
dienen, deren Bewachung den Dienern übertragen wird.
Bei der allen Hirtenvölkern eigenen Unstätigkeit war es den in
den herrenlosen Ländereien umherziehenden Nomadenstämmen früher oft
geglückt sich den auferlegten Abgaben zu entziehen, und die türkische
Regierung sah sich daher stets zu gewaltsamer Eintreibung genöthigt.
Wenn dieses Verfahren Weitläufigkeiten und Unannehmlichkeiten im
Gefolge hatte, so boten doch die zahlreichen Heerden für die türkischen
Beamten ein leicht zu verwerthendes Faustpfand.
!) 8. des Verfassers Algerien u. s. w. $. 110 flg.
Mittheilungen aus Algerien. 41
Ungünstiger gestaltete sich die Sache bei der Einziehung der Steu-
ern von den Oasenbewohnern, indem dieselben ihre Vorräthe in den
Silo’s so geschickt zu verbergen wulsten, dafs sie fast nie aufgefunden
werden konnten. Da sie dieselben auch aufserdem vor den umher-
streifenden Araberhorden sichern mufsten, so trat leicht der Fall ein,
dafs die Steuerbeamten unverrichteter Sache wieder zurückkehrten. Sehr
oft aber ereignete es sich, dafs umherstreifende Nomaden, welche in
der Nähe lagerten, den rückständigen Zins bezahlten und dafür sich
an den Palmen pfändeten; konnten nun während einer bestimmten
Frist die Eigenthümer nicht Ersatz leisten, so nahmen jene selbst die
Gärten in Besitz. Aus dieser unlauteren Quelle rührt der Grundbesitz
der Nomaden in den Oasen. —
Die französische Regierung suchte auf eine rechtlichere Weise die
Erhebung der Steuern zu bewerkstelligen, indem sie gröfstentheils hier-
bei die von Abd-el-Kader befolgte Verwaltungsform wieder herstellte.
Ein flüchtiger Blick in die Vergangenheit wird die näheren Verhält-
nisse derselben klar machen.
Als nach dem Friedensschlufs an der Tafna die Provinz Oran und
ein Theil der Provinz Algier in den Besitz des Emir, unter Vorbehalt
der französichen Oberlehnsherrschaft übergingen, fand er die Stämme
in Folge des Rücktrittes aller türkischen Beamten völlig sich selbst
überlassen und in einem beinahe anarchischen. Zustande. Sofort bei
seiner Ankunft in der Provinz Titteri ging er mit der Reorganisation
der Verwaltung vor, setzte Mohammed ben Aissa el Berkani als Cha-
lifa ein, wies demselben Medeah zur Residenz an und vertraute ihm
gleichzeitig die Regierung der Stadt und der benachbarten Stämme
an. Das ganze Land theilte er in drei Aghalik’s oder Regierungsbe-
zirke, deren jeder unter einem Agha stand. Die Stämme wurden je
nach der Oertlichkeit der von ihnen zur Abweidung besuchten Län-
dereien in dieselben eingereiht, aber daneben zugleich Rücksicht ge-
nommen auf die Bequemlichkeit des Marktverkehrs, indem Stämme,
welche über ihr früheres Gebiet hinausgegangen waren, dem Regie-
rungsbezirke des nächsten Hauptmarktplatzes zugeschrieben wurden.
Zu dem dritten Aghalik gehörten die Nomadenstämme, welche zum
Theil dem Chalifat von Milianah, dem von Takdemt oder dem Agha-
lik der’ östlichen Haschem untergeordnet waren. Die zu demselben
gehörigen Ländereien sollen ein Areal von 84 Lieues im Quadrat um-
_ falst und eine Bevölkerung von 24,000 Seelen gehabt haben. Wie
man aus diesen annähernden Zahlenverhältnissen ersieht, hatte schon
zu damaliger Zeit die neuerworbene Besitzung eine ziemlich bedeutende
j Ausdehnung und der Emir Abd-el-Kader mufste daher vor Allem dar-
auf bedacht sein, dafs seine Befehle und Verwaltungsmafsregeln auch
42 L. Buvry:
bis in die entferntesten Theile seines Landes gelangten und überall
von den Völkerschaften respectirt würden. Dies führte ihn zuvörderst
zu der Wiederherstellung des Makhzen '); da es jedoch seinen Be-
mühungen nicht gelang denselben auf seine frühere Stärke zu bringen,
so organisirte er nach einem von ihm dazu entworfenen Plane eine
einheimische Söldlingstruppe, die er zu gleichen Theilen den Befehls-
habern der drei Verwaltungs - Abtheilungen zutheilte. So entstand neben
dem Makhzen ein neues Institut, welches von vorn herein sich nicht
auf Privilegien stützte und aufserdem in der öffentlichen Meinung nicht
Vorurtheile zu bekämpfen hatte. Im Uebrigen stellte sich bald die
gröfsere Brauchbarkeit und Willfährigkeit der Soldaten heraus und sie
beeinträchtigten daher bedeutend das Ansehen der Mekhazenia (Reiter
des Makhzen). Der Emir erkannte sofort die guten Eigenschaften sei-
ner Schöpfung und die Früchte, welche dieselbe versprach; er war aber
zu umsichtig, um deshalb den Makhzen seiner Freiheiten zu berauben,
oder denselben gänzlich aufzuheben, vielmehr suchte er ihm dadurch,
dafs er ihn in Unthätigkeit erhielt, allmählich sein Ansehen zu entzie-
hen. Während der letzten Periode der türkischen Herrschaft vermoch-
ten die beiden Stämme des Makhzen der Provinz Titteri, die Duair
und Abid, ein Kontingent von 1200 Reitern zu stellen, allein die fort-
währenden Zwistigkeiten, welche seit dem Falle des letzten Bey Mu-
stapha bu Mezrag bis zu der Einsetzung des Chalifa Mohammed ben
Aissa el Berkani durch Abd-el-Kader die Bewohner des Landes be-
unruhigten, wirkte auch nachtheilig für die den Makhzen ergänzen-
den Stämme. Als blinde Werkzeuge der früheren habsüchtigen Regie-
rung angesehen, waren sie unaufhörlich den Anfeindungen und der
Verachtung derjenigen Stämme ausgesetzt, mit denen sie früher bei
Ausführung ihrer Obliegenheiten in Berührung gekommen waren. Die
Einstellung ihrer kriegerischen Thätigkeit entfremdete sie dem Kriegs-
handwerk mehr und mehr und so geschah es, dafs, als der Emir die Re-
organisation des Makhzen beschlofs, die Stämme nur noch 3—400 Mann
stellen konnten.
Selbst in den eivilisirten Staaten erfordert die Auflage der
Steuern, ihre entsprechende Vertheilung unter die verschiedenen
Schichten der Bevölkerung und die zweckmäfsige Verwendung im In-
teresse des gemeinen Wohles Grundsätze, weiche nur durch reifliche
!) Die Regierung wählte einzelne kriegerische Stämme im Mittelpunkte des
Landes aus, welchen sie für die Bewilligung von Abgabenfreiheit und anderen Vor-
rechten die Verpflichtung auferlegte, für den Fall des Bedürfnisses als Reiter zu die- _
nen und entweder aufrührerische Stämme zu bestrafen oder Abgaben einzuziehen oder
auch andere Mafsregeln durchzuführen. Diese Einrichtung falste man unter dem
Namen Makhzen zusammen.
u re ME
Mittheilungen aus Algerien, 43
Prüfung der socialen Verhältnisse der Unterthanen in gerechter und
zweckmälsiger Weise festgestellt werden können. Die stets fortschrei-
tende Bildung und Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten
lassen das Volk nach den Zwecken einer neuen Steuerauflage fragen
und die Ueberzeugung ihrer Nothwendung für das allgemeine Beste
ist der wirksamste Hebel der Bereitwilligkeit dieselbe zu übernehmen.
Anders verhält es sich in den mohammedanischen Staaten, in welchen
der grölste Theil der Bewohner noch auf einer sehr niederen Stufe
geistiger und politischer Entwickelung steht. Hier bildet die Erhebung
der Steuern die wundeste Stelle des ganzen Staatswesens. In einem
Lande wo die Bevölkerung nur in schwachen Gruppen und oft in gro-
(sen Entfernungen von einander ohne stete gegenseitige Verbindung
lebt, keine festen Wohnplätze besitzt und weder die Befähigung noch
die Gelegenheit hat, die gemeinnützige Verwendung der Abgaben zu
beurtheilen, haben die Regierungen dieselben bis in die neueste Zeit
nur unter der Form religiöser Opfergaben einziehen können. Dennoch
stiefsen sie bei diesem Geschäfte vielfach auf Widerstand und nur
das Ansehen der Mekhazenia vermochte die Bewohner den Tribut ab-
zuführen. Wie Abd-el-Kader fast durchgehends in der Verwaltung
Reformen einführte, so widmete er der Vertheilung der Steuern eine
besondere Fürsorge. Indem er scheinbar die jedem Einzelnen zufal-
lenden Lasten verringerte, regelte er dieselben dergestalt, dafs dennoch
der Staatsschatz dadurch keinen Ausfall erlitt, und da die Kriegskosten
sich mehr und mehr steigerten, suchte er den Mehrbedarf einfach da-
durch zu decken, dafs er den Grundgedanken der laufenden oder re-
gelmäfsigen Steuern änderte, dieselben in rein religiöse Gaben umwan-
delte und sie dem Volke als zur Fortsetzung des heiligen Krieges be-
stimmt darstellte.
Die regelmäfsigen Abgaben bestanden in dem Aschur oder dem
Zehnten von der Cerealienernte und dem Zekkat, einer verhältnifsmä-
fsigen Abgabe für die Heerden. Zu diesen für die Bewohner durch-
aus nicht drückenden Steuern, da sie in einem richtigen Verhältnisse
zu dem Besitze und Erwerbe jedes Einzelnen standen, traten jedoch
noch einige andere indirecte Abgaben, mit welchen die Regiegung zum
grölsten Theile den Staatshaushalt bestritt. Hierher gehörten die Matina,
eine aufserordentliche Steuer, welche jedem einzelnen Stamme aufer-
legt wurde und in klingender Münze entrichtet werden mulste; sie
_ wurde zum Unterhalte des stehenden Heeres verwandt; die Ordnungs-
strafen, die Abgaben der neu angestellten Beamten, welche bei dem
häufigen Wechsel so ergiebig gewesen sein sollen, dafs sie zur Besol-
dung der Aemter ausreichten, und endlich die Scheraa oder die Do-
manial-Einkünfte.
AA L. Buvry:
Man sieht aus dieser gedrängten Uebersicht der Verwaltung Abd-
el-Kader’s, dafs dieselbe sowohl rechtlich als administrativ eine an-
dere Gestalt als unter der früheren türkischen Herrschaft angenommen
hatte und dafs der Emir mitten in den Wirren des heiligen Krieges
die Wiederherstellung einer auf die Einigkeit der Stämme und das
Ansehen der Priesterherrschaft gestützten Verfassung anbahnte. Seine
Gefangennahme verhinderte die weitere Ausführung und befreite seine
Unterthanen von der drückenden Steuerlast, welche die Fortsetzung
des Krieges ihnen würde auferlegt haben. Nach dem Falle des Ober-
hauptes liefs nun zwar die Verehrung für dasselbe im Allgemeinen
nicht nach, aber es erkaltete doch allmählich der künstlich gegen die
Fremden hervorgerufene Fanatismus und das Volk fügte sich williger
der fremden Herrschaft. Seit jener Periode ist ein Decennium ver-
strichen und während desselben entwickelte sich das jetzt angewandte
Verwaltungssystem, welches nach sorgfältiger Prüfung der Volkszu-
stände aus einer Verbindung der unter den früheren Regierungen an-
gewendeten und als gut befundenen Verwaltungsmalsregeln hervorge-
gangen ist.
Die Hauptelemente, auf welche der jetzige Verfassungsbau sich
gründet, sind die Einigkeit und das solidarische Verhältnifs der Stämme,
Religionsfreiheit, Ausbildung des Unterrichtswesens und Einsetzung
einer geordneten Rechtspflege, das Steuergesetz und die Aufhebung des
Sklavenhandels. — Die frühere türkische Verfassung lieferte zu dieser
Reform einen nicht unwichfigen Beitrag, indem auch sie die Entrich-
tung der Steuern als reine Verwaltungsmalsregel betrachtete, die Prie-
ster der weltlichen Herrschaft unterordnete und auf ihren religiösen
Wirkungskreis beschränkte. Nicht minder erblickte sie den Haupt-
stützpunkt ihrer Herrschaft in diesem Gebiete in der Unterwerfung
des nördlichen Theiles der Provinz, da die Oasenbewohner und
Nomaden naturgemäfs wegen des Absatzes und Eintausches ihrer Be-
dürfnisse von demselben abhängig sind.
Auf diese Verhältnisse mufste auch von den Franzosen bei der
Organisation der Verwaltung Rücksicht genommen werden. Es lag in
der Natur der Sache, dafs hier eine militärische Besatzung, wie im
nördlichen Algerien, nicht nothwendig war, sondern, dafs es genügte,
die Hauptverkehrswege zwischen dem nördlichen und südlichen Alge-
rien zu überwachen. Dem zufolge errichteten die Franzosen in Biskra
ein Fort, legten in das Dorf Zriba im Zab Schergui ein kleines De-
tachement einheimischer leichter Reiterei; befestigten, um auch im Sü-
den gegen etwaige Einfälle der Wüstenstämme gesichert zu sein, die
Kasbah von Tuggurt und besetzten sie mit 50 Mann einheimischer In-
fanterie. Da die östliche Sahara zu den arabischen Gebieten Algeriens
Sue ee
eis >
Mittheilungen aus Algerien. 45
gerechnet wird, so ist ihre Verwaltung auch ausschliefslich militärisch
und steht unter dem Oberkommandanten von Biskra. Im All-
gemeinen sollen in den arabischen Gebieten für die militärischen Macht-
haber folgende Grundzüge in der Verwaltung mafsgebend sein. Es
soll darauf gesehen werden nur solche Reformen in dem socialen Le-
ben der Einheimischen anzubahnen, welche keine Verwickelungen oder
Schwierigkeiten hervorrufen; die erlangten Positionen zu achten, wenn
sie mit den politischen Interessen Frankreichs sich vertragen; die Ord-
nung in der muselmännischen Gesellschaft aufrecht zu erhalten, ohne
etwas an den Grundsätzen der Hierarchie der Stände zu ändern; der
Geistlichkeit gegenüber ein rücksichtsvolles Benehmen zu beobachten
und gleichzeitig die den Franzosen feindlichen Fanatiker aus dem öffent-
lichen Leben zu entfernen. So weit es sich mit dem Glauben und den
Sitten der Einheimischen vereinbaren läfst, ist eine Trennung zwischen
den geistlichen Ständen, dem Rechts- und dem Unterrichtswesen zu
bewerkstelligen; endlich sollen geeignete Malsregeln ergriffen werden,
welche die materiellen Interessen und den Nationalreichthum zu för-
dern im Stande sind, hauptsächlich indem bei den Einheimischen der
Sinn für die Vortheile und Annehmlichkeiten des Grundbesitzes ge-
weckt und dem Handel und der Industrie Erleichterungen im Verkehr
und Absatz bereitet werden. Dem Oberkommandanten ist ein Offizier
beigegeben, der als Vermittler der Regierung und der einheimischen
Bevölkerung an der Spitze des Bureaus für die arabischen Angelegen-
heiten steht. Der Chef des arabischen Bureaus hat die Aufgabe,
die einheimischen Häuptlinge zu überwachen, Rechtsfälle und Händel
sowohl der Einheimischen unter sich, als auch zwischen Einheimischen
und Europäern, so weit sie in seiner Competenz liegen, zu schlichten.
Sind dieselben wichtiger Art, oder liegt ein Verbrechen vor, so hat er
zunächst den Oberkommandanten davon in Kenntnils zu setzen, die
Voruntersuchung zu führen und im letzteren Falle die Sache dem Kriegs-
gericht zu übergeben. Er mulfs ferner die Märkte besuchen, statistische
Berichte sammeln, sich eine genaue Kenntnifs der bei den Einheimi-
schen zu Recht bestehenden Gebräuche und Gesetze verschaffen, end-
lich die von der Regierung verlassenen Anordnungen und Befehle in
das Arabische übertragen und der Bevölkerung verkündigen oder zur
Ausführung bringen lassen. Eine so umfassende Thätigkeit erfordert
natürlich eine vielseitige und auch wissenschaftliche Bildung, die voll-
ständige Kenntnifs der Landessprache, Geistesgegenwart, Muth, Ent-
schlossenheit und ein würdevolles Benehmen. Die in neuester Zeit
durch die deutsche Presse ausgedrückten Wünsche einer Beseitigung
der arabischen Bureaus in Algerien sind mit Recht aus der Ueber-
zeugung hervorgegangen, dafs die französische Regierung in der Wahl
|
A6 L. Buvry:
derartiger Beamten nicht immer vorsichtig genug zu Werke gegangen
ist. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, auch mein auf eigene An-
schauung gestütztes Urtheil abzugeben.
Während in den Divisionen das arabische Bureau aus einem Ka-
pitän, einem Lieutenant, zweien Unter-Lieutenants und einem Dolmet-
scher zusammengesetzt ist, besteht in den Kreisen, also in den eigent-
lichen arabischen Gebieten das Personal aus einem Kapitän oder Lieute-
nant, einem oder zwei Unter-Lieutenants und einem Dolmetscher. Die
Vorsteher oder Chefs der arabischen Bureaus werden aus der stehen-
den Armee meist auf ihren Wunsch zu diesem Posten versetzt und
sind meistens junge Leute. Sie sehen sich auf einmal über mehrere
tausend Seelen eines ihnen völlig fremden Volkes gesetzt, dessen In-
stitutionen, Sitten und Sprache ihnen durchaus unbekannt sind.
Bei der ausgebreiteten Thätigkeit, welche der neue Wirkungskreis
erfordert, sehen sie sich genöthigt die ihnen zukommenden Geschäfte
unter das übrige Personal zu vertheilen, und die Unkenntnils der
Landessprache giebt sie vollständig in die Hände des Dolmetschers.
Mehrtägige Reisen in Gebiete, wo ihre Anwesenheit erfordert wird,
entziehen sie wiederholt ihren Bureaugeschäften und nöthigen sie, die
laufenden Geschäfte den noch jüngeren Beamten zu übertragen. Die
grolse Jugend dieser Inhaber der höchsten Macht ist für die unterge-
benen Einheimischen eben nicht Vertrauen erweckend, denn sie ist die
Veranlassung zu Leichtfertigkeiten und Ausschweifungen aller Art,
welche selbst in das Familienleben der Einheimischen übergreifen und
Zerwürfnisse der ärgsten Art im Gefolge haben. Gold öffnet auch
bier das Zelt oder das Haus und wer wagte wohl dem allmächtigen
Kapitän etwas abzuschlagen!
Fragt man nun, auf welche Weise Recht und Gesetz in diesen
Gebieten gehandhabt wird, so müssen wir bemerken, dafs in erster
Reihe das Kriegsrecht gilt, d.h. das Recht des Stärkeren gegen den
Schwächeren, andererseits ein eigentliches Gesetz gar nicht existirt,
sondern es dem Chef des arabischen Bureaus überlassen bleibt, bei
Vergehen die Höhe der Strafen je nach seinem Belieben in Geld-, Frei-
heits- und Leibesstrafen zu bemessen. Am betrübendsten hierbei ist
jedoch die Bevorzugung der reichen Klasse vor der armen. Einhei-
mische hochgestellte Beamte, welche sich die nichtswürdigsten Erpres-
sungen zu Schulden kommen lassen, zahlen an die Kasse des arabi-
schen Bureaus eine Geldstrafe und kehren wieder zu ihren Functionen
zurück, um das erlegte Sündengeld von ihren Pflegebefohlenen durch
erhöhte Steuern und Abgaben wieder einzutreiben. Ebenso wohlfeilen
Kaufes gehen die wohlhabenden Falschmünzer, Diebe und Betrüger
aus. Was geschieht dagegen mit den anderen, die nicht die Mittel be-
Mittheilungen aus Algerien. AT
sitzen sich abzufinden? Sie werden körperlicher Züchtigung unterwor-
fen, ungeachtet nach französischem Gesetz die Körperstrafe abgeschafft
ist, und in die Silo’s, das heifst ungefähr 20 Fufs tiefe Löcher in der
Erde geworfen, die oben durch eine hölzerne Klappe verschlossen sind
und in welche kein Strahl des Tageslichtes fällt. Hier können die
Unglücklichen von dem Kapitän drei Tage festgehalten werden und
erhalten oftmals weder Brod noch Wasser. Man mufs die Qualen eines
solehen Unglücklichen in der Erde mit angesehen haben, um sich von
der Scheulslichkeit der Strafe einen Begriff machen zu können. Wer
nun weils, wie es mit der Kontrolle über die beim arabischen Bureau
eingegangenen Strafgelder aussieht, der begreift auch, wie gewissenhaft
ein solcher Chef bei Ansetzung der Freiheitsstrafen zu Werke geht.
Es existiren zwar in den arabischen Gebieten Verordnungen in Betreff
der Ausübung der Rechtspflege, jedoch ist hierbei zu bemerken, dafs
der Kadi, welcher den Sitzungen des arabischen Bureaus beiwohnen
und Recht sprechen soll, obgleich mohammedanischen Glaubens, ein
französischer Beamter ist, dem weit mehr an der Gunst seines Vorge-
setzten, als an der des gemeinen Mannes gelegen sein muls. Auch
bei diesem Richter wird also selten ein geneigtes Ohr für die Beschwer-
den des niederen Mannes zu finden sein.
Man wird hiergegen vielleicht einwenden, dafs gesetzlich dem ver-
urtheilten Eingeborenen die Berufung an ein arabisches Bureau erster
Klasse, an den Oberkommandanten der Subdivision, ja in letzter In-
stanz an den Divisionsgeneral selbst offen steht. Dieses Alles ändert
in der Sache nichts. Vorausgesetzt, dals ein zu einer Geldstrafe ver-
urtheilter Einheimischer das angedeutete Rechtsmittel wirklich ergriffe,
so würde eine solche Appellation durch das arabische Bureau gehen
müssen und von diesem schwerlich an den Ort seiner Bestimmung beför-
dert werden. Erhält nun durch Zufall der Oberkommandant oder Ge-
neral dennoch von der Angelegenheit oder von irgend einem Akte ro-
her Barbarei, dessen sich der Chef schuldig gemacht hat, Kenntnifs,
so verlangt er von demselben Chef darüber Auskunft. Dieser hat dann
nichts Eiligeres zu thun, als das Schwierige und Gefahrvolle seiner
Lage, die Unzulänglichkeit seiner Mittel sein Ansehen aufrecht zu er-
halten und den schlechten Charakter seiner Untergebenen zu schildern
- und endigt seine Rechtfertigung mit der Drohung, dafs, wenn man ihn
nicht nachdrücklich handeln lasse, er für die Ruhe in seinem Gebiete
nicht einstehen könne. Der General, welcher die Angelegenheiten nicht
_ weiter untersucht und keinen Grund hat dem Offizier zu milstrauen,
_ ehrt dessen Beweggründe und giebt ihm Recht. Was ist die Folge
davon? Der Unglückliche, der es gewagt hat Gerechtigkeit zu bean-
‚spruchen, wird in eine noch höhere Strafe genommen und die Kunde
48 L. Buyıy.
davon wirkt bei seinen Genossen und Freunden so mächtig, dafs für
lange Zeit es Niemand mehr wagt, die höhere Instanz anzurufen. Fafst
man nun schliefslich die Ursachen einer so mangelhaften Verwaltung
zusammen, so liegen sie wesentlich in der Jugend und Unerfahrenheit
der Chefs, welche, wenn sie aus den Regimentern auf diesen Posten
berufen werden, Gerechtigkeit üben sollen, ohne die Gesetze zu ken-
nen, die Finanzen verwalten sollen, ohne irgend eine moralische und
materielle Gewähr zu bieten, und wenn sie endlich mit ihrem Amte
vertraut geworden sind, zu den Regimentern zurückkehren. Hieraus
ergiebt sich von selbst, weshalb die arabischen Gebiete der französi-
schen Regierung nichts eintragen, während die Verwaltungsbeamten
meist in sehr glänzenden Verhältnissen ihre Stellen verlassen. Ein
Finanzsystem, welches nicht kontrollirt wird, sondern nur auf dem gu-
ten Willen und der Rechtlichkeit der Beamten ruht, zerfällt, wenn man
an der Gewissenhaftigkeit auch nur eines Beamten zu zweifeln Veran-
lassung hat.
Natürlich fehlt es der Militärbehörde nicht an Gründen solche Ue-
belstände in den arabischen Gebieten Algeriens zu rechtfertigen. Vor
Allem bezieht sie sich auf die feindselige Stimmung der einheimischen
Bevölkerung, dann für den Fall, dafs eine bürgerliche Verwaltung ein-
gesetzt werden sollte, auf die unzulängliche Anzahl von Personen,
welche die arabische Sprache verstehen und zu Beamten sich eignen,
oder darauf, dafs dem Charakter der Einheimischen gemäls die Ver-
ordnungen ohne Unterstützung der Armee sich keine Geltung würden
verschaffen können, oder endlich auf den geringen Kostenaufwand, wel-
chen die jetzige Verwaltung in Anspruch nimmt, da er nach dem Bud-
get sich nur auf 150,000 Frances jährlich beläuft.
Es würde uns zu weit führen, nachzuweisen, wie wenig stichhal-
tig alle drei Argumente sind. So viel wird jedoch Jeder aus dieser
kurzen Schilderung der arabischen Bureaus entnommen haben, dafs sie
unseren Begriffen von Recht und Gesetz nicht entsprechen und dafs
es eine wahrhafte Wohlthat für Algerien wäre, das Land je eher je
lieber von ihnen zu befreien. Natürlich ist daran nicht zu denken,
wenn ein Kriegsminister die Leitung der Angelegenheiten in seiner
Hand hat, der ein Anhänger der Militärherrschaft in Algerien ist. —
Ich kehre nun zu meiner durch diese kurze Abschweifung unterbroche-
nen Darstellung zurück.
Während der dem arabischen Bureau beigeordnete Kadi im Solde
der französischen Regierung steht, erheben die unter den Stammge-
nossen wohnenden ihre Gebühren von den verschiedenen Amtsverrich-
tungen, zu denen sie zugezogen werden. Bevor sie zu dem Richter-
amte zugelassen werden, müssen sie ein Zeugnils ihrer Befähigung von
Mittheilungen aus Algerien. 49
dem hohen Gerichtshöfe (Midjele’s) zu Constantine beibringen. Auf
den Märkten ist der Kadi stets anwesend und ein Zelt ist ihm dort
neben dem des Kaid eingeräumt. Seine Urtheilssprüche, so fern sie
auf Gefängnis und härtere Strafen lauten, bedürfen jedoch der Bestä-
tigung eines von der Regierung eingesetzten Kadi.
In der Verwaltung des in Rede stehenden Gebietes steht dem Ober-
kommandanten von Biskra die Djemä, ein Rath einheimischer durch
ihre Vermögensverhältnisse, Stellung und Abkunft angesehener und ein-
flufsreicher Männer, zur Seite. Die Djemä zu Biskra besteht aus dem
Scheich el Arab, den Kadis, den Kaids und einigen Tolbas (Gelehr-
ten). Sie bildet die obere Verwaltungsbehörde der östlichen Sa-
hara und von ihr sind die Scheichs und’ der Ukil bit el Ma (Fiskal-
beamte) abhängig.
An der Spitze dieser einheimischen Hierarchie steht der Scheich
el Arab, welcher durch das Ministerium ernannt wird, in Kriegszei-
ten nach Vorschrift des Oberkommandanten an der Spitze des Gums
(einheimischer Reiterei) zu Felde zieht, in Friedenszeiten aber die Kaids
und Scheichs überwacht und den Eingang der Steuern, sowie deren
Vertheilung besorgt. Der Scheich el Arab und die Kaids bilden den
Makhzen und stehen im Solde der französischen Regierung, ebenso
auch noch die über volkreiche Stämme gesetzten Scheichs. Hiervon
ausgeschlossen ist der Scheich des Duar, welcher auch nicht mehr zum
Makhzen gehört. Eine Berufung gegen die Beschlüsse der oberen Ver-
waltungsbehörde an den Oberkommandanten von Batna steht den Ein-
heimischen frei. Der Kaid wird auf Vorschlag des Oberkommandan-
ten von Biskra durch den kommandirenden General von Batna ernannt.
Er beaufsichtigt speciell die Scheichs der Duare, erhebt Steuern und
Strafgelder und liefert solche an das arabische Bureau ab, hebt die
‘ Militärpflichtigen aus und wacht überhaupt über die Wohlthat der sei-
ner Obhut anvertrauten Stämme. Als Zeichen seiner Würde erhält
_ er von dem Oberkommandanten von Biskra einen 'rothen reich mit
Gold gestickten Tuchbernus. Die Gebühren oder Hak el Bernus, welche
bei dieser Gelegenheit von dem Einzukleidenden erlegt werden muls-
ten, sind seit dem Jahre 1850. aufgehoben worden.
''Was nun die Abgaben anbelangt, welche die französische Re-
_ gierung von der Bevölkerung der östlichen Sahara erhebt, so sind diese
noch dieselben wie zu den Zeiten der Herrschaft der Türken und Abd-
el-Kader’s. Was hierbei vielleicht noch bemerkt zu werden verdient,
- möchte die zweck- und gleichmälsigere Vertheilung derselben sein. Bei
- Gelegenheit meiner Mittheilungen über den Djebel Sahari (Bd. III, S. 47
- dieser Zeitschrift) habe ich die Natur und Höhe derselben für alle drei
- Provinzen angeführt.
Zeitschr. f. allg. Erdk, Neue Folge. Bd. VIII. 4
50 L. Burry:
Sie werden alle von den Landeserzeugnissen entrichtet und be-
stehen für unser Gebiet:
1) in dem Aschur oder Zehnten der Cerealienernte, der aber jetzt
nicht mehr in Natur eingeliefert, sondern in Geld entrichtet wird;
2) dem Hokor, einer Geldabgabe oder Pacht, die sich nach der
Ausdehnung der bebauten Ländereien und der Grölfse der Heer-
den richtet;
3) der Lezma oder der Steuer von 40 Cent (= 3 Sgr. 4 Pf. preufs.)
auf je einen Stamm der Dattelpalmen.
Im Jahre 1854 ergab die Steuererhebung in den arabischen Ge-
bieten der Provinz Constantine das nachstehende Resultat:
Aschur 1,102,823 Frances,
Hokor 899,810 -
Lezma 1,684,369 -
in Summa 3,687,002 Franes.
Dem Aschur liegt das arabische Ackermals Zuidja oder Djebda
zu Grunde, d. h. ein Areal Landes, welches mit einem Paar Ochsen
bestellt werden kann, also ungefähr 7 bis 10 Hectaren. Für jede Zuidja
betrug der jährliche Aschur ehedem eine Saa oder einen Malter Wei-
zen und Gerste, oder jetzt in Geld 25 Frances. Der Hokor beträgt
ebenfalls 25 Francs für jede Zuidja, so dafs unter Hinzurechnung von
5 Frances Gebühren, welche dem Kaid zufallen, diese Steuern sich auf
55 Francs jährlich belaufen.
Zur Zeit der Steuererhebung erhält der Scheich el Arab von dem
Scheich des arabischen Bureau’s von Biskra den Auftrag, dieselben ein-
zuziehen; derselbe vereinigt die ihm untergebenen Kaids und Scheichs,
setzt sie von dem ihm ertheilten Befehle in Kenntnifs und entsendet
alsdann die Reiter des Gum in die Duare, Oasen u. s. w., welche über
den richtigen Empfang der Steuern Bescheinigungen ausstellen und das
Geld dem Scheich el Arab einhändigen. Während dieses Geschäfts
hat der Gum Anspruch auf die Verpflegung von Mann und Pferd oder
nach arabischer Sprechweise auf die Diffa und Halfa. Der Scheich
el Arab bringt die eingegangenen Steuerbeträge dem Chef .des arabi-
schen Bureau’s, dieser beurkundet die Höhe des Betrages, und beide
liefern die Summe an die Kasse des Steuereinnehmers zu Constan-
tine ab,
Zu diesen von der französischen Regierung durch Deerete fest-
gesetzten Abgaben kommen jedoch noch einige willkührliche,
welche die Militärherrschaft in den gemischten und arabischen Gebie-
ten einzuführen für gut befunden hat. In erster Reihe erwähnen wir
Mittheilungen aus Algerien. 51
den Viehfrohndienst, der nach den Befehlen des arabischen Bu-
reau’s in der unumschränkten Requisition von Transportthieren, d. i.
Pferden und Maulthieren, besteht, dann die Tuiza oder die Leib-
frohne, nach welcher den einheimischen hohen Würdenträgern das
Recht zusteht, eine beliebige Feldmark durch Eingeborene nach eige-
nem Ermessen bestellen zu lassen. Hierher rechnen. wir aufserdem die
Oers, M’bita und andere Festlichkeiten, endlich die Sedia. Die
zuerst genannten dürfen jetzt nur noch mit Genehmigung des Chefs
des arabischen Bureau’s in Ausführung gebracht werden. Es sind Fest-
lichkeiten oder Fantasia’s, welche von den einheimischen Häuptlingen
veranstaltet werden und bei welchen sie von ihren Gästen eine Steuer
bis zu 10 Francs auf je ein Zelt erheben, also für ganz Algerien un-
gefähr die Kleinigkeit von 2 — 3 Millionen Frances. Noch ergiebiger
fällt die Sedia oder ein erzwungenes Almosen aus, jedoch kommt das-
selbe seltener in Anwendung. Hierbei wird folgendermalsen verfahren.
Befindet sich ein Kaid, Scheich oder sonstiger angesehener Würden-
träger in Geldverlegenheit, so schickt er zur Zeit der Ernte oder Woll-
schur durch seinen Schausch seinen Untergebenen Bettelbriefe und die-
ser nimmt dagegen Getreide oder Wolle in Empfang.
Es bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung, dafs dieses
ganze System der Steuererhebung in der Weise, wie es jetzt in den
gemischten und arabischen Distrieten Algeriens eingeführt ist, Mils-
bräuchen und Unterschleifen allen möglichen Vorschub leistet. So oft
auch die französische Regierung die Ordnung der direeten Abgaben in
die Hand genommen und Civilbeamte zur Aufstellung eines Katasters
in die betreffenden Gebiete gesandt hat, stiefsen dieselben auf unüber-
windliche Schwierigkeiten, welche ihnen von militärischer Seite ent-
gegengestellt wurden. Wenn man erwägt, dafs von arabischer Seite
die Gesammteinnahme der Steuern sich auf 21 Millionen Frances be-
läuft, so ergiebt sich daraus, dafs die Kopfsteuer ungefähr 84 Francs
_ ausmacht, während in den europäischen Gebieten dieselbe schon jetzt
im Durchschnitte 43 Frances beträgt. Ob dieser bedeutende Ausfall
den humanen Rücksichten der Militärverwaltung für die eingeborenen
_ Unterthanen oder anderen Ursachen, die wir nicht erörtern wollen,
zuzuschreiben ist, lassen wir dahingestellt. Nicht zu entschuldigen aber
ist es, wenn eine Regierung, welche sich bei jeder Gelegenheit als
Retterin und Befreierin fremder Nationen von dem Joche des Despo-
'tismus aufwirft, sich in ihren Colonien ganz unerhörte Gewaltthätig-
‚keiten und Mifsbräuche bei Erhebung der Steuern, wie die Requisitio-
nen und die Leibfrohne, zu Schulden kommen läfst. Wir sind es zur
gerechten Würdigung und zum Verständnifs der ganzen Tragweite die-
ser für die Eingeborenen so drückenden Einrichtungen der Mitwelt
j*
ee
52 L. Buyry:
schuldig, auch diese Ausgeburten der Militärverwaltung in Algerien an
das Licht zu ziehen.
So oft bei einem Garnisonwechsel, bei Dienst- oder Vergnügungs-
reisen der Offiziere von der Militärbehörde Personen, Pferde oder Maul-
thiere zum Transport ihrer Person und Sachen gebraucht werden, re-
quirirt, der Chef des arabischen Bureaus bei dem Kaid die nöthigen
Saumthiere. Dieser bedenkt dabei stets die ärmere Klasse, und der
Reiche geht natürlich immer frei aus. Gebraucht der Kaid zum Trans-
port seiner Vorräthe oder für seine Person Lastthiere, so hilft auch
hier der Chef aus, indem er den Befehl zur Stellung ertheilt. Am
drückendsten aber empfindet der Arme die ihm von dem Kaid aufer-
legten aufserordentlichen Requisitionen, um Steine zum Bau eines Hau-
ses, Brennmaterial, Wasser u. 8. w. für seinen Bedarf herbeizuschaffen.
Häufig kommt es sogar vor, dafs dieses Privilegium noch für einige
gute Freunde des Kaid nutzbar gemacht wird. Bei den amtlichen Re-
quisitionen hat der Betroffene einen gesetzlichen Anspruch von 3 Frances
für jedes Thier. Wir wollen nicht weiter untersuchen, ob ihm diesel-
ben jedes Mal zu Theil werden und ob der Kaid es nicht oft für gut
findet, sich seinen Antheil zu sichern; das aber steht fest, dals bei
Frohndiensten für den Kaid häufig garnichts vergütigt wird. Unter
die Botmäfsigkeit des Kaid gestellt, sieht sich der Betroffene hilflos;
sollte er es sich einfallen lassen zu remonstriren, so würde ihm die
persönliche Gesinnung des Kaid ohne Frage bei nächster Gelegenheit
in empfindlicher Weise fühlbar werden.
Ungeachtet eine Ordonnanz des General-Gouverneurs die. Tuiza
so zu sagen beseitigt hat, besteht sie noch immer. Auch hiermit wird
arger Mifsbrauch getrieben. Erhält z. B. der Kaid die Erlaubnifs Mann-
schaften zum Frohndienste auf einige Tage heranzuziehen, so findet er
es sehr häufig angemessen, dieselben über diese Zeit hinaus zu be-
schäftigen, und begeht damit eine empfindliche Vermögensbeschädigung
und einen Eingriff in die persönliche Freiheit dieser Leute, da sie zu
dieser Zeit überall gegen Tageslohn Beschäftigung finden oder ihr eige-
nes Land bestellen können.
Was die von den einheimischen Würdenträgern veranstalteten Fest-
lichkeiten, die Oers und Mbita anbelangt so sind diese Gebräuche jetzt
schon einigermalsen gehemmt, da sie von der vorhergegangenen Er-
laubnifs des arabischen Bureaus abhängig sind. Für die Häuptlinge
sind dieselben nicht drückend, da sie die Aussicht haben bei. nächster
Gelegenheit auch eine solche Fantasia zu veranstalten und dann als
Gastgeber in gleicher Weise Steuern zu erheben. Aber der gemeine
Mann muls geben ohne Aussicht auf Wiedererstattung, da, wenn er
Mittheilungen aus Algerien. 53
auch eine Einladung zu einer Festlichkeit an den hohen Würdenträger
abgehen liefse, er versichert sein kann, dafs derselbe nicht erschei-
nen wird.
Es ist endlich eine bekannte Thatsache, dals die Sammlung er-
zwungener Almosen oder die Sedia so arg gemilsbraucht worden ist,
dafs ganze Stammgenossenschaften, um den ewigen und drückenden
Betteleien zu entgehen, es vorgezogen haben auszuwandern.
Wir schliefsen diese Bemerkungen, indem wir noch der Steuer-
befreiungen gedenken, die gar sehr geeignet sind über die Verthei-
lung der Steuern Aufschlufs zu verschaffen. Es ist nämlich ein her-
gebrachter Brauch, dafs die einheimischen Würdenträger, die Beamten
und Reiter des arabischen Bureaus und überhaupt der Makhzen von
ihren Ländereien entweder gar keine oder nur theilweise Steuern zah-
len, so dafs auch in dieser Beziehung das arabische Bureau derglei-
chen Unregelmäfsigkeiten sanctionirt und eine Controlle unmöglich
macht.
Wir haben wohl nicht nöthig dem deutschen Leser noch weitere
Einsicht in die Verwaltungsangelegenheiten dieser Gebiete zu verschaf-
fen. Das hier gebotene, auf Wahrheit beruhende Material wird hinrei-
chen, demselben eine annähernde Vorstellung davon zu geben, und zur
Genüge erklären, wie es ungeachtet der vielbesprochenen billigen Ver-
waltung bisher nicht möglich war die Einkünfte so zu steigern, dafs
sie die Kosten decken. Der augenscheinlichen Unordnung ohne eine
gründliche Aenderung des ganzen Verwaltungssystems in den gemisch-
ten und arabischen Gebieten Algeriens abzuhelfen, ist eine Sache der
Unmöglichkeit und da die Colonie im ausschliefslichen Besitz der Mi-
litärhierarchie sich befindet, die Regierung aber, um Weitläufigkeiten
aus dem Wege zu gehen, absichtlich die Augen schlielst, so dürften
die unglücklichen Bewohner dieser Gebiete noch lange unter dem Joche
ihrer Erretter seufzen.
Gedenken wir nun noch schliefslich der geringen Zahl der Euro-
päer, welche in der östlichen Sahara und zwar sämmtlich in dem
Flecken Biskra ansäfsig sind. Auch sie sind natürlich der Militärbe-
hörde untergeordnet und ihre Niederlassung in diesem Gebiete geschieht
nur mit Erlaubnifs derselben. Ihre Civilangelegenheiten werden ächt
militärisch und in kategorischer Kürze durch den Platzkommandanten,
bier einen Capitän der Infanterie, auf dem Bureau des Platzes erle-
digt. In dieser Eigenschaft schliefst der Offizier die Civilehen, regi-
_ strirt die Geburten und Todesfälle, schlichtet Rechtsfälle und Streitig-
_ keiten, verhängt Strafen, kurz er versieht alle den Maires, Präfecten
- und Regierungscommissarien zustehenden Obliegenheiten. Gegen seine
5A L. Buvry: Mittheilungen aus Algerien.
Entscheidungen steht den Europäern der Recurs bei dem Friedens-
richter oder in neuester Zeit, wenn die betreffende Anordnung wirk-
lich durchgeführt ist, dem Regierungscommissarius in Batna offen. Ge-
setzt aber auch, der eben erwähnte Strahl des Lichtes wäre in Folge
der Anregung des Prinzen Napoleon bis Batna gedrungen, so müssen
wir dennoch gestehen, dafs auf eine Bevölkerung von nahezu 2000 Eu-
ropäern diese Concession einer freisinnigeren und menschlicheren Ein-
richtung sehr dürftig erscheint. Das wissen wir aus Erfahrung, dafs
der Einflufs des Friedensrichters oder des neuen Beamten sich höch-
stens auf die Bewohner dieser Stadt ausdehnen wird, während der-
selbe in das arabische Gebiet von Biskra kaum reichen möchte, Sehen
sich also die Europäer von Biskra in die Nothwendigkeit versetzt, die
Hilfe der in Rede stehenden Beamten zu beanspruchen, so bleibt ihnen
nur der Weg nach Batna übrig und aufser der Anstrengung einer vier-
tägigen Reise fallen ihnen die Kosten derselben zur Last, ohne der
dadurch entstehenden Zeitversäumnils zu gedenken, welche auf ihre
häuslichen Geschäfte sehr nachtheilig einwirkt. Schrecken alle diese
Weitläufigkeiten und Beschwerden sie von ihrem einmal gefalsten
Entschlusse nicht ab, so finden sie oftmals dennoch in Batna, da
auch in dieser Stadt eine Civilverwaltung nicht besteht, keine Abhilfe
und sehen sich genöthigt, da hier auch nicht einmal ein Notar ansäfsig
ist, um ihre Klage bei dem Gerichtshofe von Constantine anhängig zu
machen, sich an einen Winkelconsulenten zu wenden, welcher für
schweres Geld durch seine juristische Unkenntnifs die ihm übertrage-
nen Rechtsfälle häufig auf das Gewissenloseste verdirbt.
Ich habe mich bemüht den Lesern ein treues Bild der Verwal-
tungszustände in der östlichen Sahara Algeriens zu entwerfen, das
auch im Allgemeinen auf alle arabischen Gebiete der Regentschaft
seine Anwendung findet. Ist dieses Bild fast nur unerfreulich ausge-
fallen, so wird auch der aufrichtige Wunsch gerechtfertigt sein, dals
eine gründliche Umgestaltung nicht lange mehr auf sich warten lassen
möge. Nur so wird auch Frankreich mitarbeiten an der Aufgabe der
europäischen Menschheit, civilisatorisch in die Entwickelung der ande-
ren Erdtheile einzugreifen.
55
II.
Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen.
Nach dem Russischen ’).
Die Samojeden im Kreise Mesen des Gouvernements Archangelsk
bilden nur einen kleinen Theil des Samojeden-Volkes. Sind sie die
ursprünglichen Bewohner des jetzt von ihnen bewohnten Gebietes zwi-
schen den Flüssen Mesen und Kara, oder sind sie eingewandert? Man
mufs das Erstere annehmen. Ihre reichhaltige und ausdrucksfähige
Sprache ist allen Samojeden gemein: die Samojeden bei Beresow, Ob-
dorsk, Tomsk und andere sibirische Samojeden reden dieselbe Sprache,
wie die im Gouvernement Archangelsk. Allerdings finden sich in der
Sprache der einen wie der andern manche eigenthümliche Worte, und
man bemerkt auch Verschiedenheiten in der Aussprache eines und des-
selben Wortes; aber die Wurzeln der Worte, die grammatischen Flexio-
nen und Wendungen haben bei den Samojeden in Sibirien und in Ar-
changelsk eine nahe und unverkennbare Uebereinstimmung. Aufserdem
gehören alle Samojeden von Archangelsk zu sechs Stämmen; diese
heifsen: Tyssyi, Wanoita oder Wanjuta, Lokei oder Logei, Walei,
Wyutschei und Chatansei; zu denselben Stämmen gehören auch die
sibirischen Samojeden, welche aufserdem noch einen besonderen Stamm
besitzen, — die Karatschei. Die heidnischen Samojeden von Archan-
gelsk haben noch bis jetzt denselben Aberglauben, der bei den heid-
nischen Samojeden in Sibirien bemerkt wird. Jene halten es für un-
erlaubt, aus dem Stamme oder Geschlecht des Vaters zu heirathen,
und nehmen ein Weib aus dem Stamme der Mutter, wie nah auch die
Verwandtschaft der Braut und des Bräutigams sein mag; genau das-
selbe gilt von den sibirischen Samojeden. Alle diese Umstände zeigen,
dafs alle Stämme der Samojeden, mögen sie diesseits oder jenseits des
Ural wohnen, einem und demselben Volke angehören.
!) Das Original, eine ausführliche Arbeit über die Samojeden im Kreise Mesen
und ihr Land, ist zuerst im XIV. Bande des Wjästnik der Kais. Russ. Geographi-
schen Gesellschaft publieirt, dann im ITHOTpa®nyeckiu COopHuR% Band IV
wieder abgedruckt. Verfasser ist der Archimandrit Benjamin von Archangel, unter
dessen Auspicien die Bekehrung der Samojeden zum Christenthum erfolgte. Wir he-
ben aus der umfangreichen Abhandlung den auf den Volksglauben bezüglichen Theil
heraus, der eine detaillirte Beschreibung der durch die arktischen Expeditionen der
- Holländer schon früh in Europa bekannt gewordenen samojedischen Götzenplätze ent-
hält und im Uebrigen als Bestätigung und Ergänzung der Berichte Castren’s dienen
kann.
56 Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien
Nach Strahlenberg wohnte dieses Volk im Alterthume am Ufer
des Eismeeres und wanderte später nach Süden. Fischer, der Ge-
schichtschreiber Sibiriens, theilt diese Ansicht nicht; er behauptet im
Gegentheil, dafs sie als die ältesten und ursprünglichen Bewohner der
mittleren Theile des jetzigen Sibiriens betrachtet werden müssen, weil
sie zugleich mit den Ostjaken, Wogulen und Tataren, und == als
alle anderen Völker den Russen bekannt wurden.
Als die Tataren in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts aus
dem von ihnen verwüsteten Ungarn nach Nordosten zurückkehrten und
durch das Land der Mordwinen und Bulgaren nach dem fernen Nor-
den vordrangen, fanden sie die Samojeden nieht am Eismeer, sondern
südlicher. Plan de Carpin beschreibt diesen Zug der Tataren: „von
hier (Bascart) zogen sie nach Norden und kamen zu den Parossiten,
gingen dann noch weiter und kamen zu den Samojeden, die nur von
der Jagd leben und Zelte und Kleider aus Thierfellen bereiten; von
bier drangen sie noch weiter, und kamen in ein Land am Ocean, wo
sie Ungeheuer fanden.“ Auch jetzt noch wohnen Samojeden am obern
Laufe des Jenissei und am Sajanischen Gebirge. Vielleicht haben sich
einzelne Stämme derselben in unvordenklicher Zeit nach Norden ge-
wendet, und sich zum Theil an den Flüssen Jenissei, Tas und Obi
zerstreut, zum Theil sich über den Ural hinaus verbreitet und hier die
Tundren zwischen den Flüssen Kara und Mesen in Besitz genommen.
In Sibirien nennen sich die westlichen Samojeden Njänez (Mensch)
oder Njänzja (Leute), die östlichen Chasow (Mann) oder Chasowo (Män-
ner); und von den Mesen’schen Samojeden nennen sich die von Kanin
und Timan ebenfalls Njänez oder Njänzja, und die des „Grofsen Lan-
“ Chasow oder Chasowo'). Bei den Obischen Ostjaken heifsen sie
„Jurgan-jach“ oder „Järuncho*; bei den Tungusen am Jenissei „Djan-
dal“; bei den Bermjakkhı und Syrjanen „Jarang“; bei den Wogulen
„Jurron-kum“. . Ursprung und Bedeutung des Mantel „Samojeden“
(russ. Ssamojädy) sind unbekannt. Nach der russischen Sprache sollte
man vermuthen, dafs mit diesem Namen Leute bezeiehnet würden, die
sich selbst verzehrten; aber keine einzige Nachricht spricht dafür, dafs
die Samojeden jemals Menschenfresser gewesen sind. Auch die anderen
!) Das Gebiet der Mesen’schen Samojeden zerfällt in diese drei Kreise: die
Kanin’sche Tundra, zwischen dem Weifsen Meer und der Tscheschkaja- Bucht und
südlich bis zum Mesen; östlich davon die Timan’sche Tundra, im N. vom Eismeer,
im O. von der Petschora, im $. von der Zylma, im W. von der Pescha und dem
Kanin’schen Gebiet eingefafst; und endlich die Bolschesemelskaja Tundra, das Grofse
Land oder die grofsländische Tundra, zwischen der Petschora und Kara. Die Samo-
jeden nennen nach Castren (Reiseerinnerungen $. 184. 185) die Kanin’sche Tundra
„Salje“, was Vorgebirge bedeutet; die Timan’sche „njude ja“ (das mittlere Land), und
die Bolschesemelsche „aarka ja“, was ebenfalls das „Grofse Land“ bedeutet. 5
u oe ei ee ee
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen. 57
Vermuthungen sind nicht stichhaltig. Fischer leitet das Wort aus der
Sprache der Lappen her; denn diese gäben sich selbst den Namen
Ssami oder Ssabme, ihrem Lande den Namen Ssamejadna, und da man
früher Lappen und Samojeden für ein Volk gehalten, hätten die frem-
den Besucher Archangels, unter Verstümmelung des Namens Ssame-
jadna in Ssamojad, den letztern auch auf die Nachbarn der Lappen,
die Samojeden, ausgedehnt. Es ist indefs nicht einzusehen, weshalb
die Russen, wenn sie Lappen und Samojeden für ein Volk hielten,
den letzteren einen besonderen Namen beigelegt haben; auch heifst
„Land“ in der Lappischen Sprache nicht jadna, sondern jednam. Ge-
orgi fügt zu dieser Etymologie noch eine andere hinzu aus dem finni-
schen Worte ssooma, Sumpf, da in ihrem Lande ausgedehnte Moräste
vorhanden wären; aber er erklärt nicht, wie aus ssooma das Wort
Ssamojäd entstehen konnte. Lehrberg hält das Wort Ssamojäd für
ein russisches, das verstümmelt sei aus „Ssemgojäd“, Lachsesser; aber
die Samojeden essen nicht blofs Lachse, sondern auch andere Fische,
und Lachse oder überhaupt Fische bilden nicht ihre Hauptnahrung,
sondern Fleisch. Der Verfasser der „Reise nach dem Eismeer“ pflich-
tet anfangs der Etymologie von ssooma bei; später stellt er die Ver-
muthung auf, Ssamojäd sei eine wörtliche Uebersetzung des einheimi-
schen Volksnamens Chosowo; denn chos bedeute so viel wie das russi-
sche ssam, selbst, und owo entspreche dem russischen odin, einer, —
Ssamodin oder Ssamjedin correspondire also dem einheimischen Chosowo,
und der Name sei bezeichnend, da die Samojeden nicht in Gesellschaf-
ten, sondern vereinzelt lebten. Es springt indefs in die Augen, dafs
in der russischen Form Ssamojäd oder Ssamojad nichts von dem Worte
jedin enthalten ist. Jene beiden Formen waren aber früher ausschliefs-
lieh im Gebrauch; die Form Ssamojädin ist neueren Ursprungs. Uebri-
gens legten die Russen früher, und noch im XVI. Jahrhundert, den
Namen Ssamojäd nur den Stämmen bei, die östlich vom Ural am Obi-
schen Meerbusen wohnten; die im Mesen’schen Kreise hiefsen nach
Tatischtschew Petschoren, und Lehrberg pflichtet dieser Ansicht bei.
„Peschtschera,“* sagt der Letztere, „oder früher Petschera bezeichnet
einen unterirdischen Gang (eine Höhle); und in jenem Gebiete giebt
es in den Bergen und den angrenzenden Landstrichen viele Höhlen,
die einst bewohnt waren, wie es die Oefen, die thönernen, eisernen
und kupfernen Geräthschaften und selbst menschliche Knochen bezeu-
gen; es ist also sehr wahrscheinlich, dafs, wie das Land und der
Hauptfluls, so auch die Bewohner von den Russen nach diesen Höhlen
benannt wurden,“ Auch Herberstein erwähnt Petschora als eine Pro-
'vinz.des Grofsfürstenthums Moskwa, die sich bis an das Eismeer er-
irecke. Ist diese Ansicht richtig, so haben die Mesen’schen 'Samo-
58 Ueber den religiösen Glauben nnd die Ceremonien
jeden schon im XI. Jahrhundert unter dem Namen Petschoren an
Nowgorod Tribut gezahlt.
Im Einzelnen werden die Samojeden nach den Abtheilungen ihres
Landes die von Kanin, die von Tiun oder Timan und die Bolschese-
melskoi oder die des Grofsen Landes benannt. Die Letzteren zerfallen
wieder nach den Gerichtsbezirken, in welchen sie ihren Jassak ent-
richten, in die von Pustosersk, von Ishemsk und Ustzelemsk, oder nach
ihren Wohnplätzen in die an der Jugorischen Strafse und in die an
der Kara. Aufserdem kommt noch der Name Waldsamojeden vor, für
die Samojeden von Ishemsk, weil sie in den Wäldern an der Ussa und
ihren Zuflüssen leben.
Das Christenthum hat unter diesen Samojeden erst seit dem Jahre
1825 Verbreitung gefunden. Die Missionäre hatten bei ihrem längeren
Aufenthalt unter dem Völkchen Gelegenheit, den heidnischen Glauben
desselben genauer kennen zu lernen. Sie fanden, dafs die Samojeden
an Gott, an den Teufel, an die Tadepzii oder Geister und an die
Chehi ') oder Idole glaubten.
Gott wird von den Samojeden Num genannt ?). Sie verehren ihn
als das höchste Wesen, welches von Ewigkeit da war, und geben ihm
allein den Beinamen Tjawui Num, „Höchster Gott“. Sie betrachten
Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde und aller Creaturen,
glauben, dafs von ihm Alles was existirt abhängt und dafs er über
Alles herrscht, und nennen ihn Ijäwbarte, Lebenspender?). Sie glau-
ben, dafs Gott, obgleich er Himmel und Erde besitzt, doch nur im
Himmel wohnt, da er als Geber und Urquell alles Guten sich nicht
auf der Erde aufhalten kann, wo alles Böse geschieht. Sie bezeigen
ihm eine so grolse Verehrung, dafs sie selbst das Wort Num aus re-
ligiöser Scheu nur selten und mit grofser Ehrfurcht aussprechen und
dafs sie Num nur bei den wichtigsten glücklichen oder unglücklichen
Ereignissen anrufen, z. B. bei ungewöhnlichem Jagdglück, um ihm zu
danken (Arka Num! Preis sei Gott), oder wenn Jemand aus einem
grolsen Unglück errettet wird (Num manaassom, Gott hat mich ange-
sehen). Seine Hilfe rufen sie ebenfalls nur bei besonderen Gelegen-
heiten an, mit den Worten Numei tad, Gott gebe!
Den Teufel nennen die Samojeden A. Sie halten ihn für den
!) Russisch Xeru; Castren nennt sie Hahe.
?2) Nicht Numai, wie zuweilen angegeben wird, wahrscheinlich weil man den
Vocativ (numäi) gehört hat. Denselben Namen führt die Gottheit auch im Munde
der Samojeden von Obdorsk, Narymsk und Tomsk; bei denen am Ket heifst sie Nom.
3) Von iljäiz Leben oder iljäwe Alter, und „bart“, einer der macht (von bar-
gaw ich mache). Castren schreibt Jilibeambaertja oder Jileumbaertje und übersetzt:
„Wächter des Vieh’s“,
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen, 59
Bösen und bemühen sich deshalb auf alle Weise ihn günstig zu stim-
men, um sich vor Unheil zu bewahren.
Die Tadepzii sind nach samojedischem Glauben von Num er-
schaffen; aber, obgleich Num die Herrschaft über sie besitzt, sind sie
ihm doch nicht in allen Stücken gehorsam, sondern fügen den Men-
schen, seinen Befehlen zuwider, viel Böses zu. Sie werden nicht in
gute und böse, sondern in weilse, grüne und schwarze eingetheilt; die
ersteren, die höchsten, leben in der Luft, die grünen und schwarzen
auf der Erde. Von solchen Tadepzii giebt es eine zahllose Menge.
Die Chehi oder Idole sind theils von Holz, theils von Stein. Jene
bestehen meistens aus einem oben kegelförmigen, unten zugespitz-
ten hölzernen Klotz mit unförmlicher Darstellung der Augen und des
Mundes; die steinernen sind ganz unbearbeitet und haben mit den
hölzernen nur durch den kegelförmigen oberen Theil, der nach der
Ansicht der Samojeden den Kopf darstellt, einige Aehnlichkeit. Diese
Chehi sind theils Volks-, theils Privat-Chehi. Jene sind für das ganze
Volk bestimmt und werden an solchen Plätzen, Flüssen und Seen auf-
gestellt, wo sich die Samojeden zahlreich zur Jagd, zum Fischfang oder
zur Rennthierweide versammeln; die anderen werden von einer einzel-
nen Familie an den Punkten aufgestellt, die von ihr jährlich besucht
werden. Es giebt auch Haus-Chehi, sowol hölzerne wie steinerne.
Diesen zieht man gewöhnlich einen Kaftan von farbigem Tuch an, oder
die Maliza von Rennthierfell, das Unterkleid der Samojeden. Man be-
wahrt sie aufserhalb des Tschum’s (der Jurte) auf, auf besonderen
Schlittchen, deren Kasten auf sieben Stangen ruhen und deren Kufen
sieben Riefen haben, und bringt sie von Zeit zu Zeit in die Ssinikui,
den vorderen Theil des Tschum’s. Hier werden ihnen vor dem Essen
die Lippen mit Blut oder Fett von Rennthieren beschmiert. Alle diese
Götzenbilder werden indefs nur dann als Chehi betrachtet, wenn der
Tadibei (Priester) es für den Willen der Tadepzii erklärt hat, die er
deswegen befragt. Ist der Tadibei zu weit entfernt, so stellen die Sa-
mojeden das Götzenbild auf der Tundra an Fuchsfallen auf oder sie
befestigen es bei den Fischfängen an den Netzen, und wenn die Jagd
oder die Fischerei glücklich ist, betrachten sie das Götzenbild als Chehe
und ehren es mit Opfergaben, während sie im anderen Falle keine
Notiz von ihm nehmen und es wegwerfen. Bei der Geburt von Kin-
‚dern werden Idole aufgestellt, welche zum Andenken an die Urgrofs-
väter oder Urgrofsmütter verfertigt sind. Unter Ssjadei (von ssja,
Berg) ') versteht man solche Idole mit menschlieher Gestalt, die ge-
ee u
3 Be )ı Castren sagt: sie heifsen Sjadaei, weil sie ein menschliches Gesicht (sje)
aben.
60 Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien
wöhnlich auf hohen Bergen aufgestellt sind; noch häufiger findet man
sie an den Fuchsgruben. Wenn kein Wild gefangen wird, wird die-
sen Ssjadei auch Nichts geopfert; man prügelt sie vielmehr und wirft
sie vom Berge hinunter; denn mn hält sie dann nicht für wirkliche
Ssjadei. Dergleichen Ssjadei, hölzerne sowol wie steinerne, waren auf
der Sjäwernaja Ssopka nicht weit von Pustosersk in grofser Menge
vorhanden; von den Missionären sind seitdem die hölzernen verbrannt
und die steinernen zerschlagen worden.
Zu den heidnischen Gebräuchen der Samojeden gehört die Ssam-
badawa oder das Geisterbannen. Es geht dabei folgendermalsen zu.
Am Abend vor der Ausführung der Ssambadawa schlägt der Tadibei
in dem Tschum, in welchem die Ceremonie stattfinden soll, einigemal
den Penser — eine Art Trommel ') — mit einem Schlägel, auf dessen
Griff ein Götzengesicht eingeschnitzt und der mit Rennthierhaut über-
zogen ist. Dieses Trommeln kündigt den Samojeden an, dafs früh am |
folgenden Tage in dem Tschum, aus dem die Töne sich vernehmen
liefsen, eine Ssambadawa stattfinden wird. Früh Morgens versammelt
sich das Volk von allen benachbarten Jurten. Die Männer setzen sich
zur Rechten, die Weiber zur Linken des Tschum’s. Der Tadibei legt
sein Priesterkleid an, welches unter dem Gesange der dazu bestimmten
samojedischen Lieder aus sämischem Leder oder gegerbter Rennthier-
haut in Form eines langen Kaftans ohne Vorderstücke zusammengenäht
und mit Quasten, Blechstückchen, Knöpfchen und anderen Anhängseln
ausgeputzt ist. Den Kopf bedeckt er mit der Mütze, der sogenannten
Ssewbopz (Scheuklappe) ?); diese Mütze ist in den Augen der Samo-
jeden das wichtigste Attribut des Tadibei; der Tadibei, der seine Mütze
verloren hat, mufs nach der Volksmeinung mit seinem Kopfe dafür
den Tadepzii büfsen. So gekleidet, mit der Trommel und dem Schlä-
gel (Laduranz) in der Hand, wirft sich der Tadibei zur Erde und wen-
det sich damit an die Tadepzii, dafs sie auf seine Einladung hören,
!) Der Penser ist siebförmig. Er wird von dem Tadibei selbst angefertigt.
Eine Fläche und die Seiten sind mit der Haut eines von dem Tadibei selbst ge-
tödteten Rennthierkalbes überzogen. Im Innern hat der Penser in der Mitte einen
Querstab, von dem ein zweiter rechtwinklig nach der Seite abgeht. Diese Quer-
stäbe dienen dazu, das Instrument zu halten. In beide Stäbe sind sieben Götzen-
gesichter eingeschnitzt, — die Zahl sieben ist bei den Samojeden heilig.
2) Diese Mütze besteht nämlich nur aus einem Stück rothen Tuches oder eines
anderen Stoffes, 8 Werschok lang und 5 Werschok breit, an dessen oberen Rand. die
Enden eines schmalen Streifens von demselben Stoff angenäht sind, so dafs dieser
Streifen einen Ring bildet; daran wird noch ein anderer schmaler Streifen befestigt.
Diese Streifen und das Tuch sind an den Rändern und in der Mitte mit Garn durch-
näht; unten werden an den Tuchlappen Blechstücke, Knöpfe, Bärenknochen und
andere Zierrathen befestigt. Die Mütze wird nur durch den ringförmigen Streifen
auf dem Kopfe festgehalten, dergestalt, dafs das Stück Tuch herabhängt und das
Gesicht bedeckt. -
der: heidnischen Samojeden im Kreise Mesen. 61
ihm. erscheinen und seine Bitte erfüllen mögen. Dann beginnt die
eigentliche Ssambadawa: er schlägt die Trommel erst leise und er-
wärmt das Fell über dem in der Mitte des Tschum’s angezündeten
Feuer, damit es straffer und volltönender wird, dann verstärkt er die
4 Schläge und macht zuletzt einen durchdringenden Lärm. Bei dem Be
ginn der Ssambadawa rufen die Samojeden, die ihre Stimmen mit dem
Trommelschall vereinigen, anfangs leise, dann laut: goi, goi, goi! und
; geben dadurch ihren Wunsch zu erkennen, dafs die Tadepzii die Bitte
des sie eitirenden Tadibei erhören und erfüllen möchten. Der letz-
| tere spricht seine Einladung mit andächtigem Flüstern, und wenn die
Tadepzii ihm angeblich erschienen sind, bittet er sie entweder um die
Heilung einer schweren Krankheit, oder um die Fernhaltung der Wölfe
von den Rennthierheerden, oder um glückliche Jagd, um die Abwen-
| dung eines Unglücks u. s. f. Zeigen sich die Tadepzii nicht geneigt,
so wiederholt er seine Bitte und sucht sie durch das Versprechen einer
Opfergabe günstiger zu stimmen. Uebrigens behandelt er sie durch-
- aus nicht mit Devotion, sondern mit einer gewissen Würde, und nennt
| sie nja, Collegen; ein dreister Umgang mit den Tadepzii hebt den
Priester in den Augen des rohen Volkes. Sobald der Tadibei die Ta-
depzii sieht, theilt er den Zuhörern die Erscheinung derselben mit den
Worten mit: njass to, „die Collegen sind da“; bittet er sie um Hilfe
für einen Kranken, so wendet er sich an sie mit den Worten: nja wei
nja dadi, „helft, Collegen!“ Während dessen verwundet sich der Ta-
_ dibei an verschiedenen Theilen seines Körpers mit einem Messer oder
_ einem spitzigen Instrument, oder er stölst sich den Ladestock einer
Flinte in den Leib, oder er zeigt an seinen beiden Seiten einen Rie-
- men, den er sich angeblich durch den Leib gezogen hat. Endlich ver-
_ kündigt er, in grofser Erschöpfung und mit angestrengter Stimme, den
- Zuhörern die Entscheidung der Tadepzii. Das ganze Gaukelspiel dauert
- zwei bis drei Stunden.
Wenn der Tadibei in Folge der Messerstiche keinen Schmerz em-
_ pfindet und sich kein Blut zeigt, so gilt dieses für eine gute Vorbe-
deutung. Stellt sich dagegen von den angeblichen Verwundungen ein
- Schmerz ein, der natürlich bald vorübergeht und von den Tadepzii sofort
- gehoben wird, und zeigt sich Blut, so bedeutet dieses nach Ansicht der
Samojeden Böses. Zum Dank für den erstern Fall, und zur Abwendung
‘von Unheil für den letztern, ordnen die Tadepzii am Schlusse der
Ssambadawa an, entweder dem Num, oder dem Teufel, oder ihnen
‚Selbst, oder den Idolen ein Opfer zu bringen. In Folge dessen giebt
es 'bei den Samojeden verschiedene Opferfeierlichkeiten.
. Dem Num opfern sie gewöhnlich auf den höchsten Bergen ein
weils Rennthier. Sie erwürgen dasselbe und stellen es dabei mit
>
62 Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien
dem Kopfe nach Osten. In dem Moment, wo das Opferthier durch
eine über seinen Hals geworfene Schlinge erdrosselt wird, ergreift der
Tadibei es bei dem linken Hinterfuls und ruft mit lauter Stimme: Nu-
mei, ti tjuakr, temja Njand towa chapad! (Gott, wir bringen dir ein
Rennthier; hier, dies gehört dir, nimm es!), und gleichzeitig wird dem
Thiere ein schmales Messer in’s Herz gestolsen, um die Seele aufzu-
fangen, ehe sie ausgehaucht wird. Denn die Seele ist nach Ansicht
der Samojeden der Hauptbestandtheil des Opfers. Das Fleisch des
Rennthiers wird dann roh verzehrt, den Kopf aber und die Knochen
legt man auf ein hohes Gerüst, und zwar den erstern, nachdem man
ihn dergestalt auf einen Pfahl gesteckt hat, dafs die Schnauze nach
Osten gekehrt ist. Auch die bei dem Opfer Anwesenden wenden sich
in höchster Ehrfurcht nach Osten und verneigen wiederholt das Haupt,
denn sie glauben, dafs Num dann vom Himmel herabsteigt, um sein
Opfer in Empfang zu nehmen.
Dem Teufel opfern die Samojeden entweder ein Rennthier oder
einen Hund. Auch diese Opfer werden erdrosselt, aber immer bei
Sonnenuntergang; auch stellt man sie mit dem Kopf nie nach Osten,
sondern stets nach Westen. Das Opfer wird gewöhnlich hinter der
Jurte dargebracht, in welcher die Geisterbeschwörung stattgefunden
hat, gegenüber dem Kopfe des in der Jurte liegenden Kranken; man
glaubt nämlich, dafs der Teufel, durch den Kopf des Rennthiers oder
Hundes befriedigt, den Kranken in Ruhe lassen werde. Wenn das
Thier erwürgt wird, ruft der Tadibei den Teufel an: Aw wessakow
tjukor chanow, jewuly eiwa tass chalad, muilad! (Alter Satan, hier, dies
ist dein, nimm es anstatt des Kopfes, heile die Krankheit!). Darauf
ilst man das rohe Fleisch des Rennthiers, und stellt seinen Kopf bei
den nächsten Idolen auf eine Stange, mit der Schnauze immer nach
Westen, nicht nach Osten, wohin die Gesichter der Idole gerichtet sind.
Bei einem dem Teufel dargebrachten Opfer verneigen die Samojeden
ihr Haupt nicht. Die beiden erwähnten Opfer können übrigens nur
-durch einen Tadibei dargebracht werden.
Den Tadepzii opfern die Samojeden entweder Rennthiere oder
Hunde, und benehmen sich dabei genau so, wie bei einem dem Teufel
dargebrachten Opfer, mit dem einzigen Unterschiede, dafs der Tadibei
oder der Herr des Opfers die folgenden Worte ausspricht: meda dad,
ssidna jeda! (Nehmt, und erhaltet uns!).
Den Chehi werden ebenfalls Rennthiere oder Hunde, einigen weib-
lichen Idolen auch Kater oder Hengste geopfert; die letzteren Thiere
verschaffen sich die Samojeden von den Russen durch Kauf. Bei Er-
drosselung dieser Opferthiere spricht man kein Wort; auch verneigt
man sich vor den Chehi nicht; der Tadibei oder der Herr des Opfer-
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen. 63
thieres beschmiert den Mund der Chehi mit dem Blut und Fett des
Opfers und spricht zu ihnen: orgada! esset! Darauf giebt derjenige,
der das Rennthier oder den Hund geopfert hat, seinen nächsten An-
_ verwandten den Kopf des Thieres und diese verzehren alles Fleisch an
_ demselben; den abgenagten Kopf steckt der Tadibei oder der Haus-
herr auf eine Stange und stellt sie dem Idol gegenüber auf, dem das
_ Opfer gegolten hat, mit den Worten: njuton ssyr numnan, wörtlich:
„sieh nicht auf mich!“ d. h. nach der Erklärung der Priester: nimm
‚keine Rücksicht darauf, dafs ich dir ein kleines Opfer darbringe, zürne
_ mir deswegen nicht, fordere nicht mehr von mir und füge mir nichts
Sehlimmes zu! Nach Beendigung des Opfers setzen sich die Anwe-
senden zum Essen nieder und verzehren alles Fleisch des geopferten
Rennthieres roh.
Die Samojeden verehren aufserdem als niedere Gottheiten die Sonne,
den Mond, die Sterne, die Wolken und die Erde; aber sie bringen ih-
‚nen kein Opfer und haben auch in Bezug auf sie keine besonderen
_ Ceremonien. Nur bei der Heilung von Kranken vermittelst der Geister-
beschwörung ruft der Tadibei auch diese Gottheiten zu Hilfe: Chajar
njäwjow, prü prikow, numgy njawei dad tir meda ssite njagedi dad ssja-
_ gada edjandi! (Mutter Sonne, Grofsvater Mond, Brüder Sterne und Wol-
"ken, nehmt euch seiner an und habt Mitleid mit seiner Krankheit!) Zu
Grofsmütterchen Erde betet er so: Ja chadakow jedirad jedjäta nja-
dand! (Grofsmutter Erde, erlöse den Kranken!).
Obgleich die Mesen’schen Samojeden zur Ausübung ihrer heidni-
schen Gebräuche und zu den Opfern weder Gotteshäuser noch sonst
bestimmte Gebetsplätze besitzen, suchen sie doch zu den Opfern immer
offene, freie Plätze aus. Zur Aufstellung der Idole”und zum Opfern
wählen sie entweder zugängliche Gipfel hervorragender Berge, die von
fern sichtbar sind und oben eine Fläche haben, oder das Ufer bekann-
ter Flüsse und Seen, oder Distriete, die reich an Wild oder Rennthier-
'moos sind, — Districte, in welchen die Samojeden sich zahlreich zu-
sammen zu finden pflegen. Von solchen Plätzen sind besonders zwei
‚erwähnenswerth: einer auf der Tundra des „Grofsen Landes“, der an-
dere in dem jungen Walde Kosmina im Kanin’schen Lande.
| In der Tundra des „Grofsen Landes“, auf der Insel Waigatsch,
lag der älteste und vor allen anderen besonders verehrte heilige Ort
Samojeden. Hier opferten sie mehr Rennthiere als an allen an-
eren Orten: selbst aus dem Gouvernement Tobolsk pflegten viele Sa-
mojeden hierher zu reisen. Sie verehrten auf Waigatsch vor Alters
'orzüglich zwei Idole, — ein männliches auf der Südspitze der Insel,
ind ein weibliches auf der Nordspitze.
Auf dem Südende von Waigatsch, das mit hohen senkrechten Fels-
64 Ueber den religiösen Glauben und die 'Ceremonien
wänden in’s Eismeer abfällt, führt das nordwestliche Vorgebirge in Folge
der grofsen Menge der darauf befindlichen Idole bei den Russen den
Namen Bolwanski, das Vorgebirge der Götzenbilder. Hier war der
Standpunkt des Hauptidols, das von den Samojeden Wessako (der
Alte) genannt wurde. Das Idol war von Holz, dreikantig, dünn, sehr
alt, etwa 2 Arschin hoch; sein oberer Theil hatte sieben Gesichter, die,
eines über dem andern, auf den beiden vorderen schrägen Seiten fol-
gendermalsen eingeschnitten waren. In der Mitte, auf der Kante, wa-
ren Mund und Nase ausgeschnitten, daneben auf den Seitenflächen und
über die ganze Breite derselben die Backen; über der Nase waren,
ebenfalls über die ganze Breite der Seitenflächen, zwei Striche gezogen,
um die Augen anzudeuten; auf den Seiten befanden sich zwei Schram-
men, zur Bezeichnung der Rippen. Der untere Theil des Idols bestand
einfach aus den drei Seiten, er war zugespitzt und stecktein der Erde.
Das Idol stellte den Teufel dar, wie sich aus der an dasselbe gerich-
teten Anrede: Aw Wessakow (Alter Satan) ergiebt. Aufser der eigen-
thümlichen Lage gaben diesem Idol noch folgende Umstände eine be-
sondere Wichtigkeit. Südlich von ihm standen in einem Halbkreise
und in mehreren Reihen 420 hölzerne Idole, die ebenfalls in der Erde
befestigt waren; darunter waren 20 gröfser als die andern, 1 bis 14
Arschin hoch, der untere Theil und die Köpfe an ihnen waren dünn,
der mittlere Theil der dickste. Bei allen diesen Idolen war der Kopf
nicht rund, sondern auf je zwei Seiten und nach oben mit einem spitzen
Ende ausgeführt. In der Mitte waren wieder Mund und Nase, auf den
Seiten die Augen eingeschnitzt. In der Mitte des Leibes war bei eini-
gen zur Bezeichnung des Nabels ein eiserner Nagel eingeschlagen. Die
übrigen 400 Idole waren nur einen Fufs hoch oder noch kleiner; die
Köpfe bei allen zweiseitig und spitzzulaufend, wie bei den ersten 20;
die Mitte war bei allen bauchig, das untere Ende zugespitzt und in
die Erde gesteckt. Nördlich von dem Idol Wessako lagen in einem
etwa 11 Fufs langen, 7 Fuls breiten und eben so hohen Haufen die
Köpfe der hier geopferten Renthiere, die sehr dicht nebeneinander ge-
legt waren; daraus ragte eine Menge Geweihe hervor; ringsumher la-
gen auf der Erde 30 Schädel von weilsen Bären. Um diesen Haufen h
auf den Geweihen fanden sich als Anhängsel 22 kleine Aexte, die so
verrostet waren, dafs man mit einem Steine das Eisen zerschlagen 5
konnte und bei vielen die Rücken von den Schneiden abgefallen wa
ren; ferner Knöpfe, eiserne Nägel, verschiedenfarbige Tuchlappen, und }
einige Henkel von kupfernen Kesseln '). Etwa 50 Sashen von dem
a
!) Die erste Nachricht von diesem grolsen Götzenplatz, der den Russen aller-
dings schon früher bekannt war, brachte die holländische Expedition von 1594, an
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen. 65
Haufen Rennthierköpfe entfernt standen auf der Erde, auf einer Stelle
vereinigt, 20 Steinidole, — ganz unbearbeitete Kalksteine mit einem
spitzzulaufenden oberen Ende, welches den Kopf des Idols darstellte.
Hier fanden sich weder Rennthierköpfe, noch angehängte Opfergaben;
man kann also, wie es scheint, annehmen, dafs diese steinernen, wie
_ jene hölzernen Idole gewissermalsen nur das Gefolge des Hauptidols
_ Wessako bildeten. Endlich ist noch am Ende des Götzen-Vorgebir-
ges eine grolse, lange und hohe Höhle zu erwähnen; von ihrem Ende
zieht sich an die Oberfläche des Vorgebirges eine längliche Oeffnung
von etwa 6 Sashen im Umfang. Nicht ohne Grauen kann man in die-
sen dunkeln Schlund hinabsehen: die hohen Felswände fallen senk-
recht über 100 Fufs tief ins Wasser ab. Das Heulen und dumpfe To-
sen, das sich bei heftigen Winden in der Höhle vernehmen läfst, flölste
den Samojeden abergläubische Furcht und eine besondere Verehrung
_ vor dem wunderbaren Felsen ein; vor ihrer Bekehrung zum Christen-
um verrichteten sie vor dieser Grotte ihre Andacht. In alter Zeit
stürzten sie ihre zum Opfer bestimmten Renntbhiere in diese Höhle hinab;
am opferten sie dieselben vor dem Wessako; nirgends auf den sa-
mojedischen Tundren hat man so viel Köpfe geopferter Rennthiere ge-
funden, wie vor diesem Idole. Es ist bei den Samojeden religiöse
Satzung, dafs keiner von ihnen nach Waigatsch geht, ohne den Idolen
zu opfern, die sich auf dem Festlande, Waigatsch gegenüber, an der
- Jugorischen Strafse befinden, und nach der Ankunft auf der Insel bringt
jeder Samojede unverzüglich dem Wessako selbst sein Opfer dar, da-
mit dieser ihm verstatte, die Seethiere zu jagen, und damit er ihm eine
glückliche Jagd verleihe. In der Nähe des Wessako darf man nicht
-blofs nichts Anstöfsiges thun: es gilt sogar für unerlaubt, irgend ein
Pflänzchen abzupflücken; denn man meint, dafs Wessako dafür ein
Unglück zur Strafe sende. Bei der Abfahrt von Waigatsch bringt Je-
der von Neuem dem Wessako ein Opfer dar, als Dank für die Jagd
‘und um eine glückliche Fahrt über die Jugorische Strafse zu erhalten.
Deshalb heifst Waigatsch bei den Samojeden, im Kanin’schen Chehja,
‚im Dialect des „Grofsen Landes“ Cheheja, heiliges Land, oder Cheheo,
heilige Insel.
der W. Barentz Theil nahm, nach dem westlichen Europa. „Sie waren,“ sagt Joh.
Reinh. Forster (Geschichte der Entdeckungen und Schifffahrten im Norden S. 474),
„zwischen der Insel Waijats und der südlichen Insel durchgefahren und suchten hier-
uf auch nördlich der Insel eine Durchfahrt. Sie fanden ein Land, so sie für eine
sel hielten, und auf demselben über 3 bis 400 Götzenbilder. Einige waren männ-
ich, andere weiblich, andere stellten Kinder vor, auf noch andern sah man von vier
Jis acht Manns- und Weibsgesichter. Sie standen alle mit dem Gesicht nach Osten,
und viele Rennthiergeweihe lagen den geschnitzten Bildefn zu Füfsen. Es waren
einige dieser Bilder alt und ganz verfault, andere waren frisch geschnitzt.*
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. - 5
66 Ueber den religiösen Glauben und die Ceremonien
Nach der Bekehrung der Samojeden an der Jugorischen Stralse
wurde das Idol Wessako’s und alle übrigen Götzenbilder und zahllose
Weihgeschenke von den Samojeden selbst unter Leitung der Missio-
näre verbrannt, und an demselben Platz, nachdem er durch Weihwas-
ser geheiligt war, das christliche Kreuz errichtet.
Auf dem Nordende von Waigatsch steht das weibliche Hauptidol,
Namens Chadako (Grofsmutter). Es stellt das Antlitz der Erde dar;
man opfert ihm Rennthiere und erwartet von ihm die Erhaltung der
Jagd. Von Wessako und Chadako stammen nach samojedischem Glau-
ben vier Söhne ab, die sich nach verschiedenen Gegenden der Tun-
dren zerstreuten: Njucheh (Sohn des Idols), ein kleiner Felsen auf
Waigatsch; Minissei, ein hoher Punkt im Ural; Jalmal, auf der West-
seite der Obischen Bucht; und Kosmin, ein Wäldehen in der Kanin’-
schen Tundra.
Dieser Kosmin Pereljässok im Kanin’schen Lande ist nichts an-
deres als ein Gehölz, das von der Stadt Mesen 20 Werst entfernt ist.
Es liegt jenseits des Flusses Pyei, zwischen der Stadt und der Colo-
nie Ssemshon, ist 10 Werst lang und eine halbe Werst breit und be-
steht aus kleinen Rothtannen und Birken. Nächst Wessako und Cha-
dako erfreute sich dieser Wald der meisten Verehrung unter den Sa-
mojeden. Zugleich mit den Götzenbildern führen viele Samojeden ein
bier umgehauenes Tannenstämmchen auf ihren Schlitten bis an ihr Le-
bensende mit sich. In jenem Gehölz befanden sich hundert hölzerne
Idole von verschiedener Grölse und Gestalt; davon standen 20 grolse
und dicke mit runden, menschenähnlichen Köpfen in Reihen auf der
Erde; ihre unteren Enden waren glatt behauen; zehn andere, dünne,
etwa 7 Fufs hohe, waren siebenkantig und hatten auf jeder Seite sie-
ben Gesichter, eines über dem andern; mit dem untern, zugespitzten
Ende waren sie in die Erde gesteckt, rings um eine grolse Birke, in
geringer Entfernung von derselben und in verschiedenem Abstand von
einander. Von den übrigen 70 waren einige aus Tannenbäumen ge-
arbeitet, etwa 1 Arschin hoch, mit zugespitzten Köpfen und Gesichtern
auf zwei Seiten; andere bestanden aus Tannenstümpfen, die noch auf
den Wurzeln salsen, oder aus dicken Tannenästen, etwa eine halbe
Arschin hoch, und ebenfalls mit zugespitzten Köpfen. Um diese Idole
sah man an den Birken etwa 2000 Weihgeschenke: verschiedenfarbige
Tuchlappen, Pelzstücke, Knöpfe und kupferne Blechplättchen. Alles
dieses war von den Samojeden hier aufgehängt, wenn sie durch den
Wald nach der Stadt Mesen reisten. Nach der schamanischen Lehre
gilt das weibliche Geschlecht für unrein, und Alles, worüber eine ver-
heirathete Samojedin hinwegschreitet, wird als verunreinigt angesehen.
Deshalb mufs jede, die in den heiligen Wald Kosmin hineinfährt, vom
der heidnischen Samojeden im Kreise Mesen. 67
Schlitten springen, einen der Tuchlappen abreifsen, mit denen ihr obe-
res Staatskleid gewöhnlich verziert ist, und ihn an eine Birke hängen.
Durch dieses Weihgeschenk läutert sie sich selbst und verunreinigt dann
nieht mehr durch ihre Anwesenheit den heiligen Hain. Auch hier sind
alle Idole durch die christlichen Missionäre verbrannt worden.
Dem religiösen Glauben der heidnischen Samojeden fehlte es übri-
gens nicht an moralischen Grundsätzen. Er wurde unter den Tadibei’s
von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt und von diesen unter dem
Volke verbreitet. Die religiösen Vorschriften sind theils allgemeineren
Inhalts — Gott, den Teufel, die Tadepzii und Chehi zu verehren und
ihre Gebote zu erfüllen —, theils beziehen sie sich auf das Ceremo-
niell — z. B. nicht über den Schlitten zu springen, in dem die Chehi
aufbewahrt werden — theils enthalten sie moralische Lehrsätze und
Lebensvorschriften. Die letztern gebieten unter Anderm: Vater und
- Mutter und ältere Personen zu ehren, nichts Unrechtes von Andern zu
sprechen und sich über Andere nicht lustig zu machen, nicht zu tödten,
- nicht zu zanken, nicht zu stehlen, sein Weib zu lieben und nicht das
‚eines andern zu begehren, auf alle mögliche Weise für die Erhaltung
der Rennthiere zu sorgen, nicht hochmüthig zu sein, nicht unnütze Re-
den zu führen, sich von Putz und Prunk fern zu halten, sich vor Trunk-
sucht zu hüten, Leckereien zu vermeiden und sich mit den gewöhnli-
chen Speisen zu begnügen, wohlthätig zu sein („Gott wird dir dafür
mehr geben“) u. s. f.
Der Priesterberuf ist erblich und nicht Jeder, der es wünscht, kann
- Tadibei werden, falls er nicht aus einem Priestergeschlecht stammt.
Und zwar erbt das Amt nicht blofs in männlicher, sondern auch in
weiblicher Linie; doch gelangen Frauen nur dann zur Ausübung der
priesterlichen Obliegenheiten, wenn männliche Nachkommenschaft feblt.
Auch können im Allgemeinen nicht alle Kinder der Tadibei’s in das
Amt nachfolgen, sondern nur diejenigen, die von den Tadepzii dazu
auserwählt werden. Das Letztere geschieht schon in früher Kindheit:
- die Tadepzii erscheinen dem Knaben, sobald er zu Verstand gekom-
men ist, und fordern ihn auf, die Pflichten eines Tadibei zu überneh-
men. Das Kind, das mit den Tadepzii noch nicht umzugehen versteht,
eilt dann zu dem angesehensten Tadibei und bittet ihn um seinen Un-
terricht. Dieser giebt dem Knaben den Penser in die Hand, macht
ihn mit der geheimnifsvollen Kraft dieser Trommel bekannt, und be-
lehrt ihn, wie er sie brauchen und wie er mit den Tadepzii umgehen
soll. Auf Grund dieser Unterweisung tritt der Knabe in Verkehr mit
en Geistern und wird, sobald er herangewachsen ist, wirklicher Ta-
dibei. Die Zahl der Tadibei’s ist nicht bestimmt; sie ist bald grölser,
bald geringer, aber immer recht beträchtlich. Die Pflichten dieser Prie-
5*
68 Miscellen
ster bestehen in der Ausübung der Ssambadawa, der wichtigsten Cere-
monie in dem religiösen Cultus, und in der Darbringung der Opfer.
Sie beziehen keine festen Einkünfte, sondern erhalten von dem, der
die Ssambadawa veranstaltet oder das Opfer darbringt, eine freiwillige
Gratification, entweder ein Rennthier oder andere Sachen; sie dürfen
dieselben aber nur dann behalten, wenn die Ceremonie den gewünsch-
ten Erfolg hat, andernfalls müssen sie das Geschenk zurückerstatten.
Miscellen.
Bemerkungen über die Härings-Fischerei an den
schottischen Küsten.
Auf Grund eines von Lieut. Kroef entworfenen Planes hatte Herr Dr. Buys
Ballot, erster Director des Königl. Meteorologischen Instituts der Niederlande, im
Jahre 1856 die bei der Häringsfischerei betheiligten Seeleute aufgefordert, be-
stimmte in einem ihnen mitgetheilten Formular verzeichnete Beobachtungen an-
zustellen, damit unter Benutzung derselben erfahrungsmälsig festgestellt werden
könne, wo, wann und unter welchen Bedingungen diese Fischerei am Vortheil-
haftesten ausfalle. Die erste Saison brachte Herrn Dr. Buys Ballot 45 regelrecht
geführte Log Books, deren Vergleichung schon jetzt einige interessante Finger-
zeige gewährt und hinlänglich zeigt, dafs eine Fortsetzung dieser Beobachtungen
zu werthvollen Resultaten führen kann. Dem betreffenden Bericht (Information
taken from the Log Books of Herring Vessels) entnehmen wir folgende Thatsachen.
Die 45 Fahrzeuge hatten 3266 Mal gefischt und 21,623 Barrels Häringe ge-
fangen; es kamen also durchschnittlich 6,66 Barrels auf jeden Zug, oder — wenn
man die 882 Fehlzüge abzieht, die dort mitgezählt sind, 9,ı Barrels auf jeden
nicht erfolglosen Fischzug.
Die Windesrichtung scheint auf die Ergiebigkeit der Fischerei keinen
erheblichen Einfluls auszuüben; doch war bei nördlichen Winden der Ertrag re-
lativ geringer (5,2 Barrels bei N., 5,8 bei NNW.) als bei südlichen (7,2 B. bei
S., 8,1 B. bei SSO.). Als die günstigste Wassertemperatur ergab sich 12 —
14° C.; dann fand unter 5 Zügen nur ein Fehlzug statt, und der Durchschnitts-
ertrag belief sich für jeden Zug auf 8,5 Barrels. Bei einer Temperatur von we-
niger als 9° C. mufste man neben jedem glücklichen Zug auf einen Fehlzug rech-
nen, und konnte durchschnittlich von dem Zuge höchstens 2 Barrels erwarten;
bei einer Temperatur von 9—13° kommen 2 bis 3 glückliche Züge auf einen
Fehlzug, und der Ertrag steigt mit Zunahme der Wärme von 2 auf 7 Barrels.
Bei 14—16° C. zeigt sich, im Vergleich mit den Resultaten bei der günstigsten
Temperatur von 12—14° C., ein plötzliches, bei fortgesetzten Beobachtungen
vielleicht nicht als regelmäfsig sich herausstellendes Zunehmen der Fehlzüge, da
die glücklichen zu den milsglückten Zügen sich wie 3 :2 verhalten, während der
Durchschnittsertrag sich noch immer auf 7,4 bis 7,7 Barrels beläuft. Bei noch
höherer Temperatur sind die Fehlzüge nicht so häufig, aber der Durchschnitts-
ertrag nimmt stärker ab. Die Erträge in noch nicht beruhigter See verhielten
sich zu denen im klaren Wasser wie 7: 3. Bei nebeligem und stürmischem Wet-
Bemerkungen über die Härings-Fischerei an den schottischen Küsten. 69
_ ter erreichte der Ertrag nur 5 Barrels, also nicht den Durchschnitt; bei stürmi-
schem und klarem Wetter dagegen 7,3 Barrels; bei Regen kam man auf den
- Durchschnittsertrag.
% Wichtiger als diese Beobachtungen ist die Prüfung der Frage, an welchen
| Orten sich der Häring zu bestimmten Jahreszeiten besonders zahlreich einstellt,
ob er ein Wanderfisch ist und welche Routen er einzuschlagen pflegt. Die Be-
_ obachtungen des ersten Jahrgangs sind der Annahme günstig, dafs der Häring
- wirklich wandert, obgleich sie nicht so zahlreich sind, dafs sie über die Zug-
richtung, auch nur für dieses Jahr, eine klare Einsicht gewähren. Es hat sich
etwa Folgendes herausgestellt.
Die Fischer fangen in der zweiten Hälfte des Juni an, ihre Netze bei den
- Shetland -Inseln auszuwerfen, obgleich der Ertrag dann noch sehr gering ist. Zwi-
schen 61 und 60° N. Br. fing man östlich von diesen Inseln, zwischen 0 und
4° W.L. v. Greenw., mit jedem Zuge durchschnittlich 0,6 Barrel, westlicher da-
gegen zwischen 1 und 2° W. L. nur 0,2 Barrels, noch weiter westlich Nichts.
| Da sich nun auch im Juli in dieser Breite herausstellte, dafs man zwischen 0 und
4° W.L. 5,8 Barrels, zwischen 1 und 2° W.L. 4 Barrels, zwischen 2 und 3°
_W. L. Nichts fing, so ist es wahrscheinlich, dafs der Häring nicht zwischen den
Orkneys- und Shetland-Inseln, sondern östlich von den letztern in die Nordsee
eintritt. Auch zwischen 60 und 59° N. Br. giebt im Juni die westlichste Posi-
tion (2—3° W. L.) das ungünstigste Resultat (0,5 Barrels), die mittlere, gerade
im Süden der Shetlands -Inseln, das relativ günstigste (2,4 Barrels), die östlichste
(0—1° W.L.) wieder ein minder günstiges (1,5 Barrels). Der Zug des Fisches
ist von der Südspitze der Shetland-Inseln gerade nach Süden gerichtet und biegt
in der Breite von Kinnairds Head etwas nach Osten aus; denn man fing im Juni
zwischen 59 und 58° N. Br., 1—2° W. L. noch 2,2 Barrels, unter derselben
Länge einen Grad südlicher aber Nichts, dagegen zwischen 0 und 1° W.L. und
zwischen 58 und 57° N. Br. noch 1 Barrel mit dem Zuge. Südlich von dieser
Breite war der Häring in diesem Monat noch nicht vorgedrungen.
Im Juli erscheinen östlich von den Shetland-Inseln zahlreichere Schaaren;
Br fing hier 5,8 Barrels, und einen Grad südlicher unter derselben Länge 4,6 Bar-
rels mit jedem Zuge, während die Ergiebigkeit westlich von dieser Linie schnell
abnahm. Südlicher, zwischen 59 und 58° N. Br. war der Ertrag gering, man
fing hier zwischen O0 und 1° W. L. Nichts, zwischen 1 und 2° W._L. 1,3 Bar-
rels, zwischen 2 und 3° W. L. 0,8 Barrels. Günstiger war das Resultat zwi-
- schen 58 und 57°, wo man an der schottischen Küste 2,4 Barrels, zwischen 0 und
1° sogar 5 Barrels mit jedem Zuge gewann. Zwischen 0 und 1° O._L. ergab
‚sich hier kein Resultat, dagegen gewann man zwischen 1 und 2° O. L. 2 Bar-
rels mit dem Zuge: der Häring scheint hier also 2 Routen einzuschlagen, die
durch einen Längengrad von einander getrennt sind. Die letztere Erscheinung
tritt noch deutlicher zwischen 57 und 56° N. Br. hervor, wo sich im vorigen
Monat noch gar keine Häringe zeigten, während sich jetzt von 3° W.L. bis 2°
0. L., von Westen nach Östen genannt, für jeden Längengrad folgende Resul-
tate herausstellten : 2,6; 4,5; 4,7; 0,3; 8. Gerade die Östlichste Route ist also
die besuchteste. Noch weiter südlich ist der Häring in diesem Monat wieder
seltener; zwischen 56 und 55° N. Br. fing man an der Küste nur 2,7, und zwi-
70 Miscellen:
Aus dem August liegen für die Fischerei zwischen 59 und 61° N. Br. keine
Angaben vor. Unter 59 und 58° N. Br. ergaben sich zwischen 3 und 0° W.
L. beziehungsweise 1,8, 7,7 und 1 Barrels für jeden Längengrad von Westen
nach Osten; unter 58—57° N. Br. zwischen 2° W. L. und 1° O. L. bezie-
hungsweise 3,3, 5,7, 7 in derselben Reihenfolge. Das interessanteste Resultat
ergab sich unter 57—56° N. Br.; hier fing man zwischen 2° W.L. und 4° O.
L. auf jedem Längengrad, von Westen nach Osten, beziehungsweise 2; 3,7; 5,3;
5,2; 2; 9; es zeigt sich also wieder ein starker östlicher Zug, vielleicht von zu-
rückkehrenden Häringen. Bei Weitem den reichsten Ertrag erzielte man in die-
gem Monat unter 56 und 55° N. Br., wo sich von 2° W. L. bis 2° O. L. für
jeden Längengrad ein Ertrag von 22,6; 17,3; 13,5; 6,6 Barrels bei jedem Zuge
ergab. Hier scheinen die Häringe wieder nach Norden umzuwenden.
Auch der September ist ein günstiger Monat. Unter 60—59° N. Br., und
zwischen 1° W. L. und 1° O.L. fing man 7 Barrels mit jedem Zuge; unter
59—-58° N. Br. zwischen 1° W. L. und 2° O. L. beziehungsweise 9,1; 16;
11,6 Barrels, auf jeden Längengrad; unter 58—57° N. Br., zwischen 1° W.L. 3
und 3° ©. L., beziehungsweise 14,1; 7,6; 15,3; 6,1 Barrel; unter 57— 56° zwi- 4
schen 2° W.L. bis 2° O. L. beziehungsweise 9,5; 10,9; 19,9; 6,5 Barrels. Da- 4
gegen war unter 56 bis 55° N. Br., wo im August der ergiebigste Fang statt- |
fand, der Fisch entschieden gewichen; hier fing man zwischen 1° W. L. und
2° ©. L. beziehungsweise 3,7; 0,4; 1,2 Barrels, und weiter südlich Nichts.
Noch entschiedener zeigt der October, dafs der Fisch sich wieder nördliche-
ren Breiten zuwendet. Unter 60—59° N. Br. fing man zwischen 2° W.L. und
2° O.L. beziehungsweise 4; 14,6; 12,6; 10 Barrels mit jedem Zuge; unter 59°
— 58° N. Br. zwischen 2° W. L. und 4° O. L. beziehungsweise 5; 8,9; 11,4; ;
9,3; 7,4; 2,5 Bartels. Dagegen sinkt südlicher der Ertrag unter das Mittel; er
belief sich unter 58—57° N. Br. durchschnittlich auf 5,8 Barrels, unter 57 —
56° durchschnittlich auf 5,1 Barrels, zwischen 56 und 55° N. Br. durchschnitt-
lich auf 3 Barrels an der ergiebigsten Stelle.
Im November endlich ist der Häring in allen Gewässern südlich von 59° N.
Br. im Verschwinden; an der ergiebigsten Stelle fing man nicht mehr als 2 Bar-
rels mit dem Zuge; man mufs dann also den Fisch in nördlichen Breiten suchen.
Das Gesammtresultat der Saison ist in folgender Tabelle dargestellt:
a Durchschnitts- Verhältnifs der
Manet Zahl der ee fang mit jedem) glücklichen
i Fischzüge. ü Zuge. Züge zu den
Barrels. Barrels. EHI
et RE 242 454,2 1,87 119210
a, 977 3056,8 3,13 15 : 10
Nueast Mm A, 631 4164,5 6,6 20 : 10
September '. .U u. 658 7174,2 10,91 70 : 10
Ootober inalk, Veae 720 6734,2 9,34 80 : 10
November, ...; „1.112 38 39,1 1,03 20 : 10
3266 21,623 6,66 | 25:10
N N u
ee Ev ee Wr 0
Ueber den Zusammenfluls der Angara und des Jenissei. 71
Die Beobachtungen dieses Jahres lassen also noch manche Lücke auszufül-
len. Das massenhafte Erscheinen der Häringe an der schottischen Küste zwi-
schen 56 und 55° N. Br. im Monat September bleibt bei jenen Beobachtungen
'_ unerklärt; dem Schwarme, der sich hier anhäufte, sind die Fischer in den frü-
hern Monaten nicht begegnet. Auch die grofse Anzahl mifslungener Fischzüge
in den Monaten Juni, Juli, August und November läfst vermuthen, dals die See-
leute damals die wirkliche Route der Wanderfische nicht getroffen haben. Wo
diese liegt und ob sie constant ist, müssen die Beobachtungen künftiger Jahrgänge
lehren. —n.
Ueber den Zusammenfluls der Angara und des Jenissei.
Von Werssilow !).
Schon oft ist die Frage aufgestellt worden, ob der Jenissei die Angara auf-
nimmt oder ob die letztere als der Hauptflufs zu betrachten ist. Vor Kurzem
legte ein correspondirendes Mitglied in der Sibirischen Abtheilung der geogra-
- phischen Gesellschaft eine Karte der Vereinigung beider Flüsse vor, auf welcher
a
die im Auftrage der Gesellschaft ausgeführten Vermessungen beider Flüsse nicht
weit von ihrer Vereinigung dargestellt waren. Das Resultat der Vermessung
sprach zu Gunsten der Angara; der Durchschnitt dieses Flusses bot eine Fläche
von 13623 Quadrat-Sashen, der Durchschnitt des Jenissei eine Fläche von nur
268? Quadrat-Sashen dar. Ich will nicht von der Schnelligkeit beider Flüsse
sprechen: in dieser Beziehung tritt der Jenissei ganz in den Hintergrund. Die
Angara, die eine ungeheure Wassermasse mit sich führt und durch die sogenann-
ten Strjältschaty-Schnellen aufgestaut wird, stürzt sich mit Ungestüm in das ge-
meinsame Bett, während der Jenissei langsam der Vereinigung mit seiner unru-
higen Schwester entgegenschleicht und sich sehr bescheiden ihrer linken Seite an-
schmiegt. An der Mündung des letztern, und aufserhalb der Strömung der An-
gara, liegen einige Inseln, offenbar Alluvial-Bildungen, und es ist bemerkens-
werth, dafs die Fähigkeit, Alluvial-Inseln zu bilden, auch nach der Vereinigung
beider Flüsse vorzugsweise dem Jenissei vorbehalten bleibt, denn diese Inseln fin-
den sich grofsentheils auf dem linken Ufer des vereinigten Stromes. Der Grund liegt
in der reifsenden Strömung der Angara, in der unverändert beibehaltenen Rich-
tung des Laufes der letztern und endlich in der Beschaffenheit des Jenissei-Bet-
tes, das aus Schlamm und verwittertem Granit und Sandstein besteht, welche
- Gesteine seine Ufer bilden bis zu seiner Einmündung in die Angara. Hin und
wieder zeigen sich auch auf dem rechten Ufer des vereinigten Stromes Inseln,
aber nur gegenüber den Mündungen der Nebenflüsse und Bäche, und diese In-
_ seln sind durch den Detritus dieser Nebenflüsse gebildet und durch den Wider-
"stand, den die reilsende und kräftige Strömung der Angara ihnen entgegenstellt.
Um diese Inseln, die mit einer üppigen Grasvegetation bedeckt sind, gruppiren
_ 4) Das russische Original ist publieirt im Wjästnik der Kais. Russ. Geograph.
Gesellschaft. 1858. Heft 8.
72 Miscellen:
sich einige kleinere Inseln mit schwacher Grasnarbe oder ganz ohne Vegetation ;
sie erscheinen und verschwinden wie Sandbänke und verändern oft das Fahrwas-
ser des Flusses.
Ein flüchtiger Blick auf eine genauere Karte der Vereinigung beider Flüsse
zeigt den entschiedenen Vorrang der Angara. Die grofse Wassermasse, die sie
dem gemeinsamen Bett zuführt, die unverändert bleibende Richtung ihres rech-
ten Ufers, endlich die Tiefe des Stromes weisen ihm die Hauptstelle an. Sehen
wir auf den geologischen Bau des Thales der Angara bis zu ihrer Vereinigung
mit dem Jenissei und folgen wir eine Strecke weit dem gemeinsamen Laufe, so
überzeugen wir uns bald, welcher von den beiden gewaltigen Quellflüssen auch
nach ihrer Vereinigung sein ursprüngliches Bett behauptet hat.
Kommt man von dem Dorfe Motygina am rechten Ufer der Angara, die
auch Tunguska genannt wird, stromabwärts, so zeigt das rechte Ufer kahle Fel-
sen von Thonschiefer, die aufserordentlich einförmig, wie aus einer Form ge-
gossen sind und aus steilabfallenden, fast verticalen Schichten bestehen. Der
Thonschiefer ist hier wenig verändert und entschieden vorhertschend; selbst Quarz
ist selten. Diesem hohen rechten Ufer gegenüber liegt das niedrige linke, ein
Alluvial-Boden, der mit Kieseln von Thonschiefer, Quarz und Granit bedeckt
ist. Ohne Zweifel sind diese stark abgerundeten Kiesel durch Eisschollen hier-
her getragen worden, — wie es auch jetzt noch alljährlich geschieht. Die Berge
sind hier vom Flufsbett weit entfernt; erst 4 Werst weiter unterhalb tritt auch
auf dem linken Ufer der Thonschiefer zu Tage. Ist man hier an dem Dorfe
Ssmjätanina vorbeigekommen, wo die Berge des linken Ufers wieder etwas zu-
rücktreten und einem niedrigen Ufer, wie auch einigen Alluvial-Inseln Raum
lassen, so flielst die Angara, auf beiden Seiten von senkrechten Thonschiefer-
Wänden eingefalst, mit reifsender Strömung weiter. Das rechte Ufer, das immer
höher wird, gewinnt einen anderen Charakter: die Schichten fallen etwas nach
Westen, und der schon stärker veränderte Thonschiefer wird allmählich durch
Quarz verdrängt, der ihn nach allen Richtungen durchsetzt. Auch aus dem
Wasser der Angara ragen hier dieselben Gesteinsarten als isolirte Klippen her-
vor, die von dem Ufer losgerissen sind, wie z. B. die Klippe Muroshnaja gegen-
über der Mündung der Grofsen Muroshnaja. Das linke Ufer ist wieder etwas
niedriger geworden; es läfst, wenn man sich der Mündung der Tassjäewa nähert,
Kalkstein zu Tage treten, und verwandelt sich in eine grofse Niederung, die sich
10 Werst weit thalabwärts erstreckt. Gegenüber der Mündung der Tassjäewa,
die von Kalkbergen umgeben ist, liegen viele Inseln alluvialer Bildung; alle be-
stehen aus dem Detritus der Tassjäewa, und analoge Inseln finden sich auch wei-
ter unterhalb in der Angara, natürlich an ihrem linken Ufer. Das rechte Ufer
der Angara, welches der Mündung der Tassjiewa gegenüber steil ist, wird nach
dem Bache Petrischtschewa hin niedriger, die Thonschiefer-Berge treten weiter
in das Innere des Landes zurück, so dafs am Bache eine ebene, ziemlich aus-
gedehnte Fläche sich ausbreitet. Das linke Ufer, gegenüber der Petrischtschewa,
ist ein Alluvial-Land; die Berge sind weit zurückgewichen; das Thal der Angara
hat sich hier also sehr erweitert.
Zehn Werst weiter unterhalb nehmen beide aus Thonschiefer bestehende
Ueber den Zusammenflufs der Angara und der Jenissei. 73
Ufer an Höhe merklich zu, und auf der darauf folgenden Strecke von 2 Werst
präsentirt sich das rechte als ein Höhenzug, der hier und dort mit Alluvium be-
deckt ist, häufiger aber den Thonschiefer entblölst, welcher sich in Gestalt kah-
ler Felswände zeigt. Hier bemerkte ich zum ersten Male eine von Eisen ge-
färbte Quarzader. Der Thonschiefer unterscheidet sich nur wenig von dem frü-
_ hern; er ist sehr fest und in Schichten abgelagert. Das Fallen der Schichten
wird stärker, wie man es namentlich bei einer 2 Werst weiter abwärts befindli-
chen Entblöfsung bemerkt.
Das linke Ufer bleibt auch weiterhin niedrig und erhebt sich erst dann, wenn
man sich den Stromschnellen nähert; das rechte hingegen behält seinen felsigen
Charakter. Am linken Ufer bemerkte ich Fragmente von feinkörnigem Granit,
' obgleich der vom Ufer etwas erfernte Gebirgszug ganz aus Schiefer besteht, der
_ nicht so fest ist, wie der Schiefer des rechten Ufers. Das Fallen der Schichten
war bei einer von mir untersuchten Entblöfsung des Gesteins sehr stark.
Ist man an der Mündung des Baches Tatarki vorbeigekommen, so wächst
- die Schnelligkeit der Angara, namentlich an ihrem rechten Ufer. Ihre Breite
schwankt zwischen 2 und 10 Werst, obwohl sie in festen Ufern fliefst. Der
Thonschiefer ist schräg geschichtet, und zwar um so stärker, je mehr man sich
den Stromschnellen nähert.
Diese letztern etwa 5 Werst vom Zusammenflusse des Jenissei und der An-
gara entfernt, werden durch eine Reihe vom Wasser bedeckter Klippen gebildet,
die sich von Ufer zu Ufer quer über den Flufs erstrecken. In der Mitte des
- Flusses, etwas näher dem rechten Ufer, sind die Klippen niedriger und hierher
" riehtet sich die Hauptströmung des Flusses. Weiter rechts ragt aus dem Was-
ser eine Klippe hervor und bildet eine Insel. Die ganze Masse derselben, die
in einzelne Theile geklüftet ist, besteht aus Granit, wie die ganze Klippenreihe.
Auf dem Alluvium, welches die Spalten des Granits ausfüllt, wachsen Lärchen
und Birken. Dem linken Ufer der Angara nähert sich eine Graniterhebung; sie
wird von dem Flusse in diesen Stromschnellen durchbrochen und erscheint auf
dem rechten Ufer in Gestalt eines ziemlich bedeutenden Felsenvorsprungs. Die
Schichten des Thonschiefers, die oberhalb der Stelle, wo der Granit auftritt, nach
Westen fallen, nehmen unterhalb derselben wieder dasselbe Fallen an. Das Gestein
ist hier, in der Nähe des Granits, sehr geschiefert, helltönend, ganz schwarz, mit
einer Menge weilser Quarzadern durchzogen. Der Granit ist feinkörnig, er ent-
hält zuweilen Hornblende, die den Glimmer ganz verdrängt, und geht in Syenit
über. Dieses Gestein hat sich gleichzeitig mit dem Granit am linken Ufer ge-
bildet, wo er, wie bemerkt, in einer nicht bedeutenden Erhebung an den Flufs
herantritt. Am rechten Ufer erstreckt sich der Granit nur eine Werst weit in
‚das Innere des Landes und durchbricht hier den Thonschiefer, der sich dann
von Neuem zu einem bedeutenden Höhenzuge vereinigt und unverändert das rechte
Ufer des Flusses begleitet. Unterhalb der Stromschnellen ist das letztere felsig;
auf dem linken verschwinden die Berge und es zeigt sich bis hart an die Co-
lonie Strjälka, an der Vereinigung des Jenissei und der Angara, ein alluvialer
u;
74 Miscellen:
tung nach Westen fort und besteht aus steilfallenden Schichten von Thonschie-
fer. Das linke Ufer ist niedrig, aber die in das Innere zurücktretenden Berge
sind aus der Ferne sichtbar und verändern nicht ihre Richtung.
Auch weiterhin behalten beide Ufer ihren geognostischen Charakter, und die
Einmündung des Jenissei hat das Thal nicht im Geringsten verändert. Das rechte
Ufer ist dasselbe, wie bei dem Dorfe Motygina, wo wir unsere Beschreibung
anfıngen. Der Thonschiefer hat sich in seiner Beschaffenheit nicht geändert,
er ist nur quarzreicher geworden und die Schichtung ist etwas geändert. Das
Letztere hat darin seinen Grund, dafs der Granit, der das rechte Ufer des Je-
nissei begleitet, den Thonschiefer durchbrochen und aufgerichtet hat. Ohne Zwei-
fel ist es auch dieser Umstand, der den Thonschiefer verändert und mit den Quarz-
adern durchsetzt hat. Aber die Einwirkung des Granits beschränkt sich auf einen
geringen Raum; auf dem rechten Ufer bleibt weiter im Innern der Thonschiefer,
der einen Höhenzug bildet, derselbe, wie bei dem Dorfe Motygina, und der gold-
haltige Distriet, welcher der Vereinigung der beiden Flüsse gegenüber liegt, hat
dadurch keine Einbu/se erlitten, dafs der Granit ihn erreichte.
Ziehen wir nun in Betracht, dafs die Wassermasse der Angara die. des Je-
nissei weit übertrifft; dafs die Strömung der ersteren weit schneller und tiefer
ist; und fügen nun noch hinzu, dafs der geognostische Charakter des gemeinsa-
men Stromlaufs vollständig dem des Laufes der Angara entspricht, so kann es
keinem Zweifel unterliegen, dafs die letztere der Hauptstrom ist. Man darf nur
auf beiden Flüssen stromabwärts bis zu ihrer Vereinigung fahren, um sich von
dieser Wahrheit zu überzeugen. Kommt man aus der Angara in das gemein-
same Bett, so bemerkt man in seiner Umgebung nicht die geringste Veränderung,
aufser dafs man den Jenissei gewahr wird, der langsam zwischen Inseln in die
Angara mündet. Das linke Ufer des gemeinsamen Laufes vereinigt einigermalsen
den Charakter beider Flüsse; das rechte aber gehört vollständig der Angara an
und sein Thonschiefer erstreckt sich mit geringen Unterbrechungen bis hart an
die Einmündung der Steinigen Tunguska und wahrscheinlich noch weiter bis ans
Eismeer. —n.
Ein Ausflug von Hongkong nach den heifsen Quellen y
von Yuklak im Sinon-Kreise.
In der Overland China Mail vom 10. August 1859 wird über eine Reise
des Inspectors der britischen Regierungsschulen auf Hongkong, Rev. Lobscheid,
von einem ungenannten Begleiter desselben ein ausführlicher Bericht mitgetheilt,
dem wir die nachfolgenden Angaben mit den eignen Worten des Berichterstat-
ters entnehmen. — „Wir erreichten die-Stadt Kaulung am Hongkong gegenüber
liegenden Festlande früh am Morgen des 14. Juli, wo wir nicht versäumten, die
Mandarinen zu besuchen. Diese sehen die Fremden, welche sich einigermafsen
mit ihnen unterhalten können, immer gern, denn sie sind bisweilen genöthigt,
eine Zuflucht auf Hongkong zu suchen, wie dies noch vor wenigen Jahren ge-
schah, als sie von den Rebellen bedrängt wurden und sich von ihren 200 Sol-
daten nur 35, und darunter nur 5 mit Waffen, bei ihnen einstellten. In den Vor-
städten von Kaulung befindet sich ein Wai, d. h. eine kleine Citadelle, welche
mit einem Graben umgeben ist und bei einem feindlichen Angriff als Zufluchts-
_ ort dient; denn selbst unmittelbar unter den Augen der Mandarinen ist der
Distriet ganz unsicher. Die Strafse, welche von Kaulung nach der Mirs-Bai (in
nördlicher Richtung) führt, ist Vielen bekannt, da man auf derselben eine ange-
nehme und sichere Reise in einem Tage nach dem Leukün-Thal machen, und
_ von da, wo das genannte Thal beginnt, auf einem gewundenen Fufspfade nach
dem Dorfe Tscheongsawan und dann in einem Boot zurückkehren kann, Die
Stralse geht über ein 920 Eufs hohes Gebirgsjoch, von welchem man eine der
schönsten Aussichten auf Victoria und den Hafen von Hongkong hat. Der in
der Mitte dieser Bergstralse gelegene kleine Götzentempel ward, nach Aussage
eines unserer (chinesischen) Reisegefährten, von einem Buddha-Priester erbaut,
der sich ein Götzenbild geliehen und dort versteckt hatte, dann aber vorgab, es
| sei dies von der Gnaden-Göttin Kuhnyum dorthin gebracht worden. Auf der
Höhe des Passes trifft man bei Tage immer Leute mit Erfrischungen für die
f Reisenden; sie bieten Thee, süfse Kuchen, getrocknete Oliven u. d. m. feil. Für
50 Kasch, etwa 24 Pence waren wir im Stande, unseren Kulies und mehreren
-
Ein Ausflug von Hongkong nach den Quellen von Yuklak. 75
1
2
dort sich ausruhenden Bauerfrauen ein Frühstück zu gewähren. Auf der ande-
ren, nach der Mirs-Bai hinabführenden Seite ist der Pals sehr anmuthig; hier
fliefst ein Bergstrom, es erheben sich kleine Tannen und Cedern, Myrthenge-
sträuche blühen und zwischen den dunkeln Felsen zeigen sich vielfarbige Farren-
_ kräuter. Die Chinesen bedienen sich nur selten des zerbröckelten Granits, der
hier gefunden wird, um die Bergstrafse zu pflastern, dagegen desto mehr des
Serpentin- und Quarzgesteins, welches seiner Glätte wegen den wandernden Euro-
päer leicht ausgleiten läfst, dem barfüfsigen oder mit Sandalen versehenen Chi-
_ mesen dieser Gegend aber keine solche Beschwerde verursacht. Unsere Kulies
kauten die Blätter von Oxalis (Sauerklee), um ihren Durst zu stillen, denn Chi-
nesen trinken selten oder niemals Wasser. Seitdem wir zum letzten Mal über
diesen Bergpals gekommen, war dort eine neue Theeschenke etablirt, ein Beweis,
dafs der Verkehr sich vermehrt hatte; auch waren die Tannen zahlreicher ange-
pflanzt, wahrscheinlich um als Brennholz nach Hongkong gebracht zu werden.
Die Chinesen behaupten, dafs das häufige Abschneiden der Zweige das Wachs-
thum dieser Bäume befördert. In dem Dorfe Schahtin ?) (d.h. Sandfeld), wel-
- ches an der Mirs-Bai oder Taipubai liegt, bemühten wir uns vergebens, ein Boot
zu erhalten, um nach dem gegenüberliesenden Ufer der Bai, in die Nähe der
mit einer Mauer umgebenen Stadt Taipung zu fahren. Als wir nach der Bai
hinabstiegen, unterhandelten wir bei einer brennenden Hütte mit mehreren wie
_ Seeräuber aussehenden Leuten wegen eines grofsen Bootes. Aber sie forderten
nicht allein einen ganz unmälsigen Preis, sondern verboten uns auch, ein gerade
zur Abfahrt bereit liegendes Passageboot nach Wuhangtscheong ?) zu besteigen.
3) Sathen auf der Karte: Der Canton-Strom in Petermann’s Geographischen
Mittheilungen 1858, Heft I.
2) Woangtschung auf der angef. Karte.
76 Miscellen;
Deshalb blockirten wir sogleich den Hafen, verhinderten die Einschiffung von
Passagieren und drohten, nach Hongkong um Beistand schicken zu wollen. Das
brachte die Leute zur Besinnung, so dafs wir nun in Sampans in das Boot ge-
bracht wurden, in welchem sich bereits 30 Chinesen befanden, welche die besten
Plätze eingenommen hatten. Wir konnten uns nur noch auf einem drei bis vier
Fufs grofsen Raum neben dem Steuerruder, über uns den freien Himmel, nieder-
lassen und bewogen einen Chinesen, uns für 30 Kasch während der Ueberfahrt
einen Sonnenschirm über den Kopf zu halten. Der Kapitain des Boots war ein
ehrlich aussehender, dunkelfarbiger alter Mann, mit einer Habichtsnase; er hatte
auf seinem Arm und an seiner Seite Narben von einer Speerwunde, die er, wie
er sagte, erst vor Kurzem in einem Gefecht mit Piraten davongetragen. Von
unserem Sitze aus sahen wir eine ununterbrochene Reihe von Meerbuchten, Wal-
dungen und anmuthigen Dörfern, doch peinigte uns nicht wenig die Hitze, be-
sonders um Mittag. Eine Schachtel mit Zündhütchen, die einzigen, welche wir
besalsen, vermifsten wir bald; wir ruhten aber nicht eher, bis wir sie in der
Gürteltasche eines der chinesischen Passagiere wiedergefunden hatten. Nachdem
wir den Theil der Mirs-Bai, welcher nach einem am westlichen Ufer gelegenen
Seeräuberdorfe Taipu den Namen Taipu-Bai im engeren Sinne führt — mit wel-
chem Namen die Chinesen übrigens auch die ganze Bai benennen — passirt
hatten, kamen wir nach derjenigen Stelle, welche auf der Karte mit Plover Cove
(d. h. Regenpfeifer-Bai) bezeichnet ist, und liefen in eine kleine anmuthige Bucht
ein, deren Gestade mit Rasen, Laubholz und Felsen bedeckt ist. Hier stiegen
wir ans Land und gelangten auf einem schattigen Fufspfade, der sich zwischen
Porphyrfelsen und Kampferbäumen hinzog, noch vor Einbruch der Nacht in eine
aufserordentlich liebliche Gegend. Indem wir um einen Hügel herumgingen, ka-
men wir in kleines, tief ausgeschnittenes, schattiges Thal, an dessen einem Ende
ein hoher Wasserfall sich zeigte. Die silbernen Fluthen, welche über dunkle
Felsen herabströmten, wurden durch überhängende Gesträuche und Zweige fast
verdeckt, in der Ferne erhoben sich mit Gras bewachsene Anhöhen, umflossen
von dem milden Licht der Abendsonne. In dieser schönen, einsamen Bergge-
gend waren wir so glücklich, in Siuyingschanfang, d. h. kleine Berg-Eremitage,
ein Unterkommen zu finden. Es ist dies ein Haus, in welchem sich junge Leute
für die Distrietsprüfung vorbereiten, und nicht sehr fern von dem kleinen Dorfe
Ukweitin (d.h. schwarzes Schildkrötenfeld) gelegen. Ein bereits graduirter Ge-
lehrter, der uns begleitete, erwirkte uns bei dem Vorsteher des Hauses ein Ob-
dach für die Nacht, was uns gut zu Statten kam. Denn nachdem wir uns ober-
halb des Wasserfalles gebadet und die Felsenthore besichtigt hatten, durch wel-
che die Fluthen strömen, begann es zu regnen, und kaum hatten wir uns zu
unserem Abendbrod niedergesetzt, als ein furchtbares Gewitter losbrach. In dem
Hause befanden sich zweiundzwanzig Zöglinge von 12 bis 22 Jahren. Sechs
von ihnen hatten bereits die erste Prüfung bestanden, einer sprach ein wenig eng-
lisch, er war bei den Goldgräbern in Californien gewesen. Es waren liebenswürdige
Jünglinge, mit denen umzugehen uns grolses Vergnügen gewährte, namentlich
da wir gewöhnlich nur mit den rohen ungebildeten Chinesen in diesem Distriete
der Provinz Kwangtung zu verkehren pflegten. „Das Schulhaus ist der Anfang
der Glückseligkeit“, so lautete die Inschrift über dem Eingange dieses Gebäudes,
u Bu
Ein Ausflug von Hongkong nach den Quellen von Yuklak. 77
und die jungen Leute schienen wirklich glücklich, obwohl wir wahrzunehmen
_ glaubten, dafs sie sich mit sehr knapper Diät begnügen mufsten. Jeder von
ihnen hatte eine Kiste, welche seine Habseligkeiten enthielt, und mit einem
Schlofs versehen zu Häupten seines Bettes stand. Die grofse Hitze, 92° Fah-
_ renheit, und die zahllosen Moskitos störten unsere Nachtruhe, Um so angeneh-
mer war es, als wir am Morgen ins Freie traten. Der heftige Regen hatte die
Hitze bis auf 79° F. herabgedrückt und den Wasserfall in eine breite Schaum-
- decke verwandelt, welche über dem grauen um die Bäume lagernden Nebel her-
abzuhängen schien. Bald mufsten wir noch einen zweiten Bergpafs hinaufstei-
' gen, auf dessen Höhe gleichfalls eine Theeschenke lag. Von diesem Punkte aus
_ übersah man das runde hochgelegene 'Thal von Ukweitin: eine merkwürdige
kreisrunde Vertiefung zwischen den Bergen mit einigen nur wenig angebauten
kleinen Anhöhen. Dann schritten wir zu dem auf der Karte „Starling Inlet“
- genannten Theil der Mirs-Bai hinab und sahen gegenüber den majestätischen
Berg Ngtung, welcher, wie die Chinesen behaupten, in diesem Distriet der
höchste sein und häufig von Tigern besucht werden soll. Nahe am Ufer unter
schattigen Bäumen nahmen wir unser Frühstück ein, ein kühler Wind erfrischte
uns und von Zeit kamen Bauerweiber, die uns neugierig betrachteten. Die Chi-
nesen sagten, wir seien hier nur acht englische Meilen von Samtschun entfernt.
Für 500 Kasch mietheten wir ein Boot, welches uns nach dem nördlichen Ge-
_ stade der Mirs-Bai, nach der grofsen Ortschaft Yimtin bringen sollte. Starling
_ Inlet ist ein kleines schönes Bassin, umgeben von stattlichen Bergen und mäch-
tigen, von der See bespülten Waldungen, in welchen die Dörfer zerstreut umher
liegen. Wir landeten nahe bei dem grofsen wohlhabenden Dorfe Yimtin, gingen
_ ein schönes Thal bei so heilsem Sonnenschein hinauf, dafs es unmöglich war
in den Sampans zu bleiben, denn das Gehen in der Hitze macht diese merk-
würdiger Weise erträglicher. Unglücklicher Weise war in Yimtin Markt und in
der am Eingange des Dorfes liegenden Theeschenke waren wir so vielen Belä-
| stigungen von Seiten der zurückkehrenden Marktbesucher ausgesetzt, dals wir
_ uns genöthigt sahen, unsere Revolver blicken zu lassen und uns unter den Schat-
ER einiger nahen Bäume zurückzuziehen. Unsere Kulies waren erschöpft, wir
mufsten andere miethen. Man pflegt einem Kuli 80 Kasch täglich zu geben, hier
forderte man 300 Kasch für einen halben Tag. Wir erstiegen auf einem steilen
_ Pfade den Ngtung-Berg, von dessen Gipfel wir eine herrliche Aussicht über die
Mirs-Bai hatten. An der einen Seite lag die Stadt Taipung in einiger Entfer-
nung, an der andern das trefflich angebaute Land im Norden von Hoau und
Pukak. Als wir den Berg hinunterstiegen, gelangten wir in eine vorherrschend
flache, mit vielen Ortschaften und Holzungen bedeckte Gegend, in welcher Reis,
Hirse und Flachs angebaut waren. Hier ist jedoch der Reisende weit weniger
‚sicher, als in den Bergen. Wir überrachteten bei dem Dorfe Wonkongtao in
einem kleinen Wai (Fort), welches von mehreren Familien und einem Lehrer
bewohnt wurde. Es war dies ein viereckiges, einem Karawanserai nicht unähnli-
ches, ziemlich grofses Gebäude, in dessen Mitte sich ein grofser offener Hof be-
and. Die Einfassungsmauern wurden von den Häusern gebildet, die nach der
Aufsenseite keine Fenster hatten. Die beiden Thore wurden durch starke höl-
zerne Balken geschützt und zum Theil von innen durch Schie/sscharten beherrscht,
78 Miscellen::
Sehr fest schien das Fort gerade nicht, allein man ist im Sinonkreise beim Bauen
uch sehr a bergläubisch: man darf den Grund nicht zu tief graben, um nicht
aeinen Drachen aufzustören, der dann die Gegend verwüsten würde, und läfst
sich Jemand einfallen zu hoch zu bauen, so läuft er Gefahr, in einen Tiger ver-
wandelt zu werden! Ehe es dunkel wurde, waren alle Bewohner des Wai in
ihren Häusern, die Einen hatten ihr Vieh hineingetrieben, die Andern ihren leich-
ten Pflug auf der Schulter heimgetragen. Die Thore wurden geschlossen, schwere
Balken davor gelegt und dann das Abendbrod verzehrt. Das enge Zimmer, in
welchem wir untergebracht wurden, die grofse Hitze 90° F. und die Ungewils-
heit, ob allein Moskitos einen Angriff auf uns machen würden, veranlalsten uns,
während der Nacht uns in den inneren Hofraum zu begeben, wo wir zu unserer
Verwunderung einen Wächter antrafen, der hier jede Nacht wachte, ein Beweis,
wie wenig sicher die Bewohner ihre Festung hielten. Am Morgen brachen wir
auf und setzten unsere Reise in nördlicher Richtung fort. Alle drei bis vier
englische Meilen stiefsen wir auf ein zerstörtes oder niedergebranntes Dorf — 2
überall dieselbe Geschichte: es war in einem Kampfe mit den Nachbarn verwü-
stet worden, die männlichen Einwohner getödtet, die Frauen und Kinder gefan-
gen weggeführt. Wir kamen an mehreren grofsen Häusern wohlhabender Be-
sitzer vorüber; hier gab es Thürme mit Schiefsscharten und andere Anzeichen,
wie unsicher man sich fühlte. An einer Stelle lag ein Kalksteinbruch, an einer
andern Reisfelder, welche durch die fortgesetzte Dürre sehr gelitten hatten. Das
grofse Dorf Pingfu (d. h. Stiller See) war mit Wall und Graben umgeben. Die
Bewohner, welche neugierig uns entgegenkamen, benahmen sich nicht so, dafs
wir hineinzugehen uns versucht fanden. Wir blieben deshalb draufsen bei der
grofsen Wohnung eines Bezirks-Examinators und Steuer-Einnehmers, die aus
mehreren geräumigen Häusern mit Gärten und Verandahs bestand, welche zu-
sammen von Wällen eingefalst waren, so dafs sie eine erträgliche Festung bil-
deten. Hier wurden wir in das Schulhaus gewiesen, dessen Eigenthümer nach
einigem Zögern uns freundlich aufnahm. Von Pingfu gingen wir in westlicher
Richtung weiter, kamen fast bis an die Grenze des Sinon-Kreises und Kwei-
schin-Distrietes und sahen das Gebirge, hinter welchem die Hauptstadt Weit-
schau liegt. Das Land schien hier sehr wüst und der Boden war durch die
heftigen Regengüsse erweicht. Die Nacht brachten wir in dem grofsen Punfi-
Dorfe Tschungfu (d. h. Klarer See) zu. Wir hatten uns zuerst in das mitten im
Dorfe liegende Gasthaus begeben, wurden aber durch die Neugierde der Menge so
sehr belästigt, dafs Herr Lobscheid sich nach einem anderen Quartier umsah und
dies auch bei einem siebenzig oder achtzig Jahre alten reichen Manne, Namens
Leu, fand, wo wir doch nur der Beobachtung von Seiten der Hausgenossen aus-
gesetzt waren. Ehe wir uns niederlegten, machten wir noch einen Gang um
das Dorf herum, wobei wir einen Bananenbaum, der wenigstens 40 Fufs im Um-
fang hatte, auch eine sehr hohe alte Citadelle (Wai), die schon vor Jahrhunder-
ten von den Vorfahren unseres Wirthes erbaut war, antrafen. In der Nacht
wurden wir durch lautes Rufen, Trommeln auf den Gongs und Blasen auf einem
Ochsenhorn in einem Nachbarhause gestört, wo man damit beschäftigt war, die
Seele eines Kranken zurückzurufen. Am nächsten Morgen wollte unser Wirth
durchaus keine Bezahlung annehmen. Die Regenzeit war im Anzuge, das Rei-
Ein Ausflug von Hongkong nach den Quellen von Yuklak. 79
sen ward mit jedem Tage beschwerlicher, die Flüsse drohten aus ihren Ufern zu
treten: deshalb beschlossen wir, so schnell als möglich unser Reiseziel zu errei-
chen. Es waren dies die heilsen Quellen von Yuklak, wo, wie man uns sagte,
gerade jetzt zwei benachbarte Ortschaften mit einander Krieg führten. Als un-
sere Kulies dies hörten, wurde ihnen bange, sie liefsen sich aber damit trösten,
dafs einer von ihnen, ein junger Mann aus Samtschun, sie versicherte, wenn sie
"getödtet würden, erhielten sie einen neuen Leib. Hätte es nicht so heftig ge-
regnet, so wäre unsere heutige Reise sehr unterhaltend gewesen, denn wir ka-
men an vielen Obstgärten mit Birnen und Pfirsichen vorüber und betraten die
schönen Thäler des Yeangtoi-Gebirges, welche im Nordwesten des Sinon-Kreises
nahe dem Tungkun-Distriet liegen. Wir beabsichtigten, in dem Marktflecken
Uschekgnamhü (d.h. Schwarzstein-Höhle) anzuhalten, trafen aber dort einen
Jahrmarkt und deshalb Tausende aus den benachbarten Dörfern. Solche Hau-
fen sind immer den Fremden gefährlich, denn die Chinesen halten sich für ihr
Thun sehr wenig verantwortlich, wenn sie von ihrem Heimathsorte entfernt sind.
Kaum hatten wir einen Buddhistentempel in der Nähe des Marktfleckens betre-
ten, als auch schon der Knabe, der uns begleitete, in grofser Aufregung zu uns
'eilte und meldete, das Volk stehe im Begriff, Herrn Lobscheid anzugreifen. Wir
machten uns sogleich auf, ihm beizustehen und trafen ihn, wie er mit seinem
'sechsläufigen Revolver in der Hand sich durch die zudringliche Menge Bahn
brach. Sobald er-uns sah, rief er uns zu, wir mü/sten unsere Reise fortsetzen,
da die Leute sehr übel gesinnt seien. Es gelang ihm sich zu befreien und wir
verliefsen Uschekgnamhü, indem wir den uns begleitenden Gelehrten voraus-
schickten, um nachzusehen, ob wir uns ohne Gefahr nach Yuklak begeben könn-
‘ten. Inzwischen fing es so heftig zu regnen an, dafs wir uns nach dem Hakka-
dorfe Kangpui flüchteten, wo man uns einen kleinen Götzentempel aufserhalb
‚des Dorfes zur Verfügung stellte. Hier wurden wir benachrichtigt, dafs die
Dorfschatt Tsang in eine blutige Fehde verwickelt sei und wenigstens tausend
"Mann bei Yuklak lägen, alle Häuser seien besetzt, und so gern auch die Dorf-
‚ältesten uns aufnehmen möchten, so könnten sie doch nicht die angeworbenen
Soldaten eontroliren und für unsere Sicherheit einstehen. Unter diesen Umstän-
den beschlo(s Herr Lobscheid, nicht weiter zu gehen, da er ohnehin schon frü-
ihn die heifsen Quellen besucht hatte. Wir andern machten uns daher ohne
ihn auf den Weg, liefsen unser Gepäck in Kangpui zurück und begaben uns
nach dem Schauplatz des Gefechtes, der etwa 5 englische Meilen entfernt sein
konnte, Nachdem wir über einen sehr reifsenden, aber seichten Strom gesetzt
hatten — es war einer der Zuflüsse des Piktou-Flusses, der die nördliche Grenze
des Sinon-Kreises bildet — kamen wir auf eine schöne, mit Reisfeldern bedeckte
Ebene, auf welcher wir nicht weniger als sechs grofse Dörfer zählten. Die Land-
schaft war im milden Lichte der untergehenden Sonne äufserst anmuthig, der
uch schwebte ruhig und friedlich über den’ Dörfern, als wenn dort alle Lei-
denschaften schwiegen. Unglücklicherweise aber ward diese Stille durch ein hef-
iges Schiefsen unterbrochen, welches von einem unserm Reiseziel nahe gelege-
en Walde herüberschallte. Die heifsen Quellen lagen noch etwa zweihundert
llen von Yuklak entfernt. Als wir dort eintrafen, badeten „sich Mehrere in
mer derselben, die Spuren künstlicher Aushöhlung an sich trug. Wir wurden
80 Miscellen: |
sogleich von mehr als hundert Dorfbewohnern und angeworbenen Soldaten um-
ringt. In den gröfseren Bassins betrug die Hitze des Wassers wenig mehr als
100° F., dagegen in einem seichten Bassin 122° und unmittelbar über der Oeff-
nung, aus welcher das Wasser hervorsprudelte, 129° F. Das Wasser hatte einen et-
was salzigen Geschmack und war schwefelhaltig. Der Erdboden in der Umgebung 1
der Quellen war von der dort versammelten Menge ganz weich getreten und die
heftigen Regengüsse hatten soviel Erde in die Bassins hineingespült, dafs wir
nicht wahrzunehmen vermochten, ob das Wasser Schwefel angesetzt hatte. Die
benachbarten Reisfelder und die nahegelegenen niedrigen Granithügel waren nicht
geeignet, über den Ursprung und den Character dieser heilsen Quellen einiges
Licht zu verbreiten. Ueberdies hinderten uns die vielen Menschen, welche scher-
zend einander in das Wasser zu stolsen versuchten, nähere Untersuchungen an-
zustellen. Wir kehrten noch an demselben Abend nach Kangpui zurück und
begaben uns am folgenden Morgen nach Namtao. Die Gegend, durch welche
wir kamen, war aufserordentlich öde, da fast alle Dörfer, welche am Wege la-
gen, verwüstet waren. Namtao (oder Namtow, Namtau) hat eine schöne Lage
zwischen der tiefen Bai und dem Cantonflusse. Die Mauern sind mit grünen
Sträuchern bewachsen und die Vorstädte stark bevölkert. Wir gingen still durch
die letzteren nach dem Hafen, wo wir das Hongkonger Passageboot zur Abfahrt
bereit fanden. Die Leute schienen etwas bestürzt über unsere Ankunft, sie
mochten ein abermaliges Bombardement fürchten. Einer rief Herrn Lobscheid
das Schimpfwort „fremder Teufel“ nach; als er sich aber umwendete, sagte der
Mensch schnell Lao Yih d.h. Verehrter! Mit dem genannten Boote kehrten wir
nach Hongkong zurück.“ B.
12. October 1859.
Seit meinen letzten Mittheilungen im Januar habe ich fast nichts Erheii
ches und zu neuen Berichten Geeignetes erlebt; eine im ganzen Jahre anhaltende x
Trocknifs hat das Land heimgesucht und die Natur in einen für den Reisenden
höchst unangenehmen Stillstand versetzt, der ihn selbst zur unerfreulichen Ruhe
nöthigt. Während der Monate Juni und Juli, als ich meine Reise von Rosariof
hierher ausführte, glich die baumlose Flur der Pampas einer Wüste, die mit Lei-
chen der vor Hunger und Durst umgekommenen Thiere stellenweis besäet war.
Seit dem Eintritt in die Provinz von St. Jago del Estero, welche gröfstentheils
bewaldet ist, schwand zwar das unmittelbar Trostlose vor meinen Augen, aber
auch hier ist auf grofse Erquickung für den Blick des Reisenden nicht zu rech-
nen. In Tucuman, das man allgemein die beste Provinz des Landes nennt, hoffte
ich auf Entschädigung, aber wie bin ich auch hier getäuscht worden! Seit April
hat es nicht geregnet und die sonst schon im August eintretenden ersten Früh-
lingsregen sind bis jetzt ausgeblieben. Heute endlich zog düsteres Gewölk von
Süden auf, woher gewöhnlich die Regen kommen, aber es brachte nur ein schwa-
ches Geträufel von kaum 1 Linie Wasserfall; die eigentlichen und hier sehr hef-
Ein Schreiben H. Burmeister’s aus Tucuman vom |
;
Berichtigung zu den Barometerbeobachtungen in Parana. s1
tigen Frühjahrsregen werden noch erwartet. Die Provinz Tucuman hat einen
R sehr eigenthümlichen Charakter, ihrer grofsen meteorologischen Schwankungen
wegen. Ich habe den 14. September 23 Uhr nach Mittag 26° 2’R. im Schatten
hechtet, und den 16. darauf, um 63 Uhr Morgens 2° R., eine Schwankung,
die vielleicht beispiellos ist; wenigstens kam mir eine solche bisher in diesen
3 Ländern nicht vor. Im Allgemeinen ist der Charakter subtropisch, man baut
Zuckerrohr mit gutem Erfolge und hat heftige Sommerregen, aber keine Winter-
regen; indessen kommt es fast alle Jahr vor, dafs die Ernte des Zuckerrohrs er-
friert, wenn sie nicht vor Mitte Mai beendet ist, und da es hier an arbeitenden
Händen fehlt und diejenigen, welche arbeiten mögen, viel Geld fordern, wenn sie
gesucht werden, so zögert mancher Ackerbauer länger als gut ist mit dem Ab-
1 schnitt und verliert darüber häufig das Ganze. Als ich den 26. Juli in Tucuman
‚einfuhr, sah ich zur Seite des Weges grolse Felder erfrorenen Zuckerrohrs, die
wegen zu späten Schnittes dem Untergange verfallen waren. Sonderbar ist, dafs
_ aufser der Orange hier fast kein Obstbaum gedeihen will; alle anderen Früchte,
selbst die Melonen, sind mittelmälsig oder gar schlecht zu nennen.
Berichtigung zu den Barometerbeobachtungen in Paranä.
Von H. Burmeister.
Das Instrument, mit dem ich meine Beobachtungen in Paranä angestellt habe,
wurde von mir selbst aus einer neuen Glasröhre, welche ich mir verschaffen
_ konnte, zusammengesetzt, nachdem, wie ich früher berichtete, die erste Glasröhre
in Mendoza zerbrochen war. Obwohl bei der Anfertigung desselben alle Vor-
- sichtsmalsregeln, die unter den obwaltenden Umständen möglich waren, angewen-
det worden sind, so mu/s doch, bei Einstellung des Rohres, ein Fehler begangen
sein, den ich zur Zeit, als ich meine Beobachtungen nach Europa sandte, noch
"nieht übersah, weil mir ein Hilfsmittel fehlte, dieselben zu prüfen und ihren Werth
zu beurtheilen. Da der tägliche Gang des Instrumentes genau derselbe war, den
ich in Mendoza gesehen hatte, so hielt ich mich für berechtigt, seinen allgemei-
nen Stand als genau anzunehmen, obgleich es mir bei Abfassung des Resultates
auffiel, dafs der Flufs Paranä etwa 80 geogr. Meilen von seiner Mündung die
‚bedeutende Höhe von 600 Fufs über dem Meeresspiegel haben sollte; das hätte
einen äufserst rapiden Fall und eine sehr schnelle Strömung des Wassers erge-
ben, welche in der That nicht vorhanden war. Eine richtige Würdigung dieses
Umstandes hätte mich abhalten müssen, mein so auffallendes Resultat zu publi-
n; allein Vertrauen auf die von mir angewandte Sorgfalt bei Herstellung des
trumentes und sein durchaus normaler täglicher Gang liefsen in mir den Ge-
ken eines grofsen Irrthums nicht aufkommen, und so bin ich denn wirklich
Bald nach Absendung meiner Mittheilungen über Paranä verglich ich das
ch aus Paris angekommene Barometer, welches ein mir befreundeter Ge-
er, Herr A. Bravard, inzwischen aus Buenos Aires mitgebracht hatte,
eitschr. £ allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 6
82 Miscellen:
und fand zwischen beiden eine Differenz von durchschnittlich 6,8 Par. Linien,
d.h. um so viel höher stand das seinige; woraus sich dann ergab, dafs das
von mir für Paranä aufgestellte Mittel von 327,8 Par. Linien auf 334,6 Par.
Linien verändert werden mulste. Diese Zahl weist eine Höhe von ziemlich ge- }
nau 85 Meter über dem Meere nach und so hoch würde die Lage der Stadt zu
setzen sein; Paranä läge 260 Fufs über der Fläche des atlantischen Oceans.
Für die Höhe des Flusses am Hafen ergaben meine Beobachtungen einige
Differenzen; ich erhielt 1,6 bis 1,38 Par. Linien Unterschied. Die erstere Zahl
giebt etwa 140 Fuls, die zweite nicht ganz 110 Fufs; der Paranä-Spiegel würde
also gegen 130 Fufs über dem Meere liegen.
Seitdem ich diese Verbesserungen meiner eignen Beobachtungen mittelst des
Bravard’schen Barometers aufgefunden hatte, ist mir noch eine Arbeit bekannt
geworden, die darauf Beziehung hat; — ich meine die von Lieutenant Th. J. Page
zu seiner Reise durch einen Theil der argentinischen Provinzen angefertigte Karte.
Auf derselben befindet sich das Profil des Paranä-Flusses von Corrientes bis zur
Mündung, nach welchem die Stadt Paranä 250 Fufs über dem Meeresspiegel, der
Flufs am Hafen 96 Fufs hoch liegt. Das stimmt mit meinen Messungen in so
weit überein, als es zeigt, dafs nicht das Mittel, sondern die höchste Zahl des
Unterschiedes zwischen Hafen und Stadt, welche ich gefunden habe, die richti-
gere sei, zumal wenn man erwägt, dafs der Flufsspiegel grofsen Schwankungen
unterliegt, und während der beiden Jahre, wo ich ihn beobachten konnte, im
Februar und März gegen 10 Fufs höher stand, als im August und September.
Um jene Zeit hat er stets seinen höchsten, um diese seinen tiefsten Stand er-
reicht, und das Niveau des Jahres 1858 war das bedeutendste, welches seit dem ‚
Jahre 1827 vorgekommen ist. Damals überschritt er noch die kürzlich einge- j
nommene bedeutende Höhe. |
|
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. N
Von H. Kiepert. |
Der Versuch, das Land des „äufsersten Westens“ (Maghrib-el-Aksa nach“
der arabischen Bezeichnung) von Nordafrika, das Ländergebiet des von uns Eu-
ropäern sogenannten Reiches von Marocco 1) im Kartenbilde etwas ausführli-
.
|
!) Dieser Name, welcher seiner Anwendung nach völlig dem im vorigen Jahr-
hunderte in Europa ganz allgemeinen Gebrauch, Moskowiter statt Russen zu sa-
gen entspricht, ist im 16. Jahrhundert nach der damaligen Hauptstadt durch die eu.
ropäischen Nachbarn, Portugiesen und Spanier, in Gebrauch gekommen, welche ihn,
die Consonanten der arabischen Form Marräkesch genauer wiedergebend, Marrocos,
Marruecos schreiben; daraus ist die Form Marocco bei den Italienern entstanden,
welche durch den Einflufs dieses damals so bedeutenden Handelsvolkes von den nörd-
lichen Völkern, unverändert von Deutschen und Engländern (bei diesen mit der Ne-
benform Morocco), inMaroc verkürzt von den Franzosen angenommen worden ist.
Er
nz >
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. 83
‚cher als gewöhnlich darzustellen, ist ein wegen Mangels jedes zuverlässigen Ma-
terials immer noch sehr bedenklicher: unter den Hunderten (in früheren Zeiten
des Selavenraubs sogar Tausenden) von Europäern, welche dieses den Südküsten
Europas so nahe liegende, auch mit dem Norden lebhaften Handel treibende Land
betreten und wenigstens zum Theil auch entlegenere Gegenden des Innern gesehen
haben, finden sich bis auf den heutigen Tag nicht ein Dutzend genaue und aus-
führliche Berichterstatter, nicht ein einziger durch wissenschaftliche Vorbereitung
namentlich zur Naturbeobachtung befähigter Forscher; selbst Militärs, welche nicht
selten den Gesandschaftsreisen beigeordnet nach den inneren Hauptstädten zu ge-
langen Gelegenheit hatten, haben dieselbe und ihre vorzugsweise Befähigung zu
topographischen Recognoseirungen auf diesem Boden mit zwei Ausnahmen (Capt.
Washineton 1829, Graf Caraman 1825) unbenutzt gelassen.
Unsere specielle Landeskunde beschränkt sich daher zunächst auf die Kü-
stenlinien und die sie begleitenden Höhenzüge, welche durch Aufnahmen der
spanischen und britischen Marine, — jene für das Mittelmeer (Tofino 1787,
nur an der Meerenge um Kleinigkeiten berichtigt durch Smyth 1839), diese für
die atlantische Küste (Boteler 1826 und Arlett 1835, nach den weniger zu-
verlässigen älteren Arbeiten des Franzosen Borda, 1768 u. ff.) auch nur in ih-
ren allgemeinsten Verhältnissen bekannt geworden sind, eine Kenntnifs, welche
durch die Beobachtungen von Landreisenden längs der Westküste nur um weni-
‚ges vervollständigt wird: von der natürlichen Gestaltung des Innern wissen wir
kaum mehr als was dieselben Beobachter fast nur auf den grolsen Strafsen,
welche die Hauptstädte Fös, Mikn&s, Marräkesch mit den Hafenplätzen Tettäwin,
andja, Rebät, Azamör und Suera (Mogador) verbinden, meist sehr flüchtig und
unbestimmt aufgezeichnet haben; nächst dem Engländer Washington verdient
unter diesen fast nur der Spanier Domingo Badia, welcher 1804 und 1805
als Muhammedaner unter dem Namen Ali Bei el-"Abbasi (bekanntlich auch
seinem Schriftstellernamen) im Lande reiste, das Zeugnils sorgfältigerer Bericht-
erstattung: Capt. Beauclerk’s Bericht über seine Reise im Jahre 1826 läfst
auf dem Wege von Azamör bis Marocco durch Auslassung aller Ortsnamen nicht
einmal erkennen, ob er derselben Route gefolgt ist, wie 3 Jahre später Washing-
ton. Die wenig gekannte Heerstrafse von Kasır el Kebir (südlich von Tandja)
nach der Residenz Miknös, welche Freiherr v. Augustin als Begleiter der öster-
eichischen Gesandtschaft im Jahre 1830 kurz schildert, haben in derselben
esellschaft nicht weniger als 3 Offiziere der Marine und 6 von der Armee
(worunter einer vom Geniecorps) mitgemacht, ohne dafs ein einziger von ihnen an
eine Routenaufnahme gedacht zu haben scheint. Dafs unedirte Zeichnungen in den
daran für den Orient reichhaltigen Sammlungen des Depöt de la Guerre wenigstens
ür Marocco nicht vorhanden sind, scheint Renou’s Stillschweigen, der mehrere unbe-
eutende Hafenpläne u. dgl. aus dieser Quelle eitirt, zu beweisen. Der von Renou
fällig ganz übersehene Reisebericht des Engländers Col. Scott endlich, der auf
inem abenteuerlichen Zuge zu "Abd-el-Käder (Journal of a Residence in the
smailla of Abd-el- Kader, London 1842) die sehr unbekannte Stra[se von Tetuan
ac Kasr-el-Kebir, und von da zusammenfallend mit dem von Ali Bei in umge-
er Richtung zurückgelegten Wege nördlich an F&s vorbei über Theza nach
a bereist hat, hält es gar nicht der Mühe werth, mehr als die meist zur Un-
6*
84 Miscellen:
kenntlichkeit entstellten und daher für die Karte unbenutzbaren Namen der jedes-
maligen Nachtquartiere aufzuzeichnen. Im Uebrigen scheint von den nicht weni-
ger als 258 Werken über Marocco, welche Renou’s langes Verzeichnifs (einschliefs-
lich der Uebersetzungen, neuen Ausgaben und arabischen Autoren) aufzählt, dem
Anschein nach kaum der vierte Theil geographischen Inhalt zu bieten, immerhin
noch eine ziemlich grofse Zahl, von der auch allerdings wieder kaum ein Dritt-
theil, zum Glück aber doch gerade die wichtigeren und inhaltreicheren Werke im
den hiesigen Sammlungen enthalten und mir daher zugänglich gewesen sind; sehr
viele hat Renou eingeständlich selbst nicht benutzt, und auf eine Menge älterer
spanischer und französischer Gesandtschaftsberichte und Zeitungsartikel verzich-
ten zu müssen, würde kein grol[ser Verlust sein, selbst wenn mit dem beschränk-
ten Zweck unserer Aufgabe das Opfer an Zeit, welches das Durchlesen jenes gan-
zen Wustes erfordern würde, vereinbar wäre. j
Nehmen wir nun dazu noch des französischen Reisenden Ren& Caillie, eines
wenig gebildeten, aber, wie zum Glück jetzt gegen mannichfache Verdächtigun-
gen völlig erwiesen ist, wahrheitliebenden und zuverlässigen Mannes, kurzen Be-
richt über den Weg von F£&s südlich durch den Atlas längs des Wadi Ziz nach \
Tafılölt (gemacht in umgekehrter Richtung 1828), die einzige Linie europäischer
Beobachtung, in welcher das bisher so geheimnifsvolle Innere des Landes südlich
vom Gebirge erschlossen und für die Anknüpfung anderer Daten der Boden ge-
wonnen worden ist, so haben wir den geringen Theil des Bodens von Maghrib {
umschrieben, welcher bis jetzt von einem immer noch düsteren und zweifelhaften
Lichte geographischer Kunde erhellt wird, alles übrige, und es ist ersichtlich der
bei weitem gröfste Theil des Landes und seiner interessanten Gebirgssysteme,
selbst die Europa gegenüber liegende bergige Küstenlandschaft des Rif liegt
für die Wissenschaft noch in einem Halbdunkel, in welches durch die mit gröfs-
tem Eleifse besonders von Renou und Berbrugger gesammelten Aussagen ein-
heimischer Zeugen nur höchst spärliche Streiflichter fallen. Diese Finsternils,
welche vor nicht gar langer Zeit — noch als C. Ritter vor 40 Jahren mit der
Darstellung der Oberflächenverhältnisse des afrikanischen Erdtheils seinen Ruhm
begründete, noch als 10 Jahre später Col. Lapie in Paris die erste vollständigere
Karte zu entwerfen unternahm — die ganze nördliche Zone von Afrika bedeckte,
ist neuerdings hier im Westland um so peinlicher geworden, je entschiedener
bereits die unmittelbar östlich angrenzenden, derselben Naturform angehörigen
Landschaften, vorzugsweise der der französischen Herrschaft völlig unterworfene
und durch treffliche topographische Aufnahmen gesicherte Theil von Algerien,
aber auch schon die dem europäischen Forscher eben so leicht zugänglichen Ge-
biete von Tunis und Tripolis in das helle Licht der positiven, durch alle Arten
physikalischer Beobachtung gesicherten Erdkunde eintreten. Eben so gut wie das
östlich benachbarte tunesische Gebiet, welches einen nur durch die zufällig;
politische Grenzlinie von Algerien geschiedenen Theil des durch seine natürliche
Gestaltung einheitlichen sogenannten Atlas-Hochlandes bildet, mufste das wes
liche maroccanische Grenzland, dessen continentale Berührung mit Algerie
allerdings, ungeachtet trotz des Vorherrschens derselben Naturtypen, durch grö
fsere sich fast bis zur Küste vordrängende verkehrhemmende Wüstenstrecke
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. 85
d um aller erreichbaren Nachrichten über Geographie, Ethnographie und Statistik
von Marocco.
n, welche auf das Prädicat selbstständiger Quellenbearbeitung Anspruch machen
nnen: die von E. Renou 1844 (in demselben Malsstabe wie unsere Skizze,
1 : 2,000,000), deren Erläuterung und Begründung der ganze VII. Band des
Sammelwerkes: Exploration scientifique de l’Algerie gewidmet ist, und 1848 eine
noch gröfsere in 2 Blättern in 1 : 1,500,000, von dem im topagraphischen Ge-
niecorps der Provinz Oran angestellten Capt. Beaudouin gezeichnet, mit Hülfe
on Nachrichten, die theils er selbst, theils der Seeretair bei der französischen
esandtschaft in Marocco, L. Roches, eingezogen, wie eine Notiz unter dem
itel, leider die einzige zur Erläuterung beigefügte, besagt. Da neuere Original-
karten meines Wissens bis jetzt nicht erschienen sind ?), so ist der Kartograph
für die Darstellung dieses Länderraumes, soweit nicht die anderen oben ange-
führten Originalquellen ausreichen, auf Benutzung dieser beiden vollständigsten
Arbeiten angewiesen °).
Ganz leicht ist diese Aufgabe nicht, da die beiden Karten in der Darstel-
lung der weniger bekannten inneren Landestheile, namentlich der Gebirgszüge
und Thäler des hohen Atlas aufserordentlich stark von einander abweichen, ohne
dafs die neuere, mit einer verhältnifsmäfsig viel gröfseren Menge von Naturfor-
‚men und Namen bedeckte Arbeit durchaus das Präjudiz einer gröfseren Zuver-
lässigkeit erweckte: sie würde in viel höherem Grade Vertrauen verdienen, wenn
die ohne Frage an Zahl und Gewicht bedeutenden neu erworbenen Thatsachen in
‚derselben anspruchlosen, gesichertes von blofsen Hypothesen scheidenden, ganz
unbekanntes Terrain unausgefüllt lassenden Manier, wie von Renou geschehen ist,
erarbeitet worden wären; statt dessen sehen wir in Beaudouins Karte ein Fabri-
cat der alten unsoliden leichtfertigen französischen Art, a la Lapie, geleitet von
_ *) Dieses natürliche Verkehrshindernifs der Wüste an der Muluya (Muluchath)
hat offenbar schon im Alterthum die getrennte Stellung des westlichen Mauretaniens,
früher als besonderes Reich, in spätrömischer Zeit als von dem übrigen Africa ge-
trennte und administrativ Hispanien beigeordnete Provinz M. Tingitana veranlafst.
2) Eine Karte von Andriveau Goujon, zuerst 1845 erschienen, dann mehr-
fach neu aufgelegt, ist einfach eine in der Terraindarstellung willkührlich modificirte
Copie von Renou’s Karte. Ueber die ältere, in früheren Generalkarten häufig benutzte
Karte von Marocco von Gräberg af Hemsö urtheilt Renou nicht zu hart, wenn
er sie aus unverstandenen Daten aller möglichen Jahrhunderte willkührlich zusam-
mengewürfelt nennt.
7
3%) Mehrere in Folge des jetzigen spanischen Krieges ans Tageslicht getretene
gebliche „Karten des Kriegsschauplatzes“, wie gewöhnlich der zur Anlockung der
fer gewählte Titel lautet, sind nichts als nachlässige ohne Kritik fabrieirte von
86 Miscellen:
dem Streben, der Karte den Schein gröfstmöglicher Vollständigkeit zu geben
durch Ausfüllung mit manierirten Fluls- und Bergzügen, wo das Material nicht
ausreichte aus eigner Erfindung, oft in den naturwidrigsten Formen, das ganze
überdeckt mit scheinbar sehr detaillirten Angaben statistischer Thatsachen, welche
doch ihrer Natur nach in einem so wenig erforschten Lande sich der Kunde
des Fremden, selbst wenn er in der Hauptstadt ansälsig ist, entziehen müssen,
wie z. B. die Eintheilung und Untereintheilung nach Gouvernements- und Stamm-
gebieten und deren ethnographische und politische Verhältnisse. Aufserdem er-
weckt ein höchst ungünstiges Vorurtheil gegen diese Karte der Umstand, dafs
früher erschienene fremde Arbeiten, selbst die zuverlässigsten und von Renou
seiner Karte einverleibten, z. B. die Routiers von Ali Bei und Washington, offen-
bar gar nicht zu Rathe gezogen, sondern nur indireet und weder genau noch voll-
ständig aus Renou’s Karte mit herübergenommen und so gerade ihre sichern Re-
sultate oft wieder durch unrichtige Angaben verdrängt sind. Nur die gewissenhafte
Verzeichnung der positiven, in dieser Karte neu benutzten Daten, welche aus
dem Wuste der unkritischen Verarbeitung herauszuziehen ein unausführbares Un-
ternehmen sein würde, hätte dieselbe für die Wissenschaft nutzbar machen können.
Gleichwohl konnten wir uns diesem Material gegenüber nicht rein negativ ver-
halten in denjenigen Theilen, wo die Renou’sche Karte bei der Dürftigkeit der
zeitherigen Angaben die gröfsten Lücken gelassen hatte, die neue Karte dagegen 3
mit einer gewissen Sicherheit, Vollständigkeit und Naturwahrheit der Formen diese
Lücken ausfüllt unter Umständen, die eine nicht ganz oberflächliche Beobachtung
als wahrscheinlich vermuthen lassen. Diese Bemerkung trifft zumal das Gebiet
unmittelbar an der französichen Grenze, zwischen Udjda und der Muluya, — wel-
ches genauer kennen zu lernen die Franzosen in Folge der Schlacht am Isi
(14. August 1844) und zumal der Verfasser in seiner dienstlichen Stellung in
Oran wohl Gelegenheit gehabt haben, welches daher in Beaudouin’s Karte auch
voller an Namen als irgend ein anderes und in der Terrainzeichnung sich der
durch die topographischen Aufnahmen bekannten Gestaltung der Oberfläche auf
algerischem Gebiete wohl anschliefsend erscheint. Ich habe daher kein Beden-
ken getragen, dieses Stück, einschliefslich des Muluya-Laufes (dessen gewaltige
Krümmungen, wenn auch nicht unmöglich, doch etwas bedenklich aussehen)
direct aus dieser Quelle zu entlehnen. Noch weniger zu vertreten ist natür-
lich die Gestaltung der Thäler des hohen Atlas, welche bei Renou noch sehr
fragmentarisch angedeutet, bei Beaudouin zuerst in einem völligen, der Natur
des Hochgebirges allerdings angemessenen, aber schwerlich irgend wie genauer
ermittelten Systeme von Längen- und Quer-Thälern gezeichnet erscheinen, wel-*
ches ich vorgezogen habe als höchst unsicher durch Punktirung der Flufsläufe
anzudeuten: man darf nicht vergessen, dafs beide Autoren und ihre Gewährsmän-
ner in der Hauptstadt die topographischen Daten (Entfernungen, auch wohl Rich-
tungen, Bodenbeschaffenheit ete.) für dies ganze Gebiet zwischen F&s und Ma-
rocco nur aus dem Munde von Eingebormnen, resp. aus schriftlicher Ueberlieferung
älterer arabischer Autoren haben !); von Reisen europäischer Beobachter in die-
x
!) Wenn daher z. B. beide Karten übereinstimmen in der auf die Längenaxe
der Atlas-Hauptkette rechtwinklig gerichteten Streichungslinie dreier paralleler Ne-
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. 87
‚sen Berggegenden, selbst am Nordfulse des Atlas, kann bis jetzt noch um so we-
iger die Rede sein, da nach den übereinstimmenden Berichten früherer Erzähler
und einer Notiz der Beaudouin’schen Karte der Sultan selbst diesen nächsten
und ohne Zweifel anmuthigsten, weil im Berglande liegenden, aber durch Gebiete
rebellischer (d. i. keinen Tribut zahlender) Stämme führenden Weg zwischen sei-
nen beiden Hauptstädten nie zu benutzen wagt, sondern um von der einen zur
andern zu kommen jedesmal den zwei starke Winkel bildenden Umweg durch die
heilse sandige Küstenebene über Rebät und Azamör einschlägt.
Wenn in allen übrigen Punkten den kritischen und durch die genaue Repro-
duetion der Quellenangaben belegten Ansetzungen der Renou’schen Karte der
Vorzug gegeben worden ist, so war es möglich, dieselbe doch noch an mehreren
Stellen zu berichtigen und zu vervollständigen, vorzugsweise in den nördlichen
Theilen, welche dem zunächst zu erwartenden Kriegsschauplatze am nächsten liegen,
ohne damit freilich für diesen selbst irgend welche Garantie weiterer Aufhellung zu
bieten. Besonders geschah diels durch genauere Benutzung einiger von dem fran-
zösischen Autor nur oberflächlich verglichenen Quellen, nämlich der von Drum-
mond Hay in seinem geistreichen, als Sittenschilderung unübertrefflichen Büchel-
chen !) gelegentlich gegebenen Daten über. den nördlichsten Landstrich zwischen
Tandja und el- Arisch; ferner des Itinerars der österreichischen Gesandtschaft
nach Mikn&s ?*), besonders aber nochmalige Construction der Itinerare von Ali
Bei (der einzigen genau mit Distanzen und Wegerichtungen verzeichneten), be-
sonders des Weges zwischen Fes und Udjda, wonach die Stadt Theza wenigstens
um 12’ weiter westlich gerückt werden mulste, als Ali Bei’s Lüngenbestim-
mung sie angiebt, welcher Renou (l. c. p. 7) zu viel Vertrauen geschenkt und
sogar das Routier danach modifieirt hat. Da aber die von Ali Bei in den Kü-
stenstädten gemachten Längenbestimmungen sich durch die Controlle neuerer und
zuverlässigerer Beobachtungen sämmtlich als um mehrere Minuten irrig auswei-
sen (und zwar mit Ausnahme von Tandja alle als zu westlich, “Arisch um &',
Rebät und Mogador um 9’, Azamör um 11’), so trug ich kein Bedenken für die
Länge von Thöza (natürlich unter Beibehaltung seiner astronomisch bestimmten
_ benketten, des Djebel Marizän (oder Meräsen), Mastälitha (oder Mezettälsa) und Ma-
grän (die Namen fehlen in Beaudouin’s Karte, in der meinigen ist jene Richtung
durch die Stellung der Namen angedeutet), so ist daraus noch keineswegs auf eine
Uebereinstimmung mit der wirklichen, zur Zeit noch ganz unbekannten Naturform
zu schliefsen.
!) Western Barbary, its Wild Tribes and Savage Animals, London 1842; die bei
Frankh in Stuttgart (in der Sammlung „Weltpanorama“, Bd. 57—60, 1846) er-
schienene deutsche Uebersetzung ist nicht, wie auf dem Titel steht, nach dem eng-
_ lischen Originale, sondern nach der 1844 in Paris erschienenen französischen Ueber-
setzung der Madame Belloc ungemein nachlässig gemacht. Die Lectüre des sehr
E Kfisch und anmuthig geschriebenen Originals ist dringend zu empfehlen, man be-
_ dauert nur, dafs der durch seine häufigen Reisen in allen Theilen des Landes zur
Bereicherung der Landeskunde so wohl befähigte Autor sich bis jetzt nicht ent-
_ schlossen hat, mehr aus seinen Schätzen Mirkrdtheren.
2) Freih. v. Augustin, Erinnerungen aus Marocco, Wien 1838; daraus ist na-
mentlich die Lage von Djebel Silfät (bei ihm falsch Sillat), Zäwiet M. Idris und Kasr
Far’ön und der Lauf des Flusses von Miknes gegen Renou’s Ansetzung berichtigt.
88 Miscellen:
Breite), vielmehr seinem durch die neuere Fixirung des östlichen Endpunktes Y
Udjda an der algerischen Grenze gesicherten und auch durch L. Scott’s Anga-
ben ') bestätigten Itinerare zu folgen.
Die Position von F@s, wo Ali Bei sich hinreichend lange aufhielt, um durch
oft wiederholte Beobachtungen ein sichreres Resultat auch für die Länge gewin-
nen zu können, ist demzufolge unverändert um so mehr beibehalten worden, als
die Entwickelungen der Itinerare Ali Bey’s selbst nach Rebät und Tandja, für
letzteren Weg auch das von Caraman bei Renou damit sehr wohl übereinstim-
men. Auch die von Ali Bei und Washington fast genau identisch bestimmte
Position von Marocco ist unverändert aufgenommen, wenn ich auch keineswegs
mit Renou die geringe Differenz beider Berechnungen (9” in der Breite, 39’ in
der Länge) allein auf die Verschiedenheit der Beobachtungsstationen zurückfüh-
ren, das Resultat mithin für ein gegen jeden Zweifel gesichertes erklären möchte;
doch sind andererseits Beauclerk’s, Richardson’s u. a. übereinstimmende Angaben
von nur 4 bis 44 Tagemärschen Weges zwischen der Hauptstadt und ihrem fast
genau westlich gelegenen Hafen Suera (Mogador) nicht hinreichend specifieirt,
um allein auf diese Autorität eine Verkürzung der für 4 Tage allerdings auffal-
lend grofsen Distanz von 27 deutschen Meilen, somit eine westlichere Verschie-
bung der Position von Marocco (da die Länge von Mogador durch Boteler und.
Arlett wohl hinreichend festgestellt ist) versuchen zu dürfen.
Die wenigen seit dem Erscheinen von Renou’s Werk, d. i. in den letzten
15 Jahren neu hinzugekommenen Reiseberichte liefern kein ferneres Material zur
Vervollständigung der Topographie: Barth’s Reise im Jahre 1845 beschränkte
sich auf die nördlichste Ecke des Landes, seines späteren Mitreisenden Richard-
son Besuch sogar nur auf die Küstenstädte Tandja und Mogador, wo er einige
Erkundigungen über politische und sociale Zustände des Inneren einzuziehen Ge-
legenheit hatte, so dafs das von seiner Wittwe aus dem hinterlassenen Tagebuche
soeben herausgegebene sehr inhaltleere Buch mit Unrecht den wohl nur von mer-
eantilischer Speculation eingegebenen Titel „Travels in Morocco“ führt.
Für eine annähernd richtige Darstellung der Höhenverhältnisse dieses Erd-
raumes fehlen fast noch die ersten Elemente. Höhen sind, aufser einzelnen vom
Meere aus sichtbaren Berggipfeln, welche bei den Küstenaufnahmen trigonome-
!) Scott giebt nämlich auf Hin- und Rückweg übereinstimmend 5 Tagemärsche
zwischen Theza (bei ihm Taasa geschrieben) und Udjda (sein Rio Salado, 2 Tage
von Th£za, ist natürlich der von seinen spanischen Begleitern irrig übersetzte Name
Mulüya, sein Thal von Aza, 1 Tag weiter und 2 Tage diesseit Udjda, ist der
Wadi-en-Nesä) — dagegen nur 31 gewöhnliche Märsche zwischen Theza und Sük
Scherägha (Charagat schreibt er, welches der eigentliche unterscheidende Ortsname
ist, der Name Sük Teläta bezeichnet den Ort nur als einen Marktplatz, wo Diens-
tags Markt gehalten wird), und für den gewöhnlichen Verkehr zwischen Theza und
Fes 2 starke Märsche, welche in seiner Route nur durch Witterungshindernisse auf
4 kleine Tagereisen verlängert werden. Alle diese Angaben würden auf Ali Bei’s
und Renou’s Länge von Theza = 6° W. Paris nicht passen. Es sind dies übri-
gens, abgesehen von ein paar Bemerkungen über die Streichungslinien der Bergrücken
in diesem Gebiete (vorherrschend O.-W. zwischen Fes und Theza auf der Nordseite
des Flufsthales, p. 19, dagegen NO.-SW. in der Nähe des westlicheren Wadi Wergha,
p- 14) die einzigen topographisch brauchbaren Daten in dem ganzen Scott’schen
Buche. j
Bemerkungen zu der Karte von Marocco. 89
trisch bestimmt wurden, nur von Capt. Washington auf seiner Reise nach Ma-
_ r0cco einige gemessen, welche unsere Skizze sämmtlich wiedergiebt '); es ergiebt
sich aus denselben eine mittlere Anschwellung der meist steinigen, wasserlosen
_ und unfruchtbaren Ebenen zwischen Marocco und Azamör bis in ziemliche Nähe
_ der Küste zu zwischen 500 und 1000 Fufs, und die Analogie der bekannten Hö-
- henverhältnisse der Binnenebenen Algeriens läfst bei der, wie es scheint, sehr ein-
förmigen und regelmäfsigen Oberflächenbildung dieses ganzen nordafricanischen
Hochlandes einen Zusammenhang der dem Nordfulse des Atlas angelagerten An-
' schwellungen auch zwischen dem Thale der Umm-er-Rebi’a und der Mulüya als
wahrscheinlich annehmen; für eine mittlere Meereshöhe von etwa i000 Fufs oder
mehr für die Ebenen in den oberen Thälern des Ordüm und Sebü, in welchen die
nördlichen Hauptstädte Mikn@s und F&s liegen, sprechen auch die von verschiede-
nen Reisenden gegebenen Schilderungen sowohl des Klimas und der Vegetation
_ dieser Hochthäler im Gegensatz zu den im Sommer völlig ausgetrockneten sonnver-
brannten Küstenebenen, als auch der Engschluchten der Flüsse und der zum Theil
durch zerrissene Gebirge führenden Pässe, welche auf der Strafse zwischen die-
sen Hauptstädten und der Ebene des untern Sebü zu überwinden sind. Dafs das
ganze von der verhältnifsmälsig eingesenkten Spalte des Sebü-Thales nördlich
bis zur Mittelmeerküste sich ausdehnende wilde und schluchtenreiche, daher auch
schwer zugängliche und unter dem Namen Rif von fast ganz unabhängigen Ber-
berstämmen bewohnte Gebiet gleichwohl nur als Mittelgebirgsland anzusehen ist,
und sich auch in einzelnen höheren Ketten und Gipfeln nicht über die durch-
schnittliche Höhe von 3— 4000 Fufs erhebt, geht aus der Gleichförmigkeit seiner
Erscheinung mit den Bergländern der algerischen Küsten für den Anblick vom
- Mittelmeere aus hervor ?). Für den südlicheren, im einzelnen noch ganz uner-
forschten breithingelagerten Hauptzug des Atlas lassen die von Renou combinir-
ten und discutirten dürftigen Angaben der Einheimischen eben nur mit einiger
Wahrscheinlichkeit erkennen, welche Landstriche etwa im engeren Sinne dem
Hochgebirge (ich meine einer durchschnittlichen Erhebung von 3— 4000 Fuls und
mehr) und welche etwa den Vorstufen oder den hohen Plateaux angehören. Dals
die dem südöstlichen Gebirgsfulse angelagerten ausgedehnten Ebenen an den
Wüstenströmen Ziz und Gir zu einer nicht ganz unbedeutenden mittleren Höhe
ansteigen müssen, geht ebenfalls aus der Analogie mit den algerischen Wüsten-
plateaux, deren westliche Fortsetzung sie bilden, hervor.
Bei so fragmentarischer Kenntnifs wird vielleicht selbst die möglichst allge-
mein gehaltene Andeutung der Hauptformen des Bodens durch Farbentöne ver-
schiedener Schattirung, wie sie nur zu leichterer Veranschaulichung der Vorstel-
lungen, die sich dem Verfasser aus speciellerem Studium der Reiseberichte als
wahrscheinlich ergeben haben, in beiliegender Skizze versucht wurde, dem Vor-
wurfe allzu bestimmten Ausdrucks hypothetischer Annahme nicht entgehen, wenig-
stens liels es sich nicht vermeiden durch naturgemäfsen Anschlufs der Grenzen
y 1) Aufserhalb des südlichen Randes derselben vorzüglich noch die des höchsten
im Süden der Hauptstadt sichtbaren gewöhnlich mit Schnee bedeckten Gipfels der
Hauptkette des Atlas, Miltsin genannt, zu 10,700 Pariser Fufs.
2) Berthelot bei Renou p. 364.
90 Miscellen:
der Farbentöne an das in sich selbst zum Theil so zweifelhafte Flufsnetz eine
scheinbar gröfsere Bestimmtheit der Formen zu bieten, als irgendwie vertreten
werden kann. Gleichwohl blieb diese Art der Bezeichnung fast die einzige aus-
führbare zur Darstellung des Gesammtcharakters des Landes, während bei der
gewöhnlichen Art der Bergschraffirung der kritische Bearbeiter blols die wenigen
sicher festgestellten Bergformen angeben, wenigstens neun Zehntheile des ganzen
Berglandes dagegen gar nicht darstellen konnte, um nicht durch Wiedergabe
oder gar weitere Ausführung der in den französischen Karten angegebenen Formen
den Vorwurf rein willkührlicher und phantastischer Raumausfüllung zu verdienen.
Dieser Vorwurf trifft natürlich auch mehr oder weniger, je nach verhältnilsmälsi-
ger Reduction des Malsstabes, alle diejenigen Karten, auf welchen das in Rede
stehende Ländergebiet als integrirender Theil eines grölseren Ganzen um der ie
gleichartigen Darstellung zusammenhängender Naturformen willen in der bezeich-
neten Manier, nicht ohne Hülfe graphischer Phantasie ausgeführt ist, so z. B. jede
Karte von Europa, auf welcher eine Auslassung der Gebirgsdarstellung dieses ein-
zigen Landes peinlich, den Gesammteindruck störend erscheinen würde; wie denn
auch in derselben Art der Ausführung eine Karte des ganzen nördlichen Afrika,
wie No. 35 meines Atlas (in 2 des Mafsstabs der vorliegenden) allerdings mehr
dem Bedürfnisse allgemeinerer Anschauung als kritischer Geographie angepalst ist.
Hinsichtlich der Schreibung der arabischen und berberischen Namen wird
die genauere Unterscheidung mehrerer nur dem Orientalisten wichtigen feineren
consonantischen Nuancen (Unterstreichung der sogenannten emphatischen Buch-
staben, Bezeichnung des leisen Gutturalhauchs “ain durch “), deren Angabe durch
Renou’s und zum Theil Gräberg’s verdienstliche Thätigkeit auf diesem Felde
ermöglicht war, den Nichtphilologen wenigstens nicht stören; eher dürfte dies die
theilweise Accommodation des von mir befolgten Transscriptionssystems an die
französische Schreibart: dieselbe erschien jedoch zweckmälsig wegen des beque-
men Anschlusses der Karte an eine demnächst erscheinende in demselben Mafs-
stabe ausgeführte Karte von Algerien, auf welcher sie, wegen der im neuen
Colonisationsterrain schon hin und wieder eingestreuten französischen Namen und
wegen der bereits bestehenden Gewohnheit in der Zeitungs- und Touristen -Lite-
ratur, auch alle arabischen Namen dieses Landes in französisches Gewand zu
kleiden, durchaus nicht zu umgehen war. Andererseits konnte besonders be- ;
züglich der Aussprache der Vocale, bei der Unzuverlässigkeit und Diserepanz der
europäischen Quellen und der mangelhaften Bezeichnungsart der einheimischen
Schreibung ein strenges System nicht wohl durchgeführt werden: so ist die im
ganzen Maghrib (auch in Algerien und Tunis) fast allgemein gebräuchliche Aus-
sprache des langen & als € nicht überall streng befolgt, da auch Einheimische
neben der Vulgäraussprache, z. B. in F@s, Miknes, Thöza, oft die ursprüngliche -
reinere Vocalisirung Fäs, Miknäs, Thäza beizubehalten pflegen ').
!) Das in diesen bekannten Namen aus der spanischen Schreibart bei den Eu-
ropäern eingebürgerte z ist der genaueren Aussprache wegen mit dem richtigeren s
vertauscht. Tanger und Tetuan sind bekanntlich durch den Einflufs der zuerst
festgestellten portugiesischen Schreibung bei den Europäern eingewurzelte Ent-
nur, weil sie oft in Zeitungsberichten vorkommen.
9
Neuere Literatur.
Geographische Hand- und Schulbücher.
1) J. G. Fr. Cannabich’s kleine Schulgeographie. 10. Auflage. Neu be-
arbeitet von Dr. Friedr. Maximilian Oertel. Weimar, 1859 bei B. FE.
Voigt.
Der Veteran Cannabich starb am 2. März 1859, fast 82 Jahre alt; seine
Biographie dürfen alle Verehrer des Verstorbenen von einer befreundeten Hand
erwarten. Für die Güte des in 85000 Exemplaren verbreiteten Werkes spricht,
dafs es noch jetzt, nachdem 40 Jahre seit seinem ersten Erscheinen verflossen
sind, begehrt wird: die erste Auflage erschien bereits 1818, und zwar als ein
Auszug aus dem 1816 in erster und 1818 bereits in dritter Auflage erschiene-
nen Lehrbuche der Geographie desselben Verfassers. Der jetzige Bearbeiter hat
manches Detail gestrichen, was er wohl mit Recht als entbehrlich ansah, z. B.
Häuserzahl der meisten Städte, die Aufzählung der Departements in Frankreich,
die Shires in Gro/sbritannien, die Gouvernements in Rufsland, Comitate in Un-
garn u. s. w. und dafür einige Regeln über die Aussprache der Namen in den
fremden Sprachen als gewils dankenswerthe Neuerung hinzugefügt. Indessen
dürfte doch auch einenoch sorgfältigere Durchsicht des geographischen Materials
nicht ohne Nutzen sein. Wenn z.B. als die vorzüglichsten Seen Norddeutsch-
lands der Ratzeburger und der Schweriner See aufgeführt werden, so ist das
eine durch nichts gerechtfertigte Ungerechtigkeit gegen den Plöner See und
die Müritz, abgesehen selbst von den gröfseren Landseen Pommerns. Im Grofs-
herzogthum Baden vermilst man die bedeutende Fabrikstadt Lahr, während viele
unbedeutende Ortschaften aufgezählt sind und das weltbekannte Baden-Baden
liegt noch immer am „Oelbache“ statt am Oosbache. Dafs unter den asiati-
‚schen Hauptflüssen die Kolyma und der Menam aufgeführt werden, der Mekhong
und Saluen aber nicht, ist um so auffallender, als auf S.215 der Mekhong „der
grölste der hinterindischen Flüsse“ genannt wird, auf S. 197 aber die Kolyma
ganz übergangen ist und an ihrer Stelle von den sibirischen Strömen der Anadyr
sich erwähnt findet. Neben dem Syr, Amu und Ural hätte auch der Tarim auf
S.193 genannt werden müssen. Ebenso ist die Vebergehung des Saskatschawan
auf S. 262 bei Erwähnung des Oregon nicht zu rechtfertigen. Die Gebirge Van-
diemenlands — wenngleich der Humboldt-Berg 1000 Fufs höher als angegeben
aufsteigt — tragen dennoch ($. 311) keinen ewigen Schnee u. s.w. Diese an
sich geringfügigen Monita dürften bei fernereu Ausgaben leicht zu vermei-
den sein.
2) Lehrbuch der vergleichenden Erdbeschreibung für die oberen Klassen hö-
herer Lehranstalten und zum Selbstunterricht von Wilhelm Pütz. 3. Auf-
lage. Freiburg im Breisgau, Herder’sche Verlagshandlung.
Wie schon der Titel andeutet beabsichtigt dies Werk einer höheren Lehr-
‚stufe, einer wissenschaftlicheren Auffassung der Erdbeschreibung zu dienen. Die
mathematische Geographie ist freilich hier noch kürzer, als im vorstehenden
92 Neuere Literatur:
Lehrbuche, mit kaum 4 Seiten abgefunden; ebenso ist die politische Geographie
weniger reich bedacht hinsichtlich der Aufzählung von Städten, und namentlich &
hinsichtlich der Anführung ihrer Merkwürdigkeiten. Dafür aber ist die physische
Geographie, die Ethnographie, die Cultur-Statistik ungleich reicher bedacht; da-
neben ist das gegebene Material verarbeitet und durch Reflexionen interessant
gemacht. Um dieser Reflexionen halber ist das Buch auch für reifere Leser
beachtenswerth und darf beanspruchen, nicht blos als Lehrbuch allein, sondern
auch als Unterhaltungsleetüre zu dienen. Gebührt dem Herrn Verfasser in Be-
treff dieser Reflexionen nach eignem Geständnifs wohl nur mehr das Verdienst
einer umsichtigen und geschickten Zusammenstellung als der ursprünglichen Con-
ception, so ist eben auch diese Popularisirung kein geringes Verdienst zu nen-
nen. In einzelnen Daten mag der Verfasser zu blindlings einzelne Irrthümer
sonst gediegener Autoritäten nachgeschrieben haben, so z.B. wenn S. 37 Bor-
neo auf 10000 (statt auf 13000) Quadratm., Celebes auf 2600 (statt auf 3200)
Quadratm, angegeben wird, wenn er ferner $. 344 die Ausdehnung der Wasser-
flächen Skandinaviens auf 1300 Quadratm., wohl nahe an 1000 Quadratm. zu
viel schätzt; wenn $. 376 das Gebiet des nordamerikanischen St. Lorenzstromes
auf 62000 Quadratm. bestimmt wird, während jede Generalkarte zeigt, dals es
kaum mehr als den dritten Theil mifst. An einigen Stellen ist die Dietion et-
was flüchtig, so z. B. wenn $. 409 die Colonie Neu-Süd-Wales „die wichtig-
ste“ und die Colonie Vietoria „die erste“ unter den australischen Colonien
genannt wird; auch scheint es eine Flüchtigkeit, dafs die Angabe der Bevölke-
rung der Stadt Berlin vermifst wird. Diese kleinen Mängel und einzelnen Irrthü-
mer wird der Lehrer und aufmerksame Leser leicht ergänzen und verbessern: —
sie verschwinden gegenüber dem trefflichen Gesammtinhalt, der sorgfältigen span-
nenden Darstellung.
3) Grundrifs der Geographie von Daniel Völter. Efslingen, Verlag von Con-
rad Weychardt.
Das Verdienst dieses Werkes den beiden eben genannten, etwa gleich um-
fangreichen (350 bis 500 Seiten) gegenüber besteht in einer ausführlicheren Be-
handlung der mathematischen Geographie, die durch 13 in den Text eingedruckte
Figuren illustrirt wird. Sodann findet am Ende der physikalischen Geographie
das Mineral-, Pflanzen- und Thierreich eine kurze Berücksichtigung, ja es ist die
Gäa, Flora und Fauna der einzelnen Welttheile und, als zunächst die Leser die-
ses Buches interessirend, sogar die der Staaten des deutschen Bundes abermals
ins Besondere dargestellt. Die Behandlung des speciellen Theiles ist im Uebri-
gen wie die Cannabich’sche in der Hauptsache eine rein politische Geographie;
etwa nahezu so reich an Namen, aber viel reicher an Zahlen als jene, indem
überall die Einwohnerzahlen der genannten Ortschaften aufgeführt werden. Herr
Völter hat indessen auch aus der physikalischen Geographie und Cultur-Sta- ”
tistik reichere Daten herbeigezogen. Obschon auch hier einzelne Fehler in den
zahlreichen Zahlenangaben sich nachweisen lassen, (so z. B. werden S. 193 vom
Flächeninhalt der Schweiz (= 754 Quadratmeilen) den ewigen Schneefeldern
125 Quadratmeilen, den Gletschern 50 Quadratmeilen und den Seen 39 Quadrat-
meilen zugewiesen; während selbst Ebel nur 534 Quadratmeile Firn und Glet-
- F. N. Lorenzen: Jerusalem. K. Pfyffer: Der Kanton Luzern. 93
scher, Berlepsch aber nur (und gewils der Wahrheit näher) 33 bis 40 Quadrat-
meilen rechnet: also kaum 4 der obigen Summe), so erscheint der Gesammtin-
halt doch von mehr als gewöhnlicher Zuverlässigkeit. Ueberhaupt wird man
sich mit dem Buche trotz der etwas trockenen Darstellung bei näherer Prüfung
des Gegebenen befreunden. Seine Lehrstufe ist eine mittlere zwischen den bei-
den oben genannten Werken; die äufsere Erscheinung steht dem Herder’schen
Verlagswerke durchaus nicht nach. S.
Jerusalem. Beschreibung meiner Reise nach dem heiligen Lande im Jahre
1858. Von F. N. Lorenzen, Diakonus zu Delve. Kiel 1859. Schrö-
der u. Co. 461 8.
Der Wanderlust des Herın Verfassers wies ein religiöses Bedürfnifs das hei-
lige Land als Reiseziel an; die Erlangung des Harms’ischen Stipendiums zu die-
sem Zwecke machte ihm die Ausführung des lange gehegten Wunsches möglich.
Jenes Stipendium, zum Andenken an das 25jährige Amtsjubiläum des bekannten
Theologen Harms gestiftet, soll examinirten Theologen aus Schleswig und Hol-
stein zur Erlangung einer noch gründlicheren Bildung, sei es durch Reisen, sei
es durch Aufenthalt auf Universitäten, verhelfen. Die vorliegende unterhaltende
und erbauliche Reisebeschreibung ist für das grofse Publicum, nicht für Fachge-
lehrte geschrieben und erfüllt diesen Zweck ausnehmend gut. Erbauliche Be-
trachtungen, Schilderungen der Religionszustände und des Missionswesens wech-
seln mit historischen Rückblicken und kleinen Reiseabenteuern ab. Wissenschaft-
liche Betrachtungen anzustellen, hatte der Verfasser nur während seines fünfwö-
chentlichen Aufenthaltes in Jerusalem genügende Mufse: er hat aber auch diese
Beobachtungen einstweilen zurückgelegt. Ueber Smyrna, Rhodus, Cypern, Bei-
rut, Jaffa gelangte der fromme Reisende nach Jerusalem und machte von dort
Ausflüge nach Jericho, dem Jordan, dem todten Meere und nach Hebron. So-
dann trat der Verfasser seine gröfsere Reise nach Nablus, Nazareth, Tiberias,
dem Karmel und Akka an, über Tyrus und Sidon, den Libanon und Antiliba-
non, Damaskus, Baalbek, den Dschebel Makhmel nach Beirut zurückkehrend.
Hier schiffte er sich im österreichischen Lloyd-Dampfboot nach Alexandrien ein
auf dem Rückwege nach Triest. Wer gar keine Karte von Palästina besitzt, mag
dem Verfasser für die beigegebene danken. Dafs Herr Lorenzen ein Leser-Pu-
blicum findet, welches er völlig befriedigt, ist gar nicht zu bezweifeln. S.
Der Kanton Luzern, historisch-geographisch - statistisch geschildert von Dr.
Kasimir Pfyffer. Thl.1 u. 2. St. Gallen und Bern bei Huber u. Co.
1858 u. 1859. 411 u. 384 S,
Von dem historisch -geographisch -statistischen „Gemälde der Schweiz“, wel-
ches vor reichlich 20 Jahren von der Verlagshandlung Huber u. Co. in Angriff
_ genommen wurde, ist nunmehr in obiger Schilderung der 16te Kanton erledigt.
94 Sitzungsbericht
Bis hierher erschienen nämlich die Kantone Zürich (2 Thl.), Uri, Schwyz, Unterwal- A
den, Glarus, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen, Appenzell, Aargau (2 Thl.), Thur- I
gau, Tessin, Waadt (2 Thl.); aufserdem die erste Abtheilung des Kanton Grau-
bünden und der Halbkanton Baselstadt. Die Vertheilung einer solchen umfang-
reichen Arbeit unter mehrere Autoren hat gegen den natürlichen Nachtheil, dafs
eine völlig gleichförmige Behandlung dadurch unmöglich wird, den entschiedenen
Vortheil, dafs ganz besondere Ortskunde und eine anderweitig gar nicht zu er-
zielende Reichhaltigkeit des benutzten Materials dadurch gesichert wird. Da- \
gegen ist der Gesichtskreis des einheimischen Verfassers leicht ein beschränk-
terer, und wird beispielsweise eine Schilderung des Gebirgssystems des Kantons
Luzern von einem einheimischen Topographen schwerer in dem Maafse und Zu-
sammenhange gegeben werden, als in einer Beschreibung der Gesammt-Schweiz
oder des ganzen Alpengebirges. Herrn K. Pfyffer’s Kanton Luzern reiht sich
den besten früher erschienenen Abtheilungen des Gemäldes der Schweiz würdig
an; das historische Material verdient bei der einflufsreichen Stellung und nach
den früheren gelehrten Leistungen des Verfassers besonderes Zutrauen; die cul-
turgeschichtliche Abtheilung ist ungemein reich an Notizen und, wie leicht be-
greiflich, findet auch in der topographischen Abtheilung des zweibändigen Werkes
jeder Leser viel Neues. Die Ableitung des Namens „Luzern“ nicht von dem
Leuchtthurm im See, sondern von dem keltischen Lug Cern, d.h. Seeshaupt
(nach Bochat), scheint Viel für sich zu haben. Auch über den im Mittelalter
vielberufenen Pilatus-See, dem neuerlich sogar seine Existenz (von Aloys Busin-
ger) bestritten worden, findet sich das Verläfsliche: er ist, neuerdings abgegra-
ben, in trockener Jahreszeit kaum mehr als eine Pfütze. In jeder Beziehung er-
füllt diese Schrift die Aufgabe, ein Hausbuch zu sein für jeden Kantons - Ange- =
hörigen. Darauf ist auch die äufsere Ausstattung berechnet. Zwei Lithogra-
phieen: von Luzern der Stadt und der Sempach-Kapelle sind auf dem Um- ;
schlage beigegeben. S.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 7. Januar 1860.
Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei-
chung der eingegangenen Geschenke: 1) v. Etzel, Grönland, geographisch und
statistisch beschrieben. Stuttgart 1860. — 2) Haidinger, Ansprache gehalten Mi
am Schlusse des ersten Decenniums der K. K. Geolog. Reichsanstalt zu Wien. R i
"Wien 1859. — 3) Mädler, Beobachtungen der K. Universitäts -Sternwarte Dor- R
pat. Bd. XV. Abtheil. I. Dorpat 1859. — 4) Extraits des publications de la
Societe Imperiale geographique de Russie. St. Petersbourg 1859. — 5) Bote der
Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft. 1859. No. 5—8. — 6) Bulletin de la Societe
de Geographie. 4me Serie. Tom. XVIII. Paris 1859. — 7) The Journal of the =
Royal Dublin Society. No. XV. Dublin 1859. — 8) Zeitschrift für Allgemeine
Erdkunde. N. F. Bd. VI. Heft 4. Berlin 1859. — 9) Preufsisches Handelsar- 3
chiv. 1859. No. 41 —52. — 10) Petermann’s Mittheilungen. 1859. Heft XI.
Gotha 1859. — 11) Erman, Archiv für wissenschaftliche Kunde Rufslands. Bd. XIX.
Heft 1. Berlin 1859. — 12) Karte vom Preufs. Staate, mit besonderer Berück-
sichtigung der Communicationen, herausgegeben vom Handels-Ministerium. Ber-
lin 1859. 12 Bl. — 13) Keith Johnston, Royal Atlas of Modern Geography.
P. IV. Edinburgh. — 14) Cauchon, Map of the North- West Part of Canada,
Indian Territories and Hudsons- Bay. Toronto 1857. 2 Bl.
Herr Prof. Dove, legte ein colorirtes Exemplar der geologischen Karte von
Canada vor, auf welchem die der Küste der Hudsonsbai parallelen Lagerungs-
verhältnisse deutlich hervortreten. Er theilte ferner nach einem Briefe des Ge-
nerals Sabine mit, dafs am 1. September vorigen Jahres eine eigenthümliche Er-
scheinung auf der Photosphäre der Sonne gleichzeitig mit einer bedeutenden Stö-
' rung der Magnetnadel gesehen worden sei. — Hierauf legte Herr Dove eine grö-
- fsere Anzahl neuer Werke zur Ansicht vor, und fügte Bemerkungen hinzu: Un-
ter diesen einen von dem Board of Trade übersendeten Atlas über die Windes-
richtungen auf den verschiedenen Meeren, ferner den dritten Theil der von dem
Institut in Utrecht veröffentlichten Ergebnisse über Seestörungen und Winde,
Maury’s Nautical Monographs, die vom Admiral Fitzroy neu veröffentlichte Pas-
sage Table, sowie dessen Instructionen für die auf der See von Reisenden anzu-
stellenden Beobachtungen, das Beobachtungsjournal der „Fair Rosamond“ ange-
stellt zur Prüfung der Uebereinstimmung der für den Seemann so wichtigen An-
gaben eines Barometers, Aneroid und Sympiezometer, Byron Drury’s Klimatolo-
|
der Berliner geographischen Gesellschaft. 95
|
gie von Neu-Seeland nebst einem handschriftlichen Beobachtungsjournal des Dr.
Sehimper in Manilla. Ferner: Palermo und seine Bedeutung als klimatischer
Kurort von Rudolph Edlen von Vivenot jun., mit einer Karte der Umgebung von
- Palermo. — Icebergs in the Southern Ocean, by John Thomas Towson, London
4859, wonach die Eisberge auf der südlichen Halbkugel der Erde weit beträcht-
licher als auf der nördlichen sind, indem man einige wahrgenommen hat, welche
sich 500— 1000 Fufs über den Meeresspiegel erheben. — Translation from Dutch
Pamphlets on Herring Fisheries 1857, London 1858. Hieraus ist zu ersehen, dafs
_ die Häringe förmliche Wanderungen im Meere ausführen. — Nach einer telegra-
_ phischen Nachricht des Herın Leverrier berichtete er über den neuentdeckten
Planeten und die thermometrischen auf einen um die Sonne befindlichen Ring
bezogenen Untersuchungen des Herrn Buys Ballot in Utrecht. Herr Wolfers be-
merkte, wenn die Nachricht von der 19tägigen Umlaufszeit dieses Planeten um
die Sonne richtig sei, so betrage dessen Entfernung von der letzteren etwa + des
mittleren Abstandes der Erde von der Sonne. Ferner legte Herr Prof. Dove das
Resume des observations recueillies en 1856—1858 dans le bassin de la Saone
vor, wonach in diesem Sommer der Wasserstand der niedrigste seit Menschen-
gedenken war, und sprach zuletzt nach seinen eigenen Untersuchungen über die
bedeutenden Barometer-Schwankungen der zwei letzten Monate. Während am
* November in Memel das Barometer 11,” 8 unter dem mittleren Stande zeigte,
stand es am 10. December 12” über demselben. Gleichzeitig war am letzten
Tage der Stand in Königsberg 11," 5; in Beılin 10,” 5; in Trier 7,” 8. Auch
in diesem Jahre sei bei so grofsen durch südliche Winde veranlafsten Stauungen,
vie in früheren Fällen, Passatstaub diesmal in Gütersloh in Westphalen gefallen.
Herr v. Blandowsky hatte eine gro/se Karte von Australien zur Ansicht
ae
96 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.
aufgehängt und hielt einen Vortrag über diesen Erdtheil. Zunächst erwähnte er,
dafs zuerst die Portugiesen denselben im Jahre 1579 von der Torres-Stralse aus
entdeckt haben, und zeigte dann, wie später von verschiedenen Nationen die an-
deren Küsten entdeckt wurden. Dann folgte eine ausführliche Darstellung der °
einzelnen Expeditionen, welche zur Aufklärung des Innern ausgeführt worden
sind. Oxley drang zu diesem Behufe zuerst über die Blauen Berge vor. Nach
dessen Rückkehr trat eine längere Pause ein, bis Leichardt seine erste grolse
Expedition glücklich ausführte, deren reiche Resultate der Vortragende hervorhob.
Dieses Festland leide keineswegs, wie oft behauptet werde, an Wassermangel;
es habe vielmehr grolse Ströme, welche durch bedeutende Regengüsse gespeist
würden. Im Innern finde man auch viele Krokodille (Alligatoren), woher die
Benennung des Alligatorflusses. Die Expedition von Kennedy wurde besprochen,
wie auch die im Jahre 1854 von der geographischen Gesellschaft in London mit
grolsen Kosten ausgerüstete, an welcher Gregory und Müller Theil nahmen. Die-
selbe hatte geringen Erfolg, da Mangel an Unterhalt die Reisenden zwang, den
früheren Weg Leichardt’s zu verfolgen. Dieser war inzwischen bei seiner zwei-
ten Expedition verschollen und Gregory erhielt bei seiner Rückkehr vom Gou-
verneur Denison den Auftrag, Spuren von Leichardt aufzusuchen. Er begnügte
sich aber mit der Auffindung eines Baumes, worin ein L. eingeschnitten war, und
verfolgte dann seinen eigenen Weg, auf welchem er reiche Entdeckungen machte.
Es geschah noch der Expedition von Babbage Erwähnung. — Es folgte nun eine
Darstellung der Begründung der einzelnen Kolonien, wie Sidney, Van-Diemens-
Land, Melbourne, wobei der Vortragende den vorzüglichen Boden in der Umge-
gend von Carpentaria und Essington- hervorhob. Der Vortragende hat selbst vom
Cap Jervis aus geognostische Forschungen angestellt, deren Resultate er kurz
besprach. F
Herr Pitschner setzte seinen Vortrag über den Montblane fort, und gab
eine Darstellung des 3500 Quadratmeilen grofsen Panoramas, welches man von
der Spitze aus übersieht.
Zeitschrift für allöm. Erdkunde N.FBANIE.
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DER NÖRDLICHE THEIL
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Japan und feine Bewohner.
Gefchichtliche Rückblicke
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ethnographifche Schilderungen
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Seiner Königl. Hoheit dem Prinz: Negenten von Preußen
Der Derfaffer der „Neife nah Japan“ giebt in vorftehendem Bude
intereffanten hiftorifchen und ethnographifchen Commentar zu feinen frübenen:
über Japan und fein merkwirbiges Bolf.
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Im Verlage von DIETRICH REIMER in Berlin ist so "oben ori
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mit besonderer Berücksichtigung der Commünioktioheh |
nach amtlichen Quellen bearbeitet und herausgegeben |
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12 Blätter in Farbendruck. Maalsstab 1: 600000,
Diese Karte, welche aufser dem Preufsischen Staatsgebiet den =
deutschen Zollverein nebst Holland und Belgien, so wie beträchtliche
Theile von Oesterreich, Polen, Dänemark und Frankreich umfalst, ist.
in zwei verschiedenen Ausgaben zu haben:
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Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig.
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Atlas von Sachsen. 7%
Ein geographisch-physikalisch-statistisches Gemälde des Konigreichs
Sachsen.
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In drei Lieferungen zu 4 Blättern nebst Text. Folio, 7
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ZEITSCHRIFT
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u ;, ZA REE NER SER
we. . MIT UNTERSTÜTZUNG
UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG
rt...” | j - voN .
u: W. DOVE, C. G. EHRENBERG, H. KIEPERT ın zexuı,
R ’K. ANDREE ın orespen uno J. E. WAPPÄUS ın cörımeen.
HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. K. NEUMANN.
NEUE FOLGE,
'ACHTER BAND, ZWEITES HEFT.
:. BERLIN.
VERLAG VON DIETRICH REIMER.
Te 1860.
ALLGEMEINE ERDKUNDE.
Inhalt.
Seite
IV. Ueber das Klima des westlichen Europa. Von H. W. Dove. Zweite
Abhandlung. Frankreich. . . .». 2... TE EN.
V. Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische and: Ein Beitrag zur
historischen Geographie von Dr. v. Maack in Kiel. (Schlufs.) . . 112
VI. Ein Jagdausflug von Keren im Lande der Bogos nach dem Berge Zad’-
amba am oberen Laufe des Barka-Flusses. Von Werner Munzinger 141
Miscellen.
Ueber den Wasserstand und die Schiffbarkeit der Oder . . . . . „ 452
Ueber: den "Handel.yon';Marocco.. 2. 0. ne a
Weitere Nachrichten von Dr. Livingstone . » 2» 2 2.0. . 159
Bemerkungen zu dem Bericht über die russische Expedition nach Cho- j
rassan. Von Prof. Schirren zu Dorpat -. . . ». 2 2.0... .9,460
Verschiedene Arten von Schnepfen in China . . ». 22.2. .....160
Untersuchungen an der Küste von Japan. . » » 2 2 2.2.2... 14161
Die Aorere- und Parapara-Goldfelder auf Neu-Seelend.. . . . 163
Längenbestimmungen in Canada vermittelst des elektrischen Velgrauhen 165
Die Provinz Jujuy in der Argentinischen Conföderation. . » 2 . . 467
Eisberge im südlichen Ocean‘. U. 2. a
Neuere Literatur.
Schweizerkunde. Von H. A. Berlepsch. Erste FE Braun-
schweig 1860. (Schwetschke u. Sohn.) . . . 174
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 4. Februar 1860 175
Karten.
Taf. II. Geographische Karte der Gegenden zwischen Eider, Schlei und
Treene. Gez. von FE. Geerz.
IV.
Ueber das Klima des westlichen Europa.
Von H. W. Dove.
Zweite Abhandlung.
Frankreich.
Unter den 56 französischen Stationen, welche die von mir im
e 1848 veröffentlichten Temperaturtafeln enthalten, waren 42 den
ı Jahre 1788 erschienenen Memoires sur la Meteorologie von Cotte
lehnt. In keinem Lande der Welt hat man aber mit solcher Be-
mmtheit von einer Veränderung des Klima’s, welche hier durch die
‚der Revolution erfolgte Zerstückelung des Grundbesitzes besonders
fallend eingetreten sein soll, gesprochen als gerade in Frankreich.
re dies wirklich der Fall, so würde das durch die damaligen Beob-
tungen gewonnene Bild der klimatischen Verhältnisse des Landes
ee wenig entsprechen, eine auf neuere Beobachtungen ge-
ündete Betrachtung desselben daher nothwendig sein, selbst abge-
davon, dals bei den von Cotte veröffentlichten Mittelwerthen
3 "Angabe fehlt, zu welchen Stunden die Beobachtungen angestellt
den, eine Zurückführung auf wahre Mittel durch Elimination der
glichen Veränderungen daher unmöglich ist. In den hier beigefügten
feln beträgt die Anzahl der Stationen 96, für deren Berechnung das
waire meteorologique de la France, dessen Fortsetzung, das Annuaire
la Societe meteorologique de France 1849 —1856, und das Journal
agriculture pratigue von Barral das Material geliefert. Edmont
ecquerel hat in seinem Climat de la France ein Manuscript von
otte benutzt, welches noch andere Stationen enthält, da aber nur die
ittel des Sommers, Winters und des Jahres, nicht die der Monate
srden.
Die Temperatur-Verhältnisse Grolsbritanniens zeigten eine auf-
ende Gleichförmigkeit. Unter dem Einflusse einer südwestlichen
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 7
98 H. W. Dove:
Windesrichtung in der Nähe eines durch den Golfstrom erwärmten
Meeres sehen wir dort die Merkmale eines ausgesprochenen Seeklima’s
an den Westküsten am entschiedensten hervortreten und sich nach den
ÖOstküsten hin allmählich abstumpfen. Viel verwickelter sind die Er-
scheinungen in Frankreich, so sehr, dafs Martins (des climats de la
France et de leur influence sur son agriculture et le genie de ses habi-
tants) fünf besondere Klimate unterscheidet, die er Climat Vosgien,
Sequanien, Girondin, Rhodanien und Provengal nennt. Das erstere
herrscht im Elsals und Lothringen, sie gehören auch klimatologisch
zu Deutschland, die Grenzen des zweiten sind westlich das Meer, öst-
lich das Plateau von Langres. Seine Südgrenze verläuft von der Mün-
dung der Loire über Tours nach Nevers. Es umfafst also Nord-
Frankreich; die Champagne vermittelt den Uebergang der ersten bei-
den Klimate in einander. Zu dem Climat Girondin rechnet er das
Land zwischen der Loire und dem Cher im Norden bis zu den Pyre-
näen. Seine Westgrenze ist das Meer, seine Ostgrenze die Höhen des
Cöte d’Or, Charollais, Beaujolais, Forez, Velay und die Cevennen; es
schliefst sich unmittelbar an das vorhergehende an, ist aber wegen
seiner südlicheren Lage milder. Dieser erhöhten Temperatur Aquita-
niens verdanken die Thäler der Garonne, Dordogne, des Lot und des
Allier ihre Fruchtbarkeit, die Früchte der Touraine und des Angenais,
sowie der Bordeauxwein seine Berühmtheit; nur auf dem vulkanischen
Plateau der Auvergne, des Cantal und Velay erniedrigt sich die Tem-
peratur so, dafs mächtige Nadelholzwälder und Weidegründe an dasz %
nördliche Deutschland erinnern. Martins trennt davon die Thäler der 5
Saone, Rhone und der Isere als Climat Rhodanien, wegen seines bei
höherer Wärme doch an den Elsafs erinnernden Sonnen =
rakters und wegen seiner ungewöhnlichen Regenmenge, welche dort zu
den furchtbarsten Ueberschwemmungen Veranlassung giebt, der Häufig- P
keit seiner Gewitter und dem Zurücktreten westlicher Winde gegen
den vorwaltenden Wechsel von Süd und Nord, während der Südost
hauptsächlich den Ueberschwemmungen vorhergeht. Den Eintritt in
das provencalische Klima bilden die Felsen bei Pont St. Esprit, die
Herkulessäulen dieses begünstigten Himmelsstriches, der sich durch die
Riviera di Ponente und di Levante nach Ligurien fortsetzt, wo diese
Enclave des Südens im Norden endet. Das Aufhören der Cultur des
Oelbaumes bezeichnet die Grenze des Gebietes nach Norden, während
die Wasserscheide des Aude und der Garonne sie nach Westen hin
bestimmen.
Betrachten wir die geographische Lage Frankreichs und die Con-
figuration seiner Bodenfläche, so können wir diese Unterschiede wohl
begreifen. Dafs die weit vorspringenden Halbinseln der Bretagne und
Ueber das Klima des westlichen Europa. 99
nandie sich den klimatischen Verhältnissen von Süd-England an-
ehliefsen würden, war zu erwarten, schon die normannischen Inseln
‚der Temperaturtafel von England zeigten es; dafs aber der Unter-
schied zwischen dem kältesten und wärmsten Monat in Brest nur 7°.6,
in Cherbourg 9°.5 beträgt, mufs überraschen, aber Finisterre ist so
dem Einflusse des feuchten Südwestwindes ausgesetzt, dafs nach 31jäh-
rigen Beobachtungen in Brest an 158 Regentagen und 168 Regen-
jächten 36 Zoll Regen fielen, 16 Zoll allein vom October bis Januar.
Es wäre daher sehr zu wünschen, neue Beobachtungen von St. Brieuc
Bestimmtheit zu wissen, dafs ein verhältnifsmäfsig geringer nach SW.
‚hin vorliegender Landstrich doch bereits die Sommerwärme so merk-
lich erhöht, wie es die älteren Beobachtungen zeigen. Für den süd-
licheren Verlauf der Westküste Frankreichs übernimmt Spanien diese
olle des Schutzes. u gie Meeresnähe hier die hohe Winter-
und kältesten Monat Her erheblich grölser wird und von der
Küste nach dem Innern zunimmt, zugleich mit starker Abnahme des
vegens, welches ersichtlich ist, wenn man die 48 Zoll in Nantes mit
en 27 Zoll vergleicht, welche in Angers an 134 Tagen fallen.
E Von Bes bis Perpignan sperrt die höhe Mauer der Pyrenäen
ordwestwinden ihren Einfluls geltend machen können. Nach zwanzig-
ährigen Beobachtungen in Toulouse fallen unter 100 Windesrichtungen
50 auf NW. und W., nur 4 auf SW., während der im mittleren Eu-
°C pa so seltene Südost hier 24mal weht. Dieser Einflufs der Pyrenäen
rstreckt sich nach Fournet (Recherches sur la distribution des vents
Ominants en France) noch weiter, nämlich bis Montauban und Caus-
de; dennoch scheint das Ueberwiegen der nordwestlichen Windes-
ehtung über die südöstliche geringer zu sein, als sie die Beobach-
en geben, bei denen als Tagesbeobachtungen der Einflufs der täg-
‚hen Veränderung nicht eliminirt ist. Im Gebiete von Toulouse nennen
i lich die Landleute die nördlichen Winde res paresseur, weil sie
ät aufstehen, früh sich niederlegen und die ganze Nacht schlafen,
ährend die südlichen Winde Tag und Nacht gleich wehen, so dafs
los in seinen Eiudes sur la Meteorologie Toulousaine glaubt, dals
ide einander das Gleichgewicht halten.
An die Stelle des atlantischen Oceans als Wärmequelle im Winter
re
100 H. W. Dove:
tritt also hier das mittelländische Meer, besonders an der den Pyre-
näen parallel laufenden Küste von Montpellier bis Hyeres. Hier er-
reicht daher die Jahreswärme die Höhe von 12° R., eine Temperatur,
die von der von Nizza, Genua, Rom und Neapel wenig übertroffen
wird und nur 2 Grad hinter der von Palermo zurückbleibt. Aber
Nizza ist frei von dem heftigen Nordwest, dem Mistral, Mistraou, Ma-
gistral, Meistre, Vent de Cers, den schon Strabo als Melamboreas in
seiner furchtbaren Wirkung beschreibt, und von dem früher gesagt
wurde:
le parlement, le mistral et la Durance
sont les trois fleaux de la Provence,
Nicht vorhanden zu Julius Caesar’s Zeiten, soll er entstanden sein
durch die nach der römischen Eroberung eingetretene Abholzung des
Rhone-Delta’s und der dasselbe umgebenden Höhen. Die steinige
Fläche la Craou erwärmt sich nämlich unter dem Einfluls einer star-
ken Insolation in einem so hohen Grade, dafs in dem regenlosen Som-
mer hier die Erscheinungen der Luftspiegelung wie in Aegypten her-
vortreten. Die kalte Luft, welche die Schneegipfel der Alpen umsgiebt,
stürzt herab, um die durch Auflockerung entstehende Lücke auszufüllen,
und bildet den Mistral, der sich schon dadurch als locale Erscheinung
kundgiebt, dafs er wenige Meilen von der Küste nicht mehr empfunden
wird, während in Toulon, wo er im Mittel im Jahre 78 Tage weht,
er angekündigt wird durch einige am heitern Himmel plötzlich hervor-
tretende weilse Wolken, welche balles de coton genannt werden. Seine
Zunahme mit Annäherung an die Gebirge und entsprechender Entfer-
nung von der Küste tritt nach der Statistique des Bouches du Rhöne
deutlich hervor, denn in Marseille herrscht er 84 Tage, in Arles 85,
in Aix 88, im Thal der Durance endlich 90. Wie schnell aber hier
im Winter mit dem Fortgehen nach Süden die Temperatur zunimmt,
geht daraus hervor, dals man im Rhonethale neuerdings die Cultur
des Reis begonnen hat, ja in der Umgegend von Hyeres in manchen
Jahren die der Baumwolle gelingt, während Mandel-, Feigen- und
Johannisbrodbäume jährlich reife Früchte bringen. Welchen Einfluls
dabei die directe Insolation ausübt, läfst sich aus den von 1813 bis
1848 von Gasparin in dem freilich schon nördlicher gelegenen Orange
angestellten Beobachtungen schliefsen, welche für die Wärme eines
dem Sonnenscheine ausgesetzten und eines im Schatten aufgehängten
geschwärzten Thermometers folgende Werthe geben (R.):
Ueber das Klima des westlichen Europa. 101
Maximum Mittel
Sonne | Schatten frei | Schatten
nn Januar 12.53 6.22 6.14 299
' Februar 18.19 8.73 9.53 4,80
März 22.31 11.05 12.58 | 6.94
April 24.00 13.85 14.46 | 9,39
Mai 27.66 17.79 17.72 5 12.79
Juni 31.32 21.58 21.15. |... 16.44
Juli 34.42 23.58 23.61. | 18.19
August 35.13 22.98 23.64 | 17.58
September 31.36 19.33 20.70 | 15.08
October 23.42 15.10 15.15 | 10.99
November 15.90 10.34 9.63 6.86
December | * 12.70 6.91 7.02 | 4.07
Mittel 24.00 14.78 15.09 10.46
Bei der Betrachtung dieser Zahlen ist es auffallend, wie nahe sich
las ganze Jahr hindurch die höchste im Schatten beobachtete Wärme
an die mittlere in der Sonne erhaltene anschliefst. Wäre diese Er-
8 heinung allgemein, so würde sie für pflanzengeographische Unter-
; chungen von grolser Bedeutung sein, denn unsere meisten Qulturge-
yächse, besonders die Cerealien, sind der freien Insolation ausgesetzt,
und wir würden für die relative Wärmemenge, welche sie in verschie-
lenen Gegenden innerhalb bestimmter Stadien ihrer Entwickelung er-
halten, eine viel genauere Bestimmung erhalten, wenn wir sie mit den
mittleren Werthen der täglichen höchsten im Schatten erhaltenen
hermometerstände verglichen, als mit den aus den Tagesmitteln be-
stimmten Werthen. Aber es ist von vorn herein wahrscheinlich, dafs
in einem Klima, in welchem wegen vorwaltender Trübung überhaupt
die Effecte der Insolation unbedeutender sind, das Verhältnifs sich an-
E: s ; herausstellen wird, und in der That ‚finde ich durch Berechnung
Maximum Mittel
Sonne | Schatten frei | Schatten
Januar 6.05 3.99 1.91 2.03
Februar 9.31 6.27 3.88 3.55
März 12.79 8.39 5.90 4.81
April 16.36 11.19 8.25 6.91
Mai 23.20 15.12 12.94 10.05
Juni 25.92 17.64 15.90 12.70
Juli 27.69 18.69 17.38 13.97
August 26.67 18.48 16.55 15.66
September | 22.69 15.58 13.69 11.09
” October 17.78 12.08 10.15 8.44
Br November 10.76 7.83 9.48 9.07
But December 7.44 5.99 3.41 3.55
102 H. W. Dove:
Hier steht in allen Monaten die in freier Luft erhaltene mittlere
Wärme erheblich unter dem mittleren Maximum, welches im Schatten
erhalten wurde. So lange die einzelnen Factoren, welche hier zur Gel-
tung kommen, nicht gesondert ermittelt sind, entbehren alle pflanzen-
geographischen Untersuchungen, welche nur einen in’s Auge fassen,
einer sichern Grundlage, denn es ist klar, dafs da unter verschiedenen
klimatischen Bedingungen das Verhältnifs der Schattenwärme zu der
Wärme, welche der Insolation und freien Ausstrahlung ausgesetzte
Pflanzen erhalten, ein verschiedenes ist, die auf die blofse Schatten-
wärme gegründeten Schlüsse nothwendig zu falschen Ergebnissen füh-
ren müssen. .
Aus der Richtung des Thales der Saone und der Rhone nach der
Vereinigung beider Flüsse kann man vermuthen, dafs der Gegensatz
der Polar- und Aequatorialströme hier in Form einer Abwechselung
von Süd- und Nordwinden sich darstellen wird, aber die Beobachtung
mufs entscheiden, auf welcher Seite das Uebergewicht ist. Die Beob-
achtungen ergeben, wenn die neben dem Namen der Station stehende
Zahl die Anzahl der Jahre bezeichnet, aus welcher die Bestimmung
gewonnen:
| Breze la |
Paper Iron Yille Birlact PS St. bt
17
N. 432.3 334 243 167.9 | 149.5 100.3
NO. 10 45 49 2.678) 7% 24.1
O. 21.4 77 28 0.5.5, 4. 17.4
so. 26.2 51 8 | ante) 4.5 9.5
S. 145.8 179 290 108.3 | 107.5 59.5
Sw. 25.6 48 39 ae 63.3
W. 36.8 98 300 26.4 61. 43.9
NW. BEN 168 | 43 AOSZag! 414.5 36.2
Da für Vienne, Privas, Bresse, Chalonaise, Lons le Saulnier und ”
Dijon als vorherrschende Winde ebenfalls Süd und Nord angegeben
werden, so können wir für die in dem Hauptthale gelegenen Stationen
diese Richtung als die entschieden vorwaltende ansehen, zu welcher die
der allgemeinen westlichen Windesrichtung sich anschliefsenden hinzu-
treten, einerseits am Rande des Centralplateau’s in Breze la Ville; 183
Meter über dem Niveau der Saone, andererseits in St. Rambert am #
Fufse des Jura. P.
Da im achtjährigen Mittel in Orange die Geschwindigkeit des
Windes von NO. durch N. bis SW. nach Gasparin 5.125 Meter in F)
der Secunde, die von SW. durch S. bis NO. hingegen nur 0.864, so
sieht man, dafs die nördlichen Winde nicht nur der Anzahl nach, son-
dern auch in Beziehung auf Stärke die überwiegenden sind. Nach
vierzigjährigen Beobachtungen in Paris ist das Verhältnifs der Rich-
Ueber das Klima des westlichen Europa. . 103
tungen in den vier Jahreszeiten und im Jahre nach Haeghens fol-
‚gendes:
ar Winter | Frühling | Sommer | Herbst Jahr
NO. 1132 1567 1015 1045 1191
0. 676 792 535 775 694
so. 1034 729 501 940 799
S. 1725 1312 1070 | 1809 1476
SW. 1917 1637 2103 | 2083 1935
W. 1599 1542 2394 | 1586 1782
NW. 955 1078 | 1327 | 971 1084
N. 962 | 1343 | 1055 | 791 1039
Der Nordost und Südwest treten also in allen Jahreszeiten mit
schon im Jahre 1829 gezeigt habe, für das nördliche und mittlere Eu-
-ropa die Regel ist, und zwar mit entschiedenem Ueberwiegen des süd-
‚lichen Stromes über den nördlichen. Südfrankreich mit dem tief in
das Innere des Landes eingreifenden Rhonegebiet bildet also eine merk-
" würdige Ausnahme der Verhältnisse, welche sonst als die allgemein
ültigen hervortreten. Man kann diese Ausnahane nur als eine grofs-
artig hervortretende locale Störung ansehen, als einen Thalwind im
Sinne der besonders von Fournet untersuchten Bewegungen der Luft
aus den Gebirgsthälern in die sie begrenzenden Ebenen, welche hier
durch das mittelländische Meer dargestellt werden.
Diese durch die Gesammteonfiguration der Bodenfläche hervorge-
rufene Störung wird nach der Höhe zu abnehmen. Dies geht deutlich
aus den von Bertrand de Doue (de la frequence comparee des vents
superieures et inferieures sous le Climat du Puy en Velay) angestellten
Jntersuchungen hervor. Im fünfjährigen Mittel der Beobachtungen der
Windfahne von Corneille in der Höhe von 760 Meter verglichen mit
dem Zuge der Wolken findet sich das Verhältnifs der auf die vier
Hauptrichtungen projieirten unteren zu den oberen Richtungen:
für Nord 440 : 467,
- Ost 213: 88,
- Süd 256:192,
- West 259: 389,
woraus hervorgeht, dafs obgleich der unten gehemmte West in der
Höhe entschiedener hervortritt, doch auch oben noch die Hauptrichtung
auf die Westseite fällt. Dafs aber die in Paris hervortretenden, den all-
emeinen Bewegungen der Atmosphäre ungestörter sich anschliefsenden
Verhältnisse für das nördliche Frankreich überhaupt ihre Gültigkeit be-
halten, geht daraus hervor, dafs nach Fournet im Mittel von 44 Sta-
tionen der herrschende Wind an 21 SW., an 10 W., an 3 8. ist,
während auf NW., N. und NO. im Ganzen nur 10 kommen.
104 H. W. Dove:
Das Niveau der Ströme wird abgesehen von den durch die Schnee-
schmelze veranlalsten Hochwassern und den bei Eisgängen erfolgenden
Rückstauungen vorzugsweise bestimmt durch das Verhältnifs der Ver-
dunstung zu der auf dem Flufsgebiete herabfallenden Regenmenge. In
der gemäfsigten Zone überhaupt nimmt die Verdunstung zu von der
kälteren Jahreszeit nach der wärmeren hin, einerseits wegen der sich
steigernden Wärme und an vielen Stellen, weil zugleich die relative
Feuchtigkeit im Sommer geringer ist als im Winter. In dem Gebiete
der Sommerregen, welche von der Schweiz an für das mittlere und
östliche Europa die vorherrschenden sind, erreicht die Regenmenge zu
der Zeit ihr Maximum, wo die Verdunstung am stärksten ist, die bei-
den einander entgegenwirkenden Ursachen suchen also einander zu
compensiren. Anders ist es bei den subtropischen Regen, wo die ge-
ringste Verdunstung in der Zeit erfolgt, in welcher das meiste Wasser
als Regen herabfällt. Da wo diese als Winterregen auftreten, wird
das Niveau der Wasserflächen, insofern es von diesen Ursachen ab-
hängt, ununterbrochen vom Winter nach dem Sommer hin abnehmen,
also ein Maximum und ein Minimum zeigen, hingegen der Wasserstand
der Ströme eine verwickeltere Form annehmen, wenn, wie es an der
äulseren Grenze der subtropischen Regen der Fall ist, die eigentliche
Regenzeit einen längeren Zeitraum als die eigentlichen Wintermonate
umfafst und mit einem Herbstmaximum beginnt und in einem Früh-
lingsmaximum endigt. Dies ist aber die Erscheinung, welche eben die
subtropischen Regen Italiens, Südfrankreichs und Spaniens von den
Herbstregen an der Westküste Europa’s unterscheidet, wie sie an den
Westküsten von Frankreich, Irland, England und Norwegen hervor-
treten. Als Beispiel für diese Verhältnisse des Niederschlags zu der
relativen Feuchtigkeit möge Orange dienen.
relative Wassermenge
Feuchtigkeit Nele ae ini Cubikmet.
Millim, N Millim, Millim, | Gr.
Januar 79.9. Mh eb. le oe, Bo
Februar 70.1 86.2 38.9 | 6.57
März 67.5 | 160,7 | 46.3 71.85
April 64.2 | 189.7 | 65.9 9.67
Mai 58.5 238.5 | 69.9 11.16
Juni 55.5 331.0 Ab3.:.| 41347
Juli 51.5 375.3 47.9 7. 13.94
August 54.8 305.8 37.5 | 13.63
September 64.4 181.0 | 123.1 13.69
October 21.2 143.5 | 112.7 11.67
November 74.4 85.4 88.8 12.29
December 80.2 60.9 54.9 | 6.74
Jahr 66.0 752.6 2204.4 | 10.29
Ueber das Klima des westlichen Europa. 105
Der Effect der Verdunstung erniedrigt also das Niveau der Ströme
_ eontinuirlich vom Januar bis zum: Juli, während hingegen die Regen-
_keres im Herbst. Aus 12 Jahren der Resumes des observations re-
ceuillies dans le bassin de la Saone par les soins de la Commission
Iydrometrique de Lyon habe ich die mittlere Höhe der Saone bei Tre-
9ux bestimmt und füge dazu die der Rhone bei Lyon aus Bravais’
eographie physique de la France in Metern:
Saone Saone
12 BR N Ge yon
Januar 1.709 0.85 2.29
Februar 2.320 Sa hr 0 Si
März 2.055 10229
April 2.131 1.03, „1.,1,29
Mai 1.300 1.26. ..| „1.34
Juni 1.099 1.217’ 0,89
Juli 0.725 429.7: 0:98
August 0.861 1.31: 1770,58
September 0.889 aaa Set]
October 1.463 AR TE
November 1.600 | 1.33 2.21
December 2.030: :|..,1:20 2.44
Bei der Saone erscheint die Verdunstung als überwiegendes Mo-
ii ent, während das viel constantere Niveau der Rhone seine Erklärung
als in dem unteren Laufe des 2 D£ wovon die beiden folgenden
aus der Hypsometrie von de Candolle und Peyret d’ Allier ent-
ehnten Tafeln einen Beleg enthalten. Bei zwei Hochwassern war
nämlich der Stand desselben:
Lyon. . ......5.30 Meter, Lyon . . 5.53 Meter,
Robinetde Donzere 4.50 - Givorss . . 671 -
Vienne . . 7.147 =
Condrieux. 712 -
' Serrieres . 7.07 -
Tournon . 6.20 -
er" Valencee . 6.83 -
_ Roquemaure . . 6.30 - Roquemaure 7.30 -
- Münd. d. Durance 7.10 -
106 H. W. Dove:
Roche d’acier. . 7.50 Meter, \
Avignon . 8.30 Meter, ’
Tarascon‘ Is HT 0 Tarascon . 6.50 -
Arlesuttssdın Si. E30“
Aus den nachfolgenden Temperaturtafeln, bei welchen die östliche
Länge von Greenwich positiv bezeichnet ist, die westliche negativ, die
Höhe in Pariser Fuls, die Grade Reaumur, geht hervor, dafs die mitt-
lere Jahreswärme überall 7 Grad übertrifft und in dem südlichen Frank-
reich 12 Grad erreicht. Vergleichen wir also Frankreich mit Deutsch-
land, so finden wir, dafs überall die in der Ebene gelegenen Stationen
die entsprechenden Norddeutschlands übertreffen, welche erst von West-
phalen an nach Westen hin die Jahreswärme von 7 Grad erreichen.
Entwirft man die Isothermen für das Jahr und die einzelnen Monate,
so ergiebt sich, dafs die Isotherme von 0° nur im Januar die franzö-
sischen Grenzen berührt, in welchem Monat sie bis in die Gegend von
Strafsburg genau von Nord nach Süd verläuft. sich aber dann recht-
winklig in eine östliche Richtung umbiegt, während die Isotherme von
4 Grad von der Südspitze Irlands bei Brest die französische Küste be-
rührt und zwischen Rochelle und Bordeaux die Küste von Neuem
treffend nun der Mündung der Rhone sich zuwendet und südlich von °
Avignon der Küste des mittelländischen Meeres sich nähernd bis in
die Gegend von Genua ihrer bogenförmigen Krümmung folgt. Im käl-
testen Monat gehen also in Frankreich die Isothermen so in einander
über, dafs die nördliche Richtung sich allmählich in eine nordwestliche
verwandelt, die Umbiegungsstelle zugleich immer weiter nach Süden
rückt, während der Winkel sich gleichzeitig mehr öffnet.
Erst im April ist der Verlauf sämmtlicher Isothermen ein von West
nach Ost gerichteter geworden, so dafs also dann die Wärmeabnahme
ziemlich regelmäfsig nach Norden hin erfolgt. Im Juli hingegen wird
im nördlichen Frankreich die Richtung mehr ONO., so dafs die Iso-
therme von 14° ziemlich parallel der Küste von Nordfrankreich und
Norddeutschland verläuft, so dafs von Brest bis Königsberg die Tem-
peratur nahe gleich ist. Im September hingegen wird im südlichen
Frankreich die Gestalt der Wärmelinien eine verwickelte durch die re-
lativ hoch bleibende Temperatur des unteren Rhonethales, und in den
eigentlichen Herbstmonaten October und November ändern die Linien
im Innern von Frankreich sehr ihre Gestalt, da die Westküsten hinter
der allgemeinen Abkühlung zurückbleiben, wodurch es sich vorbereitet,
dafs im December sämmtliche Linien nahe von Süd nach Nord ver-
laufen.
Aus der Gesammtheit dieser Erscheinungen geht hervor, dafs in
un
Ueber das Klima des PRBRBON Europa. 107
Frankreich die localen Störungen einen gröfseren Spielraum haben als
"in den weiter östlich gelegenen europäischen Ländern, und da die un-
mittelbare klimatische Umgebung einen wesentlichen Einflufs auf die
- Anschauungsweise des Beobachters ausübt, so ist es nicht zu verwun-
- dern, dafs man gerade hier in der Gesammtbetrachtung der atmosphäri-
schen Erscheinungen auf die Bedeutung der Localität ein viel zu grolses
$ewicht gelegt hat.
Das Studium der localen Einflüsse kann erst beginnen, wenn die
ser hat sich bisher in Frankreich ein so geringes Interesse gezeigt,
dafs Herschel mit Recht darüber klagt, dafs in allen Untersuchungen,
‘wo man gleichzeitiger, nach einem gemeinsamen Plane angestellter Be-
‚obachtungen bedarf, Frankreich stets eine Lücke bildet. Man kann es
her als ein freudiges Ereignils begrüfsen, dafs durch die Bemühungen
der Beantwortung der Frage nimmt, welches Glied die so eigenthüm-
ichen klimatischen Erscheinungen von Frankreich in der Kette der
grolsen atmosphärischen Verhältnisse bilden.
Eee
108 H. W. Dove:
Frankreich.
I I }
Farin MN | von Jan. |Febr.| März | April Mai | Juni | Juli | Aug. | $€
ee | | l |
| } I
RE LEN) | |
Alais. 2200. |44 74 A| 410 | 4.00 5.60) 8.04111.20 ron ie 20.02 20.04 16
Angers . 2... 147 28-0 34| 145 | 4.86| 3.06 4.66) 9.12 11.61 13.50.16.94 15.45 13
Arles 02 227.22 1 Alla E2 37 | 4.2 | 4.4 | 8.0 110.5 |15.2 17.2 120.8 119.3 117
Arras. . . . .|50 18) 2 46] 203 | 0.9 | 2.9 | 5.9 | 7.6 110.9 12.8 14.9 115.1 19
Avignon. . ...|43 57) 4 48) 85 | 3.84) 5.36 7.52]10.7214.48 14.80/18.72,19.04 15
Besanson -. . , 1471416 2] 750 | 1.2 | 2.2 | 5.3 | 9.4 115.4 116.3 117.0 115.5 113
Beyrie „2. .|43 42-0 46) 184 | 3.44 5.42 7.74/10.57|11.15 15.00/16.74116.88 15
Blois. . . . .|47 35) 1 20) 240 | 2.04 3.41) 6.71] 9.18/10.72 14.49/16.48 15.56 13
Bordeaux . . .|44 51-0 34 39 | 4.63| 5.66 7.64,10.14|12.05 15.11/16.48 15.95 13
Boulogne . . „50 44 1 30 — 1 2.25| 4.15) 6.38) 9.40/12.45 14.85/15.58/16.50 14
Bourg . . . .146 12) 5 13] 760 | 0.93) 2.26 4.18] 7.90111.43114.28|16.14 15.26 12
Brest. 2020.0.|48 23-4 29| 206 | 4.87| 5.70, 5.78] 7.34| 9.5510.92 112.51112,24 11.
Bruyere.., „u... 148 131,6 40 2.5 | 2.4 | 54 | 7.2 | 9.0 |17.0 118.5 |16.4 |12
Cambray . . .|50 11) 3 14| 185 |-0.68| 2.70, 4.38] 7.56|12.00/13.06|15.34 14.40 11,
Chalons s.M. . . |48 57| 4 21] 253 | 0.51| 2 84 5.09] 8.12/12.18/14.49/16.06 15.82 13.
la Chapelle . . [49 56) 1 8| 451 | 2.46 2.84) 5.18 7.42) 9.42111.96 12.82 13.46 11.
la Chapelle d’An-
gillon . . . 147 26) 2 13] 587 | 1.34] 2.81| 4.74| 8.39) 9.61|15.66116.71|16.11 13,
Chartres, . . . [48 27| 1 39| 480 | 0.5 | 2.8 | 5.8.| 8.3 [11.2 [13.5 [15.1 415.1 112%
la Chartre . . . [46 33| 2 10) 715 | 3.38) 4.28) 6.27| 9.27) 9.85|14.39|15.9415.75114.0
Cherbourg . . . 49 39) 1 38 32 | 4.27) 5.83] 5.95) 8.20110.56|12.87|13.67 13.7411.0]
Chinon . . . „147 10) 0 14| 200 | 1.3 | 3.2 | 6.8 | 9.1 112.4 114.7 116.7 17.0 |14.
Clermont Ferand . |45 46 3 5| 1261 | 1.22. 3.46) 3.68] 8.26) 9.10114.64|14.76/14.4810,
Clermont Oise. .|49 22) 2 25] 258 | 228 4.08] 5.75] 8.11/10.23/14.40|15.21|15.55/12,8
Courson. . . .1|46 15) 5 50 37 1 5.58, 4.98] 6.88/10.5412.82/16.60119.94117.54 13.0
Cusset NM. WE, A623 30 -1.0 | 2.0 | 7.3 | 9.7 \13.9 [15.1 117.3 16.8 1128
Dax . . . .. .]43 42-1 A| 130 | 5.2 | 5.3 | 9.0 10.0 113.6 [15.5 116.0 17.3 115
Denainvilliers . . [48 12) 3 23] 510 | 1.3 | 3.4 | 4.4 | 8.4 112.1 115.5 [16.6 |15.8 |13,
Dijon . . . „47 19-0 21| 756 | 1.75) 3.16| 4.74 8.11/10.69|14.13/16.66/14.63|11.
Dunkirchen. . .|5tl 2/2 22 12 | 2.18| 3.04) 3.82] 7.47, 9.84112.61114.61 14.34112,(
la Fleche . „ . 47 42-0 4| 100 ı 5.12, 3.52) 6 88/10.80 15.36/15.76/19.68/17.36|14.(
Gevroles . . „| Cöte d’Or 1.59) 4.30) 6.61, 9.56 13.38/15.70/16.42116.55/14.8
Görsdorf . . .1|48 57 8 23] 703 |-0.10) 1.47| 3.30 7.22 10.3714.02)14.82|14.40111.
Grangeneuve 3.10) 3.70) 5.92) 9.50) 9.84|13.86|16.22|16.22|14.2
Gray. . .. .[47 13 6 1.9 | 1.3 | 5.3.| 8.3-|11.5 114.0. |16.6 15.2 [422
Hagenau . . „148 49 7 50 2.3 | 3.5 | 5.7 | 8,3 113.0 117.1 117.6 117.0 1140
Havre . . . ..14929-0 7 15 | 1.38) 2.64] 4.54| 8.04 8.72 12.19/15.10/14.71/13.5
Hendecoutt. . . [50 17 1 54| 249 | 0.98) 1.27) 3.70) 6.74 8.97|12.6713.30/14.43 11.
St. Leonard . .|45 50 1 19| 1405 | 1.29 3.35| 5.05) 7.98) 8.93/13.28/14.58/14.68112.5
Tille „2 22 llHoE 33234 67 | 1.70, 1.48) 4.17) 7.36) 9.61,12.76/14.09114.84|12.6
Luson . . „ .146 27-1 0| 249 | 2.2 | 4.3 | 8.0 | 9.4 112.7 115.2 116.9 117.6 |14.6
Lyon. . . .„ „45 45 4 49| 925 | 1.94| 2.86) 6.19| 8.22 11.72]15.32 17.16115.71/14.0
Manosque . . . 143 50) 5 20| 1200 | 2.4 | 2.2 | 3.3 | 6.6 117.0 20.7 123.2 123.2 119.2
Marboue . . „48 7 1 20| 338 | 1.62) 2.24) 4.90) 7.84 9.61/12.7614.42|15.38112.1
Marseille . . .|43 18 5 22| 140 | 5.15) 7.20] 7.73/10.04|13.06/15.90,17.6617.62|15.2)
les Meneux . .]49 13) 3 57| 261 | 1.15 1.84. 4.46 7,83, 9.86 13.98/15.59/15.25/12.4
Metz. 21.9.8 HAIE OO DD -0.24 1.12) 3.92] 7.76/11.76 14.32115.36| 14.48 11.8
Mömpelgard . .|47 30, 6 47| 990 | 0.30, 0.46, 3.69| 7.73,11.23,14.01|14.58/13.93|11.%
Ueber das Klima des westlichen Europa. 109
Frankreich.
Unterschied
w.u.k.M.|S.u. W.
2)
‚Herbst| Jahr Anzahl] Beobachtungszeit
11.23) 19.24 12.28] 11.89 | 16.04 | 14.43] 36 —
8.46 15.30. 9.98] 9.49 | 13.88 | 11.09 3 tägl. Extr.
11.23) 19.10) 12.40] 11.76 | 16.60 | 14.80 2 zes,
8.13 14.27) 8.33] 8.19| 14.20 | 12.24 8 ae
10.91) 17.52) 11.68] 11.21 | 15.20 | 12.80| 25 Sa. 2.
10.03) 16.27) 7.70] 8.96 | 15.80 | 14.44 b) 3mal
16.21, 11.39] 10.44 | 13.44 | 11.88 51 tägl. Extr.
8.87| 15.51 9.76| 9.34 | 14.44 | 12.30 27 tägl. Extr.
9.94| 15.85 10.30] 10.25 | 12.01 | 10.93] 15 tägl. Extr.
9.41) 15.64 11.15] 9.971 14.25, 11.97 4 5 —
7.841 15.23) 8.57) 8.29 | 15.21 | 13.68] 12 tägl. Estr.
b 7.56, 11.89 8.98) 8.50] 7.64) 6.31 Min. red.
2.33 | 7.20)17.30, 7.17) 8.50] 16.40 | 14.97
1.77 | 7.98| 14.27 8.33] 8.08] 16,02 | 12.50
2.25 8.46) 15.46, 9.70) 8.97 | 15.55 | 13.21
2.80. 7.34 12.75 9.29| 8.04| 11.00, 9.95
nDonmwx ıSwm@
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tägl, Extr.
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PvVswo waoro $ PP wvwvvon
m BDbRLB mn
S
RI
2172| 7.58 16.16 9.25| ' 8.79
2.10 | 8.43 14.57 8,67| 8.44
3.69 | 8.46 15.36 10.19| 9.43
5.18 | 8.24|13.76 9.32] 9.12
3.03 | 9.43| 16.13) 10.07] 9.67
1.79, 7.01|12.63| 7.15] 7.65
3.01 8.03| 15.05) 8.40| 8.62
5.42 10.08) 18.03 10.55] 11.02
1.73 | 10.30] 16.40) 9.47| 9.48
5.37 | 10.87) 16.271 11.10] 10.90
2.37 | 8.30) 15.97| 8.80] 8.86
2.28, 7.85| 15.14) 8.30] 8.37
2.86 | 7.04, 13.85) 8.60] 8.09
5.87 | 11.01) 17°60| 11.89} 11.59
9.85| 16.22) 10.16) 9.96
0.65, 6.96) 14.41) 7.67] 7.43
3.31 | 8.42) 15.43| 9.94] 9.25
1.50 | 8.37| 15.27) 7.50) 8.16
2.53 , 9.00| 17.23) 8.87] 9.41
2.44 | 7.10| 14.00) 9.81] 8.34
1.33 | 6.47) 13.47) 7.60) 7.22
2.34 | 7.32) 14.18) 8.38| 8.06
1.91 | 7.05) 13.90) 8.59] 7.86
2.90 | 10.03) 16.57) 10.90] 10.10
2.13 | 8.71| 16.06) 9.38] 9.07
2.60 | 8.97| 22.37| 12.37] 11.58
2.06 | 7.45) 14.19] 8.11) 7.95
6.22 | 10.28) 17.06] 12.07] 11.41
1.48 | 7.38) 14.94| 7.82] 7.91
0.88 | 7.81) 14.72) 7.97) 7.84
0.61 | 7.55) 14.17) 7.78| 7.53
15.27 | 13.99
14.60 | 12.47
12.56 | 11.67
9.49 | 8.58
15.70 , 13.10
14.06 | 10.84
13.27 | 12.04
14.96 | 12.61
18.30 |, 14.67
12.10 | 10.90
15.30 13.60
14.91 | 12.86
12.43 10.99
14.56 | 11.73
14.96 , 12.62
14.92 | 13.76
13.40 | 12.12
15.30 | 13.77
15.80 | 14,70
13.72 | 11.56
13.95 | 12.14
13.39 | 11.84
13.14 | 11.99
15.40 | 13.67
15.58 | 13.93
21.00 | 19.77
13.76 | 12.13
12.47 | 10.84
14.44 \ 13.46
15.60 | 13.84
14.28 | 13.56
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Montlouis . . .|42 50 2 5] 4900 |-0.7 |-1.0 | 3.3 | 3.0 | 7.2 | 9.8 11.6 112.0 |
Montmorenei . . [49 0) 2 18| 430 | 1.0 | 3.1 | 5.6 | 7.7 11.5 |14.0 15.5 116.0
Montpellier. . . [43 36 3 53] 100 | 4.5 | 5.7 7.5 111.3 114.4 |18.0 |20.6 |20.0
Mühlhausen . .|47 49 7 10] 730 | 0.7 | 1.0 | 6.1 | 8.5 12.9 15.2 17.0 16.6 |
Nanıy . ... ..[48 42) 6 11| 615 | 0.56) 2.43) 4.21, 7.65.10.76 13.69 13.98]14.29
Nantes .. . .149°13)-1 33 57 | 4.11) 4.67 7.10.10.33/11.92 15.70 17.42 17.55
Nantua . . . .]46 10) 5 33 -0.51| 1.11) 2.44) 6.78) 9.33/14.2213.12]14.07
Nemours. . . .148 16 2 42] 185 | 2.96 6.56| 3.25| 6.48/11,36 12.48 17.1214.56
Nismes . . . .|43 51) 4 21) 349 | 4.8 | 6.2 | 9.3 12.0 15.3 |19.2 21.6 |21.6
Oleron Aunis . .|46 3-1 12] 836 | 4.8 | 6.0 | 7.7 111.6 |13.0 14.8 16.3 |17.8
- Beam . .]43 10-0 37| 638 | 4.7 | 4.3 | 7.2 | 9.0 12.8 |16.0 |18.5 [17.0
Orange . . . .[44 8 4 481 138 | 2.99| 4.80, 6.94) 9.39112.79 16.44/18.19|17.58
Paris. . ......[]48 80) 2 20| 114 | 1.53] 3.35 5.33] 7.90/11.59 13.66 14.96|14.82
Pau . . . . .[43 18/-0 23| 636 | 4.09| 5.16) 7.47| 8.80113.16 16.09 16.27,18.40
Perpignan . . .[42 42) 2 54] 160 | 4.4 | 4.7 ! 9.0 10.8 !14.8 |17.2 20.4 19.8
Pessan = :: .71438837130834 3.65| 6.64 7.25 10.14 14.51 17.3819.53 18.13
Planchaie . .. .| Dordogne 2.26| 4.61| 6.33) 8.56 11.27 16.21/16.95 16.01
Poitiers,« pn %..... 746.30, 40,231 363.1 1.3 | 3.4. 72.12.1.8.9 11.5 14.4 116.6 16.8
Privas . . . .|4444 4 35| 770 | 3.34 4.08) 4.86 8.66 12.16 15.86 16.98 15.67
Provins . . . . [4832 3 45) 4148| 1.0 | 2.1 | 5.0 | 7.0 111.7 13.2 115.5 185 |
le Puy . . . .|45 3) 3 52| 2338 | 0.24| 2.84| 4.64| 7.65| 8.62|12.70 14.13 15.38 12.
St. Rambert. . . [45 57| 5 37) 953 | 1.49| 4.09, 6.45| 9.10 13.35.16.00/16.22 16.5413.
Regusse . . . .|43 40 6 8| 1584 | 2.86| 4.79 6.82) 9.63 11.20 15.81|18.06 17.62,
Rochelle. . . . [46 9-1 10 77 | 3.80| 4.09| 5.42) 8.64 .12.24|15.78|16.46 15.33
Rodez . . .. .144 21 2 34| 1939 | 1.41| 3.04, 4.39 7.14.10.66.13.93\15.02/14.06.
Rouen . . . .[49 26) 1 6| 120 | 2.62] 3.29) 4.40, 7.82 10.82|13.47|14.79 14.05)
Rousson. . . . [4412 4 5| 1282 | 3.09) 5.12 7.29/10.34 11.82/17.1019.27 18.22
Saintes . . . „145 44-0 39 83 | 1.75) 4.40 6.70.10.16 12.01/17.38] 17.29 17.70
Saulsaise . . .|45 54 20| 874 | 2.26| 1.94) 3.26 8.18 10.70 14.78 17.20 16.00
St. Brieue . . . [48 31) 2 46) 300 | 3.2 | 4.2 | 6.6 | 8.8 10.8 13.4 116.4 116.8
St. Hipp. d. Caton.. |43 57| 3 50 5.42 6.79 8.43 10.86 15.96, 19.19/21.15/19.93
StrLo».At. s SH498 7 ZRT755 1296 390,03.38 4.61) 7.55) 9.16 13.39|13.49 12.42
St. Male .. . .14839|-2 2 43 | 4.0 | 4.7 | 7.1 |.9.2 112.0 |15.0 |16.2 115.7
St.MauriceleGrand ]46 30|-0 30 12 | 2.2 4.0 | 6.5 | 8.0 |10.5 112.8 115.8 115.3
Soissons. . . .14923| 3 19) 151 | 0.0 | 4.5 | 5.2 | 8.8 10.2 |16.0 |18.0 [19.1
Strasburg . . .148 35] 7 45] 448 |-0.44| 1.75 4.41| 7.88 111.67 13.62115.03 14.72
Syam. 2... „46 45| 5 54| 1739 | 0.74 2.54 3.82 5.89 110.3012.53113.84|12.78
Tarascon . . . [4348| 4 21| 270 | 3.6 | 5.7 | 9.4 12.1 14.8 |17.8 |20.5 119.5
Toulon . . . . [43 7 5 55 — | 6.4 | 7.0 | 9.1 112.9 |16.5 117.8 |20.0 |19'8
Tours . . .. .7}47 23-0 42] 168 | 1.75 4.13) 6.25) 9.44| 9.65|15.9315.75/16.35
Toulouse . . .|43 37-1 28] 597 | 3.90) 4.60| 6.48| 9.16112.02\15.35117.11/17.47
Troys . . . ..14818 4 10) 337 1 1.1 | 2.2 | 6.6 | 9.1 111.8 |15.2 [416.6 116.3
la Vallade . 1.76) .. | 5.78) 9.73/10.17/14.04/16.29|13.90
Valognes- . . . 149 31/-1: 28 3 — | — | — | — |11.0710.56|14.26113.24
Vendome . . .]4744 1 A| 258 1.98, 3.06, 5.96) 9.29,10.26|13.87 15.02,15.49 13.
Versailles . . . |48 48 2 7] 370 | 2.01) 2.73) 4.37| 7.66110.74,13.17/15.31 14.56/11.6
Vienne .„. . . .]|45 32) 4 53] 460 | 1.9 | 3.1 | 7.6 10.5 [14.2 116.5 [18.2 118.4 .0
Vire . 2» ......7]4850/-0 öf 543 | 1.2 | 4.1 | 6.0 | 7.7 110.1 112.2 114.2 114.4 111.8
Viviers . . . .[44 29) 4 41} 175 | 2.18) 4.48) 6.42| 9.7412.78|14.26117.8817.2014.9
Ueber das Klima des westlichen Europa. 111
Unterschied
“ 'Herbsti Jahr
| S.u.W.
Anal] Beobachtungszeit
ws
4.50 11.13) 6.33| 5.18
8.27 15.17 9.20] 8.80
13.00, 11.36
15.17] 15.00 | 12.60
11.07 19.53 12.87] 12.23] 16.10 | 14.10
5 A
33 Sa. 2. 9
11 Pe
9.17 16.27, 8.83] 8.88} 16.30 |, 15.04 10 —
7.81) 14.72 1.971 7.841 15.60 | 13.84 6
9.78) 16.89! 10.90! 10.59 | 13.44 | 12.12 : tägl. Extr.
we
6.18] 13.80, 6.59) 6.76| 14.73 | 13.42 tägl. Extr.
7.03, 14.72, 8.801 8.90] 14.16 9.68
12.20| 20.80 13.73] 13.10 | 16.80 | 15.13
10.77| 16.30| 14.07] 11.72] 13.00 | 10.57
9.67 17.17 10.70] 10.52 | 14.20 | 12.64
9.71 17.40) 10.98| 10.51 | 15.20 | 13.45
8.27 14.48) 8.98] 8.58] 13.43 | 11.88
9.81, 16.92) 11.56] 10.74| 14.31 | 12.24
11.50! 19.13! 12.97] 12.33 ! 16.00 | 13.43
10.63 18.35, 11.60] 11.42| 15.88 | 13.24
8.72 16.39, 11.77| 10.28 | 14.69 | 12.14
9.17 .15.93. 9.73| 9.39 | 15.50 | 13.20
8.56 16.17 9.62] 9.41| 14.49 | 12.87
7.90 15.73 12.831 9.79| 17.50 13.03
6.97 14.07 8412| 7.61] 15.14 | 12.81
' 9.63 16.25 10.08| 9.74 | 15.05 | 13.24
9.22, 17.16 10.86! 10.25 | 15.20 | 13.41
8.75) 15.86 9.33| 9.34 | 14.04
7.40 14.34 9.14) 8.33 | 13.61. 11.91
7.68 14.10) 8.62] 8.32] 12.17 11.21
9.82| 18.20) 11.49) 10.95 | 16.18) 13.89
9.62) 17.46 10.71| 10.29| 15.95 | 14.11
7.38, 15.99) 8.07| 8.39 | 15.26 | 14.88
8.73| 15.53, 10.83] 9.86 | 13.60 | 11.20
11.75) 20.09| 12 97] 12.72} 15.73 | 14.03
7.11|13.10| 8.83] 8.08 | 10.95 |
9.43| 15.63) 10.73] 10.12 | 12.20 | 10.93
8.33 14.63) 9.10] 8.81 | 13.60 | 11.46
8.07| 17.70) 9.27] 9.48 | 19.10 | 14.83
7.99) 14.46 7.99] 7.86 | 15.47 | 13.46
6.67 13.05) 7.761 7.18] 13.16 | 11.73
12.10] 19.27| 13.30| 12.40 | 16.90 | 14.34
12.83| 19.20) 14.47| 13.46 | 13.60 | 11.87
8.45 16.01) 9.74] 9.38| 14.60 | 12.69
9.22| 16.64) 10.52] 10.07 | 14.28 | 12.74
9.17) 16.03) 9.13] 9.28 | 15.50 | 13.26
8.56| 14.74 9.85] — 2 Bi
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2.57 | 8.50) 14.79) 8.41| 8.57| 13.51 | 12.22
2.44 | 7.26| 14.35) 8.46| 8.13 | 13.30 | 11.91
3.00 | 10.77| 17.70| 10.07| 10.38] 16 50 | 14.76
2.83 | 7.93| 13.60) 8.77| 8.28 | 13.20 | 10.77
4.20 , 9.65) 16.45) 10.80| 7.86| 15.70 | 12.25
tägl. Extr.
tägl. Extr.
ano
o-
tägl. Extr,
112
V.
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land.
Ein Beitrag zur historischen Geographie von Dr. v. Maack in Kiel.
(Schlufs.)
(Hierzu eine Karte, Taf. I.)
$ 14. Da die Wasserscheide Schleswig-Holstein’s in der Nähe
der Ostküste des Landes liegt, so fliefsen die grölseren, im Lande selbst
entspringenden Ströme fast durchgehends von Osten nach Westen.
Die Elbe ($ 15) und die Eider ($ 18), die beiden gröfsten Ströme des
Landes, welche sich in die Nordsee ergiefsen, sind diejenigen Flüsse,
die in Folge der grofsartigen Umwandelungen, welche die Nordsee in
historischen Zeiten erlitten, ihren Lauf wesentlich verändert haben.
Auch der Grenzflufs Schleswig-Holstein’s gegen Dänemark hin, die
Königsau ($ 19), war in der Vorzeit ganz anders beschaffen als jetzt.
$ 15. Die Elbe, Albis der Römer (vom celtischen Albais d. h.
das grolse Wasser), die Elv der Sachsen, Lobo der Slawen, bildet als
Nieder-Elbe auf einer Strecke von jetzt 18 Meilen, wo überall die
Meeresfluth noch ihre Wirkung äulfsert, die Grenze des Landes gegen
Südwesten. So lange die Nordsee durch die noch nicht eingetretene
Trennung Englands von Frankreich einen ungeheuren Golf bildete
($ 4), dem die Fluth von Norden zuströmte ($ 3b), mu[ste nach einem
bereits früher (l. c.) erwähnten Naturgesetze der Lauf der Elbe, soweit
die Fluth auf sie eingewirkt, mehr die Richtung nach Norden hin ein-
gehalten haben, statt ihres jetzt mehr nach Nordwesten gerichteten
Laufes, und da der englische Canal noch in historischer Zeit geschlos-
sen gewesen ($ 3e), so muls folglich gleichfalls die Elbe in geschicht-
lichen Zeiten diesen Lauf inne gehabt haben. Durch die geognostische
Untersuchung der früheren Elbufer wird dieser Schlufs ebenfalls be-
stätigt. Denn die fast überall zusammenhängende Dünenkette, welche
an der Grenze der heutigen Marsch und Geest durch Ditmarschen sich
hinzieht und durch Holstein sich fortsetzt, bezeichnet den Lauf des da-
maligen Hauptstromes der Elbe. Am geschlossensten ist aber die
innere, im Lande liegende Dünenkette in Ditmarschen. In Süder-
ditmarschen verläuft sie von Meldorf bis Averlakendonn in einer Aus-
dehnung von 3 Meilen mit nur vier kleinen Unterbrechungen ; in Nor-
derditmarschen geht sie von Wittenwurth 14 Meilen ununterbrochen
fort bis an die Eider beim sogenannten Preil, auf ihrem Gipfel den
Flecken Lunden tragend. Schwieriger ist es, durch Holstein an der
Grenze der Marsch und Geest den Verlauf der inneren Elbdüne zu
ee SPEER
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 113
_ verfolgen. Ihr Flugsand ist nämlich fast überall gedämpft, die Düne
wandert nicht, ist nur lückenhaft erhalten und oft schwer zu erkennen.
Doch kann man im südlichen Holstein, im Amte Reinbeck, eine fast
ganz fest gewordene, meilenlange Dünenkette an der Grenze der Geest
und Elbmarsch verfolgen. In Lauenburg wandert dagegen die Elb-
düne bei Geesthacht landeinwärts, wodurch das Dorf Besenhorst schon
zu wiederholtem Umbau gezwungen worden ist.
_ Dieser alte Hauptstrom der Elbe hat aber aufser der Dünenkette
noch andere Spuren seines ehemaligen Laufes hinterlassen. Es sind
diefs eine Reihe hinter einander von Süden nach Norden lie-
: gender kleiner Landseen in Ditmarschen, welehe man auf älteren Kar-
ten des Landes z. B. bei Danckwerth noch findet, von denen die mei-
sten jetzt freilich ausgetrocknet sind, einige aber, z. B. der Fielsee und
der gröfste aller, der Kudensee noch bestehen. Wie nun im früheren
"Mittelalter die jetzt sogenannte „dove Elbe“ erweislich der Hauptstrom
war, so mufs in noch weit früheren Zeiten der östlichste Arm der Elbe
‚der Hauptstrom gewesen sein.
0 Es bestanden also einst die Seemarschen Ditmarschens, sowie die
Elbmarschen Holsteins aus Inseln, zwischen denen hier und da ein-
zelne Sandbänke und Düneninseln sich vorfanden. So flofs vormals
spiel Süderditmarschens, Marne (e = öe, ey?) war einst eine grolse
Elbinsel. Theils von Natur, theils durch Kunst wurden diese Marsch-
inseln Ditmarschens alle zum Theil unter sich, zum Theil mit der fest-
ländischen Geest verbunden. Aus dieser ursprünglichen Trennung der
Marsch von der Geest erklärt sich die Thatsache, dafs noch jetzt alle
Wurthen Ditmarschens nie in der Niederung an der Grenze beider,
sondern stets in der Mitte zwischen der Geest und dem Meere, d.h.
auf den vormaligen Marschinseln liegen. Mitten zwischen diesen Marsch-
inseln fanden sich aber einzelne Düneninseln, frühere Sandbänke. So
kommt es, dals noch jetzt die Ortschaften Catharinenheerd, Garding
nd Tating in der Landschaft Eiderstedt, Meldorf in Süderditmarschen
if gedämpften Dünen insularisch in der Marsch liegen. Aehnliche
lüneninseln finden sich auch in den Elbmarsehen bei Bielenberg und
holenfleth. Auch die kleinen Marschdistriete Sommerland, Grönland
nd Kamerland waren früher Inseln, wie Kuss (Falk’s Neues Staats-
irgerl. Magazin Bd. I, $. 536 fgg.) nachgewiesen.
Die vormalige sogenannte Nordereider oder der Wasserarm, wel-
jer, bevor Eiderstedt 1489 durch Eindeichung des Dammkoogs mit
* Südermarsch des Amtes Husum verbunden und landfest wurde,
iderstedt vom Festlande trennte — 1579 ward durch Eindeichung
> Adolphkooges die alte Nordereider gänzlich geschlossen (vergl.
eitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bä. VII. 8
114 v. Maack:
Heimreich's Chronik von Nordfriesland) —, war die Fortsetzung der
längs der inneren Dünenkette mitten durch Ditmarschen hindurchströ-
menden Elbe; denn dafs die Nordereider ursprünglich kein Arm der
Eider selbst gewesen, das wird aus der alsbald ($ 18) folgenden Be-
schreibung der letzteren zur Genüge erhellen. Dals sie aber den
ursprünglichen Ausfluls der Elbe bezeichnet, geht aus der
Richtung ihres Laufes hervor, welcher die gerade Fortsetzung der
an der Grenze der Geest durch Ditmarschen hindurchströmenden Elbe
ist. Dagegen existirte der Theil der Untereider, welcher jetzt Ditmar-
schen von Eiderstedt scheidet, damals noch nicht, denn nach Heim-
reich’s Chronik von Nordfriesland (S. 40 u. 137) hat die grofse Was-
serfluth von 1338 Eiderstedt und Ditmarschen durch einen anderen,
neuen und grolsen Eiderstrom von einander gerissen.
Erinnern wir uns aber, dals Schleswigs Westküste damals viel
weiter in die Westsee sich hinein erstreckte ($ 4), so folgt daraus, dals
die damalige mehrarmige Mündung der durch dieses jetzt zum Theil
versunkene Land hindurchfliefsenden Elbe weit nördlicher lag als jetzt.
Das früher in 3 Inseln getheilte Eiderstedt — Eiderstedt, Everschop
und Utholm — gehörte also zu den Marsch-Elbinseln. Es bildete dem-
nach einst die Elbe von Geesthacht an ein durch mannichfaltige Was-
serarme in zahlreiche Eilande zerschnittenes Delta, und damit wäre
denn eine bis jetzt unaufgelöste Aufgabe gelöst. Es spricht nämlich
Ptolemaeus von drei in der Mündung der Elbe gelegenen, gröfseren
Inseln, welche er die der Sachsen nennt. Keiner hat aber bis dahin
diese nachzuweisen vermocht. Von der See ist hier übrigens viel Land
verschlungen, wie denn die Meyer’sche Karte noch den sogenannten
Süderstrand hier zeigt. Man hat, die Glaubwürdigkeit Meyer's in Frage
stellend, die vormalige Existenz dieses Landes für ein reines Phanta-
siegebilde erklärt, ob mit Recht, werden wir alsbald ($ 16) sehen, wenn
wir, auf diese Frage zurückkommend, einerseits die Glaubwürdigkeit
Meyer’s, andererseits die Einwürfe gegen die Existenz des Süderstran-
des besprechen werden.
Denkt man sich nun alle Elbmarschen Holsteins als Inseln, so
wird man finden, dafs der damalige gebogene Lauf der Elbe manchen
mehr oder minder tiefen Einschnitt ins Land machte. Einen solchen
bildete die Elbe bei Elmshorn, daher sein Name: Elmshorn =: Elwes-
horn. (Der Uebergang des w in m deutet auf keltische Einwirkung.
Im Keltischen wird bekanntlich das mortificirte m [== gäl. mh. oder
irisch m] wie w ausgesprochen. So sagt ja auch der Süddeutsche, ein
germanisirter Kelte, „mer“ statt wir). Ein ungleich tieferer Einschnitt
wurde von der jetzigen Wilstermarsch gebildet, die als Marsch ja noch
nicht existirte und von der Kuss, wie bereits bemerkt ($ 8), nachge-
wiesen, dals sie früher ein Landsee gewesen. Unzweifelhaft stand nun
|
|
|
Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische Land. 115
dieser durch eine schmale Barre von der Elbe geschiedene Landsee in
noch früheren Zeit in oflener Verbindung mit dem Elbstrom.
Alle Nebenflüsse, welche der Elbe in Holstein zufliefsen — die
-Stör, der Rhin, die Krückau (Seester), die Pinnau (Esche), die Alster
und die Bille — hatten einen kürzeren Lauf, insofern der Theil der-
selben, welcher jetzt durch Marschland fliefst, noch nicht existirte. Die
le flofs noch da, wo Hamburg liegt, in die Elbe. Dieser Lauf der
3ille bestand bis zur Anlage der Schleuse bei Bergedorf. Die Mittel-
_ wetterung im Hammerbrook, der zwischen der kleinen Reichenstrafse
‚und dem Schoppenstehl befindliche Fleet, endlich der Fleet hinter dem
fischmarkt sind Ueberbleibsel der alten Bille. Der letzte Fleet ergols
ich wahrscheinlich über den Mefsberg, dessen Boden und Umgegend
mpf und Wiesen waren. Die Bille ward durch den Schleusengra-
ı bei Bergedorf und durch die Curslaker Schleuse in die Dove Elbe
zeleitet. Vor dieser Ableitung war die Kampbille, die nach den Heck-
kathen fliefst, der Hauptstrom. Dieser Arm, zwischen dem Amte Rein-
beck und Billwärder, fliefst bei der ehemaligen Billschanze in den Bill-
prook und von da durch die Brandshöfer Schleuse in die Norderelbe.
Vergl. Neddermeyer’s Topographie von Hamburg 1832, S. 27 u. 31,
ieseke’s Geschichte von Hamburg, S. 337.
816. Bevor wir weiter gehen, wollen wir hier als am passend-
sten Orte noch handeln von zwei kleinen hochberühmten Inseln, die
in der Mündung der Elbe gelegen: Helgoland nämlich und die Insel
Basilia der Alten.
I. Helgoland, das Hallaglun der Friesen, dat hillige Land der
Sachsen, Fosetisland beim heiligen Willibrod, die insula sancta der
d e situ Daniae) in der (damaligen) Elbmündung, war sehr fruchtbar,
ich an Korn, Vieh und Geflügel, aber baumlos. Rings von Fel-
nriffen umgeben, ist die Insel nur an einer Stelle zugänglich, wo
uch frisches Wasser sich findet. Die jetzt winzig kleine Insel ist
200 Schritt lang. 650 Schritt breit und ragt 200 hamburger Fufs
er den Meeresspiegel empor. Auf noch nicht „;. Quadrat-Meile
pen ungefähr 2000 Menschen. Wenn sie auch vielleicht nicht so
ls war, wie die Phantasie unserer Vorväter sie ausgemalt — vergl.
® Meyer’sche Karte von Nordfriesland im Jahre 1240 bei Danck-
th °) —, so hatte die Insel doch gewils früher einen gröfseren Um-
) Geerz (Geschichte der geographischen Vermessungen und der Landkarten
rdalbingiens, Berlin 1859, 8. 39 fg.) hat auf eine Thatsache aufmerksam gemacht,
von allen Beurtheilern der Meyer’schen Karten von Nordfriesland völlig über-
m worden ist, dafs nämlich nach dem ausdrücklichen Zeugnisse von Heimreich
(Nordfriesische Chronik 1666 $. 66 u. 103), einem Zeitgenossen Meyer's,
8*
116 v. Maack:
fang als jetzt. Wiebel (die Insel Helgoland, Hamburg 1848) hat frei-
lich nachzuweisen gesucht, dafs Helgoland zu den Zeiten Adam’s von
Bremen fast ebenso grols gewesen, wie jetzt. Er kommt nämlich zu
diesem Resultate, indem er durch Vergleichung seiner genauen Ver-
messung der Insel mit einer am Ende des verflossenen Jahrhunderts
gerade nicht sehr genauen Aufnahme derselben den Destructionscoef-
ficienten der Insel für ein Jahrhundert berechnet. Abgesehen aber von
der Unsicherheit der Prämisse, worauf diese Rechnung beruht, lassen
sich auch gewichtige Einwände gegen das Resultat erheben. Zuvör-
derst palst weder die Beschreibung, die Adam von Bremen in seiner
Abhandlung de situ Daniae von ihr giebt, noch der weit ältere Be-
richt, der sich im Leben des heiligen Willibrod von Alcuin (Frobe-
nius Tom. I, Vol. I, p. 187) findet, zu der gegenwärtigen Grölse der
Insel. Nach Adam ist die Insel fruchtbar, korn- und viehreich;
nach Willibrod war alles auf der Insel dem Fosetis geheiligt, Keiner
wagte es, ein Stück Vieh zu berühren, Willibrod aber mit seinen Ge-
fährten schlachtete und afs von den Thieren. Jetzt aber kann aulser
Kartoffeln nichts auf der Insel gebaut werden und nur einige Schafe
finden dort ihr nothdürftiges Futter. Um korn- und viehreich zu sein,
muls die Insel nothwendig eine gröfsere Ausdehnung gehabt haben.
Adam spricht auch noch von einer Anhöhe (collis) auf der Insel, von wel-
cher jetzt keine Spur mehr vorhanden. Im J. 1652 stand die Dünenin-
sel mit dem Hochlande noch in fester Verbindung und hatte im Norden
einen weilsen Kalksteinfelsen, weilses Kliff genannt, der dem 200 Fufs
mit dem er in Verbindung stand, dieser seine Karten vom alten Nordfrieslande
nach einem Originale entworfen habe, welches er in der bischöflichen Bibliothek in
Kopenhagen vorgefunden, ein Umstand, den Meyer seinem Mitarbeiter Danckwerth
zu verschweigen genügenden Grund hatte (Geerz l. c. $. 168 Anm. 212). Es ist
überdiefs eine reine Unmöglichkeit, ohne alle Karten die Umrisse eines Landes fest-
zustellen, welches seit vier Jahrhunderten eine Beute des Meeres geworden, und Meyer’s
Untersuchungen an Ort und Stelle, von denen Danckwerth (Landesbeschreibung $. 93)
spricht, können sich nur auf die jüngste Vergangenheit bezogen haben. Schmidt
hat ferner nachgewiesen, dafs bei einer Vergleichung der Karten Nordfrieslands mit
einander das Resultat sich herausstellt, dafs sie von verschiedenen Autoren herrüh-
ren müssen, also von Meyer nur copirt oder in verjüngtem Maafsstabe gezeichnet
worden sind. Es haben ferner die Forschungen Booysen’s, Peters’s und Kuss’s die
Richtigkeit der historischen Karten Meyer’s in Betreff der Inseln Sylt und Föhr und
von 7 ehemaligen Kirchspielen in Eiderstedt im Allgemeinen bestätigt, sowie Bier-
natzki bei seinen Nachforschungen gefunden hat, dals die Lage der zu Meyer's Zei-
ten (1638 — 1648) niedergelegten oder zerstörten Dörfer Holsteins durchgehends sehr
richtig auf seinen Karten angegeben ist. Endlich haben Outzen und Forchhammer
nachgewiesen, dafs kein Zweifel an der Ehrenhaftigkeit Meyer’s aufkommen könne.
Unter solchen Verhältnissen erhalten seine Angaben über Nordfriesland und folglich
auch über Helgoland einen höheren Grad von Glaubwürdigkeit, nämlich den seiner
Quelle, des Originals der Karte in der Bibliothek des Bischofs von Schleswig, wel-
ches im Kopenhagener Stadtbrande von 1728 vernichtet wurde; doch haben Lange-
beck und Gebhardi die Zeichnungeu noch gesehen.
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 117
ohen Oberlande fast an Höhe gleich kam, aber klein, unbewohnt, nur
on Schafen beweidet war. Diels ist wahrscheinlich der Rest des von
Adam erwähnten collis. Das letzte Stück dieses Kalksteinfelsens ward
4720 in einer Sturmfluth zerstört.
Man hat auf verschiedene Weise die Gröfse der Insel zur Zeit
Adam’ s von Bremen zu bestimmen versucht. Direct dieselbe nach des-
sen Angaben — einer Länge von 8 und einer Breite von 4 Milliaria —
u berechnen, ist unmöglich, einmal weil die Angabe einer mittleren
'eite fehlt und weil zweitens die Gröfse der Milliaria bei Adam sehr
reitig ist. Nach Lappenberg’s Berechnung war Helgoland nach der
Karte Meyer’s für das Jahr 800 14 Quadratmeilen, nach der für das
Jahr 1300 aber + Quadratmeile grofs. Da Adam von Bremen um das
Jahr 1072 geschrieben, so beträgt der Verlust für 272 Jahre 0,68 Qua-
dratmeilen, vorausgesetzt, dafs der Abbruch von 800 bis 1072 ebenso
regelmäfsig wie von 1072 bis 1300 stattgefunden hat; folglich war Hel-
goland im Jahre 1072 = 1,50 — 0,68 = 0,82 Quadratmeilen grofs. Da
ah er nun schon längst die geschichtliche Forschung über die Meyer’-
schen Jahreszahlen 800, 1240, 1300 u. s. w. den Stab gebrochen hat,
80 beruht auch diese Bestimmung auf einer unsichereren Basis, als Geerz
zu meinen scheint (l. ec. $S. 173 Anm. 215).
" Von Schmidt und Wiebel sind die gegenwärtigen grofsen Meeres-
fen von 56 bis 96 Fufs als Grund gegen die ehemalige gröfsere Aus-
hnung Helgolands nach Nordosten und Eiderstedts, als Süderstrand,
“nach Südwesten auf Meyer’s Karten angegeben. Diese Meerestiefen
sind aber nicht constant, haben sich vielmehr im Laufe der letzten Jahr-
hunderte gebildet und können demnach keinen Grund abgeben, die
grölsere Ausdehnung dieser Insel in Abrede zu stellen. Wie wech-
d hier die Meerestiefen sind, davon überzeugt man sich bald. An
Stelle, wo noch 1634 der mittlere Theil der alten Insel Nord-
d lag, fand sich im Jahre 1858 eine Meerestiefe von 42 Rhein.
Westlich von Sylt und Amron war noch im Jahre 1650 ein
ihrend der Ebbe trocken liegendes Watt vorhanden; an dieser Stelle
das Meer während der Ebbe jetzt eine Tiefe von 38 bis 42 Fufs.
r sogenannte, etwa 240 Fuls breite Steinwall, welcher bis zum Jahre
720 West-Helgoland mit Ost-Helgoland (der jetzigen Düne) verband,
var noch 1698 so hoch, dafs nur eine aufsergewöhnliche Fluth den-
elben überschwemmte; jetzt liegt dieser Steinwall bei halber Fluth
2 bis 20 Fuls unter dem Meeresspiegel. Noch zu Danckwerth’s Zeit
552) hatte das Meer östlich von Helgoland eine so geringe Tiefe,
[fs man bei starkem Ostwinde eine Meile Weges auf dem Sande
inausgehen konnte (Landesbeschreibung $. 153) und durch diese That-
118 v. Maack:
gewesen sein soll, dann itzo“ (d.h. 1652). Dagegen hat gegenwärtig
(1858) das Meer eine Meile östlich von der Helgolander Düne eine
Tiefe von 42 bis 114 Fufs. Nehmen wir nun an, dafs Ebbe und anhal-
tend starker Ostwind diese Tiefen um 20 Fufs vermindern können, so
zeigt dieses Beispiel, dafs auf einer Strecke von der Länge einer Meile
das Meer im Laufe von 206 Jahren an Tiefe bis zu 94 Fuls zugenom-
men hat, mithin nach den vorliegenden Thatsachen die Annahme un-
wandelbarer Meerestiefen an den norddeutschen und nordfriesischen
Küsten unzulässig ist und folglich auch die darauf gebauten Beweise
gegen die ehemalige Gröfse Helgolands und Eiderstedts keinen Halt
haben (Geerz 1. c. S. 175 u. 176).
Ueberdiefs deutet der Meeresgrund mit seinen Steinriffen in der
Nähe der Insel darauf hin, dafs er der von den Wellen blos gelegte
Untergrund der Insel gewesen. An der Westseite ist bei klarem Was-
ser dieser steinerne Grund 50 Ruthen weit zu spüren und gegen Nor-
den streichen vom Oberlande und von der Düneninsel aus je ein Fel-
senriff, von welchen das der letzteren, das grölsere, hornförmig, dop-
peltgespalten, eine Seemeile weit sich erstreckt und zur Ebbezeit nur
1—2 Faden tief liegt.
817. II. Die Insel Baoilsıa, Basilia der Alten. Durch.
Redslob’s scharfsinnige Kritik (Thule, Leipzig 1855) sind jetzt alle
Widersprüche und Dunkelheiten gehoben, welche sich in den Angaben
der Alten über dieses Eiland vorfinden. Plinius (Histor. natur. IV.
13. 27) sagt nämlich, nachdem er die Südgrenze Europas besprochen,
und zuletzt an deren östlichem Ende, der Nordwestseite des schwar-
zen Meeres, verweilt: Ereundum deinde est, ut extera Europae (d.h.
die auswendige, an den Ocean grenzende Seite Europa’s) dicantur,
transgressisque Riphaeos montes (die Karpathen) litus Oceani septen-
trionalis in laeva, donec perveniatur Gades (Cadix) legendum. Insu-
lae complures sine nominibus eo situ tradumtur (diels palst nur
auf die Nord-, nicht auf die Ostsee), er quibus ante Sceythiam (nach den
Vorstellungen der Alten alle weniger bekannten Länder im verhältnifs-
mäfsig hohen Norden), guae appellatur Raunonia (das Bernsteinland,
von dem Dänischen Aa», friesich Rövstiin, Bernstein) unam abesse diei
cursu, in quam veris tempore fluctibus electrum ejieiatur, Timaeus (von
Sieilien, lebte ungefähr 280 v. Chr. zur Zeit der Könige Agathoecles
und Pyrrhus) prodidit. Der Sinn dieser Stelle ist also folgender: Von
den mehreren Inseln in dieser Richtung liegt nach Timaeus eine vor
dem Raunonia genannten Scythien und zwar eine Tagesreise von der
Küste entfernt, welcher entlang man nach Gades kommt. Raunonia,
vor welcher die Insel liegt, ist also etwas von der letzteren Festlands-
küste Verschiedenes. Die Insel liegt also von der Küste aus, von
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 119
_ der sie eine Tagesfahrt entfernt ist, vor Raunonien, dieses also hin-
_ ter der Insel. — Nun fährt Plinius fort: Reliqua litora incertä sig-
nata famä. — — — Xenophon Lampsacenus (dessen Zeitalter unbekannt)
Alitore Scytharum tridui navigatione insulam esse immensae magnitu-
_ dinis (paene similem continenti setzt Solinus cap. 30 hinzu) Baltiam
_ tradit. Eandem Pytheas Basiliam nominat. Endlich sagt Plinius an
; _ einer anderen Stelle (Histor. natur. XXXVH. 2. 11): Pytheas Guttoni-
9 bus, Germaniae genti, accoli aestuarium Oceani, Mentonomon nomine,
s. spatio stadiorum sex millium; ab hoc diei navigatione insulam abesse
_ Abalum (die Insel Abelöe an der Nordküste Fühnens oder die jetzt
auf einer Landzunge liegende Stadt Aebeltoft in Jütland). Illo (sue-
einum) per ver fluctibus advehi et esse concreti maris purgamentum: in-
colas pro ligno ad ignem uti eo‘), proximisque Teutonibus vendere.
Huic et Timaeus credidit, sed insulam Basiliam vocavit.
- Diese letzten Worte des Plinius enthalten, genau analysirt, einen Un-
sinn. Plinius sagt nämlich, Timaeus habe dem Pytheas in Bezug auf
Abalus geglaubt, die Insel aber nicht Abalus, sondern Basilia genannt,
_ oder mit anderen Worten: Timaeus habe den Angaben des Pytheas
in Betreff der Insel Abalus Glauben beigemessen, habe aber gemeint,
diese Angaben gelten nicht von Abalus, sondern von Basilia. Diefs
ist aber geradezu eine logische Ungereimtheit, welche Timaeus unmög-
lich begangen haben kann, welche aber Plinius aus Mifsverständnifs
ihn sagen läfst. Die Sache erklärt sich einfach und genügend, wenn
_ man annimmt, der Bericht des Timaeus über Basilia stimmte so ge-
nau mit des Pytheas Bericht über Abalus überein, dafs Plinius glaubte,
beide sprächen bei verschiedenen Namen von einer und derselben In-
sel. Plinius ward aber zu dieser falschen Identification von Abalus
und Basilia dadurch verführt, dafs Pytheas und Timaeus übereinstim-
_ mend berichten, beide Inseln lägen eine Tagefahrt vom Ufer entfernt
_ und an beide werde im Frühling von den Fluthen Bernstein angespült.
_ Dazu kam, dafs Plinius da, wo Timaeus von einer Reihe von Inseln
sprach, von welchen eine (unam) Bernstein lieferte, ohne hier ihren
_ Namen zu nennen, zu der Annahme verleitet wurde, Timaeus statuire
überhaupt nur eine einzige Bernsteininsel, während dagegen Pytheas
nz
. I) Dieser Bernstein, den die Bewohner der Bernsteininsel als Brennmaterial ge-
brauchen, ist Braunkohle. Denn nach Philemon (bei Plinius XXXVI. 2. 11)
giebt das Electrum keine Flamme von sich, was nicht auf den Bernstein, wohl aber
auf die Braunkohle pafst. Derselbe sagt ferner bei Plinius 1. c. fossile esse (elec-
rum) et in Scythia erw duobus locis, candidum atque cerei coloris, quod vocaretur
ectrum, in alio fulvum, quod appellaretur sualiternicum (d.h. das heimlich
Be Flamme, Brennende: von suelen, R. sual, urere (Graff’s Althochdeutscher Sprach-
tz VI. 872) und ternigo oder dernico, Tätenter). Vergl. Bessell Pytheas 8. 62,
Öttingen 1858.
120 v. Maack:
in den Plinius vorliegenden Stellen nur von einer Bernsteininsel Aba-
lus sprach, über Basilia sich aber so auszudrücken schien, als wäre
sie eine Insel von ungemessener Grölse, so dafs Plinius Pytheas’s
Basilia für eine ganz andere Insel als des Timaeus Basilia hielt und
sie — mit Recht oder Unrecht — mit einer anderen von Xenophon
Lampsacenus Baltia genannten Insel identifieirte, die auch von unge-
messener Gröfse sein sollte. Pytheas drückte sich nämlich über Basi-
lia auf eine doppelte Weise aus: einmal ganz so, wie Timaeus, dessen
Gewährsmann ja Pytheas selbst war, dafs Basilia keine Insel von un-
gemessener Gröfse sei. Dieser Ausdruck des Pytheas kam aber in
den Stellen dieses Autors, die dem Plinius vorlagen, entweder nicht
vor oder wurde von ihm übersehen. Dagegen sprach Pytheas an an-
deren Stellen von Basilia so, dafs es dem Plinius oder dem Schrift-
steller, aus dem Plinius die Pytheas’sche Nachricht schöpfte, erschien,
als spräche er von einer Insel von ungemessener Grölse. Was konnte
nun aber bei Plinius diesen Schein begründen? Das Mifsverständ-
nifs erklärt sich folgendermalsen: Aus Strabo ersieht man, dafs
Pytheas grofse Landschaften nicht mit ihrem, ihm unbekannten Spe-
cialnamen, sondern oft ganz unbestimmt bezeichnet, z. B. das Land
östlich vom Rhein nannte er z« n&oav zov Pıjvov, die nordwestliche
Ecke Galliens za zeoı rovs Rorıeiovg und das Thule gegenüber liegende
Land bezeichnet er mit z& zegt OovAnv. Wahrscheinlich unterschied
also Pytheas auch Baoikeıa und za negı Beoi)sıev und mit dem letz-
teren Ausdrucke bezeichnete er das hinter Basilia liegende Land von
unbestimmter (ungemessener) Gröfse, dessen Speeialnamen er nicht
kannte. Plinius aber oder sein Gewährsmann übersehen diesen Un-
terschied, wie bei der obigen Stelle in Betreff von Thule ihn alle In-
terpreten bis auf Redslob übersehen haben. Was Pytheas von dem
Lande um Basilia sagte, dals es von ungemessener Grölse sei, be-
zog Plinius auf Basilia selbst. So wurde diese Insel zu einer von un-
gemessener Grölse. Die einfache Voraussetzung, welche diesem: Er-
klärungsversuche zu Grunde liegt, gewinnt aber augenscheinlich an ho-
her Wahrscheinlichkeit dadurch, dafs Plinius in Betreff der Insel Thule
sich nachweislich offenbar einer gleichen Verwechslung schuldig ge-
macht hat. Denn von dem Lande um Thule (z« zegi OovAn»), nicht
von Thule selbst hat Pytheas nach Strabo (Geograph. II. 144. Casaub.)
und nach Kleomedes (KvxAo» Hewola edid. Bake I. 47) berichtet, dafs
es das letzte Land der Erde gen Norden sei und dafs der sommerliche
Wendekreis mit dem Polarkreise (66° 30’ N. B.) dort zusammenfalle,
oder mit anderen Worten, dafs es dort sechsmonatliche Tage und
Nächte gebe. Strabo’s Worte zeigen deutlich, dafs Pytheas’ Thule un-
terschieden von jenen Gegenden, wo die Tage und Nächte 6 Monate
ar
N
rEr
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 121
ee
dauerten. Plinius dagegen (Histor. natur. II. 75. 77) läfst Pytheas sa-
gen, diefs sei auf der Insel Thule selbst der Fall, wovon die na-
türliche Folge war, dafs sie auch eine Insel von ungemessener Gröfse
K ward. Dem Plinius widerspricht nicht blos, wie gezeigt, Strabo, son-
_ dern auch Mareianus Capella, nach welchem (c. 6. 194. Hugo Grotius)
Pytheas behauptet hatte, er habe auf der Insel Thule von solchen sechs-
_ monatlichen Tagen und Nächten nur gehört, ja Plinius wird durch
die eigenen Worte des Pytheas geschlagen, welche Geminus Rhodius
(Elementa astronom. 5) uns bewahrt hat, nach denen die Barbaren in
Gegenden, wo die Nächte 2 und 3 Stunden lang waren und welche
Cosmas Indopleustes kurz die nördlichsten nennt, dem Pytheas die
Gegend zeigten, ozov 6 yA1og xoımäzeı, d.h. wo die Sonne gänzlich
schlafe, 6 Monate lang gar nicht aufgehe. Es ist diefs, was die Scan-
dinaven den Sunsetl oder den Sunnensetlgang nannten, „hvor Solen
ganger til Sode, til Senge, til Hvile ')“. Diese unverfänglichen Worte
des Pytheas mifsverstehend, erzählt Cosmas Indopleustes (II. 149. edid.
Montfauc.), die Barbaren hätten dem Pytheas die Schlafstelle der Sonne
gezeigt.
Auf solche einfache Weise hat Redslob alle die Irrthümer aufge-
_ deckt, die Plinius in sein Referat eingemischt hat, und wodurch die
Nachrichten der Alten über die Insel Basilia so widerspruchsvoll wur-
_ den. Es ist nun auch klar, dafs Timaeus in jener oben zuerst ange-
_ führten Stelle des Plinius von Basilia spricht. Diodor (V. 23) endlich
berichtet in Uebereinstimmung mit Timaeus über Basilia folgendes:
Tijs Zuvdias rs uneo zyv Tahariav aaravrınov vjoog Lorı mehayia
„ara ov Qusavov 7 rroogayogevoueın Baocilsım. eis ravıyv 6 #Avdo»
h eupahleı dawıles To »ahovnevor NAERTEoV, ovdanoo ö8 wis Otxovueıng
4 Yawöneror. —— — —T 100 NAsuzgon ‚suvayeran ner & Ti agoeıgh
f nen vn0@, zouilera ÖE UNO TO» EyYwelw» gOs mv Urzıncgar 2)
_nasıgov, (d.h. nach dem gegenüber liegenden Festlande) dı’ 75 gegs-
za mög 700g #0” juäg zorovs, (d.h. nach den südlich gelegenen
Handelsstädten) zad07ı zgosipnzuu.
Nach dem bisher Erläuterten ist die Lage von Basilia leicht zu
_ bestimmen. Sie ist eine von den namenlosen Inseln, von denen Pli-
nius spricht, welche in der Nordsee liegen müssen (siehe oben).
") Allen Gestimen wurden bestimmte Plätze und Stühle beigelegt, auf denen
ie ihren Sitz und Wohnung hatten. Zumal gilt diefs von der Sonne, die jeden
Tag zu ihrem Sitz und Sessel niedergeht. Vergl. Grimm’s Deutsche Mythologie
. 663.
2) Das Wort avtızeaga verlangt, dafs die einander gegenüber liegend zu den-
nden Orte (hier die Insel Basilia und das Festland) durch eine Wasserstrafse
trennt sind.
122 v. Maack:
Nach Diodor ist sie eine Meeresinsel (reAayia »7009), die nicht in
(2v), sondern gegen den Ocean hin (xar& zov Qxeavor), liegt, d.h.
eine Küsteninsel, und zwar dem Scythien gegenüber liegend, welches
über Galatien sich erstreckt. Die Griechen bezeichnen aber mit Ga-
latien sowohl Gallien als Germanien. Nach Timaeus liegt Basilia vor
Raunonia, eine Tagefahrt von der Festlandsküste entfernt, dieser ge-
genüber. Bernstein wird nicht blos im Frühjahre von den Wogen
an sie angespült; er wird ‚auch auf dieser Insel zusammengebracht und
von den Bewohnern nach dem gegenüber liegenden Festlande (Gala-
tien) zum Weitertransporte verführt: Basilia ist also der Stapelplatz
des Bernsteins. Erinnern wir uns nun ferner, dafs die Elbmündung
sich damals viel weiter nach Norden hin erstreckte ($ 15), eine Delta-
land bildend, so haben wir, weil Raunonia die Kimbrische Halbinsel
ist ($ 22), vor welchem die Insel Basilia lag, selbige in der Elbmün-
dung zu suchen, womit Diodor’s Bezeichnung #«7« ro» 'Nxeavov vor-
trefllich stimmt.
Welche Oertlichkeit findet sich nun aber hier in diesem Landstrich,
deren jetziger Name in dem griechischen Baoilsı@ steckt? Redslob,
welchem der alte Lauf der Elbe unbekannt war, hält den Flecken
Wesselburen für die landfest gewordene Insel Baoilsız, aber sicher-
lich mit Unrecht. Es ist vielmehr das einst auf einer Insel gelegene
Geestdorf Wesseln oder Wessling bei Heide, im Kirchspiele Wedding-
stedt. Denn Wesseln ist weit älter als Wesselburen: der Sage nach
ist das letztere ein Toochterdorf des ersteren (Schröder's Topographie
von Holstein, 1ste Ausgabe, 1841, Art. Wesselburen). Das Wort
Wesseln bedeutet aber Wechseln, Tauschen, Handeln; der Ortsname
bezeichnet also passend den einstmaligen Stapelort des Bernsteins als
Handelsort. Im Worte Wesselburen liegt aber an und für sich schon
der Beweis, dafs der Ort später angelegt worden als Wesseln oder
Wefsling. Die Bewohner des letzten Orts waren Handelsleute, die des
ersteren stammen freilich von ihnen ab und behielten daher den Na-
men Wessel bei, aber es waren Buren (Bauern), d.h. sie gaben den
Handel auf und betrieben den Ackerbau. So läfst sich aus Wesseln
der Ursprung von Wesselburen, in Uebereinstimmung mit der Sage
aus dem Einfacheren das Zusammengesetztere erklären, während das
umgekehrte Verhältnifs zu unlösbaren Schwierigkeiten führt. Der Name
der Insel war also Wesseley, Wasseley (die Handelsinsel), woraus der
Grieche Pytheas Baoıleın machte. Denn der Laut W wird von den
Griechen durch ein B wieder gegeben, z. B. Visurgis = Bıooveyıs bei
Strabo. So heifst auch im mittelaltrigen Latein Wesselburen Basili-
bora und Basilipyrgus (Neocorus, Chronik von Ditmarschen. I. S. 237).
Das Dorf Wesseln liegt aber am vormaligen Elbufer, bei Danckwerth
I zn
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4
s
1
Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische Land. 123
noch an dem innersten Winkel eines unterhalb der Insel Büsum tief
in das Land einschneidenden Meerbusens. Diese Lage dicht an der
Küste entspricht auch der Beschreibung der Alten weit mehr, als das
damals mitten in der Elbe auf einer Insel liegende Wesselburen.
$18. Die Eider führt in der Geschichte sehr verschiedene Na-
men. Der Geograph von Ravenna sagt: Confinalis praenominatae Da-
niae est Saronia — — — ut sunt Dani, qui juxta Dina fluvium, qui
inter cetera flumina, Daniam transeuntia, ingreditur in Oceanum. Hier
kann nur von der Eider die Rede sein. Damit stimmt es, dafs einer-
seits im Krakumal v. 3 ein Dinaminne oder Dunaminde und bei den
Isländern eine Dunaheide vorkommt, andererseits Helmold und Albert
von Stade das Dannewerk Dinawerch nennen. Das Wort Dina hat
mit dem Namen der Dänen nichts zu thun. Da nun im Wälischen
Din die Grenze, Befestigung, Schliefsung bedeutet, so muls Dina der
Name der Eider bei den Kelten sein. Es ist die (so häufig gefundene)
Wiederholung des Namens eines bekannten im Osten gelegenen Flus-
ses, der Düna. Ueberdiefs ersieht man aus dem keltischen Namen,
dafs schon in grauer Vorzeit die Eider zur Bezeichnung der Grenze
gedient.
Dafs von den Angelsachsen die Eider Fifeldor genannt, geht
unter andern aus jener Stelle des Scopesvisiö v. 69 hervor, wo es von
Offa in Bezug auf seinen berühmten Zweikampf heilst:
äne sveorde
. .märce gemaerde
vid Myrgingum
bi Fifeldöre;
d. h. mit dem Schwerte
zog er die Grenze
gegen die Myrginger (Bewohner Holsteins)
am Fifeldor (der Eider).
Nach Mone (Anzeiger 1839, S. 438) ist der Namen Fifeldor ursprüng-
lich friesisch, analog den Namen Fivelgä, Vivelsted, Fivolä. Er bedeu-
tet aber „Thüre des Meeres“.
Aegisdör, der Name der Eider bei den Scandinaven, ist die
Uebersetzung des nme Fifeldors, denn altnord. heifst Aegir
das Meer.
In den Annal. Fuldens. ad annum 811 heifst der Flufs Egidora,
bei Regino Agidora, im Necrolog. Nestvedens. Egidur, bei Adam von
Bremen, Helmold, Arnold von Lübeck und Albert von Stade Egdora,
bei Saxo Grammaticus Eydora, Eidorus — offenbar alles dialeetische
Umbildungen des altnordischen Namens. Wenn Mone (die gallische
Sprache) den Namen für keltisch hält — vom irisch. ag, eg, der Salm,
und dior, Wasser, also Salmenflufs — so irrt er, weil die Kelten die
124 v. Maack:
Eider Dina nannten. Die Eider mufs einen Lauf gehabt haben, gänz-
lich verschieden von dem jetzigen; denn es passen die alten Beschrei-
bungen über die Anlage des Dannewerks, verglichen mit dessen Ueber-
resten, durchaus nicht auf die heutige Eider. Sehr willkührlich hat man
bald die Treene für die alte Eider erklärt (Falk), bald wiederum in
dem kleinen, früher schiffbaren Mühlbach, der bei Grofs- und Klein-
Reide vorbeifliefsend in die Treene fällt, selbige zu sehen geglaubt
(Outzen's Untersuchungen der denkwürdigsten Alterthümer Schleswigs
und des Dannewerks Altona 1826). Um ein klares Bild von dem ein-
stigen Laufe dieses in der Geschichte Schleswig-Holsteins eine so
grofse Rolle spielenden Flusses zu erhalten, mufs man sich Eiderstedt
noch nicht landfest, die Marschen des Amtes Husum noch nicht exi-
stirend denken. Die Landschaft Stapelholm lag als Insel, wie ihr
Name besagt — das nordische Wort Holm bedeutet Insel — noch im
Meere; der Megger- und der Börmerkoog bezeugen durch ihre Bezeich-
nung als Köge — ein eingedeichtes Stück Land, welches dem Meere
abgewonnen, heifst ein Koog — und durch ihre tiefe, sumpfige Lage,
dafs auch sie Meeresboden gewesen. Eine genauere geologische Un-
tersuchung der ganzen Gegend von der Husumer Marsch an bis gegen
Schleswig hin zeigt theils moorigen Grund, theils tiefen Sand mit reich-
lichen Schaalenüberresten von noch jetzt in der Westsee lebenden Mee-
resmuscheln, ein Beweis, dafs auch hier einst Meeresboden gewesen.
Mitten in dieser Sandsteppe liegen zwei Dörfer: Grofs- und Klein-Reide,
deren Namen bezeugen, dafs dort einst Schiffsrheden gewesen. Hier
auf diesem Boden kann man sich leicht überzeugen, dafs die Westsee
vor Zeiten tief in das Land einschneidend einen breiten Meeresbusen
gebildet hat. Aber nicht blos geologisch läfst sich diese Thatsache
nachweisen, auch historische Zeugnisse sind nicht unschwer beizubrin-
gen, dafs noch in verhältnifsmälsig späten Zeiten dieser Meeresbusen
bestanden, welcher den Namen Eider geführt. Die Hauptstelle findet
sich in der Olaf Tryggesöns Saga (Oldnord. Sagaer Vol. ]. S.111) wo
es (übersetzt) heifst: Zwei Meeresbusen, auf jeder Seite des
Landes einer, gehen ins Land hinein; zwischen diesen haben
die Dänen eine hohe und starke Burgmauer von Steinen, Rasen und
Holz errichtet, und draufsen davor einen tiefen Graben gegraben u. s. w.
Ferner kommen noch folgende Stellen vor: Oldnord. Sagaer X. 203:
Das Dannewerk war quer über das Land zwischen der Mündung
(d.h. dem inneren Ende) der Schlei und der Eider errichtet; Joms-
vikinga Saga c. 8. p. 28: Das Dannewerk war zwischen „Aegisdör“
und „Slesmynne* nur über das Land zwischen den Meeren er-
richtet; ibidem c. 9. p. 30: König Harald fuhr mit der Flotte nach
„Aegisdör“, aber Hakon Jarl mit seinem Heere nach „Slesdör“ auf
ee he
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 125
der anderen Seite des Landes; Oldnord. Sagaer X. 204: König
Harald Blaatand zog mit seinem Heere nach der Eider, aber Hakon
Jarl mit dem seinen nach der Schlei. — — — Und nun stielsen Kai-
ser Otto und König Harald auf einander, worauf es sogleich zur Schlacht
kam; sie kämpften auf Schiffen und es fielen Viele auf der Seite Kö-
nig Harald’s, weshalb er sich zurückzog. Darauf ging der Kaiser auf
der anderen Seite ans Land, bei der Schleimündung, wo Hakon
Jarl war u. s. w., Saro Grammatic. p. 182: Thyra — — — quantum
a Slesvico ad occidentalem Oceanum patet, vallo fossaque pro-
scindere aggressa est. — Besonders hat die Angabe fränkischer Chro-
nisten, dafs von der Schlei an bis zur Westsee das Nordufer der
Eider befestigt worden sei, Anstols erregt und mulste Anstofs erre-
gen, so lange man den heutigen Tages gültigen Begriff von Eider fest-
hält. So sagt z. B. Ammonius (Hist. Francorum lb. IV.): limitem regni
sui, qui Saxoniam respieit, vallo munire constitut, eo modo ut ab
orientali maris sinu, quem ülli Ostersalt dicunt, usque ad occi-
dentalem Oceanum totam Egidorae fluminis aquilonalem ri-
pam munimentum vallo praetexeret. — Noch zu Zeiten des dänischen
Königs Svend Grathe (um die Mitte des 12ten Jahrhunderts) müssen
die Terrainverhältnisse hier im Wesentlichen die nämlichen gewesen
sein; denn in seinem Kampfe mit seinem Nebenbuhler Knud Magnus-
sen zog Svend einst seine Schiffe von der Schlei bei Schleswig nach
Huchlsteth in die Eider. Dieses längst vergangene Kirchdorf, zur
Praepositura major gehörend, muls auf dem Wege von Schleswig nach
Rendsburg gelegen sein, wie aus dem Schleswiger Stadtrechte erhellt
(Dahlmann läfst die Schiffe ganz irrthümlich in die Treene hinein zie-
hen. Vergl. Geschichte Dänemarks Bd. I. S. 158).
Dergestalt werden die Angaben der Chronisten über die Anlage
des Dannewerks erst verständlich, ja einer von ihnen bedient sich des
Ausdruckes eines „Isthmus der Kimbrischen Halbinsel“, wel-
cher durch jenes Befestigungswerk geschlossen worden: vallum a
mari orientali ad occidentale ductum, quo isthmus Cimbricae cher-
somesi clauderetur. (Leider habe ich in meinen Excerpten verab-
säumt zu notiren, wo diese wichtige Stelle vorkommt.) Jetzt kann
_ aber von einer Landenge gar nicht die Rede sein. Man sieht nun
_ auch die Nothwendigkeit ein, die im Laufe der Zeit sich herausstellte,
das Dannewerk weiter gen Westen fortzuführen, sowie jener grolse
Meerbusen mehr und mehr versandete, bis es endlich die Treene er-
_ reichte. Wann und von wem die einzelnen Theile des Dannewerkes
_ zu verschiedenen Zeiten angelegt worden, darüber berichtet die Ge-
‚schichte: Der älteste Theil desselben, das sogenannte Kowerk, wird
dem Könige Götrek zugeschrieben. Dafs die Königin Thyra Danebod>
|
j
EEE SEEN >
126 v. Maack:
Gorm des Alten Gemahlin, Waldemar I und Margarethe Sprenghest
(die schwarze Grethe), Wittwe des Königs Christoph I. das Danne-
werk theils restaurirt, theils weiter fortgeführt haben, ist hinlänglich
bekannt.
Die Eider ist also ursprünglich ein Meeresbusen. Man
darf sich aber dadurch nicht irre führen lassen, dafs dieser Meeresbu-
sen meistens als Fluls (fluvius, flumen) bei den Chronisten bezeichnet
wird. Denn auf gleiche Weise heifst die Schlei bald /acus bald fluvius
und nur selten wird sie als sinus maris bezeichnet. Bis in die neueste
Zeit wird die Schlei offieiell als Strom bezeichnet. In diesen Eider-
meeresbusen mit seinen vielen Inseln und mannichfaltigen Buchten er-
gofs sich von Norden her die Treene, von Süden ein kleines, im Isarnho
Holsteins entspringendes Flüfschen, auf welches bereits zu Adam’s
von Bremen Zeiten gleichfalls der Eidername übergegangen war. Es
sagt nämlich derselbe (de situ Daniae): Hanc Daniam a nostris Nord-
albingis flumen Egdora dirimit, qui oritur in profundissimo saltu
paganorum Isarnho. Dieses Eiderflüfschen mag früher wohl einen
anderen Namen geführt, vielleicht, wie Outzen vermuthet, Jerne oder
Jarne geheifsen haben. Die alte Grenze zwischen Deutschland und
dem alten Dänemark war aber der Eidermeerbusen, nicht der eigent-
liche Eiderflufs. Ein solcher breiter Meeresbusen konnte demnach
mit Recht den Namen „Thüre des Meeres“ erhalten, eine Bezeichnung,
die auf einen so kleinen Flufs, wie die Eider noch lange war, sicher-
lich nicht pafste. Erst durch die Versandung und Verschliekung des
Eidermeerbusens wurde der Lauf des Eiderflusses mehrfach abgeän-
dert; im Jahre 1300 war er noch sehr unbedeutend und erst 1338
brach er sich durch Ditmarschen und Eiderstedt hindurch ein neues
Strombett. Es erhellt hieraus, dafs die frühere, sogenannte Norder-
eider ursprünglich mit der Eider gar nicht in Verbindung gestanden.
Wohl haben die Dänen das frühere Dasein eines grofsen Meerbu-
sens an der Westküste Südschleswigs erkannt. So findet man eine
Abbildung des Eidermeerbusens nebst dem Dannewerk von dem däni-
schen Archäologen Worsaae im „Dansk Folke Kalender for Aaret 1844.
S. 155° *). Nichts desto weniger haben sich die Dänen wohlweislich —
') Da dieser Holzschnitt nur ein ungefähres Bild der hier in Betracht kom-
menden Terrainverhältnisse giebt, welches nicht als wissenschaftlich gesichert betrach-
tet werden kann, haben wir es vorgezogen, dieser Abhandlung die von Herrn Haupt-
mann Geerz gezeichnete Karte des Landstrichs zwischen Eider und Schlei beizuge-
ben, welche die gegenwärtigen Terrainverhältnisse darstellt und in den Marschen,
Wiesen und Mooren längs der Eider, Treene und Rheider-Au die Hauptriehtung der
Bodendepression bis östlich von Klein-Rheide klar erkennen läfst. Man wird sich
vergegenwärtigen müssen, dafs im Laufe der Zeit namentlich in der östlichen Hälfte
dieser Bodensenkung zahlreiche Wiesen in Ackerland verwandelt sind, dafs also der
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 127
fides Danica! — gehütet, diesen Meeresbusen mit seinem Namen zu
bezeichnen (weder auf der Karte noch im Text), denn sein Name „Ei-
der“ hätte manche ihrer Prätensionen unbarmherzig über den Haufen
geworfen.
Da der älteste Theil des Daunewerks, der Kograben oder das
Kowerk, sich vom Selker Noer bis zur (vormaligen Schäferei) Kur-
- burg 2160 Ruthen oder ungefähr 4 Meile weit erstreckte und eben da-
zu diente, den Isthmus der Kimbrischen Halbinsel zu schliefsen, so
war folglich dieser ungefähr 4 Meile breit. Man wird hier unwillkühr-
lich zu der Frage gedrängt, ob nicht in noch älterer Zeit beide Meere,
_ die Eider der Westsee mit der Schlei der Ostsee, zusammengehangen,
so dafs Kimbrien eine grofse Insel gebildet. Man kann diese Frage
‘ unbedenklich bejahen. Denn die Bodenbeschaffenheit des Isthmus,
‚worüber das Kowerk geführt worden, giebt keinen Gegenbeweis gegen
den vorzeitigen Zusammenhang beider Meere; ja ein allgemein gülti-
ges geologisches Bildungsgesetz fordert sogar eine ursprüngliche völ-
ige Trennung Kimbriens vom Festlande. Denn es besteht das Ge-
setz, dals alle grölseren Halbinseln der Erde im Norden mit dem
Festlande zusammenhängen. Die Kimbrische Halbinsel bildet die ein-
zige, bisher unerklärte Ausnahme von dieser Regel. —
Weit schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob schon in histo-
_ rischen Zeiten diese Wasserverbindung bestanden. Wir werden spä-
_ ter ($22) sehen, dafs wegen des alten keltischen Landesnamens es
höchst wahrscheinlich ist, dals zur Zeit der Einwanderung der Kelten
in den Norden Kimbrien bereits mit dem Festlande zusammengehan-
gen; allein die Möglichkeit liegt dennoch vor, dafs die grofse Fluth,
welche in Folge des Durchbruchs des Canals zwischen England und
Frankreich Kimbrien traf, den Isthmus, der sich gebildet, wieder durch-
- brochen habe. Diese Möglichkeit läfst sich aber nicht zur Gewilsheit
erheben.
$19. Die Königsau (Schottburgau), der Amnis secans Jutiam
dänischer Chronisten, war einst ein viel breiterer Strom. Auf einer
alten vor dem Jahre 1552 entworfenen seltenen Karte — Daniae
Regni Typus. Cornelius Antoniades descripsit — ') trennt die Königs-
au als ein breites Gewässer Schleswig von Jütland, und noch heut zu
Tage drängt sich jedem an Ort und Stelle durch den Augenschein die
Jeberzeugung auf, dafs das Bett der jetzigen Königsau früher viel brei-
ter und offenbar ein Meerbusen der Nordsee gewesen, welcher sich
malige Eiderbusen sich breiter und tiefer in das Land erstreckte, als es durch
gegenwärtigen Bestand von Wiesen und Mooren angedeutet wird.
2 >!) Siehe den Carton auf der beigegebenen Karte,
128 v. Maack:
etwa bis Kjöbenhoved erstreckte. „Man kann“, sagt der um die Geo-
graphie Schleswig-Holsteins hochverdiente Geerz, welcher zuerst auf
diefs Verhältnifs der Königsau aufmerksam gemacht hat (Geschichte
der geographischen Vermessungen und der Landkarten Nordalbingiens,
Berlin 1859, S. 16), „daran kaum zweifeln, wenn man, von Süden kom-
mend, die Höhen von Dover erreicht hat und dann plötzlich durch
das breite tiefe Thal des ehemaligen Meeresbusens überrascht wird“.
Jene alte Karte beseitigt allen noch etwa vorhandenen Zweifel und
zeigt überdiefs, dafs zwischen Kolding und Ripen ein westlicher Arm
des Koldinger Meerbusens, sowie der Herdorper See Schleswig von
Jütland trennte. Den Herdorper See findet man in den jetzigen gro-
(sen Wiesenflächen westlich von Kolding wieder, welche sich bis an
die Königsau bei Wandrup erstrecken. Es schied also unzwei-
felhaft ursprünglich eine Meerenge Schleswig von Jütland»
welches erst im Laufe der Zeit mit ihm verschmolz. Auf den von
den Holländern W. Blaen, H. Hondt und Nicol. Piscator dem Aelte-
ren im Anfange des 17ten Jahrhunderts herausgegebenen Karten der
Herzogthümer findet man noch den Herdorper See, aber die Gewäs-
ser zwischen Jütland und Schleswig erscheinen beim „Slot“ (Schott-
burghaus?) bereits getrennt (Geerz 1. ec. 5.20). Die Thatsache aber,
dafs die Königsau noch tief im Mittelalter hinein ein breiter Strom
gewesen, erklärt den Ausdruck der Isländer, welche Schleswig als
„das Land südlich von der Au“ (fyrisunnan d. Heimskringla V.
p. 388) bezeichnen.
$ 20. Der tiefere Untergrund Schleswig-Holsteins wird Zwei-
fels ohne von der Kreideformation gebildet, die im Süden jenseits
der Elbe bei Lüneburg, im Osten auf Rügen und Möen, im Norden
am Liimfjord, im Westen auf Helgoland zu Tage tritt. Am letzten
Orte ist aber das sogenannte Kliff schon längst ein Raub der Wellen
geworden ($ 16). Ueber die Kreide ist die Braunkohlenformation
gelagert, die Geburtsstätte des Bernsteins, und auf sie folgt die Ge-
schiebeformation.
In Betreff der geognostischen Beschaffenheit der Bodenober-
fläche Schleswig-Holsteins mufs man folgende Bildungen unterscheiden:
1) Den Geschiebethon findet man an der Ostseite des Landes,
wo der Boden wellenförmig und hügelig ist, von Höhenketten durch-
zogen, mit muldenförmigen Thälern und nicht selten mit gröfseren Ver-
tiefungen, welche Landseen bilden, von denen jedoch im Laufe der
Zeit hunderte und aber hunderte theils ausgetrocknet, theils trocken
gelegt sind. Der Geschiebethon enthält kalkhaltigen Mergel und bis
in die gröfsten Tiefen abgerundete Granitblöcke (Irrblöcke, Findlinge).
Bei uns überwiegt in ihnen der Granit den Gneis, der gekörnte Quarz
nn ’
Das urgeschichtliche Schleswig -Holsteinische Land. 129°
_ den schiefrigen: in den Urgebirgen Scandinaviens verhält es sich ge
_ rade umgekehrt. — Auf der Insel Sylt schliefst der Geschiebethon viele
‚Bruchstücke wahrer Lava ein, Biimstien genannt. Am schwersten, fast
marschartig ist dieser fruchtbare Boden im Amte Reinfeld und dem
angrenzenden Theile des Amtes Traventhal und im Gute Prohnsdorf.
Ein solcher Boden zog den Adel und die (katholische) Geistlichkeit an.
_ Die Wasserscheide liegt aber in Holstein am inneren Rande seiner
hügeligen Ostküste.
2. Der Geschiebesand bildet westlich vom Geschiebethon ein
Hochplateau von verschiedener Breite, oft durchzogen von stark mar-
kirten Höhenzügen, wie die Blankeneser Berge, die Höhenketten am
‚Nordufer der Stör und die Bostedter Berge, die ausgeprägteste Hügel-
kette Holsteins. Sie streichen in der Richtung von SO. nach NW.
Im östlichen Schleswig bildet der Geschiebesand nach beiden Seiten
‚stark geneigte Hügelketten. Der Geschiebesand bildet ferner, durch
Haidesand vom östlichen Landstriche getrennt, im Westen einen zwei-
‚ten Strich von verschiedener Breite, welcher theils im Amte Rends-
burg, theils an der inneren Grenze der ditmarsischen Marsch sich fin-
det. Auch durchschneidet er in der Mitte des Landes den Haidesand
‘in verschiedenen Richtungen, wie denn auch eine dünne Schicht des
Geschiebesandes die Ebene der Braunkohlenformation im ganzen Lande
deckt. Der Geschiebesand besteht aus gelbem Sande, oft gemischt
‚mit Thon oder Korallensand, die in dem Geschiebe von der kleinsten
bis zu sehr bedeutenden Gröfsen eingemengt sind. Er enthält Ver-
steinerungen von noch jetzt in der Nordsee lebenden Thieren; bei Tar-
jeck findet man z. B. eine ganze Austernbank.
8. Der Haidesand bildet eine grolse, ausgedehnte, unfruchtbare
Ebene ohne Geschiebe und Versteinerungen. Der Haidesand ist nur
in den oberen Lagen vom Geschiebesande verschieden. Nahe der Ober-
fläche liegt eine Lage weilsen Sandes, dessen obere Schicht, selten
über 1 Fufs mächtig, von verfaultem Haidekraute schwarz gefärbt ist,
ohne allen Kalk und Lehm. Unter dem weifsen Sande liegt eine, sel-
n über einen Fufs mächtige Lage gelben Sandes oder braunen Sand-
steins (Sandahl), dessen Bindemittel ein organischer torfartiger Stoff
st. Die unterste Lage ist ein von Eisen gefärbter Sand mit kleinen
ingemischten Steinen; ihre Mächtigkeit ist sehr verschieden und sie
liegt dem Lehm und Mergel der Geschiebeformation auf. Meistens ist
er Haidesand wohl ein durch die übergrofse Entwaldung der Landes-
nitte in seinen oberen Schichten verwildeter Geschiebesand. Die Ahl-
oder Fuchserde ist also ein Product der Haidevegetation und erst spä-
° gebildet. Sie enthält stets Holzkohlen von Dicotyledonen, der
tructur nach der Buchenkohle vollkommen gleich. Ueberall trifft man
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 9
130 v. Maack:
im Haidesande Flächen von Krattbusch, die Reste alter Eichenwaldun-
gen. In ihm liegen die grolsen alten Dörfer der Landesmitte, spora-
disch von einzelnen Anbauerstellen umgeben. Hin und wieder finden
sich Anhäufungen von Flugsand, wie in der Segeberger Haide und bei
Bostedt. Stellenweise kommt die Alılformation auch im Osten des
Landes vor.
4. Die Marsch, + bis 3 Meilen breit, die Westseite des Landes
einnehmend, besteht aus fettem, glimmerreichen, ziemlich sandfreien,
blauen Thon, Klei genannt, der sich # bis 10 Fuls tief erstreckt. Die
Marsch ist völlig eben, ohne allen Wald. Von grofsen Wassergräben
künstlich durchschnitten, liegen die Wohnungen oft auf Wurthen. Es
ist vortreffliches Gras- und Getreideland. Der Störz, eine Art Pech-
erde, welcher in der Marsch hin und wieder vorkommt, ist der Vege-
tation sehr hinderlich. Die Reste des alten Strandwalls bestehen aus
gedämpftem Flugsande, von einem mageren Pflanzenwuchse bedeckt;
sie werden Donn oder Cleve genannt. Der Lage nach unterscheidet
man Küsten-, Insel- und Fluflsmarschen; dem Unterboden oder dem
Alter nach Moor- und Meersandmarschen ($ 8) oder ältere und jün-
gere Marschen.
An einzelnen Stellen des Landes tritt der tiefere Untergrund des
Bodens zu Tage. So erhebt sich der der Kreideformation angehörige
Kalkberg bei Segeberg nach Schumacher zu einer Höhe von
297 Hamb. Fuls über dem Niveau der Ostsee, und zugleich findet man
noch in einer Tiefe von 300 Fufs denselben Gyps und Anhydrit, mit
kohlensaurem Kalk, Sand, Boraciten und Steinsalz gemischt. Da
man nun ganz in der Nähe des Berges in tiefen Brunnen keinen
Gyps mehr findet, so muls der Berg steil aus der Tiefe emporgestie-
gen sein. Ihn umgiebt ein blauer Lehm, der nordsüdlich streicht und
bei Oldesloe vom Gyrogonit-Mergel bedeckt ist. Der Gyps streicht
ebenfalls von Norden nach Süden und fällt unter Winkeln ab, die sich
gen Osten rechten Winkeln nähern. Bei Stipsdorf, 4 Meile östlich von
dem Segeberger Kalkberge, ist der Gyps von der Geschiebeformation
bedeckt. Wo aber das Travethal die blauen Lehmlager durchschnei-
det, zeigen sich viele Salzquellen, die nördlichsten bei Tralau, die be-
kanntesten bei Oldesloe. Die Streichungslinie des Gypses führt von
Segeberg über Oldesloe nach Lüneburg, wo Gyps und Salz verbunden
vorkommen. Die nordsüdliche Hebungsrichtung ist ausgesprochen in
dem Verhältnifs des Gypses bei Segeberg und Lüneburg; sie zeigt sich
deutlich in der Grenzlinie zwischen der Geschiebe- und Ahlformation.
Vom Nissumfjord in Jütland geht auf dem Rücken des Landes
und an der Westküste eine Braunkohlenformation bis zur Elbe
hinab. Der Gyps bei Lüneburg hat sie gehoben; sie bildet einen gro-
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 131
- fsen Theil der Lüneburger Haide. Die oberste Lage besteht aus eisen-
_ haltigem Sande und Sandstein. Dann folgen Thon- und Mergellager,
zuweilen mit untergeordnetem mergeligem Kalkstein. Thonerde kommt
häufiger vor, stellenweise schneeweilser Sand mit eingemengtem, wei-
fsem, glimmerreichem Thon. Die Versteinerungen bezeichnen die
Braunkohlenformation als der Subapenninenbildung angehörig. An der
südöstlichen Seite Sylts kommen sie besonders zusammengedrängt vor.
Der Geschiebesand deckt oft die Braunkohlenformation. Zwischen ihr
_ und der Geschiebeformation ist in Schleswig keine Grenze zu ziehen.
_ Im östlichen Theile des Landes zeigt die Braunkohlenformation Schich-
ten, die häufig senkrecht stehen, selten einen Winkel unter 45 Grad
_ machen. Hier hat die Bildung des Geschiebethons, ein Product von
- Schlammvulcanen, die Braunkohlenschichten in ihrer horizontalen Lage
gestört.
$ 21. Von der Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Verhält-
- nissen hängt der Pflanzenwuchs zunächst ab. Dafls der Geschiebe-
_ thon vormals völlig bewaldet gewesen, ist bekannt. Ihm ist die Buche
_ eigenthümlich, die des Kali bedarf und auch bei Kalk sehr gut ge-
_ deiht. Die vormals unbedeichten, baumlosen Marschen sind das eigent-
liche Grasland. Ob aber die jetzt öden Haidestrecken des Landes vor-
- mals bewaldet gewesen, ist eine Frage, die uns hier zunächst interes-
_ sirt. Dafs der Geschiebesand einst Eichenwaldungen getragen, ist un-
zweifelhaft. Vor der Eiche wuchs die Föhre (Pinus silvestris) auf die-
a sem Boden, da wir sie so oft in den Mooren finden. Wo die Eiche
- dem Geschiebesande fehlt, wuchert die Haidepflanze (Calluna vulgaris),
- für die Haiden Schleswigs ist die Mehlbeere (Arbutus uva ursi) cha-
_ rakteristisch. Weil der Haidesand jetzt alle Pflanzen ausschliefst, de-
en Wurzeln über 6—8 Zoll tief gehen, hat man noch kein Recht, ihre
frühere Bewaldung in Abrede zu stellen; denn die Ahlformation ist
ein Product der Haidevegetation. Doch waren keinesweges alle Hai-
den bewaldet. Denn’da, wo die Ahlformation stellenweise eine Mäch-
tigkeit von 6— 1? Fufs erreicht, geht die Haidevegetation wohl bis in
'vorhistorische Zeiten zurück. Wo die grofsen Hochmoore sich finden,
auch da fehlte die Bewaldung, wie denn auch aus einzelnen historischen
Nachrichten der Schlufs zu ziehen, dafs schon grofse Haiden in der
Urzeit hier existirt haben. Vergl. den alten Namen Mörungöland für
Holstein in $ 23. Der alte Name der Stadt Schleswig, Hethebye, darf
seiner Etymologie nach nicht darauf bezogen werden. Nach Einigen
soll nämlich ihr nordischer Name Heidabyr oder Heidabaer die Hai-
denstadt bedeuten (von Haeß, pl. Haeda, altisl. Heidr, jetzt heiöi, die
Jaide). Die Haide, worauf Schleswig lag, hiefs die Aslagsheide. Der
ilte anglische Urname des Ortes war Haethe, wie er in Othars Rei-
9 *
132 v. Maack:
sebericht vorkommt und von dem das Wort „Heitscheffel* abzuleiten
ist. Der Angelsachse Robert, Bischof von Elgin, sagt: Haethe, quod
lingua Anglica significat portum. Nach der dänischen Eroberung des
Landes ward der Ort Haethebye, d. h. die Hafenstadt genannt, denn
Adam von Bremen sagt: Sliaswich, quae nunc Heidabu dicitur. Bei
den Sachsen hiefs der Ort Sliesthorp oder Slieswyk.
Dagegen erzählt Helmold, dafs der grofse Holstenwald, der Isarnho,
sich von Schleswig bis Lübeck erstreckte, woraus aber folgt, dafs er
in Süden wenigstens theilweise an waldfreies Land angegrenzt habe,
welches hier nur Haide gewesen sein kann. Schleswig war dagegen
ganz mit Waldungen dicht überzogen, denn Adam von Bremen sagt
in seiner Schrift de situ Daniae: Cum omnes tractus Germaniae pro-
fundis horreant saltibus, sola Jutland caeteris horridior.
In den dicken Urwäldern Kimbriens hausten viele wilde Thiere,
welche heutigen Tages längst ausgerottet sind. Der Wölfe und Wild-
schweine nicht zu gedenken, gab es auch noch Bären und Biber. Noch
im vorigen Jahrhunderte existirten Wölfe im Lande, noch zu den Zei-
ten Heinrich Rantzau’s Biber (vergl. dessen Deseriptio Chersonesi Cim-
bricae in Westphalens Monumenta). Selbst das Elenthier war hier zu
Hause, denn man hat dessen Knochen in Jütland gefunden (Molbech’s
Ungdomsvandringer II. p. 290), wie denn dieses Thier noch im 11ten
Jahrhundert in Deutschland und Holland existirte. So heifst es z. B.
in einer Urkunde Otto I. vom Jahre 943: Nemo sine venia Balderici
Episcopi in pago forestensi Trentano cervos, ursos, capreas, apros, be-
stias insuper, quae teulonica lingua Elo aut Schelo appellantur, venari
praesumat. Heda Episcop. Ultratraject. Ultraject. 1643. p. 83. Die-
selben Worte kommen in einer Urkunde Heinrich’s I. von 1006 (l. ce.
p- 101) und Konrad’s IH. von 1025 (l. c. p. 114) vor. Das Elo oder
Schelo ist aber das Elenthier, wie Schlözer bewiesen (dessen Brief-
wechsel Heft II. S. 80). n
$22. Demnächst haben wir von den uralten einheimischen Lan -
desnamen der Kimbrischen Halbinsel, der Chersonesi Cimbricae der
Römer, zu handeln. Da Schleswig in der Urzeit von Jütland durch
eine Meerenge getrennt war ($ 19), so kann unter der Kimbrischen
Halbinsel ursprünglich nur Schleswig verstanden worden sein. Dafs
der Name dieser Kimbrischen Halbinsel Raunonia gelautet, läfst sich
unzweifelhaft darthun. Wir haben schon gesehen ($ 17), dafs die un-
genannten Inseln des Plinius in der Nordsee müssen gelegen sein; dals
nach Timaeus eine derselben, bei welcher das Meer Bernstein im Früh-
jahre auswarf, vor dem Raunonia genannten Theile Seythiens lag, und
dafs diese Bernsteininsel Basilia gewesen. Da nun der Name Rau-
nonia das Land als Bernsteinland bezeichnet (von Rav, Bernstein),
\ Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 133
so kann dieses entweder nur die Preufsische Ostseeküste oder die West-
_ küste der Kimbrischen Halbinsel gewesen sein, die beiden einzigen
- Orte des Nordens, wo der Bernstein in grofsen Massen gefunden wird
(vergl. Werlauff in Falks’s Neuem Staatsbürgerlichen Magazin Bd. X.
F Schleswig 1840). Aber eben wegen der Lage der ungenannten In-
seln des Plinius in der Nordsee, von denen Basilia eine war, die vor
Raunonia lag, muls dieses die Kimbrische Halbinsel gewesen sein. Ob
Xenophon’s von Lampsacus Baltia, eine Insel von ungemessener
Gröfse, Jütland gewesen, ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden; jeden-
_ falls ist Baltia von der Chersonesus Cimbrica (Schleswig) verschieden,
denn es war ja eine Insel. Der Name Baltia erinnert an die Belte
und an das baltische Meer, welche nach dem Lande und gewifs nicht
_ das Land nach dem Wasser benannt worden sind. Es giebt der Meer-
engen drei, die als Belte bezeichnet werden: der grofse Belt, der kleine
Belt ') und der Samsöe-Belt (zwischen der Insel Samsöe und Jüt-
land). Folglich kann die Insel Baltia, nach der diese Meerengen be-
. nannt worden sind, entweder nur Fühnen oder Jütland gewesen sein;
denn Seeland war früher zu klein, um als eine Insel von ungemesse-
ner Gröfse bezeichnet werden zu können. Das alte Seeland war näm-
lich viel kleiner als das jetzige. Adam von Bremen, wo er die däni-
schen Inseln aufzählt, sagt: sexta (sc. insula) est Selandia, septima,
quae illi adhaeret etc., und ferner: Caeterum Fioniae insulae aliae
septem adjacent minores ab Euro, quas supra diximus frugibus opu-
lentas, hoc est: Monland, Imbria, Falster, Laaland etc. Man hat diese
Adam’sche ‚Insel Imbria für Fehmarn erklärt, eine Interpretation, die
Adam selbst widerlegt, denn er sagt späterhin: quarum (sc. insulanaım,
quae Slavis adjacent), prima Fembre vocatur. Haec opposita est
Wagris. Fembre ist also unleugbar Fehmarn, folglich mufs Imbria
anderswo gesucht werden. Aber wo? Die septima insula Adam’s ist
jene, quae ülli (Selandiae) adhaeret. Sie ist also ein Anhängsel
von Seeland, oder mit andern Worten, zu Adam’s von Bremen Zeiten
hing eine Insel mit einer so schmalen Landenge mit Seeland zu-
sammen, dals er sie noch als eine von Seeland gesonderte Insel auf-
führen konnte. Diese Seeland adhärirende Insel nennt er an dieser
Stelle nicht; jedenfalls wird sie einen eigenen Namen gehabt haben,
lc" Ba >, ia ai u
b;
%
“
zen, der Name Seeland auf sie ausgedehnt ward. Es mufs aber diese
insula septima Adam’s der südliche Theil des jetzigen Seeland ge-
wesen sein, welcher rings umgeben von Inseln, im Süden von Möen,
Falster und Laaland, im Norden von der insula serta Adam’s un-
134 v. Maack:
möglich den Namen Seeland, Sjaland, geführt haben kann, ein Name,
welcher nur für den nördlichen Theil, der so buchtenreich ist, palste.
Es lehrt ferner die geologische Untersuchung, dafs das jetzt mitten auf
der Insel liegende Ringstedt, einst an einer jetzt versandeten Meerenge
gelegen, die beide Inseln trennte, wie denn ja auch in einer der Chro-
niken in Langebeck’s 'Scriptt. erzählt wird, man sei mit den Schiffen
nach Ringstedt gefahren (zu meinem Bedauern ist mir das Citat in
den Kriegsjahren abhanden gekommen). Fafst man nun alle diese
Thatsachen zusammen, so ist man wohl berechtigt zu der Annahme,
dals Adam’s insula septima, quae Selandiae adhaeret, Imbria gehei-
(sen habe. — Kehren wir nach diesem nothwendigen Excursus zu der
Insel Baltia zurück, die, wie schon ‚bemerkt, entweder nur Fühnen
oder Jütland gewesen sein kann. Für das letztere spricht aber einmal
die bedeutendere Grölse, da Baltia eine Insel von ungemessener Gröfse
war, und demnächst der Umstand, dafs das baltische Meer eher nach
einer seiner Grenzscheiden, als nach einer unter so vielen in ihm be-
legenen Inseln benannt worden sei. Dafs der Name Fühnen, Fionia
(d.h. das weilse = schöne Land) celtisch, ist gewils; aber für Jüt-
land, welches nicht zur Kimbrischen Halbinsel gehörte, würde uns
gänzlich der vorgermanische Name fehlen, wenn er nicht Baltia wäre.
Ob auch dieser celtisch, mufs ich vorläufig dahin gestellt sein lassen;
vielleicht ist er finnischen (tschudischen) Ursprungs und gehört der
Urbevölkerung des Nordens an. Denn es finden sich bier zu Lande,
wenn auch höchst sparsam, unzweifelhaft Namen tschudischen Ursprungs,
z.B. das Wort Noör, womit eine tiefer ins Land eintretende Ausbuch-
tung eines Meerbusens bezeichnet wird. Im Mongolischen heifst
aber Noor (zusammengezogen aus Naghor) der See. (Im Westmon-
golischen wird regelmäfsig der aspirirte Gaumenbuchstabe in der Mitte
ausgestolsen: aus Ähaghan wird Khan, Fürst, aus bughurul wird burul,
grau u. Ss. w.)
Das Wort Codanoniayist ein &za& Aeyousrov; es kommt nur bei
Mela vor: In illo sinu, quem Codanum dizimus, er insulis Codanonia,
quam adhuc Teutoni tenent, ut foecunditate, «ta magnitudine antestat.
Ohne allen Grund hat man durch einen Gewaltstreich Codanonia in
Scandinavia ändern wollen. Man hat auf Seeland gerathen und dafür
nur die foecunditas anführen können; die magnitudo verträgt sich aber
nicht mit dieser Auslegung. Dafs aber Codanonia Kimbrien gewesen,
dafür spricht die Bezeichnung sinus Codanus, von welchen wir nach-
gewiesen ($ 12), dafs er gebildet werde von der Ostküste der Kimbri-
schen Halbinsel einerseits und von der Ostseeküste Deutschlands bis
zur Spitze Rügens andererseits. Unzulässig ist es, das Wort Codanus
in Gothanus zu ändern (J. Grimm). Dafs das Wort wirklich Coda-
Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land. 135
1 nus gelautet, dafür zeugt der Name des Dorfes und des Landsees Ku-
den in Ditmarschen, wie denn dieser wiederum für die Kimbrische
- Halbinsel als Codanonia spricht. Plinius (Histor. natur. IV. 16)
Fi spricht von einem Scandia. Weil man mit diesem Namen nichts an-
3 zufangen wulste, ward er für identisch mit Scandinavia erklärt. Prü-
_ fen wir diese Frage näher! Zu dem Ende haben wir zuvörderst zu
bestimmen, was ursprünglich unter dem Namen Seandinavia ver-
standen worden ist. Es läfst sich aber die sprachliche Continuität
_ zwischen den Wörtern Scandinavia und Schonen nachweisen. Das
Wort avi ist ein gothisches und bedeutet Insel. Das gothische avi
_ geht in das altnordische ey, in das dänische öe über, gleichwie das
- gothische mavi ins altnordische mey, dänische möe (die Jungfrau), das
- gothische havi ins altnordische hey, das dänische höe (das Heu); folg-
_ lich ist Scandinavia — die Insel Scandin. Und gleich wie im Angel-
- sächsischen durch Erweiterung das gothische Skand — in — avi in
Sced — en — igge des Beowulf-Liedes übergeht, so wird im Altnordi-
schen durch die demselben charakteristische Contraction Skandin in
- Skän zusammengezogen. Aus dem gothischen Skandinavi wird also
£ altnordisch Skäney, dänische Skaanöe, Skaane, deutsch Schonen, bei
”
Aelfred Sconeg, bei Adam von Bremen Sconia und bei Saxo Gram-
maticus Scania. Im Althochdeutschen wird das Wort Scandinavia aber
zu Schat — en — auge oder Schat — en — awe, latinisirt zu Schatana-
via. Es ist also offenbar Scandinavia oder die Insel Scandin ursprüng-
ö lich das heutige Schonen, von dem wir bereits ($ 4) geologisch nach-
gewiesen, dafs es vormals eine Insel gewesen, und da es nun sprach-
lich auch als Insel bezeichnet ist, so muls es offenbar in geschicht-
lichen Zeiten noch eine solche gewesen sein. — Gehen wir aber weiter
und fragen, was bedeutet sprachlich die Insel „Scandin“. Die Endsylbe
in bezeichnet das Wort als ein keltisches. In (ion) ist die gadhelische
Form von dem suffigirten innis, eymr. ynys, die Insel. So heilst z. B.
_ Albion gadhelisch Alba — inn, cymr. contrahirt Albar, d.h. die Berg-
"insel (von alb, hoch).- Die alten Scoten nannten sich Albinach und
ihr Land Albin (Buchanani Histor. Scotiae p. 11. 12). Bekannt ist
Irland, Eirin, die grüne Insel. Ebenso ist der alte Name der an der
Küste von Raumdal in Norwegen gelegenen Insel Gossen Gorsin, was
durch Gorsey, Gorsinsel erklärt wird (Munch). Scandin bedeutet also
die Insel Scand. Und wenn die Gothen, als spätere Eindringlinge in
‚den Norden, das Wort Scandin nicht verstehend, avi pleonastisch hin-
zusetzten, so thaten sie dasselbe wie der Deutsche, wenn er z.B. die
Faeröer als Faeröerinseln bezeichnet. So erklärt sich denn auch
ie abweichende Lesart Scandavia für Scandinavia, wie solche bei dem
Gaelen Dieuil (de mensura orbis edid. Walkenaer p. 31) vorkommt. —
136 v. Maack:
Die Wurzel des Wortes Scand ist nicht germanisch; seine Bedeutung
ist selbst dem sprachgelehrten Munch in Christiania seiner eigenen Er-
klärung nach völlig dunkel geblieben. Es kommt aber im westjütischen
Dialect die Redensart vor: de gaaer aa Skands, d.h. sie gehen
schräge (zur Seite), und im Nordfriesischen heilst skan schräge, schief,
krummgebogen (Outzen’s Glossar Artik. skan). Daraus erhellt nun die
Urbedeutung der Wörter: Schanze, nordisch Skandse; Schanne oder
Schande (zum Tragen zweier Eimer), pandum, jugum; Skandaek (ein
in die dänische Seemannssprache aufgenommenes, nicht dänisches Wort),
holl. Schandeck, Schandekel, d.h. der oberste Rand des Schiffrumpfes
u.8s. w. Das Wort Scandin bedeutet also die gekrümmte, gebogene
Insel, gleich wie der Name Skanderborg in Jütland, vormals Skand-
thorpborg, den Ort als das krumme Dorf bezeichnet. War nun aber
Schonen eine solche gekrümmte Insel? Jordanes (de rebus Geticis c. 3)
beschreibt nach Ptolemaeus I. 2. Schonen folgendermafsen: Est in
Oceani arctoo salo posita insula magna, nomine Scandja, in modum
folii eitri (so ist zu lesen, statt des unsinnigen cedri), lateribus pan-
dis (ausgebogenen) post longum ductum concludens se; ejus
ripas influit Oceanus. Heutigen Tages gleicht freilich Schonen
dieser Beschreibung nicht, allein man mufs in Betracht ziehen, dafs
Blekingen, welches in Wulfstans Reisebericht Blecing aeg heilst, frü-
her eine Insel (ags. eg) war, wie solches auch mit Halland seinen
geologischen Verhältnissen nach der Fall gewesen sein muls, so dafs
der viel spätere Saxo Grammaticus noch sagen konnte: Caeterum Hal-
landia ac Blekingia, ab integritate Scaniae ceu rami duplices
ex unius arboris stipite promeantes, Gothiae Norvagiaeque longe
declinationis spacis, diversisque recessuum intersticiis, adnectuntur, wäh-
rend der ältere Adam von Bremen noch schreibt: Sconia fere insula
est ultima pars Daniae, undique cincta mari, praeter unum ter-
rae brachium, quod ab oriente conlinens Suediam disterminat a Da-
nia, uli sunt profundi saltus montesque asperrimi. Es waren also die
vier Scandischen Inseln des Ptolemaeus, von denen drei kleinere, eine
sehr grofs war: Schonen, Halland, Blekingen und Smaaland ($ 4).
Und nun das Wort Scandia! Im Keltischen heifst ia das Land:
Italia, das glänzende, feurige Land (von ital, dem deutschen eitel, glän-
zend, feurig); Arcadia das Bergland (von arcoed, die Anhöhe) u. s. w-
Scandia ist also das krumme, gebogene Land, welches also offenbar
von der krummen, gebogenen Insel unterschieden ist. Es kann folg-
lich Scandia nicht identisch sein mit Scandin oder Scandinavia. Wo
ist nun aber Scandia zu suchen? Wir haben zwei Merkmale entdeckt,
die es charakterisiren müssen: 1) dafs es keine Insel, folglich Festland
gewesen ist; 2) dals das Land eine krumme, gebogene Figur gebildet.
|
|
;
Das urgeschichtliche Schleswig -Holsteinische Land. 137
Da aber ein Küstenland, dessen Meeresufer gebogen sind, schwerlich
_ als das krumme, gebogene Land x«z’ €£0y7» bezeichnet worden wäre,
_ weil dieses Merkmal mehr oder minder jeder Küste zukommt, so kann
ein Land nur dann als gekrümmt, gebogen durch seinen Namen be-
. zeichnet worden sein, wenn es nicht blos an einer, sondern an zwei
_ oder drei Seiten, vom Meere bespült, dieses Merkmal an sich getra-
gen, d.h. wenn es eine Halbinsel gewesen. So werden wir darauf
hingeführt, dafs Scandia der altkeltische Name der Kimbrischen Halb-
_ insel gewesen. Vergegenwärtigen wir uns nur seine einstige Form in
_ der Urzeit. Die beiden Meerbusen der Schlei und der Eider ($ 18)
schnürten, einen schmalen Isthmus bildend, das Land vom Festlande
fast ab. Es war bei weitem nicht so breit wie jetzt: theils fehlten noch
_ viele Marschdistriete, theils waren sie in der Bildung begriffen und be-
_ standen gröfstentheils aus Inseln. Im Norden schied eine Meerenge
die Halbinsel von Jütland. — Aber nicht blos einen ähnlichen Namen
führten die Kimbrische Halbinsel (Scandia, Scandja ’) des Jordanes)
_ und Schonen (Scandin); sie hatten auch sonst in ihrer natürlichen Be-
- schaffenheit manche Aehnlichkeit gemein. Beide waren, die eine als
_ Insel ganz, die andere als Halbinsel gröfstentheils von Wasser umge-
ben; beider Küsten ‚zeichneten sich durch ihre Flachheit und ihren
Buchtenreichthum aus. Was die Buchten Schonens betrifft, so sind
_ des Jordanes Worte bereits oben angeführt; in Betreff der flachen Be-
- schaffenheit seiner Küsten sagt aber Paulus Diaconus (De rebus gestis
Longobardorum 1. 2): Haec ergo insula (sc. Scandinavia) — — — non
tam in mari est posita, quam marinis fluctibus propter planitiem
_ marginum terras ambientibus circumfusa. Von der Kimbrischen Halb-
insel, der Jutlandia des Adam von Bremen, sagt derselbe in seiner
‚Schrift de situ Daniae: Sicut vero bracchia maris occurrunt, ibi civi-
_tates habet marimas, und von der Stadt Ripen bemerkt er: quae civi-
tas tangitur alveo, qui ab Oceano influit. Endlich bildeten beide,
"Kimbrien und Schonen, früher ein sehr waldreiches Flachland und ein
Strom, der hier wie dort den Namen der Elbe führt, fliefst neben bei-
den hinein. Adam von Bremen sagt nämlich: Ibi (sc. in Sueonia) est
Albis fluvius — — —, qui oritur in praedictis alpibus, perque medios
Gothorum populos currit in Oceanum, inde et Gothelba dicitur. — Da-
jer wird nicht blos einerseits die schwedische Göthaelv, die ja auch,
wie wir gesehen, den Namen Elbe führt — in Jütland giebt es ihr
entsprechend eine Gudenaa — nicht selten mit der deutschen verwech-
an
') Scandja und nicht, wie meistens geschieht, Scandzia ist bei Jordanes zu
esen (Munch). Die Form Scandja bürgt aber für die Lesart Scandia bei Plinius
einige Handschriften Scandea haben.
138 v. Maack:
selt, sondern andererseits erstreckt sich diese Verwechselung auch auf
die Lande selbst, auf Scandia und Scandin (Scandinavia) sowohl bei
den Alten als auch bei den Neueren. Jordanes versteht unter seinem
Scandja stets Scandinavien und schon in der Sceaf-Sage ist der Schau-
platz bald in Schonen, bald in Schleswig. In der ältesten Darstellung
derselben bei dem um das Jahr 1000 schreibenden Adelwerd (bei Sa-
vile p. 842) heilst es: Ipse Scef cum uno dromone advectus est in in-
sula Oceani, qui dieitur Scani ete. Dagegen sagt Wilhelm von
Malmesbury (} 1143) (bei Savile p. 41): iste (Sceäf‘) ut fertur, in quan-
dam insulam Germaniae Scandjam (alie lectiones: Scanziam, Scan-
deam), de qua Jordanes historiographus Gothorum loquitur, appulsus
navi sine remigio, puerulus, posito ad caput frumenti manipulo, dor-
miens, ideoque Sceaf nuncupatus, ab hominibus regionis illius pro mira-
culo exceptus et sedulo nutritus, adulta aetate regnavit in oppido,
qui tunc Sliaswich, nunc vero Haitheby appellatur. Est au-
tem regio illa Anglia vetus dieta, unde Angli venerunt in Britanniam,
inter Sarones et Giothas constituta.
Fassen wir nun die Resultate unserer Untersuchung kurz zusam-
men, so haben wir nachgewiesen, 1) dafs Scandin (die krumme Insel)
oder Scandinavia Schonen gewesen; und 2) dafs mit Scandia (dem krum-
men Lande) die Kimbrische Halbinsel bezeichnet worden. Daraus kön-
nen wir aber den Schlufs ziehen, dafs, als die Kelten in den Norden
einwanderten, Kimbrien bereits eine Halbinsel gewesen, weil sonst der
Gegensatz von Scandia und Scandin nicht in ihrer Sprache sich aus-
gedrückt hätte.
8 23. Schliefslich haben wir noch die alten Speeialnamen Hol-
steins und Schleswigs zu erwähnen. Unter den Namen Nordalbin-
gia oder Sazonia Iransalbina tritt unser Land zuerst in das Licht
der Geschichte. Man verknüpfte aber mit diesem Namen keinen scharf
begrenzten geographischen Begriff, sondern verstand darunter das von
Sachsen bewohnte Land der nördlichen oder rechten Seite der Nieder-
elbe, die Grenzen gen Norden und Osten unbestimmt lassend. Der
Name Holsatia (Holstenland, Holsteen, Holstein) wird zum ersten
Male beim Jahre 804 in den Chroniken genannt. Das Wort Holste
ist aber zusammengezogen aus Holtsete, wie Inste aus Insete, Lanste
aus Landsete. Holtsete oder Holsate bedeutet einen Holzsassen, einen
Waldbewohner und ist daher seiner Bedeutung nach identisch mit den
Vithonen (Nuithonen) des Tacitus und den Charuden des Ptolemaeus.
Meistens heilsen die Bewohner unsres Landes in den fränkischen Chro-
niken Nordliudi, Nordalbingi, Saxones transalbiani. Es giebt aber noch
einen viel älteren Namen für Holstein. Bei den Longobarden (Paulus
Diaconus de rebus gestis Longobardorum I. 12. 13) heilst es Mau-
Das urgeschichtliche Schleswig- Holsteinische Land. 139
ringa, bei dem Geographen von Ravenna Maurungavi, bei den An-
gelsachsen Myrgingaland, althochdeutsch Mörunyöland. Das ags., alts.
und nord. Wort Mör bedeutet unter Anderen auch die Haide, ericetum,
daher ist Hörunyöland das rauhe wilde Haideland, und diesen Namen
erhielt daher jedes Haide- und Sumpfland. So findet man denn auch
_ südwestlich vom Harz bei Göttingen und Nordheim den pagus Mo-
runganus, jetzt Moringen genannt. Nach dem Geographen von Ra-
_ venna soll das fränkische Königsgeschlecht der Merovinger aus Mau-
- rungavia, welches im Süden an die Elbe grenzt, gekommen sein. Die
_Patria Albis, quo spatiosissima dicatur terra des Geographen von Ra-
venna (IV. ce. 18) ist wohl Nordalbingien.
Der alte Name Schleswigs lautet bei Paulus Diaconus Scoringa
(vom ags. score, ripa). Denn als die Longobarden (Winiler) aus Scan-
dinavien auswanderten, kamen sie nach Ueberwindung der Wandalen
(in Vendsyssel in Jütland) nach dem Scoringa genannten Lande, wo
‚sie einige Jahre blieben. Als sie nun von Scoringa aus nach Mauringa
ziehen wollten, versperrten die Assipiti ihnen den Weg u. s. w. Mau-
ringa ist, wie wir gesehen, Holstein, folglich mufs Scoringa Schleswig
gewesen sein, da sie an der Spitze Jütlands die Wandalen geschlagen
"hatten. In der Frankenzeit wird Schleswig Si//endi, richtiger Sin-
lendi, d.i. das öde, wüste Land (J. Grimm) genannt, weil es damals
schwach bevölkert war.
Urgeschichte des Landes zu schreiben. Die Kimbrische Halbinsel ist
nämlich gleichsam die geschichtliche Brücke, die den scandinavischen
Norden mit dem Festlande Europas verbindet. Einst in der Dämme-
r der Vorzeit ergofs sich über diese Brücke der Völkerstrom der
Kimbern, Longobarden, Angeln und Sachsen nach Süden; in späterer
ehichtlicher Zeit drang über sie das Licht germanischer Cultur vom
Süden aus in die Nacht der nordischen Barbarei. Die Geschichte ist
aber das edelste, das geistigste Erzeugnifs des Bodens, worauf ein Volk
lebt: wie das Land, so das Volk; wie das Land und das Volk, so auch
seine Geschichte. Jedes Volk ist ursprünglich eins mit dem von ihm
ewohnten Boden, oder, wie A. von Humboldt sich ausdrückt, die Völ-
ker tragen die Livree der von ihnen bewohnten Gegenden. Denn wie
ler Menschengeist auf keine Weise sich loszuringen vermag von der
irde und daher, wie er irdisch lebt, wie er irdisch fühlt und irdisch
lenkt, den wahren Erdgeist darstellt, so ist dieses sein Verschmolzen-
140 v. Maack: Das urgeschichtliche Schleswig-Holsteinische Land.
sein mit dem Leben der mütterlichen Erde eben dadurch begründet,
dals er nicht nur auf oder vielmehr in ihr lebt, dafs er nicht nur von
ihr lebt, sondern dafs er auch von ihr durchlebt wird, dafs ihr Leben
auch ihn durchdringt, dafs er mit der Erde verbunden sich fühlt, wie
die Blüthe mit dem Baume, die mit ihm krankt und gedeiht. Und
wie nun einerseits und zwar ursprünglich die Natur des Landes auf
seine Bewohner bestimmend einwirkt, so tritt wiederum andererseits
späterhin der Bewohner auf die mannichfaltigste Weise seine Wohn-
stätte umbildend auf, und diese Umwandlung der Heimath gleichsam
zu einem neuen Lande wirkt dann nothwendig zurück auf seine Be-
wohner. So greifen alle Ringe in einander und bilden eine unzer-
reilsbare Kette von Ursachen und Wirkungen. In der Einheit der
geistigen Richtung eines Volkes mit seinem Naturdasein, in dem un-
zerreilsbaren, wenn auch dem Bewulstsein entrückten Zusammenhange
des Bewohners mit dem von ihm bewohnten Lande besteht, da der
Mensch mit seinem Sinnen und Trachten zunächst an die Naturbeschaf-
fenheit seiner Wohnstätte gebunden ist, eben das, was man seine Na-
tionalität oder Volksthümlichkeit nennt. In der Nationalität ist der all-
gemeine Geist der Menschheit durch die besonderen solaren und tellu-
rischen Verhältnisse des Heimathslandes als ein endlicher bestimmt und
beschränkt. Eine tiefere Einsicht in den Gang der Geschichte ist daher
undenkbar ohne eine allseitige, das Wesentliche nie aus den Augen
verlierende Auffassung der physischen Bodenbeschaffenheit des geschicht-
lichen Schauplatzes. Und wie nun einerseits diese Grundansicht, wenn
sie die geschichtliche Darstellung beseelt, die Geschichte an den gro-
(sen Kreis der Naturwissenschaften anknüpfend, ihr erst den Stempel
der ächten Wissenschaftlichkeit aufdrückt, so wird andererseits eine
solche ursächliche Verschmelzung der Geographie mit der Geschichte
für das einfache Verständnifs der letzteren selbst unentbehrlich, wenn
der Schauplatz, die Bühne, auf welcher ein Volk lebt und webt, han-
delt und wandelt, im Zuge der Jahrhunderte und der Jahrtausende
vielfache und so grolse, so tiefeingreifende Naturveränderungen erlitten
hat, wie solches, wie wir gesehen, der Fall gewesen ist mit Schleswig-
Holstein.
141
FI:
| Ein Jagdausflug von Keren im Lande der Bogos
Enach dem Berge Zad’amba am oberen Laufe des
ni. Barka-Flusses.
Von Werner Munzinger.
Vom Schreiben müde und halb krank, entschlofs ich mich, ein paar
‚Tage auf der Jagd in dem nahen Barka zuzubringen. Wir waren acht:
ich mit drei meiner Leute; ein mir befreundeter Elephantenjäger mit
‚seinem Diener und zwei Männer von Keren. Wir hatten nur ein Pferd
"und ein Maulthier mit; unser Proviant bestand aus einer Provision
von Mehl für eine Woche, etwas Pfeffer, Confitüren und Kaffee. Ein
Zelt hatten wir nicht vonnöthen, da das Land gesund und die Regen-
zeit noch fern ist. Wir kamen Sonntag den 19. März in der Ebene
- von Schytel ') an und vernahmen von Hirten, dafs der eine kleine
‚Stunde entfernte Fuls des Zad’amba von Rhinoceros voll sei.
Der Berg Zad’amba ist ein einziger, ungeheurer Felsblock, wohl
2000 Fufs über der Ebene von Schytel erhoben und hängt mit den be-
“nachbarten Gebirgen nur durch einen schmalen Sattel zusammen. Er
‚zerfällt in zwei Hälften, die westliche ist mit Hülfe von Steingeröll
und Bäumen zugänglich, wenngleich nieht ohne Beschwerde; die andere
östliche fällt von allen Seiten ganz senkrecht spiegelglatt bis zür Ebene
ab. Der Pals, der die beiden Hälften verbindet, ist kaum 5 Zoll breit,
_ von beiden Seiten jäh abgeschnitten und wohl 100 Schritte lang. Muthige
Leute setzen sich auf diesen schwindelerregenden Sattel wie auf ein Pferd
und helfen sich hockend hinüber. Doch haben schon Viele auf die-
sem Steg den Tod gefunden; denn ein einziger Blick rechts oder links
| den unbegrenzten Abgrund reicht hin, Schwindel zu erzeugen. Das
‚Kloster befindet sich auf der östlichen isolirten Seite und ist von fünf
oder sechs Mönchen bewohnt, die von Abessinien gebürtig, mit den
Schrecken dieser wahrhaften Einsiedelei den Himmel zu verdienen hof-
fen. Ihr Vorsteher, ein Fünfziger, hatte den Muth hineinzukommen.
ls er nach einem kurzen Aufenthalte hinaus wollte, schwindelte es
ım den Sattel zu passiren und so befindet er sich seit 14 Jahren in
einer unfreiwilligen lebenslänglichen Gefangenschaft.
!) So ist der Name in dem Manuscript des Herrm Verfassers stets geschrieben.
Auf der im Bulletin de la Societe de Geographie, Novembre 1859 publicirten Karte
Munzinger’s steht Shotel. Der Berg Zad’amba liegt in gerader Richtung etwa 6 bis
7 deutsche Meilen südlich von Keren.
142 Werner Munzinger:
Zad’amba ist ziemlich geräumig und an den beiden Seiten wohl
4 Stunde lang. Die östliche Seite ist oben mit Erde bedeckt; doch hat
sie wenig Vegetation, einige Rebstöcke und ein Dutzend riesiger Sy-
komoren, deren Früchte getrocknet sehr gut schmecken. Die Mönche
nähren sich von Früchten und Wurzeln der Wildnifs und von Almo-
sen, die sie in der Nachbarschaft einsammeln. Diese Einsiedelei scheint
sehr alten Ursprungs zu sein. Der Kaiser Jasu (1720) erneuerte sie;
er baute die verfallene Kirche und die Wohnungen der Mönche wieder
auf und liefs mehrere Cisternen graben, die in der Regenzeit sich fül-
lend für das ganze Jahr genügen könnten; doch haben sie sich in der
Länge der Zeit mit Schlamm gefüllt, so dafs sie jetzt selbst für den
Bedarf von wenigen Personen kaum ausreichen. Quellwasser hat die
Amba keines; sobald das Zisternenwasser verbraucht ist, sind die Mönche
genöthigt, aufserhalb des Berges ihre Bockshäute zu füllen. Wer das
nicht kann, mufs vor Durst sterben. Ich kenne einen der Mönche, Abba
Gebre Medin, der uns oft besucht und sich an den Steg so gewöhnt
hat, dals er ihn aufrechtstehend überschreitet, was selbst einen Seiltänzer
mit Grauen erfüllen möchte. Kaiser Jasu hatte diesen Weg mit Mauer-
werk breiter gemacht; doch hat die Zeit, Ungewitter und Blitz der
Natur ihren Schrecken zurückgegeben. Zad’amba ist oft von Leopar-
den heimgesucht, die schon manchen Einsiedler gefressen haben, und
nach der Sage der Mönche macht ihnen selbst der böse Feind dann
und wann einen Besuch. In der Kirche befinden sich mehrere Manu-
scripte, die für die Geschichte der Nordgrenzen Abessinien’s wich-
tig sind.
Zad’amba fällt senkrecht auf die Ebene ab; doch hat das Bergge-
röll der ganzen Länge der Basis nach eine sanft abfallende schiefe, wohl
eine halbe Stunde breite Ebene gebildet, die sich allmählich zum schwar-
zen Schlammboden Schytels hinabsenkt. Diese Abdachung, aus Gra-
nitschutt bestehend, wenig fruchtbar, bildet eine Urhaide, unregelmäfsig
bewaldet, mehr Gesträuch, Gebüsch und Dornen, als Bäume, nie be-
hauen, nur von wilden Thieren bewohnt und dem Menschen fast un-
zugänglich.
Von Zad’amba entspringen drei Quellen; die eine am Westende
u A ee
des Berges, Kusch genannt, deren reichliche Wasser, hinter Zad’amba
aus einer Schlucht hervorschiefsend, fast das ganze Jahr bis zur Ebene
hinabströmen. Die zweite Quelle entspringt unmittelbar aus der Amba
auf der Mitte ihrer Basis; die dritte befindet sich unweit davon etwas
weiter unten und bildet dem Granitgeröll entquellend einen kleinen
nie versiegenden Bach.
Nach dieser Orientirung, die zum Verständnifs nöthig war, kehren.
wir auf unseren Gegenstand zurück. Samstag und Sonntag brachten
4 Ein Jagdausflug von Keren nach dem Berge Zad’amba. 143
wir in Kusch zu; die Nacht durchwachten wir bei der Quelle; aber
_ ohne Erfolg. Das Rhinoceros hatte, scheint es, unsere Gegenwart be-
‚merkt. Kusch ist eine felsige, kaum 10 Schritt breite, düstere Schlucht.
Das Wasser, das in anderen Jahren bis zur Ebene hinablief, stagnirte
jetzt, bildete aber ein prächtig wucherndes Grün. Wir waren nicht
unzufrieden, unseren Thieren die seltene Kost zu gönnen. Den Tag
_ über vergnügten wir uns mit der Jagd auf Rebhühner, die zu hunder-
ten hier sich tränken. Anderes Wild nahte sich nicht, aufser ein paar
Wildschweinen, die aber schnell das Weite suchten.
Montag machte sich unser Elephantenjäger mit seinem Diener auf,
das Terrain bis zum Fulse des Berges zu exploriren. Er hielt sich
auf dem ebenen Wege, der zur unteren Quelle führt, und war kaum
‚eine halbe Stunde fortgeschlendert, als ihn sein Führer am Arme er-
griff. Kaum 50 Schritte weit in dem Gebüsch versteckt weidete ein
Rhinoceros, den Kopf gegen die Erde gesenkt, so dafs nur der Vor-
‚derkörper zu sehen war. Unser Jäger legt an und schiefst; das Thier
flieht auf die eine Seite, der Jäger auf die andere. Ein paar Bluttro-
pfen bezeugten die Verwundung. Hirten erzählten uns den andern
Tag, dafs eine halbe Stunde weiter unten in derselben Zeit ein schreck-
_ lich schnaubendes Rhinoceros im Galopp an ihnen vorüber gerannt sei.
- Unsere Jäger kamen gegen Mittag erschöpft und dürstend im Lager
an. Wir liefsen die brennende Mittagssonne sich etwas abkühlen und
‚machten uns alle zusammen Nachmittags auf, das verwundete Thier
‚aufzusuchen. Wir kamen an der Stelle an, wo der Jäger geschossen
- hatte, und theilten uns in zwei Abtheilungen. Welde Gabriel, so hiefs
der Jäger, nahm von seinem Diener begleitet die Richtung gegen die
untere Quelle; ich mit zwei Leuten, die meine Stutzen trugen, vertiefte
_ mich in dem oben beschriebenen Gehölz. Wir fanden sogleich zahl-
_ reiche Rhinoceros-Spuren, die sich vielfach kreuzten; ich ging voran;
einer meiner Leute hinter mir; der Andere blieb etwas hinten, um sich
über den Lauf einer frischen Spur zu vergewissern. Ich war kaum
"in das Gehölz hinein getreten, als ich das dem Rhinoceros eigenthüm-
" liche Schnauben kaum 20 Schritte von mir hörte. Ich nahm den Stutzen,
den mein Mann trug und der gewöhnlich meines Dieners Waffe ist.
Mein eigener, der viel genauer und kräftiger ist, der mich nie im Stich
läfst, den ich immer selbst lade und putze, der mein Bettgenofs ist,
befand sich unglücklicherweise bei dem anderen Diener, der noch immer
wohl 40 Schritte von mir entfernt war. Ihn zu erwarten, war es zu
pät; denn das Rhinoceros zeigte mit seinem Schnauben, dafs es uns
‚wahrgenommen hatte. In einer Minute mufste es uns auf dem Leibe
’
144 Werner Munzinger:
woher das Schnauben kam, vorsichtig vorwärts; vor mir hinter einem
Dorngebüsch befanden sich zwei Rhinoceros, ein weibliches mit einem
fast 2 Ellen langen Horn und sein wohl dreijähriges Junges. In Folge
des dichten Gebüsches konnte ich nicht zielen; ich machte einen klei-
nen Umweg nach links und kam auf eine offene Stelle, wo ich
mich an einem kleinen Felsen zur Linken niederkauerte. Die zwei
Thiere waren kaum zehn Schritte von mir entfernt, ohne meiner gewahr
zu werden; ihre Aufmerksamkeit war auf meine beiden Leute gerich-
tet, die sich weiter unten befanden, und sie schickten sich an, sich auf
sie zu werfen. Ich legte auf das Ohr des grölseren Thieres an, zielte
lange — denn diesmal wollte ich ganz sicher sein; die Gelegenheit
war zu köstlich — ich zielte lange und schofs — die Kapsel platzte,
- ohne das Pulver zu entzünden. Während ich eine neue Zündkapsel
aufthat, hatten sich die Thiere gegen mich gewandt; doch hatte ich
die Zeit nicht, wieder anzulegen, bevor sie plötzlich ganz nach rechts
umwandten und mit ein paar Sätzen schon 60—80 Schritte entfernt
und mir durch dichtes Gebüsch fast verborgen waren. Es war mir
nicht mehr möglich, genau zu zielen; doch mufste ich an das Heil mei-
ner Leute denken, die dem Angriff der Thiere ausgesetzt waren. Ich
schofs; diesmal fing das Pulver Feuer; aber ich weifs nicht, wohin die
Kugel gerathen ist.
Ich war fast zornig, während meine Leute grofse Freude über
meine Rettung hatten. Denn, meinten sie, hätten sich die Thiere gegen
mich gewandt, so wäre ich ohne Zweifel verloren gewesen; denn in
meiner Nähe war kein hoher Fels noch Baum, worauf ich mich flüch-
ten konnte.
Wir suchten die Spuren der längst verschwundenen Thiere auf;
doch hatten sie so grolse Sätze genommen, dafs es gleich vernünftig
war, ihnen nachzugehen, wie einem abgegangenen Eisenbahnzuge nach-
zueilen. Zu gleicher Zeit kam der Jäger mit seinem Diener an, ohne
irgend etwas gefunden zu haben, und wir machten uns nach Kusch auf,
wo wir nach Sonnenuntergang ankamen. Wir waren alle so müde,
dafs wir schliefen, als wenn wir in einer sicheren Burg uns befänden
und nicht in der Wildnifs unter dem freien Himmel.
Es ist unnöthig, das Nashorn zu beschreiben. Doch werden einige
Bemerkungen über seine Lebensweise und die Manier, es zu jagen,
nicht ohne Interesse sein.
Das Nashorn (Rhinoceros) heilst auf Arabisch: Cherdid, auf Tigre:
Harisch, auf Amhara: Oraris, auf Belen: Gedane. Es hat in seinen
Eigenthümlichkeiten viel Aehnlichkeit mit dem Wildschwein. Schlechte
Nase, schlechte Augen, aber sehr gute Ohren. Es liebt einsame, von
Menschen und Vieh nie begangene Grasplätze und tränkt sich bei ver-
Pl A ee u nad u
Ein Jagdausflug von Keren nach dem Berge Zad’amba. 145
lassenen Wassern nach Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang. Ist
das Wasser verstopft, gräbt es wohl selbst den Brunnen aus. Wie
das Wildschwein liebt es sich im Wasser und Koth herumzuwälzen.
im Wasser angelangt, flieht es zweimal und erst das dritte Mal fafst
es Zutrauen und kniet am Wasser nieder. Diefs ist der Augenblick
‚der Jagd. Der Jäger, der sich am Tage den Ort der Tränke gemerkt
hat, macht sich, ein paar Schritte davon entfernt, eine enge sehr starke
"Umzäunung von undurchdringlichen Dornen und erwartet da die An-
'kunft des Feindes. Hat sich das Rhinoceros recht voll getränkt, so erhebt
sich der Jäger auf seine Knie; die linke Hand stützt er auf einen
Baumstumpf und mit der rechten wirft er dem Thiere mit voller Ge-
alt seine sehr breite scharfe Lanze in den Bauch. Man sagt, dafs
vollgetränkte Nashorn schon der kleinsten Wunde erliegt. Fällt es
auf den Streich nieder, so macht man ihm den Garaus. Hat es die
aft sich zu erheben, so läfst man es ruhig fliehen. Beim Morgen-
grauen verfolgt man die Blutspur und in grölserer oder geringerer Ent-
fernung findet man das Thier erschöpft auf dem Boden liegen.
Die Jagd bei Tage ist viel gefährlicher; hat man einmal die Spur
- gefunden, so geht man ihr nach; von Felsblöcken und kleinen Hügeln
kundet man das Thier aus, und bekömmt man es in Sicht, so verfolgt
an es mit Hunden. Das Nashorn wirft sich wüthend auf die Hunde,
die es nur von hinten angreifen, und die Jäger haben Zeit, es vielfach
zu verwunden. Doch ist diefs in der Ebene eine gefährliche Sache,
da das verwundete Nashorn sich blitzschnell in ganz gerader Richtung
auf seinen Feind wirft und alles, was ihm in den Weg kömmt, nieder-
stölst. Doch bietet der kleinste Felsblock oder Baum eine sichere Zu-
flucht, da das gereizte Thier sein Horn stets nur gegen den Boden
‚stölst.
Sieh mit einer Büchse dem Nashorn zu nähern ist fast unmöglich,
da es uns im Gehör weit überlegen ist; überdiefs ist es in dieser Ur-
haide, wo der Boden von verfaultem Holz bedeckt ist und die Dornen
| ler Durchgang versperren, sehr schwer, sich ohne Geräusch dem wei-
denden Thiere zu nähern. Einmal aufmerksam gemacht, flieht das
Thier in vollem Galopp oder wendet sich gegen den Jäger; die Schnel-
igkeit seines Laufes und das Schnauben, das es dabei ausstölst, er-
‚innert an die Locomotive, die den Dampf ausläfst.
Doch ist die Schwerfälligkeit des Thieres, sich umzuwenden, und
ine Sucht, in ganz gerader Linie vorwärts zu eilen, wie eine Kugel,
ie dem Rohr entflieht, eine Sicherheit für den Jäger, der behend im
ckzack sein Heil findet. Auch diese Eigenschaft hat es mit dem Wild-
iwein gemein.
Das Nashorn thut dem weidenden Vieh kein Leid an; doch ver-
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 10
146 Werner Munzinger:
wundet stöfst es ohne Unterschied Alles nieder, was ihm in den Weg
kommt. .
Das Nashorn verabscheut wie der Bär alles Todte. Wenn ein von
ihm verfolgter Mensch sich auf den Boden wirft und den Athem zurück-
hält, beschnüffelt ihn das Thbier und wendet sich von ihm ab. Die gleiche
Eigenschaft wird dem Löwen, dem Elephanten, dem Adler, dem Affen,
kurz allen Thieren zugeschrieben, die Kadaver nicht fressen; während
im Gegentheil der Geier, die Hyäne den Menschen nur im Schlaf über- 4
fallen und einem Wachenden sich nicht zu nähern getrauen.
Der Mist des Nashorn gleicht dem der Elephanten, was auf ähn-
liche Nahrung schliefsen läfst; doch liebt das Nashorn mehr frisches
Gras, während der Elephant, wie das Kameel, die Baumzweige abfrifst.
Das Nashorn hat den sonderbaren Gebrauch, mit seinem Horn in sei-
nem frischen Mist heramzuwühlen.
Das Fleisch des Nashorn — und ebenso der Elephanten, Strau-
(sen, der Giraffe — wird nur von Mohammedanern gegessen; die Chri-
sten verabscheuen es. Solches Fleisch zu essen und den Islam anzu-
nehmen ist eine identische Sache. Ist ein Nashorn getödtet, so machen
sich die Beduinen mit ihren Kameelen auf und bringen sie mit Fleisch
beladen zurück. Das Fleisch hat Aehnlichkeit mit dem der Ziege,
schmeckt aber bitter. Fe
Das Horn wird in Massua und Suakin, je nach der Gröfse, mit h
2—7 Thaler verkauft. Die Leute von Massua und die Abessinier be-
nutzen es zu Säbelgriffen und Kaffeetassen. Sein Abschabsel wird als e
ein gewaltiges Gegengift angesehen. Würde man einmal das Horn
chemisch analysiren, so könnte man sehen, welchen Werth dieser Volks-
glaube hat. u
Die Haut wird zu runden Schilden verarbeitet. Der Nashornschild
ist dem von Elephantenhaut überlegen und gilt, verarbeitet, einen Tha-
ler. Er hat das Aussehen eines Büffelschildes; doch ist dieser letztere
viel stärker und deshalb geschätzter, da er zuweilen mit vier Thalern
bezahlt wird. Es giebt im Barka Leute, die sich ausschliefslich mit
Bearbeitung von Schilden beschäftigen; von je drei rohen Schilden neh-
men sie einen als Lohn. Die Schilde von der Haut des Elephanten,
Nashorn, Büffel sind rund, der Durchmesser 24 Spannen; in der Mitte
haben sie eine kleine kegelförmige Erhöhung; auf der innern Seite ist
eine Handhabe angebracht. |
Es ist begreiflich, dafs der Nashornjäger sorgfältig auf die Spur”
Acht geben mufs. Die Leute hier zu Land sind im Spursuchen sehr
geübt, und was ich oft ungläubig über die amerikanischen Wilden ge
lesen, habe ich völlig in Afrika wiedergefunden. Eine gestohlene Kuh
ist schwer zu verheimlichen, wenn der Weg auch über Berg und Stein
Ein Jagdausflug von Keren nach dem Berge Zad’amba, 147
geht. Ist der suchende Hirt einmal auf der Spur, so wird er sie schwer-
lieh. verlieren, wenn nicht passirende Reisende oder Heerden sie ver-
'wirren. Geht die Fulsspur verloren, so ist der Geruch, der an Stei-
nen und Bäumen hängen bleibt, ein ziemlich sicherer Leiter. Die Spur
‚der Sandalen zeigt den Stamm an, dem die Viehräuber angehören, da
- jede Tribus sie etwas anders schneidet. Ohne diese Fertigkeit im Spur-
suchen wäre der Diebstahl in diesen Ländern, wo Polizei unbekannt
ist, eine leichte Sache. Ist ein Stück Vieh verloren, so vergewissert sich
_ der Hirt über die Spur; hat er sie gefunden, so giebt er seinen Genossen
"Nachricht; man verfolgt die Fährte; erreicht man die Räuber auf dem
Weg, so entspinnt sich gewöhnlich ein blutiger Kampf. Geht die Fährte
bis zu einem Dorf, so werden dessen Einwohner für das gestohlene Vieh
verantwortlich gemacht und der Prozels ist fertig. Der eben ange-
_ kommene Europäer, der nie auf Spuren seine Aufmerksamkeit gerich-
tet hat, erstaunt, Fährten verfolgt zu sehen, wo sein Auge nichts ent-
‚deckt; doch gewöhnt sich das aufmerksame Auge sehr schnell, die klein-
_ sten Merkmale zu beachten, und wird gelehrig.
Am Dienstag machten wir uns des Morgens in der Frühe mit fri-
_ seher Hoffnung auf. Wir bahnten uns mühsam einen Weg durch alle
_ diese Dornengebüsche, wo jeder Schritt erkämpft sein will. Wir über-
_ bliekten von hohen Felsblöcken nun die ganze Umgegend: keine Spur.
_ Wir durchstreiften die Wildnifs nach allen Seiten hin: ohne Erfolg.
- Müde und durstig setzten wir unsern Weg bis zur untern Quelle fort,
angleich mit. der Absicht, den Tränkeplatz zu untersuchen, als einer
serer Leute von ferne etwas grolses Wildähnliches bemerkte, das
gerade am Rande des Wassers unter einem Baume im Schatten sich
bewegte. Wir glaubten von neuem ein Rhinoceros zu finden, schlichen
näher, wurden aber bald enttäuscht; es waren zwei Tora. Ich
herte mich bis vielleicht auf 250 Schritte, ohne bemerkt zu werden,
d war von dem Wild durch einen Graben getrennt, der von dem
ben beschriebenen Bach durchflossen wird. Auf den Schufs fielen
e Thiere, da sie hinter einander standen; die Kugel hatte das vor-
’ nstehende durchbohrt und das hintere leicht verletzt, so dafs es noch
entfliehen konnte. Das gefallene Thier war ein prächtiges, dreijähri-
es, männliches Thier.
"Das Tora — diefs ist sein Name auf Amharinna; auf Tigre: To-
el; auf Arabisch: Teitel; im Belen: Guragua — ist naturhistorisch
‚schon beschrieben und bekannt. Man kann dieses Thier eine
wilde Kuh nennen. Es hat die gleiche Gröfse und sieht ihr sehr ähn-
h. Doch ist sein Kopf vorn in der Nase länglicht, schmal zugehend.
Die Hörner sind kürzer und runzlicht, immer schwarz. Der Huf, wie
ei der Kuh, gespalten, aber länglicher, fast spitz auslaufend. Das Haar
| ur
148 Werner Munzinger:
ist dunkelroth und sehr grob. Sein gewöhnlicher Gang gleicht dem
der Kuh; sein Galopp ist sehr sonderbar: die Hinterbeine gegen vorne,
die Vorderbeine gegen hinten gespreizt und den Kopf gegen die Erde
gesenkt, rennt es so schnell, wie ein Pferd. Das Tora liebt ein ge-
mälsigtes Klima und ist sehr selten. Es ist sehr scheu und lebt in
einsamen von Menschen und Vieh nie besuchten Gegenden in Heer-
den von 20—30 Stück. Die Haut ist sehr dicht und stark und dient
vorzüglich zu Sohlen; das Fleisch gleicht dem Rindfleisch.
Wir brachten nun den Tag damit zu, das Thier zu zerlegen und
das Fleisch in lange schmale Streifen zu schneiden, die, wenn sie in
der Sonne und Luft getrocknet sind, viele Monate sich halten, ohne
zu verderben. Unsere Leute besitzen, wie alle Aethiopier, die Kunst,
hungern zu können, wenn es an Nahrung mangelt, und tüchtig essen
zu können, sobald der Mangel gehoben ist. Ein Abessinier kann Hun-
ger lange aushalten, aber nicht den Durst. Hat er, wie heute, Ge-
legenheit zu essen, so verzehrt er enorme Quantitäten und macht
sich daraus ein Fest. Ich mochte ihn fast beneiden, diesen Appetit
der Urmenschen, die in Ermangelung von Kochgeschirren ihr Fleisch
in dünne Streifen zerschnitten auf feurigen Steinen braten. Selbst Man-
gel an Salz ist diesen gesunden Magen gleichgültig.
Den Tag verweilten wir neben der Quelle, die unter einem Fel-
sen hervorflielfsend einen kleinen Teich bildet, woraus sich das Was-
ser nur mühsam den Weg nach unten bahnt. Drei hohe blätterreiche
immergrüne Bäume, aus demselben Felsen hervorgewachsen und stets
getränkt, breiten darüber ein nie durchbrochenes Schattendach aus.
Den Hintergrund bilden unregelmäfsig hingeworfene Felsblöcke; den
Vordergrund die von Regenwasser ausgehöhlte Schlucht, die von dem
Bach durchflossen, stets mit frischem Grün ausstaffirt ist. Es war ein
wahrer Feiertag. Den civilisirten Menschen in seinen steifen Kleidern
und Manieren ergreift in seinem unruhigen Treiben oft ein Sehnen nach
der alten einfachen Zeit, wo man auf Aeufserlichkeiten einen geringen
Werth legte und eine faule behagliche Armuth den oft sehr trügeri-
schen Genüssen einer nie zufriedenen Civilisation vorzog. Der noch
nieht verrostete Europäer gewöhnt sich sehr leicht an die Sitten wil-
der Völker und gefällt sich darin, weil diese Barbaren natürlicher sind
und sich das Leben noch behagen lassen, während ein Wilder, nach
Europa verpflanzt, sich nie wohl fühlen wird, gleich einer tropischen
Pflanze, die in einen botanischen Garten verbannt ist. Das Interesse,
das uns die Reisebeschreibungen aus Afrika nnd Amerika, das uns Ro-
mane aus dem Leben der Wilden einflölsen, hat denselben Grund. Die
Schilderung einfacher, natürlicher Sitten und Gefühle erinnert uns an
das verlorene Paradies; wir fühlen, dafs wir mit aller Cultur zu weit
|
|
Ein Jagdausflug von Keren nach dem Berge Zad’amba. 149
gegangen sind; das Aeufserliche hat das Innerliche, die Höflichkeit die
i Freundschaft, die Materie den Geist ersetzt. Diefs waren ungefähr die
_ Gedanken, die sich mir an der Quelle aufdrängten. Ich streckte mich
faul auf dem Rasen aus, hing ihnen nach, und der Traum meiner Ju-
_ gend war wenigstens für einen Tag erfüllt. Mich umgaben uncivili-
sirte Menschen, keine Engel, aber Naturkinder, deren Laster sich noch
unter die zehn Gebote bringen lassen; ich befand mich in einer fast
nie beschrittenen, nur von wilden Thieren bewohnten Wildnifs; auf
_ einer Jagd, wo die Gefahr den Reiz erhöht.
i Gegen Abend schickten wir uns an, auf dem Platze, wo das Tora
gefallen, unser Lager aufzuschlagen. Da die Wälder der Kolla fast nur
F von Dornenbäumen gebildet sind, war es das Werk einer halben Stunde,
uns solid zu umzäunen; denn nahe am Wasser gelagert, mufsten wir
_ uns für die Nacht auf den Besuch wilder Tbiere gefafst machen. Wir
häuften eine grofse Menge dürren Holzes auf und zündeten zwei Feuer
_ an. Niemand dachte an Schlaf, und wirklich war es kaum Nacht, als
_ von ferne in der Richtung von Kusch zwei Löwen im Duett zu brül-
len anfingen. Die Feuer loderten frisch angezündet zum Himmel em-
por; die Gewehre wurden sorgfältig nachgesehen; dem Pferd und Maul-
thier das Gebifs angelegt. Denn haben diese Thiere die Gegenwart
des Löwen gemerkt, so reilsen sie aus und sind ohne Gebifs nicht mehr
zu bändigen. Die Löwen näherten sich immer mehr und kamen end-
lich zum Wasser, wo sie von Neuem ihr Gebrüll anfingen, das von
_ ferne majestätisch, von nah ziemlich gemein tönt. Sie näherten sich
mehrmals unserer Umzäunung, jedoch ohne sie anzugreifen. Gewor-
fene Feuerbrände verscheuchen den Löwen leicht; ebenso mit der Schleu-
& der geworfene Steine. Endlich ging der Mond auf; die zwei Löwen
schienen sich entfernt zu haben, während ein dritter die ganze Nacht
' sich um die Quelle herumtrieb« Es schien uns gegen Mitternacht, als
wenn er sich auf etwas gestürzt habe; wir hörten ein Schnauben, einen
unterdrückten Schrei und dann eine ununterbrochene Stille. Der Mor-
_ genstern fand uns wachend neben unseren halberloschenen Feuern.
Mittwoch Mageng: fanden wir etwa hundert Schritte von der Quelle
3
I öwe in der Nacht getödtet und schon fast aufgefressen en Er
hatte es an der Quelle überfallen und bis dahin geschleppt. Von dem
ganzen Thiere fanden wir nur die Haut und die zwei Vorderbeine.
Ich schickte zwei meiner Leute aus, unsere Landsleute von den
Bogos, die sich in der Umgegend mit Einsammeln von Hamte be-
schäftigen, herbeizurufen, um ihnen ihren Theil von unserer Fleisch-
Provision zu geben. Die Hamte ist die Frucht eines mittelgrofsen ge-
8träuchartigen Baumes. Sie hat die Gröfse einer Kirsche; sie ist grün
N;
150 Werner Munzinger:
und bei voller Reife gelb; und übrigens einer Kaffeebohne sehr ähnlich; .
der Geschmack ist etwas seifenartig, doch ist die Frucht, gut bereitet,
sehr nährend und gesund. Sie findet sich auf dem Gebirge selten,
während das Kolla des Barka ganz voll davon ist. Im März und April
reift sie. Da im letzten Jahr die Käfer die Getreideerndte völlig ver-
nichtet haben, ist jetzt die halbe Bevölkerung der Bogos hier mit dem
Einsammeln dieser Frucht beschäftigt, und es war Höflichkeit, sie un-
ser Jagdglück mit genielsen zu lassen.
Unterdessen wollte ich mich etwas in der Umgegend umsehen.
Ich nahm einen kleinen Jungen mit mir und schlenderte gemächlich
dem untern Ende des Berges zu. Ich war noch nicht weit, als ich
eine grolse Heerde Tora ruhig vor mir weiden sah, männliche, weib-
liche, alte und junge. Ich legte auf einen gewaltigen Stier an; doch
hatte ich die Morgensonne im Gesicht, die Hände zitterten von der
durchwachten Nacht und das Gewehr war glühend heifs. Ich fehlte,
und die Heerde ergriff die Flucht. Ich verfolgte sie, meinen keuchen-
den Jungen hinter mir. Noch dreimal bekam ich sie zu Gesicht, doch
nie in schufsgerechter Position. Ich war schon fast bei Kusch ange-
kommen und die brennende Sonne in dieser trockenen Zeit mahnte
mich an die Rückkehr.
In der Hoffnung, vielleicht ein weidendes Nashorn zu finden, hielt
ich mich an den Saum des Berges und bahnte mir zwischen den Stein-
blöcken und Dornen einen mühsamen Weg, ohne irgend ein Wild zu
sehen. So näherten wir uns der oberen Quelle des Zad’amba und
dachten schon an das Frühstück, als uns ein tragikomisches Aben-
theuer zustiels, das uns theuer hätte zu stehen kommen können. Die
Felsenwände über der Quelle dienen tausenden von mittelgrofsen Aflen
zum Aufenthalt, die diese Gegend als ihr Revier betrachten. Wir wa-
ren wohl noch fünf Minuten davon en#fernt, als wir bemerkten, dafs
die ganze Affenschaft ein scheufsliches Gebrumme anfıng. Wir sahen
wohl, dafs es auf uns abgesehen sei. Hat der Affe Angst, so schreit
er; ist er zornig, so brummt er. Dafs der Affe den Menschen anzu-
greifen wage, wollte mir trotz aller Versicherungen der Landeseinwoh-
ner nie in den Kopf und ich war sehr erstaunt, als die ganze Truppe
im Sturmschritt in dichter Colonne sich ganz gerade gegen uns in Be-
wegung setzte. Von der Gefahr noch nicht überzeugt, wollte ich nicht
unnütz mein Blei verschwenden, und vor dem Affenschiefsen hat es mir
immer gegraut. Doch war die Colonne im Halbmond schon 60 Schritte
uns nahe gerückt und die Gefahr war augenscheinlich. Ich legte mei-
nen Stutzen an; doch um zu schrecken und nicht zu reizen, zielte ich
auf die hinteren; der Schufs fiel, und von der Zad’amba antwortete
donnernd ein hundertfaches Echo. Die erschreekte Colonne ‘machte
m
& Ein Jagdausflug von Keren nach dem Berge Zad’amba. 151
>
_ linksum und verschwand vor unsern Blicken. Es war ein Affe von
- der hinteren Colonne gefallen. Wir überliefsen ihm das Schlachtfeld
_ und: stiegen in die Ebene hinab; denn es behagte mir kaum, mit Affen
_ einen ruhmlosen aber gefahrvollen Kampf zu wiederholen. Hundert
#* Hasen tödten den Hund, sagt das Sprichwort.
.. Ich habe seither viel nachgefragt und man hat mir mehrere Bei-
F spiele von Leuten angeführt, die von Affen gefährlich verwundet und
_ nur mit Mühe gerettet worden sind. Ich kenne einen Mann, der in
Folge von Affenbissen ganz lahm ist. Die Affen umringten ihn, war-
fen ihn zu Boden und wollten ihm die Gedärme herausreifsen, als her-
beieilende Leute sie verscheuchten. Doch mufs ich beifügen, dafs sich
die Affen kaum an drei oder vier Personen wagen; aber an einen Ein-
zelnen oder zwei machen sie sich schon heran. Die Affen, die nahe
bei Dörfern leben, wie z. B. der Affenstaat bei Keren hat sich an den
Menschen gewöhnt und thut ihm nie etwas zu Leide, während die Affen
Feind betrachten.
4 Der Affe dieses Landes ist 2—4 Fuls hoch, das Weibchen etwas
_ kleiner. Das Männchen hat den Hintern nackt und ist oberhalb der
Hüfte grau bepelzt, während das Weibchen den ganzen Leib mit brau-
nem Pelz bedeckt hat. Der Hauptfeind der Affen ist der Leopard,
L der eben so wie sie auf den Felsen wohnt und sich dann und
wann die Freiheit nimmt, aus der Colonie sein Frühstück zu nehmen.
Die Affen stofsen bei seinem Annähern ihr Gebrumme aus und wehren
sich recht gut, wenn sie angegriffen werden. Ich hatte einen Hund,
dem ein Affe ein handgrofses Stück Haut und Fleisch ganz glatt wie
mit einem Rasiermesser herausbils. Die Leute vom Land verabscheuen
das Fleisch des Affen.
Es war schon Mittag, als wir im Lager ankamen. Meine Leute
_ waren zurück und ich erhielt Nachrichten, die mir schleunige Rück-
kehr nach Keren anbefahlen. Nur mit schwerem Herzen trennte ich
“mich von dieser Wildnifs, und verfehlte nicht, uns ein baldiges Wie-
-dersehen zu wünschen.
Keren, im April 1859.
h
3
;
152
Miscellen.
Ueber den Wasserstand und die Schiffbarkeit der Oder.
Auf die Nothwendigkeit einer Verbesserung des Oder -Strombettes haben wir
unter Bezugnahme auf eine Auseinandersetzung der Breslauer Handelskammer
schon früher in dieser Zeitschrift (Bd. VI, S. 467) aufmerksam gemacht. Dem
diesjährigen Landtage ist von der Königl. Staatsregierung eine denselben Gegen-
stand betreffende Denkschrift vorgelegt worden, durch welche nachgewiesen werden
soll, bis zu welchem Grade eine Verbesserung des Strombettes durch Wasser-
bauten überhaupt zu erzielen ist. Es ergiebt sich daraus leider, dafs nur sehr
bescheidene Wünsche auf Befriedigung zu rechnen haben, indem auf der Strecke
von Breslau bis Cosel nur für solche Fahrzeuge, welche nicht über 1 Fufs tief
gehen, ein für die ganze Saison (ganz exceptionelle Trocknifs abgerechnet) brauch-
bares Fahrwasser hergestellt werden kann und auch unterhalb Breslau nur Schiffe
von nicht mehr als 2 Fufs Tiefgang während der ganzen Saison auf eine unge-
hinderte Fahrt rechnen dürfen.
Für die Regulirung des Stromes ist die Strecke von der Einmündung des
Klodnitz-Canals bei Cosel, der sechs Meilen weit nach Gleiwitz in die Bergwerks-
Distriete führt, bis Schwedt in’s Auge zu fassen. Unterhalb Schwedt entspricht
die Oder schon von Natur bei allen Wasserständen den gegenwärtigen Erforder-
nissen der Schifffahrt; oberhalb Cosel trägt sie, obgleich sie noch bis Ratibor
befahren wird, noch entschieden den Charakter eines Bergstromes, so dafs hier
von der Herstellung einer stets fahrbaren Strombahn abgesehen werden muls. Von
Cosel bis Schwedt hat die Oder gegenwärtig eine Entwickelung von 79 Meilen:
Durchstiche, die zur Beseitigung der Uferabbrüche seit 1763 ausgeführt sind, ha-
ben die Strom-Entwickelung auf der Strecke von Ratibor bis zur pommerschen
Grenze fast um ein Fünftel des alten Laufes verkürzt.
Die durchschnittliche Wassermenge, die der Strom an den verschiedenen
Stellen des Laufes abführt, ist natürlich sehr verschieden, da das Gebiet, dessen F)
Quellen und atmosphärische Niederschläge ihm zuflie[sen, von Süden nach Norden
in bedeutender Progression zunimmt. Es beträgt nämlich das Stromgebiet
zwischen Cosel und Krappitz . . » 2 2.20»... 160 Quadratmeilen,
B der Malapane und Neilse . . . . ... .ı 234 -
bei Breslau . . 384 -
unmittelbar uierkelb it Mündichgen der. Weistritz
und Weide . . 487 -
unmittelbar oberhalb der Möndung der en hd -
bei Crossen . . say Tard698 -
bei Cüstrin oberhalb der. Warthe- "Mündung FE 932 -
- - unterhalb - - - ra . 41917 -
bei Stettin . . . . ee ZAUA -
Demgemäls variirt al äie Nörinkitkeite, Sie beträgt bei Ratibor 16, bei
Cosel 18, bei Oppeln 20, bei Breslau 24, bei Steinau 29, bei Glogau 32, bei
Cüstrin 40, bei Schwedt 50 Ruthen.
Die Schwankungen des Wasserstandes ersieht man aus folgender Tabelle, in
welcher die Differenz zwischen dem höchsten und niedrigsten Wasserstande an-
gegeben ist. Diese beläuft sich
Ueber den Wasserstand und die Schiffbarkeit der Oder. 153
am Pegel zu Ratibor . . . . auf 22 Fufs 10 Zoll
- Unterpegel zu Cosel. . . - 23 - & -
- - = OnDem: 4. an m
- - Breslau . . - 17 - ee
- Petel- year Antennen
- - =, Glosand 2 ul 1. .\ sar 6 -
- - - Crosn. . ». - 16 -..5%4 --
- - - Frankfurts... .„ - 17 > 8 -
- - - „Cüstrin. a... - 15 _- 8 _-
Diese Schwankungen vertheilen sich dchauk nicht regelmäfsig über die Jah-
resperiode; es zeigen vielmehr die einzelnen Jahrgänge die auffallendsten Unter-
schiede, wie aus folgenden Tabellen erhellt, die mit dem Jahre 1842 beginnen,
in welchem der Wasserstand ein ausnahmsweises Minimum erreichte.
Wasserstände am Unter-Pegel zu Cosel.
(ey. 2) 2 313- 4"4—5'| Eisstand | Summa | „Bleiben
im Jahre | niedrigster | — der ae a
ihed Tage Fahrwasser
Tage
1842 | 11Z.unt.O |120| 51| 43 | 33 | 22 62 331 34
1843 |OF. 2Z. | 58| 70| 50 | 32 | 25 54 289 76
1844 |0- 6- | —ı 11| 12 | 36 | 48 105 212 153
18455 |0- 11 - 2, 67| 46 | 44 | 29 104 292 73
1846 |0- 2- 7715912729117 94 299 66
1847 |0- 10 - 1! 20| 33 | 53 | 39 92 238 127
1848 |0- 8- 25| 88| 64 | 45 | 24 64 310 55
1849 |0O- 5- | 40) 57|59 25 , 18 83 282 83
1850 |1- 0O- —15.94.1.71.,1,.09,.1.17 61 302 63
1851 |1- 0- — | 17| 80 | 55 | 24 117 293 12
1852 |0- 5- 74| 106| 52 | 26 | 13 77 348 17
1853 |0- 4- — | 83! 44 | 25 | 10 124 286 79
1854 |0- 9- — | —| 84 | 54 | 29 116 283 82
1855 |1- 8- | —| 30) 61 | 64 | 46 74 275 90
1856 |0 - 10- | 41122) 69 | 38 | 17 | 73 360 5
1857 |o- 5- | 57/100 45 |; 32 | 12 | 77 323 42
4858 10- 2- | 84| 80 48 | 22 | 17 87 338 . 2,2%
- Im Durch-
schnitt k F. 6,62. 34 | 62 | 52 | 39 | 24 86 297 68
R Wir sehen also hier neben einem Jahrgang, in welchem das Wasser nur
für 5 Tage höher als 5 Fufs stand, andere Jahrgänge, in denen es sich vier bis
fünf Monate auf dieser Höhe erhielt; neben einem Jahrgang, in welchem das
_ Wasser vier Monate lang niedriger als 1 Fu/s stand, andere, in welches es die-
sen niedrigen Stand gar nicht erreichte oder nicht für die Dauer eines einzigen
Tages behauptete.
Dem Wasserstande von 1 Fuls am Pegel zu Cosel entspricht ein Wasser-
stand von 3 Fuls 6 Zoll am Pegel zu Oppeln '), von 2 Fuls am Pegel zu Bres-
1) Dieser Wasserstand ist so niedrig, dafs bei ihm jede Schifffahrt auf der obe-
ren Oder aufhört. Bei 4 Fuls am Pegel können die jetzt üblichen Schiffe bei 19 —
Zoll Tiefgang mit 150-200 Centn., bei 5 Fufs mit 500 Centn., bei 6 Fufs mit
00 Centn. beladen werden. Bei vollem Fahrwasser von 8 Fufs am Pegel führen
Miscellen:
154
lau, von 5 Fuls am Pegel zu Aufhalt. An diesen drei Orten haben die Beob-
achtungen in derselben Jahresreihe folgende Resultate ergeben.
Wasserstände am Unterpegel zu Oppeln.
unter|3' 6"
Dauer des Bleiben für
36’ —4' 4-8 5-6 6 IHiketsndes Summa |yolles Fahr-
im Jahre | niedrigster | By , * der wasser über
Tage Tage |‘ me
1842 2E. 6Z2.1110| 35 83, 53 | 14 54 349 16
1843 3 -,.4 - 14 | 56 | 100) 51/4 64 326 39
1844 an —ı — 21 46 64 | 4100 231 134
Hakan! MasZ Sign. a Hz HIMET TB 402 299 66
1846 eye 4011158 "1 1641304127.) 95 314 51
1847 3- 8- — | 15 4) 81,46 86 269 96
1848 8 = 34 | 63 8838| 50 33 56 324 41
1849 eg Kr 34| 38 78 48. 30 rat 299 66
1850 Semes - 27) 49 | 85| 70| 18 | 61 310 55
1851 3 =59 - — | 64, 80| 35 117 296 69
1852 ZmRt2 38! 96 821 39 | 20 76 351 14
1853 3.--— - 1163 63.) 39|-14 114 294 ga
AasA 3, 4 u | 21 Bl a 3 | Ta 293 72
1855 AAN I ine 31101.) 50° | 62 244 121
1856 Dee Pay ers So DE EI 73 355 10
1857 |3 -"3 - 21|7|97) sel 27 | 68 343 22
1858 3eym 2 | 30 | 75 65| 36) 19 | 88 813 52
Im Durch-
schnitt | Bun 3, Ze 21 | 43 | 74| 57| 31 82 308 57
Wasserstände am Unterpegel zu Breslau.
unter 3 , Dauer des iben für
2— 3 818-4 4-5 \Eisstandes Summa Gnies Fahr-
im Jahre | niedrigster | — : der wasser über
Tage Tage } Fe
1842 OF. 432. | 134 | p?. 1.07 1.297) 64 351 14
1843 a ABl Na 38 306 59
1844 0,.-7.8.L- al A 104 212 153
1845 1. 67- s|ı 66, 64, 49 108 295 70
1846 Urengr = 104 37, 41 18 98 298 67
1847 ie 3 3- 11 48 10:43 4470 95 237 128
1848 0- 10 - 89 89 | 43 | 33 | 69 323 42
1849 an, al 85.153 | 54 32° | 79 303 62
1850 152 walah- 3783| 64 50 | 92 326 39
1851 da SD —aln BB. 111 303 62
1852 aa 12 62 | 45 | 59 26 319 46
1853 0’=7,6 51 53 ts 126 289 76
1854 10-10 - | 17 56 | 77 | 36 84 254 1i
1855 1- — - —_ | z{ 50 | 79 121 257 108
1856 [1 pr see ' Para" 85 ı. 85 |: 55.| 24 115 364 1
1857 0.- 23,-.])134 | 46,| 39 | 27 110 356 9
1858 D-00038 | 22 | BAT 129 353 12
Im Durch- |
schnitt OF. 103 Z. 63 55 | 52 | 41 | 92 a: ra 62
die Schiffe 1400 — 1800 Centn. bei 3, bis 4 Fuls Tiefgang. Darnach kann man die °
enorme Einwirkung des Wasserstandes auf den Handelsverkehr ermessen.
i
g Ueber den Wasserstand und .die Schiffbarkeit der Oder. 155
; EZ Wasserstände am Pegel zu Aufhalt.
f eiben für
> anf 5 am |5-6'|6=7' 1-8 (Mistanden Summa |voltes Fahr.
im Jahre | niedrigster | Pegel Tr der ar Dar
N Tage Tage |} lager is
1842 3.F. 23 2.| 141 35.251,29 59 289 76
© ..1843 4- 4 - 32 80 | 55 | 51 31 249 116
1844 5- 2,- — | 17 | ‚6 | „39 99 161 204
BB I4a- 7-12] 7a| 56 | 281° 106 276 89
4846 372.40 °- 431 | 34 | 39 | 17 | 70 291 74
1847 4- 10 - 6 17 |,43 1,48 94 208 157
1848 4-. A14-- 78 67... 66. | ‚31 | 65 307 58
Be Ta. 3. | al Hl Bl © 270 95
1850 a 67 60 | 54 | 47 | 46 274 91
181 ja. 7 2] 3083 083 11321 7u 272 93
1852 4- 9 -- 30 | 148 | 81 | 50 | 3 312 53
1853 9-3 - — 21....71.|,.55 122 269 96
41854 TE —ı .—,32| 9 94 219 146
2 91T 22 95 167 198
1856 5-5 - — | 79) 71) 64 | 410 315 50
52911857 4-9 - 29 | 119 | 54 | 45 | 55 302 63
1858 i Enb,B0 aa ah «2 hour 324 4
l - | | |
Eschhitt |AE. 8 Z2.| 36 | 57) 49 | 45 77 264 101
In diesen 17 Jahren betrug also die durchschnittliche Dauer des Eisstandes
bei Cosel 86 Tage (Maximum 124 Tage im Jahre 1853, Minimum 54 Tage im
E Jahre 1843), bei Oppeln 82 Tage (Maximum 117 Tage im Jahre 1851, Minimum
54 Tage im Jahre 1842), bei Breslau 92 Tage (Maximum 126 Tage im Jahre
1853, Minimum 26 Tage im Jahre 1852), bei Aufhalt 77 Tage (Maximum 122
Tage im Jahre 1853, Minimum 3 Tage im Jahre 1852). Die starke Differenz
_ zwischen dem letzten Punkte und den drei ersten erklärt sich zum Theil dadurch,
dafs bei Cosel, Oppeln und Breslau‘ Wehre liegen, welche Eisstopfungen verur-
sachen.
0 Volles Fahrwasser hatte man durchschnittlich zu Cosel 68 Tage (Maximum
453 Tage im Jahre 1844, Minimum 5 Tage im Jahre 1856), zu Oppeln 57 Tage
(Maximum 134 Tage im Jahre 1844, Minimum 10 Tage im Jahre 1856), zu
Breslau 52 Tage (Maximum 153 Tage im Jahre 1844, Minimum 1 Tag im Jahre
856), und zu Aufhalt 101 Tage (Maximum 204 Tage im Jahre 1844, Minimum
41 Tage im Jahre 1858 und 53 Tage im Jahre 1856).
Unter dem normalmäfsig niedrigsten Stande befindet sich das Wasser durch-
schnittlich bei Cosel 34, bei Oppeln 21, bei Breslau 63, bei Aufhalt 36 Tage im
Jahr. In einigen von den letzten 17 Jahren hat das Wasser diesen niedrigsten
Standpunkt nicht erreicht, oder doch nicht für die Dauer eines Tages behauptet;
dagegen liefert das Jahr 1842 die abnorme Erscheinung, dafs die Oder bei Cosel
420, bei Oppeln 110, bei Breslau 134, bei Aufhalt 141 Tage unter diesem nie-
drigsten Stande sich befand. Hier zeigen sich also die stärksten Schwankungen
und gerade hierin beruht die Unsicherheit des Schiffsverkehrs.
156 Miscellen:
Da die Seichtigkeit des Fahrwassers bei der Oder nicht durch die Ausbrei-
tung der Wassermenge über ein unverhältnifsmäfsig breites Bett, auch nicht durch
zahlreiche Stromtheilungen verursacht wird, sondern einfach ihren Grund darin
hat, dafs der Flufs in seinem obern Laufe nur eine beschränkte Wassermenge aus
einem kleinen Stromgebiet abführt, wird die künstliche Nachhilfe immer nur die Her-
stellung eines constanten Fahrwassers von einer so geringen Tiefe ins Auge fassen
dürfen, dafs die Schiffahrt in so abnormen Jahrgängen wie 1842 im obern Laufe
doch auf zeitweise Unterbrechung gefalst bleiben mufs. Indefs haben die bishe-
rigen Strombauten doch gezeigt, dafs, mit vereinzelten Ausnahmen in Jahren ex-
cessiver Dürre, für flachgehende und dem localen Bedürfnifs entsprechende Fahr-
zeuge ein für die ganze Saison brauchbarer Wasserweg gesichert werden kann.
Im Jahre 1763 befand sich die Oder noch in einem ganz wilden Zustande.
In schlangenförmig gewundenen Laufe verwüstete sie bei Hochwasser die Umge-
gend und riss die Ufer ein, während sie an andern Stellen durch Mühlwerke,
Steine, Hölzer u. dgl. gesperrt war, so dafs die Schiffahrt damals nur von gerin-
ger Bedeutung sein konnte. Die ersten Verbesserungen bestanden in Durchstichen
an den Krümmungen, wodurch der Stromlauf erheblich abgekürzt wurde. Plan-
mäfsige Regulirungsarbeiten sind indels erst seit 1816 ausgeführt worden; in der
Zeit von 1816 bis 1840 wurden zur Erhaltung und Befestigung der Stromufer
Buhnen in einer Gesammtlänge von 41,903 Ruthen, ferner 69,985 Ruthen Deck-
werke, 23,933 Ruthen Schlickfänge und 84,298 Ruthen Schlickzäune angelegt,
8442 Morgen Sandfelder bepflanzt und 11,245 Hölzer aus dem Strom geräumt.
Bis zum Jahre 1842 hatte man für derartige Arbeiten 1,871,000 Thlr. verausgabt,
ohne jedoch eine zusammenhängende Strombahn hergestellt zu haben, da die Ar-
beiten, nach Mafsgabe der geringen, zur Disposition stehenden Mittel, nicht in
stetig fortschreitender Richtung, sondern nur an den Stellen, wo sich gerade das
dringendste Bedürfnifs zeigte, unternommen werden konnten. Erst in den Jahren
1844 bis 1848 hat man eine zusammenhängende 23 Meilen lange Stromstrecke
zwischen Läskau (Reg.-Bez. Breslau) und der Liegnitzer Bezirksgrenze bei Lesch-
kowitz ausgebaut, und hier die Breite des Stromes zwischen den Köpfen der ge-
genüberliegenden Buhnen auf 25 Ruthen eingeschränkt, um ein gleichmälsiges
Fahrwasser von durchgehends 4 Fuls Tiefe (bei einem Wasserstande von 1 Fufs
am Unterpegel zu Breslau) herzustellen. Die Probefahrt, die bei einem Wasser-
stande von 2 Fuls am Unterpegel zu Breslau ausgeführt wurde, ergab, dals das
Fahrwasser nirgends eine geringere Tiefe als 45 Fufs besals, dafs also Schiffe
von 30 Zoll Tiefgang bei solchem Wasserstande die Strecke ungehindert passiren
konnten. Da diese Wasserstralse sich bis jetzt in gutem Zustande erhalten hat,
sind an 35 Stellen des Stromes Wasserbauten nach demselben System aufgeführt
worden, und zwar auf der Strecke
von Cosel bis Breslau in einer Länge von 6,742 Meilen
- Breslau - Frankfurt - - - - 9,240 -
- Frankfurt - Schwedt - - - - 1,662 -
im Ganzen in einer Länge von 17,644 Meilen.
Es hat sich dabei herausgestellt, dafs bei einem Wasserstande von 2 Fuls am
Unterpegel zu Breslau auf der Strecke unterhalb Breslau ein regelmälsiges Fahr-
wasser von 3 Fuls, und auf der Strecke von Breslau bis Cosel ein regelmälsiges
ee
Ueber den Handel von Marocco. ® 157
. Fahrwasser von 2 Fufs gewonnen werden kann. Bei so niedrigem Wasserstande
würden also Fahrzeuge der neuesten Construction, welche ledig 9 Zoll tief gehen,
etwa 200 Ctr. Ladung von Cosel nach Breslau führen können, während die ledig
nur 6 Zoll tiefgehenden sogenannten Zillen 400 Ctr. befördern könnten. —n.
Ueber den Handel von Marocco.
Nach Richardson !).
Obgleich die Mauren für commereielle Unternehmungen ein nicht gewöhn-
- liches Geschick und hervorstechende Neigung besitzen, hat der Handel des Sul-
'tanats doch keinen beträchtlichen Aufschwung genommen. Der Hauptgrund liegt
offenbar in dem Monopol- Unwesen, welches die wichtigsten Handelszweige in die
Hand des Kaisers gespielt hat- Ueberdies war der vorige Sultan auf Gelderwerb
so erpicht, dafs er, um zu Erpressungen Gelegenheit zu gewinnen, durch Vor-
schüsse und Darlehen den einheimischen Handelsstand tief in Schulden zu ver-
strieken und sich so zum absoluten Herrn desselben zu machen wulste.
} Die Monopole verpachtet der Sultan entweder, oder er behält das Geschäft
vollständig in seiner Hand, wie es bei dem Tabacks-, Schwefel- und Cochenille-
Monopol der Fall ist, und zieht dann davon einen Gewinn von durchschnittlich
100 Procent. Die Verpachtung erfolgt jährlich in öffentlicher Auction an den
Meistbietenden; der Pächter setzt dann die Einkaufspreise nach Belieben fest, da
die Producenten mit ihren Waaren einzig und allein auf ihn angewiesen sind.
Zu den verpachteten Monopolen gehören folgende: 1) Blutegel, die besonders in
den Seen der nordwestlichen Distriete, im Gharb, gefunden werden; dieses Mo-
nopol wird für 50,000 Dollars verpachtet. — 2) Wachs. Dieses Monopol be-
schränkt sich fast ausschliefslich auf die Märkte Tanger und El-Arisch und wurde
zur Zeit der Anwesenheit Richardson’s für 3000 Dollars verkauft. — 3) Baum-
rinde, ein Monopol des Rif, für etwa 16,000 Dollars verpachtet. — 4) Das Recht
Kupfer zu münzen, für 10,000 Dollars an jede Hauptstadt verpachtet, — ein ge-
rliches Monopol für den Besitzer, da er mit seinem Vermögen, wenn nicht mit
Zeeinem Kopfe dafür büfsen muls, wenn der Münzgehalt nicht den Wünschen des
Sultans oder des Stadt- Gouverneurs entspricht. — 5) Hirse und andere kleine
_ Samen, in Tanger für 500 Dollars, an anderen Plätzen je nach den Umständen
für andern Summen verpachtet. — 6) Der Viehhandel von Tetuan, Tanger und
-Arisch, hauptsächlich zur Verproviantirung von Gibraltar, das mehr als zwei
_ Drittheile seiner Bedürfnisse aus Marocco bezieht, war damals für 7500 Dollars
verpachtet. Der Sultan ist tractatmäfsig verpflichtet, jährlich 2000 Häupter Vieh
nach Gibraltar ausführen zu lassen, und zwar 1500 aus Tanger, gegen einen Aus-
fuhrzoll von 5 Dollars für jedes Stück, während sonst der Ausfuhrzoll 10 Dollars
beträgt; durch Bestechung der Beamten gelingt es indels, die Ausfuhr nach Gi-
braltar wohl auf das Doppelte zu erhöhen.
Zur Ausfuhr einiger anderen Handelsartikel ist eine specielle Licenz vom
N
d 1) Travels in Morocco. By the late James Richardson. Edited by His Widow.
2 vols. London 1860.
158 | Miscellen:
Sultan erforderlich, so namentlich für Getreide und Lastvieh. Auch Juden, deren
der Sultan bedarf, damit das Handelsgeschäft im Gange bleibt, müssen, wenn sie
das Land verlassen, einen Ausgangszoll von 4 Dollars, und Jüdinnen einen sol-
chen von 100 Dollars bezahlen; die letztern sollen durchaus als ein Unterpfand
für die Rückkehr ihrer in Handelsgeschäften etwa abwesenden männlichen Anver-
wandten im Lande festgehalten werden. In andern Fällen sind die Ausfuhrzölle
so hoch, dafs sie einem Ausfuhr- Verbot gleichkommen.
Nicht monopolisirt sind folgende Artikel: Straufsfedern, mit Ausfuhrzöllen
von 3, 14 und # Dollars pro Pfund, je nach der Qualität; Elfenbein, zahlt 10
Procent des Werthes Ausgangszoll; Gummi, geht jetzt meistens nach Marseille;
süfse und bittere Mandeln in den Schalen, und Mandelöl; rothwollene Gürtel,
gehen nach Spanien; gegerbte Häute, namentlich Maroquins; Pantoffeln; Haik
oder Bercan, wird von den Pilgern nach der Levante ausgeführt; trockne Erbsen,
gehen nach Spanien; Mehl von Fez; Datteln; Hühner und Eier; Orangen; Oli-
venöl wird aus den nördlichen Häfen ausgeführt, in einem der letzten Jahre für
6000 L. St.; Antimon; Euphorbium; Hörner; Hanf; Leinsaat; Reis; Mais; Dra;
Orseille; Schwertel- Wurzel; Granatäpfel-Schaalen; Sarsaparille; Schnupftaback;
Schwämme; Walnüsse; Kichererbsen u. a.
Der Haupthafen an der atlantischen Küste ist Mogador, der Hafen für die
Hauptstadt Marocco, der mit dem Wadi Nun und der westlichen Sahara in Ver-
bindung steht. Hier findet man gewöhnlich ein halbes Dutzend fremder Schiffe,
zuweilen auch 20 bis 30; jedes zahlt 40 Dollars Hafenabgaben, eine drückende
Last für kleine Fahrzeuge. Der auswärtige Verkehr ist zu zwei Drittheilen nach
England gerichtet; von dem letzten Drittel geht etwa die Hälfte nach Marseille.
Die wichtigsten Export- Artikel des Landes werden: über diesen Hafen ausgeführt,
so namentlich Mandeln, Gummi, Wolle, Oliven-Oel, verschiedene Samen (beson-
ders Kümmel und Anis), Schaf-, Kalb- und Ziegenfelle, Straufsfedern, zuweilen
auch Mais. Im Jahre 1855 gingen nach britischen Häfen für 228,112 L. St.,
nach andern für 55,965 L. St. Waaren; die Einfuhr (Baumwollenwaaren, Zucker,
Thee, Kaffee, Eisen, Stahl, Gewürze, Droguen, Nägel, Perlen, wollene Zeuge,
billige Spiegel u. s. w.) betrug aus britischen Häfen 136,496 L. St., aus anderen
31,222 L. St. N
Nördlich von Mogador liegt Mazighän, dessen Hafen dadurch sehr verschlech-
tert ist, dafs die Schiffe ihren Ballast aus Bequemlichkeit auf den Ankergrund
werfen. Die Einfuhr, grofsentheils aus denselben Waaren und Fabricaten. be-
stehend wie in Mogador, ist hauptsächlich für das Innere des Landes bestimmt.
Von den bedeutenderen Export- Artikeln gingen hier im Jahre 1855 aus: 6410
Ballen Wolle, 200 Seronen Mandeln und 642,930 Fanegas Getreide,
In Rebät werden eingeführt Alaun, verschiedene Baumwollenzeuge, Zimmet,
Gewürznelken, Vitriol, Messerschmiedswaaren, geköperter Barchent, irdene und
eiserne Waaren, Glas, Leinen, Färberröthe, Musselin, Zucker, Thee und andere
Producte. Die Ausfuhr wird „für die letzten fünf Jahre“ auf 34,360 L. St. 1.Sh.
angegeben, — wahrscheinlich der Durchschnittswerth für jedes dieser Jahre.
Der lebhafteste Handelsplatz ist Tanger, hauptsächlich in Folge des Ver-
kehrs mit Gibraltar. Die Ausfuhr besteht in Häuten, Wachs, Wolle, Blutegeln,
Datteln, Mandeln, Orangen und anderen Früchten, Getreide und Mehl, Rinde,
Weitere Nachrichten von Dr. Livingstone. 159
Flachs, Durra, Ochsen und Schafen, Henna und anderen Färbestoffen, wollenen
- Gürteln, Haiks, maurischen Pantotfeln, Geflügel, Eiern u. s. f£ Der Werth der-
selben belief sich 1856 für die Ausfuhr nach britischen Häfen auf 63,580 L. St.,
_ für die Ausfuhr nach anderen Häfen auf 13,683 L. St. Eingeführt werden alle
_ Sorten Baumwollenwaaren, seidene Stoffe, Sammet, Kupfer, Eisen und Stahl,
Metallwaaren jeder Art, Cochenille, Indigo und andere Färbestoffe, Thee, Kaffee,
_ Schwefel, Papier, Planken, Brillen, Zinn, Zwirn, Glasperlen, Alaun, Spielkarten,
} Weihrauch, Sarsaparille und Rum. Im Jahre 1856 wurden aus britischen Häfen
für 101,773 L. St., aus fremden für 33,793 L. St. Waaren eingeführt. In dem-
selben Jahre liefen in Tanger ein: 203 britische Schiffe von 10,883 Tonnen, und
- 410 andere Schiffe von 4780 Tonnen; es gingen ab 207 britische Schiffe von
10,934 Tonnen, und 110 andere Schiffe von 4781 Tonnen. —n.
rn:
Weitere Nachrichten von Dr. Livingstone.
Die Briefe Livingstone’s aus dem October und November v. J. bestätigen die
x schon früher (vergl. Bd. VII, $. 231) von ihm ausgesprochene Ansicht, dafs der
Shire ein Abflufs des Nyassa ist. Der Reisende ist bis zu dem zuletzt genann-
ten See vorgedrungen, einem mächtigen Binnengewässer, welches auch bei Wind-
stille Wellen schlägt wie das Meer, und im Süden, wo Livingstone ihn erreichte,
8-10 Miles breit ist. Der Ausflufs des Shire liegt nach Livingstone unter 14°
25' S.Br. Der Flufs ist 80-150 Yards breit, 10—12 Fufs tief, hat eine Strö-
mung von 2! Knoten, und die Differenz seines Wasserstandes in der nassen und
in der trocknen Jahreszeit beträgt nicht mehr als 2—3 Fufs; gleichwohl äufsert
der Abflufs einer so bedeutenden Wassermenge auf das Niveau des Nyassa keine
_ Einwirkung. Die Stromsehnellen des Shire, deren südliches Ende unter 15° 55’
8. Br. liegt, nehmen eine Ausdehnung von 33 Miles ein. Unterhalb derselben ist
‚der Strom bis zu seiner Einmündung in den Zambesi — eine Strecke, die Living-
stone wiederholt auf 100 Miles angiebt, wohl zu gering, wenn die Strom-
‚schnellen erst unter 15° 55’ beginnen — bequem schiffbar. Das Thal, welches
der Shire oberhalb der Stromschnellen durchfliefst, erhebt sich 1200 Fuls über
‚den Meeresspiegel und gleicht genau dem Nilthal bei Cairo; von ihm steigt das
Land im Osten terrassenförmig an; die erste Stufe ist 2000 Fufls hoch und nur
3—4 Miles breit; die zweite ist 3000 Fufs hoch und bis 13 Miles breit. Diese
Terrassen sind gut bewässert und werden zum Anbau der einheimischen Baum-
olle, die hier eine jährliche Aussaat verlangt, 'benutzt. Während im -Shire-Thale,
s Livingstone zur heilsesten Jahreszeit durchreiste, eine glühende Hitze herrschte,
genols man auf der obersten Terrasse, die in einem Tagemarsch erreicht werden
tonnte, eine köstliche Kühle. Auf dieser Terrasse erhebt sich der Berg Zomba,
a Livingstone erstiegen hat, zu einer Höhe von 7—8000 Fuls. Er ist bis zu
seinem Gipfel bebaut, wenn auch nicht mit Baumwolle. Jenseits des Zomba zieht
ch das Land zwischen dem 90 Miles langen Shirwa-See und dem Nyassa zu ei-
m schmalen Isthmus zusammen. Im Allgemeinen wiederholt Livingstone seine
Versi cherung, dafs das Shire-Gebiet zur Cultur der Baumwollenstaude aulfseror-
160 Miscellen:
dentlich geeignet ist. Sie hat von Frost nichts zu fürchten und erfordert nicht
die anstrengende Bearbeitung wie in Amerika; eine Aussaat fremden Samens,
den die Eingeborenen bereits anwenden, genügt für drei Jahre. —n.
Bemerkung zu dem Bericht über die russische Expedition
nach Chorassan
(im August-September-Heft v. J.)
„Sie werden wol längst erfahren haben, dafs sämmtliche Mitglieder der russi-
schen Expedition nach Chorassan, über welche ich der geographischen Gesellschaft
zu Berlin eine Mittheilung zugehen liefs, die nachmals im August- September- Heft
v. J. dieser Zeitschrift veröffentlicht wurde, wohlbehalten heimgekehrt sind, und
zwar auf der projectirten Route durch Sijistan über Kerman und Jesd. Man darf
nunmehr ausführlichen, authentischen Mittheilungen über die zu Ende geführte
Unternehmung entgegensehen und in meiner flüchtigen Uebersicht werden dann
mehrere Mittelglieder zu ergänzen, manche mir zur Zeit noch nicht bekannt ge-
wordene Excursionen zu notiren, einzelne Angaben auch wol einer Correctur zu
unterziehen sein. Während ich für die Entstehung der Expedition und für die
summarische Uebersicht ihrer damaligen Ergebnisse auf die von der Kais. Russ.
Geogr. Gesellschaft veröffentlichten Berichte mich beziehen konnte, glaubte ich
für die übersichtliche Schilderung des Ganges derselben zur Benutzung mir zur
Durchsicht überlassener Briefe eines der Mitreisenden an seine Angehörigen er-
mächtigt zu sein, wobei die Auswahl des ganzen Stoffes, die Anordnung und Auf-
fassung mir allein zur Verantwortung fallen. Nunmehr über das die erforderliche
Autorisation betreffende Mifsverständnils aufgeklärt, wünsche ich durch diese aus-
drückliche Erklärung von dem. Briefsteller jede Verantwortung nach irgend einer
Seite abzuwehren, und bitte Sie um Aufnahme dieser Zeilen in Ihre Zeitschrift.“
„Beiläufig bitte ich zugleich im angeführten Hefte um die Correetur des
Schreib- oder Druckfehlers auf S. 101 „alle wurden gewogen“ in „alles wurde
gewogen“.
Dorpat, den 6. Februar 1860. C. Schirren.
Verschiedene Arten von Schnepfen in China.
In der China Mail vom 18. August 1859 macht ein ungenannter Naturkun-
diger folgende Mittheilungen über die verschiedenen in China vorkommenden Ar-
ten von Schnepfen. „Nicht leicht werden Jäger es glauben, dafs es unter den
Schnepfen, welche sie auf den ausgedehnten Reisfeldern im südlichen China in
grolser Menge sammeln können, mehrere verschiedene Arten giebt. Demunge-
achtet ist dies der Fall. Die verschiedenen Arten haben so feine Unterschei-
dungs-Merkmale, dafs nur eine ganz genaue Untersuchung diese zu entdecken
vermag, aber so wenig bemerkbar dieselben auch auf den ersten Blick erscheinen
y
L
mögen, ihr durchaus regelmäfsiges Vorhandensein beweist, dafs es wirklich ver-
schiedene Varietäten giebt, welche auch von den Ornithologen als solche anerkannt
worden sind. Die am meisten verbreitete Schnepfe in China ist die indische,
Untersuchungen an der Küste von Japan. 161
allinago uniclava, welche ganz und gar von der europäischen verschieden und
über einen gröfsen Theil von Asien verbreitet ist. Man findet sie gewöhnlich in
rolser Anzahl, aber so über das Feld zerstreut und in guter Deckung, dafs sie
istens nur einzeln gefangen werden können. In freieren Gegenden sind sie
scheu und fliegen in Schwärmen von zehn oder fünfzehn Stück auf. Darnach ist
Go linago stenura am häufigsten, die sich von den zuerst genannten dadurch un-
erscheidet, dals sie gröfser und kräftiger ist; sie hat einen schmalen Schwanz.
Ihre Flügel haben. auf der unteren Seite schwarzbraune, zickzackförmige Quer-
streifen, während die erstgenannte derartige weilse Streifen besitzt. Diese schwarz-
unen Querstreifen finden sich bei allen Exemplaren dieser Species, deren Haupt-
rkmal übrigens in den vielen kurzen schmalen Federn besteht, welche auf bei-
den Seiten der Schwanzfedern sitzen. Der Vogel scheint nicht sehr gesellig, man
findet ihn selten in gröfserer Zahl beisammen. Die dritte Species, welche mir
vorgekommen, ist viel gröfser als die beiden vorigen, und der zweitgenannten in
der Zeichnung der unteren Seiten der Flügel ähnlich. Ihr Schwanz hat auch auf
beiden Seiten schmale Federn, doch sind diese ebenso lang wie diejenigen, welche
die Spitze des Schwanzes bilden. Man trifft sie auf Hügeln und in Schluchten
aber niemals in Gesellschaft. Sie erhebt sich ohne zu pfeifen und ist verhält-
smäfsig selten. Irre ich mich nicht, so ist diese Art die Gallinago solitaria,
imisch im Himalaya. Mit dem Namen Tiger- oder gesprenkelte Schnepfe Rıhyn-
ca sinensis, bezeichnet man meiner Ansicht nach mehr als eine Species, und ich
aus Futschau ein Exemplar dieser Art erhalten, welches, aufser durch einen
nähnlichen Ring um die Augen, sich auch noch durch andere Eigenthümlich-
_ keiten von den Vögeln derselben Art, welche man in der Umgebung von Hong-
& antrifft, unterscheidet.“ B.
Untersuchungen an der Küste von Japan.
- Der Morskoi Sbornik enthält einen Bericht des Capitain- Lieutenant Maydell,
efehlshaber des Schrauben-Clipper Djigit, über eine von ihm im Anftrage des
ussischen Consuls in Hakodadi ausgeführte Expedition nach der Bucht Niagata,
n der Westküste von Nipon, wo die japanesische Regierung vertragsmälsig ver-
flichtet war, vom 1. Januar 1860 ab dem russischen Handel einen bequemen
afen zu eröffnen. Sollte Niagata nicht die erwarteten Vortheile darbieten, so
ar es dem Capitain Maydell anheimgestellt, einen günstiger gelegenen Punkt
llich oder südlich davon aufzusuchen. Demgemäfs lichtete der Djigit am 22.
[ai 1859 die Anker und fuhr am folgenden Tage zwischen der Westküste Ni-
ön’s und dem Felsenriff des Bittern durch, dessen Lage der auf der englischen
tte von 1857 angegebenen entsprechend gefunden wurde. Am 24. Mai näherte
in sich der Insel Awa-Sima, die nach einer angestellten Beobachtung unter
° 19' N. Br. und 139° 14’ O. L. von Greenw. liegt, während sie auf den
irten Krusenstern’s und auf der englischen Karte von 1857 viel südlicher an-
eigt ist. An demselben Tage ankerte der Djigit im Hafen von Niagata, wo
2östen auch die holländische Kriegscorvette Bali eintraf, welche die Lage der
| Awa-Sima im Vorüberfahren auf 38° 31' N. Br. und 139° 17’ O. L. be-
mt hatte, — also noch 12’ weiter nördlich als die russische Aufnahme.
jeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VI. 11
Br:
162 Miscellen:
Am 24. und 25. Mai beschäftigte man sich mit Vermessung der Rhede von
Niagata, nebst der Mündung des Flusses, und mit astronomischen Beobachtungen.
Als Resultat dieser Arbeiten wird Folgendes mitgetheilt: Der Hafen Niagata liegt
unter 37° 59' N. Br. und 139° i0' O. L. von Greenw. Die Rhede ist nur vor
den Süd- und Ostwinden durch das Ufer geschützt; im Westen befindet sich
zwar die Insel Sado, aber zu entfernt (über 20 italienische Meilen), um Schutz
zu gewähren, und von Norden ist sie ganz offen. Die Tiefe der Rhede vermin-
dert sich rasch von 20 auf 10 Sashen und dann allmählich bis auf 2} Sashen; der
Eingang in den Flufs aber wird durch eine steil aufsteigende Barre versperrt, auf
der die Wassertiefe nicht mehr als 6 Fufs beträgt, während sie jenseits derselben
im Flusse selbst wieder 4 bis 5 Sajen erreicht, Die Stadt Niagata ist grofs und
von schiffbaren Canälen durchschnitten. Im Flusse und im Hauptcanal sieht man
eine beträchtliche Anzahl Dshunken, was auf einen lebhaften Handel schliefsen
läfst. Da jedoch die Rhede nicht gegen die starken Norädwestwinde geschützt ist,
die im Herbst und Winter im Japanesischen Meere vorherrschen, so glaubt Ca-
pitain Maydell, dafs sie in dieser Jahreszeit nur von Dampfschiffen oder von sol-
chen Segelfahrzeugen besucht werden könne, deren Bauart ihnen das Laviren er-
leichtert und die bei eintretendem Nordwest sich hinter die hohen Ufer der Insel
Sado flüchten würden. Im Sommer wird der Hafen hingegen von allen Fahr-
zeugen benutzt werden können.
Am 25. Mai begab sich der Clipper nach der Bai Ao-Sima-Jama, 6 Meilen
nordwestlich von Niagata; allein auch diese Rhede ist ganz offen, und der Fluls,
der in die Bai fällt, hat eine Barre mit nur 7 Fufs Wassertiefe. Da mithin kein
bequemer Ankerplatz in der Nähe des Hafens Niagata zu finden war, so fuhr
man nach der Bai Tojama. Am 26sten wurde das westliche und südliche
Ufer dieser Bai besichtigt, die jedoch gleichfalls keinen Schutz gegen die Nord-
winde darbiete, Der Djigit ankerte auf offener Rhede vor der Stadt Tojama,
und die im Flusse angestellten Messungen ergaben, dafs auch hier der Eingang
von einer Barre versperrt wird. Ueberhaupt hat dieser Hafen in nautischer Be-
ziehung durchaus keine Vorzüge vor der Rhede von Niagata; im Gegentheil dürfte
es bei starken Nordwinden den Schiffen hier noch viel schwerer fallen, sich vom
Ufer fern zu halten.
Am 27. Mai verliefs der Djigit die Bai von Tojama und umsegelte die Nord-
seite der Insel Sado. Am 29sten bemerkte man Mittags in der Breite von 39° 2’
und der Länge von 139° 40' im Nordosten eine Insel. Da auf den Karten in
dieser Breite und Länge keine Insel angegeben ist, so näherte man sich ihr und
warf Anker in einer Bucht am südöstlichen Ufer, in einer Tiefe von 9 Sashen, auf
Korallengrund. Sogleich wurden Ruderfahrzeuge ausgesandt, um die Bucht zu
vermessen und die Insel aufzunehmen, deren Lage auf 39° 8' 35” N. Br. und
139° 42' 50" O. L. von Greenw. bestimmt wurde. Die Rhede ist gegen alle im
japanesischen Meere herrschenden Winde geschützt, aber der Grund bietet die
Eigenschaften nicht dar, die zu einem sicheren Ankerplatz erforderlich sind. Die
Einwohner nennen diese Insel Tobi-Sima; auf den Karten Krusenstern’s und der
englischen Karte von 1857 ist sie unter 39° 24’ N. Br. und 138° 53’ O.L. an-
gegeben. Der Befehlshaber der holländischen Corvette Bali erzählte dem Capi-
tain Maydell, dafs er die Stelle, wo auf den Karten die Insel Tobi- oder Tabu-
Die Aorere- und Parapara-Goldfelder auf Neu-Seeland. 163
'Sima!) angezeigt ist, an einem klaren Tage in der Entfernung von 6 Meilen passirt
‚habe, ohne eine Spur von ihr zu entdecken. Ist demnach die jetzige Bestimmung
richtig, so wird es nöthig sein, sie um ein Beträchtliches weiter nach Süden und
-Östen zu versetzen.
Am 30. Mai lichtete der Djigit abermals ‘die Anker, durchsegelte die Strafse
er Sangar und traf am 31sten wieder auf der Rhede von Hakodadi ein. L.
.o mL 02 —
I: Aorere- und ee Goldfelder auf Neu-Seeland.
Aus einem Vortrage, den Dr. Hochstetter im verflossenen December zu Nel-
‚son auf Neu-Seeland gehalten, macht das „Athenaeum“ folgende interessante Mit-
theilungen:
„Der ganze östliche Theil des Aorere-Thals, der vom Flufsbett bis zu den
steilen Gehängen des Gebirges mit einer Neigung von etwa 8° ansteigt und sich
vom Clarke River im Süden bis zum Parapara im Norden hinzieht, — ein Areal
von 40 engl. Quadratmeilen, ist ein Goldfeld. In diesem ganzen Distriet finden
_ wir am Fufse der Gebirgskette auf einem Untergrunde von Schiefer ein Conglo-
merat abgelagert, das an einigen Punkten eine 20 Fufs mächtige Schicht bildet.
tücke von Treibholz, die in Braunkohle verwandelt sind, machen es wahrschein-
lich, dafs das Conglomerat der tertiären Formation angehört. Wo ein eisenhal-
‚tige es Bindemittel die Rollsteine und den Kies zusammengeballt hat, bildet das
Conglomerat eine compacte Masse; an anderen Stellen liegt zwischen den gröfse-
ren Steinen nur ein feiner Sand; die Steine selbst bestehen meistentheils aus
Quarz und Thonschiefer. Dieses Conglomerat wird nicht blofs von den tiefen
Betten der gröfseren Flüsse durchschnitten, sondern es ist an manchen Stellen
auch durch die Action der atmosphärischen Niederschläge ausgewaschen und auf
diese Weise in parallele und abgerundete Rücken getheilt, für welche der unter
dem Namen der Quarz-Ketten bekannte Theil des Distriets ein charakteristisches
Beispiel liefert. Diese Conglomerat-Formation muls als das eigentliche Goldfeld
jetrachtet werden, das in grolsartiger Weise aus dem Detritus des Gebirges von
Hand der Natur für die weiteren und feineren Operationen menschlicher Ar-
vorbereitet ist. Während die weniger ausgedehnten, gewöhnlich aber ergie-
ren Wäschen des Flulssandes dem einzelnen Goldwäscher bessere Aussichten
ewinn eröffnen, werden die Wäschen in dem trockenen Conglomerat Asso-
onen, die mit gröfserem Aufwand von Kräften und Capital arbeiten, lohnen-
Ertrag abwerfen. Mr. Washbourn, ein intelligenter und energischer Gold-
cher, ist der Erste, der den Werth dieser dry diggings in den Quarz-Ketten
nen gelernt und die Thatsache festgestellt hat, dafs in dem Conglomerat Gold
bauwürdiger Menge vorkommt. Herrn Washbourn verdanke ich folgende in-
ante Details. Er schreibt mir: „In den Schachten im Conglomerat der
rz-Ketten beträgt die durchschnittliche Dicke der auszuwaschenden Erdschicht
2 Fufs von dem darunterliegenden Gestein an; und von einem Kubik-Yard
er Erde gewinnt man, nach annähernder Schätzung, Gold im Werthe von
5 bis 30 Shillings. Diese Erde enthält grofse Steine, so dafs ein Kubik-Yard
") Tobi- und Tabu-sima scheinen zwei verschiedene Inseln zu sein.
11*
164 Miscellen:
Erde, wie sie in den Waschtrog kommt, natürlich mehr werth ist, da die beträcht-
liche Anzahl von Steinen aus ihr entfernt ist. Wo man die Erde gleich von der
Oberfläche an bis unten auf das Gestein wäscht, ist der Werth des Kubik-Yard
viel geringer, vielleicht nur 3 bis 6 Shillings; doch selbst dann ist die Arbeit
noch recht lohnend.“ Auf Grund dieser Angaben kann man folgende Berechnung
anstellen. Nehmen wir das Areal der Aorere- und Parapara-Goldfelder zu 30
engl. Quadratmeilen, die durchschnittliche Mächtigkeit des goldhaltigen Conglo-
merats sehr niedrig zu 1 Yard, und den Goldgehalt von einem Kubik-Yard zu
5 Shilling an, so besitzen die Aorere-Goldfelder einen Werth von 22,500,000
L. St., oder 750,000 L. St. für die engl. Quadratmeile.“
Es ist Dr. Hochstetter auch geglückt, sehr schöne Exemplare von Moa-Kno-
chen zu erhalten, um die er sich in der ersten Zeit seines Aufenthalts auf Neu-
Seeland nicht mit besonderem Erfolge bemüht hatte. Darunter befindet sich ein
Schädel dieses Riesenvogels, der vollständigste, der bisher auf Neu-Seeland ge-
funden ist. Man hat diese Gebeine in den Höhlen des Aorere-Thales angetroffen.
„Der Eifer der Moa-Gräber,“ sagt er, „war grols, und nahm immer zu; denn
je tiefer sie unter der Stalagmiten-Kruste, welche den Boden überzieht, gruben,
desto grölser wurden die Knochen, auf die sie stielsen, und ganze Beine, vom
Hüftbein bis zu den Krallen der Zehen, wurden zu Tage gefördert. Drei Tage
und drei Nächte hatten sie gegraben und gewaschen; am vierten kehrten sie im
Triumph nach Collingwood mit zwei Last-Ochsen zurück, die mit Moa-Knochen
beladen waren. Ich mufs gestehen, dafs nicht blofs die Bevölkerung von Col-
lingwood, sondern auch ich selbst in gro/se Verwunderung gerieth, als die riesi-
gen Knochen vor uns ausgebreitet wurden. Da mir ein Maori zwei lebendige
Kiwis vom Rocky River brachte, hatte ich Gelegenheit, die Ueberbleibsel der
untergegangenen Species dieser Familie mit der noch vorkommenden Apteryx zu
vergleichen. Mit besonderem Vergnügen statte ich dem Eifer und den Bemühun-
gen meines Landsmanns und Freundes Haast meinen Dank dafür ab, dafs er die
Sammlungen der Novara-Expedition durch so werthvolle Exemplare bereichert hat.
Die Beobachtungen, welche Herr Haast während dieser Nachforschungen ange-
stellt hat, verbreiten ein neues Licht über diese grofse Familie ausgestorbener
Vögel. Er fand, dafs in gröfserer Bodentiefe auch die Ueberreste der Vögel
grölser wurden, dafs die Species also grölser waren, je früheren Perioden sie an-
gehörten. Die Knochen von Dinornis grassus — eines Vogels von 9 Fufs Höhe
— wurden immer in tieferen Erdschichten gefunden, als die Knochen von Dıi-
nornis didiformis (Owen), der nur 4 Fuls grofs ist. Seit jener Zeit ist meine
Knochensammlung noch durch verschiedene Geschenke von den Herren Wells,
Haycock und Ogg, und durch ein fast vollständiges Exemplar von Dinornis ingens,
welches das Nelson-Museum der Geologischen Reichsanstalt zum Geschenk ge-
macht hat, vergröfsert worden. Diese gigantischen Vögel gehören einer Aera an,
welche der Existenz des Menschengeschlechts vorausging, einer nach-tertiären
Periode. Und es ist ein merkwürdiges und unerklärliches Phänomen, dafs, wäh-
rend in derselben Periode in der alten Welt Elephanten, Nashörner, Flufspferde,
in Süd-Amerika riesige Faultbiere und Armadille, in Australien gigantische Kän-
guru’s, Wombat’s und Dasyuren lebten, in Neu-Seeland die colossalen Formen
des animalischen Lebens durch Riesenvögel repräsentirt wurden, die damals an
den von vierfülsigen Thieren noch nicht betretenen Küsten einherschritten.“
-
Längenbestimmungen in Canada vermittelst des eleetrischen Telegraphen. 165
Dr. Hochstetter fügt hinzu, dafs seiner Ueberzeugung nach der Mineral-Reich-
_thum von Nelson aufserordentlich ist und dafs in den Bergen unerschöpfliche
Minen von Gold, Kupfer und Kohlen existiren. Dem Kohlenreiehthum der Insel
_ hatte die Novara-Expedition gleich nach ihrer Ankunft eine besondere Aufmerk-
samkeit zugewendet. * —ın.
i - Längenbestimmungen in Canada vermittelst des electri-
schen Telegraphen.
Auch in Canada ist das Telegraphennetz seit 1856 zur Bestimmung der geo-
graphischen Länge der wichtigsten Ortschaften benutzt worden. Im Jahre 1857
wurde sogar der Zeitunterschied zwischen Quebee und dem 1200 Miles ent-
_ fernten Chicago festgestellt, indem der electrische Strom über Toledo, Cleveland,
"Buffalo und Toronto unmittelbar von einer Endstation zur andern geleitet wurde:
das Signal brauchte nur 0,08 Secunden, um diese Strecke zurückzulegen. Die
_ Resultate dieser Beobachtungen veröffentlicht E. D. Ashe im Januarheft des Nau-
tical Magazine. Als Grundlage dient die Länge der Sternwarte von Que-
bee, die durch Anschlufs an die hinlänglich gesicherte Lage der Sternwarte von
ambridge folgendermafsen bestimmt wurde.
Bei den Beobachtungen am 21. September 1857 ergab sich der Zeitunter-
schied zwischen den Sternwarten von Quebec und Cambridge
Rei kan. 53
nach den Signalen von Quebec nach Cambridge auf 0 0 1827
- - - - Cambridge nach Quebec - 0 0 18,25
Mittlerer Zeitunterschied . 0 0 18,26
bei den Beobachtungen am 9. October:
_ nach den Signalen von Quebec nach Cambridge auf . . . 0 0 18,44
En - = - Cambridge nach Quebec - . . . 0 18,33
Mittlerer Zeitunterschied . . . 0 0 18,38
\ ach dem Mittel der Beobachtungen beider Nächte liegt a "die
Sternwarte Quebec’s von der Sternwartein Cambridge westlich 0 0 18,32
_ die Sternwarte von Cambridge liegt von Greenwich westlich 4 44 30,70
en
oO
also Quebee westlich von Greenwich . 4 44 49,02
oder im Bogen 71° 12’ 15,3”. (Frühere Annahme 71° 16.)
2. Toronto.
as magnetische Observatorium zu Toronto liegt
den Signalen von Quebec, westlich von Quebee . . . 0 32 44,51
Bi. - - - Toronto - - - RE ER
Mitttlerer Zeitunterschied . . . . . 032 44,41
® Länge von Quebec... . 2.0. ..2...444 49,02
. Benpe: ie Toronto, westlich v. Greenwich 5 17 33,43
I B im Bogen 79° 23° 21,45". (Gewöhnliche Annahme 79° 21' 30", nach einer
Chronometer - Expedition zwischen Boston und Toronto 79° 23’ 15”.)
166 Miscellen: \
3. Kingston. Ä
Das neue Court House in Kingston liegt ko Yn.nons:
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebec . 0 21 05,60
= - - - Kingston - -stelg - 59224 02 05,
Mittlerer Zeitunterschied. . 0 21 05,50
Länge von.Queber.... 4.0 2, AuAuSEAnNn
Länge von Kingston, westlich v. Greenwich 5 5 54,52
oder im Bogen 76° 28’ 37,8”. (Gewöhnliche Annahme 76° 40'.)
4. Montreal.
Der Beobachtungsplatz, ein Gartenhaus in Viger Square, liegt
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebec . 0.797°23,01
= - - - Montreal - - - UERG 2250
Mittlerer Zeitunterschied . hats RN
Länge; ,von,,Quebec, „., -.ıassines wre AA AI 0
Länge von Montreal, westl. v. Greenwich 4 54 11,72
oder im Bogen 73° 32’ 55,8”.
5. Chicago.
Der Beobachtungsort, der Spielplatz der Schule nördlich von der
röm.-kathol. Kirche, Huron Street, liegt
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebee . . . 15
= - - - "Chicago - - - Sa
Mittlerer Zeitunterschied. . -. . .. 15
ange” von" (Juebee=. 22 mer. SUR PS AR
Länge von Chicago, westlich v. Greenwich 5 50
oder im Bogen 87° 37' 38,1". (Gewöhnliche Annahme 87° 33'.)
6. Windsor (am Lake St. Clair).
Der Hofraum Mr. Sholand’s in Goyeau Street, 150’ westlich von
der neuen englischen Kirche, liegt
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebee . . -. 0 47
- - - -- Windsor - - - en UT
Mittlerer Zeitunterschied. - . » » ..0.47
Länge von Quebee . » ©. ...0.:04 44
7. Collingwood (am südlichen Ende der Georgian Bay).
Das Ende der Eisenbahn (Toronto-Simcoe-Collingwood) liegt
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebee ... ..0 36
- - - - Collingwood - - - er RE
Mittlerer Zeituntenschied « Nr 0 36
Länge von Quebec 13 mr man. : . 4 44
Länge von Collingwood . . 5 © 8 oe
oder im Bogen 80° 12' 37,95”.
Die Provinz Jujuy in der Argentinischen Conföderation. 167
8 Ottawa.
Der Beobachtungsplatz, 120 Yards östlich von dem Flaggenstock auf dem Bar-
oo -rack-Hill, liegt
nach den Signalen von Quebec, westlich von Quebee . . . 017 59,24
a Pr = - Ottawa, - - - 59. sloaQni SE, 30
Mittlerer Zeitähterdchied). AH HER KONZ: KDD A
Länge von Quebee . . 2.» 2..2...444 49,02
Länge von Ottawa, westlich vonGreenwich 5 2 48,29
_ oder im Bogen 75° 42’ 4,35”.
9. Three Rivers.
Der Beobachtungsplatz, Barrack Square, südlich von der alten französischen Kirche
liegt
3 nach den Signalen von Quebee, westlich von Quebec 0 5 20,14
Br = - - Three Rivers, - - - TENEEOEIFEROHLE
Mittlerer Zeitunterschied . 0 5 20,16
Länge von Quebec 4 44 49,02
Länge von Three Rivers, westlich von Greenwich 4 50 09,18
oder im Bogen 72° 32 17,7". £ —n.
fl
Die Provinz Jujuy in der Argentinischen Oonföderation.
Von einem Landes-Einwohner !).
Die Provinz Jujuy, die nördlichste der Conföderation, erstreckt sich 60 Le-
guas weit von Norden nach Süden, und ebenso weit von Osten nach Westen, um-
falst also über 3000 Quadrat-Leguas. Sie liegt zwischen 22 und 24° S. Br.,
gerade unter dem Wendekreise, gröfsestentheils aber so hoch in der Cordillere, dafs
sie ein ganz anderes Klima besitzt, als man es nach der geographischen Breite
erwarten sollte. Die niedriger gelegenen Distriete, die an Oran und das Chaco
stolsen, sind sehr heifs, und die tropische Vegetation entwickelt sich dort in ihrer
ganzen Pracht. Das Hauptthal ist das des Rio Grande, der vor Kurzem beschifft
W orden ist; er vereinigt sich bei S. Franeisco mit dem Rio Bermejo und setzt
die Provinz mit dem Paranä in Verbindung.
© Nach dem Census von 1851 betrug die Bevölkerung 30,010 Seelen. Die
_ Provinz ist in 9 Departementos getheilt. Als Departementos betrachtet man die
Parochien, da jede derselben einen besonderen Geistlichen und eine besondere
ivilbehörde besitzt. Sie liegen in sehr verschiedener Höhe über dem Meeres-
spiegel, von der Puna oder den höchsten Gebirgsgipfeln bis zum Chaco, worun-
man die gröfseste Ebene oder das bedeutendste hier bekannte Thal versteht.
h dieser verschiedenen Lage sind sie auch in ihren Productionen verschieden.
beginnen mit den Departementos de la Puna oder des Gebirgsplateaus.
eh. ") Aus dem Almanaque nacional de la Confederation Argentina para los amos
de 1855 y 1856.
168 Miscellen:
Es sind dies die vier Departementos Yavi, Rinconada, Cochinoca und
Santa Catalina. Jedes hat eine gleichnamige Ortschaft, in welcher der Geistliche
und die Civilbehörde ihren Sitz haben. Ihre Gesammtbevölkerung beläuft sich auf
9769 Seelen, und zwar Eingeborene, die sich hier unvermischt erhalten haben,
aber die spanische Sprache reden. Das Klima ist der beträchtlichen Bodener-
hebung wegen recht kalt und in Folge dessen zeigt auch die Vegetation wenig
Mannichfaltigkeit; indessen wird die Bohne reichlich und mit Erfolg, und in Yavi
auch die Gerste und Lupine angebaut. Die Weideländereien haben überall ein
zwar nur kurzes, aber nahrhaftes Gras, und reichen aus für die grofsen Heerden von
Schaafen, Eseln und Llamas, welche die Provinz besitzt, wie für die zahlreichen
Vieunas und wilden Guanacos, welche Thäler und Berge durchstreifen. Auch
fehlt es nicht an mannichfaltigen Medieinal-Pflanzen, denen die Aerzte eine grö-
(sere Heilkraft zuschreiben als den von andern Gegenden eingeführten. Ebenso
finden sich hier mannichfaltige Thonarten, die bei verschiedenen Industriezweigen
mit Vortheil angewendet werden könnten. Die Schaafe werden hier sehr grols
und ihre Wolle gilt in Folge ihrer Länge, Feinheit, Geschmeidigkeit und Reinheit
für eine der besten Sorten. Ein grofser Theil wird über den Stillen Ocean nach
Europa ausgeführt, der beträchtlichste aber im Lande selbst zu ordinären Gewe-
ben verarbeitet, theils für den eignen Bedarf der Bewohner, theils zum Verkauf
in den Zuckerrohrmühlen, wo man gewohnt ist mit diesem Fabricat die Chaco-
Indianer zu bezahlen, die sich alljährlich zur Arbeit in diesen Etablissements ein-
stellen. Es werden von diesen Departements jährlich etwa 2000 Hammel nach
Bolivia ausgeführt, und eine grofse Menge getrocknetes Fleisch oder chargui, das
hier chalanas genannt wird. Auch die Ausfuhr von Eseln ist nicht unbedeutend,
obgleich sie der Ausfuhr von Hammeln nachsteht; denn die Maulesel und Lla-
mas werden in der Provinz selbst als Lastthiere bei allen Transporten nach Bo-
livia und andern Gegenden gebraucht. Endlich werden auch Felle von Vicuhas,
die hier ohne Mühe gejagt werden, in ziemlicher Anzahl nach Bolivia ausgeführt.
In diesen Departements finden sich auch reiche Minen, — Erzadern, Gold-
wäschen und viele Silberminen; sie sind sämmtlich noch unbenutzt und verspre-
chen den Unternehmern einen reichen Ertrag. Im Departement Cochinoca liegen
aulserdem die Salinas, eine grofse von verschiedenen Flüfschen gespeiste La-
gune, in welcher sich Salz absetzt. Es wird in Würfeln von 1 bis 2 Arroba’s Ge-
wicht (25—50 Pfund) losgelöfst und auf Eseln oder Llamas sowol nach Bolovia
wie nach dem ganzen Norden der Conföderation ausgeführt und sehr geschätzt,
da es rein und sehr weils ist. Jene Lagune, die 11 Leguas lang und 7 breit
ist, kann als unerschöpflich betrachtet werden, da die durch das Heraushauen
der Salzwürfel entstandenen Lücken sich bald wieder mit Wasser füllen, welches
von Neuem Salz niederschlägt.
Steigt man von der Puna oder den Gebirgshöhen durch die Abra de Corta-
deras nach Süden hinab, so gelangt man an den Anfang des Thales von Huma-
huaca, wo der Rio Grande de Jujuy, der das Thal durchströmt, seinen Ursprung
nimmt. Dieses Thal wird von zwei bedeutenden Gebirgszügen eingeschlossen und
erstreckt sich von Norden nach Süden; von dem Punkte an, wo man hinabzu-
steigen beginnt, bis zum Rio de Leon, der von dem westlichen Gebirgszug, der
Serrania de Chauil herabkommt und 6 Leguas von der Hauptstadt Jujuy entfernt
Die Provinz Jujuy in der Argentinischen Conföderation. 169
in den Rio Grande sich ergiefst, sind 30 Leguas, und dieses ist die Längenaus-
dehnung des Thales. Die Gebirgszüge sind von mehreren minder ausgedehnten,
doch nicht unbeträchtlichen Querthälern durchschnitten, die in das Hauptthal mün-
den und zum grofsen Theil ebenfalls bewohnt sind.
In diesem Thale liegen zwei Departements, Humahuaca und Tumbaya, jedes
mit einem gleichnamigen Hauptort, dem Sitz der Civilbehörde. Beide zusammen
zählen 6021 Einwohner. Das Klima ist auch hier noch kalt, obwol etwas gemä-
[sigter, als das der Puna; und demgemäls ist auch die Vegetation noch ziemlich
dürftig. Aber aufser den Producten der Gebirgsgegenden baut man hier auch
Weizen und Mais und verschiedene und sehr gro/se Arten von Knollengewächsen.
Zu den letztern gehört die osa, eine saftigere und sülsere Art als die gewöhn-
liche papa, die übrigens auf dieselbe Weise angebaut wird, und der yacon, eine
Knolle, die an Gestalt und Gröfse der potato (sülsen Kartoffel) gleicht, eine sehr
dünne Schaale hat und nach Entfernung derselben von krystallheller weifser Farbe
ist; sie ist überaus saftig und süls und wird roh zur Erfrischung genossen. In
dem Thal gedeihen Pfirsiche und Aepfel gut, und die Trauben wenigstens nicht
schlecht. Die Luzerne liefert reichlichen Ertrag und es ‚giebt auch Winterweiden.
Die Gebirgszüge, welche das Thal einschlie/sen, sind voll von Disteln (cardones),
die hier so hoch und dick werden, dafs die Einwohner sie zu Dachsparren und
Thürpfosten benutzen. Man züchtet Schaafe‘, Esel und Ziegen. In Humahuaca
finden sich Chinchilla’s, deren Felle vortheilhaft abgesetzt werden. Im Gebiet von
Tumbaya bis zur Hauptstadt beschäftigt man sich auch mit der Rindvieh- und
Pferdezucht.
.Der Cerro de Aguilar im Departement Humahuaca, und die Cerros von
Chaiıil und Tilcana im Departement Tumbaya besitzen Silberminen. Gyps und
Kalkstein kommen überall im Thale vor.
Der schon erwähnte Rio de Leon bildet die Grenze zwischen dem zuletzt
2 genannten Departement und dem der Hauptstadt. Hier fangen die breiten
_ Thäler an, das Klima ist gemälsigt, die-Vegetation mannichfaltig, Thalgründe und
_ Höhen fruchtbar und theils mit Weiden theils mit Wäldern bedeckt. Die Ein-
wohnerzahl des Departements beläuft sich auf 6600 Seelen, von denen 4000 auf
die Hauptstadt kommen. Hier kommen dieselben Producte vor, wie in den be-
reits genannten Departements, aber in besserer Qualität, da der Boden viel frucht-
_ barer ist, und aulserdem eine Anzahl von Producten eines wärmeren Klimas.
Auf den Landgütern werden aufser Pfirsichen noch ausgezeichnete Chirimoyas,
Pomeranzen, Orangen, Citronen, Walnüsse, Aprikosen, Birnen, Quitten, Erdbee-
_ ren, Kirschen, Wein, Feigen und Tuna-Feigen gezogen, sämmtlich von vorzügli-
eher Qualität und in verschiedenen Sorten. Mais, Weizen, Gerste, Melonen und
Wassermelonen, Kürbisse, amerikanische Bataten (camotes), Kartoffeln, Kichererb-
sen (garbanzos), Platterbsen (alberjas), Bohnen, alle Arten Lauch, Erdpistazien
(mani), Runkelrüben, Blumenkohl, Tomates, Pastinaken, weilse Rüben, Gurken,
imerikanischer Piment (agi), Zwiebeln und andere Gemüse kommen gut fort;
ebenso Flachs, Baumwolle, Safran, Taback, Senf und Anis. Verschiedene Arten
‘von Waldfrüchten wachsen wild in den Wäldern, wie Maulbeeren, Tomates, Wald-
nüsse, der Mato, der Myrthenbaum (arrayan), der Granadillo, die Sombra de toro,
der Chalchal, der Mistol, der Chaliar, der Piquillin und der Johannisbrotbaum.
170 Miscellen :
Auch die Guirucilla kommt vor, die zwar sehr sauer, aber angenehm ist und zur
Bereitung eines trefflichen Sorbets benutzt wird.
Oestlich von der Hauptstadt fängt der Anbau des Zuckerrohrs an. Aber
die grolsen Etablissements zur Bereitung von Zucker, Liqueur, Confitüren u. s. w.
liegen in den Departements Rio Negro und Perico.
Ebenen und Berge im Departement der Hauptstadt sind reich an Wäldern.
Diese bestehen aus Nufs-, Lorbeer-, wilden Pfirsichbäumen, Quebrachos ceolora-
dos und blancos, Lapachos, Orundeles, Espinillos, Alisos, Tarbos, Chinabäumen,
die sehr gerade und hoch wachsen und ein überaus dauerhaftes Holz haben, wel-
ches eben deswegen allen andern Holzarten zu Balken beim Häuserbau und zu
Dachsparren vorgezogen wird. Auch der Palo Blanco, ebenfalls ein hochwüchsi-
ger und schlanker Baum, kommt oft vor; er wird zu denselben Zwecken wie der
Chinabaum gebraucht, obgleich sein Holz nicht so dauerhaft ist. Grofse Wälder
bestehen aus Cebiles, dem weilsen sowol wie dem rothen, welche ein Harz aus-
schwitzen, das dieselben Dienste leistet wie Gummi arabicum ; ihre Rinde wird im
den Gerbereien zur Bereitung von Sohlen-, Kalb-Leder und Corduan verwendet,
die hier sehr gut gearbeitet werden. Aufser den genannten Bäumen kommen
noch vor der Quillay, die Tipa, die das unter dem Namen Drachenblut bekannte
Harz liefert, der Pucara, der Talas, der Seifenbaum (sebo), die wilde Feige, der
Lecheroe(?), die castilianische Weide, die Teufelsweide, der Binal, der Lluchan,
und ganze Wälder von hohlem oder festem Rohr. — Aufserordentlich grols ist
die Zahl und Mannichfaltigkeit der Sträucher. Unter ihnen zeichnet sich der Me-
loncilla aus, das bekannte Medicament zur Heilung der endemischen Dysenterie
an der Küste des Stillen Oceans. Ebenso zahlreich sind die Kräuter, die sich
theils als offieinelle Pflanzen, theils durch ihre prachtvollen oder duftreichen Blü-
then auszeichnen. Aufserdem finden sich in diesem Departement wie in denen
von Perico und Rio Negro in den Bäumen sehr oft Bienenstöcke voll Honig von
Bienen, Guancoiros, Caranes, Altamisques und anderen Arten von Bienen oder
von Hornissen, die meistentheils ihren Honig in Zellen von gelbem oder schwar-
zem Wachs niederlegen.
Die Zucht von Rindern, Pferden, Maulthieren und Eseln ist sowol hier wie
in den Departements Perico und Rio Negro beträchtlich. Sie bildet die Haupt-
Einnahmequelle für die Bewohner; jährlich wird eine bedeutende Anzahl von die-
sen Thieren, namentlich von Rindvieh, nach Bolivia ausgeführt.
Das Departement Rio Negro liegt östlich von der Hauptstadt, und grenzt im
Osten an das Chaco, im Norden an Oran, im Süden an Salta; es hat 4600 Ein-
wohner und der gröfseste Theil desselben ist noch ganz unbewohnt. Das Klima
ist hier sehr heils. Producte und Waldungen sind dieselben wie im Departement
der Hauptstadt; aufserdem eultivirt man einen vorzüglichen Reis und Pisang. Die
Orangen werden hier so grols und süls, dafs sie den berühmten von Oran nicht
nachstehen. Hier liegen die bedeutendsten Zuckerrohrmühlen, die einen zweiten
wichtigen Erwerbszweig der Provinz bilden. Sie heifsen San Lorenzo, Ledesma,
San Pedro und San Antonio; in ihnen wird Zucker, Liqueur und alles Andere
bereitet, was aus Zuckerrohr gewonnen werden kann, in hinlänglicher Menge sowol
für den heimischen Bedarf, wie für die Ausfuhr nach Bolivia und in noch höhe-
rem Maalse nach Salta, wo man mit der dortigen Production concurrirt. In dem-
@
Be
Eisberge im südlichen Ocean. 171
selben Departement liegt auch Reduccion, die Hacienda des D. Pablo Soria, wo
die Fahrzeuge gebaut wurden, mit denen er den Vermejo beschiffte. Nach So-
zia’s Meinung ist der Rio Grande de Jujuy von dem Punkte ab, wo er in dieses
Departement eintritt, für flachgehende Fahrzeuge schiffbar. Auch die Erzgruben
von Santa Barbara gehören zu Rio Negro. Perico, das letzte Departement, im
Süden der Hauptstadt, grenzt an Salta und hat 3020 Einwohner. Das Klima ist
heilser als das der Hauptstadt, doch nicht so heifs wie das von Rio Negro. Ebe-
nen und Hügel sind ebenso fruchtbar und erzeugen dieselben Producte, wie die
des Departements Jujuy; Reis, Taback und Baumwolle werden stark angebaut.
Hier liegen drei Zuckerrohr-Mühlen, zweiter Klasse im Vergleich mit denen von
Rio Negro, Namens Seberino, San Vicente und Pampa blanca; aufser ihnen exi-
- stiren noch viele Zuckerrohrplantagen, deren Besitzer ihr Product an die genann-
ten Mühlen verkaufen oder es in ihnen. für Geld verarbeiten lassen.
Die Provinz Jujuy besitzt also die Producte der verschiedensten Himmels-
striche, weil das Klima die ganze Stufenleiter durchläuft, von der kalten Gebirgs-
luft bis zu der tropischen Hitze des Departements Rio Negro. —n.
Eisberge im südlichen Ocean.
Seit dem Jahre 1848 haben die Australienfahrer sowohl bei der Hin- wie
bei der Rückfahrt zur Abkürzung des Weges eine südlichere Route eingeschla-
gen als es vorher üblich war. Es schien nicht, dafs dieser kürzere Weg mit
- gröfsern Gefahren verknüpft sei; aber vom November 1854 bis zum April 1855
zeigte sich auf der südlicheren Route so überraschend viel Eis, dafs ihr prakti-
scher Werth dadurch in Frage gestellt wurde. Dieser Umstand veranlafste Herrn
Towson, der an der Feststellung der südlicheren Route einen hervorragenden An-
theil genommen hatte, das vorhandene Material über das Vorkommen von Eis im
südlichen Ocean zu sammeln und die Australienfahrer zur Mittheilung ihrer hier-
auf bezüglichen Beobachtungen zu veranlassen. Die Resultate seiner Untersu-
_ ehungen hat er in einer kleinen Schrift zusammengefafst, die wegen ihres prak-
tischen Werthes für die Schifffahrt vom Board of Trade in einem neuen Abdruck
weiter verbreitet worden ist !). Es erhellt daraus, dafs die Erscheinungen des
Sommers 1854 zu 1855 nieht die Regel bilden, dafs sich aber allerdings im süd-
lichen Theile des Atlantischen Oceans eine Region abgrenzen lasse, welche durch
Eismassen in höherem Grade gefährdet ist, und dafs im Uebrigen die Eisberge
des arktischen Oceans im Vergleich mit denen des antarktischen wahre „Kälber“
‚sind. Wir entlehnen der Schrift diejenigen Angaben, die für die physische Geo-
‚graphie von Interesse sind.
Das Eis det Polarmeere, sagt der Verfasser, kann in zwei Klassen getheilt
den, — in Flacheis und in Eisberge. Das Flacheis, obgleich es denselben
Ürsprung hat, erscheint in verschiedenen Formen, als Eisfeld, Eisflarde, Pack-,
Strom-, Treib- und Mürbeis. In allen diesen Gestalten ist das Flacheis das Pro-
ah j
!) Icebergs in the Southern Ocean. A Paper read before the Historic Society
f. Lancashire and. Cheshire on the 19th of November 1857, with Observations made
m more recent reports, by John Thomas Towson, F. R. G. 8. Liverpool 1859.
172 Miscellen: »
duct Eines Winters, seine Dicke und Ausdehnung hängt ab von der Intensität
der Kälte in dem ebenverflossenen Winter und von den Bedingungen, unter wel-
chen das Aufbrechen des Eises in dem darauf folgenden Sommer erfolgte. Das
Eintreten der milderen Jahreszeit trennt das Eis allmählich in einzelne Felder,
die auf dem Ocean forttreiben. Im arktischen Ocean hat man schwimmende
Eisfelder gefunden, die über 100 engl. Quadratmeilen grols waren. Zerspalten
sie sich in kleinere Flächen, so werden sie Flarden (floes) genannt. Sind sie in
Schollen zertrümmert, die sich zusammengehäuft haben, so bilden sie Pack-Eis;
das letztere heifst, wenn es in lang hingestreckter Form erscheint, ein Strom oder
Strom-Eis. Ist es in noch höherem Grade zertrümmert, so heifst es Treib- und
Mürb-Eis, drift und brash ice, — das Letztere dann, wenn die einzelnen Schol-
len zerrieben sind und in Folge des Aufthauens in einem milderen Klima die
Eigenschaften wirklichen Eises bereits eingebülst haben.
Ganz abweichend in Form und Ursprung sind die Eisberge. Sie erheben
sich oft mit steilen Wänden 100 bis 1000 Fufs über den Meeresspiegel; sie glei-
chen Kalkklippen, während die durchscheinenden Kanten smaragdgrün schimmern.
Auf ihrer Oberfläche befinden sich azurblaue Wasserlachen, die man bisweilen
als Seen bezeichnen könnte. Sie sind nicht das Product Eines Winters; man hat
im Gegentheil Grund zu der Annahme, dafs ihre Bildung in einer Periode be-
gann, die vielleicht eben so weit hinter uns liegt, wie die Bildungsperiode eini-
ger Tertiär-Gesteine '). Sie haben dieselbe Beschaffenheit, wie die Gletscher
wärmerer Regionen; diese schmelzen in den Thälern; die Eisberge rücken in das
Meer vor, bis sie als immense Blöcke durch den Wasserdruck abgebrochen wer-
den. Von den grönländischen Walfischfahrern wird dieser Procefs bekanntlich
das „Kalben“ des Eises genannt ?).
Das Flacheis ist nicht nur jünger als das Eis der Eisberge: es erweist sich
auch als weniger dauerbar, sobald es in wärmeres Klima kommt. Denn es be-
steht aus Eiskrystallen und Salzkrystallen, indem das Salz sich von dem Wasser
während des Gefrierens scheidet, und bekanntlich schmilzt eine Mischung von
Eis und Salz bei einem viel niedrigeren Temperaturgrade als reines Eis. Eisberge
dringen deshalb in viel niedrigere Breiten vor als Flacheis. Das letztere trifft
man im südlichen Ocean selten diesseits 58° S. Br., und unter dieser Breite auch
nur in den Wintermonaten vom April bis September. Nur in einer, weiter un-
ten genauer bezeichneten Gegend kommt es bis 55° S. Br. vor; das brash-ice,
das noch nördlicher beobachtet sein soll, war vermuthlich nicht wirkliches Flach-
eis, sondern Trümmereis von den zahlreichen Eisbergen, die in seiner Nähe vor-
kamen.
Auf der nördlichen Halbkugel scheinen die Eisberge nicht einen so grolsen
Umfang zu erreichen wie auf der südlichen. Die gröfsesten, über welche zuver-
lässige Beobachtungen vorliegen, erreichen dort eine Höhe von 300 Fuls. Die
Berichte aus der Südsee geben den dortigen Eisbergen zum Theil eine unglaub-
!) In einem Eisblock, der auf der Lena stromabwärts trieb, fand ein Tunguse
1799 den Körper eines Mammuth, dessen fossile Ueberreste sonst in den Bildungen
der Pliocen-Periode vorkommen.
2) Vergl. hierüber die „Physicalisch-geographische Beschreibung von Nord-
Grönland“, im zweiten Bande dieser Zeitschrift, besonders S. 184 ff.
Eisberge im südlichen Ocean. 173
liche Höhe; aber auch aus zuverlässigen Angaben erhellt, dafs in der Südsee ungleich
grölsere Eisberge vorkommen als in den nördlichen Gewässern. Der „Lightning“
sah am 10. September 1856 unter 55° 33’ S. Br., 140° W.L. einen Eisberg von
420 Fufs Höhe; und einer der berühmtesten und begabtesten nautischen Forscher
hat Eisberge von 800 Fufs Höhe gesehen. Der „Generaal Baron von Geen“ kam
am 6. August 1840 an einem Eisberge von 1000 Fufs Höhe vorbei, und die
Agneta traf am 23. März 1855 unter 53° 14° S. Br., 14° 41’ O. L. einen Eis-
berg von 960 Fuls Höhe. Noch aufserordentlicher sind die Eisberge des Südens
in ihren horizontalen Dimensionen. Im September 1840 traf man unter 41° S.
Br., 14° O.L. einen Eisberg von einer engl. Meile im Umfang; im Januar 1858
unter 53° 30' S. Br. 51° W. L. einen andern, der 3 engl. Meilen lang war.
Und doch sind diese nur unbedeutend im Vergleich mit der Eismasse, die in der
Zeit vom December 1854 bis zum April 1855 und in dem Raum zwischen 44°
S. Br. 28° W.L., und 40° S. Br. 20° W.L. von 21 Schiffen beobachtet wurde.
Sie war nirgends über 300 Fufs hoch, dagegen 60 Miles lang und 40 Miles breit,
und hatte die Gestalt eines Hufeisens, das mit einem längern, 60 Miles langen
und einem kürzern, 40 Miles langen Schenkel eine Bucht von 40 Miles Breite
einschlofs. Im December 1854 dampfte der Great Britain 50 Miles weit an der
äufsern Seite des längern Schenkels hin, der damals von SW. nach NO. gerich-
tet war, während die Bucht nach NO. sich öffnete; für Schiffe auf der Rückfahrt
von Australien lag der Eingang zur Bucht damals aufserhalb des gewöhnlichen
Courses. Aber in den nächsten drei Monaten drehte sich die Eismasse um 90°
nach links, und trieb nach ONO. etwa 100 Miles weiter, so dafs sie der Route
für die nach Australien segelnden Schiffe ganz nahe kam und die Oeffnung der
Bucht diesen Schiffen gerade zukehrte. Ein Auswandererschiff, der Guiding Star,
gerieth in die Bucht und ging mit Mann und Maus unter. Nur mit genauer
Noth wurden im März und April 1855 der Cambridge und Salem aus der glei-
chen gefährlichen Situation gerettet. Die Entstehung so colossaler schwimmen-
der Eismassen ist ein Problem. Dr. Scoresby meinte, dafs die hier in Rede ste-
hende Eismasse ein Conglomerat von Eisbergen gewesen sein müsse, welches sich
dadurch gebildet habe, dafs verschiedene Eisberge bei ihrer Wanderung an an-
dere auf den Grund gerathene getrieben und mit diesen durch den Frost von
- Jahrhunderten zu Einer Masse verbunden worden sind, bis das Ganze in Folge
irgend eines unbekannten Anstofses wieder ins Treiben gerathen.
In der Südsee treiben die. Eisberge fast überall in der Richtung O. bei N,,
und legen täglich 10 Miles zurück. Die einzige Ausnahme von dieser Regel fin-
_ det statt, wenn die Eisberge östlich von Cap Horn angekommen sind. Hier
schlagen sie eine nordöstliche Richtung ein, bis sie den vierzigsten Breitengrad
unter 25° W. L. erreicht haben, und ziehen dann unter dieser Breite sehr lang-
sam, täglich kaum eine englische Meile weit, nach O. bis 15° W.L., wo sie dann
eine südöstliche Richtung einschlagen. Ob sie weiterhin in kreisförmiger Bewe-
gung wieder zum Cap Horn zurückkehren, ist ungewils, da es an den erforder-
lichen Beobachtungen aus südlicheren Breiten fehlt. Eisberge, die sich nördlich
on dieser Route zeigen, werden in analoger Bewegung dem Cap der Gu-
Hoffnung zugetrieben, wo im April 1828, im August, September und Octo-
1840 und im Januar 1850 Eisberge in Sicht waren. Südlich von dieser
174 Neuere Literatur:
Curve liegt diejenige, der Route der Australienfahrer benachbarte und von ihr
zum Theil durchschnittene Region des südlichen Oceans, welche im Allgemeinen
als eine durch Eis gefährdete bezeichnet werden kann. In der Zeit vom Novem-
ber 1854 bis zum April 1855 trieben hier so zahlreiche Eisberge, dafs kein ein-
ziges Schiff diesen Theil des Atlantischen Oceans ohne Gefahr durchschnitten hat.
Im Uebrigen stellt sich heraus, dafs die zuletzt erwähnte Periode mit ihrem
massenhaften Eistreiben eine ganz aufsergewöhnliche war; nach den Aussagen
der Seehundsfänger ist seit 50 Jahren in der Südsee nie eine so aufserordent-
liche Menge von Eisbergen gesehen worden, und man mufs darnach annehmen,
dafs, wenn das Phänomen periodisch wiederkehren sollte, die Periode wenigstens
eine sehr weit bemessene ist. In dem Theile des südlichen Oceans zwischen dem
Cap der Guten Hoffnung und Australien läfst sich eine bestimmte Breite, die
vorzugsweise durch Eisberge gefährdet wird, nicht bezeichnen; im Allgemeinen
wächst die Gefahr erst südlich vom 52” S. Br. Auf der Strecke zwischen Au-
stralien und dem Cap Horn scheint sich herauszustellen, dafs höhere Breiten we-
niger gefährlich sind. Zwischen den Meridianen 112° und 92° W. traf z. B. die
Great Britain im November 1854 unter 56° S. Br. nicht weniger als 280 Eis-
berge, während die Golden Era, welche jene Meridiane unter 63° S. Br. durch-
schnitt, nicht einen einzigen Eisberg sah.
Die Zeit, in welcher die Eisberge sich zeigen, beschränkt sich im südlichen
Ocean auf die sechs Sommermonate vom November bis April. Towson hat kei-
nen einzigen Bericht darüber, dals mitten im Winter, im Juni und Juli, ein Eis-
berg gesehen ist; und im Mai und August sind sie verhältnilsmäfsig sehr selten.
—n.
Neuere Literatur.
Schweizerkunde. Von H. A. Berlepsch. Erste Abtheilung. Braunschweig
1860 (Schwetschke & Sohn).
Im Vergleich mit dem im vorigen Hefte besprochenen „Gemälde der Schweiz“
strebt das oben genannte Werk in wissenschaftlicher Beziehung nach höherer Be-
deutung, geht dafür aber weniger ins Einzelne ein. Es soll in zwei Abtheilun-
gen erscheinen, von denen die erste vorliegt, Von dem „Gemälde der Schweiz“
unterscheidet sich das vorliegende Werk auch noch dadurch, dafs es das histo-
rische Element, die politische Geschichte der Eidgenossenschaft ganz auszuschlie-
fsen beabsichtigt. Ob dieses streng durchzuführen sein wird, ohne die Gründ-
lichkeit und Vollständigkeit der Schilderung zu beeinträchtigen, steht dahin. Die
Darlegung des Wachsthums, die Daten der Sonderung der einzelnen Kantone
scheint in einer statistischen Darstellung nicht füglich umgangen werden zu kön-
nen. Vortrefflich ist das wichtige zweite Kapitel „ Bodenerhebung “ behandelt;
eine seltene Fülle von Höhenangaben, durchweg nach den neuesten trigonometri-
schen Messungen der eidgenössischen Ingenieure und daher wohl sämmtlich in
Schweizer Fuls (16000 = 14776 Paris. Fufs) ist beigegeben. Die Zahlen-Correc-
tur ist eine sorgfältige; dennoch findet sich die höchste Spitze des Gotthardt Kno-
tens $. 36 mit 9898 Fufs und 8. 37 mit 9613 Fuls angegeben. Wäre die letztere
Zahl die richtige, so wäre die Pisciora nicht Qie höchste Spitze des Gotthardt.
A. H. Berlepsch: Schweizerkunde. 175
Dem folgenden Kapitel „Gewässer“ entnehmen wir nachstehende Angaben über
' die Gröfse der schweizerischen Flufsgebiete :
Das Rhein -Gebiet umfalst innerhalb der Schweiz 523 UM.
i gg N en i RR 725OM.
- Inn- - - £ 2 % ER
Die eigentliche Rhonequelle sicht der Verfasser nicht im Rhone-Gletscher,
sondern in der starken immerfliefsenden Quelle am Wirthshause „zum Gletsch“>
in welche das Schmelzwasser des Khone-Gletschers laufe — ob aber nicht dann
der Muttenbach noch mehr Rechte habe, den man auf dem Wege von der Furka
zum Gletscher passirt und der den Fufs des Rhone-Gletschers unterspült hat,
möchte zu zweifeln sein. Das vierte Kapitel umfafst unter der Ueberschrift: „Na-
‚ turhistorische Umrisse* sowohl allgemeine geognostische Notizen, als eine geolo-
gische Skizze, endlich eine Schilderung der Pflanzen- und Thierwelt. Das fünfte
Kapitel „klimatische und atmosphärische Verhältnisse“ berührt unter Anderem
auch die Ausdehnungen und den Flächeninhalt der bedeutendsten Gletscher. Der
Aletschgletscher, 110 Millionen Quadratmeter grofs und 80,000 Fufs oder beinahe
5 Schweizer Stunden, seine Firnmulde eingeschlossen, lang, wird „wohl der längste
Gletscher der Erde überhaupt“ genannt (?? s. Petermann’s Mittheilungen 1855,
S. 199 ff. und die daselbst eitirten Quellen). Vom zweiten Theile „das Volk und
_ sein Leben“ finden sich die drei Kapitel: Stand und Gang der Bevölkerung, Kör-
perbeschaffenheit, Nahrungsmittel ganz, das vierte: Volkstrachten theilweise in der
vorliegenden Lieferung. Interessant und unerwartet ist die Angabe, dafs das Al-
penklima einem äufserst langen Leben keineswegs günstig zu sein scheint, indem
es unverhältnifsmälsig wenig Hundertjährige in der Schweiz gegeben haben und
geben soll. Das vortreffliche Werk ist auch im Aeufsern lobenswerth ausgestattet.
S.
Sitzung der RR Gesellschaft zu Berlin
vom 4. Februar 1860.
4 Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung mit Ueberreichung
und Besprechung der eingegangenen Geschenke: 1) F. Schulz, Descripcion geo-
logica de Asturias. Madrid 1858. — 2) Report of the Commissioners of Patents
for, the Year 1857. Agriculture. Washington 1858. — 3) FE. G. Schubert, Grund-
züge der allgemeinen Erdkunde. Wien 1860. — 4) Amtlicher Bericht über die
zweite Versammlung deutscher Naturforscher und Aeızte in Carlsruhe. Carlsruhe
1859. — 5) Statistische Nachrichten von den preufsischen Eisenbahnen. Ba. VI.
Berlin 1859. — 6) Kongl. Svenska Fregatten Eugenies Resa omkring Jorden.
‚Zoologie III. Stockholm 1859. — 7) W. Schubert, die Stellung der Inseln zu den
"Continenten. Vier Programme der evangelischen Schulanstalten in Oberschlesien.
Wien 1853 — 59. — 8) Maury, Nautical Monographs. No. I. Washington. Oe-
ber 1859. — 9) Archiv für wissenschaftliche Kunde Rufslands. Bd. XIX. Heft 2.
in 1860. — 10) Petermann, Mittheilungen. 1859. Ergänzungsheft. Heft 1.
Gotha. — 11) Preufsisches Handelsarchiv. 1860. No. 2—4. — 12) Bu-
Mittheilungen des Central-Instituts für Acclimatisation in Deutschland. 1859.
1—6. Berlin 1859,
Herr Prof. Dove drückte in Bezug auf das unter :No.5 angeführte Werk
176 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.
den Wunsch aus, dafs die Höhen der einzelnen Bahnhöfe ermittelt und bekannt
gemacht werden möchten, und machte auf die in No. 2 enthaltenen beiden Kar-
ten aufmerksam, welche die Verbreitung des Theebaues und das zum Theebau
geeignete Land in den Vereinigten Staaten darstellen. Ferner theilte derselbe
einen Brief von Colonel Waugh in Indien, worin dieser für seine Ernennung zum
Ehrenmitgliede der Gesellschaft dankt, und ein Schreiben des Herrn Eli Samter
mit, in welchem dieser den Antrag stellt, dafs die Gesellschaft die Bildung einer
Expedition zur Aufsuchung von Dr. Vogel oder dessen Nachlafs betreiben möge;
der Absender hat zu diesem Zweck einen Beitrag von 3 Thalern beigelegt.
Herr Mentzel las einen Brief vom 2. Mai v. J. vor, welchen ein Offizier
in niederländischen Diensten über den Feldzug der Holländer gegen die Königin
von Boni auf Celebes geschrieben hat. Es wurde gezeigt, wie der Zweck dieses
Zuges, die Bewohner von Boni zu demüthigen, vollkommen erreicht ist, zugleich
wurde des höchst ungesunden Klimas von Celebes erwähnt, welches gröfseren
Verlust, als das Schwert der Feinde verursacht hat.
Herr Barth sprach nach mehreren Briefen über Dr. Vogels Schicksal, wo-
nach kaum zu zweifeln ist, dafs dieser bereits um die Mitte des Septembers 1856
durch den Häuptling von Wadai ermordet worden sei. Hierfür spricht die Ueber-
einstimmung der von verschiedenen Seiten eingegangenen Berichte. Wenn nun
auch zugleich gegenwärtig wenig Aussicht da zu sein scheint, von dem schriftli-
chen Nachlafs desselben etwas zu retten, so ist der Vortragende doch der Meinung,
dafs eine zu diesem Behufe auszurüstende Expedition zweckmälsig sein würde.
Diese aber würde, wegen des schwierigen Fortkommens, wenigstens 3 Jahre Zeit
brauchen. Ferner spricht derselbe, nach einem Briefe des Herrn Duverrier über
die eigenthümlichen Wassersysteme im Süden von Algier, den zweifelhaften Ur-
sprung der dortigen Bevölkerung und machte einige Bemerkungen über die dort
beobachteten Temperaturen.
Herr Koch hielt nach neuern Briefen aus Tiflis, in Verbindung mit seinen
eigenen früher an Ort und Stelle gemachten Erfahrungen, einen längeren Vor-
trag über den Kaukasus. Er setzte auseinander, wie die eigenthümliche Bildung
dieses Gebirges einerseits die Führung eines regelmälsigen Krieges erschwert und
wie das’ Klima den Russen vielfach verderblich war; wie aber auf der andern
Seite die dortigen Völker, auch in gröfster Zahl, in der Ebene dem russischen
Heere durchaus nicht gewachsen sind. Er erwähnte zugleich, dafs in der neuesten
Zeit viele Wege von den Russen theils verbessert, theils neu angelegt worden sind.
Herr Wolfers übergab zwei von der geographischen Gesellschaft in New-
York eingesandte Zeitungen, den „Herald“ vom 7. und das „Daily Tribunal“
vom 9. Januar 1860, welche Berichte über die letzte Sitzung der genannten Ge-
sellschaft enthalten. Aus dem einen Berichte, worin die Reise von du Chaillu
im Westen von Afrika besprochen wurde, theilte der Vortragende einige Auszüge
mit, welche über die dortigen Stromsysteme, Völkerschaften und einige andere
Verhältnisse "Auskunft ertheilten.
Herr Ehrenberg sprach über‘die beabsichtigte Reise des Herrn von Bar-
nim und Dr. Hartmann über Dongola nach Gondar in Abessinien. Dieselbe
Reise hat der Vortragende vor 40 Jahren gemacht, und er sprach über die da-
maligen, wie nach den von jenen Herren eingegangenen Briefen über die gegen-
wärtigen dortigen Verhältnisse.
fer giebt die absolute Hohe,
d.Ostsee-Spiegel |
Gr Nordsee
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Geographische Karte
der Gegenden zwischen
Eider, Schlei und Treene
‘ım Jahre 1859.
Gezeichnet von
F. GEERZ.
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Lith. Anst.v. Leopold Kraatz in Berlin.
Zeitschrift für allgem. Erdkunde N F Bd VIl
DAS HERZOGTHUM SCHLESWIG.
(opirt aus der ım 46 Jahrhundert erscuenenen Karte „Daniae Regni Typus Cornelius Anto-)
mıades deserpsit ‘ |
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& Stadt oder Flecken
Olürchdorf +hürce oDorf‘ umuesırte Landis.
© Adel. Gut = Schloss Gebesserte Landstr
u Weierhof oder andere grössere Landstelle Ey
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2 Einzelne Hauser 0 Leuchilkurm
> Fahre für Wagen ete
+ Spuren chemal. Burgen u
Schanzen
Alte Befestigungen
Naasistab: 59.000 d. natürl. Lange
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Geographische Karte
der Gegenden zwischen
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im Jahre 1859.
Gezeichnet von
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Dusend Dyndiswa
Berlin, beı D’Reimer
inner Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5— 6 Bogen
’Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften,
relche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.
n 20: beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten.
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und vorräthig:
6 efchichte
de8 brandenburg. = preußifchen Staates
son 8. Boigt, Profejfor an der Königl. Realfchule zu Berlin.
Erfte Lieferung. gr. 8. geh. 10 Sar.
Die Abficht des Berf ging dahin, ein Merf zu liefern, das die Mitte zwifchen
rein wifienfchaftliher und populärer Darftellung haltend von mäßigem Umfange und
darum zu mäßigem Breife zu befchaffen fein follte. Während er auf der einen Seite
die Erweiterung des Staatsgebietes mit befonderer Sorgfalt verfolgte und ihr
eine geograbhifche Grundlage zu geben fuchte, wobei von jedem Gebiete, das an Preußen
gefallen, je nach feiner Wichtigfeit eine Daritellung feiner früheren Berhältniffe gege-
ben wurde, beftrebte er fich andrerfeits die inneren Berhältniffe, die Ver-
fhmelzung der einzelnen Candestheile, vie Öermanifirung und Lebens:
weife feiner Bewohner, die Veränderungen in feiner Verfaffung, eine Sl
veinglich und überfichtlich darzuftellen. — F
Das Werk erfcheint in 6 Lieferungen von je 6—7 Bogen in gr. 8. zum Preife E
von 10 Sgr., monatlich 2 Lieferungen. Wir laden hiermit alle Freunde ie ee
Sefchichte zur Subfeription auf genanntes MWerf ein. 2
Im Verlage von DIETRICH REIMER in Berlin wird in Kurzem erscheinen:
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Bearbeitet :
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ZEITSCHRIFT
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DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN
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Dr. K. NEUMANN.
NEUE FOLGE,
= ACHTER BAND, DRITTES HEFT.
27 BERLIN.
VERLAG VON DIETRICH REIMER.
er „1860.
ALLGEMEINE ERDKUNDE.
°H: W. DOVE, C. G. EHRENBERG, H. KIEPERT ın zerum,
SH REEL WERT - März 1860.
Inhalt.
VI. Stadt und Hafen Zanzibar. Von E. Quaas . . 2 2. 2 2...
VII. Ein Besuch der Insel Formosa. Von Robert Swinhoe .
IX. Die Canadische Red River-Expedition in den Jahren 1857 — 1859.
Von E. G. Ravenstein BIN ERW REN > Boy VL
Miscellen.
Höhe der Bahnhöfe auf den preufsischen Eisenbahnen . . . .
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow. Nach den Sailing Dirk:
tions des Capt. Ward . A HRS EN,
Das Laternenfest in Nangasaki . . . . KURT eRRES JE
Dr. Hochstetter’s Karten von Neu- Seeland N: A
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Ausbruchs im Sehe 1859.
Von WED Ale Rand ar RT RATE
Neuere Literatur.
Generalkarte von den Herzogthümern BE Holstein und Lauenburg.
Vom Hauptmann F. Geerz . . . Eh
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Ba von = März 1860.
Karten.
Taf. II. Die Region der Canadischen Seen in Nordwesten des Lake
Superior, zusammengestellt von E. G. Ravenstein.
270
271
VI.
Stadt und Hafen Zanzibar.
Von E. Quaas.
In geringer Entfernung von der Ostküste Afrika’s zieht sich von
der Linie bis gegen 8° $. Br. eine Reihe gröfserer und kleinerer In-
seln hin, unter welchen Zanzibar, von den Eingeborenen Ungoya
genannt, sowohl in Betreff seiner Gröfse als auch seines Handels die
bedeutendste ist. Dennoch hat man in Deutschland noch nichts Ge-
naueres von diesem Lande des Ostens gehört, welches als Hauptstapel-
platz des ostafrikanischen Waarenhandels und wegen des dadurch her-
vorgerufenen Zusammenflusses so vieler verschiedenen Völkerschaften
ein ungewöhnlich ergiebiges Feld für interessante Beobachtungen dar-
bietet, und in den letzten Jahren auch als Ausgangspunkt der wichtigsten
afrikanischen Entdeckungsreisen eine hervorragende Bedeutung erlangt
hat. Es wird deshalb den Lesern nicht unerwünscht sein, wenn ich
Aufzeichnungen und Erinnerungen, die ich bei längerem Aufenthalt in
Zänzibar gesammelt habe, in einer Reihe einzelner Skizzen des Landes
und Lebens der Oeffentlichkeit übergebe.
Die Insel Zanzibar (Ungoya) erstreckt sich von 5° 43’ bis 6° 28’
S. Br. in einer mittleren Entfernung von 5 — 6 Meilen vom Festlande
Afrika’s beinahe von Nordnordwest nach Südsüdost hin; ihre Ausdeh-
nung von Osten nach Westen mag in der Mitte, wo sie am grölsesten
ist, wohl 13 — 14 deutsche Meilen betragen. Die Insel ist niedrig und
grölsesten Theils mit Cocosnufspalmen bewaldet; die Wipfel der auf
den höchsten Punkten stehenden Bäume werden vom Verdecke eines
Schiffes aus erst sichtbar, wenn man sich der Insel auf 3— 4 Meilen
genähert hat. Kommt man von Süden, so läuft man gewöhnlich erst
Monfia an, ein etwas südlicher gelegenes kleines Eiland, und richtet
von da, um durch den in dieser Gegend nach Nordosten laufenden
starken Strom nieht auf die äufsere Seite Zanzibars getrieben zu wer-
den und um die gefährliche Sandbank von Latham zu vermeiden, seinen
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. YiH:— 12
FEN N Sen
178 E. Quaas:
Cours nach Point Punah, einem unbedeutenden Vorgebirge, leicht kennt-
lich an seiner diehten Bewaldung. Das Land erscheint von gleicher Höhe;
nur zwei kleine Hügel zeigen sich wohl eine Meile vom Ufer im In-
nern. Südlich von Punah ist die Küste nur mit einzelnen zerstreuten
Gruppen von Palmen bedeckt, deren Wipfel, wenn sie wie kleine In-
seln aus dem Meere auftauchen, man eher gewahr wird als das Land
selbst. Hat man Punah erreicht, so steuert man auf die in dem Canal
zwischen Zanzibar und dem Festlande gelegene Insel Kwaly los, läfst
Kissiwa und Hay, zwei kleine Eilande, rechts liegen und bekommt bei
Schumby die Stadt selbst in Sicht. Die westlichen Ufer Zanzibars zei-
gen, ausgenommen an der Nord- und Südspitze, an denen nackte Ko-
rallenfelsen zu Tage kommen, in ihrer ganzen Ausdehnung weilsen
Sandstrand und dahinter die frische saftige tropische Vegetation. Die
kleinen Inseln sind sogar bis dicht an den Rand von dem schönsten
grünen Pflanzenwuchs bekleidet. Von Schumby aus kann man zur Stadt
auf zwei Wegen gelangen: der eine führt mitten durch zahlreiche Sand-
bänke gerade nach dem auf der äulsersten Spitze des Landes stehen-
den grofsen steinernen Hause, welches man nebst der kleinen dahinter
liegenden Insel Schampany als Landmarke benutzt; der andere bringt
uns bis auf kleine Distanz vom Ufer im Süden der Stadt. Ein Hindu-
Tempel, leicht kenntlich als das einzige weilse Gebäude zur Rechten
der Stadt, nebst dem darüber hervorragenden kleinen Minaret einer
Moschee, die auf der nördlichen Seite liegt, giebt uns hier den einzu-
haltenden Cours an. Von dort nordwestlich der Küste entlang steuernd
gelangt man bald nach Schangani - Point, zu dem schon früher erwähn-
ten grofsen Hause, im Angesicht der grolsen Bucht, welche das west-
liche Ufer Zanzibars bildet, indem es plötzlich beinahe unter einem
rechten Winkel nach Ostnordost einfällt, und erst, nachdem es wohl
eine Meile sich in dieser Richtung hingestreckt hat, wieder nach Nord-
nordwest umbiegt.
An dem westlichsten Theile dieser Bucht liegt die Stadt Zanzibar,
von den Landesbewohnern kurzweg Mdji (die Stadt) genannt. Nördlich
von ihr ist der eigentliche Ankerplatz für die Schiffe, der Hafen (Ban-
dari), von Westen durch eine Menge Sandbänke, von Norden durch
vier Inseln, Bawy, Schangu, Kibandeko und Schampany (French Island),
geschützt, die von Westen nach Osten der Küste entlang sich hinziehen.
Von Norden kommend kann man, sobald die kleine Insel Tum-
bata, im Nordwesten Zanzibars gelegen, im Osten gepeilt und passirt
worden ist, von Point Osmawembi an stets in geringer Entfernung von
der Küste in einer Tiefe von 7 bis 10 Faden segeln, um die drei im
Südwesten von der genannten Bay, aber weiter entfernt liegenden Ko-
rallenriffe zu vermeiden. Auch hier giebt es zwei Passagen, um zur
Stadt und Hafen Zanzibar. 179
Stadt durch den sie umgürtenden Inselkranz zu gelangen; die nord-
westliche zwischen Bawy und Schangu, die beinahe gar nicht benutzt
wird, und die zwischen der Küste und der Insel Schampany. Letztere
ist die bekannteste und befahrenste; nur hat man sich vor der nach
Südost von der Insel auslaufenden Sandbank in Acht zu nehmen, die
leieht durch die Farbe des Wassers zu erkennen ist, welches durch-
sichtig und klar bei abnehmender Tiefe augenblicklich seine Färbung
von tiefem Blau zu hellem Grün in den verschiedensten Nuancen wech-
selt. Zu des vorigen Sultans Zeiten lagen bei Mtoni, seinem Lieblings-
Aufenthalte, da wo man nach Westen umbiegen und seinen Cours än-
dern muls, stets ein oder mehrere Kriegsschiffe, auch eine Boje be-
zeichnete das Ende der Sandbank; jetzt ist der Seefahrer auf seine
eigene Geschicklichkeit angewiesen; die Kriegsschiffe liegen im Hafen
und die Boje am Lande vor dem Palast des Sultans.
Wohl eine Viertelmeile von dem westlichsten Punkte der Stadt,
von Schangani-Point, schneidet eine Lagune von Norden nach Süden
in das Land, welche sich zur Zeit hoher Fluthen bis auf eirca 200
| Schritt von dem südlichen Meeresstrande mit Wasser füllt und so den
| Theil des Vorsprunges, auf welchem die Stadt gebaut ist, zur Halbinsel
_ macht, die nur durch das schmale, etwas höher gelegene Stückchen
Erdreich mit dem übrigen Theile der Insel verbunden ist.
Gegenüber Schampany fangen die Ufer Zanzibars an, sich mehr
und mehr zu beleben; bisher sah man nur den weilsen Strand und
Waldung dahinter, jetzt kommt man an vielen reizend gelegenen klei-
nen und grölseren Landhäusern vorbei, die in den Strahlen der glühen-
den Sonne hell erglänzend einen wunderbar schönen Contrast mit den
sie umgebenden lichten Baumgruppen und dem dunklen Walde im
Hintergrunde bilden.
Von Süden einsegelnd bemerkt man kein bedeutendes Gebäude,
aulser dem grolsen schönen Hause auf der äufsersten Linken und dem
kleinen Hindutempel zur Rechten, der uns nebst dem hinter ihm auf-
steigenden Minaret an einem von Cocospalmen freien Platze erscheint,
weil der sonst überall bis an die Küste reichende Wald hier zurück-
tritt und die im Südosten der Stadt befindliche Ebene Nasimoje bei-
nahe bis an das diesseitige Ufer sich erstreckt. Nur einige Gebäude
_ ragen mit ihrem oberen Rande über die Dächer der vielen Hütten her-
- vor, welche diesen Stadttheil, Schangani genannt, beinahe ausschliels-
lich bilden. Einzelne Cocospalmen strecken ihre schlanken Stämme
zwischen den Häuschen hervor in die milde blaue Luft und scheinen
dem neuen Ankömmling mit ihren ewig beweglichen Wipfeln ein freund-
liehes Willkommen zuzunicken. Die Stadt sieht von hier aus mehr
ländlich und negerhaft aus. Ein ganz anderes Bild entrollt sich vor
gar
180 E. Quaas:
unseren Augen, wenn wir auf der nördlichen Seite vor Anker gehen,
Inmitten einer glänzenden Facade von Häusern mit platten Dächern
erheben sich die ehrwürdigen grauen Mauern des alten, noch aus der
Zeit der portugiesischen Besitzergreifung stammenden Forts, mit vier
halb verfallenen runden Thürmen an den Ecken. Links davon wehen
an dem hohen Flaggstocke die Landesfarben, eine grofse rothe Flagge;
hinter ihm steht der neue Palast des jetzigen Herrschers Szeyd Madjid
und daneben der Harem des verstorbenen Sultans, ein langes dunkles
Gebäude, welches in Folge der wenigen vergitterten Fenster im oberen
Stockwerk einem Gefängnils ähnlicher sieht als der Residenz des mäch-
tigen Sultans von Mascat, Szeyd Szaid. Noch mehr Abwechselung bringt
in die Scenerie eine ganz in der Nähe dicht am Strande stehende alte,
mit Makuti (Cocosnufsblättern) bedeckte Baracke, das Zollhaus, der
Sammelplatz der europäischen, arabischen und indischen Kaufleute, bei
dem, wie wir durch den Mastenwald der hier liegenden einheimischen
Fahrzeuge gewahren können, das regste Leben herrscht. Das Ufer ist
von zahlreichen Gruppen thätiger Menschen bedeckt, das Meer von einer
Menge hin und her fahrender Boote, welche die Erzeugnisse ferner Ge-
genden landen und abholen. In den Stadttheilen zu beiden Seiten des
Forts wehen von den Residenzen des englischen, amerikanischen und
französischen Consuls die entsprechenden Flaggen. Nach der Lagune
zu neben den meist neuerbauten gröfsesten und schönsten Häusern
stehen wieder wie im Westen zahlreiche Hütten; sie bilden, selbst
meistentheils zwischen dem saftreichen Grün der Bäume gelegen, den
Uebergang zu den mit tropischer Vegetation bedeekten Hügeln, welche
das Bild zur Linken abschliefsen, wie es zur Rechten der blendend
weilse Strand und das tiefblaue Meer thut.
So bietet, wie überhaupt alle morgenländischen Städte, auch Zan-
zibar von Weitem gesehen einen überraschend ‚schönen Anblick dar,
während bei näherer Betrachtung aller Zauber vor dem dort herrschen-
den Schmutze entweicht.
Schon beim Landen werden, wenn nicht gerade hohes Wasser ge-
wesen ist oder noch ist, auch sehr wenig verzärtelte Gesichts- und
Geruchsorgane durch den Anblick des Strandes und den hier aufstei-
genden penetranten Geruch auf das Unangenehmste berührt. Denn der
Landungsplatz ist — Dank den täglich erneuten Bemühungen der Ne-
ger und Banianen — ein Kothhaufen in des Wortes verwegenster Be-
deutung, den man selbst bei angestrengter Aufmerksamkeit kaum pas-
siren kann, ohne mit den allerunangenehmsten Dingen in Berührung
zu kommen. Aufserdem wird aber auch aller Unrath aus den anlie-
genden Häusern dorthin geworfen, so dals man viele der nach dem
Stadt und Hafen Zanzibar. 181
Strande führenden Wege mit einem Haufen Kehricht verbarrikadirt
findet, über den man hinwegklettern muls. Wenn nicht die niedrige-
ren Theile des Strandes von den täglichen, und die höher gelegenen
von den sehr hohen Frühjahrs- und Herbstfluthen zweimal im Tage
oder im Jahre gründlich gereinigt würden, so wäre gewils schon längst
an ein Durchkommen nicht mehr zu denken, und die Atmosphäre würde
noch mehr verpestet sein, als es schon jetzt der Fall ist.
Die Strafsen der Stadt selbst sind, mit Ausnahme der im westlichen
Theile vor den Häusern der Europäer hinführenden, ebenfalls wenig
anziehend. An Strafsenreinigung denkt natürlich keiner der Eingebo-
renen, thut vielmehr im Gegentheil so viel er nur kann zur Vermeh-
rung des allgemeinen Schmutzes. Auch hier mufs die Natur von Zeit
zu Zeit hilfreiche Hand leisten. Die Menschen überlassen in ihrer In-
dolenz den Regengüssen diesen wichtigen Theil sanitätspolizeilicher Für-
sorge. Mehr oder weniger eng, krumm und schmutzig, zieht sich durch
die ganze Stadt ein Labyrinth von Gassen, in denen sich jeder mit der
Topographie des Platzes Unbekannte ohne Führer verirren mufs. Schil-
der an den Eckhäusern, mit dem Namen der bezüglichen Stralse ver-
sehen, fehlen gänzlich, da die Strafsen hier gar keine Namen haben,
und in vielen Gegenden jede Hütte einzeln steht; es bleibt daher dem
rathlosen Fremden, der die Landessprache nicht kennt, oft kein anderer
Wegweiser als die Sonne übrig. Bei Regenwetter ist natürlich in den
ungepflasterten Gassen — und ihrer sind bei Weitem die Mehrzahl,
sie sind die Regel — gar nicht durchzukommen. Liegen sie tief und
fehlt ihnen ein bequemer Abfluls, so dauert es lange, ehe das Wasser,
besonders in der Regenzeit, sich verzieht; haben sie dagegen einen
Fall nach dem Strande oder der Lagune, so strömen die Fluthen reifsend
hindurch und man würde bis an die Knöchel darin waten oder auf die
hin und wieder wie kleine Inseln hervorragenden Steine hüpfen müssen,
um vorwärts zu kommen. Den Eingeborenen genirt dies freilich we-
nig; er nimmt seine Sandalen, wenn er nämlich solche besitzen sollte,
in die Hand, und trotzt mit seiner wasserdichten Haut den um ihn
stürmenden Fluthen. Bei trockenem Wetter sind viele dieser Strafsen
eben so unangenehm wegen der malerischen Unordnung, in der Hügel
und Thäler auf ihnen abwechseln; selbst erratische Felsblöcke von den
verschiedensten Dimensionen finden sich in Menge vor, zum grolsen
Aerger des Fufsgängers. Eine andere Unannehmlichkeit der engen
Gassen zwischen den Hütten und niedrigen Häusern sind die oft weit
aus den Dächern hervorragenden Sparren, dünne unliebenswürdige Stan-
gen, die sich kein Gewissen daraus machen, den arglos Vorübergehen-
den der Kopfbedeckung zu berauben, ihm die Stirne zu beschädigen,
182 E. Quaas:
oder gar die Augen auszubohren, wenn er sich nicht wohlweislich in
der Mitte des Weges hält. Von oben und von unten also ist der Wan-
derer von Gefahren umdroht.
Einen anderen Charakter haben natürlich die Strafsen im west-
lichen europäischen Quartiere und ein paar andere, in denen reiche
Araber wohnen; dort findet man ein unserem Asphalt- Trottoir ähn-
liches Pflaster, das auf einer gemauerten Unterlage ruht, stets rein ge-
halten wird und selbst bei anhaltendem Regenwetter sauber und schön
zum Gehen ist. Rinnsteine gewähren dem Regenwasser Abfluls, und
hier ist es, wo Capt. Burton auf seinen Reisen im Morgenlande zuerst
diese Einrichtung bemerkt haben will. Uebrigens sind sie von den
Europäern angelegt worden; von den Eingeborenen werden sie selbst
jetzt bei dem Bau neuer Wege trotz ihrer anerkannten Nützlichkeit zur
Conservirung des Pflasters noch nicht überall angelegt.
Von Häusern bemerkt man beim Durchwandern der Stadt Zanzi-
bar dreierlei Arten: die grofsen neuen, durchweg aus Steinen aufge-
führten, welche von den reichen Arabern und Europäern bewohnt wer-
den, andere ebenfalls gemauerte, entweder ein Stockwerk oder nur ein
Parterregeschofs enthaltende, und Hütten, die aus Sparren, Erde und
Steinen zusammengesetzt sind.
Die schönsten Gebäude der ersten Klasse sind unstreitig die an
der Nordseite der Stadt in der Nähe des Strandes stehenden; sie sind
es, welche ihr das imposante Aussehen von der See aus geben; indels
findet man auch sie bei näherer Betrachtung ohne architektonische
Schönheit und ohne alle äufseren Verzierungen, ausgenommen eine
schmale hervorragende Leiste unter den Fenstern und die häufig ere-
nelirte Mauer, die das platte Dach umgiebt. Manchmal fehlt den Ge-
bäuden sogar die Symmetrie in Bezug auf die Stellung der Fenster;
gerade senkrechte oder horizontale Linien in den Umrissen findet man
nur in sehr seltenen Fällen, denn auf ein paar Zoll mehr oder weniger
in der einen oder anderen Richtung kommt es den Erbauern meistens
nicht an. Den Leuten selbst geht das Augenmafs ab; dann sind auch
die Instrumente, deren sie sich zu solchen Messungen bedienen, so
mangelhaft, dafs man sich über die vorkommenden Unregelmäfsigkeiten
nieht wundern darf. Aber interessant bleibt es immer, die kühnen
Bogenlinien zu betrachten, in denen sich selbst bei vielen in der Neu-
zeit aufgeführten Häusern die Ecken in die Höhe winden; oder zu
sehen, wie bei anderen die Mauern bald nach innen zurück weichen,
bald sich dreist nach aufsen vordrängen, als wollten sie der an ihrem
Fufse hinlaufenden Strafse das liebe Sonnenlicht mifsgönnen und die
Vorübergehenden in fortwährender Furcht vor unvorhergesehenem Tode
erhalten.
Bl a al m ln LE ua ul 0 De a DZ Zn
|
Stadt und Hafen Zanzibar. 183
Im Innern enthalten fast alle diese Häuser einen viereckigen‘’grofsen
Hofraum, der auf drei oder auch auf allen vier Seiten mit einer Art
Portieus umgeben ist, und im ersten Stockwerke läuft, ihm entspre-
chend, rings herum eine nach dem Hofe zu offene Gallerie, welche zu-
gleich durch das Dach des Hauses bedeckt ist. Von der Hausthüre
aus gelangt man zuerst in eine Vorhalle, den gewöhnlichen Aufenthalt
des Thürhüters, eines faulen schwarzen Schlingels, der während des
gröfsesten Theils des Tages schläft, in der übrigen Zeit aber nichts
weiter thut, als etwaige Besucher anmelden und hin und wieder ein-
mal auskehren. Aufserdem liegen auf der an den Wänden angebrachten
Berasa (gemauerte steinerne Bank) oder auf Kitanda’s (Bettstellen der
Eingeborenen) die übrigen unbeschäftigten Haussklaven in gröfserer
oder geringerer Anzahl, je nach dem Range oder Reichthum des Be-
sitzers, umher, und bringen ihre Zeit mit Nichtsthun hin. Zu beiden
Seiten dieser Vorhalle sind die Empfangszimmer, in denen der Haus-
herr mit seinem Freunde (mhudi), nachdem die übliche Visite beim
Sultan abgemacht ist, sich auf dieselbe Weise unterhält, wie seine Die-
ner draulsen, und die Besuche seiner Bekannten entgegennimmt. Die
zu ebener Erde im Hofe liegenden Räumlichkeiten benutzt man häufig
als Vorratbskammern (rhala); da die meisten reichen Araber und
Szuahelis Plantagen besitzen, werden hier die Erzeugnisse des Bodens
bis zum späteren Verkauf aufgestapelt. Im oberen Stockwerke befin-
den sich die Privatzimmer des Herrn, sowie die Gemächer seiner Frauen
und ihrer Sklavinnen, zu denen keinem Fremden der Zugang gestattet
ist. Steinerne Treppen, dunkel, eng und unbequem, verbinden das Par-
terre mit dem Obergeschols und dieses mit: dem platten Dache, welches
sehr oft noch mit einer 4 bis d Fuls hohen Mauer umgeben ist, in der,
den darunter liegenden Fenstern entsprechend, viereckige Oeffnungen
angebracht sind, so dafs das Haus von aulsen zwei Etagen zu enthal-
ten scheint. Die Thüren haben stets zwei Flügel, sind aber mit Aus-
nahme der Pfosten, an denen sich Schnitzereien (rembo-rembo) befinden,
roh gearbeitet. Die Fenster sind ohne Glas, nur durch Läden von in-
nen zu verschliefsen und selbst in den oberen Stockwerken mit dieken
eisernen Stangen vergittert, hinter denen die eingesperrten Weiber wie
Gefangene hervorgucken. In mehreren der europäischen Häuser findet
man indefs ordentliche Glasfenster; auch fehlen dann die Eisengitter
und das ganze Gebäude erhält dadurch ein freundliches Aussehen.
Die Häuser dieser Art sind meistens noch ziemlich neu, wenig-
stens sehen sie so aus, da einerseits von aulsen der Abputz noch wohl-
erhalten ist, andererseits auch im Innern die Zimmer grols, geräumig
und etwas reinlich gehalten sind und den Beschauer nicht gerade un-
_ angenehm berühren.
184 E. Quaas:
Die zur zweiten Klasse gehörigen Häuser, die alten Gebäude mit
einer Etage oder auch nur einem Parterregeschofs, stehen in Menge
im Mittelpunkte der Stadt; sie bilden den eigentlichen Kern der Häuser-
masse und werden von den Banianen, Hindis und dem Mittelstande
der Araber und Szuahelis bewohnt. Das flache Dach ist bei ihnen in
der Regel noch mit einem anderen von Makuti überdacht und daher
in der Mitte und an den Seiten mit einigen steinernen niedrigen Pfei-
lern versehen, welche dazu bestimmt sind, die Stützen des Makuti-
Daches in sich aufzunehmen. Durch diese Bedeckung wird sowohl ein
Raum gewonnen, in dem häufig die Sklaven logiren, als auch das
eigentliche Steindach, wenn es vielleicht alt und schadhaft ist, besser
vor dem Eindringen der Feuchtigkeit geschützt. Von aufsen sehen
diese Häuser trübselig genug aus, alt, schwarz, schmutzig; der Kalkbe-
wurf ist zum gröfsesten Theile abgelöst, wenn er überhaupt jemals vor-
handen war; die wenigen Fenster sind klein und schief eingesetzt; und da
nichts an ihnen ausgebessert wird, verfallen die Häuser täglich mehr, und
geben dem Beschauer einen Begriff von der grenzenlosen Apathie des hier
wohnenden Geschlechts; aber im Innern, zu verschiedenen Zeiten je nach
dem Bedürfnifs des Besitzers mit neuen Anbauten versehen, die mit den
alten nicht einmal auf gleicher Höhe liegen, sind sie ein wahres La-
byrinth von räucherigen kleinen Löchern, dunkeln engen Gängen,
Treppen und Stufen, in denen der Uneingeweihte auf die leichteste
Weise von der Welt zu einem Arm- oder Beinbruch gelangen kann.
Die Häuser mit nur einem Parterregeschofs haben beinahe alle
eine von Makuti überdachte, 2 bis 3 Fufs über den Boden erhabene
Veranda (berasa); sie ist bei Tage und einigermafsen gutem Wetter
der gewöhnliche Aufenthaltsort des Hausherrn, der dort auf einer aus-
gebreiteten Strohmatte ruht oder arbeitet, je nachdem sein Stand oder
seine Verhältnisse es erfordern. Ursache mag er auch genug haben,
lieber draufsen als drinnen zu sein; denn in dem einen oder in den
zwei Gemächern, die ein solches Gebäude enthält, sieht es gar zu un-
heimlich, wüst und dunkel aus, da bei der Mehrzahl selbst die Fenster
fehlen; ihre Stelle vertreten schmale längliche Oeffnungen oder kleine
runde Löcher, die nicht weit von der Decke in den Wänden angebracht
sind. Im Hofe hat diese Art Gebäude in der Regel kleine, mit Makuti
gedeckte Schuppen, die Wohnungen der im Hause anwesenden Sklaven,
in denen Schmutz und Unsauberkeit im ausgedehntesten Mafse herr-
schen.
Die Hütten endlich bilden die letzte Klasse der in Zanzibar vor-
kommenden Baulichkeiten, und werden von den armen Leuten, Arbei-
tern, Handwerkern, Freigelassenen und Sklaven bewohnt. Der Boden,
auf dem sie gebaut sind, ist etwas über die vorbeiführende Strafse er-
ee
Stadt und Hafen Zanzibar. 185
_ _höht, damit die Hütte in der Regenzeit etwas mehr vor der Feuchtig-
keit geschützt ist. Er ist nicht, wie bei den anderen Häusern, mit dem
schon früher erwähnten asphaltartigen Pflaster von Kalk und Sand
versehen, sondern nur geebnetes und niedergestampftes Erdreich. Hüt-
ten sind mit geringem Kostenaufwande in wenigen Tagen aufzubauen.
Die äufseren Seitenwände bestehen aus Holz, Steinen und Erde; im
Ä Innern haben sie meistens mehrere Abtheilungen, durch Wände aus
Stangen und Cocosnulsblättern oder Strohmatten von einander getrennt.
Fenster sind hier natürlich nie vorhanden; die in den einzelnen Zim-
mern herrschende Dunkelheit wird noch dadurch vermehrt, dafs das
Makuti-Dach, über die Seitenwände hervorragend, eine niedrige Ve-
randa bildet und dem Lichte und der Luft auf diese Weise noch den
einzig möglichen Weg durch die Thüre gröfsestentheils abschneidet.
Bis auf 3 oder 4 Fufs nähern sich viele dieser hohen Giebeldächer dem
| Erdboden, und tragen dadurch noch mehr zur Verengerung der schon
an sich engen Gassen bei. Uebrigens sind diese Hütten von der ver-
schiedensten Gröfse: erbärmliche Schuppen, deren Seitenwände mit eini-
E gen Stücken Makuti überkleidet den Bewohnern kaum Schutz vor dem
_ Ungemach der Witterung gewähren, und andere recht behaglich, bei-
nahe wie unsere Bauernwohnungen aussehende Häuschen, die indefs in
ihrem Innern ebenfalls nur sehr geringen Comfort zeigen.
£ Aufserdem giebt es in Zanzibar noch andere Arten Bauwerke, die
den Uebergang von einer dieser Kategorien zur andern bilden und da-
durch entstanden sind, dafs die Leute vorhandene Ueberreste alter stei-
nerner Gebäude benutzten, sie zum Theil nach ihrer Manier ausbauten
und sich dann häuslich in ihnen niederliefsen. Selbst vollständige Rui-
nen werden hier, wenn nur noch ein kleiner, der Witterung nicht aus-
gesetzter Raum in ihnen vorhanden ist, von einem Völkchen lustiger
Neger in Beschlag genommen.
Die Leute leben überhaupt mehr im Freien; Häuslichkeit und
_ eine gemüthliche Wohnung gehören zu den Dingen, die sie nicht ken-
_ nen, nach denen sie sich also auch gar nicht sehnen. So bildet die
Stadt Zanzibar ein bunt durcheinander gewürfeltes Gemisch der ver-
schiedensten Arten von Häusern und Hütten, in welchem das schönste
Steingebäude neben dem erbärmlichsten Schuppen erscheint.
"Das von uns bewohnte Haus lag neben dem grofsen Gebäude,
‘welches wir schon bei unserer Ankunft von Süden bemerkten, und war
nächst ihm das westlichste aller am Strande gelegenen Hötels ersten
' Ranges. Ehe es von Europäern zur Residenz erwählt wurde, gehörte
es natürlich auch zu den ungemüthlichen, unheimlichen Nestern mit
schwarzen verräucherten Zimmern, wohlvergitterten Löchern anstatt der
Fenster, und einem Dache, welches in der Regenzeit die unter dem-
186 E, Quaas:
selben Lebenden nicht einmal vor dem Eindringen des nassen Elements
schützte; mit einem Worte, es war ein Gebäude, in dem sich eben nur
ein Morgenländer wohl fühlen konnte. Erst vielfache Reparaturen und
zweckmälsig angebrachte Verbesserungen hatten es zu dem umgewan-
delt, was es jetzt war, einem wohnlichen europäischen und doch allen
Anforderungen des heifsen Klima’s entsprechenden Hause. Das Par-
terre-Geschofs enthielt die Schlafstellen der Diener, das Comptoir, die
Küche und die Lagerräume für die vorhandenen Waarenvorräthe. Eine
breite helle bequeme Treppe führte nach dem grofsen Efssaale, dem
Hauptzimmer des ganzen Hauses. Strohmatten, die jährlich erneuert
wurden, und Teppiche bedeckten hier den steinernen Fufsboden; ein
Piano, mehrere Sopha’s, Tische, Stühle, Spiegel und eine Menge Bilder
an den reinlichen, weils angestrichenen Wänden gaben dem Ganzen
die Gemüthlichkeit, die nur der Europäer kennt und würdigt. Vier
Glasfenster an der Ostseite des Zimmers, bei schönem Wetter stets
geöffnet, bewirkten in Verbindung mit dem am westlichen Theile nach
dem Dache zu errichteten Aufbau, einem sogenannten skylight, eine
Lufteireulation, wie man sie nur wünschen konnte. Theils neben die-
sem Saale, theils im Hinterhause, durch einen über den Hof führenden
gedeckten Gang damit verbunden, waren die Privat- und Schlafzimmer
der hier Wohnenden nebst den übrigen zur Bequemlichkeit erforder-
lichen Gemächern. Das platte Dach, zu dem man auf einer schönen
steinernen Treppe gelangte, war auf allen Seiten mit einem Geländer
umgeben und trug hinten auf seinem höchsten Theile einen Flaggstock,
an dem, wenn eines unserer Schiffe ankam, fröhlich die Hamburger
Flagge wehte. Es war in den späten Nachmittagsstunden bei schönem
Wetter der angenehmste Aufenthalt, den man sich denken kann, denn
man genols von hier eine Aussicht, wie sie auflser unserem Hause in
ganz Zanzibar nur noch das neben uns liegende hohe Gebäude bieten
konnte. Im Süden und Westen der ganze, Schangani genannte Stadttheil,
ein wahres Meer von Hütten mit den hohen dunkeln Giebeldächern,
dahinter die tiefblaue See, die kleine grüne Insel Schumby und links
davon die mit reicher tropischer Vegetation bedeckte Küste Zanzibar’s
bis zu den Ukombi-Eilanden, kleinen kuppelförmig aus der See auf-
steigenden bewaldeten Hügeln, bei denen in der Regel die von Süden
einsegelnden Schiffe zuerst zum Vorschein kommen. Weiter nach Westen
werden bei niedrigen Ebben eine Menge der hier zerstreut liegenden
Sandbänke sichtbar; wie Bänder ziehen sich die vielen schmalen Strei-
fen blendend weilsen Sandes durch die klaren nur leicht auf- und
niederwogenden Fluthen, und man sieht bei immer mehr und mehr ab-
nehmender Tiefe das Wasser in den verschiedensten Tinten vom dunkel-
Stadt und Hafen Zanzibar. 187
sten Blau bis zum hellsten Grün gefärbt. Dann erblickt man bei nur
einigermalsen klarem Wetter im Hintergrunde die Küste des afrikani-
schen Festlandes, die blauen langgestreckten Bergreihen, die hinter den
hohen Cocospalmen von Bawy, der westlichsten der vier kleinen im
Norden der Stadt gelegenen Inseln hervortreten; manchmal kann man
sie über Schumby hinaus mit kurzen Unterbrechungen verfolgen, bis sie
sich weiter nach Süden in dem Blau des über ihnen ausgespannten
klaren Himmels verlieren. Ist die Luft recht durchsichtig, so gewahrt
man auch mitunter gerade im Westen drei hohe einzelne Bergkuppen,
aber doch nur in sehr schwachen unbestimmten Umrissen. Nach Osten
. liegt die eigentliche Stadt; leider versperren hier einige hohe Häuser
die Aussicht, und man übersieht nur eine Menge platter Dächer, auf
_ denen in den frühen Morgenstunden und kurz vor Sonnenuntergang
| genug reges Leben herrscht. Die arabischen Frauen kommen beson-
ders des Abends, nachdem sie den ganzen Tag in ihren dumpfigen
| Gemächern versteckt gewesen sind, in Begleitung ihrer Sklavinnen her-
auf, um kurze Zeit frische Luft zu schöpfen; sie verschwinden wieder,
sobald die Sonne untergegangen ist, doch bleibt in der Zwischenzeit
Mufse genug, sie mit bewaffnetem Auge zu bewundern.
' Vor Allem bietet das Haus des alten Sklavenhändlers Abdallah,
- nieht zu weit von uns entfernt, Stoff zu ganz interessanten Beobach-
tungen, wenn die bisweilen recht hübschen Sklavinnen für ihre Parade
auf dem Markte Toilette machen, oder sich nach erfolgter Rückkehr
den Eingebungen ihrer Laune überlassen, tanzen, spielen und allerlei
Kurzweil treiben, wie sie eben nur von solchen sorglosen, mit dem
glücklichsten Temperament begabten Geschöpfen ersonnen und ausge-
übt werden kann. Etwas weiter zur Linken befindet sich auf einem
andern Dache regelmälsig eine Menge Frauen und Kinder, halb ver-
steckt hinter dem Grün einiger Bäume. Zahlreiche bunte bauchige
Flaschen mit Rosenwasser stehen umher, daneben auch einige leere
- Kisten, die ehemals — denn man kann mit dem Fernrohr die Etiquetten
lesen — Liqueure oder Cognac enthalten haben müssen, einen in einem
_ strengen mohammedanischen Hause verpönten Artikel. Ferner kann
man den Secretair des vorigen englischen Consuls, den alten wider-
lichen Achmed ben Mohammed, einen Perser von Geburt, in Augen-
schein nehmen, der etwas weiter nach links beinahe jeden Nachmittag
zwischen 5 und 6 Uhr seine Tschibuk im Freien raucht. Nicht zu
_ vergessen ist das hohe, Dach auf dem gerade im Osten liegenden Pa-
laste des jetzigen Sultans Szeyd Madjid, von Zeit zu Zeit durch die
Gegenwart Seiner Hoheit beehrt, besonders wenn Schiffe vom Süden
‚oder Norden ankommen; sowie das nicht ganz so weit von uns ent-
fernte Haus seines jüngst verstorbenen Bruders Szeyd Djemschir, auf
188 E. Quaas:
welchem dessen etwas corpulente Mutter, von einigen seiner Szuria’s
(Kebsweiber) umgeben, bei schönem Wetter in Luft und Sonnenschein
badet und die vielen um sie geschäftigen jungen Sklavinnen, wie man
aus ihren Gebehrden ersieht, tüchtig ausschilt.
Im Norden gerade vor uns liegt der Hafen von Zanzibar, mit
Allem ausgestattet, was nur irgend dazu beitragen kann, eine Scene
regen Lebens, wie sie sich hier dem Auge des Beschauers darbietet,
zu verschönern. Auf den klaren blauen Fluthen liegen eine Menge
der verschiedensten Fahrzeuge, von dem grolsen Kriegsschiffe herab bis’
zu den kleinen Canoes mit den Ausreckern an einer oder an beiden
Seiten, um das Kentern zu verhindern. Am weitesten draufsen ankert
die Flotte des Sultans, vier stattliche schwere Schiffe; Stengen und
Takelage sind heruntergenommen, nur die Untermasten stehen und von
ihren Toppen wehen die langen Wimpel im leichten Abendwinde; etwas
weiter nach innen gewahrt man die europäischen Handelsschiffe und
in der Nähe des Strandes die einheimischen Fahrzeuge, die Buggalow’s
und Dau’s, die gröfsesten derselben, mit dem hohen plumpen Hinter-
theile und dem einen grolsen, weit nach vorn sich überneigendem Maste,
die arabischen Betela’s, grofse, mit einem Segel versehene Böte ohne
Verdeck, und die zierlichen scharfen Lamo-Fahrzeuge, ein niedriger,
langgestreckter, scharfer Bau, das vielfach verzierte Vorderend wie einen
Schnabel weit über das Wasser hinausstreckend. Besonders merkwür-
dig macht sie der Umstand, dafs an ihnen alle Planken und Hölzer
mit Cocosnulsgarn (usi) zusammengebunden, nicht genagelt sind; des-
sen ungeachtet halten sie dicht und sollen gerade wegen ihrer Nach-
giebigkeit für die hiesige Fahrt sehr gut geeignet sein. Eine Menge
Böte fahren zwischen den Schiffen und dem Lande hin und her, leer
und beladen, oder stehen an den Strand gezogen neben gröfseren Fahr-
zeugen, die zur Seite geneigt auf dem Sande des flachen Ufers liegen,
um irgend eine Reparatur an ihrem Boden vornehmen zu lassen.
Dort will eben ein Dau unter Segel gehen. Sein Verdeck ist
schwarz von Leuten, welche singend nach dem Takte einer Goma
(Trommel) das dicke Ankertau einziehen; ihr Geschrei und der durch
das regelmäfsige Aufstampfen der Fülse verursachte Lärm dringt bis
zu uns herauf. Da geht das Segel in die Höhe, der Anker läfst los,
das Fahrzeug dreht, macht eine verkehrte Wendung und treibt seinem
Hintermanne vor den Bug; nun ist Verwirrung überall, ein Jeder schreit
nach Kräften und mehr als er arbeitet, bis es den vereinten Bemühun-
gen gelingt, sich wieder klar zu machen; das Segel, ein ungeheures
Stück Leinwand, wird ganz beigesetzt und vor der frischen östlichen
Brise ein wenig zur Seite geneigt gleitet der Dau stolz aus dem Hafen.
Sind Gewehre oder gar kleine Kanonen an Bord, so wird eifrigst ge-
Stadt und Hafen Zanzibar. 189
schossen, und noch lange vernimmt man die Trommel und den Gesang
und sieht die auf dem Verdeck tanzenden Gestalten der schwarzen
Mannschaft.
Aulserhalb des Hafens gewahrt man jetzt einige Küstenfahrzeuge,
die hereinwollen; der günstige Wind bringt sie schnell näher; schon
sind sie bei den äufsersten Schiffen angelangt; wie geschickt sie sich
durch die Menge der hier liegenden Fahrzeuge hindurchwinden, und
endlich auf ihrem Platze in der Nähe des Zollhauses ankommen,
wo, sobald der Anker gefallen und das Segel abgeschlagen und weg-
gepackt ist, eine kleine Jolle von Bord fährt, um den Nochudha (Ca-
pitain) an Land zu bringen. Nicht weit davon sieht man einige schwarze
Köpfe am Hintertheile eines anderen Dau’s herumschwimmen; sie ge-
hören Leuten an, die damit beschäftigt sind, das Steuerruder wieder
am Steven zu befestigen. Dicht am Strande belustigt sich eine Schaar
Negerjungen mit Baden; sie sind wahrscheinlich eben von der Arbeit
gekommen und wollen jetzt für den Abend Toilette machen; sie trei-
ben dabei allerlei Kurzweil, tauchen sich gegenseitig unter, scherzen,
lachen und jauchzen in der Lust ihres Herzens, dafs die Mühsale des
Tages glücklich überstanden sind, laut auf. Wohin man das Auge
wenden mag, überall herrscht Leben und Thätigkeit.
Jenseits der azurnen Meeresfläche liegen die vier kleinen Inseln
Bawy, Schangu, Kibandeko und Schampany, letztere der Begräbnifsplatz
für die hier sterbenden Europäer. Die Intervalle zwischen ihnen ge-
statten einen freien Blick auf den nördlichen Theil des Canals zwischen
Zanzibar und der Küste des Festlandes, so dafs ein von Norden an-
kommendes Schiff schon entdeckt wird, wenn es eben erst die Nord-
spitze Zanzibars umsegelt hat. Alsbald gehen auf den Ruf „sail ho“
die Flaggen der Consuln, des Sultans sowie auf den vor Anker liegen-
den Schiffen in die Höhe, zur Begrüfsung des neuen Ankömmlings, und
jeder auf dem Dache Befindliche müht sich ab, mit seinem Fernrohr
zuerst die Nationalität des Fremden zu erspähen. Die vier erwähnten
Inseln sind alle über und über bewaldet; die westlichste, Bawy, mit
hohen schlanken Cocospalmen, die am linken Ufer, weniger gedrängt
stehend, die Berge des Festlandes durchblicken lassen. Kibandeko
wurde gewöhnlich „der Blumenkorb“ genannt, da das unterwaschene
Ufer über die See hinausragt und die ganze Insel von den äufsersten
Kanten an mit grünem dichten Gebüsch und niedrigen Palmen beklei-
_ det ist, und dadurch Aehnlichkeit mit dem Gegenstande bekommt, von
dem der Name entlehnt ist. Schampany, die östlichste, zeigt die bun-
teste Vegetation; dichtbelaubte Mangos, Boababs mit den starren, wenig
‚belaubten Aesten, Palmen, und zu ihren Füfsen ein Wald von hohem
Gebüsch stehen in mannichfaltiger Abwechselung nebeneinander. ‘So
Amen suche u
Bu 2 de un a
er te GT A ee ee ee ee ei ee ee
190 E. Quaas:
liegt der Hafen Zanzibars von einem grünen Kranze umgeben da, in-
dem sich an Schampany die Ufer der Hauptinsel selbst anschliefsen und
bis in weite Ferne nach Norden sichtbar sind. Auch sie bieten einen
überraschend schönen Anblick dar. Da wo der Strand sich wieder
nach Norden umbiegt, gewahrt man halb versteckt zwischen grünen
Bäumen Mtoni, den Landsitz des verstorbenen Sultans von Maseat,
darüber auf dem Kamme der ersten Hügelreihen ein grofses weilses
Haus, Szäbba, weithin sichtbar über die Wipfel der Nelkenbäume,
die es von allen Seiten umgeben und nur die obere Etage hervorragen
lassen, von der man einen prächtigen Blick auf die Stadt, den Hafen
und das Meer geniefst. Dann weiter zur Linken am Strande den grofsen,
von Szeyd Szaid begonnenen, leider unvollendet gebliebenen Palast, ein
ausgedehntes Gebäude, seine lange Front nach Westen gerichtet, das
Landhaus des französischen Consuls, noch mehrere niedliche kleine
Häuschen, und zuletzt das schönste von Allem, die Villa des alten
Szeyd Szoleman, erst in den letzten Jahren erbaut, nicht allein durch
ihre äufsere Ausstattung, sondern auch durch ihre Lage reizend. Meer,
Felsen, Gebüsch, ein anmuthiges Thal zur Seite, das helle Grün der
in der nächsten Umgebung stehenden Bäume und der dunkle Palmen-
wald im Hintergrunde, Alles vereint sich hier, um das Bild zu einem
wahrhaft zauberischen zu machen.
Wenn die Sonne dem Untergange nahe ist, die vorher frische Brise
mehr und mehr nachgelassen hat, der Abendwind kaum hinreichend ist,
ein Segel zu schwellen, verstummt im Hafen nach und nach der Ge-
sang der Arbeiter, nur hier und dort fährt ein einzelnes Boot über die
rubige, in purpurnen Tinten erglänzende Meeresfläche, und der leise
Wellenschlag vom Ufer her fängt nach dem Geräusch des Tages an
vernehmlich zu werden. Drüben an der Küste erscheinen die am Tage
so blendend weifsen Häuser und die einsamen, nur vom Grün der üppi-
gen Vegetation umgebenen Leichensteine auf Schampany mit einem
rosenfarbenen Schimmer übergossen. Meer, Wald und Stadt badet in der
feenhaften Beleuchtung des prächtigen Abends. Noch ein rother Strahl,
ein feuriger Blitz, und die Sonne verschwindet hinter den Bergen des
Festlandes; aller Glanz, alle Farbenpracht vergeht mit ihr; noch eine
kleine Weile und die nebelhaften Schleier der Dämmerung umhüllen
See und Land, um sie bald in dunkler Nacht den Blicken gänzlich zu
entziehen. —
Verlassen wir das Gebiet der europäischen Cultur im westlichen
Theile der Stadt, der, von den Deutschen, Amerikanern und dem engli-
schen Consul bewohnt, eine wenn auch nicht breite, so doch wenig-
stens gepflasterte und reinliche Strafse aufweisen kann, die zwischen
den Steinhäusern längs des Strandes hinführt, so treten wir auf einmal
u
Stadt und Hafen Zanzibar. 191
in das Gewühl des morgenländischen Treibens mit all seiner Abwechs-
lung und Buntfarbigkeit, aber auch mit all seiner Erbärmlichkeit und
seinem Schmutze. Die enge, kaum 5 Fufs breite Strafse, welche uns
dorthin führt, ist eine von denen, die bei einem Regenschauer zum
Giefsbach werden; von den durch die Sonnenstrahlen glühend gemach-
ten Dächern rinnt erhitztes Wasser herunter, und unten strömen die
im einem ganzen Stadttheile angesammelten Fluthen. Zum Glück ist
das Gäfschen nur sehr kurz. Wir gelangen hinaus auf einen erhöhten
freien Platz, hinter dem sich die Mauern des alten Forts erheben.
Der Platz selbst ist überall mit Haufen von Kalk und Kalksteinen ange-
füllt. Hier liegt schöner weilser Kalk zum Verkaufe fertig, zierlich in
der Form einer grofsen Halbkugel aufgeschichtet, fest zusammengeklopft
und auf der Oberfläche geebnet; dort wird ein anderer Haufen eben
abgelöscht, die Neger schleppen das Wasser dazu in irdenen Gefäfsen
vom Strande herbei und der Aufseher giefst es auf die glühenden, auf-
zischenden, dampfenden Steine. Daneben wird Kalk gebrannt: zwi-
schen den aufgehäuften Kalksteinen leuchtet die inwendig wüthende
| rothe Gluth hervor und verbreitet rings umher unerträgliche Hitze und
dieken Qualm. An andern Stellen wird erst das Holz, der Kern des
Kalkberges, zweckmälsig in Cylinderform aufgeschichtet, so dafs freier
Luftzug das Feuer anfachen kann; daneben liegen die feuchten schwe-
ren Korallenblöcke, welche in nützliches Baumaterial umgewandelt wer-
den sollen. Des Abends beleuchten die brennenden Haufen die alten
Mauern des Forts und die umliegenden Häuser mit unheimlichem
Glanze, von dem selbst die Luft widerstrahlt. Um die einzelnen Feuer
bilden sich Versammlungen, die den Wächtern der Scheiterhaufen die
Zeit verkürzen. Die Leute sitzen entweder still im Kreise herum,
freuen sich der wohlthätigen Wärme der hoch in die Luft leckenden
Flammen und rösten ihren Mhogo (Manioc) auf den glühenden Steinen,
oder singen die monotonen Melodien ihres Landes; mitunter finden so-
gar improvisirte Tänze statt, da Steine und Holz genug vorhanden sind,
um durch ihr Zusammenschlagen die nöthige Musik zu machen, die zu-
weilen sogar durch eine Goma (Trommel) vervollständigt werden kann.
Einige Schritte bringen uns an dem Platze vorbei nach der nörd-
liehen Seite des Forts. Hier stand noch vor zwei Jahren eine alte
- Batterie; eine einfache, wohl 2 Fufs dieke Mauer, ohne vorliegende
_ Böschung senkrecht vom Strande aufsteigend, deckte sie nach. der See
zu, und war natürlich im Falle der Noth von gar keinem Nutzen;
aulserdem war sie zum grölsesten Theile zerfallen, von grofsen Rissen
_ durchzogen und die viereckigen Schiefsscharten meist eingestürzt. Die
Armirung selbst, aus 15 bis 20 eisernen Kanonen bestehend, war noch
erbärmlicher; die Geschütze, wegen der morschen Lafetten, auf denen
ee
192 E. Quaas:
sie ruhten, unbrauchbar, waren verrostet, und lagen theilweise, von
ihren Gestellen heruntergeworfen, halb im Sande vergraben. Auch hier
trat die Jahre lange Vernachlässigung recht sichtbar zu Tage. Seit
den letzten zwei Jahren ist indefs zum Neubau der Batterie Hand an’s
Werk gelegt worden. Der Wall nach der See zu ist von Grund aus
dicker und dauerhafter, als er früher war, aufgemauert worden; er bildet
die hintere Seite einer oben zugedeckten, nach dem Fort zu offenen,
auf dicken Pfeilern ruhenden Colonnade. Hübscher und zierlicher wird
diese Batterie jedenfalls aussehen, wenn sie erst fertig ist und zwischen
je zwei Pfeiler ein Geschütz zu stehen kommt; aber darüber kann noch
manches Jahr in’s Land gehen, und ob sie von grölserem Nutzen sein
wird, wie die alte, steht sehr zu bezweifeln. Salute für ankommende
Schiffe werden wohl abgefeuert werden können, ohne sie zum Einsturz
zu bringen; aber im Uebrigen wird sie der Stadt mehr zur Zierde, als
zum Schutze gereichen. Der Batterie gegenüber am Fulse des Forts
sind Schuppen errichtet; in einem derselben liegen die Kanonen, einige
auf untergelegten Hölzern, andere zur Hälfte im sandigen Boden ver-
graben; in dem andern hat man die für sie bestimmten Lafetten auf-
gestapelt, welche aus schönem festen Rothholze recht dauerhaft gear-
beitet sind. Noch jetzt werden von Zeit zu Zeit schwarze Zimmerleute
mit der Anfertigung der noch fehlenden beschäftigt.
Jenseits des grofsen Portals an der nördlichen Seite des Forts be-
merkt man noch eine Anzahl Geschützröhren des verschiedensten Ka-
libers, die zum Theil von den desarmirten Kriegsschiffen hierhergebracht
worden sind. Vor allen ziehen einige schwere Metallstücke durch ihre
Dimensionen den Blick des Beschauers auf sich; denn sie sind 12 bis
15 Fufs lang, und stammen von den Portugiesen her, wie die auf ihnen
noch erkennbaren Inschriften und Wappen beweisen. Bei der Einnahme
von Mascat durch die Araber sollen sie dort von den Portugiesen im
Stich gelassen und im Verlaufe der Zeit hierher transportirt worden
sein. Aber seit sie nach Zanzibar gebracht wurden, liegen sie unbe-
nutzt da, die Zeit hat sie mit einer dicken Kruste Grünspahn überzo-
gen, und jetzt bilden sie einen willkommenen Spielplatz für eine Menge
muthwilliger Ziegen, die man gewöhnlich auf ihnen herumklettern und
hin und her springen sieht.
Das Fort (in Kiszuaheli: geresa), schon vor Jahrhunderten von
den hier herrschenden Arabern erbaut, hat die Form eines unregelmä-
[sigen Vierecks. Vier runde Thürme erheben sich an den Ecken und
ein fünfter in der Mitte der südlichen Seite über die erenelirten, wohl
30 Fufs hohen Mauern. Kleine, in bedeutender Höhe angebrachte
Schielsscharten lassen die dort aufgestellten leichten Geschütze den
Hafen beherrschen. Allein jetzt würde das Mauerwerk keinen Schufs
Stadt und Hafen Zanzibar. 193
mehr aushalten; altersschwach hat es sich an vielen Stellen gesenkt,
ist von Rissen durchzogen und in manchen der weitklaffenden Spalten
hat sich schöne grüne Vegetation eingefunden, auch auf den Brust-
wehren der Mauern und Thürme wächst hohes Gras. Der verwitterte
Kalk hat an vielen Stellen die Steine, die er zusammenhielt, heraus-
fallen lassen, und erst in der neueren Zeit ist daran gedacht worden,
die defeeten Stellen, wenn auch nicht zweckmäflsig auszubessern, so
doch wenigstens dem oberflächlichen Blicke zu verbergen. Die alten
ehrwürdigen Mauern bilden einen schroffen Gegensatz zu dem sie von
allen Seiten umgebenden, an ihnen wiederhallenden regen Leben. Auf
seiner nördlichen Flanke hat das Fort einen wohl 10 Fuls tiefen Ein-
sprung; in der Ecke des westlichen hierdurch gebildeten Winkels be-
findet sich das grolse Portal mit einem steinernen, nach der Seeseite
hin offenen Vorbau. Dies ist während des Tages der Aufenthalt der
- Beludschen, welche die Besatzung und Wache bilden. Hier liegen diese
Bursche, deren wohl zwanzig sein mögen, den gröfsesten Theil des
Tages über in seligem Nichtsthun auf der gemauerten Berasa hinge-
streckt; erst nach 5 Uhr, wenn die grölseste Hitze vorüber ist, kommt
Leben in sie. Dann finden sich ihre Freunde und Bekannte ein; es
werden in dem knöcheltiefen Sande vor der Thür die üblichen National-
tänze aufgeführt, man singt, lacht, scherzt, und ist bis gegen 9 Uhr
fröhlich und guter Dinge. Um diese Zeit begeben sich die meisten zur
Ruhe; nur die zwei, denen die Wache anvertraut ist, bleiben munter,
und singen, um sich wach zu halten, abwechselnd die eintönigen trau-
rigen Melodien ihres fernen Vaterlandes. Nacht für Nacht erschallt
hier derselbe monotone Wachgesang aus den rauhen Kehlen der Sol-
_ daten, nur von dem dumpfen Rauschen der unten am Sandstrande sich
brechenden See begleitet.
Die Räume, welche früher kriegerischen Schaaren unternehmender
Männer zum Aufenthalt dienten, sind jetzt ein Gefängnils für schmutzige
- Diebe und andere Uebelthäter: denn das ist die gegenwärtige Bestimmung
des Forts. Das Innere desselben ist mit einer Menge Hütten von ver-
schiedener Grölse bedeckt, welche die Wohnungen der dort Eingesperrten
enthalten. In der Regenzeit ist es beinahe ein einziger grolser Sumpf,
der, wenn die Sonne wieder -kräftig zu scheinen beginnt, die giftigsten
‚Ausdünstungen erzeugt, wo dann Fieber und Dysenterie ihre Opfer-
‚feste feiern. Im Nordost-Monsoon ist es eine Art Backofen, in den
die glühende feurige Sonne den ganzen Tag hineinbrennt, ohne dals,
. hohen Mauern wegen, der kühlende Wind eindringen und die durch
ie Ausdünstungen des Bodens und der vielen hier lebenden Menschen
verpestete Luft ableiten könnte.
Gegenüber dem östlichen Theile des Forts, nur durch einen schmalen
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. 13
a. ur. re ee ee
nu. 2
194 E. Quaas:
Weg von ihm und der vorher besprochenen Batterie geschieden, steht
das Customhaus (Zollhaus; in Kiszuaheli: forödha). Es wendet seine
lange Front der See zu und ist ein niedriges, altersgraues Gebäude
von Stein mit nur einem Parterregeschofs und einem hohen Makuti.
Die über den Boden etwas erhöhte Berasa an der Seeseite wird durch
das tief herunterreichende Dach zugleich vor Regen und Sonnenschein
geschützt und ist nach dem Platze vor dem Hause hin von einem höl-
zernen Geländer umgeben. Eine 8 bis 10 Fufs breite Arcade nimmt
den vorderen Raum des Gebäudes ein und ist mit Artikeln der ver-
schiedensten Art angefüllt; sonst enthält es nur Stores (rhala), die zur
Aufnahme der eingegangenen Zollwaaren dienen. Rechts und links von
dem Hauptgebäude, aber etwas weiter nach dem Strande und dasselbe
dem Blicke von der See aus theilweise verdeckend, sind lange, an den
Seiten offene Schuppen (banda) erbaut, unter welche die gelandeten
oder zu verschiffenden Waaren niedergelegt werden, ehe man sie weiter
nach der Stadt oder an Bord der Schiffe transportirt; doch sind sie
in der Geschäfts-Saison bei Weitem nicht grols genug, um alle 'an-
kommenden und abgehenden Waaren beherbergen zu können, die dann
oft Tage lang im Freien liegen müssen und bei eintretendem Regen-
wetter sehr häufig beschädigt werden. Selbst die Dächer dieser Spei-
cher sind in so schlechtem Stande, dafs sie bei anhaltendem Regen
äufserst wenig Schutz gewähren. Eine Colonnade mit einem Steindache
würde hier viel besser an der Stelle sein und vielen Schaden verhüten;
dem Pächter des Customhauses und der Zölle, einem sehr reichen Ba-
nianen, könnte es auch keineswegs schwer fallen, den Bau aus eigenen
Mitteln zu bestreiten; aber hier zeigt sich wieder die Indolenz des Mor-
genländers, der allen Neuerungen abgeneigt ist. Auch der Aberglaube
trägt dazu bei, bei dem Hergebrachten zu beharren, wie mangelhaft es
auch sei. Vater und Grolsvater des alten Banianen sind in dem Hause
reich geworden, und natürlich haftet in seinen Augen das Glück an den
alten Räumlichkeiten und könnte bei einer Veränderung derselben viel-
leicht entweichen. So vereinigt sich hier Alles, um zweckmälsigen Ver-
besserungen den Eingang zu verschlielsen.
In der Zeit des Nordost-Monsoons entfaltet sich im Customhause
das lebendigste Bild morgenländischen Handels und Wandels. Der
Strand ist mit unzähligen Böten bedeckt, welche die Erzeugnisse des
Festlandes von Afrika, der umliegenden Inseln, Europa’s, Nord- Ame-
rika’s, Ostindiens und Arabiens auf diesen Hauptstapelplatz des ost-
afrikanischen Marktes bringen; dort schwärmt es von thätigen Men-
schen, dunklen Negern und gelben Arabern. Mit dem Ausladen und
Verschiffen der verschiedensten Artikel beschäftigt, können sie sich auf
dem schmalen Wege, der vom Strande aus nach dem Hause führt,
Stadt und Hafen Zanzibar. 195
kaum ausweichen. Der taktmälsige Gesang, mit dem sie ihre Arbeit,
das Schleppen der schweren Lasten, begleiten, durchhallt die Luft.
Kaum ist ein Boot leer, so kommt schon wieder ein anderes an seine
Stelle, und eine weitere Anzahl liegt in geringer Entfernung vom Lande
und wartet, bis auch für sie Platz und Menschenhände da sein werden.
Dort stöfst ein vollgeladenes Boot vom Strande ab, seine Ladung ver-
räth, dals sie an Bord eines der hier vor Anker liegenden Dau’s ge-
bracht werden soll, der nach der gegenüberliegenden Küste bestimmt
ist; denn sie besteht aus den zierlichen, mit eisernen Reifen umgebe-
nen Ballen von Baumwollenzeugen, den Erzeugnissen des amerikani-
schen Gewerbfleilses; sie sollen in das Innere Afrika’s gebracht und
dort für Elfenbein und andere Landesproducte umgetauscht werden.
Die Bootsmannschaft ist mit Eifer dabei, Strohmatten über die Ladung
auszubreiten, weil unterdessen eine grolse Wolke den Himmel verdü-
stert hat und mit einem unerwünschten Regenschauer droht. Wie be-
eilt sich jetzt Alles, die noch am Strande liegenden Vorräthe vor dem
rasch heraufziehenden Regen so schnell als möglich in Sicherheit zu
bringen! Der Eifer und das wüste Durcheinanderschreien verdoppelt
sich überall. Schon hat ein weilslicher Nebel die westliche Küste Zan-
zibars und die Insel Schampany eingehüllt; schnell rückt er vorwärts,
die Aussicht immer mehr und mehr verschleiernd. Schon ist er bei
den äufsersten Schiffen im Nordosten angelangt, deren Masten nur noch
matt durch die herniederströmenden Wasserstrahlen hindurchscheinen.
Eines nach dem andern entzieht sich den Blicken; einzelne Tropfen
fallen nieder, immer dichter und schneller folgen sie auf einander und
bald giefst es in Strömen vom Himmel herunter. Die am Strande be-
schäftigten Menschen müssen das Unwetter geduldig über sich ergehen
lassen. Zitternd stehen die Neger mit krummen einwärts gebogenen
- Knieen da, die Arme über die Brust gekreuzt, die Hände auf die Schul-
_ tern gelegt, und lassen sich den Staub und den Schweils von den Glie-
dern waschen. Der Lappen, den sie um den Leib haben, ist ohnehin
schon durch das Herumlaufen im Wasser beim Verladen hinlänglich
‚durchnälst, und die Haut trocknet wieder bei den ersten Sonnenstrahlen.
_ Die arabischen Kulies und wer aufser ihnen noch ein anderes Tuch
‘oder einen Turban besitzt, faltet ihn auseinander, kauert sich in den
‚Sand nieder und deckt Kopf und Leib damit zu. Ein Stück alte Matte,
‚ein leerer alter Strohsack dienen gleichfalls Vielen als willkommener
Regenschirm, wenn auch nur, um Kopf und Gesicht trocken zu halten.
‚schnell indefs das Unwetter, vom Sturmwinde gejagt, heraufgekom-
men ist, so schnell zieht es auch wieder vorüber. Der Regen hört auf,
r Himmel wird wieder blau, die Luft klar, und die beinahe senk-
rechten, jetzt besonders glühenden Strahlen der Sonne trocknen bald
13*
196 E. Quaas:
Alles wieder aus; dann fängt auch Geschrei und Arbeit von Neuem
wieder an.
Ein noch lebendigeres Treiben als unten am Strande herrscht oben
im Customhause selbst und auf dem freien davorliegenden Platze. Die
verschiedensten Gegenstände liegen hier theils unter den Schuppen,
theils im Freien in malerischer Unordnung durch einander. Schwere
Reissäcke aus Madagascar, kleine spitze Mattsäcke voll Korn, Sesam
und Copal, den Erzeugnissen der gegenüberliegenden Küste, grolse
Stapel Ochsenhäute aus Ben Adir, schwere irdene tauumflochtene Ge-
fälse, mit Ghee (einer Art Butter; im Kiszuaheli: samli) von Pemba
und Bombay angefüllt, Fässer voll Cocosnufsöl aus Kotschin, andere
voll venetianischer Glasperlen, hohe Stapel Messingdrathes, Ballen mit
amerikanischen Baumwollenzeugen, Kisten voll der verschiedensten eu-
ropäischen Artikel, grolse und kleine Elephantenzähne, in langen Reihen
neben einander; Alles steht und liegt in buntem Gemisch umher, und
dazwischen lebt es und regt es sich wie ein Bienenschwarm von arbei-
tenden, handeltreibenden Menschen und von Müssiggängern, die nur
hierher kommen, um das hier herrschende Leben anzusehen und die
Tagesneuigkeiten zu besprechen. Eine bunte Menge wogt auf und
nieder, durch und neben einander; kaum ist durchzukommen durch das
dichte Gedränge; gewaltsam mufs man sich mit den Ellbogen Bahn
brechen und alle Augenblicke gewärtig sein, von den Kulies, welche
schwere Lasten fortschleppen, angerannt und bei Seite gestofsen zu
werden, wenn man bei dem allgemeinen Lärmen das warnende „szi-
mile! szimile!* (nimm dich in Acht, Platz da!) überhört haben sollte.
Hier findet man alle Völkerschaften der afrikanischen Küste und
der anliegenden Inseln vertreten. Dort steht ein schlanker ganz dunkler
Neger, mit langem wolligen Haar, einem regelmäfsigen länglichen Ge-
sicht, grader scharfer Nase, schmalen Lippen; seine einzige Bekleidung
sind zwei Stückchen Felle, die vorn und hinten an einer um den Hals
befestigten Schnur herunterhängen. Er ist vielleicht mit einer Elfen-
bein-Karawane vom Norden Inner-Afrika’s heruntergekommen, hat
eine willkommene Gelegenheit benutzt, die grofse Stadt Zanzibar zu
besuchen, und steht jetzt hier, mit offenem Munde Alles, was um ihn
her vorgeht, bewundernd. Neger aus den verschiedensten Stämmen des
Innern, einige mit ganz angenehmen, andere mit mehr oder minder
abstolsenden Physiognomien und robustem Körperbau, schleppen auf
dem Kopfe viele der hier aufgehäuften Waarenvorräthe fort, und ver-
breiten schweilstriefend eine für empfindsame Nasen sehr unangenehme
Atmosphäre. Man sieht sie in den verschiedensten Trachten, mit einem
einzigen Lendentuche, einer Weste, einem wollenen oder baumwollenen
Hemde bekleidet, mit oder ohne Kopfbedeckung. Dort kommt ein ü
EEE LIEZEN LELENEGEREDETEEEN
Stadt und Hafen Zanzibar., 197
anderer Schwarzer gegangen, der es sehr übel nehmen würde, so ge-
nannt zu werden. Er ist ein Szuaheli von einer der nördlichen Inseln
Lamo oder Pemba und hat in eigener Person die Bodenerzeugnisse
seiner Heimath zu Markte gebracht. Sein Gang ist äulserst gravitätisch,
sein weils und blau gestreifter Turban und sein langer Tuchtalar, so-
wie der Rosenkranz am Gürtel verrathen den Muselmann. Mit der
einen Hand hat er einen dicken Stock, der beinahe so lang wie er
selbst ist, in der Mitte gefalst, und stölst ihn bei jedem zweiten Schritte
auf den Erdboden; in der andern hält er ein krummes Schwert, und
ein krummer Dolch, an einem Gürtel um den Leib befestigt, vollendet
seine Armirung. Araber und Szuahelis in derselben Tracht, wie die
eben geschilderte, aber in verschiedenfarbigen bunten Tuchröcken, stehen
hier und da herum; einige von ihnen scheinen mit Banianen und Hin-
di’s in Unterhandlung über den Preis der vor ihnen liegenden Waaren
zu stehen. Der Verkäufer hat ein rinnenförmig ausgehöhltes spitzes
Eisen in der Hand, sticht mit demselben in einen der aufgestapelten
Säcke, und schüttet die ‚herausgeholte Probe — es ist Reis — dem
Kauflustigen auf die flache Hand. Ganz in der Nähe ist ein Baniane,
dessen hoher rother Turban weit über die Köpfe der ihn umgebenden
Personen hervorragt, beschäftigt, auf einer grofsen einarmigen Wag-
schaale Sesam zu wiegen; immer fünf Säcke werden zusammen aufge-
legt und das Gewicht jedesmal auf einen Zettel von ungewöhnlicher
Länge notirt. Der hier fungirende Baniane gehört zum Zollwesen und
ist einer von denen, die alle ankommenden Waaren wiegen müssen,
weil nach dem Gewichte der zu zahlende Zoll bestimmt wird. Sobald
die Säcke von der Schaale herunterkommen, werden sie von den dazu
bestimmten Kulies in eine Schlinge gelegt, die nachher um die schwere
Tragstange geschlungen wird, und fort geht es mit eiligen langen
Schritten und lautem taktmälsigen Gesange. Inmitten einer langen Reihe
Elephantenzähne, unter denen sich einzelne Stücke von 100 bis 150 Pfäd.
befinden, kauert ein anderer schnurrbärtiger Baniane, dessen Arbeit es
ist, die einzelnen Zähne mit der laufenden Nummer zu versehen und
den Stempel darauf zu schlagen. Besonders hier ist immer ein leb-
haftes Gedränge von Menschen, welche das eben angekommene Elfen-
bein in Bezug auf seine Güte mit Kennermienen untersuchen.
Ueber diesem Getümmel hin- und herwogender Menschen mit den
mannichfaltigsten bunten Trachten, den verschiedensten Gesichtern und
Sprachen, das jeder Controlle zu spotten scheint, wacht nichtsdestowe-
niger ein aufmerksames Auge, — das Auge des alten Ludda, des Ba-
'nianen, der den Zoll gepachtet hat. Mit mehreren seiner Commis sitzt
er in der umzäunten Berasa vor dem Customhause, auf deren Boden
Strohmatten ausgebreitet sind. Neben ihm steht ein kleiner, mit Messing
198 E, Quaas:
beschlagener Kasten, der zur Aufnahme der Papiere und des einkom-
menden Geldes bestimmt ist, das er selbst oder in seiner Abwesenheit
sein kleiner Sohn entgegennimmt. Von den Commis hat ein jeder
einen langen Streifen Papier auf den Knieen und ist eifrig beschäftigt,
mit seiner stumpfen Rohrfeder jeden vorkommenden Artikel und den
dafür eingehenden Zoll zu notiren. Mit scharfem Auge passen sie auf
Jeden, der, den engen Landungsweg heraufkommend, etwas in der
Hand trägt, und ihnen entgeht nicht leicht einer der Vorbeigehenden.
Von Allem, was zu Schiffe hierhergebracht wird, wird Zoll gefordert.
Eigentlich ist es Sitte, den Zoll in natura von den Waaren zu entneh-
men, jetzt geschieht dies aber nur noch bei einigen wenigen Handels-
artikeln und unbedeutenden Gegenständen. Meistens verständigt sich
der Pächter mit dem Kaufmann und nimmt einen bestimmten Procent-
satz in Geld von dem Werthe der importirten Waaren. Da der an-
kommenden kleineren Sachen sehr viele sind, so wird es vor der Be-
rasa nur selten ganz leer von Menschen, die hier ihren Tribut ent-
richten. Mit schwerem Herzen trennen sich die Leute von ihrem Gelde
oder ihren Sachen, die sie hier für Nichts weggeben sollen. Ein
schmutziger Szuri, mit einem unsaubern gelben Hemde und buntem
Kopftuch angethan, eine wandelnde Waffenkammer, soll einen Dollar
Zoll entrichten; mit Seufzen zieht er ein Fünffranken- Stück‘ hervor
und will damit seine Schuld bezahlen. Als dieses nicht angenommen
wird, weil es 10 Procent weniger gilt als der allgemein gebräuchliche
Maria-Theresia-Thaler, schwört er bei seinem Barte und bei Allah
und dem Propheten, dafs er ein blutarmer Mann sei und kein anderes
Geld bei sich habe; aber er mufs endlich einsehen, dafs Klagen und
Schwören ihm nichts hilft; mit traurigem Gesicht wickelt er aus der
Ecke des schmutzigen Tuches, das er um den Leib trägt, einen guten
Dollar, und auch dieser wird erst angenommen, nachdem der Baniane
ihn von allen Seiten sorgsam geprüft hat. Scenen solcher Art bekommt
man hier häufig zu sehen. Ein Jeder sucht den Andern in Geldsachen
zu übervortheilen, aber auch Keiner nimmt es übel, wenn er auf offe-
nes Mifstrauen stölst; man sagt hier: „biaschara hi*, das Geschäft
bringt’s so mit sich.
So belebt das Customhaus zur Zeit des Nordost- Monsoons, in den
Monaten December, Januar, Februar und März ist, so einsam und ver-
lassen ist es während anderer Jahreszeiten, z. B. im Anfange des Süd-
west-Monsoons, im April und Mai, während oder kurz nach der Regen-
zeit. Dann stockt aller Handel und Wandel und nur selten sieht man
einige ankommende Waaren. Menschen jedoch treiben sich Jahr aus
Jahr ein auf dieser morgenländischen Börse herum, und immer sieht
Be |
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Stadt und Hafen Zanzibar. 199
es. hier schmutzig und unordentlich aus, selbst in dem Hause, das alle
Jahre nur einmal von Grund aus gereinigt und ausgeweilst wird und
zwar in den Tagen vor dem Banian-Neujahre. Doch wurden in der
letzten Zeit einige Verbesserungen des Weges nach dem Strande vor-
genommen und der freie Platz, um den grenzenlosen Schmutz bei Re-
genwetter etwas zu verringern, an den tiefsten Stellen mit Schutt (ki-
fusi) aufgefüllt. Wenn die Anwesenheit einer so grofsen, auf verhält-
nilsmälsig kleinem Raume unablässig hin und her wogenden Menschen-
menge schon an sich geeignet ist, die hier herrschende drückende Hitze
noch unangenehmer zu machen, so tragen die im Customhause selbst
und ihm gegenüber unter einem grolsen Schuppen aufgestapelten Hau-
fen getrockneter Fische (pappa), die von den Szuri’s hierhergebracht
werden und eine Hauptnahrung der Bevölkerung Zanzibars bilden, durch
ihre abscheulichen Ausdünstungen noch mehr dazu bei, die Atmosphäre
für einen Europäer unerträglich zu machen; den Zanzibarianern indels
ist sie angenehm, wie der Opferduft verbrannten Fettes den alten Göt-
tern Griechenlands und Roms.
Der Weg, der vom Customhause an der östlichen Seite des Forts
entlang nach der Stadt führt, ist einer der schlechtesten in ganz Zan-
zibar; in der langen Reihe von Jahren hat der Regen in seiner Mitte
eine tiefe Rinne ausgehöhlt, das Erdreich hinweggespült und nur eine
Menge spitzer Steine zurückgelassen, die den eingeborenen dickhäutigen
Barfüfslern weniger unangenehm zu sein scheinen, als uns bestiefelten
Europäern. Zu beiden Seiten dieser Stralse, sowie an der Rückseite
des Customhauses haben Verkäuferinnen von Lebensmitteln ihren Sitz
aufgeschlagen. Eine kleine Strohmatte oder ein Stückchen Zeug ist
über den schmutzigen Boden gebreitet, und darauf sind die verschie-
densten Sachen zum Verkauf ausgelegt. Nicht blofs rohe Naturpro-
ducte, wie Mango’s, Bananen, Durionfrüchte (jackfruits), Manioc, Cocos-
'nüsse ete. kann man hier in Menge ankaufen, auch zubereitete Speisen
sind zur Schau gestellt, um den Appetit der Vorübergehenden zu rei-
_ zen. Manche Frauenzimmer haben vollständige Garküchen etablirt;
gekochter und gebratener frischer Fisch mit einer scharfen Sauce dazu,
schon zubereiteter übelriechender Pappa, kleine Pastetchen mit scharf
_ gewürzter Fleischfüllung, gekochter Reis (wali), das in der Form dem
Schiffszwieback ähnliche, aber weiche ungesäuerte Brot (makati), eine
Art saures eingemachtes Gemüse, wie Pickles, atschari genannt, —
Alles ist hier zu haben und steht in grofsen und kleinen Schüsseln zu
dem Preise von 1— 2 Peis (4—8 Pfennige) bereit. Die Verkäuferin-
nen, alle Altersstufen, von dem jungen wirklich niedlichen Mädchen
an bis zu dem alten abschreckend häfslichen Weibe umfassend, sitzen
200 E. Quaas:
oder kauern auf einer kleinen Matte neben ihren Vorräthen und war-
ten, den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, den ganzen Tag über
mit unermüdlicher Geduld auf Käufer.
Verläfst man diesen Ort lucullischer Mahle, so gelangt man auf
der südlichen Seite des Forts, wenn es noch nicht zu spät am Tage
ist, aufs Neue in ein kaum zu durchdringendes Menschengewühl. Hier
münden einige der aus dem Innern der Stadt führenden Strafsen (es
sind hauptsächlich die von den Banianen und Hindi’s bewohnten) auf
einen ziemlich geräumigen Platz aus, der von einem Theile der Land-
bewohner der Umgegend als Markt zum Verkauf ihrer Bodenerzeug-
nisse benutzt wird. An der südwestlichen Ecke des Forts haben viele
Händler von der gegenüberliegenden Küste ihren Stand genommen.
Grofse Bündel und Päcke Strohgeflecht (maschpatta) liegen bandförmig
aufgerollt vor ihnen, und werden meistens von Kulies und anderen
Leuten erhandelt, die aus diesem Geflechte Matten und Säcke zusam-
mennähen. Hier herrscht ein tumultuarisches Treiben, lärmendes Din-
gen und Feilschen, von den lebhaftesten Gestieulationen begleitet; denn
das Maschpatta ist manchmal sehr rar und an Matten und Säcken, die
hier in Unmassen verbraucht werden, herrscht grofse Noth. Nach lan-
gen Verhandlungen mufs sich der Käufer doch meistens entschliefsen,
zu seinem letzten Gebote noch eine Kleinigkeit hinzuzufügen; er zählt
dem Verkäufer das Geld mit einem: „wollädi! wewe mgumu szana,
szana!“ (wahrhaftig, du bist sehr hart) in die Hand und zieht mit dem
nun ihm gehörigen Bündel Strohgeflecht ab, wenn nämlich jede Silber-
münze vom Händler nach genauer Betrachtung als annehmbar befunden
ist und nicht etwa ein cerengue (+ Dollar) wegen seines verwischten
Gepräges vorerst umgetauscht werden mus.
Mitten durch das Menschengewühl drängen sich die lautsingenden
Lastträger; Ochsen kommen wiederkäuend langsam aus den Strafsen
einhergeschritten, in denen ihre Verehrer die Banianen wohnen, und
lassen sich von dem um sie herrschenden Getümmel nicht im minde-
sten in ihrem ruhigen Gange stören. Den harmlosen Thieren geht
man kaum aus dem Wege; man weils, dafs sie warten, bis der Pfad
vor ihnen wieder frei ist. Der ebengeschilderten Stelle gegenüber an
der Ecke der Banianen-Stralsen stehen ebenfalls Gruppen von Verkäu-
fern. Viele haben sogar ein kleines viereckiges Tischehen in einen
fliegenden Laden umgewandelt, auf dem die feilgebotenen Gegenstände,
Messer, Steinzeug, Kämme, Halsketten und Armbänder von Glasperlen,
baumwollene Tücher in den buntesten grellsten Farben, nach denen
manches der vorübergehenden Mädchen sehnsüchtige Blicke wirft, auf-
gespeichert liegen; andere tragen ihren Waarenvorrath mit sich herum;
bei ihnen findet man krumme und grade Schwerdter, Dolche mit und
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Ä
Stadt und Hafen Zanzibar. 201
ohne Verzierungen, Damenschmucksachen, dicke silberne Arm- und
Fufsringe, Halsketten von edlem Metall; aber ihre Hauptartikel sind
Turban und Lendentücher für Männer und andere Tücher für Frauen
in den verschiedensten Farben und Mustern, viele mit schönen seidenen
Borten. Die Händler haben davon eine Anzahl entfaltet über der Schul-
ter hängen, und der kleine Junge, der neben ihnen steht und ihnen auf
Sehritt und Tritt folgt, ist ebenfalls so damit bepackt, dals man unter
der Menge der Tücher auf und zu beiden Seiten seines Kopfes kaum
sein kleines Gesicht hervorgucken sieht. Diese Kaufleute achten des
Gewühles nicht, dringen in die dicksten Haufen hinein, und halten
den Leuten ihre Waaren unter die Nase; dabei rufen sie mit lauter
Stimme ihre Preise aus, und ihr kleiner Geschäftsfreund hinter ihnen
singt ihre Worte nach, nur um eine bis zwei Octaven höher. — Ist
die Marktzeit hier vorüber, so ziehen diese Personen in der Stadt herum,
und suchen hier und da den Leuten etwas anzuschwatzen; denn an Zun-
genfertigkeit werden sie hier vielleicht nur noch von dem zarten Ge-
schlecht übertroffen. — In den Thüren der den Platz auf einer Seite
abschliefsenden Läden stehen oder kauern die gelben Gestalten der
Banianen, grölstentheils im Negligee, — d.h. nur mit einem dünnen
Tuche um den Leib und loose herabhängenden Haaren, — und sehen
mit Vergnügen auf die wogende Menschenmenge zu ihren Fülsen. —
Gegen 10 Uhr Morgens fängt es an stiller zu werden; dann hat ein
Jeder seine Bedürfnisse für den Tag eingekauft; die Landleute sind
mit leeren Körben nach ihren Hütten zurückgekehrt, nur noch die Kurz-
waaren-Händler und hin und wieder einer der Stadtreisenden sind zu
erblicken, und erst in der späten Nachmittagsstunde, wenn hier ein
zweiter kleinerer Markt abgehalten wird, belebt sich der Platz von
Neuem.
Vom Fort nach dem alten Palaste des verstorbenen Szeyd Szaid
sind nur wenige Schritte, ein sandiger Weg führt dahin, an einem Schup-
pen vorbei, der eine Art Kaffeehaus vorstellen soll; grofse Haufen
pestilenzialisch riechender Fische (pappa) liegen in der gröfsten Nähe
und sind keineswegs dazu geeignet den Aufenthalt daselbst angenehm
zu machen. An dem hohen Flaggstocke auf dem grofsen freien Platze
zwischen dem Customhause und dem Palaste weht an Sonn- und Feier-
tagen die rothe Landesflagge; hier ist es auch, wo die auf Prügel lau-
tenden Strafurtheile an Verbrechern vollzogen werden. Der etwas über
den Weg erhöhte Platz ist schön gepflastert und gewöhnlich der Auf-
enthalt einer grofsen Menge Menschen; vor allem sind hier die Belu-
dsehen und Szuris zahlreich vertreten. Am belebtesten ist es hier Vor-
mittags von 10— 12 Uhr, wenn der Sultan seine berasa (Audienz) hält,
und alle angesehenen Araber und Szuahelis ihm ihre Aufwartung ma-
202 E. Quaas:
chen; so wie des Abends gegen 74 Uhr, nachdem das letzte Abendgebet
in der gegenüberliegenden grolsen Moschee beendet ist; wer von Szuris
und Negern nur eine Flinte hat und dem Sultan eine Ehre anthun will,
kommt dann hierher und feuert sein Gewehr ab. Es werden hier von
den Männern Schwerdttänze aufgeführt, lautes Geschrei und Gesang
durchhallt die Luft. — Auch die portugiesischen Soldaten des Sultans
hört man hier zu verschiedenen Zeiten des Tages den Zapfenstreich
ausführen, und zwar, wie ich glaube, so oft als von dem Massini (Aus-
rufer an der Moschee) des nahen Gotteshauses zum Gebet gerufen wird,
d.h. von Morgens 44 Uhr bis 8 Uhr Abends 6mal und um 94 Uhr
nochmals als Zugabe und Schlummermusik für die Umwohnenden. Es
war schon .ein Stolz und eine Schwachheit des verstorbenen Sultans,
einige Soldaten in europäischer Montirung zu besitzen, und er warb
ein Dutzend Leute an, die entweder früher selbst Sipoy’s oder auch
nur in derartige Uniformen gesteckt waren, in seinem Palaste Mtoni
Wachdienste verrichteten und besonders bei feierlichen Gelegenheiten
dazu bestimmt waren zu paradiren. Natürlich sind es meistens ganz
zerlumpte Bursche, die vom Soldaten nichts als die Uniform an sich
haben, von denen der eine das Gewehr auf der linken, der andere auf
der rechten Schulter trägt, der eine enge, der andere weite Beinkleider
hat, die manchmal kaum bis zu den Knöcheln reichen, Leute, bei de-
nen man vom nackten Fufse und Schlafpantoffel bis zum Stiefel hinauf
alle Gattungen Fulszeug vertreten findet, bisweilen an einem Indivi-
duum zwei verschiedene Arten zu gleicher Zeit. Dem jetzigen Sultan
war dieser Prunk noch nicht genug; er verlangte auch nach einem
Musikchor, und verschaffte sich ein solches in der Gestalt von 4 Tromm-
lern und 2 Pfeifern, deren Concerte er so zu lieben scheint, dafs er sie,
wie schon gesagt, täglich siebenmal unter seinen Fenstern spielen läfst.
Da vernimmt man denn oft die verschiedensten Stücke, Märsche, Opern-
arien, Gassenhauer; alles wird hier getrommelt und gepfiffen, und es
ist eine recht seltsame Ueberraschung, alte bekannte Melodien, wie den
alten Dessauer oder eine Arie aus dem Freischütz in dieser fremd-
artigen Umgebung so unbarmherzig verstümmelt zu hören. Noch cu-
rioser als die Musik ist das Schauspiel, diese Mustersoldaten exerci-
ren zu sehen. Ein alter graubärtiger Araber, der Commandant der
im Fort garnisonirenden Beludschen hat auch hierbei den Oberbefehl.
Zum Exereiren dient der freie Platz um den Flaggstock herum, der
aber gewöhnlich wie eine Rumpelkammer mit allen möglichen Dingen,
oft mit Baumstämmen, Balken, Planken etc. bedeckt ist. Der alte
Araber commandirt englisch, und geht bald vorwärts bald rückwärts,
sein Schwert in der Hand schwenkend, vor seinem ungelehrigen Ba-
taillon einher. Es wird dabei über Stock und Stein hinwegmarschirt,
Stadt und Hafen Zanzibar. 203
über die im Wege liegenden Baumstämme, Planken und über die kleine
Palisaden-Reihe, welche das Customhaus nach Osten zu von dem freien
Platze scheidet; nichts hält die einmal in Bewegung gesetzten Krieger
auf; durch Kisten und Kasten, Gheetöpfe und aufgestapelte Säcke windet
sich die Colonne hindurch. — Ein solches Schauspiel ist in der That
eine rechte Erheiterung, und diese Carricaturen von Militär mit den
langen Armen, die einen Fufs weit aus den kurzen Aermeln ihrer ro-
then Jacken hervorstecken, anzusehen, würde selbst den gröfsten Hy-
pochonder zum Lachen bringen. Nichtsdestoweniger ist der Sultan
stolz auf diese bewaffnete Macht, er läfst sie aber auch für ihre geringe
Monatsgage sich redlich abarbeiten.
Der alte Palast selbst ist ein langes düsteres von der Zeit ge-
schwärztes Gebäude. Wie alle Häuser Zanzibars ist es ohne archi-
tektonischen Schmuck; kahl und nackt steigen seine Mauern bis unter
das über ihnen errichtete Makuti in die Höhe. — Es ist in der un-
mittelbaren Nähe des Strandes erbaut, und hat nach der Seeseite zu
eine kleine Terrasse. In dieser Front hat es auch seine gröfste Aus-
dehnung; von Norden nach Süden beträgt seine Facade nur 7 Fenster.
Bietet es schon von der See aus, der wenigen nur mit grünen Jalou-
sien und eisernen Gittern versehenen Fenster wegen, keinen erfreuli-
chen Anblick dar, so ist der Eindruck, den es von der inneren Seite
auf den Beschauer macht, an der beinahe gar keine Fenster, sondern
nur ganz kleine wohlvergitterte Löcher sichtbar sind, ein noch viel
traurigerer; man glaubt eher ein Gefängnils vor sich zu haben als den
Palast eines mächtigen morgenländischen Fürsten. Und in Wirklich-
keit ist es auch nichts mehr, als ein Gefängnifs, in dem der Sultan
seine vielen Frauen von dem Verkehr mit der Aufsenwelt abgeschlossen
hält. An der westlichen Seite befindet sich das Hauptportal, zu dem
vom Platze aus eine Flucht breiter steinerner Stufen führt; aber auch
hier vergittern dicke Eisenstangen die wenigen Fenster. — An seiner
südlichen Seite ist der Palast in der Höhe der ersten Etage durch eine
ringsum von Planken verschlossene Brücke mit einem anderen hohen
Hause verbunden. Dies zweite Gebäude ist ebenfalls zum Aufenthalte
der Frauen und Töchter des alten Sultans bestimmt, und wird noch
heutigen Tages von ihnen bewohnt. Oft, wenn man dort vorüber kommt,
bemerkt man hinter den dicken Eisenstangen der kleinen Maueröffnun-
gen unmaskirte Frauengesichter, die, falls kein Araber in der Nähe ist,
_ der es sehen und verrathen könnte, dem Fremden freundlich zunicken;
früher nahmen sie sich auch noch gröfsere Freiheiten. Unwillkürlich
_ denkt man bei dem Anblicke dieser düsteren Gebäude, dafs in ihnen
manches schöne Weib einsam sein Leben vertrauert; aber bald drängt
sich doch die Wahrnehmung auf, dafs die Weiber hier ein besseres Le-
204 E. Quaas:
ben nicht kennen und sich deshalb für ganz glücklich halten; selbst die
lange Weile wissen sie sich gewils auf eine oder die andere Weise zu
vertreiben, denn die Schlauheit, das Erbtheil der Evatöchter, ist hier
durch stete Uebung in weit höherem Grade entwickelt, als bei unse-
rem zarten Geschlechte. — An der rechten Seite des Weges, ehe man
nach dem eben beschriebenen Gebäude kommt, erhebt sich der neue
Palast des jetzigen Sultans Szeyd Madjid, eines der vielen unehelichen
Söhne des verstorbenen Szeyd Szaid. Erst in den letzten 2 Jahren wurde
der Neubau begonnen und bis jetzt ist nur das Hintergebäude ganz
vollendet, das von seiner hohen Plattform einen Ueberblick über die
ganze Stadt und die See weit nach Norden und Süden gewährt. Hier
bringt der Sultan oft entweder ganz allein oder nur von einem Sklaven
begleitet die späten Nachmittagsstunden zu; dann ist er seiner Pracht
entkleidet, nur mit einem langen einfarbigen arabischen Rocke ange-
than und trägt einen kleinen rothen Fez. Die Thür, welche zum vor-
deren Theil des Palastes führt, ist wirklich ein Meisterwerk hiesiger
Arbeit; sie ist von Spitzbogen-Form, über und über mit theilweise
durchbrochener Bildhauerarbeit bedeekt und von einem Banianen an-
gefertigt worden.
In dem Winkel zwischen diesem im Innern noch unausgebauten
Hause und der naheliegenden Moschee des Sultans, der gröfsten und
Hauptmoschee der ganzen Stadt, stölst uns wieder ein recht trauriger
Anblick auf; es ist dies eine Menge Sklaven, die an einer langen Kette
vermittelst eines um ihren Hals befestigten eisernen Ringes angeschlossen
sind. Sie waren ihren Herren wahrscheinlich entlaufen; nun sitzen sie
hier in geschlossener Gesellschaft und erwarten das Ende ihrer Straf-
zeit, vielleicht mit Sehnsucht, vielleicht sehen sie es auch ungern her-
ankommen, da sie dann wieder arbeiten müssen, während sie jetzt ihre
Stunden mit Nichtsthun hinbringen können. —
Biegen wir da, wo der Harem des verstorbenen Sultans aufhört,
um die Ecke, und gehen nach dem Strande hinunter, so kommen wir
bald auf eine breite Stralse, die, nach Osten am Ufer hinführend, uns
eine prachtvolle Aussicht auf den Hafen, die dahinter liegenden kleinen
grünen Inseln und gerade vor uns im Hintergrunde auf die reich be-
waldete westliche Küste Zanzibars bietet. Wir befinden uns in dem
Stadttheile, welcher Melinde genannt wird. Hier passiren wir die schön-
sten Häuser, die Zanzibar besitzt; neu erbaut glänzen sie mit ihrem
weilsen Kalkbewurf in das Meer, und sind uns auch schon beim Ein-
segeln als die prächtigsten, höchsten und gröfsten der ganzen Stadt
aufgefallen. Wenn auch bei näherer Betrachtung der allzugrofse Reiz,
mit dem unsere Einbildungskraft sie von Ferne umgeben, verschwindet,
so bleiben sie doch immerhin eine recht angenehme Erscheinung, im
Stadt und Hafen Zanzibar. 205
Gegensatz zu den alten Gebäuden, welche den Kern der Stadt bilden,
und zeigen, wie die Cultur bereits anfängt Boden zu gewinnen, wie
die Leute auch hier im Vergleich mit früheren Zeiten bedeutend vor-
geschritten sind. Man sieht im Allgemeinen, dafs das Geld bei diesen
Neubauten keineswegs gespart worden ist, dafs aber noch die Kunst,
und der verständige Arbeiter, der sie anzuwenden versteht, fehlte. In
diesem Quartier wohnen die reichsten Araber der Stadt, die Mehrzahl
der Brüder des Sultans und die französischen Kaufleute nebst ihrem
Consul. An das Ende der glänzenden Häuserreihe schliefsen sich wie-
der ärmliche Hütten; mitten zwischen ihnen liegt die Moschee mit dem
kleinen schon von der Südseite auf ziemliche Distanz sichtbare Minaret
und den Gräbern ihrer Erbauer an ihrem Fufse zur rechten Seite der
vorüberführenden Stralse. Nur ein grolses, aber bis jetzt noch unvoll-
endetes Gebäude unterbricht von hier an die Reihe der einförmigen
kleinen Hütten, die sich, zwei Hauptstrafsen bildend, bis zur Lagune
hinziehen. Die Passage über diese wird durch zwei Brücken (deraja)
vermittelt, die eine in geringer Entfernung vom Meere selbst, die an-
dere kleinere wohl 6— 700 Schritte weiter nach Süden. Beide sind
gewöhnlich nicht im besten Stande, doch weils man es so einzurichten,
dals, wenn die eine impraeticabel ist, die andere wenigstens zur Noth
benutzt werden kann. Auch ihre Construction zeigt, auf welcher nie-
drigen Stufe die Baukunst hier in Zanzibar im Allgemeinen noch steht.
Wie bei dem Bau der platten Dächer sind von Pfeiler zu Pfeiler, die
in der Entfernung von 12—16 Fuls im Bette des Stromes stehen, dicke
Rothholzknüppel (borti) gelegt, und diese mit einem Mauerwerk von
Kalk und Steinen überdeckt. Die grofse Brücke (deraja mkuba) mag
wohl 20— 25 solcher Pfeiler haben; sie ist an den Seiten nicht einmal
mit einem Geländer versehen und wurde schon seit den letzten Jahren
immer baufälliger; wo die Unterlage von Bortis verfaulte, waren grolse
Löcher entstanden, und da man auch an den Stellen, die noch gut aus-
sahen, nicht wulste, ob nicht auch sie sich unter den Fülsen des näch-
sten darüber Passirenden öffnen würden, that man besonders zu Pferde
besser, diese Passage zu vermeiden und bei niedrigem Wasser lieber
durch die Lagune zu reiten. Jetzt sind bereits ganze Pfeiler einge-
stürzt, und die Leute benutzen das vorhandene Baumaterial für ihre
eigenen Hütten und Häuser. Hinter der grofsen Brücke gelangt man
auf eine weite Ebene, über die der Weg in der Nähe des Strandes
nach Mtoni geht. — Die kleine Brücke (deraja mdogo) nur auf 3 Pfei-
_ lern ruhend, ist nach einem anderen Prinzipe aufgeführt. Der mittelste
Pfeiler ist nämlich von einem viereckigen Mauerwerk gebildet, dessen
innere Höhlung man mit Schutt auffüllte. Beim Bau war zu früh, noch
‚ehe die Seitenwände gehörig getrocknet waren, mit diesem Auffüllen
206 E. Quaas:
angefangen worden, und so kam es, dals einst nach einem starken Re-
gen das oben eingedrungene Wasser durchbrach und das Werk vieler
Monate theilweise zerstörte. Jetzt ist die Brücke glücklich vollendet,
und hat sogar an den Seiten eine Mauer als Geländer. Ein Zweigarm
des Bazars, welcher die ganze Stadt in verschiedenen Richtungen durch-
zieht, mündet auf dieser Brücke aus. Jenseits, am anderen Ufer der
Lagune findet sich seine Fortsetzung. In jedem der kleinen, steiner-
nen, weilsgetünchten Häuschen hat ein Hindi seinen Laden und einen
Detailhandel mit den verschiedensten für die täglichen Bedürfnisse er-
forderlichen Artikel. Hier sind die Stralsen auch bei weitem nicht
so eng, wie drüben, und die ganze kleine Vorstadt macht einen recht
freundlichen Eindruck. — Je weiter man geht, desto seltener werden
die steinernen Gebäude, Hütten treten an ihre Stelle; einzeln liegen
sie zwischen schattigen Mango’s und hohen Kokospalmenrzerstreut; le-
bendige Hecken schliefsen zu beiden Seiten des Weges die Stralse von
den kleinen Besitzungen ab. Man befindet sich hier bereits in der Ein-
samkeit des Landlebens. Kleine mit verschiedenem Grünzeug und Früch-
ten, Manioc, Yams, Bataten, bepflanzte Felder umgeben die Hütten,
die in unmittelbarer Nähe malerisch von einem Kranze von Bananen
mit den hellgrünen schön glänzenden Blättern eingeschlossen sind.
Kleine diekbäuchige Negerkinder laufen ganz nackt zwischen den vie-
len Hausthieren, Hühnern, Enten, Gänsen und Ziegen herum. Die
älteren Kinder sind mit dem Aushülsen des zur Mahlzeit nöthigen
Reises beschäftigt, den der auf drei kleinen Steinen über dem Feuer ste-
hende Topf schon zu erwarten scheint; einige alte Frauen, vielleicht
die Mütter der Kleinen, sitzen unter der Veranda, und sind damit be-
schäftigt lange Streifen feinen Strohgeflechts zu machen, oder die schon
farbigen zu bunten Matten zusammenzunähen. Alles athmet hier die
Ruhe und den Frieden der Ländliehkeit. — So zieht sich das stille
Dörfehen noch weit in das Land zwischen grünen Bäumen hin, wo
man vom Strande aus schon lange nichts mehr als Wald vor sich zu
haben glaubt. — Beinahe könnte man sich in diesem Labyrinth ein-
zelner schmaler Heckenwege verirren; denn von der Stadt und ihrem
Getümmel sieht und hört man nichts mehr, und die Hütten sehen eine
der anderen so ähnlich, dals man sie erst nach häufigem Durchwan-
dern dieser Gegend von einander unterscheiden lernt.
Hier findet der Spaziergänger stets neue Wege, welche die nach
und nach immer vereinzelter dastehenden Besitzungen mit einander
verbinden und den Wald in allen Richtungen durchschneiden; immer
neue reizende Baumpartbien und anmuthige landschaftliche Scenerien
erfreuen ein für Schönheiten der Natur empfängliches Auge. Die
ganze Insel im Umkreise einiger Meilen von der Stadt gleicht einem
Stadt und Hafen Zanzibar. 207
ur Zi
grolsen Garten, einem Parke; wenn auch die Menschen bis jetzt wenig
gethan haben, ihn zu verschönern, so ist er doch, wie er aus der Hand
der Natur hervorgegangen, reizend genug, um das Gemüth mit Behagen
zu erfüllen.
VII.
Ein Besuch der Insel Formosa.
Von Robert Swinhoe, Britischem Consul in Amoy.')
In dem britischen Dampfer Inflexible verliefsen wir Amoy am
7. Juni 1858, fuhren an den Pescadores vorbei, kamen am nächsten
Tage vor Kok-si-kon ?) an und ankerten etwa eine Seemeile von der
Küste entfernt. Alles was wir vom Lande sehen konnten, war ein
sandiger Strand, hier und dort mit Waldflecken besetzt, und weiter im
Innern ein Waldgürtel am Fufse einer nur undeutlich zu erkennenden
Bergkette. Da der Wind am 10. vom Lande her blies und die Bran-
dung weniger heftig war, konnten wir mit der Gig bei einigen Hütten
ans Land kommen. Die Bewohner — chinesische Fischer — kamen
uns freundlich entgegen; die armen Leute leben in Strohhütten, vor
denen sie auf Reihen von Pfählen ihre Netze ausgespannt haben. Von
Vieh besafsen sie Nichts als ein paar Schweine. Wir hörten von ihnen,
dafs ihre Familien weiter im Innern lebten und dafs sie diese Sand-
bänke nur der Fischerei wegen verschiedene Mal im Jahre besuchten.
Die Sandbänke sind nicht breit und überall von seichtem Wasser
umgeben. Auf den meisten standen ein paar Hütten. Die Ufer be-
ERREEENNLWETEN
Fe
frühern Fahrten nach Formosa bekannt. (Vgl. Zeitschr. N. F. Bd. III, S. 417 f.),
bei welcher er indefs nur die nördliche Hälfte der Westküste kennen lernte. Reicher
an Resultaten, namentlich in Bezug auf die so wenig bekannte Ostküste und die Be-
völkerung derselben, war die Fahrt um die Insel und der Besuch der bisher unbe-
kannten Schwefelgruben bei Kelung, — Reisen, die Swinhoe im Jahre 1858 auf dem
von Capt. Brooker befehligten Schiff Inflexible ausführte und über die er den jetzt
' vorliegenden Bericht abgestattet hat. Wir entlehnen diese Abhandlung, eine wichtige
Ergänzung dessen, was aus Capt. Brooker’s Bericht in dieser Zeitschrift Bd. VII,
S. 385 ff. mitgetheilt ist — unter Fortlassung desjenigen, was lediglich auf die Auf-
gabe der Expedition (Erkundigung nach Schiffbrüchigen) Bezug hat, dem „Journal
of the North China Branch of the Asiatic Society“, einer in Shanghai erscheinenden
- Zeitschrift, über deren erstes, unter einem andern Titel publieirtes Heft wir Bd. V,
8.365 berichtet haben.
2) Nach Capt. Richards unter 23% 5’ 22” N. Br. Vrgl. über diesen Hafen diese
Zeitschr. N. F. Bd. III S. 413. 414.
i
“
| T !) Der Verf. ist unsern Lesern bereits durch einen Bericht über eine seiner
#
208 Robert Swinhoe:
stehen aus einem Gemisch von Schlamm und Sand. Hier bewegten
sich eine Menge Cicindelae auf und ab; sie liefen sehr schnell, flogen
aber sogleich auf, wenn sie verfolgt wurden. Sie schienen sich von
den Fliegen und kleinen Diptera zu nähren, die in der Nähe der Hütten
sich aufhalten. Ein paar kleine Seeschwalben (Sterna minuta) flogen
um uns herum.
Wir gingen wieder ins Boot, fuhren über eine Barre mit nur
1’ Wasser, welche Capt. Richards auf seiner wissenschaftlichen Unter-
suchungsfahrt im Saracen zu passiren im Stande war, und landeten an
einer andern sandigen Insel. Auch hier zeigten sich die paar Chinesen
ebenso freundlich wie auf der andern Sandbank; und Cicindelae waren
ebenso zahlreich. Keine von diesen beiden Sandbänken hatte eine Spur
von Vegetation; allem Anschein nach stehen sie auch einen grolsen
Theil des Jahres unter Wasser. Wir sahen nur eine Dschunke, die
auf den Strand gezogen war; alle übrigen Fahrzeuge der Eingeborenen
waren Catamarans, die aus grofsen gebogenen Bambusstäben bestehen,
welche zusammengebunden und an kreuzweise quer übergelegte Stäbe
befestigt sind; wenn es nöthig ist, fügt man einen Mast und Segel
hinzu. In diesen Fahrzeugen fehlt es allerdings nie an Wasser; es
fiiefst dem darin Stehenden über die Fülse; aber sie sind doch sehr
geeignet die Brandung zu durchschneiden.
Um 5 Uhr setzte der Dampfer seine Fahrt fort und ankerte bald
vor Fort Zelandia.. Früh morgens am 11. Juni machten sich Gig
und Cutter auf den Weg, uns zu einem Besuch der Mandarinen von
Taiwan-fu, der Hauptstadt von Formosa, ans Land zu bringen. Wir
waren anfangs ungewils, durch welchen Canal wir dorthin gelangen
könnten, ob dicht bei Fort Zelandia vorbei oder etwas nördlich hinter
einer Gruppe von Dschunken; glücklicherweise stielsen wir auf ein Fi-
scherboot, nahmen einen von den halbnackten Fischern in die Gig und
dieser führte uns um die sandige Landzunge herum, welche von der
Brandung heftig gepeitscht wurde, in das Fahrwasser dicht bei dem
Fort Zelandia. Dieses Fort, welches vor zwei Jahrhunderten von den
Holländern zum Schutz gegen die Fukiän-Piraten erbaut war, liegt
nun in Trümmern; in seiner Mitte ist ein grofser Baum &mporge-
wachsen, und die westliche, 12—15’ dicke und von Ziegeln und Mörtel
erbaute Mauer ist niedergerissen und das Material zum Bau der Man-
darinenwohnungen verwendet worden.
Etwa 2 Miles vom Fort entfernt näherten wir uns in einem flachen
Canal '), der an manchen Stellen nicht über 40 Yards breit war, der
Stadt Taiwan.° Die Ufer waren hoch und nahmen uns die Aussicht;
!) Vrgl. über diesen Canal Capt. Brookers Bericht, Bd. VII, 8.385. 386,
Ein Besuch der Insel Formosa. 209
aber die Ranken des schönen grünen Geifsfulses mit seinen convolvulus-
ähnlichen purpurnen Blüthen erfreuten unser Auge, und der frohe Ge-
sang unzähliger Lerchen (Alauda minuta) hoch in den Lüften umströmte
uns mit seinen Melodien. In Paksekwei, der Vorstadt von Taiwan,
mufsten wir mit den Booten Halt machen, da weiterhin das Wasser
zu flach war. Zu Fufs statteten wir dem Taoutai unsern Besuch ab.
Kung Chaou-tze — dies war sein Name — versprach uns allen Bei-
stand, etwaige Schiffbrüchige ausfindig zu machen; er selbst hatte von
neuerdings gescheiterten Schiffen Nichts gehört. Von den eingeborenen
Sangfan, den rohen Wilden in den Bergen, hatte er nie einen gesehen;
er schilderte sie als ein barbarisches Volk, das sich von rohem Fleisch
nähre und nie einen Menschen, der in ihre Hände fiele, verschone;
denn sie seien Menschenfresser. Die Chinesen hätten mit ihnen Nichts
zu thun, ausgenommen mit denen, die gezähmt wären und mit den An-
siedlern Handel trieben. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, kehr-
ten wir wieder zu den Booten zurück; wir konnten sie aber nicht flott
machen, da inzwischen Ebbe eingetreten war, und stiegen deshalb wie-
der ans Land. Innerhalb der Ufer war nur ein mit Schlamm gemischter
Sand, der von Wasseradern durchschnitten war. Eine Art Krabben mit
einer grolsen weilsen Scheere machte den Schlamm buntfleckig, als ob
er mit Blumen besetzt wäre; sie waren sehr flink und schlüpften im
Nu in ihre Löcher. Vögel waren selten; eine Caspische und eine kleine
Seeschwalbe (Sterna caspia und minuta) und ein paar Kent’sche Regen-
_ pfeifer (Charadrius Cantianus) waren die einzigen, die wir zu sehen be-
kamen. Lebensmittel waren lächerlich theuer. — Nicht ohne Schwie-
rigkeit kamen wir aus dem Canal, da die Fluth erst spät am Tage
_ wieder eintrat.
Am 12. Juni ankerten wir vor Takow, das gewöhnlich der Af-
fenberg genannt wird '), nach den grofsen Affen, die hier in Menge
vorkommen. Die Einfahrt in den Hafen ist sehr eng, und da die Ebbe
_ gerade zurückflofs, fanden wir in dem Eingang eine starke Strömung.
_ Der Hafen ist zwar klein, aber für ein paar Schiffe von mälsigem Tief-
_ gang bequem, und, da er fast überall von Land eingeschlossen ist, ein
sehr sicherer Ankerplatz. Im Hafen lag ein Schiff, das befrachtet
_ wurde, und am Ufer ein gutes Waarenhaus, das den Eigenthümern des
_ Schiffs gehörte; aber mit dem Handel ging es flau, wie man uns sagte;
n. gab hier etwas Zucker, aber er war theuer; auch Reis konnte man
gerade jetzt in China billiger kaufen als hier.
% Die Eingeborenen trockneten eine ungeheure Menge von kleinen
Weilsfischen, die auf dem Sande in der Sonne ausgebreitet waren, und
4) Vıgl. Zeitschr. N. F. Bd. III, 8. 415.
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd, VII, 14
210 Robert Swinhoe:
sobald sie trocken sind, von den Dschunken in grofsen Säcken ex-
portirt werden. Einige Dschunken lagen vor dem grölsesten Dorf in
dem Hafen Ki-au (Kee-aou). Wir gingen durch dieses Dorf hindurch
und fanden viele von den unter grolsen Banyanen erbauten Häusern
von einer dichten Hecke stachlichter Pandanus oder anderer undurch-
dringlicher Sträucher umgeben und nur auf einem schmalen im Zick-
zack geführten Pfade zugänglich. Unter dem Schatten des prachtvollen
Laubdachs jener schönen Bäume pflegen die weiblichen Familienmitglie-
der bei ihrer Arbeit zu sitzen, während die Männer auf dem Felde be-
schäftigt sind.
Am 14. Juni um 5 Uhr lichteten wir die Anker und warfen sie
nach zwei Stunden vor Fangleau (Pangle der Karten) wieder aus,
einem Dorfe, das 25 Miles südlich von Takow liegt. Wir versuchten,
mit der Gig und dem Cutter ans Land zu kommen, fanden aber die
Brandung so heftig, dafs die Boote vor Anker gehen und wir in Ca-
tamarans landen mulsten, in denen uns das Wasser bis an die Knie
reichte. Dieses Dorf liegt in Fehde mit dem Dorf Laileaou, wo Ban-
cheang, ein geächteter Häuptling, lebt. Nichtsdestoweniger wurden wir
auf unserem Wege durch die liebliche Landschaft nicht belästigt; die
Reisfelder freilich lagen in Folge dieser Fehden wüst. Wir kamen '
durch das Dorf Chuyleaou, das mitten in hohem Bambus liegt und
wo wir schöne breite Strafsen mit Wagengeleisen fanden. Die Scenerie
erinnerte stark an Ceylon.
Nach einem Marsch von ein paar Miles kamen wir in Laileaou
an, das am Fulse der ersten Bergkette liegt und von einer Hecke um-
geben ist, hinter welcher sich grolser schlanker Bambus erhebt; nach
den Bergen hin schlielst ein Graben das Dorf zum Theil ein. Es hat
zwei Eingänge, von denen der eine geschlossen war. Bancheang’s Haus,
das ein oberes Stockwerk hatte, lag an der Ostseite; die Wohnungen
seiner Leute waren ringsum innerhalb der Umzäunung errichtet; über
seiner Thür standen die Worte „Wan Ke“, und im Hofe lagen Speere
und andere Waffen. In dem Helden selbst fanden wir nicht, wie wir
es erwartet hatten, einen stürmischen Robin Hood, sondern einen ma-
gern, gebückten, ältlichen Mann mit schlechten Zähnen. Die chinesi-
schen Offiziere fürchten ihn sehr seit ihrer letzten Expedition gegen
ihn. Sie hatten seine Besitzung mit einer Armee von 1000 Mann an-
gegriffen; Bancheang liels sie auf Schufsweite herankommen und feuerte
dann eine Kanone gegen sie ab; die Kugel rils 18 Mann fort, worauf
die Chinesen in wildem Schrecken die Flucht ergriffen.
Im Bambusdickicht waren Pfingstvögel (Oriolus Sinensis) sehr
häufig, und schwarze Drongos (Dierurus Malabaricus) flogen hin und
her zu ihren Nestern, die an gebogenen Bambusästen hingen, Die Ti-
gerschwalben, die Amoy im Winter besuchen, bauten ihre Nester unter
1
Ein Besuch der Insel Formosa. 211
| den überhangenden Dächern der Schuppen, manchmal so niedrig, dafs
man sie erreichen konnte. Diese Nester waren aus Thon in ovaler
- Form gebaut und mit Federn gepolstert; sie glichen sehr denen der
englischen Mauerschwalbe (Hirundo urbica) und enthielten drei bis vier
blafsröthliche Eier.
Bei unserer Rückkehr nach dem Schiff wurden wir während der
Fahrt durch die Brandung in den Catamarans wieder tüchtig durch-
nälst: Am 15. ankerten wir in Langkeaou-Bay, wo die Brandung
_ uns eben solche Schwierigkeiten machte wie bei Pangle; aber wir ge-
- langten doch nicht weit vom Dorfe an der Südseite der Bay glücklich
ans Land. Die Bewohner sind meist Mischlinge, manche von den Wei-
_ bern aber ächte Aboriginer. Sie sind gröfstentheils Fischer, obgleich
sie auch etwas Vieh in den benachbarten Hügeln auf der Weide hatten.
Südlich von Langkeaou erstrecken sich die Berge bis an die See,
und die Aboriginer schweifen in ihnen umher. Hier war es, wo die
- Mannschaft des Larpent grausam von den Eingeborenen ermordet wurde,
mit Ausnahme von drei Personen, die zu den Chinesen entkamen und
von diesen bis zu ihrer Rückkehr nach Amoy gütig behandelt wurden.
Da wir am 16. schlechtes Wetter hatten, mufsten wir das Südcap
in einiger Entfernung umfahren. Wir steuerten dann nordwärts an den
Inseln Botel Tabago und Sama Sama vorbei, lenkten darauf ein und
_ fuhren längs der Küste Black Rock Bay vorbei. Die Berge, von denen
einige eine beträchtliche Höhe erreichen, hatten eine reiche Vegetation,
_ und ein Pik, auf den wir durch die ihn einhüllenden Wolken einen
vorübergehenden Blick erlangten, hatte einen flachen Gipfel wie ein
Krater. Eingeborene zeigten sich nicht; aber Nachts sahen wir auf
_ den Bergen einige Lichter.
; Am 17. ankerten wir vor einem Platz unter 24° 6' 18” N. Br.,
ee auf ‚der Karte ein Fluls verzeichnet ist. Eine Schlucht zieht sich
wir in 145 Faden keinen Grund finden. Der Morgen war schön, die
e ruhig, wir ruderten also in der Gig nach der Küste und steuerten
auf ein paar Hütten zu am Fufse der Berge. Als wir uns dem Lande
näherten, bemerkten wir, dafs das tiefblaue Wasser des Oceans von
dem Küstenwasser durch eine scharf hervortretende Linie geschieden
: das Vordertheil des Bootes stand in farblosem, das Hintertheil in
tiefblauem Wasser! Nur noch 150 Yards von der Küste fanden wir
mit einer Leine von 11 Faden keinen Grund; 50 Yards von der Küste
R ‚hatten wir Grund in 84 Faden. Am Strande zeigten sich mehrere Ein-
geborene, darunter einige Chinesen; in dieser Schaar konnten wir sechs
Männer erkennen, die fast ganz nackt waren und nur um die Hüften
14*
212 Robert Swinhoe:
ein Stück Zeug mit einem vorn herabfallenden Lappen trugen. Diese
letztern waren mit Speeren und Säbeln in einer Scheide bewaffnet; die
Säbel waren durch den Gürtel gesteckt und hingen hinten herab. Ihr
Haar war kurz und über der Stirn zusammengebunden; hinten hing
es lose herab. Ihre Physiognomie hatte viel Malayisches, doch waren
sie viel schöner als Malayen und etwas schöner als die Chinesen, die
sich unter ihnen befanden. Ihre Pfeile hatten merkwürdigerweise keinen
befiederten Schaft. Da die Brandung zu stark war, als dafs wir ans
Land kommen konnten, winkten wir den Chinesen, die auch sofort ein
Boot ins Wasser liefsen, um zu uns zu fahren. Aber als sie eben ab-
stofsen wollten, sprangen vier von jenen Wilden in das Boot, und da
die Chinesen aulser Stande waren sie zurückzuhalten, gaben sie uns
ein Zeichen, dafs wir uns entfernen möchten. Wüthend darüber, dafs
sie nicht zu uns gelangen konnten, schwangen die Wilden mit drohen-
den Gebehrden ihre Speere und Säbel; aber ein über ihre Köpfe ab-
gefeuerter Schufs trieb sie bald in die Flucht. Sie suchten hinter ei-
nem Hügel Schutz, und nun kamen die Chinesen zu uns. Wir nahmen
einen von ihnen zu uns, um ihn auszufragen. Seinen Angaben zufolge
hiefsen diese Wilden Tai-lo-kok '), und ihr Stamm zählte etwa 4000
Seelen; sie wohnten auf den bewaldeten Bergen der Nachbarschaft,
lebten von sülsen Kartoffeln, Taro und Rehfleisch; die kahlen Stellen,
die wir an den Bergen bemerkten, wären Rodungen, die des Ackerbau’s
wegen von ihnen angelegt waren. Der gröfsere Theil der Berge sei
dicht mit Kampfer-Bäumen bewaldet; auch das Boot, in dem die Chi-
nesen hinausgekommen waren, war von Kampferholz. In dem Dorfe
lebten etwa zweihundert Chinesen und nährten sich durch Fischerei;
sie wären vor vielen Jahren von den Mandarinen hieher geschickt wor-
den (wahrscheinlich als Sträflinge); wenn wir einen von den Wilden
tödteten, so würden die andern sich an den Chinesen rächen, denn die
Wilden hätten Waffen, die Chinesen wären waffenlos. Ein Dorf, das
früher etwas weiter aufwärts an der Küste lag und wo wir noch eine
Rauchsäule emporwirbeln sahen, sei von den Wilden verbrannt und
sämmtliche Einwohner desselben getödtet worden. Man habe auch
früher fremde Schiffe hier vorbeifahren gesehen; aber so nahe an die
Küste, wie der Inflexible, sei nie ein Schiff gekommen.
Wir forderten die Chinesen auf, einen von den Wilden zu uns zu
bringen, damit wir ihn mit ihrer Hilfe befragen könnten. Sie kehrten
ans Land zurück, und liefsen sich mit den Wilden, die sich in einer
gesonderten Gruppe niedergesetzt hatten, in eine Verhandlung ein; aber
!) Der Hafen heifst nach Capt. Brooker, der übrigens das Rencontre etwas an-
ders erzählt, Tschockeday.
Pe
1 Ein Besuch der Insel Formosa. 213
keiner von diesen zeigte Lust, der Einladung zu folgen. In der Be-
sorgnifs, dafs diese Barbaren, wenn wir noch länger ihnen so nahe blie-
ben, unsern Besuch zum Vorwand nehmen könnten, an den Chinesen
ihre Rache zu üben, kehrten wir zu unserem Schiff zurück, ohne sie
_ weiter zu belästigen. Es ist auffallend, dafs ein so wilder Volksstamm
so lange in unmittelbarer Nähe der Ansiedelungen einer eivilisirten
Nation existirt hat; aber ihre bewaldeten Berge bilden ihre Schutz-
wehr. Sicherlich haben die chinesischen Mandarinen Alles was sie
konnten gethan, die Wilden auszurotten. Um ihnen zu schaden, hat
man vor Zeiten selbst Tiger von China herübergebracht und hier in
Freiheit gesetzt; aber es zeigte sich, dafs die Wilden viel zu geschickte
Jäger und durchaus nicht geneigt waren, sich gutwillig fressen zu lassen.
Bei unserer Weiterfahrt kamen wir an prächtigen Bergen von sehr
bedeutender Höhe vorbei, die bis zum Gipfel bewaldet waren. Zu-
weilen waren von ihnen nur die Gipfel sichtbar; aber sie traten in
ihren kühnen Umrissen allmählich hervor, so wie die Wolken sich ver-
zogen. Bald zeigte sich ein Thal, welches sich vom Strande aus in
gerader Richtung landeinwärts zwischen den Bergen hinzog; aber ein
Flufs war nicht sichtbar.
Als wir uns der Sooau-Bay näherten, trafen wir mit einigen klei-
nen Booten zusammen, die vom Lande abgestofsen waren. Aus einem
derselben nahmen wir einen Mann an Bord und das Boot ins Schlepptau.
Die Leute in den Booten waren theils Chinesen, theils Mischlinge; sie
lebten von der Fischerei, und waren auch jetzt ausgefahren, fliegende
Fische zu fangen. Den Angaben dieses Mannes folgend, warfen wir
‚aufserhalb der Bai Anker bei 13 Faden Tiefe.
Am 18. fuhren wir zu Boot in den Hafen von Sooau, oder Saw-o,
"wie er von den Bewohnern genannt wird. Wir fanden bis an das Ufer
‚tiefes Wasser und guten Schutz für Schiffe, obgleich der Hafen den star-
ken Südostwinden etwas ausgesetzt ist. Zu beiden Seiten erhoben sich
chöne grüne Berge, von denen viele bis zum Gipfel mit Vegetation
deckt waren; das Central-Dorf, nach dem wir hinsteuerten, lag weiter
andeinwärts am Ufer eines Flusses, der in gewundenem Lauf zwischen
‘den Bergen nach der See sich hinschlängelte. Die Häuser der chine-
ischen Einwohner waren aus runden Steinen und Lehm erbaut und
mit Stroh gedeckt. Diese Leute sagten uns, dafs die Wilden auf den
gen zur Linken im Walddickicht lebten; sie wollten uns zu einem
selben, der eben ins Dorf herabgekommen war, hinführen, aber wir
en zu spät, er war schon wieder zurückgekehrt.
Die hiesigen Chinesen treiben mit diesen Wilden Tauschhandel;
erhalten von ihnen mancherlei Artikel, wie Kleiderstoffe und Felle,
ind manche trugen Stoffe, die von den Aboriginern gearbeitet waren.
214 Robert Swinhoe:
An die Wilden vertauschen sie Zeuge, die von China in Dschunken
hierhergeführt werden. Um sich gegen die Aboriginer zu vertheidigen,
halten und besolden sie eine Art Miliz von Scharfschützen, die einen
Patrouille-Dienst in den Bergen versehen. Diese Milizleute, von denen
mehrere herbeikamen um uns zu sehen, waren mit sehr schönen, gut
gehaltenen Luntengewehren und mit Messern, die sie im Gürtel trugen,
bewaffnet. Einer von ihnen hatte im Bein eine Kugelwunde, die er
bei Ausübung seines Dienstes von einem Wilden empfangen. Sie zeigten
uns einige Rehkeulen und Felle des Muntjak (Cervulus Reevesuw), wie
auch das Fell einer Katzenart; alle diese Dinge waren käuflich; aber
nach den Preisen zu schlielsen, die verlangt wurden, mufs der Mexi-
canische Dollar hier nicht so viel gelten wie bei uns. Von ornitholo-
logischem Interesse war unter dem, was ich mir hier verschaffte, nur
ein Pomatorrhinus und eine schwarze Seeschwalbe.
Nachdem wir das Dorf im Centrum der Bai verlassen, fuhren wir
quer über den Hafen nach einer kleinen Bucht zur Linken, und da
wir hier ein Dorf erblickten, ruderten wir ans Land. Eine grofse
Menge Männer und Weiber kam uns entgegen; sie gehörten zu unserer
Freude zu den von den Chinesen sogenannten Siekhwan oder gezähmten
Wilden. Von den Männern trugen einige das Haar lose, aber unter
den jüngern hatten nicht wenige ihren Kopf nach chinesischer Weise
geschoren. Ihre Hautfarbe war etwas dunkler als die der Chinesen;
ihr Gesicht hatte einen malayischen Schnitt. Von den Weibern waren
einige braun, andere fast weils; manche hatten ganz europäische Phy-
siognomien und durchaus keine schräg geschlitzten Augen. Ein paar
trugen Röcke oder sie hatten etwas über die Schultern geworfen; die
meisten aber hatten keine andere Bekleidung, als einen Umschlag um
die Lenden, der durch einen Gürtel festgehalten wurde. Ihr Haar hing
lose herab; doch hatten sie ein weilses oder rothes Stirnband. Die
meisten von diesen Leuten rauchten Pfeifen oder Rollen von Taback
in Cigarrenform.
Einer von den Männern sprach etwas chinesisch und wir verstän-
digten uns durch ihn mit den übrigen. Als wir nach ihrer Herkunft
fragten, sagten sie, sie wülsten nur, dafs sie von den Bergen gekommen
wären. Sie konnten uns nicht einmal sagen, wie alt sie wären; es
fehlte ihnen offenbar der Ausdruck für diesen Begriff. Sie wollten
nicht „Chin hwan“ oder „rohe Fremde“, sondern einfach Hwan-ah
„Fremde“ genannt werden, ebenso wie wir. Vor den ächten Wilden,
den Sang-fan, schienen sie sich eben so wie die Chinesen zu fürchten.
In ihrer Sprache ist der Laut A auffallend häufig. Von den ge-
wöhnlichsten Worten will ich hier ein paar mittheilen, die ich damals
notirte.
RR
Ein Besuch der Insel Formosa. 215
Larrat, Mann Lalom, Wasser
Tarroögan, Weib Khan Tammacko, rauchen
Wän-nak, Sohn Wafsoo, Hund
Kee-ah, Tochter Pah boöl, fechten
Boorrüar, Boot Mai, nein
La män, Feuer Oörr’o0, Kopf.
Sowohl im Bau ihrer Häuser wie in ihrer Lebensweise gleichen
diese Leute viel mehr den Chinesen, als der blutdürstigen Rage, die
wir vor ein paar Tagen gesehen hatten. Ja man kann kaum fried-
lichere und gutmüthigere Leute sich denken. Sie hatten noch nie ein
fremdes Dampfschiff gesehen; Nachmittags umschwärmten sie unser
Schiff bis spät zum Abend und sangen dabei eine ganz absonderliche
Melodie.
Die Chinesen nennen dieses Dorf Lamhongo, und ein Dorf an der
gegenüber liegenden Küste, das von Chinesen bewohnt und von uns
ebenfalls besucht wurde, Pakhongo.
Wir stiegen auf einen der benachbarten Berge und hatten von
ihm eine weite Aussicht. Rechts von den Bergen zog sich eine schöne,
angebaute Ebene hin, mit einem Flufs, der kurz vor seiner Mündung
sich nach verschiedenen Richtungen verzweigte; hinter uns lag die See,
vollkommen ruhig, während zu unsern Fülsen die unruhige Brandung
ihren weilsen Schaum gegen die dunkeln Felsen spritzte; zur Linken
lag der Hafen von Soo-au. Draufsen an den Felsen hatten sich zahl-
reiche Schwärme von schwarzköpfigen Seeschwalben vereinigt; und ein
paar hundert Schritt abwärts an dem Berge sals ein Affe, quiekend
und sich mit sich selbst unterhaltend. Am Eingang in die Bay ist ein
von der Brandung gepeitschter Tunnel, der den Felsen vollständig von
N. nach S. durchschneidet; die südliche Oeffnung ist grölser als die
andere, grofs genug, dafs ein Mann aufrecht in ihr stehen könnte.
Am 19. dampften wir mit Tagesanbruch von Soo-au fort, fuhren
um das Vorgebirge herum und befanden uns bald der trefflich ange-
bauten Ebene gegenüber, auf die wir Tags vorher von dem Berggipfel
eine so schöne Aussicht genossen hatten. Wir ankerten vor der Mün-
dung eines Flusses und machten Gig und Cutter fertig um ans Land
zu fahren. Von einem chinesischen Boot nahmen wir einen Fischer
an Bord, der uns das Fahrwasser bezeichnete; aber er rieth uns ab
in den Flufs hineinzufahren, da an der Barre eine wüthende Brandung
tobte. Wir schwankten; fuhren wir hinein, so war es fraglich, ob wir
ohne grofse Gefahr wieder würden hinauskommen können; kehrten wir
zum Schiff zurück, so verzichteten wir darauf, einen herrlichen Land-
strich kennen zu lernen. Wir schickten den Cutter zurück, und war-
teten in der Gig den Moment ab, wo eine kleine Dschunke über die
216 Robert Swinhoe:
Barre wegfuhr. Sogleich hiefs es: „Vorwärts!“ und wir kamen glück-
lich hinüber. Jenseits der Barre ging es in ruhigem Wasser weiter
und wir fuhren 8 Miles weit stromaufwärts. Der Flufs schlängelte sich
in zahllosen Windungen durch eine wohlangebaute Ebene hin und war
selten weniger als einen Faden tief.
Das erste Dorf, in welchem wir landeten, lag .am linken Ufer,
etwa 4 Miles von der Mündung. Es war von Siekhwan oder gezähmten
Wilden bewohnt und hiefs Polo Sinnawan. Die Leute waren aufser-
ordentlich freundlich und gutmüthig, viel gutmüthiger als die Chinesen,
und liefsen uns ihre rings umher unter Bäumen versteckten Wohnungen
sehen. Ihre Häuser ruhen auf Pfählen und haben einen Fulsboden von
Brettern. Die Einwohner stehen unter einem Aeltesten ihres Stammes
und unter einem Chinesen, der hier wohnt. Die Weiber schienen in
bessern Verhältnissen zu leben als die in Soo-au; sie hatten drei oder
vier Schleifen rothen Bandes in ihr Haar geflochten und einen Kranz
von grünen Schlingpflanzen aufgesetzt. Ihre Ohrläppchen waren mehr-
mals durchbohrt und fünf oder sechs dünne weilse Metall-Ringe hinein-
gehängt, jeder etwa von 2” im Durchmesser. Der Schmuck war für
das Ohr ziemlich schwer, sah aber durchaus nicht häfslich aus.
Zwei Miles weiter landeten wir in einem anderen von Chinesen be-
wohnten Dorfe, Namens Ke-ta-kan oder Le-teek-kan. Es soll
tausend Einwohner zählen und war der Hauptort an dem Flufse. Eine
gute breite Strafse durchschnitt das Dorf. Auch Provision war hier zu
haben, freilich nur in geringer Auswahl und zu sehr hohen Preisen.
Man zeigte uns die Felle eines Reh’s, eines Muntjak und einer Felis.
Die Bewohner behaupteten, wir müfsten Holländer sein; denn von an-
deren rothhaarigen Fremden hätten sie nie gehört. Die Umgegend war
mit Reis und Hirse bestellt: Reis scheint ihr Haupt-Exportartikel zu
sein. Dschunken bringen ihn nach Kelung und kehren von dort mit
Salzladungen zurück. Die Leute waren sehr begierig zu erfahren,
welche Waaren wir mitgebracht hätten, und wollten gern mit uns han-
deln. Nachdem wir noch etwas weiter stromaufwärts gefahren waren,
kehrten wir um und erreichten mit der zurückströmenden Fluth die
von der Brandung gepeitschte Barre. Wir landeten nochmals an einer
Sandbank, um ein paar Winkelmessungen vorzunehmen; sie war von
einem halbnackten Haufen chinesischer Fischer bewohnt, die durch den
Anblick einer Uhr in hohes Erstaunen versetzt wurden und dieselbe
für eine fremdländische Art Compals hielten. Wir hatten einige Mühe
die Brandung zu durchschneiden; unser Boot füllte sich dabei bis zur
Hälfte mit Wasser.
Am 20. Juni fuhren wir an Kelung Island vorbei und ankerten
um 40 Uhr Vormittags in Häfen von Kelung. Nachmittags brachen
BE A nn a aa
Ein Besuch der Insel Formosa. 217
wir zu einem Besuch der Kohlenminen auf, zu denen ein ziemlich
weiter Weg rund um die Bai führt. Sie liegen westlich ') vom Hafen
und werden von Chinesen bearbeitet, welche am Eingange derselben
in Hütten von Stroh und Holz wohnen. Es sind bier 11 oder 12
Schachte, die in verschiedener Höhe an dem der See zugewandten Ab-
hange eines Berges münden. Einen derselben habe ich, von einem
Mann mit einem brennenden Stück geflochtenen Papiers geführt, bis
ans Ende verfolgt. Er lief horizontal, war 3—4+'’ hoch und 3— 10’
und darüber breit. Die Kohlenschichten zogen sich zu beiden Seiten
in parallelen Linien hin, 1—3’ mächtig. Das Hangende und Liegende
bestand aus Sandstein; von der Decke aber träufelte beständig Wasser
herab und bildete unten mit dem Sande einen schlüpfrigen Schlamm.
Der Schacht war fast in gerader Richtung 240 Schritt lang und bog
am Ende plötzlich nach rechts ab. Kleine brennende Dochte in Oel-
lampen erleuchteten den Weg und wir fanden 5 oder 6 nackte Männer
mit Spitzäxten, die auf der einen Seite stumpf, auf der andern scharf
waren, bei der Arbeit beschäftigt. Die zu Tage geförderte Kohle ist
klein und bituminös und brennt schnell mit starker Hitze und Flamme.
Wahrscheinlich bildet sie die beste Sorte, die hier gefunden wird. Die
Leute forderten 20 Cents für den Picul, und versicherten, dafs fünf
Mann bei 24stündiger Arbeit nicht mehr als 30 Picul förderten. Sie
schaffen die Kohle, gleich nachdem sie sie losgeschlagen haben, hinaus,
und zwar in länglichen Körben, von denen jeder 1 Picul falst und die
auf Brettern über den schlammigen Boden gezogen werden. Wir kauf-
ten von diesen Kohlen für unsern Dampfer 96 Tons, die in 2 Tagen
an Bord geschafft wurden.
Am 22. Morgens um 8 Uhr brachen wir nach den Schwefel-
quellen auf, die 40 Miles von Kelung entfernt sind. Unsere Reisege-
sellschaft bestand aus 5 Personen, abgesehen von zwei Matrosen und
mehreren chinesischen Kulies. Nachdem wir durch die Stadt Kelung
hindurchgegangen waren, schlugen wir eine nordwestliche Richtung ein,
auf einer guten Strafse, bis wir zur ersten, 5 Miles von Kelung ent-
fernten Station, einem Dorf Namens Tye-hoo-lun, gelangten; 24 Miles
weiter machten wir an einer zweiten Station Halt, wo die Reisege-
sellschaft fünfviertel Stunden ausruhte, während der Botaniker und ich
unsere naturhistorischen Sammlungen zu bereichern suchten. Das Land
' war in der That schön, Alles frisch und grün. Aber merkwürdiger
{ Weise zeigten sich nur wenig Vögel; ich bemerkte nur den schwarzen
!) Dies scheint ein Druckfehler zu sein. Die von dem Rev. George Jones un-
tersuchten und ausführlich beschriebenen Kohlengruben (vrgl. diese Zeitschr. N. F.
Bd. VI, S.492 und Heine’s „Expedition in die Seen von Japan und Ochozk“ Bd. II,
8.315 ff.) liegen östlich von Kelung.
218 Robert Swinhoe:
Drongo, die rothe Rohrdommel und den kleinen Hoo-hoo (Centro-
pus). ') Wir trafen einen Mann, der unter Anderem ein Fell einer
Zibethkatze hatte, von einer Species, die ich bisher nicht gesehen und
die er Peihba nannte; er sagte, er habe es von den Bergen mitge-
bracht.
Zehn Minuten vor 3 Uhr erreichten wir das Dorf Massoo, das
hart an der See liegt und von dem wir Kelung Island deutlich erken-
nen konnten. Zu unserm grofsen Verdruls bemerkten wir, dafs wir zu
Boot in ein paar Stunden hätten hierhergelangen können, während wir
jetzt einen ganzen Tagemarsch gebraucht hatten. Wir machten für ein
paar Minuten unter einer schönen Banyane Halt, gingen dann durch
das kiesige Bett eines seichten Süfswasser-Flusses, und wählten an
dem Berge oberhalb der Dorfwohnungen einen kleinen Waldfleck aus,
um hier bis zur Abendkühle zu rasten. Zehn Minuten nach 6 Uhr
brachen wir wieder auf, folgten eine Strecke weit dem Strande und
bogen dann südwestlich landeinwärts ab, einen hohen Berg hinauf.
Bald nach Sonnenuntergang hörten wir den Lockruf der Bambu-Wachtel
von dem benachbarten Berge Ke-pah-kwai, während eine Eule ihren
Klagelaut ertönen liefs. Grofse Fledermäuse umflatterten uns, und der
Mond war unsere einzige Leuchte.
Erst gegen 9 Uhr erreichten wir Kim-paou-le, wo wir die Nacht
zuzubringen gedachten. Wir machten vor dem Choo-haw-keong-Tempel
Halt und wünschten den Aeltesten zu sprechen. Man liefs uns in den
Tempel hinein und bald empfingen wir den Besuch des Tsongle oder
Corporals, des Dorfvorstehers, der uns einige Eier und Congee schenkte.
Er versicherte, noch nie Weilse gesehen zu haben. Sobald er sich ent-
fernt hatte, bereiteten wir uns auf dem Fulsboden unsere Lagerstätten
und wünschten uns eine erquiekende Nachtruhe nach den Mühen des
Tages, wurden aber die. ganze Nacht durch zahlreiche Mosquitos aufs
Unerträglichste gepeinigt.
Am nächsten Morgen standen wir um 5 Uhr auf und machten uns
sogleich auf den Weg, sobald die Kulies gefrühstückt hatten. Der Him-
mel war bewölkt und wir befanden uns in guter Wanderlust; so mar-
schirten wir munter durch eine höchst anmuthige, hin und wieder be-
waldete Berglandschaft fort. Auf einer guten Stralse ging es vorwärts
durch Thal und Schlucht, bis wir, um einen Berg herumbiegend, den
1) Swinhoe beschreibt ihn in einer besonderen Abhandlung über neue Vogel-
arten auf Formosa unter dem Namen Centropus dimidiatus und unterscheidet ihn
von Centropus Philippensis, den die Europäer Krähen-Fasan nennen. Er ist nur
halb so grofs als der letztere, auch anders gefärbt. Der formosanische Vogel hat
Schnabel und Beine schwarz, Iris blutroth, Kopf, Nacken, Bauch und Schwanz grün-
lich schwarz, Rücken und Flügel hell nufsbraun. Das hier erhaltene Exemplar war
123” lang, die Flügel 5,9”, der Schwanz 7”.
Ein Besuch der Insel Formosa. 219
Dampf des Schwefels. und den wüsten Schlund bemerkten, aus dem
er emporstieg.
Die Gegend war sehr schön; längs eines Bergabhanges gingen
wir auf einem Pfade, der uns an einen brausenden Gebirgsbach mit
köstlich kühlem Wasser führte; stromaufwärts sah man eine pracht-
volle Schlucht voller Bäume, die über das schäumende Wasser sich
beugten; nach unten hin öffnete sich ein tiefes Thal; auf der andern
Seite erhoben sich die Berge sehr hoch und an einem derselben zeigte
sich der vegetationslose Schlund, der unaufhörlich graue Dampfsäulen
ausstiels. Nachdem wir über einen Wasserfall gegangen, erreichten
wir auf einem rauhen Pfade die Minen. Wir fanden keinen Menschen
dabei; eine kleine Strohhütte auf dem Berge war noch neuerdings be-
wohnt worden, jetzt war sie leer. Wir erfuhren später, dafs die Man-
darinen von Futschau Soldaten hierhergeschickt hatten, um die Benutzung
der Gruben zu verhindern, und dafs man in Folge dessen sie jetzt nur
heimlich und bei Gelegenheit verwerthet.
Der Schwefel kommt in einem Schlund vor, der so aussieht, als
ob die grünen, mit grobem Grase bedeckten Hügel auseinander ge-
klafft wären und ein tiefes Thal von gelb und roth gefärbtem Kalk-
stein gebildet hätten; an manchen Stellen dieses Schlundes wurde der
heifse Dampf mit furchtbarem Geräusch und grofser Kraft in spring-
brunnen-ähnlichen Strahlen ausgestolsen, wie der Dampf aus der Ab-
zugsröhre einer Dampfmaschine; an andere Stellen brodelten kleine
Lachen von reinem Schwefel, und man brauchte ihn nur auszuschöpfen
und abzukühlen, um ein gutes Handelsproduct zu erhalten. Auf dem
Boden der öden Schlucht rieselte ein trüber Bach hin, der den schwe-
felhaltigen Schlamm von dem Boden wegführte. Ein Schwefelpfuhl war
nicht weiter als 15’ unter mir, und sein Gestank war unerträglich; die
Erde unter meinen Füfsen zerbröckelte und dröhnte, als ob sie ein-
stürzen wollte; rings umher lagen Stücke von Kalkstein, die mit Schwe-
felkrystallen besetzt waren, während Käfer und Schmetterlinge, die un-
glücklichen Opfer dieser schädlichen Ausdünstungen, todt, ohne Flügel
und Beine, den Boden bedeckten.
Nachdem wir diese wilde Scenerie verlassen, traten wir nach kurzer
Rast auf einer andern Strafse, die uns der Führer vorschlug, den Rück-
weg an. Wir stiegen zuerst einen sehr hohen Berg hinan und gingen
dann eine Strecke weit über eine grasreiche Hochebene; am Ende der-
selben bemerkten wir in dem fernen Thal zu unsern Füfsen den Tamsuy
Flufs, der sich hier aus zwei Quellflüssen bildete; einer der letztern
führt nach Mangka, der andere in der Richtung nach Kelung auf-
wärts. Rasch gingen wir den Abhang hinab, über Hügel von mälsiger
Höhe, die mit niedrigem Kraut bedeckt und hin und wieder mit sülsen
220 Robert Swinhoe:
Kartoffeln und einer als Färbestoff verwendeten Species von Creanthasea
bestellt waren.
Hier, an einer hölzernen Planken-Brücke über einen Gebirgsbach,
machte die Gesellschaft für ein paar Minuten Halt, bis wir, der Bo-
taniker und ich, die. wir uns mancherlei Abwege erlaubt hatten und
stark zurückgeblieben waren, die Uebrigen einholten. Ich war hier so
glücklich gewesen, ein Exemplar eines Tauchers (Cinelus) zu erhalten,
einer mir bisher unbekannten Species, die wahrscheinlich dem Himalaya
angehört. Es ging nun auf einer guten Strafse über Weidegründe vor-
wärts, fortwährend bergab, die Landschaft verlor ihren wilden Cha-
rakter und zeigte mehr und mehr Cultur; zuletzt kamen wir über Wiesen
mit weidendem Vieh, und Pflanzungen von Nadelhölzern zeigten sich
hier und dort. Der Berg, den wir auf einer Reihe von unebenen Stufen,
rechts und links von Dickicht umgeben, hinabgestiegen waren, war sehr
steil und führte uns in die Ebene, ein weites Flachland voll wogender
Reis- und Hirsefelder, durchschnitten von zahllosen Flüssen und Wegen,
und mit ländlichen Ansiedelungen besetzt.
Wir folgten unserm Führer nach einem grofsen Dorfe Namens
Patsienah, wo wir um halb zehn Uhr Abends eintrafen. Vor dem Dorf
machten wir Halt und beriethen darüber, ob wir wohl hoffen dürften
hier ein Boot zu erhalten, auf dem wir in die Nähe von Kelung fahren
könnten. Wir gingen nach dem Boot-Hause und waren so glücklich
hier ein Boot für uns und ein anderes für unsere Kulies miethen zu
können. Beide waren grofs und bequem; sicherlich war es viel ange-
nehmer in ihnen die Nacht zuzubringen, als in den von Mosquitos
durchschwärmten Räumen eines Tempels. Wir hatten im Laufe des
Tages 30 Miles zurückgelegt, und schliefen in Folge dessen sehr ge-
sund, ungeachtet der Bewegung des Bootes.
Um 5 Uhr Morgens am 24. waren wir in Chuy-tng-ka, oder
„Dorf des Fluthendes“, bis zu welchem die Wirkung der Fluth sich
erstreckt. Da wir uns noch nicht sehr gestärkt fühlten, mietheten wir
zwei kleinere Boote, um die Rapiden hinaufzufahren, so weit es mög-
lich war. Da die Boote so klein waren, mufste die Gesellschaft sich
trennen. Der Botaniker und ich blieben zusammen; die Kulies mulsten
zu Fuls marschiren. Anfangs war die Fahrt auf dem glatten Strom,
unterbrochen durch das starke Rudern und Abstofsen in den Rapiden,
sehr angenehm; aber wie alle guten Dinge, wenn sie zu lange dauern,
endlich lästig werden, waren wir sehr froh an einem kleinen Dorfe
Namens Chittaw Halt machen zu können.
Hier sahen wir ein paar Regenpfeifer (Charadrius pusilla) zwi-
schen den Steinen umherlaufen, und hin und wieder eine Taube, die am
Ein Besuch der Insel Formosa. 221
Ufer ihr Futter suchte. Drongos hüpften umher und ein paar rothe
Rohrdommeln flogen mit hühnerähnlichem Gegacker unruhig hin und
her. Diese Thiere brachten Leben in die Monotonie unserer Reise;
aber „der sülse Erquicker der ermüdeten Natur“ nahm mich bald
wieder in seine Arme, und als ich erwachte, sah ich, dafs die Hügel
immer steiler und felsiger wurden, je mehr wir uns dem tiefen Becken
näherten, an dem unsere Reise endigen sollte. Hier machten denn
schliefslich unsere Boote Halt unter 22 andern, die sich hier bereits
versammelt hatten, denn weiter aufwärts ist der Fluls ein blofser Ge-
birgsbach. Das Dorf, an dem wir Halt machten, heilst Kang-ah-lai.
Da unsere Kulies bereits auf uns warteten, begaben wir uns sogleich
auf den Marsch. Auf einer hölzernen Brücke gelangten wir über den
Flufs, stiegen dann, durch einen abkühlenden Regen erfrischt, den Berg
hinauf und gelangten bald nach dem 2 Miles entfernten Kelung. Nach-
mittags um halb vier begaben wir uns an Bord des Dampfers, nach-
dem wir in 551 Stunden einen Weg von mehr als 80 Miles durch eine
ganz unbekannte Gegend zurückgelegt hatten.
Am folgenden Tage besuchten wir Flat Island, und kamen an
dem vor Zeiten von den Spaniern erbauten Fort vorbei. Der gröfsere
Theil der Insel besteht aus Sandstein, der in Quadern bricht und of-
fenbar von Eisenoxyd gefärbt ist; das Fluthwasser spült über ihn hin.
Der mittlere Theil der Insel hat eine dürftige Vegetation; nach der
See hin bilden weilse Korallen die Grenze. Auf den sehr zahlreichen
kleinen Felsen saflsen mehrere Seeschwalben, und auf den Sandbänken
ein paar Regenpfeifer. Einige chinesische Fischer fingen mit Angeln
den schön blauen und rothen Korallenfisch: vom Boot aus kann man in
dem klaren Wasser diese prachtvoll gefärbten Bewohner der Tiefe zwi-
schen den weilsen Korallenästen spielend umherschwimmen sehen. Von
den hier gefangenen Fischen ist einer der schönsten, was Farbenpracht
betrifft, aber einer der abscheulichsten an Gestalt der Papageifisch oder
Ying-ko-he. Ein paar von ihnen wurde an Bord gebracht und ich
kaufte einen. Er war 2’ lang, hellroth und blau gefärbt, und hatte
einen grofsen blauen Knoten auf der Nase. Sein Fleisch war sehr
schmackhaft, und der Knoten schmeckte gekocht wie das schöne grüne
Fett einer Schildkröte.
Wenn das Tageslicht hinschwindet, sieht man hier plötzlich auf
einem Boot im Hafen ein einsames Lichtehen aufblitzen, dann taucht
ein anderes und wieder ein anderes auf; und noch ehe die Dämmerung
herabgesunken ist, schimmern überall auf dem Wasser unzählige helle
Lichter und bewegen sich, wenn es dunkler wird, meteorgleich nach
allen Richtungen. Beim Einbruch der Abenddämmerung brechen näm-
9
L
222 Robert Swinhoe:
lich die Fischer auf, und fahren mit einem Bündel brennender Bam-
busstäbchen auf dem Vordertheil ihrer Boote hurtig hin und her, um
die Fische in die Netze zu schrecken.
Am 26. verlielsen wir Kelung und ankerten Nachmittags vor dem
Dorf Hawbe an der Mündung des Tamsuy-Flusses. Wir besuchten
das Dorf, fanden aber den dienstthuenden Beamten nicht anwesend;
er hatte sich nach Mangka begeben.
Am 27. Nachmittags hatten wir, als wir etwa 1 Mile von der
Küste entfernt waren, eine sehr klare Aussicht auf die schöne grüne
Ebene, in welcher wellenförmiges Weideland mit Streifen lehmigen Bo-
dens abwechselten, und auf die fernen in Wolken gehüllten Berge. Wir
versuchten in der Gig zu landen; aber da die Brandung wie gewöhnlich
zu heftig war, legten wir das Boot vor Anker und winkten einigen Ein-
geborenen, die sich am Ufer versammelt hatten, zu uns zu kommen.
Sie folgten bereitwillig der Aufforderung; wir nahmen einen von ihnen
ins Boot und erfuhren Folgendes von ihm. Ihr Dorf (unter 24° 19
45" N. Br. gelegen) hiefs Lampaw und ist 250 Li von Tamsuy ent-
fernt (man rechnet hier wie in China 3 Li auf eine englische Meile);
sie selbst waren Chinchew -Leute; die Stadt, die wir 15 Li weiter süd-
lich sehen konnten, hiefs Gaw-c'hay-kang, lag aber in einem andern
Distriet; ihr Dorf gehörte zum Teek-cham Distriet und stand unter
der Aufsicht eines Tsien-tsung. Wilde zeigten sich in dieser Gegend
nicht.
Am 29. statteten wir wieder den Mandarinen in Taiwan unsern
Besuch ab, und erfuhren, dafs vor wenigen Tagen ein Zweimaster auf
einer sandigen Landzunge bei Kok-si-kon gescheitert und untergegan-
gen war, während die Mannschaft — 11 Schwarze und ein Weilser —
sich gerettet habe und auf einer Lorcha nach Amoy zurückgefahren sei.
Einer von den Mandarinen sagte, das Schiff habe eine Ladung Opium
gehabt und Einiges davon sei gerettet worden; „aber“, fügte er mit
einem scheuen Blick hinzu, „es ist nicht gut, darüber zu sprechen.*
Es stellte sich später heraus, dafs das gescheiterte Schiff ein Hambur-
ger war, welches eine Opiumladung nach Takau führen sollte.
Bei der Rückkehr nach Amoy berührten wir die Pescadores und
aukerten in einem etwa 3 Mile von der Stadt Makung entfernten Ha-
fen. Der Beamte in Makung steht unter den Behörden von Formosa.
Er sagte uns, dafs die Producte der Inseln — Erdnüsse, Reis, Hirse u. a.
— dem heimischen Bedarf nicht genügten und dafs von Formosa Le-
bensmittel herübergeschafft werden mülsten; die heftigen Winterstürme
thäten den bebauten Feldern grofsen Schaden. Die Zahl der Einwohner
schätzte er auf 180000.
Nach der Zuvorkommenheit, mit der uns die Chinesen auf For-
Ein Besuch der Insel Formosa. 223
mosa überall entgegenkamen, mufs ich glauben, dafs sie etwaigen Schiff-
brüchigen mit Freundlichkeit begegnet und sie mit erster Gelegenheit
nach dem nächsten Consular-Hafen befördert haben würden. Aber
nach Allem, was wir von den Wilden gesehen haben, können wir nicht
umhin anzunehmen, dafs die Stunden der Unglücklichen, die in ihre
Hände fallen, gezählt sind. Ihr Blutdurst ist so grols, dafs, wie man
uns sagte, kein Mann um ein Mädchen freien darf, wenn er nicht den
Kopf eines von ihm erschlagenen Feindes vorzuzeigen im Stande ist.
IX.
Die Canadische Red River-Expedition in den Jahren
1857 — 1859.
Nach den Canadischen und Englischen Parlaments - Akten
von E. G. Ravenstein.
(Hierzu eine Karte, Taf. III.)
Als Hauptzweck dieser Expedition wird in den Verhaltungsbefehlen
vom 22. Juli 1857 eine genaue Untersuchung des Landes zwischen dem
Oberen See und dem Red River mit Hinsicht auf die Herstellung einer
leichten Verbindungsstrafse auf britischem Gebiete nach dem Red River
und schliefslich nach den anbauungsfähigen Gebieten jenseits angegeben.
Die Expedition bestand aus folgenden Mitgliedern:
George Gladman, als Chef, und sein Sohn Henry Gladman, als
Gehülfe;
der Civil-Ingenieur W. H. E. Napier und seine Gehülfen H. H.
Killaly, Edw. Cayley, C. de Salaberry und J. Cayley;
‚der Civil-Ingenieur S. J. Dawson und seine Gehülfen A. W. Wells,
L. A. Russel, G. F. Gaudet und Campbell;
Professor Henry Yule Hind, als Geologe, und sein Gehülfe W.
r Flemming;
‚der Civil-Ingenieur J. Diekenson, als Volontär.
* Im Frühjahr 1858 wurde George Gladman seiner Stelle als Chef
_ enthoben und Napier zurückberufen; Hind und Dawson mit Gehülfen
setzten ihre Arbeiten bis zu Ende des Jahres fort, und Gaudet und
Russel waren noch Anfangs 1859 mit Detailaufnahmen oberhalb Fort
- William bis zum Seine River beschäftigt.
urTE I. Vom Oberen See zum Red River.
Am 31. Juli 1857 landete die Expedition zu Fort William, von
wo man. der gewöhnlichen Canoe-Route bis nach Fort Francis folgte,
224 E. G. Ravenstein:
bei dem man am 19. August ankam. Hier trennte man sich; Glad-
man mit dem Gepäck nahm seinen Weg den Rainy River abwärts;
Napier mit einem Gehülfen erforschte die Winterroute über den Riviere
du Bois; Hind und Dawson sollten vom Lake of the Woods aus über
Land nach Fort Garry gehen. Der Plan der Letzteren wurde jedoch
theilweise durch die Weigerung der Indianer auf Garden Island, ihnen
Führer zu gestatten, und anderntheils durch Dawson’s Erkrankung ver-
hindert. Hind sah sich genöthigt, seinen Gefährten in der Islington
Mission zurückzulassen, und eilte den Winipeg abwärts nach Fort Garry,
wo er am 6. September, oder einen Tag nach Ankunft der übrigen
Expeditions-Mitglieder, eintraf. Dawson’s Ankunft verzögerte sich bis
zum 8. October. In der Zwischenzeit besuchte Hind den unteren Lauf
des Assiniboine, den Red River bis zur Grenze und den unteren Lauf
des Roseau River, und verliefs die Red River-Colonie am 9. October,
um über St. Paul (Minnesota) nach Toronto zurückzukehren. Glad-
man war schon am 15. September abgereist und nahm seinen Weg
über die Pigeon River-Route, die früher häufig von der North West
Company benutzt wurde.
Während des Winters 1857 bis 1858 machte man eine Instrumental-
Aufnahme des Red River zwischen Pembina und Fort Garry, und
zwischen dem Stone Fort und Fort Alexander; für die zwischenliegende
Strecke lag bereits eine gute Aufnahme vor, die vor etwa 10 Jahren
gemacht wurde. Im Januar und Februar steckten Gaudet und Wells
im Auftrage Dawson’s eine Linie von 86 Miles von Fort Garry nach
Lac Plat ab und untersuchten das Land im Süden und Norden davon.
Nach seiner Rückkehr von einem längeren Ausfluge nach dem Nord-
westen (siehe unten $. 230) begab sich Dawson mit seinen Leuten auf
den Rückweg nach dem Oberen See: man untersuchte dabei die Mün-
dung des Seine River, den Rainy River, und machte ein Nivellement
der Pigeon River-Route. Am Fort William angekommen (21. August
1858) wandte sich Dawson wiederum nach Westen, um eine flüchtige
Aufnahme des Seine River zu machen. Seine Gehülfen waren bis zum
Schlufs des Jahres und Anfang 1859 mit anderweitigen Aufnahmen be-
schäftigt: L. A. Russel untersuchte das Land zwischen Fort William
und dem Dog Lake mit Hinsicht auf die Herstellung einer Fahrstrafse;
Gaudet machte eine flüchtige Aufnahme des Dog Lake, eine Instru-
mental- Aufnahme des Dog River, Muskaig-See’s und Savanne River
bis zum Lae des mille lacs, von wo er Ende Februar im Begriff war,
seine Arbeiten auf den Seine River auszudehnen.
Die vorliegenden Berichte enthalten reichliches Material zu einer
allgemeinen geographischen Beschreibung des durchforschten Landes,
wir können uns jedoch hier füglich auf die Darstellung einiger neu er-
Sere®
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 225
scheinenden Punkte beschränken, da bereits eine grölsere Anzahl von
Werken über diese Gegend vorliegt ').
1. Höhenmessungen. Wie bereits angedeutet, beruhen die von
den Mitgliedern der Expedition verfertigten Karten grofsentheils auf
flüchtigen (cursory) Aufnahmen; Ausnahmen davon haben wir oben
angegeben. Wirkliche Nivellements machte man an allen Stellen, wo
die Schifffahrt unterbrochen ist; der Fall der Flüsse und Seen wurde
annähernd geschätzt. Dafs unter diesen Umständen die Mitglieder der
Expedition zu etwas verschiedenen Resultaten gelangten, ist nicht zu
verwundern. Wir theilen dieselben für die Hauptpunkte der Route
mit ?), und nehmen dabei den Oberen See zu 600 Fuls über der
Meeresfläche an.
Meereshöhe in englischen Fu/s.
! r on
Napier Hind ii Es Ju En 3)
Oberer Se... .| 600 600 600 600
Little Dog Lake. . . 961 963 956 971
Great Dog Lake. . . 1309 1311 1304 1319
Cold Water Lake . . 1330 1328 1322 1337
Prairie Portage . . . 1487 1485 1479 1483
Middle Portage . . . 1471 1469 1462 1477
Lac des mille Isles. . 1432 1433 1423 1435
Lake Francis . . . . 1278 1283 1271 _
Pickerel Lake . . . 1277 1281 1270 —
Lower Sturgeon Lake . 1152 1156 1145 —
Pine Lake. . . .. 1105 1117 1105 _—
Nameukan Lake. . . 1038 1046 1029 _
Bamy Lake; .]!. ı..,31'. 1029 1035 1020 1030 u. 1045
Lake of the Woods . 971 978 962 _
Lake Bonnet.. . . . 730 747 702 —
Lake Winipeg . . . 617 628 587 _
Kork Gasty. i 2.e.nellle 635 — —_ $ —_
1) Wir erwähnen unter Andern die „Reports on the Geological Survey of Ca-
nada“, Dr. Owen’s „Report on the Geological Survey of Minnesota“, Dr. Bigsby’s
'„The Shoe and Canoe“, Sir John Richardson’s „Boat Voyage“, Sir J. Alexander’s
„U Acadie“, Major Long’s „Expedition to the Sources of the St. Peter's River“, Frank-
19 zweite Reise, Ross’ Red River Colony u. s. w.
?) Die Zahl der Portagen (Trageplätze) auf der grofsen Canoe-Route ist 62,
auf der Pigeon River-Route bis zum Nameukan Lake 29, und 30 mehr zum Wini-
‚peg-See. Erstere haben eine Gesammtlänge von 41 Miles 484 Yards, letztere von
27 Miles 109 Yards.
Ei ?) Dawson’s spätere Angaben stimmen mit seinen früheren nicht ganz überein.
‘Von den beiden Angaben für Rainy Lake bezieht sich die Zahl 1030 auf die Mün-
dung der Seine, 1045 aber auf den See unterhalb der Bare Portage.
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 15
226 E. G. Ravenstein:
Für die Pigeon River-Route macht Dawson unter Anderem fol-
gende Angaben: Oberes Ende der Grand Portage 658 Fufs, Fowl Lake
827 F., Mountain Lake 1039 F., Watap und Mud Lakes 1054 F.,
Rose Lake 915 F., South Lake 937 F., Gunflint Lake 932 F., Seiga-
naga 818 F., Cypress Lake 762 F., Knife Lake 757 F., Basswood
Lake 662 F., Crooked Lake 598 F., Iron Lake 598 F., Nameukan Lake
474 Fuls, und Rainy Lake 445 Fuls über dem Oberen See.
Die Höhe des Oberen See’s wurde von Thomas Keefer mit Be-
achtung aller bestehenden Eisenbahn- und Canal -Nivellements berech-
net und auf seiner „Map of the Province of Canada ete. prepared for
the Canadian Commissioners of Ihe Paris Exhibition, Montreal 1855*
niedergelegt. Nach ihm hat der Ontario-See eine Höhe von 234 Fuls,
der Erie-See ist 564 F., der Huronen-See 573 F. und der Obere See
600 Fuls über der Meeresfläche. Für die Canoe-Route selbst besitzen
wir mehrere barometrische Beobachtungen. Oberst Lefroy (mit An-
nahme von 641 Fuls für den Oberen See) giebt der Prairie Portage
eine Höhe von 1361 Fuls, dem Rainy Lake 1160 Fufs und dem Wi-
nipeg-See 853 Fuls. Nach Sir John Richardson hat der Dog Lake
eine Höhe von 657 Fufs, der Cold Water Lake von 673 Fufs und die
Prairie Portage von 834 Fufs über dem Oberen See. Oberst Long
macht folgende Schätzungen: Oberer See 595 Fufls, Dog Lake 1000 Fuls,
Rainy Lake 1100 Fuls, Lake of the Woods 1040 Fuls und Winipeg-
See 630 Fufs.
2. Die Herstellung einer Handelsstrafse zwischen dem
Oberen See und dem Red River.
Bis der Handel zwischen Canada und dem fernen Westen eine
grölsere Entwickelung nimmt, hält Dawson die Herstellung einer Eisen-
bahn für zu kostspielig, und schlägt als das Praktischste vor, die schiff-
baren Strecken mit Dampf- oder Ruderbooten zu befahren und sie
durch Landstralsen zu verbinden. Die Gesammtkosten berechnet er zu
etwa 51,000 L. St.
Der Kaministiquia-Flufs ist nur für Canoes schiffbar, und selbst dann
durch acht Portagen unterbrochen. An die Canalisirung dieses Flusses
ist aber bei der hohen Lage des Dog Lake nicht zu denken, und man
schlägt daher vor, von Thunder Bay aus eine Landstralse nach dem
Dog Lake zu bauen. Der Dog River bis zum Cold Water Lake (35
Miles) liefse sich durch Aufstauung des Ausflusses des Dog Lake leicht
für kleine Dampfboote schiffbar machen. Von hier bis zum Savanne
River wäre eine Landstrafse von 5 Miles erforderlich; die 65 Miles
lange Strecke durch den Lake of 1000 Islands bis zu den Little Falls
des Seine River liefse sich durch Aufwerfung eines Dammes bei letz-
en u N N | RE
Die Canadische Red River -Expedition, 1857 — 1859. 227
teren schiffbar machen. Die Seine ') ist bis zu ihrem Einflufs in einen
langgestreckten Arm des Rainy Lake (67 Miles) häufig durch Fälle
und Stromschnellen unterbrochen, und da die Herstellung von Schleu-
sen vorläufig zu kostspielig wäre, schlägt Dawson vor, den Flufs an
fünf Stellen durch einfache Holzdämme aufzustauen; Material dazu findet
sich in der Nähe. Man erhielte dadurch bis zu den zwölf Portagen
fünf schiffbare Strecken von zusammen 59 Miles und, die Little Falls
eingerechnet, fünf Trageplätze von zusammen 2250 Fuls. Dampfboote
wären auf dieser Strecke nicht anwendbar. Die zwölf Portagen er-
fordern eine Landstrafse von 7 Miles Länge, aber von da an bis zum
Fort Franeis, eine Entfernung von 50 Miles, erhielte man eine ununter-
brochene Wasserstralse. Dort mufs der 22 Fufs hohe Fall umgangen
werden, sollte man nicht vorziehen, eine Schleuse zu bauen. Die Ent-
fernung bis zum Westende des Lac Plat ist 158 Miles und durchaus
schiffbar, da die Stromschnellen des Rainy River ?) selbst von kleinen
Dampfbooten überwunden werden könnten. Der Winipeg-Flufs ist für
die Schifffahrt ganz ungeeignet und man beabsichtigt daher, eine Land-
stralse vom Lac Plat ?) nach Fort Garry zu bauen, die bei einer Länge
von 914 Miles (die directe Entfernung ist 86 Miles) auf keine Terrain-
Schwierigkeiten stolsen würde.
!) Wo die Seine den Lac des mille Isles (Lake of 1000 Islands) verläfst, ist
sie ein stattlicher, über 100 Fufs breiter Fluls. Anfangs nimmt sie ihren Lauf durch
ein mit Cypressen und Pappeln bewaldetes Thal, an dessen Abhängen auch Fichten
vorkommen, Stellenweise verengt sich das Thal und der Flufs bildet dort Cascaden
oder Rapids. In ihrem unteren Laufe durchfliefst die Seine eine Reihe von Seen,
bis sie sich unterhalb der zwölf Portagen in einen Arm des Rainy Lake ergiefst. Auf
einer kleinen kegelförmigen Insel fand man Spuren von Kupfererz.
?2) Der Rainy River fliefst durch ein Alluvialthal, das auf der britischen Seite
eine Breite von 4 bis 8 Miles hat. Bis auf die Entfernung von etwa einer Mile ist
das Land trocken und dicht mit Pappeln, Ulmen, Eichen, Basswood und wenigen
Weifstannen bewaldet. Es folgt dann ein Sumpf (etwa 60 Fufs über dem Flusse),
1 bis 2 Miles breit, jenseits dessen sich das Land zu einer wenig hohen Hügelkette
erhebt. Der Flufs hat eine Breite von 460 Fuls, und ist etwa 6 Fufs tief. — Das
Land eignet sich vorzüglich zum Ackerbau. Weiterhin, am Lake of the Woods, ist
viel unfruchtbares Land, doch findet man auch sanfte, dicht bewaldete Abhänge, und
viele der Inseln sind fruchtbar. Die Indianer bauen hier Mais und eine Fehlernte
ist unerhört. Bei der Islington Mission baut man auf etwa 50 Acres Weizen, Kar-
toffeln u. s. w., aber nur gegen die Mündung des Flusses kommen gröfsere anbau-
fähige Strecken vor.
3) Im Allgemeinen ist das Land zwischen dem Red River und Lac Plat eben.
‚Die proponirte Strafse geht 311 Miles weit über eine offene Prairie und von da bis
zum Lac Plat durch ein mit jungem Walde bestandenes Land. Der Boden bis in die
Nähe des letztern besteht aus Lehm und ist fruchtbar. Die Sümpfe im Norden sind
meist wenig tief; eine 10 Zoll dicke Dammerde lagert hier auf Lehm oder Sand-
‚boden. — Dickenson, der im September 1857 die Gegend um den German Creek
erforschte, fand gleichfalls viel fruchtbares Land (besonders am Oak Creek); die letzte
Niederlassung liegt etwa 35 Miles über der Mündung des Flusses.
x 15*
228 E. G. Ravenstein:
Ist diese Route einmal hergestellt (1314 Miles zu Lande, 367 Miles
zu Wasser), so liefse sich die Reise vom Oberen See nach Fort Garry
in 72 Stunden machen, wenn man für die Dampfboote 10 Miles, für
die Ruderboote auf der Seine 4 Miles, und für die Landstrafsen 5 Miles
die Stunde in Anschlag bringt.
3. Die Red River-Colonie (Assinibeine) nach dem Census
vom 20. Mai 1856. Die Bevölkerung war 6691 Seelen (darunter 3440
weibl.). Unter ihnen waren 77 über 70 Jahre alt. 553 Familien waren
protestantisch, 542 katholisch. Die Colonie besafs 933 Wohnhäuser,
1191 Ställe, 409 Scheunen; 2681 Pferde, 3152 Ochsen, 3679 Kühe,
2784 Kälber, 4929 Schweine, 2245 Schafe; an Geräthschaften: 590
Pflüge, 672 Eggen, 2108 Karren, 542 Canoes, 55 Kähne. 8806 Acres
waren mit Weizen bestellt und der mittlere Ertrag wird zu 2 Bushels
per Acre geschätzt. An „Maschinen“ besals man 17 Windmühlen,
9 Wassermühlen, 1 Krempelmühle, 8 Dresch-, 2 Mäh- und 6 Worfel-
maschinen. — An öffentlichen Gebäuden gab es 11 Kirchen, 18 Schu-
len, 1 Frauenkloster der Barmherzigen Schwestern (grey nuns) und
1 Krankenhaus.
4. Meteorologische Beobachtungen. Unseres Wissens sind
bis jetzt noch keine regelmäfsigen Serien meteorologischer Beobach-
tungen vom Red River veröffentlicht worden. Dies ist der Grund,
warum wir folgende Tabellen in ziemlicher Vollständigkeit geben.
Die Resultate der ersten beruhen auf täglichen dreimaligen Beob-
achtungen, die Herr Donald Bunn an seinem Hause bei den Grand
Rapids anstellte. Zum Vergleich fügen wir eine Serie gleichzeitig zu
Toronto angestellter Beobachtungen bei.
Red River, Mr. Donald Bunn’s Haus. | Toronto.
Gröfseste | Tage Fall in = | 3 E Pose nu
Mittlere beobacht. | mit engl. Zoll y 8 | s all in Zo
Wäm| 58 I„.f8|8| 8 | 38 e= 5 = 3
2.(5:18 134.8. 3:18.58. 88
eE\E lJel2ale|)2a lo ||) le| oa
Juni 1855 | 69.10] 90 4 7 —| 6 — 3 | — 159.93] 4.07) —
Juli - 71.16| 92 5810 1— | 12 | — 4 | — |167.95] 3.24) —
August - 63.03] 79 44 71— 1125) — I — 1 1164.06] 1.45) —
September - 99.26] 82 401 9! —| 5! — | — | — 9.49} 5.59| —
October - 42.20] 76 19)— | 2] — | 21 — I — [45.39] 2.48) 0.8
November - 21.19] 40 —12|— | 6| 23 7 | —_ | — [38.58] 4.59! 3.0
December - —8.31[127 —48|— | 56.1.8] — 1 26.99 1.85] 29.5
Januar * 1856 J—10.55] 22 —361— | 3] — 51 — 1: 116.02) — 1 13.6
Februar - —1.71[| 35 —36|— | 41 — 61 — 2 115.69] — | 9.7
März - 9.09] 44 —32] — | 31 — ı 63) — 2 123.06) — | 16.2
April - 39.83] 66 14| 3) 2) 62.31 — I — 142.27] 2.78) 04
Mai - 58.46] 76 3153| 1 4 1 | — |50.52| 4.58) —
Jahr . . „| 34.38| 92 |—48] 39 | 26| 48;| 3924] 8 | 7 |42.50[30.63| 72.9
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 229
Die Regenmasse scheint hier nur geschätzt zu sein; nach den die
Tabellen begleitenden Bemerkungen sollen im Juni 10 Zoll Regen an
drei Tagen gefallen sein, im Juli 143 Zoll, im September 64 Zoll, im
April 5 Zoll Regen und 6 Zoll Schnee; die Angaben für die anderen
Monate stimmen überein. — Die Heuernte begann am 12. Juli, die
Gerstenernte am 1. August und die Weizenernte am 15. August. Im
September fingen die Blätter an zu fallen, die grauen Gänse zogen am
26sten nach Süden und die weilsen Gänse u. s. w. folgten bis zum 20.
October. Im November kamen die Schneevögel vom Norden. Die
amerikanischen Krähen erschienen als Frühlingsboten am 20. März und
die Gänse folgten am 2. April, als die Schneevögel wieder nach Nor-
den zogen. Am 29. April säete man den ersten Weizen. Ahorn und
Klosterbeerbüsche belaubten sich am 9. Mai. Der Eisgang auf dem
Red River fand am 17. April statt.
Die zweite Tabelle haben wir nach Beobachtungen Dawson’s und
seiner Gehülfen zusammengestellt. Bis zum 25. März wurden die Be-
obachtungen zu Fort Garry, von da an bis zum 6. Juli bei Dr. Bunn’s ')
Hause angestellt. Man benutzte einen Minimum -Thermometer.
E 5 2 „ 8 5 Gröfste ‘ ;
SS 89 &| = ®@| beob- | & » [Tagemit| + |
SAalm al 25 3 8 Pi} [2 5
z 014 5155 Jachtetel & & ‚,I®1s3 Zeit der
=s51°5t=<Sf9-+-,;15 E 52|8|38 | Beobachtung
5348| =22|12|3|3 |2|3|9|3
S#|S EBEN Ein w
September 1857| 12 ! 36 ] 53.501 77 | 35] 32.5] — | — 1 — 1 — fee 12206%
October - 129 | 84 |40.20|70| 20] 17 | 4 3|—| 3 |gewöhnl. 7.1.7.
November - 30 | 59 | 19.41 | 36 -12)-15 |— | 8I—| 3 8. 6.
December - 31 59 ]10.12|28 -8|-12 1. 4|j—| 4?)| 8. 9 oder 7.
Januar 1858] 31 | 83 | 5.78] 37 |-241-28 1 3]—]|1 8.72.78:
Februar - 128 | 84 | -1.73| 39 |-34|-37 | — | 8] — | — ”
März - 23 | 63 25.93 | 51 |-10/-19 3) 51 1] 2 =
April - | 23 | 69 |38.85[65 | 20] ı5 |-'—|—| 2 7.2. 8.
Mai - | 31 | 83 149.48|73| 31| 21 1 U a u
Juni - 30 | 75 |63.68| 88 | 45| 32 64 a2 =
Juli - 5.142 16800 1— | —1 47 I— | — | 1l— -
Am 8. November zogen die Gänse nach Süden, am 19. März ka-
men sie zurück. Eisgang auf dem Red River am 25. März; am 9. April
fing man an, das Land zu pflügen.
Auch über die Richtung der Winde enthalten die vorliegenden Ta-
bellen Nachweise und setzen uns in den Stand, folgende Zusammen-
stellung zu geben, die freilich viel zu wünschen übrig läfst.
') Hind schreibt Dr. Bunn, in seinem Bericht aber steht Burn. Dawson schreibt
Dunn; wir halten die erste Schreibart für ‚die richtige.
2) Und eine Fata Morgana (Mirage).
230 E. G. Ravenstein:
Dr. Bunn’s Beobachtungen (nach Hind).
1855 1856 e
Windrich- ni nn are ;
tung 5 8 | EONZC REAN NE RNNRE RS
EM: Bull uE.l 3 LS 65 | Ele z
HEHE EEE ERBE
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Nondragen band]. Ibiß-Tan Br! muß FarBitke Ziih Dre
Nordost II — a ” 1|—ı — | — 2 2 | 13
Ost. a lg DOT Ze I Nee nes
Südost JE. 5 3, 31 10-1 10-103) 4| 1721
Süd 5111480 410 6 | 10 | 10 |. 51107
Südwest. . 3 3 land 2; 4 2, Tu 8 2 3 4 | 42
wer no eo 2 ar a on NEE RER
Nordwest . 2 27 ee 193 m pe 2 9 7 2 1129
Verschieden 111-1... 4ı— A DE BE u BE au Be 12
Windstille RE a Fe er
keine Beob- |
achtungen I— '— | —|i—-— 1-1 1 —-1- 10-11-1131 13
Dawson’s Beobachtungen.
1857 1858
Arreemees
Windrichtung 8 £ E | 5 E E Ns] In E
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2°|1%8 IAalsıa 8, < S | 5 S
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Südwest, .... 0/04 1,4,.3 1, L,1 — | — ı —ı— 1, 2, A 1)
Wesu. 0-8... 4 -—_ 11 3 A Ayla Maalan 32
Nordwest... .... 3442.16 lebe | 23 3a MT 2 33
Verschieden ....| — |-1 3 41 — 3 1 6.1.10 | 13 37
Windstile » .... = el 6 #32344 19H 34 ol lc — | 76 90
keine Beobachtungen] 18 | — — 21 2 1 4bu-td rad 38
II. Forschungen im Westen des Red River, 1858.
Dawson und Wells, 10. Mai bis 29. Juni 1858. — Dawson
entschlofs sich, diese Reise so weit als möglich mit Canoes zu machen,
da er glaubte auf diese Art eine bessere Kenntnils des zu durchfor-
schenden Landes zu erhalten. In Gesellschaft seines Gehülfen ging er
bis zur Mossy Portage am oberen Ende des Winipeg-See’s, und wäh-
rend dieser den Niveauunterschied zwischen dem Bourbon-See und
Winipeg bestimmte, ging Dawson bis zur Grand Portage hinab. Nach
seiner Rückkehr trennte man sich: Dawson ging den Swan River auf-
wärts nach Fort Pelly, von wo er den Assiniboine River hinab nach
dem Red River zurückkehrte; — Wells durchforschte die Westküste
Eee
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 231
des Winipegus-See’s, besuchte Dauphin Lake, ging dann über den
Little Saskatchewan River nach dem Winipeg-See und über diesen
zurück nach dem Red River.
Die Strafse vom Red River nach dem Manitoba-See führt durch
eine unabsehbare, wenig wellenförmige Prairie. Gegen den See hin
werden Baumgruppen häufiger. In den wellenförmigen Vertiefungen
kommen wohl einige Sümpfe vor, demungeachtet kann man jedoch das
ganze Jahr hindurch mit Fuhrwerk jeder Art passiren. Das nordöst-
liche Ufer des See’s ist höchst einförmig; durch die beständige Wir-
kung des Wassers hat sich bier ein hoher Schuttdamm, aus abgerun-
deten Stücken von Kalksteinen und wenigen Granitblöcken bestehend,
gebildet. Der Gipfel dieses Dammes ist meist dicht bewaldet und zwi-
schen ihm und der reichen Alluvial-Ebene hinter ihm erstreckt sich
ein Sumpf, der eine halbe bis zwei Miles breit ist. Der See ist einige
hundert Fuls von der Küste nur 15 bis 18 Fuls tief. — Der Sangu-
sepi (Sanguissippi) oder Water Hen River verbindet den Manitoba mit
dem Winipegus; er hat eine Tiefe von 6 bis 8 Fuls, einige Stellen
ausgenommen, wo er bei raschem Lauf nur 5 Fuls tief ist. Der Spiegel
des Winipegus-See liegt etwa 5 Fufs über dem des Manitoba, und der
See ist um eben so viel tiefer, ausgenommen an seinem oberen Ende,
wo er eine Tiefe von 36 bis 50 Fufs hat. In seiner Mitte wird das
Land etwas höher, die Sümpfe hören auf, und an einer Stelle kommen
geschichtete Kalksteine von etwa 30 Fufs Höhe vor. Ein fast kahler
Rücken (ridge) trennt den Winipegus vom Bourbon-See, der 4 Fufs
tiefer liegt. Das Land bis zum Grand Rapid ist nicht sehr einladend.
An vielen Stellen tritt der Kalkstein zu Tage, an anderen hat er eine
dünne Decke von Pflanzenerde, die mit zwerghaften Cypressen, Tannen
(Abies Canadensis, engl. spruce) und Espen bewachsen ist. Einige der
Inseln scheinen jedoch fruchtbar zu sein. Der Grand Rapid ist etwa
3 Miles lang und der Flufs hat einen Gesammtfall von 60 Fuls; an
seinem oberen Ende hat er eine Breite von 1800 Yards, an seinem
unteren von 2 Miles. Beide Ufer, aber besonders das südliche, werden von
schroffen Kalksteinfelsen gebildet. Kähne können mit Leichtigkeit den
Flufs abwärts fahren und auch theilweise hinaufgeschleppt werden ’).
Am 4. Juni wandte sich Dawson nach dem Swan River; Wells
ging nach Süden. Die Ebene zwischen dem Red Deer und Swan Ri-
ver und den 1500 Fufs hohen Poreupine Hills ist gut bewaldet. In
der Nähe des Swan River entspringen auf einer kahlen, wenig erha-
1) Franklin (S. 45) giebt die Entfernung von der Mündung des Saskatchewan
bis zum Fufse des Grand Rapid zu 2 Miles an; in dieser Entfernung hat der Flufs
eine Breite von 500 Yards bis zu einer halben Mile, und mehrere Rapids kommen
vor. Die Tragestelle selbst hat eine Länge von 1800 Yards.
232 E. G. Ravenstein:
benen Fläche von 20 Acres zahlreiche Mineralquellen, die alle Gas aus-
stolsen; einige sind salzig, andere gleichen in Geschmack und Wirkung
dem St. Leon-Wasser in Unter-Canada.
Der flache reifsende Shoal River, 150 bis 300 Fufs breit, verbin-
det den Winipegus mit dem Swan Lake. Die Ufer des Swan River
sind Anfangs niedrig, steigen jedoch nach den ersten 10 Miles bis bei-
nahe 100 Fufs an. Die Strömung ist hier sehr stark und das Flufs-
bett mit abgerundeten Granitblöcken und Kalkstein- Fragmenten ange-
füllt. Etwa 30 Miles über dem Swan Lake fängt die eigentliche Prairie
an; der Flufs windet sich durch ein schönes Thal, seine Ufer erheben
sich 80 bis 100 Fufs und die Ebene erstreckt sich von ihnen bis zum
Fufse der Poreupine und Duck Mountains. Weiterhin, in der Rich-
tung des Thunder Mountain, ist das Land äufserst schön, und das lieb-
liche Grün der Prairie, im Wechsel mit Wäldchen, und im Hintergrunde
die blauen Hügel, geben dem Ganzen das Aussehen künstlicher Park-
Anlagen. Thunder Mountain ist nur eine hervorragende Erhebung in
dem Höhenzuge, der sich von hier bis zu den Duck Mountains erstreckt,
und den man übersteigen mufs, um vom Wachposten am Valley Creek
(wo zahlreiche Pferdeheerden weiden) nach Fort Pelly zu gelangen; er
hat hier etwa 250 Fuls Höhe. Am Fort Pelly schiffte sich Dawson
auf dem Assiniboine ein; bis zur Mündung des White Mud River ist
der Flufs eingeengt und gewunden, voll von Untiefen und Rapids.
Weiterhin bis zum Fort Ellice schlängelt er sich durch ein 1 bis 2 Mi-
les breites Thal; die Thalgehänge nehmen nach und nach an Höhe zu,
bis sie bei Fort Ellice 250 Fufs hoch sind. Steigt man diese Abhänge
hinauf, so blickt man auf eine unabsehbare Prairie. Die Flufsufer
sind meist bewaldet, und der Wald nimmt manchmal das ganze Thal
ein; stellenweise jedoch reicht der grüne Teppich der Prairie bis
zum Flusse hinab. Der Charakter des Flusses bleibt bis zum Rapid
River, wo die Abhänge niedriger werden, derselbe. Etwas oberhalb
der Mouse River-Mündung tritt der Flufs in eine Region von Sandhü-
geln ein, durch die er sich einen Weg bahnt. Sand lagert hier auf
festem bläulichen Thon und stellenweise tritt Kalkstein mit organischen
Resten zu Tage '). Das Land ist quellenreich und die Thäler zwi-
schen den Hügeln bieten gute Weide. In der Nähe der Grand Por-
tage verläfst der Flufs die Sandsteinhügel und wird für grölsere Fahr-
zeuge schiffbar; oberhalb ist er es nur für Canoes.
Dawson theilt das ganze von ihm erforschte Gebiet im Westen
des Red River in drei Regionen.
") Durch Vermittelung des Geologischen Amts von Canada wurden einige der
von Dawson eingeschickten Fossilien näher untersucht, und alle beweisen die Exi-
stenz der secundären Kreide-Formation im Westen des Winipeg- See’s.
=
| Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1858. 233
1.. Eine ausgedehnte Alluvialfläche erstreckt sich von 49° bis zum
Saskatehewan; im Osten und Nordosten begrenzt sie der Winipeg-See
und die Waldregion zwischen dem Red River und Lake of the Woods,
_ im Süden und Westen der Höhenzug, der sich von den Turtle bis zu den
| Pasquia Mountains erstreckt. Etwa ein Drittel dieses Gebietes ist offene
| Prairie, zwei Drittel sind bewaldet. Im Süden, bis zum Winipeg, wiegt
|
die Prairie entschieden vor, aber je weiter wir nach Norden gehen,
desto häufiger werden Waldungen, bis sie zuletzt das ganze Land be-
decken. Die ganze Region ist eben, und ausgenommen in der unmittel-
baren Nähe des Winipeg und Saskatchewan, ist der Boden so ergie-
big, dafs erfahrungsmälsig Weizen 20 Jahre hintereinander gebaut wer-
- den kann, ohne ihn zu erschöpfen. Seen und Sümpfe nehmen einen
grofsen Theil des Landes ein, letztere aber, so weit Dawson sie kennen
lernte, sind Marschland mit festem Alluvialboden und können von Pfer-
- den und Hornvieh fast in jeder Richtung durchwatet werden. Zudem
liegen sie fast immer höher als die benachbarten Flüsse und könnten
daher leicht trocken gelegt werdee. Alle Bäche haben eine mehr oder
- minder dichte Einfassung von Wald, wo auch Eichen und Ulmen, doch
in geringer Zahl, zu finden sind. In den Waldungen herrschen Pappeln
vor, und an den Ufern der Seen und Flüsse findet man Lärchen, Tan-
nen (spruce), Birken und Eichen, die als Nutzholz von Werth sind.
2. Die zweite Region umfafst die Wälder, die sich im Westen der
_ vorigen in einer Breite von 40 Miles ausdehnen. Schroffe Thalhänge
und mit dichtem Wald bedeckte Hochebenen wechseln hier ab mit aus-
gedehnten fruchtbaren Thälern. Zahlreiche Bäche entspringen den Hü-
geln und eilen dem Assiniboine oder den Winipegus- und Manitoba-
Seen zu. Unter den Anhöhen sind nur die Porcupine Hills und die
Thunder Mountains eigentliche Hügel: Duck und Riding Mountains
aber sind ausgedehnte, von tiefen Schluchten durchschnittene Plateaus.
Vom Winipegus-See aus gesehen haben erstere ein vollkommen gleich-
mälsiges Profil, etwa 5—600 Fufs über dem See. Bau- und Nutzholz
findet man hier genug, um künftige Ansiedler für Generationen damit
zu versehen. Die hügeligen Theile sind meist dicht bewaldet und in
den Thälern halten Wald und Prairie sich fast das Gleichgewicht.
Salzquellen kommen an verschiedenen Stellen des Winipegus-See’s vor,
und genug wird hier gewonnen für den Gebrauch der Hudson’s Bay
Company und der Red River Colony. Auch Steinkohlen findet man
Red Deer River, am Thunder Mountain, bei Fort Pelly und am
‚Assiniboine.
3. Als dritte Region bezeichnet Dawson die ungeheure Prairie,
ie sich fern nach dem Westen erstreckt. Im Allgemeinen ist diese
gion eben, oder doch nur wenig wellenförmig, mit geringer Neigung
|
234 E. G. Ravenstein:
nach Ost. Aber selbst an ihrer Ostgrenze ist ihre Erhebung über
dem Red River bedeutend. Die Fluflsthäler dieser Hochebene sind 150
bis 200, ja selbst 300 Fufs tiefer als das allgemeine Niveau des Lan-
des. Sie sind von einer halben Mile bis 3 Miles breit und haben ge-
wöhnlich eine gleichförmige Bildung, während der Lauf der sie durch-
ziehenden Flüsse sehr gewunden ist. Die Prairie ist der des alluvialen
Red River-Thales sehr ähnlich und scheint fruchtbar zu sein. Holz
mangelt jedoch und ist nur im Thale des Assiniboine hinreichend vor-
handen, um die Bedürfnisse einer Niederlassung zu befriedigen. Fast
alle Bäche sind für Canoes schiffbar, es würde aber ungeheure Kosten
verursachen, sie für gröfsere Fahrzeuge brauchbar zu machen. Den
Assiniboine können zwar bei Hochwasser Flachboote hinabfahren, es
wäre aber äufserst schwierig und zeitraubend, Fahrzeuge irgend wel-
cher Art hinaufzuschaffen, denn der Flufs hat stellenweise einen Fall
von 10 Fufs auf die Mile, und vom Rapid River zur niederen Prairie
ist der Fall wenigstens 300 Fufs auf etwa 60 Miles.
Wells verliefs Mossy Portage, wie oben angegeben, am 4. Juni.
Die Westküste des Winipegus-See’s eignet sich besser zur Ansiedlung
als das Ostufer; das Land ist höher, die Vegetation mehr entwickelt,
und Ahorn, Ulmen, Eichen und Pappeln findet man bis zum Seeufer.
Der Duck Mountain erhebt sich allmählich vom See aus und bildet
3—-400 Fufs hohe Tafelländer mit Alluvialboden und schön bewaldet.
Im südlichen Theile des See’s sind drei Salzquellen und an einer wurde
Salz gewonnen. Hier und in der Duck Bay leben 40 bis 50 half-breeds,
die etwas Kartoffeln bauen; Fische und wildes Geflügel sind häufig.
Die Indianer am Dauphin River bauen aufserdem noch indisches Korn
und Melonen; Reben, Hopfen und Wicken findet man wild. Dauphin
oder Moss River ist etwa 40 Yards breit und seine geringste Tiefe ist
5 Fuls. Die Ufer des Flusses bestehen aus festem graulichen Thon, |
auf dem schwarze Dammerde lagert, und sind mit Eichen, Ulmen und |
Pappeln bewachsen. Anstehenden Kalkstein sah Wells nur an zwei
Stellen: auf dem Snake Island und am untern Dauphin. Der Dauphin-
See ist 30 Miles lang und 6 Miles breit; im Westen begrenzen ihn die
Riding Mountains, und von seinem Südufer soll eine theilweise bewal-
dete Prairie sich bis zum Assiniboine erstrecken. An die Mündung
des Dauphin River zurückgekehrt, wandte sich Wells nach Osten, um
durch den kleinen Saskatehewan-Flufs den Winipeg-See und Red Ri-
ver zu erreichen. Die Missions-Station Fairford oder Partridge Crop
besteht seit etwa sechs Jahren; sie besitzt eine kleine Kirche, Schule,
Mühle und einige wohlgebaute Wohnhäuser, und hat 250 indische und
half-breed-Einwohner. Das umliegende Land ist zwar fruchtbar, es.
hält aber schwer, die Indianer dem Ackerbau geneigt zu machen, da
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 235
der Fischfang und die Jagd alle ihre Bedürfnisse befriedigen. Man
baut hier unter Anderem Weizen und indisches Korn.
Hind, Diekenson, Fleming und Hime '). — Am 14. Juni
1858 verliefsen die Expeditions-Mitglieder, mit Ausnahme von Dicken-
"son, Fort Garry. Man folgte dem Nordufer des Assiniboine; im Süden
des Flusses, etwa 30 Miles vom Fort, hebt ein stattlicher Wald an,
der sich weithin erstreckt; das Nordufer und die Prairie am Little
Souris River sind jedoch von Wald entblöfst, und selbst das tiefe Flufs-
thal enthält nur wenig Gehölz. Lignit fand man am Snake Creek. An
der Grenze (49°) angekommen, folgte man dem Red Deer’s Head River
15 Miles weit, und wandte sich dann nach Norden zum Fort Ellice.
Auf der offenen Prairie, die sich bis dahin erstreckt, sah man einige
Büffel, und zahlreiche Schwärme von Heuschrecken zogen mit dem
Winde nordwärts. Am 18. Juni kam man an der Qui appelle -Mis-
sion ?) an, wo man sich trennte: Diekenson ging den Qui appelle -Flufs
‚abwärts nach Fort Ellice, und von da über Land nach Fort Pelly, wo
er mit Hime, der unterdessen den Last Mountain Lake besucht hatte,
zusammentraf. Hind und Fleming wandten sich nach Westen.
4. Hind und Fleming. Die ersten drei Seen im Westen der
"Mission haben eine Tiefe von etwa 50 Fufs und enthalten süfses Wasser,
das des vierten ist jedoch salzig und untrinkbar. Das Thal des Qui
appelle ist eine halbe bis anderthalb Miles breit und das Flufsbett liegt
140 bis 400 Fufs unter der Prairie. Die Wasserscheide zwischen dem
Qui appelle und dem Saskatchewan ist durch Sümpfe bezeichnet, welche
im Frühjahr einen seichten See bilden (86 Fufs über dem Saskatche-
wan), dessen Wasser nach Osten und Westen abfliefsen. Im Frühjahr
soll der ganze Qui appelle River bis zum Assiniboine einen engen See
bilden, und Canoes könnten zu dieser Zeit vom Red River nach dem
Saskatschewan ohne umzuladen gelangen. Hind hält die Herstellung
einer Wasserstralse für möglich; Dawson glaubt jedoch, dafs der mitt-
lere Lauf des Assiniboine allein diesen Plan unausführbar mache. Der
Last Mountain Lake erstreckt sich bei einer Breite von nur 1 bis 2 Mi-
les »0 Miles nach Nordwesten, und ein Thal soll ihn mit dem Sas-
katchewan verbinden. Er ist fischreich, aber seine felsigen Ufer bieten
? wenig Nutzholz. — Der Saskatchewan hat auf eine Strecke von
" !) Hime stiefs erst im Frühjahr 1858 als Photograph zur Expedition.
_ °) Hind erwähnt das von Palliser besuchte Qui appelle-Fort mit Mission gar
t; es ist jedoch möglich, dafs beide identisch sind; ehe jedoch Hind’s Karten
eröffentlicht sind, läfst sich darüber nicht entscheiden.
236 E. @. Ravenstein:
Moose Woods eine einförmige Prairie mit wenigen Espen-Gruppen,
weiterhin findet man aber ergiebige Dammerde in geringer Entfernung
vom Flusse. Vom Fort ä la Corne, gegenüber der Nepoween-Mission,
nahm Hind seinen Rückweg nach Fort Ellice über die Touchwood Hills,
die er in Hinsicht auf landschaftlichen Reiz und ergiebigen Boden als
die für eine Ansiedelung am Besten geeignete Stelle im Westen des
Assiniboine hält. Fleming setzte seine Reise auf Canoes den Saskat-
chewan abwärts fort, und kehrte über den Winipeg-See nach ‚dem
Red River zurück.
2. Diekenson, 20. Juli bis 23. August 1858. — Der Qui appelle
River hat eine Breite von 70 bis 100 Fufs und ist von 2 bis 5 Fufs
tief. Seine Strömung beläuft sich im Durchschnitt auf 13, zeitweise
aber auf 3 Miles die Stunde. Sein Lauf ist äulserst gewunden und
seine Länge ist die doppelte des Flufsthales, das. bei einer Breite von
4 bis 1 Mile 250 bis 350 Fufs unter der Prairie liegt. An mehreren
Stellen erweitert sich der Flufs zu Seen. Der untere Fishing Lake ist
6 Miles lang, und 30 bis 66 Fufs tief. Crooked Lake (Ka-wa-wa-ki-
mae der Creeks) ist 8 Miles lang, #4 bis 1 Mile breit, und nirgends
weniger als 24 Fufs tief. Die Südhänge des Thales sind mit Espen,
Eichen, Ulmen und wenigen Balsam-Pappeln bewaldet, im Norden ist
jedoch in Folge der von den Indianern angelegten Feuer kein Pflanzen-
wuchs. Etwa 2 Miles unterhalb des Round Lake ist das Flufsbett auf
eine Strecke von 300 Fufs dicht mit Granitblöcken (Zoulders) besäet.
Die Indianer heifsen diese Stelle A-si-ne-pi-che-pu-ya-kan oder „starke
Barriere“. Die Strömung ist rasch und die Schifffahrt selbst für Ca-
noes gefährlich. Am 2. Juli kam Dickenson am Fort Ellice an, von
wo aus er seinen Weg nach Fort Pelly über Land nahm. Auf den
ersten 15 Miles ist der Boden ein leichter, mit Sand gemischter Thon
und stellenweise ganz reiner Sand, meistens von einer kriechenden
Pflanze überwachsen, die wachholderähnliche Beeren trägt. Gras ist
nur kärglich vorhanden und nur hin und wieder findet man ein paar
Zweig-Espen. Weiterhin (auf 60 Miles) ist jedoch das Land fruchtbar;
Sümpfe und Teiche sind häufig. In der Nähe des White Mud River
endlich hebt ein dichter Espenwald an, der sich bis zum Fort Pelly
hinzieht; die Bäume sind jedoch nur 5 bis 15 Fufs hoch; die offenen
Stellen bilden herrliche Weideplätze. Die vielen Sümpfe liefsen sich
leicht in den benachbarten White Mud River abziehen, der hier 70 Fuls
breit und 4 Fufs tief ist und einen äulserst raschen Lauf hat.
Am Fort (1. August) stiefs Dickenson mit Hime zusammen, in
dessen Gesellschaft er seine ferneren Ausflüge unternahm. Ein Abste-
cher nach dem Swan River überzeugte die Reisenden von der Frucht-
barkeit dieses Thales. Am 4. August reiste man von Fort Pelly ab
a. 4
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 237
und folgte dem Westfulse der Duck- und Dauphin-Berge, die sanft
von der Ebene ansteigen und deren Gipfel mit undurchdringlichen
- Pappelwäldern bestanden schienen. Wegen der auflserordentlichen Dich-
tigkeit des jungen Pappelwaldes, die noch aulserdem durch die halb-
verbrannten, mit hohem Gras, Wicken und anderen Schlingpflanzen
überwachsenen Stämme alter Bäume vermehrt wurde, schlugen mehrere
Versuche, den Gipfel zu erreichen, fehl. Bis zum Oak River oder klei-
nen Saskatchewan (nach Dawson hat der Rapid River noch letztere
Benennung) ist der Boden äufserst fruchtbar, und was Fruchtbarkeit,
Holz- und Wasserreichthum anbelangt, übertrifft diese Gegend alle an-
dern von Diekenson besuchten. Das Thal des Oak River sinkt etwa
80 Fufs unter das allgemeine Niveau und ist #4 bis I Mile breit; der
Flufs selbst hat einen äulserst raschen Lauf; seine Breite ist 40 Fuls
' und seine Tiefe 5 Fuls. Dickenson folgte dem Flusse etwa 15 Miles
weit aufwärts, wo die zu dichte Vegetation ihn zur Rückkehr zwang,
und begab sich dann nach seiner Mündung in den Assiniboine. Das
- Flufsthal ist fast durchaus fruchtbar und bewaldet; schöne Weide mit
nn Blumen findet man an einigen offenen Stellen. Ge-
gen die Mündung hin wird der Pflanzenwuchs jedoch kümmerlich, und
an der Mündung selbst findet man nur Sand, mit Kieseln gemischten
_ Thon und erratische Blöcke. Am 23. August traf man zu Fort Ellice
mit Professor Hind zusammen und kehrte alsdann nach dem Red Ri-
ver zurück.
Hind und Fleming’s zweite Reise nach dem Nordwe-
sten, 18. September bis 31. October 1858. — Bis zur Mündung des
Little Saskatchewan folgte man dem Westufer des Winipeg-See’s.
Auf dieser Strecke trifft man öfters zu Tage liegende Sand- und Kalk-
steine und silurischen Schiefer, aber mit Ausnahme von Sandsteinen,
für Bau- und Mühlsteine geeignet, und gelbem Ocker in kieseligem
Kalkstein findet man keine nützlichen Mineralien. Die gewöhnliche
Tiefe des See’s bis auf eine Entfernung von 2 Miles von der Küste ist
12 bis 24 Fuls; die gröfseste gemessene Tiefe war 60 Fuls. Die Fel-
sen am Ufer sind nur selten über 60 Fufs hoch.
Der kleine Saskatchewan durchfliefst ein flaches Land; seine Ufer
bestehen aus Thon und sind nie über 30 Fufs hoch. Seine Strömung
ist sehr rasch; stellenweise ist der Flufs seicht und mit Rollsteinen'er-
füllt, überall jedoch für Fahrzeuge, die nicht über 24 Fuls Tiefgang
‚haben, schiffbar. Die Inseln im St. Martins-See sind geologisch in-
teressant: am Ostende des See’s bestehen zwei kleine Inseln aus Gneils,
und ganz nahe dabei eine aus metamorphischem Sandstein. Die Zucker-
Insel (auf der Zucker- Ahorn wächst), etwa } Mile westlich von ihnen,
gleichfalls metamorphische Sandsteinklippen, und auf Thunder Is-
EEE EEE ED WED WERE WEL ED
238 E. G. Ravenstein:
land, 6 Miles westlich von ihr, sieht man horizontal gelagerten, fossi-
lienreichen Kalkstein in einer Höhe von 16 Fuls. Der St. Martins-See
ist seicht; an den seichtesten Stellen finden sich halbkreisförmige An-
häufungen von „boulders“, die mit der Zeit Inseln bilden oder sich mit
dem Lande verbinden und den eingeschlossenen Theil des See’s in einen
Sumpf verwandeln.
Am 29. September erreichte man den Manitoba-See und am 5.
Oetober die Salzquellen im Nordwesten der Mündung des Moss River.
Man ging den letztern aufwärts bis zum Dauphin-See, dem Hind eine
Höhe von 660 Fuls giebt '). Der Moss River hat stellenweise Un-
tiefen und Rapids, die Portagen erfordern. Dauphin-Lake empfängt
mehrere Flüsse, von denen jedoch keiner bis über 7 Miles von der
Mündung schiffbar ist. Riding Mountain ragt in imposanter Höhe etwa
1000 Fuls über das Sumpfland an seinem Fufse empor. Um ihn zu
ersteigen, waren für Hind anderthalb Tage erforderlich, und in der
Nacht vom 9. zum 10. October, wo er oben campirte, fielen 6 Zoll
Schnee. Nach Westen und Süden fällt der Gebirgszug allmählich in
Terrassen nach dem Assiniboine hin ab; sein östlicher Abfall ist je-
doch schroff und gleicht einer ehemaligen Meeresküste.
In einem Umkreise von 150 Fuls mals Hind den Durchmesser
einiger Baumstämme 5 Fuls über dem Boden. Fünf Espen hatten eine
Dicke von 32 bis 5 Zoll, vier Weilstannen (white spruce) von 54 bis
7+ Zoll, zwei Birken von 3 bis 34 Zoll, zwei Pappeln von 44 bis 44
Zoll. Nach dem Dauphin-See zurückgekehrt, schickte Hind Fleming
mit dem Canoe nach dem Manitoba-Hause; er selbst, mit einem In-
dianer als Führer, erreichte diesen Posten über Land. Etwa die Hälfte
des Weges bestand aus einer Abwechselung von Sümpfen und trockenen
Stellen, die das Reisen sehr erschwerte. — Vor der Rückkehr zum
Red River machte Hind einen Ausflug nach der Manitoba-Insel, die
der Aberglauben der Indianer mit „Manitos“ oder Feen bevölkert. Auf
der Nordseite der Insel liegt eine Kalksteinklippe zu Tage, die, mit
dem Hammer geschlagen, einen deutlichen Klang giebt, und wenn die
Wellen gegen das Geschiebe am Fufse der Klippe anschlagen, so ver-
nimmt man ein dem Läuten ferner Kirchenglocken ähnliches Geräusch.
Diekenson, vom Red River nach dem Assiniboine, October
1858. — Nach seinem kürzeren Ausfluge in der Richtung ‘des Lake
') Nach Hind’s Berechnung hat der Winipeg-See eine Höhe von 628 Fufs;
nehmen wir 660 Fufs für den Dauphin-See an, so haben der kleine Saskatchewan
und Moss River, beides reifsende Flüsse, auf einem Laufe von 50 Miles einen Fall
von 32 Fufs, oder durchschnittlich 8 Zoll die Mile. Dawson schätzt den Fall der
Grand Rapids des grofsen Saskatchewan zu 60 Fuls, und nach ihm wäre Dauphin
Lake daher eirca 30 Fufs höher.
Die Canadische Red River-Expedition, 1857 — 1859. 239
of the Woods verliefs Dickenson am 1. October Fort Garry, um das
zwischen der Grenze und dem untern Assiniboine gelegene Land zu
erforschen. Bis zum Riviere Salle oder Stinking River folgte er der
gewöhnlichen Strafse nach Pembina. Er wandte sich dann nach We-
sten und ging dem Südufer des letzteren Flusses entlang aufwärts.
Stinking River entspringt in einem Sumpfe; er windet sich durch ein
1000 Fuls breites und 40 Fuls tiefes Thal, das viele Salzquellen. ent-
hält, die sein Wasser salzig machen, und erweitert sich mehrmals zu
kleinen Seen. Im Thale findet man Eichen und Ulmen, mit einigen
Eschen, wovon viele einen Durchmesser von 2 Fufs haben. Nach Sü-
den hin erstreckt sich eine fruchtbare Prairie; im Norden ist das Land
sumpfig und mit Weidegebüschen und Zwerg-Espen bewachsen. Der
Weg führte südwestlich über die Prairie nach dem Riviere des sales
de Bois, der etwa 15 Fuls breit und, wie der Stinking River, an sei-
nen Ufern bewaldet ist. Die Pembina- „Berge“, die die Prairie im
Westen begrenzen, erheben sich in drei 15 Fufs hohen Terrassen, und
steigen aulserdem auf 2 Miles noch allmählich an. Der ganze Abhang
_ ist mit Granitblöcken besäet und besteht aus Thon, Kies und Sand.
Die Berge sind gut bewaldet. Jenseits führte der Weg auf 6 Miles
über die ebene „Round Prairie“, und weitere 10 Miles über eine wellen-
förmige Prairie, die zwar mit Weiden- und Espen-Gruppen bewach-
sen, aber ohne alles Wasser ist. Die Teiche waren eingetrocknet.
Nach den Blue Hills hin bedecken kleine konische Hügel, 50 bis 100
Fufs hoch, meist mit Weiden und Espen bewachsen, die Prairie. Die
Landschaft wird anmuthiger. In den Blue Hills stöfst man oft ganz
unerwartet auf gröfsere oder kleinere Seen; fast das ganze Land ist
bewaldet, und liebliche Thäler ziehen sich zwischen 100 bis 300 Fuls
hohen Hügeln hin, bis man endlich von der Höhe aus die unermels-
_ liche wellenförmige Prairie erblickt, die sich fern nach dem Assiniboine
und dem Souris River hin erstreckt. An den niederen Stellen ist diese
Prairie sumpfig und mit Weiden bewachsen; nur wenige Eschen -Ge-
‚büsche kommen vor.
Wo Dickenson an den Assiniboine kam, hat das Flufsthal eine
Breite von 1+ Mile; der Flufs ist beinahe 500 Fufs breit, aber nur
3 Fufs tief. Nur im Flufsthale findet man Bäume, und selbst diese
sind kaum 15 Fufs hoch. Etwa 20 Miles oberhalb der Prairie Por-
tage hebt jedoch ein Wald an, der sich mehrere Miles weit vom Flusse
erstreckt. Dickenson fand hier Eichen und Espen von 2 Fufs Durch-
messer, Balsam-Pappeln von 22 Fufs, Ulmen von 14 Fuls, Basswood
von 24 Fufs und Eschen von 1 Fuls.
240 E. G. Ravenstein: Die Canadische Red River-Expedition.
Bemerkungen zu der Karte.
Unsere Karte beruht für das Land zwischen dem Oberen See und Red River
wesentlich auf den Karten der Canadischen Expedition (besonders auf Dawson’s
Karte im Mafsstabe von 10 Miles auf 1 Zoll) und denen der Grenz - Commission
vom Jahre 1826; letztere entnahmen wir den Manuscripten in der Bibliothek der
Londoner Geographischen Gesellschaft. — Als Anhaltspunkte dienten uns bis zum
Westende des Lake of the Woods die astronomischen Bestimmungen der Grenz-
Commission ') (nach David Thompson und Tiarks), die übrigens recht befriedi-
gend mit denen Franklin’s zusammenstimmen. Wir erhalten z. B.
Fort William *. . . . 89° 23’ W. v. Greenw. nach der Grenz-Commission.
- - me. an EEURFTRIRTO. - Franklin (Chr. 1733).
Fort Franeis . 2.2. 93° 284 - - - - Franklin.
- - ch et: - - ‚der Grenz-Commission.
Mündung des Rainy River 94° 44' - - - - Franklin.
= - - - gu’ AT - - - - der Grenz-Commission.
Das „Monument“ am Nordwest-Corner des Lake of the Woods liegt nach
den Karten der Grenz-Commissäre unter 95° 15’ W. L., 49° 24’N. Br., und neh-
men wir die von Dawson’s Gehülfen gemessene und abgesteckte Linie zwischen
Fort Garry und dem L. Plat als richtig an, so erhielten wir als Länge von Fort
Garry (dessen Breite 49° 53’ ist) 97° 14’ W. von Greenwich. Dies Resultat
haben wir auch für unsere Karte angenommen. Colhoun’s Längenbestimmung
von Fort Garry aber (97° 1’ nach drei Monddistanzen), die jedenfalls der von
Sullivan (96° 52’) vorzuziehen ist, mu/sten wir verwerfen ?). — Pembina liegt
nach Sullivan’s Beobachtung und auch nach den neuesten amerikanischen Karten
fast genau südlich vom Fort Garry; nach den Aufnahmen der Canadischen Ex-
pedition käme es jedoch unter 97° 30° W. L. zu liegen. Es ist uns aufser der
Beobachtung Sullivan’s keine Längenbestimmung für Pembina bekannt; in Owen’s
Geological Survey of Wisconsin etc. finden wir jedoch eine Angabe für den Fuls
der Pembina-Hügel (48° 54’ 36” N. Br., 97° 50'30" W. L.), etwa 3 Stunden
westlich von Pembina, nach der jedenfalls die Annahme von 97° als zu weit
östlich erscheint. Für Fort Alexander konnten wir Franklin’s Angabe beibehal-
ten, da die Entfernung nach Fort Garry einerseits und nach der Rat Portage
andererseits befriedigend mit Dawson’s Karte übereinstimmt.
Für das Gebiet der Forschungen Dawson’s beruht die Karte mit Ausnahme
einiger nach Franklin angegebener Daten ausschliefslich auf den Aufnahmen die-
ses Reisenden. Professor Hind’s schliefslicher Report ist unseres Wissens noch
nicht erschienen; das Beikärtchen ist jedoch eine genaue Copie der von ihm ein-
gereichten vorläufigen Karte und enthält alle auf dem Original befindlichen Namen.
!) Man vergl. hierüber Vol. II, $S. 292 von Dr. Bigsby’s „Shoe and Canoe“,
dessen Verfasser selbst Mitglied der Grenz- Commission war.
2) Auf Dawson’s Original-Karte liegt Fort Garry unter 97° 24' W.; er nimmt
jedoch den ‚North -west Corner‘ des Lake of the Woods zu 95" 23 W. an (anstatt
95° 15’), ein Unterschied, den wir nicht aufzuklären vermögen.
SR 5
a.
241
Miscellen.
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen.
Die „Karte vom Preufsischen Staate mit besonderer Berücksichtigung de,
Communicationen, nach amtlichen Quellen bearbeitet und herausgegeben auf An-
ordnung: Sr. Excellenz des Herrn Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten vom technischen Eisenbahn-Bureau des Ministeriums, Malsstab 1:600000,
_ in 12 Blättern Farbendruck * ist von Sr. Excellenz dem Herrn Handelsminister
der Bibliothek unseres Vereins geschenkt worden. Bei der Vorlage dieses werth-
vollen Geschenkes äufserte ich, dafs es sehr wünschenswerth sei, die durch die
verschiedenen Nivellements ermittelte absolute Höhe der einzelnen Bahnhöfe zu
kennen, um für barometrische Nivellements an den zunächst gelegenen Stationen
einen unmittelbaren Anknüpfungspunkt zu erhalten. Der gro/sen Güte des Ge-
| heimen Baurath Weishaupt verdanke ich die Mittheilung der folgenden Tafel.
4 Die Höhenangaben sind in preufsischen Fufs.
| Für den Zweck barometrischer Nivellements füge ich dieser Tabelle die baro-
1 metrischen Jahresmittel von 1859 für die Stationen des ganz Norddeutschland;
j Sachsen ausgenommen, umfassenden preufsischen meteorologischen Instituts hinzu.
Der auf den Frostpunkt reducirte Barometerstand ist in Pariser Linien ange-
geben.
Memel 336.41, Tilsit 335.61, Claussen bei Arys 332.19, Königsberg 336.40,
} Danzig 336.68, Schönberg bei Carthaus auf dem Plateau der Radauneseen am
Fufse des Thurmberges 326.99, Conitz 330.02, Bromberg 335.66, Posen 334.36,
Ratibor 328.94, Breslau 332.11, Zechen bei Guhrau 333,31, Eichberg bei Hirsch-
berg 323.72, Görlitz 328.91, Frankfurt a. d. Oder 335.65, Cöslin 335.66, Col-
berg 336.54, Regenwalde 335.11, Stettin 337.30, Putbus 333.85, Wustrow bei
Ribnitz in Mecklenburg 336.52, Sülz 337.46, Rostock 336.24, Poel auf Fischland
bei Wismar 336.96, Schönberg 336.55, Hinrichshagen bei Goldeck 333.03, Neu-
Brandenburg 336.44, Eutin 335.22, Lübeck 335.76, Kiel 336.56, Neumünster
336.20, Altona 336.33, Salzwedel 336.30, Berlin 335.59, Torgau 334.02, Halle
334.06, Erfurt 329.12, Mühlhausen 329.70, Heiligenstadt 327.08, Göttingen 331.46,
Clausthal 315.20, Wernigerode 327.48, Hannover 334.96, Otterndorf 336.78,
Lüneburg 336.54, Gütersloh 334.22, Salzuflen 333.87, Paderborn 330.94, Mün-
ster 335.35, Lingen 333.25, Löningen 336.25, Emden 336.85, Norderney 336.74,
Oldenburg 336.72, Elsfleth 336.77, Jever 336.39, Cleve 334.56, Crefeld 335.98,
Cöln 333.72, Boppard 334.32, Kreuznach 333.22, Trier 332.15, Frankfurt a. M.
334.53. Dove.
Bemerkungen.
Bei Bestimmung der Höhen der in Rheinland und Westphalen gelegenen
Bahnhöfe ist das Nivellement mit dem’ Nullpunkt des Pegels zu Amsterdam in
_ dirette Verbindung gebracht worden, hingegen ist bei den Eisenbahnen in den
östlichen Provinzen in der Regel der mittlere Wasserstand der Östsee am Pegel
zu Swinemünde zur Basis gewählt, und sind die hieraus hergeleiteten Höhen auf
Null des Amsterdamer Pegels reducirt worden.
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. 16
242 Miscellen:
Durch den Anschlufs dieser und Zuhülfenahme trigonometrischer Nivellements
hat sich herausgestellt, dafs der Spiegel der Ostsee um 5,53 rheinl. Fuls höher
liegt als der Nullpunkt des Pegels zu Amsterdam.
Wegen der zu berücksichtigenden Correctionen der Höhenlage einzelner Bahn-
höfe wird auf die Bemerkungen in Band UI, IV und V der „Statistischen Nach-
richten von den Preulsischen Eisenbahnen“ verwiesen, auf welche sich auch die
in dem folgenden Verzeichnifs durch Klammern hervorgehobenen Notizen beziehen.
Höhe über |
e d. Nullpunkt
No.) Namen der Bahnhöfe. des Amster-| Bemerkungen.
dam. Pegels
Preufs. Fuls
Königliche Ostbahn.
UMRNENZ N yal, Afrelioz 111,71 | Anschlufs der Stargard-Posener Eisenbahn.
2 MBllehner u. N au de 139,26
3. Schönlanke . . . . 270,55
4.|Schneidemühl . .. 197,93
5. |Miasteezko . . . . Horizontale beim Bahnhofe 203,17‘.
6. ,Bialosliwe . .... 201,20
2.1 Osiekie 20 SE nn 183,99
ShNakelnamn Breso..iik 239,56
9. Bromberg . ie a
| [160,27]
10. Kotomiers . ... . 296,22
AdseTerespol' aa are way: 191,84
12. Baskowitz . . . . | 269,22
TE HWArUBIEN!: rer. \o ua 2° 248,64
44. | Ozerwinsk . . . . | 276,64
15.1 Pelplig. ern „and 154,64
1.6: | Dinschau \,.1. ib. 2,» 98,73 |Abgang der Zweigbahn nach Danzig.
17.|Siemonsdorf . . . . 18,77
18. |Marienbug . . . . Fall von 43°; 5, Anfang 50,21‘, Ende47,77'
auf Länge von 240°.
19.|Altfelde . . . .. 14,94
20.|Grunau . 2... 11,44
2d4@lElbing.. ii an Pr. 22,94
22.| Güldenboden. . . . 30,69
23. |Schlobitten . . . . 176,44
24. Mühlhausen . . . . 147,44
25. |Braunsberg . . .». 25,44
26. Heiligenbeil. . . . 58,44
27:1 Wohtek 2%. 0. 23,44
28. Ludwigslust . . . . 66,44
29. Kobbelbude . . . . | 16,44
30. | Königsberg . . » . | 75,19
Zweigbahn Dirschau- Danzig.
TS DITSCHAUT N. ala Fe 58,73
2. Hohenstein . . . . 56,14
3. WErsitstenssinisrwr 30% 28,54
AmWDenzin. » cu ne 14,61 |
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen. 243
Höhe über |
Pr d. Nullpunkt
3 No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster-ı Bemerkungen.
| dam. Pegels
Preufs. Fufs
Königliche Niederschlesisch - Märkische Bahn.
a. Bern: u. : er. 116,69
[117,62]
2.|Köpenick . '. . . :.| 119,33
Beine ec 5 1 129471
4. | Fürstenwalde. . . . 140,26
BelBriesen‘ 7 u 2 020% 149,98
6. | Frankfurt a. 0.. . . 177,80 [Nach neuerem Nivellement ist die Schie-
[183,18] nen-Öberkante auf Bahnhof Frankfurt
| zu 183,18’ bestimmt.]
7. \Finkenheerd . . . . | Hinter einer Horizontale von 115,79’.
8. Fürstenberg . . . -» 137,48
9. |Neuzelle . . » . - | 113,87
10. !Wellmitz . . .». . 134,91
41. onhen.. 2 2 200% 147,50
| [152,93]
| az ldelanitz "were en, 198,40
13. Sommerfeld . . . . | 260,30
| 14. |Liebsgen . . . . . | 398,00
BBrSorau DR gar om 498,80
16. |Hansdorf . . . 2. | 438,80 | Vide Zweigbahn Hansdorf-Glogau No. 36.
[443,33]
#2: | Halbauz 1% onisoirinan 398,80
18. |Rauscha . 2.2.0.0) 478,80 |
ayalKohlturt » » - - - 601,80 | Vide Zweigbahn Görlitz- Kohlfurt No. 32.
!
: [609,67]
20. |Siegersdorf . . . . , 621,80
2NBunzlau » » . . . |. 64280
22. Kaiserswaldau . . . Fall z4;, Anfang 591,80’, Ende 585,80‘
auf Länge von 200° liegt der Bahnhof
| | in der Mitte.
Bu Hamau . - © . . |) 48403
24. |Liemitz . . . . .„ | 380,66 | Anschlufs der Königszelt-Liegnitzer Ei-
[387,23] | senbahn.
25. |Spittelndorf . 2... | 375,30
26.|Maltsch . 2.2. 366,25
2373| Neumarkt. .: .: .+ . 352,75
BBa Nimkaul.n. .-. . 380,64
ash Biss.) ulallsunlsdii 393,60
BusiBreslauimn ı ... 0... 373,32 | Anschluls der Breslau-Posener und der
[381,23] Verbindungs-Eisenbahn zwischen dem
| Niederschlesisch-Märkischen und Ober-
schlesischen Bahnhofe.
Verbindungsbahn der Niederschlesisch-Märkischen und Ober-
schlesischen Bahnhöfe.
31. | Verbindungs-Bahnhof . | 380,53 | Anschlufs an die Oberschlesische Bahn.
16*
j
AA Miscellen:
Höhe über |.
R d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
Preufs.Fuls
Zur Königlich Niederschlesisch- Märkischen Eisenbahn die
Zweigbahn Kohlfurt - Görlitz.
32. Kohliurb .. -, 2 ......| 604.80
33. | Penzig. ONREFNERG | 597,29
34. Hennersdorf . . . . | 615,00
35. | Görlitz. 704,60
Niederschlesische Zweigbahn (Hansdorf-Glogau).
36,,ldHansdorf - „u.a 438,60
34.) SADAU, 2 5 44a von nat AR
38. | Buchwald. . . . . 407.16
39..,Spraitau . "».,. = ır „1 420.35
40. | Waltersdorf . R | 445,35
41. | Quaritz . | 463,35
42., Klopschen 1 As
43.| Betriebs-Bahnhof . | 242,35
44.|Glegu .... 246, 10 [Der Anschlufs von Posen nach Glogau
[250, so] | ist 253,84’ über dem A. P.]
Oberschlesische Eisenbahn.
[ad 1—23. Sämmtliche Ordinaten-Höhen werden nach Berichtigung des Bahn-
hofes Breslau um 6,93° höher zu bestimmen sein.]
1.| Breslau . . . . . | 380,53 |Anschlufs der Verbindungsbahn zwischen
dem Niederschlesisch-Märkischen und
Oberschlesischen Bahnhofe.
2. WRatternioHl - sulwiii. me 391,47
3. Leisewitz .... . . » 405,64
A OH ie ee I FAZ
DNEEBEREEE N AR u 466,03
6.|Lossen. . . 2... 930,63
Zaüwind. dgail !ORS or. 9427,58
8. |Szeppelwitz . . . 916,52
9. Chrosezine . » : . 509,00
10. | Oppeln. u... 2) 498,55
BI Eradze ee © Auf der Steigung von z4,;, Anfang 523,69’,
| Ende 565,69’ etwas über die Mitte der
| Höhe zu; die Steigung ist 1050° lang.
ae. 2: |.54%609 |
13. \Dzieschowitz. . . . 593,86
14. Kandızin (Cosel) . . 565,46 | Anschlufs der Wilhelms-Bahn (Cosel-Oder-
berg).
15. | Schlawentzütz . . .» 627,41
16. |Rudzmitz . „Ne 656,11
17. | Laband . stodadet < 688,01
18. Gleiwitz nr 0. RER 717,23
19. | Zahrzen 2. 2, 20 806,06
20.) Ruga HUB EIGISIRTE, 904,06
21. | Königshütte . . . ..|.,889,38
22: | Kattowiiz. 0. ER 860,24
23. |Myslowitz. 2.020200. 01 844,84
One ww
. | Kandrzin we
. | Ratibor-Hammer
SUrSSDS
.| Nendza
. | Gellendorf
«[Bojanowo. . . ...
. | Reisen .
.|Lissa .
.| Czempin .
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen. 245
Höhe über
d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam, Pegels
Preufs. Fufs
Neisse-Brieger Eisenbahn.
[Die Höhen sind sämmtlich 6,93‘ höher anzunehmen.]
1. | Neisse . Ft 664,23 |
2.1 Böndorf „...i. » 616,43
3. | Friedewalde . 985,73
4. | Alt- Grottkau 561,73
5. | Grottkau . 948,93
6. | Böhmischdorf 532,43
7.| Alzenau . u 511,13
8. | Anschlufs.. ı 473,43 |der Oberschlesischen Bahn zur Oester-
I
reichisch - Preulsischen Grenze.
Wilhelms -Eisenbahn (Cosel-Oderberg).
[Die Höhen sind
Birawa. . . urn
Dziergowitz '. . .. |
Tworkau .
Krzizanowitz .
Annaberg .
Anschluls.
Ratibor
sämmtlich 6,93‘ höher anzunehmen. ]
565,46
615,98
588,41
618,75
654,03
643,65
600,00
Auf einer Steigung v.z*5, Anfang 575,98’,
\ Ende 595,98‘, Länge der Steigung 750°.
|
ı Liegt auf einer Steigung von z!,, Anfang
' 609,28‘, Ende 613,28‘, Länge der Stei-
| gung 200°.
‚der Kaiser Ferdinands -Nordbahn.
ı Folgt auf der Bahn nach Ratibor Harmrapr
. und liegt auf einer Steigung von 2
Anfang der Steigung 586,56‘, Ende
599,06‘, Länge 600°.
Folgt auf der Bahn nach Nendza.
Breslau-Posener Eisenbahn.
[Sämmtliche Höhen-Ordinaten sind um 1,04° zu niedrig angegeben.]
Anschlufs .
Schebitz |
Obernigk .
Trachenberg .
Rawicz.
Alt-Boyen
Kosten
Moszyn
Posen . .
381,23
[381,25]
369,72
540,72
357,73
297,09
308,43
348,01
280,31
309,77
278,61
230,01
234,01
214,01
276, 87
1278, 05] |
| an die Königl. Niederschlesisch-Märkische
Eisenbahn.
Anschlufs der Zweigbahn Lissa - Glogau.
246 Miscellen:
Höhe über
d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
Preufs. Fufs
Berlin -Hamburger Eisenbahn.
1. | Berlin . 115,87
[113,44]
2. ' Spandau ı 112,50
3. Seegefeld . Liegt auf abfallender Ebene (Fall +7»),
| Anfang 111,63‘, Ende 109,48‘, Länge
| | des Fallens 1000°,
4. Nauen . 108,05
5. Paulinenau 106,65
6. Friesack 104,97
7. Neustadt . 131,87
8. Zernitz. 130,54
9. Glöwen 138,82
10. | Wilsnack . 99,74
11. Wittenberge . 88,66 |Anschlufs der Magdeburg- Wittenberger
[79,11] Bahn.
12. Gr.-Warnow . 120,29
13. | Grabow 108,09 | Der Bahnhof liegt in Mecklenburg-Schwe-
14. Ludwigslust . 120,29 rin, desgl. die unter No. 14 bis 18,
15. Hagenow . $ 77,19 | Anschlufs der Schwerin-Hagenower Fihy.
16. IPritzin. 00, | | Liegt auf abfallender Ebene ‚(Fall #1.)
| | Anfang 72,86‘, Ende 58,37‘, Länge des
| ı Fallens 725°,
17. Brahlsdorf 56,37
18. Boitzenburg . 48,62 |
19. Büchen R 78,46 |Der Bahnhof liegt auf Lauenburgischem
20. Schwarzenbeck . 140,14 Gebiet, desgl. No. 20 und No. 21.
21. Friedrichsruh. 96,00
22. Reinbeck . 95,41 Der Bahnh. liegt auf Holsteinschem Gebiet.
23. Bergedorf. ar - - - - Beiderstädtischem -
24. Hamburg. . 26,44 |
' 16,85] ı
1. Berlin .
2. Zehlendorf
3. | Potsdam .
4. | Wildpark .
5. | Werder
6. | Grols -Kreutz
7. Brandenburg .
8. | Grofs- Wusterwitz .
«| Genthin
‚0 ' Güsen .
11. | Burg
12. | Magdeburg
|
|
115,69
141,48
109,70
106,93
111,26
106,18
104,26
116,18
136,05
157,27
Berlin - Potsdam - Magdeburger Eisenbahn.
[Die Differenz im Bahn -Nivellement be-
trägt 1,57‘.]
Liegt auf einer Steigung von 5% 5, Anfang
108,76‘, Ende 112,84’ hoch, auf einer
Länge von 2140°.
Liegt auf einer Steigung von +74; ,, Anfang
127,76‘, Ende 128,5 1° hoch, auf Länge
von 730° in der Mitte.
| Anschlufs der Magdeburg-Leipziger, Mag-
deburg-Halberstädter und Magdeburg-
Wittenberger Bahn.
m u Ze ur #
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen. 2AT
Höhe über
d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam, Pegels
Preufs. Fufs
Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn.
Einige Höhepunkte der Königl. Hannoverschen und Braunschweigischen Eisen-
bahn zwischen Oschersleben und Minden: Bahnhof Jerxheim 279,83‘, Wolfen-
büttel 255,40‘, Braunschweig 235,00’, Braunschw eig- -Hannoversche Grenze 251,00’,
Bahnhof Peine 218,04‘, Lehrte 197, 17‘, Hannover 177,04‘, Wunstorf 154,27' 3
Bückeburg 193,38‘, "Minden 144,88‘.
1. | Magdeburg . . 157,27
2. | Betriebsbahnhof Buckan 171,34
.| Langenweddingen . . | 286,04
.|Blumenberg . . . . 299,96
.‚Hadmersleben . . . | 250,23
.! Grofs-Oschersleben . | 273,27 | Anschlufs der Herzogl. Braunschw. Bahn.
ml@wottorfs ... - -- . . Liegt auf einer Steigung von ;1-, Anfang
270,85‘, Ende 279,35‘ hoch, auf einer
Länge von 570".
Da Bl = ER 1 BEN a u
. [Nienhagen . . . . | 289,01
.| Halberstadt . „0. 367,27
Magdeburg - Wittenberger Eisenbahn.
1. | Magdeburg hey B. | 155,56
©
2. Wolmirstedt . . 151,14
3.|Rogätz. -. » „2. . | 200,97 |
4. |Mahlwinkel . . .. | | Liegt auf abfallender Ebene von 71';x, An-
ı fang 136,64‘, Ende 131,64’ hoch, Länge
| 490°,
. | Tangerhütte . | | Liegt anf abfall. Ebene von 171m, Anfang
5)
| \ 128,71‘, Ende 121,12‘, Länge 1100°.
6.1)Demker .„..:....0..| Liegt auf einer Steigung vonz3z, Anfang
121,12‘, Ende 152,51‘, Länge 790°.
eszendals 1.1...) . 104,96
‚lGoldbeck . . . . . | Liegt auf einer Steigung von 1:75, Anfang
' 89,64’, Ende. 93,23‘, Länge 560°.
.|Seehausen . . „. . | 71,30
. [Wittenberge . . . . 79, 44
Berlin - Anhaltische Eisenbahn.
BaBerın ., .. ....0...% 113,52
7
8
9,1Osterburg. . .» . .» 77,40
0
1
[116,93]
2.!Grofs-Beeren . . . | 147,49 |
3. Ludwigsfelde. . . . 138,46
Berehbn . . u. Auf einer schwachen Steigung, Anfang
| 124,91', Ende 125,04‘, Länge 329°.
5. Luckenwalde. . . . | 156,40
6. | Jüterbogk. . . . . | 267,70 | Anschlufs der Jüterbogk-Riesaer Bahn.
7.| Seehausen. . . . . 317,86
BulzZahnaı. . .' oo. 311,89
9. | Wittenberg . . . 231,42
10. | Preufs. Landesgrenzebei
' Anhalt-Bernburg. . | 255,31
41.|Koswig . . . 2. | 260,25 |im Anhalt-Bernburgischen..
248 Miscellen:
msn et
Höhe über
'd. Nullpunkt
No.) Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
| Preufs. Fufs
Berlin- Anhaltische Eisenbahn.
12 3 BBalapı A na an 220,35 im Anhalt- Dessauischen.
13..1,.Dessau. Te ar Auf schwach abfallender Ebene, Anfang
195,24‘, Ende 194,87‘ hoch, auf Länge
von 770°,
14. | Köthen . . 256,00
"Jüterbogk- Riesaer Eisenbahn.
1.| Jüterbogk. - . . . | 267,40 | Anschlufs der Berlin-Anhaltischen Bahn.
2z.Oechns. .,.» kurs 291,19
3. | Wendisch - Linda ar 266,66
4. | Holzdorf . N
5. | Herzberg... 1.0.11. 261,30
6. | Falkenberg \ 275,36
7. Burzdorf. . < olnll 2201400
8.|Jacobsthal . . 2. 306,36 Jin Basen.
9.| Röderau . . 315, 18
Magdeburg - Tea Eisenbahn.
1. Magdeburg . . 157,27
2. Westerhüsen. . . . 185, 14
3. Schönebeck . . . . | 167.10
4. 1.Gnadam ur. 173523
d.|an der Saale. . . . | 192,35 |
er 216,47 |in Anhalt-Köthen.
Mikoiieı® DEAN) AN MATTE | - - -
82] Werssand!: 22. 7 202,%0 | 280068
SENSTUINEHOTL. DNA ER 287,35
10. | Niemberg'. » .'v.* „Pa 30485 |
11. Halle. . . . . . | 345,27 ' Anschlufs der Thüringischen Bahn.
12: |.Grobersem, HEUER Ab 356,37
13. Schkeuditz °; .).. 413,27
FEN Deipzig ı 10V auean 349,02
Thüringische Eisenbahn.
1ANBMe ee sr. 347,57
2. | Merseburg ae
321'Gorbetha .- +...) „u.H) 355,06 | Anschlufs der Weilsenfels-Leipziger Bahn.
4. | Weifsenfels . .. . 326,58
5.| Naumburg . . . . | 343,76
(BG 368,18
U SU N... ©. 227,47 | Sachsen-Weimar-Eisenachisches Gebiet.
8. MAnoldBua N... . 574,47 desgl.
9: Weimar nalaıws 774,87 \ desgl.
10. | Vieselbach : . . „| 713,67 |desgl.
NET ee |
12. Neu-Dietendorf.: . . |; 795,03 ı Sachsen - Gotha.
13. | Gotha . a 983,88 | desgl.
14. |Fröttstedt. . . - . | 961,36 |desgl.
SH Wineha..“. sr rst m 465,23 | Sachsen - Weimar - Eisenach,
16. Bisenach) . „= u... 119208312 Aidesgl.
17. Herleshausen . . . | 645,61 Hessisches Gebiet.
18. | Gerstungen » 2.0.0.2, 705,54 | Anschlufs der Friedr. Wilhelms-Nordbahn.
Höhe der Bahnhöfe auf den
Höhe über
d. Nullpunkt
des Amster-
| dam. Pegels
Preufs. Fufs
|
|
No. Namen der Bahnhöfe.
4
142,61
2. | Mühlheim . 151,40
3. | Küppersteg 145,80
4. | Langenfeld n 145,12
5. | Benrath er 13003
6. | Düsseldorf 5 115,56
7. Calcum . 116,91
8. | Grofsenbaum. x 109,3 1
9. | Duisburg . 106,84
10. | Oberhausen . 117,69
11.| Berge-Borbeck . 145,00
12. Essen . . 156,50
13. | Gelsenkirchen 172,29
14. Herne-Bochum . 188,20
15. | Castrop 191,74
16. | Mengede . 216,74
47. Dortmund. 254,25
18. | Courl . 217,00
19. | Camen, 197,75
20. Hamm. | 201,18
21.| Ahlen . 265,96
22. Beckum 311,23
23. | Oelde . 306,00
24. Rheda . 231,97
25. Gütersloh . 247,61
26. Brackwede . | 419,81
27. Bielefeld . 2
28. | Herfort 230,37
29. | Löhne 206,47
30. | Rehme 188,07
31. | Porta 154,26
32. Minden 144, 88
4.| Warburg . 651,13
R. Bonenburg D 832, 53 |
3. | Willebadessen £ ı 891,83
4. Buke . R 984,63 |
5. , Paderborn ; 379,96
6. Salzkotten A 319,38 |
7. | Geseke 328,95
8. Lippstadt . 250,73 |
9. | Benninghausen 278,82
10. | Sassendorf 318,13 |
oest
249
Preufsischen Eisenbahnen.
Bemerkungen.
Oöln+ Möndange Eisenbahn.
Anschlufs der Düsseldorf-Elberfelder Bahn.
Anschlufs der Duisburger Zweigbahn.
Ruhrorter
Anschlufs der Bergisch-Märkischen Bahn.
| Anschlufs der Kgl. Westphälischen Bahn.
Liegt auf einerabfallenden Ebene v. 73455;
Anfang 377,01‘, Ende 376,91‘ hoch, auf
der ungefähren Hälfte der ganzen Länge
von 110°.
‚ Anschlufs der Kgl. Hannöverschen Bahn.
Königliche Westphälische Eisenbahn.
Liegt aufeiner abfallenden Ebene von +44;
Anfang 312,40‘, Ende 311,52‘, auf der
ungefähren Hälfte der ganzen Länge von
432.
250 Miscellen :
ı Höhe über
(d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
Preufs. Fufs |
Königliche Westphälische Eisenbahn.
12. | Anschlufs der Dortmund-
Soester Eisenbahn . 304,34
da3anWelwer En 7% 244,34
ARSWEIRENNE en er ehe 201,:8 | Anschlufs der Münster-Rheiner und der
Cöln-Mindener Eisenbahn.
Königliche Westphälische Eisenbahn (Hamm - Münster).
15. | Drensteinfurt. . . . 204,09
16. |Rinkerode 2.2. Auf einer abfallenden Ebene von 445;
| Anfang 196,69', Ende 185,59’ hoch,
Länge 400°,
173 Münster... 9; 193,53
Münster - Rheine.
18, Greven. AS, TA2E
19. | Emsdetten . . . . | 140,63
20 hMesume iur. Aa
22 PERemes u 2.2. 126,18 |
Rheine - Osnabrück.
22» Horatel. ud wants 156,69
23. | Ibbenbühren . . . . | 251,29
24.\Veepe. - . . . . |. 230,04
29.1 Osmabruck: 1... 4% 210,04
Bergisch-Märkische Eisenbahn.
|
|
h
1. \ Elberfeld . . . 2...) 498,08 ı Bahnhof der Bergisch-Märkischen Bahn.
2: dasv =. ee RO - - Düsseldorf-Elberfelder -
34 Barmen .ı |“. 7. 400499494 |
4. |Ritterhausen . . . . | 518,74
5. Schwelm 4. 5. .» .1,9074638
BA Mlsperlie: rn nn: 671,38 |
7.|Gevelsberg . . . . | 600,28 |
8. |Haspe. . . in fenah 447,25 |
Ge Elagenm., 4 Terme ver 0 338,00
4102 Herdecke. . » ı « 329,70
AamWetter: » % % tn -. 286,20
Ian Watten., % % u. % 307,02
Isa ame: % 1. ur ‚Auf einer abfallenden Ebene von 315
| | Anfang 362,00’, Ende 337,51‘ hoch,
| | Länge 700°.
144 NBarope- en #070. 09000,51 |
15:7Dortmund Fun ni. 256,26
erBorder. "Im EmE 336,96 |
17.| Aplerbeck . . . . | 365,13 |
18, | Unnaruaddinsbnalisick, 307,00 |
19 Werk e.itt abal. Janf 285,73
20, Best "omunn 1b, HA, 312,09
1. | Steele .
2. | Kupferdreh
3. Nierendorf
5. | Neviges
7. | Asbruch
8. | Aprath.
9. | Dorap .
10. | Vohwinkel
1: | Düsseldorf
2. | Gerresheim
3. | Erkrath
4, | Hochdall .
5.'Haan .
6. | Vohwinkel
7. | Elberfeld .
4. Cöln
3.| Brühl .
4. | Sechtem
5.|Boisdorf .
6.|Bonn . .
7. | Godesberg
8. | Mehlem
9. | Rolandseck
. | Cöln
. | Königsdorf
Horrem
No, Namen der Bahnhöfe.
4. Langenberg .
6. | Kopfstation E
2. Kaltscheuern . i
. | Mungersdorf
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen.
Höhe über
d. Nullpunkt
des Amster-
dam. Pegels
| Preufs. Fufs
251
Bemerkungen.
Prinz Wilhelm- Eisenbahn.
194,43
174,72
320,17
477,37
972,47
625,24
se ee
541,31
118,58
146, 17
170,33
430,33
492,73
543,08
506,00
Auf einer Steigung von +45, Anfang
262,2 1°, Ende 295,51‘ hoch, Länge der
Steigung 378°.
Auf einem Abfall von 735, Anfang573,69',
Ende 541,31‘ hoch, Länge 875".
Anschlufs der Düsseldorf-ElberfelderBahn.
Düsseldorf -Elberfelder Eisenbahn.
Bonn - Cälner Eisenbahn.
154,02
185,73
197,37
202,04
189,79
180,19
5 204,53
2 206,33
206,33
152,71
179,86
260,74
268,52
347,35
409,73
458,06
506,40
539,20
591,64
788,89
799,9%
Rheinische Eisenbahn.
Auf einer Steigung von 737, Anfang
766,64, Ende 773,18° hoch, Länge
189°,
Anschlufs der Belgischen Bahn.
252 Miscellen:
| Höhe über | |
d. Nullpunkt
No. Namen der Bahnhöfe. des Amster- Bemerkungen.
, dam. Pegels
| Preufs. Fufs
Aachen -Mastrichter Eisenbahn.
1.| Aachen (Marschirthor) 994,05
» das. (Templerbend) 594,55
3. | Anschlufs der Aachen-
Düsseld.-RuhrorterE. | 578,14
4. |Simpelveld . . 483,60
3 | Viyktelemen re nn 332 ns
6.|Valkenburg . . . . 261,83
GE IWMORTBBEMLS Se en 168,90
8.|Mastriht. . . »- 149,69
Königliche Saarbrücker Eisenbahn.
1. | Saarbrücken (St. J _. 661,57
2. Duttweiler . . 738,57
3» Sulzbach . . 2.2. 834,57
4. | Friedrichsthal . . . 941,97
5.| Neunkirchen. . . 816,57
6. | Preufsische und Bayeri
sche Grenze . . 793,96
Aachen - Düsseldorf -Ruhrorter Eisenbahn.
1.) Aachen . . . . . |) 594,05 |Anschlufs der Rheinischen Eisenbahn.
2. | Templerbend. . . . | 594,55
3. Kohlscheidt" .’..° „7 . 946,55
4. | Herzogenrath . . . 351,10
9. Geilenkirchen . . . 234,00
GAndern® „#000: 238,00
3 WERBLIRF 236,65
SaliBinkelenz X, MAT. m. 314,65
9A Macktathr: U. 231,00
20° Elhaydt., .. neue 210,81
A1.Ji@ladbach ., ., .. u... 160,41
12. |Kleinenbroich . . . 134,55
da Neniw. een 123,45
14. | Oberkassell . . . .» 111,08
Ruhrort - Crefeld - Kreis - Gladbach.
do.Vaeren . - . ..% 125,68
Benraihr "2.0... 122,68
anereseld 7: =. 04 2. 120,56
18. | Uerdingen. . . . . 101,83
19. Brompet . ..,..., 97,00
20.) Homberg. . n ...» 96,00
Cöln-Crefelder Eisenbahn.
ENTE NE. er 154,62
2. huongerieh. may „yruraie 150,55
3..|‚Worringen .. 1.7.0 145,95
4.1 \Horkem un; und 138,95
DEAENorf se u ar. | Auf abfallender Linie von
|
ı
131,25‘, Ende 126,45‘, Länge 400°.
eu
Pe
N
1000; Anfang
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen.
253
No.
Namen der Bahnhofe.
Cöln-Crefelder Eisenbahn.
Höhe über
d. Nullpunkt
des Amster-
dam, Pegels
Preufs. Fufs
Bemerkungen.
Anschlufs der Aachen-Düsseldorfer Eisen-
bahn.
tin-Stargarder Eisenbahn.
d-Posener Eisenbahn.
[Die Höhen-Ordinaten sind durchweg um 1,04 zu niedrig angegeben.]
.| Neuls . 123,45
. | Osterath 132,16
. , Crefeld BI 120,56
Berlin - Stet
Berlin. . 118,93
[117,44]
. | Bernau 218,51
. | Biesenthal iR: 197,18
. | Neustadt-Eberswalde . 84,97
Angermünde . 158,89
. | Passow 45,39
. | Tantow 81,51
. | Stettin . 22,01
[20,52]
[23,05]
Finkenwalde . 18,26
., Damm . nr. 20,26
Carolinenhorst . 72,59
. | Stargard SER 114,43
Stargar
. | Arnswalde 196,59
. ‚ Augustwalde . 253,71
. | Woldenberg . 225,53
.| Kreuz . 111,71
| Mialla . 179,08
Wronke 175,69
. | Samter 224,84
. | Rokitnice . 302,45
. | Posen . 276,85
[278,09]
Breslau-Schweidnitz - Freiburger Eisenbahn.
[Die Höhen sind von Breslau ab um je 6,93‘ höher anzunehmen.]
. | Breslau
Schmolz .
‚Canth. .
Mettkau . i öl
Ingramsdorf . . .
Saarau . . A
Königszelt
. | Freiburg .
Altwasser. . ?
Waldenburg .
372,38
417,85
442,83
506,22
562,76
738,25
882,01
1321,95
1338,58
Anschlufs an die Niederschlesisch -Märki-
sche Eisenbahn.
Aufeiner Steigungvonz+,, Anfang564,54',
Ende 738,25‘ hoch, Länge der Steigung
3040°.
Anfang einer Steigung von „5.
254 Miscellen:
| | Höhe über |
| d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
| Preufs. Fufs
Breslau-Schweidnitz-Freiburger Eisenbahn.
Zweigbahn Königszelt-Liegnitz.
11. | (Königszelt) Striegau . 709,08
12. | Grofs-Rosen. . . . 659,96
LEBE ee 615,34
14. | Brechelsdorf. . . . 586,70
45. Nedborre.. 7. 390,88
16. | Anschlufs . Ser 379,08 ‚an die Niederschlesisch - Märkische Bahn.
ENTOERTIEZE ee 380,66
[387,23]
Zweigbahn Königszelt-Schweidnitz-Reichenbach.
18. | (Königszelt) Schweidnitz Auf abfallender Linie von 545, Anfang
787,19‘, Ende 785,49’hoch, Länge 150°.
19. Raulbrück . . - . 7178,34
20. | Reichenbach . . . . 826,38
ÖOberhausen- Arnheimer Eisenbahn.
1.| Oberhausen . . . . 117,69 | Anschlufs an die Cöln-Mindener Bahn.
2: Sterkrade. . : . . 130,63 |
3 Dinbbaken * + .-.- 94,63
A NVIEBER TEE 5 ae jan oe 86,28
5. | Mehrhach. . . ... 63,28
&.NEintgeleste. . 502° 60,58
7.|Emmerich. . . - . 59,03
SABHoH .» ..n..r. 54, 03
Re Glo$auer Eisenbahn.
(Flügelbahn der Breslau-Posen-Glogauer Eisenbahn.)
ICHWENSABAL Sue ae 309,77 | Anschlufs der Breslau-Posener Eisenbahn.
[310,81]
2RWBERUBEREEEN. . 5.0. 295,90
[296,94]
SANGIDHUEN A u ran = 252,80
[253,84]
Weilsenfels- Leipziger Eisenbahn.
IAN@BrBeIDE ee 2 355,06 | Anschlufs an die Thüringische Eisenbahn.
2.| Dürrenberg . . . . | 312,06
3./Kötzschau . .. . 339,76
4.\Markranstedt. . . . 397,76
DANBIEIBZAR 4 un 0 uno 347,73 |[Dürfte nach neueren Ermittelungen mit
\ 349,02‘ anzugeben sein.]
Supaln -Tarnowitzer Eisenbahn.
1.hOppekt mut 6 506,17 | Anschlufs an die Oberschlesische Eisen-
bahn [mit einer Differenz von 0,69.]
. Dembiohammer. . . 560,62
»fMalapane.» .: „#0 2088,17
..Klein-Stanisch . . . 617,17
.,Kolonowska . . . . 644,71
a>wm
Höhe der Bahnhöfe auf den Preufsischen Eisenbahnen. 255
| Höhe über |
d. Nullpunkt
des Amster-) Bemerkungen.
dam. Pegels |
Preufs. Fufs |
No.| Namen der Bahnhöfe.
u
Oppeln - Tarnowitzer Eisenbahn.
6.|Zawadski. . . ... | 67947
7. | Zandowitz EL 718,84
8./Golormühle . . . . 792,06
u Wworog 0.1 ur 0
10. | Friedrichshütte . . . Liegt auf einer Steigung von z!,, Anfang
856,67’, Ende 868,7 ı‘ hoch, Länge 300°.
ME er A ee
41.| Tarmowitz. . 2.» » 952,17
Königliche Mstbahn, Abtheil. Kreuz - Cüstrin - Frankfurt.
;
4.1Anschluls. -. . .. 183,18 |auf dem Bahnhofe der Niederschlesisch-
Märkischen Eisenbahn.
2. | Frankfurt a. O.. .....187,56
8. |Lebus. . . . . . | 180,26 |
4.\Podezig . . :"....'7 99,54
De Busirm,f.0 0°, a |0m60,75
BauRamselsicn. Auischse| DZ
Bei Vietz... » u 66,71
8. | Döllens Rodung. ae | Liegt auf einer abfallenden Ebene von z4,;
Anfang 72,71‘, Ende 65,71’ hoch, Länge
210°,
9.|Düringshof . . . . 76,71
40.|Landsberg . . . .»- 80,10
Bel Zantab. . 0.00% 107,71
Bl Gurkow -» . . ... 90,71
13. Friedeberg . . . . 97,71
jalt-Karber . . oe. tl;
iDriesen. „N... “1/1 411,71 |
16. Kreuz. . 411,71 |
Zur Berlin- Anhaltischen Eisenbahn:
Erste Zweigbahn: Wittenberg-Bitterfeld-Halle.
1.| Wittenberg . . . . | 225,73 |Abzweig der Hauptbahn nach Cöthen.
BelBerpwitz .„, -- -. ... 214,0:
3. Gräfenhainchen. . . | 303,07 |
4.|Burgkemnitz. . . . | 294,18
BriBitterfed. . . .. 253,07
BrlBoitzsch „0 0.0... 299,07
BelBrehus ; . xr..'4 » 305,23
Boibandsberg '. . . © 325,65
9. Hohenthurm . . . . | 331,65
Ballen. 5. :. 2..0., 34928
Zweite Zweigbahn: (Wittenberg-) Bitterfeld- Leipzig.
BiBitterfeld. ‚u... 253,07
Erpenech . .© „7°. 17°300.40
ERehorau. 00.0. 334,05
Rackwitz . . 2.2.1 384,11
Beipzig.-..000 “0 00. 351,88
256 Miscellen:
Höhe über
d. Nullpunkt
No.| Namen der Bahnhöfe. |des Amster- Bemerkungen.
dam. Pegels
Preufs. Fufs
Zur. Berlin - Anhaltischen Eisenbahn:
Dritte Zweigbahn: Dessau-Bitterfeld.
111 Dossamın Mr; 194,90 |
2. iHeideburgnu.! ,. o. Liegt auf einer Steigung von 347, An-
fang 198,65‘, Ende 229,90‘ hoch, Länge
1000°.
3 Marke ‚ılaosl"11,998,507 Liegt auf einer Steigung von z15, An-
| fang 251,65’, Ende 270,40‘ hoch, Länge
800°.
4. | Rapuhn\e7 4 San 2ı, 2 8264,98
Du JPFEDINZ. ur ie > te 237,65
6. | Bitterfeld . . 1...> 253,07
nz: Leipziger Eisenbahn.
Zweigbahn Schönebeck-Stalsfurt.
4.!Schonebeck „us... 154,43
2.| Eggersdorff . . . .„ | 205,09
3.\Eickendorf . . .„. . | 249,46
ArWBorderstedt. 0 onen. 249,54
DUTSIAISINER "SE vo ver ne 208,33
Zweigbahn Staflsfurt-Lödderburg.
INS 208,33
2.\Lödderburg . . . . 226,46
Königliche Bahnhofs - Verbindungsbahn zu Berlin.
1. | Stettiner Bahnhof . . 117734 ,,|
2., Hamburger - to 113,44
3. Ispreebrücke , 7.4". 113,11
4. | Abzweigzum Potsdamer
|" Balmhot 2. 0 114,58
9. | Abzweig zum Anhalti-
schen Bahnhof . . 113,92
6. Spreebrücke . . u Kr
%s NinderschlesediiMarki-
scher Bahnhof . . 117,82
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow.
Nach den Sailing Directions des Capt. Ward !).
So lange der Yangtsekiang nicht von Neuem aufgenommen, sein Fahrwasser
bezeichnet ist und an Ort und Stelle kundige Lootsen vorhanden sind, kann er
!) Abgedruckt im Journal of the North China Branch of the Royal Asiatie
Society. No. II. May 1859. Shanghai 1859. Zu vergleichen ist ein anderer Bericht
über Lord Elgin’s Fahrt auf dem Yangtsekiang, in dieser Zeitschrift. N.F. Bd. VI.
8. 152 ff.
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow. 257
oberhalb der rothen Boje vor Woosung nur mit äufserster Vorsicht befahren wer-
den, da die gegenwärtigen Karten nur eine sehr unvollkommene Vorstellung von
der Beschaffenheit des südlichen Stromarms geben. Die ununterbrochene Anhäu-
fung einer sehr feinen Art Sand hat Bänke geschaffen, wo im Jahre 1842, zur
Zeit der letzten Aufnahme des Stroms durch Capt. Collinson u. a., tiefes Was-
ser existirte, und Untiefen, welche damals zu allen Jahreszeiten unter Wasser
standen, liegen jetzt bei niedrigem Wasserstande an vielen Stellen trocken. Die
sogenannte Blonde Shoal, die damals 24 Faden Wasser hatte und in deren
Nähe, im SSW., eine isolirte Erhöhung lag, hat sich mit der letzteren vereinigt
und ragt jetzt bei niedrigem Wasserstande an einigen Punkten über den Wasser-
spiegel hervor. Das Fahrwasser südlich von dieser Sandbank hat nur 15— 16 Fufs
Tiefe, das nördliche ist noch nicht untersucht; es scheint gerader und tiefer zu
sein. Bei der Einfahrt in den südlichen Canal thut man gut, sich vom Rande
der Sandbank möglichst fern zu halten und sich dem Festlands-Ufer zu nähern,
stets mit dem Senkblei in der Hand, denn die einförmigen Uferdämme entziehen
das dahinter liegende Land dem Blick und machen eine Verweisung auf Land-
marken unmöglich. Hat man die Blonde Shoal glücklich umfahren, so stölst
man in geringer Entfernung auf „Dove’s Nest, eine gefährliche Ansammlung
von Sandbänken, auf denen von Lord Elgin’s Geschwader drei Fahrzeuge auf den
Grund geriethen. Zwischen Harvey Point und Plover Point, welches letz-
tere an dem darauf gelegenen Dorf und einer kleinen Befestigung kenntlich: ist,
beginnen, wenn diese Befestigung im SW. erscheint, . die unter dem Namen
Longshan Crossing bekannten Bänke und Untiefen. Elgin’s Geschwader, das
sich hier nahe am Ufer hielt, fand vor Fooshan den Weg durch eine lange Sand-
bank versperrt, und es dauerte drei Tage, bis die Kanonenboote Dove und Lee
eine Passage, nicht weit von Plover Point, ermittelt hatten. Zur Orientirung in
diesem verworrenen Fahrwasser dient die weit sichtbare Longshan Pagode, die
_ in einer Gruppe von drei Bergen auf dem Gipfel des höchsten derselben liegt.
Wenn sie in N. 31° W. und ein weilses Haus auf dem linken Flufsufer in
N. 27° O. erscheint, hält man einen westlichen Cours ein, bis die Longshan Pa-
gode genau im Norden liegt; darauf steuert man W. bei N. 5 N., bis die Pagode
N. 13° O. liegt, endlich nach NW. 5 N., bis die Pagode O. bei N. liegt. Dann
kann man sich dem linken Flufsufer nähern und demselben eine Strecke weit
folgen. Von Keashan Point, einem Ufervorsprung, welcher von SO. wie ein
Keil aussieht, dessen diekes Ende 90 Fufs hoch ist, mu[s man sich 24 bis 3 Miles
fern halten. An dieser Stelle sind seit 1842 grolse Veränderungen eingetreten;
es hat sich eine ganz neue, bereits bewohnte und bebaute Insel gebildet, die im
Jahre 1842 verzeichneten Inselchen haben sich vereinigt, und es sind ausgedehnte,
zuweilen trocken liegende Sandbänke entstanden, die durch die Ablagerungen des
Stromes regelmäfsig erhöht werden und ohne Zweifel bald als Inseln Anbau fin-
_ den und‘ der dichtgedrängten Bevölkerung durch Verwerthung zum Reisbau einen
dankenswerthen Zuschufs zu ihrem Lebensunterhalt darbieten werden. Das linke
Ufer dagegen wird mehr und mehr yom Strom unterwaschen und fortgespült.
= Bei Keashan Point hat die Bergfahrt die schwierigsten Stellen des Stroms
hinter sich; in keinem andern Theile des Flufslaufes ist das Strombett einer sol-
chen Veränderlichkeit unterworfen, wie namentlich bei Fooshan und Longshan,
Zeitschr. f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 17
258 Miscellen :
wo die Fluthbewegung fortwährend thätig ist, Sandbänke zu bilden und schon be-
stehende zu entfernen. So lange es hier keine Lootsen giebt, werden Segelschiffe
gut thun, stets ein Boot vorauszuschieken und sondiren zu lassen; der damit ver-
knüpfte Zeitverlust kommt nicht in Betracht, Angesichts des Zeitverlustes und
der Gefahr, die von dem Aufrennen auf eine Untiefe unzertrennlich sind. So-
bald man die neugebildeten und in der Bildung begriffenen Inseln bei Keashan
hinter sich gelassen hat, wird der Flufs ganz klar; man kann in seiner Mitte,
wo man in 8 Faden noch keinen Grund findet, in der Richtung nach dem hohem
Lande von Hwangshan hinsteuern, welches von Keashan aus wie eine in der
Mitte des Stromes gelegene Insel aussieht. In der Hwangshan-Bai findet man
Ankergrund, freilich nur in beträchtlicher Tiefe; Elgin’s Geschwader ankerte im
November 1858 hart an der Küste in 12 Faden; die Berge der Nachbarschaft
erheben sich bis 250 und 300 Fufs Höhe, und die Fluth steigt hier noch 4—
6 Fuls. Zwischen dieser Bai und Kiang-yin verengt sich der Flufs bis auf
1 Seemeile; darauf wird er wieder breiter; man kann in seiner Mitte hinfahren,
bis in die Nähe von Starling Island, wo man sich dem linken Flufsufer bis auf
4 Mile nähern mufs. Bei der Insel Chang-sang Chow erstreckt sich vom rech-
ten Ufer eine gefährliche Sandbank fast bis in die Mitte des Stromes. Die Flufs-
ufer selbst sind aufserordentlich einförmig zwischen Kiang-yin und Keunshan,
das linke ist ganz flach; der einzige höher gelegene Punkt auf der ganzen Strecke
ist ein mit einigen Häusern besetzter Hügel, Namens Kooshan.
Die Bemerkung des Mr. Inglis, dafs sich die Fluth im Yangtsekiang nur bis
10 oder 15 Miles unterhalb Keashan Point bemerklich macht, kann sich wohl nur
auf die Monate Juni und Juli beziehen, in denen er den Flufs untersucht hat.
In dieser Zeit führt der Flufs eine starke Wassermasse ab und seine starke Strö-
mung stemmt sich der Fluth entgegen. Im November aber, wo die Wasserfülle
des Stroms viel geringer ist, macht sicht die Fluth noch viel höher aufwärts be-
merklich, und am 29. December verspürten wir sie sogar in Nanking.
Silver Island umfährt man in dem südlichen Canal, in dessen Mitte man
sich halten mufs, um den Furious Rock, eine Klippe mit 14 Fufs Wasser wei-
ter rechts nach der Insel zu, und eine andere Klippe zu vermeiden. Diese Insel
wird einst mit einer andern, Namens Tasha, in Verbindung treten, da jede der
andern eine sich stets weiter ausdehnende Sandbank entgegen streckt und die
auf den Karten verzeichnete Tiefe von 12 Faden in dem Canal zwischen beiden
Inseln jetzt nirgends mehr zu finden ist. Auch vor Chin-keang-foo liegt mitten
im Flufs, nordwestlich von Golden Island, eine Klippe, angeblich mit nur
10 Fufs Wasser. Die zuletzt genannte Insel, in deren Nähe mehrere Klippen zu
liegen scheinen, ist jetzt mit dem Festlande durch einen grasreichen Isthmus ver-
bunden. Die folgende Insel, Pih-sin Chow, kann sowohl im Norden wie im
Süden umfahren werden; hinter ihr hält man sich in der Mitte des Stromes bis
Yang-tze-ke, wo man sich dem linken Ufer nähern mufs, da am rechten eine
Klippe liegt. An der NW. Seite von Tsaousha Island, wo man 1842 seich-
tes Wasser fand, hat sich jetzt eine schlammige Untiefe gebildet, die man in
einem Bogen umfahren mufs. Jenseits derselben ist der Strom klar und man
kann sich Theodolite Point und den beiden Nanking-Forts bis auf Pisto-
lenschufsweite nähern. Die beiden Forts liegen am rechten Stromufer, auf einer
en
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow. 259
Landzunge vor den Stadtwällen; zwölf 24-Pfünder standen vor dem Wall des
niedrigeren Forts auf dem schlammigen Ufer, ohne allen Schutz für die Kano-
niere; das obere Fort hatte drei 24-Pfünder und sechs 6-Pfünder eben so expo-
nirt aufgestellt; bei Theodolite Point zeigten sich ebenfalls ein paar Geschütze
und einige bewaffnete Dschunken; auch das Fort am linken Ufer hatte einige
Geschütze.
Jenseits Nanking bleibt man in der Mitte des Stroms, bis ein Hügel von
150 Fuls Höhe, 3 Miles südwestlich von einem Rebellenfort am linken Flufsufer,
im Westen zu liegen kommt; dann wendet man sich dem rechten Ufer zu, um
eine Sandbank zu vermeiden. Bei Wade Island findet man in dem östlichen
Canal mit 8 Faden keinen Grund; der westliche soll von dem nordamerikanischen
Dampfer Susquehanna befahren sein; da er 8 Faden tief und ganz frei von Hin-
dernissen ist, während sich in dem östlichen, 33 Miles WSW. von der Taiping
Pagode, gegenüber dem kleinen Dorfe Tangtoo eine Untiefe befindet, verdient
er vielleicht den Vorzug. In dem östlichen Canal mufs man sich dem linken
Ufer bis auf 4 Mile nähern, und zwischen den East und West Pillars passiren,
zwei stark befestigten Felsen, auf deren einem — dem östlichen — angeblich der
Schatz des Taiping aufbewahrt wird. Bei Point Morton läfst man ein kleines
flaches Eiland im Westen liegen; 3 Miles südlich davon liegt am rechten Ufer
eine Klippe, die im November bis an den Wasserspiegel reichte, im December
6 Fufs darüber hervorragte.
Vor der Stadt Woohoo liegt am rechten Ufer eine Untiefe, im December
ebenfalls trocken. Man hält sich in der Mitte des Stroms und wendet sich all-
mählich dem rechten Ufer zu, sobald man sich einer Hügelkette von 700 Fufs
} Höhe nähert. Dieser gegenüber liegen am linken Ufer ein paar kleine Inseln
und Schlammbänke, die im November noch unter Wasser standen, im folgenden
Monat aber für eine Strecke von fast 2 Miles trocken lagen. Jenseits derselben
kann man wieder mitten im Strom Barker Island im Süden umfahren; von
der Nordost-Spitze dieser Insel erblickt man die Kieu-hien-Pagode. In Kieu-
hien fand Lord Elgin bei 5—8 Faden guten Ankergrund. Diese Stadt liegt
am rechten Ufer, 80 Miles oberhalb Nanking; südlich von ihr erheben sich in
einer Entfernung von 3—4 Miles die Berge zu einer Höhe von 1500 — 2000 Fufs.
Das linke Flufsufer ist ganz fach; am Südwest-Ende von Barker-Island bilden
sich Schlammbänke; die geringste Tiefe, die man mitten im Strom fand, betrug
34 Faden. Der Flufsarm nördlich von Barker Island soll ganz frei von Hinder-
nissen sein.
- Jenseits Teihkeang hält man sich am rechten Ufer, bis man Osborn Reach
vorbei ist und sich einem grofsen am linken Ufer gelegenen Dorfe genähert hat;
dann wendet man sich dem linken Ufer zu, und steuert durch Wild Boar Reach
mitten im Strom. Hier zeigen sich nach den oben erwähnten Pillars und 50 Miles
von ihnen entfernt, zum ersten Mal auch am linken Ufer wieder Höhen. Man
mufs das linke Ufer im Auge behalten, damit man nicht in einen breiten Canal
geräth, der am rechten Ufer mündet und ganz das Aussehen des Hauptstroms
besitzt. Fitzroy Island umfährt man in dem nördlichen Flufsarm. Die Um-
gegend ist bergig. Acht Miles südwestlich von Fitzroy Island liegt 300 Yards vom
linken Ufer entfernt eine gefährliche Untiefe, die nur im December trocken ist;
be
260 Miscellen:
man mufs sie innerhalb einer Kabellänge von einem fast mitten im Strom ge-
legenen, 30 Fufs hohen Felseneiland passiren. Von hier ab bis hinter Liang-
kiang-ke oder Hen Point liegen viel Klippen im Flufs; von dem zuletzt ge-
nannten Punkt zieht sich eine gefährliche Gruppe von Klippen bis über die Mitte
des Stroms hinein; die äufserste Klippe lag im December trocken.
Bei der Annäherung an Nganking hält man sich am linken Ufer, da am
rechten ausgedehnte Untiefen und Schlammbänke liegen. Im November 1858
war die Stadt in der Hand der Rebellen und von den Kaiserlichen belagert; im
December hatten die letzteren die Belagerung aufgehoben. Jenseits Nganking
findet man keine Hindernisse im Strom. Man passirt Rover Island und die Süd-
spitze von Christmas Island, dem gegenüber am linken Ufer Schlammbänke lie-
gen, und nähert sich Toong-lew, einer Stadt dritter Klasse mit ziemlich furcht-
bar aussehenden Wällen, am rechten Flufsufer. Auch hier ist, ihr gegenüber am
linken Ufer, eine ausgedehnte Untiefe in der Bildung begriffen. Vor der Land-
spitze, auf welcher die Toong-lew-Pagode steht, scheint, nach der Bewegung
des Wassers zu schliefsen, im Flufs eine Klippe zu liegen, und hinter der Pa-
gode befinden sich mitten im Strom ein paar im December trockene Sandbänke,
auf die der Furious im November auffuhr. Diese Bänke erstrecken sich bis
Hwang-neuchin, an welchem Ort ein Zollamt ist. Am rechten Ufer erheben
sich hier ein paar Höhenzüge, das Land am linken ist ganz flach und nach un-
zweideutigen Spuren häufigen Ueberschwemmungen ausgesetzt, obgleich das Ufer
im November und December sich 25— 30 Fufs über den Wasserspiegel erhob.
Selbst in Ansiedelungen, die 3—4 Miles vom Ufer des Flusses entfernt liegen,
findet man Sampans, — ein deutlicher Beweis dafür, in welchem Zustande sich
das Land bei Hochwasser befindet.
Bei Dove Point schlägt der Flufs plötzlich unter einem rechten Winkel
die Richtung nach WNW. ein, doch nur auf eine kurze Strecke. Man hält sich
in der Nähe des linken Ufers, bis man Bullock Reach erreicht, wo der Flufs all-
mählich wieder eine südsüdwestliche Richtung annimmt. Nicht weit von dem
Ende des Bullock Reach liegt ein sehr merkwürdiges kleines Felseneiland, Seaou-
kooshan (von den Engländern Little Orphan genannt), das sich fast perpen-
dieulär beinahe 300 Fuls hoch aus dem Wasser erhebt und auf seiner Spitze
einige Tempel und Jofs-Häuser trägt; auf seinem steilen Südabhang, den man
für unzugänglich halten möchte, liegen ein paar Gebäude, wahrscheinlich die Woh-
nungen der Priester. Im November war der Felsen nur durch einen schmalen
Wasserstreifen vom linken Ufer getrennt, und im December durch einen schlam-
migen Grund mit demselben verknüpft. Diesem Eiland gegenüber erhebt sich
ein 400 Fuls hoher Felsenvorsprung, mit Befestigungswerken und Warten; an
seinem Fufse im Süden liegt eine befestigte Stadt. Das rechte Flufsufer bleibt
bergig und felsig.
Man fährt hier in der Mitte des Stroms, die tiefer als 9 Faden ist, bis Sea-
kea-kow, wo man, um einige Sandbänke am rechten Ufer zu vermeiden, sich
dem linken nähern mufs. Die Richtung des Flusses geht 5 Miles weit nach
Westen, dann neigt sie etwas südlich nach Blackney Reach; hier zieht sich
eine Sandbank, wie es scheint, quer über den ganzen Strom; die tiefste Passage
über dieselbe hatte im December 14 Fuls Wasser. Bei Chang-kea-kow ist
Der Yangtsekiang von Woosung bis Hankow. 261
der Flufs wieder 5 Faden tief, und weiterhin nimmt die Tiefe auf 8—10 Faden
zu. Bei Point Becher sind reilsende Wirbel. Westlich davon liegt Oliphant
Island, eine 5z Miles lange Insel, die von flachen Flufsarmen eingeschlossen ist;
in dem südlichen fand man im November an einer Stelle nur 3} Faden; der
nördliche ist zwar im Allgemeinen tiefer, aber durch Sandbänke gefährdet. Im
December bemerkte man, dafs das Wasser innerhalb eines Monats um 7 Fuls ge-
fallen war; der Furious und Cruiser mufsten also in der Stadt Kew-keang einen
höhern Wasserstand abwarten, ehe sie sich in einen dieser Flufsarme hineinwagen
konnten; gleichwohl gerieth der Furious auch dann in dem nördlichen Arm auf den
Grund. Gegenüber Point Becher, am rechten Ufer desjenigen Flusses, der das
Wasser des Poyang- Sees in den Hauptstrom führt, liegen mehrere Sandhügel.
Jenseits Oliphant Island kommt man, in einer Fahrt nach SW. bei W., an
der Stadt Kew-keang vorbei, die am rechten Ufer liegt, eine von imposanten
Mauern eingeschlossene, jetzt aber ganz zerstörte Stadt. Jenseits derselben schlug
Elgin’s Geschwader bei Hunter Island den südlichen Flufsarm ein, in welchem
der Furious nur mit grofser Mühe über eine Untiefe gebracht werden konnte,
die sich quer über den Strom erstreckt. Diese Untiefe liegt einigen sehr bemerk-
baren rothen Felsvorsprüngen am rechten Ufer, von 40—60 Fufs Höhe, gegen-
über. In dem nördlichen Flufsarm gerieth der Furious bei der Rückkehr auf
den Grund, er arbeitete sich aber nach einigen Stunden selbst durch den Schlamm
hindurch und kam glücklich in eine tiefere Wasserader hart am linken Ufer.
An demselben Ufer liegt weiter aufwärts die Stadt Wootsih-tsan, die
einen lebhaften Holzhandel treibt. Drei Miles weiter bilden mehrere Hügel von
600 Fufs Höhe die — seit Nganking — erste Unterbrechung der traurigen Einför-
migkeit des linken Stromufers. Bei der Stadt Footsz-kow entstehen Untie-
fen im Strom, so dafs man sich am rechten Ufer halten mufs. Der Flufs führt
nun aufwärts nach NNW., und er enthält keine Untiefen, bis in die Nähe von
Kechow, einem in Ruinen liegenden Fort auf einem isolirten Felsen, wo man
einige schlammige Untiefen am rechten Ufer zu vermeiden hat, die sich 4 Miles
weit längs dieses Ufers hinziehen. Die weitere Fahrt durch Ward Reach stölst
auf keine Hindernisse. Am rechten Ufer erhebt sich Ketow oder Cock’s Head,
ein Vorsprung von auffallender Form, senkrecht zu einer Höhe von 300 Fufs.
- Gegenüber der Ortschaft Shih-hwuy-yaou, ebenfalls am rechten Ufer, vor
einigen Kalksteinbrüchen, liegen einige Klippen im Flufs, die im December nur
6 Fufs hatten; der Lee blieb auf ihnen sitzen. Jenseits derselben hält man sich
am rechten Ufer, fährt bei der kleinen, aber bevölkerten Stadt Hwang-shih-
kang vorbei, nähert sich dann dem linken Ufer und fährt in den Flufsarm öst-
lich von Collinson Island hinein, in welchem man sich in der Nähe des lin-
ken Ufers hält. Am Nordende dieser Insel liegt eine ausgedehnte Untiefe quer
über den Flufs, mit höchstens 4 Faden Wasser. Bei dem kleinen Dorf Yangke
ist eine Sandbank am linken Ufer zu vermeiden; sie lag im December trocken.
Nördlich von der Stadt Woo-chang-hien erheben sich zwei Klippen aus dem
Flufs, die eine 18, die andere 10 Fufs hoch, die im Sommer wahrscheinlich un-
ter Wasser liegen. Jenseits Woo-chang-hien fährt man in der Mitte des Stroms
bis zur Hwang-chow Pagode am linken Ufer, wo man in den sehr engen By-
thesea-Channel einbiegen mufs, wenn nicht gerade Hochwasser ist, bei wel-
|
.
|
262 Miscellen:
chem auch der östliche Flufsarm passirt werden kann. Hinter Gravener Island
führt eine plötzliche Biegung des Stromes in Washington Reach, wo man
mitten im Strom selbst bei dem niedrigsten Wasserstande eine Tiefe von nicht
weniger als 45 Faden findet. Am rechten Flufsufer erhebt sich das Land zu
300 Fufs Höhe.
Bei Yanglo, einer kleinen Stadt am linken Ufer, kann man sich nahe an
diesem Ufer halten, dem man auch weiterhin folgen kann, ohne auf Hindernisse
zu stofsen; eine kleine Sandbank nördlich von dem 200 Fufs hohen Ufervorsprung
Kinshan, am rechten Ufer von Pakington Reach, kann leicht vermieden wer-
den. Gegenüber Hanyang, oberhalb der Einmündung des Flusses Han, liegt
eine im December trockene, ausgedehnte Schlammbank.
Bei Hankow, 384 Seemeilen oberhalb Nanking, besitzt der Flufs noch den-
selben grofsartigen Charakter; weder in Breite noch Tiefe hat er abgenommen;
an den Mauern von Woochang-foo ist er eben so tief wie bei Nanking, da man
in 9 Faden noch keinen Grund findet.
Wenn die Jahreszeit, in welcher Lord Elgin’s Geschwader diesen Theil des
Stromlaufs untersuchte, sehr geeignet war, Untiefen bemerkbar zu machen, die
sonst tief vom Wasser verdeckt sind, so konnte man doch die Stärke der Strö-
mung nicht kennen lernen; sie schwankte jetzt zwischen 1% und 4 Knoten, die
letztere bemerkte man indefs nur an wenigen Punkten. Im Sommer soll eine
constante Strömung von 5— 7 Knoten vorherrschen, — ein Umstand, der Segel-
schiffe in dieser Jahreszeit von der Bergfahrt zurückhalten dürfte.
An der Mündung des Han ankert stets eine ungeheure Flotte von Dschun-
ken, die mit Ein- und Ausladen beschäftigt sind. Hankow selbst liegt 30° 32’
HIN. Br 49255207 LM!
Capt. Ward macht noch folgende Entfernungsangaben:
Von Gutzlaff Island bis Woosung 60 Seemeilen
- 'Woosung bis Chinkiang . 138 -
- Chinkiang bis Nanking. . 46 -
- Nanking bis Hankow . . 384 -
- Gutzlaff Island bis Hankow 628 Seemeilen oder 157 geogr. Meilen.
—n.
Das Laternenfest in Nangasakı.
Die Japanesen behandeln bekanntlich die Ruhestätten ihrer verstorbenen An-
gehörigen mit aufserordentlicher Pietät und haben auch gemeinsame Feste, welche
dem Andenken an die Verstorbenen gewidmet sind. Fast überall gehören die
Begräbnifsplätze zu den reizendsten Punkten in der Nähe der Ortschaften. Sie
sind sorgsam eingezäunt und mit Bäumen, Sträuchern und Blumen so reich be-
pflanzt, dafs man unter dem dichten Grün die kleinen, nur 4 Fufs langen Grab-
hügel — die Japanesen beerdigen ihre Todten in sitzender Stellung — kaum
bemerken würde, wenn nicht die geschmackvollen Monumente — Grabsteine mit
’) Hiernach ist die Angabe Bd. VI. S. 157 (30° 30' N. Br. 114° 10' ©.L.)
zu berichtigen.
}
7
Dr. Hochstetters Karten von Neu- Seeland. 263
eingemeilselten Inschriften, oft mit sorgsam gearbeiteten Sculpturen in Bas-Relief
verziert — darauf aufmerksam machten. In Nangasaki ist dem Andenken der
Verstorbenen das sogenannte Laternenfest gewidmet, von dem ‚der Correspondent
eines nordamerikanischen Blattes folgende Beschreibung liefert.
„Ich darf nicht unterlassen, Ihnen Etwas über das Laternenfest mitzutheilen,
dem wir so glücklich waren beizuwohnen. Es wird zu Ehren der Verstorbenen
gefeiert. Alle Geschäfte ruhen dann auf drei Tage. Abends werden alle Be-
gräbnifsstätten auf den Gehängen der Hügel durch Kerzen in verschiedenfarbigen
Ampeln erleuchtet, die überall an Bäumen und Sträuchern aufgehängt werden.
Diese Begräbnilsplätze bilden die schönsten Theile der Umgegend; sie sind sehr
ausgedehnt und reichen vom Ende der Stadt an den Gehängen der Hügel auf-
wärts fast bis zum Gipfel derselben. Am Festabend, als eben der Mond über
den Hügeln im Norden heraufstieg, waren die Abhänge im Süden von dem mil-
den Lichtglanz dieser Ilumination umflossen, und dann und wann stieg von ihnen
eine Rackete in die Höhe, leuchtend über der prachtvollen Scenerie.“
„Der zweite Tag schien der Hauptfesttag zu sein. Am Abend desselben
wurden kleine, phantastisch verzierte Kähnchen vom Ufer abgestolsen; jedes hat
eine oder ein paar Ampeln, etwas Nahrungsmittel, eine Flasche Saki (Reisbrannt-
wein) und ein Zettelchen, auf welchem geschrieben ist, wohin das Miniaturschiff-
chen fahren solle. Die Zahl der Schiffehen, die so vom Ufer losgelassen wurden,
kann ich unmöglich angeben; es waren sicherlich tausende. Die Japanesen glau-
ben, dafs diese Schiffehen ihre verstorbenen Freunde an irgend einem unbekann-
ten Platze antreffen und ihnen Proviant zuführen werden für ihre lange Reise
nach dem fernen Lande der Seligkeit. Eines dieser Kähnchen schwamm so
nahe an unser Schiff heran, dafs wir es heraufholten, um unsere Neugier zu be-
friedigen. Es bestand aus dicht zusammengebundenem Stroh; darin lagen nied-
liche kleine Porcellan-Schüsselchen, die mit Präsenten angefüllt waren, und eine
Flasche Saki. Auf einem Papierstreifen war der Name des Verstorbenen ver-
zeichnet und die Worte hinzugefügt: „Steuere nach Süden!“ Nachdem wir diese
„Sailing Directions“ gelesen, liefsen wir das kleine Fahrzeug wieder in’s Wasser
hinab, damit der arme Bursche, für den es bestimmt war, nicht zu lange auf
seine Ankunft zu warten habe. Aber ich fürchte, dafs mancher der Verstorbe-
nen auf seiner weiten Reise vor Mangel umkommt, wenn er lediglich auf die
Fracht seines Schiffehens angewiesen ist; denn am nächsten Morgen schwammen
überall im Hafen die Fragmente der zertrümmerten Kähnchen umher.“ —.n.
Dr. Hochstetter’s Karten von Neu- Seeland.
In der Sitzung der K. K. geographischen Gesellschaft zu Wien vom 7. Fe-
bruar 1860 hielt Dr. Hochstetter, nach seiner Rückkehr von der Novara-Expe-
dition, einen Vortrag über seine Forschungen auf Neu-Seeland, aus dem wir fol-
gende Mittheilungen über das von ihm gesammelte chartographische Material her-
vorheben,
„Das wissenschaftliche Material“, sagt Dr. Hochstetter, welches ich von Neu-
Seeland mitbrachte, ist so gro[s, dafs es wohl Jahre lange Ausarbeitung kosten
264 Miscellen:
wird, um alles in einem grofsen Neu-Seelandwerke zusammenzufassen. Diesem
Neu-Seelandwerke hoffe ich aufser den Darstellungen neuer naturhistorischer
Gegenstände aus allen drei Reichen, aufser landschaftlichen wie ethnographischen
Bildern auch einen Kartenatlas mit topographischen und geologischen Karten bei-
fügen zu können.
Die Originale dieser Karten wurden schon in Neu-Seeland theils von mir
selbst, theils durch zahlreiche Freunde, welche mich unterstützten, ausgeführt.
Ich will Ihnen heute nur einige dieser Karten vorlegen, da sie meist in einem
so grolsen Malsstabe ausgeführt sind, dafs hier der Raum fehlen würde. Sie
müssen für die Publication alle erst auf einen angemessenen passenden Mafsstab
reduzirt werden.
Bevor ich aber zur Erklärung der Karten selbst übergehe, erlaube ich mir
noch einige einleitende Bemerkungen.
An eigentlichen topographischen Karten von Neu-Seeland mit Terrainein-
zeichnung existirt bis jetzt noch sehr wenig. Die englische Admiralität hat vor-
trefliche Seekarten von Neu-Seeland publieirt, gegen 50 Nummern, aber alles
das sind nur Küstenlinien und Hafenkarten. Auf dem Blatte, welches ganz Neu-
Seeland darstellt, ist wohl auch aufgenommen, was vom Innern bekannt war.
Aber schon die punktirte Zeichnung will sagen, dafs, was vom Innern des Lan-
des gegeben ist, nicht auf wirklich chartographischer Aufnahme, auf Beobachtung
beruht, sondern nur auf Einzeichnungen, die mehr oder weniger nach Beobach-
tung von touristischen Reisenden, Missionären, von reisenden Beamten gemacht
wurden, oder höchstens nach flüchtigen & la vue Skizzen, die der eine oder an-
dere mitgebracht. Arrowsmith in London hat in seiner letzten Ausgabe von
Neu-Seeland alles das, was auf diese Weise bekannt war, sorgfältig zusammen-
gestellt, und dessen Landkarte von Neu-Seeland ist daher bis jetzt die beste,
Gegenwärtig nun sind zwar in all den 9 Provinzen‘ von Neu-Seeland Pro-
vinzial-Ingenieure in voller Thätigkeit mit Landesvermessungen; der Zweck die-
ser Landesvermessungen ist zunächst nur der, dafs die Oberfläche des Landes,
welches die Regierung an die Einwanderer verkauft, genau bekannt werde, und
den Plänen fehlt mit wenig Ausnahmen alle Terrainzeichnung.
So erklärt sich’s, dafs selbst noch nicht einmal für die nächste Umgegend
von Auckland eine eigentliche topographische Karte existirt hat, sondern dafs
auf meiner geologischen Karten das von mir selbst gemachte Terrain die erste
vollste Terraindarstellung ist. Dazu kommen auf der nördlichen Insel für topo-
graphische Kartenarbeiten noch Schwierigkeiten ganz eigenthümlicher Art.
Die englische Regierung hat, als sie im Jahre 1830 Neu-Seeland als eng-
lische Colonie erklärte, den Eingebornen das Bigenthumsrecht von Grund und
Boden zuerkannt. Sie muls jeden Acker Land, den sie europäischen Einwan-
derern anweisen will, den Eingebomen um einen Schilling per Acker abkaufen.
Bei weitem der gröfste Theil der nördlichen Insel, und namentlich das ganze
Innere, ist noch in den Händen der Eingebornen, und die Eingebornen sind so eifer-
süchtig und mifstrauisch auf die Landspeculationen der Regierung, dafs sie einem
englischen Provinzial-Ingenieur, wenn er sich mit Mefs- und Beobachtungs -In-
strumenten auf einem Terrain zeigen wollte, das die Regierung noch nicht wirk-
lich angekauft, oder über das sie nicht gerade in specieller Unterhandlung steht,
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Ausbruchs im Jahre 1859. 265
die gröfsten Schwierigkeiten in den Weg legen und endlich: ihn am Arbeiten
gänzlich verhindern würden.
Diese Schwierigkeit fiel bei mir ganz weg. Die Eingebornen wulsten, dafs
ich ein Fremder, kein Engländer, und dafs ich nur für kurze Zeit im Lande war,
und machten mir daher nicht blos keinerlei Schwierigkeiten, sondern unterstütz-
ten mich noch auf jegliche Weise, damit ich in meiner Heimath recht viel Schö-
nes über ihr Land sagen könne. Es waren die Häuptlinge immer selbst, die
mich begleiteten und mit mir auf die Berggipfel gingen, von wo ich meine Be-
obachtungen machte. Sie sagten mir mit gröfster Bereitwilligkeit alle Namen,
zeichneten mir selbst noch, wenn ich sie darum anging, um mich zu orientiren,
ehe ich etwas unternahm, nach ihrer Art ihre Landkarten in den Sand oder auf
ein Blatt Papier und machten dann zu allen merkwürdigen Punkten selbst die
Führer.
Aus allen diesen Gründen war das Innere der Nordinsel, als ich im März
1858 dahin aufbrach, um es geologisch zu untersuchen, in topographischer Be-
ziehung ein weilses Blatt Papier. r
Um geologische Aufzeichnungen machen zu können, war ich daher genö-
thigt, gleichzeitig topographisch zu arbeiten Ich hatte daher schon vom Beginne
der Reise an ein System von 'Triangulation mittelst Azimuthumpafls auf die Ba-
sis der aufgenommenen Küstenlinie adoptirt und führte das während der ganzen
Reise fort, zugleich skizzirte ich alle Terrainverhältnisse immer an Ort und Stelle
selbst und brachte so von dieser Reise ein Material nach Auckland, aus dem ich
noch in Neu-Seeland selbst eine Karte zeichnete.
Etwas besser steht es mit den topographischen Karten auf der südlichen
Insel; hier giebt es beinahe keine Eingeborne mehr und das Land ist aufser-
ordentlich gebirgig; ich fand daher für meine geologischen Aufnahmen in Nelson
eine fast genügende Karte vor, über die ich aber auch freilich bald hinaus war“.
1
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Ausbruchs
ım Jahre 1859.
Von W. D. Alexander !).
Wir segelten Dienstag den 1. Februar im Kinoole von Honolulu ab und lan-
deten Donnerstag Mittags zu Kealakekua. Während der letzten Nacht hatten
wir aus weiter Ferne einen Blick auf die Eruption; sie glich einem Stern, der
auf dem Berge, etwa in zwei Dritteln seiner Höhe, schwebte und Lichtstreifen
nach unten entsandte.. Am Freitag trafen wir die Vorbereitungen für unsere Ex-
pedition, und Sonnabends früh brachen wir von Kuapehu in fast östlicher Rich-
tung nach dem Krater auf.
Unser Weg führte uns auf den ersten 12 Miles durch dichte Waldung, die
ihren Charakter allmählich änderte, je höher wir stiegen; unten herrschten rie-
") Nautical Magazine. February 1860. Die Eruption des Vulcans hatte am
23. Januar ihren Anfang genommen. Die letzten Ausbrüche desselben hatten in den
Jahren 1823, 1832, 1840, 1843, 1852 und 1855 stattgefunden,
266 Miscellen:
sige Farrn vor, dann wilde Brombeeren, und schliefsliich kamen wir in offene
Koa-Weideländereien.
Sobald wir aus dem Walde herausgetreten waren, hatten wir eine schöne
Aussicht auf die Feuersäule, die in einer Entfernung von vielleicht 25 Miles zu
einer Höhe von 300 Fufs in die Luft stieg. Sie war von dunkelrother Farbe,
glich in Form und Bewegung vollkommen einem Springbrunnen, und war von
ungeheuren Dampfsäulen begleitet. Bald wurde sie unsern Blicken durch die
Vorberge des Mauna Loa entzogen. Etwa 12 Miles von der Küstenstrafse er-
reichten wir einen Brunnen, Namens Waiio, den wir fast ausgetrocknet fanden.
Hier mulsten wir unsere Pferde und Lastochsen zurückschicken und zu Fuls
weiter gehen. Unser Führer brachte uns ostsüdöstlich über einen rauhzerrissenen
Strich von Lavaschollen (clinkers) zu einer 8 Miles von Waiio entfernten Höhle,
wo wir unser Nachtlager nahmen. Diese Höhle gehörte einst zu dem Bett eines
unterirdischen Stromes, der eine ganze Reihe von tiefen Grotten, Spalten und
Schlünden als Zeichen seines Laufes zurückgelassen hat. Der Schlund, in den
Alexander Smith hineinfiel, war nicht zwei Ruthen von unserm Lager entfernt,
25 bis 30 Fufs tief und von Unterholz vollkommen verdeckt. Es war ganz fin-
ster und vielleicht keiner von uns hatte eine Ahnung davon, dafs nur ein paar
Schritt von unserm Feuer ein solcher schwarzer Abgrund vorhanden war. Glück-
licherweise hörte man Smith’s Sturz: man brachte gleich eine Laterne, lie[s einen
Burschen an einem Tau in den Abgrund hinab und zog den Unglücklichen, zwar
besinnungslos, aber anscheinend unbeschädigt und noch athmend in die Höhe.
Durch Branntwein rief man ihn wieder zu sich, er schien ganz bei Sinnen, konnte
sich aber nicht rühren und wurde am nächsten Tage auf einer aus Ochsenhaut
gefertigten Tragbahre zu Dr. Herrick gebracht, wo ihm jede mögliche Pflege zu
Theil wurde. Doch war sein Zustand hoffnungslos, denn sein Rückgrat war ver-
letzt und nach einer qualvollen Woche starb er am 12ten Morgens. Sein männ-
liches Wesen, sein hochherziger Sinn hatten ihn unserer Gesellschaft sehr werth
gemacht, und sein trauriges Schicksal warf einen düstern Schatten auf unsere
weitere Expedition.
Da es uns an Wasser mangelte, gingen wir Nachmittags 6—8 Miles weit
südsüdöstlich zu einem wohlbekannten Brunnen Namens Puapuawei, wo wir la-
gerten. Hier war die Kälte in der Nacht so stark, dafs sich in unsern Kalabas-
sen eine Eiskruste von 3 Zoll Dicke gebildet hatte und die Beeren an den Bü-
schen steinhart gefroren waren. Nach ungefährer Schätzung mochten wir uns
etwa noch 1000 Fufs niedriger als der Gipfel des Hualalai, also etwa 8000 Fufs
über dem Meeresspiegel befinden. Da es auch in diesem Brunnen an Wasser
fehlte, hielten wir es für zweckmälsig, dafs die Reisegesellschaft sich theilte. Die
eine Hälfte kehrte unter Führung des Präsidenten Beckwith nach Kaawaloa zu-
rück und wandte sich dann zu dem Lavastrom an Gouverneur Adams’ Strafse.
Der Rest, aus 12 Weifsen und 30 Kanacka’s bestehend und mit Proviant für
eine Woche versehen, brach am Montag Morgens direct nach dem Krater auf.
Während dieses Tagemarsches litten wir alle mehr oder weniger in Folge der
dünnen Luft, besonders aber die Eingeborenen, die ganz aufser Stande waren,
ihr gewöhnliches Gepäck zu tragen. Fast den ganzen Tag stiegen wir allmäh-
lich bergan. Die Vegetation wurde immer dürftiger, bis sie endlich fast ganz
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Ausbruchs im Jahre 1858. 267
verschwand. Um Mittag kamen wir über einen jüngern Lavastrom, vielleicht
den von 1847, und um 4 Uhr erbliekten wir nach einem Marsch von etwa 20 Miles
in nordöstlicher Richtung plötzlich die beiden activen Krater und den Lavastrom
unmittelbar zu unsern Füfsen. Wir lagerten 13 Mile südwestlich von dem grö-
(sern Kegel, auf einem Hügel, der uns einen prachtvollen Ueberblick über die
ganze Eruption gewährte. Nicht eine Viertelmeile entfernt zeigten sich breite
Streifen von Schnee und Eis, so dafs wir des Wassers wegen nicht in Sorge zu
sein brauchten.
Den Anblick, den wir in dieser Nacht genossen, wird Niemand von uns ver-
gessen. Die Feuersäule stieg nicht mehr empor, aber beide Krater stie[fsen enorme
Dampfsäulen und Hagelschauer von rothglühenden Schlacken aus, mit einem Ge-
töse, gleich dem einer heftigen Brandung und zuweilen gleich dem Donner einer
Artillerie-Salve. Eine halbe Mile unterhalb des unteren Kraters zeigte sich ein
Feuer-Katarakt; er fand dann mehrere Miles weit seine Fortsetzung als ein sich
hinschlängelnder Licht-Strom, der sich schliefslich in ein Netz von Armen ver-
zweigte, welche zahlreiche Inseln einschlossen. Der Arm, der nach Kawaihae
ging, verbreitete an einigen Stellen noch ein dunkelrothes Lieht; aber der Haupt-
strom schien nach West, nach Kona gerichtet zu sein.
Zwei neue Ströme schienen nach jener Richtung in einem Wettlauf begrif-
fen zu sein und wir sahen den Wald vor ihnen in Flammen aufgehen. Der fol-
gende Tag, der 10te, war regnicht, und der Nebel so dicht, dafs wir uns nicht
auf den Weg machen konnten. Wir gingen nur ein paar Miles weiter abwärts
und lagerten an dem frischen Lavastrom 4 Mile südlich von dem Hauptkegel.
In der Hitze der dampfenden Spalten kochten wir unsern Kaffee, brieten Fleisch
| und Kartoffeln und liefsen den Schnee schmelzen, den uns die Eingeborenen in
Säcken herabgebracht hatten, bis wir alle unsere Wassergefälse gefüllt hatten.
- Einige von uns untersuchten während dieses Tages die Krater.
F Die beiden Hauptkegel sind etwa 4 Mile von einander entfernt, der obere
liegt südöstlich von dem andern. Sie sind etwa 150 Fufs hoch und bestehen
| ganz aus Bimsstein und kleinen Lavastücken, die in flüssigem Zustande ausge-
_ _ worfen worden sind. Der obere Kegel war ein vollständig eingeschlossener Kra-
ter; er enthielt zwei rothe glühende Schlünde, von mehreren Fufs im Durchmes-
ser, und stie[s durch sie Dämpfe und Schwefelgas und zuweilen Schauer von
leichtem Bimsstein aus. Der Stickgase wegen konnte man sich ihm nur von der
Windseite nähern. Der untere Krater, aus welchem vor zwei Tagen die grolse
Feuersäule emporgestiegen, war etwas gröfser; unten an seiner Seite hatte sich
ein grofser Schlund geöffnet, aus dem ein Lavastrom hevorgequollen und den
Abhang hinabgeflossen war.
Er Wir fanden oberhalb dieser beiden Krater noch einen dritten, der noch im-
mer rauchte, und konnten auch noch 2 bis '3 Miles bergaufwärts einen Streifen
von frischer Lava und von Schlackenkegeln verfolgen. Die grölseren Kegel lagen
in der Mitte eines noch immer rauchenden, 1 Mile breiten Stroms, der also noch
an einer andern, viel höher gelegenen Stelle seinen Ursprung genommen haben
muls.
_ Wir bedauerten sehr kein Barometer mitgenommen zu haben, um die Höhe
dieser Quelle bestimmen zu können, Ziehen wir Alles in Betracht, so müssen
268 Miscellen:
wir annehmen, dafs sie mindestens 8000 Fufs, wahrscheinlich gegen 10,000 Fufs
über dem Meeresspiegel liegt. Die Höhe des Heiau (Tempels) von Umi wird
von Wilkes nur 5000 Fufs angegeben, und wir glauben, dafs der Ursprung jener
Eruption sicherlich 3—4000 Fufs höher liegt.
Wir schliefen diese Nacht an der warmen Lava, besuchten am nächsten
Morgen wieder den unteren Krater, verfolgten den mittlern Lavastrom eine halbe
Mile weit und gingen dabei über zwei oder drei kleine Kegel, bis wir die Quelle
erreicht hatten, wo die Lava hervorbrach; die Lava hatte zu ihr von dem Kra-
ter offenbar durch einen unterirdischen Canal ihren Weg gefunden. Diese Oeff-
nung glich einer Blutlache, sie war nur ein paar Ruthen breit, brodelte auf wie
ein Quell, und spie dicke, in Klumpen geronnene Massen aus, 10 bis 20 Fufs
hoch. Einer von uns näherte sich ihr so weit, dafs er seinen Stock hineinstecken
konnte. An der tiefer gelegenen Seite stiefs sie einen Katarakt geschmolzenen
Gesteins aus, der sich über einen Abhang von 50 Fufs mit einem Brausen, wie
das einer heftigen Brandung, hinabstürzte. Es wehte gerade ein starker Südwind
und machte es uns möglich, wenn wir den Hut vor das Gesicht hielten, uns dem
Rande bis auf ein paar Fufs zu nähern. Die Lava schien fast so flüssig wie
Wasser, und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit vorwärts, dafs das Auge
kaum folgen konnte. Die festen Massen, die hin und wieder in sie hineinfielen,
gingen in ihr sofort unter. Mehrere Miles weit bestand der Feuerflufs aus einer
ununterbrochenen Reihe von Schnellen und Katarakten. Nur mit Widerstreben
entschlossen wir uns, zu unserm Lager wieder zurück zu kehren, der Weg dort-
hin führte 2 oder 3 Miles über die frische Lava, die an manchen Stellen noch
heifs genug war, unsere Sohlen zu versengen.
Nachdem wir gefrühstückt hatten und unsere Eingeborenen über den alten
„pahoehoe“ (ein ebenes Lavafeld) den Südrand des Stroms entlang aufgebrochen
waren, kehrten wir zu dem grolsen Katarakt zurück. Die vulcanische Thätigkeit
hatte während der letzten drei Stunden beträchtlich zugenommen; aus der Lache
war ein Springbrunnen geworden, der 30 Fuls hoch stieg, und die niederfallenden
Stücke hatten um sie fast einen Krater gebildet, dessen Einfassung bereits 10 Fuls
hoch, an der tiefern Stelle aber geöffnet war und den Lavastrom abflielsen liefs.
Zwei kleinere, etwas weiter oberhalb aufsteigende Strahlen werden sich mit die-
sem wahrscheinlich vereinigen und einen einzigen Krater bilden. Der am Höch-
sten gelegene schleuderte leichte Stücke Bimsstein 60 Fufs hoch und bildete um
sich einen sehr regelmälsigen Kegel.
Glücklicherweise war es ein heller Tag mit starkem Südwestwind, wir konn-
ten also ohne Beschwerde drei oder vier Stunden hart am Rande des Lavastroms
hingehen. Er hatte sich ein tiefes, scharf umgrenztes Bett geschaffen, so dafs
wir nicht eine plötzliche Veränderung seines Laufes zu befürchten hatten. Die-
ses Bett war zwischen 20 und 50 Fufs breit, und 10 bis 15 Fufs tief. Doch
war der Strom in Wahrheit viel breiter, denn auf beiden Seiten waren die Ufer
beträchtlich unterminirt. Die darüber sich hinwölbende Decke hatte mehrere
Spalten, durch welche wir den Strom ein paar Fufs, manchmal nur ein paar Zoll
unter unsern Füfsen hinfliefsen sahen. Eine Beschreibung dieses Schauspiels ist
unmöglich. Anfangs sahen wir wirkliche Wellen und sprühenden Schaum von
flüssiger Lava. Wenn die Wogen von den einschliefsenden Felswänden zurück-
Ein Besuch des Mauna Loa während seines Ausbruchs im Jahre 1859. 269
rollten, überstürzten und brachen sie sich wie Sturzwellen an einem Riff, Ihre
Formen waren kühner und malerischer als die der Wasserwellen, weil die Flüs-
sigkeit schwerer und zäher ist. Aufserdem waren die Formen unendlich man-
nichfaltig. Bald kamen wir an einer Cascade, bald an einem Wirbel, bald an
einem glatten majestätischen Strome, bald an einer Reihe von Schnellen vorüber,
die ihre Wellen hin- und herwarfen wie eine stürmische See, jetzt sich in fin-
stere Grotten stürzten, an deren Wölbungen rothglühende Stalactiten hingen, jetzt
unter Bogen durchschossen, welche der Strom selbst auf seinem Triumphzuge
über sich aufgespannt hatte. Uebrigens waren wir alle darüber erstaunt, dafs
wir uns ohne Gefahr so weit nähern konnten.
Nachdem wir dem Strom 6 — 8 Miles weit gefolgt waren, nahmen wir auf
- einer Insel, etwa 4 Mile von dem gröfsesten Katarakt, das Mittagsmahl ein, und
_ gingen dann längs des Stromes noch bis 4 Uhr Nachmittags abwärts. Wie der
| Abhang sanfter wurde, veränderte der Strom seine Farbe, zuerst in Rosenroth,
dann in ein dunkles Blutroth; auf seiner Oberfläche sammelte sich mehr und
mehr ein grauer Schaum, und grolse feste Massen, die auf ihm hintrieben, wur-
den häufiger. Er theilte sich jetzt in zahlreiche Arme, und es wurde immer be-
| denklicher, dem mittleren Strom zu folgen, da er seinen Lauf oft änderte und uns
leicht der Rückzug hätte abgeschnitten werden können. Wir hielten uns deshalb
an dem äufsern Rande der Strömung und lagerten endlich auf einer Insel im
Walde. Während dieser Nacht waren die Krater sehr thätig und die ganze Ebene
- unter und um uns schien in Flammen zu stehen.
Früh um 4 Uhr des nächsten Morgens gingen wir eine kleine Strecke auf-
wärts, um einen neuen Strom zu besichtigen, der durch den Wald in der Rich-
tung auf unser Lager hervorgebrochen war. Es war ein nicht tiefer, sehr flüssi-
ger Strom; er bildete einen glatten „pahoehoe“. Die Art, wie er sich durch den
Wald fortbewegte, die Bäume umflofs und allmählich in Brand setzte, an der
Oberfläche durch Abkühlung gerann und dann wieder aufbrach, war genau die-
selbe wie es bei Hilo beobachtet ist, und bedarf keiner weiteren Beschreibung.
Hier konnten wir zähe Massen herausnehmen und Stempel hinaufdrücken, und
wenn wir Formen bei uns gehabt hätten, so hätten wir der Masse jede beliebige
Gestalt geben können.
Während des Vormittags folgten wir dem Strom bis auf die Ebene, und gin-
gen manchmal über ihn hinüber, um einen neuen Abfluls zu besichtigen. Wir
„waren besonders neugierig zu sehen, wie die Clinkers sich bilden, und konnten
unsern Wunsch befriedigen. Der Unterschied zwischen „pahoehoe“ oder glatter
Lava und „aa“ oder Clinkers scheint hauptsächlich von der verschiedenen Art
der Abkühlung herzurühren. Die Ströme, welche einen pahoehoe bilden, sind
verhältnifsmälsig nicht tief, vollständig flüssig, und kühlen plötzlich zu einer
festen Masse ab. Die „aa“-Ströme dagegen sind tief, sie bewegen sich manch-
mal in einer 20 Fufs hohen Masse innerhalb fester: Seitenwände vorwärts; sie
sind weniger flüssig, reich an festen Stücken, die man als Abkühlungscentren
bezeichnen könnte, und rücken nur sehr langsam vor. Der Aa-Strom wird in
Folge dessen beim Abkühlen körnig wie Zucker (the „aa“ stream grains like
sugar). Er gleicht, aus der Ferne gesehen, einer ungeheuren Masse nur noch
halbglühender Kohlen und Schlacken aus einem Schmelzofen, die sich, angetrie-
270 Neuere Literatur:
ben durch eine unwiderstehliche Gewalt von hinten und von unten, immer wie-
der übereinander stürzen. Diese treibende Kraft ist der flüssige Strom, der durch
den Haufen von ausgeglühten Kohlen, welche er selbst durch seine Abkühlung
gebildet hat, meist ganz verdeckt wird. Wir hörten häufige Explosionen, die da-
durch entstanden, dafs die Lava in Höhlen drang und sie sprengte. Der Haupt-
strom von fliefsender Lava, den wir auf der Ebene sahen, lag 3 bis 4 Miles süd-
östlich von Judd Road, und bewegte sich nach West bei Nord. Hier verlie[sen
wir den Lavastrom und stiegen in einem kurzen Einschnitt durch einen offenen
Pahoehoe- Wald zu Umi’s Tempel herab. Wir erreichten ihn um 3 Uhr Nach-
mittags und kamen um 8 Uhr in Mr. Johnston’s Wohnung an. Der andere Theil
unserer Reisegesellschaft hatte den Strom auf dem Wege des Gouverneur Adams
besucht und war bereits zurückgekehrt. Am nächsten Dienstag segelten wir wie-
der von Keauhou ab und kamen Sonntag früh in Honolulu an. _n
Neuere Literatur.
General-Karte von den Herzogthümern Schleswig, Holstein und Lauenburg,
den Fürstenthümern Lübeck und Ratzeburg und den freien und Hansestäd-
ten Hamburg und Lübeck, entworfen und herausgegeben vom Hauptmann
FE. Geerz. Berlin 1859, nebst Denkschrift 277 S. 8. Geschichte der geo-
graphischen Messungen und der Landkarten Nordalbingiens, vom Ende des
15. Jahrhunderts bis zum Jahre 1859. Commissions-Debit von Perthes,
Besser & Mauke in Hamburg und der Schwers’schen Buchhandlung in Kiel.
Von der obigen Karte sind durch entsprechende Illumination drei verschie-
dene Ausgaben hergestellt: eine physisch-topographische, eine nach administrativer
Eintheilung und eine lediglich nach Landesgrenzen colorirt. Die ersteren beiden
Ausgaben kosten je 24 Thlr. Pr. Cour., die letzte nur 13 Thlr. Jedem Exem-
plare jeder Ausgabe wird die Denkschrift unentgeltlich beigegeben. Der Maals-
stab der Karte ist 1:450,000. Für diesen kleinen Maalsstab enthält die Karte
nach rationeller Auswahl ungewöhnlich viel Detail. Alle Städte, Flecken, Kirch-
dörfer, Dörfer mit Capellen, die Stammhöfe der adeligen Kanzlei- und Kirchen-
güter, die octroyirten Köge, Schlösser und Amthäuser, Glashütten und sonstige in-,
dustrielle Anlagen, Seebad-Anstalten und berühmte Aussichtspunkte sind auf der
Karte zu finden, aufserdem aber ist von den übrigen Ortschaften und einzelnen
Gebäuden Alles, was geschichtlich, eulturhistorisch oder geognostisch merkwürdig
ist, mit Sachkenntnifs und kritischer Auswahl hervorgehoben. Alle Schlachten
vom 9. Jahrhundert bis zum letzten Kriege, mit vielfacher Berichtigung von Ort
und Zeit, auch die Seeschlachten, sind eingetragen. Die Tiefenmessungen der
See mit constanter Angabe der 4 Faden- (Linienschiffs-) Tiefe, und die Höhen-
messungen auf dem Lande nach Fulsmaalsen sind angegeben. Aufser den Eisen-
bahnen enthält die Karte vier Klassen von Wegen und vieles dergl. mehr. Das
Trefflichste ist aber die Zeichnung des Terrains. Moor, nasse Wiesen und
Marsch, Diinen, Flugsand und Wald sind überall und deutlich hervorgehoben, so
F. Geerz: General-Karte von den Herzogth. Schleswig, Holstein ete. 271
dafs man ein übersichtliches Bild nieht nur von der gegenwärtigen Oberflächen-
gestalt, sondern auch von den im Laufe der Jahrhunderte eingetretenen Verände-
rungen erhält. Der Stich der Karte ist in dieser Hinsicht so befriedigend, dafs
man die Illumiriation der physisch-topographischen Ausgabe allenfalls entbeh-
ren könnte. Die Denkschrift enthält eine kritische Uebersicht aller bezüglichen
geographischen, geognostischen, ethnographischen und historischen Karten und
Pläne, nebst Beiträgen zur physischen Geographie und besonders werthvollen zur
geschichtlichen Topographie. Etwanige Unvollständigkeiten scheinen mehr im
Westen als im Osten und Süden der Karte zu suchen zu sein. So z. B. ver-
mist man auf der Insel Sylt die Bezeichnung des Königshafens im Listland und
des Riesenthores südlich von Wenningstedt, beides Punkte von historischer Be-
deutung, sodann die Bezeichnung des Landvorsprunges Nösse (Landungspunkt),
endlich die Terrainzeichnung des sogenannten „Kamperdeiches“: des Abfalles der
- Haidhöhen, welcher quer den schmalen Hals der Insel nördlich von Kampen bis
_ an die Dünen durchschneidet. Die Burg bei Tinnum auf Sylt und bei Borgsum
auf Föhr wird einfach Tinnum- oder Tinse- und resp. Borgsum- oder Lembecks-
Burg genannt. Die Archsum-Burg auf Sylt scheint nicht gezeichnet, und ebenso
nicht die Dünenschanzen bei Tinnum. Es möchte diesen Ausstellungen grolsen-
theils indessen wohl der kleine Maafsstab der Karte entgegengehalten werden
können. Die Karte nebst Denkschrift sind ein elassisches Meisterwerk, die fast
durchweg billige Anforderungen und Erwartungen mehr als erfüllen, S.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 3. März 1860.
Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung mit Ueberreichung
und Besprechung der eingegangenen Geschenke: 1) Reports of Explorations from
the Mississippi River to the Pacifie Ocean. Vol. X. Washington 1859. — 2) An-
nual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution. Washington
1859. — 3) Report of the Superintendent of the Coast Survey during the year
1857. Washington 1858. — 4) Barbie du Bocage, Deseription topographique et
historique de la plaine d’Argos. Paris 1834. — 5) Tableaux de population, de
eulture, de commerce et de navigation des colonies frangaises pour lannee 1856.
Paris 1859. — 6) Owen, First Report of a Geological Reconnaissance of the
Northern Counties of Arkansas. Little Rock 1858. — 7) Dassy, Notes of Sueis
and its Trade with the Ports of the Red Sea. Constantinople 1859. — 8) v. Czoer-
' nig, Ansprache gehalten in der dritten Jahresversammlung der K. K. Geographi-
schen Gesellschaft in Wien. Wien 1860. — 9) Malte-Brun, Za destinee de Sir
John Franklin devoile. Paris 1860. — 10) Malte-Brun, Resume historique de
Dexploration & la recherche des grands lacs de P’Afrique orientale fuite en 1857—
1858. Paris 1860. — 11) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. Bd. VI.
Heft 5. 6. Berlin 1859. — 12) Bulletin de la societe de geographie. 4” Serie.
Tom. X VIII. Novbr. Dechr. Paris 1859. — 13) Petermann, Mittheilungen. 1860,
Heft ?. Gotha 1860. — 14) Preufsisches Handelsarchiv. 1860. No. 7. 8. Berlin
272 Sitzungsbericht der Berliner geograghischen Gesellschaft.
1860. — 15) Lange, Atlas von Sachsen. 1. Liefer. Leipzig 1860. — 16) Kie-
pert, Handatlas. Liefer. 10. Berlin 1860. — 17) Türkische Karte von Anatolien.
Constantinopel.
Herr Prof. Dove hob hervor, dafs der Coast Survey der Vereinigten Staaten
geeignet ist, Lücken in der Kenntnifs der physikalischen Verhältnisse ander West-
küste von Amerika auszufüllen, namentlich in Betreff der Fluthwellen und des
Magnetismus. Bei dem Atlas von Lange machte er auf die darin enthaltenen
neuen Darstellungsweisen der Höhen-, der Bevölkerungs- und Producten-Verhält-
nisse aufmerksam.
Herr W. Rose hielt einen Vortrag über das Thal von Poschiavino im ita-
lienischen Graubündten und die Besteigung des Sassalbo, nach eigener Anschau-
ung während seiner vorjährigen Reise, und indem er einige Mittheilungen über
die Verhältnisse des Landes und seiner Bevölkerung machte, pries und empfahl
er den dortigen Aufenthalt.
Herr Klenz sprach nach einem Berichte des Consuls Sir J. Bowring über
China und dessen Handel. Die Bevölkerung und der Handel der Insel Hong-
kong sind im starken Zunehmen begriffen. Die Bevölkerung China’s wird auf
412 Millionen Seelen geschätzt, das Reich ist übervölkert und deshalb wandern
die Bewohner nach allen Ländern aus. Für auferlegte Strafen sind Ersatzmänner
wohlfeil zu erlangen. Die Einfuhr von China nach Grofsbritannien betrug in den
Jahren 1854 — 1857 durchschnittlich 9 Millionen L. St. jährlich. Die Ausfuhr
nach China schreitet vorwärts, sie ist von 1 Million L. St. im Jahre 1854 auf
2,876,000 L St. im Jahre 1858 gestiegen. Es finden noch Hindernisse für diese
Zunahme statt, namentlich die Unkenntnifs der Sprache. Für Opium werden jähr-
lich 5 bis 7 Millionen L. St., meist in Silber gezahlt. Von Shanghai werden
jährlich 92,000 Ballen Seide im Preise von 9 Millionen L. St. versandt. An der
Küste liegen wenig grofse Städte, diese sind wohl absichtlich, zum Schutz gegen
Seeräuber, entfernt von der Küste angelegt.
Herr Boltz las einen humoristisch abgefalsten Brief eines russischen Marine-
Offiziers aus Hakodadi vom Jahre 1859 vor, worin die dortigen für den Europäer
keineswegs angenehmen gesellschaftlichen ‘Verhältnisse geschildert werden.
Herr Kiepert legte mehrere Karten zur Ansicht vor und besprach dieselben.
Eine Karte der Republik Ecuador von Manuel Villavicensio verglich er mit der
zugleich vorgelegten von Castelnau, wonach erstere als ein sehr schwaches Werk
erscheint. Ferner legte er eine Anzahl handschriftlicher, zum Theil sehr detail-
lirter Karten vor, welche Lieut. Schultz aus Brasilien eingesandt hat. Der Vor-
tragende hat nach diesem reichhaltigen Material eine Karte in kleinerem Mafs-
stabe von 1:1,000000 angefertigt, welche das wichtigste Detail umfafst und zur
Publication bestimmt ist. Darauf legte Herr Kiepert eine Karte mit. Sondirun-
gen in der Nähe von Pelusium zur Ansicht vor. Eine vorgezeigte türkische Karte
von Anatolien erklärte der Vortragende für die schlechte Copie einer deutschen
Karte. . Zum Schlufs begann Herr Kiepert einen kritischen Vortrag “über das
Werk: Les mysteres du desert etc. par Hadji-Abdel-Hamid-Bey (Col. du Couret).
Paris 1859, welches er für ein grofsentheils zusammengetragenes, abenteuerliches
Machwerk. erklärte.
oder das Gebiet
hRedRiver, nach
zcommissäre 1822
CHEN EXPEDI'
oil, oder die Umgel
pegus, Manitoba u. d
nRive ‚nach den Aufn
| N VSON u. ‚FLEMIN
DIE REGION DER
m —— CANADISCHEN SEEN
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a NorwnyHouse im Nordwesten des Lake Superior
Bralklin)
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»usammengestellt van
E.6G.RAVENSTEIN.
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Der östliche Theil, oder das Gebiet zwischen dem Ns TOR
L.Superior und dem Red River, nach den Aufnahmen der |
ee | Greuzcommissäre 1322-26
DE und der CANADISCHEN EXPEDITION 1857-59;
> 77 cl
der westliche Theil, oder die Umgebung der Seen
Winipeg Winipegus, Manitoba u. der Lauf des
Assimiboine River, nach den Aufnahmen von
THOMPSON’s —
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DAWSON u. FLEMING. |
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= mit den Routen von
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4.5Jchn 5. St Beniface 637 ,Vorbert
7.57Jamas 8.5” Onarles I.5° FrangoleXarier F zu can
ET wo Pointa gb
-B. F- Fulls(Fäll), Ra -Rapids(Stromschneilen) | £ er
P-Portuge (Trageplats).L-Lake (See) | Fort AERO \ 2
Die sechenden Ziffern bezeichnen dir Höhe über dem Lake Superior in englischem Pussması Erenze der | Pombinaegsimmeme Vereinigten Staten\ ; NS [IR
Maßstab in 1:3000,000.
Deutsche geographische Meilen 15 -1 Grad
E3 so
C-Okmann hith.
Berlin. D.Reimer
Zeitschrift erscheint Jod Monat ein Heft von 5— 6 Bogen
an und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften,
= Be. ge zen Pe: werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.
In der ©, F. Winter'schen Verlagshandlung in Leipzig und Heidelberg
ist soeben erschienen:
Allgemeine geographische Meteorologie!
oder
Versuch einer übersichtlichen Darlegung des Systems
der
Erd-Meteoration
in
- ihrer klimatischen Bedeutung.
Von
A. Mühry, M.D.
Mit vier Karten und vier Holzschnitten.
gr. 8. Geh. 1 Thlr. 6 Sgr.
Früher erschienen in derselben Verlagshandlung:
Mühry, . A., Klimatologische Untersuchungen oder Grundzüge der
Klimatologie in ihrer Beziehung auf die Gesundheitsverhältnisse der
Bevölkerungen. gr. 8. geh, 4 Thlr.
— . die geographischen Verhältnisse der Krankheiten oder
Grundzüge der Noso-Geographie in ihrer Gesammtheit und Ordaung und’
mit einer Sammlung von Thatsachen dargelegt. gr. 8. geh. 2 Thlr. ‚42 Sgr. j
if
Im Verlage von Dietrich Reimer ist so eben erschienen:
Reisebericht
über
Hanran und die Cradponen
nebst einem Anhange
über die
Sahäischen Denkmäler in Dsteylen!
von
Dr. Joh. Gottfr. Wetzstein,
Königl. Preufs. Consul in Damaskus,
Mit Karte, Inschriftentafel und Holzschnitten.
Preis 1 Thlr.
Das
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Sohleswie. Holsteinische Land.
Ein Beitrag zur kiskorischen Geographie
von
Dr. v. Maack
in Kiel.
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Gedruckt bei A. W, Schade in Berlin, Grünstr. 18. k &
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April u. Mai. 1860.
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- UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG
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ER a uf tedsSDr: v. A OT RD
» en = Br eye BERLIN. er Arien ArSId
0000... VERLAG VON DIETRICH REIMER.
BE A 12-1860. SEE
fr
Karten.
Inhalt.
* Seite
X. Die topographischen Aufnahmen der wissenschaftlichen Expedition
nach Chorassan. Von N. Chanikoff . . . . N RE
XI. Th. W Atkinson’s Schilderungen central- asia dklier 3% und Ge-
birgslandschaften. Mitgetheilt von Dr. Biernatzki. . . '. .- 277
XU. Du Chaillu’s Reise am Gabün und Nebenflüssen. Von Dr. H. Barth 324
XIU. Die Bewohner Zanzibar’s. Von E. Quaas . . . 4 331
XIV. Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten. Von H. w. Dove . 366
Miscellen.
Der nordöstliche Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod 378
Das griechische Städtchen Stenimach in Bulgarien . 334
Notiz über H. Duveyrier’s Reise nach Tunesien .-.°. 2 2.2.2...8385
Ueber die Cultur der Vanille auf Reunion - 386
Ein Ausflug von Damaskus uach Sekkä und Gassile ; 389
Heifse Mineralquellen in der Provinz Ssemipalatinsk 394
Die Karagassen . 400
Chinesische Bibliotheken . «409
Swatau und seine Umgebung . 411
Englische Nachrichten über den ienähnächeh Hafen Niegata 412
Neuere Nachrichten von Missionären aus Micronesien. . . . 413
Neuere Untersuchungen des R. Salado in der Argentinischen Conföderation 417
Plan zur Begründung eines Central-Erkundigungs-Bureau’s zu Berlin für
Auswanderung nach den britischen Colonien . 422
Neuere Literatur.
Wandkarte der Hemisphären auf Wachstuch von Dr. Vogel u. Delitsch 423
W. Pütz, Charakteristiken zur vergleichenden Erd- und Völkerkunde.
AiBde.,;Koln’A859% 29 .auneer Te : 426
W. Unschuld, Leitfaden zur darstellenden Statistik anf inbnsenhindheh
Karten. N DR a A RE REN.
W. Heine, Eine a a ae Tripolis a ar 428
W. Heine, Japan und seine Bewohner : 429
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin ı vom 14. April 1860 . 430
- - - - "- - - 5. Mai 1860 . 431
Taf. IV. Uebersichtskarte der russischen wissenschaftlichen Expedition in Cho-
rassan. Mitgetheilt von dem Chef der Expedition, Herrn Staatsrath
N. Chanikoff.
Taf. V. Reisen an der aequatorialen Westküste von Africa von Du Chaillu,
eonstr. von H. Barth. — Die Mündungsbay des Flusses Gabun.
Beiblatt. Aufruf zu Beiträgen für die Ritterstiftung.
>45
E6.diezie
a a Kl a DM 9
ZU
Beiträgen für die Ritterstiftung.
5ER
Ein und dasselbe Jahr hat der Wissenschaft und zwar eng ver-
brüderten Zweigen der Wissenschaft ihre gröfsesten Stützen und ihre
schönsten Zierden geraubt, Alexander von Humboldt und Carl
Ritter.
Das Gefühl des Verlustes zweier Männer, wie diese, ergriff die
Männer der Wissenschaft, ja das ganze an dem wissenschaftlichen Fort-
arbeiten Theil nehmende Publicum auf das Tiefste, und wie die natür-
liche Richtung unserer Zeit eine Einigung zerstreuter Kräfte anstrebt,
so knüpfte sich auch an diese beiden Namen der Gedanke, eine in
ihrem Sinne fortwirkende Stiftung zu gründen.
Zur Ehre und zum Gedächtnils Humboldt’s wollte man eine Stiftung
in’s Leben rufen, um naturhistorische Forschungen und Entdeckungs-
reisen zu fördern; so entstand die Humboldtstiftung. Ein ähnlicher Ge-
danke ging aus von der hiesigen Geographischen Gesellschaft.
Auch diese Gesellschaft, für die Ritter als ihr Begründer und lang-
jähriger Vorsitzender unendliche Verdienste sich erworben und durch
die er bei nur beschränkten Mitteln zu wiederholten Malen selbstthätig
in die Erweiterung der Geographie durch Unterstützung von Reiseunter-
nehmungen einzugreifen versucht hatte — wir führen hier als Beispiele
nur den Dr. Overweg und Dr. Bleek an — wollte zu seiner Ehre und
zur Verherrlichung seines Namens eine derartige Stiftung machen, die
im Geiste seines rastlosen Strebens bis auf die Nachwelt fortwirkte.
Der aus sich selbst schöpfende Schriftsteller und Dichter gebraucht
- der äulseren Stütze nicht so dringlich, und unter den beschränktesten
_ Lebensverhältnissen ist hier Grolses und ewig Dauerndes geschaffen
worden. Nicht so der Reisende, der fern entlegene oft schwer zugäng-
liche Länder erforschen soll. Hier ist ohne materielle Mittel Nichts
- auszurichten.
Nun war es die Ansicht Mancher, es wäre besser, die Ritterstif-
tung mit der Humboldtstiftung zu verschmelzen. Allerdings ist eine Ver-
_ einigung in den meisten Fällen besser, als eine Zersplitterung; hier aber
handelt es sich um etwas Verschiedenes, wie der Forschungskreis der
_ beiden Männer bei vielfachen Berührungen doch so grundverschieden
_ war. Humboldt’s ganzes Streben war der Erforschung der gesammten
Natur, des Kosmos, gewidmet, Ritter hingegen hatte bei allen seinen
- Arbeiten nur die Oberfläche der Erde in ihrem lebendigen Zusammen-
- hang mit dem Wirken und Schaffen des Menschen zu seinem Gegen-
stande, und wie sein Forschungskreis so unendlich beschränkter war,
80 war auch sein Einwirken auf diesen Zweig der Wissenschaft um
80 durchdringender.
er
BER
Nr
Um Forschungen im Sinne Humboldt’s in fremden Ländern aus-
zuführen, bedarf es bei der Mannichfaltigkeit der wissenschaftlichen
Apparate grolser, man möchte sagen fürstlicher Mittel, um dagegen zur
Erforschung unbekannter Gegenden nur in geographischer Beziehung
beizutragen, reichen schon beschränktere Mittel hin. Schon durch An-
kauf der nothwendigen Instrumente oder durch theilweise Beschaffung
der Reisekosten kann oft einem strebsamen Manne geholfen werden,
um unbekannte oder unzulänglich bekannte Gegenden der geographi-
schen Erkenntnils zu eröffnen. So also wird eine Stiftung im Sinne
Ritter’s schon mit einem Capital von 5000 Thalern ihre Thätigkeit be-
ginnen können, und wenn sie so thätig einzugreifen anfängt, kann es
bei der wissenschaftlichen Regsamkeit des Deutschen nicht fehlen, dafs
ihr immer reichlichere Mittel zuflielsen.
Dabei bleibt es der Stiftung vorbehalten und es kann nur ihr eif-
riger Wunsch sein, sich in einzelnen Fällen der Humbolätstiftung an-
zuschliefsen oder mit anderen ähnlichen Anstalten oder mit Landes-
Regierungen sich zu einem gemeinsamen Zwecke zu verbinden.
In diesem Sinne erlauben wir uns, alle Diejenigen, die von Carl
Ritter durch mündlichen Vortrag oder durch seine Schriften zu leben-
diger Anschauung der Erdkunde sich angeregt gefühlt, oder die über-
haupt seinen Namen hochzuachten gelernt haben, aufzufordern, zu die-
ser verdienstvollen, in das geistige sowie materielle Leben der Nation -
fort und fort lebendig eingreifenden Stiftung nach Kräften ihr Scherf-
lein beizutragen.
Ueber 2000 Thaler sind schon gesammelt und werden die Zeitschrift
der Berliner Geograph. Gesellschaft sowie die Mittheilungen aus Justus
Perthes’ Geographischer Anstalt das Nähere über den Fortgang der
Beiträge seiner Zeit berichten. Auch hat sich die an allen geographi-
schen Bestrebungen sich so lebhaft betheiligende Anstalt von Justus
Perthes in Gotha sogleich erboten, Beiträge in Empfang zu nehmen,
und werden der Herr von Martius in München, der Herr J. M.
Ziegler in Winterthur, der Herr Hauptmann Gustav Schubert in
Dresden, der Herr Dr. Karl Andree, Consul der Argentinischen Re-
publik in Leipzig, der Herr Pastor Lierow in Mecklenburg, der Herr
Dr. Heinrich Schleiden in Hamburg, wie der Verleger dieser Zeit-
schrift Herr Dietrich Reimer in Berlin (Anhaltstrafse 11) sich freund-
lichst der Mühe unterziehen, ein Gleiches zu thun. Wenn irgend sonst
ein Bewunderer oder Schüler Ritter’s zu Gunsten der Stiftung besonders
wirken zu können meint, so wird er hierdurch ergebenst aufgefordert,
sich zu melden.
Den 1. Mai 1860.
Der Vorstand des Gomite’s für die Ritterstiftung.
Prof. Ehrenberg. Dr. Heinrich Barth.
Adresse: Geographische Gesellschaft. Berlin, Kronenstrafse 21.
>.
Die topographischen Aufnahmen der wissenschaft-
lichen Expedition nach Chorassan.
Von N. Chanikoff ’).
(Hierzu eine Karte, Taf. IV.)
Auf der diesem Hefte beigegebenen Karte im Mafsstabe von
1:3,350,000 sind alle Aufnahmen eingetragen, welche während der
wissenschaftlichen Expedition in Chorassan, die ich die Ehre hatte zu
leiten, angestellt worden sind. Diese Karte beruht noch nicht auf den
hundert von R. Lenz astronomisch bestimmten Punkten, dennoch aber
glaube ich schon jetzt-das Recht zu haben, meine Ueberzeugung über
die richtige Orientirung der darin aufgezeichneten Localitäten auszu-
sprechen, da, unabhängig von der eigentlichen Marschrouten-Aufnahme,
von Asterabad aus über Meschhed, Herat, Kirman, Jezd, Ispahan und
Teheran bis zur russischen Grenze am Araxes ein ununterbrochenes
Netz von mehr als 2500° Dreiecken geführt wurde, das zwischen
Asterabad und Meschhed mit dem Netze der von L. Lemm bestimm-
ten Punkte verglichen ist und nur ganz geringe Differenzen ergiebt,
Differenzen, die im Mafsstabe der beigelegten Karte als Null betrachtet
werden können. Die Vermessungen der Winkel der erwähnten Drei-
ecke wurden immer mit zwei Schmalkalder’schen Boussolen gemacht,
deren Empfindlichkeit von Zeit zu Zeit durch unmittelbare Vergleiche
mit dem Universal-Instrument gemessener Winkel geprüft wurde.
Da die bei Asterabad gemessene Ausgangs -Basis kaum über eine
halbe deutsche Meile sich erstreckte, wurde es für nöthig gefunden,
während des Verlaufes der Aufnahmen noch zwölf andere Grund-
linien zu messen; obwohl die persische Regierung überhaupt sich sehr
freundlich gegen die Expedition benahm, war es demungeachtet doch
für zweckmälsig erachtet, die topographischen Arbeiten nicht sehr osten-
!) In der Transscription der russisch geschriebenen Namen haben s, z, dj den
französischen Laut (s scharf wie sz, z weich wie deutsches s, dj wie dsch), j und
ch dagegen den deutschen; für den Diphthong au ist, der heutigen persischen Aus-
sprache entsprechend, ou (o-u zu sprechen) geschrieben,
Zeitschr. f. allg. Erdk, Neue Folge. Bd, VII, 18
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274 N. Chanikoff:
Strecke zwischen Asterabad, Meschhed, Kirman und der russischen
Grenze nur drei Grundlinien mit der Kette ausmessen konnten, die
übrigen zehn wurden wiederholt, aber nur mit Schritten gemessen. Die
graphische Darstellung dieser Triangulation wurde von mir im Archive
der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft ad acta deponirt.
In diesem Netze der Dreiecke sind nicht einbegriffen: 1) Die
Marschroute zwischen Meschhed, Turschiz, Sebzewar und Kutschan oder
Kabuschan, und 2) die Marschroute von Herat nach Tebbes und zu-
rück über Birdjand. Die erste also ist blos nach der Orientirung des
Weges durch Distanzen und Richtungen eingetragen; die zweite aber
nach vorläufig von R. Lenz in Herat ausgerechneten geographischen
Coordinaten der verschiedenen Punkte, wo er auf der Reise von Herat
nach Tebbes und zurück Beobachtungen angestellt hat. Um aber diese
letzte Marschroute auch topographisch mit unserer Haupt - Aufnahme
zu verbinden, habe ich den 13tägigen Aufenthalt der Expedition auf
der nördlichen Grenze der Lut- Wüste, in Seritschah, benutzt, um den
besten von unseren Topographen, P. Charinoff, nach Birdjand zu
schicken und diesen früher auf die Tebbeser Marschroute eingetragenen
Punkt von Süden an unsere Aufnahme anzuknüpfen.
Jeder, der topographische Arbeiten in Mittel- Asien überhaupt und
in den südlichen Wüsten desselben insbesondere übernimmt, hat aulser
dem allgemein herrschenden Milstrauen der Einwohner gegen solche
Porträtirungen ihres Vaterlandes noch mit drei mächtigen natürlichen
Feinden zu kämpfen, mit der Hitze, mit Luftspiegelungen und mit dem
sogenannten trockenen Nebel. Die tägliche Hitze, die unsere Vorräthe
von Stearin und Soda in den ledernen Kasten, auf deren Boden sie
verpackt lagen, zusammengeschmolzen hatte, mufste schon an und für
sich sehr angreifend auf die Topographen wirken, und aufserdem war
es sehr schwer, die Maulthier- und Kameeltreiber zu zwingen, von der
seit uralten Zeiten herrschenden Sitte, der täglichen Hitze wegen nur
in der Nacht zu reisen, unseretwegen abzuweichen. Die Luftspie-
gelungen haben unsere Topographen sehr oft genöthigt, die Detail-
Zeichnungen der ein wenig vom Wege entfernten Localitäten, die
bei einem ruhigeren Zustande der Luft ganz gut in die Marschroute
hätten eingetragen werden können, wegzulassen. Am meisten nach-
theilig auf die Aufnahme aber wirkte der sogenannte trockene Nebel,
der besonders dicht zu Ende August war, als wir von Meschhed nach
Herat reisten, und uns beinahe zwang, unsere Triangulation ganz auf-
zugeben, da er nicht, wie die Luftspiegelung, periodisch während ge-
wisser Stunden des Tages die Aussicht der Ferne umgestaltet und un-
deutlich macht, sondern dem Reisenden oft auf mehrere Tage jede
Aussicht auf Gegenstände, die einige hundert Faden von ihm entfernt
sind, gänzlich raubt.
Die topographischen Aufnahmen der Expedition nach Chorassan. 275
Diese der Aufnahme ungünstigen klimatischen Verhältnisse der cho-
rassanischen, seistanischen und südpersischen Wüsten erklären, warum
alle bis jetzt dort angestellten Aufnahmen so viel zu wünschen übrig
lassen, und ich bin fest überzeugt, dafs für einen einzelnen, mit Kara-
wanen reisenden Europäer es durchaus unmöglich ist, eine auch nur
approximativ richtige Marschroute zu entwerfen; als Beweis führe ich
die Marschrouten von Fraser, Conolly und Burnes an.
Die der Karte beigelegten Profile, im verticalen Mafsstabe von
1:120,000 und im horizontalen von 1:3,350,000, beruhen auf sorgfältig
mit dem Parott’schen Barometer angestellten Beobachtungen und auf
sehr wenigen Beobachtungen mit dem Hypsometer von Regnault; sie
sind nur als vorläufige Resultate anzusehen und alle nach der Formel
2 = 977.7 (100— t° C.) ausgerechnet, wo t die Temperatur des Siedens
in Graden nach dem hunderttheiligen Thermometer ausdrückt und 977.7
englische Fufse bedeutet. Die Entfernung unserer Beobachtungsorte
von allen meteorologischen Stationen wird es sehr schwierig machen,
selbst nach der Zusammenstellung aller während der Expedition ange-
stellten meteorologischen Beobachtungen sehr viel wahrscheinlichere
absolute hypsometrische Zahlen zu gewinnen, demungeachtet glaube ich,
‚dafs ihre Relation, d. h. die Curve, die sie vorstellt, sich ziemlich der
Wahrheit nähert, und dafs der Gewinn dieser annähernden Werthe in-
sofern für die Kenntnils des Umrisses der Erdoberfläche interessant ist
dals sie, zusammengestellt mit den Beobachtungen im nördlichen und
südlichen Ural, mit jenen, die in der Kirgisensteppe bis nach Buchara
hin angestellt worden sind, und endlich mit den Beobachtungen, die
englische und deutsche Reisende in Afghanistan, Tibet, Kaschmir und
Indien gemacht haben, eine grolse Lücke im Profile des longitudinalen
‚Querschnittes des asiatischen Continents ausfüllen. Da die hypsometri-
- schen Resultate der Reise zwischen Teheran, Asterabad, Meschhed und
Herat von der Kais. Russ. Geographischen Gesellschaft publieirt wor-
_ den sind, führe ich hier nur diejenigen an, welche auf der Reise von
F? Herat nach Teheran über Kirman, Jezd und Ispahan bestimmt wor-
‚den sind.
Engl. Fufs Engl. Fufs
1. Rouzebagh . . . „ . 2614’) | 5. Stadt Sebzar . . . . 3264
ERuschtikuß . . „_ . . 8896 | 6. Hamigowin ...... . ...2375
3. Sengakissia-Pals . ® . 5322 | 7. Anardere (erste Dattelpalm.) 2395
4. Adreskan, Fluls . . . 462 | 8. Zen. 2.2.2.2... 212
} !) Der Unterschied zwischen der hier angeführten Höhe und derjenigen, die
auf der Uebersichtskarte von 1858 (Zeitschr. N. F. Bd. VII, Heft 5 u. 6) gedruckt
ist, rührt daher, dafs hier das Mittel der Beobachtungen vom September und Fe-
bruar angegeben ist, dort aber nur das Resultat der September- Beobachtung allein
mitgetheilt war.
18*
276 N. Chanikoff: Die topogr. Aufnahmen der Expedition nach Chorassan.
Engl. Fufs
9. Mianrud 2024
10. Dustabad . 1890
411. Chuschkek 1900
12. Kaleinou . 1831
13. Lasch . . 1565
14. Onerhsche dk Han! Sees 1545
15. Udjgun 2659
16. Teberkend- Pass 3442
17. Houzi Djanibeg . 3060
18. Burdji Ghurab . 3754
19. Stadt Nih 3745
20. Tschaharfarsach . 4713
21. Serdere - Pals 6854
22. Meigun 4507
23. Bassiran . 4449
24. Seritschah 3696
25. Serdek, Brunnen 3652
26. Ateschkerde, Brunnen 3334
27. Ambar, Brunnen 3109
28. Lager am Fufse des Ber.
ges Mihi-Bachtu 2288
29. Ort Balahouz 1740
30. - Goudinime . 1652
31. - Telli Kalendar 1291
32. - Nagorechane 1007
33. Fluls Schur Rud 987
34. Dehi Seif 1242
35. Chabis. 1398
36. Feizabad . 3070
37. Gudar . 6345
38. Derei Sakht . 4400
39. Dangunim 5768
Diesen barometrisch bestimmten Höhen werden sich eine Anzahl
anderer von R. Lenz trigonometrisch gemessener nach ihrer Ausrech-
nung anschliefsen und unter ihnen der Gipfel des Demawend, den
Lenz an fünf oder sechs Stellen ausgemessen hat, und ich hoffe, dafs
seine Resultate denen von L. Lemm am nächsten kommen werden,
d. h. die absolute Höhe dieses halbthätigen Vuleans auf 20 oder 21,000
engl. Fuls feststellen werden.
Thale liegende Sou.
!) Wohl ein Irrthum; die Pafshöhe wäre danach niedriger als das südlicher im
Die Karte giebt abweichend für den Pafs 8848 und auf der
Nordseite desselben obige 7235 Fufs.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
| 46.
an.
48.
49.
50.
51.
92.
93.
54,
55.
56.
97.
98.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
Kirman - Pass
Stadt Kirman.
Baghin
Kabutarchan .
Bahramabad .
Kuschkuh.
Anar E
Kirmanschahan .
Serijezd
Stadt Jezd
Taft
Meimun
Meibud
Agda .
Nougumbez .
Lagirek
Bilabad-Pafs .
Kupa .
Sekzi a >
Stadt Tspeham EHRE
Ghez
Murtschachur
Sou. ;
Kuhrud Pafs
Baghi Fin bei Kane
Zinzin .
Pasengjan
Stadt Kum .
Puli Dallak .
Houzi Sultan
Kenaregird $
Zergende bei Teheran.
Engl. Fufs
6736
5534
5103
5084
4683
4459
4312
4772
4419
3794
5813
3735
3520
3706
4485
7320
7372
5612
4849
5172
5084
5526
7440
7235
3695
3089
3266
3305
3021
3002
3207
4742
277
XI.
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer
See- und Gebirgs-Landschaften.
Mitgetheilt von Dr. Biernatzki.
Das Innere Hoch- Asiens ist bis auf den heutigen Tag noch ein
verhältnifsmäfsig ziemlich unbekanntes Land. Um so willkommener
sind die Mittheilungen derer, welche mit aufmerksamem Auge diese
Gegenden bereisten und in einer oder der anderen Beziehung unsere
lückenhafte Kenntnifs zu ergänzen im Stande sind. Herr Thomas Wil-
liam Atkinson gehört zu diesen Männern. Sieben Jahre lang durch-
zog er Central- Asien in einer Ausdehnung von Kokhan im Westen bis
zum Baikal-See im Osten und bis nahe zu der am Thian-Schan ge-
legenen chinesischen Grenzstadt Tschinsi. Er legte im Ganzen 59,400
Werst oder 8,500 geogr. Meilen zurück, davon 7100 Werst zu Wasser,
20,300 zu Pferde und 32,000 zu Wagen oder im Schlitten. Mit sel-
tener Ausdauer ertrug er Hunger und Durst und überwand die Stra-
pazen und Gefahren einer Reise in so unwirthbaren, den verheerend-
sten Einwirkungen der Naturgewalten ausgesetzten Gegenden. Für ihn
war der vornehmste Zweck, Zeichnungen der grofsartigen Landschaften,
die er sah und in deren Anschauen er schwelgte, zu gewinnen, und
diesen Zweck erreichte er vollständig; er brachte nicht weniger als
560 in Farben ausgeführte Skizzen aus Central-Asien heim. Seine
gedruckten Mittheilungen bilden den ausführlichen Text zu diesen Ge-
mälden, daher seine Schilderungen vorwiegend landschaftlicher Natur
sind, obwohl sie eines wissenschaftlichen Hintergrundes nicht entbehren.
Vermissen wir in ihnen auch neue Aufklärungen über die Plastik
Central- Asiens, so veranschaulichen sie uns doch desto lebhafter die
grolsartige landschaftliche Scenerie dieser noch in ihrer ganzen Ur-
sprünglichkeit sich darstellenden Berg- und Steppen-Regionen. Jene
mächtigen, bis in die Wolken reichenden Bergketten; jene zahllosen,
_ theils von fast unzugänglichen Felsen umstarrten, theils in die unab-
_ sehbaren Steppen eingesenkten Landseen; diese Steppen selbst, bald
fruchtbare Weideplätze, bald unermefsliche Sandwüsten, finden durch
Atkinson’s geschickte Feder eine treue, lebendige und malerische Schil-
_ derung ihres landschaftlichen Charakters. Die colossalen Umrisse der
Gebirgsmassen, die Windungen der Thäler und die ausgedehnten Hoch-
flächen Central-Asiens können kaum concreter und faflslicher mit Wor-
'ten gezeichnet werden. Es wird demnach nicht ohne Interesse sein,
278 Biernatzki:
wenn wir aus seinem kürzlich erschienenen Werke ') im Folgenden
einige charakteristische Darstellungen in abgekürzter Form hervorzu-
heben.
1. Der Altin Kul und der Tschulischman.
Der unermüdet kühne Gebirgswanderer und Botaniker, wie Ritter
ihn nennt (Asien I. S.697), Dr. von Bunge, gelangte auf seinen
Reisen in den nördlichen Vorbergen des Altai-Gebirges bis zu dem
Telezkoi-See, dem Altin Kul d.h. Gold-See der Kalmüken (1826
im Juli). Er war an den Gestaden des „breiten prachtvollen Stromes“
Tschulischman in nördlicher Richtung hinabgestiegen und kam bis an
die Mündung dieses Flusses in den erwähnten See, den er von hier
aus nur seinem kleinsten Theil nach übersah. Ihn genauer zu unter-
suchen war unmöglich, die Jahreszeit war zu weit vorgerückt, die Um-
kehr nothwendig. „Möchten Andere jene romantische gänzlich unbe-
kannte Alpennatur zum Mittelpunkte ihrer fortgesetzten Untersuchungen
machen!“ So Ritter a. a. O. S.983 u. f£. Diesen Wunsch hat Hr. At-
kinson erfüllt. Er gelangte vom Norden her an den Altin-Kul, befuhr
denselben in seinem ganzen Umfange und erklomm die Felsen an sei-
nen Ufern.
| „Wir nahmen, so erzählt er °), unser erstes Nachtlager an dem
Ufer des Altin-Kul an einem Platze, welcher von dem Ausfluls der
Bija aus dem See nicht mehr als drei Werst entfernt liegt. Der See
soll etwa 100 Werst lang und zwischen 3 bis 12 Werst breit sein ?);
er füllt einen ungeheuern Schlund inmitten dieser gewaltigen Gebirgs-
kette. Von allen Seiten umringen ihn hohe Berge, welche an manchen
Stellen fast senkrecht zu einer Höhe von nicht weniger als 2000 Fufs
emporsteigen. Ein russischer Offizier, der den See sondirt hatte, sagte
mir, dafs er an einer Stelle an 2000 Fufs tief sei, an anderen Stellen
aber noch tiefer, so dafs er mit seiner Leine den Grund nicht habe
erreichen können. Meine Absicht war, diese Angaben zu prüfen, und
die dazu nöthigen Vorbereitungen waren getroffen, aber Stürme, welche
hier häufig und sehr gefährlich sind, hinderten mich an der Ausfüh-
rung. An dem westlichen Ufer des Sees erhoben sich viele Berg-
spitzen bis zu einer Höhe von 10,500 Fuls, an der Südseite sogar einige
!) Der vollständige Titel lautet: Oriental and Western Siberia, a Narrative of
Seven Years Explorations and Adventures in Siberia, Mongolia, the Kirghis Steppes,
Chinese Tartary, and Part of Central Asia. By Thom. Will. Atkinson. With a
Map and Numerous Illustrations. London, Hurst $ Blackett, 1858.
2) A. a..0. 8.863 —- 376.
3) Aeltere Berichte in der Barnaul’schen Kanzlei schätzen die Länge auf 60,
die Breite auf 20 Werst. Vergl. Ritter, Asien I, S. 985 nach Falk, Beiträge zur
topographischen Kenntnis des russischen Reichs. 1785. Thl. I, $. 337 u. ff.
N.
Th. W. Atkinson’s Schilderungen eentral-asiatischer Landschaften. 279
noch höher. An dem östlichen Gestade sind sie etwas weniger hoch,
doch reichen sie weit über die Pflanzenregion hinaus bis in die des
ewigen Schnees. Ich habe einen der an dem westlichen Gestade ge-
legenen 10,500 Fufs hohen Gipfel erstiegen und einen anderen, noch
etwas höheren am südlichen Ufer, von wo ich auf den See hinab-
schauen konnte, dessen Gewässer von dieser Höhe schwarz wie Tinte
aussahen.
„Durch die Fahrt um den ganzen See überzeugte ich mich, dafs
nirgends, die Stelle unseres ersten Nachtlagers ausgenommen, am Ufer
auch nur ein Morgen Flachland zu finden war. Unsere Gesellschaft
bestand aus 16 Personen, darunter 11 Kalmüken, welche unsere Kanoes
ruderten. Während der ersten 10 Werst erhoben sich an diesem Ufer
die Berge nicht sehr steil, sie dachen sich sanft gegen Norden ab und
sind mit dichter Cedernwaldung bis zum Gipfel bedeckt, während die
Ufer an der gegenüberliegenden Seite des Sees, die der Mittagssonne
zugekehrt sind, kaum einen Baum tragen. Nachdem wir an einem klei-
nen Vorgebirge vorübergekommen, lag der See in seiner ganzen Aus-
dehnung vor uns: ein grofsartiger Anblick. Rechts erhoben sich sehr
hohe steile Felswände, auf welchen dunkle Cedern wuchsen und an
deren Fufs eine colossale Masse von etwa 500 Fufs hohen Klippen aus
dem Wasser hervorragte. Ihre eigenthümliche Schichtung liels mich ver-
muthen, dafs sie von den Bergen gestürzt waren. Immer neue herrliche
Landschaften stellten sich uns dar, als wir weiter fuhren; der See er-
_ weiterte sich zu einer prächtigen Wasserfläche und überall an seinen
Ufern stiegen malerisch gelegene Berge empor. Wiederholt begab ich
mich an’s Land und setzte mich auf überhangende Felsen, die mir einen
passenden Standpunkt für die Aufnahme meiner Skizzen gewährten.
Früh am Abend hielten wir bei einem Bergstrom an, der aus einer
engen Schlucht herabrauschte, in welcher die Kalmüken zu übernachten
vorschlugen. Hier fand sich ein kleiner sandiger, etwa 5 Schritt breiter
Strand, der sich allmählich nach dem Wasser des Sees abdachte. Am
Fulse der Felsen und am oberen Rande des Strandes standen mächtige
Cedern und unter diesen ward unser Balagan aufgeschlagen. Obwohl der-
selbe nur aus einigen nackten Pfählen bestand, welche mit Birkenrinde
überdeckt wurden, und nach vorn hin offen war, so fanden wir ihn doch
sehr behaglich und machten vorn ein grofses Feuer an, um uns warm
_ zu halten und die Moskitos zu verscheuchen. Ich versuchte, begleitet
_ von drei Kalmüken, in die dicke Waldung am Ufer des Bergstromes
zu dringen, nachdem wir aber uns mühsam in einer halben Stunde
einen Weg von etwa hundert Schritt gebahnt hatten, waren wir ge-
F nöthigt, ein weiteres Vordringen aufzugeben. Die Nacht breitete bald
_ ihren düstern Mantel über Berg und See, eine tiefe Stille herrschte
280 Biernatzki:
ringsum, kaum ein Blättehen rührte sich, der See war vollkommen
eben und ruhig.
„Ich erwachte bei Anbruch des Tages. Ein frischer Wind wehte,
gegen den wir indessen durch die hohen Felsen vollständig geschützt
waren. Dessenungeachtet vernahmen wir das Branden der Wogen an
den Klippen, welches uns sagte, dafs wir vorläufig an diesem einsamen
Strande als Gefangene festgehalten wären. Jenseits der Felsen sollten
wir zu den breiteren Stellen des See’s gelangen, wo ich eine grofsartige
Landschaft zu sehen hoffte. Ich sehnte mich darnach, aufzubrechen,
aber so lange der Wind anhielt, wollten die Kalmüken nicht von der
Stelle, und sie widerstrebten selbst dann noch, als er schon bedeutend
nachgelassen hatte. Sie beobachteten genau die Wolken und die Berge,
ehe sie es wagten, uns um den Felsenvorsprung herumzurudern. End-
lich um 10 Uhr schienen ihre Bedenken gehoben und wir brachen auf.
In weniger als einer halben Stunde hatten wir den Felsen umschifft
und fuhren in ein ungefähr 15 Werst langes und 7 oder 8 Werst breites
Wasserbassin. Der Anblick, den ich hier genofs, war prächtig: die
Berge erhoben sich zu einer beträchtlichen Höhe, einige von ihnen
waren auf ihren Gipfeln mit Schnee bedeckt. Nachdem mein erstes
Erstaunen vorüber, fing ich an, das Ufer, an welchem wir nahe ent-
lang ruderten, zu untersuchen; die Felsen stiegen 600 bis 700 Fufs
steil empor, ohne irgend einen Vorsprung; deshalb vermochten wir
nirgends zu landen. Wären wir an dieser Stelle des See’s von einem
Sturm überfallen worden, Nichts hätte uns in unserem gebrechlichen
Fahrzeuge retten können. Ich war daher jetzt völlig überzeugt, dafs
die Kalmüken am besten wulsten, wie und wann wir unsere Reise fort-
setzen könnten, und dies bewog mich, ihren Anordnungen mich ferner
zu fügen. Nachdem wir 5 bis 6 Werst weiter gefahren, kamen wir zu
einer isolirt stehenden Klippe, und jenseits derselben konnte ich den
ganzen See abwärts überschauen. Die Felsen bestanden an dieser Stelle
aus hellblauem Schiefer, einem sehr compacten Gestein, welches mich an
ein ähnliches bei Ulverstone erinnerte. Als wir weiter ruderten, kreuz-
ten wir den See da, wo er eine kleine, sich in die umgebenden Berge
hineinerstreckende Bai bildet, und erreichten bald einen, Tmektasch
genannten Felsen, bei welchem er sich ganz nach Süden wendet.
Dieser Punkt bot mir die schönste Aussicht über den See, sie war
in der That grofsartig. Unsere Kähne wurden an einer geschützten
Stelle festgelegt, dann erklommen wir den Tmektasch, d. h. Steinkiste,
der wegen seiner viereckigen Gestalt so genannt wird. Der Felsen
bestand gleichfalls aus Schiefer, war aber stark: verworfen. An eini-
gen Stellen lagen die Schichten horizontal, an anderen waren sie fast
senkrecht aufgerichtet. Der Gipfel war mit Pflanzen und Blumen be-
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 281
deckt, von denen ich einige sammelte; in den tiefen schattigen Klüften
fand ich mehrere sehr schöne Farrnkräuter. Die Ufer des See’s wür-
den für einen Botaniker von hohem Interesse sein, er würde hier neue
und schöne Arten besonders von Gebirgspflanzen antreffen. Auf den
2000 Fuls über mir liegenden Felsen sah ich ziemlich grolse Bäume,
dem Laube nach zu urtheilen, Birken; da sie aber Büschel von hell-
gelben und orangefarbigen Blüthen zu tragen schienen, so vermuthete
ich, es sei eine neue oder wenigstens mir unbekannte Species.
„Die Aussicht über den See ist von diesem Punkte aus sehr weit
und zeigt eine grolsartige Landschaft. Am westlichen Ufer neigen
sich die Felsen nach Osten in einem scharfen Winkel, während auf
ihrer Krone Klippen ganz senkrecht emporsteigen. Ein diese über-
ragender schneebedeckter Gipfel erhebt sich gleich einer silbernen Spitze
in den tiefblauen Himmel. An der Ostseite des See’s sind die Berge
weniger schroff, aber einer unter ihnen streckt seinen abgerundeten
hohen Gipfel bis zu den Wolken. Während ich zeichnete, umflossen
wogende Dünste seine rauhen Abhänge, die Jahrhunderte lang mit
Schnee bedeckte Krone glänzte im Sonnenschein. Das Colorit und die
_Perspective dieser Berge waren bezaubernd; ich zählte drei und zwanzig
scharf begrenzte Distanzen hinter einander, von denen die letzten gleich
dünnen durchsichtigen Wölkchen sich am fernen Horizont verloren. In-
dem ich die hohen Klippen über uns erstieg, sah ich mich auch nach
Vögeln um, uns eine Mahlzeit zu verschaffen. Mit meiner Büchse auf
der Schulter marschirte ich weiter, begleitet von vier Kalmüken und
unserem Dolmetscher, der auch eine Flinte trug. Wir erklommen die
rauhen Abhänge des Berges und stiefsen auf Bärenspuren, von denen
die Kalmüken behaupteten, dafs sie erst ein paar Stunden alt seien.
Wir folgten ihnen bis zum Gipfel, aber ohne den Bär zu finden. Als
ich mich dem Gipfel näherte, sah ich meine Vermuthung bestätigt: die
Bäume mit den gelben und orangefarbigen Blätterguirlanden, welche
aus der Ferne gesehen langen herabhängenden Blüthenbüscheln wie von
Laburnum glichen, waren Birken. Wir schossen einige schwarze Vögel
von der Gröfse einer Dohle, aber ihre Nahrung, die Cedernuls, giebt
ihnen einen strengen öligen Geschmack. Sie waren sehr scheu und
" Büchse von den höchsten Zweigen der Bäume herunter.
f „Nachdem wir wieder unsere Fahrzeuge bestiegen hatten, fuhren
_ wir an dem Tmektasch vorüber in den gröfseren Theil des See’s hin-
_ ein. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ich an’s Ufer stieg,
_ um die Schieferfelsen zu untersuchen, Sie neigten sich gegen Osten
282 Biernatzki:
dort zeigten sich Trümmer und Zacken. Während wir nicht weit vom
Gestade, etwa 12 bis 14 Werst vom Tmektasch entfernt, hinfuhren,
vernahm ich das Rauschen eines Wasserfalls, der unserem Auge ver-
borgen war; wir fuhren zwischen den Felsen hindurch und kamen
an eine enge Schlucht, durch welche das Wasser mit starkem Tosen
hinabbrauste. Von dem See gewahrte man Nichts; als wir aber über
die Felsen geklettert und die Schlucht hinaufgestiegen waren, ge-
nossen wir eine herrliche Aussicht. Die Felsen zu beiden Seiten des
Vordergrundes bestehen aus dunkelrothem Granit, die ferner gelegenen
aus Schiefer. Die Pflanzen, welche auf ihren Abhängen und aus den
Spalten hervor in üppigster Fülle wachsen, verleihen der Landschaft
einen überaus grolsen Reiz. Es war die Natur in ihrer Wildheit, aber
die Wildheit durch Anmuth gemildert. Die dunkelrothe Farbe des
Granits, das graue, purpur- und orangefarbige Colorit des Schiefers,
dazu das lichtgelbe Laub der fernen Birken, welche von dunkel pur-
purnen Bergen überschattet waren, machten das Ganze zu einer un-
schätzbaren landschaftlichen Studie. Mehrere Stunden schwelgte ich
im Anschauen dieser herrlichen Gegend, dann hielt ich es an der Zeit,
ein Nachtquartier zu suchen, was hier an diesen Felsgestaden keine
leichte Aufgabe war. Glücklicherweise fanden wir nach Verlauf einer
Stunde einen mit rauhen Kieseln bedeckten Platz, der für unser Lager
grofs genug war, das wir dicht unter Lärchenbäumen aufschlagen konn-
ten. Die Fahrzeuge wurden, um sie gegen einen Sturm zu schützen,
auf’s Land gezogen, und wir machten es uns bald für die Nacht be-
quem. Leider entdeckten wir auch, was sehr unangenehm war, dafs
das Brod in dem 400 Werst entfernten Sandip (an der Bija, oberhalb
Biisk) liegen geblieben, es war vergessen worden und wir hatten nur
wenige Pfund schwarzer Sucharis — kleine Würfel von hartem Schwarz-
brod — bei uns.
„Der nächste Morgen war schön, aber ein heftiger Wind verzögerte
unsere Weiterfahrt bis beinahe 10 Uhr; erst dann brachen wir auf und
genossen wieder des Anblicks herrlicher Landschaften, die mir Be-
schäftigung vollauf brachten. Nachmittags gelangten wir vor eine
Schlucht, aus welcher ein prächtiger Wasserfall über höchst malerisch
gestaltete Felsen eine grofse Menge Wassers herabsprudelte. Diese
und die benachbarten Felsen spielten in allen Farben, sie waren hell-
roth, purpurfarbig, gelb und grün. Ich fand einige schöne Arten Mar-
mor, eine weils mit purpurrothen Sprenkeln, eine andere weils mit
blauen Adern. Auch sah ich tiefblauen Jaspis, der von dem Wasser-
strome herabgeworfen zu sein schien. Ich versuchte in die Gegend ober-
halb des Wasserfalles vorzudringen, aber obgleich ich mehrere Male in
verschiedenen Richtungen den Versuch wiederholte, so mufste ich doch
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 283
davon abstehen und erhielt keinen Blick auf die wilde Gebirgs-Sce-
nerie jenseits des Wasserfalles. Als wir weiter gingen, kamen wir
zu der Schieferformation; die 1 bis 3 Zoll dieken Schichten waren
aufgerichtet und erhoben sich hie und da zu 500 bis 700 Fuls Höhe;
ihre Lage war keine senkrechte, sie neigten sich vielmehr bedeu-
tend über den See hin. Indem wir uns diesen Klippen näherten,
erschienen sie uns von der Seite angesehen wie mächtige, phanta-
stisch geformte Blöcke, die im Begriff waren, vornüber in die gäh-
nende Tiefe zu stürzen. Wir mufsten uns in gehöriger Entfernung
halten, denn mehrere Male, während wir an diesen Ufern entlang
fuhren, fielen Stücke mit grolsem Geräusch in das Wasser. Als wir
an den Klippen vorbeisteuerten, bemerkte ich mehrere hervorragende
Schichten, welehe durch einen breiten Zwischenraum getrennt waren.
An einzelnen Stellen stand eine 3 Zoll dieke Schicht 4 bis 5 Fufs
hervor und erhob sich 30 bis 40 Fufs gleich einem colossalen Thür-
flügel über dem Wasser — ein höchst eigenthümlicher Anblick.
Diese sonderbare Felsbildung nahm an diesem Theile des Seegestades
einen Raum von mehr als 20 Werst ein, nirgends eine Stelle, wo Je-
mand nur einen Fufs hätte an’s Land setzen können. Wir waren froh,
als wir diese gefährlichen Felsen hinter uns hatten, und gelangten dann
in eine Bai, an der das Ufer sandig war und grofse Cedern am Rande
des Wassers wuchsen, nahe bei dem Flusse Tscheali (Chealee). Hier
wurde übernachtet und bald nach unserer Ankunft erhob sich ein hef-
tiger Wind, der die Wogen weit hinauf an das sandige Gestade spülte.
Wäre er eine Stunde früher eingetreten, Niemand von uns hätte sein
Leben gerettet. Unser Balagan wurde an einem vor dem Winde durch
dichtes Untergebüsch geschützten Platze aufgeschlagen; davor loderte
auf dem glänzend weifsen Sande ein mächtiger Holzstofs, der unser
Lager aufserordentlich behaglich machte. Während die Abendmahlzeit
zubereitet wurde, streifte ich durch den Wald, um irgend etwas für
_ unsern nächsten Mittagstisch zu erhaschen, allein ich fand nichts. Die
Nacht wurde stürmisch, schwere dunkle Wolken zogen sich über den
See zusammen, in der Ferne rollte der Donner, uns aber erreichte das
_ Ungewitter nicht.
Fi: „Als ich bei Tagesanbruch erwachte, war der Himmel klar, der
_ Wind wehte stark und verzögerte wieder unsern Aufbruch um einige
_ Stunden. Nachdem wir dann zwei Stunden lang weiter gefahren, lag eine
_ der wildesten Partien des See’s vor unseren Augen. Er bildete hier einen
_ tiefen kreisrunden Einschnitt in das Karakorum-Gebirge, in den sich drei
_ Ströme ergiefsen. Sie vereinigen sich auf der Höhe des Uferabhanges
_ und stürzen dann in mehreren Wasserfällen herab, bis sie eine Masse
“von Steinen, Schnee und Eis erreichen, unter der das Wasser hindurch-
284 Biernatzki:
strömt, um endlich unter einem von der Natur gebildeten Bogen weiter-
rauschend sich in den See zu ergiefsen, wo es an dieser Stelle zwischen
den Bergabstürzen fortrollt. Der Höhenunterschied zwischen der Ober-
fläche des See’s und der Spitze der Klippe, über welche sich das Wasser
im ersten Sturz ergielst, beträgt nicht weniger als 2000 Fufs. Bisweilen
rollen Lawinen über diese Stätte, grolse Bäume werden niedergeschmet-
tert und ihrer Zweige beraubt. Gewaltige Felsblöcke werden losge-
rissen und fortgeschwemmt, die Alles, was ihnen in den Weg kommt,
zermalmen und dann in den See hinabstürzen. Kein Mensch vermag sich
von dem Chaos von Felsentrümmern und Eisblöcken, die hier in Massen
angehäuft liegen, eine Vorstellung zu bilden. Ein ungeheurer Stein, der
nicht weniger als 150 Tons wiegt, steht aufrecht an dem Rande des
Felsens und hängt nach dem See herüber. Während ich diese Land-
schaft zeichnete, sah ich, wie die Kalmüken die grofsen Stämme um-
gestürzter Bäume als Hebel gebrauchten, um diese Steinmasse in den
See zu werfen. Aber alle ihre Anstrengungen blieben — worüber ich
mich freute — ohne Erfolg. Der Felsblock stand und steht wohl noch,
ein dauerndes Denkmal jener mächtigen Naturgewalten, die ihn einst
dorthin gestellt haben!
„Nachdem wir mehrere Stunden an diesem wildromantischen Orte
verweilt hatten, schifften wir uns wieder ein und fuhren weiter. Die
Klippen blieben rauh und standen senkrecht, zahllose kleine Bäche rie-
selten über sie herab; einige derselben zerstoben in Dunst, ehe sie
den Grund erreichten. Wir kamen an einer Stelle vorüber, wo der
Schiefer in hohen Zacken emporstieg und nirgends fanden wir einen
Landungsplatz, bis wir an die Mündung des Tschulischman gelangten,
der am oberen Theile des See’s mehrere Inseln gebildet hat. Wir la-
gerten auf der einen, in der Nähe grolser, stattlicher Birken und Pap-
peln. In den letzten Tagen hatten wir beständig den Ausbruch eines
Sturmes befürchtet; dunkle Wolken hatten sich über den Bergen am
unteren Theile des See’s angesammelt. Sie zogen sich mit auffallender
Geschwindigkeit zusammen, obwohl die Luft ruhig war und die Sonne
hell schien. Stunde auf Stunde verging, die dunkle Wolkenmasse wurde
ganz schwarz und senkte sich auf die niedrigeren Berggipfel herab.
Es war ein furchtbarer Anblick. Kein Blättchen regte sich, nicht das
leiseste Rauschen des Wassers wurde vernommen: eine beängstigende
Stille herrschte, wie sie einem schrecklichen Orcan vorherzugehen pflegt,
dessen Ausbruch wir alle mit banger Sorge entgegensahen. Kurz nach-
dem die Abenddämmerung begonnen, wurde die dichte dunkle Wolken-
masse durch einen Blitzstrahl aus einander gerissen, der einige Secun-
den lang Berge und See mit blendendem Glanz erleuchtete. Der Donner
rollte und hallte in den Bergen mit furchtbarem Krachen wieder. Blitz
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 285
in den See, bald zwischen die Klippen, wo wir sie von einer Stelle
zur andern springen sahen. Zuletzt blitzte es unaufhörlich, so dafs
ich die dicken Wolken genau beobachten konnte, welche für den Blitz
ganz undurchdringlich zu sein schienen. Dieses Ungewitter bestand
nicht aus einer breiten, am Himmel in meilenweiter Ausdehnung la-
gernden Wolkenmasse, sondern es war aus unzähligen electrischen
Wolkensäulen zusammengesetzt, welche sich eine hinter der andern er-
hoben und bis in endlose Ferne verloren; einige derselben erglänzten
gleich glühendem Eisen, wenn der Blitz hervorbrach, während andere
in tiefem Schatten verharrten oder schwarz wie Kohlen herabhingen.
Das Ungewitter tobte mehrere Stunden hindurch auf allen Seiten, kein
Tropfen Regen fiel, wo wir uns aufhielten, seine Wirkungen wenige
Meilen weiter den See hinab müssen entsetzlich gewesen sein.
„Der folgende Morgen war hell und heiter, er versprach einen
schönen Tag und wir schickten uns an, den Tschulischman hinaufzu-
fahren, der sich in mehreren Armen in (den See ergielst. Wir wurden
genöthigt, drei dieser Arme zu untersuchen, ehe es uns gelang, in das
Bett des Flusses einzufahren. Als wir dies endlich ausführten, war die
Strömung so reilsend, dafs wir nur mit vieler Mühe unsere Kähne vor-
wärts zu bringen vermochten. Die malerische Umgebung dieses Flusses
lohnt alle Mühe einer langen Reise vollkommen; ich wülste keine Ge-
gend in Europa, welche ich dieser vergleichen könnte. Bisweilen ver-
nimmt man mehrere Meilen weit das Rauschen des Wassers und zwi-
schen zerklüfteten Felsen an den Ufern erheben sich wild romantisch
die schönsten Bäume; ungeheure Berge bilden die Schlucht, durch wel-
che der Flufs sich ergiefst; die bunten Farben der Felsen, welche mit
den verschiedenartigsten Moosen bedeckt sind, die schimmernden Wasser-
fälle, die über ihre rauhen Abhänge herabrauschen, gewähren einen durch
Worte nicht zu beschreibenden Anblick. Nachdem ich sie gezeichnet,
wendete ich mich nach dem östlichen Gestade des See’s, welches an
einer Stelle nicht so steil und wild ist wie das westliche. Einzelne
Felsen sind indessen von bedeutender Höhe, sie stehen theils am
Rande des hohen Gestades, theils weiter landeinwärts, und viele von
ihnen sehen aus wie Ruinen. Nicht weit von dieser Stelle machte
‚ein Bär uns einen Besuch. Er besah sich unser Lager, entfernte sich
‚dann aber wieder, ohne etwas anzurühren. Meine Begleiter lagen in
_ tiefem Schlafe.
„Da, wo eine kleine Bucht des See’s sich ostwärts nach der Kamga
wendet, bestehen die Klippen aus Kalkstein, in welchem sich eine grolse
Höhle befindet; nicht weit davon ist ein schöner Wasserfall an dem
‚Karbu-Flusse, etwa 500 Schritt von dem See entfernt. Ueberall, wo sich
| auf Blitz folgte in kurzen Zwischenräumen; bald fuhren die Strahlen
|
286 Biernatzki:
Flüsse in den Altin Kul ergiefsen, ist die Landschaft herrlich, an eini-
gen Stellen aulserordentlich wild und grolsartig. Wir setzten unsere
Reise nach der Kamga fort, wobei ich Gelegenheit hatte, die hohe
Bergkette im Osten zu überschauen; dann fuhren wir quer über den
See und etwa eine Werst vom Ufer entfernt an dessen Nordseite ent-
lang. Die Aufmerksamkeit der Kalmüken wurde plötzlich durch einen
Ton, der aus den Bergen herüberschallte, in Anspruch genommen; eine
Minute lang hielten sie still, dann befahl Einer von ibnen an’s Ufer
zu eilen. Die Kähne wurden sofort gewendet und die Leute ruderten
aus allen Kräften an’s Land. Der See war vollkommen ruhig, aber
diese Bergbewohner wulsten, dafs ein Sturm im Anzuge sei, und sie
befanden sich augenscheinlich in grolser Besorgnils. Unsere kleinen
Boote wurden mit grölsester Eile in eine kleine Bai gerudert, wo der
Strand sandig war, die einzige Zufluchtstätte in dieser Gegend. Noch
waren wir etwa hundert Ellen vom Strande entfernt, als wir vernah-
men, wie der Wind mit furchtbarem Brausen über den See fuhr. Ich
blickte nach der Richtung, woher das Getöse kam, und sah einen Strei-
fen weilsen Schaumes mit der Schnelligkeit eines Rennpferdes auf uns
zustürzen; ich begriff, dafs, wenn wir von diesem Windstols erfalst
worden wären, wir zerschmettert sein würden. Noch wenige Minuten
und wir befanden uns in Sicherheit. Wir erreichten den Strand, spran-
gen augenblicklich aus dem Boote und zogen es an’s Ufer. Dasselbe
geschah mit den beiden anderen Fahrzeugen. Nun brach der Sturm
mit rasender Gewalt los. Zwei unserer Kähne lagen nicht völlig aulser-
halb der auf den Strand stürzenden Wogen und waren im Nu mit
Wasser angefüllt; die Kalmüken hielten sie aber fest und brachten sie
sogleich in Sicherheit. Wir suchten Schutz im Walde unter grofsen
Cederbäumen, und während einige meiner Begleiter unser Gepäck her-
aufbrachten, fingen die andern an, einen Balagan aufzuschlagen, um
uns gegen das Unwetter zu schützen. Gerade in diesem Augenblick
kam ein blendender Blitzstrahl, dem ein furchtbarer Donnerschlag folgte,
so dafs der Erdboden unter unseren Fülsen erbebte. Das Brause: des
Windes und der Wogen und das Krachen des Donners war erschüt-
ternd. Ein vollständiger Orcan brach los; die Häupter der Wogen
wurden, sowie sie sich erhoben, niedergeworfen und der See sah aus,
als wäre er mit einer Schneedecke überzogen. Wären wir noch hun-
dert Ellen weiter gefahren, statt uns an’s Ufer zu flüchten, wir wären
verloren gewesen. Aulser dieser kleinen Bai war in einer Ausdehnung
von 35 Werst nirgends ein Platz, wo wir hätten landen können. Die
senkrecht aufsteigenden Ufer und die häufig wiederkehrenden Stürme
machen die Schifffahrt auf dem See aufserordentlich gefährlich, ganz
besonders in einem Fahrzeuge, in welchem nicht leicht Jemand wagen
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central- asiatischer Landschaften. 287
würde, über die Themse zu fahren. Ein solches ist nämlich aus einem
Baumstamme ausgehöhlt; die unsrigen waren aus Pappelholz. Obwohl
dieses Holz weich ist, so ist es doch für die Kalmüken bei ihren man-
gelhaften Werkzeugen eine schwere Arbeit, einen solchen Baumstamm
auszuhöhlen. Die Seiten werden bis zu einer Stärke von 2 Zoll zuge-
schnitten, der Boden ist fast noch einmal so dick und gewöhnlich flach,
ohne Kiel.
„Der Orcan hielt beinahe bis zum Abend an, dann klärte sich
der Himmel auf. Die Kalmüken schlugen vor, obwohl es spät sei,
doch das ruhige Wetter zu benutzen und aus der Bai fortzufahren,
weil sie überzeugt seien, dafs wir am nächsten Morgen daran verhin-
dert sein würden, da das Wetter veränderlich sei und die Stürme jetzt
häufig wiederkehrten. Ich hatte bereits oft genug die Richtigkeit ihrer
Rathschläge erfahren und war deshalb einverstanden. Unser Gepäck
wurde in die Boote gebracht und eine Viertelstunde später befanden
wir uns auf dem Wege, ein anderes Nachtlager zu suchen. Erst nach-
dem wir mehr als zwei Stunden gefahren, erreichten wir, um ein fel-
siges Vorgebirge herumbiegend, die Stelle, wo der See sich mehr und
mehr verengt. Da aber fing es an zu regnen, die Nacht brach schnell
herein und nirgends vermochten wir einen Platz zu finden, wo wir
landen und unsere Fahrzeuge sicher unterbringen konnten. Nach lan-
ger Zeit fanden wir endlich einen günstig gelegenen Punkt; unter
Donner, Blitz und Regen, welche fast die ganze Nacht anhielten, mufs-
ten wir hier ausharren. Am folgenden Nachmittag gelangten wir da-
hin, wo wir zuerst an dem See übernachtet hatten, nahe an dem Aus-
flufs der Bija, von wo wir unsere Umschiffung des See’s — ohne Frage
eine der erhabensten Gegenden auf der Erde, — angetreten hatten.“
2. Die Katunja-Quellen und der Bielucha.
Von seinem Ausfluge nach dem Altin-Kul kehrte Herr Atkinson
f nach Kolywan zurück. Von dort besuchte er die Quellen der Katunja
und erstieg den Gipfel des Bielucha, des höchsten Berges im Altai-
Gebirge. Aus seiner Beschreibung dieser mühsamen Wanderung heben
wir das Nachfolgende heraus ').
„Unser Weg führte das nördliche Ufer des Flusses Koksu (Kok-
sun bei Ritter, Asien I, S. 910 ff.) hinab nach der 40 Werst entfernten
- Katunja. Wir ritten etwa 30 Werst über eine Steppe, gegen Süden
lag ein mit Schnee bedecktes Gebirge, welches der höher gelegenen
Gegend ein kaltes, winterliches Aussehen verlieh, während die Wälder
und Steppen unten im reichen Schmuck ihrer herbstlichen Belaubung
') Atkinson a. a. O. $. 389 f.
288 Biernatzki:
prangten. Die Kalmüken, welche diese Steppen bewohnen, besitzen
zahlreiche Heerden von Pferden, Ochsen und Schafen. Einige von den
Männern sind schöngebaute Leute und ausgezeichnete Jäger, sie leben
von der Jagd, wobei sie Monate lang ‘ganz allein in den Bergen zu-
bringen. Ich fand diese Jäger treu, ehrlich und brav, habe in ihrem
Balagan geschlafen und von ihrem Wildprett gegessen. Bald nach
Mittag kamen wir nach dem Dorfe Koktschinskoi, welches nahe an
der Vereinigung der Flüsse Koksu und Katunja am oberen Ende des
Thales Uemonia (Uimon bei Ritter), an einer hübschen Stelle, wo die
Katunja in reifsendem Laufe vorüberströmt, liegt. Diese kleine Ebene
wird von hohen Bergen eingefalst, die ihre zackigen Häupter bis zu
den Wolken strecken und das Thal ganz einzuschliefsen scheinen. Hier
ist gute Weide für Pferde und Rindvieh, an den nördlichen Abhängen
der Berge wird vortrefflicher Weizen und Roggen geerntet. Zwei in
diesem Thale liegende Dörfer werden von russischen Bauern bewohnt,
welche von Ackerbau und Jagd leben; die benachbarten Berge liefern
viele Zobelfelle. Als wir das Thal hinunterritten, kamen wir am Nach-
mittage zum Uemonia-See, dem letzten Dorfe im Altai-Gebirge.“
Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen brach unser Reisende
von hier wieder auf, begleitet von seinem Diener aus Barnaul, zwei
Russen und sechs Kalmüken, sammt 16 Pferden und einem Hunde,
„eine eben nicht fröhliche Truppe,“ sagt er, „denn einige derselben
blickten auf die beschneiten Berge, welche wir übersteigen mulsten, mit
nicht geringem Entsetzen; selbst mein Diener würde sich widersetzt
haben, hätte er nicht die Stockprügel mehr als den Schnee gefürchtet.“
„Unser Ritt,“ erzählt Herr Atkinson, „ging zunächst über eine
kleine Steppe, die etwa 5 bis 6 Werst lang aufwärts sich in’s Gebirge
in südlicher Richtung erstreckte. Darnach kamen wir in eine dichte
Waldung, welche die ganze untere Bergregion mit dem schönsten Bau-
holz, Cedern, Fichten, Birken und Pappeln bekleidet. Von hier fingen
wir an, die vorderste Bergkette zu ersteigen. Nachdem wir vier Stun-
den geritten waren, begann der Regen in Strömen zu fallen, der Wind
wehte heftig, wir vernahmen sein Brausen über uns in den Wipfeln
der Bäume. Vor uns erhoben sich rauhe nackte Berge, auf denen wir
schutzlos der vollen Gewalt des Sturmes preisgegeben sein sollten. Nach-
dem wir den Rand der Waldung erreicht hatten, ritten wir den öden Berg-
abhang hinauf. Welch eine Veränderung! Der heftige Wind trieb uns
den Regen und den Hagel in’s Gesicht und in wenigen Minuten waren
unsere Kleider durchnäfst. Dennoch ritten wir unverdrossen weiter
und kamen bald auf ein kleines, 5 bis 6 Werst grofses Plateau. Dar-
über hin ging’s in scharfem Trabe, dem Winde entgegen, bis zu den
letzten vereinzelt stehenden Cedern, die zwischen Felsentrümmern,
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 289
welehe in wüster Unordnung umherlagen, hervorwuchsen. Wir befan-
den uns nun am Fulse eines hohen Berges, den wir übersteigen muls-
ten. Sein Gipfel war in Wolken gehüllt, darunter schneite es heftig.
Unser Führer hielt sein Pferd an und sagte, es sei unmöglich, bei sol-
chem Wetter über den Berg zu kommen; er meinte, wir sollten uns
nach einem geschützten Platze umsehen und unsere Mittagsmahlzeit
halten. Deshalb kehrten wir um und ritten in eine kleine Schlucht,
wo einige Cedern standen, unter denen wir uns bei einem prasselnden
Feuer so bequem 'als möglich einrichteten. Als um 3 Uhr das Wetter
sich aufklärte, trieb ich zum Aufbruch, und wieder ritten wir einem
sehneidenden Winde entgegen, der für uns in unsern nassen Kleidern
nichts weniger als angenehm war. Wir gelangten zu dem Felsenchaos
und fingen an aufzusteigen, aber es ging langsam von der Stelle, denn
wir mulsten uns zwischen ungeheuren Granit- und Jaspisblöcken hindurch-
winden, ‘bisweilen über sie wegklettern. Die Cedern, welche aus der
Ferne klein aussahen, waren wirkliche Baumriesen, ihre mächtigen
Stämme und Aeste von aufserordentlicher Höhe, ihre knorrigen Wur-
zeln wanden sich zwischen den Felsblöcken hin, wie ungeheure Schlan-
gen, die, während sie über den Boden krochen, versteinert waren. Nach-
dem wir diese Stelle, wo die Bäume zum letzten Male versucht hatten,
zwischen Schnee und Felsen festen Fuls zu fassen, passirt hatten, fin-
gen wir alles Ernstes an, das Gebirge zu ersteigen. Es war dies äus-
serst unangenehm, denn grofse von dem Kamme der Berge herabgestürzte
Felsblöcke schienen so unsicher dazuliegen, als wenn sie bei der leise-
sten Berührung weiterrollen und Alles auf ihrem Wege zermalmen
würden. Mitunter führte der enge Pfad an Abgründen vorbei, wo ein
einziger Fehltritt unserer vorsichtigen Thiere uns viele hundert Fufs hin-
abgestürzt haben würde, so dafs es in wenigen Augenblicken mit unserer
Reise und unserem Leben zu Ende gewesen sein würde. Nach beinahe
- zwei Stunden erreichten wir endlich den Kamm, von wo wir eine herr-
liche Aussicht auf das Thal der Katunja und die nördlich gelegenen
Berge genossen. Wir befanden uns nun in einer Winterlandschaft; in
den Thälern zu unseren Fülsen herrschte der Sommer in aller Pracht
des Laubes und der Blumen. Von hier ging unser Ritt über ein hohes
Plateau, auf welchem sich mächtige, malerisch wilde Felsen erhoben,
Trümmer von höher gelegenen Spitzen, welche im Lauf der Jahrhun-
derte allmählich heruntergestürzt waren. Nach Süden hin zeigten sich
‚mehrere, hohe, mit ewigem Schnee bedeckte Bergspitzen, zwischen
denen, wie unser Führer sagte, wir unseren Weg suchen mülsten. Sie
sehienen jetzt nahe vor uns zu liegen, da ihre weilsen Gestalten scharf
auf dem tiefblauen Hintergrunde des Himmels hervortraten.
„Zwischen dem einen meiner Begleiter, einem Jäger, und dem
Zeitschr, f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII, 19
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290 Biernatzki:
Anführer der Kalmüken fand nun eine Berathung statt, worauf beide
mir ankündigten, dals wir rasch weiter reisen mülsten, wollten wir nicht
von einem heftigen Sturme überfallen werden, der uns verhindern würde,
den auf dem andern Abhang in das Thal hinabführenden Weg zu finden.
Das Aussehen der Berge zeigte, was bald kommen würde; wir setzten
deshalb unsere Pferde in Galopp, ungeachtet der Erdboden sehr uneben
war, und sahen besorgt dem nahenden Unwetter entgegen. Nachdem
wir etwa eine Stunde ohne anzuhalten geritten waren, fingen wir an,
in das Thal des Tschugasch hinunter zu steigen. Selbst unsere Pferde
schienen das kommende Ungewitter zu empfinden und zu fürchten.
Als wir dort, wo das Thal beginnt, angekommen waren, vermochten
wir sie nur durch straffes Anziehen der Zügel zum Stillstehen zu brin-
gen; sobald das meinige fühlte, dafs ich den Zügel nachliefs, jagte es
fort und die übrigen folgten. Schon waren die hohen Gipfel ringsum
in dichte schwarze Wolken gehüllt, wodurch die Landschaft vor uns ein
düsteres Aussehen erhielt. Der Wald lag noch einige Werst entfernt,
und sowohl Mann als Rofs waren eifrig bemüht, ihn zu erreichen. Da
hörten wir das Brausen des Windes, der das Thal heraufkam — das
sichere Vorzeichen eines tüchtigen Regengusses. Nicht lange währte es,
und der Sturmwind erfalste uns, er warf uns beinahe aus dem Sattel,
im nächsten Augenblick folgte ein Schneegestöber, welches uns fast
blind machte. Demungeachtet jagten unsere Pferde vorwärts und brach-
ten uns bald in den Schutz der Bäume, nahe am Gestade des Flusses,
an dem wir nun langsam hinritten, um uns einen passenden Ruheplatz
zu suchen. Wir fanden eine diehte Gruppe von Cedern, die hinläng-
lichen Schutz gewährte, auch hinreichenden Vorrath von Brennholz,
und Gras genug für unsere Thiere. Alle Hände waren sogleich eifrig
beschäftigt, unser Nachtlager zuzurichten; die einen schürten ein Feuer
an, die andern spannten unsere Zelttücher aus, nahmen den Pferden
das Gepäck ab und besorgten alles übrige. Kaum hatten wir unser
Zelt aufgeschlagen, als es zu regnen anfing, nicht in Tropfen, sondern
in Strömen. Nachdem wir das Zelt so dicht gemacht wie nur möglich,
indem wir dem Winde an der einen Seite durch vorgesteckte Zweige, an
einer andern Stelle durch einen nassen Mantel, an einer dritten durch
meine Satteldecke den Zugang versperrten, setzte ich mich nieder, nahm
meine gewöhnliche Erquickung und lauschte dem Brausen des Windes
mit einem Behagen, welches besser empfunden als beschrieben werden
kann. Die Pferde waren ganz nahe bei unserm Lager angebunden, weil
die Kalmüken glaubten, die Bären könnten uns einen Besuch abstatten
und uns eine Stute rauben. Ein tüchtiges Feuer wurde unterhalten und
unsere Büchsen für den Fall der Noth in Bereitschaft gesetzt. Allein
wir schliefen, ohne gestört zu werden.
ie aa
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 291
„Am anderen Morgen hinderte uns Nebel früh aufzubreehen; um
7 Uhr drang jedoch die Sonne durch und übergofs das bisher düstere
Thal mit glänzendem Lichte. Sofort stiegen wir zu Pferde und schlu-
gen den Weg ein, der zu dem in der Nähe der Tschugasch-Quelle
liegenden See führt. Dies ist ein wilder düsterer Platz, der mich aber
sehr anzog, und ich versuchte, ihn gerade in dem Moment, wo ich ihn
sah, beim Dämmern des Tages, zu skizziren. Dann ritten wir über
eine andere hohe Bergkette hinüber, wo unsere Pferde bis an die Knie
in frischen Schnee versanken. Ueber die hohen Gipfel im Süden hingen
Wolken, von Zeit zu Zeit rollten sie sich an den Seiten der Berge
empor und enthüllten auf Augenblicke die wilde Landschaft, die sie mit
ihrem Schleier verdeckt hatten. Es war, als wollte das Gebirge mit
seiner Schönheit kokettiren, bald hob sich der nebelige Schleier und
hiefs uns alle Reize der Bergabhänge wahrnehmen, bald zogen sich diese
wieder hinter den dichten Vorhang so züchtig zurück, dafs unsere Ein-
bildungskraft sich* noch tausend andere verborgene Reize vorstellte.
Nachdem wir mehrere Minuten lang mit gespanntem Interesse dieses
herrliche Gemälde betrachtet, erhob sich ein mäfsiger Wind, der die
Nebeldecke lüftete und das Gebirge im vollen Glanze seiner Schönheit
vor uns blofslegte. Plötzlich fuhr ein Sonnenstrahl über die blendend
schönen Bergformen, dem kurz darauf ein tiefer Schatten folgte; wie-
der lagerte sich der undurchsichtige Nebel über das Ganze, das ich
eben zu skizziren beginnen wollte. Wir durften nicht länger verweilen
und brachen auf. Unser Ritt ging über eine hohe Gegend, dicht unter
der Grenze des ewigen Schnee’s und oberhalb der Pflanzenregion. Nir-
gends war ein Grashalm, nirgends nur ein bischen Moos wahrzuneh-
men. Ueberall lagen dunkelfarbiges Schiefergestein und einzelne Haufen
Schnee, sonst gab es hier Nichts zu sehen. Ein reichlich einstündiger
Ritt brachte uns an den Rand des jähen Absturzes, der in das enge
Thal der Arriga hinabführt.
„Wolken stiegen von unten herauf, breiteten sich über uns aus,
Alles rings umher verdunkelnd; dies nöthigte uns, Halt zu machen,
denn weiter zu gehen war unmöglich, weil wir uns in der Nähe von
mehrere hundert Fufs tiefen Abgründen befanden. Endlich brach die
Sonne durch, die Wolken zertheilten sich, eine überraschend schöne
Aussicht lag vor uns ausgebreitet. Fast zu unsern Fülsen durch die
tiefe Thalschlucht wand sich wie ein silberner Faden die Arriga, hoch
über uns stiegen scharf ausgezackte Schieferberge empor. Gegen We-
sten sahen wir über mehrere Bergreihen nach dem Kolsun-Gebirge,
welches in dieser Jahreszeit bereits ein weilses winterliches Gewand
angezogen hatte. Im Süden und Südosten tauchten die Gipfel, welche
sich um den Bielucha gruppiren, auf, alle mit glänzendem Schnee be-
19*
292 Biernatzki:
deckt. Dieser Anblick war eben so neu als anziehend, die tiefen Thäler
lagen mit Gras und Blumen bekleidet im sommerlichen 'Schmucke da,
Eine reiche grüne und gelbe Belaubung zierte die Bäume, von. denen
mehrere noch nicht in den herbstlichen Farben prangten. Indem ich
dies Meer von Gebirgen überschaute, bemerkte ich, dafs die niedrige-
ren Bergreihen theils braun, theils grün erschienen. Die etwas höhe-
ren Gipfel trugen nur wenig Pflanzenwuchs, aber. sie schimmerten
braun, grün und purpurn zu uns herüber. Noch etwas höher hörte
alle Vegetation auf, dann kam die über alle Ketten in vollkommen
gerader Linie abgegrenzte Schneeregion. Jede Region war deutlich er-
kennbar, so dafs ich die Höhe mehrerer Gipfel, welche ich zu verschie-
denen Zeiten überstiegen hatte, zu beurtheilen vermochte.
„Wir bemerkten jetzt, dafs wir uns an einer Stelle über dem
Thale der Arriga befanden, von wo es durchaus unmöglich‘ war, hin-
abzusteigen. Deshalb wendeten wir uns nach Westen und nach einem
Ritt von 3 Werst fanden wir einen Hirschpfad, auf welchem: wir ohne
Unfall nach unten gelangten, obgleich die Passage mitunter sehr ge-
fährlich war. Ich skizzirte hier zwei höchst malerische Ansichten, dann
ritten wir über einen niedrigen bewaldeten Bergrücken und gelangten
in einen sehr rauhen Gebirgspals. Im Süden erhoben sich die Berge
wahrscheinlich 1200 bis 1500 Fufs hoch, sie waren sehr steil und
stark zerklüftet; in schimmernden Cascaden stürzten die Bergwasser
in die Tiefe. Bereits neigte sich der Tag zu Ende, als wir den Kamm
des Passes erreichten. Ich hatte mich bei meinem Zeichnen etwas auf-
gehalten, aber meine Leute, mit Ausnahme von zwei Kalmüken, waren
vorausgeritten, um unser Nachtlager einzurichten. Gerade als es dunkel
wurde, sahen wir etwa eine Werst vor uns ein grolses Feuer auflodern,
und bald darauf waren wir zur Stelle. Unter schlanken Bäumen hatten
die Leute ein stilles Plätzchen ausgewählt, die Zelte waren aufgeschla-
gen und Alles für unsere Abendmahlzeit vorbereitet. Man setzte mir
Wild vor; unser Jäger hatte einen schönen Hirsch unweit des Lagers
erlegt. Es war für die Leute ein rechtes Fest. Bei Hirschbraten und
Branntwein sangen sie lustig bis in die späte Nacht.
„Wieder dämmerte der Morgen, Nebel erfüllte das Thal, und ehe
dieser verzogen, durften wir an unsere Weiterreise nicht denken. Als
die Sonne aufging, fing indessen der Nebel an, sich allmählich zu lich«
ten oder, wie meine Begleiter sagten, „die Sonne frals ihn auf“. Um
sieben Uhr ritten wir das Gestade der Arriga hinauf und befanden uns
nach einer halben Stunde an ihrer Quelle, einem kleinen kreisrunden
Bassin von etwa 30 Fufs Durchmesser, das am Fufse eines 700 oder
800 Fufs hohen Felsenabhanges liegt. Das Bassin ist tief, am Grunde
mit weilsen Steinen belegt, und das krystallhelle Wasser, welches aus
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 293
dem Erdboden hervorsprudelt, fliefst in vielen kleinen Fällen bergab.
Gerade vor uns versperrte ein sehr hoher, auf seiner Spitze mit Schnee
bedeckter Berg den Pals. Ihn zu ersteigen war nicht leicht, mufste
aber versucht werden. Unser Kalmük Yepta übernahm die Führung,
und ich’ folgte auf schlangenförmigen Pfaden. Es war ein seltsamer
Anblick, wie wir Alle an der Seite des Berges hinzogen; gewils hatten
wir uns hundertmal gewendet, denn wir brauchten reichlich eine Stunde,
den Gipfel zu erreichen. Dieser war ein kaum 25 Fuls breiter Berg-
grat, welcher nach der andern Seite noch steiler abfiel. Eine wilde
Landschaft lag vor uns, hohe dunkle Schiefergebirge stiegen zu bedeu-
tender Höhe empor, ihre Spalten mit Schnee und Eis gefüllt, zu un-
seren Füfsen breitete sich das kleine Thal des Mein aus im sommer-
lichen Schmuck. Ich fand auf diesem Berggrat Stücke von schönem
‚dunkelgrünen Jaspis, ebensolche auch zwischen den Felsen, als wir
nach dem Mein hinunterstiegen. Den Berggrat zu erklimmen war be-
‚schwerlich gewesen, aber viel beschwerlicher war es, ihn hinabzustei-
gen. Man ‘mus an dergleichen Gebirgsreisen gewöhnt sein, wenn
man "mit ‘kaltem Blute auf solchen Pfaden auf dem Pferde sitzen
bleiben will. Nachdem wir im Ziekzack mehr als tausend Fufs ab-
_ wärts geritten waren, fanden wir den Abhang weniger steil und ge-
langten ohne weitere Schwierigkeit in das Thal. Der Flufs (Mein)
entspringt aus einem kleinen See am Fulse düsterer Berge, die weit
_ über die Schneeregion sich erheben; er fliefst durch einen Sumpf, der
ehemals ein See gewesen und durch einen Felsendamm gebildet wird,
welcher das Thal mehr als hundert Fufs über seinem Bett quer durch-
_ schneidet. Eine enge Passage ist durch diese Felsen gebrochen, wahr-
scheinlich in Folge einer Erderschütterung, denn das Wasser hätte
einen solchen Pfad nicht zu bahnen vermocht. Der kleine Flufs strömt
‚durch diese Schlucht und stürzt sich in einem schönen Wasserfall etwa
50 Fufs hoch herab. An dem oberen Ende des kleinen See’s springt
'ein kleiner Bach in einem einzigen Sturze von den hohen Felsvorsprün-
‚gen wenigstens 500 Fufs hoch herab. Wenn der Wind über dies her-
_ unterströmende Wasser hinfährt, so gewährt dies einen herrlichen An-
blick, mitunter sieht es aus, als hinge ein im Winde flatternder Schleier
"über dem dunklen Felsen.
"Die meisten Felsen bestehen aus dunkelblauem und grünlich
blauem Schiefer. Auch fand ich mehrere schöne Stücke Jaspis, eins
‚von dunkelgrüner Farbe mit weilsen oder blafsgelben Adern, ein an-
_ deres ganz dunkelroth. Es war aufserordentlich heifs zwischen den
_ Felsen; während ich zeichnete, safs ich im vollen Sonnenschein und
_ würde fast versengt. Mitten im Sommer herrscht in den meisten dieser
_ Thäler eine furchtbare Hitze, und die Vegetation wird eben so üppig
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294 Biernatzki:
wie unter den Tropen. Nachdem unsere Pferde ausgeruht, fingen wir
an, eine andere Bergkette zu übersteigen, ritten aber diesmal über
einen mit Moos bewachsenen weichen Boden. Kurz nach Mittag ge-
langten wir zu einer Stelle, von wo wir den Karagol oder schwarzen
See überschauten, dessen Gewässer smaragdgrün zu sein schienen.
Diese Färbung rührt nieht von dem Grün der Umgebung des See’s
her, denn derselbe ist beinahe ganz von hohen Bergen und von gelb-
lichen und rothen Granitfelsen, die bis in die Schneeregion hinauf-
reichen, eingefalst, während sich an seinem oberen Ende zahlreiche
Basaltfelsen erheben, deren dunkelgraue Farbe mit den gelblichen Berg-
formen an ihrer Basis einen herrlichen Contrast bildet. An der ent-
gegengesetzten Seite des See’s stehen hohe Granitfelsen, über welche
beschneite Berggipfel emporragen.
„Als wir das Ufer des Karagol erreichten, schien das Wasser ganz
schwarz, daher der Name, den der See bei den Kalmüken führt. Uebri-
gens war es völlig klar und durchsichtig, wir konnten in bedeutender
Tiefe unter der Oberfläche grofse Fische hin und her schwimmen sehen.
Die Kosaken kommen von ihren Pikets im Winter hierher, um zu
fischen, und machen dann, wenn das Wasser gefroren ist, einen reich-
lichen Fang von Talmanen. Der Jäger erzählte mir, dafs er mehrere
Kosaken, die den See hätten sondiren sollen, begleitet habe; ihre Loth-
leinen waren, nachdem man sie an einander geknüpft, 500 Sashen
(d. i. 3500 Fufs) lang, und mit diesen hatten sie keinen Grund ge-
funden. Dafs der See sehr tief sei, daran zweifle ich nicht, obwohl
ich doch dieser Messung keinen Glauben schenken möchte. Nach Be-
endigung meiner Skizzen und unserer Mahlzeit durchwateten wir den
Karasu oder das schwarze Wasser, einen grolsen, dem See entströmen-
den Flufs, und ritten dann quer durch ein malerisches Thal, wo die Chi-
nesen ehemals einen Posten hatten, den sie jetzt an einen weit von hier
entfernten Punkt verlegt haben. Unser Weg führte dureh eine dicht be-
waldete Gegend, welche sich über die niedrigere Bergkette bis hinab zur
Katunja ausdehnt, und ein dreistündiger Ritt brachte uns an den Flufs
Bitschuktu. Dreimal an dem heutigen Tage hatten wir den Wechsel
von Sommer und Winter erlebt, was nichts weniger als angenehm ist.
„An einem hellen sonnigen Morgen ritten wir das Thal ein wenig
hinauf, wandten uns dann nach Süden und stiegen einen sehr steilen
hohen Berg hinan, von welchem ich den Bielucha zu sehen hoffte. An-
fangs ritten wir über einen schönen, mit Blumen bedeckten Rasen;
hier blühten rothe und gelbe Primeln, dunkelblaue Salvien, gelbe und
purpurrothe Iris, rother und weilser Dianthus, dunkelblaue und weilse
Gentianen mit weilsen und blauen Aquilegien in grofser Menge. Wir
gelangten über diesen Blumenteppich in die Region der Moose und _
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Th. W. Atkinson’s Schilderungen eentral-asiatischer Landschaften. 295
Lichenen, und nach weniger als zwei Stunden ritten wir über ewigen
Schnee, der an vielen Stellen fest und beinahe zu Eis gefroren war.
Obgleich es im Sonnenschein sehr warm war, so fanden wir doch,
sobald wir von einer der höheren Bergspitzen überschattet wurden,
den Wind schneidend kalt. Wir zogen indels weiter und gelangten
auf den Gipfel. Hier befanden: wir uns auf einem, alle im Westen von
der Katunja gelegenen Berge weit überragenden Felsenkamm, selbst die
höchsten Gipfel des Kolsun-Gebirges lagen tief unter unseren Fülsen.
Eine grofsartige Landschaft war vor uns ausgebreitet: im Vordergrunde
eine Reihe gigantischer Granitfelsen, die zum Theil mit Moos in allen
Farben bedeckt waren, welches mit den nahen Schneegipfeln anmuthig
contrastirte. Bergketten und beschneite Gipfel erhoben sich in allen
Richtungen, den plötzlich erstarrten Wogen eines sturmbewegten Meeres
nicht unähnlich, bis hinab zu den fernen Steppen der chinesischen Tar-
tarei, welche von hier aus gesehen einem Dunstocean glichen. Noch
einmal sahen wir uns getäuscht, der Bielucha war uns auch hier
noch durch hohe Berge verdeckt. Wir ritten zwei Werst den Kamm
entlang, dann in ein kleines Thal hinunter, in welchem mehrere Seen
lagen. Hier gab es weder Bäume noch Gesträuche, nur kurzes Gras
wuchs haufenweise auf dem kargen Boden, aus welchem scharfgezackte
Schieferfelsen hervorragten, die uns erkennen liefsen, dafs die Schichten
senkrecht aufgerichtet waren. Im Süden erhob sich eine Berghälfte mit
steilem Absturz von nicht weniger als 2500 Fufs Höhe über den Seen,
im Norden und 900 Ellen davon entfernt ragen Felsen empor, deren Um-
risse denen der gegenüberliegenden entsprechen. Zwischen diesen Steil-
wänden erhebt sich am oberen Ende des Thales ein mächtiger, kuppel-
förmig gestalteter Felsen, überragt von hohen schneeigen Berggipfeln,
die sich weit hinauf in den heitern Himmel erstrecken. Grofse Schiefer-
blöcke, die von der Südseite herabgefallen, liegen wüst zerstreut um-
her und bilden zu dieser erhabenen Trümmerlandschaft einen passenden
Vordergrund. Dies Alles ist ein Werk der Naturgewalten, ein Zeug-
nifs ihrer furchtbaren geheimnifsvollen Kräfte. Selbst ein umfangreiches
Gemälde dieser Gegend könnte nur in ungenügender Weise die Wirk-
lichkeit vergegenwärtigen.
„Ein fast einstündiger Ritt brachte uns zu der kuppelförmig ge-
stalteten Felsenpartie am oberen Ende des Thales. Aus einiger Ent-
‚fernung gesehen erschienen die Abhänge dieser Kuppel als gerade
‚Linien, jetzt aber fanden wir, dafs sie mit ungeheuren Schiefer- und
Granitblöcken bedeckt waren, über welche wir mit unseren Pferden
unmöglich hinwegkommen konnten. Wir ritten nach der Nordseite des
Thales”und hier schien es möglich vorzudringen, weil fast bis zur Spitze
eine Rasendecke sich ausbreitete. Auf der Südseite konnten wir nicht
296 Biernatzki:
weiter, einer unserer Leute hatte es versucht, er fand aber den Weg
versperrt durch einen 50 Fufs hohen vorspringenden Felsen. Deshalb
lenkten wir nun unsere Pferde einen steilen Abhang an der Nordseite
der Felsen hinauf und gelangten so auf die Spitze der Kuppel. Es
war ein höchst eigenthümlicher Platz — ein vollständiges Chaos von
Granit-, Schiefer-, Jaspis- und Porphyr-Blöcken, wüst durch einander
geworfen. Mit unseren Pferden konnten wir durch dieses Steingetrümmer
nicht weiter. Deshalb wurden alle unsere Begleiter, Yepta und’ den Jäger
ausgenommen, beordert, die Pferde um den Rand der Trümmermasse
herum zu führen und uns auf der gegenüberliegenden Seite’ zu erwar-
ten, während wir den merkwürdigen Platz überschritten. Wir kletter-
ten über die Blöcke und gelangten so auf die äufsere Einfassung —
wie es schien — eines grolsen Kreises, welche von wild und unordent-
lich aufgehäuften Felstrümmern gebildet wird und etwa 20 Ellen breit
ist. Von hier waren die Steinblöcke in einen’ Krater von 300’ bis 400
Ellen im Durchmesser und 50 Fufs Tiefe hinuntergerollt. Sie waren
von der verschiedensten Grölse, einige nur 12 Zoll dick, andere gewils
50 Tons schwer, und lagen so unregelmäfsig durch und über einander,
dafs es schwierig war, hinüber zu klettern; wir brauchten viel‘ Zeit
dazu und riskirten unsere gesunden Glieder. Während ich auf dem
Rande dieser Vertiefung stand und die steilen Wände auf beiden Seiten
betrachtete, kam es mir vor, als sei der Berg bei dem Durchbruch
dieser Steinmassen auseinander geborsten. Es dauerte zwei Stunden, bis
wir auf ein Terrain kamen, wo wir wieder reiten konnten. Unsere Pferde
waren kurz vor'uns angekommen und die Leute versicherten, sie hätten
schon daran verzweifelt, sie glücklich über die wild zertrümmerten Fel-
sen hinüberzuführen. Auf demselben Wege zurückzukehren wäre daher
Thorheit gewesen, wir mufsten einen andern Weg ausfindig machen.
„Wir setzten nun unsern Ritt an der Seite eines jähen Bergab-
hanges fort, in der Richtung nach Süden, um zu den Quellen der Ka-
tunja zu gelangen. Nachdem wir 8 bis 10 Werst zurückgelegt, fingen
wir an, nach dem Turganflusse hinabzusteigen, wobei unser Weg über
eine traurige Oede führte. Diesen Flufs, an dem wir zu lagern 'ge-
dachten, sahen wir weit entfernt gleich einem schmalen Silberstreifen
ein bewaldetes Thal tief unter uns durchströmen. Jede nächste. halbe
Stunde brachte uns in eine wärmere Region; endlich nach einem’ lan-
gen Ritt erreichten wir die Waldung, hier herrschte eine sommerliche
Temperatur, die sowohl für uns als für unsere Pferde nach einem so
langen Aufenthalt in den oberen kalten Regionen sehr angenehm war.
Das Thal hatte schon längst in tiefem Schatten gelegen; aber gerade,
als wir bei dem Flusse ankamen, beschien die Sonne die beschneiten
Berggipfel mit ihrem röthlichen Lichte. Allmählich verschwand auch
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Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 297
dieses und die ganze Gegend wurde in Finsternils gehüllt. Wir schlu-
gen unsere Zelte an einem’ geschützten Orte neben einem rauschenden
Gebirgsbach auf, und nicht lange währte es, so beleuchtete ein lodern-
der Holzstols Alles umher mit röthlichem Scheine... Unsere Unterhal-
tung betraf den seltsamen Felsenkrater, über den wir mühsam hinweg-
geklettert. Die Kalmüken sagen, dafs Schaitan diesen Ort bewohne,
der deshalb ein Ort des Schreckens für sie ist; es scheint, als ahnten
sie, dals sich dort etwas Furchtbares zugetragen haben müsse.
„Von hier aus ritten wir einen zerklüfteten Berg entlang, auf dessen
schneebedeckter Krone sich Felsen, wie Nadeln gestaltet, erheben. Wir
mulsten über diesen Kamm hinüber und viele Werst höchst beschwerlich
zurücklegen. Endlich kamen wir an einen tiefen Schlund, den wir mit
grofser Mühe hinabstiegen. Dort rauschte ein Bergwasser, welches unter
der Schnee- und Eisdecke hervorbrach, und in geringer Entfernung spru-
‚delte eine heifse Quelle in einem von Gränitgestein gebildeten Bassin.
Hier‘ war es überaus wüst und schaurig, denn da niemals’ ein Sonnen-
strahl diesen Schlund erhellt, so wächst hier weder ein Grashalm noch
eine Moosfaser.
„Wir setzten unsere Reise am Ufer des Turgan abwärts fort. Die-
ser kleine Flufs durchströmt ein felsiges Bett, in welchem er -schäu-
mend und rauschend in unzähligen Cascaden fortbraust. Nachdem wir
‚drei Werst geritten und mehrmals vergebens den Fluls zu durchwaten
versucht hatten, gelang uns das letztere endlich. Das Thal ist ‚nicht
'malerisch, die Bergabhänge sind regelmäfsig und nicht zerklüftet. Wir
waren noch nicht weit gekommen, als wir zu einer Stelle gelangten,
von wo wir'eine Aussicht auf die im Süden der Katunja liegenden
‚Berge ‘und die beschneiten Gipfel darüber hatten. Die Sonne stand
gerade in ihrem vollsten Glanze über dem Thale und die dadurch ver-
"ursachte Wärme nach einer kalten Nacht war sehr angenehm. Beim
Hinabreiten in das Thal erschienen wieder die Schieferfelsen, die aus dem
‚grünen Rasen, über den wir hinzogen, 50—100 Fufs hoch aufstiegen.
‚Der Flufs macht hier gerade eine Wendung und strömt dicht an ihrem
Fufse vorüber. Yepta behauptete, hier sei die einzige Stelle, wo man
ihn durchwaten könne; und selbst hier war es sehr schwierig. Einen
"Augenblick hielten wir bei dem hohen Gestade an und betrachteten
das Tosen und Brausen des Wassers zu unseren Fülsen; weiter auf-
wärts befanden sich mehrere 6 bis 10 Fuls hohe Wasserfälle. Bei dem
‚letzten war eine wohl 20 Schritte den Flufs hinabreichende 'Strom-
schnelle, dann folgte ein noch tieferer Wasserfall, worauf das Wasser
über grofse Steine bis zur Einmündung in die Katunja fortfliefst. Durch
diese Stromschnelle zwischen den Wasserfällen mulsten wir unseren
' Uebergang bewerkstelligen, und zwar fünf Personen zusammen, um
298 Biernatzki:
nicht fortgerissen zu werden. Da wir das felsige Gestade nur auf
einem schmalen Pfade hinabreiten konnten und unten kaum für unsere
Pferde hinlänglichen Raum fanden, so war es schwer, uns gehörig
aufzustellen, ehe wir uns in den brausenden Strom begaben. Yepta
stieg zuerst den Felsenabhang hinunter, ich folgte, dann kamen drei
Andere mit zwei Pferden am Zügel. Gerade hinüber zu reiten war
nicht möglich, wir konnten nur unter dem Schutze einiger Felsen in
der Nähe des untersten Wasserfalles an der gegenüberliegenden Seite
an’s Land gehen. Der brave Yepta gab das Zeichen und wir ritten
Knie an Knie in das tosende Gewässer. Unsere Pferde traten lang-
sam und sicher auf, als das Wasser um ihre Seiten brauste, der In-
stinct liefs sie die Gefahr erkennen, sie streckten ihren Kopf gerade
aus über den Flufs hin. Die Entfernung von einem Ufer zum andern
betrug nicht mehr als 20 Schritt, dennoch brauchten wir wenigstens
fünf Minuten, um hinüberzukommen, und wir freuten uns nicht wenig,
als wir nach Verlauf dieser Zeit einige 20 Fufs über dem Wasser jen-
seits standen, und wünschten unseren Reisegefährten eine eben so glück-
liche Passage. Als ich sah, wie diese sich gegenüber am Ufer auf-
stellten und dann in den Strom hineinritten, empfand ich die Gefahr
weit mehr, als während ich sie selbst bestanden. Aber ihre Pferde
widerstanden tapfer der reifsenden Strömung und kamen glücklich her-
über; der Hund wurde auf ein Packpferd gesetzt, auf welchem er zwi-
schen zwei Gepäckstücken vollkommen sicher lag.
„Während ich diese gefahrvolle Stelle skizzirte, erzählte mir der
Jäger folgende tragische Geschichte. Früher hatten, wie ich schon er-
wähnt, die Chinesen bei dem Karagol ein Piket stationirt, und diesen
Weg mufsten die Soldaten passiren, welche ihre Kameraden ablösen und
mit Lebensmitteln versehen sollten. Einst kamen 16 Soldaten in dieser
Absicht hierher. Sechs von ihnen ritten neben einander in den Flufs, aber
kaum hatten sie drei bis vier Schritte zurückgelegt, als sie das Wasser
ungewöhnlich tief fanden und die Strömung sie fortrifs. In einem Nu
trieben fünf Mann den Wasserfall hinunter, Einer von ihnen warf sei-
nen Kameraden am Ufer die Zügel hin, er wurde sammt seinem Pferde
gerettet. Die Anderen aber und deren Pferde wurden gegen die Fel-
sen geschleudert und fast auf der Stelle getödtet, ihre Leichen fand
man nicht wieder.
„Nach zweistündigem Ritte das Thal hinab gelangte ich an den
Katunjaflufs '), der in einem etwa eine Werst breiten, mit üppigem
Graswuchs bedeekten Thale hinströmt. Birken und Fichten stehen in
!) Katunja bedeutet Königinflufs. Vergl. Ritter, Asien I, 8. 924.
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 299
schönen Gruppen zerstreut umher, den unteren Theil der Bergabhänge
ziert eine dichte Cedernwaldung. Von den Berggipfeln sind einige
nackte Felsen, andere reichen weit hinein in die Region des ewigen
Schnees. Wir zogen nun an den Ufern dieses Flusses weiter und
kamen nach ungefähr zwei Stunden an den Turgan (?), der in dem
Gebirge nordwestlich von dem Bielucha entspringt. Der Anblick die-
ses Thal hinauf ist schön: ein breiter Strom tost schäumend und weils
wie Schnee über grofse Felsblöcke daher, an seinen Gestaden wachsen
stattliche Cedern, dazwischen Birken mit ihrem graziös herabhängen-
den, gelben und orangefarbenen Laube, und Pappeln, deren Blätter
theils dunkelgelb, theils purpurroth schienen. Die höher liegende Berg-
kette erscheint braun und dunkel gefärbt, die entfernteren Berge zei-
gen sich in duftigeren Farben, die schneebedeckten Gipfel steigen
bis zum Himmel, wie Silber glänzende Säulen auf dem tiefblauen
Hintergrunde. Beinahe unmittelbar darauf, nachdem wir hier den Tur-
gan durchritten, mufsten wir auch über die Katunja setzen; hohe Fel-
sen unmittelbar am Ufer hinderten uns, gradeaus zu reiten. Uebrigens
ist es nicht schwierig, diesen Flufs zu überschreiten, obwohl er fünfmal
breiter ist als der Turgan. Wir ritten bis dahin, wo das Thal eine
"Wendung gegen Norden macht, von hier aus hoffte ich den Berg zu
erblicken, um dessentwillen wir so weit gereist waren. Meine Hoffnung
steigerte sich, da der Himmel ganz rein und wolkenlos war, wie dies
in dieser Jahreszeit hier sehr selten der Fall ist. Yepta, der Jäger
und ein Kalmük begleiteten mich, in raschem Galopp sprengten wir
über den unebenen Erdboden und erreichten, nachdem wir etwa 5 Werst
zurückgelegt, jene Wendung, wo sich uns der Bielucha in seiner gan-
zen Majestät präsentirte. Nachdem ich den Berg von hier aus gezeich-
net, machte ich mit Yepta und zwei andern Kalmüken einen Abstecher
‚über einen der südlichen Ausläufer des Bielucha. Wir fanden dieses
Gebirge selbst unten schon sehr steil und mulfsten viele Windungen
machen; auf halbem Wege aufwärts nöthigte eine etwa 100 Fufs hohe
senkrechte Felsmauer uns in östlicher Richtung abzubiegen. Nachdem
‚wir kurze Zeit an dieser Mauer entlang geritten waren, fanden wir
eine Oeffnung in derselben, aber durch diese ging es so steil nach oben,
dafs es zweifelhaft war, ob wir zu Fuls würden hinaufklimmen können.
Indefs versuchte ich es mit Yepta, die beiden Kalmüken blieben bei
‚unseren Pferden. Es war fast unmöglich, unsere Fülse irgendwo anzu-
'stemmen, und bei einem Fehltritt würden wir den jähen Abhang hinunter-
gerollt sein. Dennoch gelangten wir auf den Gipfel, ein Plateau, das
eine halbe Werst weit zu einzelnen rauhen Klippen, auf welchen Zwerg-Ce-
dern wuchsen, anstieg. Weiter hinaus ragte der eisige, glänzend von der
- Sonne beschienene Gipfel des Bielucha. In südöstlicher Richtung blickten
300 Biernatzki:
wir in das Thal des Bjeloi oder weifsen Beryl') hinab, dessen: Quelle
zwischen hohen pittoresk gestalteten Bergen liegt. Das Wasser dieses
kleinen Flusses sieht aus der Ferne milchweils aus mit grünlichem
Schimmer. Das Gestein des Berges, auf dem wir uns befanden, be-
steht aus Schiefer, der verschieden, roth, blau und hellgrün gefärbt ist,
und der letztere giebt, wie ich glaube, dem Wasser jenen grünlich-
weilsen Schimmer.
„Der Himmel war in diesem Augenblick wolkenrein, jeder Berg-
gipfel in seinen Umrissen deutlich zu erkennen. Während ich von hier
aus das Thal des Beryl skizzirte, langten die beiden Kalmüken mit
unsern Pferden an; sie waren längs dem Fuls der Felswand hingeritten
und hatten eine Schlucht gefunden, die auf das kleine Plateau zu uns
heraufführte. Ich war froh, dafs wir nun quer über den Berg reiten
und auf einem anderen Wege, als wir heraufgekommen, zurückkehren
konnten. Nach Vollendung meiner Zeichnungen ritten wir nach jenen
höher gelegenen Felsen, von denen wir in das Thal der Katunja hinab-
schauen konnten. Der Flufs strömt in dem tiefen Einschnitt zwischen
den Bergen unter düstern Fichten hin, welehe der Landschaft ein fin-
steres Aussehen verleihen. Die Sonne schien nicht mehr in diese Tiefe,
obwohl sie noch Alles rund um uns her glänzend erleuchtete. Nach
einem kurzen Ritt erhielt ich wieder einen schönen Blick auf den’ Bielu-
cha — eine imposante Bergmasse, deren gewaltige Zacken die Jahrtau-
sende alte Eis- und Schneedecke durchbrechen. Der Gipfel des Berges
besteht aus zwei colossalen Spitzen, die von unzähligen Pfeilern gestützt
werden, zwischen denen Schluchten oder kleine Thäler liegen; sie sind
mit Gletschern ausgefüllt, die bis an den Rand steiler, das Thal der
Katunja überhängender Felsen hinabreichen. Die gesammten, diesen
Bergeolofs umgebenden Berge bestehen aus Schiefer; an den niedrige-
ren Ausläufern wächst Gras, ein herrlicher Weideplatz für Tausende
von Schafen. Auf diesem Rasen fand ich mehrere Frühlingsblumen,
rothe Primeln, lieblich duftende Veilchen und verschiedene Anemonen.
Ihre Lebenszeit ist nur kurz, denn nach Verlauf von zehn oder zwölf
Tagen wird sie neun bis zehn Monate hindurch tiefer Schnee bedecken.
Drei- bis vierhundert Fuls höher hinauf hört der Kräuterwuchs auf, nur
Moose bedecken den steinigen Boden und heften sich an die Felsenwände.
Noch etwas höher und auch von diesen ist keine Spur mehr vorhan-
den. Dennoch schwärmten hier, wo wir uns befanden, Legionen von
Moskitos, und ich war deshalb froh, als wir aufbrechen konnten, um
diesen Quälgeistern zu entgehen. Yepta war indessen über den Berg-
") Vergl. Ritter, Asien I, $. 699, wo gesagt wird, dafs der Berel oder Berell
zur Buchtarma abfliefse.
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 301
rücken hinübergegangen und hatte gefunden, dafs es von hier aus un-
möglich sei, den Bielucha zu ersteigen. Langsam ritten wir daher wieder
nach unten auf einem bisweilen äulserst jähen Pfade, und indem wir uns
mehr östlich wendeten, gewahrten wir den Bjeloi Beryl, welcher am
unteren Ende des Thales durch eine enge und sehr tiefe Schlucht flielst.
Derselbe hat gewils viele Wasserfälle, denn der Wind trieb das Ge-
räusch von brausenden Gewässern zu uns herüber. Kurz vor Einbruch
der Nacht kamen wir wieder bei unserem Lager an. Ein lustiges Feuer
loderte hoch empor, unsere Begleiter brieten das Fleisch eines Hirsches,
den unser Jäger in der Nähe erlegt hatte. Ich gab ihnen eine doppelte
Ration Branntwein, und Russen und Kalmüken schmausten bis tief in
die Nacht.
„Um zwei Uhr Morgens erwachte ich, der Jäger legte frisches
Holz zum Feuer, aber es regnete leider stark, der Wind wehte heftig
und ein dichter Nebel lagerte ringsum, Alles verdunkelnd.. Um neun
Uhr wurde das Wetter besser, die Wolken erhoben sich zu den Berg-
gipfeln, der Regen hörte auf. Dennoch meinten der Jäger und Yepta,
es sei jetzt unmöglich, den Bielucha zu ersteigen. Deshalb beschlofs
ich, die heifsen Quellen an dem Gestade des gerade südlich von uns
liegenden Racmanskoi (?)-See’s zu besuchen. Um 10 Uhr safsen wir im
Sattel und ritten über einen niedrigen Hügelrücken in das Thal des Bjeloi
Beryl hinunter. Dieser Flufs ist kleiner als die Katunja, das Wasser
dick'und von weifslich grüner Farbe, der eines Beryl nicht unähnlich,
von denen ich viele in grolsen Krystallsticken gesehen habe. Das
Schiefergestein im Bett des Flusses ist hellgrün und zum Theil sehr
weich. In geringer Entfernung von der Stelle, wo wir über den Flufs
setzten, tritt derselbe in eine tiefe wilde Schlucht und strömt in vielen
Absätzen weiter; man vernimmt das dadurch verursachte Brausen in
grolser Entfernung. Bald nachher trafen wir einen runden, ganz iso-
lirten, etwa 80 Fufs hohen Schieferfelsen von dunkler Farbe, der einem
colossalen Kurgan gleicht. Ich erstieg ihn und fand in den Spalten
theils blühende, theils schon Samen tragende Pflanzen. Eine kleine
Schlingpflanze hatte carmoisinrothe Blumen von grofser Schönheit;
einen Monat früher mufs diese Stelle höchst anmuthig gewesen sein.
„Allmählich stiegen dieWolken in die Höhe, die niedrigeren Berggipfel
wurden frei und die Sonne versuchte die höher liegende dichte Wolken-
deeke zu durchdringen. Aus dem Thale gelangten wir in einen dichten
Wald an der Nordseite des den Bjeloi Beryl und Tschernoi Beryl tren-
nenden Bergzuges. Ungeheure Schieferblöcke sind hier von oben herab-
gestürzt und bilden ein etwas über eine Werst breites Chaos; zwischen
den Felsblöcken wachsen grofse Cederbäume. Wir versuchten über diese
Steinmasse hinwegzukommen, mulsten es aber nach einer Stunde ver-
302 Biernatzki:
geblicher Anstrengung aufgeben. Auf Yepta’s Vorschlag ritten wir
den Fufs des Gebirges in westlicher Richtung entlang und gelangten
bald an das fast ganz ausgetrocknete Bett eines Gebirgsbaches. In die-
sem ritten wir aufwärts, der Weg war schlecht genug, aber frei von
Bäumen und Sträuchern, weshalb wir den tiefen Löchern auszuweichen
vermochten. Unförmliche Blöcke liegen zerstreut umher oder zu Hau-
fen aufgeschichtet. Gewaltige Bäume sind entwurzelt und lehnen sich
an die Felsen, so dafs sie Brücken bilden, über die der Bär trock-
nen Fufses hinwegschreiten mag, wenn das Bergwasser tosend darunter
fortströmt. Andere Baumstämme sind zerbrochen, als wären es dünne
Stöcke gewesen. Nach einer Stunde hatten wir diesen Engpals hinter
uns und betraten eine Waldung. Nahe unterhalb des Berggipfels ka-
men wir über eine kleine Rasenfläche, dann quer über den Grat des
Gebirges. Ehe wir auf der anderen Seite hinabritten, warteten wir
ein wenig, in der Hoffnung, die Wolken, die um den Gipfel des Bie-
lucha lagerten, würden sich zerstreuen und uns verstatten, seine Spitze
zu betrachten, allein sie fuhren fort, ihn in trübe Nebel einzuhüllen.
Ein scharfer Wind machte uns sehr begierig, bald das wärmere Thal
zu erreichen, aber noch 5 bis 6 Werst mufsten wir über ein hohes
Plateau reiten, auf welchem kein einziger Baum wuchs, und hier war
es bitterlich kalt. Endlich ging es abwärts, anfangs kurze Zeit durch
eine Schlucht, dann in einer Zickzacklinie den Bergabhang hinab; es
wurde den Pferden sehr schwer, festen Fufs zu fassen. So steil war der
Abhang, dals es selbst einem Menschen unmöglich gewesen wäre, ihn
gradeaus zu ersteigen. Als wir unten waren, befanden wir uns am
Ufer des Tschernoi Beryl, der malerisch zwischen Schieferbergen hin-
strömt. Sein Wasser ist klar wie Krystall, aber von grünlicher Farbe;
die dunkelfarbigen Berge, von denen es herabkommit, und der schwarze
Schiefer, über welchen es hinfliefst, sind wohl die Ursache, dafs der
Flufs den Namen des schwarzen, Beryl führt. Er entströmt einem
kleinen, zwischen hohen Bergen gelegenen, schwarz aussehenden See,
verliert sich dann sehr bald zwischen den Felsen und kommt an der
entgegengesetzten Seite eines Höhenzuges, der sich in das kleine Thal
erstreckt,” wieder zum Vorschein. Sein unterirdischer Lauf ist mehrere
Werst lang.
„Nachdem wir uns von diesem Flusse entfernt hatten, gingen wir
über einen rauhen steinigen Berg, der sehr schwierig zu ersteigen war,
und erreichten um Mittag mehrere aus dem Boden hervorstarrende Fel-
sen, zwischen denen ich viele grofse Stücke Jaspis und schönen Aven-
turin fand. Der Gipfel glich einem Trümmerhaufen, kein einziger
der hier liegenden Blöcke hatte seine ursprüngliche Lage. Diese Stein-
wüstenei nahm einen Raum von einer Werst Breite und nicht weniger
9
u. u A A Zu
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 303
als drei Werst Länge ein. Die Pferde wurden unten herumgeführt und
ich wanderte zu Fufs durch die Steinwüste. Jenseits derselben fingen
wir bald an, nach dem See hinunterzusteigen. Hier erkannten wir so-
gleich die heifsen Quellen an den emporwirbelnden Dämpfen. Das
Wasser des Racmanskoi - See’s erschien in dem tiefen Felsenkessel völlig
schwarz. Neben den heilsen Quellen dehnte sich nach dem engen Thal
hinab üppiges Weideland 700 bis 800 Schritt weit, dann verlor es sich
in einen dichten Wald, durch welchen die Gewässer des See’s westlich
abfliefsen, bis sie sich in den Bjeloi Beryl ergielsen. Wir ritten in der
Nähe der heifsen Sprudel über die Grasebene und kamen durch den
Wald, an dessen Saum vier Kalmüken und eine Frau aus dem oberen
Thale des Tschulischman ihr Lager aufgeschlagen hatten. Mit nicht
geringer Verwunderung sahen sie unsere Gesellschaft sich durch das
dichte Untergebüsch Bahn brechen. Wir boten ihnen unsern Gruls,
ohne uns weiter aufzuhalten, und ritten nach dem Ufer des Racmanskoi-
See’s, wo wir unter schönen Bäumen, vor denen sich das sandige Ufer
acht bis zehn Schritt weit nach dem See erstreckte, Halt machten.
Nachdem wir in der Nähe eine Schnepfe aufgejagt, ergriff ich, wäh-
rend die Leute das Zelt aufspannten, meine Flinte und ging mit dem
Hunde den Rand der Waldung entlang, wo ich in nicht einer vollen
Stunde fünf Schnepfen erlegte.e Die Kalmüken und die Frau waren
inzwischen zu unserem Lager gekommen und hatten sich bei dem Feuer
niedergelassen. Zwanzig Schritt von meinem Zelt und zehn Schritt
vom See entfernt sprudelten zwei Quellen, deren Wasser so heils war,
dafs ich meine Hand nicht darin halten konnte. Von hier begab ich
mich nach dem Badebassin, welches die Kalmüken angelegt haben; es
ist vier Fuls tief, sieben Fufs lang und fünf Fufs breit und mehrere
Sprudel ergiefsen sich in dasselbe; das überfliefsende Wasser strömt in
den See. Nicht weit davon quillt das Wasser ebenfalls mächtig aus
dem Erdboden; auf einem Raume von 50 Fufs Durchmesser springen
mehr als hundert kleine Sprudel hervor. Ich setzte mich in der Mitte
dieses Raumes auf einen Stein und nahm so ein Dampfbad. Die Kal-
müken aus dem Tschulischman- Thale waren bereits seit 13 Tagen hier;
als sie ankamen, hatten sie acht Kirgisen von der am Jeke Aral-Nor
gelegenen Steppe angetroffen. Ich erfuhr, dafs diese Badestelle im
Sommer häufig besucht wird.
„Als der Tag sich neigte, sammelten sich dunkle Wolken um die
hohen Berggipfel, ein Vorzeichen schlechten Wetters, der Wind brauste
kalt durch die Schluchten und fuhr stofsweise über den See. Yepta
hatte reichlich dürres Holz, das Feuer zu unterhalten, gesammelt, da
_ er sagte, die Nacht würde kalt und stürmisch werden, und wir hatten
Alles, was in unseren Kräften stand, gethan, um die Zelte festzustellen
304 Biernatzki:
und unser Obdach so.sicher als möglich zu machen. Bald, nachdem
es dunkel geworden, vernahmen wir in der Waldung über uns das
Brausen des Windes, es dauerte nicht lange, so tobte er auch über
unser Lager hin und wühlte den See auf. Die Wellen schlugen bis
nahe zu dem brennenden Holzstofs herauf, dann begann es zu schneien
und kurz darauf lag Alles unter einer winterlichen Decke vergraben.
„Am folgenden Morgen, als wir frühstückten, zeigten uns die frem-
den Kalmüken an, dals sie abreisen wollten, weil sie fürchteten, später
durch heftigen Schneefall im Gebirge aufgehalten zu werden. Auch
uns riethen sie, baldigst weiter zu ziehen, wie es ohnehin unsere Ab-
sicht war. Fünf Werst von dem See entfernt zogen jene in östlicher,
wir in gerade nördlicher Richtung. Wir erblickten sie noch einmal
auf dem eine Werst entfernten Gebirgskamme, dann stiegen sie und
wir bergabwärts und sahen einander nicht wieder. Uns überfiel auf
dem Bergplateau ein Schneesturm; der heftige Wind, der uns die
Flocken in's Gesicht trieb, war sehr unangenehm. Aber nach einem
Ritt von sechs Stunden safsen wir wieder in unserem alten Lager auf
dem Ausläufer des Bielucha, wo wir unser Mittagsmahl einnahmen und
uns bei einem guten Feuer so behaglich wie möglich einrichteten. Da
die Leute aber einen noch besseren Lagerplatz wulsten, so boten wir
noch einmal dem Sturme Trotz und ritten unter Hagel- und Regen-
schauern nach diesem durch Bäume und Felsen geschützten Platze, bei
dem wir eine Stunde vor Einbruch der Nacht anlangten.
„Auf die stürmische Nacht folgte ein heiterer Morgen; als wir auf-
brachen, wurden die weilsen beschneiten Gipfel des Bielucha mit-jeder
Minute heller von der aufgehenden Sonne beleuchtet. Bald strahlten
sie in blendendem Glanze, während uns noch ein kühler dunkler Schat-
ten umhüllte. Das Thal, in welchem wir hinritten, wurde immer enger;
Cedern wachsen an dem Ufer des Flusses (Katunja), an einigen Stellen
in der ganzen Breite des Gestades, dessen Seiten steil, bisweilen fast
senkrecht sind. Das Wasser war dick und weilslich grün, ‚ebenso wie
das des Bjeloi Beryl. Nach Verlauf einer Stunde kamen wir zu der
Stelle, wo die Katunja aus zwei Quellen entsteht, von denen die eine
nach Nordwest, die andere nach Nordost führt. Die letztere entspringt
an den Gletschern des Bielucha und an dieser ritten wir entlang. Bald
kamen wir zu einem Punkte, wo selbst hier im Thale die letzten ver-
einzelt stehenden Bäume vorkamen; auf den Bergen hatte der ver-
krüppelte Baumwuchs, der sich bis in die Schneeregion zu erheben
schien, schon längst aufgehört. Eine sehr spärliche Vegetation fand
sich noch in den Spalten der Schieferfelsen, auch diese verschwand
bald gänzlich und wir kamen in eine wahre Schnee - und Felsenwüste.
Hier hatten die zu beiden Seiten emporstarrenden Schieferfelsen eine
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 305
liehtgrüne Farbe, das Gestein war zum Theil sehr hart und einer schö-
nen Politur fähig, zum Theil aber auch weniger hart, ja an einzelnen
Stellen so weich wie Thon, und ebenfalls grün, und eben dieser Thon
verleiht auch dem Wasser der Katunja und des Bjeloi Beryl seine grün-
liche Farbe.
„Zu Pferde konnten wir nicht weiter, wir mufsten zu Fuls über
Steine, Eis und Schnee klimmen. Deshalb theilten wir uns; mich be-
gleiteten Yepta, der Jäger und drei zuverlässige Kalmüken. Wir nah-
men Proviant mit, liefsen aber unsere Flinten zurück, weil in der hohen
Bergregion keine Thiere sich aufhalten. Die Pferde wurden nach einem
nahen Weideplatz gebracht und den sie hütenden Kalmüken aufgetra-
gen, eine Stunde vor Anbruch der Dunkelheit mit ihnen wieder zurück-
zukehren. Zwei andere sollten sich an den Lagerplatz begeben und Alles
zu unserm Nachtquartier bereit halten. Kurz vor 10 Uhr fingen wir an,
über die wüsten vor uns liegenden Massen, die Trümmer einer Schnee-
lawine, welche während des Sommers von dem Bielucha herabgestürzt
war, emporzuklimmen. Mit wie furchtbarem Gekrach mufs diese vom
Gipfel des Berges heruntergerollt sein, da sie in einem der Gletscher eine
breite und tiefe Spur zurückgelassen und ungeheure Felsblöcke mit sich
in den Schlund hinabgerissen hat, wo diese jetzt wild durch einander ge-
würfelt Jagen und den engen Raum bis zu einer Höhe von 150 Fuls aus-
füllten. Fünfhundert Ellen weiter aufwärts in der Schlucht bricht die Ka-
tunja unter den Eis- und Felsblöcken hervor. Nachdem wir über diese
rauhe Steinmasse geklettert waren, stiegen wir abwärts zu dem kleinen
Flusse oder richtiger Bergstrom, der zwischen den Felsen fortrollt und hie
und da unter Schnee- und Eis-Brücken in vielen Abstürzen in’s Thal
strömt. Wir erreichten das untere, in einer tiefen Schlucht liegende
Ende eines Gletschers, der sich weithin an dem Berge hinauf erstreckt;
an dieser Stelle ist es, wo unter zwei kleinen, in dem Eise ausgewa-
schenen Bogen die Katunja in zwei Bächen, die sich bald mehrere hun-
dert Ellen weit unter einer Schneedecke verlieren, entspringt. Dies ist
die eigentliche Quelle des Flusses.
„Soweit war nun das eine Ziel meiner Reise erreicht. Aber die
mächtigen Spitzen des Bielucha erhoben ihre rauhen Häupter noch meh-
rere hundert Fufs über uns, und am Rande des Gletschers hinaufzu-
_ steigen war unmöglich. Wir setzten uns auf einige Steine nieder, und
während wir unsere Mahlzeit hielten, beschaute ich prüfend die thurm-
hohen ‚Spitzen, mit dem Wunsche, auch sie besteigen zu können. Um
dies auszuführen, wendeten wir uns westlich und betraten eine wild
aussehende Schlucht, welche bergaufwärts zu führen schien; dieselbe war
‚mit colossalen, von oben herabgerollten Blöcken und Eis angefüllt. Wir
kletterten nicht ohne Gefahr hinüber, endlich winkte uns ein Hoffnungs-
Zeitschr. f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd, VIII, 20
be en
306 Biernatzki:
schimmer. Am Ende der Schlucht lag eine Anzahl abschüssiger Felsen,
die zusammen eine etwas geneigte Ebene bildeten, auf welcher einer
der Bielucha-Gipfel sein kühnes Haupt erhob. Dies gab uns neuen
Muth, unsere Anstrengungen fortzusetzen, und mit dem Ausruf: „höher
hinauf!“ erklommen wir Schritt vor Schritt eine mächtige, von der
Natur selbst gebildete Treppe, welche uns endlich auf festgefrorenen
Schnee führte. Ueber diesen schritten wir mit grofsep Mühe etwa 300
Schritt fort, dann standen wir am Fufse der beiden hohen Spitzen des
Bielucha, welche alle andern Gipfel des Altai-Gebirges überragen. Im
Westen dehnten sich die öden Kirgisensteppen aus, bis sie sich in
nebelige Fernen verloren. Im Süden erhoben sich mehrere hohe Piks
und verschiedene Bergreihen erstreckten sich bis zu den Steppen im
Osten des Saisan-Nor und bis zur Wüste Gobi. Zwischen den Bergen
und auf den fernen Steppen zeigten sich mehrere Landseen. Unzäh-
lige Flüsse schlängelten sich, gleich einem aus Silberfäden gewobenen
Netze, durch die tiefen Thäler hinab. Es war ein herrlicher Anblick:
so viele schneebedeckte Gipfel, die von den dunklen Bergkämmen
und aus den grünen Thälern emporstiegen!
„Hundert Sehritt weiter und wir befanden uns am oberen Rande
eines anderen Gletschers, der in einer tiefen Schlucht nach Westen hinab-
geht. Jenseits desselben lag die Vertiefung zwischen den zwei Bergspitzen.
Bis zu dieser hätten wir gelangen können, aber eine der Spitzen zu
ersteigen war unmöglich, denn sie sind 800 bis 1000 Fufs hohe, mit
hartgefrorenem Schnee bedeckte Felskegel, an denen nur hie und da der
Schiefer durehblickt. Bis dahin war der Himmel heiter, nur im Nord-
osten lagen dunkle Wolkenmassen. Jetzt aber zogen sich über uns die
Dünste an den Gipfeln zu dichtem Gewölk zusammen, und Yepta und
der Jäger drangen auf schleunige Umkehr. Wir traten den Rückweg
an, anfangs langsam über schlüpfriges Eis und Schnee. Nachdem wir
jene Felsentreppe wieder erreicht, kamen wir schneller von der Stelle;
doch war das Hinabklettern entschieden anstrengender. Als wir dort an-
kamen, wo wir zuerst den hohen Gipfel des Bielucha wahrgenommen,
stand ich still, um noch einmal diese höchste Spitze des Altai-Gebirges
zu betrachten, aber es war mir nicht vergönnt. Der Berg hatte bereits
sein Wolkengewand angezogen, die düsteren Massen umwallten vom Winde
getrieben sein Haupt. Ungeachtet wir mehrmals ausglitten und fielen,
kamen wir doch in einer Stunde nach unten; zum Hinaufsteigen hatten
wir mehr als drei Stunden gebraucht. Auf dem Schnee zwischen den
Felsen fanden wir unsere Fufsspuren wieder, wodurch die Gefahr des
Hinabsteigens vermindert wurde. Ohne Zeit zu verlieren — denn die
Wolken senkten sich schnell herab — schritten wir über die Trüm-
mer der Lawine. Schon hatten sich die meisten der niedrigeren Berge
Re
o
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 307
in Wolken gehüllt, und wären wir hier von einem Nebel überfallen
worden, so hätten wir schwerlich unsere Lagerstätte auffinden können.
Yepta schien besonders besorgt, er trieb zu gröfsester Eile. Endlich
kamen wir zu unseren Kalmüken, welche die Pferde bereit hielten.
Wir nahmen unsere Waffen und ritten zu unseren Zelten zurück. Ob-
gleich wir so schnell als möglich ritten, wurden wir doch von einem
diehten Schneegestöber eingeholt, so dals wir kaum aus den Augen
sehen konnten. Desto behaglicher erschien uns unser Obdach mit dem
lodernden Holzstofs davor. Als der Morgen anbrach, ritten wir lang-
sam das Ufer der Katunja hinab. Je höher der Tag aufstieg, desto
schlimmer wurde der Sturm. Wir kamen nur langsam weiter und erst
um sechs Uhr Abends erreichten wir den Turgan.
„Auf unseres Jägers und Yepta’s Rath beschlossen wir, da, wo
beide Flüsse (Turgan und Katunja) sich vereinigen und das Bett breit
aber seicht ist, sie zu durchwaten. Zwar war das Wasser tiefer, als
meine Leute vermuthet hatten, aber wir mulsten hindurch und ohne
Verzug. Unsere Pferde wurden in einer Reihe an dem Ufer aufge-
stellt, dann ritten wir langsam in die Fluth, die bis zu unseren Sätteln
heraufwogte. Wären wir nur drei oder vier Personen gewesen, die
Strömung würde uns fortgerissen haben, nun aber gelangten wir ohne
Unfall an das jenseitige Ufer. Hier stellte Yepta einen Stein an den
Rand des Wassers, der in wenig Augenblicken von den Wellen be-
deckt war; wären wir einige Minuten später gekommen, so hätten
wir durch den Flufs nicht mehr bindurchreiten können. Die folgende
Nacht war stürmisch, ein kalter Wind heulte durch den Forst, er schüt-
‚telte die Bäume und rifs ihre Zweige, die auf unsere Zelte fielen, her-
unter. Das waren Vorzeichen der nahenden winterlichen Jahreszeit,
und es war die höchste Zeit, dafs wir nach der Abbaye-Steppe zu den
Kalmüken zurückkehrten. Aber wir hatten noch einen weiten und be-
‚schwerlichen, über viele Berge führenden Weg zu reiten, ehe wir jene
_ warme behagliche Steppe erreichen konnten.“
rr u.
3. Das Tangnu-Gebirge, der Ubsa- und der Jeke Aral Nor.
Nach Beendigung der vorstehend beschriebenen Ausflüge beschlofs
j Atkinson, die Wüste Gobi zu besuchen. In Begleitung von drei
‚Kosaken und sieben Kalmüken, unter denen vier geübte Jäger, trat er
‚seine Reise an. Die Kalmüken standen unter Befehl eines Häuptlings,
Namens Tschuckaboi, eines äufserst kräftig gebauten Mannes, der eine
Pferdehaut als Mantel trug, die in malerischen Falten von seinen Schul-
‚herabwallte.
Von Narym reiste Atkinson ostwärts nach dem Dark -Gebirge,
welchem sich mehrere Berge über die Schneegrenze hinaus bis zu
20*
a u us u Ber. Die lien Kin Suite ei
308 Biernatzki:
einer Höhe von mehr als 11,000 Fufs erheben. Er passirte auf dieser
Reise mehrere in den Tangnu-Bergen entspringende Flüsse, die sich in
den Ubsa-Nor ergielsen; ihre Namen waren den Kalmüken unbekannt.
In den höher gelegenen Gegenden fand sich viel Wild, mancher Hirsch
wurde erlegt und verzehrt. Hie und da traf man auf die Stangen der
kegelförmig gestalteten Jurten der Kalkas-Mongolen, welche diese auf
ihren Jagdstationen errichten. Nach einem zwölftägigen Ritt kam die
Reisegesellschaft zu einem grofsen reilsenden Strom, der von Nordosten
herabflols.
„Dieser konnte,“ so erzählt nun Herr Atkinson weiter !), „an der
Stelle, wo wir uns befanden, nicht überschritten werden, wir waren des-
halb genöthigt, uns seiner Quelle zu nähern. Wir folgten seinem Lauf
und drangen dabei tief in das Tangnu-Gebirge bis zu bedeutender Höhe
vor. Ueber den Kamm des Gebirges hinüberziehend erreichten wir ein
Plateau, auf dessen Nordseite wir hinabstiegen. Dort fanden wir den
Zabata-Nor, ein in beträchtlicher Tiefe gelegenes und von steilen Granit-
felsen eingeschlossenes Moor. Das Plateau ist hier eingesunken und
bildet um den Abgrund senkrechte Wände. Auf der Ostseite sehen die
Felsen wie eine etwa 500 Fufs hohe Mauer aus; in einiger Entfernung
erheben sich Granitberge und schneebedeckte Gipfel. Einen der letz-
tern erstieg ich, nicht ohne Beschwerde, und hatte von demselben eine
weite Rundschau. Unmittelbar zu Fülsen lag der Ubsa-Nor, weit im
Südwesten sah man die Ulan-Kum-Wüste und den Aral-Nor; im Sü-
den lagen Tschagan Tala und die in die Gobi sich erstreckenden Berg-
ketten; im Südosten sahen wir auf den Kamm des Khangai-Gebirges,
auf dem mehrere mit Schnee bedeckte Piks emporsteigen. Ueber die
Gobi erhob sich in nebligen Umrissen Bogda Oola, die Wüste selbst
dehnte sich weit aus und verlor sich in eine unabsehbare Ferne.
„Nachdem ich diesen hohen Standpunkt verlassen hatte, suchten
wir nach einer Stelle, wo wir den Strom durchsetzen könnten, und
fanden eine solche glücklicherweise neben einem schönen Wasserfalle.
Grofse weifse Marmorblöcke lagen hier in dem Flufsbett, höher hinauf
befanden sich ganze Marmorwände. Die Gegend ist meistens sehr rauh
und wild, nur in den tiefen Thälern und Schluchten des Tangnu -Ge-
birges finden sich Bäume, an den meisten Stellen fehlen selbst Sträu-
cher an den südlichen Abhängen der Berge. Dagegen trifft man oft
einen dichten Rasen von kurzem Grase, auf dem die verschiedenartig-
sten Blumen wachsen. Drei Iris-Arten standen in Blüthe, die eine
tiefdunkel und weils, die andere weils und rothbraun, die dritte schön
gelb. Daneben blühten Primeln, dunkelrothe und blafsgelbe Dianthus-
!) Atkinson a. a. O. 8. 443 #.
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 309
Arten, Wir setzten unsere Reise in östlicher Richtung fort und
überschritten nach Verlauf von eilf Tagen den Flufs Tess ') unweit
_ seiner Quelle. Dann folgten wir der Bergkette nach Süden und ge-
langten zu den Quellen der Selenga ?) und des Djabakan ’), wo
meine Leute meinten, die Kalkas-Mongolen anzutreffen, auf deren
Gastfreundschaft sie zählten. Inzwischen hatten unsere Lagerfeuer
an den Ufern manches malerisch gelegenen Bergstromes gebrannt,
der uns eine wohlschmeckende Mittagsmahlzeit geliefert. Das Angeln
geht den Kalmüken viel zu langsam, dagegen steigen drei oder
vier von ihnen in das Wasser, treiben die Fische den Flufs hinauf,
die übrigen stehen am Ufer und stechen nach den Fischen mit ihren
Speeren. Selten brauchten sie mehr als eine halbe Stunde, um ein
Gericht für uns zu erlegen. Den Tess überschritten wir gleichfalls,
dann ritten wir den Fufs der Berge entlang, bisweilen über eine san-
dige Ebene, wodurch wir oft genöthigt wurden, höher hinauf zu reiten,
um Gras für unsere Pferde und Wildprett für unseren Tisch zu be-
kommen. Bei einem dieser Ausflüge kam ich zu dem kleinen, an-
muthig gelegenen Jeke Ugun-See, der in den Bergen nördlich von San-
ghindalai liegt und bei den Kalkas in hohem Ansehen steht. Sie haben
dort einen hölzernen Tempel am Ufer erbaut, in welchem sie ihre
| Opfer, Milch, Butter und das Fett von Thieren, die sie auf den klei-
|
nen Altären verbrennen, darbringen. Ein grofser Felsen mitten im See
ist für sie ein geweihter Stein, auf welchen sie in rohen Umrissen Fi-
guren gezeichnet haben, und am gegenüberliegenden Ufer stellen sie
Stangen mit kleinen seidenen Flaggen auf, die mit Inschriften versehen
sind. Man kann von hier aus mehrere beschneite Gipfel des Tangnu-
Gebirges wahrnehmen. Nach acht Tagen kamen wir bei dem San-
ghindalai, einem herrlichen, ungefähr 15 Werst langen und 4 bis 6 Werst
breiten See an. An seinem Gestade lagerten wir zwei Tage lang, um
unseren Pferden Ruhe und mir Zeit zum Zeichnen zu gönnen. Wir
befanden uns nun nahe bei der Selenga-Quelle und waren mit den
Kalkas noch nicht zusammengetroffen. An einem sehr regnichten Mor-
gen brachen wir wieder auf und wendeten uns westlich, um den Tess-
Flufs in der Mitte seines Laufes zwischen seiner Quelle und dem Ubsa-
- Nor zu erreichen.
„Der mehrere Tage anhaltende Regen machte die Reise unange-
nehm und die Gegend wenig ansprechend. Das Tangnu-Gebirge lag
») Ritter, Asien I, $S. 554. Der Tess war vor 20 Jahren kaum mehr als dem
Namen nach bekannt.
; 2) Ritter, Asien I, S. 527 f.|
3) Ritter, Asien I, S. 553. Ritter schreibt Dzabgan; dieser und der Tess sind
- Steppenflüsse.
310 Biernatzki:
hinter einer dichten Nebelwand verborgen, und wir mufsten auf dem
nassen Erdboden unter unseren Satteldecken lagern. In den kleinen
Schluchten fand sich nur wenig Holz, um unsere Mahlzeiten zu kochen,
doch murrte, ungeachtet solcher Strapazen und Entbehrungen, keiner
von meinen Begleitern. Spät am Nachmittage des sechsten Tages,
nachdem wir den Sanghindalai verlassen hatten, ritten wir ein klei-
nes, üppig begrastes Thal hinab, worüber sich unsere Pferde sehr zu
freuen schienen. Hier weideten viele Kameele, in der Ferne standen
mehrere Jurten, auch sahen wir jenseits dieser weidende Pferde und
eine ansehnliche Heerde von Schafen. Sofort ritten wir zu diesen
Wohnungen der Kalkas, von denen zwei, als sie uns gewahrten, uns
entgegenkamen. Das war das Anzeichen einer friedfertigen Mission.
Tsehuckaboi unterhielt sich lange mit den beiden Abgesandten, worauf
der Eine zu seinen Kameraden zurückritt, der Andere bei uns blieb
und uns begleitete. Es dauerte nicht lange, so erschienen drei andere
Kalkas, uns nach ihrem Aul zu holen. Als wir bei den Jurten ankamen,
ergriff ein alter Mann die Zügel meines Pferdes, gab mir die Hand
und half mir beim Absteigen; darauf führte er mich in seine Wohnung,
in der sich zwei Frauen und vier Kinder befanden. Dieser Mann war
Arabdan, das Oberhaupt des Auls. Er empfing mich gastfreundlich
und setzte mir eine Schale mit Thee vor, die mit Milch, Butter, Salz
und Mehl vermengt war, wie dicke Suppe aussah, aber nicht übel
schmeckte. Auch meine Kosaken und Kalmüken wurden mit diesem
Getränk bewirthet. Arabdan war ein schlanker hagerer Mann, zwi-
schen 50 und 60 Jahre alt, von dunkler Hautfarbe, mit hervorstehen-
den Backenknochen, kleinen schwarzen Augen, einer grofsen Nase und
spärlichem Bartwuchs. Er trug ein langes dunkelblaues seidenes Ge-
wand, vorn zugeknöpft und mit einem Ledergürtel oberhalb der Hüfte
befestigt; den Gürtel hielt eine silberne Schnalle zusammen und an
demselben hing sein Messer, Stahl und Feuerstein. Seine Kopfbe-
deckung war wie ein Helm gestaltet, von schwarzer Seide mit schwar-
zem Sammet verbrämt, zwei breite rothe Bänder hingen den Nacken
herab. Seine Füfse waren mit rothen Stiefeln, welche hohe Absätze
hatten, bekleidet. Die eine der Frauen trug ein rothes und grünes
seidenes Kleid, die andere eins von schwarzem Sammet, beide einen
breiten rothen Gürtel. Ihr Haar war geflochten und hing in hundert
kleinen Flechten über ihre Schultern; einige dieser Flechten wären mit
Korallenperlen geschmückt, welche die mongolischen Frauen sehr hoch
schätzen. Sie trugen sehr kurze rothe Lederstiefeln mit hohen Absätzen,
durch die ihr Gang etwas schwerfällig wurde. Die Kinder hatten gerade
keinen Ueberflufs an Kleidern, zum Ersatz hatten sie sich an dem Rande
einer schlammigen Pfütze gewälzt und waren deshalb mit röthlichem
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 311
Ocker überzogen, was ganz gut von ihrem kohlschwarzen Haar abstach.
Die Jurten dieser Kalkas waren ebenso gebaut wie die der Kirgisen,
auch mit Filz bedeckt, inwendig aber anders ausgestattet. Dem Ein-
gange gegenüber stand ein kleiner niedriger Tisch, auf dem sich die
kupfernen Götzenbilder und einige kleine metallene Gefälse befanden,
die letzteren theils mit Hirsekörnern, theils mit Butter, Milch und Ku-
mils gefüllt. Zur Linken des Altartisches standen die Kasten mit den
Habseligkeiten, daneben der Kumifsschlauch und anderes Hausgeräth.
Gegenüber lagen mehrere Kissen, die Ruhebetten der Familie.“
Zu Ehren der Gäste wurde ein Schaf geschlachtet und verzehrt.
Dann versprach der Häuptling, den Reisenden Führer und frische Pferde
mitzugeben, wobei er sagte, dafs sie vor dem Ubsa-See nur noch einen
Aul antreffen würden. „Eine ruhige Nacht,“ fährt Herr Atkinson fort’),
„und ein Frühstück bei Anbruch des Tages stärkten uns für den lan-
gen Ritt, der uns bevorstand. Die Sonne ging strahlend hinter dem
Khanghai-Gebirge auf, welches seine langen Schatten über die niedri-
gen Hügel und die Ebene vor denselben warf. Seinem Versprechen
treu hatte Arabdan vier Leute und sechszehn Pferde für uns bereit-
Wie weit unsere Reise gehen würde, konnte Niemand sagen, aber es
war kein Zweifel, dafs sie lange dauern werde. Beim Abschied schenkte
ich meinem Wirth einen schönen Hirschfänger, worüber er sehr erfreut
schien; seinen Leuten gab er strengen Befehl, mich sicher in den Aul
seines Freundes zu führen. Unser Weg ging in nordwestlicher Rich-
tung über eine wellenförmige, mit Gras bedeckte Ebene, die gute Weide
bietet. Während unseres Rittes zeigten mir die Kalkas den Weg nach
der Stadt Uliassutai, wohin wir, wie sie sagten, in weniger als 24
Stunden (?) reiten könnten. Da aber dort gerade ein grofses, von einem
chinesischen Offizier commandirtes Truppencorps garnisonirte, so schien
es nicht rathsam, dafs wir uns der Stadt näherten, auch riethen uns
die Kalkas sehr davon ab.
„Während der Morgendämmerung hatte sich das Tangnu-Gebirge
in Wolken gehüllt. Als aber die Sonne höher stieg, zerrannen die
Nebel und die Kette war deutlich zu sehen. Aus solcher Entfernung
gesehen ist ihr Anblick grofsartig, die zahlreichen Berge gleichen mit
ihren beschneiten Gipfeln eben so vielen Eissäulen, welche wie Silber
glänzend sich von dem tiefblauen Himmel abheben. Ein fünfstündiger
Ritt brachte uns an ein stehendes Gewässer, in welchem hohe Schilf-
und Binsenpflanzen wuchsen; es war etwa 200 Schritt breit und hatte
in der Mitte eine klare Wasserfläche. Die Kalkas schienen darüber
ein wenig betroffen; nach einer kurzen Berathung ritten wir am Ufer
1) A. a. ©. S. 448.
312 Biernatzki:
in westlicher Richtung weiter. Eine Stunde später kamen wir zu einer
Stelle, wo unsere Führer riethen, mit unseren Pferden über dieses
stehende Wasser hinüber zu schwimmen. Unsere Waffen und Kleider
sammt meinen Zeichnungen wurden gegen Nafswerden gesichert, dann
ging der Führer voran, ein Kosak und ich folgten. Sogleich befanden
wir uns in tiefem Wasser, unsere Pferde schwammen und schnaubten,
wir kamen indessen glücklich hinüber, aber der weiche Grund am jen-
seitigen Ufer erschwerte uns sehr die letzten Schritte, ehe wir das Land
erreichten. Unsere Gefährten hatten so lange gezögert uns zu folgen,
bis wir glücklich hinüber waren; der Führer wies sie weiter stromab-
wärts und zeigte ihnen in geringer Entfernung eine Stelle, wo es leichter
war, an’s Ufer zu kommen. Unsere Sättel, Kleider und Waffen brach-
ten die Kalmüken und Kalkas auf ihren Köpfen herüber, so dafs sie
ganz trocken blieben. Nachdem wir Alle beisammen waren und uns
wieder angekleidet hatten, setzten wir unsere Reise fort. Wir waren
noch nicht weit geritten, als wir eine schöne Heerde Antilopen sahen,
die nicht mehr als 500 Ellen von uns entfernt weidete. Fünf von uns
ritten nordwärts, um ihnen von der Seite beizukommen, wandten sich
dann plötzlich um und breiteten sich aus, um die Thiere nach einer
Biegung des Flusses zu treiben, während auch wir so weit gekommen
waren, dafs wir ihnen den Weg versperren konnten. Wir griffen nun
zu unseren Flinten und näherten uns langsam der Heerde, während sich
diese in den von dem Schilf eingeschlossenen Halbkreis flüchtete. Es war
klar, dafs sie versuchen würde, bei uns durchzubrechen; nach wenigen
Minuten kehrten die Böcke um, standen einen Augenblick still und stürm-
ten dann vorwärts nach einer weiten Lücke in unseren Linien. Als sie
in Schufsweite gekommen. waren, erhielten sie eine Ladung, zwei An-
tilopen sprangen hoch auf und fielen dann zuckend zu Boden; das
Knallen der Flinten scheuchte die übrigen zurück. Ein Kosak, Tschuk-
kaboi, ein Kalmük und ich hatten geschossen; augenblicklich stiegen
wir ab, luden unsere Flinten, stiegen dann wieder in den Sattel und
fort ging es. Noch ehe wir unsere Linie erreichten, hatten unsere übri-
gen Begleiter gefeuert; abermals fielen zwei Thiere, ein drittes wurde
verwundet und von einem Kalmüken und einem Kalkas in scharfem
Ritte eingeholt. So bekamen wir fünf Antilopen, ohne dafs Jemand
sagen konnte, wer sie getroffen. Die Kalkas waren aufserordentlich
erfreut, sie galoppirten hin und her, während die Kalmüken den Thie-
ren das Fell abzogen, was bald geschehen war. Das Fleisch wurde
mit dem Fell umwickelt auf die Packpferde geladen, und weiter ging
die Reise. Unsere Führer drangen auf Eile, da wir noch weit von dem
Aul entfernt wären; die Pferde waren gut, die Steppe eben, wir konn-
ten uns also in Galopp setzen. Bald erreichten wir eine sandige Fläche,
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 313
welche hie und da mit grobem röthlichen Kies bedeckt war, der meh-
rere, nach Norden hin mit Felsblöcken bedeckte Hügelrücken bildete.
In einer der schwachen Senkungen erblickten wir einen Salzsee, auf
welchem Schwäne und viele andere Wasservögel schwammen; jenseits
dehnte sich eine Grassteppe aus, aber kein Aul war sichtbar. Die
Pferde jagten rüstig weiter, ihre Hufe warfen den Kies hoch empor.
Dann gelangten wir auf guten Weidegrund, jedoch ohne eine Spur zu
entdecken, die uns zu dem Aufenthalt der Kalkas leiten konnte. Hier
trafen wir eine zweite Antilopenheerde. Aber wir hatten keine Zeit,
auf’s Neue eine Jagd anzustellen, denn die Sonne war schon nahe dem
Untergange.
„Noch eine beträchtliche Strecke ritten wir weiter und dann auf
einen der Hügelrücken hinauf, von wo aus die Kalkas uns einen Fleck
zeigten, den sie für einen Aul hielten. Dieser lag noch sehr fern an
dem Ufer eines kleinen See’s. Unsere Pferde schienen neue Kräfte zu
bekommen, sie sprengten über Thal und Hügel, denn wir befanden uns
noch zwei oder drei Stunden von unserem Lagerplatze entfernt. Wir
sahen noch mehrere kleine Seen, aber nichts von dem Tessflufs, ob-
wohl wir schon mehrere Tage in nordwestlicher Richtung geritten waren.
Dem Tangnu-Gebirge waren wir viel näher gekommen. Während ich hier
eine Skizze aufnahm, ritten meine Begleiter, Tschuckaboi und zwei Ko-
saken ausgenommen, weiter, um den Aul zu suchen. Die Sonne sank im
Westen hinter die Berge, ein gelblicher Lichtschimmer verbreitete sich
über den Himmel. Dann ging er in ein dunkles Orangegelb über und
rothe Wolken legten sich über die Berggipfel, dünne durchsichtige Massen
sammelten sich darüber, wie Silber glänzend. Als ich meine Zeichnung
vollendet, folgte ich mit meinen Gefährten den übrigen, tief versunken
in das Anschauen der vor mir liegenden herrlichen Landschaft. Im
- Süden dehnten sich niedrige sandige Rücken von Osten nach Westen
aus, darüber hinaus lag eine unabsehbare Ebene, dieselbe, über welche
Dschingis-Chan vor mehr als 600 Jahren seine wilden Horden führte.
Die über diese weite Ebene zahllos zerstreuten Hügel bedecken wahr-
scheinlich die :Gebeine von Nationen, welche sie vom Erdboden ver-
tilgten. Die Natur hat hier den Weg genau vorgezeichnet, den der
Eroberer von seiner Geburtsstätte am Onon nach Europa einschlug,
‚und ich bedauerte sehr, nicht die Mittel zu besitzen, einige dieser Hö-
‚gel aufgraben zu können.
„Die Nacht brach schnell herein, und wir mufsten eilen, zu einem
Lagerplatz zu kommen, noch aber wufsten wir nicht, wo wir nach
inem dreizehnstündigen Ritt rasten würden. Nicht weit vor uns lag
e niedrige steinige Bergreihe; als wir sie hinaufritten, erschienen
i unserer Leute, die vorausgeritten, auf der Höhe; sie waren ge-
u A 2 u _ aietn Zu RE
314 Biernatzki:
kommen, uns zu unseren Freunden zu geleiten. Die Kosaken und
Kalkas hatten es aufgegeben, den Aul zu finden, dagegen einen klei-
nen Bach mit klarem Wasser angetroffen, eine gute Weide daneben
und Holz genug für ein Feuer. In einer halben Stunde waren wir bei
ihnen, sie bereiteten die Abendmahlzeit; der Hunger würzte das Wild-
prett und unsern Thee. Noch ehe wir gegessen hatten, war die Nacht
völlig hereingebrochen, und nach wenigen Minuten lag ich in tiefem
Schlaf. Am nächsten Morgen setzten wir unsere Reise fort. Wir ritten
über eine öde, fast gänzlich graslose Ebene, die an einigen Stellen sehr
sandig, an anderen mit Sand und Kies bedeckt war. Endlich erreich-
ten wir einige niedrige Berge, wo wir in den benachbarten Thälern
Gras und gute Weide fanden. Aber wir ritten noch Stunde auf Stunde
weiter über ein einförmiges ödes Land, bis wir endlich um zwei Uhr
zu unserer grolsen Freude in einem nicht sehr fernen Thale weidende
Kameele und Pferde gewahrten. Bald kam uns auch der Aul zu Ge-
sicht. Zwei Leute fanden sich bei uns ein und führten uns mit höf-
lichen Grüfsen nach der Wohnung des Häuptlings; sie nahmen mich
in ihre Mitte und brachten uns zu den Jurten, die an dem Ufer eines
kleinen Stromes lagen, welcher nach kurzem Lauf sich in einen See er-
gols. Der Häuptling erwartete mich, er nahm die Zügel meines Pferdes,
reichte mir die Hand, half mir aus dem Sattel und geleitete mich in
seine Jurte, wo ein Teppich für mich ausgebreitet und mir eine Schale
Thee angeboten wurde, welche auszuschlagen unhöflich gewesen wäre.
Ich befand mich in dem Aul des berühmten Kalkasfürsten Darma
Tsyren.“
Herr Atkinson und seine Begleiter wurden hier eben so gastfreund-
lich wie in dem Aul Arabdans bewirthet. Auch Darma Tsyren stellte
den Reisenden bereitwillig Pferde und Führer, die sie zum Flusse Tess
geleiteten. Bei Anbruch des folgenden Tages trat Herr Atkinson mit
Tsehuckaboi, zwei Kosaken und einem Kalmüken, dazu vier Kalkas,
die Reise an. Alle ritten auf Darma Tsyren’s Pferden. Anfangs ging
es fast genau nach Norden über eine sanft ansteigende Grasebene, auf
welcher grofse Heerden von Antilopen weideten, die aber niemals in
Schufsweite kamen. Um Mittag sah man von einem Hügelrücken im
Westen die unabsehbare Ulan Kum-Wüste und mehrere kleine, im
Sonnenlicht schimmernde Landseen; nach Südosten überblickte man das
Land, das man eben durchzogen hatte, bis zu den fernen Bergketten.
„Ich ritt den Gipfel hinauf,“ fährt Herr Atkinson fort, „und vor
mir lag der Ubsa Nor, und der Tess schlängelte sich durch das Thal
hin. Das Tangnu-Gebirge zeigte sich in seiner ganzen Majestät, nach
Westen hin dehnte sich die Steppe aus, deren ferne Umrisse sich am
Horizont verloren. Der Bergrücken, auf welchem wir uns befanden,
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 315
besteht aus dunkelrothem Granit, der an vielen Stellen rauh und in
einzelne Massen zerklüftet ist. Dicke Adern von rosenrothem, manch-
mal halb durchsichtigem Quarz ziehen sich zwei Meilen weit in paral-
lelen Linien durch das Gestein bindurch; einige derselben sind 9 bis
- 42 Zoll dick und viele nicht breiter als 3 Zoll. Von dieser Anhöhe,
über deren Kamm wir noch eine Stunde lang hinritten, stiegen wir
dann in eine Schlucht hinab, welche uns zum Tess führte. Nach zwei
Stunden erreichten wir den Flufs an einer Stelle, wo er breit und reis-
send zwischen hohen Felsen hinströmt, aus deren Spalten Bäume und
Sträucher hervorwachsen. Wir wendeten uns westlich und folgten dem
Flusse in der Richtung nach dem See. Kurz vor Anbruch der Nacht
lagerten wir in einem kleinen, mit Gras bewachsenen Thale nicht weit
von dem Tessflusse. Unser Kalmüke hatte einen Hirsch erlegt, dessen
Fleisch sofort gebraten wurde, während ich mich zur Ruhe begab.
„Am nächsten Morgen stand das Tangnu-Gebirge noch in dichten
Nebel gehüllt, während die Sonne den Ubsa-Nor und die Steppe glän-
zend beleuchtete. Früh brachen wir nach dem See auf und ein Ritt
von einer Stunde brachte uns wenige Werst südlich von der Mündung
des Tess an sein Ufer, das hier fach und wenig anziehend ist; gegen
Norden scheint es steiler, obwohl auch nicht sehr hoch zu sein. Der
Ubsa-Nor ist von Osten nach Westen mehr als 100 Werst lang und
30 bis 35 Werst breit; an seinem südlichen Ufer schneiden zahlreiche
Buchten in die Steppe ein. Wir ritten an demselben entlang bis zu
einem Flusse, der sich von Süden her in den See ergielst. Es war
dies ein tiefes, träge fliefsendes Gewässer, über welches wir der hohen
sandigen Ufer wegen nur schwer hätten hinüberkommen können. Von
hier wandten wir uns, um auf einer westlicheren Route nach dem Aul
Darma Tsyren’s zu gelangen, nach SO. und kamen nach Verlauf von
zwei Stunden zu einem kleinen See, dessen Wasser so bitter war, dafs
die Pferde es nicht trinken mochten. Wir konnten indefs sehen, dafs
von Süden her ein kleiner Flufs in den See einmündete, ritten zu ihm
und fanden, dafs sein Wasser trinkbar sei. Da Niemand von meinen
_ Begleitern wulste, ob wir auf unserm ferneren Wege Wasser antreffen
würden, so beschlossen wir, hier unsere Mittagsmahlzeit zu halten und
unsere Pferde sich ausruhen zu lassen. Nach etwa anderthalb Stunden
_ brachen wir wieder auf und kamen bald zu einer sandigen Steppe, die
_ fäst ohne allen Pflanzenwuchs war und sich über einen beträchtlichen
{ Raum auszubreiten schien. Unsere Kalkas trieben zur Eile, damit wir
' noch vor Anbruch der Nacht über diese wüste Ebene wegkämen. Wir
befolgten ihren Rath und ritten im scharfen Trabe durch sandige Thäler
‚und zwischen niedrigen Hügeln, dennoch befanden wir uns nach zwei
Stunden noch immer in dieser Sandwüste. Nun meinten die Kalkas,
u 2 Ze A ul en u ui ee ee ee ee A
|
316 Biernatzki:
wir seien zu weit nach Süden gerathen und schlugen vor, uns mehr
östlich zu wenden. Dies geschah und alsbald waren wir auf einem
wellenförmigen, mit Büscheln von grobem Gras bestandenen Terrain,
so dafs wir hofften, bald gute Weide zu finden. Die Sonne stand schon
tief, als wir von einer Anhöhe in dem nächstgelegenen Thale einen
kleinen See mit grünen Ufern und zwei Flüsse bemerkten, die sich in
ihn ergossen. Das war ein erfreulicher Anblick, selbst unsere Pferde
schienen das Gras zu wittern und trabten rascher vorwärts. Kurz vor
dem Dunkelwerden waren wir bei dem See, wo sich hinreichend Futter
für unsere Thiere vorfand. Das Wasser war süls und einige Büsche
lieferten uns Brennmaterial. Während unseres Rittes durch das Gras
waren hin und wieder Schnepfen aufgeflogen. Ich nahm deshalb meine
Doppelflinte und brachte in weniger als einer Stunde Schnepfen und
Enten genug für unser Abendessen heim.“
Die folgende Nacht verging sehr unruhig; denn zwei Rudel Wölfe
hatten sich genähert und erneuerten die ganze Nacht ihre Angriffe auf
die Pferde, die nur durch die äufserste Wachsamkeit verhindert werden
konnten, sich loszureifsen. Die wiederholten Angriffe wurden durch
glückliche Salven zurückgewiesen; am folgenden Morgen fand man
acht Wölfe todt auf dem Kampfplatz, und zahlreiche Blutspuren be-
wiesen, dafs viele andere verwundet das Weite gesucht hatten. Die
Leute nahmen die Felle der Wölfe als Siegestrophäen mit.
„Wir ritten weiter, indem wir uns immer westlich von unserer
früheren Route hielten, nach dem Aul, durch eine sehr wenig anziehende
Gegend; die sandige Steppe hielt uns sehr auf, doch kamen wir nach
einem Ritt von drei Stunden wieder auf eine Grasflur, über welche es
in raschem Trabe fortging. Es war schon spät am Nachmittage, als
wir Kameele und Pferde sahen, die ihren Weg nach Hause nahmen.
Bald nachher langten auch wir bei dem Aul an, wo Darma Tsyren
mich herzlich bewillkommnete. Als er von unserem Abenteuer mit den
Wölfen hörte und deren Felle sah, freute er sich sehr. Zwei Felle bot
ich meinem gastlichen Wirthe zum Geschenk an und sie wurden mit
grolsem Dank angenommen.
„Am folgenden Tage in der Frühe reiste ich weiter, anfangs 6 bis
7 Stunden über eine wellenförmige Grasebene, auf der nichts Lebendes
zu sehen war. Meine Begleiter wünschten bei dem ersten frischen
Wasser, welches wir in geringer Entfernung sahen, — ein kleiner Bach,
der mitten durch die Steppe flofs, — Halt zu machen. Im Süden er-
bliekte ich mehrere Seen, darunter einige von ansehnlicher Gröfse, aber
ich vermuthe, dafs sie sämmtlich Salzseen waren. Bei dem Sülswasser-
Bache angekommen ruhten wir aus, verzehrten unsere Mahlzeit und
F
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 317
tränkten die Pferde. Dann stiegen wir wieder in den Sattel und ka-
men bald auf eine mehrere Werst grolse öde Wüste, auf welcher ich
viele schöne Stücke Agat und Chalcedon, auch einige Stücke Sardonyx
fand. Wir ritten gen Süden weiter und gelangten zu einigen niedri-
gen Höhenzügen, die aus dunkelfarbigem, roth gesprenkeltem, sehr
hartem Gestein bestanden, welches einer schönen Politur fähig ist.
Ueber die scharfen hervorstehenden Spitzen war der Weg für die Pferde
sehr angreifend. Hier hausten eine grofse Menge Schlangen, sie lagen
meist zusammengerollt, sobald sie uns aber bemerkten, hoben sie ihren
Kopf in die Höhe und zischten. Einige krochen aus dem Wege, an-
dere blieben liegen, und manche tödteten wir mit unseren derben Peit-
schen. Ich beobachtete vier verschiedene Arten: eine schwarze, 3 Fuls
8 Zoll lange und etwa 14 Zoll dicke, die sehr rührig war. Eine zweite
Art war schiefergrau, 2 bis 3 Fufs lang und nicht so dick wie jene
schwarze; sie fand sich vorzugsweise zahlreich und war oft schwer zu
sehen, da man sie von dem ähnlich gefärbten Gestein kaum unterschei-
den konnte. Wir hatten aus Besorgnifs, dafs unsere Pferde auf dem
steinigen Boden lahm werden möchten, absteigen müssen, und ich trat
sehr oft auf eine dieser Schlangen. Meine langen Jagdstiefeln schütz-
ten meine Beine vollkommen und ich hatte bereits zu viele dieser Rep-
tilien gesehen, als dafs ich sie noch fürchten sollte; dennoch sind sie
mir sehr widerwärtig. Eine dritte Art war graugrün und schwarz, auf
den Seiten carmoisinroth gefleckt, ihre Farben schillerten sehr im
Sonnenschein; keine von ihnen schien mehr als 3 Fufs lang zu sein.
Ich ging mit einem Kosaken, Tschuckaboi und zwei Kalmüken voran,
während unsere übrigen Gefährten die Pferde nachführten. Dabei
untersuchte ich das Gestein und hätte gern einige grünlichgelbe Kry-
stalle gehabt, vermochte sie aber nicht abzuschlagen, die Spitze meines
'Gebirgshammers bog sich wie Blei, wenn ich kräftig auf die Felsen
schlug. So beschäftigt hörte ich plötzlich einen Schrei, sah mich um
und bemerkte, dafs die beiden Kalkas eiligst fortliefen, dann Halt
‚machten und ängstlich auf einen Punkt hinstarrten. Im Augenblick
waren wir bei ihnen und sahen, was ihnen Schrecken eingejagt hatte:
zehn Yards vor uns lag eine ungeheure Schlange auf einem Felsblock
zusammengerollt; sie streckte ihren Kopf mit den sprühenden Augen
wohl 8 Zoll hoch empor und zischte fürchterlich. Die Leute wulsten,
‚dafs der Bifs dieser Schlange sehr gefährlich war, und wollten ihr nicht
zu nahe kommen. Ich nahm sofort meine Büchse zur Hand und legte
'an; aber die Schlange steckte ihren Kopf zwischen ihre Ringel und
schaute zwischen denselben hervor. Als Tschuckaboi ihr zwei oder
drei Schritt näher gekommen war, streckte sie den Kopf wieder her-
vor und zischte ihm trotzig entgegen. Ich nahm den Kopf auf’s Korn,
318 Biernatzki:
drückte ab, und der bleierne Bote that seine Schuldigkeit. Kopflos
entrollte sich der Knäuel in mannichfaltigen Windungen. Sogleich
waren die Leute mit ihren Peitschen bei der Hand; aber ungeachtet
ihrer gewaltigen Streiche dauerte es mindestens zehn Minuten, bis die
Schlange regungslos vor uns lag. Sie war ohne Kopf 5 Fufs 24 Zell
lang und hatte einen Umfang von 4% Zoll. Ihre Farbe war dunkel-
braun, mit grünlichen und rothen Flecken an den Seiten. Wir muls-
ten unsern Weg noch ein paar Werst weiter zu Fuls fortsetzen und
fanden viele von den schiefergrauen, und zwei oder drei von den
schwarzen Schlangen; von den beiden anderen Species bekamen wir
kein Exemplar mehr zu sehen. Nachdem wir dieses steinige Terrain
durchschnitten hatten, gelangten wir auf eine weit ausgedehnte sandige
Ebene.
„Der Tag neigte sich bereits seinem Ende, weshalb wir so schnell
als möglich fortreiten mufsten; nirgends sahen wir weder Gras noch
Wasser und doch konnten wir beides nicht entbehren. Wir schlugen
eine südwestliche Richtung ein und galoppirten vorwärts. Nach einem
zweistündigen Ritt kamen wir zu vereinzelten Büscheln von Steppen-
gras, neben denen Dorngebüsche mit gelben und dunkelfarbigen Blü-
then, an Form und Grölse gleich denen der Heckenrose, wuchsen.
Von hier ging es bald nachher ein sich westwärts erstreckendes Thal
hinab, in welchem ein silbern schimmernder Streifen das ersehnte
Wasser andeutete. Sofort spitzten die Pferde ihre Ohren und streck-
ten den Kopf vor, sie merkten die Nähe von Weide und Wasser. Wir
wählten den nächstgelegenen Punkt, wo wir am Ufer des Stromes Ge-
büsch wahrnahmen, und hatten nach kaum einer Stunde die Freude,
uns in der krystallenen Fluth spiegeln und uns und unsere Pferde mit
einem kühlen Trunk erquieken zu können. Der Flufs war etwa 20
Ellen breit und 4 Fuls tief; er flols träge in westlicher Richtung, ob
er sich aber in den Djabakan oder den Kara-Nor ergielse und wel-
ches sein Name, vermochten die Kalkas nicht zu sagen.“
Während der Nacht wurden die Reisenden zweimal durch Geheul
von Wölfen alarmirt, bei Anbruch des Tages sahen sie ein Rudel von
acht bis zehn in etwa 400 Ellen Entfernung. Sie schossen nach ihnen,
ohne sie zu treffen. Dann ging Herr Atkinson mit Tschuckaboi und
zwei Kosaken auf die Jagd; sie schossen aber nur, obgleich sie zwei
Stunden umherstreiften, zwei Enten, einen Schwan und einen Pelikan.
Bei seiner Rückkehr zum Lagerplatz war Alles zur Abreise geordnet.
„Wir waren etwa eine Stunde lang geritten, als die Kalkas einen
Gegenstand wahrnahmen, woran sie den Weg nach dem Kara Nor !)
') Es ist hier also ein „Schwarzer See“ nördlich vom Djabekan gemeint. Auf
i Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 319
' erkannten. In mehr nordwestlicher Richtung weiterziehend kamen wir
- von dem Flusse, an dem wir gelagert hatten, ab und auf ein höheres
- Terrain, wo wir eine weite Fernsicht hatten. Der Flufs, den wir zur
| Seite gelassen, strömt zwei bis drei Werst nach Westen, dann wendet
| er sich beinahe gerade nach Süden. Wir konnten seinen Lauf weithin
verfolgen, bis zu einem ausgedehnten Schilfgrund, in welchem sich hier
und da kleine offene Wasserstellen zeigten. Um 3 Uhr Nachmittags
_ erhielten wir den ersten Bliek auf den Kara Nor und den Flufs, der
| sich in ihn ergielst; eine Stunde später befanden wir uns an seinem
nördlichen Ufer. Der See ist nicht grofs, auch besitzt er durchaus
keine malerische Umgebung, dagegen wimmelt er von Wasservögelu
und wir fanden gutes Weideland für unsere Pferde. Am östlichen Ende
des Sees sowohl wie am Flusse breitete sich bis weit in die Steppe
hinein ein Binsenwald aus, wie ihn gern die Wildschweine zu ihrem
Aufenthaltsort zu wählen pflegen. Wir ritten tief in das Schilf hinein,
das sich an manchen Stellen hoch über unsere Köpfe erhob, und die
Pferde wateten oft bis an die Sattelklappen im Wasser; wir bemerkten
auch viele Wildspuren, trafen aber kein Wild und mufsten enttäuscht
|
umkehren.
| „Am nächsten Morgen lagerte ein dichter Nebel über dem See
und dem Flufs; er stieg allmählich nach oben, und dies verkündete
einen heilsen Tag. Die Kalkas nahmen von uns Abschied und kehr-
ten nach ihrem Aul zurück, wir andern brachen auf, um den Flufs
| Djabekan zu finden; aber keiner von uns war mit der Gegend be-
kannt; wir wulsten nur, dafs wir eine südwestliche Richtung einschla-
gen mufsten. Bald nachdem wir vom Kara Nor aufgebrochen, ge-
langten wir in eine dürre Ebene, welche sich weit in die Ulan -Kun-
Wüste hineinerstreckt; es war eine äulserst trockene, gänzlich pflanzen-
und wasserlose Gegend. Unser Proviant ging beinahe zu Ende, und
hier konnten wir nicht auf Wild rechnen. Ein Ritt von mehreren
Stunden führte uns in eine gebirgige Gegend mit hohen Bergzügen und
engen vegetationslosen Thälern, in deren einem ein von ansehnlichen
Felsen umgebener See lag. Dies war der Ulunjur mit seinen Höhlen,
_ von dem die Kalkas mir erzählt hatten. Sie sagen, hier hause Schai-
tan; wenn dem so wäre, so hätte er guten Geschmack bewiesen, denn
der Ort war wirklich romantisch, namentlich der Blick aus einer der
Höhlen ausnehmend wild und schön. Sie besteht aus festem gelben
Kalkstein und erstreckt sich 200 Fufs tief in die Felsen hinein, ist
60 Fufs breit und 80 Fufs hoch, ein von der Natur gebildetes grols-
_ Atkinson’s Karte ist weder dieser Kara Nor, noch der grofse, östlich vom Jeke Aral
Nor gelegene benannt.
320 Biernatzki:
artiges Gemach. Nachdem wir den See verlassen und die gegenüber-
liegenden Höhen erstiegen hatten, erhielten wir einen Blick auf die
Ebene im Süden, ‘zu der wir in einer Schlucht hinabstiegen. Nach
Verlauf einiger Stunden tauchten in der Ferne niedrige Hügel auf, zu
unserer Freude erblickten wir aber einen grolsen Landsee, der sich
noch weit jenseits derselben ausdehnte. An seinen Ufern schienen Bäume
und Felsen zu stehen, die sich in seiner Fluth spiegelten. Aber selt-
samer Weise ritten wir noch eine Stunde lang, ohne uns diesem See
zu nähern, er trat vielmehr immer weiter zurück. Es war nichts als
eine Luftspiegelung, denn nach abermals zwei Stunden verschwand der
schöne See und verwandelte sich in eine öde Wildnils. Endlich sahen
wir nach ermüdendem Ritt einen kleinen Landsee und einen unbedeu-
tenden Flufs, der sich in ihn ergofs. Hier fanden wir am Flufsufer
ein grobes Gras, das Wasser war gut, und wir beschlossen, an dieser
Stelle zu übernachten. In der Nähe schossen wir vier Bustarde, deren
Fleisch trefflich schmeckte. Wir trafen unsere Vorsichtsmafsregeln für
die Nacht, um unsere Pferde gegen einen Ueberfall von Wölfen zu
schützen. Doch wurden wir nicht gestört.
„Am nächsten Morgen noch vor Tagesanbruch machten sich vier
von uns auf, um für unsere Küche Wild herbeizuschaffen; zwei Kal-
müken gingen mit, die Pferde zu führen. Diesmal erlegten wir zwei
Hirsche und acht Bustarde. Sofort, nachdem wir gefrühstückt, reisten
wir weiter. Wenige Werst von unserem Nachtlager kamen wir zu
mehreren Sandhügeln, von denen wir die Steppe weithin überschauen
konnten. Im Nordwesten gewahrte ich, weit entfernt in der Ulan-Kum-
Wüste, einen grofsen See, aber im Süden kein Anzeichen von der Nähe
des Djabakan. Unser Weg führte weiter über eine sandige Steppe,
die mit Büscheln langen Grases bestanden war, welches uns bis an
den Sattel reichte; da es gerade Samen trug, glich es aus der Ferne
einem für die Ernte reifen Kornfelde. Erst spät Nachmittags kamen
wir aus dieser Grasfläche heraus, die uns ziemlich lästig wurde; denn
die Samen hefteten sich an unsere Kleider und an die Mähnen und
Schweife der Pferde, die dichten Büschel hinderten uns auch am schnellen
Reiten. Wir gelangten auf eine mit grobem Kies bedeckte Fläche, zwi-
schen dem jedoch kurzes Gras und unzählige Blumen wuchsen. Eine
zahlreiche Antilopenheerde weidete östlich von unserem Wege, allein
in zu grofser Entfernung, als dafs wir Jagd auf sie hätten machen
können. In scharfem Trabe ritten wir weiter, aus Besorgnifs, wir
möchten sonst nicht den Flufs vor Einbruch der Dunkelheit erreichen
und an Wasser Mangel leiden. Nach einer guten Stunde befanden wir
uns am Rande eines breiten Thales und sahen den gewundenen Lauf
des Djabakan, der wenige Werst entfernt dahinflo[s; bald darauf waren
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 321
wir an seinem Gestade. Der Flufs war hier tief, flofs langsam und
mochte etwa 200 Ellen breit sein. Drei von uns suchten nach Wild,
aber nach langer Abwesenheit kamen sie leer zurück. Für unsere
Pferde war Gras im Ueberfluls vorhanden; wir befestigten sie, als es
dunkel wurde, ganz in unserer Nähe, denn nach Aussage der Kalkas
befanden wir uns jetzt in einer Gegend, wo die Wölfe ausnehmend
wild und zahlreich wären. Doch verbrachten wir eine ruhige Nacht,
auf welche ein heiterer Morgen folgte. Tschuckaboi schwamm über
den Flufs hinüber und fand das jenseitige Ufer zum Landen bequem.
Er kam dann wieder zu uns, lud meine Kleider auf seine Schultern,
bestieg ein frisches Pferd, und ich mit ihm und zwei andern unserer
Leute ritten in’s Wasser, die Pferde schwammen hinüber und ohne Be-
schwerlichkeit kamen wir an’s Land. Drei von den übrigen folgten
uns, die meine Zeichnungen und Waffen auf ihrem Kopf und ihren
| Schultern trugen. Nach und nach wurde unser sämmtliches Gepäck
auf diese Weise herübergeschafft. Der Djabakan entspringt in grofser
Entfernung östlich in dem Kuru-Gebirge!), nahe der Selenga-Quelle,
und führt eine grolse Menge Wasser in den Jeke Aral Nor.
„Unser Weg ging nun über eine dürre Ebene nach der Gegend,
in welcher unsere Karten den Grolsen Altai verzeichneten. Die Ebene
war mit tiefem Sande bedeckt; sie bildet einen Theil der Sarkha-Wüste,
- welche sich in die Gobi- Wüste erstreckt; die Vegetation war so spär-
_ lich, dafs selbst das gewöhnliche Steppengras fehlte. Ein breiter Gürtel
_ von Salsola, dessen Farbe zwischen orangegelb und dunkelroth varürte,
umgab die kleinen Salzseen, die aus der Ferne gesehen einen eigen-
thümlichen Anblick gewähren. Die Salzkrystalle, in denen das Roth
der Salsola sich spiegelt, verleihen den Seen das Aussehen von Dia-
manten und Rubinen in einer prachtvollen Einfassung. Ich bedauerte
sehr, einen fern gelegenen gröfseren See nicht besuchen zu können.
Ueber Sand und Kies ritten wir in westlicher Richtung weiter; auch
auf dieser Steppe fand ich mehrere Stücke Agat. Im Norden sahen
_ wir die Gipfel des Tangnu -Gebirges, aber im Süden konnte keine hohe
Bergkette bemerkt werden. Eine Stunde vor Sonnenuntergang kamen
wir zu einem kleinen, von Süden her nach dem Djabakan strömenden
_Flufs, wo wir frisches Wasser und gute Weide für unsere Pferde fan-
den und deshalb zu übernachten beschlossen. Während des ganzen
Tages hatten wir weder ein vierfüfsiges Thier, noch einen Vogel ge-
‚sehen, woraus ich schlols, dafs diese Gegend der Steppe ganz unbe-
wohnt ist und niemals von Kirgisen oder von Kalkas besucht wird.
Deshalb gaben wir uns auch keine Mühe, nach Wild umherzustreifen ;
1) Bei Ritter, Asien I, S. 553 heifst das Quellrevier Kuren -Beltschir.
_ Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. 21
322 Biernatzki:
es war kaum Holz genug zu finden, um unsere Abendmahlzeit zu kochen.
Wir fürchteten in dieser Oede auch die Wölfe nicht und täuschten uns
darin nicht. Nach einer ruhigen Nacht waren wir und unsere Pferde,
welche seit dem Abend vorher geweidet hatten, munter und gekräftigt.
Ein Ritt von 10 Werst brachte uns in die Nähe von hohem Riedgras,
hinter welchem wir den See (Aral Nor) erblickten. Als ich an dessen
Ufer anlangte, fand ich den See von so hohem Ried, Binsen und an-
deren Wasserpflanzen umwachsen, dafs ich, selbst wenn ich mich in
meinen Steigbügeln aufrichtete, nicht hinüberzusehen vermochte. In
südlicher Richtung ritten wir das Ufer entlang, in der Hoffnung, durch
eine Lücke in dem Schilfwald einen Blick auf den See zu gewinnen;
aber wir ritten länger als drei Stunden und bekamen das Wasser nicht
zu Gesicht. Endlich am südlichen Ende des See’s war das Ufer san-
dig und eine halbe Werst weit nicht mit Ried bewachsen. Der Sand
bildete hier eine Menge, manchmal 15 bis 20 Fufs hohe Haufen, die
in verschiedener Gröfse sich weit in die Wüste hinein erstrecken. Von
einem der höheren Haufen aus gesehen glich die Gegend einer unge-
heuren Necropolis mit Hunderten von Grabhügeln. Nach Norden hin
konnte man weit auf den See hinaussehen; in weiter Ferne lagen drei
kleine, nur wenig über dem Wasser hervorragende Inseln. Das nörd-
liche Ufer selbst konnte ich nicht wahrnehmen, da es sehr flach ist,
ein Theil des westlichen, von einem breiten Schilfgürtel eingefalst, ver-
lor sich allmählich in weite Ferne.
„Während ich diese Landschaft zeichnete, brach ein Sturm von
Norden her über den See herein, gerade uns entgegen. Die Kosaken
und Tschuckaboi brachten die Pferde hinter dem hohen Schilf in Sicher-
heit, zwei Leute blieben bei mir. Mit wüthender Hast kam die Winds-
braut näher, sie wühlte die Wellen hoch auf und beugte das Schilf tief
zu Boden. Ein langer weilser Streifen bezeichnete ihre Spur auf dem
Wasser und als sie uns auf etwa eine halbe Werst nahe gekommen
war, vernahmen wir ihr Sausen. Rasch packte ich meine Zeichnung
zusammen und eilte mit meinen Begleitern zu den anderen Gefährten.
Kaum waren wir bei diesen angekommen, als der Sturm über uns hin-
fuhr und die Binsen und übrigen Pflanzen bis auf den Boden nieder-
beugte. Den Sand wirbelte er in zahllosen Kreiseln hoch empor in
die Luft, und wir begriffen nun, wie diese Sandhügel entstanden waren.
Das Unwetter dauerte nicht lange, nach einer Viertelstunde war Alles
wieder ruhig. Wir verweilten noch etwas länger, ich fertigte eine
zweite Skizze an, die Kosaken spähten nach einem Eber umher, aber
ohne Erfolg. Es war unthunlich, an dem Ufer des Aral Nor zu über-
nachten, weil nirgends Gras zu finden und das Wasser bitter war. In
südwestlicher Richtung hoffte ich dagegen Gras und Wasser anzutreffen,
Th. W. Atkinson’s Schilderungen central-asiatischer Landschaften. 323
| da wir uns dorthin einigen Hügeln näherten; allein wir mufsten sehr
- weit reiten, ehe die dürre Gegend einen andern Charakter annahm.
_ Endlich zeigte sich schlechtes Gras, aber noch eine Stunde verstrich,
und kein Wasser war sichtbar. Menschen und Thiere litten Durst,
schon dämmerte der Abend, und wir trieben unsere Pferde zur Eile
_ an. Wir ritten einen niedrigen vor uns liegenden Höhenzug hinauf
- und sahen dort endlich zu unserer Freude in einer breiten Vertiefung
- der jenseitigen Abdachung zwischen niedrigem Binsengebüsch einen
| Strom glänzend hingleiten. Unsere Pferde spitzten die Ohren, schno-
ben vor Freude und sprengten in vollem Galopp den Abhang hinunter.
| Nach einer halben Stunde stiegen wir aus dem Sattel, eilten zum
Wasser und netzten unsere lechzenden Zungen in der kühlen Fluth.
Auch fanden wir Gras und Brennholz in hinreichender Menge.“
| An dieser Stelle erlegten die Reisenden noch an demselben Abend
mehrere Fasane, zwei junge Wildschweine und einen Hirsch. Da sich
| der Jagdgrund so ergiebig zeigte, setzten sie am folgenden Morgen die
Jagd fort. Sie brachte diesmal einen etwa 9 Pud (324 Pfund) schwe-
| ren Eber ein, der zwei mächtige, wie Messer scharfe Hauzähne hatte;
später am Tage wurde ein noch gröfseres Wildschwein geschossen.
- Erst am Nachmittag brach die Gesellschaft auf und ritt an dem Flusse
hinauf in südlicher Richtung, in der Absicht, an ihm zu lagern, ehe
man über den Hügelrücken zog, den man in der Ferne erblickte. Auch
hier wurden noch mehrere Fasane erlegt.
„Allmählich wurde,“ wie Herr Atkinson weiter erzählt, „das Thal
enger, niedrige Hügel erhoben sich zu beiden Seiten, und da ich die
Gegend zu übersehen wünschte, ritt ich auf eine Anhöhe hinauf, von
_ einem Kosaken und Tschuckaboi begleitet. Hier lag die Sarkha-Wüste
weit sichtbar vor uns, und ich überzeugte mich nun persönlich, dafs
ein Grofser Altai hier nicht existirte; nur eine niedrige Hügelkette
breitet sich nach Süden aus und verliert sich in die Gobi-Wüste. In
_ weiter Entfernung gewahrten wir im Osten aufsteigenden Rauch. Wir
ritten mehrere Werst über den Bergkamm hin und behielten den Rauch
im Auge. Endlich kamen wir auf einen stark betretenen Weg, den
Karawanenweg, der durch die Gobi-Wüste führt. Der Rauch entstieg
wahrscheinlich dem Lagerplatze einer Karawane. Von dem Bergkamm
erblickten wir auch den Jeke Aral Nor, der von der untergehenden
"Sonne beschienen wurde, und einen andern grofsen See unweit des auf-
steigenden Rauches. Als wir wieder in das Thal hinunterritten, fan-
den wir unsere übrigen Reisegefährten und trafen bald einen Platz,
wo wir übernachten konnten.“
21?
324
XU.
Du Chaillu’s Reise am Gabun und Nebenflüssen.
Von Dr. H. Barth.
(Hierzu eine Karte, Taf. V.)
Die amerikanischen Zeitungen haben einen vorläufigen Bericht über
die ursprünglich im Interesse naturwissenschaftlicher, besonders orni-
thologischer Sammlungen von einem Franzosen Namens Pierre Beloni
du Chaillu im Auftrage der Academy of Natural Sciences zu Philadel-
phia an der westlichen Küste des äquatorialen Afrika unternommenen
Reise gebracht, und während mein Vortrag von voriger auf diese Sitzung
verlegt worden ist, hat auch Herr Dr. Petermann in seinen Mitthei-
lungen (Heft IV dieses Jahrganges) eine wörtliche Uebersetzung da-
von gebracht; ich habe mich aber bemüht, die Angaben kartographisch
in einer Skizze niederzulegen und die geographischen Resultate ein
wenig zusammenzustellen und an andere schon anderweitig bekannte
Punkte anzuknüpfen.
Ich will zuerst erwähnen, dafs das gewaltige Aestuarium des Ga-
bun schon seit einer Reihe von Jahren die Aufmerksamkeit der Eu-
ropäer auf sich gezogen hatte und dafs man schon lange ziemlich be-
stimmte Kunde hatte, dafs hier im Innern ein bedeutendes Stromsystem
sich entwickele. Besonderes Verdienst hat in dieser Beziehung Bowdich,
der nach seiner Reiseunternehmung nach Asianti längere Zeit an die-
ser Küste weilte und für die damalige Zeit überaus schätzenswerthe
Erkundigungen einzog. So hörte schon er von dem gewaltigen Flusse
Ogooäwai, der häufig eben so breit und meist beträchtlich tiefer als
der Gabün sich im oberen Laufe aus zwei Armen bilde, deren einer,
wie seine Berichterstatter angaben, vom Congo herflösse, d.h. aus SO.
käme, der andere also aus NO.'). Auch manche andere Angaben jenes
verdienten Reisenden, der nur durch einige eigenthümliche allgemeine
Deductionen in Bezug auf Völkerwanderung afrikanischen Forschungen
keinen grolsen Nutzen gebracht hat, werden wir durch den neueren
Reisenden bestätigt finden.
Aber wenn schon Bowdich wulste, dafs hier ein grolser Strom im
Binnenlande sei, so führte das doch zu nichts; auch gelang es nicht
den längere Jahre im Lande der Mpongwe an der Mündung des Ga-
!) Bowdich, Mission to Ashantee p. 429: the Ogooawai a rapid riwer, fre-
quently as wide and generally considerably deeper than the Gaboon. — 8. 458 be-
merkt er ganz richtig: the discovery of so large a river in this situation is very
important.
Du Chaillu’s Reise am Gabün und Nebenflüssen. 325
Ami
Studium der Sprache der Eingeborenen beschäftigten, noch den Franzosen,
die um Aufnahme des Aestuariums grolses Verdienst haben und auch
eine grölsere Factorei hier gründeten, gerade an einem Verbindungsarm
des Munda oder Mundu mit dem Gabün, den Punkt näher aufzuhellen;
nur besonders der Missionär Koelle, der während seines fünfjährigen
Aufenthalts in Sierra Leone unablässig mit Forschungen über die Spra-
chen der aus allen Gegenden Inner - Afrika’s in jene Colonie zusammen-
geführten Eingeborenen beschäftigt war, sammelte auch eine gute Menge
von Notizen über einen weit in’s Binnenland hineinreichenden Strom,
die er aber alle an den von mir entdeckten Benue anknüpfte, und ihm
folgt darin Herr v. Klöden in seinem gelehrten Buch über den obe-
ren Nil.
Du Chaillu, dem vor Allem daran gelegen war, in’s Binnenland
einzudringen, war so sehr im Dunkeln über die Natur der verschiede-
nen, in der Nähe des Aequators an der Westküste mündenden Flüsse,
dafs er mit dem Müni oder Dandjer anfing. Auch der Müni ist schifl-
bar, du Chaillu fand aber, dafs er nur ein sehr kurzes Stromgebiet
bilde, indem die hier in der Nähe der Küste sich hinziehende Berg-
reihe, die von den dortigen Europäern nach spanischem Vorgange Sierra
Crystal genannt wird, den drei Armen, aus denen der Müni gebildet
wird, nämlich dem Ntongo, der aus NNO. kommt, dem Ntambünai, der
von NO. herfliefst, und dem Nöya- von O. und weiter hinauf aus SO.,
nur einen kurzen Lauf erlaubt. Auch der nächste Strom, der Munda,
erwies sich ohne Bedeutung und du Chaillu erkannte ihn als einen der
ödesten Ströme, mit denen er Bekanntschaft machte, von ungeheuren
Sümpfen mit Mangrove-Bäumen umgeben und mit einem Netze sumpfi-
ger unentwickelter Hinterwasser — wenn ich so den Ausdruck creeks
nach eigener Anschauung richtig übersetze; diese Hinterwasser setzen
ihn aber vor Allem in directe Verbindung mit dem Gabun.
So kam der Forscher zum Gabun selbst, der schon von den Fran-
zosen ziemlich weit hinauf befahren war, bis 60 Seemeilen jenseits der
'Orleans-Insel. Das linke Ufer dieses seinem Aestuarium nach so un-
_ geheuren Flusses ist niedrig und bildet nach der See zu eine niedrige
_ Sandspitze, das rechte Ufer ist schön und ziemlich hoch, aber weiter
aufwärts bilden beide Ufer ungeheure Sümpfe, 70 Meilen weit mit Man-
grove-Bäumen bedeckt. Hierbei macht der Reisende die sehr richtige
Bemerkung, dafs überall an diesen Küsten das ungesunde Klima mit
‚dem Wuchse der Mangrove-Bäume zusammenhängt und dafs diese un-
geheuren Baumwälder nur an Stellen wachsen, wo das sülse sich mit
‚dem Salzwasser verbindet. Die Mangrovewälder, bemerkt du Chaillu,
machen stets weiteren Fortschritt in’s Wasser hinein, und wo sie sich
| bün stationirten amerikanischen Missionaren, die sich besonders mit dem
|
.
)
|
}
326 H. Barth:
einmal eingenistet haben, wird ihr Gürtel mit jedem Jahre breiter und
breiter, bis das Hinterland an Höhe gewinnt, dann verschwinden sie
und machen anderen Bäumen Platz. Ohne auf das Ethnologische hier
einzugehen, will ich nur bemerken, dafs es meine Ueberzeugung ist,
dafs der Gabün die alte Mündung des grofsen binnenländischen Stromes
war, bis dieser durch Terrainveränderungen und Erhöhungen des Ni-
veau’s sich ein anderes Bett suchte, aber dennoch haben sich, wie ich
fest glaube, selbst noch bis heute in den vielfach gewundenen Hinter-
wassern dieses Stromes direete Verbindungsarme erhalten und dafür
halte ich entschieden gleich jenen grofsen, im Südost-Winkel des Ae-
stuariums einmündenden Flufs, dessen Name hier Rambo& geschrieben
ist, der aber unzweifelhaft identisch ist mit dem gleich zu besprechen-
den Rembo; wenn auch dieser Name mehr eine generische Bezeich-
nung für „Flufs“ ist.
So nun also wandte sich unser Reisende zu den Flüssen südlich
vom Aequator und erforschte das ganze Küstengebiet vom Gabun bis
zum Nazarethflufs auf eine Breite von 70 Meilen, und schon hier er-
gab sich im Vergleich gegen die Flüsse nördlich von der Linie ein
sehr vortheilhafter Unterschied der Landesnatur. Hier werden Palmen
vorwiegend und die Flüsse und Seen sind von Nilpferden belebt, die
in den Gewässern dieser Küste nördlich vom Aequator ganz zu fehlen
scheinen. So nun kam du Chaillu zum Nazarethflufs und hiermit hatte
er das jetzige — d. h. selbst nach der jetzigen spärlichen Kenntnifs
dieser Landschaft klar daliegende — Deltaland des grofsen Aequato-
rial-Stromes der Westküste erreicht. Der Nazareth nämlich, der Mexias
und der Fernan Vaz, die man früher für getrennte Flufsläufe gehal-
ten, erwiesen sich bei näherer Untersuchung als ein durch Hinterwasser
und Zweigarme nahe hinter der Küste zusammenhängendes Deltaland,
gespeist vom lange gesuchten O’gobai (dem Ogooäwai des Bowdich),
und mir ist es höchst wahrscheinlich, dafs durch die von diesen Flufs-
armen herabgeschwemmte Alluvionsmasse das Cap Lopez, früher eine
Insel, erst mit dem Festlande vereinigt worden ist. Bemerkenswerth
aber ist, dafs während die seichte, vom Cap Lopez gebildete Bucht
allerdings von verpestenden Mangrovewäldern umgeben ist, selbst die
zahllosen Hinterwasser, die den Nazareth und Mexias mit dem Fer-
nan Vaz in Verbindung setzen, nur mit Palmbäumen bestanden sind
und hier die Mangrove ganz und gar fehlen. Auch ist der Mexias,
obgleich er auf diese Weise eigentlich nur einen Arm des O’gobai bil-
det, keineswegs unbedeutend, sondern ergiefst während der Regenzeit
eine ungeheure Menge frischen Wassers in die See und schwimmende
Inseln und Baumstämme hat man hinabtreiben sehen. Zuweilen bei
hoher Fluth hat du Chaillu das Wasser an der Mündung vollkommen _
frisch gefunden,
Du Chaillu’s Reise am Gabun und Nebenflüssen. 327
Aber die Hauptausmündung des O’gobai ist jetzt der. Fernan Vaz,
der auf 33 Seemeilen weit bis zum Parallel des Cap Catharina nur
durch eine ganz schmale Nehrung vom Meere getrennt wird, aber un-
geachtet seiner Tiefe von 15 bis 20 Fufs. der zahllosen Sandbänke
halber für Segelschiffe kaum fahrbar ist. Allerdings scheint diese grofse
südliche Biegung nicht vom eigentlichen O’gobai herzurühren, sondern
_ nur von einem südlichen Zufluls, dem Rembo Then, d.h. offenbar dem
südlichen Rembo im Gegensatz zu dem nördlichen Rembo, den Du
Chaillu aber nur stets O’'gobai nennt; dals aber auch dieser nördliche
Flufs den generellen Namen Rembo führt, sehen wir deutlich daraus,
dals von seinen beiden Armen der eine Rembo Okanda, der andere
Rembo Apingi heilst; das heilst Rembo ist der allgemeine Flufsname,
der dann nach dem jedesmaligen Volksstamme seinen Beinamen erhält.
Eigenthümlich ist es nun, dals der Reisende auch den obern Lauf
des hauptsächlichen Rembo nur vermittelst dieses südlichen Zuflusses,
des Rembo Then, erreichen konnte. Er konnte nämlich den Haupt-
strom, den er im untern Laufe O’gobai offenbar in der Sprache der
Mpongwe nennt, des Widerstandes der Eingeborenen halber nur ge-
ringe Entfernung aufwärts fahren. Aber schon auf dieser Fahrt machte
| er einige interessante Entdeckungen. So drang er, nachdem er von
‚der Gabelung der drei untern Arme, des eigentlichen O’gobai, des Npu-
lünai und des Oguri, den vereinigten Strom 30 Meilen weit nach OSO.
| hinaufgefahren war, — ich habe in der Skizze auf seinen Entfernun-
_ gen in Anbetracht der Flufswindungen bald 4, bald 4 abgezogen, je
nach der muthmalslichen Beschaffenheit des Flusses; es wird aber wahr-
scheinlich bedeutend mehr abgezogen werden müssen — erreichte er
den schmalen, 5 Meilen langen Ausfluls einer flachen seeartigen Er-
weiterung, die er hier Onengwe nennt; es scheint mir aber gar nicht
unwahrscheinlich, dafs dies eine Bifurcation des südlichen Rembo ist,
‚der gerade in nicht grolser Entfernung von dieser Stelle einen nörd-
‚lichen Zuflufs, den Nyembai, aufnimmt, den er auch wieder eher einen
seichten See als einen Flufs nennt. Der See erwies sich damals als
‘von etwa’40 Meilen im Umkreise und war mit mehreren hohen, an-
muthigen Inseln geschmückt; in der trockenen Jahreszeit soll er sehr
‚seicht sein. Seine Ufer waren niedrig und mit mehreren Dörfern be-
‚setzt, aber jenseits zeigte sich eine hügelige Landschaft; dies ist, wie
_ die Skizze zeigt, wahrscheinlich dasselbe Hügelland, worin Gumbi liegt.
Nachdem er 20 Meilen in nordöstlieher Richtung oberhalb der Ein-
mündung dieses Zustromes zur Umkehr sich gezwungen gesehen hatte,
fuhr er nun die grolse südliche Krümmung des Fernan Vaz oder
_Rembo Then hinauf und verliefs erst im Parallel des früher Kamna
genannten Flusses, der oflenbar doch auch nur eine andere Mündung
328 H. Barth:
dieses gewaltigen Delta’s ist, die Küstenparallele, um nun mit 30 Mei-
len nach Osten, dann 25 Meilen NO. und endlich 4 Meilen N. das
oben erwähnte Gumbi zu erreichen, die Hauptstadt des Häuptlings
Quenguza. Hier aber nimmt die im Anfang ganz versumpfte, allmäh-
lich erst ansteigende Landschaft den Charakter einer Gebirgsgegend
an. Aber interessant ist es, dafs selbst hier, wo der Flufs schön und
scharf geformte Höhen durchfliefst, der Charakter des äquatorialen
Stromes sich nicht verleugnet und auch hier die Hinterwasser sich fort-
setzen, ganz den Faddama’s der von mir bereisten Gegenden ähnlich.
Dies ist für die Gesundheit ein sehr nachtheiliger Umstand; denn,
wenn die trockene Jahreszeit eintritt, lassen die aus diesen Thälern
zurücktretenden Wasser einen Niederschlag und viel verfaulenden Pflan-
zenstoff zurück, der bei dem heifsen Klima selbst in diesen Gebirgs-
Landschaften Fieber erzeugt, aber allerdings nicht so gefährlich, als
in der Nähe der Küsten; denn hier fehlt die verderbenschwangere
Ausdünstung der aus salzigen und süfsen Bestandtheilen gemischten
Wasser.
Von Gumbi aus fuhr Du Chaillu nun in Begleitung des Häupt-
lings den schmalen Rembo, oder wie er hier heilst Ovenga, aufwärts,
im Ganzen in nordöstlicher Richtung, besonders oberhalb der Einmün-
dung eines, wie es scheint '), südlichen Zuflusses, des Ofubu. Achtzig
Meilen jenseits des Ofübu wurde die Strömung so stark, dafs sie das
Canoe nur mit Mühe von der Stelle bringen konnten, aber die Quelle
des Flusses scheint nicht sehr fern zu liegen im Aschänkolo- Gebirge,
das sich wahrscheinlich an die später zu erreichende Kette der Nkümu
Nabuäli -Berge anschliefst.
An den Ufern des Ovenga hielt sich der Reisende im Ganzen
sechs Monate auf und machte hier eine sehr reiche ornithologische
Sammlung, dann verliefs er diese Gegend und erreichte mit nur 30 Mei-
len östlicher Wanderung durch ununterbrochene dichtbewaldete Gebirgs-
Landschaft, die er nach seiner theoretischen Anschauung als eine Fort-
setzung des überhaupt problematischen Kong-Gebirges ansieht, die in
schönen Prairien sich ausbreitende Landschaft A’schira. Er nennt
sie die schönste Gegend, die er in Afrika gesehen, und berühmt mufs
sie sein, denn schon Bowdich hörte von ihr ?). Auch die Bevölkerung
zeigte sich als eine schöne Race, aber sie unterschied sich durch ihre
dunklere Farbe sehr von den Stämmen der umherliegenden Bergland-
schaften. So haben wir hier wieder ein Factum, das so stark eingreift
in die bestrittene Frage wegen des Einflusses des niederen oder höhe-
ren Niveau’s auf die Hautfarbe der Bewohner. Sehr interessant ist es
’) Der Bericht ist hier sehr unklar.
2) Bowdich 1. c. p. 429: „the kingdom of Asheera“.
Du Chaillu’s Reise am Gabun und Nebenflüssen. 329
nun, auch bei diesem Stamme wieder Tabacksbau zu finden; allerdings
kann das hier eine Folge des Handels sein, denn Du Chaillu sagt aus-
drücklich, dafs der Handel, den die Aschira mit andern Stämmen trei-
ben, sehr ausgebreitet ist. Daneben bauen sie auch Baumwolle, ob-
gleich sie kein Zeug daraus machen. Das ist nicht so wunderbar, da
die Samen der Baumwollenstaude auch in andern Gegenden ein vor-
treffliches Viehfutter abgeben.
| Hier bei den Aschira nun erfuhr der Reisende, dafs in einer mäfsi-
- gen Entfernung nach Norden, die er auf 40 Meilen schätzte, jenseits des
- Gebirgszuges der Nkumu Nabuäli, deren phantastische Piks ihm das
- lebendigste Interesse einflölsten, ein grofser Flufs mit gewaltigem Ge-
- räusch durch die Berge herabkäme. Dies war eben jener O’'gobai oder
| Rembo, den er im untern Laufe kennen gelernt und von dem er schon
dort erfahren, dafs er nach einem Laufe von etwa 100 Meilen in öst-
_ licher (richtiger nordöstlicher) Richtung sich in zwei grofse Arme theile
- oder vielmehr von zwei grolsen Armen gebildet werde. Jene von den
eingeborenen Aschira Ssamba -Nagöschi genannten Fälle nun scheinen
nach Allem so ziemlich mit jener Vereinigung der beiden grofsen Flufs-
arme zusammenzufallen. Aber über diesen höchst wichtigen Punkt
bleiben wir noch im Unklaren, denn Du Chaillu konnte weder jene
weit und breit berühmten Fälle noch den Vereinigungspunkt der beiden
Flüsse erreichen, und wir können daher dieses wichtige Factum nur
auf das ganz Ungefähre aus weiteren Erkundigungen des Reisenden
' niederlegen.
| Er machte nämlich einen weiteren Versuch, den Flufs oder wenig-
stens den südlichen Arm desselben an einer anderen Stelle zu erreichen
_ und dieser Versuch gelang denn auch vollkommen und eröffnet uns
einen sehr interessanten vorläufigen Blick in ein neues grofses Wasser-
system. Mit einem Marsche nämlich, den er auf 90 Meilen in östlicher
und 30 Meilen in südöstlicher Richtung schätzt, — denn Du Chaillu
hat eben so wenig astronomische wie hypsometrische Beobachtungen
gemacht und wir müssen nur hoffen, dafs seine Compafs-Beobachtungen
‚ungleich mehr Detail geben werden, als bis jetzt bekannt ist — durch
Waldungen, die besonders reich an Ebenholzbäumen waren, erreichte
Du Chaillu den stolzen Rembo Apingi, den er an dieser Stelle als
von 500 Yard oder etwa 750 Schritt Breite (wol nicht nach Messung)
_ und von 3 bis 4 Klafter Tiefe angiebt. Da nun der an dem Flusse
_ wohnende Stamm, von dem derselbe eben den Beinamen Apingi er-
‚halten hat, den Reisenden mit der grenzenlosesten Freundlichkeit auf-
nahm, konnte er ungehindert den Flufs 40 Meilen weit nach Süden
"hinauffahren und gab auch da seine Schifffahrt nur auf, weil die klei-
nen Canoes der Apingi für den gewaltigen Strom sich als zu schwach
..
330 H. Barth:
erwiesen. Wir haben also hier den Arm, von dem schon Bowdich er-
fuhr, dafs er aus dem Congo, also von Südosten herflösse. Nun aber
erfuhr der Reisende von den höher am Flusse wohnenden A’ponö, dafs
nach viertägiger Fahrt (nach SO.?), eine Entfernung, die Du Chaillu
auf etwa 150 Meilen schätzt, wiederum Wasserfälle den Strom unter-
brächen. Hier ist es nun wieder interessant, dafs wir von den Stäm-
men, die Du Chaillu als zwischen dem Apingi und jenen Fällen woh-
nend angiebt, schon zwei, nämlich die Aponö selbst und die Aschongo,
als Bapoonoo und Asango schon von Bowdich (p. 431) erwähnt finden-
Der dritte Stamm sind die Njävi, in deren Gebiet eben jene Fälle sich
befinden, und nun schätzt Du Chaillu die Entfernung von diesen obe-
ren Fällen bis zu den unteren oder den Ssamba-Nagöschi-Fällen nach
den Angaben der Eingeborenen auf 290 Meilen.
Unter den Stämmen, die abwärts von den Apingi an diesem Rembo
wohnen, will ich nur zwei hier anführen, die Bakalai und die Anenga.
Die Bakalai sind mir aus zwei Gründen einer besonderen Erwähnung
werth, einmal, weil sie auch am Gabun erscheinen und mir so für eine
directe Wasserverbindung dieser beiden Ströme zu sprechen scheinen,
dann aber auch weil der Name offenbar identisch ist mit der von mir
beschriebenen Berggruppe Bägele am Benue, die auch ihren Namen
von einem Stamme hat. Da nun dies ein Bruchstück einer gröfseren
Nation ist, der Batta, so hätten wir hier vielleicht eine Andeutung weiten
ethnologischen Zusammenhanges. Von eben jenen Bakalai unter den
Namen Nkele oder Bakele hat der fleifsige Koelle in seiner in Sierra
Leone zusammengestellten Polyglotta Africana Sprachproben gegeben;
er hat aber auffallender Weise nicht bemerkt, dafs diese Sprache in der
engsten Verwandtschaft mit derjenigen der Molüa steht; die Arbeit der
amerikanischen Missionare über sie ist mir noch nicht zugekommen.
Die Anenga dagegen sind sehr bedeutend, weil sie den Vereinigungs-
punkt der beiden grofsen Arme des Rembo, des Rembo Apingi oder,
wie er nach einem anderen Stamme genannt wird, Rembo Nguya und
des Rembo Okanda beherrschen, und es ist wahrscheinlich, dafs sie
schon von Bowdich erwähnt sind (p. 429) als Eninga, wo, wie er sagt,
„der Flufs sich bedeutend erweitert“. Aber auch die Okanda, die dem
nordöstlichen Arm seinen Namen gegeben haben, finden wir schon von
Bowdich erwähnt in der Form Okandee.
Dieser Rembo Okanda nun soll nach den bestimmten Angaben,
die Du Chaillu von den Eingeborenen erhalten haben will, viel gröfser
sein, als der von ihm selbst, wenn auch nicht thatsächlich gemessene,
aber doch in längerer Bekanntschaft wohl ziemlich genau ge-
schätzte Rembo Apingi, und ich halte mich somit für berechtigt zu
der Annahme, dafs dies der lang gesuchte und noch ganz vor Kurzem
Du Chaillu’s Reise am Gabun und Nebenflüssen. 331
in dem Auszuge meines grölseren Reisewerkes (II. S. 96 n. 1) ange-
deutete untere Lauf des durch das Land der Kubanda und Bimberi,
40 Tagereisen im Süden von Wadai, nach Westen fliefsenden Stromes
ist; denn in den Benue kann derselbe nach meiner bestimmten Ueber-
zeugung nicht flielsen.
So hätten wir hier denn ein ganz neues gewaltiges Wassersystem,
das noch vielen zukünftigen Reisenden ein überaus interessantes Feld
der Forschung gewähren kann. Der weilse Nil ist bei Chartum nach
der genauen Messung des Capitain Peel 487 Yards breit, .also, wenn
der Rembo Okanda an seinem Vereinigungspunkte mit dem Bruder-
strome nur eben so breit ist, so haben wir zwischen dieser Stelle und
dem Punkte, wo der Faki Sambo mit dem Heere der Furaua den Flufs
von Kubanda erreichte, eine geringere Entfernung als von Chartüm
nach Gondökoro.
Dieser nordöstliche Arm mufs wahrscheinlich schon viel eher als
der südöstliche die grofse Gebirgskette durchbrechen, die nach Du
Chaillu’s Meinung sich durch den ganzen Gürtel des Aequators hin-
durchzieht. In dieses Gebirge nun östlich vom Rembo Apingi, da wo
er ihn zuerst erreichte, meint Du Chaillu noch etwa 100 Meilen ost-
wärts vorgedrungen zu sein. Das wollen wir für’s Erste auf sich be-
ruhen lassen. Das Gebirge soll hier reich an Eisen sein. Interessant
aber ist es, dafs die Landschaft der Apingi nach seiner Angabe über-
aus reich an Oelpalmen ist, — schon eine ziemliche Entfernung von
der Seeküste, wenn wir seine Entfernungsangaben auch tüchtig be-
schneiden. Ich will nur noch angeben, dafs Du Chaillu südlich von
jener Gebirgszone eine sehr feuchte Region verlegt und in diese müssen
wir auch wohl den grofsen See ansetzen, von dem er als in grofser
Entfernung gelegen gehört hat.
Mit grofsen Entbehrungen erreichte der Reisende die Küste wieder
und mit höchster Spannung müssen wir nun seinen Ausarbeitungen des
_ gewonnenen Materials in Philadelphia entgegensehen.
XI.
Die Bewohner Zanzibar’s.
Von E. Quaas.
Die Bevölkerung Zanzibars besteht aus den verschiedensten natio-
nalen Elementen; beinahe alle Theile des Innern und der Küste des
östlichen Mittel- Afrika’s, die umliegenden Inseln, Indien und Arabien
haben ihr Contingent dazu geliefert. Sie Alle hat der blühende Handel
332 E. Quaas:
der Insel und das Streben nach Gewinn hierher gebracht. Die Ge-
sammtzahl der Einwohner der ganzen Insel mit einiger Genauigkeit
festzustellen, ist unmöglich, denn die Angaben darüber sind zu verschie-
den; sie schwanken zwischen 80,000 und 120,000; doch möchten wir
weder dem einen noch dem andern Extrem Glauben beimessen. Selbst
die nächste Umgebung wird, wenn sie mehr als zwei bis drei Meilen
von der Stadt entfernt ist, von Europäern fast nie besucht, und es ist
ihnen ganz unbekannt, wie stark sie bevölkert ist. Die Eingeborenen
kümmern sich um solche Dinge natürlich gar nicht, und ihre Angaben
gehen in Folge dessen so auseinander, dafs sie keinen Glauben verdie-
nen. Von der Regierung ist noch nie eine Volkszählung angeordnet
worden, und sie selbst ist darüber ebenso im Dunkeln, wie jeder An-
dere. So antwortete der verstorbene Sultan Szeyd Szaid dem Capt.
Guillain, der ihn um die Einwohnerzahl der Insel fragte: „wie sollte
ich das wissen, da es mir doch unbekannt ist, wie viele Menschen in
meinem Hause wohnen.“ Eher ist es möglich, die Bevölkerung, die in
der Stadt lebt, wenigstens annähernd zu bestimmen; sie mag unge-
fähr 25,000 bis 30,000 Seelen betragen, in der einen Jahreszeit mehr,
in der andern weniger; denn die Zahl der Menschen, die im Nordost-
Monsoon mit den fremden Fahrzeugen ankommen, und nachher wieder
weggehen, ist aufserordentlich grofs und mag sich auf mehrere Tausend
belaufen.
Man kann die ganze Bevölkerung in zwei grolse Klassen, Freie
und Sclaven, eintheilen, und zwar ist die Anzahl der letzteren bei
Weitem die überwiegende. Die meisten freien Leute wohnen in der
Stadt selbst, nur sehr wenige nehmen ihren Aufenthalt ausschliefslich
auf ihren Landbesitzungen; was sich dort Jahr aus Jahr ein aufhält,
sind in der Regel nur die zur Bearbeitung der Plantagen benutzten
Selaven. — Die freie Bevölkerung theilt sich in drei Hauptgruppen: die
Araber von der Südküste Arabiens und vom Oman, die Indier (Banja-
nen und Hindi’s) und die Eingeborenen, die Szuahelis, welche die über-
wiegende Mehrheit ausmachen und ein Mischvolk aus den Ureinwoh-
nern und den vor Jahrhunderten hier eingewanderten Arabern sind.
Seitdem in neuerer Zeit Zanzibar unter die Herrschaft des Sultans von
Mascat gekommen war, bildete sich durch vielfache Kreuzungen der
Szuahelis mit den neuerdings hier ansäfsig gewordenen Einwohnern des
Oman eine andere neue Race; auch sie nennen sich Szuahelis im Ge-
gensatze zu den früheren unterdrückten Bewohnern, die den Namen
Mohedims führen und noch bis heutigen Tages unter ihrem eigenen
Oberhaupte stehen, obgleich dessen Würde jetzt zu einer rein imagi-
nären herabgesunken ist und nur einige Geldvortheile mit sich bringt. -
Der hier ansäfsigen Araber mit ganz reinem unverfälschten Blut giebt
’
ei
Die Bewohner Zanzibar’s. 333
es nur noch aufserordentlich wenige; daher sehen sie stets mit einigem
Stolz auf das aus ihrem Stamm entstandene Mischlingsvolk herab, von
dem sie doch, was Sitten, Religion und Gebräuche anlangt, gar nicht
zu unterscheiden sind.
Unter den Szuahelis findet man die gröfseste Mannichfaltigkeit,
sowohl in Bezug auf ihren Gesichtstypus als auch auf ihre Hautfarbe.
Alles an ihnen verräth, dafs sie nicht einen reinen Stamm bilden, son-
dern aus der Mischung scharf getrennter nationaler Elemente entstan-
den sind. In ihrem Teint zeigen sie die verschiedensten Nüaneirungen
von dem Olivenbraun ihrer arabischen Stammväter bis zu der dunklen
Färbung, welche die Beimischung des afrikanischen Blutes verräth.
Dasselbe gilt von ihrem Typus, der sich in verschiedenen Individuen
den Extremen beider in ihm zur Geltung kommenden Racen mehr oder
weniger nähert, oder sich auf einer Mittelstufe zwischen beiden hält.
Sehr häufig findet man unter ihnen wirklich schöne Physiognomien,
feine regelmälsige Züge mit dem Gepräge einer beinahe weiblichen An-
muth. Ihre Gestalt ist in der Regel schlank, eher grofs als klein, der
Körper untadelhaft und selbst in höherem Alter nicht zu übermälsiger
Fülle geneigt, die Glieder, besonders Hände und Fülse, wohlpropor-
tionirt. Die ganze Erscheinung macht einen angenehmen Eindruck.
Ihre Kleidung ist die der Araber. Oberhalb der Hüften ein ge-
wöhnlich weilses Tuch (schuka) mit einer breitstreifigen rothen oder
bunten Kante, das bis über die Knie reicht und so alle Theile des
Körpers bedeckt, die nach dem Gesetz des Korans verhüllt sein müssen.
Ueber dieses Tuch wird, je nach dem Stande des Betreffenden, ein
mehr oder weniger feines weilses Hemd (känsu) gezogen. Ohne Kra-
gen eng anschlielsend fällt es beinahe ohne Falten bis auf die Mitte
des Unterschenkels herab. Die Aermel daran sind von mittlerer Weite,
und reichen entweder bis zum Handgelenk, oder bedecken auch nur
einen Theil des Oberarmes. Bei Leuten geringeren Standes fehlen sie
manchmal gänzlich, wahrscheinlich weil sie das Kleidungsstück un-
nöthiger Weise vertheuern. Das Hemd, das vorn bis in die Gegend
_ des Nabels offen ist, wird mit kleinen Knöpfen vorn auf der Brust zu-
gemacht und ist mit einer Stickerei von rothem Garn verziert, die in
verschiedenen Mustern am Saume des Halses, der Aermel und auf beiden
Seiten des Schlitzes hinläuft. Sehr oft wird statt des weilsen ein gelb-
braunes Hemd getragen, namentlich von ärmeren Leuten, oder während
des Aufenthalts auf den Plantagen, wo der Staub des rothen Bodens
auf weilsen Kleidungsstücken zu bemerkbar sein würde. Wer es nur
irgend erschwingen kann, schafft sich einen Tuchrock (kissimbdo) an,
eine Art faltenlosen Talars, ohne Kragen, der bis auf die, Knöchel
hinabreicht. Bei kaltem Wetter wird derselbe vorn zugeknöpft, und ist
334 E. Quaas:
gewöhnlich wie das Hemd mit mehr oder weniger reichen Stickereien
in Gold (almäria) verziert. Schwarz ist die gebräuchlichste Farbe,
doch sieht man bei reichen Leuten auch blaue und carmoisinrothe
häufig genug. Da ein solcher Rock aber immer kostspielig ist, wird
er bei Vielen durch eine lange Weste (kissimbao mdögo, kleiner Rock)
mit oder ohne Aermel ersetzt. Die beliebtesten Stoffe dazu sind rothes
und blaues Tuch, oder bunte gestreifte Seiden- und selbst Baumwollen-
zeuge; dicht an einander gereihte runde Knöpfehen dienen dazu, sie
vorn zuzumachen. Bei diesem Kleidungsstück wird besonders viel auf
die Ausschmückung mit Stickerei in Gold und Silber verwendet. Kleine
halbmondförmige Täschehen auf beiden Seiten dienen, wie unsere Uhr-
taschen, zur Aufbewahrung einer etwa vorhandenen Uhr und des Gel-
des. Aufserdem tragen die vornehmen Leute, besonders die ächten Ara-
ber, das bei uns unter dem Namen Kaftan bekannte Kleidungsstück,
von einem feinen, dem Flaggentuche ähnlichen Wollenzeuge; es ist ein
weiter Mantel mit fliegenden Aermeln, bei Regenwetter ein vorzügliches
Schutzmittel, da er wasserdicht ist. Als Kopfbedeckung dient ein klei-
nes, weilses oder rothes Käppchen (kofia), das weilse aus einem be-
sonderen piqueeartigen Baumwollenzeuge angefertigt und in den ver-
schiedensten Mustern durchsteppt, das rothe aus Tuch oder Fries. Um
dieses Mützchen wird der Turban (kilemba) gewickelt. Man bedient
sich dazu eines langen, meist blau und weils carrirten Tuches mit ver-
schiedenfarbiger Borte und Franzen an den beiden schmalen Seiten.
Das Tuch ist gewöhnlich so lang, dafs es drei bis vier Mal um den
Kopf geht. Man nimmt es der Breite nach zusammen, legt den einen
Zipfel in die Gegend des Hinterkopfes, so dafs er bis auf die Schul-
tern herunterhängt, wickelt darauf das Tuch, ein Jeder nach seinem
Geschmack und wie es ihn am besten kleidet, mehrere Male neben
und über einander um den Kopf, und steckt den andern Zipfel so weg,
dafs die Franzen auf der Seite zum Vorschein kommen. Ein gut ge-
legter Turban ist für den Szuaheli ein Gegenstand der Eitelkeit, und
es erfordert in der That Kunst und Uebung, ihn schnell in richtige und
schöne Falten zu legen. Die Mitglieder des königlichen Hauses haben
eine, nur ausschliefslich von ihnen angewendete Art, den Turban zu
wickeln, indem sie ihn in der Mitte der Stirn eine kleine in die Höhe
ragende Spitze bilden lassen, so dafs man daran augenblicklich einen
Prinzen von Geblüt erkennen kann. Sandalen von Leder (viatu) sind
die gewöhnliche Fufsbekleidung, die Sohlen haben eine Dicke von 5
bis 6 Linien, sind aus mehreren Stücken über einander gelegten Leders
mit diekem Baumwollengarn zusammengenäht und nach der Form des
Fulses, die eine für den rechten, die andere für den linken Fufs, zu-
geschnitten, Ueber den mittleren Theil geht ein 2 Zoll breites Leder,
Die Bewohner Zanzibar’s. 335
zierlich mit grünen, weilsen und rothen schmalen Lederstreifehen aus-
gestickt und nach vorn durch einen geschmeidigen Riemen mit der
Sohle verbunden, der beim Tragen der Sandalen zwischen dem grofsen
und dem zweiten Zeh zu liegen kommt und den Schuh am Fulse fest-
hält. Aufserdem benutzen geringere Leute bei schlechtem Wetter, so-
wie die Frauen im Hause eine Art Holzpantoffeln von sehr seltsamer
Form. Sie sind aufserordent!ich plump gearbeitet und unbequem. Ein
vorn und hinten in eine Spitze auslaufendes, in der Mitte ein wenig
ausgeschnittenes Stück Holz von der Gröfse der Fufssohle und wohl
2% Zoll hoch, ist an der Stelle zwischen dem grofsen und dem zwei-
ten Zeh mit einem senkrechten kleinen Pflocke versehen, und damit
der Klotz nicht allzuschwer sei, höhlt man ihn auf der unteren Seite
bis auf zwei hufeisenförmige Erhöhungen aus. Wie unbequem das Gehen
in solehen Sandalen sein muls, kann man sich denken; der Gang wird
durch sie sehr schwerfällig, da der hintere Theil der Sohle bei jedem
Schritte herunterklappt und auf dem Boden nachgeschleppt werden mufs.
Wer Eile hat, nimmt seine Schuhe lieber in die Hand und geht bar-
fuls. Ein in den verschiedensten Formen und Drapirungen über die
Schultern geworfenes Tuch oder ein reicher, vielleicht mit Gold durch-
wirkter seidener Shawl (hasdm) dient dem Szuaheli-Dandy dazu, auf
der Promenade zu kokettiren, und ein eben solcher Shawl mit seidener
Borte und Franzen, einige Male oberhalb der Hüften um den Leib ge-
wunden, vollendet seine Staatstoilette. Nur selten sieht man ihn ohne
eine Waffe ausgehen. Der krumme arabische Dolch (jimbia), an einem
Gürtel um den Leib befestigt oder in den um die Hüften gehenden
Shawl gesteckt, ist die gebräuchlichste Armatur, die man beinahe bei
Leuten jedes Standes antrifit. Die Klinge ist wohl 9 Zoll lang, in der
Nähe des Griffes 2 Zoll breit, nach vorn spitz zulaufend, zweischnei-
_ dig und in der Mitte stark gebogen, doch taugt sie selten etwas. Die
Scheide, der Griff und der Gürtel von golddurchwirktem schwerem
Seidenbande sind die Hauptsachen; man findet sie an den Dolchen der
Vornehmen reich mit Gold- und Silberarbeit verziert, die den Werth
der Waffe bis auf 200 und 300 Dollars erhöht. Auch wird häufig ein
krummes Schwert (kitära) oder das lange zweischneidige, aus Arabien
stammende (pänga), entweder in der Hand oder an einer dicken sei-
denen Schnur von der linken Schulter herunterhängend getragen, oder
"in Ermangelung desselben ein kleines Stöckchen (baköra) von dem
weilsen oder braunen Holze eines Strauches, der hier auf manchen
Stellen der Insel wächst. Sollen diese Stöcke gut sein und einigen
Werth haben, so müssen sie so biegsam sein, dafs man sie zu einem
vollkommenen Kreise zusammenbiegen kann; solche Stöcke bezahlt man
mit 8 bis 10 Dollars. Unstreitig die billigste Waffe, da man sie schon
336 E. Quaas:
für + Dollar kaufen kann, sind die Lanzen (kuki), die man deshalb
auch sehr häufig sieht. Die 9 bis 12 Zoll lange eiserne Spitze hat die
verschiedensten Formen, ist bald vier- bald achtkantig, bald ist sie
lancett-, bald pfeilförmig, und sitzt auf einem 2 bis 3 Fuls langen Stocke,
der aus schönem dunkelbraunen biegsamen Holze gefertigt ist und an
seinem unteren Ende noch eine lange eiserne Spitze trägt, um sich,
wenn die Lanze als Spazierstock benutzt wird, nicht so leicht abzu-
nutzen. Aufserdem wird von den Leuten geringeren Standes, haupt-
sächlich aber von den Sclaven, jedes alte Messer, mag es auch von
dem schlechtesten Material angefertigt sein, sehr hoch geschätzt und
anstatt des theuren Dolches in einer kleinen Scheide im Gürtel ge-
tragen.
Wenig verschieden der Form nach von dem Anzuge der Männer
ist der der Frauen. Er besteht aus einem, vom Halse bis einige Zoll
oberhalb der Knöchel reichenden faltenlosen Hemde (kansu) mit lan-
gen, oben weiten, unten eng zulaufenden Aermeln von gestreifter, oft
sehr kostbarer Seide, bei ärmeren Leuten von buntem Baumwollenzeuge.
Enge Höschen (surwali) von demselben Stoffe verbergen auch den unter-
sten Theil des Beines bis auf die Fülse, an denen entweder die auch
bei Männern gebräuchlichen Sandalen oder kleine niedrige Schuhe ge-
tragen werden. Ueber den Kopf wird beim Ausgehen ein grolses Tuch
von dunkler Farbe (kitambi) genommen und mit ihm überdies der ganze
Oberkörper eingehüllt. Das Gesicht wird durch die neidische Maske
(berkoa), die Frauenzimmern von gutem Stande auf der Stralse nie
fehlt, den Blicken entzogen. Von zwei, 14 Zoll breiten Bändern schwar-
zen Seidenzeuges, die in den meisten Fällen mit Stickereien in Gold
oder Roth verziert sind, verhüllt eins die Stirn bis zu den Augen her-
unter, das andere den mittleren Theil des Gesichts bis zum Munde.
Beide Bänder sind durch verschiedene senkrechte Zwischenstücke mit
einander verbunden. Das Ganze hat eher Aehnlichkeit mit einem Vi-
sir, als mit der bei uns gebräuchlichen Maske. Wie lästig es für die
armen Weiber sein muls, bei der hier gewöhnlich herrschenden Hitze
das Gesicht so vermummt zu haben, ist leicht zu denken, indefs ver-
sülst und besiegt auch hier die Convenienz und der Wunsch, mehr zu
gelten als man ist, die offenbare Unannehmlichkeit dieser Sitte, und
man sieht deshalb sogar oftmals Frauen, die es gar nicht nöthig ha-
ben, mit einer Maske vor dem Gesicht herumlaufen. — Von Schmuck-
sachen sind die hiesigen Frauen sehr grofse Freundinnen und treiben
mit dicken goldenen und silbernen Arm- und Fufsringen (benadjiri,
mtali), schweren Halsketten (ukufu) und Ohrgehängen von demselben
Metall (majassi) einen bedeutenden Luxus. Meistens sind sie aber dabei
weniger selbstsüchtig wie unsere Damen, da sie bei ihrem verhältnils-
j
Die Bewohner Zanzibar’s. 337
| mälsig geringen Verkehr mit anderen Personen ihres Gleichen ihre
Schätze nicht gerade häufig für sich selbst benutzen, sondern ihre Lieb-
_ lingsselavinnen damit schmücken und beim Ausgehen und bei fest-
lichen Gelegenheiten bewundern lassen. Das schwarze glänzende Haar
wird ä la Titus frisirt getragen und im Hause ein buntes seidenes Tuch
- mit lang herabhängenden Franzen um den Kopf gewickelt; an allen
- anderen Stellen des Körpers ist es Sitte, wie bei den Männern, die
selbst den Kopf glatt rasirt haben, jedes Haar sorgfältig zw entfernen,
denn so befiehlt es der Koran. — Die eben beschriebene Tracht ist
die der Vornehmeren beiderlei Geschlechts, die geringere Klasse klei-
- det sich wie die Sclavenbevölkerung, wovon später die Rede sein wird.
Wenn der Satz wahr ist, dafs man den Bildungsgrad einer Nation
darnach beurtheilen kann, wie bei ihr die Frauen behandelt werden,
so kann den Szuahelis nur eine sehr niedrige Stelle auf der Stufenleiter
- der sittlichen Ausbildung angewiesen werden. Die Frau wird hier von
_ Jugend auf argwöhnisch betrachtet, von dem Umgange mit Männern
streng abgesondert und sowohl vor als nach ihrer Verheirathung unter
strengem Verschlufs gehalten; nur die Frauen der ärmeren Klassen
sieht man bei Tage allein auf den Stralsen gehen, die vornehmeren
- dürfen nur des Abends ausgehen, um Besuche bei ihren Freundinnen
zu machen, und sind dann stets von einer Menge Sclavinnen begleitet.
Dem schweigend durch die Stralsen dahinwandelnden Zuge gehen einige
‘ männliche Sclaven mit Laternen voraus, die jede Annäherung anderer
Männer verhüten sollen; freilich geht es nicht so streng zu, wie es
eigentlich die Sitte erfordert, und man darf es schon wagen, wenn
gerade kein anderer Araber in der Nähe ist, eine Strecke weit mit
ihnen zu gehen und ein kleines Gespräch anzuknüpfen; am wenigsten
spröde sind die alten Weiber; denn obgleich sie den Fremden erst er-
mahnen, sie in Ruhe zu lassen, so stehen sie doch bald Rede und sind
manchmal sogar so offenherzig, dafs sie ihre Maske lüften, ihr Gesicht
‚zeigen und dabei sagen: mimi mse (ich bin alt). Die jungen Mädchen
sind bedeutend schüchterner, aus ihnen ist selten eine andere Antwort
als Kichern und Lachen herauszubekommen, und hieran erkennt man
trotz der leidigen Masken leicht, ob man die Jugend oder das Alter
vor sich hat. >
Wie der Mann (m’to), so hält es auch die Frau (mandmke) des
Szuaheli für eine Schande, zu arbeiten, höchstens beschäftigen sie sich
mit kleinen Stickereien. In ihren Gemächern eingeschlossen bringen sie
meistens den ganzen Tag in der Gesellschaft ihrer Sclavinnen (djahäsi
‚bibi, Selavinnen der Herrin) mit Nichtsthun hin. Für die Ausbildung
s Geistes ist durchaus Nichts gethan; Musik und Leetüre kennen
ie nicht; und doch verlangt ihr lebhaftes Temperament nach einer
_ Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 29
F
338 E. Quaas:
Beschäftigung. Liebe zum Putz und Gefallsucht bilden sich auf diese
Weise aus; und dennoch wenden sie auf ihren Körper nicht die nöthige
Sorgfalt, denn sie sind meist unreinlich. Ihre Unterhaltung dreht sich
nur um die Tagesneuigkeiten, oder sie besteht aus schlüpfrigen Ge-
sprächen mit den Selavinnen. Die hierdurch krankhaft aufgeregte und
einer würdigen Beschäftigung entbehrende Phantasie und das heise
südliche Blut führen dann auch häufiger, als man es bei dem Absper-
rungssysten denken sollte, zur Untreue und in Folge derselben zu
tragischen Conflieten. In der tödtlichen Einsamkeit hat der Geist Mulse
genug, zur Täuschung des Gatten die schlauesten Ränke zu ersinnen,
und nicht blofs ein Einverständnifs mit den Selavinnen, sondern selbst
manche Vorschriften des mahomedanischen Gesetzes erleichtern die Aus-
führung des ersonnenen Planes. So darf z. B. der Mann nicht das
Gemach seiner Frau betreten, wenn andere Frauenschuhe vor der Thür
stehen; und die Maske und das grofse Kopftuch können auch ein
Männergesieht hinreichend verbergen und so den Zutritt in verbotene
Räume erleichtern.
Dem Manne wird hinsichtlich des Umgangs mit dem andern Ge-
schlecht gesetzlich eine eben so grolse Freiheit gestattet, als die Frau
darin beschränkt ist. Vier rechtmälsige Gemahlinnen sind dem Szua-
heli erlaubt, aber die Männer begnügen sich meistens mit einer, da sie
wohl wissen, mit welchen Inconvenienzen diese Art: des morgenländi-
schen Luxus verbunden ist, welches Aergernils, welche Zwietracht in
einem Hause entstehen, wo mehrere Weiber eifersüchtig die Gunst des
Gatten sich zuzuwenden suchen. Das andere Gesetz dagegen, welches
so viele Concubinen erlaubt, als der Mann ernähren kann, wird von
Allen bereitwilliger in Anwendung gebracht. Bei einer Selavin, denn
das sind die Concubinen, die man sich hier kauft und szuria nennt,
ist natürlich von keiner Pflicht die Rede. Sobald der Jüngling in das
Alter der Mannbarkeit tritt und seine Geldmittel dazu ausreichen, ist
es sein erstes Bestreben, sich eine hübsche Selavin anzuschaffen, die er,
sobald er ihrer überdrüssig ist, wieder verkaufen kann. Die Szuria
wird von ihrem Herrn wie eine rechtmäfsige Frau gehalten, sie hat
nicht nöthig zu arbeiten, bekommt schöne Kleider und Geschmeide,
andere Selavinnen zur Bedienung, und genielst also Alles, was sich
ein Morgenländer unter Wohlleben denkt. Dafür wird sie aber auch
von ihren Genossinnen mit eifersüchtigem Auge bewacht, jeder ihrer
Schritte wird belauert, sie darf nicht ohne weibliche Begleitung und
ohne Maske ausgehen, und wenn sie sich in der Treue gegen ihren
zeitweiligen Herrn und Gatten vergehen sollte, so kann sie gewils sein,
von ihnen sofort verrathen zu werden. Nicht blofs der Verlust der
Liebe des Herrn, sondern Schläge, Verkauf, oder’ noch Härteres sind
Die Bewohner Zanzibar's. 339
die Strafen für begangene Untreue. Der fremde Liebhaber aber wird,
wenn er ein Sclave ist, in der Regel halb todt geprügelt. — Wenn
eine Szuria ihrem Herrn ein Kind gebiert, so erhält sie gewöhnlich
die Freiheit; das Kind wird wie ein rechtmälsiges erzogen und ist in
Ermangelung anderer legitimen Sprölslinge beim Tode des Vaters Erbe
des gröfsesten Theiles des vorhandenen Vermögens. Dafs bei solchen
Verhältnissen kein Familienleben, keine Häuslichkeit existiren kann,
bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung; denn die Frau bringt dem
Manne ja nur den Leib mit in die Ehe. Die Erziehung der Kinder
ist den Frauen anvertraut, und zwar bleiben sie bis zum sechsten oder
„ siebenten Jahre, d. h. bis sie anfangen, die Schulen zu besuchen, deren
i es hier in Zanzibar mehrere giebt, ganz in den Händen der Selavinnen.
Grofse Liebe zu den Eltern, besonders zur Mutter, und Ehrfurcht vor
dem Vater gehören zu den besten Eigenschaften der hiesigen Bevöl-
kerung. So schwört z. B. der Szuaheli, wenn er etwas ganz gewils
versichern will: „kana mdämma jängo“ (bei meiner Mutter!), sowie es
die höchste Betheuerung des Arabers ist, etwas durch den Ausruf:
| „kana mdevu jängo“ (bei meinem Barte) zu bewahrheiten.
' Die Geburt der Kinder wird nicht wie bei uns gefeiert; der Vater
| giebt seinem Spröfslinge kurze Zeit nach der Geburt desselben ohne
alle Ceremonie einen Namen, der dem des Vaters mit einem da-
zwischen geschobenen ben bei Söhnen, bente bei Töchtern vorgesetzt
wird. Bei der im siebenten oder achten Jahre bei den Knaben vor-
genommenen Beschneidung dagegen finden grofse Festlichkeiten statt,
die selbst bei den Leuten der mittleren Klassen oft mehrere Tage
- dauern, und bei denen Gastmähler die Hauptsache sind, zu welchen
_ alle Verwandte und Freunde eingeladen werden.
0 Wie schon vorher bemerkt, thut der Szuaheli, wenn er nur irgend
- zu leben hat, Nichts, sondern betrachtet die Arbeit, zu der nach seiner
Meinung nur die Scelaven geschaffen sind, als eine Schande. Noch
heute schwebt mir das verwunderte Gesicht vieler unserer dortigen Be-
kannten lebhaft vor Augen, die, wenn sie uns selbst irgend eine Arbeit
verrichten sahen, den Kopf schüttelten und sagten: „wafanja kasi sza-
babo? huna watima mingi?* (warum arbeitest du, hast du nicht viele
Selaven?). Dafs man selbst Lust und Vergnügen an der Thätigkeit
finden kann, ist diesen Leuten undenkbar. Für viel ehrenvoller hält
es’ der Szuaheli, im Fall er nicht selbst genügende Existenzmittel
‚hat, anstatt zu arbeiten bei anderen reicheren Personen, entweder aus
r Verwandtschaft, oder auch bei ganz Fremden herumzuschma-
Bi Daher korenie es, dafs jeder Vornehme einen Anhang von so-
‘genannten Nachläufern (mfudsi) hat, die von ihm ernährt sein wollen.
Diese Sitte ist so tief in dem Alltagsleben des Volkes festgewurzelt,
Bar
340 E. Quaas:
dafs Niemand Anstofs daran nimmt und dafs die reicheren Leute so-
gar stolz darauf sind, wenn sie ausgehen, so viel Mfuasi’s als möglich
hinter sich zu haben. Voran geht der Herr, dessen Rang und Reich-
thum man nach seinem langsamen,,gravitätischen Einherschreiten schätzen
kann, d. h. je langsamer Jemand einhergeht, desto mehr Zeit, also auch
Geld mufs er zu verschwenden haben. Ihm folgt einzeln oder paar-
weise der Schwarm der Nachläufer, ebenfalls nach den verschiedenen
Rangklassen geordnet, einige Sclaven schliefsen den Zug. Werden
Freunde besucht, so bleiben diese Menschen, welche die Grofsmuth und
Eitelkeit des Herrn kleidet und ernährt, gröfsestentheils unten in der
Vorhalle bei anderen ihres Gleichen. Wie entwürdigend eine solche
Sitte auf den Charakter wirkt, liegt auf der Hand; sie erzeugt krie-
chende heuchlerische Nichtswürdigkeit bei den Aermeren und bestärkt
die Reichen in ibrem Stolze, ihrer Selbstüberhebung, ihrer Eitelkeit.
Sie schafft einen Schwarm von Parasiten, der sich um einige prahle-
rische, hoffährtige Tyrannen drängt.
Aufserdem haben die reichen Leute gewöhnlich noch einen Haus-
freund (mhibu, sahibu), doch nicht in dem Sinne, den wir damit zu
verbinden pflegen, sondern einen charge d’affaires, der ihnen die Last
des Hausregiments, besonders die Oberaufsicht über die Scelaven, ab-
nimmt, für Ordnung im Haushalt sorgt, Gänge für den Herrn thut,
Briefe für ihn schreibt, mit einem Worte sein Factotum für den Ver-
kehr mit der äufseren Welt ist und von den Sclaven im Gegensatze
zu dem eigentlichen Herrn, dem budna mküba oder dem grolsen Herrn,
budna mdögo, der kleine Herr, genannt wird.
Die vornehmen Szuahelis sind meistens alle Landbesitzer und leben
theilweise von dem Verkauf der Erzeugnisse ihrer Plantagen (schämba),
die beinahe alle nur mit Nelkenbäumen bepflanzt sind. Wenn im Octo-
ber und November die Nelkenernte beginnt, so gehen die Eigenthümer
aufs Land, sowohl um die Arbeit, deren Ertrag den gröfsesten Theil
ihres Einkommens ausmacht, besser beaufsichtigen zu können, als auch
um während des Nordost-Monsoons die in der Stadt herrschende un-
erträgliche Gluth und Hitze mit dem angenehmen schattigen Aufent-
halte in den von der schönsten Vegetation umgebenen Hütten zu ver-
tauschen. Dann kommen sie nur alle 8 bis 14 Tage nach der Stadt.
Frauen, Kinder, Szuria’s und Sclaven, bis auf einige, welche die Auf-
sicht über das in der Stadt gelegene Haus führen müssen, werden mit
hinausgenommen, und zwar findet die Uebersiedelung des weiblichen
Theiles der Familie meistens in der Nacht statt. Auch bei der Rück-
kehr wissen die Frauen es immer so einzurichten, dafs sie mit der
Dunkelheit hier eintreffen; ist es bei ihrer Ankunft noch zu hell, so
warten sie lieber draufsen vor der Stadt bis zum Einbruch der Dämme-
Die Bewohner Zanzibar’s. 34
rung. Sowohl Männer als Frauen bedienen sich zu solchen Touren
stets der Esel, weil diese zum Reiten bequemer sind als Pferde, und
weil ihre Unterhaltung weniger kostet. Sobald die Ernte vorüber ist
und im März nach drei langen glühend heifsen Monaten ein trüber
grauer Schleier den bisher tiefblauen Himmel überzieht, und einzelne
Regenschauer, von heftigen Windstöfsen aus Süden begleitet, die lech-
zende Erde erquickt haben, nachdem schon Tage lang vorher der Ho-
rizont im Westen und Südwesten von einer hohen schwarzen, unheim-
lich aussehenden Bank bedeckt worden ist, mit einem Worte, sobald
der Südwest-Monsoon und mit ihm die Regenzeit einsetzt, kommt wie-
der Leben in so viele Häuser der Stadt, die Monate hindurch ausge-
storben zu sein schienen. Die Hausherren kehren mit ihrer ganzen
Familie und mit dem ganzen Trofs von Sclaven von ihrem Sommer-
sitze nach der Stadt zurück; denn die Häuser sind hier doch fester
gebaut und trotzen dem Regen, der nun in schweren Tropfen viele
Tage und Nächte lang unaufhörlich herabströmt, besser als die leichten
Hütten auf den Plantagen. Sowie Alles sich freut, wenn im October
die Zeit cunenda schamba (auf die Plantagen zu gehen) heranrückt,
eben so vergnügt ist jetzt Jeder, besonders die Sclaven und Selavinnen,
wieder in der Stadt zu sein; denn hier giebt es weniger Arbeit und der
regere Verkehr bringt mehr Abwechselung in das einförmige Leben. —
Das Innere der Gemächer (dschümba), welche zum Aufenthalt des
Hausherrn dienen, der aufser der Unterhaltung mit seinen Frauen, sei-
nen religiösen Uebungen, welche bei einem strengen Gläubigen eine
ziemliche Zeit in Anspruch nehmen, und Besuchen bei seinen Freun-
den in der Regel Nichts zu thun hat, ist keineswegs besonders an-
ziehend und zeigt meistens ein sonderbares Gemisch von europäischem
und orientalischem Geschmack. Einige Stühle (vite), ein Tisch (mesa)
von dunklem Holz, von Bombay hierhergebracht und ziemlich plump
gearbeitet, ein oder mehrere Spiegel (kio) an den sonst nackten weilsen
Wänden, einige Vasen von grobem Fayence, eine amerikanische Uhr
(szd) oder sonstige kleine Zierrathen in den zahlreichen, mit verschie-
denen Fächern versehenen Wandnischen vertreten das europäische Mo-
biliar. Der Fufsboden ist mit Strohmatten, den gewöhnlichen einfachen
(majämbe) und hie und da mit kleineren buntfarbigen (makeka), be-
legt, die von den nördlich gelegenen Inseln und Küstenstrichen kom-
men und je nach ihrer Feinheit oft sehr theuer bezahlt werden. Rings
an den Wänden sind schmale bunte persische Teppiche (usulia), aus
- Mascat hierher zum Verkauf gebracht, ausgebreitet. Auf ihnen sitzt oder
4 liegt der Herr, im Gespräch mit seinem Hausfreunde oder Anderen,
_ betelkauend (tafima tambü), und stützt sich auf die zahlreichen, um
ihn herumliegenden Kissen. Seine Waffen bis auf den Dolch, seinen
342 E. Quaas:
steten Begleiter, hat er abgelegt, ebenso den Tuchrock, den Turban und
die Sandalen; ein weilses oder rothes Mützchen bedeckt seinen sorg-
fältig geschorenen Schädel, ein einfaches weilses Hemd seinen Körper.
Gehört der Mann zu den streng Gläubigen, so hat er auch wohl sei-
nen Rosenkranz (dasbihi), von grofsen dunklen Rosenholzperlen (smadi)
gefertigt, neben sich oder läfst die Perlen, eine nach der andern, durch
die Finger gleiten. In den Ecken des Zimmers bemerkt man die: ver-
schiedensten Gegenstände; da liegen Sättel, Pferdegeschirre, Waffen,
Geräthschaften aller Art, wenn der Hausherr weiter kein Geschäft
treibt, und Waarenballen und eine Menge Handelsartikel in buntem
Gemisch durcheinander, wenn er. vielleicht Kaufmann ist; denn: Ord-
nungsliebe und Reinlichkeit gehört bei der hiesigen Bevölkerung keines-
wegs zu den hervorstechenden Eigenschaften.
Bei den Vornehmen ist es Sitte, des Vormittags zwischen 10 und
12 Uhr bei der öffentlichen Audienz (beräsa), die der Sultan um diese
Zeit giebt, zu erscheinen, dem Herrscher ihren szaldm (Aufwartung,
Grufs) zu machen, oder, wie man hier am häufigsten sagt, zur Berasa
zu gehen (nenda berasäni) '). Dorthin begiebt sich ein Jeder im grölse-
sten Staate, mit Schwert und Dolch bewaffnet und von so vielen Nach-
läufern begleitet, als ihm nur zu Gebote stehen. Die letzteren bleiben
auf dem grolsen freien Platze vor dem Palaste, der von bunt geklei-
deten Menschen wogt und wohl selten eine grölsere Menschenmenge
sieht als zu diesen Stunden.
Besuche bei Freunden werden hauptsächlich in den beiden letzten
Stunden vor Sonnenuntergang und des Abends nach dem: letzten Ge-
bet in der Moschee gegen 7% bis 8 Uhr gemacht. Von 4 bis 6 Uhr
Nachmittags sieht man häufig, besonders in den von den Reichen: be-
wohnten Quartieren, grofse Männerversammlungen auf den Berasa’s
vor den Häusern, auf denen die Anwesenden theils nach orientalischer
Manier mit untergeschlagenen Beinen, theils auf europäische Weise
sitzen. Der Hausherr ist, wenn er zu den Vornehmeren ‚gehört, natür-
lich zu stolz, um zu anderen, als zu seines Gleichen zu gehen, dagegen
giebt es Leute genug, die es für eine grofse Ehre schätzen, zu seiner
Bekanntschaft zu gehören, ihm täglich ihre Aufwartung machen und
seine Berasa in den angegebenen Stunden von Besuchern nicht leer
werden lassen. Bunte Strohmatten oder Teppiche liegen auf den Bän-
ken ausgebreitet, und wenn der Wirth, dem der Besuch gilt, besonders
!). Beräsa bedeutet, eigentlich die steinerne Bank, die an der äufseren Haus-
mauer angebracht ist, manchmal die ganze Hausfront einnimmt, manchmal auch von
geringerer Länge ist; ferner bedeutet es die Verandah, die Vorhalle zunächst der
Hausthür und das offene Zimmer, in dem der' Sultan alltäglich seine Audienzen zu
ertheilen pflegt.
Die Bewohner Zanzibar’s. 343
höflich sein will, so läfst er seinen Gästen Kaffee (kahäwa) bereiten, den
man hier leidenschaftlich, aber stets ohne Sahne und Zucker trinkt. Ein
Sclave erscheint, in der einen Hand ein zierlich gearbeitetes bauchiges
zinnernes Gefäls mit langem gebogenen Ausgufs, welches den beliebten
Trank enthält, in der andern eine Menge in einander gesetzter, 14 Zoll
hoher und beinahe eben so weiter Glas- oder Porcellanschälchen (vi-
kömbe vidögo), von denen zwei für Jeden der Anwesenden bestimmt
sind, da das eine zur Aufnahme des Kaffee’s, das andere als Unter-
tasse dient. Den Gästen wird so viel als Jeder wünscht eingeschenkt,
und nicht gering ist die Zahl der Täfschen, die von Jedem getrunken
werden., Während dieser kleinen Reereation wird wenig oder gar nicht
gesprochen, man schwelgt nur in dem Genusse des duftenden schwar-
zen Moccatrankes. Erst nachher öffnen sich die Schleusen der Bered-
samkeit; es werden die verschiedenartigsten Gespräche über Tages-
neuigkeiten, Regierungssachen und Familienverhältnisse geführt. Mit
Sonnenuntergang, sobald vom Flaggstocke des Sultans her der allabend-
liche Schufs fällt, und der muassini (Muazin) mit lauter Stimme das
Gebet absingt, welches die Gläubigen zur Moschee ruft, trennen sich
die Versammelten, um die religiöse Arbeit zu verrichten, oder doch
Andere glauben zu machen, dafs sie es wirklich thun. Vielleicht kom-
men sie später noch einmal zusammen. So sind die Männer ganz
allein auf den Umgang mit Männern angewiesen, denn auch bei fest-
lichen Gelegenheiten gehen beide Geschlechter stets getrennt ihren Ver-
gnügungen nach.
Der Szuaheli ist aufserordentlich ceremoniös, und hält sehr streng
auf Etiquette. Gehen mehrere Bekannte zusammen, so wird dem Reich-
sten, also Angesehensten stets der Vortritt gelassen, und wenn er auch
nur einen halben Schritt vor dem ihm im Range nächststehenden herwan-
deln sollte; äufserst selten siebt man mehrere in einer Front zusammen-
gehen, sie müfsten denn gleichviel werth oder ganz genaue Bekannte
sein. Gleiche Ceremonie herrscht bei den Besuchen der Leute unter
einander, besonders beim Empfang und beim Abschiede, und man be-
dient sich dabei meistens der arabischen Begrüfsungsformeln.
Im Hause des zu Besuchenden angekommen, läfst man sich durch
_ den als Portier fungirenden Sclaven anmelden, und wartet in der Vor-
halle so lange, bis der Hausherr von der Anwesenheit des Fremden
benachrichtigt ist. und Erlaubnifs zu seinem Empfange gegeben hat,
oder um dies selbst. zu thun herbeikommt. Sitzt der Herr des Hauses
_ aber gerade vor seiner Wohnung auf der Berasa, so befiehlt er, sobald
er sieht, dafs der Besuch ihm gelten soll, schnell noch mehr Matten
und Teppiche herbeizubringen, die harte Bank damit zu bedecken und
zum Sitzen bequemer zu machen. Wann er selbst sich erheben, wie
344 E. Quaas:
viel Schritte er seinen Gästen entgegengehen mufs, um sie würdig
ihrem Stande gemäfs zu empfangen, richtet sich genau nach ihrem
Range, und ebenso, falls der Besuch im Hause stattfindet, ob er sie
in der Stube, in der Thür oder vor derselben empfangen mufs. Der
Wirth erhebt sich, und geht seinen Gästen entgegen, natürlich ohne in
seiner grofsen Höflichkeit den Ruf: sterde! sterde! (bleib’ sitzen) zu
beachten, verneigt sich vor ihnen, indem er die rechte Hand auf die
Brust legt und sie mit den Worten: szaldm aleikum (Friede sei mit
Euch) begrüfst '). Die Gäste machen dieselbe Ceremonie und erwie-
dern seinen Grufs mit aleikum szaldm. Hierauf reicht man sich die
Hände und läfst noch einige übliche Begrüfsungsworte und Erkundi-
gungen nach dem gegenseitigen Befinden folgen. Während all dieser
Förmlichkeiten steht man sich noch immer steif gegenüber. Dann führt
der Wirth seine Besucher nach der Bank, wo man sich mit Berück-
sichtigung derselben Etiquette niederläfst, die man auch beim Gehen
beobachtet, d. h. der Vornehmere setzt sich stets zuerst.
Steht der Gast unter dem Range des Hausherrn, so erhebt sich
dieser erst, wenn der Fremde schon ganz nahe ist, oder leistet viel-
leicht auch dem Rufe: sterde, sterde! diesmal willig Folge, macht sei-
nen szaldm, ladet den Besucher mit einem: karib, karib, schech (tritt
näher, Herr, tritt näher) ein, heranzukommen, und bringt ihn endlich
mit einem kakitäko (setze dich), das einige Male wiederholt werden
mufs, ehe es der höfliche Gast befolgt, glücklich neben sich auf die
Bank zum Sitzen.
Der übliche Szuaheli-Grufs ist: jambo? (wie befindest du dich),
worauf man erwiedert: jambo szdna (ich befinde mich sehr wohl) na
we? (und du), oder: szijdmbo (ich bin nicht wohl). Bei Mädchen heifst
es auch wohl kaäna hilu (wie eine Perle), kdna margiänne (wie eine
Koralle), kana fedhalüke (wie ein Edelstein). Der Grufs der Selaven
ihren Herren gegenüber ist: jambo budna, jdmbo bibi (was machst du,
o Herr, o Herrin)? oder: schikämo budna, schikdmo bibi (wörtlich über-
setzt: ich fasse deine Hand an, o Herr, o Herrin), wobei der Grüfsende
ein Knie beugt und dem Gebieter die Hand küfst, der es selbst bei dem
geringsten Sclaven nicht unterläfst, seinerseits ein Wort des Grufses zu
sagen.
Beim Abschiede werden dieselben Ceremonien mit derselben Weit-
läuftigkeit wiederholt; der Wirth giebt seinen Gästen je nach ihrem
Range das Geleit, verabschiedet sich mit Händedruck und szaldm von
ihnen und empfieblt sie dem Schutze Allahs und des Propheten.
") Man nennt diese Ceremonie fänja szaldm, Jemand seinen Grufs des Friedens
darbringen. Auch heifst fanja szaldm Jemand seine Aufwartung machen.
Yen
u a Era u a nn, a re N re ee
Die Bewohner Zanzibar’s. 345
Auf Szuaheli lautet der Abschiedsgrufs: cohaeri, cohaeri szdna,
oder: cohaeri cu ondna (leb’ wohl, leb’ recht wohl, oder: leb’ wohl,
auf Wiedersehen).
Auch beim Vorübergehen bei dem Hause eines Bekannten, der
vielleicht gerade vor der Thüre sitzt, ist es Sitte, einen Augenblick
stehen zu bleiben, seinen szaldm zu machen, während der Hausherr —
denn hier wird jedes Haus nur von einer Familie bewohnt — aufsteht
und den dargebotenen Grufs mit derselben Förmlichkeit erwiedert;
selbst die Prinzen der königlichen Familie machen von dieser allge-
meinen Höflichkeit keine Ausnahme.
Die Szuahelis halten drei Mahlzeiten am Tage, die erste bei Sonnen-
aufgang, die zweite hauptsächlichste zwischen 11 und 12 Uhr, und die
_ letzte kurz nach Sonnenuntergang. Zum Essen (djacula) bedienen sie
sich keiner anderen Geräthschaften als der Finger, die sowohl vorher
als nachher nach den Gesetzen des Koran sorgfältig gewaschen wer-
den. Die Speisen der Vornehmeren sind Ochsen-, Ziegen-, Schaffleisch
und Geflügel, besonders Hühner, welche es hier in Zanzibar wie über-
haupt in ganz Afrika in grofser Menge giebt. Wie bei uns die Juden,
so essen auch die Szuahelis nur von dem Fleische eines Thieres, wel-
ches nach mohammedanischer Art geschlachtet ist, d. h. es muls bei
seiner Tödtung der vorgeschriebene Spruch des Koran gesagt worden
sein, sonst gilt es als unrein und wird von Niemandem angerührt.
Schweinefleisch kommt nie auf den Tisch, da sein Genufs von dem
Propheten untersagt ist; das Schwein wird auch im zahmen Zustande
auf der ganzen Insel nicht angetroffen. Die wenigen wilden Schweine,
welche weiter im Innern hausen, werden nur wegen des Schadens, den
sie häufig auf den Plantagen anrichten, gejagt, das getödtete Thier aber
den wilden Hunden als Beute überlassen.
Yamswurzeln, Manioc, Bataten, verschiedene hier wachsende Ge-
müse, die Früchte der heifsen Zone und besonders Reis bilden den
vegetabilischen Theil der hiesigen Mahlzeiten. Der Reis vertritt hier
zu Lande die Stelle des Brotes, kommt bei jedem Essen vor und er-
scheint unter den verschiedensten Formen auf dem Tische. Mit Curry
(tschüsi), einem Gemisch von pulverisirter Gurkume, Gewürzen, Cocos-
_ nüssen und noch mehreren Ingredienzen, die man viingo sa tschüsi
- (Glieder der Curry) nennt, bildet er das Lieblingsgericht, das auf einer
_ wohlbesetzten Tafel nie fehlen darf. Verschiedene Pillau’s, bei denen
der Reis mit Fleisch vermengt ebenfalls den Hauptbestandtheil bildet,
wissen die Leute sehr schmackhaft zuzubereiten, obschon sich der Eu-
ropäer erst an die scharfen Gewürze, vor allem an den rothen Pfeffer
gewöhnen muls, den man in sehr starken Dosen bei allen Speisen an-
wendet. Süfsen Backwerken sind die Leute sehr zugethan; in den
346 E. Quaas:
Häusern der Reichen findet man dieselben beinahe stets in mannich-
faltiger Auswahl vorräthig; dort bildet ihre Zubereitung einen ange-
nehmen, willkommenen Zeitvertreib für die Frauen, und ihre Consu-
mirung ist ebenfalls eine der Hauptbeschäftigungen des hiesigen schönen
Geschlechts. Den Europäern, die in Zanzibar ansäfsig sind, werden
diese Confecte häufig von ihren arabischen Freunden zugesendet, be-
sonders an den hohen Festen des Jahres, dem Rhamadan und Haddj.
Aber auch aufserdem bekamen wir oftmals aus dem Harem von einer
der dort wohnenden Damen, der bibi Hölle, einer Schwester des jetzi-
gen Sultans, ohne sie jemals von Angesicht zu Angesicht gesehen zu
haben, ganze Ladungen des verschiedensten Zuckerwerks zugeschickt;
manchmal liefs sie sogar durch ihre geputzte kleine Sclavin, die Ueber-
bringerin der Herrlichkeiten, sagen, wir möchten ja davon essen, denn
sie hätte die schönen Sachen alle mit eigener Hand zubereitet; meistens
aber waren die Backwerke zu süfs und zu sehr voll Ghee (samli, die
hiesige Butter), um wohlschmeckend zu sein, und ob die gleichzeitig
überbrachte Botschaft wirklich wahr gewesen oder nur eine Erfindung
der Abgesandten war, um dem Geschenk in unseren Augen mehr Werth
zu geben, wage ich nicht zu entscheiden. Mehr als wir selbst freuten
sich aber unsere Diener über diese Geschenke, denn ihnen wurde, wie
sie sehr wohl wufsten, bei Weitem der gröfseste Theil der beliebten
Süfsigkeiten überlassen. Häufig bekamen wir aber auch Früchte zum
Geschenk, und diese waren für uns entschieden das Angenehmste; denn
die uns gesandten Sorten waren oft das Vorzüglichste ihrer Art; vor
Allem die Mango’s, die von aufsergewöhnlicher Gröfse und ausgezeich-
netem Wohlgeschmack Alles übertrafen, was hier von dieser Frucht
auf dem Markte zu kaufen war, die Pemba-Mango’s, so genannt, weil
sie auf der nördlich von Zanzibar gelegenen Insel gleichen Namens
heimisch sind; hier kommen sie nur vereinzelt vor.
Die Szuahelis sind aufserordentlich starke Esser. An ihnen wird
der von den Nordländern so allgemein geglaubte Satz, dafs die in
heifsen Zonen lebenden Leute wenig essen, jedenfalls zu Schanden,
denn sie können, besonders von Reisspeisen, erstaunliche Portionen zu
sich nehmen, und sind nur dann mälsig, ‘wenn sie nicht viel zu ver-
zehren haben. Aus der Menge der Speisen, die sie ihren europäischen
Gästen vorsetzen, und aus ihrer Verwunderung über die geringe Efs-
lust derselben läfst sich leicht schliefsen, wie grofs ihr eigener Appetit
sein mufs. Das gewöhnliche Getränk der Bewohner Zanzibar’s ist
Wasser, welches bei den vornehmeren Klassen und bei festlichen Ge-
legenheiten häufig mit, Scherbet vermischt wird, den man in Menge
von Frankreich importirt. Der Koran verbietet den Zanzibarianern
den Genufs aller starken berauschenden Getränke. Dafs dies Gebot
Die Bewohner Zanzibar’s. 347
aber wirklich. allgemein befolgt wird, darf man nicht glauben; bei der
‚grölseren Mehrzahl ist es gewifs nicht der Fall, denn es werden jähr-
- lich viele hundert Kisten mit Cognac und Liqueuren aus Europa hier
- importirt. Wenn nur der äufsere Schein nicht verletzt wird, so glau-
_ ben die Meisten: ihren religiösen Verpflichtungen genug gethan zu ha-
| ben; in der Heimlichkeit thut Jeder gern, was ihm beliebt.
j Von Gastmählern sind die Szuahelis keine grolsen Freunde; nur
bei aufserordentlichen Veranlassungen, Verlobungen, Hochzeiten und
| anderen Festlichkeiten laden sie sich gegenseitig ein, um sich in Ge-
_ meinschaft an Speise und Trank zu erfreuen; aber die Gastfreund-
‚schaft, diese schöne Sitte, ‚welche sie von ihren Stammvätern, den Ara-
| bern, geerbt haben, und welche sie auch meistens ausüben, veranlalst
sie, einen Freund oder Fremden, der gerade während der Essenszeit
zu ihnen kommt, zur Theilnahme am Mahle aufzufordern.
Parfümerien aller Art lieben die Szuahelis, besonders die Frauen,
_ aulserordentlich und sie leisten bei dem heifsen Klima auch gute Dienste.
| Die; gebräuchlichsten sind das Rosenöl (mafuta maräschi), das Rosen-
„wasser (mardschi) und das Sandelöl (mafüta szandali), welches einen
| sehr starken, und wenn es im Uebermals angewendet wird, unange-
nehmen Geruch verbreitet, weshalb es auch meistens nur von Leuten
| geringeren Standes angewendet wird. Das kostbare Rosenöl wird von
Mascat eingeführt und steht auch hier ziemlich hoch im Preise; man
verkauft es in ganz kleinen Fläschchen von je ein Dollar und in grös-
‚seren, die etwa eine Unze enthalten und 34 bis 4 Dollars kosten, doch
muls man sich beim Ankauf dieses werthvollen Artikels sehr vor Be-
trügereien in Acht nehmen, da mit demselben häufig Verfälschungen
vorgenommen werden, die nur bei genauer Untersuchung ermittelt wer-
den können. Das Rosenwasser, ebenfalls von Mascat kommend, pflegt
man mit dem Waschwasser zu vermischen, bei heilsem Wetter ist es
auch in der That aufserordentlich erfrischend, und die zahlreichen bau-
chigen Flaschen von grünem und rothem Glase, zur Hälfte mit diekem
Bastgeflecht umgeben, die man überall auf den platten Dächern der
_ Häuser ‚herumstehen sieht, zeigen, wieviel davon hier in Zanzibar ver-
braucht wird. — Wie es bei uns Sitte ist, das Taschentuch mit irgend
_ einem Parfüm zu versehen oder ein Riechfläschehen bei sich zu tragen,
‚so, parfümirt man. hier die Kleider, die man täglich trägt, und zwar
ist dieses bei beiden Geschlechtern allgemein Sitte. Man bedient sich
‚dazu einer. Art Weihrauch (wdi);;kleiner Stückchen Holz, der Zweige
‚und ‚Sprossen eines; karambuhi genannten Strauches, der an der Küste
‚und im Innern des Festlandes häufig angetroffen wird. Von Farbe
‚ind: ‚sie dunkelbraun. Um mit ihnen zu räuchern, wirft man sie auf
ige glühende Kohlen, ‘die man ‘mit einem trichterförmigen thönernen
348 E. Quaas:
Gefäfse bedeckt; den sich bald entwickelnden, angenehm riechenden
Dampf läfst man in die darüber gehaltenen Kleidungsstücke ziehen und
parfümirt dieselben dadurch auf mehrere Tage. Aufserdem gebraucht
die geringere Klasse vorzugsweise eine schwarzbraune, unserer grü-
nen Seife sowohl in Farbe als Consistenz ähnliche Salbe, tibu genannt,
mit der man den Körper einreibt. Aus den verschiedensten vegetabi-
lischen Stoffen zusammengesetzt ist diese Salbe wegen ihres penetran-
ten Duftes vorzüglich geeignet, den unangenehmen Geruch mensch-
licher Ausdünstungen, namentlich der Neger, zu verdecken. Tagelang
hält dieser Geruch an und verschwindet erst nach mehrmaligem Wa-
schen gänzlich. Die beiden letztgenannten Parfüms werden gewöhnlich
von kleinen Mädchen, die überall in der Stadt damit herumziehen, in
Häufchen und kleinen Kugeln von je ein Peis (eirca 4 Pfennige) ver-
kauft.
Das Tabackrauchen (mwüta tumbäcco) ist bei den Szuahelis, der
arabischen Sitte entgegen, nur sehr wenig in Gebräuch; äufserst selten
sieht man Jemand aus der vornehmen Klasse rauchen; in diesem Falle
aber bedient man sich dazu der Wasserpfeifen, hier hiuka oder kiko
genannt, welche in den verschiedensten Formen und zu den verschie-
densten Preisen zu haben sind, von der grofsen an, die man beim Ge-
brauch neben sich hinstellen kann, weil sie mit einem breiten Fufse
und einem sehr langen biegsamen Abzugsrohre versehen, und deren
Aufsenseite auf die mannichfaltigste Weise, wie die Griffe der Dolche,
mit einer Art Mosaik von Gold- und Silberdraht verziert ist, bis zu
den kleinen unansehnlichen Pfeifen herab, welche die armen Leute zu
besitzen pflegen. Bei diesen dient eine kleine Kalebasse als Wasser-
reservoir, und von den zwei dünnen, in dieselbe mündenden Bambus-
röhren ist die kürzere, welche senkrecht steht, oben mit einem trichter-
förmigen thönernen Aufsatz versehen, der den Taback und die Kohle
aufnimmt, die andere längere Röhre aber mit einem kleinen Mundstück.
Der beim Rauchen verwendete Taback wird an vielen Orten der festen
Küste und der umliegenden Inseln gebaut, ist jedoch nur von geringer
Qualität und wird häufig mit Rosenblättern vermischt, mit Melasse an-
gefeuchtet, zusammengeknetet und als kleine Kugel in den Feuerbe-
hälter der hüka gebracht. Einen angenehmen Geruch aber hat auch
diese Mischung nicht. Wie in Arabien so herrscht auch hier, beson-
ders bei den Leuten geringeren Standes, die Sitte, dafs mehrere zu-
sammen aus einer Pfeife rauchen. Häufig habe ich die Arbeiter, wenn
sie einen Augenblick freie Zeit hatten, eine Pfeife hervorholen, mit dem
übelriechenden Stoffe füllen und in Brand stecken sehen. Alsdann
setzen sich alle Theilnehmer mit untergeschlagenen Beinen im Kreise _
hin, oder kauern sich auch nur auf die Erde nieder, und lassen die
Die Bewohner Zanzibar’s. 349
Pfeife die Runde machen, indem ein Jeder nur ein Paar Züge thut,
bis der dampfende Inhalt vollkommen verzehrt ist. Selbst vorüber-
gehende Bekannte werden dann mit zu dem Genusse eingeladen und
müssen, ehe sie ihren Fuls weiter setzen, in der Eile einige Mund voll
Dampf mitnehmen.
Vom Schnupfen (cunüka tumbaäecco) gilt dasselbe wie vom Rauchen.
Auch diese Gewohnheit ist bei Manchen zur Leidenschaft geworden,
und sie wird schon von Jungen im Alter von 13 bis 14 Jahren geübt.
Auch hier ist die Meinung verbreitet, dafs das Schnupfen den Verstand
schärfen soll; es scheint aber bei denen, die sich des Tabacks im Ueber-
mals bedienen, die entgegengesetzte Wirkung zu äufsern. Den Schnupf-
taback bewahrt man in einem kleinen, unseren Riechfläschen ähnlichen
Gefälse von Steingut oder Porcellan (kipätu) auf, und trägt dieses an
einer kleinen Schnur um den Hals stets bei sich. Auch hier gilt es
als eine Höflichkeit, seinen Freunden eine Prise anzubieten, nur mit
dem Unterschiede, dafs der Betreffende hier nicht selbst zulangen kann,
sondern sich eine kleine Dosis des braunen Pulvers auf die Rückseite
der Hand schütten läfst.
Verbreiteter als Rauchen und Schnupfen ist das Betelkauen (ta-
füna tambü), gleichmälsig im Gebrauch bei Männern und Frauen, bei
Alt und Jung. Das Betelblatt (tambü) kommt von dem sogenannten
Betelpfeffer (piper betle), einer rankenden Pflanze, die hier häufig
wächst, ist von einem frischen saftigen Grün, auf der Oberfläche glän-
zend, hat einen glatten Rand und ungefähr die Gröfse und Form eines
Bohnenblattes. Eine Menge Leute beschäftigen sich damit, dasselbe zu
pflücken und nach der Stadt zum Verkauf zu bringen; man bekommt
60 bis 70 Stück für einen Peis, sie sind also billig und Jedem zugäng-
lich. Zu ihrer Aufbewahrung dient eine kleine vierkantige Dose (ki-
patu, kedjalüba) von Holz, oder auch nur ein kleines Lederbeutelchen,
- welches zugleich die anderen Ingredienzien enthält, die nöthig sind, um
den Genufs zu vervollständigen, ein wenig Taback und die Arecanuls
(pöpo). Letztere ist die Frucht der hier wachsenden Areca-Palme
_ (areca catechü), hat in ihrem Aussehen und in ihrer Gröfse Aehnlich-
keit mit der Muskatnufs, ist eben so hart wie diese und von aromati-
schem Geschmack wie das Betelblatt. Ein kleines Stückchen dieser
Nufs, etwas Taback und ein wenig Kalk, den man entweder von einer
Mauer abkratzt, oder auch von den an vielen Stellen der Stadt zahl-
reich dastehenden Kalkhaufen nimmt, werden in die eine Hälfte des
Blattes gewickelt — denn das ganze wäre zu grols für eine Portion —
und der Bissen in den Mund geschoben, wo er durchgekaut wird und
der betreffenden Person wohl eine Stunde lang Genufs und Unterhal-
tung gewährt. Nie habe ich eine widerlichere Gewohnheit gesehen
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350 E. Quaas:
als dieses Betelkauen, welches vermöge der Schärfe des ausgeschiede-
nen Saftes die Zähne mit der Zeit schwärzt, abbröckeln läfst und die
ganze innere Mundhöhlung, besonders das Zahnfleisch, hochroth färbt.
Selbst ein hübsches Gesicht wird dadurch gänzlich entstellt, doch soll
der Betel den Mund und Athem rein halten, ein Vortheil, durch den
das Unangenehme der Gewohnheit keineswegs ausgeglichen wird. Natür-
lich trifft man es nicht bei allen Personen in gleichem Mafse an; es
zeigt sich daher auch nicht überall gleich abstolsend und man findet
noch Leute genug, welche die prachtvollsten Zähne haben.
Aulserdem spielt der Betel im ganzen gesellschaftlichen Verkehr
eine grolse Rolle. So z. B. ist er das erste, was dem Fremden im
Hause des Gastfreundes angeboten wird, und als Geschenk von einem
Mädchen gilt er als eine verblümte Liebeserklärung.
Von europäischem Leben und Treiben haben nur sehr wenige Leute
hier zu Lande einen auch nur annähernden Begriff, die Mehrzahl von
ihnen hat kaum jemals die Gestade ihrer heimathlichen Insel verlassen
und die gereisten Leute sind höchstens einmal nach Mecca gekommen,
um die vom Propheten gebotene Pilgerfahrt zu machen, oder nach an-
deren Städten des südlichen Arabiens oder der Ostküste Afrika’s; sie
sind also nie über die Grenzen der morgenländischen Civilisation hin-
ausgelangt. Der Ideenkreis dieser Menschen ist in Folge dessen ein
aufserordentlich beschränkter; Zanzibar gilt ihnen als das non plus
ultra von Schönheit, sowohl was die Bauart der Häuser als ihren Com-
fort und das ganze Leben überhaupt anbetrifft. Oft hört man sie höchst
naiv fragen, ob es bei uns auch so schöne Häuser gäbe als hier, und
erregt ein bedenkliches Kopfschütteln, wenn man bemerkt, dafs Zan-
zibar im Vergleich mit einer europäischen Stadt nicht viel bedeute.
Räderdampfschiffe (merkabo a mösche oder merkabo tochan) waren
schon mehrere hier gewesen, zuerst eine amerikanische Dampffregatte
im Jahre 1850 oder 1851. Diese Art Schiffe war daher jetzt den
Zanzibarianern nichts Neues mehr. Desto gröfseres Erstaunen erregte
aber im Jahre 1858 das Erscheinen des kleinen englischen Schrauben-
dampfers Lynx, der sonst gewöhnlich im Canal von Mozambique
kreuzte, um den unerlaubten Selavenkandel zu verhindern, des ersten
Schiffes dieser Art, welches hier eingelaufen war. Bei dem Rad-
dampfer sah man die bewegende Kraft ganz deutlich, aber hier war
gar Nichts zu bemerken; ein kleiner Wasserstrudel und etwas Schaum
war Alles, was man hinter dem Heck wahrnehmen konnte und was
von einem unter dem Wasser befindlichen Gegenstande Kunde gab,
der das Schiff vorwärts treiben mufste, da alle Segel auf den Raaen
festgemacht waren.
Eines Tages ging sogar der Sultan in höchsteigener Person an
Die Bewohner Zanzibar’s. 351
Bord, und ich zweifle sehr, dafs Höflichkeit allein die Ursache seines
Besuches war; die Neugier, das Wunder des Tages zu sehen, mag
dabei wohl eine grolse Rolle gespielt haben. Er selbst nebst seinem
Onkel, dem alten Szeyd Soleman, und einigen der angesehensten Ara-
ber in dem vordersten, mit zwölf schwarzen Ruderern bemannten Boote,
das mit reichen persischen Teppichen ausgelegt, durch ein breites weilses
Sonnensegel vor den sengenden Strahlen des Tagesgestirns geschützt
ist und hinten am Heck an einem kleinen Flaggstocke die rothe Landes-
farbe wehen läfst. Hinter ihm die anderen Boote, welche das zahl-
reiche Gefolge, sowie eine Menge Neugieriger enthalten und nachher
in buntem Gemisch wie ein Bienenschwarm die Meeresfläche rings um
das Kriegsschiff bedecken. An Bord des Schiffes angekommen wurde
der Sultan mit den höchsten Ehrenbezeigungen empfangen, die nur
königlichen Personen zu Theil werden. Ein Salut von ?1 Kanonen-
schüssen wurde gelöst und die Raaen des Kriegsschiffes waren mit
einem Theile der Mannschaft besetzt; hoch oben standen die Leute,
wie es schien frei in der Luft, denn die straffgezogenen Leinen, an
welchen sie sich festhielten, waren so dünn, dafs man sie von unten
aus kaum bemerken konnte. Zum Zeichen, dafs das Schiff, so lange
der Sultan darauf verweile, als sein Eigenthum zu betrachten sei, wehte
anstatt der englischen Flagge die rothe arabische vom grofsen Top.
Kaum waren die Empfangsfeierlichkeiten zu Ende, so lichtete der
Dampfer seine Anker, setzte seine Maschine in Bewegung und ging,
in geringer Entfernung vom Lande, langsam aus dem Hafen, um dem
Sultan Gelegenheit zu geben, Alles für ihn Neue genau zu beobachten.
Ein eben so interessantes Schauspiel als das in seinem bunten Flaggen-
schmucke mit der bewegten Menschenmenge auf dem Verdeck beinahe
geräuschlos dahingleitende Schiff gewährte der Strand, der in der gan-
zen Ausdehnung der Stadt, von Schangani bis Melinde, von einer grofsen
wogenden Menge von Menschen bedeckt war, die alle das niegesehene
Schauspiel anstaunen wollten. Hier konnte man die verschiedensten
_ Conjeeturen über die Construction der Schraube hören, eine immer
abenteuerlicher als die andere, doch begnügten sich die meisten, wenn
sie, wie leicht denkbar, die höchst weisen Erklärungen der klugen Spre-
cher nicht verstehen konnten, verwunderungsvoll den Kopf zu schütteln,
_ und mit den gewöhnlichen Anrufungen Allah’s die Kunst der Europäer
zu preisen. So lange der Lynx noch mit wenig Dampfkraft arbeitete
und langsam vorwärts kam, begleitete ihn der ganze Schwarm der am
Lande befindlichen Leute, längs des Ufers hingehend; allein bald konn-
ten sie nicht mehr mitkommen und mulsten sich mit dem Nachsehen
_ begnügen. Leider widerfuhr dem Dampfer auf seiner weiteren Fahrt
ein Unglück, indem er durch Unachtsamkeit des Steuernden auf die
re un uch ee re. Me ee u ne nd en tn Kai n
U u Zu a u ei BE
352 E. Quaas:
von Schampany (French Island) nach Süden sich hinstreckende. Sand-
bank gerieth, und dort beinahe eine Stunde festsals, bis das Steigen
des Wassers — es war glücklicherweise Fluth — ihn wieder flott machte
und ihm die Fortsetzung seiner Fahrt erlaubte. Er nahm seinen Cours
zwischen French Island und dem festen Lande, ging nördlich der vier
den Hafen einschliefsenden Inseln herum, und kam des Nachmittags
durch den westlichen Pafs wieder auf der Rhede vor Anker, wo dem
Sultan, als er das Schiff verliels, dieselben Ehrenbezeigungen zu Theil
wurden, wie am Morgen bei seiner Ankunft.
Ein anderer Gegenstand des allgemeinen Erstaunens und der Be-
wunderung war der kleine Wagen (gedda), den sich die Residenten
eines hiesigen französischen Hauses hatten kommen lassen. In den
Strafsen der Stadt zu fahren, war freilich wegen ihrer Enge, ihrer
vielfachen Krümmungen und scharfen Ecken keine Möglichkeit, aber
Ausfahrten auf die andere Seite der Lagune und Nasimoje wurden oft
angestellt und gingen jedes Mal in Begleitung von Hunderten neugie-
ger Menschen vor sich; denn ein Wagen war ebenfalls ein noch nie
gesehenes Schauspiel in Zanzibar, wo man entweder zu Fuls geht oder
sich der Pferde und Esel zum Reiten bedient, wo selbst die Landes-
erzeugnisse aus den Meilen weit von der Stadt entfernten Plantagen
nur auf den Köpfen der Sclaven hierher zu Markte gebracht werden.
Und trotz des traurigen, jaman kann dreist sagen halbwilden Zustan-
des, in dem die meisten Menschen hier leben, beneiden sie doch den
Europäer nicht um seine Civilisation und seine Genüsse, oder im besten
Fall doch nur um die leiblichen; sie befinden sich in ihrer Lage ganz
glücklich, sobald nur ihre leiblichen Bedürfnisse befriedigt werden.
Was Religionssachen anbetrifft, so sind die Szuahelis, obwohl selbst
Mohammedaner, doch ausnahmsweise gegen Andersgläubige sehr tole-
rant und hindern Niemand in der Ausübung seiner religiösen Pflich-
ten.‘ Sie sind im höchsten Grade unwissend, da sie in den hier vor-
handenen Schulen Nichts lernen, als das Lesen des Korans und noth-
dürftig das Schreiben. Lectüre irgend welcher Art ist hier gar nicht
vorhanden, und wirkliche Kenntnisse, das Verständnils des Korans, die
Gelehrsamkeit, sind hier wie auch anderwärts unter den Gläubigen nur
auf gewisse Familien beschränkt. Gleichwohl halten sie sich als Mo-
hammedaner mit dem den Anhängern dieses Glaubens innewohnenden
Dünkel doch für etwas Besseres als andere Menschen, obgleich sie dies
die Ungläubigen nicht so fühlen lassen, als es an anderen Orten von
den Bekennern des Islam geschieht. Selbst im Rechnen, sogar wenn
es auf ihren eigenen Vortheil geht, sind sie wenig gewandt und den
hier wohnenden Banjanen bei Weitem nicht gewachsen.
Gegen ibre Sclaven sind die Szuahelis beinahe ohne Ausnahme
rn ehe
Die Bewohner Zanzibar’s. 353
milde Herren, denn der Prophet hat ihnen geboten, den Sclaven wie
ein Glied der Familie zu behandeln; mag indes dies der richtige Grund
sein, mögen andere selbstsüchtigere Motive oder ihre eigene Indolenz
sie zu dieser Handlungsweise veranlassen, so bleibt sie nichtsdestowe-
_ niger anerkennungswerth, obwohl sie allein nicht im Stande ist, ihren
übrigen Untugenden, von denen Sinnlichkeit, Eitelkeit und Prunksucht
nicht die gröfsesten sind, das Gleichgewicht zu halten. Zu ersterer
werden sie theils durch das Klima des Landes prädisponirt, theils ist
daran der Mangel jeder geistigen und sittlichen Bildung Schuld, und
sie verleitet zu Handlungen, die bei uns als die strafwürdigsten Ver-
brechen betrachtet werden, hier aber kaum Anstols erregen. Eitelkeit
_ und Prunksucht zeigt sich bei Allem, was aufserhalb des Hauses ge-
- schieht. In schönen Kleidern auf der Strafse herumzuspazieren, wäh-
rend zu Hause Alles schmutzig und unordentlich ist, sich einen kost-
| baren Dolch, eine schöne Selavin anzuschaffen, während im Hause
vielleicht nur zwei Gläser für drei Personen vorhanden sind, darauf
werden grolse Summen verschwendet, aber um etwas Gemeinnütziges
_ zu thun, dazu reicht das Geld niemals aus.
Eine mafslose Indolenz und unzerstörbare Apathie ist dem Szua-
heli angeboren; er hat sie gleichmälsig von seinem afrikanischen und
- arabischen Blute ererbt und vereinigt in seiner Person die schon an
sich nicht geringe Quantität dieser Untugenden, welche jede der beiden
Nationen allein besitzt. Mit der gröfsesten Gemüthsruhe sieht er dem
allmählichen Verfall seines Hauses sowohl im Innern wie im Aeulsern
zu, und läfst durch seine Nachlässigkeit kleine Schäden, die durch eine
unbedeutende, wenig kostspielige Repargtur im Anfang gehoben werden
könnten, nach und nach immer grölser werden, bis die Ausbesserung
zuletzt bedeutende Unkosten verursacht. Heisüro (es macht Nichts),
die Sache ist zu geringfügig, heilst es, so lange der Schaden noch
leicht zu beseitigen ist; selbst wenn die Reparatur ganz unumgänglich
ist, rafft sich der Szuaheli nur zu einem: nschalla (wenn Gott will,
wird es geschehen) auf. Dies letztere ist überhaupt eine Redensart,
die bei allen Ständen, Arm und Reich gleichmäfsig in Gebrauch ist.
Der Sclave, dem etwas befohlen wird, antwortet nschalla; der Freund,
den man zu einem Besuche einladet, nimmt die Einladung mit nschälla
an; der Kaufmann, den ich frage, ob seine Waaren bald anlangen wer-
‚den, erwiedert nschälla; auf die Frage, ob er sie mir verkaufen, ob sie
billiger sein werden, wird stets das unvermeidliche nschalla gehört.
Selbst bei Ereignissen, deren Erfolg leicht vorauszusehen ist, wenn z.B.
ein Sack mit Waaren in’s Wasser gefallen ist, was doch ein höchst
triftiger Grund zu der Vermuthung ist, dafs sein Inhalt durchnäfst sein
wird, selbst dann sucht man sich noch durch nschälla wenigstens auf
Zeitschr. f. sllg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 23
|
|
|
354 E. Quaas:
kurze Zeit zu trösten. Der Mann, von dem ich glaube, dafs er mich
betrügt, und dem ich dies geradezu sage, giebt mir durch sein nschälla
den Trost, dafs, falls ich von ihm doch betrogen werde, der liebe Gott
daran Schuld ist, gegen dessen Willen zu murren sich nicht ziemt.
Dieses nschälla, ein Hermaphrodit, von dem man nicht weils, ob es Ja
oder Nein bedeutet, eine nichtige Redensart, durch die Niemand ge-
bunden wird, eine Eselsbrücke des Verstandes und der Moral, ein
Hemmschuh der Entschlufskraft, — dieses nschälla erschliefst uns den
ganzen Charakter des Morgenländers mit seiner Indolenz und allen
daraus hervorgehenden Fehlern. Pr
Wie ruhig und phlegmatisch auch für gewöhnlich der Szuaheli in
seiner äufseren Erscheinung wie in seinem Handeln sein mag, so kann
er doch in der Rede sehr lebhaft werden und sich bei der geringsten
äulseren Veranlassung von Ausbrüchen seines Zornes hinreilsen lassen,
ein Beweis, wie schwach bei ihm die Herrschaft der Vernunft über die
einmal erwachten Leidenschaften ist. So sind die Szuahelis, auf der
einen Seite an die halbwilden Stämme Afrika’s grenzend, auf der an-
dern in die Halbeivilisation des Orients übergehend, ein sonderbares,
noch unter sich selbst höchst mannichfaltiges Gemisch der Grundcha-
raktere ihrer beiderseitigen Stammältern, zum Guten weniger geneigt
als zum Bösen, weil sie von dehnbaren moralischen Grundsätzen ge-
leitet werden und der Schein bei ihnen das Hauptmotiv ihrer Hand-
lungen ist. —
Neben den Szuahelis bilden die Hindi’s und Banjanen den
wichtigsten Bestandtheil der Bevölkerung Zanzibar’s. Sowohl Hindi’s
wie Banjanen sind hier nicht einheimisch; beide stammen aus Ostin-
dien und kommen nur hierher, um sich ein Vermögen zu erwerben
und dann in ihre Heimath zurückzukehren. Zanzibar und die ganze
Ostküste Afrika’s ist ihr Californien, in dem sie sich durch Industrie
und Thätigkeit das überall so heils gewünschte Gold verschaffen. In
ihren Händen ist beinahe der ganze Handel der hiesigen Gegend und
es giebt unter ihnen aulserordentlich reiche Leute, die für grofse Häu-
ser in Bombay oder für ihre eigene Rechnung bedeutende Geschäfte
machen. Was den Handel anbetrifft, so sind sie, wie bei uns die Ju-
den, unermüdlich thätig, unternehmend, erfinderisch, Nichts ist ihnen
zu geringfügig, jeder Gewinn und wenn er auch noch so klein, ist ihnen
. wichtig; sie wissen, dafs viele Pfennige doch am Ende einen Thaler
machen und sammeln wohlweislich jeden einzelnen. Wo man hier an
der Küste nur immer einen Hindi oder Banjanen antreffen mag, da
giebt es sicherlich etwas zu handeln und zu verdienen; an den klein-
sten elendesten Plätzen findet man sie, stets im Verkehr mit den Ein-
geborenen begriffen; von Zanzibar beziehen sie die ihnen nöthigen
Die Bewohner Zanzibar’s. 355
Waaren und schicken die dafür eingetauschten Landeserzeugnisse wie-
der dahin zurück. Während der Banjane im Allgemeinen mehr den
Export und Import der in- und ausländischen Producte besorgt, be-
schäftigt sich der Hindi, natürlich nicht ohne Ausnahmen, vorwiegend
mit dem Handel in den hier am Platze selbst gebrauchten Artikeln.
So verkauft der Banjane Elfenbein, Gummi Copal, Sesam ete. in grö-
fseren und kleineren Partieen, der Hindi hat in seinem Laden Alles,
was zur täglichen Leibesnahrung und Nothdurft gehört; der erstere ist
der en gros Händler, der letztere der Detaillist. — Die Wohnungen
und Läden beider liegen im Mittelpunkte der Stadt und entsprechen
nur sehr wenig den Anforderungen, die man bei uns zu machen ge-
wohnt ist. Eine lange, beinahe durch die ganze Stadt von Norden
' nach Süden, wenn auch nicht ohne beträchtliche Krümmungen gehende
Strafse heilst der Bazar (söko), und ist auf beiden Seiten vom Anfang bis
zum Ende mit den Verkaufslokalen der Hindis besetzt. Sie ist mei-
stens kaum 7—8 Fuls breit, schmutzig, mit grofsen Steinen, die weit
'aus der Erde stehen, bepflanzt, und weil sie ungepflastert, bei Regen-
wetter nur für Barfüfsler passirbar. Die Häuser zu beiden Seiten sind
_ unansehnlich, altersgrau, zerfallen, theils mit einem niedrigen oberen
Stockwerk versehen, theils nur ein Parterre-Geschofs enthaltend; die
' Läden befinden sich meistens nur in dem auch bei vielen anderen Häu-
| sern vorhandenen, auf Pfeilern ruhenden Vorplatze, der vielleicht 4—5
_ Fufs tief und 8 Fulfs lang ist, die inneren Wände sind mit einer Menge
- Fächer versehen, auf denen in der buntesten Reihe alles aufgeschichtet
und nebeneinander gestellt ist, was nur hier irgend gefordert werden
'kann; Teller, Tassen, Milchtöpfe, Nadeln, Garn, Uhren, Handwerks-
'geräth, Messer, Gabeln, Löffel, Farben, Papier, Rohrfedern, alles steht
‚friedlich neben- und untereinander; wie die eigenen Besitzer dieses
ganzen Krams darunter das Verlangte finden können, ist jedem aufser
‚ihnen selbst unbegreiflich, und läfst auf ein sehr ausgebildetes Organ
‚für Ortssinn schliefsen. Hiermit ist die Reihe der ausgestellten Arti-
‚kel aber noch keineswegs abgeschlossen. Vor dem Schaufenster, das
zugleich als Thür dient, ist eine kleine wohl 2 Fufs breite Zugbrücke
angebracht, sie ist jetzt heruntergelassen, steht auf mehreren unten
befestigten Füfsen und ist über und über mit Körben, Schüsseln und
Töpfen besetzt, welche die verschiedensten Hülsenfrüchte, Korn, Wei-
zen, die zur Bereitung des Curry nöthigen Stoffe, Kaffee, Zucker, Sy-
, Cocosnuls- und Sesamöl, Sassaparillewurzel und getrocknete Kräu-
er enthalten. Mit ähnlichen Sachen ist auch der Boden des Ladens
selbst bedeckt und nur soviel Raum freigelassen, dafs der Verkäufer
oder die Verkäuferin eben sitzen oder kauern, und allenfalls vorsichtig
bindurchwinden kann. Durch die kleinen Vorbaue auf beiden
23*
356 E. Quaas:
Seiten, die noch alle mit einem Makutidache versehen sind, um die
Waaren bei Regen: trocken zu halten, wird die ohnehin schon sehr
schmale Strafse bis auf eine Breite von 2 bis 3 Fufs redueirt, so dals
die an zwei gegenüberstehenden Läden stehenden Käuferinnen auch
ohne Crinolinen sich beinahe berühren. Und gerade hier ist der Ver-
kehr aulserordentlich stark; es hält manchmal schwer durchzukommen,
da überall Käufer und Käuferinnen stehen, und nach beendetem Ge-
schäfte mit dem Ladeninhaber erst die Tagesneuigkeiten durchsprechen,
auch unglücklicher Weise manchmal noch einige Ochsen langsamen
Schrittes durch dieses Gedränge ihren Weg suchen.
Der Hindi ist, was seine Gesichtsbildung, seine Kleidung, Le-
bensart und Religion betrifft, dem Araber ähnlich. Sein Teint zeigt
die verschiedensten Abstufungen von dem bräunlichen der südlichen
Völker Europas bis zu schmutzigem Gelb; den Bart, der nicht so voll
ist wie beim Araber, trägt er wie es ihm beliebt, das Kopfhaar ist
glatt abrasirt; seine Kleidung ist ein Lendentuch und darüber ein fei-
nes weilses bis auf die Knöchel reichendes Hemd, das oberhalb der
Hüfte mit einem zwei bis drei Mal um den Leib gewickelten weilsen
Shawl zusammengehalten wird. Seine Kopfbedeckung bildet entweder
ein weils und roth carrirter Turban von Muslin, ein weilses Käppchen
oder eine kleine, oben und unten gleich weite, ganz bunte Mütze. Ein
anderer weilser Shawl über die Schultern geschlagen, vollendet nebst
den ledernen Sandalen den Anzug, der, wenn er rein ist, seinen Mann
recht stattlich erscheinen läfst; von Schmucksachen trägt er nur Ohr-
ringe und vielleicht eine Halskette. Die Frauen der Hindis sehen,
wie sie in den kleinen Boutiquen sitzen, obwohl es unter ihnen sehr
hübsche Gesichter giebt, im Allgemeinen schmutzig und elend aus.
Sie haben dieselbe Gesichtsfarbe wie ihre Männer und ihre grolsen bren-
nenden schwarzen Augen sind das schönste an ihnen. Tag für Tag, Jahr
aus Jahr ein in den dunklen Löchern der engen verbauten Häuser ein-
geschlossen, zu denen Luft und Licht nur spärlichen Zutritt haben,
müssen sie verkommen und können nur als Schatten von dem gelten,
was sie bei einer anderen Lebensart sein könnten. Ich habe solche
Frauen nie anders aulser dem Hause gesehen, als an den beiden gro-
(sen Festen des Islam, Rhamadhan und Haddj; doch dann gegen ma-
homedanische Sitte ohne Maske. Ihre Kleidung besteht aus einem lan-
gen gestreiften seidenen Hemde, dessen Lieblingsfarbe roth oder car-
moisin ist; das Haar haben sie entweder lose herunterhängend, oder
auf dem Hinterköpf in einen Knoten aufgesteckt. Die Augenbrauen
färben sie schwarz und tragen, aulser einem schweren goldenen Ringe
oder Schlosse in der Nase, noch goldene Halsketten, Ohrgehänge,
Arm- und Fufsringe, scheinen überhaupt den Schmuck sehr zu lieben.
Die Bewohner Zanzibar's. 357
Ihre Kinder putzen sie, so lange diese noch klein sind, ebenfalls gern,
womöglich mit schönen seidenen Stoffen in den buntesten, grellsten
Farben und behängen sie noch dazu mit Schmucksachen aller Art.
Darin, dafs sie dieselben im Gesichte mit verschiedenen schwarzen
Strichen und Linien bemalen, folgen sie nur dem allgemeinen Gebrauch
und Aberglauben der Eingebornen, die hierin ein Präservativ gegen
Krankheit und Zauberei erblicken. Die Religion der Hindis ist der
Mohamedanismus, doch gehören sie wohl nicht ganz demselben Glau-
bensbekenntnifs an, wie die Szuahelis, die Sunniten sind; denn ich
habe viele von ihnen ihre Gebete häufig des Abends auf dem vor un-
serem Hause liegenden Quai, also öffentlich, verrichten gesehen, was
ich bei den Szuahelis nie bemerkte; auch haben sie im Süden der
Stadt am Strande des Meeres einen eigenen Tempel, dessen schon
früher Erwähnung gethan ist. Bei Hochzeiten und sonstigen festlichen
Gelegenheiten veranstalten sie öffentliche Umzüge, bei denen zur Be-
gleitung der goma und eines famtam gesungen und getanzt wird. Kleine
Knaben sind dabei die Hauptacteurs, sie haben Schwerdter und Stöcke
in der Hand und führen unter einander, so oft der Zug, was sehr oft
geschieht, anhält, Scheinkämpfe aus. Vielleicht liegen diesen Prozessio-
nen noch sonstige religiöse Verpflichtungen zu Grunde.
Ganz verschieden von ihnen, sowohl was Religion, als was Sitten
und Aussehen anlangt, sind die Banjanen. Unter diesem Colleetivna-
men falst man gewöhnlich diese nach Kutsch, einer nördlich von Bom-
bay in der Nähe der Küste gelegenen Insel, gehörigen Leute zusam-
men, obschon er eigentlich nur eine ihrer Kasten, in die sie sich theilen,
bezeichnet. Die Anzahl der hier wohnenden mag wohl 5—600 betra-
gen. Sie kommen in der Regel schon als Knaben hierher, treten in
das Geschäft eines Freundes oder Verwandten, kehren nach einer Reihe
| von Jahren, wenn nicht reich doch meist wohlhabend in ihre Heimath
zurück, und überlassen das Feld anderen ihrer Landsleute zur Aus-
beute. Der Handel ist es, dem sie sich mit Leib und Seele hingeben,
zu dem sie geschaffen scheinen, doch giebt es unter ihnen auch recht
geschickte Handwerker, Goldschmiede, Uhrmacher, Tischler, Schmiede,
nur müssen sie zu allem, was sie anfertigen sollen, ein Vorbild haben;
in der Nachahmung sind sie sehr geschickt, an Erfindungsgeist aber
fehlt es ihnen. — Ihre Religion ist der Brahmadienst, sie beten zu der
dreifachen Gottheit Indiens und haben in ihren Häusern kleine Bilder
von Holz oder Stein, vor denen sie ihre Andacht verrichten. Die hier
in Zanzibar lebenden theilen sich in zwei Kasten, die Banjanen und die
Batias, die streng von einander geschieden sind, und selbst wieder meh-
rere Rangklassen haben. Die Batias bilden die höhere Kaste und sind
dadurch kenntlich, dafs sie oberhalb der Stirn an ihrem Turban ein
358 E. Quuas:
kleines Horn tragen; sie halten sich aufserordentlich streng an die
ihnen vorgeschriebenen Lehren und Gebräuche, rühren nichts an, was
von einem Thiere kommt, weder Fleisch noch Eier, (Butter macht eine
Ausnahme) und leben nur von Pflanzenkost. Reis ist ihre Hauptnah-
nung; Süfsigkeiten und den Ghee, die hier fabrieirte Butter, lieben sie
leidenschaftlich und können davon ungeheure Portionen vertilgen. Sie
essen nie von Tellern, sondern lassen alle Speisen in dem zierlich zu-
geschnittenen 4—5 Zoll im Durchmesser haltenden Blatte des Banianen-
Baumes auftragen; niemals essen sie von demselben Blatte zum zwei-
ten Male, jeder neue Tisch erfordert eine andere Unterlage, auch be-
dienen sie sich keines anderen Geräthes dabei, als ihrer Finger, die
sowohl vor als nach der Mahlzeit sorgfältig gereinigt werden. Da Nie-
mand sehen darf, was sie essen, so ist es Sitte, während der Mahl-
zeiten die Thüren des Hauses verschlossen zu halten; sollte Jemand,
der zu einer niederen Kaste gehört oder vielleicht gar eines anderen
Glaubens ist, sie beim Essen betreffen, so müssen alle Speisen als un-
rein weggeworfen und ein neues Mahl zubereitet werden. — Ich habe
sogar gehört, dafs bei den gewöhnlichen Mahlzeiten im Hause, sobald
mehrere zusammen speisen, keiner sehen darf, was der andere genielst,
dafs sie sich daher gegenseitig den Rücken zukehren, doch weils ich
nicht, ob dies wahr ist; bei grofsen Festessen, wie sie sehr häufig Statt
finden, wird eine solche Sitte nicht beobachtet. Ihr einziges Getränk
ist reines Wasser, welches der strenge Batia aus einem ihm eigens ge-
hörigen kleinen kupfernen Becher trinkt, dabei aber das Gefäls nicht
an die Lippen setzt, sondern das Wasser aus einiger Entfernung lang-
sam in den Mund gielst. Auch dieser Becher ist Gegenstand grolser
Sorge, sollte ein Unreiner ihn berühren oder gar benutzen, so muls er
im ersteren Falle verschiedene Male abgescheuert, im anderen aber
ganz weggeworfen werden. Nicht nur der Genufs alles dessen, was
vom Thiere kommt, ist ihnen untersagt, sondern auch der Anblick von
Blut macht sie unrein und sie müssen sich dann erst durch verschie-
dene Ablutionen wieder reinigen, von denen eine das Waschen mit dem
Urin der Kuh, des ihnen heiligen Thieres sein soll. Die Leute nehmen
sich vor dieser Art Uebertretung wohl in Acht; nicht einmal vor un-
serer Küche gingen sie am Vormittag gern vorbei, wenn sie rochen,
dafs darin gebraten wurde, sondern machten lieber einen weiten Um-
weg durch den Hof. Ein Thier zu tödten, ist ihnen untersagt, und
der Batia wird keinen Muskito, keinen Floh, der ihn sticht, fangen
oder wissentliich tödten, höchst liebenswürdig jagt er die Quäler fort.
Im Customhause war einst eine Schlange, welche die dort sich auf-
haltenden Leute beunruhigte. Wie sollte man sie aber entfernen, da
man ihr Blut nicht vergiefsen und das Haus durch ihren offenen Mord
Die Bewohner Zanzibar's. 359
verunreinigen konnte? Man half sich dadurch, dals man ihr. Loch in
der Mauer ausspionirte und. sie lebendig darin vermauerte. — Dals der
Banjane von einer friedfertigen Natur ist, kann man aus dem Gesag-
ten wohl schliefsen, er versteht nicht mit Waffen umzugehen, trägt nie-
mals Waffen bei sich; hat er sich an Jemand zu rächen, so kann er
dies auf keine andere Manier thun, als indem er das Vermögen, den
Handel seines Feindes zu Grunde richtet; furchtsam und feige sind
sie von den hiesigen Einwohnern wenig geachtet, eigentlich verachtet
und durften sich noch vor 12 bis 15 Jahren, ehe der verstorbene eng-
lische Consul Hamerton Ordnung und Ruhe stiftete, kaum auf den
Strafsen sehen lassen. Selbst jetzt kommt es noch mitunter vor, dafs sie
von ‚Negerjungen mit Steinen geworfen und mit Schimpfreden verfolgt
werden. Das Aeulsere des Banjanen ist sehr einnehmend und ange-
nehm. Sie haben einen gelbbraunen, mehr oder weniger hellen Teint,
glänzende schwarze Augen, eine gerade Nase und einen feingeschnit-
tenen Mund voll der schönsten Zähne, ihre Gliedmalsen sind meistens
| wohl proportionirt, Hände und Fülse klein, ihr Köper schlank, doch
eher zur Fülle als zum Gegentheil geneigt, aber zum Ertragen von
Beschwerden und: angestrengter Thätigkeit wenig geeignet. Ihre Klei-
dung ist ein feines weilses Tuch mit rother Kante, um die Lenden ge-
schlagen und bis zu den Knieen herabhängend; mit dem einen Ende wird
es zwischen den Beinen aufgeschürzt gekreuzt, und sieht beinahe aus,
wie ein Paar weite Hosen. Darüber wird ein feines, ebenfalls weilses
langes Hemd gezogen und mit kleinen Bändern über die Brust zuge-
bunden, die Aermel desselben haben beinahe ‚die doppelte nöthige
Länge und sind am Arme in unzählige kleine Falten in die Höhe ge-
zogen; ein zweites weilses Tuch mit eben solcher Kante wie das er-
stere wird über die Schultern gehängt und auf die verschiedenste
Manier getragen. Die Kopfbedeckung der Banjanen bildet eine Art
Turban von rothem oder violettem sehr feinem Stoffe, der aber ganz
anders gewunden wird, als es bei den Arabern und Hindis Sitte ist.
Er ist höher als der bei diesen gebräuchliche und hat eher die Gestalt ei-
\ ner Pickelhaube; an dem Turban sieht man hauptsächlich, wie schon frü-
_ her bemerkt wurde, welcher Kaste sein Eigenthümer angehört. Reiche
Leute haben den Turban an der vorderen Seite mit einem breiten, in
das Zeug selbst eingewirkten Goldstreifen geschmückt. Ihn zu wickeln
soll eine höchst mühsame, zeitraubende Arbeit sein und es sollen zu
einem einzigen Turban einige 20—30 Ellen Zeug gehören, daher läfst
ihn der Banjane auch immer in seiner Form, und benutzt ihn nicht,
wie der Szuaheli und Hindi den seinigen, zeitweilig als Umschlage-
tuch. Ein solcher Turban ist das gewöhnliche Abschiedsgeschenk des
Customhaus-Pächters Ludda, eines Batia, an seine nach Haus zurück-
u Se u ne Ta Fe a ln EN un nu.
360 E. Quaas:
kehrenden Landsleute. Für gewöhnlich im Hause oder auf der Strafse,
wenn sie nicht in Staatskleidern sind, bedecken sie den Kopf mit ei-
ner Mütze von Seidenzeug, die auf der einen Seite mit einem Schirm
von demselben Stoff versehen ist. Sie tragen diese Kappe entweder
so, dafs die Klappe nach hinten kommt und den Nacken bedeckt, oder
biegen den Schirm nach oben, setzen die Mütze beliebig auf, die dann,
weil sie auf der einen Seite aus rother, auf der andern aus grüner
Seide besteht, ein sonderbares Aussehn bekommt. An den Fülsen tra-
gen die Banjanen grofse unförmliche Schuhe mit langem, nach hinten
gebogenen Schnabel. Das Kopfhaar ist schwarz, lang und glänzend,
wird bis auf die Mitte (den Scheitel) abrasirt und auf die verschie-
denste Manier getragen, bald lose herabhängend, bald als Zopf, bald
in Form eines Knotens auf dem Hinterkopf festgesteckt. Trägt der
Banjane aber einen Turban, so darf es nie darunter hervorkommen,
sondern wird sorgfältig den Blicken entzogen. Vom Bart darf der
Banjane nur den Schnurrbart stehen lassen, der bei ihm zum Cere-
moniel erforderlich ist; wenn wir beim Tode eines Angehörigen einen
Flor um Hut und Arm binden, so schneidet der Banjane seinen Bart
ab und drückt dadurch seine tiefste Trauer aus. Der oben geschil-
derte Anzug ist das Staatskleid. Im Negligee, wie man die Banjanen
täglich nach dem Strande gehen sieht, erscheinen sie bei Weitem nicht
so anziehend; denn dann haben sie nur einen schmutzigen Lappen um
die Lenden gebunden, und nur manchmal, wenn es kalt ist, ein ähn-
liches unsauberes Tuch um Kopf und Schultern gewickelt. Von Schmuck-
sachen tragen Erwachsene Ohrgehänge und Halsketten mit daran hän-
genden sonderbar gestalteten Medaillons, beides oft reich mit Edelstei-
nen, besonders Rubinen und Smaragden besetzt, und auch den oberen
Rand der Ohrmuschel haben die meisten mit vielen kleinen Löchern
durchbohrt, in die sie bei festlichen Gelegenheiten kleine goldene oder
silberne, mit werthvollen Steinen verzierte Nadeln stecken; an dem
zweiten Zeh eines ihrer Fülse tragen sie in der Regel einen 3—4 Li-
nien breiten silbernen Ring. Kinder haben um den Hals einen halb-
mondförmigen Schmuck von Goldblech, nach Art der gorgets bei den
französischen Offieieren. Die Banjanen verehren die Kuh als ein hei-
liges Thier, und schaffen sich eine solche an, wenn es ihnen irgend
möglich ist. In einem grofsen Hofe in der Nähe des Palastes des
Sultans halten sie eine Menge dieser Thiere, und ernähren sie, ob auf
gemeinschaftliche Kosten, kann ich nicht sagen; aufser diesen gehören
ihnen aber noch eine Menge andere, die sie frei am Strande herum-
laufen und sich ihre Nahrung suchen lassen. Wo sie nur können, su-
chen sie ihr heiliges Thier vom Tode des Schlachtens zu retten, und
wohl nie wird es ihnen einfallen eines der ihrigen zu diesem Zwecke zu
Die Bewohner Zanzibar's. 361
verkaufen, wie erpicht sie auch sonst auf Geldgewinn sein mögen.
Ihre Todten verbrennen sie nach indischer Sitte; der Leichnam wird,
in ein reines Tuch gewickelt und das Gesicht wohl zugedeckt, auf ei-
ner Rohrbahre von seinen Angehörigen nach dem Orte der letzten
Ceremonie getragen. Jeder der ihn Begleitenden nimmt ein oder meh-
rere Bündel Holz mit, aus diesen wird an einem abgelegenen Orte,
gewöhnlich am Strande, im Süden der Stadt (denn sie haben es nicht
gern, wenn Fremde der Ceremonie beiwohnen), ein Scheiterhaufen er-
richtet, der Todte darauf gelegt und verbrannt. Während dessen kauern
sie alle, Gebete murmelnd, rund um die Flamme. Ist der Leichnam
vom Feuer verzehrt, so werfen sie die gesammelte Asche in das Meer,
und kehren still nach Hause zurück. — Die Banjanen kommen, wie
schon früher bemerkt, meist als Knaben hierher, bleiben bis zu ihrer
Mannbarkeit hier und gehen dann auf ein oder zwei Jahre in ihre
Heimath, um sich mit dem ihnen bestimmten Mädchen zu verhei-
rathen; es herrscht nämlich unter ihnen der Gebrauch die Kinder
schon frühzeitig miteinander zu versprechen. Reisen sie dann wieder
nach Zanzibar, so lassen sie ihre Frauen in Kutsch, da diese, ebenso
wie die Mädchen das Land nicht verlassen dürfen. — Die Banja-
nen haben demzufolge hier gar keine Frauen ihres eigenen Stam-
mes und müssen sich mit schwarzen Sklavinnen begnügen, was bei
ihren vielen Eigenthümlichkeiten und ihrem serupulösen Wesen eigent-
lich auffallend ist. Sollten sie Kinder mit diesen erzeugen, so lassen
sie dieselben erziehen und behandeln sie sehr gut, wie sie auch über-
haupt gegen ihre Sklaven milde Herren sind. Allgemeiner Gebrauch
ist: es bei ihnen, sich bei festlicher Gelegenheit mit rother Farbe Striche
auf Stirn und Schläfe zu malen; selbst vor dem Gebet, welches sie in
ihrem Hause vor ihren Penaten verrichten, ist es nöthig erst einen
kleinen rothen Kreis oder Punkt über der Nasenwurzel auf der Stirn
zu zeichnen; auch dem Gürtel oder der Schnur, die sie auf dem
blofsen Leibe tragen und Niemandem zeigen, scheinen sie einen be-
sonderen magischen Einflufs zuzuschreiben. Genaueres kann man
darüber nicht erfahren, weil sie in Bezug auf Alles, was ihre Religion
betrifft, sehr geheimnifsvoll sind. — Eines ihrer gröfsten Feste ist ihr
Neujahr, der Tag, an dem ihre Handlungsbücher geschlossen und neue
angefangen werden. Auf diesen Tag rüsten sich die Banjanen schon
im Voraus. Ihr Haus wird von oben bis unten gereinigt und innen
frisch geweilst und zwar in Ermangelung von Pinseln mit einem fei-
nen Reisbesen; von ihren Freunden borgen sie sich Stühle, Spiegel,
Bilder und andere Zierrathen, deren sie habhaft werden können, um
ihren Laden und die daneben befindliche Stube zu schmücken. Am
Abende dieses Tages pflegten wir durch die von ihnen bewohnten Stra-
362 E. Quaas:
(sen zu gehen, diese sahen dann recht festlich aus. Aller Schmutz
und Unrath des ganzen Jahres ist aus den hellerleuchteten Läden
entfernt. Der Besitzer selbst steht und sitzt in seinen Feierkleidern
in der Nähe der Thür und ladet seine Freunde, die vorüber ge-
hen, freundlich zum Eintreten ein. Den Hauptschmuck des Ladens
bilden ein oder mehrere grofse messingene Leuchter; auf einem mas-
siven langen Fulse ruht eine grolse runde mit Oel gefüllte Schaale,
an deren Rande ringsherum kleine erhöhte Rinnen angebracht sind,
welche die Dochte in sich aufnehmen; 20 bis 30 solcher Flammen
befinden sich auf einem Leuchter und erhellen, in der Mitte des La-
dens aufgestellt, sowohl diesen, als auch die enge Strafse draufsen,
auf der es von Menschen, Szuahelis und Negern wogt. Alles will die
— wohl mit Recht — als geizig verschrieenen Banjanen als Spender
der Freude in ihrem Glanze sehen. Schwärmer und Frösche werden
von allen Ecken losgelassen, Pistolen und Gewehre abgefeuert, Ge-
jauchze und Geschrei herrscht überall. Nur mit Mühe gelangten wir
dann durch die schmutzigen Strafsen — denn das Fest fällt leider in die
kleine Regenzeit —, nachdem wir die uns bekannten Banjanen besucht,
ihnen die Hand gereicht, guten Tag gesagt und uns einen Augenblick
bei ihnen niedergelassen hatten. Darauf lenkten wir unsre Schritte
nach dem Hause des reichsten unter ihnen, des Customhaus - Pächters
Ludda. Er hatte uns'zu einer Festlichkeit eingeladen, die an einem
solehen Tage bei den Vornehmeren stattzufinden pflegt, zu einem Tanze
von Bajaderen, oder wie man es in Ostindien nennt, zu einer Natch.
Ludda befindet sich noch unten in seinem Empfangszimmer, wo er nebst
seinen beiden Söhnen auf einem persischen Teppich sitzt, der auf den
Seiten mit gepolsterten Rollen belegt ist; bei unserem Eintritt steht
er auf, reicht jedem von uns die Hand, wir lassen uns auf die bereit
stehenden und schnell herbeigeholten Stühle nieder und sind Zeugen
eines der Hauptacte dieses Tages. Alle Banjanen nämlich, die in Ge-
schäftsverbindung mit ihm stehen und ein Conto bei ihm eröffnet ha-
ben, bringen ihm heute Abend ein Geschenk an Geld von 1 bis 20
oder 30 Thlrn., jeder nach seinem Vermögen und der Grölse seiner
Schuld bei ihm. Dieses Geschenk wird schweigend, aber mit lächeln-
der Miene in den vor dem Hausherrn stehenden Geldkasten gelegt;
man notirt seinen Betrag und eröffnet dem Geber in dem neuen Buche
fürs nächste Jahr ein frisches Conto, dessen Ausdehnung sich wahr-
scheinlich nach der überreichten Gabe richtet. Gesprochen wird nur
sehr wenig; der Besucher setzt sich nur einen Augenblick hin und
entfernt sich bald wieder, doch wird das Zimmer den ganzen Abend
hindurch nicht leer, und es mag eine ganz erkleckliche Summe ein-
kommen. Endlich führt unser Wirth uns hinauf in seinen grofsen Saal,
N .
DE a nn
Die Bewohner Zanzibar's. 363
eigentlich sein Comptoir, ein recht geräumiges hohes Zimmer, das ganz
und gar mit gewöhnlichen und bunten Strohmatten ausgelegt: ist.
Auf der rechten Seite stehen die Stühle für die Europäer, auf der lin-
ken liegen persische Teppiche für die anderen Besucher. Mehrere
Leuchter wie die oben beschriebenen, erhellen den weiten Raum; nach
und nach beginnt er sich zu füllen; gravitätischen Schrittes kommen
Banjanen, Hindis und Szuahelis an, reichen dem Hausherrn die Hand
und setzen sich mit verschränkten Beinen auf ihren angewiesenen Platz
nieder. Das ganze Corps de ballet besteht aus vier Personen, zwei
Musikern und zwei Tänzerinnen, von denen die erste alt, häfslich,
Taback und Betel kauend, ihrer schönen jungen Gefährtin wahrschein-
lich als Folie dienen soll, um deren Reize in noch besseres Licht zu
setzen. Sie lassen sich erst einen Augenblick nieder und beginnen die
Toilette für den Tanz zu machen. Die Alltagskleider werden ab- und
ein sehr weites Kleid mit kurzer Taille von braunem Seidenstoff angelegt,
das von den Hüften in unzähligen Falten bis auf die Mitte des Unterschen-
kels hinabfällt, enge Höschen von dunklem Stoffe verhüllen den übrigen
Theil des Beines, so dafs nur Gesicht, Schultern, Arme und Fülse ent-
blöfst sind. Ein grofser rother Shawl von schwerem Seidenzeuge, mit.
golddurchwirkter Borte dient beim Tanze zum Coquettiren und Panto-
minenspiel, silberne Ketten, 6 bis 7mal oberhalb der Knöchel um das
Bein geschlungen, begleiten die Musik mit ihrem Klirren. Der Tanz
selbst bewegt sich nach dem Rhythmus der Musik bald in langsamen,
bald in schnelleren Bewegungen und Drehungen und wird von dem
Gesange der beiden Tänzerinnen nach ziemlich einförmigen Melodieen
begleitet; die Alte übernahm dabei den Alt, die Jüngere den Sopran.
Was den Inhalt der Lieder betrifft, so blieben wir leider aus Unkennt-
nifs der Hindostansprache darüber in Dunkelheit, doch sollen die Lie-
der meistentheils von Liebesabenteuern handeln. — Die Tänzerinnen
wenden sich dabei oft an einzelne Zuschauer und singen ihnen mit
freundlich lächelnder Miene einige Verse ihres Liedes gerade in das Ge-
sicht hinein. Aufser diesen poetischen Ergüssen wurden noch Panto-
minen aufgeführt; so liefs das Mädchen unter andern einen Drachen
steigen, holte ihn wieder ein und begleitete ihr ausdrucksvolles Gebehr-
denspiel mit recht graciösen Bewegungen der Arme und zierlichen Dre-
hungen und Schwenkungen des ganzen Leibes; Alles hält sich in den Gren-
zen des Anstandes, und man gewahrt Nichts, was dem Bilde entspricht,
das man sich bei uns von einem Bajaderentanze macht. Der rothe Shawl
spielt eine Hauptrolle, er liegt bald in zierlichen Falten über die Schul-
tern, bald umhüllt er die ganze Gestalt wie ein Schleier, kurz er ist in
fortwährender Bewegung, und trotzdem er neidisch den Blieken oft
Alles entzieht, ist er doch eine angenehme Zugabe in den Händen
364 E. Quaas:
der hübscheren, jüngeren Tänzerin, die sowohl durch ihr Aeufseres,
als durch ihr lebhaftes Mienenspiel unser Interesse fesselte. Eine an-
dere Quelle der Unterhaltung für uns waren die beiden Musiker; der
eine ein wohl 6 Fuls langer, weils behemdeter bärtiger Hindi beglei-
tete auf seiner kleinen, mit einer Menge Saiten bezogenen, sonderbar
geformten Guitarre Tanz und Gesang und spielte den maitre de danse,
den Souffleur, und fiel von Zeit zu Zeit als Chorus ein. Er schien an
den Rockschofs der kleinen Tänzerin geheftet zu sein, denn er ging
ihr vor und rückwärts auf Schritt und Tritt nach und klimperte mit
der ernsthaftesten Miene auf seinem Instrument. Sein kleiner College,
ein untersetzter Bursche, war nicht minder sehenswerth; er schlug die
Trommeln, von denen er zwei von 6—7 Zoll Durchmesser in einen
weilsen Shawl eingewickelt, um den Leib befestigt trug. Es war un-
endlich spafshaft zu sehen, wie er die Trommeln vor seinem Bauche
mit den gelben Fingern bearbeitete und bei Kraftstellen, wenn er mit
dem Ballen der Hand aufschlug, die Augen schwärmerisch zum Him-
mel verdrehte. Er hatte sich die Alte zum Leitstern auserwählt, und
gab in der Beharrlichkeit, in ihrem Kielwasser zu segeln, dem Guitar-
renspieler nichts nach. So dauerte der Tanz mit nur kurzen Unter-
brechungen wohl die ganze Nacht fort. Da Jeder an diesem Tage
freien Eintritt hatte, war der Saal nach und nach beinahe ganz gefüllt,
und der Platz für die agirenden Personen immer mehr beschränkt
worden; Araber, Hindis, Banjanen, alles safs bunt durcheinander und
an der Thür standen die Neger, Kopf an Kopf gedrängt; der Saal
enthielt soviel Menschen, als er nur irgend fassen konnte. In Folge
dessen herrschte denn auch trotz der offenen Fenster eine beinahe un-
erträgliche Hitze, die wir nur durch unsere kleinen Fächer mildern
konnten, von denen Jeder beim Beginn der Unterhaltung einen zur Dis-
position bekam. Gegen 11 Uhr hatten wir des Vergnügens genug und
entfernten uns, nachdem wir der hübschen Kleinen ein Geschenk ge-
macht, aber die übrigen Zuhörer blieben jedenfalls noch viel länger
da; die Hindis und Banjanen sind solche Freunde dieser Unterhaltung,
dafs sie ganze Nächte lang still sitzen, zuhören und zusehen können.
Diese Mädchen kommen meistens von Bombay auf Aventure nach
Zanzibar, tanzen, singen, sind auch sonst nicht allzu spröde und kehren
nach einigen Jahren mit recht ansehnlichen Ersparnissen in ihre Hei-
math zurück; sie lassen sich sehr gut bezahlen, ein Abend kostet in
der Regel 15—20 Dollars und sie kommen auf Verlangen auch zu Eu-
ropäern.
Am Tage nach dem eben beschriebenen Feste pflegen die Ban-
janen ihren Geschäftsfreunden als Geschenk einen Teller mit Candis-
zucker, oder mit Backwerk zu übersenden, das indels so aufseror-
Die Bewohner Zanzibar's. 365
dentlich süls und voll Ghee ist, dafs man es gar nicht geniefsen
kann. Andere Festtage, wie solche noch in Menge existiren, feiern
die Banjanen nicht, wenigstens nicht öffentlich, sondern nur unter sich
durch Gastmähler, von denen sie grolse Freunde sind. Selbst ihre
Sonntage unterscheiden sich durch Nichts von den gewöhnlichen Ta-
gen; das Geschäft geht diesen Leuten über Alles und wird Tag für
Tag, Jahr aus Jahr ein getrieben.
Die Banjanen wohnen wie die Hindis in der Mitte der Stadt, aber
meist in den nahe am Strande gelegenen Stralsen; eine derselben be-
ginnt auf Schangani; sie ist schmal, schmutzig, und zieht sich, obwohl
vielfach gekrümmt, beinahe durch die ganze Stadt. Zu beiden Seiten
liegen die Verkaufsläden, kleine dunkle Löcher voll Unrath aller Art.
Der Inhaber sitzt gewöhnlich in dem kleinen Nebenstübchen oder im
Laden selbst auf einer mit gepolsterten Rollen umgebenen Matte und
vor ihm steht ein kleiner mit messingenen Bändern beschlagener Ka-
sten, der die Briefe, Handlungsbücher und Baarschaft des Kaufherrn
enthält. Kommt man des Morgens vor 7 Uhr durch eine dieser Stra-
[sen, so sitzt alles vor den Thüren, geniefst die hier nicht allzu frische
Morgenluft, und reinigt und putzt sich mit einem kleinen Stückchen
Holz, das von einem hier wachsenden Strauche kommt, sorgfältig die
Zähne. So leben die Banjanen hier still und friedlich, ein Kaufmanns-
volk, von dem jeder einzelne Zanzibar als den Ort betrachtet, wo er
sein mitgebrachtes Capital verwerthen will, als den Boden, auf dem seine
rastlose Thätigkeit ihre reiche Erndte bringen soll; sie gehen und kom-
men sich in bestimmten Zeiträumen periodisch immer wieder erneuernd,
und die Abreisenden überlassen den neuen Ankömmlingen das Feld
zur weiteren Ausbeutung. Da sie aufserordentlich sparsam leben, we-
nig für ihre eigenen Bedürfnisse brauchen, gelingt es ihnen auch mei-
stens nach einer Reihe von Jahren mit einem mehr oder minder gro-
[sen Vermögen in die Heimath zurückzukehren. Nur wenige giebt es,
die nicht dies als das Endziel ihrer Mühe erachten, sondern die Tage ihres
Alters hier in der Fremde unter einer Bevölkerung, die sie gewisser-
maalsen verachtet, beschliefsen wollen.
XIV.
Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten.
Von H. W. Dove.
Durch die Polar-Expeditionen der Engländer und Amerikaner
wissen wir, dafs die Küsten der Baffinsbay nirgends mit dem ameri-
kanischen Festlande zusammenhängen, dafs diese Bay vielmehr auf
ihrer Westseite durch drei Verbindungswege mit dem Polarmeer zu-
sammenhängt, in welches der Macquenzie mündet. Der nördlichste,
der Jones-Sund, trennt das durch den Smith-Sund von Grönland ge-
schiedene Grinnell-Land und Nord-Lincoln von dem Parry’schen Ar-
chipel der Inseln North Devon, Cornwallis, Melville und Patrick, der
mittlere, dargestellt durch den Lancaster-Sund, die Barrow-Strafse, den
Melville-Sund und die Banks-Stralse, trennt diesen Archipel von dem süd-
licher gelegenen Franklin’schen Archipel, unter welchem ich die Cock-
burn-Inseln, North Somerset, Prince of Wales Land, Prince Alberts
Land und Banks Land verstehe, so dafs die Hudsons-Strafse und Bay,
der Fox Channel, die Fury und Hecla-Strafse, der Golf von Boothia,
die Bellot- Strafse, die Vietoria-Stralse, die Dease-Stralse und die Co-
ronation Bay erst den amerikanischen Continent nach Norden hin be-
grenzen. Die am weitesten nach Norden ragenden Punkte dieses Con-
tinents: Point Barrow, Cap Bathurst und die Nordspitze von Boothia
Felix an der Bellot-Strafse liegen daher unter einander und mit dem
Nordeap in Europa in nahe gleicher Breite, während der asiatische
Continent nur im Cap Taimyr und Tscheljuskin bedeutend höher hin-
aufreicht.
Die mit zunehmender Breite erfolgende Wärmeabnahme läfst sich
in den verschiedenen Continenten daher bis nahe zu demselben Breiten-
kreise hin fesstellen. Je mehr Punkte an dieser Grenze bestimmt sind,
desto sicherer werden die Schlüsse über die weiter hin erfolgende Ver-
theilung der Wärme in den Gegenden, welche directen Beobachtungen
unzugänglich sind. Nur Grönland greift über diese Grenze weit genug
hinauf und herunter, um die Wärmeabnahme vom 60. bis nahe zum
80. Parallel feststellen zu können. Für Amerika leisten dies die dem
Continent vorliegenden Inseln, für welche durch die Polar-Expeditio-
nen ein reiches Material vorhanden ist. Aber diese standen bisher
ziemlich unverbunden da, indem die älteren Land-Expeditionen von
Zn
|
Ueber die» Wärmeabnahme in höheren Breiten. 367
Franklin und Back, die‘neueren Reisen von Rae und Richard-
son ausgenommen, die einzigen Anknüpfungspunkte an die südlicher
gelegenen Forts der Hudsonsbay-Compagnie und die wenigen sicher
bestimmten canadischen Stationen bildeten.
Die Annahme, dafs der sogenannte amerikanische Kältepol in die
Breite von 73° bis 74° in die Barrow-Strafse falle, gründete sich auf
die älteren Beobachtungen der Expeditionen von Parry und Ross.
Da die Sommerwärme auf der Winter- Insel und Igloolik im Fox Chan-
nel sich niedriger ergab als auf der Melville-Insel, so schlofs man ohne
Weiteres, dafs besonders im Sommer hier die Wärme nach Norden hin
zunehme. Dafs die ‚Veränderlichkeit des Klima’s, darunter verstanden
die Abweichungen einzelner Jahrgänge von den aus vielen Jahren be-
stimmten mittleren Werthen, so grofs werden könne, dafs der Sommer
in einem bestimmten Jahre in einer südlicheren Breite kälter ist als
der eines anderen Jahres in einer höheren Breite, versteht sich von
selbst. Bei der Entwerfung der Monats-Isothermen in ihrer ersten
Darstellung, bei welcher nur jenes ältere Material benutzt werden
konnte, habe ich mich nicht berechtigt gehalten, das durch die Erfah-
rung Gegebene zu modificiren, aber aus den wenigen Anhaltspunkten
geschlossen, dafs sämmtliche Isothermen ihre concave Seite hier nach
Norden kehren, und die Gestaltänderung in der jährlichen Periode so
aufgefafst, dafs die kälteste Stelle vom Winter zum Sommer hin hier
sich nach Osten bewegt, wofür die Richtung des aus der Baffinsbay
herabkommenden eisführenden Stromes aulserdem entschieden spricht.
Diese Darstellung war eine hypothetische, weil damals die Wärmever-
theilung im nördlichen Grönland vollkommen unbekannt war, sie schlielst
aber schon die später ohne alle Kritik aufgestellte Behauptung einer
in diesem Gebiet erwiesenen Ueberschreitung eines Kältepols und dar-
auf gegründeten Versicherung des Vorhandenseins eines mit erheblich
höherer Temperatur begabten, permanent eisfreien, zugänglichen Polar-
beckens aus, in welches Franklin gelangt sein sollte und welches
von Neuem zu erreichen daher die bei seiner Aufsuchung gestellte Auf-
gabe sei. In der „Verbreitung der Wärme auf der Oberfläche der Erde.
Berlin 1852. 4.“ habe ich $. 13 die Temperatur. des Nordpols im Juli
zu —0°.6 bestimmt, eine. Wärme über dem Frostpunkt des, Meerwas-
sers, in der Breite von 80° die Wärme der drei Sommermonate zu
— 0.8, 0.9 und 0.1. Daraus geht hervor, dafs in den Sommermonaten
eine zusammenhängende Eisdecke hier unwahrscheinlich ist, weil die
Temperatur des der freien Insolation ausgesetzten Meeres an sich schon
höher ausfallen mufs als die im Schatten bestimmte Lufttemperatur,
und zwar natürlich desto unwahrscheinlicher, je weniger sich die freie
Bewegung des Meeres hemmende Inseln über die Oberfläche dessel-
368 H. W. Dove:
ben erheben, aber noch unwahrscheinlicher ist ein stets offenes Meer,
wenn man berücksichtigt, dafs aus denselben Daten die mittlere Jahres-
wärme des Pols —13°.3 ist, unter 80° Breite noch —11°.2. Dals
die letzten Gründe der verwickelten Gestalt der Isothermen in der Con-
figuration des Festen und Flüssigen zu suchen seien, habe ich dadurch
gezeigt, dals die Isanomalen sich dieser im Grofsen und Ganzen ent-
schieden anschliefsen. Eine stete Berücksichtigung derselben ist daher
auch da nothwendig, wo es sich darum handelt, innerhalb eines klei-
neren Gebietes von den scheinbar localen Anomalien sich Rechenschaft
zu geben.
In Beziehung auf die arktischen Gegenden der neuen Welt kann
man in dieser Beziehung folgende besondere Fälle unterscheiden:
1) Das Festland endet nach Norden plötzlich an einem inselfreien
Polarmeer.
2) Es liegt ihm eine durch mannichfache Wasserstralsen getrennte
Inselwelt vor.
3) Diese Wasserstrafsen ziehen ohngefähr in der Richtung der Me-
ridiane und gestatten also, die Wärmeverbreitung der Luft auf
einer wenigstens zeitweise flüssigen Grundfläche zu untersuchen.
4) Ein festes Land bildet in dieser Richtung den Uebergang aus der
gemälsigten in die kalte Zone.
Der erste Fall verwirklicht sich an der Westseite des amerikani-
schen Continents, der vierte in Grönland, während der zweite und
dritte dazwischen fallen.
Die am Kwihpack in Ikogmut von Netzvetof angestellten und
von Wesselovski berechneten Beobachtungen und die von Richard-
son am Yukon erhaltenen bilden ein continentales Verbindungsglied
zwischen Point Barrow am Eismeer, an welchem die Mannschaft des
Plover zwei Jahre hindurch stündliche Beobachtungen anstellte, und
Sitcha am Stillen Ocean, dessen Wärme durch zwanzigjährige Beob-
achtungen sicher festgestellt ist, während die im Kotzebue-Sund er-
haltenen ein mit dem Yukon in gleicher Breite liegendes Verbindungsglied
am Meere bilden. Hier läfst sich also der Einflufs eines von Eis gröfs-
ten Theils bedeckten und eines eisfreien Meeres im Gegensatz einer
eontinentalen Lage scharf bestimmen. Die folgende Tafel enthält die
Ergebnisse dieser Beobachtungen (Grade Reaumur).
u Pe nn a u nn
Veber die Wärmeabnähme’in''höheren Breiten. 369
| | | |
Point Kotzebue- | | Port Cla-| ..
RL Sund Yukon | Ikogmut | 2 0% | Sitcha
|
Breite [371° 217 |66° 58° | 66° | 610 47° | 600 a5 |57° 3°
Länge 156 17 1165 7 |...147 ‚161 14 165 y48 18
[
Januar —22.55 | —19.56 | — 26.16 | —13.20 | — 19.19 | —0.01
Februar — 24.24 | —21.11 | — 25.97 | —16.00 | —13.89 0.49
März —20.7511-— 16.89 1 19.181 — 13.29 1. — 12.18 1.46
April — 12.67 — 1.18 —8.60 —3.79 —9.11 3.61
Mai —9.28 —0.89 4.11 0.70 0.32 6.45
Juni 0.12 2.01 9.59 7.33 | 3.74 8.85
Juli 1.88 8.02 15.00 8.52 7.92 10.45
August 2.85 9.31 12.40 7.23 6.08 10.60
September] —.2.68 2.84 2.96 5.08 3.86 8.45
October —13.25 —3.11 —4.62 —2.04 —4.17 9.58
November | —18.00 | —13.67 | —17.98 | —8.48 | —13.93 2.86
December | —20.10 | —11.89 | —22.41 | —11.67 | —14.09 0.34
Winter —22.30 | —17.52°| —24.85 | —13.82 | —15.72 0.44
Frühling | —12.90 —8.52 — 17.89 — 9.46 —6.94 3.84
Sommer 1.62 5.45 12.32 | 7.76 5.99+1n09.97
Herbst —11.32 —4.65 —6,55 | —1.81 —4.75 | 3.63
Jahr — 11058 - 68121 —6 MAL — 3,8301 -—5.37 4.97
Man ist nach den Erfahrungen niederer Breiten gewöhnt, den Ein-
flufs der Meeresnähe auf die Temperatur darin zu suchen, dafs die
Winterkälte in noch höherem Grade gemildert werde, als die Sommer-
wärme abnimmt, auch spricht sich in der That dies in der Temperatur-
eurve von Sitcha sehr deutlich aus. Wie anders verhält sich hier das
Polarmeer, dessen Eismassen im Winter. ihm den continentalen Cha-
rakter aufdrücken, während ihr Schmelzen in der heifseren Jahreszeit
so viel Wärme beansprucht, dafs die auf dem Festlande hervortretende
an der Küste wie abgeschnitten erscheint. Der Winter von Point Bar-
row und Yukon unterscheidet sich wenig, während der Juli dort 13 Grad
kälter ist. Gerade das Entgegengesetzte zeigt sich, wenn wir Ikogmut
mit Sitcha vergleichen, ihre Sommer unterscheiden sich nur um 2 Grad,
ihre Winter um 14, wodurch sich erläutert, dafs der Kotzebue-Sund
an der Verbindungsstrafse beider Meere die Mitte hält.
Ganz anders sind die Verhältnisse an einer ununterbrochen nach
Norden hin verlaufenden Küste, wovon Grönland den Beleg giebt. Hier
ist die Temperatur- Abnahme das ganze Jahr hindurch eine viel gleich-
artigere, nur mit dem Unterschiede, dafs die gröfseste Kälte sich desto
mehr verspätet, je länger die Winternacht anhält, in welcher die Erde
nur durch Ausstrahlung Wärme abgiebt, ohne durch Insolation etwas
zu empfangen.
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 24
370 H. W. Dove:
Hafen helm Sun | Upernivik | Godthaab | Lichtenau
Breite 78° 37° | 76° 30' |; 720 48' | 64° 10' | 60° 22’
Länge 70 40 | 68 56 55 40 52 24 | 45 40
Januar —2USDEL- 25806 - 190 — 8172 —4.37
Februar — 26.40 | —29.34 | —22.4 — 8.64 —12.92
März —30.36 | —21.99 | —18.6 ran 320%
April — 19244. 15,894 -— 130 —4.44 0.67
Mai —8.49 — 208 — 26 0.07 3.51
Juni 1.25 3.43 1.9 3.15 5.75
Juli 22H 3.79 33 4.41 6.43
August 0.17 | 0.75 2.9 3.93 6.08
Septemberj —8.23 —2.33 —0.5 1.62 4.10
October —16.44 —9.19 —ı, —0.96 1.03
November | —24.45 | —22.49 —9.7 —4.47 —1.91
December | —28.39 | — 26.25 | —17.2 —6.45 —4.32
Winter a anel — 26r 19ER —17.94 —4.20
Frühling —19Rha- — 1341 — 110 —3.89 0.71
Sommer 0.55 2.66 2.70 3.83 6.09
Herbst — 16.8721, —- 1134 —auB rl 1.07
Jahr —15.64 | 1280 —8.89 —2.32 0.92
Verwickelter werden sich die Verhältnisse darstellen, wo eine
Inselgruppe dem Continent nach Norden hin vorliegt. Hier kommt es
natürlich auf die herrschende Windesrichtung an, ob eine bestimmte
Küste dem Einflufs des sie bespülenden Meeres ausgesetzt sein wird,
oder ob umgekehrt sich der Einflufs des Landes weiter hinaus auf die
See hin erstrecken wird. Sowohl aus den Beobachtungen der älteren
als der neueren Polar-Expeditionen geht entschieden hervor, dafs die
vorherrschende Windesrichtung im ganzen Parry’schen Archipel auf die
Nordwestseite fällt. Für die Ueberwinterungsstellen desselben bildete
aber bisher der Victory-, Sheriff- und Felix-Hafen auf Boothia Felix
die einzige Möglichkeit, das Klima dieser polaren Inselwelt mit dem
Festlande zu verbinden. Ob aber diese Halbinsel, dem Einflufs des
polaren Meeres mehr entzogen, bereits einen continentaleren Charakter
annähme, hing davon ab, ob das nach Nordwest hin vorliegende Prince
Wales Land in der That mit Vietoria Land und Prince Albert Land
zusammenhinge oder nicht. Durch die im Jahre 1859 erschienene
„Voyage of the Fox in the Arctic Seas, a Narrative of the Discovery
of the Fate of Sir John Franklin and his Companions by Captain
M‘“Clintock“ ist aber erwiesen, dafs Prince Wales Land eine durch
den M‘Clintock-Canal von Vietoria Land getrennte Insel ist, wodurch
also die Westküste der Boothia-Halbinsel dem Einflufs der Eismassen
Teber die Wärmeabnahme& in höheren Breiten. 371
des Melville-Sundes viel direeter ausgesetzt wird, als es sein würde,
wenn dieser allein durch den Peel-Sund vermittelt würde. Diese Reise
ist daher nicht allein dadurch wichtig, dafs sie den lange gesuchten
Aufschlufs über das Schicksal der Franklin’schen Expedition giebt, und
zugleich feststellt, dafs die südliche Nordwest-Durchfahrt bereits von
Franklin entdeckt wurde, sondern auch dadurch, dafs sie unsere geo-
graphischen Kenntnisse wesentlich ‚erweitert.
Der Bericht des Capitain M‘Clintock enthält nicht das Journal
der mit Normal-Instrumenten des Kew-Observatoriums angestellten
Beobachtungen. Dieses ist aber in der „Fourth Number of Meteorolo-
gical Papers published by Authority of the Board of Trade 1860* er-
schienen, mit einleitenden Bemerkungen des Admirals Fitzroy, dessen
Güte ich die Mittheilung desselben verdanke. Ich habe die Monats-
mittel der Temperatur berechnet und die Mittags- Beobachtungen ver-
mittelst der stündlichen Beobachtungen an dem unter nahe gleicher
Breite mit Port Kennedy liegenden Point Barrow auf wahre Mittel re-
dueirt. Port Kennedy liegt aber am Eingang der Bellot-Strafse, also
an der nördlichsten Spitze des amerikanischen Continents.
Beginnen wir mit dem westlichsten Theile des Archipels, so liefert
die Reise von Mac Clure zwei Stationen auf der Südseite des Mel-
ville-Sundes, nämlich Mereybay und Prince Wales-Strafse bei Banks-
land, denen sich die Melville-Insel und Dealy-Insel an seiner nörd-
lichen Seite anschliefsen. Die Stelle, wo der Resolute und Intrepid in
der Barrow-Strafse verlassen wurden, die Griffiths-Insel, Assistance-
Bay auf Cornwallis, die Beechey-Insel am Eingang des Wellington-
Canals bestimmen die Temperatur der Barrow-Stralse, während die
Penny-Strafse und der Wellington-Canal durch die Stationen der Bel-
cher’schen Expedition, Northumberland-Sund und Disaster-Bay, be-
zeichnet werden, als deren Fortsetzung nach Süden die Stationen in
Prince Regents Inlet, nämlich Port Leopold, Battybay auf North So-
merset und Port Bowen auf Cockburn Island angesehen werden kön-
nen, an welche sich wiederum die des Boothia-Golfs und Fox Channel,
nämlich Port Kennedy, Boothia Felix, Igloolik, Winter-Insel und Fort
Hope anschliefsen. Ich lasse diese Stationen in den folgenden Tafeln
_ in derselben Reihe wie alle bisherigen Beobachtungen in Reaumur-
schen Graden ausgedrückt hier folgen:
24*
372 H. W. Dove:
Melville- Sund.
Sen Br Merceybay | Melville ram
Breite 720 a7 | 749 6 | 740 A7' | 749 56
Länge 117 44 |117 54 110 48 |108 40
Januar —28.64 | — 30.01 | —29.30 | — 30.15
Februar —30.97 | —28.54 | —30.50 | —28.08
März —27.03 | —26.09 | — 25.31 | — 23.96
April —16.31 | —15.98 | —17.24
Mai —5.85 | —967 | —6.77
Juni 1.82 —0.22 4.87
Juli 2.46 2.11 4.64
August 2.22 1.50 0.27
September —5.24 | —4.17 —4.21
October — 14.32 | —14.58 | —13.9 | — 14.76
November | —18.75 | —21.16 | — 23.37 | —19.93
December | —24.61 | —24.46 | — 26.24 | —25.99
Winter —28.07 | —27.67 | — 28.68 | — 28.07
Frühling —16.40 | —17.25 | —16.44
Sommer 2.17 A 2.26
Herbst en Pa BEE = 21.1
Jahr | —13.78 | ey,
Barrow-Strafse und Wellington-Canal.
Barrow- | Griffith- |Assistance-) Beechey- | Disaster- N EaUEET
Stralse Insel Bay Insel Bay 3 ni
und
Breite 24° ar’ | 74° 40 | 7a 1a | 7a 5 | 750377 | 76% 52°
Länge 101 22 95 01117 54 91 15 92 10)|97 0
Januar —30.53 | — 28.00 | — 27.11 | — 28.23 | —30.83 | — 32.00
Februar — 32.50 | —28.67 | = 27.47 | — 25.43 | — 32.11 | 21:08
März —28.42 | —25.64 | —24.18 | —19.99 | —27.93 | —22.09
April —141.06 | —17.47 | —15.64 | —13.41 | —12.07 | —18.04
Mai —10.24 —8.84 —5.78 | —10.07 RB
Juni | 0.12 | 1.02 | 2.18 —1.82 —0.96
Juli | 2.58 3.29 | 2.31 1.64
August 1.60 1.11 | 4.86 0.80
September| —6.28 — 4.76 —6.01 —6.06 — 6.00
October —12.42 | —14.49 | —13.56 | — 12,89 —9,99 | —14,84
November | —23.19 | —17.56 | —17.20 | —19.417 | —22.37 | —17.16
December | — 27.75 | —24.40 | —23.73 | —27.47 | —26.70 | — 30.00
Winter — 30.26 | —27.02 | — 26.10 | — 27.04 | —29.88 | —29.79
Frühling — 417.78 | —16.22 | —43.06 | —16.69 | — 15:94
Sommer | 1.73 2.19 0.78 0.49
Herbst —13.96 | — 11.84 | —12.69 | —13.01 | —12.67
Jahr —13.11 | —12.67 | —14.55 | —14.48
E
#
Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten.
Prince Regent Inlet.
Port Port Battyb Port
Leopold Bowen suynay Kennedy
— oo
Breite 73° 50' | 73° 44’ | 273° 12’ | 72°
Länge 90 20 83 56 | 91 10 94 10'
a 1 Er EEE Te 1
Januar — 30.09 | —27.07 | —23.08 | —29.91
Februar —29.87 | — 26.37 | — 22.31 | —29.95
März —24.36 | — 26.83 | —21.78 | — 21.65
April —18.67 | —17.41 | —13.27 | —16.13
Mai —6.41 — 17.69
Juni 1.83 2.39
Juli 2.02 9.74
August —0.65 0.43
September —2.72 —9.18 3.62
October —9,91 — 9.40 | — 10.43 —9.55
November | —20,67 | —16.44 | —19.23 | —18.76
December | —24.36 ! —22.69 | —21.09 | _28.84
Winter —28.11 | —25.38 | — 22.15 | —29.33
Frühling — 106.78 — 15.16
Sommer 1.07 2.85
Herbst —9.52 | — 11.28 | — 10.64
ET
Jahr |
| —12.65
—13.07
Boothia- Golf und Fox Channel.
ne u ER EEE a es Et,
en Te ea ge Tame Yardoiagerkzr eite
Länge
TE Er anuar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
October
November
December = #5
Winter
Frühling
Sommer
Herbst
Jahr
Boothia
Felix
- e
—26.97
— 18.45
—26.97
— 15.37
— 1.27
0.96
4.12
2.97
—2.93
—10.19
—16.63
—24.19
— 26.54
— 16.54
2.98
—9.92
Igloolik
69° 21’
32 2
—21.39
ar)
— 22.67
— 14.60
—3.05
0.07
3.15
0.81
—3.07
—8.12
—22.52
—26.78
—23.70
— 13.44
1.34
—11.23
Winter-
ER Dad sa LITE Pa RE
66° 11’
8 11
—24.52
— 24.88
— 18.99
—11.34
—3.87
0.51
1.49
2.16
—0.17
—8.33
— 10.72
—20.55
—23.32
—11.40
1.39
—6.41
Fort Hope
62° 32°
86 Sa er ae er
—27.25
— 26.08
— 26.71
— 15.98
—6.28
—0.28
4.20
6.62
—1.52
— 38.64
—13.92
—22.79
—25.37
—16.32
3.51
—8.03
|-.. 58 Jane [1258| uns| 000 —uns 11,75 | __ 9,94 | 411.55
374 H. W. Dove:
Die nördlichsten Stationen Renselaer-Hafen, Northumberland-Sund,
Disaster-Bay, von 784° bis 754° nördlicher Breite, haben eine Sommer-
wärme von 0°.55,:0°.49, 0°.79, und ein Jahresmittel von —15°.64,
—14°.48, —14°.55. Dies ist die niedrigste Sommerwärme und das
niedrigste Jahresmittel, welches überhaupt auf der Erde bekannt ist,
denn die bei Spitzbergen und auf dem Grönländischen Meere in 79°
50’ erhaltenen Temperaturen der drei Sommermonate waren 1°.69,
3°.60, 2°.71, das Sommermittel also 2°.67.
Wie dies mit der Behauptung zu vereinigen ist, dafs mit dem
Fortschreiten nach Norden im amerikanischen Polarmeer ‘die Sommer
wärmer werden, verstehe ich nicht, eben so wenig wie man bei Beur-
theilung der Temperatur einzelner Stationen die Lage derselben voll-
kommen unberücksichtigt lassen konnte. Der Sommer der Mercybay,
nach Nordwest hin der Einwirkung der Banks-Strafse ausgesetzt, ist
über einen Grad kälter als der der Prince Wales-Strafse, welche durch
das Banksland dieser Wirkung mehr entzogen ist. Der Winterhafen,
in welchem Parry auf der Melville-Insel überwinterte, liegt auf der
Südostseite derselben, also durch diese Insel und die Patrick-Insel nach
Nordwest hin dem Einfluss des Meeres entzogen. Darf man sich nun
wundern, dafs hier der Sommer wärmer, dafs die Thierwelt und Ve-
getation kräftiger entwickelt, und dafs dasselbe von der Nordwestseite
des Litton-Golfs gilt? Der Sommer der Melville-Insel, 2°.26, ist da-
her nahe gleich dem der Prince Wales-Stralse, 2°.17.
Die Temperatur des Meerwassers war im Jahresmittel im Northum-
berland-Sund —0°.9, im Winter nämlich —1°.33, im Sommer — 0°.32,
und nur im wärmsten Monat erhob sie sich über den Nullpunkt um
0°.02, während im Melville-Sund das Meerwasser im Juni 1°.07, im
Juli 1°.26 erreichte. Das Wasser der Cornwallis von North Devon
trennenden Penny-Stralse ist also kälter als das der grolsen, nach der
Baffinsbay führenden Verbindungsstrafse, welche den Hauptweg für die
aus dem Polarmeer treibenden Eismassen bildet. Der freien Wirkung
der über die Penny-Stralse strömenden Nordwestwinde ausgesetzt, muls
daher die Westküste von North Devon eine permanente Abkühlung er-
fahren, wodurch die Sommerwärme verhindert wird, sich beträchtlich
über den Frostpunkt zu erheben.
Dem selbst in den Wintermonaten, wenn auch langsam, erfolgen-
den Drängen der Eismassen nach Süden mag es zuzuschreiben sein,
dafs wenn in einem bestimmten Jahre eine jener Verbindungsstrafsen
sich frei zeigt, sie in einem anderen vollkommen gesperrt ist. In dem
Verlauf der Küste in Beziehung ‚auf die herrschende Strömung des
Wassers, in der Richtung, in welcher die Fluthwelle sich dem Lande
nähert und die Ebbe sich von ihm zurückzieht, in der steilen oder all-
Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten. 375
mählichen Neigung des Meeresbodens mögen die Gründe zu suchen
sein, warum wie an der St. Patrick-Insel die gröfseren Eismassen erst
in einer bestimmten Entfernung die Küste wallartig umsäumen oder
bei Steilküsten sich unmittelbar an das Land anlegen, warum ferner
gewisse Stralsen fast stets verstopft sind, während andere viel häufiger
sich offen zeigen. Das Aussehen der Eismassen des M‘Clintock-Canals
deutete auf eine so alte Verstopfung, dafs M‘Clintock es für un-
möglich hält, dafs Parry’s Schiffe diesen Weg gewählt haben können,
um die Stelle zu erreichen, wo sie im April 1848 verlassen wurden, er
glaubt daher, dafs ihre Fahrt durch den Peel-Sund erfolgte. Dies würde
erläutern, warum in den Temperaturcurven dieser Gegenden einzelne
Jahrgänge sich erheblich unterscheiden können, und warum an be-
stimmten Stellen locale Anomalien in der Temperaturverbreitung her-
vortreten, die eben als Anomalien aufzufassen sind und nur zu allge-
meineren Schlüssen berechtigen, wenn die Gestalt der Isothermen durch
mehrere, übereinstimmende Abweichungen zeigende Stationen sich fest-
stellen lälst. Zu welcher Klasse der Anomalien, zu zeitlichen oder
localen, die Temperaturverhältnisse der Winter-Insel gehören, wage
ich nicht zu entscheiden. In der vierzehnjährigen Beobachtungsreihe
von Godthaab in Grönland war der Sommer von 1843 1°.13 wärmer
als gewöhnlich, im Jahre 1819 hingegen 2°.38 zu kalt. Soll man für
Igloolik und Winterhafen einen geringeren Spielraum der Veränderung
annehmen? Dies würde sich nicht rechtfertigen lassen, da Rae in
verhältnifsmäfsig geringer Entfernung in zwei auf einander folgenden
Jahren so verschiedene Temperaturen im Frühjahr fand, dafs er gerade
die Veränderlichkeit als bezeichnend für diese Gegenden hervorhebt.
Aber eben so möglich ist, dafs Igloolik und die Winter-Insel sich zu
Port Kennedy und Port Bowen wie in Nowaja Semlja die Karische
Pforte zu Matoschkin Schar verhält, wo, weil hier das Eis dichter
treibt, der Sommer an der südlicheren Station kälter ist als an der
nördlicheren.
Von dem Bewegen der Eismassen selbst im Winter haben die
neueren Beobachtungen die auffallendsten Belege geliefert. Die dem
Beobachtungsjournal von M‘Clintock beigegebene, dem Cornhill Maga-
zine entlehnte Karte enthält den Lauf des am 14. August 1857 vom
Eise nördlich vom Lancaster-Sunde an der grönländischen Küste ein-
geschlossenen und bis zum 23. April 1858 in die Breite von Godthaab
in der Mitte der Baffinsbay nach Süden forttreibenden Schiffes, eine
Erscheinung analog der, welche Kane in der „U. $. Grinnell Expedi-
tion in Search of Sir John Franklin“ lebendig beschrieben hat, dessen
Schiff vom Januar bis Juni von der Mündung des Lancaster-Sundes
bis Disco in der Baffinsbay vom Eise umschlossen getrieben wurde,
376 H. W. Dove:
nachdem es mit kurzer Unterbrechung eine ähnliche Fahrt vom Wel-
lington-Canal aus bereits gemacht hatte.
M‘Dougall’s „Eventful Voyage of H. M. Discovery Ship Resolute
to the Arctic Regions in Search of Sir J. Franklin 1852 — 1854* ent-
hält auf der beigegebenen Karte den wahrscheinlichen Lauf des am
15. Mai 1854 am Eingang des Melville-Sundes südlich von Cornwallis
verlassenen Resolute durch die Barrow-Strafse und den Lancaster-Sund
bis zu der Stelle, wo es am 10. September 1855 an der Westküste
der Baffinsbay in 68° Breite aufgefunden wurde.
Ich habe aus den Journalen der beiden Schiffe der Expedition von
Grinnell und M‘Clintock das Mittel genommen, und daraus für die
Luftwärme der Baffinsbay folgende Werthe erhalten:
Baftinsbay
Lancaster- Mittel
Sund 7 I
Kane |M‘Clintock
Januar anregen er
Februar — 27.354|1=21.08,)1-— 29.22
März — 21.82 | —16.10 | — 18.96
April —10.69 | —11.02 | —10.86
Mai —5.29 —1.88 38
Juni 1.22 ı 1.47 1.35
Juli 1.75 2.38 4.15 2.76
August 1.33 1.71 2.11 1.72
September | —4.53 | —470 | —4.62
October —ktenl —11.69 | —12.50
November | —17.62 — 1643 1716,88
December | —20.80 —23.66 | —22.23
Winter —23.30 | —23.31 | —23.31
Frühling — 12.60 —9,67 | —11.13
Sommer 4.77 2.58 1.94
Herbst —11.82 | — 10.84 | —11.33
Jahr | —10.31 |] —10.96
Die hier sich ergebenden niedrigen Temperaturen zeigen hinläng-
lich, welchen weit nach Süden hin abkühlenden Einflufs das Polarmeer
äufsert. Die Wirkung dieses eisführenden Stromes läfst sich der Wir-
kung einer Quelle in höheren Breiten vergleichen, welche, wenn sie
in Island hervorbricht, hier durch ihr niedriges Jahresmittel alle Ve-
getation ertödtet, die sich vor ihr geschützt in dem kurzen Sommer
freudig entfaltet hätte.
Um das Polarbecken nach allen Seiten hin so viel wie möglich
mit Stationen zu umsäumen, füge ich auf der Seite des alten Continents
noch die folgenden Stationen hinzu. Die Länge von Greenwich ist
hier östlich.
Ueber die Wärmeabnahme in höheren Breiten. 377
Hammer- Karische | Taimyr- t N. Ko-
fest Be, Pforte Bud | an lymsk
Breite 70° 40' | 69° 58’ | 70° 37’ | 71° 5’ | 70° 55’ | 68° 32
Länge 23 46 | 23 34 | 57 44 |118 20. |138 24 |160 56
Januar —422 | —6.12 | — 15.50 —31.45 | —29.08
Februar —4.35 | —7.36 | —19.18 — 3046 |.—25.71
März —2.54 | —5.27 | —18.98 —22.03 | —22.23
April —0.08 |; —1.05 | —12.83 —14.45 | —8.46
Mai 2.46 316 | —644 | —7.34 | —-6.99 | —0.65
Juni 6.18 7.00 0.42 1.53 2.65 6.87
Juli 9.44 9.89 1.91 | 7.47 9.18
August 8.26 9.91 2.45 8.49 TAT
September 5.71 5.35 1 —0.88 | —1.31 —2.00 | —4.,80
October 1.80 | —0.02 | —5.22 | —5.80 | —15.21 | — 12.50
November | —0.36 | —3.28 | —12.78 —24.06 —17.89
December| —3.45 ı —4.50 | —8.70 —28.93 | —23.90
Winter —4.01 —5.99 | — 12.79 —30.18 | — 26.23
Frühling —0.05 | —1.05 | —12.75 —14.49 | —10.45
Sommer 7.96 8.93 1.59 5.83 6.53 |
Herbst 2.38 0.68 | —6.30 —20.63 | —11.73
Jahr | 1.57 0.64 | —7.56 | —12.97
An den nördlichen Grenzen der drei Continente sind die Tempe-
raturverhältnisse in den einzelnen Abschnitten des Jahres daher sehr
verschieden. Das ganze Jahr hindurch ist die Nordspitze von Europa
zu warm, der Ueberschuls besonders bedeutend im Winter, aber noch
unverkennbar im Sommer. In Nowaja Semlja bleibt der Winter noch
milder als in Ost-Asien und Amerika in gleicher Breite, nicht aber
der Sommer. In Ost-Asien ist der Winter erheblich zu kalt, aber der
Sommer zu warm. In Nord-Amerika endlich fällt das ganze Jahr
unter den mittleren Werth der entsprechenden Breiten.
Kane fand den Smith-Sund durch eine Eismauer vollständig ge-
sperrt, welche das von seinem Begleiter gesehene offene Meer von der
Baffinsbay trennte. An der amerikanischen Seite ist der Eiswall nie durch-
brochen, durch M‘Clure die nordwestliche Durchfahrt nur dicht an der
Nordküste Amerika’s vollführt worden bis zu einer Stelle, welche von
Ost her in günstigen Jahren erreichbar ist. Parry’s Vordringen nach
Norden von Spitzbergen aus wurde dadurch unmöglich, dafs die Eis-
massen, welche er überschreiten wollte, nach Süden trieben. Die Ge-
heimnisse der Polarwelt sind daher noch unerschlossen, aber die Tem-
peraturverhältnisse machen es wahrscheinlich, dafs die von Europa aus
zu unternehmenden Fahrten geringeren Schwierigkeiten begegnen wür-
den, als die bisher unternommenen. Schon ein einziger Jahrgang Be-
obachtungen von Spitzbergen würde eine wesentliche Lücke in unseren
klimatischen Kenntnissen ausfüllen.
378
Miscellen.
Der nordöstliche Theil des Gouvernements Nishne
Nowgorod.
Ueber den nordöstlichen, von der Wolga und der Wetluga eingeschlossenen
Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod, der, weil er von allen Verkehrs-
stralsen weit ab liegt, nur sehr wenig bekannt ist, hat Herr Archangelski dem
Wjästnik der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft eine ausführliche Abhandlung. ') ein-
gesandt, welche uns besonders deshalb interessant gewesen ist, weil sie die be-
deutende Verschiedenheit zwischen den auf dem linken und den auf dem rechten
Wolgaufer gelegenen Theilen des Gouvernements hervorhebt. Es scheint fast, als
ob eine so unbedeutende, aber fortlaufende Erhebung, wie die des rechten Wolga-
Ufers, inmitten eines ausgedehnten Flachlandes eine sehr bemerkenswerthe phy-
sische Grenze bilden kann. Für unsern Zweck wird es genügen, wenn wir den
wesentlichen Inhalt der Abhandlung in Kürze zusammenstellen.
Von den am rechten Wolgaufer gelegenen Theilen des Gouvernements, be-
merkt der Verfasser, unterscheidet sich das hier in Rede stehende Gebiet in we-
sentlichen Punkten, und man kann sagen, dafs, je mehr man sich von der Wolga
nach NO. entfernt und sich den Urwäldern der Grenzdistriete nähert, desto mehr
auch die Cultur des Bodens und die Civilisation der Bewohner abnimmt.
Im Centrum dieses Gebiets liegt das Kirchdorf Pokrowskoje, das zum Kreise
Makariew gehört. Es ist nur von einigen kleinen Feldern und im SO. von den
Wiesen an der Ljunda umgeben, die sich in die Wetluga ergielst; schon in ge-
xinger Entfernung erheben sich überall dichte Wälder. Der Charakter dieses
Gebiets ist so rauh und unfreundlich, dafs cs von den Bewohnern der Berg-
seite, d. i. des rechten Ufers der Wolga, schlechtweg Sibirien genannt wird. Wo-
hin man blickt, überall sieht man nur Wald und Wald, der, von höher gelegenen
Punkten betrachtet, in den verschiedensten Tinten bis in weite Ferne sich ab-
stuft und zuletzt wie ein Nebel mit dem Horizont verschwimmt. In dieser Wal-
dung liegen oasengleich und erst dann sichtbar, wenn man unmittelbar vor ihnen
steht, die spärlichen Dörfer mit ihren kleinen Ackerfeldern zerstreut, alle höchst
einförmig, mit dem einzigen Unterschiede, dafs einige auf höheren, andere auf
niedrigeren Stellen des Waldes angelegt sind.
Abgesehen von den sumpfigen Niederungen ist der Boden im Allgemeinen
sandig und besitzt‘ selbst zur Erzeugung einer dürftigen Vegetation nur spärliche
Mittel. Ein mageres, weitläuftig stehendes Gras, das während des Sommers in der
Schwüle, welche sich in dem Walddickicht ansammelt, bald verwelkt, entspriefst
dem dürftigen Erdreich, und selbst die der Ueberschwemmung ausgesetzten Stellen
ermangeln im Sommer eines frischen, zusammenhängenden Rasens. Das Klima
ist von dem der Bergseite so verschieden, dafs man nicht 50 Werst, sondern um
volle 10 Breitengrade nach Norden vorgerückt zu sein glaubt. Im Winter tritt
!) Hsuro 135 BOCHOMHHaHih O0 3ABO.GKCKO-BET.AYSK3SKOH CTO-
ponub unzxeropo AcKOH ryÖepHin. Im Wjästnik 1858, Heft 8.
Der nordöstliche Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod. 379
diese Verschiedenheit nicht so. scharf hervor; desto empfindlicher ist sie im Som-
mer. Die auffallendste Eigenthümlichkeit des Sommerklima’s ist die unerträgliche
Hitze am Tage, und die Feuchtigkeit und Kälte zur Nachtzeit. Sie mag in der
Abwechselung von Sandboden und Sümpfen und in der dichten Waldung ihren
Grund haben. Das unermefsliche Walddickicht, welches von allen Seiten die klei-
nen Oasen umgiebt, auf denen die Dörfer liegen, ist für jeden mäfsigen Wind
undurchdringlich und verstattet ihm nicht, die schwüle Temperatur zu verscheu-
chen. So herrscht auf den kleinen Lichtungen fast immer Windstille, die nur
durch heftige Gewitter mit starken Stürmen dann und wann unterbrochen wird.
Während sich nun bei dieser Windstille auf dem Sandboden in den Dörfern eine
drückende, den Menschen erschlaffende Temperatur entwickelt, steigen mit Sonnen-
untergang aus den Sümpfen feuchte Dünste auf, die bald als dichter Nebel die
ganze Landschaft einhüllen und von einer empfindlichen Kälte begleitet sind. Die-
ser starke Temperaturwechsel ist nicht nur den Gartengewächsen mehr oder min-
der nachtheilig; auch die Gesundheit der Menschen hat darunter viel zu leiden.
Doch sind es nicht sowol die starken Schwankungen der Temperatur während der
täglichen Periode, als die unzeitigen, sehr spätim Frühjahr und früh im Sommer
eintretenden Nachtfröste, welche das Hauptunglück der Bewohner bilden und sie
häufig der dürftigen Ernten berauben, die sie sonst vielleicht dem mageren Bo-
den abringen könnten. Selten bleiben diese zerstörenden Fröste in einem Jahre
ganz aus, aber zum Glück wiederholen sie sich in einem und demselben Jahre
nicht häufig. Die Bewohner, die an diese Unzuverlässigkeit des Klima’s gewöhnt
sind, säen deshalb z. B. den Buchweizen regelmälsig zweimal aus, einmal zur ge-
wöhnlichen Saatzeit, und dann viel später, um wenigstens von einer Aussaat
eine Ernte zu erzielen. So ist es hier mit dem Klima bestellt, während 50 Werst
südlicher, auf der Bergseite der Wolga, Pflaumen und Birnen regelmäfsig reifen.
Auch das Wasser ‚hat in jenem Gebiet eine eigenthümliche Farbe. Es sieht
aus wie stark eingekochter Thee und wird von den Bewohnern des rechten Wolga-
Ufers das „Waldwasser“ genannt. Aber ungeachtet seiner dunkelbraunen Farbe
ist es so durchsichtig, dafs man noch in einer Tiefe von mehr als 7 Fuls auf
Sandboden die Gegenstände deutlich erkennen kann, die auf dem Grunde liegen,
Der Hauptflufs ist die Ljunda, die das Kirchdorf Pokrowskoje auf drei Seiten
umgiebt und nach starken Krümmungen durch Wald und Wiesen 13 bis 15 Werst
unterhalb Pokrowskoje in die Wetluga mündet. Sie treibt viele Mühlen und wird
im Sommer auch zum Holzflöfsen benutzt; aber das letztere Geschäft gelingt
selten, da der Flufs den benachbarten Wald und die Wiesen oft sehr weit, bis
6 Werst weit, überschwemmt, und. die herabgeflöfsten Balken entweder an den
Mühldämmen hängen bleiben oder weit über die Wiesen fortgeführt werden. Auf
den der Ueberschwemmung ausgesetzten Ljunda- Wiesen giebt es viele Seen mit
fast ganz schwarzem Wasser, in denen mancherlei Arten von Fischen, namentlich
Hechte und Barsche vorkommen. Die Fische halten sich aber meist an Stellen
auf, die im Sommer schwer zugänglich sind, so dals zu dieser Jahreszeit ein
Fischereibetrieb nicht stattfindet. Im Frühjahr wird der Fisch in Reusen ge-
fangen, die kegelförmig aus Lindenbast geflochten sind und am oberen Ende eine
Oeffnung haben, welche in einen über Reifen ausgespannten grolsen Sack führt.
Sobald das Wasser von den Wiesen zurücktritt, werden die Reusen hinter den Oeff-
380 Miscellen:
nungen von Verschlägen, die an den niedrigeren Stellen des Flusses angebracht
sind, aufgestellt und der Fisch wird durch das abfliefsende Wasser in sie hinein-
geführt. Fliefst die Ljunda wieder in ihrem gewöhnlichen Bett und hat sie ihre
gewöhnliche Durchsichtigkeit wieder erlangt, so fängt man den Fisch auch mit
Angeln, und zwar die Hechte und Barsche, indem man ein kleines Fischchen an
dem dicken, eigenthümlich geformten Angelhaken befestigt. Im Herbst harpunirt
man den Fisch mit dreizackigen Gabeln, Uebrigens haben die Fische in dem
„Waldwasser“ auch eine eigenthümliche Farbe. Die Plötze, Brachsen und andere
Fische, die in der Wolga silber- und goldfarbig sind, haben in der Ljunda eine
dunkelblaue oder schwarzbraune Farbe, und sind aufserdem viel dicker und fetter.
Nur bei den Barschen nehmen die Schuppen in dem „Waldwasser“ eine dunklere
Farbe nicht an.
Man könnte meinen, dafs der Wald, der das ganze Gebiet bedeckt, auch
den hauptsächlichsten Reichthum der Bewohner bildet. In Wahrheit aber kann
er nicht einmal als eine erhebliche Erwerbsquelle betrachtet werden. Er besteht
meist aus Tannen und Birken; Fichten kommen zwar auch vor, aber sie sind in
Folge der niedrigen Lage und der vielen Sümpfe nur dünn und als Bauholz nicht
gut zu verwerthen; auf solchem Terrain gedeihen nur die Tannen gut, unter die
sich hier und dort Birken mischen; sie kommen als hochstämmige Bäume vor,
doch bei Weitem nicht in solchen Dimensionen, dafs sie Aufmerksamkeit erregen
könnten. Bei dem Bau der Häuser ziehen die Bewohner das Tannenholz dem
Fichtenholz wegen seiner Weilse und gröfseren Dauerhaftigkeit entschieden vor.
Abgesehen von der Mangelhaftigkeit des Holzes und von der Unbrauchbarkeit der
Ljunda zum Flöfsen trägt auch noch die Schwierigkeit, die Bäume über die Sümpfe
bis an die Ljunda zu befördern, dazu bei, das Aufblühen des Holzhandels zu
verhindern. In Folge dieser Uebelstände kann man selbst von den hochstämmi-
gen Waldungen, die weiter im Innern vorkommen sollen, keinen Nutzen ziehen.
Eigenthümlich ist auch die Armuth an Pilzen in den hiesigen Wäldern. Nur
in sehr regenreichen Jahren sollen sie sich in hinreichender Menge vorfinden;
gewöhnlich müssen die Bewohner sich ihren Vorrath daran in fremden und zu-
weilen sehr entlegenen Wäldern suchen. Reichlicher sind hier Beeren zu finden,
obgleich auch nicht in jedem Jahre; aber meistens fehlt es vom ersten Frühjahr
ab bis spät in den Herbst hinein nicht an Sträuchern, die reife Früchte tragen.
Erdbeeren sind dyrch den ganzen Wald verbreitet; Himbeeren und Brombeeren
wachsen vorzugsweise an warmen Stellen. Auf ziemlich hohen Sträuchern sieht
man die grofskörnigen Trunkelbeeren, die sich zwar nicht durch besonders ange-
nehmen Geschmack auszeichnen, aber wie die Brombeeren gut den Durst löschen.
An sumpfigen Stellen sieht man die gesunde, rothwangige Moosbeere (vacceıinium
oxycoccos), und auf etwas höher gelegenen Punkten Preifsel- und Heidelbeeren.
Eine andere Hilfsquelle, die, wenn nicht zur Bereicherung, so doch als Unter-
stützung für den Lebensunterhalt der Bewohner verwerthet werden könnte, be-
sitzt der Wald während des Sommers in seinen gefiederten Bewohnern. Einige
auf dem rechten Wolga- Ufer bekannte Vogelarten kommen hier allerdings nicht
vor; sogar die Dohlen, die unzertrennlichen Gesellschafter des Menschen, habe
ich auf den mir persönlich bekannten Gebieten dieses Kreises nie angetroffen.
Desto zahlreicher stellen sich in der Waldwildnifs an den Bächen die Nachtigallen
Der nordöstliche Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod. 381
ein, von denen man im Frühjahr hunderte an Einer Stelle schlagen hört. Im
Bor — so nennt man eine sandige, mit Birken und Fichten bewachsene Gegend —
hört man von Singvögeln nur — den Kuckuck. Aber dieser Mangel wird reich-
lich ersetzt durch den Ueberflufs an anderen Vögeln. Der Bor ist reich an Hasel-
und Birkhühnern, der schwarze Wald und die Wiesen an Waldschnepfen, Becas-
sinen und anderem „Rothwild“, und die Jagd auf diese Vögel könnte recht vor-
theilhaft werden.
Von wilden Thieren kommt, obwol nicht häufig, im finstersten Wald-
dickicht der Bär vor, der zuweilen auch den jungen Gerstenfeldern oder anderen
von ihm besonders geliebten Anpflanzungen seinen Besuch abstattet. Auch Ren-
thiere und Elennthiere sollen hier noch hausen. Füchse sind sehr häufig; aber
schwarzbraune und die im höchsten Preise stehenden silbergrauen trifft man doch
nur selten. Am zahlreichsten sind Eichhörnchen, Hasen und Wölfe. Die letz-
teren laufen hier in solcher Menge herum und sind so unverschämt, dafs sie spät
Abends und in der Nacht zu Hunderten die Ansiedelungen umschwärmen und auf
ihre Beute lauern. Wenn sie vom Hunger geplagt werden, sind sie in Bezug auf
ihre Nahrung durchaus nicht wählerisch: sie zerreifsen nicht blofs Kühe und
Schafe, sondern auch die Hunde, die vor den Thüren Wache halten, und von
dem Blutbad, das sie unter den Hasen anrichten, bemerkt man im Wald und auf
den Wiesen überall zahlreiche Spuren.
Von diesem Wildreichthum ziehen die Einwohner selbst nur geringen Nutzen.
Mit der Jagd auf Vögel beschäftigen sich nur wenige Bauern und einige Gutsbe-
sitzer. Mehr wird den vierfülsigen Thieren nachgestellt, aber auch vorwiegend
von Leuten, die von der Bergseite der Wolga herübergekommen sind, in Pokrows-
koje einen Jagdschein gelöst haben und nun sich den ganzen Winter bis Ostern
mit dem Wildfang beschäftigen. Hasen, Wölfe und Füchse fängt man in Fallen.
Was den Ackerbau betrifft, so fehlt es bei Pokrowskoje in den: Wäldern
nicht an ausgedehnten Ackerfeldern, auf denen besonders Hafer, Hirse, Buch-
weizen und Erbsen gesäet werden; Roggen wird nur in geringer Menge gebaut,
und Weizen säen nur sehr wenige, die ihre Felder reichlich zu düngen im Stande
sind.‘ Aber nicht blofs der Weizen, sondern auch die andern Getreidearten be-
dürfen auf diesem mageren Sandboden einer sorgfältigen Düngung, wenn sie eini-
germalsen gedeihen sollen. Gewinnt man das fünfte Korn, so wird die Ernte
für eine selten gute gehalten; gewöhnlich gewinnt man nur das dritte oder zweite
Korn und in heifsen Sommern kaum die Aussaat. Die armen Leute, welche nicht
die Mittel besitzen, ihre Felder hinlänglich zu düngen, lassen diese, wenn sie er-
schöpft sind, im Stich, hauen an einer andern Stelle den Wald um, brennen ihn
ab und reinigen den Platz, so gut es angeht. Die Ernten auf diesem Neuland
sind anfangs nur mittelmälsig, da es bei dem ersten Mal nicht möglich ist, den
mit Baumstümpfen bedeckten und von Wurzeln durchzogenen Boden ordentlich
zu bearbeiten. Aber allmählich verbessern sich die Ernten so weit, dafs sie den
auf gedüngten Feldern erzielten gleichkommen, und wenn man dem Neuland ei-
nige Erholung gönnt, so kann man es wohl zehn Jahre zum Ackerbau benutzen.
In Folge des unfruchtbaren Bodens und des rauhen unbeständigen Klima’s
ist von Gartenbau gar nicht die Rede und der Gemüsebau befindet sich in trau-
riger Lage. Man pflanzt in den Gärten Kohl, Gurken, Kartoffeln und andere
382 Miscellen:
Nahrungsmittel; aber Alles gedeiht so schlecht, dafs die nur in geringer Menge
gewonnenen Früchte weder an Geschmack noch an Aussehen mit den in der
Stadt gekauften zu vergleichen sind. Der Kohl, der Hauptbestandtheil der russi-
schen Suppen, wird fast alljährlich von Raupen so aufgefressen, dafs den Land-
leuten nur die Stengel bleiben. Gartenliebhaber haben versucht Aepfel zu ziehen;
aber sie haben nur einige magere wilde Büsche erzielt, die nicht einen Apfel
trugen. Gepfropfte Apfelbäume halten hier nicht ein einziges Jahr aus.
Die Bewohner sehen sich also genöthigt, zu andern Erwerbszweigen ihre
Zuflucht zu nehmen. Mit der Arbeit auf den Wolgabarken haben sich immer
nur Wenige abgegeben, und neuerdings hat auch die Zunahme der Dampfschif-
fahrt auf der Wolga diesem Berufszweige starken Abbruch gethan. Dagegen sind
zwei andere Beschäftigungen allgemein unter Reichen und Armen verbreitet: die
Gewinnung von Lindenbast und das Flechten von Matten. Den Bast
schält man im Frühjahr ab, und wählt dazu gewöhnlich die Zeit vor dem Pflü-
gen, oder zwischen dem Pflügen und der Aussaat, so dafs diese Thätigkeit mit
der Feldarbeit nicht zusammenfällt. Man verkauft den getrockneten und in Bündel
zusammengepackten Bast im Kirchdorf Woskresensk oder in der Stadt Semenow
oder auch an Ort und Stelle an Aufkäufer. Die Matten, mit deren Herstellung _
eine grolse Anzahl von Stühlen in heilsen, besonders dazu eingerichteten Stuben
beschäftigt ist, finden ihren Hauptabsatz im Kirchdorf Lysskow, wo sich bei dem
lebhaften Getreidehandel häufig ein starker Bedarf an Matten fühlbar macht, oder
auch in Nishne Nowgorod. Doch ist dieser Erwerbszweig, je nach dem Gange
des Getreidegeschäftes, grofsen Schwankungen unterworfen; und da er überdies
mancherlei Auslagen erfordert, sehen sich die armen Leute von ihm ausgeschlos-
sen, oder auf ihre wohlhabenderen Nachbarn verwiesen,! welche ihnen die Mittel
zu dieser Thätigkeit nur unter sehr drückenden und unvortheilhaften Bedingungen
gewähren.
Bei so beschränkten Hilfsquellen ist die Armuth in dem Kreise natürlich
grofs. Unter hundert Familien giebt es höchstens eine, die man wohlhabend
nennen könnte. Die meisten bekommen Fleischspeisen im ganzen Jahre nicht
einmal zu sehen; und die Milch, welche die hiesigen schwachen Kühe auch nur
in geringer Menge liefern, wird für die Kinder aufbewahrt, während die Erwach-
senen von Quark leben, der in Wasser aufgelöst wird. In dem fortwährenden
Kampfe mit Noth und Elend verkümmern die Leute so, dafs man hier selten ein
gesundes und zufriedenes Gesicht sieht, und Gebrechlichkeit ist hier nieht die
ausschliefsliche Eigenschaft des Alters. Ein grofser Theil der Bevölkerung lebt
von Almosen; um sie zu erbetteln, werden einige Familienmitglieder auf die ge-
treidereiche Bergseite geschickt. Ein Pferd, eine Kuh oder andere Hausthiere
gehören durchaus nicht selbstverständlich zum Besitz eines hiesigen Landmannes;
schon aus Mangel an Ackervieh müssen viele Felder unbestellt bleiben. Um die
Einwirkung dieser traurigen Verhältnisse auf die Körperbeschaffenheit zu ermes-
sen, darf man nur die Bewohner des hiesigen Kreises neben die der Bergseite
stellen. Dort sieht man von Arbeit und gesunder Nahrung gekräftigte, blühende
Gestalten, mit mehr oder minder blondem und fast immnr weichem Haar, hier
verkümmerte Menschen mit gelblicher Gesichtsfarbe und dunklem, struppigem
Haar, das nie einen Kamm gesehen hat. Auch die Wohnungen machen den Ein-
|
Der nordöstliche Theil des Gouvernements Nishne Nowgorod. 383
druck des tiefsten Elends. Trotz des Holzreichthums bestehen sie doch nur aus
jämmerlichen Hütten, die so schmutzig wie Schweineställe und so verräuchert sind,
dafs man die ursprüngliche Farbe der Wände nicht mehr erkennen kann.
Der Dialect der hiesigen Einwohner unterscheidet sich von dem der Bewoh-
ner der Bergseite hauptsächlich 1) durch die Vertauschung gewisser Laute; sie
sagen z. B. stets tsch statt z; 2) durch eine sehr gedehnte Aussprache der ac-
centuirten, und eine sehr kurze Aussprache der übrigen Sylben, wodurch die
Sprache eine dem Ohr sehr unangenehme Ungleichförmigkeit erhält. Dafs von
geistiger Bildung hier nicht die Rede sein kann, braucht kaum bemerkt zu wer-
den; es fehlt nicht blofs an Schulen, sondern auch an Kirchen; manche in das
Kirchspiel Pokrowskoje eingepfarrte Dörfer liegen 50 Werst von der Kirche ent-
fernt. Aufserdem fehlt den Bewohnern auch diejenige geistige Anregung, die
auch ohne Schulen und Kirchen der Bevölkerung in solchen Gegenden zu Theil
wird, welche von belebten Wasser- oder Landstrafsen durchschnitten werden.
Sprüchwörter und Volkslieder haben in diesem Gebiete ein eigenthümliches Ge-
präge. Jene sind meistens charakteristischen Eigenschaften des Landes entlehnt;
so deutet z. B. das Sprüchwort: „Wenn es auch kalt ist, so giebt es doch keine
Bremsen“ auf die Schwärme von Insecten, die hier im Sommer den Menschen
plagen. Die Lieder drücken entweder Klagen über hingeschwundene bessere
Zeiten aus, oder einen gewissen Neid gegen die Vortheile, deren sich die Be-
wohner der Bergseite erfreuen, wie z. B. ein Lied, welches mit den Worten be-
ginnt: „Jenseits des Flusses, jenseits der Wolga, da giebts ein lustiges Leben!“
Aufser den ursprünglichen Landeseinwohnern leben hier noch andere, wo
möglich noch armseligere Leute, theils mit jenen zusammen, theils in besonderen
Dörfern. Sie sind vor einigen Decennien aus dem Gouvernement Tula hierher
versetzt worden und werden deshalb gewöhnlich die Tuljaken genannt. Schon
auf dem Wege hatten sie mit Elend, Hunger und Krankheiten zu kämpfen ge-
habt und kamen in trauriger Lage in ihre neue Heimath an, wo sie, mit der
Natur derselben unbekannt, aufser Stande waren, selbst die spärlichen Vortheile
sich zu sichern, die den hiesigen Verhältnissen abgerungen werden können. Sie bil-
den hier die ärmste, aber auch zugleich die sorgloseste Volksklasse. Einige ihrer
Dörfer besitzen ziemlich guten Boden; nichtsdestoweniger bleiben die Aecker un-
bestellt; statt sich mit dem Feldbau abzugeben, wandern die Meisten jenseits der
Wolga umher, theils um zu arbeiten, gewöhnlich aber um zu betteln. Nur zu
bestimmten Festtagen im Jahr, die der Mutter Gottes von Kasan gewidmet sind,
kehren diese Vagabonden aus allen Weltgegenden in die ihnen zugewiesene Hei-
math zurück, um sich mit den gesammelten Almosen ein Fest zu bereiten und
ihres gesegneten Geburtslandes zu gedenken. Uebrigens sind die Tuljaken trotz
ihrer grofsen Armuth kräftiger und gesunder als die Landeseingebornen, denen
sie auch an Fähigkeiten überlegen sind. Könnte man es dahin bringen, dafs sie
ihre Sorglosigkeit und Faulheit ablegten, so würden sie in allen Erwerbszweigen
‚den Eingeborenen den Vorrang ablaufen,
—n.
384 . Miscellen:
Das griechische Städtchen Stenimach in Bulgarien).
Am nördlichen Abhange des Rhodope-Gebirges, zwischen zwei Ausläufern
desselben, die eine kleine Schlucht bilden, 3 Stunden südlich von Philippopolis,
liegt das auf den Landkarten mit Stanimak bezeichnete griechische Städtchen
Namens Stenimach (6 Zrernuoxos), wie die Griechen selbst es nennen. Sie lei-
ten den Namen etymologisch von Irevn-uoyn ab, und die byzantinischen Schrift-
steller nennen den Ort Sre(r)vyuayos, woraus eine barbarische Ausdrucksweise:
Zrarisore (Stanimak) gemacht hat. Nach einer alten Ueberlieferung, die sich
im Munde der Einwohner erhalten hat, sind die Stenimachoten Athenienser, und
es scheint darnach, dafs eine Einwanderung dorthin von Athen aus stattgefunden
habe.
Die Lage des Orts ist bezaubernd. Ein nicht unbedeutender Fluls, der in
den Bergschluchten des Rhodope-Gebirges seine Quellen hat, durchströmt ihn in
der Richtung von Süden nach Norden in mehreren, durch Kanäle geleiteten Bä-
chen, welche Mühlen, Oel- und ähnliche Trieb- und Walkwerke in Bewegung
setzen. Im Südwesten erheben sich die Ausläufer des Rhodope, die meistens mit
Wein und mit Bäumen bewachsen sind, während nach Norden eine weite Ebene
bis zum Fufse des Hämos sich ausdehnt, der seine schneebedeckten Spitzen stolz
bis in die Wolken erhebt, die auf ihm zu lagern scheinen, und diese Ebene, die
im Westen an den Ausläufern des Orbelos beginnt und an den Küsten des Eu-
xinos, Hellespont und ägäischen Meeres endigt, wird ihrer ganzen Länge nach
vom Hebros durchflossen, der die meisten andern Flüsse und Bergströme des
Rhodope und Hämos gleich wie auch den, der den Ort Stenimach durchschneidet,
letzteren zwei Stunden unterhalb Philippopolis, in sich aufnimmt. Eine besondere
Eigenthümlichkeit der Lage des Orts Stenimach ist ein angenehmer und höchst
belebender Wind, der dort herrscht und den die Einwohner Abendwind (iszegı-
vös) nennen.
Stenimach ist von hohem Alter, wie sich aus vielen Zeugnissen, aus Ueber-
bleibseln alter Kunst und aus Inschriften ergiebt, von welchen letzteren eın Theil
in der von dem Griechen Tsoukalas herausgegebenen. historisch - geographischen
Beschreibung von Philippopolis veröffentlicht, andere an die archäologische Ge-
sellschaft in Athen gesendet worden sind. Auch aus der byzantinischen Zeit giebt
es noch manche Ueberbleibsel, wie z. B. eine halbe Stunde südlich Trümmer
eines Tempels und eines Schlosses unter dem Namen Kelzs, existiren, das unter
dem Kaiser Alexios erbaut worden war.
Vor etwa hundert Jahren herrschte in Stenimach in Folge glücklicher Han-
delsergebnisse ein besonderer Wohlstand, der sich in der Einrichtung der Häuser
und sonst im Aeufseren kund gab. Aber die Türken sahen dies und die Ste-
nimachoten selbst mit Mifsgunst an, um so mehr, da diese letzteren zugleich als
sehr tapfer bekannt waren, und sie lauerten daher auf eine passende Gelegenheit,
sie zu berauben und zu plündern. Dies geschah zuerst gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts durch einen gewissen Sinapi, der die Stenimachoten überfiel und
!) Nach einem Berichte in der zu Athen erscheinenden Vi« IIardaooa.
Notiz über H. Duveyrier’s Reise nach Tunesien. 385
den Ort verwüstete, und 15 Jahre später wiederholte dies der Räuber Zmin-Aga,
bei welchen Gelegenheiten Erstere die ihnen nachgerühmte Tapferkeit und Aus-
dauer bewiesen. Demungeachtet wurde Stenimach bald wieder aufgebaut und
bevölkert, und es erlangte unter allen Ortschaften der Provinz von Philippopolis
seinen besonderen Ruf. Die Zahl der Einwohner beträgt gegen 10,000, welche
zwei besondere Gemeinschaften auf beiden Seiten des Flusses, wovon die west-
liche vorzugsweise Stenimach, dagegen die östliche Ampelinos heifst, und eine
dritte unterhalb des Ortes nach Norden, Namens Tsiprochori, ausmachen. Nur
in dieser letzteren wohnen auch einige Türken; alle übrigen sind Griechen, und
die Sprache, die sie reden, ist ein reines Griechisch, ähnlich dem Dialecte, wie
er im Peloponnese und im westlichen Griechenland gesprochen wird, und frei
von Barbarismen.
Der hauptsächlichste Geschäfts- und Erwerbszweig der Bewohner Stenimachs
istWeinbau und Seidenzucht, die sich immer mehr vervollkommnet; aber sie treiben
auch viele andere Beschäftigungen.
Zu den sieben Kirchen, die Stenimach im August 1859 besals, ward damals
noch eine achte erbaut. Aufserdem gab es dort bereits vor 15 Jahren zwei
Schulen, und zwei andere Schulen, sowie eine Erziehungsanstalt für Mädchen,
wurden neuerdings errichtet. Besonders haben ‚reiche Griechen in Kischenew (in
Bessarabien) und in Petersburg um ihre Anstalten und die Begründung derselben
sich verdient gemacht, und ein anderer Patriot hat der Bibliothek der einen jener
Schulen eine ansehnliche Reihenfolge der griechischen Dichter und Schriftsteller
der stereotypirten Leipziger Ausgabe zum Geschenk gemacht,
K.
Notiz über H. Duveyrier’s Reise nach Tunesien.
In einem Briefe an Herrn Prof. Barth, datirt Biskra, 23. April 1860, macht
H. Duveyrier folgende Mittheilungen über seine Reise nach Tunesien: „Von
Tuggurt ging ich nach Ssuf und von da nach Nafta auf einer unbereisten Route.
Ich will Ihnen die lächerliche Gefahr, welche auf dieser Grenzregion und sogar
weiter in der südlichen Sahara von Tunis herrscht, nicht beschreiben. Die
dortigen Verhältnisse sind etwas unerwartetes für ein „Belad el Machsen“. —
Ich besuchte Töser und Tägiüus, durchschnitt dann den weiten Schott Faraun.
Nefsäwa, in dem ich nun war, interessirte mich im höchsten Grade. Es ist ein
reiches Land (für die Sahara) und ist von Ruägha-Negern bewohnt'). Ich
fand zu Tellimin römische Ruinen und zwei Inschriften, deren eine „Aadriano
conditori municipü D.D. P. P.“ Kebilli, die wohlhabendste Stadt von Nefsawa,
besitzt fünf Moscheen; ich besuchte drei davon und glaube in den Steinsäulen
mit geschmückten Capitälen, welche alle stützen, Reste von christlich-römi-
scher Arbeit erkannt zu haben.
Von Nefsäwa ging ich längs des Schott, zwischen seinem südlichen Rande
und der Kette von Tabäga, über Hamma nach Gabess. Nach ein paar Tagen
!) Also diese ganze Zone ursprünglich von Negerstämmen bewohnt, B.
Zeitschr. f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. 25
386 Miscellen:
Rast trat ich die Rückkehr an durch das Land der Hamamma, Ssägi, wo
ich eine interessante Inschrift ausgraben liefs, und El-Gettär und erreichte
Gafsa, wo der Bey Hamüda sein Lager hatte.
Gafsa ist, wie Sie wissen, ganz aus Materialien von römischen Constructio-
nen gebaut; und einige derselben sind noch in gutem Zustande, die zwei „Ter-
mil“ oder Badestellen in den lauen Quellen und ein kleiner Bogen. Ich copirte
15 leider sehr verstümmelte Inschriften in den Strafsen.
Dann ging ich nach Töser zurück und von dort nördlich nach den kleinen
Bergdörfern von Schebika, Tamarhsa und Midäss, dann nach Negrin (al-
gierisch), wo während meines zweitägigen Aufenthalts drei kriegerische Aufzüge
gemacht wurden. Ich erforschte etwas südlich von Negrin die bedeutenden rö-
mischen Ruinen von Besseriani und ging nach Biskra zurück.
Das wichtigste Resultat dieser schnellen Reise ist gewifs die bedeutende Cor-
rection, welche ich in der Karte der Regentschaft, wenigstens in ihrem südlichen
Theile anbringe. Die beste Karte von Tunesien ist die neue des Kriegsdepot im
Maalsstabe von z; 550, und auf dieser Karte ist der Djerid im Allemeinen etwa
! Grad zu weit nach Norden! Nefsawa mufs dadurch sehr nach Süden rücken;
‚aber ich werde es bald besser wissen !
Vom 1. Februar bis zum 30. März habe ich 18 Breitenbestimmungen, ein-
mal Declinationsbeobachtungen und zweimal Längenbestimmungen zu Gafsa und
Toser angestellt.“
Aufserdem theilt Herr Duveyrier mit, dafs er sich eben zu einer Reise in
das Gebiet der Tuareg südlich von der algerischen Sahara rüstet, in welchem er
etwa sechs Monate zu verweilen gedenkt.
Ueber die Cultur der Vanille auf Reunion !),
Zu den Culturgewächsen der Insel Reunion ist neuerdings auch die Vanille
getreten, seitdem die Versuche einer künstlichen Befruchtung geglückt sind. Die
Vanille ist schon im Jahre 1817 durch M. Marchand von Mauritius nach Reunion
verpflanzt, dann durch Mr. Freon hier weiter verbreitet worden; von ihrer Cultur
ist natürlich erst die Rede, nachdem der Creole Edmond eine Methode künstlicher
Befruchtung entdeckt hat. Es giebt im Lande zwei Arten: die kleine — die ver-
breitetste, — welche aus Mexico stammt und das beste Product liefert; und die
starke, mit grolsen dicken Blättern, deren Schoten vor vollkommener Reife ab-
fallen und von untergeordneter Qualität sind.
Als Schlinggewächs muls die Vanille unter Bäumen gepflanzt werden, um
die sie sich ranken kann. Es sind hierzu alle Bäume geeignet, die nicht die
Rinde wechseln, vorzugsweise aber Mangobäume (Mangifera indica), Schwarzholz
!) Nach einem Aufsatz von David de Floris auf der Insel Reunion in den An-
nales de l’agriculture des colonies et des regions tropicales. Janvier 1860, — einer
neuen, von M. Paul Madinier herausgegebenen, sehr interessanten Zeitschrift, die wir
der Aufmerksamkeit unserer Leser empfehlen.
Ueber die Cultur der Vanille auf R&union. 387
(Acacia lebbek Will.), Drachenblutbäume (Dracaena draco), Brotfruchtbäume (Ar-
tocarpus integrifolius), Bombax malabaricum und Jatropha eurcas, — die letztere
kann jedoch nicht allein angewendet werden, da ihre Blätter gerade dann fallen,
wann die Vanille trägt. Man pflanzt diese Bäume 5 bis 6 Fufs von einander ent-
fernt in Reihen von Westen nach Osten, und verbindet sie durch ein Gestell, auf
welchem die von Baum zu Baum sich schlingenden Vanilleranken Stützpunkte
finden körinen, so dafs sie weniger der Gefahr ausgesetzt sind, durch Windstöfse
oder durch herabfallende Aeste zerrissen zu werden. Um das Letztere zu ver-
meiden, müssen die Bäume sorgfältig von trockenen Aesten gesäubert werden;
auch kommt viel darauf an, dafs die Vanille, die des Schattens bedarf, doch von
dem durch das Laub durchschimmernden Sonnenlicht getroffen wird. Auf Reunion
zieht man zur Anlage von Vanille-Pflanzungen westliche Gehänge vor; an der
Küste mufs man sie gegen Seewinde möglichst zu schützen suchen. In Mexico
hält 'man darauf, dafs der Fufs der Bäume, an denen die Vanille gepflanzt ist,
stets beschattet und mit I Fufls hohem Grase bedeckt ist, damit die zarten, dicht
unter der Oberfläche hinkriechenden Wurzeln der Pflanze durch dasselbe geschützt
werden.
Man verpflanzt die Vanille durch Stecklinge mit mindestens drei Knoten, an
den Fufs der Bäume oder Zäune, um die sie sich ranken soll, gewöhnlich in der
Zeit vom März bis zum Mai. Doch kann auch die Zeit vom September bis zum
December dazu benutzt werden, wenn man nur während dieser trockenen Jahres-
zeit für hinlängliche Bewässerung sorgt. Ein feuchter Boden, der bei Dürre nicht
spaltet, die Wurzeln also nicht zerreifst, gilt auch in Mexico als unumgänglich
für ‘das Gedeihen einer Vanille- Pfanzung. Ein Terrain, auf dem das Regenwasser
stehen bleibt, wird ebenfalls für ungeeignet gehalten.
Die Stecklinge werden auf die Erde gelegt, so dafs die Gäbelchen dem Baume
zugekehrt sind, man bedeckt je nach ihrer Länge zwei, drei oder vier Knoten mit
Erde, und befestigt die Ranken mit einem runden, nicht schneidenden Faden.
Die Stelle wird dann gut bewässert und die Erde festgetreten, um die Einwir-
kung der Luft zu verhindern, die für schädlich gehalten wird.
Wie viel Zeit die Vanille auf Reunion zu ihrer Entwickelung braucht, wird
nicht angegeben. In Mexico tragen die jungen Pflanzen schon im zweiten Jahr
_ und sind im dritten vollständig entwickelt; dann geben sie noch drei bis vier
- reiche Erndten, aber im siebenten Jahre hat die Ertragsfähigkeit schon merklich
abgenommen und man mufs die Pflanzung erneuern. Auf Reunion muls die Er-
- neuerung nach acht bis zehn Jahren erfolgen.
3 Im Juni tritt die Blüthezeit der Vanille ein und dann beginnt der schwierig-
ste Theil der Cultur, die künstliche Befruchtung. In der Vanilleblüthe sind die
Staubgefälse von dem Stempel durch ein Häutchen getrennt, welches die natür-
liche Befruchtung unmöglich macht. In Mexico, wo die Pflanze wild vorkommt,
vermittelt ein Insect den Befruchtungsprocels; und da man bei der Verpflanzung
der Vanille nach Java dieses Insect nicht mit hinüberführte, gewann man in Java
allerdings kräftig wachsende und üppig blühende, nicht aber fruchttragende Ran-
ken. Der Creole Edmond hat gelehrt, jenes trennende Häutchen vermittelst eines
dünnen, wohl abgerundeten Instruments zu entfernen; nach Beseitigung desselben
drückt man mit dem Daumen und dem Zeigefinger Staubgefälse und Stempel leise
25 *
388 Miscellen:
zusammen, so dafs der Pollen die Narbe berührt. Es gehört zu der Operation
eine geschickte Hand, damit die zarten Organe nicht verletzt werden. Man be-
fruchtet gewöhnlich die zuerst erscheinenden Blüthen, um, wenn der Procefs ge-
lungen ist, zum Vortheil der Frucht die übrigen beseitigen zu können. Ist die
Vanille reich an Blüthen, so befruchtet man an jeder Blüthentraube nur fünf bis
sechs Blüthen; trägt sie nur ein paar Blüthentrauben, so kann man aus jeder
auch mehr Schoten, acht bis zwölf, sich entwickeln lassen.
Die Reife der Schoten wird dadurch angezeigt, dafs der Stiel derselben gelb
wird; sobald die Schoten selbst eine gelbliche Färbung erhalten, darf man die
Ernte nicht länger aufschieben, damit die Schoten nicht platzen. Geplatzte Scho-
ten sind allerdings, da sie eine vollkommene Reife erlangt haben, hinsichtlich ‚des
Aroma’s die besten; aber man mufs sie, um sie in den Handel geben zu können,
vorerst der mühsamen Operation des Nähens unterwerfen, indem man die Spalte
in lauwarmes Wasser taucht, die Schoten dann mit Bändern fest umwickelt, sie
trocknen läfst und dabei die Bänder fester zieht, je mehr der Umfang der Schote
durch das Trocknen abnimmt. Durch diese Operation erhalten die Schoten eine
runde Form, die als auffallend von der Handelswelt nicht gern gesehen wird.
Da nun die Schoten zu verschiedener Zeit reif werden, und sie weder über-
reif, noch grün abgepflückt werden dürfen, in welchem letztern Falle sie sehr
schwer trocknen und bei feuchter Witterung sogar in Fäulnils übergehen, muls
man die Plantage alle zwei bis drei Tage sorgfältig absuchen. Die reifen wirft
man in einen Korb und taucht diesen 18 bis 20 Secunden in einen Kessel mit
heifsem, aber nicht kochendem Wasser. Darauf breitet man sie auf trockenen
Matten aus und läfst sie hier eine Viertelstunde liegen, damit die Wassertropfen
abfliefsen. Sodann setzt man sie auf Tischen, auf denen wollene Decken liegen,
6 bis 8 Tage oder noch länger der Sonne aus, legt sie aber jeden Abend in
Kasten, die ebenfalls mit Wollenzeug ausgeschlagen sind, damit’ sie schwitzen.
Sobald sie braun 'und welk geworden sind, bringt man sie, um den Trockenpro-
ce[s zu vollenden, an einen schattigen luftigen Ort, wo sie ebenfalls auf Tischen
mit wollenen Decken ausgebreitet werden. Bei dieser Behandlung werden sie
vollkommen trocken und behalten doch die Geschmeidigkeit, die der Handelsstand
wünscht,
Während die Schoten der Sonne ausgesetzt sind, mufs man sie um 3 Uhr
Nachmittags, wenn sie noch warm sind, ziemlich stark zwischen den Fingern
drücken, um sie etwas abzuplatten, das Oel und die Samen, die sich mehr unten
angehäuft haben, gleichmäfsiger über die ganze Schote zu vertheilen und ihr da-
durch Geschmeidigkeit und den von der Handelswelt gewünschten Glanz zu ver-
leihen. Diese Operation mus man vollziehen, wenn die Schoten schon ziemlich
welk sind.
Die trockenen Schoten, d. h. diejenigen, die schwarz oder richtiger choco-
ladenfarbig geworden sind, werden ausgesucht und in Kisten von verzinntem Blech
gelegt; darauf werden die gleich grofsen in Bündel von je 50 Stück zusammen-
gebunden und je 60 Bündel in eine eben solche Kiste, deren Breite der Länge
der Schoten entspricht, verpackt. Der Handelsstand legt Werth auf diese Ver-
packung, die der mexicanischen entspricht. Ein Etiquett auf der Kiste zeigt an
die Anzahl der Bündel, die Länge der Schoten, ihr Netto- Gewicht und das Ge-
Ein Ausflug von Damaskus nach Sekkä und Gassiüile. 389
wicht der Kiste. Die Blechkisten werden für den weiteren Transport in hölzerne
Kasten gestellt und, um den Rost fernzuhalten, mit Sägespähnen umgeben. —n.
Ein Ausflug von Damaskus nach Sekkä und Gassüle.
Von Herrn R. Doergens, der nach Damaskus gegangen ist, um den K.
Preufs. Consul, Herrn Dr. Wetzstein auf seiner neuen Reise nach dem Haurän
zu begleiten und dabei astronomische und meteorologische Beobachtungen anzu-
stellen, sind an Herrn Prof. Dove Briefe aus Damaskus eingetroffen. Der Rei-
sende hatte Berlin am 14. Febr. verlassen, sich am 18. in Triest eingeschifft und
nach einer ziemlich stürmischen Fahrt, während deren auf Corfu, Cephalonia, Zante,
Syra, Smyrna, Rhodus und Cypern angelegt wurde, am 3. März Beyrut glücklich
erreicht. Die mitgenommenen Instrumente waren sämmtlich unversehrt. Schon
am ö. machte sich Herr Doergens mit einem deutschen Reisegefährten, den er
auf dem Schiffe kennen ‘gelernt hatte und der vortrefflich türkisch sprach, beide
zu Pferde, einem Kawassen, den der Preufs. Consul in Beyrut, Herr Weber,
den Reisenden mitgegeben hatte, auf einem Maulthier, ferner einem Maulthiertreiber
zu Fufs und einem Maulthier für das Gepäck, auf den Weg nach Damaskus. Eine
französische Gesellschaft baut eine Landstrafse von Beyrut nach Damaskus über
den Libanon; sie ist auf eine Strecke von 2 bis 3 Meilen fertig; dann wurde der
Weg immer schlechter, je mehr es bergan geht; er ist an manchen Stellen sehr
steil und macht zahlreiche Windungen zwischen colossalen Felsen oder über Berg-
kämme. Die Reisenden kamen an vielen Maulberpflanzungen vorbei, die auf dem
Libanon bis zu einer gewissen Höhe sehr gut gedeihen sollen, und sahen auch
die Seidenfabriken, die von einer französischen Gesellschaft angelegt sind. Nach
achtstündigem Kitt erreichte man Hemene, ein von Maroniten bewohntes Dorf,
wo‘man Nachtquartier nahm. Am folgenden Tage ging es über den Kamm des
Libanon, dann bergab auf dem Wege nach Baalbek in das fruchtbare Thal Bikah;
die folgende Nacht wurde in dem kleinen von Türken bewohnten Dorfe Temene
zugebracht. Von hier führte am nächsten Tage ein vier- bis fünfstündiger Ritt
nach den Ruinen von Baalbek. Eine Viertelstunde von Baalbek entfernt liegt ein
grofser Steinbruch, in welchem ein harter, eisenhaltiger Kalkstein gewonnen wird;
aus diesem Steinbruch sind die Steine des alten Tempels genommen, und ein
mächtiger, quadratisch behauener Block, 60 bis 70 Fufs lang und 8 bis 10 Fufs
stark, liegt noch in dem Steinbruch und harrt seiner Verwendung. Ueber Zeb-
dani und Sük Wädi Barad& wurde dann die Reise nach Damaskus fortgesetzt,
welches man am 9. erreichte. j
Von Damaskus aus unternahmen Herr Consul Wetzstein und Herr Doergens
einen Ausflug nach Sekk& und Gassüle, zwei dem ersteren gehörigen Dörfern,
die, wie man auf der dem vorigen Bande dieser Zeitschrift beigegebenen Karte
(Taf. I) sieht, ostsüdöstlich von Damaskus am Rande der Wüste liegen. Ueber
diesen Ausflug berichtet Herr Doergens folgendermalsen:
„Um 4 Uhr Nachmittags am 14. März ritten wir zum Stadtthor hinaus, der
Consul, ich, ein Kawafs und der Koch des Consuls, alle zu Pferde und gut be-
waffnet. Vor der Stadt kamen wir an einem Kirchhof vorbei, auf dem fast jedes
390 Miscellen:
Grab mit einem frischen Myrthenzweige geschmückt war. ‘Die Grabhügel, von
Lehm mit Grabsteinen, waren frisch übertüncht. — Die Gärten von Sehäm
erstrecken sich mehrere Stunden im Umkreise, sie enthalten verschiedene Baum-
arten: Oelbäume, Nufsbäume, Mandelbäume, Aprikosenbäume etec., letztere stan-
den in voller Blüthe. Da die Tageszeit schon weit vorgerückt war und unser
Ziel noch fern lag (bis Sekkä, zu Pferde ce. 3 Stunden), so ritten wir im Galopp.
Nachdem wir die Gärten von Damaskus passirt, hatten wir vor uns eine grolse,
ziemlich baumlose Ebene; hier fängt die Gegend, der umherstreifenden Beduinen
wegen, an, unsicher zu werden. Es war drückend schwül, der Himmel war be-
deckt, es wetterleuchtete etwas. — Nach $ Stunden passirten wir das Dorf El
Meliha und darauf das Dorf Der el “Asäfir. Von dem letztern bis Sekkä& waren
noch 2 Stunden, wir sahen auf diesem Wege ein Feuer, welches die auf dem
Felde befindlichen Hirten angezündet hatten. Die Bauern nehmen zu Hirten gern
Beduinen, weil diese am besten mit den Heerden umzugehen verstehen. Sie le-
ben beständig in ihren Zelten. — Gegen 14 Uhr erreichten wir das erste der
beiden dem Consul gehörigen Dörfer: Sekkä. Der Himmel war unterdessen hei-
terer geworden. — Wir stiegen in dem, für den Aufenthalt des Consuls bestimm-
ten Hause ab, es ist das einzige im ganzen Dorfe welches zweistöckig ist. Die
erste Etage desselben enthält zwei kleinere Zimmer und ein grofses, welches die
Bauern den Divan nennen. Dieses Wort klingt in unsern Ohren sehr schön, man
darf sich dabei aber nicht viel versprechen. Die Wände desselben sind (aus Luft-
ziegeln oder Pise) roh verputzt, die Decke besteht aus 3 bis 4 Zoll starken, run-
den Balken (meist Pappelholz), in Entfernungen von 4 bis 5 Zoll neben einander
gelegt; darüber eine Bretterverschalung und darauf eine 3 bis 4 Zoll hohe Schicht
von Lehm und kleinen Steinchen; diese Decke ist zugleich das Dach. — Eine grofse
hölzerne Bank war das einzige Möbel des Divans; der Schech des Dorfes brei-
tete in dem Divan Decken auf den Fufsboden (welcher ebenso eonstruirt ist wie
die Decke) und ebenso in einem kleinen an den Divan stofsenden Zimmer, wel-
ches einen Tisch und einen Stuhl enthielt und in dem wir uns niederliefsen. —
Es hatte sich kaum. die Nachricht von der Ankunft des Consuls im Dorfe ver-
breitet, so traten auch schon die Männer des Dorfes ein und begrüfsten nach ara-
bischer Weise ehrfuchtsvoll den Consul, ihren Herrn; sie lagerten sich im Divan
auf die Decken und Teppiche und wir nahmen auf der Bank daselbst Platz. Die
Eintretenden zogen an der Thüre ihre Schuhe oder Stiefel aus und setzten sich
dann mit untergeschlagenen Beinen in einer Reihe den Wänden des Divans ent-
lang, so dafs jeder uns sehen und wir jeden einzelnen unterscheiden konnten.
Ich war sehr erstaunt über den Anstand und das Ceremoniell dieser Bauern;
wenn ein Fremder eintrat, so erhoben sich alle Anwesenden, und der Fremde
grüfste der Reihe nach jeden einzelnen, so dafs es jedesmal lange dauerte, bis
die Gesellschaft wieder zur Ruhe kam. Der Schech des Dorfes, ein alter ehr-
würdiger Araber, mit mächtigem 'Turban, in ganz weilsem Anzug (weite Hosen
und Jacke) und rothledernen Stiefeln mit langen Spitzen, reichte den Kaffee
herum. Alle tranken aus einem kleinen Tässchen, welches hier jedem Einzelnen
von Neuem gefüllt wurde. Nach dem Genusse des Kaffee’s verneigte sich ein Je-
der gegen den Consul, ‘den Hausherrn. Darauf wurden einige Assabis (lange
Pfeifen) und Nargile’s (Wasserpfeifen) herumgegeben, aus denen die Bauern ge-
- Ein Ausflug von Damaskus nach Sekkä und Gassüle. 391
- meinschaftlich rauchten. So safsen nun die Bauern da, sprachlos, Aller Augen
auf uns gerichtet, und lauschten auf die Worte des Consuls. Ich. hatte Zeit genug,
- mir die einzelnen Personen genauer anzusehen, und konnte nicht genug die aus-
drucksvollen Gesichter dieser Bauern bewundern, von denen sehr viele ganz feine
Profile hatten; fast alle tragen lange Bärte; einige hatten ihr langes schwar-
zes Haar geflochten. Die Kopfbedeckung, der mächtige Turban oder die auf die
Schultern herabhangende Keffie giebt ihnen ein ganz imposantes Aussehen. Ihre
Kleidung besteht in einem farbigen Hemde, weilsen weiten Hosen, kurzer Jacke
und darüber die Abbeia, d. i. ein schwarz und gelb gestreifter Mantel aus diekem
Zeuge, ohne Aermel. — Unser Abendessen wurde uns in dem kleinen Zimmer
aufgetragen, wir setzten uns auf den Boden, auf dem das Essen stand. Pilaf,
dieke Milch, Dibbs (ein Traubendecoct), Eier, Oliven und Brod (rund und dünn
wie. Papier), waren die Gerichte. Um 10 Uhr verliefsen uns die Bauern und wir
legten uns zu Bett, welches der Schech uns auf der Erde bereitet hatte. —
Donnerstag den iöten. Das Wetter war prächtig als wir aufstanden; wir
konnten also auf eine herrliche Aussicht über den ganzen Horizont hoffen. Ge-
gen 9 Uhr Morgens begaben wir uns auf den dicht bei Sekkä gelegenen Hügel,
um daselbst Winkelmessungen vorzunehmen. Bei dieser Gelegenheit besah ich
mir das Dorf ein wenig näher. Die Häuser sind dicht zusammengebaut, dahinter
liegen die Höfe als Aufenthalt für's Vieh, und das ganze Dorf sieht aus als ob
es mit einer Mauer umzogen sei. Die Mauern sind meist von Pis&mauerwerk
aufgeführt. Der Boden bei Sekkä eignet sich sehr gut zum Pisebau. Man hat
einen transportablen hölzernen Kasten, den man an die betreffende Stelle hin-
bringt und in den man die Erde (der man Stroh und Sand und kleine Steinchen
zusetzt) stampft. Dieser Kasten ist 3 bis 3% Fufs lang, 2! bis 3 Fufs hoch und
1 bis 2 Fufs. breit. — Der Hügel von Sekkä erhebt sich flach conisch bis zu ei-
ner Höhe von vielleicht 80 bis 100 Fufs über der Ebene. Er ist mit vielen Ba-
salten bedeckt, die man aber von den nahen, östlich gelegenen Vulkanen hierher
transportirt hat. In früheren Zeiten soll auf dem Hügel ein Dorf gewesen sein.
Er enthält eine schwarzgraue, salpeterhaltige Erde, aus welcher man den Salpeter
gewinnt, der zur Pulverfabrication verwendet wird. Oben auf dem Hügel ist der
Gottesacker des Dorfes. Auf den Grabhügeln sahen wir kleine Fähnchen. Der
Hügel von Sekkä enthält viele kleine Höhlen, in denen sich Hyänen, Dachse und
Luchse aufhalten sollen. Die Höhlen sind des lockern Bodens wegen sehr leicht
zu graben. Von dem Hügel hatten wir eine sehr klare Aussicht auf den ganzen
Horizont: westlich der Antilibanon, östlich die Vulkanregion, südlich der Haurän
und die Ausläufer des Antilibanon. Nachdem wir unsere Winkelmessungen been-
digt, kehrten wir in’s Dorf zurück. — An dem Mittagsessen nahmen die anwe-
senden Schechs (aus den benachbarten Dörfern) und Bauern Theil. Da nicht
alle auf einmal sich um den kleinen, sehr niedrigen Tisch, auf dem das Essen
sich befand, lagern konnten, so geschah dies der Reihe nach; jeder nach seinem
Range. Das Hauptgericht bestand in Burgul und einem gekochten Schaf, der
erstere (gekochter Weizen) befand sich in einer grofsen Schüssel, die zwei Mann
trugen und die fast den ganzen runden Tisch einnahm; der Burgul war in der
Schüssel hoch aufgehäuft, oben auf der Spitze lag der Schafskopf, welchen der
Schech bekam, eine besondere Ehre für diesen, weil er die Köpfe seiner Feinde
392 Miscellen:
zerbricht. Diejenigen welche gegessen hatten standen sofort auf um andern Platz
zu machen und auf diese Weise alsen 35 bis 40 Personen; es wurde dabei gar
nicht gesprochen.
Nach Tisch machten wir uns zur Weiterreise fertig; nach einem halbstündi-
gen Ritt erreichten wir Gassüle, das andere dem Consul zugehörige Dorf, wel-
ches in derselben Weise gebaut ist wie Sekkä. Wir stiegen beim Schech des
Dorfes ab; bei unserm Eintritt ins Dorf erhob die Frau desselben ein Freuden-
geschrei (dies ist das Frohlocken der Weiber bei Hochzeiten). Aus dem nahen
Dorfe EI Higäne hatte sich der Schech mit mehreren Bauern eingefunden. Nach-
mittags war der Himmel bedeckt, Abends dagegen fast heiter, Funkeln der Sterne. —
Die Bauern waren wieder um uns herum; man rauchte und sprach sehr wenig;
spät Abends holte man einen Vorleser, der einen arabischen Roman vorlas, dem
Alle mit gespannter Aufmerksamkeit folgten; es war abwechselnd Gesang und
Prosa, ersterer ist sehr melancholisch. Gegen 11 Uhr legten wir uns schlafen. —
Das Leben dieser Bauern ist ein sehr bewegtes, hart am Rande der Wüste, sind
sie fortwährend der Beduinen wegen in Gefahr, welche die Gegend durchstreifen;
so nahe bei der grofsen Stadt Damaskus! Kein Bauer geht aus, ohne sehr gut
bewaffnet zu sein, und tritt eine Gefahr ein, so stehen alle zusammen und halten
fest aneinander. In ihren Gesichtern prägt sich dieses Leben aus, fast jeder ist
mit Narben bedeckt, und doch scheinen die Bauern dieses Leben zu lieben. Sie
wollen sich lieber ihren Besitz fortwährend erobern, als ihn in träger Ruhe ge-
niefsen. — Ihr Reichthum besteht in ihrem Vieh, ihren Pferden und in dem
Schmuck ihrer Frauen.
Freitag den 16. März. Nach Tisch machten wir uns reisefertig. Fast alle
Bauern (40 Reiter an der Zahl) begleiteten uns nach dem östlichsten und letzten
Dorfe vor der Wüste El Higäne; unsere Cavalcade nahm sich sehr prächtig aus.
Mehrere versuchten sich in ihren Reiterkünsten und ihren Lanzenbewegungen, was
einen hübschen Anblick gewährte. Ohne Steigbügel und ohne Sporen sitzen sie
auf dem Pferde und reiten rechts und links in Wellenlinien und stofsen geschickt
ihre Lanzen. Das Pferd (meist Stuten, weil diese lenksamer sind) lenkt man
mit einem kurzen, dünnen, oben mit einem eisernen Ringe versehenen Stäbchen;
der Ring trägt Eisenblechstücke, welche klappern. Die Lanze ist gegen 12 Fuls
lang (Schilfrohr aus Bagdad). — Wir sahen die Pflanze, deren Blätter Manna
enthalten: die Tarsapflanze. — Der Boden begann vulkanischer Natur zu wer-
den. — Nach 14 stündigem Ritte erreichten wir El Higäne, welches am Fufse
eines vulkanischen Hügel liegt. Wir stiegen nicht beim Schech des Dorfes ab,
sondern bei einem jungen Bauer, der den Consul sehr um diese Ehre gebeten
hatte. Er gab sich alle nur mögliche Mühe um uns unsern Aufenthalt bei ihm
so angenehm als möglich zu machen. Abends kam die Nachricht von dem Zu-
sammensto[s zweier Beduinenstäimme zwei Stunden südwestlich von Higäne. Es
wurde unter Anderem erzählt, die Beduinen hätten einem Bauer sein Pferd genom-
men, für dessen Hälfte man ihm 18000 Piaster (= 1000 Thlr.) geboten habe.
Man verkauft nämlich in diesen Gegenden die Pferde (Stuten) ganz oder zur
Hälfte etc, im letztern Falle hat der Verkäufer auf die Hälfte der Füllen, die das
Pferd bekommt, Anspruch.
Sonnabend den 17. März. Wir stellten den Morgen Winkelmessungen auf
Ein Ausflug von Damaskus nach Sekkä und Gassüle. 393
dem‘ Hügel: von El Higäne an und zwar auf dessen südöstlicher Partie, die. Der
Montane heifst. Vorher zeichnete ich den Horizont, den ich mir in Gedanken,
nach den vier Himmelsgegenden in vier Theile abtheilte; jeden Theil zeichnete
ich ‘besonders. Dieses ist für das Notiren der Winkelmessungen ungemein be-
quem; ‘da die Boussole von O0 bis 360° getheilt ist, so schreiben wir den Win-
kel, den wir für eine Bergspitze oder für ein Dorf ete. abgelesen haben, an die
betreffende Stelle der Zeichnung hinein. Für mich hat dieses Zeichnen den
grofsen Vortheil, dafs ich‘ mir dabei die Formen und Ansichten tief einpräge;
der Anblick von dem Hügel aus ist mir so gegenwärtig, als hätte ich ihn gestern
gesehen. Der Hügel ist eine vulkanische Erhebung; das Gestein auf demselben
ist meist Basalt mit eingesprengtem Olivin. Einige der mächtigen Basaltsteine
liegen in merkwürdigen Stellungen zusammen und sind bei den phantasiereichen
Beduinen Veranlassung zu absonderlichen Vorstellungen geworden: z. B. das Mäd-
chen (ein länglicher, nach unten dicker werdender Stein), in der Nähe ihr Mann;
dann die Wiege der Bärin; das waren mehrere Steine, die so zusammenlagen,
dafs sie eine muldenartige Vertiefung. bildeten. Auf dem Hügel befanden sich
auch viele Beduinengräber mit den Symbolen der verschiedenen Stämme. Die
Beduinen begraben ihre Todten gern auf Hügeln '). — Wir hatten eine hüsche
Aussicht auf das Safägebirge, und der See von Higäne, welcher nicht weit von
dem Hügel liegt, ist dieht mit Gras bewachsen; östlich vom Hügel ist alles mit
Tarsabäumen bedeckt. Während ich das Panorama des Horizonts zeichnete, ging
der Consul zu dem in der. Nähe liegenden Hügel Kasren und sammelte dort No-
tizen über einige alte Ruinen. Wir wollten den See von Higäne 'umreiten, doch
rieth man uns davon ab. Alle dort weilenden Stämme hatten sich des oben er-
wähnten Zusammenstofses , zweier fremden Stämme wegen zurückgezogen und es
konnte uns deshalb Niemand begleiten. — Der See von Higäne. erstreckt sich
von W. nach ©. 1 Stunde und von N. nach .$. 2! Stunden; er wird gebildet
durch die Wasser der A’wagflusses. An seinem Nordostende ist ein langer Ca-
nal, durch den das Wasser in einen östlich gelegenen See fliefst, der noch von
grölserm Umfange als der von Higane sein soll. Dieser heifst der See von Bälä.
Von weit gröfserem Umfange ist der nördlich gelegene See, der die Wasser des
Baradä aufnimmt und See von 'At@be heifst, er soll 24 Stunden breit und über
5 Stunden lang sein, wir haben ihn von Higäne nicht sehen können, obschon
sein südlichstes Ende nicht mehr als 3 Stunden von uns entfernt sein konnte,
wahrscheinlich ist er ebenfalls mit Gras bewachsen. —
Mehrere Male sah ich einen Bauer auf der Tirababa (der Cither der
Wüste) spielen; dies ist eine Violine, wenn man will, mit einer einzigen Saite,
aus vielen Pferdehaaren. Den Resonanzboden stellt man durch eine straff ange-
zogene Thierhaut her, den Violinbogen macht man ebenfalls aus Pferdehaaren.
Dieses so einfache Instrument, das einzige musikalische in der Wüste, verstehen
die Beduinen sehr gut zu spielen, aber die Töne und der Gesang dazu haben
etwas so Melancholisches an sich, dafs ich es nie hören konnte, ohne dadurch
traurig gestimmt zu werden. Das Dorf Higäne, das ursprünglich viel gröfser ge-
!). Vergl. hierüber Dr. Wetzsteins Bemerkungen in dieser Zeitschrift Bd. VII,
S. 134. 135.
394 Miscellen:
wesen ist als jetzt, liegt am nordwestlichen Abhange des Hügels gleichen Namens
und ist nicht stark bevölkert. Fünf Jahre lang lag es wüste und im vorigen
Jahre ist es neu bevölkert worden. Das Weichbild von Higäne ist das frucht-
barste des ganzen Merglandes. Der Boden enthält, wie die Bauern sagen, keine
Wurzel. Die kleinen Pflänzchen, welche der Winterregen herausgelockt hat, ver-
schwinden im Sommer ganz; in diesem Jahre waren, des ausgebliebenen Regens
wegen, noch gar keine zu sehen. In Higäne giebt es keinen Baum.
Am Nachmittag dieses Tages ritten wir nach Sekkä zurück, unterwegs kehr-
ten die Schechs etc. in ihre Dörfer zurück. In Sekkä befindet sich in dem Gar-
ten des Consuls ein riesiger Maulbeerbaum. Durchmesser unten am Stamme
5 Fufs, Höhe 70 Fufs.
Sonntag den 18. März. Heute Morgen früh verliefsen wir Sekkä und erreich-
ten gegen 10 Uhr glücklich Damaskus. Bei dem Dorfe EI Meliha ist grofse Hanf-
eultur. — Zwischen Higäne und Gassüle wittert an vielen Stellen das Salz aus
der Erde (weifse Flecken). Bei Higäne wachsen viel wilde Trüffeln, die in Säk-
ken nach Schäm gebracht werden. Bei dem Dorfe Der el Asäfir, zwischen Sekkä&
und Meliha, fliefst ein reicher und klarer Flufs, welcher, wie eine Menge anderer,
gegraben ist; dies sind die Gewässer des Antilibanon, welche sich unter der Erde
sammeln; man gräbt an einem bestimmten Punkte bis man Wasser hat und lei-
tet dies dann zur Bewässerung der Wiesen wohin man es haben will.“
Seitdem hat Hr. Doergens Damaskus noch nicht verlassen, da der Aufbruch
zu der grölseren Reise auf den 19. April festgesetzt ist, und diesen verlängerten
Aufenthalt zu Beobachtung der Instrumente benutzt. Er hat für den täglichen
Gang des Barometers und für die Höhe von Damaskus zahlreiche Barometerbe-
obachtungen (bis zum 17. April e. 250) gemacht, und die Breite der Stadt sowohl
nach der Höhe der Sonne wie nach der Höhe des Polarsterns bestimmt. Für die
Zeit der Reise ist es gelungen, in dem österreichischen Consul, Herrn Pfäffin-
ger, einen correspondirenden Beobachter zu gewinnen.
Heifse Mineralquellen in der Provinz Ssemipalatinsk.
Nach dem Russischen ').
Im Allgemeinen werden in denjenigen Gegenden Sibiriens, in denen mongo-
lische und dschungarische Stämme nomadisiren, mit dem Namen „Arassan“ alle
') Wjästnik der K. Russ. Geogr. Gesellschaft 1858. 6. Verfasser ist Herr
Abramow, der unseren Lesern bereits durch den Bericht über das Erdbeben in Ssemi-
palatinsk (Zeitschr. N. F. Bd. V, S. 168 ff.) bekannt ist. Indem wir auf die in dem
zuletzt genannten Aufsatz enthaltenen Angaben über die oft wiederholten Erderschüt-
terungen, die im Gebiet des nördlichen Randgebirges der centralasiatischen Hoch-
ebene verspürt worden sind, zurückverweisen, erinnern wir daran, dafs heifse Quellen
östlich vom Baikal schon lange bekannt sind, dafs neuerdings auch am Ursprung
des Irkut heifse Quellen entdeckt worden sind (vgl. Zeitschr. Bd. VI, S. 496 ff.), dafs
nach der jetzt mitgetheilteu Abhandlung der westliche Theil des Randgebirges, der
Alatau und Tabargatai, reich an heifsen Quellen ist, und dafs Atkinson an dem zwi-
schen diesen beiden Endpunkten gelegenen Telezkoi-See ebenfalls heifse Quellen be-
sucht hat. Die Angaben über vulkanische Erscheinungen in Thian Schan sind in
Semenow’s Abhandlung (Zeitschr. N. F. Bd. II, S. 38 ff.) zusammengestellt und be-
leuchtet.
Heifse Mineralquellen in der Provinz Ssemipalatinsk. 395
warmen und heifsen Mineralquellen bezeichnet Das Wort Arassan ist ein mon-
golisches oder dschungarisches und bedeutet nach Einigen „warme“, nach Anderen
„heilige“ oder „geweihte“ Wasser. In der Provinz Ssemipalatinsk und in ihrer
Umgebung finden sich mehrere solcher Quellen. Ich führe hier einige Berichte
über dieselben an und verbreite mich genauer über das im Mai 1857 von mir
besuchte Arassan bei dem gleichnamigen Wachtposten.
Nach den Erzählungen der Kirgisen in der Provinz Ssemipalatinsk, die in
der Nähe des See’s Alakul im Kreise Ajagus, nicht weit vom Flusse Doleta,
welcher sich in den Alakul ergiefst, nomadisiren, befinden sich hier warme und
kalte Schwefelquellen. Sie sind heilkräftig bei Skropheln, bei Leiden, welche
von Erkältung herrühren, und bei andern von den Kirgisen nicht genau bezeich-
neten Krankheiten. Ihr Nutzen ist den Mongolen und Dschungaren schon lange
bekannt. Aus einer Vergleichung dieser Erzählungen mit den alten, im Besitz
des Befehlshabers der sibirischen Linie, General-Lieutenant Glasenapp befindlichen
Beschreibungen des Dolmetschers Putinzow, die er im Jahre 1811 bei seiner
Reise von Buchtarminsk nach der chinesischen Stadt Kuldsha abgefafst hat, er-
giebt sich, dafs dieses dieselben Quellen sind, welche Putinzow sah. Er berichtet
über sie Folgendes. Nicht weit vom Flusse Doleta, 7 Werst vom Karawanenwege
entfernt, liegen Mineralquellen Namens Arassan. Da Putinzow sie zu "besuchen
wünschte, trennte er sich von der Karawane und bog, von einigen Kirgisen, Ta-
taren und einem Kalmyken begleitet, seitwärts ab. Der Kalmyk erzählte ihm,
vor 80 Jahren (also etwa 1730) habe die Frau des Dschungaren-Khan’s Galdan,
da sie keine Kinder bekam, diese Quellen benutzt, und zwar mit Erfolg; aus
Dankbarkeit habe Galdan in der Nähe derselben einen Tempel errichtet. Putinzow
sah diesen Tempel; er war aus ungebrannten Ziegeln erbaut und hatte einen Kalk-
überwurf; in ihm befanden sich 17 auf Steinplatten ausgehauene und mit Farbe
angestrichene lamaische Burchane. Der Hügel, wie auch die zu beiden Seiten
sich erhebenden Berge werden von einem röthlichen ockerhaltigen Gesteine ge-
bildet. Dicht bei dem Tempel liegt das Bassin, in welchem Putinzow und seine
Begleiter badeten. Das Wasser schien bei dem Hineinsteigen heifs, dann aber
nur warm, und roch nach Schwefel. Putinzow blieb eine Viertelstunde in dem
Bade und fühlte sich dadurch so erschlafft, dafs er kaum hinaussteigen konnte;
nachher stellte sich bei ihm ein anhaltender Schweils ein. Er trank auch das
Wasser, und der Geschmack schien ihm nicht widerwärtig. In dem Tempel be-
fand sich unter Andern auch eine Inschrift, aus welcher sich ergab, dafs die
Mongolen, „welche Alanen genannt werden“, und die Kirgisen alljährlich zur Hei-
lung von ihren Leiden Anfangs September hierher kommen und bis zum October
hier verweilen. Der Kalmyk erzählte, dafs aufser dem Tempel hier auch fünf
Häuser für die buddhistische Geistlichkeit erbaut waren, die in dem Tempel den
Dienst versah, dafs aber nach der Vertreibung der Dschungaren durch die Mand-
schuro-Chinesen und nach dem Sturz des Dschungarenreichs im J. 1758 diese
Häuser durch die von Westen einbrechenden Kirgisen zerstört worden wären.
Zwanzig Sashen höher als diese Quelle, an demselben Ufer liegt am Fulse eines
Felsens eine kalte Mineralquelle, die ebenso heilkräftig ist, aber nicht aus dem
Innern der Erde hervorsprudelt, auch nicht fliefst, sondern unbeweglich wie in
einer Schale daliegt.
396 Miscellen:
In dem niedrigen Theile des Manrak !), einer Abzweigung des Tarbagatai-
Gebirges, liegt eine Mineralquelle Arassan, und neben ihr ebenfalls ein buddhisti-
scher Tempel. Vor noch nicht langer Zeit wurde sie von den Chinesen benutzt;
jetzt haben sie sich, wahrscheinlich in Folge der Nähe der Russen, zurückgezogen.
Im Altai, an den Quellen des Flusses Arassan-Kaba, nicht weit von dem
Berge Sart-tau, finden sich ebenfalls Schwefelquellen, die aus einem kleinen Hügel
herausflie[sen. Sie haben kaltes und weifsliches, milchähnliches Wasser und wur-
den von den Chinesen sehr geschätzt. Die eine wurde von den Männern, die
andere von den Weibern benutzt. Hier strömt eine grofse Menschenmenge zu-
sammen, um bei verschiedenen Krankheiten Heilung zu suchen, und im Tempel
befinden sich zahlreiche Weihgeschenke, die aus verschiedenen chinesischen Stoffen
bestehen.
Vier Werst hinter Kopal liegt am Bache Kopalka im Gebirge eine heilse
Schwefelquelle Arassan. Das Bassin war von früheren Bewohnern mit rohen
Steinen eingefalst. Bei dem Einzug unserer Truppen und der Besitzergreifung
des Kreises Kopal im J. 1846 fand man in der Nachbarschaft lamaische Burchane,
die von Mongolen oder Dschungaren hier aufgestellt waren, ebenfalls Seulptur-
Arbeiten auf Steinplatten mit mongolischen oder dschungarischen Inschriften. Bei
der Anlegung des Forts Kopal im J. 1848 wurden diese Steinplatten zu den ver-
schiedenen Bauten benutzt, und es ist sehr zu bedauern, dafs die Archäologie
dieser interessanten Gedenksteine dadurch verlustig gegangen ist.
An der (Juelle des Flusses Kok-ssu (blaues Wasser) liegt ein Arassan, der
am Ufer dieses Baches, des dritten Quellflusses der Tschimilda-Karagai, eine
Quelle bildet, welche ein kleines, mit rohen Steinen eingefalstes Bassin etwa zu
einem Viertel ausfüllt. Der Boden desselben ist mit feinem Sande von Granit
und Frauenglas bedeckt. Nicht weit davon sind noch einige andere Lachen, die
mit einem vom Grase grünlich gefärbten Wasser angefüllt sind; auch dieses, Was-
ser ist schwefelhaltig; es ist früher von Mongolen und Dschungaren benutzt
worden.
Die Mineralquellen, über die ich ausführlicher sprechen will, liegen im Kreise
Kopal bei dem Piket und der Stanize Arassan, 599 Werst genau südlich von
Ssemipalatinsk und an dem Wege, der 29 Werst weiter nach Kopal führt, —
etwa unter 45° 18' N. Br..77° 30° O. L. von Paris?). Sie sprudeln am. Fufse
einer Abzweigung des Alatau hervor, in einem abschüssigen Thal. Unten fliefst
der nicht breite, aber reifsende und schäumende Bach Biön®?). Hier ist sein Bett
in den Granit eingeschnitten und mit ungeheuren Rollblöcken besäet, welche
Stromschnellen bilden. Bei den Quellen hat man den Gebirgszug des Alatau in
Sicht, dessen Gipfel mit ewigem Schnee bedeckt sind; seine Höhe wird auf 11500
bis 12000 angenommen.
Das Erdreich ist hier zum Theil ein salzhaltiger Thonboden, hauptsächlich
aber ein sandiger Steinboden. Nichtsdestoweniger giebt es hier, Dank der Arbeit-
!) Südlich vom Dsaisang.
2) Es sind dieses dieselben Quellen, die in der „Reise von Omsk nach Wijer-
noje*, Zeitschr. N. F. Bd. IV, S. 243, beschrieben sind.
3) Der Biön ist ein kleiner Steppenflufs südlich von der Septa, der den Balkhasch
nicht mehr erreicht.
Heifse Mineralquellen in der Provinz Ssemipalatinsk. 397
samkeit der früheren und der gegenwärtigen Bewohner, viel Ackerfelder, die all-
jährlich an Roggen, Weizen, Gerste und Hafer reiche Ernten liefern. Obgleich
es nur selten regnet und in der Umgegend alles Grün während des Sommers ver-
dorrt, leiden die Felder doch nicht an Dürre; denn sie werden durch die uryki
(Wassergräben), die von den früheren Bewohnern angelegt sind, aus Quellen und
Bächen bewässert. Diese aryki versehen nicht blofs die abschüssigen und ebenen,
sondern auch höher gelegene Stellen mit Wasser: Noth und Anstrengung hat alle
Schwierigkeiten überwunden.
In den Schluchten der Berge, welche das Thal von Arassan einfassen, findet
sich Waldung von Roth- und Weifstannen; das Thal selbst ist durchaus waldlos.
Nach der geographischen Breite mufs das Klima von Arassan warm sein.
Die Hitze steigt hier in der That bis auf 40° R.; aber sie wird gemildert durch
kühle Nächte, durch häufige ungestüme Winde, die über das offene Land nach
Westen zum Balkasch-See wehen, und durch die von den schneebedeckten Gipfeln
des Alatau herabströmende Kälte. Der Winter ist kurz; er dauert nicht länger
als 25 Monat. Der Frühling beginnt im Februar. Bei ‚meiner Rückkehr von
Kopal hielt ich mich etwa 3 Tage in Arassan auf und beobachtete folgende Ther-
mometerstände:
am 16. Mai (alten Styls) um 2 Uhr Mittags in Kopal. . . +24oR.
ER N 11 PRONS » 5 „10 „ Abends bei der Ankunft
in Arassanı „ara Hr iR.
EA. F = » 6 ,„ Morgens in Arassan . „. + 12,0 R.
N, [7 " ” uw 2 „4, Mittagiskin; r . . + 26,0 R.
a “ 5 „10 „ Abends „ 5 sat ur
urn e e) »„ 6° „ Morgens „ 3 +13, R.
> Pu e 5 se ae Mittags iz # . #280 R.
PIUp, | nER ” e „ 10 „Abends „ > 2 + 105 R.
ER Dee = # »„ 6 „ Morgens „ 5 —+ 14,0 R.
EN y R: PRmeen ” £ » 2 ‘„. Mittags, in. der Gebirgs-
schlucht Kissikauss '),
17 Werst von Arassan —+ 30,0 R.
ui 6 » = „ 10 „ Abends,im PiketBaskansk,
72 Werst von Arasan + 12,0 R.
Da dieses Gebiet noch nicht lange dem russischen Reich einverleibt ist, sind
die Mineralquellen von Arassan nicht blofs in Rufsland, sondern auch in Sibirien
nur wenig bekannt, obgleich schon eine beträchtliche Anzahl von Personen ihre
Heilkraft erprobt hat.
Das Mineralwasser wird von zwei Quellen geliefert, die nicht sehr wasser-
reich sind. Sie füllen drei Bassins, auf deren Boden Sand und ein feiner erdiger
Schlamm von dunkelgrauer Farbe liegt. Früher waren diese Bassins nicht tief,
und die Mongolen, Dschungaren und Kirgisen, welche das Wasser benutzten,
!) Kissikauss (d. i. krummes Maul) ist ein schmaler Engpafs in einer Abzwei-
gung des Alatau; er folgt den Krümmungen einiger Bäche, und ist mit grofsen Fels-
blöcken, die von den Bergen herabgerollt sind, und mit feinem Schutt bedeckt. Nicht
ohne Furcht kann man sich unter den EEE NER Felsen fortbewegen, die jeden
Moment den Einsturz drohen.
398 Miscellen:
konnten darin nur sitzen oder liegen. Nach der russischen Besitzergreifung aber
wurden sie, um bequemer darin baden zu können, vertieft und so weit gereinigt,
dafs ihre Tiefe jetzt bis 1% Arschin beträgt. Jetzt ist nur wenig Schlamm auf
dem Boden zurückgeblieben und in Folge dessen soll nach der Versicherung der
Kirgisen das Wasser kälter geworden sein und an Heilkraft verloren haben. Diese
Meinung dürfte nicht ungegründet sein: der Schlamm hat vielleicht den Wärme-
stoff und einige Gase zurückgehalten, die jetzt leichter ihren Weg durch das
Wasser an die Oberfläche finden.
Das erste Bassin der warmen Quelle, etwa 34 Arschin im Quadrat grols,
ist von. den alten Einwohnern mit Steinen eingefalst. Das Wasser sprudelt in
ihm an mehreren Stellen aus kleinen Oeffnungen hervor, denen auch Gase ent-
schlüpfen, welche kleine Bläschen bilden, so dafs das Wasser an der Oberfläche
wie kochend aussieht.
Von diesem Bassin, welches für Leute höherer Stände bestimmt ist, zwei
Sashen entfernt liegt ein zweites für den gemeinen Mann; es ist genau ebenso
beschaffen wie das erste.
Die kalte Quelle mit einem von hölzernen Balken eingefafsten Bassin liegt
etwa 65 Sashen von der ersten entfernt, etwas tiefer, am Abhange des Thales
nach dem Ufer des Baches Biön zu.
Diese Becken sind immer bis zum Rande mit Wasser gefüllt, und damit das
Wasser nicht überflielst, wird es, nachdem es über eine Reihe von Steinen ge-
führt ist und sich abgekühlt hat, durch die Gärten im unteren Theile des Thales
geleitet.
Die Temperatur des Wassers der warmen Quelle betrug am 17. Mai im er-
sten Bassin' 285 ° R., im zweiten 27°. In der kalten Quelle zeigte das Thermo-
meter 164° R.
Das Wasser beider Quellen, besonders der kalten, hat einen Schwefelgeruch
und schmeckt nach Kali und Schwefel. In ein weifses Glas gefüllt, erscheint es
rein und durchsichtig, in den Bassins der warmen Quelle aber etwas bläulich.
Steht das Wasser der warmen Quelle einige Tage in einem unbedeckten Gefäls,
so verliert es allmählig die Wärme und das Schwefelgas und erhält einen wider-
lichen faulen Geruch. Kocht man das Wasser der kalten Quelle, so verfliegt der
Schwefelgeruch vollständig und es wird trinkbar. In fest zugepfropften Flaschen
bewahrt es seine Eigenthümlichkeit, es kann also auch in andere Gegenden ver-
schiekt werden.
Aus der chemischen Untersuchung, die der General -Stabs- Arzt Salugowski
angestellt hat, ergiebt sich, dafs beide Quellen, die sich durch Nichts als ihre
Temperatur unterscheiden, Schwefelquellen sind, ohne metallische Bestandtheile,
und dafs sie enthalten: Schwefelwasserstoff, Schwefelsäure in ungebundenem Zu-
stande, mehr aber noch gebunden mit alkalischen Basen, Kohlensäure, Schwefel,
Kieselerde, schwefelsaure Magnesia, schwefelsaures Natron und Kali, Chlor-Mag-
nium, Chlor- Calcium und in besonders grofser Menge Chlor-Natrium.
Die Einwirkung auf den Organismus ist folgende: bei dem Hineinsteigen ins
Wasser fühlt man ein Brennen der Haut, das sich gleichmäfsig über alle Körper-
theile verbreitet; das Athemholen und der Blutumlauf wird beschleunigt; dann
bricht am ganzen Körper ein starker Schweils aus, es macht sich eine gewisse
Heifse Mineralquellen in der Provinz Ssemipalatinsk. 399
Schwäche fühlbar, Schwere des Kopfes und Neigung zum Schlaf. Bei dem Hin-
austreten aus dem Bade ist der Körper geröthet, er wird weich, dann weils, und
die Feuchtigkeit in Folge des hervorbrechenden Schweifses erhält sich ziem-
lich lange.
Beim Baden in der kalten Quelle zieht sich die Haut etwas zusammen, das
Blut strömt nach den innern Theilen, und man spürt eine kräftigende Wirkung.
Wir übergehen die Aufzählung der Krankheiten, auf welche der Gebrauch
dieser Wasser heilsam einwirkt, und die diätetischen Regeln, die dabei zu beob-
achten sind, und fügen nur noch hinzu, dafs die Russen auch bei diesen Quellen
buddhistische Burchane auf Steinplatten mit mongolischen und dschungarischen
Inschriften vorfanden. Darunter befand sich das sorgfältig gearbeitete Bild einer
Frau in dschungarischem Schmuck. Ihr Kopf war, wie es auf christlichen Hei-
ligenbildern der Fall ist, im Halbkreis mit einer Glorie umgeben; in der Hand
hielt sie ein Gefäls, das mit einer sorgfältig gearbeiteten Guirlande mit Blüthen
und Früchten geziert war. Nach Aussage der hier nomadisirenden Kirgisen soll
das Bild die Frau eines Dschungaren-Khan’s darstellen, die durch den Gebrauch
der Bäder ebenfalls ihren Wunsch, Nachkommen zu erhalten, befriedigt sah.
Im J. 1850 gab es in Arassan nur folgende Gebäude: ein Haus von 15 Ar-
schin in der Front, bestehend aus zwei Zimmern; aus jedem derselben führt eine
Thür auf eine Gallerie, an deren Ende man auf einer Treppe in das Badehaus
hinabsteigt. Das Letztere besteht aus drei Zimmern, zweien für die warmen
Bäder und einem Toilette-Zimmer zum Aus- und Ankleiden. Ferner gab es noch
eine Kaserne mit zwei Zimmern für die von Kopal hierher geschiekten kranken Sol-
daten, weiterhin eine Küche, endlich einen hölzernen Bau über der kalten Quelle.
Im J. 1855 wurde ein Garten von 7000 Quadrat-Sashen Gröfse angelegt: hier
wachsen jetzt Tannen, Silberpappeln, Apfelbäume, Ebereschen, Elsebeeren, Kirsch-
bäume, Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Schlehen, Berberisbeeren und —
von der chinesischen Stadt Kuldsha eingeführt — Wein, Aprikosen, Birnen und
Pfirsiche; auch verschiedene Blumen sind von dort eingeführt. Der Garten wird
von mehreren Quellen aus bewässert und ist in der Mitte mit Lusthäuschen ge-
ziert, von denen eines im chinesischen Styl erbaut ist.
In den Jahren 1855 und 1856 wurden aus Kopal mehrere Kosaken hierher
übergesiedelt und die Stanize Arassan, aus 23 Häusern bestehend, begründet.
Im J. 1857 baute man eine steinerne Kapelle, und die Ortschaft wird ohne Frage
schnell anwachsen, je mehr die Heilkraft der Quellen bekannt wird. Der Blick
auf die Umgegend ist reizend.. Die hohen schneebedeckten Spitzen des Alatau
begrenzen den Horizont; vor ihnen liegen die Wiesen, die Quellen mit ihren
Häusern, mit dem Garten, den Pavillons, den Wasserleitungen und dem mit fri-
schem Grün bedecktem Thal; endlich das Piket und die Stanize mit ihren sau-
bern neuen Häusern, und weiter abwärts die weidenden Heerden: Alles vereinigt
sich, Arassan im Mai und Juni zu einem angenehmen Aufenthalt zu machen.
—ı.
400 Miscellen:
Die Karagassen').
Die Karagassen bilden jetzt nur den unbedeutenden Rest eines Volkes, das
sich in seiner eigenen Sprache Toffä nennt. Im J. 1851 zählte man nur 543
Personen. Sie nomadisiren in der Taiga ?) der Flüsse Oka, Uda, Birjussa und
Kan und zerfallen in 5 Ulusse: 1) Der Karagassische, der von den Russen ‚mit
diesem Namen bezeichnet wird, sich selbst aber Ssarych chasch (der gelbe Ulufs)
nennt, ist der westlichste Stamm; er zählte nur 89 Individuen, und nomadisirt an
den Flüssen Agul, Eorma und Telegasch, die sich in den Kan, einen Nebenfluls
des Jenissei, ergielsen; seine Nachbarn sind die Kamysinzen. — 2) Der Schel-
begorische oder Ssilpagurische, der sich selbst Akjauda nennt, zählte 172 Seelen
und nomadisirt an den Bächen Charabruen, Dyremysch, Chaderussu, Chan, Ko-
sterma, Chorat und Issyk-ssu, die in die Uda fallen?). — 3) Der Kangassische,
der sich selbst Chasch-tar nennt, zählte 105 Seelen und nomadisirt an der Jttschi-
k&ma, die von NO. in den obern Jenissei flie/st; er ist den Sojoten benachbart. —
4) Der Udin’sche oder Ssudin’sche, der sich selbst Karadjauda nennt, als ob er
dunkler oder bräunlicher als die übrigen wäre, zählte 84 Seelen und nomadisirt
an den Quellen der Uda. — 5) Der Maller’sche oder Manshurische, der sich
selbst Djopteiler nennt, bestand aus 92 Seelen und nomadisirt an den Quellen
der Oka; er ist den am Irkut nomadisirenden Burjaten benachbart, mit deren
Sprache er auch bekannt ist.
Was ihr Aeufseres betrifft, so erreichen die Karagassen kaum mittlere Gröfse;
sie sind hager, aber wohl proportionirt; bei kleinen Köpfen und nicht breiten
Schultern haben sie ein enges Becken und kleine Hände und Fülse. Die Haare
sind schlicht und schwarz; die’ Stimm niedrig; ‚die Augen klein, nicht sehr vor-
tretend, dunkelbraun, gerade geschlitzt; die Backenknochen nicht sehr hervorste-
hend; die Nase gerade und schmal; der Mund klein; das Gesicht rundlich, braun;
der Bart dünn und sparsam. Der ganze Gesichtstypus- erinnert mehr an die
Kirgisen ‘der mittleren Horde als an die Mongolen. Der Hals ist lang, die Brust
platt; die Knochen im Allgemeinen dünn, und die Leute sind deshalb aufseror-
dentlich leicht, sie wiegen etwa nur 3 Pud. Ihr Gang ist eigenthümlich: den
Oberkörper, den Hals und den Kopf halten sie unbeweglich, etwas, nach vorn
gebeugt, und bewegen sich unhörbar mit kurzen, schnellen Schritten vorwärts;
diese Eigenthümlichkeit rührt von ihrer Gewohnheit her, auf Renthieren zu reiten
und sich der Schneeschuhe zu bedienen. Das weibliche Geschlecht ist mit dem
sechszehnten Jahre herangereift. In Folge der geringen Entwickelung der Knochen
und Muskeln sind die Karagassen kraftlos und zu anstrengenden körperlichen
Arbeiten nicht geeignet. Gehör und Geruchssinn sind bei ihnen aufserordentlich
!) Nach dem JOHOTpa@nyeckih COopHnK'%, Th. IV. St. Petersburg 1858.
2) Der Verf. leitet das Wort Taiga von dem Karagassischen Daiga ( weilser,
d. i. fast immer mit Schnee bedeckter Berg) ab. Es ist aber in demselben Sinne
auch sehr weit von den Karagassen entfernt im Osten gebräuchlich.
3) Der Verf. macht hier die auffallende Bemerkung, dafs die Uda nach ihrer
Vereinigung mit der Birjussa die Iona bildet, und dafs die Iona nach ihrer Vereini-
gung mit der Oka (sic!) die Tassjäewa bildet, die sich in die Angara ergielst; diese
letztere werde von der Einmündung der Tassjäewa ab die „untere Tunguska“ genannt,
Die Karagassen. 401
scharf. Mit wunderbarer Geduld ertragen sie die Beschwerlichkeiten des Noma-
denlebens, schlechte Witterung und Mangel an Nahrung.
Zur Beurtheilung ihrer Sprache diene folgendes Vocabular für den Schelbi-
gorischen Ulufs:
Gott burchan Mütze buscht Löffel chalbuga
beten burchan langer Pelz ton Licht ssula
teiner Gürtel ur Thee tschai
Vater atdm Unterbeinklei- Zucker ssachar
Mutter ighim der tschabar | Geld mungun
Sohn ol Hemd SSAMSSA Brief bitschik
Tochter gköss Fausthand- Papier ssa/san
Kinder urüch schuh üldik | Gold altan
alter Mann aschkinjak | Sattel Jeser Silber akmungan
alte Frau kushin jak | Messer bsek Kupfer bod&
Mann irrh Axt ssiga Blei und Zinn korgoden
Frau epsche Büchse bo Bär kurssei
Bruder dungma Flinte muschk6 Wolf büre
ältesteSchwe- Pulver tara Luchs uss
ster ubam ı Erde dshir Vielfrafs tschechba
jJüngsteSchwe- Wasser ssuch Bisamthier dorg6
ster kasstumam | Feuer ot Renthier ibür
Kopf baschem Flufs oi | männl. Ren- ( djara
Gesicht alan Bach ödsen thier dshara
Nase chai tiefes Wasser türün weibl. Ren-
Auge garok Furth kischuch thier ingen
Ohren kulak Sumpf bolchäsch Renthiermilch ssütt
Haare tschasch Berg dalh Renthierge-
Backen ganstan Schneeberg daigä weih mes
Lippen erne Eis tosch Zobel küsch
Zähne isch Schnee kir Hund ocht
Zunge tol Baum njasch Eichhörnchen di
E Bart ssachäl Gras guk Fuchs ülgö
Hals bokssün Zirbelfichte büisch daurischer
Schultern kol Zirbelnüsse kussük Hase schaschäk
Hand adisch Lärchenbaum dot Pferd ad
Finger erghak Birke kaddon Gans gass
Brust duisch Taback tamgho Ente utrak
Bauch charan Pfeifenrohr dansa Auerhahn kosch
Rücken ochrä Tabacksbeutel umolischek | Rabe gusskun
Füfse but Feuerstahl otok Haselhuhn güschwil
Sohlen ssara Brod kleme Specht dogorga
Rippen egem Mehl talan Dompfaffe chamsal
Herz tschürjok Fleisch icht Eier nemurcha
Jurte uch Salz tuss
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIIT. 26
402 Miscellen :
1 brä 11 on bra
2 üghli 20 ihhon 200 uhhidjüfs
3 uisch 30 widjon 300 uischjüfs
4 dört 40 dörton 400 dörtdjüfs
5 beisch 50 beidon 500 beischjü/s
6 althö 60 alithon 600 althjüfs
7 djedö 70 tjedon 700 tjedjüfs
8 zehöfs 80 zehöson 800 zehöfsdjüfs
9 tohofs 90 tohoson 900 toho/sdjüfs
10 on 100 djüfs 1000 ondjüfs
Die Sprache derjenigen Karagassen, welche mit andern Völkern, mit den
Kamysinzen, Tataren, Sojoten, Burjaten zusammenkommen, enthält wahrscheinlich
einige Abweichungen von der des Schelbigorischen Ulufs.
Die Karagassen leben in Jurten aus kegelförmig zusammengestellten Stangen
von Lärchen- oder Tannenholz, die im Sommer mit Birkenrinde, im Winter mit
gegerbten Fellen von Renthieren und besonders von Elennthieren bedeckt sind.
Die Jurten werden am Ufer des Baches oder See’s errichtet, an dem die Kara-
gassen, im Winter des Pelzhandels, im Herbst des Fischfangs, im Sommer der
Renthierweide wegen ihren Aufenthalt aufschlagen. Wenn sie an einen andern
“Ort ziehen, bleibt das Gestell der Jurten an dem alten Platze stehen. Die Zahl
der Jurten hängt ab von der Anzahl der Familien, die durch die Bande der
Stammverwandtschaft vereinigt sind. Eine besondere Regel wird bei dem Auf-
schlagen derselben nicht beobachtet: es hängt von der Eigenthümlichkeit der
Localität ab. Eine Jurte hat am Boden 21—28 Fuls im Durchmesser. In der
Mitte brennt, ohne Herd, das Feuer, an dem die Speisen und der Thee gekocht
werden. An der dem Eingange gegenüberliegenden Wand hängt das Heiligenbild
(meistens des H. Nicolaus des Wunderthäters); darunter befinden sich in Säcken
die Habseligkeiten der Familie. Die Wand rechts vom Bilde ist der Ehrenplatz;
hier müssen die Gäste auf Renthierfelle sich niederlassen und bewirthet werden;
der Wirth und seine Frau setzen sich an die Wand links vom Bilde. Rechts
vom Eingange wird das Hausgeräth, links das specielle Eigenthum des Mannes,
Flinten, Netze, Sättel u. dgl. aufbewahrt.
Das Hausvieh — die Renthiere — wird nicht in besonderen Jurten gehal-
ten; es weidet das ganze Jahr hindurch unter freiem Himmel. Nur junge Ben-
thiere nehmen die Karagassen zur Winterszeit bei strengem Frost in die von
ihnen bewohnten Jurten.
Die Kleidung der Männer besteht aus einem Halbkaftan, der einen Werschok
über das Knie hinabreicht und einen schmalen, aufrechtstehenden Kragen hat;
er wird von der rechten Seite vermittelst lederner Schleifen und Knöpfchen zu-
gemacht. Die Aermel, die an den Schultern und Händen weit sind, schliefsen
eng an die Handwurzel an, so dafs sie von den Karagassen als Taschen benutzt
werden, in denen sie beim Handelsverkehr ihre Zobelfelle verwahren. Die Un-
terkleider bestehen aus engen Beinkleidern; an den Füfsen tragen sie eine Art
Strümpfe (russ. izschigi, karagass. itik), die unter dem Knie und über den Knö-
cheln mit Riemen festgebunden werden. Die dicht an den Kopf anschliefsenden
Mützen werden unter dem Kinn befestigt und bedecken Ohren und Backen. Die
Die Karagassen. 403
Kleidung der Frauen ist fast dieselbe; nur der Kopfschmuck ist etwas verschie-
den. Hemden von Zitz sind nur bei den Wohlhabenden im Gebrauch. Im Win-
ter bestehen der Halbkaftan, die Strümpfe und die Mütze aus Renthierfellen, das
Haar auf der innern Seite. Darüber trägt man an den Füfsen Kamaschen, die
aus dem Fell der Renthierbeine, mit dem Haar nach aufsen gefertigt sind und
ebenso wie die Strümpfe befestigt werden. Die Sommertracht wird aus gegerb-
ten Renthierfellen gemacht. Der Schmuck besteht aus verschiedenfarbigen, be-
sonders rothen und schwarzen Tuchstreifen, die an den Kragen, die linke Brust-
seite des Kaftans und an die Aermel bei der Handwurzel angenäht werden.
Wohlhabende Frauen tragen farbige Glasperlen und seidene Streifchen.
Die Nachbarschaft und der häufige Verkehr mit den Russen, die hier bei
den Goldwäschen beschäftigt sind, ist auf die Kleidung der Karagassen, beson-
ders der Männer, nicht ohne Einflufs geblieben. Viele erscheinen in russischen
Tuch-Kaftanen, umgürten sich mit einer Leibbinde und tragen Stiefeln. Beson-
ders die wattirten Tuchmützen mit breitem Schirm sind in allgemeinen Gebrauch
übergegangen. Standespersonen tragen Mäntel mit kurzem, nur die Schultern be-
deckendem Kragen, und zu dem Kragen sucht man sich gewöhnlich Tuchenden
zu verschaffen, auf denen die Firmen der Fabriken entweder in das Tuch selbst
eingewebt oder mit Buchstaben von Gold- oder Silberpapier aufgeleimt sind.
Die obere Kleidung wird mit einem Riemen zusammengeschnürt, an welchem
der Beutel mit dem Taback und der chinesischen Tabackspfeife und der Feuer-
stahl hängen. Der Taback wird gewöhnlich mit Baumrinde vermischt; als Zunder
benutzt man faules Holz.
Die Männer scheeren das Haupthaar. Unverheirathete Mädchen flechten es
in eine Menge Zöpfe; wohlhabende tragen auf dem Kopf ein baumwollenes Tuch;
das unter dem Kinn zusammengebunden wird. Die Frauen flechten die Haare
in einen oder zwei Zöpfe, die sie mit einem langen schmalen, leinenen, mit ge-
stickten Rändern versehenen Tuch bedecken; dieses wickeln sie mehrere Male um
den Kopf und lassen die Enden auf die Schultern herabfallen. Mädchen sowohl,
wie Frauen, tragen silberne Ohrringe und um den Hals Schnüre von Glasperlen.
Die Kinder laufen fast bis zum achten Jahr im Sommer ganz nackt herum.
Die Hauptnahrung der Karagassen besteht aus der Ssarana und dem Ziegel-
thee. Die Ssarana ist die Zwiebel von Likum martagon; sie wird ausgegraben
und zur Aufbewahrung getrocknet; zum Gebrauch zerstölst man sie und kocht
daraus eine Art Suppe. Der Ziegelthee wird zerstofsen oder zerschnitten und in
einem gufseisernen flachen Kessel gekocht; inzwischen wird in einem andern
Kessel etwas Roggenmehl geröstet, zu welchem Renthier- oder anderes Fett und
Salz hinzugethan wird; auf diese Mischung wird der Thee gegossen, und wenn
beides gekocht hat, geniefst man es mit Löffeln. Bei besonderen Gelegenheiten,
z. B. bei der Bewirthung eines Gastes, bei Hochzeiten und überhaupt dann, wenn
in der Wirthschaft Ueberflufs vorhanden ist, essen die Karagassen auch Renthier-
fleisch. Dieses wird gekocht; die Brühe verzehrt man mit Löffeln; dann wird
das Fleisch in grofsen Stücken herumgereicht, Jeder nimmt ein solches Stück
zwischen die Zähne und schneidet davon mit grofser Geschicklichkeit kleinere
Stückehen ab, ohne die Nase, die Lippen oder das Kinn zu verwunden, die dabei
in grofser Gefahr zu schweben scheinen. Das Gehirn, die Leber und die Lun-
ab"
A404 Miscellen:
gen werden auf Stäben an dem Feuer in der Mitte der Jurte gebraten; das Ge-
hirn gilt für den leckersten Bissen. An Geschmack gleicht das Renthierfleisch
dem Kalbfleisch, es ist nur süfslicher. Aufser dem Renthierfleisch essen die Ka-
ragassen auch das Fleisch von Elennthieren, Rehen, Bisamthieren u. a., ja selbst
das von Zobeln und Wölfen, das sie, nachdem sie den Thieren das Fell abge-
zogen haben, an Ort und Stelle braten und verzehren. Das stillt nach ihrer Mei-
nung nicht blofs den Hunger, sondern es giebt auch besseres Jagdglück. No-
madisiren sie an fischreichen Seen und Flüssen, was besonders im Herbst der
Fall ist, so essen sie auch gern Fische, namentlich Aeschen (salmo thymallus)
und Quappen. Im Herbst sammeln sie auch Zirbelnüsse, welche, wenn die Ssa-
rana schlecht gerathen und die Jagd ungünstig ausgefallen ist und es den Leu-
ten in Folge dessen an Mitteln fehlt Ziegelthee und Mehl zu kaufen, neben den
Waldbeeren für sie die hauptsächlichste, wenn auch sehr wenig nahrhafte Speise
bilden. Wo sie mit den Russen näher bekannt geworden sind, sind sie grofse
Liebhaber von Brod geworden. Zum Trinken bedienen sie sich vorzugsweise des
Wassers und zerlassener und saurer Renthiermilch. Auf geistige Getränke sind
sie leidenschaftlich erpicht, aber sie bereiten sie nicht selbst, sondern erhalten
von den Russen Getreidebranntwein und von den Sojoten und Burjaten Milch-
branntwein (airan).
Neugeborene Kinder wickeln die Karagassen in ein weiches Renthierfell und
legen sie in eine kleine Wiege, die bei dem Umherziehen an den Sattel gebun-
den wird. Sie haben auch Hebammen. Die Mütter säugen die Kinder so lange,
bis diese im zweiten Jahr die Brust von selbst verschmähen.
Verlobungen werden von den Eltern abgeschlossen, so lange die Kinder noch
jung sind. Es gilt für unangemessen, ein Weib aus dem eigenen Ulufs zu neh-
men. Der Vater des Knaben zahlt dem Vater der Braut den Kalym, der ge-
wöhnlich in Zobeln besteht und bis zu dem Zeitpunkt, wo das Mädchen heran-
gewachsen ist, allmählich, meistens 2 bis 3 Zobel jährlich abgetragen wird. Der
gewöhnliche Kalym steht an Werth 30 Renthieren gleich. Stirbt der Bräutigam
vor der Hochzeit, so bleibt der Kalym, so weit er bezahlt ist, dem Vater der
Braut; stirbt die Braut oder will sie einen andern heirathen, so wird der Kalym
dem Vater des Bräutigams zurückerstattet. Nach vollständiger Berichtigung des
Kalym wird die Ehe nach dem Ritus der rechtgläubigen Kirche vollzogen, und
die Braut erhält ihre Aussteuer, welche in einer vollständigen Sommer- und einer
Winterjurte und etwa 15 Renthieren besteht. Die Winterjurte ist ziemlich kost-
spielig; sie besteht aus 7 Elennfellen, von denen jedes 15 Rubel werth ist. Dafs
die Braut geraubt wird, kommt bei den Karagassen nicht vor.
Verstorbene werden beerdigt: auf einer Anhöhe wird ein Grabhügel oder
ein Steinhaufen errichtet, oder das Grab wird mit Balken umzäunt.
Obgleich die Karagassen einen schwächlichen Körperbau haben, sind sie doch
im Allgemeinen ziemlich gesund. Zu den Krankheiten, die ihnen nicht von den
Russen zugeführt sind, gehören au[ser den vorübergehenden Leiden, die von Er-
kältung herrühren, Hautausschläge, Wunden, die dadurch verursacht werden, dals
sie ihre Kleidung ungewechselt ohne‘Hemden auf dem blofsen Leibe tragen, Au- _
genentzündungen, namentlich im Frühjahre in Folge der Jagd auf frischem Schnee,
von dem das blendende Licht der Frühjahrssonne reflectirt wird, und Unterleibs-
4. Du u
Die Karagassen. 405
leiden bei alten Personen, die oft dem Hunger ausgesetzt sind und ihn dann
wieder mit erschrecklicher Gefräfsigkeit stillen. Von den eingeschleppten Krank-
heiten sind die verheerendsten die Pocken, die seit etwa 60 Jahren unter ihnen
wüthen und das Volk, das früher mehrere tausend Seelen zählte, auf seinen ge-
genwärtigen geringen Rest reducirt haben. Jetzt ist die Impfung eingeführt. Sehr
schädlich wirkt auf den Gesundheitszustand auch die Völlerei in geistigen Ge-
tränken, zu welcher die Karagassen sehr hinneigen. — Mit der Heilung der
Kranken befassen sich vorzugsweise die Schamanen. Natürlich ist bei ihnen von
einer vernünftigen Behandlung nicht die Rede, selbst wenn man nicht an die
Besprechungen denkt, durch welche der Teufel ausgetrieben werden soll. Ich
fand einmal in einer Jurte einen Knaben in einem hitzigen Fieber; neben ihm
stand eine Menge kleiner Schächtelehen von Birkenrinde, die mit Quellwasser
und einem geringen Zusatz von Renthiermilch angefüllt waren; aber an jeder
Schachtel war ein Stäbchen mit einem Fetzen Hasenfell befestigt, und die Um-
gebung des Knaben war auf Grund der Versicherung des Schamanen fest davon
überzeugt, dafs dies eine sehr kräftige Arznei sei. Bei chronischen Rheumatis-
men schicken die Schamanen die Kranken in die ihnen bekannten Mineralquellen ').
Das Wasser einiger kalter Quellen und Bäche, z. B. des Agul, wird als sehr
wirksam gegen Augenkrankheiten und Wunden gerühmt. Um die Kräfte erschöpf-
ter Kranken wiederherzustellen, zeigt der Schamane auf ein Renthier, das ge-
schlachtet werden müsse; dabei fällt ihm natürlich der Löwenantheil zu. Die
von den Schamanen angewendeten Medicamente sind vorzugsweise dem Pflanzen-
und Thierreich entnommen. Zu den beliebtesten Mitteln gehören Moschus, den
ihnen die Kabarga, das tatarische Bisamthier, gewährt, und Bibergeil, das sie
von den Sojoten erhalten.
Die Hauptbeschäftigung der Karagassen besteht in der Jagd, namentlich auf
Zobel und Eichhörnchen, die im November beginnt. Sie stellen den Thieren mit
der Büchse und mit Hunden nach, nicht mit Fallen, die mehr bei den russischen
Jägern gebräuchlich sind. Die Büchsen, die mit Steinschlofs und Gabelstützen
versehen sind, kaufen sie von den Russen; den Schaft und das Schlofs machen
sie selbst. Die Karagassischen Hunde — eine Art Spitze von weilsgelblicher
Farbe und mittlerer Gröfse, suchen mit erhobener Schnauze die Witterung des
Wildes. Haben sie‘ es gefunden, so treiben sie es aus seinem Versteck unter
einem Baume oder aus seiner Höhle durch Bellen heraus, Das Wild flieht, vom
Hunde verfolgt, auf einen Baum, unter welchem der Hund so lange bellt, bis der
Jäger auf seinen Schneeschuhen herangekommen ist. Dieser legt die Büchse auf
die Stütze und zielt so lange, bis sich ihm das Wild in einer vortheilhaften Stel-
lung präsentirt, denn er bemüht sich, es in die Stirn zu treffen, um den Pelz
nicht zu beschädigen, und meistens gelingt es ihm auch.
Sonst jagen die Karagassen noch Elennthiere und Rehe. Sie schleichen sich
an diese heran, da sie die Stellen am See kennen, an die sich das Elenn, von
DEE nie i)
") Diese Quellen, an denen das Gebiet jenseits des Baikal sehr reich ist, sind
fast sämmtlich von Schamanen und Lamen entdeckt. Der Ruf von wunderbaren Hei-
lungen, die durch Trinken und Baden bewerkstelligt sind, lockt schon aus weiter
Ferne Badegäste herbei, unter denen sich auch viel Russen befinden.
406 Miscellen:
Insecten geplagt, hinzuziehen pflegt, um sich zu baden oder die Wasserpflanzen
zu finden, auf die es besonders begierig ist. Hier steht der Karagass hinter dem
Gebüsch auf der Lauer. Im März und April, wenn der Schnee sehr tief, aber
auf der Oberfläche so weit gefroren ist, dafs der Jäger auf seinen Schneeschuhen
darüber hingleiten kann, das Wild aber einbricht, verfolgen die Karagassen Elenn-
thiere und Rehe auf Schneeschuhen. Auch wilde Renthiere werden geschossen,
nicht in Fallen gefangen und wie bei den Tungusen gezähmt; das Letztere soll
nach dem Aberglauben der Karagassen die Zobeljagd verderben. Die Fischotter
jagen sie mit Hunden, folgen ihr auf Schneeschuhen und schlagen sie mit Stöcken
todt, wenn das Thier erschöpft ist.
Aufser der Jagd beschäftigen sich die Karagassen auch mit dem Fischfang.
Aeschen (salmo thymallus) und Forellen (salmo lenox) fangen sie mit Netzen von
Pferdehaaren. Quappen harpuniren sie, oder sie jagen sie in seichtes Wasser
und schiefsen sie hier mit der Büchse,
Grofse Fürsorge hegen die Karagassen für ihre Renthiere, die ihren Haupt-
reichthum bilden, ihnen Nahrung und Kleidung gewähren und sie sammt ihren
Habseligkeiten bei den Wanderungen von Ort zu Ort tragen. Gewöhnlich ladet
man einem Renthier eine Last von 4 Pud auf; manche können indefs auch
6—8 Pud tragen. Wenn die Karagassen im Winter auf die Jagd ziehen, so
wählen sie zum Stationsort einen Platz aus, in dessen Nähe sich viel Moos zur
Weide für die Renthiere findet. Im Frühjahre, nach Beendigung der Jagd, zie-
hen sie in die Thäler hinab, in denen das Gras früher aufspriefst; im Juni, wenn
Mücken und Inseceten häufiger werden, welche die Renthiere bis zur Raserei pei-
nigen, wandern sie wieder ins Hochgebirge, wo diese Insecten nicht vorkommen,
und im Herbst begeben sie sich wieder in die Thäler, theils des Fischfangs, theils
der Renthierweide wegen, weil hier das Gras noch nicht mit Schnee bedeckt ist.
Das Reiten auf Renthieren wird demjenigen, der daran nicht gewohnt ist,
Anfangs schwer. Das lange und rauhe Haar und der ganze Bau des Thieres
sind einem festen Sitz hinderlich. Man schwingt sich vermittelst eines langen
Stocks auf das Renthier hinauf. Die Steigbügel sind sehr kurz und man mufs
mit krummen Knieen sitzen, wenn man nicht die Erde berühren will. Die Haut
des Renthiers ist sehr beweglich, und bei der geringsten Unaufmerksamkeit ver-
liert man das Gleichgewicht. Sonst ist der Gang des Thieres aufserordentlich
gleichmäfsig, sanft und sicher; ohne Schwierigkeit kommt es über Sümpfe fort,
in denen Pferde versinken, und da es sein breites und hohes Geweih sehr schont,
sucht es auch in Wäldern solche Stellen auf, wo der Reiter nicht durch Baum-
äste behelligt wird, während das Pferd sich darum nicht kümmert und nur für
seine Fülse sorgt.
Die Karagassen sind übrigens dem ganzen russischen Reich dadurch von
grofsem Nutzen gewesen, dafs sie es waren, welche die reichen ostsibirischen
Goldlager entdeckt haben. Karagassische Führer zeigten den Goldsuchern den
Weg zu den Flüssen Chorma und Ungurbei, Zuflüssen der grofsen Birjussa, wo
sich in der Folge das reiche Bergwerksrevier von Birjussinsk bildete und von
wo sich die Entdeckungen nach der Uda, Oka, Tunguska und weiter hin ausdehn-
ten. Alle Expeditionen, die in dem Flufssystem des Kan, der Uda, Oka und
Birjussa Gold entdeckten, waren von Karagassischen Wegweisern geleitet, welche
4
|
Die Karagassen. 407
den Besitzern der Goldwäschen auf diese Weise Millionen. verschafften, während
sie selbst nur ein Tagegeld erhielten, welches für die neuen Bedürfnisse, mit
denen sie bekannt wurden, bald ausgegeben war. An ihre Zukunft hat man
nicht gedacht. Mir ist nur ein Fall bekannt und er scheint der einzige in dem ganzen
Revier von Birjussinsk zu sein, dafs der Besitzer einer Wäsche dem Karagassen,
der ihn zu ihr geführt hat, eine Pension ausgesetzt hat, welche in der zu seinem
Unterhalt: erforderlichen Quantität Mehl besteht, Aufserdem sind durch den Zu-
drang von Leuten, durch ihr Herumstreifen in den Wäldern, durch die dadurch
verursachten Waldbrände die Pelzthiere verscheucht worden, so dals das Jagd-
gewerb der Karagassen mit der Entdeckung des Goldreichthums in eine üble Lage
gerathen ist.
In Folge des einförmigen Lebens sind die geistigen Fähigkeiten der Kara-
gassen nicht entwickelt; aber sie fassen leicht, besitzen ein erstaunliches Oxts-
gedächtnils und sind in Allem, was sich auf ihre Beschäftigungen bezieht, sehr
geschickt. Das Jahr theilen sie in 13 Monate, jeden von 4 Wochen, und geben
jedem Monat seinen Namen entweder nach ihren Beschäftigungen oder nach Na-
turerscheinungen. Die Monate sind folgende: 1) Schomrai (vom 7. Mai bis
4. Juni), von schomr, zartes Gras; 2) Dosarai (vom 4. Juni bis 2. Juli), von
dosor, Rinde, die Zeit, in welcher die Birkenrinde für die Sommerjurten gewon-
nen wird; 3) Aikysslai (vom 2. bis 30. Juli), von ai, Ssarana und kyssel roth, die
Zeit, wenn die Ssarana roth ist d. i. blüht; 4) Ainarai (vom 30. Juli bis 27. Au-
gust), von nar, graben, die Zeit, wo die Zwiebeln der Ssarana ausgegraben wer-
den; 5) Eptünhai (vom 27. August bis 24. Sept.), von eptün, grolser Hammer,
mit dem sie an die Zirbelfichten schlagen, damit die reifen Zapfen mit den Nüs-
sen abfallen; 6) Dsharrütterai (vom 24. Sept. bis 22. Oct.), von Dshar, Renthier-
bull, und ätter, brünstig sein; 7) Küschterai (vom 22. Oct. bis 19. Noy.), von
küsch, Zobel, ter, fangen, die Zeit, in der die Zobeljagd beginnt; 8) Ürglerai
(vom 19. Nov. bis 17. Dee.), von ürgler, Rasttag, in Folge der kurzen Tage ');
9) Ssoogai (vom 17. Dec. bis 15, Jan.), von ssoog, Frost; 10) Ullussoogai (vom
15. Jan. bis 12. Febr.), von ulluss, stark, die Zeit der stärksten Kälte; 11) Chru-
g00g (vom 12. Febr. bis 12. März), bedeutet „Wild auf Schneeschuhen jagen“;
12) Torbütai (vom 12. März bis 9. April), die Zeit, in welcher der Schnee backt;
13) Üttallarai (vom 9. April bis 7. Mai) bedeutet „mit Hunden das Wild jagen“,
zu der Zeit, wenn die Oberfläche des zusammensinkenden Schnee’s in der Nacht
gefriert, dafs sie den Jäger auf Schneeschuhen trägt, während das Wild durch-
bricht.
Von Sternen kennen sie nur den grolsen Bären, Tjedeogar „das Siebengestirn“,
und die Plejaden, Urgar. Wenn die letzteren im Sommer hoch stehen, ist das Gras
am Besten und man mufs die Renthiere anbinden, damit sie nicht zu viel fressen,
") Das karagassische Wort wird durch AHeBRA (Rasttag auf einer Reise, oder
Ruhetag der Soldaten) übersetzt und erläuternd hinzugefügt, dafs in Folge der kur-
zen Tage die Rasttage anhaltend ( AHeBKH NPO AOJSKHTEABHEL ) sind. Das
ist nicht einleuchtend. Sollte sich der Monatsname nicht darauf beziehen, dals am
6. Dec. der Ssuglan, die allgemeine Volksversammlung und der Jahrmarkt stattfindet?
AÄnerark bedeutet auch speciell, sich seiner Geschäfte wegen an dem Gerichtsort
einen Tag lang aufhalten.
408 Miscellen:
was ihrem Rücken schadet. Die Entfernungen bestimmen die Karagassen nach
Renthier-Tagereisen, die im Herbst und Winter 40, im Sommer und Frühling
30 Werst betragen. Die ihnen bekannten Maafse sind der Kuläsch oder die
Klafter, kleiner als eine Sashen; der Charüsch oder Tschetwert; der Ürgök oder
Zoll; und Dört-ürgök, eine Handbreite. Das Gewicht bestimmen sie nach Säcken
a 2 Pud; zwei Säcke machen eine Renthierlast aus.
Obgleich ich mit den Karagassen oft und zu allen Jahreszeiten zusammen-
gekommen bin, habe ich sie doch nie bei Festen oder Spielen angetroffen. Ihre
Zeit ist vollständig durch die Sorge für ihren Unterhalt in Anspruch genommen,
Nur Ueberflufs erlaubt zu feiern, und dieser ist bei den Karagassen selten zu
finden. Bei solchen seltnen Gelegenheiten, auf Hochzeiten, wenn sie den Kalym
oder die Aussteuer erhalten, nach glücklicher Jagd u. s. f. essen und trinken sie
besser; das ist ihr ganzes Fest. Auch besondere Lieder habe ich nicht bei ihnen
bemerkt. Nur auf der Reise hört man ihren Gesang: auf dem Renihier sitzend
rufen sie in singendem Ton die Namen der Gegenstände aus, die ihnen ins Auge
fallen, und fügen zuweilen noch ein Beiwort hinzu.
Die Karagassen gehören zum Kreise Nishne Udinsk im Gouvernement Ir-
kutsk und stehen unter einem von allen Stammgenossen erwählten und von dem
General-Gouverneur von Ostsibirien bestätigten Schulenga, der in seinen Bezie-
hungen zur Regierung Starost heifst, und der, zum Theil in Verbindung mit den
Aeltesten der einzelnen Ulusse, die Gerichtsbarkeit ausübt. Der Jassak wird in
jedem Ulufs von einem Knjas nach „Gewehren“ erhoben; jedes „Gewehr“ zahlt
einen schwarzen Zobel, der auf 12—13 Rubel taxirt und von den Kaufleuten bis
zu 20 Rubel bezahlt wird.
Am 6. December findet alljährlich der Ssuglan statt, die allgemeine Ver-
sammlung, die zugleich der Jahrmarkt ist. Der Versammlungsplatz liegt an der
Uda, 40 Werst von Nishne Udinsk. Dahin begeben sich der Kreishauptmann,
der Geistliche (um Taufen und Trauungen zu vollziehen) und die Kaufleute. Der
Kreishauptmann nimmt von dem Schulenga den von den Knjasen gesammelten
Jassak in Empfang und quittirt darüber, er vertheilt die von der Regierung für
jedes „Gewehr“ ausgesetzte Quantität Pulver und Blei, nimmt die erforderlichen
Berichte entgegen und ertheilt mündlich die etwa nöthigen Befehle. Nach Ueber-
reichung des Jassak beginnt der Handelsverkehr.
Was das häusliche Leben betrifft, so übt der Hausyater die Herrschaft aus
über die ganze Familie; selbst abgefundene verheirathete Söhne ehren seine Au-
torität. Die Hausfrau hat für die Wirthschaft zu sorgen. Wenn der Mann mit
den Söhnen auf die Jagd zieht, mufs sie mit der Familie an den Ort übersiedeln,
den er ihr bezeichnet hat. Alle Mühen dieses Nomadisirens liegen auf den
Schultern der Frauen.
Von Charakter sind die Karagassen still, sanftmüthig und im Verkehr unter
einander freundlich. Begegnen sie einem Aeltesten, so nehmen sie seine rechte
Hand zwischen ihre flachen Hände, verbeugen sich mit dem Kopfe und beugen
auch das Knie etwas. Im Handel sind sie ehrlich, und zum Diebstahl nicht ge-
neigt. Ihr Hauptlaster ist Trunksucht. Im trunkenen Zustande sind sie bereit,
Alles was sie an sich haben für Branntwein durchzubringen; dann werden sie
auch unverschämt und fluchen, wobei sie sich jedoch meistens russischer Schimpf-
Chinesische Bibliotheken. 409
worte bedienen; zu Schlägereien aber kommt es auch dann selten. Viele Kara-
gassen sprechen fertig russisch, freilich mit karagassischem Accent; Leute, die
lesen konnten, habe ich nicht gefunden.
Die Karagassen sind schon seit vier Generationen Christen; aber ungeachtet
aller Bemühungen ‚der Geistlichkeit sind ihre religiösen Begriffe nicht entwickelt.
Sie bekreuzen sich mit Inbrunst und verneigen sich vor den Heiligenbildern; aber
bei dem ersten Besuch einer Jurte bemerkt man neben dem Bilde des H. Nico-
laus, den sie besonders verehren, eine Art ledernen Sacks, der mit Adlerfedern,
mit Schweifen von Eichhörnchen, Hasen und Renthieren, mit Blechstückchen und
Riemen behangen ist. Dies ist das Amulet, das sie vor Krankheit und jedem
Unglück schützt, das ihnen reiche Jagd, eine glückliche Reise und Segen in der
Renthierheerde verschafft. Diese Amulete verschaffen ihnen die Schamanen, die
in der Heimlichkeit und in fast unzugänglichen Gebirgsgegenden ihren Götzen-
dienst treiben. Jetzt wollen die Karagassen es nicht gern einräumen, dafs unter
ihnen Schamanen leben, und die eben erwähnten Amulete bringen sie sofort bei
Seite, wenn ein Russe in die Jurte tritt. Es hat aber noch jeder Ulufs seinen
Schamanen.
Historische Erinnerungen irgend welcher Art haben sich bei den Karagassen
nicht erhalten. ‘Sie können nur sagen, dafs sie vor dem Erscheinen der Pocken
viel zahlreicher waren, und dafs vor der Entdeckung der Goldlager die Jagd ei-
nen viel besseren Ertrag gab. Auch über ihre Herkunft findet sieh bei ihnen
keine Tradition, wie es doch z, B. bei den Jakuten der Fall ist. Das Volk lebt
ganz in der Sorge für die Gegenwart und hat kein Interesse für die Vergan-
genheit. nr
Chinesische Bibliotheken.
Mit tiefer Beschämung und Reue haben wir unserer Unzufriedenheit mit den
Reglements gewisser deutscher Bibliotheken gedacht, als wir Macgowan’s Be-
merkungen über chinesische Bibliotheken lasen'). Da ein billiges Urtheil es an-
erkennen mufs, dafs jedem Wesen der Zweck der Selbsterhaltung der nächste ist,
so sollten wir uns füglich mit gröfserer Seelenruhe in den Gedanken finden, dafs
dieser Grundsatz auch für das Bibliothekwesen als der in erster Linie mafsge-
bende zu betrachten ist. Die Existenz öffentlicher Bibliotheken läuft ihm eigent-
lich schnurstracks zuwider, und wo sie doch nun einmal nicht absolut zu besei-
tigen ist, wird man dem Uebel wenigstens dadurch nach Kräften abzuhelfen
suchen, dafs man die Bibliotheken so schwer als möglich zugänglich macht. Nach
diesen weisen Principien wird das Bibliothekwesen in China geleitet. Oeffent-
liche Bibliotheken in unserm Sinne giebt es dort eigentlich gar nicht; selbst ein
solches Institut, wie das Wan-lau Koh oder die Bibliothek im Palast Kienlung’s
zu Hangtschau, die ausdrücklich für die Benutzung des Publicums bestimmt war,
ist nur denen zugänglich, welche von den Local-Behörden ein besonderes Privi-
legium zur Benutzung derselben erhalten haben, und sie wird in Folge dessen
!) Abgedruckt im Journal of the North China Branch of the Royal Asiatie
Society. 1859.
410 Miscellen:
selten oder gar nicht besucht. Vollkommen mustergültig sind dagegen die Vor-
schriften über Privat-Bibliotheken.
Eine der bedeutendsten Privat-Bibliotheken ist die der Familie Fan in Ningpo,
die nach ihrem Katalog 4094 Werke in 53,799 kiuen oder Bändchen (Brochuren)
enthält. Sie wurde von der Familie Yung begründet, später, als dieses Geschlecht
in Verfall gerieth, von den Fan’s gekauft, unter denen sich ein grofser Bücher-
freund befand, und sie sammelte bald eine solche Fülle seltner Werke, dafs sie dem
Kaiser Kienlung, als er die grofse kaiserliche Bibliothek zu vervollständigen un-
ternahm, eine wichtige Unterstützung gewähren konnte, Im J. 1774 liefs Kien-
lung Kataloge der kaiserlichen Bibliothek vertheilen und alle Privatleute unter
Zusicherung von Belohnungen auffordern, solche Werke, die in der kaiserlichen
Bibliothek nicht vorhanden waren, ihr einzusenden, sei es auch nur leihweise,
damit von seltenen Werken neue Abdrucke veranstaltet werden könnten; im fol-
genden Jahre wurde auch die Aufmerksamkeit der Buchhändler auf diesen Ge-
genstand hingelenkt, aber ohne nennenswerthen Erfolg. Nur einige Familien un-
terstützten das kaiserliche Unternehmen; die Fan sandten 696 seltene Werke ein,
die in der kaiserlichen Bibliothek nicht vorhanden waren, und erhielten dafür ein
completes Exemplar des Kü kin Tu Shü Tsih ching oder der „Vollständigen Samm-
lung alter und neuer Bücher“, eines durch Kaiser Kanghi begonnenen und nur
in wenig Exemplaren abgezogenen, mit beweglichen kupfernen Lettern gedruckten
Sammelwerkes von 10000 Bändchen und 108 Bändchen Indices, das in sechs
Abtheilungen zerfällt: Astronomie, Geographie, Volkszustände, Naturwissenschaf-
ten und Künste, Classische Literatur und Politik; es befinden sich darunter 320
Bändchen über Botanik und 192 über die Fauna des Reichs.
Dafs die Bibliothek nach einer so werthvollen Bereicherung mit Argusaugen
bewacht wird, dürfte keine Verwunderung erregen. Sie liegt im südlichen Theile
der Stadt Ningpo inmitten eines Gartens, der im chinesischen Geschmack mit
Baumgruppen und Grotten, mit Miniatur-Bergen und Schluchten, Seen und an-
deren niedlichen Kunstwerken geziert ist. Jedes einzelne Familienmitglied hat
nun vor die Bibliothek ein besonderes Schlofs gelegt, dessen Schlüssel von ihm
selbst verwahrt wird. Es ist also nur durch den Consens sämmtlicher Familien-
mitglieder möglich, die Bibliothek zu Öffnen, und es ist herkömmlich, dals dieser
Act auch nur in Gegenwart sämmtlicher Familienmitglieder vollzogen wird.
Diese Regeln, setzt Herr Macgowan hinzu, gelten allgemein für alle gröfseren
Privat-Bibliotheken; und es springt in die Augen, dafs nur in einem solchen
Verfahren den Herren Bibliotheks-Custoden eine ausreichende Bürgschaft für eine
ihrem Namen vollkommen entsprechende Amtsverwaltung gewährt werden kann.
Für uns, die wir uns nur schwer entschliefsen können, die Interessen wis-
senschaftlicher Arbeit den höheren Prineipien einer gesicherten Bibliothek - Ver-
waltung unterzuordnen, ist es einigermalsen tröstlich zu vernehmen, dafs diejenige
Kategorie von Werken, welche für die geographische Wissenschaft besonders von
Belang ist, weniger in diesen Bibliotheken vertreten als im Lande zerstreut ist
und also von einer sich hierfür interessirenden Gesellschaft leichter gesammelt
werden kann. Wir meinen die Kategorie, welche von den Chinesen mit dem
Namen Tschi bezeichnet wird. Sie enthält die Beschreibung von Distrieten (Hien
Tschi), Departements (Fu Tschi), Provinzen in topographischer, historischer und
i
Swatau und seine Umgebung. 411
archäologischer, biographischer, statistischer, naturwissenschaftlicher und ethno-
graphischer Beziehung, besteht also aus geographischen Monographien im weitesten
Sinne des Worts, die werthvoller und im Detail reichhaltiger werden, je beschränk-
ter die Localität ist, deren specielle Beschreibung sie bezwecken; es giebt auch
Tschi’s für einzelne Ortschaften, Seen, Berge, Tempel und Klöster. Die Tschi's
für die Provinz Tschekiang allein würden eine Bibliothek von 700 Bändchen
bilden; und die Zahl der Tschi’s für das ganze Reich schlägt Herr Macgowan
auf nicht viel weniger als 10000 an. Die Herren Sinologen werden die weh-
müthigen Gefühle würdigen, mit denen wir in die Sprache der Himmlischen nicht
eingeweihte Weltkinder diese bedeutenden Ziffern niederschreiben; für alte und
neue Geographie dürften diese Bücher eine unerschöpfliche Fundgrube enthalten,
und es ist sehr zu wünschen, da/s die Wissenschaftliche Gesellschaft in Shanghai
mit Eifer daran gehen möge, Werke dieser Art zu sammeln und zum Vortheil
der geographischen Wissenschaft auszubeuten. —n.
Swatau und seine Umgebung.
Ein in der China Mail mitgetheilter Privatbrief, dessen Inhalt von der Re-
daction als sehr zuverlässig bezeichnet wird, giebt einige Nachrichten über den
zwischen Hongkong und Amoy gelegenen Hafen Swatau, der durch den Ver-
trag von Tientsin dem auswärtigen Verkehr geöffnet ist, nachdem er schon län-
gere Zeit von den Engländern als Station für den Opiumhandel benutzt war.
Wir entlehnen dem Bericht Folgendes: „Der Swatau-Flufs, der eigentlich Han
heifst, ist ein grofser reilsender Strom, welcher an der Stadt Tschautschau vor-
überfliefst, aber schon in geringer Entfernung unterhalb derselben sich in mehrere
Arme theilt, welche sich abermals unter sich verzweigen, worauf dann der Haupt-
arm in die Namoa-Strafse mündet. Diese Mündung ist ein Bassin, an welchem
Swatau liegt, und in welches der Flufs in neun oder zehn verschiedenen, nicht
sehr tiefen Kanälen sich ergiefst. Der tiefste soll der sein, welcher sich am
weitesten westlich in das Bassin ergiefst. Ebendort nimmt dieses auch einen
Flufs auf, der den Kiehyang-Bezirk bewässert, der jedoch, obwohl er verhältnifs-
mälsig tief ist, nicht wie der Han eine ins Innere führende Verkehrs-Wasserstrafse
bildet. Swatau und das davor liegende Double Island sind deshalb diejenigen
Plätze, welche in Zukunft die Mittelpunkte für den fremden Handel abgeben
werden. Swatau kann ohne Umwege und leicht von allen umherliegenden Land-
schaften und wichtigsten Städten erreicht werden, z. B. von der 9 engl. Meilen
entfernten Stadt Tschauyang, dem 30 engl. Meilen entfernten Kiehyang, der etwa
25 engl. Meilen entfernten Hauptstadt Tschautschau und dem etwa 10 engl.
Meilen entfernten Tschinghai. Die Schwierigkeit für gröfsere chinesische Dschun-
ken, gegen den Nordostwind die See zu halten, hat sie genöthigt, einen Anker-
platz halbweges in der Namoastrafse zu suchen, nämlich bei der Stadt Tunglung,
die mit dem 15 engl. Meilen entfernten Tschautschaufu in Verkehr steht und
dadurch auch mit dem Innern mittelst des Pehkiang, d. h. nördlichen Stromes.
Fremde Niederlassungen werden wahrscheinlich entweder auf Double Island, auf
chinesisch Mau Schu oder Mau Schü, d. h. Katzen- und Mäuse-Insel, oder auf
dem südlicher gelegenen Festlande in Zukunft gegründet werden.“
412 Miscellen:
Nach dem „Nautical Magazine“, welches im Mai-Heft einen vorläufigen und
ziemlich dürftigen Bericht über die neu eröffneten chinesischen Häfen bringt, ist
der Hafen Swatau besonders für Zucker-Export wichtig; im vorigen Jahre sollen
mehrere hundert Schiffe, mit Zucker beladen, von hier nach Shanghai und andern
nördlichen Häfen abgegangen sein. Von Einfuhr- Artikeln sollen Baumwolle,
wollenes Garn und Metalle guten Absatz finden. Der Verfasser bemerkt indels
sehr richtig, dafs der Platz für den Import nie sehr bedeutend werden wird, weil
die Wassercommunication nach dem Innern sehr beschränkt ist. Der Mangel
eines ausgedehnten, auf Wasserstrafsen zugänglichen Hinterlandes ist es gewesen,
der selbst viel bedeutendere Hafenplätze z. B. Canton und das als Stapelort des
schwarzen Thee’s so wichtige Futschaufu, noch mehr aber Amoy und Ningpo so
entschieden gegen Shanghai in den Hintergrund gedrängt hat; und dasselbe Uebel
wird eben so auf Swatau lasten, wie auf Khiungtscheu, dem neu eröffneten Ha-
fen auf der Insel Hainan. Der Handel in China hat bisher wesentlich den Cha-
rakter eines Exportgeschäfts getragen und einen in Europa sehr fühlbaren Ab-
flufs des baaren Silbergeldes nach China verursacht. Auf gesunde Grundlagen
kann er nur durch Eröffnung solcher Häfen gestellt werden, welche das Geschäft
eines ausgedehnten und leicht zugänglichen Hinterlandes concentriren. Von allen
Bestimmungen des Vertrages von Tientsin ist deshalb die über die Schifffahrt auf
dem Yangtsekiang bis Hankau die wichtigste; demnächst dürfte die Eröffnung der
beiden nördlichsten Häfen, Niutschuang und Tengtscheu, besonders für die Ein-
fuhr von Wollenwaaren von Belang sein. Wenn russische Tuche auf dem Land-
wege nicht blofs bis in die chinesischen Hafenplätze, sondern durch Central-Asien
bis Siam vordringen, so wird die Eröffnung von Häfen in solchen Breiten, in
denen wollene Waaren ein entschiedenes Bedürfnifs sind, auch dem Handel Mittel-
und West-Europa’s in diesem Zweige die Concurrenz erleichtern, trotz der eigen-
thümlichen Verhältnisse, welche den Absatz von russischen Tuchen als Tausch-
mittel für den chinesischen Thee begünstigen. Es wird hier namentlich dem deut-
schen Handel Gelegenheit gegeben sein, der deutschen Tuchfabrication ein wich-
tiges Absatzgebiet, von dem sie seit längerer Zeit verdrängt ist, wieder zu ge-
winnen. B.
Englische Nachrichten über den japanesischen Hafen
Niegata.
Als Ergänzung, des in diesem Bande $. 161 mitgetheilten russischen Berichts
von Capt. Maydell über den neu eröffneten japanesischen Hafen Niegata und über
die benachbarten Hafenplätze entlehnen wir dem Mai-Heft des Nautical Maga-
zine folgende Bemerkungen: „Von Hakodadi segelten wir längs der Westküste
Nipon’s nach dem Hafen Niegata, der durch Lord Elgin’s Tractat dem auswärti-
gen Handel eröffnet ist. Wir machten zuerst bei Tabu-sima Halt und be-
stimmten die Lage dieser Insel. Mr. Richards’ Angabe dafür ist ungenau; er muls
sich geirrt und einen der isolirten Berge des Hauptlandes für diese Insel genom-
men haben; die Insel ist auch nicht 610, sondern nur 150 Fufs hoch und liegt
|
;
Englische Nachrichten über den japanesischen Hafen Niegata. 413
in 39° 141'’53” N. Br. und 139° 36'39" O.L.'). Auch bei Awasima machten
wir Halt, um die Lage der Insel zu bestimmen ?), und entgingen hier glücklich
einem uns drohenden Mifsgeschick; denn der Wind sprang plötzlich um und trieb
uns der Küste entgegen; wir retteten uns mit Verlust eines Ankers und 50 Fa-
den Kabel. Vom October bis Mitte November hielten wir uns bei der Insel
Sado auf. In Niegata zu landen hatten wir zweimal vergebliche Versuche ge-
macht. Als es uns endlich gelang, fanden wir hier eine Anzahl japanesischer
Beamten, die von Jeddo hierhergeschickt waren und lebhaft wünschten, mit dem
Capitain eines englischen Kriegsschiffes festzustellen, ob der Hafen für den aus-
wärtigen Handelsverkehr geeignet sei. Sie sagten, dafs vom April bis October
hier ein Landwind vorherrsche und das Wetter gewöhnlich schön sei, und dafs
man in der andern Hälfte des Jahres, bei nordwestlichen und westlichen Winden,
im Osten der Insel Sado guten Ankergrund finden würde ?). Wir mufsten aber
abfahren, ohne zu einer definitiven Entscheidung gekommen zu sein. Wie lebhaft
das Interesse der Japanesen für den Handel mit den Fremden ist, ergiebt sich: daraus,
dals uns nach Sado ein Brief nachgeschickt wurde, in welchem man sich erbot,
den Eingang in den Hafen zu vertiefen, wenn wir einen günstigen Bericht dar-
über abstatten wollten. Das stimmt glücklicherweise wenig zu der übelberüch- .
tigten Abgeschlössenheit der Japanesen! “
„Die Umgegend Niegata’s besteht aus sehr niedrigen Sandhügeln, und. der
Eingang zum Hafen ist nur durch die Spitzen der Maste ‘der darin ankernden
Dschunken zu erkennen. Wenn der Wind von der See weht, so herrscht: auf
der ganzen Strecke quer vor dem Eingang eine starke Brandung, und ein Boot
würde sie immer nur mit Gefahr durchschneiden können. Bei Sado liegt der beste
Ankerplatz vor dem Dorfe Oda, wo man im Winter gegen alle Winde geschützt
ist. Die Süd- und Westküste der Insel ist sehr rauh, felsig und steil, und bie-
tet, soweit wir darüber urtheilen können, gar keinen geeigneten Ankerplatz dar.
Die Gegend an der Sawa-umi-Bay, die von Point Ongi und Point Riuwu ein-
geschlossen ist, an der Ostküste, ist dicht bevölkert und ‚sehr angebaut. Das
Land sah in der That sehr einladend aus, und es war uns Allen höchst verdriefs-
lich, dafs wir keinen sichern Ankerplatz fanden, um die Umgegend erforschen zu
können. Die Japanesen fanden wir überall zuvorkommend; sie sind uns bei un-
seren Arbeiten nie beschwerlich geworden.“ —ın.
Neuere Nachrichten von Missionären aus Micronesien.
Der von uns im VI. Bande dieser Zeitschrift (Neue Folge) S. 355 ff. mitge-
theilten Abhandlung über Micronesien erlauben wir uns im Folgenden einige er-
’) Tobi Sima — wenn dieses wirklich dieselbe Insel ist wie Tabu sima — be-
stimmt Maydell zu 39° 8’ 35" N. Br., 139° 42’ 50" O.L.
?) Das Resultat ist leider nicht angegeben; die Lage der Insel ist von Maydell
auf 38° 19’ N. Br., 139° 14’ O. L., von der holländischen Corvette Bali auf 38°
31’ N. Br. und 139° 17’ O.L. bestimmt.
®) Dieses stimmt auch mit Capt. Maydell’s Angaben überein; derselbe macht
aber darauf aufmerksam, dafs die Insel Sado 20 italienische Meilen von Niegata ent-
fernt ist.
41A Miscellen:
günzende Nachträge von neuerem Datum hinzuzufügen. Wir haben a. a. O,,
S. 372, unter den Inseln der Kingsmill-Gruppe (Süd-Mieronesien) Apia oder
Charlottens-Insel erwähnt. Seit 1857 hat daselbst der Missionar Bingham sei-
nen Wohnsitz aufgeschlagen. Im April 1858 zählte er die Bewohner und fand
genau 3211 Seelen; die Gesammtbevölkerung der Kingsmill-Gruppe schätzt er
auf 40000 (Missionary Herald 1859 p. 164)"). Von den Boden-Erzeugnissen auf
Apia oder Apaiang schreibt er unterm 5. März 1858: „Wir bemühen uns, uns
an das Te papai zu gewöhnen, Arum esculentum, das einzige Gemüse der Insel.
Wenn dasselbe einige Stunden gekocht hat, kann man es mit einiger Mühe zer-
malmen, doch hält es mit dem Kalo auf Hawaii keinen Vergleich aus. Die ein-
zigen Früchte, welche hier wachsen, sind Kokos- und Pandanus-Nüsse; die Ein-
geboınen nähren sich hauptsächlich von letzteren. Bisweilen giebt es Fische im
Ueberflufs, dann vergehen aber wieder Tage und Wochen, wo gar keine zu haben
sind. Das Te papai fängt schon drei Tage, nachdem es geerndtet worden, an zu
verderben, daher wir es oft und in nur geringer Menge kaufen müssen, was
nieht immer möglich ist, weil hier kein Markt gehalten wird und das Gemüse
auch nicht gerade in grofser Menge vorkommt. Das Anpflanzen von Bananen,
. sülsen Kartoffeln, Zwiebeln und Kürbis ist völlig mifslungen, der Boden ist dafür
durchaus nicht geeignet. Die Pflanzen gehen zwar nicht aus, aber sie gedeihen
auch nicht. Geflügel und Schweine sind hier nicht zu haben. Wir hatten ein
Schwein mitgebracht, konnten es aber nicht füttern. Gegen Pandanusnüsse
zeigte es einen entschiedenen Widerwillen; von dem Te papai schien es nicht
fett zu werden und Kokosnüsse bilden ein zu armseliges Futter. Der eigentliche
Brodfruchtbaum wird nirgends auf der Insel angetroffen, nur eine kleinere Abart,
die aber lange nicht so gut ist.“ (Vgl. Miss. Herald 1859, No. 22 u. 23.) Die
Hauptstadt auf Apia oder vielmehr der Ort, wo das Oberhaupt der Insel: residirt,
schreibt Herr Bingham „Koinaua“. Die früher von uns verglichenen Berichte
nannten sie Quinans oder Kuinana. Ein blutiges Ereignifs brachte den Missionar
mit den Bewohnern der südlich von Apia gelegenen Insel Tarawa (vgl.a. a. O,
S. 372) in nähere Berührung. Am 19. Februar 1858 kam eine Schaar Tarawa-
ner in etwa hundert Canoes, von denen mehrere 40 bis 50 Fufs lang waren,
nach Apia, um die Bewohner der letztgenannten Insel anzugreifen. Ein hitziges
Gefecht entstand, in welchem die Tarawaner vollständig unterlagen und minde-
stens 70 Menschen und 50 Fahrzeuge einbüfsten. Eine Anzahl Männer, Frauen
und Kinder von Tarawa, die sich, als der Kampf einen so unglücklichen Ausgang
nahm, in’s Meer stürzten und an’s Ufer schwammen, wurde gefangen genommen
und nach Koinaua gebracht. Der Anführer der Tarawaner selbst fiel. Aber es
gab auf Tarawa noch einen zweiten Häuptling, der an dem Ueberfall nieht Theil
genommen. Seine Anhänger kamen, nachdem die Schlacht geschlagen, nach
Apia, um den dortigen Häuptling, Te Kaiiea, der im besten Einvernehmen mit
dem Missionar lebte, zu seinem Siege zu beglückwünschen, und dem kurz vorher
verstorbenen Vater Te Kaiiea’s ihre Ehrfurcht zu beweisen. „Viele von diesen
!) Also ziemlich übereinstimmend mit dem Engländer Randall, der die Be-
völkerung der ganzen Gruppe auf 47000, die der Insel Apia auf 3500 Seelen ver-
anschlagte.
Neuere Nachrichten von Missionären aus Micronesien. A415
Tarawanern,“ schreibt Herr Bingham, „brachte Te Kaiiea in meine Wohnung,
damit sie mein nach amerikanischer Weise aus aufrecht stehenden Brettern er-
bautes, 24 Fufs tiefes und 16 Fufs breites Haus sähen. Ein kleiner Compals,
dessen Nadel Te Kaiiea mittelst einer magnetisirten Messerklinge beliebig hin-
und herbewegte, war für sie ein endlos wunderbarer Anblick, ebenso unsere Uhr
mit ihrem Schlagwerk. Auch konnten sie sich nicht satt sehen an unseren Da-
guerreotyp-Bildern, besonders nicht an dem Bilde des alten Missionars von Oahn.
Zwei Tage später führte Te Kaiiea den Häuptling von Tarawa zu uns, damit
auch er die Bilder in Augenschein nehme. Er war ein ansehnlicher Mann, mit
angenehmen Gesichtszügen und sagte mir, er würde Missionare auf Tarawa gast-
lich aufnehmen. Während er und seine Begleiter auf dem Hausflur Platz genom-
men, stellte ich ihnen meine Frau vor, die ich, da sie leidend war, in einem
Lehnstuhl aus ihrem Gemach bringen liefs. Die weilse Frau war für Alle der
Gegenstand ihrer gröfsesten Verwunderung.“ (Vgl. Miss. Herald 1859, p. 22.)
. Die Insel Mille oder Mulgrave in der Radack-Kette, die wir a. a. O.
S. 366 ff. erwähnt haben, wurde von dem Missionar Doane an Bord des „Mor-
ning Star“ am 17. November 1858 besucht. Er fand dort eine grofse Lagune,
in welche das Schiff vom Norden her einfuhr. Die Bevölkerung benahm sich
freundlich gegen die Fremden. Ihre Sprache ist verschieden von der Sprache
der Bewohner der Ralick - Kette, welche doch nur 150 engl. Meilen von der Ra-
dack-Kette entfernt liegt. Es hielt schwer, sich verständlich zu machen, obwohl
der Unterschied sich nicht so sehr in der Structur und Grammatik, als besonders
in den Worten kund gab. Die Insel Mille, die gröfseste in der Gruppe, schien
Herrn Doane 3 Meile breit und 3 Meilen lang zu sein. Er nennt sie „einen klei-
nen Edelstein mit grofsen Wäldern von Brodfrucht- und anderen Bäumen, einen
hellgrünen Teppich mit dichter Belaubung“. Die Bevölkerung der Insel, welche
ein Atoll d.h. eine Ring-Insel ist, schätzte Herr Doane auf 600 Seelen. Die
Insel ragt durchschnittlich nur 5 Fufs über dem Niveau des Meeres hervor.
Von Mulgrave fuhr der „Morning Star“ am 29. November nach Majuro
(Mediuro) oder der Arrowsmith-Gruppe. Diese Insel ist lang und schmal, dicht
bevölkert und ausnehmend fruchtbar. Capitain Browns sagt: „Es ist ein’ herr-
liches Eiland. An der Stelle, wo wir landeten, erhob sich der Boden von 6 zu
40 Eufs. Wir sahen hier stattliche Wälder von Brodfrucht- und Pandanus-Bäu-
men. Die Cocospalme und die Banane schienen ebenfalls häufig. Wir durch-
wanderten, begleitet von 300 bis 400 Eingeborenen, Männern, Frauen und Kin-
dern, die Insel an der Seite, wo die Lagune liegt. Alle schienen voll Verwun-
derung und Freude. Am Rande der Lagune war der Anblick des Eilandes sehr
schön. Etwa zwanzig grofse Canoes lagen hier in der Bai. (Vgl. Miss. Herald
1859 p. 163.)
Am 1. December segelte das Schiff nach Bonham’s -Insel oder Che-
luth (Kili), wo es am 3ten anlangte. „Dies Atoll,“ schreibt Herr Doane, „ist
von grolsem Umfange. In der Richtung von Nordosten nach Südwesten mifst es
_ wenigstens 35 engl. Meilen, in der Breite mag es jedoch nicht mehr als 10 bis
42 Meilen betragen. An allen Seiten wird es von kleinen Eilanden umkränzt,
von denen manche drei Meilen, einige aber nur eine Spanne (a span) lang, alle
Ei Bäumen und Gebüschen bewachsen sind. Die Insel Cheluth liegt etwa 80
:
3
416 Miscellen:
engl. Meilen von Ebon entfernt und hat eine für eine so grofse Insel nur geringe
Bevölkerung von etwa 500 Seelen. Die Lagune besitzt fünf Einfahrten.“ (Vgl.
Miss. Herald 1859, p. 163.) Beide Inseln, Majuro und Cheluth, gehören zu der
Gruppe der Marschalls-Inseln, also zu Ost-Micronesien, die erstere zur Radack-,
die letztere zur Ralick-Kette.
A. a. ©. $S. 368 berichteten wir, dafs sich Mr. Doane und Dr. Pierson auf
Ebon, der südlichsten Insel in der Ralick-Kette, niedergelassen hatten. Sie leb-
ten dort unbelästigt von den Eingeborenen, obwohl deren Charakter und Gewohn-
heiten, nach ihrem eigenen Geständnifs, wild und grausam waren. So schreibt
Dr. Pierson am 25. Mai 1858, und fügt hinzu, er habe während seines nun-
mehr fünfmonatlichen Aufenthalts auf der Insel die Erfahrung gemacht, dafs die
Bewohner von Ebon und den übrigen Eilanden ein wanderlustiges Volk seien.
Sie fahren oft in grofser Anzahl von einer Insel zur andern und „gleichen, wie
er sagt, in dieser Beziehung, sowie in ihrem Benehmen im Allgemeinen und in
manchen Charakterzügen aufserordentlich den Indianern in Amerika.“ „Die Ra-
lick-Inseln,“ fährt er fort, „stehen alle unter einer Familie von Häuptlingen, wel-
che Ebon zu ihrem Hauptquartier gemacht haben, weil diese unter allen Inseln
der ganzen Kette die besten und meisten Nahrungsmittel darbietet.* Vor meh-
reren Jahren zerstörte ein Orkan viele Brodfruchtbäume und Cocospalmen auf
anderen Inseln. Es entstand eine Hungersnoth, der viele Eingeborene erlagen
und in deren Folge blutige Kriege unter den Bewohnern der verschiedenen In-
seln geführt wurden, wobei ebenfalls viele umkamen. Seitdem hat die Bevölke-
rung abgenommen; sie beträgt gegenwärtig wahrscheinlich nicht mehr als 6000
oder 8000 Seelen (vgl. a. a. O. S. 366). „So viel wie wir in Erfahrung gebracht
haben,“ schreibt Dr. Pierson, „müssen wir annehmen, dafs die Radack-Kette nicht
mehr bevölkert ist, als die Ralick-Kette.* Demnach würde die Bevölkerung bei-
der höchstens 16,000 betragen, wonach die Angabe a. a. O. 8. 366 von 30 bis
40,000 viel zu hoch wäre. Ueber die religiösen Ansichten und den Charakter
der Bewohner von Ebon macht Dr. Pierson folgende interessante Bemerkungen.
„Sie glauben,“ schreibt er, „an einen Himmel und an eine Hölle, und sagen, es
gäbe zwei oberste Gottheiten, welche, so viel man wissen könne, die einzigen
Wesen seien, die im Himmel wohnten. Ein böser Geist wohne in der Hölle.
Die Seele komme nach dem Tode in ein fernes irdisches Paradies, wo sie ihren
Aufenthalt nehme und gelegentlich in ihre frühere Heimath auf den Inseln zurück-
kehre, um sich mit ihren Freunden durch Träume u. dgl. zu unterhalten. Daher
glauben sie auch, dafs jederzeit eine Anzahl abgeschiedener Seelen in der uns
umgebenden Luft schwebe. Als ich den obersten Priester, der einer meiner be-
sten Freunde ist, befragte, wie es denn in dem Paradiese aussehe, antwortete er,
er wisse das nicht, da niemals Jemand von dort zurückgekehrt sei und zuver-
lässige Mittheilungen darüber gemacht habe. Dann setzte er hinzu: „der Mensch
stirbt, seine Seele entfernt sich, wir wissen nicht, wie es ihr weiter ergeht, von
dem Jenseits besitzen wir keine Kunde.“ (Vergl. Miss. Herald 1859, p. 148.)
B.
Neuere Untersuchungen des R. Salado in der Argent. Conföderation. A17
Neuere Untersuchungen des Rio Salado in der Argen-
tinischen Conföderation.
Die ersten Nachrichten über die Resultate der Erforschung des Rio Salado
durch Lieutenant Th. J. Page lauteten vielversprechend. Ihnen zufolge sollte der
Flufs für die Zeit von 6 Monaten im Jahr, wenigstens bis Sepulturas, vielleicht
sogar bis San Miguel, nicht weit von den Grenzen der Provinz Salta, schiffbar
sein; auf dieser Strecke sei derselbe nur von Baumstümpfen und den Wasser-
pflanzen zu reinigen, die der Fahrt an manchen Stellen hinderlich wären, um
für flachgehende Schiffe eine sofort brauchbare Wasserstralse zu gewinnen. Eine
Prüfung der ausführlicheren Berichte, die Lieutenant Page in seinem Werk über
die Argentinische Conföderation niedergelegt hat, mufste diese Hoffnungen er-
heblich herabstimmen. Schon ein Blick auf die Karte des Stroms zwischen
Santa FE und Monte Aguarä (vergl. den Carton auf Taf. VI im fünften Bande
dieser Zeitschrift) liefs erkennen, dafs der Rio Salado an Launenhaftigkeit seiner
Krümmungen den Mäander noch übertrifft, und Page’s Werk giebt eine Erläute-
rung hierzu, welche den Werth dieser Wasserstrafse beträchtlich herabdrückt. An
vier Punkten, die in gerader Richtung von Santa Fe, 20, 33, 75 und 85 Miles
entfernt waren, hatte Page auf dem Flusse Strecken von beziehungsweise 75,
150, 300 und 340 Miles zurückgelegt; der Wasserweg ist also viermal so lang
als der Landweg, und die Windungen sind zuweilen so wunderlich, dafs Page
z.B. am 20. Juni nach einer Fahrt von 3 Miles an eine Stelle gelangte, welche
von seinem Ausgangspunkt nur durch einen Isthmus von 300 Fufs Breite getrennt
war. Noch bedenklicher war, dafs Page schon bei Monte Aguarä, dem Endpunkt
seiner Fahrt mit dem Dampfer Yerba, nur eine Tiefe von 24 Eufs fand, aller-
dings im Juli, zur Zeit des niedrigen Wasserstandes; aber Monte Aguarä liegt
noch auf dem ersten Drittel des Weges von Santa F& bis Matarä oder einem
anderen, in der Breite von Santiago del Estero gelegenen Hafenplatz. Was den
mittleren Stromlauf, in der Provinz Santiago, betrifft, so giebt Page über die
Fahrt des Lieutenant Murdaugh von Miraflores abwärts bis Sepulturas nur dürf-
tige Nachrichten; und die Strecke von Sepulturas abwärts bis zur Grenze von
Santiago hat Page nur zum Theil befahren, zum gröfseren Theil hat er den Weg
auf dem Ufer zurückgelegt, und ein Urtheil nach dem blofsen Anblick des Flusses
kann nicht wie ein sicheres Resultat einer wissenschaftlichen Exploration be-
trachtet werden. Mit Bestimmtheit sah man nur, dafs der Flufs bei niedrigem
Wasserstande bis in die Provinz Santiago nicht schiffbar war; ob er überhaupt für
die Schiffahrt brauchbar war, hing davon ab, um wie viel seine Tiefe durch
das Hochwasser durchschnittlich vermehrt wird und wie lange dasselbe anhält.
Die neueren Untersuchungen haben nun gezeigt, dafs Lieutenant Page die
Schiffbarkeit des Flusses vom amerikanischen Gesichtspunkt beurtheilt hat. In
den Vereinigten Staaten würde man einen Flufs von der Beschaffenheit des Sa-
lado allerdings getrost als schiffbar bezeichnen können; denn dort würden die
Arbeiten, die zur Herstellung eines gesicherten Fahrwassers erforderlich sind, in
kürzester Zeit ausgeführt sein. In der Argentinischen Conföderation indefs erregt
' man irrige Vorstellungen und sanguinische Hoffnungen, wenn man einen Flufs
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 27
418 Miscellen :
als schiffbar darstellt, der erst durch künstliche Wasserbauten nutzbar gemacht
werden kann; und dafs der Rio Salado solcher Wasserbauten bedarf, haben die
neuesten Untersuchungen dargethan.
Auf Grund der Berichte des Lieut. Page hatte Sr. Estevan Rams mit der
Regierung der Conföderation am 2. Juni 1856 einen Vertrag abgeschlossen, durch
den er auf 15 Jahre das Privilegium der Dampfschiffahrt auf dem Salado unter
vortheilhaften Bedingungen erwarb. Ueber die Unternehmungen, die Sr. E. Rams
zur Ausführung dieses Planes veranstaltet hat, berichtet er jetzt in einer Schrift:
„Documentos relativos a la navegacion del Rio Salado del Norte de la Republica
Argentina. Por Estevan Rams y Rubert. Buenos Aires 1860*, für deren schleu-
nige Uebersendung wir unserem verehrten Gönner, dem Königl. Preufsischen Ge-
schäftsträger in den La Plata-Staaten, Herrn v. Gülich, zu besonderem Dank ver-
pflichtet sind. Sie ist mit einer Karte ausgestattet, welche sich hinsichtlich der
geographischen Lage der Hauptpunkte auf die Bestimmungen des Lieut. Page stützt,
während die zwischen ihnen gelegenen Stromstrecken nach der Aufnahme des
Ingenieur Coghlan (1858— 1859) niedergelegt sind. In den Stromkrümmungen
zeigt diese Karte ziemlich erhebliche Abweichungen von der des Lieut. Page;
als ganz neu erscheint der Lauf des Flusses zwischen Monte Aguara und der
Grenze der Provinz Santiago, der von der amerikanischen Expedition nicht be-
sucht ist, und der Lauf des Rio de las Vivoras, des Abflusses der Laguna de
las Vivoras, der sich unterhalb Monte Aguarä, nicht weit vom Arroyo de la
Cruz in den Rio Salado ergielst.
Sr. Rams hatte sofort in Rio Janeiro drei Dampfschiffe gekauft, von denen
eines für den Verkehr zwischen Rosario und Santa Fe, die beiden andern für
die Fahrt auf dem Salado bestimmt waren. Am 26. Januar 1857 begann der
Dampfer Santa Fe, mit einer Barke (chata) im Schlepptau, die Untersuchung des
Rio Salado, — also in der Zeit, in welche das Hochwasser des Salado fallen
soll; er gelangte aber nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten, welche durch
Baumstümpfe verursacht wurden, und nachdem die Chata an einem solchen Baum-
stumpf gescheitert war, ebenfalls nur bis Monte Aguaraä, — bis zu dem Punkte,
an welchem die Fahrt des Lieut. Page auf dem Dampfer Yerba wegen des nie-
drigen Wasserstandes (im Juli) ein Ende nehmen mufste. Auch jetzt, im Ja-
nuar, war der Fluls zu seicht, und die Strömung zu stark. Die letztere Notiz
ist sehr auffallend, da Lieut. Page auf dieser Strecke, ebenfalls bei niederem
Wasserstande, nur eine Strömung von 3 bis 1 Mile bemerkt hatte und man dar-
nach annehmen mufste, dafs der Rio Salado in dieser Beziehung vor dem Rio
Vermejo einen bedeutenden’ Vorzug besitze, der auch eine Rectifieirung und Ver-
kürzung des Stromlaufes gestatten werde. In Monte Aguarä wartete der Dampfer
Santa FE eilf Monate vergeblich auf höhern Wasserstand; man erfuhr, dafs im
Innern die Regen ausgeblieben waren, und in Folge dessen war der Flufs ein gan-
zes Jahr unbrauchbar. Es ergab sich also mindestens, dafs auf eine Schifffahrtssai-
son für den Salado in seinem gegenwärtigen Zustande nicht in jedem Jahre mit
Sicherheit zu rechnen ist.
Den unfreiwilligen Aufenthalt benutzte Sr. Rams, um mit den Indianern
freundliche Beziehungen anzuknüpfen und durch kleinere Bootexpeditionen den
mittleren Theil des Stromlaufes von den verdriefslichsten Hindernissen reinigen
-
Neuere Untersuchungen des R. Salado in der Argent. Conföderation. 419
zu lassen. Auch diese Boote sahen sich durch die Seichtigkeit des Flusses be-
hindert, und es drängte sich die Ueberzeugung auf, dafs der Rio Salado einer
durchgreifenden Regulirung bedürfe. Um hierüber ein sicheres Urtheil zu gewin-
nen, engagirte Sr. Rams in Buenos Aires den in Wasserbauten erfahrenen engli-
schen Ingenieur Coghlan, und dieser begann im November 1858 seine Untersu-
chungen, in die er auch den Rio de las Vivoras einschlofs. Das Resultat der-
selben hat er in einem Bericht zusammengefalst, welcher das für unsere Zwecke
wichtigste Document der oben erwähnten Schrift bildet. Wir entlehnen demselben
folgende Angaben über die Beschaffenheit des Salado.
In der Provinz Salta ist der Salado bis Pasages ein nicht unbeträchtlicher,
aber reifsender Flufs. Bis Matarä, in der Provinz Santiago, behält er seine Gröfse
bei, aber seine Strömung wird geringer. An dem zuletzt genannten Punkt breitet
er seine Wasser über weite Niederungen (banados) aus, die vom December bis
Mai, zur Zeit des Hochwassers, vollständig überschwemmt werden und sich strom-
abwärts bis Navicha (nicht Narvicha, wie Page schreibt) ausdehnen. Erst bei
Navicha hat der Flufs wieder ein bestimmtes Bett, aber seine Wassermenge ist
durch jene lagunenartige Ausbreitung erheblich vermindert. Als eine unbeträcht-
liche Wasserader erreicht er Monte Aguarä, aber unterhalb dieses Punktes ver-
einigt er sich mit dem viel bedeutenderen Abflufs der Laguna de las Vivoras und
gewinnt dadurch wieder so an Wassermenge, dafs er bis Santa Fe als ein hüb-
scher Flufs erscheint.
Bei der Bergfahrt fand, Mr. Coghlan auf der Strecke von Santa Fe bis zum
Paso Miura, 4 Leguas, keine geringere Tiefe als 4 Fufs. Zwischen Miura und
Monte Aguarä bleibt der Flufs 100 bis 160 Fufs breit, aber es finden sich schon
hier seichte Stellen, die bei niedrigem Wasserstande nicht mehr als 1 Fufs tief
sind. Die Ufer sind etwa 12 Fufs hoch und der Fall ist gering, etwa 5 Zoll pro
Mile. Der Niveau-Unterschied zwischen Miura und Monte Aguarä beträgt 91
Fufs '), die Strömung 1 Mile, was mit der Angabe des Lieut. Page übereinstimmt.
Oberhalb der Vereinigung mit dem Rio de las Vivoras wird der Flufs viel unbe-
deutender und gewundener. Auf den ersten 4 Leguas steigert sich der Fall auf
18 Zoll pro Mile und der Flufs war so seicht, dafs selbst Bote von nur 9 Zoll
Tiefgang an manchen Stellen den Boden berührten. Weiter aufwärts bis Matan-
zas (etwas unterhalb Sandia Paso) beträgt die Tiefe durchschnittlich 4 bis 5 Fuls,
bei niedrigem Wasserstande an manchen Punkten aber nur 18 Zoll. Die Ufer
sind hoch und fest, das Flufsbett bei niedrigem Wasserstande im Wasserniveau
30 bis 35 Fufs breit, die Uferränder sind 50 Fufs von einander entfernt. Der
Fall ist gering (5 Zoll pro Mile), ebenso die Strömung; die nirgends $ Mile über-
steigt. Auf dieser ganzen Strecke empfängt der Salado keinen erheblichen Zu-
flufs; er wird nur durch die Abflüsse der nicht weit von seinen Ufern gelegenen
Lagunen gespeist, die sich zur Zeit des Hochwassers und der Ueberschwemmun-
gen angefüllt haben. Von Matanzas bis Navicha fand Coghlan, gegen den Schlufs
!) Danach würde Monte Aguara von Miura nur 218,4 millas, worunter wir
doch nur Seemeilen verstehen können, entfernt sein, während Page die Entfernung
von Monte Aguard& nach dem nur 4 Leguas unterhalb Miura gelegenen Santa Fe auf
340 Miles angiebt.
27°
A2O Miscellen :
der trocknen Jahreszeit, den Flufs sehr seicht und bei Sandia Paso lag das Bett
vollkommen trocken. Oberhalb Navicha beginnen nun die oben erwähnten
Niederungen, die sich bis zur Boca de Matarä, 7 Leguas unterhalb Matarä er-
strecken. An der Boca de Matara vertheilt sich der Flufs in zahlreichen Adern
über die Niederung, die bei Hochwasser eine grofse Lagune bildet; von der Boca
bis zur Laguna de S. Jose kann man das eigentliche Fahrwasser noch einiger-
mafsen verfolgen; aber von hier ab bis Navicha hat der Flufs gar kein ausge-
prägtes Bett, sondern er breitet sich, einen Monat nach dem Eintreten des Hoch-
wassers bei Matara, über die ganze Ebene aus.
Den Charakter dieser Niederung, welche dem untern Stromlauf das Wasser
entzieht und es auf weiter Fläche einer schnellen Verdunstung Preis giebt, lernen
wir aus Page’s Bericht genauer kennen. Page bemerkt, dafs schon 16 Miles un-
terhalb Matarä die Ufer des Flusses immer niedriger werden, und dafs sie nach
24 Miles einer grofsen Lagune Platz machen, der er den fürchterlichen Namen
Toma Caphuyan (es soll bedeuten „Thomashöhle“) beilegt. Diese Lagune war
im September, also noch vor Eintritt des Hochwassers, 5 bis 6 Miles breit, bis
4 Fufs tief, und dicht mit zZozora’s, eine Art Wasserlilien, bedeckt. Mit grofser
Mühe bahnten die Leute dem Boote einen Weg durch die Wasserpflanzen, in ge-
rader Linie, ohne dem eigentlichen Flufsbett zu folgen, das an den Stellen, wo
man es kreuzte, nur 2 Fuls tief war. Da man hier zu langsam vorwärts kam,
liefs Page das Boot durch Schilf und Totora 3 Miles weit ans Land ziehen, an
die Estancia del Estado (28° 19’ 54" S. Br., 63° g8' 58’ W.L.), und es auf
einem mit Ochsen bespannten Wagen 2 Miles weiter nach der Estancia Gramilla
führen. Aber auch hier fand man noch keinen klaren Flufs; unabsehbar wie
eine See breitete sich die Lagune nach Osten aus; doch konnte man das Bett
des Salado, das hier 4 Fufs tief war, deutlich erkennen. Page spricht die An-
sicht aus, dafs das Land sich hier gesenkt haben müsse; denn man versicherte
ihm — wie wir jetzt wissen, mit Unrecht —, dafs der Lauf des Flusses seit
Menschengedenken keine Veränderung erlitten habe. „Gleichwohl kamen wir an
einem Hause vorüber, das jetzt von mehrere Fufls tiefem Wasser umgeben war,
obgleich es noch vor nicht gerade langer Zeit auf verhältnifsmälsig hohem Grunde
stand und in der Umgegend als Casa alta bekannt war; und etwas weiter fuhren
wir in 4 Fufs tiefem Wasser über die Stelle hin, wo die einst blühende Stadt
Guahagasta gestanden hatte; die einzigen Ueberbleibsel derselben waren Pfähle
von dem unzerstörbaren Holz, das hier zu Lande wächst; wie Skelette ragten
sie über das Gras und das Wasser hervor; noch vor 30 Jahren war der Platz
von den Agenten der Kaufleute in Buenos Aires und Santa FE häufig besucht,
welche hier gegen Taback, Messer und Beile von den Chaco-Indianern Pelzwerk
und Honig eintauschten. Die Indianer brachten namentlich eine ungeheure Menge
von Otterfellen hierher; aber bei der anhaltenden Dürre der Jahre 1827 bis 1829
ist die Flufsotter hier ausgestorben oder ausgewandert. „Auch bei Sauce Esquina,
8 Miles unterhalb Gualiagasta, war die Lagune noch so mit Wasserpflanzen an-
gefüllt, dafs die Expedition hier einen Tag rastete, um den Arbeitern, die für
das Boot einen Weg bahnten, einen Vorsprung zu gönnen. Am folgenden Tage
gab Page den mühseligen Versuch, zu Boot vorzudringen, ganz auf, nachdem er
zu Boot die Lagune 20 Miles weit befahren hatte. Er setzte den Weg am Ufer
Neuere Untersuchungen des R. Salado in der Argent. Conföderation. 421
fort und wurde am folgenden Tage von dem Gouverneur Taboada mit 40 Reitern
eingeholt, der eine grofse Schaar von Indianern, welche in die Umgegend von
Matarä einen Raubzug ausgeführt hatten, verfolgte. Um die Indianer einzuholen,
mulste die Reiterabtheilung an das andere Ufer hinüber und die Lagune durch-
reiten. Page schlofs sich der Unternehmung an. „Um 9 Uhr safsen wir im Sattel
und ritten, von zwei Soldaten geführt, in die Lagune hinein, durch die wir meh-
rere Tage lang zu Boot vorwärts zu kommen gesucht hatten. Unsere Pferde
arbeiteten sich in dem Schlamm und Wasser, das manchmal bis an den Sattel
reichte, tüchtig ab. Bald schien der Führer fast ganz zu versinken; bald gerieth
mein Pferd wieder in solche Tiefen, dafs ich, gar nicht gauchomäfsig, nahe daran
war, nebenbei in das Wasser zu springen, das mir in meine langen Stiefel ge-
flossen wäre. Für ein paar Schritt hatten wir festen Boden, und diese Stelle
hielt ich für das eigentliche Bett des Salado. Endlich um 11 Uhr erreichten wir
wieder Festland.“ Von dieser Stelle, 28° 21’ 15” S. Br., 63° 12’ W.L., er-
streckte sich die Lagune noch 6 Leguas südostwärts bis Navicha.
Diese grofse Inundation rührt nach dem Ingenieur Coghlan daher, dafs der
Rio Salado sein altes Bett verlassen hat. Derartige Veränderungen des Fluls-
laufs sind bei den Pampasflüssen sehr gewöhnlich; sie werden meistens dadurch
verursacht, dafs sich bei einer der zahreichen Windungen dieser Flüsse das Treib-
holz ansammelt und bald quer über den Flufslauf einen festen Damm bildet, der
das Wasser aufstaut und es zwingt sich einen andern Weg zu suchen. Auch
oberhalb Matara, auf dem Wege von Santiago nach Sepulturas, kommt man über
ein altes verlassenes Flufsbett. Bei Navicha liegt es ebenfalls westlich von dem
jetzigen Flufslauf; es ist bis La Fragua tief und deutlich zu verfolgen, weiterhin
aber, bis zu der Stelle, wo es sich von dem jetzigen Flufslauf getrennt hat, ist
es durch die Anschwemmungen, welche den Flufs in eine andere Bahn gelenkt
haben, ziemlich verwischt.
Die Ausbreitung des Salado über ein so ausgedehntes Gebiet, durch welche
er — abgesehen von der Infiltration — der Verdunstung eine weite Oberfläche
darbietet, mufs natürlich den Wasserreichthum des Flusses in seinem unterm Laufe
beträchtlich vermindern. Coghlan schlägt deshalb vor, das alte Flufsbett wieder zu
reinigen, den Salado hineinzulenken und dadurch die Wassermasse, die jetzt nutz-
los, ja zum Schaden der Umgegend sich ausbreitet, zusammenzuhalten. Aber
der Ingenieur hält zur Sicherstellung der Schifffahrt noch andere Mafsregeln für
erforderlich. Er empfiehlt, den schnellen Abflufs des Hochwassers dadurch zu
verhindern, dafs die in der Nähe des Flusses gelegenen Lagunen, sobald sie sich
durch die Ueberschwemmungen gefüllt haben, durch Schleusen geschlossen und
dann als Wasserreservoirs benutzt werden, aus denen der Flufs regelmäfsig ge-
speist werden kann. Diese beiden Vorschläge werden selbst für ein in der ersten
Entwickelung begriffenes Land, wie die Argentinische Conföderation, nicht als
zu weit aussehende und zu kostspielige angesehen werden können. Mifslicher
sieht es mit einer dritten Verbesserung aus, auf welche Coghlan das Hauptge-
wicht legt. Er will, zum Theil auch wohl in Anbetracht der ungleichen Tiefe
des Flusses, auch im untern Laufe durch künstliche Anstauungen ein regelmä-
(siges Fahrwasser von mindestens 35 Fuls Tiefe herstellen, und empfiehlt deshalb
auf der Strecke von Monte Aguarä bis Santa Fe 12 Dämme und Schleusen an-
422 Miscellen:
zulegen. Die Kosten für diese Werke und die ganze Regulirung des Stromlaufs
bis in die Breite von Santiago schlägt er auf 500,000 Pesos an, und Sr. Rams
beabsichtigt, zur Beschaffung dieses Capitals eine Actiengesellschaft zu bilden.
Ob mit diesem Kostenaufwand und durch die Ausführung der oben erwähn-
ten Arbeiten der Zweck, den Salado regelmäfsig wenigstens für mehrere Monate
im Jahr schiffbar zu machen, erreicht werden kann, ist auf Grund der bis jetzt
vorliegenden Angaben noch nicht zu beurtheilen. Dafs aus der Ausführung des
Werkes der Provinz Santiago, welche eine vorwiegend ackerbauende ist, ein gro-
fser Vortheil erwachsen würde, unterliegt keinem Zweifel, und es wäre zu wün-
schen, dafs es dem unermüdlichen Eifer des Sr. Rams gelingen möchte, die Mittel
zur Beendigung eines Unternehmens zu gewinnen, dem er bereits fünf Jahre sei-
nes Lebens gewidmet hat. —n.
Plan zur Begründung eines Oentral-Erkundigung-Bureaus
zu Berlin für Auswanderung nach den britischen
Colonien.
In der April-Sitzung der geographischen Gesellschaft legte der Vorsitzende
zwei beachtenswerthe Pamphlets aus der Feder des General-Consuls Herrn Sturz
vor. Das eine führt ‘den Titel: Plan for securing to British North- America a
larger share than heretofore it has received, of the emigration from the United
Kingdom as well as from Germany and from other countries of Europe, together
with the means for the construction of a Railway between the Atlantic and Pacific
Oceans. Die zweite bespricht einen Plan, der für uns ein besonderes Interesse
hat, und führt den Titel: Proposal for the establishment of a Central Office of
Information in Berlin as a means of promoting emigration from Germany to the
British Colonies of North-America, Cape of Good Hope and Australasia. Ein
Bureau, auf so soliden Grundlagen begründet und mit solchen Mitteln ausgestatet,
wie Herr Sturz es vorschlägt, würde nicht nur seinem nächsten Zweck, allen de-
nen, die sich für Auswanderung interessiren, umfassende und authentische Infor-
mation zu ertheilen, dienen können; es würde auch bedeutsamen Zweigen der geo-
graphischen Wissenschaft werthvolle Hilfsmittel darbieten und wesentlich dazu beitra-
gen, nicht blofs eine genauere, sondern auch eine der Gegenwart entsprechende
Kenntnifs der britischen Colonien in Deutschland zu verbreiten, — während wir
jetzt mit unseren Anschauungen über diese im raschesten Fortschritt begriffenen
Länder meistens um einige Jahre hinter den wirklichen Verhältnissen der Gegen-
wart zurückbleiben und die geographischen Handbücher oft noch Zustände dar-
stellen, die mit den gegenwärtigen nicht mehr die entfernteste Achnlichkeit be-
sitzen. Das Central-Bureau, dessen Begründung Herr Sturz vorschlägt, soll, um
seinem Zweck genügen zu können, nicht blofs mit einer vollständigen Sammlung
von topographischen und geologischen Karten der einzelnen Colonien und Colo-
nialdistriete, Plänen etc, ausgerüstet sein, sondern auch eine Bibliothek besitzen,
welche alle neuere Reisewerke über die Colonien, die in den letzteren selbst er-
scheinenden Brochüren, mögen sie die Verwaltung derselben oder öffentliche Un-
Central-Erkundigungs-Bureau für Auswanderung nach den brit. Colonien. 423
ternehmungen, Ackerbau, Handel oder andere statistische Gegenstände betreffen,
ferner die Colonial-Almanachs, Parliamentary Papers und Colonial Legislative Re-
ports enthält und aufserdem mit einer Sammlung derjenigen Colonialzeitungen ver-
bunden ist, in denen amtliche Bekanntmachungen und sonstige Notizen zur Kennt-
nils des gegenwärtigen Zustandes der Colonien enthalten zu sein pflegen. Wenn wir
in Anschlag bringen, dafs selbst gut ausgestattete deutsche Bibliotheken auch von
den wichtigeren der hier aufgeführten Quellenschriften nur selten eine vollstän-
dige und für den Entwickelungsgang der betreffenden Ländereien wirklich instruc-
tive Reihenfolge besitzen; dafs von den schriftstellerischen Erzeugnissen jenseits
des Oceans, mit Ausnahme gröfserer Werke, nur ein äufserst geringer Theil bei
dem gegenwärtigen Zustande des Buchhandels nach Deutschland gelangt; dafs
namentlich Alles, was in Brochürenform oder als Abhandlungen in periodischen
Zeitschriften dort publieirt wird, für die deutsche Wissenschaft fast ganz verloren
geht oder ihr nur durch Zufall zugänglich wird, — wenn wir dieses Alles in
Anschlag bringen, so werden wir den wissenschaftlichen Nutzen eines Instituts
würdigen, welches von den Colonial-Regierungen selbst mit allen hier erwähnten
Quellenschriften vollständig und fortlaufend versehen wird. Auch für die Ver-
arbeitung des auf diese Weise zusammengebrachten reichhaltigen Materials hat
Herr Sturz in seinem Plane zweckmälsige Fürsorge getragen. Denn das Central-
Bureau soll nicht blofs durch regelmäfsige Vorträge und durch Bearbeitung von
Monographien über einzelne Colonien und einzelne Zweige der Colonialthätigkeit,
sondern auch durch Herausgabe einer besonderen Wochenschrift für die britischen
Colonien eine genaue Kenntnils des Zustandes dieser Länder in Deutschland ver-
breiten. Mit grofser Entschiedenheit hebt Herr Sturz hervor, dafs es nicht die
Aufgabe des Instituts sein soll, zur Emigration überhaupt, oder zur Emigration
nach einem bestimmten Punkt zu bewegen oder gar Emigranten zu sammeln,
sondern ausschliefslich, eine exacte Kenntnils von jenen Colonien zu verbreiten,
damit es Jedem möglich sei, sich ein eigenes Urtheil zu bilden. Um so bestimmter
tritt auch die wissenschaftliche Bedeutung des Instituts hervor, und es springt in
die Augen, dafs sie um so: leichter festgehalten werden kann, je grölser die An-
zahl der Colonien ist, welche das ihrem eigenen Interesse gerade in einer Le-
bensfrage dienende Unternehmen des Herrn Sturz befördern werden. Der Ver-
fasser hat seine Vorschläge mit so triftigen Gründen unterstützt, dafs sie, wie
wir hoffen, an entscheidender Stelle Anklang finden werden. Wir unsererseits kön-
nen im Interesse unserer Wissenschaft nur wünschen, dafs sie in dem Geiste,
von dem sie dietirt sind, und zwar bald ausgeführt werden mögen. —n.
Neuere Literatur.
Wandkarte der Hemisphären auf Wachstuch von Dr. Vogel und Delitsch.
2 Blatt. Leipzig 1859, J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung. Auf schwar-
zem Grund 14 Thlr., auf blauem 154 Thlr.
| Wenn in dieser Zeitschrift die obigen, vornehmlich unterrichtlichen
Zwecken dienenden Wandkarten zur Besprechung gelangen, so geschieht es haupt-
sächlich, weil hier zum ersten Mal auf Wandkarten die vertikalen Verhältnisse
424 Neuere Literatur:
der Erdtheile durch verschiedene, in bestimmter Folge auftretende Farbentöne,
Höhenschichten, dem Auge anschaulich gemacht sind. Auch die Anwendung
eines dauerhafteren Materials, des Wachstuches oder Malertuches, ist ein Vorzug
dieser Karte. Wachspapier zum Kartendruck mit Oelfarben anzuwenden, ist
unter Andern schon von Schauenburg bei seinen Flufskarten von Europa und
Deutschland versucht worden; allein es trat dabei der Umstand, dafs eine gröfsere
Wandkarte aus mehreren Theilen zusammengesetzt werden mufste, dem beabsich-
tigten Gebrauche mit Kreide und Schwamm hinderlich in den Weg. Dieser Uebel-
stand ist bei den obigen Wandkarten glücklich beseifigt, da die ganzen, 65 Zoll
im Quadrat habenden Blätter aus einem einzigen Stück starker Wachsleinwand
bestehen.
Die Höhenschichten-Methode ist auch von v. Papen bei seiner werthvollen
Schichtenkarte von Mittel-Europa befolgt worden; die Karte ist aber vorzüglich
für ein specielleres Studium bestimmt und stellt die zahlreichen Höhenstufen mit
sehr grellen, verschiedenen Farben nach Art der geognostischen Karten dar, was
weniger geeignet erscheint, beim Beschauen unmittelbar ein Bild der Boden-
gestaltung zu geben. Auf den oben bezeichneten Wandkarten ist die Methode
möglichst vereinfacht und für die Schule brauchbar gemacht worden.
Dafs es indem geographischen Unterricht von der gröfsesten Wichtigkeit
ist, in dem Schüler ein möglichst richtiges Bild der Bodengestaltung der Länder
zu erzeugen, weil dadurch das Verständnifs vieler anderer wichtiger Verhältnisse
herbeigeführt wird, ist eine allgemein anerkannte pädagogische Wahrheit, und die
Kartographie ist dem aus jener Ueberzeugung resultirenden Verlangen nach Kar-
ten, die das Relief des Bodens möglichst deutlich zur Anschauung zu bringen
vermögen, entgegengekommen, wie die weit verbreiteten Hand- und Wandkarten
von v. Liechtenstern, Sydow, Ewald u. A. zur Genüge beweisen.
Um ein Bild der Bodenplastik hervorzurufen, werden bekanntlich entweder
verschiedene Arten der Schraffirung, oder diese in Verbindung mit einigen Far-
bentönen angewendet, und es ist nicht zu leugnen, dafs, wenn die Schüler mit
den Prineipien der Darstellung einigermafsen vertraut gemacht werden, es sehr
wohl gelingt, ein solches Bild, wenigstens in gro[sen Zügen, zu erzeugen. Allein
auch die sorgfältigste Schraffirung läfst doch kein Urtheil hinsichtlich der abso-
luten Höhe der dargestellten Ebenen und Gebirge zu, namentlich wenn letztere
auf Hochebenen stehen. Diesen Vortheil einer sicheren Schätzung neben dem,
den vertikalen Bau der Erdtheile zur klaren Anschauung zu bringen, gewähren
die oben bezeichneten, von Dr. Vogel und Delitsch herausgegebenen Höhen-
schichten-Karten. Die Idee zu denselben rührt besonders von dem Director
Dr. Vogel her, der sich um die Methodik des geographischen Unterrichts bereits
ein allgemein anerkanntes Verdienst erworben hat; die wohlgelungene Verwirk-
lichung derselben ist hauptsächlich das Werk seines Mitarbeiters.
Das Meer wird auf den in Rede stehenden Wandkarten durch die schwarze
oder blaue Farbe des Wachstuches dargestellt, auf der sich das eingezeichnete
geographische Netz deutlich genug abhebt. Zur Darstellung des Landes sind fünf
Farbentöne, von gelbbraun bis dunkelbraun, angewendet worden, und zwar in der
Art, dafs die Tiefländer mit dem hellsten, die Alpenländer mit dem dunkelsten
Ton bezeichnet sind. Die fünf Farbentöne entsprechen Höhen von 500, 1200,
Dr. Vogelund Delitsch: Wandkarte der Hemisphären auf Wachstuch. 425
2500, 4000 und 8000 Fufs. Da, wo Gebirge die Schneegrenze überragen, sind
die Schneehöhen mit Weifs markirt worden; das in den tropischen Gegenden auf
dem dunkelsten, nach den gemäfsigten und kalten Zonen auf den mittleren und
lichteren Tönen erscheint. Grönland und die meisten der übrigen nordamerika-
nischen Inseln des arktischen Meeres, sowie die bekannten Küsten des Süd-Polar-
landes, die nie von Schnee- und Eisbedeckung frei werden, sind ganz weils dar-
gestellt worden.
So gewähren die Karten eine sichere Schätzung der absoluten Höhen inner-
halb der angegebenen Zahlengrenzen und also auch der Höhe der Schneegrenze
in verschiedenen Breiten.
In das so dargestellte Bodenrelief sind die Flüsse mit schwarzer Farbe ein-
gezeichnet worden, nur will es uns scheinen, als ob dieselben für eine Wandkarte,
die auch ferner Sitzenden Alles erkennbar darstellen soll, etwas kräftiger hätten
gehalten sein müssen. Grofses Detail ist in jeder Beziehung vermieden worden
und nur das zur Darstellung gekommen, was für die Schule als das wirklich
Nöthige und Erreichbare anzusehen ist. Es fehlen alle Namen und Ortschaften,
die nach der Verfasser Ansicht in den Handatlas, das Hilfsmittel zur häuslichen
Wiederholung, nicht aber auf die Wandkarte gehören. Auch in den Küstenlinien
sind die kleinsten, nicht charakteristischen ‚Einschnitte weggelassen worden.
Aus dem angedeuteten Prinzip der Darstellung des Terrains geht hervor,
dafs die Karten nur Massen, nicht aber Detail in den Gebirgszügen geben kön-
nen. Dieses Detail aber kann und soll, soweit es für den Unterricht wünschens-
werth erscheint, nach Betrachtung der allgemeinen Verhältnisse von dem Lehrer
mit farbiger Kreide in die Karten hineingezeichnet werden. Diese geben gleich-
sam nur den Grundrifs, auf welchem die Vervollständigung des Bildes vor den
Augen der Schüler während des Unterrichts entstehen soll, und ein solches Ent-
stehen des Bildes, an welchem die Schüler mit Hilfe des vor ihnen liegenden
Atlas, der die einzelnen Gebirgszüge enthält, mitzuwirken im Stande sind, ist von
bedeutendem unterrichtlichen Werth.
u ee ee ee
Jedenfalls sind durch die in Rede stehenden, sauber ausgeführten Wandkar-
ten, denen eine nach denselben Prinzipien gearbeitete Wandkarte von Europa
(55 Zoll zu 61 Zoll, schwarz 6 Thlr., blau 63 'Thlr.) bereits vorangegangen und
in diesem Jahre eine dergleichen von Mittel-Europa (60 Zoll zu 61 Zoll, schwarz
7 Thlr., blau 73 Thlr.) folgen wird, der Schule Unterrichtsmittel geboten worden,
die der Beachtung wohl werth sind.
Die besonderen Vorzüge fassen wir schliefslich in Folgendem zusammen:
1) Die Karten tragen bei sorgfältiger und gefälliger Ausführung besonders
dem plastischen Element Rechnung und gestatten mehr als die bisherigen Karten
in einem gewissen Umfange eine sichere Schätzung der absoluten Höhe.
2) Das angewendete Material ist aufserordentlich dauerhaft und läfst sich
leicht mit Wasser, nöthigenfalls auch mit Seife reinigen.
3) Sie haben methodische Vorzüge, indem sie die Vervollständigung des
Kartenbildes vor den Augen der Schüler gestatten, und vollkommen unterschrei-
ben wir, was in dieser Beziehung Herr Director Dr. Vogel sagt: „Was dem Ma-
terial für den Unterricht erst seinen rechten Vorzug vor dem Papier giebt, ist
die Ermöglichung, die Wandkarten zu jeder Art von Einzeichnun-
426 Neuere Literatur:
gen — sei es für die Zwecke der physikalischen und politischen
Erdkunde oder für die des geographischen Unterbaues der Ge-
sehichte oder Ethnographie — zu benutzen. Dieselbe Karte, an wel-
cher heute die neuere Geographie besprochen wurde, kann morgen mit dem Welt-
reiche Karls des Grofsen oder Napoleons bezeichnet werden, während ein ander-
mal wieder die verschiedenen Züge Alexanders, Hannibals ete., der Völkerwan-
derung oder der Kreuzzüge, oder die Entdeckungsreisen des XV. oder des XIX.
Jahrhunderts, mit farbigen Kreidestiften oder gewöhnlichen Gummifarben, die auf
diesem Grunde sehr schnell trocknen, — auf ihr veranschaulicht oder fixirt wer-
den können, so lange als der Gang und Zweck des Unterrichts es eben erfordert.
Ist letzterer erreicht, so stellt ein nasser Schwamm das Bild in seiner Einfachheit,
in welcher sich die Karte zum Gebrauch in jeder Volksschule eignet, wieder her,
ohne den geringsten Schaden anzurichten, ebenso, wie er es von Staub und Rauch
reinigt. Ich schlage diesen Vorzug meiner Wandkarten ganz vorzüglich hoch an,
weil ich weils, wie wichtig es ist, die Geschichte auf die Geographie und somit
auf die Landkarte zu bauen, und doch das Unbequeme der Benutzung historischer
Atlanten in zahlreichen Klassen nur zu oft empfunden habe. Die neuen Wand-
karten können demnach in allen geographischen und historischen
Leetionen als Wandtafeln benutzt werden, da sie die Kreide eben so
gut und noch besser als diese vertragen.“
Diese Vorzüge werden nicht verfehlen, den Karten auch in weiteren Kreisen
Freunde zu erwecken; zugleich aber werden sie einen weiteren, von den Ver-
fassern bereits erstrebten Fortschritt in der Kartographie begründen, nämlich durch
die Verbindung der bisherigen Schraffir- mit der Höhenschichten-Methode Karten-
bilder zu schaffen, welche die Vorzüge beider Methoden in sich vereinigen und
guten Reliefkarten wenig nachgeben. E. W.
Charakteristiken zur vergleichenden Erd- und Völkerkunde in abgerundeten
Gemälden, für Schule und Haus, gesammelt und bearbeitet von Wilhelm
Pütz. 2 Bände. Köln 1859. Verlag der M. Du Mont-Schauberg’schen
Buchhandlung. 464 und 727 8. 8.
Diese Sammlung hat zunächst die Bestimmung, bei dem Gebrauche des vom
Herausgeber verfafsten Lehrbuches der vergleichenden Erdbeschreibung zum Com-
mentar zu dienen; die Sammlung macht daher auf eine ernstere Belehrung so-
wohl, als auf eine gewisse Vollständigkeit und Symmetrie der Behandlung An-
spruch und schliefst aus, was in irgend einer Hinsicht der Schuljugend vorzuent-
halten. Daher empfiehlt sich dieses Werk durch eine gewisse Systematik; es ent-
hält allgemeine Abschnitte, die in ähnlichen Werken ganz fehlen. Jede Schule
wird den Beweis liefern, wie anregend solche Lesebücher für den geographischen
Unterricht sind. In den ästhetischen Blumenstraufs möchte man dagegen gern
noch viel Schönes einbinden. Wer möchte z. B. in dem Abschnitt: „die italische
Halbinsel“ nicht auch gern noch über den Freistaat San Marino Etwas erfahren,
vielleicht aus Karl Witte’s „Alpinisches und Transalpinisches“; oder über den
Luganer See aus den Reisebriefen aus der Schweiz und Mailand von Aug. Cor-
rodi! Wie schön und plastisch ist Aug. Kopisch’ Schilderung der Insel Capri
W. Unschuld: Leitfaden zur darstellenden Statistik etc. 427
und ihrer blauen Grotte! Ueber Corsica hätte Gregorovius, ein Anderer iber
Sardinien ausgebeutet werden können. Begnügen wir uns aber an dem gegebe-
nen Vielen und Trefflichen. Carl Ritter, Alex. v. Humboldt, G. B. Mendelssohn,
v. Roon, Kohl, v. Czoernig und viele andere bekannte Namen begegnen uns unter
den fast 400 Schilderungen. Selten finden wir an der Auswahl zu tadeln; der
Abschnitt „Hamburg“ gehört hierher, weil er entschieden Unrichtiges enthält, z. B.
die Neustadt Hamburgs mit dem Neubau verwechselt. Auch für Montenegro und
Dalmatien hätte Kohl und I. v. Düringsfeld sich viel Schöneres abgewinnen lassen.
Von dem Rechte der Berichtigung irriger und veralteter Angaben hat der Herr
Verfasser immer noch einen zu schonenden Gebrauch gemacht. Kohl’s Angabe
über das Verhältnifs der Bremer Handelsmarine zu der Hamburger ist schon lange
nicht mehr wahr, obwohl sie seiner Zeit richtig. Dürften wir uns einen Wunsch
erlauben, so wäre es der, dafs bei einer, wie wir sicher hoffen, nicht ausbleiben-
den ferneren Ausgabe Deutschland noch etwas reicher bedacht werden möge, z. B.
durch Riehl’s treffliche Schilderungen der Rhön und des Westerwaldes und durch
anderer bekannter Verfasser Gemälde aus dem Hegau und der bayrischen Pfalz,
Westphalens, der Weser- und Elbmarschen, Mecklenburgs, und wo sonst die
reiche Mannichfaltigkeit deutschen Bodens und Wesens interessante Erscheinun-
gen bietet. S,
Leitfaden zur darstellenden Statistik auf topographischen Karten, eine prak-
tische Anweisung zur graphischen Uebersichtsdarstellung alles (sic) Le-
benden und alles Industriellen nach dem bestehenden Quantitätsverhältnisse
und der territorialen Verbreitung durch topographisch -statistische Karten,
nach einer für Jedermann fafslichen, sehr leichten und originellen Me-
thode, erfunden und verfalst von Wenzel Unschuld, Oberstlieutenant
im k. k. österreichischen Generalstabe. I. und I. Theil, mit 6 lithogra-
| phirten Tafeln und einer Anwendungs-Beispielskarte in Farbendruck. Her-
mannstadt, im Selbstverlage des Verfassers. 95 S. 4.
Wer den vorstehend vollständig abgedruckten Titel aufmerksam liest, wird
darin nicht blofs über den Inhalt, sondern auch über den allgemeinen Charakter
des Werkchens einen Schlüssel gefunden haben — einen untrüglichen, den das
auf der Rückseite des Titelblattes abgedruckte Motto von „Unschuld“ kaum noch
zu bestätigen braucht. Der Verfasser will durch regelmäfsige Figuren verschie-
dener Art — die allenfalls auch durch Anschliefsung, Ein- oder Umschreibung
zu Gruppen vereinigt werden sollen, dabei eine Untertheilung in Klassen zulas-
sen — die statistischen Objeete topographischen Karten einverleiben. Kreise mit
Centriwinkeln, gleichseitige und längliche Rechtecke, Rauten, Trapeze, liegend
und stehend, gleichseitige Dreiecke u. dgl. sind diese Figuren, die durch Farben
in Unterklassen unterschieden werden und denen — um auch das Kleinste nicht
verloren gehen zu lassen — die positiven Zahlen eingeschrieben werden sollen.
Eine topographisch-statistische Uebersichtskarte von Siebenbürgen bildet ein Bei-
spiel der Ausführung, zeigt aber zugleich, dafs von der Topographie, aufser den
Bezirksgrenzen, Nichts übrig geblieben. Getrauen wir uns auch nicht, dem Ver-
fasser die Originalität seiner Erfindungen zu bestreiten, so hoffen wir doch noch
im Stande zu sein, einige kleine Verbesserungen derselben an die Hand zu ge-
428 Neuere Literatur:
ben. So z. B. wird die männliche und weibliche Bevölkerung graphisch darge-
stellt durch ein grofses gleichseitiges Viereck, dessen unterer horizontaler Ab-
schnitt, parallel mit der Grundlinie schraffirt, die männliche Bevölkerung darstellt,
während die obere weilse Hälfte die weibliche Bevölkerung bezeichnen soll. Bei
dem, in Europa wenigstens, regelweise höchst geringen Unterschiede in den
Zahlen beider Geschlechter würde man, ohne die eingeschriebenen Zahlen, häu-
in Zweifel sein: welche Hälfte die gröfsere. Dies könnte aber nie der Fall sein,
wenn Herr Unschuld das Viereck in der Diagonale getheilt hätte. Ein ferneres
Beispiel nicht gut gewählter Bezeichnung liefert das Wiesen- und Weideland-
Zeichen. Das süfse Weideland ist nur farbig; das saure farbig und einfach ge-
strichelt; das gemischte farbig und doppelt gestrichelt bezeichnet: während die
doppelte Strichelung für das saure und die einfache für das gemischte natürlicher
gewesen wäre. Noch mehr: für die Bevölkerungsdichtigkeit ist je 30° einer klei-
nen oblatenförmigen Kreisfläche ein Werth von 250 Köpfen per Quadratmeile
beigelegt: Der Verfasser ist daher genöthigt, 3390 Einwohner per Quadratmeile
und 3000 Einwohner per Quadratmeile mit demselben Zeichen zu schreiben.
Ebenso wenig kommt der Verfasser für den Bodenertrag mit seinem Mafse von
10000 Metzen, Klafter ete. = 1° eines zwischen zwei concentrischen Kreisen
liegenden Bogens aus: er hilft sich hier durch Einzeichnung eines zweiten Bo-
gentheiles. Für Bevölkerungsdichtigkeit dürfte als die hübscheste Bezeichnung
wohl die in den Tabellen des vorletzten britischen Census angewendete gelten:
ein Kreis mit Bienenzellen angefüllt; altbekannt ist auf topographischen Karten
aufserdem diejenige durch dichtere und schwächere Punktirung. Ohne die ein-
geschriebenen Zahlen wären die Zeichen des Verfassers im Probeblatte völlig un-
verständlich: man betrachte z. B. die Confessionsvertheilung im Bezirke Nagy-
Enyed. Die graphische Statistik hat aber die Aufgabe: die Zahlen dem Geiste
falslich und ihre Vergleichung übersichtlich zu machen; sie stellt sich selber das
Armuthszeugnils aus, sobald sie noch der Zahlen bedarf. Nur zur Gewinnung
ihrer Resultate bedarf die Statistik auch der Kenntnifs des grölsten Details. Den
Staub aber, der kein Gold enthält läfst sie liegen, denn die Zwecke der Statistik
gehen immer in’s Grolse. Möge das achtungswerthe Streben des Verfassers fort-
fahren, seine Arbeiten zu läutern, auf dafs sie Früchte tragen. Im Rechenschafts-
berichte über den internationalen statistischen Congrefs in Wien ist auch die
Wichtigkeit der graphischen Statistik erörtert worden. S.
Eine Sommerreise nach Tripolis von Wilhelm Heine. Berlin, Bessersche
Buchhandlung (W. Hertz). 302 S. 8.
Herr Heine, der bereits Europa, Amerika und das fernste Asien kennt und
Andre kennen gelehrt hat, hatte den Auftrag erhalten, Darstellungen aus dem
Seekriege der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika gegen die Barbaresken in
den Jahren 1801—1805 zum Schmuck der Säle des Capitols in Washington zu
liefern. Die Studien dazu mufsten an Ort und Stelle gemacht werden. Die Reise
beginnt von Heidelberg und ihre Hauptstationen sind dann Toulon, Malta, Tri-
polis, die Quarantaine auf Malta, Messina, Neapel, Livorno, Pisa, Genua und
der St. Gotthardt. Der Verfasser beschränkt sich aber nicht auf unterhaltende
Darstellung des Gegenwärtigen und Selbsterlebten. Die wechselvollen Ereignisse,
W. Heine: Sommerreise nach Tripolis. — Japan und seine Bewohner. 429
die romantischen "Abenteuer jenes Seekampfes sind episodisch eingeflochten und
auch.sonst, namentlich hinsichtlich Malta’s, Gozzo’s und Tripolis, geht der Ver-
F fasser in die Vergangenheit, ja bis in die älteste Geschichte ausführlich zurück.
Mit Vorliebe verweilt er bei den wunderbaren Heldenthaten der Johanniter-Ritter
gegen die belagernden Türken und gegen ihre afrikanischen Vasallen und Bun-
desgenossen. Ueberhaupt ist Tripolis nur der Wendepunkt der Reise. Es wird
aber diese Stadt, wo die Wüste nur durch einen Palmenhain vom Meere getrennt
ist, besonders noch vom Verfasser gewürdigt als der wichtige Ausgangspunkt der
neueren afrikanischen Entdeckungsreisen eines Clapperton, Lang, Richardson,
Barth, Vogel. Namentlich erfährt man über die vielgenannten Beförderer aller
dieser Reisenden, die Familie Warrington, Ausführliches. Das jetzige Haupt der-
selben steht bei den Muselmännern sogar im Ruf eines Marabut (Heiligen). Auch
dafs noch immer Hoffnungen für Vogel gehegt werden dürfen, wird alle Leser
dieser Zeitschrift befriedigen. Schlofs Chillon, la Valetta und Tripolis über ein-
ander gestellt, bilden die hübsche Titelvignette.
Japan und seine Bewohner. Geschichtliche Rückblicke und ethnographische
Schilderungen von Land und Leuten. Von Wilhelm Heine. Leipzig,
Hermann Costenoble.. 383 8. 8.
Mit diesem Werke schliefst der in Amerika naturalisirte deutsche Maler und
Schriftsteller seine Trilogie über dieses entlegenste aller Länder. Sein erstes
Werk: Reise um die Erde nach Japan, an Bord des Expeditions-Escadre unter
M. C. Perry, schildert die persönlichen Erlebnisse des Reisenden während jener
ewig denkwürdigen Expedition; das zweite Werk: Expedition in den Seen von
China, Japan und Ochotsk, unter den Commodoren Ringgold und Rodgers, be-
handelt die unmittelbaren Folgen jenes Unternehmens; das vorliegende Werk aber
berichtet über die jenen Expeditionen vorhergehenden Ereignisse, und zwar be-
ginnend bei der fabelhaften Urgeschichte des Landes. Marco Polo’s Berichte,
der Heerzug Kublai Khans, ferner Mendez Pinto’s wiederholte Reisen, die Je-
suitenerfol&ge und das entsetzliche Ende der begonnenen Christianisirung, die An-
kunft und die Schicksale der Holländer und Engländer, namentlich William Adam’s
Geschichte werden im Auszuge mitgetheilt. Vor Allem aber verweilt der Verfasser
bei den werthvollen Berichten unseres Landmannes Engelbert Kämpfer, gebürtig aus
dem Lippe’schen, der um 1690 Japan besuchte. Glücklicherweise fand sein Neffe
Johann Kämpfer einen bemittelten englischen Raritätensammler, der die Veröf-
fentlichung der Reiseberichte seines verstorbenen Oheims, freilich in englischer Ue-
bersetzung, vermittelte. Kämpfer selbst, nach seiner Rückkehr zum Leibmedicus
seines Fürsten ernannt, hatte dazu nicht Zeit. Weniger ausführlich werden die
neueren Reisenden Thunberg, Titsingh, Doeff, Golownin, Ricord, Fischer, Meylan
Siebold, Glynn berücksichtigt. Eine chronologische Uebersicht der geistlichen
- und weltlichen Herrscher Japans, eine tabellarische Uebersicht der Perioden, zu
‘welchen fremde Nationen Japan besuchten, eine detaillirte Angabe der Flächen-
' gröfse des Reiches (anscheinend nach v. Siebold) und eine Quellenangabe be-
schliefst dies in gedrängter Kürze äufserst lehrreiche Werk. Es bildet, obschon
zuletzt erschienen, billig die Einleitung der anderen beiden Werke. Sein Ver-
dienst besteht in der Zusammenbringung und Benutzung reicher und seltener Ma-
_ terialien. Hoffentlich werden wir demselben fruchtbaren Schriftsteller noch für
430 Sitzungsbericht
weitere Bereicherungen unserer Reiseliteratur verpflichtet werden, da er bekannt-
lich theilgenommen hat an der Preufsischen Expedition, die kürzlich die Anker
lichtete, ihre Flagge unseren Nebenwohnern zu zeigen. S.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 14. April 1860.
- Nachdem die Gesellschaft, den Statuten entsprechend, in dieser Sitzung die
Wahl der Vorstandsmitglieder für das nächste Jahr und die Abstimmung über
die Vorschläge zur Aufnahme neuer Mitglieder vollzogen hatte, legte der Vor-
sitzende, Herr Prof. Dove, die eingegangenen Geschenke vor: 1) Magnetische
und meteorologische Beobachtungen zu Prag. Prag 1860. — 2) Bulletin de
l’Academie Imperiale des sciences de St. Petersbourg. Tome I. 1860. — 3) Pus-
sage Table and General Sailing Directions. London 1859. — 4) Becker, der Oet-
scher und sein Gebiet. Thl. 1 u. 2. Wien 1859. 1860. — 5) de St. Martin, etude
sur la geographie et les populations primitives du Nord-ouest de l’Inde. Paris 1859.
— 6) Segundo informe del gefe del departemento de escuelas del Estado de Buenos
Ayres por el ano: de 1858. Buenos Ayres 1859. — 7) Registro estadistico del Es-
tado de Buenos Ayres 1857. Tom. I. Buenos Ayres 1858. — 8) Göppert, die
versteinerten Wälder im nördlichen Böhmen und Schlesien. Breslau 1859. — 9)
Steindachner, Beiträge zur Kenntnifs der fossilen Fisch-Fauna Oesterreichs. Wien
1859. — 10) Plan for securing to British North- America a larger share than
heretofore it has received, of the emigration from the United Kingdom as well as
from Germany and ‚from the other countries of Europe, together with the means
For the construction of a railway between the Atlantic and Pacific Oceans. By
J. J. Sturz. — 11) Proposal for the Establishment of a Central Office of Infor-
mation as a means of promoting emigration from Germany to the British Colonies
of North-America, Cape of Good Hope and Australasia. By J. J. Sturz. Berlin
1860. — 12) Bulletin de la societe de geographie de Paris. 4" serie. Tom. XIX.
Janvier et Fevrier. Paris 1860. — 13) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F.
VII, 2. Berlin 1860. — 14) Petermann, Mittheilungen aus J. Perthes geographi-
schem Institut. No. 3. 4. Gotha 1860. — 15) Preufsisches Handelsarchiv. 1860.
No. 10—14. — 16) Johnston, Royal Atlas of Modern Geography. V. Edinburgh
1860. — 17) Landsberg, Map of the Colony of Queensland. Sydney 1860. —
18) Lange, Karte zu A. v. Humboldts Reise in die Aaanin ohne des
neuen Continents. Leipzig 1860.
Bei Vorlegung dieser Werke bemerkte Herr Prof. Dove unter Anderem, dafs
nach Chanikoff die Araber bereits im 12. Jahrh. sehr genaue Kenntnils von der
Dichtigkeit der meisten Körper und von der Abnahme der Schwere im Innern
der Erde gehabt haben. Ferner besprach Herr Dove den von Fizeau gelieferten
Beweis des Umlaufs der Erde um die Sonne mittelst der Polarisation des Lichts,
nachdem frühere Versuche mittelst der Brechung desselben nicht gelungen waren.
Er erwähnte der Untersuchungen von Gussew über die Gestalt des Mondes, wel-
che eiförmig ausfällt. Ein Verzeichnifs der Höhen der preufsischen Eisenbahn-
höfe, welches aus dem Handelsministerium eingegangen ist, wurde besprochen;
dasselbe ist im vorigen Hefte der Zeitschrift für Erdkunde abgedruckt.
der Berliner geographischen Gesellschaft. 431
Herr Wright legte zwei Maiskolben aus Indiana vor, und Herr Walter las
einen von dem Ersteren verfalsten Aufsatz vor, worin über dieses Product, im
Vergleich mit andern Getreidearten, sowohl in Bezug auf den Nahrungsstoff, als
_ auch auf die Preise gehandelt wurde. Am Schlusse sprach der Verfasser sich
für die Einführung dieses Kornes in Deutschland aus.
Herr Barth machte zunächst einige Bemerkungen über Expeditionen ın das
Innere von Afrika, wonach Speke im Osten nach den Quellen des Nils hin auf-
gebrochen ist, Roscher den Niassa-See erreicht hat, wohin auch Livingstone vor-
| gedrungen war, jedoch wegen Mangels an Proviant sogleich umkehren mufste.
i
Von Algier aus ist Herr Duveyrier gegen Süden vorgegangen. Hierauf sprach
Herr Barth ausführlich über die, bereits vor zwei Monaten ganz kurz zur Sprache
_ gekommene Expedition von Du Chaillu im Westen von Afrika zur Untersuchung
des Stromgebietes des Gaboon. Der Reisende hat diesen Strom 70 Meilen weit
verfolgt und seine Ufer und Zuflüsse geschildert. Er besitzt einen grofsen Was-
serreichthum. Viele der Gesundheit schädliche Mangrove-Waldungen verhindern
das Vordringen in das Innere. Der Vortragende besprach die ganze Reise Du
| Chaillu’s, die vorgefundenen Producte aus dem Thier- und Pflanzenreiche, und
legte am Schlusse eine zur Erläuterung dienende von ihm entworfene Skizze des
durchwanderten Landes vor.
Herr Wolfers hielt einen Vortrag über den muthmafslichen neuen innern
Planeten und dessen bisherige Beobachtungen, wonach erst wiederholte neuere
| Beobachtungen darüber entscheiden können, ob wirklich ein neuer Planet ent-
deckt worden ist.
Herr Kiepert setzte seinen in der vorigen Sitzung begonnenen Vortrag über
das Werk: Les mysteres du desert etc. par Hadji-Abd’el-Hamid Bey (Col. du Cou-
ret), Paris 1859, fort, und zeigte, dafs der Verfasser ganze Stellen seines Bu-
ches andern Werken entnommen habe. Ebenso beruhen die darin enthaltenen
Karten auf astronomischen Bestimmungen, die der Karte von Arabien von Berg-
haus buchstäblich entlehnt worden sind.
Sitzung vom 5. Mai.
Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Vorlegung
und Besprechung der eingegangenen Geschenke: 1) Forster und Sprengel,
Beiträge zur Länder- und Völkerkunde, Thl. I-XI. Neue Beiträge. Thl. I-XII.
Leipzig 1781—1793. — 2) Sprengel, Auswahl der besten ausländischen geo-
graphischen und statistischen Nachrichten zur Aufklärung der Länder- und Völ-
kerkunde. Bd. I—XIV. Halle 1794—1800. — 3) Barth, das Becken des
Mittelmeeres. Hamburg 1860. — 4) Bulletin de la societe de geographie. 4° ser.
Tom. XIX. Mars. — 5) Preufsisches Handelsarchiv. 1860. No. 15 — 17. — 6)
Proceedings of the Royal Goegraphical Society. 1860. No. 1.
Der Vorsitzende erwähnte eine ihm brieflich gewordene Mittheilung, nach wel-
cher ein Negersclave, der von dem Sultan einem russischen General zum Ge-
schenk gemacht worden ist, den Dr. Vogel eine Zeit lang im Innern von Afrika
begleitet habe, und von dem möglicher Weise noch Nachrichten über jenen Rei-
senden eingezogen werden können. Darauf zeigte er das Relief des Grofs-Glock-
ners von Dr. Keil nebst der Karte vor, die auch neuerlichst Petermanns Mit-
theilungen beigelegt ist, sowie zwei kleine Schriften desselben Verfassers, von
denen die eine die Pflanzen- und Thierwelt der Kreutzkofl-Gruppe nächst Lienz
in Tyrol, die andere eine physikalisch-geographische Skizze eben dieses Gebirgs-
stockes entwirft, und aus welcher ersteren er wichtige Angaben über die dortigen
Vegetationsgrenzen mittheilte. Die Kais. russische geogr. Gesellschaft veröffent-
licht die Hauptresultate der Reise, welche Golubew 1859 nach Central-Asien zwi-
schen dem Thianschan und Balkasch unternommen hat. Demnach liegt der Issyk-
Kul in einer Höhe von etwa 5000 Fufs, während schon 80 Werst nördlich davon
sich das Land fast um die Hälfte dieser Höhe gesenkt hat. In einer zweiten
_ Mittheilung bespricht Nebolsin den Einflufs der Eisenbahnen in Rufsland, wie
432 Sitzungsbericht der Berliner geograghischen Gesellschaft.
namentlich durch die Beförderung von zahlreichen Arbeitern auf der Streeke zwi-
schen Petersburg und Moskau nicht nur die Arbeitskräfte in überraschender Weise
vermehrt, sondern auch für die Arbeiter selber günstige Erfolge erzielt werden.
Herr Dove machte fernere Mittheilung, wie die Witterungs-Beobachtungen eine
schnelle Verbreitung durch die Telegraphie fänden, dafs auf diese Weise die wich-
tigeren Häfen in Frankreich mit einander in Verbindung gesetzt und Einleitungen
getroffen worden seien, auch die englischen in den Bereich dieser Mittheilungen
hineinzuziehen, welche für die Schifffahrt wesentlichen Nutzen gewähren. Daran
schlofs endlich der Vortragende die Vorlegung neuer von ihm bearbeiteter Karten
über die Temperatur der Erdoberfläche in den einzelnen Monaten, die nach der
Polarprojektion jedoch nur für die nördliche Halbkugel ausgeführt worden sind,
da die südliche noch zu wenige Anhaltepunkte zu einer neuen Bearbeitung ge-
währt. Während seine früheren Karten auf den Beobachtungen von etwa 1000
Stationen beruhten, sind auf den jetzigen die Resultate einer fast doppelt so gro-
(sen Zahl niedergelegt. Die Bewegung. des Kältepols in der jährlichen Periode
und die Gründe für die eigenthümliche Gestalt bestimmter Isothermen wurden
näher erörtert.
Herr Koch erwähnte, wie in Nord-Amerika in neuester Zeit viele Producte
gebaut werden, die sonst vom Auslande bezogen werden mufsten. Namentlich
ist es der Thee, für dessen Anbau man passende Regionen aufgesucht hat und
die man von Californien nach Texas hinüber und in den Südabhängen der Al-
leghanys gefunden haben will, wo die immergrünen Blüthensträucher ihre Hei-
math haben. Ebenso hat man seit etwa 30 Jahren den Anbau des Weins ver-
sucht und passender als den europäischen den dort einheimischen gefunden, von
dem namentlich zwei Arten bei sorgfältiger Pflege ein ganz gutes Getränk liefern.
Daran knüpfte der Vortragende Bemerkungen über die Wälder Nord-Amerikas,
zu deren Veranschaulichung er eine colorirte Karte vorlegte. Während die Wäl-
der im östlichen Theile grofse Uebereinstimmung mit denen von Ost-Asien haben,
zeigt der westliche Theil eine weit gröfsere Aehnlichkeit mit Europa, nur dafs
die Mannigfaltigkeit eine weit reichere ist, da hier nicht weniger als 235 ver-
schiedene Baumarten vorkommen, selbst auf den Prairien und Savannen der in-
neren Ebenen sind zahlreiche Baumgruppen, die jedoch erst weiter nördlich zu
gröfseren Wäldern anwachsen. Als Eigenthümlichkeit hob er die überaus starke
Verbreitung des Wildhafers hervor, der nur zufällig durch Ansiedler hierher ge-
kommen ist.
Herr W. Rose machte bei der Vorlegung der neuesten Ausgabe von Bae-
dekers Reisehandbüchern auf die Ergänzung aufmerksam, welche die Schweiz
in einzelnen Theilen z. B. in Wallis betrifft, die er aus eigener Anschauung ken-
nen gelernt hat.
Herr Barth legte zwei neue Karten vor, die eine vom Amur, die andere
von den Mündungen des Gaboon, dessen Hauptarm bei Kap Lopez aufgefunden
worden ist. Dann besprach derselbe einzelne Aufsätze in den zum Geschenk
gemachten Proceedings und das Werk von Dr. Joh. Müller, die Alterthümer des
ostindischen Archipels. Endlich erwähnte er des Problems, ob der Bahr el Abiad
der Abflufs des Ukerewe-Sees sei. Dagegen möchte sprechen, dafs die Regenzeit
südlich vom Aequator in den Januar fällt, d. h. in die Zeit, wo die Wassermasse
im Nil abnimmt. Da überdies das Südende des Sees zwischen 2— 3° S. liegt,
seine Erstreckung nach Norden bis 2° N. angegeben wird, so bleibt es auffallend,
dafs die ägyptische Expedition auf dem Abiad gar nichts von ihm vernommen
hat, obgleich allerdings über das Südende jener Expedition verschiedene Gradbe-
stimmungen vorhanden sind. Der Vortragende schlofs mit einer Bemerkung über
die Hindernisse der Schifffahrt auf dem Zambese, welcher für den Handelsverkehr
wenig Aussicht gewähre.
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Gesend zwischen Teheran und dem Demawend
Maßstab 1: 800,000
Übersichtskarte
der
russischen wissenschaftlichen
EXPEDITION —
Der Gipfel des Demawend » | f —= z v > —S
TCHORASSAN )
Nalistab 1: 20.000
Z mitgetheilt von den Chef der Expedition
Hrn. Statsratlı N. CHANIKOFF.
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Maßstab 1: 5,550,000
* ” IP Duutsche Mailen
Die Hühmanklen in engliochen Fass
Gestochen v. J.Sulaer
Berlin,bei D- Reimer . 1860 .
REISEN AN DER AEQUATORIALEN WESTKÜSTE VON AFRICA.
von
DU CHAILLU
construirt von H.BARTH.
guse R Mor
Tschekianı
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Hasstab 1.3, 000,000
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Die Mündungsbay des Flusses
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$ © Franz. Capt .Ch.Floix
N mit Zusätzen von der britischen
X Admiralität publieirt 1853.
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n) Y HMasstab 1:500,000
D wen Kart: hans)
Berlin, bei D. Reimer. 1860.
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dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5—6 Bogen
arten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften,
ölche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten.
So eben it in Ferd. Dümmler’s Verlagsbuhhandlung in Berlin
Beitfchrift für Bölkerpfychologie und Sprachwiffe
Herausgegeben von Dr. M. Lazarus, Brofefjor der Piychologie an der Hochjdh
zu Bern, und Dr. 9. Steinthal, Privatdocenten f. allgem. Sprachrwiflenfchaf
der Hohfehule zu Berlin. TR
- Erfter Band (volltändig). Preis 3 Ihr. 2 u
Ans dem Inhalte d. B. heben twir nur folgende größere Arbeiten heraus
Einleitende Gedanken über Völferpfychologie von M. T. und G. St. — U
italiänifche Volfspoefie von Paul Heyfe. — Geographie und PBiycholo; ie:
MT — Rilhelm von Humboldts Briefe au F. ©. Welder von 9. St.
Der Sig der Eultur. in der Urwelt von Baron v. Edkiftein. — Zur Charafte
der femitifchen Völker von H. St. — Piyhologifhe Anthropologie von GB
Gerland. — Die Schlange nad) arabifchem Bolfsglauben von Ch. Nöldeker I
Ueber ven Urfprung der Sitten von M. T. — Ueber das Theatralifche in)
und Kunft der Franzofen von H. ». Blomberg. . E
Ar Berlage der Groffefhen Buchhandlung in Clausthal ift foeben erfhiem
Barte nom Harzgebirge. 44
Nad) ven DOriginalfarten des Fönigl. Berg- und Forftamtes zu Elausth
nad Papen und Berghaus entworfen von
&, Prediger,
Maafftab 1:300 000.
Lithographie und Farbendruf von Fr. Malte's artiftifher Auftakt in Stuttgag
Ausgabe ohne Eolorit: 15 Sgr., in Etui 18
— mit braunem Terrain und poliifchem Eolorit 21 Spgr., in Etui 24 €
— mit geognoftifhen Eolorit 25 Sgr., in Emmi 28 < |
Herr Oberbergraty Ritter Zugler fagt über diefe Karte in der „Zeitfchrift
Acchitesten- und Ingenieur-BVereins für das Königreich Hannover“ u. a.:
Karte Liegt in fehr gelungener Ausführung vor ung, den Blättern der Bapen)
Karte an Höhe gleich und in der Breite fie etwa um einen Zoll überfchreitend,
umfaßt das Harzgebivge mit feinen Umgebungen zwifchen der Leine bei Gott
und den beiden Seen bei Eisleben, fowie von Heiligenftadt und Sondershanfe:
nördlich von Borkenem und Ofterwied. Die Dertlichfeit ift fehr vollftändig at
ben, und für die Nichtigkeit der Angaben bürgen die fehr genauen Arbeiten, m
nen Here Prediger fihon feit einer Neihe von Jahren auf das eifrigite befch@g
gewefen ift. — Für unfere Fachgenoffen und für die Wanderer, welche die Gel
verhältniffe felbft beobachten wollen, wird die in Barbendrud ausgeführte geogno
Ausgabe der Karte von befonderer Wichtigkeit fein. Sie ift nad) den Unterfuch
des Heren Bergamtsaffeffors Roemer und des Herem Hüttenmeifterd Dr. St
zu Clausthal und des Heren Senators Roemer zu Hildesheim mit ae
beitet und giebt ein weit entfprechenderes Bild des Harzgebirges, als bei dem
fuche im Jahre 1854 in diefer Zeitfchrift dargeboten werden Eonnte.“
Sn der „Berg- und Hüttenmännifchen Zeitung“ wird biefe Prediger’fche
fie die befte unter den jeßt vorhandenen Harzfarten erklärt, auch auf ihren me
Preis befonders aufmerkfam gemacht. 27
Auch das „Volksblatt für Stadt und Land“ erfennt die vorliegende Pred
fche Karte als das BVorzüglichfte an, was von Harzfarten eriftitt, $
—
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstr. 18.
ZEITSCHRIFT
FÜR
ALLGEMEINE ERDKUNDE.
- ......... MIT UNTERSTÜTZUNG
‘DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN
UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG
VON
.__ H. W. DOVE, C. 6. EHRENBERG, H. KIEPERT ıv zexun,
Brii: .K. ANDREE 'ıx veirzic uno J. E. WAPPÄUS ı sörrıneen.
IE FR
HERAUSGEGEBEN
voN -
Dr. K. NEUMANN.
NEUE FOLGE,
ACHTER BAND, SECHSTES HEFT.
BERLIN.
VERLAG VON DIETRICH REIMER.
1860.
FR SHMESS
B
FERIEN
DT IS EN
FE er
Inhalt.
XV. Reiseskizzen aus Sieilien. Von Dr. Ernst Haeckel . . ...
XVI. Bu Derba’s Reise nach Ghät. Nach dem Französischen von E. G.
Ravenstein .
Miscellen.
Die russische Marine im Jahre 1859
Koritsa in Macedonien . . . RER „n
Nachrichten über die Reise der Ban Baron v. Ka. Au Dr. Hart-
mann in Nubien . . . e En 2 ar Ar a re
Nachricht über das Schicksal def Dr. Yoga“ ROH ie:
Das Shire-Thal und seine Bewohner. Von D. Livanestohe, -
Nachricht über die Reise des Consuls Wetzstein von Damaskus durch G£-
dür und Gölän nach Kalat Mzerib . . . . I .-
Abich’s Forschungen im Kaukasus während des Salbe 1859
Die Stadt Tjumen. Von Abramow. Nach dem Russischen .
Erdbeben in Haiti . . . 5 He Are
Sitzung der geogr. Gesellschaft zu Berlin » vom 2. de 1860 ce ee
Uebersicht der vom December 1859 bis zum Juni 1860 auf dem Gebiete
der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne, Von
BRD 1 RR Re N TE N NE ME
Karte.
Taf. VI. Karte von Isma’il Bu Derba’s Route von El-Aghuät nach Ghät.
Gez. von E. G. Ravenstein.
Seite
433
468
483
484
486
489
489
496
498
500
509
511
513
1858.
.
XV.
Reiseskizzen aus Sicilien.
Von Dr. Ernst Häckel.
_ (Vorgetragen in der geographischen Gesellschaft zu Berlin, am 2. Juni u. 7. Juli 1860.)
Die im Folgenden mitgetheilten Reise-Erinnerungen sind auf einer
i fünfwöchentlichen Reise durch das Innere der Insel Sicilien gesammelt,
- welche ich im September und October 1859 in Gesellschaft eines Freun-
des zu unternehmen Gelegenheit hatte. Dieselben machen in keiner
"Beziehung einen Anspruch auf Vollständigkeit, und ich würde die Mit-
theilung so unvollkommener Bruchstücke nicht für gerechtfertigt halten,
wenn nicht einerseits eben jetzt, wo die Augen von ganz Europa
auf Sieilien gerichtet sind, jeder Beitrag zu dessen Kenntnifs willkom-
men erschiene, andererseits aber gerade das Innere der Insel weniger
‚besucht und bekannt wäre, als die meisten übrigen Theile Italiens.
"Während in Venedig und Florenz, in Rom und Neapel, der Schwarm
der Reisenden mit jedem Jahre bei dem erleichterten Verkehr bedeu-
tend wächst, ist dies in Sieilien nicht der Fall. Auch begnügen sich
meisten Fremden, welche dorthin kommen, mit einem flüchtigen
Besuche der interessantesten Küstenpunkte. Das Innere zu durchwan-
dern entschliefsen sich aber nur sehr Wenige, und es hat dies seinen
natürlichen Grund in den vielen, aufsergewöhnlichen Unbequemlich-
keiten und Hindernissen, die sich hier dem Reisen entgegenstellen.
Die Eisenbahn ist hier noch eine unbekannte Gröfse, und von gröfseren,
üten Poststralsen existirte bis vor kurzem nur eine einzige, die alte
trafse, welche von Palermo quer durch das Innere, über Castro-Gio-
anni, Leonforte, Aderno nach Taormina und längs der Küste von da
' Messina führte.
- Neuerlich sind zwar auch mehrere andere Orte durch Postrouten
n Verbindung gesetzt worden; indels sind viele, und zwar manche der
eressantesten Punkte doch noch durch keine fahrbare Strafse mit
n andern Verkehrspunkten verbunden, und so wird sich die altherge-
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 28
4
434 E. Hückel:
brachte Art, Sicilien zu durchreisen, wohl noch einige Zeit erhalten;
besonders da einem andern grolsen Uebelstande, dem Mangel an brauch-
baren Wirthshäusern im Innern, noch nirgends abgeholfen ist. Die Ge-
bäude, die durch den stolzen Titel „Locanda nobile* oder „Albergo
Inglese“ dem Fremden comfortable Aufnahme versprechen, unterschei-
den sich in Nichts von den andern Hütten der in Elend und Armuth,
Schmutz und Ungeziefer ganz verkommenen ländlichen Bevölkerung, und
man kann sehr zufrieden sein, wenn man daselbst aulser dem Obdach
gegen das Wetter und aufser einem unreinlichen Strohlager für schwere
Piaster so viel Eier, so viel Maecaroni erhält, dafs man den Hunger
nothdürftig stillen kann. Die elendesten Kneipen, welche wir im Apen-
ninengebirge oder in der Campagna felice bei Neapel kennen gelernt
hatten, erschienen uns immer noch relativ reich und bequem gegen
diese sieilischen Hötels.. Aus diesem Grunde richten die Reisenden,
welche einen Giro durch die insel machen wollen, sich gewöhnlich so
ein, dafs sie in Palermo Maulthiere und einen berittenen Führer neh-
men, welcher sie durch die ganze Insel begleitet und in einer Person
Führer, Cieerone, Dolmetscher, Koch und Diener ist. Diese Führer
sind so auf ihr Amt eingeübt, dafs man sich um gar nichts zu beküm-
mern braucht und sich ihrer Leitung getrost überlassen kann.- Da-
durch geräth man aber andererseits in eine Abhängigkeit, welche nicht
Jedermanns Sache ist. Sowohl meinem Reisegefährten, als mir würde
dieselbe im höchsten Grade das Reisen verleidet haben, und wir be-
schlossen also, im Vertrauen auf unser gutes Glück und auf unsere
Sprachkenntnils, von dieser gewöhnlichen Reisemethode abzuweichen |
und uns ohne Führer einen Weg durch das Innere zu suchen. Wir
fuhren also zunächst auf der neuen Poststrafse in gerader Linie von
Palermo quer durch das Innere nach Süden, nach Girgenti. Die Land-
schaft, die wir hier durchschnitten, ist zum Theil, besonders in der
Nähe von Palermo, gut angebaut; zum grölseren Theil aber stimmt
sie mit dem öden Gebirge überein, das wir nachher bei $. Caterina
wiederfanden, und das weiter unten geschildert ist.
Girgenti ist die bedeutendste Stadt an der Südküste Sieiliens,
mit 15,000 Einwohnern, freilich kaum ein Schatten des alten, durch
seinen reichen Handel und glänzenden Luxus berühmten Akragas oder
Agrigentum, dessen jetzt noch zum Theil erhaltene Mauern in einem
Umkreise von fünf Miglien 800,000 Einwohner umschlossen. Wir hatten
schon vorher nicht viel Glänzendes von Girgenti gehört und erwartet,
und doch wurden unsere schwachen Erwartungen beim Eintritt in die
Stadt noch mehr herabgestimmt: solcher Schmutz und Elend, solche
Armuth und Verkommenheit schauten aus den trüben Fenstern und
schmalen Thüren der niedrigen Häuser hervor. Dieser düstere und
Reiseskizzen aus Sicilien. 435
öde Anblick war uns neu, aber er kehrte nachher fast in jedem Städt-
chen in derselben Weise wieder und nur die drei grolsen Städte an der
Nord- und Ostküste, Palermo, Messina und Catania, die überhaupt,
jede für sich, einen besonderen Charakter tragen, sind davon ausge-
nommen. "Dieses Bild der Verkommenheit wird nur zum Theil durch
wirkliches Elend erzeugt; zum grolsen Theil ist die einförmige, düstere
Bauart aller Häuser daran Schuld, die, in enge Gassen dicht zusammen
gedrängt, alle denselben schmutzig graubraunen Anstrich zeigen, die-
selben steilen braunröthlichen Dächer, dieselben schmalen Fenster, deren
Glasscheiben zum Theil durch geöltes Papier ersetzt sind, und enge
Hausthüren, zu denen zerfallene Treppen hinaufführen. Keine weilse
Mauer, keine grüne Umfassung bringt einige Abwechselung hinein, die
das Auge um so mehr entbehrt, wenn es durch die aufserordentlich
malerische Bauart der Wohnungen in Neapels reizenden Umgebungen
verwöhnt ist: die freundlichen weilsen Häuschen mit dem flachen Kup-
peldach und den grünen Jalousien, den weinumrankten Säulen der
luftigen Veranda und dem üppigen Palmenschmuck des umschlielsen-
den Gärtchens. Vergeblich sahen wir uns in Girgenti nach einem so
freundlichen Häuschen um, wie sie Capri und Ischia zur grölsten Zierde
gereichen. Erst in der Hauptstrafse, auf die wir nach langem Umher-
steigen in den engen, winkeligen, steilen Gassen der Stadt gelangten,
stielsen wir auf einige besser aussehende Wohnungen, vor deren einer
in grofsem Wappenschild der Preufsische Adler hing, mit der Unter-
schrift: Consulato regio Prussiano. Wir machten sogleich die Bekannt-
schaft des Herrn Consuls, welcher uns mit der sehr formellen Höf-
lichkeit empfing, mit der alle Sieilianer dem Forestiere begegnen, und
mit Vergnügen die seltene Gelegenheit ergriff, sich in seinem officiellen
Charakter zu zeigen. Sehr bereitwillig instruirte er uns über die Se-
henswürdigkeiten der Stadt und führte uns dann in das Casino Empe-
docleo, ein für Lectüre und gesellige Unterhaltung bestimmtes Museum,
das die wohlhabenden Kaufleute und sonstigen Patrieier der Stadt ge-
gründet und mit einer netten Bibliothek ausgerüstet haben. Aufser den
Sehätzen der italiänischen Literatur fanden wir darin zu unserer Ueber-
raschung auch mehrere französische naturwissenschaftliche Prachtwerke,
wie Buffon’s Naturgeschichte, auch eine Uebersetzung von Humboldt’s
Kosmos. Die Girgentiner, die uns diese Sachen sehr zuvorkommend
zeigten, machten auch im Uebrigen einen angenehmen Eindruck und
_ verriethen durch ihre wilsbegierigen Fragen mehr Bildung und Intelli-
genz als wir sonst unter ähnlichen Verhältnissen in Sieilien gefunden
haben.
= Die meiste Auskunft über die Verhältnisse von Girgenti ertheilte
‚uns der amerikanische Consul, der Sohn eines Danziger Kaufmanns,
28*
436 E. Häckel:
welcher sich dort in wenigen Jahren ein bedeutendes Vermögen erwor-
ben hat. Nach seinen Angaben hat sich die Stadt in letzter Zeit wieder
sehr gehoben und zwar allein durch ihren bedeutenden Schwefelhandel,
welcher die anderen Handelszweige, den Export von Mandeln, Sumach
u.8. w. jetzt fast ganz in den Hintergrund gedrängt hat. Alle Schwe-
felminen im Südwesten der Insel führen ihre Producte nach dem Hafen
von Girgenti, und wir begegneten allenthalben im Innern dieses Theiles
langen Zügen von Maulthieren und Eseln — hier dem einzigen Trans-
portmittel — deren Rücken mit grofsen Schwefelsäcken belastet war.
Da der Consum in den letzten fünf bis sechs Jahren, besonders in
Folge der Traubenkrankheit, gegen welche der Schwefel allenthalben
in Italien massenweise angewendet wird — aulserordentlich gestiegen,
so ist der Preis innerhalb dieser Zeit im Verhältnifs von 3 zu 10 in
die Höhe gegangen. In Girgenti leben etwa ein Dutzend bedeutendere
Kaufleute, die kurz nach dem ersten Erscheinen der Traubenkrankheit
grolse Strecken schwefelhaltigen Bodens sich gekauft und dadurch binnen
wenigen Jahren ansehnliche Reichthüämer erworben haben. Die Kosten
der Production sind so gering, dafs die Mineneigenthümer über 100 %
reinen Gewinn haben. Girgenti exportirt allein jährlich für etwa eine
halbe Million Ducati Schwefel. Die nächsten Schwefelminen liegen
nahe im Rücken der Stadt, und wir besuchten am folgenden Tage eine
der gröfsten davon, die dem erwähnten Herrn selbst gehörte. Dieser
Besuch war interessant durch die Aufschlüsse, die er uns über den
höchst embryonalen Zustand des hiesigen Bergbaues und Maschinen-
wesens eröffnete. Man kann sich keine einfachere und primitivere Me-
thode denken, als die, deren sich die guten Sieilianer hier noch be-
dienen. Nicht die gewöhnlichsten unserer Maschinen, Instrumente und
Hilfsmittel sind bekannt; Hacke und Spaten sind fast die einzigen
Werkzeuge bei dieser Handarbeit, und auf gut Glück wird ohne allen
festen Plan in das Gestein hineingearbeitet, wo nur irgend Schwefel
sich findet. Ist der eine Gang, auf den man zufällig gestolsen ist, er-
schöpft, so bohrt man sich in der Nachbarschaft neue Löcher und führt
die neuen Schächte und Stollen nach beliebigen Richtungen in den
Berg hinein. Keiner der letzteren wird ausgemauert, sondern nur von
Strecke zu Strecke bleiben einzelne Säulen als Stützen der Decke stehen.
Die abgehauenen Stücke werden von anderen Arbeitern in Körben auf
dem Kopfe hinausgetragen und auf Haufen geschüttet, die sogleich an
Ort und Stelle ausgeschmolzen werden. Auch diese Operation geschieht
auf die einfachste Weise. Die kegelförmig aufgethürmten Gesteinmassen
werden mit einem, nur von einzelnen Schornsteinen durchbohrten Mantel
von feuchter Erde umgeben, so vor Luftzutritt und Verbrennung ge-
schützt und nun an dem frei gelassenen unteren Ende angezündet.
|
| Reiseskizzen aus Sicilien. 437
Der ausschmelzende Schwefel sickert unten ab und wird in Rinnen zu
viereckigen Tafelformen geleitet, in denen er erstarrt. Wir wanderten
durch einen der längsten Minengänge hindurch, der bald so eng war,
_ dafs wir uns nur mit Mühe hindurch zwängten, bald sich zu hohen
Gewölben erweiterte, deren Decke mit schönen Cölestin- und Gyps-
Krystallen geschmückt war. Die Arbeiter, die wir überall antrafen,
gingen wegen der drückenden Hitze, die in diesen oberflächlichen Stollen
| herrscht, völlig nackt und nahmen sich in ihrer dunkelbraunen Haut-
| farbe, die von einem dicken Ueberzuge feinen Schwefelstaubes hell-
gelb gesprenkelt war, sonderbar genug aus. Es waren gute, treuher-
zige Leute, welche die nie gesehenen Fremden voller Verwunderung
anstarrten, neugierig ausfragten und zuletzt beim Abschiede mit aus
Schwefel gegossenen Flöten, kleinen Thieren und anderen Spielereien
_ beschenkten.
Der gröfsere Theil der Bewohner von Girgenti ist gegenwärtig
bei diesen Schwefelbergwerken beschäftigt und nur der kleinere Theil
betreibt noch die Cultur der blühenden Gärten und reichen Frucht-
felder, welche sich am Fufse der Stadt bis gegen das Meer hin aus-
dehnen. Diese stehen zum grofsen Theil auf den Trümmern des alten
Akragas, welches aus der halbkreisförmigen Ebene, die hier dem Mee-
resgestade entsteigt, terrassenförmig an den Hügeln hinan sich erhob.
Beiderseits begränzt war diese weite herrliche Bühne von den beiden
Flüssen Akragas und Ipsa und im Norden und Osten geschlossen
von einer zusammenhängenden Hügelkette, auf deren nordwestlichem
Vorsprung, dem alten Kamikos, das neue Girgenti zusammengedrängt
ist, während der lange scharfe Felsgrath, der sich im Osten herum-
zieht, mit einer Reihe prächtiger Ruinen gekrönt ist, die heutigen Tages
noch in ihrer grofsartigen Anlage und schönen Ausführung an die glanz-
volle Blüthe der alten dorischen Pflanzstadt erinnern. Auf der lang
gestreckten Firste dieses wellig gebogenen Bergrückens sind auch die
gigantischen Reste der alten Stadtmauer fast noch im Zusammenhange
sichtbar, welche theils aus dem lebendigen Fels selbst gehauen, theils aus
aufgethürmten Riesenblöcken zusammengesetzt ist. In dieser einen Linie
_ liegen vier der schönsten und gröfsten Tempel, von denen zwei noch
wohlerhalten sind. Ihre mächtigen Quaderblöcke und hohen Säulen,
obwohl nur aus der porösen gelben Muschelbreccie der darunterliegenden
"Felsen gehauen, und durch keinen verkittenden Mörtel zusammen ge-
halten, haben dennoch den vielen Erdbeben und Angriffen von zwei
Jahrtausenden unerschüttert Widerstand geleistet. Von drei andern
weiter unten liegenden Tempeln sind nur noch die Standorte durch wilde
Trümmerhaufen bezeichnet. Der erhabenste von allen thront stolz auf
dem Gipfel der höchsten Bergkuppe, der Tempel der Juno Lucina,
438 E. Häckel:
ziemlieh gut erhalten, an dessen einer Seite sogar noch Spuren der
alten Purpur-Wandmalerei sichtbar sind.
Von dieser Höhe umfalst der Blick nach Westen eines der üppig-
sten und blühendsten Landschaftsbilder, die der Süden Sieiliens bieten
kann, voll wogender Kornfelder und fruchtschwerer Weingärten, die
durch undurchdringliche Hecken stachliger Caetus und Agaven von ein-
ander getrennt werden. Noch nie hatten wir vorher alle die köstli-
chen Erzeugnisse des südlichen Himmels in so reicher Fülle und Pracht
beisammen gesehen, und besonders als wir am Nachmittag mitten durch
das Fruchtgelände hindurch nach dem eine Stunde von der Stadt ent-
fernten Hafenort, Molo di Girgenti, wanderten, versetzte uns die immer
reichere und vollere Vegetation in stets neues Erstaunen. Namentlich
gilt dies von der Agave americana und dem Cactus Opuntia, die, ob-
wohl beide ursprünglich nicht einheimisch und aus dem neuen Conti-
nent herübergebracht, dennoch zu den wesentlichsten Charakterpflanzen
der Mittelmeerflora gehören. So mächtig lang und breit sind hier die
hechtblau bereiften, stachlich gezähnten Blätter der Agave, so hoch
und stolz ihre candelaberartig verzweigten, baumhohen Blüthenstengel,
dafs man ihre ungleich kümmerlicheren Verwandten aus Neapels Um-
gebungen kaum darin wieder erkennt. Ebenso ist es mit der Opuntia;
ihre vielverzweigten holzigen Stämme erheben sich zu stattlichen, umfang-
reichen Bäumen, deren diekfleischige, frischgrüne, mit dichten und langen
Stachelbüscheln bewehrte Scheibenglieder mit rothgoldenen Früchten
überladen sind. Diese letzteren sind unter der Benennung: indianische
Feigen, fiche d’India, allgemein in Sieilien beliebt, und sie liefern hier
nach vorsichtiger Entfernung der dicken Stachelschaale ein ebenso saftig
kühlendes und angenehm aromatisches Obst, als sie wenige Breiten-
grade nördlicher fade, geschmacklos und wässerig werden. Anmuthig
bunt erscheint das Fruchtgelände durch die dunkelgrünen Citronen- und
Orangen-Gärten mit goldig rothen Früchten, die wie kleine Inseln in
dem Meere der wogenden goldenen Kornfelder zerstreut sind. Ebenso
werden letztere durch lange schmale Landstreifen gekreuzt, die von
einem niedrigen, mit fein gefiederten hellgrünen Blättchen gezierten
Strauche bedeckt sind, dem Gerbersumach, Ahus Coriaria L., der'zum
Gerben des feineren Leders verwandt und besonders nach Nordamerika
vielfach ausgeführt wird. Ueberall sind dazwischen zahlreiche Mandel-
bäume zerstreut, die hier vorzüglich gedeihen und mehr Früchte tragen
sollen als im übrigen Sieilien. Dazwischen drängen sich mächtige, weit
verzweigte Feigenbäume, mit blauen und grünen Früchten überhäuft,
und alte, umfangreiche Caruben oder Johannisbrodtbäume, deren dichtes
dunkelgrünes Blätterdach eine fast geschlossene gewölbte Laube bildet,
die kaum dem kleinsten Sonnenstrahl in den inneren kühlschattigen
Reiseskizzen aus Sieilien. 439
Raum ‚bis zu den in schönem Bogen abwärts geschwungenen Aesten
Zutritt, gestattet. Seltener erscheint dazwischen die edle Kastanie und
der Granatbaum, und die an anderen Stellen so entwickelte Dattelpalme
wird bei Girgenti fast ganz vermilst. Am meisten von allen zogen
jedoch die uralten ungeheuren Oelbäume unsere Aufmerksamkeit auf
sich,. die, wir nie zu solchem Umfang hatten anwachsen sehen, selbst
nicht in den berühmten Olivenwäldern von Tivoli und im Sabinerge-
birge.. Der Volksmund schreibt diesen Bäumen ein mehr als tausend-
jähriges Alter zu, was bei dem langsamen Wachsthum des Oelbaums
allerdings kaum wunderbar erscheint. Die bizarre Gestalt der hohlen,
spiralig gewundenen Stämme, die unten spreizend auseinander gehen
und auf vier bis sechs oft mehrere Fuls von einander entfernten klei-
neren. Stämmen wurzeln, wird daher abgeleitet, dafs die Saracenen
beim Pflanzen der Oelbäume ein halbes Dutzend junger Stämmchen in
einen einzigen zusammen wachsen und verschmelzen machten, indem
sie dieselben mit den von Rinde entblöfsten Berührungsflächen zusammen
banden. Ebenso wie nach unten, geht der phantastische Stamm: auch
nach oben in eine Anzahl flach zusammen gedrückter Stämmehen aus-
einander, die sich schwungvoll verzweigen und zwischen ‚dem silber-
grauen Laube Tausende von kleinen schwarzen Früchten verbergen.
Den schönsten Anblick gewährt das reiche ‚Thal von Girgenti,
wenn ‚man ‚auf der Höhe des Junotempels stehend über seine weite
Rundung hinweg den Blick auf das unendliche Meer ‚schweifen läfst,
dessen tiefes Blau gar prächtig mit der intensiv feuergelben Farbe des
Gesteins contrastirt, oder wenn man weiter unten auf den Ruinen des
Jupitertempels steht, des kolossalsten aller Tempel, die nach Diodors
Angabe das Alterthum aufzuweisen hatte. Freilich wurde er nicht ganz
vollendet; denn gerade als das Dach aufgesetzt werden sollte, zerstörten
die Carthager die Stadt; aber die colossalen Trümmermassen, die noch
heute die 360 Fufs langen und halb so breiten Substructionen der Cella
bedecken, die Bruchstücke der Säulen, in deren Cannelirung ein er-
wachsener Mann sich völlig verbergen kann, und die 27 Fufs hohe Statue
eines. Giganten, einer Figur des Giebelfeldes, das einen Gigantenkampf
darstellte, zeugen noch heute von der unübertroffenen Grofsartigkeit
der Anlage. Von diesem niederen Standpunkte aus genie/st man, durch
die Säulenintervalle des nahen Dioskurentempels hindurchschauend, ei-
nen besonders reizenden Blick auf die neue Stadt, die auf zwei Hügel-
kuppen und deren Zwischenthal stolz ausgestreckt liegt und in dieser
Entfernung, wo ihre kleinen terrassenförmig übereinandergebauten
_ Häuser zu grolsen, compacten Massen verschmelzen, das kümmerliche
Aussehen ihres Inneren nicht ahnen lälst.
Nachdem wir unsern Blick lange genug an diesem, mit aller Gluth
AAO E. Häckel:
der südlichen Farbentöne reich ausgestatteten Bilde geweidet, wendeten
wir uns nach der entgegengesetzten Seite, nach Osten, und wurden hier
nicht wenig durch eine Landschaft überrascht, die in jeder Hinsicht
gerade das Gegentheil der eben geschilderten war, so dafs wir hätten
glauben können, mit einem Male in eine der nur wenige Breitengrade
entfernten Wüsten Nord- Afrikas versetzt zu sein. Vollkommen nackt
und öde fällt nach dieser Seite der Bergrücken, der die vier Tempel trägt,
sehr steil in ein wildes, todtes Felsenthal ab, in dessen sandiger, von
Trümmern überschütteter Tiefe das langsam hinkriechende Akragas-
flüfschen einen Ausweg nach dem Meere sucht. Gegenüber steigt die
Felswand ebenso schroff und steil, ebenso nackt und vegetationsleer
empor und über ihr sind nach Osten hin lange vielgliedrige Bergketten
ausgestreckt, — überall dasselbe nackte, rothgelbe Gestein, ohne Spuren
einer Cultur nah und fern, eine todte Einöde, in der das Auge ver-
gebens nach einem erquickenden Ruhepunkt sucht. Das einzige Grün,
das sich, in der Nähe wenigstens, erspähen läfst, sind zahlreiche kleine
Zwergpalmen, Chamaerops humilis, deren fächerförmiggefaltete und
fingerig gespaltene starre Blättchen in Menge aus den Ritzen und
Zwischenräumen der durcheinander geworfenen Felsblöcke hervor-
schauen. Schon in den Umgebungen Palermos hatten wir diesen in-
teressanten Zwergbaum kennen gelernt, den einzigen in Europa ein-
heimischen Vertreter der schönen Palmenfamilie. Aber dort fanden
wir ihn stets ganz in dem lockeren Sandboden verborgen, so dafs nur
die Spitzen der Blätter frei vorragten: hier dagegen erhebt sich der
kleine Baumstamm bis zu 5 Fufs über den Boden und trägt auf seiner
Spitze die zierliche Krone der Blattfächer, welche vielfach von den $i-
eilianern benutzt werden. Die zusammengebundenen Blätter liefern
gute Besen, und ihre zähen und langfaserigen Gefälsbündel einen vor-
trefflichen Bindfaden, aus dem zierliche Sessel geflochten werden. Das
Mark der sprossenden jungen Krone wird von den Bauern mit ebenso
viel Vorliebe gegessen, als die reifen Früchte von den Ziegen, und
die lockeren Bastnetze zwischen der Basis der Blattstiele liefern ein
treffliches Werg. Aufser diesen Massen von Zwergpalmen bemerkten
wir in dieser öden Trümmerwüste nur noch zwei bedeutendere Pflan-
zen, den mit langer weilser Blüthenähre geschmückten blattlosen Schaft
der Meerzwiebel (Seilla maritima), und die langen, kriechenden Ran-
ken des dornigen wilden Capernstrauchs (Capparis spinosa). Um so
auffallender war uns bei dieser Pflanzenarmuth die Unmasse von klei-
nen weilsen Schnecken aus den Gattungen Helix und Bulimus, die die
Meerzwiebeln und Capern zum Theil dicht überzogen hatten; auch
zahllose Eidechsen und Geckonen, denen die brennende Sonnengluth
auf dem nackten Fels zu behagen schien, huschten dazwischen umher,
Reiseskizzen aus Sicilien. 441
und Schaaren von Grillen und Cicaden erfüllten die Luft mit ihrem
monotonen Gezirpe.
| Solche grelle Contraste zwischen zwei unmittelbar aneinander sto-
_ fsenden Landstrichen, wie die oben geschilderten, finden sich in Si-
eilien häufig, und wir hatten auf unserer weiteren Reise durch das
Innere noch mehrfach Gelegenheit dieselbe Beobachtung zu wiederholen.
Nur sind leider die nackten, vegetationslosen Gebirge bei weitem über-
wiegend, und die üppigen fruchtreichen Hesperidengärten erscheinen nur
als isolirte Oasen in diesen Wüsten zerstreut. Das gilt besonders von
den welligen Hügelstrecken im mittleren und südlichen Theil des Inne-
- ren, während an den von der feuchten Seeluft erfrischten Küsten, be-
| sonders an der Nord- und Ostküste, die fruchtbaren Landstriche einen
_ zusammenhängenden, nur stellenweise unterbrochenen grünen Bord bil-
| den. Aber auch hier stehen oft die schroffen Gegensätze unvermittelt
neben einander, und während man mit dem einen Fufse noch in einem
duftenden Orangengarten steht, tritt schon der andere in eine öde Stein-
wüste hinaus, die Nichts als Dornen und Disteln trägt.
Wir hatten beabsichtigt, von Girgenti längs der Südküste über
Alicata und Terranuova nach Modica und um die Südspitze herum nach
Syracus zu gehen. Indefs scheiterte dieser Plan an der Unmöglichkeit,
Maulthiere zum Reiten zu erhalten, welche jetzt alle bei den Schwefel-
bergwerken verwendet waren. In ganz Girgenti waren nur drei Maul-
thiere disponibel; der Besitzer derselben wollte sie aber durchaus nicht
ohne die Lettica zum Transporte hergeben; das Reisen mittelst der
Lettica ist hier im südlichen Theile der Insel noch vielfach üblich, und
der grandezzavolle Gentiluomo läfst diese Art zu reisen eigentlich allein
als anständig gelten. Die Lettica ist eine enge vollkommen geschlossene
Sänfte, in der zwei Personen einander gegenüber Platz haben; sie ist
zwischen zwei sehr langen parallelen Stangen befestigt, zwischen deren
vordern und hintern Enden zwei mit Schellen behangene Maulthiere,
wie in eine Gabeldeichsel, eingespannt werden. Der Führer reitet auf
einem dritten Thiere nebenher und treibt die beiden andern dirigirend
an; die Bewegung soll bei dem sicheren und festen Tritt der Maul-
thiere sehr angenehm sein, um so unangenehmer aber der monotone
Klang der ewig läutenden Schellen und der unbequeme Sitz und die
drückende Hitze in dem enggeschlossenen Käfige. Natürlich geht auch
der freie Umblick in die Gegend völlig verloren. Ueberdies ist das
Vergnügen sehr kostbar, mindestens 10—15 Thlr. für den Tag, und
so zogen wir es denn vor, einen Postcourier zu benutzen, der zufällig
auf der neu eröffneten Strafse nach dem in der Mitte der Insel gele-
genen Caltanisetta fuhr.
Am Abend aus Girgenti abgefahren, erwachten wir am andern
u A ee u
442 E. Häckel:
Morgen kurz vor Caltanisetta, in dem Moment, als eben die Sonne
hinter einem langgestreckten Bergrücken im Osten emportauchte und
die vielgipfligen, nackten, rothgelben Gebirgsketten im Westen mit einer
so reinen und intensiven Purpurgluth übergofs, dafs wir nur das herr-
liche Phänomen des Alpenglühens damit einigermafsen vergleichen‘ zu
können glaubten. Die nächste Umgebung von Caltanisetta war ziem-
lich gut angebaut; namentlich fielen uns üppige Gemüse- und Melonen-
gärten auf; aber weiterhin schien wieder der nackte Boden jeder ve-
getabilischen Decke zu ermangeln und nur die bunten, rothen, gelben,
violetten und schwarzen Schwefelschlacken, welche zu hohen Kegeln vor
den Eingängen der zahlreichen Minen an den Flanken der Berge auf-
gethürmt lagen, brachten einige Abwechselung in die öde Landschaft.
Was wir am meisten entbehrten, war der Anblick des Meeres, an
dessen tiefblauen Spiegel und rauschendes Wogengetön wir jetzt seit
einem halben Jahre so gewöhnt waren, dals uns jede dessen erman-
gelnde Gegend nur halben Reiz zu besitzen schien. Je näher wir Cal-
tanisetta kamen, desto mehr bedeekte sich die Strafse mit zahlreichen
Bauern und Hirten, welche Vieh trieben, und wir erfuhren, dafs uns
der Zufall das Glück gönnte, gerade zu dem grolsen sieilianischen Oen-
tralviehmarkt in Caltanisetta einzutreffen, der nur einmal jährlich statt-
findet und zu welchem Käufer und Händler mit grofsen Viehtransporten
aus allen Theilen der Insel zusammenkommen.
Die Stadt selbst sowohl, die an und für sich betrachtet, sich kaum
von anderen Städten des Inneren unterscheidet, als auch die, recht
hübschen Hügel und Thäler in ihrer Umgebung waren angefüllt mit
den zahlreichen bunten Heerden und ihren Besitzern, die sich im
Schatten kleiner Gebüsche gelagert hatten. Wir hofften, bei die-
sem Conflux vieler Bewohner aus allen Theilen Siciliens die verschie-
denen Stämme in mannichfaltigen bunten National-Costümen zu sehen,
fanden uns aber in dieser Erwartung sehr getäuscht. Sowohl unsere
weiteren Wanderungen, als eingezogene Erkundigungen belehrten uns,
dafs eigentliche National-Costüme auf Sieilien gar nicht mehr existiren.
Die Umgebungen Neapels, besonders die campanischen Inseln, und
noch weit mehr Rom und sein Gebirge lieferten uns in dieser Bezie-
hung viel reichere Ausbeute. Bestimmteren Charakter zeigte das si-
cilische Vieh, unter welchem sich sowohl der Qualität als Quantität
nach am meisten die Rinder auszeichneten, alle von derselben kleinen,
rothbraunen sieilianischen Race, die in Unteritalien sonst fehlt... Sie
fällt auf durch den feinen Bau ihrer schlanken Fülse und das scharf-
geschnittene Profil ihres feinen Kopfes, auf dem zwei unverhältnifs-
mäfsig grolse, schön gewundene Hörner prangen, ein geheiligter Zier-
rath, der in der Stube keines Sieilianers fehlt, und als unfehlbares
|
Reiseskizzen aus Siecilien. 443
Amulet gegen den mal” occhio, den bösen Blick, sowie gegen andern
Geisterspuk, überall bei Vornehm und Gering in hohem Ansehn steht.
Nächst den Rindern machten den besten Eindruck die Ziegen, statt-
liche, starkfülsige Thiere mit lang herabhängendem weilsen Seidenhaar
und ebenfalls aufserordentlich langen und zierlich spiral gewundenen
Hörnern. Von einer viel kleineren und schwächeren Race waren die
durchgängig schwarz gefärbten Sehaafe, die mit ihrem diehten krausen
Wollhaar, dem schwarzen kleinen Kopf und den ebenfalls schwarzen
sehr dünnen Beinchen viele Aehnlichkeit mit den Lüneburger Haid-
schnucken zeigten. Am schlechtesten und kümmerlichsten genährt und
am wenigsten entwickelt erschienen die Maultbiere und Esel, besonders
aber die kleinen und mageren Pferde, woran freilich die ausnehmend
schlechte Behandlung, der diese armen Thiere in ganz Italien ausge-
setzt sind, und von der sich auch hier deutlich die Spuren zeigten,
hauptsächlich Schuld sein mag.
Kalte Grausamkeit und völliger Mangel alles Mitgefühls für die
Thiere ist bekanntlich ein allgemeiner Charakterzug aller romanischen
Nationen, und sie stehen in dieser Beziehung tief unter den slawischen
Völkerschaften, bei denen sich die Hausthiere, wie bei den Arabern,
einer fast familiären Zärtlichkeit und sorgfältigen Behandlung erfreuen.
Unter den Romanen gebührt aber vor allen andern den Italiänern und
besonders den Neapolitanern in dieser Beziehung der schlechteste Ruf.
Zwar haben sie nicht die blutigen Stierkämpfe der Spanier; dafür aber
quälen: sie ‚alltäglich ihre Pferde und Esel mit einer so empörenden
Grausamkeit, dafs die verhältnifsmälsig kurze Qual des wenigstens
rasch zu Tode gemarterten Stiers dagegen als ein glückliches Loos
erscheint. Ich könnte viele einzelne Beispiele hierfür anführen, will
aber hier nur eines hervorheben, das ich mehreremal selbst mit ange-
sehen habe. Wenn im Toledo in Neapel eines der schwer beladenen
Lastthiere, wie es dort stündlich geschieht, auf den glatten Quader-
platten ausgerutscht und gestürzt ist, so pflegt es sich wegen der auf-
gebürdeten übermäfsigen Last nur mit grofser Mühe wieder erheben
zu können. Statt ihm nun dies durch Abnahme eines Theils der Last
zu. erleichtern, sucht der Neapolitanische Eseltreiber seinen Zweck ein-
facher durch quälende Schmerzen zu erreichen und sticht das arme
Opfer mit einem spitzen Eisenstachel in wunde Stellen auf den- hin-
teren Theil des Rückens und am Vorderbug, die zu diesem Zweck be-
ständig offen erhalten werden. In einigen Fällen nun, wo diese Qual
noch nicht heftig genug war, das arme Thier zum Aufspringen zu be-
wegen, nahm der Treiber sein Feuerzeug und zündete einen kleinen
Reisigbündel an, den er dem Thiere unter die Flanke, auf die es ge-
_ stürzt war, geschoben hatte. Dieses Mittel half denn auch in den ver-
AAA RB. Häckel:
zweifeltsten Fällen. An solche barbarische Grausamkeiten ist man
dort so gewöhnt, dafs kein Mensch ein Wort darüber verliert und wenn
es einem Fremden einfällt, den Neapolitaner darüber zur Rede zu setzen,
so wird er verwundert angesehen, oder erhält höchstens zur Antwort:
„Eh, non sono Christiani!“ (Je nun, es sind ja keine Christen!)
Solche Rohheiten, wie man sie in Neapel täglich sieht, sind uns
in Sieilien nur selten begegnet, wie wir denn überhaupt die Sieilianer
im Ganzen gutmüthiger, natürlicher und unverdorbener gefunden ha-
ben, als die Neapolitaner. Dafs der Charakter beider Nationen trotz
vieles Gemeinsamen in Sprache und Sitte doch vielfach verschieden,
ja entgegengesetzt sich äulsert, ist bekannt, und man wird bei einem
Vergleiche fast immer die Wagschaale sich zu Gunsten der Sieilianer
senken sehen. Ich kann in dieser Beziehung die Angaben anderer
Reisenden von anderen Gesichtspunkten aus nur bestätigen. Ich gründe
mein Urtheil auf die Erfahrungen eines Jahres, dessen Sommerhälfte
ich in Neapel, die Winterhälfte in Messina zubrachte. Der wissen-
schaftliche Zweck, den ich während dieses Aufenthalts verfolgte, das
Studium niederer Seethiere, nöthigte mich während dieser ganzen Zeit
zum täglichen Verkehr mit dem niederen Volke, zunächst allerdings
nur mit einer Classe desselben, mit den Bootsleuten, die mich täglich
bei meinen Exceursionen auf das Meer begleiteten, und mit den Fischern
und Fischerjungen, die mir ihre Beute zubrachten. Indefs hatte ich
auch sonst vielfach Gelegenheit in das Leben und Treiben verschie-
dener Volksklassen, besonders der niedersten, manchen Blick zu thun,
wozu ja überhaupt der Fremde bei der extremen Oeffentlichkeit, mit
der das ganze private Leben im südlichen Italien zur Schau getragen
wird, fortwährend mannichfache Gelegenheit findet. Aufserdem war
mir aber gerade der Verkehr mit den Fischern doppelt lehrreich, da
diese Leute einmal mehr als andere Gewerbtreibende einen bestimm-
ten, festen Charakter angenommen haben und dann denselben immer
mit derselben Offenheit und Präcision äufsern. Um nun zunächst des
Nutzens zu gedenken, den mir die dienstbaren Fischer in Neapel und
in Messina gebracht haben, mufs ich bekennen, dafs die ersteren mir
so gut wie nichts geholfen, mir aber dafür sehr viel Aerger und Mühe,
Zeit und Geld gekostet haben, während die Sicilianischen Fischer durch
ihre Bemühungen den Erfolg meiner Arbeiten wesentlich gefördert ha-
ben. Die Thierchen, um die es sich handelte, waren pelagische Ge-
schöpfe aus verschiedenen Klassen der Wirbellosen, alle aber ausge-
zeichnet durch ihr farbioses, durchsichtiges, krystallhelles Aussehen,
welches ihre Erkennung und ihren Fang sehr erschwert. Zu diesen
eigenthümlichen Thieren gehören z. B. die Helmichthyden oder Wurm-
fischchen, kleine, nur ein paar Zoll lange Fischchen, so glashell und
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Reiseskizzen aus Sicilien. 445
durchsichtig, dafs man die Schrift eines Buches durch sie hindurch
lesen kann. Aus der Klasse der Würmer zählt dahin die Alciope und
Sagitta, aus dem Kreise der Mollusken die zahlreichen reizenden For-
men der Flügel- und Kielschnecken, dann der ganze Schwarm der
merkwürdigen Salpen; ferner zählen dazu die seltsamen Colonien der
Schwimmpolypen, die feinen Glocken- und Rippen-Quallen und viele
andere sonderbare Geschöpfe aus allen Klassen der wirbellosen Thiere.
Alle diese pelagischen Thierchen, wie verschieden sie auch sonst sind,
stimmen in ihrer Farblosigkeit und glasartigen Durchsichtigkeit überein
und erfordern daher ein sehr scharfes Auge zum Erkennen. Dazu
wird ihr Fang noch dadurch erschwert, dafs schon die leise Berührung
des Netzes diese äulserst zarten Geschöpfchen verletzt oder tödtet, und
dafs man, um sie ganz und lebendig zu erhalten, genöthigt ist, sie in
einem Becherglase zu schöpfen. Und diese alle brachten mir nun die
Fischerjungen von Messina nicht nur täglich lebend und besterhalten
zu, sondern sie kannten auch die einzelnen, zum Theil nur durch feine
Unterschiede getrennten Species sehr genau und hatten für die meisten
derselben besondere Namen. Hierdurch allein schon wird einerseits
eine scharfe Beobachtungsgabe und ein feines Unterscheidungstalent,
andrerseits eine gewisse Ausdauer und Arbeitslust, oder wenigstens
eifriges industrielles Streben bewiesen. Von beiden war bei den nea-
politanischen Fischern nichts zu finden und alle Bemühungen, sie zu
diesem feinen Geschäfte durch Geduld abzurichten oder selbst durch
Geld zu bewegen, waren vergebens. Das dolce far niente galt hier
stets als höchstes Prineip; hatten sie genug Geld sich erschwindelt, um
wieder ein paar Tage ihr faules Leben fortzuführen, so konnte sie
keine Versprechung, kein Geschenk bewegen, ihre unthätigen Glieder
zu rühren. Wie anders thätig waren da meine Messinesen, welche zu
Dutzenden in rastlosem Eifer und unermüdlichem Wettstreite stets zum
Verdienen und Arbeiten bereit waren. Ebenso sind die Bootsleute und
Matrosen von Sicilien ungleich unternehmender, thätiger und geschickter,
als die von Neapel, und dieser selbe Zug, Interesse und Eifer bei der
Berufsarbeit, wenn auch hauptsächlich nur in der steten Rücksicht auf
den Gewinn, ist in allen andern arbeitenden Klassen wiederzufinden,
während in Neapel unter gleichen Verhältnissen überall mehr Schlaff-
heit, Indolenz und Müssiggang herrscht. Eine natürliche Folge davon
ist, dafs das Selbstgefühl und der Charakter beim Sicilianer viel mehr
entwickelt ist als beim Neapolitaner. Der letztere ist nur so lange
muthig, dreist und bis zur Unverschämtheit übermüthig, so lange man
ibm bescheiden und anspruchslos begegnet; diese Unverschämtheit
schlägt aber in das Gegentheil um, sobald man ihm fest und entschie-
_ den entgegen tritt. Dann wird er kriechend und zieht sich eilig feig
A446 E. Häckel:
zurück, wie ihm denn überhaupt wirklicher Muth und männliche Ent-
schlossenheit fehlen. Gegen eine wohlverdiente Züchtigung wagt er
sich nie zu vertheidigen und die Bastonata ist als wultima ratio bei
ibm sehr wohl angewandt. Wollte man dagegen wagen, einen Siei-
lianer mit dem Stock zu schlagen, so würde man sich leicht der thät-
lichen Erwiederung, vielleicht auch dem sehr beliebten Messerstich in
den Rücken aussetzen. Ueberhaupt verträgt er eine gewaltsame und
herrische Behandlung viel weniger; aber er ist dafür auch selbst be-
scheidener und tritt mit weniger Arroganz auf. Schon aus diesem
Grunde mufs der Sieilianer den Neapolitaner verachten; aber er hat
auch aufserdem Grund genug, ihn von ganzem Herzen zu hassen.
Wie lebendig dieses Gefühl schon von Jugend auf in den Gemüthern
genährt wird, beweist unter andern ein charakteristischer Zug, der
mich in Messina oftmals ergötzte.
Unter den vielen abenteuerlichen, durchsichtigen pelagischen Thieren,
die mir meine Fischerknaben täglich brachten, fand sich sehr häufig
ein seltsamer, glasheller Krebs aus der Ordnung der Amphipoden oder
Flohkrebse. Dieses Tbierchen, höchstens einen Zoll lang, welches der
Gattung Phronima angehört, hat nur einen dünnen schmächtigen Leib,
aber einen ungeheueren Kopf mit zwei colossalen Augen und mäch-
tigen Frefswerkzeugen. An dem schmal zusammengedrückten Brust-
stück sind sieben Fu/spaare befestigt und das fünfte derselben ist un-
verhältnifsmälsig entwickelt und trägt je eine colossale, zweifingrige,
schneidende Scheere, die wie eine Messerklinge eingeschlagen werden
kann. Diese furchtbaren Waffen gebraucht nun der Raubkrebs, um
sich in den kleinen, durchsichtigen, tonnenförmigen Gehäusen gewisser
Mantelthierehen (Salpa) und gallertigen Melonenquallen (Beroe) fest-
zusetzen. Er frifst den unglücklichen Inhaber derselben langsam auf
und benutzt dann dessen Tönnchen zeitlebens als eigene Wohnung.
Diese grausamen Schmarotzer nun sind bei allen Fischern in Messina
unter dem Namen Napolitano bekannt und selten brachte mir ein klei-
ner Fischerjunge eines dieser Raubthiere, ohne eine malitiöse Bemer-
kung gegen den Neapolitaner hinzuzufügen. „Seht, Herr, diesen ver-
dammten Neapolitaner, er frifst die arme, sicilianische Bestie auf und
plündert ihr Haus. Aber nun kommt die Rache! Geh zum Teufel,
verfluchte Bestie!*
Zum Theil erklären sich diese Dissonanzen des Nationalcharakters
schon aus der verschiedenen Geschichte beider Länder. Die glorrei-
chen Zeiten der Blüthe, sowohl im grauen Alterthum, wo unter grie-
chischem Einflufs Syracus, die Nebenbuhlerin Athens, eine Zeit lang
die erste Stadt der Welt war, als später im Mittelalter, wo Sieilien
ein unabhängiges glückliches Königreich bildete, haben fruchtbar auch
Reiseskizzen aus Sicilien. AAT
noch auf spätere Zeit nachgewirkt. Die Saracenen, die zwei Jahrhun-
derte hindurch die Insel beherrschten, um dann von den stärkeren Nor-
mannen verdrängt zu werden, die glückliche Regierung der Norman-
nenkönige und der ihnen folgenden Hohenstaufen,, vor allen unseres
grolsen Kaisers Friedrich Il., der mit seiner Gemahlin Constantia von
Arragonien und mehreren andern normannischen und hohenstaufischen
Königen im Dome von Palermo begraben liegt — sie alle haben sich
in‘den prachtvollen Domen und Palästen, die noch heute der Haupt-
stadt der Insel zur gröfsten Zierde gereichen, unvergängliche Denk-
male gestiftet und in vielen trefilichen Einrichtungen lebt noch heute
ihr Name unvergessen fort. Vielleicht ist durch alle diese verschieden-
artigen Oceupationen die gegenwärtige Bevölkerung Siciliens gemischter
und aus verschiedeneren Elementen zusammengesetzt, als irgend eine
andere in Italien. Aber sie ist in dieser Mischung nicht untergegangen,
sondern hat neue Keime daraus empfangen und den eingepflanzten Cha-
rakter in gewissen Richtungen, ja zum Theil sogar noch in der Kör-
perbildung treu bewahrt. So erinnert die dunkele Bevölkerung der
Südküste, mit ihren schwarzen Augen, dem gelbbraunen Teint und
den dieken rothen Lippen an den saracenischen Usprung; unter den
Syraeusanern und Catanesen herrschen schöne griechische Profile mit
kurzen Stirnen, langen geraden Nasen und kleinem Munde; unter der
Bevölkerung der Nordküste, besonders in den Umgebungen von Pa-
lermo, glaubten wir nicht selten in den helleren Augen und lichtbrau-
nen Haaren den germanischen Typus wieder zu erkennen. Und ebenso,
ja noch viel deutlicher lassen sich diese Einflüsse, sowohl der griechi-
sche, als der normannisch-deutsche und saracenische, in der Sprache
nachweisen, in der viele bezeichnende Ausdrücke jenen drei Sprachen
entnommen sind. Diese vielfältige Mischung macht den sicilianischen
Dialeet, der schon an und für sich in den gleichen Vocabeln durch
Umlautung der Vocale und Abschleifung der harten Consonanten sehr
vom italienischen abweicht, schwer verständlich, und der Forestiere
kann sich in der schönen, normalen Umgangssprache von Florenz und
Rom frei bewegen, ja er kann sogar an die Barbarismen des Neapo-
litanischen Dialects gewöhnt sein, ohne doch von einer sicilianischen
Unterhaltung, besonders auf dem Lande, nur ein Wort zu verstehen.
Von Caltanisetta aus machten wir eine Excursion nach dem drei
Stunden entfernten Santa Caterina, einem elenden, kleinen Gebirgs-
städtchen, welches, nur wenige Stunden östlich von Castro-Giovanni,
dem berühmten, alten Enna, fast genau im Mittelpunkte Sieiliens liegt.
Diese ganze Gegend kann als schlagendes Beispiel für die traurigen
Veränderungen gelten, durch welche die im Alterthum fruchtbarste
Insel jetzt zu einer der ödesten geworden ist. Wir bestiegen von $. Ca-
A448 E. Häckel:
terina aus einen der Berggipfel, von wo wir eine weite, umfassende
Aussicht über einen grofsen Theil der Insel genossen. Schwerlich kann
man sich nach unseren Begriffen von deutscher Gebirgslandschaft eine
Vorstellung von der Bergwüste machen, in die wir hier versetzt waren.
So weit das Auge reichte, nach allen Richtungen dasselbe Bild, nichts
als mannichfach sich kreuzende und reihenweise hinter einander auf-
steigende vielgipflige Gebirgszüge, meist sehr langgezogene zum Theil
schnurgrade Contouren, die allmählich auf der einen Seite ansteigen
und auf der andern in ein bis zwei schwungvollen Berglinien abfallen.
Nirgends, weder nah noch fern, unterbrach ein Baum, eine Wohnung,
ein Dorf die trostlose Einförmigkeit und man konnte sich vorstellen,
plötzlich in eine, eben erst aus einer gewaltsamen Erdrevolution neu
hervorgegangene, animalischen und vegetabilischen Lebens noch ent-
behrende Schöpfung versetzt zu sein. Ueber alles erhaben erschien
uns hier zum erstenmal, weithin im Osten ausgestreckt, der riesige
Etna, eine gewaltige flach kegelförmige blaue Masse, die mit ihrem
breiten Fufs ganze Reihen niederer Berge bedeckte und von deren
Gipfel ein feiner zarter Dampfstreifen wie ein Schleier über die Insel
weithin zog. Die allgemeine Farbe der Gebirge war ein lebhaftes
Rothgelb, welches sich weiter hin zu einem zarten Purpur und in der
duftigen Ferne zu einem schönen Violet abstufte. Im Vordergrunde
war dieses nackte Kalkgestein, welches im Glanze der untergehenden
Sonne eine flammende Feuerfarbe annahm, durch zahlreiche kleine
weilse Gypshügel unterbrochen, deren rundlich gewölbte Kuppen scharf
und nackt daraus hervortraten. Die einzige Vegetation, welche zwi-
schen dem kahlen Gestein sich entdecken liels, bestand aufser wenigem
verdorrten Gras aus den weilsen und gelben Blüthen einiger blattlosen
Amaryllideen und Liliaceen. Nirgends in der dürren Wüste eine Spur
von Wasser! Und das war dieselbe Gegend, die nach Diodors' Be-
schreibung der Paradiesgarten von Sieilien war, wo die Hunde über
dem Dufte der zahllosen üppigen Kräuter die Spur des Wildes ver-
loren, und wo zahlreiche Quellen die blumigen Gefilde stets frisch er-
hielten!
Diese traurige Umgestaltung ist zwar das Resultat verschiedener,
zusammenwirkender Ursachen, doch vor allem auf Schuld der rück-
sichtslosen Ausrottung der Wälder zu schreiben. Sicilien ist jetzt so
weit abgeholzt und entblöfst, dafs eigentlich nur noch ein einziger
grölserer Forst existirt, der Bosco di caronia, der sich im Nordosten
vom Fuls des Etna gegen die Nordküste hinzieht. Die früher dicht
bewaldeten Montagne Madonie sind jetzt fast baumleer und nur hier
und da existiren noch kleine, kaum nennenswerthe Gehölze. Dadurch
ist es gekommen, dafs Holz jetzt ein kostbarer Handelsartikel ist. Als
Reiseskizzen aus Sieilien. A4Ag
Brennmaterial benutzen die Sieilianer importirte Steinkohlen und Holz-
kohlen aus dem Kirchenstaat, die ärmeren Leute das dornige Gestrüpp
und Halbgesträuch der Ericen, Genisten und Cytisus-Arten, die sie von
den entwaldeten Bergen zusammenholen. Fast aller Holzbedarf wird
aus Nord-Amerika entnommen. Die zahlreichen nordamerikanischen
Schiffe, die jeden Winter Tausende von Apfelsinenkisten aus Messina
holen, bringen dafür in Bretter geschnittenes Holz herüber. Dafs der
Preis aller Holzarbeiten in Folge dessen sehr hoch ist, versteht sich
‚von selbst. Wie schädlich jene rücksichtlose Ausrottung der Wälder
wirkt und wie die früher fruchtbarsten Landstriche dadurch plötzlich
in eine todte Wüste verwandelt werden, ist durch die traurigen Bei-
spiele von Klein-Asien, Griechenland, Spanien bekannt genug. Mit
den Bäumen verschwinden die auf ihnen wohnenden Moose, welche
durch ihre hygroskopischen Eigenschaften bekanntlich in der Oekono-
mie der Natur von unschätzbarem Werthe sind. Mehr noch als von
dem regenreicheren Norden, gilt dies von dem sonnigen Süden, wo die
Moose allein im Stande sind, die mit den heftigen Platzregen herab-
gestürzten Wassermassen in den zarten Behältern ihres zierlichen Blatt-
zellennetzes zurückzuhalten, dafs sie nicht ungenutzt in den Spal-
ten und Rinnen des trocknen Erdreichs abströmen, sondern aufbewahrt
und allmälich in ökonomischer Sparsamkeit an die Bäume, die sie er-
nähren, und die Quellen, durch die sie die Felder speisen sollen, ver-
theilt werden. So unscheinbar diese Wasserregulatoren sind, von so
unberechenbarer Wichtigkeit sind sie für den ganzen Culturzustand der
Gegend und von ihrer Existenz hängt geradezu die des letzteren ab.
Die traurige Wahrheit dieser Erfahrung hat sich an Sieiliens vordem
blühenden Gefilden wieder in schlagender Weise bestätigt. Schritt für
Schritt verödeten die Landschaften, deren ernährende Flüsse in Folge
der Wälderausrottung versiegten. Das Wasser stürzt mit den reichen
Winterregen jetzt noch ebenso wie ehedem vom sicilischen Himmel
herab; aber es wird nicht mehr durch die Moose zurückgehalten, und
nicht mehr beschatten und erhalten die Bäume die Quellen der Ge-
birge.
Nirgends fallen diese traurigen Folgen der Wälderausrottung
schlagender in die Augen, als bei den sogenannten „Fiumaren“, wel-
che den steilen Küstenabfall des sieilischen Hochlandes in grofser An-
zahl durchsetzen. Fiumare bedeutet eigentlich „ausgetretener Flufs“;
hier indefs bezeichnet man damit allgemein die charakteristischen, kie-
sigen Flufsbetten, welche den gröfsten Theil des Jahres über trocken
‚liegen, im Winter und Frühjahr aber nach den heftigen Regengüssen,
die im Gebirge fallen, und während der Schneeschmelze, sich plötzlich
mit Wasser füllen. Das ganze langgestreckte Küstengebirge, welches
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VII. 29
450 E. Häckel:
sich vom Etna längs des Oststrandes bis zum Vorgebirge Pelorum an
der Nordostecke hinzieht, ist an seinem sehr steilen östlichen Abfalle
von einer grolsen Anzahl solcher enger, rinnenförmiger Querthäler ge-
fureht, und diese erweitern sich, in den flachen und schmalen Küsten-
saum vortretend, plötzlich zu einer breiten und flachen Rinne, welche
in ihrem kurzen Laufe bis zum Meere an Breite noch zunimmt. Der
kleine dünne Wasserfaden, welcher auch in der gröfsten dieser Fiu-
maren während der trockenen Jahreszeit nur mühsam in vielfach ge-
schlängelten Windungen sich seinen Weg durch das lockere Kiesgeröll
zum Meere sucht, läfst nicht ahnen, welche ungeheuren Wassermassen
nach einem heftigen Regengusse, wie er häufig mit tropischer Rapi-
dität und Intensität in das Gebirge niederstürzt, plötzlich das leere
Bett erfüllen, Felsen und Erdstücke mit sich fortreifsend und Verderben
und Verwüstung in das gartengleiche Küstengelände bringend.
Durch den steilen Abfall des obersten Gebirges erhalten die in das
enge Bett eingezwängten Sturzbäche eine aufserordentliche Gewalt und
schonen bei ihrer gewaltsamen Befreiung Nichts, was sich ihrem wü-
thenden Laufe entgegen stellt. Was für Kiesmassen jedesmal durch
diese periodischen Sturzbäche aus den oberen Theilen des Gebirges
losgerissen und in die unteren herabgeschwemmt werden, beweist schla-
gend das Beispiel der wenig bekannten, aber sehr merkwürdigen Ab-
badiazza bei Messina. Es ist dies die wohlerhaltene Ruine einer
alten normannischen Kirche, auch S. Maria della Scala genannt, welche
kaum 2 Stunden von der Stadt entfernt mitten in einer Fiumare unmittel-
bar am Fulse des Autennamare-Gebirges liegt. Brombeeren und Epheu,
Waldrebe und Geisblatt ranken üppig durch die Fensterbogen hinein
und zieren die schöne saracenisch -normannische Architektur mit einem
Kranze des frischesten Grüns. Aber die alten Treppen und Thür-
schwellen sind unter dem versandeten Boden begraben, und im Innern,
wie rings im Umfange sind die herabgeschwemmten Kiesmassen bis zu
solcher Höhe aufgethürmt, dafs man, durch das Bogenfenster des
Westendes von hinten! eintretend, au niveau mit den Kapitälen der
Säulen steht. Diese Kirche ist frühestens im eilften Jahrhundert er-
baut, und wenn so in dem verhältnifsmälsig kurzen Zeitraum von 800
Jahren solche Geröllmassen herabgeschwemmt werden konnten, so kann
man ermessen, welch aufserordentliche Mengen Felsgerölls in allen
diesen Fiumaren zusammen in immer zunehmender Progression herab-
gespült, und welche Strecken fruchtbarsten Gartenlandes dadurch zer-
stört und in nacktes Wüstenland verwandelt werden. Die Zahl dieser Fiu-
maren ist zwischen Catania und Messina so beträchtlich, dafs man
fast alle paar Tausend Schritte eine passirt; der Schaden, den die
Fiumaren anrichten, beschränkt sich nicht auf den Verlust des frucht-
Reiseskizzen aus Sicilien. 451
baren Landes, welches der Wildbach beim heftigen Herabströmen mit
fortreifst, und dadurch sein unfruchtbares, todtes Bett immer mehr er-
weitert. Auch zu kleinen Ueberschwemmungen giebt er häufig Anlafs,
verwüstet die mühvoll angelegten Gärten und läfst Steingeröll und
Felstrümmer in denselben zurück. Und mit wie wenig Mitteln liefsen
sich diese verderblichen Wirkungen in segensreiche verkehren. Durch
die Anlage einfacher Mauern, Wehren und Schleusen liefse sich der
wilde Strom dämmen, seine Gewalt vernichten und zugleich das kost-
bare Wasser sparen, das, ökonomisch vertheilt, den Ertrag des frucht-
baren Landes noch um Vieles steigern könnte, während es so ungenutzt
in das Meer stürzt und die durchströmten Berge und Felder ebenso
trocken und öde zurückläfst als vorher. Dies Verhältnifs ist so ein-
leuchtend und das Bedürfnifs so nahe liegend, dafs die Frage schon
vielfältig in Anregung gebracht ist. Allein dem einzelnen Bauer fehlen
die Mittel zu derartigen Bauten, und dem Leidensgenossen zur Abwehr
gegen das gemeinsame Uebel die Hand zu reichen, kann er sich nur
schwer entschliefsen. Auch pflegt sich die allgemeine Indolenz des
Italieners in solchen Fällen stets mit dem unschätzbaren Worte Pazienza!
zu trösten.
Von Santa Caterina nach Caltanisetta zurückgekehrt, beschlossen
wir, unsern Weg nach Syracus durch die Mitte des südöstlichen Zip-
fels der Insel zu nehmen. Wir mietheten also einen Führer und zwei
Maulthiere, welche uns zunächst in fast ununterbrochenem, vierzehnstün-
digem Marsche nach Caltagirone brachten. Die Sieilianer reisen im
Sommer durch das Innere nur des Nachts, um nicht der unerträgli-
chen Hitze der Mittagssonne ausgesetzt zu sein, gegen die man ver-
geblich nach schützendem Schatten sucht. So brachen auch wir denn
am 1. October um Mitternacht von Caltanisetta auf. In der Nacht be-
gegneten wir mehreren Reitern, die alle lautlos an uns vorüberzogen
und unser: felieissima notte! nicht erwiederten. Am Tage dagegen
war die Strafse völlig leer und wir begegneten keiner einzigen Seele.
- Mit Ausnahme des letzten, durch indische Feigeneultur und Agavehü-
gel ausgezeichneten Stückes vor Caltagirone, das wir um 2 Uhr Mit-
_ tags erreichten, bot die ganze durchschnittene Strecke nichts Besonde-
res, ein einförmig welliges Hügelland, mit bald tieferen, bald flacheren,
aber nirgends schroffen und wilden Thälern, fast überall mit Stoppel-
_ feldern bedeckt, ohne irgend welche Abwechselung und ohne Baum-
wuchs. Was uns bei diesem fleilsigen Ackerbau sehr auffiel, war der völ-
‚lige Mangel aller Dörfer. Während des ganzen vierzehstündigen Rittes
kamen wir nur durch eine einzige Ortschaft, und diese kurz vor Cal-
'tagirone. Auch einzelne Bauernhütten waren nirgends zu erblicken.
In dieser Eigenthümlichkeit bleiben sich aber alle Gegenden im Inneru
29*
452 E. Häckel:
Sieiliens, seien sie wüste Berge oder fleifsig bebaute Hügel, völlig
gleich. Eigentliche Dörfer in unserem Sinne existiren fast nirgends. Die
ganze, Ackerbau und Viehzucht treibende Bevölkerung ist in kleine
Städte zusammengedrängt, und diese liegen stets auf den Gipfeln der
Berge. Als Grund dafür wurde mir theils die ungesunde Luft der
Thäler, in denen böse Fieber herrschen sollen, angegeben, theils be-
hauptete man (und dies scheint mir wahrscheinlicher) diese Gewohn-
heit habe sich noch aus der Zeit des Mittelalters her erhalten, wo die
Einwohner in beständiger Furcht vor räuberischen Einfällen der Sa-
racenen Schutz im Zusammenwohnen in befestigten, hochgelegenen
Plätzen suchten. Während der kurzen Zeit, wo die Bauern den Acker
bestellen, gehen sie, nothdürftig verproviantirt, am Montag auf ihre
meilenweit entlegenen Aecker, arbeiten dort 5 Tage und kehren am
Sonnabend in die Stadt zurück. Trotzdem die Städte aber frei auf
Bergspitzen liegen, sind sie doch meist so isolirt oder durch vorliegende
Kuppen verdeckt, dafs man viele Meilen durchreiten kann, ohne eine
einzige anzutreffen.
In Caltagirone trafen wir wieder auf eine so eigenthümliche Er-
scheinung, dafs es wohl der Mühe verlohnt, einen Blick darauf zu wer-
fen. Es ist die bedeutendste Stadt des Innern, mit 28,000 Einwoh-
nern, liegt aber so völlig von allem Verkehr isolirt und abgeschnitten,
dafs es durch keine einzige gute Fahrstrafse mit einem Küstenort ver-
bunden ist. Zwar gehen von den Thoren der Stadt einige gute Chaus-
seen aus. Diese verlieren sich aber, wie bei vielen andern sicilischen
Städten, bald in rauhe steinige Saumpfade, die nur für Maulthiere zu-
gänglich sind. Wie selten hier der Zufall einen Fremden herführen
mag, ergiebt sich aus der merkwürdigen Neugierde, mit der wir über-
all verfolgt wurden, und die bei weitem alles vorher dagewesene über-
traf. Schon bei unserem Einzuge versammelte sich ein dichter Schwarm
von Gaffern und in den beiden Tagen unsers Aufenthalts waren wir,
wo wir auch gehen und stehen mochten, überall von einem zahlrei-
chem Gefolge Neugieriger umgeben, die uns zwar höchst zudring-
lich, aber zugleich treuherzig und oft sehr komisch naiv über alles
Mögliche und Nichtmögliche ausfragten. Aus den Prussiani, als welche
uns der Pafs documentirte, wurden Persiani oder Russiani gemacht,
und diese, auf gleichlautenden Klang basirte Verwechslung kehrte in
verschiedenen Orten in derselben Weise und so oft wieder, dafs ich die
häufig ausgesprochene Behauptung: Prussia und Russia ist einerlei, und
dies Land ist nichts weiter als eine Provinz von Persia, — für ein
stereotypes Dogma in der politischen Geographie der Sicilianer
halten muls. Mit Ausnahme ihrer zudringlichen Neugier machten die
Caltagironesen übrigens durch ihr Wohlwollen und ihre zuvorkommende
Reiseskizzen aus Sieilien. 453
- Freundlichkeit einen guten Eindruck, und wir fanden sie, wie alle Si-
eilianer in den abgelegenen Orten, in den meisten Beziehungen besser
und kernhafter, als die Bewohner von Unter- und Mittel-Italien. Cal-
tagirone' ist auch durch einen specifischen Erwerbszweig ausgezeich-
net, nämlich die Fabrieation von Terracotten, die ganz nach den an-
tiken Mustern der in Pompeji so massenhaft gefundenen, gebrannten
Thonfiguren geformt erscheinen, und auch nach eben solcher Methode
mittelst hölzerner Messer modellirt werden. Diese Figuren bilden in
ganz Italien einen sehr beliebten Handelsartikel und werden hauptsäch-
lich hier und in Catania gefertigt.
Von Caltagirone ritten wir in 16 Stunden nach Palazzuolo, um
von dort nach Syracus zu gehen. Diese Strecke führte uns durch ei-
nen der rauhesten Theile der Insel, über das hohe Joch des Monte
Lauro, der uns durch einen fast subalpinen Character überraschte. Die
vorwiegende Bodenart bildet der gelbe Kalkstein von Syracus. Da-
zwischen sind aber grofse Strecken, besonders von Vizzini bis Bucheri
und von dort bis Buscemi, von Basalt und Basalttuff eingenommen. Auf
letzterem entwickelt sich, von frischen kleinen Bergbächen ernährt, eine
kräftige Gebirgs-Flora, und Manches erinnerte uns lebhaft an einige
Orte in den bairischen Voralpen. Besonders schön liegt Vizzini, auf
hohem steilen Fels über einer finsteren tiefen Schlucht, die von einem
wilden Bergbach bewässert wird. Ringsum steigen steile Berge auf,
die bis zu den Kuppen dicht mit indianischen Feigen bedeckt sind.
Auch hier mufs allenthalben früher eine weit blühendere Cultur ge-
herrscht und eine zahlreiche, thätige Bevölkerung gewohnt haben. Von
Palazzuolo, wo bedeutende griechische und römische Alterthümer in
grolser Menge gefunden sind, ist dies bekannt. Aber auch auf dem
ganzen einsamen Wege von Vizzini nach Palazzuolo, wo wir meilenweit
kein Dorf erblickten, stiefsen wir an mehreren Orten auf von Epheu
überwucherte Ruinen mittelalterlicher Gebäude, zum Theil, wie es schien,
selbst Spuren stattlicher Paläste. Auf weiten Strecken hin führten
durch das öde, rauhe, entvölkerte Gebirge breite Wege, die früher sorg-
fältig gepflastert gewesen waren. Jetzt waren sie gänzlich demolirt
und die meist herausgerissenen Quadern dienten nur dazu, den Weg
möglichst ungangbar zu machen. Palazzuolo selbst ist ein sehr elendes
Nest, und hier sowohl, wie in Syracus, welches wir am andern Tage
erreichten, fanden wir neue Gelegenheit, uns aus den grofsartigen Bau-
denkmälern früherer Jahrhunderte ein Bild von dem glänzenden Zu-
stande zu machen, auf den griechische und römische Bildung einst die
Insel erhoben hatten und an dessen Stelle in der tief gesunkenen Ge-
genwart allenthalben nur Verfall, Verödung und Zerstörung sicht-
bar ist.
ur De See ee
454 E. Häckel:
Den Beschlufs unserer Reise durch das Innere Sieiliens machte
die Besteigung des Etna, welche wir von Catania aus am 11. October
unternahmen. Catania steht, wie Palermo und Messina, durch seinen
ganzen Habitus aufserhalb der einförmigen, öden Reihe der übrigen
sieilischen Städte; aber während es jenen beiden Hauptstädten an Um-
fang und Bedeutung nachsteht, übertrifft es sie bei weitem durch das
freundliche und reinliche Aussehen seiner breiten Strafsen, die mit Rei-
hen stattlicher, schmucker Häuser gesäumt sind. Und ebenso scheint
auch die Umgebung von Catania der der, beiden andern Städte an glän-
zender Blüthenfülle und üppiger Fruchtbarkeit den Rang streitig‘ zu
machen. Die Stadt selbst steht, mit ihrer nächsten Umgebung, auf
den Lavaströmen, die vom Etna herabgeflossen, beim Eintritt in das
Meer erstarrt sind. Der Humus, der sich auf den obersten Schichten
der alten verwitterten Lavadecke des Aetnafulses bildet, scheint an
Productivität sowohl die tertiäre Muschelbreccie von Palermo und Gir-
genti, als den Gneiss- und Glimmerschiefer von Messina zu übertreffen.
Es ist, als ob der kohlschwarze Lavaboden mit verdoppelter Kraft alle
Sonnenstrahlen aufsaugte und in sich concentrirte, um daraus die wun-
derbare Würze und das süfse Feuer zu schaffen, dem der berühmte
Etna-Wein im Benedietiner-Convent zu Catania seinen bewährten Ruf
verdankt. Selbst noch in Nicolosi, das doch schon über 2000 Fuls
hoch am Südabhang des Etna liegt, gedeiht der Wein so ausgezeich-
net, dafs ich aus dem dortigen Garten des Don Giuseppe Gemmellaro
eine Traube in Weingeist mitgebracht habe, deren Beeren unseren ge-
wöhnlichen blauen Pflaumen an Gröfse gleich kommen.
Die Weingärten prangen hier überall am Fufse des Etna in einer
Ueppigkeit, die selbst nach allem Vorhergesehenen uns immer noch
überraschte. Gar prächtig heben sich die frischgrünen grolsen Blatt-
lappen auf der dunkeln, von keinem Moose bedeckten Folie des kohl-
schwarzen Lavabodens ab, und überall sind die anderen köstlichen
Fruchtbäume des Südens, Granate und Feige, Johannisbrot und Man-
delbaum, Orange und Olive, in so malerischer Unordnung zwischen
den Weinstöcken zerstreut, dals man nicht müde wird, in diesem Pa-
radiesgarten zu lustwandeln. Was uns jedoch am meisten in Erstau-
nen versetzte, waren die herrlichen Gruppen von Paradiesfeigen oder
Bananen (Musa), welche am südlichen und östlichen Fufse des Etna,
besonders zwischen Catania und Giarra einzelne in den Vignen zer-
streute Bauernhütten umgeben. Mit dem breiten Schirm ihrer zartge-
webten, seidenglänzenden, bis 5 Fuls langen Blätter, die fiederig bis zur
Mittelrippe vom Windeshauch zerschlissen sind, bilden sie das ange-
nehmste Schattendach, und aus der Mitte des kurzen saftreichen Sten-
gels ragt der Blüthenschaft hervor, dessen zart rosig und violett ge-
Reiseskizzen aus Sicilien. 455
färbte Blüthen mit den dunkelgelben Staubkolben zu dem ewig frischen
Grün der Blätter den angenehmsten Contrast bilden. Allerdings bringt
die Banane hier keine Frucht zur Reife. Aber es ist schon überra-
schend genug, dieses Tropengewächs, welches nächst der Palme viel-
leieht die edelste Gestalt des Pflanzenreichs ist und welches dem Tro-
penbewohner die Stelle des Getreides ersetzt, hier in einer Frische
und Fülle im Freien gedeihen zu sehen, die nicht ahnen läfst, dafs ihr
eigentliches Vaterland erst 15 Breitengrade südlicher beginnt.
In der Gesellschaft der Banane ist auch die Dattelpalme (Phoe-
nie dactylifera) hier besonders zahlreich ausgestreut und besonders
schön entwickelt. Längs der ganzen Küste am Ostfulse des Etna zwi-
schen Catania und Messina, einem der reizendsten Küstenstriche des
Mittelmeeres, wird die Aufmerksamkeit des Reisenden durch immer
neue schöne Gruppen dieses edelsten Baumes gefesselt. Die schönsten
Exemplare sahen wir in Taormina, wo die Ruinen der meisten alten
Sarazenen-Paläste von ein paar schuppig getäfelten Palmenstämmen
überragt werden, mit deren zartgefiederter, kühngeschwungener Blätter-
krone der Sirocco sein wildes Spiel treibt. Aber auch in Catania selbst
sahen wir ausgezeichnet malerische Stämme, und als wir die beiden
langen Prachtstrafsen durchwanderten, welche, ebenso wie der Cassaro
und die Macquedastrafse in Palermo, die Stadt im Kreuz durchschnei-
den, erstaunten wir über die Mannichfaltigkeit der reizenden Bilder,
welche der Durchblick durch die säulengetragen Hallen der offenen
Höfe in die Gärten bietet, und welche fast immer durch zwei Palmen
ihren Abschlufs erhalten. Dieselbe aufserordentliche Ueppigkeit der
südlichen Vegetation steigt noch einige tausend Fuls am Etna empor,
und immer aufs Neue wird man durch weitere glänzende Beispiele der-
selben überrascht. So begegnet man gleich oberhalb Catania den ma-
lerischen Resten einer altrömischen Wasserleitung, welche in einem
undurchdringlichen Mantel der üppigsten Schling- und Rankengewächse,
Epheu und Gundelrebe, Brombeer und Capernstrauch, förmlich versteckt
sind. Weiterhin kommt man durch mehrere Dörfer, Gravina, Masco-
lucia und Massannunziata, welche von einem dichten Kranze grüner
fruchtschwerer Obstgärten völlig eingeschlossen sind. Auch die vielen
Kornfelder und Cactuspflanzungen dazwischen, welche die Stralse bei-
derseits ununterbrochen säumen, zeichnen sich ebenso vortheilhaft aus,
und kaum haben wir die Agave, welche die einzelnen Grundstücke in
Heckenform abgrenzt, wieder zu solchem Umfang heranwachsen sehen.
Aber, wie so oft in Sieilien, stehen auch hier die schroffsten Ge-
gensätze unmittelbar neben einander, und nachdemiwir über 3 Stunden
_ in diesem reizendenGartengelände allmählich bergan gestiegen waren,
traten wir plötzlich aus dem grünen, duft- und blüthenreichen Dickicht
456 E. Häckel:
auf eine weite, nur wenig ansteigende, offene Fläche hinaus, die uns
durch ein vollkommen entgegengesetztes Bild überraschte. Da lag auf
einmal in seiner ganzen, ungeheuren Breite der riesige Vulcan vor uns
ausgestreckt, welcher bisher hinter niedrigen Vorbergen sich versteckt
hatte, rings umlagert von einer ganzen Schaar von Söhnen und En-
keln, welche nackt und öde aus dem todten Boden emporstarren. An
Vierzig beträgt die Zahl der grölseren Krater und Doppelkegel, wel-
che den vielen im Laufe der Zeit erfolgten Eruptionen ihren Ursprung
verdanken, und zahllos ist die Menge der kleinen Auswurfshügel, wel-
che allenthalben dazwischen zerstreut sind. Erst hier verschafft man
sich eine Idee von der ungeheuren Masse dieses Gebirgshaufens, gegen
den der Vesuv als einzelner Vulcan verschwindend zurücktritt. Selt-
sam fremdartig erscheint dem ungewohnten Auge die gleichmäfsige,
vollkommen reguläre und geometrisch scharf zugeschnittene Kegelform
aller dieser Krater, seltsamer noch ihre Farbe, welche nur zum Theil
in das allgemeine Trauerkleid der kohlschwarzen Lava palst, zum Theil
aber durch eingestreute lebhaft braune, rothe, gelbe und weilse Tinten
in grellem Contrast zum ersteren steht. Der stattlichste von allen er-
hob sich zu unserer Linken, der prächtig dunkelrothe Krater der Monti
rossi, welcher der Eruption von 1669 seine Entstehung verdankt und
dessen Zwillingsspitzen mit einem lockern, rothen Sande bedeckt sind,
in welchem man Tausende der schönsten Pyroxen-Krystalle findet. An
den östlichen Fuls der Monte rossi lehnt sich das freundliche Nico-
losi an, das höchste Dorf auf dem Etna. Mit Ausnahme der weni-
gen Pinien, Cypressen, Lorbeeren, sowie einiger Obstbäume in seiner
nächsten Umgebung, findet man in der ganzen weiten vulcanischen
Gebirgswüste nur hier und da einen kleinen grünen Punkt. Meist ist
der Boden völlig nackt und nur zum kleineren Theil mit etwas Wein
und Korn bebaut.
Nur eine sonderbare Vegetationsform verdient hier besondere Er-
wähnung. In einiger Entfernung erblickten wir zwischen den einzel-
nen, durch Lavamauern quadratförmig abgetheilten Grundstücken, nie-
drige seltsame Bäume in dichten Gruppen und Reihen, welche wir mit
nichts Anderem, als den traurigen blattlosen Grasbäumen, den schat-
tenlosen Casuarinen und Eucalypten Neuhollands vergleichen zu können
glaubten. Ein schlanker, etwa 20 Fufs hoher Stamm mit graugelber, glat-
ter Rinde, bis 5 Fuls dick, löst sich plötzlich in einen struppigen Kopf
von dünnen graugrünen Aesten auf, welche nur sehr spärlich mit klei-
nen linealen Blättern bedeckt sind und weit nach allen Seiten hin spar-
rig abstehen. Weiterhin fanden wir noch einige Exemplare, welche an
den Enden der ruthenförmigen Aeste schöne gelbe Blüthentrauben tru-
gen, und nun überzeugten wir uns zu unserer grolsen Verwunderung,
Reiseskizzen aus Sicilien. 457
dafs wir es mit Nichts weiter, als einem colossal entwickelten Ginster-
strauch, der Genista Etnensis DC. zu thun hatten, welcher von den
Etnabewohnern auch richtig „Ginestra* genannt, und, wie unser klei-
ner Haideginster, zur Besenfabrication verwendet wird.
Es war Mittag, als wir in Nicolosi anlangten, und da die dichten
Wolkenhaufen, welche am Morgen das Etnahaupt verhüllt und uns Be-
sorgnils eingeflöfst hatten, jetzt sich zum grölsten Theil zerstreut hat-
ten, beschlossen wir, noch heute die Besteigung des Gipfels auszufüh-
ren. Ehe jedoch Führer und Maulthiere bereit waren und wir unsern
aus Catania mitgebrachten Proviant gehörig vervollständigt hatten, ver-
gingen noch mehrere Stunden und diese verbrachten wir in lehrreichem
Gespräch bei dem Doctor Giuseppe Gemmellaro, dem Arzte der Ort-
schaft, welcher bei allen Etnareisenden durch die freundliche Unter-
stützung, die er ihnen mit Rath und That gewährt, im besten Andenken
steht. Dieser sogenannte „Wächter des Etna“ ist der jüngere Bruder
des jetzt verstorbenen Don Mario Gemmellaro, welcher sich um die
Kenntnifs und Erforschung des Vulcans vielfache Verdienste erworben
und seine Erfahrungen in einem trefllichen Buche „Guida all’ Etna“
niedergelegt hat. Beide Brüder haben die Mineralien des Berges sehr
vollständig gesammelt, und einen kleinen Theil dieser wichtigen und
interessanten Sammlung konnten wir dort in Gemmellaro's Hause se-
hen. Er hat auch eine Sammlung aller auf den Vulcan bezüglichen
Schriften angelegt, unter denen vor allen das ausgezeichnete Pracht-
werk unseres berühmten Landsmannes glänzt, des Göttinger Professors
Sartorius von Waltershausen. Nicht weniger als 5 Jahre brachte die-
ser treffliche Geologe auf dem Etna zu (davon allein 2 Monate in der
Casa Inglese) um seine prächtigen Karten und Zeichnungen zu ent-
werfen.
Endlich um 4 Uhr Nachmittags ritt unser Führer Antonio mit den
marschfertigen Maulthieren vor, und nachdem wir den Proviant und
das Gepäck, sowie etwas Oel, Kohlen und Wasser auf die drei Thiere
vertheilt und uns durch einen letzten Schluck edelsten Feuerweins ge-
stärkt, ritten wir voll Hoffnung und froher Erwartung dem Ziele un-
serer lang gehegten Wünsche entgegen. Nicolosi liegt bereits 2100
Fufs hoch, also an der oberen Grenze der regione piemontese oder
coltivata, der untersten der drei Zonen, in welche von Alters her sehr
naturgemäfs der Mantel des Etna eingetheilt wird. Noch über 1 Stunde
ritten wir in diesem untersten, bebauten Gürtel fort, da die flachhüge-
lige Ebene, in welcher Nicolosi liegt, kaum merkbar gegen den Kegel
ansteigt. Erst wo diese allmähliche Erhebung plötzlich in eine ziem-
lich steile Steigung übergeht, beginnt scharf abgeschnitten die zweite
oder mittlere Vegetationszone, die regione boscosa oder nemorosa,
458 E. Häckel:
welche von 2000 bis 6000 Fuls reicht. Dieselbe besteht einzig und
allein aus bald dichterem, bald dünnerem Laubwald, nur hier und da
mit ein wenig Nadelholz gemischt, welcher sich nach Norden und
Nordwesten in die Ebene hinabzieht und hier in den Bosco di caronia
fortsetzt, den einzigen grölseren Forst, den die Insel jetzt noch besizt.
Dichtes Unterholz haben wir nirgends in diesem Walde bemerkt, und
der Boden besteht theils aus demselben nackten, schwarzen, lockern
Lavasande, der auch in den beiden andern Regionen vorherrscht, theils
ist er dicht mit hohen Büschen unseres Adler-Farrnkrautes (Pteris aqui-
lina) bedeckt. Dieser breite Waldgürtel zerfällt wieder in zwei Unter-
abtheilungen: die untere Waldzone, von 2000 bis 3500 Fuls, besteht
vorwiegend aus Eichen und Kastanien, die obere, von 3500 bis 6000
Fufs, aus Buchen und Birken. Dazwischen finden sich auch einzelne
verkümmerte Kiefern. Der am massenhaftesten vorhandene Baum ist
die Eiche, und zwar sind es ausschliefslich Arten von sommergrünen
Eichen, welche den Waldgürtel bilden. Die in der regione piemontese
stark vertretenen immergrünen Eichen reichen nur ausnahmsweise in
den letzteren hinein. In der oberen Waldregion ist unsere Roth-
buche (Fagus silvativa) am stärksten vertreten, und die Birke, (sowohl
unsere gewöhnliche Betula alba, als eine dem Etna eigenthümliche Art
B. Etnensis) sind weniger zahlreich eingestreut. An der obersten Hö-
hengrenze gehen diese Bäume in ihre alpinen Zwergformen über und
werden zu niedrigen, knorrigen, kriechenden Sträuchern. Besonders lälst
sich an der Buche sehr hübsch die allmähliche Verkümmerung der
Blattorgane zu Gunsten des stärker entwickelten Stammes verfolgen.
In den obersten Regionen wird diese, stufenweis mit dem Ansteigen
in die Höhe zunehmende centripetale Entwickelung so auffallend, dafs
die Buche ihren speeifischen Character dabei ganz einbülst. Fast py-
ramidenförmig erhebt sich auf einer breiten Unterlage von starken,
knorrigen, weit zwischen den Lavablöcken verzweigten Wurzeln, die
nur mit Mühe in dem lockern vulcanischem Geröll sich festhalten kön-
nen, ein dieker und kurzer, knotiger und untersetzter Stamm, welcher
sich nach oben rasch verjüngt und es eigentlich nicht zur Bildung.
einer Krone mehr bringt. Denn die von der knorrigen Achse
rings abgehenden starken und kurzen Aeste schmiegen sich, ohne sich
auszubreiten, eng an letzteren an und verrathen durch ihr dürftiges
Blätterkleid hinreichend die Unbilden des rauhen Klimas, mit dem sie
hier den gröfsten Theil des Jahres zu kämpfen haben. Mühsam win-
det sich in zahlreichen Schlangenwindungen der schmale, jähe Saum-
pfad zwischen dem vorstehenden Geäst dieser Stämme und Wurzeln
hindurch, oft hohlwegartig vertieft und eingeklemmt. Die Steigung
wird gleich beim Beginn der Waldzone sehr bedeutend und das un-
Reiseskizzen aus Sicilien. 459
unterbrochenen Hinanklimmen auf diesem steilen, vielverschlungenen
Pfade fällt um so beschwerlicher, als der lockere, stark mit feiner
vulkanischer Asche gemengte Sand dem klimmenden Fufse nirgends
einen festen Stützpunkt bietet und ihn oft trügerisch weiter zurückglei-
ten lälst, als der Schritt vorher ihn hinauf gefördert hatte. Doch wurde
uns wenigstens das Auffinden des Weges sehr ‚erleichtert durch das
helle Licht des Vollmondes, welcher kurz nach Sonnenuntergang, eben
bevor wir den Baumgürtel erreichten, als dunkel blutrothe Scheibe
zwischen den zerrissenen Schichtwolken im Osten emporgestiegen war,
und nun, je höher er stieg, desto voller und klarer vom schwarzblauen
Himmelsgewölbe herabstrahlte und das dünne Blätterdach des Waldes
leuchtend durchbrach. Die Begleitung des Vollmondes ist für die Etna-
Reisenden ein unschätzbarer Vortheil, besonders in den acht Wintermo-
naten, vom November bis Juni, wo man, da die Schutzhäuser ver-
schneit sind, weder in der Casa della neve, noch in der Casa Inglese
übernachten kann. Man ist dann gezwungen, um bei Tagesanbruch
auf dem Gipfel zu sein, ohne Unterbrechung von Nicolosi an in der
Nacht in einem Zuge 8 Stunden bergauf zu reiten, oder vielmehr, da
der Schnee im Winter tief bis in die Baumregion hinabreicht und
die Maulthiere nicht darin fortkommen, zu Fufs zu steigen. Wenn
dann nicht zufällig das volle Mondlicht den Weg zeigt, ist man ge-
zwungen, besondere Führer mit Fackeln oder Laternen zu nehmen,
bei deren unsicherem Lichte jedoch der schwierige Pfad doppelte Mühe
veranlalst. Es mochte etwa 6 Uhr sein, als wir die höchste mensch-
liche Wohnung auf dem Etna, die Casa del bosco Rinazzi in 3100 Fuls
Höhe passirten, und um 9 Uhr hatten wir die obere Grenze der Re-
gione nemorosa erreicht, wo wir uns am Fufse der letzten Bäume, mit
deren bizarren Stämmen der Vollmond sein phantastisches Schatten-
spiel trieb, lagerten, und uns und die drei Saumthiere durch einen
Abendimbifs zur weitern Bergfahrt stärkten, deren Beschwerden von hier
an erst fühlbarer wurden. Für die bedauernswerthen Maulthiere war
dies für heute und morgen der letzte Bissen, da sie von hier an wäh-
rend des ganzen weitern Rittes, bis Nicolosi herab, weder einen Trop-
fen Wasser, noch einen Gran Korn erhielten, und der hartherzige La-
vaboden ihnen nicht einmal eine Distel zur Stillung des Hungers her-
vorwachsen liefs. Und dabei sollten uns die armen Thiere noch über
3000 Fufs den allermühsamsten Lavapfad hinaufschleppen!
Wir betraten nun den dritten und höchsten Gürtel des Etna, die
nackte oder Schnee-Zone (regione scoperta oder nevosa), welche
die ganze obere Hälfte des Berges, von 6000 bis über 10,000 Fuls,
einnimmt. Es ist das ödeste, wildeste, todteste Gebirge, das man sich
vorstellen kann. Von Baumwuchs, geschweige denn von menschlicher
A460 E. Häckel:
Cultur ist keine Spur mehr sichtbar und alles thierische Leben ist völ-
lig verschwunden. Kein Zirpen einer Grille, kein Rascheln einer flie-
henden Eidechse, kein Schrei eines Raubvogels, welche sonst auch die
ödesten und vegetationslosesten sicilischen Landschaften beleben, unter-
bricht hier die lautlose Grabesstille der erstarrten und erstorbenen Natur.
Nackt und schwarz starren überall die zackigen, wild durcheinander
geworfenen Lavablöcke aus dem todten Boden empor, theilweis oder
ganz verhüllt durch dünnere oder dickere Schichten trockener, feiner
vulcanischer Asche, welche auch alle Zwischenräume ausfüllt und wie
der bewegliche Flugsand bei jedem Wehen des Windes täglich Ort und
Lagerung wechselt. Keine zusammenhängende Rasendecke vermag
sich auf diesem beweglichen Boden zu bilden und ihm dauernd Leben
zu verleihen; denn nirgends rieselt eine Quelle oder ein Bach, der al-
lein in dieser Lavawüste grünende Oasen hervorzurufen im Stande
wäre. Und wenn auch einmal hie und da eine kleine grüne Insel sich
bildete, so würde schon die nächste Eruption, bei der sich wieder die
ganze Oberfläche erneuert, sie unter der unfruchtbaren, todten Asche
begraben. Diesen beiden Momenten, der steten Umgestaltung der Bo-
denoberfläche und dem Mangel der bewässernden Quellen, ist es zuzu-
schreiben, dafs sich auf diesen weit ausgedehnten Hochgebirgsflächen
keine Alpenvegetation zeigt, deren Entwickelung sonst das alpine
Klima hinreichend begünstigen würde. So fehlt den Pflanzen, die in
dieser obersten, während des gröfsten Theils des Jahres von Schnee
bedeckten Etnazone leben, der alpine Character ganz, und die äufserst
dürftige Vegetation, welche in den Spalten und Klüften dieses todten
Gebirges, in der lockeren Asche und zwischen den harten Lavablöcken
ihr kümmerliches Dasein fristet, trägt einen so eigenthümlichen Habi-
tus, dafs es der Mühe verlohnt, noch einen flüchtigen Blick darauf zu
werfen. In dieser ganzen 4000 Fufs breiten Schneezone des Etna fin-
den sich kaum 40 Phanerogamen und über 7000 Fuls hinaus nur noch
10 Arten, unter denen unser Wachholder- und Berberitzenstrauch (Ju-
niperus communis und Berberis vulgaris) besonders zu bemerken sind;
aulser den 5 sogleich zu nennenden noch Viola gracilis, Saponaria de-
pressa, Rumez scutatus. In 7500 Fuls läfst sich wieder eine horizon-
tale Grenzlinie um den Berg legen, welche die regione scoperta in ei-
nen oberen und unteren Abschnitt theilt. Denn über dieser Grenze
finden sich, die letzten 2000 Fuls, nur noch 5 Phanerogamen: 1) Se-
necio Etnensis (Jan.); 2) Anthemis Einensis (Schouw); 3) Robertsia
tarazacoides (DC.); 4) Tanacetum vulgare (L.); 5) Astragalus Siculus
(Biv). Von diesen 5 Pflanzen fällt es sogleich auf, dafs nicht weniger
als vier zu den Compositen gehören, einer Familie, die sonst in den
Alpen, wenn auch gut vertreten, doch nicht vorwiegend entwickelt ist.
Reiseskizzen aus Sicilien. A461
Die vierte derselben ist eine bei uns in Deutschland an allen Wegen
gemeine Art (übrigens, nach dem Habitus zu urtheilen, doch minde-
stens eine eigenthümliche Varietät); die drei ersten sind dem Etna ei-
genthümliche Pflanzen, welche sonst nirgends vorkommen. Die am
meisten auffallende und characteristische Pflanze ist die fünfte, der
Astragalus siculus, welcher mächtige, halbkugelige Rasen bis zu 4 Fuls
Durchmesser bildet, von denen aber nur die Oberfläche sichtbar ist,
da alle Zwischenräume zwischen den dichtstehenden, holzigen Aesten
des starken Halbstrauchs von herabgewehter Asche und Sand aus-
gefüllt sind. So ragen nur die äufseren, mit langen Stacheln bewaff-
neten und mit kleinen fleischfarbenen Blüthen gezierten Spitzen der
dichtbeblätterten Aeste aus den Aschenhaufen hervor. Von den 10
Pflanzen, welche über 10,000 Fufs gehen, trägt kaum eine einen ei-
gentlich alpinen Habitus, am ehesten noch die Saponaria, nächstdem
die Anthemis. Dagegen sieht der Senecio, den wir unter allen am höch-
sten hinauf fanden, nämlich noch 500 Fuls über die Casa inglese hin-
auf, auf der halben Höhe des Aschenkegels, also 9500 Fufs hoch, gar
nicht wie eine Alpenpflanze aus, sondern trägt an seinem ziemlich ho-
hen, mehrblüthigen Stengel zahlreiche, dichtstehende, breite und ent-
wickelte Blätter, was bei keiner echten Alpenpflanze der Fall zu sein
pflegt. Ganz dieselbe Erscheinung findet sich unter ganz gleichen
Verhältnissen auch auf dem Pie von Teneriffa. Auch hier ist die nackte
Lava des Vulcans in einem Höhengürtel von 5900 bis 10,400 Fufs von
Alpenpflanzen entblöfst und dagegen mit einer Ginsterart, Spartium
nubigenum, bedeckt. Der Ginster des Etna dagegen gehört, wie wir
unten gesehen, der Grenze zwischen den beiden unteren Regionen an.
Uebrigens tragen die wenigen Pflanzen der regione nevosa kaum dazu
bei, den öden und wilden Character dieser Hochgebirgswüste etwas
zu mildern. Im Gegentheil lassen die schwachen, nur hier und da
zerstreuten Spuren von Grün um so lebhafter den Mangel der bele-
benden Vegetationsdecke auf dem weit überwiegenden Gebiete der nack-
ten schwarzen Lava empfinden.
Kaum kann man sich eine melancholischere Landschaft denken,
als diese meilenweit in gleicher Einförmigkeit und Oede sich erstrek-
kenden Lavafelder, deren zerklüftete Fläche nur hier und da durch
ein kleines Schneefeld unterbrochen wird. Aber der blendende Schim-
mer der letztern dient nur dazu, um das düstere Schwarz des Trauer-
kleides noch greller hervortreten zu lassen, und das kalte weifse Licht
der blassen Mondscheibe, das beim Heraufsteigen uns leuchtete, liels
dies leichenhafte Bild doppelt melancholisch erscheinen. Lautlos
_ und schweigend zogen wir hinter einander unsern einsamen Pfad,
_ und nur der Führer, welcher eine Strecke vorausritt, liels von
462 E. Häckel:
Zeit zu Zeit mit halbunterdrückter Stimme eines ‘jener klagenden,
sieilianischen Ritornelle ertönen, deren durch mehrere halbe und ganze
Töne herabgeschleifte und dann unendlich lang ausgehaltene, langsam
absterbende Schlufstöne ein trauriges Gefühl unbefriedigter Sehnsucht
im Ohr hinterlassen. Bald verstummte indefs auch dieser letzte Ton,
da die immer zunehmende Kälte durch einen eisigen Wind, der vom
Gipfel herab mit schneidender Intensität zu wehen anfing, in sehr un-
angenehmer Weise verstärkt wurde. Wir hatten zwar schon vorher
alle überhaupt auf der Reise mitgenommenen Kleidungsstücke über
übereinander. angezogen und wickelten uns nun noch fester in unsere
Plaids; indefs selbst dieses trefflichste Garderobestück aller Bergreisenden
vermochte nicht, dem immer erneuerten Angriffe des eisigen Etnahau-
ches Widerstand zu leisten. Um uns daher wenigstens zeitweis zu er-
wärmen und die erstarrten Glieder wieder biegsam zu machen, gingen
wir abwechselnd zu Fufs. Wir hofften dadurch zugleich unsere Maul-
thiere etwas zu erleichtern, welche, seitdem es in der lockern Asche
so steil emporging, nur sehr mühsam sich empor arbeiteten und laut
stöhnten. Indels hatte diese Erleichterung die traurige Folge, dafs sie
sich sofort auf den Boden warfen und mit allem Gepäck umherwälz-
ten, wodurch ein Theil des Proviants verloren ging. Der Weg wurde
nun in der That sehr beschwerlich und wir arbeiteten uns nur mit
grofser Mühe keuchend empor. Immer lockerer wurde die Asche, in
welche der Fufs bei jedem Schritt tief einsank und zurückglitt, immer
jäher die Steigung des steilen, in beständigem Ziekzack sich hinauf-
windenden Pfades. Erst oberhalb eines grofsen Schneefeldes, welches
eine tiefe Schlucht ausfüllte und aus welchem wir uns, da wir nun
kein Wasser mehr hatten, reichlich verproviantirten, wurde der Weg
wieder weniger steil und mühevoll. Ziemlich eben und glatt war die
letzte, nur noch wenig ansteigende Strecke, etwa eine Stunde unter-
halb der Casa Inglese. Doch pfiff hier der Wind mit so schneidender
Schärfe über die glatte Fläche, dafs wir uns nur durch angestrengtes
Laufen geschmeidig erhalten konnten und herzlich froh waren, als wir
endlich in 9000 Fufs Höhe unser Asyl, die Casa Inglese erreicht hat-
ten. Diese allen Etnareisenden äufserst wichtige Schutzhütte liegt
an einer ziemlich geschützten Stelle unmittelbar am südlichen Fulse
des Aschenkegels und ist auf Anregung und mit Unterstützung zweier
englischer Officiere von Gemmellaro im Jahre 1804 erbaut. Seitdem
hat sie alljährlich durch die Unbilden der Witterung, durch den Druck
der Schneemassen, durch Ausbrüche und Erdbeben so gelitten, dafs sie
häufig reparirt und einigemal fast neu erbaut werden mulste, was na-
türlich in soleher Höhe viel Mühe und Kosten erfordert. Um so dank-
barer muls man Gemmellaro sein, dafs er sie dennoch immer wieder
"Reiseskizzen aus Sicilien. 463
ausbessern und einrichten liefs, da ohne sie ein Uebernachten so nah
dem Gipfel ganz unmöglich wäre. Die mittlere Temperatur beträgt
hier in den zwei wärmsten Monaten, Juli und August, nur 5° R., wäh-
rend sie zu derselben Zeit in Catania 214° beträgt. Im Juli erst
schmilzt der Schnee hinweg und im September bleibt schon wieder
neuer liegen. Dafs wir ausnahmsweise selbst Mitte October noch kei-
nen Schnee auf der Casa Inglese fanden, ist nur auf Rechnung des
aulserordentlich heilsen und trockenen letzten Sommers zu schieben.
In 5 Monaten, vom Juni bis October, hatten wir nur etwa 6 bis 8 Re-
gentage gehabt und das Thermometer zeigte in Neapel im Juli meh-
rere Tage 36° R. im Schatten.
Ein Theil der Schutzhütte war durch das Erdbeben von 1857 ein-
. gestürzt, so dafs die Maulthiere jetzt keinen Stall mehr haben, und
wenn sie draulsen bleiben, häufig umkommen. Wir fragten den Füh-
rer, was aus unseren Thieren, die mit Schweils bedeckt, vor Frost und
Ermüdung zitternd, in der eisigen Nachtluft vor uns standen, werden
sollte, und er antwortete kaltblütig: „Je nun, sie bleiben draufsen und
sterben, es sind ja nicht meine Thiere!* Doch setzten wir es mit hal-
ber Gewalt durch, dafs er sie mit uns hineinnahm, wo wir ihnen die
eine der drei Abtheilungen des Hauses überliefsen. In einer andern
suchten wir uns selbst, so gut es gehen wollte, einzurichten. Die Casa
Inglese ist eine niedere steinerne Hütte, mit dicken, ziemlich wetter-
dichten Wänden nach Art der Tauernhäuser in den deutschen Alpen.
Wie diese letztern entbehrt auch sie jeglichen Comforts; doch gewährt
sie hinreichenden Schutz vor Regen und Sturm, Nässe und Kälte; und
wir waren sehr froh, aufserdem eine grofse hölzerne Pritsche mit ei-
nem halbzerstörten Strohsack vorzufinden, auf dem wir unsere ermat-
teten Glieder ausstrecken konnten. Bald hatte der Führer aus den
mitgebrachten Kohlen ein lustiges Feuer auf dem Boden angezündet,
an dem wir die starren Gelenke aufthauten und den gesammelten
Schnee schmolzen, aus welchem mit Hülfe von Kaffee und Rum ein
sehr belebendes Getränk bereitet wurde. Dann legten wir uns nieder,
um neue Kräfte zu sammeln; doch kam kein Schlaf in unsere Augen,
da wir viel zu sehr von den Dingen, die da kommen sollten, erfüllt
waren, und besonders den Sonnenaufgang zu versäumen fürchteten.
Endlich um 5 Uhr Morgens brachen wir, die Maulthiere zurücklassend,
wieder auf, um den Aschenkegel zu erklettern, dessen höchste Spitze
noch gegen 1000 Fufs über der Casa Inglese erhaben ist. Derselbe
ist zwar höher als der des Vesuv, aber weniger steil und leichter zu
ersteigen, da die feuchtere Asche dem Fulse festere Anhaltspunkte
bietet. So hatten wir denn mit Hülfe unserer langen Etnastöcke schon
in drei .Viertelstunden den südlichen Rand des Kraters erreicht, wo
464 E. Häckel:
wir uns in der Nähe wärmender Fumarolen in die heilse Asche hin-
setzten und erwartungsvoll nach Osten blickten.
Noch wogte dichter nächtlicher Nebel um uns und gedrängte
Wolkenhaufen zu unsern Fülsen hinderten jeden Durchblick in die
Tiefe. Doch versprach der klare tiefblaue Himmel über uns, an dem
die Sterne schon erblalsten, einen klaren Tag. Bald wurde es lichter
und lichter, und einzelne hochziehende Gruppen des Wolkenheeres be-
gannen in zarten rothen Tönen zu schimmern. - Die Röthe nahm zu
und plötzlich standen ganze Reihen mächtiger Wolkenhaufen im Osten
in der tiefsten Purpurgluth, mit Gold gesäumt, uns, gegenüber. Aber
mit dem erwarteten Schauspiel am Osthimmel sah es schlimm aus.
Noch war keine Spur der Sonne zu sehen und eine ungeheure schwarz-
blaue Schichtwolke schien uns ihren Aufgang verbergen zu wollen.
Da plötzlich sprang unerwartet aus diesem schwarzen Lager ein rother
Goldfunke leuchtend hervor, welcher rasch wachsend sich zu einem
flachen Feuerstreifen, einer convexen Linse, einer breiten Ellipse, end-
lich zu einem strahlenden Feuerball gestaltete, welcher schnell sich
völlig abrundend und zugleich erblassend am dunkeln Himmel empor-
stieg. Und nun erst, als plötzlich das strahlende Licht sich durch alle
die weiten Räume ergols, wurden wir mit einem Male staunend ge-
wahr, dals wir in der That die Sonne aus dem Meere selbst hatten
aufsteigen sehen, und dafs, was wir vorher für eine verhüllende Wol-
kenschicht gehalten, nichts anderes als der ungeheuer hohe Meeresho-
rizont selbst war, den wir in viel gröfserer Tiefe gesucht hatten. Kaum
konnten wir uns an diesen Gedanken gewöhnen, und je mehr jetzt der
erwärmende Hauch der jungen Sonne die Nebel ringsum zerrils und
verflüchtigte, je mehr überall die Umrisse des wunderbarsten Pano-
ramas klar und deutlich aus den sich sondernden Wolken hervortra-
ten, um so mehr mulsten wir vor allem diese erstaunliche azurne Ring-
mauer bewundern, welche wie eine einzige zusammenhängende, 10,000
Fufs hohe, verticale Wand von gleichmälsig dunkelblauer Farbe ringsum
steil emporstieg und sich scharf und glatt vom helleren Himmel ab-
setzte. Es bedurfte einer förmlichen Ueberlegung, um sich den seltsamen
Anblick dieser starren, ganz homogenen Verticalmauer in die Vorstel-
lung des horizontalen, beweglichen, ewig wechselnden Meeresspiegels
zu übersetzen.
Nachdem das erste Erstaunen über diese erhabene Erscheinung
vorüber war, eilten wir schnell vom südöstlichen Ende des Kraters
nach Westen hinüber, wo uns ein neues, nicht minder seltsames Schau-
spiel erwartete: da steigt hoch über Land und Meer ein ungeheures,
dunkles Dreieck auf, dessen Grundlmie mit der Etnabasis zusammen-
fällt, während die Spitze sich noch hoch über den westlichen Horizont
Reiseskizzen aus Sicilien. 465
in die Lüfte erhebt. Die glatten Seiten dieses gleichschenkeligen Drei-
ecks sind so scharf zugeschnitten, seine Farben so dunkelgrau, dafs
es aussieht, als ob man diesen Theil der Insel und des Meeres durch
ein dreieckiges geschwärztes Glas betrachte. Es ist der Schatten des
Etna selbst, welcher, so lange die Sonne noch so tief steht, das in
seinem Schattenraum gelegene Stück Sieiliens und über die Küste hin-
aus Meer und Himmel wie mit einem düstern Schleier überzieht. Rasch,
wie die Sonne stieg, sank auch dieses Riesenbild in sich zusammen,
und nun erst gewannen wir Zeit, das zu unsern Fülsen ausgebreitete
Bild, von dem die verhüllende Wolkendecke plötzlich wie ein Vorhang
weggezogen war, zu überschauen und vor allem einen Blick auf die
bisher ebenfalls verdeckt gewesene nächste Umgebung zu werfen.
Wir standen jetzt auf dem scharfen Westrande des Kraters und
konnten von hier dessen mächtigen Umfang $ut überschauen. Kaum
in einer halben Stunde würden wir ihn umschritten haben, während
wir die beiden Trichteröffnungen des Vesuv in wenigen Minuten um-
kreist hatten. Furchtbar steil und zerrissen stürzen ringsum die mit
weilsen sublimirten Salzen und gelben Schlacken bedeckten Lavawände
in die jähe Tiefe hinab, wo sie plötzlich scharf abgeschnitten an dem
innern Kratermund enden. Ununterbrochen steigt eine dichte dunkle
Dampfwolke aus demselben hervor und von Zeit zu Zeit verkünden
dumpfe Detonationen, dafs es nur des Anstolses bedarf, um die hier
schlummernden Riesenkräfte zur verheerendsten Thätigkeit zu wecken.
Früher konnte man ziemlich bequem und gefahrlos an der innern
Wand des Trichters zum Munde hinabklettern; allein seitdem das Erd-
beben von 1857 das Terrain völlig verändert hat, ist es nicht mehr
möglich, an den beinahe senkrecht abstürzenden Wänden des neuge-
bildeten, fast eylindrischen Kraters hinabzusteigen. Durch jene Kata-
strophe wurde der alte Auswurfskegel zum grölsten Theil zerstört und
die Form des Gipfels völlig verändert. Jetzt ist vom ersteren nur
noch ein einziger isolirter, mächtiger Lavafels übrig, welcher am Ost-
rande der sonst ziemlich gleichmälsig abgeschnittenen kreisförmigen
Krateröffnung steil und kühn in die höchsten Lüfte hineinragt. Sobald
wir uns überzeugt hatten, dafs diese Klippe erst die höchste Spitze
sei und dafs wir erst von da aus den vollen Genufs des unvergleich-
lichen Panoramas haben würden, war unser Entschlufs gefalst, ihn zu
erklimmen, obgleich der Führer uns hoch und theuer versicherte, dafs
dies ganz unmöglich sei, und dafs seit seiner Entstehung vor 2 Jahren
noch keine Menschenseele auf diesen höchsten Punkt einen Fuls ge-
setzt habe. Zum Glück liefsen wir uns dadurch nicht abschrecken, ob-
wohl er sich selbst weigerte, uns zu folgen. Die Mühe war nach al-
lem Vorhergegangenen verhältnifsmäfsig gering, und die Belohnung
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIIL. 30
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466 E. Häckel:
dafür glänzend. Zunächst war schon die Rundwanderung um den gan-+
zen Rand des Kraters höchst interessant. Erst von dem sehr steil
abgeschnittenen und niedrigen Nordrande aus gewannen wir den: vol-
len Einblick in die furchtbar grofsartige und wilde Natur dieses ent-
setzlicehen Höllenschlundes, dessen zerrissene Blöcke und nackte Zacken
wie die Lanzen und Spielse eines infernalischen Arsenals durcheinan-
der starrten. Die lebhafteste Phantasie kann sich den Eingang in den
Oreus nicht erhabener und grauenerregender zugleich vorstellen. Ue-
ber alle Beschreibung erhaben aber war der überraschende Anblick
des Panorama’s von der Höhe des Gipfels, welchen wir nach letzter
kurzer Anstrengung um 7 Uhr Morgens am 12. October glücklich 'er-
reichten. Kaum wulsten wir, wo zuerst den erstaunten Blick hinwen-
den, auf die weite, schwarzblaue Fläche des unermefslichen Meeres, oder
auf die dreieckige bunte Insel zu unsern Fülsen, ‘oder auf den Berg
selbst in seiner merkwürdigen Plastik. Erst von hier aus, wo wir jeden
Augenblick frei und unbegrenzt in alle verschiedenen Himmelsgegen-
den wechselnd hinausschauen konnten, war es möglich, uns ein Ge-
sammtbild des riesigen Vulkanes selbst in aller seiner Grölse und
Vielgestaltigkeit zu entwerfen. Glatt und steil senken sich ringsum
vom kreisförmigen Krater aus die nackten Flanken des schwarzen
Aschenkegels in die gleichfarbigen Abhänge der regione scoperta hinab,
deren weit ausgedehnte vegetationsleere Flächen die zahlreiche Schaar
der kleineren und gröfseren, zum Theil lebhaft und grell gefärbten, braun-
rothen und gelben Krater und Doppelkegel tragen. Scharf abgeschnit-
ten liegt rings unter diesem Conglomerat vulkanischer Berge der frische
grüne Kranz des Waldgürtels, welcher sich nach Norden in den Bosco
di caronia, nach Süden und Westen in die fruchtbare grüne Zone der
regione piemontese fortsetzt. Aber in dieser strebt das Auge vergebens
die wohlbekannten Gegenstände zu sondern. Haus und Dorf, Baum
und Fels, Acker und Weinberg verschmelzen zu einer einzigen, bun-
ten, formlosen Masse, und selbst die grölseren Orte, die an den run-
den Buchten der Ostseite liegen, Catania, Agosta, Syracus, sind in zu
weite Ferne gerückt, um deutlich unterschieden zu werden. Nur die
gröberen Formen der Höhenzüge und Thäler, scharf von der Sonne
beleuchtet, treten sehr. deutlich allenthalben hervor und so erscheint
die ganze Insel mit ihrem überall zerschnittenen und gefurehten Pla-
teau wie eine kleine sauber gearbeitete bunte Reliefkarte. Ihre Haupt-
farben, Braun und Grün, sind durch zahlreiche zarte Nuancen von
Roth, Violett und Blau verbunden. Bald aber kam Leben und Bewe-
gung in dies starre geographische Bild. Die erwärmenden Strahlen
der steigenden Sonne lösten und hoben die dichten Nebel, welche als
schmale, weilse Streifen den Lauf der T'halsohlen deutlich. bezeichnet
Reiseskizzen aus Sicilien. 467
hatten. Sie ballten sich zu rundlichen Wolkenhaufen zusammen, wel-
che höher und höher stiegen und sich mit ihren Geschwistern aus den
benachbarten Thälern vereinigten. So stielsen sie zu dichtgedrängten
Heerhaufen zusammen, welche in geschlossener Kette den Riesenvul-
kan umlagerten. Sobald sich aber einzelne kühne Plänkler höher hin-
aufwagten und den Gipfel erklimmen wollten, warf sie der eisige Sturm-
wind, der uns das Athmen erschwerte, mit unwiderstehlicher Gewalt
10,000 Fuls tief an die Küste hinab, wo sie an den Rippen der Bergrücken
zerschellten und in kleine Flocken sich auflösten, die wieder in die Thä-
ler niedersanken. Lange ergötzten wir uns an diesem wechselnden
Schauspiel; ‚dann schweifte aber der Blick wieder mit immer neuem
Vergnügen in die Ferne und suchte die fernsten sichtbaren Landstück-
chen in dem Rahmen des ungeheuren Horizontes festzuhalten. Drei
Meere umfafst hier das Auge an den drei Seiten der Trinacria, nörd-
lich das tyrrhenische, südwestlich das afrikanische, östlich das ionische;
es sind die Verkehrsstrafsen, auf denen einst der im Centrum des Mit-
telmeeres liegenden Insel von drei verschiedenen Völkerstämmen W ohl-
stand und Kultur zugeführt wurde aus drei Erdtheilen: von den Grie-
chen aus Kleinasien, von den Saracenen aus Nordafrika, von den Nor-
mannen aus dem nördlichen Europa. Wie Vorposten lagern vor den
drei Eckpfeilern des zierlich ausgezackten Küstenrandes die drei Insel-
gruppen : im Süden über dem Cap Passaro die beiden Schwestereilande
Malta und Gozzo, im Westen vor dem lilybäischen Vorgebirge die klei-
nen Aegaden, im Norden, am nächsten und schönsten, vom Cap Peloro
nach Nordwesten ziehend, die Reihe der liparischen Vulkankegel, vor
allen der thätige Stromboli, dessen fast rhythmisch wiederkehrendes
Feuerspeien uns bei der nächtlichen ‚Ueberfahrt von Neapel her so
ergötzt hatte.
Im äufsersten Südwesten lag auf dem, Meereshorizont ein dünner
blauer Wolkenstreif, den der Führer für die afrikanische Küste erklärte.
Doch zweifle ich, dafs der Gesichtskreis des Etna sich so weit er-
streckt. Um so deutlicher und schöner erschien die nahe Meerenge
von Messina, durch den Halbstiefel Calabriens mit dem Südcap Spar-
tivento von dem Golfe von Tarent geschieden, dessen Rundung sich
weithin verfolgen liefs. Doch vor allen zogen im Westen die vielgipfli-
gen Bergketten der Apenninen die Augen auf sich, welche in blauer
Ferne den sonst rings geschlossenen Meereskreis durchbrachen und
ohne deutliche Grenze in den dunkelblauen Himmel überzugehen schie-
nen, dessen halbkugeliges Gewölbe sich mächtig und erhaben über die-
sem ganzen prachtvollen Gemälde ausspannte. Lange konnten wir
uns nicht trennen von diesem in seiner Art wohl einzigen Panorama,
dessen Züge gewils Jedem, dem das Glück es zu schauen vergönnte,
30*
468 E. G. Ravenstein:
unauslöschlich in der Erinnerung bleiben werden. Endlich nöthigte
uns die zunehmende Steifigkeit unserer vor Frost halb erstarrten Glie-
der, an den Rückweg zu denken, und in weniger als einer Viertel-
stunde hatten wir, in langen Sätzen in dem lockern Sande des Aschen-»
kegels hinabspringend, die Casa Inglese wieder erreicht. Auf dem
weiteren Rückwege machten wir einen kleinen Abstecher nach Osten,
um das nahe berühmte Val del bove zu besuchen. Ueber weite,
schwarze Lavafelder, die mit den weilsgebleichten Knochen der zahl-
reichen hier umgekommenen Maulthiere wie übersäet waren, gelangten
wir an den oberen Rand jenes furchtbaren Schlundes, welcher der
Eruption von 1669 seinen Ursprung verdankt. Ein grofser Theil des
östlichen Abhanges des Etnagebirges wurde damals von tief hervor-
brechenden, gewaltigen Lavaströmen unterminirt und stürzte plötzlich
in sich selbst zusammen. So entstand dieser furchtbare Erdspalt, wel-
cher, mit allem Gräuel vulkanischer Verwüstung reich ausgestattet, in
das Innere der Hephästischen Schmiedewerkstätte selbst hineinzuführen
scheint. Vergebens sucht das Auge in diesem Chas wild übereinander
gestürzter Gebirgsmassen und Lavaströme nach einem einzigen Ruhe-
punkt. Das ganze ungeheure Leichenfeld, in das man hier senkrecht
mehrere tausend Fufs hinabschaut, erscheint von zwei langen, fast pa-
rallel nach Ost hinablaufenden Gebirgswänden eingesargt. Schwarze
und braune Lavaströme erfüllen die dunkle Tiefe, nur hier und da
durch grell abstechende rothe, gelbe und weilse Auswurfsmassen un-
terbrochen. Am meisten zeichnen sich darunter die beiden neuen, sehr
regelmälsigen Auswurfskegel von 1852 aus. Der weitere Rückweg bot
nichts Bemerkenswerthes, und wohlbehalten langten wir Nachmittags
um 3 Uhr in Nicolosi wieder an, wo wir, von Don Giuseppe freundlich
empfangen und für alle Entbehrungen entschädigt, in behaglicher Ruhe
uns dem Nachgenusse aller der reichen Bilder überliefsen, mit denen
diese überaus glückliche und lohnende Bergfahrt uns beschenkt hatte.
xXVl.
Bu Derba’s Reise nach Ghät.
Nach dem Französischen von E. G. Ravenstein.
(Hierzu eine Karte, Taf. VI.)
Unter den Forschungen, die der Besitznahme der algerischen Sahara
durch die Franzosen ihren Ursprung verdanken, ist die Reise des Herrn Is-
ee
Bu Derba’s Reise nach Ghät. 469
mail Bu Derba von el-Aghuät nach Ghät im J. 1858 eine der wichtig-
sten. Sohn einer Französin, in Frankreich erzogen, und dem Bureau Arabe
zu el-Aghuät als Dolmetscher beigegeben, unternahm Bu Derba diese
Reise auf Anlafs der französischen Behörden hauptsächlich für den
Zweck, den Handel der Sahara von Tripolis und dem englischen Ein-
fluss ab nach Algerien zu lenken. Seinem Berichte, der in der „Re-
vue Algerienne“ erschien, ist eine Karte im Mafsstabe von 1:2,500,000
beigegeben (ohne Gradangabe). Obgleich dieselbe offenbar nicht das
Resultat sorgfältiger Aufnahmen ist, so hielten wir es dennoch für das
Beste, die darauf angegebenen Distanzen beizubehalten, da die öfters
zweideutigen und unvollständigen Angaben im Texte eine Berichtigung
derselben nicht erlaubten. — Die Höhen haben wir nach den von Bu
Derba unterwegs angestellten Barometer-Beobachtungen annähernd
berechnet. Aufser Bu Derba’s Route haben wir auf unserer Karte
noch des Hauptmann de Bonnemain Route von el-Wed nach Ghedä-
mes (Nowv. Ann. des 'Voy. Juin 1857), Richardson’s Route von Ghe-
dämes nach Ghät (Travels in the Sahara) und Duveyrier’s Route von
Ghardäja nach el-Gol&’a (Bulletin der par. Geogr. Ges.) verzeichnet.
Die grolse Dünenregion, el-Udj nach Bu Derba, wird auf Duveyrier’s
Karte als el-Erg angegeben, und wurde von M. Bonnemain auf seiner
Reise nach Ghedämes überschritten. Die südlichere Dünenregion, die
Bu Derba im Wed Ighegharen nördlich hatte, durchreiste Richardson
auf eine Strecke von mehr als 30 deutschen Meilen.
Am 1. August 1858 reiste M. Bu Derba von el-Aghuät ab und
traf am 12. mit dem Scheikh Othman, der ihn als Führer begleiten
sollte, in Gerera zusammen. Am 16. August traf unsrer Reisender
in Negussa ein. Negussa war früher ein Ort von Bedeutung, dem
selbst Wargla Tribut zahlte, wird aber gegenwärtig von kaum 100
Familien bewohnt. Der gröfste Theil der Häuser liegt in Trümmern.
Man hat hier 33 artesische Quellen, und aufserdem im südlichen Theile
der Stadt eine grolse Anzahl von Brunnen, die im Durchschnitte 5
Meter tief sind. In den Gärten findet man einige Fruchtbäume (wohl
Datteln?). Hauptgegenstände des Anbaues sind Steck- und Mohrrü-
ben, Zwiebeln, Tomaten, Melonen und Wassermelonen. Aufserdem
auch etwas Gerste, Weizen, Taback und Baumwolle.
Am folgenden Tage (17. August) liefs man Wargla im Osten lie-
gen und campirte um halb zwölf bei dem Dörfchen Ruissat, etwa 2
Stunden im Süden der Stadt.
Die Gärten werden hier aus 6 bis 7 Meter tiefen Brunnen be-
wässert. M. Bu Derba sah sich gezwungen hier einige Tage zu ver-
weilen, da Si-Othman vorgab, Geschäfte in Wargla zu haben. — Am
Abend des 18. August hatte er Gelegenheit einer Pantomine beizuwoh-
ATO E. G. Ravenstein:
nen, mit der die Leute hier, wie an andern Orten der Sahara, das
Neujahrsfest begehen.
20. Aug. Trotz eines heftigen Sirokko machte sich die kleine
Karawane um 4 Uhr Abends auf den Weg. Sie bestand aus 12 Per-
“sonen; 25 Kameele waren mit Lebensmitteln, Wasser und einigen Ge-
schenken beladen. „Wir folgten einem ausgedehnten Plateau, el-Ha-
deb. Zur Rechten sieht man den Hügel Kerimat, der von Weitem
das Aussehen eines Zeltes hat. Auf seinem Gipfel konnte ich einige
Ruinen sehen, Ueberreste eines Dorfes, das die Mosabiten gebaut hatten,
ehe sie ihre gegenwärtigen Wohsitze einnahmen. Links hatten wir in
der Ferne einige niedrige Hügel, die im Lande unter dem Namen el-
Bekrat, i. e. die jungen Kameele, bekannt sind, und die Ausläufer einer
Bergkette sind, die wir später überstiegen. Um halb 8 Uhr des Abends
schlugen wir unsre Zelte auf.
21. Aug. Ein Viertel nach 3 Uhr waren wir auf dem Wege. Um
7 Uhr fragte ich nach dem Brunnen Tarfaia, wo die von Wargla kom-
menden Karawanen gewöhnlich Halt machen; man zeigte ihn mir zur
Linken in der Nähe von zwei Mamelons, die mit der Hauptkette der
Bekrat in Verbindung stehen. Um 10% Uhr nöthigte uns die Hitze die
Zelte aufzuschlagen. Um 6} Uhr Abends brachen wir wieder auf.
Nach einer Stunde, und ehe wir die,Bekrat und Tarfaia genannten
Hügelketten überschritten hatten, zeigte man mir zur Rechten den
Brunnen Hassi Buruba. Es erforderte 20 Minuten die Hügelkette zu
überschreiten. Ihre Richtung ist im Ganzen von NO. nach SW. Die
Gipfel sind abgeplattet (horizontal) und fast alle von gleicher Höhe.
Der Boden besteht aus hartem Sand, stellenweise mit einer dünnen
Decke von grobem, travertin-ähnlichem Kalk bedeckt. Drei Viertel-
stunden weiter überschritten wir eine zweite Hügelreihe, die mit der
ersten parallel läuft, und um 9 Uhr kamen wir in einer Einsenkung
an, die mit Tamarinden, Seita, Hade, Nessi, Alenda, Drin, Damran
und Smehri bewachsen ist '). Nach der letztgenannten Pflanze wird
diese Stelle Smehri genannt,
’) Wir fügen hier die wissenschaftlichen Namen einiger von Bu Derba mehr-
mals erwähnter Pflanzen bei:
el-Adjaren (Salsola lignosa),
Alenda (Ephedra alata) und Arta, eine ähnliche Pflanze,
Azal, eine Art Ginster,
Bagnel (Anabasis articulata) und Bebbel, eine ähnliebe Pflanze,
Damran (Traganum ‚dunatum),
Diss, eine Art Binsen,
Drin (Arthraterum pungens),
Hade (Anabasis alopecuroides),
Nessi (Arthraterum plumosum),
Bu Derba’s Reise nach Ghät. 471
22. Aug. Um. 3 Uhr früh hatten wir zur Linken den Brunnen
Medjir, der gewöhnlich die zweite Haltestelle der Wargla-Karawanen
ist. . Man findet. dort Wasser in Fülle, und die Umgebung bietet
herrliche Weide für Kameele dar. Da uns jedoch Si-Othman hinrei-
chend mit Wasser versehen glaubte, zog er es vor, uns den directen
Weg von Ruissat nach Djeribei zu führen. Das Wasser dort ist recht
gut. Der Brunnen ist von Sanddünen umgeben, auf denen Damran
und Hade wachsen; die letztere Pflanze, eine Lieblingsnahrung des
Kameels, wird von den Arabern „Dattel des Kameels“ genannt.
23. Aug. Halt bei Djeribei.
24. Aug. Um 3% Uhr früh machten wir uns auf den Weg. Ghät
liegt von hier nach SO., wir zogen es jedoch vor, eine Strecke weit
nach S. zu gehen, weil wir so nicht nur Wasser fanden, sondern auch
die berüchtigte Dünenregion an der engsten Stelle überschritten. Das
Land ist hier sehr dürr und auf weiten Zwischenräumen wird das Auge
des Reisenden nur durch einige wenige Bagnel, Nessi, Drin und Bebbel
erfrischt, die auf einigen kleinen Bodenerhebungen (Plateaux) vorkom-
men. Im Vergleich zu dem, was vor uns liegt, ist diese Gegend aber
fruchtbar. Den Horizont bilden die unabsehbaren, einförmigen Dünen,
die Farbe des Bodens ist ziegelroth und gelblich, Kalksteintrüämmer
oder schwärzlicher Thon bedecken ihn, und nur hie und da sieht man
ein paar Remt- oder Bagnel-Stauden.
Um 10 Uhr früh schlugen wir unsre Zelte am Fulse einer kleinen,
Selselet Dsanun genannten, Dünenkette auf, die mit der grolsen Sand-
wüste zusammenhängt.
25. Aug. Um 122 Uhr Mittags setzten wir die Reise fort. Wir
gingen noch immer nach S. über eine sandige Hochebene, und um 10
‚Uhr 40 Min. machten wir bei einem zweiten Ausläufer der Dünen-
region, dem Selselet Asal, Halt. Sobald abgeladen war, warfen sich
die Kameele auf die Alenda und Hade, die neben Azal die einzige Ve-
getation dieser Stelle bilden, — Trotz der grofsen Hitze machte sich
‚einer unsrer Tuareg auf den Weg, den Spuren von Gazellen und Meha
(eine Art von Antilope) zu folgen, und kam um 3 Uhr wirklich mit
einer Gazelle als Beute zurück. Das Meha findet man von 25 Stun-
den im $. von Wargla an, bis nach Ghät.
26. Aug. Nach 7 Stunden Marsches erreichten wir die den Be-
wohnern des Landes unter dem Namen el-Udj bekannte Dünenregion.
Remt (Carozylum: articulatum),
Seita (Limoniastrum guyonianum),
'Smehri (Helianthemum),
Tarfa, Tamarinde,
Tolh (Acacia Verek).
472 E. G. Ravenstein:
Zwei Stunden zuvor hatten wir die Tumiet genannten Mamelons über-
schritten, die den Reisenden als Wegweiser dienen. Diese weite, el-
Udj genannte Region erstreckt sich von Nefza bis westlich von Gole’a.
Ihre Breite ist von 55 bis 80 Stunden. Die Dünenreihen, aus denen
sie besteht, erheben sich 50 bis 100 Meter und bilden durch Querjoche
verbundene Parallelketten. Die in ihrem südlichen Theile gelegenen
Thäler werden el-Gassi genannt und sind 7 bis 8 Kilometer breit.
Ihre Sohle besteht aus dem nackten Fels, auf dem die Sanddünen auf-
liegen.
Zwei grofse Thäler durchschneiden die Region in ihrer ganzen
Breite. Das eine, im Westen, Wed el-Mia, nimmt seinen Ursprung
bei Tuät und verliert sich in der Einsenkung von Wargla. Das zweite,
östliche, wird von den Arabern Wed Essued (Aswad?) i. e. schwarzes
Thal, genannt, nach der Farbe der Steine die es bedecken. Dieses
Wed Essued ist der untere Theil des Wed Ighegher, das im Djebel
Hagar entspringt, die Gewässer des Westabhanges des Plateau der Az-
gar, und die des Ostabhanges des Plateau el-Moindyr empfängt, und
sich in einer grofsen Niederung in der Nähe von Metmata, im Süden
von Temassinin verliert.
Es ist meine Ueberzeugung, dafs die unterirdische Wasseransamm-
lung des Wed Righ durch Gewässer genährt wird, die von Plateaus im
Norden und Süden abfliefsen. Diese zwiefache Abdachung ist wohl
bemerklich. — — Die südliche setzt sich bis zu den Gebirgen im Sü-
den Ghät’s fort. Die Gewässer die dort entspringen fliefsen nach SO.
(sie) und ergielsen sich ins Wed Taffessaso.
Nach 6 Stunden Marsches kamen wir zur Ain et-Teiba, einer gu-
ten Quelle. Das beständige Auf- und Absteigen zwischen den Dünen
hatte unsere Leute und Kameele sehr ermüdet. Manchmal versperrten
die Dünen den Weg ganz und gar, und da wir anhaltenden Südwind
hatten, waren sie nach dieser Seite hin so schroff, dafs es für die Ka-
meele unmöglich war hinabzusteigen. Ich gedachte ihnen mit Hülfe
unserer Schaufeln einen Weg zu bahnen, aber Othman lächelte mich
an, als er dies sah und sagte: „Auf diese Art wirst Du nie fertig wer-
den, sieh wie man’s machen mufs.* Damit warf er seinen Haik ab;
wir thaten dasselbe, stellten uns in eine Reihe, das Gesicht nach Nor-
den, und indem wir uns mit den Händen fest auf den Boden stützten,
traten wir hinter uns den Sand mit den Fülsen weg. Auf diese Weise
hatten wir bald einen passirbaren Abhang zu Stande gebracht. Wenn
man bedenkt, dafs diese Operation, inmitten des heifsen Sandes und
unter dem Einflufs des Sirokko sich mehrmals im Laufe des Tages
wiederholte, so kann man sich das Ermüdende und Lästige dieses
Theils unsrer Reise vorstellen.
Bu Derba’s Reise nach Ghät. 473
- 27. Aug. Ain et-Teiba ist schwierig zu finden. Es hat das Ausse-
hen eines Kessels der in den Fels gesprengt ist, welcher aus einem Con-
glomerat von grobkörnigem Sand, Kies und schwefelsaurem Kalk be-
steht. Die Dünen ruhen meist auf derartigem Fels. Die Ränder des
Kessels werden von Flugsand gebildet und in der Vertiefung ist ein
Teich von etwa 300 Meter im Umfang. Dieser Teich hat eine 8 Meter
dichte Einfassung von Schilf und Binsen (diss). Das Wasser, das man
darin findet, ist nicht trinkbar; es hat eine grünliche Farbe und den
Geruch von faulen Eiern. Die Tuareg versichern, dafs es sehr kau-
stisch sei. Ich selbst habe gesehen wie sie Lumpen, die sie hineinge-
taucht und an der Sonne getrocknet hatten, als Zunder gebrauchten.
Gräbt man jedoch 14 Meter vom Rande des Sumpfes etwa 2 Meter
tief, so findet man gutes, trinkbares Wasser. Dies kommt den Wüsten-
bewohnern so wunderbar vor, dafs sie den Ort von den Djenun be-
wohnt glauben. Ich erkläre dies auf folgende Art. Das Wasser, das
bei Regen von den Dünen absorbirt wird, filtrirt durch den Sand, bis
es auf ein festes Bett kommt, das eine unterirdische Wasser-Abdach-
ung bildet. Der Boden des Teiches liegt ziemlich tief und das Was-
ser strömt ihm von den Seiten zu und steigt, bis es sein Niveau er-
reicht hat. Ein Beweis davon ist, dafs, wenn man das Wasser aus
den benachbarten Senklöchern geschöpft und dadurch das Wasser des
Sumpfes theilweise abgelassen hat, an den ihm nächstliegenden Wän-
den verdorbenes Wasser durchsickert, das nicht trinkbar ist. Die Ue-
berreste des den Teich umgebenden Pflanzenwuchses und der Kameel-
koth, den der Wind hineintreibt, haben mit der Zeit das Wasser ver-
dorben und ihm seine grünliche Farbe gegeben. Seine kaustische
Eigenschaft verdankt es der Asche des Schilfs und der Binsen, die die
Reisenden regelmäfsig abbrennen, damit sie nicht die Senklöcher über-
wachsen.
Die Temperatur der Luft war 35° C., die des Wassers im Sumpfe
30° und die des Wassers das unsere Kameele tranken 26°. —
Die Scha’ambas haben hier sechs Palmen gepflanzt, die recht gute
Datteln tragen. Im Schilf sah ich einige Lerchen, und ein Geier
schwebte heute früh hoch über dem Teiche. Dies sind die ersten Vögel,
die ich seit meiner Abreise von Ruissat sah. Von einem Sandhügel,
150 Meter im Osten des Ain et- Teiba sieht man eine ganz ähnliche
Vertiefung, die aber trocken liegt. Die Araber erklären dieses Fac-
tum durch eine recht nette Legende.
' 28. Aug. Gegen Mittag wurde der Südwind (guwebli) sehr heftig.
— — Ich sah heute wie 5 bis 6 Meter hohe Sandhügel langsam vom
_ Winde fortbewegt wurden. Ich mufs übrigens gestehen, dals diese Dü-
nen, die man oft ganze Karawanen begraben lälst, in der Wirklichkeit
ATA E. G. Ravenstein:
gar nicht so schrecklich sind. Die Bewegung des Sandes ist nie plötz-
lich., —
29. Aug. Wir verlassen Ain et-Teiba und campiren 5 Stunden
weiter in den Dünen.
30. Aug. Um 4 Uhr früh machten wir uns auf den Weg. Nach
einer Stunde (nach Süden) erreichten wir el-Gassi (i.e. das Feste),
unter den Bewohnern wegen seiner Dürre und des Mangels an Was-
ser berüchtigt. Es ist dieses ein von zwei Dünenreihen, die sich von
der Hauptmasse abzweigen und nach Süden erstrecken, gebildetes
Thal. Ich halte diese Gassi für den nackt gelassenen Boden des gro-
(sen Plateau’s, auf dem die Dünen sich aufgelagert haben. Der geo-
logische Charakter dieser Gassi bleibt stets derselbe. Der Sand ruht
auf einem Bett von weils-gelbem Kalkstein, der dem Dolomit sehr
ähnlich sieht. Dem Sande sind häufig Trümmer von grobkörnigem
Kalke von dunkler Farbe und verschieden gefärbter Thon beigemengt.
31. Aug. Wir setzen die Reise durch el-Gassi fort, wie auch am
1. September. An diesem Tage um 6 Uhr früh sahen wir zur Rech-
ten ein paar isolirte Stauden von Alenda und Hade, wo wir Halt mach-
ten. — Bei Sonnenuntergang brachen wir wieder auf und reisten die
ganze Nacht durch.
Um Mitternacht wurden unsere Reisenden durch ein Feuer beun-
ruhigt, das sie hinter sich sahen. Man fürchtete Räuber und machte
Anstalten sich zu vertheidigen, aber um 5 Uhr des Morgens klärte
sich die Ursache des Feuers auf. Man fand Spuren einer Karawane,
die in der Dunkelheit unbemerkt 600 Meter zur Linken passirt war.
2. Sept. Um 7 Uhr wandten wir uns etwas nach Osten, um
über die Dünenreihe zur Linken in ein anderes Gassi zu kommen. —
Um 9 Uhr hatten wir dies gethan, und in derselben Richtung fort-
schreitend erreichten wir um 114 Uhr el-Biod, das an der östlichen
Seite des Thals liegt. Die Quelle el-Biod liegt in einer Vertiefung im
Sande, am Fufse der Dünenreihe, die den Osthang des Thals bildet.
Ihre ganze Umgebung wird nach dem Aussehen des vorherrschend
weilsen Kalkes „el-Biod“ genannt. Man findet hier 50 Palmen, ‚die
mein Khebir (Führer) Si-Othman gepflanzt hat, und die bereits recht
gute Datteln geben. Wenn man 50 bis 60 Centimeter gräbt, findet
man Wasser; sein Geschmack aber ist bitter und salzig. ;
3. Sept. Trotz des schlechten Wassers war es nöthig, ‚hier einen E
Tag zu rasten. Die Umgebung bietet recht gute Weide dar; man fin-
det Bebbel, Alenda, el-Adjaren, Arta, Damran, Drin und Hade. Den
Angaben der Tuareg zufolge bildet el-Biod die Grenze zwischen ihnen
und den Scha’amba.
Bu Derba’s Reise nach Ghät. AD
4. Sept. Etwa 2 Stunden SSO. von el-Biod kamen wir zu einer
mit: Tarfa bedeckten Einsenkung. Diese sandige Heischa erstreckt sich
von NO. nach SW. und scheint die von uns durchreiste Region der Sand-
dünen zu begrenzen. Anderthalb Stunden reichen hin dieses Thal zu
durchschreiten, und man kommt dann auf ein weites Plateau, dessen
fester Boden dem der Gassi ähnlich ist, nur dafs der Kies anstatt aus
Kalktrümmern, fast ausschliefslich aus schwarzem Silen besteht, der‘in
solcher Masse vorkommt, dals er dem Boden die vorherrschende Farbe
verleiht. Um 6 Uhr früh sahen wir zur Linken eine Hügelreihe. Da
ihr Kamm fast horizontal ist, halte ich sie für den Abhang eines
Plateaus, ähnlich dem auf dem wir stehen. Um Mittag wandten wir
uns nach Osten und campirten in der grofsen Ravine Schebet el-Biod.
Ihre Neigung ist von SO. nach NW., und nach einem Regen fliefst
das Wasser nach der Heischa, die wir am Morgen durchkreuzt hatten.
Letztere wiederum steht wahrscheinlich mit dem Wed Ighegher in Ver-
bindung. Im Grunde der Ravine wächst etwas Damran, Hade, Drin
und Alenda, das Plateau aber ist ganz kahl.
5. Sept. Um 6 Uhr Abends verliefsen wir Schebet el-Biod und
um 4 Uhr des Morgens kamen wir in’s Wed Ighegher. Unser Weg
führte uns SSO. über ein Plateau, das theilweise eben, theilweise zer-
rissen ist. Wo wir an’s Wed kamen, bildet ein weites Thal, das sich
von SW. nach NO. erstreckt, das Flufsbett. Am Abhange des Wed
wachsen einige Tolh. Grofse Blöcke von Bimsstein scheinen den Ur-
sprung des Thals anzudeuten, denn die Tuareg sagten mir, dafs die
Bollwerke des Dschebel Haggar aus ganz ähnlichen Steinen beständen.
Sie sind sehr leicht, zellenförmig, von schwärzlicher Farbe, und haben
das Aussehen eines Schwamms. Da das „Flufsbett*“ ganz trocken war,
gingen wir ungehindert nach Osten und campirten in einer Ravine am
Osthange des Thals, wo wir einiges Gesträuch und besonders Drin
für unsre Kameele fanden. Die gehörnte Viper, die wir seit unserer
Reise öfter gesehen hatten, scheint in diesem Thale zu brüten.
6. Sept. Etwa 4 Stunden von unserem Nachtlager kamen wir auf
den ersten Ausläufer einer zweiten Region von Sanddünen, die sich
nach Osten bis in die Nähe von Fezzan, und im Süden bis auf zwei
Tagereisen von Ghät erstreckt. Im Westen (und -Süden) trennt sie
das Wed Ighegharen vom Plateau der Azgar. Der erwähnte Ausläu-
fer bildet einen Ellnbogen oder stumpfen Winkel, indem er sich erst
nach Westen und dann zurück nach Osten wendet; im Scheitelpunkt
des: Winkels liegt Temassinin.
Nach einer Stunde stiegen wir in die el-Djua, d. h. die Furche, ge-
' nannte Vertiefung hinab, die sich von Westen nach Osten erstreckt
A7T6 E. G. Ravenstein:
und im Norden von dem Tinadauden Plateau der Tuareg, im Süden
durch die Dünenregion und im Westen durch den erwähnten „Ellnbo-
gen* begränzt wird.
In einer Ravine zwischen dem Wed Ighegher und Djua fand ich
mehrere fossile Muscheln. Im Kalkstein der die obere feste Schicht
bildet, fand ich eine Dia imbricata; im unteren Kalkstein zwei Dia-
dema seriale, zwei Spantagus retusus und mehrere andere Muscheln,
die ich nicht erkennen konnte.
Um halb 8 Uhr früh kamen wir bei der Sauia von Temassinin an.
Man findet hier ein halbzerfallenes Haus aus ungebrannten Ziegeln
erbaut, fünf oder sechs Gärten mit fünfzig Palmen und einigen Fei-
genbäumen, und endlich eine schlechterhaltene Kuba, wo der Marabut
Sidi Musa begraben ist. Die Gärten werden aus einer 12 Meter tiefen
artesischen Quelle bewässert, deren Wasser recht gut ist. Die Quelle
ist jetzt ummauert, geht aber, wie mir Si-Othman sagte, durch Thon.
Temperatur der Luft 32°, die des Wassers 26°. Es ist dieses das erste
Wasser, das wir seit unserer Abreise von el-Biod antrafen. Schade,
dafs die Tuareg nicht an verschiedenen Stellen des el-Djua Schäfte
senken, denn ich bin überzeugt, sie würden unterirdische Wasserbecken
finden.“
In der Nähe von Temassinin campiren einige und zehn Familien
unter elenden Gurbis von Palmzweigen. Eine Seuche hat alle ihre
Kameele hingerafft und sie befinden sich jetzt in der grölsten Armuth,
ihre Faulheit aber ist so grofs, dafs sie gar nicht daran denken, die
Gärten gehörig zu bestellen, sondern sich mit Datteln begnügen. Um
die Sauia wachsen einige Tamarinden, und es scheint, dafs man etwa
2 Stunden weiter abwärts in dem Thale el-Djua deren viele findet.
7. Sept. Ich benutzte die Zeit meines Aufenthaltes, die Umgegend
etwas genauer kennen zu lernen. Der an el-Djua grenzende Theil
des Plateaus von Tinadauden fällt auf etwa 15 Meter schroff ab. Ich
bemerkte mehrere übereinander gelagerte Schichten von grünem und
rothem Thon, bisweilen mit einem sehr weichen, gelblichen Kalkstein
gemischt. Sie werden durch ein dünnes Gypslager getrennt und von
Adern von schwefelsaurem Kalk durchfurcht. Ein Lager von com-
pactem Kalkstein ruht auf dem Thon und bildet die obere Kruste.
Auf dem Plateau selbst findet man die Süfswassermuscheln Melania
inquinata und Cyrena trigonata in grofser Zahl.
Bu Derba hörte hier, dafs Asgar und Haggar in offener Feind-
schaft seien. Zu Ghät hätte sich das Gerücht verbreitet, die Franzosen
gedächten sich der Stadt zu bemächtigen, würden aber erst einen Mann
schicken, das Land auszukundschaften. Bu Derba liefs hier acht seiner
Kameele und 6 Fässer zurück.
de urn A ug u ie
Bu Derba’s Reise nach Ghät. A7T7T
8. Sept. Um 6 Uhr traten wir in die Dünen ein, die sich südlich
von Temassinin hinziehen, und schlugen unsere Zelte bei einer Tair
genannten Stelle auf, wo wir Drin, Alenda und Hade für unsere Ka-
meele fanden. In machte hier ein Loch im Sande, in dem ich 2 tellys
Mehl und Kuskus, eine Last Datteln und einen Schlauch Butter begrub.
9. Sept. Nach 10 Stunden Marsches durch die Dünen campirten
wir am Fufse des Südabhanges einer von den Arabern Khanfussa, von
den Tuareg Idjele genannten Hochebene, ein Name der „Käfer“ bedeutet.
Diese Hochebene ist von Dünen umgeben und wir fanden nur dürres
Drin und etwas Tolh für unsre Kameele.
10. Sept. Um 24 Uhr früh verliefsen wir unser Bivouak, gingen
eine Stunde dem Khanfussa-Plateau entlang, und zogen dann weiter
durch die Dünen. Auf dem Gipfel eines Mamelon, den der Sand nicht
bedeckt hatte, fanden wir ungeheure Blöcke von Puddingstein, die so
hart waren, dals wir sie nicht zerschlagen konnten, ohne die Bestand-
theile die ihn bildeten zu zerbrechen.
Um 7 Uhr sahen wir von einem Sandhügel aus ein ausgedehntes
Thal zu unseren Füfsen liegen. Die Tuareg heilsen es Ighegharen,
i. e. die Flüsse. Es erstreckt sich bis in die Nähe von Ghät und sein
Abfall ist von SO. nach NW. Wed Ighegharen empfängt die Gewässer
der Ostabdachung des Plateaus der Azgar; früher stand es wahrschein-
lich mit dem Wed Ighegher in Verbindung, wird aber jetzt durch Dü-
nen von ihm getrennt. Mehrere von Sand noch nicht bedeckte Stellen,
die man inmitten der Dünen findet, scheinen diese Muthmalsung zu
bestätigen. Wenn das Aussehen der Dünen schon traurig genug ist,
so ist das Land vor uns noch trauriger. Das ganze Plateau (der Az-
gar?) hat eine dunkle Färbung, die es dem von der Sonne geschwärz-
ten und verkalkten Sandstein zu verdanken hat, der die Oberfläche
bedeckt. Die wenigen Sträucher und einige von weilsem Sand gebil-
dete Fleckchen machen fast glauben, dafs man eine ungeheure Brand-
stätte vor sich habe.
In anderthalb Stunden waren wir ins Thal hinabgestiegen, das hier
Issawi heifst. Vor uns lagen die Hügel von Tuskirin, die das äulserste
Ende des Plateaus der Azgar bilden. Am Fufse dieser Hügel ent-
springt die kleine Quelle Tuskirin, die 14 Meter tief ist. Darüber sieht
man einen Erzgang von kohlensaurem Eisen, 5 bis 6 Meter dick, und
mit einer Neigung von 35° nach SO. Er wird von Sandsteinen ein-
geschlossen, die seine schwarze Farbe angenommen haben.
Bis hierher reisten wir nach Süden, wir wandten uns aber jetzt
_ etwas nach Osten, um Tabelbalt zu erreichen, wo wir um 114 Uhr
früh ankamen. Ein Palmbaum, ein unvollendetes Haus und einige
Lehmmauern stehen hier als Zeugen des Versuchs, den ein Mann von
ATS E. G. Ravenstein:
Tuät machte, diese Stelle zu cultiviren, den aber die Händelsucht der
Tuareg bald wieder wegtrieb. Die Quelle ist 6 Meter tief und um-
mauert. Temperatur der Luft 30°, der Quelle 23°. — Tolh findet
man hier ziemlich häufig, und das Thal erzeugt Drin und Guetaf.
11. Sept. Um 85 Uhr früh begegnete man einer Karawane aus
el Süf, die auf dem Wege von Ghät nach Wargla war, etwa 4 Stun-
den vom Ain Tabelbalt. „Um 104 Uhr machten wir bei der Quelle
Kinauin Halt, um Etwas zu essen, und am Abend campirten wir zwi-
schen den Bächen Tanefokh. Unsere Richtung war immer SO.
12. Sept. Nach 3 Stunden liefsen wir zur Linken zwei schwarze
Mamelons liegen, die von den Tuareg Tiebaben, i. e. Signale genannt
werden. Etwas zuvor sahen wir vier Grabmäler. von Kaufleuten aus
Ghedämes, die hier von den Scha’amba ermordet worden. Drei Stun-
den hinter den Tiebaben kamen wir zum Wed Lemenu, das im SW.
auf dem Plateau entspringt und sich nach NO. in’s Wed Ighegharen
ergielst. An seiner Mündung liegt Ain el Hadjädj, wo wir campirten.
Das Wasser entspringt in einem ummauerten Senkloch 3 Meter tief,
ist reichlich und gut. Temperatur der Luft 35°, des Wassers 24%. —
Ain el Hadjädj dient, wie schon der Name andeutet, den Pilgern, ‚die
von Timbuetu und Tuät nach Mekka gehen, als Station.
Im Lauf des Tages hatten wir einen leichten Gufsregen, der zehn
Minuten anhielt.
13. Sept. 124 Stunden Marsches entlang dem Wed Ighegharen,
immer SO., an dem Wed Aizoniten, Wed Samon und Wed Inatal vor-
bei zum Wed Tadjeran, wo wir campirten.
14. Sept. Um6 Uhr früh brachen wir auf, und um 9 Uhr mach-
ten wir an der Mündung des Wed Ihan Halt, wo wir gehoflt hatten,
Wasser zu finden. Der Brunnen aber war in Folge der Dürre der
letzten sechs Jahre trocken; die meisten der früheren Bewohner sind
nach Ahir oder Fezzan gezogen, und nur wenige Unglückliche mulsten
zurückbleiben, da sie keine Mittel hatten, wegzukommen. Ihre Armuth
ist grols. Ich selbst habe gesehen, wie Weiber die Erde aufwühlten,
um die Arinkörner zu suchen, die die Ameisen angesammelt hatten.
Ihrer eigenen Aussage nach bilden diese Körner, von denen jeder
Ameisenhaufen genug giebt, um eine Kbek (Art kleiner runder Matte)
zu füllen, mit Guetaf und dem Samen des Tolh fast ihre einzige Nah-
rung. Sie essen gleichfalls den Gummi des letztern.
Das Flufsbett hier ist mit Tarfa und Athal bewachsen, und letz-
tere ist hier ein hoher Baum. Ich sah einige Gazellen und Spuren
von zahlreichen Meha, Fahad (Luchs), Schakals und Hasen.
15. Sept. Von Ihan gingen wir nach dem Wed Tidjuschelt in un-
SE
Bu Derba’s Reise nach Ghät. 479
ser Nachtquartier, das wir an einer, Interga genannten Stelle, wo wir
kein Wasser fanden, aufschlugen.
16. Sept. Bei Tidjuschelt scheint das Wed Ighegharen einen stum-
pfen Winkel nach O. zu machen. Wir hielten es daher für nöthig, es
zu verlassen. Wir gingen über Plateau’s, die zu einem Daia führten,
wo wir einige Augenblicke ausruhten. Um 8! Uhr Abends erreichten
wir Aglet Sidi Aly Elmaheni, im Thalweg des Wed Ilisi. Man mufs
hier 2 Meter tief im Sande graben, um Wasser zu finden.
17. Sept. Rasttag.
18. Sept. Um 64 Uhr früh verliefsen wir das Wed Ilisi, und be-
stiegen das Plateau, welches es vom Wed Takhmelet trennt. Wir cam-
pirten in letzterem bei der Quelle Tadjnut. Sie hat eine Einfassung
von Schilf, mit dreieckigen Stengeln und etwa 4 Meter hoch. Diese
Gegend wird von Onagern (wilden Eseln) bewohnt, deren Spuren den
sandigen Boden bedecken.*
Bu Derba traf hier einige Weiber an, deren Männer nach Ghe-
dämes gegangen waren, um Lebensmittel zu suchen, und die bis zu
deren Rückkehr von Drin u. s. w. lebten.
19. Sept. Wir brachten den Tag damit zu, die Ravine Tihinkelt
zu erreichen. Auf dem Wege kamen wir im Wed Isekerak an den
zwei Brunnen Inhemult vorbei. Diese sind 24 Meter tief und haben
gutes Wasser. Temperatur der Luft 30°, des Wassers 23° C.
‘ 20. Sept. Eine Stunde nach unserer Abreise traten wir in ein
kleines enges Thal ein, das nach seiner mit feinem weilsen Sand be-
deckten Sohle Ighar Hamelen i. e. weilser Fluls genannt wird. Das
Thal abwärts kamen wir in’s Wed Tarat, einem der bedeutendsten
Thäler des Plateau’s des Azgar. Die schroffen, 40 bis 50 Meter hohen
Gehänge dieses Thales bestehen aus dicken Thonlagern, die ein dünnes
Lager von geschiehtetem Sandstein von dem oberen dunklen (fonee)
Sandstein trennt. Diese Sandsteine erstrecken sich von OÖ. nach W.
und gegen S. fallen sie unter einem Winkel von 20° ab.
Um 4: Uhr Abends campirten wir im Wed Tarat, das wir nach
SSW. hinaufgestiegen waren.
21. Sept. Früh am Morgen verliefsen wir das Wed und nahmen
unsern Weg nach SO. über eine weite nackte Ebene mit thonigem Bo-
den. Am Fulse einer kleinen Dünenkette kamen wir nach den zwei
_ Brunnen Tanit-Melet, die in Thon gegraben sind. Ihr Wasser: ist
brackisch. Temperatur der Luft 29°. C., des Wassers 23° C.
‚ Bu Derba fand hier ein Lager von Azgar-Tuareg, die ihn als
Gast aufnahmen ‚und die ‚er daher nach Landesbrauch bewirthen und
beschenken mulste.
480 E. G. Ravenstein:
22. Sept. 24 Uhr früh Abreise. Wir verliefsen die Dünenkette,
an deren Südabhange die Brunnen Tanit-Melet gelegen sind, und stie-
gen auf ziemlich 'beschwerlichem Wege durch eine Ravine auf das Pla-
teau von Tarurit. Die Oberfläche dieses Plateau’s ist sehr zerrissen
und es ist daher beschwerlich zu bereisen. Die Route ist mit grolsen
Sandblöcken besäet, die mehr oder weniger phantastische Formen ha-
ben. Es sind dies die Ueberreste der Mamelons, die in Folge bestän-
diger Zerstörung verschwunden sind und weiter in der Ebene zur Bil-
dung der Sanddünen beigetragen haben. Der weilse Sand der Sahara
dankt seinen Ursprung der Zerstörung der Felsen, die ihre Hochebe-
nen und Berge bilden.
Um 10+ Uhr frühstückten wir bei einem dieser Felsblöcke, der
15 Meter hoch war. An diesem Felsen findet man eine Unzahl von
Namen eingekratzt, und altem Brauch zufolge hat Jeder ein Recht zu
dieser Auszeichnung, der fähig ist, einen Stein über den Felsen weg
zu werfen. Dieser hat danach seinen Namen „Idaret Hedjeren“, d.h.
„schwer zu passiren“.
Um 6 Uhr Abends campirten wir in einer Ravine, wo wir kein
Feuerholz finden konnten, und um unser Abendessen zu bereiten, mulfste
ich eine meiner Kisten zerbrechen. Der wenige Regen, der am 1?ten
gefallen war, hatte hingereicht, hier eine Masse von kleinen Pflanzen
hervorzurufen.
23. Sept. Wir setzten unsere Reise über das Plateau fort und
stiegen am Abend in eine Ravine hinab, die uns in’s Wed Titekhessin
führte, wo wir um 64 Uhr Abends unsere Zelte aufschlugen.“*
24. Sept. Am Morgen kam ein Neger als Bote von einem von
Bu Derba’s Leuten, der nach Ghät vorausgeschickt worden war, um
über die dortigen Zustände Nachrichten einzuziehen, im Lager an. Die
gröfste Anarchie herrschte zu Ghät, der Häuptling der Azgar, dessen
Leute sich empört hatten, hatte sich zurückgezogen und die Aufrührer
den Markt geplündert und drei Menschen ermordet. Bu Derba beschlofs
indessen, 44 Stunden weiter nach der Quelle Tihubar im Wed Tite-
khessin zu gehen, und dort fernere Nachrichten abzuwarten. Tempera-
tur der Luft 33° C., des Wassers 26° C.
Am Abend kam Bu Derba’s Bote selbst an mit der Nachricht, dafs
die Ruhe wieder hergestellt sei und Mohammed ben Hatita die Gewalt
wiederum in Händen habe.
25. Sept. „Um 54 Uhr waren wir auf dem Wege. Wir verliefsen
das Flufsbett, bestiegen ein Plateau und liefsen nach 24 Stunden den
Mamelon Tilonin, der uns während der zwei letzten Tage als Weg-
weiser gedient hatte, zur Rechten liegen. Vor uns erhob sich der Ksar
el Djenün. Um 124 Uhr fanden wir am linken Ufer des Wed Msika
Bu Derba’s Reise nach Ghät. 481
die kleine Quelle Ihenaren. Temperatur der Luft 34°, des Wassers
26°. Das Wasser schmeckt nach schwefelsaurem Eisen.
Von hier ab verliefsen wir die bisherige südöstliche Richtung und
wandten uns nach Süden. Am Abend campirten wir im Thal von Wa-
riret, etwa 700 Meter vom Ksar el Djenün entfernt.“
26. Sept. Fünf Stunden brachten Bu Derba nach Ghät. Er schlug
sein Lager aufserhalb der Stadt auf, da er Gewaltthätigkeiten befürch-
tete. Die Franzosen waren nicht sehr beliebt; man glaubte, sie beab-
sichtigten Ghät zu besetzen. Bu Derba wufste die Einwohner jedoch
zu beruhigen. Er erklärte ihnen, dafs die französische Regierung nur
wünsche, den Handel zwischen Algerien, Ghedämes, Ghät und den
Ländern des Sudan zu fördern, aber keineswegs sich in ihre inneren
Angelegenheiten einzumischen. Er machte ihnen die Vortheile begreif-
lich, die sie von der Ausdehnung ihres Handels ziehen würden.
Wir selbst müssen gestehen, dafs wir an eine Ausdehnung des
Handels mit der Sahara oder gar mit dem Sudan durch die Sahara
keinen Glauben haben. Die Bevölkerung der Sahara ist äufserst dünn,
im Ganzen vielleicht kaum mehr als 300,000 Seelen, und der Handel
des Sudan mufs sich mehr und mehr den Küsten Guinea’s und Sene-
gambiens zuwenden, nach denen die Transportmittel wohlfeiler und
wohl auch sicherer sind, als durch die Sahara.
Da neuere Reisende Ghät mehrfach besucht haben, übergehen wir
die Bemerkungen, die Bu Derba über den Zustand dieser Oase giebt.
Am 4. October reiste er von Ghät ab. In Folge des schlechten
Zustandes seiner Kameele kam er erst nach 22 Tagen an der Ain el
Hadjädj an. Bei Takhmelet begegnete er einer Karawane von Tuät
mit 100 Kameelen. Bis Tabelbalt hatte ihn der Tuareg- Häuptling
Ikhenukhen begleitet, der von hier aus seinen Weg nach Tuät nahm.
Bei Tair fand man die begrabenen Lebensmittel und in Temassinin
_ die Kameele bis auf das fetteste, das angeblich gestorben sein sollte.
Von Temassinin an hielt sich Bu Derba zur Rechten und vermied El
Biod und Ain et Teiba, wo er fürchtete, mit Räubern zusammenzu-
treffen. Am 4. Novbr. campirte er bei El Muilah, einer Einsenkung
3 Stunden östlich von El Biod, und am 15. Nov. kam er zu Djeribei
_ an, das die Räuber erst vor einigen Stunden verlassen hatten. Man war
froh, als man am 18ten Ruissat erreicht hatte. Hier hörte man, dafs
die Räuber im Süden von Temassinin zwei grolse Kameele weggenom-
men hätten.
Am 28. November reiste M. Bu Derba von Wargla ab, und am
1. December traf er wieder in El Aghuät ein.
Wir geben nun zum Schlufs M. Ismail Bu Derba’s Barometer-
und Thermometer-Beobachtungen, nach denen wir die annähernde
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 31
482 E. G. Ravenstein: Bu Derba’s Reise nach Ghät.
Meereshöhe berechnet haben, bei Annahme eines mittleren Druckes von
337.4 Par. Linien auf der Oberfläche des Meeres und einer mittleren
Temperatur von 10° C.
are ı 8 © Wale
S © &% | Mittlere | Mittlerer | 5 5 &
o P 5 & B EI Tempera- |Stand des 3 = be) s Höhe
„ ET Be tur Baromet. 383 in Rarıcer
(= & m 3 3 2 S agda Fufs
SS | NZ |Grade C.| Millim. | &
eakrag: aideunlg run gidejlsd|.agn, Idaisp noch nero Ai
Bag lg au ey ) 30 700 _ | 2210
Oestlich von Meiabin« laltı2 2 21 7013 4 2110
Dait Namus . 2 A N 702 4 2120
Mekeb el Atasch 2 2 263 715 0 1640
Hassit Udei Seder . 2 2 28 7264 + 1230
Gerera. . . IPB HEN Cr) 15 30 740 64 750 |
Ben Trisch . . 2 2 30 7414 0 680 |
El Atbia . 2 2 293 7504 4 370
Negussa 1 2 27 7572 37 110
Ruissat. 4 6 27 7543 2 220
El Hadeb . 2 2 29 753 2 280 |
Tarfaia. 1 1 435 754 a 250
Djeribei 1 3 37% 751 2 350
Slassel!) Dinrian 1 2 40 7504 + 380
- Asal 1 2 41 7504 + 380
Tumiet. 1 1 43 748 — 470
Ain et Teiba 3 6 313 7453 3 540
El Gassi . 1 1 35 7434 — 620
1 1 423 741 2 N ORTDO
EI Biod £ 2 4 36 740 14 750
Schabet el Biod 1 2 38 7364 4 890
Ishesheiins Rahı.anlod 1 1 2 35 7344 3 960
Temassinin ?) 2 4 30 736 0) 880
Tair 1 2 383 7321 14 1030
Tamaserga 1 1 38 128 ee 1190
Khanfussa. . 1 1 303 731 ie 1060
Ain Tabelbalt N 2 313 2322| 4 1010
Tanefokh . 1 1 Sb) 730 — 1100
Ain Hadjädj . 1 2 34 7304 0 1080
Tadjeran . 1 1 364 725 —_ 1270
Ihan n 2 34 7244| 4 1300
Interga 2 3 28 721 0) 1430
Disi. 1 2 244 723 1 1340
Takhmelet. 2 3 26 123 4 1340
Tihinkent . 1 1 20 718 —_ 1500
Tarat 1 4 32 720 — 1470
Tanitmelet 1 1 22 720 >: 1450
Tarurit, Plateau, e 2 2 23 7014 en 2140
Titekhassim Isa" Reg 2 2 18 713 0 1690
Wariret . . 2 2 21 7103 4 1790
Ghät (20 Meter über der
Stadt) 7 NM a ae Be 34 | 1780
’) Offenbar das arabische Selsele d. i. Kette.
2) Temassanin nach Dr. Barth.
AR
SL
, 483
Miscellen.
Die russische Marine im Jahre 1859.
Nach einem im Morskoi Sbornik (2. Aprilheft 1860) abgedruckten Bericht
des Inspections-Departements des russischen Marine -Ministeriums waren im Jahre
1859 folgende Kriegsschiffe ausgerüstet:
In der Ostsee: 9 Linienschiffe (darunter 6 Schraubenschiffe und die bei-
den aus Sebastopol nach Kronstadt gekommenen Schiffe Sinope und Cesarewitsch,
die hier mit Schrauben versehen werden), 6 Schraubenfregatten, 9 Rad-Dampf-
Fregatten, 10 Corvetten, 6 Clipper, 1 kaiserliche Dampfjacht, 2 Briggs, 5 Schoo-
ner, 4 Tender, 8 Jachten, 6 Transporte, 4 Lootsschiffe, 19 kleine Dampfer und
75 Schrauben-Kanonenböte = 161 Fahrzeuge.
Im Weifsen Meere: 1 Brigg, 1 Schooner, 1 Transport-, 3 kleine Dam-
pfer = 6 Fahrzeuge.
Im Kaspischen Meere: 7 Schooner, 1 Transport, 9 kleine Dampfer =
17 Fahrzeuge.
| Im Schwarzen Meere: 6 Schraubencorvetten, 1 kaiserliche Dampfjacht,
16 Schooner, 4 Transporte, 1. Lootsschiff und 5 kleine Dampfer = 33 Fahr-
zeuge !).
‚ Im Stillen Meere: 3 Schooner, 2 Transporte, 5 kleine Dampfer = 10
Fahrzeuge.
| Davon waren: Dampfschiffe Segelschiffe
| Ostsee run) 1 ienıldahl 24
| Weilses Meer . . 3 3
| Kaspisches Meer . 13 4
| Schwarzes Meer . 25 8
| Stilles Meer . . 8 2
186 41
Im: Ganzen 227 Fahrzeuge.
Aufserdem befanden sich noch an kleineren Fahrzeugen, als Leuchtschiften,
Barken, Kanonenböten, Cuttern ete. in der Ostsee 262, im Weifsen Meere 7,
im Kaspischen 17, im Schwarzen 9, im Stillen 6 = 301.
!) In dem zwischen Rufsland und der Pforte abgeschlossenen Zusatzvertrage zu
dem Pariser Frieden vom 30. März 1856 lautet Art. 2: „Les Hautes Parties contrac-
tantes se reservent d’entretenir chacune, dams cette mer, sie bätiments a vapeur de
cinguante metres de longueur üa la flottaison, d’um tonnage de huit cents tonneaux au
maximum, et quatre bätiments legers a vapeur ou a voile, d'un tonnage qui me de-
passera pas deux cents tonneaux chacun.“ WRechnet man noch die beiden Schiffe
‚hinzu, die nach Art. 19 des Pariser Friedens jede der contrahirenden Mächte an der
Donaumündung halten darf, so würde die russische Marine: im schwarzen Meere 12
Fahrzeuge zählen dürfen, — nicht 33. Wenn man einem mächtigen Staat wie Ruls-
land in der Benutzung des Meeres, das seine Küsten bespült, Beschränkungen auflegt,
die sich höchstens ein so ohnmächtiger Staat wie Persien von einem übergewaltigen
achbar gefallen läfst, so wird man freilich immer und von vorn herein darauf ge-
st sein müssen, dafs die Wirklichkeit solcher unpraktischen Stipulationen spottet.
31*
ABA Miscellen :
Von den in der Ostsee ausgerüsteten Schiffen machten 27 (25 Dampf- und
2 Segelschiffe) Reisen in ausländischen Gewässern (12 nach dem mittelländischen
Meere, 2 nach England und Frankreich, 13 nach China, Japan und dem Amur).
Ueber die Thätigkeit der Tschernomorischen oder Schwarzen Meeres -Flotte
werden folgende Details mitgetheilt:
Die Corvette „Woin“ brachte im Juni das 13. Schützenbataillon aus Anapa
nach Nikolajew und das Infanterie-Regiment Minsk aus Nikolajew nach Kertsch,
und im September mit der Corvette „Wepr“, den Schooners „Don“ und „Bom-
bory“ und dem Dampfboot „Taman“ das Infanterie-Regiment Wolhynien aus
Sewastopol nach Odessa.
Zur Verfügung des Chefs der Konstantinowsker (Noworossijsker) Station
standen seit 1858 die Corvette „Wolk“ und die Schooner „Elborus“ und „Pse-
suape“. Diese Schiffe wurden im Laufe des Jahres 1859 durch die Corvette
„Wepr“ und die Schooner „Salgir“, „Noworossijsk“, „Pizunda“, „Tuapse“, „Ki-
lasury“ und „Anapa“ abgelöst. Auf der Suchumer Station befanden sich die
Corvette „Rys“ und die Schooner „Bombory“ und „Redout-Kale“, welche durch
die Corvette „Subr“, die Schooner „Souksu“ und „Elborus“ und den Transport
„Theodosia“ abgelöst wurden.
Die kaiserliche Dampfjacht „Tiger“ und das Dampfboot „Taman“ dienten
zu den Fahrten des Chefs des Seewesens in Nikolajew nach Sewastopol, Odessa
und anderen Häfen.
Das Dampfboot „Ordinarez“ befand sich in Galacz beim Commissar der eu-
ropäischen Donau-Commission, Baron Offenberg; die Dampfer „Sulin“ und „In-
kerman“ wurden zu verschiedenen Aufträgen gebraucht und letzterer löste im
Herbst den bei der russischen Gesandtschaft in Constantinopel befindlichen Dam-
pfer „Pruth“ ab.
Der Schraubenschooner „Abin“ diente zu Uebungsreisen der Gardemarine,
wobei magnetische Beobachtungen zur Bestimmung der Inclination vorgenommen
wurden; diese Beobachtungen wurden im Herbst längs der Ostküste des Schwar-
zen Meeres durch den Schooner „Psesuape“ fortgesetzt.
Zu Sondirungen im Asow’schen Meere wurde das Lootsschiff „Rymnik“ ver-
wendet, welches in der Folge durch den Transport „Reni“ abgelöst wurde.
Als Wachtschiffe dienten: in Sewastopol der Schooner „Opyt“, in Otscha-
kow der Schooner „Aju-Dagh“ und in Jenikale der Schooner „Skutschnaja“,
der später durch den Transport „Portiza“ abgelöst wurde. 1 Er
Koritsa in Macedonien !).
Koritsa, türk. Gjördsche (T%xı6orkıc), in einem 10 Stunden langen und 2 Stun-
den breiten Thale gelegen, das von hohen Bergen begrenzt und östlich durch
Nebenzweige des Pindos, westlich durch die Berge von Moschopolis und Gora ?),
im Norden aber von dem bis nach Achrida (Ochrida) und zum Berge Skardos
sich hinziehenden Gebirge Xerowuni gebildet wird, wurde erst unter der Türken-
herrschaft erbaut und bewohnt. Der Flufs Devol, nach welchem auch der ganze
!) Nach der zu Athen erscheinenden Via IIarduoga.
2) Offenbar das allgemein slawische Wort für Gebirg. (K.)
Koritsa in Macedonien- 485
District benannt wird und welcher in das adriatische Meer fliefst, ist nur 23 Stun-
den davon nach Norden entfernt. Koritsa selbst liegt 12 Stunden südlich von
Achrida und 26 Stunden nördlich von Janina, zwischen beiden Städten, und 12
Stunden östlich von Berat. Die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1859 10,000,
unter denen kaum 1000 Türken waren, wogegen die übrigen zur griechischen
Kirche sich bekannten, die, eben so wie im ganzen Distriete, nur mit Ausnahme
zweier Dörfer, Drenowo und Bombostitsa, wo die bulgarische Sprache, und Mo-
- schopolis und Sipiska, wo auch die walachische Sprache in Gebrauch ist, die
albanesische Sprache reden. Allein da die Albanesen pelasgischen Ursprungs (!),
mithin von gleichem Stamme sind, wie die Hellenen, und auch diejenigen Alba-
nesen, welche vor langen Zeiten gezwungen zum Islam sich bekannten (die sog.
türkischen Albanesen), mehr griechische Gesinnungen bewahrt, als türkische ange-
nommen und niemals mit den Türken sich vermischt haben, so kann hier ein
Unterschied der Sprache und Nationalität nicht von wesentlichem Belange sein.
Das gleiche Verhältnifs gilt auch von den Sulioten, die ebenfalls albanesischen
Ursprungs sind, nicht minder von den zahlreichen Albanesen auf den Inseln Hydra,
Spetzia, Poros und an anderen Orten des Königreichs Griechenland, sowie aufser-
halb desselben. Aufserdem wohnen in der Umgegend von Koritsa viel Türken,
obschon in manchen dieser Dörfer christliche Kirchen bis auf die Gegenwart sich
erhalten haben.
Der Handel, der sich in Koritsa in Folge der besonders vortheilhaften Lage
des Orts und im Verhältnifs zu den umliegenden Distrieten von Kastoria, Ana-
selitsa, Churupista, Devol, Prespa, Gkorra, Mokra, Oparis, Skrapari, Kolonia,
Konitsa, Premeti u, a. in hohem Grade günstig entwickelte, würde der dortigen
christlichen Bevölkerung noch mehr Gelegenheit haben geben können, zu grolsem
Wohlstande zu gelangen, wenn sie nicht den Bedrückungen und Beraubungen
der umwohnenden Türken ausgesetzt gewesen wären, wie dies auch an so vielen
anderen Orten der Türkei der Fall gewesen. Viele gröfsere Städte der Umge-
gend, deren Verwüstung offenes Zeugnils dafür ablegt, sind in früherer oder spä-
terer Zeit diesem Raubsysteme unterlegen, z. B. Emporia, Wartsi, Selasphoros
(jetzt Swesda), Withikuk !), Moschopolis, Sipiska (*Irzıozle), Linotopos, Nikolitsa
und Bombostitsa, und manche dieser Ortschaften sind bis auf diesen Tag wüst
und unbewohnt geblieben, wie z. B. Linotopos, während an andere dieser Orte
nur wenige Familien neuerdings sich hingewendet haben. Ein gleiches Schicksal
traf in den Jahren 1822 — 24, sowie 1858 zu mehreren Malen auch Koritsa, das
unter verschiedenen Vorwänden von türkischen Grol[sen gebrandschatzt und dessen
christliche Bewohner von Mord, Raub und Plünderung heimgesucht wurden, so
dafs viele davon nach Griechenland, der Moldau und Walachei und nach Aegyp-
ten auswanderten. Indefs vergafsen diese Auswanderer auch in der Ferne ihre
frühere Heimath nicht, indem sie zur Errichtung und zum Unterhalte griechischer
Schulen und anderer öffentlicher Anstalten in Koritsa, zum Bau von Kirchen etc.
bedeutende Summen hergaben.
In der Umgegend von Koritsa finden sich häufig Trümmer alter Burgen, in
denen jedoch noch keine Nachgrabungen, namentlich nach Inschriften, stattgefun-
den haben. Dergleichen Trümmer sind z. B. auf dem Berge von Emporia, der
zu dem Höhenzuge des Pindos gehört und an Ort und Stelle den Namen Kiutet(?)
!) Wohl Wotskop bei Leake. (K.)
486 Miscellen :
führt, ferner in den Dörfern Selasphoros, Zagradisti, Koliotisa(?), Wartsi, sowiein
dem berühmten Kloster der Apostel Petrus und Paulus in Withikuk. In Selas-
phoros giebt es namentlich einen alten unterirdischen Canal, der mit dem unweit
befindlichen Flusse Devol in Verbindung steht, und nicht selten ‘werden in die-
sen Trümmern alte Münzen gefunden.
Die Burg Kiutet wurde bis vor etwa 25 Jahren von türkischen Albanesen
bewohnt, die von jeder Abgabe an den Sultan frei waren und nur die Verbind-
lichkeit auf sich hatten, die von Anderen gezahlten Steuern für denselben sicher
zu geleiten. ' Hinter dem Berge Kiutet liegen die Trümmer eines zerstörten Dor-
fes, Namens Athanasitsa. Die daselbst aufgegrabenen riesigen Grundmauern der
im Jahre 1225 wieder erneuerten Kirche zur Himmelfahrt Mariä liefern den Be-
weis, dafs diese Kirche ein aufserordentlich umfangreicher Bau gewesen sei.
Dem sonst so gesunden Klima der Gegend von Koritsa hat der neuerdings
gebildete See von Sowiana!), der vor ungefähr 50 Jahren nur ein kleiner Sumpf
war, nun aber schon einen grofsen Theil der Ebene überschwemmt hat, empfind-
lichen Nachtheil zugefügt, und besonders wird dadurch die Strömung des Flusses
Devol verhindert, was theils an sich und für den Verkehr, theils namentlich in-
sofern unangenehme Folgen gehabt hat, als darunter das Fischen in dem durch
seine Aale berühmten Flusse Devol leidet und erschwert wird. Auch ist hin und
wieder das Erdreich der nahe gelegenen Hügel unterwaschen und herabgestürzt
worden.
Im Allgemeinen findet die Bemerkung des dänischen Reisenden Ussing in
seinen „Griechischen Reisen und Studien“ (Kopenhagen 1857), dafs es „wenige
Länder giebt, wo die Städte so schnell aufblühen und wieder abnehmen, als in
der Türkei,“ und dafs namentlich „in ganz Thessalien die türkische Bevölkerung
im Abnehmen ist und manche Dörfer jetzt verschwunden sind,“ auch in dem
Vorstehenden seine volle Bestätigung. Eines der auffallendsten Beispiele dieser
Art ist das dort ebenfalls genannte Moschopolis, welches, im vorigen Jahrhundert
eine von zahlreichen Griechen bewohnte blühende Handelsstadt, in Folge des tür-
kischen Raub- und Plünderungssystems fast ganz verschwunden ist. K.
Nachrichten über die Reise der Herren Baron v. Barnim
und Dr. Hartmann in Nubien.
Von dem Herrn Baron v. Barnim und seinem Begleiter, Herrn Dr. Hart-
mann, sind Briefe aus Chartüm vom 29. und 30. April eingetroffen, aus wel-
chen Herr Prof. Ehrenberg in der letzten Sitzung der Geogr. Gesellschaft fol-
gende Mittheilungen hervorhob.
„Der Weg von Wadi Halfa bis El Urdeh oder Kasr ed-Dongola bot geogra-
phisch fast nichts Interessantes dar. Wir hielten uns meist am rechten Ufer des
Nil, mit Ausnahme einiger Biegungen desselben; so gingen wir von Wadi Saras
bis zum Katarakt von Satrab und vom Katarakt von Halfa bis Fergeh durch die
Wüste. Wir schnitten dann noch die beiden grolsen Biegungen des Nil nach
Westen ab, und durchzogen von Farek bis Kerman abermals die Wüste in direeter
Richtung. Wir marschirten vom 13. bis 27. März, also 14 Tage, wovon ein Ruhe-
!) Wohl Swrina in Vequesnel’s Karte. (K.)
Reise der Herren Baron v. Barnim und Dr. Hartmann in Nubien. 487
tag abgeht. Schon am 16. März setzte ein so heftiger Sturm aus Norden ein,
dafs jegliches Arbeiten im Freien unmöglich wurde und selbst die nächsten Ge-
genstände; des dichten Staubes wegen kaum zu unterscheiden waren; der Sturm
hielt fast bis Dongola an, dennoch ist es mir gelungen den Weg von Fergeh bis
Amärah aufzunehmen. Die Barkenreise (vom 30. März bis 4. April) von Urdeh
bis Dabbeh bot nichts Neues, dagegen desto mehr die Reise durch die Steppe
von Dabbeh bis Chartüm.“
„Diese Route, welche durch das Gebiet der Kubabisch geht, ist, so viel ich
weils, noch nicht bekannt, und auch auf Kieperts Karte von Aethiopien (zu Lep-
sius’ Werk) ist nichts davon verzeichnet !). Ich habe daher mit möglichster Ge-
nauigkeit die Route zu bestimmen gesucht und darüber auch Manches zu Papier
gebracht. Vier Stunden südlich von Dabbeh liegt der erste Brunnen, 73 Stunden
weiter südlich der zweite, hier geht rechts der Weg nach El Oböd, links der Weg
nach Chartüm ab; man reist in einer Ebene, welche theils den Charakter einer
steinigen Wüste, theils den einer sandigen Steppe trägt; zu beiden Seiten des
Weges, der nur wenig ansteigt, ziehen sich niedrige Hügelreihen hin, welche sich
nach dem zweiten Brunnen fast ganz verlieren, indem man in eine vollständige
Ebene eintritt. Am dritten Tage erhebt sich in der Richtung des Weges (SSO.)
eine lange Bergkette, welche man nach zehnstündigem Marsche vom zweiten Brun-
nen aus erreicht. Fast senkrecht steigen die Berge 4— 500 Fufs hoch aus der
Ebene auf und erstrecken sich in einer Ausdehnung von etwa 36 Stunden auf der
Westseite des Weges hin, lange Ketten und einzelne Kegel und Kuppen bildend.
Auf der Ostseite des Weges zeigen sich nur kleine, vereinzelte Berggruppen.
Achtzehn Stunden vom zweiten liegt der dritte Brunnen, 12 Stunden weiter der
vierte, 10 Stunden weiter der fünfte, 13 Stunden weiter der sechste und letzte;
in den übrigen 28 Stunden hat man keinen Brunnen mehr. Die Brunnen sind
mit Ausnahme des ersten und zweiten nicht tief, meist mit schlechtem Wasser
versehen, aber von reicher Vegetation umgeben, die, je südlicher wir kamen,
desto mehr Frische und Pracht zeigte. Schon seit dem dritten Brunnen ist das
Land eine vollständige Steppe; nur einzelne tafelförmige Erhebungen mit geringer
Ansteigung sind steinig und ohne Vegetation. Temperaturbeobachtungen und Ni-
vellements sind mit der auf einer schnellen Reise möglichen Genauigkeit durch-
geführt worden.“
„Meine Skizzen von Cairo ab enthalten 34 Blatt egyptische und nubische
Denkmäler, 20 Blatt Costüme, 6 Blatt Barkenansichten und aufserdem 10 Blatt
malerische Ansichten, theils in Quart, gröfseren Theils in Querfolio. Aufserdem
sind 5 Karten und Pläne und ein Blatt mit Gebirgsprofilen gezeichnet.“
Herr Dr. Hartmann schreibt, dafs er als Arzt in Nubien mehr als in Aegyp-
ten in Anspruch genommen wurde. „Kranke aller Art meldeten sich und ver-
langten oft schleunige Abhülfe langjähriger schwerer Uebel, Interessante medi-
zinische Beobachtungen, welche einst einen nicht unwichtigen Anhang zu unserem
Tagebuche bilden werden, schlossen sich an diese ärztlichen Dienstleistungen an.
Dagegen bedürfte es wohl eines längeren, emsigen Studiums in Chartüm selbst,
um das hier besonders nach Aufhören der Regenzeit herrschende, noch so my-
steriöse Tropenfieber seinem innersten Wesen nach gründlich kennen zu lernen,
») Zuerst 1856 durch Herrn v. Heuglin bereist, dessen Erforschung nebst
Karte im Jahrg. 1859 von Petermann’s Zeitschrift mitgetheilt ist. (K.)
488 { Miscellen ;
Die hier befindlichen Aerzte vermögen über diese seltsame Krankheit nur dürftige
Aufklärung zu geben. — Für Zoologie und vergleichende Anatomie gewährt un-
sere Reise reichliche Ausbeute. Die von uns erlegten Säugethiere und Vögel
werden gewöhnlich skelettirt, kleinere Amphibien, Fische, Inseeten und Würmer
jedoch, behufs eines späteren Studiums ihrer innern Theile, in Weingeist aufbe-
wahrt. Interessante Erscheinungen werden sogleich aufgezeichnet und niederge-
schrieben. Soweit es die Anstrengungen derReise gestatten, stelle ich mikroskopische
Beobachtungen über die hiesige niedere Thierwelt an, und suche die merkwürdig-
sten Dinge sogleich mittelst Bleistift und Farben zu Papier zu bringen. Eine
kleine Sammlung infusorienreicher Erden und Schlammabsätze wird später als
Beleg dienen. — Anthropologischen Studien stellen die grofse Mischung der hier
wohnenden Menschenstämme, sowie religiöse und nationale Vorurtheile grofse, oft
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Aber auch nach dieser Richtung ge-
schieht, was die Umstände irgend erlauben. Einiges Interesse dürfte vielleicht
dereinst eine Collection typischer Portraits der einzelnen Stämme (Araber, Barä-
bra, Darfurer, Fungi u. s.w.) gewähren. — In botanischer Hinsicht lege ich ein
Herbarium auffälliger Pflanzen an. Besondere Aufmerksamkeit wird den Cultur-
pflanzen gewidmet, auch wird keine Gelegenheit versäumt, Nachrichten über Bau
und Gewinnung derselben einzuziehen. Einige Sämereien wurden gesammelt.
Vielleicht gelingt es, auch für die Pflanzenkunde etwas Neues zu erlangen. Die
Zahl der bis jetzt eingesammelten Pflanzenarten beläuft sich auf etwa 90. — Für
mineralogische Zwecke sammele ich Felsproben, zeichne Gebirgsprofile und Stein-
schichtungen, mache auch geognostische Beobachtungen, soweit dieses meine ge-
ringen Kenntnisse in dieser Disciplin gestatten. Zwischen Cairo und Chartüm habe
ich über 300 malerische Skizzen und naturwissenschaftliche, ausgeführte Zeich-
nungen angefertigt, erstere zum Theil im gröfsesten Format. Eine besondere Mühe
habe ich darauf verwendet, die Vegetation und Thierwelt der Chala (Steppe) in
einer Reihe von Skizzen darzustellen.“
„Nach langer und sorgfältiger Berathung, auch mit den unterrichtetsten Mit-
gliedern der hiesigen europäischen Colonie, sowie mit dem General-Capitain der
Provinz, Hassan Bey, sehen wir uns in die Lage versetzt, auf einen Lieblings-
wunsch Verzicht zu leisten, und die Reise nach Gondar aufzugeben. In Cairo
wufste man uns, auch an mafsgebender Stelle, so wenig genaue Auskunft über
die Zustände dieser fernen Länder zu geben, dafs wir erst hier genauere Nach-
richten einziehen konnten. Nach übereinstimmenden Berichten ist eine Reise auf
dem blauen Flusse für die Monate Mai und Juni ohne ernstliche Gefahr vor kli-
matischen Einflüssen wohl ausführbar. Die schlimme Zeit beginnt am blauen
Flusse und hier in Chartüm erst im September und dauert bis zur Mitte des No-
vember, fällt also in das Ende der Regenzeit. Letztere erscheint in Abessinien
bereits im Monat Mai und im Sudän im Juli. Im Mai und Juni fallen hier nur
vereinzelte Regen. „Wir würden gegen Ende des Juni hier zurück sein und dann
den unteren Nil gewinnen können. Dar-Dongola, dessen Verhältnisse sich seit
Prof. Ehrenberg’s Anwesenheit sehr geändert haben, gilt hier jetzt als äufserst
gesundes Land; sollten dennoch bei unserer Rückreise irgend welche Besorgnisse
in ärztlicher Beziehung stattfinden, so werden wir unverzüglich den Weg durch
die Wüste Atmür zwischen Abu-Hammed und Korusko nehmen,“
Das Shire-Thal und seine Bewohner. 489
Nachricht über das Schicksal des Dr. Vogel.
Das von Herrn Dr. Barth in der letzten Sitzung der geographischen Ge-
sellschaft mitgetheilte Schreiben in Bezug auf das Schicksal des Dr. Vogel ist
von Koenig-Bey, sSecretaire des Commandements de Son Altesse le Vice- Roi
d’Egypte, aus Alexandrien 11. Juni 1860 an Herrn Jomard in Paris gerichtet
und lautet vollständig folgendermalsen:
„Ich glaube Sie schon früher von den Schritten in Kenntnifs gesetzt zu ha-
ben, die Se. Hoheit der Vicekönig auf Ihren Wunsch unternommen hat, um das
Schicksal des berühmten Reisenden Vogel aufzuklären. So eben empfange ich
von Sr. Excellenz dem Kriegsminister einen Brief mit der Nachricht, dafs nach
einem von dem Sultan von Darfur an den Mondir von Kordofan gerichteten und
Sr. Hoheit mitgetheilten Schreiben sich auch in Darfur das Gerücht verbreitet
habe, der unglückliche Reisende sei von dem Sultan von Wadai getödtet worden,
der sich alles dessen bemächtigt habe was der Reisende in Besitz gehabt; dafs
der Sultan von Darfur jetzt, wo der Sultan von Wadai gestorben und sein Sohn
ihm in der Herrschaft gefolgt sei, an den letztern geschrieben habe, um ihn um
die Auslieferung der dem Dr. Vogel gehörigen Papiere und des andern Nachlas-
ses zu bitten, und dafs er, falls diese Gegenstände ihm ausgeliefert werden soll-
ten, sich beeilen werde, sie dem Vicekönig zu übersenden; dafs er aber, falls der
neue Sultan, der nicht von ihm abhängig sei, die Auslieferung verweigern sollte,
nicht im Stande sei, ihn dazu zu zwingen. Das sind die Nachrichten, die der
Vicekönig erhalten konnte und die er Ihnen mitzutheilen mich beauftragt hat.“
Wir bedauern hinzufügen zu müssen, dafs, den Nachrichten französischer
Blätter zufolge, der Sultan von Darfur, der sich diesen Bemühungen zur Wieder-
erlangung der Papiere des Dr. Vogeläunterziehen wollte, neuerdings aus seinem
Lande vertrieben sein soll,
Das Shire-Thal und seine Bewohner.
Von D. Livingstone !).
Der Shire ist ein Abflufs der grünen Fluthen des grofsen Nyassa Sees (14°
23' S. Br., 35° 30’ O. L.). Er strömt nach Süden, ein klarer, schöner, schiff-
barer Flufs, von 240—360 Fufs Breite, und erweitert sich 12 —15 Miles vom
Nyassa entfernt, zu einem schönen, wohl 5—6 Miles breiten, seeartigen Becken
mit scharf begrenztem Wasserhorizont. Darauf wird er wieder schmäler, und
fiefst ruhig noch etwa 40 Miles weiter bis zu Murchison’s Katarakten. Nach ei-
nem unruhigen Lauf von 30 Miles tritt er aus dem Gebiet der Stromschnellen
heraus, als ein ruhiger Strom, der auf den 112 Miles seines weitern Laufs in sei-
nem tiefen Fahrwasser grolse Dampfer tragen kann, und ergiefst sich endlich
unter 17° 47’ S. Br. in den Zambesi, 100 Miles von der Mündung des letztern
in das Meer.
!) Datirt Shire River Nov. 4, 1859, — vorgetragen in der geographischen und
ethnologischen Section der British Association for the Advancement of Science.
490 Miscellen:
Das Thal, durch welches der Shire fliefst, ist am südlichen Ende des Nyassa-
Sees 10— 12 Miles breit, erweitert sich aber bald zu einer Breite von 20-30
Miles, und wird auf beiden Seiten von Bergketten eingefafst, von denen die öst-
liche eine beträchtliche Höhe erreicht. Bei Chihisas (16° 2' 3” 8. Br., 35° 1’
O. L.), ein paar Miles unterhalb der Katarakte ist die östliche Bergkette nicht
über 3 Miles vom Flusse entfernt, während die westliche so weit zurückgetreten
ist, dafs sie vom Flufs aus nicht erblickt werden kann. Geht man von Chihisas
nordostwärts, so gelangt man nach dreistündigem Marsch auf eine Höhe von mehr
als 1000 Fufs, ungefähr in das Niveau des obern Shire-Thals (1200 Fufs), dessen
unmittelbare Verlängerung diese Höhe zu sein scheint. Ein weiterer Marsch von
4 Stunden führt zu einem anderen Plateau, das 1000 Fufs höher liegt, und von
diesem erreicht man wieder in ein paar Stunden das höchste Plateau, das sich
35000 Fuls über den Meeresspiegel erhebt, und man befindet sich auf einem aus-
gedehnten Tafellande, das sich mit diesen drei Terrassen bis zum Zomba er-
streckt (dessen südliches Ende unter 15° 21’ S. Br. liegt). Hier wird es unter-
brochen, und die Eingeborenen berichten, dafs sich nördlich vom Zomba, der
sich 20 Miles weit von Süden nach Norden hinzieht, nur ein schmaler Isthmus
zwischen den Seen Nyassa und Tamandua (Shirwa) befindet. In demjenigen
Theile des Nyassa, den wir von seinem Südende übersehen konnten, lagen auf
der Westhälfte drei Inseln. Die beiden Bergketten ziehen sich längs seiner Kü-
sten weiter und durch den Dunst, den das an vielen Punkten brennende Gras
verursachte, konnten wir die verschwimmenden Umrisse einiger hohen Berge hin-
ter der östlichen Gebirgskette erkennen. Auf dem Plateau erheben sich zahlrei-
che Hügel und Berge, z. B. der Chicadgura, der vielleicht 5000 Fufs hoch ist,
und der von uns bestiegene Zomba, der eine Höhe von 7—8000 Fufs erreicht.
Von diesem Tafellande erblickt man im Osten des Sees Tamandua die Milanje
Mountains, die, wie es scheint, höher sind als der Zomba, und Mount Clarendon,
der seines stolzen Namens nicht unwerth ist.
Diese ganze Gegend ist auffallend gut bewässert; überraschend zahlreich ist
die Menge von Flüssen und Gebirgsbächen mit klarem, kühlem Wasser. Im Laufe
einer Stunde passirten wir einmal acht Flüfschen und eine starke Quelle, und
das war am Ende der trockenen Jahreszeit. Selbst der Zomba hat seinen Flufs,
er ist 60 Fufs breit und strömt durch ein üppiges Thal nicht weit von der höch-
sten Spitze. Der Berg ist auch gut bewaldet; an den Ufern der Ströme wach-
sen Bäume von aufserordentlicher Höhe, die ein gutes Bauholz liefern würden.
„Ist dies Land zur Viehzucht gut?“ fragten wir den Führer der Makololo’s, der
mit der Aufsicht über das Vieh beauftragt war. „Gewils“, antwortete er, „seht
Ihr nicht, in welcher Menge hier dies und das Gras wächst, das das Vieh gern
frifst und von dem es fett wird?“ Und doch hält das Volk nur ein paar Ziegen
und eine noch geringere Anzahl von Schafen. Wilde Thiere giebt es im Hoch-
lande nicht, auch nur wenig Vögel; auch auf den Ebenen am obern Shire, mit
Ausnahme einer einzigen Stelle, wo wir ein paar Elephanten, Büffel u. dgl. sa-
hen, halten sich wilde Thiere nicht auf; dagegen sind hier neue und auffallende
Vogelarten zahlreich vertreten.
Im Thale des obern Shire und auf der ersten Strecke seines untern Laufes,
in den Hochlanden, ist die Bevölkerung ziemlich dicht. Das Volk lebt gewöhnlich
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Das Shire-Thal und seine Bewohner. 491
in Dörfern oder nicht weit von ihnen in einzelnen Weilern, Jedes Dorf: hat sei-
nen eigenen Häuptling, und die Häuptlinge in einem bestimmten Bezirk stehen
unter. einem Oberhäuptling, dem sie in manchen Beziehungen untergeordnet sind.
Der Oberhäuptling eines Distriets am obern Shire ist eine Frau, die zwei Ta-
gereisen vom westlichen Ufer des Flusses entfernt lebt und Heerden besitzt. Der
Häuptling hat eine ziemlich weit gehende Gewalt; er kann dem Handelsverkehr
Einhalt thun, bis er seine eignen Sachen verkauft hat. Einige bestanden darauf,
zu sehen, was ihre Unterthanen für die Lebensmittel erhalten hatten, die sie uns
verkauft hatten. Die Weiber fallen auf die Knie, wenn der Häuptling an ihnen vor-
übergeht. Mongazi’s Frau kniete nieder, als der Häuptling ihr unser Geschenk
übergab, es in die Hütte zu tragen. Eines Abends feuerte ein Makololo ohne
Erlaubnifs seine Büchse ab; er wurde deshalb ausgescholten und mufste sein
Pulver abliefern. „Wenn er mein Mann wäre“, sagte der Häuptling, „hätte er
als Bufse auch noch ein Huhn geben müssen.“ Für ihre Dörfer suchen sie mei-
stens verständig und mit gutem Geschmack eine geeignete Lage aus, in der Nähe
eines Flufses oder einer Quelle, wo prächtige schattenspendende Bäume wachsen.
Fast jedes Dorf ist von einer hohen und dichten Hecke giftiger Euphorbia’s um-
geben, durch welche die Bewohner während der gröfsern Hälfte des Jahres den
Feind erblicken können, während sie selbst von ihm schwerlich bemerkt werden
können. Wenn dieselben ihre schon vorher vergifteten Pfeile durch die zarten Zweige
schiefsen, werden sie von dem giftigen Milchsaft des Strauches benetzt und ver-
ursachen höchst schmerzhafte, wenn nicht gar tödtliche Wunden. Von den ver-
letzten Zweigen träufelt beständig der Giftsaft herab, und hindert den Feind durch
die Hecke hindurch zu dringen, denn der Saft zerstört die Sehkraft. Die Hütten
sind gröfser und stärker gebaut und haben höhere und hübschere Dächer, als die
uns bekannten Dörfer am Zambesi. Der Boabab oder Versammlungsplatz (sprea-
ding place) liegt an der einen Seite des Dorfes; hier ist der Boden geebnet und
von Banyanen, den Lieblingsbäumen der Bevölkerung, angenehm beschattet. Hier
kommt das Volk zusammen, um Taback und Bang (Hanftlätter) zu rauchen, um
zu singen, zu tanzen, die Trommel zu rühren und Bier zu trinken. Auf dem
Boabab eines kleinen Dorfes zählten wir 14 Trommeln von verschiedener Grölse,
die alle sorgsam auf getrocknetem Grase aufgestellt waren. Auch manche nütz-
liche Arbeit wird an diesem Platz aufgeführt: man spinnt, webt, macht Körbe
und Fischernetze. Wenn wir in ein Dorf kamen, gingen wir sogleich zum Boa-
bab, wo auch das Fremdenhaus errichtet ist, und setzten uns dort nieder. Grofse
Matten von zersplissenem Bambus werden sogleich herbeigebracht, damit wir uns
auf ihnen ausstrecken. Unsere Führer erzählen einigen von den Leuten, wer wir
sind, wie wir uns benommen hätten, seitdem sie uns kennen gelernt, wohin wir
gingen und was wir beabsichtigten. Diese Mittheilung wird dann dem Häuptling
überbracht. Ist der letztere ein verständiger Mann, so kommt er gleich, so-
bald er von unserer Ankunft hört; ist er aber furchtsam und argwöhnisch,
so wartet er, bis er gewürfelt hat, und bis seine Krieger, die er in aller
Hast zusammen rufen läfst, sich versammelt haben. Sobald der Häuptling er-
scheint, klatscht sein Volk in die Hände, und klatscht so lange, bis er sich ge-
setzt hat; dann nehmen seine Räthe ihre Sitze neben ihm ein und er bespricht
sich ein paar Minuten mit ihnen. Ihnen gegenüber haben sich unsere Führer
492 Miscellen:
niedergesetzt. Darauf beginnt eine höchst kuriose Scene. Beide Parteien sehen
sich ernsthaft an und sprechen ein Wort aus, wie z. B. Amhimatu (unser
Häuptling oder Vater), und Jeder klatscht in die Hände; darauf ein zweites
Wort, und zweimal wird geklatscht; ein drittes Wort, dreimaliges Klatschen, und
gleichzeitig berühren alle mit ihren geschlossenen Händen den Boden. Dann
springen Alle auf, klatschen; setzen sich nieder und — klatsch! klatsch! klatsch!
lassen den Ton dann allmählich verhallen. Sie halten dabei vortrefflich Taet und
der Häuptling dirigirt. Darauf erzählen unsere Führer dem Häuptling, was sie
zu sagen für zweckmälsig halten, und ziehen sich unter leisem Händeklatschen,
oder eine Hand auf die Brust gelegt, zurück; dasselbe thun auch die Untertha-
nen, wenn sie beim Fortgehen an dem Häuptling vorüberkommen. Nach kurzer
Unterredung mit dem Häuptling werden die üblichen Geschenke übergeben, und
bald bringt das Volk Lebensmittel zum Verkaufe. In manchen Dörfern klatschten
die Leute mit aller Kraft, wenn sie billigten, was der Häuptling uns sagte; in
andern unterblieb das Klatschen uns gegenüber, aber wir bemerkten, dafs es statt-
fand, wenn schwarze Fremde ins Dorf kamen. Der Häuptling am See, ein alter
Mann, kam aus freiem Antriebe, uns zu sehen; er sagte, dafs er von unserer
Ankunft gehört habe, setzte sich nieder unter einen Baum und lud uns ein, bei
ihm zu wohnen.
Manche von den Männern haben sehr kluge Gesichter, mit hohen Stirnen
und schön geformten Köpfen. In den aufserordentlich mannichfaltigen Arten, wie
sie ihr Haar arrangiren, zeigen sie grofsen Geschmack. Ihre Perlen-Halsbänder
sind recht hübsch gearbeitet. Viele haben sowohl den oberen und mittleren, wie
den untern Theil des Ohrs durchbohrt und tragen in jedem Ohr drei bis fünf
Ringe. Das Loch im Ohrläppchen ist so grofs, dafs man den Finger hindurch-
stecken kann; manche tragen darin ein Stück Bambus von 1 Zoll Länge. Wir
bemerkten messingene und eiserne Armbänder mit sorgsam gearbeiteten Verzie-
rungen; einige Männer prunkten mit zwei bis acht messingenen Ringen an jedem
Finger, und selbst die Daumen sind nicht vergessen worden. Sie tragen kupferne,
messingene und eiserne Ringe an Beinen und Armen. Einige haben ihre Vor-
derzähne ausgekerbt, andere sie spitz zugefeilt, dafs sie wie die Zähne einer Säge
aussehen. Den Weibern giebt der Ring, den sie in der Oberlippe tragen, ein ab-
stolsendes Aussehen; doch ist dieser Zierrath in den Hochlanden allgemein üb-
lich. Man durchsticht zu diesem Zweck die Oberlippe und erweitert die Oeffnung
allmählich, bis das Pelele, das manchmal sehr grofs ist, hineingefügt werden kann.
Ein Ring, den wir mafsen, war so grolfs, dafs er die Lippe noch 2 Zoll über die
Nasenspitze ausweitete; und wenn die Dame lachte, hob sich der Schmuck durch
die Zusammenziehung der Muskeln bis über die Augen. „Weshalb tragen denn
die Frauen diese Dinge?“ fragten wir den ehrwürdigen Häuptling Chinsurdi.
Sichtlich überrascht über eine so einfältige Frage, antwortete er: „Der Schönheit
wegen! Das ist das einzige Schöne was die Weiber haben! Männer haben Bärte,
die Weiber nicht. Was für Geschöpfe würden sie sein ohne Pelele? Sie würden
ja gar keine Weiber sein, wenn sie einen Mund hätten wie die Männer, aber
ohne Bart!“ Eine Frau, die ein grofses zinnernes Pelele trug mit einem Boden
wie eine Schüssel, wollte dasselbe durchaus nicht verkaufen, weil, wie sie sagte,
° Das Shir€-Thal und seine Bewohner. 493
“ ihr Mann sie schlagen würde, wenn sie ohne Pelel&E nach Hause käme. Diese
Ringe sind von Bambus, von Eisen oder von Zinn gemacht.
Die dürftige Kleidung der Leute — präparirte Baumrinde, Thierfelle (na-
mentlich Ziegenfelle) und ein dicker, starker, baumwollener Stoff — ist von ih-
nen selbst verfertigt. Sie scheinen ein fleilsiges Volk zu sein. Eisen wird aus
den Bergen gewonnen und jedes Dorf hat ein oder zwei Schmelzhütten; von dem
so gewonnenen Eisen verfertigen sie ausgezeichnete Hacken, Aexte, Speere, Mes-
ser, Pfeilspitzen u. dergl. Sie verfertigen auch runde Körbe von verschiedener
Gröfse, und irdene Töpfe, die sie mit Bleierz verzieren, welches, ihrer Aussage
zufolge, in dem Gebirgslande gefunden werden soll; wir konnten nicht genau er-
fahren, wo und in welcher Menge? Die Probe, die wir zu Gesicht bekamen,
war nicht rein.
In allen Fischerdörfern am Ufer des Shir€ waren die Männer eifrig damit
beschäftigt, Buaze ') zu spinnen nnd daraus grofse Fischernetze zu flechten, wäh-
rend andere daraus auf Webestühlen der einfachsten Art ein grobes Zeug webten;
die Arbeit ging überall sehr langsam vorwärts.
Das ganze Land ist zum Baumwollenbau sehr geeignet. Man hat hier
zweierlei Baumwolle, „TZonji manga“ oder fremde Baumwolle, und „Tonji cadji“
oder einheimische Baumwolle. Die erstere ist von guter Qualität und hat einen
Stapel von 3 bis 1 Zoll Länge. Sie ist perennirend; nach drei Jahren bedürfen
die Pflanzungen einer Erneuerung. Die einheimische Baumwolle mu/s im Hochlande
alljährlich gepflanzt werden; sie ist von kurzem Stapel, und fühlt sich mehr wie Wolle
denn wie Baumwolle an. Jede Familie scheint ein besonderes Baumwollenfeld zu
besitzen, welches von Gras und Unkraut rein gehalten wird. Die fremde Baumwolle
bemerkten wir am See und an verschiedenen Punkten auf einer Strecke von 30 Miles
südlich von demselben, und auf einer eben so grofsen Strecke unterhalb der Kata-
rakten am untern Shire. Obgleich die einheimische Baumwolle in den Hochlanden
Jährlich angepflanzt werden mufs, geben die Eingeborenen ihr doch den Vorzug, weil
sie ihrer Versicherung nach „ein stärkeres Zeug giebt“. Einer Anzahl intelligenter
Eingeborenen an der seeartigen Erweiterung des Shire machten wir bemerklich,
dafs sie mehr Baumwolle anpflanzen sollten; dann würden vielleicht die Englän-
der kommen und sie kaufen. „Ja wohl“, sagte ein ältlicher Mann, ein Kauf-
mann, der viel umherreiste, „das Land ist voll von Baumwolle“. Unsere eige-
nen Beobachtungen haben uns davon überzeugt, dafs diese Versicherung richtig
ist. Ueberall fanden wir Baumwolle. Felder von 2 bis 3 Acres sahen wir auf
unserer Reise, als wir den Tamandua-See entdeckten, an den Katarakten; bei
unserer jetzigen Tour, auf einer anderen Route haben wir nur Felder von höch-
stens 3 Acre Gröfse gefunden, meistens waren sie 4 Acre grofs. Auf den Ebe-
nen sowohl am oberen wie am unteren Shire giebt es ausgedehnte Striche, auf
denen Salz ausschwitzt. Hier könnte Sea -island-Baumwolle ?) gut gedeihen, da
auf solchem Boden die fremde Baumwolle einen längeren Stapel bekommt. Die
2) Die Fasern einer Pflanze, die an Festigkeit und Feinheit die des Flachses
übertreffen sollen. -
2) Die beste Qualität von Baumwolle, von den Inseln an der Küste Georgiens.
A9A Miscellen:
Baumwollenfelder leiden hier nie durch Fröste, die hier unbekannt sind, und
beide Arten erfordern aufserdem nur wenig Arbeit, durchaus nicht solche auf-
reibende Anstrengungen, wie sie in den Vereinigten Staaten nothwendig sind.
Die Einwohner sind fleifsige Landwirthe, und der Boden belohnt ihre Mühe
gut. Alle Dorfbewohner, Männer, Weiber, Kinder und Hunde wandern zu Zei-
ten aus, um auf den Feldern zu arbeiten. Ein Häuptling sagte uns, dafs alle
seine Unterthanen zum Hacken ausgezogen wären, und an anderen Orten sahen
wir Leute zahlreich bei der Arbeit beschäftigt. Wenn Unland in Cultur genom-
men werden soll, umfafst der Arbeiter von dem hohen trocknen Grase so viel
als er kann mit der Hand, bindet die Spitze in einen Knoten zusammen, sticht
mit der Hacke durch die Wurzeln und löst den Büschel mit etwas Erde an den
Wurzeln vom Boden los, worauf er ihn aufrecht hinstellt. Ist diese Arbeit auf
dem ganzen Felde beendet, so sieht dasselbe wie ein Erntefeld aus, da es überall
dicht mit solchen 3 Fuls hohen Garben bedeckt ist: Kurze Zeit vor dem Be-
ginn der Regenzeit wird eine Anzahl dieser Garben zusammengeworfen, Erde
darüber gescharrt und das Gras darunter angezündet. Der Boden wird also ähn-
lich wie bei uns in manchen Gegenden behandelt. Wollen die Leute ein Wald-
land entholzen, so verfahren sie genau so wie die Farmer in Canada und den
westlichen Staaten der Union: sie hauen die Bäume um, lassen die Stümpfe etwa
3 Fufs hoch stehen, und bringen Stämme und Aeste auf einen Haufen, um sie
anzuzünden.. In grofser Menge baut man Lassaver (?) auf Beeten von 3 bis 4 Fuls
Breite und 14 Fufs Höhe; ebenso Mais, Reis, zwei Arten Hirse, Bohnen, Zucker-
rohr, süfse Kartoffeln, Yams, Erdnüsse, Kürbisse, Taback und indischen Hanf.
Am .Nyassa-See sahen wir Indigo von 7 Fufs Höhe. Auch viel Bier wird ge-
braut, und die Eingeborenen sind grolse Freunde davon. Wir fanden ganze
Dorfschaften beim Zechen, und sahen alle Sorten von Trunkenheit, die stumpf-
sinnige, die alberne, die unruhig geschwätzige, und bei einer Gelegenheit sogar
die händelsüchtige; ein kleiner Häuptling stellte sich nämlich mit einigen seiner
Leute uns entgegen und rief uns zu: „Ihr dürft hier nicht weiter! Ihr mülst
zurück!“ Hätte er sich nicht mit mehr Eile als Würde aus dem Staube ge-
macht, so würde ihm wohl ein zorniger Makololo die Lust zu ähnlichen Hän-
deln für alle Zukunft gründlich ausgetrieben haben. Der älteste Reisende in un-
serer Gesellschaft machte die Bemerkung, dafs er während seines vieljährigen
Aufenthaltes in Afrika nirgends so viel Trunksucht gefunden habe wie hier.
Nichtsdestoweniger werden die Leute sehr alt. In den Hochlanden wird man
überrascht durch die grofse Anzahl alter grauköpfiger Personen. Man kann
daraus auf ein gesundes Klima schliefsen; der Reinlichkeit wenigstens haben sie
ihr langes Leben nicht zu danken. „Warum wascht Ihr Euch?“ fragten einige
Weiber zu Chinsurdi die Makololo’s. „Unsere Männer waschen sich nie.“ Ein
alter Mann sagte uns, er erinnere sich, dafs er sich einmal gewaschen habe, als
er noch ein Knabe war, aber; er habe es nie wieder gethan; und sein Ausse-
hen gab uns keinen Grund, an seiner Versicherung zu zweifeln. Ein Bursch,
der uns einige verworrene geographische Belehrungen aufdrängen wollte, folgte
uns ein Dutzend Miles weit und stellte uns dem Häuptling Moena Moezi
mit den Worten vor: „Sie sind gewandert; sie wissen nicht wohin sie ge-
hen“. „Setze dem Mann doch den Kopf zurecht,“ sagte ein Makololo - Häupt-
Das Shire- Thal und seine Bewohner. 495
ling zu seinem Factotum, der sofort anfing den Burschen auszuschelten; nichts-
destoweniger wollte der sonderbare Geograph bei uns bleiben und wir konnten
ihn nur dadurch los werden, dafs die Makololo’s ihm drohten, sie würden ihn
an den Flufs nehmen und ihn abwaschen. Das Ricinus-Oel, mit dem sie sich
einreiben, und der Schmutz dienen ihnen zur Ergänzung ihrer Kleidung, und sich
. zu waschen bedeutet bei ihnen so viel, wie die einzige Bekleidung ihres Ober-
körpers zerstören. Nach dem Waschen frieren sie und fühlen sich unbehaglich.
Wir bemerkten mehrere Personen mit Pockennarben. Als wir den Häupt-
ling Mongazi, der etwas angetrunken war und sich sehr angenehm machen wollte,
fragten, ob er wisse, woher die Krankheit käme, ob sie über die See zu ihnen
gekommen sei, antwortete er, er wülste es nicht, vermuthete aber, sie wäre von
den Engländern zu ihnen gebracht. Wie die anderen Africaner, sind auch diese
Leute ziemlich abergläubisch. Wer angeschuldigt wird, einen anderen behext und
seinen Tod verursacht zu haben, trinkt freiwillig oder gezwungen den Maiori, als
Gottesgericht. Auf unserem Wege nach dem See führte uns ein Häuptling freund-
lieh durch zwei Dörfer, deren Chefs durch den Maiori-Trank getödtet waren;
und wenn ein Häuptling stirbt, glauben seine Unterthanen, dafs sie jeden Frem-
den, der in ihr Dorf kommt, plündern dürfen. Ein Häuptling nicht weit vom
Zomba, in dessen Dorf wir bei unserer Hinreise gefrühstückt hatten, trank vor
unserer Rückkehr den Maiori, und vomirte; er war also unschuldig. Seine Un-
terthanen legten durch Singen, Tanzen und Trommeln ihre Freude an den Tag.
Selbst Chibisa, ein intelligenter und mächtiger Häuptling, hat einmal den Trank
genossen; und als er uns die Versicherung gab, dafs alle seine zahlreichen Kriege nur
aus gerechten Gründen unternommen und seine Feinde stets im Unrecht gewe-
sen wären, fügte er hinzu: „Wenn Ihr daran zweifelt, bin ich bereit, den Maiori
zu trinken“. Am Abend des Tages, an dem wir zu Moena Moezi kamen, hatte
ein Alligator sein Hauptweib genau von der Stelle fortgerissen, wo einige unse-
rer Leute sich ein paar Stunden vorher gewaschen hatten. Bei unserer Rück-
kehr erfuhren wir, da[s er in mehrere Dörfer Boten gesendet hatte, um sagen
zu lassen, er wisse nicht, ob wir auf jene Stelle Medicin gegossen hätten, aber
bald nachdem wir an der Stelle gewesen, wäre daselbst sein Weib von einem
Alligator fortgerissen worden. Das erste Dorf wollte uns keine Lebensmittel ver-
kaufen und Nichts mit uns zu thun haben, und der Häuptling des nächsten Dor-
fes, der gerade auf dem Boabab lagerte, lief eiligst fort und liefs sein Ruheholz
(wooden pillew) und seine Matte im Stich. Weiber laufen selten weg, — viel-
leicht haben sie mehr Muth als die Männer. Wenn Jemand stirbt, stimmen die
Weiber die Todtenklage an und setzen sie ein paar Tage lang fort. Mit kla-
gender Stimme werden ein paar Worte gesungen, die mit einem langen Ton:
a—a, oder o—o, oder ea, ea, e—a endigen. Der Todte wird in derselben Hütte
begraben, in der er gestorben ist; diese wird dann geschlossen und verfällt all-
mählich. Am Ufer des obern Shir€ fanden wir ein Dorf in Trauer, da einige
Zeit vorher der Vater des Häuptlings gestorben war. Die Leute hatten sich
seitdem nicht gewaschen, obgleich auf diesen Ebenen das Waschen mehr oder
weniger üblich ist, und sie wollten sich auch nicht eher waschen, bis einige ent-
fernt wohnende Freunde, welche Flinten besafsen, eingetroffen wären und einige
Schüsse über dem Grabe abgefeuert hätten. Das Zeichen der Trauer besteht in
496 Miscellen:
schmalen Streifen von Palmblättern, die rund um Kopf und Arme, manchmal
um Kopf, Hals, Brust, Knie, Enkel, Arme und Handgelenke gewunden werden.
Die Leute haben einen Begriff von einem höchsten Wesen, das sie Pambe nennen, und
auch von einem zukünftigen Dasein. Der Häuptling Chinsurdi sagte, sie wüls-
ten Alle, dafs sie nach dem Tode noch einmal lebten; zuweilen kämen die Tod-
ten wieder zurück und erschienen ihnen in Träumen, aber sie sagten nie, wohin
sie gekommen wären. In der That, — hier ist ein fruchtbares Feld für men-
schenfreundliche Unternehmungen. Hier bedürfen Tausende christlichen Unter-
richts, hier sind Objecte für redlichen Handelsverkehr vorhanden, hier giebt es
es ein schönes gesundes Land, ohne die gefährlichen Insecten, von denen Bur-
ton und Speke geplagt wurden, und — mit alleiniger Ausnahme einer kurzen
Strecke von 30 Miles — eine ununterbrochene Wasserverbindung mit England.
Den Bewohnern darf nur für den Verkauf ihrer Baumwolle ein Markt eröffnet
werden, dann können sie Baumwolle bauen, so viel verlangt wird, und dann
wird auch der Sklavenhandel ein schnelles Ende finden. Seit,
Nachricht über die Reise des Consuls Wetzstein von Da-
maskus durch Gedür und Gölän nach Kalat Mzerib.
Aus einem neuen Schreiben des Herın Doergens an Herrn Prof. Dove,
datirt aus Mzerib 16. Mai, heben wir über seine Reise mit Herrn Consul Wetz-
stein folgende Mittheilungen hervor:
„Seit einigen Tagen sind wir hier in Mzerib anwesend. Ein paar Tage Ruhe
auf einer solchen Reise sind eine wahre Wohlthat, weniger der ausgehaltenen
Strapazen als vielmehr der Zeit wegen, die man dadurch gewinnt, Tagebuch, In-
strumente ete. nachzusehen und das Nöthige für die fernere Reise zu ordnen.
Hier ist gegenwärtig die grofse Pilgerkarawane nach Mekka versammelt und des-
halb ist grofser Markt, welcher von den Beduinen dazu benutzt wird, ihre Ein-
käufe zu machen. Die Kaufleute, welche diesen Markt beziehen, sind meist Da-
mascener. Wir wohnen in dem Castell und haben eine sehr schöne Aussicht auf
den Schauplatz dieses bunten Treibens. Die Zahl der Zelte beträgt circa 1500,
davon kommen c. 250 auf die Kaufleute und Händler, die anderen auf die Pil-
ger, Soldaten, Pascha’s etc.
Hier hat sich so viel Fremdartiges vereinigt, dafs die Zeit unseres Aufent-
halts eigentlich zu kurz ist, um Alles ordentlich anzusehen. Erinnerten uns nicht
die orientalischen Gesichter, die langen Bärte, die buntfarbigen, theils zerfetzten
Anzüge, das Geschrei in fremden Zungen, die Tausende von Kameelen und Bal-
dachinen daran, dafs wir uns nicht in Europa befinden, so könnte man wohl
glauben, dafs wir einem grofsen Volksfeste oder einem grolsen Jahrmarkt in der
Heimath beiwohnten.
Was unsere Reise hierher anbetrifft, so zogen wir von Damaskus am 19.
April aus in südlicher Richtung; auf unserem Wege untersuchten wir dann die
kleineren vulkanischen Hügel Tell el Mer‘i, Tell el Scha’ära ete. und den Tell el
Hära, den gröfsten unter diesen vereinzelt dastehenden vulkanischen Hügeln. Von
diesem wendeten wir uns westlicher nach dem langen knieförmig gebogenen Ge-
Reise des Consuls Wetzstein von Damaskus nach Kalfat Mzerib. A497
birgszuge El Hisch; wir waren mehrere Tage Gäste des Gouyerneurs der Provinz
Gölän;, er veränderte täglich seinen Ort, in nördlicher Richtung ziehend, und wir
zogen mit ihm; dann trennten wir uns von ihm und wendeten uns nach dem El
Hisch. Wir bestiegen den Hami cursuh, die höchste Spitze desselben, und zogen
dann immer nördlicher, um den Zusammenhang des El Hisch mit dem Hermon
zu untersuchen; auf diese Weise gelangten wir zum Hermon. Die Ruine Banias,
welche wir bestiegen, liegt auf dem Berge gleichen Namens, welcher seiner For-
mation wegen zum: Hermon gehört.
Wir würden die höchste Spitze des Hermon, von der wir noch 6 bis 8 Stun-
den entfernt waren, erstiegen haben, wenn man dem Herrn Consul nicht entschie-
den. von diesem Vorhaben ‚abgerathen hätte, der ungeheuren Eisfelder wegen, die
sich oben noch befänden. Wir würden jedenfalls von oben eine herrliche Aus-
sicht auf die von uns schon durchreisten und noch zu durchreisenden Gegenden
gehabt haben.
Von der Gegend des Hermon begaben wir uns westlich vom El Hisch und
zogen südwestlich bis zum See Tiberias, zu dessen Ufer wir hinunterstiegen. Die
Gegend zwischen Tiberias und hier haben wir dann. noch ordentlich durchzogen
und kamen am: Donnerstag Abend den 10. Mai hier an.
Bei der Abreise von Damaskus legte ich es dem Herrn Consul Pfäffinger
noch mündlich dringend an’s Herz, so viel als möglich Barometerbeobachtungen
während unserer Abwesenheit zu machen, welches er mir auch versprach. Auf
der Reise habe ich täglich im Durchschnitt fünf Barometerbeobachtungen gemacht;
_ die Breite habe’ ich bestimmt von Kenakir, einem Punkte am Fulse des Tell el
Faras, und; Mz£erib; sämmtliche Punkte stehen durch Winkelmessungen mit an-
deren in Verbindung. Monddistanzen habe ich ebenfalls gemessen. Zeichnungen
habe ich namentlich von Gebirgen gemacht; alte Bauwerke haben wir in Gedür
und. Gölän nur einige. gefunden, ‚die ich gezeichnet, Den: El Hisch habe ich von
verschiedenen Seiten gezeichnet, so dafs ich von seiner Gestalt ein ganz klares
Bild habe.
‚„. Hier von dem Castell zu Mzerib aus haben wir eine sehr schöne Aussicht
auf die von uns durchreiste Gegend. Die Hügel Tell el Gumü‘, Tell.el Gäbie,
‘ Tell el Hära etc. erscheinen. ziemlich alle in einer von SW. nach NO. (sie!) lau-
fenden Linie liegend; links von ihnen, durch eine grolse Ebene getrennt, sieht
man den EI Hisch, im Hintergrunde erscheint der Hermon majestätisch, dem be-
sonders bei Sonnenuntergang prachtvollen Bilde einen grolsartigen Abschlufs ge-
bend. Ein Zelt führen wir nicht bei uns, wir schlafen unter Beduinenzelten, die
von allen Seiten offen sind, so dafs wir also eigentlich unter freiem Himmel näch-
tigen; hier im Castell schlafen wir auf dem Dache desselben und haben in den
letzten Nächten eine sehr niedrige Temperatur gehabt; während sie in den vor-
hergehenden Tagen 29—30° war (im Max.), betrug sie in den letzten Nächten
| 12 —13° bei starkem West.
. Heute werden wir wahrscheinlich Mzerib verlassen. In 30 Tagen werden
' wir, wenn Gott will, in Damaskus sein.
Bei der Anstellung von Barometerbeobachtungen "unter den Beduinenzelten
habe ich immer meine Last mit der Neugier dieser Beduinen; Anfangs incommo-
dirte mich dies ein wenig, jetzt lasse ich mich nicht mehr dadurch stören und
Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII. 32
A498 Miscellen:
leide nicht, dafs einer in die Nähe des Instruments kommt; je entschiedener man
auftritt, desto mehr Respect haben sie. Die Boussole halten die Beduinen, da
das eine Ende der Magnetnadei immer nach Süden zeigt und die Gebetsrichtung
in Syrien nach Süden ist, weil Mekka südlich liegt, für einen Beweis von der
Richtigkeit ihrer Religion.“
Abich’s Forschungen im Kaukasus während des Jahres
1859.
Aus einem Schreiben Abich’s an Herrn Prof. Kiepert heben wir folgende
interessante Mittheilungen hervor:
„Tieferes Eindringen in die Geognosie und die geographische Gliederung des
kaukasischen Gebirges als einen der Hauptzwecke meines Hierseins verfolgend,
darf ich mit den Ergebnissen des vergangenen Jahres dennoch zufrieden sein,
wenngleich ein sehr regnerisches Frühjahr meinen Wanderungen ungewöhnliche
Schwierigkeiten bereitete und meine Erkrankung mir den Besuch des Hochgebir-
ges im August und September unmöglich machte. Noch einmal habe ich das
weite Gebiet der südöstlichen kaukasischen Schlammvulkane auf dem grolsen
Dreieck zwischen Schemacha, Sallian und Baku gründlich durchwandert und
meine Untersuchung bis auf die Inseln ausgedehnt, welche zwischen den Mün-
dungen des Kur und Pyrsagat der Westküste des Meeres sich nahe parallel er-
strecken. Die Erweiterung der Anschauungen auf diesem lehrreichen Gebiete hat
mich mit Thatsachen bekannt gemacht, die ein überraschendes und helles Licht
auf das Wesen der Schlammvulkane werfen und nöthigen, diesen Bildungen eine
bei Weitem höhere Bedeutung zu geben, als ihnen bisher vindicirt worden ist.
Die geologische Tragweite dieser Bedeutung leitete den Gang meiner Untersuchung
in den südöstlichen Theil des kaukasischen Gebirges zurück und veranlafste mich,
ganz besonders demjenigen Theile desselben genügende Aufmerksamkeit zu wid-
men, der unter dem Namen des Gebirges von Lahitsch bekannt ist. In diesem
selbstständigen, durch plutonische Gewalten physiognomisch äufserst grolsartig ge-
stalteten Gebirgszuge erhält das kaukasische Mittelgebirge vom Meridian des
11,900 Fufs hohen Baba-Dagh an eine Vorkette, deren absolute Höhen bis zu
9000 Fuls aufsteigen. Die antiklinale Achse dieses Vorgebirges von mäfsiger
Länge läuft der kaukasischen Kammlinie mit etwa W.28° N. parallel und wirkt
in gleicher Richtung dislocirend bis Schemacha. Die verborgenen, jedenfalls aus
grofser Tiefe emporwirkenden Ursachen, welche die häufigen Erderschütterungen
in dem gebirgigen Theile des Gouvernements von Schemacha bedingen, verrathen
auf das Deutlichste ihren Sitz in der Fundamental-Region des Gebirges von La-
hitsch. Die Fortpflanzung der seismischen Stöfse und Schwingungen hat sich
wirklicher genauer Beobachtung jedesmal jener Achsenrichtung angeschlossen
gezeigt. — Mehr oder weniger versteckte Ausströmungen von brennbarem Kohlen-
wasserstoffgas finden sich im Innern des Gebirges, seiner Längenrichtung folgend.
Fortwährend brennende Gasquellen besuchte ich in der Nähe des Dorfes Botscha,
in absoluter Höhe zwischen 5000 und 6000 Fufs. Sie geben an Umfang und
Intensität den- analogen Erscheinungen bei Khinalu am südlichen Abhange des
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Abich’s Forschungen im Kaukasus während des Jahres 1859. 499
dem kaukasischen Schiefergebirge nördlich vorliegenden Schah-dagh nichts nach.
Der Gerdimantscheu, in den baumlosen alpinen Thaleinsenkungen des Baba-dagh
entspringend, setzt, nachdem er das umfangreiche Kesselthal von Lahitsch durch
strömt hat, als wilder Bergstrom im engen Thalspalt durch das Lahitsch-Gebirge.
Die Naturverhältnisse dieser Schlucht, welche die gäotektonischen Grundzüge die-
ser merkwürdigen südlichen kaukasischen Vorkette blofslegt und die metamorphi-
schen, bis zur Vertikale aufgerichteten Schichten des Macigno und Kreidegebir-
ges im mächtigsten Contacte mit ganz eigenthümlichen plutonischen Bildungen
zeigt, führen Scenen vor, die der Geologe und Naturfreund unbedingt zu den
denkwürdigsten und imposantesten zählen wird, die der Kaukasus besitzt.
Für dieses Jahr sind meine Reisepläne ausschliefslich auf den Kaukasus ge-
richtet. Wenn es mir gelingt, dieselben auszuführen, so werde ich die Befriedi-
gung haben, meine Aufgabe, so weit ich sie mir für das kaukasische Gebirge
eonsequenter Weise stellen durfte, vollständig gelöst zu sehen. Mit dem Anbe-
ginn des Frühlings begebe ich mich nach Daghestan, um die in den Jahren 1847
und 1852 daselbst begonnenen Untersuchungen fortzusetzen und über das ganze
Gebirgsland auszudehnen. Damit der kriegerischen Eroberung des gesammten
südlichen Kaukasus auch die wissenschaftliche auf dem Fufse folge, „was um der
Unbeständigkeit der menschlichen Dinge willen sehr zu beschleunigen ist“, wer-
den sich noch mehrere Akademiker von St. Petersburg zur Ausführung einer um-
fassenden Expedition nach dem Daghestan für den Sommer hier einstellen, durch
welche die linguistisch-historische, die botanische und zoologische Richtung ver-
treten sein wird. Für den hohen Sommer und Herbst beabsichtige ich die Durch-
wanderung eines grofsen Theiles des westlich vom Terek gelegenen Hochgebirges
bis zu den Kubanquellen und hoffe durch Grofs-Suanien nach Abchasien und
nach Mingrelien zu gelangen. Ich mu/s eine vollständige Durchführung dieser
Excursionen um so mehr wünschen, da ich zugleich darauf rechnen mufs, die
Verluste wieder ersetzt zu sehen, welche mir ein Brandunglück in St. Petersburg
durch die Vernichtung des paläontologischen Theils meiner kaukasischen Samm-
lungen im September des vergangenen Jahres verursacht hat. Für wesentliche
Theile der von mir besuchten Ländergebiete südlich vom Kaukasus ist mir dieser
Ersatz schon in dem vergangenen Jahre möglich gewesen. Ganz besonders darf
ich mit meiner petrefactologischen Ausbeute aus Klein-Asien zufrieden sein.
Sie werden aus dem Vorstehenden ersehen, dafs ich auf dem Wege des Ab-
schlusses meiner kaukasischen Aufgabe nicht feiere. Die Vervollkommnung einer
physikalisch -geologischen Darstellung der kaukasischen Länder als Grundlage mei-
ner Schilderungen ist Hauptziel, für welches ich in jetziger Zeit besonders wirke.
Die Beweise nicht erstorbener Theilnahme meiner entfernten Freunde in Berlin
an mir und meinen Bestrebungen würden mir wohlthuend sein und einen Ersatz
bieten für so viele Entbehrungen, die sich in geistiger und wissenschaftlicher Be-
ziehung von meinem Aufenthalte an hiesigem Orte nicht trennen lassen. Auch
Mittheilungen in bestimmter Richtung ausgehender Wünsche würde ich gern zu
erfüllen mich bemühen und zur Unterhaltung eines regen N mit wahrer
Befriedigung lebhaftesten Bedürfnisses das Meinige thun,“
32*
500 Miscellen:
Die Stadt Tjumen ').
Die Kreisstadt Tjumen im Gouvernement Tobolsk ist jetzt berühmt als ein
Hauptsitz des westssibirischen Handels, wie sie es früher als Residenz tatari-
scher Chane war. Sie wurde, wahrscheinlich gegen das Ende des XIV. Jahrhun-
derts von Taibuga begründet, einem Spröfsling der alten tatarischen Dynastie, die
schon seit langer Zeit in Kisil-Tura am Ischim über ein mächtiges Reich ge-
herrscht hatte. Sein Vater, On-Sson, war von einem gewissen Tschingi ge-
stürzt und getödtet worden; dem Blutbade, das der Usurpator anrichtete, entrann
nur Taibuga, der jüngste Sohn On-Sson’s, dessen sich Murat-Bii, der Haushof-
meister Tschingii’s, erbarmte; er schickte den Knaben an einen entlegenen Ort
und liefs ihn hier auferziehen. Dafs Taibuga der Sohn On-Sson’s sei, kam spä-
ter Tschingii zu Ohren. Mit dem Versprechen, ihm die Herrschaft zu hinterlas-
sen, rief der Chan den Jüngling zu sich. Taibuga hatte den Muth dazu, und
fand wirklich freundliche Aufnahme; der Chan schickte ihn mit einer Heeresab-
theilung gegen die Ostjaken, und in seinen alten Tagen theilte er sein Reich
mit ihm. Taibuga, entzückt von der schönen Gegend am Flusse Tura, in wel-
cher das jetzige Tjumen liegt, gründete hier eine Stadt und nannte sie zu Eh-
ren des alten Chans Tschingitura. Wann und weshalb dieser Name in Tjumen
umgewandelt wurde, ist bei dem Mangel historischer Ueberlieferungen schwer zu
entscheiden. Einige leiten den letzteren Namen von dem tatarischen Wort Zumen,
zehntausend, ab, und meinen, dafs damit entweder die Stärke der Heerden oder die
des Kriegsheers der hiesigen Chane bezeichnet sein möchte; aber zu Ortsnamen
haben die Tataren Zahlwörter wohl nicht gebraucht. Andere leiten ihn ab von
den tatarischen Worten 4ju, Eigenthum, Erbgut (vom Verbum timak, zugehören,
zufallen) und vom Pronomen mjan, ich, oder mjaniki, mein, so dafs Tjumen oder
Tjumaniki ‘bedeuten solle „mein Erbgut“, und meinen, dafs Taibuga, als ihm
nach Tschingü’s Tode das ganze Reich seines Vaters wieder zufiel, die von ihm
schon früher besessene Herrschaft durch diesen Namen ausgezeichnet habe. In
den russischen Chroniken wird die Stadt, wahrscheinlich zum Unterschiede von
dem kaspischen Tjumen, Wjelikii Tjumen, Grofs Tjumen genannt.
Unter Mar, dem Enkel Taibuga’s, bemächtigte sich der Chan von Kasan
dieses Reiches und vereinigte es mit dem seinigen; aber Mahmet, ein Enkel
Mar’s, schüttelte das Joch der Kasan’schen Herrschaft wieder ab. Er zog wei-
ter in das Innere nach NO. und gründete um die Mitte des XV. Jahrhunderts am
hohen Ostufer des Irtysch eine neue Residenz, Ssibir. Tjumen hatte seitdem bis
zur Eroberung Ssibirien’s durch die Russen besondere Herrscher, die bald Chane,
bald Sultane genannt werden. Mit Rufsland kam dieses Reich zuerst im J. 1483
in feindselige Berührung; damals zog ein russisches Heer über’ den Ural, mar-
schirte im Thal der Tura abwärts an Tjumen vorbei nach Ssibir und von hier
am. Ufer des Irtysch bis zum Obi nach Jugrien, worauf es mit reicher Beute
nach Ustjug zurückkehrte. Dagegen machte Kuluk-Sultan von Tjumen im J. 1505
1) Nach einer Abhandlung Abramow’s im Wjästnik der K. Russ. Geogr. Ge-
sellschaft 1858.
u nn Da an
Die Stadt Tjumen. 501
einen verheerenden Einfall in das Gebiet von Perm. Die Eroberung Tjumen’s
durch Jermak fällt in das J. 1580.
Die alten Bewohner dieses Tataren-Reiches trieben Handel nach der Konda,
nach Jugrien und Obdorsk, von wo sie Pelzwerk, Fische, Flaumfedern und Mam-
muthknochen erhielten; zum Tausch gaben sie den Bewohnern des Nordens Ei-
sen, Silberwaaren, Getreide und verschiedene Gewebe. Auch die Bulgaren un-
terhielten mit Ssibirien Handelsverbindungen und brachten Juchten, seidene und
baumwollene Gewebe, Silber, Säbelklingen, Honig und andere Gegenstände dort-
hin. Ihre Karawanenstralse ging von der bulgarischen Hauptstadt nach NO. fast
bis 57° N. Br., wandte sich dann, ehe sie den Ural erreichte, mehr nach Süden,
überschritt das Gebirge unter 56° N. Br. und zog dann in derselben Richtung
bis 80° O.L., von wo sie sich wieder nordostwärts nach Isker am Irtysch wandte.
Seit alten Zeiten besuchten auch die Bucharen Ssibirien; ihre Karawanen brach-
ten dorthin Baumwolle, seidene und baumwollene Gewebe, Lämmerfelle, Felle
von Leoparden und Tigern, Cochenille und getrocknete Früchte,
Von Ueberresten aus der Tatarenzeit sind die Stadtbefestigungen zu erwähnen,
die aus Wällen und Gräben bestehen. Der erste Graben, fast 7 Fufs tief und mit
einem Erdwall versehen, beginnt am See Ljamin und geht, 600 Sashen weit, bis ans
Ufer der Tura. Der zweite, gegenüber dem „Gorodischtsche“ oder der alten Stadt,
ist 23 Arschin tief und hat einen 2 Arschin hohen und 70 Sashen langen Wall.
Sonst war die Stadt fast auf allen Seiten mit Schluchten umgeben. Die erste,
die sich fast in gerader Linie an der Tura hinzieht, heifst die Tjumen’sche; sie
war in alter Zeit mit Wasser gefüllt; die andere, der Wischnewyi Bujerak (Kir-
schenschlucht), streicht ihr parallel; die dritte heifst Dedilow’s Schlucht; die Sohle
dieser Schluchten liegt in gleichem Niveau mit dem Wasserspiegel der Tura.
Zwischen den beiden ersten lag die Stadt Tschingi; der Platz heifst noch jetzt
die Zarenstadt (zarewyi gorodischtsche). Zwei Werst von Tjumen liegt noch jetzt
eine grolse Anzahl von Kurganen ordnungslos nebeneinander; aber das Volk weils
über sie nicht mehr zu sagen, als dafs sie die Leichen der früheren Chane und
anderer hervorragenden Personen enthalten.
Nach Jermak’s Tode (1585) wurden die Wojewoden Wassil Ssukin und Iwan
Mjasnoi nach Ssibir geschickt. Bei Tschingitura gründeten sie eine russische
Stadt, die nach dem Namen des früheren Chanats Tjumen genannt wurde, und
bauten eine Kirche zu Ehren der Mutter Gottes. Im Jahre 1595 wurden neue
Festungswerke angelegt, und in den Jahren 1600 und 1601 statt der ersten klei-
nen hölzernen Kirche zwei gröfsere gebaut, eine ebenfalls der Mutter Gottes, die
andere in der Vorstadt den Heiligen Borifs und Gljäb geweiht. Die Festungs-
werke wurden 1642 erweitert und mit Thürmen und Thoren versehen. Bald
nach Gründung dieser russischen Stadt zogen sich viele Einwanderer hierher,
namentlich aus Perm, Ssolwytschegodsk und Ustjug Weliki. Diese letzteren
brachten die Gerberei, die Seifensiederei und die Wollenweberei nach Tjumen !).
Um den bucharischen Handel heranzuziehen, wurden den Bucharen im J. 1596
Zollbegünstigungen zu Theil, und in Folge dessen erschienen nicht blofs ihre
2) Aufser den genannten drei Erwerbszweigen war in Ustjuk Weliki noch be-
sonders die Malerei von Heiligenbildern zu Hause.
502 Miscellen:
Karawanen häufiger, sondern viele Bucharen siedelten sich hier an. Der auf-
blühende Handel zog dann wieder die Einwanderung russicher Fuhrleute nach
sich, die im Jahre 1605 eine eigene Slobode gründeten. Man mufs das Land
kennen, seinen fruchtbaren Boden, seine reiche Bewässerung, die schönen Flufs-
ufer und malerischen Gegenden, in denen Thäler und Hügel abwechseln, man
muls dieses Land kennen, um die Anziehungskraft zu begreifen, die es auf die
Einwanderer ausübte. Aber in der ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts hatte
die Stadt und ihr Gebiet noch viel zu leiden durch die feindlichen Einfälle der
Nogaier, Kalmyken, Kutschumowzen, Wogulen und Ostjaken.
Nach diesen historischen Notizen wenden wir den Blick auf den gegenwär-
tigen Zustand der Stadt. Tjumen liegt 50 Werst südwestl. von Tobolsk, unter
57° 10' N. Br. und 83° 11’ O.L., auf beiden Ufern der Tura, von denen das
rechte, das Bergufer, 70 bis 80 Fufs hoch, das linke, das Wiesenufer, flach ist.
Die Stadt zerfällt in vier Theile: die eigentliche Stadt, die alte Stadt (Gorodischt-
sche), Satjumenka (wo die Fuhrleute wohnen) und Sarjätschje oder der Stadt-
theil am linken Ufer der Tura. Das zur Stadt gehörige Gebiet umfalst 3871
Dessjatinen und 69 Sashen, wovon 905 Dessjatinen und 1170 Sashen auf die
Stadt selbst fallen. Der Boden des Bergufers ist thonig, darunter liegt ein gel-
ber Sand; dieses Sandes wegen ist das Ufer nicht fest, es ist vielmehr an man-
chen Stellen, z. B. am Kloster auf weiten Strecken eingestürzt. Auf der Wiesen-
eite ist das Ufer thonig und zum Theil sumpfig. Die Stadt ist regelmäfsig und
schön, an manchen Stellen weitläufig gebaut. Ihre gröfseste Länge (von W. nach
OÖ.) beträgt 3 Werst 460 Sashen, die gröfseste Breite 2 Werst 350 Sashen. Die
wichtigsten Gebäude sind zehn steinerne Kirchen, das Mönchskloster mit drei be-
sonderen Kirchen, das Rathhaus, die Kreisschule und die Kaufhalle; diese und
noch etwa 25 andere steinerne Häuser, so wie viele hübsch gebaute und verzierte
hölzerne geben der Stadt ein malerisches Aussehen, besonders auf der Bergseite,
die sich beträchtlich über die Umgegend erhebt.
Die Tura kommt aus dem Kreise Turinsk in den von Tjumen; ihr Bett ist
bei Tjumen 80 bis 90 Sashen breit. Im Mai und Juni, wenn der Flufs über-
tritt, wird die Communication zwischen beiden Ufern durch einen Prahm, sonst
durch eine auf flachen Booten ruhende Brücke vermittelt.
Das Klima ist gemäfsigter als sonst im Gouvernement Tobolsk. Im Som-
mer steigt die Hitze bis 29° R., im Winter bis —33°’ R. Starke Gewitter und
Hagel sind im Sommer nicht selten; und der letztere fällt zuweilen in sehr gro-
fsen Körnern. Ich füge hier einen Auszug aus meinen meteorologischen Beob-
achtungen vom 1. Juni 1851 bis 1. Januar 1853 bei. Die Beobachtungen wur-
den täglich dreimal, um 6 Uhr früh, um 2 und um 10 Uhr Nachmittags ausge-
führt; die Daten sind nach neuem Styl.
Mittlere Monatstemperatur vom Juni 1851 bis 1. Januar 1853, -
Grade Reaumur,
Jahr. Januar. Februar. Mäirz. April. Mai. Juni. Juli.
1851 m 2 — Br — 15,36 14,85
1852 —15,37 —14,09 ° —6,32 2,33 9,68, 11,48 45,39
a - a u Me u A 2 ae ee. ee ee
Die Stadt Tjumen. 503
Jahr. August. September. October. November. December. Jahr.
1851 12,37 10,36 —0,62 —4,31 — 9,14 —
1852 12,03 8,22 0,74 —9,24 —8,12') 0,56).
Extreme der Temperatur in Tjumen vom 1. Juni 1851
bis 1. Januar 1853.
1851 1852
Maximum | Minimum | Differenz |Maximum | Minimum | Differenz
Januar — _ — — 3,9 —31,0 | 27,9
Februar —_ — —_ 4 —25,0 22,5
März _ _ _ 7,0 —14,0 21,0
April —_ _ —_ 17,5 —12,0 29,5
Mai — _ — 20,0 1,5 18,5
Juni 29,0 4,5 24,9 22,0 0,0 22,0
Juli 24,5 6,5 18,0 25,0 8,0 17,0
August 22,5 4,0 18,9 23,0 5,0 18,0
September 23,5 0,0 23,9 20,0 —1,0 21,0
October 14.5 —8,0 22,5 18,0 —17,0 35,0
November 4,9 —18,5 23,0 0,5 —19,5 20,0
December 0,5 —22,3 23,0 1,5 —17,0 18,5
Temperatur der Jahreszeiten ?).
Winter. Frühling. Sommer. Herbst. Jahr.
1851 _ == 14,19 223 —
1852 —12,53 1,89 12,97. °—0,09 0,56.
Aus einer Vergleichung mit den Beobachtungen, die an der Kreisschule zu
Tjumen in den Jahren 1830 und 1840 angestellt sind, gewinnt man für die Tem-
peratur der Jahreszeiten folgende Mittel:
Winter. Frühlin. Sommer. Herbst. Jahr.
—12,30 4,00 14,00 2,00 1,94.
!) Der December war schneereich und nebelig. Im Kalender für 1854 ist die
mittlere Temperatur für November und December in St. Petersburg auf —4,78 und
— 3,07 angegeben.
2) Januar und Februar waren 1852 sehr kalte Monate; im ersteren sank das
Quecksilber auf — 31°, im zweiten auf — 25°. Auch der Juni, in welchem mei-
stens nördliche Winde herrschten, war ungewöhnlich kalt; am 7., 8. und 9ten fiel
Schnee, und die mittlere Temperatur des Monats beläuft sich demnach nur auf 11,48.
In Folge dessen ist auch die Durchschnittstemperatur des Jahres 1852 niedriger als:
gewöhnlich.
3) Jede zu drei Monaten, der Winter vom 1. Decbr. (n. St.) ab gerechnet.
504 Miscellen:
Witterung in Tjumen.
dreimal täglich beob-
achtet Tage mit
‚| Be- Ne- Ge- |Regen-| Nord-
Klara | are Deiiz | soner| Bogen | Hagel Yitar | bogen,| licht
1851
Juni 24 53 5 1 8 6 2 —_
Juli 18 35 20 == 14 2!) 6 2 _
August 23 56 10 — 10 4 4 _
September 21 36 3 — 4 — 1 —_ 1
October 7 37 25 8 7 — —_ — _
November 9 er 31 10 2 nr a a er
December 11 30 15 1% — — — — _
1852
Januar 27 45 8 b} _ — — — —
Februar 29 43 9 3 _ — _ — 2
März 25 44 18 4 z I, _ _ _
April 36 43 6 5 4 _ _ — _
Mai 22 60 3 2 12 4 2
Juni 26 59 6 3 15 2 5 5 _
Juli 32 48 14 — 17 3 3 _
August 30 53 10 — 10 — 3 2 —_
September 19 62 4 _ 8 — —_ —_
October 10 68 6 7 3 — — —_
November 17 53 8 7 1 == — ==
December 13 28 46 T == — —
Windesrichtung.
| Fr
1851 | N. | NO. | sw.| 0. | 8. .| so. |sw. | w. Nie
Juni 5 6 14 3 4 16 18 10 14
Juli 12 9 33 5 pP 6 16 8 4
August 2 6 13 1 6 13 25 11 16
September — 4 9 = 20 20 32 — b)
October 11 2 6 5 3 36 14 12 4
November 6 2 13 8 13 8 BON Ta 5
December 2 2 4 3 22 25 26 — 72)
1852
Januar 2 8 17 1 10 32 13 7 3
Februar 4 19 10 8 10 24 4 4 4
März —_ 5 — 16 9 44 9 — 10
ä 5 9 5 36 15 5 14
April „
1) Am 8. Juli zerstörte der Hagel die Saaten im Bezirk Jelansk auf 408, im
Bezirk Ssosonowsk auf 95 Dessjatinen. Am 11. Juli fiel er in der Gröfse eines Tau-
benei’s, er zerstörte die Saaten in den Bezirken Antipinsk auf 365, Kalymsk auf
50 und Ssosonowsk auf 588 Dessjatinen, und erschlug überdies im Bezirk Antipinsk
300 Schaafe und Schweine.
2) Vielleicht Druckfehler statt 9.
Die Stadt Tjumen. 505
l | | =
1852 Sp NW. | o. | s. | so.,| sw. |. w. | Wind-
Mai 3 4 |) 16 2 5 8 | 24 8 13
Juni 3 15 18 | 2 la a: 18 17 8
Juli 4 1124 6 14 2 117 14 6 6
August b Baae Due} ra BI 1 IE zer 8] md 18 6 6
September 1 10 13 | — «Dr Pe MR 24 16 4
October __ Fi ar a ee 38 12 4
a) 2 N 7 | 012 PDT
December | — 4 9 3 | 23 | 2"|"39 | 10 3
Die gewöhnlichen Krankheiten in Tjumen sind hitzige und kalte Fieber.
Doch ist das Klima im Allgemeinen für die Menschen gesund. Dagegen tritt
unter den Heerden oft Viehsterben ein, und man weils nicht, ob dieses klima-
tischen Einflüssen oder schädlichen Pflanzen zuzuschreiben ist. Im Sommer
1851 fielen im Kreise Tjumen 10162 Pferde, 1337 Kühe, 4059 Schafe und 694
Schweine.
» In den Gärten der Stadt sind zu den übrigen fruchttragenden Bäumen und
Sträuchern aus wärmeren Gegenden Feigen und Apfelbäume eingeführt, die für
den Winter sorgfültig bei Seite gebracht und bedeckt werden müssen, aufserdem
Stachelbeeren, Kirschen, Himbeeren und Akazien. In den benachbarten Wäldern
kommen vor: Tannen, Fichten, Birken, Espen, Linden, Silberpappeln, Wachhol-
der, Preifselbeeren und Moosheidelbeeren. Von Farbepflanzen finden sich auf
Wiesen und in Wäldern: Zycopodium complanatum, Färberröthe, Färberscharte
(Serratula tinctoria), und aulserdem Anemone pulsatilla, A. nemorosa, A. hepatica,
A. vernalis, Lamium purpureum, Adonis vernalis, Bulbocodium vernum, Anemone ra-
nuncoloides, Stachis arvensis, Centauria sibirica u. A.
Aufser den gewöhnlichen Vögeln stellen sich hier auch Nachtigallen ein.
Von Fischen kommen in der Tura vor: Lachsforellen (salmo nelma), Plötze (cy-
prinus rutilus), Hechte, Barben und der Kaulbars (perca cernua). — Von Ver-
steinerungen hat man nur Glossopetra anceps serrata und Glossopetra anceps in-
tegerrima gefunden. An einigen Stellen am Ufer der Tura findet sich Salpeter.
Von dem hiesigen Thon ist eine blaue Art zur Anfertigung glasirter Geschirre
sehr geeignet; man findet sie in den Schluchten bei der Stadt und jenseits
der Tura.
Die Bevölkerung der Stadt belief sich 1853 auf 9634, 1854 auf 9836 See-
len (4955 Männer, 4881 Frauen), darunter 84 Tataren und Bucharen.
Die Einwohner von Tjumen haben einen kräftigen Körperbau, weilse Haut
und rothe Wangen, und sind im Allgemeinen schön, namentlich das weibliche
Geschlecht. Selbst Leute von 60 Jahren haben noch frische rothe Backen. Von
Charakter sind sie lebhaft, eitel, arbeitsam, gewandt und flink. Selbst Kinder
von 8 Jahren haben sich schon an ein Geschäft oder eine Handarbeit gewöhnt,
und mit; 16 Jahren ist der Jüngling ein perfecter Kaufmann, der es versteht,
Kunden anzulocken, zu kaufen und zu verkaufen und mit grofsen Summen zu
rechnen.‘ Fast alle hiesigen Bürger und Kaufleute lassen ihren Bart wachsen
1) Hier fehlen zwei Beobachtungen, wenn die Zahlen im Original richtig sind.
506 Miscellen:
und die Frauen tragen zu Hause Hemden mit weiten Aermeln und engen Man-
chetten, und Sarafane, d.i. lange Röcke vorn mit Knöpfen, die mit einem sei-
denen Gürtel umgürtet werden. Alle Frauen aus dem niederen Stande tragen
auf der Strafse einen besonderen Kopfputz, die sogenannte Fata, von Zitz oder
von Seide oder von Cannevas mit Gold gestickt. Junge Mädchen aus dem Kauf-
mannstande putzen sich gern mit reichem Schmuck und folgen allen Moden.
Männer und Frauen sind sehr sauber und halten auch im Hause auf Reinlichkeit.
Hinsichtlich des sittlichen Charakters wird man einen Rückschritt nicht in
Abrede stellen können, und die Seufzer der alten Leute über die hingeschwun-
dene alte Einfachheit und Rechtlichkeit der Sitten scheinen im Allgemeinen nicht
unbegründet zu sein. Doch fehlt es nicht an trefflichen und lobenswerthen Ei-
genschaften. Gottesfurcht, Andacht beim Gebet und pünktliche Erfüllung der
kirchlichen Pflichten sind überall bemerkbar. Unter den Kaufleuten findet sich
eine nicht geringe Anzahl Altgläubiger; sie verringert sich aber von Jahr zu
Jahr, in Folge des Eifers, den die hiesige Geistlichkeit entwickelt. Das Fami-
lienleben zeichnet sich aus durch Liebe und Eintracht unter den Verwandten,
Gehorsam der Kinder gegen die Eltern, und Respect vor älteren Personen und
Vorgesetzten. Ein wohlthätiger Sinn und Freigebigkeit zum Besten der Kirchen,
der Klöster und des Vaterlandes bilden gleichfalls rühmliche Züge in dem Cha-
rakter der Tjumenzen. Besonderes Lob verdient die Fürsorge für den Unter-
richt. Schulbildung wird hier für durchaus nothwendig erachtet. Selbst arme
Leute halten es für eine unerlälsliche Pflicht, ihre Kinder in die Schule zu schik-
ken, und wenn es bei dem lebhaften Handel und Verkehr auch dem gröfsesten
Theile der Schüler nicht möglich ist, in der Kreisschule einen vollständigen Cur-
sus durchzumachen, so lernen sie doch wenigstens in den Pfarrschulen Lesen,
Schreiben und Rechnen und den Katechismus; wohlhabende aber machen mei-
stens alle Klassen der Kreisschule durch. Tjumen besitzt eine Kreis- und zwei
Pfarrschulen. Der ersteren schenkte der Kaufmann erster Gilde Kondratii Kus-
mitsch Scheschukow im J. 1853 ein steinernes zweistöckiges Haus, im Werthe
von 16000 Rub. Silber, mit Wohnungen für den Director und zwei Lehrer. Un-
ter Mitwirkung der Unterrichtsbehörde und des allgemein geachteten Kaufmanns
zweiter Gilde Iwan Wassiljewitsch Ikonnikow erwarb im J. 1852 die Kaufmann-
schaft für 3000 Rub. Silber ein gut gebautes, zweistöckiges, hölzernes Haus für
die Pfarrschule in dem Stadttheile jenseits der Tura und setzte zur Erhaltung
desselben und zur Besoldung der Lehrer jährlich eine bestimmte Summe aus.
Aufser diesen Leistungen zum Besten der eigenen Stadt hat sich die Bürger-
schaft auch bei anderen wohlthätigen Instituten durch beträchtliche Beiträge be-
theiligt, wie sie z. B. 4000 Rub. für das Waisenhaus in Omsk und 8000 Rub.
Silber für eine Mädchenschule in Tobolsk beigesteuert hat. Der Kreisschule hat
die kaufmännische Bürger-Gesellschaft im J. 1851 ein Lustwäldchen vor der Stadt
geschenkt, in welchem, aufser den Birken am Abhange des Berges, Alleen von
Akazien, Linden, Birken und Tannen vorhanden sind und Himbeeren, Johannis-
beeren und verschiedene Blumen angepflanzt sind. In der Mitte desselben be-
findet sich ein von Scheschukow erbautes zweistöckiges Haus mit einer oberen
Gallerie und einer besonderen von Ikonnikow erbauten Gallerie, in welchem die
Sommerfestlichkeiten der Kaufmannschaft stattfinden. Neben dem besonderen
Die Stadt Tjumen. 507
Gebäude, das für den Aufseher bestimmt ist und die Küche enthält, befand sich
ein Gewächshaus mit verschiedenen Blumen, frühen Beeren u. a. Früchten, dar-
unter auch Feigen und Ananas. Dieser Garten umfalst eine von Gräben durch-
zogene Ebene und den Bergabhang nach der Tura hin; er wird sorgfältig in
Ordnung gehalten.
Handel und Gewerbe erfreuen sich in Tjumen bekanntlich einer hohen Blü-
the. Der wichtigste Gewerbzweig ist die Lederbereitung. In 46 Fabriken wer-
den nicht weniger als 400,000 Ochsen-, Pferde-, Schaf-, Ziegen- und Kalbfelle
gegerbt. Die Juchten werden zum Theil für die Truppen, welche sich im Gou-
vernement Tobolsk befinden, zum Theil auch von dem Gericht aufgekauft, wel-
ches hier die durch die Stadt passirenden Trupps Exilirter mit Schuhwerk ver-
sieht. Für 250,000 Rub. Silber schickt Tjumen Juchten nach der Kirgisensteppe
und über die Grenze nach China, Taschkent und Buchara.. Was noch übrig
bleibt, geht theils als Leder, theils zu Pferdegeschirr, Schläuchen, Stiefeln, Faust-
handschuhen verarbeitet auf die Jahrmärkte des Tobolsker Gouvernements. Der
Werth der von diesem Fabrikzweige producirten Waaren beläuft sich jährlich auf
mehr als 600,000 Rub. Silber. Das Tjumen’sche Leder ist zwar weit besser als
das im übrigen Ssibirien produeirte, steht aber dem von Kungur und Kasan sehr
nach; dies gilt namentlich vom Kalbleder; der Grund liegt hauptsächlich darin,
dafs es hier an Eichen fehlt; statt der Eiehenrinde bedienen sich die Gerber
der Rinde der Sandweiden, die viel weniger Gerbestoff enthält.
In zweiter Linie stehen unter den Gewerben der Mühlenbetrieb, die Talg-
siederei und Lichtzieherei, die Glocken- und Eisengie/serei. Aufserdem beschäf-
tigt sich ein nicht geringer Theil der städtischen und der ländlichen Bevölkerung
mit der Anfertigung von Pferdegeschirr, Lederhandschuhen u. a. ledernen Waa-
ren, die meistens am Sonnabend in der Stadt an die zum Markt hier eintreffenden
Landleute aus den Kreisen Tjumen, Turinsk, Jalutorowsk, Kurgansk und Scha-
drinsk verkauft, aber auch auf die verschiedenen Jahrmärkte in Städten und Kirch-
dörfern des Gouvernements Tobolsk verführt werden. Auch das Töpfergewerbe
ist nieht unbedeutend: Schalen und Schüsseln, Näpfe und Töpfe gehen von hier
nach allen Theilen des Gouvernements und werden ihrer Dauerhaftigkeit und
Sauberkeit wegen den Fabricaten aller anderen Orte des Gouvernements vor-
gezogen.
Nicht minder mufs man von den nicht fabrieationsmälsig betriebenen Hand-
werken sagen, dals sie in blühendem Zustande sind. Thätigkeitstrieb ist ein
charakteristischer Zug der Bewohner: an Werkeltagen sieht man nie Leute mü-
[sig an der Thüre stehen oder unthätig zu Hause sitzen; man sieht nicht einmal
Kinder auf der Strafse spielen. Man zählte in 'Tjumen: 4 Gold- und Silberar-
arbeiter, 3 Uhrmacher, 12 Schneider, 25 Schuhmacher, 82 Lederarbeiter, die
Schuhe, Strümpfe und Handschuhe nähen, 33 Riemer, 14 Tischler, 10 Maler, 6
Färber, 2 Pelzwerkfärber, 4 Wagenbauer, 8 Schlosser, 6 Kupferschmiede, 27
Schmiede, 20 Ofensetzer, 79 Zimmerleute und 12 Frauen, die sich mit dem We-
ben härener Teppiche beschäftigen), Den Werth der von diesen Handwerken
2) Diese Teppiche werden aus Wolle und Kuhhaaren angefertigt. Zum Färben
der Haare bedient man sich meistens einiger hier wachsenden Pflanzen: zum Roth-
508 Miscellen:
produeirten Manufaeturen anzugeben ist nicht möglich; sicher ist nur, dals sie
nicht blofs für den localen Bedarf genügen, sondern auch in die Umgegend und
in viele benachbarte Städte ausgeführt werden. Auch die Frauen nehmen an der
gewerblichen Thätigkeit Antheil; sie weben Hauslinnen und Matten, flechten
Netze, nähen aus gewöhnlichem und sämischem Leder Schuhe und Handschuhe
und sitzen den ganzen Tag bei ihrer Arbeit; dafür erscheinen sie denn auch an
Festtagen wohlgeputzt in der Kirche oder auf den Spaziergängen.
Aulser diesem Fabrik- und Gewerbebetrieb beschäftigen sich die Tjumenzen
noch mit dem Waaren-Transport nach Tomsk und Ost-Ssibirien, und von dort
nach den Messen von Irbit und Nishne Nowgorod. Die Haupt-Landstrafse geht
von der Grenze des Gouvernements Perm über Tjumen, Ischim, Omsk, Kainsk,
Kolywan, Tomsk und dann weiter nach Ostsibirien bis Kjachta. Der Wasserweg
von Tomsk nach Tjumen geht auf dem Tom, dem Obi, Irtysch, Tobol und der
Tura, und ist 3000 Werst lang. Die Fahrzeuge bringen von Tomsk nach Tju-
men Thee, chinesische Waaren und Eisen, im Ganzen bis 300,000 Pud an Ge-
wicht. Die Fracht beträgt von Tomsk 50 bis 60 Kopeken, und nach Tomsk 35
bis 40 Kopeken für das Pud.
Seit 1845 findet in Tjumen eine Messe statt, die das Geschäft zwischen
Rufsland und Ssibirien vermitteln soll. Sie dauert vom 1. Januar bis 1. Februar.
Aber diese Messe kann doch die von Irbit nicht ersetzen, wie man erwartet
hatte. Obgleich Tjumen an der ssibirischen Hauptstrafse und Irbit 180 Werst
von ihr entfernt liegt, hat das letztere doch das Uebergewicht, da es an den gro-
(sen Handelsverkehr gewöhnt und für ihn eingerichtet ist. Die ssibirische Kauf-
mannschaft wünschte, dafs die Märkte von Tjumen und Irbit um zwei Wochen
später eröffnet würden, damit noch das Pelzwerk von Beresow und Obdorsk und
aus Ost-Ssibirien rechtzeitig in Tjumen eintreffen könnte. Aber bei dem spä-
teren Termin wären die Käufer in Irbit nicht mehr im Stande gewesen, mit ih-
ren Waaren auf dem Winterwege bis in die Heimath zurück zu gelangen. Die
Regierung war anfangs auf den Vorschlag eingegangen, kam aber 1849 davon
wieder zurück, und seitdem ist der Umsatz auf der Messe zu Tjumen in bestän-
diger Abnahme begriffen, während der zu Irbit steigt, wie man aus folgender
Tabelle ersieht:
Irbit. Tjumen.
Anfuhr. Verkauf. Anfuhr. Verkauf.
1845 20,222,326 17,426,355 3,857,142 1,030,000
1846 26,934,736 22,246,861 1,677,936 408,500
1847 28,090,931 23,642,150 1,039,400 368,250
1848 31,150,214 26,902,511 1,103,000 611,550
1849 32,542,233 — 1,522,714 713,937
1850 35,861,241 —_ 1,213,200 457,960
1851 35,350,600 29,101,400 933,600 403,600
1854 —_ —ı 713,890 213,560
1855 — _ 492,070 131,600
Im J. 1855 waren für den Umsatz auf der Messe zu Tjumen folgendes die
ärben der Wurzel der Färberröthe, zum Gelb der Fürberscharte, zum Grün des Zy-
copodium complanatum; zum Blau braucht man Indigo.
Die Stadt Tjumen. 509
wichtigsten Posten: Baumwollenwaaren (verkauft für 61,500 Rub.), Galanterie-
Galanteriewaaren (9200 Rub.), leinene und hanfene Waaren für 10,000 Rub.) und
Nadeln (für 10,500 Rub.).
An jedem Sonnabend findet in Tjumen ein grofser Markt statt, auf dem die
Landleute der Umgegend Teppiche, Hausleinen, grobes Tuch, ordinäre Möbeln,
Siebe und Mehlbeutel, Wagen, Räder, Schlitten von verschiedener Bauart und
andere hölzerne Waaren, Lindenbast, Matten, Seile von Lindenbast, Birkentheer
und Harz bringen; aus den Kreisen Schadrinsk und Irbit kommen Getreide und
Pferde, aus Jalutorowsk und Kurgansk Getreide, Talg, Oel, Viehhäute und Ge-
flüge. Im Sommer kommen c. 800, im Winter gegen 2000 Menschen auf diese
Sonnabendsmärkte, sie verlassen die Stadt aber noch an demselben Tage. An-
dererseits ziehen auch aus Tjumen viele kleine Kaufleute mit ihren Waaren das
ganze Jahr hindurch in die verschiedenen Städte von einem Markt zum andern.
Der ganze Waarenumsatz der Stadt beläuft sich — mit Einschlufs des Mels-
verkehrs — durchschnittlich auf 2 Mill. Rub. Silber.
Wie in Bezug auf Gewerbe und Fabriken, verdankt Tjumen auch in com-
mercieller Hinsicht seine Blüthe nicht allein seiner günstigen Lage am Fufse des
Ural, an der Haupt-Verkehrsstrafse und an dem Anfangspunkt eines ausgedehn-
ten Stromsystems, sondern auch der Thätigkeit und dem Unternehmungsgeist
seiner Bewohner. Die Stadt ist ohne Frage einer der wichtigsten Handelsplätze
des westlichen Ssibiriens. —aR,
Erdbeben in Haiti.
Ueber ein furchtbares Erdbeben, welches die Insel Haiti sechs Wochen lang
heimgesucht hat, berichtet Herr Dr. L. Müller aus Les Cayes auf Haiti, am
20. Mai 1860, an Herrn Prof. Dove:
„In der Nacht vom 7. zum 8. April Morgens zwischen 12 und 1 Uhr fühl-
ten die Bewohner des von uns nur drei Lieues entfernten Fleckens Torbeck einen
so heftigen Stofs, dafs sie die Häuser verliefsen und eine Procession veranstalte-
ten, während wir durchaus Nichts verspürt haben. Den ersten heftigen Sto(s, der
sich über die ganze Insel verbreitete, fühlten wir am 8. April 4 Uhr 20 Minuten
Morgens, dem gegen 6 Uhr ein zweiter sehr heftiger folgte, der in der Stadt
L’Anse-a-Veau 124 Häuser mit einem Schlage zerstörte. Beide Stölse waren
von heftigem Lärm begleitet und liefsen sich in keine der gewöhnlich angenom-
menen drei Kategorien, der succussorischen, undulatorischen oder rotirenden, unter-
bringen, vielmehr glaube ich, dafs es nöthig ist, noch eine vierte Kategorie an-
zunehmen, eine rein vibrirende, die vielleicht für die Ausläufer weit verbreiteter
Erdbeben charakteristisch sein möchte; sie unterscheiden sich sehr deutlich von
den undulatorischen, zu denen die meisten späteren Stöfse gehörten, und ich kann
sie mit nichts Anderem vergleichen als mit dem Eindrucke, den man in einem
rasch dahinfliegenden Eisenbahnwagen empfindet; es ist, als ob Jemand die Häu-
ser seitlich heftig rüttelte und man sieht die Mauern deutlich sich seitwärts be-
wegen. Die Stöfse folgten nun in folgenden Zeiträumen auf einander:
den 8. April 9 Uhr 50 Min. Abends ein leichter Stofs mit Lärm,
- 8 - 10 - 10 - - - heftiger - -
8 12 5 | vibrirend,
510 Miscellen:
den 9. April 4 Uhr — Min. Morgens ein leichter Stofs ohne Lärm,
Lt DE OatE.n 300 NE d air ET
Era DE Hä NE Saat & ü ERREN t UBER. 002,00
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Bi lielarakabirleang- } zteiichag Pe an
- 9. - 12 - 20 - Mittags ein etwas stärkerer Stofs.
Während dieser ganzen Zeit fand ein fortwährendes leichtes Schwanken der
Erde statt. Sämmtliche nicht besonders bezeichnete Stölse waren eben so wie
dies Schwanken undulatorisch.
Den 9. April 1 Uhr Nachmittags ein leichter Stofs,
RnB rc (DE - - - -
- 10. - 10 - Abends ein sehr heftiger Stofs, undulatorisch,
SON - ein sehr heftiger und langer Stols, 11 Secunden,
vibrirend.
Von da ab stündlich mehr oder weniger heftige Stölse bis gegen 94 Uhr
Morgens am 11. April. Da man jeden Augenblick den Untergang der Stadt
fürchtete, so verliefsen beinahe sämmtliche Einwohner um diese Zeit dieselbe, um
auf das höher gelegene Land zu fliehen, wo auch das Einströmen des Meeres
weniger zu fürchten war. In ganz kurzer Zeit waren überall Bambushütten auf-
geschlagen, die mit Cocosblättern und Zuckerrohr bedeckt wurden, und unter
denen wir die folgenden Tage zubrachten. Die folgenden Stöfse waren leicht
und kamen am 1iten um 8 Uhr und um 10 Uhr Abends, am 12ten um 6 Uhr
Morgens vier bis fünf deutliche Stöfse, um 9 Uhr Morgens und Nachmittags um
5, 7 und 10 Uhr, den 13ten 3 Uhr Morgens drei leichte Stölse, um 7 Uhr Abends,
den 14ten um 2, 4 Uhr Morgens und 10 Uhr 20 Minuten Abends. Während
der Nacht fühlte man in der Ebene auf dem Lande zwei deutliche Stöfse, in der
Stadt nur leichte Oscillationen. Den 1öten 8 Uhr Abends machte ein Stofs den
Beginn von fortwährenden Oscillationen, die bis zum 16ten Abends dauerten, wo
um 11 Uhr 10 Minuten ein anderer Stofs sie beendete. Den 17ten und 18ten
fühlte man nur einzelne kleine, unregelmäfsige Stöfse. Den 19ten um Mitter-
nacht kam wieder ein stärkerer Stofs, denen andere um 3, 3%, 5 und 9 Uhr
folgten, um 114 Uhr ein langer undulatorischer, etwa 15 Secunden, und 50 Mi-
nuten nach Mittag ein sehr heftiger, mit Lärm begleiteter, undulatorischer Sto/s,
der 6 Secunden dauerte. Die folgenden waren am 20sten und 21sten jedesmal
um 10 Uhr Abends; am 22sten und 23sten fühlte man in dem oben genannten
Torbeck fortwährende Schwankungen, während wir Nichts fühlten. Am letzteren
Tage um 9 Uhr Abends fand ein Sto[s statt, dem am 24sten um Mitternacht und
3 Uhr Morgens andere folgten, der letztere kurz (2 Secunden) aber heftig und
mit Lärm begleitet. Von da ab bis zum 29sten beobachtete man ein fortwäh-
rendes Schwanken, das aber nur bemerkbar wurde, wenn man sich gegen zwei
verschiedene Gegenstände lehnte. Die letzten Stöfse fanden am 25sten um Mitter-
nacht und 9 Uhr Morgens, am 29sten um 3 Uhr Morgens und am 5. Mai in
der Nacht statt. Seitdem habe ich und andere zuverlässige Beobachter Nichts
mehr gespürt, obgleich noch fortwährend Mauern und Gebälke einstürzen, was
A
_ ru
Erdbeben in Haiti. 511
aber mehr die Folge der heftigen Regengüsse und Winde ist, die auf die erschüt-
terten Gegenstände einwirken. Im Ganzen hatten wir 68 deutliche Stöfse, unge-
rechnet die Schwankungen.
Die Richtung der Stöfse war, soweit man es ohne Seismometer beurtheilen
kann, von SSW. nach NNO,, was erklärlich wäre, wenn wirklich unser Erdbeben,
wie man sagt, mit dem Ausbruche eines Vulkans bei Santa FE de Bogotä im
Zusammenhang stände; auffallend wäre es nur, dafs Venezuela und Curacao nach
bestimmten uns zugekommenen Nachrichten Nichts gefühlt haben. Das Meer war
für das Auge an der Südseite der Insel ruhig, doch wurden die Stöfse auf den
Schiffen im Hafen deutlich gefühlt, und das Wasser eines Flüfschens, wo wir ge-
wöhnlich unser Trinkwasser holen, wurde nach dem ersten Stofs 4 Lieue ober-
halb der Mündung plötzlich salzig. Im Norden der Insel zog sich das Meer bei
den heftigen Stölsen erst zurück und drang dann mit Heftigkeit auf das Land ein.
Was ich sonst noch über den Eindruck auf Menschen und Thiere zu sagen
hätte, ist schon zu oft wiederholt und habe ich nur die Aussagen früherer Be-
obachter bestätigt gefunden.
Das Wetter war während der ganzen Zeit bei uns schön, auf andern Punk-
ten der Insel zum Theil sehr regnerisch. Was den Wind anbelangt, so wurde
allgemein ein sehr heftiger und stürmischer Wechsel beobachtet, der sonst in
dieser Zeit nicht stattfindet.“
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 2. Juni 1860.
Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei-
chung der eingegangenen Geschenke: 1) A. de Moussy, description geographique
et statistique de la Confederation Argentine. Tom. I. Paris 1860. — 2) Weils, die
Gesetze der Satellitenbildung. Gotha 1860. — 3) v. Richthofen, Geognostische
Beschreibung der Umgegend von Pedazzo, St. Cassian und der Seisser Alp in
Süd-Tyrol. Gotha 1860. — 4) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N.F. VIN.
Heft 3. — 5) Petermann’s Mittheilungen 1860. Heft 5. 6. — 6) Archiv für wis-
senschaftliche Kunde Rufslands. Bd. XIX. Heft 3. — 7) Jahrbuch der K. K.
geologischen Reichsanstalt 1859. No. 4. — 8) Zeitschrift für das Berg-, Hütten-
und Salinenwesen im preufsischen Staate. VIH. Lief, 1. — 9) Preufsisches Han-
delsarehiv. 1860. No. 18—21. — 10) Notizblatt des Vereins für Erdkunde in
Darmstadt. 1859 — 1860. No. 32 —40.
Der Vorsitzende machte speciell auf de Moussy’s Werk über die Argentini-
sche Confederation aufmerksam, dessen ausführliche Daten über die klimatischen
Verhältnisse von Montevideo, Buenos, Ayres u. a. wesentlich das ergänzen, was
bisher von der Argentinischen Republik bekannt war. — Derselbe theilte darauf
die Ergebnisse der Berechnung des Journals der Reise von Mac Clintock mit, wo-
durch die Temperatur des am weitesten in Boothia Felix nach Norden vorsprin-
genden Punktes des amerikanischen Kontinents festgestellt wird. Er erläuterte
darauf die auf den drei westlichen Verbindungswegen aus der Baffinsbay in das
Polarmeer erhaltene Wärmevertheilung, und zeigte, dafs in diesem ganzen bisher
512 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.
erforschten Gebiet die Temperatur nach Norden hin abnehme, indem er die lo-
kalen Abweichungen einer an bestimmten Stellen unregelmäflsig vertheilten Som-
merwärme auf den Einfluls der gegenseitigen Lage des Landes und der Wasser-
stra[lsen zurückfühtte. Die Annahme eines eisfreien Polarbeckens von höherer
Wärme erscheine demnach durch die Temperaturyertheilung ungerechtfertigt, wenn
auch aus der für den Pol und die Breite von 50° im Mittel sich ergebenden
Sommerwärme zeitweise eisfreie Stellen desto wahrscheinlicher würden, je weni-
ger seine Bewegungen durch aus seiner Oberfläche hervortretende Inseln gehemmt
würden. Das von einem Begleiter Kane’s gesehene offene Polarmeer sei durch
eine undurchdringliche Eismauer von der Baffinsbay geschieden, von keiner der
Expeditionen aber der dasselbe angeblich nach der amerikanischen Seite hin nur
umsäumende Eiswall durchbrochen worden. Es sei daher wünschenswerth, statt
wohlfeile Hypothesen über ein arktisches Eldorado aufzustellen, das durch so viele
Aufopferungen gewonnene Beobachtungsmaterial so vollständig wie möglich aus-
zubeuten, um das Unerforschte in immer engere und bestimmtere (Grenzen ein-
zuschlie(sen, — Darauf theilte Herr Dove Einiges aus dem Briefe mit, den Herr
Doergens, der Begleiter des preulsischen Konsuls in Damaskus, Dr. Wetzstein,
in Bezug auf eine abermalige Reise nach dem Haurän an ihn gerichtet hat.
Herr Barth theilte Nachrichten über Dr. Roscher mit, der am Nyandja-See
erkrankt war, stark ausgeplündert wurde, nach den letzten Nachrichten aus Zan-
zibar vom März sich jetzt wohler befindet und neue Hilfsmittel zur Fortsetzung
seiner Reise von der Küste her erwartet. Eine neue Expedition, mit Allem wohl
ausgerüstet, ist übrigens auf dem Wege sich ihm anzuschliefsen. Ein an Herrn
- Barth eingegangener Brief von dem französischen Reisenden Duveyrier macht die
Mittheilung, dafs der ursprüngliche Plan desselben, die Gebirge zu erforschen,
welche die Uebergänge von Algerien zur Wüste bilden, wohl aufgegeben werden
wird, da er jetzt eine jährliche namhafte Unterstützung von Seiten der französi-
schen Regierung erhalten hat, zugleich aber den Auftrag, von Algerien über Ghe-
dämes einen Weg nach Timbuktu zu eröffnen, der allerdings grofsen Theils schon
durch Barth’s Reisen erforscht worden ist.. Zugleich theilt er Einiges über einen
Ausflug mit, den er von Tuggurt über Nefta nach Gabes an der kleinen Syrte
und von dort nach Biskra zurück unternommen und auf welchem er mehrere
Punkte astronomisch fixirt hat. Daran knüpft Herr Barth einige Worte über Mar-
mora’s neuestes Werk über Sardinien.
Herr Dr. Häckel sprach über die neuesten Zustände Sieiliens, wie er sie
im vorigen Jahre bei längerem Aufenthalt auf dieser Insel kennen gelernt hat.
Der Vortrag ist in diesem Heft der Zeitschrift abgedruckt.
Uebersicht der vom December 1859 bis zum Juni 1860
auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke,
Aufsätze, Karten und Pläne.
Von W. Koner.
Geographische, statistische und nautische Zeitschriften.
Zeitschrift für allgemeine Erdkunde ete.
Herausgegeben von Dr. K. Neumann.
Neue Folge. Bd. VII. Berlin (D. Reimer)
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Mittheilungen der Kais. Kön. Geographi-
schen Gesellschaft. III. Jahrg. - Heft
1-3. Redig. von Franz Foetterle.
Wien 1859. gr. 8.
Notizblatt des Vereins für Erdkunde und
verwandte Wissenschaften zu Darmstadt
und des mittelrheinischen geologischen
Vereins. Herausgeg. von L. Ewald.
I. Jahrg. N. 21—40. Januar 1859 bis
Februar 1860. Darmstadt (Jonghaus)
1860. 8.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographi-
scher Anstalt über wichtige neue Er-
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der Geographie, von Dr. A. Peter-
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1—6. Gotha (J. Perthes) 1859. 60.
gr. 4.
Bulletin de la Societe de Geographie etc. |
IVe Ser. 1859. T. XVIII. Octobre —
Decembre. XIX. 1860. Janvier— Mai.
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Proceedings of the Royal Geographical
Society of London. Published under the
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the Secretary. Vol. III. N.6. IV. N.
1.2.- London (Stanford) 1859 —60. 8.
The Transactions of the Bombay Geogra-
phical Society, from May. 1857 to May
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Das Ausland. Eine Wochenschrift für
Zeitschr, f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. VIII.
Kunde des geistigen und sittlichen Le-
bens der Völker. 1859. N. 52. 1860.
N. 1— 28. Stuttgart und Augsburg
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Archiv für wissenschaftliche Kunde von
Rufsland.. Herausgegeben von A. Er-
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Aus der Fremde. Wochenschrift für Na-
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Jahrg.1860. N.1. Leipzig (Keil). gr. 4.
Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. 13,
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VIne Ser. 1859. Novembre, Decembre.
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Revue de l’Orient, de l’Algerie et des Co-
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Janvier— Juin. Paris et Alger. gr. 8.
Revue Orientale, et Americaine publide
avec le concours de membres de YIn-
stitut, de diplomates, de savants, de
voyageurs, d’orientalistes et d’industriels
par Leon de Rossy. T.II. N.1--19.
Paris 1860. 8.
Nouvelles Annales de la Marine et des
33
514
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Coblenz (Bädeker)1860. gr.8. ( Thlr.)
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sammelt und bearbeitet. 2.Bd. Cöln
(Dumont-Schauberg) 1860. gr. 8. (21
=)
’
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ephemerides et tables completes pour
Yan 1862. Berlin (G. Reimer) 1860.
gr. 8. (4 Thlr.)
—, Nautisches Jahrbuch oder vollständige
Ephemeriden und Tafeln für das Jahr
1862. Ebds. 1860. gr. 8. (4 Thlr.)
Almanak ten dienste der zeelieden voor
het jaar 1863, berekend voor den me-
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tin (Müller). gr. 8. (cart. 14 Thlr., die
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Veränderungen von Leuchtfeuern, Seemar-
ken etce., sowie die Schifffahrt betref-
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von der Nautischen Gesellschaft zu
Stettin. 1860. 10. Fortsetzung. Stettin
(Müller). ‚gr. 8. (9 Sgr.)
Swart (J.), Lichten in het kanaal tus-
Reisen durch mehrere
Aus dem Auslande. Bilder und Darstel-
lungen aus der Erd-, Länder- und
Völkerkunde von einem Naturfreunde,
Zwickau (Verlagsbuchh. d. Volksschrif-
ten-Vereins) 1859. 8. (6 Sgr.)
L’expedition genoise des freres Vivaldi A
la decouverte de la route maritime des
Indes orientales au XIII® siecle. Lettre
au redacteur des Nouvelles annales des
Voyages, & l’occasion d’un recent me-
moire de M. G. H. Pertz & ce sujet. |
Paris 1859. 8.
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525 8. 8. (9 s.)
Scherzer (K.), Das zweite, dritte und
letzte Jahr der Erdumsegelung Sr. Maj.
Fregatte „Novara“. — Mittheil. der K.
K. Geogr. Ges. III. 1859. p. 414. 425. |
Voyage de eircumnavigation de la fregate |
autrichienne la Novara, 1857—-59. —
Le Tour du Monde. 1860. N. 3. 5.
Malte-Brun (V. A.), Circumnavigation
in de werkdadige |
W. Koner:
schen Engeland en Frankrijk. — Ver-
handel. en berigten betrekkelijk het zee-
wezen. 1860. N.1.
Fitzroy (R.), Passage Table and Gene-
ral Sailing Direetions, published by Au-
|. thority of the Board of Trade. Lon-
\ . don 1859. 98 8. 8.
| Maandelijksche Zeilaanwijzingen van Java
naar het Kanaal. Als uitkomsten van
wetenschap en ervaring, aangaande win-
den en zeestroomingen in sommige ge-
deelten van den oceaan. Uitgegeven
door het Kon. Ned. Meteorol. Instituut.
Utrecht (Bosch & Zoon) 1860. 6 en 80
bl. 4., met 4 gelith. uitsl. platen en 2
tabellen. (Nicht im Buchhandel.)
Maandelijksche Zeilaanwijzingen van het
kanaal naar Java. Als uitkomsten van
wetenschap en ervaring, aangaande win-
den‘ en zeestroomingen ‘in sommige ge-
deelten van den oceaan. Uitgegeven
door het Kon. Nederl. Meteorol. Insti-
tuut te Utrecht in 1860. (3° omge-
werkteen vermeerderdeuitgave.) Utrecht
(Kemink & Zoon) 1860. 2, XI, 2 en
110 bl. 4. (Nicht im Buchhandel.)
Welttheile und Länder.
de la fregate autrichienne Novara du
30 avril 1857 au 26 aoüt 1859. —
Nouv. Annal. d. Voy. 1860. I. p. 183.
Whitecar (W. B.), Four Years Aboard
the Whaleship; embracing Cruises in
the Paeific, Atlantic, Indian, and Ant-
arctic Oceans, in the Years 1855 —
1859. Philadelphia 1859. 413 S. 12.
(6 =.)
Far Off; or Australia, Africa, and Ame-
rica Described; with Anecdotes and
numerous Illustrations. Part 2. New
edit. London (Hatchard) 1860. 420 S.
| 12. (4s.6d)
Spaulding (J.), Stories of the Ocean;
or, Gems from Seafaring Live. New
York 1860. 1778. 18. (30 c.)
; Kletke (H.), Alex. v. Humboldt’s Reisen
in Amerika und Asien. 4. Aufl. Lief.
1—17. Berlin (Hasselberg) 1860. gr.
16. (a 4 Sgr.)
| Eothen. Eastern Travels.
London (Murray) 1860.
(7s.6d,)
Frankl (L. A.), Nach Jerusalem. Reise
in Griechenland, Kleinasien, Syrien, Pa-
lästina. In’s Ebräische übers. von M.E.
340 8. 8.
I}
New ion
F
a ne ie rei esse
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Stern. (Wien) Leipzig (Hässel) 1860. 8.
(1 Thlr.)
Onomander, Altes und Neues aus den
Ländern des Ostens. Bd. III. Klein-
Asien. Hamburg (Perthes-Besser &
Mauke) 1860. III. 408 S. 8. (1 Thlr.
25 Sgr.)
Fliedner (T.), Reizen in het Heilige
Land, naar Smyrna, Beiroet, Konstan-
tinopel, Alexandri& en Kairo, in de
jaren 1851, 1856 en 1857. Met pla-
ten en kaarten etc. Uit het Hoogd.
door T. M. Loman. 1°—4° af. Am-
sterdam (Höveker) 1859. gr. 8. (f.
0,54.)
Dufferin, Briefe aus hohen Breitegra-
den. Bericht über eine Reise des Yacht-
Schooners „Foam“ nach Island, Jan
Mayen und Spitzbergen im Jahre 1856.
519
Braunschweig (Vieweg & $.) 1860. gr.
8. (13 Thlr.)
Briefe aus Helgoland, England und Süd-
Afrika. Zwickau (Verlagsbuchh. des
Volksschriften-Ver.) 1859. 8. (6 Sgr.)
Reisgids. Nederland, Belgie, de Rijn, Pa-
rijs. Met plattegronden etc. Zutphen
(Plantenga) 1860. VII, 364 bl. 8.
(£. 2,80; in linnen f. 3,30.)
Coghlan’s Belgium, Holland, the Rhine,
Switzerland, and the fashionable Ger-
man Watering Places; with the neces
sary information respecting Passports,
Money etc. 16th edit. London (Trüb
ner) 1860. 260 S. 12. (23. 6.d.)
Jahn’s (C. F.), IllustrirtesReisebuch. Ein
Führer durch Deutschland. 9. Aufl. 2.
Bd. Süd-Deutschland, die Schweiz,
Strafsburg, Paris, London ete. Leipzig
(Voigt u. Günther) 1860. 8. (12 Thlr.)
Europa.
Deutschland.
Payne’s Illustrirtes Deutschland. Uni-
versal-Lexikon der Geographie, Stati-
stik und Topographie sämmtlicher deut-
scher Bundesstaaten. Heft 3. 4. Leipzig
(Payne). hoch 4. (& 4 Thlr.)
Heinzelmann (F.), Das deutsche Vater-
land in Reisebildern und Skizzen. 4. Bd.
Frankfurt a. M., Hessen-Darmstad Ba-
den, Württemberg, Baiern etc. Leipzig
(Fleischer) 1860. gr. 8. (14 Thilr.)
Bildet den 4. Bd. der Supplemente zu
Heinzelmann’s Weltkunde.
Uit de vroemde. Episode’s uit eene onuit-
gegeven archaeologische reis in Duitsch-
land, Boheme, Hongarije en Zwitser-
land, in de lente en den voorzomer van
1859. — Algem. Konst- en Letterbode.
1860. N. 8 fi. 19.
Jahn’s (C. F.), Illustrirtes Reisebuch. Ein
Führer durch Deutschland. 9. Aufl. 1.
Thl.::Nord-Deutschland. Leipzig (Voigt
& Günther) 1860. 8. (12 Thlr.)
Baedeker (K.), L’Allemagne et quelques
parties des pays limitrophes. Manuel
du voyageur. Coblenz (Bädeker) 1860.
8. (23 Thlr.)
— , Deutschland nebst Theilen der an-
grenzenden Länder. Handbuch für Rei-
sende. 1. Thl.: Oesterreich, Süd- und
West-Deutschland, Ober-Italien. 9.
Aufl. Ebds. 8. (2 Thlr.)
Berghaus (H.), Deutschland und seine
Bewohner. Ein Lehrbuch zur Selbstbe-
lehrung für die Gebildeten aller Stände.
2 Bde. Berlin (Hasselberg) 1860. gr.8.
(34 Thlr.)
Biffart (M.), Deutschland, sein Volk und
seine Sitten. In geographisch-ethno-
graphischen Charakterbildern. Lief. 5
— 9. Stuttgart (Nitzschke) 1860. gr.8.
(& 12 Sgr.)
Schneider (J.), Neue Beiträge zur alten
Geschichte und Geographie der Rhein-
lande. 1. Folge. Düsseldorf (Schaub)
1860. gr. 8. (274 Sgr.)
Der Rhein und die Rheinlande, dargestellt
in malerischen Original-Ansichten von
L. Lange. 2. Abthl.: Von Mainz bis
Köln. 2. Aufl. No. 43—50. 3. Abthl.
Niederrhein. 60.— 63. Heft. Darmstadt
(Lange) 1860. (& 4 Thlr.)
Baedeker (K.), Die Rheinlande von der
Schweizer bis zur Holländischen Grenze
etc. 11.Aufl. Coblenz (Baedeker) 1860.
8. (14 Thlr.)
(v. Stramberg), Denkwürdiger und nütz-
licher rheinischer Antiquarius. 2. Abthl.
9. Bd. 3. 4. Lief. Mittelrhein. 3. Abthl.
7.Bd. 3.4. Lief. Coblenz (Hergt) 1860.
gr. 8. (2 Thlr.)
Müller (Edw.), Der Thüringer Wald in
der Brusttasche. 4. Aufl. Berlin (Ber-
gemann) 1860. 16. (3 Thlr.)
Kurs (A.), Ein Ausflug nach Thüringen.
Berlin (Hayn) 1360. 16. (4 Thlr.)
Deutsches Leben. Eine Sammlung ge-
920
schlossener Schilderungen aus der deut-
schen Geschichte mit besonderer Berück-
sichtigung der Culturgeschichte und der
Beziehungen zur Gegenwart. Bd. III.
Thl. 2. J. Falke, Die Geschichte des
deutschen Handels. Leipzig (G. Mayer)
1859. 8. 423 S. 8. (1 Thlr.)
Die deutschen Eisenbahnen im J. 1859.
— Wissensch. Beil. d. Deipz. Ztg. 1860.
N. 82-37.
Die Flözerei am Oberrhein in Baden, Wür-
temberg und Bayern, vom 14. — 18.
Jahrhundert. — Zeitschr. f. d. Gesch.
d. Oberrheins. XI. Heft 3. 1860.
Einnahmen des Zollvereins und Verthei-
lung derselben im J. 1859. — Preu/s.
Handelsarch. 1860. N. 11.
Deutschlands Städte vor hundert Jahren.
— Monatsschr. f. deutsches Städte- u.
Gemeindewesen, 1860. I. p. 431.
Preufsen.
Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und
Residenzen der ritterschaftlichen Grund-
besitzer in der preufsischen Monarchie.
In naturgetreuen farbigen Darstellungen
nebst Text. Herausgegeben von A.
Duncker. Prov. Brandenburg. 10.—
13.Lief. Prov. Pommern. 4.Lief. Prov.
Sachsen. 6.—8. Lief. Prov. Westpha-
len. 2. u. 3. Lief. Berlin (A. Duncker).
qu. Fol. (a 14 Thlr.)
Nachweisung der in die Häfen des preus-
sischen Staats im Jahre 1859 ein- und
von dort ausgegangenen Seeschiffe ein-
schliefslich der Dampfschifffahrt. —
Preufs. Handelsarch. 1860. N. 12,
Statistische Nachrichten von den preufsi-
schen Eisenbahnen. Bearbeitet von dem
technischen Eisenbahn-Bureau des Mi-
nisteriums für Handel ete. 6.Bd. Berlin
(Ernst & Kom) 1860. Fol. (3 Thlr.)
Goldsmid (F. H.), On the Statisties of
Prussia. — Journ. of the Statistical So-
ciety. June. 1860.
Vergleichende Statistik der Bevölkerung
der Städte in den sechs östlichen Pro-
vinzen nach den Zählungen von 1855
und 1858. — Monatsschr. f. deutsches
Städte- und Gemeindewesen. 1860. 1.
p- 466.
Abnahme des Schifffahrts-Verkehrs auf der
Oder. — Zeitschr. f. allg. Erdkunde.
N. F. VI. 1859. p. 467.
Ueber den Wasserstand und die Schiff-
W,. Koner:
barkeit der Oder. — Zeitschr. f. allg.
Erdkunde. N. F. VII. 1860. p. 12.
Die Regulirung der Oder. — Monatsschr:
f. deutsches Städte- u. Gemeindewesen.
1860. I. p. 112.
Höhe der Bahnhöfe auf den preufsischen
Eisenbahnen. — Zeitschr. f. allgem.
Erdkunde. N. F. VII. 1860. p. 241.
Löschin (G.), Danzig und seine Umge-
bungen. 4. Aufl. Danzig (Anhuth) 1860.
12, (1 Thlr.)
Hoffmann, Verzeichnifs sämmtlicher Ort-
schaften des Regierungs-Bezirks Brom-
berg. Mit Angabe des Kreises, der Ge-
richts-, Polizei- und Gemeindebezirke
etc. Nebst Beilagen historischen und
statistischen Inhalts. Bromberg (Aron-
sohn) 1860. hoch 4. (12 Thlr.)
Brandes (H. K.), Ausflug von Memel
nach Muskau im Sommer 1859. Lemgo
(Meyer) 1860. 8. (4 Thlr.)
Jokely (J.), Der nordwestliche Theil des
Riesengebirges und das Gebirge von
Rumburg und Hainspach in Böhmen.
— Jahrb. der K. K. Geolog. Reichs-
Anstalt. X. 1859. p. 365.
Fidicin (E.), Die Territorien der Mark
Brandenburg oder Geschichte der ein-
zelnen Kreise, Städte, Rittergüter in
derselben. 3. Bd. Berlin (Guttentag)
1860. 4. (21 Thlr.)
Berlin, Potsdam und deren Umgebungen.
18. Aufl. Berlin (Grieben’s Reise-Biblio-
thek N. 6) 1860. gr. 16. (3 Thlr.)
Reichardt, Beschreibung des Steinsalz-
bergwerkes zu Stafsfurth, K.preufs. Pro-
vinz Sachsen. — Verhandl. d. K. Leo-
pold. Carol. Acad. d. Naturf. XIX. 1860.
p- 607.
Zusammenstellung derjenigen Tagebuchs-
Notizen etc., welche der K. Preufs.
Oberst-Lieut. F. W. Schmidt über
seine in den J. 1838 — 41 in West-
falen ausgeführten Lokaluntersuchungen,
und überhaupt über seine daselbst an-
gestellten antiquarisch-historischen For-
schungen aufgezeichnet bat. Aus den
hinterlassenen Papieren herausgegeben
vonE. Schmidt. — Zeitschr. f. vaterl,
Gesch. u. Alterthumsk. in Westfalen. N,
F. X. 1859.
Düntzer (H.), Die Romanisirung kölni-
scher Strafsen- und Thornamen. —
Jahrb. d. Ver. von Alterthumsfr. im
Rheinlande. XXVI. 1859. p. 19.
Benrath (H.), Aachen, Burtscheid und
ihre Umgebung. Ein Führer für Fremde.
rn
W200 VER, WERE WETTE
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Nebst einer Abhandlung über die Heil-
quellen Aachens und Burtscheids von
A.Reumont. Aachen (Benrath & Vogel-
sang) 1860. 16. (3 Thlr.)
Die Hauptveränderungen des untern Rhein-
bettes, namentlich zwischen Köln und
‘Xanten. — Annal. des hist. Ver. für
den Niederrhein, insbesondere die alte
Erzdiöcese Köln. Heft 7. 1859. p.131.
Kreuznach. Ilustrirter Wegweiser für Lust-
reisende u. Kurgäste. Berlin (Grieben’s
Reise-Bibliothek N. 50) 1860. 16.
(4 Thlr.)
Bad Kreuznach und die Rhein-Nahe-Ei-
senbahn. Handbuch und Führer für die
Besucher des Nahethals. 4. Aufl. Kreuz-
nach (Voigtländer) 1860. 8. (4 Thlr.)
Braunschweig. Hannover. Ham-
burg. Mecklenburg.
Bock (A.), Braunschweig. Ein Stadtbild.
— Monatsschr. f. deutsches Städte- und
Gemeindewesen. 1860. I. p. 195. 295.
Die ostfriesische Insel Borkum. Hanno-
ver (Rümpler) 1360. 8. (4 Thlr.)
Jahresbericht des Preufsischen Konsulats
zu Harburg für 1859. — Preu/s. Han-
delsarchiv. 1860. N. 20.
Carl (H.) und Schlüter (A.), Statisti-
sche Uebersicht von Harburgs Handels-
und Schifffahrtsverkehr im Jahre 1859.
Harburg (Elkan, in Commiss.). gr. 4.
(3 Thlr.)
Handbuch für Reisende. Der neueste Weg-
weiser und zuverlässigste Führer durch
Hamburg, Altona und deren nahe und
fernere Umgebungen. "7. Aufl. Altona
(Heilbutt) 1860. gr.16. (1 Thlr. 9 Sgr.)
Ulustrirter Wegweiser in Hamburg, dessen
Umgebungen und Helgoland. 6. Aufl.
Berlin (Grieben’s Reise-Biblioth.) 1859.
gr. 16. (4 Thlr.)
Entwickelung des Handels und der Zoll-
verhältnisse Hamburgs seit 1815. —
Preufs. Handelsarch. 1860. N. 18.
Hamburgs Handel im Jahre 1858. — ibid.
1860. N. 5.
Raabe (W.), Mecklenburgische Vater-
landskunde. Bis jetzt 10 Lieff. Wis-
mar (Hinstorff). 8. (4 Thlr.)
Lindemann (J.), Geographie von den
Grofsherzogth. Mecklenburg - Schwerin
und Mecklenburg-Strelitz. 2. Auflage.
Schwerin (Hildebrand) 1860. 8. (4
Thlr.)
521
Königreich Sachsen und die Säch-
sischen Herzogthümer.
Das Königreich Sachsen in historisch-
statistisch-topographischer Beziehung.
2. Aufl. 3. Lief. Leipzig (Schrader)
1860. Fol. (6 Sgr.)
Gottschalck (F.), Die sächsisch-böh-
mische Schweiz. Ein Führer für Rei-
sende. 8. Aufl. Dresden (Gottschalck)
1860. 16. (1 Thlr.)
Leupold’s (H.) Wanderbuch durch Sach-
sen und die Nachbarlande. Eine Hei-
mathskunde sowie ein Rathgeber für
frohe Wanderer. 1. Bd. Dresden, seine
Umgebungen und die sächsische Schweiz.
Dresden (Meinhold & 8.) 1860. 8. (4
Thlr.)
Album der Schlösser und Rittergüter im
Königreich Sachsen. Herausg. von G.
A. Poenicke. Hft. 137 —142. Leip-
zig (Expedition des Albums). qu. Fol.
(& 1 Thlr.)
Das Königreich Sachsen, Thüringen und
Anhalt, dargestellt in malerischen Ori-
ginal-Ansichten. I. Abthl. Das König-
reich Sachsen. N. 41__47. Darm-
stadt (Lange). Lex.8. (&% 8 Sgr.; chin.
Papier a 16 Sgr.; chin. Papier in 4.
a 24 Sgr.)
Weidinger (C.), Leipzig. Ein Führer
durch die Stadt und ihre Umgebungen,
Leipzig (Weber) 1860. 8. (2 Thlr.)
Album von Leipzig und seiner Umgebung.
Sammlung der interessantesten Ansich-
ten in Stahlstichen. Darmstadt (Lange)
1860. gr. 4. (1 Thlr.)
Album der Schlösser und ritterschaftlichen
Besitzungen des Grofsherzogth. Sach-
sen-Weimar-Eisenach in bildlichen Dar-
stellungen mit Text von W. Rein. 1.
Lief. Leipzig (Werl) 1860. qu. Fol.
(@ 27 Sgr.; color. 14 Thlr. ; Prachtaus-
gabe 5 Thlr.)
Album der Schlösser und ritterschaftlichen
Besitzungen des Herzogthums Sachsen-
Meiningen in bildlichen Darstellungen
mit Text von L. Bechstein. 1. Lief.
Leipzig (Werl) 1860. qu. Fol. (A 27
Sgr.; color. 14 Thlr.; Prachtausgabe
5 Thlr.)
Hessen. Württemberg. Bayern,
Ewald, Zur Statistik des Grofsherzog-
thums Hessen. — Notizbl. d. Ver. für
Erdkunde zu Darmstadt. 1859. N. 26.
522
Beschreibung des Königreichs Württem-
berg. Herausgegeben von dem Königl.
statistisch-topographischen Bureau. 40.
Heft. (Beschreibung des Oberamts Calw.)
Stuttgart (Aue) 1860. IV, 378 8. 8.
(1 Thlr. 24 Sgr.)
Schönhuth (O. F. H.), Die Burgen,
Klöster, Kirchen und Kapellen des Würt-
temberger Landes mit ihren Geschich-
ten, Sagen und Mährchen. 1. Bd. Heft
1—10. 2. Bd. Heft 1—6. Stuttgart
(Fischhaber) 1859. 1860. 16. (& 2 Sgr.)
Greth (J.), Album vom Bodensee, pho-
tographirt von J. Albert. 3 Hefte. Mün-
chen (Zeller) 1860. qu. 4. (In engl.
Mappe 4 Thlr.; einzelne Hefte 1 Thlr.
21 Sgr.)
Bock (L.), München. Ein Führer durch
die Isarstadt und deren Umgebung.
(Weber's illustr. Reisebiblioth. N. 22.)
Leipzig (Weber) 1860. 8. (2 Thlr.)
Wanderer (G.), Das bayerische Hoch-
land, das Salzkammergut und der All-
gäu. Ein Führer für Reisende. Mün-
chen (Leutner) 1860. 16. (3 Thlr.)
Hartwig (Th.), Führer durch die süd-
bayerischen Hochlande vom Bodensee
bis zum Königsee, nebst Reiserouten
nach Innsbruck und Salzburg und eine
Beschreibung von München. 4. Aufl.
München (Lindauer) 1860. 8. (28 Sgr.)
Mair (W.), Eine Eisenbahnfahrt an’s bai-
rische Gebirge. — Deutsches Museum.
1860. N. 23.
Oesterreich.
Steinhard (S.), Volksbibliothek der
Länder- u. Völkerkunde. 3. Bd. Oester-
reich und sein Volk. Bd. 1. Lief. 3 —
5. Bd. 2. Lief. 1—6. Leipzig (Brand-
stetter) 1860. 8. (a 4 Thlr.)
Mittheilungen aus dem Gebiete der Sta-
tistik. Herausgeg. von der Direction
der administrativen Statistik im K.K.
Handels-Ministerium. Bd. VI. Heft 4.
Bd. VII. Heft 4. Wien (Braumüller, in
Comm.) 1860. Lex.8. (1 Thlr. 14 Sgr.;
28 Sgr.)
Schmitt (F.), Statistik des österreichi-
schen Kaiserstaats. 2.Aufl. Wien (Tend-
ler & Co.) 1860. gr. 8. (1 Thlr.)
Karte zur Anfertigung statistischer Ueber-
sichten nach Schmitt’s Statistik des
österreichischen Kaiserstaates. Lithogr.
Wien (Tendler) 1860. qu. 4. (2 Sgr.)
W. Koner:
Ficker (A.), Die Volkszählung des öster-
reichischen Kaiserstaates am 31. Octo-
ber 1857. — Petermann’s Mittheilungen.
1360. p. 144.
Statistische Uebersicht über die Bevölke-
rung und den Viehstand von Oester-
reich. Nach der Zählung vom 31. Oc-
tober 1857. Herausgeg. vom K.K. Mi-
nisterium .des Innern. (Wien 1859.)
Prag (Credner). Fol. (74 Thlr.)
Handel Oesterreichs im Jahre 1859. —
Preufs. Handelsarch. 1860. N. 10.
Oesterreichische Eisenbahnen zu Ende des
J. 1859. — ibid. 1860. N. 2.
Schram (K.), Gen Osten. Volksgeschich-
ten und Sittenbilder aus Oesterreich.
Bis jetzt 6 Lief. Berlin (Hollstein) 1860.
8. (a 4 Thlr.)
Bevölkerung und Viehstand in Böhmen.
Nach der Zählung vom 31. October
1857. Herausgeg. vom K. K. Ministe-
rium des Innern. (Wien 1859.) Prag
(Credner). Fol. (2 Thlr.)
Malerisch-historisches Album des König-
reichs Böhmen. Herausgegeben von E.
Hölzel. Lief.15. 16. Olmütz (Hölzel)
1860. qu. gr. Fol. (& 14 Thlr.; color.
a 21 Thlr.; Prachtausg. gemalt a 34
Thlr.)
Wenzig (J.) und Krejti (J.), Der Böh-
merwald. Natur und Mensch. 2. Lief.
Prag (Bellmann) 1860. 8. (2 Thlr.)
Koristka (K.), Bericht über einige in
den mährisch-schlesischen Sudeten im
Jahre 1858 ausgeführte Höhenmes-
sungen. — Jahrb. der k. k. Geolog.
Reichsanstalt. 1859. p. 237.
Malerisch-historisches Album von Mähren
und Schlesien. !Herausg. von E. Höl-
zel. 2. Serie. Lief. 4. Olmütz (Hölzel)
1860. qu. gr. Fol. (& 1 Thlr. 6 Sgr.;
color. 2 Thlr., Prachtausgabe gemalt
22 Thlr.)
An Autumn in Silesia, Austria Proper,
and the Ober Enns. By the Author
of „Travels in Bohemia *. London
(Newby) 1859. 390 8. 8. (10. 6.d.)
Bevölkerung und Viehstand von Oester-
reich u. d. Enns. Nach der Zählung
v. 31.October 1857. Herausg. vom k.
k. Ministerium des Innern. Wien (Ge-
rold’s Sohn, in Comm.).
(+ Thlr.)
Keil (J.), Physikalisch - geographische
Skizze der Kreuzkofel-Gruppe nächst
Lienz in Tyrol. Wien (Gerold’s Sohn,
in Comm.). 1859. Lex. 8. (6 Sgr.)
wr
1860. Fol.
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
v. Richthofen (F.), Geographische Be-
schreibung der Umgegend von Predazzo,
St. Cassian und der Seisser Alpen in
Süd-Tyrol. Gotha (J. Perthes) 1860.
gr. 4. (62 Thlr.)
Mastalier (E.), Ischl als klimatischer
Alpencurort. Wien (Typograph. lit. ar-
tist. Anst.) 1860. gr. 8. (4 Thlr.)
Stra([s (K.F. H.), Salzburg, Ischl und
Gastein nebst deren Umgebungen. Hand-
buch für Reisende und Kurgäste. 4. Aufl.
Berlin (Allg. Deutsche Verlags-Anst.)
1860. 8. (2 Thlr.)
Keil (F.), Der Grofs-Glockner und seine
Umgebung; Bemerkungen zu seiner auf
achtjährige Forschungen und Untersu-
chungen gestützten Karte. — Peter-
mann’s Mittheil. 1860. p. 85.
Becker (M. A.), Der Oetscher und
sein Gebiet, aus eigner Beobachtung
und bisher unbenutzten Quellen ge-
schöpft von mehreren Freunden der
Landeskunde. 2 Thle. Wien 1859 —60.
XXVII, 524 u. 4448. 8. Mit Tafeln.
(2 Thlr. 24 Sgr.)
v. Ruthner (A.), Uebergang aus dem
Oetzthale in das Pitzthal über den
Hochvernagt- und Sechsegertenferner.
— Mittheil. d. Wiener Geogr. Ges. II.
1859. p. 130.
Hall (Mrs. Newman), Through the Tyrol
to Venise. London (Nisbet) 1860. 8.
(7. 6.d.)
Pechmann (E.), Die geographische Breite
von Innsbruck. — Mittheil. d. Wiener
Geogr. Ges. III. 1859. p. 65.
Das Innthal in Tirol und seine Neben-
thäler. Für Eisenbahnreisende geschil-
dert von W.M. Innsbruck (Wagner)
1860. 8. (4 Thlr.)
Hlubek (F.X.), Ein treues Bild des Her-
zogthums Steiermark als Denkmal dank-
barer Erinnerung an weiland Se. Kais.
Hoheit den durchl. Erzherzog Johann.
Gratz (Ferstl) 1860. XLVII, 484 S.
4. (5 Thlr.)
Macher (M.), Medizinisch - statistische
Topographie des Herzogthums Steier-
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523
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Wegweiser für Fremde und Einheimi-
sche. Laibach (Giontini) 1860. 16.
(16 Sgr.)
Ungarn. Siebenbürgen. Croatien.
Magyarorzag statisztikai, birtokviszo-
nyi €s topographiai szempontböl. (Un-
garn aus dem Gesichtspunkte der Sta-
tistik, des Grundbesitzes und der To-
pographie. I. 1. Trencesiner Comitat.
2. Szolnoker Comitat. Herausg. von
Alex. Fenyes). Pest (Räth) 1859.
1628. 8. (& 124 Sgr.)
Vaterländische Mittheilungen aus dem Ge-
biet der National-Oekonomie, Statistik,
Geografie, Ethnografie etc. Herausgeg.
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werbekammer. 1. Heft. Pesth (Räth, in
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Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt.
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v. Andrian (F.), Bericht über die Ue-
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Reichsanstalt. X. 1859. p. 535.
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der Wiener Geogr. Ges. III. 1859.
p- 120.
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Messungen in den Sudeten und Kar-
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Ges. III. 1859. p. 390.
Jeitteles (L. H.), Das Erdbeben am
15. Jänner 1858 in den Karpathen u.
Sudeten in seinen Beziehungen zur At-
mosphäre. — Mittheil. d. Wiener Geogr.
Ges. III. 1859. p. 397.
Klemens (J.), Nachtrag zu den Mitthei-
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Erdbeben zu Sillein am 15. Jan. iS58.
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über eine im Jahre 1851 unternom-
mene geognostische Reise durch die
südlichsten Punkte des Banates, der Ba-
nater Militärgränze und Siebenbürgens.
— Verhandel. u. Mittheil. des siebenb.
Ver. f. Naturwiss. 1859. N. 7 £.
Reissenberger (L.), Dritter Nachtrag
zur Uebersicht aller bis nun theils tri-
gonometrisch, theils barometrisch be-
stimmten Höhenpunkte in Siebenbür-
gen. — Verhandl. u. Mittheil. des sie-
benbürg. Vereins für Naturwiss. 1859.
N. 12.
Folberth (Fr.), Die Rodnaer Sauerbrun-
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benbürg. Ver. f. Naturwiss. 1859. N.2f.
Lorenz (J.R.), Die Quellen des libur-
nischen Karstes und der vorliegenden
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Joanne (A.), Itineraire descriptif et hi-
storique de la Suisse, du Jura francais,
du mont Blanc et du mont Rose. 3°
edit., entierement refondue et conte-
nant 10 cartes, 5 plans de villes, 10
vues et 7 panoramas. Paris (Hachette
& Co.) 1859. XIX, 866 8. 18.
Peaks, Passes, and Glaciers: a Serie of
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1860. 5508. 8. (21s.)
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sous la direction de M. Thury. —
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p- 220.
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Gebiete Naters und Zehnden Brig 1859.
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rektion ausführlich ohne irgend ein
Opfer Seitens des Bundes, der Kan-
tone, Gemeinden oder Privaten. Solo-
thurn (Jent & Gafsmann) 1860. gr. 8.
(12 Sgr.)
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tel, de Bienne et de Morat. — Bullet,
de la Soc. d. sciences naturelles de
Neuchatel. V. 1859. p. 142.
Gonin (L.), Note sur le dessechement
des marais de [’Orbe. — Bullet. de la
Soc. Vaudoise. VI. 1859. p. 247.
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Abrege de geographie commerciale et hi-
storigue, contenant la division de la
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Frankreich. — Preufs. Handelsarchiv.
1860. N. 11.
Gen’erat (T.), Etude geographique et
ethnographique sur les peuples qui
avoisinent le cours inferieur du Rhöne
et de la Durance avant la conquete
de la Gaule par les Romains, et re-
cherches sur les villes de Vindalium et
Aeria et sur le passage du Rhöne par
Annibal. Paris 1860. 48 S. (20 Sgr.)
Savy, Memoire topographique, jusqu’au
V° siecle, de la partie des Gaules oc-
cupee aujourd’hui par le departement
de la Marne. — Mem. de la Soc. d’agri-
culture etc. du departement de la Marne.
1859.
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celtiques en general, et sur ceux de la
Marne en particulier. — ibid.
Jacobs (A.), Les trois itineraires des
Aquae Apollinares, explication de la
partie qui concerne la Gaule. (Extrait
de la Revue des Soc. Savantes). Paris
(Durand) 1859. 20 8, 8.
{
EBERLE
a ur
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Halleguen (E.), Les Celtes, les Amo-
ricains, les Bretons. Nouvelles recher-
ches d’archeologie, de geographie et
d’histoire sur l’Amorique bretonne. Pa-
ris (Durand) 1860. 43 8. 8.
Peigne-Delacourt, Supplement aux
recherches sur l’emplacement de No-
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Soissonnais. — Mem. de la Soc. des
Antiquaires de Picardie. 2° Ser. VI.
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Feurs (Loire). Paris 1859. 8.
Germondy (A.), Geographie gallo-ro-
maine. Cantons de Saint-Tropez et de
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ces, belles-lettres et arts du depart. du
Var. 27° annee. 1859.
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des Commentaires de Cesar et sur les
antiquites d’Alise Sainte-Reine (Cöte-
d'Or). Paris 1860. 588. 4.
Clerc, Etude complete sur Alaise. Alaise
n’est pas l’Alesia de Cesar. Ouvrage
renfermant des notions utiles pour l’in-
telligencee de l’'histoire des montagnes
du Doubs, avec une carte explicative.
Besancon 1860. VIII, 1368. 8.
Creuly et Alfr. Jacobs, Examen hi-
storique et topographique des lieux
proposes pour representer Uxellodu-
num. Paris 1860. 8.
Pinard, Athis-Mons, son histoire, ses
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lonnais. — Mem. de la Soc. Dunker-
quoise. T. VI. 1858—59.
Jacobs (A.), Geographie de Fredegaire
et de ses continuateurs, et des Gesta
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Pigault de Beaupre, Reconnaissance
des voies locales existantes au V*® sie-
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T. VI. 1858-59.
Boudon de Saint-Amans (J. F.), Es-
sai sur les antiquites du departement
de Lot-et-Garonne. Agen (Noubel)
1859. 3428. 8. Avec lithogr. et plans.
Labessiere, Geographie du departe-
ment de Maine-et-Loire, & l’usage des
ecoles. Angers (Barasse) 1859.1788. 18.
Braud (A.), Sur la geographie du de-
partement de Maine-et-Loire, a l’usage
des ecoles, de M. Labessiere. — Journ.
d’education populaire. 1860. Mars.
925
nistere), preceede d’une notice sur la
Bretagne au XIX®sieele. Paris (com-
ptoir dela librairie de province) 1859. 8.
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of „The Timely Retreat“. London (Bent-
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partement de la Moselle, histoire et
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industrielle et statistique du departe-
ment de la Haute-Mame. Chaumont
1860. 648 8. 12. (3 fr. 50).
Deribier du Catelet, Dictionnaire
statistique et historique, ou histoire,
description et statistique du departe-
ment du Cantal. Ouvrage revu et aug-
mente par les soins de l’Assocation
Cantalienne. 5 voll. Aurillac (Veuve
Picut et Bonnet) 1859. gr. 8.
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servir de complement & la statistique
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(Chaumas) 1859. 79S. 8. (2 fr. 50.)
Mancel (J.), Une promenade dans la
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8. Vgl. Bull. de la Soc. de Geogr.
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der et Doulevant (Haute-Marne). Wassy
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Dünkirchen für 1859. — Preufs. Han-
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Jahresbericht des Preufs. Konsulates zu
Bordeaux für 1859. — Preufs. Han-
delsarch. 1860. N. 17.
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and Spring of 1859. By John Altrayd
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2608. 8. (7s. 6d.)
Taine (H.), Voyages aux Pyrenees, 3°
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(Hachette) 1860. VIII,3558. 8. (20 fr.)
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1859. gr. 8. (4 Thlr.)
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London (Adams) 1860. 1148. 12.
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Alliez, Les iles de Lerins, Cannes et
les rivages environnants. Paris 1860.
5148. 8. (2 Thlr.)
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Notices of the Coast, from Marseilles
to Genoa. London 1859. 190 S. 12.
(3 s. 6d.)
de Lacombe (F.), Nice et la Savoie
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litaire. — Spectateur militaire. 2° Ser.
RXX. p. 83.
— , La frontiere frangaise de I’Est. —
ibid. p. 229.
Caillette de 1’Hervilliers, Le mont
Gannelon & Clairoix, pres de Com-
piegne, etude d’archeologie, de philo-
logie et d’histoire. Compiegne 1860.
8. (3 fr.)
Die Niederlande.
Holland-Almanak voor 1860. Uitgegeven
door J. v. Lennep. Met staalgravuren.
Amsterdam (Gebr. Kraay) 1860. 2,
VII, 8 en 259 bl. 8. (f. 3,90.)
Terwen (J. L.), Het Koningrijk der Ne-
derlanden, voorgesteld in eene reeks
van schilderachtige gezigten zijner be-
langrijkste plaatsen, merk waardigste ste-
den, kerken, kasteelen en andere aan-
zienlijke gebouwen van vroegeren en la-
teren tijd.. Naar de natuur geteekend
en in staal gegraveerd door onderschei-
dene kunstenaars. 38—42° afl. Gouda
(van Goor). gr. 8. (& £. 0,50; Pracht-
uitgave in roy. 4. & f. 1,20.)
Tegenwoordige Staat van het Koningrijk
der Nederlanden. Beschrijving en af-
beelding der steden, dorpen, heerlijk-
heden, landgoederen en verdere merk-
waardige plaatsen in ons vaderland.
Zuid-Holland, door A. W. Kroon. 15°
en 16° afl. Amsterdam (Loman). Fol.
(A £. 0,30).
Korte aardrijkskundige beschrijving van
het Konjngrijk der Nederlanden en
zijne buitenlandsche bezittingen. Ter
gebruike der lagere scholen. Gronin-
gen (Folkers) 1860. 72 bl. kl. 8.
(f. 0,30).
Merkwaardige kasteelen in Nederland, door
W. Koner:
Mr. J. van Lennep en W. J. Hof-
dijk. 3°en laatste serie. Met platen
en kaarten. 10° 12° afl. Amsterdam
(Tielkemeijer) 1859. (& f. 0,60.)
Briefe aus den Niederlanden. — Magaz.
Ff. d. Lit. d. Auslandes. 1860. N.12.23.
Een woord over het adres der Amster-
damsch-Utrechtsche eommissie betrek-
kelijk de spoorwegen. Rotterdam (Kra-
mers) 1859. 34 bl. gr. 8. (f. 0,35.)
Philopatris, Een ernstig woord over
de Noorder-spoorwegen. ’s Gravenhage
(Gebr. Belifante) 1859. gr. 8. 27bl.
(f. 0,30.)
Alewijn (J. P. Opperdoer), Kort betoog
houdende ernstige bedenkingen tegen
het plan der doorgraving van Holland
op zijn smalst ete. Utrecht (Kemink
& Zoon) 1860. 41 bl. gr. 8. (f. 0,50).
Memorie von toelichting op het voorloo-
pig verslag over het kanaal door Hol-
land op zijn smalst, ingediend door
eene commissie etc. Amsterdam (Spin
en Zoon) 1859. 2 en 63 bl. roy. 8.
(£. 0,40.)
Magnenat (W. C.), Open brief aan je-
der Nederlander over de doorgraving
van Noord-Holland op zijn smalst, en
het Nederlandsche spoorwegnet. Amster-
dam 1859. 8. (f. 0,25.)
Froger (W. A.), Ontwerpen en rappor-
ten betreffende het verbeteren der groote
handels-waterwegen van Amsterdam, en
de te maken aanlegplaatsen voor stoom-
booten in het Y aldaar, met eene voor-
rede etc. Met eene atlas. Amsterdam
(Weytingh) 1859. XL en 170 bl. gr. 8.
(£. 5,80.)
Faddegon (P. P.), Het Noordzee-kanaal
en de spoorweg van het Nieuwediep
op Amsterdam, met een zijtak van
Uitgeest op Haarlem, enz. onmisbaar
noodig. vor Noord-Hollands. Amster-
dam (Weytingh) 1859. 128 bl. 8.
(f. 1,35.)
Vergelijkende overzigten van nederland-
sche scheepvaart en scheepsbouw in de
laatste jaren. — De Economist. 1860.
April.
Handel und Schifffahrt der Niederlande
im J. 1858. — Preu/s. Handelsarchiv.
1860. N. 5.
Algemeen overzigt van de scheepvaart
onder Nederlandsche vlag, op de Ne-
derlandsche en vreemde Oost-Indische
bezittingen, Japan, China, Australi&
enz., gedurende het jaar 1859; en vol-
u
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze Karten und Pläne.
ledig en naauwkeurig register van
alle schepen onder Nederl. vlag etc.
9° jaarg. Amsterdam (Marlof & Zoon)
1860. 8. (f. 0,75.)
Statistiek van den handel en de scheep-
vaart van het Koningrijk der Neder-
landen, over het jaar 1858. Uitgege-
ven door het departement van Finan-
cien. ’s Gravenhage (Gebr. Giunta d’Al-
bani) 1859. 4, IV, 2 en 477bl. Fol.
(f. 6,50.)
Over den invoed van de droogmaking van
het Haarlemmer meer op de tempera-
tuur in de omgeving. — Allgem. Konst-
en Letterbode. 1860. N.4.
Downing ($S.), On the Drainage of
HaarlemLake. — Transact. of the Roy.
Irish Academy. Vol. XXIII, 2. 1859.
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Schneider (J.), Die römische Nieder-
lassung im Holedorn und der Teufels-
berg bei Nymwegen. — Jahrb. d. Ver.
von Alterthumsf. im Rheinlande. XXVII.
1859. p. 1.
ter Gouw (J. Aur.), Amsterdam. Oor-
sprong en afleiding van de namen der
grachten, eilanden, pleinen, straten,
stegen, bruggen, sluizen en torens de-
zer stad. 2°druk. Amsterdam (Gebr.
Kraay)1859. 4en161bl. 8. (f.1,25.)
Jahresbericht des Preufsischen Konsulates
zu Amsterdam für 1859. — Preu/s.
Handelsarchiv. 1860. N. 14 f.
Bijdragen tot de kennis van den tegen-
woordigen staat der provincie Gronin-
gen. Uitgegeven door de commissie
voor de statistieke beschrijving der
provincie Groningen. 3° stuk. Gronin-
gen (de Erven C. M. van Bolhuis-
Hoitsema) 1860. 8. (1° deel compl.
f. 3,90.)
Delft, in eenige afbeeldingen der schoon-
ste monumenten, hoofdgebouwen en ge-
zigten in en nabij de stad. Naar de
natuur geteekend door C. Bos, op steen
gebragt door C. J. Bos en met tinten
gedrukt door P.W. M. Trap. Met daar-
bij gevoegden tekst door T. van West-
rheene. 8°—12°afl. Delft (van Gessel)
1859. kl. 4. (&f. 0,40.)
De stad Utrecht. Album bevattende af-
beeldingen harer voornaamste gebouwen
en gezigtspunten. Naar de natuur ge-
teekend en op steen gebragt in het
lithogr. etablissement van P. W. van
de Weijer, te Utrecht, met histor.
bijschriften door Wap. 10° 17° afl.
927
Utrecht (Broese) 1859. roy. 8. (A f.
0,30.)
Belgien.
Tarlier (J.) et Wauters (A.), La Bel-
gique ancienne et moderne. Geographie
et histoire des communes Belges. Pro-
vince de Brabant; Canton de Genappe.
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Handel und Schifffahrt zu Antwerpen im
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London at a Glance: an Illustrated Atlas
of London, containing Thirty-six Maps
in Sections, a Key Map of the whole
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ferences, a General Index to the Pu-
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(Hodgson) 1859. 12. (5 s.)
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Coghlan (F.), Guide to North Wales:
Mode of Travelling. Plans of various
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don (Simpkin) 1860. 160 8. 12. (2s.)
Black’s Tourists’ Guide through the Coun-
ties of Gloucester, Hereford, and Mon-
mouth, including Descriptions of Bath,
Bristol, Cheltenham, Chepstow, Glou-
cester, Hereford, Monmouth, Ross, Tin-
tern Abbey etc. With Maps, Charts and
Illustrations. Edinburgh (Longman)
1860. 2008. 8. (2s.)
A Description of Manchester; giving an
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which the Town was formerly included.
Reprinted from a curious edition of
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gebuch der Reisen in Norwegen, zu-
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Öfwersigt af Stadens historia och öfriga
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(Berlingska Boktryck). 4 och 164
Sana,
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1859.
Swinhoe (R.), Ein Besuch der Insel
Formosa. — Zeitschr. f. allgem. Erd-
kunde. N.F. VIII. 1860. p. 207. Vgl.
Ausland. 1860. N. 26.
Biernatzki, Die Insel Formosa.. —
Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N.F.
VI. 1859. p. 376.
Japan.
Pages (L.), Bibliographie Japonaise, ou
catalogue des ouvrages relatifs au Ja-
pon, qui ont publies depuis le XV*®
sieele jusqu’& nos jours. Paris (Duprat)
1859. VI, 688. 4.
Vreemde landen en volken. Hun toestand
en ontwikkeling, godsdienst en staats-
wezen, behoeften en hulpbronnen, ge-
woonten en zeden, beschreven naar de
nieuwste bronnen. Met staalplaten. 2°
deel. Japan. 1 — 4°afl. Amsterdam
(Gebr. Kraay) 1859. gr. 8. (f. 0,50.)
Heine (W.), Japan und seine Bewohner.
Geschichtliche Rückblicke und ethnogra-
phische Schilderungen von Land und
Leuten. Leipzig (Costenoble) 1860.
gr.8. (1 Thlr. 26 Sgr.)
de Lynden, Souvenir du Japon, vues
d’apres nature avec texte. Planches
chromolithogr. executees A la lithogra-
phie royale de €. W. Mieling. 1° livr.
La Haye (Mieling) 1860. qu. fol. (compl.
10 livr. f. 15.)
Kemish (S8.B.), The Japanese Empire:
its Physical, Political, and Social Con-
dition and History; with Details of
the late American and British Expe-
934
ditions. London (Patridge). 1860. 8.
(3 s. 6d.)
Briefe auf einer Reise von Japan. nach
Europa. — Ausland. 1860. N.i.
Williams (S. W.), Lecture on Japan. —
Journ. of the North China Branch of the
Royal Asiat. Soc. N. 2. May 1859.
Shanghai 1859.
Japan. — The Westminster Review. N. 34.
April 1860.
Die Japanesischen Häfen Niegata und
Fiogo. — Petermann’s Mittheil. 1860.
p- 194.
Aufnahmen und Entdeckungen im Japa-
nischen Meere im J. 1859. — ibid.
1860. p. 195.
Untersuchungen an der Küste von Japan.
— Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F.
VIII. 1860. p. 161.
Notes on the Coast of Japan. — Nauti-
cal Magaz. 1860. May.
Die Russen unter Graf Putjatin in Jeddo.
— Ausland. 1860. N. 8.
Russische Reisen nach Japan (nach dem
Russischen des Morskoi Sbornik). Ge-
sandtschaftsreise des Grafen Putjatin
nach Jeddo. — Arch. f. wiss. Kunde von
Rufsland. XIX. 1860. p. 243.
Schreiben eines Offiziers des Askold. —
ibid. p. 256.
Russische Reisen nach Japan. Sechs Wo-
chen in Hakodade. — ibid. XIX. 1860.
p- 375.
Lord Elgin’s Mission to Japan. — Dublin
University Magazine. 1860. N. 328.
Lord Elgin und die Briten in Japan. —
Ausland. 1860. N. 13f.
Steger (Fr.), Die Nipponfahrer oder das
wiedererschlossene Japan. 3.u. 4. Hft.
Malerische Feierstunden. 1.Ser. 2. Abthl.
Bft. 21. 22. Leipzig (Spamer) 1860.
gr. 8. (& 4 Thlr.)
Japanese Manners and Customs. — Nau-
tical Magazine. January 1860.
Japan und die Japanesen. — Ausland.
1860. N. 25.
Rosenkranz (K.), Japan und die Ja-
paner. — Deutsches Museum. 1860.
N. 14.
Das Laternenfest in Nangasaki. — Zeitschr.
für allgem. Erdkunde. N. F. VIII. 1860.
p- 262.
De handel op Japan. — Het bijblad van
de Economist. 1860. 1. AA.
Handelsbericht aus Japan. —
Handelsarchiv. 1860. N. 2. 8.
Quarles van Ufford (J. K. W.), De
Preu/s.
W. Koner:
schorsing van den japanschen handel.
— De Economist. 1860. April.
Onze handelsbelangen in Japan. — Tijd-
schr. voor Nederlandsch Indie. 1860.
I. p. 165.
Macgowan, Lettre sur la reintroduction
du christianisme au Japon, fevrier 1859.
— Journ. des Missions evangeliques.
1860. N. 1.
Christianity in Japan. — National Review.
N. 20. 1860.
Kleinasien.
Briefe aus Kleinasien. — Ausland. 1860.
N.2f. 11f.
Mordtmann’s Reisen in Kleinasien. —
Petermann’s Mittheil. 1860. p. 112.
de Tchihatchef (P.), Joumey in Asia '
Minor. — Proceedings of the R. Geogr.
Soc. III. 1859. p. 370.
Theodor Kotschy’s neue Reise nach Klein-
Asien. III. Abschnitt: Reise von Tra-
pezunt über Erzerum, den Bimgöll
und Musch nach dem Wan-See, Erfor-
schung der unbekannten Gegenden im
Süden dieses See’s und Rückreise nach
Erzerum, 27. Juli bis 25. Octbr. 1859.
— Petermann’s Mittheilungen. 1860.
p- 68.
Handel von Trapezunt und Persien im J.
1859. — Preufs. Handelsarchiv. 1860.
N. 22.
Der Handel von Samsun in Kleinasien. —
ibid. 1860. N.1.
Ritter (Ch.), Description de l’ile d’Im-
bros et du tremblement de Terre qu’on
ya senti en aoüt 1859. Extrait d’une
lettre en date de Kourou Tschesm& le
21 decembre 1859. — Nowv. Annal, d.
Voy. 1860. I. p. 129.
Geologie der Insel Cypem. — Peter-
mann’s Mittheilungen. 1860. p. 154.
Syrien und Palästina.
Nablus und die Samariter. — Grenzboten.
1860. N. 16.
Guys (H.), Beyrout et le Liban, relation
d’un sejour de plusieurs annees dans ce
pays. 2 vol. Paris 1860. 8. (7 fr.)
— , Voyage en Syrie, peinture de moeurs
musulmans, chretiennes et israelites.
Paris 1860. 8. (3 fr. 50 c.)
Documents sur la religion des Druses. —
Revue orientale et americiane. 1859.
Novembre.
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Geography and Geology of the Eastern
Distriets of Syria. — Edinburgh New
Philos. Journ. 1860. N. 22.
Rey (E.G.), Voyage dans le Haouran et
aux bords de la mer Morte, executes
pendant les anndes 1857 et 1858. Paris
1860. XX1V, 306 8. 8. 1"° et 2° livr.
de l’Atlas gr. in fol. de 10 pl. (3 Thlr.)
Wetzstein (J. G.), Reisebericht über
Hauran und die Trachonen, nebst ei-
nem Anhange über die sabäischen Denk-
mäler in Ostsyrien. Berlin (D. Reimer)
1860. gr. 8. (1 Thlr.)
v. Raumer (K.), Palästina. 4. Auflage.
Leipzig (Brockhaus) 1860. gr. 3.(2 Thlr.)
deZwart(A.C.), Handleiding bij de aard-
rijkskunde van Palestina. Met een zeer
naauwkeurig kaartje. Amsterdam (de
Hoogh) 1859. 8. (f. 0,20.)
Granlund (V. G.), Palaestina. Kort Hi-
storisk- Geographisk Beskrifning, efter
de bästa källor utarbetad. Stockholm
(Elde & Co.) 1860. 84 S. 12. (50 öre.)
Unruh (G.), Der Zug der Israeliten aus
Aegypten nach Canaan. Ein Beitrag
zur biblischen Länder- u. Völkerkunde.
Langensalza 1860. gr. 8. (24 Sgr.)
Osborn (H. 8.), The Pilgrim in the Holy
Land; or Palestine Past and Present.
London (Hogg.) 1859. 3208. 12.
(3s 6d.)
Cubley (L. M. Miss), The Hills and Plains
of Palestine, with Illustrations and De-
scriptions. London (Day) 1859. 4.
(31. 6d.)
Bourasse (J. J.), La Terre sainte,
voyage dans l’Arabie, la Judee, la Sa-
marie, la Galilee et la Syrie. Tours
1860. 5128. 8. Mit 33 Taf. (2 Thlr.
10 Sgr.)
Stanley (A. P.), Sinai and Palestine, in
Connection with their History. 5th edit.
With Maps and Plans. London (Murray)
1860. 6008. 8. (16 =.)
Isambert (E.), Une visite au temple
de Jerusalem et & la mosquee d’Omar.
— Bull. de la Soc. de Geogr. 4° Ser.
XIX. 1860. p. 380.
Arabien.
Pilgrimage to Mecca in 1859. — Nau-
tical Magaz. 1860. April.
Du Couret (Hadji Abd-el-Hamid-Bey),
Les mysteres du desert, souvenirs de
voyages en Asie et en Afrique. 2 vol.
Paris 1860. 8. (7 fr.)
535
Du Couret (Hadji Abd-el-Hamid-Bey),
L’Arabie Heureuse. Souvenirs de voyages
en Afrique et en Asie, publies par Alex.
Dumas. 3 vol. Paris 1860, 8. (3 fr.)
Zur Geschichte der Wahhabiten. — Aus-
land. 1860. N.S8.
Der Handel von Aden. — Petermann’s
Mittheil. 1860. p. 240.
Armenien und Mesopotamien.
Wolff, The Koolagh; or Snowstorm at
Erzroom. — The Constitutional Prefs
Magazine. 1860. June.
Castaing, Expedition scientifique de
Mesopotamie. — Revue orientale et
am£ricaine. 1859. Novembre.
Ein Tag in Nisibis. — Ausland. 1860.
NE22.
Texier, Les tribus arabes de l’Iräk-
Arabi. — Revue orientale et ameri-
caine. 1860. Avril.
Persien.
Hommaire de Hell (X.), Voyage en
Turquie et en Perse, execute par or-
dre du gouvernement frangais, pendant
les annees 1846 — 48. T. IV. Paris
1860. 8. (10 fr.)
v. Bunge (A.), Die Russische Expedition
nach Chorassan, 1858 u. 1859. 1. Reise
durch das nördliche Chorassan von Aster-
abad nach Meschhed, April bisJuli1858.
2. Reise durch das südöstliche Choras-
san von Herat nach Tebes und zurück,
October bis November 1858. 3. Reise
durch Herat in die Wüste Luth nach
Kerman und Rückreise über Jesd, Is-
fahan und Teheran nach dem Araxes,
Februar bis Juni 1859. — Petermann’s
Mittheilungen. 1860. p. 205.
Prineipaux resultats de l’exploration du
Khorassan par les Russes. — Nouv.
Annal. d. Voy. 1860. I. p. 106. Vgl.
Ausland. 1860. N. 17. =
Die Ergebnisse der Russischen Expedition
nach Chorassan. — Petermann’s Mit-
theilungen. 1860. p. 193. Chanykow
über die physikalischen Grundzüge von
Chorassan. — ibid. p. 194.
Weitere Mittheilungen über die russische
Expedition nach Khorassan. — Zeitschr.
Ff. allgem. Erdkunde. N.F. VI. 1859.
p. 493. VII. 1860. p. 160.
Tschrikow (E. J.), Ueber die Arbeiten
der persisch-türkischen Gränz-Commis-
536
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Abbott (K.E.), Notes on Ghilan. —
Proceedings of the R. Geogr. Soc. III.
1859. p. 391.
Spiegel (Fr.), Die culturgeschichtliche
Stellung des alten Persiens. — Aus-
land. 1860. N. 17f. 20 £.
Der Hof und die Gesellschaft in Persien.
Aus den Briefen der Lady Sheil. —
Westermann’s illustr. deutsche Monats-
Hefte. 1860. Mai.
Vorder- und Hinter-Indien.
East India Register and Army List, cor-
rected to Mai 12, 1860. London (Al-
len) 1860. 12. (10s.; bound 115.6d.)
Sykes, Traits of Indian Character. —
Journ. of the Roy. Asiat. Soc. of Great
Brit. and Ireland. XVII. 1860. p. 223.
Trevor (G.), India, its Natives and Mis-
sions. London (Relig. Tract. Soc.) 1860.
12. (3 s.)
Venedey (J.), Engelska Ostindien. Hin-
dustans Natur, Folk, Historia och Se-
der Skildrade. Fri öfwersättning frän
Tyskan af Kjlimann-Göranson. Heft
VIII XI. Stockholm (Beckman) 1859
al
Bradshaw’s Railway etc. Through Route
and Overland Guide to India, Egypt,
and China; or, the Travellers Manual
of how to Reach and how to Live in
the Three Residencies of India. New
Edit. for 1860. London (Adams) 1860.
16. (5 s.)
Russell (W.H.), My Diary in India in
the Years 1858—59. With Illustrations.
New edit. 2 vols. London (Routledge)
1860. 840 8. 8. (21s.)
Andrew (W.P.), The Indus and its Pro-
vinees. London (Allen) 1859. 8.
(10. 6.d.)
Directions for the Coast of Sind and Ap-
proach to Kurrachee Harbour. - Nau-
tical Magazine. February 1860.
Rural Life in Bengal, illustrative of Anglo-
Indian Suburban Life; more particu-
larly in connection with the Planter
and Peasantry, the varied Produce of
the Soil and Seasons; with copious De-
tails of the Culture and Manufacture
of Indigo. Letters from an Artist in
India to his Sisters in England. By
the Author of „Anglo-Indian Domestic
W. Koner:
Life“. London (Thacker) 1859. 212 8.
8. (18 5.)
Landwirthschaft in Bengalen. — Ausland.
1860. N. 10.
Guiaud (J.), Series of Six Views ofthe
River of Mandoo, the Ancient Mahom-
medan Capital of Malwah in Central
India. With Descriptive and Historical
Notices, and an Appendix. London
(Day & S.) 1860. Imp. Fol. (31 s.
6.d.
ne (M.), Nachrichten aus dem west-
lichen Ostindien. — Ausland. 1860.
N. 23.
Purdon (W. H.), On the Trigonometri-
cal Survey and Physical Configuration
of the Valley of Kashmir. — Proceed-
ings ofthe R. Geograph. Soc. IV. 1860.
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Forbes (A.K.), Notes on the Ruins of
Wallabhipura. — Journ. of the R. Asiat.
Soc. of Great Britain and Ireland.
XVII. 1860. p. 267.
Statistisches über Ostindien. —
mann’s Mitth. 1860. p. 156.
Handelsbericht aus Bombay. — Preu/s.
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Valpy (R.), On the Recent and Rapid
Progress of the Britisch Trade with
India. — Journ. of the Statist. Soc.
XXIII. 1860. p. 66.
Mann (J. A.), On the Cotton Trade of
India. — Journ. of the R. Asiat. Soc.
of Great Britain and Ireland. XVII.
1860. p. 346.
Lange (H.), Adolphe Schlagintweit. Ses
voyages dans les Alpes, dans l’Inde,
dans l’Himalaya et la Haute-Asie, sa
mort. — Nouv. Anmal. d. Voy. 1859.
IV. p. 283.
de Rosny (L.), Le Ladak, d’apres la
relation anglaise du Maj. Alex. Cun-
ningham. — Nowv. Annal. d. Voy. 1860.
I. p. 204.
The Goorkhas, Coles and cognate Tribes
of the Ganges, Brahmaputra and Ira-
wadi. — Journ. of the Indian Archi-
pelago. New Ser. III. 1859. p. 111.
de Rosny (L.), L’empire Burman, d’apres
les sources anglaises. — Revue orien-
tale et americaine. 1859. Decembre.
Burmah. — Colburn’s New Monthly Ma-
gaz. 1860. June.
Marshall (W.H.), Four Years in Bur-
mah. 2 vols. London (Skeet) 1860.
620 8. 8. (21.)
Notizen über Birma aus Marshall’s Four
Peter-
en ee
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Years in Burmah. — Ausland. 1860.
N. 16.
J. W. Helfer's gedruckte u. ungedruckte
Schriften über die Tenasserim - Provin-
zen, den Mergui-Archipel und die An-
damanen-Inseln. — Mittheil. d. Wiener
Geogr. Ges. III. 1859. p. 167.
Phayre, Les Karens du Tongou, dans la
province anglaise du Pegou. —— Now.
Annal. de Voy. 1859. IV. p. 239.
Halls (J. J.), Two Months in Arrah, in
1857. London (Longman) 1860. 12.
(25. 6d.)
Maxwell (P. B.), The Law of England
in Pinang, Malacca and Singapore. —
Journ. of the Indian Archipelago. New
Ser. III. 1. 1859. p. 26.
Jahresbericht des Preufsischen Konsulates
zu Singapore für 1859. — Preu/s. Han-
delsarch. 1860. N. 18.
O’Riley, (E.), Notices of Karen Nee,
the country of the Kayaor Red Karens.
— Journ. of the Indian Archipelago.
New Ser. III. 1. 1859. p.1.
The Affiliation of the three Classes of the
Tribes of the Vindhyas. — The Tehond
and Gond; the Mall and Uraon; and
the Kol. — Journ. of the Indian Ar-
chipelago. New.Ser. III. 1859. p.121.
Jahresbericht des preufsischen Konsulates
zu Akyab für 1859. — Preu/s. Han-
dels-Arch. 1860. No 15.
Dunewille, Culture de Canellier dans
la presqu’ile de Malacca. -— Annal. de
l’agriculture des colonies et des regions
tropicales. 1860. Janvier.
Roy, Souvenirs et reeits d’un ancien mis-
sionaire & la Cochinchine et Tong-King.
Paris 1860. 1928. 8.
Theurel, Mission du Tong-King. Lettre
datee du Tong-King oceidental, 10
juin 1859 — Annal. de la propagation
de la foi. 1860. Janvier.
La Cochinchine en 1859, notes extraites
d’une correspondance inedite. — Le
Tour dw Monde. 1860. N. 4.
King (D.O.), Travels in Siam and Cam-
bodja. — Proceedings of the R. Geogr.
Soc. III. 1859. p. 365.
Girard (D.), Le commerce de Siam. Pa-
ris 1860. 8. (1 fr.). Vergl. Revue de
!’Orient. 1859. X. p. 732.
Englands Handel mit Siam und die Hilfs-
quellen dieses Landes. — Ausland 1860.
N. 22.
997
Ceylon. Die Andamanen.
Andrassy, Fragments d’un voyage en
Orient, Ceylon, —- Le Tour du Monde.
1860. N. 6.
Tennent (J. E.), Ceylon: an Account
of the Island, Physical, Historical, and
Topographical; with Notices of its Na-
tural History, Antiquity, and Product-
ions. 4th edit., thouroughly revised.
2 vols. London (Longman) 1860. 8.
(50 s.)
Geschichte der Insel Ceylon nach Sir Emer-
son Tennent. — Ausland. 1860. N.9 f.
Notizen aus Sir Emerson Tennents Cey-
lon. — Ausland. 1860. N.1f. 12.
Harlin (T.), Ceylon. — Fraser’s Maga-
zine. 1860. May.
Ceylon. — Westminster Review. January
1860.
Ceylon and the Singhalese.. — North
British Review. N. LXII.
Die Weddahs auf Ceylon. — Ausland.
1860. N. 11.
Notes on Buddhism in Ceylon and Siam.
— Journ. of the Indian Archipelago.
III. 1859. p. 140.
Curiosities of Ceylon. — Colburn’s New
Monthly Magazine. February 1860.
The Andaman Islanders. — Journ. of the
Indian Archipelago. New Ser. III. 1859.
p- 105.
Mallitte, Les iles Andamans. — Le
Tour du Monde. 1860. N. 6.
Abenteuer eines deportirten Sipahi auf den
Andamanen-Inseln. (Aus Chamber’s Jour-
nal.) — Ausland. 1860. N. 20.
v. Liebig (G.), Reisebriefe aus Indien.
17. Von Caleutta nach den Andaman-
Inseln. — Ausland. 1860. N. 9.13.16.
Niederländisch Indien.
Logan (J. R.), Ethnology of the Indo-
Pacific Islands. P. II. — Journ. of the
Indian Archipelago. New Ser. III. 1859.
p- 153.
Dulaurier (Ed.), Materiaux et instru-
ments dont les Malays, les Javanais et
quelques autres peuples de l’Oceanie se
servent pour &erire. — Revue de l’Orient.
1860. p. 319.
Aardrijkskundig en statistisch woorden-
boek van Nederlandsch-Indi&, bewerkt
naar de jongste en beste berigten. 5°
598
en 6° afl. Amsterdam (van Kampen).
8. (&f. 1,25.)
Eenige aanteekeningen betreflende Ne&er-
lands Indi&, omtremt zijne geschiedenis
en plaatsbeschrijving, in verband met
d’ algemeene historie. I. Geschiedenis.
Assen (van Gorcum & Co.) 1860. 19 bl.
gr. 8. (f. 0,20.)
Friedmann, Niederländisch Indien im
J. 1856. — Zeitschr. f. allgem. Erd-
kunde. N. F. VII. 1859. p. 396.
Blik op de tien laatste jaren in Neder-
landsch-Indi&, een stem tot het Neder-
landsche volk. Amsterdam (de Erven H.
van Munster & Zoon) 1860. 6 en 50 bl.
gr. 8. (f. 0,60.)
Bake(R.W. J.C.), Jets over de Oost-In-
dische aangelegenheden van den dag.
Een antwoord, aan het Amsterdamsche
Handelsblad en het Handels- en Effec-
tenblad, en een woord, aangaande de
laatst verschenen geschriften over on-
zen kolonialen toestand. Amsterdam
(Scheltema) 1859. 8. (f. 0,20.)
Beschouwingen over den toestand van Ne-
derlandsch Indie, en historisch overzigt
betreffende het ontstaan van het ge-
meen overleg tusschen de regering en
de Staten-Generaal, aangaande de Ko-
lonien. (3° afl. van den 6°" jaarg. der
Iandel en Gesch. van het Ind. Genoot-
schap te ’s Gravenhage.) ’s Gravenhage
(Susan) 1859. 111 bl. gr. 8. (f. 1,20.)
van Doren (J. B. J.), Herinneringen en
schetsen van Nederlands Oost-Indie,
Vervolg op de fragmenten uit de rei-
zen in die gewesten. 2° deel, 3° all. Am-
steıdam (Sybrandi). gr. 8. (f. 1,95.)
Buddingh (Ds. S. A.), Neerlands Oost-
Indie. Reizen gedaan gedurende het tijd-
vak van 1852-1857. 11° — 18° afl.
Rotterdam (Wijt & Zonen). (a f. 0,75).
Brummund u.v. Hoövell, Ueber die
Alterthümer des ostindischen Archipels,
insbesondere die Hindu-Alterthümer und
Tempelrninen auf Java, Madura und
Bali. A. d. Holländ. bearb. von J. Mül-
ler. Berlin (Asher & Co., in Comm.)
1859. 8. (4 Thlr.)
De bevordering van welvaart in den In-
dischen archipel, buiten Java. — Tijd-
schr. voor Nederlandsch Indie. 1860.
I. p. 65.
Epp, Ueber europäische Colonisation im
indischen Archipel. — Ausland. 1860.
N. 13. 16.
Friedmann, Die Bevölkerungszunahme
W. Koner:
auf dem indischen Archipel und ihre
Ursachen. — Ausland. 1860. N. 17.
Epp, Ueber einige Handelsproducte tro-
pischer Pflanzen. — Ausland. 1860.N. 27.
Java. Schetsen en taferelen voor de Neder-
landsche jeugd. Met gekleurde plaatjes.
Leyden (Sythoff) 1859. 6 en 126 bl.
8. (£. 1,40.)
Hasselman (J. J.), Beschouwingen om-
trent het kultuurstelsel, eenige andere
Indische aangelegenheden en vrijenarbeid
op Java. Zalt-Bommel (Noman & Zoon)
1860. 10 en 76bl. 8. (f.1.)
Die orographisch-physikalischen Grund-
züge Java’s nach den Forschungen des
Dr. Fr. Junghuhn. — Petermann’s Mit-
theil. 1860. p. 188.
Java. Some Particulars of Government. —
Notes on a Visit. — Nautical Magazine.
March 1860.
Losse aanteekeningen, gehouden op eene
reis over Java, in 1839. — Tüjdschr.
voor Nederlandsch Indie. 1860. p. 171.
Verslag van den handel, de scheepvaart
en de inkomende en uitgaande regten
op Java en Madura over het jaar 1854.
Batavia (Bruining), ’s Gravenhage (Mart.
Nijhoff) 1859. 4. (f. 5.)
Der Handel Java’s im J. 1858 und 1859.
— Preufs. Handelsarch. 1860. N. 9. 18.
Produkten van Java. (Djati, Bamboe,
Alang-Alang, Nipa.) — Tijdschr. voor
Nederlandsch Indie. 1860. I. p.1.
Weitzel (A. W. P.), Batavia in 1858,
of schetsen en beelden uit de hoofdstad
van Neerlandsch-Indi&. Met eene kaartje.
Gorinchen (Noorduyn & Zoon) 1860. 6
en 208 bl. gr. 8. (f. 2,75).
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00 ua ah de dm
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während der auf Befehl Sr. Maj. d. Kö-
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unternommenen wissenschaftlichen Reise
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und Römer. Leipzig (Hinrichs) 1860.
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— Magaz. f. d. Lit. d. Auslandes.
1860. N. 15.
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Bruce’s Travels and Adventures in Abys-
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Edinburgh (Longman) 1859. 3808.
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New Monthly Magazine. February 1860.
Mission allemande admise en Abyssinie
par le roi Theodore. — Journ. d. mis-
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Voyages sur le fleuve Blanc jusqu’a
Y’Equateur et dans l’Afrique centrale,
par M. J. Petherick. — Nouv. Annal. d.
Voy. 1860. I. p. 111.
J. Petherick’s Reise in den Nil-Ländern
bis zum Aequator. — Petermann’s Mit-
theil. 1860. p. 114.
Eine Fahrt den weilsen Nil aufwärts an
den Aequator, und Reisen in das In-
nere von Afrika in den J. 1857 —58,
von J. Petherick, britischem Consul in
Chartum. (Vgl. Proceedings of the Lon-
don Geograph. Soc.).— Ausland. 1860.
No. 4.
Munzinger (W.), Ein Jagdausflug von
Keren im Lande der Bogos nach dem
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Barka-Flusses. — Zeitschr. f. allgem.
Erdkunde. N. F. VIII. 1860. p. 141.
Le pays de Habab, le Mareb et le desert
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Th. de Heuglin et du major comte L.
Thürheim en 1856 et 1857. Trad. de
Vallemand par M. Dinome. — Now. An-
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Der Nordrand Afrika’s.
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Die mittelalterlichen Missionen in Afrika:
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ordre alphabetique les noms de villes,
villages, hameaux, tribus, prineipaux
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peens et les indigenes des trois pro-
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2° edit. Alger (Bastide) 1859. 6088. 8.
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tion in North Afrika: being the Sub-
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now by permission collected; with In-
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des colonies. Paris (Challamel aine)
1859. fol.
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Gastineau (B.), Qu’est-ce que l’Algerie.
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mel aine) 1860. 5888. 8. (7 fr.)
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la Soc. imper. zoologique d’acclimatation.
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L’Algerie agricole, commerciale et in-
dustrielle. Decembre 1859. Janvier et
Fevrier 1860.
Nieati (C.), Notice sur l’Algerie consi-
derdee comme sejour d’hiver pour les
personnes valetudinaires du nord et du
milieu de l’Europe. — Bull. de la Soc.
Vaudoise. VI. 1859. p. 225.
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en Algerie en 1859. — Revue alge-
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gerie: administration, colonisation, can-
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(2 fr.)
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— Revue algerienne et colon. 18360.
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1860. 8.
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— Revue contemporaine. 30. Sept.
1859.
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et des regions tropicales. Mars 1860.
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— Revue algerienne et coloniale. 1860.
Fevrier.
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de 1859. Constantine 1860. 350 8. 8.
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commerce de la province de Constan-
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Novembre.
541
Sources thermales de la province de Con-
stantine. — Revue algerienne et colo-
niale. 1860. Janvier.
Colonies suisses de Setif. Rapport du con-
seil d’administration de la Compagnie
genevoise des colonies de Setif, pre-
sente & l’assemblee generale le 29 fe-
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Barges, Souvenirs d’un voyage & Tlem-
cen, ancienne capitale du royaume de
ce nom; histoire de cette ville et de-
seription de ses monuments. Paris 1860.
8. (12 fr.)
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Tlemgen. — L’Algerie agricole. 1860.
Mars — Mai.
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gem. Erdkunde. N. F. VIII. 1860.
p- 31.
Exeursion dans la haute Kabylie et ex-
cursion au Tamgout de Sella Khedidja,
par un juge d’Alger en vacances. Al-
ger (Bastide) 1859. 280 $. Paris (Chal-
lamel aine) 1859. 280 8. 8. (6 fr.)
Excursion de M. Henri Duveyrier & El-
Golea. Extrait d’une lettre en date de
Ghardaya, du 20 septembre 1859. —
Now. Annal. d. Voy. 1859. IV.
p- 189.
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Golea (Sahara). — Ausland. 1860. N.1.
Vergl. Now. Annal. d. Voy. 1859.
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U. Abschn.: Vorläufige Ergebnisse wis-
senschaftlicher Forschungen im Wäd
Messäb und Reise nach El Golei. Juni
bis October 1859. — Petermann’s Mit-
theil. 1860. p.58.
Duveyrier’s astronomische Bestimmung von
Ghardaja und El-Golea.— ibid. 1860.
p. 113.
Duveyrier (H.), Coup d’oeil sur le pays
des Beni-M’zab et sur celui des Chaanba
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Aucapitaine (H.), Etude sur l’origine
et l’histoire des tribus de la Haute-Ka-
bylie. Paris 1860. 18.
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ment appeles la grande Kabylie. Mar-
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8. (4 fr.)
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rocco (Magrib el-Aksa) nach Reisebe-
richten und französischen Karten zu-
sammengestellt. Chromolith. Berlin (D.
Reimer) 1860. Fol. (6 Sgr.)
Alermon y Dorregniz, Descripcion
del Imperio de Marruecos, en que se
trata prineipalmente de las instituciones,
usos, costumbres etc. de sus habitantes,
y de la topografia del pais. Malaga.
8. (4rs.; mit Karte 5 rs.)
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by hisWidow. London 1859. 6048. 8.
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ris 1860. 4448. 8.
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rokkaner. — Westermann’s illustr. deut-
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ris 1860. 2988. 8. (1 Thlr. 5 Sgr.).
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N. 52.
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Le Tour du Monde. 1860. N.1. 2.
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sity Magazine. March 1860.
Ein Ausflug nach Tetuan. — Ausland.
1860. No. 21.
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1860. p. 157.
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une grande carte coloriee de l’Afrique
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Revue contemporaine. 1859. 15. Octob.
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1860. N.8 £.
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Peureux, Mission de la Guinee, Lettre
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nach dem in 5 Bdn. erschienenen Ta-
gebuche. 7.— 12.Lief. Schlufs. Gotha
(J. Perthes) 1860. (& 4 Thlr.)
— , Voyages et decouvertes dans l’Afri-
que septentrionale et centrale pendant
les annees 1849 & 1855. Traduction
de lallemand per P. Ithier. Livr. 1. 2.
Leipzig (Dürr) 1860. 8. (& 4 Thlr.)
— , Lotgevallen en ontdekkingen op
eene reis in het noorden en midden
van Africa, op last der Britsche rege-
ring in de jaren 1849 tot 1855 ge-
daan. Naar het Engelsch en Hoog-
duitsch etc. 5° deel. 2° en 3° afl. ’s
Hertogenbosch (Gebr. Muller) 1859.
gr. 8. (A f. 1,20).
u ee
en u a
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
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Dinome, La relation du docteur Barth
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Castaing, Souvenirs d’un indigene de
la Nigritie. — Revue orientale et ame-
ricaine. 1859. Novembre.
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Macqueen (J.), Remarks on Portuguese
Journeys in Central-Africa. — Procee-
dings of the R. Geograph. Soc. III.
1859. p. 362.
Of Abbeokoeta: de dageraad tusschen de
keerkringen: eene schets van het ont-
staan en de vooruitgang der zending
in Yorriba. Uit het Engelsch naar
den 5°” druk vertaald, en tot op den
jongsten tijd bijgewerkt door T. M.
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1860. 5698. 18. (2 fr.)
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lieden op dezelve. Uit de beste bron-
nen zamengesteld en met eenige be-
langrijke, op ondervinding gegronde
aanmerkingen, over de voordeelen de-
zer kolonie voor emigranten vermeer-
943
ded. Amsterdam (Bührmann) 1860.
VIII, 266 bl. 8. (f. 1,95).
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Burton et J.B. Speke. — Now». An-
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Stockholm (J. & A. Riis) 1859. 1860.
(A 1 R:dr. 50 öre.)
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Voy. 1859. IV. p. 257.
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— Blackwood's Magazine. 1860. Ja-
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Monthly Magazine. 1860. February.
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Eclectic: a Monthly Review and Miscel-
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1860. 1108. 12. (2s.6d.)
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Schicksal der Franklin’schen Expedition.
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laires; traduites de l’anglais avec l’au-
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et accompagne de 3 cartes. Paris (Ha-
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Dr. Kane. 1853 — 55. — Le Tour du
Monde. 1860. N. 17.
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tical Magazine: January 1860. Verel. |
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Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
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8. Heft. Berlin (Verlags-Comptoir) 1860.
gr. 8. (a 4 Thlr.)
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gr. 8. (f. 0,60.)
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zu Baltimore für 1859. .— Preujs.
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Monde. 1860. N. 12.
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zu New-Orleans für 1859. — Preu/s.
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und Quecksilber. — Ausland. 1860.
N. 6.
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1860. N. 4.
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35 *
548
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deutsche Monats-Hefte. 1860. Febr.
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zu Mexiko für 1859. — Preu/s. Han-
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1859. — Preufs. Handelsarch. 1860.
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Avril.
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Jahresbericht des Preufsischen Konsulates
zu Porte au Prince für 1859. — ibid.
1860. N. 17.
Jahresbericht des Preufsischen Konsulates
Te u
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne,
für die Insel Portorico für 1859. —
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et des regions tropicales. Avril 1860.
Jahresbericht des Preufsischen Konsulates
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Voyage de D. Giov. Mastai (aujourdhui
8. S. le pape Pie IX.) dans l’Amerique
du Sud (de Gines & Santiago 1823 —
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N. 16.
v. Tschudi (J. J.), Reise durch die An-
den von Süd-Amerika. — Petermann’s
Mittheil. 1860. Ergänzungsheft.
Neu-Granada.
Handelsverhältnisse von Maracaibo.. —
Preufs. Handelsarch. 1860. N. 18.
Reise von Valparaiso nach Lima und über
den Isthmus von Panama nach Europa.
— Ausland. 1860. N. 5 ft.
Eine Fahrt auf der Panama-Eisenbahn. -—
Westermann’s illustr. deutsche Monats-
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N. 4.
Brasilianische Skizzen. — Ausland. 1860.
N. 24. 26 f.
=”
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Lants, De Ontdekking van Niew-Hol-
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Die ersten Entdeckungsreisen nach Austra-
lien. — Magaz. f. d. Lit. d. Auslandes.
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holland, Neuseeland und Taiti, bei der
Fahrt Sr. Maj. Fregatte Novara in je-
nen Gewässern. — Sitzungsber. d. Wie-
ner Akad. d. Wiss. Math.-naturw. Kl.
XXXVIN. 1859. p. 717. Auch beson-
ders abgedruckt. Wien (Gerold’s Sohn,
in Comm.) 1860. gr. 8. (1 Thlr.)
Howitt (W.), Two Years in Vietoria;
with Visits to Sydney and Van Die-
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1. Th. Leipzig |
W. Koner:
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lonie Blumenau, Kolonisten-Beförderung
und Parceria- System. — Magaz. f.d.
Lit. d. Auslandes. 1860. N. 22.
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— Westermann’s illustr. deutsche Mo-
nats- Hefte. 1860. Mai.
Actenstücke Brasilischer Seite, betreffend
die Kolonisation desKaiserreiches. Her-
ausgeg. von J. Hörmeyer. 7. Heft.
(Rudolstadt) Leipzig (Wagner) 1860.
8. (4 Thlr.)
Moure (A.), Cuyaba et les Indiens du
Bresil. — Bull. de la Soc. de Geogr.
4° Ser. XIX. 1860. p. 368.
Almanak voor de Nederlandsch West-In-
dische bezittingen en de Kust van Gui-
nea, voor het schrikkeljaar 1860. Uit-
gegeven met toestemming van Zijne
Exec. den Minister van Staat, Minister
van Kolonien. ’s Gravenhage (Gebr.
van Cleef) 1860. LI en 252 bl. 8.
(£. 3.)
Wolbers (J.), Geschiedenis van Suri-
name, van de ontdekking van Amerika
tot op den tegenwoordigen tijd.. 5° —
7° afl. Amsterdam (de Hoogh) 1859.
gr. 8. (f. 0,60.)
Australien.
neringen van George Hamlyn. Uit het
Engelsch. 2 din. Amsterdam (van Kam-
pen) 1860. gr. 8. (f. 7,80.)
My Experiences in Australia: being Re-
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Colonies in 1856 —57. By a Lady.
London (Hope) 1860. 360 8. 8. (10.
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Horne (R.H.), Australian Facts and Pro-
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901
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N. 13. '
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den Fidschi-Inseln. Bremen (Valett &
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Mission History by G. Calvert. Edited
by G. Stringer Rowe. 2 edit. revised.
London (Heylin) 1860. 600 8. 8.
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etablis dans lile de Tanna, Nouvelles-
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zu Honolulu für 1859. — Preufs. Han-
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Seemannsleben auf den Crozett- oder De-
sert- Inseln. — Ausland. 1860. N. 1f.
— Annal. de
1860. Mars.
Atlanten, Karten und Pläne.
Atlanten.
v. Spruner (K.), Historisch - geographi-
scher Schul-Atlas des Gesammtstaates
Oesterreich von den ältesten bis auf
die neuesten Zeiten. Gotha (J. Perthes)
1860. qu. gr. 4. (12 Thlr.)
Handatlas der Erde und des Himmels.
Neu redig. Ausg. Lief. 45 —49. Wei-
mar (Landes -Industrie-Compt.). Imp.
Fol. (& 4 Thlr.)
Josenhaus (J.), Atlas der evangelischen
Missions-Gesellschaft zu Basel. Unter
Mitwirkung von R. Grofs bearb. 2. Aufl.
Basel (Bohnmeier) 1860. qu. Fol.
(24 Thlr.)
Woerl (J. E.), Atlas der Schlachten,
Treffen und Belagerungen aus der Ge-
schichte der Kriege von 1792 bis 1815,
140 Bl. mit kurzen Erläuterungen be-
gleitet von F. v. Dürrich. Neue Ausg.
1. — 7. Lief. Freiburg i. Br. (Herder)
1860. 4. (& 4 Thlr.)
Black’s General Atlas of the World.
New edit. embracing all the latest Dis-
coveries. London (Longman) 1860. Fol.
(60 s.)
M‘Leod (Walter), Middle Class-Atlas;
comprising a Series of six coloured
Maps for the use of Junior Candidates
preparing for the Oxford Local Exa-
minations. London reinen) 1860.
4. (1. 6d.)
Murphy’s Historical Shilling School At- |
las, consisting of 16 Maps, coloured.
Edinburgh (Simpkin). 4. (1 s.)
Philip’s National School Atlas. London
(Philip) 1860. 4. (6.d.; coloured 1 s.)
Philip’s Cabinet Atlas of Modern Geo-
graphy. 33 Maps and Index. New Edit.
Edited by W. Hughes. London (Phi-
lip) 1859. Imp. 4. (10 s. 6 d.) {
Philip’s Library Atlas of Ancient and
Modern Geography. 47 Maps and In-
dex. New edit. Edited by W. Hughes.
Ebds. Imp. 4. (15 s.)
The Harrow Atlas of Modern Geography;
with Index. London (Stanford) 1860.
Fol. (12 s. 6d.)
Nieuwe Atlas voor gymnasien en insti-
tuten, door W. J. Geerling. Opdra-
gen aan A. A. van Heusden. Arnhem
(Tjeenk Willink) 1859. 2 bl. en 23 ge-
lith. en gekl. Kaarten. 4. (f. 1,90.)
Babinet, Atlas universel de geographie
physique et politique, a l’usage des eours
superieurs et des gens du monde. 25
cartes avec une introduction. Paris
(Bourdin) 1860.
Leonhard (P. H.), Skole-Kort over Eu-
ropa til Brug i Borger-og Almueskoler
sant private Instituten. Tredie Udgave.
4 Bl. Odense (Milo). (1 Rd. 48 fs.)
Schoolkaart van Europa. Geteekend door
Lastdrager, onder toezigt van W. A. El-
berts. 4 bl. Zwolle (de Erven J.J.
Tijl) 1859. (f. 3,60; opgeplant en met
rollen f. 5.)
Karten von Europa, namentlich
von Central-Europa.
Black’s Map of Central and Southern
Europe, shewing the New Boundaries
of France and Northern Italy. London
(Longman) 1850. (1s. 6.d.)
Birk (C.), Telegraphen-Karte von Eu-
ropa nach Mittheilungen der K. preu-
[sischen Telegraphen-Direction. 4 Bl.
Chromolith. Berlin (Schropp, in Comm.)
1860. Imp. Fol. (14 Thlr.)
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der Niederlande, Königreich Belgien
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grenzenden Länder. Gez. von F. v.
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 553
Stülpnagel und J. C. Bär. 4 Bl. Neue
Ausg. Kupferst. u. illum. Gotha (J.
Perthes) 1860. Imp. Fol. (Auf Leinw.
u. in Carton 8 Thlr.)
Friedrich (L.), Post- und Eisenbahn-
Karte von Deutschland, den Niederlan-
den, Belgien und der Schweiz. Ausg.
für 1860. Chromolith. Gotha (J. Per-
thes) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.)
—, Post-, Eisenbahn- und Reise-Karte
von Mittel-Europa. 4 Bl. Neue Ausg.
Kupferst. u. illum. Ebds. 1860. Imp.
Fol. (Auf Leinw. u. in 8-Carton 3 Thlr.)
Handtke, Deutschland und die Schweiz.
Lith. u. illum. Glogau (Flemming) 1860.
Imp. Fol. (4 Thlr.)
Handtke (F.), Post-, Reise- und Eisen-
bahn-Karte von Deutschland. Neue
Ausg. Lith. u. illum. Glogau (Flem-
ming) 1860. (14 Thlr.; auf Leinw. u.
in engl. Carton 21 Thlr.)
Hanser (G.), Post- und Eisenbahn-Reise-
karte von Deutschland, Holland, Bel-
gien, Schweiz etc. Neue Ausg. Stahlst.
u. col. Nürnberg (Serz & Co.) 1860.
(In 8-Carton 24 Sgr. ; aufLeinw. 2 Thlr.)
Hendschel (U.), Neueste Eisenbahn-
Karte von Central-Europa. Neue Ausg.
Frankfurt a. M. (Jügel’s Verl.) 1860.
Imp. Fol. (In 8-Carton 1 Thlr.; auf
Leinw. u. in 8-Carton 14 Thlr.)
— , Post- und Eisenbahn-Karte v. Deutsch-
land und den Nachbarstaaten. Neue
Ausg. Ebds. 1860. Imp. Fol. (Auf
Leinw. u. in Etui 3 Thlr.)
Kiepert (H.), Uebersichts-Karte von
Mittel-Europa. Lith. u. col. Berlin
(D. Reimer) 1860. Imp. Fol. (In 8-Car-
ton 1 Thlr.)
König (Th.), Geschäfts- und Reise-Karte
von Europa mit Angabe aller Eisen-
bahnen, Dampfschiffslinien und Haupt-
Poststrafsen. 4 Bl. Lith. u. col. Ber-
lin (Mitscher & Röstell) 1860. gr. Fol.
(14 Thlr.; in gr. 8-Carton 14 Thlr.;
auf Leinw. u. in gr. 8-Carton 2 Thlr.)
Kunsch (H.), Eisenbahn-, Post- und
Strafsenkarte von Deutschland und den
Nachbarstaaten. NeueAusg. 2Bl. Lith.
u. color. Leipzig (Hinrichs, in Comm.)
1860. Imp. Fol. (In 8-Carton 4 Thlr.)
—, Eisenbahn-Karte von Mittel- Europa
mit Angabe der Dampfschifffahrts-Ver-
bindungen. Neue Ausg. Lith. Glogau
(Flemming) 1860. Imp. Fol. (In 16-Car-
ton 4 Thlr.)
—, Post-, Reise- und Eisenbahn - Karte
von Deutschland, der Schweiz, den Nie-
derlanden und Belgien etc. Neue Ausg.
Lith. u. illum. Ebds. Imp. Fol. (In
16-Carton 4 Thlr.; auf Leinw. 1 Thlr.
24 Sgr.)
Leuthold’s Post-, Eisenbahn- u. Dampf-
schiffkarte der Schweiz und der Nach-
barstaaten bis London, Paris, Nizza.
Neue Ausg. Kupferst. u. illum. Leipzig
(Hinrichs) 1860. Imp. Fol. (Auf Leinw.
u.in Etui 23 Thlr.)
Michaelis (J.), Eisenbahn-Karte von
Central- Europa. 3. Aufl. 2 Bl. Lith.
Dresden (Burdach) 1860. Imp. Fol.
(5 Thlr.; in Carton 18 Sgr.; auf Leinw.
1 Thlr. 6 Sgr.)
Müller (H.), Karte der Eisenbahnen Mit-
tel-Europa’s mit Angabe sämmtlicher
Bahnstationen ete. 4 Aufl. Glogau (Flem-
ming) 1860. Imp. Fol. (In 16-Carton
18 Sgr.; auf Leinw. 14 Thlr.)
Post- und Eisenbahn-Karte von Deutsch-
land und den angrenzenden Ländern.
Lith. Berlin (Wilhelmi) 1860. Imp.
Fol. (25 Sgr.)
Uebersichts-Karte sämmtlicher Eisenbah-
nen, Dampfschifffahrten ete. in Mittel-
Europa. Neue Ausg. Lith. u. illum.
Magdeburg (Kaegelmann) 1860. gr. Fol.
(In Carton 4 Thlr.)
Reymann (G.D.) u. v. Oesfeld (E. W.),
Topographische Specialkarte v. Deutsch-
land und den angrenzenden Staaten in
359 Bl. Lief. 145. 146. Glogau (Flem-
ming) 1860. qu. Fol. (& 2 Thlr.)
v. Stülpnagel (F.), Atlas der Eisenbah-
nen in Deutschland, Belgien, Elsafs,
der Schweiz u. Ober-Italien. 14. Ausg.
von H.Berghaus. Gotha (Perthes) 1860.
gr. 4. (1 Thlr.)
Ziegler (J. M.), Nord- u. Mittel-Deutsch-
land, nebst Dänemark. Kupferst. u.
illum. Leipzig (Hinrichs) 1860. Imp.
Fol. (2 Thlr.)
Uebersichtskarte der Eisenbahnen von
Mittel-Europa. Brockhaus’ Reise-Atlas.
Entworfen und gezeichn. v. H. Lange.
Leipzig (Brockhaus) 1860. In 8-Car-
ton. (+ Thlr.)
Brockhaus’Reise-Atlas. Entworfen und
gez. von H. Lange. Leipzig. Plan
der Stadt nebst einem Führer für
Fremde. 4. Aufl. — Nordhannoversche
Eisenbahnen. Führer für Reisende auf
den Eisenbahnen zwischen Hannover,
Hamburg, Bremen und Emden, sowie
nach Norderney. — Berlin-Leipzig-
954
Wittenberge. Führer für Fremde. —
Augsburg-Lindau. Führer für Reisende
auf der Eisenbahn zwischen Augsburg
und Lindau. — Stuttgart. Plan der
Stadt nebst einen Führer für Fremde.
— Ulm Friedrichshafen-Bodensee. Füh-
rer für Reisende. Leipzig (Brockhaus)
1860. (a 4 Thlr.)
Karten von deutschen Staaten.
Topographische Karte vom Preufsischen
Staate mit Einschlu/s der Anhaltinischen
und Thüringischen Länder; östlicher
Theil. Sect. 181. Neuhaldensleben.
195. Hornburg. 261. Weissensee. 274.
Eisenach. 289. Meiningen. 291. Rudol-
stadt. 211.Halberstadt. 227. Harzge-
rode. 260. Mühlhausen. 301. Coburg.
279. Altenburg. Berlin (Schropp, in
Comm.). Fol. (a 124 Sgr.)
— — — Sect. 197. Magdeburg. 2. Aufl.
Ebds. (124 Sgr.)
Karte vom preufsischen Staate mit beson-
derer Berücksichtigung der Communi-
cationen nach amtlichen Quellen bearb.
und herausgeg. vom technischen Eisen-
bahn-Bureau des Ministeriums. Berlin
(D. Reimer, in Comm.) 1860. 12 Bl.
Imp. Fol. (8 Thlr.; color. 94 Thlr.)
Handtke, Generalkarte vom preufsischen
Staate. Lith. u. illum. Glogau (Flem-
ming) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.)
Wilhelmi (J.), Plan von Berlin nach
den neuesten Bestimmungen. Lith. Ber-
lin (Wilhelmi). Imp. Fol. (24 Sgr.)
— , Neuester Plan der Umgegend von
Berlin. Lith. Ebds. Imp. Fol. (21 Sgr.)
v. Schulz, Brandenburg mit seinen näch-
sten Umgebungen. Imp. Fol. Berlin
(Sehropp) 1860. (3 Thlr.)
Brockhaus’ Reise-Atlas.. Entworfen und
gez. vonH.Lange. Chromolith. Leip-
zig (Brockhaus). qu. 4. (In 8-Carton
4 Thlr.) Frankfurt a. d. O. — Berlin. —
Stettin.
Müller (A. A.), Karte vom Regierungs-
bezirk Merseburg in 6 Sectionen. Neue
Ausg. Kupferst. u. illum. Halle (Knapp)
1860. (12 Sgr.)
Lange (H.), Atlas von Sachsen. Ein
geographisch - physikalisch - statistisches
Gemälde d. Königreichs Sachsen. 1. Lief.
Leipzig (Brockhaus) 1860. gr. Fol.
(12 Thlr.)
Gräf (C.), Das Königreich Sachsen. Ku-
W. Koner:
pferst. u. illum. Weimar (Landes-In-
dustrie-Comptoir) 1860. Imp. Fol.
(z Thlr.)
Kunsch (H.), Topographische Karte der
Umgegend von Leipzig. Nach den Ori-
ginal-Aufnahmen der Flufsregulirung
und den Flur-Karten. Lith. Leipzig
(Hinrichs) 1860. Imp. Fol. (3 Thlr.;
auf Leinw. 1! Thlr.; color. 15 Thlr.;
auf Leinw. 12 Thlr.)
Prediger (C.), Karte vom Harzgebirge.
Lith. Clausthal (Grofse) 1860. (In
16-Carton. 18 Sgr.; color. 24 Sgr.)
Steinhauser(A.), Die älteste und neueste
topographische Karte von Bayern. —
Mittheil. d. Wiener geogr.Ges. III. 1859.
p. 108.
Gräf (C.), Nieder- und Ober-Oesterreich
oder das Erzherzogthum Oesterreich un-
ter und ob der Enns und das Herzog-
thum Salzburg. Kupferst. u. illum. Wei-
mar (L:andes-Industrie-Comptoir) 1860.
Imp. Fol. (2 Thlr.)
—, Das Kaiserthum Oesterreich. Kupferst.
u.illum. Ebds. 1860. Imp.Fol. (4 Thlr.)
— , Die gefürstete Grafschaft Tirol mit
Vorarlberg und das Fürstenthum Liech-
tenstein. Kupferst. u. illum. Weimar
(Landes-Industrie-Compt.) 1860. Imp.
Fol. (4 Thlr.)
Pauling (J. J.), Das Herzogthum Kärn-
ten. Lith. u. color. Klagenfurt (Leon)
1860. qu. gr. Fol. (In 16-Carton.
11 Thlr.; auf Leinw. 1 Thlr. 24 Sgr.)
Karten der Schweiz, von Frank-
reich, von den Niederlanden und
England.
Panorama des Alpengebirges vom Schlofs
Waldburg in Schwaben. Lith. Mit Text.
Ravensburg (Dorn) 1860. Imp. Fol.
(In 16-Carton. 16 Sgr.; color. 28 Sgr.)
Tschudi’s Schweizer- Karte für Rei-
sende, entworfen und gez. von (. F.
Baus. Revid. Ausg. Chromolith. St.
Gallen (Scheitlin & Zollikofer) 1860.
qu. Fol. (In 16 Carton. 21 Sgr.)
Winckelmann (E.), Die Schweiz. Reise-
und Postkarte. Revid. von R, Grofs.
Chromolith. Stuttgart (Metzler). Imp.
Fol. (Auf Leinw. und in 8-Carton.
1; Thlr.)
Carte de la France & 1:80,000°. 23° livr.,
contenant les feuilles de Toulouse, Auch,
Orthez, Cahors et Agen. Paris, au De-
pöt de le guerre.
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Debombovry (G.), Atlas historique du
departement actuel de l’Ain. 1"® partie.
Lyon 1860, Fol. 33 S. mit 13 Karten.
Carte du departement de la Sarthe par
J. Triger. Paris 1860. 1:125,000.
vanKerkwijk(J.J.), Staatkundige Kaart
van het Koningrijk der Nederlanden.
Opdragen oan Zijne Excellentie den
Minister van Binnenlandsche Zaken; ver-
vaardigd in 1858. 1 bl. lith. ’s Gra-
venhage (Gebr. J. & H. van Langen-
huysen) 1859. (f. 3.)
Topographische Kaart van het Koningrijk
der Nederlanden, vervaardigd door de
offieieren van den Generalen staf en
gegraveerd op het Topographisch Bu-
reau van het Ministerie van Oorlog, op
de schaal van 1: 50,000. Bl. 17 (Bei-
len), Bl. 18 (Roswinkel), Bl. 21 (Zwolle),
Bl. 22 (Coevorden), Bl.23 (N. Schoone-
beek). ’s Gravenhage (Departement van
Oorlog) 1860. (N. 21, f. 2,80; N. 22
en 23, f. 4.)
Schoolkaart van het Koningrijk der Neder-
landen en het Groothertogdom Luxem-
burg. Geteekend door Lastdrager,
onder toezigt van W. A. Elberts. 4bl.
Zwolle (de Erven J. J. Tijl) 1859.
(f. 3,60.)
Kaart van de rigting der Noorder- en
Zuider-spoorweg en zoo als dezelve op
19 November 1859 zijn aangenomen.
1bl. lith. Amsterdam (Seyffardt) 1859.
Fol. (f. 0,25.)
De Nederlandsche Spoorwegen in 1860
met aanwijzing der lijnen, die men voor-
stelt van Staatswege aan te leggen.
Amsterdam (Buffa & Z.) 1860. Fol.
(f. 1.)
Kaart van de Nederlandsche Centraal-spoor-
wegen. Aanvrage van E. W.Orame-
rus, C. D. van der Vliet, F.H.
Bunge, A. v. Hemert, A. Holtz-
man. 1 bl. lith.Amsterdam (Erven H.
van Munster & Zoon) 1860. (f. 0,40.)
Stanford’s Map of the British Metro-
polis and Suburbs. London (Stanford)
1860. (2. 6d.; coloured 3s. 6.d.)
—, Map of Twelve Miles round London.
London (Stanford). (Case 2s. 6.d.;
eoloured 3 s.)
Karten von Schweden, Norwegen,
Dänemark, Rufsland.
Gräf(C.), Schweden und Norwegen. Ku-
pferst. u. illum.
Weimar (Landes-In- |
999
dustrie-Comptoir) 1860. Imp. Fol.
(4 Thlr.)
Cartographie van Denemarken. — Algem.
Konst- en Letterbode. 1860. N. 18.
Bull (A.), Jylland med dertil horende
oer. Paa Grundlag af Matriklens mi-
norerede Opmaalinger, optaget i Mar-
ken af L. Both in Aarene 1857-61.
Pl. I. (Danmark Pl. VIl.) Kjebenhavn.
(2 Rd. 48 fs.) Extrablad II. (1 Rd.
32 [s.)
Oversigtskaart over Grofserer Andersens
projecterede Udvidelse af Kjebenhavns
Havn mod Syd, samt Udgravning af
et Skibsleb gjennem Kallebodstrand til
Kjegebugt. Tegnet og utgivet af L.
Both. Kjebenhavn (Stinck). (24 fs.)
Geerz (F.), General-Karte von dem Her-
zogthum Schleswig, Holstein und Lauen-
burg, den Fürstenthümern Lübeck und
Ratzeburg und den Freien und Hanse-
städten Hamburg und Lübeck. Mit
Text. (Berlin 1859.) Kiel (Schwers).
Ausg. N.1. Physisch-topographisch. Co-
lor. (24 Thlr.); Ausg. N. 2. Nach den
administrativen Eintheilungen. Color.
(24 Thlr.); Ausg. N. 3. Nach den Län-
dergrenzen. Color. (14 Thlr.)
v. Blaramberg, Karte der astronomi-
schen u. trigometrischen Punkte im Eu-
ropäischen Rufsland u. Kaukasien. 6 Bl.
M. 1:2,100,000. St. Petersburg 1859.
Karte der Wasser- und Wege-Verbindun-
gen im Europäischen Rufsland und Kau-
kasien 4Bl. M. 1: 3,300,000. St. Pe-
tersburg 1859. (K. Rufs.: Kriegstopo-
graph. Depot.)
Ziegler (J. M.), Polen. Kupferst. u. illum.
Leipzig (Hinrichs) 1860. Imp. Fol.
(4 Thlr.)
Karten von Italien und Griechen-
land.
Sohr-Berghaus, Karte v. Italien. Lith.
u. color. Glogau (Flemming) 1860.
Fol. (4 Thlr.)
Nieuwe Kaart van Italie, naar aanleiding
der tegenwoordige gebeurtenissen met
geschiedkundige en statistieke aantee-
keningen. 1 bl. lith. ’s Gravenhage
(Couvee) 1860. (f. 0,25).
Johnstone’s Map of the Seat of War
in North Italy, coloured to show the
New Arrangement of the Italian States.
London (Stanford) 1860. (1s. 6.d.)
996
Sohr-Berghaus, Karte des Königreichs
beider Sieilien. Lith. u. color. Glogau
(Flemming) 1860. Fol. (! Thlr.)
Black’s Military Map of Upper Italy, shew-
ing the New Boundaries. London (Long-
man) 1860. (1s. 6.d.)
Karte der Insel Sicilien. Lith. Glogau
(Flemming) 1860. qu.Imp. Fol. (4 Thlr.)
Karte von Sicilien. Chromolith. Berlin
(Schropp) 1860. Imp. Fol. (3 Thlr.)
Karte des Kriegsschauplatzes im König-
reich beider Sieilien. Lith. Stuttgart
(Malte) 1860. Fol. (7 Sgr.)
Kaart van het eiland Sicilie. 1 bl. lith.
Arnhem (Thieme) 1860. roy. 4. (f. 0,35.)
Kiepert (H.), Graeciae antiquae tabula
in usum scholarum descripta. 9 Bl.
Lith. u. color. Berlin (D. Reimer) 1860.
Imp. Fol. (43 Thlr.)
Karten von aufsereuropäischen
Ländern.
Karte der Kaukasischen Länder, photo-
graphirt und auf den Maafsstab von
1:2,520,000 redueirt. St. Petersburg
1859. (K. Rufs. Kriegstopogr. Depöt.)
Handtke und Leo, General-Karte des
Persischen Reiches. Lith. u. illum. Glo-
gau (Flemming) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.)
Kiepert (H.), Wandkarte von Palästina
für den Schulgebrauch bearb. 2. Aufl.
8 Bl. Lith. u. color. Berlin (D. Rei-
mer) 1860. Imp. Fol. (22 Thlr.; auf
Leinw. und in Mappe 42 Thlr.)
Carte de l’empire chinois, dressee par A.
Vuillemin et Berthe. Paris (Gar-
nier freres). Fol. (2 fr.)
China Sea. Sheet I. S. W. Coast. Sheet II.
S. E. Coast. London. Hydrogr. Office.
(a 3 s.)
— —, Woosung River, surveyed by J.
Ward. 1858. ibid. fol. (3 s. 6 d.)
— —, Si-kiang, or West River, surveyed
by W.T.Bate. 1859. ibid. fol. 3 Sheets.
(@ 2. 6d.)
China, Sheet IX. Yang-tse-kiang. Correc-
ted to 1859. ibid. fol. (3 s. 6.d.)
China. — Yang-tse-kiang. — Nanking to
Yunglien. ibid. fol. (3 s. 6.d.)
China. — Yang-tse-kiang. -— Yunglien to
Hankau. ibid. fol. (3 s. 6 d.)
Dufour (H.), Nouvelle carte de l’empire
chinois, dressee d’apres les documents
les plus recents, avec les plans de Pe-
kin et de Canton, accompagnee d’une
W. Koner:
notice historique et biographique, par
A. Leroy. Paris (Taride). fol.
Melvill de Carnbee (P.), Allgemeene
Atlas van Nederlandsch Indie. Uit of-
fic. bronnen zamengesteld. Kaart van
de Residentie Djocjakarta. — Gou-
vernement Sumatra’s West Kust. N. 3.
Bevattende het middendeel der Resi-
dentie Padangsche boven — en het Noor-
derdeel der Residentie Padangsche bene
den landen begrepen tusschen de ber-
gen Ophir en Talang. — Residentie
Japara. — Oosterhelft der Residentie
Samarang. — Westerhelft der Residen-
tie Samarang. Door W. F. Versteeg.
Bl. 33 — 37. lith. en gekl. Batavia
(van Haren Noman & Kolff). Zalt-
Bommel (Joh. Noman & Zoon). Fol.
(a f. 2,25.)
Petermann (A.), Atlas der neuesten Ent-
deckungen in Afrika. Eine Sammlung
von 12 Kartenblättern, welche die Re-
sultate der in dem Decennium 1850 —
1860 ausgeführten hauptsächlichsten
Reisen graphisch veranschaulichen. Go-'
tha (Perthes) 1860. gr. 4. (33 Thlr.)
Birk (C.), Karte des Kriegsschauplatzes
von Marocco. Chromolithogr. Berlin
(Schropp) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.)
Carte du territoire frangais des environs
de Saint-Louis, comprenant le Gandiol,
le Toube, le Oualo, Ga&, Rofo, et Bom-
kol, levee d’apres les ordres et sous la
direetion du colonel du genie, L. Faid-
herbe, par M.P. Brossard de Cor-
bigny, assiste deE. Gaillard. Paris.
M. 1:20,000.
Carte de Kenieba et du terrain environ-
nant les mines, levee pendant l’expe-
dition du Bambouk, executee en aoüt
1858 sous les ordres de M. le colonel
du genie Faidherbe, parM.H. Vin-
cent. 1 Bl. gr. fol. M. 1:10,000.
Amerique dressee par E. Desbuissons,
sous la direction de ©. Cortambert. 1
feuille. Paris 1859.
Mapa de la Repüblica de Bolivia man-
dado publicar por el Gobierno de la
Nacion en la administracion del Pre-
sidente Jose Maria Linares y secreta-
rio de Instruceion püblica Lucas Men-
doza de la Tapia, levantado y orga-
nizado en los aüos de 1842 & 1859.
Por el teniente coronel Juan A darza,
commandante Juan Mariano Mujia y
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
mayor Lucio Camacho, ano de 1859.
4 Bl. 2, fi
Handtke (F.), Karte vom Austral-Con-
tinent. Lith. u. illum. Glogau (Flem-
ming) 1860. Imp. Fol. (4 Thlr.)
997
Handtke (Fr.), Karte von Australien.
Lith. u. illum. Glogau (Flemming) 1860.
(4 Thlr.)
Dr. Hochstetter’s Karten von Neu-See-
land. — Zeitschr. f. allg. Erdkunde.
N. F. VII. 1860. p. 263.
Physik der Erde.
Annuaire de la Societe meteorologique. |
1860. Janvier _— May. Paris. 8.
Knochenhauer (K.W.), Ueber das elec-
trische Luftthermometer. Wien (Ge-
rold’s Sohn, in Comm.) 1860. Lex. 8.
(8 Sgr.)
Mühry (A.), Allgemeine geographische
Meteorologie oder Versuch einer über-
sichtlichen Darlegung des Systems der
Erd-Meteoration in ihrer klimatischen
Bedeutung. Leipzig (Winter) 1860. gr.
8. (1 Thlr. 6 Sgr.)
Schmid (E. E.), Meteorologie. Bog. 45
— 49. — Allgemeine Encyklopädie der
Physik, herausgeg. von G. Karsten. 7.
Lief. Leipzig 1860.
Müller (J.), Grundrifs der Physik und
Meteorologie. Für Lyceen, Gymnasien
etc. 7. Aufl. Braunschweig (Vieweg &
8.) 1860. gr. 8. (14 Thlr.)
Disturnell (J.), Influence of Climate,
in a Commercial, Social, Sanitary, and
Humanising Point of View: being a
Paper read before the American Geo-
graphical and Statistical Society: ac-
companied by a Map of the World,
showing most important Isothermal Li-
nes. New York 1860. 24 8. 4. (6 s.)
Julien (T.), Courants et revolutions de
latmosphere et de la mer, comprenant
une theorie nouvelle sur les deluges
periodiques. Paris (Lacroix & Baudry)
1860. VI, 240 8. 8. Vgl. Now. Annal.
d. Voy. 1860. I. p. 213.
Wilkes (C.), Theory ofthe Winds. Ac-
companied by a Map of the World,
showing the Extent and Direction of
the Winds; to which is added Sailing
Directions for a Voyage round the World
by the same Author. 2d edit. London
(Trübner) 1859. 120 S. 8. (6 s.)
Piddington (H.), Sailor's Hornbook for
the Law of Storms: a Practical Expo-
sition of the Theory of the Law of
Storms, and its Uses to Mariners in all
parts of the World (with Charts and
Transparent Storm -cards). 3d edit. en-
larged and improved. London (Williams
&N.). 408 8. 8. (10 3.6.d.)
Biron (P.), Atlas meteorologique, repre-
sentant les faits terrestres et magne-
tiques; 12 planches in fol. coloriees,
accompagnees d’un volume de texte
grand in 8 de 408 pages. Paris (Mal-
let-Bachelier) 1860.
Bettziech-Beta, Die atmosphärische
Hülle. — Die Natur. 1860. N. 5.
Dove (H. W.), Ueber die Vertheilung des
atmosphärischen Druckes auf der Ober-
fläche der Erde. — Zeitschr. f. allg.
Erdkunde. N. F. VI. 1859. p. 417.
Lenz (E.), Ueber die stündlichen Tem-
peraturänderungen der Luft und der
Oberfläche des Meeres in den Tropen.
— Bull. de l’Acad. Imp. de St. Peters-
bourg. 1. 1859. p. 212.
Bettziech-Beta, Beiträge zur Wetter
prophezeihung. — Die Natur. 1860.
INESIIO?
Forbes (J.D.), Inquiries about Terrestrial
Temperature; to which is added an In-
dex to M. Dove’s Five Memoirs on the
Temperature of the Globe. — Trans-
act. uf the Roy. Soc. of Edinburgh.
RX PZrEneThr
Heer (O.), Die klimatischen Verhältnisse
des Tertiärlandes. — Zeitschr. f. d. ge-
sammten Naturwiss. 1860. Januar.
Renny (H.L.), On the Constants of the
Barometric Formulae which make cor-
rect allowance for the Hygrometrie State
of the Atmosphere. — Transact. of the
Roy. Irish Academy. Vol. XXIII. 2.
1859. p. 623.
Renny (H.L.), On aNew Barometrie
Formula for Mountain Heights, in which
the Hygrometrie Condition of the Atmo-
sphere is systematically considered. —
ibid. Vol. XXIII. 2. 1859. p. 437.
Fritsch (K.), Ueber die Störungen des
täglichen Ganges einiger der wichtig-
sten meteorologischen Elemente an Ge-
wittertagen. Wien (Gerold’s Sohn, in
Comm.) 1860. Lex. 8. (14 Sgr.) Ab-
598
druck aus den Sitzungsber. d, Wiener
Akad. d. Wiss. Mathem.-naturwiss. Kl.
XXXVIII 1859. p. 633.
v. Wüllerstorf-Urbair, Ueber das
Verhalten und die Vertheilung der Winde
auf der Oberfläche der Erde, sowie ins-
besondere über die Windverhältnisse am
Cap Horn. Wien (Gerold’s Sohn, in
Comm.) 1860. Lex. 8. (16 Sgr.) Ab-
druck aus d. Sitzungsber. d. Wiener Akad.
d. Wiss. Mathem.-naturw. Kl. XXXIX.
1860. p. 105.
Rowell (G. A.), An Essay on the Cause
of Rain and its allied Phenomena. Ox-
ford 1860. 162 8. 8. (5 s.)
Mühry (A.), Die geographische Verthei-
lung des Regens auf der Erde. — Pe-
termann’s Mittheil. 1860. p. 1.
Taylor (J. W.), On the „Aurora Borea-
lis“. — Proceedings of the Roy. Geogr.
Soc. III. 1859. p. 117.
Kenngott (A.), Ueber Meteoriten. —
Monatsschr. des wissensch. Ver. in Zü-
rich. 4. Jahrg. 1859. Heft 10.
Dove (H. W.), Ueber das Klima des
westlichen Europa. — Zeitschr. f. all-
gem. Erdkunde. N.F. VII. 1859. p.353.
VII. 1860. p. 97.
Hertel, Wetterbeobachtungen vom 1.De-
cember 1848 bis zum 30. Nov. 1849.
— Neues Lausitzisches Magaz. XXXVII.
1860. p. 287.
Auszug aus den meteorologischen Beob-
achtungen zu Göttingen während der
Monate Juni bis December 1859 und
Januar u. Februar 1860. — Götting.
gelehrt. Anzeig. 1860. Beibl. N. 1.
3. 11.
Prestel, Die jährliche Veränderung der
Temperatur in Ostfriesland. — Ver-
handl. d. K. Leopold. Carol. Akad. d.
Naturforsch. XIX. 1860. p.285. Auch
besonders abgedruckt. Jena (From-
mann) 1860. gr. 4. (1 Thlr.)
Ausfeld, Meteorologische Beobachtungen
zu Schnepfenthal. — Zeitschr. f. d. ge-
sammten Naturwiss. 1859. December.
Looff’s meteorologische Beobachtungen zu
Gotha 1846 — 1859. — Petermann’s
Mittheil. 1860. p. 112.
Hoffmann, Uebersicht der meteorologi-
schen Beobachtungen im botanischen
Garten zu Gielsen. 1858. — Notizbl.
d. Ver. f. Erdk. zu Darmstadt. 1860.
N.'39.
Uebersicht der Beobachtungen des Grofs-
herzogl. Katasteramts im J. 1858. —
W. Koner:
Notizbl. d. Ver. f. Erdk. zu Darmstadt.
1859. N. 33. 34.
Tabellarische Uebersicht der Witterung in
Oesterreich in den Monaten November
u. December 1858. — Sitzungsber. d.
Wiener Akad. d. Wiss. Mathem.-natur-
wiss. Kl. XXXIX. 1860. N. 1. 4.
Merian (P.), Meteorologische Uebersicht
der Jahre 1857, 58. — Verhandl. d.
naturforsch. Ges. in Basel. II. Heft 3.
1859.
—, Mittel aus den meteorologischen Be-
obachtungen in Basel in den 30 Jahren
1829 —58. — ibid.
Wolf, Ueber die Witterung in Zürich in
den J. 1856—59. — Vierteljahrsschr.
d. naturforsch. Ges. in Zürich. 1860.
Heft 1.
Observations meteorologiques faites & l’ob-
servatoire de Geneve sous la direction
de Mr. Plantamour. — Bibl. univ. de
Geneve. 1860. Zu Ende jedes Heftes.
Resume meteorologique pour l’annee 1858
pour le Chaux-de-Fonds, Neuchatel,
Chaumont et Fontaines. — Bull. de la
Soc. d. sciences naturelles de Neuchatel.
V. 1859. p. 124.
Peters, Resume des observations meteo-
rologiques relatives aux vents faites &
Cornaux, de 1812 & 1819. — ibid. V.
1859. p. 148.
Resume des phenomenes les plus remar-
quables qui se sont passes & Neuchatel
dans le 16”° siecle de !’an 1500 a 1600.
— ibid. V. 1859. p. 103.
Tscheinen, Naturerscheinungen im Kan-
ton Wallis auf dem Simplon. — Viertel-
Jahrsschr. d. naturforsch. Ges. in Zürich.
Jahrg. IV. Heft 3. 1859.
Siegfried, Chronik der in der Schweiz
beobachteten Naturerscheinungen von Ja-
nuar bis Juni 1859. ibid.
Dufour (Ch.), Resume des observations
meteorologiques faites a Morges par M.
M. Burnier, Ch. Dufour et Yersin, pen-
dant les annees 1850 — 54. — Bull.
de la Soc. Vaudoise. VI. 1859. p.199.
Bobilier, Observations meteorologiques
faites a Dunkerque pendant l’annee 1858.
— Mem. de la Soc. Dunkerquoise. T. VI.
1858-59.
Pares, Deuxieme note sur le mirage aux
environs de Montpellier. — Annuaire
de la Soc. meteorol. VIII. 1859.
de Geus (G. A.), Algemeene tafel van
weerkundige waarnemingen, gedaan op
den Huize Zwanenburg, Halfweg Am-
.
\
|
)
|
|
|
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Plän«
sterdam en Haarlem, gemeente Hout-
rijk en Polanen, gedurende het jaar
1859. — Algem. Konst- en Letterbode.
1860. N. 6.
Weerkundige warnemingen op den huize
Zwanenburg. — Algem. Konst- en Letter-
bode. 1860. Zu Ende jeder Nummer.
Glaisher (J.), Remarks on the Weather,
during the Quarter ending December |
31st, 1859. — Journ. of the Statist.
Soc. XXIII. 1860. p. 125.
Davy (J.), Notice of an unusual Fall of
Rain in the Lake Distriet, in January
1859. — Transact. of the Roy. Soc. of
Edinburgh. XXII. P.1. p. 41.
Lenz (E.), Ueber eine bedeutende Ano-
malie in der Vertheilung der magneti-
schen Declinationen, welche am Eingange
des finnischen Meerbusens, sowie nörd-
lich und südlich von demselben beob-
achtet worden ist. — Bull. de l’ Acad.
Imp. de St. Petersbourg. I. 1859. p. 435.
Sabine (Edw.), Observations made at
the Magnetical and Meteorological Ob-
servatory at St. Helena, with Discus-
sions of the Observations at St. Helena,
the Cape of Good Hope, the Falkland
Islands, Carlton Fort in North America,
and Pekin. Vol. II. 1844 to 1849.
London (Longman) 1860. CXLVII,
526 8. 4.
Loomis (E.), Observations of the Mag-
netic Dip in the United States. —
Transact. of the American Philos. Soc.
New Ser. XII. P. 2. 1859.
Friesach, Astronomische und magneti-
sche Beobachtungen in Amerika, ange-
stellt in den J. 1857 — 59. — Sitzungs-
ber. d. Wiener Akad. d. Wiss. Mathem.-
naturw. Kl. XXXVII. 1859. p. 593.
Hildreth (S. P.), Abstract of a Meteo-
rological Journal, kept atMarietta, Ohio,
— American Journ. of Science and Arts.
Sec. Ser. XXIX. 1860. p. 218.
Burmeister (H.), Berichtigungen zu den
Barometerbeobachtungen in Parand. —
Zeitschr. f. allg. Erdkunde. N.F. VIII.
1860. p. 82.
Die Regenmenge in Süd-Australien 1839
bis 1859. — Petermann’s Mittheilungen.
1860. p. 241.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstrafse 18.
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Lith.Inst v.C.Monecke
ÖstLEv.Paris 2°
Berlin,bei D.Reimer.
Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften,
' welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten.
Im Verlage von Dietrich Reimer in Berlin, ist so ebene er-
schienen:
Uebersichts - Karte der Jade-, Weser- und Elbmü Indiana 4
herausgegeben von der Köniel. Preufs. Admiralität.
Maalsstab 1 : 100,000. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.
Diese Karte schliefst sich an die im vorigen Jahre erschienenen 6 Blätter
des „See= Atlas der Jade-, Weser- und Elhmün-
dumgenm, herausgegeben von der Mömigl. Preufs. Admira-
lität.“ Maalsstab 1 : 50,000 “, an.
Uebersichts-Karte von Mittel-Europa. Bearbeitet von H. Kie-
pert. Maalsstab 1: 3,000,000. Cart. 1 Thlr.
Wandkarte von Palästina für den Schulgebrauch. Bearbeitet von
HM. Kiepert. Zweite verbesserte Auflage. 8 Blätter. Maafs-
stab 1 : 200,000. -In Umschlag. 2 Thlr. 20 Sgr.
Graeciae antiquae tabula in usum scholarum descripta ab Henrieo
Kiepert. 9 Blätter. Maafsstab 1 : 500,000. - In Umschlag.
4 Thlr. 20 Sgr.
Bei Otto Meißner in Samburg ift erfchienen:
Das Beden des Mittelmeeres
in natürlicher und fulturhiftorifcher Beziehung.
Don Dr, Heinrich Barth.
2 Bogen gr. 8. geh. 6 Sar.
Diefe neue, mwerthvolle Schrift des berühmten Neifenden ift für jeden
Gebilvdeten von großem Sntereffe.
In unferem Verlage erfchien und ift in allen Buchhandlungen zu haben:
Gefchichte der Geographie
don
Sulinus Löwenberg.
Mit 2 chronol. Ueberfichtstabellen und 9 Ervanfichten (in einer Karte).
Neue (Titel) Ausgabe. Geh. 1 Thlr. (früherer Preis 2 Ihle.).
Berlin.- Haude & Spenerfihe Buchhandlung (F. Weibling).
‚ Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstr. 18,
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